Daniel Caspers von Lohenstein
Großmüthiger Feldherr Arminius
oder Herrmañ /

Als ein tapfferer Beschirmer der deutschen Freyheit /Nebst seiner Durchlauchtigen Thüßnelda in

einer sinnreichen Staats-Liebes- und Helden-Geschichte


Dem Vaterlande zu Liebe

Dem deutschen Adel aber zu Lehren und

rühmlichen Nachfolge


In zwey Theilen vorgestellet /

Und mit annehmlichen Kupffern gezieret.

Widmung

Dem

Durchlauchtigsten / Großmächtigen

Fürsten und Herrn / Herrn


Friedrich dem Dritten /

Marggrafen zu Brandenburg / Des Heil. Röm. Reichs Ertz-Lämmerern und Chur-Fürsten / in Preußen / zu Magdeburg / Fülich / Cleve und Berge / Stettin /Pommern / der Caßuben und Wenden / auch in Schlesien zu Großen und Schwibuß Hertzogen /Burggrafen zu Nürnberg / Fürsten zu

Halberstadt / Minden und Cammin /

Grafen zu Hohen-Tollern / der Marck und Ravensberg / Herren zu Ravenstein / der

Lande Lauenburg und Bütow / etc.


Meinem genädigsten Chur-Fürsten

und Herrn.

Zuschrift

Durchlauchtigster Großmächtiger Chür-Fürst /Gnädigster Chur-Fürst und Herr.

Arminius / vor welchem das Welt-beherrschende Rom mehrmals gezittert / hatte das Absehen / seine sieghaffte Waffen / welche nebst Ihm vor mehr als tausend Jahren zu Staub und Asche worden / wiederum ans Tagelicht zu bringen / und solche Eur. Chur-Fürstl. Durchl. Erlauchtestem Herrn Vater /höchstrühmlichen Andenckens zu Füssen zu legen. Dieser deutsche Held zohe Ihm und seinen Landes-Leuten das Römische Joch recht unerschrocken vom Halse / darunter viel Könige seuffzeten / und wiedmete die eroberten Römischen Adler / Waffen und Beile nach der Varischen Schlacht seinen Göttern. Was Wunder: daß er sich mit seinen Sieghafften zu demgrossen Europeischen Friedrich Wilhelm zu wenden begehret? als zu einem viel rechtern GOtt / weil Gott der Götter die Beherrscher der Erden selbst so nennet; als einem hertzhafften Vertheidiger Deutschlandes; welches wegen der vor wenig Jahren so tapfer verfochtenen Freyheit (die gleich denen beym Hellespont auf des Protesilaus Grabe wachsenden Bäumen von der herrschenssüchtigen Aufblähung des gegen über liegenden Iliums schon zu knacken anfieng /) seinen blutigen Degen zu küssen / und gleich dem Xenophon / dessen Sohn in der Mantineischen Schlacht vors Vaterland rühmlich gestorben / zu verehren Ursache hat; als einem Uberwinder; dessen Siege fast alle vier Theile der Welt geschmecket / und offt als einen Blitz empfinden müssen. Die Tugend ist wol ihr selbst-Lohn und braucht keines Anstriechs; Gleichwol aber hat Homer des Achilles / andere anderer Helden Bedächtnüs biß auf unsere Zeiten erhalten müssen. Dem Arminius ist sein Vaterland diese danckbare Pflicht schuldig geblieben; und die nach so viel hundert Jahren beym Schlusse dieses löblichen Vorhabens beschäfftigte väterliche Hand hat das Göttliche Verhängnüs durch allzufrühzeitigen Tod unterbrochen: daß nunmehr der Sohn diesem hochverdienten Helden hierdurch vollends ans Licht hilfft /und solch Werck / nach dem zu höchstem Leidwesen Deutschlands unser grosser Ceder-Baum / daran sich manch Staat sicher gelehnet / nicht ohne erbebenden Donner-Knall in Stücken zerfallen / Eur. Chur-Fürstl. Durchl. bey nunmehr angetretener Regierung / als einem nichts minder klugen und hertzhafften Nachfolger / zum schuldigsten Opfer / nebst seinem Hertzen / als der besten Beylage / in aller Unterthänigkeit liefert.

Arminius bleibt nun Zweifel ohne in dem berühmten Berlin / dessen Verherrlichung einen August zum Beherrscher andeutet / unter die Helden aufgethrönet /welchem Eurer Chur-Fürstl. Durchl. gleich Dero Erlauchtestem Herrn Vorfahr / weil von Adlern nur Adler gebohren werden / aller Welt zur Nachfolge lebhafftes Bild / gleich der Sonne bey denen Persiern oder denen Sinesischen Königen mehr mit verdecktem Munde und Angesicht stillschweigend zu verwundern / als durch eine ohnmächtige Feder abzuzirckeln. Denn Tinte und Farbe ist allzuschlecht hierzu; und das Alterthum hat schon längst seinen Phidias und Silanion / Welschland seinen Bernin / wir Deutschen aber unsern Rauch-Müller verlohren; wiewol auch diese noch nicht die rechten Werckzeuge der Verewigung sind; sondern Eur. Chur-Fürstl. Durchl. anbetenswürdige Vollko enheiten sahe man vor Dero würcklichen Regierungschon in die Sternen gezeichnet / und fester / als alle in stummen Marmel und Alabaster gehauene Ehren-Säulen / in die danckbaren Bemüther der itzig- und künfftigen Welt / als die lebhaften und unvergänglichen Behältnüße / gesetzet. Anitzo aber schauet gantz Europa Eur. Chur-Fürstl. Durchl. in Dero Erlauchtesten Herrn Vatern Fußstapfen vollkömmlich getreten zu seyn; in dem Selbte so wol zu grosser Verwunderung aller Fürsten / als hohem Vergnügen aller aufrichtig-gesinnten deutschen Hertzen die deutsche Freyheit zu beschirmen allbereit einen höchstrühmlichen und die Unsterbligkeit verdienenden Anfang gemacht haben; also Selbte nicht minder als ein ander Heermann / wie vor Dero eigene Länder / als des gantzen deutschen Reichs Wolstand zu sorgen bemühet sind.

Ich verhoffe die glückseligsten Zeiten / und darinnen meinen Angel-Stern erreichet zu haben / da inDero nunmehr durch eine wieder aufs neue aufgegangene Sonne bestrahlten Himmels- und Erden-Kreiße ich meinen würcklichen Sitz gefunden / in welchem Berechtigkeit und Friede sich küssen / Künste und Waffen sich umbarmen / und der heilige Gottesdienst die Grundfeste ist; also ein jeder Unterthan mit mehrerm Recht / als die Egyptier / welche ihren Segen weder dem Himmel / noch ihren Königen / sondern eintzig dem Nilus zuschreiben / vor die ewige Erhaltung des zeither vom Tod und Verhängnüs heftig erschütterten Erlauchtesten Chur-Hauses Brandenburg den Allerhöchsten hertzlich anzuruffen / und nebst mir sich glückselig zu schätzen und zu rühmen Ursach hat.


Eur. Chur-Fürstl. Durchl.


Allerunterthänig-gehorsamster Knecht

Daniel Caspar von Lohenstein

Vorbericht an den Leser

Vorbericht an den Leser.

Hochgeneigter Leser.


Hier stellet sich / unser vor etlichen Jahren gethanen Vertröstung nach / nunmehr der Großmüthige Arminius auf den Schau-Platz der Welt. Er suchet bey denen Sieg-prangenden Helden dieser Zeit günstige Erlaubnüs / Ihm einen Eintritt in dero Rüst-Kammern zu verstatten; Und lebet der guten Hoffnung: ob Er gleich in der heutigen Kriegs-Kunst / so wol wegen Aenderung der Zeiten / als anderer Zufälle und Gelegenheiten sich nur unter derselben Schüler oder /Lehrlinge zehlen möchte / daß sie ihm dennoch nichts minder seinen theuer-erworbenen Lorber-Krantz / als auch eine Stelle in denen Ehren-Sälen unter anderer Helden-Bildern gönnen / und ihm den Nahmen eines hertzhafften Feldherr deßwegen in keinen Zweifel ziehen werden; weil Er die Kriegs-Kunst und Staats-Klugheit zu seiner Zeit an dem Welt-gepriesenen Hofe des mächtigsten Kaysers Augustus / da die Krieg- und Friedens-Künste gleichsam mit einander umb den Vorzug kämpften / vollkommentlich erlernet / hernach aber bey Antretung seiner Regierung und obristen Feldhauptmannschafft in Deutschland / vor die Beschirmung der gleichsam in letzten Zügen liegenden Freyheit / gegen die stoltzen Römer höchst- rühmlich angewendet; ja nicht allein seinen bedrängten Lands-Leuten das schwere Joch der Römischen Dienstbarkeit / daran einige Römische Kayser so gar selbst einen Greuel gehabt / gäntzlich vom Halse gestreifft / andere deutsche Fürsten zu gleichmäßiger Heldenmüthiger Tapferkeit aufgemuntert / und wider die hochmüthigen Römer in Harnisch gebracht / sondern auch derogestalt siegen gelernet: daß das durch ihn geschwächte grosse Rom unterschiedliche mahl erzittert / Augusten sein Glücke zweifelhafft gemacht / und von derselben Zeit an das streitbare Deutschland vor unüberwindlich gehalten worden.

Man wünschte zwar wol: daß der Herr über Tod und Leben dem seligen Herrn Verfasser dieser Geschichte noch so viel Tage zugesetzet / als Er bedurfft hätte / daß Er seinem Arminius oder Herrmann in diesem Vorberichte selber das Wort reden / und Ihm einen Geleits- oder Beglaubigungs-Brieff in die Welt mitgeben / auch zugleich seinen itzigen Auftritt bestens entschuldigen können.

Wir wollen aber den hochgünstigen Leser indessen an den grossen Lehrmeister und Fürsten der Staats-Klugheit / den Cornelius Tacitus gewiesen haben /und mit dem vergnügt seyn: daß derselbe als ein ausländischer Geschicht-Schreiber und Feind der Deutschen sehr wol geurtheilet / wie man auch an seinem Feinde die Tugend loben müsse. Welch Zeugnüs denn um so viel mehr von der Heucheley und Laster der Dienstbarkeit entfernet / umb wie viel verdächtiger auch der glaubwürdigsten Freunde Urtheil ist; als denen offt wider ihren Vorsatz / wo nicht Heucheley /doch allzugütige Gewogenheit anhänget. Dieses hat Er auch damit bewehret: daß Er von unserm Arminius das herrlichste Zeugnüs von der Welt abgeleget und dabey gerühmet: Er habe Rom / das Haupt der Welt / da es in der grösten Blüte seiner Macht gestanden / und schon mit ausländischen Feinden fertig gewesen / hertzhafft angegriffen / keine Gefahr gescheuet / und sich in allen Treffen dergestalt tapfer verhalten: daß Er niemals gäntzlich geschlagen / noch überwunden worden.

Warumb aber unser seliger Lohenstein ihm eben die Beschreibung dieses Helden zu seiner Neben-Arbeit erwehlet / wollen wir zwar zu ergründen uns nicht bemühen; sondern einem jeden über dessen Ursachen ein freyes Urtheil abzufassen erlauben; Gleichwol aber dieses melden: daß vornehmlich so wol einige hohe Standes-Personen / als andere vertraute Freunde ihn hierzu veranlasset und ersuchet: daß Er von unsern Deutschen / gleich wie andere Völcker von ihren Helden / auch etwas gutes schreiben möchte; als welchen sie insgemein / gleich wie Homer dem Achilles / Xenophon dem Cyrus / und andere Andern zu viel / wie wir unserer kaltsinnigen Art nach / den Unsrigen zu wenig zugeeignet. Weil Er denn weder jener Befehl füglich abzulehnen / noch derer Bitte abzuschlagen vor möglich / sondern beyden etwas zu versagen vor ein straffwürdiges Laster gehalten; so hat Er ihm / nach dem fast alle Helden ihre Geschicht-Schreiber überkommen haben / die Lieb- und Lebens-Geschichte des Arminius / als welche Er zu seinem Zweck am beqvemsten zu seyn vermeinet / zu beschreiben vorgenommen / damit ja dieser unvergleichliche Held auch zu dieser Zeit noch einen herrlichen Glantz bey seinen Landes-Leuten bekommen /und sein Ruhm nicht gäntzlich in dem Staube der Vergessenheit begraben bleiben möchte. Diese deutsche Geschichte nun hat er aus dem tieffen Alterthum hervor gesucht / und selbige in eine solche Ordnung zusammen zu bringen sich bemühet / die dem Leser weder allzutunckel noch verdrüßlich fallen möchte. Dabey wolle sich aber der bescheidene Leser nicht befrembden lassen: daß Er nicht den Lateinischen Nahmen Arminius behalten / sondern ihn durchgehends nach der deutschen Sprache Herrmann benennet. Massen er sich dißfals / wie andere in dessen Benahmung seiner Freyheit gebrauchet; weil beyde Nahmen doch einerley sind / die meisten deutschen Geschichtschreiber aber seiner unter dem Nahmen Herrmann gedencken.

Sonst hat unser seliger Uhrheber in dieser Geschichte / wie andere Gelehrten nach dem Triebe seines Gemüths-Geistes dies geschrieben / worzu er von Natur so viel Lust / als wegen seiner Amts-Geschäffte Zeit und Gelegenheit gehabt. Und wird man Ihm umb so viel desto weniger diese Schreibens-Art übel deuten können / weil nicht allein bey andern Völckern /sondern auch in unserm Deutschlande die Edelsten unter den Sterblichen sich dergleichen bedienet; ja so gar vor wenig Jahren Durchlauchtige Hände einen höchstrühmlichen Anfang darinnen gemacht und genungsam gezeiget: daß wir nunmehr andern Völckern in der Kunst-Liebe / wo nicht es zuvor thun / doch die Wage halten können; also / daß wir der ausländischen Ubersetzungen vor itzo so wenig / als ihrer deßwegen über uns geführten Höhnerey bedörffen werden.

Vornehmlich aber hat eine hochgedachte Erlauchte Feder / und zwar eben in den Cheruskischen Landen / welche weyland unser Arminius beherrschet hat / zu grosser Vergnügung aller edlen Gemüther / mit den wichtigsten Beweiß-Gründen herrlich ausgeführet: daß dergleichen Arbeit ein Zeitvertreib des Adels seyn solle / und demselben insonderheit wol anstehe; in dem der Mensch vielmehr verpflichtet wäre den Gemüths-als Leibes-Ubungen obzuliegen. Welches auch hoffentlich keine vernünfftige Zunge in der Welt wird widersprechen / noch die geschickteste Feder wiederlegen können. Massen es doch allzuwahr ist: daß eine gute Feder einen Edelmann nicht minder in der Hand / als auf dem Helme zieret. Denn ob zwar der Adel an sich selber ein schöner Zierrath und helleuchtendes Kleinod des Menschen ist; so wil es doch aber auch nöthig seyn: daß Er in das feine Gold guter Sitten und Wissenschafften versetzet werde; sonst wird er dessen Besitzer eine schlechte Folge des Ansehens oder Hochachtung geben können. Die Edlen sollen die Eigenschafft der Adler / wovon sie nicht ohne Ursach den Nahmen fuhren / an sich haben / und sich unaufhörlich nach der Sonne der Tugend und guter Künste schwingen / und so wol bey Krieg-als Friedens-Zeiten nicht nur den Leib durch die Waffen und anständige Ritterspiele / sondern auch den Verstand durch die Bücher und das Schreiben üben. Denn hierdurch kan sich der Mensch allein edel machen; indem das Geblüte nur den Leib / Tugend und Wissenschafft aber den gantzen Menschen edel macht. Der Adel ist / wie Salicetus sagt / eine Tochter der Wissenschafft; und hat / wie Marius beym Salustius redet / seinen Uhrsprung aus der Tugend genommen. Er ist des Menschen Ehre; die Ehre aber nach des Aristoteles Ausspruche der Tugend Lohn. Dahero ist es unverantwortliche Thorheit / sich bereden lassen / als ob nach Wissenschafft streben und den Büchern obliegen einem Edelmanne verkleinerlich wäre / oder daß es Ihn zu andern Ubungen unfähig mache; da doch alle wolgesittete Völcker jederzeit dafür gehalten: daß es rühmlicher sey den Adel von der Tugend /als von den Ahnen zu zehlen. Deßwegen / spricht Livius / habe zu Rom ein jeder / der nur tugendhafft gewesen / auch edel werden können. Was kan aber den Menschen eher tugendhafft machen / als gute Künste und Wissenschafften erlernen; als wordurch der Verstand nicht nur geschärffet / sondern auch das Gemüthe / ja der gantze Mensch ermuntert / und zu allem guten fähiger gemacht wird? Der grosse Alexander ist nicht zu schätzen gewesen: daß Er aus dem Stamm der Macedonischen Könige / noch der Cäsar: daß Er aus dem Hause der Julier gebohren worden; sondern daß beyde sich durch Tugend und Tapferkeit groß gemacht haben. Hätten selbige auch nicht die Weißheit zur Gefärthin gehabt / würde ihr Ruhm einen schlechten Glantz zum Beysatze haben. Denn es ist nichts schändlichers / als / so zu reden / dem Jupiter zu wieder den Bacchus im Haupte / und die Pallas im Bauche führen; oder nur bloß allein edel von Geblüte und leer von Weißheit seyn; daß man so denn nur allein zu dem Gedächtnüs oder Ehren-Bildern seiner Ahnen fliehen / und von der Vorfahren Glantze entlehnen; also es solcher Gestalt nicht viel besser machen müsse / als bey den Alten die Ubelthäter /welche / wenn sie verfolget wurden / ihre Zuflucht zu den Altären / Begräbnüßen oder Bilder-Säulen der Kayser zu nehmen pflegten. Massen solche Menschen nichts besserem / als denen mit zierlichen Sattel-Decken prangenden Bucephalen vergliechen werden können. Aller Gegen-Einwendungen aber ungeachtet /wird es doch sonder Zweifel noch ferner / so lange tugendhaffte Menschen in der Welt seyn werden / dabey bleiben: daß die Tugend der beste Adels-Brieff / und /wie Pontanus spricht / scheinbarer als die Sonne sey /weil jene auch die Blinden / diese aber sie nicht sehen können. Und wäre zu wünschen: daß alle edle Menschen glauben lernten / daß es auch noch heute in der Welt / wie weyland zu Rom / gehe / da niemand in den Tempel der Ehren kommen konte / er muste denn zuvor durch den daneben gebauten Tempel der Tugend gehen; so würden sich vielleicht ihrer viel dem Glück zu Trotz aus jedem Stande lobwürdig erheben können; Allermassen wie der deutsche Homerus unser Opitz von einem gelehrten Ritter Schaffgotsche / der einen artlichen Poeten abgegeben habe / redet: der Stand durch Verstand blühet / und wer nur Verstand hat / auch mit Stande / Gut und Adel begabet wird. Wie denn dessen unser seliger Lohenstein selber ein Beyspiel abgeben kan / wie diß an Ihm wahr worden /was Sprach saget: daß die Weißheit Ihn zu Ehren gebracht / und neben die Fürsten gesetzet hat.

Was nun diese seine Arbeit anbelanget / so wolle der hochgeneigte Leser solche nicht durchgehends vor ein blosses Getichte / oder so genennten Roman halten. Denn ob man zwar wol gestehen muß: daß die Grich- und Römischen Geschichtschreiber nicht so viel wunderliche Zufälle und weitläufftige Umstände anführen; so wird man sich doch diß nicht gantz befrembden lassen / sondern dabey glauben: daß unser Uhrheber viel des jenigen / was Er nicht bey den Geschichtschreibern gefunden / theils aus seinen alten Müntzen / theils aus den Uberschrifften und Gedächtnüs-Maalen / die er ihm insonderheit hierinnen überaus wol zu Nutz zu machen gewust / zusammen gesucht / solche gehöriger Orten klüglich angewehret /und also den Mangel damit hin und wieder ersetzet hat. Weßwegen zwar zuweilen ein- oder die andern Umbstände als ertichtet zu sein scheinen; doch aber /daß sie nicht durchgehends vor blosses Fabelwerck zu halten sind / entweder in der alten oder neuen Geschichte ihre gewisse Ursachen und die Wahrheit zum Grunde haben. Welches der in den Alterthümern und Geschichten bewanderte Leser leicht mercken / die Räthsel auflösen / und die rechten Trauben von den gemahlten zu unterscheiden wissen wird.

Es ist zwar unser Uhrheber bey seinen Lebzeiten niemals gesonnen gewesen / diese Geschichte durch den Druck ans Tagelicht zu stellen / und sich damit den ungleichen Urtheilen der Welt zu unterwerffen. Nicht / daß er seine Arbeit jemanden mißgegönnet /oder sich jemals dergestalt in seine Gedancken verliebt hätte: daß er andere neben sich vor Kebsweiber gehalten; sondern weil er selbige / wie alle seine Sachen / niemals vor etwas geachtet / was der Welt mitzutheilen würdig sey. Massen Er dieses alles bloß zu obgemeldter vornehmer Personen und guten Freunde eigenen Gefallen und Vergnügung / in denen / wegen seines mühsamen Amptes häuffigen Geschäffte und schwerer Rechts-Händel / wenig übrigen Stunden /besonders aber meistens in seinem Gicht- oder Geduld-Bette zum Zeitvertreib und Gemüths-Beruhigung geschrieben / und zuweilen ihnen etwas davon mitgetheilet / die sich denn mit dessen Durchlesung nichts weniger / als er mit der Arbeit belustiget / und ihn immer mehr aufgemuntert haben.

Das Absehen dieser Arbeit wird der kluge Leser gleichfals leicht wahrnehmen können: daß er der Welt dadurch einen guten Nutzen zu schaffen getrachtet; weil er vornehmlich angemercket: daß ins gemein junge Standes-Personen allzuzeitlich einen Eckel vor ernsthafften Büchern zu bekommen / und lieber die mit vielen Eitelkeiten und trockenen Worten angefülleten Liebes-Bücher / als den la Motte / oder den Spanischen Saavedra / da doch diese Bücher ihre Gelehrsamkeit und ihren Nutzen haben / zu lesen pflegen. Dahero unser Lohenstein auf die Gedancken gerathen: ob man nicht unter dem Zucker solcher Lie bes-Beschreibungen auch eine Würtze nützlicher Künste und ernsthaffter Staats-Sachen / besonders nach der Gewohn- und Beschaffenheit Deutschlands /mit einmischen / und also die zärtlichen Gemüther hierdurch gleichsam spielende und unvermerckt oder sonder Zwang auf den Weg der Tugend leiten / und hingegen ihnen einen Eckel vor andern unnützen Büchern erwecken könte. Weßwegen er auch hierinnen allerhand fröliche und traurige Abwechselungen von lustigen / verliebten / ernsthafften und geistlichen Sachen gebrauchet / umb die Gemüther desto aufmercksamer zu machen, auch über diß mehr auf anmuthige Reden / gute Gleichnüße und sinnreiche Sprüche / als allzuweitläufftige Umbstände und Verwickelungen der Geschichte gesehen. Derowegen wolle der bescheidene Leser auch nicht übel vermercken / wenn er da oder dort einigen Irrthum entweder in dem Nahmen oder der Zeit-Rechnung befinden möchte Massen der seelige Verfasser wegen seines geschwinden Absterbens das gantze Werck nicht gäntzlich durchlesen können / da Er sonder Zweifel wol noch eines oder das andere ab- oder zugethan haben würde. Ob Er nun schon seinen Zweck nicht in allem nach Wunsch erreichet haben dörffte; so wird Er doch zum wenigsten hierinnen die Bahn gebrochen / und so wol den Nachkommen ein Licht aufgesteckt / als die Lehre eines gewissen Ausländers beobachtet haben: daß dergleichen Bücher stumme Hofemeister seyn / und wie die Redenden gute Lehren und Unterricht geben; also diese neben denselben durch allerhand Beyspiele die Würckung des Guten / und die Folge des Bösen /die Vergeltung der Tugend / und die Bestraffung der Laster vorstellen sollen.

Dahero / wenn ja jemanden bedüncken möchte / als ob ein oder das andere Laster zuweilen hierinnen mit schönen oder zu freyen Worten beschrieben wäre; so wolle doch derselbe ihme von unserm seeligen Herrn Uhrheber keine übele Gedancken machen / sondern vielmehr glauben: daß er in der Gerechtigkeit / in der Tugend und Liebe zu GOtt fest gegründet gewesen /und wol keinem Christen in der Welt hierinnen nachgegeben. Sein Hertz war von allem Eigennutz entfernet; hingegen sein Gemüthe desto mehr nach Weißheit begierig und in derselben unersättlich. Deßwegen hielt er jederzeit gleich dem berühmten Engelländer Bradfort / die Unterredung mit gelehrten Leuten / die er fast täglich zu seinen Besuchern wünschte und auch hatte / vor eine Erqvickung der Seelen / und sahe es überaus gerne / wenn sie an seinem Tische vor lieb nahmen / und durch kluge Gespräche ihm seine Speisen würtzten. In Ermangelung derselben aber waren gute Bücher seine unzertrennliche Gefärthen; und war ihm nicht möglich einen eintzigen Augenblick müßig zu seyn. Denn er schätzte die vergebens hinstreichende Zeit mit dem weisen Demetrius vor den kostbarsten Verlust; und hielt dies / was andere Arbeit und Mühe nennen / vor ein stärckendes Labsal und die allersüsseste Gemüths-Erleichterung. Daher erwehlte er ihm außer seinen Ampts- und andern Verrichtungen eine beständige und immerwehrende Arbeit / die ihm nach des Himmels Bewegung oder Sonnen-Lauff gleichsam in einem unauffhörlichen Zirckel führte. Sie war ihm ein rechtes Spielwerck; also / daß man wol mit Warheit betheuern kan: daß ihm solche niemals einigen Schweiß ausgepreßt / noch etwan Verdruß oder Ungeduld erwecket hat. Denn er war in der Arbeit überaus glücklich; Er wuste ihm die schwersten Sachen dergestalt leicht und annehmlich zu machen: daß ihn etwas zu verfertigen fast wenig oder gar keine Mühe gekostet. Massen sein Kopff ein rechtes Behältnüs der Wissenschafften zu seyn schien / darinnen er die allerwichtigsten Beweiß-Gründe gesammlet hatte; und zu aller Zeit so wol aus dem Munde / als der Feder von sich geben / und gleichsam wie eine Schale den Balsam der Gelehrigkeit nur immer reichlich ausgiessen konte. Hierinnen aber hat er wie andere als ein Mensch geschrieben / und als ein rechtschaffener Christ nach seiner Schuldigkeit geglaubet; auch eine und die andere Begebenheit bloß zu einem Beyspiel vorgestellet / und zwar mit einer solchen Art / die dem Leser eine Begierde so wol das Gute als Böse zu betrachten / beydes aber zu unterscheiden /erwecken möchte. Denn allzulange auf einer Seite spielen / oder immer einen Thon hören / ist den Ohren verdrüßlich / und dem Gemüthe zu wieder. Zu dem weiß man ja wol: daß den Reinen alles rein ist; und tugendhaffte Gemüther auch aus Lesung des Bösen wie die Scheide-Künstler aus gifftigem Napel etwas Gutes zu ziehen pflegen.

Denn weil alles der Veränderung unterworffen ist, und wir Menschen in der Welt meist die Abwechselung der Dinge / als die Mutter der Vergnügung lieben / ob solche gleich nicht allemal eine freundliche Stirne / und den Mund voll Bisam hat; So folgen wir billich hierinnen dem Beyspiel des Himmels; der bald trübe / bald klar / bald stille / bald stürmerisch zu seyn / und zuweilen mit Blitz und Donner zu spielen pfleget / damit etwas gutes daraus folgen könne / was wir uns weder versehen / noch dessen Ursachen / warumb diß oder jenes geschehen / ergründen können. Derowegen wird ihm ein jeder bedachtsamer Leser die auf solche beschriebene Laster allemal gefolgten grausamen Straffen hierinnen eben so wol / als in dem heiligen Haupt-Buche zu einer Warnung und Schrecken dienen lassen. Denn hätte niemand die Klippen Scylla und Charybdis ausführlich beschrieben / und die See-fahrenden vor der Gefahr gewarniget / so würden noch viel Schiffer daran scheitern / und sie anitzo niemand so klüglich zu meiden wissen. Ein jeder Ort hat seine Wunderwercke und seine Mißgeburten / wie seine Tage und Nächte; Und wo Sonnen sind / da giebt es auch Finsternüße. Dannenhero wir alle Sachen in der Welt gleichsam als in einem Spiegel beschauen / die bösen meiden / die guten annehmen /und stets gedencken sollen: daß wie alle / auch die geringsten Laster ihre gewisse Straffen; also die Tugenden allezeit ihre herrliche Belohnungen zu gewarten haben. Denn beydes das Gute und auch das Böse sind gewisse Zahler einem jeden / wie Er es verdienet. Wer böse geartet ist / wird gleichwol böse bleiben / wenn er schon nicht den Arminius gelesen haben wird. Zu dem könte man wol fragen: was können die Steine davor / daß der / so gläsern ist / sich daran zerstösset? Wer nicht wol versetzen kan / muß niemals fechten /noch sich ohne guten Wind zu tieff in die See begeben. Man soll bey Lesung der Bücher ein adeliches Hertz haben / und mit Verachtung alles / was weibisch oder unedel ist / bey Seite setzen; hingegen seine Hand wie der unter des Licomedes Jungfrauen in Weiber-Tracht verborgene Achilles nach würdigen Sachen ausstrecken. Denn als diese mit Anschauung des vom verkleideten Ulysses zum verkauffen dahin gebrachten Weiber-Schmucks beschäfftiget waren /Achilles bloß nach der darunter verborgenen Wehre grieff / und also hierdurch vom Ulysses erkennet ward. Mancher lieset zwar die heiligsten Bücher /höret tausend guter Lehren und nachdrückliche Vermahnungen / dennoch aber wil ihn keines bessern; sondern er unterstehet sich vielmehr wol gar die allerherrlichsten Dinge / wie Lucianus / zu einem Gespötte zu machen. Wie denn auch noch heute zu Tage nichts gemeiners in der Welt ist / als über andere Sachen seltzame Urtheile fällen und tadeln können. Ja es giebet so gar Menschen / welche lieber ohne Zunge als Stichreden seyn wolten; also daß es mancher entweder vor keine sinnreiche Erfindung / oder ihm vor einen Schimpff halten würde / wenn er nicht von jedem Dinge etwas böses oder stachlichtes zu reden wüste. Denn dadurch meinen dergleichen Leute / welche sich gleichwol die Warheit zu reden einbilden /bey der gelehrten Welt vor helleuchtende Sternen angesehen zu werden; da sie doch kaum dampfende Pech-Fackeln sind / welche / was auch immer ihr Schwefel und Rauch vor Bländungen vorbilden kan /sich doch ihres Gestancks halber selbst verrathen /und ihre eigene Vertunckelung befördern. Diese reden insgemein nie zierlicher / als wenn sie am übelsten nachreden; und gläntzen niemals mehrers / als wenn sie am meisten brennen. Sie sind wie die Löwen /welche / wenn sie einmal Blut von ihren Klauen gelecket / noch immer grössere Begierde darnach haben; oder wie die Scorpionen / die nur allezeit zu stechen bereit sind. Hingegen haben alle rechtschaffene Gemüther jederzeit eine Abscheu vor Spöttern zu tragen pflegen; weil ihre Worte und Tinte ein lauteres Gifft ist / so die Nahmen und alles das / was sie benennen / vergifftet. Wie denn jener ausländische Ritter und kluge Raths-Herr zu Venedig gar nachdencklich hiervon geurtheilet: daß kein ehrlicher Mann mit gutem Gewissen dergleichen weder reden noch schreiben könte; Und gleich wie man Verrätherey liebte /den Verräther aber hassete; also man auch Spott- oder Stachel-Reden zwar lobte / aber vor derselben Uhrheber einen Abscheu trüge; ja einem dergleichen Liebhaber an statt des verhofften Lobes gar hoch vernünfftig zur Antwort schrieb: Disteln säen und Satyrische Schrifften machen / wäre seines Bedünckens einerley; wenn sodenn Dornen daraus wüchsen / müste man nicht das Glücke / sondern seine eigene Thorheit anklagen. Und ob selbte zwar bey den Zuhörern ein Gelächter erregten / setzten sie doch gemeiniglich den Uhrheber in Leid. Dannenhero diese der grosse Alexander recht Königlich verlachet / Tiberius verstellet /und Titus gar nicht angehöret; Massen dieses süsse Gifft seine eigene Straffe mit sich führet. Solche Menschen / so ihren herrlichen Verstand und Vernunfft nur zum Bösen und des Nechsten Nachtheil anwenden / werden offtmals / weil sie mit schädlichem Rauch gehandelt / auch wie des Alexander Severus Diener /Turinus mit Rauch gestraffet; und könten nicht unbillich ein Beyspiel vom Peryllus nehmen / als welchen die Göttliche Rache nicht ohne Ursach straffte: daß /weil er die schöne Kunst aus Ertzt Bildnüsse der Götter und fürnehmer Helden zu güssen endlich mißbrauchte / und dem grausamen Phalaris zu Liebe einen Ertztenen Ochsen / als ein Werckzeug die Menschen zu peinigen machte / er auch darinnen zu erst die Wahrheit bewehren / und seinen verbrennten Leib den höllischen Göttern zu einem Schnupff-Pulver werden lassen muste.

Gleich wie es nun allerhand wunderlich-geartete Menschen in der Welt giebt; also mühen sich einige /die einen Gran wichtiger als die itzt beschriebenen seyn sollen / nichts / als unnöthige Grübeleyen / und eitel unnütze Fragen auf die Bahn zu bringen; Und wollen mit einiger Noth wissen wessen Tochter Hecuba gewesen? was Achilles / als er unter des Licomedes Jungfrauen verborgen gewesen / vor einen Nahmen geführet? was vor ein Lied die Syrenen zu singen pflegen? In welche Hand Diomedes die Venus verwundet? An welchem Fuße Philippus gehuncken? durch wen Augustus des Brutus Kopff nach Rom geschickt? und dergleichen mehr; oder leben gar wie Domitianus: daß sie sich lieber täglich etliche Stunden mit einer treflichen Fliegen-Jagt / als einem nützlichen Buche zu erlustigen pflegen. Hingegen sind an dere wol so gottloß: daß sie die allernützlichsten Sachen hassen / und sich nicht allein unterstehen schädliche und nichtige Dinge / wie Favorinus das viertägichte Fieber / Dio die lange Haarlocken / Synesius die Glatzen / Lucianus die Fliegen zu loben / sondern andere wol gar den Fürsten der Finsternüs mit Lobsprüchen zu verehren. Ihrer viel sind auch / die nicht nur den Neptun wegen seines der Augen halben nicht recht gebildeten Ochsens / Minervens Hauß wegen seiner Unbewegligkeit / des Vulcanus Menschen-Bild wegen der nicht durchsichtigen Brust zu tadeln; sondern so gar den himmlischen Körper selbst / als das gröste Uhrwerck des höchsten Schöpffers nach ihrer Einbildung einzurichten und zu stellen sich bedüncken lassen.

Derowegen können wir uns umb so vielmehr leicht die Rechnung machen: daß wie nicht alle Sachen allen gefallen; ja das grosse Welt-Licht die Sonne selbst von den Persen angebetet / von den Mohren hingegen verfluchet wird; noch die besten Speisen jedwedem Munde schmecken; also auch dieser unser Arminius nicht nach eines jeden Gehirne eingerichtet seyn; sondern ein jeder nach seiner Einbildung / oder nach der Gewogenheit zu dessen Verfasser gut oder böse davon urtheilen / und also ihm nicht besser gehen werde / als des Jupiters Bildnüße / umb dessen Kopff die Spinnen ihr Gewebe ziehen. Denn / denen Ungeduldigen oder allzu vieles Qvecksilber-habenden wird vermuthlich diese Schreibens-Art zu weitläufftig / den Ungelehrten zu hoch und historisch / den Scheinheiligen zu frey / denen Welt-gesinnten mit zu vieler Weltweißheit und geistlichen Sachen angefüllet / denen übrigen aber auf diese oder jene Art nicht recht seyn /und da oder dort seine Fehler haben; also / daß man wol mit dem Ausomus Ursach zu sagen haben möchte: wem dieses unser Spiel nicht gefällig ist / der lese es nicht; oder wenn er es gelesen / so vergesse er es wieder; der so er es nicht vergessen möchte / so verzeihe er uns.

Allein es wolle der hochgeneigte Leser nur gedencken: daß ein Mensch keiner Englischen Krafft fähig ist; ja auch dem Fleische der Heiligen selber Schwachheiten anhangen: und daß man das jenige Buch / welches lauter gleichgewogene Leser oder Liebhaber bekommen / und allen Menschen gefallen wird / unter die sieben Wunderwerke der Welt zehlen / desselben Verfasser aber zum Oberhaupt und Richter aller Bücherschreiber setzen werde. Viel / die dergleichen Geschicht-Bücher verachtet / haben weder selber was bessers zu schreiben / noch sonst durch ihr Beyspiel die Welt frömmer zu machen gewust. Man hat auch noch niemals weder gehört noch gelesen: daß es aus ihrem Haupte Gold geregnet hätte / vielleicht /weil kein Bergwerck darinnen gewesen. Denn ein jeder mag sich nur bescheiden: daß zwar alle Meere Schaum und Sand / aber nicht Perlen und Korallen herfür bringen können.

Schlüßlich aber wolle ja niemand meinen: daß unser Uhrheber die Zeit nur bloß allein an dieses Werck oder seine Poetische Getichte gewende habe. Wer von seiner andern Arbeit und Ampts-Verrichtungen Zeugnüs begehret / denselben wollen wir nicht allein an das Breßlautsche Rath-Hauß / und den berühmten Welt-klugen Herrn Frantz Freyherrn vonResselrode / den Mäcenas dieser Zeit / sondern auch an die jenigen / so ihn gekennet / gewiesen haben; als welche hoffentlich ohne alle Heucheley oder Partheyligkeit ihm das Ehren-Lob nachzurühmen sich nicht wiedern werden: daß er die kurtzen Jahre seines Lebens / so wol vor die Stadt / als die jenigen / die sich seinem Rath und Beystandes anvertrauet / treulich und redlich gearbeitet / seine gröste Lust in der Arbeit gesucht / und gnungsam gewiesen / ja sein Corpus Juris zeugen wird: daß er so wol ein grosser Rechtsgelehrter und kluger Staats-Mann / als sinnreicher Poet gewesen; und daß man gar wol in der einen Hand der Astrea Wagschale / in der andern aber auch des Apollo Leyer führen könne. Denn wo Themis und Minerva in einem Tempel beysammen gestanden /haben sie allezeit denselben berühmter gemacht / und einander die beste Handreichung thun können. Dahero auch eine Erlauchte Person von unserm Lohenstein artlich zu schertzen Anlaß genommen: Es hätte das Glücke in Austheilung der Ehren-Aempter entweder geirret / oder ihm unrecht gethan; in dem es ihn zu einem Staats-Diener nicht einer Stadt / sondern eines grossen Königs machen sollen / weil er zu dergleichen Diensten vor andern fähig / und gar füglich des Plinius Baum / der einen gantzen Garten mit allerhand Früchten vorstellte / oder auch des Ausonius Bacchus-Bilde / so von allen Göttern etwas eigentliches gewiesen / und er es daher Pantheon / oder alle Götter genennet / zu vergleichen gewesen.

Dannenhero werden weder Plato / noch alle die jenigen eigensinnigen Klüglinge / welche der Poesie /samt allen andern denen Gelehrten mehr schönen Zierrath als grossen Reichthum erwerbenden edlen Künsten eine Grufft zu bauen / oder zum minsten nur ihrem Purpur einen Schandfleck zu machen bemühet sind / einen Schluß abzufassen Ursach haben / keinen Poeten in Rath oder zu weltlichen Ehren-Aemptern zu nehmen. Da doch Rom und Grichenland nie berühmter gewesen sind / als da die Poesie auch bey Burgermeistern und andern Grossen zu Hause war. Daher wird es auch hoffentlich unserm Breßlau / so lange nur gute Künste und Sitten in der Welt blühen werden / eben so wenig / als der Stadt Rom / weil der Burgermeister Cicero ein grosser Redner daselbst gewesen und Bücher geschrieben / als sonder welche er in der Welt vielleicht weniger bekannt seyn würde / niemals zu einiger Schande und Verkleinerung ihres Ansehens gereichen / wenn man gleich sagen wird: daß Hofmannswaldau / Lohenstein / und für ihnen viel andere ihres gleichen Getichte geschrieben / und die Poesie zur höchsten Vollkommenheit gebracht haben. Die allergrösten Helden-Geister sind entweder selber Poeten oder doch grosse Liebhaber / ja der erste deutsche grosse Kayser Carl / den Ost und West angebetet / der Uhranheber der deutschen Tichter-Kunst gewesen. Die Lesung des Homerus Getichte hat dem grossen Alexander mehr Feuer / als seiner Diener Rath zu Heldenmüthigen Entschlüssungen gegeben; Und es hätte ihm jener frembde Bothe / der mit einem freudigen Gesichte zu ihm kam / auf seine Frage: Ob Homerus von den Todten auferstanden wäre? keine frölichere Zeitung sagen / als wenn er hätte Ja sprechen können. Unser Arminius kan auch selber Zeugnüs ablegen: daß er an dem mächtigen Kayser August / nichts minder einen geschickten Redner und Poeten /als grossen Herrscher gefunden habe; der auch schon im zwölfften Jahre seiner Groß-Mutter Julia eine offentliche Leich-Rede gehalten / hernach aber bey seiner Kayserlichen Würde es seinem hohen Ansehen gantz nicht verkleinerlich geachtet / daß er so gar seines Staats-Dieners Mäcenas Tod mit einem Leich-Ge tichte beehret hat. Und ob zwar Plato in seinen Gesetz-Büchern übel von den Poeten geredet; so hat er doch mehr den Mißbrauch / als die Kunst bestraffen wollen; Im übrigen aber von einem Poetischen Rath so viel gehalten: daß er sie anderswo Väter und Führer der Weißheit / ja ein Göttliches Geschlecht genennet. Ist auch gleich nicht eben mit Absterben der Poeten eine Stadt zu Grunde gegangen; so hat man doch zum wenigsten allemal nicht ohne Nachdencken beobachtet: daß so bald aus einem Orte die darinnen zum höchsten gestiegene Tichter-Kunst sich verlohren / derselbe auch in kurtzem ein gantz anderes und verstelltes Gesichte bekommen hat.

Jedoch damit wir nicht die Gräntzen einer Vorrede allzuweit ausstecken / wollen wir dißfals weder eine Lobschrifft noch Schutz-Rede oder Vertheidigung der Poesie machen, sondern nur letzlich den geduldigen Leser hiermit gebührends ersuchet haben: daß er von unserm seligen Lohenstein gleichfals ein gutes Urtheil fällen; indessen aber den Ersten Theil solcher seiner Arbeit gewogen aufnehmen / und künfftige Michael-Messe / geliebts GOTT / des Andern nebst vollständigen Registern gewärtig seyn; auch alle Fehler darinnen zum besten kehren / und gewiß glauben:daß wo er es ja nicht in allem wol getroffen / doch wol gemeinet / und nicht allein damals bey den Freudensbezeugungen über des itzigen Allerdurchlauchtigsten König Josephs in Ungarn höchsterfreulichen Geburt gleichsam aus einem Poetischen Triebe gewahrsaget hat: daß derselbe seines Groß-Anherrn-Vatern / Kayser Carl des Fünfften Fußstapffen betreten / alle seine Tugenden und Glücke besitzen / und nach Anzeigung des anfänglich verlauteten Geburts-Tages / eben wie dieser ruhmwürdigste Kayser / so wol von Sieg als Friede berühmt werden würde; Sondern er hat auch gleich wie wir / jederzeit diesen andächtigen Wunsch in seinem Hertzen geführet: daß der grosse GOTT / als der höchste Beschirmer und Erhalter aller Königreiche und Länder unser itzigen Allerdurchlauchtigsten Oesterreichischen Herrmann / den Grossen LEOPOLD / einen nichts minder großmüthigen Feldherrn / als preißwürdigsten Beschirmer deutscher Freyheit in unverrucktem Wolstande erhalten / fernere glückliche und Siegreiche Waffen wieder alle die deutsche Freyheit kränckende Feinde verleihen / und unter Seine Fahnen lauter tapfere /keinen Eigennutz / sondern nur das Vaterland und die Eintracht liebende Heer-Männer senden / auch das gantze hochlöblichste und allergütigste ErtzhaußOesterreich dergestalt segnen wolle: daß dessen Stamm sich durch die gantze Welt ausbreiten / seine Zweige aber biß in den Himmel reichen mögen.

Ehren-Getichte

Was ist der kurtze Ruff der mit ins Grab versinckt /
Dafern Er aus der Grusst nicht ewig wider schallet?
Ein schneller Blitz / der zwar von Ost biß Westen blinckt /
Doch bald vergessen ist / wenn drauf kein Donner knallet /
Ein Rauch der bald verfliegt / ein Wind der bald verstreichet /
Ein Irrlicht / dessen Schein für neuer Sonn' erbleichet.
Wie bald verkocht in uns die Hand voll kühnes Blut!
Wie eilends pflegt das Tacht des Lebens auszubrennen!
Noch Hand noch Schädel weist den edlen Geist und Muth.
Wer wil den Zunder in der todten Asch' erkennen?
Der welcher unser Lob erhalten solt' auf Erden /
Muß dess' in kurtzer Zeit ein stummer Zeuge werden.
Was hilffts denn / daß ein Mensch nach grossem Nahmen strebt /
Wenn sein Gedächtnüß nicht kan zu der Nachwelt dringen!
Für Agamemnons Zeit hat mancher Held gelebt /
Dehn Seiner Tugend Preiß zun Sternen können bringen;
Weil aber kein Homer zu Ihm sich hat gefunden /
Ist Seiner Thaten Glantz in tunckler Nacht verschwunden.
Braucht allen Aloe und Balsam Alter Welt /
Bemahlt nach Sothis Art die theuren Leichen-Kittel /
Schnitzt feste Zedern aus mit fremdem Leim verkwellt /
Bezeichnet Tuch und Sarch mit Bildern grosser Tittel /
Wird nicht ein Oedipus die schwartze Brust entdekken /
Bleibt im Verwesen doch Eur Stand und Wesen stekken.
Baut hohe Gräber auf / bedeckt mit einer Last
Von Jaspis und Porphir die dorrenden Gebeine /
Schreibt Nahmen / Thun und Amt in Taffend und Damast /
In Holtz / in Gold und Aertzt / in festen Stahl und Steine;
Zeit / Moder / Fäule / Rost weiß alles zu entstalten:
Des Nachruhms Ewigkeit ist anders zu erhalten.
Sucht in des Cörpers Glutt für todten Nahmen Licht /
Es wird sein Glast so bald als diese Flamme schwinden.
Ein unverzehrlich Oel wenn sein Gefässe bricht
Muß durch die Lufft berührt samt Eurem Ruhm erblinden.
Der Mahler pflegt sein Licht mit Schatten zu erhöhen;
In schwartzen Schriften bleibt die Tugend helle stehen.
Weil im Pelatzger Land die Künste hilten hauß /
Sind seine Lorbeer-Zweig auch unversehrt bekliben.
Rom breitte Seinen Ruhm durch Schwert und Feder aus:
Was Cäsar hat gethan das hat er auch geschriben.
Der Teutschen Tichterey der Barden Helden-Lider
Belebten Mannens Geist Tuiscons Asche wider.
Wem wär' Epaminond' ohn kluge Schrift bekant?
Wer wolte nach Athens und Spartens Fürsten fragen?
Wo blibe Lysimach der Leuen überwand?
Würd' auch die Welt was mehr vom grossen Grichen sagen?
Es hätt' Ihr Nahme längst wie Sie vermodern müssen /
Wenn Sie kein weises Buch der Sterbligkeit entrissen.
Itzt wär' Horatz von Rom auf beyden Augen blind /
Die Flamme kühner Hand die sich so frey vergriffen
Und freyer noch gestrafft verrauchet in den Wind /
Duil umbsonst so oft Er Essen ging bepfiffen /
Roms Schutz-Stab Scipio verfaulet und zubrochen /
Wenn nicht ein Livius für Sie das Wort gesprochen.
Doch weil der Eitelkeit ein enges Ziel gestekkt /
Weil Bücher auch vergehn und Ehren-Säulen wanken /
Sigs-Zeichen fallen umb / und Grauß den Marmol dekkt /
Weil Schriften sich verlir'n aus Augen und Gedanken /
Muß Sie ein kluger Geist zu Zeiten wider regen
Und auf die alte Müntz ein neues Bildnüß pregen.
Eh Guttenberg die Kunst zu schreiben ohne Kil /
Zu reden für das Aug' und Wörter abzumahlen
In Teutschland aufgebracht / als nur ein Rohr vom Nil /
Als Leinwand oder Wachs / als Blätter oder Schalen /
Als eines Thieres Haut allein gedint zu Schriften /
Wer konte da der Welt ein lang Gedächtnüß stifften?
Wie sind Polybius und Dio mangelhafft!
Was hat uns nicht die Zeit vom Tacitus genommen /
Vom Curtius geraubt / vom Crispus weggerasst?
Was ist vom Ammian in unsre Hände kommen?
Viel andre haben zwar von andern viel geschrieben /
Ihr Nahmen aber selbst ist uns kaum übrig blieben.
So hat der leichte Wind vorlängst darvon geführt
Was Libys aufgesetzt / die Barden abgesungen.
Wo wird der zehnde Theil von diesem mehr gespürt /
Was noch zu Celtens Zeit geschwebt auf tausend Zungen?
Und muß was übrig ist nicht vollends untergehen /
Weil kaum der Teutsche mehr den Teutschen kan verstehen?
Manch Ritter edlen Bluts besang was Er gethan /
Obgleich sein Helden-Reim nicht klang in zarten Ohren.
Man trifft von alter Zeit mehr als ein Merkmahl an /
Daß unser Schlesien zur Tichterey gebohren /
Wann Silber dessen Fürst / ein Heinrich / uns sein Liben
(Und anders mehr vielleicht) in Lidern hat beschriben.
Die Stükke sind zwar schlecht die auf uns kommen sein /
Und kan man wenig Licht in solchem Schatten finden /
Die Funken geben bloß aus bleichen Kohlen Schein /
Doch sind sie unsren Sinn noch fähig zu entzünden /
Und daß die Kinder auch was Ahnen thäten / lernen /
So muß ein neuer Glantz ihr tunckles Grab besternen.
Ein fremder schreibt von uns mit ungewisser Hand /
Siht mit geborgtem Aug' und redt mit anderm Munde /
Ihm ist des Landes Art und Gegend unbekant /
Gemeiner Wahn und Ruff dint Ihm zu falschem Grunde:
Ost nimmt Er Ort für Mann / und was Er recht soll nennen /
Wird doch der Lands-Mann kaum in seiner Sprache kennen.
Rom klebt die Hoffart an: was nach der Tiber schmekkt
Geht Tagus göldnen Sand' und Isters Perlen oben.
Wirdnicht der Nachbarn Ruhm durch Eyfersucht beflekkt /
So siht man selten doch den Feind nach Würden loben.
Weil sich die halbe Welt gelegt zu seinen Füssen /
Hat aller Barbarn Preiß für Ihm verstummen müssen.
Des Grichen Buch ist oft ein leerer Fabel-Klang /
Der eingebildte Witz umbnebelt sein Gehirne /
Und weil der Teutschen Schwert Ihm biß zum Hertzen drang /
So scheint Ihm noch der Gram zu stekken in der Stirne.
Zeugt nicht von seinem Haß und Irthum zur Genüge /
Daß Er den Galliern schreibt zu der Teutschen Züge?
Kömmts auf die neue Zeit: wo selbe Francken seyn /
Die haben Teutsch zu sein durch Lufft und Zeit vergessen /
Ihr stoltzer Hochmuth wächst / macht andre Völcker klein /
Und trachtet allen Ruhm sich selber beyzumessen.
Wil man den Spanier / wil man den Welschen fragen /
Ihr wen'ge werden uns gleich- zu vom Teutschen sagen.
Doch schwätze fremder Feind / und Neyder was Er wil /
Das Lob der Tapferkeit muß unsren Teutschen bleiben.
Ist ihre Redligkeit verschmitzter Nachbarn Spil /
Doch kan sie keine List aus ihrem Lager treiben:
Und / was nicht fremde Faust der Wahrheit wil vergönnen /
Wird noch wol von sich selbst der Teutsche schreiben können.
Was aus Minervens Stadt zum Capitol ward bracht /
Des weiß sich unser Land mit Nutzen zu bedinen.
Die Strass' ist zum Parnaß aus Teutschland längst gemacht /
Man siht manch Lorber-Reiß bey unsern Palmen grünen.
Corinthus und Athen hat Teutsche Faust erstigen:
Wer weiß schreibt Sie nicht auch von ihren Ritter- Sigen.
Nur umb die Helden ists am meisten itzt zu thun /
Die durch die lange Zeit zum andern mahl gestorben /
An unbekantem Ort' ohn einig Denckmahl ruhn:
Doch haben sie nunmehr was Sie gesucht erworben.
Begehrt jemand Bericht / was Teutsche vor gewesen /
So kan Er Lohensteins berühmten Herrmann lesen.
Das Feuer dieses Geists ist Teutscher Welt bekant /
Man weiß / wie Mund und Kil mit Nachdruck konte spielen.
Was Er für Land und Stadt für Arbeit angewandt /
Wird noch mit mehrem Danck die späte Nachwelt fühlen.
Was ich bey dieser Schrift am seltzamsten gefunden /
Ist / daß Sie die Geburt der seltnen Neben-Stunden.
Flöst Argenis mit Lust der Klugheit Lehren ein;
So spürt man solche hir mit vollem Strome kwellen.
Entdekkt man hir und dar Poetischer Farben Schein;
Der Teutsche pflag sein Lob in Tichterey zu stellen.
Hat sich Erlauchte Hand bemüht mit Aramenen /
So muß ein Lorber auch die Schreibens-Art bekrönen.
Was sonsten Müh und Fleiß aus hundert Büchern sucht /
Wird hir als im Begriff mit Lust und Nutz gefunden.
Wie Chauz' und Catte streitt / Cherusk' und Frise sucht /
Wie Quad und Hermundur verachten Tod und Wunden /
Vom alten Gottesdienst / der Fürsten Reyh und Leben
Kan dieses edle Werck vergnügte Nachricht geben.
Doch bindt sich dis nicht nur an Teutscher Gräntze Zil;
Es zeigt den Kern von Roms und Morgenlands Geschichten.
Wer sich gelehrt / verliebt / und Stats-klug weisen wil /
Siht was Er nur verlangt in Reden und Getichten.
Er kan an auch wil Er sich zu suchen unterwinden /
In diesem Buche viel von nähern Zeiten finden.
Den Mann und Ort verkehrt der Zeiten schneller Lauff /
Ein neuer Schauplatz zeigt was Vorwelt auch gesehen.
Löst doch mit Unterscheid manch Nahmens-Räthsel auf /
So findt ihr was vorlängst und neuer ist geschehen.
Das Wachsthum Oesterreichs den Ruhm von seinen Helden /
Wird Euch der Unterricht von Herrmanns Vorfahrn melden.
Ziht itzt die Sein' an sich der Tiber alte Pracht /
Trachtt durch Gewalt und List zu seyn das Haupt der Erden /
Genung daß Herrmañ noch für Teutschlands Freyheit wacht /
Daß Varus und Segesth von Ihm besiget werden /
Der Sonn' aus Oesterreich die Neben-Sonnen weichen /
Die Hochmuth aufgeführt / und Stambols Monden bleichen.
Dis hat der kluge Geist gewüntscht und vorgesagt /
Der Sultan Ibrahims verdinten Fall besungen.
Wenn Er die Zeit erlebt / da dieser Wunsch vertagt /
Hätt Er mit Herrmañs Lob noch höher sich geschwungen.
Er hätte dises Buch noch weiter führen müssen /
Und mit dem höchsten Ruhm der Kayser-Sige schlissen.
Wir nehmen unterdeß zum frohen Zeichen an /
Daß Jene wie diß Buch solln sein ohn Schluß und Ende.
Daß aber auch die Welt den Schatz genissen kan /
Ist dieses Buches Schluß ersetzt durch Freundes Hände.
So lange man nun wird der Tugend Ehre geben /
Wird unser Lohenstein in seinen Schrifften leben.

Hanß Aßmann von Abschatz.

Mir / Bruder / stehts nicht zu des Bruders Ruhm erheben
Es wären Stoppeln nur / des Reides Gauckelspiel.
Der schon Herrmann kan dir tausend Leben geben;
Ob schon dein zeitliches noch vor der Welt verfiel.
Armin hat Stock und Beil den Deutschen abgerissen /
Und dennoch sahe man: daß Deutschland sein vergaß.
Allein' itzt muß die Welt von ihm und dir erst wissen /
Am meisten / da der Wurm von beyder Asche fraß.
Es dreut der Westen Stern / so sich sonst Sonne nennet /
Uns Deutschen wiederumb aufs neue Mord und Brand.
Wer aber seinen Schein / des Mohnden Ohnmacht kennet /
Armin am Leopold / der Deutschen Götter Band /
Wird sehen seinen Glantz zu Regenbogen werden /
Und dieses Schwantz-Gestirn selbst blutig untergehn.
Indessen bleibt dein Leib die Schale zwar der Erden /
Dein Geist bey Sonne / Mond' und dem Gestirne stehn.
Die Nachwelt ist verpflicht und Deutschland hoch verbunden
Der Hand / so seinen Ruhm aus Grufft und Gräbern hebt.
Umb deines hat Armin Zypressen selbst gewunden /
Und keiner Spinne Kunst dein Sterbe-Kleid gewebt.
Du liegest im Armin / Armin in Dir begraben /
Und Deutschland ist der Stein / so beyder Asche netzt.
Dem Bruder gönne nur den Ruhm dabey zu haben:
Daß Er ein Ende hat dem deinen nachgesetzt.

Hannß Casper von Lohenstein.

Vorstellung des Kupffer-Tituls.

Auf Deutschland! kanst du noch der fremden Schmach vertragen?
Fällt dir Qvintilius und Drusus noch zu schwer?
Ist das verhaßte Joch noch nicht entzwey geschlagen?
Auf Deutschland! rüste doch ein außerleßnes Heer.
Darf denn ein stoltzer Feind dir Haar und Kleider rauben?
Gibt man den Freyheits-Ring so unbedachtsam hin?
Auf Deutschland! wafne dich; sonst muß ich sicher glauben /
Daß ich in Sybariß und nicht in Deutschland bin.
Die junge Mannschafft wird verwegen hingerissen /
Die Aecker umbgepflügt / der Landmann ausgeprest /
Da unterdessen Städt' und Dörffer brennen müssen /
Indem sich keine Hülff' und Rettung spüren läßt.
Diß kan zwar ein Segest / ein Marobod verschmertzen /
Weil Gold und Eigennutz ihr wahres Zil verrückt /
Doch zeucht Arminius diß Unrecht ihm zu Hertzen /
Und hat das blancke Schwert vor aller Heil gezückt.
Auf Held! Auf Hertzog! geh! ermahne deine Brüder /
Bring dein behertztes Roß in den erhitzten Streit.
Zeit und Gelegenheit kömmt nicht so schleunig wider /
Drumb dämpfe / weil du kanst / das Gift der Dinstbarkeit.
Ihr aber die Ihr noch auf Bären-Häuten liget /
Und Deutschlands Untergang mit trocknen Augen schaut /
Seid ihr durch Zauberey in trägen Schlaf gewiget?
Ist das erfrorne Hertz denn noch nicht aufgethaut?
Ach feige! wolt ihr nicht des Nachbarn Hauß erretten /
So wird das Eurige gewiß zu Grunde gehn /
Und der gefangne Fuß in ungeheuren Ketten /
Und Fesseln / die Ihr euch selbst angeleget / stehn.
Wie aber seh' ich nicht den tapfern Arpus eilen?
Banasch und Jubil sind auf gleichen Schluß bedacht.
Es denckt sich Sesitach nicht länger zu verweilen /
Schaut wie dem Cattumer das Hertz vor Freuden lacht.
Auf Helden! fördert euch! die Bahn ist schon gebrochen /
Der Feldherr geht voran; es muß gefochten seyn;
Das Unrecht wird allein durch Feur und Schwert gerochen /
Brecht derowegen keck in Wäll' und Läger ein.
Man hat euch biß hieher durch wunderliche Künste
Recht umb das Licht geführt / und Nasen angedräht /
Nun aber zeiget sich ein nichtiges Gespinste /
Das ein geschwinder Ost im Augenblick verweht.
Auf denn! Ermuntert euch! denckt an der Ahnen Thaten /
Denckt an die Siges-Pracht / die euch zu hoffen steht.
Kämpft standhaft! Kämpft behertzt! als tapfere Soldaten /
Denckt / daß euch Well' und Flut biß an die Lippen geht.
Die Nachwelt wird von euch mit Ruhm und Ehre sprechen /
Und wenn ein Tacitus nicht redlich schreiben mag /
So wird ein Lohenstein durch Nacht und Wolcken brechen /
Dergleichen kluge Faust bringt alles an den Tag.
Ihr mögt euch immerhin biß an die Sternen schwingen /
Er folgt / und läst den Kil / der nichts von Moder weiß /
Biß in das innerste des düstren Alters dringen;
Diß ist / versichert euch / der allerbeste Preiß.
Ihm steh'n Tanfanens Hayn und Heiligthümer offen /
Er weiß / was Libys spricht / und was Velleda denckt.
Ihr habt von Ihm' allein die Ewigkeit zu hoffen /
Die weder Zeit noch Tod in enge Fässel zwängt.
Unsterblich-grosser Geist! so lang' als deutsche Helden /
Und deutsche Tapferkeit auf deutschem Boden blühn /
So lange wird man dich der greisen Nachwelt melden /
Und einen Lorber-Strauch auf deiner Gruft erziehn.
Du hast uns schon vorlängst dein Ebenbild gewisen /
Das hohe Trau'rspil zeigt wie deine Feder prangt.
Man hat der Schlesier besonders Glück geprisen /
Das sie durch deine Hand in diesem Stück' erlangt.
Last nur Cleopatren und Agrippinen kommen /
Stellt die Epicharis und Sophonisben vor;
Du hast dem Sophocles vorlängst den Preiß genommen /
Und Eschyluß beseuffzt / was er durch dich verlohr.
Es will der Seneca dir mehr als willig weichen /
Corneille schämt sich nicht bald hinter dir zu gehn.
Und Taßo denckt ihm nicht den Gipfel zu erreichen /
Auf welchem Lohenstein wird eingegraben stehn.
Doch ist es nicht allein mit Reimen ausgerichtet /
Arminius entdeckt die wahre Siges-Bahn.
Schau! wie Heliodor sich gantz erschrocken flüchtet:
Schau! was Barclajus selbst und Scudery gethan;
Schau! wie Marini starrt / wie Sidney sich entsetzet /
Und wie Biondi fast vor Neid zerbersten wil.
Sie haben ja vorhin die kluge Welt ergötzet:
Jedweder sehnte sich nach ihrem Helden-Spil.
Itzt aber ist es aus: du hast allein gesiget /
Du hast Italien und Engelland gezähmt /
Und Franckreich / das sich sonst nur an sich selbst vergnüget /
Zu aller Deutschen Trost / durch deine Schrifft beschämt.
Unsterblich-hoher Geist! wie soll dir Deutschland dancken?
Das deiner Trefligkeit so hoch verbunden bleibt. Schrancken /
Dein Ruhm weiß ausser dem fast nichts von Gräntz' und
Weil ihn der Zeiten Ruff biß an die Wolcken treibt.
Vor diesem hätte man dir Tempel und Altäre /
Und Säulen von Porfyr und Jaspis aufgesetzt.
Man thät' es auch noch itzt / wenn nicht die frembden Heere
Uns bis auf Blut und Marck durch Schwert und Brand geschätzt.
Doch bleibt das Vaterland / wie sehr es ausgesogen /
Wie groß auch immermehr sein Unvermögen ist /
Dem wunderbahren Fleiß / der schönen Müh gewogen /
Die seiner Helden Lob zu ihrem Zweck erkist.
Mich däucht / ich sah' es nächst vor deinem Grabe ligen /
Es brach / fast außer sich / in diese Wörter aus:
Hir ligt mein theurer Sohn / mein einiges Vergnügen /
Hir ist mein Paradiß / mein außerkohrnes Hauß.
Ihr Kinder eifert nicht / daß ich bey dieser Baare
Mehr als bey andern bin: ich kenn' euch alle wol.
Ich weiß / ihr ehret mich: ihr krönet meine Haare:
Und ider fördert diß was er verrichten soll.
Allein / hir muß ich was besonderes ablegen:
Ko it! hört / was meinen Sinn auf diesen Schlus gebracht.
Mich hat Arminius vor Zeiten durch den Degen /
Itzt aber Lohenstein durch Schrifften groß gemacht.

Christian Gryphius.

Uber das Bildnüs
Herrn Daniel Caspers
von Lohenstein.

Hier spielt ein edler Stein / dem Jovis Blitz fast weichet /
Und dem kein Diamant aus Bengala sich gleichet.
Dort trotzt Er Tod und Neid / weil ihn kein Maaß umbgränzt /
Und Erin Gottes Hand als eine Sonne gläntzt.

F.N.

Daniel

Erster Theil

Inhalt des Ersten Buches
Inhalt
Des Ersten Buches.

Die Beschaffenheit des Römischen Reichs unter dem Käyser Augustus. Herzog Herrmann kommt mit denen Deutschen / vom Qvintilius Varus / wider den Sicambrischen Hertzog Melo / verschriebenen Fürsten / in dem Deutschburgischen Heyn / zusammen. Tanfanens Heiligthum. Herrmann opffert durch den Priester Libys. Die Leiche der Sicambrischen Fürstin Walpurgis [1] wird beerdiget / welche sich / umb dem geilen Varus zu entkommen / im Siegestrome ertränckt hatte. Herrmann richtet den Fürsten ein Gastmahl aus; und ermahnet sie / ihre versammlete Waffen wider die Römer zu brauchen / mit Vorbildung ihrer Tyranney. Arpus der Catten Hertzog fället ihm bey; und schlägt den Herrmann zum allgemeinen Feld-Herrn für. Segesthes der Casuarier und Eulgibiner Hertzog gibt die Schuld des Römischen Uberfalls den Deutschen / widerräth den Frieden zu brechen / sondern den Varus zu verklagen. Hält ihnen den unglücklichen Auffstand der Gallier / Pañonier und Dalmatier für / und daß der mächtige König Marbod mit den Römern in gutem Verständnüße lebe. Jubil des Bojischen Königs Brittons / den Marbod ermordet / Sohn / flucht auff den Marbod / und räth solchen selbst zu bekriegen. Ganasch der Chautzen Hertzog mißt dem Segesthes die Ursache bey: daß die Chautzen von Tiberius überfallen worden. Ingniomer der Bructerer Fürst aber entschuldigt Segesthen und besänfftigt sie; und dieser erbeut sich den Uberfall der Römer selbst einzurichten. Segimer Segesthens Bruder und alle Anwesende erklären den Hertzog Herrmann zum Feld-Herrn. In dem für der Walpurgis Leiche eröffneten Grabe wird eine zweyfache Wahrsagung gefunden. Die Priester setzen den Feld-Herrn auff einen geweyheten Wagen / und händigen ihm drey alte Kriegs-Fahnen ein. Das Heer nimmt den neuen Feld-Herrn mit Freuden an. Des Feld-Herrn Rüstung und Rede zum Heere. Hertzog Segimer und unter ihm sein Sohn Sesitach / wie auch Catumer der Cattische Printz führen den Vortrab. Ein unbekannter Ritter bittet beym Feld-Herrn / um den Ausschlag künfftigen Krieges zu erforschen / gegen einem Römer einen Zweykampff aus / darinnen der vermeinte Römer mit dem stürtzenden Pferde ohnmächtig zu boden fällt / durch seines Gefärthen Klag-Geschrey für eine Königin erkennet / und in das Schloß Deutschburg getragen wird. Der Feld-Herr kriegt Nachricht: daß der Vortrab von Römern überfallen worden / und Segesthes zum Feinde übergegangen sey; worauff er selbten zu Hülffe rennt / Igniomern und Arpus das Heer nachführen läßt. Segimer verfolgt die weichenden Römer / und verfällt in dem sich zwischen die Wefer und Aeder an die Festung Cattenburg ziehen wollen. Herrmann befiehlet: daß Hertzog Jubil mit einem Theile des Hinterhalts einen Umschweiff nehmen / und dem Feinde den Weg abschneiden solte. Segimer / Catumer und Sesitach fechten an einem Furthe wider das gantze Heer. Der Feld-Herr macht ihm einen andern Weg / trifft auff des Varus Leib-Wache und den Eggius. Herrmann reißt diesen vom Pferde / wird aber umgeben / von Adgandestern wieder zu Pferde bracht / aber von den Römern / welchen der Segesthes einen neuen Furth gewiesen / so wohl als Segimer gantz umringt. Catumer und Sesitach werden verwundet. Das deutsche Heer entsetzt sie. Der Vortrab zeucht sich zurücke auff eine Fläche /den Römern Platz zu einer Schlacht-Ordnung zu machen; und die Römer dringen wider den Willen ihrer Feld-Obersten nach / also / daß sie zu schlagen genöthigt werden. Die Römische und Deutsche Schlacht-Ordnung. Seginier führt ein Theil der Reuterey / wird vom Zeno Printzen aus Armenien verwundet / und muß seine Stelle seinen Sohn Sesitach vertreten lassen. Ein Ritter geräth mit dem Zeno in einen hefftigen Streit / wird aber zur Erde gefällt / [2] für Ißmenen des Feld-Herrn Schwester erkennt und gefangen weggeführet. Zeno und Sesitach sind verliebt in sie; fallen dahero einander grimmig an. Hertzog Ganasch kommt diesem zu Hülffe / fället den Zeno und nimmt ihn gefangen. Die Römische Reuterey wird auff dieser Seiten / und Vala Numonius auff der andern vom Printzen Catumer in die Flucht geschlagen. Eggius /Viridomar und Günterich fechten im rechten Flügel tapffer. Ingniomer trifft auff sie mit grosser Hertzhafftigkeit. Catumer bricht mit der Reuterey in den rechten Flügel ein / Viridomar wird von ihm zu Boden gerennet und ertreten. Catumer tödtet Hertzog Güntherichen. Um den Römischen Adler wird verzweiffelt gefochten. Ingniomer bauet dem Eggius die Hand ab und stöst ihm das Schwerdt durch die Gurgel. Der Römische Fähnrich ersticht sich selbst. Ingniomer erobert den Adler / und Catumer der flüchtigen Gallier Fahne. Rhemetalies trifft mit seinen Thraciern im lincken Flügel. Hertzog Arpus bringt die Römer in Unordnung. Die Menapier und Bituriger und Cejonius fechten laulicht. Rhemetalies und Arpus gerathen aneinander / jener wird in Schenckel dieser in Arm verletzt. Printz Sesitach bricht mit der Reuterey in lincken Römischen Flügel ein. Cejonius weichet / Rhemetalies wird gefangen. Herrmann und Varus treffen mit dem mitlern Groß ihrer Heere zusammen. Des Varus Verrichtungen in Syrien und Deutschland. Wie vortheilhafftig Herrmann die Schlacht-Ordnung gemacht. Die traurigen Anzeigungen bey den Römern für der Schlacht. Varus / Cäditius / Cälius / Britomar / Arbogast / fechten auff einer / die Deutschen auff der andern Seite scharff und zweiffelhafft. Herrmann bemühet sich an Varus zu gerathen / bricht mit dreyhundert Edelleuten zu Pferden ins Römische Fuß-Volck. Der Ritter / welcher für der Schlacht die fremde Königin überwunden / trifft auff den verkleideten Segesthes. Jenem zerspringt der Degen / Segesthes tödtet ihm und dieser wieder ihm das Pferdt / reißt ihm den Helm ab; als er aber: daß es Segesthes sey / erkennet /zeucht er den Streich zurücke und läßt den Degen fallen. Herrmann will dem Segesthes einen Streich versetzen / der Ritter aber fängt selbten anff und wird selbst verwundet; giebt sich hier auf für die Fürstin Thußnelde / Segesthens Tochter / zu erkennen; fällt ihrem Vater zu Fusse / reicht ihn ein Schwerdt / und verlangt von seiner Hand zu sterben. Segesthes erkennet sein Verbrechen / wünscht zu sterben / wird aber auff des Feldherrn Befehl in Eisen geschlagen. Thußnelde wird ohnmächtig und nach Deutschburg bracht. Hertzog Herrmann nimmt den Caldus Cälius gefangen / verwundet den Varus / reißt dem Manlius den Haupt-Adler aus. Das gantze Römische Heer fleucht / Varus ersticht sich selbst. Sesitach steckt seinen Kopff auff eine Lantze. Hertzog Jubil trifft auffs neue auff den Vala Numonius / den Cäditius / Britomarn und Arbogasten / als sie nach der Cattenburg zu entrinnen vermeinen. Unter diesen wil einer hier / der andere dort hinaus. Jubil durchrennt den Numonius /verwundet den Britomar. Die Römer verkriechen sich in Wald. Es erreget sich ein hefftiger Platzregen. Der Wald wird rings um mit Deutschen besetzt. Die Deutschen machen sich die Nacht durch lustig mit Wolleben und Gesängen. Ein schrecklicher Sturmwind schlägt viel Bäume nieder. Diese erschlagen die Römer mit den ihrigen erbärmlich. Ismene des Feld-Herrn Schwester wird erledigt. Die Deutschen suchen aus dem Walde den Feind herfür; [3] plündern seine Wagen und Feld-Geräthe / erlegen den Rest / nehmen viel Weiber und Kinder gefangen; kommen für das Römische Läger / dar ein Cäditius und Arbogast mit einem Theil ihres Volcks entronnen. Herrmann macht Anstalt zum Sturme. Catumer setzt durch die Lippe und beschleust auff der andern Seite das Läger. Hertzog Jubil wil gegen die Festung Alison sich ziehen /verfällt aber auff zwey Legionen Römer unter dem L. Asprenas. Herrmann läst Ingniomern fürm Läger /zieht dem Asprenas entgegen. Jubil treibt der Römer Vortrab zurücke. Die im Läger machen mit ihren Zeichen: daß Asprenas Stand hält. Fürst Marcomir gehet mit den Usipetern zum Jubil über. Die Römer setzen Jubiln harte zu / und muß er sich zurücke ziehen. Asprenas verfällt auffs gantze Deutsche Heer / erfährt von einem Gefangenen des Varus Niederlage; zeucht sich also / indem Cäcina und Silvanus Plautius mit der Reuterey fechten / zurück. Die Römische Reuterey wird in die Flucht bracht. Herrmann erlegt den Plautius. Der Römer Niederlage. Jubil verwundet den Cäcina / Printz Sigesmund den Asprenas / welcher mit dem Uberreste bey anbrechender Nacht sich zwischen die Sümpffe / hernach aber durch den Wald gar zurücke gegen Alison zeucht. Der Marsen Hertzog Malovend schlägt sich durch den Catumer durch / und kommt ins Römische Läger. Catumer läßt einen Theil seines Volcks fürm Läger / und gehet mit einem Theil für Alison. Ganasch verfolgt den Asprenas. Herrmann fodert das Läger auff. Malovend widerräthet / Cejonius schleußt sich zu ergeben; befiehlt im Läger die Waffen über einen Hauffen zu tragen. Malovend und Apronius verstecken den dritten Römischen Adler in einen Sumpff. Herrmann bemächtiget sich des Lägers. Cejonius / Malovend / und Arbogast werden in Fessel geschlagen / die Gefangenen eingetheilt und fortgetrieben. Grausamkeit der Deutschen gegen die Gefangenen / insonderheit der Hermegildis gegen den Titus Labienus / welcher ihres Ehemanns Mörder / und ihrer Tochter Ehrenschänder gegen sie verthädiget hatte; als auch andere Sach-Redner. Das Läger wird geschleifft. Die Fürsten kommen auff die erste Wahlstadt. Mustonius und Qvintus Julius Posthumus / die des Varus Leichnam beerdiget / werden befehlichet ihn wieder auszugraben. Sie weigern es / Printz Sesitach aber läßt selbten gleichwohl ausscharren. Die Deutschen so in der Schlacht blieben / werden theils verbrennt / theils weggeführet. Herrmanns Einzug in Deutschburg. Er wird von Priestern und Jungfrauen herrlich bewillkommt. Catumer und Ganasch kommen beym Feld-Herrn mit unterschiedenen Gefangenen /darunter auch Römische Frauen an / nachdem sie Alison erobert und den daraus entkommenen Lucius Cäditius verfolgt. Des Feld-Herrns gebliebene Grafen werden prächtig verbrennt / und die Asche begraben. Emma des Ritter Waldecks: Wittib beerdigt ihres Eh-Herrns Gebeine und erhenckt sich selbst über sein Grab. Der Deutschen Ritterspiele bey den Begräbnißen. Herrmann schlägt viel die sich wohl gehalten zu Rittern. Des Varus Waffen werden in Tanfanischen Tempel gelieffert / sein Haupt auff Tuiscons Altar gelegt / die Römischen Adler den Göttern auffgehenckt. Die Gefangenen werden auff hundert Altaren geopffert; viel Köpffe aber auffgehoben. Malovend /Apronius und Emilian werden begnadigt / Cejonius wird in einem Sumpffe ersteckt. Sextus Catulus verdammt die deutschen Opffer. Caldus Cälius schlägt[4] ihm den Kopff mit seinen Fesseln entzwey und hierauff auch Catulus. Fürst Sesitach will des Varus Leib nicht auff dem Altare verbrennen lassen. Fürst Sigesmund erzehlt: wie er das Römische Priesterthum verlassen / und opffert des Varus Leiche selbst auff. Neßelrod ziehet einen Brieff herfür / den Segesthes für der Schlacht an Varus geschrieben. Das Kriegs Volck wird auff Segesthen dadurch hefftig erbittert / begehret an die Priester ihn zum Tode zu verdammen. Segesthes wird geholet / Herrmann hierüber bekümmert. Ganasch dringt auff Segesthens Tod / Herrmann redet für ihn. Segesthes erkennet seine Schuld / und wil sterben. Libys wird gezwungen auszusprechen: Segesthes müsse entweder vom Hencker / oder / da er seinem Ursprunge und Bürgerrechte abschwüre / von Priestern sterben. Segesthes erkieset vom Hencker zu sterben; bittet aber ihm einen eigenhändigen Tod zu erlauben. Thußnelde verdammet den Eigenmord / und erbeut sich vermöge ihrer Landes Gesetze den Tod für ihren Vater auch wider ihren Willen auszustehen. Bey aller Anwesenden Erstarrung will sie dem Priester Libys das Opffer-Messer aus der Hand reißen; Herrmann verhindert es. Thußnelda verweiset ihm die Verwehrung ihres Todes / und entdeckt zugleich ihre zusammen gepflogene Liebe. Libys streicht die seltzamen Schickungen der gütigen Götter heraus und erkennet: daß die Liebe und Verlobung mit dem Feld-Herrn Thußnelden vom erkieseten Tode errette. Segesthes willigt in seiner Tochter Heyrath. Der Verlobten Vergnügen / des Volcks Freude hierüber. Arinia wirfft zu Befreyung des Fürsten / Zeno und Rhemetalies ihnen ihren Krantz und Gürtel zu. Alle ziehen nach Deutschburg zurücke.

Erstes Buch
Erstes Buch.

Rom hatte sich bereit so vergrössert: daß es seiner eigenen Gewalt überlegen war / und es gebrach ihm itzt nichts mehr / als das Maaß seiner Kräfften. Denn nach dem Bürger gewohnt waren / gantze Königreiche zubeherrschen / für Landvögten sich große Fürsten beugten / die Bürgermeister Könige für ihre Siegs-Wagen spanneten / konte die Gleichheit des Bürgerlichen Standes ihren Begierden nicht mehr die Wagehalten. Hieraus entspannen sich die innerlichen Kriege / welche dem Käyser Julius das Hefft allein in die Hand spielten / als der große Pompejus in der Pharsalischen Schlacht seine Kräfften / das Römische Volck aber seine Freyheit verlohr / und jenem über Hoffen die Erde zum Begräbnüße gebrach / dem sie kurtz vorher zu Ausbreitung seiner Siege gefehlet hatte. Deñ ob zwar der andere großmüthige Brutus /durch einen in des Julius Brust gestochenen Dolch /das Joch der Römer zu zerschneiden / dem Vaterlande die Freyheit / seinem Geschlechte zum andernmal den Nahmen eines Erlösers zuerwerben trachtete / so schlug doch sein nichts schlimmerer Anschlag viel ärger als des ersten Brutus aus. Also hänget ein gewünschter Ausschlag nicht von der Gerechtigkeit der Sache / nicht von der Kühnheit eines hertzhafften Unterfangers / [5] sondern von dem unwandelbaren Gesetze des unerbittlichen Verhängnüßes. Wie nun Brutus vom Antonius erdrückt war / also enteuferte sich der furchtsame Lepidus seiner Hoheit und fiel dem August in einem Trauerkleide zu Fuße. Der letzte unter den Römern Caßius tödtete sich aus Einbildung eines fremden Todes. Des Sextus Pompejus Kopf schwam im Meere; Cato und Juba fielen lieber in ihre eigene Schwerdter / als in die Hände des Octavius. Anton verlohr sich durch eigene Wollüste / blieb also niemand von den großen übrig als August und sein Anhang.

Da nun dieser die Gemüther der Kriegsleute mit Geschencken / den Pöfel mit ausgetheiltem Geträide /den Adel mit Freundligkeit / alle mit fürgebildeter Süßigkeit des Friedens gewonnen hatte / war niemand /der nicht lieber eine glimpfliche Herrschafft / als eine stets blutende Freyheit verlangte. Ja die auch selbst im Herzen die einhäuptige Herrschafft verfluchten /traten von ihrem Anhange und Meinung ab / nach dem der Stadt Rom Schutz-Gott solche vorher geändert hätte. Alle Widerwärtigen erkenneten das Absehen des Verhängnüßes / die tödtliche Kranckheit ihrer Bürgerlichen Herrschafft / und nahmen wahr: daß das zwistige Vaterland nur unter einem Hute zubefriedigen / und die bey denen Bürgerlichen Kriegen zerfleischte Freyheit unter einem Fürsten einzubüssen der Römer gröstes Glücke war. Und hiemit fiel das Looß auf den August; gegen welchem die sich ihm widersetzende Tugend unglückseelig; die Tapfferkeit selbst unvermögend ward. Dahero ging nun jederman in seinen Palast / nach dem / wie sie selbst sagten /ihnen das Glücke zu selbtem und zu ihrer Schuldigkeit den Weg gewiesen hatte / und wohin die Götter vorhergegangen waren. Ja die der Tugend und freyen Künsten hold waren / schrieben diesem Fürsten an die Pforte: Wer für unrecht hielte / daß der Himmel über seinem Würbel schwebte / daß die Sonne so hoch stünde / hätte alleine sich zu beschweren: daß der würdigste Käyser wäre. Sein Verdienst setzte ihn auf eine so hohe Staffel / wohin ihm weder der Unwille seiner Mißgönner nachsteigen / noch das Auge der Ehrsüchtigen nachsehen konte. Feindschafft und Aufruhr erstickte in sich selbst; der Haß gegen ihn verwandelte sich in Verwunderung / die Widersetzligkeit in Liebe. Und hiemit übertraf dieses Schoskind des Gelückes bey weitem den Julius. Er kam dem Numa gleich in dem / daß er den Tempel des Janus nach Erbauung der Stadt zum dritten mal zusperrete / daran aber: daß er das gröste Theil der Welt beherrschte /überstieg Er so wol alle seine Vorfahren / als anderer abgelebter Beherrscher Bothmässigkeit. Die seltzamsten Zufälle spielten ihm mehr als er wüntschte in die Hand / und nöthigten ihn gleichsam die Gräntzen sei nes Gebietes zu erweitern / ob er gleich das Römische Reich in denen überkommenen Schrancken zu erhalten entschlossen war. Weil die Uberlast nichts minder eine Ursache ist: daß allzu grosse Herrschafften als überbauete Schlösser einfallen / und grosse Leiber den meisten Schwachheiten unterworffen sind. Alleine wo GOtt und das Verhängnüs etwas vergrössern wil /da müssen auch die Schrancken der Natur sich ausdehnen / und die Zügel der menschlichen Gemüths-Regungen zerreissen; oder es läst sich der Ehrsucht nicht so leicht ein Ziel / als Ländern einen Gräntz-Stein setzen. Das Glücke belegte für die Römischen Gewalthaber den hoffärtigen Phrat mit Brücken / und die Zeit bähnete ihnen die sandichten Wüsteneyen des innern Libyens, also / daß die Gräntze des Römischen Reichs von den weissen Britten / biß zu den schwartzen Mohren / von dem Gebürge deß Caucasus / biß ausser den Säulen des Hercules sich erstreckte; und das Indische Meer nichts minder die Rubinen der Morgen-Röthe / als das / worinnen die Sonne zu Golde gehet / [6] seine Perlen dem Kayser zinsete. Weßwegen August nicht so wol umb den Anfang aller von Rom außgehenden Meilen zu rechnen / als das Reichthum seines güldnen Reiches zu bezeichnen / auff den Marckt zu Rom eine Säule aus Golde setzte. Ja nicht nur das Reich überstieg die Schrancken allervorigen /sondern Rom selbst das Maaß aller Städte; dessen Umbkreyß zwey und viertzig Römische Meilen betrug; dessen Häuser sechs Millionen Menschen beherbergten; und derogestalt das übrige Italien nicht nur öde und einsam machte / sondern schier aller Völcker der Welt Aufenthalt war; und in einem Tage der vorwitzigen Eitelkeit zehen tausend Pfund zusammen gelesener Spinnen liefern konte. Diesemnach denn die Welt sie für ihr gröstes Wunder / das menschliche Geschlechte sie für ihre Gebieterin zu verehren gezwungen ward / nach dem Glücke und Zeit ihr die Oberhand und die Ewigkeit enträumte. Bey solcher Beschaffenheit schickte Phraates dem Kayser die dem Crassus und Antonius abgenommene Adler wieder /und trat ihm gantz Armenien als ein Kauff-Geld des Friedens ab. Die Parther versicherten ihm ihre Treue durch Geissel / und vertraueten ihm die Auferziehung ihrer Könige. Die herrschsüchtige Candace meynte Egypten zu gewinnen / und büssete ihren Königlichen Sitz Tanape ein. Largus drang biß ins Hertze deß glückseligen Arabiens / und König Samos blieb in seinen Sand-Bergen nicht von den Römischen Waffen unbeirret. Der Indianische König Porus schickte nach Rom die ersten Tieger / Pirimal auß der Insel Taprobana Würtzen / und Edel-Gesteine / umb hierdurch sich beym Augustus einzulieben / und der Römer Freundschafft zu erlangen. Die Deutschen / welche der Kayser und andere grosse Könige wegen ihrer Treue und Tapferkeit ins gemein zu ihrer Leib-Wache erkieseten / stunden den Römern in ihren Kriegen zu Dienste. Die Cimbrer beschenckten ihn mit dem bey ihrem Reiche für das gröste Heyligthum und Kleinod gehaltenem Tiegel / und die / welche ihre Kräfften über die Gewalt der unsterblichen Götter herauß strichen / lernten nach und nach verschmertzen: daß Drusus deß Kaysers Stief-Sohn durch etliche zwantzig am Rhein-Strome erbauete Festungen ihrer Freyheit gleichsam einen Kap-Zaum anlegte; daß Tiberius biß an die Elbe drang / die Chauzen für seinem Stule die Waffen niederlegten / ja daß deß Kaysers Feld-Hauptmann Quintilius Varus sie nicht so wol mehr mit den Waffen im Zaume hielt / als täglich nach der Schärffe der Römischen Gesetze / oder vielmehr nach dem Wahne seiner lüsternen Begierden verurtheilte.

Unter diesem Joche schmachtete die Welt und Deutschland / so daß nach dem allererst gebändigten Dalmatien niemand war / der wider die Römer einen Degen zuckte / denn der großmüthige Hertzog Melo mit seinen Sicambern und Angrivariern; als zu dem großmüthigen Herrmann der Cherusker Hertzoge sich ein Ausbund der Deutschen Fürsten (welche Quintilius Varus wider den seiner Meynung nach aufrührischen Melo guten theils verschrieben hatte) eingefunden / und auf seine bewegliche Aufmunterungen in dem Deutschburgischen Forst an der Lippe ihre Heer- Spitzen versammlet hatten. Die Sonne trat gleich in die Wage / und war selbigen Tag schon zu Golde gegangen / nach Mitternacht solte auch gleich der volle Mond eintreten / als Hertzog Herrmann die Grossen in dem Häyn der Göttin Tanfana einleiten ließ. Es war ein Thal / welches ungefähr eine Meilweges im Umbkreisse hatte / rings herumb mit steilen Felsen umbgeben / welche allein von einem abschüssenden Wasser zertheilet waren. An dieser Gegend hatte die andächtige Vor-Welt dem Anfange aller Dinge / nehmlich dem Schöpfer der Welt zu Ehren auf jeder Seiten eine dreyfache Reye überaus hoch und gerade empor [7] wachsender Eich-Bäume gepflantzet / und wie dieses gantze Thal / also auch insonderheit den in der Mitte gelegenen Hügel / und die in selbtem von der Natur gemachte Höle / als auch den darauß entspringenden Brunnen für eines der grössesten Heiligthümer Deutschlands verehret / auch den Glauben: daß in selbtem die Andacht der Opfernden durch einen Göttlichen Trieb geflügelt / und das Gebete von den Göttern ehe als anderwerts erhöhet würde / von mehr als tausend Jahren her auf ihre Nachkommen fortgepflantzet. Denn die alten andächtigen Deutschen waren bekümmerter Gott recht zu verehren / als durch Erbauung köstlicher Tempel die Gebürge ihres Marmels zu berauben und ihre Ertzt-Adern arm zu machen. Diesemnach sie für eine der grösten Thorheiten hielten Affen / Katzen und Crocodilen / ja Knobloch und Zwibeln mit Weyrauch zu räuchern; welche bey den Egyptiern mehr die auß Jaspis und Porphyr erbaueten / oder auß einem gantzen Felsen gehauene Wunder-Tempel vorstellten / als durch derselben Pracht einiges Ansehen ihrer schnöden Heßligkeit erlangeten. Nichts minder verlachten sie die zu Rom angebetete Furcht und das Fieber / als welche Kranckheiten wol unvergöttert / ja abscheulich bleiben /wenn gleich zu Uberfirnßung ihrer Bilder und Heyligthümer alle Meere ihr Schnecken-Blut / und gantz Morgen-Land seine Perlen und Edel-Gesteine dahin zinset. Da hingegen eine wahre Gottheit eben so ein auß schlechtem Rasen erhöhetes Altar / und ein mehr einem finstern Grabe als einem Tempel ähnliches /aber von dem Feuer andächtiger Seelen erleuchtetes Heyligthum; wie die Sonne alle düstere Wohnungen mit ihrem eigenen Glantze erleuchtet und herrlich macht; also daß ohne die Gegenwart des grossen Auges der Welt alle gestirnte Himmels-Kreyse düstern / in Abwesenheit einer wesentlichen Gottheit alle von Rubin und loderndem Weyrauch schimmernde Tempel irrdisch sind. Denn ob wol GOtt in und ausser aller Dinge ist / seine Macht und Herrschafft sonder einige Beunruhigung sich über alle Geschöpfe erstrecket / seine Liebe ohne Ermüdung allen durch ihre Erhaltung die Hände unterlegt / ob er gleich ohne Außdehnung alles außwendig umbschleust / alles innwendig ohne seine Verkleinerung durchdringet; und er also in / über / unter und neben allen Sachen / jedoch an keinen Ort angebunden /noch nach einigem Maasse der Höhe / Tieffe und Breite zu messen / seine Grösse nirgends ein – sein Wesen nirgends außzuschlüssen ist; so ist doch unwidersprechlich: daß GOtt seiner Offenbarung nach /und wegen der von denen Sterblichen erfoderten Andacht einen Ort für dem andern / nicht etwan wegen seiner absonderlichen Herrligkeit / sondern auß einer unerforschlichen Zuneigung / ihm belieben lasse / ja mehrmals selbst erkieset habe.

Uber dem Eingange nun dieser ebenfals für andern erwehlten Höle waren nachfolgende Reymen in einen lebendigen Stein-Fels gegraben / jedoch gar schwer zu lesen; weil sie nicht allein mit denen vom Tuisco erfundenen Buchstaben geschrieben / sondern auch vom Regen abgewaschen und vom Mooß verstellet waren:


Ihr Eiteln weicht von hier! der Anfang aller Dinge /

Der eh als dieser Fels und dieser Brunn-Quell war /

Hat hier sein Heyligthum / sein Wohn-Haus / sein Altar;

Der will: daß man ihm nur zum Opfer Andacht bringe.

Die ist das Eigenthum der Menschen. Weyrauch / Blut /

Gold / Weitzen / Oel und Vieh ist selbsteigen Gut.


Die Opfer die ihr ihm auf tausend Tischen schlachtet /

Die machen ihn nicht feist / und keine Gabe reich.

Ihr selbst genüsset es / wenn ihr den Schöpfer gleich

Durch eure Ersilingen hier zu beschencken trachtet.

Euch scheint der Fackeln Licht / ihr rücht des Zimmets Brand;

Ja / was ihr gebt / bleibt euch mit Wucher in der Hand.


GOtt heischt diß zwar / doch nicht aus lüsterner Begierde.

Denn was ergeitzt das Meer ihm an der armen Flut

Des Thaues? welcher Stein wüntscht ihm der Würmer Glut /

Die bey den Nächten scheint / und der Rubinen Zierde?

Ihr weyht GOtt nur das Hertz zum Zeichen euer Pflicht;

Euch selbst zu eurem Nutz / ihm zur Vergnügung nicht.


[8]

Ja auch die Andacht selbst weiß GOtt nichts zuzufrömen;

Denn eignet sie uns zu gleich seine Gnad und Heil;

So hat sein Wolstand doch nicht an dem unsern Theil /

Wie unsre Freude rinnt auß seinen Wolthats-Strömen.

Hingegen wie kein Dunst versehrt der Sonnen Licht /

So verunehrt auch ihn kein Aberglaube nicht.


Der Lästerer ihr Fluch thut ihm geringern Schaden /

Als wenn ein toller Hund den vollen Mond anbillt.

Es rühmt als Richter ihn was in der Hölle brüllt;

Wie's Lob der Seligen preist seine Vater-Gnaden.

Den grossen GOtt bewehrt die Kohlt / die dort glüht /

So wol / als die / die man wie Sterne gläntzen sieht.


So ists nun Ubermaaß / unsäglich grosse Gütte /

Daß GOtt die Betenden hier würdigt zu erhörn!

Weicht Eitele! umb nicht diß Heyl'ge zu versehrn!

Denn daß'GOtt in diß Thal nur einen Blick außschütte /

Ist größ're Gnad / als wenn das Auge dieser Welt

Den schlechtsten Sonnen-Staub mit seinem Glantz / erhält.


In dieser andächtigen Einfalt bestunden die alten Heyligthümer. Nachdem aber die Römer über den Rhein gediegen / und jede Landschafften auch so gar dem Kayser Augustus häuffig Tempel aufrichteten /liessen die Hartz- und Marßländer sich von ihrer alten und einfältigen Andacht ableiten: daß sie nach der Römischen Bau-Art auf diesen Hügel einen rundten und prächtigen Tempel von viereckichten Steinen aufbaueten. Gleich als ob es in der Willkühr der Sterblichen stünde: die Götter nichts minder in gewisse Gestalten zu verwandeln / wie sie auß denen Gestirnen nicht nur üppige Bulschafften / sondern Bären /Hunde und andere wilde Thiere in dem Abrisse ihrer tummen Einbildung gemacht hätten / oder auch / als ob es die Götter mehr vergnügte / wenn die Sterblichen ihnen Steine an statt ihrer Hertzen einweyhen /und mit kostbarer Eitelkeit ihren kaltsinnigen GOttes-Dienst überfirnsen.

Wiewol nun an etlichen Orten Deutschlands die Sonne unter der Gestalt eines halbnackten auf einen hohen Pfeiler gesetzten Mannes / dessen Haupt mit Feuer-Stralen umbgeben war / und der auf der Brust ein brennendes Rad hielt; der Mond unter dem Bildnüsse eines Weibes / mit einem kurtzen Rocke / einer Kappen mit langen Ohren / mit gehörnten Schuhen und dem Monden auf der Brust; der Tuisco in der Haut eines wilden Thieres / mit einem Zepter in der Hand verehret ward; so hatte doch gegenwärtiger Ort noch diese Reinigkeit erhalten: daß sie in diesen ihren ersten Tempel kein Bild ihres GOttes entweder nach menschlicher Aehnligkeit / oder Gestalt eines Thieres setzten. Sintemal sie nicht nur den abscheulichen Mißbrauch der Götter Bildung darauß wahrnahmen: daß Praxiteles nach seiner Bey-Schläferin Gratina /viel andere nach der unzüchtigen Phryne die Göttin Venus / Phidias nach einem mißbrauchten Knaben Pantauches / den Olympischen Jupiter abgebildet hatten; und wie schwer der Bild-Schnitzer sein eigen Gemächte anbeten könne / beobachteten / sondern auch ehrerbietig glaubten: Man könne zwar gewisse Bildnüsse zum Zeichen der daselbst verehrten GOttheit in gemein / zu welchem Ende im Anfange der Dinge die Sterblichen zu ihrem GOttes-Dienste Lanzen sollen aufgesteckt haben / die Morgen-Länder ihren Jupiter durch einen grossen rundten oberhalb länglichten / die Araber durch einen viereckichten Stein / die Perser durch einen Fluß / die Druiden durch einen hohen Eich-Baum / oder durch einen Degen und Gezelt; die Paphier ihre Venus mit einer Kugel angedeutet haben / oder zum Unterschiede eines gewissen GOttes-Diensts / der an einem Orte im Schwange gienge / als durch den Blitz / daß Jupiter / durch den Spieß / daß Pallas / durch die Säule / daß Hercules / durch das wilde Schwein / daß die Göttin Herta / durch ein altes Schwerdt / daß Marß / (welchem die Scythen unter dieser Gestalt ihre Gefangenen opffern) durch einen Sebel / daß die Diana (womit sie die Taurer abbildeten) allda verehret würde / an heiligen Oertern auffstellen / oder selbte gar nach der Gewohnheit ihrer Voreltern mit in die Schlachten nahmen / oder zu ihren Heer-Fahnen brauchen; Die Grösse aller himmlischen Geister aber [9] würde verunehret / wenn man sie selbst mit zerbrechlichem Ertzt oder Steinen abbilden / oder in durch Menschen Hände gemachte Mauren einschliessen wolte. Denn der grosse Umkreiß der Welt sey der gröste / eine andächtige Seele aber der angenehmste Tempel Gottes. Ja das kleineste Mooß /das an den niedrigsten Stauden wächst / sey die Grösse Gottes fürzubilden groß genug. Der geringste Wurm diene zum Beweißthume seiner lebhafften Gegenwart und unendlichen Versehung. Dahero auch Pythagoras seinen Nachfolgern auffs schärffste verbot / keinen Ring / oder was anders / darein Gottes Bild gegraben wäre / zu tragen. Hierdurch auch sie zugleich erinnerte: daß sie ihre Glaubens-Geheimniße von GOtt bey dem albern Pöfel nicht gar zu gemein machen solten. Nichts minder hat Numa verboten /GOtt durch eines Menschen oder Thieres Bild fürzustellen / weil es verkleinerlich wäre / das höchste Ding mit so geringen zu vergleichen / und die unsichtbare Unbegreiffligkeit durch die Augen denen Sterblichen gemein zu machen. Wie wohl hernach mit dem Verderb der Römischen Sitten auch diese einschlich: daß sie / nach Gewohnheit der Egyptier / auch ihrer in Edelgesteine geschnittener Götter Bildniße mit Ringen an Fingern trugen.

Der Priester Libys / ein steinalter Mann / dessen eyßgraues Haar zwar den Schimmel der Zeit / und die Vergänglichkeit des Leibes / sein munteres Antlitz aber gleichsam ein Vorbild der unsterblichen Seele darstellte / trat aus der Höle diesen Deutschen Helden entgegen / und erweckte so wohl gegen ihm als diesem heiligen Ort eine ungemeine Ehrerbietung; Zumal die Deutschen ohne diß gegen ihre Priester grössere als gegen Könige zu bezeugen gewohnt waren. Seinen Leib / von den Schultern biß auff die Füsse / bedeckte ein schneeweißes Gewand / welches ein Gürtel / dar auff die zwölff himmlischen Zeichen gestickt standen / über den Lenden zusammen zog. Das Haupt war mit einem Lorber-Krantze umflochten / in der lincken Hand trug er einen Dreyzancks-Stab; auff dessen mittelster Spitze die Sonne / auff denen zwey eussersten der Mond und das Feuer abgebildet war. Deñ unter dem Schatten dieser dreyen natürlichen Geschöpffe betete ein Theil der Deutschen eine dreyeinige Gottheit an. In der rechten Hand hatte er einen Sprengwedel / welchen er dreymahl in das aus der Höle hervor rinnende Qvell-Wasser eintauchte / und damit die sich nähernden Helden besprützte. Also fort fiel Hertzog Herrmann für der Hölen auff sein Antlitz / und ruffte mit ausgebreiteten Händen des Orts Gottheit um Erhörung und glückliche Ausführung seines Anschlags an. Hierauff zündeten die Opfferknechte das Feuer auff dem unferne von der Höle auffgerichteten Altare an / brachten Beile / allerhand Gefässe mit Wasser zur Reinigüng des Opffers / und endlich zwey weisse Ochsen herbey; welche um den Hals mit Kräntzen aus allerhand wohlriechenden Blumen umwunden waren. Der Priester wusch seine Hände aus dem Brunnen /legte die lincke auff den Kopff des Opffer-Viehes /seufftzete und betete bey sich / die Augen starr gegen dem auffgehenden Monden haltende. Nach diesem schnitt er ein wenig Haare von der Stirne der Ochsen warff sie mit Weyhrauch vermenget ins Feuer / und schlingte ihnen einen Strick um den Hals / mit welchem ohne biß die fördern Füsse gebunden waren. Als nun die Opffer-Knechte selbte damit zu Boden fälleten / nahm der Priester das Messer und stach darmit durch ihre Kehle / fing das herausspritzende Blut in eine steinerne Schüssel auff / und goß es in die Flamme / welche davon gantz spitzig in die Höhe klimmete. Endlich schnitt er den gantzen Bauch auff /besahe das Eingeweide / zertheilte mit den Beilen die Ochsen / wusch sie ab / besprengte die Viertel mit Meel und Saltz / und verbrennte alles zu Aschen.

Nach derogestalt vollbrachtem Opfer rief er mit lauter Stimme dem Hertzoge zu: Er solte [10] aufstehen /die GOttheit hätte sein Gebete gnädig aufgenommen /und das Opfer deutete in allem an: daß das Verhängnüß seinem Fürhaben geneigt wäre. Hertzog Herrmann sprang hierauf mit gleichen Füssen empor /neigte sich gegen dem Altare / und weil sein Hertze so wenig die Freude / als seine grosse Hoffnung eines glücklichen Außganges verbergen konte / steckte er seine lincke Hand gegen dem aufgehenden Voll-Mond aus / und thät ein Gelübde: daß er alle edle Römer /welche von ihm würden gefangen werden / aufopfern wolte. Hiemit wendete er sich gegen die Fürsten und andere Grossen / welche unfern von ihm bey dem Opfer auch ihrer Andacht gepfleget hatten / und ersuchte sie: daß sie ihm / als einem Wegweiser hinter den Hügel und Tempel nachfolgen möchten. Sie hatten aber kaum etliche Schritte fortgesetzt / als sie von Westen her gegen dem Tempel sich einen Todten-Aufzug nähern sahen; welches sie aus aller Begleitenden schwartzen Trauer-Kleidern und ihren umbhülleten Häuptern erkenneten. Zuförderst giengen zwantzig Edel-Leute / welche die Bilder der Sicambrischen Fürstlichen Ahnen vortrugen; diesen folgten drey Sicambrische Priester mit Opfer-Beilen / und hierauf alsofort ein mit Blumen-Kräntzen über und über bekleideter Sarg / welcher von zwölf weisse Wachs-Fackeln tragenden Edel-Knaben umbgeben / und von so viel edlen Jungfrauen getragen ward; die alle so viel Thränen über ihre Wangen flüssen liessen / daß es schien /als hätten ihre Augen sich in das regnende Sieben-Gestirne verwandelt. Ihre Vorgängerin / eine ansehnliche Frau / alleine hatte trockene Augen / es sahe ihr aber eine heftigere Bestürtzung aus dem Gesichte / als welche mit Weinen fürzubilden ist. Der Leiche folgten eine ziemliche Anzahl Sicambrische Edel-Leute / und zuletzt die Opfer-Thiere / welche auf denen Begräbnüssen zwar geschlachtet / nicht aber verbrennet /sondern von denen Leidtragenden verspeiset zu werden pflegen. So bald sie für den Eingang deß Tempels kamen / ward die Baare niedergesetzet / der Sarg eröffnet / in welchem eine eingebalsamte Leiche eines Frauen-Zimmers zu sehen war. Nachdem sie alle gegen der heiligen Höle sich biß auf die Erde niedergebückt / und ein kurtzes Gebete gethan hatten; kehrte sich die dem Sarche vortretende edle Frau zu denen anwesenden Fürsten / und fieng nach etlichen tieffen Seufzern halb rechelnde an zu reden: Wundert euch nicht / grosse Helden / wer ihr auch seyd / daß so viel bestürtztes Frauen-Zimmer und traurige Frembdlinge eure heilige Rath-Schläge stören. Unsre Leiche und Sache verträget nichts als Wehklagen; bey denen Deutschen aber ist den Männern nur das Andencken /denen Weibern das Trauren allein anständig. Lasset euch vielmehr befrembden: daß mein trockner Schmertz noch das Vermögen hat meine Zunge zu rühren. Dieses Gerippe sind die geringschätzigen Hülsen der überirrdischen Walpurgis / der Sicambrischen Fürstin; welche ich von Jugend auf durch tugendhafte Erziehung zu bedienen das Glücke / der boßhafte Varus aber zu ermorden den Vorsatz gehabt hat. Wolte GOtt aber / dieser Unmensch hätte nur ihr Leben / nicht aber ihre Tugend auszuleschen sich bemühet! Alleine diese Heldin hat das erste an ihr selbst hertzhafft ausüben müssen / womit Varus / der Keuschheit Tod-Feind / das andere zu vollbringen gehindert würde. Denn sie hat lieber in dem Siege-Strome ertrincken / als mit diesem lüsternen Hengste in dem Gewässer der Wollüste schwimmen wollen. Ich stehe an unsere Walpurgis der Römischen Lucretia zu gleichen / welche letztere / da sie unschuldig gewest ist / nicht den Tod / wenn sie aber nur ihr beliebtes Verbrechen mit dem Blute zu überfirnsen gesuchet /kein Lob verdienet hat. Sintemal die erstere durch zeitliche Abschneidung ihres Lebens-Fadens dem Wüterich auch das Vermögen sie zu verunehren [11] abgeschnidten. Gleichwol aber beredet mich der aus so viel Helden-Gesichtern hervor strahlende. Anblick: daß die unbefleckte Walpurgis zum minsten so wol eine Ursache der Rache / ein Anlaß die gekränckte Freyheit wiederzusuchen / für Deutschland; als die gleichwol besudelte Lucretie eine Mutter der bürgerlichen Herrschafft / und eine Vertilgerin der Wütteriche in Rom zu seyn / verdiene. Ja weil diese großmütige Tochter des Fürsten Melo in ihrem Hertzen einen so grossen Tugends-Eyfer gezeuget: daß sie an ihrem Leibe die unsinnige Begierde des Varus doch mit dem Tode gestraffet hat; würde ich aller anwesenden Helden Unwillen über mich billich ziehen; wenn ich nur Zweifelte: daß sie an dem schuldigen Varus so viel Laster mit gelinderer Straffe belegen / und dem / nicht so wol zur Rache seines Hauses / als dem gemeinen Wesen zum Besten / wider die Römer hertzhafft streiten den Melo ritterlich beyspringen wurden. Diesem heiligen Heyne hat ihr bestürtzter Vater die Asche einer so heiligen Fürstin gewiedmet / weil dieser Leib vorher ein heiliges Behältnüs einer so reinen Seele gewest. Aber in wie viel ein herrlicher Heyligthum wird mit ihrem Gedächtnüsse das Bild der Tugend beygesetzt werden; wenn in denen Hertzen so grosser Helden die trüben Wolcken des Mitleidens einen solchen Blitz gebehren / welcher den Wütterich in Asche verkehret / und der Nach-Welt ein Beyspiel der unglücklich angefochtenen Keuschheit hinterläst. Nach dem aber die Leichen ihrer Ruh / die fro en Seelen ihrer Erquickung / die Bösen der Marter nach dem Tode würdig sind / und also mit Seufzern begleitet zu werden verdienen / insonderheit die irrdischen Straffen ein allzu leichtes Gewichte gegen die Schwere eines so grausamen Verbrechens abgeben; so sehet / was das adeliche Frauen-Zimmer der Sicambrer für eine bewegliche Bitte an die Geister des andern Lebens deswegen abgelassen. Hiemit grief sie in den Sarg /und nahm der darinnen ausgestreckten Leiche ein Schreiben aus der lincken Hand / und laß folgende Worte daraus:


Ihr Geister / die ihr seyd von GOtt dazu bestellt

Der Sterbenden Gebein' und Asche zu bewahren /

Last dieser Leiche ja kein Leid nicht widerfahren!

Denn die hier Eyß ist / war die Sonne dieser Welt /

Die hier ist Erde / schloß den Himmel in sich ein;

Die Staub ist / war zuvor ein Wunder-Stern auf Erden.

Jedoch sie kan jetzt todt nichts wenigers ja werden /

Die / weil sie lebend war / nichts grössers konte seyn.


Ihr Geister aber ihr / die ihr Gespielen seyd

Der hier gepeinigten und dort erfreuten Seelen.

Nehmt an Walpurgens Geist / der aus des Leibes Hölen

Sich mit Gewalt entbrach / und für bestimmter Zeit /

Womit ihr keuscher Leib rein / heilig / unbefleckt

Zu dem was er gewest / zur Erden in der Erde /

Allein ihr himmlisch Geist ein Stern im Himmel werde /

Der hier schon ein groß Licht der Welt hat aufgesteckt.


Ihr Hencker endlich auch / der Seelen / die in Koth

Das Oel der Tugend kehrn / des Himmels Schatz verliehren /

Und noch ihr stinckend Gift auf reine Lilgen schmieren /

Thut ja dem Varus an Pein / Ketten und den Tod.

Er hat auch euch versehrt / denn hätt' er nicht geglaubt:

Daß nach dem Tode nichts / kein Recht / kein Leben wäre;

Daß weder GOtt noch Geist sich an die Laster kehre /

So hätt' er's Leben wol Walpurgen nicht geraubt.


Alle anwesende Fürsten sahen einander gantz bestürtzt an; denn nicht nur die traurigen Gesichter der anwesenden Klage-Weiber / sondern auch der todten Fürstin Antlitz sie gleichsam mit stummer Zunge zum Mitleiden und zur Rache anfleheten. Das Wasser in welchem sie einen halben Tag gelegen / ehe sie gefunden und heraus gezogen worden / hatte ihren Leib durch Aufschwellung / und der Tod ihr fast himmlisches Antlitz durch den Raub seines Purpers verstellet; gleichwol waren auch in dieser geringsten Uberbleibung nicht schlechte Merckmale ihrer Schönheit und Anmuth zu spüren. Denn die Sonnen / wenn sie gleich untergangen sind / lassen doch noch Kenn-Zeichen ihres herrlichen Glantzes hinter sich. Also wurden anfangs ihre Augen / hernach ihre Gemüther überaus beweget; dahero Hertzog Herrmann diese ihm gleichsam vom Himmel zugeschickete Gelegenheit die deutschen Fürsten zur Verbitterung [12] anzureitzen wol wahrnahm; und die für ihnen als ein Marmel-Bild unbewegt stehende Vorrednerin ersuchte; sie möchte den berührten Trauerfall ihnen umständlicher entdecken Diese fing alsofort auff unverwendetem Fuße an: die hier liegende Tochter des Hertzogs Melo war von der Natur mit allen Schätzen übermäßig beschüttet / welche das weibliche Geschlechte von ihrer milden Hand anzunehmen fähig ist. Ja auch ihr Hertze war mit dem Schatze der Männer betheilet / nehmlich einem Heldenmuthe; also daß ihre Schönheit mit ihrer Anmuth nicht nur ohne Waffen ihre Anschauer überwältigte; sondern ihr Geist auch fähig war Länder einzunehmen. Was mühe ich mich aber die heraus zu streichen / welcher Vollkommenheit gantz Deutschland fürlängst erkennet; nunmehr aber an ihr einen so herrlichen Schatz so schändlich verlohren hat? Denn wie es Schlangen giebt / welche nur die schönsten Blumen anfeinden; und die Kröten aus den reinsten Kräutern ihr Eyter saugen; also hat die Tugend dieser so reinen Fürstin nicht die Anfechtung des geilen Varus zurück zu halten vermocht. Dieser Unmensch zohe mit etlichen tausend Römern und Galliern durch das Sicambrische Gebiethe nach Alison. Melo nahm ihn als einen Freund und Bundsgenossen freundlich auff / bewirthete ihn auff etlichen seiner Lusthäuser /wohin die Reise zutrug / auffs höfflichste; und diese seine zu ihrem Unglücke so schöne Tochter muste die mit ihm reisende Frau des Lucius Asprenas und etliche andere Römerinnen / oder vielmehr Kuplerinnen auffs fteundlichste unterhalten. Varus fing mit ihrer ersten Erblickung alsbald Feuer / und in einem Tage brandte sein Hertz lichterloh. Wiewohl nun ihre ihr aus den Augen sehende Tugend diesen in seinen stinckenden Hertzen auffsteigenden Dampff hätte niederdrücken sollen; war doch dieser der Laster gewohnte Mensch so wenig seiner Vernunfft als seiner Begierden mächtig; sondern er meinte: daß die Schönheit so selten keusch / als die Sonne kalt wäre / und Walpurgis für eine Ehre oder Gnade zu achten hätte / wenn ein Anverwandter des Römischen Käysers mit ihr seine Lust büssete. Ja es war Varus in sich selbst so sehr verliebt: daß er kein Frauenzimmer für so kaltsinnig hielt / welches bey seiner ersten Ansprache nicht die Freyheit; bey der andern Zusammenkunfft die Vernunfft verliehren / und seine Vollkommenheit nichts minder alles Weibsvolck verliebt / als die Soñe in Mohrenland alle Einwohner schwartz machen müste. Nachdem er auch ein und ander mahl in Abwesenheit der Römischen Frauen gegen sie ziemlich freye Reden und Geberden gebraucht / Walpurgis aber es in Meinung: daß es zu Rom gewohnte Sitten wären / ohne eusserliche Empfindung hatte hingehen lassen / bildete er sich ein / dieser Fürstin Hertze wäre schon eine von ihm so in die Enge gebrachte Festung: daß sie um sich zu ergeben nur die Ehre verlangte auffgefodert zu werden. Diesemnach er sie dann / als Hertzog Melo mit des Asprenas Gemahlin in einem Lusthause das Königsspiel spielten / bey der Hand nahm / und in einem schattichten Gange des Gartens mit seinem garstigen Munde durch Abheischung unziemlicher Liebe nichts minder das Haus seines so wohlthätigen Wirthes / als die keusche Ohren dieser tugendhafften Fürstin verletzte. Walpurgis / welche nichts minder mit Hertzhafftigkeit / als die Rosen mit Dornen ihre Beleidiger zu verletzen gewaffnet war /hatte sich bey nahe entschlossen diesem unverschämten Tollkühnen mit einem Schimpffe zu begegnen; sie erwog aber alsbald vernünfftig / was ihrem Vater und allen Sicambern aus einer zu hitzigen Bewegung für Unheil erwachsen / und / nachdem Varus so grosse Kriegs-Macht an der Hand hatte / in was für Gefahr und Unglück sie sich durch zu geschwinden Eyfer stürtzen könte. Diesemnach sie denn / wiewohl mit gantz veränderter Freundligkeit dem Varus antwortete: Sie muthmaßte aus diesem Vortrage / [13] wann sie es nicht vorhin wüste: daß er nicht lange in Deutschland gewesen seyn müste / alwo dieser Schertz gar ungewöhnlich wäre. Der von den Begierden gantz verblendete Varus gab nur ein Lachen darein / meldende: die Römer wären gewohnt insgemein Schertz und Ernst mit einander zu vermählen; und möchte sie glauben: seine gegen ihr entglommene Liebe wäre schon zu einem solchen Feuer worden: daß sie sich mit denen erstern Schalen nicht sättigte. Walpurgis zähmte sich noch und versetzte: Sie könte sich seine angegebene Meinung nicht bereden lassen / weil er nichts minder von denen Deutschen / als sie von Römern wüste: daß beyderseits zweyfache Ehen verdammlich wären. Varus fuhr alfogleich fort und fing an: Ich bejammere die Einfalt der Deutschen / welche der Himmel mit übermäßiger Schönheit begabt / aber mit gebrechender Wissenschafft selbte zu brauchen gestrafft hat. Sie Römer aber wüsten: daß die Ehen nicht unaufflößlich; ein Ehweib auch nur ein Wort der Wurde / nicht der Vergnügung wäre; welche alsofort mehr als die Helffte verschwinde / oder gar erstickte / wenn man die Liebe in die Schranken des Ehbettes als in einen Kercker versperrete; Sintemahl einem für dem leicht eckelte / dessen Genüß man täglich in seiner Gewalt hätte. Die tugendhaffte Walpurgis färbte sich über so unverschämtem Gegensatze / und wolte sich des Varus entbrechen; welcher aber ihr die Hand loß zu lassen weigerte / und sie also ihm zu sagen nöthigte: Deutschland hätte ihm so sehr über seiner Einfalt Glück zu wünschen / als die wollüstigen Ausländer über ihrer gerühmten Wissenschafft sich zu betrüben. Sintemahl keine reinere Unschuld seyn könte / als die Laster nicht kennen; welchen so viel Gifft anklebte: daß ihr Nahme gleichsam anfällig / wie der Basilisten Auge tödtlich wäre. Dahero sie ihn ersuchte: daß er ihre als einer Jungfrauen Ohren mit so ärgerlichen Beleidigungen verschonen und erwegen solte: wie in Deutschland auch nur die Versehrung der Schamhafftigkeit eine ärgere Verletzung als der Tod / sie aber /mit der er redete / nichts minder im Gemüche / als von Ankunfft eine Fürstin wäre. Eben dieses / antwortete Varus / ist alleine erheblich genug / ihr andere Gedancken einzureden. Denn die Gesetze / welche der Natur und ihren Neigungen Zwang anthun / sind für den Pöfel gemacht. Die blosse Wilkühr der Fürsten aber ist eine Richtschnur / welche Gutes und Böses unterscheidet. Und der Glantz ihres Ansehens ist so vermögend einer Schwachheit die Farbe der Tugend /als die Sonne einer trüben Wolcke des Purpers und Goldes anzustreichen. Niedrige Gestirne würden nur von andern verfinstert / an die aber / welche in den obersten Kreissen stünden / reichten weder Schatten noch Flecken. Nichts minder wären die Heldinnen an eine solche Höhe gesetzet: daß ihre Flamme der Liebe entweder gar ohne einigen Rauch der Schande loderten / oder zum minsten selbte kein irrdisches Auge zu erkiesen vermöchte. Diese ungebundene Freyheit nach ihrem Belieben zu leben / und von dem andern verbotenen Baume zu essen / wäre das einige Vorrecht und Vortheil / die das Glück ihnen für so viel Sorgen und Schweiß / womit der Pöfel verschonet würde / zugeschantzt hätte. Woriñen die Sitten der Deutschen auch selbst übereinstimmeten; welche dem gemeinen Volcke nur eines / den Fürsten aber mehr Weiber zu heyrathen erlaubten. Die Fürstin Walpurgis unterbrach mit einer nicht geringen Ungedult die allen Fürstlichen Häusern verkleinerliche Lehre; welche er nach seinen unreinen Gemüthsregungen zu erhärten bemühet war. Ist die Keuschheit / sagte sie / nicht das edelste Kleinod des gantzen weiblichen Geschlechts /warumb soll denn der Pöfel sich mit dieser köstlichen Perle [14] zu schmücken allein befugt / denen Heldinnen aber sich mit Unflate der Laster zu besudeln eine anständige Tracht seyn? Der Koth bleibt heßlich und so viel mehr kenntbar in Krystallenen Geschirren; und die Laster garstig / wenn sie schon in Sammet und Gold-Stück gehüllet / oder auf helffenbeinerne Stüle gesetzet werden. Die Straalen des Gelückes haben so wenig die Krafft aus einem stinckenden Verbrechen eine Tugend zu machen / als das Gestirne aus Kröten-Gerecke oder Frosch-Leich reine Thiere zu gebehren. Warlich es scheinet nichts ungereimter zu seyn; als daß bis / was in eines Bürgers Hause stincket / auf der Burg den Geruch des Ambra vertreten; daß ein eytrichter Hader ein gemeines Weib verstellen / einer Fürstin aber wol anstehen / daß Hurerey und Ehbruch an Mägden gestrafft / an Göttern aber mit dem abergläubischen Griechen-Lande angebetet werden soll. Der Adel hat ja zu seinem Eben-Bilde die Perlen /welche von dem reinen Thaue des Himmels gezeuget werden / und ohne ihren gäntzlichen Verderb keinen unsaubern Bey-Satz annehmen. Die grösten Diamanten / wenn sie unrein sind / sind unwerther / als kleine. Das Feuer / als das oberste unter den natürlichen Dingen ist reiner / als die niedrigern; ja es ist denen Flecken so sehr feind / daß es viel schwartze Dinge weiß macht / viel Ungestalten die Farbe des Himmels oder des Gestirnes zueignet / die unverbrennliche Leinwand von aller Unsauberkeit / das Gold von Kupfer und Schlacken saubert. Wie mag man denn uns den Hütten-Rauch schandbarer Geilheit für ein heiliges Feuer der Liebe verkauffen? Nein fürwar; ich lasse mich nicht bereden: daß die Natur für den Schmuck des Fürstlichen Frauen-Zimmers nur Perlen und Rubinen / der Himmel aber für das gemeine die Reinligkeit der Keuschheit / und das Feuer der Schamhaftigkeit auserwehlet habe. Ich kan nimmermehr glauben: daß die Edeln deßwegen insgemein äuserlich schöner und lebhaffter / die geringern ungestalter und eingeschlaffener sind; womit jene den Zierrath der Seele in dem Schlamme der Sünden erstecken; diese aber in innerlicher Vollkommenheit den Vorzug haben möchten. Wäre es nicht eben so viel /als die Seide aus Weid / die Wolle aus Schnecken-Blute färben; und in ein Huren-Haus ein Bild aus Golde / in einen Tempel aus Thone setzen? Wahr ist es zwar: daß in der Welt meist kleine Missethaten gestrafft / grosse noch mit Lorbeer-Kräntzen verehret werden; und der allein ein Ubelthäter ist / der seiner Schwäche halben gestrafft werden kan; aber die gerechte Rache GOttes schläget auf die hohen Häupter öfter und grimmiger / wie der Blitz eher in die Gipfel der Gebürge / und Cedern / als in niedrige Thäler und auf Krumm-Holtz. Und die Schmach unsers Thuns kö t auch für der Welt eher aus Tage-Licht / denn derer / welche ihr niedriger Stand verdüstert: Sintemal unsere Fehler nicht minder genau als die Flecken des Monden auf einen Finger breit ausgerechnet / ja unsere mit allem Fleiß verdeckte Schwachheiten eben so wol als die auch unsichtbaren Finsternüsse übel gedeutet werden. Zu geschweigen: daß die Laster bey hohem Stande und Ansehen nichts minder als das Gift in dem gestirnten Scorpion unvergleichlich schädlicher / als in dem irrdischen ist. Sintemal Unterthanen in ihrer Fürstẽ Antlitzern auch die Feuer-Maale für schön halten / und ihre angebohrne Gebrechen nachäffen; also ihre Laster nichts minder für Sitten / als die heßlichstẽ Larven für eine anständige Tracht añehmẽ. Der für toller Brunst schier wahnsinnige Varus meynte mit nichts wenigerm / als mit Worten abgespeiset zu seyn; daher er der tugendhaften Walpurgis unter Augen sagte: Es wäre da keine Zeit / und verlorne Müh einen Priester oder Weltweisen abzubilden / sondern ihr läge die unvermeidliche Noth ob /sich zu erklären: ob sie gutwillig seines Willens leben / [15] oder Zwangs gewärtig seyn wolte. Weil nun die verwegenen und vollbrachten Laster ins gemein glücklich ausschlagen / hielt es Varus für eine Thorheit /nur halb oder furchtsam boßhaft seyn. Diesemnach er denn mit obigen Worten alsbald sie als ein Unsinniger anfiel; sie aber mit grosser Hertzhaftigkeit seinen geilen Betastungen Widerstand that. Ich / sagte diese Frau / weil mir die Aufsicht über diese Fürstin anvertrauet war / hörte allein in einer von dem Gepüsche verdeckten Nähe dieses alles mit stetem Hertz-Klopfen an / und weil ich besorgte: Walpurgis möchte übermannet werden / rieff ich mit einem jämmerlichen Geschrey umb Hülffe. Hierüber entstand zwischen denen Sicambern und Römern ein Auflauff und zu gleich ein blutiges Gefechte; weil sie den Varus und die Fürstin noch in einander so unfreundlich verwickelt antraffen. Hertzog Melo sprang aus dem Lust-Hause selbst herbey; aber Varus hatte das Garten-Thor aufzubrechen und das Kriegs-Volck einzulassen befohlen; welches die wenigen Hof-Leute des Hertzogs leicht zurücke trieb oder erlegte. Wiewol Melo mit schäumendem Munde / als ein Tieger-Thier / dem man seine Jungen raubt / fochte / und sein Leben zulassen / oder sein Kind zu erstreiten ihm vorsetzete /biß er von dreyen empfangenen Wunden sich so sehr verblutete: daß er in eine wiewol ihm dienende Ohnmacht sanck; weil die Grausamkeit dieser Räuber ihm schwerlich das Leben gegönnet hätte; wenn es nicht schon für verloren wäre geachtet worden. Gleichwol aber wolte der Himmel der Boßheit des Varus nicht enträumen: daß sie einer so reinen Keuschheit ein Haarbreit Abbruch zu thun vermocht hätte. Denn die Fürstin Walpurgis rieß einem Römer ein Schwerdt aus / und weil Varus sie zu verwunden bey Lebens-Straffe verbot / war es ihr unschwer / durch etliche Hauffen ihr einen Weg zu öfnen; biß sie an den die eine Seite des Gartens bestreichenden Siege-Fluß kam; in welchen sie sich rückwerts stürtzete / als sie sich alles Hülffe entblöst / ihr Schwerdt zersprungen /und sich allenthalben umbringet / und dem unzüchtigen Ehren-Schänder Varus anderer gestalt zu entrinnen keine Mögligkeit sahe. Die Römer und insonderheit Varus wurden hierüber so beschämt und bestürtzt / daß sie / gleich als vom Blitz gerühret / erstarreten /und als wenn die Göttliche Rache schon ihnen über dem Nacken schwebte / oder etliche Kriegs-Heere ihnen in Eisen wären / über Hals über Kopf sich aus dem Sicambrischen Gebiete flüchteten. Denn die Boßhafften erkiesen allererst die Grösse ihres Lasters nach vollbrachter That. Hertzog Melo ward hierauf wieder erfrischet / und ihm seine Wunden verbunden; welche GOtt so viel zeitlicher heil werden lassen /daß er wider solche Grausamkeit ein strenger Rächer sey. Der eines bessern Glücks würdigen Walpurgis Leib ward in dem Wasser sorgfältig gesucht / an selbigem Abende noch funden / und endlich auf unsers Fürsten Befehl / in Begleitung tausend streitbarer Sicambrer / anher gebracht. Denn wie ihre reine Seele /nach abgelegter Bürde verweßlicher Glieder / in einem der reinesten Gestirne / daraus sie entsprungen / oder in einer ander-viel herrlichern Welt / jetzt ihre Wohnung hat; also verdienet auch ihr heiliger Leib /daß er in der heiligsten Erde Deutschlands sein Begräbnüs erlange.

Hertzog Herrmann fieng nach ihrem Schlusse zu denen andern Fürsten an: Ist dieses nicht eine Begebnüs / welche einen Stein in der Erden erbarmen möchte? Ist die Greuel-That des Varus nicht so abscheulich / daß sie der Göttlichen Rache unmöglich entkommen kan? Diese heilige und behertzte Tode aber ist uns eine Lehrmeisterin: daß man ehe sich selbst tödten /als sich seiner Freyheit und Tugend berauben lassen /und daß man länger nicht leben soll / als so lange es rühmlicher ist zu leben als zu sterben. Viel Völcker halten die Grabe-Städte für Pforten / [16] woraus sich die Göttlichen Leitungen durch Wahrsagung herfür thun; Lastet uns allein hier wahrnehmen / daß die Todten denen Lebenden durch ihr Bey-Spiel mehrmals die Augen aufsperren. Ja die Todte sind die getreuesten Spiegel so wol anderwertigen Beginnens / als Wegweiser unser künftigen Entschlüssungen. Als die andern Fürsten hierzu gleichfalls ihr Wort gaben und Mitleiden bezeugten / ward die Leiche der Fürstin Walpurgis von denen Priestern mit Wasser aus dem heiligen Brunnen besprengt; jeder Fürst streuete eine Handvoll Blumen auf die Leiche / wüntschte ihr eine sanfte Ruhe; und Hertzog Herrmann gelobte ihrem Geiste ein fettes Rach-Opfer an ihren Feinden abzuschlachten. Weil nun zu ihrer Beerdigung Anstalt gemacht ward / verfügten die Fürsten insgesa t sich in die Cheruskischen Zelten / darinnen eine grosse Menge kleiner Tische / weil eine jede Person auf einem absondern zu speisen pflegt / zubereitet / und mit allerhand Speisen theils in silbernen / theils ertztenen / theils irrdenen Schüsseln besetzet. Auf der Erden hin waren allerhand Häute von Beeren / Luchsen / Wölfen / Füchsen und andern wilden Thieren /die im Hartz-Walde gefangen werden / aufgebreitet. Auf diese nöthigte der Cheruskische Fürst seine Eingeladene sich niederzulassen / und nam endlich seine Stelle zwischen den zweyen Hörnern der gleichsam in einen halben Mond sich umbkrümmender Taffeln. Es war alles nach der Cheruskischen Landes-Art aufs prächtigste angestellt / und einem jeden Gaste ein mit Silber eingefassetes Horn von Auer-Ochsen mit Biere / und ein Becher mit Weine / derogleichen numehro auch durch die Gemeinschafft mit den Römern in Deutschland ko en war / für gesetzt.

Nach fast vollbrachter Mahlzeit ließ Hertzog Herrmann ihm einen gantz güldenen Becher reichen /stand auf / tranck selbten dem Hertzoge der Catten Arpus zu / und redete die Anwesenden mit folgenden Worten an: Edle Deutschen / großmüthige Bunds-Genossen; Quintilius Varus hat uns sä tlich anher beruffen / daß wir unsere Schwerdter im Blute unserer Brüder und Bunds-Genossen / der für Deutschlands Freyheit und die Schand-That des Varus zu rächen ergreiffenden Sicambrer baden solten. Aber so sehr sich Varus betrogen finden wird / wenn er gläubt / daß die Cherusker und Catten nicht für die allgemeine Wolfart ihre Irrungen vergessen könten / auch Fürst Arpus und ich allhier einander selbst aufreiben würden; so wenig traue ich einigem Anwesenden Deutschen zu /daß er glaube / ich wäre für die Römer aufgesessen /und meine Cherusker wolten wider die Deutschen einen Sebel zücken. Wir würden nicht mehr unserer Vorfahren Nahmen zu führen würdig seyn / wenn wir dieses im Schilde führten / oder zeithero nicht mehr vom Verhängnüsse wären gedrückt / als durch eigens Kleinmuth zu Sclaven gemacht worden. Mein Anherr König Teutobach ließ von des Bürger-Meisters Carbo und Silan Legionen nicht ein Bein davon kommen /als selbte sich nur ihren Nachbarn den Galliern näherten; und wir können die Römischen Adler zwischen dem Rhein und der Elbe fliegen sehen? Teutobach /sage ich / drang mit mehrem Schrecken als Hannibal durch die felsichte Mauren Italiens / schlug den Manlius und rieb mit dem Cävio den Kern des Römischen Adels auf. Worüber Rom erzitterte / und selbigen unglückseligen Tag mit Kohlen in seine Zeit-Register schrieb. Und wir empfinden nicht / daß zwey Meilweges von hier in dem Hertzen Deutsch-Landes in unsern heiligen Heynen unsere Tod-Feinde ihr Lager und Besatzungen haben? Dem Kayser Julius / dessen Thaten die Römer selbst mehr für Gött-als menschlich halten / boten die einigen Sicambrer / ihrer Freunde halber / die beyihnen über dem Rheine Zuflucht gesucht hatten / die Spitze / und sagten ihm statt begehrter Ausfolgung unter Augen: Der Rhein sey die [17] Gräntzscheidung zwischen ihrem Gebiete und dem Römischen Reiche. Eben diese behertzten Sicambrer rennen uns auch dismal den Preiß ab; indem der großmüthige Melo ich allein an die Römer macht / und sie über dem Rheine antastet / auch mit etlicher tausend erschlagener Feinde ausgeleschtem Leben seiner tugendhaften Tochter zu Grabe leuchtet. Wir aber lassen die Saale und Elbe zinßbar machen / die Lippe und Weser mit Festungen besetzen? Kayser Julius schlug ja wol die erste Brücke über den Rhein / alleine / nachdem er vernahm / daß die Catten sich ihm zu begegnen versa leten / kehrete er zurücke und brach die Brücke ab; meynte auch seinen Ehren gar genug gethan zu haben: daß er achtzehn Tage auf deutschem Bodem hätte rasten können. Und wir lassen mehr als so viel Jahre dessen Nachkommen / von denen wir noch zur Zeit wenige Thaten gesehen / unsere Ehre kräncken / unsere Güter rauben / und die Wilkühr über unser Leben und Kinder ausüben? Die Augen gehen mir über / wenn ich bedencke: daß unsere Waffen vom Roste gefressen werden / weñ wir selbte nicht noch in der Römer Diensten ausputzten; daß wir unsere Schwerdter im Blute unserer eigenen Bluts-Verwandten waschen / uñ sie wie uns unter das Joch der Römer müssen spannen helffen. Wolte Gott aber /wir trügen noch das Joch rechtschaffener Römer / und wären nicht Knechte eines einigen üppigen Menschen / an dem nichts Römisches als der Nahme / ja der den Römern selbst verächtlich / und ein Knecht seiner Begierden ist. Gewiß ich halte dafür: daß uns Quintilius Varus nicht so wol Marck und Bein auszusaugen / als zu Beschimpfung unserer vorhin so hoch herausgestrichenen Tapferkeit fürgesetzt sey. Sintemal bey uns so viel Goldes nicht zu erscharren / als in Syrien /welches er bey seiner armseligen Hinkunft reich gefunden / bey seinem reichen Abzuge aber arm verlassen hat. Wie / oder wil Rom durch ihn in unser Vater-Land der warmen Länder abscheuliche Laster / welche unsere Einwohner auch vom Nahmen nicht kennen / unser zwar harter / dißfalls aber mehr gütiger Himmel nicht verträget / einspielen / und unser geliebtes Deutschland / in welchem die Weiber männlicher als anderswo die Krieges-Leute sind / weibisch machen? Weil ja dieser üppige Mensch von Wollüsten / womit die Römer ohne dis insgemein denen Unterworffenen mehr als mit ihren Waffen Schaden thun / zerrinnen möchte. Denn ist in unserer Gegend wol ein schönes Weib für seinen unkeuschen Anmuthungen verschonet blieben? Was sag ich aber von Anmuthungen? Die Töchter des Landes haben nichts minder seiner Geilheit ihre Jungfrauschafften / als den wollüstigen Römischen Weibern ihre gelben Haare zu ihrer Aufputzung / als einen Zoll abliefern müssen. Ich wil der Römischen Grausamkeit geschweigen: daß sie anfangs bey denen Begräbnüssen wol-verdienter Helden / nach der Erfindung des Junius Brutus /ihre Gefangenen umb Leib und Leben zu fechten nöthigten; hernach aber auch gemeine Bürger solches aufbrachten; ja ihren Geist mit dem Blute solcher Fechter zu versöhnen in ihren letzten Willen verordneten; und endlich auch der Weiber Holtz-Stösse mit dieser Grausamkeit verehret wurden. Wie denn Kayser Julius auf dem Begräbnüsse seiner Tochter viel Deutsche und unzehliche Gallier / nebst einer grossen Menge wilder Thiere / sich durch selbsteignen Kampf aufzureiben gezwungen hat. Mich ärgert so sehr nicht / daß die Bürgermeister und Einwohner die Antretungen ihrer Aempter / die Bau-Herren die Außmachungen ihrer Gebäu / die Stadt-Vögte das Gedächtnüß des von ihnen betretenen Richter-Stules / ja so gar die Priester ihre Weyhungen / die Uberwinder ihre Siegs-Gepränge mit so blutigem Gefechte gefeyert / und den schwermenden Pöfel fast Monatlich / [18] oder zuweilen hundert und zwantzig Tage nach einander mit Auffopfferung vieler tausend Fechter besänfftigt haben. Es läst sich noch verschmertzen: daß Römische Bürger ihre Gastmahle nicht vor vergnüglich halten / wenn nicht ihr Tisch mit dem Blute der dabey kämpffenden Deutschen bespritzt wird; welche man hierzu vorher mit niedlichen Speisen in gewissen Gemächern mit Fleiß gemästet hat. Deñ hierdurch ist von unsern Feinden nichts als das Leben versehret worden / worüber ein Uberwinder allerdings ein Recht erlangt. Aber die Schändung unserer Kinder / die Verunehrung unser Weiber / und zwar unter dem Scheine der Freundschafft / ist ein unverdauliches und nur mit ihrem Blute ausleschliches Unrecht. Was haben unsere Augen kurtz vorher an der Leiche der tugendhafften Walpurgis für ein Trauerspiel anschauen müssen? Warlich ihre stummen Lippen haben in ihrer Seele eine solche Krafft der Beredsamkeit / daß / weñ ich auch nie gemeint gewest wäre der Römer Feind zu werden / ich mich mit ihnen zu brechen nur dieser Greuelthat halben entschlüssen müste. Diese todte Rednerin ist mir mit ihrer nachdrücklichen Betagung der Rache zuvor kommen: daß ich mit wichtigen gründen euch zum Kriege zu bereden überhoben zu seyn scheine. Es ist ein besonder Geheimnüß des Verhängnüsses: daß es das Laster der Unzucht nichts minder zum Fallbrete mächtigster Reiche / als zum Fallstricke grössester Uberwinder erkieset. Daher ich festiglich glaube: daß die Schandthat des Varus ihm den Hals brechen / und der Römischen Herrschafft in Deutschland einen tödtlichen Stoß versetzen werde; weñ wir anders den / welchen das Schrecken über seiner Boßheit furchtsam / die Frucht verzagt und taumelnd macht / durch unsere Unachtsamkeit sich nicht wieder erholen lassen. Meinen aber wir an der Beschimpffung des Fürsten Melo kein Theil zu haben; so behertzigt den unermeßlichen Geitz und Grausamkeit dieses Wüterichs / welcher auch dar Schätze gesammlet / wo niemand für ihm einige gesucht; und für einen Centner Ertzt gerne tausend Deutsche vergraben hat; in dem er die Klüffte unsers Hartzwaldes gleich einem Maulwurffe durchfahren / und unzehlich viel unser darüber schmachtender Landesleute noch bey Lebzeiten in eine Hölle verdammet hat / biß er die Gold- und Silber-Adern erfunden / welche die Natur oder die mehr milden als zornigen Götter für den unersättlichen Augen der Menschen verborgen hatten. Auch hat nicht nur er sich mit unserm Schweiß und Blute angefüllet; sondern zu Befestigung seines ungewöhnlichen Richterstuls uns den durstigen Aegeln der Zancksüchtigen Sachredner zum Raube übergeben; welche die Deutschen nicht nur biß auffs Blut ausgesogen / sondern ihnen mit ihren gifftigen Zungen durch Seel und Hertz gedrungen. Ist wohl eine schimpfflichere Dienstbarkeit zu ersinnen; als daß die edlen Deutschen sich von einem geringen Ausländer /der vielleicht nicht seinen Großvater zu nennen weiß /müßen urtheilen lassen? daß Deutschland seine heilsame Sitten / welche die Römer ehmahls selbst anderer Völcker besten Gesetzen weit fürgezogen haben /zu Bodem treten / ihm fremde Rechte auffdringen /oder vielmehr nach andern Begierden ihm Ehre / Hals und Vermögen absprechen lassen / auch Beil und Stecken gleichsam zum täglichen Schrecken fürtragen sehen muß. Daß wir Deutschen in Deutschland unsere Nothdurfft und Gemüths-Meinung nicht in unserer uhralten Muttersprache fürtragen dörffen / sondern auch Fürsten durch den Mund lateinischer Knechte und Dolmetscher reden müssen? Dieses aber ist grausamer als die Grausamkeit selbst / und unsern freyen Gemüthern unerträglich / daß sich dieser auffgeblasene Mensch für Hoffarth selbst nicht kennet / und die Edelsten unter uns am verächtlichsten hält. Wie viel Stunden muß offters ein deutscher Fürst / welchem[19] der Käyser wohl ehmahls selbsten entgegen kommen /für dem Zimmer auffwarten / ehe Varus ihn mit der Verhör begnadigt? Welch Römischer Obrister / dem etwan eine Legion anvertrauet worden / stehet einen Hertzog in Deutschland / der ein gantz Volck zu beherrschen hat / nicht kaum über die Achsel an? Welcher Rottmeister will nicht den Fürnehmsten unserer Ritterschafft fürgezogen seyn? Behertzigt diesem nach / großmüthige Helden / was bey diesem grossen Ubel euere Klugheit euch vernünfftig entschlüssen / und eure Tapfferkeit behertzt ins Werck setzen heist. Einem grossen Gemüthe sind Armuth / Fessel und Dienstbarkeit ja noch erträglich / Beschimpfung aber erdulden und seine eigene Ehre in Wind schlagen /heist zugleich die Wurtzeln der Tugend in sich ausrotten. Dahero ist es rühmlicher und süsser ehrlich sterben / als schimpfflich das Leben behalten.

Hiemit tranck Fürst Herrmann den Becher aus / gewehrte ihn dem Hertzoge der Catten / und setzte bey: dieses Trinck-Geschirre ist ein werthes Angedencken meines Großvaters / Hertzog Aembrichs / dessen Tapfferkeit die Herrschafft der Eburonen dem Cheruskischen Hause unterworffen. Dieses war der Mund-Becher des Cotta / und hernach Aembrichs Beute / als er ihn und seine gantze Legion Römer vertilgte und Sabinus für ihm die Waffen kleinmüthig niederlegte. Der Himmel gebe: daß ich dir morgen des Varus Trinckgeschirre bringen könne!

Der Catten Hertzog nahm solchen als ein besonderes Glücks-Zeichen und ein Pfand vertreulicher Freundschafft an; beföderte selbten an den Segesthes der Cassuarier und Dulgibiner Fürsten; mit dem Beysatze: er versehe sich / daß keiner unter den Anwesenden sey / welcher mehr zu berathschlagen nöthigachtete: ob das unerträgliche Joch der Römer von den Achseln des Vaterlandes zu werffen / und selbtes durch Uberfallung des Varus in die güldne Freyheit zu setzen sey. Denn für einem Wüterich hätten alle Menschen eine Abscheu; und alle behertzten ihn auffzureiben den Vorsatz; sintemahl der Pfeiler seiner Herrschafft nur das Bild der Furcht / und die Riesen-Seule der Grausamkeit wäre. Der ersten verleschende Furcht wäre der Anfang seines Falles / der letztern Entschliessung das ungezweiffelte Mittel seiner Zermalmung. Varus hätte zwar den Deutschen durch seine Blutstürtzungen und Grausamkeit ein nicht geringes Schrecken eingejagt; aber die vermessenste Kühnheit wäre eine Geburt der kleinmüthigsten Furcht / und eine Tochter der Verzweiffelung. Also würden auch die Verzagtesten in diesem Fürhaben nicht feige; Sie aber als Helden / wo nicht durch eigene Ruhms-Begierde / doch durch die Rache gegen so vieles Unrecht hierzu genugsam auffgemuntert seyn. Die Parther / welche doch leibeigen gebohren und der Dienstbarkeit gewohnt wären / hätten sich wider die Römische jederzeit biß auffs Blut verfochten / und mit Erlegung des Crassus und Ventidius ihnen nicht so wol das güldene Kleinod der Freyheit / welches der Deutschen Augapffel wäre / als einen unsterblichen Nachruhm erworben. Pacorus habe dort darüber sein Leben auffgeopffert / ihm würde es nichts weniger süsse seyn / fürs Vaterland zu sterben. Er habe deßwegen seinen einigen Sohn mit ins Läger bracht /umb den allgemeinen Feind Deutschlands zu bestreiten; welcher nach dem überwundenen Varus die Erstlinge seines Bartes in den Taufanischen Tempel zu lieffern beglückt zu seyn hoffte. Er hätte von seiner Vorfahren Ansprüchen und Staats-Gesetzen abgesetzt / und den zwischen den Catten und Cheruskern fast ewigen Streit in Freundschafft beygelegt. Sintemahl der Eigennutz insgemein auch den schwächsten Feinden den Sieg zuschantzte / und daher so wohl dieser als häußlicher Haß dem gemeinen Nutzen nachgeben solte / denn wo man gleich rechtschaffene Ursache [20] zur Feindschafft hätte / solte man der Sache / nicht der Person feind werden. Derenthalben hätte er jederzeit dem Marcus Brutus in dieser letzten Zeit den ersten Platz unter den Römern eingeräumt / weil er nicht als ein zu hitziger Sohn sich auff die Seite des Julius /sondern als ein treuer Bürger zu dem für die Freyheit streitenden Pompejus geschlagen; ungeachtet dieser des Brutus Vater auffgerieben hätte; ja auch des Julius Wohlthaten sich hernäch nicht verblenden und abhalten ließ / für die gemeine Freyheit seinem Wohlthäter den Dolch ins Hertze zu stossen; Wodurch er sich zu einem zweyfach danckbaren Sohne des gemeinen Wesens gemacht hätte. Derogestalt wäre numehro allein die Frage / wie diß Werck / welches er für wichtiger als schwerer hielte / vorsichtig zu vollziehen wäre? Denn ein frommer Fürst wäre zwar leicht anzugreiffen / aber gefährlicher zu erlegen; weil er todt am meisten geliebt würde. Hingegen wäre ein böser Herrscher zwar schwer anzutasten / aber sonder Gefahr zu stürtzen. Sintemahl ihn nach seinem Tode auch seine eigene Schooß Kinder verda ten; womit sie nicht für so böse als ihr verlohrner Rückenhalter möchten geachtet werden. Solchem nach wäre seine Meinung: der glückliche Ausschlag hange von Fortsetzung eines geschwinden Uberfalls / und von Anführung eines erfahrnen Feldherrn. Langsamkeit sey der Kern in zweiffelhafften Rathschlägen / Geschwindigkeit aber in der Bewerckstelligung eines Schlusses. Uberdiß würden Aufflehnungen wider einen Unterdrücker gefährlicher berathschlagt als ausgeübt. Wo es auch ums gemeine Heyl zu thun wäre / müste niemand sich eigne Vermessenheit oder Ehrgeitz auffblehen lassen und zu Zwytracht Anlaß geben. Denn seine Leibs-Stärcke / seine Gemüths-Kräfften und Erfahrung nur seinem eigenen Ehrgeitze wiedmen / wäre viehisch oder teuffelisch; selbte zugleich dem gemeinen Wesen zum besten anwenden / stünde Menschen zu; seinen eigenen Vortheil aber gar davon abziehen /schiene so gar etwas göttliches zu seyn. Diesem nach wolte er den gerne für den hertzhafftesten halten / und die Oberstelle demselben ohne Widerrede einräumen /welcher am ersten durch den Wall des Römischen Lägers einbrechen würde. Inzwischen erkläre er sich /daß er unter dem Cheruskischen Hertzoge / welcher die Römische Kriegs-Art von Grund aus gefasset / als er unter ihnen selbst einen Heerführer abgegeben /seine Cätten willigst in Schlacht-Ordnung stellen wolle. Das Glücke sey eine Buhlerin junger Helden. Sein Geschleckte / seine Tugend / sein Eyfer für das gemeine Wesen / und daß er der Urheber dieses heiligen Bündnißes sey / eigne ihm das Vorrecht zu / und erkläre ihn zu ihrem obersten Feld-Herrn. Er aber wolte durch sein Beyspiel lehren: daß ob wohl viel fähig wären / einem ein Oberhaupt fürzusetzen /gleichwohl es selbst nicht über sich leiden könten; dennoch ihm und der deutschen Freyheit nicht zu wider lieffe / einem Beschirmer des Landes zu folgen / den man gleich selbst aus Bret gehoben hätte.

Aller Anwesenden Angesichter schienen dem Arpus Beyfall zu geben / als Segesthes ihm einfiel: Es wäre freylich wol zu wüntschen Deutschland in völlige Freyheit / das Volck in Sicherheit / sich in mehr Ansehen zu setzen; allein es hätten die Deutschen die Römer wider sich selbst / durch unaufhörliche Einfälle in Gallien / gereitzet. Hätte Ariovist sich mit denen gewonnenen Sequanern vergnügt / die Heduer und alle Gallier ihm nicht wollen unterthänig machen /dem Julius nicht spöttische Antwort zugeboten / so hätten die Römer so wenig / als vorher / auf Deutschland ein Auge gehabt. Was hätte Aembrich nicht den Römern für Händel gemacht / und für Schaden zugefügt? daß August den Vinicius mit einem Kriegs-Heere in Deutschland geschickt / hätten die Catten erholet / [21] indem sie unterschiedene Römische Kaufleute /die guter Meynung zu ihnen kommen / beraubet und erschlagen. Den Anfall des Lollius und die Grausamkeit des Drusus hätten die Sicambrer / Usipeter und Tencterer verursacht / welche in Gallien eingefallen /und viel Römer gekreutzigt / ja den Lollius gar aufgerieben hätten. Die Anfänger eines Krieges wären nicht eben die / welche zum ersten den Degen zuckten /sondern die Beleidiger / welche jene entweder zur Nothwehre / oder zu Ablehnung der ihnen sonst zuwachsenden Schande nöthigten. Zu dem hätte ihre eigene Zwytracht den Römern Thür und Thor aufgesperret; Hertzog Herrmanns eigener Vater Sigimer mit dem Kayser Bindnüsse gemacht / seine eigne Kinder hätten unter ihren Fahnen gefochten; numehro /nach dem fast alle mit den Römern Bindnüß und Vergleich getroffen / wäre es so wenig rühmlich als sicher / alsofort Treu und Glauben zu brechen / welche man auch den Feinden halten müste. Wäre Quintilius Varus aus den Schranken der Bescheidenheit und des Vergleichs geschritten / müste man dieses Ungemach nur mit der Gedult / als Mißwachs und Ungewitter von GOtt aufnehmen. Laster würden seyn / so lange als Menschen; jedoch wechselte Böses und Gutes mit einander ab. Zu dem so sey dis nicht dem Kayser noch dem Römischen Volcke beyzumessen. Rom hätte über seine Land-Vögte schärffere Gesetze gemacht /und härtere Straffen ausgeübt / als über frembde Völcker. Als Cornelius Gallus die Egyptier übel gehalten / und nicht halb so viel als Varus gesündigt / habe Kayser August / auf Anklage des einigen Largus / ihn seiner Würden entsetzt / seine Güter dem gemeinen Wesen zugeeignet / ja ihn zum Selbst-Mord gebracht. Man solte durch eine Gesandschafft zu Rom deß Vaterlands Wunden entdecken / Erleichterung und einen sittsamern Land-Vogt bitten. Nach dem es aber mit Deutschland schon einmal so weit kommen / könte das Volck aller Beschwerden sich nicht gäntzlich enteusern. Die Ruhe der Völcker könne nicht ohne Waffen / die Waffen nicht ohne Kriegs-Sold / der Kriegs-Sold nicht ohne Land-Schatzung im Stande bleiben. Zwar könte er den Römern nicht gar recht geben / weniger die Verbrechen des Varus vertheidigen / und die Süssigkeit der Rache widersprechen. Alleine diese wäre nichts minder als die Liebe nur ein Thun gemeiner Leute. Die Vorträgligkeit aber wäre der einige Bewegungs-Kreiß eines Fürsten / und das Absehen der Klugheit. Beyde solten weder sehen noch hören; wo der Gebrauch dieser Sinnen sie auf einen andern Abweg verleiten wolte. Weil nun die Römer in Deutschland noch allzu mächtig / sie aber mit keinem Hinterhalte versehen wären / deuchtete ihn noch zur Zeit nicht rathsam zu seyn / alles auf die Spitze zu setzen. Es sey erträglicher unter höherer Gewalt / als leibeigen seyn. Zwischen Gehorsam und Dienstbarkeit sey noch eine schwere Klufft befestigt. Diese würden sie Deutschland erst aufhalsen / da ihr gefährliches Fürnehmen nicht geriethe. Der Römer wären ohne die fast unzehlbaren Hülffs-Völker zu Alison drey gantzer Legionen / so viel Flügel Reiterey / und noch absonderlich sechs Geschwader. Fuß-Volck; alles außerlesene alte Kriegs-Knechte und erfahrne Obristen. Das Läger stünde an einem vorteilhaften Orte / wäre aufs stärckste befestigt; Asprenas läge noch mit einem ansehnlichen Heere zwischen der Isel und der Emße / und in der Festung Alison / Tran und Cattenburg starcke Besatzungen. Zu Meyntz / beym Altare der Ubier / bey den Nemetern und Vangionen befindete sich noch mehr als ein Kriegs-Heer / welches in wenig Tagen dem Varus zu Hülffe kommen könte. Die ordentliche Besatzung des Rhein-Stroms bestünde in acht Legionen und der Donau an vieren. Uber dis läge bey Carnumt eine / bey Bonn und Gelduba auf dem Rheine und bey desselbten Einflusse [22] ins Meer an dem Britannischen Schlosse drey mächtige Schifs-Flotten. Zu geschweigen: daß der Kayser nach Uberwindung des Sextus Pompejus vier und viertzig Legionen zusammen bracht / zu Lande ohne die viel höher sich erstreckenden Hülfs-Völcker zeither siebendehalb hundert tausend Römische Kriegs-Leute /bey Misen und Ravenna / in Gallien / auf dem rothen Meere und dem Phrat ansehnliche Schifs-Flotten unterhalten / und hiemit alle Länder in einander feste verbunden hätte. Zweyhundert neun und viertzig tausend Gallier wären unter dem Vereingentorich / und noch neulich achtmal hundert tausend gewafnete Pannonier und Dalmatier wider etliche Legionen Römer zu ihrem eignen Verderb aufgestanden / jene aber habe Julius / diese Tiberius aufs Haupt erlegt und zu Sclaven gemacht. Vergasilaus der Arverner Hertzog wäre darüber gefangen / König Vereingentorich von seinen eignen Leuten in die Hände der Feinde geliefert / zum Siegs-Gepränge geschlept und hernach getödtet / Corbeus der Bellovaker Fürst erschlagen /Guturnath / der seine Cornuter wider den Kayser angeführet / zu Tode geprügelt / und sein Kopf durchs Beil abgeschlagen worden. Draxes habe sich aus Verzweifelung zu Tode hungern / und Lucterius in Fesseln verschmachten / Batto der Dalmatier Haupt und Uhrheber des Krieges sich auf Gnade und Ungnade ins Tiberius Hände geben müssen / und Pinetes lächsete noch in dem Römischen Kercker. König Marbod / ein Herr der Marckmänner / Sedusier / Heruder /Hermundurer / Schwaben / Semnoner und Longobarden / dessen Gebiete sich von der Elbe biß zur Weichsel und der Ost-See erstreckete / der achzig tausend Mann stets auf den Beinen hielte / habe mit ihnen wider die Römer aufzustehen Bedencken gehabt / und wer wüste / was der schlaue Tiberius mit ihm zu ihrem Nachtheil für Abkommen getroffen; nachdem die Römischen Kriegs-Obersten gegen ihn verträuliche Nachbarschafft pflegten. Also schiene es rathsamer zu seyn / daß man noch eine Weile den Mantel nach dem Winde hienge / und nichts minder Marbods Absehen / als des Pannonischen Krieges völligen Außgang vollends erwartete. Denn es wäre mit Erlegung des Varus nicht ausgemacht / sondern die Römische Macht in so langer Zeit so feste beraaset: daß sie ohne Zerberstung ihrer Widersacher nicht würde ausgerottet / und ohne Erdrückung ihrer Bestürmer schwerlich zermalmet werden. So lange beraasete Reiche / wie das Römische wäre / würden vergebens bestürmet; daher müste man sie veraltern und durch stete Ruhe / wie die stehenden Wasser / faul werden lassen. Die öftere Bewegung befestigte nichts minder eine Herrschafft / als die Bäume; hingegen könte man ein Reich nicht ärger bekriegen / als durch den Frieden; welcher Anfangs ihre Tapferkeit / hernach sein Wesen / wie der Rost ungebrauchten Stahl verzehrte. Ihm sey es zwar umb seine greise Haare nicht so leid /als er Sorge trüge umb den Wolstand der Erbarmens-würdigen Nachwelt. Sie aber solten sich aus anderer Beyspiele spiegeln / und daraus lernen: daß es rathsamer sey Gehorsam mit Sicherheit für der Hartnäckigkeit mit seinem Verderben erkiesen.

Segesthes hätte noch länger geredet / wenn ihm nicht Jubil / Brittons des letzten Bojischen Hertzogs einziger Sohn in die Rede gefallen wäre. Das Wasser gienge der Deutschen Freyheit in Mund / gleichwol zeigte ihnen GOtt und das Verhängnüs einen Weg die Römischen Fessel am ihren Gliedern zu schleudern /oder sie gar denen Römern anzulegen. Sintemal von undencklicher Zeit nicht so viel Fürsten miteinander vereinbart / die Römische Macht aber so sehr / als jetzt / durch den Pannonischen Krieg nicht erschöpft gewest wäre. Diesemnach könte er bey sich nicht befinden: daß man die selten-umbkehrende Gelegenheit solte aus den Händen lassen. Diese mit beyden [23] Händen umbarmen wäre ein Werck der Klugheit / von Verbesserung der Zeit und denen Wunder-Wercken /des Glückes aber Hülffe und Errettung erwarten /wäre ein Traum der Einfältigen / und ein Trost der Verzweifelten. Die fürgebildete Gefahr könte nur Weiber von hertzhaften Entschlüssungen zurücke halten. Denn einem Helden-Geiste wär nichtsschrecklich / als sich gezwungẽ sehen der Boßheit beyzupflichten. Weder die Kinder / die noch kein Urtheil hätten /noch die Thoren / welche es verloren / fürchteten sich für dem Tode. Solte nun ihnen ihre Vernunft und das Heil des Vater-Landes nicht diese Sorge benehmen; wovon jene Unverstand und Thorheit erledigte? Der Tod wäre das Ende der Natur / keine Straffe / ja vielmehr offt ein neues Leben der Sterbenden / und ein Heil der Lebenden. Es wäre nicht nur erträglicher /sondern auch rühmlicher einmal sterben / als sein Leben in ewiger Ungewißheit wissen; welches sie täglich gleichsam als eine Gnade vom Varus erkennen müsten. Denn Sterben wäre wol die Eigenschafft eines Menschen; umb sein Leben aber betteln der Weiber. Hätten sie nun als Männer gelebet / solten sie nicht geringer sterben; wenn es ja der Himmel also über sie beschlossen hätte. Diß wäre sein Schluß /und sonder Zweifel ihrer aller als Fürsten / denen man alle Tage / wo nicht nach dem Leben / doch nach ihren Ländern grasete. Welcher Fürst aber das Hertze hätte ohne Herrschafft zu leben / hätte gewiß keines selbter fürzustehen. Sie edle Deutschen solten nicht lassen ihr Leben ihre Freyheit überleben / noch es eine Nach-Geburt ihrer sterbenden Tapferkeit seyn. Sie solten ihnen nicht heucheln / daß mit Abschaffung des Varus und Erlangung eines glimpflichern Land-Vogts ihre verschwundene Freyheit wieder jung würde; welche eben so wohl unter einem vernünfftigen als tummen Oberherrn zu Grabe ginge. Weñ die Römer schon ihnen einen andern Landvogt gäben /würden sie doch nur die Art ihrer Bedrängung / nicht die Bürde verändern; weil sie alle gläubten / daß sie als Aegeln und Peitschen zu denen überwundenen Völckern geschickt würden. Jeder bildete ihm / wie Demades ein / er kriege mit seiner Landvogtey einen Beruff zu einer güldenen Erndte; oder er sey verpflichtet sich in eine mit ihren Klauen alles zerreissende oder besudelnde Harpyie zu verwandeln. Denn wie die von der Sonnen erregten Winde das Feld mehr ausdörreten / als die Sonne selbst; Also maßten sich alle von Fürsten eingesetzte Landvögte insgemein einer strengern Herrschafft an / als die Fürsten. Der Käyser möchte ihnen ja güldene Berge versprechen /aber kaum Spreu gewehren; weil die Römer auch gegen die / welche einen grossen Vortheil über sie erlanget / Treu und Glauben zu halten nicht gewohnet wären. Dem Könige Porsena hätten sie ja Geissel eingelieffert / aber wieder entwendet. Als sie dem Brennus und seinen Deutschen das für Rom zum Lösegelde versprochene Gold zugewogen / hätten sie sie arglistig überfallen. Als der Samniter König Claudius Pontius das Römische Heer in seine Hände und unters Joch bracht / hätte der Bürgemeister Posthumius einen Frieden eingegangen; das Römische Volck aber nach freygelassenem Heere selbten über einen Hauffen geworffen. Was hätten sie Deutschen sich numehr denn für gutes zu versehen / die in den Augen der Römer schon ihre Sclaven wären? Lucullus hätte in Spanien das Cauceische Volck gegen hundert Talent ausgeliefferte Geissel und gestellte Hülffs-Völcker in seinen Schirm genommen / hernach aber sich arglistig der Stadt bemächtigt / und zwantzig tausend unschuldige Leute meuchelmörderisch über die Klinge springen lassen. Eben so wären alle Ausonier in Italien aus einem falschen Argwohne / daß sie auff der Samniter Seite hiengen / in einem Tage mit Strumpf und Stiel ausgerottet worden. Sylla hätte / nach erscharreten zwantzig tausend Talenten / [24] Asien / und Paulus / nach allem ausgepreßten Gold und Silber / allererst gantz Epyrus ausplündern lassen. Hortensius hätte die aufgenommenen Abderiten beraubet / die Fürnehmsten enthaupten / die Bürger verkauffen / Pleminius der Locxenser Heiligthümer stehlen / ihr Frauenzimmer schänden / Appius den Salaminischen Rath durch Hunger tödten lassen. Insonderheit aber nöthigte die Staats-Klugheit die Römer gleichsam dazu: daß sie in der Grausamkeit gegen die Deutschen beständig verharreten. Denn Wüteriche wären so böse / daß ihnen von nichts mehr als der Tugend Gefahr zuhinge. Hartnäckigkeit befestigte ihre Herrschafft durch Furcht /ihre Besserung aber stürtzte sie durch Mißtrauen neuer Verschlimmerung. Also müste ein Gebietter niemals anfangen grausam zu seyn / oder niemals aufhören. Alles dis hätten sich die Deutschen täglich zu befahren. Ja er hätte noch kein grösseres Merckmal aufgebürdeter Dienstbarkeit verspüret / als jetzigen Zweifel an einem sieghaften Ausschlage. Wer an den Verlust gedencke / habe schon halb verspielet. Daß Deutsche aber von Frembden überwunden werden könten / wäre zeither für eine Unmögligkeit gehalten worden. Von Galliern auf sie einen Schluß machen /schiene den Römern selbst ungereimt; die sich wider jene zu kämpfen schämeten / wann sie mit den Deutschen schon eine Hitze ausgestanden hätten. Zu dem wären die Gallier theils durch eigene Zwytracht verfallen / theils von Deutschen überwunden worden. Mit den Pannoniern und Dalmatiern aber wäre das Spiel noch nicht ausgemacht / welche vom Marbod schändlich wären im Stiche gelassen worden / weil ein Wütterich / wie er / doch kein recht Hertze hätte /ja nicht nur alle andere / sondern so gar sich für sich selbst und seinem eigenen Bey-Spiele fürchtete. Warumb solten nun sie diesen scheuen / der wegen begangener Laster aus seinem Hertzen die Zagheit / aus seinem Gebiette die Ubelwollenden nimmermehr verbannen könte; und an seinen meisten Unterthanen grössere Feinde als an denen vertriebenen Bojen und beleidigten Feinden hätte. Das Band seiner und des Tiberius Freundschafft wäre zerrissen worden / nach dem Hertzog Herrmann beyden die Fürstin Thußnelde aus den Zähnęn gerückt hätte. Die vier und viertzig Legionen wären biß auf fünf und zwantzig noch für dem Dalmatischen Kriege verschmoltzen; in diesem aber bey nahe vollends die Helfte / oder doch der beste Kern drauf gegangen. Die Flotten bestünden meist in schlechtem Volcke / und in gepreßten Außländern; welche nach Abwerffung des Römischen Jochs eben so wol als die Deutschen seufzeten. Die übrige Macht in denen entfernten Ländern und so gar andern Theilen der Welt könten mit Vernunft so wenig als der Angelstern von seinem Wirbel verrückt werden / da August nicht auf allen Seiten Thür und Thor den Feinden öfnen wolte. Also möchten sie ihnen die leeren Nahmen der erschöpften oder theils blinden Legionen keinen blauen Dunst für die Augen machen /weniger sich schrecken lassen.

Ganasch der Chautzer Hertzog pflichtete dem Jubil bey / anführende: daß wo die Glut eines Wütterichs rasete / selbte zu leschen sich die Gewogenheit eines gantzen Volckes billich gleichsam durch einen Platz-Regen dahin ausschüttete. Es wäre zwar den Menschen die Begierde der Neuigkeit angebohren / aber diese wäre mit sich selbst so unvergnügt; daß wie sie überdrüßig worden zu seyn / was sie vorher gewest /also auch stets ihrer gegenwärtigen / insonderheit aber der verärgerten Beschaffenheit gram würde. Diesem nach müste ja die edlen Deutschen das Verlangen /sich wieder in der uhralten Freyheit zu sehen / ankommen; welche lobwürdige Begierde auch die wilden Thiere in ihren Wäldern nicht verlohren hätten. Bey welcher Beschaffenheit sie sich nicht solten irren lassen: daß Segesthes ihnen nicht beypflichtete / [25] dessen Ergetzligkeit allezeit fremdes Unheil / und anderer Ohnmacht sein süssester Lebens-Athem gewest wäre. Insonderheit habe sein Hertz allezeit mehr zu den Römern / als zu den Deutschen gehangen. Er habe jenen den Durchzug verstattet / und sey Ursache: daß die Chautzen vom Tiberius so unverhofft überfallen /ihnen die Waffen abgenommen / er selbst nebst denen Edlen des Landes für des Kaysers Richterstuhle sich zu beugen gezwungen worden. Ingniomer der Bructerer Fürst / Hertzog Herrmanns Vetter / ein so wohl bey den Römern als Deutschen hochangesehener Kriegs-Held unterbrach / aus Beysorge erwachsender neuer Uneinigkeit / Hertzog Ganasches hitzige Rede /und hielt ihm ein: Die Zufälle wären eine weile so verwirrt / der Tugend und offenhertzigem Beginnen so feind gewest / daß auch der fürsichtigste auf so glattem Eiße habe gleiten / und der es am besten gemeint / seine Redligkeit verstellen müssen. Ja man wäre in solche Zeiten eingefallen / da die Liebe des Vaterlandes für eines der grösten Laster gehalten worden. Numehro aber habe ein guter Einfluß des Gestirnes /oder vielmehr die kluge Anstalt Hertzog Herrmanns und die eusserste Bedrängung der Sicambrer die zerrütteten Gemüther so vieler deutschen Fürsten / als ihrer noch nie auff einmahl wider die Römer zusammen getreten / vereinbart. Nunmehr blickte sie eine so glückliche Zeit an / da man erndten dörffte / was man dächte / und dis ausüben / was man im Schilde führte. Itzt ereigne sich die Gelegenheit / da sie alle das Seil der Römischen Dienstbarkeit von den Hörnern abstreiffen / Segesthes aber die alte Scharte auswetzen könne. Denn eine tapffere That wische die Schamröthe von vielen begangenen Fehlern ab. Segesthes /welchem die Römer am meisten traueten / könne für dißmahl ihrem Siege eine grosse Hülffe geben / nach dem Varus ihn selbst / von Herrmann und andern Fürsten aber nur gewisse Kriegs-Schaaren beruffen hätte: daß er wider den Teucterer und Sicambrischen Hertzog Melo / welcher auff Hertzog Herrmanns gegebenen Einschlag alleine wider die Römer den Harnisch anzuziehen sich hertzhafft gewagt hätte / mit ihren Hülffs-Völckern zu Felde ziehen möchte. Also könte Segesthes entweder durch eine vertraute Person / oder auch selbst dem Varus seine und der gefoderten Hülffs-Völcker Anwesenheit zu wissen machen / und hierdurch nicht alleine dem versammleten Kriegs-Heere / welches doch wenig Stunden mehr für den Römern könne verborgen stehen / eine destoweniger verdächtige Näherung zu dem Römischen Läger und einen unversehenen Uberfall zu wege bringen / sondern wohl gar die Römer aus ihrem Läger und Vortheil ins freye Feld locken. Man solte nunmehro keinen Augenblick versäumen. An geringer Säumniß hänge offt der Verlust der gantzen Sache; und die Zeit sey im Kriege am theuersten. Anschläge würden zwar krebsgängig / gute Gelegenheit aber komme nicht zweymahl wieder. Man solle das fertige Heer nur immer gegen das Läger anziehen lassen. Hertzhafften Leuten riegele die Natur alle Pforten auff / das Glücke stehe ihnen an der Seiten / und das Verhängniß hielte ihnen den Rücken.

Segesthes begegnete / wiewohl allem Ansehen nach mit schwermüthigen Worten / dem Igniomer: er hielte das Werck nochmahls für gefährlich und zu entschlüssen bedencklich. Es wäre nicht weniger unzeitig / was zu früh / als zu späte geschehe; die Ubereilung aber noch schädlicher / als die Versäumung. Denn ungeschehene Dinge könte man noch thun / geschehene aber nicht wieder verwischen. Weßwegen die Klugheit für eine Tochter des kalten Geblütes / die Ubereilung aber für eine Mutter unzeitiger und daher todter Geburten gehalten würde; Und müste man der Gelegenheit freylich wohl wahrnehmen / selbter aber nicht zuvor kommen / und [26] wenn man seinen Feind zu bekriegen hat / sich nicht ehe von seinen eigenen Schwachheiten / als von des Feindes Tugend überwinden lassen. Diese wäre bey den Römern unvergleichlich / als welche ihr meistes Leben mit den Waffen hinbrächten; allen ihren Ruhm aber durch selbte erlangten; ja niemand kein Ehren-Amt zu bekleiden fähig wäre / der nicht zum minsten zehn Jahr zu Felde gedienet hätte. Zu geschweigen / daß die zu Fuß dienenden Kriegs-Leute eher nicht als nach zwantzigjährigen Diensten erlassen würden; und die Römer auch beym Frieden ihre Wffaen durch stete Kriegs-Ubungen also brauchten / daß weder selbte noch ihre Tapfferkeit verrostete. Nichts destoweniger / wenn sie alle ja mit den Römern zu brechen für gut ansähen / wäre er nicht gemeint / mit seinem Bedencken des mehrern Theils Schluß zu stören / und sich in seine Gedancken dergestalt zu verlieben / daß er aller andern Urtheil als unrechte verwerffen solte. Denn man solte in Rathschlägen allezeit das beste rathen / und doch auch dem / was man für schlimm hielte / beyfallen / wenn es die meisten billichten. Sintemahl das beste / welchem nur wenig folgten / schlimmer wäre als das ärgste; welches alle auszuüben auf sich nehmen. Daß übrigens Qvintilius Varus ihn und andere Hülffs-Völcker wider die Sicambrer beruffen /habe ihnen freylich zu einem guten Vorwand gedienet / ihre Völcker ohne Verdacht zusammen zu führen. Dahero sey er bereit unter diesem Scheine einen Schlüssel ins Römische Läger zu finden. Segemer des Segesthes Bruder schlug hiemit auff seinen Degen /meldende: Wenn ihn auch Segesthes nicht findet / so ist hier einer verhanden. Und wenn wir dismahl den Römern nicht den Weg wieder über den Rhein weisen / köñen wir uns nicht beschweren / daß es uns an Gelegenheit / sondern an Hertze und an der Wissenschafft uns selbte nütze zu machen / gemangelt habe. Sie hätten ohne biß ihren Feind allzu großwachsen /und die Flamme zu sehr zu Schwünge kommen lassen; welche sie gar verzehren würde / wenn sie selbter so lange zusehen würden / biß die Römische Macht aus Dalmatien ihnen vollends über den Hals käme. Also wäre die Geschwindigkeit wider geschwinde Kranckheit die heilsamste Artzney. Hiermit stimmten alle andere Fürsten und Grossen ein / standen von ihren Taffeln auff / verehrten den Cheruskischen Hertzog als ihren obersten Feldherrn / und wünschten ihm glückliche Uberwindung seiner uñ ihrer Feinde.

Hertzog Herrmann / auff welchen numehr aller anwesenden Augen gerichtet waren / ließ in seinem Antlitze und Geberden nicht das geringste Merckmahl eines entweder verwirrten oder freudigen Gemüths blicken. Denn ob wohl der Glantz neuer Würden sonst insgemein die Vernunfft nichts anders als die übermäßigen Sonnenstrahlen das Gesichte verdüstern; so war doch diesem Helden; welcher in sich ein auskommentliches Maaß hatte die gantze Welt zu beherrschen / bey diesem neuen Wachsthume nichts neues noch hoffärtiges; Sintemahl dergleichen Auffblehung nichts minder ein gewisses Zeichen einer Gemüths-Kranckheit / als die Geschwulst der Leibes-Gebrechen / und eine augenscheinliche Andeutung ist / daß solche Ehre zu groß für das Behältniß einer so engbrüstigen Seele sey. Er gebrauchte gegen die Fürsten eben die Ehrerbietung als vorher / und als gegen sei nes gleichen. Ja durchgehends stellte er sich so / als wenn er die Feldherrschafft leichter überkäme / als zu haben verlangte; Massen nur diese letztere Begierde zu herrschen eben so wohl kein Mittel in ihrer Bezeugung zu treffen weiß; als das Gelücke zwischen Gebot und Fußfall selbtes zu beobachten pflegt. Daher er sich denn auch erklärete: Er empfinde in sich ein so unbeschreibliches Vergnügen über der neuen Eintracht der deutschen Fürsten und über dem für die allgemeine Wohlfarth gemachten Schlusse; diesen auszuführen wäre sein einiges Absehen / [27] dieser Versammlung gewest / und hätte er es dem Verhängniße und ihrer Klugheit heimgestellt: Ob sie ihn hierinnen zu einem Kriegs-Manne / oder zu ihrem Feld-Herrn gebrauchen würden. Nach dem ihnen aber das letztere gefallen / thäte er hierinnen mehr ihrem Willen / als seinem Ehr-Geitze ein Genügen. Denn ob wol die verwirrete Beschaffenheit der Zeit / die besorgliche Mißgunst derer / welche nach dieser Würde gestrebet /und sein noch nicht allzu hohes Alter ihn hievon zurücke ziehen wolten; so überwiege doch sein Verlangen dem gemeinen Wesen zu dienen alle andere Bedencken; und die Bilder seiner lobwürdigen Vorfahren ladeten ihn gleichsam ein / lieber mit Schweiß und Blut in ihre Fußstappen und in dis von ihnen geführte Ambt zu treten / als die Hände seiner Ergötzligkeit halber auf die Schoos zu legen. Denn die Aufthürmung der Ehren-Säulẽ wäre ein abergläubischer Zeit-Vertreib und eine Verschwendung der Unkosten; wenn sie allein ein Gedächtnüß dessen / was die Todten gethan haben / nicht aber eine Ermahnung seyn sollen / was denen lebenden zu thun obliegt. Dahero dasselbige Bild / welche nur etliche Tage gestanden /aber das Glücke habe / daß jemand durch rühmliche Nachartung seinem Befehle gehorsamet / viel höher zu schätzen wäre / als eines / das tausend Jahre wider Lufft und Ungewitter getauret / aber zum unfruchtbaren Anschauen gedienet hat. Hätten seine Vor-Eltern durch ihre Thaten zuwege gebracht / daß sie ihm ihren Stab einhändigten; wolte er sich befleissen durch sein Thun zu behaupten / daß er ihr Sohn wäre; nach dem ein ungerathener Sohn eines Helden sich gar keines Vaters zu rühmen hätte. Denn keines frembden Sohn könte er vermöge der Natur; des Natürlichen aber wüste er es wegen seiner Untugend nicht zu seyn /also / daß wenn die Todten reden könten / würden sie ihn / wenn er sich ihrer Ankunft rühmte / entweder Lügens straffen / oder ihn als einen Wechsel-Balg aus dem Geschlechte stossen. Dieses und der Nothstand Deutschlands zwinge ihn die aufgetragene Würde willig zu übernehmen. Denn / wenn das Gebäu eines Reiches einfallen wolte / müste der erste der beste seine Achsel unterschieben / und zu denen Stützen nicht diß oder jenes Holtz ausschüssen. Bey so gestalten Sachen könte sich niemand entbrechen / der sich sonst doch ausdücken würde / wenn ihn die Scham-Röthe oder der Mangel eines gültigen Verwands nicht zurücke hielte. Wie er deñ feyerlich sich verwahrte: daß er ihm diese Würde nicht leichte; ihre Ubernehmung aber nicht aus Hoffarth / sondern aus Liebe des Vaterlandes nicht schwer machte. Seine Wercke solten nicht nur seine jetzige Erklärung beglaubt / und ihnen wahr machen / daß er nicht so wol ihr Feld-Herr seyn / als ihr Bruder leben / und als ihr Freund für sie und das Vater-Land sterben wolte. Denn alle andere Merckmaale der Freundschafft wären ungewiß oder verdächtig; die grössesten Betheurungen verhülleten offt ein gehässiges Hertze / die nützlichsten Dienste verkleideten zuweilen den Eigen-Nutz / die Freygebigkeit zielte auf anderer Verbindligkeit / der Gehorsam rührte nicht selten mehr aus einem Nothzwange als willkührlichem Eifer her; wenn aber die Freundschafft mit seinem eigenen für eines andern Erhaltung verspritzten Blute besiegelt würde / wäre sie allem Verdacht eines angenommenen Scheines / aller nachtheiligen Auslegung / und allem widrigen Urthel überlegen.

Bey Außdrückung dieser Worte und darüber erwachsender Vergnügung trat ein mit der Fürstin Walpurgis Leiche vorhin beschäfftigter Priester mit einem freudigerm Gesichte / als sein Todten-Dienst mit sich brachte / ins Zelt / und berichtete: Der Walpurgis Grab wäre fertig / mit Bitte: Es möchten die Fürsten die Leiche noch mit einer Hand voll Erde beehren /und ihr merckwürdiges Grabmahl anzuschauen unbeschwert seyn. Diese waren theils wegen Andacht /[28] theils aus Begierde das angedeutete Grab zu sehen leicht dazu zu bereden. Wie sie nun an den besti ten Ort kamen / fanden sie drey Stiche tief die Erde ausgegraben / darunter aber ein ansehnliches in einen lebendigen Fels gehauenes Grab. Welches ihnen so viel mehr wunders werth vorkam / weil nicht allein in so enger Zeit ein solch Grab auszuhauen unmöglich /auch das geringste Merckmal der herausgehauenen Steine verhanden; sondern auch die steinernen Grabmale bey denen Deutschen sehr seltzam waren / als welche ihre Todten nur in die frische Erde zu begraben / und zum höchsten die Gräber mit Rasen aufzusetzen und zu erhöhen pflegen / entweder weil sie die steinernen und kostbaren Grabmale denen Leichen für beschwerlich halten; oder weil sie selbte als eine Eitelkeit / oder auch als eine offt bey denen unwürdigsten mißbrauchte Ehre verschmähen. Sintemal leider bey den Griechen die zwo Huren Glycera und Pythionice so prächtige Begräbnüs-Male / daß des Miltiades und Pericles selbten nicht den Schatten reichen / erlangt; zu Rom aber so gar Raben und Pferde nicht so wohl damit beehret / als die mit Füssen getretene Gedächtnüsse der Horatier und Fabier dadurch beschimpfft worden. Uberdis hatte dieser Fels und das daran klebende Mooß den annehmlichsten Veilgen-Geruch / der die Anwesenden nicht wenig erqvickte. Ihre Verwunderung aber verkehrte sich gar in eine andächtige Verehrung dieses Orts / als sie nach der auf den Seiten vollends weggeräumten Erde gegen Mittag in dieses steinerne Grab folgende Uberschrifft eingegraben funden:


Dieser Fels /

Dessen Geruch aller andern Blumen übertrifft /

Weil er niemahls mit diesen Flüchtlingen vergehet;

Dessen Krafft den Cedern vorgehet /

Weil er nicht nur keinen Wurm hecket / sondern auch nicht herbergt /

ist zum Grabmale einer Fürstin erkiest /

Die wie das Kraut / welches ehe zerspringt / als sichs anrühren läst /

vergangen.

Die mit dem Hermelin ehe durchs Feuer als Koth laufft /

Und ehe es sich besudelt / entseelet.

Darff also

Dieses Grab kein Opfer der Blumen /

Die Begrabene keines der Thränen /

aber wol tugendhaffte Nachfolger.


Sie hatten kaum auf der einen Seite diese durch das Alter und die eingedrungene Erde vertunckelte Schrifft zusammen gebracht / als auf der andern folgende erkieset ward:


Die Eröffnung dieses Grabes

Wird denen Deutschen die Augen aufthun /

Daß sie die Römische Dienstbarkeit abwerffen /

und erkennen werden:

Daß ihr Reich zum Schutz-Bilde die Eintracht /

ihr Heer zum Haupte einen Mann dörffe.

Es ist aber noch Glück und Klugheit bey einem Grabe

nicht allererst beym Tode sehen lernen.


[29] Alle Fürsten lasen zwar diese Zeilen / Hertzog Jubil aber war der erste / der alle Geheimnüße dieser Wahrsagung am ersten ergründete. Sintemahl er sich der Erzehlung vom Hertzog Herrmann erinnerte / welche ihm der Schutz-Geist des Gabretischen Gebürges nicht nur / daß er ein Erlöser des dienstbaren Deutschlandes seyn / sondern auch deßwegen eine in Stein gegrabene Wahrsagung bey dem Tanfanischen Tempel gefunden werden würde / vorhin angedeutet hätte. Weil nun Hertzog Jubil dieses kürtzlich erzehlte; war die in dieser Wahrsagung enthaltene Billigung des zum Heerführer erwehlten Hertzog Herrmanns deutlich genug zu verstehen; und weil die erste Schrifft allbereit durch die in biß Grab gelegte Fürstin Walpurgis Sonnenklar wahr gemacht war / fand die letztere so viel mehr Glauben und zohe desto grösser Vertrauen zu dem neuen Feldherrn und dem künfftigen Siege nach sich. Weßwegen der gantze Heyn seine Freude über dieser glücklichen Wahl durch ein allgemeines Frolocken kund machte.

Unterdessen hatte der Priester Libys denen vier schönsten und grösten weissen Pferden / derer eine ziemliche Anzahl in selbigem heiligen Heyne erzogen / und keines zu irrdischer Arbeit gebraucht / auch von sonst keinem Menschen / als dem Priester / weder gefüttert noch beschritten wird / das erste Gebiß und Zaum anlegen lassen / selbte mit silbernem Zeuge und seidenen Qvasten rother Farbe / welche bey diesen Völckern Krieg andeutet / belegen und an einen geweiheten Wagen spannen / auch solchen für den Zelten in Bereitschafft halten lassen. Sie rauchten für Hitze und Schweiß / da sie doch in etlichen Tagen nicht aus dem Stalle kommen waren; welches sie dahin ausdeuteten: daß die Schutz-Geister selbiges Orts allbereit auff selbten wider die Feinde gestritten hätten. Diesem nach die Priester denn auch alsofort dem Feldherrn mit vielen Seegensprüchen drey Kriegs-Bilder / welche noch die Vorfahren in diesem Heyne aufgehenckt hatten / und unter den Deutschen /wie bey den Römern die Adler / zu Kriegs-Fahnen gebraucht worden / überreichten. In dem ersten war ihres Uhranherrns des Tuiscons Haupt / im andern ein Pferd / im dritten ein Löwe abgebildet. Die Pferde aber fingen hefftig zu schäumen und zu wiehern an. Welches Libys und die andern versammleten Priester für ein überaus gutes Zeichen des Sieges auslegten; sonderlich weil selbte den rechten Fuß zu erst aufhoben / durch die in der Erde gesteckten Lantzen ohne einige Berührung durchrenneten. Daher sie alle so wohl den Hertzog Herrmann als die andern Fürsten /welche für dem Wagen hertraten und dem Heere zueileten / mit tausend Glückswünschen begleiteten. Denn diese Anzeigungen versicherten die Fürsten so gewiß des Sieges / als wenn sie selbten schon in den Händen hätten. Sintemahl zwar die Deutschen mit den meisten Völckern auch aus denen Eingeweiden des Opffer-Viehes / aus dem Fluge der Adler / Habichte und Geyer / aus dem Geschrey der Raben / der Krähe und Nacht-Eulen / aus dem Lauffe der Wölffe / Füchse und Schlangen / aus den Wirbeln der Flüsse / aus fallenden Lufft-Sternen / und aus Andeutungen derer zu erscheinen genöthigten Geister künfftige Begebenheiten zu erforschen pflegen; insonderheit aber aus der Anzahl vieler ungefehr in die Asche gemachte Striche / und durch gewisse aus einer fruchtbaren Gärthe gekerbete und mit unterschiedenen Merckmahlen bezeichnete Höltzlein / die der Priester auff ein weisses Kleid ausschüttet / und hernach zu dreyen wieder aufflieset / ihr bevorstehendes Glücke zu ergründen vermeinen; so setzen sie doch auff keine Wahrsagung mehr Vertrauen / als auff die Andeutung dieser geweyheten Pferde. Nicht zwar / daß sie ihnen eine Wissenschafft dessen / was das Verhängniß ihnen bestimmet [30] habe / zueignen; sondern weil sie dafür halten: Gott bewege durch eine geheime Krafft aus einer Erbarmniß gegen den Menschen diese edlen Thiere / als ohne dessen Zulassung kein Vogel eine Feder rühren /kein Pferd einen Fuß auffheben könte.

So bald das Kriegs-Volck / welches in voller Rüstung bereit stand / und nur auff einen Feind loß zu gehen begierig war / den heiligen Kriegs-Wagen erblickte und daraus erkennte / daß der Krieg und Anfall des Feindes beschlossen war / kriegte selbtes gleichsam eine neue Seele und erfüllete die Lufft mit einem heisern Feld-Geschrey. Als sie aber gewahr worden / daß Hertzog Herrmann als Feldherr seinen Sitz darauff geno en hatte / machten sie mit Zusammenschlagung ihrer Lantzen / Spiesse / Schilde und andern Waffen / um dadurch ihr Wohlgefallen über solcher Wahl zu bezeugen / ein solches Gethöne / daß auch die nächsten kein Wort von des Igniomers Rede / welcher ihnen von ihrem Schlusse einen Vortrag thun wolte / verstehen konten. Womit sie aber zu verstehen geben möchten: daß sie dis / was Igniomer ihnen sagen wolte / verstünden / und ihre bey der Wahl eines allgemeinen Hertzogs habende Stimmen dem Herrmann einmüthig gäben; nahmen vier der fürnehmsten Kriegs-Obersten zwey Lantzen auff die Achseln / legten darauff einen breiten Schild / hoben den Feld-Herrn von dem Wagen darauff / und trugen ihn mitten durch ihre Reyhen. Hierauff senckten sie diesen Kriegs-Stuhl / womit er ab und zu Pferde sitzen konte. Dieses war ein feuriger Hengst / welcher /nachdem er diesen fürtrefflichen Helden auff sich bekommen / für Hoffarth den Erdboden eintreten wolte /mit seinem Schäumen und hitzigen Sätzen seine Ungedult aber / daß es nicht schon in der Schlacht wäre /zu verstehen gab. Herrmanns Leib war mit einem gläntzenden und zum Theil vergüldeten Harnische bedeckt / womit ihn Käyser Augustus beschencket / als er in Armenien bey Einsetzung des Königs Artavasdes die Römischen Waffen zu seinem Ruhm und des Käysers Nutzen getragen hatte. In der rechten Hand führte er eine Lantze / im lincken Arm einen länglichten Schild / auff welchem ein springendes Pferd geetzt war / welches die Cheruskischen Hertzoge noch vom alten Hermion her / aus besonderer Liebe zu den Pferden / zu führen gewohnt waren. Um seine Lenden war ein mit Edelgesteinen versetztes Schwerdt gegürtet /und an dem Sattelknopffe hieng ein eckichter Streit- Hammer. Seine braunen und kringlichten Haare hatte er nach seiner Landes-Art ihm über dem Häupte lassen zusammen binden; den Helm aber / über welchem ein Habicht mit ausgebreiteten Flügeln zu sehen war /ließ er ihm seinen Waffenträger neben bey tragen. In solcher Rüstung stellete er sich gegen das in voller Schlacht-Ordnung stehende Heer / und redete mit vermischter Freundligkeit und Großmüthigkeit sie derogestalt an:

Edle Deutschen / vertrauteste Brüder. Dem Verhängniße und den Fürsten des Vaterlandes hat einmüthig gefallen / für die Freyheit Deutschlands wider der Römer Bedrängung die Waffen zu ergreiffen / und mich zum gemeinen Feld-Herrn zu erkiesen. Das letzte anzunehmen hat mich die Liebe des Vaterlandes gezwungen / nicht meine eigene Vermessenheit gereitzt. Die Andeutungen der Priester / die Gerechtigkeit unserer Sache / die Wollüste unsers weibischen Feindes und eure Tapfferkeit / verheissen mir einen unzweiffelbaren Sieg. Es ist unnöthig Männern ein Hertz einsprechen / für derer Thaten mehrmahls Rom erzittert / durch deren Hülffe die Römer allein in Gallien Fuß gehalten / und gegen die Parther gestanden. Der Deutschen ihre Feldherren werden ihrem Kriegs-Volcke mehr zum Beyspiele als zum Befehlichen fürgesetzt. Ich / [31] sichert euch / behertzte Brüder / wil heute mit meinem Blute lieber drey Spannen Erde gegen die Römer gewinnen / als drey Schritte zurück weichen / wüste ich auch dadurch mein Leben auf tausend Jahr zu verlängern. Werdet ihr meinen Fußstapfen nachfolgen / wird diesen Tag entweder von dem Feinde oder uns kein Gebeine entrinnen.

Hiermit ergriff er den Helm / drückte ihn aufs Haupt / und sprengte mit seinem Pferde von einer äusersten Spitze der Schlacht-Ordnung biß zur andern. Das Heer aber schlug noch mit grösserm Ungestüm die Waffen aneinander; welches bey den Deutschen die kräfftigste Art etwas zu bestätigen / und die ehrlichste jemanden zu loben ist. Hierauf erregten die theils hörnerne / theils aus Messing gegossene Kru -Hörner / bey noch stiller Nacht / ein solches Gethöne / daß die Erde erbebte / und die Lüfte mit vielfältigem Wieder-Schalle erfüllet wurden.

Hertzog Segimer nahm hiemit den ihm unter gebenen Vortrab / und führte selbten gerade dem Feinde zu / unter welchem sein Sohn Sesitach tausend junge Cheruskische und Bructerische / Printz Catumer des Arpus Sohn fünfhundert junge Cattische Edelleute führte / welche alle / weil sie noch keinen Feind erschlagen / eiserne Ringe trugen / umb in dieser Kriegs-Schule ihr Glück oder vielmehr ihre Tapferkeit zu versuchen / und zugleich das Recht zu erwerben gemeynt waren: daß sie künftig goldne Ringe tragen möchten.

Als diese bey dem Feld-Herrn vorbey zohen / welcher alle und jede in genauern Augenschein nahm /und keinen Hauffen zur Hertzhafftigkeit aufzufrischen vergaß / ritte ein gerader wol-gewafneter Jüngling /der einen mit grünem Laubwercke ausgeetzten Harnisch / und im Schilde eine Taube führte / aus der Ordnung / näherte sich dem Feldherrn / und reichte ihm mit tiefster Ehrerbiettung einen Zettel / darauf diese Schrifft zu lesen war:

Erlauchter Fürst / großmüthiger Feld-Herr! Die Cherusker sind gewohnt für ihren Schlachten durch Zwey-Kampf eines Einheimischen und eines gefangenen Feindes den Ausschlag des bevorstehenden Treffens zu erkundigen. Göñe diesemnach einem ruhmbegierigen Edelmanne / daß / nach dem dir die gütigen Götter den Sieg schon so augenscheinlich gewiesen haben; daß ich und ein gefangener Römer / jeder mit Waffen nach seiner Landes-Art allhier zusammen schlagen / und mir deine Augen und Vorbild heute das Glücke des Sieges mittheilen / was ich sonst meiner Stärcke und Tapferkeit nicht zutrauen darf.

Dem Feld-Herrn kam dieser Anspruch gantz unvermuthet / jedoch nahm er diese kecke Entschlüssung für ein sehr gutes Zeichen an / und sein Hertze empfand gegen diesem Edelmanne eine ungemeine Beweg- und Zuneigung. Er würde auch nicht die Beschaffenheit seiner Person und den Anlaß zu diesem Ebentheuer genau zu erforschen vergessen haben /wenn er nicht alsbald in die Gedancken gefallen wäre: daß selbter / umb alleine unbekant und mit dem Helme verdeckt zu bleiben / sein Verlangen schrifftlich entworffen hätte. Dahero lobte er / ohne einiges vorwitziges Ausfragen / sein Begehren / und befahl: daß / da irgend einige gefangene Römer alldar befindlich wären / sie augenblicklich zur Stelle gebracht werden solten. Fürst Arpus / welcher unferne davon hielt / vernahm diesen Befehl des Feld-Herrn / näherte sich zu ihm / und ließ alsbald zwey wolgewachsene schöne Jünglinge zur Stelle bringen / welche er für kurtzer Zeit gefangen bekommen / als die Römer aus der vom Drusus am Berge Taunus aufgerichteten Festung Tranburg auf die Catten gestreifft. Diese fragte der Feld-Herr: Ob einer unter ihnen das Hertze hätte mit anwesendem Edelmanne zu fechten? Der Preiß des Sieges sey des gefangenen Freyheit. Hertzog Herrmann hatte diß letzte Wort noch halb im Munde / als[32] der schönste unter beyden / welchem die Anmuth selbsten aus den Augen sah / versetzte: Er habe niemanden noch einen solchen Tantz versagt. Die Dienstbarkeit sey ihm unerträglicher als der Tod. Das Unglücke / nicht die Liebe seines Lebens habe ihn lebendig in seiner Feinde Hände geliefert / in dem er in dem Scharmützel mit dem Pferde gestürtzt / und darüber gefangen worden wäre. Wolte ihm der Catten Hertzog seine Waffen wieder langen lassen / und der Feldherr ihm den Zwey-Kampf erlauben; würde er es für eine grössere Großmütigkeit aufnehmen / als er ihm in diesem Nord-Lande zu finden eingebildet. Alsofort wurden die ihm abgenommenen Waffen / und ein wol-aufgeputztes Pferd zur Stelle bracht. Die Fertigkeit im Wafnen gab die Lust zu diesem Kampfe und die Hoffnung des eingebildeten Sieges genungsam zu verstehen. Ob nun wol die zum Vortrab geordnete Kriegs-Völcker ihren Anzug beschleunigten /so blieb doch das gantze Heer / sa t denen Fürsten und Kriegs-Häuptern mit aufgesperreten Augen und begierigem Gemüthe den Ausschlag zu erfahren unverrückt halten. Der numehr fast volle Mond ersetzte an dem heuteren Himmel bey nahe die Stelle der abwesenden Sonnen. Beyde freudige Kämpfer tummelten ihre Pferde mit ungemeiner Geschickligkeit / und hierauf renneten sie wie ein Blitz gegeneinander. Der Gefangene traf mit seiner Lantzen den Deutschen an die rechte Hüfte / dieser aber jenen auf die Brust. Jedoch sassen sie beyde so wol zu Pferde / daß ehe einer sich aus dem Sattel bewegte / beyde Lantzen in Stücke sprungen. Augenblicks wendeten sie sich / und ergriff der Römer einen Wurff-Spieß / der Deutsche aber einen Streit-Hammer; alleine der Wurff-Spieß gieng diesem unter dem lincken Arm durch / und ob zwar der Deutsche mit dem Streit-Hammer den Römer an der rechten Achsel erreichte / wuste sich der Römer doch dem Schlage so künstlich auszuwinden / daß selbter ohne empfindliche Beschädigung abging. Ja er spannte mit ebenmässiger Geschwindigkeit seinen Bogen / und schoß rückwerts auf seinen Verfolger so gerade / daß / wenn selbter mit dem Schilde den Pfeil nicht aufgefangen / ohne Verwundung derselbte seinen Flug nicht würde vollendet haben. Inzwischen hatten beyde schon ihre Schwerdter entblösset / und fielen einander als zwey junge Löwen an; jedoch wuste ein jeder des andern Streiche mit solcher Geschickligkeit zu begegnen / daß bey einer halben Stund die Zuschauer nichts minder verwundernd als zweifelhaft blieben / auf welche Seite noch endlich der Sieg ausschlagen würde. Endlich gelückte dem Deutschẽ ein heftiger Streich des Römers Pferd an Hals / wovon selbtes sich kollernd in die Höhe lehnte / in einem Augenblicke zurücke schlug / und der Gefangene / weil es zugleich einẽ kleinẽ Graben traf / durch einen heftigen Fall unter das Pferd zu liegen kam. Der Deutsche sprengte bey diesem Zufall etliche mal umb seinen Feind rings umb her / und nach dem er an selbtem keine Bewegung sahe / ritter gegen dem Feld-Herrn / bezeigte selbtem eine tieffe Ehrerbietung / ihm gleichsam für den verstatteten Kampf demütigen Danck erstattend / und rennte Spornstreichs dem vorangegangenen Vortrabe nach. Etliche der nechsten Zuschauer aber sprangen zu dem Gefallenen / zohen ihn unter dem schon halb-todten Pferd herfür / öfneten ihm den Helm / wurden aber kaum einigen Lebens an ihm gewahr. Fürst Jubil / der unter den Fürsten diesem Falle der nechste war / und aus diesem Kampfe ihn nicht wenig zu schätzen angefangen / befahl alsbald ihm den Harnisch zu lüften / und durch Eröfnung der Kleider ihm Luft zu machen. Als dieses erfolgte / wurde man aus den Brüsten gewahr: daß es ein Frauen-Zimmer war. Hierzu kam nicht nur der Feldherr und andere Fürsten zu ihrer hohen Bewunderung; sondern sie erstaunten auch noch mehr /als der andere hierzu gelauffene Gefangene ihm für Verzweifelung [33] die Haare ausrauffte / und nebst anderer jämmerlicher Verstellung / welche auch einen Seellosen Stein zur Erbarmnüs hätte bewegen können / mehrmals die Worte: O unglückselige Königin! ausrief. Unterdessen ward man gewahr / daß ihr das Hertz und der Puls noch etwas schlug / ja als der andere Gefangene sie mit etlichen bey sich habenden Balsamen bestrich / fieng sie wieder an zu athemen. Worüber sein Antlitz und Geberden zwar nicht geringe Freude / zugleich aber auch eine Reue an Tag gaben: daß der übermässige Schmertz die Schrancken der Verschwiegenheit überschritten / und das Geheimnüs ihres Standes entdecket hatte.

Hertzog Herrmann und die andern Fürsten hätten bey so seltzamer Begebenheit nicht unterlassen / von dem Gefangenen die eigentlichere Beschaffenheit /und was für Zufälle diese fremde Königin in Deutschland gebracht hätten / genau zu erforschen / wenn nicht ein Ritter mit gantz verhängtem Zügel und keuchendem Pferde gerennt kommen wäre: und ihnen angedeutet hätte / daß eine Meilweges von dannen eine Menge Römischer Reiterey den Vortrab aus einem verborgenen Winckel angefallen / Segesthes / welcher / dem Verlaß nach / unter dem Scheine den Feind zu verkundschaften voran gegangen war / mit seinen bey sich habenden Grafen und tausend Kriegs-Knechten sich zum Feinde geschlagen / und die Deutschen mit angefallen habe. Hiemit befahl der Feldherr: daß die Königin nebst dem andern Gefangenen in sein unentferntes Schloß. Deutschburg geführet / ihrer auch auffs sorgfältigste gepfleget werden solte. Dem Inguiomer und Arpus vertraute er das Groß des Heeres /dem Jubil und Ganasch den Hinterhalt mit möglichster Geschwindigkeit auf den Kampffplatz zu stellen. Er aber / umb nicht allein der ersten Unordnung zu begegnen / sondern fürnemlich den Stand und die Beschaffenheit des feindlichen Heeres selbst zuerkiesen /nahm nebst seinen hundert Grafen tausend Edelleute und Pferde zu sich / welchen so viel Kriegs-Leute zu Fusse / die sie zu ihren Leib-Schützen erkieset hatten / und wenn sie nur sich mit einer Hand an die Meenen der Pferde anhielten / ihnen auch in vollem Rennen gleich lieffen / und dieser Geschwindigkeit halber mit leichten Schilden aus Weiden-Holtze / die ein eiserner Ring umbschloß / mit Helmen aus Leder und nur mit Eisen gespitzten Lantzen gerüstet waren / und eilte seinem Vortrab möglichst nach. Als er nahe den halben Weg biß dahin hinter sich gelegt / ward er verständigt: daß Segimer den Römischen Hauffen / welcher ihn überfallen / nechst dem abtrünnigen Gegesthes zurück gejaget hätte / hiermit aber in dem Deutschmeyerischen Thale / bey dem Flecken Falckenburg auf das gantze Römische Heer verfallen wäre. Sie hätten eine grosse Menge Wagen und Kriegs-Geräthe bey sich / es wären durch den Forst eine grosse Menge der dickesten Bäume umbgehauen / und die Moräste mit Brücken belegt zu sehen; dahero habe es das Ansehen: daß die Römer ihr Lager gäntzlich verlassen / und sich zwischen die Weser und die Aeder an die Festung Cattenburg hätten ziehen wollen. Müste also ihr Anschlag durch den Segesthes vorhero gäntzlich verrathen worden seyn. Der Feldherr / welchem diese Meynung der Wahrheit sehr ähn ich schien / fertigte alsobald einen Edelmann an den Hertzog Jubil ab / und befehlichte ihn / daß er mit dem grössesten Theile des Hinterhalts sich gegen Sud-Öst ablencken / und derogestalt dem Feinde nicht allein den Paß abzuschneiden / sondern ihm mit Gelegenheit gar an die Seite oder in Rücken zu fallen trachten solte. Seinem Kriegs-Volcke aber sprach er bey dieser verlautenden Flucht der Römer so viel mehr ein Hertz zu / und hielt ihnen für: daß ein furchtsames Heer nur geschlagen / nicht überwunden werden dörfte; weil es von seiner eigenen Einbildung schon übermannet / jeder Ruff des Feindes schon für ein Siegs-Geschrey / seine eigene [34] Bewegung aber für eine Flucht gehalten würde. Ja wer auch nur an dem Siege zweiffelte / der füchte nicht / sondern versetzte nur die feindlichen Streiche ohne einigen behertzten Angriff; und also räumte er insgemein das Feld / nicht weil er es verspielet / sondern weil er es verspielt zu haben aus Schrecken glaubete. Hierauff geriet Hertzog Herrmann gleich zu hoher Zeit auf die Wahlstatt /allwo der Vortrab die Macht des gantzen Römischen Lägers mit unaussprechlicher Tapfferkeit schon eine Stunde auffgehalten hatte. Welches an sich selbst unmöglich gewest wäre / wenn nicht Hertzog Segimer sich des Vortheils der daselbst vermengten Thäler /Berge und Wälder bedienet / und an einem engen Furthe / allwo die Römischen Legionen sich nicht völlig auff ihn ausbreiten konten / Fuß gesetzt hätte. Catumer und Sesitach thäten mit ihren jungen Edelleuten Wunderwercke von Tapfferkeit / Segimer aber wiese alle Künste eines erfahrnen Feld-Hauptmanns. Herrmann wahrnehmende: daß es wegen dieses Vortheils mit dem Segimer keine Noth hatte / suchte ihm einen andern Weg / durch ein Gestrittig an den Feind zu kommen / um des Segimers Hauffen ein wenig Lufft zu machen / und hatte das Glücke auff des Qvintilius Varus Leibwache zu treffen / welche Lucius Eggius anführte. Beyde erkennten einander an ihrer Rüstung /und dahero drangen sie gegeneinander mit Gewalt durch / um an einander zu kommen. Denen ihrigen befahlen sie / daß sie nicht hauen / sondern nur stechen / und insonderheit nach dem Antlitze zielen solten. Herrmann und Eggius fochten gegeneinander wie zwey wütende Panterthiere. Nachdem aber weder Lantzen noch Schwerdter einem unter ihnen einigen Vortheil über den andern verleihen wolten / sprengte Herrmann an den Eggius hart an / umarmete ihn so feste / daß sie beyde zur Erden fielen. Ob nun zwar Herrmann oben zu liegen kam / war doch die Menge der Römer / so diesem Römischen Heerführer zu hülffe kamen / so groß daß Herrmañ den unter sich gebrachten Eggius verlaßen / und zu Fuße wider tausend Lantzen uñ Degen sich vertheidigen muste. Fürst Adgandester / welcher der Oberste unter denen Grafen oder Gefärthen des Feldherrn war / die / wie bey den Galliern die so genannten Soldurier aus dem Kerne des Adels von denen Deutschen Fürsten nichts minder im Friede zur Pracht und allen fürnehmen Hoffämtern / als im Kriege zu ihrer Leibwache pflegen erkieset zu werden / ward dieser dem Feldherrn zustossenden Gefahr inne. Weil nun dieser Gefärthen Pflicht ist / daß /wie ihr Hertzog ohne Schimpff keinen es ihm darff an Tapfferkeit zuvor thun lassen / also ihnen eine nicht geringere Schande sey / des Fürstens Tugend nicht gleiche kommen / ja ein unausleschliches Brandmahl ihres gantzen Lebens / ohne den Hertzog lebendig aus der Schlacht kommen; Weßwegen sie auch auff dem Helme einen kohlschwartzen Federpusch führen; so drang er nicht alleine durch das Gedränge der Römer verzweiffelt durch / sondern ermunterte auch durch sein Beyspiel noch dreißig andere Ritter / welche wie der Fürst für den Sieg / also sie für ihren Fürsten zu streiten / und ihm alle ihre Heldenthaten zuzueignen verbunden / und wenn nur einer für dem andern Ehre einlegen kan / dem Tode selbst das blaue in Augen zu sehen gewohnt sind. Diese machten durch ihre gleichsam blitzende Streiche / deren jeder fast einem Römer das Licht auslöschte / dem Feldherrn ein wenig Lufft /und Adgandester / welcher ihm mit seinem Schilde viel Streiche abgelehnet / hingegen selbst sieben Wunden hierüber bekommen hatte / Raum und Gelegenheit / daß Herrmann wieder zu Pferde kommen konte; indem er selbst von dem seinigen absprang /und es seinen Feldherrn beschreiten ließ. Dieser war kaum in diesem Stande / und der von Verblutung[35] ziemlich matte Adgandester hatte sich kaum wieder auff eines erlegten Römers Pferd geschwungen; und die übrigen Grafen an ihren Hertzog gezogen / als gegen ihnen ein Ritter in einem gantz vergüldeten Harnische und Helme / den ein Pfauen-Schwantz zierte / nebst drey tausend Armenischen und Numidischen Schützen / derer ertztene Helme mit feuerrothen Federn nach Erfindung der Carier gläntzten / ihre Pferde aber / so wohl als sie / nach Parthischer Art in stählerne Pantzerhemde eingenehet waren / herfür rückte /welche die Lufft mit ihren Pfeilen gleichsam schwartz machten; also / daß / ob wohl der Feldherr mit seinem Schwerdte keinen vergebenen Streich thät / daß nicht einer der Feinde entweder das Leben oder die Kühnheit sich ihm zu nähern verlohr / er und seine Helden rings umher mit Feinden umringt waren. Ja / was noch ärger / so hatte Segesthes den Römern welche gleichsam zwischen dem Walde und einer See vorhin eingesperret waren / durch den Sumpff einen Furth gewiesen; als sie so wohl dem Feldherrn als dem Vortrabe in Rücken kamen. An beyden Orten stand es schon auff der eussersten Spitze / und die Noth war recht an Mann kommen; Fürst Catumer war in einen Arm / Fürst Sesitach an die lincke Hüffte verwundet; von des Feldherrn hundert Grafen hatte mehr als die helfte ins Graß gebissen / und von seinen zwey tausenden war mehr als das vierdte Theil erlegt. Eggius führte an einer / und der Armenische Fürst Zeno an der andern Seite mit steter Abwechselung frischer Völcker die ihrigen nichts minder mit Worten / als mit ihrem Beyspiel auff die Deutschen an / welche gleichwohl wie Mauern stunden / als Ingniomer und Arpus mit dem Groß des Heeres ankamen / und die ihrigen / so von der Menge der Römer / Armenier /Numidier / Nemeter / Vangionen / Gallier und Eretenser übermannet wurden / entsetzten. Nunmehro gieng die rechte Schlacht allererst an / und das Auge der Welt stieg gleich an dem blauen Morgen-Ecke des Himmels auff seinen vergüldeten Wagen empor: womit es einen Zuschauer dieser blutigen Schlacht abgeben könte. Der Feldherr / als er sich nun dem Feinde genugsam gewachsen zu seyn achtete / ließ an den Segimer Verordnung abgehen / daß er und seine Völcker Fuß für Fuß zurück weichen / und dem Feinde Raum und Platz zu einer völligen Schlacht-Ordnung machen solte. Welches er nebst dem Fürsten Catumer und Sesitach jedoch dem Feind allezeit die Stirn bietend / mit sehr guter Art ins Werck richtete. Der Feind nahm dieses für eine kleinmüthige Flucht auff / drang an dreyen Orten / wo nehmlich der Feldherr und Hertzog Segimer gefochten / Segesthes aber den Furth gefunden hatte / mit aller Gewalt nach /also / daß weder Qvintilius Varus / noch Lucius Eggius / welcher allenthalben das Lob eines vernünfftigen Feld-Hauptmanns und eines behertzten Kriegs-Manns verdiente / die ihrigen zurück halten konten; weil beyde nicht allein sahen / daß das Römische Heer sich hierdurch aus dem Vortheil begab / sondern auch / als Varus und Eggius über diesen Fluß selbst setzen wolten / beyder Pferde gleichsam kollernde solches zu thun weigerten / ja so gar Thränen aus den Augen fallen liessen. Bey welcher Begebenheit sie sich erinnerten: daß auff gleichmäßige Art die durch den Fluß Rubico zu setzen widerstrebende Pferde dem Käyser Julius den bey nahe begegnenden Untergang wahrgesagt haben. Nachdem es aber nicht zu ändern war /und es unverantwortlich und noch schädlicher schien /die Helffte des Heeres / welches durch die drey Wege auff das freye Feld schon durchgebrochen war / im Stiche zu lassen / musten sie aus der Noth eine Tugend machen / also die rothe Blutfan zum Zeichen der Schlacht auffstecken / das [36] gantze Heer ihre Segen Aexte / Ketten / Grabescheite / Sicheln / Riemen / und das auff zwantzig Tage mit sich geno ene zweymal gebackene Brodt abwerffen und übergehen lassen /also auf verwechselten Pferden folgen / hierauf auch so gut / als es die Zeit und der Ort lidte / in Schlacht-Ordnung stellen. Sintemal für dismal unmöglich war der Römischen Art nach alle Hülfs-Völcker an die Spitze / die leicht gerüsteten an die Stirne der Legionen / und die alten Kriegs-Leute zum Hinterhalte zu ordnen. Den rechten Flügel / welcher von einer Legion / fünftausend Nemetern / Tribozern und Vangionen / welche allererst den Abend vorher ins Römische Läger ankommen waren / und sieben tausend Galliern bestand / führte Lucius Eggius / Viridomar der Vangionen / und Günterich der Trierer Hertzog. Im lincken Flügel war eine Legion Römer / dreytausend Thracier / viertausend Ubier und Menapier / achttausend andere Gallier / und hatte zu Kriegs-Häuptern den Cejonius / Rhemetaltzen einen Fürsten aus Thracien / den Menapischen Fürsten Malorich / und den Hertzog der Bituriger Ambigat. Das mittlere Groß hatte anderthalb Legionen Römer / zweytausend Usipier / tausend Cassuarier / mit denen Segesthes übergelauffen / tausend Juhoner / zehntausend Gallier /worinnen Quintilius Varus / als oberster Feldherr / in Person / Segesthes / Britomar / der Ubier Fürst / und Arbogast der Mediomatrizer Hertzog / oberste Befehlhaber waren. Die auf achttausend Mann sich belauffende Reiterey führte auf der einen Seite Vala Numonius / auf der andern Zeno ein Armenischer Fürst. Hierunter waren zweytausend Römer / das andere Trierer / Armenier und Numidier / welche theils mit ihren Pferden gepantzert / und mit schweren Waffen versehen waren / theils aber nackt und mit blossen Bogen gerüstet / auf Pferden ohne Sattel und Zaum sassen / und noch ein Bey-Pferd an der Seite lauffen hatten / von derer einem auf das andere sie mit unglaublicher Geschwindigkeit zu springen / und mit einem Winck der Spieß-Ruthe selbte meisterlich zu leiten wusten. Zweytausend Cretensische Schleuderer waren dort und dar zwischeneingespickt / welche sich rühmten: daß von der Heftigkeit ihres Schleuderns die bleyenen Kugeln in der Luft zerschmeltzten / und ihre Steine alle Harnische durchdringen. Daß also die frembden Hülfs-Völcker / wider die alte Römische Kriegsverfassung / an Fuß-Knechten mehr als zwey-an Reiterey mehr als dreymal die Anzahl der Römer überstieg. Hingegen vertraute der Feldherr dem Ingniomer den lincken / dem Arpus den rechten Flügel; Segimer bedeckte mit der Reiterey den lincken / und Catumer den rechten Flügel; der Feldherr selbst führte das Groß in der Mitten / und Hertzog Ganasch blieb zum Hinterhalte unter einem Hügel stehen. Varus änderte das früh gegebene Wort / und gab anietzt: die Glückseligkeit / Herrman aber: die Freyheit. Dieses ward nur mündlich / jenes aber auf gewissen beschriebenen Höltzlein herumbgegeben.

Das Treffen begonte nach erlangter Fläche von denen theils an die Spitze gestellten / theils zwischen die Flügel eingespielten Schleuderern; kurtz aber darauff von den erstern Fahnen derer dreyfach hinter einander gestellten Hauffen / wiewohl so wohl auff deutscher als Römischer Seiten im rechten Flügel zum ersten. Alleine die Römer / welche wegen der in lincken Armen hängender Schilde die Deutschen auf der Seite zu blössen / und ihnen einen besondern Vortheil abzujagen vermeynten / befunden sich mercklich betrogen; weil der Feldher in seinem lincken Flügel alle die / welche linckisch / oder linck und recht waren / gestellet hatte; welche ihre Schilde alle in rechten Arm nahmen / und dadurch die Römer in ihrem gantzen Gefechte verwirreten. Hertzog Segimern u. Catumern mochte weder die Mattigkeit von vorigem Kampfe /noch die empfangenen Wunden hindern: daß sie nicht auf den [37] Feind so hurtig als vor immermehr loß giengen. Die Numidischen Schleuderer und die Armenische Reiterey / welche ihre Pantzer / umb ihren Feind zu vielen vergebenen Streichen zu veranlassen / mit baumwöllenen Röcken verdeckt hatte / thäte mit ihren Pfeilen und Wurffspiessen ziemlichen Schaden / weil doch der Catten aus hanfenen Fadenen gestrickte und in Essig gehärtete / oder hörnerne aus Pferdehuf Schuppenweise mit Drate zusammen gemachte Brust-Harnische und höltzerne Schilde / nicht wie jener aus stählernen Ringen gemachte Pantzer und lederne Schilde den Stich halten wolten / und Hertzog Segimer ward von dem Armenischen Fürsten mit einem durch die lincke Achsel so heftig verwundet / daß er aus dem Gefechte sich zurücke ziehen und seinem Sohne Sesitach seine Stelle zu vertreten anvertrauen muste. Hingegen zertrennete die deutsche Reiterey mit ihren langen Spiessen die Römischen Glieder / zernichteten mit ihren schweren Streit-Hammern die dickesten Schilde und die aufs beste gehärteten Harnische. Ihre mit Wiederhacken gespitzte Wurff-Spiesse machten auch die / welche gleich an keinem gefährlichen Orte ver wundet waren / zum Fechten unfähig /weil sie musten aus dem verletzten Gliede geschnidten werden. Weñ sie selbte nun in Verwirrung gebracht hatten / sprangen sie von ihren Pferden / die inzwischen auf ihrer Stelle stock stille zu stehen gewohnt waren / stachen ihre kurtze Degen theils den Pferden / theils den Feinden in ihre Bäuche / schwungen sich hiermit wieder auf die Pferde / und brachen an einem andern Orte ein; also daß / wenn Fürst Zeno mit seinen geschwinden Armeniern nicht mehrmals in die Lücken gerückt / und den Römern sich zu erholen Lufft gemacht hätte / das Fußvolck bey zeiten würde bloß gestanden seyn. Dieser Held fiel nicht anders als der Blitz bald dar bald dort ein / und wie sehr sich Fürst Sesitach bemühete mit ihm anzubinden / diente doch seine ungewöhnliche Landes-Art zu fechten /ihm gegen dem schweren Reisigen Zeuge zu einem besondern Vortheil. Endlich hieng sich einer aus denen Cheruskischen Edelleuten an ihn / welcher eine leichte mit güldenen Blumen bestreuete Rüstung führte; also / daß Zeno ihm endlich stand halten muste /oder sich vielmehr freywillig wider ihn setzte / als er sahe / daß ein einiger Ritter ihm so auf den Hals gieng; umb zu bezeugen / daß seine vorige geschwinde Abwechselungen nicht eine verzagte Flucht / sondern eine vortheilhaftige Krieges-Art gewesen. Diese zwey rennten mit ihren Lantzen so heftig aneinander / daß die Stücke davon in die Luft flogen / und fingen mit ihren Degen so einen hitzigen Kampf gegeneinander an / daß die umb sie herumb fochten /und auf die Streiche ihres eigenen Feindes genungsam Achtung zu geben hatten / deñoch ein vorwitziges Auge auf diese zwey Kämpfer warffen; gleich als wenn an ihrem Siege und Verlust auch eines oder des andern Theils Verderben oder Wolfarth hienge. Als nach langem Gefechte der Armenische Printz wahrnahm / daß wegen des Deutschen Hurtigkeit und Vorsicht mit dem Degen nichts auszurichten wäre / warff er sein Pferd herumb / rieß einem Armenier einen Wurff-Spieß aus / und nach dem der Deutsche einem andern / der ihn auf der Seite anfiel / einen Streich versetzen muste / warf Zeno selbten so glücklich / daß er dem Deutschen den Schenckel verwundete / und in den Bauch des Pferdes so tief hinein drang / worüber Mann und Pferd zu Boden stürtzten. Hierüber wurden die Armenier so hochmüthig / als wenn durch diesen glücklichen Streich der völlige Sieg erlanget wäre /die Deutschen aber so erbittert / als wenn Zeno den Feld-Herrn selbst erleget hätte. Und hiermit gieng das Schlagen aufs neue mit zweyfachem Eifer an. Der Gefallene konte wegen empfangener Wunde von der Erde nicht empor kommen. Sesitach thät zwar das äuserste ihm aufzuhelffen; das Gedränge aber war umb ihn so groß / und Zeno traf mit einem andern [38] Wurf-Spiesse des Sesitach Pferd / daß selbter unter seine Grafen zurück weichen muste. Inzwischen wäre der Gefallene numehro der Rache der wütenden Feinde aufgeopfert worden / wenn nicht zu seinem Glücke ein Pferd ihm den Helm vom Haupte getreten / und hiemit dem Fürsten Zeno das schönste Antlitz unter der Sonnen ins Auge geworffen hätte. Dieser ward hierüber gantz erstarrend / nicht anders als wenn ihm das Haupt der Medusen ins Gesichte gefallen wäre. Bald aber erholte er sich / und verbot den Seinigen alle fernere Beleidigung / befahl auch den Verwundeten alsofort aus dem Treffen wegzuführen. Unterdessen hatte Sesitach ein frisches Pferd bestiegen / und kam nun sich an den Zeno aufs neue zu machen / als er des Hertzog Herrmanns wunderschöne Schwester /die unvergleichliche Ißmene verwundet und in den Händen des Feindes sahe. Denn diese Fürstin hatte sich ihrer Landes-Art nach nebst etlichen andern Frauenzimmern dem Kriegs-Heere mit unkentlicher Rüstung eingemischet. Ißmene! Ißmene! rief er / aus gantzen Kräften / und sprengte damit auf die / welche sie gefangen führten / zu. Alleine der Hertzog aus Armenien / der numehr allererst von seinem Feinde erfuhr / was für ein Kleinod in seine Hände verfallen wäre / begegnete ihm mit ungläublicher Gegenwehr /also daß Ißmene aus den Augen dieses Fürsten gerieth / und denen Deutschen sie zu erlösen alle Hoffnung entfiel. Es war nicht anders / als weñ Eris einen neuen Zanck-Apfel zwischen diese zwey Helden geworffen /und selbten dem Uberwinder zum Siegs-Preise aufgesetzt hätte. Sie fielen einander so rasend an / gleich als wenn sie aus Mutter-Leibe gegeneinander Tod-Feindschafft gebracht hätten. Weil aber Sesitach numehro gantzer sechs Stunden gefochten hatte / ihn auch die empfangene Wunde nicht wenig im Fechten hinderte / würde er / und mit ihm die deutsche Reiterey auf selbiger Seiten / diesen hurtigen Feind kaum länger bestanden haben / wenn nicht Hertzog Ganasch auf Verordnung des Feld-Herrn / durch die in der Schlacht-Ordnung zwischen jeden dreyen Fahnen gelassene Strassen / mit einem Theile seines Hinterhalts ihnen zu Hülffe kommen wäre. Sesitach hatte von den Wurff-Spiessen des Zeno numehr das andere Pferd verlohren / und muste sich zu Fusse gegen ihm vertheidigen / als der Chauzer Hertzog ihn mit dem Degen in der Faust ablösete. Ehe nun Zeno sein recht inne ward / hieb Ganasch ihm den Zügel am Pferde entzwey / und nach dem er dergestalt sich nicht wenden konte / versetzte ihm Ganasch mit einem schweren Streit-Hammer einen so harten Schlag rückwerts aufs Haupt / daß er gantz ertäubet auff den Erd-Boden fiel. Die Armenier verlohren mit diesem Schlage auch all ihr Hertz / meynende: daß ihr Fürst entweder von selbtem entseelet / oder doch von denen über ihn sprengenden Pferden zertreten sey. Hiemit fingen sie an gegen die frischen Völcker des Ganasch laulichter zu fechten und endlich die Flucht zu ergreiffen / also /daß die Römische Reiterey / ungeachtet selbter der zum Hinterhalt stehende Flügel von eitel alten Rittern zu hülffe kam / auch nicht länger den Anfall der Deutschen aushalten konte / und auf selbiger Seiten ihr Fuß-Volck gantz bloß stehen blieb / den Armenischen Fürsten aber in den Händen des Hertzog Ganasches liessen.

Ehe diese Begebenheiten sich auf dieser Seiten dergestalt zugetragen hatten / war Fürst Catumer schon aus der andern Seiten der Römischen Reiterey Meister worden. Deñ diese war gegen die Deutsche solangsam / daß die Römischen Reiter Fußgänger zu seyn / die Deutschen aber sich alleine auf Pferden zu bewegen schienen Dahero ward Vala Numonius von des Cattischen Fürsten Lantze auf der rechten Seiten verwundet / die Römischen und Trierischen Glieder von dem Deutschen Adel durchbrochen / worauf er zum ersten die schimpflichste Flucht ergriff. Ja der [39] Deutschen Tapfferkeit hatte ihm eine solche Furcht eingejagt /daß er nicht näher als am Rheinstrome sichern Stand zu finden trauete.

Hingegen fochten Eggius / Viridomar und Günterich im rechten Flügel zu ihrem unsterblichen Ruhme und des Numonius Schande desto hertzhaffter. Denn die Vangionen und Trierer hatten zwar durch Versetzung ihres Sitzes in Gallien einen gelindern Himmel erkieset / auch durch lange Gewohnheit mit den Römern umzugehen und mit ihnen sich zu befreunden /fast alle Liebe des alten Vaterlands verlernet / gleichwohl aber grösten theils ihre deutsche Tapfferkeit behalten. Und Lucius Eggius war sonder Zweiffel der Ausbund der Römischen Kriegs-Obersten; welcher über des Qvintilius Varus Uppigkeiten offters sein Mißgefallen bezeugt / und von der anfälligen Senche so vieler Wollüste nicht angesteckt worden war / sondern mit den alten Römischen Sitten auch die Kriegs-Zucht bey seinem Volcke / ungeachtet des Varus Nachläßigkeit / unversehret behalten hatte. Dieser hielt selbtem nicht allein ein: Sie hätten dreymahl so viel Pannonier und Dalmatier erlegt / und noch keinem Feinde den Rücken gekehret. Dieser Barbarn gantze Macht bestünde an dem ersten Ungestümme /welches keinen Bestand hätte / sondern wenn nur der erste Anfall behertzt überstanden wäre / Anfangs sich in Trägheit / hernach in knechtische Kleinmuth verwandele. Er wolle bey ihnen Gut und Blut auffsetzen /und diesen Tag entweder todt seyn / oder den alten Preiß der Römischen Waffen behaupten; sondern sein Thun diente auch denen Behertzten zu einem Beyspiel / denen Verzagten zu einer Auffmunterung. Uberdiß hatte Eggius in das erste Glied der vördersten Kriegs-Hauffen meistentheils alte ausgediente freywillige Römische Rittersleute gestellet / und ihnen zu Hauptleuten so gar Raths-Herren zugeordnet; wie die Römer nur in äusersten Nothfällen zu thun pflegeten. Ingniomer hingegen ward durch der glücklichen und tapferer Leute Gemüths-Regung / nemlich einen Lobswürdigen Ehr-Geitz zu ungemeinen Helden-Thaten angereitzt / umb zu erweisen / daß auch er der obersten Feldhauptmannschafft würdig gewest wäre. Er selbst begegnete den kühnesten Feinden zum ersten / lobte die Seinigen / welche sich ritterlich hielten / schalt die Kleinmüthigen / tröstete die Verwundeten / und halff den Gefallenen auff. Eggius / welcher die Seinen dort und dar einbüssen und in Unordnung bringen sahe / verwandelte seine Hertzhaftigkeit in ein Wütten. Denn als er einen Hauptmann für einem Deutschen zurück weichen sahe / stieß er ihm selbst den Degen in Leib / rieß ihm den Schild vom Arme /und war an den gefährlichsten Orten stets der förderste. Als auch dis nichts verfangen wolte / seine Römer hertzhaft zu machen / warff er das Kriegs-Zeichen des Drachens mitten unter die Feinde. Durch welches Mittel die Römer mehrmals ihre gantz zertrenneten Heere wieder in Stand gebracht; weil sie nicht alleine zu diesen Bildern zu schweren / sie in Feyer-Tagen einzubalsamen / und den Göttern gleich zu verehren / sondern auch die / welche sie in der Schlacht einbüssen /mit Rutten zu peitschen und zu enthaupten pflegen. Diese Erfindung verursachte zwar keine geringe Veränderung in dem Streite der Römer / welche freylich wol noch einen verzweifelten Ansatz thäten; weil aber Vala Numonius die Flucht ergriffen hatte / und Catumer mit einem Theile seines reisigen Zeuges / welcher nicht den Feind verfolgte / auf der Seite in den rechten Flügel einbrach / warff er alle gute Verfassung des Eggius vollends über einen Hauffen / und rieß dem Casca die erste Fahn / darauf ein. Wolff gebildet war /zu grossem Schrecken der Römer aus den Händen. Viridomar wolte gegen ihm die Ordnung erhalten / er ward aber zu Boden gerennt / und von Pferden ertreten. Den Fürsten Günterich [40] schlug Catumer mit einem Streit-Hammer so heftig / daß ihm Gehöre und Gesichte verging / und stieß ihm den Degen unter dem Pantzer in Leib / daß er darüber seine Seele ausbließ. Hiermit gediegen die Deutschen biß in das Mittel der Legion / und waren gleich einem Ameißhauffen umb den Römischen Adler zu erobern beämsigt. Eggius und die Streitbarsten drangen den Ihrigen allhier zu Hülffe / und es mochten weder Spiesse / noch Hacken / noch Schwerdter ihnen den Weg verschrencken; gleich als mit diesem Fahne das Schutz-Bild des Römischen Reichs vertheidigt werden solte. Kein Römer wiech hier einen Fuß breit zurücke / sondern sie fielen von der Menge ihrer Feinde Gliederweise / wo ein ieder gestanden war; und in eines ieden erlegten Lücke trat alsobald ein ander in die Stelle; also daß die Streitenden numehr nicht auf der Erden / sondern denen todten Leichnamen ihren Kampf-Platz hatten. Inguiomer selbst / weil er wol sahe / daß am großmüthigen Eggius das Haupt-Werck des Sieges gelegen war / machte sich an ihn. Dieser fochte wie ein verzweifelter Löwe / welchem man seine jungen rauben wil / und jenem hatte die Begierde eines so treflichen Feindes Meister zu werden Muth und Kräfften vergrössert. Jedoch konte so grosse Heftigkeit in die Länge nicht austauren. Eggius hatte zwar einen Uberfluß von Muthe / aber endlich Mangel an Kräften /und er konte kaum mehr athmen / oder die Glieder rühren / als Inguiomer ihm einen so heftigen Streich versetzte / daß mit der Hand ihm auch sein Schwerdt entfiel. Alsobald stieß er ihm den Degen durch die Gurgel. So unglücklich verging dieser Ausbund der streitbarsten Römer / wo anders ein hertzhafter Tod nicht für eine allgemeine / dis aber / daß er keinen Römischen Adler noch in den Händen des Feindes sahe / für seine absondere Glückseligkeit zu achten war. Kein Donner-Schlag / der einen gantzen Thurn zu Boden wirfft / kan grösseres Schrecken verursachen / als die Niederlage dieser Römischen Seule. Mit seinem Falle entfiel auch den Streitbarsten der Muth /und die Hoffnung ihrer Erhaltung. Denn wie die einem Heerführer zustossende Gefahr eine nicht geringe Ursache des Sieges abgibt / weil ieder ihn zu erhalten seine äuserste Kräften anstreckt; also ist der Tod desselben auch die wichtigste Ursache der Niederlage / weil mit seinem Leben iedem schier das Hertze entfällt. Der Fendrich / als er kaum noch eine Handvoll seiner Vertheidiger umb sich sahe / umbarmete den ihm anvertraueten Adler / und stach ihm selbst den Degen in die Brust. Denn was hätte eines Römers Leben für ein ärgerer Schandfleck angebrennt werden können / als daß ihm der erste Römische Adler in Deutschland wäre abgenommen worden? Inguiomer ergriff nun selbst den Adler / Catumer aber rieß fast eben zu einer Zeit einem Gallier ihre Kriegs-Fahne / auf welcher ein Hahn stund / aus / und wie diesen überwundenen Hülffs-Völckern weder die Ruhms-noch Siegs-Begierde / sondern die Noth ihres Zustandes die Waffen in die Hand gegeben hatte /also vermochten sie so wenig ietzt / als vorhin iemals der Deutschen Tapferkeit die Waage zu halten. Dahero suchten sie ihr Leben / als ein besonder Geschencke des Verhängnüsses durch eine offene Flucht zur Ausbeute davon zu bringen. Sintemal die Römer ihre Bunds-Genossen stets an die Spitze zu stellen / und mit der eroberten Länder Blute die Benachbarten zu überwinden gewohnt waren.

Im lincken Flügel lieff das Spiel nichts glücklicher. Rhemetalces hatte mit seinen Thraciern zuförderst dem ersten Sturme der Deutschen zu begegnen erwehlet. Ihr erstes Geschoß / ehe sie zu den Schwerdtern griffen / waren Pfeile und leichte Wurff-Spiesse. Daher / wenn das erste Glied sich verschossen hatte /es sich biß zur Erde bückte / und so auch das andere[41] und dritte / biß das vierdie Glied auch sein Geschoß anbracht; da denn die fördersten Glieder / welche unter deß ihre Bogen spanneten / wieder den Anfang machten. Alleine die Deutschen drangen mit ihren langen Spiessen den Thraciern bald so nahe auf den Hals / daß sie ihr Geschoß nicht länger brauchen konten / biß die Römer / welche überaus verbittert wurden / daß die jungen Cattischen Edelleute / neben dem deutschen rechten Flügel / an ihrer Pferde Hälse zu zwey und drey Feindes-Köpfe henckten / durch Zusammenrückung ihrer Hauffen / in dem anfangs ieder Kriegsmann rings um sich her sechs Schuch / numehr aber nur drey Schuch lang Platz hatte / denen Thraciern neuen Platz machten. Diese gebrauchten sich darauf einer neuen Kampf-Art / steckten auch ein neues Kriegs-Zeichen auf / nemlich einen Drachen /dessen silberner Kopf mit offenem Rachen die Zähne bläckte / und / wenn der Wind hinein gieng / zischte /der übrige hinausgehende Leib aber recht nach der eigentlichen Beschaffenheit der Drachen gemahlet war. Welches denen Catten anfangs seltzam und zäuberisch fürkam. Ihre Art zu kämpfen gleichte sich dem Blitze / weil sie so fertig auf den Feind loß giengen /und selbten durch Pfeile und Wurff-Spiesse beschädigten / im Augen-Blicke sich aber auf die Seiten zertheilten / und hinter die geschlossenen Hauffen der Römer wider setzten. Alleine Hertzog Arpus und seine Catten gewohnten alsobald beyder Neuigkeiten /liessen sich also nichts irre machen / sondern durchdrangen die Römischen Glieder / verbeugten den Thraciern mehrmals an den Strassen der Römischen Schlacht-Ordnung den Weg / also / daß wenn nicht Fürst Rhemetalces seine Völcker wieder zusammen gerafft / und durch unzehlbare frische Anfälle den Deutschen zu thun / den Römern Luft gemacht hätte /dieser Flügel in kurtzer Zeit würde zertrennet worden seyn. Zumal der Graf von Solms das Glücke hatte /im ersten Treffen den Römischen Obersten Pansa zu tödten / welchen damalige zwey Monate die Reye traf / über diese Legion und die fünf ändern Obersten zu gebieten. Denn denen Menapiern und Biturigern schiene der Streit ein schlechter Ernst zu seyn / als welche ungewiß waren / ob der Römische Sieg oder Verlust ihnen eine Erleichterung schaffen / oder grössere Bürde aufweltzen würde. Ja sie waren in ihrem Gewissen überzeugt / daß die Gallier ihre Freyheit in sieben Jahren mit minderem Schimpf verlohren / als sie sich gegenwärtig wider die Vertheidiger der Deutschen Freyheit hätten zu fechten gebrauchen lassen. Dahero / wie gegen angedräuete Dienstbarkeit am blutigsten und am gerechtesten gefochten wird /also kühlet sich dar aller Eyfer bald ab / wo die Kriegs-Leute die Würckung des Sieges selbst verdammen. Cejonius fochte nichts weniger gantz laulicht / und büssete das Siegszeichen des Elephanten ein / welches das andere hundert dieser Legion noch unter dem Käyser Julius durch tapfere Zurücktreibung der Pompejischen Elefanten zu führen verdient hatte; weil er dem Quintilius Varus sich aus dem befestigten Läger zu begeben beweglich aber vergebens widerrathen / und einen traurigen Ausgang selbst vorher wahrgesagt hatte. Also wird die Ausführung eines Rath-Schlusses niemanden gefährlicher vertraut / als dem / der selbten von Anfang verworffen hat. Und die einmal eingebildete Furcht läst ihr auch durch handgreiffliche Ursachen ihren einmal gefaßten Aberglauben nicht ausreden. Bey solcher Beschaffenheit war unter den Grossen auf dieser blutigen Schau-Bühne der Thracische Fürst der muthigste / der das Trauerspiel feurig und mit Aufopferung vieler Todten ansehnlich machte. Der Catten Hertzog nahm daher ihm Ursache / fand auch unschwer Gelegenheit gegen ihm seine Kräfften zu messen. Rhemetalces empfing den Arpus so behertzt / daß auch die [42] Kleinmütigen beschämt und noch neben ihm Stand zu halten veranlaßt worden. Beyde verwundeten zugleich einander ihre Pferde / also daß sie abspringen und mit den Degen zu Fusse gegeneinander streiten musten. Arpus verletzte den Rhemetalces in Schenckel / dieser jenen in Arm / und es hatte sich weder einer noch der ander einigen erlangten Vortheils zu rühmen / als der Graf von Nassau das Kriegs-Zeichen / darauff das silberne Bild des Drusus stand / dem Petronius auswand / und Sesitach zugleich mit seiner Reuterey nun auch in diesen Flügel einbrach / welche theils mit ihren Lantzen und viel längern Degen / als das Fußvolck zu führen gewohnt ist / die Glieder zertreñeten / theils durch die Gewalt der Pferde die Römer zu Boden renneten /also daß Cejonius in das Thal zwischen das Gestrüttig zu weichen / und sich in das verlassene Römische Läger zu flüchten befahl. Die Römer folgten ihrem zurückweichenden Adler / die Gallier ihren Fahnen nach. Rhemetalces blieb allein mit seinen wenigen Thraciern stehen / und verfluchte die Zagheit des Cejonius. Alleine was solte diese Handvoll Volck gegen dem Strome eines siegenden Heeres ausrichten? Die hartnäckichten Thracier wurden fast alle erschlagen /dem Fürsten Rhemetalces aber / welcher auf dieser Wallstatt gerne eine ruhmwürdige Helden-Baare erlanget hätte / ward es nicht so gut / daß er sterben mochte. Denn Hertzog Arpus befahl / daß ihn niemand verwunden / sondern lebendig fangen solte.

Das mittlere Groß beyder Kriegs-Heere kam am längsamsten zum Treffen / weil Hertzog Herrmann wahrgenommen / daß die grösseste Macht der Römer darein gestellt war / und daher befohlen hatte / daß seine zwey Flügel sich als zwey Hörner herfür ziehen / und den Feind bald Anfangs zum Schrecken des langsam zum Gefechte kommenden Kernes in seiner Schwäche angreiffen solten. Nichts desto weniger war der Streit am allergrimmigsten / und dahero auch am blutigsten. Sintemal wie in dem Hertzen alle Lebens-Kräffte gleichsam in einen Mittel-Punct zusammen gezogen werden; also sich umb beyde obriste Feldherren auch die Kräffte der Streitenden aneinander drangen. Denn diese sind in Wahrheit das Hertz und die Seele eines Heeres / welche allen andern Gliedern ihre Bewegung mittheilen / und durch vorsichtige oder schlimme Anstalt den Ausgang einer Schlacht herrlich oder erbärmlich machen. Quintilius Varus kam zu dieser Schlacht wider seinen Willen / und dahero auch mit weniger Hoffnung des Sieges. Ihn trug nicht allein sein Gemüthe nicht zu den Waffen / und seine Lebens-Art hatte ihm auch keine kriegerische Zuneigung angewöhnt; sondern es hatte so wol sein natürlicher Trieb / als seine bißherige Verwaltungen ihn mehr zu Schlichtung der Rechts-Händel / als Schlacht-Ordnungen zu stellen geschickt gemacht. Denn Syrien / so lange er Land-Vogt daselbst war / behielt mit seinem Gehorsam eine beständige Ruhe / und seine wichtigste Verrichtungen waren daselbst gewest / daß er dem Herodes im Nahmen des Kaysers die Landschafften Trachonitis und Batanee eingeliefert / die Stadt Cäsarea dem Drusus zu Ehren köstlicher zu erbauen / mit einem grossen Hafen zu versehen / eingerathen / ja zwischen dem Herodes und den Gadarensern einen Richter abgegeben / und jenem des alten Jüdischen König Davids Grab zu erbrechen / und dadurch seinem Geitze eine Nase zu drehen Anlaß gegeben hatte. Ob auch wol die erschöpften Juden zuletzt wider den Varus und Sabinus / als von welchen sie biß auffs Blut ausgemergelt / ihre Schlösser ihnen abgenommen / des Herodes verlassene Schätze gewaltsam angegriffen / ja aus dem Tempel zu Jerusalem der Kirchen-Schatz geraubt worden / am Pfingst-Feste einen Aufstand erregten / auch den Sabinus / Rufus [43] und Gratus / sambt der dritten Legion in der Burg Zion belägerten / und Athronges ein gemeiner doch starcker Hirte sich zum Könige auffwarff; so zerstreueten sich doch die Aufrührer / als sie nur hörten / daß Quintilius Varus mit zwey Legionen im Anzuge begriffen / aus Ptolemais funfzehenhundert / und vom Könige Aretas noch eine grössere Anzahl Hülffs-Völcker zu ihm gestossen waren. Worüber Athronges gefangen / und nebst zweytausend Rädelsführern vom Varus ans Creutze genagelt wurden. Als Varus in Deutschland kam / war selbtes eben so wol in Ruhe /dahero nichts minder seines Leibes als Gemüthes Beschaffenheit ähnlich. Er verhing dem Kriegs-Volcke allen Muthwillen und Müssiggang. Jederman dorfte gekochtes Fleisch / neugebackenes Weißbrodt / und andere niedliche Speisen auch zur Unzeit essen /wenn gleich nicht das allgemeine Zeichen dazu gegeben ward. Nicht nur die Obersten / Hauptleute / Reiterey / und die Freywilligen waren aller Arbeit enthoben; sondern er ließ auch das gemeine Fuß-Volck /welches theils numehr über schlechter Arbeit schwitzte und seufzete / den Schantz-Bau dem gemeinen Kriegs-Gesinde aufbürden. Nach dem das Läger nur genung befestigt war / blieben alle Kriegs-Ubungen nach / die doch sonst die neugeworbenen des Tages zweymal / die alten einmal treiben / und noch dazu Sümpfe trocknen / Hafen vertieffen /Flüsse räumen /oder anderwerts hinleiten / Schiffe und Tempel bauen / Waffen schmieden / ja mehrmahls / umb nur durch Faulheit nicht Leib und Gemüthe zu verderben / vergebene Arbeit ausmachen musten. Die Wachen verminderte er umb die Helfte / also / daß sie erst den zehenden Tag herumb kam. Uberdiß ließ er sie sonder Wach-Feuer / auch noch ohne Schild und Pantzer halten / und sie dorften die Rundten nicht nach alter Gewohnheit laut ausschreyen / umb die Krieges-Gebieter nicht im Schlafe zu stören. Die Rollen der Kriegs-Leute / welche täglich einkommen musten / durchsahe er kaum des Monats einmal. Er machte unter den Straffen keinen Unterschied / ließ wider die Römischen Gesetze die Frembden so bald mit Wein-Stöcken / als die Römischen Bürger mit gemeinen Stecken schlagen. Zohe ihm also bey den Seinigen den grösten Haß auf den Hals. Von den Deutschen bildete er ihm ein / daß in ihnen kein Geist wäre / sie auch nichts anders von Menschen als die blosse Sprache und die äuserlichen Glieder an sich hätten / und dahero diese ehe mit dem Kap-Zaum der Gesetze / und der Süssigkeit eines angewohnten Friedens / als mit Schärffe der Waffen gedemütiget werden könten. Die schlauen Deutschen / welche so viel Gehirne im Kopffe als Marck in Gliedern hatten / stärckten durch eusserliche Bezeugungen den Varus in seiner irrigen Einbildung. Sie erdichteten allerhand verworrene Rechts-Händel /trugen sie den Römern für / und liessen sich von ihnen / gleich als wenn die Götter ihnen alleine die Wagschale des Rechts und der Billigkeit anvertrauet hätten / entscheiden. Die einander am besten verstunden / verstellten ihre Vertrauligkeit mit Schmähungen und Gezäncke; so denn unterworffen sie sich der Römer Vermittelung / lobten ihre Tieffsinnigkeit /danckten für ihre Urthel / verdammten ihres eigenen Vaterlandes wilde Sitten / welche vorhin alle Zwytracht durch das Faustrecht auszumachen gewohnt gewest wären. Ja sie baten mehrmahls von den Römern eine Anzahl Kriegs-Leute zu Beschirmung ihrer Flecken / und Ausrottung der Räuber und Landbeschädiger aus; gleich als wenn sie numehr die Ubung der Waffen gar vergessen / und alle Degen in Pflugscharen verwandelt hätten. Die Fürsten warteten[44] dem Römischen Land-Vogte offters auff /verschmertzten alle Bedrängniße / luden die Römer mehrmahls zu Gaste / machten mit denen geringern grosse Vertrauligkeit / strichen ihnen durch tausend Lobsprüche gewaltig den Fuchs / thäten ihnen ihre Uppigkeiten nach / und beredeten sie: daß Deutschland der Römer Ankunfft ihre höfflichere Sittsamkeit /ihre gemächlichere Lebens-Art / und die Verbesserung ihres gantzen Zustandes zu dancken hätte. Ja erst für drey Tagen war Hertzog Herrmann / Segimer / Segesthes und Ganasch beym Varus zu Gaste gewest. Also verlernte Qvintilius Varus vollends alle Kriegs-Wissenschafft; und seine Verrichtungen waren mehr eines Stadt-Richters als eines Feldherrn ähnlich / der sein Läger mitten in eines streitbaren Feindes Lande hatte / und weil seine verwehnte Kriegsknechte sich hauffenweise von ihren Fahnen verlieffen / nicht nur den Neugeworbenen / sondern auch wohl denen / welche zehen Jahr gedienet / des Käysers Nahmen in die Hand muste einbrennen lassen. Dem deutschen Feldherrn hingegen war die Kriegs-Lust angestammet /das Feuer der Großmüthigkeit sahe ihm aus den Augen / und die Erfahrenheit der Waffen hatte er theils von seinem tapffern Vater Hertzog Sigmarn /theils in denen Römischen Lägern selbst gelernet. Wie verschmitzt er nun die Gelegenheit die unvorsichtigen und allzusicheren Römer zu überfallen / und die theils schüchternen / theils zwistigen Fürsten auff seine Seite zu bringen / nichts minder die Schlacht-Ordnung höchst vortheilhafftig zu machen gewust; also machte er in gegenwärtigem Treffen zweiffelhafft; ob er mehr ein streitbarer Kriegsmann / als ein vernünfftiger Heerführer wäre. Das deutsche Heer war rückwerts Bergauff gestellet / womit dessen Grösse auff einmahl den Römern ins Gesichte fiel / und die Menge ihnen ein Schrecken einjagte. Denn in Schlachten werden die Augen am ersten geschlagen. Dieses Schrecken bemüheten die Deutschen sich auch in die Ohren der Römer einzujagen / indem sie ihre holen Schilde für den Mund hielten / darein aus allen Kräfften schrien / und durch den Widerschall das allergrausamste Gethöne erregten; also / daß die Römer dafür die Ohren zustopfften / gleich als wenn sie / wie die Indianer in dem Zuge des Bacchus / durch das vom Pan angegebene Geschrey aus dem Felde würden gejagt werden. Uberdis kehrten sie ihre Stirne gegen Westen; denn es hatte ihr Feldherr vorher gesehen /daß die auffgehende Sonne dem Feinde gleich in die Augen fallen / und sie bländen würden. Auch befremdete bald anfänglich den Feind überaus: daß die Deutschen nicht wie vorhin verwirret durcheinander fochtẽ / sondern Glieder und Ordnung hielten / auch mit bessern Waffen als vor iemals versorgt waren. Jede unversehene Neuigkeit aber kan im Kriege ein nicht geringes Schrecken verursachen. Welches in der Römer Gemüthern so viel ehe fing / weil unterschiedene traurige Zeichen sie vorhin bestürtzt gemacht / und den Zorn der Götter angedräuet hatten. Die Opfferthiere waren den Tag vorhero den Druyden / welche wegen der Gallier opffern wolten / entrissen. An dem einen Römischen Adler hatte sich ein Bienschwarm gelegt; und dem Varus hatte getraumt / als wenn er mit dem Hertzog Herrmann zu Rom im grossen Schauplatze tantzte und von dem Volcke mit frolockendem Zuruff bewillkommet würde. Denn ergetzende Träume legten sie auff traurige Zufälle aus.


Ob nun wohl die Deutschen derogestalt in mehrer Hoffnung und Vortheil standen / der Graff von Ascanien auch denen Galliern die grosse weiße seidene Fahne / darein mit Purpurnen Buchstaben der Nahme des Kaysers geschrieben war / abdrang / und sie nebst denen andern ausländischen Hülffs-Völckern durch[45] die tapffern Cherusker in Unordnung brachte / so war doch bey den Römern die Tapfferkeit so tieff eingewurtzelt / daß selbte weder gar noch auch bey allen sich durch angenommene Uppigkeit hatte vertilgen lassen. Lucius Cäditius und Caldus Cälius fochten als hertzhaffte Kriegsleute / und führten die ihrigen an /als verständige Obristen. Britomar und Arbogast waren des Käysers und des Glücks Schoßkinder / und von ihnen aus Edelleuten in die Würde der Fürsten erhoben / also so wohl von der Natur für ihren eignen Wohlstand als aus Pflicht für ihre Wohlthäter hertzhafft zu fechten angereitzt. Den Segesthes und seine Casuarier zwang die Furcht verzweiffelt zu fechten. Deñ was kan ein Uberläuffer ihm schrecklichers fürbilden / als daß er in der verlassenen seinigen Hände verfalle? Ja es war gleichsam ein Zeichen für des Qvintilius Varus sich näherndem Ende / daß er dißmahl grössere Merckmahle der Tugend / als sonst iemahls von sich blicken ließ. Denn ein bald ausleschendes Licht giebt einen desto grössern Strahl von sich / und die Winde / die bald auffhören wollen /rasen desto hefftiger. Das gantze Kriegs-Volck stieß und schlug so hefftig auff einander / daß das Gethöne der Waffen den Schall der Trompeten und anderer Kriegs-Spiele dämpffte / und sich offtmals den Schlägen auff Amboßen vergleichte. Bald ward auff einer bald auff der andern Seiten durchgebrochen / und bald zogen die Römer und Gallier / bald die Deutschen den kürtzern / und unter beyden fiel keiner / der vom Feinde das Antlitz hätte weggekehret. Ob auch wohl die Numidischen Schützen in der Deutschen Schilde viel Pfeile so tieff eingeschossen / daß sie selbte unbrauchbar machten / verließ doch keiner seine Reyhe /sondern fochte mit entblößtem Leibe. Die Gallier /welche Varus mit Fleiß zuförderst geordnet hatte /musten länger als ihr Wille und Gewonheit war /Stand halten. Denn die Römer standen ihnen am Rücken und wiesen denen Flüchtigen selbst die Spitzen. Etliche Stunden dauerte die Tapfferkeit beyder Theile / daß der Sieg und Verlust auf gantz gleicher Wagschale lag. Denn Hertzog Herrmann / als er alle Flügel wol besichtigt und allenthalben beste Anstalt gemacht / sich auch auff die andern Heerführer zu verlassen hatte / überlieff nach so langem Gefechte die Ungedult / daß der Feind allzu hartnäckicht ihm den Sieg vorenthielt / welchen ihm die Priester und die Hertzhafftigkeit seines Heeres doch schon vorher versprochen hatten. Dahero vergaß er sich offt / daß er der Feldherr war / indem er in die dicksten Hauffen der kühnsten Feinde sprengte. Am meisten aber verdroß ihn / daß er den Römischen Feldhauptman Varus so lange nicht zu Gesichte bekommen konte; um mit eigenen Händen denen Rach-Göttern Deutschlands eine fette Beute durch Auffopfferung des Römischen Feldherrns abzulieffern / und dadurch die Schmach seines Vaterlandes und Geschlechts abzuwischen: daß Marcellus nach eigenhändiger Erlegung seines Anherrns des Königs Viridomars zum dritten mahl seine Waffen dem Feretrischen Jupiter auffgehenckt hatte. Endlich erblickte er ihn zu Pferde unfern von dem Römischen Adler der dritten und Haupt-Legion haltend. Alleine Cäditius Cälius und Segesthes / welcher / um sich unkentlich zu machen / den Helm verwechselt und seinen Harnisch mit einem Römischen Waffen-Rocke verdeckt hatte / machten mit fast verzweiffelter Gegenwehr dem Feldherrn so viel zu schaffen / daß er dem Varus unmöglich beykommen konte. Hierauff entschloß er durch drey hundert Cheruskische Edelleute / welche er auff einen sonderbaren Nothfall von der andern Reiterey abgesondert und hinter sein Fußvolck an einen niedrigen Ort also unsichtbar gestellet hatte / sein Heil zu versuchen. Hiermit befahl er: daß in der mitten das Fußvolck sich augenblicks trennen und daselbst diesem reisigen Zeuge Platz [46] zum Einbruche machen solte. Den Römern kam dieser Angriff der Reuterey so unvermuthet / gleich als ob selbte aus den Wolcken gerennet kämen. Und weil es unmöglich war gegen sie einige Römische Reuterey durchzubringen /litte ihr bestes Fußvolck unglaublichen Schiffbruch /und ihre gantze Verfassung gerieth in heftige Zerrüttung. Unter diesen Edelleuten war auch dieser / der für der Schlacht gegen die fremde Königin den ebentheuerlichen Zweykampf ausgeübt hatte. Dieser setzte ihm für / seine Hertzhafftigkeit nunmehr auch gegen Männer auszuüben / nachdem er durch eine ohne diß meist nur zufällige Uberwindung eines Weibes mehr Verkleinerung als Ehre erlangt zu haben ihm einbildete. Mit denen Galliern / deren Häupter sich zwischen dem Fußvolcke ebenfals zu Pferde befanden / anzubinden / war ihm auch nicht anständig / als derer erstern Sturm man zwar für mehr als männlich / ihren Verfolg des Kampfes aber schlechter als weibisch hielt. Hiemit gerieth er an den Segesthes / und rennte mit verhängter Lantze Spornstreichs auf ihn zu. Segesthes aber versetzte durch einen hefftigen Hau seines Schwerdts so glückselig / daß die Spitze der Lantze ohne seine Berührung zur Erdẽ fiel. Hierauff verfolgten sie mit den Degen ihren Streit / diesem Ritter aber sprang nach einem hefftigen Gefechte die Klinge des Degens entzwey / also daß er sich ohne einige Waffen und dahero in höchster Gefahr befand. Segesthes verfolgte bey eisem Zufalle sein Glücke mit vielfältigen Hieben. Alleine einem Hertzhafften ist kein Degen zu kurtz / und ein halber lang genug / denn ein Schritt gegen seinem Feinde und ein unverzagtes Hertze ersetzet / was einem an Eisen abgehet. Daher zernichtete er Segesthen / mit geschwindester Fürwerffung des Schildes und Degenstrumpffs / alle seine Streiche. Endlich aber versetzte dieser dem Pferde einen zweyfachen Stoß in Hals. Dieses verursachte den Ritter / daß er / ehe das verwundete Pferd stürtzte / mit einer fertigen Hurtigkeit aus dem Sattel sprang /und nicht nur auff die Füsse zu stehen kam / sondern auch auff dem Boden nebst einem Todten einen entblösten Degen fand / welchen er des Segesthes Pferde in einem Augenblicke so tieff in die Brust stach / daß es alsofort mit seinem Reuter entseelet zu Boden sanck. Der Ritter gebrauchte sich dieses Vortheils mit hertzhaffter Geschwindigkeit / sprang dem auff den Rücken gefallenen Segesthes auf den Hals / und weil er wegen deß unter dem Waffenrocke verborgenen Pantzers ihm etliche vergebene Stiche versetzte / riß er ihm mit aller Gewalt den Helm vom Haupte / um den Segesthes die Gurgel mit samt dem Kopffe abzuschneiden. Hilff Himmel! rieff er / vom Segesthes bey seinem ersten Anblicke auffspringend / und ließ mit einer hefftigen Bestürtzung den auff ihn gezückten Degen aus der Hand fallen. Die Worte erstarben ihm auff den zitternden Lippen / und seine Glieder worden unbeweglicher als eine Marmel-Seule / also / daß Segesthes ihn auffzureiben Zeit und Gelegenheit genug gehabt hätte / wenn nicht seine aus dieser Bestürtzung empfundene Verwunderung ihm Vernunfft und Glieder gebunden hätte. Bey dieser Begebenheit erblickte Hertzog Herrmann Segesthens entwaffnetes Angesichte / und griff ihn aus geschöpffter Verbitterung nicht so bald mit empfindlichen Scheltworten: Ha! Verräther des Vaterlandes! als mit der Schärffe der bey handen habenden Waffen an. Es würde auch der in voller Verwunderung begriffene Segesthes einen gefährlichen Streich bekommen haben / wenn nicht der Ritter den / welchen er kurtz vorher hinzurichten so begierig war / mit Fürwerffung beyder Armen gegen diesen unvermerckten Angriff beschirmet hätte. Wovon er aber selbst verwundet war / daß das Blut über die Waffen häuffig herab floß. Dem Feldherrn kam diese Begebenheit eben so seltzam für / und fuhr ihn mit grimmigen [47] Worten an: Was ihn dieser Verräther und Uberläuffer zu vertheidigen veranlaßte? Dieser rieß ihm hierauff selbst den Helm vom Haupte / und gab hiermit zu erkennen / daß es die unvergleichliche Fürstin Thußnelde / Segesthens einige Tochter war. Urtheile / fing sie an / großmüthiger Hertzog: ob das Kriegsrecht mich mehr den Feind zu verfolgen und dem Feldherren zu gehorsamen / oder das Gesetze der Natur den Vater zu beschützen nöthige? Sie hatte diese Worte noch halb auff der Zungen /und die Augen gegen den Feldherrn gerichtet / als sie schon für dem gantz verwirrten Segesthes fußfällig ward / und ihm das von der Erde wieder auffgehobene Schwerdt / mit Beysetzung dieser Worte / reichte: Straffe Segesthes deine boßhafftige Thußnelde / welche nicht mehr des Tochter-Nahmens werth ist / nach dem sie das Mordeisen wider ihren Vater gezuckt hat. Rom wird diesen Schandfleck nimmermehr ausleschen / daß die unmenschliche Tullia über die blutige Leiche ihres schon todten Vaters die bestürtzten Pferde gesprenget hat. Und ich habe Deutschland mit diesem Brandmahle besudelt / daß ich dem lebenden das Messer an Hals gesetzt. Räche Segesthes durch diesen Werckzeug meines Verbrechens deines Geschlechtes und des Vaterlandes Schande / welche grösser ist / als warum Virginius seine Tochter auff öffentlichem Marckte abschlachtete. Diese Rede beseelte sie mit einer so erbärmlichen Geberdung und Wehmuth / daß sie dem Segesthes durch die Seele / dem Feldherrn durchs Hertze drang / und bey diesem eine vielfache Empfindligkeit / bey jenem aber verursachte / daß er wieder zu sich selbst kam / und ihr mit dieser Antwort begegnete: Ich empfinde den Zorn der Götter und die Bisse meines Gewissens über mein begangenes Laster / welches so groß ist / daß das Verhängniß meiner eignen Tochter Klinge wider meine Verrätherey zur Rache geschliffen hat. Vollführe deinen Streich wider den / der sich selbst verdammet. Kinder sind dem Vaterlande mehr als ihren Vätern schuldig / und die Gesetze haben denen Belohnung und Ehrenmahle ausgesetzt / die das befleckte Blut ihrer straffbaren Eltern dem gemeinen Wesen auffopffern. Der Feldherr fiel Segesthen in die Rede: Es wäre ein allzugroß Glücke für einen Verräther / daß er von so edlen Waffen / entweder einer so unvergleichlichen Heldin oder eines deutschen Fürsten sterben solte. Das Recht des Vaterlandes habe auff Feinde der Freyheit knechtische Strafen ausgesetzt. Schlaget diesem nach den / der sich selbst schon verdammet / in die Eisen. Du aber / unvergleichliche Thußnelde / lasse dich den Verlust eines dem gemeinen Wesen ohne diß schon abgestorbnen Vaters nicht jammern. Deine Tugend ist der Väterlichen Flecken nicht fähig / und diese darff sich für keine Wäyse achten / welche wegen ihrer Heldenthaten das Vaterland selbst zu einer Tochter auffnehmen muß. Alsobald waren einige dar / die dem Segesthes Fessel anlegten; welche die Deutschen / um ihre Gefangenen damit feste zu machen / in die Schlachten mitzunehmen gewohnet waren; worüber Thußnelde theils wegen empfangener Wunde / theils daß ihres Vaters Zustand ihr so tieff zu Hertzen ging /in Ohnmacht sanck / und auff Befehl des Feldherrn mit allerhand Erfrischungen erqvicket / und nach Deutschburg getragen ward.

Der Feind war durch den Verlust Segesthens überaus bestürtzt / Hertzog Herrmann aber durch den zweyfachen Sieg dieser deutschen Amazone gleichsam beschämet / und dahero zu einem so eifrigen Gefechte angezündet / daß kein Feind seinen Sturm ausdauren konte. Caldus Cälius / welcher ihm begegnen wolte / ward von ihm mit dem Streithammer zu Boden geschlagen und darüber gefangen. Qvintilius Varus / als er ihn dem Römischen Haupt-Adler so nahe kommen sahe / machte sich mit seiner Leibwache / als denen eussersten Kräfften des [48] Römischen Heers gegen ihm herfür. Dieses waren tausend mit kupffernen Schilden und schupfichten Pantzern aus dem alten Kerne der Römischen Kriegsleute ausgelesene freywillige / welche schon ihre zwantzigjährige Dienste ausgestanden und ansehnliche Kriegs-Aemter verwaltet / auch keine Wache oder andere Arbeit mehr zu vertreten / sondern nur den Feldherrn zu beschirmen hatte / und auff ihren Schilden den Nahmen des Kaysers mit Golde eingeetzt führten. Diese thaten wohl ihr bestes unter ihrem streitbarem Führer Cäcina; und fochten nach Gelegenheit des engen oder geraumen Orts bald mit ihrem kurtzen / bald mit dem langen Spanischen Degen / wormit die lincke / wie mit jenem die rechte Seite versehen war. Alleine die Keckesten wurden unverlängt von der deutschen Reuterey zu Grunde gerichtet / und der Feldherr kam dem Varus so nahe / daß / ob wohl die Römischen Kriegsleute ihn mit ihren Schilden auffs möglichste verdeckten / er ihm einen Wurffspieß in die Schulter jagte; dem Qvintilius Manlius aber in Hals einen tödtlichen Stich versetzte / und mit eigner Hand ihm den Römischen Adler ausriß. Nachdem auch inzwischen beyde Römische Flügel gantz aus dem Felde geschlagen waren / drang Fürst Catumer und Sesitach mit der Reuterey auff den Varus loß. Wodurch der letzte noch stehende Rest des Römischen Heeres in öffentliche Flucht / Qvintilius Varus aber in eusserste Verzweiffelung gebracht ward. Denn als er seine noch standhaltende Hand voll Volcks auff allen Seiten umringt /und nirgendshin einige Ausflucht mehr sahe / bezeugte er endlich grössere Hertzhafftigkeit zu sterben als zu kämpfen / und redete die nächsten mit diesen Worten an: Lasset uns / ihr ehrlichen Römer / diesen letzten Schlag des veränderlichen Glücks behertzt ertragen / und lieber dem Tode frisch in die Augen sehen /als aus einer bevorstehenden Gefängniß noch einige Erlösung hoffen / und also eine freywillige Entleibung einer knechtischen Dienstbarkeit fürziehen. Der stirbt desto rühmlicher / der noch einige Hoffnung zu leben übrig hat. Ich gestehe / daß uns Segesthes und die Götter unser Verderben vorher gesagt: allein wenn das Verhängniß an unser Glücks-Rad die Hand anlegt / können uns keine verträuliche Warnungen aus seiner Verfolgung entreissen / und der Scharffsinnigsten Anschläge werden stumpff und verwirret. Jedoch lasse ich gerne geschehen / daß der Schluß der Götter mit meinem Versehen bekleidet / und der Zufall zu meinem Verbrechen gemacht werde. Mein Großvater Sextus Varus hat in der Pharsalischen Schlacht durch seine eigene / mein Vater Varus Qvintilius in dem Philippinischen Kriege durch seines freygelassenen Hand sich lieberhingerichtet ehe sie sich der Willkühr ihrer Feinde / die doch Römer waren / unterwerfen wollen. Ichwil es ihnen nachthun / ehe ich in dieser Barbarn Hände falle / und euch ein Beyspiel / der Nachwelt aber das Urtheil hinterlassen; Ob ich durch meine Schuld / oder durch ein besonders Verhängnüß meines Geschlechts also vergehe. Crassus hat durch seine Niederlage gegen die Parther weniger Schande eingelegt / als / daß er nicht / wie Publius / Censorinus und Megabachus ihm selbst das Leben verkürtzet / sondern sich in die verrätherischen Hände des Surena vertrauet / und des Maxarthes Sebel die Kehle dar gereichet hat. Von dem Tode mehr Worte zu machen /ist ein Stücke der Kleinmüthigkeit. Wie feste ich mir zu sterben fürgesetzt / könnet ihr dahero schlüssen /daß ich niemanden einige Schuld beymesse. Denn sich über Menschen und Götter beklagen / stehet nur dem an / der länger zu leben begehret. Ein König aber soll seines Reiches / ein Knecht seines Herrn / ein Kriegsmann seines Obersten / ein Feld-Hauptmann seines Heeres Wohlstand nicht überleben. Hiemit umhüllete er mit seinem Goldgestückten Purpur-Mantel sein Haupt / und [49] stach seinen Degen ihm biß an den Griff ins Hertze. Also verhüllete sich auch der ermordete Pompejus und Julius; wormit niemand ihre sterbenden Ungeberden sehen möchte. Die fürnehmsten und hertzhafftesten thaten es ihrem Heerführer nach /und benahmen durch eigene Entseelungen dem Feinde die Lust und die Ehre von seinen Streichen zu fallen. Andere / welche gleich noch genugsame Kräffte zu fechten hatten / warffen ihr Gewehre weg / und reichten / aus Verdruß zu leben / ihre Hälse den feindlichen Schwerdtern hin. Zumal von denen neun Obersten dieser anderthalb Legionen / nur noch einer / von den neuntzig Hauptleuten mehr nicht als ihrer fünff übrig waren. Die Flüchtigen worden von der Reiterey zu Boden gerennt / die liegenden von den Pferden ertreten / die stehenden wie das Vieh zerfleischt / also /daß das Feld numehro keine Gestalt eines Kampfplazes / sondern einer Schlachtbanck fürstellte. Sesitach ward über des Varus und anderer Obersten eigener Entleibung sehr verbittert / weil er mit seiner Reiterey sie lebendig in die Hände zu bekommen ihm eingebildet hatte / und dahero sprang er selbst vom Pferde /schnitt den Kopf des Varus Leiche ab / und steckte selbten / nach der Deutschen und Gallier Gewonheit /und den Römern desto mehr Schrecken zu machen /auff eine Lanze. Das gantze Feld ward mit Todten bedecket / und die zwischen denen Hügeln dieses Forstes lauffenden Bäche von dem Blute der Erschlagenen auffgeschwellet / insonderheit an denen drey engen Furthen / wodurch das Römische Heer seine Flucht zurücke nahm. Ihr jämmerlicher Zustand aber ward dardurch vergrössert / daß Vala Numonius und seine zum ersten durchgegangene Reuterey / Cäditius / welcher zwischen denen Pässen noch über zwölfftausend streitbare Männer wieder zusammen gezogen und in Ordnung bracht hatte / in Meinung mit der bald anbrechenden Nacht noch nach der Catten Festung zu entrinnen / ingleichen Britomar und Arbogast mit mehr als zehn tausend Galliern gerade auff den Hertzog Jubil traffen / welchen der Feldherr dem Feinde in den Rücken zu gehen befehlicht hatte. Es ist unschwer zu ermessen / was denen Römern die Müdigkeit von einer so hefftigen Schlacht / einem siegenden Feinde auff dem Rücken / und einem frischen von fornen zu begegnen / für Hinderniß schaffte / ja was die Furcht / allwo des Pöfels Träume so wohl als kluger Leute Gutachten gehöret werden / für seltzame Meinungen auff die Bahn brachte. Einer rieth sich durch den frischen und vielleicht nicht allzugrossen Hauffen des Hermundurischen Hertzogs durchzuschlagen / und / weil doch das zwar nähere Läger keine Sicherheit / die Festung Alison aber keinen genugsamen Raum und Lebens-Mittel schaffen könte /den Anfangs schon erkieseten Weg gegen der Cattenburg oder gar an den Rhein fortzusetzen. Ein ander hielt diß für ein verzweifelt Werck / und wolte / daß /nachdem Cejonius mit dem grösten Theil des lincken Flügels und dem einigen noch erhaltenen Adler sich wieder in das Läger gezogen hätte / man dahin folgen / sich darinnen biß auff den letzten Mann wehren /und von denen zwey Legionen / welche Lucius Asprenas nicht allzuweit von ihnen unter seinem Gebiete hatte / Hülffe erwarten solte. Wie nun die Zwytracht in Begebenheiten / welche keine langsame Rathschläge erdulden / der geradeste Weg zum Verderben ist; also wartete Hertzog Jubil die Erörterung ihres Zweiffels nicht aus / sondern bediente sich der wider die Uneinigkeit höchst vortheilhafften Geschwindigkeit. Einem flüchtigen Feinde jagt auch ein rauschendes Blat Schrecken ein. Was solte nicht dieser freudige Held / mit seinen streitbaren und unermüdeten Völckern / gegen die / welche zum ersten ausgerissen und allhier zwischẽ Thür und Angel waren / ausrichten? Fürst Jubil traff selbst in Person auff den Numonius /und durchrennete ihn mit [50] seiner Lantze; also fiel dieser verzagte Ausreisser nicht nur schimpfflicher / sondern auch eh / als die / welche er im Stiche gelassen hatte. Britomar ward von ihm durch einen Wurffspieß hefftig verwundet / und nachdem von einer Seiten dieser Hertzog / auff der andern das gantze obsiegende Heer mit aller Gewalt nachdrungen / mustẽ dieser Uberrest des Feindes in den Wohnstädten der wilden Thiere ihre Sicherheit suchen / und ein Hauffen hier /der ander dort sich in die dickesten Wälder verkriechen. Alleine auch in diesen wären sie von ihren Feinden nicht unverfolget blieben / wenn nicht die stockfinstere Nacht mit einem hefftigen Platzregen eingebrochen / und die schwartzen Wolcken das sonst volle Monden-Licht gantz verdüstert / und also dem Todschlagen nicht so wohl ein Ende / als einen Anstand gemacht hätte.

Der Feldherr ließ bey dieser Begebenheit selbst Befehl und Zeichen geben / daß die Deutschen bey so gefährlicher Finsterniß und schlüpfrigem Wetter ihren Feind in die morastigen Wälder nicht verfolgen / sondern mit der auffgehenden Sonnen der Römer und ihrer Gehülffen endlichen Untergang erwarten solten. Gleichwohl besetzte er die Wälder um und um an denen Orten / wo er meinte / daß irgends der dieser Wildnüße kundige Feind zu entrinnen / ihm einigen Weg suchen dörffte. Er verordnete auch / daß aus denen umliegenden Flecken dem Heere / welches nun gleichsam den gantzen Forst belägerte / ein Uberfluß von Lebensmitteln / welche der Deutschen Kriegs-Sold sind / zuführten. Wie sehr sie nun sonst auch dem Schlaffe ergeben sind / und von der langen Schlacht ermüdet waren / so ermunterte sie doch die ser herrliche Sieg dergestalt / daß wenig oder keiner ein Auge zuthat. Denn die / welche nicht ihre eigene oder ihrer Ang hörigen empfangene Wunden zu verbinden / noch die Schwachen ins Läger zu führen hatten / machten sich auff der Wahlstatt und um den Forst herum bey etlichen tausend Wath- und Freuden-Feuern mit Gesundheit-Trincken / Jauchtzen und Lobgesängen ihrer Feld-Herren und Heerführer lustig. Unter die Kriegsknechte mischten sich nun auch die Barden / sangen von dem deutschen Hercules vielerley Lieder / und zohen mit einem freudigen Nachklange ihm endlich doch den großmüthigen Herrman für.

So vergnügt sich nun bey diesem Wolleben die Deutschen befanden; so elende ging es denen Uberwundenen / wider welche der Himmel numehro selbst sich verschworen zu haben schien. Deñ den entstandenen Regen begleitete ein solch erschrecklicher Sturmwind / welcher nicht nur die Aeste und Wipffel der Bäume zerbrach / sondern auch die stärckesten Stämme mit den Wurtzeln aus der Erden riß / und sie denen ohne diß halb todtgeschlagenen auff die Hälse warff. Die aber / welche diesem Ungewitter zu entkommen vermeinten / und aus dem Gehöltze hervor krochen / wurden von denen allenthalben wachsamen Deutschen wie die Hunde zerfleischet. Das gantze Gefilde erbebete von unauffhörlichem Widerschall / bald von dem Frolocken der Sieger / bald von dem Krachen der Bäume / bald von dem Angst-Geschrey der Zerschmetterten / und stellte auff einmahl den seltzamen Wechsel der irrdischen Dinge für / daß selten einer lachen könne / wenn nicht der andere weine. Dieses Unheil ward vermehret noch durch dieses Hertzeleid / daß grösten theils der Römer ihre Weiber und Kinder / welche sie wider die alten Kriegs-Gesetze der Römer bey sich / und die Nacht zuvor aus dem Läger mitgeführet hatten / von diesem Sturm-Winde ůberfallen / die Weiber offt in den Armen ihrer Ehmänner / die säugenden Kinder auff den Brüsten ihrer Mütter zerqvetscht worden. Ja es brach einigen diß jämmerliche Schauspiel dergestalt ihr Hertze / daß sie / aus Erbarmniß / ihrer eigenen Kinder und Ehgatten Elend durch Mord zu verkürtzen sich entschlossen.[51] Dieser Sturm nöthigte auch dieselben Armenier / welche auff des Zeno Befehl Ismenen gefangen hielten /sich aus der innern Wildnüß herfür zu thun. Bey welcher Begebenheit sie ihren Vortheil ersah / dem einen unvermerckt das Schwerdt aus der Scheide zoh / und durch die Rippen stieß. Die drey andern fielen sie zwar hierüber so grimmig an / aber sie verthäidigte sich mit unvergleichlicher Hertzhafftigkeit. Das hierdurch erregte Geräusche zohe eine grosse Menge derer im Walde irrenden Römer herzu / welche die theils abgehauenen Kieffern-Aeste / theils von denen Römischen Wagen genommenen Hartzt-Fackeln anfangs zu ihrem Lichte / nunmehr aber gegen die gleichfals sich alldar versammlete Deutschen zu Schwerdtern brauchten / und weil sie sich iederseits auff etliche hundert verstärckten / in einen vollkommenen Streit mit einander geriethen. Die Verzweiffelung und das seltzame Feuer-Gefechte der Römer aber brachte die Deutschen zum weichen; wiewohl die Fürstin Ismene / als eine großmüthige Heldin / dem Feinde stets die Stirne bot / und denen weichenden Deutschen verächtlich zurieff: Ob sie ein Bienenschwarm wären / welche vom Rauche vertrieben würden? Ob sie numehr für einem entwaffneten Feinde zu lauffen für keine Schande hielten / den sie den Tag vorhero in seiner besten Rüstung geschlagen hätten? Endlich kam der Ritter Waldeck mit zwey hundert Mann seiner Wache darzu / welche den Feind nach grossem Verlust wieder in Wald trieb / und diese Heldin zu grosser Freude des gantzen Heeres zum Feldherrn brachte.

Als es den folgenden Morgen kaum zu tagen anfing / ließ der Feldherr schon ein Zeichen geben / diß was von den Feinden nicht / wegen ermangelnder Verbindung / an den Wunden gestorben / in Sümpfen ersticket / oder von den Bäumen erschlagen noch von den wilden Thieren zerrissen war / aus den Hecken und Löchern herfür zu suchen und auffzureiben. Also ward dieses Tagelicht nach etlichen tausenden in eine Nacht des Todes verwandelt. Denn wo der schlüpffrige Erdboden nur einen Fußstapffen eines Menschen zeigte / folgten ihrer zehen und mehr der Spure nach /und zerfleischten ohne Erbärmniß ihre für Furcht und Kälte zitternde Feinde. Ja es ward gleichsam für eine grosse Schande gehalten / wenn einer nicht einen abgehauenen Feindes-Kopf für die Füsse seines Obristen niederzulegen hatte; also hin und wieder Berge von blutigen Menschenköpffen zu schauen waren. Nebst diesem unterließ der Feldherr nicht mit geschlossenem Hauffen durch den Weg / welchen die Römer ihnen durch Umhauung vieler Bäume für der Schlacht durch den Forst gemacht hatten / nachzusetzen / und traff kurtz nach aufgegangener Sonne auf einer etwas blancken Höhe auff das gröste Theil des Römischen Feld-Geräthes / und einer grossen Menge mit Frauen / Kindern / Zelten / Kriegszeug und anderer Nothdurfft beladenen Wagen / zwischen welchen noch etliche tausend Männer eingeflochten waren. Diese Verwickelung / der glatte Erdboden / und daß Bogen / Schilde / Schleudern und ander Gewehre von dem starcken Regen gantz unbrauchbar gemacht worden waren / benahm denen schwergewaffneten Römern alle Mögligkeit sich in Ordnung zu stellen / und gegen die mit leichter Rüstung und langen Spiessen versehenen Deutschen zu fechten. Dahero wurden sie ohne grosse Mühe niedergehauen / auch Weiber und Kinder / welchen nicht der Feldherr und andere Fürsten die Gnade der Dienstbarkeit wiederfahren liessen / von der Schärffe des Schwerds nicht verschonet. Ob die Römer auch wohl an der Einfarth des sich wieder anfangenden Waldes eine Menge Wagen / Holtz und ander Geräthe anzündeten / um an dieser Enge denen Deutschen die Verfolgung zu verhindern; so waren doch diesen alle Fußsteige und Nebenwege so gut bekandt / daß sie in kurtzem sich im Gehöltze wieder an sie hingen / von welchen [52] einige in der Flucht einander selbst über einen Hauffen rennten und beschädigten /andere über die Stöcke oder in Moraste stürtzten /also daß die Deutschen nicht so wohl zu kämpffen Noth / als nur niederzumetzgen Gelegenheit hatten.

Gegen Abend ward der ohne diß den Tag unauffhörlich gewehrte Regen abermahls mit einem noch schrecklichern Sturmwinde begleitet / welcher in den Wäldern das oberste zu unterste drehete / und dahero selbst die Deutschen zwang sich auff die Fläche zurück zu ziehen / wiewohl sie den Römern den zornigen Himmel zu einem genugsam grausamen Feinde über dem Halße liessen / und des Nachts die vom Feinde im Stiche gelassenen Wagen und Beute bey abermahligem Wolleben durchsuchten.

Des Morgens vermochte sie auch der noch währende Sturm nicht auffzuhalten / sondern sie brachen /wiewohl wegen der häuffig über einander gefallenen Bäume / unter denen viel hundert ihrer Feinde erbärmlich zerschmettert lagen / mit grosser Müh durch den Forst durch / und kamen endlich an das zwischen dem Alme- und Lippenstrome befestigte Läger der Römer / in welches sich Lucius Cäditius / Arbogast und noch etliche andere Heerführer / mit allen denen /welche von dieser zweyer Tage Niederlage übrig blieben waren / eingeschlossen hatten.

Der Feldherr stellte alsofort ein Theil seines Heeres in Schlacht-Ordnung / und ließ durch einen Hauptmann das länglicht viereckichte auch zwar sehr veste /aber wider die Römische Art mit Küchen / Badstuben / Betten und allerhand Hausrath angefüllte Läger auffodern / mit der Bedrohung: daß wenn sie den Sturmbock den Wall berühren liessen / er so denn von keinen Bedingungen ihrer Erhebung hören wolte. Er kriegte aber zur Antwort: daß sie sich biß auf den letzten Blutstropffen zu wehren entschlossen hätten. Hiermit befahl Hertzog Herrmann alsobald denen Zi erleuten / und einem Theile ohne diß mit Beilen und Aexten versehener Kriegsleute / Reißig-Gebünder zu Füllung der Gräben und Sturmleitern zu Ersteigung der Wälle zu fertigen. Er selbst legte auch / um sein Volck desto mehr auffzufrischen / mit Hand an; Zumal bey denen Deutschen ohnediß die Kriegs-Obersten mehr durch ihr eigenes Beyspiel / als durch Befehle / ihre anvertraute Gewalt auszuüben pflegen. Er machte hierauff Tag und Nacht zu Uberwältigung des Lägers möchligste Anstalt. Inzwischen ließ er den Hertzog Catumer wissen: daß er mit seinem noch hinterstelligen Flügel gegen Norden und über den Lippestrom abweichen / also verhindern solte / daß die im Läger beschlossenen sich nicht daraus an die so weit nicht entfernte Festung Alison abziehen könten. Hertzog Jubiln aber hieß er mit einem Theil Reuterey durch die Alme setzen / um disseits der Lippe die Seite gegen Alison zu bedecken.

Es war nun schon alles zum Sturme fertig / zwey aus Heynbuchen hundert und zwantzig Ellenbogen lang gemachte und mit einem starcken eisernen Widerkopffe versehene / auch mit einem wider das Feuer durch ein ledernes Sturm-Dach verwahrte Sturm-Böcke / an derer iedem vier tausend Männer ziehen musten / hatten an zweyen Orten den Wall dreyssig Ellen breit über einen Hauffen geworffen. Der Graben war an unterschiedenen Orten ausgefüllet / und es waren vier mit Eisen und Alaun wider das Feuer bedeckte Sturmthürme zum anschieben fertig. Die grossen Steinschleudern waren an dienliche Orte gepflantzt /und es solte gleich zum Anlauffen das Zeichen gegeben werden / als man den dritten Tag bey der Sonnen Auffgang gegen Westen über der Alme einen starcken Schall von Trompeten und andern Kriegs-Spielen vernahm / welchen der daher kommende Wind hefftig vergrösserte / ein von dem Hermundurer Fürsten zurückjagender Edelmann aber berichtete / daß zwey Legionen Römer / welches man aus ihren zwey Adlern erkennte / nebst etlichen Hauffen Reutern recht gegen ihn anzügen. Der Feldherr [53] muthmassete alsbald / daß Lucius Asprenas / ein erfahrner Kriegs-Oberster / des Varus Schwester Sohn / die zwischen der Isel oder Nabel und der Emse zertheilte Legionen (wie es sich denn in Wahrheit also auswieß) zusammen gezogen / und bey der Festung Alison über die Lippe gesetzt haben müste. Dahero ließ er den Hertzog Inguiomer mit einem Theil Volckes für dem Läger stehen / theils alles in altem Stand zu erhalten / theils zu verhindern / daß die Römer nicht durch den Alme-Strom setzten. Weil auch der heftige West-Wind den Deutschen gerade in die Augen gestrichen hätte /wenn er den anziehenden Römern geraden Weges entgegen gegangen wäre / lenckte der Feld-Herr Sudwerts ab / womit er zugleich den halben Wind gewinne / und das Fuß-Volck nicht durch den Alme-Strom waten dörfte.

Asprenas / welcher zwar Nachricht hatte / daß Quintilius Varus mit den Cheruskern und Hermundurern in Zwytracht und in ein Treffen gerathen war / ihm aber nicht traumen ließ / daß dieses grosse Heer aufs Haupt erlegt / weniger das Läger noch dazu belägert und er so nahe dem Deutschen Heere wäre / wolte durch seinen Trompeten-Schall seine Ankunft dem Römischen Läger kund machen / ward daher überaus bestürtzt / als er die vom Hertzog Jubil über den Alme-Strom geführte Deutsche Reiterey / und in deren Fahnen den gekrönten Cattischen Löwen erblickte. Ihm machte auch alsobald Nachdencken / daß diese Reiterey / als sie seiner ansichtig worden / stock stille halten blieb / und nach dem er ohne diß am reisigen Zeuge sehr schwach war / wuste er nicht / ob er die Deutschen anzufallen Befehl ertheilen solte. Zumal diese ohnedis harte an dem Pusche hielten /und er sich eines starcken Hinterhalts besorgen muste. Also blieben beyde Theile eine gute Weile / Asprenas aus Zweifel / Jubil auf Hülffe wartend / gegeneinander stille halten. Gleichwol konte Asprenas sich wenig gutes versehen / und daher stellte er sein Volck auf allen unversehenen Anfall in Schlacht-Ordnung /und ließ hiemit einen Vortrab Reiterey gegen die Deutsche voraus traben / umb die wahre Beschaffenheit zu erkundigen: ob die Catten dar als Freund oder Feind stünden. Denn weil er noch nicht wuste / daß diese sich mit den Cheruskern ausgesöhnet hatten /und zu ihnen gestossen waren / er auch bey so gar nahem Römischen Läger nicht vermuthen konte / daß ein Feind daselbst seinen Stand haben solle / war ihm eine Meynung so zweifelbar / als die andere. Diese aber ward ihm dadurch allzu zeitlich benommen / daß die Catten ohne einige eingebildete Wortwechselung den Römischen und theils Usipetischen Reitern in vollem Rennen mit eingelegten Lantzen begegneten /derer etliche von den Pferden renneten / die wenigen andern aber / als sich zumal die grosse Menge der Deutschen mehr und mehr aus dem Gehöltze herfür that / das Hasen-Panier aufzuwerffen nöthigten. Asprenas konte ihm numehr aus der so sichtbar sich vergrössernden Anzahl die Rechnung leicht machen / daß ein der Reiterey gemässes / und also mächtiges Fuß-Volck am Rücken stehen müste; dahero war er schon halb und halb entschlossen die Legionen mit guter Art gegen dem nahen Walde an einen wegen dabey liegender Sümpfe vortheilhaften Ort zurück zu ziehen. Hievon aber hielt ihn zurücke / daß er gleichwohl in dem Römischen Läger die Römischen Kriegs-Spiele hörte / auch ihm im Läger durch aufgesteckte rothe Tücher und Schwenckung vieler Fackeln gewisse Kriegs-Zeichen geben sah / welche ihn durch bey denen Römern abgeredte Verständnüß genungsam versicherten / daß das Läger von Römern besetzt /aber nicht ausser Gefahr wäre. Dahero entschloß er sich fort und dem Läger zuzudringen / in Hoffnung /es würden auff allen Fall die etwan Belägerten auch das ihrige thun / und die Deutschen zugleich anfallen.

Hiermit gerieth die Reiterey beyderseits an einander / Cäcina führte die Römische / und Hertzog [54] Jubil wolte als der letzte in voriger Schlacht numehro mit seinen Hermundurern und anvertrauten Catten in dieser die erste Ehre einlegen. Ob nun zwar die Römer das ihrige thaten / so war doch der deutsche reisige Zeug ihnen so wol an der Anzahl als Geschwindigkeit überlegen / und welches das ärgste war / so ging Fürst Marcomir mit seinen Usipetern von den Römern zu den Deutschen über / also / daß die Römische Reiterey gegen den muthigẽ Jubil nicht lange gestanden haben würde / wenn nicht die Acarnanischen und Balearischen Schleuderer ihnen zu hülffe geeilet hätten. Dieser ihr knechtisches Handwerck ist von Kind auf das Schleudern / und kriegen sie von der Mutter kein Brodt / das sie nicht mit dem Steine getroffen. Sie schlingen die eine Schleuder als eine Zierrath umb das Haupt / die sie in der Nähe brauchen / die andere als einen Gürtel um den Leib / welche etwas weiter schleudert / und die / welche am fernesten trägt /haben sie stets in der Hand und in Bereitschafft. Sie schwencken sie dreymal umbs Haupt / treffen mit einem pfündichten Steine oder Bley sechshundert Füsse weit / was sie wollen / und zerschmettern auch denen auffs beste Geharnischten ihre Glieder. Unter diesen waren auch Achaische Schleuderer / welche an statt der Kugeln Spiesse und Pfeile mit grossem Nachdruck warffen. Aber auch diese würden nicht lange gestanden seyn / wenn nicht das Römische Fuß- Volck sich genähert und die Reiterey entsetzt hätte. Die Legionen drangen gleichsam als Mauren gegen die Deutschen an / dem Fürsten der Hermundurer worden von denen untergespickten Armenischen und Arabischen Schützen / welche letztern ihre Bogen mit den Füssen spannen / und Pfeile eines Mannes lang schüssen / zwey Pferde unter dem Leibe erlegt / weil die Pfeile wegen ihrer zweyfach über einander stehenden oder vierhackichten Spitzen unmöglich aus der Wunde zu ziehen waren. Er selbst ward mit einem geschleuderten Steine auf die Brust getroffen; also / wie hertzhafft gleich dieser Hertzog dem Feinde unter die Augen ging / so war es doch unmöglich zwey geschlossene Legionen zu durchbrechen. Weil aber die Deutschen gleichwol keinen Fuß breit weichen wolten / gerieth der Graf von Mansfeld so sehr ins gedrange /daß ein Römer seinem Pferde den Degen in Bauch stieß / worvon es zu Boden stürtzte / zwey andere aber ihm den Schild mit Gewalt vom Arme rissen. Dieser Verlust machte diesen Helden gantz rasend; weil bey den Deutschen keine grössere Schande ist /als den Schild einbüssen / und derselbe so denn weder einigem Rathschlage noch dem Gottes-Dienste beywohnen darff. Er sprang hierauf nicht nur von der Erden / sondern auch hinter einen Römer auffs Pferd /stieß ihm den Degen durch den Hals / riß dem davon sterbenden den Schild vom Arme / und warff den Todten aus dem Sattel / verfolgte auch den der seinen Schild hatte wie ein Blitz / biß er ihm das Licht ausleschte / und seinen unschätzbaren Verlust mit nicht geringerm Ruhme / iedoch auch mit nicht wenigern Wunden / als des Cato Sohn in der Schlacht gegen den König Perses seinen ihm entfallenen Degen wieder erlangte. Dieses Beyspiel ermunterte die Deutschen / daß sie gleichsam wider alle Vernunft und Mögligkeit die gantze Römische Macht aufhielten. Nach dem aber Hertzog Jubil dabey mehr Schaden als Vortheil ersah / gab er denen Seinigen ein Zeichen /daß sie sich nach und nach auf die lincke Seite ziehen solten. Denn der gerade hinter dem Rücken sich befindliche Wald war zum Treffen des feindlichen Fuß-Volcks vortheilhaftiger / als seiner Reiterey. Asprenas meynte / er hätte numehr schon den Sieg in Händen /und der Feind habe ihm selbst bereit den Weg in das Römische Läger geöffnet / als auf der rechten Seiten Segesthens Sohn / Fürst Sigismund / mit der Cheruskischen Reiterey die Römer anfiel / und sich zugleich das deutsche Fuß-Volck [55] sehen ließ. Asprenas erkennte nun allererst seinen Fehler / und die Gefahr / in welche seine Verwegenheit das Römische Kriegs-Volck gestürtzt hätte / gleichwol ließ er seinen Muth nicht alsobald fahren / sondern war bemühet / aus der Noth eine Tugend zu machen / und die Scharte seiner Ubereilung durch Vorsicht und Tapferkeit auszuwetzen. Er preßte einem mit dem Pferde gestürtzten / und hierdurch in seine Hände verfallenen Cattischen Reiter aus / daß Quintilius Varus mit dem gantzen Heere biß auffs Haupt geschlagen / das Läger von Hertzog Inguiomern beschlossen / Hertzog Herrmann aber mit dem siegenden Heere gegen die Römer in sichtbarem Anzuge wäre. Dahero ordnete er: daß Cäcina mit seiner Reiterey / und Sylvanus Plautius mit denen untermengten Schützen und Schleuderern die andringende deutsche Reiterey aufhalten / und durch ihr Gefechte denen Legionen sich zwischen die Sümpfe und den Wald zurückzuziehen Lufft machen solte. Hertzog Jubil und Sigismund worden durch Zurückweichung des Römischen Fuß-Volcks Meister des Feldes / und wenn einer gegen die Reiterey fochte / fiel der ander bald dar bald dort in das Fuß-Volck ein / und thät grossen Schaden. Der Feldherr sprach dem deutschen Fuß-Volck so beweglich zu / daß sie ihre Müdigkeit des schon in vierdten Tag währenden. Treffens vergassen / und auf die Römer trabende zulieffen / nach dem sie sie schon für der einigen Reiterey weichen sahen. Wie geschwinde nun gleich diese fortgieng / so war es doch seiner Siegs-Begierde vielzu langsam; dahero fügte er sich selbst zu der Reiterey / und brachte mit seinem grimmigen Anfalle die Römische in offentliche Flucht / fäbelte die Schützen und Schleuderer meist / auch unter ihnen den Plautius mit eigner Hand nieder. Die fördersten Hauffen der Legionen / welche zwar allezeit den Deutschen in viereckicht geschlossener Schlacht-Ordnung die Stirne boten / kamen in nicht geringe Verwirrung. Weil auch wegen der Sümpfe das Römische Fuß-Volck nicht mit der auf der Fläche gehaltenen Breite sich zurück ziehen konte / sondern sich daselbst zertheilen muste /und also viel längsamer zu weichen vermochte; wurden sie von dem deutschen Fuß-Volcke nun auch erreichet / zertrennet / und wie tapfer gleich Asprenas an der Spitze des Fuß-Volcks / Cäcina an der Stirne des sich zwischen den Legionen widersetzenden reisigen Zeuges fochten / fast alles / was nicht bey Zeite über die engen Furthe der Moräste gediegen war / niedergehauen oder ertreten / Cäcina auch von dem Jubil im Haupte / Asprenas vom Fürsten Sigismund mit einer Lantze in Arm verwundet. Es würden auch weder Wald noch Moräste dem übrigen Heere einige Sicherheit verschafft haben / wenn nicht die regenhafte Nacht denen Deutschen abermals mit ihrer Finsternüß die engen Wege über die Sümpfe verbeugt hätte /wiewol in selbten auch viel Römer stecken blieben und erstickten / die aus den Händen ihres Feindes zu entrinnen vermeynten.

Asprenas war nicht weniger durch den grossen Verlust seines Volckes bekümmert / als umb Erhaltung des überbliebenen Heeres sorgfältig. Zumahl er seinem unvorsichtigen Anzuge selbst grossen theils die Schuld des empfangenen Schadens und der noch vorstehenden Gefahr gab. Dahero trachtete er durch eine Kriegs-List sein Versehen auszubessern; befahl also hin und wieder Wach-Fẽuer zu machen / Bäume abzuhauen / Gräben gegen dem Feinde / und in allem solche Anstalt zu machen / als wenn er an diesem vortheilhaften Orte sich befestigen und also stehen bleiben wolte. Inzwischen ließ er im finsternund in möglichster Stille unter dem Geräusche / so durch das Umbhauen der Bäume gemacht ward / die Wagen und das Heergeräthe / samt denen Krancken / und welche am übelsten zu Fusse waren / zurücke und nach der Festung Alison gehen / [56] welchen das Fuß-Volck nach und nach folgte / und / weil die Noth auch im stockfinstern sehende Augen hat / geschwinder und ohne wenigere Vermerckung des Feindes / als ihm Asprenas selbst eingebildet hatte / durch den holen und engen Weg / der durch selbigen Wald führte / auf das flache Feld gegen Alison gerieth. Worauf Asprenas die Feuer nach und nach von sich selbst verleschen /das Geräusche in Wäldern sich vermindern ließ / und mit der zurückbliebenen Reiterey eilfertig nachfolgete. Hertzog Herrmann hatte inzwischen Nachricht erlangt / daß Catumer mit seinem Hauffen auf Malovenden der Marsen Hertzog auff der andern Seite der Lippe getroffen hätte / dieser aber dennoch mit etlichen Tausenden theils Reiterey / theils Fuß-Volck in das Römische Läger durchgedrungen sey; Catumer also ein Theil zu Beschlüssung des Lägers daselbst gelassen /und weil ihm etliche Gefangenen entdecket / daß vorhergehende Nacht Lucius Asprenas mit seiner Kriegs-Macht bey Alison über die Lippe gesetzt hätte / mit dem grösten Theile auch diese Festung zu sperren /und den Feind zu einer Zertrennung zu nöthigen / an der Lippe seinen Zug fortgesetzt habe. Ob nun zwar der Feldherr endlich beym Abzuge der Reiterey die Flucht des Feindes durch etliche Kundschaffter erfuhr / so dorfte er doch / theils wegen Müdigkeit seines Volcks / theils wegen vernommener Verstärckung des Lägers / theils wegen grosser Finsternüß sich durch die gefährlichen Moräste und Wälder / allwo er von dem listigen Feinde leicht hätte umringet und überfallen werden können / den Feind zu verfolgen nicht wagen / sondern muste mit dem lichten Morgen neue Entschlüssungen erwarten.

Mit anbrechendem Tage sahen die Deutschen / daß Asprenas völlig das Feld geräumt hatte. Und ob wol ein Theil der Reiterey unter Hertzog Ganaschen (denn mit dem gantzen Heere ihn zu verfolgen schiene bey so ungestümem Wetter und schlimmen Wegen weder rathsam noch möglich) biß an die Festung Alison den Feind verfolgte / auch von denen / welche in so schnellem Zuge so eilfertig nicht hatten folgen können / ein ziemliches Theil übereilte und erlegte / so musten sie doch endlich den Asprenas / welcher in die Festung Alison alles Heer-Geräthe abgelegt hatte /durch die Tencterer gegen den Rhein / allwo einige Volcker auch schon Aufstand zu machen anfingen /entschlippen lassen.

Der Feldherr führte das Heer bey so gestalten Sachen wieder für das Läger / allwo Hertzog Inguiomer die an zweyen Orten / bey währendem Treffen mit dem Asprenas / ausfallenden Belägerten / welche Fürst Malovend tapfer anführte / mit grossem Verlust zurück getrieben / und so wol in Verwirrung als Schrecken versetzt hatte. Bey so sieghafter Zurückkunft des gantzen Heeres / und zerronnener Hülffe des Asprenas / und da kaum so viel Kriegs-Leute als Zelten verhanden waren / in derer iedem ihrer sonst eylf zu seyn pflegen / geriethen sie in äuserste Verzweifelung / sonderlich da die Deutschen die denen erschlagenen Römern abgeschnittene Köpfe auf ihre Spisse gesteckt hatten / und selbte theils in die Graben warffen / theils über die Wälle ins Läger schleuderten /theils nach dem Beyspiele der Kayserlichen Kriegs-Knechte für Munda / als Pompejus die Pharsalische Schlacht verlohren hatte / ihnen von derogleichen Köpfen Brustwehren und Brücken machten; und wie Hannibal nach der Schlacht bey Cannas für keine gemeine Rache hielten / wenn sie über die Bäuche der Römer zu Sturme lauffen könten. Ob nun wol der Feldherr die Unvermögenheit der Römer ihr Läger zu beschützen wahrnahm; so erwog er doch / daß die Schlangen auch nach zerknirschtem Kopfe sich mit dem Schwantze wehren / und einem verzweifelten Feinde ehe eine goldene Brücke zu seinem Abzuge zu bauen / als ein erlangter Sieg durch angemaßte Vertilgung desselbten in Gefahr zu setzen sey. [57] Dahero hielt er den Eyfer der hitzigen und zum Sturme begierigen Deutschen mit allem Fleiß zurück / ihnen einhaltend: Der Krieg müste zwar mit einer in die Augen lauffenden Tapferkeit angefangen / ein herrlicher Sieg aber mit Rath und Vernunft ausgemacht werden. Er hielte für einen grössern Verlust als Gewinn / wenn er einen Deutschen einbüssete / ob schon hundert Feinde darüber ins Gras beissen müsten. Er wolte sich des den Belägerten eingejagten noch frischen Schreckens bedienen / und das gleichwohl mit einem zehn Schuch hohen / mit eingelegten weidenen Ruthen und Köpfen verstärcktem Walle / und nicht nach gemeiner Art mit einem acht Fuß breit- und tieffen / sondern wol zweyfach vergrössertem Wasser-Graben befestigte Läger /welches unterdessen an denen von den Sturm-Böcken zerstossenen Orten ziemlich wieder verbauet worden war / noch einst auffodern lassen. Die andern Fürsten stimmten des Feldherrn Meynung bey; ward also der Ritter Nassau ins Läger geschickt / selbtes auff Gnade und Ungnade auffzufodern / iedoch solte er denen Belägerten keine Zeit zu gewinnen / noch über einigen Bedingungen langweilig sich zu berathen verstatten. Unterdessen wurden die Sturm-Böcke und grosse Stein- wie auch die Feuer-Schleudern wieder zu rechte gemacht / und das Heer zum Sturme aufgeführt. Der Marsen Fürst / als ein noch junger hitziger Herr /nebst etlichen Römischen Obersten / widerrieth sich zu ergeben / entweder umb für andern hertzhafft angesehen zu werden / oder daß er als ein Deutscher sich vom Feinde mehrer Grausamkeit besorgte. Er meynte: Es sey ehrlicher sich / so lange man noch eine Faust rühren / und in selbter den Degen halten könne /wider so grimmige Feinde ritterlich zu fechten / als aus Zagheit in unerträgliche Dienstbarkeit zu fallen /oder wol gar lieber vom Hencker / als einem redlichen Feinde umbkommen. Nichts sey so arg / wessen sie sich nicht von einem erzürnten Feinde / welcher so gar von keiner Behandelung hören wolte / zu befürchten hätten. Sie würden nichts minder / wenn sie sich ergeben / als wenn sie überwunden würden / sterben müssen. Dieser Unterscheid wäre es alleine / daß man auf jene Art die Seele mit Spott / auff diese tugendhafft ausbliesse. Alles sey so viel mehr unsicher / iemehr ihm Schimpf anklebte. Müste es auch ja gefallen seyn / wäre es rühmlicher der Gefahr die Stirne / als den Nacken darbieten. Tapferkeit müste auch der Feind loben / und großmüthige Gegenwehre stünde nicht alleine Helden wol an / sondern sie risse auch offt Verzagte aus ihrem Untergange. Sie würden an Hertzhafftigkeit dem Feinde hoffentlich nichts bevor geben / an Güte der Waffen wären sie den Deutschen überlegen; sie hätten den Wall zu ihrem Vortheil /und die Noth / welche das letzte und beste Gewehre wäre / diente ihnen zu einem kräfftigen Beystande. Cejonius aber / welcher die höchste Gewalt über das Läger hatte / rieth das ausdrückliche Widerspiel. Es wiese es der Augen-Schein / daß die Götter diesesmal wider die Römer selbst gekrieget hätten. Ja diese hätten diß Unheil ihnen durch vielfältige Wunder-Zeichen angekündigt. Der Blitz habe zu Rom in den Tempel des Kriegs-Gotts geschlagen. Die Gipfel des Apenninischen Gebürges wären übereinander gefallen / und aus selbten drey Feuer-Säulen empor gestiegen. Der Himmel habe zeither offt in vollem Feuer gestanden / und hätten sich unterschiedene Schwantz-Sterne sehen lassen. Es wären von Mitternacht her Lantzen in ihr Läger geflogen kommen / die Bienen hätten etliche ihrer Opfer-Tische mit Wachs überzogen. Das Bildnüß des Sieges habe sich für einem darfür tretenden Deutschen umbgewendet / und sein Gesichte gegen Rom gekehret. Umb die Römischen Adler wäre etlichemal ein blinder Lermen entstanden / und die Wache sey / gleich als die Barbarn [58] eingefallen / dar über erschreckt worden. Alles dieses hätte der Götter unversöhnlichen Zorn / der Römer unvermeidlichen Verderb angedeutet. Varus habe diß alles verächtlich in Wind geschlagen / wiewol dem / was das Verhängnüß iemanden schon bestimmte / könne man nicht entgehen / wenn man es schon vorher wahrnehme. Dahero wäre es ihres Orts numehro eine grosse Thorheit / wider das Verhängnüß zu Felde ziehen / eine Klugheit der unauffhaltbaren Nothwendigkeit aus dem Wege weichen. Ihrer wären noch eine Handvoll gegen das sich noch täglich vergrössernde Heer der Deutschen. Da nun die gantze Römische Macht gegen diesen Sturm-Wind viel zu ohnmächtig gewest wäre /was solten sie wenige und meist hart verwundete ausrichten? Der Deutschen Grausamkeit habe zeithero sich nach den Römischen Sitten mercklich gemiltert. Und da sie auch ihre Kriegs-Art von Ermordung der Ergebenen nicht zurücke hielte / würden sie doch ihrer eignen Landsleute und Bluts-Freunde schonen /welche in Römischer Gefangenschafft begriffen / also gleichmässiger Rache unterworffen wären. Sie würden selbst Gott dancken / gegen sie die Ihrigen auszuwechseln. Der Uberwinder schriebe dem Uberwundenen willkührliche Gesetze für. Dahero sey es mehr gewöhn-als nützlich gewisse Absätze zu behandeln. Denn wer könne dem Sieger die Hände binden / daß er die verwilligte Abrede nicht breche? Dahero hielte er für rathsamer sich der Gnade ihrer Feinde / welche ja noch Menschen / keine Ungeheuer wären / zu ergeben / und durch Streichung der Segel den Ihrigen und dem Vaterlande sich zu erhalten / als aus Hartnäckigkeit ihm eitele Ehre erzwingen wollen und zu Grunde gehen. Er wäre zwar bereit / wenn denen Belägerten oder Rom darmit was geholffen würde / sich zum Schlacht-Opfer für sie eigenhändig hinzugeben. Auch schiene die Ergebung schimpflich / die verzweifelte Gegenwehr mehr rühmlich zu seyn: Alleine diese wäre doch dem Vater-Lande / dem sie durch jene noch erhalten würden / nicht so nützlich. Nun aber wäre es grössere Liebe dem Vaterlande mit seiner Schande /als mit seinem Tode dienen. Also solten sie sich gegenwärtiger Noth nur unterwerffen / welche die mächtigen Götter selbst nicht überwinden könten. Die meisten fielen dem Cejonius bey; also wurden auch die Tapfersten überstimmet / wie es insgemein zu geschehen pfleget / wo die Meynungen gezehlet / nicht gewogen werden.

Der deutsche Ritter / welcher ihnen bald anfangs angedeutet hatte / daß ihre Ergebung keine Bedingung zuliesse / ward hierauf für die Versammlung gebracht / und Cejonius eröffnete ihm: Nachdem die Götter seinem Feldherrn die Ehre eines so grossen Sieges zugedacht / müsten sie der Zeit / dem Verhangnüsse und seiner Tugend weichen; sich also ergeben. Ihnen und allen Uberwundenen sey es ein Trost / von einem so grossen Helden überwunden worden seyn. Weil es auch ihm so gefiele / wolten sie durch keine Unterhandlung ihm die Zusage seiner Gnade abnöthigen. Die Tugend eines hertzhaften Uberwinders sey ein sicherer Pfand der Sanftmuth / als betheuerliche Worte. Sich selbst überwinden sey der gröste Sieg / und eines Siegers gröster Ehren-Ruhm / gegen Gefangene Erbarmnüß üben. Ein einig erhaltener Feind sey ein schöneres Siegsmahl als tausend todte Leichen. Nichts hingegen besudele die Lorbern eines Uberwinders mehr als das Blut / wormit sie die Rachgier nach schon abgekühltem Geblüte und geendigter Schlacht bespritze.

Mit dieser erwüntschten Verrichtung und einer guten Anzahl Römischer Geissel kehrte der Ritter zu seinem Feldherrn / Cejonius aber befahl / daß alle im Lager befindliche Waffen auf einen Hauffen getragen / die Pforten des Lägers aufgesperret / und ein ieder numehro den Gri des Feindes / den sie mit Waffen abzulehnen [59] nicht vermocht / mit demůthiger Begegnung besänftigen solte. Fürst Malovend aber / und Apronius ein Römischer Oberster / welchen nebst vielen andern über der Entwafnung so vieler tapfern Kriegs-Leute die Augen übergiengen / und dahero des Cejonius kleinmüthige und schimpfliche Entschlüssung verdammten / hatten aus Verdruß zwar ihrer eigenen Wolfarth / nicht aber des noch übrigen Römischen Adlers vergessen. Dahero eilten sie zum Emilian / der ihn in seiner Verwahrung hatte / hielten ihm die ihnen allen daraus erwachsende Schande ein / da dieses güldne Kleinod und Zeichen der Römischen Hoheit in die Hände des Feindes geliefert würde; worden also schlüssig / solchen in einen im Läger befindlichen Sumpf zu verstecken.

Hertzog Herrmann wolte bey so glücklichen Begebenheiten weder einige Zeit verlieren / noch Gelegenheit versäumen / gab alsobald Befehl / daß die Reiterey / und ein Theil des Fuß-Volcks ins Läger rücken /die vier Pforten / ihre Thürme / das in der Mitte auf einem Hügel stehende und gleich einem Tempel mit einem Opfer-Tische versehene Haupt-Zelt des Feldherrn / welches von Seide und Goldstück war / auch gewürffelte Persische Teppichte zum Fuß-Boden hatte / das Zeug-Haus nebst andern vornehmen Plätzen besetzen / und die Waffen der Belägerten in Verwahrung nehmen solte. Als nun diß alles in genungsame Sicherheit gebracht / ritte er unter der Begleitung Hertzog Inguiomers / des Cattischen und anderer Fürsten ins Läger; welchen Cejonius für der Pforte begegnete / dem Feldherrn die Schlüssel fußfällig überlieferte / ihn auch für sich und die Ergebenen umb eine leidliche Gefängnüß und Beschirmung für den gemeinen Kriegs-Knechten anflehete. Sintemal diese schwerlich reine Hände behalten könten / wo der Sieg ihnen zugleich den Werckzeug zur Rache / und Gelegenheit zur Beute darreckte. Die Großmüthigkeit eines so grossen Uberwinders liesse sie nichts widriges besorgen / weil so denn weder Menschen noch Götter ihm den herrlichen Sieg mißgönnen könten. Die vorigen Merckmale seiner Gütigkeit hätten sie beredet / daß sie ihre Ergebung einer verzweifelten Gegenwehr fürgezogen hätten / weil sie glaubten / es würden sie so wenig der Deutschen Bothmässigkeit /als ihn ihrer demüthigen Unterwerffung gereuen. Der Feldherr versetzte ihm: Man würde nach denen Gesetzen des Vaterlandes / nach dem Beyspiel der über die Deutschen ehmals siegenden Römer / und nach Maaßgebung der Kriegs-Rechte gegen sie verfahren. Worauf Cejonius / Fürst Malovend / Arbogast und alle Grossen in Fessel geschlagen / die gemeinen Kriegs-Knechte aber ie zehn und zehn aneinander gekoppelt / und nebst der gefundenen reichen Beute unter die Uberwinder eingetheilet / die ins Läger zurückgebrachte Schriften des Varus und alle andere Geheimnüsse sorgfältig auffgesucht und auffgehoben worden. Es hätte einen Stein in der Erden jammern mögen / das erbärmliche Winseln der Gefangenen /welche an Stricken gleich als Heerden unvernünftigen Viehes fortgetrieben wurden / und nun allererst ihre Zagheit zu bereuen / des Cejonius aber zu verfluchen anfingen.

Wiewol nun Hertzog Herrmann und andere Fürsten ihr Volck mehrmals ermahnten / sie solten sich mit der Beute vergnügen / hingegen unbarmhertziger Blutstürtzung enthalten; denn es würde den Schirm-Göttern Deutschlandes schon ein austrägliches / und die allgemeine Rache vergnügendes Antheil aufgeopfert werden; so war es doch unmöglich über so viel tausend ein nichts übersehendes Auge zu haben / und in ihren kriegerischen Gemüthern das Gedächtnüß so mannigfaltigen Unrechts / als einen leicht fangenden Zunder der so süssen Rache zu vertilgen. Deñ etliche stelleten ihre Gefangene auf der abgehauenen Bäume Stöcke empor / und liessen ihre Knaben nach ihnen mit Pfeilen zum Ziel schüssen. Viel spisseten die Schädel der Todten [60] auf die Gipfel der Bäume / oder baueten aus denen abgefleischten Knochen Hütten. Andere / und insonderheit die unter dem Feldherrn kämpfenden Cimbrer / machten aus denen abgeschnittenen Haaren Stricke / und hingen ihre Gefangenen darmit an die Aeste. Denn die streitbaren Deutschen lassen insgemein ihre Haare weder Scheere noch Scheer-Messer berühren / biß sie einen Feind erwürget / und so denn legen sie mit ihrem Haare zugleich ihr gethanes Gelübde ab; gleich als wenn sie so denn allererst ihrem Vaterlande ihr freyes Antlitz zu zeigen / und sich eines Deutschen Uhrsprunges zu rühmen berechtigt wären. Die Reiterey hackten vielen die Köpfe ab / und steckten sie theils auf ihre Lantzen /theils auf die Wipfel der Bäume / theils schlugen eiserne Haspen in die Köpfe / und hingen selbte ie zwey und zwey über den Hals ihrer Pferde; gleich als wenn diese blutige Merckmale nicht allein die Kenn-Zeichen ihres Sieges wären / sondern auch güldene und Purperfärbichte Ausputzungen überträffen. Am allergrausamsten aber ward auff die gefangenen Sach-Redner und Gerichts-Anwälde gewütet. Es war unter denen Kriegsleuten Hermegildis / eine Frau Adelichen Standes / welche nichts minder ihre angebohrne Hertzhafftigkeit / als die Rache / theils wegen ihres ermordeten Eh-Herrns / theils ihrer geschändeten Tochter die Waffen anzulegen bewogen hatte. Denn es hatte Munatius / ein Römischer Hauptmann / den ersten wegen eines geringen Unvernehmens und daraus gefaßten aber verstellten Grolles bey seinem eigenen Tische durch Gift hingerichtet / sich auch dieser Mordthat / als eines wider einen plumpen Deutschen rühmlich ausgeübten Kunst-Stückes offentlich gerühmet. Ob sie nun wol diese Mordthat bey dem Varus geklaget / schützte doch Munatius für / es könte wider ihn keine grössere Straffe statt finden / als die Deutschen gegen Frembde und Einheimische in solchen Fällen ausübten. Diese aber büsseten einen Todschlag mit einem Pferde oder einem Rinde. Die Klägerin versetzte: Diese Busse hätte nur im redlichen Zweykampfe / nicht in heimlichem Meuchel-Morde statt; Varus hätte auch den Deutschen die Römischen Straff-Gesetze auffgedrungen; also müste der Thäter seines Vaterlandes Satzungen so vielmehr unterworffen seyn. Als nun Munatius nirgends keine Ausflucht wuste /und die Klägerin sich gleich eines gerechten Urthels /dessen sie Varus gegen Abheischung fast ihres gantzen Vermögens versichert hatte / versahe / wischte Munatius mit einem Gnaden-Briefe herfür / welchen seine Freunde ihm auff des Varus selbsteigne Vor-Schrifft beym Kayser zu Rom ausgebracht hatten. Ihre wunderschöne Tochter aber hatte sie dem Antistius /einem Römischen Jünglinge / gegen sein bey ihr betheuerlich gethanes Versprechen / daß er beym Varus viel vermöchte / und ihr zu Ausübung gerechter Rache wider den mit ihm ohnediß in Feindschafft stehenden Munatius unfehlbar verhelffen wolte / nach ihrer einfältigen Landes-Art verlobet; ihm auch ihres Vaters Pferd und Waffen / ja wider die Gewohnheit der Deutschen noch ein ansehnliches an Gütern zugebracht. Nach wenigen Tagen aber verhielt er sie gar geringschätzig / und erklärte offentlich / daß er sie nicht für sein Eh-Weib / sondern für eine blosse Bey-Schläferin erkennete. Die hierdurch höchst-bekümmerte Mutter und Freundschafft kamen mit ihrer beschimpften und endlich gar verstossenen Tochter für den Varus; Antistius aber schützte für / daß die geklagte Heyrath so wol wegen unterlassener Römischen Verlobungs-Gebräuche / als seines Vatern ermangelnder Einwilligung zu solcher Eh von Unkräfften wäre; ja er hielt sie noch höhnisch / vorgebende /daß eine deutsche Sclavin mehr denn zu viel Ehre erlangt hätte / wenn sie ein Römischer Edelmann des Bey-Schlaffs würdigte. [61] Und hiermit musten sie zwar schimpfflich abziehen; solche Ehrenkränckungen aber schrieben sie mit unausleschlichen Buchstaben in das Buch unvergeßlicher Rachgier. Diese Hermegildis nun erblickte unter den Gefangenen ungefehr den Titus Labienus / wegen seiner Stachel-Reden ins gemein Rabienus genennt / dessen Schrifften auch vermöge eines ausdrücklichen Rathschlusses offentlich zu Rom verbrennt wurden. Dieser hatte sich deßwegen zwar in seiner Ahnen Begräbniß lebendig einschliessen lassen / ward aber vom Kayser daselbst weg und aus Rom geschafft / kam also zum Varus und gab im Läger den vornehmsten Sach-Redner ab /hatte auch in oberwehnten Rechts-Händeln so wohl den Munatius als Antistius spöttisch und anzügerlich vertheidigt. So bald fiel selbter der Hermegildis nicht ins Gesichte / als ihr Hertze Gifft und Galle zu kochen / die Augen aber Grimm und Feuer auszulassen anfingen. Hiermit wechselte sie ihn gegen drey andere Gefangene aus / um mit seinem Blute so wohl ihren Zorn abzukühlen / als ihrer besudelten Tochter Flecken abzuwaschen. Der übermäßige Eyfer ließ sie wenig Worte machen; dahero ergriff sie den in Fessel geschlossenen Labienus / schnitt ihm eigenhändig das Glied / welches sie empfindlich verletzt hatte / nehmlich die Zunge aus dem Maule / und nachdem sie selbte grimmiger / als es die erbitterte Fulvia der Zunge des beredten Cicero mitspielte / mit Pfrümen zerfleischt hatte / reckte sie selbte mit diesen Worten empor: zische mich mehr an / du gifftige Natter. Ja sie nehete ihm gar die erblassenden Lippen zusammen /gleich als wenn sie seine Entselung noch nicht versicherte / daß auch sein todtes Schmach-Maul die Zähne auff sie nicht mehr blecken würde. Dieses Beyspiel verhetzte viel andere Deutschen gegen die Sach-Redner. Einer beschwerte sich / daß dieser ihm sein Erbgut abgerechtet hette / unter dem Vorwand / daß in den eroberten Landschafften aller liegenden Gründe Eigenthum dem Käyser verfallen wäre; Ein ander klagte: daß jener eine unredliche Handlung / durch welche er um ein grosses Theil seines Vermögens betrogen worden / als gültig verfochten hätte / weil die Römischen Rechte die Verfortheilungen / biß zur Helffte des wahren Preißes / zuläßlich erkennten; der dritte schmähete einen andern / der seines Anverwandten letzten Willen wegen Mangel einer spitzfindigen Zierligkeit umgestossen / und die Erbschafft dem Land-Vogte verfallen zu seyn ausgeführet hätte. Mehr andere verfluchten die von ihnen selbst kostbar gebrauchten Anwalde / welche ihnen ihr letztes Marck ausgesogen / gleichwohl aber die Geheimnüsse ihrer anvertrauten Sache dem Gegentheile zu verrathen sich hatten erkauffen lassen / und viel verzweiffelte Trauerfälle verursacht. Dahero kühlte ieder Beleidigter an den Sachrednern seinen Muth / und wurden einem Theile die Augen ausgestochen / einem andern die Hände / vielen die Zungen und Lippen abgeschnitten /also / daß / so viel ihrer nur ausgeforscht wurden /keiner die Erbarmung seines Uberwinders zu erbitten vermochte / und der gantze grosse Wald / wodurch sich das Heer gegen Deutschburg zurücke zoh / nachdem der Feldherr das Römische Läger zu schleiffen ein Theil zurück gelassen hatte / allenthalben blutige Gedächtniße grimmiger Uberwinder behielt. Denn ob wohl einige der Meinung waren / daß die Deutschen dieses so starck befestigte Läger zu ihrer Sicherheit wider die Römer in solchen Stande lassen und besetzen solten / widerrieth es doch der Feldherr / meldende: der Deutschen Brüste wären ihre festeste Mauren /die von Steinen erbaueten Wälle aber nur Zuchthäuser und Fessel der Dienstbarkeit. Zu dem verlernten auch wilde Thiere ihre Hertzhafftigkeit / wenn sie eingesperret würden.

Folgenden Morgen kam der Feldherr mit den an dern Häuptern auff die erste Wallstatt / [62] und wie ieder unter ihnen freudig zu erzehlen wuste / wo einer und der andere getroffen; wo es am schärffsten hergegangen; wo die Römer am ersten gewichen; wo Segesthes gefallen wäre; also geriethen sie endlich auch auff die Stelle / wo sich Qvintilius Varus verzweiffelnde selbst hingerichtet hatte / funden aber daselbst zwey Römische Kriegsknechte / welche eine Grube zuscharreten / und auff bedräuliche Befragung um ihr Vornehmen / zur Antwort gaben: Sie wären in der Schlacht von empfangen Wunden für todt liegen blieben / als sie aber nach ihrer Ohnmacht wieder zu sich selbst kommen wären / hätten sie den zwar enthaupteten Leib ihres Feldherrn erkennet / und ihrer Pflicht zu seyn erachtet / theils mit etlichen zerbrochenen Degen / theils mit ihren eigenen Nägeln ein Grab zu scharren / und / nachdem auch die Ameisen und Bienen ihre Todten begrüben / ihn zu beerdigen. Die Fürsten lobten zwar ihre Frömmigkeit; sonderlich / da sie für Schwachheit wegen des so viel weggelassenen Blutes nicht selbst auff den Füssen zu stehen vermochten; Fürst Sesitach aber war der erste / der dem Feinde diese Begräbnüß-Ehre zu gönnen widerrieth. Als sie nun befehlicht worden den Leichnam wieder auszugraben / versetzte einer unter ihnen Mustonius: die Feinde pflegten ja auch den Todten eine Hand voll Erde den Hafen deß entseelten Leibes zu gönnen. Die Heleer hätten für unmenschlich und für eine Verletzung des Völckerrechts gehalten / wenn man die todten Feinde nicht begrübe. Bey denen Atheniensern wären die Heerführer zum Tode verdammet worden /die solches unterlassen; wodurch Chabrias seine unterlassene Verfolgung der geschlagenen Spartaner entschuldiget; Und der sonst von Natur so grausame Hannibal hätte die Römer sorgfältig beerdigen lassen. Die Deutschen würden sich mit dem Schandflecke der Parther und Nabatheer zuversichtlich nicht beflecken /welche aller wohl gesitteten Völcker Fluch verdienten / daß die ersten die Magen der Wölffe und Raubvögel zu Särgen ihrer Todten werden liessen / und hernach erst die nackten Gebeine begrüben; die andern aber ihre Leichen den Misthauffen wiedmeten. Auch trauten sie ihnen nicht zu / daß sie / wie die Scythen / des Varus Leiche zum verspeisen verlangten. Des grossen Alexanders Vater hätte dadurch seinen Ruhm nicht wenig verkleinert / daß er nicht nur die Gefangenen /sondern auch die erschlagenen Thebaner verkaufft /und auff ihre Begräbniße einen Zoll geschlagen. Wolten sie denen andern todten Römern die Ruhe im Grabe nicht gönnen / solten sie solche doch einem Römischen Bürgermeister und Feldherrn nicht verweigern. Und da ihn seine Würde dessen nicht fähig machte / hätte er solches durch seine letzte Großmüthigkeit nichts minder als Demosthenes verdient; welcher von den sonst so sehr erbitterten Syracusiern nur deßwegen ehrlich begraben worden wåre / daß er nach verlohrnem Kriegs-Heere mehr Hertz als Nicias bezeuget / indem er durch sein eigen Schwerdt ihm selbst vom Leben und aus der Dienstbarkeit geholffen. Auch wäre des Varus Leiche dieser wenige Sand so vielweniger zu mißgönnen / nachdem ihm ohnediß nicht die letzte Pflicht nach Römischer Art durch Einäscherung des Leibes geschehen könte. Sesitach fuhr den Mustonius an / Varus wäre der Erde nicht werth / und sie solten alsofort ihn ausscharren. Zumahl diese Einscharrung ohne diß nicht den Römern gemäß seyn solte. Hätte doch Sylla bey Anien des Marius Asche nicht unbeirret gelassen / sondern auffs schimpfflichste zerstreuet. Diesem begegnete der andere Römer Qvintus Julius Posthumus / des berühmten Landvogts in Dalmatien Sohn: Die Verbrennung wäre bey den Römern keine unveränderliche Nothwendigkeit. Das edle Geschlechte der Cornelier hätte ausser dem Sylla sich unversehrt in die frische Erde legen lassen. Sie hätten weder [63] so viel Kräffte noch Leichtsinnigkeit den Beerdigten auszuscharren /und ihr gutes Werck numehr mit einem ärgern Laster zu besudeln. Bey den Römern und allen wohlgesitteten Völckern wären die Begräbniße heilig. Die Mutter aller irrdischen Dinge bezeugte so denn / wenn sie den Menschen von der Natur absonderte / allererst ihre gröste Mutter-Liebe / weil sie die Leichen durch ihre Bedeckung unversehrlich machte. Sie würden ihnen hierdurch nicht geringern Zorn und Straffe der Götter auff den Hals ziehen als Creon / welcher den Häemon seinen Sohn auff dem Grabe seiner verlobten Antigone sich selbst ermorden / seine Gemahlin Eurydice sich eigenhändig hinrichten / und sich selbst in höchster Verzweiffelung hätte sehen müssen / weil er die Leiche deß vom Eteocles erlegten Polynices wieder ausscharren / die ihn begrabende Antigone aber in eine Höle lebendig einmauern lassen. Der sonst in allem so glückselige Sylla wäre darinnen allein unglückselig gewest / daß er des Marius beerdigten Cörper ausgegraben / seinen Kopff zu offentlicher Schau auffgestellet / und dadurch nicht allein seinen Ruhm besudelt / sondern seine Leiche auch wider des Cornelischen Geschlechts Begräbniß-Art / aus Beysorge ebenmäßiger Ausscharrung / hätte verbrennen lassen müssen. Wolte man aber den wenigen Sand um ein Stück Goldes verkauffen / würde selbtes nicht mangeln. Ja da Cimon die Freyheit feines im Kercker verschmachteten Vaters Leiche zu beerdigen sich in sein Gefängniß und Fessel schliessen lassen; Sie aber keine Freyheit um ihres Feldherrn Leiche zu kauffen übrig hätten / were er erbötig mit seinem Leben auch seine Beerdigung zu entbehren / wenn nur des Varus ohne diß durch den abgerissenen Kopff genugsam beschimpffte Leiche nicht wieder ans Tagelicht kommen dörfte. Hertzog Herrmann nahm die tugendhaffte Entschlüssung dieser zweyen Römer wohl auff / entbürdete sie der anbefohlnen Ausgrabung / und befahl: daß sie in ihrer Gefangenschafft ehrlich gehalten / und von der Ausgrabung des Varus verschonet werden solten; ob schon die Römer weder die Gräber noch die Leichen ihrer Feinde / noch auch ihre eigene Grabmahle / wo das Haupt nicht läge / für heilig hielten. Ob nun wohl des Varus Leiche dergestalt unauffgescharret blieb / so ward doch selbte von dem nachziehenden ergrimmten Kriegs-Volcke / und zwar meist auff Anstifftung des Fürsten Sesitachs ausgegraben / und auff einem Karne mit fort geschleppt. Denen andern in der Schlacht umkommenen ward das beste zur Beute abgenommen / und blieben ihre Leichen zwischen den erschlagenen Pferden und zertrümmerten Waffen unbeerdigt liegen. Die aber / welche von denen Deutschen in der Schlacht geblieben waren / wurden von ihren Befreundeten oder Geferthen auffgehoben / auff unterschiedenen auffgerichteten hohen Holtzstössen nebst ihren Pferden und Waffen nach ihrer Lands-Art verbrennet / und ihre Asche hernach beerdigt. Wiewohl auch viel Leichen hohen Standes von der Wallstatt zu herrlicherm Begräbnis-Gepränge weggeführet wurden. Die Deutschen / welche der Feldherr zu Bewachung der Wallstatt verlassen hatte /betheurten einmüthig / daß bey der Abends-Demmerung die erschlagenen Todten sich auffgerichtet / und auffs neue mit einander die gantze Nacht durch geschlagen hätten / gleich als wenn ihre Verbitterung sich nicht an einem Tode vergnügen könte. Ja es ereignete sich bey Absonderung der Todten / daß ihrer unterschiedene / welche auff oder nahe an einander lagen / einander in dem letzten Grimme Nasen und Finger abgebissen hatten.

Der Feldherr war noch eine halbe Meilweges von Deutschburg entfernet / als ihm eine grosse Menge Volcks entgegen kam. Zuförderst gingen die Barden und die heilige Aurinia mit fünffhundert edlen Jungfrauen. Jene waren mit langen weissen Kleidern angethan / [64] ihre Häupter waren mit Kräntzen aus Eichenem Laube / welcher Baum bey ihnen für heilig gehalten wird / umgeben / und sie bliessen mit Krummhörnern die annahenden Sieger freudig an / und vermischten diß Gethöne mit des jauchzenden Volcks Frolocken. Diese waren theils mit Himmelblauen / theils mit Meergrünen Röcken bekleidet / ihre weissen Haarlocken / mit welchen der anmuthige Westwind spielte /waren mit Blumen-Kräntzen geschmückt. Uber ihre Achseln hingen Bogen / und an der Seite mit Pfeilen gefüllte Köcher. Ihr Gewand verdeckte mit Fleiß die rechten Brüste / da hingegen die lincken gantz bloß zu sehen waren / um denen streitbaren Siegern gleich sam neue Amazonen fůrzubilden. Ihre schneeweissen Fürtücher hatten sie auffgeschürtzt / und mit allerhand Blumen angefüllt. In der Mitte folgte selbst der Priester Lybis nebst sieben andern Priestern in schneeweissen Röcken. Bey Nåherung des Feldherrn / neigte sich die gantze Schaar gegen Ihm mit grosser Ehrerbiettung / und er selbst saß vom Pferde ab / welchem der Priester Lybis mit allerhand andächtigen Gebehrdungen einen von Lorberblättern / und mit gesponnenem Golde umflochtenen Siegs-Crantz auffsetzte. Als Hertzog Herrmann hierauff wieder zu Pferde saß /gingen Anfangs die Jungfrauen / hernach die Barden /endlich Libys und seine Gefärthen für denen Fürsten her. Diese zündeten in ihren Rauch-Fässern Weyrauch und Agstein an; die Jungfrauen aber sträueten allerhand Blumen auff den Weg / und wechselten mit den Barden gegeneinander singende nachfolgende Reimen ab:


Die Jungfrauen.
Eilt / wůnscht unsern Helden Glůcke /
Eilt / bewillkommt unser Heer /
Das mit Palmen kommt zurücke /
Reich von Ruhm / von Beute schweer!
Singt den Fürsten Sieges-Lieder /
Die so sieghafft kommen wieder!
Die Barden.
Die Schutzherrn ihres Volcks / des Vaterlandes Väter /
Die fürs gemeine Heil behertzt zu Felde ziehn /
Die fremde Dienstbarkeit / Mordstiffter / Ertzverråther /
Bey uns mit Strumpff und Stiel zu tilgen sich bemůhn /
Die kan der Himmel nicht Sieg-Hülff- und Trostloß lassen /
Noch ihr unendlich Lob der Sonnen Zirckel fassen.
Die Jungfrauen.
Schmůckt mit Blumen Bahn und Wege /
Herrmann hat verdient: daß man
Ihm die Hände unterlege /
Und zum Vater ihn nehm' an.
Daß er / weil er lebt auff Erden /
Schon vergöttert möge werden.
Die Barden.
Alcides mahlt uns ab ein Vorbild unsers Fürsten /
Der durch der Tugend Trieb biß zu den Sternen flog.
Ihr Zunder hieß sie zwey nach Ruhm und Ehre dürsten /
Als beyder Zunge noch an Mutter-Brüsten sog.
Wie Hercules zerrieß zwey Schlangen in der Wiege /
So jung erwarb auff Neid und Mord-Lust Herrmann Siege.
Die Jungfrauen.
Nesseln pflegen bald zu brennen /
Und auszarten Kreilen sind
Löw und Adler zu erkennen /
Cyrus herrscht als Hirt und Kind.
Unsers Herrmanns zarte Jugend
Zeigt vollkommnen Witz und Tugend.
Die Barden.
Alcidens Klugheit siegt beym grossen Scheide-Wege /
Als ihn die Wollust dort / hier Tugend lockt zu ihr.
Rom reitzt auch unsern Held auff seiner Ehrsucht Stege /
Er aber zog das Heil des Vaterlandes für /
Der Tugend rauhe Bahn / den Weg voll Dorn und Hecken.
Itzt aber läßt sie Ihn die süssen Früchte schmecken.
Die Jungfrauen.
Disteln sind der Tugend Wiegen /
Bleibt Sie aber standhafft stehn /
Sieht man sie auff Sammet liegen /
Und auff weichen Rosen gehn.
Streuet Blumen / werfft Narcissen /
Zu des grossen Hermanns Füssen.
Die Barden.
Alcides tödtete das wilde Schwein / den Riesen /
Den Ochsen und den L \w / den Drachen / den Busir.
Des Varus Grausamkeit und Mordlust hat erwiesen:
Schwein / Ochse / Riese / Drach' und das ergrimmste Thier
Sey Schatten gegen ihm / und seiner Hencker Wůtten.
Fůrst Herrmann aber hat den Kopff ihm abgeschnitten.
[65] Die Jungfrauen.
Schande krönt den Ubelthåter /
Ehre wahrer Helden Haupt.
Fessel sind für die Verräther.
Herrmans Scheitel wird umlaubt
Mit verdienten Lorber-Kronen /
Seine Tugend zu belohnen.
Die Barden.
Alcides trieb hinweg des Stymphalus Geflügel /
Das eitel Menschen-Fleisch zu essen lüstern war;
Nahm den Amazonen die Gürtel und die Spiegel;
Fürst Hermann reißt sein Volck aus grösserer Gefahr;
Knůpfft Schwerdt und Gürtel ab / nicht Weibern / Kriegesleuten /
Jagt die Raubvögel weg / und sammlet reiche Beuten.
Die Jungfrauen.
Eulen müssen sich verstecken
Für der Sonnen Glantz und Licht /
Adler sind der Tauben Schrecken /
Menschen siehn für Göttern nicht;
Unsrer Helden Spieß und Pfeile
Sind den Römern Donnerkeile.
Die Barden.
Alcides Achsel hat den Himmel unterstützet /
Der güldnen Aepssel Raub frohlockend heimgebracht.
Des Monden Brut vertilgt / das Vaterland beschützet /
Und den Promotheus von Felsen loßgemacht.
Fürst Herrmann tilget Rom / macht unser Joch zunichte /
Stützt Deutschland und erwirbt der Freyheit gůldne Früchte.
Die Jungfrauen.
Ja / dem Herrmann ist nichts gleiche /
Freund und Feind gestehet es:
Er sey Schutz-Gott unsrer Reiche
Unser ander Hercules.
Nur daß keine Seulen wissen
Seine Thaten einzuschliessen.
Die Barden.
Tuiscons Seele lebt in unsrer Helden Leibern /
Sie führt wie Alemann die Löwen an der Hand /
Hat Hermion gemacht Kriegs-Helden auch aus Weibern /
So ist dem Herrmann auch die Kunst nicht unbekandt /
Wenn von Thußneldens Schwerdt / und von Ismenens Spißen
Geharnschte Fürsten falln und ihre Bůgel küssen.
Die Jungfrauen.
Grabt der Deutschen Helden Thaten
Marmeln / Ertzt und Bäumen ein.
Diß sind Erndten solcher Saaten.
Elbe / Weser / Mosel / Rhein
Wird nicht länger Wasser bringen
Als man diesen Sieg wird singen.

Nachdem nun endlich der Feldherr mit den andern Grossen auff seinem Schlosse Deutschburg ankommen war / er daselbst die fürnehmsten Gefangenen in Hafft halten / das Heer in die nechst angelegenen Oerter biß zu fernerer Entschlüssung zertheilen / der Verwundeten wohl pflegen ließ / sie selbst persönlich heimsuchte und tröstete / die tapffern lobte und begabte / auch für so herrlichen Sieg den Göttern auff den instehenden neuen Mond herrliche Opffer zu bringen / und sich seines Gelübds zu befreyen Anstalt machte / kam endlich auch Fürst Catumer sieghafft zurücke / und berichtete: daß er das Schloß Alison /oder Altzheim / auff der West-Fürst Ganasch auff der Ost-Seiten mit dem Kriegs-Volcke / welches den flüchtigen Asprenas verfolgt / beschlossen hätte. Aus diesem habe Lucius Cäditius auff geschehene Auffoderung ihm schimpffliche Antwort zuentboten: daß so lange er Athem holete / er von keiner Ubergabe hören; sondern die ihm anvertraute Festung zu ewigen Merckmahle seiner Treue behaupten oder zu seinem Grabe haben wolte. Dahero er denn auch zur Gegenwehr und mehrer Befestigung des Orts Tag und Nacht Anstalt gemacht. Alldieweil sie aber / diesen vortheilhafftig-gelegenen Platz zu bestürmen / weder genugsames Fuß-Volck noch Sturm-Zeug bey Handen gehabt / hätten sie aus dem Römischen Läger beydes zu bringen Befehl ertheilet. Sie hätten aber von einigen im Ausfall erwischten Galliern die Nachricht erlanget: daß die Festung zwar mit Kriegszeuge und übermäßiger Mannschafft / welche sich von des Asprenas Heere hinein geflüchtet hätten / auffs beste versehen wåre; die Lebensmittel aber würden auffs sparsamste ausgetheilet / und hätte Cäditius für / alles zur Gegenwehr undienliche Volck heraus zu jagen. Sie hätten überdiß genau erforschet / welcher Gegend das Kornhaus stünde / das ihnen denn [66] auch ein Gallier nahe hinter der Mauer angewiesen. Hierauff hätte Hertzog Ganasch und er alsofort Anstalt gemacht / daß folgende Nacht selbiger Gegend zwey höltzerne Seulen etwas höher als die Mauern der Festung wären eingegraben / und darauff nach Art eines Brunn-Schwengels ein langer Balcken gelegt worden / mit dessen hinterwärtiger Niederziehung gegen der Festung zu ein Korb mit zehn geübten Schützen wäre empor gezogen worden. Diese hätten / ungeacht derer von der Mauer auff sie unzehlbar abgeschossenen Pfeile / mit ihren brennenden Wurff-Spiessen und Feuer-Pfeilen das Dach des Kornhauses in Brand gebracht / und /wie eiffrig gleich die Römer solches zu leschen bemühet gewest wären / völlig eingeäschert. Cäditius hätte sein heimliches Ubel derogestalt verrathen / und über etliche wenige Tage eine so grosse Menge Volcks zu unterhalten kein Mittel gesehen / wäre also gezwungen worden / die erste Mitternacht darauff auff der Sud-Seiten blinden Lermen zu machen / auff der Nord-Seiten mit seiner gantzen Macht auszufallen. Dieser wäre durch die in Bereitschafft stehenden Hauffen mit blutigem Gefechte durchgebrochen. Er Catumer habe zwar sein gantzes Läger bald in die Waffen gebracht und den Feind verfolgt / Hertzog Ganasch wäre auch mit seinem Kriegs-Volcke durch die verlassene und nun unschwer erbrochene Festung über die Lippe / und ebenfals dem Feinde in Rücken gegangen / welcher sie auch mit anbrechendem Tage erreicht hätte; Alleine der Morastige Ort / dahin man mit der Reiterey schwerlich hätte kommen können /hätte ihnen allen Angriff verwehret. Zwischen solchen Sümpfen wäre er drey Tage bald fort gerückt / bald hätte er wieder Lufft geschöpfft / und bey solchem Zuge theils unerträglichen Hunger / theils weil er bald vor / bald hinterwerts / bald auff der Seiten angefallen worden / empfindlichen Abbruch gelitten. Er müste seinem Feinde den Ruhm lassen / daß er durch Erdultung so grosser Noth / mit steter Durchwatung der Pfützen / mit Abbruch des Schlaffs / mit unauffhörlicher Gegenwehr die Unmöglichkeit selbst überwunden / unerträgliche Dinge überstanden / Cäditius bey seinem zwar grossen Verlust die tauerhafften Deutschen müde gemacht / in seinen Entschlüssungen weder verwegene Ubereilung / noch träge Langsamkeit begangen / endlich wider menschliche Einbildung einen Weg und Furth durch die Lippe gefunden / und des Nachts in aller Stille sein meistes Volck darüber in Sicherheit gebracht / also mit dem Degen in der Faust ihm nicht so wohl einen Weg durch seinen stärckern Feind gemacht / als der Natur selbst abgewonnen habe. Ja es hätte geschienen / als wenn der Himmel sein Elend länger anzuschauen müde / und derogestalt mitleidend worden wäre / indem er durch etlicher Tage Regen / bald nach seiner Durchwatung /den Strom derogestalt angeschwellet hätte / daß Hertzog Ganasch und er sich mit Erober- und Besetzung der Festung Alison / mit Niederreissung des dem Drusus Claudius zum Gedächtniß daselbst aus Marmel auffgerichteten Heiligthums und köstlichen Altares /mit denen zurück gebrachten Gefangenen / darunter auch etliche Römische Frauen wären / hätten vergnügen / und dem Feinde Zeit sich an den Rhein zu ziehen verstatten müssen.

Den Tag für dem Neumonden brachte die Gewohnheit mit / denen noch etwan übrigen Todten ihren letzten Dienst abzustatten. Denn es hatte eine grosse Anzahl der Grafen / welche auff des Feldherrn Leib bestellet waren / als auch sonst etliche aus uralten Fürstlichem und viel aus Ritterlichem Stamme ihr Blut fürs Vaterland verspritzet; welche / ob sie zwar in dem Andencken der Nachwelt ihrer Tugend wegen ewig leben / doch auch für ihre Leiber / [67] als die Wohnstädte so himmlischer Seelen ansehnliche Gedächtniß-Mahle verdienen. Diesemnach hatte Hertzog Herrmann in dem grossen Thale / rings um den Taufanischen Tempel einem ieden einen viereckichten funffzig Schuch hohen / und zweyhundert Schuch im Umkreiß habenden Holtz-Stoß auffrichten lassen. Denn grosse Holtzstösse und hocherhabene Gräber sind nichts minder Kennzeichen hoher Verdienste und Werthhaltung / als grosse Schatten Merckmahle grosser Leiber. Die Leichen wurden von der Burg auff erhobenen Stühlen durch eitel Ritter dahin getragen / welchen in die Hand ein Honig-Kuchen / in den Mund eine Müntze gegeben / auff das Haupt ein Krantz / als ein Zeichen der überwundenen irrdischen Drangsalen / gesetzt war. Ob nun wohl die Deutschen zeithero bey ihren Begräbniß-Feyern keine kostbare Pracht gebrauchten /die Todten mit keinen Kleidern ziehrten / noch die Holtz-Stöße mit wohlrüchenden Salben und Balsamen auffrichteten / sich auch mit einem aus Rasen erhöheten Grabmahle vergnügten / und also nicht unweißlich anmerckten: daß aus der Menschlichen Asche / als dem Merckmahle unser Vergängligkeit /Ehrgeitz ziehen wollen / die gröste Eitelkeit sey; so wolte doch der Feldherr / bey diesem ungemein herrlichen Siege denen fürs Vaterland ruhmwürdig auffgeopfferten Leichen auch ein ungemeines Gepränge ausrichten. Sie hatten in dem Läger einen grossen Vorrath von Zimmet / Weyrauch / Myrrhen / Narden und Jüdischen Balsam / welchen Varus noch mit aus Syrien bracht / gefunden. Dieser ward zu Einsalbung der Leichen und der Holtzstösse verbrauchet. Denn die Deutschen hielten diß für eine heilsame Verschwendung / welche ihnen den Zunder zu weibischer Uppigkeit aus dem Wege räumte. Jeden Ritters Pferd ward auch geschlachtet / und nebst seinen gebrauchten Waffen und was dem Verstorbenen sonst etwan lieb gewesen / mit verbrennet. Die Bluts-Verwandten warffen in die Flamme viel an ihre schon fürlängst verstorbene Freunde gestellte Brieffe / in Meinung: daß ihre Seelen hierdurch den Zustand ihrer Nachkommen zu wissen bekämen / als welche die verbrennten Schrifften zu lesen allerdings fähig wären. Bey iedem Holtz-Stosse wurden auch etliche der Gefangenen abgeschlachtet / und überdiß musten auff den Gräbern dieser Helden hundert Paar gefangener Römer und Gallier / auff welche das Loß fiel / sich zu tode fechten. Ja es fiel die deutsche Ritterschafft den Feldherrn an: weil die Römer mehrmahls zehn und zwantzig Jahre nach ihrer Eltern Tode ihre Gräber mit dem Blute derer zum Fechten gezwungener Deutschen / ja auch Julius seiner Tochter Begräbniß damit eingeweihet / andere auch wohl selbst solches in ihren letzten Willen verordnet hätten; so möchte er doch seines Vaters wahrhafftes und seiner Muttter leeres Grab /bey dem Taufanischen Tempel / durch gleichmäßiges Blut der Römer verehren. Weil nun der Feldherr diesen so unverdienten Helden übel etwas ausschlagen konte / befahl er: daß auff iedem Grabe sieben Paar Römer einander aufopffern solten. Die Freunde der Todten aber verscharreten die aus den glüenden Kohlen herfürgesuchte Gebeine und Todten-Asche / nachdem sie sie mehr mit Thränen als wohlrüchenden Wassern angefeuchtet hatten / in die Erde. Auff iedem Grabe richteten sie von Rasen einen hohen Hügel auff / der Feldherr aber ließ hernach einen Stein dabey setzen / und in selbten das Lob deß daselbst Begrabenen hinein graben. Unter andern war alldar Emma / eines Herulischen Fürsten Tochter / des in der Schlacht umkommenen Ritters Stirum Wittib. Diese / nachdem sie ihrem Ehherrn die letzte Pflicht mit höchster Sorgfalt geleistet hatte / laß aus den noch allenthalben [68] brennenden Holtz-Stosse / ohne einige Empfindligkeit /seine noch heissen Beine in einen Krug zusammen. Die in ihrem Hertzen noch unerloschene und von übermäßigem Schmertz zusammen gezwengte Liebe preßte aus ihren Augen so viel Thränen aus / daß es schien / als ob ihre gantze Seele darein zerrinnen wolte / um nur ihres Eh-Herrn Gebeine damit abzukühlen / und seine Todten-Asche damit einzubalsamen. Als endlich ihre Augen kein Wasser mehr zu geben vermochten / verscharrete sie den Todten-Krug unter eine hohe Eiche / rieff hiermit: ihr Götter! lasset dieser Asche die Erde leichte seyn! Und ihr heiligen Gebeine / würdiget dieselbe zu eurem Opffer / welche dadurch schon lange genug gelebt / nach dem sie ihr Leben mit einem solchen Helden zugebracht. Nun ich denn meines Ehmanns Hertze in diese Flamme / und in diesen Krug / meines aber in diese Asche begraben habe / worzu ist mir dieser Hertzlose Leib länger nütze? Alsofort ergriff sie ein Band / henckte sich an einen Ast recht über ihres Eh-Herrn Grab. Sintemahl nach der Herulischen Völcker Landes-Gewonheit eine Frau ohne höchste Ehren-Verletzung eben so wenig /als die sich mit ihren Ehmännern verbrennende Frauen in Indien lange ihres Eh-Herrn Todt überleben darff. Ja bey den Deutschen insgesamt / siehet man alleine Jungfrauen heyrathen / indem selbte nur einem einigen Ehmann einen Leib und ein Leben widmen /aus dem Bette ihrer einmal abgelegten Jungfrauschafft in kein anders schreiten / und dahero nach ihres Ehmans Tode nach längerm Leben zu seuffzen wenig Ursache haben. Also gelten bey diesen Völckern mehr die guten Sitten / als in Narsinga und bey andern Völckern die schärffsten Straff-Gesetze / wo der Priester bey Verstattung der andern Verehligung solches mit einem glüenden Eisen auff den Schuldern der Braut versiegelt. Die Fürsten / Grafen und Ritter / ja der Feldherr selbst hielten hierauff denen Beerdigten zu Ehren Turnier / Fuß-Kämpffe / Ring-Kopff-Rennen und allerhand andere Ritterspiele / und Hertzog Herrmann schlug eine gute Anzahl derselben / welche in der Schlacht sonderbahre Thaten ausgeübt / zu Rittern; unter denen war Sarweden / Eberstein / Helffenstein / Waldeck / Bentheim / Salm / Reifferschied /Reckum / Palland und viel andere tapffere Helden.


Nach eingetretenen Neumonden wurden auff des Priesters Lybis Erinnerung alle Gefangenen / alle Waffen und die Köpffe von denen Erschlagenen zu dem Taufanischen Tempel gebracht. Aus denen auff einander gelegten Köpffen ward gleichsam ein hoher Thurm gebauet / die Waffen an einem andern Orte auff einen hoher Hauffen anfänglich zusammen getragen / und von selbten die / welche Qvintilius Varus geführet und mit Golde reichlich gezieret waren / ausgelesen / und in dem Tempel dem Woden / mit welchem Nahmen sie den göttlichen Beystand im Kriege andeuteten / zu Ehren aufgehenckt / die andern aber von dem Feldherrn unter die Kriegs-Leute ausgetheilet. Hertzog Herrmann und Inguiomer trugen selbst die zwey eroberten Römischen Adler / und liefferten selbte mit grossem Gepränge dem Hohenpriester Libys ein / welcher beyde über zwey Opffertische stellte. Des Varus Haupt ward auff einem dem Tuisco auffgerichteten Altar als ein Erstling ihres Opffers /gelegt / in deßen im Leben unersättlichen Mund / wie vormahls es Mithridates dem Manius Aqvilius / und für 32. Jahren Orodes dem Crassus / oder vielmehr Sextimulejus dem Grachus mitgespielet hatte /zerschmeltztes Bley gelassen / und den Schutzgöttern Deutschlands für erlangten herrlichen Sieg gedancket. Hierauff baueten die Priester um den Tempel ringsher hundert Altare aus zusammengesetzten Rasen / alldar allezeit den hundersten der Gefangenen denen Göttern zu opfern. Massen denn alsofort von den Priestern ihre Häupter mit Wein abgewaschen / die [69] andern Glieder mit Wasser besprengt / hernach gebunden /geschlachtet / das Blut in einen Kessel zusammen auffgefangen / die Leiber verbrennt / und die Köpfe zum theil zur Balsamung auffgehoben worden. Sintemal die Deutschen die Köpfe nach der Egyptier Gewohnheit / die sie von den Opfern in Nil-Strom warffen / nicht mit verbrennten / sondern mit Ceder-Safft einzusalben / und für der Fäulnüß ihren Nachkommen zum Gedächtnüß ihrer Siege zu verwahrẽ / auch selbte in so grossem Werthe zu halten pflegen / daß sie selbte nicht / mit den Mördern des Grachus / umb gleichwiegendes Gold verwechseln würden.

Endlich ward auch Malovend der Marsen Fürst /Cejonius / Caldus Cälius / Sextus Catulus / Apronius und Emilian zur Opferung geführet. Als man nun an den Malovend die Hand anlegen wolte / schützte er das Recht des Vaterlandes für / welches ihn als einen gebohrnen Deutschen seinen eigenen Göttern / welchen auch von den wilden Scythen nur fremdes Menschen-Blut geopfert würde / zu schlachten nicht zuliesse. Ob nun wol Hertzog Ganasch ihm fürwarff: Er habe dem Vaterlande abgeschworen / dem er das Leben zu dancken hätte / und den letzten Athem schuldig wäre. Wer wider dis den Degen ausziehe /verliere sein Bürger-Recht / und sey ärger zu straffen als Ausländer; so nam sich doch so wol der Priester Libys als der Feldherr dieses Gefangenen an. Jener /weil die milden Schutz-Götter Deutschlands ihr eigenes Blut zu verderben Abscheu hätten; dieser / daß so wol der schlüpferigen Jugend unvorsichtigen Fehlern /als denen seltzamen Verwickelungen bißheriger Läufte etwas von der Schärffe der Gesetze zu enthängen sey. Hingegen müste gegen die Römer mit der ihnen gewohnten Schärffe verfahren werden / welche nicht nur die gefangenen Menschen tödteten / sondern auch ihre Hunde schlachteten. Cejonius zohe für sich an /daß er / Apronius / Emilian / und alle andere / die im Läger gewesen / nicht für Gefangene / sondern für sich gutwillig ergebende zu achten wären / welche hinzurichten alle Völcker für Grausamkeit hielten. Der Feldherr aber befahl: Es solte zwar dem Apronius / Emilian und andern Ergebenen das Leben geschenckt seyn / Cejonius aber würde wegen seiner verzagten Auffgabe des Lägers ihm selbst nur zur Schande leben / und habe mit seinen gegen die Deutschen verdienten Boßheiten einen ärgern Tod verdienet; dahero müsse er von Henckersnicht Priesters-Händen sterben. Die Römer hätten gegen die Ergebenen mehrmals anders gewütet. Emilianus habe fünfhundert Ergebne aus des Viriats Kriegsleuten in Spanien mit dem Beilhinrichten; Kayser Julius den Fürsten Guturat in Gallien zu Tode prügeln / und hernacherst enthaupten; allen / die sich aus Mangel Wassers mit der Festung Uxellodun ihm ergeben müssen /und Waffen tragen können / die Hände abhacken / der noch lebende Augustus in dem bürgerlichen Kriege gantze ergebene Städte aushauen lassen. Cejonius warff ein: Maximus Emilianus habe dem Konneba /einem ergebenen Strassen-Räuber / Cäsar auch See-Räubern das Leben geschenckt. Er ward aber / als er mehr reden wolte / hingerissen / in einen nicht weit entfernten Sumpf geworffen / und mit einer auf ihn geworffenen Hurde erstecket. Auf welche Art die Deutschen das Laster weibischer Zagheit zwar offentlich zu straffen / zugleich aber das Gedächtnüß zu verstecken pflegten. Eine in Wahrheit eben so wol verdiente Straffe für den Cejonius / als im Mithridatischen Kriege für den Aquilius / welcher lieber schimpflich vom Hencker als rühmlich im Streit zu sterben erkieset hatte. Caldus Cälius und Sextus Catulus sahen inzwischen wenig Hoffnung übrig sich von so blutiger Auffopferung zu erledigen / als welche in der Schlacht verwundet und gefangen worden waren. Gleichwol wolte Catulus sein Heil noch versuchen / redete derowegen den Feldherrn [70] an: Er könte nicht glauben / daß einige Götter an so grausamem Gottes-Dienste Gefallen trůgen. Die Scythen und Thracier würden für die rauesten Völcker insgemein gehalten / diese aber opferten nur den hundertsten Gefangenen / hier aber würde von denen sonst so hochgerühmten Deutschen auff alle erbärmlich geraset. Hannibals und Xantippus Grausamkeit sey zwar noch beschrien / daß jener aus denen erschlagenen Feinden über die Vergellische Bach ihm eine Brücke gebaut /die Väter mit den Söhnen / Brüder mit Brüdern zu kämpfen gezwungen / und hierdurch den Mohren ein Schau-Spiel angestellt habe; dieser / daß er und die Carthaginenser dem Attilius Regulus die Augen-Lieder abschneiden / und ihn an der brennenden Sonne verschmachten lassen. Alleine beyde hätten scheinbare Ursache ihrer Grausamkeit gehabt; der erste /weil der Römische Rath die Gefangenen zu lösen verboten; die andern / weil Regulus den Römern den Frieden und seine Auswechselung selbst widerrathen hätte / und so wol er als Sempronius dem Feinde gleichsam zu Trotze ins Mohrische Läger zurück kommen wären. Diesesmal aber wäre an ihrer Lös-oder Einwechselung nicht zu zweifeln. Hingegen habe Mithridates nicht allein unsterbliches Lob erworben /sondern auch die Römer mit nichts mehrers erschreckt / als daß er ihre Gefangenen mit einem Zehr-Pfennige versehen und ohne Entgeld frey gelassen. Kayser Julius habe es mit den Pompejischen Gefangenen nicht anders gemacht. Hertzog Ganasch fiel ihm in die Rede: Alle Gefangene müssen sterben. Rom hat selten einem fremden Gefangenen Lufft und Leben gegönnet. Vom Marius vermochten die Celtischen Weiber und Kinder nicht das Leben und die Freyheit zu erbitten. Caldus Cälius biß hierüber die Zähne zusammen / und fuhr den Catulus mit verzweifelter Geberdung und harten Worten an: Schone deiner! Einem Römer stehet es so wenig an das Leben zu erbetteln / als diese Barbarn einiger Bitte werth sind. Folge meinem Beyspiele / wo es dir mehr umb Ehre als den ohnmächtigen Athem zu thun ist. Hiermit ergriff er die eisernen Ketten / wormit er gebunden war / und stieß selbte so heftig an sein Haupt / daß er mit Vergiessung seines Bluts und Gehirnes Augenblicks todt zu Boden fiel. Ja ehe ein Mensch zuspringen konte /hatte es Catulus ihm nachgethan; allen hierüber erstaunenden Zuschauern zum Nachdencken lassend: Ob bey dieser Begebenheit das behertzte Beyspiel oder die geschwinde Nachfolge mehrer Verwunderung würdig sey / oder ob sie nicht mit grösserm Ruhm gestorben als Cornelius Merula / der umb / nicht in des wütenden Marius Hände zu fallen / mit seinem eignen Priester-Blute des Jupiters Augen besprengte; oder als Herennius Siculus / der seinen Kopf an den Pfosten des Kerckers zermalmte / und also dem Hencker gleichsam den schimpflichen Tod aus den Händen wand.

Hierauff ward auch der ausgescharrte Leichnam des Römischen Feldherrn zu einem Altare geschleppt /bey welchem Printz Sesitach / Hertzog Segimers und Fürst Siegesmund des Segesthens Sohn zugegen waren. Der erstere / welcher wegen einer einsmal geschehenen Beleidigung auf den Varus einen unversöhnlichen Haß geschöpfft hatte / spottete nicht allein sein / sondern wolte auch verwehren ihn als ein unwürdiges Aaß auff dem Altare zu verbrennen. Fürst Siegesmund aber / welcher wegen seines abtrünnigen und numehro verhaffteten Vaters in gröstem Bekümmernüsse war / und von denen gegen ihn als einen Verräther des Vaterlandes höchst-erbitterten Deutschen ein scharffes Urthel befahrete / bekam hierbey eine Gelegenheit zugleich sich bey den Deutschen einzulieben / und den Römern einen Dienst zu thun /oder zum minsten selbte nicht gar aus der Wiege zu werffen. Denn ob wol der schlaue Segesthes / als er zu den Römern überging / seinem Sohne mit [71] Fleiß befohlen hatte / er solte mit einem Theile des Casuarischen Adels auf der deutschen Seite stehen bleiben und fechten; womit / wenn die Deutschen die Ober-Hand behielten / der Sohn dem Vater / da aber die Römer obsiegten / der Vater dem SohneFreyheit und Begnadigung erbitten könte; Siegesmund auch in der Schlacht seinen Mann gewehret / und gute Kenn-Zeichen seines deutsch-gesinneten Gemüthes von sich gegeben hatte; so vermochte doch diß alles / entweder wegen kindlicher Liebe / oder weil sein Gewissen des Vaters Verbrechen selbst zu unnachläslicher Straffe verdammete / ihm nicht die geschöpfte Furcht zu benehmen. Dahero redete er den Sesitach an: Vetter / du weist / wie mein Vater mich zu grossen Ehren gebracht zu haben vermeynt /als er mir wider meinen Willen / und die angeborne Abscheu für den Römern das Priesterthum bey dem von den Römern am Rheine aufgerichteten Altare der Ubier nicht ohne grosse Müh und Geld zuwege gebracht. Zeit und Alter lidten es damals nicht / daß ich hätte meine innerste Gemüths-Meynung heraus sagen / oder mich dem väterlichen Befehle widersetzen dörffen. Den ersten Augen-Blick aber / da ich von der Deutschen wider die Römische Dienstbarkeit rühmlich-gefaßten Entschlüssung nur wenig Wind bekommen / habe ich vorsätzlich das ewige Feuer ausgelescht / den Priester-Rock und die Haupt-Binden zerrissen / mich über den Rhein geflüchtet / und für mein Vater-Land mein Blut mit besserm Ruhme / als dort die uns geraubten Ochsen / den Göttern aufzuopfern / entschlossen. Gönne mir diesemnach / daß ich unsern Schutz-Göttern dieses von seinem Blute und Vermögen so fette Opfer abliefern / und jenes irrdische Priesterthum in ein heiliges verwandeln möge. Die Gewogenheit des Fürsten Siegesmunds und die Einfalt der umbstehenden Kriegsknechte ließ sich von ihm leicht erbitten /und der andächtige Libys wolte einen Fürsten von so hohem Geblüte / welcher schon einmal zum Priester geweyhet war / von dieser Verrichtung nicht abstossen / sondern befahl / daß ihm alsobald aus dem heiligen Brunnen reines Wasser zu Abwaschung seiner Hände gebracht ward; warff zu seiner Bestätigung ihm einen weissen Rock über / und setzte ihm einen Lorber-Krantz auff. Fürst Siegesmund ward hierüber nicht wenig vergnüget; weil er hierdurch zum minsten wider die strengen Gesätze / welche auch der Verräther Kinder gewissen Straffen unterwerffen / sich in Sicherheit gesetzt hatte. Hiermit raffte er sich mit der von den Kriegs-Leuten entblösseten Leiche des Varus / warff selbten in die lodernde Flamme des Altars /und rieff: Grosser Tuisco / nim dieses Opfer für die Wolfahrt des Vater-Landes gnädig an! Ja! und vertilge die Verräther desselbten mit Strumpf und Stiel; brach ihm Nesselrod ein Cheruskischer Ritter ein: Sehet / und erstarret zugleich / ihr edlen Deutschen /über der Boßheit des meineydigen Segesthes. Hiermit laß er einen Brief / welchen er in des Varus Kleidern gefunden / Segesthes aber die letzte Nacht für dem Treffen an ihn geschrieben hatte / mit nachfolgenden Worten ab:

Segesthes wüntschet dem Quintilius Varus Leben und Sieg / ihm selbst aber den numehr zu späten Tod / nach dem er mit dem Hertzog Herrmann und andern Bundbrüchigen Fürsten in den Uberfall des Römischen Kriegs-Volcks hat stimmen müssen / welche die zum Schein wider die Sicambrer / Angrivarier und ihren aufrührischen Melo versammleten Hülffs-Völcker folgenden Tag wider eure Adler anführen wer den. Wolte Gott! Varus hätte meinen Warnungen so viel Glauben gegeben / da ich ihm noch für wenig Tagen rieth so wol mich als den arglistigen Herrmann nebst seinem Anhange bey seinem Gastmahle in Fessel zu schlüssen / als er auff die glatten Versicherungen dieses Aufrührers mit seinem nun empfindlichen Schaden getrauet. Es ist mehr ein thörichter Aberglauben / [72] als eine Frömmigkeit / wenn man ihm ein Gewissen macht den in seinem Hause über seinem Tische hinzurichten / welchen sein Verbrechen zum Tode verdammt. Numehro bestehet dein und der Römer Heil in Zusammenraffung der Römischen Kräffte / und in einer vorsichtigen Zurückziehung von der Lippe. Inzwischen glaube / daß ich meine Waffen der Römischen Macht beyzufügen entschlossen sey /da mir der Feind und das Verhängnüß nicht alle Wege verbeugen würden. Diß abgelesene Schreiben verursachte unter dem Kriegs-Volcke ein grosses Getümmel. Einige fragten: Warumb man den Segesthes /welcher dem Vaterlande das Römische Joch hätte an die Hörner schlingen helffen / welcher Ursache wäre /daß Deutschland zu unausleschlichem Spott zwischen dem Rhein und der Elbe die Römischen Beile und Ruthen gesehen / nicht zum Sühn-Opfer den Göttern des Vaterlandes zum ersten abgeschlachtet hätte? Andere rieffen: Bey andern Völckern wäre es halsbrüchig / wenn einer wider seines Feld-Obersten Willen den Feind angegriffen / und gleich gesieget hätte. Papirius hätte deßwegen den Q. Fabius zum Tode verda t / und Manlius seinen eigenen Sohn mit dem Beile richten lassen. Solte nun Segesthes sein Vaterland ungerochen bekriegt haben? Die väterlichen Gesetze hiessen Verräther und Uberläuffer an Bäume auffhencken. Man solte diesen Eydbrüchigen herzu schaffen. Sein hoher Stand vermöchte ihn nicht des Todes zu befreyen / wo der Deutschen Gesetze nicht zu Spinneweben werden solten / darinnen nur Mücken und Fliegen hencken blieben / Wespen und Hornissen aber durchrissen. Missethaten stünden Fürsten / wie Flecken den grösten Gestirnen am schimpflichsten an. Segesthens Bestraffung könte auch keine Schande auff seine so hochverdiente Anverwandten wältzen. Denn die Laster besudelten niemanden als den Ubelthäter / und die Ursache / nicht die Straffe machte einen unehrlich. Deßwegen hätte Lucius Brutus seine eigene Söhne / weil sie mit den verjagten Tarquiniern Verständnüs gehabt / und Spurius Cassius seinen nach der Römischen Herrschafft strebenden Sohn mit Ruthen schlagen / und des Kopfes kürtzer machen lassen. Mit solchem Ungestüm fielen sie an die Priester. Gott und die Vorfahren hätten ihnen die Gewalt gegeben die Missethäter in Hafft zu ziehen und zu verurtheilen. Sie solten über den Segesthes ihnen nun Recht verhelffen. Gott könne keinen süssern Geruch empfangen / als den Dampf vom kreischenden Blute eines boßhaften Menschen. Der Feldherr ward über diesem Zufalle in nicht geringe Verwirrung versetzt; sonderlich als er wahrnahm / daß hierdurch einige Priester / mit Hülffe der verbitterten Kriegsleute / den Segesthes herbey zu schaffen sich bewegen liessen. Und zwar viel / in Meynung / dem Feldherrn / welcher mehrmals vom Segesthes beleidigt worden war / einen Dienst zu thun / nach dem insgemein unvergeltete Wolthaten für Verlust / gerächetes Unrecht für Gewinn gehalten würden. Er selbst konte zwar die Verrätherey Segesthens unverdammet nicht lassen /gleichwohl fühlte er schon durch die Beleidigung Segesthens seiner unvergleichlichen Thußnelde Seele verwunden / und diese Empfindligkeit ihm selbst durchs Hertze gehen. Ja diese Bekümmernüß wuchs noch mehr / als Ganasch das durch den Segesthes seinen Chautzern verursachte Unheil wieder auf den Teppicht warf / und daß auch hundert seiner Köpfe seinẽ so sehr beschimpften Volcke dergleichẽ Schmach zu bezahlẽ viel zu wenig wären. Hertzog Jubil pflichtete dieser Meynung nicht nur bey / sondern zoh auch an: Wem das Vaterland lieb wäre / der müste solchen Verräthern gram seyn / welche auch so gar die haßten / die sie zu Werckzeugen ihres Vortheils brauchten. Solche grosse Verbrechen übersehen / wäre ein gewisses Kennzeichen entweder gleichmässiger Boßheit / oder daß man sich für denen fürchtete / welche für der Gerechtigkeit leben solten. Nicht nur die Lasterhaften / sondern auch die / [73] welche bey gemeinen Verwirrungen sich etwas zu entschlüssen kein Hertze hätten / würden durch so grausame Barmhertzigkeit zu schädlicher Nachfolge verleitet / die Unschuld aber schüchtern gemacht / welcher ohnediß stets mehr Gefahr als Ehre zuhinge; da hingegen die Boßhaften noch mit ihren Ubelthaten wucherten. Wenn nun Segesthes das Kauff-Geld / das ihm die Römer für der Deutschen Freyheit gegeben / behielte /die Deutschen aber seine Verrätherey nicht strafften /wer wolte nicht glauben / daß die Vergeltung numehr der Boßheit / die Schande der Tugend gewiedmet wäre; oder / daß Segesthes diese nicht unbillich verhandelt hätte / welche über ihrer Dienstbarkeit so unempfindlich wären. Wie viel rühmlicher wäre es ihnen / wenn die Vor-Eltern ihre Freyheit mit so viel Blute nicht behauptet hätten; weil es ja schimpflicher wäre /das erworbene verlieren / als es gar nicht erwerben! Was würde in Deutschland mehr heilig bleiben / nun das Vater-Land zu feilem Kauffe ginge? Zu was würde Recht und Richter mehr nütze seyn / nun die Verrätherey unsträfflich wäre? Zu was Ende kämpften sie umb das Joch der Herrschafft abzulehnen / wenn Segesthes thun möchte / was er wolte? Denn dis wäre das euserste der Königlichen Gewalt. Würde man nun am Segesthes ein Bey-Spiel der Rache üben / würden sich alle / die was Böses im Schilde führten / wie das kleine Gepůsche bey einem grossen Zeder-Falle erschüttern / die Redlichen aber von der empor wachsenden Boßheit nicht gedämpft werden. Es wäre viel schädlicher / die Laster ungestrafft / als die Tugend unbelohnet lassen. Denn die Gutten würden dadurch nur träger / die Bösen aber verwegener und schlimmer. Die meisten Anwesenden billigten diese Meynung durch ein helles Begehren: Man solte denen Gesetzen ihre Krafft / dem Rechte seinen Lauff / und der Straffe ihr Maaß lassen. Ja das Volck bezeigte mit seinen Ungeberden gleichsam seine Ungedult über der allzulangsamen Rache. Gleichwol erholte sich Hertzog Herrmann / drehete sich gegen dem obersten Priester / als welcher ihm hierinnen am meisten zu statten kommen konte / meldende: Diese Opfer könten mit einheimischem Blute nicht besudelt werden / nach dem die Sitten des Vaterlandes nur frembdes Blut heischten. Alleine wie grosses Ansehen er bey iedermann hatte / so war doch dieser Fürwand die erbitterten Gemüther zu beruhigen allzuohnmächtig. Denn Hertzog Ganasch hielt entgegen: Es foderten die Gesetze nicht allein Straffe über die Beleidiger; sondern es solte der Feldherr sich nur seines eigenen Gelübdes erinnern / wie er an diesem heiligen Orte den Göttern bey aufgehendem Monden angelobt / alle die er gefangen bekommen würde / aufzuopfern. Ja / antwortete der Feldherr: Aber Segesthes ist nicht in meine / sondern in seiner eigenen Tochter Hände verfallen / welche für das Vaterland mit mehr als männlicher Tapferkeit ihr Blut aufgesetzet / durch ihren glücklichen Anfang dem gantzen Heere die unzweifelbare Hoffnung eines herrlichen Sieges eingebildet / und dahero zweyfaches Hertze gemacht. Denn der erste Ausschlag gebiehret entweder verzagte Furcht / oder vermässene Zuversicht. Mit nicht minderm Ruhm hat Fürst Sigesmund seine Liebe zum Vaterlande bezeugt / und mit seinem Blut die Flecken der väterlichen Schuld abgewaschen. Uber dis haben Sylla und andere Wüteriche denen Verstorbenen zu Ehren ehemals denen undanckbarsten und schuldigsten Missethätern die verdienten Straffen enthangen. Segesthes ward nebst denen zweyen gefangenen Fürsten Armeniens und Thraciens auf einem Wagen gleich herzu geführt /als der Feldherr für den ersten derogestalt redete. Segesthes ward hierüber nicht wenig beschämt; fiel ihm dahero in die Rede: Er hätte diese Vertheidigung weder umb den Feldherrn / noch seine Begnadigung umbs Vaterland verdienet. Er erkenne die Grösse seines Verbrechens erst nach [74] vollbrachter That. Wäre es nach den väterlichen Rechten zuläßlich / wolte er hier gerne ein Opfer für das gemeine Heil werden. Denn dem / welchen sein Gewissen verdammte / wäre der Tod ein Trost / das Leben eine unaufhörliche Quaal; Sintemal die Gnade einen Verbrecher zwar der Straffe / nicht aber seiner Schande entbürden könte. Die Priester erstarreten gleichsam hierüber; und ob zwar der Feldherr für Segesthen das Wort nicht reden wolte /sahen sie ihm doch unschwer an / wie sehr ihm seines erkieseten Schwähers Fall müste zu Hertzen gehen. Denn wie die Liebe ein so nachdrückliches Feuer ist /daß sie stählerne Hertzen erweichet; also läst es sich auch am schwersten verbergen / und ist unter allen Gemüths-Regungen die unvorsichtigste. Ganasch nahm diese Unbewegligkeit der Priester für eine Kaltsinnigkeit auf; redete sie daher auffs neue an: Ihnen wäre die Erhaltung der Gesetze / die Straffe der Laster auff ihre Seele gebunden. Sie solten numehro dem Volcke Recht verhelffen / und urtheilen: Ob sie den /welcher sich selbst verdammete / loßsprechen könten? Taugte dieser Missethäter nicht zu einem Schlacht-Opfer / so wäre dieser heilige Ort doch ihr gewöhnlicher Richt-Platz / wo über der Edlen Leben erkennet und gesprochen würde. Sie solten erwegen die Eigenschafft des Lasters / die Beschaffenheit des Verbrechens / und das den Deutschen hieraus erwachsende Unheil. Griechenland könne sich rühmen / daß Codrus / umb nur durch seinen Tod das Vaterland zu erhalten / seinen Purpur mit dem Rocke eines Sclaven verwechselt; der ins Elend verjagte Themistocles aber / womit er dem Xerxes wider sein undanckbares Vaterland dienen dörfte / habe von einem dem Jupiter geschlachteten Ochsen das Blut ausgetruncken / und sich selbst für seine Feinde aufgeopfert. Deutschland aber habe am Segesthes so eine Schlange gebohren /welche der eigenen Mutter Leib zerfleische. Die Geister seiner ruhmwürdigen Vorfahren / derer Geschlechte er mit so schlimmen Thaten beschwärtzte /würden in ihren Gräbern beunruhiget werden / da sie nicht durch seine Hinrichtung versöhnet / ja er seinen so tugendhaften Kindern als ein Greuel aus den Augen gerissen würde. Das Urthel wäre unschwer wider ihn abzufassen / nach dem das Gesetze in dem benachbarten Hayne an so vielen Bäumen angeschrieben stünde / daran man viel geringere Verräther und Uberläuffer auffgehenckt sehe. Die Gesetze wären ohne folgende Bestraffung der Ubertreter eine Blendung der Einfalt / und ein Hohn der Boßhaften. Denn keines hätte eine so kräfftige Gütte in sich / diese auff den Weg der Tugend zu leiten / die Guten aber folgten ihr ohne Gesetze. Eine zum Argen geneigte Seele wäre zwar die Mutter / und brächte die Laster auff die Welt / der solche nicht hinderte / hülffe ihr auff die Beine / aber der Richter / welcher sie nicht straffte /krönete sie gar. Libys befand sich hierdurch überwiesen / und nach dem er weder einen so hochverdienten Feldherrn / welcher die Stiefmütterlichen Abneigungen des Glücks mit so väterlicher Liebe gegen das Vaterland ausgegleicht hätte / betrüben / noch iemanden die Gerechtigkeit versagen wolte / zwischen Thür und Angel. Denn nach dem er durch die Wolthat dieses Helden sich und Deutschland allen Bekümmernüsses entledigt wuste / hatte er numehr so viel mehr Kummer um ihm selbst. Hingegen müsten alle andere Absehen der Gerechtigkeit aus dem Wege treten; sintemal da schon die Gesetze zu Grunde gingen / wo Gewalt und Ansehen über sie empor stiege. Bey diesem Bedencken legten gleichwohl / aus einem besondern Verhangnüsse / die Opfer-Knechte Hand an Segesthes / hoben ihn vom Wagen / und er selbst wartete nicht so wol mehr auff sein Todes-Urtheil / als auff was Art selbtes an ihm würde vollzogen werden. Aller Augen waren auff den Libys gerichtet / welche durch ihr Stillschweigen ihm numehr das Urthel abzunöthigen schienen. [75] Dahero dieser Priester sich nur seines Amptes nicht entäusern konte / sondern zu befinden gezwungen ward: Es müste Segesthes / da er ein taugliches Opfer seyn wolte / seinem Vaterlande / Geschlechte und Nahmen abschweren / oder die irrdische Straffe der Verräther ausstehen. Segesthes entrüstete sich überaus / und fuhr den Priester mit harten Worten an: Er habe zwar bey dieser der Tugend gehässigen Zeit gesündigt; darumb aber sey bey ihm die Wurtzel der Tugend nicht gäntzlich ausgerottet / daß er den Glantz seiner verstorbenen Ahnen lieber mit Füssen treten / als sich eines schimpflichen Todes entbrechen solle. Der erste und letzte Tag des Lebens mache einen Menschen entweder glückselig oder verächtlich / das Mittel lauffe bald in Ruh / bald mit Sturm dahin / nach dem das Glück sein Steuer-Ruder führe / dahero liege einem Sterbenden keine Sorge mehr ob / als daß er das Schau-Spiel seines Lebens tugendhaft beschlüsse. Ein heimlicher Abend trockne die Pfützen eines schlüpfrigen Tages auff / und ein sauberer Grabe-Stein verdecke auch die besudelsten Lebens-Taffeln. Dahero wolle er lieber als ein Deutscher gehenckt seyn / als ein unwürdiger Frembdling /oder vielmehr verstossener / der Eitelkeit einer ihn nicht rein brennenden Opferung genüssen. Das Lob oder die Schande eines Todes rühre nicht von dem Ruffe des Pöfels / noch von dem eitelen Wahne des irrenden Volckes / sondern von dem Gemüthe des Sterbenden her. Ihrer viel stiegen rühmlicher auff den Raben-Stein / als mancher Asche in güldne Töpfe und alabasterne Gräber verscharret würde. Niemand war /der / dieser letzten Entschlüssung wegen / Segesthens Laster nicht zum Theil für vermindert hielt. Weil auch der am Ende des Lebens herfürblickende Schatten der Tugend nicht anders als der Wider-Schein der untergegangenen Sonne den allerschönsten Glantz zu haben scheinet. Gleichwol konte Libys nicht vorbey sein End-Urthel zu eröffnen: daß Segesthes nach den Gesetzen des Vaterlandes müste hingerichtet werden. Aber / versetzte Segesthes / ist es einem Nachkommen des Halb-Gotts Tuisco nicht verstattet / daß er das Urtheil an sich selbst ausübe / und / womit man sein Verbrechen nicht weibischer Zagheit zuschreibe /den letzten Athem ungezwungen ausdrücke? Denn ich weiß wol / daß diese ihnen einen schönern Tod anthun / die noch viel Hoffnung zu leben übrig haben; aber auch diese sind weniger verächtlich / welche der Nothwendigkeit des unvermeidlichen Todes mit unverwendeten Augen entgegen gehen. Libys antwortete ihm mit Nein. Der angethane / nicht der eigenwillige Tod sey eine Straffe. Dieser sey vielmehr eine Nothwendigkeit der Natur / eine Ruhe von der Arbeit / ein Ende des Elends. Getrauestu dir denn (fing die für ihres Vaters Leben sorgfältige Thußnelde an / welche sich gleich durch die Menge des Volcks zu diesem Trauer-Spiele herzugedrungen hatte) einer zu sterben entschlossenen Seele den Weg zu verbeugen / da uns die Natur zu dem Tode hundert Pforten eröffnet hat? Meinstu / daß wenn ein Elender die schwache Gemeinschafft des Leibes und der Seelen zu trennen Lust hat / selbter Gift trincken / Stricke kauffen /Messer brauchen / rauhe Stein-Felsen suchen / glüende Kohlen verschlingen / die Adern zerkerben müsse? Das Glücke hätte über uns allzugrosse Herrschafft /wenn wir so langsam / oder nur auff einerley Art /sterben als geboren werden könten; als welches über einen Lebenden alle / auff einen / der zu sterben weiß / keine Gewalt ausüben kan. Hat dir nicht Caldus Cälius bewiesen / daß die Fessel / welche ihm den Eigen-Mord verwehren solten / sein Werckzeug darzu gewest? Der Räuber Coma dorffte nichts als seinen eignen Lebens-Athem hierzu / durch dessen Hinterhaltung er unter den Händen seiner Hüter und für den Augen des Bürgermeisters Rupilius sich ersteckte /also die Ausforschung um seine Geferten zernichtete. Aber es sey ferne / daß Thußnelde dem / [76] welchem sie das Leben zu dancken hat / den Selbst-Mord einloben solte. Ein Knecht thut unrecht / wenn er sich seinem Herrn zu Schaden verstümmelt. Wir sind alle Knechte des überall herrschenden GOttes / und also nicht Herren nur eines einigen Gliedes / weniger unsers Lebens. Wir sind Ebenbilder des grossen Schöpfers. Wie mögen wir uns denn selbte zu zerstören erkühnen / da es das Kupfer-Bild eines sterblichen Fürsten zu verunehren halsbrüchig ist? Sollen die Menschen nicht zahmer als wilde Thiere seyn? Keines unter diesen aber hat eine so wilde Unart / daß es sich selbst vorsetzlich tödte. Ja es ist eine Schwachheit eines verzärtelten Gemüthes / oder eine Raserey der Ungedult /wegen eines heftigen Schmertzens nicht leben wollen / und eine Thorheit sich zum Sterben nöthigen / daß man nicht auff eine andere Art sterbe. Gesetzt nun /der Hencker setze uns das Messer schon an die Kehle / soll man darumb dem Hencker die Hand zu Vollziehung des Streiches leihen? Lasse den ankommen / der dich tödte. Warumb wilstu frembder Grausamkeit Stelle vertreten? Mißgönnestu dem Hencker die Ehre dich zu tödten / oder wilstu ihn der Mühe überheben? Der von dem Göttlichen Außspruche selbst für den Weisesten erklärte Socrates konte nach empfangnem Urthel seinem Leben durch Enthaltung vom Essen oder Gift alsbald abhelffen; was solte sich aber der für dem ihm zuerkenneten Gifte fürchten / der den Tod verachtete? Dahero wartete er seines Mörders /ob schon das eingefallene Feyer in Delphos die Vollziehung des Urtheils dreissig Tage auffschob. Lernet hieraus / ihr Deutschen / mit was Ruhm ihr euer heutiges Siegs-Fest durch Verdammungen verunehret! Alleine / heiliger Libys / mögen derselben auch die Gewohnheiten des Vaterlandes zu statten kommen /dessen Gesetze wider ihren Vater ausgeübet werden? Der Priester ward über so seltzamen Abwechselungen nicht wenig bestürtzt / und bildete ihm ein / es würde diese Heldin / welche mit denen in der Schlacht gebrauchten und vom Blute bespritzten Waffen angethan erschien / wegen ihrer Verdienste des Vaters Begnadigung suchen. Dahero ließ er sich gegen sie heraus: Derselben / welche sich umbs Vaterland so wol verdienet hätte / könten die Wolthaten solcher Rechte keines weges verschrenckt werden. Wolauff denn /sagte sie / so stellet den Vater derselben Tochter nur auff freyen Fuß / welche sich für seine Befreyung für ihn selbst auffzuopfern entschlossen ist. Bey den meisten Völckern stehet in der Willkühr und den Händen der Eltern das Leben und der Tod ihrer Kinder. Ihnen ist erlaubt / auch zu ihrem blossen Unterhalt für sie ein blutiges Kauffgeld zu nehmen. Warumb soll ihnen nicht auch frey stehen sie für ihr Leben aufzuopfern. Und warumb nicht am allermeisten dem Segesthes seine Tochter? welche ihn mit eignen Händen erwürget / da sie ihn in der Schlacht in die eurigen geliefert? Lasse diesemnach / liebster Vater / mich für dich schlachten / und übe an mir aus / was dir so wol deine väterliche Gewalt verstattet / als meine eigene Verwahrlosung auffbürdet. Dem Segesthes fielen die milden Thränen über die Wangen / und die Bestürtzung hatte ihn eine ziemliche Weile stu gemacht / biß er seine Tochter dergestalt anredete: Nein / nein / hertzliebste Thußnelde. Haben die Assyrier ihrem Bel /Carthago dem Saturno für ihre Wolfarth gleich ihre eigne Kinder geopfert; habe ich zeithero meine Macht etwas rau über dich ausgeübet / werde ich doch nimmermehr auf diese Grausamkeit verfallen / die Unschuld / ja mein eigenes Blut für mich hinzugeben. Ich habe mit meinem Verbrechen meine väterliche Gewalt verloren / und bin nun alles äuserste unerschrocken zu leiden entschlossen. Es ist vergebene Ausflucht / versetzte Thußnelde. Menschen / welche sich dem schlüpfrigen Glücke gantz und gar vertrauen / verlernen zwar selbst die Natur / und verwandeln ihre angebohrne Eigenschafften; aber kein Zufall kan das Recht des Geblüts aus den Adern vertilgen / und kein bürgerlich [77] Gesetze machen: daß Segesthes nicht der Thußnelden Vater bleibe. Ich heische Recht / heiliger Libys / und ich beziehe mich auff das Recht der Kinder hiesigen Landes / welche für die Eltern auch wider ihren Willen sterben können. Mit diesen Worten sanck sie für dem einen Opffer-Tische zu Boden /und nach dem sie dreymahl geruffen hatte: Schlachtet die für ihren Vater willig sterbende Tochter; sahe sie alle Umstehende ringsum mit starren Augen an /gleich ob sie aus eines iedem Antlitze das innerste seines Gemüths lesen wolte. Libys verlohr vewundernde hierüber Puls und Sprache; Der unbarmhertzige Ganasch ward zu inniglichem Mitleiden bewogen; Ihr Bruder Siegesmund erstarrte wie ein Stein / Segesthes sanck ohnmächtig zur Erden / alle Umstehenden seuffzeten; Hertzog Herrmann ward von der Liebe und dem Mitleiden so empfindlich berühret /daß er seine Hertzhafftigkeit viel zu schwach hielt diesem Trauerspiele ohne seine selbst eigne Verliehrung zuzusehen / und womit die bey den Deutschen verächtliche Wehmuth ihm nicht bey dem anwesenden Pöfel ein verkleinerliches Urthel zuziehen möchte /verhüllete er sein Antlitz / gleich als ob diese Begebenheit ihm mehr als dem leiblichen Vater zu Hertzen ginge / und er schwerer als vor zeiten Agamemnon der Opfferung dieser andern Iphigenia zusehen könte. Ja er stand schon auff verwandtem Fusse / um sich dieser unerträglichen Bekümmerniß zu entbrechen /als ihn ein heftiger Hall des schreyenden Volcks /seine Enteusserung zu hemmen / und sein Gesichte zu eröffnen nöthigte. Da er denn wahrnahm / daß die an ihrer Auffopfferung zu zweiffeln anfangende Thußnelde auffgesprungen war / und sich dem erstarrten Libys das Schlachtmesser aus der Hand zu winden bemühete. Ihr Götter! rieff er / und sprang zwischen sie und den Priester / um mit der Ausreissung des Messers auch ihre selbsthändige Hinrichtung zu verhindern. Unbarmhertziger Herrmann! sprach sie / und blickte ihn mit gantz gebrochenen Augen / aus welchen Tod und Wehmuth selbst zu sehen schien / an /daß es einen Stein hätte erbarmen mögen. Unbarmhertziger Herrmann! fuhr sie fort / ist diß das schöne Kennzeichen der mir mehrmahls so hoch betheurten Liebe? Mißgönnestu mir für meine beständige Zuneigung den Tod / oder die Ehre für den Vater zu sterben? Jenes verwehren einem auch die Feinde nicht; dieses aber kan mir die Unsterbligkeit erwerben. Holdselige Thußnelde / fing der Feldherr gegen sie an / soll der nicht den Streich von deiner Brust abwenden / welcher ihm zugleich durch seine Seele gehen würde? Was würde dir mit einer eiteln Unsterbligkeit des Nachruhms gedienet seyn / welche mich zu Grabe schicken / und nebst meinem Ruhme mein gantzes Wesen vertilgen würde? Soll ich denn aber / fuhr sie heraus / meinen Vater so verächtlich in Wind schlagen und so schimpfflich umkommen lassen? Soll ich das mit Purpur-Tinte in mein Hertz und Adern geschriebene Gesetze der Natur ausleschen / und die eingepflantzte Wärme der Liebe durch kalten Undanck erstecken? Hertzog Herrmann sahe hierauff den Priester Libys schmertzhafft an / gleich als ob er von ihm ein Hülffsmittel erbitten wolte / welcher von seiner Bestürtzung sich noch kaum erholen konte. Nach einem langen Stillschweigen fing er als wie aus einer Entzückung an: O allerweiseste Gottheit! wie werden doch der Scharffsichtigsten Augen verdüstert / wenn sie in die Sonne deiner unerforschlichen Versehung schauen wollen! Welch ein alberer Schluß komt heraus / wenn unser thörichtes Urthel die Schickungen des Verhängnisses sich zu meistern unterwindet / und mit dem Pöfel diß oder jenes für gut oder böse / für Glück oder Unglück hält / was in seinem Wesen und Ausgange nicht so beschaffen ist / als es eusserlich unserm blöden Verstande fürkömmt. Welcher unter uns glaubte nicht / daß Segesthes in das tieffste Elend verfallen / Thußnelde in den mitleidentlichsten Zustand gerathen wäre? Unsere [78] Gesetze halten das einmahl gethane Sterbens-Gelübde eines Kindes vor seine Eltern für unwiederrufflich / und es hat kein sterblicher Mensch die Gewalt / es so denn aus den unerbittlichen Armen des Todes zu reißen / oder es von Erfüllung des Gelübdes zu entbinden. Welche Ariadne würde uns nun aus diesem gefährlichen Irrgarten führen / welch Oedipus uns diß Rätzel aufflösen? wenn die göttliche Weißheit durch so seltzame Zufälle unsern im finstern nur tappenden Verstand nicht erleuchtete; Wenn sage ich / die so empfindliche Bestürtzung dieses Hertzogs uns nicht die Fenster seines Hertzens eröffnete / und wir so wohl darinnen /als in der sterbenden Seele der unvergleichlichen Thußnelde das Feuer einer reinen Liebe lichterlohe hätten heraus schlagen sehen. Lästert nun mehr das Verhängnüß ihr irrdischen Gottes-Verächter / daß es sich weder um unsern Ursprung / noch um unser Ableben / noch um einigen Menschen bekümmere. Fället mehr frühzeitiges Urthel: daß die Frommen selten Seide spinneten / die Boßhafften aber meist auff Rosen gingen. Lernet aber ihr Andächtigen / daß alle Begebenheiten an einer richtigen Schnur der göttlichen Leitung hängen; daß alles / was uns begegnen soll / schon vom Anfange her / zwar nicht in den Stern-Ziffern / aber wohl in der Hand des Verhängnüsses auffgezeichnet sey; Daß die göttliche Barmhertzigkeit unter den bittern Schalen eines scheinbaren Elendes den süßesten Kern unserer Wohlfarth verberge; und meist der garstigste Nebel gefährlichster Zufälle sich in einen erfreulichen Sonnenschein verkläre. Wisset demnach / daß unsere gütige Gottheit der gewaltigen Liebe alleine enthangen habe / den Knoten solcher Gelübde auffzulösen / und die Riegel der Opfferschrancken zu zerbrechen / wenn mit der Verlobten iemand sich in ein den Göttern angenehmers Ehverlöbniß einläst. Ist nun nicht sich höchst zu wundern / wie unsere traurige Cypressen sich über aller Anwesenden Einbildung in annehmliche Myrrhen verwandeln? Wie unser glücklicher Feldherr in einem Tage mit Lorbern und Rosen bekräntzt wird? Stehe auf Segesthes / aus dem Schatten des Todes /aus den Fesseln des Unglücks / und erfreue dich über die Vertilgung deiner begangenen Fehler / erkenne dein und deines Hauses Glücke in Besitzthum der unvergleichlichen Thußnelde / und in Verbindung des grossen Herrmanns Beglückselige mit dem Ubermasse deiner Vergnügung unsern unsterblichen Feldherrn / durch Versprechung deiner holdseligen Tochter / und unserer neuen Schutzgöttin. Verknüpffe durch diese Heyrath die Hertzen der großmüthigen Cherusker / und der tapffern Casuarier. Ihr aber / O ihr überaus glückseligen Verliebten / warum verziehet ihr nach so fester Verknüpffung eurer tugendhafften Seelen nunmehro durch inbrünstige Umarmung auch die Leiber zu vereinbarn? Wunderschöne Thußnelde /opffere numehr deine zarte Seele über den Flammen der unbefleckten Liebe deinem Bräutigam auff / der die seinige dir fürlängst gewidmet hat / und nach dem du deinen Vater durch die Liebe aus dem Rachen des Verderbens gerissen / so mache auch diesen unschätzbaren Helden von den Stricken aller Furcht loß / und lasse den / der auff den Grund deiner Tugend geanckert / mit seiner Hoffnung numehro in Hafen der Vergnügung mit vollem Segel einlauffen.

Diese wunderliche Ebentheuer kamen allen Anwesenden nicht anders als ein Traum für; iedoch bezeugten sie mit Geberden und Jauchzen ihre daraus geschöpffte Freude Segesthens Ohnmacht verwandelte sich in eine Schwermuth. Denn die Vergnügung / welche er über Erhaltung seines Lebens empfand / war nicht mächtig genug / die wider den Cheruskischen Hertzog eingewurtzelte Gramschafft so geschwinde abzulegen / oder auch nur zu verdecken; Vielmehr wuchs sie in Segesthens Hertzen [79] gegen diesen Helden / weil er seiner zeither verworffenen Liebe sein und seiner Tochter Leben zu dancken gezwungen ward. Also ist man geneigter / weniges Unrecht als grosse Wohlthaten mit gleichem zu vergelten; Ja wenn Wohlthaten schon die Kräffte unserer Vergeltung übersteigen / geben wir statt verbindlichen Danckes unsern Wohlthätern noch Haß zu Lohne. Uberdiß hatte Hertzog Herrmann vorhin nicht so wohl den Segesthes / als dieser jenen beleidigt / dahero brachte die Eigenschafft des menschlichen Gemüthes beym Segesthes mit / den beleidigten zu hassen / und zwar /weil feine Ursachen hierzu unrechtmäßig waren /desto hefftiger. Gleichwohl muste er aus der Noth eine Tugend machen / und so viel möglich seine gegen den Feldherrn tragende Feindschafft mit betrüglichem Liebkosen bekleiden. Dahero erklärte er sich: Daß nachdem es den Göttern beliebet / die Gemüther des Feldherrn und seiner Tochter zu vereinbarn / liesse er ihm derselben Verlobung allerdings gefallen /und ertheile hierzu seinen väterlichen Willen. Thußnelden stieg nun allererst die Schamröthe unter die Augen / entweder weil sie sich erinnerte / daß sie nach Art der Sterbenden oder der unvorsichtigen Liebhaber eine allzufreye Zunge gehabt / als sie die Heimligkeit ihres Hertzens nicht nur dem / welchen sie liebte / sondern so vielen Zuschauern offenbahret hatte; oder weil ihre Landes-Art erforderte ihre Zucht bey Erkiesung eines Mannes mit dieser Farbe als dem schönsten Brautschmucke der Jungfrauen zu bezeichnen. Hertzog Herrmann / ob er wohl dem Segesthes den Zwang seiner Einwilligung unschwer anmerckte /und wohl verstand / daß der / welcher ihn vorhin nie auffrichtig geliebt hatte / den hervorblickenden Unwillen nicht zum Scheine annahm / fügte sich doch zu ihm mit höfflichster Ehrerbietung / hob ihn von der Erden auff und danckte ihm / daß er ihn für einen würdigen Bräutigam seiner unschätzbaren Tochter beliebt hätte. Hierauff näherte er sich zu Thußnelden mit annehmlichster Liebes-Bezeugung / und verwechselte mit ihr / zum Zeichen ihrer Verbindung etliche Mahlschätze; Worüber Thußneldens Schamhafftigkeit sie doch so weit nicht verschlissen konte / daß ihr nicht die Vergnügung ihres Hertzens aus den Augen gesehen hätte.

Kein Mensch / ausser der schwermüthige Segesthes / war zugegen / welcher nicht überaus grosse Freude bezeugte / daß das Verhängniß ein dem Vaterlande so heilsames und zu friedsamer Eintracht des Schwähers und Eydams dienendes Verbindiß gestifftet / und die so traurigen Opffer mit so einem frölichen Ausgange beglückt hatten. Die Priester sprachen mit andächtigen Geberdungen tausenderley Segen über die Verlobten / und es war aller einmüthiger Schluß / daß ehesten Tages das hochzeitliche Beylager solte vollbracht werden.

Die Fürsten Zeno und Rhemetalces hatten diesen Begebungen gleichsam auff einer Schau-Bühne / zwischen Furcht und Hoffnung / als denen zwey Wirbeln menschlichen Lebens / lange genug zugesehen / als /aus der grossen Menge des frolockenden Volcks / sich die bey den Deutschen heilige / und so wohl wegen ihrer Weißheit als Wissenschafft künfftiger Dingein grossem Ansehen sich befindende Aurinia / welche in eben diesem Heyne / nebst hundert zu ewiger Keuschheit verschwornen Jungfrauen / ihren Auffenthalt hatte / auff einer schwibbogichten Sänffte näherte /denen Verlobten / nach Uberstehung vielerley seltzamen Zufälle / grosses Glück und Auffnehmen ihres Geschlechts weissagete; auch / daß die Götter nunmehro des Bluts überdrüßig wären / andeutete. Hierauff riß sie ihren Krantz vom Haupte / lösete den Gürtel von ihren Lenden / und warff beydes zu Beschirmung dieser zweyer Fürsten auff ihren Wagen /welche Zeichen bey denen andächtigen Deutschen auch die schon Verdammten vom Tode zu befreyen und wider alle Gefahr zu [80] versichern kräfftig waren. Eine That in Warheit / welche dem Beyspiele der Vestalischen Jungfrau Claudia die ihres Vatern Appius Siegs-Gepränge wider des Römischen Zunfftmeisters angemaßte Hindernüß beschützte / weit fürzuziehen ist! indem diese nur ihres Geschlechtes Ehrgeitz beförderte / jene aber zwey Fremdlinge aus Lebens-Gefahr riß. Libys verfügte hierauff / daß nicht nur diese zwey Fürsten / sondern alle noch lebende Gefangene entfesselt würden / und dahero diese zwar in freyerer Bewahrung blieben / jene aber / nachdem sie der heiligen Aurinia als ihrer Schutz-Göttin weissen Schleyer (welchen sie ihnen selbst darreichte / weil sonst niemand bey Lebens-Straffe sie anrühren dorffte) mit tieffster Demuth geküst / und für ihre Begnadigung gedancket hatten / wurden nebst allen andern Fürsten von dem Feldherrn in seine Burg eingeladen. Alles Volck begleitete sie mit unauffhörlichen Glückwünschen / die Priester mit vielfältigen Segnungen / und der schon anbrechende Morgen diente ihnen zu einem anmuthigen Wegweiser / gleich als wenn das grosse Auge der Welt nicht ehe den Erdboden mit seinem Scheine hätte erfreuen wollen / als biß mit dem Schatten der Nacht bey vielen auch die Furcht des ihnen für Augen schwebenden Todes verschwunden wäre. Der Priester Libys trug inzwischen Sorge für die Asche der Abgeschlachteten / womit selbte mit denen noch übrigen Gebeinen in Todten-Töpffe gerafft und verscharret würde. Absonderlich sammlete er die Uberbleibung des Qvintilius Varus in einen steinernen Krug / vergrub sie / richtete auch daselbst einen viereckichten Stein mit dieser Uberschrifft auff:


Der Syrien bepflückte / Die frechen Juden band / Der Deutschen Freyheit drückte / Erlangt kaum diesen Sand. Sein Tod hat / nicht sein Thun / ihm noch dis Grab gegeben / Das Ende krönt ein Werck / vertuscht ein schlimmes Leben.

Inhalt Des Andern Buches
Inhalt
Des Andern Buches.

Hertzog Herrmanns Vergnügung / Thußneldens Freude / Segesthens Schwer- und Malovends Unmuth. Des Fürsten Zeno und Malovends Unterredung vom Königs- und andern Spielen; insonderheit: Ob diese den Fürsten anständig / und der Deutschen Spiel-Sucht verda lich sey. Adgandester deutet im Nahmen deß Feldherrn denen gefangenen Fürsten die Freyheit sich mit der Jagt zu erlustigen an. Lob des Jagens. Sie fangen es mit der Reiger-Beitze an. Fällen einen Uhr-Ochsen. Seltzame Härte ihrer Köpfe. Erlegung eines vom Kayser Julius mit einem Halsbande bezeichneten Hirschen / welcher über den Rhein gesetzt / weil die Sicambrer ihm die aus Gallien getriebenen Menapier nicht hätten wollen ausfolgen lassen / für den auff ihn dringenden Catten aber hätte müssen zurück weichen. Dahero er vorher aus dem Sicambrischen Thier-Garten zu seinem Andencken alle also gezierte Hirsche loßgelassen hätte. Der Hirschen Alter und Eigenschafften. Was für Unterschleif mit falsch-ertichteten Alterthümen vorgehe. [81] Was die Thiere den Menschen für Artzneyen gewiesen. Ob die unvernünftigen Thiere / wie die Menschen / Gemüths-Regungen haben? Malovend gedencket eines Wunder-Horns / welches eine Wald-Göttin einem Fürsten seines Geschlechts gegeben. Der Römer Großsprechen von ihren Thaten. Ihre gegen frembde Völcker verübte Boßheiten / und Verdrückung anderer Siege. Die Fürsten fällen viel wilde Schweine / derer eines Rhemetalcen verwundet. Fürtreffligkeit der Britannischen Tocken und anderer Hunde. Erlegung zweyer Bären. Die Treue der Hunde gegen ihre Herren. Alfesleben verlieret bey Ausweidung des Bäres einen eisernen Ring. Schätzbarkeit gewisser Ringe / und warumb die Cattischen Edelleute biß zu Erlegung eines Feindes eiserne tragen? Das Recht güldne und eiserne Ringe zu tragen / die Gewohnheit selbte zu verschencken / an gewissen Gliedern zu tragen / und gewisse Bilder darein zu etzen. Was die Catten und andere für Wappen geführt. Alfesleben wird von einer Sau verwundet. Andeutungen durch Ringe und andere seltzame Wirckungen. Die Fürsten speisen in des Feldherrn Jäger-Hause. Beschreibung des Boller-Brunnes / und anderer wunderbaren Wässer. Deutschland wäre Außländern wider die Wahrheit allzu rauh beschrieben / und hätte sich durch die Gemeinschafft mit den Römern verbessert. Die Natur wäre mit wenigem vergnügt / und hätte iedem Lande seine Nothdurfft verschafft. Scheltung des lüsternen Uberflusses. Schädligkeit frembder Gewächse. Ob die Natur deßwegen in allen Landen nicht alles wachsen lasse / daß eines mit dem andern Gemeinschafft haben solle? Ob der Mensch sein Leben durch Erfindungen zu verbessern / oder sich mit den blossen Gaben der Natur zu vergnügen habe? Verwerffung der Zärtligkeit und Verschwendung / und das Lob der menschlichen Abhärtung; iedoch sey die Tugend keine Feindin der Gemächligkeit. Der Deutschen Uhrsprung. Die Geschichte Hermions des ersten deutschen Feldherrns aus dem Cheruskischen Geschlechte. Der Kwaden Hertzog Atcoroth hat Mißfallen über Hermions Wahl. Seine Tochter Emma ist verliebt in Hermions Sohn Marß. Hermion nimt sich der vom Atcoroth bekriegter Noricher / nebst dem Fürsten der Rhetier Bato an; schlägt und zwinget ihn /daß er ihm die Länder zwischen der March und Wage / seinem Sohne Mars die Tochter / dem Bato sein Wahl-Recht abtreten muß. Seine Gemahlin Künigundis verleitet den Atcoroth zum Friedens-Bruche /sperret die Emma ein / und bringt den Mars umbs Auge. Atcoroth wird geschlagen / erstochen / Künigundis belägert / aber durch den Emma an Mars / der Jutta des Hermions Tochter an Valuscenes des Atcoroths Sohn geschehene Verbeyrathung Friede gemacht. Hermion überwindet die Sequaner / und lehret die Weiber kriegen. Mars wird nach ihm wider Svasandufaln den Fürsten der Tencterer zum Feldherrn erkieset / dieser auch von jenem / und jener vom Fürsten der Alemänner erlegt. Cridifer sein Sohn wird von Dulwigen der Vindelicher Hertzoge gefangen. Nach neun andern wird Vandal der dritte Cheruskische Feldherr. Dieser schlägt Micasirn den Sarmater /stirbt aber zeitlich. Ihm folgt der kluge und friedsame Hertzog Ulsing; herrschet lange; vermählet seinen Sohn Alemann an Vercingentorichs Tochter und macht ihn zum fünften Feldherrn. Lob des Friedens. Ulsings nützliche Gebäue. Verachtung der unnützen aber kostbaren / wie auch der wahrsagenden Sternseher-Kunst. [82] Die Wissenschafft des Sternenlauffs sey aber nützlich. Ulsing muß ihm ein Bein ablösen lassen und stirbt. Der streitbare Aleman führet einen Löwen mit sich / erlegt die wildesten Thiere / versteigt sich in Jagten / wird von einer Heydexe errettet / schlägt die Gallier. Kriegerische und Friedsame Fürsten sollen miteinander abwechseln. Die Cheruskischen sind im Heyrathen glücklich. Alemann verehlicht seinen Sohn Hunnus mit des Britannischen Königs Tochter / welcher das Atlantische Eyland erobert. Der Carthaginenser / Phönicier / Egyptier / Nord-Völcker / Scythen / Britañier / Bataver / Friesen Schiffarth dahin. Die Britannier wären durch Ungewitter dahin verschlagen worden. Madoch der Cimbern Hertzog wäre 300. Jahr ehe dahin gereiset / und die Sitonier lange vorher für dem Wüterich Harfager in die Atlantische Insel geflohen. Ihr Reichthum wäre Ursach / daß nimmer ein Volck für dem andern verborgen / gleichwohl hätte das Erdbeben ein gut Theil davon verschlungen. Der Griechen und Römer Schiffarthen / welche aber sich in das Atlantische Eyland nicht erstrecket. Marcomir der sechste Cheruskische Feldherr erbt von der Mutter Britannien und viel andere Länder; sein Bruder der Noricher Hertzog der Bojen und Kwaden Gebiete. Marcomirs Kriege wieder Usesivaln der Gallier Hertzog / wider die Hermundurer / Catten und den Scythischen König Salomin. Er richtet zwey Seulen auff der Atlantischen Insel auff / erobert viel grosse Länder und schaffet die in der Welt so gemeine Menschen-Opfferung darinnen ab. Würde der Reichs-Urheber und ihrer Vergrösserer. Ob Alexander dem Julius oder dieser jenem vorzuziehen? Marcomirs Siege / Reisen und Ablegung seiner Herrschafft. Welche die löblichste Vorbereitung zum Tode wäre. Der Seele sey ein geheimer Zug gegen GOtt / und ein Verlangen nach der Unsterbligkeit angebohren. Irrdische Ursachen der Abdanckungen. Mit dem Alter verfielen die besten Fürsten. Die Reue folge der Niederlegung der Würden auff dem Fusse. Marcomir verläst seinem Sohne Hippon die fremden / seinem Bruder Ingram die deutschen Länder und die Feldherrschafft. Beyspiele etlicher anderer sich ihres Reichs enteusernder Fürsten. Der Getischen Könige dienstbare Herrschafft. Des Rakimis Abdanckung wegen verfallenen Ansehns bey seinem Volcke. Der siebende Feldherr Ingram und der Dacier Hertzog Decebal bewerben sich widereinander um die Pannonische und Kwadische Hertzogin Hermildis. Decibal verfälscht Ingrams Schild durch Einschiebung eines Bildes der Cimbrischen Fürstin Gandeberge. Beyder Fürsten Turnier. Das Bild wird in des Ingrams zerschmettertem Schilde entdecket und der Hoff wider ihn erbittert. Die vermute Hermildis kämpfft wider den Hertzog Ingram / wird aber von ihm hefftig verwundet. Grausamer Streit Ingrams wider Decebaln /welcher gezwungen wird seinen Betrug zu bekennen. Decebal wird vom Hofe verbannt / erregt aber wider den König Lissudaval die Pannonier / diese erwehlen seinen Sohn Gudwil zum Könige. Gudwils Mißtrauen gegen den Ingram. Gottesdienst der Kihala bey den Kwaden. Ingram betheuret seine Redligkeit / und rühret einen glüenden Rost unversehrt an. Ihm wird Hermildis vermählet. Lissudaval stirbt / Gudwil wird vom Salomin erlegt. Ingram erbt das Kwadische Reich / krieget um das Pannonische mit Decebaln. Er siegt / verfällt aber mit den Scythen in Krieg. Schutz-Bilder gewisser Oerter. Friedebald beschützt wider den Salomin die Stadt Vindobon; Decebal trit [83] dem Ingram Pannonien ab / behält Dacien. Salomin vertreibt Decebals Sohn und seine Mutter / nimmt Bregetio ein; Ihm widerstehet aber Ingram. Sein Sohn Klodomir der achte Cheruskische Feldherr wird von Marcomiren erzogen. Seine Tugenden und Liebe gegen Riamen Marcomirs Tochter / welche aber in Friedebalden verliebt / und unter der ebenfalls in Hertzog Friedebalden verliebten Königin der Kwaden Olorene Auffsicht ist. Beyder Fürstinnen geheime Eifersucht. Riama gibt Friedebalden ihre Liebe zu verstehen. Marcomir schreibt an Olorenen und Riamen / wil diese Klodomirn gegen Abtretung der Feldherrschafft vermählen. Klodomir ist hierzu geneigt / ihm aber selbst Riama unhold. Astinabes der glückseligen Inseln König wirbt um Olorenen. König Ingram verbeut seinem Sohne Klodomir der Feldherrschafft sich zu verzeihen. Marcomir schickt Friedebalden wider den König Salomin; trägt Olorenen Astinabens Heyrath für / erfähret aus Hertzog Friedebalds Briefe Olorenens und Riamens Liebe gegen den Fürsten Friedebald. Marcomir befehlicht die Riame Klodomirn / Olorenen den Astinabes zu ehlichen. Marcomirs und Olorenens ungleiches Urthel von Fürstlichen Staats-Heyrathen. Die Fischer ziehen des durch Schiffbruch umkommenen Friedebalds Leiche aus dem Wasser / worüber Olorene ohnmächtig wird / Riame erstarret und beyde erkrancken. Klodomir geräth in einer Wildniß in Lebens-Gefahr. Die zwey krancken Fürstinnen werden nach Gades in den Tempel des Esculapius bracht. Friedebalds Geist bittet sie um Vergessung ihrer Liebe und Betrübnisses. Ihre Genesung und seltzame Verliebung in die ihnen bestimmten Bräutigame. Schlaue Wunderwercke der Priester. Der Gottesdienst gebe nicht nur eine Larve der Staats-Klugheit / sondern auch der Liebe ab. Klodomirs Vermählung mit Riamen / des Astinabes mit Olorenen. Friedebalds Geist bedienet ihren Braut-Tantz / und weissaget Olorenen. Ihre Einsamkeit wegen des verlohrnen Astinabes. Merckwürdige Unterredung von den Geistern der Lebenden und Todten. Hippon nimmt das Reich des Astinabes ein. Klodomirs glückliche Herrschafft und Kriege wider den Salomin und Miles. Nach seinem Tode herrschet der neundte Feldherr Roderich / krieget wider drey Scythische Könige / und setzt Deutschland in Ruh / weigert sich auch auff des Parthischen Königs Mithridates Ersuchen mit den Scythen den Frieden zu brechen. Ruhm des Friedens / dahin ein verlebter Fürst sein Absehen nehmen soll. Roderich schickt dem Mithridates kostbare Gegengeschencke. Untersuchung des Goldmachens / und ob das Reichthum der Pfeiler eines Reiches sey. Gespräche von dem ewigen Feuer. Malorichs des zehenden deutschen Feldherrn kluge Herrschafft. Er erkiest Hertzog Aembrichen zu seinem Reichs-Erben. Die Erscheinung eines schrecklichen Schwantz-Sternes. Deutungen solcher Gestirne und der Erdbeben. Rückkunfft der auff der Jagt gewesenen Fürsten nach Deutschburg / allwo unterdessen Melo der Sicambrer Hertzog / Beroris sein Bruder / und Dietrich sein Sohn mit vielen Gefangenen Römern ankommen waren / welche sie in der Festung Tranburg / Mattium / Segodun / und Cattenburg / und in dem mit dem Cäditius abermahls gehaltenen Treffen bekommen / und berichtet /daß die Menapier und Eburoner wider die über den Rhein getriebenen Römer auffzustehen geneigt wären. Der Deutschen hierüber bezeugte Freude.

Das Andere Buch
[84] Das Andere Buch.

Das Volck kam insgemein mit nicht geringer Freude /die Fürsten mit überaus veränderten Gemüths-Regungen / iedoch meist alle mit mehrer Vergnügung auff des Feldherrn Burg an / als sie vorher in den Deutschburgischen Heyn gediegen waren. Hertzog Herrmann sahe sein Vaterland numehr durch seine Vernunft und Tapferkeit auff den Stul der güldnen Freyheit versetzt / sein Haupt mit unverwelckenden Siegs-Kräntzen überschattet / und er solte nun in das Bette der wunderschönen Thußnelde schreiten; also schien er in beyden heftigsten Gemüthsregungen / nehmlich der Ehrsucht und Liebe den höchsten Zweck erlangt zu haben / und / nachdem ein gewüntschter Ausschlag alle Verdrüßligkeiten überzuckert / konte er das erlidtene Ungemach so viel leichter ihm aus dem Sinne schlagen. Ja er wuste wider das Unrecht des Segesthes sich keiner rühmlichern Rache zu bedienen / als nach so vielen Wolthaten seine Abneigung mit möglichster Ehrerbietung / und die menschliche Eigenschafft mit Entäuserung alles Unwillens zu überwinden / nach dem es doch in unser Gewalt nicht stehet / etwas / so unserm Gedächtnüsse schon einmal fest eingedrücket ist / gar zu vergessen. Die großmüthige Thußnelde ward wegen Errettung ihres verurtheilten Vaters /wegen eingelegten Ruhmes ihres Brudern / durch die Vergnügung ihrer inbrünstigen Liebe von Freuden dergestalt überschüttet / daß ihr so viel Gutes mehrmals nur zu träumen bedeuchtete / und sie darüber aus angewohntem Unglücke zu zweifeln anfing / mehrmals auch ihre Freudigkeit nicht allzusehr an Tag zu geben sich zwingen muste. Weil sich aber Schwermuth nicht so leicht als Freude verbergen läst / sahe dem Segesthes und seiner stets gesuchten Einsamkeit entweder der Verdruß wider seiner Tochter unvermeidliche Heyrath / oder die Erkäntnüß seiner eigenen Schande aus den Augen. Denn die Laster sind ihnen selbst die ärgsten Hencker / und es kan der Leib nicht so blutig mit Ruthen gestrichen werden / als das Gewissen der Boßhafften ihre eigene Bangsamkeit peinigt. Malovend empfand zum theil auch einige Wunden dieser innerlichen Quaal / daß er den Degen wider seine Landsleute ausgezogen / und noch nicht allerdings versichert zu seyn meynte / ob ihm solches so gar ungenossen ausgehen würde. Diese Schwermuth veranlassete den Tencterischen Fürsten Marcomir /daß er den Fürsten Malovend auff seinem Zimmer heimsuchte / und mit dem Königs-Spiele die Verdrüßligkeit der Zeit zu verkürtzen vornahm. Nach weniger Zeit kam Zeno der Pontische und Rhemetalces der Thracische Hertzog darzu / welchem letztern befrembdet fürkam / daß Malovend seine Bekümmernüsse mit einem Spiele zu erleichtern suchte; welches zwar nachdencklich und darinnen Fürstlich wäre / daß es keine knechtische Begierde des Gewinns / sondern den einigen Ruhm des Obsiegs zum Zweck; aber keine Bewegung des Leibes in sich hätte / und das Gemüthe eben so sehr als das wichtigste Fürnehmen beschäfftigte / also in seiner Ernsthafftigkeit nichts weniger als ein Spiel wäre. Malovend antwortete Rhemetalcen: Der Nahme des Königs-Spiels redete ihm selbst / und ihnen / als Fürsten / dieses Zeitvertriebs halber / das Wort; und weil es aus Morgenland den Ursprung / auch bey selbigen Völckern das gröste Ansehen hätte / wunderte ihn so viel mehr / wie er es für so verächtlich hielte / da doch in selbtem / als in einem Sinnbilde alle Herrschens-Künste und die oberste Botmässigkeit der Klugheit enthalten seyn solten. In welchem Absehen ein Indischer König dem mit[85] ihm kriegenden Persischen ein König- dieser aber jenem ein Bret-Spiel überschickt; und wie jener die Gewalt der Klugheit / also dieser die Macht des Glückes dardurch entworffen haben solle. Im Fall aber auch gleich ihr Spiel nicht die Freudigkeit anderer Lust-Spiele in sich hätte / wäre seine traurige Eigenschafft ihrer Gefangenschafft so viel anständiger. Rhemetalces versetzte: Er wäre zwar ein naher Nachbar der Lydier / welche das Würffel-Bret- und Ball-Spiel erfunden haben solten / dißfalls aber wäre er von ihrer Lebens-Art gantz entfernet / in dem er zu keinem als denen Kriegs-Spielen einigen Zug hätte /und aus selbten mehr Unlust als Ergötzligkeit schöpfte. Sintemal der Mensch zu einer nützlichen Thätigkeit gebohren / wie der Himmel zur Bewegung geschaffen wäre. Die sämtlichen Spiele aber wären wegen ihrer vergebenen / wo nicht schädlichen Bemühung / für etwas geringers als den Müssiggang zu halten. Insonderheit aber hielte er das Spielen einem Fürsten für unanständig / als dessen Ambt wäre stets mit wichtigen und gemeinnützigen Dingen unmüssig zu seyn. Weßwegen er die vom Menedemus dem jungen Antigonus beym Spiele ins Ohr gesagte Lehre als heilsam verehrte: Erinnere dich / daß du eines Königs Sohn bist. Zeno brach Rhemetalcen ein: Dieses wäre ein allzu scharffes Urthel wider die Spiele / und eine zu strenge Einsperrung der Fürsten. Nach der Meynung des Göttlichen Plato verrichteten GOtt und die Natur alles spielende; warum solte alle Ergötzligkeit /welche doch ein Wetz-Stein der folgenden Arbeit wäre / Fürsten verwehret seyn? Die Bewegung der Sterne solle sich einer spielenden Harffe gleichen. Ja die Weißheit selbst wäre nichts besser als ein vernünftiges / und das menschliche Leben grossen theils ein Affen-Spiel. Dahero der den sieben Weisen in Griechenland gleich-geschätzte König in Egypten Amasis sich mehrmahls zu vermummen und einen Narren fürzustellen sich nicht geschämet hätte. Es wäre zu wünschen / daß man alles dis / was ein Fürst zu lernen hätte / ihm im Spiele beybringen könte / wie Parrhasius alle seine so liebliche Gemählde mit Singen verfertigte. Sintemal Fürsten ohnedis nicht den Büchern / wie die Sclaven von den Ketten wollen angefesselt seyn / und alle Gemächte äuserlich entweder dieselbe Anmuth oder Verdrüßligkeit zeugen / die dem Künstler in seinem Gehirne gesteckt / wenn ihm die Arbeit entweder schwer oder gut von Händen gegangen. Wenn das Meer am annehmlichsten wäre /spielte es mit seinen sanften Wellen / und wenn das Auge der Welt der Welt seinen Segen austheile / mit seinen Straalen. Die gütigsten Fürsten wären zu Kurtzweil geneigt / die allzu ernsthaften aber insgemein die grimmigsten gewest. So gar Socrates und Heraclites hätten zu Ephesus unter den Kindern des Beinleins / und der sauersehende Cato mit den Würffeln gespielt. Wie möchte man denn Fürsten eine strengere Weißheit abheischen? König Demetrius hätte es ihm für keine Schande geachtet / allerhand Schnitzwerck / der junge Dionysius Wagen und Tische mit seiner Hand zu machen / und Attalus ertztene Bilder zu giesse. Der Cizicenische Antiochus hätte sich mit tantzenden Tocken / König Aeropus in Macedonien mit Laternen-machen / Hercules / Agesilaus und Alcibiades mit Spielen der Kinder sich erlustigt. Ja / sagte Malovend / habe ich doch den umbs Reich so sorgfältigen Kaiser August nach der Abend-Mahlzeit über Mitternacht mit vierseitigen Würffeln spielen und dabey zwantzig tausend Groschen verlieren /und seinen Mitspielern wol dritthalbmal so viel zum Spiele verehren sehen. Rhemetalces fing an: Diese Freygebigkeit muß dem Spiele noch ein wenig aushelffen. Denn ein Fürst soll niemals spielen / als mit Vorsatze zu verlieren. Mit was aber entschuldigt ihr Deutschen eure Lüsternheit zum Spielen? Sintemal ich nach der Schlacht wahrgenommen / daß ihrer viel / und zwar nüchtern [86] bey gutem Verstande / gegen ein gewisses von den gefangenen Römern auffgesetztes Geld so gar ihre eigene Freyheit auffgesetzt / und /ungeachtet der Verspielende stärcker und vermögender war / sich in die Knechtschafft des gewinnenden Spielers ohne Widerrede gestellet hätten. Malovend begegnete ihm: Er könte diesen Mißbrauch seiner Landsleute nicht umstehen. Alleine wie schwerlich das Thessalische Thal Tempe / oder einige Aue der Welt nicht auch ein giftiges Kraut unter ihren Gewächsen nährte / so wäre kein so wol gesittetes Volck unter der Sonne / welches nicht einige Laster unter dem Nahmẽ der Sitten hausete. Die Lydier verkaufften die Jungfrauschafft ihrer Töchter / ehe sie sie verheyratheten / die Sarder tödtetẽ ihre veralternde Eltern / die Perser entkleideten sich zu ihrer Schwelgerey /gleich als wenn sie eine Schlacht liefern solten / ja Eltern und Kinder heyratheten wider die gleichsam angebohrne Scham und das Gesetze der Natur zusammen. Die dem Spiele ergebenen Deutschen aber machten gleichwohl aus dem Laster eine Tugend /nach dem sie in dem Spielen sonder Zwang einigen Gesetzes so standhafft Treu und Glauben hielten / und sich lieber ihrer Freyheit / als der Wahrheit entäuserten. Ausser dem würde man die Versäumung nöthiger Geschäffte / Zwytracht und Gewinnsucht / als die gemeinsten Mißbräuche des Spieles / in Deutschland so gemein nicht als bey andern Völckern finden. Dahero es mit der Deutschen Spiele schier wie mit den Pfirschken beschaffen zu seyn schiene / welche in Persien giftig / in den Nordländern aber eine gute Speise wären.

Malovend würde den Deutschen noch ferner das Wort geredet haben / wenn nicht gleich Fürst Adgandester in das Zimmer getreten wäre / welcher denen Gefangenen im Nahmen des Feldherrn erlaubte / an dem Hofe ohne geringste Bestrickung sich auffzuhalten / wenn sie anders nur ihr Wort geben / sich des Orts nicht zu entbrechen. Wie nun diese Gnade sie so viel mehr vergnügte / und gegen den Fürsten Adgandester ihre Verbindligkeit auffs beweglichste ausdrückte; also wurden ihre Gemüther gegen dem Feldherrn auffs höchste verknüpfft. Denn es ist keine grössere Zauberkunst sich beliebt zu machen / und andern das Hertz zu stehlen / als Wohlthat und Leutseligkeit. Der Feldherr hatte die deutschen Fürsten /wenn ieder der Ruh gepflegt haben würde / zu einem herrlichen Mahl eingeladen / weil er aber mit ihnen über ihren Reichs- und Kriegs-Händeln dabey zu rathschlagen willens war / den Zeno / Rhemetalces / Marcomir und Malovend absonderlich zu bedienen angeordnet. Weil nun gleiches Alter und einerley Glücke auch die fremdesten Gemüther leicht miteinander verknüpfft / geriethen diese drey letztern unschwer in eine sonderbare Vertrauligkeit. Folgenden Tag veranlassete sie der Feldherr selbst ihnen selbige Tage / da er theils mit Rathschlägen / theils mit Anstalt seines Beylagers beschäfftigt war / durch Jagen die Zeit zu vertreiben / und ihnen allen Kummer aus den Gedancken zu schlagen / gab auch sie zu unterhalten ihnen den Fürsten Marcomir zu. Daher nöthigte sie so wohl dieses höffliche Anbieten / als ihr eigener Trieb / und insonderheit die um das schwartze Meer bräuchliche Landes-Art folgenden Tag nach der Morgenröthe fürzukommen / und mit allerhand nöthiger Anstalt in das Hertzogliche Gehäge sich zu dieser den Fürsten gewöhnlichen und wohl anständigen Lust zu verfügen. Sintemal sie den Leib hierdurch zu allerhand Mühsamkeit abhärten / in Verfolgung des flüchtigen Wildes rennen / des Hertzhafften / fechten / des Schlauen / allerhand krummen Räncken und List mit List begegnen / und die Beschaffenheit eines Landes am besten kennen lernen. Welche Wissenschafft einem Fürsten nöthiger als die Kenntniß der Gestirne ist. Denn diese hat den bedrängten Sertorius mehrmahls errettet / wenn seine Feinde ihn schon in Händen zu haben vermeinet. Die bey [87] Verfolgung eines Wildes sich ereignete Verirrung ist mehrmals eine Wegweiserin des Sieges gewest. Weßwegen iederzeit die streitbarsten Völcker die Jagt geliebet / und die tapffersten Fürsten mit dieser männlichen Ergetzligkeit ihre Herrschens-Sorge erleichtert / denn auch ihre Erqvickungen sollen Bemühungen seyn. Darius hielt diese so ruhmwürdig /daß er auff sein Grab ihm als einen besondern Ehren-Ruhm schreiben ließ / daß daselbst ein fürtrefflicher Jäger begraben läge. Etliche grosse Fürsten hätten selbst diese Kunst mit ihrer eigenen Feder zu beschreiben sich nicht geschämet. Diesemnach denn die wider diese an sich selbst gute Ubung geschehene Einwürffe von schlechtem Gewichte zu achten sind /samb selbte das menschliche Gemüthe mehr wilde machte / als sie dem Leibe dienlich wäre; daß ihre Annehmligkeit einen Fürsten nöthigern Sorgen abstehle. Sintemal selbte auff blossen auch den Kern der besten Sachen verderbenden Mißbrauch gegründet sind. Daß aber Saro der Gallier König sich über Verfolgung eines Hirschen ins Meer gestürtzt / andere sich in Gebürgen verstiegen / oder von Gespensten verleitet worden / ist ihrer eignen Unvorsichtigkeit /oder andern Zufällen / welche auch in den löblichsten Unterfangungen die Hand mit im Spielhaben / nicht der Eigenschafft des Jagens zuzuschreiben.

Den Anfang dieser Jagt machte der Graf von Uffen / des Feldherrn oberster Jäger-Meister / an einem sumpfichten Orte mit dem Reigerbeitzen. Denn so bald dieser etliche Mitternächtische Falcken außließ /erhoben sich eine grosse Anzahl Reiger empor / welche allhier für den Hertzog pflegen gehegt zu werden /also daß sie niemand sonst bey ernster Straffe beunruhigen darff; wiewol sonst das allgemeine Völcker-Recht / welches den Fang der wilden Thiere iedermann gemein läst / in Deutschland unversehrt ist. Auff die auffprellenden Reiger wurden alsofort so viel Falcken / worunter etliche schneeweisse / welche bey denen Cimbern und Bosniern gefangen werden / ausgelassen. Diese mühten sich auffs eifrigste jene mit ihrem Fluge zu überklimmen / und hierauff stiessen sie schriemwerts mit vorgestreckten Klauen auff die niedrigen Reiger mit solcher Heftigkeit herab / daß ihr Abschiessen gleichsam ein Geräusche des Windes machte / und die Reiger gantz zerfleischt zur Erden fielen. Wiewol etliche schlaue Reiger die allzu hitzigen Falcken mit ihren über sich gekehrten Schnäbeln nicht nur verwundeten / sondern gar tödteten. Diese Lust vergnügte den Hertzog Zeno so sehr / daß er sich heraus ließ: Plato hätte zwar die Fisch- und Vogel-Jagt / als etwas knechtisches getadelt / er befindete aber die Reigerbeitze für eine recht edle Fürsten-Lust. Rhemetalces fing an: Die Thracier hätten für uhralter Zeit diesen Vogel-Krieg höher als keine andere Jagt gehalten / und ihre Könige bey der Stadt Amphipolis mit dem Habicht-Fange der Wasser-Vogel ihnen eine ungemeine Lust gemacht. Zeno pflichtete diesem Lobe gleichfalls bey / mit Vermeldung / daß die Indianer mit ihren abgerichteten Adlern ebenfalls das furchtsame Geflügel zu fangen pflegeten / aber ihre Lust käme der gegenwärtigen bey weitem nicht bey.

Hierauff kamen sie in den nechst daran liegenden Forst / darinnen ihnen alsofort unterschiedene Rehe auffstiessen / derer etliche sie mit ihren Pfeilen fälleten. Hernach kamen sie auff die Spur eines wilden Uhr-Ochsens / den sie auch alsofort ereilten. Zeno vermeynte mit seinem Bogen ihn alsofort zu erlegen /und schoß drey Pfeile hintereinander auff dessen Stirne / welche aber alle ohne Verwundung absprungen. Dieser Fürst verwunderte sich hierüber nicht wenig /meldende: Er wüste nicht ob diese Ochsen sich mit Kräutern feste gemacht / oder seine Armen alle Kräfte verlohren hätten. Malovend lachte und sagte: Von Gemsen glaubte man zwar / daß wenn sie die Doranich-Wurtzel gegessen / [88] sie mit keinem Geschoß ver wundet werden könten; von dem Ochsen aber hätte er diß nie gehört. Rhemetalces schos zwey Pfeile / eben so wol vergebens / dem Ochsen auff den Kopff / und dahero mit nichts minderer Entrüstung. Da fing Malovend an: Sie suchten vergebens diß Thier im Kopfe zu beleidigen / der so harte wäre / daß ein Geschoß ehe durch Ertzt als durch seine Hirnschale gehen würde. Hiermit traff er den rennenden Ochsen mit einem Wurfspiesse so glückselig in die Seite / daß selbter in der Brust vorging / und dieses Thier entseelt zu Boden fiel. Hierauff schoß er einen Pfeil ihm durch den Kopff durch und durch. Welches beyden andern Fürsten noch seltzamer fürkam / und mit dessen nunmehr leichter Durchschüssung die Krafft ihrer Bogen versuchten. Malovend berichtete sie hierauff / daß mit dem Leben die Härte des Schädels zugleich verschwinde / und hiermit verfielen sie auff einen Hirsch von ungemeiner Grösse / und einem Geweyhe von sehr viel Enden. Er verwundete zwar selbten mit einem Pfeile / es würckte aber solcher mehr nicht / als eine schnellere Flucht. Nachdem er auch in diesem Forste eine See erreichte und durchschwamm / musten die Fürsten einen Umweg selbten zu verfolgen nehmen / und womit er ihnen nicht gäntzlich entrinne /ein paar Strick Winde loß lassen. Diese brachten ihn /nachdem er endlich in seinem Lauffe nach Art der Hirschen / wegen Schwachheit ihres Mastdarms und wegen der Verletzung offtmahls ruhen muste / zu Stande / also / daß er / keine andere Ausflucht sehende / sich endlich selbst denen Fürsten näherte / ihre Bogen und Pfeile / gleich als wenn er von ihnen sich keines Leides zu besorgen hätte / betrachtete / und als ein Muster allzu leichtgläubiger Vertrauligkeit / vom Rhemetalces mit einem Wurffspiesse getödtet ward. Als diese Fürsten aber diß gefällte Wild betrachteten /wurden sie eines am Halse habenden und unter den Haaren ziemlich ins Fleisch gewachsenen Halsbandes gewahr / welches sie von den Pferden abzusitzen und selbtes eigentlicher zu erforschen verursachte. Das sie denn auch aus dichtem Silber gefertigt / und darauff eingeetzt befanden: Als Julius Cäsar den Deutschen ein Gebieß anlegte / gab er mir die Freyheit. Sie erstarrten für Verwunderung gleichsam über dieser Begebenheit / und Rhemetalces beklagte überaus: daß seine unvorsichtige Ubereilung dieses denckwürdige Thier / welches gantzer drey und sechtzig Jahr nur nach getragenem Halsbande unversehret blieben wäre / zu unzweiffelbarem Verdruß Hertzog Herrmanns gefället hätte. Fürst Malovend aber fiel ihm in die Rede: Er möchte sich hierüber keinen Kummer machen. Es würde der Feldherr ihm hierfür noch grossen Danck sagen. Warum? versetzte Rhemetalces. Malovend antwortete: Weil dieser Hirsch ein verdrüßliches Gedächtniß desselben Tages ist / da die Deutschen ihre Freyheit zu verliehren angefangen. Beyde Fürsten wurden dadurch mehr begierig alle Umstände von ihm zu vernehmen: Worauff er denn ihnen folgenden Bericht erstattete: Es hätten in Deutschland sich die Catten iederzeit für andern / so wohl an Streitbarkeit als an Fruchtbarkeit herfür gethan; also / daß sie alleine über hundert grosse Dörffer mit denen darzu gehörigen Landstrichen bewohnet / alle Jahr aber etliche tausend gewaffnete Männer aus ihren Gräntzen getrieben / und / durch ihren Degen neue Wohnplätze zu suchen / also auch ihre Herrschafft zu vergrössern genöthigt hätten. Dieser Ausbreitung wäre ihrer Lebens-Art zu statten kommen. Denn nachdem sie wenigen Ackerbau gepflegt / sondern nur von Jagten und Viehzucht gelebt / hätte sie der Hunger zur Kriegs-Lust gezwungen / und sie wären von Kindauff die Freyheit lieb zu gewinnen /die Glieder durch tägliche Kriegs-Ubungen zu verstärcken / Kälte und Hitze mit [89] nacktem Leibe zu vertragen angewöhnt worden. Ja / ungeachtet sie den Römischen Kauffleuten mit ihnen zu handeln / womit sie ihrer Feinde Leuten angewehren köñen / verstattet hätten / liessen sie doch biß itzt keinen Wein noch andere zur Uppigkeit dienende Wahren bey ihnen einführen / womit ihre Tapfferkeit durch keine Wollüste verzärtelt würde. Diese hätten nun nahe für hundert Jahren die Ubier ihnen zinßbar gemacht / für sechs und sechzig Jahren aber die Usipeter gar aus dem Lande getrieben / welche / nachdem sie durch allerhand Landschafften der Ansibarier / Angrivarier /Chamaver / Bructerer und Marsen / unter allerhand Kriegs- und Glücks-Zufällen umgeirret / die auff beyden Seiten des Rheins wohnende Menapier überfallen / und sie an der Maaß ihren Herd und Hof auffzuschlagen gezwungen hätten. Diese aber wären aus dem Regen in die Troffe gefallen / indem der in Gallien damals siegende Cäsar sie daselbst nicht leiden /sondern sie über den Rhein und die Bothmäßigkeit der Ubier zu begeben zwingen wollen. Worüber es zum Treffen kommen / darinnen die Menapier eine schwere Niederlage erlitten / und die übrigen sich zu denen Sicambern hätten flüchten müssen. Weil diese nun die Menapier Cäsarn nicht hätten ausfolgen lassen wollen / die von denen Catten gedrückten Ubier beweglich um Hülffe gebeten / er auch ohne Schreckung der Deutschen sich der Gallier nicht versichert gehalten / hätte er eine Brücke über den Rhein gebaut / und mit sechs Legionen darüber in Deutschland gesetzt. Die Deutschen hätten unschwer diesen Brückenbau hindern können; alleine Sie wären auff Rathgeben der Tencterer schlüßig worden / etliche Tagereisen weit / mit allem ihrem Vorrathe sich zurücke zu ziehen / und da die Römer sich tieffer ins Land wagen würden / selbte nicht allein aus ihren Wildnüssen rings umher zu überfallen / sondern auch ihnen den Rückweg und die Brücke gar abzuschneiden. Weil nun dem Käyser selbst sehr verdächtig fürkommen wäre / daß die sonst nicht zu furchtsamen Deutschen ohne geringsten Widerstand die Brücke zu verfertigen verstattet / und ohne einigen Schwerdschlag ihren Sitz verlassen / hätte er die Brücke an beyden Enden mit starcken Bollwercken verwahret / in Meinung nicht unverrichter Sache den deutschen Boden zu räumen. Alleine nach dem Fürst Catumer den Römischen Vortrab in die Flucht geschlagen / und etliche Ubier ihm Kundschafft gebracht / daß die Catten ein allgemein Auffboth gethan / und wider ihn im Anzuge wären; hätte er nicht rathsam befunden / so lange Stand zu halten / sondern er hätte der Sicambrer Dörffer verbrennt / den Ubiern auff den Nothfall neue Hülffe versprochen / der Deutschen Gedäue / und insonderheit einen herrlichen Thiergarten des Sicambrischen Hertzogs verwüstet. Nachdem er nun in diesem über hundert grosse Hirschen gefunden / und er in Deutschland ein Gedächtnüß seiner Uberfarth zu verlassen gewünscht / welches von den Deutschen so bald nicht vertilget werden könte / so hätte er iedem Hirsche ein solch Halsband / mit gleichmäßiger Schrifft / als wir hier für Augen sehen / angemacht / und selbte frey in die Wildnüsse lauffen lassen. Hierauff wäre er den achtzehenden Tag mit seinem Heere in Gallien gekehrt / und hätte die Brücke / womit sie den Deutschen nicht selbst zum Einfall diente / wieder weggerissen. Zeno fing hierauff an: Er müße gestehen / daß dis eine gute Art sey in einem feindlichen Lande / und da der Feind zumahl wenig Geschichtbücher zu halten pflegt / sein Andencken zu erhalten. Ja versetzte Rhemetalces / sonderlich wo es wahr ist / daß eine Krähe neunmahl des Menschen Alter übersteigen und nahe biß an neunhundert Jahr leben / ein Hirsch dieses aber vier mahl übertreffen und derogestalt wohl drey tausend und fünfftehalb hundert Jahr alt werden solle. Alleine es ist dieses nicht des Käysers erste Erfindung / sondern er hat es dem [90] grossen Alexander nachgethan / welcher nach erlangtem Siege wider der Triballer König Syrmus und die Geten / vielen Hirschen silberne / auch hernach in Indien güldne Halsbänder umgemacht. Uberdiß wäre auch des Diomedes Hirsch allererst zu Zeiten des Königs Agathocles gefangen worden / und Käyser August hätte an unterschiedenen Orten solche Hirsche mit güldnen Halsbändern und dieser Uberschrifft lauffen lassen: Rühre mich nicht an / ich stehe dem Käyser zu. Malovend fiel ihm ein; Er könte nicht glauben / daß ein Hirsch so lange leben solle. Auch ich nicht / antwortete ihm Rhemetalces; Gleichwohl aber leben sie sehr lange / theils wegen ihrer natürlichen Leibes-Kräfften / welche auch bey ungestümem Meere aus Cypern in Cilicien und Syrien zu schwimmen vermöchten; ja mit ihrem Atheme Nattern aus den Steinritzen zu ziehen / die verschlungenen Schlangen im Magen in Stein zu verwandeln /und gleichsam in einen fleischernen Sarge ein steinernes Aas zu vergraben mächtig sind; theils wegen mangelnder Galle / theils wegen ihrer eingepflantzten Wissenschafft wider Gifft und andere Schwachheiten allerhand heilsame Kräuter und Artzneyen zu erkiesen. Wie sie denn / um der Blödigkeit ihrer Augen abzuhelffen / so viel schlangen fressen / hernach sich in die kalten Flüsse eintauchen / biß das Gifft aus dem Magen durch die Augen schwitze. Gleichergestalt hätten die verwundeten Hirschen den Menschen die wilde Poley als ein Kraut gewiesen / wodurch die ins Fleisch geschossene Pfeile heraus zu ziehen sind. Dieser gegenwärtige Hirsch könne nu selbst ein Zeugniß ihrer Lebhaftigkeit abgeben / denn er habe diß Halsband schon etliche sechzig Jahr getragen / und als man es ihm umgemacht / wird er nicht klein gewest seyn. Ja / sagte Malovend / diß kan leicht seyn / weil ein Hirsch in fünff Jahren zu seiner Vollko enheit gelangt; und wir in Deutschland insgemein dafür halten / daß ein Hirsch hundert Jahr lebe. Zeno brach hierauff ein: Für hundert Jahren kriegte ein Hirsch wohl keinen Stein im Auge / aber sonst müste er viel länger leben. Denn sein Vater Polemon / König im Pontus / habe nach einen Hirsch am schwartzen Meer geschlagen / auff dessen Halsbande diese Griechische Uberschrifft zu lesen gewest: Alexanders Scytische Beute ist meine Zierrath. Nun aber sind es nahe vierdtehalb hundert Jahr / seit Alexander in selbigen Ländern Krieg geführet. Es kan vielleicht wohl seyn / daß zuweilen ein Hirsch so lange lebe / begegnete ihm Rhemetalces; aber ich besorge / es gehe wie in andern Alterthümern viel Unterschleif mit unter / und habẽ solche Sachen meist einen viel jüngern Vater / als den sie an der Stirne führen. Und insonderheit sind die Griechen hierinnen Meister / welche viel Dinge / die gestern jung worden / einer greißen und ungewissen Zeit Kinder heissen. Sie tichten ihnen nicht allein Helden / die nie in der Welt gewest; Sie rühmen sich Städte eingeäschert zu haben / die nie gestanden / und die Stadt Troja / ja Priamus / Hector und ihre Nachkommen sind noch etliche hundert Jahr hernach in voller Blüthe gewest / als sie solche zerstört und erlegt zu haben die gantze Welt lügenhafft überredet. Sie verhandeln noch itzt den einfältigen Ausländern zwar in der Erde verschimmelte aber neu gegossene Müntzen / die ihr Cadmus und Cecrops sollen haben prägen lassen. Und wie lange ist es / daß ein verschlagener Hetrurier etliche bleyerne Taffeln / auf welche ein alter berühmter Warsager Olemus Calenus die alten Hetrurischen Gesetze und nachdenckliche Wahrsagungen geschrieben haben solle / er aber selbst in eine Höle versteckt gehabt / für mehr als so viel wiegendes Silber verkaufft. Zeno fiel hier ein / es hat ein Betrüger sich nicht unbillich auff einen andern bezogen. Denn so viel ich mich erinnere / ist diß eben der Calenus / welchen der Rath zu Rom über dem auff dem Tarpejischen Berge gefundenen Kopffe zu rathe gefragt / und der den Bau des Capitolinischen Tempels arglistig nach Hetrurien [91] zu ziehen getrachtet /wenn seine Tücke nicht sein eigner Sohn verrathen hätte. Ich gläube / fing Zeno wieder an / daß das Römische Volck schon vorher mit selbigem Kopffe betrogen gewest sey / indem viel der nachdencklichen Römer dafür halten / es habe der schlaue Tarquinius /welcher mit allerhand scheinbaren Kunststücken seinen blutigen Stul unterstützen muste / es selbst vorher dahin begraben lassen / um seinem Tempel-Bau und Herrschafft eine eben so grosse Hoffnung und Ansehen bey dem leichtgläubigen Pöfel zu erwerben / als die Königin Elißa bey Auffindung eines Pferde-Kopffs ihrer neuen Stadt zu wege brachte / wie sie zu Carthago den Grund legte. Rhemetalces ließ sich hierauff heraus: Er könte dergleichen Erfindungen sich leicht bereden lassen. Die gerechtesten Herrscher / zu geschweigen die / welche sich mit Gewalt oder Arglist auff den Thron gespielt / müsten das unbändige Volck durch wunderliche Arten in Schrancken halten /denen hitzigen Köpffen einen Kapzaum anlegen / den Ehrsüchtigen einen güldnen Ring unter dem Scheine einer Zierrath durch die Nase ziehen / den Pöfel mit Schauspielen und anderm unnützen Zeitvertreib von der Bekümmerung um die Herrschafft abziehen / und diesem so wie dem sonst erschrecklichen Wallfische eine Tonne zum Spielen fürwerffen / die Scheinheiligen mit angenommener Andacht betäuben / den Geitzigen einen aus gläntzendem Ertz gebackenen Kuchen zum Verschlingen vorwerffen / darvon sie hernach zerplatzen. Allein dieses gehöret mehr in die geheimen Rathstuben / als auff die Jagt. Rhemetalces fing an: dieser Hirsch hat noch wohl etwas / welches wir als Weideleute zu betrachten haben / nehmlich / daß seine Geweyhe gleichsam mit Mooß und Eppich überwachsen sind / und wohl neunzehn Ende haben / welches er für ein Kennzeichen eines hohen Alters hielte. Malovend antwortete: beydes wäre in Deutschland nichts ungemeines / und hätte er Geweihe mit dreißig Enden gesehen. Hieraus aber wäre der Hirschen Alter nicht zu nehmen / welche zwar die härtesten und fast unter allen Thieren nicht hole Hörner hätten / iedoch /weil selbte nicht an die Hirnschale angewachsen wären / alle Frühlinge abwürffen / und das eine Horn / welches zur Artzney am dienlichsten seyn soll / verscharreten. Ja / sagte Zeno / er hätte diß selbst wahrgenommen / und hätten die unvernünfftigen Thiere zwar denen Menschen viel nützliche Artzneyen gewiesen / nehmlich das Wasser-Pferd das Aderlassen /der Egyptische Vogel Ibis das Klistiren / die Schwalbe und Schlange die Augen-Kräuter / der Storch den Nutzen des Krauts Wohlgemuth / die Natter des Fenchels / die Bären die Artzney der Ameisen / die wilden Tauben des Lorber-Baums / man sehe aber dabey ihre sonderbare Mißgunst. Unterschiedene Vögel versteckten ihre Nester / die Heydäxe verschlinge ihre abgeworffene Haut / daß sie nicht für die fallende Sucht gebraucht würde; und das furchtsamste aller Thiere / welches in der Flucht für Angst wohl sechzig Füsse weit springe / fiele mehrmals lieber in der Jäger Hände / als es seine Geweihe unvergraben liesse. Rhemetalces versetzte: Er hielte diß Beginnen der wilden Thiere mehr für einen blinden Trieb der Natur / als für eine Würckung wahrhaffter Gemüths-Regungen. Zeno antwortete lachende: Ob er die Tauben niemahls habe verliebt / auch nie erzürnet / einen Hund einmahl neidisch / das andere mahl liebkosend gesehen? Ob er die Löwen allzeit brüllen / niemahls kirmeln / die Turteltauben stets girren oder wehklagen gehöret hätte? Rhemetalces versetzte: diese Abwechselungen wären so wenig ein Beweiß eigentlicher Gemüths-Regungen / als diß / daß sie einmahl Speise /das andermahl Geträncke zu sich nehmen. Denn weil wilde Thiere keine Vernunfft hätten / Furcht / Begierde / Mißgunst und dergleichen aber Uberschreitungen[92] der Vernunft-Gräntzen wären; könte in einem Hertzen / welches keiner Tugend fähig wäre / und in einem Kopfe ohne Vernunft / so wenig ein Laster und der Beyfall einer falschen Meynung Platz finden / als diß / was kein Leben hat / sterben. Dannenhero / wenn ein Thier schiene bald Hofnung / bald Grimm / bald Liebe zu erwehlen / wäre es ein blosser Schatten wahrer Gemüths-Regungen. Einem Löwen käme die Eigenschafft des Zornes nicht viel besser zu / als einer Wolcke / wenn sie blitzet. Eine Hinde wäre nicht eigentlicher traurig / als der Monde / wenn er verfinstert würde. Zeno begegnete Rhemetalcen: Er hörte wol /daß er die Stoischen Weisen zu seinem Lehr-Meister gehabt hätte / welche die in dem Hertzen wohnenden Gemüths-Regungen in das Gehirne versetzten / darinnen derselben so wenig / als Einwohner im Monden /zu finden wären. Sie schlügen sich aber selbst / wenn sie Kindern / Narren und vollen Leuten selbige nicht absprechen könten / welche doch weniger Vernunft /als Papagoyen und Elefanten hätten. Denn bey den Kindern wäre sie noch ungebohren / in Narren todt /bey Vollen eingeschlaffen. Die ersten weinten aus Unvernunft umb ihre Tocken so bitterlich / als Oenone umb ihren Paris / und Priamus umb sein Königreich. Sie erschrecken für einer Larve mehr / als Brutus für seinem bösen Geiste. Der Wahnsinnige zu Athen opferte aus eingebildetem Eigenthum / frembder Schiffe halber / sein abgeschnidtenes Haar dem stürmenden Meer und Winde so willig / als es die belägerten Frauen zu Carthago zu Bogen-Sehnen hergaben. Die Vollen zu Syracusa warffen aus geträumtem Schiffbruche mühsamer alles zum Fenster des Schenckhauses hinaus / als der Schiffbruch-leidende Ulysses alles über Bord. Rhemetalces wendete ein: Dieser Art Menschen könte er eben so wenig wahre Gemüths-Regungen / als dem Vieh enthängen / weil ihnen eben so wenig die Wahl ihrer anklebenden Schwachheit /als dem Vieh / ihrer angebohrnen Art zu widerstehen /mangelte. Der Hase und der Hirsch wären allemal furchtsam / der Löwe und Tiger allemal grimmig /und die Tauben könten nichts als immer liebreitzend seyn. Zeno widersprach diß durch diese Frage: Ob er die Hirschen niemals einen Jäger hätte tödten sehen? Ob nicht Ptolomäus sieben paar hoffärtig hertrabende Hirschen an so viel güldnen Wagen geführet / und Mithridates so viel behertzte zu seiner Leib-Wache erkieset habe? Des Sertorius weisse Hindin hätte den Ruhm einer Wahrsagerin erworben / und eine andere in Egypten die Griechische Sprache verstehen gelernet. Hätte nicht Onomarchus mit den zahmen Löwen gespeiset / Antonius sie für seinen Wagen gespannet? Hanno hätte einen / wie ein Lamb / bey der Hand geführt / und dadurch von seinem argwöhnischen Vaterlande ihm seine Hinrichtung zugezogen. Mentor von Syracuse / Elpis aus Samos und Androclus hätten durch ihre Wolthaten sie zu einer empfindlichen Liebe bewogen. Die Turtel-Taube ergrimmete sich wider den Raben / betrübete sich über den Tod ihres Gespielen / trincke nur trübes Wasser / und sitze auff keinen grünen Zweig mehr. Sollen nun diese Thiere keine wahre Gemüths-Regung haben? Sie haben ja alle Sinnen der Menschen / welche ihnen so wol als uns alles annehmliche und verdrüßliche empfindlich machen; ja in unterschiedenen übertreffen sie uns noch. Wer wil sich überreden lassen / daß der Hase für den Hunden nicht aus Furcht fliehe / und das Rebhun sich für dem Habichte nicht aus Schrecken verkrieche? Wer wil an dem Grimme des Löwen zweifeln / wenn für seinem Brüllen die Wälder beben /und tausend Thiere zittern / oder er Spisse und Degen zermalmet / und die Jäger zerfleischet? Rhemetalces fiel ein: Alle diese Bewegungen der Thiere schritten über keine Gräntzen / weil sie keine Vernunft zur Anweiserin / und kein Gesetze zur Richtschnur hätten. Zeno antwortete: Es [93] folgte hieraus nichts anders / als daß die ihren Gemüths-Regungen den Zaum verhängenden Thiere nicht wie den Zügel der Vernunft zerreissen / den Menschen mißhandelten. Unterdessen wären doch beyder Gemüths-Regungen nichts minder / als das Wette-Rennen in einem freyen Felde / und einer umpfählten Renne-Bahn / als der Lauff eines entmanneten und mit einem unwissenden Steuer-Manne versehenen Schiffes seiner wesentlichen Eigenschafft nach einerley. Zwischen beyden Regungen aber wäre kein grösserer Unterschied / als zwischen dem Thun eines wilden und eines zugerittenen Pferdes / eines auff dem Seile tantzenden / und eines andern in der Wüsten mit dem Nasenhorn-Thiere kämpfenden Elefanten. Dem Fürsten Malovend wolte dieser Streit zu lange währen / daher fing er an: Seinem Bedüncken nach wäre nützlicher / seine Gemüths-Regungen so vernünftig zu leiten / daß sie mit denen unvernünfftigen Thieren keine Aehnligkeit hätten / als über ihrer Gemeinschafft oder Unterschiede bekümmert seyn. Fürnemlich aber wäre zu wünschen / daß der Mißbrauch der Vernunfft in den menschlichen Hertzen nicht ärgere Feindschafft als zwischen Schlangen gesamet / und ihre Rachgier nicht schädlichere Waffen erfunden / als die Natur an Klauen / Zähnen und Hörnern denen wilden Thieren mitgetheilet hätte. Nach dem sie aber nicht allein ein gehörntes Thier geschlagen / sondern auch anderer Hörner erwehnet / könte er gegen sie eines seltzamern Hornes / als vielleicht anderwerts einiges Thier haben möchte / unerwehnet nicht lassen / welches vielleicht so wenig unangenehm zu hören / als zu der Jagt ungeschickt seyn würde. Als er nun beyder Fürsten Ohren geneigt zum Anhören vermerckte / fing er an: Es habe ein Fürst aus seinen Vor-Eltern sich in denen von dannen nicht allzuweit entfernten Friesischen Wildbahnen einmal verirret / in selbtem sey eine wolgestalte Wald-Göttin auff einem ihm unbekandten Thiere zu ihm geritten kommen /habe ihm ein überaus artiges Horn dargereicht / und /daß er den darinnen enthaltenen Tranck austrincken solle / ermahnet / da er sein Geschlechte in überaus grosse Würde und Gewalt versetzet wünschte. Der Fürst habe diß Geschirr / welches auch noch in ihres Geschlechts Schatz-Kammer als eine besondere Seltzamkeit auffgehoben würde / angenommen / worauff die Wald-Göttin für seinen Augen verschwunden. Er aber habe sich solches auszutrincken nicht wagen wollen / sondern sich voller Entsetzung Spornstreichs davon gemacht / und das Horn überrücke ausgegossen / wovon dem Pferde / so weit es bespritzt worden / die Haare weggegangen wären. Zeno sagte: Es ist diß in Wahrheit eine ungemeine Begebenheit / und ich möchte dis Horn wol sehen. Malovend vertröstete ihn: Er wolte dazu Anstalt machen; aber er würde so wenig / als alle / die es biß auff gegenwärtige Zeit in Augen-Schein genommen / nicht ergründen können /ob solch Geschirr aus Horn / Ertzt / oder aus was für einem andern Talge bereitet oder gewachsen sey. Diß ist noch seltzamer / sagte Rhemetalces / welches mir die Wahrheit der Geschichte ziemlich beglaubigt /und ich werde nicht ruhen / biß ich diß Wunder-Horn zu Gesichte bekomme. Aber da deine obige Erzehlung von des Kaysers Julius Brücke und Verrichtũg mit der Wahrheit übereintrifft; wie denn diese an dem Orte /wo etwas geschehen / am wenigsten verfälscht bleibt; hat Julius sich keiner so grossen Thaten gegen die Deutschen zu rühmen / noch den Hirschen eine so ruhmräthige Schrifft anzuhängen / noch weniger die Römer so viel Wesens darvon zu machen Ursache gehabt; und ich erfahre nun / daß die Griechen nicht alleine tichten können. Freylich wol! antwortete Malovend. Das Geschrey ist mit den Riesen vergeschwistert / es überschreitet allezeit das rechte Maaß der Wahrheit mit einer Ubermaaß / es gebiehret allezeit Wunder-Wercke oder Ungeheuer / leget [94] der Sachen entweder zu viel zu / oder ni t zu viel darvon / und vermischet das lautere eines Wercks mit einem unechten Beysatze. Hätten die Deutschen bey sich so viel Geschicht-Schreiber / es würden auch des Drusus und anderer Römer Thaten so grossen Ruhm in der Welt nicht haben / als sie daraus machen. Und daher muthmasse ich / es verhalte sich mit ihren alten Wunder-Wercken nichts besser. Zeno fiel ihm bey / und fing an: Die Ferne und das Alterthum wären der scheinbarste Firnß der Unwahrheit / und pflegten nicht nur die Römer / sondern alle andere Völcker / insonderheit die Griechen ihre alte Helden und Thaten / wie die Wald-Götter in des Timantes Gemählde den Daumen des schlaffenden Cyclopen mit langen Stängeln zu messen. Die Eroberung einer mittelmässigen Stadt war bey ihnen ein Wunder-Werck / die Erlegung eines berühmten Räubers machte den Sieger zu einem Hercules. Ja die Würde der Halb-Götter war für Zeiten so guten Kaufs / daß unter den Griechen leicht einer was thun dorffte / umb vergöttert oder unter die Sternen versetzt zu werden. Zu Rom wäre so gar die Hure Flora / bey den Marsen die Zauberin Medea mit einem Tempel verehret worden. Es ginge ja noch wol hin / sagte Marcomir / wenn die Griechen und Römer in Herausstreichung ihres Eigen-Ruhms nur über die Schnure gehauen / nicht aber die Flecken ihrer Ungerechtigkeit anderer Völcker Unschuld / wie die Spinnen ihren giftigen Unflat reinen Blumen anschmiereten. Ich wil der Griechen Eitelkeit / weil sie den Deutschen wenig Leides gethan / unberühret lassen. Die Römer aber haben den Brennus und seine Deutschen bey Auszahlung ihres Löse-Geldes arglistig überfallen / die Stadt Alba / ihr Vaterland / aus blosser Ehrsucht vertilget / die Samniter wider Treu und Glauben hinters Licht geführet. Den dritten Krieg wider Carthago haben sie mit grösserm Meineyd angefangen /als sie den Mohren niemals aufweltzen können. Geitz und Herrschens-Sucht habe ihren Krieg wider den Macedonischen König Philipp angezündet. Dem Antiochus / welchen sie zur Zeit des Africanischen Krieges unter dem Scheine falscher Freundschafft auff ihre Seite bracht / hätten sie gantz Asien disseits des Taurischen Gebürges und zehentausend Talent ohne rechtmässige Ursache abgezwungen. Dem Könige Perses hätten sie in einem Frieden / so lange er lebte /Heil und Sicherheit versprochen / ihn aber bald im Schlaffe erwürget; gleich als wenn dieses Bild des Todes nichts minder ihn aus der Zahl der Lebenden genommen / und ihr Bündniß zerrissen hätte. Den mit leeren Freundschaffts-Schalen sicher gemachten Eumenes hätten sie dem Antiochus verkaufft / den Attalus zum Knechte / und über sein Eigenthum zum Amptmanne gemacht; ja durch Einschiebung eines falschen letzten Willen seinem Sohne Aristonicus seiner Vor-Eltern Reich mit dem Degen abgerechtet /und ihn zum Schau-Gepränge geführt; gleich als von einem guten Vater ein mächtigerer / für dessen Boßheit er sich nicht fürchtete / zum Erben eingesetzt werden könte. Eben so hätten sie des Nicomedes und der Nysa Sohn von Bithinien verdrungen. Daß Crassus aus unsinniger Gold-Begierde des Pompejus und Sylla mit den Parthen getroffenes Bündnüß unglücklich gebrochen / wüsten die Römer selbst nicht genung zu verfluchen. Gegen die Gallier hätten sie eine Ursache vom Zaun gebrochen / und durch Arglist die unüberwindlichen Deutschẽ selbst aneinander gehetzt / um so wol die Uberwinder / als die Uberwundenen zu verschlingen. Gleichwol aber wolten sie niemals das Wasser getrübt / sondern nach ihrer Geschicht-Schreiber Groß sprechẽ / die halbe Welt / entweder durch gerächetes Unrecht / oder durch den ihren Bunds-Genossen geleisteten Beystand erobert haben;[95] Gleich als wenn nichts minder die Schwächern die Mächtigern / als die Tauben die Geyer zu beleidigen /nicht aber insgemein diese sich an jene zu reiben pflegten. Uberdis schrieben sie ihre Fehler und Niederlagen mit so fahler Dinte auff / welche niemand lesen könte; oder schämten sich wol gar nicht ihren Verlust mit Siegs-Geprängen zu verdecken. Weßwegen er nicht zweifelte / daß sie die Niederlage des Varus eben so wol verkleinern würden / als sie des Lollius vertuscht hätten. Alle hörten den eifrigen Marcomir geduldig an / weil sie entweder den Römern selbst nicht gar hold waren / oder eines Gefangenen Schuldigkeit zu seyn hielten / etwas zu verhören. Zeno aber nahm endlich das Wort von ihm / und sagte: Er wolte weder in einem noch dem andern das Wort reden. Alleine Laster würden so lange gefunden werden / als Menschen. Gute und Böse wären unter allen Völckern / wie weisse Leute und schwartze Mohren in der Welt. Die Römer wären von allzu grossem Glücke verblendet worden / bey welchem die klügsten Leute wie die hellesten Augen von der Sonnen Straalen ihr Gesichte einbüßten. Bey anwachsender Gewalt schiene / was vorträglich / auch recht zu seyn / und das Gelücke machte auch die sittsamsten kühn / das zu thun / was man bey niedrigerm Zustande verdammete. Unterdessen wäre das durch das Glücke verderbete Urtheil doch nicht so kräftig / daß man den Lastern nicht ihre Heßligkeit ansehen / und sich seine eigene Fehler zu rühmen überreden lassen solte. Die Eigenliebe hätte in der einen Hand einen Schwa / damit sie fort für fort sich zu saubern bemühet wäre; in der andern aber Kohlen / um andere damit zu schwärtzen; gleich als wenn frembde Besudelung unsern Brandmahlen / wie die finstere Nacht den Sternen einen Glantz zu geben vermöchte. Bey welcher Bewandnüß man ihm von den Römern nicht frembde zu machen hätte / daß sie lieber anderer / als ihre eigene Ankläger seyn / auch ihre eigene Unglücke lieber verhüllen / als durch derselben Eröfnung wie die Wunden durch Abreissung der Pflaster verärgern wollen. Ausser dem würden alle merckwürdige Geschichte insgemein ungleich und durch Ferne-Gläser angesehen / welche von fornen die Sachen vergrössern / von hinten zu aber verkleinern. Ja es wäre eine unabtrennliche Eigenschafft der Erzehlungen / daß selbte mit der Entfernung nicht anders / als die von einem Gebürge abkugelnden Schneeballen ohne ihre Schuld wüchsen. Denn wenn schon Haß oder Gunst sich nicht mit auff die Wag-Schale legten / so hätte doch Glück und Irrthum mit die Hand im Spiele / und strichen dem Wesen einen falschen Firnß an. Auch diß /was an sich selbst groß genung wäre / behielte sein Maaß nicht / sondern der Nahme überwiege die eigene Schwerde. Der grosse Alexander hätte selbst gestanden: Man redete mehr von ihm als wahr wäre. So haben die Deutschen hingegen von ihnen zu rühmen /fing Malovend an / daß sie mehr thun / als man von ihnen saget. Rhemetalces lächelte / mit Beysetzung dieser Worte: Wir haben es leider / und du zwar an deinen eigenen Landsleuten wol erfahren. Aber / Malovend / so viel aus deinen Worten verlautet / bistu deinem Vaterlande nicht gram / was hat dich denn bewogen dich auff der Römer Seite zu schlagen? Malovend zoch die Achseln ein und seuffzete. Sie hätten ihm auch ferner angelegen die Ursache zu eröffnen; es brachten aber die Jäger gleich vier grosse hauende Schweine gejagt / welches ihr Gespräche unterbrach /und sie nach ihren Waffen zu greiffen nöthigte. Zeno warff das förderste mit einem Wurffspiesse / alleine es lieff mit selbtem gleichsam ohne einige Empfindligkeit der Wunden hinweg / so bald es sein Wasser gelassen hatte. Denn ausser dem können sie nicht starck lauffen. Rhemetalces schoß etliche Pfeile auff das andere / sie vermochten aber nicht einst durchzudringen. Malovend aber sprang nach seiner Landes-Art eilfertig vom Pferde / ließ ihm den [96] nechsten Jäger ein Eisen langen / hielt selbtes gegen dem dritten Schweine / welches gantz verblendet darein lieff / und mit diesem Fange steintodt zur Erden fiel. Rhemetalces fing hierüber an: Ich gläube / daß die wilden Schweine in Deutschland keine Augen haben / daß sie sich so selbst auffopffern. Ja / sagte Malovend / wie in der gantzen Welt die Menschen / welche entweder Furcht oder Begierden verblenden. Hiermit gab er dem vierdten Schweine einen gleichmäßigen Fang. Zeno fing hierauff an: Ich sehe wohl / daß Malovend diß Handwerck besser als wir gelernet / sprang hiermit / nach dem er noch unterschiedene grosse Stücke folgen sahe / vom Pferde / welchem Rhemetalces bald folgete. Jener begegnete einem Hauer gleichfalls mit einem Eisen / welches zwar wohl antraff / aber am Holtze in stücken brach / also er mit seinem Degen sich zu beschirmen gezwungen ward. Diesem gelang es noch ärger. Denn das Schwein rennte ihn gar über einen Hauffen / verletzte ihn auch ein wenig in die Hüffte / weßwegen die Jäger etliche der grossen Britannischen Tocken auff sie loß lassen musten. Diese hielten die Schweine bey den Ohren so feste / daß man ihnen die Eisen ohne einige Kunst ins Hertze stossen konte. Nachdem nun wohl zwölff Stück erlegt / fing Zeno an: Ich glaube / daß P. Servilius Rullus aus diesem Forst entsprossen sey / weil er zu Rom mit den wilden Schweinen so grosse Verschwendung an gefangen / und der erste gewest / der iedem Gaste ein gantzes Schwein fürgesetzt. Ja / sagte Zeno / und diese würden auch wohl dem Apicius das Gewichte halten / der keines auffsetzen ließ / welches nicht tausend Pfund schwer war. Malovend antwortete: zum wenigsten hat er diesen Pracht von den Deutschen gelernet / welche bey ihren Hertzogs-Wahlen nicht nur gantze Schweine / sondern grosse Ochsen braten. Zeno aber fiel ein: Er wundere sich vielmehr / daß die deutschen Schweine so wohl ihre Landsleute kenneten / in dem sie nur die Ausländer beleidigten. Malovend versetzte diesen Schertz: vielleicht wären sie so klug oder gütig / als die Tyrintischen Schlangen / die Nattern am Phrat / und die Scorpionen auff dem Berge Latmus / von denen man ihn zu Rom im Ernst bereden wollen / daß sie gegen die Eingebohrnen gantz kirre wären / auch ihnen kein Leid anthäten. Ich begehrte ihrer vernünfftigen Unterscheidung / sagte Rhemetalces / nicht so viel / als auff die Stärcke gegenwärtiger Hunde zu trauen. Zeno fiel ihm ein: Er wünschte / daß diese Gegend noch streitbarere Thiere hegete / um zu versuchen / ob diese Hunde auch Löwen und Elefanten bemeistern könten / wie die /welche der König in Albanien und Sophites in Indien dem grossen Alexander verehret hätten. Ich weiß / sie würden ihren Feind nicht scheuen / antwortete Marcomir. Denn die Gallier holten sie aus Britannien /und brauchten sie wie die Garamanten in Schlachten an statt der Kriegs-Knechte / und die Colophonier stelleten sie Gliederweise in die Spitze des Treffens. Die Cimbrer richteten ihre eigene Hunde darauff ab. Rhemetalces fuhr fort: Ich habe gemeint / meine Nachbarn die Magneten führten nur mit Hunden Kriege. Ja sagte Zeno; brauchte sie nicht König Masinissa zur Leibwache? und noch heute zu Tage ist diß in Africa nicht ungemein. Die Römer selbst haben solche als M. Pomponius Sardinien eingenommen / zu Ausspührung ihrer in öde Oerter geflüchteten Feinde gebraucht. Rhemetalces antwortete ihm: alles diß ist der Hunde Eigenschafft ähnlicher / als daß sie zu Rom auff den Schau-Bühnen die Stelle und Verrichtungen der Gauckler vertreten. Sie sollen uns / rieff Malovend / hier zuversichtlich auch ein nicht unangenehmes Schauspiel fürstellen / und erinnerte sie rückwärts umzuschauen / allwo die Jäger zwey grosse Bären gegen sie auffgejagt hatten. Die sich erschütternden Pferde aber hatten dieser [97] Thiere Näherung schon / ehe sie sie zu Gesichte beko en / angedeutet /weil die Natur beyden einen unversöhnlichen Haß eingepflantzt. Die ausländischen Fürsten wolten etliche von den Britannischen Tocken auff sie loß lassen; Malovend aber meinte / es wäre an einer genug. Denn an den andern Bär würde sich wohl ein einiger Jäger machen. Der loßgelaßne Hund griff alsbald den grösten Bär an / und machte ihm so viel zu schaffen / daß er sich für ihm auff einen Eichbaum flüchtete; nach welchen sie hernach mit Pfeilen so lange zum Ziele schossen / biß er nach vielen empfangenen Wunden herab fiel. Den andern Bär aber griff Alfelsleben / ein von Fußauff gewaffneter Cattischer Edelmann des Fürsten Adgandesters / an; gegen welchen sich der Bär aufflehnte / und als er ihn mit den fördern Klauen umarmete / fiel der Jäger mit allem Fleiß zurücke /und stach ihm ein Messer durch den Bauch ins Hertze / daß er über ihm steintodt liegen blieb. Ehe sich aber dieser unter dem Bären herfürweltzte / fing der ihn begleitende Hund erbärmlich an zu winseln / fiel den todten Bären auffs grimmigste an / und als dieser sich nicht regte / stürtzte sich der Hund in den nechsten See / hätte sich auch darinnen vorsätzlich ersäuffet /wenn nicht der hinzu lauffende Jäger durch sein Zuruffen ihn davon abwendig gemacht hätte. Sie verwunderten sich alle über dieser Begebniß / und sagte Rhemetalces / daß es doch kein ander Thier an Liebe und Treue gegen den Menschen den Hunden gleich thäte. Man hätte mehr als tausend berühmte Beyspiele / daß sie für ihre Herren biß in Tod gefochten / auch nach etlichen Jahren ihre Mörder angefallen und entdeckt hätten. Ja des Eupolites Hund wäre über seinen Absterben erhungert / des Xantippus wäre seinem Schiffe so lange nachgeschwommen / biß er ersoffen /des letzten Darius Hund wäre sein einiger Todes-Gefärthe gewest / des Lystmachus und Pyrrhus hätten sich in ihre brennenden Holtz-Stöße gestürtzet.

Die Verzweiffelung dieses getreuen Hundes war kaum vorbey / als Alfelsleben / der den Bär in Eil ausgeweidet hatte / keine geringe Bestürtzung von sich blicken ließ. Wie nun dieser dem Jägermeister den Verlust seines eisernen Ringes / als die Ursache seiner Bekümmernis andeutete / zohe Zeno einen köstlichen mit Diamanten versetzten Ring vom Finger / und reichte selbten diesem Cattischen Edelmanne /um dardurch seinen Schaden zu ergäntzen. Alfelsleben bezeugte gegen dieser Fürstlichen Freygebigkeit die höfflichste Demut / und weigerte sich dieses Geschencke anzunehmen / anziehende / daß der Werth seines verlohrnen eisernen Ringes durch keinen andern / auch durch den mit einem köstlichen Opal versetzten Ring nicht ersetzt werden könte / welchen der Rathsherr Monius gehabt / und so hoch geachtet / daß er sich lieber damit ins Elend verjagen lassen / als solchen dem geitzigen Antonius abtreten wollen; noch auch um denselben Ring / um dessen Kauff zwischen dem Cöpio und Drusus eine Todt-Feindschafft und ein schrecklicher Krieg erwachsen. Rhemetalces fing an: in was denn die Kostbarkeit dieses Ringes bestanden / weil selbter nur für eisern angegeben würde? Ob selbter eine geheime Krafft wie derselbe Ring in sich gehabt habe / welchen der Königliche Hirte Gyges in einer Höle einer in einem ertztenen Pferde verwahrten Leiche abgezogen; sich damit als wie des Pluto oder der Hölle Helm ebenfals die Krafft gehabt haben soll / unsichtbar und zum Könige in Lydien gemacht hätte? oder ob dieser Ring den Alfelsleben / wie des Phecensischen Fürsten zwey Ringe / durch ihren Klang erinnert hätten: Ob er diß oder jenes thun oder lassen solte? Alfesleben / welcher in dem Eingeweide des Bären seinen Ring bekümmert suchte / gleichwohl aber das eine Ohr bey dem Gespräche dieser Fürsten hatte / antwortete: Wo die Anreitzung der Tugend etwas bessers / als die betrügerischen Künste der Zauberey wäre / würde sein Ring zweiffelsfrey [98] höher als alle erwehnte / ja auch als des Eucrates Ring / darinnen des Pythischen Apollo Bild alle Heimligkeiten ihm entdeckte / und andere zu achten seyn / krafft welcher Timolaus alle Schwerden erheben / durch die Lüffte flügen / iederman einschläffen / und alle Schlösser öffnen wolte. Uber diesen Worten fand Alfelsleben den Ring in einem Darme des Bäres / welchen er mit grossen Freuden dem ihn zu sehen verlangenden Fürsten Zeno reichte. Bey dessen erstem Anblicke er anfing: es ist dieser Ring ziemlich weit / und zum Verlieren gar geschickt. Weil er nun so hoch geschätzt wird / muthmaße ich / dessen Weite werde so wohl als der Ring des dem Jupiter zu Rom geweyhten Hohenpriesters etwas sonderlichs anziehlen; in dem dieser ihn erinnerte / daß er nichts gezwungenes für die Hand nehmen solte. Ja / sagte Marcomir / nichts anders zielet auch dieser deutsche Ring an; daher auch kein Leibeigner solchen bey Lebens-Straffe tragen darff. Uberdiß kömmt auch dieser Ring dem erwehnten priesterlichen bey / daß er mit keinem Steine versetzt ist. Zeno fiel ein: bey andern Völckern aber sind die eisernen Ringe der Leibeigenen Merckmahl /wie die silbernen der unedlen Freyen. Wiewohl beyde sich aus einem verborgenen Ehrgeitze unterstehen denen edlen einzugreiffen / und unter der Farbe oder Schale des Stahles Gold zu tragen. Malovend antwortete: Es ist nicht ohne / daß Eisen und Stahl dem Golde nicht zu vergleichen; sondern vielmehr solche Ringe von eben dem Metalle / worvon insgemein die knechtischen Fessel seyn. Mir ist auch nicht unwissend / daß zu Rom die ersten güldnen Ringe nur die Botschaffter / die Raths-Herren / und die Rathsfähigen Geschlechte / welche nach der Cannischen Schlacht alle ihr Gold in den gemeinen Kasten gelieffert / hernach die Ritterlichen getragen / und daher Mango aus der grossen Menge der abgenommenen güldenen Ringe zu Carthago die Anzahl der erschlagenen edlen Römer erwiesen habe. Durch welches Kennzeichen des Cornutus Knechte des Marius den Cornutus zu ermorden befehlichte Kriegs-Leute betrogen; indem sie unter dem Scheine ihres schon entseelten Herrn einer gemeinen Leiche güldne Ringe angesteckt / und sie für des Cornutus zu Grabe getragen. Wiewohl freylich das Recht güldne Ringe zu tragen hernach auff die Kriegs-Hauptleute / nach diesem auff die außerlesnen Kriegs-Männer / ferner auff die Edelleute / welche viertzig tausend Sestertier in Vermögen zeigen konten / verfiel. Ja endlich steckte Verres /wiewohl mit grossem Unwillen des Römischen Adels / seinem Schreiber / Sylla seinem Schauspieler Roscius / Käyser Julius dem unedlen Laberius / Balbus dem Gauckler Herennius Gallus / Käyser August dem vom Pompejus mit der Schiffs-Flotte übergehenden Mena / und seinem Artzte Musa einen güldnen Ring an; also / daß zuletzt dieses güldne Geschencke nur für ein Zeichen der Loßlassung aus der Dienstbarkeit angenommen ward. Nichts destoweniger ist unläugbar / daß Prometheus / welcher der Ringe Erfinder gewesen seyn soll / einen eisernen getragen / und daß bey denen Spartanern ein eiserner Ring ein Kleinod der Edlen / zu Rom eine Zierde des Königs Numa in seinem ertztenen Bilde war / daß bey denen alten Römern die gleich mit einer güldenen Krone im Siegs-Gepränge einziehenden Uberwinder / und insonderheit Cajus Marius / als der dem König Jugurtha an seinen Wagen gespannet einführte / doch einen eisernen Ring am Finger truge / ja die Römischen Gesandten in ihren Wohnungen nur eiserne ansteckten / die Römer auch noch nur mit dergleichen ihre Bräute beschencken. Ich habe zu Rom selbst zu der Zeit / als Käyser August das Volck in zehn und zehn abtheilte /die Richter in ansehnlicher Zahl sitzen / und in der meisten Händen keine andere als eiserne Ringe gesehen / und hat man mich versichert / [99] daß der Römische Adel keine andere tragen dörffte / wenn sie der Stadt-Vogt nicht mit einem güldenen beschenckt hätte / ungeachtet die von ihnen überwundenen Sabiner lange vorher insgemein an den Fingern und Armen güldene mit Edelgesteinen versetzte Ringe und Armbänder geführet. Endlich mag auch der Käyser so heilig geschätztes Bild zu Rom nichts minder in eiserne / als güldene Ringe geprägt werden. Zeno betrachtete inzwischen Alfeslebens Ring auffs genaueste / fing hierauff an: Ich finde an diesem Ringe weder Kunst noch Kostbarkeit / vermuthlich aber wird er wegen einer verborgenen Ursache ein Ehrenzeichen des deutschen Adels seyn. Vielmehr ein Merckmahl der Schande /versetzte Marcomir. Denn es müssen ihn alle Catten so lange tragen / biß sie einen Feind überwunden /gleich als wenn sie durch solche Heldenthat sich von einem Fessel der Verachtung befreyen müsten. Nach dieser Art darff kein Cherusker und Catte auch für Erlegung eines Feindes weder Haupt noch Bart bescheeren lassen / gleich als wenn er durch ein dem Vaterlande zu liebe gethanes Gelübde das Haar so lange zu tragen verpflichtet wäre. Hertzog Zeno fragte: Warum denn dieser junge Edelmann um den Verlust dessen /was er loß zu werden so sehr wünschte / so bekümmert gewesen wäre? Weßwegen / seiner Meinung nach / er dieses Schmach-Zeichen mehr Ursache in diesen Pfuhl / als Polycrates und Sextus Pompejus ihre Ringe ins Meer zu werffen gehabt zu haben schiene. Marcomir antwortete: Es wäre denen / welchen diese Ringe zu tragen von ihrem Fürsten einmahl ausgetheilet worden / verkleinerlich / wenn sie selbte verliehreten; gleich als wenn sie das Denckmahl ihrer Tugend und versprochenen Tapfferkeit so geringschätzig hielten und ausser Augen setzten. Zu dem wäre der Deutschen Gewohnheit / daß die Fürsten um den Sieg / die Edlen aber für den Fürsten kämpfften / und die Ehrerbiettung gegen ihre Fürsten so groß / daß sie für Gewinn und Ehre schätzten /wenn sie mit einem ihnen gleich schädlichen Gehorsam der Fürsten Befehl befolgten / und aus einer ihnen zu wachsenden Schande ihm Ruhm und Ehre zuschantzen könten. Fürnehmlich aber wäre es dem Alfesleben darum zu thun / daß er in der letzten Schlacht dreyer Gallier und zweyer von ihm erlegter Römer Köpffe eingebracht hätte / und er also folgenden Tag dem Cattischen Hertzoge Arpus diesen Ring als ein Pfand seiner numehr bewehrten Hertzhafftigkeit zurück lieffern solte; worgegen er nach der Deutschen Gewohnheit zum Siegs-Lohne mit einem Schwerdte / einem Bogen / oder einer Rüstung / zuweilen auch wohl mit einem güldenen Ringe / nach des Hertzogs Gefallen und des Siegers Verdienste beschencket würde. Ausser solchen durch Tapfferkeit erworbenen dörffte kein deutscher Rittersmann keinen güldenen Ring tragen. Rhemetalces fing an: es ist diß sehr löblich und dem Carthaginensischen Gesetze nicht ungleich / welches verbot / mehr Ringe anzustecken / als einer Feldzüge gethan hatte. Sonsten wären alle erzehlte Dinge der Tapfferkeit wohlanständige Geschencke. Insonderheit wäre die Verehrung der Ringe in dem tieffsten Alterthume schon bräuchlich gewest. Denn wie diese nicht nur zu Versicherung der Wetten / der Gelübde / der Heyraths-Schlüsse gegeben worden; also habe die Stadt Cyrene einen kostbaren Ring schmieden / das köstliche Kraut Silphium / welches auch unter andern Schätzen dem Delphischen Apollo gewidmet war / darauff prägen lassen / und solchen ihrem Urheber Battus als ein Zeichen ihrer Danckbarkeit; Philip / als er wider die Bysantzier zohe / dem grossen Alexander / dieser auff dem Tod-Bette / als ein Erkäntniß seiner treuen Dienste / oder ein Zeichen des ihm zugeigneten Reiches dem Perdiccas / der krancke August [100] dem Agrippa seinen Ring gegeben. Malovend nahm das Wort von ihm und fing an: Es wäre die Art mit dem Ringe einem die Nachfolge der Herrschafft zuzueignen / oder sonst eine ungemeine Vertrauligkeit anzudeuten / wie Alexander gegen dem Hephestion mit seinem an den Mund gedrückten Ringe gethan / als er ihme Olympiens geheime Schreiben zu lesen gab / auch in Deutschland nicht unbekant / und pflegten die Catten diese eiserne Ringe ihrer Ahnen auffs fleißigste zu verwahren. Sonst wären diese Ringe vielleicht deßwegen stählern / weil bey denen alten Deutschen dieses in der Haushaltung und im Kriege nützlichere Ertzt in grösserm Ansehen / als das Gold / auch dem Kriegs-Gotte zugeeignet gewest. Aus welchem Absehen / und weil die rechte Hand meist die Ausüberin der Tapfferkeit seyn muß / der Daumẽ und mitlere Finger auch der stärckste ist / diese eiserne Ringe auch nur in der rechten Hand / und zwar in oberwehnten zweyen Fingern getragen würden. Da hingegen die meisten Völcker die aus blosser Wollust angenommene Ringe in der müssigern und verborgenern lincken Hand / und in dem Finger neben dem kleinern / gleich als wenn nach der Egyptier wiewohl irrigen Meinung aus diesem Goldfinger eine kleine Ader zu dem vom Golde Stärckung empfangenden Hertzen ginge / trügen / den Daumen und mittlern Finger damit niemahls besteckten. Diese Erzehlung vergnügte die fremden Fürsten überaus / und nachdem Rhemetalces diesen Ring gleichfals wohl betrachtet hatte / fing er an: Ich finde in diesem Ringe gleichwohl noch etwas / was Fürst Zeno nicht angemercket / oder gemeldet; Denn es ist in ihn was gebeitzet / welches ich aber noch nicht recht erkennen kan. Für kein Bild eines Gottes darff ich es nicht annehmen / weil ich weiß / daß die Deutschen mit den Egyptiern dißfals nicht einig sind / welche des Harpocrates und anderer Götter Bilder gar gemein an Fingern tragen. Vermutlich aber wird es iemand berühmtes von dieses Edelmanns Ahnen oder aus seinen vertrauten Freunden seyn. Massen ich in Griechenland und zu Rom diese Gewohnheit wahrgeno en / und bey dem Germanicus den Ring mit des Africanischen Scipio eingeetztem Haupte gesehen /welchen das Volck seinem unwürdigen Sohne / als er sich die Stadtvogtey zu suchen unterstand / abgezogen hat. Käyser Julius hat der gewaffneten Venus Bild /von welcher er nichts minder entsprossen / als seine Aehnligkeit empfangen zu haben vermeinte / getragen. In Griechenland pflegen noch die Nachfolger des Welt-Weisen Epicurus sein Bild in ihren Ringen zu verehren / in ihre Säle zu setzen und auff ihre Trinck-Geschirre etzen zu lassen. Alfesleben antwortete hierauff selbst: Es ist weder eines noch das andere / sondern ein Schild / und darauff das Haupt des Tuisco /zu meiner Erinnerung / daß nichts schändlichers sey als im Kriege den Schild einbüssen; und daß alle edele Gemüther in die Fußstapffen ihres niemahls überwundenen Tuisco zu treten schuldig sind. Zeno fing hierüber laut an zu ruffen: diß ist ein so schönes Sinn-Bild / als dieser junge Ritter tapffer ist. Nichts nicht kan einem einen grössern Zug zur Tugend / als das Anschauen eines berühmten Helden verursachen. Also hat Aristomenes des Agathocles / Callicrates des Ulysses / und Käyser August des grossen Alexanders Bild in ihren Ringen getragen / und Tiberius siegelt schon mit des Augustus. Callicrates hat so gar nach Ulysses Kindern den seinigen ihre Nahmen gegeben /und das Römische Geschlechte der Macer trägt nicht nur in Ringen / in Trinckgeschirren und Waffen; sondern auch das Frauen-Zimmer Alexanders Bild mit Perlen / Gold und Seide gestickt auff ihren Hauben /Kleidern und Zierrathen. Auch hat mir zu Rom Lucius Macro ein vertrauter des Tiberius eine aus Agtstein gearbeitete Schale / als das schätzbarste Kleinod ihres Geschlechtes / gewiesen / in welche [101] vom berühmten Pyrgoteles Alexanders Thaten auffs künstlichste gegraben sind. Rhemetalces / der noch immer den Ring betrachtete / brach ein / und sagte: Ich finde inwendig noch einen in diesen Ring gegrabenen Löwen. Alfelsleben fiel ihm bey / und berichtete / daß die Hertzoge der Catten dieses hertzhafte Thier zu ihrem Geschlechts- und Feld-Zeichen brauchten / und deßwegen alle solche eiserne Ringe damit bestempeln liessen. So führen sie / antwortete Rhemetalces / mit dem grossen Pompejus einerley Merckmahl / weil dieser stets einen mit einem Schwerdte gerüsteten Löwen in einen Sardonich-Stein gegraben am Finger trug / und damit siegelte. Massen dieser Ring dem todten Pompejus auch vom Achille abgezogen / dem Käyser Julius mit dem eingehüllten Haupte überschickt / und damit sein zu Rom ungläublicher Tod bestärcket ward. Zeno setzte bey: Es wäre die Zuneigung gewisser Sinnen-Bilder iederzeit im Brauche gewest. Die Egyptischen Kriegsleute hätten insgemein einen Kefer / als ein Bild der Tapferkeit / weil es keinen Kefer weiblichen Geschlechts gebe / Areus der Spartaner König einen Adler / Darius ein Pferd / Amphitruo den auffgehenden Sonnen-Wagen mit vier Pferden / die Locrer den Abend-Stern / die Könige in Persien das Bild der Heldin Rhodogune mit zerstreueten Haaren /welche bey derselben Aufflechtung eine erlittene Niederlage erfahren / und selbte nicht eher / als biß nach verübter Rache zuzuflechten sich verschworen hat /Clearchus die tantzenden Jungfrauen zu Sparta / welche alle Jahre die Caryatische Diana also verehreten /Sylla die Ergebung des Königs Jugurtha / und zuweilen drey / Timoleon ein Sieges-Zeichen / weil er derogleichen Ring in dem Kriege gegen den Icetes aus dem Looß-Topfe gezogen / Intercatiensis des Scipio Emilianus Sieg über seinen eigenen Vater / Pyrrhus den Agath mit den Musen / August einen Sphinx / Seleucus und seine Nachkommen einen Ancker / Mecänas einen Frosch / Ißmenias das Bild der Amimone in ihren Ringen geführet. Unter diesem Gespräche brachten die Hunde eine grosse Sau aus dem Gesümpfe herfür gejagt / welcher der wegen seines wiedergefundenen Ringes frohe Alfelsleben mit dem Eisen muthig entgegen ging. Zu allem Unglücke aber brach der Stiel entzwey / und Alfelsleben fiel über einen Hauffen. Die schwere Rüstung hinderte ihn geschwinde aufzuspringen die andern aber die Ferne /ihm im Augenblicke Hülffe zu leisten; und also kriegte diese grimmige Sau Zeit / diesen hurtigen Edelmann im Bauche und in der Seite / wo er ungeharnischt war / gefährlich zu verwunden / also / daß die Jäger ihn halb todt in das nechste Jäger-Haus zur Verbindung tragen musten. Wie nun alle hierüber ein sonderbarhes Mitleiden bezeugten / fing Rhemetalces an: Ich sehe gleichwohl aus diesem Beyspiele / daß die aus denen Ringen zuweilen genommene Andeutungen nicht blosse Eitelkeiten seyn / sondern gewisse Geheimnüsse in ihren Kreissen verborgen stecken /wie Polycrates mit seinem Schaden / Timoleon mit seinem Frommen erfahren / weil jenem dadurch sein Untergang / diesem ein herrlicher Sieg wider die Leontiner angedeutet ward. Also sagte Esopus den Samiern mehr denn allzu wahr / als ein Adler ihren Ring / damit der Rath zu siegeln pflegte / mit in die Lufft nahm / und in eines Knechtes Schooß fallen ließ; sie würden unter eines Königs Dienstbarkeit verfallen. Marcomir begegnete ihm: Er hielte den Verlust des Ringes und Alfelslebens Verwundung für einen blossen Zufall; und also auch diese der Ringe wie auch andere eingebildete Andeutungen für Aberglauben. Er gestünde gerne / daß in köstlichen Edelgesteinen / als in welche die Natur gleichsam ihre Kunst und Herrligkeit zusammen gezwänget hat / nichts minder als der Magnet absondere Kräffte in sich hätte / aber nur natürliche und der Vernuft gemässe. Daher er [102] denn für ein bloß Getichte hielte / daß ein in eines Hahnes Magen gefundener Stein den Milo Crotoniates unüberwindlich gemacht habe. Gleicher gestalt wäre ihm unglaublich oder eine Zauberey / daß iemals ein in ein Glas gehenckter Ring gewisse daran gehaltene Buchstaben durch seine Bewegung bezeichnet /und einen Nachfolger im Reiche angedeutet; daß der weltweise Eudamus Ringe bereitet hätte / welche die Gespenster verjagt / die Schlangen-Bisse verhindert /und die Verstorbenen zu erscheinen genöthigt; Moses aber mit einem / seinem Egyptischen Weibe seiner und aller vorhergehenden Vergessenheit beybracht. Weßwegen er auch diß für den ärgsten Aberglauben hielte / wenn etliche Wagehälse aus denen vom Kreutze genommenen Ketten / oder von den Klingen der Scharffrichter ihnen zu allerhand verdächtigem Gebrauche (wie der ruchlose Eucrates gethan haben soll) Ringe schmieden lassen. Rhemetalces versetzte: Keine gründliche Ursache könte er so wenig geben /als die scharffsichtigsten Weltweisen in vielen andern Geheimnüssen. Unterdessen bekräfftigte es die Erfahrung und ihr heutiges Beyspiel. Niemanden wäre iemals ein Stein aus dem Ringe / oder der Ring selbst zersprungen / dem nicht ein Unglück auff dem Nacken gesessen. Woraus allem Ansehen nach geflossen zu seyn schiene / daß die Traurenden / die Fußfälligen / die zum Tode verdammten die Ringe abnehmen /denen Sterbenden aber selbte abgezogen würden; gleich als weñ ihr Leid keines grössern Unglücks Ankündigung aus ihren Ringen mehr zu erwarten hätte. Ihrer viel hätten deswegen umb auff den Nothfall ihrem Leben abzuhelffen / Gifft in ihren Ringen verwahret. Massen Demosthenes dardurch dem vom Antipater abgeschickten Mörder Archias / und Hannibal des Flaminius Kriegsleuten zuvor kommen wären /und der Bewahrer des von dem Camillus dem Capitolinischen Jupiter gewiedmeten Schatzes hätte mit Zerbeissung eines in seinen Ring eingesetzten Steines ihm augenblicklich sein Leben verkürtzt / als Marcus Crassus daselbst zweytausend Pfund Goldes weggenommen. Also durchgraben die eitlen Sterblichen nicht allein die Eingeweide der Erde / und beschinden ihnen so viel Hände / nur daß eines einigen Fingers Glied gläntzend sey / sondern sie mühen sich auch ihre Scharffsinnigkeit zu Beförderung ihres Todes an zugewehren / also / daß wenn in der Tieffe der Erdkugel nur eine Hölle zu finden wäre / diese Kaninichen des Geitzes solche fürlängst untergraben / und / wo nicht Ertzt / doch Schwefel und Gifft daraus geraubet haben würden.

Die Sonne war hiermit schon über den Mittags-Wirbel gelauffen / als Hertzog Herrmanns Jägermeister sie in das unfern davon gelegene Fürstliche Jägerhaus zur Mittagsmahlzeit einlud. Dieses war ein sechseckichtes von gebackenen Steinen aufgeführtes /und mitten in einem lustigen Thiergarten gelegenes Gebäue / darinnen sie bey ihrer Ankunft unten auff einem gepflasterten Boden schon eine fertige Taffel fanden / und in dieser Wildnüß nicht allein den hungrigen Magen mit schmackhafter Kost / als das Gemüthe mit annehmlichem Gespräche sättigten. Wie sie aber im besten Essen waren / erhob sich in einem Augenblicke unter der Taffel ein Geprudel und Geräusche / das Wasser spritzte auch bald darauf so heftig in die Höhe / daß alle an der Taffel sitzende häuffig bespritzet / und darvon auffzuspringen genöthigt waren. Dieses Bad verursachte ein nicht weniges Gelächter / und Zeno fing an: Er hätte in dieser sandichten Fläche keine Wasser-Kunst gesucht. Der Graf von Uffen / des Feldherrn Jägermeister antwortete: Es hätte sie die Natur / keine Kunst an diesen Ort versetzet. Denn es wäre diß der berühmte Boller-Brunn /welcher alle Tage zweymal zwischen den Sand sich versteckte / und so vielmal wieder herfür springe /also nicht anders / als das Meer Epp und Fluth habe. Sie liessen [103] hierauff die Taffel hinweg rücken / umb diesen Wunder-Brunn so viel eigentlicher zu betrachten / und an einem sichern Orte die Mahlzeit zu vollenden. Zeno fing hierauff an: Dieser Brunn ko t mir für / wie der von mir auff der Reise aus Italien besichtigte Fluß Timavus in Histrien / dessen Strom ebenfalls von dem in die unterirrdischen Klüffte sich eindringenden Adriatischen Meere so sehr auffgeschwellet wird / daß er weit über seine Ufer sich ergeust /und selbige Landschafft wässert. Dahero halte ich dafür / daß dieser Boller-Bruñ gleichfalls von dem Aufschwellen des Balthischen Meeres seine Bewegung hat. Rhemetalces warff ein: Was wird aber für eine Ursache zu geben seyn / daß an dem Flusse Bätis ein Brunn / wenn sich das Meer ergeust / ab- und wenn es fällt / wieder zuni t? Daß bey den Helvetiern das berühmte Pfeffer-Bad im Anfang des Mayen Wasser beko t / im Mittel des Herbst-Monats aber selbtes wieder verliert; daß in dem Pyrenischen Gebürge ein Brunn im längsten Tage das Wasser mit grossem Geräusch heraus stöst / und weñ der Tag am kürtzsten / wieder verseuget? Zeno antwortete: Das erstere rührte her von den weiten und verdrehten unterirrdischen Wasser-Gängen / durch welche das eindringende Meer sich so geschwinde nicht durchzwängen kan; das andere aber könte nicht von dem Ab-und Zulauffe des Meeres / sondern / seinem Bedüncken nach / noch von dem zerschmeltzenden Schnee /welcher nach und nach mehr / als die bald abschiessenden Regen / in die Berge einsincke / herrühren. Wie ko ts aber / sagte Rhemetalces / daß es in Pannonien und in Histrien eine See gibt / die des Sommers vertrocknet und besäet wird / des Winters aber schwimmet und Fischreich ist; und daß in Syrien ein Fluß nur den siebenden Tag kein Wasser hat? Dieses muß aus der Gelegenheit des Orts unzweifelbar entschieden werden / versetzte Zeno. Denn es können wol daselbst solche Hölen sich befinden / die entweder den Sommer über / oder auch nur sechs Tage die zusammenrinnenden Fluthen auffzufangen fähig sind; hernach aber selbtes wie ein ausgedrückter Schwa durch gewisse Röhrẽ wider von sich geben müssen. Malovend fiel ein: Sie würden vieler Tage Arbeit bedürfen / die Wunder ausländischer Bruñen und Flüsse zu berühren / wiewol er viel für Gedichte hielte; als: daß in der Insel Cäa ein Brunn den / der daraus trincket / verdüstert / einer in Cilicien lebhafft / der Leontische gelehrt / in Sicilien einer weinend / der ander lachend / einer / ich weiß nicht wo / verliebt machen /einer in der Insel Bonicca verjüngen / der Fluß Selemnius in Achaien aber der Liebe abhelffen solle. Es lidte es auch nicht die Zeit von Deutschlands Wunder-Wassern zu reden; sondern er wolte nur von der engen Gegend nicht verschweigen / daß nahe von dar der Fluß Beche und Lichtenau sich unter die Erde verkriechen / und unfern von des Feldherrn Burg bey der Stadt Tenderium wieder hervor schüssen; wie der Fluß Anas in Hispanien / Lycius in Asien / Tigris in Mesopotamien / Timavus in Histrien / und viel andere auch thun sollen.

Uber diesem Wasser-Gespräche ward die Mahlzeit vollendet / da sie dann in einen über das gantze Gemach gehenden Saal empor stiegen / welcher mit allerhand Zierrathen ausgeputzt war / und rings herumb über den Thiergarten ein lustiges Aussehen auff die häuffig darinnen verschlossenen und miteinander spielenden Thiere eröffnete; worunter viel von Natur wilde Bären / Wölfe / Luchsen / entweder durch Gewohnheit gezähmt / oder ihnen ihre zur Verletzung dienende Waffen benommen waren. Umb den Saal herumb waren in Lebens-Grösse zwölff Helden gemahlet / derer Waffen genungsam andeuteten / daß es Deutsche wären. Zeno redete hiermit den Fürsten Malovend an: Ich habe mir Deutschland viel wilder beschreiben lassen / als ich es ietzt in Augenschein befinde. Und darff ich mich über die [104] Sitten der Einwohner nicht mehr so sehr verwundern / nach dem ich auch in ihren Wildbahnen die wilden Thiere zahmer als anderwerts antreffe. Man hat mich beredet: es wäre allhier ein unauffhörlicher Winter / ein immer trüber Himmel / ein unfruchtbares Erdreich; die Städte hätten keine Mauren / ihre Wohnungen wären Hütten / oder vielmehr Hölen des Wildes / mit derer Häuten sie sich der Kälte kaum erwehren / und mit der Rinde von den Bäumen sich für dem Regen decken müsten; das Feld trüge kein Getraide / die Bäume kein Obst / die Hügel keinen Wein. Ich erfahre numehr aber in vielen Sachen das Widerspiel. Diß Gebäue liesse sich auch wol bey Rom sehen / und auff unsere heutige Mahlzeit hätten wir auch den Römischen Bürgermeister Lucullus / ja den lüsternen Gauckler Esopus zu Gaste bitten köñen. Deñ haben wir gleich nicht von Indianischen Papegoyen das Gehirne / keine Egyptische Phönicopter Zungen / aus dem rothen Meere die Scarus-Lebern / aus dem Britannischen die Austern / vom Flusse Phasis die Phasanen / und Vögel / die reden können / gespeiset /oder in einer Schüssel / ja in einem Löffel eines gantzen Landes jährliche Einkunften verschlungen; so hat man uns doch solch wolgeschmackes Wildpret und Geflügel auffgesetzt / welches Africa / die Mutter der Ungeheuer / nicht der Köstligkeiten / mit allen seinen seltzamen Thieren nicht zu liefern gewust hätte / und uns besser geschmeckt / als jenen Verschwendern ihre unzeitige Gerichte / welche an sich selbst weder Geruch noch Geschmack haben / und nur deßwegen /daß sie kostbar und seltzam sind / verlanget werden. Ist unser Fuß-Boden nicht mit theurem Saffran bestreut / so ist er doch mit wolrüchenden Blumen bedeckt gewesen. Ich sehe wol / sagte Marcomir / daß unser Deutschland einen so geneigten Beschauer beko en / der es bey den Ausländern mit der Zeit in grösseres Ansehen setzen dörfte. Ich gestehe es: Wo mich die Liebe des Vaterlandes / in welchem uns die rauesten Steinklippen schöner als anderwerts die Hesperischer Gärte und das Thessalische Lust-Thal fürkommen / nicht zu einem ungleichen Urthel verleitet /daß bey uns das Erdreich nicht so rauh / der Himmel nicht so grausam / das Ansehen nicht so traurig sey /als es die üppigen oder durch hören sagen verleiteten Ausländer gemacht. Uberdis hat Deutschland von der Zeit her / da die Deutschen mit den Römern in Kundschafft gerathen / viel ein ander Gesichte bekommen /als es für hundert und mehren Jahren gehabt. Die /welche vorhin von nichts als von dem erlegten Wilde und Viehzucht lebten / haben nun gelernt den Acker bauen / fruchtbare Bäume / ja an der Donau und dem Rhein gar Weinstöcke pflantzen. Wir zeugen itzt so viel eßbare Kräuter und Wurtzeln / wir machen unsere Speisen mit so frembden Würtzen an / welche man noch bey unserer Eltern Leben nicht einst hat nennen hören. Alleine ich weiß sicher nicht / ob diese Verbesserung Deutschlands Auffnehmen oder Verderb sey. Ich bin zwar kein Artzt / kein Kräuter- und Stern-Verständiger / ich kan mich aber nicht bereden lassen / der gütigen Natur diese Mißgunst auffzubürden /daß sie einem Lande was entzogen hätte / dessen man so wol zu seiner Gesundheit als Nothdurft unnachbleiblich benöthiget wäre. Warlich die Göttliche Versehung / welche allen wilden Thieren so reichlich ihren Unterhalt verschafft / ist dem Menschen so feind nicht gewest / daß er sein Leben zu erhalten so grosser Kunst und so fernen Zuführung dörffe. Kein Wald nähret so unfruchtbare Bäume / keine Wüsteney so stachlichte Disteln / welche nicht dem Menschen so wol die Nothdurft der Artzney / als der Speise gewehre. Jedermann könne seine Lebens-Mittel allenthalben und umbsonst finden. Mit Pappeln und Goldwurtz hätten sich fürzeiten gantze Völcker ausgehalten / und Könige nicht so verschwenderisch / als itzt gemeine Bürger gelebet. [105] Als die Königin in Carien Ada dem grossen Alexander viel niedliche Speisen geschickt /hätte er ihr zu wissen gemacht / daß die Nacht-Reise ein viel besserer Koch zum Früh-Maale / eine sparsame Mittags-Mahlzeit aber die Würtze seines Abend-Essens wäe. Aber nunmehr baute / nach dem Beyspiele der Sicilier / fast iedermann aus seinem Leibe der vielfrässigen Verschwendung einen Tempel. Diese Lüsternheit und der Uberfluß habe das menschliche Leben allererst so theuer gemacht / und bezahle die Ungesundesten umb hundertfachen Preiß. In welchem Absehen des Zamolxis Meynung allerdings wahr wäre / daß alles Ubel und Gute des Leibes aus dem Gemüthe des Menschen herflüsse. Die Artzneyen / welche die Reichen aus Arabien und Indien kommen liessen / bräche ein Tagelöhner von gemeinen Stauden ab. Und da der Egyptier und anderer Völcker Götter nur die in ihrem Landstriche gewachsenen Früchte ihnen opfern liessen / wäre der Menschen Lüsternheit nach frembden Gewächsen zweifelsfrey eine schädliche Uppigkeit. Ein hungriger Magen nehme alles an /die Natur aber wäre mit dem schon vergnügt / was sie verlangt. Zeno fiel ihm ein: Es wäre keine Feindschafft / sondern ein Geheimnüß der Göttlichen Versehung / daß in einem Lande nicht alles wüchse /wormit sie durch solche Dürftigkeit die entfernten Völcker in ein allgemeines Band und Freundschafft zusammen knüpfte. Es ist diß / antwortete Malovend /eine annehmliche Heucheley unserer Schwachheiten /und ein scheinbarer Fürwand der Wollüstigen. Die Uppigkeit alleine hat uns gelehret ihre Gräntzen überschreiten / und anfangs nach überflüssiger / hernach gar nach schädlicher Kost gelüsten; welche uns vergiftet / da sie uns nähren soll. Man schätzet die Speisen nach dem Geschmacke / nicht nach der Gesundheit; ja man mühet sich nicht ohne empfindlichen Eckel frembder Gewächse Bitterkeit und den Gestanck der von dem äusersten Meere zu uns geschickter Fische zu gewohnen. Wie lange hat man den aus Indien gebrachten Zinober zu Rom unter die Artzneyen gemischt / ehe man erfahren / daß er selbst Gift wäre? Wie viel gemeinen Staub haben die Araber bey der Seuche solcher Sitten den Ausländern für Phönix-Asche und ein bewährtes Gesundheits-Mittel / diß /was in Sperlings-Köpfen gewachsen / für süsses Gehirne des Phönixes verkaufft; der doch niemals als gemahlt in der Welt gewesen ist. Wie viel köstliches gleich auch anderwerts zu finden / so kan ich mich doch schwerlich bereden lassen / daß die in den heissen Mittags- und Morgenländern wachsende Pfeffer /Ziemet / Muscaten und andere brennenden Früchte denen Mitternächtischen Leibern zuschlagen solten. Die Gestirne / welche uns allhier eine absondere Beschaffenheit von anderer Lands-Art geben / flössen denen hier wachsenden Kräutern und anderen eßbaren Dingen gleiche Eigenschafften ein. Dahero müssen sie uns unzweifelbar gesünder seyn / als die / welche mit der Wärmbde unsers Magens und dem Triebe unsers Geblüts keine Vergleichung haben. Rhemetalces setzte hierauff nach: Zeno ist meinem Vaterlande und meines Himmels Einflüssen näher; also scheinets /müste ich auch seiner Meinung näher als andern kommen. Denn da die Natur eine Feindin des Uberflusses wäre / wie Malovend meynte / würde er sie dazu selbst machen / wenn er alle Mittheilung frembder Land-Gewächse verdamte. Sintemal sie in vielen Land-Strichen mehr köstliche Früchte wachsen liesse / als die Einwohner verzehren könten. Ja in vielen unbevolckten Ländern finde man die edelsten Gewächse. Aus den unwirthbaren Sandflächen des grossen Scythiens komme die so nützliche Rhabarber; aus den unbewohnten Stein-Klüfften Asiens der bewehrte Bezoar und der kräfftigste Mosch. [106] Dahero schiene ihm der Anzielung göttlicher Versehung gemässer zu seyn / aus der milden Hand ihres Uberflusses lieber etwas aufsuchen / als selbtes ohne Gebrauch verderben lassen. Und ich weiß nicht / ob in fruchtbaren Ländern gelegene Völcker / welche den göttlichen Segen alleine für sich behielten / nicht schlimmer handelten / als die Phönizischen Kauffleute / welche wol ehe bey reichen Jahren den ihrem Bedüncken nach allzuhäuffig gewachsenen Pfeffer ins Meer geschüttet / wormit diese Wahre nicht zu wolfeil würde. Marcomir hingegen fiel dem Malovend bey und sagte: Es kömt mir für / dieser Uberschuß bestehe nicht auf so festem Grunde; oder der Schluß sey davon auch allzuweit gesucht. Denn mich bedünckt /man schreibe frembden Gewächsen mehr Wunderwercke zu / als man an ihnen befindet; Und es halte unser wunderwürdiger Holunder-Baum der Rhabarbar /unser Hirschhorn und Krebs-Augen dem Bezoar die Wage. Mosch und Zibeth aber ist eine leicht entbehrliche Würtze der Geilheit. Oder da wir selbtem auch nichts gleichwichtiges entgegen zu setzen haben; Geschicht es nicht so wol aus Armuth unsers Erdreichs /als aus unsorgfältiger Unwissenheit unsers eigenen Reichthums / welche mehrmahls Schätze besitzt / die sie nicht kennet. Wenn auch kein Volck nach keinen frembden Gerichten gelüstete / würde iedes seinen Vorrath allerdings aufzehren. In dem aber die Indianer aus Europa Weine verlangen / dieses nach ihren Gewürtzen etzelt / bleibet einem ieden von dem seinigen etwas übrig / welches doch sonst iedes Jahr / oder doch in einem andern bey sich ereigneten Mißwächsen aufginge. Da aber sich auch irgends ein warhafter Uberschuß ereignete / rühret er durch blossen Zufall und durch eigene Verwahrlosung der unersättlichen Menschen her. Zeno brach ein: Wie soll ich begreiffen / daß die Unersättligkeit als eine Mutter des Mangels einen Uberfluß nach sich ziehen solle? In alle Wege /versetzte Malovend. Wenn der Mensch sich mit dem seinen oder der Genügligkeit vergnügte / würde Geitz / Ehren-Ruhm und Herschenssucht so viel Völcker nicht vertilgen / so viel Länder nicht Volck-arm ma chen / und die Vergrösserung des menschlichen Geschlechts hindern; welches von der gantzen Welt Zuwachs selten was übrig lassen würde. Zugeschweigen: daß man aus frembden Ländern nicht so oft die Nothdurfft als den Zunder zu Wollüsten holet. Wie viel mahl hat Rom und Gallien aus Mangel Getreydes für Hunger geschmachtet / da es an Würtzen / Datteln /Indianischen Nüssen / Syrischen Balsamen / Perlen /Edelgesteinen / Purpur und Helfenbein / und andern zur Uppigkeit dienenden Sachen einen Uberschuß gehabt? Eben jener Mangel / fuhr Zeno fort / überweiset dich / daß ein Land dem andern auch in unentbehrlichen Sachen müsse behüflich seyn. Du hast Rom gesehen; Kanst du nun glauben / daß das schmale Welschland dieser Welt Volck genungsam Brodt geben / und man ihm seine Kornhäuser Egypten und Sicilien verschliessen möge! Malovend fragte alsofort: Ob die Natur durch ihre Fruchtbarkeit / oder nicht vielmehr Ehrgeitz / Wucher und Wollüste sechzig mahl hundert tausend Menschen in den engen Creyß des grossen Roms zusammen gezogen? Weist du aber / fuhr Rhemetalces heraus / daß Noth und Hunger deine Cimbern unter dem Könige Teutobach gezwungen in Welschland und Gallien einzubrechen /an das schwartze Meer sich zu setzen / ja gar in Asien überzugehen? Malovend antwortete ihm: Mehr das Wasser als der Hunger. Jedoch wil ich endlich wol glauben / daß ein Volck in gewissen Dingen mit dem andern Gemeinschafft haben müsse; Auch daß die Natur ein Theil der Welt für andern Ländern auskommentlicher versorget habe / und daß diß / was die Natur ohne des Menschen Zuthat selbigem liefert /nicht aber der unvergnüglichen [107] sterblichen Gemächte und Erfindungen endlich mitzutheilen sey. Wenn die Natur so selzame Vermischungen der Speisen mit Ambra / so frembdes Geträncke von Zucker / ausgepresten Beeren und Granatäpfeln / die Abkochung allerhand Balsam und Biesamkuchen; Die Aufbauung grosser Alabasterner Paläste / und Bergen oder Städten gleichsehende Gefilde / für nöthig befunden hätte /würde die / welche so vielerhand Speisen wachsen läst / die in den Trauben so köstliche Säffte kochet /die das grosse Gewölbe des Himmels / die Wunderhäuser des Gestirnes / die unterirrdischen Hölen / die geheimen Wasserleitungen des Meeres und der Flüsse / die Adern der Brunnen gebauet / auch diß / was die schwachen und alberen Menschen ihr nachaffen / zu bauen mächtig und vorsichtig genung gewesen seyn. Die Vorwelt hat ohne Bildhauer und Steinmetzer ruhiglich leben können. Es war die glückseligste Zeit /als noch kein Baumeister war / als niemand Zügeln brennte und über dem Steinschneiden schwitzte / da man die Decken nicht vergüldete / den Boden nicht mit Marmel pflasterte / die Wände nicht mit Persischen Teppichten behing; Da man auf Grase / nicht auf künstlicher geneheter Seide / oder gewebter Baumwolle saß / sondern aus vier Gabeln und vier Stangen und qverübergelegten Aesten in einer Stunde ein gantz Hauß bauete; Da Mitternacht sich mit wenigen Schoben für aller Kälte / das bratende Mohrenland in gegrabenen Hölen sich für aller Hitze beschirmete; Da man ohne der Serer Handlung / oder der Würmer Gespinste / ohne Tödtung der Purpur-Schnecke sich mit Hanf und Häuten kleidete; Da man sich mit Piltzen und gemeinen Baumgewächsen vergnügte / aus lautern Brunnen und unverdächtigen Bächen tranck. Zeno brach ihm ein: Er machte die Natur zur Stiefmutter gegen dem Menschen / da sie doch auch die wilden Thiere für eine so gütige Versorgerin erkennten. Diese wären alsbald / wenn sie das Tagelicht erblickten / bekleidet / ihrer selbst mächtig / und es wisse von sich selbst eine Biene die Kräuter zu unterscheiden / woraus sie Gifft oder Honig zu saugen habe. Ein Hirsch wisse mit was für einem Kraute er sich nach der Geburt reinigen solte. Das wilde Schwein wisse / sich mit Eppich / die Schlange mit Fenchel / der Bär mit Ameissen / der Elefant mit Oelbäumen / die Holtztaube mit Lorberblättern zu heilen. Der Adler sehe / der Geyer rüche / der Affe schmecke / der Maulwurff höre / die Spinne fühle besser und schärffer als der Mensch. Solte nun deßwegen die Natur diesem unholder als jenem seyn? Nein sicher! Denn die Vernunfft / als das eigentliche Kleinod des Menschen / welches ihn allein den Göttern ähnlich macht / übertrifft und vertrit alle andere Fürtreffligkeiten der Thiere / die Stärcke des Löwens / die Schönheit des Pfauen / die Geschwindigkeit der Pferde. Diese muß der Mensch zu seiner Unterhaltung und Wohlstande nichts minder anwenden; Als das Cameel seinen Rücken / der Hund seine Füsse / der Ochse seine Lenden / die Spinne ihre Kunst / die Ameiß ihren Fleiß / die Nachtigal ihre Stimme nicht müßig seyn läst. Die Natur / sage ich / hat uns die Vernunft deßwegen eingepflantzt: daß wir unser Leben dadurch für allen andern Geschöpffen nicht nur tugendhafft /sondern auch glückselig machen solten. Diese hat den Hammer / die Säge / die Axt / die Kelle / die Spille /den Weberstul und tausend andere Werckzeuge erfunden: Daß man Häuser gebaut / Wolle gesponnen /Seide gewebt / Speisen gekocht / Artzneyen bereitet /durch die Schiffarthen ein Ende der Welt mit dem andern vereinbart / und das dürfftige Leben mit tausendfachem Uberflusse beseligt hat. Eine elende Glückseligkeit! rieff Marcomir / welche den Leib mästet / das Gemüthe bebürdet / und die Seele besudelt. [108] Freylich wohl zeucht die Gemeinschafft mit frembden Völckern / die Erfindung so vielerley Künst eden Gliedern eine grosse Gemächligkeit / der Tugend aber einen unschätzbaren Verlust zu. Jemehr das Glücke und die Natur dem Leben liebkoset / ie in gefährlichern Zustand versetzt sie es. Was in Rosen verfaulet / wird in Nesseln erhalten. Die im Elende tauren /werden von Glückseligkeit verderbet. Daher ist die Natur daselbst / wo sie raue Klippen / kalte Lufft /sandichtes Erdreich geschaffen / eben so wenig für grausam zu schelten / als die Mütter zu Sparta / die ihre Söhne abzuhärten selbte für dem Altar der Orthischen Diana biß auffs Blut / zuweilen auch auff den Tod peitschen lassen. Die Tugend will durch keine weiche Lehre begriffen seyn. Ein Feldherr stellt den ihm liebsten Kriegsknecht an die gefährlichste Spitze; und den schätzen die Götter am würdigsten / an dem sie versuchen / was ein Mensch zu erdulten fähig sey. Von guten Tagen zerfliessen nicht allein unsere Gemüther / sondern die Wollüste reissen uns auch gleichsam die Spann-Adern aus unsern Gliedern. Wen in dem Glase-Wagen nie keine rauhe Lufft angegangen / wer die Hand nie in ein kalt Wasser gesteckt /den Fuß nie auff die blosse Erde gesetzt / der kan auch ohne Gefahr nicht einen mäßigen Wind / ein geringes Ungemach vertragen. Was man aber am härtesten hält / wird das tauerhaffteste. Der öfftere Sturmwind befestigt die Wurtzeln und Aeste der Eichbäume / weñ die in windstillen Thälern wachsende Pappeln morsch bleiben. Eines Schiffers Leib verträgt ohne Empfindligkeit die schlimmste Seelufft. Der Pflug härtet des Ackermanns Hände / die Waffen des Kriegsmanns Armen ab; das offtere Wetterennen macht eines Läuffers Glieder behende. Wie gesund und wohlgewachsen sind die Scythen / und andere Nord-Völcker / die in holen Bäumen wohnen / sich mit Fuchs und Mäuse-Fellen decken / mit Vogel-Federn kleiden / mit Eicheln speisen. Wie hoch steigen in ihren Geheimnissen die Persischen Weisen / welche / um zu den tieffen Nachsinnungen desto geschickter zu seyn / nichts als Kreßicht assen? Wie viel besser stand es zu Rom / da das Capitol unvergoldet /und nicht so ansehnlich als itzt des Lucullus Vorwerck / und des Messala Fischhälter / da ein Ochse nicht so theuer als itzt ein Fisch war / da die Samnitischen Gesandten den grossen Curius aus einem höltzernen Nappe gebratene Rüben essen fanden / und er so wenig von ihrem Golde als ihren Schwerdtern zu überwinden war / da der Zerstörer des Schatzreichen Carthago Publius Scipio nicht einen Scherff von ihrem Reichthume mit seinẽ Armuth vermischen wolte / da Lucius Emilius der Uberwinder des Königs Perses und Macedoniens die im Königlichen Schatze gefundene sechs tausend Talent nicht einmahl anzusehen würdigte / ob er schon seinen Söhnen so wenig verließ / daß sie seiner Ehfrauen die zugebrachten fünff und zwantzig Talent nicht erstatten konten / als itzt / da Freygelassene auff Helffenbeinernen Tischen speisen / da einem vollbrätigen Ausgeschnittenen kein Vogel und Fisch schmeckt /keine Blume reucht / als zur Unzeit; da einem lüsternen Gauckler Meer und Lufft zu arm sind neue Speisen genug zu geweren / da ein verfluchter Pollio seine Murenen mit Menschen-Fleisch mästet / da ein Tullius um einen höltzernen Tisch ein gantzes Vermögen gibt / da ein Raths-Herr aus nichts als edlen Steinen /Porcellan oder Cristallen / denen die Zerbrechligkeit ihren Preiß giebt / trincken mag / da die geile Julia an iedem Ohre drey reiche Erbschafften hängen hat / und weder dem Leibe noch der Scham dienende Kleider trägt / in welchen zu schweren nöthig wäre / daß sie nicht nackt gehe / und darinnen sie ihren Ehbrechern nicht mehr im Schlaff-Gemache weisen kan / als sie auf öffentlichen Plätzen zur Schau feil trägt. Da man jährlich wohl zwantzig Tonnen Goldes den Serern für Würtzen und Steine schickt / [109] da ein Fürst zum Begräbnisse seiner Ehebrecherin mehr Weyrauch und Balsam verbrauchet / als ein Jahr dessen in der Welt wächst. Wir Deutschen wusten nichts als von güldner Freyheit / konten die Laster nicht neñen / und die wir itzt den Römern nachthun / als wir auff Rasen Tisch hielten / und in Stroh-Hütten wohneten / da wir die Eingeweide unserer Gebürge nicht durchwühleten /und die geitzigen Fremden in den Adern Gold zu suchen veranlaßten / da wir bey Entzündung unserer Wälder Ertzt gefunden hatten. Urtheilet diesem nach /was dieser Herrligkeit für Elend / wie viel diesem Weitzen Spreu anklebe; und gläubet / daß wie die Natur keines Künstlers darff / die nöthigen Sachen gemein / die üppigen sauer zu erlangen sind / also die Natur Gott und der Tugend nicht unsers Wollebens halber den Menschen so tieffsinnig gemacht / und den Verstand verliehen habe. Fürst Zeno lächelte / und wendete sich zum Rhemetalces / meldende: Ich sehe wohl / Marcomir ist ein Weltweiser von der Secte des Zeno / und er würde mit dem Diogenes schon den Becher wegwerffen / wann er iemand aus seinem Hand-Teller trincken sehe. Allein ich lasse mich nicht bereden / daß die Götter die Tugend zur Straffe des Leibes in die Welt geschickt haben / daß der Schluß der Vernunfft auff eigenes Ungemach ziele / daß die Wollust alleine des Viehes Gut sey / daß das Wesen der Tugend in Bitterkeit bestehe / daß sie nichts als Wasser trincken / auff Disteln gehen / im Siechhause liegen und in Begräbnissen wohnen dörffe. Sondern ich bin vielmehr der Meinung / daß der Gebrauch von dem Mißbrauche zu unterscheiden / die Rosen nicht zu vertilgen sind / weil die Spinne Gifft draus sauget /und die Artzneyen nicht zu verbieten / weil die Boßhafften selbte zur Vergifftung mißbrauchen / ja daß es ein Theil der Weißheit sey / sich der unschuldigen Wollust ohne Laster gebrauchen. Und / wie es nicht vermuthlich / daß die Natur so viel köstliche Sachen entweder umsonst / oder nur zur Ergetzligkeit der Boßhafften geschaffen; also ist die Reinigkeit solcher Dinge nicht wegen Unmäßigkeit der Verschwender zu verdammen. Mecenas lag allerdings tugendhafft auff Damasten und Sammet / und versteckte seine Klugheit mit grösserm Nutzen des gemeinen Wesens unter den Schatten seiner kostbaren Lustgärten / wenn er den Käyser August von dem rauhen Weg der strengen Gerechtigkeit und Blutstürtzung abhielt / und mit vielerley Kurtzweilen ihn zu einer sanfften Herrschafft anleitete / wenn er mit seinen Wolthaten ihm die Welt zum Schuldner machte / mit seiner Auffrichtigkeit verursachte / daß der vermummte Hoff seine Larven weglegte / mit seiner Freygebigkeit die Begierde der Geitzigen überlegte / wenn er sein Haus mit kostbaren Gemählden / mit künstlichen Bildern aus Corinthischem Ertzte / mit Cristallinen Geschirren nicht zu seiner Hoffart Abgötterey ausputzte / sondern daß er dem / welcher etwas dran lobte / was zu verehren hatte. Womit er sicherlich tugendhaffter verfuhr / als jener Weltweise / der alle Menschen zu ihren eigenen Feinden machen wolte / ihnen selbst nicht allein nichts gutes zu thun / sondern ihnen Durst / Hunger /Frost / Marter / ja Strick und Messer einlobte. Alleine nachdem uns Marcomir so viel gutes von dem alten einfältigen Deutschlande rühmet / diese zwölff Bilder aber grösten theils nicht dieser Zeit Kinder zu seyn schienen / so wünschten wir wohl von ihrer gerühmten Glückseligkeit Wissenschafft und Theil zu haben. Es sind / antwortete Malovend / zwölff oberste Feldherren Deutschlands / und zwar alle Hertzog Herrmanns Voreltern; So viel ihrer kein Fürstliches Geschlechte aus seinem Hause zu zehlen hat. Und ich muß gestehen / daß ob wohl die Cherusker Hertzoge meinem Geschlechte / daraus ich entsprossen / stets auffsätzig gewest / doch ihre Thaten für andern ruhmwürdig zu achten sind. Zeno fing hierauff an: [110] Es ist löblich / die Tugend auch an seinen Feinden loben /und ist derogleichen Zeugnis so viel mehr von der Heucheley / und dem in selbter verborgenen heßlichen Laster der Dienstbarkeit entfernet. Hingegen ist auch der glaubwürdigsten Freunde Urtheil verdächtig / weil selbtem auch wider ihren Vorsatz wo nicht eine Heucheley / doch eine zu gütige Gewogenheit anhänget. Diesemnach wir denn so vielmehr von ihnen die Geschichte / und zwar aus keines andern Munde zu vernehmen begierig sind. Malovend antwortete: Er würde dieser Helden Verdiensten und des Zeno Sorgfalt ein Genügen zu thun zwölff Monat zur Erzehlung bedürffen. Jedoch wolte er hiervon einen Schatten und nicht vielmehr / als der Mahler allhier gethan / von ihnen entwerffen. Als nun beyde ihre Begierde anzuhören mit Stillschweigen zu verstehen gaben / hob Malovend an: Wir Deutschen sind insgesamt vom Ascenatz entsprossen / welcher mit seinen Nachkommen im kleinern Asien den Sitz gehabt / von dem die Phrygier / Bithynier / Trojaner und Ascanier / wie auch die Reiche Ararath / Minni und Ascenatz den Ursprung haben. Hertzog Tuisco hat mit einer grossen Menge Volcks theils über das enge / theils das schwartze Meer gesetzt / und sich aller Länder zwischen dem Rhein und der Rha bemächtigt. Ihm ist im Reiche gefolgt Hertzog Mann / Hertzog Ingevon / und Istevon /mit welchen sich Deutschland in viel Hertzogthümer zu theilen angefangen / sonderlich da zugleich die um das Caspische Meer und die Meotische See wohnenden Cimbrer / für der Macht der Scythen / mit welcher ihr König Indathyrsus die halbe Welt überschwemmete / sich flüchteten / und theils in klein Asien / als ihr altes Vaterland / theils aber unter dem Fürsten Gomar / meinem Uhranherrn durch die flachen Sarmatischen Felder sich an der Ost-See niederliessen. Ungeachtet dieser Theilung / erwehlten die deutschen Fürsten unter ihnen ein gewisses Haupt / welchem sie zwar nicht als einem vollmächtigen Könige unterthänig waren / gleichwol aber in ihren selbsteignen Zwistigkeiten / und wann sie mit andern Völckern in Krieg verfielen / sich seiner Vermittelung und Heerführung unterwarffen. Anfangs bestand diese Wahl bey denen gesamten Fürsten / hernach aber ward solche wegen mehrmahliger Zwytracht und Langsamkeit siben Fürsten heimgestellt. Aus den Cherustischen Hertzogen ist Hermion der erste / der zu dieser Würde kam / und auch hier in den Gemählden. Sechs Fürsten gaben ihm wegen seiner Großmüthigkeit / und zwar derer drey gegen Verlobung seiner wunderschönen Tochter einmüthig ihre Stimmen / wie es ein Sternseher vorher dem Könige Istevon / an dessen Hofe er erzogen worden war / wahrgesagt hatte; der einige Hertzog der Qvaden Atcoroth / der vom Hercinischen Gebürge an alle zwischen der March / der Weichsel und der Teiße gelegene Länder beherrschte / lag wider die Noricher zu Feld und wohnte der Wahl nicht bey. So bald dieser solche Erhöhung vernahm / gab er sein Mißfallen mit vielen ungleichen Bezeugungen an Tag; ja ließ sich selbst für einen Obersten Feldherrn Deutschlandes ausruffen; ungeachtet er vorher diese ihm angetragene Würde / auf Einrathen seines obersten Cämmerers / ausgeschlagen hatte. Denn weil Fürst Hermion für etlichen Jahren in des mächtigen Atcoroths Diensten gelebt hatte / und sein oberster Marschall gewest war / schiene es ihm verkleinerlich zu seyn /den numehr als sein Haupt zu verehren / dem er vorhin zu befehlen gehabt hatte. Hingegen konte seine Tochter E a ihre Freude kaum verdecken / als welche sich in Hermions Sohn den Fürsten Marß verliebt /und ihm heimlich die Ehe versprochen hatte. Hermion ward mit grossem Gepränge / ungeachtet des Atcoroths Widersetzung / zum Feldherrn ausgeruffen / es traff sich aber / daß der Reichsstab unversehens vermißt ward / auff welchem die Fürsten dem Feldherrn die Pflicht zu leisten gewohnt waren. Als diese nun dem Hermion selbte abzulegen anstunden / entblössete er seinen Degen / mit diesen [111] Worten: Sehet dar / ihr großmüthigen Helden / den Stab / auff welchen unser und alle Reiche gestützt werden müssen. Worauff ihm alle ohne Widerrede den Eyd der Treue leisteten. Hermion aber / der für ärgste Schande hielt /sich zwar in der Würde / nicht aber in genugsamen Ansehen zu schauen / empfand des Atcoroths Verachtung in der Seele / und / nachdem die damals zu Deutschland gehörigen Noricher sich beym Hermion beweglich beschwerten / daß der Qvaden Hertzog /nachdem die Gallier ihren letzten Fürsten Durnacin hingerichtet hatten / unter dem Vorwand eines ihm mit seiner ersten Gemahlin Garramis zugebrachten Heyrathguts / und der von seinem überwundenen Feinde König Aleb eroberter Kriegs-Beute / ihnen mit unrechter Gewalt viel Landschafften abgenommen / ja biß an die Mure / den Inn und das Adriatische Meer sich feste gesatzt hatte / dieser auch auff Hermions Befehl das gewonnene nicht abtreten wolte / führte er wider die Qvaden mit Hülffe der Rhetier seine Heerspitzen. Hermion und Bato der Rhetier Hertzog geriethen bey der Stadt Vindobon mit dem Atcoroth in eine blutige Schlacht / und nachdem sein Bundgenosse Fürst Rangolbebet mit seinen Bastarnen und Daciern zum ersten schimpfflich die Flucht gab / vermochten die Qvaden nicht länger zu stehen / das gantze Heer ward auffs Haupt geschlagen / und Atcoroth selbst entrann mit Noth in Vindobon / darinnen ihn seine Gemahlin und Kinder Hermion rings um starck belagerte. Atcoroth muste diesem nach bey so verzweiffeltem Zustand in einen sauren Apffel beissen /und dem Hermion nicht allein unter einem Zelte / dessen künstliche Seiten-Wände bey solcher Demüthigung wegfielen / fußfällig werden / sondern auch drey Fahnen mit dreyen Ländern in des Hermions Hände lieffern / dem Fürsten Mars seine schöne Tochter Emma verloben / den Landstrich zwischen der March und der Wage zum Brautschatze / dem Fürsten Bato sein Wahlrecht und ein Stücke Landes an der Donau abtreten / und also den Frieden theuer genug kauffen. Alleine seine Gemahlin / die Herrschenssüchtige Kunigundis / eine Tochter des mächtigen Königs der Reußen und Bulgarn / welcher sich einen Herrn des gantzen schwartzen Meeres schalt / ward über diesen Verlust in verzweiffelte Verbitterung gesetzt / lies auch nicht ab / biß sie theils mit Liebkosen / theils mit Fürbildung des unablöschlichen Schimpffes / wel che nicht nur ihm und den streitbaren Qvaden / sondern auch ihrem mächtigen Vater zuwüchse / den Hertzog Atcoroth zum Friedensbruch veranlassete. Ja diese hitzige Mutter verdammte ihre dem Printzen Mars verlobte Tochter Emma nebst zehn andern Jungfrauen Fürstlichen Geblüts in eine Wildniß auff dem Carpatischen Gebürge / allwo eine Anzahl der Göttin Hertha geweiheter Jungfrauen beschlossen waren / zu Gelobung ewiger Jungfrauschafft; dem Fürsten Mars aber ließ sie heimliches Gifft beybringen / wodurch er in grosse Gefahr des Lebens und in Verlust des einen Auges versetzt ward. Hermion und sein Sohn Mars begegneten mit ihren Cheruskern und Rhetiern dem Atcoroth und dem Fürsten Rangolbebet / welche mit einem viel mächtigern Heere nicht allein im Anzuge waren / sondern auch unterschiedene fürnehme Kriegs-Obersten des Hertzog Hermions bestochen hatten. Beyde traffen auff einander bey der Festung Medoslan mit fast verzweiffelter Tapfferkeit. Hermion als er seinem umringten Sohne zu helffen wie ein Blitz in die Hauffen drang / ward von einem zu diesem Ende vom Atcoroth mit vielen Verheissungen angefrischtem Qvadischen Ritter Nahmens Thurn (welchen Hermion hierüber zwar gefangen kriegte / aber seiner Tapferkeit wegen in allen Ehren hielt) vom Pferde geworffen und in eusserste Lebens-Gefahr gestürtzt; gleichwol verthäidigte er sich zu Fusse so hertzhafft / biß ihn und seinen Sohn endlich die seinigen / und insonderheit die [112] Tapferkeit des Ritters Regensperg aus so äuserster Gefahr entrissen. Ja weil die Dacier abermahls zum ersten die Flucht gaben /und Milota / ein von dem Atkoroth beleidigter Qvadischer Herr / aus Rachgier sich mit einem Theile des Heeres zum Hermion schlug / die Kwaden aber in der Cherusker Heergeräthe / solches gleichsam nach schon erlangtem Siege zu plündern / einfielen / wurden sie wieder biß auffs Haupt geschlagen / Atkoroth zwar vom Ritter Emerwerck mit einer Lantze vom Pferde gerennt und gefangen / aber von zweyen Marcomannischen Rittern / derer Bruder er enthaupten lassen / durchstochen. Die Städte Eburodun / Eburum und Kalmnitz ergaben sich dem Sieger; die Fürstin Künigundis ward in einem festen Berg-Schlosse belägert / und es schiene numehr mit ihr und dem Qvadischen Reiche geschehen zu seyn / als ihre Tochter Emma / welche aus ihrer Bestrickung in dem Carpathischen Gebürge entkommen war / in dem Lager ankam / dem Hermion zu Fusse fiel / und durch des Fürsten Mars Vorbitte für ihre Mutter Begnadigung erlangte. Der Vergleich ward durch die Heyrath zwischen dem Hertzoge Mars und der Fräulein Emma /die ihm alle vom Atkoroth eroberte Länder zum Heyrath-Gute einbrachte / vollzogen. Hingegen heyrathete des Atkoroths Sohn und Stul-Erbe Valuscones des Hermions Tochter Jutta / die Königin Künigundis aber den schönen Ritter Berg-Rose. Hernach überwand er auch die Sequaner / allwo ihm aber in einer Schlacht gleichfalls das Pferd erstochen / und er mit vollem Küraß in eine See zu sprengen gezwungen ward / biß ihm der Ritter Hanau zu Hülffe kam. Dieser Held hat zum ersten die Weiber gelehrt die Waffen führen / und die Gewohnheit eingeführt / daß der Mann seinem Weibe ein gesatteltes Pferd / eine Lantze und Degen zum Mahlschatze liefern müssen. Also ist Hermion der Grund-Stein der hernach so hoch gestiegenen Cheruskischen Herrschafft.

Nach Hermions Absterben ward zwar Suasandufal / ein Fürst der Tencterer zum Feldherrn erwehlet /nach dem er aber von dem Könige der Russen Geld nahm / selbtem gegen die Sarmater im Kriege beyzustehen / welches die Deutschen ihnen für verkleinerlich hielten / wieder abgesetzt / und Hertzog Mars /der andere in diesen Gemälden / von fünf der wehlenden Fürsten zu solcher Würde erhoben. Suasandufal ward hierüber so erbittert / daß er entweder seine Hoheit behaupten / oder sein Blut aufopffern wolte. Als nun beide mächtige Kriegs-Heere in der Nemeter Gebiete auf einander traffen / drang Suasandufal gantz verzweiffelt durch die geharnischten Hauffen gleich wie ein Blitz durch / biß er persönlich auf den Fürsten Mars traf / selbten auch nichts anders als ein ergrimmter Löw anfiel. Dieser verletzte zwar den Mars in Arm / Mars aber schlug mit einer vorsichtigen Geschwindigkeit seinen Streitkolben dem Suasandufal so starck ins Antlitz / und verletzte ihn bey das lincke Auge / daß er vom Pferde stürtzte; Worauf sein Eydam / ein streitbarer Ritter / Nahmens Oetingen /ihm einen so tieffen Hau in Hals versetzte / daß er mit dem ausspritzenden Blut und Galle seine Seele ausbließ. O ein herrlicher Sieg! rief Rhemetalces / wo man mit Schlagung einer Ader so viel Blutstürtzung abwendet / und auf dem Leichensteine eines mit eigner Hand erlegten Feindes seine Herrschafft befestigt! Ja / fuhr Malovend fort / wenn sonderlich die Tapfferkeit des Sieges mit Barmhertzigkeit gekrönet wird /wie Hertzog Mars that / welcher hierauf alsofort keinen Menschen mehr zu erschlagen verbot. Zeno fiel ein: diß ist der gröste Sieg / sich dergestalt selbst zu überwinden / und seinen Stul nicht auf Furcht sondern Liebe bauen / wormit die Unterthanen für ihrem Fürsten / wenn sie ihn erblicken / sich nicht als für einem blutgierigen Panther-Thiere verkrichen / sondern selbtem als einem wohlthätigen Gestirne [113] Augen und Hertz zu neigen. Diß begegnete diesem Uberwinder / sagte Malovend. Denn die sich ergebenden Feinde richteten ihm auf der Wallstadt eine prächtige Siegs-Seule auf; Und weil Hertzog Mars sich der durch die Wahl ihm aufgetragenen Würde enteuserte / in dem zwey auf des Suasandufals Seiten stehende Fürsten dazu nicht gestimmet hatten / kamen sie alle noch einmahl zusammen / und erklärten ihn einmüthig zu ihrem Haupt und Obersten Feldherrn. Alleine Hertzog Mars wolte auf einmahl sein Geschlechte allzu mächtig / ihm die Qvaden und Hermundurer unterthänig machen / und seines Vettern des Hertzogens der Alemannier Hertzogthum an sich ziehen; Welches diesen veranlassete / daß als er bey Ubersetzung des Flusses Ursa seine Gelegenheit ersahe / ihn im Gesichte seiner auf der andern Seite des Stroms zurücke bliebener Söhne und Hofleute mit Hülffe dreyer mitverschwornen Edelleute tödtete. Dessen Hertzogthum aber ward dennoch des Mars Söhnen zu theile. Also ist die Herrschenssucht eine rechte Flamme / derer Unersättligkeit von dem erlangten Uberflusse wächset / endlich aber doch zu einer Hand voll Asche wird.

Hierauf wurden neun andere Fürsten zu Obersten Feldherrn erwehlet. Denn ob schon etliche Cridifern des Hertzogs Mars Sohn gegen Dulwigen den Hertzog der Vindelicher erkieseten / ward er doch in einer blutigen Schlacht / darinnen er mit eigner Hand funfzig streitbare Männer erlegte / von Hertzog Dulwigen gefangen.

Nach hundert und dreißig Jahren kam der Cheruskische Stamm wieder zu solcher Würde / ist auch biß itzt dabey blieben. Denn es ward Hertzog Vandal Oberster Feldherr der dritte allhier in der Reye. Ja seine Tapfferkeit machte ihn im eben selbigen Jahre zu einem Fürsten der Pannonier und Marckmänner. Und ob wohl einige Marckmännische Herren / welche in ihrem Gottesdienste der Eubagen auf den Gründen der Natur befestigten Meinungen / mehr als der Druiden geheimen Offenbahrungen / denen Vandal zugethan war / beypflichteten / ihn verworffen / seine Vertheidiger von einem Thurme herab stürtzten / und den Sarmatischen Fürsten Micasir zu ihrem Fürsten berufften / so schlug er doch diesen mit Hülffe des Hertzogs der Hermundurer auffs Haupt / also daß die Sarmater ihn umb Friede bitten / die Scythen auch /welche in Pannonien eingefallen waren / für ihm zurücke weichen musten. Aber seine Herrschafft endigte sich nach zweyen Jahren mit seinem frühzeitigen Tode. Als Malovend mit diesen Worten ein wenig verbließ / setzte Fürst Zeno bey: Dieser Held dienet uns zu einem Beyspiele / daß allzugrosses Glücke so geschwinde / als die zwischen den Bergen zusammenschüssenden Regen-Fluthen / vergehen; und daß Fürsten / welche der Himmel mit so häuffigen Siegen überschüttet / sich denen fallenden Luft- und Schwantz-Gestirnen vergleichen / welche zwar mit ihrem Blitze den Glantz der ewigen Sternen wegstechen / in kurtzem aber in Asche zerfallen.

Diesem folgte in solcher Würde / fuhr Malovend fort / der hier in der vierdten Stelle stehende Hertzog Ulsing / dessen Mutter Cimburgis / eine Sarmatische Fürstin / mit flacher Hand einen eisernen Nagel in die Wand schlagen konte. Dieser Herr war in der Stern-und Meß-Kunst erfahren; er befließ sich die Heimligkeiten der Natur zu erforschen / und aller guten Künste Meister zu seyn / derer Friede und Ruhe / wozu ihn eine Zuneigung trieb / bedürftig sind. Seine fernen Reisen hatten ihm eine ungemeine Klugheit zuwege gebracht / welche er für die eigentliche Kunst eines Feldherrn hielt. Dahero mangelte es ihm nie an klugẽ Rathschlägen / welche sonst meist bey Unglück einem entfallen. Er zohe denen heftigen und grossen Ruff nach sich ziehenden Entschlüssungen die vorsichtigen für / [114] als durch welche eine Gewalt sicherer behauptet würde. Denn er hielt es für eine Schwachheit / nach Art der verwegenen Schiffer / die bey ärgstem Sturme aus dem Hafen sich auff die hohe See wagen / sich mit tapfern Thaten wollen sehen lassen / umb ihm nur einen grossen Nahmen zu machen / wenn schon das gemeine Wesen in Unruh / das Reich in Gefahr gesetzt wird. Gleich als wenn die Tugend nur in Kriegs-Künsten / das Ampt eines Fürsten in der Beschäfftigung der Tieger und Raub-Vögel bestünde / und ein unsterblicher Nachruhm mit friedsamer Beobachtung des gemeinen Heils keine Verwandnüß hätte. Diesemnach die besten Fürsten iederzeit die Ruhe ihrer Völcker der Eitelkeit vieler Siegs-Bogen fürgezogen / und zwischen dem Ambte eines Fürsten und eines Kriegsmannes einen vernünftigen Unterscheid gemacht /hierdurch aber nicht nur Ehre genung bey den Nachkommen / sondern auch Liebe bey den Lebenden erworben hätten. Auff diese Art beschützte Ulsing seine Herrschafft drey und funfzig Jahr wider viel gefährliche Anschläge / verursachte / daß viel mächtige Häupter / und insonderheit der Scythische König von dem Flusse Jaxartes und Paroxamisus ihn mit Gesandschafften und Geschencken ehrten; ja durch die seinem Sohne Alemann zu wege gebrachte Heyrath mit der Tochter des alten Carnutischen Hertzogs Vercingentorichs / und daß ihn die Deutschen noch bey seinen Lebetagen zum Feldherrn annahmen /machte er ihn grösser / als sich keiner seiner Vorfahren durchs Schwerdt. Also vergrösserte Ulsing sein Haus und Reich durch Klugheit mit besserm Rechte und Bestande / als viel andere Fürsten / die mit blutiger Aufopferung etlicher hundert tausend Menschen /Erschöpfung ihrer Schatz-Kammern / Verarmung ihrer Unterthanen / mehrmals nicht hundert Faden Land gewinnen. Dahero denn mit dem Nahmen des Friedens kein träger Müssiggang bekleidet / weniger bey seinen steten Kriegs-Ubungen die Gemüther weibisch und schläfriger gemacht / hingegen die Tugend und guten Künste in Auffnehmen / gesetzt wurden. Weßwegen er alleine so viel Kräntze von Oel-Zweigen / als ihrer seine Vorfahren von Lorber-Bäumen /verdiente. Als Malovend über dieser Erzehlung Athem schöpfte / fing Zeno an: Ich gestehe / daß die meisten Völcker kriegerisch geartet / und die edlesten Gemüther so voller Feuer sind / daß sie so wenig als Scipio vom Hannibal die wichtigen Ursachen Friede zu machen annehmen / sondern vielmehr alles auff die Spitze der Waffen zu setzen / nichts weniger für ihre Pflicht / als für Ehre / schätzen. Gleich als wenn die Zeit / als die Räuberin ihrer eignen oder geschenckten Güter / zu unvermögend wäre / dasselbe geschwinde genung zu zernichten / was sie reiff zu machen keine Mühe gesparet hat. Alleine / wenn man Krieg und Friede auff eine Wag-Schale legt / es sey gleich jener so vortheilhafftig / dieser so schlecht als er wolle /müsten auch die / welche gleich vom Kriege ein Handwerck machen / und auff desselben Ambosse ihr Glücke schmieden wollen / dem Friede den Ausschlag des Gewichtes zugestehen. Denn nach dem die Vollkommenheit des Krieges insgemein in Einäscherung der Länder / in Vertilgung des menschlichen Geschlechts bestehet; also seine Eigenschafft nicht nur dem rechtmässigen Besitzthume zuwider / und der ärgste Feind der Natur und des Himmels ist / in dem so denn die Väter ihre Eltern begraben / die Gerechtigkeit der Gewalt zum Fuß-Hader dienen muß / kein Gesetze für dem Geräusche der Waffen gehöret wird /womit Marius seine Verbrechen wider das Vaterland entschuldigte; sondern auch kein Sieg so reich ist /daß er die Unkosten und den Schaden des Krieges ersetzen könne / vielmehr aber Boßheit und Frö igkeit nach einem Richtscheite gemessen / ja die Tugend selbst übel zu thun / und die Treue ungehorsam zu seyn genöthiget wird; so ist fast wunderns werth / daß [115] man der Tapferkeit die Ober-Stelle unter den Helden-Tugenden eingeräumt habe; welche man billich nur für eine Werckmeisterin der eisernen Zeit solte gelten lassen / wie der Friede das Kleinod der güldnen ist /welcher als ein Göttliches Geschencke vom Himmel kommen / dessen Fußstapfen von Oele trieffen / und dessen Flügel eitel Segen von sich schütten / welcher umb die Welt mit Uberflusse zu erquicken die Hände an den Pflug und Wein-Stock legt / und der Handlung alle Gebürge und Seen öffnet. In welchem Absehen die Egyptier den Frieden in Gestalt eines jungen mit Weitzen-Aehren / Rosen und Lorber-Zweigen gekrönten Schutz-GOttes mahlen / und darmit seine Glückseligkeiten abbilden. Weßwegen auch die / welche wider den Frieden eine eingewurtzelte Gramschafft im Hertzen hegen / zu bekennen genöthigt werden / daß der Krieg an sich selbst nichts gutes / sondern eine Kranckheit des gemeinen Wesens / der Friede aber desselbten Gesundheit / jener ein Sturm / dieser ein Sonnen-Schein des Glückes / und wenn der Krieg nicht umb den Frieden zu befestigen angefangen würde / solcher kein vernünftiges Beginnen / sondern eine Raserey der wilden Thiere sey / derer keines doch so blutgierig / als der unversöhnliche Mensch wider seines gleichen wütet. Wohin die alten Griechen sonder Zweifel gezielet / als sie der klugen Pallas zwar Helm und Waffen / aber zugleich den Oel-Baum / als das Zeichen des fruchtbaren Friedens / zugeeignet /dem streitbaren Achilles auch den friedfertigen Palamedes für Troja an die Seite gesetzt haben. Und bey den Römern hat die fünfte Legion nur deßhalben eine Sau zum Kriegs-Zeichen geführet / weil man dieses unsaubere Thier denen Friedens-Handlungen zu opfern pfleget. Daher als die Stadt Athen dieses Absehen des Friedens insgemein außer Augen gesetzt / und niemals / als in Trauer-Kleidern /wenn nemlich selbte / nach der Gewohnheit der stündlich veränderlichen Waffen / grosse Niederlagen erlidten / Friede gemacht / sie ihr Phocion mit Rechte gescholten / und Rom den Regulus billich verflucht hat / weil er so hartnäckicht der darumb stehenden Stadt Carthago den Frieden zu geben widerrieth / sich aber dadurch in grausamste Pein / sein Vaterland in tausenderley Unglück stürtzte. Wie denn das kriegerische Sparta / welches den Krieg nicht für den letzten / sondern für den ersten Streich des Rechtes und den Kriegs-Gott in Band und Eisen angeschlossen hielt / wormit er nicht von ihnen entfliehen möchte; nichts minder das unruhige Athen / welches ein ungeflügeltes Siegs-Bild für seinen Schutz-Gott verehrte / zu gerechter Rache von diesem ihrem Schoos-Kinde in die Römische Dienstbarkeit geliefert worden. Woraus ich den Römern nichts bessers wahrsagen kan / weil sie anderer Völcker Laster und Blutstürtzungen nicht nur für ihr Glücke / sondern wenn sie anderwerts den Saamen der Zwytracht angewehren / für grosse Klugheit halten. Denn ob wol insgemein geglaubet wird / daß bey langer Ruh nichts minder die Tugend weibisch / als das ungenützte Eisen rostig werde / weßwegen Scipio Nasica so sehr die Zerstörung der Stadt Carthago / als des rechten Wetz-Steins der Römischen Tapferkeit widerrathen; so ist doch diß eine auff diesen Irrthum gegründete Meynung / samb der Friede die Waffen zu unterhalten gar nicht fähig wäre / und er nach Anleitung einer alten Römischen Müntze die Waffen alsofort zerschmeltzen müste; Da doch derselben Ubung gar wohl beym Frieden geschehen kan und muß; und die streitbaren Gemüther sich / wie die Deutschen / in ausländischen Kriegen können sehen lassen / ohne welche in der Welt fast kein Fürst eine Leibwache hat / noch einigen Krieg führet. Vielmehr [116] aber sind die Friedens-Künste zu Befestigung eines Reiches dienlich; Massen denn Sparta acht hundert Jahr geblühet /ehe es seinen Kriegs-Ruhm und damit auch seinen Untergang verdienet hat. Endlich verdienet auch die Beysorge / daß der Pöfel beym Frieden schwürig / das Volck wollüstig / der Adel wegen Mangel hoher Beförderung unmuthig würde / nicht / daß man dem Kriege zu- dem Frieden ablegen solle. Sintemal so denn nichts minder der Gehorsam als das Wachsthum eines Reiches in der besten Vollkommenheit ist; Weil die / welche etwas zu verlieren haben / für Aufstand und Unruh Abscheu tragen; Die Unvermögenden aber bey allgemeinem Schiffbruche sich von den Stücken des gemeinen Wesens zu bereichern vermeinen. Wenn aber auch aus allzulanger Ruh ein Schaden erwachsen wil / ist einem Fürsten nichts leichter / als dem Müßiggange einen Rocken zu finden / woran er sich zu tode spinne und der Neuerungen vergesse. Wie ich denn dafür halte / daß die Egyptischen Könige ihre unnütze Spitzthürme nicht so wohl ihrer Begräbnüsse halber / weniger aus Aberglauben / daß selbte den Menschen eine Leiter in Himmel / den Göttern auf die Erde seyn / oder ihr Gedächtniß für einer besorglichen Ubergiessung der Welt verwahren solten; Sondern vielmehr um ihre müßige Unterthanen zubeschäfftigen erbauet haben. Gleichergestalt ist glaublicher: Daß die kostbaren Irrgärte in Creta und Italien zu eben diesem Ende / nicht aber der Erbauer Schätze zu zeigen / und der Nachbarn Mißgunst zu erregen / so kostbar aufgethürmet worden.

Malovend pflichtete in allem dem klugen Zeno bey / und erwehnte: Daß der Feldherr Ulsing um sein Volck so viel besser in Pflicht und arbeitsam zu erhalten / und dadurch dem Armuthe / daß es seinen Unterhalt verdienen könne / Gelegenheit zu verschaffen /viel ansehnliche aber nützlichere Gebäue / denn vieler Fürsten thörichte Wunderwercke gewest wären / in Grund gelegt hätte. Sintemahl ohne den sichtbaren Nutzen alle Gebäue der Fürsten aberwitzige Erschöpffungen der gemeinen Schatzkammer / fluchwürdige Bürden der Unterthanen / und schnöde Merckmaale geschwinder Vergängligkeit wären. Diesemnach denn die drey Wassergraben / welche ein Arabischer Fürst aus dem Flusse Coris / um seine Sandwüsten anzuwässern / geleitet; Des Selevcus Anstalten das rothe- und Mittel-Meer / wie auch die Euxinische und Caspische See zu vereinbaren; Ingleichen die vom Pyrrhus und Marcus Varro fürgehabte Zusammenbindung Italiens und Griechenlands über das Adriatische Meer / des Darius und Xerxes zwey Brücken über den Hellespont / der Römer Meer-Tämme für dem Lilybeischen Hafen vielmehr Ruhms verdienen / als die Verschwendung desselben Meders / der das Ecbatanische Schloß aus silbernen Ziegeln mauren / und Memnons / der zu der Burg in Susa an statt des Eisens lauter Gold verbrauchen lassen. Weßwegen auch des grossen Alexanders bey so vielem Glücke ungemeine Mässigung kein geringes Lob verdienet; In dem er des Werckmeisters Vorschlag anzunehmen nicht gewürdigt / welcher aus dem Berge Athos Alexanders Bild zu hauen sich erboten / welches / wie ein Opfer-Priester / mit der einen Hand aus einer grossen Schale einen Fluß ausschütten solte / worvon zwey darunter gebauete Städte beströmet werden könten.

Rhemetalces fing hierüber an: Es hätte der Erzehlung nach der Feldherr Ulsing alles so vernünfftig eingerichtet / daß er seines Glückes wohl werth gewest. Ihn wunderte aber hierbey nicht wenig / daß er als ein so kluger Fürst / der mit so vielen Eitelkeiten angefüllten Sternseher-Kunst beflissen / und bey dieser unglückseligen Wissenschafft eine so vergnügte Herrschafft [117] geführet. Sintemal sie warhafftig eine Weißheit der Abergläubigen wäre / und der Schatten des Unglücks dieselben für andern verfolget hätte / die von dem Lichte der Gestirne am meisten erleuchtet zu seyn sich eingebildet haben. Wie denn Zoroaster /welchen die Sternseher für ihre Sonne hielten / vom Ninus; Pompejus / der auf diese Kunst wie auf / einen Ancker sich verlassen / vom Kayser Julius / als dem kühnesten Verächter dieser und anderer Wahrsagungen / überwunden; Ein Celtiberischer König / welcher die tiefsten Geheimnüsse des Himmels erforschet und beschrieben / von seinem auf der Erde mehr aufachtsamen Sohne des Reichs entsetzet / und der so genau-eintreffende Thrasyllus auf des Tiberius Befehl getödtet worden. Malovend begegnete dem Rhemetalces: Hertzog Ulsing hätte von nichts weniger gehalten / als von der eingebildeten Wissenschafft aus den Sternen der Menschen künfftige Glücksfälle zu erkiesen; sondern er hätte allein des Gestirnes Stand / ihre Bewegungen und Eigenschaften erlernet; Welche Wissenschafft einem Fürsten / der einen über den Staub des Erdbodens sich empor klimmenden Geist besitzen soll / nicht nur wohl anstehet / sondern auch mehrmahls grossen Nutzen bracht hat. Wie dann Palamedes die Griechen bey Troja / Alexander für der Schlacht bey Arbelle sein Kriegsvolck / welches bey einer Mondenfinsternüß in grosses Schrecken verfiel /mit Auslegung der natürlichen Ursachen mercklich aufrichtete / andere sich dieser Begebenheit zu Stillung des Auffruhrs meisterlich bedienten. Auch ist niemand so unwissend / daß unterschiedene Gefangene / durch Ankündigung bevorstehender Finsternüsse / bey denen barbarischen Völckern ihnen gleichsam ein göttliches Ansehen gemacht / und dadurch sich aus ihren blutdürstigen Händen errettet haben. Fürsten begreiffen hiermit auch die Gelegenheit ihrer und anderer Länder; Die bevorstehende Witterung / und aus der Bewegung der Sonne viel vernünfftige Richtschnuren ihrer Herrschafft. Hingegen hat Nicias und Sertorius aus Unwissenheit der Gestirne und des Windes grosse Niederlagen erlitten. Archelaus ist für einer Sonnenfinsternüß so erschrocken / daß er seinem Sohne die Haare abscheren lassen / und sich für der gantzen Welt verächtlich / Kayser Julius aber durch Auslegung der himmlischen Richtschnuren und Einrichtung der Jahres-Zeiten sich berühmter gemacht /als durch seine dem Erdboden fürgeschriebene Gesetze.

Unser Ulsing aber starb mit nicht minderm Ruhme / im hohen Alter / zu grossem Leidwesen gantz Deutschlands / sonderlich weil er ihm noch vorher muste einen Schenckel ablösen lassen. Zeno fügte hier abermahls bey: Dieser Fürst dienet uns zum Merckmahle / daß die Glückseligkeit sich niemanden ohne vorbehaltene Ehscheidung vermähle; und das Verhängniß einem gar an Leib komme / wenn jene der Vorsichtigkeit ein Bein unterzuschlagen nicht vermocht hat. Ich weiß nicht / sagte Rhemetalces / ob man hierinnen dem Verhängnisse / oder nicht vielmehr den Aertzten die Schuld beymessen solle / derer Unwissenheit durch unsere Hinrichtung sich erfahren / ihre Verwegenheit aber sich zur Halsfrau über unser Leben macht. Diesemnach ich diesem klugen Fürsten wohl das Glücke wünschen wolte: Daß er von eines edlen Feindes Waffen in einem hertzhafften Gefechte fürs Vaterland einen schönern Todt erlanget / und nicht einem unvermutheten Streiche seines Feindes dem Schermesser der grausamen Aertzte seine furchtsame Glieder hätte hinrecken dörffen. Alleine das mißgünstige Glücke gönnet insgemein den tapffersten Helden nicht / daß sie auf dem Kriegsfelde / als dem herrlichsten Ehren-Bette ihren Geist in dem Gesichte so vieler Tausenden ausblasen; sondern der Tod hält es vielmehr für einen nicht geringen Sieg / wenn er die grösten Lichter der [118] Welt durch Kinder-Blattern /durch eine übelgeschnittene Wartze / oder Hüner-Auge und dergleichen schlechte Zufälle auslescht.

Malovend fuhr fort / und sagte: Die Deutschen haben insonderheit von einer blutigen Bahre auch stets mehr als einem madichten Siech-Bette gehalten /auch lieber etwas mit Blute / als mit Schweiß oder durch kluge Räncke behauptet. Dahero schlug der fünffte Feld-Herr Hertzog Aleman seinem Vater nicht nach. Er war behertzt und verwegen / führte auch stets einen lebendigen Löwen an der Hand / ja zu Isiniska riß er einem sechsjährigen Löwen den Rachen auff /zohe ihm die Zunge heraus; der Löw aber blieb für ihm entweder aus Schrecken oder Ehrerbietung wie ein Lamm stehen. Bey den Eburonern erstach er einen über ihn springenden Hirsch / bey den Rhetiern einen wütenden Bär / und auff denen ihm überaus beliebten Jagten erlegte er viel hauende Schweine und andere grimmige Thiere mit seinem blossen Degen. Weßwegen die Griechen ihn hernach den deutschen Hercules genannt. In den steilen Gebürgen hat er sich nach Gemsen und Steinböcken offt so weit verstiegen / daß er keine Rückkehr gewust; mehrmals haben ihn die abkugelnden Steine und der abschiessende Schnee in höchste Lebensgefahr gesetzt. Merckwürdig ist von ihm / daß als er einst auff der Jagt auff der Erde geschlaffen / ihn eine Heydäx ans Ohr gebissen und erweckt habe / als in seinen eröffneten Mund eine Schlange kriechen wollen. Ist diß wahr / sagte Zeno /so müsten die Heydäxen ihrer selbst und ihrer Jungen mehr als der Menschen vergeßlich seyn. Man hält es für kein Gedichte / antwortete Malovend / und deßwegen soll er eine güldene Heydexe zum Gedächtnisse am Halse getragen haben. Er war ein Meister in Zweykampff und Turnieren / in den Schlachten fochte er selbst in der Spitze. Er bewältigte sich der Menapier und Noricher / zwang die abtrünnigen Marnier und Nervier / nachdem ihn der tapffere Fürst der Hermundurer Treball / sein und Deutschlands rechter Arm / aus ihren Händen errettet hatte. Er schlug viel tausend Gallier. Mit den Lepontiern führte er einen blutigen aber unglücklichen Krieg. Die Bataver aber schlug er auffs Haupt / und nahm ihnen ihr gantz Gebiete / ausser etliche in Pfützen ligende Oerter ab. Es ist ein grosses Glücke eines Reiches / sagte Zeno /wenn friedsame und kriegerische Herrscher in selbtem mit einander abwechseln. Denn so denn verlernen die Kriegsleute nicht die Ubung der Waffen / der Adel behält seine Freyheit und Ansehen / die grossen Verdienste bleiben nicht nach / noch ohne Belohnung /und die im Kriege entkräffteten Länder erholen sich wieder bey der Ruh; ja auch diß / was man durch die Waffen gewonnen / beraset im Frieden am besten. Diesem nach denn Rom deßhalben augenscheinlich gewachsen / daß nach dem hitzigen Romulus der sanffte Gesetzgeber Numa gefolget. Daß hierauff der kriegerische Tullus die Waffen und die Gemüther dieses streitbaren Volcks geschärffet / und diesen der Baumeister Ancus abgelöset; die Pracht des Tarqvinius aber nicht nur dem / was Ancus gebauet /sondern auch denen Obrigkeiten ein Ansehen gemacht. Servius hat hernach durch angelegte Schatzung denen Römern ihre vorher unbekandten Kräffte gezeiget / und der hoffärtige Tarqvinius durch seine Grausamkeit diese Wohlthat gethan / daß das Volck das unschätzbare Kleinod der Freyheit liebzugewinnen angefangen. Es ist wahr / fuhr Malovend fort; /Aber der Cheruskische Stamm hat insgemein dieses Glücke gehabt / daß desselbten streitbarste Fürsten zugleich Meister in den Friedens-Künsten gewest /und insonderheit durch glückliche Heyrathen sich vergrössert haben; Also daß dieser Stamm den Liebes- Stern in Warheit für seinen Glücks-Stern rühmen kan. Massen denn auch dieser Feldherr Alemann seinem Sohne Hunnus Diumfareds des Britannischen [119] Königs Tochter vermählte / welcher mit seiner Schiffarth der grossen Tritonischen oder Atlantischen Eylande bemächtigt hat. Das selbige Eiland / fragte Rhemetalces / von welchem Plato erzehlet / daß es auserhalb der Seulen Hercules liegen / und grösser / als Asien und Africa zusammen / seyn solle? Ich halte es dafür /sagte Malovend / denn seine Gelegenheit und Grösse trifft mit ihm ein. Aber sagte Zeno / wird die Erfindung nicht der Stadt Carthago zugeschrieben? Ich erinnere mich aus den alten Geschicht-Schreibern: daß nach dem die Carthaginenser ihr Gebiete biß an das Philenische Altar und in Spanien erstrecket / sie ausserhalb der Gaditanischen Meer-Enge (welche sie stets mit einer Schiffs-Flotte besetzt gehalten / und ausser selbtem alle betretende Frembden ersäufft) insgemein nach den Inseln Cassiterides geschifft hätten. Von dar wäre ein Schiff durch Ungewitter viel Tagereisen weit auff ein grosses Eyland verschlagen worden / welches hernach durch ihre Fruchtbarkeit / gesunde Lufft / Anmuth / Schiffreiche Flüsse viel Carthaginenser dahin / und ihr sandichtes von der Sonne und steter Kriegsfla e brennendes Vaterland zu verlassen gelockt hätte; also daß die Suffetes in Sorgen gerathen / es würde Carthago dieser daselbst so groß gemachten Herrligkeit und der stets beliebenden Neuigkeit halber gar öde gelassen / und ihr Reich dahin versetzt werden. Weßwegen sie nicht allein bey Lebens-Straffen fernere Schiffarth dahin verboten / sondern auch den Hanno mit einer Kriegs-Flotte dahin geschickt / welcher die daselbst niedergelassenen Carthaginenser auff die Schiffe gebracht / und ungeachtet ihres erbärmlichen Wehklagens / daß sie die kaum gekostete Süßigkeit dieses neuen Vaterlandes verlassen solten / zurück geführet hätte. Ausser allem Zweiffel /antwortete Marcomir / sind die Carthaginenser dahin ko en / sintemal man daselbst hin und wieder Helffenbein / da doch daselbst keine Elephanten sind / gefunden hat; und es ist bekandt / daß die Römer zu Carthago noch in dem Tempel des Esculapius zwey Häute von daselbst gefangenen rauchen Weibern gefunden / welche eben derselbe Hanno / der gantz Africa umschifft / alle Meere durchforscht / also leicht das Atlantische Eyland finden können / zum ewigen Gedächtniß auffgehenckt. Ja man glaubt numehro festiglich / daß der Carthaginenser Vor-Eltern die Phönicier noch lange Zeit vorhero hinter diese Eylande (die nichts minder als das Libysche Gebürge und das grosse Meer von dem Phönicischen Könige Atlas den Nahmen bekommen) in das grosse Reich Kekisem /und dieselben mittägichten Länder / die von dem Färbe-Holtze theils berühmt sind / theils gar den Nahmen haben / worvon der Egyptische Priester Santes dem Solon so viel zu erzehlen gewust / gedrungen; als wo biß an die Sudische Meer-Enge man von ihnen viel Kennzeichen seit der Zeit angetroffen. Insonderheit haben die Britannier noch in dieser neuen Welt solche Riesen-Gebeine ausgegraben / die niemanden mehr als den Phönicischen Enackitern und Chettern ähnlich gesehen. Von diesen Riesen erzehlen noch itzige Einwohner / daß ihre Vor-Eltern durch göttlichen Beystand mitten durch die See für ihren Feinden trocken geführet worden / und aus den Morgenländern übers Meer dahin kommen wären / prächtige Gebäue und noch sichtbare Brunnen daselbst gebauet / endlich durch ihre abscheuliche Laster vom Himmlischen Feuer ihre Vertilgung erholet hätten. Zeno verwunderte sich / und meldete: Er könte nicht begreiffen /warum und wie sie in so sehr entfernte Länder gerathen? Ob sie die Sonne auff ihrem Wagen mitgenommen? Malovend versetzte: zum minsten hat ihnen so wohl die Sonne als andere Gestirne den Weg gewiesen. Wie denn auch oberwehnter König Atlas für des Himmels Sohn / des Saturnus Bruder / und für den Erfinder der Sternkunst gehalten / [120] und geglaubt wird: daß er / oder sein Bruder Gadir zum ersten / die Phönicier aber mehrmahls / insonderheit unter dem Könige Hiram aus Idumäa / und mit ihm die Juden dahin gefahren. Die Phönicier hatten auch den Nordstern zum ersten zum Leitstern ihrer Schiffarth erkieset. Die Ursachen liessen sich auch leicht errathen; nachdem die Phönicier den Nothzwang ihrer Flucht aus ihrem Vaterlande / woraus sie vorher in Egypten / Persien /Bactrian / über den Ganges und Indus / und das Caspische Meer in Indien und zu den Scythen Volckreiche Heere geschickt hatten / selbst bey der Stadt Tingis in eine marmelne Säule gegraben / nehmlich sie hätten für dem Antlitze des Räubers Josua entlauffen müssen. Ob sie nun zwar gantz Africa überschwemmet / in Spanien Gades / in Gallien Maßilien / die Balearischen / wie auch die Hesperischen und Caßiterischen Eylande bebauet / so haben sie doch daselbst nicht immer festen Fuß setzen können; Sondern es haben die Pharusier und Nigriten in Mauritanien alleine 300. ihrer Städte eingeäschert / und sie die berühmten sieben glückseligen Inseln / die man von den Cananeern hernach die Canarischen geheissen / zu bebauen / hernach gar hinter der berühmten Insel Cerne / durch das von Schilf und Kräutern gantz überwachsene Atlantische Meer neue Länder zu suchen gezwungen / worvon diese glückseligen Eylande selbst so leer und wüste stehen blieben / daß die Nachkommen so gar nichts mehr vom Gebrauche des Feuers gewüst. Diese Phönicier und Gaditaner waren ebensfalls schon gantz Africa zu umbschiffen gewohnt / derer zerscheiterte Schiffe mehrmals auf der Mohrenländischen Küste bey dem Eingange des rothen Meers gefunden / und aus dem Zeichen eines Pferdes für Gaditanische erkennet / ja von dem Egyptischen Könige Necko die Schiffarth aus dem Nil biß in das rothe Meer gewiesen worden. Der Weg nach dem eusersten Eylande Thule war ihnen eine gebähnte Strasse; nach dem die zwey Tyrier Mantinias und Dereyllides dahin verschlagen worden / wie die in ihren Gräbern zu Tyrus gefundene Cypressen-Taffeln und des Antonius Diogenes Anmerckungen hiervon sattsames Licht geben. Also ihre Reise nach dem Atlantischen Eylande für kein solch Wunderwerck zu halten / in dem man von den glückseligen Inseln bey gutem Winde in funfzehn Tagen unschwer dahin segeln kan. Die Britannier haben diese Länder eben so reich von Golde und Silber / wie sie Silenus schon dem Midas beschrieben / ja unterschiedene ausgeleerte Ertzt-Gruben / und aus den Adern gehauenes Gold /(worvon doch die Innwohner daselbst nichts gewust /sondern das Gold aus den Flüssen gefischt) nichts minder so dicke Bäume / die sechszehn Menschen kaum umklaftern können / und der Phönicier runde Bauart gefunden. So diente auch für die Phönicier zum Beweise: daß beyde Völcker des Königs Füsse zu küssen / die Haare biß auf den Würbel abzuschneiden / die Leichen an der Sonne auszudörren / und in Häusern zum Gedächtnisse aufzusetzen / die Jungfrauschafften ihrer Bräute den Königen aufzuopffern /das Hundefleisch für köstliche Speise zu halten / den Gott Cham oder Chambal unter der Gestalt eines schwartzen ein Weib abbildenden Steines zu verehren / selbtem ihre Kinder beym Feuer zu opffern / beym Beten die Hand auf den Mund zu legen / und aus ihren Gliedern Blut zu lassen / bey Verehrung ihrer Götter übers Feuer zu springen / der Sonnen in Gestalt eines Löwen zu dienen gewohnt gewesen / beyde auch die Mitternächtischen Gestirne mit einerley Nahmen genennt / die letzten Erfinder der neuen Welt solche in Sitten und natürlichen Dingen aufs genaueste befunden haben; wie die Alten das Atlantische Eyland abgemahlt. Rhemetalces fing hierauf an: Dieses sind sicher scheinbare Kennzeichen / daß die Phönicier dahin gesegelt; [121] aber sollen diese wol allein in solche Länder kommen seyn? Sie rühmen sich es / sagte Marcomir / und haben deswegen den Hanno unter ihre Götter gezehlet / auch sein Bild in die Tempel gesetzt. Ja er selbst ließ eine Menge lehrsamer Vögel abrichten und hernach fliegen / welche ihn in der Lufft für einen grossen Gott ausschryen. Jedoch streiten die Egyptier und Scythen mit ihnen ums Vorrecht. Von jenen ist bekandt / wie die Egyptischen Priester sich gegen den Solon gerühmt haben sollen: daß Osiris damals schon für neuntausend-Jahren die Verwaltung Egyptiens seiner Isis überlassen / die gantze Welt durchzogen / endlich auch sich dieses Atlantischen Eylandes bemächtigt / und daselbst seinen Enckel Neptun zum Könige hinterlassen haben solte. Ferner sollen zu Thebe an einem Obeliscus / unter dem Verzeichnüsse der Länder / welche Sesostris und Osmandua beherrschet / auch diese fernen Abendländer begriffen gewesen seyn. Welche Sage nicht allein der Räuber-Inseln Einwohner daselbst gegen den Allamegan bestätigt haben / sondern der Egyptier Buchstaben / welche theils allerhand Thiere / theils verworrene Knoten und Schneckenhäuser abbildeten / kommen auch mit der Schrifft in Kokisem nicht wenig überein. Dieser Meinung dient nicht wenig zum Behelff: Daß / ob wol die gar alten Egyptier das Meer den Schaum des Typhan und das Verderben genennt /die Schiffer für wilde Menschen / die Fische für Merckmahle des Hasses gehalten / sie dennoch hernach der Schiffarth sich sorgfältig beflissen. Nach dem auch Ptolomeus Evergetes von einem gestrandeten Indianer die Strasse nach Indien erfahren / hat so wol er als seine Gemahlin Cleopatra unterschiedene Flotten dahin ausgerüstet / welche durch die Meer-Enge zwischen Abalites und Ocelis um das von dem Gewürtze den Nahmen habenden Vorgebürge nach der grossen Elephanten Insel Menuthesias und der berühmten Handelstadt in Africa / nach Taprobana /nach der Stadt Ganges / in den güldenen Chersonesus / ja biß zu dem eusersten Eylande Jamboli gefahren /und viel köstliche Waaren nach Arsinoe zurück gebracht. Der flüchtige Eudoxus ist für dem Könige Latirus aus dem Arabischen Meere biß nach Gades gesegelt. Nichts minder wäre ein von dem Egyptischen Könige Nechus aus der Handelstadt Aduli im rothen Meere abgeschicktes Schiff / nach dreyjähriger Fahrt umb gantz Africa in den Canobischen. Mund des Nilus eingelauffen. Alleine wie für Zeiten die Scythen denen Egyptiern in ihrem Zwist um ihr Alterthum aus wichtigen Ursachen abgewonnen; Also rühmen sich auch die Hunnen / Fennen / Hellusier / Oxioner / Satmaler / Fanesier / Chadener / in der eussersten Mitternacht / über dem Berge Sevo bey dem grossen Meer-Nabel wohnenden Deutschen und die Hyperborischen Scythen: daß sie von der Nordspitze Rubeas aus dem Eylande Carambutze und Oone / aus dem Glessarischen Eylande / aus Thule und Kronen über das gefrorne Amalchische und Sarmatische Meer gelauffen /die Tauten und Mansen auf ihren Inseln überwältigt /hernach in das östliche Nordtheil dieser neuen Welt /darinnen wie bey den Scythen Elend-Thiere und weisse Bären / die Anbetung der Sonnen und das Essen der rohen Speisen angetroffen wird / besonders durch Hülffe ihrer schnellen Rennthiere / und derer geschwinde Hirschen überlauffender Hunde / gedrungen wären / endlich sich sehr weit gegen Sud gezogen hätten. Dahero die Einwohner im Vaterlande des rothen Färbeholtzes den Hyperboriern / ihre Sprache der Fennischen nicht wenig gleiche sey. Die Ursachen wären theils ihre Geburtsart und Gewohnheit / da sie nemlich nirgends lange zu rasten / auch stets innerliche Kriege zu hegen pflegten / theils / daß ihr Vaterland ihrem fruchtbaren Volcke zu enge werden wollen / welches dahero sein Reich nach Uberwindung des Königs Vexoris biß an Egypten ergrössert / und Asien dreymal eingeno en hätte. Zeno fing hierauf an: Er erinnerte sich nun auch dessen / was er in Morgenland [122] von den Ost-Scythen gehöret / wormit er deßwegen so lange zurück gehalten / weil ihm unglaublich geschienen / daß das Atlantische Eyland so weit und ferne sich erstrecken solte. Nachdem er aber hörte: es wäre grösser als Asien und Africa / hielte er es eben für das von den Ost-Scythen ihm beschriebene Land. Diese rühmten sich nun: daß ihre Voreltern hinter Caoli denen Zipangrern und Goldreichen Chrysen in das westliche Nord-Theil dieser Welt / welches entweder zusammen reichte / oder / welches glaublicher / nur durch eine schmale Meer-Enge bey dem Asiatischen Land-Ecke Tabin getrennet wäre / und mit ihnen die in beyden Theilen gemeinen Hirsche /Bären / Löwen / insonderheit aber die wunderschönen Vögel einen Weg gefunden hätten. Ihr erster Zug wäre dahin geschehen von den Tabinern / Apaleern und Massageten / welche für den Scythischen Menschen-Fressern in diese neue Welt sich gerettet / und von den Seren an biß an das Vorgebürge Tabin Scythien wüste und öde gelassen hätten / derer Nachkommen daselbst noch die Tambier / Apalatker und Massachuseten genennet würden. Das andere mal wären die wilden Moaln / Ungern / Alanen / Avaren dahin eingefallen / und daselbst ihre Sitten eingepflantzt / daß nemlich die Chichimecken / Pileosonen / Cherignanen und andere Menschen-Fresser keine Bärte / und nur im Hintertheil des Kopfs einen Pusch Haare trügen /des Jahres nur einen Feyertag hielten / nur in beweglichen Hütten wohnten / Pfeile aus geschliffenen Steinen und Fischbeine brauchten / viel Weiber nehmen und in die Blut-Freundschafft heyratheten / ihre Leiber und Antlitze mit Löwen / Drachen und Vögeln bemahlten / den Gefangenen die Haut und Haare vom Kopfe ziehen / ihre veralteten und erkranckenden Eltern und Geschwister tödteten und essen / oder den wilden Thieren fürwürffen / ihrer Feinde gefangene Weiber nur zum Kinder-empfangen leben liessen /wormit sie entweder die neugebohrnen / oder noch zur Unzeit ausgeschnittenen Früchte zu ihrer unmenschlichen Speise bekämen; daß viel die todten Leichen wider die Kälte in Peltze hülleten / in ihre Gräber Essen setzten / den verstorbenen Fürsten zu Ehren ihre Knechte / Gesinde und Gefangenen / derer Zahl sich mehrmals auff viel tausend erstreckte / schlachteten / ihre Bündnüsse mit Blute aus der Zunge und der Hand bestätigten / ihre Bräute andere vorher entehren liessen / Menschen-Blut trincken / sich mit vielerley Federn schmückten / daß sie einen Schöpfer der Welt anbeteten / nebst dem aber die Gestirne / Feuer /Wasser / Erde und den Wind verehrten / bey ihrer Sebel und dem Winde schwüren / die Pipeles / ein in Stein gehauenes Weib / so / wie am Flusse Carambutzis geschehe / mit Blute von geopferten Thieren bespritzten und selbtes ihnen wahrsagen liessen; endlich ein Stück Tuch zum Kennzeichen ihres Reichs auffhenckten. Rhemetalces fiel dem Zeno hiermit in die Rede und sagte: Die Ubereinstimmung so seltzamer und theils unmenschlicher Gebräuche wäre schwerlich einem miltern Volcke / als den rauhen Ost-Scythen / zuzueignen / und dahero ein glaubhaffter Grund / daß diese ehe als die West-Scythen und Phönicier sich in diese Länder versetzt hätten. Ja / antwortete Malovend / aber für die Phönicier streiten /wo nicht grössere / doch gleichwichtige Ursachen /und der grosse Unterschied / wie auch der unglaubliche Umbschweiff dieses Eylandes beredet mich festiglich / daß vielerley Völcker darein gewandert sind. Denn die im Reiche Kokisem blühenden Künste der Weber- und Seidenstückerey / der Goldarbeitung / die Bau-Kunst / die tugendhaften Sitten sind unzweifelbare Andeutungen / daß sie nicht von den rauhen Scythen entsprossen / sondern die ihnen in allem fast gleichende Serer / die Einwohner über dem Berge Imaus / die Zipangrier dahin müssen kommen seyn. Sintemal die im Reiche Kokisem selbst berichten /daß für 400. Jahren noch daselbst die wilden Chichimeken gewohnt / die aber welche die Mittags-Länder bewohnen / [123] und selbte die vier Ende der Welt heissen / fürgeben: daß für eben so weniger Zeit alldort kein Acker-Bau / keine Städte / kein Gottes-Dienst / kein Gesetze gewest / sondern die Menschen bey den Thieren in Hölen gewohnt / Wurtzeln und Menschen-Fleisch gefressen / und mit Baum-Rinden sich gekleidet hätten. Es habe aber ihr Vater die Sonne seinen Sohn Manco und Tochter Coya zu ihnen geschickt /diese wären zu erst beym See Teticaka ankommen /hätten bey dem Hügel Huanacaut die Haupt-Stadt Cutzko gebaut / und das Volck besser zu leben gelehrt. Dieser Manco ist der erste Inga / und allem Ansehn nach ein Frembder aus dem wolgesitteten Asien gewest / weil er und die Ingen seine Geferten eben wie die Serer weitausgespannte durchlöcherte Ohren gehabt / eben so prächtig als jene gebaut / und ihre Könige auffs demüthigste zu verehren eingeführt; also / daß auch sein Speichel von einem ihrer Fürsten mit grosser Ehrerbietung auffgefangen würde. Massen denn auch die Epiceriner in Canada / wie auch die Quantulkaner von weit gegen Westen entlegenen dahin kommenden in eitel Seide gekleideten Kauffleuten / und daß bey Quivira mit Gold und Silber hinten gezierte Schiffe / dergleichen die Zipangrier und Serer führen / gesehen worden / die Californier von bärtichten in einer andern Welt wohnenden Leuten zu erzehlen gewüst. Auch hätten die / derer See-Macht einst gantz Ophir / alle Ost-Indische Inseln biß an den Persischen See-Busen und das gröste Theil Scythiens beherrschet / biß sie bey Taprobana auf einmal achthundert Schiffe eingebüsst / durch das friedsame Meer /bey denen daselbst steten Winden / gar leicht in Kokisem und das so genante Land der vier Welt-Ende überschiffen / die Zipangrier aber auf das an der neuen Welt hangende Land Sesso noch leichter kommen können. Ja die Aricier und Icenser solten selbst aus dieser neuẽ Welt auf Schiffen / darauf die Segel Häute von Meer-Wölffen gewesen / in Ost-Indien gereiset seyn. Die Zeit / da die neuen Bewohner des Reichs Kokisem in die neue Welt angelendet / trifft auch mit derselben ein / da Uzou / der grosse Scythen König / zwischen dem Caspischen Meere / dem Flusse Jaxartes und dem Berge Imaus / über diß Gebürge gesetzt / und an dem Strome Oechardus / Bautisus die Rhabbaneer und andere Nördliche Ost-Völcker überwunden hat / derer flüchtiger König Tepin sich mit tausend Schiffen in entfernte Länder geflüchtet / wel che Menge Volcks nirgend bessern Raum als in dieser neuen Welt gefunden / und ein grosses Theil dem in sieben Völcker zertheilten Gebiete der Novatlaker abgegeben hat. Massen denn auch der letztere König dieses Volcks / den unser Feldherr Marcomir gefangen bekommen / selbst auch diese Ankunfft seiner Voreltern aus entfernten West-Ländern / ihre Anländung an dem Californischen Gestade / und ihre Uberkunft / in ausgehölten Bäumen über den See-Busen in das Land Astatlan erzehlet hat. Nichts minder haben ihn etliche daselbst gewesene Britannier versichert /daß diese Frembdlinge in diesen Ländern hohe marmelne Thürme / grössere und schönere Palläste / als in Europa wären / gebauet hätten / ihr Feder-Mahlwerck aber wäre ein Wunder in frembden Augen. Zeno bestätigte es mit der Scythen und Serer Berichte / und setzte bey: Ihr König nennte sich wie der Serische einen Herrn der Welt / einen Sohn des Himmels und der Sonnen; Beyder Zierrathen und Wappen wären Drachen / Schlangen und ein Regenbogen; beyde Völcker drückten mit Mahlwerck und Sinnen-Bildern aus / was andere mit der Schrifft. Malovend setzte hierauff als etwas merckwürdiges bey /daß sie / als Hertzog Marcomirs Volck zu ihnen kommen / gefragt: Ob sie nicht von Osten kämen? weil ihnen ein berühmter Jucutaner Chila Cambel / und ein ander den Mechoakanern geweissaget: Es würde ein frembdes Volck aus Morgenland sie überziehen. Rhemetalces fing hierauff an: Ich vernehme aus dieser Erzehlung / daß die Britannier diese neue Welt mehr als[124] für diesem einiges Volck erkundigt / und daß solche unter der Deutschen Herrschafft bestehe. Dahero muß ich meine Gedancken ändern. Sintemahl ich die Atlantische Insel zeither für so wesentlich / als die Länder im Monden gehalten / von denen darhinter liegenden andern Ländern aber das minste gehöret. Nunmehr / sagte Malovend / ist nichts gewissers; ja es haben seit der Zeit die Britannier und Bataver nebst unsern Friesen gegen Sud noch eine dritte Welt entdecket / welche an einem Ende durch zwey Meer-Engen von der neuen Welt und dem so genennten Feuer-Lande abgeschnitten wird / in der man aber noch zur Zeit nichts als die steilen Ufer und etliche wilde Menschen erkundigen können. Zeno fing hierauff an: Wer aber hat den Britanniern den ersten Weg dahin gewiesen / und wie sind die Bataver und Friesen dahin kommen? Der allgemeine Wegweiser /nehmlich das Ungewitter / antwortete Malovend / ist es bey dieser letztern Erfindung ebensfalls gewest. Ich erinnere mich nun / antwortete Rhemetalces / daß ich zu Rom gehöret / es habe ein deutscher Fürst dem Landvogte in Gallien Q. Metellus etliche fremde Menschen verehret / welche mit einem Schiffe aus dem grossen Atlantischen Eylande in die Deutsche Nord-See getrieben worden. Malovend versetzte: Diß ist Hertzog Herrmañs Vater gewesen / welcher sie vorher von dem Hertzoge der Friesen bekommen. Er hat aber ihre ungefährliche Anlendung den Römern nur weiß gemacht / weil selbige Menschen die dahin fahrenden Friesen mit heraus gebracht. Unterdessen bleibet gleichwohl wahr / daß auff dem Meere die Schiffe so weit können verschlagen werden. Sintemahl schon für mehr als fünff hundert Jahren bey der Stadt Treva Atlantische Einwohner angeländet sind /und andere dergleichen von den Galliern im Aqvitanischen Meere auffgefangen worden. Gleicher gestalt hat Nocol ein Ligurier / der bey den Britaniern den Ruhm der letzten Erfindung darvon getragen /Nachricht von dieser neuen Welt von einem auff der Hibernischen Küste scheiternden Iberier / der durch Sturm auff die Britannische Insel gediegen / erfahren. Diese Britannier haben sie zwar nichts minder als vor Zeiten die von Carthago für allen andern Völckern möglichst verschlossen; aber nachdem die Bataver und Friesen mit den Britanniern gantzer achzig Jahr Krieg geführet / und ihnen im grossen Meere viel daraus kommende Silberschiffe weggeno en / haben sie hierdurch den Schlüssel und den Weg auch in diese neue Welt gefunden / und sich vieler grossen Länder bemächtigt. Es rühmen sich aber unsere Cimbern /daß mehr als 300. Jahr für dieser letzten Entdeckung nach Absterben ihres Fürsten Güneths sein Sohn Madoch / aus Verdruß der mit seinen Brüdern entsponnenen kriegerischen Zwytracht / mit etlichen Schiffen diese itzt wieder neue Welt erkundigt / ja zweymahl wieder zurück kommen sey / und immermehr seines Land-Volcks dahin geführet habe. Die Warheit dessen wird dadurch bestärcket / daß noch itzt die Gnahutemallier diesen Madoch Zungam als einen grossen Helden und Halb-Gott verehren. Nichts weniger bescheinigen unsere Sitonier / die das Nord-Gebürge Sevo an dem grossen Weltmeere bewohnen / daß ihrer ein groß theil schon für acht hundert Jahren für dem Wüteriche Harsager sich auff das Eyland Thule gerettet / von dar über eine Meer-Enge in Kronien oder Grönland / und aus diesem theils zu Lande / theils über einen See-Busen in die Nord-Länder der neuen Welt kommen wären. Ich wundere mich / hob Rhemetalces an / daß in dieser Mitternacht nicht nur die Atlantische Insel sondern auch fernere und grössere Länder so gar kein Geheimniß sind / da doch wir und die Römer selbst solche für eitel Träume haltẽ / oder doch der Egyptischen Priester Bericht geglaubt haben / daß die Atlantische Insel durch ein Erdbeben und eine grosse Ergiessung der Wasser vom Meere verschlungen worden sey. Malovend versetzte: Es sey nicht zu verwundern / daß dieselbten [125] Völcker / die nicht selbst dahin kommen / so wenig davon wüsten /weil wegen derselben grossen Reichthums / in dem man so viel Edelgesteine und Perlen in den Bergen und Ufern / so viel Gold im Sande / ja gantze Berge voll Silber daselbst finde / alle Völcker iederzeit andern die Mittheilung dieser Schätze mißgegönnet. Der berichtete Untergang sey nicht gäntzlich ein Gedichte; Sintemahl die grosse Atlantische Insel zwar nicht gar wie die Phönicier und Carthaginenser die albere Welt zu ihrem Vortheil beredet / doch gutentheils zu Grunde gegangen / und in viel kleine unter und um den himmlischen Krebs-Strich liegende Eylande zertheilet worden. Dieses sey in der grossen Erdkugel nichts neues / und wären so wohl die gegen dem Coryschen Vorgebürge und dem Eylande Taprobana Sudwerts liegende 11000. Inseln für Alters ein zusammen hangendes Erdreich gewest. Diese neue Welt wäre auch dergleichen Uberschwemmungen offters unterworffen / nachdem selbte unterschiedene so grosse Flüsse hätte / deren einer die Erde zu ersäuffen groß genug schiene / und gegen welche die Donau / der Ganges /der Rhein und Phrat für kleine Regen-Bäche anzusehen wären. Solten gleichwohl die Griechen und Römer / fing Zeno an / dieses Geheimniß nicht ergrübelt haben? Für beyde streitet / daß ihre Weltweisen aus der Runde des den Monden verfinsternden Schattens / aus dem unterschiedenen Auffgange der Sonnen / und aus der Umweltzung des gestirnten Himmels um den unbeweglichen Angelstern / die Runde der aus Erden und Meer bestehenden Kugel erwiesen / und geglaubt haben / daß auff selbter die Menschen seitwerts wohneten / und uns die Füsse kehrten. Weil nun die insgemein kundige Welt nicht einmahl die Helffte solcher Kugel begreifft / hätten sie ihnen leicht die Rechnung machen können / daß das andere gröste Theil nicht eitel Wasser ohne Land / solche Länder aber nicht gantz unbewohnt seyn könten. Absonderlich kommet den Griechen zu statten / daß sie mit der Stadt Carthago mehrmahls in vertraulichem Bündnisse gelebt / daß Menelaus schon durch das Mittel-Meer um gantz Africa gesegelt / Indien besichtigt und nach acht Jahren erst wieder nach Hause ko en seyn solle. Die Könige Selevcus und Antiochus haben hinter der Caspischen See die Flüsse Rha / Carambucis und unterschiedene Ufer des Mitternächtischen Weltmeeres entdecket. Nearchus und Onesicritus des grossen Alexanders Kriegs-Häupter das Indische und Persische Meer vom Einflusse des Ganges um das Corysche sich weit gegen Sud erstreckende Vorgebürge biß zum Phrat ausgeforschet / nachdem Alexander selbst auff dem Fluße Indus ins Meer gefahren / selbtes mit hineingeworffenen güldnen Geschirren versöhnet /auff dem eusersten Eylande Cilluta der Thetys ein Altar gebauet und geopffert hatte. Ja Nearchus wäre gar um Africa herum und durch die Gadische Meer- Enge in Macedonien eingelauffen. Homerus hätte schon von glücklichen Eylanden / vom Atlandischen Meere und der Insel Ogygia zu singen gewust. Die Römer aber haben das unwirthbare Gebürge des Caucasus und die Caspischen Pforten nicht aufzuhalten vermocht / daß sie nicht meiner Vor-Eltern Pontisches Königreich / das gegen den grossen Cyrus / den schlauen Philip / den grossen Alexander / den Sopyrion so grosse Thaten ausgerichtet / ihnen dienstbar gemacht. Sie haben auch alle Heimligkeiten der Stadt Carthago und darunter insonderheit die berühmten Schiffarths-Beschreibungen des Hanno und Himilco /wie nichts minder die Schrifften des Pyneas von Maßilien / der von den Seulen Hercules biß an den Fluß Tanais alle Länder durchsuchet / in ihre Hände bekommen / alle ihre Schiff- und Boots-Leute zu Sclaven gemacht; Mit dem Könige Juba / der so offt in die glückseligen Eylande geschifft / so gute Kundschafft /ja selbst in der Schiffarth so grosse Erfahrung gehabt. [126] Sintemahl bekandt ist / daß die Römer gegen Mitternacht biß ins weiße Meer in das Vorgebürge Rubeas /und biß in die Insel Thule / gegen Mittag um gantz Africa gesegelt. Cälius Antipater ist schon von Ulyßipo biß in das innerste Mohrenland gefahren; Als noch für wenig Jahren des Käysers Augustus Enckel Cajus auf dem rothen Meere zu thun gehabt / sind daselbst kenntbare Stücke von zerscheiterten Gaditanischen Schiffen / die um gantz Africa müssen gelauffen seyn / angestrandet. Ein freygelassener des Annius Plocanus / der den Zoll auf dem rothen Meere vom Käyser im Bestande gehabt / ist in funfzehn Tagen bis in den Hafen Hippuros des Eylands Taprobana gesegelt. Zum Sertorius in Spanien sind Schiffleute aus den glückseligen Inseln kommen / die ihm das Land und desselben Einwohner dergestalt gelobet / daß er dahin zu fahren und sein Leben darauf zu endigen bey sich beschlossen. Des itzigen Käysers Landvogt in Egypten hat noch alle Jahr hundert und zwantzig Schiffe in Indien geschickt. Ja da Publius Crassus die viel weiter entlegenen Caßiterischen Eylande entdecket; Welche zienreiche Länder die Carthaginenser so sorgfältig für ihnen verbargen / daß sie einem Phönicischen Schiffer gerne allen Schaden ersetzten / der / um einem ihm folgenden Römischen Schiffe nicht den Weg dahin zu weisen / mit Fleiß an Africa strandete /scheinet ungläublich / daß sie von dar nicht eben so wol als die Phönicier in die Atlantischen Inseln solten gedrungen seyn. Zugeschweigen / daß Elianus Selenus / in seinem Gespräche mit dem Phrygischen Könige Mydas / ein Eyland von Grösse / Einwohnern /Sitten und Reichthum dergestalt beschreibet / daß kein Ey dem andern / als selbtes dieser neuen Welt ehnlich seyn kan. Ja weil die Hesperischen Eylande /der Alten Beschreibung nach / viertzig Tagereisen entfernet seyn sollen; müssen sie nothschlüßlich dieselben / welche für dem festen Lande dieser neuen Welt liegen / nicht aber die glückseligen seyn / von denen die Gorgonischen nur sieben Tagereisen entfernet sind. Und ich erinnere mich zweyer in Ertzt geetzter und in des Mecenas Bücher-Saale befindlicher Taffeln / derer eine der Milesische Amaximander / der zum ersten sie erfunden haben soll / die andere Aristagoras gemacht / und dem Fürsten Cleomenes zu Sparta geschenckt / die dritte Socrates gefertigt / und dardurch dem so reich begüterten Alcibiades den engen Umkreiß Griechenlands / und den unsichtbaren Sonnenstaub seiner engen Landgüter zu Mäßigung seines Hochmuths eingehalten haben soll. In diesen habe ich gegen Africa über grosse Eylande und feste Länder / wiewohl etwas tunckel vermerckt gesehen. Malovend brach ein: Sollen die Landtaffeln / die ich für gar was neues gehalten / gleichwohl so alt / auch diese des Mecenas nicht etwa neue Nachgemächte seyn? Zeno antwortete: Ich zweiffele weder an einem noch dem andern. Denn Mecenas ist in Kenntnüssen der Alterthümer so erfahren gewest / daß er ihm nicht leicht hat etwas auf binden lassen. Griechenland hat auch nichts so seltzames und werthes besessen / dessen sie diesen grossen Freund der gelehrten Welt nicht würdig geschätzt / oder zum minsten durch eine gegen ihm ausgeübte Freygebigkeit ihnen nicht hätten des Käysers Gnade zuziehen wollen. Zumahl auch die / welche den Mecenas mit etwas beschenckten / mehr Wucher trieben als Verlust litten; Weil der Genüß dessen / was er besaß / fast aller Welt gemein / und seine Vergeltung stets zweymahl überwichtig war. Die Landtaffeln aber sind so alt / daß man insgemein glaubt / es sey der von dem Eolus dem Ulysses verehrte Sack / darinnen die Winde verschlossen gewesen seyn sollen / nichts anders als ein Widderfell gewesen / darauf der Abriß des Mittelländischen Meeres / seiner Klippen und Winde gestanden. Malovend begegnete ihm: Es lässet sich nach eines [127] Dinges Erfindung vielerley leicht muthmassen / und nach dem Ausschlage auch Träume zur Wahrheit machen. Ich gläube auch wol / daß die Griechischen Weisen ihnen von unbekanten Ländern in dem Gehirne und auff dem Papiere mancherley Abrisse gemacht / gleichwol aber darvon keine Gewißheit erlangt / weniger solche selbst betreten / oder nur ins Gesichte bekommen haben. Der Römer wegen ist über obiges noch beyzusetzen / daß man in der neuen Welt die Römischen Nahmen Titus und Paulus / ja in einer Silber-Gruben eine Müntze des Kaysers Augustus gefunden. Alleine beydes ist Zweifels-frey von den Britanniern oder Batavern vorher dahin bracht worden / und kein einiger gewisser Fußstapfen von einem Römer daselbst anzutreffen / derer keiner auch / wie ruhmräthig sie gleich sonst sind / das minste hiervon zu melden weiß. Ja ich habe mir selbst zu Rom sagen lassen / daß die Römer zwar nach Anleitung der vom Hanno verfasseten fünfjährigen Reise-Beschreibung etliche Schiffe ausgeschickt / welche aber das wenigste gefunden / weßwegen man hernach seinen Ruhm für ein eiteles Getichte gehalten hat.

Rhemetalces fing an: Ich bin selbst der Meynung /daß weder Grieche noch Römer einigen Fuß in diese andere Welt versetzt habe / weil beyde ruhmräthige Völcker entweder hiervon gantz stumm sind / oder allzumässig und zweifelhafft darvon reden. Mit was für Sorgfalt haben die Griechen nicht auffgemerckt /daß Dedalus die Sege / den Hobel / das Bleymaß /Theodor von Samos das Richtscheit / den Drechsler-Zeug und den Schlüssel / Perdix nach Anleitung eines Kinnbackens von einer Schlange den Zirckel / Penthasilea die Axt / die Beotier zu Cope das Ruder / Isis oder Icarus die Segel / Dedalus die Segel-Stange und den Mast-Baum / Piseus die Schiffs-Schnautze / Griphon der Scythe die eisernen Spitzen / die Tyrrhener den Ancker / Anacharsis die Schiff-Hacken / Tiphys das Steuer-Ruder / Neptun die Schiffs-Thürme / Glaucus oder vielmehr der erste Schiffer Saturn die Schiffs-Kunst / Proteus das Wassertreten / die Phönicier die Erkiesung beyder Angel-Sterne / Hippius Tyrius die Last-Schiffe / die Phönicier den Kahn / die Illyrier das Both / die Cyrener die Renn- die Salaminer die Pferde-Schiffe erfunden haben. Die Römer wissen nicht sattsam heraus zu streichen / daß Duillius die anfässelnden Schiff-Tröpfen / Aprippa die alle Mast-Tauen durchschneidende eiserne Hacken und Sicheln zu seinem Siege erdacht habe. Wie solten sie denn die Erfindung einer neuen Welt verschweigen? Wie viel Wesens haben die Alten nicht von ihren geringen /oder kaum mittelmässigen Schiffarthen gemacht? Daß der Egyptische König Vexoris über das schwartze Meer biß zu den Scythen / Tanais der Scythen König aus der Meotischen Pfütze biß an den Nil / Memnon aus Mohrenland in Phrygien gesegelt / wäre ein Wunder-Werck der Vor-Welt gewest. Dannenhero sie auch die Welt zu überreden gesucht / daß Sonne und Mond nicht auff Wagen / sondern auff Schiffen ihren Lauff vollführten / die Geschöpfe von der Feuchtigkeit gezeugt und genähret würden. Weßwegen auch nicht nur in Egypten / sondern auch zu Rom der Isis Schiffe zum Gedächtnüsse ein jährliches Feyer begangen würde. Das mit einem geflügelten Pferd bezeichnete Schiff des aus Griechenland in Lycien fahrenden Bellerophon hat verdient / daß der Aberglaube sein Kenn-Zeichen nichts minder als das an dem Colchischen Ufer gewesene Schiff der Argonauten unter die Gestirne versetzt. Nicht nur Jason ihr Haupt erwarb den Nahmen eines Beschirmers der Griechen wider die See-Räuber / und das Vorrecht / daß er alleine sich langer Schiffe bedienen dorfte; sondern das wenige vom Phrixus in ein Widder-Fell eingehüllte Gold ward für einen güldnen Widder / der Steuer-Mann Tiphys für einen Halb-Gott / sein Nachfolger Anceus[128] für des Neptunus Sohn / und der stumme Mast-Baum für einen Redner ausgeruffen. Das zerbrochene Schiff Argos ward auff der Corinthischen Land-Enge dem Meer-Gotte zu einem Heiligthum gewiedmet / und darbey jährlich von gantz Griechen-Lande Lust-Spiele gehalten. Bacchus / welcher von der Stadt Nysa aus Arabien biß in Indien schiffte / spannte an seinen Siegs-Wagen Tiger an; Gleich als ob er mit Bezwingung etlicher Völcker die Natur selbst bemeistert hätte / und richtete an dem Munde des Ganges auf zwey Bergen so viel Säulen auf / als wenn daselbst das Gräntzmaal aller Schiffarthen wäre. Die Araber und Phönicier preisten ihn für den Urheber der Schiffarth und Kauffmannschafft; für einen Lehrmeister des Sternen-Lauffs / und verneuerten das Gedächtniß seiner dreyjährigen Reise mit einem jährlichen Feyer. Weil aber Hercules sich aus den engen Ufern der Mittelländischen See wagte / oder auch nur das Eyland Gades erreichte / schämte sich Griechenland nicht zu tichten: daß er daselbst beyde Meere zusammen gegraben / und die Berge Calpe und Abila nicht so wol zu seinen Ehren-Säulen / als zu Gräntzmaalen des Erdbodens / und der verwegenen Schiffer aufgerichtet hätte. Ulyssens weltberühmte Umirrungen blieben in dem Umkreisse des Mittel-Meeres. Denn daß er nach seiner Heimkunfft vom Neoptolemus wieder vertrieben / von ihm am Einflusse des Tagus die Stadt Ulyßipo gebaut / Britannien und Deutschland befahren worden sey / ist einer Griechischen Erfindung sehr ehnlich. Malovend brach ein: Ich muß den Griechen hierinnen das Wort reden / weil wir Deutschen aus glaubhaften Merckmaalen darfür halten / daß Ulysses auf den Rhein kommen sey / und an dessen linckem Ufer bey den Tenckterern die Stadt Aschburg gebauet habe. Ja auf der Deutschen und Rhetischen Gräntze ist so wol Ulyssens Grab / als ein ihm und seinem Vater Laertes aufgerichtetes und mit Griechischer Schrifft bezeichnetes Altar noch heute zu sehen. Aber freylich ist von Gades / aus Deutschland und aus Britannien noch weit in die Atlantischen Eylande. Rhemetalces setzte bey: Die so weit herrschenden Persier sind noch nicht so weit kommen als die Griechen. Nach Indien haben sie sich an ihrem eigenen Ufer finden müssen. Das Caspische Meer hat ihnẽ keine weitere Farth / als in etliche Flüsse verstattet. Darius / welcher aus der Euxinischen See bis an den Ister geschiffet / und eine Brücke darüber gebauet / ist noch fast am weitesten kommen. Die Jüdischen Schiffarthen haben in der Ost-Seite von Africa / an dem Praßischen Vorgebürge den Monden-Bergen gegen über auf dem Eylande Menuthesias / Tapabran und dem güldnen Chersonesus sich geendigt. Wiewol auch zuweilen ein oder ander Schiff fernere Reisen gethan haben mag / ist selbtes mehr aus Zwange des Sturmes als aus Willkühr der Menschen geschehen. Zumahl die meisten Völcker auch nur an den See-Ufern / und zwar auch nur des Tages hinzurudern sich getrauet; biß endlich sie aus dünnen Fellen / dergleichen die Veneter in Gallien noch brauchen / hernach aus wöllenem Gespinste / endlich aus Leinwand biß auf zwölf Segel ausgespannet / sich auf das hohe Meer gewaget / und des Tages die Sonne / des Nachts den gestirnten Bär zum Wegweiser erkieset haben. Malovend setzte bey: Es wäre schwerlich ein Volck iemahls in der Schiffarth so gut als die Deutschen und Britannier erfahren gewest; daher sie sich über das grosse Welt-Meer nicht hätten trauen dörffen. Uberdiß taugten die Sternen / als bey trübem Wetter verschwindende Zeichen alleine eben so wenig / als der Alten kleine / schwache und langsame Schiffe in die Atlantischen Länder zu reisen. Denn es wäre bekandt / daß Semiramis zwey tausend Schiffe auf Camelen in Indien tragen lassen / welcher König Starobates vier tausend nur aus Indischem [129] Rohr gemachte entgegen gesetzt. Die Scythen schwärmen auf so kleinen Schiffen herum / daß sie sie des Winters auf den Achseln in die Wälder tragen und darinnen wohnen. Ja der Argonauten so berühmtes Schiff soll so klein gewesen seyn / daß sie es von dem Ister in die Adriatische See / oder von der Tanais in das Nordliche Welt-Meer über Land auf den Achseln getragen haben sollen. Käyser August hat nach der Schlacht bey Actium aus dem Hafen zu Schömis seine Schiffe auf Wagen fünf tausend Schritte weit / auf die andere Seite des Peloponnesus / und Cleopatra die ihrigen aus dem Mittel-Meere ins rothe / drey hundert Stadien weit / führen lassen. Dionysius in Sicilien solte das erste Schiff mit fünf Rudern in einer Reyhe gebauet haben. Die Römer hätten beym ersten Punischen Kriege nicht einmahl ein solch Schiff gesehen gehabt / sondern der Bürgermeister Appius von einem an Italien gestrandeten Schiffe der Mohren ein Muster zu seinen neuen nehmen / und seine Ruderer zu Lande im Sande hierzu üben müssen. Duillius hätte das von dem hernach gecreutzigten Hannibal eroberte Schiff des Königs Pyrrhus mit sieben Rudern in einer Ordnung für ein Meerwunder den Römern gewiesen. Dem Eroberer Siciliens Luctatius hätte man zu Ehren auf eine silberne Müntze ein fünfrudrichtes Schiff / als einen grossen Werckzeug seines herrlichen Sieges / gepräget. Zeno versetzte: Seiner Meinung nach hätte es andern Völckern / und zwar auch den Alten / an grossen und starcken Schiffen nicht gefehlet. Die Anfangs aus Semden / oder Bintzen geflochtene / oder aus Baumrinde / holen Bäumen oder Leder gemachten Kahne und Flössen / hätten sich von Jahre zu Jahre verbessert. Erictetes hätte die zwey / Amimocles die drey /die Athenienser die vier / Nesicthon von Salamine die fünf / Zerazoras die sechs / Mnesigethon die acht- und zehnrudrichten Schiffe erfunden; Der grosse Alexander noch vier / Ptolomeus Soter noch fünf Reyhen darzu gesetzt. Der Städtestürmer Demetrius wäre biß auf dreißig / Ptolomeus Philadelphus auf viertzig /Philopater auf funftzig Ruder-Ordnungen kommen. Uberdiß hätten ihre Vorfahren schon so starcke Schiffe gebaut / daß man hohe Thürme drauf setzen / und von selbten der Wasser-Städte Mauren übersteigen können. Fürnehmlich aber wäre des Sesostris dem Osiris gewiedmetes / auswendig mit Golde / inwendig mit Silber überzogenes zwey hundert achtzig Ellen langes Schiff / wie auch des Philopators eben so langes / acht und dreißig Ellen breites / und vom Hintertheile nur biß ans Wasser drey und funftzig Ellen hohes Schiff berühmt / welches mit vier tausend Ruderern / mit vier hundert Handlangern / und vier tausend Kriegsleuten besetzt / auch mit zwölf-elligen Bildern vieler Thiere gezieret gewest. Sein Lust-Schiff mit zweyen Hinter- und Vörder-Theilen wäre nicht viel kleiner / aber viel kostbarer gewesen / weil fast alles Holtz Cedern / die Säulen der Gänge und die Bette aus Cypressen / das Pflaster und die Stüle aus Helffenbein / an statt des Eisens eitel vergüldetes Ertzt / die Knöpffe der Corinthischen Säulen aus Golde / der neuntzig Ellen hohe Mast mit seidenen Segeln und purpurnen Seilen ausgerüstet / und auf diesem schwimmenden Königs-Schlosse so wol ein prächtiges Heiligthum des Bacchus / als der Venus /wie auch eine Höle voller marmelner Bilder von seinen Ahnen gestanden. Noch ein grösser Wunderwerck soll das vom Archimedes gebaute Schiff Syracusa gewest seyn / welches Hiero dem Ptolomeus schenckte. Es hatte drey Mastbäume / zwantzig Reyhen Ruder /sechs hohe Thürme / einen eisernen Wall / unzehlbare Zimmer / Badstuben / Pferde-Ställe / einen fischreichen Teich / etliche schöne Gärte / etliche [130] grosse Schleudern / und darunter eine / welche Steine von drey hundert Pfunden und funfzehn-elligte Pfeile warff. Das darauf befindliche Heiligthum der Venus war mit Agath gepflastert / die Thüren von Helffenbein / und alles voller Bilder und Säulen. Der andern Zimmer Pflaster waren kleine vielfärbichte Kieselsteine / welche die gantze Geschichte von Troja abbildeten. Dionysius flohe aus Sicilien auf einem Schiffe /darauf sechs tausend Menschen Raum hatten. Lucullus bauete ein so grosses / darauf man jagen konte /und Käyser Julius eroberte in der Pharsalischen Schlacht eines / darauf ein gantzer Wald fruchtbarer Bäume stand. Nichts minder ist die Grösse der Schiffe ausser Augen zu setzen / darauf Käyser August den nach Puteoli versetzten Spitz-Pfeiler des Königs Mesphees und einen andern wohl hundert Ellen langen des Königs Senneserteus oder vielmehr des Psammirtaus nach Rom gebracht und auf den grösten Platz gesetzt hat. Nichts weniger hat es denen Alten an geschwinden Schiffen nicht gefehlet; und ist insonderheit des Annibals von Rhodis und ein ander Carthaginensisches berühmt / welches vielmahl der Römer gantze Schiffs-Flotte ausgefodert / und durch seine Flüchtigkeit geäffet hat. Rhemetalces fing an: Ich bin ebenfalls der Meinung / daß hieran das Hindernüß der so fernen Schiffarth nicht liege; Ob ich wohl weiß /daß der Deutschen und Gallier Schiffe aus eitel eichnem Holtze / und zwar mit Fleiß wider Sturm und Wellen sehr starck gebauet / die Ancker an eiserne Ketten gehenckt / die Segel aus zusammen geneheten Häuten wilder Thiere gemacht sind. Alleine weil ich aus Malovends Reden so viel abnehme / daß sie nebst dem Gestirne noch andere Richtschnuren ihrer Schiffarth haben / mögen sie es solchen Vortheils halber vielleicht andern Völckern zuvor thun. Massen man denn insgemein glaubt: daß die Carthaginenser dergleichen Kunst gehabt / und die Serer solche noch haben. Es ist wahr / sagte Zeno: Denn die Serer wissen durch die Wendung eines gewissen Steines auch in dem untersten Schiffe und bey stockfinsterer Nacht ihre Farth / wohin sie gehe / zu erkiesen. Aber mögen wir das Geheimnüß der Deutschen nicht wissen? Malovend versetzte: Ich bin wohl weder unter den Fischen noch dem Meerschweine gebohren / und also auch von Natur kein geschickter Schiffmañ; iedoch meine ich ihnen etwas zu eröffnen / welches zweiffelsfrey auch vielen derer verborgen ist / die gleich ihnen in einen Edelstein ein Schiff mit einem verdreheten Vordertheile und ausgespannten Segeln schneiden lassen / wenn die Sonne im Löwen / Mars und Saturn aber gegen Mittag stehet / und solchen als einen Glücksstein an dem Finger tragen. Unsere Friesen / sagte er / schmieden mit ihrem gerade gegen den Mittag gekehrten Antlitze eine stählerne Nadel / und ziehen den glüenden Drat auf dem Ambosse unter den Hämmern recht gegen sich und Mitternacht. Dieselbe Spitze hat hernach diese geheime Krafft / daß / wenn man die Nadel in der Mitte feste / iedoch zum umwenden geschickt macht / sie sich allezeit gegen Mitternacht wendet / und also ein richtiger Wegweiser der Schiffer ist. Rhemetalces und Zeno wunderten sich über diesem Geheimnüsse nicht wenig / und fragte dieser: Ob die Krafft dieser Nadel aus natürlichen Ursachen oder aus Zauberey herrührte. Malovend antwortete: Er hätte das letztere gute Zeit geglaubt / weil die Friesischen Schmiede ihn versichert hätten / daß wenn sie die Nadeln ohne Vorsatz der Spitze einem solchen Zug einzuverleiben schmiedeten / sie auch solcher Krafft nicht fähig würden; Gleich als wenn die menschliche Einbildung eine Botmässigkeit über die Gestirne hätte / daß sie dem Ertzte gewisse Würckungen einflössen müsten. Nach dem er aber hätte wahr genommen / daß alles ausgekochte Eisen / ohne Absehn des Schmeltzers / zweyerley Stücke in sich habe / derer etliche dem [131] Nord / etliche dem Mittage geneigt wären / und daher die entweder in die Lufft gehenckte / oder auff dem Wasser schwimmende Eisenfädeme sich beständig mit dem einen Ende gegen Mitternacht / mit dem andern gegen Sud lenckten / glaubte er festiglich / daß dieser Zug aus einem verborgenen Triebe der Natur / nicht aber aus Zauberey herrührte.

Beyde ausländische Fürsten bezeigten sich über dieser merckwürdigen Nachricht sehr vergnügt; Rhemetalces aber fing an: Wir sind unvermerckt aus diesem Forste auffs Meer und aus Deutschland in eine neue Welt gerathen / also weiß ich nicht / ob wir nicht Zeit zur Rückkehr haben / da wir heute nicht gar hier verbleiben wollen. Malovend versetzte: Es ist so wenig ohne Ursache geschehen / als dieser sechste Feldherr der grosse Marcomir gemahlet ist / daß er mit iedem Fusse auff einer Weltkugel stehet / und in ieder Hand eine Sonne trägt. Denn weil sein Vater Hunnus noch für dem Groß-Vater starb / erbte er von seiner Mutter alle Britannische Reiche und die Atlantischen Eylande / nach des Groß-Vatern Tode aber die Deutschen und etliche Gallische Hertzogthümer und die Würde ihres Feldherrn. Dahero sagte man von ihm / er beherrschte eine zweyfache Welt / und in seinem Gebiete ginge die Sonne nicht unter. Ja seine Herrschafften waren so groß / daß er seinen Bruder mit dem Reiche der Noricher betheilte / der ohne diß mit seiner Gemahlin des Königs Lissudaval Tochter der Boyen und Qvaden Hertzogthümer überkam. Das Verhängniß hatte dem Marcomir gleichsam zwey irrdische Neben-Sonnen / nehmlich den Salomin der Scythen / und den Usesival der Gallier und Cantabrer König entgegen gesetzt / wormit er durch beyder Verdüsterung so viel herrlichern Glantz erlangen möchte. Usesival drang nicht allein über den Rhein / sondern auch in Hibernien / eroberte Farnaboja / Olamin und Carjoma; sondern er erregte auch wider ihn den Hertzog der Hermundurer und Catten / ja auch das Haupt der Druyden / unter dem Vorwand / daß er die Barden und Eustachen zum Untergange der alten Druyden in Deutschland hegete. Alleine der Feldherr Marcomir schlug die Gallier etliche mahl biß auffs Haupt / eroberte alle abgenommene Plätze / bemächtigte sich aller Landschafften zwischen der Maaß / eroberte die Vesontier und Caturiger / kriegte in einer blutigen Schlacht bey Zitin den König Usesival / an der Elbe der Hermundurer und Catten Hertzog / wie auch das Haupt der Druyden gefangen. Den Scythischen König Salomin / der seinen Bruder bey einem von dem Fürsten Jazapol in Pannonien erregten Auffruhre die Städte Carpin und Bregentio erobert hatte / trieb er von Belägerung der Stadt Vindomana mit grossem Verlust weg. Ja als Salomin den König in Colchis Aßemules aus seinem Reiche vertrieb / dieser aber zum Marcomir seine Zuflucht nahm / schiffte er über das schwartze Meer / erlegte den neu eingesetzten Fürsten Barsabosar / eroberte die Haupt-Stadt Phasia / und befestigte darinnen den Aßemules. Hinter der Atlantischen Insel ließ er auff zwey erhobene Stein-Felsen zwey grosse Colossen aus Ertzt / einen der Sonnen / den andern dem Monden zu Ehren auffrichten / und zur Andeutung / daß ihm seine Reichs-Grentzen noch viel zu gedrange wären / mit göldner Schrifft darauff etzen: Der Zirckel der Sonnen ist der Tugend zu enge / und des Monden zu niedrig. Dieser Uberschrifft / sagte Zeno / klebt sicher mehr Hochmuth an / als den Thränen des grossen Alexanders / der darum geweinet haben soll / daß mehr nicht als eine Welt zu seiner Besiegung verhanden sey. Malovend versetzte: Derogleichen Auslegung hat Marcomir schon selbst verschmertzen müssen / indem einige über seine Seulen einen Krebs gesetzt mit der Uberschrifft: [132] Auch die Sonnen gehen den Krebs gang; Andere eine Schnecke / die ihr Schnecken-Haus trug mit dem Beysatze: der Atlas träget nicht allein seinen Himmel. Aber Marcomir hat nicht Ursache sich seiner Schrifft zu schämen / sondern vielmehr seine Siege des grossen Alexanders fürzuziehen. Denn er erfand und eroberte die überaus grossen Länder Kokisem und Rupe / in welche man alle von den Griechen iemahls bezwungene Königreiche setzen kan. Er kam biß an das andere Gestade des grossen Ost-Meeres / und erlangte diß / wornach der unersättliche Alexander vergebens seuffzete. Er entdeckte das Silbervolle Gebürge Opisot / erfüllte Britannien mit Golde / und die Welt mit Perlen. Rhemetalces fiel hiermit geschwinde ein: Ich sehe wohl Malovend ist zeitlich unser Meinung worden / und er rühmet nunmehr / was er für kurtzer Zeit verworffen. Dahero würde er schwerlich seinem Marcomir eine solche Schand- und Fluch-Seule auffrichten / wie Technas in dem Thebanischen Tempel dem Könige Menis /darum / daß er bey denen vor dürfftigen Egyptiern den Gebrauch des Geldes eingeführet hatte. Zeno fing hierauff an: Ich lerne in Deutschland mehr / als ich iemahls zu Rom erfahren / und bin so vielmehr begierig von dem sonst so sparsamen Malovend die Beschaffenheit dieser so reichen neuen Welt zu vernehmen; insonderheit: ob man darinnen auch ansehnliche Städte / wie bey uns / finde? Malovend antwortete: in der Menge und Festigkeit zwar nicht / aber an Grösse und Beqvemligkeit geben sie den unsrigen nicht nach /und hätte Marcomir eine in einer saltzichten See gebauete erobert / welche ihrer Beschreibung nach der Stadt Rom wenig nachgeben müste / weil sie sechzig tausend Häuser hätte / und alle Jahr ihrem Abgotte sechs tausend ihrer Kinder schlachtete. Wie nun Zeno und Rhemetalces hierüber ihre Verwunderung mercken liessen / sagte Malovend: diese Stadt wäre von Marcomirn noch unglaublich vergrössert und verbessert worden. Aber / sagte Zeno: ist denn die abscheuliche Abschlachtung der Menschen auch über das grosse Meer gesegelt / und bey diesen fremden Völckern eingewurtzelt? Malovend antwortete: In allewege /und zwar nirgends mehr als allhier / wo man Kinder zu tausenden schlachtet / und da es gantze Völcker giebt / welche wenig anders als Menschen-Fleisch speisen. Jedoch wäre diß von diesen wilden Leuten nicht so sehr zu verwundern / weil sie vermuthlich nicht allein die Carthaginenser in dieser Grausamkeit zum Wegweiser gehabt / sondern auch solche bey denen Völckern / die für die sittsamsten wolten angesehen seyn / eingerissen wäre; und noch darzu für ein Gottesdienst gehalten würde. Sintemahl die Phönicier dem Saturn die Stadt Heliopolis der Juno / die Blemies der Sonne / andere andern himmlischen und vermeinten gütigen Göttern ihre liebsten Kinder schlachteten; da doch diese Greuel-That denen höllischen Geistern zu abscheulich seyn solte / welchen die grausame Königin in Persien Amestris und andere nur fremde Menschen geopffert hätten. Wie aber der Römische Rath den Griechen die Menschen-Opfferung abschaffte / und die Vestalischen Jungfrauen an derselben statt alle Jahr dreißig aus kleinen Baum-Ruthen geflochtene Bilder in die Tieber werffen /Amasis an statt der Menschen-Verbrennung in Egypten Wachs-Kertzen anzünden ließ; also hat auch Marcomir durch Einführung der Druyden und ihres itzt sanfften Gottesdiensts diese neue Welt von ihren unbarmhertzigen Göttern und dem grausamen Aberglauben erlediget. Marcomir fing hierüber an: In Warheit Marcomirs Thaten sind den Siegen der männlichen Semiramis und des grossen Cyrus fürzuziehen. Malovend bestätigte es und meldete / [133] daß auch die Deutschen diesen Marcomir für ihren andern Hercules hielten / und die Cherusker wären selbst miteinander zwistig / ob sie dem grossen Hermion / dem Uhrheber ihrer Hoheit / oder dem Marcomir den Vorzug enträumen solten. Rhemetalces sagte: Es ist so schwer zu einem grossen Reiche / als in die Tieffe des Meeres einen Grund legen / gleichwol aber hat beydes kein solch Ansehen / als was hernach mit minderer Müh in die Luft gethürmet wird. Hingegen lässet sichs leichter weiter gehen / wo der von den Vorfahren gezogene Faden einen leitet / und der Eltern Fußstapfen einem den Weg weisen. Ja / sagte Zeno / die Uhrheber eines Reichs behalten insgemein wohl den Ruhm / und zwar billich; wenn aber der Anfänger nur einen Entwurff zum Zwerge gemacht hat / hingegen der Nachfolger hernach einen Riesen bildet / oder ein durch seine Veralterung gleichsam verfallenes Reich wieder ans Bret bringet / ist dieser mehr / als jener / für den Uhrheber eines Reichs zu rühmen. Dahero auch die Römer dem Kayser August diese Ehre zueigneten /und ihn Romulus zu nennen entschlossen waren. Marcomir brach ein: Ich halte diesen Ruhm für ein Urthel der heuchelnden Dienstbarkeit / und den August wol für einen / der durch seine Künste die Römische Freyheit zu Boden getreten hat / nicht aber dem Romulus gleiche / noch für einen Uhrheber selbigen Reiches. Sintemal er zwar unzehlbare Römer abgeschlachtet /das Reich aber wenig oder nichts vergrössert; auch alle seine Siege durch den Antonius / Agrippa / und andere ihn vertretende Krieges-Helden erhalten hat. Da aber die Gewalt des Raths ihm alleine zueignen eine so grosse Sache wäre; warumb wäre nicht vielmehr Sylla oder Kayser Julius über ihn zu stellen? Malovend fiel ihm bey / und meynte: daß unter allen Römern keiner an Helden-Thaten dem Julius zu vergleichen wäre; ja er glaubte / daß er den Nahmen des grossen für Alexandern verdiente. Rhemetalces fing an: Sein Stamm rührte zwar vom Lysimachus des grossen Alexanders Feldhauptmanne her; aber die Thracier und Macedonier wären einander niemals hold gewest / und Lysimachus hätte auch den Pyrrhus aus Macedonien gejagt; also seine Meynung hoffentlich niemanden verdächtig seyn würde. Diese aber ginge dahin / daß Julius Alexandern nicht das Wasser reichte. Zeno lächelte / und fing an: Es liesse sich zwar über zweyen so berühmten Helden schwer den Ausschlag geben / und wäre diß ein berühmter Zwist der Römer und Griechen; gleichwol aber hielte er unvorgreifflich den Julius / wo nicht höher / doch Alexandern auffs wenigste gleich. Rhemetalces antwortete: Die Götter hätten durch den Traum seiner Mutter Olympia / durch die in seiner Geburts-Nacht geschehene Einäscherung des Ephesischen Tempels / und andere Wunder / schon Alexanders künftige Grösse angedeutet. Kayser Julius hätte Alexandern selbst die Ober-Stelle enträumet / da er bey seinem Bilde zu Gades bittere Zähren vergossen / weil er in dem Alter / da Alexander schon die Welt bezwungen gehabt /noch wenig ruhmbares gethan hatte. Zeno versetzte: Wenn aus Träumen und Wahrsagungen etwas zu entscheiden wäre / würde auch für den Julius anzuziehen seyn / daß er seine Mutter beschlaffen zu haben geträumet; welches für die Uberwältigung der allgemeinen Mutter der Erde ausgelegt worden. Sonst wäre zwar Alexander jenem in den Jahren zuvor kommen; hingegen habe dieser seine Langsamkeit / wie die langsame Aloe-Staude / welche in einer Nacht einen höhern Blumen-Stengel / als die Ceder in etlichen Jahren / treibt / mit Grösse seiner Wercke einbracht. Die sich langsam auffthuenden Gewächse und Gemüther wären besser oder zum minsten tauerhafter /als frühzeitige Früchte und sich übereilende Geister. Ihr Lauff gleichte den Schwantz-Gestirnen / die alle Gestirne überlieffen / aber gar bald eingeäschert würden / wie es Alexandern ebenfalls begegnet wäre. Jedoch wäre Julius nicht deswegen / daß er sich so langsam auffgethan hätte / sondern weil er vorher viel [134] dem Alexander nicht im Wege stehende Schwerigkeiten überwinden müssen / etwas zurück blieben. Dannenhero denn die dem Julius von der Tugend ausgepreßte Thränen / so wenig als die / welche Alexander bey Lesung des Homer über den Thaten Achillens vergossen hätte / seinem Ruhme abbrüchig seyn könten. Hätte Alexander über den Siegen seines Vaters geeifert; so hätte Julius über dem Glücke des Sylla geseufzet / von welchem dieser wahrgesagt / daß dieser Jüngling mehr als einen Marius im Busem stecken hätte. Beyde wären zwar Liebhaber der Gelehrten gewest / und hätten den Wissenschafften obgelegen. Wie hoch hätte nicht Alexander den Aristoteles geschätzt / und des Pindarus wegen hätte er nicht nur bey Eroberung der Stadt Thebe seiner Nachkommen Häuser / sondern auch die Bürgerschafft erhalten. Aber hierinnen wäre ihm Julius weit zuvor kommen. Er hätte die Weltweißheit nicht nur geliebet / sondern ihm nütze gemacht. Bey dem Begräbnüsse seiner Mutter Julia / bey der Verklagung des Dolabella / bey Loßbittung der Catilinischen Mit-Verschwornen hätte er mit seiner Beredsamkeit grosses Ansehen erworben. Was er des Tages rühmlich gethan / hätte er des Nachts zierlich geschrieben. Rhemetalces antwortete: Alexander wäre ebenfalls gelehrt und beredsam gewest / aber sie sehen beyde hier nicht als Weltweisen /sondern als Kriegs-Helden an. Zeno fragte: welcher Held ohne die Welt-Weißheit zur Vollkommenheit kommen könte? Diese wäre der Leit-Stern der Tapferkeit / und die Mutter der Vergnügung. Aber / sagte Rhemetalces: Ist dieses eine wahrhaffte oder verfälschte Weißheit / wenn Julius nur des Epicurus wollüstige Meynungen fasset / wenn er weder Götter noch die Unsterbligkeit der Seelen glaubt / und bey Belägerung Marsiliens an einen ihm am Wege stehenden Baum / den die Druyden von viel hundert Jahren her den Göttern eingeweihet / die Kriegsleute aber selbten nur anzurühren Abscheu hatten / zum ersten die Hand und die Axt anlegt? Welchen Unglauben er aber mit seinem Tode gebüsset / als er seinen und seiner Calpurniä Unglücks-Traum / des Spurinna und anderer Priester Warnungen verächtlich in Wind geschlagen. Hat sich Julius nicht in stetigem Schlamme der Geilheit geweltzet? des Sulpitius / des Gabinius /des Crassus / Pompejus / Bogudes und Brutus Ehbette durch Ehbruch beflecket? Hat er nicht mit Cleopatren Ehre / Leben und Vaterland in Gefahr gesetzt? und das Beginnen mit dem Nicomedes läst sich kaum sagen. Also ist das scheinbare Gute am Julius nicht so wol Tugend / als ihre Larve gewest; welche so vielmehr schädliches Gifft an sich hat / ie näher sie der Tugend ko t / weil sie so denn / wie die sich mit schönen Sternen deckenden Schlangen / desto mehr Unheil zu stiften vermag. Rhemetalces meynte: Es würde so wol in einem als dem andern ihm zu viel beygemessen / und Er hätte sich niemals wie Alexander für Jupiters Sohn und selbst für einen Gott ausgegeben. Das letztere aber wäre die gemeine Schwachheit der Helden / welche Alexandern ebenfalls in seiner gegen die Barsine / Roxane und Thais / ja gar gegen den Bagoas geschöpften Brunst befallen hätte. Rhemetalces versetzte: Die Betheuerung seiner Mutter / der Glaube seines eigenen Vaters / die Heucheley der Ammonischen Priester / der Wahn damaliger Zeit / und das übermässige Glücke hätte Alexandern leicht bereden können / daß sein Ursprung aus dem Himmel wäre / dessen Götter damals so viel sterbliche Söhne auf Erden hatten / wo es anders nicht eine Staats- Klugheit war / bey denen abergläubischen Völckern sich durch solchen Ruhm in desto grösser Ansehen zu setzen. Zeno brach ein: Sie schritten von ihrem gantzen Zweck ab / wenn sie dieser zweyen grossen Helden Ruhm durch Erzehlung ihrer Gebrechen verdüsterten / derer Verdienste einen solchen Glantz hätten / daß selbter so wenig / als die Sonne ihre Flecken /und die über den Monden erhobene Gestirne ihren Schatten sehen liessen. Ein grosser Geist hätte keinen einkommentlichern Haushalter als die Freygebigkeit /und keine schönere Gemahlin als die Freundschafft.[135] Julius aber habe mit seinen Geschencken nicht nur das Römische Volck und das Kriegs-Heer / sondern auch frembde überschwemmet / Rom und andere Städte mit kostbaren Gebäuen gezieret / und ausländischen Königen die Gefangenen zu tausenden frey gelassen. Julius hätte zwar mit niemanden so gar vertraute Freundschafft / wie Alexander mit dem Ephestion und dem Craterus gepflogen / iedoch hätte er mehrmals des Königs Micipsa Wort im Munde gehabt / daß gute Freunde eine sichere Hülffe / als Heere und Schätze wären / und daher unter freyem Himmel geschlaffen / wormit sich Oppius des engen Wirths-Hauses bedienen könte. Seinen Freunden hätte er das gröste Unrecht verziehen; seine Freundschafft wäre niemanden so gefährlich gewest / als Alexanders / der dem Clitus und andern vertrautesten das Licht ausgelescht / ja aus blossem Verdachte den hochverdienten Parmenio und unschuldigen Philotas vorher auf die Folter gespannet hätte. Es ist wahr / sagte Rhemetalces. Aber ist das zu seiner Tochter Gedächtnüsse dem Volcke gegebene Mahl / sind die bey erlangtem Bau-Ambte auffgewendete Unkosten nicht mehr eine Verschwendung? Hat er durch seine Begabung den Curio und andere nicht bestochen / und ihnen die gemeine Freyheit abgekaufft? Alexander hingegen schenckte aus einer blossen Großmüthigkeit denen / von welchen er nichts als eine Dancksagung zu gewarten hatte; Mahler / Bildhauer / Tichter und Weisen ließ er in den Schätzen des überwundenen Morgenlandes theil haben. Und diß / was er seinen besiegten Feinden dem Porus und Taxiles gab / waren grosse Königreiche. Alexander hätte im Eifer / welcher bey den Gütigsten meist am feurigsten wäre / zuweilen sich übereilet; aber diese Scharte hernach durch gantze Meere voll Wolthaten und Bereuungs-Thränen ausgewetzt; und / wenn es der weise Calisthenes und das seufzende Heer nicht verwehret / sich selbst durch Enthaltung vom Essen zu Tode gegrämet. Ja er hätte bey strengem Froste einem halb erfrornen Kriegsknechte seine Königliche Sänfte abgetreten / und ihn daselbst wieder zu rechte bringen lassen. Den Achilles hätte er bey seiner Säule glückselig gepriesen / daß er am Patroclus so einen treuen Freund gehabt hätte. Marcomir brach ein: Er hielte dafür / daß Julius zu Rom / und Alexander in Griechenland die Ober-Stelle verdiente / und daß beyde /wie die Sonne / wenn sie mit dem Monden den Kreiß verwechseln solte / anderwerts nicht so hoch würden kommen seyn. Alexanders gar zu grosse Freygebigkeit würde sich selbst unzeitig / ihn bey Zeite dem Römischen Rathe verdächtig / sein hoher Geist ihn geschwinde zu einem Catilina oder Manlius gemacht /seine Empfindligkeit dem Sylla die Stirne zu bieten veranlast; der behutsame Julius aber nimmermehr mit fünff und dreissig tausend Mann und mit siebentzig Talenten den grossen und reichen König der Persen /für dessen einigem Land-Vogte Griechenland zitterte /anzugreiffen / und Asiens Eroberung gewagt / sondern vorher sich seiner zweifelhaften Nachbarn versichert; seine Gräntze an dem Flusse Granicus behauptet / seine Sorgfalt in der Nacht für der Schlacht bey Arbelle nicht so feste geschlaffen haben. Sein Kummer eines zweifelhaften Ausschlages / welcher dem Pompejus so offt den Frieden anbot / hätte des Darius angebotene Tochter mit sechs Ländern unfehlbar angenommen. Und deswegen meynte ich diesen Streit unvorgreifflich dergestalt zu entscheiden / daß Julius ein wenig mehr Gehirne / Alexander aber ungleich mehr Hertze gehabt habe. Rhemetalces versetzte: Das letzte ist ausser allem Zweifel. Denn / in was für Gefährligkeiten hat sich Julius gewaget? Die Geschwindigkeit der Nervier / und die Noth bey Alexandria setzten ihn wider seinen Willen in einen zweifelhaften Stand. Und hätte ihn Labienus beym ersten nicht entsetzt / wäre es umb ihn geschehen gewest. Alexander[136] aber ist mit einem Löwen-Muthe der Gefahr mehrmahls vorsätzlich entgegen gegangen / und hat ohne weniger Schrecken als Brutus dem Tode das blaue in Augen gesehen; Da hingegen Julius insgemein das gewisse gespielet / und so wenig als Parmenio in der grossen Schlacht mit dem Darius alles auf die Spitze gesetzt / weniger sich alleine in die Stadt der Maller unter so viel tausend Feinde gestürtzt haben würde. Alexander wäre allhier und sonst unterschiedene mahl / Julius aber niemahls gefährlich verwundet worden. Zeno brach ein: weil ein Vernünfftiger niemahls / als in unvermeidlicher Noth / in der Verwegenheit / wie kluge Aertzte bey verzweiffelten Kranckheiten aus gefährlicher Artzney sein Heil suchen solte / wüste er nicht: ob Alexander seiner Kühnheit / oder Julius seiner Vorsicht halber mehr zu rühmen wäre. Wiewohl dieser unter den See-Räubern / beym Ungewitter / und / ungeachtet aller Unglücks-Zeichen / fürgenommener Schiffarthen gleichfalls erwiesen / daß keine Furcht in seinem Hertzen Raum hätte. Rhemetalces begegnete ihm: Die Verwegenheit wäre das Saltz der Tapfferkeit / und ohne derselben Beysatz wäre kein Held ein grosser Eroberer worden. Alexander aber hätte in zwölf Jahren mehr Landes / als die Römer in siebenhunderten / und alle vorige Reiche in mehr als Tausenden gewonnen. Ja / sagte Zeno: Aber er hat mit den Weichlingen des wollüstigen Asiens zu kämpffen gehabt. Rhemetalces antwortete: Und Julius mit den reichen und feigen Galliern / welche weder Waffen noch Schlacht-Ordnung verstanden. Diese hat er alleine bezwungen; Denn alles andere des Römischen Reichs war ein Gewin der Scipionen / der Meteller /des Marius / des Sylla und des Pompejus / welche in sechs hundert Jahren zusammen gewachsene Macht ihm wenig Stunden der Pharsalischen Schlacht zueigneten. Alexander aber hatte in Persien und Indien mit keinen Weibern zu thun / sondern mit Völckern /derer eines nur den Crassus erschlagen / den Antonius überwunden / und das noch itzt der Römischen Macht das Gewichte hält. Und es kan so wohl für Alexanders Klugheit als seine Tapfferkeit kein herrlicher Merckmaal seyn / denn daß alle seine Kriegs-Obersten / die aus seiner Schule kommen / grosse Kriegs-Helden und kluge Könige worden.

Zeno fing an: Er gestünde gerne / daß Alexanders Thaten mehr Glantz hätten / aber des Julius nicht wenigern Kern. Jenen hätte er als ein Bürger zu Rom mehr verstecken / und das Gold seiner Vermögenheit mit was unansehnlichem überfirnßen müssen. Sein Krieg wider den Petrejus und Afranius in Spanien wäre ein Begriff der vollkommensten Kriegs-Wissenschafft; Die Belägerung der Stadt Alesia ein Wunderwerck / und ein Muster / davon alle nachfolgende Belägerungen nur Stückwercke entlehnen; Die Schlacht bey Munda wäre die schärfste Prüfung seiner Hertzhafftigkeit gewest. Ich gestehe / antwortete Zeno / mit dem Redner Tullius / daß Julius der erste unter den Römern sey / aber Alexander sicherlich unter den Helden insgemein. Julius beobachtete sorgfältig die sichere Mittel-Bahn; Vernunfft und Vortheil waren seine Wegweiser / wie Alexanders die Ehre und seine Neigung. Alles sein Absehn ging über die gemeinen Schrancken. Er hielt es für eine Schande mit Ohnmächtigen kriegen. Auf der Jagt fällete er nichts als Löwen / und er war niemahls unerschrockener / als wenn andere aus Zagheit verzweiffelten / oder auch die behertzten aus anderer Schwachheit sich verlohren. Die wildesten Barbarn verehreten ihn / und die Uberwundenen liebten ihn mehr / als sie ihn vorher gefürchtet hatten; ja er hatte weniger zu thun mit ihrer Erlegung / als es ihn Mühe kostete / sie für Unterthanen anzunehmen; und mit einem Worte: Er war zu einem Herrn der Welt gebohren. Malovend fing an: In Warheit alle [137] entfernte Völcker / welche nur seine Thaten erzehlen hören / und darunter auch unsere Deutschen und Gallier / haben ihn durch Gesandten zu Babylon dafür verehret; Und der weltberühmte Hannibal hat ihm die erste Stelle unter allen Helden eingeräumt. Zeno fiel ein: ja / und nach dem Pyrrhus hat Hannibal ihm den dritten Platz zugeeignet. Alleine als ihn Scipio gefragt: wo er sich hinstellen wolte / wenn er den Scipio überwunden / hätte Hannibal sich über alle zu setzen vermeinet. Da nun aber Julius dem Scipio vorginge / könte nach Hannibals Urthel Alexander nicht dem Julius vorgezogen werden. Marcomir nahm wahr / daß dieser Einwurf eine Gelegenheit zu einem neuen Zwiste geben würde; daher er / um selbten zu unterbrechen / anfing: Es würde Malovend seines Marcomirs drüber vergessen / welcher Alexandern und dem Julius den Lorberkrantz nicht wenig zweiffelhaft machen würde / wenn die Zeit und die ihm als einem Deutschen dißfalls gebührende Bescheidenheit ihn von einer umständlichen Vergleichung nicht zurücke hielte; die aber aus Malovends Erzehlung unschwer zu machen wäre. Es hätte iedwedes Volck und eine iegliche Zeit Beyspiele der Tugend / welche Frembden und der Nachwelt ein Licht zu geben würdig wären. Er wüste aber nicht / ob die Mißgunst oder das Verhängnüß Schuld daran wäre / daß man neue und einheimische Sachen mit unachtsamen Augen übersehe / und nur alte und frembde hoch hielte. Er stellte dem Zeno und Rhemetalces alleine zu bedencken anheim: daß Marcomir viertzig Schlachten gewonnen /und siebentzig Kriege geendigt habe; daß er sechs mahl in Britannien / sieben mahl in Sarmatien / zwey mahl in Colchis / vier mahl in Gallien / zehn mahl in Pannonien gewesen / und eilf mahl übers Meer gefahren sey. Wo aber für etwas sonderlichs zu schätzen wäre; wenn ein Fürst durch Gemüths-Mäßigung seiner Herrschafft ehe / als das Verhängnüß / ein Ziel steckte / so würde Marcomirs Beschluß / welcher alle Wercke krönete / dem Alexander und Julius auser zweiffel den Vortheil abrennen. Denn jener wäre von seinen Freunden durch Gifft / dieser durch das kalte Eisen aufgerieben worden / als beyder unersättliches Gemüthe noch nach grössern Dingen dürstete / und ihr Kopff mit vielen Chimären schwanger ging. Der Feldherr Marcomir aber hätte für die höchste Glückseligkeit gepriesen / wenn einer als ein Fürst gebohren würde / als ein Held lebte / und als ein Weiser stürbe. Dannenhero hätte er nach Besiegung aller seiner Feinde sich selbst überwunden; und nach dem er so gelebt / daß es niemanden / als die Feinde des Vaterlands / gereuen dorfte; auch so lange / daß er zu Verewigung seines Nahmens den minsten Beysatz der Zeit bedorfte / bey noch hurtigen Leibes- und Gemüths-Kräfften Würde und Herrschafft nieder gelegt. Seine Siegs-Gepränge verwechselte er mit einer andächtigen Einsamkeit / seine Reichs-Sorgen mit einer Betrachtung irrdischer Vergängligkeit. Die Nachsinnung über der Unsterbligkeit der Seelen / war zugleich seine Erlustigung und Ehrsucht.

Diese letztere Entschlüssung / fing Zeno an / halte ich für eine grössere Hertzhafftigkeit / als seine vorgehende. Denn ob schon kein Ort oder Stand zu finden / darinnen ein tugendhaffter Geist nicht eben so wohl als Diogenes in seinem Fasse seine Vergnügung antreffen / und ihm eine annehmliche Einsamkeit bauen könte; so erfoderte doch die Kunst wohl zu sterben nichts minder Zeit und Sorgfalt / als das Leben. Diese aber so lange an sich kommen lassen /biß die Ohnmacht des Alters und das Gespenste des Todes uns überfalle / wäre die schädlichste Schlaff-Sucht. Sintemahl beydes den Menschen in einem Augenblicke / wie die Nächte die Nachbarn beyder Angelsterne mit einer kohlschwartzen Finsternüß überfiele; Niemand aber [138] wie die Schlangen mit ihrer Haut die Schwachheiten des Alters abstreiffen könte. Die menschliche Vermessenheit aber bildete ihr insgemein noch eine Last voll Kräffte zu haben für / wenn sie kaum noch ein Loth besässe. Daher könten ihrer so viel keine Erlassung der Arbeit von ihnen selbst erlangen / die ihnen gleich die Freyheit des Alters und die Gesetze des Vaterlands enträumten. Die Ehrsucht lobte ihnen für eine grössere Süßigkeit ein an der Kette liegen und andere anbellen mögen / als seiner Freyheit geniessen / und keine Sclaven in seiner Gewalt haben. Dahero sicher ein überirrdischer Trieb zu seyn schien Purpur und Scharlach von sich werffẽ /und sich mit Haar und geringer Wolle decken / seine Augen von dem Schimmer der schütternden Diamanten und Rubine abziehen / und auff die Asche der Todtengräber werffen. Rhemetalces setzte bey: er hielte dafür / die Götter hätten das Hertz in den menschlichen Leib zu einem Uhrwerck gesetzt / welches mit iedem Schlage den Menschen unauffhörlich seiner Sterbligkeit erinnern solte. Und die / welche sich über Behertzigung ihrer Eitelkeit erlustigten /kämen ihm für wie die Schatzgräber / welche sich erfreueten / wenn sie auff die Scherben der zerbrochenen Todten-Töpffe kommen. In Warheit / sagte Zeno. Denn beyde sind dem gesuchten Schatze sehr nahe /diese dem Irrdischen / jene der Entbürdung ihrer in dem Siechhause ihrer krancken Glieder angepflöckten Seele. Es ist nicht ohne / sagte Marcomir / daß die Hoffnung dieser Entbürdung ein grosser Trost der Elenden / und ihre Seufftzer alleine nach dem Tode als dem Hafen aller Bekümmerniß gerichtet seyn. Aber unsern in fast unveränderlichem Glücke lebenden Marcomir muß etwas grössers als die mehrmahls kleinmüthige Begierde zu sterben zu seiner Entschlüssung bewegt haben. Wer wolte gläuben / daß ihrer so viel / welche in blühenden Jahren / im Uberflusse des Vermögens / bey unerschöpfften Kräfften /im Angesichte des sie anlachenden Glückes / sich der weltlichen Ergetzligkeiten darum entschlagen solten /weil sie in den abscheulichen Tod so verliebt wären /daß sie den süssen Genüß des Lebens für ein Gespenste ansehen / und für der lockenden Wollust einen Eckel haben solten? Dannenhero die wahre Ursache schwerlich in den Scherben der stinckenden Todten-Töpffe / sondern vielmehr in was himmlischem zu suchen sey. Denn nach dem zwar unser Leib aus der Erde / unsere Seele aber / nach der meisten Weisen Meinung / aus dem Gestirne oder vielmehr / wie wir Deutschen glauben / von GOtt seinen Ursprung hat; hegt sie gegen diesem ihrem Brunnen eine nicht geringere Neigung / als die Sonnenwende gegen die Sonne / die Africanischen Ziegen gegen dem Hunds- und der Magnet gegen dem Nördlichen Angel-Serne / wenn anders diese heilige Regung nicht durch irrdische Verleitung / wie der Magnet durch Knobloch / entkräfftet wird. Dieses wäre die Liebe GOttes / welche die Seele so vergnügte / daß ihr alle andere Wollust zu Wermuth / alle andere Pracht zu Staube würde. Alle andere Gestirne verschwinden für der Sonne der Gottheit / welche ohne Verwendung einigen Blicks der Mensch sein Lebetage anzuschauen geschaffen wäre. Diese Liebe wäre der Geist des Lebens / und ohne sie das von andern Reitzungen lodernde Hertz kalt und todt. Sie wäre das Feuer des Weyrauchs und der Opffer / ohne welches jener die Lufft stinckend machte / diese sie mit Rauche schwärtzten / und die Erde mit Blute besudelten. Ja weil die Liebe den Liebenden mit dem Geliebten gäntzlich vereinbarte / so erlangte sie mit der Umarmung Gottes das Besitzthum aller seiner unbegreifflichen Reichthümer. Seine Gemeinschafft theilte ihr alles mit und verwandelte alles böse in das Beste. Das Armuth wäre ihr Reichthum /die Kranckheiten gäben ihr Stärcke / das Gifft diente ihr zur Artzney und der Tod zur Unsterbligkeit / [139] als dem wahren Zwecke dieser Liebe / und der ewigen Glückseligkeit einer reinen Seele. Diese Süßigkeit würckte eine Vergessung aller andern vergänglichen Schätze. Alle vorige Absehen verrauchten; Das Glücke verachtete sie als eine Närrin / die Wollust stincke sie an. Alle ihre Gemüths-Kräfften eignete sie GOtte zu; und wenn ihre Siegs- und Königs-Kräntze / alle Gold-Adern und Edelgesteine nicht zu verächtlicher Sand wäre / würde sie selbte zu seinem Dienst einweyhen. Hingegen wären alle ihre zu GOttes Verehrung geschehende Bemühungen leichte. Wenn sie an der Ramme zöge / deuchtete sie es ein Spiel zu seyn. Denn seine Güte gäbe seiner Ohnmacht Kräffte / und erleichterte die Last ihrer heiligen Arbeit. Seine Barmhertzigkeit labte ihre Hitze / ihr Schweiß würde zu ihrer Erqvickung / der Dornen-Weg der Tugend verwandelte sich in weiche Rosen / und ein Tropffen seines Trost-Balsams heilete alle Schmertzen. Die rauhe Höle ihrer erwehlten Einsamkeit gefiele ihr besser / als die von Porphir und Golde gläntzenden Schlösser; die wilden Kräuter wären ihr eine süssere Kost / als die verschwenderische Taffel eines Apicius / die Galle verliere auff ihrer Zunge die Bitterkeit /aus einer Hand voll Meer-Wasser trincke sie etwas süsseres als die Milch wäre / die vorher ihre irrdische Lippen aus den Brüsten der Wollust gesogen hätten. Diese Flamme hätte nun auch die der Eitelkeit abgestorbene Seele des Feldherrn Marcomirs angefeuret: daß seine Andacht weder in dem greissen Alter noch im Tode erkaltet wäre / daß er die Nächte mehr der Verachtung der Ehrsucht / als dem Schlaffe / die Tage aber in Betrachtung der unerschaffenen Sonne zugebracht / und endlich mit Freuden sterbende die Unsterbligkeit seiner Seele begierlich umarmet / und mit seinen halb todten Lippen schon den Vorschmack eines bessern Lebens gekostet hätte.

Zeno und Rhemetalces hörten gleichsam verzückt Marcomirn als einem Wahrsager zu. Nach einer Weile aber fing jener an: diese Geheimnisse wären zwar für ihn zu hoch und er wäre ein Kind in dieser Weißheit. Es schiene aber freylich wohl bey Marcomirn eine überirrdische Leitung zu seyn / welcher Erklärung er ihm mit Gelegenheit auszubitten vorbehielte. Ausser dem könten seines Erachtens sich auch niedrige Ursachen ereignen / eben so wohl Zepter und Krone wegzulegen / als Sosthenes und andere viel sie anzunehmen verschmähet hätten. Ja es dünckte ihm eine ruhmswürdige Klugheit zu seyn / wenn ein Fürst die schwere Last der Herrschafft von seinen Schultern weltzte / ehe sie der Tod ihm aus den Händen risse / seine Lebens-Geister erkalteten / und die Gemüths-Kräfften wegfielen. Denn wie das greisse Alter durchgehends einem lecken Schiffe und faulen Hause ähnlich wäre / also liesse sich von einer zitternden Hand das Steuer-Ruder eines Reichs übel führen / von trieffenden Augen die verborgenen See-Klippen / die abwechselnden Winde / die fernen Sturm-Wolcken / die Ungewitter andeutenden Gestirne / welche niemahln in dem gefährlichen See-Busem einer Herrschafft mangelten / nicht erkiesen; auch von tauben Ohren das Gebelle Seyllens und Charybdens nicht bey Zeite hören. Ein allzu alter Fürst würde gleichsam wieder zum Kinde / er gläubte allen Hoff-Heuchlern. Die Boßheit leitete ihn wie ein kleiner Mohr einen grossen Elephanten. Die Diener sündigten ohne Furcht / liessen ihnen auch noch wohl ihre Verbrechen belohnen. Die gebrechlichen Weiber würden selbst sein Meister. Ein Beyspiel alles dessen hätte man an dem vorhin so klugen und glücklichen Käyser Augustus für Augen. Livia spielte mit ihm / wie mit einem Papegoyen / zwinge ihn zu Verstossung seiner Bluts-Verwandten / [140] zur Verbannung seines einigen Enckels Agrippa auf die Insel Planasia / und seiner Tochter auf die Insel Pandateria; Dringe den Tiberius hingegen ihm zum Sohne und unzweifelbaren Nachfolger im Käyserthum ein; also / daß der / welcher vorhin mehr als eine Welt klüglich zu beherrschen fähig geachtet worden / itzt seines Hauses nicht mächtig wäre. Daß auch das Glücke / als eine Buhlerin der Jugend / ihn verliesse / hätten sie in itziger Niederlage erfahren. Der für Jahren ein Wunder des Volcks gewest / wäre itzt ihr Gelächter. Die Unterthanen hielten seine Befehle verächtlich / die Feinde seine Gewalt geringe. Die durch frembde Einfälle beschädigten Länder liessen ihre Liebe sincken / die bey seines gleichen insgemein / bey Fürsten aber allezeit vom Nutzen gebohren / von der Hoffnung unterhalten wird. Die untergedrückten Freunde würden ihm gram / die Staats-Diener / weil sie mehr wenige Zeit übrig zu haben meinten / griffen wie die Habichte desto unverschämter in den gemeinen Schatzkasten / die freygelassenen verkauften die Rathsstellen / die Knechte machten ihren Herrn ihnen dienstbar / und alle beteten die aufgehende Sonne noch in ihrer düsternen Wiege an. Allen diesen Spott und Schaden hätte Augustus verhütet / wenn er wie Marcomir seine Herrschafft nur für etlichen Jahren abgetreten / und sich den Mecenas hiervon nicht hätte ableiten lassen. Marcomir fing hierauf an: die freywillige und aus irrdischen Ursachen herrührende Abdanckung sey bey grossen Fürsten ein so unbekandtes Wunderwerck / daß er sich keines merckwürdigen Beyspiels erinnerte / auch nicht glaubte / daß es iemahls des Augustus Ernst gewesen wäre. Solte sich doch Marcomirs Sohn und Erbe Hippon einst haben verlauten lassen / daß sein Vater die Ablegung Cron und Zepters noch für der Sonnen Untergang bereuet hätte; ungeachtet seine Entschlüssung gewiß aus hi lischer Regung geschehen / er auch in seiner Einsamkeit nicht einst nach seiner Stul-Erben Verrichtungen gefragt; sondern seine Hände mit Pflantzung eines Gartens / seine Gedancken aber mit Nachsinnen über der Seelen Unsterbligkeit beschäfftigt; ja noch bey seinem Leben sein eigen Begräbniß-Feyer angestellt hätte.

Rhemetalces fragte hierauf: Ob sein Sohn Hippon der siebende unter den Gemälden / und folgender Feldherr gewest wäre? Nein / antwortete Malovend /wiewohl Hippon ein so kluger Fürst war / daß wenn Marcomir schon wie der grosse Alexander den besten / oder wie Pyrrhus den / welcher den schärfsten Degen haben würde / zum Reichsfolger erkläret hätte / er sonder das Recht seines Geblüts diese hohe Würde zu bekleiden würdig gewest wäre. Denn es wäre Ingram /Marcomirs Bruder / der siebende unter den Gemälden / ein Herr hohen Verstandes / grossen Gemüths und unerschöpflicher Gütigkeit an seine Stelle kommen; weil die Fürsten Deutschlands / um künfftiger Zwytracht vorzubeugen / ihn schon für dreißig Jahren zum künftigen Feldherrn bestimmt hatten. Diesem verließ er seine Länder in Deutschland / als welcher vorher schon das Reich der Qvaden und Pannonier erheyrathet hatte / seinem Sohne aber trat er die Britannischen Reiche mit denen Atlantischen Eylanden und andern entfernten Reichen mit grossem Gepränge ab /übergab ihm auch / wiewohl mit grösserer Großmüthigkeit / als der schon stumme Alexander dem Perdiccas / seinen Siegelring / mit der Ermahnung /daß er den ihm für diese frühzeitige Erbschafft und solche ungemeine Wohlthat schuldigen Danck (in dem andere Könige ihren Söhnen zwar das Leben /nicht das Reich zu geben / sondern nur zu verlassen pflegten) seinen Unterthanen durch väterliche Liebe abstatten solte. Durch den Ritter Nassau aber schickte er seinem Bruder Ingram den Stab und das [141] Schwerdt /als die Zeichen der deutschen Feldhauptmannschafft /mit dieser Erinnerung: Er überschicke ihm hiermit die Centner-Last / nach welcher alle Sterblichen seufzeten / die aber niemand / der sie recht kennete / aufheben würde. Es ist wahr / sagte Rhemetalces / die Bürde der Herrschafft darff Riesen-Achseln /und gleichwol wüntschet sie iedweder Zwerg auf seinen Nacken zu kriegen. Alle wollen lieber in diesen güldenen Ketten verschmachten / als bey mittelmässigem Glücke stoltzer Ruh und edler Freyheit genüssen. Gleichwol aber könte er obiger Meynung des Fürsten Marcomirs / daß der sechste Cheruskische Feldherr der erste wäre / welcher die Herrschafft abgetreten /entgegen setzen / daß vor wenigen Jahren eine Königin der Samojeden Thinacris / und ein König der Geten Rakimis / für langen Zeiten aber Hierulck und Nidotical zu aller Menschen Verwunderung Kron und Zepter von sich geworffen; welcher letztere doch den Nahmen eines Herrn und die Anbetung der Götter von seinem Volck vorhero angenommen / und seine Eitelkeit mit seinen gantz güldenen Kleidern und Diamantenen Schuhen an Tag gegeben / ja seine Herrschafft für ein Göttliches Geschencke zu achten gehabt hätte; weil sie ihm lange vorher von den wahrsagenden Druyden wäre angedeutet worden. Marcomir antwortete: Ob ich wol diese vier Begebenheiten für seltzamere Dinge achte / als die Araber ihre Phönixe / und die Indianer ihre Einhörner; so dünckt mich doch / es sey nirgend eine gantz freywillige Entäuserung gewesen. Denn Nidotical ward theils durch ungemeine Unpäßligkeit / durch Verwirrung seines Gemüthes und festeingebildete Zerrüttung seines Reichs zu dieser Entschlüssung bracht; Hierulk aber von ihm hierzu beredet / oder vielmehr übereilet. Die Königin Thinacris entschloß sich aus Zwange hierzu / weil sie entweder diß thun / oder sich einem ihrer angebohrnen Freyheit unerträglicherm Gesetze der Vermählung eines Königes unterwerffen solte / den nicht sie zu erkiesen / sondern die Unterthanen schon erwehlt hatten. Dahero hielt sie es für rathsamer / sich ehe der Herrschafft über viel tausend andere zu begeben / als sich eines andern Gewalt zu unterwerffen. Auch diß letztere halte ich für ein Wunderwerck / fing Rhemetalces an. Denn die Ehrsucht schämet sich nicht / umb ihre Herrschafft zu befestigen / alle knechtische Dienstbarkeit auf sich zu nehmen. Alle Larven der Welt wären ihr anständig / der Bettlers-Mantel nicht zu verschmählich / die Gestalt der Schlangen nicht zu abscheulich. Wenn man andere Regungen als Kinder mahlte / müste man die Begierde zu herrschen zwar als eine Riesin abbilden; gleichwol aber nehme sie wie Hercules die Spindel / wie Apollo den Hirten-Stab in die Hand. Sie verwandelte sich wie Jupiter in einen Ochsen / wenn sie dadurch einen Vortheil zu erlangen hoffte. König Rakimis aber / fuhr Marcomir fort / war zu einer so dienstbaren Herrschafft zu ungeduldig / welcher sie nicht so wol aus Verdruß über sein Unglücke / als über verkleinertem Ansehen bey seinen Unterthanen mit dem Rücken ansah. Ungeachtet dieses Reich ohne diß dieser Süssigkeit / nemlich der ungebundenen Gewalt / nicht gewohnet / sondern seine Könige mit vielen Grund-Gesetzen / und den Stimmen des fast unbändigen Adels umbschräncket sind. Rhemetalces fuhr heraus: Ich halte denselben /welcher nach frembder Richtschnur leben muß / für keinen König; Sintemal das Herrschen darinnen bestehet / daß alle einem / nicht einer allen von seinem Fürnehmen Rechenschafft giebet. Ich halte / sagte Malovend / den Rakimis auch nur für einen Schatten eines Herrschers / der Geten Herrschafft aber für eine unerträgliche Bürde / für keine Ergetzligkeit. Denn ob ich wol derselben Unart nicht billige / die Wollust und Uppigkeit für den Lohn ihrer Herrschafft [142] halten /sondern vielmehr den Purper für ein erinnerndes Sinnen-Bild ausdeute / daß ein Fürst sein Blut für sein Volck zu verspritzen schuldig / auch zwischen Bürgern und Knechten ein Unterscheid zu machen sey; so ist doch auch einem / der zum Steur-Ruder gesetzt ist / unerträglich / daß ein ieder Boots-Knecht an solches seinem Gutbedüncken nach die Hand anlegen / ein Unterthan seinem Könige ins Antlitz widersprechen /ein Unvernünftiger / ohne Anziehung einiger Ursache / als welches er schon für eine Dienstbarkeit hält / die Reichs-Schlüsse zernichten / ein Aufwiegler die Land-Tage zerreissen / ein Bettler die Königliche Hoheit mit Füssen treten möge. Gleichwol aber führen diese verderbliche Mißbräuche in dem Reiche der Geten / das hierdurch mehrmals in die äuserste Gefahr gäntzlichen Untergangs verfällt / den scheinbaren Titul der Freyheit / und man darff sich wol gar unterstehen fürzugeben / daß die Unordnung ein Ancker /und Uneinigkeit ein Reichs-Pfeiler der Geten sey. Am allermeisten aber war die Königliche Gewalt zur Zeit Rakimis verfallen / und des Adels ihm zu Kopfe gewachsen. Denn / als er nach seines Bruders Lissudaval Absterben das Reich überkam / hatten schon die Bastarnen ein Theil der Getischen Unterthanen den Kap-Zaum des Gehorsams abgeworffen / welche Seuche auch andere Treue leichter / als der schon in einem Gliede fressende Krebs den gesunden Leib vollends einnimmt. Sein Sta stand auf dem Falle /indem er aller Kinder / und hierdurch derselben Schutzwehren entblösset war / welche ein Reich und die Königliche Hoheit fester als Kriegsheere beschirmen / weil doch die besorgte Rache des Nachfolgers auch die Verwegensten schrecket. Der König muste dem Adel das Heft der Waffen in die Hände geben /wodurch ein König seine Gewalt schon mit dem Volcke theilet. Weil er wider die Bastarnen wegen übeler Anstalt seiner Befehlshaber etliche Treffen verlohr /die Scythen wegen Zwytracht der Reichs-Stände etliche Plätze eroberten / die von den Geten selbst ins Land beruffenen Samojeden das gantze Reich überschwemmeten / und ihn aus dem Königreiche jagten; legten sie die Schuld auf ihren König / und bürdeten ihm nicht allein die Zufälle des Glücks / wie der Pöfel sonst zu thun gewohnt ist / sondern ihre eigene Verbrechen auf. Ja sein eigner Unterthan Mulobir hielt ihn endlich so verächtlich / daß er auf ihn den Degen entblössete / und wider ihn nicht anders / als einen Feind des Vaterlandes / zu Felde zog. Zeno lächelte und sprach: So wolte ich lieber der Moßineken Fürst seyn / der nur einen Tag Hunger leiden muß / wenn seine Anschläge durch Zufall nicht zu gewüntschtem Zweck gelangen. Es ist erträglicher / antwortete Malovend / als zwantzig Jahr seiner unbesonnenen Unterthanen Sclave und Fluch seyn / wie es Rakimis gewest / gegen dem sie allererst ihre schuldige Ehrerbietung bezeugten / als er sich auch ihre Thränen nicht erweichen ließ / ihre so gefährliche Herrschafft zu behalten; welcher er / wiewol zu spät / ein sicher und ruhiges Leben vorziehen lernte. Es ist eine nicht ungemeine Begebenheit / daß die menschliche Boßheit des gegenwärtigen Guten leicht überdrüssig wird / also unbändige Unterthanen ihre gegenwärtige Fürsten verdammen / derer Verlust sie kurtz hernach bejammern / oder nach einem seufzen / den sie kurtz vorher verfluchet.

Ein fürtrefliches Beyspiel stellet solchen unvorsichtigen der oberwehnte siebende Feldherr / Hertzog Ingram / für Augen / fing Malovend an. Denn ob wohl dieser tapfere Held bey den Deutschen in grossem Ansehen / und neben dem grossen Marcomir Unterfeldherr war / sein Bruder ihm auch aus der väterlichen Erbschaft die Norichschen Länder abgetreten hatte; so schätzten ihn doch die Pannonier nicht würdig ihres Königs Lissudaval Tochter zu besitzen. Dieser Lissudaval hatte nicht mehr als einen Sohn den Fürsten Gudwil und die Fräulein [143] Hermildis / eine Fürstin von wunderwürdiger Schönheit / ungemeinem Verstande /und männlicher Tapferkeit. Diese Gaben zohen / nicht anders als der Agtstein die Spreu / unterschiedene tapfere Fürsten und Helden an ihres Herrn Vatern königlichen Hof / unter diesen auch den Hertzog Ingram / und den Dacischen Fürsten Decebal. Weil nun beyde Fürsten sahen / daß Hermildis die Eigenschafft des Magnets und der Sonnen Wende hatte / und wie diese nur den Gestirnen / also sie nur der Tugend ihre Gewogenheit zuneigete; So diente die Liebe beyden Fürsten zu einem Wetzsteine / ihre angebohrne Fürtreffligkeiten täglich durch ruhmwürdige Ubungen mehr zu schärffen; und nach dem Hermildis eine Sonne ihres Königreichs / ein Begriff aller Tugenden war /suchte ieder Fürst / welcher sie für seinen Leitstern erkieset hatte / mit tapfern Thaten ihre Gewogenheit zu erwerben / iedoch durch selbte stets einer des andern Vollkommenheit zu verdüstern. Denn die Flamme einer tugendhafften Liebe wecket die eingeschlaffensten Menschen auf / sie begeistert die kältesten Gemüther. Sie machet die Klötzer rege / die Cyclopen höflich / und die Niedergeschlagenen Ehrsüchtig. In denen aufgeweckten Seelen aber zündet sie eine so rühmliche Eyversucht an / daß selbte auch die Unmögligkeiten überwinden / und entweder Stern oder Asche werden wollen. Lissudaval war zwar über dem Besitzthume eines so edlen Kleinods an seiner Tochter hoch vergnügt / gleichwol aber bekümmert / daß er durch Erwehlung des einen Fürsten den andern erbittern / und also diese so schöne Helena mit seinem Königreiche ein ander Troja anzünden würde. Die Fürstin Hermildis selbst konte über diesen zweyen Hertzogen / welche alle andere wie zwey Sonnen die gemeinen Sterne verfinsterten / sich mit ihr selbst eines gewissen Urthels nicht vergleichen / sondern gab ihrem hierüber sorgfältigen Bruder / entweder aus wahrhafftem Zweifel / oder aus einer vernünfftigen Verstellung ihrer Zuneigung / zu verstehen: Sie wüste einen dem andern so wenig fürzuziehen / als eines unter ihren eignen Augen für dem andern zu erwehlen. Nach vielen seltzamen beyder Fürsten Ansehn in gleicher Wage haltenden Begebenheiten riß endlich beym Decebal die Gedult aus / und daher gerieth er entweder aus selbst eignem Mißtrauen zu sich selbst / oder / weil er die Tugenden zeither mehr angenommen / als eigenthümlich gehabt hatte / von dem Pfad der Ehren / auf den verzweiffelten Irrweg der Laster. Alle sein Nachsinnen war nun wie er diesen güldnen Apfel nicht mehr so wohl durch seine numehr selbst verdammte Verdienste als Arglist zu überkommen / oder auf dem eusersten Fall auch dem Ingram / dessen hohes Geschlechte das seine bey weitem überstralete /dieses Kleinods verlustig zu machen. Denn eine falsche Liebe fähret / wie die grimmige Medea / mit Drachen / sie verwandelt nicht nur / wie die zaubernde Circe / andere / sondern sich selbst in reissende Thiere. Ihre Ungedult wird zur Raserey / und ihre Mißgunst hält eines frembden Genüß für unerträglicher / als seinen eigenen Verlust. Diesemnach Decebal den Ingram zum minsten so unglücklich zu machen / als er selbst zu werden fürchtete / die drey hefftigen Gemüths-Regungen die Regiersucht / die Eyversucht / und Furcht wider ihn in Harnisch zu jagen bemüht war. Die Gelegenheit hierzu gab ihm ein grosses Feyer / welches König Lissudaval auf seiner Tochter der Fürstin Hermildis Geburts-Tag anstellte; darauf nicht allein alle an diesem grossen Hofe anwesenden Fürsten und Herren sich stattlich ausrüsteten / sondern sich auch viel frembde / um bey den Strahlen dieser Fürstin ihre Freyheit / wie die Mutten bey dem Lichte ihre Flügel zu verlieren / einfanden. Sintemahl es schwer oder unmöglich war die Hermildis zu kennen / und nicht verliebt zu seyn. Decebal / welcher des Hertzog Ingrams Beginnen aufs genaueste auszuforschen viel Kundschaffter [144] unterhielt / erfuhr endlich / daß er ihm bey einem Silberdrechsler einen künstlichen Schild ausarbeiten ließ / darauf eine schöne von der Sonnen bestrahlte Perlen-Muschel geetzt / auff der Schalen aber das schöne Antlitz der Hermildis abgebildet / und der gantze Schild mit dieser Uberschrifft bezeichnet war: Das Beste / und mein Abgott ist gleichwohl verborgen. Decebal konte aus dieser Nachricht unschwer errathen / daß Ingram hierdurch so viel sagen wolte: Wie in der Muschel die Perle das köstlichste wäre / also liebte er an der Hermildis mehr ihr tugendhafftes Gemüthe / als ihre euserliche Schönheit. Er mißbrauchte aber diese herrliche Gedancken nicht anders / als die Hirnse und Spinne die Rosen. Denn er ließ alsofort auf ein dünnes Blat das Bildnüß einer zur selben Zeit ihrer Schönheit wegen beschrienen Cimbrischen Fürstin Gondeberge mahlen / welche man insgemein die Mitternächtische Perle hieß; brachte es auch durch die dritte und vierdte Hand der über solchem Schilde arbeitenden Kunst-Meister so weit / daß nicht allein dis dünne Bildnüß / ohne Ingrams Wissen / unter das oberste Blat seines Schildes mit eingemacht / sondern auch das oberste Blat schwach und zerbrechlich eingeschraubt ward. Hingegen ließ Decebal ihm einen Harnisch / der über und über voller Feuer-Flammen loderte / und einen Schild fertigen / dessen Umkreiß sich gleichergestalt in eitel Feuer-Flammen endigte / in der mitten sich aber in drey Kleeblätter zertheilte / um hierdurch so wohl seine inbrünstige Liebe als die unverwelckliche Hoffnung fürzubilden. Auff iedem Kleeblatte war ein Hertz gemahlet. Das erste lag auf glüenden Kohlen /mit der Uberschrifft: O süsse Einäscherung! In das andere ließ eine Hand biß zur innersten Spitze ein Bleymaaß / mit der Uberschrifft: Liebe liebe nichts seichtes. Das dritte hing zerspaltet an einem durchgehenden Pfeile aneinander / mit der Uberschrifft: In-und auswendig. Auf den angestellten Tag erschienen beyde Hertzoge / nach vielen vorhergegangenen Ergetzligkeiten mit prächtigen Aufzügen / auf den zu den Ritterspielen bestimmten Schauplatz / mit nicht andern Gemüths-Regungen / als wenn dieser Tag ihrer Tapfferkeit die Fürstin Hermildis zu einem Siegs-Preiß aufgesetzt hätte. Im Ring- und Kopf-Rennen hielten beyde einander die Wage. Denn im ersten erhielt Decebal / im andern Ingram aus den Händen ihrer irrdischen Göttin den Preiß. Jederman war zu erwarten begierig / wer unter diesen zwey Löwen im Turnier die Oberhand behalten würde / darinnen sie einander als zwey geschworne Todfeinde anfielen. Ingram traf im zusammenrennen den Decebal auf den Helm / dieser jenen / und zwar mit sonderbarem Fleisse auf den Schild so hefftig / daß beyde Lantzey in Stücken sprangen. Hiermit griffen sie beyde nach selbiger Landsart zu ihren Streitkolben; und so sehr sich Ingram bemühete den Decebal am Leibe zu beleidigen / so sehr trachtete Decebal des Ingrams Schild zu zerschmettern. Bey solcher Beschaffenheit gaben die Zuschauer schon grösten theils dem Ingram gewonnen / als / nach einem heftigen Schlage des Decebals / von Ingrams Schilde das oberste Blat absprang. Das zusehende Volck hielt diß für seine eigene sinnreiche Erfindung / weil sie darauf alsofort ein so schönes Bild ins Gesichte bekamen; Hertzog Ingram aber ward hierüber allein so heftig bestürtzt / und nach dem er bey Herumdrehung des Schildes eines so frembden Bildnüsses gewahr ward / hielt er sich nicht so wol für betrogen als bezaubert. Decebal / an statt daß er sich solcher Bestürtzung zu seinem Vortheil und Beleidigung seines Neben-Buhlers / dem gemeinen Urthel nach / hätte bedienen sollen / maste sich einer befrembdenden Verwunderung an / und ritte unter dem Schein einer gegen den Ingram gebrauchten Höfligkeit aus dem Schrancken. [145] Wie nun Ingram dergestalt stille hielt / und sich mit sonderbarer Ehrerbietung gegen die königliche Schaubühne wendete /ward iederman und hiermit auch das Fräulein Hermildis gewahr / daß auf Ingrams Schilde die allenthalben mehr denn zu viel bekandte Cimbrische Hertzogin Gandeberge abgebildet war / und über selbter diese Ubertrifft stand: Meine und die Nordische Perle. Jeder Einfältiger / geschweige eine so verschmitzte Fürstin / konte über diese und Ingrams erste über die Perlen-Muschel gestellte Uberschrifft und Sinnenbild vernünftig keine andere Ausdeutung machen / als daß Ingram die Hermildis nur für die euserste Schale / die Cimbrische Hertzogin aber für die Perle und seinen Abgott hielt. Dahero ist leicht zu erachten / wie Hermildis diese eingebildete Beschimpffung ihr zu Gemüthe zoh. Rhemetalces fiel ein: Ich bin begierig ihre Empfindligkeit zu vernehmen. Denn man sagt / daß wenn eine erzürnte Taube ein Ey lege / werde eine Natter daraus gebrüttet / und ein erbostes Weib gewinne an Grausamkeit den höllischen Unholden ab. Ja / antwortete Malovend / aber gleichwol vermochte Hermildis ihren Gemüths-Regungen einen solchen Zaum anzulegen / daß die Zuschauer ihnen einbildeten / es müste Hermildis dieser Bildnüsse so genau nicht innen worden seyn. Der König nahm diese Begebenheiten zwar wol wahr / weil er aber aus dem Stegereiffen keine untadelhafte Entschlüssung zu erkiesen wuste / gebrauchte er sich des ungefähr fallenden Regens zu einem Vortheil seiner Klugheit / befahl also wegen unsteten Wetters vom Turnier abzublasen / und ließ durch den Herold dessen Fortstellung auf folgenden Morgen andeuten. Weder Hermildis noch Ingram wusten / wie sie vom Schauplatze kamen /also waren beyder Gemüther verwirret. Ingram verfluchte den schändlichen und unerforschlichen Betrug / Hermildis wütete über so schimpflicher Verschmähung. Decebal hingegen lachte in die Faust / und kitzelte sich über seiner so glücklichen Arglist. Fürst Gudwil dachte auf nichts als eine geschwinde / Lissudaval auff eine vorsichtige Rache. Denn die Beleidigten sind insgemein blutgieriger als die Aegeln / und ergetzen sich an abgeschlachteten Leichen mehr / als die Scharfrichter. Hertzog Ingram war in tiefsten Gedancken begriffen / so wol den Ursprung des Betrugs zu ergründen / als der Fürstin Hermildis seine Unschuld zu erhärten. Wegen des ersten argwohnte er auf Decebaln / theils aus seinen Sinnenbildern / theils aus denen auf den Schild fort für fort geführten Streichen. Wegen des andern aber zweifelte er / daß Hermildis von ihm einige Schutz-Schrifft annehmen würde. Als er sich nun mit diesen Gedancken schlug /brachte ihm der Ritter Bercka vom Fürsten Gudwil /und einen Augenblick darauf ein Norichischer Edelmann vom Decebal einen anzügerlichen Absag- und Ausfoderungs-Brief zu einem ernsten Kampffe auf folgenden Tag; darinnen sie die der ihm von niemandẽ feil gebotenẽ Fürstin zugefügte Beschimpfung mit nichts wenigerm / als seinem Blute / auszuleschen dräueten. Eine Viertelstunde darauf empfing er durch einen Edelknaben von ihr selbst einen Befehl / er solte bey Vermeidung grimmigster Rache ihr nicht mehr ins Antlitz zu kommen sich erkühnen. Ingram hätte bey so unübersehlichem Unglücke verzweifeln mögen. Er konte ohne Zagheit nicht vom Kampfplatze aussen bleiben / und gleichwol dorfte er ohne seiner andern Seele der holdseligen Hermildis noch grössere Beleidigung sich dahin / nemlich für ihre Augen / nicht gestellen. Die gantze Nacht ward ohne Schlaf und mit tausendfachen Abwechselungen der heftigsten Gemüths-Regungen aller Orts zubracht. Die freudige Sonne hatte allein ruhig ausgeschlaffen /und die anmuthige Morgenröthe grüste den Tag mit lachendem Munde. Ihr und allen aber war auf dem Schauplatze noch zuvor kommen ein Ritter in eben einem so [146] feurigen Harnische / wie den Tag vorher Decebal angehabt. Der Schild allein führte ein ander Sinnbild / nehmlich eine Taube die einen Adler zerriß / mit der Uberschrifft: Mächtige Ohnmacht der Rache. Die Trompeten hatten kaum das erste mahl ein Zeichen zur Versammlung der Ritterschafft gegeben / als selbte sich mit unglaublicher Menge um die Schrancken / wie auch bey dem dritten Ausblasen der schwermüthige König / iedoch ohne die Fürstin Hermildis / als welche sich bey ihrem Herrn Vater mit Unpäßligkeit hatte entschuldigen lassen / einfand. Hertzog Ingram kriegte von ihrem Aussenbleiben durch die seinigen bey Zeite Wind / und weil er es dahin andeutete: die Fürstin sey nach erfahrner Ausfoderung mit allem Fleiß aussenblieben / um / unbeschadet des Verbots ihres Angesichts / ihm den Schauplatz zu eröffnen / so erschien er alsofort in einem kohlschwartzen Harnische. Auff seinem Schilde schwebte ein Salamander in der Flamme / mit der Uberschrifft: Die unversehrliche Unschuld. Fürst Decebal erschien in blancken mit goldnen Blumen beworffenen Waffen; In dem Schilde war eine Sonne gemahlet / welche mit ihren Strahlen einen Nebel und darinnen sich befindende Neben-Sonne unter sich drückte / mit der Uberschrifft: Die obsiegende Wahrheit. Hertzog Gudwil hatte einen gantz vergüldeten Harnisch / in seinem Schilde stand der Qvadische Löw / und brach einen Hauffen Pfeile entzwey / mit der Uberschrifft: Verächtliche Waffen der Mißgunst. Diese zwey Fürsten und iederman war bekümmert / wer der fremde Ritter wäre / Hertzog Ingram aber muthmassete aus der Gleichheit des Harnisches: es wäre Decebal. Daher rennte er nach gegebenen Zeichen wie ein Blitz auf ihn / und jener begegnete ihm mit nicht geringerer Fertigkeit / beyde traffen auch so wohl / daß die Splitter von beyden Lantzen in die Höh sprangen. Bey der Umwendung reichten ihre Waffenträger ihnen ein paar andere / welche sie ebensfalls ohne Beschädigung an einander in Stücken rennten. Im dritten Rennen ließ Ingram aus einer fast verzweiffelten Verbitterung die eingelegte Lantze kurtz für dem Antreffen sincken / umarmte seinen Feind / und riß ihn durch eine unglaubliche Geschwindigkeit mit sich vom Pferde / stieß ihm auch zwischen den Zusammenfügungen den Degen in Leib / daß er für todt liegen blieb. Alsofort fing sein vermu ter Waffenträger ein erbärmliches Mordgeschrey an: Ach! Hermildis! Hermildis! unglückselige Fürstin! Hertzog Ingram / der sich alsbald wieder zu Pferde gesetzt hatte / erstarrte über dieser Stimme wie ein Scheit; und der gantze Schauplatz gerieth in eine Raserey / als sie nach abgerissenem Helme Hermildens Antlitz erblickten / aber wenig Zeichen des Lebens an ihr verspürten. Ingram wäre in diesem Getümmel von dem wütenden Pöfel in Stücke zerrissen worden / wenn nicht der König bey diesem ihn am meisten bekümmernden Zufalle Vernunfft und Mäßigung seiner Regungen behalten / auch der Leibwache ihn zu beschirmen befohlen hätte. Nach gestilltem erstem Auffruhr / und als die Fürstin sich von der Ohnmacht erholte / die Wundärtzte gleichergestalt die Verletzung nicht für tödtlich hielten / kamen Hertzog Gudwil und Decebal und baten beym Könige aus /daß sie gegen den Ingram fechten und Rache ausüben möchten. Dieser ward hierdurch allererst von seiner Bestürtzung ein wenig ermuntert / redete damit den Lißudaval an: Ich wünsche durch mein Blut / großmüthiger Fürst / meinen Irthum zu büssen / wenn ich dardurch nur allein meine durch des Decebals Betrug oder Zauberey geschändete Unschuld ans Tagelicht bringen könte. Das Verhängniß wird es mir sicherlich / und dadurch dieses Glücke verleihen / daß der Erlauchte Fürst Gudwil Decebals offenbahrtes Laster verfluchen / [147] und mich gegen dem / welchem ich so hoch verbunden bin / zu kämpffen nicht nöthigen werde. Nach dem Königlichen Verlaub traffen Ingram und Decebal als zwey Felsen an einander / das Gefechte schien mehr als menschlich zu seyn / denn nach gebrochenen Lantzen und gefälleten Pferden führten sie zu Fuße mit ihren Schwerdtern auff einander ohne einiges Verblasen / gleich als wenn sie keines Athemholens bedürften / solche Streiche / welche auffzuhalten Stahl und Harnisch zu wenig waren. Endlich unterlieff Ingram dem Decebal sein Gewehr / und nach einem langen Ringen fielen sie mit einander zu Boden; weil aber Ingram das Glücke hatte oben zu kommen / nahm er seines Vortheils so wohl wahr /daß er dem Decebal den Helm vom Haupte riß / und ihm den Degen an die Gurgel setzte / mit Bedräuung: Er wolte ihm nun das Licht ausblasen / da er nicht die betrügerische Verfälschung seines Schildes eröffnen würde. In Decebals Gemüthe kämpfte Schande und Liebe des Lebens. Diese aber überwog jene / und er gestand / wie schwer es ihm ankam / mit Erzehlung aller Umstände zu / daß auff seine Anstifftung der Blattner der Eimbrischen Hertzogin Bildniß unter das oberste Blat eingeschraubet hätte; Welch Bekäntniß auch alsofort durch den herzu gefoderten Blattner bekräfftigt ward. Nicht nur des Königs und des Fürsten Gudwil / sondern aller anwesenden Gemüther wurden hierdurch gantz umgekehrt / und so viel Ingram Ansehen und Gewogenheit erwarb / so tieff verfiel Decebal in Haß und Verachtung / ja Lißudaval ließ ihm alsofort Stadt und Hoff verbieten. Ingrams gröste Bekümmerniß war die Fürstin ausser Gefahr / und sich bey ihr ausgesöhnt zu wissen. Alleine wenig Tage versetzten sie in eine versicherte Genesung / und ihres Brudern Erzehlung der völligen Begebenheiten den Ingram in so grosses Ansehen / daß sie ihn selbst zur Verhör beruffen ließ / ja / als er ihr seine Verletzung auff den Knien abbitten wolte / einiges sein Erkäntniß nicht annahm / sondern ihr selbst ein zweyfaches Verbrechen / so wohl eines übelgegründeten Argwohns /als einer ungerechten Antastung zueignete. Es ist wundernswerth / wie die zwey widrigsten Gemüths-Regungen Liebe und Rache in einer Seele so geschwind abwechseln können! Die zeither freye Hermildis ward durch die verbindlichen Liebes-Bezeugungen Hertzog Ingrams nunmehr tieffer im Gemüthe / als vorher mit seinem Degen verwundet. Den König Lißudaval verband er ihn zu einer innerlichen Zuneigung / den Fürsten Gudwil zu einer brüderlichen Vertrauligkeit; und hiermit schien er alle Hindernisse die Qvadische Hertzogin zu erlangen überstiegen zu haben / als Hertzog Decebal bey denen ihm benachbarten und befreundeten Pannoniern den Hertzog Ingram durch eine empfindliche Verläumdung vergällete. Denn er ließ durch einen Betrüger seine Hand nachmahlen / und sein Petschafft nachstechen /schrieb hiermit in seinem Nahmen einen Brieff an den Obersten Feldherrn Marcomir / darinnen er die Hoffnung seiner Vermählung mit der Hermildis Ihm vergewisserte / wordurch er das Pannonische Reich /welches für acht und sechtzig Jahren von ihrem Geschlechte durch angemaßtes unrechtes Wahl-Recht abkommen wäre / wiederum an sich zu ziehen anzielte. Diesen Brieff händigte er selbst einem Post-Reuter ein / solchen dem Marcomir zu überbringen / stellte aber etliche Pannonier an / daß sie einen solchen verdächtigen Brieff-Träger nicht allein anhalten / und ihm die Schreiben abnehmen / sondern selbten auch /wormit sein Betrug verschwiegen bliebe / todt schlagen solten. Keine Natter kan so vergifftet sich anstellen / wenn sie getreten wird / als der Adel / wenn man ihm das Wahl-Recht nehmen / und [148] ein freyes Volck /wenn man es zu Erb-Unterthanen / oder seiner Auslegung nach zu Sclaven machen will. Daher ist unschwer zu erachten / wie die Pannonier / die ohne diß nicht so viel Schatten einer Dienstbarkeit / als ein Auge Staub in sich vertragen können / wider den Hertzog Ingram erbittert worden. Die Furcht und Einbildung sind ausser dem gewohnt / eben wie die Fern-Gläser / alle Dinge zu vergrössern / und den Sachen eine andere Farbe anzustreichen / ja diß / was etwan geschehen kan / für etwas wesentliches zu verkauffen. Dahero war kein Herrschens-Joch so strenge zu ersinnen / das sie nicht schon unter dem Ingram auff ihren Achseln zu haben ihnen traumen liessen; und wormit sie ihrer Empfindligkeit so vielmehr Ansehen und Beypflichtung zu wege brächten / stellten sie dem Hertzog Gudwil nicht allein seine eigene Gefahr und die Verdringung von denen Väterlichen Reichen für /sondern sie erklärten ihn auch noch bey Lebzeiten Lißudavals zu ihrem künfftigen Beherrscher. Die Qvaden machten bey so scheinbarer Gefahr auch grosse Augen / und die eifersüchtige Herrschens-Sucht verwandelte Hertzog Gudwils Freundschafft wider den Ingram in einen hefftigen Argwohn. Ja es mangelte nicht an Leuten / die um sich beym Gudwil in Ansehen grosser Treu zu setzen ihm riethen: Er solte nicht allein Ingrams Heyrath mit seiner Schwester stören / sondern ihm auch das Licht ausblasen. Fürsten solten allezeit den verdächtig achten / der nach ihnen ihm Hoffnung zum Reiche machen könte. Es wäre diese Entschlüssung nicht zu verschieben / in welcher die Langsamkeit mehr als Verwegenheit Schaden brächte; auch dörffte man über dem / was zur Ruhe des Volcks / zur Befestigung des Throns / und zu dem gemeinen Heil angesehen wäre / ihm kein Gewissen machen / wenn es schon einen Schein der Grausamkeit an der Stirne führte. Die Sueßioner und Senoner hätten für hundert Jahren ihr von den Eubagen / welche sich wider die alten Druyden aufflehnten / und ihren Gottesdienst aus den Geheimnissen der Natur ergrübeln und befestigen wollen / zerrüttetes Reich nicht ehe in Ruhe setzen können / als biß König Colusar eines ihrer Häupter durch Verlobung seiner Schwester / das andere mit Verleihung grosser Würden gantz sicher gemacht / und auff der Königlichen Hochzeit über hundert tausend Eubagen unversehens nieder säbeln lassen / den Bräutigam auch selbst zu Abschwörung des Eubagischen Gottesdiensts genöthigt. Verzweiffelte Kranckheiten müste man mit Giffte heilen / und in allen grossen Beyspielen stecke ein Gran Ungerechtigkeit / welche Scharte aber durch den gemeinen Nutzen ausgewetzt würde. Hertzog Gudwil gerieth hierdurch in einen rechten Kampff seines Gewissens und der Regiersucht. Jenes redete dem Ingram als einem noch nie überwiesenen das Wort; diese aber sprach ihm das Leben ab / weil einem in Lastern / die die Herrschafft angehen / auch nur glaubhaffte Muthmassungen zu verurtheilen berechtigt wären. Hertzog Ingram / welchem diese Verleumdung lange Zeit verborgen blieb / erfuhr selbte durch vertrauliche Nachricht des Ritters Schlick / und zugleich / was man dem Gudwil wider sein Leben für blutige Rathschläge einbliesse. Gleichwohl behielt dieser Fürst ein der Gefahr gemässes Gemüthe / und weil er durch eine blosse Schutz-Rede den bereit so tieff eingewurtzelten Verdacht zu vertilgen nicht getrauete / noch durch eine heimliche Flucht zwar sein Leben zu retten / seine Unschuld aber in mehrern Verdacht einzusencken / und sich dadurch der unschätzbaren Hermildis verlustig zu machen nicht für rathsam hielt / ihn auch seine übermäßige Liebe alles eusserste zu versuchen veranlassete / so nahm er seine Zuflucht zu einer vermessenen Andacht. Denn den folgenden [149] Tag fiel der Neumond ein / an welchem die Pannonier und Qvaden der Gottin Kihala opferten. Diese Göttin war ein nacktes auff einem mit zwey Tauben bespannten Wagen stehendes Weib / in ihrer rechten Hand trug sie die Welt-Kugel / in der lincken drey Granat-Aepfel / auf dem Haupte einen Myrthen-Krantz / aus ihrer Brust ging eine brennende Fackel herfür. Auf ihrem Altare lag ein aus dichtem Golde auf dem einen Gebürge dieser Völcker gewachsener Stab / darauf die Könige nicht allein dem Reiche ihre Eydes-Pflicht zu leisten / sondern auch andere Grossen des Landes ihre Angelöbnüsse zu beschweren pflegten; und wird geglaubt / daß kein Meineydiger aus dem Tempel lebendig scheiden könte. Wie nun der König / Fürst Gudwil und Hermildis für diesem Bilde knieten / und der Priester ein Opfer nach dem andern anzündete / kam Hertzog Ingram unversehens in den Tempel / legte seine lincke Hand auf den güldenen Stab / und schwur mit heller Stimme: Ich ruffe euch Schutz-Götter dieses Königreichs zu Zeugen /daß ich das Erbrecht desselben meinem Stamme zuzuziehen / die Freyheit des Volcks zu unterdrücken /noch auch den Fürsten Gudwil darvon abzustossen niemals / sondern allein die unvergleichliche Hermildis zu besitzen gedacht. Da auch ich hierinnen meineydig bin / so werde ich und mein Sta vertilget / so verzehre mich augenblicks diese Flamme. Hiermit faßte er mit der rechten Hand den glüenden Rost /worauf die Opfer lagen. Alle Anwesenden erstarrten hierüber / und insonderheit / da sie ihn die Hand gantz unversehrt von dem umbfaßten brennenden Eisen wegziehen sahen. Weil nun kein Mensch an seiner durch dieses Wunderwerck bewehrten Unschuld zweifelte / muste sich Hertzog Gudwil schämen / daß er diese andere Verleumbdung sich so leichtgläubig hatte einnehmen lassen. Es ist sicher eine vermessene Zuversicht zu seiner Unschuld / oder ein ungemeines Vertrauen zu den Göttern gewest / fing Zeno an / da unter diesem Wunderwercke nicht ein Kunst-Stücke verdeckt gelegen. Was für ein Kunst-Stücke? versetzte Malovend. Zeno antwortete: Machet man aus dem Amianten-Steine Leinwand / die von der Flamme gereinigt / nicht verzehret wird; wächset auf dem Javischen Gebürge Holtz / das nicht verbrennet; leben in den Cyprischen Schmeltz-Oefen über dem zerflüssenden Ertzte gewisse Fliegen unversehrt; leschen die Salamandern mit ihrem Speichel das Feuer aus / so ist es auch wol möglich / daß der Mensch seine Glieder durch natürliche Mittel für dem Brande verwahre. Uberdis sollen nicht weit von Rom in dem Filiskischen Gebiete gewisse Geschlechter / die Hirpien genennt / gewesen seyn / welche am Berge Soractes /wenn daselbst jährlich dem Apollo geopfert worden /über die glüenden Brände ohne einigen Schaden baarfüssig gehen können / und deßwegen vieler Freyheiten genossen haben. Malovend begegnete ihm: Es mag wol seyn / daß unter derogleichen Begebenheiten zuweilen die Kunst oder die Natur spiele; Hertzog Ingrams Beginnen aber ward als ein unbegreiffliches Wunderwerck der sonderbaren Fürsorge seiner Schutz-Götter zugeschrieben; und daher ihm alsofort die Fürstin Hermildis im Tempel mit grossem Frolocken der Qvaden verlobet. Kurtz hierauf starb der König Lissudaval / und betrat Fürst Gudwil beyde Reichs-Stüle / wiewohl mit minderm Glücke / als Verdienst. Denn Decebal erregte wider ihn den mächtigen König der Scythen Salomin / daß er mit einem grossen Heere in Pannonien einfiel. König Gudwil begegnete ihm zwar mit Heeres-Krafft / ward aber bey Zoma geschlagen / und er selbst kam in einem Morast umb. Nach dessen Tode erkennten die Qvaden zwar alsobald die Fürstin Hermildis für eine Erbin des väterlichen Reichs / und den Hertzog Ingram für ihren König; die Pannonier aber wurden untereinander zwistig / und erwehlte ein Theil in Ansehung der Anverwandnüß [150] und seiner Tapferkeit den Ingram / das andere Theil aber / theils wegen ihrer Blutfreundschafft /theils aus Furcht für der Dacier und Scythen grosser Macht / theils weil ihnen das vom Decebal gegen den Ingram erregte Mißtrauen noch im Hertzen steckte /den Decebal / welcher inzwischen ein Sarmatisches Fräulein Lasabile geheyrathet hatte. Hiermit geriethen diese zwey Fürsten gegeneinander in Krieg / das Glücke aber stand auf Hertzog Ingrams Seiten; denn er bemächtigte sich der Haupt-Stadt / und ließ sich krönen / verfolgte hierauf mit seinen siegreichen Waffen den Decebal / und schlug ihn beym Flusse Pathißus aufs Haupt / also daß er zum Salomin zu flüchten genöthigt ward. Dieser führte ein Heer von 300000. Scythen wider den König Ingram auf / drang damit biß ins Hertze Pannoniens / und belägerte die Stadt Vindobon. Es beschützte aber selbte mit unglaublicher Gegenwehr Friedebald der Alemannier und Vangionen Hertzog so lange / biß König Ingram ein ansehnlich Heer zusammen zog. Welchem aber Salomin nicht Fuß halten wolte / sondern nach Verlust unzehlbarer Stürme und mehr als 60000. Mann ab- und in Scythien zurück ziehen muste. Insonderheit machte die Belägerten behertzt eine stählerne in einem alten Tempel aufgehenckte Krone / die der alte König Frison dahin gebracht / und mit seiner Indianischen Gemahlin Palibothra zum Braut-Schatze bekommen haben soll / als ihn Sandrocot aus dem Emodischen Gebürge vertrieben / und er anfangs in Egypten / hernach in Thracien / endlich in Deutschland sich niedergelassen. Denn sie glaubten / daß / so lange diese in ihren Ring-Mauren wäre / die Stadt nicht zu erobern sey. So gibt diese Stadt / fing Zeno an / Rom nichts nach / welches auf sein Bild der Pallas / das Eneas aus dem Trojanischen Brande / Metellus aus dem in voller Glut stehenden Tempel der Vesta errettet / oder auf den kurtzen Schild / der unter dem Numa vom Himmel gefallen seyn soll / so viel bauet. Es sind dergleichen Schutz-Bilder hin und wieder gar gemein / fiel Rhemetalces ein / und habe ich in der Africanischen Stadt Bockan Hemer auf einem sehr hohen Thurme vier güldene Kugeln angetroffen /die 700. Pfund wiegen / welche eines Mohrischen Königs Tochter aus ihren Geschmeiden unter einem besondern Zeichen des Gestirnes hat giessen / und statt ihres versprochenen Braut-Schatzes auf die 4. Thurm-Ecken setzen lassen / ja gewisse Geister zauberisch beschworen / daß sie verpflichtet wären / solche Aepfel und zugleich solches Reich ewig zu bewahren. Allein der Ausgang lehret nicht allein / daß hierunter viel Aberglauben und Eitelkeit stecke; wie denn diß Reich ietzt mit seinen Aepfeln unter frembdem Joche schmachtet / und Troja ist unbeschadet ihres Pallas-Bildes von den Griechen / Rom unbeschadet seines Ancils von Deutschen erobert worden; sondern der Ursprung und die Wahrheit dieser Schutz-Bilder ist auch meist zweifel- oder gar lügenhafft. Einige Römer wollen selbst nicht glauben / daß das Römische Palladium das rechte sey / weil Heraclea / Lavinium und Luceria das unverfälschte zu haben sich rühmen / und unter den zwölf Ancilen weiß niemand / welches das rechte sey. Viel mienẽ auch / daß Eneas das Palladium vom Diomedes nicht kriegt / weniger in Italien gebracht / sondern Fimbria es im Mithridatischen Krieg bekommen habe. Ich glaube selbst / versetzte Malovend / daß Friedebalds Tapferkeit das beste Schutzbild der Stadt Vindobon / und der Unglücks-Stein der Scythen gewesen sey. Durch derselben Verlust und Flucht ward Decebal gezwungen den König Ingram umb Frieden anzuflehen / und sich des Pannonischen Reiches zu entäusern; gleichwol aber blieb dem Decebal das vorhin zu Pannonien gehörige Dacien mit dem Königlichen Titul und beyderseitiger Bedingung: daß / wer unter ihnen den andern überlebte / das König reich Pannonien völlig [151] haben solte. Wenige Zeit hernach starb Decebal. Als nun König Ingram / vermöge ihres Bundes / das Pannonische Dacien wieder forderte / schützte die Königin Lasabile für: Decebals abgeredter Rückfall hätte den Verstand in sich gehabt / da einer unter ihnen ohne Kinder stürbe / und Salomin /dem Ingrams mehrere Vergrösserung Kummer machte / schickte des Decebals zweyjährichtem Sohne Festan eine Königliche Krone und andere kostbare Geschencke / versicherte die Königin seines Beystandes /brachte auch die Stände des Reichs theils durch Bedräuung / theils durch Verheissungen / darzu / daß sie diesem Kinde die väterliche Krone aufsetzten / sich auch überdis noch ein Theil Pannoniens / das die Jatzyger bewohnen / zu ihm schlug. Als nun König Ingram mit sieghaften Waffen die Abtrünnigen wieder eroberte / drang Salomin mit einer neuen Heeres-Macht wieder herfür / lägerte sich bey Bregetio /worinnen sich die Königin Lasabile und ihr Sohn aufhielt. Daselbst bekleidete er seine Arglist mit betrüglichen Liebkosungen gegen der Königin und die Landes-Herren / als dem schädlichsten Gifte rechtschaffener Freundschafft. Endlich ersuchte er die Königin ihm den König ins Läger zu schicken / wormit er ihm selbst die mitgebrachten Geschencke einliefern / und seiner Person Beschaffenheit in Augenschein nehmen könte. Lasabile erschrack über diesem Anmuthen überaus heftig / und ward nunmehr allzu langsam ihres Irrthums gewahr / und daß nichts gefährlichers sey / als einen mächtigern Nachbar zu Hülffe ruffen /derer Schutz-Flügelmeistentheils von Adlers-Federn sind / welche dieselben / so sie für Gewalt beschirmen sollen / selbst zerreiben; wie die benachbarten Griechen am Könige Philip empfunden / der den schwächsten halff / wormit er anfangs die Besiegten / hernach die Sieger ihm unterthänig machte. Gleichwohl dorfte sie ihr Mißtrauen gegen dem Salomin / als welcher mit seinem mächtigern Heere / als dem ihre äuserste Kräfften nicht gewachsen waren / im Hertzen ihres Reiches stund / nicht mercken lassen / sondern muste ihren Sohn mit lachendem Munde in den Rachen eines Wüterichs liefern / dessen Herrschsucht bereits hundertmal die Ketten der Bindnüsse / ja die Gesetze der Natur durch Hinrichtung seiner eigenen Söhne zerrissen hatte. So bald diß Kind in seiner Gewalt war / ließ er die Stadt Bregentio bespringen / zwang durch angedräuete Abschlachtung ihres Sohnes / und mit dem Vorwand / daß ihr Land für Zeiten zu dem von ihm durchs Recht oder Waffen eroberten Getischen Reiche gehöret hätte / die Königin / daß sie ihm das Schloß und andere Pannonische und Dacische Festungen einräumen / und für eine Gnade erkennen muste /daß sie mit ihrem Kinde in Sarmatien ziehen dorfte. Also erfuhr diese einfältige Königin allzu geschwinde / daß / da sie meynte unter dem Schatten mächtiger Schirm-Flügel zu stehen / und mit Lilien bedeckt zu seyn / sie in den Klauen eines Raub-Vogels war / und auf den biß ins Hertz stechenden Dornen lag; lernete aber allzu langsam / daß auch bey fast verzweifeltem Zustande man frembder Hülffe sich nicht bedienen solle von einem ungewissenhafften oder im Gottes-Dienste unterschiedenen Fürsten / oder der auf das Schutzdürftige Land einen Anspruch hat / oder es ihm vortheilhafftig gelegen ist; sonderlich da die Hülffe die eigene Macht überwieget / und die Hülffs-Völcker unter ihren eigenen Heer-Führern bleiben / in Festungen verlegt / und nicht bald wider den Feind geführet werden. Ob nun wol dieser Salomin viermal in Person mit dem unzehlbaren Schwarme der Scythen / Geten und Bastarnen Pannonien überschwemmete /Deutschland auch wegen eigener Trennung der Druyden / Barden und Eubagen dem Könige und endlich obersten Feldherrn Ingram wenige Hülffe leistete / so thät er doch diesem grausamen Feinde mit seinen Qvaden / insonderheit der Gothinischen / Osischen und Burischen Ritterschafft [152] so mannliche Gegenwehr / daß er nach überwältigtem Dacien über dem Flusse Pathissus und Arrabon sich nicht feste setzen konte. Und seine Verdienste waren so groß geschätzt / daß für seinem Absterben noch sein Sohn Clodomir zu der Deutschen obersten Feldherrn erwehlet ward.

Dieser Clodomir / der achte in den Gemählden /ward erzogen in dem Hofe und Läger des grossen Marcomirs. Denn sein Vater wuste wol / daß einem jungen Fürsten der Staub auf der Renne-Bahn und auf dem Kampf-Platze zuträglicher / als der Ambra-Geruch in dem wollüstigen und für iedem Schatten schichternden Frauenzimmer sey; ja daß die Jugend nichts minder als ein Gefässe den Geschmack dessen /was zum ersten darein gegossen wird / behalte. Dieser Marcomir leitete ihn mit seinem Beyspiele als der kräftigsten Richtschnure nicht anders zu allen Fürstlichen Tugenden an / als die Adler ihren Jungen an die Straalen der Sonnen zu schauen mit ihrem Vorfluge Unterricht geben. Sintemal in dem eingebisamten Gemache eines Sardanapals auch ein tapferes Gemüthe so wenig herrschen / als ein Adler von der Nacht-Eule die Augen an der Sonne schärffen / oder die Gipfel der Cedern überflügen lernt. Dieser muthige Held ließ seine Tapferkeit in den Kriegen wider den unruhigen König Usesuval uñ den Hertzog der Hermundurer blicken. Seine Beredsamkeit machte / daß Marcomir auf den Reichstagen sich seines Mundes und Vorträge bediente; seine Klugheit / daß er in seiner Abwesenheit ihm die Herrschafft gantz Britanniens anvertrauete. Daselbst bezwang ihn die unvergleichliche Schönheit der Fürstin Riama / daß er in heftiger Liebe gegen sie entzündet / und dardurch seinen Stand täglich mit neuen Helden-Thaten herrlicher zu machen verursacht ward / umb dardurch Marcomirs Einwilligung und der Fürstin Gewogenheit zu gewinnen. Diesem seinem Absehen aber wurden zwey heftige Hindernüsse in Weg geweltzet. Denn das Hertze dieser Fürstin hatte allbereit von frembdem Zunder / nemlich den Tugenden Friedebalds / des Hertzogs der Vangionen / der die Stadt Vindobon wider den Salomin so herrlich vertheidigt hatte / heimliches Feuer gefangen / und Marcomir bereuete / daß er die Ober-Feldherrschafft Deutschlandes in seines Brudern Ingrams Hände hatte kommen lassen / und selbte nicht vielmehr seinem Sohne Hippon zugeschantzt. Deßwegen verstellte er seine sonst zum Clodomir und seiner Vergnügung tragende Zuneigung / meynte auch durch seine Flammen einen grössern Schatz zu schmeltzen /nemlich: daß Ingram und Clodomir gegen den güldnen Apfel der Riama den deutschen Reichs-Stab verwechseln würden. Beyde diese Klippen aber waren Klodomirn verborgen / und darum desto gefährlicher. Sein hoher Stand / seine Anverwandnüß / welche doch bey dem Cheruskischen Hause im Heyrathen möglichst beobachtet ward / seine fürtrefflichen Leibes- und Gemüths-Gaben / die beweglichsten Ausdrückungen seiner brennenden Seelen waren zu ohnmächtig der Riama Hertze zu erweichen / ja es schien / daß / ie heisser er entzündet war / sie so vielmehr kaltsinnig und unerbittlich würde. Diese Fürstin war in der Aufsicht Olorenens Marcomirs Schwester / des Qvadischen König Gudwils Wittiben. Deshalben bemühte sich Klodomir dieser klugen Königin Gunst zu gewinnen / und meynte / wenn er nur diesen Stein ins Bret bekäme / das Spiel halb gewonnen zu haben. Denn er bildete ihm diesen süssen Traum ein / die Abneigung Marcomirs / als von dem er sonst in allem übrigen so hoch geschätzt ward / sey ein blosser Schatten / welcher von der Kaltsinnigkeit der Fürstin auf ihn fiele. Die Qvadische Königin war von Klodomirn ihm bey der Riama sein Wort zu reden leicht zu gewinnen / weil sie selbst auf den Vangionischen Hertzog ein Auge geworffen / ihre Eifersucht[153] aber / welche mehr als hundert Luchs-Augen hat / der Riama biß ins Hertze sah / und aus ihren Blicken /aus ihren öftern Färbungen des Antlitzes in Abwesenheit des Vangionischen Hertzogs / und etlichen andern Umbständen urtheilte / daß Riama ihre verliebte Neben-Buhlerin sey. Wie behutsam nun Olorene ihre Empfindligkeiten versteckte / so hatte doch auch ihre Liebe verbundene Augen / welche sich aus den strauchelnden Fehl-Tritten unschwer abmercken ließ / und daher ward Riama eben so geschwinde gewahr / daß Olorene in den Friedebald verliebt wäre. Also waren sie zwey gegeneinander die allergenauesten Aufseher /das Fräulein Riama aber darinnen unglücklich / daß Olorene ihr zuvor kommen war / und nicht allein ihm ihre Gewogenheit durch nachdrückliche Merckmale entdeckt / sondern auch sein Hertze völlig gewoñen hätte. Wie nun aber / daß es allbereit mit dem Friedebald und Olorenen so weit kommen wäre / Riama nicht wuste; also war sie bekümmert / wie sie Friedebalden die Wunde ihrer Seele ohne ihre Verkleinerung und Olorenens Wahrnehmung entdecken möchte. Denn sie wuste wol / daß sie hier zum ersten würde müssen die Larve vom Gesichte ziehen / weil Friedebald sonst gegen einer so grossen Fürstin seine heftigste Liebe mercken zu lassen sich nimmermehr unterwinden würde. Ja ihre Gedancken liebkoseten selbst ihrem Gemüths-Triebe / und legten die gegen ihr täglich bezeugte Ehrerbietungen nebst denen öftern Veränderungen des Fürsten Friedebalds / welche aber von Olorenens Regung herkamen / für Verräther seiner vermummeten Liebe aus. Und endlich bildete sie ihr ein / es wäre kein Fürst in der Welt / der gegen sie nicht solte entzündet werden / gegen welchen des grossen Marcomirs schöne Tochter einen Stral ihrer Gewogenheit würde schiessen lassen. Diesemnach entschloß sie sich / ihre bißherige zweydeutigen Gunstbezeugungen dem Friedebald durch ein deutlicher Merckmal klärer auszulegen. Hierzu ereignete sich Gelegenheit in dem Königlichen Lust-Garten / allwo Riama / Olorene / Klodomir und Friedebald einst ihre Zeit mit allerhand Ergetzligkeiten vertrieben. Als sichs nun traff / daß Olorene und Klodomir miteinander im Schach spielten / bediente sich die Princessin Riama solchen Vortheils / und veranlaste den Hertzog Friedebald mit ihr die Länge aus durch den auf beyden Seiten mit Palm-Bäumen besetzten Spatzier-Saal zu gehen / und / welches unter denen Gemählden ihm am besten gefiele / zu urtheilen. Als nun / nach derselben Betrachtung / Friedebald gepreßt ward seine Meynung zu sagen / lobte er für allen andern das Bild / da Nannus der Segobrigier König am Rhodan seiner Tochter Gyptes Hochzeit machte / und nach dem ihr vermöge der Landes-Art aus den eingeladenen Gästen einen Bräutigam zu erkiesen verstattet war / sie dem Protis / der nebst dem Simos aus Griechenland daselbsthin angelendet / zum Zeichen seiner Erwehlung Wasser reichte. Welcher denn hierauf aus einem Gaste des Königs Eydam ward / und die berühmte Stadt Massilien mit seinen Phocensern erbauete. Der Riama schoß bey dieser Erzehlung die Scham-Röthe mit vollem Strome ins Antlitz / ihr festiglich einbildend / daß Friedebald nicht allein das Geheimnüß ihrer zu ihm tragender Liebe ergründet habe / sondern er auch als ein Gast von ihr nichts anders / als was Gyptes dem Protis gewehret / aus Gegen-Liebe ersäufze. Nach weniger Erholung war ihre Antwort: Sie könne fein Urthel nicht schelten / und es wäre eine ungemeine Glückseligkeit / wo Liebe und Wahl auf der Wag-Schale zweyer Augen lägen. Wie aber die verdeckte Liebe eröffnet / die offenbare verdeckt zu seyn wüntschet; also wolte auch Riama sich nicht gantz und gar bloß geben / fing daher an: Ihrem Gutbedüncken schätzte sie noch höher / die darneben [154] gemahlte Geschichte / von der Qvadischen Königin Bulissa / welche ihren Reichs-Ständen / die sie entweder zu heyrathen oder Kron und Scepter niederzulegen nöthigen wolten / nach darüber gehaltener Berathschlagung antwortete: Sie wolte den ehlichen / zu welchem sie das Göttliche Verhängnüß versehen hätte. Diesen würde ihnen ihr wolaufgeputztes und ohne Zügel gelassenes schimmlichtes Pferd zeigen. Ihr Merckmal solte seyn / daß er auf einem eisernen Tische Mahlzeit hielte. Friedebald war lüstern den Ausschlag dieses Ebentheuers zu vernehmen; worauf ihm Riama meldete: Das Pferd wäre über Berg und Thal zehn Meilweges gelauffen / und zehn der fürnehmsten Landes-Herren selbtem mit den Königlichen Zierrathen nachgefolgt. Endlich wäre es wiehernde bey einem Ackersmanne Nahmens Sarpimil stehen blieben / der auf seiner umbgedreheten Pflugschar Brodt und Käse gespeiset. Die Abgeordneten hätten hieraus den Schluß des Himmels erlernet und den Sarpimil für ihren König verehret; Sarpimil aber diese Würde unbefrembdet angenommen / und seine Reute in die Erde gesteckt / worauf sie alsofort als eine Haselstaude aufgewachsen. Durch welche wunderliche Begebungen denn der Königin Bulissa Wahl so vielmehr Ansehens bekommen hätte. Mit welcher Erzehlung die Fürstin Riama zu verstehen geben wolte / daß die Heyrathen im Himmel geschlossen würden; gleichwohl aber auch durch dis Beyspiel die in ihren Kram dienende Meynung bestätigte / daß eine Fürstin keinen andern / als welchen sie selbst erwehlte / lieben solte. Und diese Erklärung begleitete sie mit einer so durchdringenden Annehmligkeit / daß selbte auch der Unempfindlichste / zu geschweigen der so tiefsinnige Hertzog Friedebald für eine Ausdrückung ihrer hertzlichen Zuneigung hätte annehmen müssen. Ich lasse euch nachdencken / fuhr Malovend erzehlende fort / ob Friedebald über dieser unvermutheten Liebes-Eröffnung nicht in äuserste Verwirrung gerathen solte. Die Glückseligkeit / daß er auf einmal von zweyen unvergleichlichen Fürstinnen geliebet ward / überschwemmte sein Gemüthe derogestalt /daß weder der Verstand hierüber einen Schluß zu fassen / noch die Zunge etwas auszusprechen mächtig war. Und die beschämte Riama wuste mit nichts / als einem tieffen Seufzer / ihr Hertze zu erleichtern. Gleichwol musten sie diese Regungen / so gut sie konten / verstellen / denn Klodomir und Olorene stunden gleich von ihrem geendigten Spiele auf / und kamen auf sie gerade zugegangen. Sie nahmen alsofort Friedebalds und der Riama Veränderungen wahr; beyden aber halff ihre Verwirrung ein Edel-Knabe verdecken / welcher von Marcomirn der Riama und Olorenen eingelauffene Schreiben brachte. Klodomir und Friedebald liessen deßhalben diese zwey Fürstinnen alleine / und verfügten sich miteinander an die den Garten durchschneidende / und zu Beschirmung für der Sonne mit eitel Cypreß-Bäumen besetzte Bach. Olorene erbrach das an sie lautende / und laß folgende Worte: Liebste Schwester. Unser Vertrauen /das sie stets zu Berathschlagung unserer grösten Reichs-Geheimnüsse gezogen / bewegt uns auch dißmal ihre vernünftige Einrichtung zu erbieten / daß sie Hertzog Klodomirn gegen Vermählung unser von ihm begehrten Tochter zu gutwilliger Abtretung der deutschen Feldhauptmannschafft an unsern Sohn Hippon bewege; als welche wir ihm nicht allein gutwillig entzogen und Klodomirs Vatern zueignen lassen / sondern auch unser Recht der Erst-Geburt ausser Augen gesetzt / als wir das von unserm Vater uns zugefallene Noricum ihm überlassen. Das Schreiben an die Princeßin Riama aber war folgenden Lauts: Liebste Tochter / Hertzog [155] Klodomirs gegen euch heraus gelassene Liebe rühret nicht allein vom göttlichen Verhängnüsse her / sondern dienet auch zum Heil unserer Länder / und zu Erhaltung unsers Hauses. Dahero zweifeln wir nicht / daß ihr so wohl an so viel Gutem / als seinen Tugenden und hohen Ankunfft eure Vergnügung finden werdet. Jedoch wird die Königin Olorene / an die wir euch deßhalben verwiesen / hierinnen euch eine treue Wegweiserin abgeben. Lebet also wol. Wie nun Olorene über ihrem Schreiben erfreuet war / nach dem sie ihre Neben-Buhlerin von ihrem Ziel abzuziehen Macht und Gelegenheit bekam; also gab Riamen iedes Wort einen Stich ins Hertze / und sie wuste ihr Elend nicht zu übersehen. Weil nun ieder Augenblick Verliebten in Tage sich verlängert / feyerte Olorene nicht / sondern fügte sich zu Klodomirn / von welchem Friedebald sich alsofort absonderte / weil allem Ansehen nach Olorene mit ihm alleine reden wolte. Diese fing alsofort an heraus zu streichen / daß sie für seine Vergnügung zeither mehr / als er selbst bekümmert gewest wäre. Dahero wäre sie nicht in den engen Schrancken geblieben ihm bey Riamen gut in Worten zu seyn / sondern / nach dem sie Riamens so grosse Kaltsinnigkeit verspüret / habe sie das Feuer in der Asche gesucht / und nunmehr einen Schlüssel gefunden Riamens Hertze und die Pforte seiner Glückseligkeit aufzuschlüssen. Klodomir ward über so frölicher Botschafft fast für Freuden entzückt; und nach dem er gegen der Königin seine Verbindligkeit aufs beweglichste ausgedrückt / war er begierig die Auslegung dieses angenehmen Rätzels zu vernehmen. Olorene fing hierauf an: Sie habe die ausdrückliche Einwilligung Marcomirs zu seiner Vermählung in ihren Händen / welcher sich Riame als eine vernünfftige Tochter ohne eufersten Ungehorsam nicht würde widersetzen können. Klodomir kam hierüber vollends auser sich / umarmte bückende Olorenens Knie / und rieff: Gütiger Himmel! soll ich am ersten für deine Güte /daß du mich mit so ungemeinem Glücke überschwemmest; oder dieser meiner Schutz-Göttin für ihre kluge Vorsorge danckbar seyn! Olorene bestillte ihn / und versetzte: Es wäre dieses Werck noch nicht ausgemacht / und hätte das Gewebe unsers Glücks keinen so gleichen Faden / daß nicht noch hin und wieder ein Knoten daran zu finden wäre. Jedoch stünde es vielleicht in seiner Gewalt / dem / was ihm noch am Wege stünde / selbst abzuhelffen. Klodomir fuhr alsofort heraus: da seine Gewalt sich dahin erstreckte /wäre nichts unter der Sonne / das ihn an der Vollziehung hindern solte. Olorene fiel ihm ein: Er solle sich nicht übereilen. Es habe in der Welt mehr als einen güldenen Apfel / und die Liebe erlange nicht allezeit unter den menschlichen Gemüths-Regungen den Obsieg. Was solte diß wol für ein Kleinod seyn / antwortete Klodomir / das ich oder iemand der unschätzbaren Riame fürziehen solte? Olorene versetzte: Wann die Liebe den Richterstul besitzt / Nichts; wenn aber Ehrsucht urtheilen soll / Herrschafft und Würden. Klodomir stockte hierauf / fing aber nach einem wenigen Nachdencken an: Ich traue ja wol dem grossen Marcomir zu / daß ich ihm für seine Tochter die väterliche Kron und Zepter nicht abtreten solle / welche er unmöglich ungekrönet wünschen kan / weil die Natur ihr einen Königs-Krantz aufs Haupt zu setzen die Welt verbinden würde / wenn das Glücke der Geburt ihr selbten gleich nicht zueignete. Solte mir aber Kron und Zepter am Wege stehen oder unfähig machen / könte ich mich noch wol überwinden / daß ich mich ihrer enteuserte. Nein / nein / mein lieber Klodomir / fing Olerene an: Es ist Marcomirn so wenig anständig einen ungekrönten Eydam zu haben / als ich dem Fürsten Klodomir eine so blödsinnige Liebe zutraue / daß er in etwas mehr / als in dem unschätzbarn [156] Purper / seine Vergnügung finden solte. Kron und Zepter lassen sich leichter schelten / als wegwerffen. Und es eckelt einem für diesen nicht so bald / als man eines schönen Antlitzes überdrüßig wird. Die übereilende Hitze der aufwallenden Begierde unterdrücket zwar zuweilen die Begierde zu herrschen; aber diese den Fürsten mehr natürliche Wärmde kommt mit der sich von solchen Dünsten auswickelnden Vernunfft bald wieder empor. Dahero wird Klodomir wol das Qvadische und Pannonische Reich mit der schönen Riama besitzen können. Diß aber / was Marcomir für seinen Sohn Hippon verlangt / rührt nicht allein ohne diß von seiner Freygebigkeit her / sondern ist an sich selbst eine Nuß / die güldene Schalen und ein grosses Gewichte / aber keinen Kern / und doch viel Uberlast hat. Es ist leicht zu errathen / daß ich die Feld-Hauptmannschafft Deutschlands meine; die Bürde nach der sich Fürsten nicht sehnen dörffen / welche einer unverschrenckten Gewalt gewohnt sind / und die ihre Freyheit nicht selbst denen Beherrschten dienstbar machen / ja ihre eigene Länder zu Unterhaltung der nöthigen Pracht / und zu Beschirmung dieses so vielköpfichten Leibes erschöpffen wollen. Ich begreiffe selbst nicht / was Marcomir für Ansehn habe / daß er diese eitele Ehre auf die Schultern seines Sohnes zu heben trachtet / die der Deutschen Fürsten Eigensinnigkeit ihm mehrmahls so sauer und verdrüßlich gemacht. Hingegen überkommst du mit der unschätzbaren Riama einen Königlichen Braut-Schatz / die Anwarthschafft zu so vielen Königreichen. Denn diese stehen auf den zweyen Augen seines einigen Sohnes Hippon / und also auf dem Falle. Die Fürsten sind nichts weniger sterblich als Unterthanen / ja es sterben mehr königliche / als gemeine Geschlechter ab. Dieses ist mein unvorgreiflicher Fürtrag / Klodomir; Klugheit wird vernünftig unterscheiden / welche Wageschale den Ausschlag zu haben verdiene. Dieser liebkosende Vortrag Olorenens fiel kaum so geschwinde in die Ohren Klodomirs / als sein Gemüthe ihren Bewegungs-Gründen Beyfall gab. Dahero schrieb er noch selbigen Tag an seinen Vater den König Ingram / und / weil die Buchstaben nicht so /wie ein redender Mund / schamroth wird / schüttete er für ihm sein gantzes Hertze und Absehn aus. Inzwischen lag Olorene der Princeßin Riama an / daß sie gegen den / welchen so wohl das Verhängnüß als ihr Vater schon zum Gemahl bestimmet hatte / anständigere Bezeugung machen solte. Ihre Landsart und die Schamhaftigkeit ihres Geschlechts nöthigte sie einen Bräutigam anzunehmen / nicht zu kiesen. Ihre Jugend bescheide sie der Eltern Urtheil / ihre Pflicht des Vatern Wahl sich zu unterwerffen / und die Erhaltung ihrer Hoheit ihrer unzeitigen Zuneigung fürzuziehen. Die Liebe der Jugend wäre insgemein blind / daher hätte sie einer fremden Leitung von nöthen / sie wäre ein Kind / also müste sie aus Mangel der Klugheit den Gehorsam zur Hoffemeisterin haben. Denn keine Fehltritte wären schädlicher als im Heyrathen / und wer hier irrete / käme nimmermehr wieder zu rechte. Riamen war dieser scharffe Einhalt ein täglich-nagender Wurm im Hertzen / und sie hätte für Unwillen mehrmals zerspringen mögen / daß ihre Neben-Buhlerin numehr auch ihre Aufseherin worden war. Gleichwohl zwang sie der väterliche Befehl diese Gewalt mit Gedult zu ertragen / und ihre Empfindligkeit nicht mercken zu lassen; wiewohl ihr Gemüthe auf Rache und Mittel / Olorenens Liebe auch einen Stein in Weg zu werffen / bedacht war. Massen sie denn eine ihrer Cammer-Jungfrauen gewann / die ihr von Olorenen alle nur erforschliche Heimligkeiten entdeckte. Hierüber kam Marcomir selbst in Britannien / und an den Königlichen Hoff Astinabes der glückseligen Inseln König / um Olorenen zu werben. Was hier für seltzame Verwickelungen in den Gemüthern sich zusammen [157] flochten / ist unschwer zu ermässen. Klodomir liebte Riamen / sie aber den Friedebald / der bereits durch Olorenens Liebe bemeistert war / und sonder Gefahr zwischen zweyen Stülen niederzusitzen / ihm keine Veränderung dorfte traumen lassen. Olorene liebte den Friedebald / und er zwar sie / aber ihre Flamme war ohne einige Hoffnung / die sich doch sonst mit der Liebe in die Wiege und in den Sarch leget. Sintemahl die Liebe ihr auch bey unmöglichen Dingen stets selbst heuchelt / und ihre Besitzer offtmahls den blossen schlagen läst. Astinabes war in Olorenen verliebt / sie aber seuftzete nach einer andern Seele. Und endlich verwirrete das Spiel noch mehr Ingrams Antwort auf Klodomirs Schreiben dieses Inhalts: Der Pöfel heyrathete nach Wollust / Fürsten aber zu ihrer Vergrösserung. Denn das Reich sey ihre rechte Gemahlin / die Gemahlin ihr ehrliches Kebs-Weib / dessen man sich auch so gar entschlagen müste / wenn es entweder ihre Unfruchtbarkeit und der Mangel der Stamm-Erben erforderte / oder der Fürst durch eine neue Heyrath dem Reiche ein stücke Land zuschantzen könte. Es hätte das Qvadische und Pannonische Reich der Urheber ihres Stammes / welcher nunmehr die andere Welt überschattete / gantz Noricum / sein Vater gantz Britannien und die Friesischen Landschafften / welche würdig wären Europens Indien genennet zu werden / nicht durchs Schwerdt /sondern durch Heyrathen erworben. Durch diesen untadelhafften Hamen traue ihm Hippon Marcomirs Sohn Hibernien zu fischen. Zu allem diesem Aufnehmen hätte dem Hermion und seinen Nachkommen die deutsche Feld-Hauptmannschafft geholffen / welche Würde so groß wäre / daß alle Europäischen Könige selbter unstriettig die Oberhand einräumten / und diese wäre darum so viel herrlicher / weil sie keine knechtische Herrschafft über Sclaven führte / sondern so mächtigen Fürsten vorstünde / welche Königen den Vorzug nicht enträumten. Weil die letztern Gedancken insgemein die besten wären / könte er unschwer urtheilen / daß Marcomir nunmehr seinen selbsteigenen Fehler erkennte / und mit ihrem Schaden die Scharte auswetzen wolte / wenn er diese vorhin aus den Händen gelassene Feld-Hauptmannschafft wieder an seinen Sohn ziehen wolte. Dahero beschwüre er ihn bey seiner kindlichen Liebe / er solte diß / was das Verhängniß und Glücke ihnen einmahl zugeworffen / ja dessen Abtretung ohne diß nicht in ihrer Gewalt / sondern in der unumschrenckten Wahlfreyheit der deutschen Fürsten bestünde / zu seiner eigenen Verkleinerung / zum Fluche ihrer Nachkommen / und zum Nachtheil der ihnen so wol wollenden Deutschen nicht von sich stossen. Bey diesem Ungewitter erfuhr Marcomir / daß Salomin in Deutschland einbrechen wolte / daher schickte er den Hertzog Friedebald / entweder weil er vorhin gegen ihm so grosse Ehre eingelegt / oder iemand Olorenens Gewogenheit ihm verrathen hatte / ihm aufs neue den Kopf zu bieten. Diese Entschlüssung kam so unverhofft und geschwinde /daß er von Olorenen nicht einst verträulichen Abschied zu nehmen Gelegenheit fand. Denn weil Liebe iederzeit von Furcht begleitet wird / und ihr einbildet /daß ihre selbsteigene Stirne die Verrätherin ihrer Gedancken sey / so wagten sie sich selbst nicht eine einsame Zusammenkunfft zu pflegen. Gleichwol verfiel Friedebalds Liebe / so furchtsam sie war / in eine unbedachtsame Verwegenheit. Denn als Marcomir und der gantze Hof ihn an den Hafen und biß aufs Schiff begleitete / drückte er Olorenen bey letzter Gesegnung einen Zettel in die Hand / welchen sie / weil König Astinabes ihr so fort die Hand bot / mit nicht geringerer Unvorsichtigkeit in Busem steckte / also / daß es Marcomir gewahr ward. Astinabes begleitete [158] sie biß an ihr Zimmer / Marcomir aber wolte ihr / um diese Heimligkeit / worvon er aus Eyversucht Riamens schon Wind hatte / zu ergründen keine Luft lassen; daher führte er sie an ein Fenster gegen dem Meere /und fing an Astinabes Person und Liebe ihr nachdrücklich einzuloben. So sehr nun Olorene Zeit und Aufschub zu gewinnen trachtete / so sehr vermehrte ihre Kaltsinnigkeit Marcomirs Verdacht / also / daß er endlich unter dem Scheine / als wolte er ihr die vom Winde verwickelten Haarlocken zu rechte machen /ihr Friedebalds Brief zwischen den Brüsten herfür zog / und was sie dahin für Heimligkeit verborgen hätte /lächelnde fragte. Olorene wuste für Bestürtzung über dieser unvermutheten Begebenheit kein Wort aufzubringen; Marcomir aber bereuete alsofort seine allzugrosse Freyheit / und / wormit er seine Schwester nicht allzusehr beschämen möchte / wolte er ihr den Zettel wieder einhändigen / und seine Sorgfalt mit einem kurtzweiligen Vorwitze beschönigen. Olorene aber / welche sich entweder für verrathen hielt / oder doch endlich ihre Gewogenheit lieber durch einen solchen Zufall / als durch ihr eigenbewegliches Bekäntnüß zu entdecken verlangte / weigerte solchen anzunehmen / und meldete / sie wüste zwar nicht den Inhalt dieses ihr unvermuthet zugekommenen Papieres /doch läge in ihrem Hertzen keine Heimligkeit verborgen / welche ihre schwesterliche Liebe für einem solchen Bruder geheim zu halten Ursache hätte. Diese Vertrauligkeit nahm Marcomir mit einer schertzhafften Freyheit an / und laß daraus folgende Zeilen: Ich bejammere / ewige Beherrscherin meiner Seele / daß das Band unserer Gemüther / welches das Verhängnüß zusammen gebunden / Menschen zerreissen. Wie aber? soll die mir abgenöthigte Abwesenheit unser Bündnüß auflösen / welches die Tochter des grossen Marcomirs zu trennen nicht vermocht hat? Nein sicher! die Riegel so grosser Gebürge / die Tieffen des grossen Meeres werden zwar meinen Leib von seiner Sonne entfernen / mein Gedächtnüß aber wird mir ewig das Bild der unvergleichlichen Olorene fürhalten / und meine Seele sich ihr / wenn das Tacht meiner Hoffnung und ihrer Beständigkeit verglimmt / auf dem Holtzstosse der Verzweifelung aufopfern. Nach Ablesung dieses Schreibens / geriethen sie beyde in ein langes Stillschweigen / biß endlich Olorene ihre Tiefsinnigkeit mit folgender Rede ausdrückte: Sie könte nicht läugnen / daß sie den Hertzog Friedebald so sehr liebte / als einer Frauen Gemüthe zu thun fähig wäre. Marcomir aber habe selbst das Wasser auf das Rad ihrer Gewogenheit geleitet / da er ihr aufgetragen seine Tochter mit dem Hertzog Klodomir zu verknüpfen. Denn weil diese zu Friedebalden eine Zuneigung bezeigt / habe sie für rathsam befunden / anfangs durch angenommene Liebes-Bezeugungen beym Friedebald ihr den Vortheil abzurennen / und sich seiner zu versichern; Sie habe aber im Ausgange erfahren / daß kein Feuer sich gefährlicher anrühren lasse /als die Liebe. Ihre blosse Anstellung habe sich in kurtzer Zeit in Warheit / ihr Schertz in Ernst verwandelt. Jedoch hoffte sie / daß nicht allein dieses Hertzogs ungemeine Vollkommenheit eine Entschuldigung ihrer Schwachheit seyn / sondern ihre Bestrickung Friedebalds die Fürstin Riama von einer härteren Gefängnüß befreyet haben würde. Marcomir ward über so offenhertzigem Bekäntnüß fürnehmlich aber seiner Tochter Riama ausbrechender Vergehung überaus bekümmert / also daß er aus dem Stegereiffen nichts gewisses zu entschlüssen wuste / sondern stillschweigend / iedoch nicht ohne Kennzeichen einigen Unwillens von Olorenen Abschied nahm. Der Morgen war kaum angebrochen / als Marcomir Riamen und Olorenen in sein Gemach beruffen ließ.

[159] Diese leisteten solchem Befehl unverzügliche Folge / fanden aber zu ihrer grösten Bestürtzung Klodomirn und den Astinabes schon in dem Königlichen Zimmer / woraus sie ihnen selbst alsofort ein seltzames Abentheur wahrsagten. Bey ihrer Erscheinung eröffnete Marcomir alsofort dieses Urtheil: Gott hätte ihn mit einer Schwester und Tochter / die Reichs-Gesetze Britanniens aber mit dieser Gewalt begabt / daß er selbte nach seinem Gutbedüncken durch Verehligung nicht allein versorgen / sondern auch die Wohlfarth selbten Reichs hierdurch befördern möchte: Weil nun zwey so vortreffliche Fürsten bey ihm um sie Werbung thäten /könte er dem Verhängnüsse nicht widerstreben. Dahero erklärte er hiermit aus unverschrenckter Gewalt /daß in dreyen Tagen Riame Klodomirn / und zwar mit Enthengung aller vorigen Bedingungen / Olorene Astinaben offentlich solte vermählet werden. Klodomir und Astinabes bezeugten mit tieffster Ehrerbiettung ihre hierüber geschöpffte Vergnügung. Riame und Olorene hörten iedes Wort als einen absondern Donnerschlag an / iedoch mit einem stillschweigenden Schrecken / theils weil die Schamhafftigkeit auch denselben Schmertz auszulassen hindert / zu dem man gleich Ursache hat / theils weil sie besorgten / daß sie durch ihre Ungeberdung die / mit welchen sie in ein unaufflößliches Bündniß treten solten / nicht zu sehr erherbeten / und daß Marcomir ihre Thränen nicht für eine Hartnäckigkeit auffnehme. Wie nun der Schmertz / den man nicht mercken lassen darff / und der Eyfer /den man in sich fressen muß / sich in sich selbst vergrössert / also konten sie sich nach genommenem Abritte Klodomirs und Astinabens gleichwohl nicht enthalten / daß sie Marcomirn mit Vergiessung vieler Thränen zu Füssen fielen und baten: da man ihnen ja die Freyheit in der Angelegenheit / welche sich an sich selbst nicht zwingen liesse / verschrencken wolte / solte man doch ihre Gemüther nicht derogestalt übereilen / sondern zu deren Beruhigung einige Zeit enträumen. Marcomir aber antwortete ihnen mit ernsthaffter Geberdung: Sie solten entwerffen / was sie der Vollkommenheit zweyer so grossen Fürsten für Mängel auszustellen hätten. Sie könten beyde des Hertzog Friedebalds nicht fähig werden / der einen Zuneigung aber müste nicht zu der andern Unvergnügen ausschlagen. Gemeinen Leuten müste man das Joch ihrer Unterthänigkeit dadurch verzuckern / daß sie nach wohlgestalter Bildung / nach gleichgesitteter Art und ihrem Triebe heyrathen möchten; Königen aber würde es so gut nicht / und Fürstinnen müsten nach dieser Süßigkeit nicht lüstern werden / sondern sich diesen Kützel vergehen lassen. Die Wohlfarth des Reichs erforderte mehrmahls einer Helena einen ungestalten Zwerg / einer klugen Penelope einen albern Träumer durch dieses heilige Band anzutrauen. Der wäre der schönste Bräutigam / welcher der Staats-Klugheit gefällt / und die festeste Schwägerschafft / die das Reich befestigt. Olorene begegnete Marcomirn mit einer hertzhafften Bescheidenheit: Es wäre nicht ohne / daß Könige ihren Töchtern und Schwestern insgemein niemahls gesehene / weniger beliebte Männer auffzudringen pflegten / und sie zu Pfeilern und Riegeln ihres Staats / oder auch zu Hamen fremde Länder zu fischen / ja zuweilen wohl zu Larven ihrer verborgenen Feindschafft brauchten. Alleine sie erlangten dar durch selten ihren Zweck / stürtzten aber hierdurch ihr eigenes Blut in ein ewiges Qval-Feuer. Sintemahl das Band der Anverwandniß viel zu schwach sey / die Auffblehungen der Regiersucht zu dämpffen / und die Schwägerschafften / welche nur wenig Personen verknüpffen / den Staats-Regeln zu unterwerffen / daran so viel tausenden gelegen ist. Sie verhüllten zwar auf eine kurtze Zeit die Abneigungen / wären aber viel zu schwach / den zwischen ein und anderm [160] Fürstlichen Hause eingewurtzelten Haß auszurotten. Wie vielmahl hätten die Cheruster und Catten zusammen geheyrathet / die hierdurch zugeheilten Wunden wären aber alsofort wieder auffgebrochen / und der Ausgang hätte gewiesen / daß nur ein Haus auff des andern Länder Erb-Ansprüche / und dadurch Ursachen zu neuen Kriegen zu überkommen gesucht / also Gifft für Artzney verkaufft hätte. Rhemetalces brach hier ein und agte: Olorene hätte sicherlich wahr und vernünfftig geurtheilet / und ihre Meinung bestätigte die Vorwelt mit vielen Beyspielen. Seine Nachbarn die Melossen beklagten noch / daß Philip König in Macedonien ihrem Könige Arrybas seiner Gemahlin Olympias Schwester nur zu dem Ende verheyrathet habe /wormit er ihn einschläffte / und seines Reichs beraubete. Und wie lange ist es / daß Antonius dem Käyser Augustus mit Vermählung seiner Schwester Octavie ein Bein untergeschlagen / seine betrügliche Schwägerschafft ihm mit seinem Leben bezahlen müssen? Malovend fuhr hierauff fort in der Rede Olorenens: die Staats-Klugheit hätte zwar unterschiedene mahl das verborgene Gesetze des Verhängnisses meistern /und eine Vormünderin über die göttliche Versehung abgeben wollen / wenn Könige ihre Töchter für ihrer Verlobung angehalten aller Erb- und Reichs-Ansprüche sich endlich zu begeben. Allein der Ehrgeitz habe hernach aus einer so heiligen Betheurung einen Schertz oder Gelächter gemacht / die erkaufften Rechts-Gelehrten aber sich nicht geschämet durch offentliche Schrifften zu behaupten / daß solche Enteusserung für eine ungültige Nichtigkeit zu halten sey. Und es stünde so denn nicht in der Gewalt einer Fürstin / die Farbe und Liebe ihres Geschlechts und Vaterlands zu behalten. Denn es glückte selten einer Fürstin / wie jener tieffsinnigen Spartanerin / welche ihren zusammen kriegenden Vater und Ehmann dadurch zur Versöhnung gezwungen / daß sie sich allezeit zum schwächsten Theile geschlagen. Ich wil aus unserm eigenen Hause / fuhr Olorene fort ein einiges Beyspiel zum Beweiß / daß das Verhängniß mit den menschlichen Rathschlägen und Staatsklugen Heyrathen nur ihr Gespötte treibe / anführen. Keiner unsers Geschlechts hat mehr durch seine Eh / als Hunnus mit des Königs Dinfareds Tochter gewonnen. Ihr Vater meinte seine Britannische Reiche seinem einigen Sohne Nojanes hierdurch zu befestigen / seine Tochter aber auff den Stul der Glückseligkeit zu setzen. Das Rad aber schlug in beyden Absehen gantz um. Britannien sahe diesen Fürsten kaum anfangen zu leuchten / als er in Staub und Asche verfiel. Hiermit wuchs dem Hunnus nicht allein der Muth seiner Gemahlin ältere Schwester / die dem Könige der glückseligen Eylande vermählet war / von dem Erbtheile Britanniens abzuschippen; sondern solches auch noch dem lebenden Dinfared auszuwinden. Er zwang seine Gemahlin / daß sie nebst ihm zu Kränckung ihres Vaters sich eine Fürstin über Britannien ausruffen ließ /er schloß seinen Schwehervater von dem Frieden aus /den er mit den Galliern einging / er kam wider seinen Willen in Britannien / machte von ihm seine Räthe und Unterthanen / welche von der untergehenden Sonne meist die Augen gegen die auffgehende richten / abtrünnig; Er forderte von ihm mit Ungestüm die Abtretung Caledoniens / das ihm seine Gemahlin Betisale zugebracht hatte / er verstattete mit genauer Noth und mit schimpflichen Bedingungen seinem Schwehervater eine einstündige Zusammenkunfft; und wie sehr diesem gelüstete einmahl seine Tochter zu schauen / durffte er sich doch nicht erkühnen nur nach ihr zu fragen. Ob wohl auch dieser grosse König für der Zeit und Noth die Segel strich / und seiner Tochter Caledonien abtrat / war Hunnus doch hierdurch weder gesättigt noch besänfftigt. Seine Gemahlin / [161] die alles / was sie ihm an Augen ansahe / thät / die gleichsam von seinem Anschauen lebte / und aus seinen Neigungen ihr eitel Abgötter bildete / gerieth wegen seiner blossen Abwesenheit aus übermäßiger Liebe in eine wenige Gemüths-Schwachheit. An statt dessen nun Hunnus mit ihr Mitleiden haben solte /rieff er diese Blödigkeit für eine gäntzliche Unvernunfft aus / verschloß sie in ein Zimmer / und verdamte sie zu einer traurigen Einsamkeit; ja er ließ sie nicht allein seine Reichs-Stände in öffentlicher Versammlung für blödsinnig und zur Herrschafft untüchtig erkennen / sondern zwang auch ihren Vater / daß er diese schimpffliche Erklärung selbst unterzeichnen / und dem Hunnus das Hefft alleine in den Händen lassen muste. Diese seine Grausamkeit ward nach seinem Tode vollkommentlich offenbar. Denn als er in der Blüte seines Alters durch Gifft umkam / und seine Gemahlin sich in der Freyheit befand / erwieß sie nicht allein ihren vollkommenen Verstand / sondern auch ein Muster einer unvergleichlichen Liebe. Denn sie führte seine eingebalsamte Leiche allenthalben mit ihr herum / um selbte alle Tage in dem Sarge zu betrachten / und mit Seuffzern und Thränen seine von ihr so brünstig geliebte Asche anzufeuchten machte auch hierdurch vom Hunnus wahr / dieselbe Weissagung / daß er länger nach / als bey seinem Leben reisen würde. So verwirret ging es diesem Staatsklugen Könige / und so elende dieser vollkommenen Fürstin. Nicht besser traff es der oberste Feldherr Alemann /der durch Vermählung seiner Tochter an den mächtigen König der Gallier Lucosar sich nicht wenig zu vergrössern dachte. Denn diese Verknüpffung ward zu einem Zanck-Apfel / und Lucosar verstieß sie aus keiner andern Ursache / als daß er mit der Fürstin Nana die Amorichschen Länder erheyrathen könte. Ja sein Nachfolger Gudwil verstieß aus gleichem Absehen Lucosars Schwester / um nicht so wohl der verwittibten Nana / als ihres Heyraths-Guts fähig zu werden. Diß sind die traurigen Ausgänge der Ehen / die die Ehrsucht stifftet / und die Eigennutz / nicht auffrichtige Liebe zum Grundsteine haben. Marcomir hörte Olorenen mit höchster Gedult an / antwortete aber: Er hätte alles reifflich überlegt / und nicht ohne wichtige Ursachen diesen Schluß gefast. Oefftere Zusammen-Heyrathungen unterhielten gute Verständniß der anverwandten Häuser. Man versiegelte mit ihnen die Friedens-Schlüsse / man zertrennte dadurch gefährliche Bündniße. Da sie nicht selbst den Knoten der Eintracht machten / so befestigten sie ihn doch. Er habe durch diese Entschlüssung nicht allein auff die Vorträgligkeit seines Reichs / sondern zugleich auff ihre Vergnügung gezielet. Sie meinten zwar beyde solche mehr in dem Besitz des Fürsten Friedebalds zu finden. Wie aber diß an sich selbst unmöglich wäre /also solten sie erwegen / daß Klodomir und Astinabes an Tugenden dem Friedebald gleich / an Macht und Ankunfft aber ihm weit überlegen wären. Nun hätte das Cherustische Haus ja allezeit von solcher Art Pflantzen gehabt / welche für niedriger Vermählung Abscheu getragen / und ihr Antlitz keinem andern Gestirne / als Sonnen nachgekehret hätten. Die Palm-Bäume würdigten keine unedlere Staude ihrer Nachbarschafft und Verknüpffung / und die Magnet-Nadel liesse sich keine andere himmlische Stralen von dem so herrlichen Nord- und Angelsterne abwendig machen. Wie möchten sie sich denn durch Erwehlung eines ungekrönten Hauptes so tieff erniedrigen / die aus einem Geschlechte entsprossen / das so wenig gewohnt wäre Kinder / als der Granat-Apffelbaum Früchte ohne Purpur und Kronen zu haben? Alles dieses solten sie behertzigen / und nachdencken: ob sie dem / der Zeither für sie mehr als ein schlechter Vater und Bruder gesorgt / etwas übels zutrauen könten /und ob [162] sein für beyden Fürsten eröffneter Schluß sich ohne seine höchste Ehren-Verletzung / für welcher ehe alles müste zu drümmern gehen / verändern liesse. Mit diesen Worten entbrach er sich ihrer / und ließ Riamen und Olorenen in höchster Gemüths-Bestürtzung. Beyde mischten allhier ihre Thränen zusammen / welche kurtz vorher einander mit so scheelen Augen angesehen hatten. Also hat die Gemeinschafft des Jammers diese seltzame Krafft / daß selbte zertrennte Gemüther vereinbart. Und diese Eintracht erhärtete / daß die Hände des Unglücks stärcker / als die Klauen der Eifersucht sind. Klodomir und Astinabes waren hingegen bemüht durch Ausübung allerhand ergetzender Ritterspiele und Kurtzweilen so wohl sich sehen zu lassen / als ihnen die Zeit zu verkürtzen / wormit sie hierüber ihnen ihren Kummer und Gedancken aus dem Gemüthe schlagen möchten /und durch hunderterley Arten annehmlicher Bedienungen suchten sie ihr Hertze zu gewinnen. Wiewohl nun Riame und Olorene die grossen Tugenden dieser zweyen ausbündigen Herren nicht allein erkennen /sondern auch darüber sich öffters verwundern musten / so sprachen sie doch in Gedancken allemahl Friedebalden den Preiß zu / entweder weil ihr Hertze von ihm schon vorher besessen war / oder weil die Liebe an sich einen Zug zu einer gewissen Hartnäckigkeit hat / daß sie auch etwas köstlichers verschmähet /welches man ihr einnöthigen will. Welches so vielweniger zu verwundern / weil die hefftige Liebe einen Menschen völlig entzücket / und ausser dem / was sie liebet / gegen alle andere Reitzungen unempfindlich macht / auch ein liebender selbst diß / was er vorhin gewest / zu seyn auffhöret / und durch eine gleichsam zauberische Vereinbarung zu seiner Buhlschafft wird. Nach zweyen Tagen führte Marcomir sie insgesamt auff ein von dem Hofe sechs Meil Weges entlegenes Lust-Haus. Nach unterschiedenen Ergetzligkeiten verfügten sie sich mit einander aus Gestade des Meeres /und sahen denen Fischern / wie sie daselbst die Fische berückten / zu. Kurtz hierauff wurden sie inne / daß die Wellen etliche Breter und Stücke von zerbrochenen Schiffen an die Klippen trieben. Die Fischer waren darum sorgfältig / in Hoffnung grössern Gewinn aus fremdem Unglücke / als durch ihren Fischzug zu erlangen. Massen sie denn auch kurtz hierauff etliche Menschen / so dem Ansehen nach Boots-Leute waren / aus dem Wasser fischten und auff ihre Kähne legten. Unter andern brachte die Fluth eine mit köstlichen Kleidern angethane Leiche getrieben / welchen die Fischer alsofort auff Königlichen Befehl ans Ufer tragen musten. Das Wasser aber hatte sein Antlitz /und der anklebende Schlamm und Schilff seine Kleider gantz unkentbar gemacht. Nachdem sie ihn nun absauberten / und Olorene einen an dem Finger sich befindenden Ring wahrnahm; hob sie unvermuthet einen hellen Gall an zuschreyen. Hierauff verblaßte sie nicht anders / als die für ihr liegende Leiche / und sanck hiermit in eine tieffe Ohnmacht. Die bestürtzten Umstehenden wusten nicht / ob sie vor die wahre Beschaffenheit dieser Leiche erkundigen / oder der Ohnmächtigen beyspringen solten. Als diese sich nur ein wenig erholete / und man sie um die Ursache ihrer Bestürtzung befragte / seuffzete sie und sprach mit gebrochener Zunge: Ach! Friedebald! Worüber die Fürstin Riama alsofort als ein Stein erstarrete / alle Empfindligkeit und Bewegung verlohr / ausser: daß aus ihren Augen häuffige Thränen schossen / und sie also einem Marmel-Bilde in den Wasser-Künsten wahrhafftig ähnlich ward. Die übrigen Anwesenden aber befunden leider! nur nach eigendlicher Beschauung des todten Leichnams / daß es dieser fürtreffliche Held war. Sie kehrten diesem nach mit der Leiche höchst bestürtzt auff das Königliche [163] Hauß / allwo man die gantze Nacht so wol an Riamen / als Olorenen genung zu reiben und kühlen hatte / derer Bestürtzung sich in eine völlige Kranckheit verwandelte. Diese aber und die so hefftige Empfindligkeit Riamens / welche Klodomirn fast aller Hoffnung seinen Zweck zu erlangen beraubte / verursachte / daß er sich des Hoffes / und zugleich seine hierüber sich etwan ereignende Gemüths-Schwachheit zu verbergen / entschlug / und in denen tiefsten Wildnüssen des Jagens bediente. Hierüber aber gerieth er in euserste Lebens-Gefahr. Denn als er einst sich von den Seinigen verirrete / und des Nachts in der Rauchhütte eines Kohlbrenners herbergen muste / ward er von diesem Busiris und zwey andern Mord-Gesellen unverhofft angefallen / derer sich doch seine Tapfferkeit durch ihre Hinrichtung mit seiner einigen Hand erledigte. Dieser Zufall und die Unruh seines Gemüthes trieb ihn hierauf wieder an Hof / allwo Riamens und Olorenens sich täglich vergrössernde Kranckheit die Kunst aller Aertzte und die Kräfften aller Artzneyen zernichtete. Diese euserste Gefahr bewegte den Königlichen Artzt Marcomirn offenhertzig zu entdecken: Es wären mehr Kranckheiten des Gemüthes / als des Leibes. Dahero er und alle Aertzte denen Krancken keine Genesung /ihnen selbst aber nichts als Schande zuziehen würde. Marcomir / welcher ohne diß besser als iemand den Ursprung ihres Ubels wuste / fragte bekümmert: ob denn diese Schwachheiten des Gemüthes auch zuweilen tödtlich wären? In allewege / antwortete der Artzt / weil die heftigen Gemüths-Regungen der Ausfarth der verwirrten Lebens-Geister nichts minder eine Pforte öfneten / als eine Verwundung dem ausschüssenden Geblüte / dadurch die Seele nach und nach verschwinde. Also wäre zu Rom eine Mutter über der unverhofften Erblickung ihres für todt gehaltenen Sohnes für Freuden erblichen. Und der dem Sophocles aufgesetzte Lorber-Krantz / weil eines seiner Trauerspiele für andern den Preiß behalten / wäre ihm so tödtlich / als das Gifft dem Socrates gewest. Bey so gestalten Sachen / da keine Kräuter-Artzneyen des Gemüthes wären / würde am rathsamsten seyn / an statt der Menschen himmlische Hülffe zu suchen. Auf der Druyden hierüber eingeholtes Gutachten / ließ Marcomir beyde Krancken in einen uhralten Tempel des Esculapius / welcher in einem Jahr mit dem zu Carthago soll gebaut seyn / bringen / selbigem durch die dem Heiligthum vorstehende Daunische und Calabrische Priester auf dem Grabe des Podalir sieben Widder opffern / und auf derselben Felle beyde Fürstinnen legen. Es ist wunderns werth / daß die / welche so viel Zeit kein Auge zugemacht / diese gantze Nacht in einen sanften Schlaf verfielen. Olorene erwachte zum ersten / iedoch erst mit der aufgehenden Sonne / und kurtz nach ihr auch Riame. Beyde wusten nicht / wie sie dahin kommen / ob sie noch in der Welt oder unter irrdischen Grüften bey den abgelebten Geistern schwebeten. Nach gegeneinander erfolgter Befragung erzehlte Olorene / sie wüste nicht / obs ihr geträumet / oder ob der Geist des ertrunckenen Hertzog Friedebalds ihr wahrhaftig erschienen wäre. Dieser hätte ihr mit kläglicher Gebärdung erzehlet /daß sein Schiff durch Unvorsichtigkeit der Bootsleute an einen Felsen gelauffen und zerborsten / er aber ertruncken wäre. Er dulde aber nunmehr unerträgliche Schmertzen / weil ihre und Riamens Seufftzer seine Ruh störten / und ihre Thränen ihm eitel bittere Wermuth einschenckten. Dahero bete er sie mit gefaltenen Händen / sie solte mit so unbesonnener Traurigkeit nicht ihren verstorbenen Liebhaber peinigen / nicht ihrem lebenden Marck und Bein aussaugen / nicht das gemeine Heil hindern / noch aus übermäßigem Hertzeleide unzeitigen Ruhm / und ihren vom Verhängnüsse noch nicht ausgesteckten Tod suchen. Riame antwortete ihr / diß könte kein Traum / [164] oder es müste gewiß ein solcher / welchen die Weisen Gottes Botschafften hiessen / gewesen seyn. Denn / was sie erzehlte / wäre ihr gleichsam bey offenen Augen eben so begegnet; sie könte kaum sagen / wie ihr Gemüthe so erleichtert wäre / wie so wol von ihrem Hertzen ein grosser Stein geweltzet / als die zum Hertzog Friedebald so tief eingewurtzelte Liebe gantz erloschen zu seyn schiene. Uberdiß hätte ihr ihr Lebetage / wie man vom Cleon aus Daunia / Thrasimedes und dem Atlantischen Volcke schriebe / nie geträumet. Olorene versetzte / auch sie wäre gleichsam neugebohren / und sie nehme an ihr wahr eine absondere Schickung der Götter. Diesemnach denn auch die Fürstin Riama nicht Ursache hätte / diesen ihren erstern Traum für ein Sterbens-Zeichen auszulegen / und dörfte sie dahero / um seine Würckung zu hindern / ihn weder der Sonne erzehlen / noch im Bade abwaschen. Bey diesen Worten trat der Priester in den Tempel / wünschte ihnen nicht allein zu ihrem bessern Zustande tausend Glück / sondern unterrichtete sie auch von allen Begebenheiten / derer Gedächtnüß ihnen durch ihr Leid und Kranckheit gantz entfallen war. Die Fürstinnen erzeigten ihm grosse Ehrerbietung / fielen für dem Altare / als dem Ursprunge ihrer Genesung / fußfällig und danckbar nieder. Nach geendigter Andacht führte sie der Priester im Tempel herum / und zeigte ihnen alle sehenswürdige Seltzamkeiten. Unter andern wieß er ihnen eine Jaspis-Taffel / welche von Carthago in diesen Tempel solle gebracht worden seyn. Auf dieser war die Liebe an einem Myrthen-Baume gecreutzigt zu schauen / und überdiß standen drey Frauen / unter denen des Priesters Auslegung nach Medea und Dido seyn solten / welche aus für sich habenden Körben die angebundene Liebe mit Rosen-Ballen steinigten. Olorene lachte über diesem in Stein gewachsenen Gemälde / und fing zu Riamen an: Es müsten diese Frauen von der Liebe so sehr / als sie / nicht gepeinigt seyn worden. Denn hätten jene so viel als sie erduldet /würden sie die Hände und Füsse der Liebe nicht angebunden / sondern durchnagelt / weniger ihn mit Rosen / sondern vielmehr mit Dornen zu tode geworffen haben. Gegen über stand eine helffenbeinerne Taffel /auf welcher abgebildet war / wie der in die Pyrrha verliebte Deucalion sich von dem Leucadischen Felsen ins Meer stürtzte / und dadurch den unerträglichen Brand seiner Liebe ausleschte. Riame sahe Olorenen an / und sagte: Ich traue numehr dem gütigem Esculapius in dieser Kranckheit mehr zu / als dieser Meer-Klippe und dem Flusse Silemnus / oder auch dem Kraute / das von seiner Würckung die vergessene Liebe genennet wird. Ich nichts minder / versetzte Olorene / als Marcomir / der mit Klodomirn und Astinaben unvermerckt in Tempel kommen war / ihr in die Rede fiel / und den Priester fragte / ob Esculapius nur wider / nicht aber auch zu der Liebe helffen könte? In allewege / antwortete der Priester. Der die schöne Epione so sehr geliebt / kan der Liebe nicht so sehr feind seyn / und der dem so sehr geliebten und von Pferden zerrissenen Hippolytus / hiermit wieß er auf das darneben stehende Bild / das Leben wieder geben / vermag auch wohl eine todte Liebe lebhafft zu machen. Klodomir und Astinabes lagen hiermit dem Priester zugleich an / sie beym Esculapius zu verbitten / daß da er Riamen und Olorenen von einer Liebe / welche stärcker als der Tod gewest wäre / entbürdet hätte / solte er nunmehro den Balsam einer lebendigen Liebe in ihre Hertzen flössen. Sintemahl die unsterblichen Götter zwar wohl die muthwillige Liebe aus dem Himmel / niemahls aber die vernünfftige aus ihren Hertzen verstossen hätten. Der Priester trat hierauf für das Altar / warf auf die daselbst glimmenden Kolen etliche Handvoll Weyrauch / worvon ein annehmlicher Rauch das gantze Gewölbe gleich einer Wolcken verhüllete. Hierauf tröpfelte [165] ein so erqvickender Thau über den gantzen Tempel herab / gleich als die Morgenländer darzu allen ihren Ambra und Balsam verliehen hätten. Alle Anwesende und selbst Riame und Olorene hielten dieses für ein absonderes Wunderwerck / und / nach dem der Aberglaube die Menschen alles zu überreden mächtig ist / liessen sie sich bedeuchten / als wenn die anwesende Gottheit ihre Gemüther gleichsam durch eine Magnetische Krafft zu einer Zuneigung gegen Klodomirn und Astinaben züge. Hiermit fiel Rhemetalces ein: Wie aber? war denn dieser wohlriechende Thau kein Wunderwerck des Esculapius? Malovend antwortete / das leichtgläubige Frauenzimmer hielt es freylich dafür / ungeachtet die Deutschen sonst des Esculapius kaum für einen Halb-Gott erkennen. Ich bilde mir aber ein / es sey allhier nichts minder mit Künsten zugegangen als es in den Egyptischen Tempeln geschiehet / allwo /wenn das Feuer auf dem Altare angezündet wird / die vielbrüstige Mutter der Götter häuffig Milch in einen Marmelnen Kessel spritzet / und zu Sal Isis und Osiris Milch und Wein rinnen lassen / oder auch / wenn in dem Lybischen am Crocodilen-Ufer gebauten Tempel des Esculapius einer hinein trat / und nur die ertztenen Räder anrührte / selbter alsofort mit Weyhwasser bespritzt ward. Rhemetalces begegnete ihm: Solten die klugen Egyptier wol so alber gewesen seyn / daß sie ihnen einen blauen Dunst für die Augen machen lassen? Sicherlich / versetzte Malovend / sind dieses alles Kunst-Streiche der verschlagenen Priester gewest / welche hierdurch den einfältigen Pöfel nach ihrem Willen geleitet / sich zu Halb-Göttern / Egypten aber zum Ebenbilde des Himmels und zu einem Tempel der Welt gemacht. Nach dem Käyser Augustus alldort ihren abergläubischen Gottesdienst abgeschafft / habe ich mir selbst in den Altären die heimlichen Röhren und Werckzeuge weisen lassen / welche von der Hitze des anzündeten Feuers / oder durch einen andern Trieb die verborgene Feuchtigkeit auszuschütten sind gereget worden. Dem sey aber / wie ihm wolle / so gebrauchte sich Marcomir allhier des Aberglaubens gegen Riamen und Olorenen / ihnen die Liebe zu benehmen und sie wieder verliebt zu machen. Zeno konte sich des Lachens nicht enthalten /und fing an: Ich weiß wol / daß die Staats-Klugen ihre Herschsucht mit dem Mantel der Gottesfurcht verhüllen / und durch Aberglauben das Volck ihnen verbindlich machen. Ich erinnere mich / daß Numa durch die ertichteten Gespräche mit seiner Egeria /Scipio mit seinen Träumen in dem Hause des Capitolinischen Jupiters / Sulla mit dem fürgetragenen Bildnüsse des Apollo / Sertorius mit den Warsagungen seiner weissen Hinde / Minos mit denen vom Jupiter ihm eröfneten Gesetzen / Pisistratus mit seiner vermummten Minerva ihre Herrschafft befestigt / daß die Spartaner ihre Regiersucht und den Krieg wider Athen / Philippus den Uberfall der Phocenser mit ihrem Kirchenraube beschönet / ja daß auch der Britannische König Dinafer alle seine Begierden mit der Andacht bekleidet; Daß man aber den Aberglauben zum Werckzeuge der Liebe gebraucht habe / erinnere ich mich nicht. In allewege / sagte Rhemetalces. Nectabis überredete des grossen Philippus Gemahlin Olympias / es wůrde sie der Hammonische Jupiter schwängern / und sie von ihm einen Sohn / der die gantze Welt beherrschen solte / gebähren; brachte es auch durch abergläubische Bethörung oder zauberische Verblendung zu wege / daß sie diesen Betrüger oftmahls in Gestalt einer Schlangen / und in Einbildung eines göttlichen Beyschlaffs umhalsete. Ja ich halte dafür / daß so wohl des Scipio als des Augustus Mutter von der Olympias eben diesen Fürwand ihre frembde Buhlerey zu verblümen gelernt / und nebst ihren Männern [166] auch die einfältige Nachwelt zu glauben beredet / daß beyde von Schlangen gezeugt wären / Scipions Geist auch deshalben in der Linterninischen Höle von einem Drachen bewacht würde. Wem ist nicht das Unthier / ich mag nicht sagen / der Unmensch bekant / der sich für den Jupiter ausgab / ja sich des Beyschlafs mit dem Monden rühmte / und deßwegen seine Schwestern zur Blutschande verleitete? Wer weiß nicht / daß ein ander die Heyrath einer Vestalischen Jungfrauen mit seinem Priesterthum und einer Wahrsagung / daß von ihnen göttliche Kinder würden gezeuget werden / bemäntelt? Ich wil geschweigen / daß ihrer viel den Bund ihrer Liebe unter dem Scheine der Andacht zerreissen / das Band der Eh unter dem Schein zu naher Anverwandnüß zertrennen / andere ihre Abneigung oder auch frembden Zunder mit der Gelobung ewiger Keuschheit verdecken. Malovend fiel ihm ein: Es wären so schlimme Mißbräuche der Gottes-Furcht auch in Liebes-Sachen verda lich; wie er aber für zuläßlich hielte / sich ihres Scheins zu Nutz des gemeinen Wesens zu bedienen; also hätte er es Marcomirn nicht für übel / daß er Riamens und Olorenens Aberglauben zu einem so guten Zwecke ihrer so löblichen Verehligung gemißbraucht habe. Es ging sein Anschlag auch so glücklich von statten / daß beyde alsofort gleich also auf Göttlichen Befehl sich mit Klodomirn und Astinaben zu verknüpfen begierig waren. Die Vermählung ward noch selbigen Tag im Tempel mit grossem Frolocken vollzogen / und unter dieser Freude das Trauren umb den umgekommenen Friedebald nach und nach vergessen. Also quellen aus keinem Hertzeleide so viel Thränen /welche nicht der Schwader Zeit austrockne / und es ist keine Liebe in einem Hertzen so beraaset / daß selbte nicht verwelcken / oder von einer andern überwachsen werden könte. Wiewol er hierbey die seltzame Begebenheit nicht verschweigen könte / daß unter denen Hochzeit-Fackeln / welche zwölf Edel-Knaben der zum Altar geführten Olorene fürtrugen / sich eine selbst-bewegende Fla e eingemischt / die alles andere Licht verdüsterte. Und ob schon kein Mensch sonst etwas mehrers sahe / so betheuerte doch so wol Riame als Olorene / daß selbte der Geist Hertzog Friedebalds in seinen Händen trüge / und derogestalt seine so liebe Buhlschafft so wol nach seinem Tode bediente / als ihre neue Vermählung billigte. Eben dieser Geist ist ihr zum andern und dritten mal erschienen /und hat ihr gerathen / alle mögliche Verhinderungs-Mittel fürzukehren: daß ihr Gemahl Astinabes nicht den Zug wider die Mohren fürnehmen solte / darinnen er hernach entweder erschlagen oder zum minsten verlohren worden. Weßwegen Olorene auch / als dieser Geist die traurige Nachricht brachte / daß sie ihren Astinabes nicht mehr sehen würde / sich gestorben zu seyn anstellte / und zum Scheine begraben ließ / sich aber / umb ihrem Betrübnüsse desto freyer nachzuhängen / in einer bergichten Einsamkeit so wol ihr Leben als ihre zu den Todten tragende Liebe endigte; wo anders die Geister der Verstorbenen nicht noch diese süsse Empfindligkeit behalten / wie fast der Schatten des erblasten Friedebalds zu behaupten scheinet. Rhemetalces fing hierüber an: Ich muß gestehen / daß das erzehlte eines der merckwürdigsten Ebentheuer sey. Denn ob ich wol weiß / und die Welt insgemein glaubet / daß ieder Mann absonderlich 2. Geister zu unabtrennlichen Geferten habe / derer einer entweder mit ihm gebohren wird / oder zum minsten sich ihm bald bey der Geburt zugesellet / und ihn /wie vom Socrates genung bekant ist / zu allem Guten reitzet / und durch Träume oder andere Wege für Unglück warne / der Böse aber ihn zum Verderben reitzet / und / wie dem Brutus geschehen / erschrecket;[167] Bey welchen erstern Geistes Regung Socrates auf der rechten / bey des andern auf der lincken Seiten genieset haben soll; so scheinet doch diß / was Olorenen begegnet / keine weder ihrem noch des Friedebalds Geiste anständige Verrichtung zu seyn; zumal das weibliche Geschlechte nur die Juno zu seiner allgemeinen Beschirmerin / nicht aber / wie ieder Mann /absondere Schutz-Geister haben soll / und Friedebalds erschienener Geist nicht ihm selbst / sondern andern Menschen / nemlich Olorenen und Riamen seine Dienste abgeliefert / da doch die Geister sonst Fremden / ja auch Freunden ehe aufsätzig zu seyn scheinen. Massen Augustens Geist des Antonius zu unterdrücken auch damals bemüht gewest / als beyde gleich noch in grosser Verträuligkeit lebten. Zeno begegnete Rhemetalcen: Er wäre der gänzlichen Meynung / wüste auch keinen Grund einer bessern aufzufinden / daß Hertzog Friedebalds Schutz-Geist und kein anderer Olorenen diesen Liebes-Dienst erzeiget habe. Sintemal unzweifelbar wäre / daß die getreuen Schutz-Geister nicht / wie insgemein die Menschen /ihr Freundschaffts-Band mit dem Lebens-Fadem zerreissen / sondern auch ihren Verstorbenen / ja den faulen Leichen wolzuthun beämsigt wären / wie der Geist zu Athen / der den Athenodor umb die Beerdigung der gefesselten Glieder ersuchet / und derselbe Geist / der aus dem abgehauenen Kopfe des Priesters Cercidas redete / und seine Mörder zu Ausübung der Rache offenbarte. Ob auch schon zwischen Augustens und des Antonius Geiste einige Gramschafft sich ereignet haben soll; so werden selbte Zweifels-frey die hernach ausgebrochene Tod-Feindschafft Augustens und des Antonius vorgesehen haben. Sintemal die Götter diese Geister nicht nur mit der Wissenschafft künftiger Dinge begabten / sondern sie auch zu Werckzeugen ihrer Offenbarungen brauchten. Diese hätten in Thessalien durch die Tauben / in Lybien durch den Widder / zu Delphis aus dem Drey-Fusse geweissagt / und wären der sonst stummen Dinge redende Zunge gewest. Massen denn die Griechen festiglich geglaubt / daß / als die Pythia so viel für dem König Philipp wahrsagte / sein Schutz-Geist durch ihren Mund geredet habe. Ja dieser Werck wäre noch / die geopferten Thiere derogestalt zuzubereiten / daß sie mit den künftigen Begebenheiten übereinstimmeten / so gar / daß die Eingeweide auf den Altären mehrmals ohne Lungen und Hertzen gefunden würden / ohne welche doch ein Thier unmöglich leben könte. Endlich wäre dieses Geistes der Olorene erwiesene Gewogenheit für einen dem Friedebald selbst geleisteten Dienst zu achten; weil ein eifriger Liebhaber seiner Buhlschafft mehr / als ihm selbst / wol wil / und die Liebe der von denen irrdischen Leibern entladenen Seelen alles eitlen Rauches befreyet / und reiner / als der Lebenden / seyn soll. Also hätte die Liebe des Vaterlandes / die Theseus zu Griechenland trug / so viel gewürcket / daß sein Schutz-Geist in der Marathonischen Schlacht wider die Persen gestritten / ob schon Griechenland / wie Rom die Vesta / und Persien einen feurigen Engel / und andere Länder andere allgemeine Schutz-Geister gehabt / welche / der gemeinen Meynung nach von dẽ 2. grossen Welt-Lichtern und den 12. hi lischen Zeichen ihre Bewegung haben sollen. Welcher Meynung denn zum Behelf dienet / daß Malovends Erzehlung nach dieser Geist beständig Hertzog Friedebalds Gestalt behalten habe; zumal solche Geister wegen ihrer grossen Zuneigung nicht leicht eine frembde Gestalt anzunehmen würdigen /und ihren dünnen Luft-Leib darmit gegen den sterblichen Augen sichtbar machen. Malovend brach ein: Ich solte dieser letzt-angezogenen Gestalt halber meynen / daß kein Schutz-Geist / welche an Bewahrung der nicht nur von bösen Geistern / sondern auch abergläubischen Zauberern mehrmals angefochtenen Leichen und Todten-Gebeine genung zu thun haben /sondern vielmehr Hertzog [168] Friedebalds eigener Geist oder Seele Olorenen wohlgethan habe. Sintemahl wir von den Indischen und Chaldeischen Weisen diese gründliche Lehre angenommen / daß alle Geister / insonderheit aber die Seelen der Menschen unsterblich sind / und daß diese alles dis / was bey ihrem irrdischen Leben fürgegangen / im Gedächtnisse behalten. Massen die Seele auch nur alleine der gantze Mensch / sein Leib aber nur der Seele Kercker und Grab ist /durch welchen als ein düsternes Wesen sie das Licht der Warheit zu erkiesen nur verhindert wird. Bey so gestalten Sachen ist kein Wunder / daß der erledigte Geist nach dem Tode des Leibes so viel thätiger sey; und bezeuget die öfftere Erfahrung / wie unruhig der Entleibten Geister um ihre Gräber zu schwärmen / der Gottlosen Gespenster ihre Wohnungen zubeunruhigen / der frommen Seelen die betrübten zu trösten mehrmahls bemüht sind. Weßwegen nicht nur die Griechen die Erstlinge ihrer Früchte / und die Römer der verstorbenen Seelen täglich Wein und Weyrauch opffern / von ihrem Tische ihnen Brosamen lieffern / sondern auch andere Völcker ihnen Kräntze winden und Altäre bauen. Ja da die Zauberer durch vergossenes Blut und Galle die Erscheinung der Seelen zu wege bringen; Wie vielmehr soll nicht eine so hefftige Regung /als die festeste Verknüpffung der Seelen / nehmlich die Liebe ist / so viel zu würcken mächtig seyn? Zeno antwortete: Es wäre die Beruffung der Geister eine Blendung oder Betrug / sintemal weder Steine / Kräuter noch Beschwerungen einigen Zwang über die Geister hätten / wiewol die Bösen zuweilen die Abergläubigen mit ihrer gehorsamen Erscheinung bethörten /und aus denen von Menschen geschnitzten Bildern redeten / gleich als wenn sie von ihnen in irrdische Behältnisse eingesperret werden könten. Daher ging es mit selbter insgemein wie mit denen zweyen Gottesschändern her / derer einer sich in Saturn / der andere in Anubis verstellet hätte / um mit denen in die Tempel kommenden Frauen ihre geile Lust zu büssen /und die schändliche Unzucht noch mit dem Scheine der Andacht zu überfirnßen. Uberdiß hätte zwar der Geist des Delphischen Apollo nicht für gar langer Zeit aus seinem Dreyfuße geruffen: Er wäre nur ein Sonnenstaub und das geringste Theil des grossen Gottes / dessen Nahme unaussprechlich / dessen ewiges Wesen ein unerschaffenes Feuer / und doch das Band der gantzen Welt wäre. Er Apollo wäre sterblich / ja er stürbe gleich / weil das Licht der göttlichen Flamme ihn ausleschte. Auch hätte ein Geist bey dem Eylande Paxi dem Thamus offenbahret / daß der grosse Pan ein Fürst unter den Geistern gestorben wäre. Gleichwohl aber gebe er willig nach / daß die Seelen der Verstorbenen allerdings unsterblich wären / ob er zwar der Egyptier Meinung dem Buchstaben nach nicht beypflichtete / daß die Seele schon für dem Leibe ein absonderes himmlisches Wesen wäre / und durch den gestirnten Krebs / als die eine Pforte der stockenden Sonne sich in den menschlichen Leib herab lasse / weil sie sonst von Gott und dem himmlischen Wesen ihre gehabte Wissenschafft nicht so gar verlieren würden; also auch hinfällt / daß sie beym Tode durch die andere Pforte nehmlich den Steinbock wieder empor klimmen / und sich feste in Himmel versperren. Inzwischen scheint es doch eben so wohl ein ungereimter Aberglaube zu seyn / daß die Menschen sich in umschwermende Geister verwandeln /als daß der Verstorbenen Seelen / nach Vergessung des leiblichen Ungemachs / wieder in die Bande ihrer verweseten Leiber kehren sollen. Und lasse ich mich nicht bereden / daß die Seelen der Tugendhafften sich viel mehr um unsere Eitelkeiten / daran so viel sündliches klebet / bekümmern solten. Deñ ob selbten freylich zwar die Schwachheit der Vergeßligkeit / und die Entäuserung aller Liebe nicht beyzumessen ist / so sind selbte doch mit was [169] wichtigern beschäfftiget /weil sie durch einen hefftigern Trieb zu Anschau- und Betrachtung des grossen Gottes / als die Flamme zu der Emporglimmung / und der Magnet zum Eisen gezogen werden. Die verdammten Seelen aber sind mit so viel Angst und Schmertzen überschüttet daß sie der gewesenen Dinge gerne vergessen / und in ein solch Gefängniß eingesperret / daß sie die Welt zu beunruhigen ihnen nicht dörffen traumen lassen. Wie aber /versetzte Rhemetalces / wenn die Geister / wormit /nach des Plato / und fast aller Weltweisen Meinung /Lufft / Erde / Feuer und Wasser angefüllet / und dieser Elemente Thiere / ja so gar die Britannischen Eylande Sporades von eitel Geistern bewohnet seyn sollen / welche die Anlendung der Menschen mit Sturm und Feuer-Fluthen verhindern / und zu nichts mehr /als aus Bildern und durch Träume wahrzusagen einen Zug haben / oder auch die höllischen / so wie der zauberische Proteus / der Verstorbenen Gestalt annehmen? Oder wie wenn in dem Menschen die Seele und der Geist zwey absondere Wesen wären? Massen die Griechen von ihrem Hercules beständig erzehlen / daß seine Seele im Himmel / sein Geist in die Hölle / sein Leib in die Erde versetzt worden sey. Zeno antwortete: Er verneinte nicht die Vielheit der Geister in der Welt / noch auch daß ein Theil derselben dem Menschen wohlzuthun geneigt / wiewohl ihm ihr Dienst wegen Vielheit der bösen allezeit verdächtig wäre. Dieses die Olorene bedienenden Geistes Gewogenheit bedüncke ihn auch von all zu zarter Regung für einen Geist / und / weil von geraumer Zeit schier alle Wahrsager-Geister zu verstummen angefangen / eine zu seltzame Begebenheit zu seyn. Daß aber des Men schen Seele und Geist zweyerley seyn solte / wäre ein Irrthum / und die Meinung vom Hercules ein blosser Aberglaube. Sintemahl der erstere Nahme die Eigenschafft des Wesens / der andere die lebhaffte Regung der Seelen ausdrückte. Nachdem sie aber unter den Lebenden in dieser Sache keinen unverwerfflichen Schiedsmann finden würden / müsten sie einmahl sich der Geister und Gespenster entschlagen / wenn Malovend nicht des tapffern Hertzog Klodomirs vergessen solte.

Rhemetalces nahm alsofort das Wort vom Zeno an / meldende / daß er zwar für seine Meinung und der Geister zu den Menschen tragender Liebe anzuführen hätte / wie selbte sich so gar mit ihnen zu vermischen lüstern wären; massen Plato / welchen man von einer Jungfrau gebohren zu seyn rühmte / der grosse Alexander / Scipio und andere / von eitel Geistern / insonderheit aber Zoroaster von dem berühmten Geiste gezeuget worden / welche ihre Mütter in Gestalt der Schlangen oder der Götter geschwängert hätten. Sintemahl eine Gotteslästerung zu seyn schiene / daß ein wahrer Gott eine sterbliche Frau beschlaffen solle /und / daß Schlangen Weiber schwängern könten /eben so lächerlich wäre / als daß die Könige der Gothen einen Bär / und ein Volck am Ganges einen Hund zu ihren ersten Geschlechts-Ahnen haben solten. Alleine er bescheidete sich selbst / daß seine un gewisse Gedancken Malovends annehmlicher Erzehlung billich den Platz räumeten.

Malovend gehorsamte ihrem Verlangen / und fing an: Astinabes und Klodomir heyratheten zwar einen Tag und unter einerley Stande des Gestirns; Olorene und Riame waren eines Geschlechtes / und sie sämmtlich Liebhaber der Tugend; Aber / wie auff einerley Zweigen Rosen und Dornen / Datteln und Schwämme wachsen / ein Theil eines Baums zu einem angebeteten Götzen-Bilde / das andere zu einem verfluchten Creutze gemacht wird; also waren jene Verwürfflinge / diese aber Schoos-Kinder des Glückes. Denn der hertzhaffte Astinabes brach mit einem mächtigen Heere in Africa ein / um den verdrungenen König der Mauritanier wieder [170] einzusetzen; Diese beyde Könige aber nicht allein / sondern auch der / welcher solch Reich behauptete / büßten dem gemeinen Ruffe nach ihr Leben in der Schlacht ein / welche von dem Falle dreyer gekrönten Häupter einen ewigen Nahmen behalten wird / und deßhalben noch so viel merckwürdiger ist / daß sich nach etlichen Jahren einer fand / der sich nicht allein für den König Astinabes ausgab /sondern auch durch so viel Merckmahle und Anzeigungen sein Vorgeben bescheinigte / daß alle Unpartheyische urtheilten / er müste entweder der rechte Astinabes / oder sein Geist in einem andern Leibe seyn. Wiewohl sein Reich inzwischen vom Hippon behauptet / und dieser als ein Betrüger aus dem Wege geräumet ward.


Klodomir hingegen lebte mit seiner Gemahlin Riama in höchster Vergnügung / und stand etliche Jahr mit ungemeiner Klugheit Britannien für. Nach seines Vaters Ingrams Tode aber ward er in einem Jahre dreymahl gekrönet. Sein friedliebendes Gemüthe brachte die durch die Meinungen der Druyden /Eubagen und Barden in Deutschland erwachsene Zwytracht so fern zu einem Vertrage / daß sie sich nebst einander ohne Verdammung eines oder des andern Irrthums zu dulden gelobten. Seine Herrschafft erreichte noch den Sturm des grossen Salomins / welcher wie er unter dem grösten Gethöne der Waffen gebohren / also auch unter derselben Krachen seine Seele auszublasen versehen war. Er war auffs neue mit einer ungläublichen Macht in das Pannonische Reich eingefallen / und belagerte Siegestadt. Selbige aber verthäidigte Nezir ein Norichischer Ritter mit einer unerhörten Tapfferkeit / welche diesen unersättlichen Wüterich lehrte / daß ein unerschrockenes Helden-Hertz mehr als ein eisernes Bollwerck sey / und hierdurch verursachte / daß er für Ungedult im Lager seine Blutdürstige Seele ausblies / und der / dessen Ehrsucht Meer und Gebürge nicht hemmeten / alhier in einer Pfütze Schiffbruch leiden muste. Es richtete aber Salomins arglistiger Heerführer den Leib-Artzt eigenhändig hin / um seinen Tod so lange zu verbergen / biß sein Sohn Miles das Hefft der Herrschafft in Händen hatte / die Belägerten aber / denen das eingeworffene Feuer numehr allen Auffenthalt und Lebensmittel gefressen / und derogestalt dem Feinde ein schlechtes Sieges-Mahl übrig gelassen hatte / sich in den unzehlbaren Hauffen der Belägerer zu stürtzen /und ihr Leben noch um viel Feindes-Blut zu verkauffen gezwungen worden. Also wird zuweilen auch die Tugend übermannet / und die Hertzhafftesten fallen mehrmahls von dem Geschoß eines Verzagten; als welche bey zuhangendem Siege nichts weniger als die Tapffern / wagen. Wiewohl in solchen Fällen der Sieg so wenig für Ehre / als der Untergang für Schande / ja die / welche derogestalt umkommen / wohl für erschlagen / nicht aber für überwunden zu halten sind. Massen denn dieser blutige Gewinn die Scythen also entkräfftet hatte / und Klodomirs kluge Herrschens-Anstalten dem Miles so sehr unter Augen leuchteten /daß er es rathsamer hielt / mit einem so fürsichtigen Feinde Friede zu schliessen / als den ungewissen Ausschlag eines längern Krieges zu erwarten. Dieses Ansehen brachte auch zu wege / daß Klodomir von den meisten Ständen Sarmatiens zu ihrem Könige erwehlet ward / wiewohl Miles / der ohne seine euserste Gefahr seinen Nachbar nicht konte sehen so groß werden / theils durch Bedräuungen / theils durch Verheissungen ein Theil der Sarmater zu Erwehlung Tiabors der Dacier Fürstens beredete. Als nun Klodomir so wohl sein durch rechtmäßige Wahl erlangtes Recht mit dem Degen zu behaupten / als die durch Tiabors Eindringung ihm zuwachsende Schande mit der Verursacher Blute auszutilgen beemsigt war / setzte das [171] Verhängniß unvermuthet seinem Leben und Gebiete / nicht aber seinem noch herrlichen Nachruhme einen Grentzstein.

Die Sonne fing nun an zu Golde zu gehen / und es trat des Feldherrn Jägermeister zugleich in den Saal mit Erinnerung: es wäre hohe Zeit zur Rückkehr / im Fall sie daselbst nicht übernachten wolten. Weil aber diese Fürsten diß letztere bey ihrem erstern Ausritte zu thun Bedencken hatten / befahlen sie ihre Pferde zur Stelle zu bringen. Malovend aber fing an: Ich habe meine versprochene Erzehlung übel eingetheilt /und ich bleibe noch die Geschicht dieser vier letztern Feldherren schuldig. Zu der letztern zweyen / nehmlich Aembrichs und Segimers ungemeinen Zufällen bedinge ich mir einen besondern Tag aus / von dem neundten und zehenden aber / nehmlich dem Roderich und Malorich wil ich zu Pferde noch etwas weniges erwehnen.

Als sie nun auff dem Rückwege begriffen waren /fuhr Malovend fort: Beyde diese Feldherren sind Klodomirs Söhne / und betrat Roderich nach seines Vaters Tode alle väterliche Throne; diese befestigte er mit Gerechtigkeit / Deutschland erhielt er durch Vereinbarung seiner Glieder in einer herrlichen Eintracht / und beseligte es mit dem güldnen Frieden. In Pannonien und Dacien aber führte er wider drey Scythische Könige / nehmlich dem Turama / der nach des Miles seines Vaters Tode auff seinem Grabe fünff Brüder abschlachtete / dem Mehdum / welcher seinen Thron auf siebenzehn erwürgte Leichen seiner Brüder gründete / und dem Techma / der seinem eigenen Bruder die Augen ausstach / mit grosser Hertzhafftigkeit Krieg. Er gewann unterschiedene Schlachten / eroberte etliche verlohrne Festungen / und insonderheit durch eine besondere Kriegs-List des Ritters Schwartzenburg die durch Zagheit eines Pannonischen Edelmanns den Scythen ohne Noth übergebene Stadt Arabo. Er bemächtigte sich eines Theils Daciens über dem Flusse Pathisus / allwo ein Marsingischer Ritter Reder in der Festung Nidavar die gantze Scythische Macht mit unglaublichem Heldenmuthe auffhielt /und nach Verlust unzehlbarer Stürme abzuweichen zwang. Er zwang den König der Dacier Gundimes zu einem Vergleiche / krafft dessen nach seinem Absterben ihm seine Länder heimfallen solten / und als dieser seiner Zusage wider kam / in dem er seinem Vetter Nasared seine Herrschafft einräumte / wurden die Dacier und Scythen auffs Haupt geschlagen / und Nasared selbst muste seine Untreu mit seinem Halse bezahlen. Ob sich nun wohl hierauff Tabisock zum Oberhaupte der Dacier auffwarff / und vom Könige Techma beschirmet ward / so zwang doch Roderich jenen / daß er ihn für seinen Lehns-Herrn erkennen /dieser aber einen billichen Frieden eingehen muste. Sintemahl der grosse Mithridates der Parthen König um den Tod seines Vaters Artabans / welchen die Thocharischen Scythen in einer Schlacht erschlagen hatten / wie auch seines Groß-Vaters Phraates / der eben so umkommen war / zu rächen / nicht allein ihnen die vorhin verlohrnen Städte Tauris und Artzirum wieder abgenommen / sondern auch den Scythischen Bund-Genossen Artavasden geschlagen / sich seines Armeniens bemächtiget / und in das Hertze des Scythischen Reiches mit Feuer und Schwerdt gedrungen war. Dieser Mithridates schickte eine prächtige Gesandtschafft an den Roderich mit kostbaren Geschencken / worunter merckwürdig waren ein blauer Topaß so groß / daß man daraus ein Trinck-Geschirr machen konte / ein weißer Topaß und ein reiner Amethist / beyde so groß als ein Ganß-Ey / ein Persianischer Bogen von Spañadern eines Camels mit grossen Diamanten / zwey Parthische Sebeln mit Damascener Klingen und Rubinen versetzt / ein gelber Topaß so groß als ein Tauben Ey / eine Schnure wundergrosse[172] Perlen / drey Carfunckel / eine Krone von einer Schlange / und eine grosse Kugel Ambra. Das Absehen dieser Botschafft war den Feldherrn Roderich zu bewegen / daß er mit dem Techma den Frieden zerreissen / und mit den Parthen zugleich die Scythen bekriegen solte. Alleine Roderich hielt es Fürstlicher zu seyn / sein Wort und den gemachten Frieden auch eydbrüchigen Feinden zu halten / als mit Verminderung Treu und Glaubens seine Reichs-Gräntzen zu erweitern; zumal auch sich zwischen ihm und seinem Bruder Malorich gleich Zwistigkeiten ereigneten /welchem er lieber Pannonien abtreten / als durch brüderliche Zwytracht das gemeine Heil in Gefahr setzen wolte. Rhemetalces fing an zu seufzen und zu ruffen: O ein ungemeines Beyspiel / daß die Regiersucht nicht alle andere Gemüths-Regungen unterdrücke! Wie viel hat diese Begierde nicht nur Brüder in meinem Thracien geschlachtet! Und wem ist unbekant /daß nicht wol ehe Unmenschen für ihren Bruder-Mord belohnet zu werden verlanget? Malovend fing hierauf wieder an zu erzehlen: Roderichs friedliebendes Gemüthe ist deswegen noch mehr Wunderns werth / weil noch bey Anwesenheit der Parthischen Botschafft die Scythen in Pannonien die Festung Decebalia durch Verrätherey einzunehmen versuchten / und er also mit ihnen zu brechen einen guten Schein überkam. Warumb nicht Fug und Recht? fiel Rhemetalces ein. Und ich weiß bey solcher Beschaffenheit nicht / ob ich Roderichs Beginnen mehr für eine Verabsäumung bequemer Gelegenheit sich in mehr Ansehn und Sicherheit zu setzen / als eine Gemüths-Mässigung halten soll? Friede und Ruh hätten freylich wol scheinbare Nahmen; aber man gebe solche zuweilen auch einer schädlichen Trägheit. Solche rauhe Völcker pflegten den Frieden fast iedesmals aus angewohnter Lust zum Kriege zu stören; also wäre leicht zu muthmassen /daß sie den Krieg aus Liebe eines beständigen Friedens nicht aufgehoben. Ihr Absehen wäre allein / daß sie ihren Feind durch Ruh und Müssiggang faul und unbewehrt machen; und weil zu Friedens-Zeit der Adel / welcher im Kriege mehr Gelegenheit hat sich durch grosse Dienste in Ansehen zu setzen / mehr den Rücken unter das Joch der Herrschafft beugen muß /selbtem die Waffen und die Kriegs-Ubungen aus den Händen winden möge. Hingegen legten die Scythen /die ohnedis von guten Künsten / derer man beym Frieden bedörfte / nichts hielten / den Sebel niemals aus der Hand / sondern / wie sie keinmal leichte mit zweyen Feinden anbinden / also behielten sie auch meist einen übrig / umb niemals aus der Ubung zu kommen. Dahero wäre auch ein zweifelhafter Krieg besser / als ein unsicherer oder verdächtiger Friede /und für einem schimpflichen Müssiggange eine behertzte Gegenwehre zu erwehlen. Zeno antwortete: Es wäre diß ein zu scharffes Urthel wider einen so lobwürdigen Fürsten / als Roderich gewest. Der Krieg komme denen / die ihn noch nicht versucht / so süsse für und bey dessen Ungewitter ergetzten sich nur die Kinder über so schönen Schlossen / die Klugen aber beweinten den durch seinen Hagel verursachten Schaden. Der Sieg sey allezeit ungewiß / und habe das Glück darmit seine Kurtzweil / daß es allen Kriegen stets einen gantz andern Ausschlag gibt / als die klügsten Rathschläge vermuthet / und menschliche Vernunft hat vorsehen können. Uberdiß höre der Krieg niemals auf eine Straffe der Götter / und auch denen Siegenden verderblich zu seyn. Die Frömsten müsten wider Willen darinnen sündigen / der schärffste und wachsamste Feldherr habe das Kriegs-Volck nicht dergestalt an einem Faden / daß keine Todschläge /keine Nothzucht / kein Kirchen-Raub begangen werde. Im Friede allein blüheten Recht und Verdienste / im Kriege würden unschuldige so wol als schuldige zu Bodem getreten. So hätte auch manches Reich offtmals viel heimliche [173] Schwächen und Blössen / die sein eigenes Volck nicht wüste / und der Purpur verdeckte viel gefährliche Wunden. Man habe sich für den Hülffs-Völckern zuweilen mehr / als für offentlichen Feinden fürzuschauen. Roderich hätte etliche 30. Jahr die Klauen mit den Scythen vermengt / ihre Kräften ergründet / die Leichtsinnigkeit der Dacier und Pannonier behertzigt / die innerliche Unruh für Augen / sein Bergabgehendes Alter im Gedächtnüsse / der Herrschens-Kunst Schwerigkeit in Erwegung gehabt; in dem ein Fürst nichts minder als ein Weber zu seinem Gewebe Augen / Hände / Armen / Füsse / und alle seine Kräfte / welche doch durch Zeit und Sorgen abnehmen / anwenden / das Verwirrete verrichten /das zerrissene ergäntzen müste. Diesemnach solte ein Fürst / mit dem es auf die Neige seiner Jahre kommen / in seinen Entschlüssungen ein gantz anderes Augenwerck haben / als der / welcher im blühenden Alter / bey wachsenden Kräfften / mit feurigen Regungen auf dem Stul sitzt; da er anders sein Reich / welches durch so viel Tugend und Klugheit kaum in tausend Jahren zu Stande kommen / nicht durch eine augenblickliche Ubereilung in Verderben stürtzen / und für dem Richter-Stule der Nachwelt / welche ohne Heucheley urtheilet / und denen prächtigsten Ehren-Säulen ihre Larve vom Gesichte zieht / den durch viel Schweiß und Blut kaum erworbenen Ruhm verspielen wil. Die Kette / welche einen Herrscher mit den Unterthanen verknüpfet / nützet sich von Tag zu Tage ab. Denn ich mag nicht sagen / daß die Begierde des Ruhms / die Beysorge des Verlusts einen jungen Herrn lebhafter und wachsamer mache / hingegen bey einem bejahrten Fürsten der Zunder der Ehre verglimme; sintemal das Gemüthe nichts minder als der Leib veraltert und schwach wird / also daß ihn weder das Glücke aufmuntert / noch bey seinem ohnedis für Augen schwebenden Abschiede das Unglücke zu Hertzen geht / und ein Reich bey so gestalten Sachen /das anfangs einen göldnen Kopf gehabt / hernach auf thönernen Füssen stehet; sondern ich ziehe mich allein auf den wanckelmüthigen Pöfel / der das gegenwärtige hasset / die Veränderungen verlanget / ja sich mit der Neuerung über seiner eignen Gefahr belustigt; also die vieljährige Herrschafft eines Hauptes ohne Verdruß nicht ertragen kan. Du hast es in allewege getroffen / pflichtete ihm Malovend bey. Denn Roderich sahe wol / daß seine greise Haare nicht bey allen Unterthanen beliebt waren / daß die meisten die aufgehende Sonne anbeteten / und seine Herrschafft mehr auf den Ruff / als auf beständige Kräfften geanckert war; ungeachtet er sich der dem Alter meist anklebenden und einen Fürsten verhasst machenden Fehler /nemlich des Geitzes / der Verschrenckung zuläßlicher Ergetzligkeiten / der fahrlässigen Hinlassung der Regirung in frembde Hände vernünftig entäuserte / und unter andern Zeitvertrieben seine Vergnügung aus Umbarmung des Reichs und Beobachtung des gemeinen Wesens schöpfte. Zu dem mangelten ihm die rechten Pfeiler seiner Herrschafft / nemlich Kinder /welche mehr als Kriegs-Heere / besser als alle ihrem Eigennutz dienende / und den Mantel stets nach dem Winde des Glücks hängende Freunde einen Fürsten beschirmen. Hingegen hatte Malorich schon so viel Jahre nach dem Hefte des Reichs / und hiermit auch nach seines Bruders Tode gelechset; weßwegen seine Siege ihn mehrmals weniger / als das Geräusche der feindlichen Waffen schlaffen liessen / ungeachtet Roderich ihn zwar zum Haupte seiner Heere gemacht /einem niedrigern aber stets die eigentliche Gewalt anvertrauet hatte. Endlich hat Roderich behertzigt / daß wie ein Schiff von Herumbwerffung der Segel auch bey gutem Winde sich erschüttert / und / wo zwey Ströme zusammen [174] fallen, es Wellen gibt; also wenn ein neuer Fürst zum Steuer-Ruder tritt / und die neue Regierungs-Art sich mit der alten vermenget / es nicht sonder Gefahr ist / und dahero ein absinckender Fürst alle Kriege und Beleidigungen vermeiden / neue Bindnüsse stifften / die alten verneuern solle / wie die in den Hafen einfahrende Schiffleute die Ruder empor heben. Bey so gestalten Sachen lasse ich mir nicht ausreden / daß Roderich eine besondere Klugheit begangen habe / da er mit den Parthen nicht in den verlangten Bund und Krieg schlechterdings eintrat; gleichwohl aber den Botschaffter aufs herrlichste und mit allen ersinnlichen Freuden-Spielen unterhielt /dem Mithridates hingegen kostbare Geschencke schickte / worunter die in den Sudetischen Gebürgen gefundene Granaten / die denen Morgenländischen fürzuziehen / etliche in den Pannonischen Bergwercken aus dichtem Golde gewachsene Corallen-Zincken / und in den Wein-Gärten an dem Flusse Pathissus aus den Stöcken hervorgesproßte güldene Reben / in dem Iser gefischte Perlen / und zwey vom Roderich aus Kupfer in Gold verwandelte Platten waren. Wie er denn auch sein Bindnüß nicht gäntzlich ausschlug /sondern ihn auf Veränderung der Zeit / und Wegräumung einiger dem verlangten Kriege im Wege stehender Hindernüsse vertröstete. Ich höre wol / fing Zeno an / du bist auch in dem Glauben / daß man die Metalle verwandeln und das Quecksilber in Silber / oder gar zu einem Saamen oder Werckzeuge des Goldes machen könne. Malovend begegnete ihm: Ich bin sonst nicht so leichtgläubig / auch in diesem Stücke so zweifelhaft / als vielleicht niemand vor mir gewest; endlich aber haben meinen Unglauben meine Augen überwunden / nach dem ich selbst gesehen / wie durch einen kaum sichtbaren Staub ein gantzer Tiegel voll Bley zu Golde worden. Zeno lächelte hierzu / und sagte: Es wären in dieser berühmten Betrügerey freylich wol auch Leute / die in der Scheide-Kunst des Ertztes ziemlich erfahren gewest / hinters Licht geführet / und wol ehe Fürsten zerstäubtes Gold für Bley umb ein schnödes Geld geliefert worden / wormit selbte hernach ihre Leichtgläubigkeit solchen Verfälschern so viel theurer bezahlen müssen. Malovend versetzte etlicher massen mit einem Eifer: Er könte leicht gläuben / daß viel Einfältige durch Arglist hierinnen bethöret worden / auch daß viel Aufschneider sich dieser Kunst rühmeten / die das allergeringste darvon nicht verstünden; alleine er habe bey dem von ihm erwehnten Goldmachen das Bley selbst zur Stelle geschafft / und mehr als Luchs-Augen wider allen Unterschleiff dabey gebraucht. Zu dem wäre Hertzog Herrmans Vatern dem Fürsten Segimer eben diß begegnet / daß ihm ein unbekandter Mensch ein gar weniges von diesem Gold-Staube eingeschoben / wormit er hernach selbst acht Untzen Quecksilber zu dem besten Golde gemacht. Als für viertzig Jahren der Svionen König Gotart den so berühmten Krieg angefangen / solte ein dieses Geheimnüß wissender Kauffmann in der Stadt Treva an dem Flusse Chalusus ihm hundert Pfund des derogestalt gemachten Goldes geschenckt haben / worvon man noch Müntze findete /darauf das Zeichen des Schwefels und Quecksilbers gepregt wäre. Zeno brach ein: Das letztere wäre ein denckwürdiges Beyspiel / nachdem sonst meistentheils die Goldmacher Gold-arme Bettler gewest / viel Fürsten das Marck ihrer Länder hierüber verschmeltzet / und nach dem ihre betrügerische Lehrmeister das in holen Werckzeugen verborgene Gold unvermerckt in den Tiegel geschüttet / und darinnen es dem Brutus / der dem Apollo zu Delphis sein güldenes Opfer in einem Stabe überbrachte / wiewohl gar betrüglich nachgethan / und also einfältige Fürsten zu hochschädlichem Nachschmeltzen verleitet hätten. [175] Wegen gleichmäßiger Verleitung hätten Segimers acht Untzen Gold wol hundert gekostet. Mit einem Worte /diese Ertztwandler hätten seines Wissens viel Reiche arm / keinen Armen aber noch reich gemacht / insonderheit aber etliche Fürsten durch abgeheischene Geschencke hinters Licht geführt. Sintemahl diese Betrügerey wie das Haupt der Medusen gleichsam alle Menschen in Steine verwandelte / und ihrer sonst gewohnten Vorsichtigkeit beraubete. Daher Fürst Inguiomer einen solchen Schmeltzer gar klüglich mit eben dieser Antwort abgefertigt / welche Ennius etlichen Wahrsagern gab / die von ihm gegen Offenbahrung eines Schatzes Geld foderten / daß sie nehmlich vor dem gefundenen Reichthume ihren Lohn haben solten. Eben so wenig wüsten sie etwas gewisses und einstimmiges von dieser Kunst ans Tagelicht zubringen / sondern sie verdeckten ihren Betrug mit lächerlichen Rätzeln und Träumen / durch Errichtung seltzamer Mißgeburthen / als des grünen Löwen / des flüchtigen Hirschen / des Drachen der seinen Schwantz verschlingt / der aufgeblasenen Kröte / des Raben-Haupts / und derogleichen / selbtem eine Farbe anzustreichen / und daraus ein heiliges Geheimnüß zu machen. Uberdiß laufft wider die Vernunfft /daß itzige unachtsame Zeit die Wissenschafft der so tiefsinnigen Vorwelt / der sterblichen und in dem Nebel der Unwissenheit verwickelten Menschen Kunst die unerforschliche Weißheit der Natur übertreffen solle / welche so viel Jahre über dem in den Ertzt-Adern so sparsam wachsenden Golde zu kochen / und die Metalle ihrem Wesen / Eigenschafft und Würckung nach so ferne von einander unterschieden hat; da hingegen diese Schmeltzer sich rühmen / daß sie in weniger Zeit grosse güldne Berge machen / ja wenn das grosse Welt-Meer eitel Qvecksilber wäre /solches alsofort in Gold verwandeln / und mit diesem gesegneten Weisensteine alte runtzlichte schön und jung / und bey nahe unsterblich machen / ein unverbrennliches Oel daraus ziehen / oder wol gar in einem Brennglase einen lebendigen Menschen / so wie er in Mutterleibe wächst / zubereiten könten / und dahero so wol das Gedichte wegen des Jupiters güldenem Regen und der Ruthe des Midas / als die Kräfften und Tugenden des von der Sonnen ausgearbeiteten Goldes weit überstiegen. Dahero hat diß Goldmachen auch bey mir nicht mehrern Glauben / und ist zweifelsfrey so wahr als diß / daß die Ameissen in dem Mitternächtischen Indien grosse Goldhauffen zusammen tragen sollen. Malovend antwortete: Er gebe gerne nach / daß unter diesem Golde viel Schlacke stecke / und dieser herrlichen Kunst viel Betrug und Mißbrauch /welcher aber die Sache an sich selbst / und dessen nützlichen Gebrauch nicht verwerflich machen könne / beygemischt sey / ja ihrer viel sich hierinnen für Halb-Götter rühmten / die kaum den Nahmen eines Qvecksalbers verdienten. Viel Unwissende opfferten auch nicht geringe Schätze dem Rauch vergebens auf; wie denn auch Roderich nicht wenig Gold in Nichts verschmeltzt haben soll / ehe er hinter diß Geheimnüß kommen. Sonst aber wäre diese Wissenschafft wegen ihrer vermeinten Neuigkeit nicht verdächtig zu machen; sintemahl sie vielleicht mit den meisten ums Alterthum striette / weil die ersten Weltweisen / nehmlich die Tichter / solche unter den Schalen der vom Vulcan / vom Proteus / von dem wiedergebohrnen Fenix / von der Pandora Büchse / denen güldnen Apfeln der Atalanta und der Hesperiden / von des Orfeus Höllenfarth beschrieben hätten; und insgemein geglaubet würde / daß das güldene Flüß / wornach die Argonauten geschiffet / nichts anders / als ein in ein Widder-Fell gehülletes Buch gewesen sey / worinnen die Kunst / den so geneñten Stein der Weisen zu machen / beschrieben gewest wäre. Massen die ältesten Egyptischen Priester / in ihrer geheimen Bilder-Schrifft / hiervon gantze Bücher geschrieben / derselben Uhrsprung ihrem [176] dreymal-grossen Hermes / den Gebrauch alleine den Königen zugeeignet / die Art der Zubereitung hinter die Gedichte vom Osiris /Horus / Typhon und der Isis versteckt hätten. Uberdiß gestünden auch die Verneiner dieser Kunst / daß keine natürliche Ursache verhanden wäre / daraus man nothschlüßlich die Unmögligkeit / aus geringerm Ertzte Gold zu machen / erzwingen könte. Am wenigsten aber thäte diese Wissenschafft der Natur und ihrem Ansehn einigen Abbruch. Denn wie die Kunst der Natur in vielen Sachen zu hülffe käme / durch Propffungen die Baum-Früchte verbesserte / durch Versetzung des Zwiebelwercks das Geblüme voll und schöner / durch gewisse Gläser Melonen / und andere Gewächse für der Zeit reif machte; also vertrete in vielen andern Fällen unser irrdisches Feuer die Stelle der Sonnenwärmbde / ja die Künstler kämen mit jenem / welches sie nach Nothdurfft der Sachen erhöhen oder mindern könten / in Schmeltz- und Ausziehung des Ertzts und der Kråuter weiter / als es die Sonne damit zubringen wüste. Unlaugbar wäre es /daß Qvecksilber und Alaun das Gold gar geschwinde von geringerm Zusatze reinigen / das irrdische Feuer das Gold reiffer und vollkommener machen / und derogestalt es der Sonne zuvor thun könte. Die Mögligkeit geringer Ertzt in Gold zu verwandeln wäre denen Grund-Gesetzen der Naturkündiger auch gemäß /nach dem Anaxagoras und Democritus schon für längst ausgeführet hätten: Es wären in der Welt alle Dinge so vermischt / daß nichts wäre / was man nicht in iedem andern antreffe. Insonderheit wären die Metalle in ihrem selbstständigen Wesen nicht von einander unterschieden. Saltz / Schwefel und Qvecksilber sey aller ihr Talg / die Vermischung unterscheidete sie allein / und daß ein oder das andere von diesen Dingen in einem mehr / als in dem andern / reif worden sey. Dahero wäre dieses keine gantz wesentliche Verwandelung zweyer in dem Selbststande gantz unterschiedene Dinge / sondern nur eine Auskoch- oder Ausbrütung des Unvollkommenen. Wie denn in Pannonien durch Güte desselben Erdreichs das gesäete Rocken-Korn im dritten Jahre zu Weitzen würde. Oder / da auch das Wesen selbst verwandelt würde /wäre solche der Natur nicht unbekand. Der Augenschein würde ieden überzeugen / daß in Pannonien /unferne von dem Flusse Granua / in einem Wasser das darein geworffene Eisen zu vollkommenem Kupfer werde. An einem andern Orte werde das Holtz zum Steine. Wie auch die irrdischen Dinge theils durch einen natürlichen / theils durch einen gewaltsamen Tod vergingen / nicht anders wäre es mit ihrer Zeugung beschaffen / und gebe die Kunst mehrmals eine Schöpfferin ab / wenn sie an statt des Brütens /durch gewisse Wärmbde aus den Eyern Geflügel brächte / und aus todten Dingen Mäuse / Kefer / Frösche / Schlangen und andere lebhafte Thiere machte /welche ihrer fühlenden Seele halber edler / als das Gold / wären. Daß diese Wissenschafft aber so seltzam wäre / könte ihrem warhaften Wesen nichts benehmen. Weil die Menschen alle Dinge nicht nach ihrer eigentlichen Köstligkeit / sondern nach dem ein oder anders ungemein wäre / schätzten / hätte die gütige Natur selbst Belieben getragen / ihre Köstligkeiten sparsamer wachsen zu lassen. Die Edelgesteine finde man nur in wenigen Ländern; der Ambra würde mit kleinen Körnern aus dem Meere / und die Perlen aus wenigen Flüssen zusammen geklaubt. Es wüchse tausend mal mehr Unkraut / als Jasmin und Rhabarber. Warum solten denn die warhafften Weisen mit dieser Wissenschafft so verschwenderisch umgehen? Wenn sie dieses Geheimnüß dem alberen Pöfel so gemein machten / würden sie nicht allein wider den der Natur geleisteten Eyd / der den Affen perlene Halsbänder umzumachen verbiete / sondern auch wider den Zweck dieser himmlischen Wissenschafft / welche keine [177] Magd des unersättlichen Geitzes / sondern eine Aertztin der menschlichen Schwachheiten / eine Handlangerin der Natur / und eine Lobsprecherin der göttlichen Allmacht seyn soll / ja wider das gemeine Heil sündigen / da sie den Kern alles Ertzts / den Nothpfennig aller Dürfftigkeit / das Mittel aller menschlichen Geschäffte und Umwechselungen / so gemein als die Steine auf den Gassen machen / und gleichsam dadurch des Ackermanns Hand vom Pfluge / des Kaufmanns Schiffe vom Meere abziehen / und die emßige Welt in Müßiggang einschläffen / oder diesem unschätzbaren Ertzte / welches nicht so wol die eigene Güte / als desselben Seltzamkeit schätzbar macht / seinen Werth entziehen würde. Ferner sey es auch iedem Künstler so wenig verboten seinen Handgriffen ungemeine Nahmen zu geben / so wenig es den Sternsehern übel zu deuten ist / daß sie die Gestirne in so seltzame Thiere eingetheilet / und die Egyptier ihre Geheimnüsse durch Hunde / Katzen /Eulen und Schlangen abgemahlet. Noch weniger mache diese Kunst verdächtig / daß selbte das Gold geschwinder bereitet / als es in den Berg-Adern und in seiner Mutter gezeuget wird. Denn / wie die Gestirne in die so tieffen Schachte nicht ohne ein und andere Hindernüsse / derogleichen diese Wissenschafft alle auf die Seite zu thun weiß / würcken könte; also wäre ungewiß / ob das Gold in Flüssen / welches doch das beste ist / so langen kochens dürffe. Wie wenig Zeit dörffe auch die Natur zu Zeugung der Goldkörner /die am Flusse Pathissus in den Wein-Trauben und also der das Gold in die Ertzt-Adern allein verdammenden Meinung nach auser ihrer Mutter wachsen /und ich selbst in meinen Händen gehabt habe. Uberdiß mache er die Natur Goldärmer als sie sey. Wie viel Flüsse führten häuffiges Gold? Aus wie viel Bergen haue man grosse Klumpen gediegenen Goldes? Welchen Uberfluß habe nicht nur Pannonien? In der oben erwehnten neuen Welt wäre ein grosser Berg Topiso so voller Gold und Silber / gleich als wenn er durch diesen Stein der Weisen darein wäre verwandelt worden; Und der gröste Reichthum liege zweiffelsfrey noch unter den Klippen oder in Wildnüssen verborgen. Endlich habe dieser gesegnete Stein der Weisen die Eigenschafft des Blitzes an sich / wie aus dem blitzenden Golde zu sehen / so insgemein zubereitet werden kan / und alles unter sich zerdrü ert. Wie nun der Blitz mit einem einigen Strahl die grössesten Cörper in einem Augenblicke durchdringet / also wäre es keine Unmögligkeit / daß wenn eine See voll sich zu dieser Verwandelung schickenden Talgs beysammen wäre / solche hierdurch zu Golde würde. Wenn eine Schlange einen Riesen / der Berge feil tragen und den Himmel unterstützen könte / an die kleine Zehe stäche / würde dieser Gran gleichwol den gantzen Leib einnehmen. Wann die gantze Welt von Schwefel und Salpeter zusammen gesetzt wäre / würde ein einiger Funcken solche in Brand stecken. Nach dem auch im Ertzte kräfftigere Artzneyen als in Kräutern stecken /das Gold aber das vollkommenste Ertzt / ja nach der alten Egyptier Urthel die Sonne und derogestalt auch das Hertze des Erdbodens ist / muß die daraus gezogene Artzney alle andere übertreffen / und da ein allgemeines Mittel wider alle Kranckheiten zu finden /solches nichts minder in dem Golde oder vielmehr diesem gesegneten Steine gesucht / als der Ursprung des natürlichen Lebens nach Gott / der Sonne zugeeignet werden. Ferner könne kein unverzehrliches Brenn-Oel füglicher aus was anderm / als aus dem in ein Oel verwandelten Golde / weil diß ja in dem feurigsten Schmeltz-Ofen keinen Gran einbüsset / sondern sich vielmehr durchs Feuer köstlicher auswürcket / zubereitet werden. Zeno fiel hier ein: Es liesse sich alles wohl hören / er würde aber auch seinem eigenen Auge hierinnen schwerlich glauben / also sie wol diesen Tag keinen sie entscheidenden Richter finden. Die [178] angezogenen Zeugnüsse der Alten wären ihm so verdächtig / als die neuen Ruhmsprüche etlicher Betrüger. Denn Betrug und Lügen hätten mit der Warheit einerley Alter. Fürnehmlich wären die Priester in Egypten Meister im Aufschneiden gewest / da sonst die glaubwürdigsten Lehrer des Alterthums kein Wort dieser Wissenschafft gedächten. Die gelehrten Gedichte hätten in sich den Kern der Sitten-Lehre / zu dieser geträumten Kunst aber würde sie mit den Haaren und gantz ungereimt gezogen. Hingegen liesse sich aus dem Gedichte / samb Vulcan die Minerva hätte nothzüchtigen wollen / und aus seinem Samen der Halb-Drache Erichtonius gezeugt worden wäre /gar artlich schlüssen: daß wenn diese Gold-Schmeltzer der Natur Gewalt anthun wolten / sie nichts als eine nur zu Verfälschung der Müntze dienende Mißgeburt zuwege brächten. Da aber auch diese Wissenschafft irgendswo anzutreffen wäre / solte man allen Goldmachern / weil dieses Ertzt mehr Menschen als das Eisen tödtete / einen Stein in Hals hencken und ins tiefste Meer werffen / dem gesegneten Steine aber es nicht besser mitspielen / als die Einwohner der Stadt Babytace an dem Flusse Tygris / welche alles Gold um es aus den Augen und dem Mißbrauche der Menschen zu reissen / tief verscharreten. Am allermeisten aber müste man diesen Stein des Aergernüsses Fürsten aus dem Wege räumen. Denn / weil weder Weißheit noch Herrschafft die gemeinen Begierden in uns ausrottet / und daher wenig Welt-Herrscher jenes Mohren-Königs Meinung sind / daß güldene Fessel nur Sclaven anstünden / insonderheit die denen Königen obliegende schwere Ausgaben das Verlangen nach diesem so angenehmen Ertzte vergrösserten /wären sie weniger als andere zu verdencken / wenn sie alle scheinbare Mittel / dessen fähig zu werden /untersuchten. Rhemetalces fing an: Ich aber bin der unvorgreiflichen Gedancken / daß ein Fürst so grosse Ursachen nicht habe viel Schätze zu sammlen. Zwar bescheide ich mich wol / daß ein Reich ohne Vorrath nicht bestehen könne. Daher die gemeinen Schatzkammern von den Serern gar klüglich Landwehren des Reichs / der Beschluß / darinnen von den Scythen das unversehrliche Blut des Volcks genennet wird. Und also Crates / der sein Vermögen ins Meer warf /eben so wenig als jener Verschwender zu einem Fürsten getaugt hätte / der mit vielem Reichthum angefüllte Schiffe zu Verwahrung eines Hafens in die See senckte / um seinem Bau den Ruhm der Kostbarkeit zu erwerben. Alleine die Sicherheit einer Herrschafft auf Reichthum bauen / halte ich vor eine grosse Eitelkeit / weil dieses so vieler mächtigen Reiche Fallbret /Armuth aber des so grossen Römischen Grundfeste gewesen ist. Lycurgus verbot denen Spartanischen Bürgern allen Gebrauch des Goldes und Silbers /wormit dieses schädliche Ertz weder ihre gute Sitten verderben / noch solch Uberfluß dem Vaterlande die mißgünstigen Nachbarn zu Feinden machen möchte. Sintemal doch Reichthum und die Hofnung der Beute des Krieges fürnehmste Ursachen wären. Hier frischte mit denen herausgestrichenen Schätzen seine Kriegsleute wider die Sicilischen Wüteriche auf / derer Raub ihnen mehr / als ihr Kriegs-Sold / eintragen würde. Den König in Cypern Ptolomeus hätten seine zusammen gescharrete Schätze ums Königreich gebracht. Käyser Julius wäre durch der Einwohner Vermögen in Gallien und Britannien gelockt worden. Zu was für einem grossen Wachsthume aber stieg Rom empor /als das Capitol noch mit Schindeln gedeckt war? Die Tugend war niemals in vollkommener Blüte / und die Siegs-Kräntze niemals gemeiner / als da Rom seine Kriegs-Häupter vom Pfluge holete. Crassus und Lucullus verdienen zwar mit ihrer grossen Pracht / Curius und Fabricius aber mit ihren nützlichen Helden-Thaten den Vorzug. Rom [179] hatte bey seinem Unvermögen keinen Mangel / da gleich ihre Feldherren nicht so viel verliessen / daß sie konten begraben werden /sondern der gemeine Kasten in die Lücke treten muste; da Tubero aus thönernen Geschirren speisete /und drey Gewende Ackers eines edlen Bürgers auskommentliches Vermögen war; Als Fabricius Lucinus den zwey mal gewesenen Bürgermeister Cornelius Ruffinus als einen Verschwender aus dem Rathe stieß / weil er zehn Pfund schweres Silbergeschirre gekaufft hatte; da Catus Elius / welchem die Etolischen Gesandten silbern Taffel-Gefässe schickten / als sie ihn hatten aus irrdenem speisen sehen / solch Geschencke verschmähete / und sich mit zweyen Bechern vergnügte / die ihm seiner Tugend halber aus des überwundenen Perseus Schatze waren verehret worden; ja als noch die Römischen Rathsherren der Carthaginensischen Botschafft ein Gelächter waren / weil sie alle zusammen mehr nicht als für eine Taffel zu besetzen Silberwerck hatten. Hingegen ist zu Rom die Tugend mercklich verfallen / nach dem die Asiatischen Schätze die Römer zu besitzen und zu überwinden angefangen / also gar / daß das Armuth eine Hindernüß in Rath zu kommen abgab. Welches Unheil Cato vorgesehen / und wider die Einfuhre des zu Athen und Corinth gewonnenen Raubes so nachdrücklich geredet hat. Bey welcher Bewandnüß sich nicht zu verwundern ist / warum die Stadt Gades der Armuth ein Altar zu bauen / und sie darauf als eine Göttin zu verehren gewürdigt haben.

Zeno begegnete Rhemetalcen: Es wäre leicht nachzugeben / daß grosses Reichthum eben so wol als die Fruchtbarkeit eines Landes arme und dürftige Nachbarn zu Ergreiffung der Waffen um sich in einen bessern Stand zu setzen zuweilen angereitzt hätte. Nichts desto weniger hätte das Armuth der Scythen den Cyrus und Alexandern / das ziemliche rauhe und von Golde wenig reiche Deutschland die Herrschsucht der Römer von dem Einfalle nicht zurück gehalten. Jenes aber hätte sich nur alsdenn ereignet / wenn die Einwohner eines Landes zugleich weibisch / und ihr Fürst von weniger Klugheit und Tapfferkeit gewest. Denn an sich selbst ist Reichthum eine Krone der Weisen / weil es sie bey der Welt in Ansehn setzt / ihr offt niedriges Geschlechte in Adel erhebt / ja in des gemeinen Volckes Augen sie allererst zu weisen /schönen / tugendhafften und edlen Leuten macht. Denn wie der Schall des Meßings die durch Zauberey beruffenen Geister vertreiben / die schwermenden Bienen aber vereinbarn soll: Also zeucht hingegen das Vermögen die besten Gemüther an sich / und machet auch die Gehässigsten uns zu Freunden. Aus welchem Absehen vielleicht das Getichte den Ursprung genommen / daß der freygebige Midas / welcher aus dem Berge Bermius so viel Gold graben ließ / alles in Gold zu verwandeln vermocht hätte. Daher etliche Weisen dem Golde die oberste Herrschafft der Welt zueignen / welcher alle eigenbeweglich den Eyd der Treue leisteten / und deswegen des Scythischen Königs Gesandter / als er von einem Goldmacher sagen gehört / nicht ungereimt gesagt hat: wenn er warhafftig diß könte / würde sein König nothwendig sein Knecht werden müssen. Insonderheit erhärtete die Erfahrung / daß das Gold die Spann-Ader einer Herrschafft und im Kriege die Seene der Bogen / die Schneide der Schwerdter / und der Schlüssel aller Festungen wäre. Tantalus håtte mit diesem Marcke der Erden / welches er aus dem Phrygischen Berge Sipilus gegraben / seine Herrschafft in seinem Hause der Pelopiden befestigt. Die Gold-Adern des Pangeischen Gebürges in Thracien hätten den Phönicischen König Cadmus zum Meister seiner Zeit / und das Bergwerck bey Abidus den Priamus zu Asiens Oberherrn gemacht. Carthago hätte nicht mit seiner Bürger Waffen / sondern mit dem aus der Handlung [180] gezogenen Gelde / damit es die zum Kriege geworbenen Ausländer besolden können / sein Gebiete in drey Theile der Welt ausgebreitet. Durch das vom Chrisitis empfangene Gold habe König Philipp den Grundstein zum Macedonischen Reiche gelegt. Weßwegen er seines Orts für eine der grösten Klugheiten eines Fürsten hielte /daß er als ein kluger Hausvater auf einen guten Vorrath desselbten Ertztes bey Zeiten sinnete / welches auch die Ameisen / als die Fürbilder eines wohlbestellten gemeinen Wesens / zusammen trügen / und für den Menschen zu verstecken bemüht wären / ja dessen Gewalt gleichsam eine Gleichheit mit der göttlichen hätte / weil niemand wäre / der sich nicht der Botmäßigkeit des Goldes unterwürffe.

Rhemetalces gab bey diesem gemachten Unterschiede dem Fürsten Zeno leicht Beyfall / und setzte bey: Er hielte es zwar nicht mit dem Glauben der Stadt Rhadata / daß er eine güldene Katze anbeten solte; Die Vertilgung des Goldes wolte er aber gleichwohl auch nicht gerne sehen / weil die Persen solches nicht umsonst der Sonne / die Lacedemonier dem Delphischen Apollo / als ein mehr den Göttern als Menschen gehöriges Kleinod gewiedmet / die weise Natur es aber gantz unversehrlich gezeiget hätte / daß ihm das sonst alles verzehrende Feuer keinen Abbruch thun könte; welch Vorrecht kein ander irrdisches Ding in der Welt hätte. Malovend brach Rhemetalcen ein /und fragte: Ob denn das unverbrennliche Oel / welches das ewige Feuer unterhielte / nicht auch / wie das Gold / unversehrlich / und dem Feuer zu widerstehen mächtig wäre. Rhemetalces antwortete: Er hätte grössern Zweiffel / ob das unverbrennliche Oel und das ewige Feuer iemahls in der Welt gewest / und von Menschen zu bereiten wäre / als man aus geringerm ErtzteGold machen könte? Zeno fing an: es wäre an jenem keinesweges zu zweiffeln. Sintemal gantz Rom zu erzehlen wüste / daß der Bürgermeister Cicero in das Grab seiner Tochter Tullia ewiges Feuer gesetzt /und daß an der Tiber in einer Höle / worein der vom Turnus erlegte Riese Pallas gelegt worden / noch immer eine Lampe brenne. So habe er auch in den Egyptischen Grüfften mit seinen Augen solche unausleschliche Lichter gesehen. Malovend begegnete ihm lächelnde: Zeno möchte ihm verzeihen / daß er seinem Unglauben einen andern nunmehr entgegen setzte. Denn ihm wäre zwar nicht verborgen / daß ihrer viel ewige Lichter zu machen sich bemühet / auch darauff gekommen zu seyn vermeinet hätten; es habe aber gleichwohl damit nicht Bestand gehabt. So sey auch hin und wieder bey Eröffnung der Todten-Grüffte und Hölen eine unvermuthete Flamme oder lichter Strahl einem ins Gesichte gefallen; allein es wäre diß nichts anders / als die von langer Zeit verschlossene Lufft und fette Dünste gewest / welche von der neu eindringenden Lufft gleich wie die Irrlichter an sumpfichten Oertern / angezündet worden; wie denn auch ohne diß dergleichen Irrwische gar gemein um die Grabstädte gefunden würden. In Egypten wäre das Erdreich voll Peches und rinnenden Hartztes / welches die Priester durch heimliche Röhrlein in ihre derogestalt leicht ewige Ampeln leiteten / darinnen sie unverbrennliche Tachter hätten. Derogleichen Tacht habe auch Callimachus in Athen zu seiner Ampel gebraucht / welche ein gantz Jahr gebrennet / und weder vom Winde noch Platz-Regen auszuleschen gewest. Und würden solche aus dem bekandten Flachse / der in Arcadien /fürnehmlich aber in dem heissesten Indien wachse /allwo man daraus / wiewohl / weil er kurtz / gar schwerlich Leinwand macht / darinnen der Könige Leichname verbrennet werden / um ihre von der Holz-Asche abzusondern / zubereitet. In dem Scythischen Reiche Tanyu wachse ein Kraut auff Steinen / welches im Wasser zwar in Koth zerfleust / im Feuer aber nur glüend / [181] doch im wenigsten versehret wird. So lasse sich auch der Amiantenstein / der in Arabien / Cypern und auff dem Berge Carystus / ja auch in unserm Deutschlande gefunden wird / in Fädeme zerspinnen /die im Feuer nicht versehret / sondern darinnen gereiniget werden. Ja man habe so gar Papier davon / darauff man schreibt / und wenn man die Schrifft ausleschen wil / solches ohne Versehrung ins Feuer wirfft. Weil nun diese Tachte ein Oel oder Nahrung der Flammen haben müssen / und ohne diesen Beysatz beyde vor sich selbst nicht brenneten / nichts unverzehrliches und nicht verrauchendes noch zur Zeit nicht gefunden worden wäre / ob schon ihrer viel selbtes aus erzehltem Flachse und Steine zu ziehen vergebens sich bemühet / werde ihm niemand ausreden / daß so wenig ein ewiges Feuer / als eine ewige alleine von der Kunst herrührende Bewegung iemahls gewest oder zu machen sey.

Rhemetalces brach hiermit ein: Ich besorge / wir werden über dem ewigen Lichte auch den Schein des an sich selbst zwar unvergänglichen Tagelichts verlieren. Dahero haben wir uns hier länger nicht auffzuhalten / sondern den Fürsten Malovend zu bitten / daß er sich seines Versprechens entbinde / und uns den Rückstand vom Feldherrn Malorich melde.


Dieser / fing Malovend an / gelangte zwar nach seines Brudern Roderichs Absterben bey schon ziemlich hohem Alter vollends zu dem Qvadischen Zepter und der Deutschen Feld-Hauptmannschafft; allein er hatte schon lange vorher als ein Heerführer in den Pannonischen Kriegen seine Klugheit und Tapfferkeit / welche ihn dieser Würden würdig erklärten / dargethan. Er gerieth mit der Scythen Könige Techma / weil er in Dacien einen ihm nicht beliebigen Fürsten eingedrungen hatte / in Zwist / war auch wohl entschlossen dieses Unrecht mit dem Degen auszuführen / allein die deutschen Fürsten waren durch keine bewegliche Ausführung zu bewegen / daß sie zu dem so gerechten Kriege gestimmet hätten. Daher verneuerte er den vom Roderich gemachten Frieden; zumahl die Zwytracht zwischen den Druyden / Barden und Eubagen auffs neue anzuglimmen anfing / welche hernach unter dem Fürsten Aembrich gantz Deutschland in eine grausame Flamme versetzte. Ob nun wohl derogestalt seine Herrschafft ohne Krieg war / war er doch niemahls ohne Waffen / als die gewissesten Siegel einer sichern Ruh. Er verbarg bey seinem hohen Alter das Abnehmen seiner Kräfte / indem er nicht allein der kräncklichen Blässe seines Antlitzes mit Salben halff / und seine Schwäche mit prächtigen Kleidern verstellte / sondern auch offtmahls Ritterspiele übte /den Rathschlägen stets persönlich beywohnte / neue Städte zu bauen anfing / und allerhand fremde Thiere kommen ließ. Er machte ihm selbst nichts schwer / er beschwerte mit nichts die Brust / was auff die Achsel gehörte / und verabsäumte nichts was dem Volcke seinen lebhafften Zustand einreden konte. Endlich deuchtete ihn / er könte seinem Ansehen keine bessere Stütze untersetzen / als wegen ermangelnder Kinder seine Nachfolge nicht in Ungewißheit lassen. Daher nahm er in voller Reichs-Versammlung seines Vaters Brudern Sohn Hertzog Aembrichen zu seinem Sohne an / und erklärte ihn auff seinen Todesfall zum Könige der Marckmänner / Qvaden / Pannonier und Noricher. Es ist sicher / sagte Rhemetalces / diß eine kräfftige Grund-Säule eines verlebten Fürsten. Auff diese lehnte sich auch Käyser Augustus / als er anfänglich seinen Schwester-Sohn Marcellus / hernach seinen Eydam Agrippa / bald hierauf seine Enckel den Cajus und Lucius / und endlich den Tiberius an Kindesstatt annahm. Ja auch Fürsten / die Kinder haben / thun klüglich / wenn [182] sie noch bey Lebzeiten ihnen die Krone auffsetzen / und die Völcker vereyden. Bey den Persen darff kein König einen wichtigen Zug vornehmen / er benenne denn vor seinen Nachfolger. Hingegen hat der grosse Alexander einen nicht kleinen Fehler begangen / sein Reich zergliedert / Krieg und Blutstürtzung angerichtet / als seine Ehrsucht oder Mißgunst den Zanck-Apffel unter seine Grosse geworffen / daß der Würdigste nach ihm herrschen solte. Freylich wohl that Malorich klüger / und seine Entschlüssung bekleidete er mit diesem Vortrage / fuhr Malovend fort / GOtt hätte ihm zwar Zeither mehr Kräfften verliehen / als ein solches Alter auch bey denen / die fürs gemeine Heil ihnen nie keinen Schlaff verstört / nicht insgemein zu haben pflegte; Gleichwohl hiesse ihn seine Sterbligkeit behertzigen / daß der Purper so wohl als ein härin Kleid Asche würde /die Liebe des Vaterlandes aber ihm einen Sohn erkiesen / der ein Vater des Reichs werde. Hierzu habe er den Fürsten Aembrich für tauglich erachtet / nicht /weil er seines Geblütes / sondern zeither ein redlicher Bürger gewesen. Er sey in einem solchen Alter / das die Reitzungen der schlüpffrigen Jugend überstanden / und die Schwachheiten des Alters noch so bald nicht zu gewarten habe. Er sey von Ankunfft kein Fremder /dessen Sitten die väterlichen Gesetze verderben / dessen Anhang die Einheimischen drücken / die Verdienten verdringen könte; sondern aus einem Stamme / der zu herrschen gewohnt wäre / und sich sonder einige Uberhebung über der nicht neuen Würde in Schrancken zu halten wüste. In seinem Leben finde er nichts zu entschuldigen / und weil er dem Glücke schon auff beyden Achseln gesessen / wäre nicht zu besorgen /daß er im Widrigen den Reichs-Stab würde lassen aus der Hand fallen / im Guten aber sich versteigen / und zu der Länder Verderb Schlösser in die Lufft bauen. Würden die Unterthanen zu ihm so viel Liebe tragen /als er Klugheit und Tugend mit auff den Königlichen Stul brächte / so würde das Volck sich über ihrem Fürsten / und der Fürst über seinem Volcke zu erfreuen haben. Das Volck begleitete diesen Schluß mit wiederholten Glücks-Rüffen. Als es aber durch ein Zeichen wieder gestillet war / kehrte sich Malorich zu Aembrichen und hielt ihm ein: Es wäre nun an dem /daß / weil der grosse Leib des Reiches und so viel Glieder des Volckes nicht ohne Haupt seyn / und ohne einen / der den Ausschlag gebe / nicht in gleichem Gewichte gehen könte / sein fallendes Alter dem gemeinen Wesen nicht mehr zu dienen vermöchte / als wenn es dem Reiche einen tapffern Nachfolger liesse /sein blühendes aber / wenn es einen guten Fürsten abgäbe. Er solte sich angelegen seyn lassen / daß er nicht allein besser sey / als er gewest / und sein Wohlverhalten auch die Hoffnung übertreffe dessen / der ihn erwehlet / und den Wunsch derer / die ihn für ihr Oberhaupt angenommen. Der setze eine Natter in die Schoos seiner Unterthanen / und einen Phaeton über sein Reich / der einen ungerathenen Sohn zum Nachfolger liesse. Diß Laster aber finde keinen genugsam schlimmen Nahmen / wenn ein Fürst mit seinem Nachfolger eifert / und einen Wüterich darzu bestimmt / wormit er seine Gebrechen hierdurch verkleinere / und das Volck erst / wann er todt / nach ihm seufftzen lerne. Zeno brach hierzwischen ein: Dieses gibt man dem Augustus schuld / daß er an dem ehrsüchtigen und grimmigen Tiberius eine aus Blut und Kalck zusammen geronnene Mißgeburt nach sich zu lassen entschlossen sey; Wormit aus ihrer beyder schlimmen Gegeneinanderhaltung ihm ein Nachruhm erwachse. Malovend fuhr in Malorichs Rede gegen den Fürsten Aembrich fort: Ein Fürst gebohren seyn /ist ein blosser Zufall / erwehlt darzu werden / eines andern Willkühr / den Unterthanen aber wohl fürstehen / ein [183] recht eigner Ruhm. Diesen wirstu ohnfehlbar erlangen / wenn du es so machen wirst / wie du es wünschetest / daß es ein Fürst / der über dich herrschte / anstellen solte. Das Volck beschloß diese Rede mit abermahligem Jauchtzen und Freuden-Feuern. Der Himmel aber steckte kurtz hierauff der Welt eine Trauer-Fackel durch einen abscheulichen Schwantz-Stern an; von welchem man alsbald die Auslegung machte / daß er nicht allein den Tod des Feldherrn /sondern auch / weil er dreißig Nächte mit seiner feurigen Ruthe den Kreiß des Himmels durchstrich / und den Erdkreiß erschreckte / so vieljährigen Kriegs-Brand bedeutete. Ich höre wohl / fing Rhemetalces an: du seyest des Pöfels Meinung / daß die Schwantz-Sterne allezeit was böses wahrsagen; welches ob es einen Grund habe / mir sehr zweiffelhafft scheinet. Ich trauete mir ihrer fast mehr auffzubringen die meiner Meinung sind / daß sie so wohl in natürlichen Dingen nützlich / als in ihren Anzeigungen erfreulich sind. Sintemal sie nichts minder / als der Donner / die Lufft von schädlichen Dünsten reinigen. Als der grosse König Mithridates Eupater gebohren war / und den Syrischen Thron betrat / ward seine Grösse durch einen Schwantz-Stern angedeutet / welcher mit seinem Schwantze das vierdte Theil des Himmels einnahm / die Sonne verdüsterte / und siebtzig Tage und Nächte so grosse Feuer-Stralen von sich warff / daß es schien / er würde den Himmel einäschern. Des itzigen Käysers glückliche Heyrath ward auch hierdurch bezeichnet / ja nicht nur Augustus gab für / daß des ersten Käysers Seele in selbigen Schwantz-Stern /weil er gleich in denen ihm zu Ehren angestellten Schauspielen erschien / verwandelt worden wäre; sondern eine grosse Anzahl der tiefsinnigsten Weltweisen hat stets dafür gehalten / daß die Schwantz-Sterne Seelen wohlverdienter und noch unter den Gestirnen siegprangender Helden wären. Andere hätten sie gar für Götter gehalten und angebetet. Malovend antwortete: Anderer Aberglaube wird mich nicht bereden /diß für ein Glücks-Zeichen zu halten / für dessen blutigen Stralen / welche meist eine Straff-Ruthe / zuweilen Schwerdter und Spieße abbilden / das Auge Abscheu hat / und das menschliche Gemüthe durch einen geheimen Trieb alsofort in Schrecken versetzt wird. Die tausendfache Erfahrung hat es fürlängst erhärtet /daß kein Schwantz Stern iemahls erschienen / der nicht Veränderung der Reiche und Blutstürtzungen nach sich gezogen. Weßwegen auch unterschiedene ihren Untergang besorgende Fürsten selbte mit edlem Blute zu versöhnen gemeint; gleich als wenn sie so grimmige Götter wären / welche nicht gemeines Menschen-Blut zu ihrem Opffer verlangten. Die traurigen Ausschläge wären auch weder zu Mithridatens / noch zu Augustens Zeit aussen blieben. Hätte er diesen zweyen Ehrsüchtigen Menschen gleich Sieg und Freude mitbracht / so hätten hingegen so viel tausend ins Graß beissen oder weinen müssen. Die Boßheit der Welt wäre ein solcher Schadenfroh / daß sie insgemein über andern Thränen lachte. Wenn einer gewinnt / müste der ander verspielen. Des einen Verlust wäre des andern Vortheil; des einen Schiffbruch des andern Beute. Als das Erdbeben die Stadt Rhodus eingeworffen / und andere in Asien verschlungen / wäre zwischen der Insel Thenamene und Therasia eine neue ans Licht kommen. Welches die Warsager alsofort ausgelegt: das Römische Reich würde das Griechische verschlingen. Des einen Ergetzung aber nehme fremden Unglücke nicht sein Ubel. Der erwehnte blutige Schwantz-Stern habe leider! nicht nur den Feldherrn Malorich ins Grab / sondern die halbe Welt in ein jämmerliches Blut-Bad gestürtzet. Und diesen Unstern habe ein kläglicher Einfall eines Rhetischen Berges begleitet / dessen [184] zerberstende Klippen im Augenblicke eine gantze Stadt begraben; also auff die bald folgende Zerrüttung vieler Königreiche gleichsam mit dem Finger gewiesen. Zeno verjahete dem Fürsten Malovend / daß zwar Schwantz-Sterne und Erdbeben aus natürlichen Ursachen / und zwar jene aus den feurigen Ausdampffungen der Gestirne / diese vom Ausbrechen der unterirrdischen Lufft ihren Ursprung hätten; gleichwohl aber pflegte die göttliche Versehung iederzeit darmit grosses Unheil anzudeuten. Auff das Versincken der Stadt Lysimachia wäre alsofort der Stamm und die Herrschafft dessen / der sie in Grund gelegt hätte / untergegangen / und er selbst hätte durch der Stieff-Mutter Arsinoe Gifft seinen so tapffern Sohn Agathocles unmenschlicher Weise hingerichtet. Als in Syrien hundert und siebentzig tausend Menschen verfallen wären / hätten die Zeichendeuter die Veränderung des Reichs angekündigt / und Pompejus die Königliche Herrschafft in Syrien auffgehoben. Wie bey Mutina zwey Berge gegeneinander gerennet / und Feuer und Rauch gegen einander ausgespyen / wäre gantz Italien wider Rom auffgestanden / und für der Römer Niederlage an der Thrasymener See hätte die Erde sieben und viertzig mahl gebebet. Malovend setzte bey; Und ihr werdet mit der Zeit von mir vernehmen / daß nach dem Rhetischen Felsenbruche Deutschland dreißig Jahr erzittert sey.

Unter diesem Gespräche näherten sich diese Fürsten an Deutschburg / welche sie von einer unzehlbaren Menge brennender Fackeln erleuchtet sahen / und ein hefftiges Gethöne von Trompeten und Kessel-Paucken höreten. Als sie hinein kamen / ward ihnen vermeldet / daß Melo der Sicambrer Hertzog mit seinem Bruder Beroris und dessen Sohne Dietrich seinen Einzug gehalten / und eine grosse Menge gefangener Römer und Gallier mitgebracht hätten. Diese Fürsten / welche wider die Römer vermöge der mit dem Hertzog Herrmann gepflogener Verständniß den ersten Auffstand gemacht hatten / brachten diese den Deutschen erfreuliche Zeitung mit / daß weil Qvintilius Varus alhier geschlagen / habe Melo die von dem Drusus auff dem Gebürge Taunus gebauete Festung Tranburg mit stürmender Hand eingenommen / seinem Bruder habe sich Mattium und Segodun /und in ihrem Rückwege auch die Cattenburg an der Aeder ergeben; Hertzog Dietrich habe mit seiner leichten Reuterey noch den abgematteten Cäditius ereilet / selbten geschlagen / also / daß er mit einer geringen Uberbleibung mit Noth über den Rhein gediegen / allwo die Menapier und Eburoner des Römischen Jochs überdrüßig wären / und / da die Deutschen mit einer mittelmäßigen Macht über den Rhein setzen würden / wider die Römer zugleich auffzustehen und ihre Waffen mit den ihrigen zu vereinigen sich anerboten hätten. Derogestalt hätten die Römer disseit des Rheins keine Besatzung mehr / und hätte nunmehr ihre Tapfferkeit ihre Reichs-Grentze dahin wieder erweitert / wohin sie die Natur durch diesen grossen Fluß verleget hatte. Die unbeschreibliche Freude über diesem neuen Siege verstattete den Siegern / die Bekümmerniß aber denen Uberwundenen keine Ruh; sondern die gantze Nacht ward von jenen mit Gastereyen und ruhmräthigen Erzehlungen ihrer Heldenthaten / welche sie so wie der Römer Verlust nicht groß genug zu machen wusten / von diesen aber mit Seufftzen / dem Schlaffe aus den Händen gewunden. Denn der Ruhm und das Geschrey sind Geschwister der Riesen / die von keinem Mittel wissen / sondern eitel Wunderwercke oder Mißgeburten gebähren / nehmlich des Lobes oder der Verachtung. Biß endlich die schläffrige Morgenröthe ihre Augenbranen der Welt eröffnete / diesen von zweyen so widrigen Gemüths-Regungen aber ermunterten Leuten endlich zufallen ließ.

Inhalt des Dritten Buches
[185] Inhalt
Des Dritten Buches.

Hertzog Herrmanns Liebe gegen Thußnelden / seine Sorge für das Vaterland und Ermahnung sich wider die Römer des Sieges zu gebrauchen. Feinde solle man angreiffen / nicht erwarten. Die deutschen Fürsten schlüssen / daß Hertzog Ganasch und Melo über den Rhein setzen / Catumer an der Donau einfallen /Inguiomer dem Könige Marbod des Varus Kopf bringen / und ihn in ihr Bündnüß ziehen / Herrmann und Arpus der innerlichen Unruhe abhelffen solle. Herrmann schreibt an die Menapier und Eburoner / muntert sie zum Aufstande wider die Römer auf. Thußneldens Sorge für die von ihr überwundene Königin. Sie und die Fürstin Ißmene suchen diese Frembde heim. Aller dreyer beschriebene Schönheit und Verträuligkeit. Ingviomer gesegnet Thußnelden. Herrmann und Thußnelde besuchen die Königin. Ihre Entschuldigung wegen des zugestossenen Unfalls. Ihr Gespräche über des Frauenzimmers Tapferkeit und Fähigkeit zu den Waffen. Herrmann eröffnet der Königin / daß Thußnelde der Ritter wäre / mit welchem sie gekämpfet. Verfolgung vorigen Gespräches / und Erhärtung / daß Tugend und Wollust beysammen stehen könten. Herrmann ziehet die Abhärtung der zartlichen Bequemligkeit für. Vom Hertzoge der Gothonen Gottwald ko t ein Gesandter an. Die Königin besucht Thußnelden / und wird auf Morgenländische Art bedienet. Dieser beyder und Ißmenens Unterredung über der tugendhaften Unglückseligkeit. Von der Fürtreffligkeit der Gedult und Hoffnung. Die Königin beschreibt ihre Andacht in dem Tempel des guten Glückes für dem Altare der Hoffnung. Die daran befundenen merckwürdigen Gegen-Sätze / wordurch die Königin nicht wenig getröstet worden. Diese läst durch ihre Gefertin Salonine Thußnelden und Ißmenen ihren Lebenslauff erzehlen. Armeniens und seiner ersten Könige Beschreibung biß auf den Tigranes. Des Artanes geile Gemahlin verhetzet wegen verschmähter Schönheit ihren Ehmann wider den Tigranes / wie auch Meleagers Ehweib ihn wider seinen König zum Kriege und zur Untreu. Ursache und Vorwand der Kriege wären weit von einander entfernet. Ein Griechischer Artzt hätte aus Lüsternheit nach Atheniensischen Feigen des Xerxes angestifftet. Der gekränckte Gottes-Dienst / die durch angethanes Unrecht abgenöthigte Rache / die gefährete Freyheit / wären aller Kriege Schein-Ursachen. Gleichwohl liesse sich die wahre Ursache und das Absehen eines Krieges nicht stets sicher entdecken. Tigranes schlägt und tödtet den Artanes / erobert Syrien / heyrathet des grossen Mithridates Tochter / baut Tigranocerta. Mithridates wird vom Pompejus und Lucullus bedrängt / sein eigner Sohn Machar fällt den Römern bey. Tigranes wird von Römern bekriegt / und vom Lucullus geschlagen. Die Griechen in Tigranocerta machen einen Aufstand / und helffen den Römern hinein. Mithridates und Tigranes schlagen den Fabius / und erlegen den Triarius. Pompejus jagt Mithridaten in [186] Scythien. Des Tigranes zwey aufrührische Söhne Barzanes und Pharnaces kommen umb / der dritte Tigranes fleucht zu den Parthen / hernach zum Pompejus. Tigranes unterwirfft sich dem Pompejus / und tritt Syrien ab. Der junge Tigranes wird König im kleinern Armenien; dieser tödtet seine Stief-Mutter / stellt dem Vater nach / wird zu Rom erwürgt. Zwist zwischen dem Parthischen Könige Phraates / beyder und des Tigranes Vertrag. Tigranes stirbt / und läst Armenien seinem Sohne Artabatzes. Mithridates folgt dem von Scythen erschlagenen Phraates im Parthischen Reiche / fällt in Armenien ein / wird vom Artabatzes geschlagen / von Parthen ab- und sein Bruder Orodes eingesetzt. Orodes tödtet Mithridaten. Artabatzes und Julius Cäsar hetzen den reichen Crassus wider die Parther an. Des Crassus übele Kriegs-Anstalt. Er schlägt des Artabatzes Hülffe und Rath aus / durch das bergichte Armenien in Parthien zu dringen / gehet also durch das sandichte Mesopotamien / erobert etliche Städte / verwirfft das Gutachten des Cassius / und folgt dem betrüglichen Araber Agbarus / der ihn in ein wüstes Sand-Land Assyriens verführet / in welchem Surena den Römern mit 10000. Reitern aufwartete / und verachtet Artabatzens treue Warnung. Agbarus fleucht zu den Parthen. Crassus und sein Heer geräth in grosses Schrecken. Seltzame Leitung des Verhängnüsses. Die Parthischer Reiterey umbringt die Römer / verleitet durch angenommene Flucht den jungen Crassus mit einer Legion. Dieser und Censorin lassen sich ihre Waffenträger tödten / Megabachus ersticht sich selbst / die übrigen werden von den Parthen erschlagen. Segimer mit seinen Galliern hält sich gegen die Parthen tapfer / verwundet den Sillaces / wird aber vom Surena gefangen; macht sich bey ihm so beliebt / daß er ihm seine Tochter verheyrathet. Die Deutschen würden von Frembden insgemein Gallier genennt / und von Römern anderer Völcker Ruhm und Geschicht-Schreiber verdrückt. Eitelkeit des Nachruhms. Die Parther höhnen den Crassus mit seines Sohnes aufgespießtem Kopfe. Des Crassus Ungeberdung. Egnatius fleucht mit 300. Reitern nach Carras. Verguntejus wird / ausser 20. sich durchschlagenden Catten / mit 4. Fahnen erlegt / 4000. im Läger verlassene Römer abgeschlachtet. Das Heer erreicht Carras / wird aber aufs neue überfallen. Octavius und Petronius werden erstochen. Maxartes hauet dem Crassus den Kopf und die rechte Hand ab. Von 100000. Römern entrinnt kaum der zehende Theil mit dem Cassius. Der Parther Siegs-Feyer zu Seleveia. Unterdessen kriegen Orodes und Artabazes in Armenien miteinander; dieser kriegt des Orodes Sohn Pacor / Orodes Artabazens Schwester Sigambis gefangen. Bey der Auswechselung verliebt sich Pacor in sie. Durch dieser Vermählung machen die Parther und Armenier Friede. Sillaces wirfft bey dem Hochzeit-Maale des Crassus Kopf dem Orodes zu den Füssen. Nach langer Verspottung geust dieser ihm zerlassen Gold in Mund. Pacor erobert Syrien biß an Antiochien / wegen welcher verdächtigen Siege ihn Orodes zurücke rufft / und den Surena tödtet. Pacor fleucht zum Artabatzes. Cassius und Ventidius erlegen in Syrien den Osaces mit seinem Partischen Heere. Pacor wird in Parthen beruffen. Die Parther stehen dem Pompejus wider den Julius bey / dem Cassius und Brutus wider den [187] Anton und August. Pacor erobert Syrien / erlegt den Saxa / setzt den Juden den Hircan Aristobulen für. Venditius schlägt den Labienus /die Parthen und Pharnabates. Des Venditius Schlacht mit dem Pacor / darinnen jener diesen eigenhändig durchsticht. Orodes grämet sich über dieser Niederlage bey nahe zu Tode; sein Sohn Phraates vergibt ihm vollends / und läst seine 29. Brüder enthaupten; seinen eigenen Sohn Tiridates aber ersticht er eigenhändig / wormit er Pacors Wittib / welche Tiridates liebete / für ihm genüssen könte. Phraates setzt der Sigambis heftig zu / als diese sich aber in Fesseln erwürgen wil / erbarmet sich ihr Bewahrer Maneses / und führet sie zu ihrem Bruder Artabazes. Dieser macht mit dem Antonius wider den Phraates und Artavasdes der Meder König ein Bündnüß. Phraates ersucht den Antonius umb Zurücksendung des Maneses und erlangt ihn. Anton bricht in Meden ein /belägert Phraata vergebens. Phraates fällt in Armenien / Maneses beredet Artabazen mit den Parthern einen Stillestand zu machen. Artavasdes erschlägt den Tatian mit zwey Legionen / ni t den Pontischen König Polemon gefangen. Phraates und Artavasdes jagen den Antonius von Phraata weg / welcher mit seinem Heere grossen Abbruch leidet / und den Flavius mit 3000. Deutschen einbüßt. Der Römer Durst-und Hungers-Noth. Des Antonius Verzweifelung. Mithridates aber Manesens Vetter errettet die Römer durch seinen Rath zweymal aus dem Verderben. Artabazes hilfft den Römern über den Fluß Araxes / und überwintert sie. Antonius zeucht in Egypten / macht mit dem Artavasdes und Polemon ein geheimes Bündnüß wider den Artabazes und Phraaten / verspricht dem Polemon das kleinere Armenien / wirbt zum Scheine für seinen Sohn Alexander umb Artabazens Tochter Statira. Durch diese und andere Künste locket Anton Artabazen in sein Garn / schlägt ihn in silberne Fessel / und führet ihn im Siegs-Gepränge nach Alexandrien / und läst ihn enthaupten / als er verni t / daß sein zum Armenischen Könige erwehlter Sohn Artaxias sich mit dem an statt des verjagten Phraates neu-erwehlten Parthischen Könige Tiridates verbunden hat. Antonius vermählt seinen Sohn Alexander mit Jotapen Artavasdens Tochter. Cleopatra schickt Artabazens Haupt dem Kayser August. Die frembde Königin gibt sich für die Erato Königs Artaxias Tochter zu erkennen. Unglück sey kein Merckmal der Untugend /aber etlichen Geschlechtern erblich. Antonius / Artavasdes / Polemon / Archelaus König in Cappadocien /Amyntas in Galatien bekriegen den Artaxias. Dieser wird wegen Verrätherey seines Feld-Obersten geschlagen / fleucht zum Tiridates in Parthen. Tiridates gibt dem Artaxias Hülffe / vermählt ihm seine Tochter Olympia. Artaxias schlägt den Medischen König Artavasden / gewinnet Armenien wieder / verfolgt ihn in Meden / kriegt Artavasden gefangen / erobert Ecbatana. Beschreibung des Schlosses. Artaxias erobert gantz Meden. Olympia gebiehrt ihm im Tempel der Sonnen die Erato und einen Sohn Artaxias. Dieser aber wird auf dem Flusse Lycus bey Zerschmetterung des Schiffes von dem Wasser weggeführet. Klugheit /nicht Stärcke / gehört zur Herrschafft. Geschickligkeit des Frauenzimmers zum Herrschen. Artaxias erzeucht seine Tochter Erato unter dem Nahmen des Artaxias. Ihre kluge Auferziehung. Artaxias bleibt zwölff Jahr in Ruh / weil August anderwerts mit den Daciern und[188] Geten zu kriegen hat. Weil der Comagenische König Antiochus den zu den Römern übergegangenen Alexander richten lassen / sinnet Augustus auf Rache. Sitas der Dentheleter blinder König geräthet auf Anstifftung seiner Gemahlin Arimanthe mit seinem Bruder in Zwytracht; jenes Gesandter wil diesem vergeben / wird aber gecreutzigt. August fordert ihn deßwegen nach Rom / Artaxias / dessen Schwester er hatte /widerräthet es ihm zwar / gleichwol zeucht er. Der Gesandten Unversehrligkeit. Ob sie ihrer Verbrechen wegen gestrafft werden könten / oder man sie ihrem Herrn ausfolgen lassen müste. Antiochus wird zu Rom enthauptet. Seine Gemahlin bringt ihrem Bruder Artaxias des Antiochus Haupt. August macht den Gefangenen aber herrschsüchtigen Artabazen des Artaxias Bruder zum Könige in Comagene. Artaxias hilfft ihm des Parthischen Königs Tiridates andere Tochter Antigone heyrathen; wird aber von ihm meuchelmörderisch erstochen. Ungleiches Gedächtnüß der tugend- und lasterhafften. Dieser Gewissens-Angst. Tiberius fällt mit Artabazen in Armenien ein / Meden ab und untergibt sich dem Ariobarzanes. Erato wird unter dem Nahmen des Artaxias zu Artaxata gekrönet. Artaxias sucht bey den Parthen Hülffe / aber umbsonst / weil Phraates mit den Scythen den Tiridates überfällt und schläget. Tiridates entäusert sich hier über des Parthischen Reiches / gehet mit Artafernen /dem Feldhauptmanne Artaban und tausend edlen Scythen aus dem Läger / und kriegt unterwegens Phraatens jüngsten Sohn Artafernes gefangen / wil in Armeniẽ fliehen / erfährt aber / daß Artabazes selbtes erobert / Olympia gefangen / Erato verjaget / und Mithridates des enthaupteten Alexanders Sohn in Comagene König worden sey. Daher zeucht er in Syrien zum Kaiser / liefert ihm Phraatens Sohn / welchen er aber dem Parther wiederschickt / und unterhält Tiridaten Königlich. Phraates schickt dem Kaiser die dem Crassus und Antonius abgenommenen Adler wieder. Nachdem inzwischen Olympia Salomin und dem Ariarathen die Erato zu flüchten anvertraut / ziehen diese nach Sinope. Artabazes verliebt sich zu Artaxata in Olympien; sie willigt ihn zu heyrathen. Ein Erdbeben zerspaltet das zur Verlobung besti te Altor. Artabazes läst den erzürnten Göttern dreyhundert edle Armenier schlachten. Prächtige Zubereitung zu der Vermählung in der Anaitis Tempel. Olympie / welche der zum Opfer bestimmten Kuh mit einem glüenden Eisen in die Brust fahren soll / stößt es Artabazen durchs Hertze. Sie ersticht sich hierauf selbst / das Bild der Anaitis umbarmende. Olympien wird im Tempel ein gülden Bild aufgerichtet. Tiberius setzt des Artaxias und Artabazens Bruder Tigranes zum Könige in Armenien ein. Tigranes nimmt seinen Sohn Artavasden zum Reichs-Geferten an / und vermählet ihn seiner mit Mallien erzeugten Tochter Laodice. Des Tigranes Römische Sitten machen ihn den Armeniern verhaßt / sonderlich weil er den unzüchtigen GOttes-Dienst der Anaitis wieder einführt / und die Mallia und Laodice herrschen läst. Tigranes nimmt des verschickten Fürsten Vologeses Ehweib Dataphernen zu sich; Vologeses wird hierüber erbittert /zeucht zum Phraates / räthet ihm Armenien einzunehmen / welches er auch durch Abfall der Armenier ihm beynahe gantz unterwirfft. August schickt seinen Enckel Cajus wider [189] die Parthen in Armenien / weil Tiberius sich auf Rhodus einsperrete / und nicht mit in Armenien ziehen wolte. Lob des Feld-Lebens. Indessen zwingt Phraates den belägerten Tigranes sich mit Mallien selbst zu verbrennen. Gleichwohl komt Censorin in Artaxata / und erklärt Artavasden für den König in Armenien. Phraates zeucht dem Cajus entgegen / hindert die Römer an Ubersetzung über den Phrat. Beyde vergleichen sich / und bestätigen Artavasden. Ihre Gastmahle. Phraates entdeckt dem Cajus die Verrätherey des Marcus Lollius / welchen dieser durch Gifft hinrichtet. Laodice fleucht vom ohnmächtigen Artavasdes in einen Tempel / der Armenische Rath setzt Artavasden ab / geben dem Gotarzes Laodicen und das Königreich. Vologeses schlägt den Censorin. Cajus handelt mit dem Parthen Donnes umb ihm die Stadt Thospia zu übergeben / wird aber von ihm arglistig verwundet. Donnes fleucht in ein Schloß und verbrennt sich darinnen. Cajub und Phraates vergleichen sich aufs neue / setzen Gotarzen ab /und untergeben Armenien dem Medischen Könige Ariobarzanes. Cajus stirbt. Seine Grabschrifft.

Erato erträgt ihr Unglück hertzhafft / lebt mit Salomin zu Sinope einsam. König Polemon hält den Römern zu Ehren Schauspiele. Ein Delphin todtet einen Crocodil. Meherdates erzehlet ihnen / wie der Kaiser nach des Königs Amyntas Tode Lycaonien eingezogen / wie Scribonius sich für einen Enckel des Mithridates und einen Sohn des Pharnaces ausgegeben / also das Bosphorische Reich an sich ziehen wollen. Die Pontische Königin Dynamis aber entdeckt die Falschheit des vom Scribonius für gewiesenen Zeugnüsses. Scribonius fleucht und rüstet sich wider die Bosphorer; auf ihr Anhalten schickt Agrippa ihnen den Pontischen König Polemon zu Hülffe / welchen sie aber schon gefangen / für einen Freygelassenen des Vedius Pollio erkennet und getödtet. Die Bosphorer greiffen den Polemon an / werden aber geschlagen. Agrippa setzt dem Polemon die Bosphorische Krone auf / und vermählt ihm die Königin Dynamis. Erato erscheinet unter dem Nahmen Massabarzanes mit den zwey Lycaonischen Printzen zu Sinope auf die Rennebahn. Die Pontische Fürstin Arsinoe Polemons Tochter /kö t neben den Massabarzanes zu halten. Ihre Zuneigung gegen einander. Arsinoe rennt fürtrefflich / Massabarzanes eben so gut. Beyde kriegen die Preiße. Seltzame Liebes-Regungen Arsinoens und der Erato gegen einander. Ein Edelmann des Tigranes erkennt den Massabarzanes für den verjagten Artaxias. Diesen verlangt Tigranes ihm ausfolgen zu lassen. Polemon schlägt es zwar ab / die Römer setzen ihm aber deswegen hefftig zu. Bey selbst-erkieseter Ausfolgung gibt sich der vermeynte Artaxias für ein Frauenzimmer zu erkennen / worüber die Römer und des Tigranes Gesandten in höchste Verwirrung gerathen. Erato wird ins Königliche Frauenzimmer genommen / Arsinoe auf den Tod kranck. Celsus sagt der Königin Dynamis: Arsinoe sey im Gemüthe kranck. Dynamis erzehlt der Erato ihre und Polemons Fälle; wie des Scribonius Schwester sie gegen einander durch Zauberey verschlossen; nach dem Dynamis aber der Diane ihren Gürtel opfert / wird sie schwanger. Beyden träumt: Sie würde eine den Vater tödtende Schlange gebähren. Sie gebiehrt aber Zwillinge / den Zeno [190] und Arsinoen. Dem Polemon wird gewahr sagt: Seine Tochter würde sterben / sein Sohn ihn tödten. Polemon entschleust sich seinen Sohn hinzurichten. Dynamis fragt den Sternseher Cheremon umb Rath. Sein und des Sophites Gespräche / über der Wahrsagung aus dem Gestirne. Cheremon legt vorige Weissagungen milderer aus. Polemons Schluß: Sein Sohn Zeno soll ausgesetzet werden. Dynamis aber läst ihn am Flusse Tigris erziehen. Arsinoe stirbt / Dynamis läst ihren Sohn holen / und erzeucht ihn unter dem Nahmen der Arsinoe. Die Götter wahrsagen alles Gutes von ihm. Dynamis entdeckt der Erato: daß ihr Sohn aus Liebe gegen ihr kranck sey. Verwechselte Liebes-Erklärung des Zeno und der Erato. Ihre Sorge wegen des Zeno dem Polemon verborgenen männlichen Geschlechts. Ariobarzanes der Armenier und Meder König kommt nach Sinope / beschenckt den Polemon / die Dynamis und Arsinoen. Wirbt umb Arsinoen beym Polemon. Dieser eröffnet es der Königin / sie voller Schrecken dem Zeno. Dieser bemühet sich mit allerhand Vorwand den König Polemon von dieser Heyrath abwendig zu machen. Polemons und der Dynamis Zwist von Beschaffenheit Fürstlicher Heyrathen. Polemon befihlt Arsinoen sich zur Vermählung fertig zu halten /und verspricht sie dem Ariobarzanes. Arsinoens Kaltsinnigkeit; ihr Absage-Schreiben an Ariobarzanes. Dieser gibt dem Polemon den Brief. Polemon weiset ihn der Erato / und holet sie / aber vergebens / aus. Hierauf fordert er die Auslegung des Schreibens von Arsinoen / und deutet ihr nochmals die Nothwendigkeit der Heyrath an. Arsinoe wil sich tödten / Erato aber hinderts / tröstet sie / und gibt sich ihr für den gewesenen König Artaxias in Armenien zu erkennen. Zeno und Erato schlüssen mit Einwilligung der Königin zu entfliehen. Salonine trifft am Ufer des Meeres ihren Ehmann Artafernes an / fůhret ihn in Königlichen Garten / redet mit ihm die Anstalt ihrer Flucht ab. Salonine und Erato kommen des Nachts auf Artafernes Schiff; Artafernes aber holet Arsinoen abgeredter massen aus dem Garten. Folgenden Tag aber werden sie gewahr / daß nicht Arsinoe / sondern ihre Kammer-Jungfrau Monima vom Artafernes sey ins Schiff bracht worden / welche Armidas ein Medischer Edelmann entführen wollen. Damon bringt ihnen aus Sinope die Nachricht / Arsinoe wäre von einem Meden zu Schiffe nach Sinope in Tempel gebracht worden / sie hätte aber geschworen ehe zu sterben /als den Ariobarzanes zu heyrathen. Polemon und Arsinoe wären in das Behältnüß der Priester gegangen /und über eine Weile hätte ein Priester dem Ariobarzanes angedeutet: Die Heyrath könte nicht fortgehen. Worauf Ariobarzanes zornig aus Sinope gereiset. Artafernes selbst kommt aus Sinope zurücke / mit der Nachricht: Dynamis und Arsinoe würden todt gesagt. Ariobarzanes hätte dem Polemon durch einen Herold Krieg ankündigen lassen. Erato / Artafernes und Salonine schiffen nach der Stadt Phasis. Der Stadthalter Bardanes ni t sie und andere entwichene Armenier freundlich auf. Erato wirfft sich für den Artaxias auf /zeucht ein ziemliches Heer von den Armeniern / den Bardanes mit den Colchern an sich / und bricht in Armenien ein. Weil aber Ariobarzanes im kleinern Armenien eingebrochen / und Melitene belägert / wenden sie sich auch dahin / erobern die Stadt Cergia /und fahren mit ihren Heeren den Phrat hinab / steigen[191] zu Teucila aus / und kommen zu der Schlacht zwischen dem Polemon und Ariobarzanes. Cosrhoes /welcher den Pontischen lincken Flügel schon geschlagen / begegnet dem Artaxias / Bardanes und Artafernes. Ariobarzanes verwundet den König Polemon tödtlich. Artaxias ko t des Polemons Heere zu Hülffe / mit dem Ariobarzanes ins Gefechte / entdeckt sich ihm / und ni t nach seiner Verwundung ihn gefangen. Sein gantz Heer wird geschlagen. Artaxias tröstet den krancken Polemon / stellt die fürnehmsten Gefangenen und den Ariobarzanes selbst für sein Bette. Pharasmanes entdeckt dem Polemon / daß Ariobarzanes sein Sohn sey / weswegen er diesem geschrieben mit dem Polemon ja nicht zu schlagen. Ariobarzanes erzehlt / daß er auf diß Schreiben mit dem Polemon sich des Friedens halber besprochen; als sie aber sich einer zwischen sie kommender Schlange mit ihren Sebeln erwehren wollen / hätten beyde gegeneinander haltende Heere aus Mißverstande zusammen getroffen. Pharasmanes erzehlet: Der zu Sinope unter dem Nahmen der Arsinoe erzogene Zeno sey nicht des Polemon Sohn / welchen Dynamis der Pythadoris zu erziehen gegeben. Der vom Artaxias aus Armenien vertriebene König Artavasdes hätte ihm seinen Enckel des Alexanders in Egypten und seiner Tochter Jotape Sohn zu retten anvertraut / diesen hätte er nach Satala im kleinen Armenien geführt / und die Pythadoris geehlicht; das vom Artavasdes ihm anvertraute Kind aber wäre gestorben. Weil nun Jotape ihn befehlicht: Er solte ihr ihr Kind nach Antiochia bringen / hätte er von der Pythadoris den ihr anvertrauten Sohn des Polemon entlehnet / und Jotapen gebracht. Diesen von ihr wol erzognen Sohn hätte Tiberius hernach zum König in Meden eingeführt. Pharasmanes bestätigte diese Erzehlung mit Weisung des Cassiopeischen Gestirnes auf des Ariobarzanes lincker Schulter. Seltzame Bildungen und Eigenschaften der Geschöpfe. Polemon stirbt; das Pontische Heer ni t seinen gefangenen Ariobarzanes unter dem Nahmen des andern Polemon für seinen König auf. Artafernes entdeckt den Armeniern das Geschlechte und die Tugenden der Erato. Diese setzen ihr die Armenische Krone auf. Die Meden aber untergeben sich einem Römischen Landvogte. Unterredung vom Verhängnüsse / dem Glück und freyen Willen. Unglückseligkeit der Herrschenden. Erato verdammet den unzüchtigen Gottes-Dienst der Anaitis / und schafft selbten in Armenien ab. Sie verfällt hierüber in Haß. Der Priester scheinheilige Vertheidigung der Geilheit. Sie verfähret aber wider sie mit Schärffe. Orißmanes ein hochmüthiger Armenier wirfft auf die Königin Erato ein Auge / erkühnet sich der Königin den Arm zu berühren / kriegt aber von ihr einen Verweiß. Gleichwohl schickt sie ihn in Albanien. Selbige Königin weiset ihm ein trauriges Beyspiel des Hochmuths. Polemon der neue König im Pontus wirbt aufs neue umb die Erato / sie lehnt es aber höflich ab. Orißmanes entdeckt seine Liebe der Königin / sie aber verbannt ihn aus ihren Augen. Orißmanes lebt auf seinen Land-Gütern unter dem Fürwand beliebter Einsamkeit. Uberlegung der Einsamkeit. Orißmanes flucht gegen die ihn besuchenden Armenier auf die Weiber und ihre Herrschafft / verleumbdet die Königin. Die Grossen reden dem Orißmanes zu / daß er sich des Reichs und versehrten Gesetze annehmen solle. Die Unterbrechung [192] der Reichs-Gesetze wäre der Tyrannen Grund-Stein. Orißmanes schlägt zwey Mittel zu Erhaltung der Armenischen Freyheit für / entweder die Erato zu stürtzen / oder sie einem Armenier zu vermählen. Die Stände machen einen Schluß / daß die Königin einen zu ihrem Gemahl erkiesen solte. Erato gibt ihnen eine verzügliche Antwort. Oxarthes lieset ein Schreiben ab vom Orißmanes / daß Erato wegen des auserkiesten Zeno keinen Armenier ehlichen würde / worüber die Stände ihr entweder zu heyrathen oder sich des Reichs zu entäusern andeuten. Erato legt in der Reichs-Ver sa lung Kron und Scepter nieder. Artafernes und etliche andere wollen sie darvon abwendig machen / und Osthanes zwingen Königin zu bleiben / welcher bey erwachsender Zwytracht den Oxarthes als Uhrheber dieses Unheils tödtlich verwundet. Erato / Salonine und Artafernes reisen aus Artaxata / vernehmen zu Artemita die Wieder-Einruffung der K \nigin / und den Eigen-Mord des Orißmanes. Sie aber ist zum Umbkehren nicht zu bewegen / läst ihre Liebe gegen den Zeno aus / eröffnet ihre empfangene Weissagung im Phrixischen Tempel. Sie reisen miteinander durch Syrien nach Cypern. Beschreibung des Paphischen Tempels. Erato kriegt allda eine gute Wahrsagung; segelt nach Rom. Erato wil mit dem Drusus von dar nach Dalmatien reisen / wegen gemachten Friedens aber zeucht sie in Deutschland / wird auf dem Taunischen Gebürge von den Catten gefangen / und also nach Deutschburg bracht. Gespräche von dem Adel /tugendhaften Unedlen / und derselben Heyrath. Hertzog Herrmann ko t mit den Fürsten in das Frauenzimmer. Der Erato und des Zeno bewegliche Benwillkommung gegeneinander. Betrachtung der Freuden-und Liebes-Thränen. Jubils Gemüths-Regung über der Königin Erato.

Das Dritte Buch
[193] Das Dritte Buch.

Unter den nachdencklichen Sinnbildern der Liebe /verdienet keines weges den letzten Stand ihre vom Canathus Sycionius aus Helffenbein und Golde gebildete Säule / welche auf dem Haupte die Himmels-Kugel / in der einen Hand einen Granat-Apffel / in der andern ein. Maah-Haupt trug. Mit welchem letztern er nichts anders andeutete / als daß die Liebe nichts minder / als eine gewisse Art stechender Nattern / die allermuntersten einschläffte / und ihre wachsame Regungen fahrläßig machte. In welchem Absehen die Verliebten bey den Griechen ein gewisses Spiel mit Maah- und Anemonen-Blättern hegen musten. Dieser Einschläffungs-Krafft aber war der großmüthige Feldherr Herrmann überlegen / welcher die Glückseligkeit seiner gegen die vollkommenste Fürstin Thusnelde tragender Liebe bey ihrem Besitz zwar nunmehr nicht begreiffen / nichts desto weniger aber die Sorge für das Heil des Vaterlandes / als die allerwürdigste Buhlschafft der Helden niemahls vergessen konte. Der Krieg und die Liebe theilten gleichsam sein Hertz miteinander / oder seine angebetete Venus war mit keinem Spiegel und Wollust-Gürtel / sondern / wie sie die streitbaren Spartaner bey Acro-Corinth gebildet und verehret / mit Harnisch / Schild und Spisse gewaffnet. Diesem nach denn der kluge Feldherr folgende Tage mit eitel wichtigen Rathschlägen nebst denen andern Fürsten beschäfftiget war / wie der erlangte herrliche Sieg die Uberwinder nicht einschläffen und sicher machen / sondern vielmehr das Hertz und die Hoffnung der Kriegsleute aufmuntern / und man durch desselbten vernünfftige Verfolgung die rechtschaffene Frucht von so viel versprütztem Blute einerndten / Deutschland in beständige Sicherheit setzen / das verlorne wieder gewinnen / oder auch gar die so gefährliche Nachbarschafft der mächtigen Römer in ihres eigenen Landes Gebürge wieder einschrencken möge. Herrmann hielt deßwegen eine nachdenckliche Rede in dem versammleten Fürsten-Rathe / welche anfangs dahin ging / daß man diesen herrlichen Sieg numehr eifrigst verfolgen / auch für erlangter völligen Sicherheit Deutschlands nicht von einander ziehen solte. Sintemahl auch die / welche die Tapfferkeit der Deutschen zu Eroberung der gantzen Welt fähig hielten / sie dennoch beschuldigten / daß ihre Versammlungen allzu langsam geschehen / und ihre Rathschläge allzu zwistig wären / das Verhängnüß hätte ihnen einen grössern Sieg verliehen / als iemahls ihr Wuntsch gewest wäre; bey ihnen stünde es nun sich desselbten zu ihrem Vortheil zu gebrauchen. Die grösten Helden hätten hierinnen verstoffen / und deßwegen ihre ersten Lorber-Kräntze sich hernach in traurige Cypressen verwandeln gesehen. Der sonst unvergleichliche Hannibal hätte zwar die Römer zu überwinden / auch in dem fruchtbaren Campanien des Sieges zu genüssen / nicht aber selbten ihm nütze zu machen gewüst. König Antiochus hätte in einem Winter sein sieghafft- und streitbares Heer bey seinem Hochzeit-Feyer zu Chalcis weibisch / und sein vorig gutes Glücke ihm zum Unsterne und Fallbrete gemacht. Uberdiß wäre es numehr Zeit die Römer in ihrem Eigenthume anzugreiffen. Denn es wäre ein Kennzeichen der Furcht / und ein Bekäntnüß / daß man seinem Feinde nicht gewachsen sey / wenn man selbten erwartet / und ihm nicht entgegen geht. Der hertzhaffte Pericles hätte aus diesem Absehen nicht zu Beschirmung [194] des Atheniensischen Gebietes / Hannibal nicht zu Verwahrung Hispaniens seine Waffen gebraucht / sondern jener hätte das feindliche Sparta /dieser Italien darmit angefallen. Die Römer wären dadurch so groß worden / daß sie ihren Feind allezeit im Hertzen angegriffen / und als gleich Hannibal noch in den Eingeweiden Italiens genaget / hätte doch Scipio eben so wol als der in Sicilien schier von den Mohren zur Verzweifelung gebrachte Agathocles das Haupt Carthago mit erwünschtem Ausschlage angefallen /weil die Africaner hierdurch frembde Herrschsucht zu vergessen / und ihres Vaterlandes eigenem Feuer zuzulauffen gezwungen worden. Hätte Darius des Memnons Rathe gefolget / und / an statt der ersten Schlacht / in Macedonien übergesetzt / wäre Alexandern in Persien der gantze Compaß verrückt worden. Nichts minder hätten die Römer wol Asiens vergessen / wenn Antiochus nach Hannibals Anschlage sie in der Schwäche ihres Italiens besprungen hätte. Eben so würden diese allgemeine Räuber der Welt in Deutschland weder Klaue / noch Fuß aufgesetzt haben / hätten die Deutschen nicht ihrer Vor-Eltern Fußstappen über die Alpen vergessen / welche in Deutschland so viel leichter ihre Waffen ausgebreitet / weil diß ihr Vaterland mit keinen Festungen / ausser denen von der Natur verliehenen Strömen und Gebürgen versorget gewest wäre. Bey welcher Beschaffenheit es die ärgste Gefahr nach sich ziehe / den Feind in seinem offenem Lande zu erwarten / welcher in einem verschlossenen freylich mehrmals von sich selbst zu Grunde gegangen wäre. Dannenher hielte er für rathsam / die erschrockenen Römer nach ihrem eigenen mehrmals glücklich-ausgeschlagenem Beyspiele selbst in dem ihrigen heimzusuchen / und dadurch denen Deutschen den beschwerlichen Dorn aus dem Fusse zu ziehen. Der Riese Antäus wäre auf seinem Grund und Boden unversehrlich gewest / weswegen ihn Hercules auf frembdes Gebiete hätte locken müssen. Mit den Römern aber hätte es das Widerspiel / welche in der Frembde Löwen / in ihrem Vaterlande Schaffe wären. Jederman pflichtete des Feldherrn Meinung bey / und fiel der Schluß dahin / daß Hertzog Ganasch und Melo über den Rhein setzen / Hertzog Catumer an der Donau sein Heil versuchen / Ingviomer aber dem Könige Marbod des Qvintilius Varus Kopf als ein Kennzeichen des so grossen Sieges überbringen / und selbtem zu einem Bindnüsse wider den allgemeinen Feind bewegen solte. Der Feldherr nam nebst dem Hertzoge der Catten inzwischen auf sich / denen innerlichen Kranckheiten Deutschlandes / nemlich dem eine zeither zwischen den Fürsten eingerissenen Mißtrauen abzuhelffen / und die alte Vertrauligkeit zu befestigen. Worzu seine beschlossene Heyrath iedermänniglich ein sehr heilsames Mittel zu seyn bedeuchtete /und daher derselben Vollziehung von den Fürsten und dem Volcke so begierig verlangt / als zu der herrlichen Ausrichtung alle mögliche Anstalt gemacht ward. Der Feldherr schrieb auch selbst mit eigner Hand an die Menapier und Eburoner: Es hätte das Verhängnüß ihnen numehro gleichsam den Himmel /die Erde und die Flüsse wieder eröfnet / welche ihnen die Römer zugesperret / daß sie nicht einmahl hätten zusammen kommen / und einander ihr Leid klagen /weniger über das gemeine Heil rathschlagen können. Nun wäre es die rechte Zeit / daß sie als ein zun Waffen gebohrnes Volck / welches zeither gleichsam nackt / und unter frembder Aufsicht sich hätte bücken müssen / selbte ihren erschlagenen Feinden wieder abnehmen. Es dörffe keines Fechtens mehr / sondern es sey nur noch übrig / daß sie der Römer leere Festungen / als die Kapzäune freyer Völcker / und die Ketten der Dienstbarkeit schleifften. Wäre ja irgendswo noch eine Handvoll Römer übrig / müsten sie selbte [195] zu erwürgen kein Erbarmnüß haben / weil zwischen herschsüchtigen und freyen Leuten keine Verträgligkeit / von ihnen aber als Nachbarn und Bluts-Verwandten nicht nur iederzeit auf den Fall der Noth genugsame Hülffe / sondern gar eine Macht /welche wie ihre Vor-Eltern mit ihnen in Italien zu brechen / und Rom zu zerstören / mächtig und behertzt wäre / zu hoffen sey. Inzwischen fing die frembde Königin / welche von der Fürstin Thußnelda für der Schlacht im Zweykampfe war zu Boden gefället worden / durch sorgfältige Wartung wieder an zu genesen. Wie nun Thusnelda / so bald sie die Beschaffenheit dieser überwundenen vernommen hatte /aus einer angebohrnen Guthertzigkeit mit ihr empfindliches Mitleiden trug / also unterließ sie nicht /alles ersiñliche fürzukehren / daß sie ihrem Stande gemäß / und nach Erheischung ihrer kummerhafften Beschaffenheit unterhalten würde. Sie erkundigte sich alle Tage mehr als einmahl ihrer Besserung bey ihrer Gefärthin / welche alsofort auch die Mannskleider von sich geworffen / und für ein Frauenzimmer sich zu erkennen gegeben hatte / als mit dieser Königin Falle auch ihre Heimligkeit offenbar worden war. So bald es nun die Erholung ihrer Kräffte / und der Königin gesuchte Erlaubung verstattete / hielt es die Fürstin Thußnelda und Ismene ihre Schuldigkeit zu seyn sie selbst heimzusuchen. Als sie nun einander ansichtig worden / überfiel eine iegliche so eine nachdrückliche Verwunderung über der andern ungemeinen Gestalt / daß weder eine noch die andere ihre entschlossene Gemüths-Meinung alsobald eröfnen konte. Thußnelde hatte ein wolgebildetes Antlitz / eine klare Haut / einen Blut-rothen allezeit lächelnden Mund /Himmel-blaue Augen / aus welchen die Freundligkeit selbst zu sehen schien / weisse kringlichte Haarlocken / welche über ihre Achseln und aufschwellenden Brüste spielten / und gleichsam mit einander / oder vielmehr selbst mit dem Schnee um den Vorzug ihrer Farbe strietten. Ihr Leib war lang und geschlang / ihre Geberden holdselig / welche mit ihrer Anmuth im ersten Anblicke gleichsam aller Anschauer Seelen bezauberten / und ihnen das Band der Zuneigung anschlingeten. Fast eben so war die Fürstin Ismene gebildet / auser / daß ihre Haare ein wenig Goldfärbicht / ihre Gebehrdung was mehr trauriger / oder vielmehr nachsinnend zu seyn schien. Die Königin war mehr rößlicht / ihre Haarlocken braun / ihre Augen groß und schwartz / und in steter Bewegung / welche unaufhörlich Strahlen als einen beweglichen Blitz von sich liessen / und die Lebhafftigkeit ihres Geistes andeuteten. Das Gesichte schien zwar etwas ernsthafft zu seyn / die Gebehrden aber vermischten selbtes mit einer durchdringenden Freundligkeit / also daß es schien / das Glücke hätte hier drey Muster einer unterschiedenen Schönheit mit Fleiß zusammen bringen /und dadurch so wol die Allmacht der Natur / welche dreyen gegen einander gesetzten Dingen einerley. Wunder und Würckungen einpflantzen könne / erhärten / als der Liebe einen Zanckapfel / wohin sie greiffen solle / aufwerffen wollen. Thußnelde färbte ihre Wangen mit einer züchtigen Scham-röthe / als sie durch ihre Verwunderung etwas ihre sonst fertige Zunge gehemmet empfandt / erholete sich aber bald wieder / umbarmte die Königin mit einer so beweglichen Anstellung / welche auch ohne einigen Wortes Ausdrückung ihr ihr hertzliches Mitleiden einredete. Diese erste Versicherung bekräfftigte sie mit durchdringenden Worten / daß sie ihre Wunden und Unglück in ihrer selbst eigenen Seele empfinde / und alle Kräfften ihres Gemüthes zu ihrer Genes- und Befreyung anzuwenden begierig wäre; und wormit sie solchen Unrechts-Verzeihung so viel leichter erlangen könte / hätte sie die Fürstin Ismene zu einer Vorbitterin vermocht. Die Königin [196] nam die Empfahung mit holdseligsten Gebehrden und verbindlichster Antwort auf / und betheuerte / sie wäre zu ohnmächtig so übermäßige Leutseligkeit und Wolthaten zu begreiffen. Ja sie könte nicht ergründen / wie zwey so grosse Heldinnen nicht die Gemeinschafft einer so unglücklichen Ausländerin verschmäheten / nach dem insgemein das Unglück nichts minder / als die Pest für anfällig gehalten würde. Wiewol sie sich numehr billich aus dem Register der Unglückseligen auszuleschen schuldig wäre / nach dem sie sich unter der gütigen Beschirmung solcher irrdischen Göttinnen befindete. Sie hätte besorgt in die Hände der rauhesten Völcker und grimmigsten Feinde verfallen zu seyn / so hätte sie in ihrer Gefangenschafft mehr Vergnügung / als in der Freyheit; in diesen kalten Nordländern mehr Feuer unverdienter Freundschafft und Gewogenheit gefunden /als in den warmen Morgenländern / oder in ihrem unbarmhertzigen Vaterlande bey Bluts-Verwandten anzutreffen wäre. Ob nun wol sonst bey derogleichen ersteren Zusammenkünfften man biß zu Ergründung ein- und andern Gemüthes gerne an sich hält / so kamen doch diese drey Fürstinnen einander so offenhertzig für / daß iede sich euserst bemühete / ihre aufrichtige Zuneigung in der andern Erkäntnüß fest einzudrücken. Worauf denn Thußnelde und Ismene für dißmal / weil die Königin sich noch schwach und bettlägerig befand / Abschied nahmen / und einander ihrer Begierde öffterer und fördersamer Wiederersehung vertrösteten. Sie war kaum in ihr Zimmer zurück kommen / als der Feldherr und Ingviomer bey ihr eintraten / und zwar dieser schon reisefertig / und von ihr Abschied zu nehmen / und zu der vorstehenden Verehligung mehr als tausendfaches Glück zu wüntschen. Thußnelde begegnete Ingviomern mit einer freundlichen Dancknehmung und zierlichem Glückwuntsche zu seiner so wichtigen Reise. Gegen dem Feldherrn aber vermochten Mund / Augen und Gebehrden nicht genungsam ihr Hertz auszuschütten. Nach unzehlbaren Liebes-Bezeigungen vergaß sie auch nicht der frembden Königin Lob aufs beste herauszustreichen / wordurch sie beym Feldherrn ein sonderlich Verlangen erweckte / sie zu schauen / und die von ihr gemuthmaste seltzame Begebnüsse zu erfahren. Dieses bewegte Thußnelden / daß sie bald folgenden Tages bey der Königin Verlaub sie zu besuchen / und den Feldherrn mitzubringen ausbat.


Die Königin / welche diese Ersuchung nicht allein für ein Glücke / sondern auch für eine Staffel zu ihrer Befreyung aufnahm / wolte ihr Erkäntnüß auch mit Ubernehmung ihrer Kräffte bestätigen; daher machte sie sich über Macht aus dem Bette / wormit sie dem Feldherrn und der in ihren Augen so lieben Thußnelde mit desto mehr Ehrerbietung begegnen könte. Sie lehnte sich auf die Achseln Saloninens / (also hieß die bey ihr befindliche Frau) um beyde an der Schwellen ihres Vorgemachs zu bewillkommen. Der Feldherr verwunderte sich über ihre Gestalt und Annehmligkeit / und befand beydes in größer Vollkommenheit / als Thußneldens Erzehlung ihm von ihr fürbilden können / weil doch kein Pinsel der Beredsamkeit eine vollkommene Schönheit so gut nachbilden kan / als das lebhaffte Bild sich in die Taffel des Auges eindrücket. Ja Thußnelde selbst hätte betheuert / daß entweder die Verminderung ihres Betrübnüsses / oder ihre aufrechte Darstellung des gantzen Leibes sie über Nacht um ein gutes Theil schöner gemacht hätte. Hertzog Herrmann bezeugte gegen sie alle ersinnliche Höfligkeit /und erlangte bey ihr den Ruhm / daß er nichts minder ein geschickter Hoffmann / als ein tapfferer Heerführer sey. Sie selbst nahm sich über der Besuchung des Feldherrn etlicher [197] massen einer Verwirrung an. Denn zuweilen ist diese beredsamer / als die zierlichste Rede das Erkäntnüß seines Gemüthes auszudrücken. Nach vielfältiger Abwechselung gegen einander betheuerter Verbindligkeiten / entschuldigte der Feldherr den ihr in dem Zweykampff zugestossenen Zufall / bat / sie möchte den Deutschen diese Unart nicht zutrauen / daß sie wider das Frauenzimmer vorsetzlich ihre Degen zückten. Die ungemeine Verstellung ihres Geschlechtes / oder vielmehr die eigenwillige Stürtzung in die Gefahr wäre dißmal die Ursache eines so schädlichen Fehlers gewest. Die Königin antwortete mit lächelndem Munde: So höre ich wol / der Feldherr halte die Tapfferkeit für eine dem Frauenzimmer unanständige Tugend / und die Waffen für eine ihrem Geschlechte nicht gewiedmete Waare. Hertzog Herrmann versetzte: Es hätten zwar beyde Geschlechte an allen Tugenden ihr Theil / und könten die Weiber auch wol gewisser massen und in etlichen Dingen ihre Hertzhaftigkeit bezeigen. Alleine / wie das weibliche Geschlechte gewisse Tugenden / als Keuschheit und Demuth / in ihrer Vollkommenheit zu voraus bekommen hätte / als hätte die Natur selbtes mit der Bürde der Waffen / als dem Eigenthume der Männer / verschonet. Der Königin stieg hierüber eine kleine Röthe ins Antlitz / und fing an: Sie wolte sich zu der Natur nicht versehen / daß sie dem Frauenzimmer ein so schlimmes Recht / und eine so ärgerliche Freyheit durch Entziehung der so herrlichen Tapfferkeit gegeben habe. Der Feldherr brach alsofort ein: Es wäre diß Kleinod ihnen nicht gar versagt / und bliebe / ausser dem Kriege / ihnen noch ein weites Feld übrig ihre Großmüthigkeit auszuüben. Welche ihre Keuschheit wider die Reitzungen der Wollust / wider den Glantz der blendenden Ehrsucht / wider den Donner angedräueter Schande / wider die Pfeile der Verläumbdung vertheidigen / welche das Band ihrer Liebe kein Ungewitter der Trübsal / keine frembde Ablockungen und Fürbildung güldener Berge / keine Widersinnligkeit ihres eigenen Geblütes / keine heimliche Verkleinerung / keine offentliche Verfolgung /keine Zeit und Abwesenheit vertilgen lassen / sondern den einmahl gefangenen reinen Zunder in ihrem Hertzen bewahrten; dieselbten übten sicherlich so grosse Heldenthaten aus / als kaum diese / die ein geharnischtes Krieges-Volck aus dem Felde schlügen / oder eine Festung eroberten. In seinen Augen sey Camme /des Fürsten in Galatien Sinnate Gemahlin eine grössere Heldin / daß sie den Sinorix für dem brennenden Altare / allwo sie sich diesem unkeuschen Meuchelmörder ihres Ehherrn solte verloben lassen /durch einen Gifft-Trunck des erblasten Geiste aufopffert / als der grosse Alexander / der die halbe Welt bemeistert. So könne auch eine Frau ihren grossen Geist in Rathschlägen / ihre Tapfferkeit in Anordnungen / ihre Ruhms-Begierde in Pracht der Gebäue schauen lassen. Livia sey Augustus tägliche Rathgeberin. Für nicht gar langer Zeit habe eine Königin Britannien glückselig beherrschet. Die höchste Wundersäule in Egypten sey ein Werck einer Königin. Mausolens Grab / welches die Künste aller Baumeister / die kostbaren Steinbrüche gantz Asiens erschöpffet; Die hängenden Gärte / die unvergleichlichen Mauren Babylons wären unvergeßliche Zeugnüsse der trefflichen Artemisie / und der grossen Semiramis. Ja dieser ihre Pracht hätte allen Glantz überstiegen / der einem Manne ie träumen können; als sie auf einem ihrer Sieges-Plätze ihr eine Ehren- und Gedächtnüß-Säule aus dem grossen Berge Bagistan hauen lassen. Die Königin brach ihm ein: Wol an dem! warum soll denn eine Frau mit dem Degen in der Faust ein Ungeheuer seyn? Warum soll ein Helm /oder ein Hut voll Federn sie mehr als die Schlangen das Haupt Medusens verstellen? [198] Ich bilde mir ein /daß das Schwerdt und Bogen der behertzten Thomiris / als sie des unersättlichen Cyrus Kopf in die Wanne voll Blut geworffen; daß der Spieß und die Sebel der grossen Semiramis / als sie alle königliche Zepter Asiens unter ihre Füsse trat / nicht so unanständlich gewesen sind. Auch düncket mich / daß Omphale /wenn ihr Hercules die Löwen-Haut umgegeben / nicht so sehr verstellet worden sey / als wenn er ihre Spindel genommen / oder Sardanapal Polster genehet /und Teppichte gestückt hat. Thußnelda fiel der Königin bey / und meldete / daß die Sitten Deutschlandes /welches iederzeit hertzhaffte Weiber mit in die Schlachten genommen / der Königin selbst das Wort redeten. Der Feldherr begegnete ihnen / er könte sie nicht verdencken / daß beyde ihre eigene und noch so frische Thaten vertheidigten; alleine die allgemeine Gewonheit / die mit der Natur in einem Alter wäre /hätte die Weiber zu häußlichen Sorgen / ja die Natur ihre Leibes-Beschaffenheit zum Kinder gebähren bestimmet. Die Fürstin Thußnelde wolte diesen Einwurff hintertreiben / die Königin aber fiel ihr in die Rede: Was höre ich? Haben diese zarten Glieder auch iemahls Waffen geführet? Thußnelde verstummte über dieser Frage / und gab mit ihrem bestürtzten Stillschweigen ihr eine verjahende / der Feldherr aber diese deutliche Antwort: Es wäre nicht anders / sie hätte mit in der Schlacht / und zwar zweyfach unglückselig gefochten / indem sie erstlich auf sie die Königin / hernach auf ihren eigenen Vater zu treffen kommen. Die Königin fing also fort an: Sie wüste nicht / ob sie es für Ernst oder Schertz annehmen solte / und ob Thußnelde der Ritter wäre / der sie überwunden hätte? Thußnelda fing säufzende an: Es wäre / leider! wol wahr / sie könte ihr zweyfach Unglück nicht läugnen / und ihre Beleidigung bey so einer holdreichen Königin nimmermehr genung abbitten. Aber sie hätte sich über sie keiner Uberwindung zu rühmen; denn sie wäre nicht durch ihrer Feindin Tapfferkeit / sondern durch einen blossen Fehltritt des Pferdes verunglückt. Kein Zufall aber vermöchte sich eines Sieges über ein Helden-Gemüthe zu rühmen. Die Königin umarmte und küste hierüber Thusnelden so empfindlich / daß sie daraus ihre hefftige Zuneigung allzugewiß warnehmen konte. Ich erfreue mich /rief sie / daß ich von einer solchen Göttin überwunden worden. Und was meinet nun der Feldherr / verstattet ihm die Sitten seines Vaterlandes / erlaubet ihm seine Liebe einer solchen Heldin den Gebrauch der Waffen abzuerkennen? Ich gebe gerne nach / daß nicht alleine die niedrigen Seelen ihr Hauß versorgen / sondern auch die geistigen ein Auge darauf haben sollen. Aber Häußligkeit und Tugend stehet so wol neben einander / als die streitbaren Amazonen aus der lincken Brust die Kinder säugten / und / wo die rechte gestanden /den Bogen ansetzten / welche sie mit mehrerm Ruhm weggebrennet / als die thun / welche dem weiblichen Geschlechte die Waffen nehmen / das ist / ihnen das Hertz aus dem Leibe reissen / und die Hände von Armen hauen. Hertzog Herrmann erklärte sich hierauf: Es wäre seine Meinung nicht alle streitbare Frauen in die Acht zu erklären / oder daß keine zu den Waffen geschickt wäre / ihm träumen zu lassen. Des letztern Irrthums würden ihn beyde anwesende Heldinnen überführen / und durch das erstere müste er manches Reich vieler Siege und seiner Wohlfarth berauben. Allein es wäre gleichwol eine seltene Begebenheit / daß ein Frauenzimmer mit einem so unerschrockenen Geiste / mit einem anständigen Eyfer /und demselben Feuer / welches einen Helden oftmals /besonders in grossen Gefährligkeiten / auser ihm selbst und über die Schrancken sterblicher Entschlüssungen versetzen müsse / versorget sey. Daher müste man aus einer Schwalbe keinen Sommer / und aus[199] wenigen Beyspielen kein Gesetze machen / welches dem weiblichen Geschlechte ohne Unterscheid die Waffen in die Hand gebe. Nein / nein / großmüthiger Feldherr / brach die Königin heraus / wir lassen uns damit nicht besänfftigen / daß er gegen uns zwey ein Auge zudrücken / unserm Geschlechte aber die gantze Sache abzusprechen vermeinet. Sintemal die kriegerischen Amazonen gantze Länder angefüllet / die sie denen sonst so streitbaren Scythen abgeschlagen. Ich gebe gerne nach / daß die Großmütigkeit eine feurige Tugend sey / welche sich über die gemeinen empor schwinge / und die Ehre zu ihrem Augenziel habe. Warum aber soll das weibliche Gesichte nicht auch ihr Hertze zu diesem Gestirne tragen? Die Rennebahn der Ehre und Erbarkeit stehet uns so weit offen / als den Männern / und ich weiß nicht / wer uns allein hier solte Fuß-Eisen gelegt haben. Wir finden in allen Geschichten eine frische Spur hiervon / daß Weiber-Lust und Nutzen auser Augen gesetzt / durch Dörner und Steinklüfften / durch Flammen und Rad nicht nur nach Ehre / sondern wol oft nach einem blossen Schatten derselben gerennet / wenn sie das Glück und seine Geschencke aus einer gefasten Liebe mit Füssen von sich gestossen / Kron und Zepter / um ihr Wort zu halten / verschmähet / dem Hencker den Nacken geboten / ehe sie was verkleinerlichs eingegangen /ihren frischen Leib lieber auf dem Holtzstosse ihrer Männer verbrennet / als die Schande der Wanckelmuth auf sich kleben lassen wollen. Ich gestehe es /die Großmüthigkeit erfordere ein tiefsinniges Nachdenken / und ein verschmitztes Urthel. Aber ich habe noch nicht gehöret / daß der Unterschied des Geschlechtes die Kräfften der Seelen unterscheide. Findet man Weiber / derer Geist sich nicht weit über die Erde schwingen kan / so sind auch nicht alle Männer gantz himmlisch / und in beyden ist oft nicht ein Funcken dieses herrlichen Lichts / welches den Nebel der Irrthümer niederschläget / nicht ein Sonnenstaub warhaffter Klugheit / die die irrdischen Schwachheiten unterdrücken kan. Es ist auch auser Zweifel / daß diese Liebe der Ehre / dieser Verstand etwas fürtreffliches zu erkiesen durch ein absonderliches / und andern gemeinen Tugenden nicht gemeines Feuer erleuchtet werden muß / welches den Menschen über sein eigenes Wesen erhöhet / welches ihm den Reitz aller Wollust tilget / die Empfindligkeit aller Schmertzen benimmt / die Furcht aller Schande und des Todes zernichtet / ja die Unmögligkeit selbst für eine Bländung der Zagheit hält. Wer aber unterwindet sich diese Entzückung des Geistes unserm Geschlechte strittig zu machen? Wenn Clelie über die Tyber schwimmet / und in ein feindliches Läger einbricht; wenn Lucretie lieber ihre Brüste mit ihrem eignen Blute / als ihren Nahmen mit Unehre besudelt / wenn eine andere lieber sich vom Hencker erwürgen / als ihre Keuschheit beflecken läst; wenn eine Mutter lieber ihre Kinder zerfleischet / und auf glüende Röste leget / als in Aber glauben versincken läst; wenn eine Tochter den von Blut und Gehirne trieffenden Stein /der das Haupt ihrer Mutter zerschmettert / den Feinden auf den Hals weltzet; wenn eine Frau das Mordschwerdt aus den Därmern ihres Ehemannes zeucht /und statt der Thränen und Wehmuth das Blut seiner Feinde verspritzet und Rache ausübet; wenn die ergrimmte Semiramis ihre halbgeflochtene Haare so lange unausgeputzt hängen läst / biß sie ihre auffrührische Unterthanen zu Gehorsam bracht; wenn eine andere ihr Hembde auszuwechseln verschweret / biß sie eine Festung erobert und ihres Gelübdes sich loß gemacht. Für was will es der Feldherr halten? Will er es nicht für einen großmüthigen Eyfer / für eine Entzückung eines auser sich gelassenen Geistes gelten lassen? Der Feldherr ward hierdurch bezwungen der Königin recht zu geben. [200] Alleine / sagt er / es gehet noch eines ab / so wohl ihrer Erzehlung / als dem weiblichen Geschlechte / welches zu glücklicher Ausübung der Waffen und Tapfferkeit nöthig ist. Ich wolte es leicht errathen / fiel die Königin ihm ein /daß der Feldherr die uns insgemein vorgerückten Gebrechen / nehmlich die Schwäche und Zärtligkeit unser Glieder / und die übermäßige Feuchtigkeit unsers Leibes meine; welche uns so wohl an Ausübung nöthiger Kräfften / als an Geschwindigkeit der Bewegung hindern sollen. Der Feldherr muste gestehen /daß sie es getroffen. Denn / sagte er / man hat scheinbare Merckmahle / daß die Tauben so zornig und so kühn als die Adler sind; daß in Hermelinen so viel Tugend und Hertzhafftigkeit zu sterben / als kaum in Löwen stecke. Gleichwohl aber stehet die Ohnmacht ihrer Kräffte / der Mangel der Klauen ihnen im Wege / daß sie nicht unter die kriegerischen Thiere können gerechnet werden. Dahero / im fall sich meine offenhertzige Freyheit keines Anstosses zu besorgen / und insonderheit von zweyen Fürstinnen / welche als sonderbare Wunderwercke alle Tugenden unsers / und keine Schwachheiten ihres Geschlechts an sich haben / keiner Empfindligkeit zu besorgen hat / unterwinde ich mich meine Meinung nicht zu verhelen / daß das Frauenzimmer / welches nichts als Zibeth und Ambra zu rüchen gewohnt / den Staub in Schlachten nicht vertragen; daß Hände / welche niemahls aus den ausgebisamten Handschuhen / und in kein kaltes Wasser kommen / schwerlich eine strenge Klinge führen / und mit dem Wurff-Spiesse spielen; daß ein Haupt / welches unter Seide geschwitzet / und sich unter einem Pusch Blumen gebeuget / schwerlich einen stählernen Helm tragen; daß ein Leib / welchen eine kühle Lufft / oder ein Sonnen-Strahl beleidigt / weder die rauhen Winde / noch die Hitze eines blutigen Kampffs vertragen könne. Die weichen Lilgen ihrer zarten Brüste wären nicht geschickt / die Amboß-Stösse der Streithämmer und Lantzen zu vertragen / noch die Bürde ihres Unterleibs ohne Bügel auff und von den raschen Pferden zu springen. So höre ich wohl / brach die Königin ein / der Feldherr wil etlicher Pulster-Töchter schlimme Sitten für eine unserm Geschlechte angebohrne Unartverkauffen / und diß / was eine wollüstige Aufferziehung / oder böse Gewonheiten verstellet /zu Mißgeburten machen. Das meiste fürgerückte sind Gebrechen der Aufferziehung / nicht der Natur. Und man hat mehr als einen Sardanapal gefunden / der nie aus dem Frauen-Zimmer kommen / der mit seinen Beyschläfferinnen sich Tag und Nacht auff dem mit Zobeln belegten Fußboden herum geweltzet / der keine Speise ohne Ambra gegessen / der ihm selbst Bisam-Suppen gekochet / der einen Seidenstücker abgegeben / ja der sich selbst zum Weibe gemacht / und einem Ausgeschnittenen verheyrathet / der auff die Natur und seine Mutter sich erboset / daß sie an ihm einen Mann gebohren / welcher nicht im Huren-Hause sich öffentlich feil zu haben fähig sey. Solte man aber dieser Wechselbälge halber das gantze Männliche Geschlechte verkleinern? Unsere Leibes-Beschaffenheit soll ja etwas wässerichter / als der Männer seyn; aber deßwegen sind die Flügel unserer Seele / welche eben so wohl vom Himmel entsprungen / und feuriger Art ist / in keinen so zähen Schlamm eingetauchet / daß sie sich nicht von dem Wuste der Erden / und über die Dünste des niedrigen Pöfels empor schwingen könte /noch auch der Leib so faul und zu ritterlichen Ubungen / insonderheit zum Reiten gantz ungeschickt wäre. Wormit hätte sonst Cloelia und Valeria ein zu Pferde sitzendes Ehrenbild / welches der Freyheitsgeber Brutus nicht erlangt hat / erworben? Ich erinnere mich / daß mein Lehrmeister Dionysius Periegetes mir einst aus dem göttlichen Plato diesen Trost fürgelesen / daß / wenn der Weiber weichliche Feuchtigkeit durch mäßige Bewegungen ausgetrocknet [201] würde / erlange ihr Leib vom Feuer und Wasser eine viel vollkommenere Vermischung. Ihre Leiber würden stärcker und geschwinder / und derselben Bewegung wäre ungezwungener und tauerhafftiger / als der Männer. Dieses bestärckte er ferner dadurch / daß alle weibliche Raub-Vögel mit ihrem geschwinden Fluge alle andere kriegrische Thiere im Lauffe / und beyde im hitzigen Kämpffen die Männlichen übertreffen. Ja ich setze unserm Lobe sonder Eigenruhm bey / daß Löwen / Tiger und Adler männlicher Art nicht so wohl aus einem hertzhafften Triebe / als aus Hunger /nicht wegen eines rühmlichen Absehens / sondern nur wegen des Raubes mit einer blinden Ungestüm / die weiblichen aber aus einer viel edlern Regung / zu ihrem Ruhme / für Erhaltung ihrer Jungen / und mit einem beständigern Nachdrucke kämpffen / auch sich weder Flammen nach Stahl von ihrer schuldigen Beschirmung abschrecken lassen. Die weiblichen Kräuter und Bäume sind auch zum Theil kräfftiger / als die andern. Die männliche Muscaten-Nuß ist zwar grösser und länger / aber sie hat viel weniger Krafft / als die weiblichen / und unsere Art Palmen werden in gewissen Fällen für den männlichen zu Siegs-Kräntzen genommen. Die freudige Thußnelde hörte dieser Schutzrede mit Lust zu / und ward ermuntert selbter anzuhängen: Warum wirfft man uns nicht auch für /daß kein Weibsbild iemahl zugleich linck und rechts /noch / wie die Männer insgemein / auff die Glieder der rechten Seiten stärcker / als an der lincken sind? daß wir eh als sie veralten sollen? und andere uns angetichtete Schwachheiten? Welche wir aber als der Großmüthigkeit nichts benehmende Gebrechen ohne unsere Verkleinerung leicht enthängen könten. Denn auch die äusserlichen Leibs-Kräfften sind nicht nach der Elle der Glieder abzumessen / sondern wie es nicht genug ist / daß die Natur dem Stahle solche Härte gegeben / es muß selbten allererst das Feuer glüend / der Schleiffstein spitzig und zum Degen machen; also müssen Armen Und Schenckel von der Hitze des Geblüts / und von einer mäßigen Ergiessung der Galle / als der letzten Anfeuchtung wackerer Leute / und dem Wetzsteine der Stärcke beselet werden. Dahero / weil dieser natürliche Zunder eine heimliche Abscheu von Riesen-Knochen hat / findet man in so schwämmichten Menschen / welche dem Ansehen nach Thürme feil tragen möchten / weder Geschicke noch Beregligkeit / wie ich selbst zu Rom am Pusion und Secundellen wahrgenommen / derer zwar eilff und einen halben Fuß lange / aber zugleich baufällige Cörper der Käyser nach ihrem frühen Tode in die Salustischen Gärte begraben ließ. Und weiß ich diese ungeheuere / aber geistleere Geschöpffe nicht besser / als denen Gebäuen zu vergleichen / die von aussen das Ansehen einer Königlichen Burg / innwendig aber Winckel an statt der Zimmer haben. Hingegen hat die niedrige Balsam-Staude mehr Krafft in sich / als die lang-hälsichte Fichte. Das kleine in der Serischen Landschafft Kingcheu wachsende Kraut von tausend Jahren dauret länger / als die Himmel-hohen Cedern / denen doch kein Blat abfällt / die kein Wurm anbeist / indem jenes nimmermehr verdorret. Nun ist das in etlicher Augen so klein scheinende weibliche Geschlechte ja nicht unter die Thiere zu rechnen / welche keine Galle haben / sondern man eignet ihnen hiervon zuweilen auch eine Ubermasse zu. Weniger fleust von einem edlen Stamme die Blüthe des guten Geblüts nur auff die männlichen Zweige / also daß die Hefenden Töchtern übrig bleiben / sondern es wallet die angebohrne Tapfferkeit so wohl in diesen als jenen Adern. Der Granatapffel-Baum trägt so wenig Blüthen ohne Purpur / als Früchte sonder Kronen; also wird auff die Töchter so wohl / als ihre Brüder das hohe Geblüte und der Adel fortgepflantzet. Und alle Helden der Welt haben noch unter den[202] Hertzen der Frauen gelegen. Suchen wir aber das Gestirne dieser unbegreifflichen Tugend in seinem eigenthümlichen Himmels-Zirckel / und diese Blume so wohl unsers / als euren Geschlechtes auff ihren eigenen Stengel / müssen wir nicht die Asche des stinckenden Leibes / noch den Schimmel der faulenden Glieder durchscharren / sondern / weil die Großmüthigkeit eine Lebhafftigkeit des Geistes ist / und ihren Ursprung und Sitz in dem Hertzen hat / müssen wir sie nach der Eigenschafft ihrer hi lischen Wohnstatt urtheilen / und ihr ein Ziel nach dem Maßstabe der unumschräncklichen Seele ausstecken. Diese erscheint zum ersten auff den Kampffplatz / und zeucht am letzten davon ab. Diese verwendet kein Auge /wenn schon der Blitz mit Donnerkeilen um ihr Haupt spielet / oder ihr der Himmel auff den Hals fällt. Diese sieget auch mit zerschmetterten Gliedern / und in dem Staube des Todes. Ist aber wohl das Hertze der Mäñer von anderm Talg als das unsrige? Hat eure Seele einen andern Schöpffer / als wir? Sind alle großmüthige Helden aus dem Geschlecht der Riesen entsprossen? Haben sie alle Armen aus Stahl / und Schenckel aus Marmel gehabt? Bestehet die Tapfferkeit am Ausreissen der Bäume / und Versetzen der Berge? Nein sicher! Junius Valens / welchen ich Pferd und Wagen mit einer Hand anhalten gesehen; Rusticellus / der seinen Maulesel mit einer Hand empor hob; Milo / dem kein Mensch einen Finger beugen konte / werden von mir nicht in die Schau-Bühne der Helden gesetzt. Hingegen sind die / welche die Welt bemeistert / keine ertztene Colossen gewest. Den itzigen Kayser würde niemand seine Thaten an der Grösse / welcher nach des Julius Marathus genommenem Maaße nicht länger / als fünff Füße und ein drittel ist / anschauen. Die auch itzt die Römer geschlagen / den Varus erlegt / die deutsche Freyheit erhalten / sind keine Cyclopen / deren Daumen von Satyren mit Stengeln ausgemessen werden könten. Im Fall aber ja unsere Leibes-Schwäche und Zärtligkeit der Glieder eine Hinderniß der Tapfferkeit / und ein Fehler unsers Geschlechts seyn soll / wird man uns zuversichtlich das Recht zu den Waffen nicht gar absprechen / sondern vielmehr nicht ausser Augen setzen können: Daß auch die Sonne nicht ohne Finsterniß / kein Demant ohne Mangel / keine Rose ohne Dornen sey. Die Königin fiel Thußnelden mit einer ernsthafften Anmuth in die Rede / und meinte: Sie hätte ihrem Geschlechte zum Nachtheil allzuviel nachgegeben; sintemahl es dem Frauenzimmer mehr zum Ruhm als zur Schande gereichte / daß es mit so schwachen Gliedern Helden- und Riesenwercke ausübte. Wäre also ihre Schwachheit denselben Maalen zu vergleichen / welche durch ihren schwartzen Gegensatz den Glantz einer schneeweissen Schönheit erhöheten. Oder es hätte die Natur ihnen diesen Gebrechen mit sonderbarem Fleiß / und zu ihrem Besten angehengt / wormit nehmlich der Neid hieran etwas zu käuen / das männliche Geschlechte aber mit ihnen zu eyvern nicht noch grössere Ursach habe. Der Feldherr konte sich länger des Lachens nicht enthalten / sagende: Er sehe wohl / daß er auff eine so tieffsinnige Beredsamkeit verfallen wäre / welche auch der Warheit abgewinnen könte / und wäre er nur zu vernehmen begierig: Ob sie auch die durch Mißbräuche angenommene Zärtligkeiten des Frauenzimmers heraus zu streichen / und ihr Wort zu reden auff sich nehmen würde. Die Königin verwechselte diesen Schertz mit einem andern / und fing an: So wenig die Heßligkeit schön / und der Irrthum zur Warheit würde / wenn man jene schon in Güldenstücke kleidete / dieser aber eitel Centner-Worte zulegte / so wenig traute sie des Feldherrn Höffligkeit zu / daß er zwischen des Frauenzimmers Rein- und Gemächligkeit / und den Waffen keine Gemeinschafft dulden könte. Die Tugend sey der Wollust [203] selbst nicht so feind / als die Feinde des unschuldigen Epicurus gerne wolten / von denen sie sich wunderte / daß sie nicht den Schöpffer der Welt meisterten / weil er nicht den gantzen Erdkreiß entweder unter dem frostigen Bär / oder unter den alles versengenden Hund-Stern gesetzet / oder daß er es nicht allezeit Winter seyn / und statt der Rosen Disteln / statt des Weines Schleen / statt der Granaten Holtzäpffel wachsen habe lassen. Der Tapfferkeit Absehen ziele allezeit auff den Sieg / dieser aber wäre von der Ergetzligkeit unabtrennlich. Es hätten weder für Alters / noch heute zu Tage nur diese Schlachten gewonnen / und Städte erobert / welche Hände wie Horn / und Gesichter wie Löwen gehabt / welche die Sonnen-Hitze ausgetrocknet / und die Kälte abgehärtet habe. Die alten Persier wären die grösten Zärtlinge / aber die hertzhafftesten Uberwinder anderer Völcker gewest. Die Helden / welche bey Marathon des gantzen Asiens Kräffte erlegt / hätten eitel gekräuselte Haare / eingebalsamte Leiber / und seidene Röcke angehabt. Der grosse Alexander hätte mehrmahls in allen Wollüsten sich gebadet / auff einmahl vier hundert Heerführer auff güldenen Sesseln und auffgebreitetem Purper gespeiset / und bey dem Grabe des weisen Alanus denen / die am meisten trincken würden /ansehnliche Preiße auffgesetzt. Der berühmte Weltweise Xenocrates hätte durch seinen Sieg im Trincken eine vom Dionysius auffgesetzte güldene Krone erworben. Die klugen Könige der Egyptier hätten ihren Gemahlinnen der Stadt Antylla Einkünffte zu Zierrathen ihrer Gürtel gewidmet. Ihm selbst nicht gram /und gleichwohl hertzhafft seyn / seiner Gelegenheit /und gleichwohl der Waffen pflegen / könte so wohl bey einander stehen / als die Rose bey den Dornen /als das Honig bey dem Stachel der Bienen. Warum solten die nutzbaren Früchte / die annehmlichen Blätter an den Bäumen / die Tugend ihren Firnß die Anmuth hassen? Das Hertze selbst / der Sitz der Tapfferkeit wäre beynahe das weicheste Glied am Menschen /dessen Fleisch keine Spann-Adern und Knochen / weniger Klauen noch Zähne hätte. Diesem nach liesse sie ihr nicht ausreden: Es könne sich ein Helden-Geist eben so wohl mit einem zarten Leibe vertragen / als ein schneidentes Schwerdt in eine Sammtene Scheide stecken; Es möge ein Sieger seine Hände wohl in rüchende Handschuch stecken / und ein Uberwinder der Welt unter einem Goldgestückten Zelte seyn. Mit einem Worte: Mich dünckt / die Tugend könne die Wollust zwar nicht zu ihrer Hofmeisterin / wohl aber zu ihrer Gespielin vertragen / und sie sehe sauer /wenn man sie gar zur Magd / oder zum Scheusale machen wil.

Der Feldherr ward ie länger ie mehr verwundernd über dieser Königin tieffsinnigen Schlüssen / und derselben artiger Ausdrückung; gab daher gegen ihr zu verstehen / er gäbe ihr in alle wege Beyfall / daß die Tapfferkeit nicht eben rauh und wilde seyn / Eicheln oder rohes Fleisch essen / unter freyem Himmel oder auff stets umirrenden Wagen wohnen / aus Ochsen-Häuten Häuser bauen / nackt oder in Hanffenen Kitteln gehen müße; Sondern die Tugend könne gar wohl ihrer Gelegenheit pflegen / das Frauenzimmer sich ihrer Tugend anmassen. Alleine die Erfahrung habe leider gewiesen / daß die zuläßliche Beqvemligkeit leicht aus dem Geschirre schlage / die Ergetzung sich in eine häßliche Uppigkeit verwandele. Die Gewächse / welche in Nesseln sich lange hielten / verfaulten alsobald in Blumen. Griechenland wäre an Witz und Großmüthigkeit allen Völckern überlegen gewest / biß ihre Ordnung zum Uberfluße / der Uberfluß zur Wollust / die Wollust zum Laster worden wäre; Und des Aristophanes in einem Schauspiele fürgestellte Frösche / oder des Sophocles Antigone mehr / als der Krieg wider den Xerxes kostete. Die Gallier solten für Zeiten [204] hertzhaffter als wir Deutschen gewesen seyn / welches daher glaublich schiene / daß die Helvetier sich zwischen dem Rhein und Mayn / die Bojen aber in dem Hercinischen Walde niedergelassen / und die Deutschen überwältigt hätten. Es hätte sie aber ihr Reichthum unbewehrt gemacht / und ihr Wolleben sie so verzärtelt / daß die Römer / welche schon einmal mit uns Deutschen angebunden hatten / es ihnen für Schande hielten / wenn sie wolten wider die weibischen Gallier geführet werden. Dahero die verschmitzten Römer durch ein besonderes Kunststücke mehr Völcker durch angewöhnte Wollüste / durch Einführung warmer Bäder / durch Bauung kostbarer Lustgärte / durch Anrichtung prächtiger Gastmahle / durch Fürstellung lustiger Schauspiele / als mit ihren Waffen unters Joch gebracht. Sintemal die groben geschwinder geritten sind; durch Wollüste aber gewohnt man ehe der Ruhe und des Müssiggangs. Hingegen hat die unbändigen Scythen ihre rauhe Art so viel tausend Jahr wider den mächtigen Vexoris / wider den gewaltigen Cyrus /wider den grossen Alexander erhalten / und an sie fast alleine haben sich die stoltzen Römer noch nie gewagt. Ihre Einfalt oder Ungeschickligkeit hat ihnen den Schatz des Goldes / die Geschickligkeit der Künste / zugleich aber viel schädliche Laster wolgesitteter Völcker verborgen. Diese Unwissenheit aber hat ihnen mehr gefruchtet / als andern die Wissenschafft der Tugend. Ja ihnen und uns sind zu selbsteigener Erhaltung die unschuldigen Sitten nützlicher gewest /als den Griechen und Römern ihre heilsame Gesetze. So lange in Deutschland keine andere Schauspiele gewesen / als da die nacketen Jünglinge über blosse Degen und Spiesse sprangen / und dafür keine andere Belohnung / als das Wolgefallen du Zuschauer suchten / hat kein Deutscher einen Römer gefürchtet /noch die Begierden sie ihnen zinß- und dienstbar gemacht. Nun aber kan ich meine selbsteigene Schande nicht verschweigen / daß ich unter ihnen Kriegs-Sold verdienet.

Der Feldherr hätte noch länger geredet / wenn nicht Adgandester / sein geheimster Rath / ins Gemach kommen / und ihm die Ankunft eines Gesandten von Gottwalden / einem Hertzoge der an der Weichsel und dem Baltischen Meere gelegener Gothonen angemeldet / und zugleich andere geheime Schreiben abgegeben hätte. Diese aber nöthigten ihn von der Königin höflichen Abschied zu nehmen / und weil allbereit die Demmerung einbrach / seine wunderschöne Braut wider auf ihr Zimmer zu begleiten.

Folgenden Morgen hielt der Feldherr mit anbrechendem Tage Fürsten-Rath / die Königin aber ließ Thußnelden vermelden: Sie hätte auf ihr annehmliches Gespräche so wol geruhet / und darvon so viel Kräfften empfunden / daß sie ihr in ihrem Zimmer aufzuwarten mächtig und begierig wäre. Thußnelde beantwortete ihren Edel-Knaben / derer etliche der Catten Hertzog aus seinen Gefangenen sie wieder zu bedienen loßgelassen hatte: Es wäre zwar ihre selbsteigene Pflicht sich in der Königin Zimmer einzufinden / doch wolte sie lieber etwas ihrer Höfligkeit abbrechen / als dem zuentbotenen Befehl widerstreben. Sie erwartete also höchstbegierig die Gelegenheit ihr die Hände zu küssen. Ismene fand inzwischen sich auch bey Thußnelden ein. Bey erfolgender Zusammenkunft umbfingen diese drey Heldinnen einander mit einer so grossen Verträuligkeit / als wenn sie nicht alleine vieljährige Freundschafft mit einander verknüpft /sondern auch selbst das Geblüte zusammen verbunden hätte. Thußnelde hatte für die Königin und ihre Gefertin Salonine alsofort / weil so wol ihre Sprache als Leute / daß sie eine Morgenländerin wäre / kund gemacht hatten / von Persischen Teppichten ein ihrer Landes-Art und Bequemligkeit dienendes Bette aufputzen lassen / für sich und Ißmenen aber zwey Helffenbeinene [205] Stüle nach deutscher Art behalten. Diese Anstalt machte der Königin alsofort ein Nachdencken / und nach dem sie eine Weile von des vorigen Tages Gesprächen geredet / des Feldherrn Tugenden und Höfligkeit überaus heraus gestrichen / und seinetwegen Thußneldens Glückseligkeit gepriesen hatte /fragte sie Thußnelden: Wie sie darzu käme / daß sie ihr einen in diesen Ländern so frembden Sitz zubereitet hätte? Thußnelde antwortete: Sie stünde in denen Gedancken / daß die von Kind-an gewohnte väterliche Sitten zur Gemächligkeit am dienlichsten wären. Wie / sagte die Königin / woher wissen sie denn mein Vaterland? Thußnelde lächelte / und fing an: Es hat mirs nicht allein die Sprache zum theil verrathen / daß sie eine Morgenländerin sey / sondern mein Fürwitz /oder / wahrer zu sagen / meine zu ihr tragende Zuneigung haben bey mir eine ungemeine Sorgfalt erwecket / mich nicht allein umb ihren Ursprung / sondern auch gantzen Zustand zu bekümmern. Von dem erstern hätte sie etwas muthmaßliches / von dem letztern aber gar nichts ergründen können. Die Königin bemühete sich diese so geneigte. Erklärung mit einer empfindlichen Dancksagung zu beehren / und zu vermelden: Sie könte nicht umbstehen / daß sie eine Morgenländerin wäre / ihr Lebenslauff aber hätte so viel Bitterkeit an sich / daß auch dessen blosse Wissenschafft mitleidentlichen Seelen schmertzhafte Empfindligkeit zu erwecken mächtig wäre. Thußnelde begegnete ihr: Sie hielte dafür / daß wie etliche Früchte eine annehmliche Säuere / also das Mitleiden über dem Leiden der Tugend eine durchdringende Anmuth habe. Und die erwähnten Unglücks-Fälle wären eben ein gewisses Merckmal so wol ihrer Tugenden / welche in so kurtzer Zeit aller Gemüther an sich gezogen hätten / als der hohen Ankunft. Denn es hätte das Verhängnüß entweder seine Lust / oder ein den Leidenden zum besten zielendes Absehen / nichts weniger das Glücke hoher Geblüts-Personen / als den Glantz nur der zwey grossen / nicht der kleiner Himmels-Lichter zu verfinstern. Dieses Ungewitter treffe noch darzu öfter die Tugend-als Lasterhaften; nicht anders / als der Blitz mehrmals in Kirchen / als Huren-Häuser /die Schlossen den Weitzen / nicht das Unkraut niederschlügen. Denen See-Räubern diente wohl eh eine Steinklippe zur Windstille / an der ein Heiliger gescheitert hätte. Die Königin fing an inniglich zu seufzen: Ja / sagte sie / ich habe es / leider / allzusehr erfahren / daß die Unschuld nicht selten Ketten und Bande schleppen / die Tugend auf dem Blut-Gerüste vergehen müsse / wenn die Boßheit auf Rosen geht /und ein Wüterich den Königlichen Stul einni t. Ach! aber / auf was für Schwachheit verleitet mich meine Ungedult? Wer wider sein Unglück murret / geust in das / was er gerne ausleschen sehe / nur Oel. Wer mit den Schickungen des Verhängnüsses nicht zu frieden ist / entfrembdet sich von den Göttern / suchet sich in sich selbst / und verlieret sich darüber. Er schleppet die Kette seines Ungemachs mit grosser Beschwerligkeit nach sich / die er viel leichter tragen könte. Ißmenen wurden hierüber die Augen nichts minder / als der Königin / wäßricht / und fing sie an: Es wäre wahr /daß / wer die Gedult in seinem Hertzen behielte /wenn ihn das Unglück gleich aller Güter beraubete /dörfte sich über keinen Verlust beschweren. Sie wäre das Oel / welches alle Hertzens-Wunden heilte / und der köstliche Balsam / welcher auch die halbtodten wieder beseelte. Ja / sagte Erato / diese ohmächtige Tugend hat mich wider das Ungeheuer der Verzweifelung kräftiger / als Perseus Andromeden für dem grausamen Meer-Wunder vertheidiget; und da der Himmel selbst mich zu zermalmen gedräuet / hat mir die Hoffnung stets ein gut Hertze gemacht: Wenn es das Ansehen gewonnen / als wenn das Verhängnüß mich nur deswegen nicht tödtete / weil es mein ängstiges Leben zu einem ärgern Ubel aufhübe / hat das Vertrauen auf die Göttliche [206] Weissagungen mich doch iederzeit aufgerichtet. Diesemnach ich denn gerne eine Beypflichterin der Elpistischen Weisen zu seyn gestehe / welche die Hoffnung für das höchste Gut hielten /und sonder diese das Elend des Lebens für unerträglich; hingegen derselben Meynung als irrig verwerffe /die auch das vollkommenste Gut / das nicht gegenwärtig ist / für kein Gut halten / weil es allererst kommen soll. Weswegen ich zu Athen in dem Tempel des guten Glückes für dem Bilde der Hoffnung sieben Tage lang meine Andacht verrichtete. Dieses Heiligthum ist wegen des von dem Bupalus aus Marmel gehauenen / die Erdkugel auf dem Haupte / und der Amalthee Horn in der Hand haltenden Glücks-Bildes sehr berühmt / in welches sich ein Griechischer Jüngling so sehr verliebt / daß / als er dessen von dem Rathe zu Athen nicht umb groß Geld habhafft werden konte /nach dessen Bekräntz- und vieler Thränen Vergiessung selbtes umbarmende sich tödtete. Weil nun das Bild der Hoffnung und ihr Altar nahe darbey stand /ward diese von allen / die das Glücke anbeteten / ebensfalls verehret. Auf allen vier Seiten des Altar-Fusses sind so viel Wachs-Taffeln / darein die Betenden mit einem Griffel ihre Wüntsche und Gelübde zu schreiben pflegen. Den sechsten Tag fand ich darinn diese Reime gekritzelt:


Welch Wahnwitz zündet hier der Hoffnung Weyrauch an?
Die nur die Hungrigen aus leeren Schüsseln speist /
Ein Traum der Machenden / ein Schatz der Armen heist /
Weil sie mit ihrem Nichts die Einfalt bländen kan.
Was hilfst' s / daß sie mit Noth das Leben uns noch läst?
Wenn sie sich gegen ihn als einen Hencker zeugt /
Durch Schatten / Rauch und Wind Begierd und Wuntsch betreugt /
Ja mehrmals in ein Horn mit unserm Unglück bläst.

Ich entsetzte mich über dieser verzweifelten Schändung derselben Gottheit / welche ich als meinen einigen Glücks-Stern / wie die Afrikanischen Ziegen den aufgehenden Hunds-Stern verehrte. Diesemnach ich aus einem Andachts Eifer wider den verzweifelnden Wallfarther mit folgenden Zeilen meine Rachgier ausließ:


Welch Unmensch ist / der nicht der Hoffnung Weyrauch schenckt?
Die doch des Landmanns Pflug / des Schiffers Ruder regt /
Verliebter Leit-Stern ist / des Kriegsmanns Faust bewegt /
Halbtodte lebend macht / Blutarme speist und tränckt.
Was sie gibt / ist nicht Nichts; scheint sie gleich nichts zu seyn /
Wer ohne sie verdirbt / genest durch ihre Hold.
Wenn die Verschwenderin das Glücke / Gut und Gold
Uns raubt / bringt den Verlust die milde Hoffnung ein.

Den siebenden Tag / fuhr die Königin fort / war ich die erste im Tempel / wie ich den Abend vorher die Pfosten desselbten selbst zugeschlossen hatte. Zu meiner höchsten Verwunderung aber fand ich unter meinen Reymen nachfolgende aufs zierlichste in Wachs gedrückt:


Die Hoffnung kan nicht fehln / es muß der Wuntsch bekleiben /

Wenn wir ein Reich verschmähn / und treu im Lieben bleiben.


Diese sich auf meinen Zustand so wol schickende Schrifft befestigte mein Gemüthe mehr als vorhin nichts anders; weil ich sie für nichts anders / als für eine Göttliche Antwort hielt / und ich lasse sie auch noch niemals aus meinen Gedancken.


Thußnelde fing hierauf an: Dieser Vorschmack ihrer Zufälle machte sie so viel lüsterner den völligen Verlauff zu vernehmen; wordurch der Königin ein unzweifelbarer Ruhm / ihr und Ismenen aber eine vollkommene Vergnügung erwachsen würde. Die Königin Erato antwortete: Es wäre wol wahr / daß die Geschicht-Schreiber so sorgfältig wären die unglückseligen in ihre Zeit-Register / als die Sternseher die Finsternüsse in ihre Jahr-Bücher aufzumercken; iedoch wüste sie nicht zu urtheilen: Ob die ruhenden wie die fallenden Lufft-Sterne mehr Glantz / oder / wie der verfinsterte Monde mehr Schatten bekämen. Einem Unglückseligen wäre die Eindenckmachung des vergangenen Ubels zwar so schmertzhafft / als einem Verwundeten die Anrührung des Schadens. Daher sie insgemein [207] wie das fühlende Kraut Egypten geartet sind / welches / wenn man es anrühret / seine Zweige zurücke / seine Blätter zusammen zeucht / oder gar verdorren läst. Alleine / dafern zwo so gütige Fürstinnen aus dem Nacht-Gemählde ihrer traurigen Begebnüsse einiges Anmuths-Licht zu holen vermeynten /könten sie ohne schwärtzesten Undanck selbtes ihnen nicht entziehen. Ihre Zuversicht zu so tugendhaften Heldinnen verbiete ihr auch das geheimste / was sie unter ihrem Hertzẽ hätte / zu verhelen. Da es ihnen denn beliebig wäre / solte ihr das geringste nicht verschwiegen bleiben / welches iedoch sie selbst für Wehmuth ohne Irrthum schwerlich würde werckstellig machẽ. Es solte aber Salonine ihre Stelle vertreten; iedoch / weil diese Erzehlung zugleich eine Entdeckung ihrer Schwachheiten seyn würde / könte ihr kein grösseres Glücke begegnen / als da die tugendhafte Thußnelde sie hernach der Wissenschafft ihrer Zufälle würdig machte / die ohne diß schon durch ihre mehrmalige Seufzer zum Theil verrathen wären. Die Gemeinschafft des Unglücks würde vielleicht beyden zu einer Erleichterung / Thußneldens Tugenden aber ihr zu einer Richtschnur ihres künftigen Wandels dienen. Thußnelde begegnete ihr: Ihre Fehler könten keinen andern Wegweiser / als zu einem Irrgarten abgeben /sonst aber würde es ihre selbsteigne Erleichterung seyn / wenn sie für einer solchen Königin / welche aus eigenem Betrübnüß so viel mehr Zunder des Mitleidens gefangen hätte / ihr gantzes Hertz ausschütten könte. Aller auf Saloninen gerichtete Augen nöthigten diese numehr gleichsam durch die stu e Erinnerung ihre Erzehlung folgender gestalt anzufangen:

Ich zweifele zwar nicht / daß die so kluge Fürstin Thußnelda durch das Geschrey das in der Welt so berühmte Reich Armenien / welches nach dem Parthischen allen andern Asiatischen Reichen an Grösse überlegen ist / auch zum Theil werde haben kennen lernen. Gleichwohl aber wil ich mit wenigen Worten melden: Seinen Nahmen soll es haben entweder von seinem ersten Bewohner Togarma / oder von des Helden Melichus Vaterlande / einer Thessalischen Stadt Arimenus / welchen König Pelias eben so wol als den seiner Tugend halber zu Hause verdächtigen Jason in Colchis nach dem güldenen wieder zu schiffen genöthiget. Ob sie nun wohl diese gefährliche Reise glücklich überstanden / Jason auch seine Colchische Gemahlin Medea verstieß / und den mit ihr gezeugten Sohn Absyrtus aufopferte / ward er doch mit seinem rittermässigen Hauffen von des Pelias Kindern wieder aus dem Lande gejagt. Thußnelda fiel ein: Es müssen die Griechischen Wüteriche mit der denen Herrschenden so sehr verhaßten Tugend noch viel gelinder / als andere / gebahren / weil sie sie alleine mit der Landsverweisung straffen / da sonst insgemein die Tugenden den gewissesten Untergang nach sich ziehen / wie Aristodemus bey den Cumanern / Polycelus von seinem Bruder Hiero / und Clytus vom grossen Alexander erfahren; ja Tyrannen ihren Stul am meisten zu befestigen sich träumen lassen / wenn sie nur die Tugend mit Strumpf und Stiel ausrotten könten. Aber /fuhr Salonine fort / vielmal gereichet ihr auch diese Bedrängnüß nichts weniger / als der Sturm-Wind der schon halbtodten Flamme zum Vortheil. Jason kam mit der wieder zu sich genommenen Medea in Colchis / setzte seinen verstossenen Schweher-Vater Aetes wieder ins Königreich ein / bemächtigte sich vieler Morgenländer / öffnete dem sonst die Thäler ersäuffenden Flusse Araxes einen Außfluß in das Caspische Meer / weßwegen ihm daselbst Göttliche Ehre angethan / und viel Tempel / besonders ein sehr herrlicher in der Stadt Abderis / den hernach der Neid des Parmenio eingeäschert / gebauet worden. Nach seinem Tode richtete Medius der Meden / oberwehnter Armenius mit seinen zusammen gezogenen Thessaliern das Armenische Reich auf. Nach einer langen Reyhe seiner Nachkommen bemächtigten die Perlen / hernach die Macedonier / und endlich die Syrer sich dieses mächtigen und von der Natur befestigten Reichs. [208] Sintemal es von dem Taurischen und Masischen Gebürge / worauf der Schnee so gar madicht wird / und zuweilen gantze Heere verschlinget / von dem Caspischen und Schwartzen Meere umgeben / und von sechs Hauptflüssen / nemlich dem Phrat / Tyger / Cyrus /Araxes / Phasis / und Lycus / derer immer zwey in ein absonderlich Meer flüssen / beströmet wird. Es hat nebst andern Reichthum nicht nur viel / sondern die edlesten Pferde / also / daß die Parthischen Könige kein anders reiten / und unter dem Persischen Reiche wurden dahin jährlich zwantzig tausend Fohlen gezinset. Unter oberwehnten Königen war Hydarnis aus des Orontes Geblüte der letzte. Als aber der grosse Antiochus von den Römern überwunden ward / theilten sich zwey seiner Landvögte Artaxias / und Zadriades in das grosse und kleine Armenien / welche von den Römern auch für rechtmäßige Könige erkannt /hernach aber vom Antiochus Epiphanes vom Reiche verjagt wurden. Ja Artaxias / der sein Geschlechte vom Könige Barzanes herführte / welcher lange für dem Jason diß Reich beherrscht / und mit dem Assyrischen Könige Ninus ein Bündnüß gemacht hatte / gerieth selbst in des Syrers Hände. Allein sein Sohn Tigranes und Zariadres rufften die Parthen zu hülffe /und gab jener sich selbst / dieser aber seinen Sohn Artanes Sophen ihnen zur Geissel / daß sie nach wiedererlangtem Reiche den Parthen siebzig Thäler in Armenien abtreten wolten. Antiochus ward hierüber so erbittert / daß er den Artaxias im Gefängnüsse hinrichtete / und Zariadres starb durch Gifft. Die Waffen der Parthen aber setzten den Tigranes und Artanes wieder auff ihren väterlichen Thron. Tigranes ließ alsofort fürtreffliche Zeichen seiner Herrschens-Kunst und Tapfferkeit von sich blicken / also daß die Parther selbst darüber Nachdencken kriegten / und um seine Kräfften zu unterbrechen dem Artanes in Ohren lagen / daß er mit dem Tigranes einen Gräntz-Streit /und zugleich einen Krieg anfing. Wiewol andere diesem Kriege eine viel geheimere Ursache gegeben /nemlich / daß des Artanes Gemahlin an den Tigranes Unehre vermuthet / und / weil dieser seines wolthätigen Wirthes Bette nicht besudeln wollen / habe dieses geile Weib ihre Unkeuschheit in Rache verwandelt /und unter dem tugendhafften Vorwande / daß Tigranes an sie diese Schandthat begehret hätte / den Artanes die Waffen zu ergreiffen beredet. Die Fürstin Thußnelda fiel Saloninen ein / und meldete: Es wäre diß ein denckwürdiges Beyspiel / daß die Ursachen und der Vorwand eines Krieges meist gantz abgesonderte Dinge wären. Es fiele ihr hierbey Meleagers Ehweib ein / von welcher ihr wäre erzehlet worden / daß sein König / als andere ihre Liebhaber so viel von ihrer Schönheit und Anmuth zu sagen gewüst / auf sie einst ein Auge geworffen / auch von derselben / welche nicht leicht einen verzweifeln / oder in seiner Liebe Schiffbruch leiden ließ / unschwer diß / was sie wol geringern nicht versagt / erlangt haben würde /wenn der König nicht ihre Waare weit unter dem Ruff befunden / und sich ihrer ohne Vergnügung entbrochen hätte. Den Schimpf dieser in ihren eigenen Augen so ansehnlichen / und ietzt zum ersten verschmähten Schönheit dräuete sie ihme ins Gesichte zu rächen / und wie sie ihrem Ehmanne die durch nichts als durch Blut ausleschliche Flecken der ihrer Keuschheit zugemutheten Unehre meisterlich fürzubilden wuste; also war ihre Ehre täglich allen denen feil / welche nur mit Meleagern wider den König den Degen auszuziehen sich erkläreten. Derogestalt ward dieser tapffere Mann ein Aufrührer wider seinen Herrn / ein Kriegesknecht seines geilen Weibes / da doch andere die Ursache seines Aufstandes viel weiter herholten / einer / daß der König in Macedonien in Anwesenheit der Thessalischen Gesandschafft ihm schimpfliche Worte gegeben; Ein ander / daß [209] er seinem Sohne ein Ehren-Amt versagt / der Pöfel aber /daß die Liebe der Freyheit und des alten numehr untergedrückten Gottesdiensts ihn zum Kriege bewogen hätte. Die Armenische Königin setzte bey: Dieses wären noch gar wichtige Ursachen eines mittelmäßigen Krieges. Den weltberühmten Zug des grossen Xerxes in Griechenland / da er drey mahl hundert tausend Menschen ausgerüstet / Berge abgetragen / Flüsse ausgetrocknet / Meere ausgefüllet / hätte ein Griechischer Artzt der Persischen Königin durch ihr Einblasen erreget / weil er gerne noch einst den Pyreischen Hafen gesehen / und zu Athen gewachsene Feigen gegessen hätte / da doch dieser Qvecksalber seine Reise mit geringern Kosten verrichten können; Hingegen Xerxes zu Ursachen seines Krieges anführte: Er käme die Griechen aus einer so magern Dienstbarkeit / die sie von so viel kleinen Wüterichen erduldeten /in eine reiche Freyheit zu versetzen / ja die unsterblichen Götter hätten ihn zu seiner Entschlüssung gebracht / und die Sonne wäre der erste Urheber seines Krieges. Freylich wol / fing Thusnelda an / auch unser Deutschland hat mit seinem Schaden erfahren / daß aus einem kleinen Qvelle grosse Flüsse / aus einem Funcken unausleschliche Brände / aus einem übel-aufgenommenem Worte lange Kriege entstanden / daß eine Tracht einer gewissen Farbe den Adel eines gantzen Volckes zergliedert / eine auffgerichtete Säule /ein Sinnenbild / das andere auf sich gezogen / viel Aufrühre gestifftet / und daß die heimliche Verschneidung eines Cammerdieners manchen grossen Reichs-Colossen von seinem Ehrenstande gestürtzt. Also haben so wol die grossen Schauplätze der Königreiche / als die Gaucklerbühnen mehrmahls euserlich ein prächtiges Ansehen / wenn man aber hinter ihre Schirme gucket / ist ihr gantzes Gebäue lachens werth. Die Königin pflichtete ihr bey / und fing an: Nachdem selten iemand aus blosser Liebe der Gefahr / wie von Deutschen insgemein geglaubet wird / oder aus blossem Durfte nach Menschen-Blute / wie die wilden Thiere / seinen Nachbar überzeucht / sondern Geitz und Ehrsucht die älteste und gemeinste Ursache des Krieges ist / so hat man sich nicht zu verwundern / daß fast alle mahl von den Herrschsüchtigen die wahre Ursache und das Absehen ihrer blutbegierigen Entschlüssungen versteckt / und fast iederzeit die scheinbaren Nahmen des Gottesdienstes / der Gerechten Rache / und der Freyheit zum Vorwandt gebraucht werden. Es ist unnöthig in das Alterthum zurück zu sehen. August verdeckte seine Herrschenssucht in dem Bürgerlichen Kriege meisterlich mit der Frömmigkeit / welche ihn nöthigte den Todt seines Vatern Julius wider den Brutus zu rächen. Antonius gebrauchte sich auch dieser Farbe wider den Decimus /welcher ihm Gallien anzuvertrauen verhindert hatte; Gleichwohl aber bin ich in denen Gedancken / daß es nicht allemahl rathsam sey auch in gerechten Kriegen / weder die wahre Ursache / noch das eigentliche Absehen kund zu machen. Sintemahl der Kern aller kluger Entschlüssungen in derselben Heimligkeit bestehet. Auch der / welcher die beste Karte hat / muß insgemein verspielen / der ihm darein sehen läst. So begreifft auch Volck und Pöfel nicht allezeit die Gerechtigkeit eines Fürnehmens / sondern man muß selbten an dem Fademe seines Eigennutzes an sich ziehen /und / wenn selbter durch widrige Verleitung wilde gemacht worden / ihm selbsten zum besten / selbten wie die kollernden Pferde bländen. Salonine brach ein /um in ihre Erzehlung wieder einzufallen: Artanes wuste seinen Krieg so klüglich nicht auszuführen /sondern seine Eyversucht blickte bald für / seiner Unterthanen Abneigung brach mit seinem Unglücke bald aus. Denn der großmüthige Tigranes erlegte ihn in der ersten Schlacht biß aufs Haupt / und er leschte mit seiner [210] eigenen Hand der unleidlichen Neben-Sonne Armeniens das Licht aus / welches vollends für dem Sieger alsofort die Waffen niederlegte. Mit dieser vereinbarten Macht nahm er denen auf des Artanes Seite stehenden Parthern nicht allein die abgetretenen siebzig Thäler wieder / sondern er bemächtigte sich auch der Parthischen Städte Ninus und Arbela. Diese Siege erwarben ihm des grossen Pontischen Königes Mithridatens Tochter / und diese Verbindung zweyer so mächtigen Reiche in gantz Asien ein so grosses Ansehen / als kein Armenischer König für ihm nie gehabt hatte. Die Syrer rufften ihn wider die Bedrängnisse ihrer vom Seleucus herstammender Könige zum Schutzherrn an / und hierdurch brachte er alles / was zwischen dem Phrat und Tiger liegt / die Atropatener und Gordyeer unter sein Gebiete / ja er bemächtigte sich gantz Syriens und der Phönicier; baute auch zum Gedächtnisse dieser grossen Thaten zwischen Iberien und der Stadt Zeugma an dem Flusse Nicephorius die mächtige Stadt Tigranocerta / beschloß sie mit einer Mauer funfzig Ellenbogen hoch / und mit einem fast unüberwindlichen Schlosse. Höret aber / wie das Glücke meistentheils nur deßhalben einen bereichere /daß es hernach mit ihm durch Abnehmung einer reichen Beute seine Kurtzweil habe / und wie es seine gestrige Schoß-Kinder heute in Staub und unter die Füsse trete! Ja es vergnüget sich nicht am Raube seiner eigenen Geschencke / sondern windet einem auch den Gewinn der Tugend aus den Händen. Welche zwey grosse Räder des Verhängnüsses mit einander viel Jahre gestritten hatten / ob diß oder jenes unter beyden den Tigranes am höchsten empor heben könte? Jedoch hatte es das Ansehen / als wenn das Glücke seinen Kräfften mißtrauete / daß es dem Tigranes in seinen selbsteigenen Reichshändeln etwas anhaben würde / dahero es seinen so feste bergseten Wolstand nicht so wohl mit eigenen Händen auszurotten / als durch den Fall eines andern grossen Glücks-Steines in Abgrund zu reissen erfand. Der grosse Mithridates war vom Sylla und Lucullus so sehr ins Gedrange gebracht / daß sein eigener Sohn Machar des Bosphors König vom Vater absetzte / und den Lucullus mit einer güldenen Krone beschenckte / um der Römer Freundschafft zu erlangen. Tigranes aber war viel zu großmüthig / daß er nicht lieber der Römer sieghaffte Waffen ihm über den Hals ziehen /als seinen zu ihm sich flüchtenden Schweher-Vater dem Lucullus hätte sollen ausfolgen lassen. Dieser aber kam ihm so unvermuthet auf den Hals / daß Tigranes den / welcher ihm von der Römer Einfall in Armenien die erste Post brachte / als einen Aufwiegler des Volcks aufhängen ließ. Thußnelde fiel ihr ein: Ich erinnere mich / daß zu meiner Zeit ein Fürst / als man ihm von mehr denn zu gewisser Eroberung einer Berg-Festung sagte / den Boten hönisch fragte: Ob er gesehen / daß des Feindes Kriegs-Volck geflügelt wäre? Aber der Glaube kam ihm bald in die Hand /und der Feind ins Hertze seines Hertzogthums. Nichts anders / sagte Salonine / ging es dem Tigranes. Denn sein den Römern mit zwey tausend Pferden begegnender Obrister Mithrobarzanes ward von dem Vortrab zerstreuet / Mancäus in Tigranocerta belägert / und das dabey liegende Schloß ging mit Sturm über. Tigranes versammlete inzwischen ein Heer von drittehalb hundert tausend zu Fusse / und funfzig tausend Reutern. Orontes sein Feld-Hauptmann fiel den Belägerern für Tigranocerta ein / erlösete auch das gefangene Königliche Frauenzimmer aus ihren Händen. Der König aber ging gerade auf den Lucullus loß. Wiewohl ihm nun Mithridates rieth / er solte keine Schlacht liefern / sondern / wie es Lucullus bey der Stadt Cycizum [211] ihm gemacht / und dardurch sein gantzes Heer zernichtet hätte / nur mit der Reuterey das Römische Heer hinten und fornen ofters anfallen und müde machen / das Land rings umbher verwüsten /und die Lebens-Mittel abschneiden. Alleine dieses Kunst-Stücke deuchtete dem Tigranes nicht genungsam heldenmäßig / und aller Verzug knechtisch zu seyn / zumal er die Römische Macht / als er derselben ansichtig ward / zu Gesandten für zu starck / zu Feinden für zu schwach schätzte. Diesemnach schlug Tigranes mit dem Lucullus / dieser aber erhielt durch eine besondere Kriegslist in Eroberung eines vortheilhafftigen Hügels / und durch halsbrüchiges Verbot /bey währender Schlacht keine Beute zu machen / die Oberhand. Thusnelde fing hierüber an: Es ist die erste Staffel zum Verlust die Verachtung seines auch schon halb bezwungenen Feindes / und die / welche iemals zu ihrem in den Händen habenden Siege Zuschauer gebeten / oder ihren Feind hönisch gehalten / sind meistentheils vom Glücke / oder ihrer Vermessenheit hinters Licht geführet worden. Es war wenig Zeit dazwischen / da Democritus / welchen Qvinctius ihm den Etolischen Rathschluß / darinnen sie den Antiochus zu hülffe geruffen hatten / zu weisen ersuchte /ihm verächtlich antwortete: Er wolte solches ihm in Italien zeigen / wenn er dar sein Läger auffgeschlagen haben würde / und da er des Qvinctius Gefangener ward. Solonine antwortete: Ja / und das Mißtrauen ist die andere Staffel des Untergangs. Jene machet nur sein eigenes Volck fahrläßig / dieses aber gar zu Feinden. Hierinnen verstieß Mancäus / als er nach erlangter Nachricht vom Verluste der Schlacht in der belägerten Stadt Tigranocerta alle in Griechenland geworbene Kriegsknechte entwafnete. Denn diese rotteten sich mit Prügeln zusammen / und als Mancäus mit seinen Armeniern auf sie loß ging / wickelten sie ihnen statt der Schilde die Mäntel um den lincken Arm / fielen ihren Feind verzweifelt an / biß sie von den Waffen der Erlegten sich wieder bewehrt machten / sich etlicher Thürme an der Stadtmauer bemächtigten / und den Römern selbst hinauf / und zu Eroberung dieser reichen Stadt verhalffen. Tigranes suchte hierauf nichts weniger als Lucullus bey den Parthern Hülffe; derer König solche auch zwar beyden heimlich versprach / aber keinem schickte / aus vernünfftiger Erwegung / daß der Ausschlag des Krieges noch ungewiß wäre / und sich einer leicht selbst in das Garn verwickeln / oder der undanckbare Nachbar auch wol gar seinen Helffer in dem Leime stecken lassen könte / daraus ihn das gegen sich selbst oft allzu unbarmhertzige Mitleiden errettet hatte. Dessen aber ungeachtet / brachten die in das kleinere Armenien gewichene Tigranes und Mithridates wieder ein mächtiges Heer auf die Beine / schlugen anfänglich den Fabius / der aber durch Freylassung aller Knechte sich wieder erholete / und den Mithridates mit einem Steine unter dem Auge hefftig verwundete; hernach erlegten sie den Triarius aufs Haupt / welcher des Lucullus ihm zu wissen gemachte Ankunfft nicht erwarten /sondern die Ehre des Sieges alleine davon tragen wolte / und also mit seiner fruhzeitigen Stürmung des feindlichen Lägers vier und zwantzig Obersten / hundert und funfzig Hauptleute / als die Römer kaum iemahls sonst verlohren / auf die Schlachtbanck lieferte. Weßwegen auch Lucullus zurück gefodert / und der grosse Pompejus / der sich gleich durch Vertilgung der Seeräuber in grosses Ansehen gesetzt hatte / zu Ausführung dieses Krieges mit unverschrenckter Gewalt gemächtiget ward. Pompejus war wider den Mithridates so glückselig / daß dieser zu den Scythen und denen um den Mäotischen Pfuel wohnenden Völckern seine Zuflucht nehmen muste. Nichts minder schlug er den König der Albaner Orozes / und der Hiberer Artocus / sammt denen in ihrem [212] Heere vermischten Amazonen / und drang hierauf dem Tigranes und seiner Hauptstadt Artaxata auf den Hals. Tigranes aber / der in seinem eigenen Reiche und Hause so viel Feinde hatte / hielt es nicht für rathsam / die innerlichen Wunden mit euserlichen zu häuffen / und mit dem Pompejus sich in einen gefährlichen Krieg zu vertieffen. Denn sein ältester Sohn Barzanes hatte sich wider ihn empöret / und sein Leben in einer Schlacht eingebüsset. Den andern aber / Pharnaces genennt / hatte Tigranes auf der Jagt mit eigener Faust durchstochen / weil selbter ihm / als mit dem Pferde bey Verfolgung eines Hirsches stürtzenden Vater nicht aufgeholffen / sondern vielmehr die vom Haupte gefallene Krone seinem aufgesetzt. Sein dritter Sohn Tigranes hatte ihn zwar unter dem stürtzenden Pferde hervor gerissen / und war deßwegen von dem Vater mit einer güldenen Krone beschenckt worden / alleine kurtz hierauf ward er ebenfalls meyneidig / und / nach verlohrner Schlacht / flüchtete er sich anfangs zu dem Parthischen Könige Phraates / der seinem Vater Sintricus erst im Reiche gefolget war; hernach aber auf des Parthers Eingeben zum Pompejus / ungeachtet er des feindlichen Mithridates Tochter Sohn war / führete auch selbst wider seinen eigenen Vater ein Kriegs-Heer in Armenien. König Tigranes setzte bey so bekümmertem Zustande sein Vertrauen auf des Römischen Feldherrn beruffene Treue und Glauben / lieferte nicht allein Mithridatens Gesandten / sondern auch sich / sein Reich / und die Hauptstadt Artaxata ohne Erlangung einigen sicheren Geleites in des grossen Pompejus Willkühr / legte seinen Purpur-Mantel ab /und die Krone knieende zu Pompejus Füssen / nur daß er seinen abtrünnigen Sohn bey ihm anklagen konte / welcher für seinem Vater nicht aufstand / weniger gegen ihm einige Ehrerbietung bezeugte / ja auch bey dem Abendmahle / dazu Pompejus seinen Vater und ihn einlud / nicht erscheinen wolte. Also ist die Rachgier mächtiger / als die Staats-Klugheit / und das Bündniß des Geblütes. Tigranes hingegen beschenckte den Pompejus mit 6000. Talenten / und das gantze Römische Heer nach Standes Gebühr / entschuldigte seinen vorigen Krieg mit Mithridatens naher Anverwandniß. Pompejus nam den Tigranes mit dem Bedinge / daß er die in Syrien und Cilicien noch besatzte Plätze abtrete / für einen Freund der Römer an / machte zwischen ihm und seinem Sohne einen Vergleich / kraft dessen jener das grosse / dieser das kleinere Armenien beherrschen solte. Alleine der junge Tigranes ließ sich etliche meineydige Armenier verleiten / daß er seiner Stief-Mutter der Königin Asterie mit Gifft vergab / und auf seinen Vater wegelagern ließ um ihn zu ermorden. Alleine die Schutzgötter Armeniens / welche unter keinem scheinbaren Vorwand solche Meuchelmörde billigen / liessen diesen unmenschlichen Sohn in sein eigenes Garn fallen. Denn die zu Beschirmung des Königs mitgegebene Römer nahmen ihn gefangen / und nöthigten hierdurch seine Gewalthaber in etlichen Schlössern der Sophenischen Landschaft / daß sie selbte / und die darein geflüchtete königlichen Schätze den Römern einliefern musten. Ja weil er auch in solcher Bestrickung die Parther aufzuwickeln bemüht war / schickte er mit dem Mitellus Celer ihn in Band und Eisen nach Rom / allwo er ihn nach gehaltenem Siegs-Gepränge nebst dem Könige Aristobulus im Kercker erwürgen ließ. Eine gerechte Rache! rief Thußnelde / wenn die Boßheit in das Mordbeil fällt / daß sie andern aufgestellt. Gerechtester Irrthum! wenn der Druyden oberster Priester Sigabor selbst durch Verwechselung der Flasche den vergifften Wein zu trincken bekommt /den er andern eingeschenckt. Wenn die geile Apellis an ihren Gifft-Torten den Tod essen muß / die sie für andere gebacken; Wenn die Megarenser / welche das Athenische [213] Frauenzimmer bey dem Eleusinischen Feyer zu überfallen vermeinen / dem Pisistratus in die Hände gerathen! Durch so viel Siege / fuhr Salonine abermahls fort / ward der Parther König Phraates gezwungen beym Pompejus um Frieden Ansuchung zu thun. Dieser aber hielt seine Gesandten verkleinerlich / entzog dem Phraates den Titel eines Königes der Könige / welchen ihm doch sonst der Römische Rath selbst gab / befahl ihm auch die Corduenische Landschafft dem Tigranes / mit welchem er deßhalben im Streit lebte / abzutreten; Ehe er aber noch hierüber Antwort bekam / nahm er sie durch den Afranius ein. Phraates ward hierdurch euserst erbittert / fiel daher nicht allein mit einem mächtigen Heere in Armenien /sondern beschwerte sich auch durch eine Botschafft über den vom Pompejus erlittenen Schimpf und Unrecht. Hingegen suchte Tigranes vergebens wider die Parther Hülffe / statt welcher Pompejus drey Schiedes-Richter beyde Könige zu vertragen abfertigte /welche sich denn auch nach etlichen bald auf eine /bald auf die andere Seite gefallenem Treffen mit einander vereinbarten. Sintemahl Tigranes über die vom Pompejus ihm versagte Hülffe / und daß er dem Könige in Cappadocien Ariobarzanes die seinem Sohne vorher zugesprochene Sophen- und Gordenischen Länder zuschlug / unwillig ward / Phraates aber den Tigranes nicht gar zu Boden zu treten / sondern ihn vielmehr wider die Römische Macht mit der Zeit zu einem Gehülffen aufzuheben / für rathsam hielt. Nach dieser Zeit beherschte Tigranes Armenien in gewüntschter Ruh / weil die Römer theils mit Bürgerlicher Unruh / theils mit dem Gallischen Kriege beschäfftiget waren / der Parther Schwerdter aber wurden von den Römischen in der Scheide gehalten /derer Gewalt sie nothigte mit ihren Nachbaren in Freundschafft und gutem Vernehmen zustehen. Endlich starb er auf der Jagt durch einen Fall / und ließ sein Reich seinem einigen noch übrigen mit des grossen Mithridates Tochter gezeugten Sohne Artabazes / und nebst ihm eine schöne Fürstin Sigambis. Inzwischen ward auch Phraates der Parther König von den Griechen und Scythen erschlagen / ingleichen nach ihm Artaban von Tocharischen Scythen im Arme verwundet / daß er davon starb. Nach diesem wolte sich zwar Pacorus eindringen / alleine ihn überwog Mithridates in Parthen / welcher alle seine Vorfahren an Großmüthigkeit übertraff / viel Länder seinem Reiche anhing / und insonderheit an den Scythen das Blut seiner Vor-Eltern durch unterschiedene Siege rächete. Dieser Mithridates zerriß aus Regiersucht endlich auch das beyden Reichen so vorträgliche Bündniß mit dem Artabazes / fiel selbtem in Armenien / und wütete mit Feuer und Schwerdt als ein Unmensch / schonete weder der unbewehrten Weiber / noch der Kinder im Mutterleibe. Es überfiel ihn aber Artabazes mit einem fliegenden Heere / als er mit der Helffte seines Volckes über dem Araxes gesetzt hatte / hieb selbtes in stücken / und zwang ihn / daß er mit der andern Helffte nach Aufopfferung vielen edlen Blutes sich in Hircanien zurück ziehen muste.

Dieser unglückliche Zug / und die in Armenien verübte Grausamkeit machte ihn seinem selbst eigenen Volcke so verhast / daß der Parthische Reichs-Rath ihn als einen des Reichs unwürdigen Wüterich ab /und seinen Bruder Orodes auf den Thron setzte. Der flüchtige Mithridates kam zu dem vom Pompejus in Syrien eingesetzten Römischen Landvogte Gabinius /und bemühete sich ihn wider die Parther aufzuhetzen. Alleine das Gold des aus Egypten vertriebenen Ptolomäus überwog die Noth und Beredsamkeit Mithridatens / also / daß der Landvogt den Parther hülff loß ließ / den Ptolomäus aber ohne Vorbewust des Römischen Raths / und wider die Verwarnigung der Sibyllischen Weissagung in Alexandrien wieder [214] einsetzte. Ismene fing hier an: der gute Parthe hat gemeint / das Gold sey im Kriege zu nichts / als zu Beschlagung der Schwerdter und zu Stückung der Fahnen nütze / da doch diß mehr Feinde schlägt / als der Stahl / und Mauren zermalmet / welche kein eiserner Bock erschellen kan / ja auch den sonst in den menschlichen Gemüthern so kräfftigen Aberglauben wegsticht. Salonine fuhr fort: der hierzu freylich nicht genungsam verschmitzte Mithridates meinte bey den Babyloniern Hülffe zu finden / welche Stadt ihn zwar aufnahm /aber vom Orodes lange belägert / Mithridates auch durch Hunger gezwungen ward sich in des Brudern Gewalt zu ergeben. Alleine der Dampf der Herrschenssucht hatte die Augen des Orodes so verdüstert / daß er ihn zwar wol für seinen Feind / aber nicht mehr für seinen Bruder ansah / und daher ließ er ihn in seinem Angesichte ermorden. Also kennen die Menschen / welche das Glück an den Gipffel der Ehren erhoben / auch ihr eigenes Blut nicht. Ja da das ausdampffende Blut eines frembden Feindes wie Rosen / eines ermordeten Bürgers wie Weyrauch reucht / so übertrifft das Bruder- und Kinder-Blut den süssen Geruch des edelsten Balsams. Immittelst ward Marcus Crassus zum Römischen Stadthalter in Syrien bestellt / dessen Reichthum ihm einen unleschlichen Durst nach dem Parthischen Golde erweckte / seine Vermessenheit aber hatte in Gedancken schon die Indianer und Bactrianer verschlungen. Artabazes / welcher das von den Parthern erlittene Unrecht zu rächen verlangte / nahm dieser Gelegenheit wahr / und verhetzte durch seine zu Rom habende Botschafft den Crassus mit vielen Versprechungen wider dieses Volck / welches allein die Römische Hoheit verächtlich hielt. Und Julius Cäsar wuste in seinen Schreiben / und durch den jungen von ihm reichlich beschenckten / und mit tausend Reutern abgefertigten Crassus sein Fürnehmen nicht genungsam heraus zu streichen / nur daß er mit Gallien den Kern des Romischen Kriegs-Volcks in seiner Gewalt behielt. Atejus der Römische Zunfftmeister mühte sich zwar euserst durch Widersetzung des Pöfels / und allerhand abergläubische Opffer ihn von diesem Zuge zurück zu halten / gab auch selbten mit vielen Flüchen den höllischen Rach-Göttern; zu Hierapolis fiel er und sein Sohn über die Schwelle deß der Mutter alles Gesämes zu Ehren gebauten Tempels / die Warsager und Priester deuteten ihm allerhand Unheil an / der erste Römische Adler kehrte sich im fortziehen über den Phrat bey der Stadt Zeugma zurücke / ja Donner und Sturmwinde mühten sich die Römer zurück zu halten. Alleine der vom Verhängnisse herrührende Untergang ist unentrinnlich / ja wenn es iemands Glücke umdrehen will / verwirret es auch seinen Verstand und Rathschläge. Dahero hatte Crassus zu allen Wunderzeichen nicht allein blinde Augen und taube Ohren / wie er denn auch des Orodes Gesandten Vagises nicht einst zu hören würdigte / und ihn mit dieser spöttischen Antwort: daß er sein Anbringen in der Stadt Seleucia vernehmen wolte / abfertigte / sondern er versäumte alle Sorge eines fürsichtigen Feldherrns / in dem er in Syrien mehr einen Schatzmeister abgab /und viel Tage im Tempel zu Hierapolis mit Abwägung des dahin gewiedmeten Geldes zubrachte / und aller / insonderheit aber des Armenischen Königes guten Rath aus der Acht schlug. Dieser kam mit 6000. Armenischen Rittern in das Römische Lager /ersuchte den Crassus / daß er durch sein sicheres /und mit genungsamen Vorrath versehenes Land in Parthen einbrechen möchte / allwo er 10000. geharnischte Reuter / und 30000. Fußknechte in Bereitschaft stehen hätte / welche mit den Römern nicht über die sändichten Flächen / da der Parthische Reiterey kein Feind gewachsen wäre / sondern [215] durch eitel bergichte Landstriche einbrechen solten. Allein Crassus blieb auf seinem Kopffe durch Mesopotamien zu ziehen / weil ihn das betrügliche Glücke anfangs anlachte / und er Nicephorium einnam / Zenodotia einäscherte / den Mesopotamischen Unter-König Talymenus Ilaces aus dem Felde schlug / also / daß Artabazes mit Unwillen nach Hause zog / besonders da Crassus auch nicht in Mesopotamien überwinterte /sondern in das lustige Syrien zurücke zog. Wiewol Cajus Caßius auch nur auf diesen Fall sich der den Parthen stets gehäßigen Städte Babylon und Seleucia zu bemächtigen / und an den Fluß Tygris / welcher eine Schußwehre und reiche Zufuhre abgeben / und so denn zu der Parthischen Hauptstadt Ctesiphon den Weg unschwer öfnen könte / sich zu halten einrieth /folgte doch Crassus dem Arabischen Fürsten Agbarus / welcher sich zu dem Crassus / um nur die Römer ins Garn zu führen / geschlagen hatte. Dieser machte von seiner Treue gegen die Römer / und der mit dem Pompejus aufgerichteten Freundschafft viel Worte / fluchte auf seinen Nachbar den abtrünnigen Araber Alhauden / vernichtete hingegen den König Orodes / welcher bereit sich in Scythien und Hircanien geflüchtet /ja die besten Sachen im Stiche gelassen hätte. Der verzweifelte Wagehals Sillaces und der weibische Surena wären nur noch in Parthen / nicht / daß sie das Hertz hätten für den Römern zu stehen / sondern allein den Rücken der Flüchtigen zu bedecken. Dahero /wolte Crassus noch einen Feind finden / den er überwinden könte / müste er keinen Augenblick versäumen / und keinen Umweg suchen. Diese Verrätherey konte Crassus mit den Händen greiffen. Denn Agbarus führte das Römische Heer in ein rechtes Sand-Meer Aßyriens / wo weder Laub / noch Graß / noch Wasser zu sehen war / weßwegen ihm auch die verschmachtenden Römer nicht nur als einem Betrüger /sondern auch / der den Crassus durch Zauberey aller Vernunfft beraubet hätte / alle böse Flüche auf den Hals wüntschten. Artabazes machte auch dem Crassus zu wissen / daß Orodes selbst in Armenien mit einer grossen Macht / der er nicht gewachsen sey /eingefallen wäre / daher könte er keine Hülffe schicken / sondern erwartete selbter von Römern / zumahl der fürtreffliche Held Surena / dessen fürnehmes Geschlechte alleine die Parthischen Könige zu krönen berechtigt wäre / der den Orodes aus dem Elende auf den Königlichen Stuhl erhoben / und Seleucien mit seiner Tapfferkeit erobert hatte / mit zehn tausend der schnellesten Reuter in der Sandfläche auf die Römer lauerte. Crassus aber blieb hartnäckicht auf seinem verderblichen Fürsatze / würdigte den Artabazes keiner Antwort / ja dräuete ihm noch / daß er ihn im Rückwege zu verdienter Straffe ziehen wolte. Agbarus / als er nun die Römer im Garne zu seyn meinte /entritt bey ersehender Gelegenheit zu den Parthen /worauf die Römer ein mehr als natürliches Schrecken überfiel / da sie doch noch den ersten Feind erblicken solten. Ja Crassus ward so kleinmüthig / daß er dem Caßius mit Genehmhabung des Heeres die Feldhauptmannschafft abzutreten antrug / so er aber anzunehmen weigerte. Die Königin brach hierbey Saloninen ein: Diß ist sicher ein gewisses Kennzeichen / daß des Crassus Fehler nicht so wohl von seiner Unvernunfft /als von einem göttlichen Triebe hergerühret haben. Denn in Warheit / es halset sich offt der menschlichen Klugheit ein verborgener Irrthum mit Gewalt auf /drehet unsere festgesetzten Rathschläge wie Würffel herum / lachet unserer Weißheit / rühret die Zufälle wie die Zettel in einem Glücks-Topfe durcheinander /und zeucht endlich einen solchen Ausschlag ans Licht / darauf unser Wille nie ein Absehen gehabt / noch unser Witz ihm hätte träumen lassen. Ja / wenn das Verhängniß die Königin und [216] Schiedes-Richterin aller Dinge uns nicht nur ins Verderben / sondern auch in Verfluchung der Lebenden / und in Schande bey der Nachwelt bringen will; so läst es den Allerklügsten in höchste Thorheit versincken / und bildet ihm albere Sachen für heilsame Entschlüssungen vor / derer sich auch Kinder zu schämen haben. Salomine verjahete es / und fing an: da die Götter iemahls einen Menschen von seiner Vernunfft kommen lassen / ist es gewiß dem Crassus geschehen. Denn da gleich sein Heer mit genauer Noth den Strom Balissus erreichte; ließ er doch wieder aller Obersten Meinung es nicht einmahl verblasen / weniger die Beschaffenheit des Feindes ausspüren / sondern übertrieb sie gleichsam ohne Athem-holen so lange / biß sie auff allen Seiten von der Parthischen Reiterey / welche ihre aus Margianischem Stahl gemachte / und wie Feuer schimmernde Waffen in der Ferne mit leichten Röcken verdeckt hatten / itzt aber wegwarffen / überfallen wurden. Diese hielten den schweren Römischen Kriegsknechten gar nicht stand / sondern erregten mit ihrem Rennen einen dicken Staub / wormit der Wind den Sand den Römern ins Gesichte jagte. Alsdenn fielen die Parther erst an / und so bald sich ihr Feind gegen sie setzte /dreheten sie ihnen zwar die Fersen / thäten aber in der Flucht mit denen rückwärts geschossenen Pfeilen /wormit sie eine gantze Herde Camele bebürdet hatten / den ärgsten Schaden. Durch diese angenommene Flucht verleiteten sie den jungen Crassus / daß er mit der Römischen Reuterey und Publius mit einer Legion Fußvolck die Parther allzuweit verfolgte / welche alsdenn sie von dem gantzen Heere abschnitt. Der junge Publius Crassus ward gezwungen einen Sandhügel einzunehmen / und rings um sich her die Schilde fürzusetzen; aber diese Höhe / auff welcher die zurück und empor stehenden von den Pfeilen so viel leichter verwundet werden konten / gereichte den Römern selbst zum Verderben. Publius und Censorinus / weil sie mit durchschossener Hand sich nicht mehr wehren kunten / auch nach zweyer Griechen des Hieronymus und Nicomachus Rathgeben sich nach der Stadt Ichne nicht flüchten wolten / liessen sich ihre eigene Waffenträger durchstossen / Megabachus trieb ihm selbst das Schwerdt durch die Brust / die übrigen wurden von den grimmigen Parthen zerfleischet / und mehr nicht als fünff hundert Gefangene auffgehalten. Unterdessen aber hielt sich Sigimer ein junger Fürst mit seinen tausend halb nackend-fechtenden Galern überaus tapffer / sie rennten bald mit ihren Lantzen die Feinde von Pferden / bald sprangen sie selbst herunter / und hieben den Parthischen Pferden die Seenen entzwey / daß also Mann und Pferd stürtzen muste. Sigimer verwundete selbst den Sillaces in Arm / und brach durch drey geschlossene Hauffen der gewaffneten Parther / ließ auch den Crassus wissen: daß sein Sohn in eusserster Gefahr / er mit seiner Reuterey in dem hitzigsten Gefechte gegen der halben feindlichen Macht / sie aber ingesamt verlohren wären / da er ihnen nicht schleunigst zu Hülffe käme. Endlich aber wurden die Gallier nicht so wohl durch die Menge der Feinde / als durch ungewohnten Durst und unleidliche Sonnenhitze überwunden / und / weil sie für Mattigkeit kaum mehr die Glieder bewegen konten / niedergehauen. Der unvergleichliche Sigimer / welchen Surena wegen so grosser Tapfferkeit zu tödten verbot /ward nach erlegtem Pferde lebendig gefangen. Dieser Fürst machte sich bey den Parthen so beliebt / und gewann des Surena Zuneigung so weil / daß er ihm seine wunderwürdige Tochter verheyrathete. Ismene konte sich hierüber des Lachens nicht enthalten / und nachdem die Königin sie beschwur die Ursache nicht zu verschweigen / bekannte sie / daß dieser Sigimer /des Feldherrn Herrmanns und ihr eigener Vater / und Surenens Tochter beyder Mutter / die so genennten[217] tausend Gallier alle Deutsche gewest wären / welche die Römischen Geschichtschreiber insgemein Gallier nennten / wenn sie nur auff der West-Seite des Rheines gewohnet. Dieser Irrthum habe den Deutschen den Ruhm mancher Heldenthaten entzogen / und fremden Völckern zugeeignet. Also sey der Nachruhm nicht allezeit eine Tochter der Tugend / sondern ein Weckselbalg / den das Glück einer fremden Mutter einschiebt. Uberdiß hätten die Römer der Deutschen Großmüthigkeit nichts minder / als der fremden Völcker Sprachen und Schrifften / darinnen der Sachen wahrer Verlauff auffgezeichnet gewest / verdrückt / so viel sie gekönnt / um ihren Siegen desto grösseres Ansehen zu machen. Denn ob wohl Julius Cäsar nicht verschweigen können / daß die Deutschen ihm die berühmte Schlacht gegen dẽ Vercingetorich bey den Seqvanern gewonnen / daß sie bey Belägerung der Berg-Festung Alesia einmahl die schon zertrennten Römer wieder zum stehen brache / das andere mahl dem Feind aus dem Felde geschlagen / daß Caninius ihnen den Sieg wider den Fürsten Draxes / den sie auch selbst gefangen bekommen / zu dancken gehabt /daß sie in Cäsars Alexandrinischem Kriege das beste gethan / und über den besetzten Nil gedrungen / so ist doch diß alles nicht das hundevste Theil ihrer Verdienste.

Die kluge Salonine antwortete; die Tugend ist ihr selbst Preißes genug / und darff nicht nach dem irrigen oder vergänglichen Nachruhme lächsen. Ein gutes Urthel kan den Koth keines Lasters vergülden / und ein böses so wenig als die Vergessenheit die Tugend häßlich / oder zu nichts machen. Weßwegen die / welche mit standhafftem Vorsatze auf der Bahn der Tugend wandeln / so wenig sich die üblen Auslegungen des Pöfels / als die Reisenden im Sommer sich das Schwirren der Heuschrecken müssen irre machen /noch eines andern unverdienten Ruhm auff Abwege leiten lassen. Also erwarb Fabius einen unsterblichen Ruhm / weil er die Verläumdung der hitzigen Köpffe seiner Langsamkeit halber verachtete / und lieber sein Vaterland erhalten / bey seinen klugen Feinden im Ansehen seyn / als von närrischen Leuten gelobt seyn wolte. Ungeachtet auch der Nachruhm für ein Besitzthum der Todten gepriesen wird / so bestehet doch dieser bloß in der Einbildung der eitelen Erben / und die alleine in dem Gedächtnisse schwermende Unsterbligkeit ist ein blosses Gespenste des Gehirns /und ein Irrlicht der Ehrsucht. Ja der Ruhm ist nicht selten ein offenbarer Feind der Tugend / und eine Buhlerin der Unwarheit / indem das gegenwärtige Lobwürdige meist von dem Neide gedrückt / die Gedichte der Vorwelt aber als Wunderwercke in hohen Ehren gehalten werden / nach dem es uns insgemein fürkommt / als wenn jener Licht unsern Ruhm verdüstere / dieses uns aber den Weg zu der Tugend wiese. Aber die verschwindende Zeit heist mich wieder zum Crassus kehren / welchem die Parther seines Sohnes an eine Lantze gespißten Kopff mit dieser hönischen Frage zu schauen brachten: Was dieser tapffere Jüngling für Eltern habe? Denn seine bezeugte Tugend liesse sie nicht glauben / daß der weibische Crassus sein Vater wäre. Gleichwohl aber wolten sie die Römer selbigen Tag nicht gar aufreiben / sondern dem Feldherrn eine Nacht seinen Sohn zu betrauren vergünstigen. Hiermit wichen sie nach etlichen Scharmützeln bey anbrechender Nacht etwas von den Römern ab; Crassus aber sahe seinem Elende kein Ende / gerieth in eusserste Verzweiffelung / verhüllte sein Haupt /und verscharrte sich in Staub. Octavius und Cassius riethen ihm daher das Heer des Nachts zurück zu ziehen. Alleine der Ja er ward i er grösser / Egnatius flüchtete sich mit den berittensten dreyhundert Reutern nach Carras / entblössete das Fußvolck / und ließ seinen Feldherrn schimpflich im Stiche. Verguntejus kam mit vier Fahnen aus dem Wege / und ward biß auff [218] zwantzig tapffere Catten / die sich biß nach Carras durchschlugen / niedergesebelt. Im verlassenen Lager blieben vier tausend schwache zurück / und worden wie Kälber abgeschlachtet. Das Heer erreichte zwar auch Carras / allein durch des Andromachus Verrätherey / und einem vom Surena mit den Römern zum Schein gemachten Frieden / und gepflogener Unterredung / fiel es erst in die Falle / sintemal die Parther / nach dem sie ihren Feind sicher gemacht / und ihm Crassus im Nahmen ihres Königs mit einem köstlich auffgeputzten Pferde beschenckt hatten / sie überfielen. Octavius stieß zwar den / der ihm zum ersten in Zügel fiel / todt / ward aber rückwerts / und nach ihm Petronius / durchstochen. Maxarthes hieb dem Crassus mit seinem Sebel den Kopff und die rechte Hand ab. Die Kriegsknechte kamen von dem verfolgenden Feinde fast alle um / oder wurden von den Arabern in ihre Einöden verschleppet / also / daß von hundert tausend kaum zehen tausend in Armenien / Cilicien und Syrien entrannen / welche von dieser grausamen Niederlage die Botschaft zu bringen kaum genug waren. Worunter auch Caßius war / der hernach den Julius Cäsar erstach. Surena hingegen hielt zu Seleucia ein herrliches Siegs-Gepränge / ieder Parthe hatte auff seinem Sebel einen Feindes-Kopff angespitzt / ein dem Crassus ähnlicher Gefangener ward in Königlicher Tracht zum Schauspiele geführet / welchem eine Menge fürreitender Huren seine Zagheit in schimfflilichen Liedern fürrückten. Unterdessen gieng es in Armenien zwischen dem Könige Orodes und Artabazes scharff her / und das Glücke hielt ihre Siege fast in gleicher Wagschale. So trug sich auch dieser seltzame Zufall zu / daß Artabazes den Pacor Orodens Sohn in einem Treffen / Orodes aber Artabazens Schwester / die schöne Sigambis / in einem Berg-Schlosse gefangen bekam. Als diese zwey grosse Gefangenen nun an dem Flusse auff einer Insel gegen einander ausgewechselt wurden / ward Pacorus im ersten Augenblicke von Liebe dergestalt entzündet / daß er alsofort seinem Vater zu Fuße fiel / und ihn um ihre Vermählung anstehete. Artabazes kriegte gleich die Post von des Crassus Untergange / sahe also die gantze Parthische Macht ihm auff den Hals dringen / dahero hielt er es nicht für thulich diese Gelegenheit aus den Händen zu lassen / so wohl einen anständigen Frieden zu stifften / als das mächtige Haus der Arsacer mit seinem so feste zu verknüpfen. Die Heyrath und Bündniß ward noch selbigen Tag geschlossen / und das Beylager mit höchster Pracht und allen ersinnlichen Ergetzligkeiten vollzogen. Der gelehrte Fürst Artabazes gab selbst durch unterschiedene Gedichte seine Vergnügung an Tag / in derer einem das glückwünschende Armenien eingeführt ward / daraus ich alleine den Schluß erzehlen wil:


Augapffel Persiens / und Auge dieser Welt /

Schweig / Sonne / daß du gebst die Wärmde den Gewächsen /

Den Völckern Geist und Licht. Der Parthen Volck und Feld /

Ja ihre Sonne muß nach meinem Labsal lächsen.

Mein Phrat- und Tiger-Qvell tränckt ihren heissen Sand /

Sigambens Liebes-Thau lescht ihres Fürsten Brand.


Ich gönne / Sonne / dir ein weisses Opffer-Pferd /

Daß Griechenland dir Oel / der Mohre Zimmet bringet /

Doch ist mein Caucasus viel edler Opffer werth /

Mehr Weyrauchs; weil sein Schnee weit deine Glut verdringet.

Die Seele brennt bey ihm / die dort nicht glimmen kan /

Wenn Arsaces sein Hertz fleckt meiner Göttin an.


Doch bleibt Armenien auch Parthens Schuldnerin /

Sein kalter Taurus fühlt des Perseus Liebes-Feuer /

Reisst von Andromeden die schweren Fessel hin /

Erlegt durch seine Huld der Zwytracht Ungeheuer.

Sigambis macht Pacorn / Pacor Sigamben frey /

Daß durch sie beyder Reich verknüpfft und einig sey.


Es bisamt Parthens Sud so uns're Wässer ein /

Daß Oel und Balsam nur aus ihnen kömmt geronnen.

So mag iedwedes nur den andern Weyrauch streun /

Die Sonne meiner Fluth / Araxes seiner Sonnen.

Sigambens Seele schmiltzt für Parthens Liebes-Glut /

Und Arsacens zerrinnt in ihrer Anmuths-Flut.


Als nun beyde Könige mit den Verlobten gleich Taffel hielten / brachte Sillaces des Crassus Haupt in das Zimmer / und warff es dem [219] Orodes zu Füssen. Die Parthen aber hoben selbtes mit grossem Getümmel empor / und Sillaces ward als ein angenehmer! Sieges-Bote mit an den Königlichen Tisch gesetzt. Nach diesem ergriff Jason Trallianus / welcher gleich das Griechische Gedichte vom Pentheus / wie er von seiner Mutter Agarcen / und der Schwester zerrissen ward / aus dem Euripides fürstellete / des Crassus Kopff mit den Haaren / lieff in Gestalt des wütenden Pentheus darmit auff und nieder / und sang darzu:


Wir haben einen Berg mit Netzen rings umstellt /

Sehr gute Jagt gehabt / ein feistes Wild gefällt.


Als nun in der Ordnung des Reyhens einer zu singen kam:

Daß dieser Eber hier

Entseelt und Krafftloß liegt / gebührt die Ehre mir;


sprang Maxarthes von der Taffel auff / und riß das blutige Haupt dem Jason aus der Faust / legte es auff eine güldene Schüssel / und überreichte es als ein Zeichen seiner Tapfferkeit dem Orodes. Dieser beschenckte nicht allein den Maxarthes / sondern auch den Jason mit einem Talent / und niemand war / der nicht mit diesem abscheulichen Schau-Gerichte sein Gespötte trieb; endlich goß Orodes zerschmeltztes Gold dem Crassus in Mund / fürgebende / daß doch sein Golddurst schwerlich mit seinem Leben würde verloschen seyn. Seine Hand ward auch durch alle Parthische Städte geschleppet / und allen entgegen kommenden fürgehalten / um diesem unersättlichen Gliede etwas zu schencken. Nach diesem ergab sich alles / was zwischen dem Phrat und Tiger lag / den Parthen / und diese fielen unter dem Osaces mit einem fliegenden Heere in Syrien ein / wurden aber vom Cassius leichte zurücke getrieben. Alleine es folgte Fürst Pacor alsbald mit einem mächtigern Läger /welchem sich biß an Antiochien alles ergab / theils weil die Römer wenig Volcks in Syrien hatten / theils weil die Syrer mehr den Parthen als Römern geneigt waren. Diese grossen Siege jagten seinem Vater / der ohnediß wegen seiner Grausamkeit verhast war /Schrecken und Argwohn ein / daß er durch Hülffe seines siegenden Heeres ihn vom Throne verdringen möchte; verursachte also / daß ihn Orodes zurück forderte. Also ist das Laster / das einen zum Knechte macht / nicht so verdächtig / als die zu herrschen würdige Tugend. Und ein guter Ruhm ist gefährlicher /als eine böse Nachrede. Der König in Assyrien Balthasar ließ einen jungen Edelmann entmannen / weil eine seiner Kebsweiber nur seine Gestalt gerühmet /und die / welche ihn heyrathen würde / glückselig gepriesen hatte. Den Sohn des Gobrias durchstach er mit einem Spiesse / weil dieser auff der Jagt einen Löwen getroffen / er aber gefehlt hatte. Die Herrschafft aber ist auch so gar gegen eigene Kinder eyversüchtig. Gegen diese mehr / als gegen fremde / fing Ismene an / weil sie zu selbter mehr Anspruch haben. Daher in Gallien ein gewisser Fürst aus Argwohn /daß sein erwachsener Sohn ihm mit Gifft nachstellte /erhungerte / ein ander Vater in Hispanien seinem Sohne das Licht ausleschte. Salonine fuhr fort: Orodes machte unter Söhnen und Dienern keinen Unterscheid / denn er ließ den wegen des grossen Sieges in allzu grosses Ansehen gekommenen Surena gar hinrichten / daß derogestalt tapffere Helden sich mehr ihrer grossen Verdienste / als unwürdige Diener sich ihrer Gebrechen halber fürzusehen haben. Sintemal Fürsten leichter aus Verächtligkeit dieser Fehler verzeihen / als jener Dienste vergelten / nachdem es ihnen beschwerlicher ist Schuldener / als Gläubiger zu seyn. Pacor aber zohe für Unmuth und aus Furcht gleichen Undancks mit seiner Gemahlin zum Artabazes / und streuete daselbst allerhand Samen zu neuer Unruhe wider die Parthen. Also ist ein unzeitiges Mißtrauen ein Ursprung der Untreu / und die Empörung ein verdienter Lohn der übel verhaltenen Tugend. Osaces [220] belägerte inzwischen Antiochien /Caßius aber trieb ihn nicht mit geringem Verlust ab /und nach dem er hierauff Antigonien zusetzte / schnitt ihm Cassius und Ventidius durch tägliche Scharmützel die Lebens mittel ab. Als nun der Hunger ihn Antigonien zu verlassen zwang / versteckte Cassius theils hinter Berge / theils im Gepüsche / wodurch Osaces abziehen muste / seine Völcker; griff ihn hierauff an der Spitze an / und als beyde Heere im hitzigsten Gefechte waren / fielen die versteckten den Parthen in Rücken / erlegten sie auffs Haupt / ja Cassius selbst den Osaces. Dieser Verlust erhielt etliche Jahr auff der Parthen Seite den Friede / den Bürgerlichen Krieg aber zwischen dem Julius und Pompejus auff Seiten der Römer. Weil auch nach des Osaces Niederlage Pacor wieder in Parthen beruffen / und ihm die Kriegs-Macht anvertrauet ward / blieb Artabazes und Armenien ebenfalls ruhig. Endlich wurden doch auch die Parthen vom Pompejus in den Römischen Bürger-Krieg geflochten / weil dieser bey ihnen beliebt / des Julius Glücke aber für gefährlich geachtet ward. Als auch schon Cäsar und Pompejus todt war / schickten sie wider den Antonius und Augustus Hülffs-Völcker; ja Pacor brach mit einer grossen Macht in Syrien /machte mit des Cassius und Brutus Gesandten Labienus ein Bündnüß / streiffte biß nach Alexandrien /und nahm Apamea / Mylassa / Alabanda / ja Cilicien und vom Phrat biß in Jonien alle Städte ein / welche meist mit des Brutus Gefangenen / und also den andern Römern selbst abgeneigten Kriegs-Leuten besetzt waren / schlug den Feld-Hauptmann Saxa in zweyen Schlachten / und in Cilicien ihn selbst todt /setzte den König der Juden Hircanus ab / und seinen Bruder Aristobulus an seine Stelle / belägerte Tyrus und Stratonicea / also daß Antonius / weil ihn selbst dahin zu ziehen Fulvia zurück hielt / den Ventidius wider die Parthen schicken muste. Dieser kam den Labienus in Cilicien über den Hals / ehe er von ihm die geringste Nachricht erhielt; doch standen sie mit ihren Lägern nur gegen einander. Denn Ventidius erwartete die Legionen / Labienus die Parthen. Diese aber vereinbarten sich bey ihrer Ankunfft nicht mit ihm / sondern griffen auff einem Berge die mit Fleiß still liegenden Römer an / wurden aber von ihrer gedrungenen Macht über Hals und Kopff herunter gestürtzet. Labienus muste hierauff wegen seines Volckes Zagheit des Nachts die Flucht ergreiffen / und sich verkleidet in Cilicien verstecken. Demetrius aber / ein Käpserlicher Freygelassener / und des Antonius Stadthalter in Cypern / spürte ihn aus / und tödtete ihn. Hierauff schickte Ventidius den Upedius Silo mit der Reuterey gegen Syrien voran / Pharnabates aber hatte die Enge deß Amanischen Gebürges eingenommen / brachte den Silo ins Gedränge / und es war nahe mit ihm geschehen / als Ventidius ohngefehr zum Treffen kam / und den Pharnabates erlegte. Hiermit fiel gantz Syrien wieder in die Hand des Siegers Antiochus in Palestina / und Malchus der Nabatheer König / die den Parthern Hülffe geschickt hatten /wurden um großes Geld gestrafft. Die Phönicische Stadt Aradus alleine setzte sich zu verzweiffelter Gegenwehr. Pacor aber brachte bald wieder ein neues Heer auff; Hingegen pflegte Ventidius mit dem auff der Parther Seite hangenden Chauneus / einem Syrischen Fürsten grosse Vertrauligkeit / hielt mit ihm unterschiedene Rathschläge / und zwar zu dem Ende /daß er solche den Parthen verrathen solte. Hierdurch brachte er zu wege / daß sie nicht bey Zeugma geraden Weges / sondern an einem flachen Orte über den Phrat setzen / wormit er inzwischen [221] sich verstecken konte. Er ließ auch den besten Parthischen Feldhauptmann Thraates mit dem Vortrab / und den Pacor mit dem gantzen Heer unverhindert über den Fluß setzen /verschantzte sich auf einem Berge / und stellte sich an / als wenn er dem Feinde nicht gewachsen wäre. Unversehens aber überfiel er mit seiner halben Macht den Phraates im besten Wolleben / und jagte ihn aus dem Felde. Pacor meynte: Die gantze Römische Macht wäre hinter des Phraates Völckern her / und fiel daher das seiner Einbildung nach leere Läger des Ventidius an. Ventidius aber ließ seine versteckte Legionen aus dem Läger und den Cyressischen Püschen die Parther vor und rückwerts anfallen. Daß ein unversehener Uberfall gegen dreyfacher Macht bestehe /ward dißmal wahr. Denn die Parthen verlohren anfangs das Hertze / hernach die Schlacht / und endlich auch ihren Erb-Fürsten Pacor / welchem Ventidius nach Ausübung wunderwürdiger Tapferkeit die Lantze selbst durch die Brust rennte / und durch Herumbschickung seines abgehauenen Kopfes alle übrige den Parthen anhängende Städte eroberte. Der einige Camogenische Fürst Antiochus entran nach Samosata /und ward darinnen belägert / endlich aber / ob er schon durch den daselbst befindlichẽ sich von dem Wasser anzündẽtẽ Schla aufs äuserste wehrte / mit dem Antonius sich zu vereinbarn genöthiget. Orodes kam über dieser den Parthen noch nie begegneten Niederlage halb von Sinnen / er ließ viel Tage keinen Menschen für sich / enthielt sich aller Speise / und des redens so lang / daß man in Gedancken kam / er wärestu worden. Endlich kamen ihm viel Tage die Thränen nicht von den Wangen / und kein ander Wort aus dem Munde / als Pacor / Pacor; ja / wenn er schlief / stellte sich ihm sein blutiger Sohn allezeit durch traurige Träume fürs Gesichte. Uber diesem Betrübnüsse ward der ohne diß verlebte Orodes kranck /jede seiner Beyschläferinnen aber sorgfältig ihren Sohn / derer dreissig er mit ihnen gezeugt hatte / ihm zum Nachfolger einzuloben. Wie aber das Verhängnüß die Parther ins gemein zu Vatermörderischen Königen versehen hat; also kriegte auch dißmal Phraates unter allen der schlimste an statt des gütigsten Pacor das Heft in die Hände / welcher seinen wassersüchtigen Vater durch eingegebene Wolfs-Milch / seine neun und zwantzig Brüder aber durch das Mord-Beil in einer Stunde hinrichtete. Alleine diese Laster waren für den unmenschlichen Phraates noch zu wenig / und die durch Mord erworbene Herrschaft konte mit Gelindigkeit nicht fortgeführet werden. Daher muste er sich auch mit dem Blute seines Sohnes Tiridates besudeln. Seinen ersten Eifer gegen ihn verursachte die allen Wüterichen verhaßte Tugend und Tapferkeit ihrer Unterthanen / indem Phraates wegen seiner Grausamkeit verfluchet / Tiridates Nahmen aber weit über des Königs erhoben ward. Welcher Kummer ihn denn zu der Entschlüssung brachte / den Tiridates hinzurichten / wormit die ihm abholden. Parthen niemanden aus dem allein Reichs-fähigen Geblüte des Arsaces hätten / den sie zum Könige benenneten /also ihn wider Willen behalten müsten. Hierzu goß seine gegen deß Pacors Wittib die schöne Sigambis gefangene Brunst Oel ins Feuer / in die er so sehr entbrennte / daß er ihrentwegen auch Berenicen / des Medischen Königs Artavasdes Tochter zu verstossen versprach. Wie nun Sigambis gar nicht in Phraatens Willen kommen wolte / hingegen durch heimliche Kundschafft ausspürete / daß sein Sohn Tiridates sich in Sigamben verliebt / und sich umb ihre Gewogenheit bemüht hatte / machte ihn seine unbändige Begierde gegen Tiridaten gantz rasend / in Meynung /daß nicht die von Sigamben vorgeschützte nahe Anverwandniß / sondern seines eigenen Sohnes Liebe seiner Vergnügung am Wege stünde. Daher legte er auf alle ihre Tritte Kundschafft / und wie er erfuhr /daß Tiridates mit Sigambẽ in den Königlichen [222] Lust-Garten / umb frische Abend-Luft zu schöpfen / ungefähr zusammen kommen waren / rennte er als ein wütender Tiger sie mit blosser Sebel an / stieß selbte seinem eigenen Sohne durchs Hertz / und ließ die mit Tiridatens Blute bespritzte Sigamben aus einem Schlosse in Band und Eisen schliessen. In diesem setzte er Sigambens Keuschheit bald mit Liebkosen und grossen Versprechungen / bald mit Andräuung grausamer Marter zu. Sie aber verhönete das erstere / und verlachte das andere / biß ihr in Vertrauen zu wissen gemacht ward / daß Phraates sie mit Gewalt nothzüchtigen und hernach zu Asche verbrennen wolte. Thußnelde fing überlaut an zu ruffen: Hilff Himmel! Mir gehen die Haare zu Berge über dieses Unmenschen grausamen Lastern / welcher sich schwerlich der grimmesten Thiere / zu geschweigen eines andern Menschen vergleichen lassen. Salonine sagte: Sie wüste gleichfalls ihm kein ander Beyspiel beyzusetzen / als den Persischen König Darius / welcher / umb seiner Stiefmutter Aspasia vermählt zu werden / mit 50. seinen Brüdern den Vater Artaxerxes zu ermorden ein Bündnüß machte. Unsere vorerwehnte Sigambis aber gerieth über Phraatens Entschlüssung in äuserste Verzweifelung / und zu so erbärmlichem Wehklagen /daß der tapfere Maneses / einer der fürnehmsten Parthischen Fürsten / der über solch Schloß und darumb liegendes Land die Aufsicht hatte / zu Mitleiden gegen ihr bewegt ward / sonderlich / da sie sich selbst / umb ihre Verunehrung zu verhüten / in den Fesseln zu erwürgen bemühete / und die Hippo / weil sie hätte ins Meer springen / und ihre Keuschheit unverletzt erhalten können / für ihr mehr als selig prieß. Daher setzte Maneses alle sein Glück entweder aus der Liebe der Tugend / oder der Sigambis selbst für Ihre Ehre in die Schantze / und führte sie aus dem Gefängüsse zu ihrem Bruder Artabazes / beredete ihn auch /daß er / umb dieses Unrecht / wie auch sich an dem mit den Parthen verbundenen Könige der Meden Artavasdes / welcher der Sigambis aus Eifersucht für seine Tochter Berenicen des Phraates Gemahlin Berenicen Gift beyzubringen getrachtet hatte / zu rächen /sich mit dem Antonius wider die Parther verband /sonderlich da Sosius und Canidius allbereit mit 16. Legionen den König in Iberien Pharnabaces und der Albaner Zoberes zu gleichmässigem Bündnüsse gezwungen hatte. Phraates / dem am Maneses sehr viel gelegen war / schickte an Antonius / der ihm inzwischen die Städte Larissa / Arethusa / und Hierapolis geschenckt hatte / eine prächtige Botschafft / trug ihm Frieden an / und bat ihn umb Zurückschickung des Maneses / welchen er durch kräftigste Eydschwüre versicherte / daß / nach dem er durch Rettung der unschuldigen Sigambis mehr lob- als straffwürdig wäre / ihm kein Haar gekrümmet werden solte. Also müssen endlich die schrecklichsten Wüteriche / welche die Tugend für einen schlangichten Gorgons-Kopf ansehen / ihren heilsamen Nachdruck erkennen / und ihr selber das Wort reden. Antonius ließ also den Maneses von sich / umb Phraaten durch Hoffnung des Friedens mehr einzuschläffen / brach aber bald hierauf mit anderthalb hundert tausend Mann / darunter 13000. Armenier und 6000. Gallier waren / in Atropatenen und Meden ein / und belägerte in der Haupt-Stadt Phraata Artavasdens Gemahlin und seine Kinder; alleine / weil Tatian allen Sturmzeug langsam nachführete / vergebens. Hingegen fiel Phraates mit seiner gantzen Macht in Armenien; also / daß Artabazes sein eignes Feuer zuleschen dahin seine Macht zu ziehen gezwungen / von Römern aber im Stiche gelassen /und endlich durch Manesen einen Stillestand mit den Parthen zu machen beredet ward. Inzwischen traff Artavasdes auf den ermüdeten Tatian / er schlug ihn mit 2. gantzen Legionen / verbrennte allen Kriegszeug und kriegte den Pontischen König Polemon gefangen. Phraates und [223] Artavasdes stiessen hierauf zusammen /und schnidten dem Antonius bey Phraata alle Lebens-Mittel ab / endlichen aber liessen sie ihm solche wieder zu / und erklärten sich gegen seine Gesandschafft / daß sie die Römer aus Gnade unbeschädigt wolten zurück ziehen lassen. So bald aber die Belägerung aufgehoben ward / lagen ihnen die Parthen in Eisen /wenn auch Mardus ein den Römern getreuer Parthe zu ihrem grossen Vortheil ihnen nicht einen bergichten Weg in Armenien abzulencken gewiesen / ja zu Versicherung sich selbst hätte binden lassen / und einen sonderbaren Vortheil sich gegen die Parthische Reiterey zu stellen gewiesen / oder auch die Gallier sich so tapfer gehalten hätten / wäre ihres Gebeines nicht davon kommen. Wiewohl ihrer täglich viel für Hunger verschmachteten / oder zum Feinde überlieffen /dessen unvorsichtige Grausamkeit und Unwissenheit /daß man feindlichen Uberläuffern Pflaumen streichen / und seidene Küssen unterlegen solle / alleine verhinderte / daß nicht das gantze Heer den Antonius verließ. Insonderheit wurden die Gallier und andere frembde Hülffs-Völcker sehr erbittert / daß Titius und Canidius den fürtrefflichen Gallischen Fürsten Flavius / der den Rücken der Römer alle Tage mit unsterblichem Ruhme beschirmete / unter denen ihn übermannen den Feinden alleine baden / und nebst 3000. Galliern durch das Ungewitter der Persischen Pfeile zerfleischen ließ. Ißmene konte bey dieser Erzehlung sich abermals des Lächelns nicht enthalten / muste auch auf der Königin bewegliches Ersuchen und Saloninens Stillschweigen bekennen / daß diese Gallier eitel Deutsche / und der von den Römern wegen seiner weissen Haare so genante Flavius ihr Bluts- Freund gewesen sey / der nach der Belägerung Alesiens mit dem Antonius in Italien / und folgends in Morgenland gezogen wäre. Nach diesem Flavius hätte auch Ernst Hertzog Herrmanns Bruder derogleichen zum Nahmen bekommen. Salonine fing hierauf an ferner zu erzehlen: Nach oberwehntem Verlust wuchs den Parthen wieder der Muth / die Römer aber geriethen in äuserste Kleinmuth und Drangsal / also / daß das Gersten-Brodt gegen Silber ausgewogen ward /und sie so gar mit wahnsinnigmachenden Kräutern den Hunger stillen musten / wiewohl Antonius mit seiner Beredsamkeit und Freygebigkeit sie zu unglaublicher Gedult bewegte / und mit aufgehobenen Händen in Trauer-Kleidern anruffte: Daß sie das dem Römischen Heere besti te Unheil auf seinen Kopf ausgiessen möchten. Endlich hätten sie sich vollends auf die Schlachtbanck geliefert / als sie gegen ein erblicktes Gebürge wegen Durst ihren Zug nahmen /wenn nicht Manesens Vetter Mithridates sie gewarnigt / und daß unter selbigen Bergen die gantze Parthische Macht auf sie wegelagert / berichtet hätte. Endlich entstund wegen ermangelnden Wassers ein Aufruhr im Läger / also / daß man so gar selbst des Feldherrn kostbare Sachen plünderte. Ja Antonius gerieth in solche Verzweifelung / daß er ihm seinen Freygelassenen Rhamnus schweren ließ / er wolte ihm den Kopf abschneiden / wormit er weder lebendig in des Feindes Hände geliefert / noch auch unter den Todten erkeñet würde. Aber Mithridates kam abermals ans Läger / und vergewisserte sie / daß eine Tage-Reise von dar ein süsser Fluß / und über selbtem das Ziel sey / wie weit die Parther sie zu verfolgen entschlossen wären. Welches denn auch also erfolgte; wiewohl die Römer 6. Tage noch mit Furcht und Zittern forteileten / biß sie den Fluß Araxes / der Meden von Armenien trennet / erreichten / daselbst aber / und insonderheit die Verwundeten / unter dem Taurischen Schnee-Gebürge einen neuen Feind / nemlich die Kälte antraffen. Artabazes hätte ohne Schwerdtschlag mit blosser Entziehung des Schiff-Gefässes an dem Flusse Araxes die Römer vertilgen können / Phraates und Artavasdes verwarnigten ihn auch / daß er [224] dem wegen nicht geleisteten Beystandes ergri ten Antonius nicht trauen solte. Alleine dieser redliche Fürst ließ sich seine Schmeichel-Worte einnehmen / daß er ihm mit allem Fahrzeuge über den Strom halff / ihm Geld und Lebens-Mittel entgegen schickte / und das erhungerte Heer in Armenien überwintern lies. Antonius selbst zohe in Egypten zu Cleopatren / und nachdem Artabazes auf sein Ersuchen nicht zu ihm kommen / und auf das ihm gestellte Fallbret treten wolte / zohe er auf den Frühling wieder in Armenien / als sich vorher bey ihm Polemon eingefunden / und nicht allein für sich / sondern auch im Nahmen des Medischen Königes ein Bündnüß mit ihm wider den Artabazes und Phraates gemacht hatte. Wider jenen / weil er ihm die Römer über den Hals geführt; wider diesen / weil er mit ihm die Römische Beute ungleich getheilet / und seine Tochter Berenizen von sich verstossen hatte. Antonius eignete dem Polemon zur Vergeltung das kleinere Armenien zu /schickte aber Artabazen so viel leichter ins Garn zu locken den Quintus Dellius zu ihm / und ließ für seinen mit Cleopatren gezeugten Knaben Alexander um seine Tochter Statira werben / und umb eine Zusammenkunft anhalten. Wie nun der von Maneses aufs neue verwarnigte Artabazes allerhand Außflüchte brauchte / schickte Antonius den Dellius mit eydlicher Versicherung seiner Freundschafft / und betheuerlichen Schreiben des König Archelaus in Cappadocien / und des Amyntens in Galatien / welche er daselbst eingesetzt hatte / noch einmal zum Artabazes / folgte aber bald mit seinem Heere auf dem Fusse nach. Artabazes ward hierdurch theils beredet dem Antonius auf seine glatte Worte zu trauen / theils auch gezwungen sein Mißtrauen nicht mercken zu lassen / fand sich also gutwillig in sein Läger ein. Antonius aber nahm ihn alsobald in Haft / und gab für: Er müsse sich wegen entzogener Hülffe mit einem grossen Stücke Geldes lösen / führte ihn also für die Schlösser / darinnen der Königliche Schatz verwahret war. Nach dem aber die Stadthalter solche nicht öfneten / der Armenische Adel auch alsofort seinen Sohn Artaxias zum Könige erklärte / ließ Antonius Artabazen in silberne Fessel schliessen / führete ihn mit seiner Gemahlin und Kindern in einem Siegs-Gepränge nach Alexandrien / legte sie Cleopatren in güldenen Ketten zun Füssen / und ließ ihnen endlich in einem Schauspiele den Kopf abhauen / als er vernahm / daß sich Artaxias mit dem Parthischen Könige Tiridates verbunden hatte. Denn weil Phraatens grausame Herrschafft alle Erträgligkeit überstieg / hatten ihn die Parther verstossen / und Tiridaten auf den Reichs-Stul gesetzet; hingegen vermählete Antonius des Medischen Königes Tochter Jotapen seinem Sohne Alexander / und schenckte ihm ein Stücke Armeniens /welche nach des Antonius Tode Augustus ihrem Vater wieder zurück schickte; Cleopatra aber sendete Artabazens abgehauenen Kopf zum Augustus. Als Salonine allhier ein wenig Athem holete / fing die Königin an: Ich besorge / die holdselige Thußnelda und die schöne Ismene werde aus Unwissenheit / wohin so viel frembde Geschichte zielen / unserer Erzehlungen überdrüssig werden / daher kan ich mich länger nicht enthalten / ihr zu eröffnen / daß diese Armenische Könige meine Voreltern / Artaxias mein Vater gewesen /ich aber die verstossene Königin Erato sey / welcher Unglück Salonine nicht gnugsam auszudrücken getrauet / wenn sie nicht die Trauer-Fälle meines zum Elende versehenen / nicht aber so lasterhaften Geschlechtes / wie die Römer in der Welt von ihm ausgesprenget / mit auf die Schaubühne stellete. Thußnelde umbhalsete die Königin Erato mit Vergiessung vieler Thränen / und versicherte die / daß wie ihres Stammes Trauer-Fälle ihr mitleidentlich tief zu Hertzen gegangen wären; also schöpfte sie mit Ismenen aus derselben umbständlichen Erzehlung nicht wenige Ergetzligkeit. Denn es hätte [225] das menschliche Elend die Eigenschafft des Feuers an sich / welches /seines Verderbens wegen / Schaden und weh thäte /gleichwohl aber annehmlich anzuschauen wäre. Also hörete man ins gemein die allertraurigsten Ebentheuer am liebsten. Uber diß machte die Unglückseligkeit ihr Geschlechte bey ihr weder schuldig noch verdächtig. Das feinste Gold komme so geschwind in den Schmeltz-Ofen / als das schlimmen Beysatz hat / und der Hagel schlage so geschwinde Weitzen als Unkraut nieder. Das Verhängnüß habe etliche Geschlechter zu grossem Glück / andere zu unaufhörlichem Jammer versehen / ohne daß es auf die Tugend oder die Laster ein oder des andern ein Auge habe. Dahero erbete man von seinen Eltern nicht nur die Aehnligkeit des Gesichts / und die Gemüths-Regungen / sondern auch die Gunst und Verfolgung des Glückes; nicht anders /als die jungen Panther von den alten ihre Flecken /und die Zibet-Katzen den Geruch. Also habe in Hibernien ein Geschlechte geherrschet / dessen Zweige fast alle vom Hencker-Beile abgehauen worden. Ja was noch seltzamer: Oftmals klebete einem gewissen Nahmen ein unabsonderlich Unglück oder Schandfleck an. Sie habe ihr offt erzehlen lassen / daß in Armenien alle Tigranes / im Pontus alle Mithridates / in Persen alle Artaban tapfer / aber unglückselig gewest. In Gallien wären fast alle Inducianarer eines gewaltsamen Todes gestorben / einer sey in einem Strome erschossen / der andere auf seiner Schwester Beylager im Turnier von seinem Stallmeister mit der Lantze ins Auge gerennt / der dritte von einem Druys in seinem Zimmer / der vierdte von einem Meuchelmörder in seinem Wagen erstochen worden. Salonine fing an: Da die Fürsti en ihr wieder gnädiges Gehöre verleihen wolten / würde ihre folgende Erzehlung die erwehnte Meynung so viel mehr verstärcken. Als sie sä tlich durch ihr Stillschweigen zu verstehen gaben / daß sie durch ihr darzwischen reden nicht gern einigen Aufschub verursachen wolten / fuhr sie derogestalt fort: Artaxias der neue Königin Armenien rüstete sich nach seines Vätern Artabazes Gefängnüsse alsofort möglichst zur Gegenwehr / und ob ihm schon Antonius sein angesta etes Reich unter Bedingungen antragẽ ließ / so wolte er doch nichts zum Schimpfe seines gefangenen Vaters einwilligen / sondern mit Behauptung der Ehre alles zufällige lieber auf die Spitze setzen. Allein es zogen wider ihn nicht alleine die Römer / sondern auch der König in Meden / dessen Tochter der junge Alexander geheyrathet hatte /der König in Pontus Polemon / dem Antonius das kleinere Armenien geschenckt / und der hernach gar für einen Bundsgenossen der Römer angenommen ward; Archelaus der König in Cappadocien / und der Fürst in Galatien Amyntas ins Feld. Gleichwohl ließ Artaxias sich diese zusammenziehenden Gewitter nicht schrecken / zohe ihnen also entgegen / und lieferte ihnen an der Medischen Gräntze eine Schlacht /in welcher er alle Griffe eines klugen Feldherrn / und alle Thaten eines tapfern Kriegshelden ausübte. Sieg und Verlust hingen den halben Tag auf einer Wagschale. Denn was dem Artaxias an der Grösse des Heeres abging / ersetzte seine Großmüthigkeit. Diese aber ward von der Leichtfertigkeit des verrätherischen Artabazes / welchem Artaxias den Hinterhalt anvertrauet hatte / endlich mürbe gemacht / indem selbter sich zum Feinde schlug / und mit einem Theile seiner Reiterey seinem Könige in Rücken fiel. Hierüber geriethen die Armenier in Unordnung / und / nach dem Artaxias durch keine Müh sie aus solcher Verwirrung bringen konte / in die Flucht. Der König kriegte selbst drey Wunden / diese aber hinderten ihn nicht zu dem Parthischen Könige Tiridates seine Zuflucht zu neh men / als er an dem Flusse Cyrus ein Theil seines[226] Volckes wieder versa let / und hin und wieder gute Anstalt gemacht hatte den Lauff des Sieges dem Feinde zu hemmen. Dieser Tiridates nahm den Artaxias freundlich auf / gab ihm nicht allein ansehnliche Hülffe / sondern vermählete ihm auch seine Tochter die wunderschöne Olympia. Hiemit kam Artaxias zu grossen Freuden der bedrängten Armenier in seinem Reiche wieder an; und weil Antonius inzwischen alle Römische Kriegs-Völcker wider den Augustus abgefordert hatte / wolte er keine Zeit versäumen / sondern ging auf den König der Meden getrost loß. Dieser aber konte für dem Blitze dieses hurtigen Feindes nicht stehen / sondern ward nach kaum einstündiger Gegenwehre flüchtig. Die Festungen ergaben sich meist gutwillig dem Artaxias / und schlugen ihre frembde Besatzung todt. Artavasdes machte sich über Hals und Kopf aus Armenien; alleine Artaxias folgte ihm in Meden nach / ereilte ihn bey der Stadt Ecbatana. Beyde Heere traffen hertzhafft auf einander. Die Armenier munterte die Rache / die Meder ihre für Augen schwebende äuserste Noth auf / welche auch Furchtsamen ein Hertze macht. Alleine Artaxias drang mit dem Armenischen Adel auf einer / und Artaban ein Parthischer Fürst mit den Parthischen Hülffs-Völckern so gewaltig auf die Meden / daß sie gegen der Stadt in offentliche Flucht geriethen. Als Artavasdes nun die Seinigen zurück halten wolte / traf Artaxias auf ihn / rennte ihn vom Pferde / und konte mit genauer Noth verwehren / daß er von den hitzigen Armeniern nicht getödtet / oder von Pferden zertreten ward. Artaxias kam also mit dem gefangenen Könige für die Stadt Ecbatana / welche sich ohne Gegenwehr der Willkühr des Siegers untergab. Artaxias konte sich über der Pracht dieser Stadt / und insonderheit des Schlosses / welches billich unter die Wunderwercke der Welt zu rechnen ist / nicht gnungsam verwundern. Dieses hat der mächtige König der Meden Dejoces von Grund aus erbauet / und mit sieben festen Mauern umgeben. Die äuserste ist von weissem Marmelsteine / die andere von schwartzem / die dritte von rothem / die vierdte von einem Himmel-blauen Alabaster; die fünfte ist von gebackenen Steinen / welche mit dem allerhöchsten Zinober und Sandarach übergläset sind / die sechste ist gantz übersilbert / und die siebende vergoldet. Die Königliche Burg inwendig ist von dem köstlichsten Marmel / und nach der vollkommensten Bau-Kunst gebauet. Alle Thore sind von Ertzt / das Pflaster von vielfärbicht durcheinander eingelegten Steinen bereitet / das Dach vergoldet / daß bey Sonnen-Scheine niemand selbtes anschauen darff. Die Wände sind mit güldenen Tapezereyen / an welchen noch gewisse Bilder mit Perlen und Edelgesteinen gestückt zu sehen / die Bödeme mit Persischem Gewebe bedecket. In einem der Sonne gewiedmeten Tempel stehet des Medischen Reichs-Stiffters Arbaces / wie auch des Dejoces Bildnüß in Gold / und nach ihm alle Medische Könige aus Ertzt in Lebens-Grösse gegossen / oder aus Alabaster gehauen. An dem Schilde des Arbaces war Sardanapal eingeetzet /wie er mit einer Hand dem Arbaces den Assyrischen Reichs-Stab überreicht / mit der andern den unter sich gemachten Holtz-Stoß anzündet / mit dieser Uberschrifft:


Ihr Meden lernt von uns: Das Reich sey ein Gewebe /

Zu dem die Klugheit spinnt / daran die Tugend stückt /

Wozu kein Weiber-Arm / kein knechtisch Geist sich schickt /

Daß Wollust Zepter nähm' / und Tapferkeit sie gebe.

Die krönt nun Arbacen / stürtzt den Sardanapal /

Setzt Helden auf den Thron / und Weiber an den Pfel.


Unter Dejocens güldenem Bilde war die Stadt Ecbatana geetzt mit dieser Uberschrifft:

[227]

Der Ban hier ist ein Bild Dejocens Hand und Stärcke /

Die so viel Stadt einriß / und Länder äschert ein.

In welchem mag nun wol Dejoces grösser seyn?

Er brach nur Mauren ab / hier baut er Wunderwercke.

Zermalmte Stein und Kalck / erhöhte Gold für Koth.

In jenem war er nur ein Mensch / in dem ein Gott.


Alle andere Bilder / sagte Salonine / haben dar ihre denckwürdige Uberschriften; ich wil aber alle / ausser dieselbe / verschweigen / welche Artavasdes unter des letzthin überwundenen Crassus Kopf / welchen ein Griechischer Bildhauer aus Alabaster gemacht / und ihm verehret hatte / schreiben ließ:


Des geitz'gen Crassus Kopf ist zwar nur schlechter Stein /

Doch ist er güldner hier / als wo er Gold schlingt ein.


Die Ergebung der Stadt Ecbatana war ein Wegweiser der andern Haupt-Stadt Phraata / ja des Königes Artavasdes Gefängnüß ein Schlüssel zu dem gantzen Medischen Reiche / welches ihren König als einen Störer der allgemeinen Ruh verfluchte / und dem Artaxias fast Göttliche Ehre anthat. Unter andern liessen die Reichs-Stände sein Bildnüß aus dichtem Golde giessen / stellten es mitten in den Tempel der Sonnen / und schrieben darbey: Dem grossen Artaxias /dem dritten Erhalter der Meden. Also liebkoset die Heucheley nicht nur den Lastern / sondern auch der Tugend. Wenn sie aber ihre Larve wegwirfft / übt sie ihre Gramschafft nicht minder gegen diese / als gegen jene aus; gleich als wenn die Tugend nur nach Eigenschafft der Heucheley in nichts wesentlichem /sondern auf eitelem Scheine bestünde / und ihre Schönheit nur betrüglicher Firnüß wäre / wie der Verlauff ausweisen wird. Weil nun aber / wie die Glieder an der Kette / also auch ein Glück an dem andern hängt / war es nicht genung / daß Artaxias das Königreich Armenien wieder gewonnen / und sich noch darzu zum Herren der Meden gemacht hatte / sondern seine Gemahlin Olympia kam auch in den Tempel der Sonnen / dahin sie sich aus Andacht verfügt hatte /mit der hier anwesenden Königin Erato und einem jungen Herrn / und zwar gleich mit aufgehender Sonne darnieder / als die in und ausser des Tempels aus vergüldetem Kupfer gemachte Himmels-Kugeln entweder durch Zauberey / oder durch heimliche Krafft solchen Gestirnes feurig und klingend zu werden anfingen. Die Wahrsager wusten nicht genung auszusprechen / wie viel Gutes das Verhängnüß diesen zwey neugebornen Kindern zudächte. Denn über diese merckwürdige Zeit war der Ort der Geburt der Meden gröstes Heiligthum / und ein vollko enes Nach-Gemächte des Indianischen Sonnen-Tempels /welchen Porus dem grossen Alexander zu Ehren gebauet / sein Bild einmal stehende / und denn auch zu Roße aus dichtem Golde / des Ajax aus Helffen-Bein / sein eigenes dem Leben nach fünf Ellenbogen hoch darein gesetzet hatte / und darinnen die Säulen des Tempels mit Feuerfärbichtem Marmel / und gleichsam blitzendem Golde gezieret / die Bödeme aber mit Perlen eingelegt waren. Ihre Eitelkeit aber kam allzu zeitlich ans Licht. Denn als Artaxias zurück in Armenien kehrte / und auf dem Flusse Tigris durch den Arethusischen See fuhr / gerieth das eine Schiff / worauf die Königlichen Kinder waren / auf einen Steinfels /daß es zu scheitern ging. Ob nun wol die Bootsleute das Fräulein mit Nachschwimmen aus dem Wasser brachten / so ward doch die Wiege / darinnen der junge Fürst Artaxias lag / von dem Strome davon gerissen; und wie fleissig man auch an den Ufern nachsuchte / von ihm das geringste Merckmal nicht gefunden. Die Trauer-Fälle sind mitten zwischen vielem Glücke am empfindlichsten / dahero gieng dieser dem Artaxias so viel mehr zu Gemüthe. Denn grosse Gemüther vermögen zwar / wie die Erdkugel / beständig / aber nicht unbeweglich zu seyn. Helden haben eben so wenig Diamantene Augen ohne Thränen / und stählerne Hertzen ohne Fühlen / als andere. Zumahl Olympien bey der Geburt ein Zufall [228] begegnet war /welcher der Wehmutter Urthel nach sie zu künfftiger Empfängniß unfähig machte. Gleichwol aber beraubte ihn die Grösse dieses Hertzeleides nicht seiner durch öfftere Zufälle abgehärteten Klugheit / und weil seine Liebe gegen Olympien unausleschlich war / setzte er ihm für / weder durch die sonst nicht ungewöhnliche Heyrath mehrerer Frauen seine eigene durch andere Neben-Sonnen zu verdüstern / noch iemanden anderst / als diß / was sie gebohren / mit der Zeit zu seinem Stuel-Erben zu erklären. Es stand ihm aber am Wege / daß in Armenien noch kein Weibsbild den Reichs-Apffel in Händen gehabt hatte. Daher berieht er sich mit seinem vertrautesten und höchsten Staats-Diener dem klugen Artafernes / was bey so gestalten Sachen zu thun wäre. Dieser urtheilte: Er hielte es in allewege für eine verdammliche Ketzerey / wenn etliche das weibliche Geschlechte für unfähig der Königlichen Herrschafft schätzten. Die Staats-Klugheit steckte nicht im Barte / und die Königliche Hoheit nicht im Sauersehen. Das Gewichte / welches die Uhr des gemeinen Wesens triebe / sey die Krafft eines lebhafften Geistes / und die Geschickligkeit einer scharffsinnigen Vernunfft / welche nichts minder in Frauen-als Manns-Köpffen Raum hätten. Das Gestirne der Caßiopea und der Venus sey so schön und kräfftig / als des Theseus und des Mars. Der Kopff mache einen zum Weltweisen / die Zunge einen zum Redner / die Brust einen zum Ringer / die Armen zum Kriegsknechte /die Füsse zum Lauffer / die Achseln zum Träger / ein grosses Hertz aber einen zum Könige. Wenn an starcken Spann-Adern das gemeine Heil hinge / müste Griechenland seine Fürsten von den Olympischen Rennebahnen / und Rom seine Bürgermeister aus den Schauplätzen nehmen. Man hätte wohl eh Riesen zu Fürsten / welche Bäume auszureissen vermöchten /derer Achseln sich doch unter einer mittelmäßigen Schwerde der Reichs-Sorgen beugten. Hingegen wären offtmals kräncklichte Fürsten gewest / die etliche Jahr nie aus dem Zimmer kommen / oder vom Siech-Bette auffgestanden / denen aber die Last etlicher Königreiche leichte gewest. Diese wären von Zeuge zubereitet / der zum Kopffe gehörete / und keine Spann-Adern dörfte / jene aber von solchem /der zu Gliedern und Dienern erfodert wird. Diese gehörten zum Steuer-Ruder / welches nur Klugheit /keine Stärcke erfordert; jene auf die gemeine Ruder-Banck / da die Armen das beste thun / die weder der Schweiß / noch die rauhe Lufft entkräfftet. Es ist wahr / sagte Thußnelde / es hat in Britannien ein König Hippo Marcomirs Sohn eine und die andere Welt aus seinem Zi er / welches einem Kranckenhause ähnlicher / als einer Raths-Stube war / so klüglich beherrscht / daß man ihn den Salomon seiner Zeit geheissen. Und ich muß unserm Geschlechte / daß es zum Herrschen geschickt sey / abermal das Wort reden. Ich wil von der Semiramis und Nitocris zu Babylon /Artemisien und Laodicen in Asien / von der Thomyris bey den Scythen den Wundern der Vor-Welt nichts erzehlen. Zu erwehnten Königs Hippo Zeit regierte in Hibernien Telesbia eine Jungfrau lange Jahre zu der gantzen Welt Verwunderung / ja sie hielt oberwehntem Könige Hippo dergestalt die Wage / daß seine klügste Anstalten / und die mächtigsten See-Rüstun gen zu Wasser wurden. Für wenigen Jahren hat Canistria den Svionern und Gothen mit grossem Ruhm für gestanden / und ihr Reich über zwey Meere erweitert Die Sitones haben insgemein Weiber zu Königinnen. Diesemnach deñ hoffentlich unsern Deutschen nicht wird zu verargen seyn / daß sie die Frauen in den wichtigsten Sachen zu rathe ziehen / und ihr Gutachten meistentheils gelten lassen / festiglich glaubende /daß diß Geschlechte nichts minder heilig als fürsichtig sey. Auch sind die Britannier nicht zu schelten /daß sie in der Reichs-Folge kein Geschlechte unterscheiden. Salonine kam hierauff wieder [229] an den Faden ihrer Erzehlung: Artafernes habe den König Artaxias durch obige und mehr Gründe in seiner Meinung bestärckt / daß er das Reich auf seine Tochter Erato zu bringen Anstalt machen solte; iedoch weil alle Neuerung verdächtig wäre / und einige ehrsüchtige Unterthanen ihre Herrschaft zu unterbrechen sich erkühnen dörften / solte er den Schiffbruch seines Sohnes verdrücken / und das Fräulein Erato an des Verstorbenen Stelle aufferziehen. Artaxias lies ihm diesen Anschlag belieben / von welchem niemand als der König Artafernes / und ich als Hoffmeisterin des Königlichen Frauenzimmers wuste. Also glaubete gantz Armenien und Persien / daß Erato todt / und Artaxias lebendig wäre. Die Lebhafftigkeit / und die ansehnliche Gestalt dieses Fräuleins halff diese Blendung nicht wenig ver hüllen. Artaxias gab ihr den aus der Stadt Susiana am rothen Meer bürtigen Dionysius Periegetes / welchen Käyser Augustus / um sich der Morgenländer Beschaffenheit zu erkundigen / mit Fleiß in Armenien zu wohnen befehlichet hatte / zum Lehrmeister. Denn es verstand Artaxias wohl: daß alle Schönheit ohne Auffputzung unvollkommen / und alle Vollkommenheit ohne Beyhülffe rauh sey / ja das Gold selbst müsse gefärbt / die Diamanten geschliffen werden. Dahero eine kluge Erziehung das Böse verbessere /dem Guten seine noch ermangelnde Helffte der Vollkommenheit beysetze. Also unterwieß Dionysius sie nicht alleine in allerhand Sprachen / und der Platonischen Weltweißheit; sondern sie ward auch in allen Ritterspielen auffs fleißigste ausgemustert; also daß an ihr keine Eigenschafft ihres Geschlechtes zu sehen war / als die Schamhafftigkeit und Anmuth. In dieser Lehre blieb Erato biß ins zwölffte Jahr / und Artaxias in ruhigem Besitz beyder Königreiche. Denn nach dem Augustus den Antonius bey Actium überwunden hatte / war er mit Behauptung Egyptens / und mit Demüthigung der Dacier / Mysier und Bastarnen beschäfftigt / welche mit Hülffe des Getischen Königs Rotes geschlagen / ja der Bastarnen König Deldo selbsthändig von des Crassus jüngstem Sohne getödtet ward. Dieser kriegte auch mit den Meden und Serden / und dem Getischen Könige Dapyr und Zyraxes zu schaffen / allwo er das Gebürge Ceyra und die Haupt-Festung Genucla nebst denen dem Cajus Antonius vorhin abgenommenen Fahnen wieder eroberte. So hat auch Augustus mit Einrichtung seines einhäuptigen Reichs / und mit Besetzung der Aemter genung zu thun. Uberdiß dräuten die Britannier in Gallien einzufallen / die Cantabrer und Asturier wurden auffrührisch; also daß Augustus wider jene in Gallien /wider diese nach Tarracon ziehen / und nachdem sein Feldhäuptmann Elius Largus wider den König des glückseligen Arabiens Sabos einen unglückseligen Zug gethan / und in der Wassermangelnden Sandwüsten für Hitze und Durst sein gantzes Heer verschmachtet war / daselbst die Grentzen besetzen muste. Zu geschweigen seiner vielfältigen Haus-Bekümmernisse / welche ihn an alle Ecken des so grossen Reichs die Römischen Heerspitzen zusenden /und den bey ihm in schlechter Gewogenhiet stehenden Artaxias mit Kriegs-Macht zu überziehen hinderte; also gegen ihm seine Unhold nicht anders auslassen konte / als daß er ihm seine vom Antonius aus Armenien gefangen mit weggeführte Brüder frey zu lassen weigerte; da er doch den Meden die dem jungen Alexander verlobte Jotapen willig abfolgen ließ. Wie aber das Glücke entweder müde wild einen lange mit unverwendetem Auge anzuschauen / oder ihm verkleinerlich hält / daß es allezeit mit einerley Winde in ein Segel blasen müsse; also konte auch der Wohlstand des Königs Artaxias weder für sich selbst unveränderlich bleiben / noch seine Klugheit das sich stets umwältzende Rad des Verhängnißes hemmen. Sehet aber / wie das Wetter / so von weitem her über Armenien auffzog! Der Comagenische König [230] Antiochus hatte seinen Blutsverwandten Alexander / der mit einem Theile des ihm anvertrauten Kriegsvolcks zu den Römern übergegangen / und dabey dem mit dem Antonius getroffenen Frieden ihm ausgelieffert worden war / auff offentlicher Schaubühne andern Aufrührern zum Abscheu hinrichten lassen. Dieses hielt Augustus für einen Schimpff des Römischen Volcks /welches zeither allen fremden Aufwieglern Thür und Thor aufgesperret / und durch selbte mehr als durch eigene Kräffte in dem trüben Wasser der unruhigen Länder gefischt hatte. Dahero trug er ihm solche That welche künftig Meineidigen die Lust nach Rom ziemlich versaltzen dörfte / zu rächen lange nach / biß er bey sich ereignenden Zwytracht zwischen ihm und seinen Bruder dem blinden Könige der Dentheleter /Sitas / Gelegenheit solche auszuüben erlangte. Wiewol insgemein dafür gehalten ward: daß des Sitas Gemahlin Arimanthe / mit welcher Augustus die hernach mit seiner Tochter Julia sich als eine Freygelassene auff haltende / und bey ihrem ausbrechenden Ehebruche mit dem Julius Antonius sich erhenckende Phorbe durch Ehebruch erzeugt hatte / den Käyser wider den Antiochus verhetzt hätte. Diese Herrschsüchtige Arimanthe meinte / nachdem sie dem Käyser in dem Schooß säße / er ihrem Ehemanne auch schon Hülffe wider den Antiochus versprochen hatte / es trüge ihr mehr keine Busse alle Laster auszuüben. Daher schickte Sitas / oder vielmehr sie unter dem Scheine die brüderliche Uneinigkeit gütlich beyzulegen einen Gesandten zum Antiochus / der von dar vollends nach Rom ziehen / uñ den Verlauff der Sachen berichten solte. Im Werck aber kundschaffte dieser des Antiochus Verfassung aus / und trachtete nicht allein seine Diener zu bestechen / sondern ihm auch gar Gifft beyzubringen. Diese Verrätherey aber ward offenbar /und Antiochus ließ seines Bruders Gesandten aus Creutz schlagen. Augustus nam diese gerechte Straffe für eine Verletzung des Völcker-Rechts und des Römischen Volcks / zu welchem der Gecreutzigte gehen solte / auff / und foderte den Antiochus nach Rom /dafür Red und Antwort zu geben. Artaxias / dessen Schwester Antiochus hatte / widerrieth ihm zu erscheinen / aber er verließ sich auff seine gerechte Sache. So bald er aber nach Rom kam / ward er für den Rath gestellet / und gegen ihm auffgemutzet / wie nicht allein alle Völcker / sondern auch die Götter das den Botschafftern zugefügte Unrecht mit Feuer und Schwerdt gerochen hätten. Als König Psa enitus in Egypten des Königs Cambyses Herold niedersebeln lassen / hätten ihn und sein Königreich die Götter in Cambysens Hände gegeben / welcher des Psammenitus Sohne und zwey tausend Memphitischen Knaben Knöbel an den Mund legen / sie zur Schlachtbanck schleppen / und dem Geiste des Herolds auffopffern lassen. Also hätten sie auch den Ariovist gestrafft /weil er des Julius Cäsars Gesandten Valerius Procillus in Ketten geschlossen und verbrennen wollen. Als die Athenienser des Darius Botschafft / ungeachtet sie ihnen Erde und Wasser ansprachen / in ein tieffes Loch steckten / wären sie fast alles ihrigen entsetzt; und als sie des Königs Philippus todtes Bild (Gesandten aber wären lebendige Bilder ihrer Fürsten) mit Harn begossen / wäre ihre Stadt mit Asche / Blut und Saltz besprenget worden. Insonderheit wäre es bey den Römern ein löbliches Herkommen / solche Schmach mit des Verbrechers Untergange abzutilgen. Als die Tarentiner den Römischen Botschaffter Lucius Posthumius verlachet und besudelt / hätte Tarent hernach bitterlich weinen und den wenigen Koth mit grossen Strömen Bluts abwaschen müssen. Die gantze Stadt Fidena sey deßwegen eingeäschert worden. Sie selbst hätten ihre eigene Bürger ihren Feinden zur Straffe ausfolgen lassen / die sich an ihren Gesandten vergriffen / als den L. Minutius und L. Mannlius den Carthaginensern / den Qvintus Fabius / [231] und Cneus Apronius der Stadt Apollonia. Antiochus schützte hingegen für / der gecreutzigte Gesandte wäre kein Römischer / sondern seines Brudern / ja nicht ein Gesandter / sondern ein Auffwiegler und Meuchel Mörder gewest. Zu dessen Beweiß er unterschiedene Zeugnisse und Uhrkunden fürlegte. Die Unversehrligkeit einer Botschafft währete nicht länger / als ihre Unschuld. Alle Freyheiten würden durch Mißbrauch verspielet. Weil nun das heilige Amt eines Gesandten kein Deckmantel unstrafbarer Boßheit seyn solte /hätte er zu Beschirmung seiner Hoheit / und zur Sicherheit seiner selbst billich Urthel und Recht über ihn ergehen lassen. Hätten doch die Römer den Tarentinischen Gesandten Phileas / welcher nur durch Bestechung der Auffseher zwey Tarentinische Geissel von Rom wegspielen wollen / mit Ruthen gestrichen /und vom Tarpejischen Felsen gestürtzet. Für wenigen Jahren hätte der Schutzherr Hiberniens des Königlichen Gesandten aus den glückseligen Eylanden Bruder wegen eines gemeinen Todschlages enthaupten lassen. Warum solte ein König nun nicht den / der ihm nach Reich und Leben strebt / den Gesetzen und dem Richterstuhl unterwerffen? Allein ihm ward begegnet: Das Unrecht eines Gesandten ginge auch den an / zu dem er geschickt würde. Als die Antiater die nach Rom von Sicilien abgefertigte Botschafft eingekerckert hätten / wären die Römer am ersten wider sie zu Felde gezogen. Hätte ein Gesandter was verwürcket / stünde das Erkäntniß seinem Herrn zu / dem er zu Bestraffung abgefolgt werden müste. Als der grosse Alexander Tyrus erobert / habe er zwar zweytausend Bürger gecreutziget / denen Carthaginensischen Gesandten aber kein Haar krümmen lassen / ob sie schon wider ihn geschickt waren / und die Stadt gegen ihn zur Hartnäckigkeit verhetzt hatten. Als Rom den Phileas gestrafft / wäre Tarent schon den Römern unterthänig gewest. Antiochus zog endlich unterschiedene Schreiben der Königin Arimanthe heraus / daraus er bescheinigte / daß sie und König Sitas an ihres Gesandten Lastern Theil und Wohlgefallen / als er sich von den Mitschuldigen keiner Gerechtigkeit zu versehen gehabt hätte. Dessen aber allem ungeachtet /sprach der Rath ihm auff deß in die Arimanthe verliebten Augustus Befehl den Kopff ab / welch grausames Urthel auch an ihm unerhörter Weise vollzogen ward. Alleine dieser Streich zielete noch auff einen grössern Kopff / nemlich den Artaxias / gegen den sich nun mehr durch Hinrichtung seines Schwagers des Augustus Haß so vielmehr vergrösserte / nach dem es des menschlichen Geschlechts Eigenschafft ist / den zu hassen / den wir verletzt haben. Gleichwol aber hielt den Augustus die Macht und Tapfferkeit des Artaxias / und das Bündniß mit den Parthen zurücke / sich gegen ihn öffentlich Feind zu erklären /ungeachtet er hörte / daß des Artaxias Schwester mit dem von Rom überkommenen blutigen Kopffe ihres Gemahls zum Artaxias gezogen war / und ihn um Schirm und Rache mit beweglichen Thränen anflehete. Diesemnach sahe er nach durch List ihm ein Bein unterschlagen / und befand des Ariaxias eigenen Bruder Artabazes / der nebst dem Tigranes vom Antonius aus Armenien gefangen weggeführet / und zu Bedienung dem Tiberius zugeeignet war / zu einem tauglichen Werckzeuge. Denn er war ein Mensch von Natur zu allen Lastern geneigt / und die Gemeinschafft mit dem Tiberius hatte ihm diese Lehre fest eingepräget /daß des Herrschens wegen nicht nur alle Rechte verletzt / das Gewissen an Nagel gehenckt / sondern auch das Geblüte in Galle verwandelt werden müste. Dieser ward zu einem schönen Vorwand / daß der Käyser nur dem Verbrechen des Antiochus nicht seinem Geschlechte gram sey / König in Comagene erkläret /und / die Warheit zu sagen / Artaxias hierdurch nicht alleine besänfftiget / sondern [232] auch sicher gemacht. Artabazes erschien selbst nach Artaxata / strich seiner brüderlichen Liebe und des Käysers Zuneigung eine schöne Farbe an / ersuchte ihn auch ihm behülfflich zu seyn / daß der Parthische König Tiridates ihm seine andere Tochter vermählen möchte. Artaxias half ihm nicht alleine zu dieser ansehnlichen Heyrath /sondern er hätte ihm gerne die Sonne zugeeignet /wenn diß so wohl in seiner Gewalt gestanden / als ihn brüderlich zu lieben. Ist aber wol ein schwärtzerer Undanck / ein abscheulicherer Meuchelmord iemals gehöret worden! Artaxias hielt Artabazen mit seiner neuen Gemahlin Antigone durch gantz Armenien königlich aus / und begleitete ihn biß an die Comagenische Gräntze. Als sie nun das letzte mahl gut dem ersten Comagenischen Schlosse nicht weit von Samosela Taffel hielten / Artaxias auch seine meisten Leute über dem Flusse Phrat gelassen hatte / die übrigen aber mit Fleiß durch den Wein eingeschläfft waren /auch sich diesem fürsichtigen Könige Gifft beyzubringen nicht schicken wolte / stieß der unmenschliche Artabazes unversehens einen gifftigen Dolch in des Artaxias Hertze / und besudelte sich und seine Braut mit dem brüderlichen Blute / und eines solchen Fürstens / dessen Gedächtniß die Tugend unsterblich erhalten wird / wo sie anders nicht besorget / daß mit ihm auch des keines Namens und Andenckenswürdige Artabazes dörfte gedacht werden. Die Königin Erato konte sich nicht enthalten / daß die Wehmuth die Thränen Strom-weise aus ihren Augen preste; Thusnelde aber umb sie von so schmertzhaffter Erinnerung auf was anders zu bringen / warf ein: Sie hielte zwey Dinge für ungerechte Schickungen des Glückes; eines wäre daß / nachdem der Nachruhm der schönste Preiß der Tugend sey / der tapffersten Helden Gedächtniß offt gar vergessen / oder doch gar ungeschickt aufgemerckt würde. Der unvergleichliche Scipio sey nur von der groben Feder des Ennius gerühmet / die alten deutschen Heldenthaten aber von niemanden aufgeschrieben worden. Das andere bestehe darinnen: daß / nachdem die Vergessenheit / welche alles in den Staub des unsichtbaren Nichts vergräbet / die gröste Rache wider die Laster ist / dennoch der Name und das Thun vieler boßhafften Menschen / welche der Geburt nie werth gewest / unvergessen bleibt / und also die Boßheit nichts minder als die Tugend die Gewalt iemanden zu verewigen haben soll. Die Ephesier meinten durch ihr Verbot den Namen des ihren Dianischen Tempel anzündenden Mordbrenners / weil er dardurch ihm die Unsterbligkeit zu erwerben für gehabt / der Nachwelt aus Ohren und Augen zu reissen; Gleichwol hat der beredte Theopompus mehr ihm als den Nachkommen zu Liebe aufgezeichnet / daß es Herostratus gewesen sey. Pausanias erstach den grossen König Philipp / und sein Mord ist nach dem Einrathen Hermocratens nicht weniger / als des Ermordeten Siege / bekandt. Ja seine Gemahlin Olympias dorfte diesem ans Creutz geschlagenen Meuchelmörder noch wol einen Lorber-Krantz aufsetzen / und Lebenslang bey seinem ehrlichen Grabe ein prächtiges Jahr-Gedächtnüß halten lassen. Es ist nicht ohne /antwortete die sich wieder erholende Erato / daß viel tugendhaffte Gemüther einer gelehrtern oder aufachtsamern Welt würdig gewest sind / als in welcher sie gelebet / da entweder der Mangel der Geschichtschreiber / oder der Undanck der Lebenden / welchen meist nur die verfaulten Knochen der verstorbenen wolrüchen / ihrer vergessen. Gleichwol aber träget das Verhängniß für die Tugend so grosse Sorge / daß der Nachruhm derselben / derer Fleisch in unbekanten Gräbern stincket oder vermodert ist / sich noch als eine kräfftige Salbe in die gantze Welt zertheilet / und daß die / von welchen bey ihren Lebzeiten kaum ihr Nachbar was gewüst / tausend Jahr hernach in der gantzen Welt berühmt sind. Worbey ich mich der [233] Reimen erinnere / die in dem Delfischen Tempel unter dem Bilde des seine Kinder fressenden / und dardurch die Zeit fürbildenden Saturnus eingeetzt sind; Worauf Faunus / der daselbst für Zeiten im Nähmen des Saturnus der Helden Glücksfälle geweissagt haben soll /mit dem Finger zeigte:


Den Menschen ist zwar iede Morgenröthe

Ein Sterbelicht; die Sonn' ein Todt-Comete;

Denn ieder Augenblick eilt mit ihm in das Grab /

Als wie die Ström' ins Meer' und Pfeile zu dem Zwecke.

Allein / wie nichts verdirbt / das nicht was neues hecke;

So seil'n sich zwar die Stunden ab;

Doch wird ein Tag daraus. Der Monat wird zum Jahre /

Wenn er zwölf mahl sich leget auf die Bahre.

Und so ist der Verlust ein Wachsthum selbst der Zeit.

Wenn auch nun gleich sich Tugend äschert ein /

So scheint doch ihre Grufft ein Fenix-Nest zu seyn.

Denn's Lebens-Todt gebier't des Nachruhms Ewigkeit.


Hingegen kan man freylich wol durch keine gegenwärtige Käpfer-Gewalt weder des bösen noch guten Gedächtniß vertilgen. Wiewohl sich nun die nach solchem Andencken strebende Boßheit mit ihrer eigenen Schande / wie der Geyer an stinckenden Aessern sättigt; so ist doch diß eine mehr als gifftige Nahrung /welche macht / daß man für beyden Grauen und Abscheu hat. Daher haben die Lasterhafften sich so sehr für der Feder eines Geschichtschreibers / als die häßlichen für dem Pinsel des Mahlers zu fürchten. Salonine setzte bey: Aber noch vielmehr für dem unaufhörlich nagenden Wurme des Gewissens und der göttlichen Rache. Jenes führet wider den Schuldigen täglich tausend Zeugen / es stellet ihm für einen Richter /der ihn alle Augenblicke zu Schwerd / Pfal und Schweffel verdammet; es über giebt ihn einem Hencker / der ihn stündlich mit Ruthen streicht. Weder Leibwache / noch Festungen können ihn hierwider schützen. Denn weil wir von Natur für Lastern eine Abscheu haben / ist das Zittern der boßhafften Eigenschafft / die Furcht bleibt auch in der grösten Sicherheit nicht aussen / und sie glauben weder ihren selbst eigenen Schadloß-Bürgen / noch denen / die durch heuchlerische Lobsprüche dem Laster eine schöne Farbe anstreichen. Der Schlaff kan sie nicht beruhigen / das Schrecken schleichet mit dem Schatten ihrer Träume in ihre innerste Gemächer; so oft man von frembden Verbrechen redet / so oft verurtheilt sie das ihrige. Diese Angst bleibt niemahls aussen / wo gleich die Rache der Götter verweilet. Jedoch folget diese doch endlich / und wenn sie mit einem langsamen Bley-Fusse einen Ubelthäter einholet / so tritt sie ihm desto schwerer auf den Hals. Beydes erfuhr der Bruder-Mörder Artabazes / welchen von der Zeit so grausamer That niemand mehr lachen gesehen. Er wolte selbte zwar verdrücken / und daß Artaxias durch einen Zufall umkommen wäre / die Armenier bereden; alleine die Ubelthäter haben meist ihr eignes Antlitz / oder wol gar die stummen Spinnen zum Verräther / in dem die Mörder in ihren Geweben wol mehrmals ihre Ubelthaten zu lesen vermeinen / und einen Fischkopf für das Haupt eines unschuldigen Todten ansehen. Ja Artabazens eigene Rathgeber behertzigten allererst nach vollbrachter That die Grösse des Lasters / und nach dem der nur / den sie hasten /erblichen war / verwandelte sich ihre vorige Mißgunst in Mitleiden / und welche vorhin zu solcher Entschlüssung ein Auge zugedrückt / zohen den Kopf aus der Schlinge / und verriethen das abscheuliche Beginnen ihres Fürsten. Wie nun Artabazes seinen Mord entdeckt sahe / muste er seinem offenbaren Laster mit Kühnheit zu hülffe kommen. Dahero ruffte er den Tiberius zu Hülffe / welcher alsofort mit sechs Römischen Legionen in Armenien einbrach. Die Reichsstände geriethen bey solcher Bestürtz- und Entfallung ihres Hauptes / wie auch in Mangel eines erwachsenen Nachfolgers in höchste Verwirrung; Einer wolte mit seinem Rathschlage dar / der andere dort hinaus /und also hinderten auch die / welche es gleich mit dem Vaterlande und [234] des Artaxias Erben gut meinten /einander. Die Meden fielen ab / und setzten den Ariobarzanes auf den Thron / welcher durch Gesandschafft und Geschencke den damals in Asien sich befindenden Tiberius auf seine Seite brachte / und vom Käyser die Bestätigung seiner Herrschafft erlangte. So verlautete auch / daß Augustus persönlich mit grosser Macht in Asien kommen würde. Artafernes mein Ehmann brachte es gleichwol in der Eile so weit / daß Erato unter dem Namen des andern Artaxias zu Artaxata gekrönet ward / und Astyages mit einem fliegenden Heere dem Artabazes entgegen zog. Er selbst nahm aufs schleunigste seinen Weg in Parthen / um bey solchem Nothstande vom Könige Tiridates Hülffe zu bitten. Aber / O der ohnmächtigen Kräffte / welche sich auff frembde Achseln lehnen! Denn / sehet /gleich als Artabazes in Armenien gedrungen / war der grimmige von den Parthen vertriebene Phraates mit zwey mahl hundert tausend Scythen / welche er nach hin und wieder vergebens gesuchter Hülffe durch grosse Vertröstungen gewonnen hatte / in Parthen eingefallen / und hatte theils von denen / welche die öftere Veränderung der Fürsten für den Wolstand des Reichs halten / oder bey dessen Verwirrung sich höher ans Bret zu bringen vermeinen / einen grossen Zulauff erlanget. Tiridates raffte zwar in der Eil ein ziemliches Heer zusammen / und / weil die Geschwindigkeit in Bürgerlichen Kriegen das meiste thut /wolte er seinem Feinde bey zeiten begegnen. Artafernes kam mit etlichen hundert Armenischen Edelleuten gleich darzu / als Phraates und Tiridates im hitzigsten Treffen waren / und fand diesen mit Staub und Blut derogestalt besprützet / daß er ihm kaum mehr kenntlich war. Gleichwol hielt er es nicht für rathsam / bey so gefährlichem Zustande den Tiridates durch Eröffnung der schlechten Beschaffenheit in Armenien kleinmüthig zu machen / sondern er vermengte vielmehr seine Waffen gleichfalls mit dem Feinde / und wie klein gleich diese Hülffe war / so machte es doch den Phraates stutzig / als er Armenier wider sich fechten sahe. Meine endlich überwog die Menge der Scythen die Tapfferkeit des Tiridates / und er muste sich mit seinem Volcke / so gut er konte / nach eines gantzen Tages ritterlichem Gefechte zurück ziehen. Das Schrecken etlicher Flüchtigen brachte den Ruff in das gantze Königreich / Tiridates wäre mit seinem gantzen Heere erschlagen / und hiermit auch die Furcht unter die dem Tiridates sonst getreue Unterthanen /also / daß eine unzehlbare Menge dem Phraates zufiel / entweder / weil dem Sieger ieder geneigt ist / oder weil sie durch zeitliche Unterwerfung seine bekandte Grausamkeit besänftigen wolten / welche er itzt / nach Art der neuen Herrscher / mit angenommener Leutseligkeit verhüllte / und als eine ertichtete Tugend so viel mehr gefürchtet ward. Als nun Tiridates sein Läger alle Tage abnehmen / Phraatens Macht aber wachsen sahe; Massen denn unter einem neuen Herrn der Gehorsam seine Dienste sehr eifrig abstattet / entschloß er sich auf Artafernens Einrathen dem Phraates lieber das Reich zu räumen / als noch so viel edlen Blutes ohne Hoffnung des Sieges auf die Fleischbanck zu opffern. Daher befahl er / daß gegen Mitternacht sein übriges Heer in Bereitschafft seyn solte /und nachdem er dieses auf einen geheimen Anschlag angesehen zu seyn vermeinte / trug er ihnen gantz unvermuthet für: Nachdem die Götter ihm das Reich nicht länger gönneten / welches er durch einmüthige Sti e der Parthen überkommen / wolte er dem Verhängnisse aus dem Wege gehen / und dieses mit gutem Willen abtreten / was ihm doch das Glücke aus den Händen winden würde. Dahero erliesse er sie ihrer Pflicht / und des ihm gethanen Eydes. Jeder solte nach seinem Belieben sich bey dem Phraates aussohnen / oder sonst sein Heil versuchen. Er wäre nun auch aus dem Sprunge [235] dahin zu folgen / wohin ihn sein Stern oder Unstern leiten würde. Auf allem Fall würden sie und sein Gewissen ihm zeugen / daß er sein Schwerd in kein unschuldiges Blut der Parthen getaucht habe. Die Fürstin Ismene fing hierüber laut an zu ruffen: Hilf Himmel! aus was für Blödsinnigkeit hat der so berühmte Tiridates / ehe er völlig überwunden worden / seine so getreue Unterthanen diesem Wüterich auff die Schlachtbanck liefern / sich selbst aber der Herrschafft enteusern können? Einem Könige thut es ja nicht so weh sterben / als seiner Hoheit entsetzt werden. Denn jenes ist nur eine Empfindung eines Augenblicks / dieses aber ein unaufhörlicher Todt / und das überbliebene Athemholen ein stetes Seufzen. Salonine antwortete: Eben dieser Meinung wären die getreuen Parthen gewest. Denn dem Kriegsvolcke giengen über dieser seltzamen Entschlüssung die Augen über / die Obersten umarmten seine Knie / reichten ihm die Hände / weisten ihre Narben und baten: Er möchte doch das so getreue Heer / die so wol verdienten und der Wunden gewohnte Parthen nicht verlassen / und in des Wüterichs Hände ungerochen fallenlassen. Es sey besser widrigen Zufällen begegnen / als ausweichen. Tapffere Leute müsten mehr Hoffnung schöpffen / als das Unglücke dräuen könte / und die Furchtsamen eilten nur zu kleinmüthiger Verzweiffelung. Sie wären entschlossen mit einem so frommen Fürsten zu leben und zu sterben. Alleine Tiridates hatte als ein kluger Fürst schon seine übrige / und des Phraates Kräfften gegen einander auf die Wage gelegt / und daraus die Unmöglichkeit seinem Feinde fruchtbar die Stirne zu bieten erkennet. Die Chimeren der Herrschens-Begierde streichen zwar leicht auch der Unmögligkeit eine Farbe an / und die Anbeter des blinden Glückes verleiten die Fürsten leicht zu tollkühnen Entschlüssungen; aber ein kluger Fürst hält es für keine Schande dem Blitze des Himmels auszuweichen / und der Gelegenheit zu erwarten sich wieder in Stand zu setzen und in Bügel zu heben / insonderheit aber in einer verzweiffelten Sache das Bürger-Blut zu sparen. Phraatens Grausamkeit hätte die Zeit mit dem Schimmel der Vergessenheit überzogen / und die lüsterne Liebe der Neuigkeit das Volck mit Phraaten verbunden. Weil nun aber ein Wüterich so wenig als ein Tiegerthier nicht von seiner wilden Art lassen / ja sein mit Blut erworbenes Reich ohne Mord nicht behaupten kan / der veränderliche Pöfel aber / als ein Cameleon unter den Menschen / und ein Thier / das den Wirbel des Unbestandes zu seinem Angelsterne braucht / so geschwinde hasset / als liebet; meinte Tiridates / es würde Phraates bald erkennet werden /und also seine Herrschafft so wenig als die Zuneigung der Parthen keinen Bestand haben / und er also mit mehr Ruhm / und wenigerm Blute den Königlichen Stul wieder besteigen können. Diesemnach er denn seinen Getreuen zur Antwort gab: Er nehme ihre großmüthige Erklärung zu Danck auf / und da noch einige Hoffnung dem Vaterlande zu helffen übrig wäre / würde er mit Freuden sich für selbtes aufopffern. Alleine er hätte es nun schon mit dem Glücke versucht / und das Verhängniß kennen lernen. Möchte er auch gleich durch ihre Tugend Kron und Zepter behaupten können / so würde diese Eitelkeit doch durch so viel edles Blut allzu theuer gekaufft seyn. Es sey besser sie dem Vaterlande zum besten erhalten / als es ihm rühmlich wäre für seine Bürde iemanden zu verderben. Sie hätten Ehre genung davon / daß ihre Treue alles mit ihm auszustehen wäre willens gewest. Dahero solten sie nicht länger ihrer Wolfarth und seiner Beständigkeit am Wege stehen. Traute aber ein und ander nicht beym Phraates Gnade zu finden / so wäre er nicht darwider / daß derselbe ihm nachfolgte /und an seinem Glücke Theil hätte. Hiermit gab er und Artafernes dem Pferde die [236] Sporne / und ritt aus dem Läger fort / welchem das Kriegsvolck gantz verstummet / und als wenn es vom Wetter gerühret wäre / bestürtzt nachsahe. Gleichwohl aber folgten ihm über tausend Pferde von dem fürnehmsten Adel / welche zu Verstossung Phraatens am meisten geholffen hatten /und daher lieber ihre Güter / als Köpffe im Stiche lassen wolten. Mit anbrechendem Tage traffen sie auf ein Geschwader Scythen / welche sie alsofort umringten /und von ihren Gefangenen vernahmen / daß hinter ihnen zwey tausend Phraatische Völcker mit vielen beladenen Camelen im Anzuge wären / welche Phraatens jüngsten Sohn Tiridates wegen zugestossener Unpäßligkeit in eine sich unferne von dar ergebene Festung bringen solten. König Tiridates wolte diese Gelegenheit sich noch zu guter letzte zu rächen nicht aus den Händen lassen; Gab daher seinem gewesenen Feldherrn Artaban das dritte Theil seiner Gefehrten darmit den Scythen zu begegnen / mit dem Befehl / er solte alsofort Fuß für Fuß zurücke weichen /er selbst aber setzte sich mit einem Drittel hinter einen Sandhügel / und Artafernes war befehlicht dem Feinde durch einen Umschweif in den Rücken zu kommen / und / wo möglich / den jungen Tiridates nicht entwischen zu lassen. Der Anschlag lief nach Wuntsch ab; die Scythen gingen auf des Artabans geringen Hauffen / so bald sie dessen ansichtig waren /halb blind loß / wurden auch des Königs Tiridates bey ihrer unvorsichtigen Verfolgung nicht ehe gewahr / als biß Artaban festen Fuß setzte / und Artafernes hinter dem Sandhügel herfür ihnen in die Seite fiel. Hiermit wurden sie in einer viertel Stunde zertrennet /und / weil es ihnen meist um den bey den Kamelen sich befindenden Sohn des Phraates zu thun war /kehrten sie den Parthen den Rücken / setzten den jungen Tiridates geschwind auff ein Pferd / in Meinung mit ihm alleine durchzugehen / und ihrem Feinde die übrige Beute im Stiche / und zu seiner Verweilung zu hinterlassen. Aber Artafernes kam ihnen schnurstracks entgegen / und derogestalt rennten sie meist einander selbst zu Boden / also / daß die Parthen nicht so wol zu fechten / als nur zu würgen hatten. Den jungen Tiridates konte Artafernes mit genauer Noth erretten / daß er nicht von seiner eigenen Reuterey ertreten ward. Nach dieser letzten Rache und fetten Beute nahmen sie ihren Weg gerade nach Armenien zu; auf der Gräntze aber wurden sie von dieser betrübten Zeitung erschrecket / daß Astyages mit seinem Heere von den Römern erlegt / Artaxata durch Verrätherey erobert / die verwittibte Königin Olympia gefangen / Artabazes gekrönet / Mithridates hingegen ein Sohn des meineydigen Alexanders / welchem der zu Rom enthauptete König Antiochus hatte den Kopf abschlagen lassen / in Comagena eingesetzt; Erato /oder der so genante junge König Artaxias durch mich und etliche getreue Armenier geflüchtet / und gantz Armenien unter Artabazens Botmäßigkeit gebracht worden wäre. Diesemnach wuste König Tiridates aus dem Stegereiffen / und da ihm Armenien / Parthen und Scythen verschlossen war / keinen andern Schluß zu fassen / als gegen Edessa und Antiochien in Syrien abzulencken / bey dem Käyser / welcher wegen der gegen die Römer verübten Grausamkeit und abgenommener Adler dem Phraates nicht gut seyn konte /Zuflucht und Schutz zu suchen / auch ihm den jungen Tiridates einzuantworten. Tiridates ward vom Käyser freundlich bewillkommet / und ob wohl Phraates beym Augustus um Ausfolgung seines so genennten Knechtes des Tiridates und seines Sohnes / Tiridates hingegen um Hülffe wider Phraaten anhielt; so schickte er zwar jenem den Sohn / das übrige aber schlug er so wol Tiridaten als Phraaten ab / iedoch ließ er den König Tiridates in Syrien Königlich unterhalten. Nachdem auch Augustus hierauf selbst in [237] Syrien kam / und Phraates wegen Tiridatens Einfall sorgfältig war / schickte jener dem Käyser nicht allein die dem Crassus und Antonius abgenommenen Adler und noch lebenden Gefangene zurücke / sondern auch seine zwey ältester Söhne Unnones und Phraates zur Geissel; oder vielmehr / weil er mit seinem gantzen Geschlechte bey den Parthen verhast war / zu ihrer eigenen Versicherung. Welches Augustus für ein so grosses Werck hielt / daß er sieghafft unter einer Ehrenpforte in Rom seinen Einritt hielt / dem rächenden Jupiter einen Tempel baute / um die ohne Schwerdstreich weder bekommenen Adler darinnen aufzuhängen. Ich muß aber zurück in Armenien kehren / und auf den fürgesetzten Zweck kommen. Als die Post nach Artaxata von des Astyages Niederlage und Artabazens Anzuge kam / nahm die Königin Olympia mich / und Ariarathen einen ihrer vertrautesten Räthe allein in ihr Zimmer / stellte uns ihre und ihres Sohnes des jungen Königs augenscheinliche Gefahr mit heissen und bittern Thränen für / beschwur uns auch bey unserer Eydes-Pflicht / daß wir in dieser eusersten Noth sie nicht Trostloß lassen / sondern / weil der Wüterich Artabazes nach ermordetem Vater auch dessen Sohn nicht leben lassen würde / wir selbten / unserm Gutbedüncken nach / wohin wir wüsten und könten / retten möchten. Sie wäre entschlossen das Haupt des Reiches Artaxata nicht zu verlassen / sondern so lange sie athemte / ihrem grimmigen Feinde die Spitze zu bieten. Ariarathes und ich musten die Entschlüssung dieser wehmüthigen Mutter billigen /erboten uns zu aller möglichsten Außrichtung ihres Befehls / und wurden nach ein- und anderer Berathschlagung schlüßig uns mit dem jungen Artaxias in die von dem Königlichen Sitze des Pontischen Reichs berühmte Stadt Sinope zu flüchten. Ich mag oder kan nicht aussprechen / mit was für empfindlichem Hertzeleide Olympia und Erato von einander Abschied nahmen. Die Zunge war nicht mächtig einiges Wort /noch die Augen einige Thränen auszulassen / gleichsam als wenn beyde allzugeringe Andeutungen ihrer Liebe und Schmertzens wären. Eine so empfindliche Zärtligkeit hatte die Natur mit der Mutter-Liebe in Olympiens Hertze gepflantzet / welcher sonst das Unglück mit allen Zähnen und Nägeln ihres Rades keinen Seufzer abzuzwingen vermocht hätte. Wir zohen also aus Artaxata / und nahm Erato so viel Schwermuth mit sich / als sie ihrer Mutter Olympia zurück ließ. Gleichwohl hielten die Schutz-Götter die Hand über uns / daß wir in geheim aus Artaxata / und durch allerhand Umwege über die rauhesten Gebürge in Galatien / und zu Sinope glücklich ankamen. Viel erbärmlicher aber ging es zu Artaxata mit Olympien her / welcher Tugend das Glücke gegen sie eyversüchtig /die Boßheit aber unsinnig machte. Als Artabazes mit den Römischen Legionen für Artaxata kam / fingen die / auf welche sich die Königin zeither am meisten gestützt hatte / an zu wancken / und denen sie am meisten zugetraut / veränderten mit dem Glücke auch ihre Gesichter und Gemüthe. Ja Artabazes war fast ehe mit gezückter Sebel durch Verrätherey im Schlosse ihr auf dem Halse / ehe sie des ersten Angriffs auf die Stadt gewar ward. Dieser / sage ich / trat mit feurigen Augen / mit blutbegierigen Händen und giftigem Hertzen in ihr Zimmer / in festem Vorsatze die Königin eigenhändig seiner Mord-Begierde aufzuopffern. Höret aber / was die Tugend über die Grausamkeit / und die Schönheit auch über die Unmenschen für eine nachdrückliche Herrschafft führet! So bald Artabazes Olympien erblickte / welche alle Annehmligkeiten des weiblichen / und alle Tugenden des männlichen Geschlechts besaß / erblaste sein Antlitz / die Sebel sanck ihm auf die Erde / und sein schäumender Mund wuste nicht / was er sagen solte. Endlich befahl er alleine / daß sie die Königin ehrlich verwahren / und / wo [238] Artaxias sich aufhalte / genau nachforschen solten. Die scharffsinnige Olympia dachte alsofort nach / an was für Klippen sich die Zornwellen dieses blutdürstigen Wüterichs gestossen haben müsten. Alleine sie konte selbte unschwer im Spiegel ihrer unvergleichlichen Schönheit / und durchdringenden Anmuth / als ihrer vorhin schon geprüften zwey ärgsten Feinde / finden; welche zwey Amazonen nicht nur auf die weiche Schwanen / sondern auch auf die Tieger- und Bären-Jagt zu ziehen /ja den Panthern die Klauen / und den Löwen die Rachen zu hemmen mächtig sind. Die Bluts-Freundschafft konte diesen Unmenschen / der mit seines eigenen Bruders Blute seine Taffel bespritzt hatte / und nach seinem überbliebenen Erben so scharffe Fragen verordnete / nicht gezähmet haben. Daher konte sie ihr an den Fingern ausrechnen / und / als sie diesen Wüterich nur zum andern mal ins Gesichte kriegte /ihm leicht an der Stirne ansehen / daß er in sie verliebt worden / als so viel mehr vernünftiger nachsinnen / wie sie dem andräuenden Sturme seiner Uppigkeit hertzhafft begegnen solte. Wie nun die Liebe freylich das übermüthige Glücke zu demüthigen bemühet / und der Sieger ein Leibeigner seiner Gefangenen worden war; Also dachte Olympia auf keine Weise wieder überwunden zu werden. In ihrem schönen Leibe wohnte noch ein grösser Hertze; Ihre Keuschheit war mit einer so grossen Hertzhafftigkeit ausgerüstet / daß ihr auch aller Welt Annehmligkeit keine neue Liebe eindrücken / keine höllische Marter sie den Pfad der Tugend zu verlassen / bewegen konte / und daher war ihr fester Schluß / Artabazens vermuthetes Liebkosen zu verlachen / und seinen Dräuungen Hohn zu bieten. Aber die unausleschliche Liebe ihres Artaxias stellete ihr seinen Geist für Augen / welcher sie mit aufgehobenen Händen und Darzeigung seiner Wunden um Rache gegen seinem mördrischen Bruder anflehete. Wo aber solte die schwache Hindin / die selbst von den Klauen dieses Wolffes zerrissen zu werden alle Augenblicke besorgen muste / Rache und Kräfften finden? Endlich zeigte ihr die Liebe einen Weg durch die Liebe. Denn als Artabazes das dritte mal zu Olympien in das Zimmer kam / wischte er ihr selbst die Thränen von den Wangen / verkleinerte ihr die bißherigen Trauerfälle mit dem gewöhnlichen Wechsel des Glückes / und ließ sich heraus: Es hätte wol ehe einer / die in grössere Finsterniß gestürtzt worden / die Sonne geschienen. Wie er nun an Olympien weniger Ungebehrdung / als ihn die Grösse ihres Elendes besorgen ließ / vermerckte / ward er den vierdten Tag gegen ihr so offenhertzig / daß er / ohne Verblümung / seine Liebe entdeckte / und wie sie durch ihre Zuneigung die Staffel ihrer königlichen Würde alsofort wieder betreten könte / mit höchster Betheuerung seiner Aufrichtigkeit meisterlich und vermessen fürzubilden wuste. Sintemal ihm das lachende Glücke ohne diß eingebildet hatte / daß in der eroberten Stadt Artaxata nichts unüberwindliches / und so gar alle Seelen gegen ihm entwaffnet wären. Olympie muste bey diesem Angriffe alle Kräfften ihrer Seele zusammen ziehen / um die in ihrem Hertzen hellodernde Rache und den Zunder der Tugend verbergen. Denn die annehmlichen Anfechtungen müssen mit keiner rasenden Ungedult überwunden / noch / wenn man sich des Gefängnisses erledigen will / der Kercker-Meister ermordet / am wenigsten / um sich des Hals-Eisens loß zu machen /der eigene Kopf abgeschnitten werden. Dahero ließ sie sich gegen ihm heraus: Sie bescheidete sich wol /daß wenn sie auch Bäume ausrisse / sie ihren Gemahl nicht lebendig machen könte; daß unter Fürstlichen Brüdern wol mehrmal Zwist und Feindschafft erwachsen / und daß es erträglicher wäre den Sterbekittel an /als den Königlichen Purpur auszuziehen / aber ihre Niedrigkeit verbiete ihr wol ihr ein solches Glücke träumen zu lassen / daß der so mächtige in der Schoß der Römer und des Glückes sitzende Artabazes / welchem der Käyser seine eigene Tochter nicht versagen[239] würde / auf eine durch Zeit und Kummer verungestaltete Gefangene ein Auge werffen / und von der / welche kaum noch lächsete / Vergnügung hoffen solte. Der von toller Brunst mehr als blinde Artabazes konte diese ihm nie eingebildete Glückseligkeit kaum begreiffen / und krönete seine Begierden schon mit einem Braut- seine Einbildung mit einem Siegs-Krantze; meinte auch durch oftere Eydschwüre über seiner Liebe / und durch Lobsprüche ihrer Vollkommenheit den Stein aller Hinderniß aus dem Wege zu räumen. Endlich schloß er: Weil die Sonne und edelsten Gestirne nicht nur am fähigsten / sondern auch gleichsam zu einer Verschwendung geneigt wären ihre vermögende Wolthaten über die Welt auszuschütten / könte er von einer so schönen Olympie sich nichts anders / als einer vollkommenen Beseligung versehen. Olympia stellte sich / als wenn sie seinen Betheuerungen völligen Glauben gäbe / begleitete auch selbten mit ein und anderm annehmlichen Blicke. Wormit aber einige Ubereilung ihr Thun nicht verdächtig machte / bat sie zu ihrer Erklärung drey Tage Frist / um durch solchen Aufschub diesen geilen Wollüster so viel blind und brünstiger zu machen. Denn wie der schwere und unzeitliche Genüß auch die hefftigste Liebe laulicht macht; also wird selbte durch nichts mehr / als durch Verzug und halb kaltsinnige Bezeugung des Geliebten angezündet. Artabazes muste nach vergebens gesuchter Abkürtzung dieser Bedenck-Zeit in solche Gedult willigen / ob ihm schon seine unbändige Begierde iedern Augenblick zu einem Tage machte. Nach Verfliessung dieser Zeit /und zum Scheine hierüber gehaltener Berathung unterschiedener Armenischer Fürsten / welche bey Verlust ihrer Köpfe Artabazens Ansinnen nicht unlöblich und unheilsam schelten dorfften / drückte Olympiens Vernunfft alle Dünste der Traurigkeit unter sich / und ihr Antlitz vermute sich in einen gantz freudigen Geist / gab auch Artabazen diese erwünschte Antwort: Sie müste es für eine Schickung der Götter erkennen / daß sie / welche sonst geartet wäre einen geringen Kummer zu Bergen zu machen / nicht allein ihre grosse Unfälle so leicht aus dem Sinne schlagen könte / sondern auch dessen Hertze / dem das Verhängniß und Kriegs-Recht die Gewalt des Todes über ihr Leben verliehen / mit so heisser Liebe gegen sie gerühret würde. Dahero wolte sie weder der Götter Schickung noch dem Willen Artabazens widerstreben / nach dem sie zumal durch beständige Vermählung ihre königliche Würde mit besserm Recht und grösserm Ruhm behielte / als es die Königin Kleofis von dem grossen Alexander mit ihrer Liebe erworben. Jedoch getröstete sie sich / daß / da Fürst Artaxias ihr Sohn zu Stande gebracht würde / Artabazes die Heyrath nicht mit seinem Blüte versiegeln / und dadurch ihre aufrichtige Liebe ausleschen / sondern nebst dem Leben einen zu seinem Fürstlichen Unterhalt ausko entlichen Landstrich zu verwalten vergönnen würde. Artabazes kam für Freuden gantz auser ihm selbst. Denn da die hefftige Liebe gleichsam die Fächer des Gehirnes mit einem schwartzen Rauche anzufüllen /die warhafften Bilder der Dinge in den Sinnen zu verstellen / und die Vernunfft in eine gäntzliche Thorheit zu versetzen mächtig ist; so darf Leichtglaubigkeit und übermäßige Freude für keine Chimere der Liebe gehalten werden. Wiewol seine Boßheit hierdurch nicht entwaffnet ward / noch seine Grausamkeit listigen Anschlägen nachzusinnen vergaß. Deñ / wormit er Olympien so viel mehr ihren Sohn herbey zu bringen bewegte / er aber durch seine Hinrichtung ihm diesen beschwerlichẽ Dorn aus dem Fusse ziehen möchte / verschwor er sich den Artaxias als sein Kind zu halten / ihme die Stadt Carcathiocerta mit der Sophenischen Landschaft einzuräumen / ja / so viel an ihm läge / zu der Medischen Krone seines Vaters zu verhelffen. Welch vergüldeter Vogel-Leim unschwer alle / auser eine so nachdenkliche Olympia / zu fangen fähig zu seyn scheinet. Hiermit machte Artabazes alsofort Anstalt zu einem prächtigen Beylager / [240] verschrieb so wol hierzu / als zu Ablegung der Huldigung die Armenischen Reichs-Stände / welche Olympiens Untreu heimlich biß in die Hölle verfluchten. Die Nacht für dem Tage / da die Vermählung geschehen solte / entstand ein erschreckliches Erdbeben /welches etliche Gebäue in Artaxata über einen Hauffen warff / und / welches nachdencklich / den steinernen Opfer-Tisch / für welchem die Vermählung geschehen solte / mitten entzwey spaltete. Worüber die Gottsfürchtige Olympia ihr anfing ein Gewissen zu machen / daß sie / wiewohl aus einem guten Absehen / zu Aergernüß der Welt ihren Ehherrn so liederlich ausser Augen zu setzen sich angeberdete. Zu geschweigen / daß ihr einkam: Die Götter wolten sie hierdurch für einem unglücklichen Ausschlage ihres Fürnehmens warnigen. Uberdiß war ihr sehr bedencklich / daß Artabazes die Vermählung nicht in demselben Theile des Tempels / wo die keusche Anaitis /nehmlich Diana verehret / und worein für Zeiten Aspasia zu ewiger Keuschheit verbannet ward / sondern in dem Heiligthume der geilen Anaitis oder Venus vollziehen wolte. Alleine ihre Vernunft erholete sich alsobald / und ihre Großmüthigkeit deutete diß Wunder-Zeichen für sich aus; Artabazes hingegen / weil die Brunst nicht allein das Gemüthe zerrüttet sondern auch einen der äuserlichen Sinnen beraubet / ließ es anfangs ausser aller Acht / nach dem aber die gantze Stadt solches so gar groß machte / und auf allerhand Art den erzürnten Himmel zu begütigen suchte; sintemal der Pöfel ohne diß alles / was ihre Unwissenheit nicht begreifft / zu Wundern macht / und furchtsame Gemüther zum Aberglauben geneigt sind; wolte Artabazes alleine nicht für einen Verächter der Götter angesehen seyn / befahl also aus einer teuffelischen Andacht die 300. in der Schlacht noch gefangene Armenier hinzurichten / und durch Aufopferung dieses edlen Blutes den Gri des Himmels von seinem Kopfe abzulehnen. Olympia hätte über dieser wilden Aussohnung Blut weinen / und für Leid sich in Asche verscharren mögen; aber sie muste nun mit lachendem Munde / mit spielenden Augen / mit freudigem Geiste in Purper voll schütternden Diamanten und brennender Rubinen in dem Tempel der hochheiligen Anaitis erscheinen / dahin sie auf einem vergüldeten Siegs-Wagen von vier schneeweissen Pferden geführt ward. Sie fand den Artabazes schon in der Mitte als einen Gott auf einem prächtigen von Edelgesteinen bedecktem Throne sitzen / neben welchem ihr nicht geringerer Sitz bereitet stand. Diese kluge Königin gab einen so ungemeinen Glantz von sich / daß es schien: Es hätte Kunst und Natur miteinander sie so herrlich aus zuschmücken Gelübde gethan. Die Comagener selbst / welche zeither im Hertzen des mit der Olympie Schwester Antigone vermählten Artabazens Liebe geunbilligt hatten / fühlten sich überwiesen / daß ihr Fürst in einem schönen Gefängnüsse verstrickt / und seine Liebes-Kette aller irrdischer Kronen würdig wäre. Insonderheit grüßte sie Artabazen mit einer so durchdringenden Anmuth / daß nicht einer aus so viel tausend Zuschauern nur muthmassete / daß unter ihren Sonnen-Straalen so ein schrecklicher Blitz versteckt / diese Freundligkeit nur angenommen / und so freye Geberdung gezwungen wäre. Der Priester hatte das Feuer auf dem Altar nur angezündet / und die zwey weissen zum Opfer besti ten Kühe waren schon an beyde Hörner des Altares angebunden / als siebenmal sieben der auserlesensten in Himmel-blauen Damaß gekleideten Jungfrauen mit glüenden Rauch-Fässern / darein sie Weyrauch und andere wolrüchende Sachen streuten / für Artabazen / und siebenmal sieben der edlesten in Purper und Gold gekleideten Knaben / welche in der rechten Hand brennende Wachs-Fackeln / an der Seite Köcher und Bogen trugen / für Olympien mit tieffster Ehrerbietung zu knien kamen / und hierauf sie für den [241] Opfer-Tisch begleiteten. Nach vielen andächtigen Geberdungen und Besprengungen mit Balsam und wolrüchenden Wässern / reichte der Priester / oder vielmehr der unheilige La ster-Knecht dem Artabazes ein in der Spitze glüendes Eisen / mit welchem er / nach selbigen Heiligthums Gewohnheit / der auf der lincken Seiten des Opfer-Tisches angebundenen / und zum Opfer besti ten Kuh durch die Brust fahren muste. Als Artabazes dieses mit grosser Scheinheiligkeit verrichtet hatte / gab der Priester einen eben so glüenden Pfriemer Olympien /umb es mit dem andern Opfer-Vieh eben so zu machen. Höret aber eine seltzame Umbkehrung! Die Liebe ladet den Tod ein zu einem allgemeinen Freuden- und Königlichen Hochzeit-Feste. Die Tugend wird zu einer Ruhms-würdigen Betrügerin und Erbarmnüß-werthen Mörderin / die Verlobten zum blutigen Opfer ihres sich für der Bestätigung zertrennenden Bindnüsses. Denn es hob Olympie die Augen gegen dem Bilde der Anaitis empor / sie holete einen tieffen Seufzer / und ehe es einige Seele der so viel tausend Umbstehenden gewahr ward / stieß sie das feurige Eisen dem neben ihr knienden Artabazes durch die Brust / daß er ohn einiges Lebens-Zeichen stein-todt zur Erden sanck / und derogestalt von derselben Hand das Leben einbüßte / die mit ihren Augen ihn vorher schon seines Hertzens und der Vernunft beraubet hatte. Ihr Antlitz verlor in einem Augenblicke die Rosen voriger Annehmligkeit / die Freundligkeit schien numehr mit den Augen alle Zuschauer zu erstechen; die Blumen / mit welchen sie bekräntzt war / verblaßten mit ihren Wangen / und der gantze Tempel schien mehr anietzt von einem Donner-Straal / als vorhergehende Nacht vom Erdbeben berühret zu seyn. Ihre Hand reckte das glüende /und von Artabazens anklebendem Blut noch zischende Eisen als ein Siegs-Zeichen empor / gleich als weñ die Göttin der Liebe sich mit der Fackel der Megera /und die selbständige Schönheit mit den Waffen des Todes in ihr ausgerüstet hätte. Denn ihr vor lachender Mund schäumte Zorn und Galle / brach auch endlich in diese Worte aus: Umbirrender Schatten meines Artaxias / und ihr Schutz-Götter des durch so viel Blut befleckten Armeniens / nehmet von meiner schwachen Hand dieses wolrüchende Opfer des schlimsten Bluthunds zu euer Rache / zu des Vaterlands Aussöhnung und meiner Reinigung an! Ihr Sterblichen aber glaubet / daß ich niemals dieses Wüterichs Sclavin / wohl aber seine unversöhnliche Tod-Feindin gewest sey /und daß ich / ob meine Rache gleich das Glücke gehabt seine Scharffrichterin zu seyn / dennoch nimmermehr aufhören werde seinem Geiste eine höllische Unholdin abzugeben. Hierauf veränderte sie wieder ihre gantze Gestalt / gerieth gleichsam durch eine Göttliche Verzückung in ein Paradis aller Wollüste /und nach dem sie das Bild der Göttin Anaitis eine Weile mit starrenden Augen angesehen / auch etliche andächtige Seufzer aus der Tieffe ihres Hertzens geholet hatte / fing sie an: Heiligste Göttin / was werde ich dir nun wol für ein Danck-Opfer bringen: daß du mein der Rache und Liebe besti tes Opfer in diesem dir alleine gewiedmetem Tempel / an dem Fusse deines Altares hast so glückselig abschlachten / und mit so schwartzem Blute dieses Bluthundes dein heiliges Bild besprengen lassen? Sihe da / nim die weder durch Mord noch Geilheit befleckte Seele der sterbenden Olympie an / und vereinbare sie mit dem Geiste ihres Artaxias / welche zeither so sehnlich nach einander gelächset haben. Hierauf umbarmte sie mit der lincken Hand das güldene Bild der Anaitis / mit der rechten aber ergrieff sie einen im Ermel versteckten Dolch / und stach ihn in ihr Hertz / also daß wie ein Strom das Blut auf die Göttin heraus spritzte / sie aber mit lächelndem Antlitze / und mit nicht minderer Vergnügung als ein Feldherr / der nach gewonnener Schlacht in währendem Siegs-Gepränge von seinen Wunden stirbt / [242] als ein Marmel-Bild stehende den Geist ausbließ. So hertzhafft besiegte diese Heldin die Liebe / die Wollust / den Ehrgeitz / und die Furcht des Todes / welches doch die abscheulichsten Feinde beyder Geschlechter sind / zu einem unvergeßlichen Merckmale / daß die Mässigung des Gemüthes auf den Nothfall so geschickt zu den Waffen / als sonst friedfertig sey. Allen Zuschauern band das Schrecken die Glieder / das Geblüte geran in ihren Adern / also daß sie unbeweglicher / als das todte Bild der Anaitis standen; bald Olympien als ein Muster der ehlichen Treue / bald Artabazen als ein Beyspiel Göttlicher Rache ansahen; alle Sterblichen aber hernach diesen Ort / der von dem Blitze Göttlichen Zornes gerühret worden / für zweyfach heilig verehrten. Dem Priester fiel das Messer / den Knaben die Fackeln aus den Händen / und leschten sich in denen zum Opfer bereiteten Kesseln aus / welche nun nicht mehr alleine mit Milch und Weine / sondern dem heiligen Blute der keuschen Olympie gefüllt waren. Als sie aber endlich wieder zu sich selbst kommen / eilte iedweder mit Furcht für grösserm Ubel aus dem Tempel / einige dem Artabazes wol wollende waren zwar über Olympien erbittert / sie aber hatte durch ihren großmüthigen Tod sich dahin geschwungen / wo ihr weder Rache noch Mordlust einiges Leid mehr anthun konte. Die meisten aber verfluchten Artabazens Unthaten /danckten den gerechten Rach-Göttern für so scheinbare Bestrafung / und hoben die Helden-Thaten Olympiens über alle Tapferkeiten der Vor-Welt. Daher / wie Artabazes schlecht / und in der Stille beerdiget ward / also baute man Olympien ein prächtiges Grabmahl aus Marmelstein / setzte ihr Bildnüß aus gediegenem Golde in den Tempel neben die Göttin Anaitis / in dessen Fuß der Priester nachfolgenden Lob-Spruch setzen ließ:


Heb' / Rom / Lucretien biß an das Stern-Gerůste!

Weil sie in Ahern-Brunn den kalten Stahl gesteckt /

Nach dem sie vom Tarquin durch Ehbruch ward befleckt.

Hier dringt ein reiner Dolch durch unbefleckte Brůste.

Lucretie ließ zu / vorher die schnöden Lüste;

Olympie hat nichts von geiler Brunst geschmeckt.

Die ihren Helden-Arm zu strenger Rach' außstreckt

Eh' als zum erstenmahl sie Artabazes kůßte.


Lucretie verschenckt dem Schånder nur den Thron /

Hier bůßt der Fůrsatz ein Lust / Ehre / Leben / Kron.

Die Nachwelt wird gestehn / die beyder Bild wird sehen:

Gold / Ertzt und Marmel sey Olympien zu schlecht /

Lucrezen Holtz zu gut / Lucrezen seh nur recht /

Olympien zu viel durch ihren Stich geschehen.


Die allgemeine Ruh nöthigte doch endlich die Armenischen Reichs-Stände auf ein neues Haupt zu sinnen; und obwol etliche getreue Liebhaber des Vaterlandes ihr Absehen auf den rechtmässigen Stul-Erben / nemlich den geflüchteten jungen Artaxias hattẽ / so waren ihnen doch die Hände von den Römischen Legionen gebunden / gleichwohl riethen sie solchen selbst dem Kaiser zu ihrem Könige fürzuschlagen. Es stand aber Vologeses / einer von den Fürsten Armeniens auf / eröffnete der gantzen Versa lung / daß er /und etliche andere Stände / welchen Artabazens Bru der-Mord ein Greuel gewest wäre / dem Kaiser seine abscheuliche Laster geklagt / und weil sie unter einem solchen Unmenschen nicht zu leben getrauten / umb einen andern König / und zwar den Augustus so viel eher zu gewinnen / umb den andern Bruder des Artaxias / nemlich den Tigranes gebeten hätten. Hierauf laß er ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers ab /des Inhalts: Er habe des Armenischen Volcks Bedrängüsse behertzigt / und an Artabazens Lastern ein Mißfallen / daher sey Tiberius Nero mit noch vier Legionen im Anzuge / und befehlicht den Artabazes des Reichs wieder zu entsetzen / und den verlangtẽ Tigranes auf den Thron zu erheben. Dieser Brief verbot ihnen mehr an Artaxias zu gedencken / sondern nöthigte sie vielmehr / wie sie den Tiberius bewillkommen möchten / fürzusinnen. Zumal noch selbigen Tag die Post kam: daß Tiberius und Tigranes schon aus Macedonien über den Fluß Strymon in Thracien gesetzt / und daselbst bey der Stadt Philippis ein seltzames Ebentheuer überstanden [243] hätten / in dem sie auf der Wahlstatt / wo der Kaiser und Antonius mit dem Brutus und Cassius geschlagen / ein erbärmliches Heulen und Feld-Geschrey gehöret / auch aus dem Altare / welches Antonius in seinem Läger aufgerichtet /eine helle Flamme hätten gesehen empor klimmen. Nach weniger Zeit kamen sie beyde mit grosser / wiewohl nach Artabazens Tode / und da nirgends kein Feind war / mit vergeblicher Macht an / und setzte Tiberius dem Tigranes selbst die Krone auf; ja / wormit er sein Haus so vielmehr bey dem Reiche befestigte /nahm er seinen Sohn Artavasdes zum Reichs-Geferten an / und weil seine Tochter Laodice von grossem Verstande / aber Herrschenssüchtigem Geiste war / vermählte er diese beyde Kinder / welche er mit Mallien einer Baase der schönen Terentia gezeugt hatte. Diese Mallia war im Verdacht / daß Augustus mit ihr zugehalten / Tigranes aber sie aus blossen Staats-Ursachen geheyrathet hatte. Es war aber nach des Tiberius Rückkehr / welcher von seinem Zuge groß Wesen machte / auch deswegen zu Rom absondere Opfer hielt / Tigranes wenige Zeit in Armenien: da die Armenier / welche mehr gewohnt waren Könige von Rom zu bitten / als zu behalten / ihm und seinem gantzen Hause / als Frembdlingen abgeneigt / und endlich als Wollüstigen / feind zu werden anfingen. Es mißfiel ihnen am Könige / daß er ieden alsbald für sich ließ / und sich mit den niedrigern zu gemein machte / daß er selten ritt und jagte / selten Gastmahle hielt / und sich meist auf der Sänfte tragen ließ; die geringsten Dinge ohne Versiegelung niemanden traute; sonst aber in der Herrschafft allzu wenigen Ernst spüren ließ. Welches alles zwar zu Rom / aber den Armeniern unbekandte Tugenden waren / und deswegen frembde Laster hiessen. Denn Völckern / welche der Dienstbarkeit gewohnt / ist die edelste Freyheit verdrüßlicher / als Freyen die Dienstbarkeit. Insonderheit war ihnen Mallia / der junge Artavasdes und Laodice ein Greuel in Augen / und die Vermessenheit kam so weit / daß sie von Mallien / als des Augustus Kebsweibe Lieder machten / ja einsmals des Nachts an die Pforte der Königlichen Burg schrieben:


Nicht ärgert euch daß zwey Geschwister ehlich sind.

Er ist nur's Königs Sohn / sie ist des Kaisers Kind.


Denn obwohl Königliche Höfe entweder nur die /welche zu gehorsamen wissen / einlassen / oder sie darzu machen; insonderheit aber die Morgen-Länder der Knechtschafft gewohnet / an ihren Fürsten alles zu billigen / und es nachzuthun beflissen sind / und die Heucheley nichts minder / als die Treue für eine den Königen schuldige Schatzung halten; so können doch auch diese dienstbare Völcker nicht die Aufhebung der väterlichen Sitten / ja auch ihre Verbesserung nicht vertragen; am wenigsten aber den zum Herrn leiden / der durch Entschlagung der Reichs-Sorgen sie gleichsam ihr Herr zu seyn nicht würdiget. Hierinnen aber verstieß Tigranes am ärgsten / indem er zweyen üppigen Weibern / nemlich der Mallia und Laodicen das Heft in Händen ließ. Diesen zu Liebe führte er den in Lydien anfangs aufgekommenen / und bey den Persen / Meden und Armeniern eingerissenen / hernach aber vom vorigen Tigranes abgeschafften Mißbrauch wieder ein / da die edlesten ihre Töchter der Göttin Anaitis wiedmeten / welche unter dem Scheine eines Gottes-Dienstes gemeine Unzucht trieben / und so denn allererst als für andern heilige Frauen begierig geheyrathet wurden. Wie schläfrig nun Tigranes im herrschen war; so viel eifriger bezeugten sich Mallia und Laodice. Denn sie vergaben die hohen Aempter / besichtigten die Gräntzen und Festungen / musterten das Kriegs-Volck / machten Reichs-Satzungen / versa leten die Stände / schrieben Steuern aus; Wenn Tigranes etwan auf einem Lust-Hause sich mit einem geilen Weibe belustigte. Unter diesen [244] war auch die schöne Datapherne Vologesens Ehweib / welcher zum ersten dem Tigranes den Armenischen Reichsstab zugedacht hatte. Diesem gab er zu Lohne / daß er sein Ehweib anfangs zu heimlicher Buhlerey verleitete / hernach aber / weil die anfangs verstohlnen und furchtsamen Laster nach und nach immer kühner werden / verschickte er Vologesen in Gesandschafft zum Ariobarzanes in Meden; und in seiner Abwesenheit nahm er Dataphernen gar nach Hofe. Vologeses erfuhr in Meden die Untreu seines Weibes / gleichwohl aber wartete er seiner Geschäffte aus / und kam mit vergnügter Verrichtung zu Artaxata an; verstellte auch alle Empfindligkeit wegen des ihm angefügten Unrechts. Nach abgelegten Bericht ließ er sich bey seiner Gemalin anmelden. Diese verwegene Ehbrecherin aber lies Vologesen schimpfflich antworten: Der König hätte den Schlüssel zu ihrem Zimmer / und das Siegel zu ihrem Leibe. Hierüber brach Vologesen die Gedult aus / so daß er Dataphernen verfluchte / und den Tigranes ersuchen ließ: Er möchte ihm seine Gemahlin folgen lassen; kriegte aber vom Könige zur Antwort: Er solte sich noch bey Sonnenscheine auff seine Landgüter begeben / oder man würde ihn ins Tollhaus einsperren. Gleich als weñ es um die Ehre seines Eh-Weibes zu eyfern eine grössere Unsinnigkeit wåre / als sich mit einer fremden Unehre besudeln. Vogoleses zohe aus Artaxata voll Gifft und Galle / und nahm den geraden Weg in Parthen zum Phraates. Weil er aber vielleicht behertzigte / daß aus eines Ehbrecherischen Weibes Laster einem Manne keine Schmach zuwachse / oder dieser Fleck mit desselbten Verhüllung verwischt werde; und damit es nicht schiene / als wenn er mit des Phaates Waffen und Gefahr nur seine Beleidigung rachen wolte / trug er ihm alleine umständlich für: wie schwürig Armenien wider den mit Kömischen Künsten und Lastern angefüllten Tigranes; wie schimpfflich es allen Morgenländern wäre / daß des Käysers Leibeigene / welche so viel Jahr in der Dienstbarkeit gelebt / bey ihnen zu Königen eingesetzt würden; und noch in solcher Würde schlechten Römischen Landvögten zu Gebote stehen / ja für ihnen die Knie beugen müsten; Wie das von den Römern nun angefesselte Armenien der Schlüssel in das sonst durch die Sandflächen genugsam sichere Parthen wäre / welchem der Käyser eben so wohl ein Seil an die Hörner zu legẽ anzielte. Daher wäre es nun / da Tigranes ein Weib / Artavasdes ein Weichling / oder gar / wie etliche muthmasten / ein Verschnittener wäre / da der gantze Adel zum Aufstande fertig stünde / die Römischen Legionen anderwerts zu thun hätten / hohe Zeit durch einen schleunigen Krieg Armeniens Wohlfarth /Parthens Sicherheit zu beobachten / sein Haupt mit einer neuen Krone / seinen Nahmen mit unsterblichem Nachruhme zu bereichern. König Phraates hörte Vologesens Vortrag begierig an / und ob ihm wohl im Wege stand / daß er durch Bekriegung Armeniens den Käyser beleidigen würde / der in seinen Händen seine zwey ältisten Söhne hatte / so überwog doch seine Regiersucht die Vater-Liebe / und hatte er auff allen Fall noch seinen liebsten Sohn Tiridates zum Stichblate und Kron-Erben übrig. Daher schickte er Vologesen mit sechs tausend leichten Reutern in Armenien voran; er aber folgte mit einem mächtigen Heere auff dem Fuße nach / und schrieb an den Käyser: daß er von seinen bedrängten Freunden in Armenien um Hülffe wider den grausamen Tigranes angeflohen worden wäre; also ziehe er alleine dahin selbigem Volcke ihre vorige Freyheit und alten Gottesdienst wieder zu geben; ausser dem begehrte er sich mit Armenien nicht zu vergrössern. Ehe aber dieses Schreiben nach Rom kam / fiel die Parthische Macht in Armenien / allwo die meisten Städte Vologesen die Schlüssel entgegen [245] brachten / und die besten Festungen Thür und Thor auffsperreten; also daß Phraates nur genugsam zu besetzen / und wenig zu fechten fand. Augustus kriegte die Nachricht hiervon / und Phraatens Schreiben auff einen Tag / als er seinen zwey muthwilligen Enckeln des Agrippa Söhnen Cajus und Lucius in den Rath zu kommen erlaubt /dem Cajus auch das Priesterthum / hingegen dem Tiberius auff fünff Jahr die Zunfftmeisterschafft zugeeignet / durch diß letztere aber seine Enckel mehr beleidiget / als durch das erste vergnügt hatte / Der Käyser / der ohnediß deshalben unwillig war / schrieb im Eyfer einen hefftigen Brieff an Phraates / darin er ihm gar den Königlichen Titel entzog / und aus Armenien zu ziehen anbefahl; welchem aber Phraates noch hoffärtiger antwortete / dem Käyser wie einem Bürgermeister schrieb / sich aber selbst einen König der Könige nennte / und / daß die Parthischen Waffen sich keine Feder jagen liessen / bedeutete. Inzwischen trug der Käyser dem Tiberius den Zug in das abgefallene Armenien auff / dieser aber / weil er denen in der Schooß des Käysers sitzenden und frechen Jünglingen aus dem Wege zu weichen für rathsamer hielt; oder weil er mit der Julia seinem Ehweibe nicht länger hausen konte / (welche die Freyheit alle einem Weibe mögliche Laster zu thun oder zu leiden nach der Grösse ihres Glückes ausmaß /) lehnete solches bescheidentlich ab / und verlangte: daß er auff der Insel Rhodus in Einsamkeit der Weltweisheit obliegen / und von bißherigen Reichs-Sorgen Lufft schöpffen möchte. Wiewohl nun der Käyser und Livia ihn hiervon abwendig zu machen bemühet war; Jener zwar dadurch /daß das gemeine Wesen seiner vonnöthen hätte / und die Süßigkeit des Feld-Lebens ein grosser Geist denen nütz- und rühmlichen Sorgen für die Wohlfarth des Vaterlandes sich nicht solte abstehlen / und keine ihm mehrmahls aus eitelem Argwohn eingebildete Verdrüßligkeit seinen Zirckel verrücken lassen. Livia aber: daß die Enteusserung vom Hoffe nicht nur sein Ansehen und Gewalt unterbrechen / sondern die durch so viel Sorgen in Grund gelegte Hoffnung der Reichs-Folge durch seine Abwesenheit verschwinden würde. Denn die Völcker / welche gleich die Sonne als einen Gott verehren / vergäßen ihre Andacht gegen sie /weñ sie nicht gesehen würde; So war doch Tiber hiervon nicht abwendig zu machen; sondern antwortete Livien: daß das tollkühne Beginnen des Cajus und Lucius ein Verlangen in Rom nach ihm / dessen man schon überdrüssig wäre / und ihn auch bey denen / die ihn gegenwärtig haßten / beliebt machen würde. Gegen den Käyser aber führte er an: Seine bißherige Bemühung hätte nichts minder einer Erholung / als Bäume und Aecker der Ruh von nöthen. Sintemahl August nach der Fähigkeit seiner unermüdlichen Achseln als ein zweyfacher Atlas nicht anderer Kräffte messen müste. Wie er nun frische Lufft zu schöpffen unnachbleiblich vonnöthen hätte; also wüste er keine anständigere als das Landleben zu erkiesen. Die ersten Helden in Griechenland hätten sich auch im Kriege für Troja dadurch erholet; und wie Augeus bey den Griechen / also Hercules in Italien die Tingung und andere Vortheile des Ackerbaues gewiesen; ja so gar vier Könige / nehmlich Hieron / Philometor / Attalus und Archelaus diese Kunst schrifftlich abzufassen gewürdigt. Die Persischen Könige wären im Friede nichts minder um ihre fruchtbaren Gärte und Auen /als zur Kriegszeit um die Waffen bekümmert gewest. Semiramis hätte mit ihren hängenden Gärten sich berühmter / als mit so viel Siegen gemacht. Xenophon /welcher am Cyrus ein Muster eines vollkommenen Fürsten fürbilden wollen / setzte seinen gewohnten Auffenthalt auffs Land / und in die Persischen Lustwälder. Der vermeinte Urheber des Müssiggangs Epicur hätte nicht nur zu Athen in der Stadt Lustgärte angelegt; sondern Tarqvinius [246] zu Rom auch darinnen gewohnt / und seinem Sohne daraus mit denen geköpfften Maah-Häuptern die blutgierige Lehre zuentboten; Curius aber nach überwundenem Pyrrhus mit seinen sieben Huben Ackers / mit der schlechten Kohl- und Rüben-Kost sich so vergnüget / daß er das von Samnitern ihm geschickte Gold anzunehmen nicht gewürdigt. Das Schoos-Kind des Glücks Sylla wäre seiner Siegs-Gepränge überdrüßig worden / und hätte um auff seinem Cumanischen Vorwerge der Fisch- und Jagt-Lust zu geniessen die höchste Gewalt in Rom niedergelegt. Dem Scipio und Lelius wäre es annehmlicher gewest in Campanien die Bäume / als in Africa die sieghafften Kriegs-Schaaren in Ordnung zu stellen; und beyde hätten zuletzt freudiger an dem Meer-Ufer mit den Muscheln / als in Spanien mit der Beute der Mohren gespielet. Ja der Käyser August selbst hätte seinem Kriegs-Gefehrten Agrippa in dem Eylande Mitylene / und dem vertrautesten Mecänas in der Stadt Rom gleichsam eine entfernte Einsamkeit erlaubet. Also hoffte er durch seine Treue und Gehorsam eine kurtze Erhol- und Lufftschöpffung verdient zu haben. Sintemal auch die unausleschlichen Gestirne der Ruh benöthigt wären / und ihren Schein mit ihrer Verhüllung abwechselten.

Dieser beständige Vorsatz gewann endlich / oder vergnügte vielmehr den Käyser / daß er in des Tyberius Reise willigte. Denn weil er des Agrippa Söhne zu sehr verdüsterte / war August gleichsam mit seinem Stieff-Sohne für seine Enckel eyversüchtig; und Tiberius selbst pflegte hierüber zu schertzen: Er würde das Alter der Egyptischen Spitz-Thürme bey Hofe nicht erreichen / weil er / wie viel kleiner er auch wäre /mehr Schatten als jene von sich würffe. So bald nun Tiberius Rom gesegnete / warff die übermäßige Liebe des Käysers dem Cajus eine solche Geschickligkeit zu / daß er ihm den Armenischen Krieg anzuvertrauen fähig hielt. Sintemahl die Neigung zu seinem Geblüte nichts minder als Selbst-Liebe insgemein auch einem untüchtigen Wunderwercke zutrauet. Ehe aber die Römische Macht in Armenien anlangte / kam Phraates für die Stadt Artaxata / und beängstigte theils dieser Feind / theils die auffsätzigen Armenier / theils sein böses Gewissen den wollüstigen Tigranes derogestalt / daß er dem Römischen Bündnüße abzusagen / und mit Phraaten Armenien zu theilen sich erbot. Als aber diß nicht verfing / und die Parthen der Stadt mit Stürmen hefftig zusetzten / sich / um nach einem weibischen Leben auch durch einen männlichen Tod seinem wahrhafften Ebenbilde dem lüsternen Sardanapal gantz ähnlich zu werden / mit seiner wollüstigen Mallien auff einen Holtzstoß setzte / und nach dem eines das andere tödtlich verwundet / sich mit einander verbrennten / und also der Grausamkeit ihres Uberwinders entrissen. Artaxata lag nun in letzten Zügen / und stand auff der Ubergabe; als Censorinus mit seinen zweyen Legionen des Nachts / ehe es die Parthen gewahr wurden / hinein kam; und weil Cajus ohne diß vom Käyser Befehl hatte / den weibischen Tigranes ab / und seinen Sohn an die Stelle zu setzen / um dadurch die Gemüther der Armenier wieder ein wenig an sich zu ziehen; erklärte er alsofort Artavasden zum Könige Armeniens. Wie nun Cajus an die Armenische Grentze ankam / ward Phraates gezwungen Artaxata zu verlassen / und dem Cajus entgegen zu ziehen / wie denn auch beyde Heere an dem Fuß Phrat bey Metilene gegeneinander zu stehen kamen. Allwo die Römer zwar mit Gewalt an einem seichten Furthe über den Fluß setzen wolten / aber mit grossem Verlust zurück getrieben wurden. Als Cajus ihm derogestalt die Stirne bieten sahe / sich auch an des Crassus und des Antonius Niederlage spiegelte / ließ er dem Phraates zu gütlicher Hinlegung ihrer Zwistigkeitẽ eine Unterredung antragen; massen sie beyde denn auch auff einer [247] mitten in Strome gelegener Insel mit einer gewissen Anzahl Volcks ankamen. Der Parthe betheuerte: daß er mit dem Römischen Volcke / welchem er so gar seine zwey liebsten Söhne freywillig anvertrauet hätte / die Freundschafft zu erhalten verlangete / Cajus hingegen hatte eben so wenig Lust die Würffel einer Schlacht auf den Teppicht zu werfen / und also wurden sie mit einander eins: daß zwar des Tigranes Sohn Artavasdes Armenischer König sey /und so wol den Parthischen Großherrn / als den Kayser für seine Oberherren erkeñen / die Atropaten und Acilisenische Landschafft mit der festen Stadt Artagera aber Phraaten für die Kriegs-Kosten eigenthümlich verbleiben solte. Dieser Friede ward mit zwey prächtigen Gastmahlen / derer das erste Cajus an dem Syrischen Ufer des Flusses dem Phraates / das andere auff dem Armenischen Phraates dem Cajus zu ehren hielt /beschlossen. Als auch sie durch den Wein erwärmet /und mit einander verträulich worden / weiste Phraates dem Cajus unterschiedene geheime Schreiben / darinnen Marcus Lollius / welchen doch Augustus dem Cajus zu seinem geheimsten Rathe und Obersten Hoffmeister zugegeben hatte / ihm gegen ein grosses Stücke Goldes alle Römische Kräfften und Anschläge verrathen hatte; welchem Cajus alsofort Gifft beybringen ließ. Als nun derogestalt alles strittige abgethan zu seyn schien / kam von Artaxata diese seltzame Zeitung: daß so bald Censorinus mit dem grösten Theile seines Volcks aus selbiger Stadt auff einen Anschlag ausgegangen wäre / hätte die Königin Laodice sich Artavasdens entbrochen / und in den Anaitischen Tempel geflüchtet; auch auff des Königs Wiederfoderung zu entbieten lassen: Sie wolte lieber in der Einsamkeit / als in dem Bette eines Ohnmächtigen so viel kalte Nächte zubringen. Wie nun Artavasdes sie mit gewaffneter Hand hätte wollen aus dem Tempel neh men / hätte sein jüngerer Bruder Gotarzes und nebst ihm eine gute Anzahl Armenischer Edelleute dem Könige mit entblösten Degen abgetrieben; ja Gotarzes sich alsofort in den Reichs-Rath verfügt / und in wenig Stunden wider Artavasden ein Urthel ausbracht / Krafft dessen er für unfähig des Reichs und der Eh erkennet; in ein auff dem Caspischen Meere entferntes Eyland weggeschlept / Gotarzes hingegen auff den Thron / und Laodice in sein Bette erhoben worden. Censorinus wäre zwar mit seinem Volcke zurück geeilt / Gotarzes aber habe ihm die Pforten verschlossen; Vologeses hätte ihn auch mit einem Theile Armenier und Parthen überfallen / und mit grossem Verlust aus dem Felde geschlagen / also daß von den zwey Legionen ihrer wenig in das Gebürge entronnen wären. Diese unvermuthete Veränderung warff einen neuen Zanck-Apffel auff den Teppicht / und veranlaste den Cajus: daß nach dem ihm einige einhielten / er habe sich durch so grosse den Parthen gethane Verwilligung / insonderheit durch Abtretung der vortheilhafftigen Stadt Artagera übereilet / er den Parthischen Stadthalter Donnes Adduus zu bestechen / und zu Ubergebung der ihm anvertrauten Festung Thospia zu verleiten trachtete. Dieser nahm den Schein der Verrätherey an / und besti te einen gewissen Ort zu Behandlung des Wercks. Wie nun Donnes bey der Zusammenkunfft sechs hundert Talent zu seiner Belohnung forderte / dieses aber dem Cajus vervielte /reichte ihm Donnes ein Verzeichniß / darinnen die zu Thospia verwahrten grossen Schätze auffgezeichnet waren; und als Cajus sich in solchen begierig ersahe /versetzte ihm Donnes eine hefftige Wunde ins Haupt /worvon er zu Boden fiel; und ehe die entfernten Römer herbey kommen kunten / schwung er sich auff sein flüchtiges Pferdt / auff welchem er zweiffelsfrey entronnen wäre / wenn er nicht mit selbtem gestürtzet hätte. Gleichwohl aber erreichte er noch ein von den Parthen besetztes festes Schloß / welches als er [248] es nicht länger gegen die Römer zu halten getraute / dieser treue Diener mit samt sich einäscherte. Weil aber weder Parthen noch Römer dem Gotarzes gut waren /ward dieser Zwytrachts-Axt noch ein Stiel gefunden /daß Ariobarzanes der König in Meden / zu welchem ohne diß wegen seiner fürtrefflichen Leibes-Gestalt /und tapfferen Gemüthes die Armenier ihr Hertze trugen / auf die dem Artavasdes behandelte Bedingungen das Königreich Armenien haben solte. Dieser erschien nach weniger Zeit in beyden Lägern / legte auch wegen Armenien so wol den Parthen / als den Römern die Huldigung ab. Die empfangene Wunde hingegen machte des Cajus Leib nicht alleine zu Kriegs-Ubungen / und das Gemüthe zu nachdencklichen Rathschlägen gantz ungeschickt / sondern als er mit Unwillen wider seinen gemachten Schluß nach Rom zurückkehren solte / starb er davon in der Syrischen Stadt Lincyra Emesa / allwo sein Grabmahl noch mit einer viereckichten Spitz-Säule / aus dessen Fusse ein Brunn entspringt / zu sehen / und daran zu lesen ist:


Dem Abgott des August / des Röm'schen Halb- Gott's Beinen
Gibt dieser schlechte Sand und Qvell ein Grabmahl ab.
Die Nachwelt schelte nicht des Cajus seltzam Grab!
Der Todt ist ja nur Staub / das Leben nichts als weinen.

Als diese seltzame Umwechselungen sich in Armenien ereigneten / ließ das Glücke nicht ab / auch mit der Fürstin Erato und mir seine Kurtzweil zu treiben. Die schlimmen Zeitungen unsers verwirrten Vaterlandes / und insonderheit der Todt der grossen Olympia erschollen in die gantze Welt / und hiemit auch für unsere Ohren. Alleine die zwar noch so zarte / aber behertze Erato vertrug alle diese Ambos-Schläge des drückenden Verhängnüsses mit unverändertem Gesichte / und unerschrockenen Hertzen. Wenn ich sie trösten solte / kam sie selbst meiner Schwachheit zu Hülffe / und hielt mir ein: Alle Dinge und Begebenheiten in der Welt hätten zweyerley Antlitze / und wenn etwas einem abscheulich fürkäme / rührte es nur daher / daß man selbtes nicht vor / sondern hinterwärts ansehe. Der Verlust ihres Reiches schiene der Ehrsucht ein unermäßlicher Schade zu seyn; Dieser aber entbürdete ihr Gemüthe von einer Zentner-Last tausend unruhiger Sorgen. Der Todt ihrer Mutter käme weibischer Wehmuth für als ein unerträgliches Hertzeleid; aber die Tugend / als die Sonne der kleinern Welt / kröne ihre Leiche in ihren beyden Himmels-Zirckeln / nemlich in dem Gewissen / und in dem Urthel der Menschen mit unverwelckenden Siegs-Kronen. Ja der durch die Brüste ihrer leiblichen Mutter fahrende Dolch käme ihrer Empfindligkeit nicht häßlich für / nachdem er von dem glüenden Eisen / welches dem Artabazen durch die Adern dringet / einen so herrlichen Glantz bekommt / und die Rache sich in dem höchsten Blute des Bruder-Mörders / welches das Oel der Beleidigten ist / so annehmlich abkühlet. Uberdiß zohe ihr die holdselige Erato fast aus allen Bitterkeiten eine Ergötzligkeit /und ihre Bedrängnüß ward fast mit ieder einlauffenden Nachricht erleichtert / wenn sie hörete / wie keiner der unrechtmäßigen Besitzer ihres väterlichen Thrones feste sitzen bliebe / sondern immer einer dem andern das Hefft aus den Händen winde. Daher / ob wir wol uns anfangs ziemlich eingezogen hielten /indem wir nicht wusten / wessen wir uns zum Könige Polemon / weil er von den Römern für einen Freund und Bundsgenossen aufgenommen war / zu versehen hatten / so war uns doch unsere Einsamkeit erträglich. Denn weil alleine die Laster schrecklich sind / und mit ihrer Langsamkeit an den Hertzen ihrer eignen Liebhaber nagen / war unsere Unschuld allezeit wohl gemuthet / und diese machte uns so behertzt / daß wir einsmahls / als wir hörten / daß der König Polemon zweyen von Rom nach Sinope angekommenen Rathsherren [249] zu Ehren etliche Schauspiele halten wolte / uns in den Schauplatz auch einfanden. Wir kamen gleich dem Könige und dem Statilius Taurus und Junius Silanus / welchem jener mit unser Verwunderung die Oberstelle eingeräumt hatte / gegen über zu stehen. Unferne davon befand sich auch die Königin Dynamis / mit ihrer wohlgewachsenen Tochter Arsinoe. Mitten im Schauplatze standen zwey Marmel-Säulen / auf der einen war das Bild Augustens / auf der andern des Vipsanius Agrippa aus Corinthischem Ertzte. In den Schauspielen wurden erstlich Wölffe / Luchse / Bären / Panther und Löwen zum Kampffe aufgeführet / hernach aber ward der Schauplatz durch etliche tausend durcheinander spritzende Röhren wol zwölf Schuh hoch mit Wasser angefüllet / und aus dem einen Gatter ein Crocodil / aus einem andern ein Delfin heraus gelassen. Es ist unbeschreiblich / wie hefftigen Grimm diese zwar von der Natur mit ungleichen Kräfften / aber mit gleichverbitterter Feindschafft ausgerüsteten Thiere gegen einander bey ihrer ersten Erblickung bezeugten. Der Crocodil verfolgte den Delfin aufs euserste / dieser aber tauchte bald unter das Wasser / bald wich er auf die Seite / also / daß jener wegen seines starrenden Rückgrades / und weil er sich mit dem gantzen Leibe nicht ohne Langsamkeit umwenden konte / den Delfin zu ereilen nicht vermochte. Hingegen spitzte der Delfin seine auf dem Rücken habende scharffe Flüßfeder / und nach einer langen und lustigen Jagt gerieth es ihm unter dem Wasser so wol / daß er dieses sein einiges Waffen dem sonst unverletzlichem Crocodil in den Bauch stieß / worvon er mit einem grossen Strome Blutes das gantze Gewässer anfärbete / und mit dem wieder abgelassenen Wasser todt auf dem trockenen Boden zu liegen kam. Bey diesen vielfältigen Kurtzweilen machte ihm ein neben mir sitzender Edelmann Gelegenheit mit mir zu sprechen / und seine Freundligkeit veranlaste mich auch ein und anders von ihm zu erforschen. Dieser erzehlte mir / daß diese zwey Römische Rathsherren / nach dem der König in Lycaonien und Gallo-Grecien Amyntas gestorben wären / mit Ausschlüssung seiner Söhne selbige Länder für den Römischen Rath eingezogen hätten. Weil denn sie nach Sinope ihren Weg zugenommen / wäre er nebst dem einen Lycaonischen Fürsten nachgefolgt / um den bey den Römern hochangesehenen König Polemon um eine Fürbitte zu ersuchen / daß doch des Amyntas Kindern wo nicht gar / doch ein Theil ihres väterlichen Reiches gelassen werden möchte. Ich ward er freuet über dieser Nachricht / sintemal König Artaxias mit dem Amyntas in verträulicher Freundschafft gelebt hatte / gleichwol aber wolte ich mich / wer wir wären / nicht bald bloß geben / sondern meldete auf seine höfliche Erkündigung / wir wären Edelleute aus Albanien / welche aus blosser Begierde frembde Länder zu beschauen / für wenig Tagen in Sinope ankommen wären; bezeugte gleichwol gegen ihm möglichste Zuneigung mit ihm in mehrere Kundschafft zu gerathen. Hierauf fiel ich auf die zwey Säulen / und fragte insonderheit: Warum des Agrippa Bildnüß in diesem Schauplatze gesetzt worden? Der Lycaonier / der sich Meherdates nennen ließ / antwortete mir: Polemon hätte wohl Ursache beyde Bildnüsse zweyfach in den Schauplatz zu setzen / weil er beyden das Besitzthum des Bosphorischen Reichs zu dancken hätte. Denn mir würde vielleicht wissend seyn / daß der gewesene Pergamenische König Mithridates des Darius Sohn /der in Egypten ihm treulich beygestanden war / dem Julius Cäsar seine wunderschöne Schwester Dynamis zu seiner Ergetzligkeit übergeben / hingegen habe der Käyser ihm nach dem überwundenen Pharnaces Galatien geschenckt / auch ihm wider des Pharnaces Bosphorischen Landvogt Asander / ungeachtet er seinem Herrn meineydig worden und auf der [250] Römer Seite getreten war / den Krieg aufgetragen / und sich der Bosphorischen Länder zu bemächtigen freygelassen. Die ser Asander aber habe beym Augustus sich derogestalt eingeliebt / daß er ihm die Dynamis verheyrathet / und in dem Bosphorischen Reiche bestätigt. Welcher denn auch den sieghafften Pharnaces / nach dem er die Phanagoreser überwunden / Sinope eingenommen / den Calvisius geschlagen hatte / mit Hülffe des Danitius aus Asien vertrieben / und / als Pharnaces mit einem neuen von Scythen und Sarmatern zusammen gelesenen Kriegs-Heere wider den Asander den Krieg verneuert / die Stadt Theodosia und Panticapeum erobert / seine an Pferden nothleidende Reuterey geschlagen / und den biß auff den letzten Mann tapffer streitenden Pharnaces getödtet hat. Hier zwischen wäre Scribonius kommen / und sich für des grossen Mithridatens Sohn / des Pharnaces Enckel und rechtmäßigen Stul-Erben ausgegeben / und weil er ihm etwas ähnlich geschienen / und seinen Betrug durch allerhand scheinbaren Fürwand zu bemänteln gewüst / hätte er beym Augustus es durch allerhand Schelmstücke so weit gebracht / daß er vom Käyser das Bosphorsche Reich bekommen / und der derogestalt verdrungene Asander sich darüber zu todte gegrämet oder gehungert. Nach dessen Tode hätte der so glückliche Betrug ihn so verwegen gemacht / daß er die verwittibte Dynamis zu ehlichen verlanget. Diese habe ihre Abscheu für dem Scribonius / welcher mit den Käyserlichen Hülfs-Völckern das Heft in Händen hatte / möglichst verborgen / und ihn zu heyrathen versprochen / da er in der Reichs-Versammlung erhärten könne / daß er Mithridatens warhaffter Enckel /und des Pharnaces Sohn wäre. Dieser brachte alsofort einen prächtigen Brief herfür / an dem der Medusen in Gold geprägter Kopf / den Pharnaces eben wie sein gerühmter Ahnherr Perseus zu seinem Siegel brauchte / hing / und dieses Inhalts war: Nach dem sein Vater Mithridates fast alle seine Kinder ermordet / auch durch seinen fürgenommenen Einfall in Gallien die Römer zu Tod-Feinden seines gantzen Geschlechts gemacht hätte / wäre er genöthigt worden fürzusinnen / wie ihr uhralter Stamm für gäntzlichem Untergange behütet würde; habe daher das Volck dem Vater selbst abtrünnig gemacht / ihm nach dem Leben gestanden / die Römer gewarniget / auch / um ihre Freundschafft so viel leichter zu gewinnen / und / da er ja selbst noch vom Vater hingerichtet würde / doch einigen Erben verliesse / mit einer edlen Römerin Scribonia sich vermählet. Nach dem auch zwar sein erster Anschlag wäre verrathen worden / hätte ihm doch Menophanes vom Vater das Leben erbeten / und er endlich das gantze Heer auf seine Seite gebracht /daß sie ihn im Felde für ihren König erkläret / in Mangel einer bessern eine papierne Krone aufgesetzt /und Mithridaten in solche Verzweiffelung bracht /daß er seine zwey Töchter Mithridatis und Nyssa der Könige in Egypten Bräute mit Giffte hingerichtet /und als das Gifft bey ihm nichts würcken wollen /sich durch die Faust des Gallier Fürstens Bituit /durchstechen habe lassen. Weil ihn aber Pompejus für seine den Römern durch Aufopfferung seines eigenen Vaters erzeigte Wolthat schlechter / als er ihm eingebildet / belohnet / in dem er ihm nicht das Pontische /sondern nur das Bosphorische Reich gelassen / und hiervon noch die Phanagorenser ausgenommen / habe er mit den Römern zu brechen / und sich an die Parthen zu hencken fürgenommen. Weil diese nun dem Römischen Geblüte Spinnen-feind wären / hätte er für rathsam und nöthig befunden / seine Heyrath mit der Scribonia noch geheim zu halten. Inzwischen wäre ihm daß Unglück mit den Römern begegnet / daß er bey dem Berge Scotius aufs Haupt geschlagen / gefährlich verwundet / und nach Sinope zu fliehen genöthigt worden. [251] Als er nun zu den Scythen ferner zu fliehen fürgehabt / wäre ihm Scribonia mit heissen Thränen zu Fusse gefallen / und ihn beweglichst ersuchet / daß er entweder ihre Eh offenbar machen / oder sie und ihr Kind tödten möchte. Alleine er wäre darzu nicht zu bereden gewest / sondern er habe ihr / und ihrem noch an ihren Brüsten hängendem Sohne Scribonius auff den Todesfall gegenwärtiges Zeugnüß /daß Scribonia seine Gemahlin / und diß Kind sein Sohn wäre / ertheilet. Dieser ausführliche Brief hatte einen grossen Schein / und wie Käyser Augustus sich vorher hierdurch bethören lassen / also war keiner unter den Reichs-Räthen / der nicht diesem Scribonius Glauben beymaß. Der Königin Dynamis aber alleine wolte diß nicht in Kopf. Dahero nahm diß schlauhe Weib den Brief selbst in ihre Hände / und nach dem sie alle Buchstaben aufs genaueste betrachtet / fing sie in einem Augenblicke über laut an zu ruffen: Es glaube niemand diesem Verfälscher / dessen Betrug numehr am Tage liegt. Als nun alle Augen und Ohren auf sie richteten / redete sie ferner: Sehet / dieser Brief soll nach der verlohrnen Schlacht bey dem Berge Scotius / und als der Käyser mit dem P. Servilius Isauricus Bürgermeister in Rom gewest / geschrieben seyn; Da doch der Inhalt dieses Brieffes sich grossen Theils etliche Jahr hernach / und wie Qvintus Fufius / und Q. Calenus die Bürgermeister-Würde vertreten hat / zugetragen. Die Anwesenden erinnerten sich dessen alsofort / sahen aber mehrer Gewißheit halber in den Zeit-Registern nach / welche mit der Königin Einwurffe überein traffen. Hingegen verstummete Scribonius bey so unverhoft entdeckter Falschheit / wuste auch / wie sehr er sich bemühete /nichts / welches den Stich halten konte / aufzubringen. Endlich erbot er sich diesen in dem blossen Umstande der Zeit bestehenden Irrthum durch andere Uhrkunden zu verbessern / und erlangte damit Urlaub aus dem Reichs-Rathe zu gehen. Er aber verwandelte seine Beweiß-Führung in eine offenbare Flucht aus der Stadt Panticapeum / zohe sein im Lande verlegtes Kriegs-Volck zusammen / und meinte seine Gewalt und Heyrath mit den Waffen zu rechtfertigen / weil seine Rechts-Gründe nicht den Stich halten konten. Sie Reichs-Stände griffen durch Aufmunterung zur Gegenwehr / machten auch die gantze Begebenheit dem Vipsanius Agrippa / der damals gleich zu Chalcedon sich befand / zu wissen / und baten dieses unwürdigen Königs entübrigt zu seyn. Agrippa trug alsofort dem anwesenden Könige Polemon / der seinem Vater Mithridates inzwischen im Pontischen Reiche gefolget war / auf / wider den Scribonius den Bosphorern Hülffe zu leisten. Wie aber Polemon in solches Land ankam / hatten sie schon selbst den Scribonius an dem Flusse Psychrus zwischen dem Coraxischen Gebürge gefangen bekommen / und von ihm diß Bekäntnüß ausgepresset: Er sey ein Freygelassener des Vedius Pollio gewest / und habe Bekandtschafft gehabt mit demselben / welcher sich zu Rom des Antonius und der Octavia Sohn zu seyn gerühmt /Augustus aber zur Ruderbanck hätte schmieden lassen. Nach der Zeit wäre er in Asien kommen / und hätte gesehen / wie glückselig ein seinem Bedüncken nach wenig verschmitzter Cappadocier die Person des Königs Ariarathes gespielet / und mit seiner blossen Aehnligkeit dessen fast alle Morgenländer überredet hätte / da doch mehr als zu gewiß war / daß Marcus Antonius bey Einsetzung des Königs Archelaus den Ariarathes hingerichtet hatte. Diese zwey Verfälscher hätten ihm die Bahn gebrochen / und das Bildnüß des Mithridates / dem er ähnlich zu seyn vermeinet / zu seiner Erfindung sich für des Pharnaces Sohn auszugeben / Anlaß gegeben. Worauf sie denn diesem Scribonius [252] mit seinem Reiche den Kopf abgeschnitten /und ins Meer geworffen. So bald nun die Bosphorer die Ankunfft des Königs Polemon vernahmen / besorgeten sie sich / er würde als ein Bundsgenosse der Römer ihnen zum Könige aufgedrungen werden / da sie lieber einem einheimischen gehorsamt hätten /also zohen sie auf Anstifften des Meleagenes / der sich auf die Bosphorsche Krone selbst verspitzte /dem Polemon mit Heeres-Krafft entgegen / griffen ihn unverwarnigt an / wurden aber aus dem Felde geschlagen. Es war aber dieser Verlust nur eine Ursache zu grösserer Verbitterung / und eine Fackel hefftiger Kriegs-Flammen. Nach dem aber Polemon den Meleagenes in einem Treffen erlegte / und die Zeitung kam / daß Agrippa selbst mit einem mächtigen Heere schon zu Sinope dem Polemon zu Hülffe ankommen war / legten sie die Waffen nieder / baten selbst / daß der hertzhaffte Polemon ihr König seyn möchte. Also setzte Agrippa ihm mit Genehmhaltung des Käysers nicht alleine die Bosphorsche Krone auf / sondern vermählte ihn auch mit der schönen Königin Dynamis.


Ich danckte für so annehmliche Erzehlung diesem freundlichen Edelmanne / und veranlaste mit möglichster Ehrerbietung ihn mit uns fernere Gemeinschafft zu pflegen. Wie wir nun für dißmahl von ihm Abschied nahmen / und aus dem Schauplatze giengen /ward Erato unter der Menge Volcks unvermuthet meines Artafernes gewar. Alleine / ob wir wohl auff dem Fusse ihm nachfolgeten / verlohr er sich doch unter dem Gedränge aus unserm Gesichte / und wir konten zu meinem grösten Hertzeleide ihn durch keinen Fleiß finden oder ausforschen. Folgenden Morgen kam Meherdates in aller früh mit denen zwey Lycaonischen Fürsten in unser Hauß / und berichteten uns / wie Polemon diesen Tag den Römischen Rathsherren zu Liebe allerhand Rennen von seiner Ritterschafft halten würde / beredeten uns auch / daß Erato / welche zu Sinope den Nahmen Massabazanes annahm / nebst ihnen auf der Rennebahn in gleichförmiger Rüstung zu erscheinen sich entschloß. Als wir in die Schrancken kamen / bezeugten wir für dem Könige / der Königin Dynamis und den Römern / welche auf einer mit Gold durchwürckten Persischen Tapecereyen umhangenen Bühne dem Rennen zuschauen wolten / möglichste Ehrerbietung. Wir wunderten uns über der Abwesenheit der Fürstin Arsinoe / wurden aber bald gewahr / daß selbte unter dem Schalle der Trompeten /als eine Amozonin ausgerüstet / sich gleichergestalt in die Schrancken verfügte. Hierauf machte sie alsbald den Anfang aus dem für der Königlichen Bühne von zweyen Herolden gehaltenem Loß-Topffe einen Zettel zu heben / auff denen die Zahl / wie die Ritter nach der Reye rennen solten / vermerckt war. Ihr folgten die anwesenden Fürsten und Ritter / derer über fünf hundert waren / nach / und traf sich das Loß / daß die Lycaonischen Fürsten die ersten / die Fürstin Arsinoe und Massabazanes aber die allerletzten Zettel bekommen. Weil nun sie von den Herolden in die Reyhe nach denen gehobenen Zetteln gestellt wurden /kamen Arsinoe und Massabazanes harte neben einander. Beyde konten Anfangs einander nicht genungsam anschauen / ja in beyden erregte sich eine geheime Zuneigung / und ein solcher Trieb ihrer Gemüther /worüber sie ihnen selbst keine gewisse Auslegung zu machen wusten. Als nun der jüngste Lycaonische Fürst Masnaemphtes im Rennen den Anfang machte /und dieser / auser dem Pfeil-Schüssen / alle andere Rennen traf / machte ihr Arsinoe Gelegenheit mit dem Massabazanes zu reden / den Masnaemphtes [253] zu loben / und den Massabazanes um seinen Zustand zu fragen. Dieser gab sich / wie ich vorhin gegen dem Meherdates gethan / nachmahls für einen Albanischen Edelmann aus / den an diesen berühmten Hoff mehr der Vorwitz was denckwürdiges zu sehen / als einige Nothwendigkeit gebracht hätte. Arsinoe antwortete ihm: Es wäre solch Vornehmen nicht für einen Fürwitz / sondern eine Regung eines tapffern Gemüthes zu halten / und bedüncke sie / es habe die Tugend die Art etlicher Pflantzen an sich / welche in ihrem eigenen Erdreiche nicht wachsen können / sondern ihre Vollkommenheit nach geschehener Versetzung auff einem frembden Bäte erlangen müsten. Und hätte sie deßhalben ein sonderbares Belieben an denselben Edlen / welche ausser Landes / wo weder die Liebe der ihrigen sie verzärtelte / noch die Heucheley ihre Laster streichelte / ihr Glück suchten / und ihren Ruhm vergrösserten. Weßwegen Massabazanes sich von ihrem Herrn Vater aller Königlichen Gnade versichern solte. Unter derogleichen annehmlichen Gesprächen vollendeten die Ritter ihre Rennen; und es war keiner / dem nicht zum minsten ein Streich gefehlet hatte. Die Fürstin Arsinoe machte sich daher geschickt das ihrige zu thun. Das erste Ziel war ein Scythen-Kopff / nach demselben warf sie den Wurf-Spieß so glücklich / daß selbter recht in das lincke Auge traff; Das andere war ein einäugichter Cyclopen-Kopff / diesen hieb sie mit ihrer Sebel in einem Streich ab / fing selbten auch mit der Spitze ihres Sebels / daß er daran stecken blieb. Das dritte war ein Ring / den sie mit der Lantze / nach dem sie sie vorher durch einen Wurf in der Lufft dreymahl umgedrehet / fast in dem innersten Zirckel abnahm. Das vierdte war ein auf einer 60. Ellenbogen-hoher Säule aufgestellter Drache / denselben traf sie mit dem Bogen so wohl / daß der Pfeil im Rachen stecken blieb. Das fünffte war eine von Thon bereitete / und in unterschiedene Kreisse eingetheilte Scheibe / in diese traf sie aus der Schleuder mit einem Steine in den andern Kreiß / also / daß ihr kein einiges Treffen mißlang /und sie bey dem umstehenden Volck ein grosses Freuden-Geschrey erweckte. Massabazanes war allein noch übrig / der rennen solte / und es ließ ihm niemand träumen / daß dieser unbekandte Frembdling der Fürstin den höchsten Preiß strittig machen solte. Sie vergebe mir aber / großmüthige Thußnelda / daß ich meine Königin Erato ehe ins Antlitz loben / als der Warheit ablegen soll. Massabazanes erschien als ein Blitz-geschwinder Falcke auff der Rennebahn / er warf seinen Wurf-Spieß dem Scythen-Kopffe ins rechte Auge / hieb den Kopf des Polyphemus ab / und stach ihm im fallen seine Sebel in das eintzele Auge /er nahm mit der Lantze den Ring im Mittel weg / er schoß den Drachen ins lincke Auge / und traf das weisse in der Scheibe mit seinem abgeschleuderten Steine. Die Zuschauer wurden gezwungen ihn eben so wohl mit einem Freuden-Geschrey zu beehren / wormit das vorhergehende nicht so wohl den Schein einer Heucheley gegen ihre Fürstin / als einen Zuruff der Tugend überkäme. Die zwey Römischen Rathsherren / denen K \nig Polemon das Urthel des Sieges / und die Austheilung der Preisse anvertraut hatte / konten anders nicht befinden / als: Es hätte Arsinoe und Massabazanes einander die Wage derogestalt gehalten /daß sie durch ein neues Rennen gleichen müsten. Arsinoe gab sich hingegen selbst: daß Massabazanes den Preiß erworben; Sie muste aber gleichwohl sich dem Erkäntnüsse unterwerffen / und ihr wiederholetes Rennen / in dem sie abermahls gar nicht fehlete / gab ihr ein gnungsames Zeugnüß / daß ihr Sieg nicht einem ungefährlichen Zufalle / sondern ihrer Geschickligkeit zuzuschreiben [254] wäre. Aller Zuschauer sorgfältige Augen waren nun auf den Massabazanes gerichtet / welcher den Scythen-den Cyclopen-Kopff /den Ring / den Drachen in noch grösserer Vollkommenheit / als das erste mahl traf / bey dem letzten Ziel aber zu der Schleuder die lincke Hand brauchte / und /wie iederman es unschwer urtheilen konte / mit Fleiß die Scheibe fehlete umb der Fürstin den Preiß zu lassen; Gleichwohl aber den Ständer mit dem geschleuderten Steine traf. Das Volck begleitete beyde abermahls mit Jauchzen / und Statilius Taurus reichte hierauf Arsinoen den höchsten Preiß / welches war ein Lorber-Krantz dichte mit Diamanten besetzt; Junius Silanus aber dem Massabazanes den Zier-Preiß /nehmlich eine mit Rubinen umwundene Myrthen-Krone. Hierdurch gerieth Massabazanes / oder vielmehr Erato bey Hoffe in grosses Ansehen / also / daß daselbst nichts sonderliches vorgehen konte / es muste Massabazanes darbey seyn. Der König und die Königin bezeugten ihm alle ersinnliche Gnade /gleichsam / als wenn der Vorzug eines Fürsten bloß in dem beruhete / daß er den Menschen mehr gutes thun könne / als niedrigere; Arsinoe vermochte auch fast ohne ihn nicht zu leben / alle aber insgemein urtheilten / es wäre Massabazanes von grösserm Geblüte / als er sich ausgebe. Also hat die Tugend die Krafft des Magnets in sich / welche auch die frembdesten Gemüther an sich zeucht / und wie aus dem Klange das Ertzt / aus der Schwerde das Gold / wenn schon sein Glantz euserlich durch ein geringeres Ansehn benommen ist / erkennet wird; also verrathen auch tapffere Thaten eine hohe Ankunfft / und die Würde eines Helden-Geistes. Erato hingegen empfand einen nachdrücklichen Zug gegen Arsinoen / also daß sie nicht weniger eine Freudigkeit bey sich empfand /wenn sie ihr Antlitz zu schauen bekam / als wenn die betrübte Welt nach der düsternen Nacht die annehmliche Sonne aufgehen siehet. Seine Enteuserung aber von Arsinoens Augen / war eine Verdüsterung seiner sonst angebohrnen Freudigkeit / ja die Tage selbst mehr als verdrüßliche Nächte / in welchen ihm gleichwohl die Träume das annehmliche Bild dieser Halb-Göttin mehrmahls fürs Gesichte stelleten. Diese Unruh des Gemüthes ward endlich zu einer völligen Schwachheit / und wie sehr gleich Erato solche Gemüths-Veränderung verblümte / so lieffen sie doch mit der Zeit in die Augen und Auffmerckung. Ja sie konte endlich selbst mir länger nicht verschweigen /daß das Abseyn von Arsinoen ihr eine fast unerträgliche Marter wäre. Dieser Fürtrag / und die zugleich eröffnete Ursache ihrer Beunruhigung kam mir überaus seltzam für. Denn / da mir nicht die Gleichheit des Geschlechtes im Wege gestanden hätte / wäre die Kranckheit leicht zu errathen gewest. Sintemahl die Liebe kein eigenthümlicher Kennzeichen hat / als die Begierde der Vereinbarung. Denn durch sie wird der Geist gleichsam aus ihrer eigenen in eine frembde Seele verzücket / und diese höret auff in dem Cörper /den sie beseelet / zu leben / wormit sie in dem / den sie liebet / einen vergnügtern Auffenthalt finde. Weil auch die Liebe der Uhrsprung der Freude und Ergetzligkeit ist / kan ein Liebhabender nirgend anderswo /als da / wohin er sein Absehen hat / einige Wollust finden. Alle andere Lust-Häuser / ja der Himmel selbst / ist ihnen ein Siech- und Trauer-Hauß; die Anmuth stincket sie an / alle anderswohin zielende Gedancken sind ihnen irrdisch und verwerfflich / ja die Seelen werden ihren eigenen Leibern gram / daß sie an selbten gleichsam angefässelt sind / und sie bedüncken ihnen frembde Wirths-Häuser / ja wohl gar verdrüßliche [255] Gefängnüsse ihrer Freyheit / und bangsame Todten-Grüffte zu seyn / in welchen ihre Vergnügung vergraben liege. Alle diese Würckungen der Liebe sahen der Erato aus den Augen / und schienen aus ihrem Thun; Sie war in den Jahren / da diese Süßigkeit zu käumen / und dieser Zunder zu glimmen anfängt. Aber / daß ihre Neigung auf eine Fürstin abzielete / war meiner Vernufft ein unauflößlicher Knoten; und die der Liebe so ähnliche Bezeugungen konten sie allhier unmöglich Mutter nennen. Höret aber auch die andere Helffte dieses Wunderwercks. Denn ich erfuhr durch vertraute Hand / daß / da Erato diesseits nach Arsinoen seuffzete / jene nach Massabazanen lächsete. Da Erato bey ihr ein nagendes Feuer der Zuneigung in ihrem Hertzen fühlete / Arsinoens Seele loderte / und in lichten Flammen stand. Wiewol auf Arsinoens Seiten / welche die Fürstin Erato für einen der vollkommensten Helden hielt / dieser Traum sich von mir leicht auslegen ließ / in dem die Liebe sich mehr als zu viel selbst verrieth. Diese wunderbare Verwickelung der Gemüther und Begebenheiten machte mich überaus bekümmert. Als ich aber Tag und Nacht einen Fadem suchte beyden Fürstinnen aus diesem Irrgarten zu helffen / führte das Verhängnüß uns aus diesem Irrgange in einen betrübten Kercker /und verwandelte unsere Verwirrung in schmertzhaffte Bekümmernüß. Denn es hatte der Armenische König Tigranes zum Taurus und Silanus nach Sinope einen seiner Edelleute abgefertigt / dieser aber dem Rennen zugesehen / und die Fürstin Erato / oder vielmehr den in Armenien so genennten Artaxias erkennet / und bey seiner Rückkunfft solches dem Könige entdecket. Weil nun die / welche sich unrechtmäßig in ein Reich eingedrungen / ewige Todtfeinde derselben sind / die dazu Recht haben; überdiß die blutdürstige Mallia und Laodice dem Tigranes beweglich fürhielten / was für Gefahr ihm fürstünde von einem so streitbaren Jünglinge / der unter fünf hundert geübten Rittern das beste gethan hätte / und dessen feuriger Geist sich nimmermehr in die Schrancken eines gehorsamden Unterthanes würde einriegeln lassen / schickte Tigranes nicht allein eine ansehnliche Botschafft mit kostbaren Geschencken an den König Polemon / sondern schrieb nichts minder an den Tiberius / als Taurus und Silanus um den Pontischen König zu bewegen /daß er ihm den jungen Artaxias / als seinen und der Römer Feind ausfolgen liesse. Alls diese Gesandtschafft zu Sinope einzog / hielten wir uns möglichst eingezogen um nicht erkennet zu werden / unwissende / daß wir bereits verrathen und im Garne wären. Denn noch selbigen Abend ward unser Hauß rings umher mit einer starcken Wache besetzt. Kurtz darauf brachte ein verkleideter Edelknabe von der Princeßin Arsinoe einen verschlossenen Zettel an die Princeßin Erato mit diesen Zeilen:


Arsinoe an den Fürsten Artaxias.


Der Tag / welcher meinem Irrthume diß erfreuliche Licht giebet / und die Vermuthungen aller derer / die die Tugend zu schätzen wissen / vergewissert / daß der unvergleichliche Massabazanes kein schlechter Albanischer Edelmann / sondern der Enckel des grossen Tigranes sey / setzet mich zwar aus einer nicht geringern Bekümmernüß. Aber ich zittere zu schreiben / daß der Armenische König ihn aus meiner Gemeinschafft / und in seine unbarmhertzige Hände fordert. Mein Vater / der zwar die Versicherung seiner Person nicht abzuschlagen vermocht / ist iedoch allzugroßmüthig den auf die Fleischbanck seinem Feinde zu liefern / der durch seine Tugend eines gerechten Königes Gewogenheit / und die Liebe der gantzen[256] Welt verdienet. Diß Schreiben gab nach einer hefftigen Bestürtzung uns nicht geringen Trost / und ob wir wohl noch tausenderley Gefahr für Augen sahen / verliessen wir uns doch so sehr auff Arsinoen / als ein Schiffer beym Sturm auff seinen Ancker. Folgende Tage ward uns in Vertrauen zuwissen gemacht; wie die Armenische Botschafft beym Könige die rechte Verhör gehabt / und im Nahmen des Tigranes angeführt habe: Es wäre den Rechten der Völcker / und denen zwischen den Armen- und Pontischen Königen auffgerichteten alten Verträgen gemäß / daß keiner des andern Feinde hausen / sondern selbte ausgefolget werden selten. Es wäre Weltkündig / wie übel dem Aristodicus von Cuma seine unzeitige Barmhertzigkeit bekommen / als er den dem Könige Cyrus mit einem grossen Schatze entlauffenen Pactyas seinem Sardischen Land-Vogte Tabalus nicht aushändigen wollen / da doch der Didymeische Apollo und Branchus / als die Cumäer sie hierüber zu Rathe gezogen /diß Ausfolgungs-Recht gebilliget hatte. Dahero versehe sich König Tigranes unfehlbar: daß Polemon ihm den jungen Artaxias als seinen Feind und Unterthan nicht vorenthalten würde. Polemon aber habe fürgeschützt: Es hätte Apollo gleichwohl / als Aristodicus die an dem Tempel nistenden Sperlinge aus dẽ Nestern verjagt / und dem ihm fluchenden Abgotte seinen vorigen Spruch entgegen gesetzt / seinen Befehl nur auf gehausete Ubelthäter / derogleichen Artaxias nicht wäre / gedeutet; ja die Cumäer hätten den Pactyas gleichwohl nicht unmittelbar den Persen eingeantwortet / sondern ihn auff die Insel Chius verwiesen / da ihn den allererst die Einwohner seinen Fein den geliefert. Nach dem der Gesandte darauff bestanden / habe König Polemon zu seiner Entschlüssung Bedenck-Zeit genommen / und den Gesandten versichert / daß inzwischen die begehrte und für einen Feind angegebene Person in sicherer Hafft bestrickt wäre. Nach der Zeit hatte der König alle Kunststücke des Tigranes Anmuthen abzulehnen herfür gesucht /nehmlich die Gesandten mit Jagten / Schauspielen und andern Kurtzweilen auffgehalten / auch dort und darhin zu reisen Gelegenheit gesucht / um nur fernere Verhör abzulehnen; und / nach dem die Botschafft sich darmit nicht länger wollen äffen lassen /fürgeschützt: Er müste es als eine Sache von grosser Nachfolge mit den benachbarten Königen berathen /inzwischen könten die Gesandten zurück kehren /seine ihnen vielleicht auf dem Fuße folgende Botschaft würde seine vernünfftige und vielleicht nicht unangenehme Entschlüssung nachbringen. Hingegen versehe er sich / daß auff solchen Fall Tigranes auch des Meleagenes Anhang / welche in dem Bosphorschen Kriege wider ihn die Waffen geführet / und hernach sich in Armenien geflüchtet hatten / unter denen Lycosthenes ein Schoos-Kind des Tigranes war / ausfolgen lassen würden. Alleine es hätten die Gesandten auff einen endlichen Schluß gedrungen / ihres Königs Befehl / daß sie ohne den nicht zurücke kehren dörfften / fürgeschützt / und die Auswechselung des Lycosthenes und andere gegen dem Artaxius ausdrücklich anerboten. Dessen ungeachtet hätte die Fürstin Arsinoe dem Könige fort für fort in Ohren gelegen: Es wäre wider der Pontischen Könige Hoheit einen Fürsten / der zu Sinope in seiner Verfolgung eine Frey-und Schutz-Stadt zu finden vermeinet / ausser dem verhofften Schirm nicht allein zu lassen / sondern auch einen Unschuldigen in die Klauen eines Wüterichs zu lieffern. Es lieffe wider das Recht und die Gewonheit der Völcker / und diene das Beyspiel des Käysers / welcher dem Phraates den flüchtigen Tiridates keinesweges hätte ausantworten wollẽ / ihm zu einem Wegweiser. Ob nun wohl die zwey Römischen Rathsherren Taurus uñ Silanus auf die Seite des Tigranes hingen / so überwog doch die Großmüthigkeit Polemons / und die Anmassung Arsinoens [257] alle andere Absehen / also: daß die Armenische Botschafft wegen der verlangten Ausliefferung des Artaxias abschlägliche Antwort kriegte. Alleine das Unglück wolte der Redligkeit dieses tapffern Königs nicht aus dem Wege treten. Denn noch selbigen Tag lieffen vom Tiberius Schreiben ein / welche dem Polemon die Ausfolgung des Artaxias beweglich einhielten / und die Römischen Rathsherren befehlichten darzu eusserst beförderlich zu seyn. Polemon erschrack über des Tiberius Brieffe / noch mehr aber über des Taurus und Silanus hefftigem Fürtrage. Gleichwohl aber sätzte er ihnen entgegen: Er versehe sich zu ihnẽ als Römern nicht / daß sie ihn nöthigen würden die Gast-Götter seines Hauses zu beleidigen / und daß er dem Artaxias einmahl gegebene Königliche Wort: Er möchte bey ihm sichern Auffenthalt haben / brechen solte. Treu und Glauben wäre zu Rom ein solches Heiligthum /welches daselbst auch denen gehalten würde / welche gleich solches vorher verletzet / und ob schon dem gemeinen Wesen daraus einiges Unheil zugehangen. Sie hätten den Hanno / der auff der Römer Wort zu ihnen kommen / unverhindert zurück gelassen / ungeachtet die Carthaginenser den Gesandten und Bürgermeister Cornelius Asina in Ketten geschlossen hatten. Wie möchte man denn ihm zumuthen seinen Gast und Freund zu bestricken. Zumahl ihm unbewust wäre: daß dieser Artaxias die Römer iemahls beleidiget / ein Sohn aber nicht Theil an der Schuld seines Vaters hätte. Antiochus hätte eh wider den mit den Römern gemachten Friedens-Schluß handeln / als an seinem Gaste dem Hannibal durch seine Ausfolgung eine Leichtsinnigkeit begehen wollen; indem er ihn gewarnigt sich aus dem Staube zu machen. Alleine die Römer setzten ihm entgegen / Polemon hätte den Massabazanes / für den er sich fälschlich ausgegeben / keinem Artaxias die Gast-Freyheit erlaubet. Man habe nicht nur auff die Versicherung seiner Feinde /sondern auch derer zu dencken / die es allem Ansehen nach werden / und die gemeine Ruh stören könten. Fremde Könige wären einem seine Feinde ausfolgen zu lassen nicht schuldig; und deßhalben wäre der Käyser Phraaten den Tiridates zu lieffern nicht schuldig gewest / aber wohl die Bundgenossen. Daher hätte Antiochus unrecht / Prusias aber löblich gethan: daß er den Hannibal habe greiffen lassen / und den Römischen Gesandten lieffern wollen / wenn er ihnen nicht mit Gifft wäre zuvor kommen. Diesem setzten sie ausdrückliche Bedrohungen bey: daß / nach dem Polemon hierdurch wider seine Bundgenossenschafft handelte / würde er für einen Beschirmer der Römischen Feinde angesehen werden. Polemon fand sich derogestalt zwischen Thür und Angel. Denn auff einer Seite stritte für uns seine Ehre und unsere Schutz-Göttin Arsinoe / auff der andern Seiten wider uns die Furcht für der Römischen Macht / und die Gefahr seines Königreichs. Wie nun diß alles uns zu Ohrẽ kam /entschloß sich Erato lieber freywillig in die Gewalt ihres Feindes / als einen so redlichen König in so grosse Gefahr zu stürtzen; Ließ auch solches dem Könige ausdrücklich beybringen / welcher inzwischen noch diesen Vorschlag ersonnen hatte: daß er auff den eussersten Fall den Artaxias nicht dem Tigranes / sondern denen weniger grimmigen Römern mit Begleitung einer beweglichẽ Vorschrifft an den Käyser und Tiberius ausfolgen lassen wolte. Endlich kam Erato und ich nach langer Uberlegung unsers bevorstehenden Unglücks auff die Entschlüssung / lieber die Heimligkeit ihres zum Erbarmniß mehr dienenden Geschlechts zu offenbaren / als auff die mehrmahls fehlgeschlagene Gnade der Römer zu fussen. Wie es nun an dem war / daß Maßabarzanes dem Taurus und Silanus eingehändiget werden solte / und für dem Könige und ihnen erschien / fing er mit einer freudigen Anmuth an: [258] Es befremdete ihn / daß nicht nur Tigranes / sondern auch die so klugen Römer entweder auff das ungewisse Geschrey / oder auff blosses Angeben eines Kundschaffers so feste gefusset / und daß Maßabarzanes Artaxias wäre / geglaubet hätten. Seine Unschuld habe keine Scheu weder in der Gewalt eines grimmigen Wüterichs / noch der so gütigen Römer zu seyn. Allein er wäre der nicht / für den man ihn ansehe; also besorgte er sich noch weniger / daß man ihn zum Schlachtopffer eines fremden ihm unbekandten Verbrechens hingeben würde / wodurch zwar Tigranes seinen Thron / weil Armenien vielleicht noch ein Auge auf den entronnenen Artaxias haben möchte / befestigen / die Römer aber / die Schutz-Götter der Unschuldigen / beleidigen würde. Der König Polemon und die Römer sahen einander eine gute Weile stillschweigend an; liessen daher des Tigranes Gesandten Sinnates darzu kommen / und befragten ihn: Ob er den gesuchten Artaxias auch eigentlich kennte? Dieser antwortete: nein. Denn er wäre mit dem Tigranes stets zu Rom / und lange Jahre nicht zu Artaxata gewest. Allein es wäre Sinorix bey der Hand / der den König dessen vergewissert hätte. Sinorix war kaum über die Schwelle ins Zimmer getreten; als Maßabarzanes ihn anredete: Bistu der Verläumder / der der Unschuld fremde Laster auffhalset / wo anderst Artaxias nicht redlicher ist als du / der du mir eine falsche Larve einer Person / die ich nicht kenne / fürmachest? Sinorix ward anfänglich etwas bestürtzt über dieser hefftigen Anredung / wolte auch eher nicht antworten / biß er Maßabarzanen wol und eigentlich betrachtet hatte. Denn Maßabarzanes Kühnheit machte ihm gleichwol Nachdencken: Ob ihn nicht sein Auge hätte betrügen mögen. Wie er ihn aber auffs genaueste betrachtet; fing er an: Es möchte ja wohl die Natur zu weilen einen Menschen dem andern ähnlich machen /aber er finde in seinem Antlitze solche unfehlbare Merckmalhe / daß / dafern er dißmal irrete / er seinen Kopf / der ihm lieb wäre / wolte verlohren habẽ. Maßabarzanes lachte / und fing an: Wenn ich so rachgierig wäre / als du verläumderisch bist / hättestu ihn bereit sicher verspielet. Hiemit wendete er sich zum Könige Polemon / und bat ihn um Verlaub / daß er in das unentfernte Zimmer der Königin sich verfügen möchte / daselbst wolte er einen unwiderleglichen Beweiß fürzeigen / und den Sinorix augenscheinlich zu schanden machen. Der gütige König konte diß ihm nicht abschlagen; wiewohl er und die Römer nicht ersinnen konten / was für Beweiß möglich zu finden sey / der des Sinorix Zeugniß / welcher aus Armenien noch tausend ihm beystimmende Zeugen auffzubringen sich vermaß / hintertriebe / und des Maßabarzanes Verneinung erhärtete. Als Maßabarzanes nun in der Königin Zimmer kam / bey der sich die seinetwegen höchstbekümmerte Fürstin Arsinoe auffenthielt /fiel er vor ihnen auf die Knie / und fing an: Gnädigste Königin / die Verläumdung des Sinorix / welche einen Fremdling dem Blutdürstigen Tigranes auffopffern will / zwinget mich für selbter / als einer Schutz-Göttin meiner Unschuld ein Geheimniß zu entdecken / welches ich lieber auch vor den Göttern verhelet hätte. Hiermit riß sie ihr Kleid auf / und wieß der Königin und Arsinoen ein paar so schöne Brüste / als sie iemahls ein Auge gesehen / oder ein vollkommenstes Frauenzimmer haben kan. Die Königin erstaunete über so unvermutheter Begebenheit / noch mehr aber die schöne Arsinoe: also / daß sie eine gute Weile kein Wort auffzubringen wuste. Die nunmehr offenbarte Erato nahm die grosse Veränderung Arsinoens genau wahr / und weil sie von ihrer Liebe gut genug wuste / muthmaßte sie / ihre Bestürtzung rühre daher / daß weil sich nunmehr Maßabarzanes in ein Weib verwandelte / sie hierdurch ihre Liebe zu Wasser wer den sehe. Nachdem aber beyde sich ein wenig erholet / fing Erato an: Gebet nun / ihr meine Schutz-Götter /einer unglückseligen [259] Jungfrauen / die die Begierde der Tugend und ein grosses Absehen ihrer Eltern in ein Mannsbild verstellet hat / wider die Falschheit des Sinorix ein Zeugniß: daß sie nicht Maßabarzanes / weniger der verfolgte Artaxias sey. Der guthertzigen Königin fielen die Thränen aus den Augen / und sie kunte sich nicht enthalten / daß sie nicht die Erato mit hundert Küssen umhalsete; Arsinoe aber blieb hierbey voll Nachdenckens unbewegt gleichsam als eine Marmel-Seule stehen / verlohr sich auch unvermerckt aus dem Zimmer. Die Königin befahl hierauff alsofort ihrem Frauenzimmer: daß sie den eingebildeten Maßabarzanes alsofort ihrer Tugend gemäß auffs prächtigste ankleiden musten. Als dieses in möglichster Eil vollbracht ward / nahm die Königin diese Fürstin bey der Hand / und führte sie in das Königliche Zimmer /darinnen die verlassenen Personen mit Ungedult den verlangten Ausschlag erwarteten. Dieser aber als sie nun den eingebildeten Artaxias in ein Frauenzimmer verwandelt / und die unfehlbare Warheit aus denen mit Fleiß halb entblößten Brüsten sahen / verwirrte nicht nur den König und die Römer / sondern auch den Sinnates / und insonderheit den Sinorix; daß jene kein Wort reden konten / dieser aber für Scham und Schande sich augenblicks aus dem Zimmer entbrach. Der König ward über diesem Ebentheuer hertzlich erfreuet / die Römer aber und gantz Sinope verwundernd über der Schönheit und Tapfferkeit dieser zwar unbekandten Fürstin; welche aber ihren hohen Stand durch ihre Tugend genugsam ausführete. Sinorix ließ sich nicht mehr schauen / und Sinnates muste mit einer Nase abziehen. Erato aber erfreute sich über so glücklichem Ausschlage / dem Siege ihrer Klugheit. Denn diese ist die Hebamme der Glückseligkeit und Vergnügung. Eines allein lag ihr noch auff dem Hertzen / nehmlich die Sorge über der an Arsinoen verspührten hefftigen Veränderung. Zumal da Erato /welche nunmehr in dem Königlichen Frauenzimmer bleiben muste / und von der Königin alle ersinnliche Gnaden / von der Fürstin Arsinoe aber noch hefftigere Liebesbezeugungen genaaß / gleichwol an ihr eine ungewöhnliche Traurigkeit verspürte. Diese verwandelte sich in wenigen Tagen in eine Kranckheit / und machte sie gar bettlägerig. Endlich wuchs die Unpäßligkeit so sehr / daß die Aertzte an ihrer Wiedergenesung zu zweiffeln anfingen; worüber der gantze Hoff in unermäßliches Trauren versetzet ward. Taurus und Silanus hatten selbst mit dieser so anmuthigen Fürstin ein hertzliches Mitleiden; und weil sie den berühmten Artzt Cornelius Celsus / welchen man seiner Fürtreffligkeit wegen den Lateinischen Hippocrates nennte / bey sich hatten / ward er endlich auch zu Rathe gezogen. Dieser aber konte so wenig als die andern sich in die Kranckheit finden / weniger bey solcher Unwissenheit helffen. Nach hunderterley Anmerckungen ihrer Veränderung nahm er wahr / daß wenn einige von dem Frauenzimmer / und darunter Erato ums Bette standen / der Puls schneller zu schlagen anfing /ihre Farbe und gantze Beschaffenheit sich änderte. Gleichwohl aber konte er hieraus ihm wenig nehmen /noch auff den Grund kommen. Nachdem er aber mit Fleiß anmerckte / daß dieser Umstand allezeit einerley Veränderung machte / und die Königin bey sich täglich vermindernden Lebens-Hoffnung sehr erbärmlich thät / ihr die Haare ausrauffte / den Göttern und der Natur fluchte / ihre Kleider zerriß; diese eine Stieff-Mutter schalt / welche dem Menschen bey seiner Geburt nur deshalben den Verstand entziehe / daß er das gute des anfangenden Lebens nicht recht genüße / bey dem Sterben aber gebe / daß er die Bitterkeit des Todes so viel mehr schmecken müste / zohe dieser nachdenckliche Artzt die Königin auff die Seite / entdeckte ihr seine Anmerckung und sagte: Er hielte es[260] mehr für eine Gemüths- als Leibes-Kranckheit / und wenn solche Veränderung in Anwesenheit einiges Mannes geschehe / wolle er keck sagen: Es wäre die Kranckheit / daran Erasistratus den Liebhaber der Stratonice geheilet hätte. Wolte sie nun die Ursache der Kranckheit ergründen / und ihrer Tochter das Leben erhalten / müste sie die Heimligkeit ihres Hertzens erforschen. Der klugen Dynamis war mehr denn zu viel gesagt / und sie konte ihr numehr die Kranckheit an den Fingern ausrechnen. Gleichwohl aber noch gewisser auf den Grund zu kommen / gieng sie mit unterschiedenen ihres Frauenzimmers zu Arsinoen /merckte aber in ihrem Beyseyn an ihr nichts veränderliches. Hierauf trat sie alleine mit der Erato für ihr Bette; alsofort dorfte sie Arsinoen nicht an Puls fühlen; denn ihre Gemüths- und Leibes-Aenderung brach an allen Gliedern aus. Nach so augenscheinlichen Merckmalen führete sie die Fürstin Erato mit sich /verschloß sich mit ihr in ihr geheimstes Zimmer; daselbst redete sie / ihre Augen voll Thränen / und ihre Brust voll Seufzer habende / derogestalt an: Wenn ich / unvergleichliche Erato / nicht ihrer hohen Ankunft halber durch so viel Tugenden / wormit sie der gütige Himmel ausgerüstet hat / vergewissert wäre / würde ich entweder den Vorwitz begehen ihren Ursprung zu erforschen / welchen sie vermuthlich aus wichtigen Ursachen verhelet / oder ihr ein Geheimnüß zu entdecken anstehen / welches meinem eigenen Gemahl verborgen ist. Nachdem man aber für den Göttern und der Tugend sicher sein Hertz ausschüttet / und ihre Gütigkeit mich aus dem Pfule des Verderbens / mein Kind Arsinoen aus dem Rachen des Todes zu retten alleine mächtig ist; wolle die ihren Ohren nicht beschwerlich seyn lassen mich zu hören / welcher mitleidentlich Hertze ich so geneigt weiß mir zu helffen. Als nun Erato mit Zunge und Geberden ihr Mitleiden und Verbündligkeit beweglich bezeuget hatte / fuhr die Königin Dynamis fort: Als ich den König Polemon geheyrathet hatte / liessen die Götter zu / daß des Scribonius Schwester durch Zauberey uns zwey Ehleute eben so / wie es für Zeiten dem Könige Amasis mit der Laodice begegnet / gegen einander verschloß. Polemon / welcher über diesem Zufalle nebst mir höchst bekümmert ward / nahm seine Zuflucht zu der Persischen Diana / welche in der Cilicischen Stadt Castabala verehret wird. Die Wahrsager-Weiber /welche daselbst über den glüenden Rost und Kohlen /darauf die Opfer angezündet werden / baarfüssig ohne Verletzung gehen / trugen der Göttin unser Gelübde für / und kriegten zur Antwort: Ich solte meinen Gürtel der Jungfräulichen Diana wiedmen / so würde ich schwanger werden / es solte ihm aber Polemon den Degen schleiffen. Ob uns nun wol das letztere ziemlich tunckel fürkam; so leisteten wir doch dem Göttlichen Befehl Gehorsam / und ich befand mich in einem Monat schwanger. Wie wir nun auf dem Rückwege bey der Stadt Seleueia unter dem Berge Taurus vorbey zohen / wolten wir bey der berühmten Charoneischen Höle nicht vergebens vorbey ziehen / sondern wir verehrten den Geist denselben / und schlugen des Nachts darinnen unsere Lager-Stadt auf / umb durch einen Traum wegen des Mittels unser Genesung bestärckt zu werden. Es träumte uns aber allen beyden: Ich ginge mit einer Schlange schwanger / die an iedem Orte einen Kopf hätte / derer einer den Polemon stäche / der andere seine Mutter küßte. Eben dieses träumte uns zu unserer höchsten Verwunderung wenige Zeit hernach zum andern mal in dem Pergamenischen Tempel des Esculapius. Wir blieben also mit Furcht und Hoffnung bestricket biß zu meiner Geburts-Zeit ruhig / wurden aber hertzlich erfreuet / als ich eines wolgestalten Sohnes und Tochter genesen war / die wir Zeno und Arsinoe benahmten. Gleichwohl aber konte mein König ihm den Traum nicht aus dem [261] Sinne schlagen / daher reisete er selbst in den Epirischen Eichwald bey der Stadt Dodona / allwo Jupiter in einem alten noch vom Deucalion gebaueten Tempel künftig Ding wahrsagte. Wie er nun nach verrichteter gewöhnlichen Andacht fragte: Was er für Glück oder Unglück von seinen neugebohrnen Zwillingen zu hoffen hätte / antworteten ihm die daselbst singenden Tauben:


Die Tochter wird alsbald die Mutter kůssen /

Der Sohn das Blut des Vaters selbst vergiessen.


Als nun Polemon über dieser Weissagung bestürtzt war / und die Götter umb Erklärung mit vielen Seufzern anflehete / hob sich das güldene Bild des Jupiters / welches oben auf dem Tempel stand / auf / und schlug mit seiner eisernen Ruthe an die rings herumb aufgehenckten ertztene Tiegel / welche eben vorige Reymen von sich lauten liessen. Der König wolte mit dieser betrübten Zeitung nicht nach Hause kehren /sondern schiffte aus Griechenland geraden Weges in Africa / und durch das fast unwegbare Sand-Meer zu dem Ammonischen Jupiter bey den Troglodyten; wohin dem grossen Alexander die Raben / dem Bachus ein Widder den Weg gewiesen hat. Daselbst wusch sich Polemon aus dem Sonnen-Brunnen / welcher des Morgens und Abends laues / des Mittags eißkaltes / umb Mitternacht siedendheisses Wasser hat; opferte hierauf sieben Widder / verrichtete alles / was zu selbigem Gottes-Dienste gehörig ist / und bat ihm seiner Kinder Zufälle zu offenbaren. Die Priester nahmen des Jupiters Bild / welches wie ein Seeweiser aus weissem Marmel / oben mit einem Widder-Kopfe gemacht / auf der Seite mit Smaragden und andern Edelgesteinen gezieret war / setzten solches auf einen güldenen Nachen / an welchem eine grosse Menge silberner Schüsseln hingen / und hinter dem eine grosse Anzahl Frauen und Jungfrauen allerhand Lob-Lieder sangen. Auf des Königs angebrachte Frage verdrehete der Abgott die Augen / schüttelte den Kopf / raschelte mit den umbhangenden Hammel-Fellen / und / welches zu verwundern / brauchte der Priester zu Auslegung dessen / was Jupiter andeutete / eben die von dem Dodonischen Jupiter ausgesprochene Worte. Wiewohl nun die Wahrheit der Hammonischen Wahrsagungen durch die dem Egyptischen Könige Themeuthes / dem Getulischen Jarbas / dem Hannibal und viel andern ertheilte Weissagungen bewährt war; so ließ sich doch Polemon nicht vergnügen / sondern er berieth sich auch mit dem Pythischen Apollo in Beotien / dessen Heiligthum von einer Ziege erfunden worden. Wie nun die Pythia nach zweyen ihm geopferten weissen Pferden aus dem Brunne Cassiotis /welcher die angezündeten Fackeln auslescht / die ausgeleschten anzündet / getruncken / und den Wahrsager-Geist bekommen / auch sich bey einbrechender Demmerung über die heilige Höle auf den güldenen Dreyfuß gesetzt hatte / kriegte sie einen Jäscht für dem Mund / und fing an eben diese Wahrsagung /welche fürzeiten dem Thebanischen Könige Lajus geschehen war / auszuschäumen:


Wenn nicht die G \tter wolln / so zeuge doch kein Kind /

Nachdem dir selbst dein Sohn ein Sterbens-Netze spinnt.


Mit diesen betrübten Offenbarungen kam Polemon wieder zu Sinope an / ich stelle zu ihrem vernünftigẽ Nachdencken / zu was für Hertzeleid für mich / sonderlich / da sich der König entschloß meinen einigen Sohn hinrichten zu lassen. Die ehliche und Mutter-Liebe kämpfte in meinem Hertzen gegen einander /weil jene aus den Göttlichen Wahrsagungen selbst die Gefahr meines Gemahls / diese meines Kindes Untergang für Augen sahe. Ich hielt ihm aber gleichwohl ein; wie die albern Rathschläge der Menschen die unvermeidlichen Schlüsse des Verhängnüsses zu stören sich vergebens anmaßten / als aus dem Beyspiele Astyagens / der seiner Tochter Mandane gantz Asien überschattende Frucht [262] wollen tödten lassen / und des Lajus / der seinen mit der Jocasta erzeugten Sohn dem Tode wiedmete / zu sehen wäre. Uber diß mißbrauchte die menschliche Boßheit nicht selten sich Göttlicher Weissagungen zu ihrem Vortheil. Phalantus wäre seiner Herrschafft vom Apollo so lange versichert worden / biß er weisse Raben sehen / und in seinem Geträncke Fische finden würde. Sein Feind Iphiclus aber / dem diß verkundschafft worden / hätte durch den bestochenen Larca ihm mit dem Wasser kleine Fische in Wein mischen / und Iphiclus zugleich eine Menge übergipste Raben flügen lassen. Hierdurch wäre der abergläubische Phalantus sich dem Iphiclus ohne Noth zu ergeben verleitet worden. Nach dem aber auch diß nicht verfangen wolte / sagte Dynamis /verschrieb ich in möglichster Eil den Egyptischen Sternseher Cherämon an Hof / welcher bey vielen seiner Wissenschafft halber berühmt / bey nicht wenigern aber auch seiner Eitelkeiten halber verachtet war; massen er durch das Gedichte / daß der Vogel Phönix 7000. Jahr lebte / und andere Thorheiten sich in der Welt schon genungsam bekandt gemacht hatte. Nichts desto weniger eröffnete ich dem Cherämon meines Sohns Geburts-Stunde / wormit er aus dem Gestirne alle Zufälle seines Lebens aufs fleissigste ausrechnen solte. Es konte diß aber nicht so verholen geschehen /daß es nicht die Königlichen Räthe erfuhren / und dem Polemon fürtrugen: Wie gefährlich es wäre / über dem Zustande der Fürsten die nichts minder betrüglich- als abergläubische Leute zu Rathe fragen; oder auch gar solche denen Göttlichen Offenbarungen /welche Polemon allenthalben einstimmig befunden hätte / entgegen zu setzen. Die berůhmtesten Chaldeer hätten einmüthig den grossen Pompejus / den Crassus und Cäsar versichert / daß sie mit grossem Glücke und Ruhm in hohem Alter auf dem Bette sterben würden; sie also zu vielen kühnen Entschlüssungen verleitet / ihre Unwahrheit aber wäre mit aller dreyer grausam verspritzten Blute aufgezeichnet. Insonderheit wäre dieser Cherämon auf derogleichen Betrug abgerichtet / und hätte er den grossen Pompejus gewarnet: Er solte sich für dem Cassius hüten. Wie er nun hernach in einem Nachen von gantz andern ermordet worden / hätte Cherämon seinen Fehler damit entschuldiget / er hätte keinen Menschen / sondern den Berg Cassius / unter welchem er gestorben und begraben wäre / verstanden. Ich kam zu meinem Glücke gleich darzu / und hörte diese Beschuldigung des Cherämons / welchen ich eben dadurch für glaubwürdig rühmete. Sintemal nicht seine Wahrsagung /sondern des Pompejus übeler Verstand zu tadeln wäre. Die Götter selbst pflegten in ihren Weissagungen selten noch so verständlich zu reden / und müsten allenthalben solche Offenbarungen nachdencklich überlegt werden. Polemon aber blieb gegen mich gantz unbeweglich / allem Vermuthen nach mehr aus einem Staats-Geheimnüsse / als aus Mißtrauen gegen dem Cherämon. Denn weil an Wahrsagung künftiger Dinge so viel gelegen / und die / welche solche zu wissen gegläubet werden / bey dem Volcke in allzugrossem Ansehen sind / haben iederzeit alle kluge Oberherren diese Wissenschafft an sich gezogen. Also hättẽ Amphilochus und Mopsus ihren Argivern / Helenus und Cassandra des Priamus Kinder ihren Phrygiern / die aus den Weisen erkiesete Persische Fürsten alleine bevorstehende Begebenheiten / wie selbte für ihre Herrschens-Rath gedienet / angekündigt. Numa bediente sich zum Scheine seiner Wahrsagungen einer erdichteten Gemeinschafft mit der Egeria; und vom Tullus Hostilius glaubten die Römer / daß der Donner ihn deshalben erschlagen hätte / weil er die Geheimnüsse / wordurch der Jupiter Elicius zu erscheinen beruffen werden könte / nicht recht beobachtet. Nichts minder ist die Wahrsagerey auch hernach zu Rom /als die höchste Gewalt / für etwas Königliches gehalten / uñ mit selbter vereinbart; [263] hingegen / daß die Stadt nicht durch andere Weissagungen irre gemacht /oder gar ausser den Schrancken des Gehorsams versetzt würde / haben die Obern die Sibyllinischen Bücher verbrennen / und die Wahrsager mehrmals aus der Stadt vertreiben lassen. Mit Noth brachte ich es endlich so weit / daß König Polemon einen seiner Räthe Sophites befehlichte / des Cheremon Wissenschafft zu durchforschen. Dieser rechtfertigte ihn alsofort: Ob er ein Sternseher wäre / und wo er seine Künste gelernet hätte? Cheremon antwortete dem Sophites gleichsam verächtlich: Er wäre zwar nach Sinope nicht kommen seines Thuns halber Rechenschafft zu geben; nachdem er in Egypten für einen halben Gott gehalten würde. Jedoch könte er nicht läugnen / daß er mit dem Verhängnüsse ein verträuliches Verständnüß / und den Sternen tägliche Gemeinschafft hätte /und nichts minder einen Wahrsager unter den Menschen / als einen Gesetzgeber im Himmel abgebe; auch versichert wäre / daß sein Nahme nicht mit tunckelern Sternen / als der Gürtel des Orions daselbst eingeschrieben werden würde. Sophites fragte weiter: Woher er diese Wissenschafft erlernet? Aus dem Buche der Verständigen / antwortete Cheremon /nemlich dem Himmel / dessen Sterne alle Buchstaben wären / woraus die Weisen alle Geheimnüsse der Natur und die Schlüsse des Glückes so unschwer lesen könten / als die ersten Menschen nach dem Stande der Gestirne in denen sändichten Einöden /und noch ietzt die Schiffenden hätten reisen lernen /und die Weisen der ersten Welt auch die Sprache der Thiere verstanden. Worbey er aber mit dem Socrates gestehen müste / daß die Erfahrung hi lischer Dinge ohne Göttliche Hülffe und Erleuchtung sich nicht erlernen liesse. Sophites erkundigte ferner: Mit welchen Volckes Schrifft denn diese hi lische eine Verwandnüß hätte / und wordurch die Anfänger selbte verstehen lernten? Cheremon fing an: Die sieben grosse Irr-Sterne wären die laut-alle andere die stummen Buchstaben. Der kluge Cham hätte das A.B.C. in 7. ertztene und 7. irrdene Säulẽ aufgezeichnet / wormit selbte weder Feuer noch Wasser vertilgen möchte. Der sinnreiche Idris aber hätte ein von dem andern Menschenin einẽ versiegelten Stein verschlossenes Buch gefundẽ / darinnen die allerklärste Auslegung enthalten gewest / und aus welchen die Egyptier so viel tausend Jahr ihre Heimligkeiten geschöpfet hätten. Sophites fuhr fort: Woher sie eines so grossen Alters der Welt versichert wären; ob sie selbte wegen ihres Ursprungs für ewig / und ihrer Tauerhaftigkeit nach für unvergänglich hielten? und ob er auch unter denen Leichtglaubigẽ wäre / daß die Babylonier von 470000. Jahren den Lauff der Sonnen aufgezeichnet hätten? Cheremon versetzte: Alle Dinge / ausser Gott / hätten jhren Anfang; das Alter der Welt wüsten sie aus denen 20000. Büchern des Hermes / in welchen keines Sternes Bewegung von Anfang der Welt aussengelassen wäre. Das Alter der Welt würde sich auf 36525. Jahr erstrecken / weil in so vieler Zeit der völlige Lauff des Gestirnes sich endigte / und umb ein allgemeines Ende zu machen alles in den ersten Stand verfiele. Sophites fragte ferner: Ob denn die Sterne allein in der Welt die natürlichen Regungen des Gewächses / des Gewitters / der Fruchtbarkeit / in dem Menschen nur über den Leib / oder auch über sein Gemüthe / über den Willen und die Regungen der Seele einige Gewalt hätte. Cheremon antwortete: Die Sternen hätten so wohl über ein als das andere eine vollkommene Botmässigkeit. Sophites versetzte: So höre ich wohl / die Sternen haben nicht nur eine blosse Neigung / sondern einen völligen Zwang über uns. Sintemal alle Wissenschafften keinen zufälligen /sondern einen nothwendigen Schluß in sich haben. Hat denn aber der Mensch keinen freyen Willen der Tugend oder dem Laster beyzufallen / auch keinen Verstand Gutes und Böses [264] zu erwehlen in sich? Denn wie unschwer nachzugeben / daß die Sternen über den menschlichen Leib als ein irrdisches Theil der Welt würcken können; also nachdem die Seele ein Funcken des Göttlichen Lichtes / und von einem höhern Ursprunge / als die Sonne selbst ist; wie können die niedrigern Gestirne über das höhere würcken? Wenn die Seele sich nicht selbst der Knechtschafft des Leibes unterwirfft? Cherämon sahe den Sophites ernsthaft an / und sagte: O ihr albern Menschen / die ihr euer Glücke / euer Klugheit / und eure gute Wercke eurem freyen Willen zueignet. Beydes hänget an den Ketten des unveränderlichen Verhängnüsses / welches durch die Sternen die Menschen / wie ein Gauckler die Tocken durch verborgene Dräte beweget. Dieses Verhängnüß haben die Weisen durch das Faß der Pandora / wie die Bewegung der Irr-Sterne durch des Orpheus siebenseitige Leyer abgebildet / indem jene den Seelen bey der Geburt des Menschen nach der Anschaffung des Himmels Böses und Gutes zueignet. Die Hoheit der Seele klimmete zwar höher / als die Gestirne / keines weges aber über dem Verhängnüsse / welches das Gemüthe und der Wille Gottes wäre. Diesemnach auch die Götter an die Nothwendigkeiten des Verhängnüsses / wie Prometheus an den Felsen des Caucasus angebunden wären. Es ist diß / sagte Sophites / eine gefährliche Lehre / welche den vernünftigen Menschen zu einem wilden Thiere / und zu einem Leibeigenen des Himmels machen. Denn ob er zwar selbst sich bescheide / daß die so wunderwürdigen Begebenheiten der Welt nicht ungefähr geschehen / dem menschlichen Willen und Klugheit auch in der Wahl es vielmal fehl schlüge / und daher etwas überirrdisches über uns das Gebiete führen müste; so glaubte er doch nicht / daß dieses von denen Sternen /welchen Gott doch einen gewissen Lauff für geschrieben / und ein solches Ziel gesteckt hätte / wenn man selbten auch schon das Band anderer natürlichen Ursachen beysetzte / herrühren könte oder müste; sondern / daß die Vernunft zwischen bös- und guten eine unverschrenckte Wahl habe / ungeachtet selbte ihrer Blödigkeit halber vielmal den unrechten Dreyfuß anrührete / ein Weiser aber der Neigung des Gestirnes überlegen sey. Weil er aber wohl wüste / daß dieser Stritt unter den Menschen keinen unverwerfflichen Richter hätte / so wolte er inzwischen dem Cherämon seinen eingebildeten Sternen-Zwang enthängen. Nachdem aber Cherämon nicht läugnen könte / daß die Chaldeer und Egyptier so gar in der Zahl und in dem Stande der zwölff hi lischen Zeichen einander zuwider wären / diese derselben zwölff / jene nur eilff machten / ihre Gräntzen auch sonst gar nicht miteinander übereinstimmten; die Serer über diß über 500. Gestirne mehr / als die andern zwey und die Araber zehlen; gleicher Gestalt auch etliche Sternseher den Mercur zu einem weiblichen / andere zu einem männlichen Gestirne / die dritten zu einem Zwyter machten; eben dieser Stern dem einen vor / dem andern hinten nach ginge; ihrer viel denen Mitternächtischen / viel denen gerade über unserm Wirbel stehenden Sternen die nachdrücklichste Wirckung zueigneten; wie wäre möglich / daß aus diesen widrigen Meynungen / welche doch die Sternseher für ihre Grundfeste hielten /einige unfehlbare Gewißheit / ja nur eine glaubhafte Muthmassung gezogen werden könte? sondern ieder Vernünftiger könte leicht urtheilen: daß es mit der Sternseher Wahrsagung eben eine solche Eitelkeit hätte / wie mit den Aufmerckern des Vogel-Geschrey-und Fluges; es ginge auch mit beyden einerley Betrug für. Die Nacht-Eulen wären fast allen Völckern ein Unglücks-Vogel; die Athenienser und Scythen verehrten ihn als einen gewissen Siegs- und Glücks-Boten; und hätte Agathocles / welcher beym Anfange der Schlacht eine vorhin verwahrte [265] Menge Eulen fliegen lassen / seinem Heere damit ein groß Hertze gemacht; die Carthaginenser aber keine geringe Niederlage erlidten. Die unabmäßliche Grösse der Gestirne / der unbegreiffliche Umbkreiß des Himmels hätte sich noch durch kein Ferne-Glaß einem richtigen Meß-Stabe untergeben; weniger die Berge / Thäler / Seen /und der Talg der Sternen / und ob in selbten eben so wohl Menschen oder andere Thiere wohntẽ / ergründet werden köñen / also daß fast keines einigẽ Sternsehers Rechnung mit der andern übereinstimmte; wie solten sie denn die verborgene Eigenschaft / und die Würckung den Sternen so leichte absehen / welche ihnen so wenig in die Stirne / als den Kräutern auf die Blätter geschrieben wäre? Die Araber stellten den Egyptiern / diese denen Chaldeern in ihren Grundfesten unzehlbare Fehler aus. Die Gestirne selbst veränderten nicht allein ihren Stand / massen der äuserste Stern in dem Schwantze des kleinen Bäres numehr kaum 4. Staffeln von der nordlichen Angel-Spitze entfernt wäre / welchen die Alten dreymahl so weit darvon setzten; der gestirnte Stier stünde / wo für Zeiten der Widder gestanden haben solte; die Sonne solte vier und zwantzig mal ihrer Breite weit von der Erde erhöhet gewest seyn / die ietzund nur achtzehn mal von selbter entfernt wäre / wie auch der Bewegungs-Kreiß des Kriegs-Sterns von der alten Anmerckung hauptsächlich verändert seyn. Wie wäre es nun möglich / daß die so veränderten Gestirne ihre alte Würckung behalten solten / da die von dem Gebürge in die nechste Fläche / zu geschweigen die aus Europa in Asien versetzte Kräuter ihre gantze Eigenschaft veränderten? Zumal die Sternseher selbst glaubten / daß die Güte und Boßheit eines Gestirnes mehr aus dem Orte / wo er stünde / als aus seiner Eigenschaft zu urtheilen / insonderheit aber der Mercur bey den glücklichen Sternen glücklich / bey den argen böse; hingegen der Saturn / dessen Grausamkeit die alten so gar mit Menschen-Opfern versöhnet hätten / in dem Hause des Löwen glücklich wäre. Wie viel tausend Sternen stünden nur in der Milch-Strasse / welche unserm Gesichte nur als ein Nebel fürkämen? Welche Vermessenheit aber wolte sich rühmen / daß sie ihnen ihre Würckung absehen könte / welche sie so gewiß /als die sichtbaren Sterne haben müsten / wo es anders wahr wäre / daß Gott und die Natur nichts umbsonst schaffe. Wie offt würden die grossen Hi els-Lichter von finstern Flecken verdüstert / wie viel Sterne hätte man im Hi el sich zeigẽ / und wieder verschwinden sehen / welche höhergestanden und grösser gewest /als der Monde? Solten diese daselbst keine Veränderung machen / welche den Erd-Boden in so grosse Verwunderung setzten? Sintemal ja die kleinsten Kräuter nicht ohne Würckung wären / und offt für die grösten Kranckheiten dieneten. Wie viel unausleschliche Sternen hätte man auf den Schiffarthen in dem Sud-Lande des Himmels kennen gelernet / und durch die Ferne-Gläser umb den Jupiter und Saturn neue Irr-Sternen erkieset / von denen die Alten nichts gewüst; aus derer Büchern ihr doch alle eure Geheimnüsse schöpfet. In wie viel Dingen betreuget uns nicht das Gesichte / die Unvollkommenheit der Ferne-Gläser /die unsichtbaren Dünste in der Luft / welche dem Stande und der Gestalt der Gestirne eine gantz andere Farbe anstreichen / und den Sternsehern zu mehrern Irrthümern Ursach geben / als es Irr-Sterne im Himmel hat. Diesemnach es ihm keine geringere Vermessenheit zu seyn schiene / bey solcher Unwissenheit aus dem Gestirne der Menschen Verhängnüß urtheilen wollen / als der vom Apion angezogene Wahrsager beging / der aus des Apelles Gemählden auch der von ihm sonst nie gesehenen abgemahlten vergangenes und künftiges Urthel andeutete; oder auch die /welche mit gewissen Edelgesteinen [266] die Götter aus dem Himmel / die Geister aus der Hölle beruffen /und wenn einem ein Stein aus dem Ringe springt /daraus ein nicht allein unvermeidliches Unglück erzwingen / sondern auch deßwegen den wichtigsten Anschlag abbrechen. Cherämon antwortete: Er könte nicht läugnen / daß viel unter denen Sternsehern irrige Meynungen von den Sternen hätten / daß die Ferne und die Blödigkeit des menschlichen Verstandes nicht alles im Himmel so genau auszuecken wüste / und derogestalt der Himmel den meisten ein unauflößliches Rätzel wäre. Alleine / es wäre daraus ein mehres nicht zu erzwingen / als daß ihre Wissenschafft nicht vollkommen / sondern auch mit Fehlern vermischt wäre. Massen denn auch keine Sternseher / als die Egyptier / die Geburt der Schwantz-Gestirne vorher sehen /und die Zeit ihrer künftigen Erscheinung anzukündigen wüsten. Diese Unvollkommenheit aber hinge aller Weißheit und Künsten an; die Aertzte zanckten sich ja so sehr über den Ursachen und Kennzeichen der Kranckheiten / als über der Eigenschafft der Kräuter und des Ertztes. Die Staats-Klugen machten über einer Entschlüssung die Rath-Stuben mehrmals zu einem Irrgarten widriger Meynungen. Gleichwohl verwürffe niemand die gantze Artzney-Kunst / und die mehrmals fehltretende Staats-Klugheit. Warumb wäre man denn ihrer Wissenschafft so aufsätzig? Warumb wolte man denen Offenbarungen der Gestirne nichts glauben / da so viel Völcker die Sprache der Esel und Bäume / den Flug der Vögel / und das Geschwärme der Gespenster für unfehlbare Weissagungen annehmen? Keine einige wäre noch so vollkommen durchsucht / daß die besten Meister nicht noch täglich was zu lernen / oder ihre Unwissenheit zu beklagen hätten. Die gründliche Wissenschafft von dem Lauffe und der Würckung der sieben grossen Irr-Sternen / und der zwölf Zeichen des Thier-Kreisses wären schon genung eines Menschen fürnehmste Zufälle vorzusehen; ob wohl freylich die kleineren Sterne in geringern Dingen ihren absonderen Zug hätten. Ihre Würckungen hätte die Welt durch die Erfahrung eben so / wie die Eigenschaften der Kräuter gelernet. Sophites brach hier ein: Wie kan die Erfahrung allhier ein gewisser Lehrmeister seyn / nachdem die Sternseher selbst gestehen / daß der gestirnte Himmel niemals einerley / sondern stets einen gantz andern Stand darstellet? und daß ein ieder Stern / so klein er sey /nichts minder als ein iedes Kraut / seine gantz absondere Eigenschaft habe. Cherämon versetzte: Es ist genung / daß die fürnehmsten Gestirne offtmals sich miteinander vereinbaren / oder nach einerley Art einander entgegen stehen. Stehen doch die Kräuter an einem Orte / und in der Nachbarschafft dieser oder jener Gewächse besser / als am andern; sie haben unterschiedene Witterung / auch nach der Landes-Art von dem Gestirne nicht gleichen Einfluß / gleichwohl müssen die Aertzte die Kräfften der Kräuter / wie die Sternseher das Vermögen der anders gestellten Gestirne zu unterscheiden wissen. Die Unwissenheit etlicher in diesen Ländern unsichtbaren Sterne thäten ihrer Weißheit schlechten Abbruch / weil die über unserm Haupte stehende Gestirne über uns die kräfftigsten /die so weit entfernten aber eben so wol / als die unsichtbaren Finsternüsse schlechte Einflüsse hätten. Sophites warff ein: Wie ko ts denn aber / daß nach der meisten Sternseher Meynung die bey eines Menschen Geburt im Morgen aufgehende / nicht aber die gleich über unserm Wirbel stehende / oder auch nicht vielmehr die bey der Empfängnüß scheinende Gestirne dem Gebohrnen die Beschaffenheit ihres gantzen Lebens anordnen sollen? Zumal die Kinder mehrmals in der [267] Geburt etliche Stunden stehen; Viel so gar lebendig aus den todten Müttern geschnidten würden. Cherämon antwortete: Es wären zwar einige Sternseher dieser Meynung / die Erfahrung aber eine Lehrmeisterin gewest / daß wie die aufgehende Sonne mit ihren Straalen die Welt gleichsam lebendig machte; also wären auch alle andere Gestirne in ihrem Aufgange am kräftigsten. Der Morgen wäre das rechte Theil des Himmels / die Morgenländer wären die tieffsinnigsten Leute / in Morgenland wüchsen die Edelgesteine / und die wolrüchenden Dinge / und die auch im Nord- und West-Striche befindlichen Gewächse wären doch gegen Morgen wolrüchender und kräfftiger. Sophites fiel ein: Es wären aber die bey der Geburt aufgehenden Gestirne den meisten Menschen unbekant / die wenigsten verstünden nicht / wie sie aufzumercken wären; die andern versäumten diese Sorgfalt / und rechneten ihre Geburts-Stunde nach Anzeigung der insgemein unrecht gehenden Uhren; gleichwohl aber hätten die Sternseher kein Bedencken einem ieden Wahrsager abzugeben. Cherämon gab zur Antwort: Auf einen falschen Bericht könte freylich keine Gewißheit gegründet werden. Gleichwohl aber könten sie / wenn schon die Geburts-Stunde so genau nicht beobachtet worden wäre / aus etlichen merckwürdigen Zufällen desselben Menschen genau ausgerechnet werden. Sophites lachte / und fing an: Diß ist in Wahrheit sehr weit gesucht / und aus einer Ungewißheit die andere gezogen; zumal die Sternseher selbst fürgeben / daß zweyerley Stand der Gestirne doch einerley Gutes oder Böses verursachte. Gesetzt aber / daß die Sternseher allezeit der wahren Geburts-Stunde versichert werden; wie ko t es denn /daß aus zweyen auf einmal gebornen Zwillingen der eine ein Schoos-Kind des Glückes / der andere ein Verwirffling der Welt ist? Daß die zu einer Zeit aus Tage-Licht kommende Proclus und Euristhenes in allem so weit als Morgen und Abend von einander entfernet sind? Daß Hector und Polydamas einerley Geburts-Stunde / aber gantz widrige Verhängnüsse haben? Wie gehets zu / daß in einem Augenblicke zwey auf die Welt kommen / derer einer ein König wird / der andere sein Lebtage ein Sclave bleibt? Cherämon stockte hierüber ein wenig / fing aber an: Die Gestirne hätten eine so geschwinde Bewegung / daß fast unmöglich zwey Menschen einen Augenblick der Geburt haben könten / in welchem doch der Stand der Sternen sich veränderte. Uberdiß müsten die Würckungen der Gestirne nicht so jüdisch / sondern mit Vernunft angenommen werden / also / daß nachdem die / welche im Steinbocke gebohren werden / wenn selbtem die Krone gegen Morgen steht / zu der Herrschafft einen kräftigen Zug haben / nicht eben Könige in Persien werden müssen / sondern / wenn sie in ihrer Stadt den höchsten Gipfel erlangen / zu Sparta Fürsten / zu Rom Bürgermeister werden / diß / was der Himmel wahrsaget / allerdings erlangt haben. Wenn ein Fürst im Wassermanne / welcher Fischer macht / oder im Orion / der die Jäger hägt / in der Harffe des Orpheus / als dem Hause der Musen gebohren wird / ist es schon genung / daß er zu selbigen Ubungen eine heftige Zuneigung habe / nicht aber muß er sich seiner Hoheit entäusern / und aus fischen und jagen ein Handwerck machen. Durch diesen Fürwand / fing Sophites an / läst sich aber der Fehler gar nicht verhüllen: daß durch Schiffbruch / durch Eroberung einer Stadt / Gewinnung einer Schlacht viel hundert / in Asien durch Versinckung vieler Städte / in Rhetien durch Einfallung eines Berges / in der Mutinensischen Gegend durch einen [268] Kampff zweyer Berge so viel tausend Menschen umkommen / welche unmöglich einerley / oder dem Sternen-Stande nach gleiche Geburts-Stunden können gehabt haben. Cherämon erblaßte und erstummete über diesem Einwurffe: nach einem langen Nachdencken aber fing er an: Es hätten die Gestirne zweyerley Einflüsse / nehmlich auff gantze Theile des Erdbodems / und denn auch absondere auff gewisse Menschen. Jener Art wäre: daß das gestirnte Drey-Eck denen Nord-Völckern eine verdrüßliche Kälte und Langsamkeit einpflantzte /und daß Saturn ein sorgfältiger Vorsteher der Städte wäre. Daher vom Tarutius Firmanus auch der Stadt Rom ihre Zufälle aus den Sternen wären wahrgesaget worden. Aus welchem Grunde zweiffelsfrey Anaximander und Pherecydes die bevorstehenden Erdbeben vorher angekündiget hätten. Nach dem nun in der gantzen Natur die eintzelen Ursachen denen allgemeinen wichen / und mit dem Umtriebe des Himmels sich auch die ihre absondere Bewegung habende Irrsterne müsten umweltzen lassen; wäre kein Wunder / daß der einzelen Menschen absondere Einflüße dem allgemeinen Einflusse weichen / und also in Pest / Erdbeben und Kriege auch die mit umkommen müsten /welchen das Verhängniß gleich nicht absonderlich derogleichen Unglück bestimmet / und seinen Willen sich in solch Unglück zu stürtzen geneiget hätte. Sind denn die Sterne und die Welt vernünfftige Thiere /wie dem Plato geträumet hat? Ist dieses himmlische Heer / sagte Sophites / mit einem gewissen Geiste beseelet: daß es bey sich einen gewissen Rath halten /einen Schluß machen / und unser Gemüthe derogestalt zwingen oder beherrschen könne? Cherämon fing an: die Sterne haben keinen andern Geist / der sie reget /als das Verhängniß. Sophites setzte ihm ferner entgegen: dieses aber ist ja noch veränderlich / und lässet seinen Schluß durch unsere Demuth erweichen. Denn ausser dem würde zwischen unser Frömmigkeit und Boßheit kein Unterscheid / und unsere den Göttern gewidmete Andacht so wenig / als das Bellen der Hunde gegen den Monden nütze seyn. Nach dem auch die Gestirne täglich so veränderliche Stellungen machen; warum solten die nachfolgenden nachdrücklichen Vereinbarungen der Gestirne nicht auch das Glücke der Menschen ändern / weil selbte ja in der Welt das Gewitter; und die blosse Art der Speisen eines Menschen angebohrne Beschaffenheit gleichsam gantz umzudrehen mächtig sind. Cheremon versetzte: Wir setzen das Verhängniß in alle wege über den Lauf der Gestirne / wie den Fuhrmann über die den Wagen ziehenden Pferde. Wie nun selbtes in alle wege dem Feuer die Gewalt zu brennen / der Schwerde die Eigenschafft unter zu sincken benehmen / den gemeinen Lauf der Gestirne ändern / den Zügel der Sonne he en / und der elben Schatten verrücken kan; also kan es auch aus wichtigẽ Ursachen den ordentlichen Einfluß der Sterne ändern. Worbey denn die Seele des Menschen auch etwas / wiewohl nicht ohne scheinbare Ohnmacht beytragen / und derogestalt Socrates zwar die ihm vom Gestirne zuhengende Unart verbessern / gleichwohl aber nicht den gewaltsamen Gifft-Todt verhüten kan. Sophites fing lächelnde an: Ich sehe wohl / daß deine Meinung die Härte anderer Sternseher / und die unveränderliche Nothwendigkeit der Sternen-Einflüsse / denen sie auch die Götter unterworffen / in etwas miltert. Wormit zugleich alle nicht eintreffenden Weissagungen der Sternseher entschuldiget werden können. Cherämon widersprach alsobalb dieses letztere. Sintemal diese Aenderungen des Verhängnüsses sehr seltzam /und für Wunderwercke zu halten wären / damit die Unwissenden ihre falsche Wahrsagungen nicht zu entschuldigen / und derogestalt aus [269] ihrer Wissenschafft eine Ungewißheit zu machen hätten. Diesemnach denn einem warhafften Weisen unter hunderten nicht leicht ein Beyspiel fehlen könte. Weßwegen die Persen auf eine solche Wahrsagung so feste gebauet hätten / daß sie ihrer Königlichen Wittib schwangern Leib gekrönet / und ihrer noch ungebohrnen Frucht einen Mannes-Nahmen gegeben. Hingegen hätte der grosse Alexander mit seinem Tode den Unglauben gebüsset / daß er wider der Chaldeer Warnigung sich die Griechischen Weisen bereden lassen nach Babylon zu kommen. Ohne die Wissenschafft der Sternen könten auch weder Aertzte / noch Schiff und Ackers-Leute verfahren. Die Indianer nähmen in wichtigen Reichs-Sachen allezeit die Gestirne zu Rathe. Alle Weltweisen hätten diese Wissenschafft / weil sie uns gleichsam über unsere Menschligkeit empor hübe /und uns künftige Fälle / um desto bessere Vorsicht zu haben / vorher zeigte / so hoch gehalten / daß Pythagoras geurtheilet: GOtt hätte den Menschen erschaffen / und die Natur ihn so gerade empor wachsen lassen / daß er den Himmel anschauete. Anaxagoras hätte einen Zweiffelnden: Ob es gut wäre zu leben /oder nicht / zu Betrachtung des so schönen Himmels verwiesen. Epicur / der so wollüstige Weltweise /hätte seine gröste Wollust in diesem wunderschönen Garten gefunden / dessen Blumen niemahls verwelckten / welche nichts von grüner Farbe an sich haben /weil diese eine verderbliche Feuchtigkeit in sich hat /und ein Merckmahl nur der irrdischen Hoffnungen /wie der Himmel ein Behältniß der Glückseligkeit ist. Diese Verantwortung / oder auch meine thränende Augen / sagte Dynamis / bewegte den Sophites / daß er des Cherämons Gutachten zu hören den König beredete. Cherämon aber sagte den dritten Tag dem Polemon: Er sehe aus dem Gestirne / daß man vorher schon die Götter gefraget; Sie aber eben diß / wohin die Sternen zielten / geantwortet hätten. Ihre Antwort aber würde schlimmer ausgelegt / als die Meinung wäre. Sintemal Polemons Sohn durch seine Heldenthaten des Vaters Ruhm / nicht aber sein Lebens-Licht ausleschen würde. Diese dem Polemon zwar verdächtige Weissagung brachte es gleichwohl so weit / daß sich der König erklärete / er wolte seine Faust nicht in seinem eignen Blute waschen / noch den Göttern in ihren Verhängniß-Stab greiffen. Jedoch müste er der Götter Warnung nicht schlechter dings in Wind schlagen / sondern dis Unglücks-Kind ausgesetzt / und dessen Erhalt oder Verderbung dem Himmel heimgestellet werden. Dieser Schluß ward zwar alsofort vollzogen / ich ließ es aber insgeheim eine vertraute Edelfrau an dem ziemlich weit von hier entfernten Flusse Melas nicht ferne von der Stadt Zyristra im kleinern Armenien aufferziehen. Hierauff zohe der König nach Rom / ich aber lernte inzwischen mit meinem höchsten Hertzeleide die Göttliche Weissagung von meiner Tochter verstehen. Denn sie erkranckte / starb / und küßte also frühzeitig ihre Mutter / nehmlich die Erde. Dieser Fall bestürtzte mich derogestalt / daß ich meinem Jammer kein Ende / noch ausser meinem noch übrig gebliebenen / aber vom Vater und Verhängnisse verworffenen Sohne keine Ergetzligkeit zu finden wuste. Daher ließ ich insgeheim selbten zu mir bringen / dessen Anmuth mich derogestalt bezauberte / daß ich mich entschloß ihn nicht wieder von mir zu lassen / solte ich auch selbst ein Opffer seiner Grausamkeit werden. Also ward ich schlüßig der noch nicht jährigen Tochter Tod dem Könige zu verschweigen / und diesen nicht älteren als unkenntlichen Sohn unter dem Scheine eines Mägdleins bey mir zu erziehen. Welches sich so viel leichter thun ließ / weil in Persen / Meden / und Armenien die Väter ihre Kinder ohne diß nicht eher /als biß sie sieben [270] Jahr alt sind / zu beschauen pflegen. Gleichwohl aber behertzigte ich die meinem Ehgemahl angedräuete Gefahr / und nahm mir daher eine Reise mit diesem Kinde für in die Insel Delos / auff welcher niemand sterben noch gebohren werden darff / zu dem berühmten aus lauter Ochsen- und Widder-Hörnern gebauetem Altare des Apollo / trug ihm daselbst meinen Sohn mit bittern Thränen / weil ohne diß allda kein Blut geopffert werden darff / für / und kriegte zur Antwort:


Bewahre / was du trägst / es wird ein Edelstein

Der Welt / des K \nigs Schirm und deine Freude seyn.


Wer war froher als ich / über so erwünschtem Ausschlage / gleichwohl hielt ich mit brünstiger Andacht und Seufftzen eine gantze Nacht an / und fragte; warum denn die Götter vorher so viel Unglück von diesem Kinde wahrgesagt hätten? Hierauff ließ sich Apollo verlauten:


Wo Witz zu alber ist / wo Vorwitz tappt im Blinden /

Schafft das Verhångniß Rath. Gott kan stets Hůlffe finden.


In dieser erfreulichen Warsagung bekräfftigten mich hernach auch die Priester des Branchus / und die Wahrsager-Weiber des Thyrxeischen Apollo / welcher an dem Orte / wo mein Sohn aufferzogen werden solte / einen bewehrten Brunnen hat. Endlich auch der Ismenische Apollo zu Thebe / aus dem berühmten güldenen Dreyfuße / den Helena bey ihrer Rückkehr von Troja ins Meer geworffen / die Coischen Fischer gefangen / und dem Milesischen Tales / dieser aber dem Solon gelieffert / welcher solchen hernach / weil er den Titel des weisesten zu führen sich zu unwürdig schätzte / dem allein weisen Apollo wiedmete. Nach dem es denn im Pontus die Landes-Art mittebringt /daß Leute von hohem Geschlechte auch ihre Töchter in allen Ritterspielen ausüben lassen / konte die Aufferziehung meiner männlichen Tochter so viel besser geschehen / und dorffte er also nicht brache liegen /noch seine Tapfferkeit auff den weichen Pulstern des Frauenzimmers weibisch werden. Wie sie denn /hertzliebste Erato / mit Augen gesehen / daß bey ihm der Zunder der Tugend nicht verglommen / sondern zu solcher Vollkommenheit gediegen sey. Aber ach! ihr unbarmhertzigen Götter! wie mögt ihr uns doch mehrmahls nur darum eine so grosse Hoffnung machen / daß ihr uns hernach in desto grössere Verzweiffelung stürtzen könnt! wie mögt ihr den Anfang des Jahres unter tausend anmuthigen Blumen / den Tag auff dem Purper-Bette der lachenden Morgenröthe / den Menschen in der anmuthigen Kindheit und gesunden Jugend lassen gebohren werden / nur daß man die verwelckenden Blätter mit Schnee / den Tag mit dem Schatten der traurigen Nacht / das Leben mit dem Schauer des grausamen Todes hernach verhüllen sehe! Uber diesen Worten überschwemmte die Wehmuth die Königin Dynamis mit so viel Thränen und Seuffzen / daß sie kein Wort mehr auffbringen konte. Daher fing Erato / welche inzwischen tausend Auffwallungen des Geblüts überstanden hatte / als sie Arsinoen in einen Helden verwandelt zu seyn hörte /mitleidentlich an: Man müste der gewaltigen Hand des unveränderlichen Verhängnisses nur stille halten /und ihre Rätzel nicht für der Zeit verkleinerlich auslegen. Die Sonne sey ein heller Spiegel Gottes / darein sterbliche Augen entweder gar nicht sehen / oder doch zum minsten alles nur düstern oder umgekehrt erkiesen könten. Hingegen müsten wir uns bescheiden: Der Monde sey ein Ebenbild der Menschen / in dem beyde itzt wachsen / itzt abnehmen / bald gebohren werden /bald sterben / gestern in der Völle / heute in nichts bestehen. Beyde kein Licht von sich selbst haben /sondern von ihrer Sonne borgen / und wenn sie am vollkommensten sind / nicht nur ihre Flecken und Mängel am meisten zeigen / sondern auch von dem Schatten der nahen Erde und der anklebenden [271] Eitelkeit verfinstert werden. Die Tugend alleine sey / die uns nicht nur nach dem Tode verewige / sondern auch im Leben aus augenscheinlichem Verderbẽ reisse. Ja sie glaube festiglich / daß die Gefahr für der Tapfferkeit schichtern werde / daß der sonst unverschämte Tod für Helden entweder furchtsam oder ehrerbietig sey / und das Glücke selbst der Tugend den Schirm trage / und einen Schild fürhalte; Sonst wäre Hercules nicht den Schlangen / Käyser Julius dem Ungewitter /Alexander den Spiessen so vielmal entronnen / für dem grossen Mithridates nicht das Gifft unkräfftig worden / und die Pfeile für seine Füsse gefallen. Unter diese Reihe wäre nun auch Fürst Zeno zu rechnen /daher solte sie seinethalben mehr die Götter durch Andacht gewinnen / als durch Ungedult erherben. Ach! fieng die Königin Dynamis an / so muß ich die unvergleichliche Fürstin Erato auch unter die Zahl der Götter setzen / und ihr den Tempel des Esculapius einweihen. Denn an ihrem Finger hänget der Lebens-Faden meines Sohnes / welchen ihre Gewogenheit als eine gütige Klotho länger spinnen / ihre Unhold aber /als eine unerbittliche Atropos im Augenblicke zerreissen kan. Erato wuste nicht alsofort dieses Rätzel auszulegen. Denn ob zwar der Königin Erzehlung ein grosses Licht gab / warum die Natur sie und Arsinoen zu einer verwechselten Gewogenheit gezogen / und Arsinoe bey Entblössung ihrer Brüste so grosse Veränderung gefühlet hatte / so war ihr doch verborgen /dz Dynamis diese Heimligkeit von ihrem fast schon sterbenden Sohne ausgespüret hatte. Dahero konte sie nicht anders / als gegen der Königin sich heraus lassen: die Wohlthaten / die sie genossen / wären von einem so grossen Masse / daß ihre Danckbarkeit sie nimmermehr auschöpffen könte. Ausser dem Verpflichteten die Verdienste ihres Sohnes die gantze Welt für seine Erhaltung zu sorgen; also wünschte sie auch mit ihrem Verlust selbtem zu helffen / erwartete also nur den Befehl von derselben / welche ihrer Schwachheit ein so grosses Ding zutraute. Alleine die Hoffnung wäre meist eine grosse Verfälscherin der Warheit / in dem die Einbildung sich stets mit dem Verlangen vermählte / und geringe Kräfften nach dem Masse des genommenen Absehens urtheilete. Die Königin antwortete ihr: Es ist wahr / daß sich Vollkommenheiten leichter in Gedancken abbilden / als im Werck erreichen lassen; aber ich wil ihr / schönste Erato / nicht allein das Wunderwerck und die Würckung ihrer Vollkommenheit / sondern auch ihr Vermögen einen Sterbenden lebendig zu machen so klar zeigen / daß sie das erste wird mit Augen sehen können / im letzten aber sich überwiesen erkennen müssen. Hiermit nahm Dynamis die Erato mit der Hand und führte sie für des Zeno Bette / welcher denn alsofort seine Farbe und Pulß zu verändern / und weil die Zunge zu schwach oder zu verschämt war / mit den Augen das Leiden seiner Seele auszusprechen anfing. Hiemit hob die Königin wehmüthig an: Siehet sie nun / vollkommenste Erato / daß die Wunden meines nun fast die Seele ausblasenden Sohnes von ihrer Verletzung herrühren? Daß ihre Tugenden anfangs mit einer unzertreñlichen Freundschafft sein Hertz gewonnen /ihre unvergleichliche Schönheit aber selbtes durch die Liebe in ein unauslöschliches Feuer versetzt hat? Wie schwach Fürst Zeno gleich war / so erholte er sich doch gleich als aus einem Traume / also daß seine zitternde Lippen nach einem tieffen Seuffzer diese Worte abliessen: Ihr Götter! hat Dynamis das Geheimniß meines Geschlechts / ihr aber meine allen Menschen verschwiegene Flamme des Hertzens ans Licht gebracht? Wormit durch das erste unser Haus in Schrecken oder Zerrüttung versetzet / durch das letztere aber der Welt wissend werde / daß Zeno von der Hand der unschuldigen Erato getödtet sey. Welches Geheimniß ich / um eine solche Göttin nicht zu beleidigen / so gerne mit in das Grab geno en hätte / [272] so gerne die Sonne / wenn sie zu Golde gehet / ihren Untergang mit Wolcken verhüllet. Erato gerieth über dieser Begebenheit in solche Verwirrung / daß ihre Beredsamkeit nicht ein Wort / weniger so viel / als der Sterbende zu reden wuste. Ihre Verwirrung verwandelte sich in tieffe Seufzer. Denn diese sind alleine der Liebe stumme Sprache / wie die Blässe ihre eigentliche Farbe. Schmertz und Traurigkeit aber wird von ihr nur zu ihren Dollmetschern entlehnet. Massen denn die Unglückseligen niemals seuffzen / als wenn sie an den Verlust dessen dencken / was sie geliebt haben. So bald sich die Lippen / wordurch ihr bedrängtes Hertze die innerliche Hitze ausgelassen und die frische Lufft zu desselben Abkühlung an sich gezogen hatte / schlossen / liessen die mitleidentlichen Augen einen reichen Thau der Thränen von sich fallen / um hierdurch gleichsam das ängstige Hertze zu erleichtern. Denn wie die von der anbrechenden Morgenröthe verursachte Dämmerung sich bey der über unserm Augen-Ziel empor zeigenden Sonnen in hellen Tag verwandelt; also ward der Erato vorige Gewogenheit durch das ihr aufgesteckte Licht von des Fürsten Geschlechte numehr zu einer warhafften Liebe. So sehr nun die Schamhafftigkeit ihres Geschlechtes ihr verbot solche alsofort mercken zu lassen; so sehr lag ihr der erbärmliche Zustand des Fürsten / und die Gefahr seines Lebens an / durch eine unbarmhertzige Vorstellung ihm das Licht nicht vollends auszuleschen. Die bekümmerte Dynamis nahm diese Veränderung für eine Enteuserung ihrer Zuneigung an / deßwegen wolte sie durch eine feurige Zuredung einer kaltsinnigen Entschlüssung zuvor kommen; kehrte sich dahero mit diesen Worten zu ihr: Holdseligste Erato / sie siehet allhier die Gewalt der Liebe / daß ihre Fackel die Ketten eigener Wolfarth / die Garne des Glückes / ja die Leib und Seele zusammen knüpfenden Fädeme verbrennen können. In ihrer Gütigkeit liegt es nun zu zeigen / daß die Liebe zwar so starck als der Tod / aber nicht des Todes Liebhaberin sey; ja daß die ungewaffnete Liebe Gifft / Eisen und allen Werckzeug des Todes zu zermalmen vermöge. Sie er weise / daß ihre Hände gesund machen können / was ihre Augen gekräncket / daß ihre Freundligkeit heile /was ihre Schönheit verwundet / ja daß sie mit einem süssen Blicke zwey Wunderwercke auszuüben vermöge; nehmlich einen todten Verliebten lebendig / und eine verzweiffelnde Mutter glückselig machen. Der Erato brach über diesen Worten und denen darauf sich ergiessenden Mutter-Thränen das Hertze / und bezwang sie / daß sie dem Fürsten auf ihre Gewalt die Hand drückte. Denn nach dem die Vereinbarung der Seelen der einige Zweck der Liebe / wie die Ruhe die Endursache aller Bewegungen ist; so bemühen sich auch die eusersten Glieder solcher Seelen-Vereinbarung behülfflich zu seyn. Weßwegen die Weltweisen die Liebe gar nachdencklich mit einem Bande in der Hand abgebildet haben. Erato deutete durch diese Vermählung der Hände an / daß sie so gar ihren Leib gerne mit des Fürsten zusammen schmeltzen wolte /wormit sie mit ihm den Brand seiner Kranckheit fühlen / oder ihm erleichtern möchte. Sintemahl auch nur aufrichtige Freundschafft eine Gemeinschafft so wohl des Glück- als Unglücks hat. Theseus setzt dem Pirithous alle seine Siegs-Kräntze auf / ja die Hölle weiß sie nicht von einander zu trennen. Bias fühlet so empfindlich die Beraubung seines Vaterlandes / ungeachtet er für sich die Entsetzung irrdischer Güter für keinen Verlust hält; er empfindet seiner Bürger Schiff bruch auf festem Lande; die Ketten / welche seine Freunde in Schenckeln schleppen / fässeln ihn im Gemüthe und in der Seele. Mit dieser umschloß der Fürst hingegen noch enger seine geliebte Erato / weil seine Glieder hierzu zu ohnmächtig waren / machte sich also der [273] Sonnen / als dem verliebtesten Geschöpffe der Welt ähnlich / welche / weil sie in einem Tage alles heimsuchen muß / was sie liebt / und nirgends ihrer Kugel einen Stillstand erlauben darf / ihr lebhafftes Licht mit den Sternen / wie zwey einander anschauende Verliebten durch die Augen / ihre Wärmbde mit dem geliebten Erdbodeme / ihre schöne Farbe mit Golde / Perlen und Edelgesteinen / als denen Gestirnen der Vorwitzigen / und den andern Sonnen der Geitzigen vereinbart. Erato / welche nicht allein wuste / daß so gar der leblosen Dinge Zuneigung die Vereinbarung verlange / als die Flüsse mit dem Meere / das Eisen mit dem Magnet / die Spreue mit dem Agsteine sich zu vermählen verlangte / sondern dessen selbst in ihrer leidenden Seele überwiesen ward / sahe diese Regungen dem Krancken mit hefftigem Mitleiden an / konte sich also mit genauer Noth ermuntern / daß sie den Fürsten derogestalt anredete: Die Hoffnung wäre eine Mutter / oder zum minsten eine stäte Gefärthin vernünfftiger Liebe / die Verzweiffelung aber eine Tochter des Hasses. Diesem nach möchte er doch sein Gemüthe beruhigen / da er sie nicht in Unruh stürtzen wolte / und sich nicht selbst hassen / da sie an seine Liebe anckern solte. Seine Mäßigung würde ihr ein Kennzeichen seiner Gewogenheit / und eine Weissagung beyderseitiger Vergnügung seyn. Hiermit wolte sie ihre Hand zurück ziehen / der Fürst aber drückte sie vorher an seinen Mund / worauff sie sich aus dem Zimmer begab / und den Fürsten Zeno halb genesen / die Königin aber /die der Schmertz vorher gleichsam entzückt hatte / in ungemeiner Vergnügung verließ. Ob nun wol Fürst Zeno eine grosse Erleichterung empfand / so verschwand doch seine Bekümmernüß nicht auf einmahl / sondern es blieb in seinem Gemüthe so wie auf dem Meere nach dem Ungewitter noch einige Unruh übrig. Denn es konte bald sein Hertz die allzu geschwinde Beglückung nicht begreiffen / und kam ihm der Erato holdselige Erklärung mehrmahls nur als ein Traum für / bald nam er ihre Bezeugung nur für ein angenommenes Liebkosen / oder für ein durch die Königin angestelltes Mittel zu seiner Genesung an / bald besorgte er eine Veränderung ihres Gemüthes / oder auch des allzu glitschrichten Glückes. Denn die Liebe hat zur Gefährtin die Einbildung / die erste Bewegung der Seele / und die allerunruhigste Eigenschafft des Menschen. Diese hat zu ihrem Dienste mehr als hundert Mahler / welche nicht nur das Ebenbild dessen /was man liebet / ihr auff vielerley Weise fürstellt /sondern auch den Schatten allerhand gefährlicher Zufälle beysetzet. Ja wenn alle andere Gemüths-Kräfften mit dem Verliebten eingeschlaffen sind / so bilden doch die Träume ihm alles noch viel seltzamer für; welche / ob sie zwar blind gebohren / auch stets im finstern sind / sich doch ohne Licht und Wegweiser nicht verlieren / und mit Hülffe der Liebe zu ihrer Buhlschafft den Weg finden. Gleichwohl erlangte Zeno durch eine mittelmäßige Nacht-Ruh so viel Kräfften / daß er folgenden Tages an die Erato etliche Zeilen schreiben konte. Welche Erato mit einer solchen Anmuth beantwortete / daß ihm dadurch aller Nebel seines noch nicht gar verschwundenen Zweiffels an ihrer Gegen-Liebe vertrieben ward. Die Königin aber kam zu ihr ins Zimmer / verehrte sie als ihre einige Hülffs-Göttin / umbhalsete sie als ihre eigene Tochter. Durchlauchte Fürstin! die Welt / fing sie an /ist erstaunt über der Liebe der Britannischen Fürstin Lelebisa / der Gemahlin des mit dem grossen Mithridates verbundenen Gallischen Fürsten Edwards. Denn als dieser von einem giftigen Pfeile verwundet / und von den Aertzten befunden ward: Er könte nicht als durch den Tod eines andern / welcher das gifftige Eyter [274] aus seiner Wunden saugte / beym Leben erhalten werden; Dieser gewissenhaffte Fürst aber lieber sterben / als durch eines unschuldigen Untergang leben wolte / meinte seine ruhmwürdigste Lelebisa /das Todes-Urthel der Aertzte gienge sie an / und sie könne sich durch nichts mehr / als durch einen so tugendhafften Todt unsterblich machen. Dahero band sie ihrem eingeschläfften Eh-Herrn die Wunde sanffte auf / und sog nichts minder mit einem brünstigen Hertzen / als einer geitzigen Zunge das Gift und den Tod glücklich aus der Wunden. Die Götter aber / oder das Feuer ihrer Liebe zertheilte das Gifft derogestalt /daß Edward geheilet / Lelebisa aber davon nicht verletzt ward. Wie viel mehr aber muß ich nicht erstarren über dem mitleidenden Hertzen der Erato? Welche gegen meinen Sohn einige Verbindligkeit nicht gehabt / und mit ihrer Gefahr / da anders der König unsere Geheimnüsse ergründen solte / ihn vom Tode errettet; welche zu seiner Genesung nicht alleine ihre Zunge /sondern das Feuer ihrer zarten Seele verleihet; welche einen Sterbenden anfängt zu lieben / wormit sie ihn und seine Mutter beym Leben erhalte. Erato begegnete der Königin mit nicht geringern Kennzeichen ihrer Gewogenheit gegen sie / und ihrer ungefärbten Liebe gegen dem Fürsten Zeno / welchen sie hernach mit einander mehrmahls besuchten. Es würde uns / fuhr Salonine fort / der Tag / mir aber Worte gebrechen /alle die zwischen diesen zweyen gewechselte Liebes-Bezeugungen zu erzehlen. Mich dünckt aber / es sey bey dieser Geschichte für itzt genung zu wissen / daß beyde mit einer so reinen und hertzlichen Liebe gegen einander verknüpft wurden / als eine tugendhaffte Seele anzunehmen iemahls fähig werden kan. Thusnelde fiel Saloninen ein: Es ist die Vollkommenheit ihrer Liebe unschwer zu ermessen / nach dem das Verhängnüß selbst mit die Hand im Spiele gehabt /und diese zwey Seelen schon gegen einander der Zunder der Liebe gefangen; als ihnen die Gesetze der Natur im Wege gestanden / und die eingebildete Gleichheit des Geschlechtes ihrer Zuneigung einen Rügel vorgeschoben. Es ist wahr / fuhr Salonine fort /diese zwey Liebhaber übermeisterten derogestalt die Unmögligkeit. Denn es stehet die göttliche Versehung gleichsam der Tugend zu Gebote. Alleine der Himmel hatte nun zwar die Hindernüsse der Natur auff die Seite geräumt; aber diese Andromede lag noch mit schweren Ketten angefässelt; von denen sie zu entbinden auch ein Theseus zu schwach schien. Denn wer solte so viel göttliche Weissagungen unkräfftig machen? Wer solte den König Polemon bereden den in seiner Schoß zu behalten / von welchem ihm sein Untergang bestimmet war? Die Königin Dynamis / und selbst Zeno wurden / wenn sie dieser Schwerigkeit nachdachten / und diesen Stein des Anstossens für Augen sahen / auch wie leicht ihre Liebe sich / und das Geschlechte der vermummeten Arsinoe verrathen liesse / mehrmahls selbst kleinmüthig; also daß Erato ihnen zuweilen ein Hertz zusprechen muste / meldende: Sie solten sich die trübe Lufft nicht erschrecken lassen; nach dem ihnen der Himmel so ein heiter Antlitz gezeigt hätte. Es hätte nichts zu bedeuten / daß das Meer wütete / nach dem sie ja die Sternen anlachten. Man müste dem Glücke der grossen Tochter des ewigen Verhängnüsses etwas heimstellen / und diese Mutter durch Mißtrauen ihm nicht selbst zur Stiefmutter machen. Ja / sagte die sorgfältige Dynamis: Ich halte es freylich für eine so grosse Thorheit / seine Rathschläge auf lauter Unglück gründen / als seine Vergnügung in der Traurigkeit suchen. Aber wir erfahren doch / daß das Glücke meist den unwürdigen buhle / und die Fehler ihres Gemüthes mit gewüntschten Zufällen / wie eine [275] verschmitzte Mutter die Maale ihrer heßlichen Tochter mit Perlen verdecke / mit der Tugend aber eifere / und ihr insgemein ein Bein unterschlage. Mit diesen Gedancken schlug sich die Königin fort für fort / und vermochte ihr solche weder die Zeit / noch die hertzliche Vergnügung / die Polemon aus Arsinoens und der Erato Tugenden und Verträuligkeit schöpffte / aus dem Sinne zu bringen /noch die kluge Erato auszureden. Höret nun / wie es nicht allezeit eine Würckung weibischer Furcht / sondern oft eine Warnigung der Götter sey / wenn einem ein Unglück ahnet / und wie die Unruh in einer Uhr den Verlauff der Zeit / also das schlagende Hertz einem die Näherung seines Untergangs andeutet; ja wie aus einem Regenbogen zuweilen ein schrecklicher Blitz kommen kan / als in der schwärtzesten Wolcke stecken mag. So bald der schöne und tapffere Ariobarzanes die Armenische Krone auf sein Haupt kriegte / und mit der Medischen sie vermählte / war er bedacht auch im Bette nicht einsam zu seyn / und seinen Stul mit erqvickenden Rosen zu bestreuen. Er warf seine Augen in der gantzen Welt herum; allein es konte weder die Liebe ihm ein schöner / noch die Staats-Klugheit ein vortheilhafftiger Bild / als in dem benachbarten Pontus die weltberühmte Fråulein Arsinoe aussehen. Weil er aber weder dem blossen Gerüchte von ihren Tugenden / noch dem entferneten Pinsel wegen ihrer Gestalt / noch der Gewonheit der meisten Fůrsten / die ihre Wahre meist unbeschaut /oder mit zugemachten Augen kauffen / und es aufs Glücke wagen müssen / trauen wolte; kam er mit einem überaus prächtigem Aufzuge nach Sinope /wiewohl unter dem Fürwand / daß er in Griechenland reisen / und daselbst dem Jupiter ein gewisses Gelübde ablegen / in der Durchreise aber mit dem Polemon ihrer Vofahren Bůndnüsse verneuern wolte. Dem gantzen Hoffe aber ward alsbald nachdencklich / daß er dreißig mit den seltzamsten Kostbarkeiten beladene Camele mit sich führte / derer zehn er dem Könige Polemon / zehen der Königin Dynamis / und zehen der Fürstin Arsinoe mit aller ihrer Last verehrete. Unter des Königes Geschencken waren etliche Fässer Chalydonischer Wein / welchen die Pers- und Medischen Könige alleine trincken; vor zwölf Zimmer Babylonische von Seide und Gold nach dem Leben der Geschichte genehete Tapeten / zwantzig helffenbeinerne Bilder der abgelebten Armenischen Könige /und das Gemählde des Protogenes / welchem zu Liebe allein König Demetrius die belägerte Stadt Rhodos nicht angezündet hat. Der Königin Geschencke waren Persische Goldstücke / und Indische Edelgesteine /und darunter des Polycrates unschätzbarer Sardonich-Stein / den ihm des nachstellenden Glückes allzu freygebige Hand aus dem Meere zurücke bracht hatte; Dynamis ihn aber hernach Livien / und diese ins Heiligthum der Eintracht verehrte. Für die vermeinte Arsinoe kam allerhand Arabisches Rauchwerck / aus Gold / Seide und Perlen gestückte Kleider / und insonderheit ein gantzer Perlen-Schmuck / derer keine weniger als hundert und sechzig Gersten-Körner wog. Der König Polemon empfing ihn / wie beyder Königlicher Stand / und ein so freundliches Anmuthen eines so mächtigen Nachbars erforderte. Er ward / weil beyder Könige oberste Staats-Diener die Bedingungen des neuen Bündnüsses mit einander überlegten / mit Jagten / Schauspielen / Rennen / und allen ersinnlichen Kurtzweilen unterhalten / welche ihm nicht alleine überflüßige Gelegenheit eröfneten / alle Beschaffenheit Arsinoens wahrzunehmen / sondern auch einen Zuschauer ihrer wunderwürdigen Tapfferkeit abzugeben. Denn ob sie zwar bey solchen Feyern aus einer nachdencklichen Vorsicht mit Fleiß ihre Tugend verstellen wolte; so ward selbte doch / wie es mit ihrer Belohnung / nehmlich dem Ruhme / [276] und den Sternen bey der Nacht zu geschehen pflegt / nur mehr sichtbar. Jeder Augenblick verursachte in seinem Gemüthe eine Verwunderung / in seinem Hertzen eine Wunde / also daß ihn bedäuchtete / daß der sonst so großsprechende Ruff / welcher kein Mittel weiß / sondern aus allem entweder Wunderwercke oder Mißgeburten macht / nur dißmal durch sein Schau-Glaß rückwärts gesehen / und so wohl die Schönheit als die Verdienste Arsinoens verkleinert hätte. Dahero kam sein Vorsatz numehr leicht zum Schlusse / daß er um Arsinoen werben wolte / als welche über ihre eigene Vollkommenheiten ihm mit der Zeit noch drey Kronen / nemlich die Pontische / die Bosphorsche / und des kleinen Armeniens / als einen Brautschatz zuzubringen hatte. Die grosse Ehrenbezeugung / wormit ihm Polemon und Dynamis entgegen ging / und Arsinoens gegen ihm bezeugte Holdseligkeit / ja seine eigene Grösse und Fürtreffligkeiten überredeten ihn leichtlich / daß er zu Sinope keine Fehlbitte thun könte. Wie nun die Königlichen Räthe das neue Bündnüß miteinander abgeredet / die Könige auch selbst alle Bedingungen genehm gehabt hatten / und sie nun in dem Tempel es beyderseits beschweren solten; zohe Ariobarzanes den König Polemon an ein Fenster /welches ein anmuthiges Aussehen aufs Meer hatte /umarmete ihn hierauf mit grosser Ehrerbietung / und trug ihm für: Er wäre dem Polemon aufs höchste verbunden / daß er die alte Freundschafft zwischen den Pontischen und Armenischen Königen zu beyder Häuser Sicherheit und ihrer Völcker Wolfarth auf festen Fuß gesetzt hätte. Er betheuerte bey den Göttern /welche die Rächer verletzter Bündnüsse wåren / es solte nicht mehr seines / als des Pontischen Reiches Wohlstand seine Sorge und Absehn seyn. Nachdem nun aber solche Verbindungen am kräfftigsten durch das Band des Geblütes besiegelt / und mit dem heiligen Rechte der Heyrathen verknüpft würden; in diesem Absehn auch sein Ahnherr der grosse Mithridates dem Armenischen Könige Tigranes seine Tochter vermählet hätte / bäte und hoffte er / es würde Polemon ihn seiner Tochter Arsinoe fähig machen / und ihn für seinen Sohn anzunehmen würdig schätzen. Der Pontische König nahm diesen Fürtrag mit unveränderter /iedoch freundlicher Gebehrdung an / hätte auch diese allerdings thuliche Heyrath alsofort geschlossen /wenn er nicht hiervon mit der Königin Ehrenthalben zu sprechen / seiner Hoheit / und der Würde seiner Tochter / wormit selbte nicht für allzu feile Wahre geschätzet würde / anständiger zu seyn gemeinet. Deßhalben nahm er über dieser wichtigen Entschlüssung Bedenck-Zeit / gab ihm aber dabey eine Erklärung: Er wüntschte beyde königliche Häuser aufs festeste zu verbinden. Polemon kam vom Ariobarzanes geraden Fusses zu der Königin / und eröffnete ihr sein Anbringen / worüber sie derogestalt erschrack / daß sie selbtes nicht für den Augen des Königs verblümen konte. Dieser fragte alsofort: Warum sie über einer Sache sich entsetzte / darüber sie sich zu erfreuen Ursach hätte? Ariobarzanes hohes Geblüte / sein zweyfaches Reich / seine Leibes- und Gemüths-Gaben wären solche Dinge / darum die vollkommenste Fürstin selbst zu buhlen Ursach hätte / und die Staats-Klugheit könte dem Pontischen Reiche keine vortheilhafftigere Heyrath aussinnen. Dynamis antwortete: Sie müste gestehen / es hätte diese Vermählung einen grossen Schein / iedoch wüste sie die Ursache nicht zu sagen /warumb sie ihr Sinn so wenig zum Ariobarzanes trüge. Ob es vielleicht daher rührte / daß alle Armenische Heyrathen dem Pontischen Stamme unglücklich gewest wären. Dahero bäte sie / der König wolle sich nicht darmit übereilen / sondern ihr wenige Zeit nachzusinnen / und Arsinoen darüber zu vernehmen erlauben; Inzwischen aber auch die Götter darüber / alter[277] Gewohnheit nach / zu Rathe ziehen. Die Königin kam hierauf / als eine todte Leiche in Arsinoens Zimmer /allwo sich Erato gleich aufhielt. Ihr blosser Anblick war schon ein Vorbote ihrer traurigen Zeitung / welche sie zitternde / mit diesen Worten aussprach: Ach /Arsinoe / wir sind verlohren! Beyde erstummeten hierüber / und erwarteten mit bebendem Hertzen das über ihr Haupt aufziehende Ungewitter. Ach / Arsinoe / fing die Königin an / Polemon will dich Ariobarzanen verheyrathen. Kein härter Donnerschlag / als dieser / konte in ihren Ohren erschallen. Denn / was hatten sie für erhebliche Ursache eine so ansehnliche Heyrath auszuschlagen? Wie konten sie aber ohne euserste Gefahr dem Könige Arsinoens Geschlechte offenbahren? Welcher nunmehr der göttlichen Weissagung so viel mehr glauben würde / nach dem Arsinoe solche Streitbarkeit von sich zeigte? Sie sannen hin und her / konten aber keine den Stich haltende Ursache diese Heyrath zu verweigern ersinnen. Hierüber kam der König selbst ins Zimmer / und fragte Arsinoen: Ob sie von ihrer Mutter die auf sie geworffene Liebe Ariobarzanens vernommen hätte? Er zweiffelte nicht / daß sie dieses grosse Glücke / als ein Geschencke der G \tter mit freudigem Geiste annehmen würde. Er hätte inzwischen bey dem Tempel des Pilumnus und Picumnus seine Andacht verrichtet / und es sey ihm zum Zeichen ihrer glücklichen Vermählung ein an dem lincken Fusse lahmer Habicht aufgeflogen. Arsinoe fiel ihm alsofort zu Fusse / umarmte seine Knie / und fing an: Sie wüste / daß es ein halsbrüchiges Laster wäre / sich dem Befehle eines so holden Vaters / der für seines Kindes Wohlstand so eiffrig sorgte / zu widersetzen. Nach dem sie aber (unwissend aus was für einer verborgenen Gramschafft) ihr Hertze nimmermehr überwinden könte / den Ariobarzanes zu lieben; Ihr des grossen Mithridates dem Armenischen Könige Tigranes verheyrathete Tochter Asterie / mit dem ihr vom Stieff-Sohne eingeschenckten Gifft-Glase stets für den Augen schwebte / und ihr ein noch elenderes Ende weissagte; bäte sie / es möchte die väterliche Liebe ihre Vergnügung der Staats-Klugheit dißmahl fürziehen. Heyrathen solten ja eine Vereinbarung der Hertzen seyn; ausser der wären sie für eine Ehscheidung ihrer Ruh und Glückseligkeit zu halten. Die Vermählungen würden erstlich im Himmel / hernach in den menschlichen Hertzen geschlossen. Durch den Einfluß des Gestirnes gäbe das Verhängnüß darbey sein Wohlgefallen oder Unwillen zu verstehen; jenes / wenn es die Gemüther gleichsam zusammen verzauberte / diesen / wenn einem etwas auch sonst annehmliches zu wider wäre. Ariobarzanes gäbe zwar einen grossen Schein der Tugenden von sich; aber wer könte in wenigen Tagen einen recht ausholen? Es gäbe in dem Meere des menschlichen Lebens viel Seichten und Sandbäncke; man müste allezeit mit dem Bley-Masse in der Hand fortsegeln / wo anders die Hertzen der Menschen so /wie die See / ein Bley-Maß annehmen. Die Augen solten Fenster der Seele seyn / sie wären aber ihre Larven / welche unter der Gestalt einer Taube offt einen Basilißken vermummeten; und das schwartze Saltzwasser des Meeres gäbe vielmahl einen hellen Silber-Schein von sich. Daher wäre es numehr nöthiger und schwerer / die Eigenschafften der Gemüther /als der Kräuter zu erkennen. So hätten ja auch die Götter seine Scheutel mit dreyen Kronen bereichert; welches sicher mehr ein Uberfluß des Glückes / als eine zu ergrössern nöthige Macht wäre. Solte sie nun als das einige Kind einen Ausländer heyrathen /würde das Pontische Reich seinen alten Glantz verlieren; und / da es itzt das Haupt zweyer andern Königreiche wäre / müste es künfftig ein schlechter Anhang des Medischen Zepters / eben so / wie Armenien wiederfahren sey / werden. Die [278] Pontischen Völcker würden diese ausländische Heyrath / als ein Seil / wordurch ihnen das Joch der üppigen Meden an die Hörner geschlinget würde / mit Unwillen ansehen / oder auch die Vereinbarung so vieler mächtigen Reiche den Römern und Parthern Nachdencken machen / und solche mit Gewalt zu zertheilen Anlaß geben. Die Römer hätten wider den grossen Mithridates keine andere Ursache zum Kriege / als die Furcht für seinen zwölf Königreichen gehabt / als sie Nicomeden den Bithynischen / und Ariobarzanen den Cappadocischen K \nig wider ihn aufgehetzet; und hernach zwey und vierzig Jahr wider ihn gekrieget. Eben so würde der Uhrsprung des Peloponnesischen Krieges der sich allzu sehr vergrössernden Stadt Athen beygemessen; und derer den Degen zum ersten zückenden Spartaner Furcht für eine rechtmäßige Ursache des Krieges wider Athen / und ihr Angriff für eine Nothwehre gehalten. Die Römer hatten nach dem andern Punischen Kriege den König Philip in Macedonien zu überfallen keine Ursache sonst gehabt / als seine verdächtige Kriegsrüstung. Weil nun ein mittelmäßiges Reich sicherer und leichter zu beherrschen wäre / sonderlich künfftig von ihr einem Frauenzimmer; als ein übermäßig grosses / welches von einem grossen Geiste beseelet / mit vielen Armen beschützt werden müste; weil ein grosses Reich seine Fürsten sicher / seine Feinde verächtlich / die Einwohner wollüstig / die Tapfferkeit stumpf / die Kriegsleute weich / die Unterthanen faul machte / also aus sich selbst sein Verderben / wie aus dem Eisen der Rost / aus dem Holtze seine fressende Würmer / entspringe; in die entfernten Länder die königlichen Schlüsse zur Unzeit kämen; ja wie grosse Riesen schweren Fällen / also weite Reiche geschwindem Untergange unterworffen wären; so schiene es / ihrem schwachen Verstande nach / rathsamer zu seyn / das Pontische Reich numehr in seinen unbeneideten Gräntzen zu erhalten. Der verschmitzte König nam unschwer wahr / daß diese Einwürffe Farben / nicht Ursachen ihrer Verweigerung wären. Dahero begegnete er ihr mit ziemlich ernsthafftem Gesichte: ihre Gramschafft wäre eine unzeitige Einbildung / und ein vergänglicher Eckel. Dahero wäre nach diesem so wenig die Würde eines Liebhabers / als nach einem verdorbenen Magen die Güte einer Speise zu verwerffen. Es hätten zuweilen Gemüther die Art des Magnets an sich / die zu rostigem Eisen einen Zug / und für Diamanten einen Abscheu hätten. Die Zuneigung gelüsterte mehrmahls nach der Häßligkeit / wie manches schwanger Weib nach unartigen Speisen; und der Hartnäckigkeit wäre die Vollkommenheit so wenig gut genung / als einem vergällten Maule die süssesten Granat-Aepffel. Die Regungen der Sinnen müsten dem Urthel der Vernunfft nicht zuvor kommen / und der Geist sich nicht zu fleischlicher Vergnügung erniedrigen. Aller Völcker Einstimmung wäre ein unverwerfflicher Zeuge für Ariobarzanens Tugenden /und die Welt ein Schauplatz seiner Helden-Thaten. Uberdiß mache bey Bürgern die Liebe / bey Königen die Staats-Klugheit die Heyraths-Beredungen. Dieser wäre gemäß ein Reich so hoch empor zu heben / daß dem Neide die Augen vergingen an selbtem hinauf zu sehen / und so groß zu machen / daß es ohne frembde Hülffe der unrechten Gewalt mächtiger Nachbarn die Spitze bieten könte. Seine und Ariobarzanens zusammenstossende Kräfften wären noch kaum genung den Parthern oder Römern zu begegnen; für denen er keine Bürgen hätte / daß sein Bündnüß mit ihnen ewig tauren würde. Das Pontische Reich würde für dem Medischen nichts minder als Armenien seinen Vorzug behalten; und seine Völcker würden nicht einem frembden Lande / sondern ihrer angebohrnen Fürstin zu gehorchen haben. Weßwegen man mit Ariobarzanen gewisse Bedingungen abreden müste. Wäre es denn aber nicht [279] rathsamer / versetzte die Königin Dynamis / Arsinoen einem Pontischen Fürsten zu vermählen / welchem die Liebe zu diesem Reiche von der Geburt / die Wissenschafft seiner Rechte und Sitten mit der ersten Auferziehung eingeflöst worden /welcher der Einwohner Gewogenheit durch treue Dienste erworben / dem Polemon solche Erhöhung zu dancken / und nicht nur Arsinoen / sondern auch das ihm zugleich mit vermählete Pontische Reich zulieben Ursach hätte. König Polemon begegnete ihr: Ungleiche Heyrathen wären auch unter denen Unterthanen ungeschickt. Die Frauen und Jungfrauen zu Heraclea hätten sich lieber selbsthändig getödtet / ehe sie sich auf des Wüterichs Clearchus Befehl seinen unedlen Dienern vermählen wollen. Wie viel welliger wäre seiner hohen Ankunft anständig / noch dem Reiche vorträglich seine eigene Tochter an einen Unterthanen zu verheyrathen. Die aus dem Staube empor steigenden wüsten selten ihr Glücke zu begreiffen / und ihre Begierden zu mäßigen. Die an dem Glantze der Sonnen gewachsenen Früchte wären denen im Schatten stehenden / und die Wercke hocherlauchter Fürsten des Volckes vorzuziehen. Diesemnach würden die Unterthanen ihrer bey zeite überdrüßig. Denn wie schwer es fiele einem Bildhauer seinen von ihm ausgehauenen und vergöldeten Götzen / den er im Walde als ein Klotz gesehen / anzubeten / wenn er schon auf einem Altare stünde; so schwer käme es die Unterthanen an / sich für einem Oberherrn zu bücken / der vorher ihres gleichen / oder wol niedriger gewest wäre. Dynamis wagte es noch einmal / wiewol gleichsam zitternde dem Könige diesen Gegensatz zu thun: Wie die gar zu niedrigen Heyrathen in alle Wege zu verdammen wären; also wären die / da man denn allzu hoch hinaus gewolt / insgemein sehr unglücklich gewest. Der so niedrige Töpffers-Sohn Agathocles hätte Sicilien so klug / als kein einiger König beherrscht; darinnen aber hätte er verstossen / und seine Söhne gleichsam selbst vom Throne gestürtzt / als er seine Tochter Lanassa dem grossen Könige Pyrrhus vermählet / der hernach seinen Sohn Helenus einzuschieben bemüht war. Die hohe Ankunfft wäre wohl ein grosses Kleinod / es hätten aber viel grosse Geschlechter viel Eitelkeit und schlimmen Beysatz an sich. Die Athenienser rühmten sich so alt als die Erde / und aus sich selbst entsprossen zu seyn. Die Arcadier wolten die Erde noch / ehe der Mond geschienen /bewohnt haben. Die Julier zu Rom wolten vom Sohne des Eneas / und die Antonier vom Hercules entsprossen seyn. Aus diesem Aberglauben hielten viel für löblicher eine Lais aus dem Geschlechte der Heracliden / als eine niedrig-entsprossene Penelope zu heyrathen. Ungeachtet die Schönheit die Augen / das Reichthum die Hände vergnügte / der Adel aber in blosser / und offt falscher Einbildung bestünde; Sintemahl kundig wäre / daß Königinnen nicht nur / wie des Königs Agis Gemahlin Timäa von einem edlen Alcibiades / sondern von einem häßlichen Mohr und Fechter wären geschwängert worden. Ajax hätte deßwegen Ulyssen nicht unbillich verlachet / als er sich einen Enckel des Eacus gerühmt. Hingegen hätte der Mängel der Ankunfft dem tapffern Pericles / und dem grossen Pompejus an ihrer Tugend keinen Abbruch gethan. Alleine es dörffte alles diesen Kummers nicht; nach dem noch etliche Enckel des grossen Mithridates des Machares Söhne / und andere Fürsten Königlichen Geschlechtes im Reiche verhanden wären. König Polemon verfiel über diesen Worten in den festen Argwohn / samb Dynamis mit einem dieser Fürsten schon eine geheime Eh-Beredung getroffen hätte; daher er mit feurigem Eyffer ihre Rede unterbrach: Was? soll ich einem Verräther seines Vaters / wie Machares gewest / meine Tochter geben? Will [280] man mir einen Eydam auffdringen / dessen Vater von seinem eigenen zum Tode verdammet worden? Nein sicher / dein Anschlag wird dir sicher in Brunn fallen: ich will meine Tochter mit nichts unedlerm vermischen / als ihr Ursprung ist. Der vollkommenste Leib bildet eine Mißgeburt ab / wenn man ihm einen Cyclopen-Kopff auffsetzt. Bley und Zien / ja auch das Silber selbst / verunehret und vergeringert das Gold /wenn es untereinander geschmeltzet wird. Man setzt Marmel und Jaspis-Bilder nur in der Götter und Könige / nicht in Geringerer Wohnungen. Die Natur ist auffs eusserste bemüht / daß nichts ungleiches zusammen wachse. Eben dieses soll die Klugheit / fürnehmlich aber in der Liebe beobachten / welche von den Alten für blind und ein Kind gehalten worden / weil sie am meisten vorsichtiger Leitung vonnöthen hat. Ich versehe mich also zu Arsinoen / wo ich sie anders für meine Tochter halten soll / sie werde nicht von der Art deß den Pöfel abbildenden Epheus seyn / welcher / so bald eine Hasel-Staude / als einen Dattelbaum umarmet. Edle Pflantzen kehren ihr Haupt gegen den Himmel; Die Rosen schliessen ihr Haupt nur der anwesenden Sonne auff; die Palmen vertragen sich mit keinem geringen Gewächse. Ja der todte Magnet-Stein folget keinem geringern / als dem so hoch geschätzten Angelsterne. Und Polemons Haus solte sich zu den Nachkommen des knechtischen Machares abneigen? Die Niedrigkeit des Gemüthes ist wie alle andere Schwachheiten nichts minder als die Seuchen anfällig. Zwey Tropffen bösen Geblütes stecken den gantzen Leib an / und eines einigen Fisches Farbe schwärtzet ein groß Theil des Meeres. Das menschliche Gemüthe ist geartet wie das Thier / das alle Farben annimmt /am leichtesten aber die Schwärtze der Boßheit. Hat es seine Neigung zu Napel / so vergifftet sichs. Liebet es Unflat / so besudelt es sich. Die besten Schnaten verlieren ihre Güte / wenn man sie auff einen herben Stamm pfropffet. Das Feuer verlieret seinen Glantz /wenn es mit Wasser oder Erde vermischt wird; Aus Vereinbarung eines Menschen und Pferdes wird ein häßlicher Centaur / und die niedrigen Vermählungen sind ein ewiger Schandfleck hoher Geschlechter / welchen König Hiero in Sicilien mit allen seinen tugendhafften Thaten / auch bey der Nachwelt nicht auszuleschen vermocht hat. Diesem nach ist diß mein End-und unveränderlicher Schluß / daß Arsinoe den edelsten Fürsten der Welt / den grossen Ariobarzanes heyrathen soll. Und ich befehle dir / Arsinoe / dich ohne einigen Worts-Einwand darzu fertig zu halten. Des Vaters und der Götter Wille hat keinen Richter über sich. Ihre Vorsorge ist die vernünfftigste und treueste / welche sich weder durch eigenen Dünckel / noch durch anderer Träume verbessern läst.

Hiermit ging Polemon unwillig aus dem Zimmer /ließ sie in vollem Jammer stehen / und versprach noch selbigen Tag dem Ariobarzanes seine Arsinoe. Der Heyrath-Schluß und das neue Bündniß ward von beyden Königen in dem Tempel des Friedens auff dem Altare der Eintracht unterschrieben und besiegelt /auch alle Anstalt zu dem Königlichen Beylager gemacht / als inzwischen Arsinoe / Dynamis und Erato ihrem Kummer kein Ende / ihren Thränen keine Maas / und ihrem Unglücke keinen Rath wusten. Beyde Könige kamen aus dem Tempel in ihr Zi er / und wiewohl Dynamis und Arsinoe ihre Traurigkeit zu verbergen sich eusserst bemüheten / sahe sie ihnen doch beyden mehr als zu viel aus den Augen. Ariobarzanes kriegte hierüber Nachdencken / und vermeinte Arsinoen durch die höfflichsten Liebkosungen zu gewinnen / welche ihm aber mit einer gezwungenen oder vielmehr kaltsinnigen Freundligkeit begegnete. Diese Neuigkeit verstörte ihm die Ruhe der Nacht und des Gemüthes / noch mehr aber ein Schreiben / [281] welches er des Morgens auff seiner Taffel fand / dieses Inhalts:


Arsinoe an den König Ariobarzanes.


Ich gestehe es / daß Ariobarzanes der gantzen Welt Herrschafft / des Zuruffs aller Völcker / und so viel mehr meiner Liebe würdig sey; aber alles diß / ja die Götter selbst / weniger der Zwang meines Vaters sind nicht genug ihn derselben fähig zu machen. Forsche nicht von mir die Ursache meiner Kälte / denn die Liebe entspringet mehr vom Einflusse des Gestirns /als von der Würde eines Dinges. Der beste Ambra reucht einem wohl / dem andern stinckter. Glaube aber / daß selbte alsofort deine Flammen auslöschen /aber in Sinope ein grösseres Feuer anzünden würde. Uberwinde dich also / und presse dir keine unmögliche Liebe aus / die deine Vollkommenheit so hoch in Ehren hält; da du auch diß letztere nicht verlieren /oder gar vergällen wilst. Die süssesten Pomerantzen geben Bitterkeit von sich / wenn man sie allzusehr ausdrückt. Es ist eine grosse Klugheit unterscheiden können / was man für Karte wegwerffen oder behalten soll / eine grössere Kunst / sich einer Sache entschlagen / die mit uns entweder keine Vereinbarung leidet /oder uns selbst den Rücken kehret; die höchste Glückseligkeit aber / nichts verlangen / was man nicht haben kan. Dieser deutliche Brieff legte Ariobarzanen den Traum von Arsinoens Kaltsinnigkeit aus. Liebe und Rache kämpfften in seiner Seele die Wette. Seine Ehre rieth ihm dieser Verächtligkeit mit Beschimpffung zu begegnen / seine Begierde aber Arsinoens Hertze zu gewinnen; Aber iede Zeile benahm mit der fürgeschützten Unmögligkeit ihm alle Hoffnung / und stürtzte ihn in eine halbe Verzweiffelung. Bey dieser Verwirrung ward ihm angesagt: Der König Polemon wäre unterweges ihn zu besuchen / folgte auch fast auff dem Fuße ins Zimmer. Ariobarzanes konte sich kaum erholen ihm vernünfftig zu begegnen / weniger sich berathen / ob er dem Könige hiervon etwas melden solte? Wie nun Polemon alsofort seine Bestürtzung wahrnahm / und dessen Ursache mitleidentlich erkundigte / reichte ihm Ariobarzanes der Arsinoe Brieff. Polemon muthmaßte alsobald bey erkennter Handschrifft was arges / erblaßte bey der ersten Zeile / und nach dem er das Schreiben durchlesen /blieb er gleich als verzückt in vollem Nachdencken stehen; Ob er schon sonst in Glück uñ Unglück einerley Gesichte zu behalten wuste / und ihm nicht leichte durch seine Empfindligkeiten / welches die rechten Fenster des Gemüths sind / ins Hertze sehen ließ. Ariobarzanes sahe ihn starr an / und sagte endlich: Diese wenige Zeilen sind entweder voller Geheimniße / die wir beyde nicht wissen / oder voller Retzel / die ich nicht aufflösen kan. Polemon lächelte / und fing an: Man verkleidet zuweilen ein seichtes Absehen mit dem Ansehen eines heiligen Geheimnisses; Jedoch wird es zuversichtlich keines Wahrsagers dürffen /hinter diß verborgene zu kommen / und keiner Zauberey / die vorgeschützte Unmögligkeit möglich zu machen. Hiermit nahm Polemon Abschied / und Arsinoens Schreiben mit sich / legte auch in seinem Zimmer alle Worte auf die Wage. Je mehr er aber nachdachte / ie tunckeler schien ihm der Brieff und ie weniger konte er ergründen / warum Arsinoe so verzweiffelt Ariobarzanens Heyrath zu hintertreiben suchte. Er argwohnte zwar noch: Es müste Ariobarzanen iemand vorkommen seyn / und sich Arsinoens Gewogenheit bemächtiget haben; aber Arsinoens Schreiben däuchtete ihn auff etwas gantz anders zu zielen. Endlich fiel ihm ein Arsinoens ungemeine Verträuligkeit mit der Erato / hinter welcher ein sonderlich Geheimniß / oder zum minsten die Wissenschafft / warum Arsinoe für Ariobarzanen so grosse Abscheu trüge / stecken müste. Mit dieser Sorgfalt kam er unangesagt in der Erato Zimmer / welche denn noch halb unangekleidet war. Wormit nun [282] Polemon diese ungewöhnliche Uberfallung rechtfertigte / oder auch vielleicht was erfischete / wiese er der Erato Arsinoens Schreiben / von dem sie aber ohne diß schon Wissenschafft hatte / beschwerte sich über seiner Tochter zu seinem Schimpff und ihrem Unheil gereichende Widersetzligkeit / und beschwor sie endlich / daß / da sie so tieff in Arsinoens Hertze gesehen / sie ihm die Ursache nicht verschweigen solte. Erato begegnete dem Könige mit tieffster Demuth / schützte für: Sie hätte sich ohne Vorwitz nicht unterstehen wollen / Arsinoen etwas auszulocken; doch sehe sie /daß / wenn nur Ariobarzanes Nahme genennet würde / sie sich entsetzte / und über der Heyrath auffs eusserste grämte / welches ihren Kräfften in die Länge auszustehen unmöglich fallen dörffte. Der König führte sie hierauf mit sich in Arsinoens Zimmer / welche mit verfallenen Wangen / thränenden Augen / und tieffäugichtem Gesichte betroffen ward. Nichts destoweniger zohe er ihren Brieff herfür / und befahl ihr: Sie solte rund heraus bekennen / was ihr Ariobarzanens Eh unmöglich machte / und das in ihrem Schreiben angedeutete Feuer / welches in Sinope angezündet werden solte / auslegen. Arsinoe fiel ihm abermahls mit erbärmlichen Geberden zu Füssen / sagte /sie wäre zwar Meisterin ihres Willens / aber keine Gebieterin über die Natur und das Verhängniß / welche sie vom Ariobarzanes gleichsam mit den Haaren wegzügen. Mit dem Feuer hätte sie auff ihre Begräbniß-Fackeln gezielet / weil diese Heyrath doch ihr Tod seyn / dieser aber Ariobarzanens Begierden allerdings ausleschen würde. Ihr Wunsch und Verlangen wäre diesem nach zu sterben / sie wolte von Hertzen den Tod als ein Geschencke der Götter / und ein Gifft-Glaß mit Freuden für eine Königliche Mitgifft aus den Väterlichen Händen annehmen. Wolte er sie aber der Göttin Vesta zu ewiger Jungfrauschafft wiedmen /wolte sie mit dem ewigen Feuer auch eine ewige Danckbarkeit in ihre Seele bewahren. Diese Erklärung thät sie so wehmüthig / daß / wie harte gleich Polemon war / ihm die Augen übergingen / und er mit etwas sanfftmüthiger Bezeugung sie fragte: was denn die Ursache ihrer wider einen so vollkommenen König geschöpffter Todtfeindschafft wäre? Arsinoe antwortete: Sie hegte derogleichen in ihrem Hertzen nicht / sondern sie hätte vielmehr ein grosses Vergnügen an seinen Tugenden; aber unmöglich wäre es ihr einmahl ihn zu lieben. Polemon fing an zu ruffen: Ihr Götter! Was ist denn unter einem solchen vergnügenden Wohlgefallen und der Liebe für ein Unterscheid? Arsinoe antwortete: Ich weiß wohl / allerliebster Herr Vater / daß die Liebe allezeit die Gewogenheit zur Mutter / diese aber jene nicht allezeit zur Tochter habe / und mein an dem Ariobarzanes habendes Belieben doch nimmermehr die Liebe in meinem Hertzen gebehren werde. Polemon fragte: Was denn ihrer Liebe im Wege stünde? Worauff Arsinoe anfing: Ihr von dem Verhängniß geleiteter Wille. Denn das Wohlgefallen bemächtigte sich eines Menschen mit Gewalt und wieder seine Zuneigung. Man müsse die Tugend und Schönheit auch in seinem Feinde werth halten / und die Gramschafft müste mehrmals die Gaben der Natur und des Gemüths mit denen schönsten Farben in die Taffel seines Hertzens mahlen / ja die Stiffter des ärgsten Unrechts innerlich der Gerechtigkeit beyfallen. Diese Gewogenheit zündete sich in einem Augenblicke wie ein Blitz an / sonder einige vorhergehende Berathschlagung: insonderheit erstreckte sie sich auff alle Reichthümer der Natur / auff Blumen und leblose Edelgesteine / die gleich keiner Gegen-Liebe fähig sind. Die Liebe aber / wie sie ein sich langsam entzündendes Feuer / und allererst der Schönheit Enckelin wäre; die Berathschlagung zur Amme / und den Willen zum Leiter [283] hätte / also wäre sie mit sich selbst nicht so verschwenderisch / sie vereinbarte sich nicht mit allem / was ihr ins Gesicht fiele / sondern nur mit dem / was sie für ihres gleichen hielte / und was sie wieder lieben könte. Weßwegen auch kein ander Thier als der Mensch wahrhafftig lieben / die Schönheit eines Sternes / einer Perle / eines Pferdes werth geachtet / nichts aber / als das Antlitz und der Geist eines Menschen / eigentlich geliebt werden könte. Wenn nun das Verhängnüß nicht unsern Willen / wie der Magnet das Eisen iemanden zu lieben züge / wäre es uns selbst zu überwinden unmöglich. Polemon ward hierüber verdrüßlich / und befahl ihr / sie solte ihr diese Träume aus dem Sinne schlagen / und von ihrer Eigensinnigkeit / welche ihr eitel Ungeheuer fürbildete / abstehen / auch sich zu dem /was ihr bestes / und nun nicht mehr zu ändern wäre /beqvemen. Der Nahme des Todes wäre zwar süsse /sein Wesen aber die bitterste Aloe. Wer in ewiger Einsamkeit leben könte / müste entweder ein halber Gott / oder ein gantz unvernünfftiges Thier seyn. Mit diesen Worten entbrach sich Polemon ihrer / und versicherte den Ariobarzanes / daß die Vermählung auff die bestimmte Zeit solte bewerckstelliget werden. Es wäre nichts seltzames / daß alberen Mägdgen für dem Ehstande eckelte / dessen Süßigkeit sie hernach nicht genung zu schätzen wüsten. Die langsame Liebe wäre wie das am langsamsten wachsende Metall / nehmlich das Gold / die bewehrteste; hingegen verschwinde die hefftigste am geschwindesten. Denn die Fackel / die allzusehr lodert / könne nicht lange tauren. Arsinoe blieb inzwischen in einer unermeßlichen Betrübniß /und verzweiffelten Ungedult. Ich sehe / fing sie an /daß einem Unglückseligen auff dem Meere das Wasser / auff der Erden ein Grab / in dem Leben der Tod gebricht. Aber wie sehr er vor mir fleucht / wil ich ihn doch finden / und hiermit griff sie nach einem Messer / welches ihr aber Erato ausriß / und ihre Verzweiffelung mit nachdrücklicher Einredung straffte. Ist diß die Tugend / sagte sie / welche der einfallende Himmel auch nicht von ihrem Sitze zu stürtzen mächtig seyn solte? Ist diß die Liebe / welche sich mit der Erato in ein Grab zu legen rühmete? Kan aus Entdeckung ihres Geschlechts ihr was ärgers als der Tod zuhängen / wenn schon Polemon die Vater-Liebe in grausamste Mord-Lust verwandelt? Ist es nicht Thorheit sterben wollen / um nicht zu sterben? Sie sage es dem Könige unter Augen / daß sie nicht Arsinoe /sondern der verworffene Zeno sey / der dem Polemon das Licht ausblasen soll! Sie lasse ihr und mir das Urthel des Todes sprechen! Es ist besser von den Händen eines unbarmhertzigen Vaters sterben / als durch Selbst-Mord dem Verhängniße an seinen Richterstab greiffen. Ach nein! Holdseligste Erato / sagte Arsinoe: Es ist nicht allein um meinen Hals / sondern auch um den guten Nahmen meiner Mutter der Königin Dynamis / und um die unschätzbare Geniessung ihrer Liebe zu thun. Erato versetzte: Es wäre weder nöthig dem Tode ein so unzeitiges Opffer zu lieffern /noch der Königin Ruhm zu versehren. Die hertzliche Liebe einer barmhertzigen Mutter / und die Erhaltung ihres verstossenen Sohnes / könne mit dem Titel eines Lasters nicht verunehret werden. Auch habe die Natur den Auffenthalt der Tugend nicht in Sinope eingeschlossen. Die gantze Wett wäre der Tapfferkeit Vaterland. Die Unschuld müste zuweilen dem Verhängniße / zuweilen einer hitzigen Ubereilung dessen /gegen welchem uns die Natur die Gegenwehr verbeut / ausweichen. Die Götter aber liessen die Tugend nirgends aufftreiben / sie hätten ihr deñ schon vorher einen beqvemen Sitz ausersehen. Sie selbst habe diese himmlische Vorsorge zu preisen. Denn als ihre [284] Unterthanen die Armenier sie verstossen / hätte sie der Pontus willigst aufgenommen / und mit der Liebe des vollko ensten Fürsten beseliget. Wie? fing Arsinoe an / sind die Armenier ihre Unterthanen? In allewege /antwortete Erato. Und es hat Sinorix nicht geschielet. Denn ich bin der junge Artaxias / den die Liebe seiner Mutter für einen Fürsten / wie ihre den Zeno für ein Fräulein auferzogen hat. Arsinoe vergaß über dieser erfreulichen Zeitung alles ihres Leides / und umbarmete die Erato mit einer unermäßlichen Empfindligkeit. Erato aber warnigte sie / ihre Liebes-Bezeugungen anietzo zu verschieben / und für ihre Wolfarth bekümmert zu seyn. Einmal wüste sie kein ander Mittel / als eine heimliche Flucht zu ersinnen; und da die Königin hierzu stimmete / oder sie selbst nichts sicherers wüste / wolte sie darzu in allewege gerathen haben. Das Werck ward hierauf mit der Königin überlegt / welche / in Mangel anderer Hülffe / ihr die Flucht gefallen ließ. Der Anschlag und die Anstalt der Reise ward niemanden / als mir vertraut / weswegen ich mich ungesäumt an das Gestade des Meeres verfügte / uns dreyen ein Schiff zu bestellen. Zu meinem grossen Gelücke lendete gleich ein Schiff am Hafen an / dessen Entladung ich aus blosser Begierde der Neuigkeit sehen wolte. Denn unter so viel hundert daselbst anckernden Schiffen hatte ich nur die Wahl auszulesen. Alleine meine Freude war unermäßlich /als ich den ersten / der aus solchem Schiffe ans Ufer sprang / für meinen Artafernes erkennte. Wormit ich nun seiner mercklichen Freude und Empfangung zuvor käme / nahm ich die Gelegenheit in acht unvermerckt hinter ihn zu treten / und / ehe sich seine Augen vergehen konten / ihm hinterrücks ins Ohr zu sagen: Laß dich nicht mercken / daß du Saloninen kennest / sondern folge mir auf dem Fusse nach. Artafernes verbarg seine Gemüths-Regungen derogestalt /daß er sich nicht einst umbsahe / gleichwohl aber meinen Fußstapfen behutsam nachging. Ich wieß ihm den Weg in den nahe am Hafen liegenden Königlichen Garten / biß wir in einem verdeckten Spatzir-Gange einander mit erfreuter Umbhalsung zu bewillkommen Gelegenheit fanden. Jedoch befand ich es für rathsam / so wohl dieser Ergetzligkeit abzubrechen /als den Vorsatz beyderseitige Zufälle zu erfahren / auf bequemere Zeit zu sparen. Ich meldete ihm dannenher mit wenigen Worten: Daß die unumbgängliche Nothdurft erforderte die nechstfolgende Nacht die Armenische und Pontische Fräulein nebst mir aus Sinope zu führen; also solte er mir ohne Umbschweiff entdecken: Ob er Herr des angeländeten Schiffes wäre / und darmit zu diesem wichtigen Fürnehmen helffen könte. Er erbot sich alsofort meinen Willen zu vollziehen. Wohl dem / sagte ich / so machet alles zur Abreise fertig / ich wil mit der Fürstin Erato in männlicher Tracht mich schon gegen Abend in euer Schiff spielen / umb Mitternacht aber werdet ihr in diesem Gange die Fürstin Arsinoe abzuholen wissen. Mit diesem Verlaß schieden wir von sammen; ich aber brachte alsofort meine glückliche Anstalt beyden Fürstinnen zu / und redete mit ihnen alles ab / was hierbey zu thun nöthig schien. Gegen Abend ging Erato und ich unser Gewohnheit nach in den Garten / in welchen wir oben aus unserm Zimmer 2. Manns-Kleider / und etliche andere Nothdurfft geworffen hatten. Wir kleideten uns in einer nahe dabey gemachten Spring-Höle umb /und versteckten unsere Weibs-Kleider unter die daselbst verdeckten Wasser-Röhre / kamen auch unvermerckt auf das Schiff / allwo uns Artafernes eine bequeme Lagerstatt anwieß / welcher wir uns aber nicht bedienen wolten / biß wir Arsinoens Uberkunfft vergewissert wären / wiewohl etlicher Nächte gestörte Ruh uns sehr schläfrig gemacht hatte. Gegen Mitternacht fügte sich Artafernes an den besti ten Ort / und wenige Zeit hernach kam er zu uns mit der frölichen Zeitung / daß er Arsinoen [285] glücklich überbracht / und in ein absonderlich Zimmer zur Ruh gelegt hätte. Wir entschlugen uns zu Verhütung allen Verdachts bey den Schiffleuten / und alles Aufsehens aus den nah-anliegenden Schiffen / der Bewillkommung / sonderlich weil Arsinoe mehr als wir des Schlaffes benöthigt war. Artafernes ließ die Segel aufziehen / und weil wir ihm freygestellet hatten zu fahren / wohin ihm beliebte / schiffte er mit gutem Winde immer der Thracischen See-Enge zu. Wir schlieffen die übrige Nacht und ein Stücke des Tages durch / biß uns Artafernes aufweckte / und anzeigte: Arsinoe wäre schon etliche Stunden wachend. Erato und ich eilten mit unser Ankleidung / und / wormit uns Arsinoe nicht zuvor käme / eilten wir ihrem Gemache zu. Wir erstarreten aber als steinerne Bilder / als wir statt Arsinoens ihre Kammer-Jungfrau Monime für uns fanden. Erato erholte sich gleichwohl / und meynte / daß sie vielleicht mit Arsinoen kommen wäre; fragte daher: Was sie hier machte? Alleine Monime / welche über unser Erblickung steinerner als wir war / verstummte. Nach etlicher Zeit erholete sie sich gleichwohl / und weil sie die Fürstin Erato erkennte / fiel sie ihr zu Füssen /und bat umb Gnade / sie wolte ihr Verbrechen willigst bekennen. Weder Erato noch ich wusten uns hierein zu schicken. Gleichwohl wuste die Fürstin alsofort aus dem Stegereiffen eine kluge Entschlüssung zu machen / nahm daher eine ernsthaffte Geberdung an sich / und befahl ihr: Sie solte ihre Schuld aufrichtig heraus beichten / so wolte sie bey ihrer Fräulein für sie eine Vorbitte einlegen. Monime bekante hierauf: Es hätte Armidas / ein Edelmann des Ariobarzanes / welchem sie die Ehe versprochen / ihr Vater Maxartes aber nicht hätte zugeben wollen / mit ihr abgeredet / daß er sie in dem Königlichen Garten diese Nacht / da wegen der auf den Morgen bestimmten Königlichen Vermählung alles untereinander ginge /abholen / und auf einem dazu bestellten Schiffe nach Armenien entführen hätte wollen. In dieser Meynung wäre sie auf diß Schiff kommen; sie sehe aber / daß ein glücklicher Irrthum sie von dem fürgehabten Verbrechen / welchem sie ietzt allererst nachdächte / abgezogen habe. Erato verwieß ihr ihr Fürhaben / gab ihr aber noch einen guten Trost zu ihrer Aussöhnung. Wir gediegen hiermit nebst dem Artafernes wieder in unser Gemach / und wegen Arsinoens in unaussprechlichen Kummer; nachdem wir ihm auch kürtzlich unsere Ebentheuer erzehlet / berathschlagten wir: Was bey so verwirreten Dingen zu thun? Artafernes erkundigte beym Schiffer: Ob man nicht irgendswo an einem unentfernten Ufer anländen könte? welcher als er es verjahete / erbot er sich in Sinope / welches wegen des umbschifften Leptischen Vorgebürges kaum zehen Stadien vom Ufer entfernt wäre / zurück zu kehren / und der Sachen Beschaffenheit auszuforschen. Wir kamen ans Ufer / fanden auch daselbst einen bequemen Felsen / hinter dem wir nicht alleine für allem Sturme / sondern auch für allen Augen des Landvolcks sicher liegen bleiben konten. Artafernes ging zu Fusse nebst seinem getreuesten Diener gerade auf Sinope zu / und nahm von der Fürstin Erato an Arsinoen und die Königin Dynamis ein Schreiben mit / worinnen sie dem Artafernes in allem sich zu vertrauen ersucht ward. Nach dem Mittage kam Damon des Artafernes Getreuer zu uns zurücke / mit dem Berichte / daß / als Ariobarzanes und Polemon sich schon in dem Tempel der Derceto befunden / und alles zur Vermählung fertig gewest wäre / hätte man allererst Arsinoen vermisset / welche zwar allenthalben gesucht / aber nirgends gefunden würde. Mit dieser Nachricht kehrte er zurücke nach Sinope / stellte sich aber mit dem anbrechenden Morgen wieder ein /und verständigte uns / es hätte noch vorhergehenden Tag ein Medischer Edelmann Arsinoen auf einẽ Schiffe zurücke und in den Tempel bracht. Wie nun die Priester auf des König Polemons Befehl der Göttin Derceto oder Adargatis die Fische und [286] Tauben zum Opfer abgeschlachtet / und zu der Vermählung schreiten wollen / hätte Arsinoe / an statt / daß sie nach Gewohnheit der Bräute der Göttin lincke Hand fassen und küssen sollen / ihren Fisch-Schwantz mit beyden Händen umbgriffen / und geschworen / daß sie ehe sterben / als Ariobarzanen vermählt seyn wollen. Hierauf wäre sie in das Behältnüß der Priester gegangen / König Polemon ihr dahin nachgefolgt. Wie sie nun eine gute Weile darinnen verschlossen gewesen /und Ariobarzanen in vollem Gri / das Volck aber in heftigem Verlangen des Ausgangs hinterlassen hätten / wäre ein Priester heraus kommen / und Ariobarzanen bescheidentlich fürgetragen: Es hätte sich eine wichtige Hindernüß ereignet / daß die Heyrath ihren Fortgang nicht erreichen könte. Ariobarzanes hätte alsofort gefragt: Ob auch Polemon solche billigte? Als solches der Priester verjahet / wäre er für Zorne schäumende aus dem Tempel gerennet / und / nach dem er sich kaum eine halbe Stunde auf der Königlichen Burg verweilet / wäre er mit allen den Seinigen aus Sinope gezogen. Polemon hätte Abschied von ihm nehmen / ihn auch / als er länger zu bleiben nicht beredet werden können / begleiten wollen: Ariobarzanes aber hätte ihn nicht einst für sich zu lassen gewürdigt / sondern Fluch und Dräuen ausgeschüttet. Diese Zeitungen konten wir nun unschwer auslegen: daß Arsinoe vom Armidas für Monimen angenommen / und in sein Schiff aus Irrthum kommẽ / hernach von ihr ihr Geschlechte eröffnet worden wäre. Den drittẽ Tag kam Artafernes selbst zu rücke / und erzehlte uns ferner: daß nach Ariobarzanes Wegzuge kein Mensch weder in noch aus der Burg gelassen / gleichwohl von einẽ vertrauten Freund / den er vorhin zu Sinope kennen lernẽ / berichtet werdẽ wollen: Es müste ein groß Geheimnüß entdeckt seyn / ja man muthmassete gar /daß Dynamis und Arsinoe schon todt wären. Eine Stunde für seinem Abzug wäre ein Herold von Ariobarzanen in Sinope kommen / und habe auf dem grossen Platze für der Burg mit hellem Halse geruffen: Höre Jupiter / höret ihr Pontischen Völcker / der Meden und Armenier König / der mit eurem ein Bündnüß zu machen hieher kommen / auch seine Tochter zur Gemahlin zu erlangen versichert / hernach geäffet / und nicht einst die Ursache solcher Reue zu erfahren gewürdigt worden / wil die ihm angethane Schmach durch einen gerechten Krieg rächen. Hiermit habe er das mit dem Polemon neu aufgerichtete Bündnüß heraus genommen / zerrissen / und eine Lantze in das Burg-Thor geworffen. Der König habe auch noch selbige Stunde diese Fehde durch schleunige Posten in seine Länder verkündiget / und sich allenthalben zur Gegenwehre zu rüsten anbefohlen. Wir alle waren hierüber aufs äuserste bestürtzt / Erato aber wolte sich über dem verlauteten Tode Arsinoens / oder vielmehr ihres geliebten Zeno gar nicht trösten lassen. Wir redeten ihr aufs beweglichste ein / hielten ihr für: Wie die Götter sie zeither offt aus augenscheinlichem Untergange erlöset / sie auch alle Stürme des Unglücks mit ihrer Großmüthigkeit überwunden hätte. Es wäre nicht genung durch einen unvergleichlichen Anfang sich zum Gotte machen / hernach die Hände sincken / und die menschlichen Schwachheiten blicken lassen. Ein schöner Kopf und ein heßlicher Schwantz machte die Sirenen zum Ungeheuer. Ehre und Ruhm veralterten nicht weniger / als andere irrdische Dinge; denn die Gesetze der Zeit vertrügen keine Ausschlüssung. So wohl der Adler als Phönix müsten sich verjüngen umb ihren Vorzug zu behaupten / ja die Sonne selbst alle Tage eine andere Bahn erkiesen /wormit die stete Neuigkeit sie beym Ansehen erhielte / und gleichwohl hätten so viel Weltweisen ihr eine Vergeringerung beygemessen. Für diesem Abfalle hätte die Tugend keine Befreyung / so bald sie zuzunehmen aufhörete / nehme sie wie der Monde ab. Diese geschärffte Einredungen brachten sie [287] endlich ja so weit / daß sie sich zwar nicht der Traurigkeit / iedoch der Verzweifelung entbrach / und mit uns berathschlagte: Wo wir denn unsere Flucht hinnehmen solten? Artafernes schlug die volckreiche Stadt Phasis für / dahin sie in sechs Tagen zum längsten schiffen /und wegen der daselbst der Kauffmannschafft halben sich aufhaltender unzehlichen Frembdlinge unerkennet bleiben könten. Das umbliegende Land Colchis habe Mithridates Eupator seinen eigenen Königen zum ersten abgezwungen / sey auch hernach mit dem Bosphorischen Reiche auf den König Polemon kommen. Von daraus könten sie in wenig Tagen über das Moschische Gebürge in Armenien gelangen / und wohin sie der Lauff des neuen Krieges beruffen würde. Denn es solte ja die Fürstin Erato nicht die Hoffnung ihr väterlich Reich wieder zu behaupten fahren lassen. Als er mit dem Tiridates aus Parthen in Syrien sicher ankommen / dieser aber in Hispanien zum Käyser / der daselbst wider die Cantabrer und Asturier gekrieget / gezogen wäre / hätte er uns fast in der halben Welt / auch zu Sinope aufgesucht / und als er uns nirgends finden können / sich in Armenien gewaget / auch daselbst eine so tief eingewurtzelte Liebe gegen das Geblüte des Artaxias / hingegen einen so grossen Haß wider den ausländischen Ariobarzanes angetroffen / daß zum Aufruhre der Armeniern nichts als ein Haupt oder Anführer mangelte. Wir schifften also mit gutem Winde nach Phasis / ländeten den siebenden Tag daselbst an / nach dem so wol ich als Erato uns wieder für Männer ausgekleidet hatten. Der Königliche Stadthalter in Colchis war Bardanes /des alten vom Mithridates dahin gesetzten Moaphernes Sohn / ein Mann von grosser Tapfer- und Leutseligkeit. Weil nun ohne diß gantz Colchis von geflüchteten Armeniern / die die Meden / entweder weil sie Ausländer / oder allzu aufgeblasen und wollüstig waren / zu ihren Oberherren nicht vertragen konten /erfüllet war / trugen wir kein Bedencken uns ebenfalls für verjagte Armenier auszugeben / sonderlich / da eben selbigen Tag mit uns die Post vom angekündigten Kriege Ariobarzanens nach Sinope kam. Bardanes machte alle ersinnliche Anstalt aus denen am schwartzen Meere gelegenen Landschafften / die ihm alle biß an den Mund des Flusses Tanais anvertrauet waren /ein mächtiges Kriegsheer aufzubringen / und / weil er wohl verstund / daß Armenien nicht leichter als durch Armenien bezwungen werden konte / zohe er diese durch Freundligkeit und grosse Vertröstungen an sich / wohl wissende / daß ein gutes Wort eines höhern so viel gilt / als eine Wolthat eines Menschen / der unsers gleichen ist / und ein freundlicher Anblick eines Fürsten überwiege ein ansehnliches Geschencke eines Bürgers. Hiemit gediegen auch wir in seine Freundschafft / und genossen von ihm alle Ehre. Wie wir aber nach dem allenthalben so kundbaren Kriege eine so grosse Uberkunft der Armenier wahrnahmen / welche alle lieber Pontisch als Medisch seyn wolten /wurden wir schlüssig uns der Armenischen Gräntze zu nähern; erwehlten also unsere Wohnstadt zu Ideeßa einer Stadt in dem Moschischen Gebürge / wo der vom Phrixus der Morgenröthe zu Ehren gebauete Tempel uns nicht allein zu unser Andacht / und wegen der daselbst berühmten Weissagungen zur Richtschnur unsers Vorhabens / sondern auch auf allem Fall zur Sicherheit dienen konte. Daselbst zohe Erato alsofort die Larve vom Gesichte / und gab sich den Armeniern für den jungen Artaxias zu erkennen. Es ist unglaublich / wie in so weniger Zeit diese aller Mittel / als der Spann-Adern des Krieges entblössete Fürstin ein Heer versa lete / welches sich im Felde zu weisen nicht schämen dorfte. König Polemon hörte diesen Abfall der Armenier / und die Herfürthuung des geflüchteten Artaxias nicht mit geringer Vergnügung / befahl dem Bardanes selbtem nicht allein allen Vorschub zu thun / sondern [288] auch mit den Colchisch-und Meotischen Völckern zu ihm zu stossen / und in Armenien einzubrechen / er stünde mit einem ansehnlichen Heere schon an dem Flusse Melas / und wolte daselbst dem Ariobarzanes die Stirne bieten. Dieser hatte hingegen nicht vergessen bey sich alle Vernunft / aus Meden und Armenien alle Kräfften zusammen zu ziehen / wormit Polemon seine Dräuungen nicht für gläserne Donner-Keile halten möchte. Erato und Bardanes kriegten Nachricht / daß Ariobarzanes mit 200000. Mann in das kleinere Armenien eingebrochen wäre / und an dem Flusse Melas und Phrat die Haupt-Stadt des kleinen Armeniens Melitene belägere; auch eine ansehnliche Parthische Reiterey vom Phraates folgen solte. Dahero / weil sie den König Polemon dieser Macht nicht gewachsen zu seyn meynten / änderten sie ihren nach Artaxata / als dem Hertzen des Königreichs fürgenommenen Zug / umb den Meden in Rücken zu gehen / und den Ariobarzanes zu zwingen / daß er seine Macht zertheilen müste. Wir reiseten gantzer 7. Tage / sonder einigen Feind zu sehen / weniger einige Gegenwehre zu finden / besetzten hinter uns alle Pässe; den achten Tag kamen wir für die Stadt Cergia / und machten Anstalt zu derselben Belägerung. Die Armenier aber kamen des Nachts heimlich aus der Stadt / und brachten auf kleinen Nachen etliche hundert auf dem Flusse Phrat hinein / welche mit Gewalt sich der einen Pforte bemächtigten / daß der neue Artaxias mit der Reiterey hineinbrechen konte. Bey Eroberung dieser grossen Stadt kriegten wir genungsam Schiffe das gantze Heer den Strom hinab gegen Melitene zu führen. Welches sonder alle Hindernüsse auch geschahe / weil die Städte auf der rechten Hand des Stromes sä tlich dem Polemon gehöreten / und von ihm besetzt waren. Zu Analiba aber erfuhren wir / daß Ariobarzanes bey Näherung des Polemon die Melitenische Belägerung aufgehoben / und gegen Mardara wider den Polemon sich gewendet hätte. Diese Nachricht bewegte den Artaxias und Bardanes / daß sie zu Teucila ihre Heere eilends aussetzten / und dem Artobarzanes in Rücken gingen. Den andern Tag kamen wir dem Medischen Kriegsheere auf die Spur / und den drittẽ nach Mittags brachte uns unser Vortrab / und etliche von ihnen gelieferte Gefangene die Zeitung / daß Ariobarzanes und Polemon unserne in einer hitzigen Schlacht miteinander begriffen / die Pontischen Völcker aber schon in Verwirrung bracht / ja der lincke Flügel in die Flucht gediegen wäre. Erato und Bardanes stellten unverzüglich ihr Heer in Schlacht-Ordnung / und Artafernes erlangte die Ehre / daß er mit 6000. leichten Reitern dem Feinde voran einbrechen muste. Wiewohl nun dieser rückliche Einfall den Meden nicht anders /als wenn ihnen neue Feinde vom Himmel fielen / fürkam / so schwenckte sich doch ihr rechter Flügel /welchen ein alter erfahrner Parthischer Kriegsheld Coßrhoes führte / nachdem er vorwerts keinen Feind mehr hatte / alsofort herumb / und begegnete dem Artafernes derogestalt / daß er etwas zurück weichen muste. Hiermit thät sich Erato und Bardanes mit ihrem auserlesenen Heere herfür / welches den Cosrhoes anfänglich stutzig machte. Er sprach aber den Seinen ein Hertze zu / theilte seinen Flügel gegen des neuen Feindes Schlacht-Ordnung aufs beste ein; und hiermit ging die andere blutige Schlacht an. Die Sonne ging zwar unter / aber beyde erhitzte Feinde wolten ihre Sebeln nicht einstecken. Es ist unmöglich die Blutstürtzung / die theils ritterlichen / theils verzweifelten Thaten so wohl auf ein als dem andern Theile zu erzehlen. Denn die Nacht verdeckte viel /und war der aufgehende Monde allzu düster so vielen Tapferkeiten ihr gehöriges Licht zu geben. Daher verlängerte die Hartnäckigkeit der erbitterten Feinde ihr Wüten biß auf den andern Tag. Beyder Könige Vorsatz war zu siegen / oder zu sterben. Insonderheit fochte der [289] beleidigte Ariobarzanes mit dem lincken Flügel gantz verzweifelt gegen den König Polemon /weil er nunmehr bey sich ereignendem neuen Feinde ohne Fällung des Pontischen Hauptes an seinem bereit in Händen gehabten Siege selbst zu zweifeln an fing. Diesemnach setzte er mit dem Kerne seiner aus Medischen und Galatischen Rittern erkieseter Leibwache in den Hauffen / wo die Königliche Pontische Haupt-Fahne wehete. Weil nun Polemon zum weichen viel zu edel war / kamen beyde Könige selbsthändig an einander / und Ariobarzanes traf mit einem Wurff-Spiesse den Pontischen König so sehr / daß er ohnmächtig zu Boden fiel. Sein Volck ward hierüber so bestürtzt / daß es gleicher gestalt die Flucht ergriffen / und seinem Feinde den völligen Sieg eingeräumet hätte / wenn nicht Erato / oder ietzt wieder der junge Artaxias / nach dem Bardanes und Artafernes dem Cosrhoes genungsam schien gewachsen zu seyn /seinen Flügel genommen / und dem Polemon zu Hülffe kommen wäre. Dieser machte den Pontischen Völckern nicht alleine Lufft ihren König aus den feindlichen Händen und unter den Pferden herfür zu ziehen /sondern auch ein Hertze die Wunden ihres Fürsten /und den Schimpf ihres Verlusts zu rächen. Ariobarzanes aber kriegte als ein großmüthiger Löw durch Erblickung seines zweyten Feindes ein zweyfaches Hertze / und bemühte sich nach Fällung des Pontischen Königs auch den neuen Heerführer zu stürtzen. Erato hob bey der ietzt gleich wieder aufgehenden Sonnen mit allem Fleiß den Helm empor / umb sich dem Ariobarzanes zu erkennen zu geben; rief hiermit: Sihe hier deinen Neben-Vuhler / der wie er dir Arsinoen aus den Klauen gerissen hat / also nun auch deinen übermüthigen Geist ihrer betrübten Seele zu gerechter Rache aufopfern wird. Ariobarzanes / der die Fürstin Erato also gleich erkennete / gerieth hierüber in höchste Verwirrung / und die ihn in der Seele beissende Anredung machte ihn fast rasend. Beyde griffen einander wie wütende Panther an / das abflüssende Blut aus ihren Wunden verminderte keinesweges ihre Kräfften / noch die Bemühung ihren Athem / sondern beydes vergrösserte ihre Verbitterung. Endlich gelang der Erato ein Streich ihres Schwerdtes zwischen den Harnisch in Ariobarzanens Arm / und schwächte ihn derogestalt / daß ihm der Degen entsanck. Erato schrie hierauf: Wisse nun / daß die Götter denen so lohnen / die sich in frembde Königreiche dringen /und daß ich in allewege der von dir und dem Tigranes verfolgte Artaxias sey. Ariobarzanes wolte sich nach so hefftiger Verwundung zwar zurücke ziehen; aber /weil die Meden an allen Enden zertrennet waren /ward er von seinem Feinde umringet / und / nachdem Erato ihn zu tödten verbot / ihr Gefangener. Die noch wohlberittenen Meden und auf seiner Seite stehende Armenier räumten das Feld; alle andere aber wurden entweder erlegt oder gefangen. Erato muste selbst der Blutstürtzung steuren / welche allenthalben herumb ritt / mit Stimme und Geberden wehrte / daß die Uberwundenen nicht alle durch die Schärffe der Sebeln aufgerieben wurden. Nach derogestalt erlangtem Siege war der Erato erste Sorge den Zustand des Königs Polemon zu erkundigen. Deßhalben verfügte sie sich unter sein Gezelt / traf ihn daselbst zwar lebend an / die Wund-Aertzte aber gaben ihm gantz verlohren. Erato bezeugte ihr hertzliches Mitleiden über des Königs Verwundung / wüntschte iedoch ihm Glücke zu einem so herrlichen Siege / befahl auch / umb ihm noch für dem Tode eine kurtze Freude zu machen / die Gefangenen ins Zelt zu führen. Ich erfahre nun erst /antwortete ihr Polemon / mit gebrochener Stimme /daß ich an ihr den Schutz-Gott der Pontischen Herrschafft bewirthet habe. Wolte Gott! daß das Verhängnüß nicht allhier mit meinem Leben auch meine danckbare Erkäntniß dieses Beystandes / und die Gewalt ihre Vermählung [290] mit meinem Sohne einzurichten verschnidten. Alleine es werden die unsterblichen Götter auch nach meinem Tode alles diß weißlicher einrichten / als es meine Vernunft auf dem Blate seiner Gedancken entwerffen konte. Ich sterbe gleichwohl vergnügt / nach dem die seltzamẽ Zufälle dieser Schlacht mir augenscheinliche Kennzeichen des unveränderlichen Verhängnisses abgeben / und ich mein Reich aus so grosser Gefahr und Dienstbarkeit errettet sehe. Erato machte nach menschlicher Gewohnheit dem Könige auch bẽy verzweifeltem Zustand noch einige Lebens-Hoffnung / setzte aber bey: Da es ie ja den Göttern gefiele seinẽ Heldengeist der Welt nicht länger zu gönnen / so stürbe er doch Königlich / und auf dem Bette der Helden. Er ginge unter wie die Soñe / welche noch der Erden wolthut / und sie erleuchtet / wenn sie schon selbst verfinstert würde. Er hätte seinen Lebens-Athẽ daran gesetzt / wormit so viel tausend unglückselige wieder Lufft schöpfen könten. Sein Fall erhielte nicht nur gantze Geschlechter /sondern 3. Königreiche auf den Beinẽ / ja seine todte Leiche wäre gleichsam ein Ancker / der Asien für dem äusersten Schiffbruche bewahrete. Unter dieser Rede des Artaxias ward Ariobarzanes und viel andere fürnehme Gefangenen für des Polemons Bette gebracht. Unter diesen war ein ansehnlicher eißgrauer Mann /welcher bald den Polemon / bald den Ariobarzanes höchst-erbärmlich ansahe / und seine Wangen mit häuffigen Thränen überschwemmete. Polemon hatte ein hertzliches Mitleiden mit diesem Greise / und weil seine Geberdung ein grösser Leid / als seine Gefängnüß verursachen konte / anzuzeigen schien / fragte er umb die Ursache; redete ihm auch zugleich ein: Ein Held müste in beydem Glücke einerley Gesichte behalten; in der Gedult bestünde die halbe Weltweißheit / zudem wäre er ein Gefangener der Menschen / keiner Tieger-Thiere. Pharasmanes (also hieß dieser Alte) seufzete / und fing an: Seine Thränen rührten von keiner Kleinmuth / weil sein Hertze das Unglück sein Lebtage wol hätte verdäuen lernen / sondern vom Mitleiden über einen so unglückseligen Vater / und einen Erbarmens-würdigen Sohne her. Polemon fragte: Wen er denn meynte? Pharasmanes antwortete: Den auf dem Todten-Bette vergehenden Polemon /welchem die unbarmhertzigen Götter nur deshalben am Ariobarzanes einen so tapfern Sohn gegeben hätten / wormit er durch seine eigene Faust sterben könne. Der ohnediß von so viel verspritztem Blute entkräfftete Polemon erschrack hierüber so sehr / daß er in Ohnmacht sanck / und man durch langes Kühlen ihn kaum ein wenig wieder zurechte bringen konte. Hierauf redete er den Pharasmanes zitternde an: Er solte einem Sterbenden doch nicht die Warheit verschweigen / sondern aufrichtig melden: Ob Ariobarzanes sein Sohn wäre / und wie er diß seyn könte? Ich rede die unverfälschte Wahrheit / versetzte er; aber ich sehe / daß es ein unveränderlicher Schluß der Götter gewesen / daß Ariobarzanes seinen Vater tödten müste. So bald ich zu Cyropolis / wo ich Königlicher Stadthalter gewest / den zwischen dem Polemon und Ariobarzanes sich anspinnenden Krieg vernommen /ist mir mein Hertze kalt worden / und Ariobarzanes wird zu sagen wissen / was für einen beweglichen Brief ich / weil ich Alters halber so schnelle nicht reisen konte / ihm geschrieben / und ihn umb sein und seines Stammes Wolfahrt willen gebeten: er wolle es zu keiner Thätligkeit zum minsten so lange nicht kommen lassen / biß ich selbst ins Lager käme / weil ich ihm ein keiner Feder vertrauliches Geheimnüß zu entdeckẽ hätte. So viel er ietzt nun ihm erzehlen liesse / wäre das Schreibẽ nicht allein zu rechte ko en; sondern es hätten auch beyde Könige eine gütliche Unterredung miteinander beliebet / er wüste aber nicht /was für ein Zufal diesen heilsamen Fürsatz in so ein jämmerlich Blut-Bad verwandelt. Es ist wahr / hob der bißher gantz verstummete Ariobarzanes an. Dieses friedliebenden [291] Alten Ermahnung / die ich so wenig als Göttliche Weissagungen niemals in Wind geschlagen / bewegte mich dir / Polemon / Friedens-Vorschläge zu thun. Und wisse / liebster Pharasmanes / wir zwey kamen alleine zwischen beyden in voller Schlacht-Ordnung haltenden Heeren zusammen / wir waren auch schon bey nahe eines / als zwischen unsere Füsse eine Schlange gelauffen kam / welche uns nöthigte unsere Sebeln zu blössen / und / umb uns ihrer zu erwehren / auf selbte zu hauen. Unsere zum Streit begierige Heere bildeten ihnen ein / wir tasteten einander an / fielen daher Augenblicks als der Blitz an einander / und / weil der Grimm weder Augen noch Ohren hat / mochten wir weder mit Zureden noch Zeichen sie zurücke halten / sondern / nachdem dieser Sturm schon unmöglich zu hemmen war / muste ieder nur auf seiner Seite das beste thun. Pharasmanes fing überlaut an zu ruffen: Ihr grimmigen Götter! Habt ihr / oder die höllischen Unholden diese Schlange dißmal ausgeschickt? Habt ihr diesem unfüssigtem Thiere dessenthalben solche Geschwindigkeit gegebẽ / mir aber entzogẽ / wormit jenes das Gift der Zwytracht unter euch streuen / ich aber durch meinen Bericht nicht den abscheulichen Vater-Mord verhüten möchte! Wormit mich aber niemand eines Getichtes beschuldige / so verschweige / Polemon / dem hiervon nichts wissenden Ariobarzanes nicht / daß dir die Königin Dynamis auf einmal einen Sohn und Tochter gebohren? Ist es nicht wahr / daß dir die Götter wahrgesagt: Du würdest von deines Sohnes Händen sterben? Sage / hat dich diß nicht bewegt diß Kind von deinem Hofe zu schaffen / nachdem die Mutter ihm kaum das Leben erbitten konte? Hat dir aber Dynamis mitlerzeit nicht offenbaret / so wird sie es noch thun müssen /daß sie diß Söhnlein der Pythodoris einer nicht weit von hier wohnenden Frauen zum erziehẽ anvertrauet? Hat sie dich nicht berichtet / daß / als du zu Rom gewest / dein Töchterlein Arsinoe verstorben / sie aber das verstossene Söhnlein wieder nach Hofe genommen / und unter dem Nahmen Arsinoe auferzogen habe? Polemon verwunderte sich / wie Pharasmanes in allem so genau eintreffe; gestand auch / daß Dynamis ihm letzthin / als Ariobarzanes Heyrath eben deßwegen rückgängig worden / diese Umbwechselung eben so zugestanden hätte. Pharasmanes fuhr hierauf fort: Aber so wol du / als Dynamis / stecken in einem grossen Irrthume / wenn ihr glaubet / daß das von der Dynamis zurück genommene Kind das eurige gewest sey. Höret nun den wahrhafftigen Lauff der Dinge: Als der berühmte König der Meden Artavasdes von dem Armenischen Könige Artaxias und seinen Parthischen Hülffs-Völckern aus Armenien verjagt / und nach Verlust der Städte Arsacia / Cyropolis / Europus / biß an die Stadt Ecbatana ins Gedränge getrieben ward / trug er in Mangel selbeigener Söhne / für seinen kaum jährichtẽ Enckel Ariobarzanes / welchen seine dẽ jungẽ Alexander des Antonius und der Cleopatra verheyrathete Tochter Jotape zu Alexandria geborẽ / der Kaiser ihm aber mit ihr zurück in Meden geschikt hatte / grosse Sorge; befahl daher mir diß Kind auf alle Weise und Wege aus den Händen der Feinde zu retten. Ich nahm meine Zuflucht alsofort in des Königs Polemons Gebiete / und ließ mich in der Haupt-Stadt des kleinern Armeniens Satala nieder. Daselbst ward ich bekant mit oberwehntem Pythodoris / derer Ehherr ein Jahr vorher verstorben war / und / weil gantz Meden frembde Dienstbarkeit trug / verlohr ich alle Begierde in mein Vaterland zu kehren /heyrathete also diese edle Armeniern. Wenige Wochen darnach starb das mir vom Artavasdes anvertraute Kind / worüber ich in Trost-loses Trauren versanck. Dieses ward vergrössert durch einen Befehl von der Königin Jotape / daß ich von Stund- an mit dem jungen Ariobarzanes nach Antiochia kommen solte / weil der Kaiser sie mit ihrem Kinde in Schutz genommen hätte. [292] Ich wuste meinem Leide kein Ende /weil Jotape mir leichte die Verwarlosung ihres Kindes zurechnen konte. Noch mehr aber war es mir um Jotapen zu thun / welche zweiffelsfrey für Leide sterben würde / wenn sie mit diesem Kinde den gantzen Medischen Stamm abgestorben sehen solte. Ein ander gemeines Kind Jotapen für ihren Sohn unterzustecken /und vielleicht mit der Zeit selbtes zu einem Könige der Meden und meinem selbst eigenen Herrn auffzuthürmen / schien mir ein allzu leichtsinniger Betrug /und ein Fallbret der allgemeinen Wohlfarth zu seyn; Weil doch im Geblüte des Pöfels kein Helden-Feuer steckt. Diesem nach setzte ich auffs beweglichste an die Pythodoris / daß sie mir des Polemons ohne diß verworffenes Kind / als von welchem sie mir die Heimligkeit kurtz vorher eröffnet hatte / zustellen /ich aber Jotapen überbringẽ könte. Pythodoris kam schwer daran / gleichwohl aber gewan ich sie durch allerhand dienliche Ursachen; insonderheit / daß dieser Verwürffling seiner Eltern zu seinem Glücke in einen andern ansehnlichen Stammbaum eingepflantzet / Polemon durch diese Entfernung in mehr Sicherheit gesetzet würde. Also zohe ich mit diesem Knaben nach Antiochia / welches Jotape mit tausend Küßen für das ihrige annahm / und dem damahls sich daselbst befindenden Tiberius ihn als den letzten Zweig von des Astyages Geblüte bestens empfahl. Tiberius /ob er zwar sonst dem Geschlechte des Antonius nicht gut war / ließ dennoch überaus grosse Gewogenheit gegen Jotapen und ihren Sohn spüren / brachte ihr auch beym Kayser einen jährlichen ihrem Herkommen anständigen Auffenthalt / eben so / wie ihn der verjagte König der Parthen Tiridates gegeben hatte / zu wege. Dieser Tiridates halff auch selbst nicht wenig zu tugendhaffter Erziehung des vermeinten Ariobarzanes. Wie nun König Artaxias von seinem Bruder Artavasdes meuchelmörderisch hingerichtet / also die Medische Krone erledigt ward / schickte Tiberius etliche Legionen mit Jotapen und ihrem Sohne in Meden / ließ den Reichs-Ständen die Tapfferkeit dieses aus ihrem Königlichen Geblüte entsprossenen Fürsten fürhalten; Tiridates thät auch das seinige darbey / und also kam er anfänglich auff den Medischen / hernach durch Hülffe des in Armenien vom Käyser geschickten Cajus auff den Armenischen Thron. Jedes Wort dieser Erzehlung rieß die Zuhörer / insonderheit den Polemon und Ariobarzanes in tieffe Verwunderung /fuhr Salonine fort; alle sahen einander stillschweigend an / wusten auch fast nicht sich zu besinnen / ob ihnen träumte / oder Pharasmanes Mehre erzehlte. Dieser aber wendete sich zum Polemon mit diesen Worten: Ich weiß nicht / ob ich dieses Stillschweigen für ein Zeichen des Zweiffels oder Beyfalls annehmen soll? Ich will aber meine Erzehlung durch den Augenschein wahr machen. Ist es nicht wahr / Polemon /daß die Nachkommen des grossen Mithridates das Zeichen der Caßiopea mit auf die Welt bringen? Polemon verjahete es nicht allein / sondern wieß solches auch auff seinem lincken Arme. Wohlan denn / es weise Ariobarzanes nur sein linckes Schulterblat / so wird sich eben dieses klar zeigen. Ariobarzanes schüttelte das Haupt / und meinte / daß er von diesem Geheimnisse / welches er doch an seinem eignen Leibe tragen solte / nichts wüste. Pharasmanes blieb darauff feste beruhen / und drang darauff / daß er sich an solchem Orte entblössen solte. Als dieses erfolgte / wieß er zu aller Anwesenden höchster Verwunderung auff Ariobarzanens Schulter eben so rothe und in gleicher Ordnung stehende Stern-Mahle / wie sie die Caßiopea am Himmel / und Polemon auff dem Arme hatte. Dieses unwidersprechliche Kennzeichen erweichte die Hertzen beyder Könige / daß sie mit tausend Thränen einander umhalseten / insonderheit aber Ariobarzanes fußfällig seine Beleidigung dem Vater und den [293] Göttern abbat. Die Fürstin Thußnelda fiel Saloninen in die Rede: diese Geschichte ist gewiß seltzam und denckwürdig / aber noch mehr wunderns-werth düncken mich die erzehlten Stern-Mahle zu seyn. Wiewohl ich weiß / daß Käyser Augustus so / wie etliche seiner Vorfahren / den gestirnten Bär auff der Brust habe / und ich erinnere mich / daß in Sarmatien ein Geschlechte sey / in welchem alle eine Bären-Tatze mit aus Mutterleibe bringen. Salonine begegnete ihr: die beständige Fortpflantzung einerley Zeichens rührte Zweiffelsfrey aus keinem andern Ursprunge / als woher die so gemeine Aehnligkeit der Eltern und Kinder käme. Sie hätte aber einst von einem Chaldeer gehöret: Daß ieder Mensch desselbigen Gestirns Merckmahle an sich trüge / was bey seiner Geburt gleich auffginge; die Unachtsamkeit aber der Leute liesse es aus der acht solche wahrzunehmen. Erato wolte nach so langem Zuhören endlich auch einmahl ihre Zunge lösen / und fing an: Die Natur spielte in Muscheln /welche an Vielheit der Farben und künstlicher Vermischung die Gemählde des Apelles wegstechen; an Steinen / darinnen man nicht nur gantze Landschafften / sondern auch völlige Geschichte sehe; an Pflantzen / welche Schaafe und andere Thiere / ja Menschen männ- und weiblichen Geschlechts abbildeten; im Gesäme / im Gewürme so wunderlich; also wäre sich so sehr nicht zu verwundern / daß in der kleinen Welt-Karte der gantzen Natur dem Menschen man so seltzame Bildungen antreffe. Sie hätte sich iederzeit noch mehr verwundert über etlichen einem und dem andern Geschlechte angestammten Würckungen; als daß die Ophiogenes im Hellespont die Schlangenbisse mit blosser Anrührung der Hand / die Psyllen in Africa mit dem Speichel geheilet / daß die Einwohner der Stadt Tentyra in Egypten eine angebohrne Gewalt die Crocodile zu zähmen haben; daß Exagonus zu Rom /als er in ein gantz Faß voll Schlangen geworffen /ihnen alle Krafft zu schaden geno en; daß der Epirotische König Pyrrhus mit seiner grossen Zähe durch blosses Anrühren alle Schwäre des Mundes / und die Könige in Gallien biß auff des Induciomarus Söhne mit dem Finger alle Kröpffe vertrieben. Salonine lächelte / und sagte: Ich würde durch die Ausführung dieser seltzamen Würckungen / welche fast in allen Welt-Geschöpffen zu finden sind / verhindert werden / den Faden meiner Erzehlung abzuschneiden; also muß ich mit ihrer gnädigen Erlaubniß vollends nicht zurück lassẽ: daß der unglückselige Polemon zwischen den Umarmungen und Küssen seines Sohnes den Geist ausbließ / das Pontische Kriegs-Heer aber Ariobarzanen unter dem Namen des zweyten Polemon für ihr Haupt / und also die Uberwinder ihren Gefangenen für ihren König erklärten. Hingegen trug Artafernes / als er sahe / daß das weibliche Geschlechte der Erato schwerlich länger verschwiegen bleiben konte / den Armeniern für: Sie hätten die Heldenthaten ihres Artaxias numehr gesehen / von welchem er aber nicht verhalten könte / daß nach dem Verlust des warhafften Fürsten Artaxias ihr König seine Tochter Erato für seinen Sohn aufferzogen habe. Alleine die Klugheit und Tapfferkeit / die zwey Grund-Seulen der Königreiche / wären so wohl ein als anderm Geschlechte gemein. Das Frauenzimmer habe das Hertz eben da / wo es die Männer hätten / und dieser ihres wäre von keinem bessern Zeuge als jener. Ihre weichen Hände wären nicht nur für Seide und Wolle gewiedmet / sondern auch zu den Schwerdtern und Lantzen geschickt. Ja man spürte die absondere Schickung des göttlichen Verhängnißes / daß wenn dieses ein zu Grunde sinckendes Reich wieder auffrichten wolle / selbtes weder die Armen der Riesen /noch die Köpffe der Staatsklugen / sondern zu Demüthigung der Sieger / zu Erholung der Uberwundenen / zu Wiederbringung der Freyheit / und[294] Ergäntzung des Schiffbruchs schwache Weiber und zarte Mädgen erkiese. Zwar hätte die Fürstin Erato alle Tugenden der Männer / und keine Schwachheiten des weiblichen Geschlechts an sich / also / daß sie länger als Semiramis ihr Geschlechte würde verborgen halten können; aber ihre Redligkeit vertrüge keine Larve / ihre Vollko enheit dörffte keinen falschen Schein / und sie wüste / daß wie die zum Schein angenommenen Tugenden schädlicher / als die öffentlichen Laster / also auch die Verstellungen seines Geschlechtes Kennzeichen eigenen Mißtrauens und verdächtige Bländungen der Arglist wären. Mit diesem nachdrücklichen Einhalt brachte es Artafernes bey denen ohne dis geneigten Armeniern unschwer dahin /daß sie die unvergleichliche Erato für eine rechtmäßige Stuel-Erbin ihres Vaters Artaxias / und für eine Königin Armeniens erklärten / ihr auch auf der Wahlstatt / als der Schau-Bühne ihrer Wunderwercke die Krone auffsetzten. Massen denn Ariobarzanes / oder nunmehr Polemon solche ihr als ein rechtmäßiges Erbtheil eigenbeweglich abtrat. Nachdem zumahl die Götter ihm so unverhofft die Pontischen Königreiche zugeworffen hatten. Wiewohl kurtz hierauff die Meden / nachdem sie vernahmen / daß Ariobarzanes nicht des Artavasdes Enckel / sondern ein Fremder wäre / und ein Geschrey auskam / daß er auff dem Rückwege nach Sinope bey Durchschwemmung eines Flusses ertruncken wäre / sich seiner Herrschafft entschütteten / und aus blosser Begierde der Neuigkeit sich lieber einem Römischen Landvogte zum Sclaven machen / als eines tugendhafften Königs Unterthanen bleiben wolten. Hingegen ward die Königin Erato zu Artaxata mit unbeschreiblichem Frohlocken des Volckes angenommen. Als Salonine über dieser Erzehlung ein wenig Athem holete / fing die Fürstin Ismene an: Wenn ich am Ariobarzanes die unvermeidliche Entleibung seines Vaters Polemon / am Polemon die vergebliche Vorsorge diß zu vermeiden / was ihm so vielmahl war geweissaget worden; an der Fürstin Erato die ihr fast nie geträumte Erhöhung bey mir erwege / werde ich gleichsam wider Willen zu glauben gezwungen / daß der Mensch nicht seines Glücks Schmied sey / noch daß sein Begiñen und desselbten Ausschläge ihren Hang von seinem freyen Willen /sondern dieser einen unveränderlichen Zwang / und alle Begebenheiten ihre Bewegung und Gewichte von dem Verhängnisse habe. Denn ich glaube nicht / daß iemand unter uns noch so vorsichtig / als Polemon ihm seinen Sohn vom Leibe gehalten; daß iemand unbarmhertziger / als Dynamis gegen ihr Kind gewest; daß einige unter uns die ohne Meldung der Ursache geschehene Verweigerung seiner Braut unempfindlicher / als Ariobarzanes / auffgenommen / oder sich zu einem Vergleiche friedlicher geschickt hätte / als das Verhängniß die Schlange schickte die geschlossene Eintracht zu zerbeissen. Welch Beyspiel aber nicht nur alleine diese Meinung beglaubiget / sondern sie sind unzehlbar; also musten die doch so vorsichtigen Dorienser wider Willen den Codrus umbringen / und der sich doch für diesem ihm wahrgesagten Laster nach Rhodis flüchtende Althaemenes seinen ihm nachkommenden Vater den König in Creta tödten. Salonine antwortete: Manche Zufälle haben freylich wohl den Schein / als wenn sie von einer Nothwendigkeit des Verhängnisses herrührten / in dem die darwider angewehrten klügsten Anstalten nichts fruchten / die allermeisten aber zeigten schier augenscheinlich / daß sie nur ungefehr geschehen / daß Gott / welcher insgemein als die erste Ursache aller andern das Verhängniß selbst wäre / sich um die irrdischen Dinge zu bekümmern ihm allzu verkleinerlich hielte / indem sonst die Boßhafften nicht Schoos-Kinder / die Frommen aber Verwürfflinge des blinden [295] Glücks seyn würden. Ja wenn auch unsere Vernunfft einige Botmäßigkeit über unser Thun hätte / würden die Albern nicht über dem gewünschten Ausschlage ihrer tummen Anschläge frolocken / die Weisen aber die klügsten Entschlüssungen zu Wasser werden sehen. Als ich nach so vielen der Königin Erato und mir begegneten Glücks-Wechseln unvermeidlich mit dem weisen Epicur die Versehung des Verhängnisses für nichts anders / als für Träume der Wachenden / und einen elenden Trost krancker Gemüther / ich mag nicht sagen /für abergläubige Mährlein alter Weiber zu halten gezwungen werde. Die Königin Erato fiel Saloninen selbst in die Rede / sie fragende: Was für ein Unstern ihre hohe Vernunfft in einen so verdammlichen Irrthum verfallen liesse / welchem sie in ihren heilsamen Lehren mehrmahls selbst widersprochen? Ob sie sich nicht auff die nachdencklichen Trost-Reden besinnete / mit welchen sie die Ohnmacht ihres bestürtzten Gemüthes auffgerichtet? Ob sie die Bewegung der Sterne / den Lauff der Sonne / das Wachsthum der Früchte /und die einträchtige Ubereinstimmung der Natur für nur ungefähr nicht aber vielmehr in so richtiger Ordnung geschehende Dinge erkennete? Salonine versetzte: Die Erfahrung machte einen immer klüger / mit den Jahren und dem Himmel änderte man die Gedancken / und die letzten Meinungen wären ins gemein die besten. Auch wäre unverneinlich / daß in dem Lauffe der Natur alles in der Ordnung seinen Fortgang behielte / wie der Schöpffer der Welt solche Anfangs in ihr grosses Uhrwerck eingepflantzt. Es hinge alles wie die Ringe oder die Glieder in einer Kette aneinander / und hätte es dieser allerweisseste Werckmeister derogestalt befestiget / daß kein Drat zerreissen / und kein Glied zerbrechen könte. Viel anders verhielte sichs aber mit des Menschen Gemüthe und Willen / welchem das Verhängniß seine Freyheit gelassen / und die Willkühr zu seinem Führer gemacht hätte / wie der Steuermann in einem Schiffe wäre. Wie nun diese allzu blind wäre allezeit den rechten Weg zu erkiesen / und daher so viel Anstalten in Brunn fielen; also wären sie so wetterwendisch / und deßwegen alle künfftige Dinge so ungewiß / daß Carneades gemeint / Apollo hätte von selbtem / ausser in denen vom Lauffe der Natur eintzig herrührenden Begebenheiten / keine Wissenschafft. Dannenhero Tiresias aus den Eingeweiden denen von der Pest vergehenden Thebanern nicht zu wahrsagen wuste / wer der Todschläger des Lajus wäre; also / daß bey solcher Unwissenheit der Wahrsagergeist / des Lajus Geist durch Zauberey aus der Hölle beruffen werden muste. Aus welchem Grund nicht wenig Weisen so gar dem Jupiter der künfftigen Dinge Wissenschafft abgesprochen hätten; sintemal diese gleichsam des Menschen freyem Willen einen Kapzaum anlegen / oder selbten vielmehr gar auffheben würde. Denn was Gott gewiß vorsehe / müste unveränderlich; also / daß selbte nicht dem veränderlichen Willen des Menschen unterworffen seyn / und könte er nicht / diß nicht thun /was er schon vorher gewiß wüste / daß es geschehen würde. Ismene brach Saloninen hier abermahls ein: Ihre eigene Geschichts-Erzehlung überwiese sie durch die dem Polemon begegnete Wahrsagungen / daß Gott alles künfftige / was gleich nicht von der Ordnung der Natur herkäme / sondern insgemein dem Glücke zugeschrieben würde / eigentlich wüste / und daher würde der Mensch freylich durch solche unveränderliche Vorsehung gezwungen eines oder das ander zu thun / wäre also die Tugend mehr eine Gabe / die Boßheit eine Straffe des Verhängnisses / als ein Werck unsers freyen Willens. Ja das Verhängniß binde so gar die Götter / und hätte Jupiter selbst seinen Sohn Sarpedon aus den Händen des Patroclus /und den Banden des [296] Todes durch viel Bemühung zu erretten nicht vermocht; als welcher selbst an das Spinnwerck der Parcen nichts anders / als ein Sclave an die Fässel angebunden / und dem Verhängnüsse /welches er einmal als ein Gesetze dem Himmel für geschrieben hätte / allezeit zu folgen schuldig / und also einer Nothwendigkeit unterworffen wäre. Zumal Unwissenheit / und Veränderungen des Willens einer Gottheit unanständige Schwachheiten wären. Dieses wäre der älteste Glaube in der Welt; und daher finde man niemals in denen vermerckten Versammlungen der Götter / die blinde und unbeständige Göttin des Glückes / welche mit dem Verhängnüsse nicht bestehen könte / sondern nur ein Gespenste irrdischer Gedancken wäre. Die aber / die sie endlich zu einer Tochter des Jupiters machten / hätten damit nichts anders angedeutet; als daß die vom Verhängnüsse geschlossene Nothwendigkeit in den Augen der unwissenden Menschen ein Zufall des Glückes schiene zu seyn. Dahero der kluge und tapffere Timotheus seine grosse Thaten durchaus nicht für ein Geschencke des Glückes / noch diß für eine Gottheit erkennen wolte; Sondern / als seine Neider ihn als einen Schlaffenden abmahlten / bey welchem das Glücke Wache hielte /in einem Netze allerhand Festungen an sich züge /und ihren Fang in des Timotheus Schoß ausschüttete /begegnete er ihnen mit dieser scharffsinnigen Antwort: Hätte er diß schlaffende ausgerichtet / was würde er allererst ausüben / wenn er wachen würde? Salonine warf ein: Der viel grössere Timoleon / der das sich erschütternde Sicilien auf festen Fuß gesetzt /und das feste Carthago erschüttert / hätte alle seine Siege dem Glücke gedanckt. Die Römer hätten sie für ihre erstgebohrne Gottheit verehret / ihr die meisten Priester und Heiligthümer gewiedmet / ihr grössere Kräffte als der Tugend zugeeignet / und sie für die oberste Uhrheberin des Römischen Reichs erkennet. Zu Smyrna hätte sie ihr eine Himmels-Kugel auf dem Haupte tragendes / und ein Horn des Uberflusses haltendes Bild in einem herrlichen Tempel anbeten sehen; welches die Priester selbst dahin ausgedeutet hätten / daß sie alles beherrschte und fruchtbar machte. Die Königin Erato hielt sich numehr auch genöthigt ihr Wort dazu zu geben / und fing an: Es ist unglaublich / daß Timoleon / die Römer / oder einige Weltweise iemahls unter dem Nahmen des Glückes diß / was der Pösel daraus macht / verstanden habe. Denn dieser nennet alles diß / was ungewiß ist / das Glücke; bildet ihm auch ein / alles diß sey Ungewißheit / was das Verhängnüß entweder für menschlichen Augen verbirgt / oder ihr blödes Gesichte nicht erkiesen kan. Da hingegen alle Klugen / welche iemahls das Glücke als was göttliches angebetete gegläubt haben: daß eben diß / was auf der Erde das Glücke heist / im Himmel das Verhängnüß oder die göttliche Versehung genennt werde. Hätte der angezogene Timoleon alles sein Beginnen blinden Zufällen zugeeignet / würde er schwerlich eines Priesters Traum sich haben bewegen lassen / auf einem absondern Schiffe die Ceres und Proserpina in seinem Kriegs-Zuge nach Sicilien zu führen. Er würde selbst nach Delphis nicht gereiset seyn / und dem Apollo seine Andacht aufgeopffert / weniger würde ihn daselbst im Tempel zu einem Glücks-Zeichen eine Opfer-Binde von den aufgehenckten Geschencken sein Haupt umschlinget /und er gleichsam von der verehrten Gottheit einen Sieges-Krantz zu vorher überkommen haben. Die Römer hätten aus keinem andern Absehen dem Glücke als einer erstgebohrnen / ferner als einer starcken /als einer vielbrüstigen / und als einer himmlischen Göttin so viel Tempel gebaut; als in dem ersten die ewige / in dem andern die allmächtige / in dem dritten die milde Gottheit der Versehung / in dem letzten aber ihren Uhrsprung abzubilden; als welche von den meisten Menschen alleine [297] angeruffen / und über alle andere Götter gesetzt würde / welche in allen Dingen das Kraut alleine machte. Dahingegen alle Kluge das Glücke des Pöfels / welcher selbtes sobald wieder lästert / und ihm seine eigene Fehler aufhalset / als anbetet / für ein blosses Unding verworffen / weniger selbtem geopffert haben. Und erinnere ich mich eines Gemähldes dreyer so genennten Närrinnen / darinnen die Weißheit die erstere / nehmlich die Verläugnerin der Götter ins Tollhauß an eine Kette / die andere /nemlich die weissagende Sternseherin in eine Klause zum Gebrauche der Niesewurtz / die dritte / nehmlich das gantz entblöste Glücke ins Zucht-Hauß zur Ruthe verdammte. Die Fürstin Thusnelde meinte aus Begierde die unterbrochene Geschichts-Erzehlung von der Königin Erato vollends zu vernehmen; dem erwachsenen Stritte einen rechtmäßigen Ausschlag zu geben /sagte also: Siewäre dißfalls der Königin Meinung /daß kein ander Glücke / als die göttliche Versehung den Nahmen einer Gottheit / diese aber keine Lästerung verdiene / sondern in ihren Wercken lauter Gewißheit und Gerechtigkeit stecke; ob sie schon niemand mit feinem Verstande zu erreichen vermöchte. In dem Haupt-Stritte aber däuchtete sie / daß so wol ein als das an der Theil den Bogen seiner Meinung zu hoch spannte. Denn das göttliche Verhängnüß wäre zwar der erste Bewegungs-Grund aller Dinge; Gott sehe all unser Thun unveränderlich vorher / und hätte es gesehen / als die Natur sein Kind / und nichts zu etwas worden wäre. Alleine dieses alles hätte keinen Zwang in sich / und bürdete dem Menschen keine Nothwendigkeit diß gute / oder jenes böse zu thun auf; sondern es behielte unser Wille seine vollkommene Freyheit. Denn Gott hätte nur deßhalben unser Glück und Unglück so gewiß vorher gesehen; weil ihm zugleich oder vorher schon unter seine Augen geleuchtet hat / was wir von der Geburt biß in den Todt böses oder gutes entschlüssen würden. Unsere heutige / oder die von der Nachwelt Gott bestimmte Andacht wäre ihm so wenig neu / als diß / was uns oder den Nachkommen begegnen soll. Jene siehet das Verhängnüß als die Ursache / dieses als die verdiente Würckung vorher. Daher es die gröste Unvernunfft wäre / wenn die ruchlose Verzweiffelung es für einerley halten wolte: ob man boßhafft oder tugendhafft sey? Und wenn sie ihr Thun einem geträumten Nothzwange des Himmels unterwirft. Sehen nicht die Sternseher auf tausend Jahr die Sonnen- und Monden-Finsternüsse / und zwar unveränderlich vorher? Gleichwol aber haben sie nichts weniger / als einen Zwang über die Gestirne. Wir sehen von denen Leuchte-Thürmen den Schiffbruch eines auff Stein-Felsen vom Ungewitter getriebenen Schiffes für Augen. Wer wolte aber diesen insgemein mitleidenden Zuschauern den Zwang solchen Unglücks beymessen? Diesem nach der weise Zeno dem Diebe /welcher mit der Versehung sein Laster zu entschuldigen vermeint / vernünfftig geantwortet: Daß er auch zu der Straffe versehen wäre. Dieses ist meine einfältige Meinung / iedoch eine vielleicht desto unschuldigere. Sintemahl allzu verschmitzte Außlegungen in so tieffsinnigen Dingen selbte mehr verfinstern / als erklären; und wo Fragen von Gott mit einlauffen / eine fromme Einfalt mehr Ruhmes verdienet / als ein scharfsinniger Vorwitz.

Jederman ward hierdurch derogestalt bestillet / daß weder Ismene noch Salonine dieser klugen Fürstin einigen Gegensatz zu thun rathsam hielt; sondern diese kam wieder auf ihre Armenische Königin / und erzehlte / wie sie ihre Herrschafft auff die Pfeiler der Gerechtigkeit und Güte gegründet / hierdurch aber den Ruhm erworben hätte: Das Armenische Reich wäre unter ihr so wohl / als vorher niemahls befestiget werden; ja es hätte nach so langer Unruh allererst[298] Erato das sich stets umbweltzende Rad des Glückes zum Stande gebracht. Aber / rief sie / ach! daß die Tugend und Glückseligkeit nicht einerley Geburts-Stern haben! daß Hoheit und Bestand so gar abgesagte Feinde sind! daß die Kronen auswärts einen so herrlichen Glantz / in sich aber so viel Stacheln einer unerträglichen Schwerde haben! Erato seuffzete hierzu / und fing an: Ja leider / ich habe es in kurtzer Zeit erfahren / daß die Unvernunfft nach Zeptern strebe /die man wegwerffen solte; daß der Pöfel die anbete /welche er zu beweinen hätte; daß die Thorheit nur die Glückseligkeit in Gestalt einer gekrönten Königin abmahle. Der Neid zehlet alle Körner Weyrauch / die die Unterthanen ihrer Herrschafft anzünden / die Mißgunst verwandelt kein Auge von den Opffern / die man den gekrönten Häuptern schlachtet; aber die Räder ihrer Unruh / die Nägel ihrer Sorgen / die Thränen / welche ihre Larve / die Wunden / die ihr Purpur verdeckt / und die Fallbreter ihres Untergangs übersiehet sie. Ich / ich habe leider allererst erfahren / daß Kron und Zepter nichts als ein Werckzeug der Gauckeley / und der Purper nur zum euserlichen Ansehn /und blöde Augen zu betrügen so gläntzicht sey; daß in diesem Schauspiele es / wie in den andern / der Zuschauer besser habe / als der einen Beherrscher der Welt auf der Schaubühne fürstellet. Thusnelde / theils Saloninen wieder zu der Geschichte zubringen / theils die Königin Erato von ihrer Empfindligkeit abzuziehen / zohe die Achseln ein / und sagte: Wir alle / die wir auf die Staffeln der Ehre treten / müssen uns keine Zufälle seltzam fürkommen lassen / sondern aus denselben / wie ein Kriegsmann aus vielen Wunden / und ein Schiffer aus öffteren Stürmen unsern Ruhm ziehen. Der Fürsten-Stand ist so wenig als hohe Gebäue den Ungewittern unterworffen; Der Scharlach der Könige hat so wol als der Purper der Rosen seine Dornen / und hohe Häupter rinnen so wohl von Thränen / als Gebürge von Qvell-Wasser. Es giebt so wohl Krancke in Pallästen / als in Siechhäusern; beyde aber sind in viel besserm Zustande / als die glückseligsten Missethäter. Diesem nach müssen wir mit unser Gedult uns unsere Bitterkeiten versüssen; und durch unsere Hertzhafftigkeit den schwachen ein Licht aufstecken. Denn in Warheit die Tugend hat nichts minder auf dem Throne mehr / denn in einem Fasse des Diogenes Gelegenheit durch ihr Beyspiel andern fürzuleuchten /als ein hoher Pharos irrenden den Weg zu weisen. Ja /fing Erato mit ein weniger Bewegung an: Es lassen sich alle Betrübnüsse vergessen / alle Unglücks-Pillen verschlingen; aber die Verläumdungen / da man uns Laster antichtet / da man uns der Welt als Ungeheuer fürbildet / können auch die großmüthigsten nicht verkäuen. Thusnelde antwortete: Ein gutes Gewissen ist auch diese / so wohl als Strausse das Eisen / zu verdäuen mächtig. Weder Krone noch Tugend hat einen Schirm-Brief wider die Lästerung. Die Hunde bellen den reinen Monden an / und die Grillen schwirren wider den Himmel. Man hat den schönsten Gestirnen Nahmen und Gestalten wilder Thiere zugeeignet; ja es ist fast kein Stern / dem man nicht einen Fehler / oder eine schlimme Würckung beymist. Gleichwol aber üben sie keine Rache; die Sonne scheinet so wohl über die Mohren / die sie verfluchen; als über die Persen / die sie anbeten / und die Gestirne erleuchten die Erde / die sie mit ihren aufsteigenden Dünsten verfinstert. Jedoch will ich ihre Beschwerde keines Unrechts beschuldigen / biß Salonine den Fürhang von dieser Trauer-Bühne werde weggezogen haben. Diese richtete sich wieder in ihre Erzehlung ein / und meldete: Die erste Herrschung der Erato hatte / ausser dem /daß sie des Fürsten Zeno / ja dieser eines Königlichen Vaters und dreyer Kronen durch Erkäntnüß des Ariobarzanes beraubet war / einen heuteren Himmel; [299] ihre erste Zeit war ein rechter Frühling voller Blumen ohne Stacheln und Bitterkeit. Aber es zohen bald trübe Wolcken auf / und die Wärmuth fand sich unter die süssen Gewächse. Höret aber / wie die Spinnen aus dem gesunden Saffte der Rosen so ein schlimmes Gifft saugen können! Der Bruder-Mörder / der wollüstige Artabazes hatte bey seiner Herrschaft den verdammten Gottesdienst der Anaitis / oder vielmehr den schändlichen Greuel wieder eingeführt / welchen der grosse Tigranes in gantz Armenien abgeschafft / da die edelsten Armenier ihre schönsten Töchter in der Anaitis Tempel / und in die dabey zu aller Uppigkeit angerichteten warmen Bäder gestellen musten; welche daselbst Finger-nackt hunderterley geile Stellugen machten / die unzüchtigsten Spiele von der Ehebrecherischen Venus und dem schändlichen Priapus fürstellten / ja ihre Keuschheit und Jungfrauschafften iedem geilen Frembdlinge gleich als ein den Göttern gefälliges und zu ihrer desto bessern Verheyrathung dienendes Opfer zu liefern schuldig waren. Die tugendhaffte Erato konte dieses abscheuliche Beginnen bey ihrer Jungfräulichen Herrschafft weder als eine lasterhaffte Gewonheit / noch weniger aber als einen Gottesdienst verhängen. Dahero schalt sie dieses Beginnen in offentlicher Reichs-Versammlung nicht nur als ein Aergernüß aller wolgesitteten Völcker / sondern auch als eine Abscheu unvernünfftiger Thiere; als welchen die Natur dieses versteckt hätte / was ihre Töchter allen Frembdlingen zu entblössen sich nicht schämeten. Alls Polyxena des Achilles Geiste hätte geopffert werden sollen / wäre sie das minste um ihr Leben / darmit aber am höchsten bekümmert gewest /daß bey ihrem Falle keines ihrer Glieder ärgerlich zu liegen kommen möchte. Käyser Julius hätte bey seiner Ermordung ihm deßhalben mit der lincken Hand seinen Rock unter die Knie gehalten. Denen Milesischen Jungfrauen hätte man ihren angemasten Selbst-Mord durch keine andere Bedräuung / als daß sie finger-nackt zu offentlicher Schaue gelegt werden solten /abgewöhnen können. Denen Armeniern aber solte die Feilbietung ihrer geheimsten Glieder nicht nur anständig / sondern so gar eine Andacht / und ein in die Heiligthümer gehöriges Gewerbe seyn; da doch zu Rom in dem Tempel der Cybele für den Kindern so gar die Gemählde der männlichen Thiere verdeckt würden /und des Lycurgus Gesetze die jungen Leute zu Sparta gezwungen hätte / ihre Hände auf den Strassen unter den Mänteln zu behalten. Auf den Spielen der Flora zu Rom hätten nur die gemeinen Huren sich entblösset; gleichwol hätten sie sich geschämet in Anwesenheit des Cato nackt zu seyn. In Armenien aber wäre diese unverschämte Unvernunfft ein Vorrecht des Adelichen Frauenzimmers / und sie hielten es für einen Ruhm in dem Angesichte ihrer Fürsten desto geiler sich zu gebehrden; Da doch anderer Völcker Pöfel ein unverschämtes Weib für eine ungesaltzene Speise hielte. In Indien wüchse eine so empfindliche Pflantze / daß sie bey Näherung eines Mannes ihre Blätter zuschlüsse / und gleichsam ihre innere Beschaffenheit sehen zu lassen sich schämete. Ihre Jungfrauen aber entblösten auch Knechten ihre Brüste und Geburts-Glieder / welche Xenocrates an sich selbst zu berühren / und andere schamhaffte Leute nur zu sehen Scheue getragen hätten. Wie viel schändlicher aber wäre ihre Jungfrauschafften denen geilesten Hengsten aufopffern; welche zu Thebe eine Jungfrau nicht für die Macedonische Krone dem Nicanor vertauschen /sieben Milesische auch lieber ihr Leben / als diß ihr Kleinod verlieren wollen. Nicht nur die Götter / welche theils ein sonderbares Gefallen an denen ihnen zugewiedmeten Jungfrauschafften trügen / theils auch selbige selbst ewig gelobt hätten; sondern auch die wildesten Thiere entsetzten sich für so unkeuschen Bälgen. Der in Griechenland [300] zahm-umbirrende Bär hätte nie keinen Menschen / als das ihn wollüstig-betastende Mägdlein beleidiget und zerrissen; die Göttin Diana aber deßhalben die Einwohner gezwungen ihr jährlich eine gewisse Anzahl Jungfrauen zu wiedmen. In den Africanischen Jungfrau-Spielen dörfte keine unreine Jungfrau sich einmischen / sondern die Minerva schickte es / daß alle Versehrten durch einen Steinwurff getödtet würden. Alle Völcker-Rechte erklärten die aus Irrthum mit ihnen geschlossenen Ehen für nichtig. Die Armenischen Töchter aber meinten durch ihre Unkeuschheit sich bey der Anaitis einzulieben /und durch ihre Schande so viel bessere Heyrathen zu verdienen. Dieses wäre ein unausleschlicher Schandfleck des gantzen Volckes / eine Aergernüß aller Ausländer / ein ewiger Spott der Herrschafft / und eine Verhöhnung der Götter; also wolte sie entweder nicht Königin / oder dieses abscheuliche Beginnen müste abgestellt seyn. Sie ließ auch noch selbigen Tag die Lust-Bäder an dem Tempel / oder vielmehr die Hurenhäuser biß auf den Grund einreissen / und war diß ihr erstes Gesetze: daß der mit seiner Tochter derogleichen Uppigkeit fürzunehmen sich gelüsten lassen würde / solte seiner Ehre und Würden verlustig / die Töchter aber mit der Straffe der entweiheten Vestalischen Jungfrauen belegt seyn. Alle Tugendhaffte hoben diese heilsame Anstalt biß in Himmel / aber weil die Zahl der Boßhafften jene iederzeit übertrifft /machte sie sich bey den meisten verhast; Wiewohl die Tugend ein solches Ansehen hat / daß sich auch die lasterhafftigsten schämen müssen sie offentlich zu schmähen. Unterdessen wie es Schlangen giebt / die ihr Gifft auff nichts als das schönste Geblüme speyen / und Hunde / die den Monden nur / wenn er voll ist /anbellen / also lästerten ihrer viel heimlich die Königin in ihrem lobwürdigsten Fürnehmen / fürgebende: Fürsten solten ohne wichtige Ursachen / könten auch ohne Vermessenheit in denen zum Gottesdienste gehörigen Dingen nichts ändern. Diese Art wäre von uhralten Zeiten in Armenien eingeführet / von so viel klugen Königen in ihrem Werthe gelassen / von vielen Völckern / nehmlich den Lydiern / Vollsinern /einem grossen Theile Indiens / und in Africa in dem Tempel Siccuth Benoths angenommen und gebilligt worden. Am allerunnützesten aber machten sich die abgeschafften Anaitischen Priester / welche bey ihrem abscheulichen Gottesdienste sich nicht nur am sündlichsten befleckten / sondern noch mit ihrer und anderer Uppigkeit wucherten; in dem nicht nur die weltlichen Männer bey ihrem Eintritte / sondern auch die von ihnen selbst gebrauchten Jungfrauen ein gewisses für die Wollust zinsen musten. Diese liessen wider die so keusche Königin ein so unverschämtes Buch heraus / dessen Inhalt zu melden ich mich schwerlich überwinden könte; wenn diß nicht die wichtigste Ursache der Armenischen Unruh gewest wäre / und ich mich nicht bescheidete / daß keuschen Ohren alles keusch / und die Schamröthe / welche vielleicht so Erlauchter Fürstinnen Wangen färben dörffte / nur bey denen Lasterhafften eine Schande / bey denen Tugendhafften aber eine Zierde sey; Sie auch auß Entwerffung frembder Uppigkeit so wenig etwas böses /als die Bienen aus Napel Gifft saugen können. Wie nun Erato Saloninen einen Winck gab / fuhr sie fort diesen Inhalt der Schrifft kürtzlich zu entwerffen: Der Königin Erato angenommener Eifer wäre eine blosse Scheinheiligkeit. Die euserlichen Dinge des Gottesdienstes müsten nicht nach seinen euserlichen Schalen / sondern nach ihrer heiligen Bedeutung geurtheilt werden / sonst hätten die so klugen Egyptier längst ihre Zwibel und Katzen / die Syrer ihre Fische aus dem Tempel werffen müssen. Ein [301] unerfahrnes Weib könte ihr nicht mehr Klugheit / als so viel Weisen /und nicht mehr Heiligkeit / als gantze Völcker zumessen. Die Entblössung der Geburts-Glieder wäre mehr ungewöhnlich / als unverschämt; am wenigsten aber eine Abscheu der Natur / oder ein Verbrechen. Die ersten Menschen wären insgesamt nackt gewest / und das gröste Theil Indiens / ja fast gantz Africa gienge nicht anders. Die Blösse wäre das angenehmste Kleid der Unschuld / die Kleider aber grossen Theils Hüllen der Hoffarth. Die Geburts-Glieder wären bey nahe die vornehmsten / unter allen die nützlichsten / deßhalben aber nicht die häßlichsten; dahero sie etliche Weltweisen nebst dem Hertzen für nicht schlechte Theile /sondern für absondere Thiere zu halten / oder auch den Sitz der eigentlichen Lebens-Krafft eben so / wie in den Lampreten und Neun-Augen / dahin einzusperren vermeint hätten. Andere hätten ihnen einen sechsten Sinn zugeeignet / dessen kein ander Glied / eben so als wie die Zunge / nur des Geschmacks fähig wäre. Fürnehmlich aber hätte sich keines Volckes Andacht geschämet diese Glieder zu Sinnbildern ihres Gottesdienstes zu gebrauchen. Diese hätte dem männlichen unter dem Nahmen des Priapus eine Gottheit zugeeignet; Bacchus mit zwey solchen Bildern seine Stief-Mutter Juno beschencket. Sintemal hierdurch die würckende Zeugnüß-Krafft der göttlichen Versehung sinnreich angedeutet würde. In diesem Absehen trügen die Egyptischen Frauen auff dem von der Isis angestellten Feyer des Osyris Geburts-Glied offentlich herum / mahlten auch den Priapus so häßlich / als kein Esel von Natur gebildet wäre / um dadurch seine Fruchtbarkeit oder übermäßige Zeuguns-Krafft zu beehren / oder gar zu verewigen. Denen Egyptiern thäten es die Griechen nach / und in Italien würde ein grosses Bild dieses Gliedes dem Wein-Gotte zu Ehren um die Felder und durch die Städte auff einem zierlichen Wagen geführt. Zu Lavinium müste eine der keuschesten Frauen selbtem einen Krantz aufsetzen; welches / auser dieser zum Weinwachse dienenden Andacht / doch keine gemeine Hure / auff den Schauspielen in dem Gesichte des Frauenzimmers sich unterwinden dörfte. Zu Rom würde der Syrer Beel Phegor oder Priapus unter dem Nahmen des Mutinus Tetinus verehret / und ritten die verliebten Frauen und Jungfrauen für ihrer Hochzeit vorher auff seinem Gliede / gleich als wenn sie ihre Keuschheit vorher einem Gotte ablieferten. In andern Orten hingen die Frauen solche Bilder an den Hals / oder an die Lenden. Die Syrischen Weiber spielten mit selbtem / als wie mit denen durch verborgene Dräte tantzenden Tocken. Des Mercurius Bild / das nichts anders als ein Abriß der gantzen Natur wäre / würde allezeit mit stehender Ruthe gemahlet. Das weibliche Geburts-Glied wäre ebenfalls nichts minder der Brunnqvell der Nachkommen / als ein Sinnen-Bild / welches den Uhrsprung der empfangenden Fruchtbarkeit andeutete. Die Frauen der reinlichen Völcker versorgten wegen des erstern es mit den köstlichsten Balsamen. Die in Africa zierten es mit güldenen Ringen / und angehenckten Kleinodten. Wegen der andern Ursache würde es auff dem Thesmophorischen Feyer zu Syracuse verehret / und ein derogestalt gebildeter Kuchen oder Käse in Sicilien herumb getragen / verspeiset /aus einem solchen gläsernen Gliede getruncken; bey andern Völckern es in der Gestalt eines Dreyecks angebetet. Der Egyptische König Sesostris hätte bey denen weibischen von ihm bezwungenen Syriern das Weibliche / bey streitbaren Völckern das Männliche seinen Göttern zu Danckmahlen seiner Siege auff hohen Säulen [302] auffgethürmet. Die Egyptischen Weiber ihre Heimligkeit mit auffgehobenen Röcken dem neuen Apis viertzig Tage nach einander an statt eines Opffers gezeiget. Ja die Wahrsagungs-Krafft wäre durch diesen Eingang vom Apollo denen Sibyllen und andern weissagenden Weibern eingepflantzt worden. Wiewohl auch die Jungfrauen in dem Anaitischen Heiligthume ihre Leiber gemein machten / geschehe es doch nicht so wohl aus Begierde der Wollust / als der Göttin zu Ehren. Aus der End-Ursache aber müste die Güte eines Fürhabens geurtheilt werden. Weil nun derogestalt die Unschamhafftigkeit nichts minder zu einer Tugend / als das Gifft zu einer Artzney werden könte; so wäre Epimenides nicht zu schelten / daß er ihr zu Athen Altare und Opffer verordnet hätte. Aus gleichmäßiger Anleitung wäre sonder Zweiffel der Volsinier Gesetze herausgeflossen: daß Frauen und Wittiben ohne einige Busse beschlaffen werden möchten / kein Edler aber eine Jungfrau heyrathen dörffte / die nicht vorher ein Knecht der Jungfrauschafft beraubt hätte. Diesemnach wären der Armenischen Jungfrauen Sitten für keine unerhörte Neuigkeit zu halten / weniger ihr Gottesdienst als eine Verunehrung der Götter / sondern vielmehr die gleißnerische Königin von der Herrschafft zu verwerffen; als welche durch diesen heuchlerischen Anfang nur Gelegenheit suchte alle Grund-Gesetze der Armenier zu vertilgen.

Die Königin schätzte diese Gotteslästerung keiner Vertheidigung werth / als welche von dem Gesetze der Natur und dem Urthel aller wohlgesitteten Völcker für längst verdammt war; verfuhr aber gegen diese aufrührische Affter-Priester mit Schwerd und Feuer / ungeachtet ihr etliche einhielten: wie gefährlich es bey dem Pöfel wäre / solche der Einbildung nach heilige Leute gar aus der Wiege werffen. Denn sie anckerte ihr Vertrauen auf ihr gutes Gewissen /und die niemanden scheuende Gerechtigkeit. Alle Verläumbdungen verlachte sie; ihr festiglich einbildende: Daß wie das Gold im Wasser schwerer wiege /als sonst; also setzte der Schaum falscher Verläumbdung der Tugend mehr im Gewichte bey / als sie selbten benähme. Weil aber der Verläumbdung Gifft ärger als der Schlangen ist; und in den Augen des Volckes auch der reinsten Unschuld von ihren Kohlen etwas schwartzes anklebt; gab sie der Ruhmswürdigen Königin keinen geringen Stoß. Weil aber dieses einige Laster sie zu stürtzen noch zu ohnmächtig war /muste die Hölle noch ein anders / den Grundstein ihrer Vergnügung und der gemeinen Wohlfarth zu verrücken / dem erstern zu Hülffe ausrüsten.


Es war einer der vornehmsten Fürsten in Armenien Orismanes / ein Mann von treflichem Ansehn und grosser Tapfferkeit. Er hatte nicht allein Leibes-Gaben / mit denen er sich weisen / sondern auch Gemüths-Kräfften / dadurch er dem gemeinen Wesen dienen konte. Massen er denn in dem Aufstande wider den Ariobarzanes das seine rühmlich gethan hatte. Aber unter diesem Pflaster lag ein schädlicher Ehrgeitz / und eine hefftige Einbildung verhüllet. Erato merckte zwar etwas hiervon; denn seine ruhmräthige Zunge vergaß zuweilen / daß die Vollkommenheit in unserm Hertzen / das Lob auff frembden Lippen seine Zelt aufschlagen solte. Aber / weil sie entweder solche für Auffschwellungen seiner noch hitzigen Jugend /oder doch auch die mit Gebrechen vermengte Tugenden aller Ehren werth hielt / stand er bey ihr in grossen Gnaden / und ihre ohne diß angestammte Holdseeligkeit thät nach dem Artafernes [303] ihm mehr / als wohl andern zu Liebe. Diese reine Zuneigung der Königin bildete dem Orismanes seltzame Gesichter in sein Gehirne. Denn weil er sich selbst für längst in sich verliebt hatte / überredeten ihn seine süsse Träume unschwer / es müsten auch alle andere sich in ihn verlieben. Thusnelde brach lächelnde ein: Aller Menschen Selbst-Liebe ist Thorheit / aber der Männer ihre / weil sie sich nicht in euserliche Schönheit / wie die Weiber insgemein / sondern in die Gaben des Gemüthes verlieben / ist schimpflicher und unheilbar. Denn die Schwachheit nimmt den Ort ein / woraus die Artzney kommen solte. Ich habe etliche Narcissen gekennet / welche geglaubt / daß die tugendhaffteste und kaltsinnigste Frau sie das erste mahl nicht ohne Verliehrung ihrer Freyheit / das ander mahl nicht ohne Einbüssung ihrer Vernunft anschauen könne / ja daß das Frauenzimmer leichter den Hunds-Stern und den Sudwind / als ihre Gegenwart ohne Schaden vertragen könne. Salonine versetzte: In Warheit / Orismanes gehöret in dieser ihre Reye. Der Königin Höfligkeit nahm er für Liebreitz / ihre Wolthaten für einen Zinß ihrer überwundenen Keuschheit an. Die Königin hingegen urtheilte von ihm alle Tage weniger; weil die Selbst-Liebe eines Menschen Geringschätzigkeit am meisten verräthet / in dem sie wie der Agstein nichts als leichte Spreu an sich zeucht. Bey solchem Zustande hielten ein und andere Merckmahle / fürnehmlich aber der Königin Tugenden und Hoheit des Orismanes sich selbst übersteigende Gedancken / oder vielmehr derselben Auslassung gute Zeit zurücke. Endlich aber trieb ihn entweder der Vorwitz der Königin Gemüths-Meinung auszuspüren / oder seine übermäßige Begierde so weit: daß / als die Königin in ihrem Lust-Garten in eine Höle sich zu erfrischen abstieg /und sich nach der Landes-Gewohnheit auff die Achsel des Orismanes lehnete / er sich unterstund mit der Hand unter ihren Arm zu greiffen / umb dem Scheine nach ihr Absteigen zu versichern. Weil diß aber in Armenien niemanden als den Fürsten Königlichen Geblütes erlaubet / und der Numidischen Könige Art zu vergleichen ist / die keinen Menschen als ihre Bluts-Freunde einigen Kusses würdigen; machte ihm Erato ein sauer Gesichte / und fing an: Es kan ein Mensch sich mehr nicht verstellen / als wenn er weist / daß er ein Mensch sey. Ein kluger Mann ist für was mehr / einer aber / der seine Schwachheiten zeiget /für was weniger / als einen Menschen / zu halten. Hiermit wieß sie zugleich auff den in dem Eingange gemahlten Fall des Icarus / dem die Flügel zerschmeltzten / als er an die Sonne rühren wolte. Orismanes ward hierüber nicht wenig beschämet / entschuldigte aber seine Vermessenheit: Es wäre ihm vorkommen / als ob der Königin auff den glatten Marmel-Staffeln ein Fuß hätte entgleiten wollen. Erato beruhigte sich darmit / und ließ seine Kühnheit für einen Irrthumb dißmahl hingehen; setzte aber bey: Der ist kein Thore / der Thorheiten begeht / sondern der die begangenen nicht verdecket. Man versiegelt gemeine Brieffe / wie viel mehr soll man es mit den Gebrechen des Gemüths machen. Alle Menschen thun Fehltritte / aber mit dem Unterschiede: Daß die klugen ihre begangenen Irrthümer verblümen / die albern aber auch die Fehler verrathen / die sie thun wollen. Kurtz hernach brauchte sie ihn noch zu einem Gesandten an Antiopen die Königin in Albanien / welche des Orismanes Hochmuth wahrnahm / und daher einst unter andern Gesprächen an einem Fenster ihm den auff einem Thurme aufgesteckten Kopff ihres gewesenen grösten und liebsten Rathes Trebosserex zeigte und beysetzte: Sehet Orismanes / [304] also müssen der Königinnen hochmüthige Schooß-Kinder erhöhet werden. Denn die Köpffe / welche im Leben mit eitel Winde schwanger gegangen / können nirgends als in der Lufft ihr Begräbniß haben. Orismanes antwortete: Es ist besser also sterben / als derogestalt leben / daß man hundert Jahr nach seinem Tode von uns nichts zu sagen wüste.


Wie Orismanes mit guter Verrichtung zurück nach Artaxata kam / kriegte er von der Königin / wie anfangs / ein holdes Auge / welches deñ seine anfängliche Einbildung in ihm wieder verneuerte. Kurtz hierauff kam vom Pontischen Könige / (der nunmehr den irrigen Nahmen Ariobarzanes abgelegt / und den Nahmen Polemon angenommen hatte /) eine prächtige Botschafft an / durch welche er um die Königin Erato warb. Seine Mutter die Königin Dynamis schrieb selbst eigenhändig an sie / und erinnerte sie schertzhafft ihres Versprechens / daß sie ihr ihren Sohn zu lieben versprochen hätte / welches nicht die eingebildete Arsinoe / sondern der damahls genennte Ariobarzanes wäre. Niemand in Armenien war / der nicht festiglich glaubte / daß Erato dieses mächtigen Königs Heyrath mit beyden Händen ergreiffen würde; Orismanen aber bekümmerte es derogestalt / daß er hätte mögen von Sinnen kommen. Aber in der Erato Hertze war das Bild und Gedächtniß deß Fürsten Zeno derogestalt eingepregt / daß es weder seine Abwesenheit /noch sein Fall aus der Kindschafft des grossen Polemon vertilgen / und ein anders anzunehmen fähig war. Also gab sie der Botschafft mit gantz Armeniens Verwunderung abschlägliche Antwort; wiewohl sie ihr Nein mit ungemeinen Lobsprüchen Polemons / mit kostbarer Beschenckung der Gesandten / mit scheinbaren Entschuldigungen so vergüldete / daß die Botschafft gleichwohl vergnügt wegzoh / und Polemon statt der Liebe sich mit der Königin Höffligkeit vergnügen muste. Diese Abfertigung bließ den Orismanes dergestalt auff / daß / nachdem er ihm keine Ursache ausdencken konte / warum Erato den Polemon verschmähet hätte / ihm träumen ließ / der Königin Kaltsinnigkeit gegen den Polemon rühre von den Flammen einer ihr von ihm eingedrückten Liebe. Und ob er sich wohl seines ersten übel angebrachten Vorwitzes erinnerte / ließ er ihm doch träumen / daß Erato so viel veränderliche Gesichter als der Monde hätte / und sie ihn nun mit vollem Lichte anlachete. Diesem nach erkünhte er sich kurtz darauff nach Herausstreichung seiner Ankunfft und seiner Verdienste der Königin von Hefftigkeit seiner Liebe / und wie ihre Heyrath dem Reiche so vorträglich seyn würde /Erwehnung zu thun. Erato erblassete für Zorn über der Vermessenheit dieses hochmüthigen Dieners. Denn / nach dem die Liebe zwischen denen Liebenden eine Gleichheit machet / nahm sie des Orismanes Thun für eine Kühnheit auff / welche den Knecht gegen seine Frau auff die Wagschale legte / oder einen Zwerg gegen einen Riesen mit einerley Meß-Stabe abzumessen gedächte. Weil er nun in ihren Gedancken so weit unter ihr stand / nahm sie sein Beginnen nicht so wohl für einen verwegenen Flug einer Nacht-Eule gegen dem Sonnen-Lichte / als für eine Erniedrigung ihrer selbst auff / und daher würdigte sie sein ander Laster nicht mehr wie das erstemahl mit ihrem Munde zu bestraffen. Ihr blosser Anblick aber war schon ein Donnerschlag in seinem Hertzen. Wie sie ihm aber den Rücken kehrte / fing sie an: Gehe /laß dich meine Augen nicht mehr sehen / wo sie dir nicht sollen tödtlich seyn. Orismanes erkannte allererst nach begangenem Laster seine Grösse / zohe also bestürtzt aus Artaxata auff seine Land-Güter; iedoch entdeckte er keinem Menschen seinen Fall / wohlwissende / daß die Königin schwerlich seine Vermessenheit iemanden [305] vertrauen würde. Denn die Laster /welche zu des Beleidigten Verkleinerung zielen / werden auch von denen gerne verschwiegen / welche gleich Ursache solche zu rächen hätten. Weil nun eine ungewohnte Einsamkeit einen mittelmäßigen Geist einschläffet / einen feurigen aber mehr anzündet /würckte die Entbrechung des Hofes beym Orismanes Ungedult / diese eine gifftige Rachgier. Seine Ehrsucht hielt ihm ein / daß Fürsten angefangene Laster nicht geringer schätzten / als die vollbrachten / und daß diese nur mit Gefahr angesponnen / mit Belohnung aber vollbracht würden. Zugeschweigen / daß er nichts für thulicher hielt / als mit seiner Herrschafft anzubinden; weil auch das Unterliegen denen Besiegten zum minsten einen Nahmen macht / und also vortheilhafftig ist / wenn sie von grossen Helden bezwungen werden. Diesem nach entschloß er sich entweder durch seine List seinen Zweck zu erlangen /oder durch seine Verzweiffelung seiner Abgünstigen Untergang zu verursachen. Wormit er aber solches so viel leichter ins Werck richtete / verbarg er mit seiner Ungnade auffs sorgfältigste seinen Ehrgeitz und Absehen. Denen / welche ihn heimsuchten / und die Ursache seiner Abziehung vom Hoffe erkundigten /machte er tausend Lobsprüche der Einsamkeit. Ach /sagte er / habe mich der Eitelkeit der Welt entschüttet / um der Ruhe meines Gemüthes zu geniessen. Weil ich weiß / daß sich das Glücke zwar auff eine Zeit zu Dienste vermiethe / sich aber niemanden leibeigen gebe; stehet mir nicht an mit ihm ein ewiges Bündniß zu machen. Der Hoff ist ein Himmel / der keine andere als Irr-Sterne hat; daher mag ich die Farth meines gantzen Lebens nicht nach seinem Angelsterne richten. Er ist ein Glückstopff / der unter tausenden kaum einen beschriebenen Zettel hat; daher mag ich so vielmal nicht fehlgreiffen. Ich gehe mit niemenden um als mit den Weisen der Vorwelt / welche weder meinen Schwachheiten heucheln / noch in ihr Rathgeben einigen Eigennutz einmischen. Wenn der wollüstige Hoff mit seinen Sorgen in steter Wache ist / geniesse ich der süssesten Ruh / weil ich wohl weiß / daß Gott und die Sternen für mich auff der Hutte stehen. Ich weiß /die Enge meines Land-Gutes ist ein Schrancken nicht nur über die Ferne Armeniens / sondern so weit meine Augen tragen. Ich eigne mir mit reiner Unschuld den Genüß fremder Güter zu / sonder meinen Nachbarn davon das wenigste zu versehren. Sintemal ich derselben mich ohne Geitz und Verschwendung nach den Gesetzen der Natur / und auff eine solche Art gebrauche / welche ehe / als Kunst und Mißbrauch selbte verfälscht / und aus dem gemeinen Eigenthume alles fremde gemacht hat / im Schwange ging. In meinem Armuth bin ich reicher als der König der Parthen /und / wenn ich eine Früh-Rose / oder einen reiffen Apfel einem von meiner Hand gepflantzten Baume abbreche / bin ich vergnügter als der Käyser / wenn er in einem Siegs-Gepränge ihm Lorber-Zweige um die Schläffe windet / oder von hundert Völckern ihre Reichthümer zum Zinse einzeucht. Ich verlache in mir das Ungemach des gefährlichen Hoffes / den Staub und Pöfel der Städte / die Angst der Ehrsüchtigen /und die Thorheit der Höfflinge / welche den Kern ihres Lebens einem Fürsten / oder wohl offt ihren unwürdigen Schooß-Kindern / die Hefen des Alters aber / wo es ihnen auch noch so gut wird / den Göttern wiedmen. Die Federn / wormit die Höfflinge vielleicht so gemein ihre Häupter bedecken / weil es bey Hofe fast immer windicht ist / brauche ich viel nützlicher zum Entwurff meiner der Weißheit nachhängenden Gedancken. Ich lebe mit mir selbst vergnügt / und ich habe allzu spät gelernet / daß ein Weiser keines andern bedürffe / und daß alles / was ausser ihm ist /Uberfluß sey. Die Grossen des Reichs / die ihn häuffig [306] besuchten / und sich von ihm so selten / als der Mercur-Stern vor der Sonne entfernten / hielten dem Orismanes ein: Niemand als GOtt / der sein Reichthum in seinem eigenen Wesen besässe / könte in sich selbst / und in seiner eigenen Einsamkeit seine Vergnügung finden. Denn GOtt alleine gingen seine Wercke ohne Werckzeug und Bemühung von Händen /und alles diß / was gleich von ihm herflüsse / bleibe doch in ihm / als in einem unerschöpfflichen Brunnen unvermindert. Ein Mensch aber sey durch eine gemeine Dürfftigkeit an den andern gebunden / ja ieder sey nicht so wohl ein abgesonderter Leib / als ein Gliedmaß der allgemeinen Gesellschafft / und deßwegen darvon unzertrennlich. Ein Mensch könne ihm so wenig selbst helffen / als ein Auge sich selbst sehen. Die Einsamkeit wäre der Beleidigung und dem Mangel mehr als die Gemeinschafft unterworffen / jene aber wäre der Gerechtigkeit / diese der Handreichung / und ein Mensch der Gesellschafft nichts minder als Feuer und Wassers benöthiget. Uber diß sey die Einsamkeit der ärgste Rathgeber / und man könne bey niemanden gefährlicher / als alleine bey sich selbst seyn. Wenn aber auch schon ein Weiser so weit kommen wäre; daß er für sich selbst zu sündigen sich schämete / oder auch keinen äusserlichen Beystand dürffte / so solten wir doch uns selbst nicht dem Vaterlande stehlen / dem wir gebohren wären / noch für den Menschen das Licht verstecken / das die milde Natur in uns angesteckt hätte. Die grösten Köstligkeiten hätten ohne ihre Anwehrung / das Marck der Erden in seinen Adern keinen Fürzug für Schaum und Asche / und die Tugend machte sich durch ihre Vertuschung zu nichts / oder zum Laster. Alle Sachen würden geschätzt nicht nach ihrem Wesen / sondern nach ihrem Aussehen. Was man nicht sehe / sey so viel /als wenn es nicht wäre. Etwas aber seyn / und selbtes auch im Wercke zeigen / wäre ein zweyfaches Wesen. Nach dieser Einrede gab Orismanes allererst Gifft und Galle von sich / und wendete für: Er könte es länger auff seinem Hertzen nicht behalten / daß seine eigene Mißhandlung / und die daraus erwachsende Bestürtzung ihn in solche Einsamkeit eingesperret hätte. Denn er habe durch Beliebung der weiblichen Herrschafft Armenien mehr Schaden gethan / als alle seine Ahnen nichts gutes gestifftet / und es würden alle seine Geschlechts-Nachkommen diese Scharte nicht auswetzen. Ein Weib wäre das erste Ungeheuer der Natur / welche stets das Männliche Geschlechte zu zeugen gemeint wäre; also daß das weibliche nur durch Mißrathung gebohren würde. Wenn nun an einem Weibe was gutes wäre / könte man es für ein Wunderwerck halten. Daher die Scythen auch den blossen Nahmen Weib für so unflätig hielten / daß sie sich selbten zu nennen schämten. Die weiblichen Gottheiten wären so gar in dem Kreisse der Vollkommenheiten / nehmlich im Himmel voller Gebrechen /und Jupiter wäre von seiner Juno so geqvälet worden /daß er sie einmahl aus dem Reiche stossen / und sie schwebend in die Lufft hencken müssen. Das erste Weibsbild auff Erden hätte Jupiter zur Straffe des menschlichen Geschlechtes zubereiten lassen / als er über den Diebstal des Prometheus so ergrimmt gewest wäre. Die Schönen hegten in ihren Antlitzen zwar eine Sonne / alle aber in ihrem Leibe die Befleckung /und in ihren Hertzen den Unbestand des Monden. Ihr Kopff ginge allezeit mit Eitelkeit / wie ihr Gemüthe mit Geilheit schwanger. Und weil die Alten geglaubt /daß diß sonst so fruchtbare Geschlechte in nichts mehr als in Gebährung der Weißheit unfruchtbar wäre / hätten sie der klugen Pallas kein Weibsbild zur Mutter zugeeignet. Zu Athen hätte man wegen ihrer Unvernunfft keinen wichtigern Handel als einen Scheffel Gerste zu kauffen verstattet. Wegen [307] ihrer Leichtsinnigkeit wären ihre Zeugnisse bey vielen Völckern /und fürnehmlich in wichtigen Sachen verwerfflich. Der berühmte / aber allzu weibische Weltweise / der sich nicht enthalten konte dem Kebsweibe des Hermias zu opffern / hätte gezwungen gestehen müssen /daß sie zu männlichen Aemtern unfähig / und ihnen oder den wilden Thieren nachzuarten einerley wäre. Die alten Römer hätten deßwegen sie nicht bürgerliche Güter miterben lassen / und Voconius habe verbothen / daß man ihnen etwas über das vierdte Theil seines Vermögens vermachen dörffe; also wüste er nicht / wie ihm gewesen wäre / daß er die Erato auff den Armenischen Thron hätte befördern helffen? Aller Weiber Herrschafft wäre der Freyheit Ende / und der Reiche Untergang gewest. Olympias hätte nicht wie eine Königin / sondern henckermäßig über das Blut der Edlen gewüttet. Der kluge Antipater aber auff dem Todt-Bette seinen Macedoniern / als eine göttliche Wahrsagung vorgetragen / daß sie in eusserstes Unglück verfallen würden / da iemahls ein Weib über sie zu herrschen käme. Ja auch dieselben Völcker /welche der Dienstbarkeit gewohnt wären / hätten den den Weibern geleisteten Gehorsam nicht nur für eine der Freyheit widrige Unart / sondern auch für was ärgers / als eine Knechtschafft gehalten. Mit diesem hätte den Ländern das Unglück geblühet. Hecube hätte den Priamus überredet / oder vielmehr bezaubert / daß er den Griechen die geraubte Helena nicht wiedergegeben / und hiermit hätte sie Troja eingeäschert. Arsinoe hätte mit ihrer Geilheit das Cyrenische Reich zerrüttet / Parysatis das Persische mit Kinder- und Brüder-Blute überschwemmet. Semiramis würde zwar von der Vor-Welt für einen Ausbund der Königinnen / und eine behertzte Taube ausgestrichen / aber sie hätte durch Königs-Mord den ihr auff fünff Tage vergünstigten Assyrischen Stuel an sich gebracht / sie wäre ein schädlicher Raubvogel der Welt / und ein Pful grausamster Laster gewest / welchen anders nicht / als durch das Mord-Eisen ihres eigenen Sohnes hätte abgeholffen werden können. Zwar müste er bekennen: Erato hätte unvergleichliche Leibes- und Gemüts-Gaben; aber es wären die Weiber den Serischen Rosen gleich / welche alle Tage ihre weisse Farbe in Purper verwandelten / und bey ihrem Glantze einen stinckenden Geruch hätten. Ja wenn Weiber am vollkommensten wären / hätten sie doch / wie der Voll-Monde / die grössesten Flecken. Livia hätte anfangs den Ruhm gehabt / daß dieses verschmitzte Weib dem Käyser August die heilsamsten Rathschläge an die Hand gebe; numehr aber beschuldigte man sie / daß sie ihrer Ehrsucht und Grausamkeit nicht mehr mächtig / und ein Brunn alles Unheils wäre. Erato hätte alle Tugenden einer Königin / aber auch alle Laster eines Weibes. Jene wärẽ bekant / weil sie mehr als diese in die Augen lieffen / diese verborgen / weil sie sie so meisterlich zu verstecken wüste. Zu dem könte er nicht läugnen / daß weil die Schwachheiten der Fürsten so wie die Verfinsterungen der grossen Gestirne allezeit den Völckern Schrecken einjagten / er der Königin Fehler selbst hätte verdrücken helffen. Nach dem er aber ihre Rachgier gegen die Vorsteher des Reichs / welche die Freyheit nicht wolten zu Boden treten lassen / ihre Uppigkeit / welche deßhalben zeither alle Heyrathen ausgeschlagen / und also die Wollust der Befestigung des Thrones fürgezogen /länger nicht zu verdecken gewüst / ja er wegen seiner aufrichtigen Einrathungen offtmals scheel angesehen /wegen seiner ihm von Gott verliehenen Gaben beneidet worden wäre; hätte er es für ehrlicher gehalten /sich des Hofes zu entbrechen / ehe ihn selbter als einen Verhaßten / wie das Meer einen todten Leich nam auswürffe / oder ihn der Grider Königin gar einäscherte. Denn der Fürsten Zorn wäre wie der Blitz / den man eher empfinde / als hörte / von ihren Schlägen sehe man eher das Blut / als [308] die Wunde. Ja ein einiges Wort eines Königs wäre mehrmals wider seinen eigenen Willen tödtlich; und hätte wohl ehe ein die Streu-Büchse vergreiffender Diener seines doch unentrüsteten Fürsten Erinnerung ihm so sehr zu Hertzen gezogen / daß man ihn frühe todt im Bette gefundẽ. Ihre nichts minder gefährliche Liebe wendete sie durch blossen Zufall einẽ zu / und zögẽ sie mit Verdruß wieder ab. Deñ wenn sie iemanden aufs neue hold würden / eckelte ihnen für dem ersten Schoß-Kinde. Ja sie fielen wie die Fieber von äuserster Hitze in äusersten Frost / und ihrer Gnade wandelte sich wie in etlichen zum liegen nicht taugenden Weinen die gröste Süssigkeit in den schärffsten Essig. Hingegen sey nichts sicherers einem Diener als die Schlaf-Sucht / und einem Unterthanen die Ablegung der Vernunfft. Brutus sey unter diesem Scheine aus der grausamsten Blutstürtzung des Tarquin und der Tullia ausgeschwommen. Die Tugend aber ziehe nach sich den gewissesten Untergang. Des Gobrias Sohn wäre vom König Baldasar durchstochen worden / weil jener auf der Jagt einen Löwen getroffen / dieser gefehlt hätte. Einen andern hätte man verschnidten / weil seine Schönheit von einer Königlichen Dirne gelobet wor den. So künstlich machte Orismanes aus seinem eigenen Laster ein frembdes / und die Straffe seines Verbrechens zu einer Entäuserung eines unempfindlichen Weltweisen. Thissaphernes und etliche andere Fürsten des Reichs bezeugten über dieser so scheinbaren Beschuldigung ein grosses Leid über Armenien / und ein Mitleidẽ gegen dem Orismanes; gleichwohl aber hielten sie ihm ein: Es wäre unverantwortlich beym Sturme die Hand vom Steuer-Ruder sincken lassen. Die Liebe des Vaterlandes erforderte seine Wunden zu heilen / nicht eigene Gemächligkeit zu suchen. Brutus hätte für des Vaterlãdes Freyheit sich der Vernunft beraubt / Genucius das Elend gebauet / Codrus für sein Heil sich zum Sclaven gemacht / Curtius für seine Erhaltung sich in den Feuer-Pful / Decius in das feindliche Heer gestürtzt / die Philenischen Brüder für seine Erweiterung sich in Sand begraben / Themistocles / ehe er seinen Degen wider seine Landsleute zücken wollen / sich selbst durch Einschluckung giftigen Ochsen-Blutes aufgeopfert. Des Brasidas Mutter hätte die Wolfarth der Stadt Sparta der Ehre ihres Sohnes vorgezogen; des Pausanias Mutter den ersten Stein zu Vermauerung der Freyheit zugetragen / dahin sich ihr verrätherischer Sohn geflüchtet hatte. Timoleon hätte umb sein Corinth in Freyheit zu erhalten seinen eigenen Bruder durchstochen; und Orismanes wolte seiner Zärtligkeit nicht ein wenig weh thun / wormit Armenien wohl sey? Orismanes erkiesete lieber den Schatten einer traurigen Ruh / als er das gemeine Heil so vieler Völcker umbarmete? Der schlaue Orismanes stellte sich / als wenn diese Einredung ihm tieff zu Hertzẽ ginge / und nachdẽ er eine gute Weile gleichsam nachdenckende stille geschwiegen / fing er an: Ich weiß zwar wohl / daß nicht wenig Weisen die Staats-Klugheit / nicht die Natur zu einer Mutter der Vaterlands-Liebe machen; und daß diese mehr von den Eltern uns eingebildet / als mit der Geburt eingepflantzt wäre. Denn ein Kluger wäre ein Bürger und Einheimischer in der gantzen Welt / und könte seine Freyheit nicht wie leibeigene Ackers-Leute an gewisse Klösser Erde ankleiben lassen. Wie viel weniger wäre der verbunden / der entweder in Ruhe sicher seyn /oder sein Glücke anderwerts in Grund legen könte /durch Unterstützung des baufälligen Vaterlandes sich mit ihm zu zerdrümmern. Die Natur selbst hätte in Africa einen Baum wachsen lassen / dessen genossene Frucht einem die Vergessenheit seines Vaterlandes beybrächte; Zweifels-frey uns zu lehren / daß es zuweilen nicht nur rathsam und zuläßlich / sondern eine hertzhafte Klugheit sey seiner Heimeth den Rücken kehren. Gewisse Pflantzen hätten in frembdem Erdreich bessern [309] Gedieg / und bey Ausländern wären die schätzbarsten Sachen gantz unschätzbar. Allein wenn er gleich für sich gerne nachgeben wolle / daß weder Furcht noch Unlust uns von der Sorge für das gemeine Heil zurück halten solte / daß kein schönerer Tod sey als fürs Vaterland sterben; daß Orismanes ihm nichts mehr wüntschen könte / als den Ruhm sein Leben zu Beschirm-seinen Tod zu Behaltung Armeniens anzugewehren; wer würde ihm Bürge seyn / welche Unschuld könte ihn vertheidigen / daß Orismanes nicht entweder als ein Heuchler die Laster des Hofes verhangen / oder als ein Uhrheber selbte gestiftet hätte? Sintemal der Pöfel die schlimme Herrschafft nicht dem Fürsten / sondern den Staats-Dienern zumißt; die Fürsten aber ihre eigene Verbrechen ihren Räthen aufhalseten / und umb sich zu erhalten / selbte dem Volcke zu einem Schlacht-Opfer auslieferten; wie der in Hibernien enthauptete Forstard / und der in Iberien zerfleischte Condelar ihm ein trauriges Vorbild abgäben. Tissafernes begegnete ihm: Ein Reichs-Rath solte sich seiner selbst gantz entäusern / und ohne Auszug sein gantzes Wesen dem Reiche wiedmen. Dahero müste er nicht allein seinen Eigen-Nutz /und sein Leben / sondern auch den Schatz seiner eigenen Ehre ausser Augen setzen. Die Tugend wäre ihr selbsteigener Lohn / und ihrer Gute würde weder durch Verläumbdung noch durch Beschimpfung was entzogen. Die Unschuld würde im Ochsen des Phalaris nicht schwartz. Socraten hinge weder sein Gifft-Glas / noch die ihm zugemässene Abgötterey einigen Fleck an. Und die Tugend / wenn sie schon ans Creutz geschlagen würde / findete noch eine Olympia / welche sie wie den Pausanias mit einer güldenen Krone verehrete. Es wäre nichts ungemeines in der Welt / daß der / welcher hier als ein Verräther an Galgen gehenckt / anderwerts für einen Vater des Vaterlandes und für einen Märtyrer des Staats gepriesen würde. Des Brutus und Cassius Käyser-Mord hiesse einem ein Schelm-Stück / andern das heilsamste Beginnen. Denn weil in der Welt so viel Bösen als Guten / so wohl der Unvernunft als der Klugheit die Richter-Stüle eröfnet wären; könte unmöglich ein gleichstimmiges Urtheil erfolgen. Sie hätten gesehen Köpfe in güldene Todten-Töpfe vergraben / und mit marmelnen Leich-Steinen bedecken / diegestern zum Scheusale auf einẽ Thurme aufgesteckt gewest / von der Sonne ausgedörrt / von den Wolcken befeuchtet worden. Andere die gestern in Alabaster gelegen /würdẽ heute auf den Scheiter-Hauffen geworffen. Also gebe oder nehme frembdes Urthel weder den Lastern noch den Tugenden einige Schätzbarkeit. Insonderheit aber wäre Armenien ja nicht in so verzweifeltem Zustande / daß die Tugend wider die Gewalt der Herrschafft sich keines Beystandes zu getrösten hätte. Orismanes hätte auf seiner Seite die Reichs-Stände /diese aber die alten Gesetze des Vaterlandes / welche mächtiger wären / als die Herrschafft der Menschen und sterblicher Könige. Es ist wahr / sagte Orismanes / daß / so lange die Gesetze feste stehen / kein Reich wancken / die Freyheit nicht zu Grunde gehen können. Denn die Seele und Krafft eines Reiches stecket in den Gesetzen; sie sind ein Schild wider äuserliche Feinde / und ein Schirm wider die aus unserer eigenen Gemeinschaft uns zu Kopfe wachsende Wüteriche. Aber Erato hat die Taffeln unserer Gesetze / und zwar die unversehrlichsten / welche nemlich den Gottes-Dienst angehen / schon zu Bodem geworffen / und mit Füssen getreten; wir aber hierzu unter dem Scheine einer andächtigen Keuschheit ein Auge zugedrückt. Weñ aber die Gesetze schon einmahl entkräfftet / oder verwirret / ja nur ein wenig gebeugt werden / ist ihre gäntzliche Zernichtung für der Thüre / und die Herrschsucht hebet sie unschwer mit einem einigen Ansatze vollends gantz aus den Angeln. Ein Kluger darff nicht [310] so dann allererst die Ohren spitzen: ob sich von ferne ein Kriegs-Geschrey hören / oder trübe Wolcken aus der Nachbarschafft blicken lassen. Denn weil so denn der Gesetze Schutz geschwächt ist / sind Heucheley / Kühnheit und Geld schon starck und verwegen genung der Freyheit auf den Fuß / und die alte Herrschens-Art in Grund zu treten. Denn die / welche dem Vaterlande für den Riß stehen sollen / lassen sich bestechen / oder durch hohe Aempter verblenden. Durch diese machen sich auch die grösten Gemüther einem Fürsten zu Knechten / in Hoffnung / daß sie über viel andere ihres gleichen zu herrschen haben werden. Durch das schädliche Gift des Geitzes / welcher auf Zusammenscharrung des Geldes alleine bedacht ist / und alles andern vergißt / wird nichts minder der Leib als das Gemüthe der tapfersten Leute weibisch gemacht. Am allermeisten aber werden die Grossen eines Reichs bezaubert / wenn man sie selbst des Gesetz-Zwanges erledigt. Denn hierdurch kriegen die Herrscher freye Hand nicht nur für sich / sondern Weibern / Kindern und Freunden das Garn dieses so nöthigen Bandes abzustreiffen. Die Grossen im Rathe / welche doch Vormünden der Gesetze seyn solten /müssen so denn selbst bey sich ereignender Spaltung zwischen dem Fürsten und den Gesetzen jenen Pflaumen streichen / diese beugen / und also die heilsamsten Stiftungen sonder grosses Bedencken im Urthel überwunden werden. Wir haben kein neuer und merckwürdiger Beyspiel für uns / als des Kaisers August / welcher bey seiner falsch-angestellten Abdanckung dem Rathe zu Rom / als ein einiges Erhaltungs-Mittel / nachdrücklich einrieth: Sie solten ja an ihren alten Gesetzen das minste nicht ändern lassen; gleichwohl aber der erste und ärgste Zerstörer derselben war / indem er des Agrippa Söhne / als sie noch nicht den Kinder-Rock abgelegt hatten / zu Bürgermeistern / den Jüngling Marcell seiner Schwester Sohn zum obersten Priester / seine Stief-Söhne zu Feld-Herren machte. Alles diß hätte Erato für längst ins Werck gerichtet / wenn ihr nicht der Werckzeug gefehlet hätte. Unterdessen wäre es genung / daß sie Meisterin der Armenischen Grund-Gesetze / und also ihrer aller Halsfrau worden wäre. Denn die Freyheit eines Volckes / welche die Armenier fast alleine unter allen Morgenländern erhalten; wäre noch sorgfältiger / als ein junges Palm- oder Dattel-Bäumlein / auf die Beine zu bringen. Sie müste stets mit neuen Gesetzen befeuchtet / und mit der Axt der Rechts-Schärffe alle Räuber / wie schön sie auch zu wachsen schienen /abgehauen werden. Tissafernes versetzte: Ihm wäre zwar ausser des Anaitischen Gottesdiensts Abschaffung keine andere Durchlöcherung einigen Gesetzes bekandt; wenn aber auch gleich in einig anderes von der Königin ein Eingriff geschehẽ wäre / müste man doch hieraus nicht alsofort eine gäntzliche Veränderung der Herschens-Art besorgen. Diese wäre ein so schwerer Stein / welchen kein Weib umzuweltzen vermöchte / zumahl er von so viel hundert Jahren her so feste beraset wäre. Ihre Herrschafft wäre zu solchem Absehen viel zu neu. Denn / wenn man ein Reich umgiessen wolte / müste es nach und nach / und so unvermerckt geschehen / als der Zeiger an den Uhren /oder die Erdkugel sich umwendet. Es müsse niemand mehr leben / der sich des alten Zustandes erinnerte /und desselbten Süssigkeit geschmeckt hätte. Den ob zwar der Eigennutz über die Menschen eine fast unablehnliche Gewalt hätte / so gebe es gleichwohl noch ehrliche Leute / welche die Freyheit für unschätzbar halten / und das ihnen dafür angebotene Kauff-Geld wie die Macedonier die vom grossen Alexander zu Abbissung der abgenommenen Uppigkeiten angezielte Geschencke verschmähen. Derogleichen lebten nun auch sicherlich unter denen Armeniern / welche voriger gütiger Könige Herrschafft nicht nur gedächten /sondern auch genossen hätten; und [311] auff derer Beystand er sich auff den Nothfall zu verlassen hätte. Orismanes brach hierauff aus: Wenn ich mich auff so kluge und tapffere Leute zu verlassen habe / bin ich entschlossen alles zu thun / was das Vaterland von mir heischet / und so viel Freunde rathen / da ich mich anders ihres Beystandes zu versichern habe / nach dem meine einigen Hände hierzu viel zu ohnmächtig sind. Oxathres einer der Reichs-Räthe hob an: Es wäre die ärgste Leichtsinnigkeit von uns / wenn wir in Ausübung dessen / was wir selbst einrathen / die Hand abzügen. Entdecke uns daher deine Meynung /durch was für ein Mittel dem Reiche und uns zu helffen / und denen Gefährligkeiten zu begegnen sey. Orismanes antwortete: Er wüste mehr nicht als zwey Wege / derer einer aber verwerfflich / der andere von ihm so lange zu verschweigen wäre / biß ihm Oxathres oder ein ander Fürst eine seiner Tochter vermälet hätte. Oxathres versetzte: Wer wird dem Orismanes sein Kind versagen? Also habe kein Bedencken uns beyden etwas zu verschweigen. Hierauf fing Orismanes an: Das verwerffliche Mittel ist die Königin Erato aus dem Wege zu räumen. Denn man hat fro e Fürsten wohl zu wüntschen / böse aber wie Hagel / Mißwachs und andere von Göttern herrührende Zufälle zu vertragen. So viel ihrer an den Julius Hand gelegt /sind erbärmlich umbko en / ja etliche haben mit eben dem Dolche / den sie dem Julius in die Brust gestossen / ihrem verzweifelnden Leben abgeholffen. Asteloth / der dem Caledonischen Könige mit seinem Leben auch die Krone zu rauben vermeynte / ward /der erhaltenen Warsagung nach / mit einer glüenden Krone gekrönet. Denn es sind doch Könige Statthalter der Götter auf Erden / die in der Welt keinen Richterstuhl haben / weniger iemand ihre heilige Glieder zu verletzen befugt ist. Uber diß ist unlaugbar: daß Erato bey ihren Fehlern so viel unvergleichliche Tugendẽ habe / welche so wenig als ein fruchtbarer Baum wegen eines dürren Zweiges auszurottẽ sind. Zu geschweigen / daß mehrmals böse Menschen gute Herrscher abgeben / und ihre Laster zum Nutze des Reiches anwenden / und ihre Unterthanen mehrmals zu ihrem Besten durch Betrug hinters Licht führen. Dahero einige der Meynung sind / daß nur gemeine Leute / nicht Könige / des Bösen sich zu entäusern hätten / woraus man Gutes hoffete; andere an einem Fürstẽ Ehrgeitz und Ungerechtigkeit so wenig für scheltbar hielten / als man einem Adler den Raub /einem Löwen den Gri zum Fehler aussetzte; ja ihrer viel für eine herrschaftliche Tugend hielten / wenn Fürsten auch in Lastern denen Niedrigern nichts nachgäben. Sintemal Anaxarchus den grossen Alexander schon beredet hätte / daß ein Fürst nichts Böses zu thun vermöchte / sondern so gar die Laster unter seinen Händen ihre böse Eigenschaften einbüßten / und weil er thun möchte / was ihm beliebte / sich in was gutes verwandelten. Wiewohl ich diese Abwege von der Tugend den Fürsten nur wie den Aertzten das Gift zur Artzney in äuserster Noth und in verzweifelten Kranckheiten erlaubt zu seyn glaube. Uberdiß würde schwerlich Erato so leicht und ohne Aufruhr des gantzen Reiches / ihrer Würde entsetzt werden können /als der Rath zu Sparta ihrẽ Könige Agesilaus eine Geld-Busse auflegten / weil er aller Bürger Hertzen gestohlẽ / und die Liebe der gantzen Stadt ihm zugeeignet hatte. Sintemal Erato dem Agesilaus hieriñen schon zuvor kommen wäre. Das andere Mittel fürzuschlagen solte ich wol billich anstehen / damit es nicht schiene / als wenn mein für des Reiches Heil abgegebener Rathschlag ein Auge auf meine selbsteigene Vergrösserung hätte. Aber weil ich mich so einer hohen Staffel unfähig erkenne / und keiner unter euch ist / dem ich nicht den Vorzug einräume / wil ich lieber auch mit Verdacht das Gute entdecken / als mit Ruhm dem Vaterlande zum Schaden das minste verschweigen. [312] Der Königin Fehlern ist anders nicht / als durch eine kluge Heyrath abzuhelffen / und Armenien anders nicht / als durch einen einheimischen Bräutigam zu helffen. Weiber und Reben dürffen wegen ihrer angebohrnen Schwachheit zu ihrem Wohlstande einen Ulmen-Baum oder Stütze / daran sie sich lehnen / oder darumb winden können. Und wir / da wir nicht entweder einem geringern gehorsamen / oder / wie unter dem Ariobarzanes eines frembden Volckes Sclaven werden wollen / können keinen Ausländer unsere Königin ehlichen lassen. Der Pontische König hat schon sein Heil versuchet / und es haben sicherlich alle Nachbarn auf die Krone Armeniens ihr Absehen. Die Königin aber gar unverheyrathet lassen / würde zwar dem Reichs-Rathe zu Vergrösserung seiner Gewalt und Ansehens / aber hierdurch zu innerlicher Unruh dienen / ja man würde ihren Fehlern Luft machen sich zu vermehren; und weil mit ihr endlich der alte Königliche Sta gar verfiele / möchte ihr Tod dem Reiche schädlicher / als ihr Leben seyn / nachdem entweder die Zwytracht unter denen Grössen den Reichs-Apfel zum Zanck-Apfel machen / und bürgerliche Kriege erregen / oder den Römern Gelegenheit geben würde denen Armeniern wie Syrien einen aufgeblasenen Land-Vogt aufzudringen. Daher hielte er für heilsam und nöthig darzu zu thun / womit Erato fördersamst an einẽ Fürsten des Reichs / darinnen man ihr die Wahl lassen könte / sich vermählen müste. Des Orismanes Ansehen / Rede und Geberden waren so durchdringend / daß ihm alle Beyfall gaben /und sie in der ersten Zusammenkunft einen Reichs-Schluß machten / auch selbten der Königin inversa letem Rathe fürtrugen: Sie solte / und zwar bey noch währender Reichs-Versa lung / einen Fürsten des Reiches zu ihrem Gemahl erwehlen / nachdem die gemeine Wolfarth ihren freyen Wohlstand nicht länger vertrüge / und die Unterthanen nach einẽ Reichs-Erben seufzeten / dessen Wohlstand nicht vertrüge /daß der Nachfolger ungewiß wäre / indem sonst ihr Reich stets frembdem Ehrgeitze ein Ziel abgebe / und Erato selbst nicht sicher den Reichs-Stul besässe. Sintemal der grosse Alexander sich selbst hätte beklagen müssen / daß der Mangel der Kinder ihn bey Frembden verächtlich gemacht / ja unter seinen eigenen Macedoniern Uneinigkeit und Verrätherey verursacht hätte. Der Königin kam diese vermessene Gewalts-Anmassung ihrer Unterthanen überaus unvermuthet für; gleichwohl verdrückte sie ihre heftige Gemüths-Bewegung / wohl wissende / daß wenn Unterthanen sich schon unterwinden ihren Häuptern an das Heft zu greiffen; ihre Kühnheit sich ins gemein in Raserey verwandelt / und sie gar gegen ihnen die Degen zücken. Diesemnach antwortete sie ihnen: Sie nähme ihren Schluß mehr für eine Liebe gegen sie und ihr Geschlechte an / als sie muthmassen wolte / daß sie ihrer Königlichen kein Gesetze vertragenden Hoheit etwas zu entziehen anzielten. Sintemal die Götter dem Volcke weder Gewalt noch Verstand über Fürsten zu urtheilen verliehen hätten. Gleichwohl wäre es in alle Wege gut so wohl einen Gehülffen in der Herrschafft /als gewisse Nachfolger im Reiche haben. Aber die Freyheit der Heyrathen vertrügen weder solche Maaßgebung / noch ihre Wichtigkeit so gefährliche Ubereilung. Sie wolte dem Wercke nachsinnen / und sich dessen entschlüssen / was Armenien nützlich und ihr anständig seyn würde. Nachdem auch für dißmal alle nöthige Reichs-Sachen erledigt wären / solten die Stände biß zu ihrer Wieder-Beruffung sich von sammen / und ieder nach Hause ziehen. Hiermit ging die Königin aus dem Saale / und ließ die Stände theils in Bestürtz-theils in Verbitterung; gleichwohl hatten sie Bedenken dißmal wider der Königin [313] Verbot länger vereinbart zu bleiben. Wie sie nun schon aufgestanden waren / bekam Oxarthes vom Orismanes ein Schreiben / darinnen er berichtete: Er habe numehr aus dem Königlichen Pontischen Hofe / und zwar aus der Königin Dynamis Frauenzimmer das Geheimnüß erfahren: Warumb Erato dem Ariobarzanes einen Korb gegeben / welches ihn muthmassen ließ / daß sie sich schwerlich einen inländischen Fürsten zu heyrathen würde bereden lassen. Denn sie wäre durch Liebe an den vermeynten Fürsten Zeno / welchen Polemon so lange Zeit für seine Tochter / Dynamis für ihren Sohn gehalten / verknüpfet / daß sie diesem eingeschobenen und Zweifels-frey von niedriger Ankunft entsprossenẽ Menschẽ schwerlich einen würdigern fürziehen würde. Oxarthes laß diß Schreiben / wiewohl mit Verschweigung des Orismanes / alsofort der gantzen Versammlung für / brachte es auch so weit /daß sie der Königin als einen neuen Reichs-Schluß fürtragen liessen: Weil sie keines geringen Ausländers Knechte seyn / noch unter der weiblichen Herrschafft länger schmachten könten; solte sie sich entweder vorigem Schlusse unterwerffen / oder Kron und Zepter niederlegen. Die Königin ward durch diese verzweifelte Verwegenheit hochbestürtzt / iedoch fragte sie den Oxarthes / welcher das Wort führete: Was für einen geringen Ausländer meynst du wohl / wird Erato sich vermählen / welche den mächtigen Ariobarzanes verschmähet? Dieser unverschämte Rädelsführer begegnete ihr alsofort: Wir fürchten den so genennten Fürsten Zeno zu Sinope. Erato erblaßte über dieser Antwort / und konte nicht ersinnen / wie sie diß Geheimnüß ihrer Liebe ausgespürt hätten; versetzte aber gleichwohl: Es ist wahr / daß ich diesen unvergleichlichen Fürsten so wohl meines Bettes / als aller Welt-Kronen würdig schätze. Sage du aber / daß ich keinen meiner Vermählung würdig schätze / den nicht die Sonne / wie mich / nicht später als einen Fürsten /denn einen Menschen / beschienen hat. Den Ständen melde auch / daß ich morgen auf dem grossen Reichs-Saale sie selbst beantworten wolle.

Folgenden Tages kam Erato in prächtigster Kleidung / über und über mit den köstlichsten Edelgesteinen bedecket / die Krone auf dem Haupte / den Zepter in der Hand tragende / in den besti ten Ort. Sie lehnete sich auf den Artafernes / zwey andere ihr getreue Fürsten trugen das Schwerdt und den Reichs-Apfel vorher / und sie setzte sich auf den aufs herrlichste erhobenen Thron. Der Saal war mit viel tausend Menschen also angefüllet / daß kein Apfel zur Erden konte / welchen allen die Begierde zu vernehmen / was die Königin für einen Gemahl erkiesen würde / ein unbewegliches Stillschweigen auflegte. Hierauf fing sie mit einer freudigen Geberdung und holdseligen Stimme an:

Wenn die freywillige Wahl der Armenier mir nicht meiner Voreltern Krone aufgesetzt hätte / würde ich noch zu zweifeln haben: Ob das Erb-Recht und der letzte Wille meines Vatern Artaxias genung gewest wäre mir diesen Thron zuzueignen / welchen für mir noch kein Weib besessen hat. So aber wissen die Götter / und eure Gewissen überzeugẽ euch / daß sich Erato nicht zur Krone gedrungen / nach welcher die meisten Sterblichen so begierig seufzen / weil sie nicht wissen / daß sie so schwer / und nichts als ein Zirckel sey / der keinen Mittel-Punct der Ruh in sich habe. Unsere Vorfahren haben bey Krönung ihrer Fürsten nachdencklich eingeführt / daß der neue König anfangs Feigen / hernach Terebinthen-Beeren essen / endlich einen Becher sauere Milch austrincken müsse. Denn der Anfang des Herrschens ist anfangs süsse / das Mittel herbe / das Ende aber versauert gar. Ich selbst habe in weniger Zeit erfahren / [314] die Herrschafft über andere sey eine edle Dienstbarkeit; auch mich beflissen zu erweisen / daß ich den Zepter zu Beschirmung des Volckes führte / meiner Würde aber nicht zu meiner Uppigkeit mißbrauchte; daß meine Sorgfalt ersetzte / was meinem Geschlechte abgehet /und daß euch eurer Wahl / mich aber meiner Wachsamkeit für eure Wolfarth nicht gereuen möchte. Denn nachdem in Armenien eine Neuigkeit ist / einer Königin gehorsamen / habe ich mich mehr umb eure Liebe / als umb eure Dienstbarkeit beworben. Ich habe nach euren Gesetzen gelebt / die ich keinen unterworffen bin; denn die Willkühr der Könige ist selbst Gesetzes genung / die Göttin der Gerechtigkeit lehnet sich stets an den Richter-Stuhl des Jupiters; In sonderheit wenn sie der Natur gemäß sind / welche ich allemal für meine Richtschnur / und für das auch über Fürsten herrschende Recht gehalten / und so wohl des Seleucus / als der Parthischen Weisen Meynung verdammet: Unter denen jener alles Recht sprach / was ein König seinen Unterthanen fürschriebe; wenn es schon wie seines Sohnes mit der Stiefmutter vollzogene Eh wider Zucht und Erbarkeit lieffe. Diese aber bey gebilligter Heyrath des Cambyses mit seiner Schwester fürs höchste Gesetze rühmte: Ein Persischer König hätte alles zu thun Macht / was ihm beliebte. Aber ich sehe wohl / daß ihr / die ihr an die Gesetze gebunden / nicht nur ohne sie seyn / sondern der Gesetzgeberin selbst fürschreiben wollet. Ihr wollt mich an eine Heyrath binden / die in der Willkühr ieglichen Bürgers steht. Gläubt aber / daß wie Unterthanen nichts grössers als ihren Gehorsam verlieren / also unmöglich / ein König seyn und gehorchen beysammen stehen könne. So wenig die Menschen dem Gestirne Gesetze geben / und den Lauff der Sonnen einrichten mögen; so wenig stehet Unterthanen zu / das Fürnehmen ihrer Obrigkeit zu meistern. Ihr meynet: Der König sey über das Volck /aber das Heil des Reichs über den König. Untersucht ihr aber auch / daß weniger Köpfe Ehrgeitz der Uhrheber dieses Fürwands / der Ungehorsam der Reiche Untergang sey? Jedoch / ich wil mein Urthel nicht so vieler Meynungen fürziehen / und euch ein Beyspiel zeigen / daß dieser der mächtigste König sey / der über seine Begierden vollmächtig zu gebieten hat. Daß derselbe die meisten Unterthanen habe / der sich der Vernunft unterwirfft / welche über alles eine allgemeine Herrschafft hat / und daß Erato ein großmüthiger Hertze habe / als jener Hetrurische Landmann /der sich gegen dem Käyser August für ein empfangenes Unrecht bedanckte / weil er es nur aus Irrthum /ich aber gegen euch wohl bedacht thue. Sehet! hiermit lege ich Kron und Zepter nieder; nehmet sie hin / und gebet sie einem würdigern. Des Gehorsams darff ich euch nicht entlassen / ihr habt selbten mir selbst schon entzogen. Wormit ihr aber von mir noch einer Zugabe geniesset / erkläre ich mich / daß ich numehr als eine Bürgerin verantworten wil / was ich als eine Königin gesündigt zu haben von iemanden beschuldigt werden möchte. Bin ich schon die letzte meines Geschlechtes / die Armenien beherrschet hat / hoffe ich doch die erste in der Welt zu seyn / die ihr Königreich ohne wenigere Empfindligkeit von sich stöst. Alle Zuschauer waren anders nicht / als wenn sie der Blitz gerühret hätte. Alle verstummeten / sahen einander an / Oxarthes und etliche andere Aufrührer aber wurden mit Scham-Röthe übergossen. Denn die Boßheit wird mehrmals so wohl durch unverhoffte Erreichung ihres bösen Zwecks / als durch Fehlschlagung ihrer arglistigen Anschläge beschämet. Der einige Artafernes erholete sich / und fiel der von dem Stuhle niedersteigenden [315] Königin mit vielen Thränen zun Füssen / sie beweglichst ersuchende: Sie möchte von ihrem Vorsatz abstehen / und Armenien ihr liebes Vaterland nicht verwäyset lassen; sie möchte aus ihrer Erleichterung Armenien nicht so grosse Verwirrung zuziehen / noch aus dem ihr Ruhm erwerben / woraus dem gantzen Reiche eine unausleschliche Schande erwüchse. Unterschiedene andere thäten es Artafernen nach / und meynten sie durch Herausstreichung der Königlichen Herrschafft / und ihrer von so vielen verlangten Süssigkeit von ihrem Vorsatze abwendig zu machen. Erato aber begegnete ihnen: Die / welche die Königliche Würde nicht kennten / und für eine halbe Vergötterung hielten / möchten sich umb sie drängen. Sie aber hätte die Armenische Krone mit einer solchen Gemüths-Mässigung bekommen / als wenn ihr iemand einen Feilgen- oder Rosen-Krantz geschenckt hätte; also stiege derselben Verlust ihr auch wenig zu Hertzen. Sie erinnerte sich wohl / daß zweyen Häuptern der Stoischen Weltweisen / welche doch die Unempfindligkeit für ihren Abgott hielten / dem Pythagoras nemlich und Zeno die Herrschafft so sehr unter die Augen geleuchtet hätte / daß sie so gar mit Gewalt derselben sich zu bemächtigen bemüht gewest wären; Plato hätte sie für eine Göttligkeit / ein ander für eine güldene Erndte gehalten; sie aber pflichtete einer gantz andern Weltweißheit bey / welche derselben Wahnwitz verwürffe / die lieber auf Goldenstück krancken / als auf Stroh gesund seyn; die mit süssem Gifte sich lieber tödten / als durch bittere Rhabarber genesen wolten. Ja wenn auch die Herrschafft an ihr selbst noch so anmuthig wäre / würde doch numehr /da man sie ihr aufzudringen gedächte / nichts minder /als die Leyer des Arion und Orpheus / weil sie beyde aus Noth und Zwang anstimmen müste / alle Liebligkeit verlieren / ungeachtet jener die Ehre hatte von denen ihm aufhalsenden Delfinen aus dem Schiffbruche errettet / dieser von denen zusammen gelockten Thieren verehret zu werden. Denn aller Zwang vergällete iedwede Süssigkeit. Hiemit drang die unerbittliche Erato auf das Thor zu / umb sich aus dem Saale zu begeben. Osthanes ein junger Armenischer Fürst hingegen vertrat ihr mit entblößtem Degen den Weg /und redete sie an: Das Verbündnüß zwischen einem Fürsten und seinem Volcke wäre so feste / daß so wenig die Unterthanen ihren König des Reichs entsetzen / so wenig dieser ohne jener Willen sich des Herrschens entäusern könne. Also solte die Königin Fuß halten / und ihrer Ruh das gemeine Heil fürziehen. Erato lächelte / und fing an: Mein Freund / dringe mir diß nicht auf / was ich alleine wegwerffe / die meisten in diesem Gemache aber äuserst verlangen; was mir so vieler Nächte Schlaf verstöret / und worumb ich morgen wieder in Sorgen stehen müste / daß man es mir wieder aufs neue aus den Händen winde. Das Volck hat durch seine Vorsteher mich meiner Pflicht erlassen / da sie die ihre versehret. Meynst du aber /daß die / welche zwey Reiche ohne Seufzen verlässet /für einem rühmlichen Verluste ihres Lebens erzittern kan? Uber dieser Wort-Wechselung entstand eine heftige Zwytracht / indem der Adel den für einen Reichs-Verräther ausruffte / der die Königin zu solcher Entschlüssung verursacht hätte. Die Reichs-Räthe trennten sich auch selbst / und nachdem etliche den Oxarthes für den Uhrheber angaben / wendete Osthanes seine Sebel von der Erato ab / und versetzte dem Oxarthes einen selchen Streich / daß ihn Erato noch seine Seele ausblasen sahe. Hierüber entstand ein allgemeines Blut-Bad / der Reichs-Saal ward in eine traurige Schlacht-Banck verwandelt / und die Armenier [316] wurden den ersten Augenblick inne / daß ein Reich ohne Oberhaupt / eine Weltohne Sonne / ja eine lebendige Hölle sey. Bey dieser Uneinigkeitgewann Erato Zeit sich so wohl aus dem Saale / als auff denen bereit bestellten Pferden aus Artaxata zu retten. Weil ich und Artafernes Sie nun von ihrem Fürsatze zu bringen nicht vermochten / ungeachtet wir ihr den bereit erfolgten Tod des Rädelsführers und anderer Auffwiegler fürstellten / und daß Armenien sie in wenig Stunden mit grösserm Frolocken / als das erste mahl auff den Stuel heben würde / vertrösteten / und sie über Hals und Kopf aus Artaxata eilte / wolten wir sie nicht verlassen / noch den ungewissen Ausschlag der innerlichen Unruh erwarten; sondern gaben uns mit der Erato auff den Weg / wiewohl nicht sonder Hoffnung / es würden nach gestürtzten Aufrührern die Stände sie wieder einrufen / und wir so vielmehr sie auff einen andern Sinn zu bringen Gelegenheit finden. Wir reiseten alle in Manns-Kleidern / und daher unkenntlich / dem Gordieischen Gebürgte zu; woraus der Phrat und Tiger entspringt / als wir auch in die Stadt Artemita kamen / ward durch einen Herold ausgeruffen: Der Urheber der Verrätherey wider die Königin wäre erforschet / nehmlich Orismanes / welcher sie und das Reich dadurch zu erlangen getrachtet /aber auch durch verzweiffelten Eigen-Mord nichts minder seine eigene Straffe / als die Unschuld der Königin ausgeführt hätte. Dahero würde die flüchtige Erato von ihren getreuen Unterthanen ersuchet: Sie möchte zurück kehrenden väterlichen Thron besitzen /und ihren Zwistigkeiten vollends abhelffen. Wir lagen ihr auffs neue an / aber umsonst; denn ob wir wohl daselbst einen Tag auszuruhen fürgehabt / setzte sie doch selbige Stunde noch ihre Reise ferner und schleuniger als vorhin fort. Folgenden Tag kamen wir gegen den Mittag an eine angenehme Bach / welche ein mit tausenderley Blumen und Kräutern ausgeputztes und von vielen daselbst wachsenden Amomum eingebiesamtes Thal zertheilet / die Hügel waren mit eiteln Myrthen-Oel- und Lorber-Bäumen beschattet /also daß dieses Paradieß die Königin anreitzte daselbst die Mittags-Hitze vorbey gehen zu lassen. Erato fing bey solcher Ruh an / ihre nunmehr erlangte Glückseligkeit zu preisen / um dardurch uns beyden /derer Augen stets voller Wasser standen / die so tieff eingewurtzelte Traurigkeit ein wenig auszureden / ja sie betheuerte / daß die gantze Zeit ihrer Herrschafft sie keine so fröliche Stunde gehabt / als sie an dieser anmuthigen Bach geniesse. Sie prieß ihre neuerlangte Befreyung von den güldenen Fässeln ihrer allgemeinen Dienstbarkeit / in welcher das unschuldige Leben unauffhörlicher Arbeit / das lasterhafte ewiger Schmach / beydes grossen Gefährligkeiten unterworffen / ja noch ungemeine Glückseligkeit wäre /sich dieser Last ohne einen blutigen Untergang entbürden können / und wenn man von dieser abschüßigen Höhe nicht gestürtzt würde / sondern gemach absteigen möchte. Bey dieser Gelegenheit redete ich die Königin an: Es wäre nur unbegreifflich / daß der blosse Auffstand der unbedachtsamen / aber schon zur Reue gebrachten Stände / noch auch die der Herrschafft anklebende Beschwerligkeit ihr die väterliche Krone so vergället haben solte; es müste eine grössere Ursache in ihrem Hertzen verborgen liegen / welche sie wider ihre angebohrne Gütigkeit so sehr verhärtete. Erato begegnete mir: Liebste Salonine / kenntest du. Königliche Kronen so wohl inn- als auswendig /du würdest keine auffheben / wenn du schon mit dem Fuße dran stiessest. Der grosse Käyser August hat sich nicht ohne Ursach derselben entschütten wollen; und ich halte die Ursachen des Agrippa / der ihm solches gerathen / wichtiger [317] und löblicher / als des Mecenas / der ihm diesen löblichen Vorsatz wieder ausgeredet. Antiochus hat auch so thöricht nicht gethan /als er sich gegen die Römer / nach dem sie ihn seines gantzen Gebietes disseit des Taurischen Gebürges entsetzten / bedanckte / daß sie ihm einer so grossen Uberlast und vieler Sorgen entbürdet hätten. Gleichwohl aber gestehe ich / daß die Liebe des gemeinen Heils mir diese Last erleichtert / ich auch wegen meiner Gemächligkeit dieses Geschencke der Götter nicht weggeworffen hätte. Solte dir aber / vertrauteste Salonine / wohl schwer fallen die Haupt-Ursache dieser meiner Entschlüssung durch ein weniges Nachdencken zu errathen. Hastu den unvergleichlichen Fürsten Zeno so geschwind aus dem Gedächtnisse bracht /dem ich zu Sinope meine gantze Seele gewiedmet /und dessen Abwesenheit mich seit der Zeit keine Nacht ruhen / noch auch aus der grösten Ergetzligkeit die geringste Vergnügung hat schöpffen lassen? Oder trauestu meinem Gemüthe zu / daß ich nicht ihn / sondern sein Glücke geliebt? daß / nach dem er auffgehört des Polemon Sohn / und ein Erbe der Pontischen Königreiche zu seyn / bey mir auch sein Gedächtniß verschwunden sey? Nein sicher! Ich werde seinethalben noch zehen Ariobarzanes und alle Armenische /ja aller Welt Fürsten verschmehen; Wenn schon seine Tugenden mein Gemüthe und deinen Zweiffel nicht überredeten / daß / ob er schon kein Kind der Dynamis / doch aus Fürstlichem Stamme entsprossen sey. Ist dir seine eigene Fürtreffligkeit nicht Beweises genug / so will ich dir ein unverwerfliches Zeugniß der Götter fürlegen. Denn wisse / daß ich nach meiner Ankunfft in die Stadt Idersa in dem Phrixischen Tempel der Morgenröthe / woraus Jason den güldenen Widder geholet / diese Antwort bekommen habe:


Wenn Zeno nicht mehr wird seyn Polemons sein Sohn /

Wirstu Armeniens gekrönte Fürstin werden.

Wenn du verlassen wirst den väterlichen Thron /

Wird Zeno dich befreyn / viel ängstiger Beschwerden.

Wenn man dich wieder wird zur Königin einweih'n /

Wird er ein Königs Sohn und selbst auch König seyn.


Was meinest du nun wol Salonine / ob ich nicht Ursach habe / mich so wol dem Verhängnisse gutwillig zu unterwerffen / als auf die fernere Hülffe der Götter zu verlassen / welche bereit die Helfte dieser so deutlichen Weissagung wahr gemacht haben. Nicht nur ich / fuhr Salonine fort / sondern auch Artafernes verwundern sich über diesen göttlichen Offenbarungen überaus / schöpften auch von demselben Augenblicke an kräfftigen Trost. Ja ich konte mich nicht enthalten überlaut zu ruffen: Ihr gütigen Götter! Ach lasset doch unverlängt geschehen / daß Fürst Zeno dieser beständigen Königin / bey der die Liebe die Ehrsucht / den grössesten Abgott der Welt überwindet / von ihren ängstigen Beschwerden befreye! Wir zogen hierauff fort / kamen sonder einige denckwürdige Begebenheiten über das Taurische Gebürge nach Edessa / von dar durch die Cyrrestische Landschafft noch Antiochia an dem Flusse Orontes in Syrien / und endlich von dar über Meer nach Paphos in Cypern / wo der berühmte Tempel der Venus zu sehen ist. Selbigen soll Cyniras an den Ort gebauet haben / wo diese aus dem Meere nach der Geburt steigende Göttin ihren Fuß zum ersten mahl hingesetzt. Thamyras aus Cilicien hat darinnen zum ersten / und seine Nachkommen hernach lange Zeit geweissaget. Die itzigen Priester rechnen ihren Ursprung von Cynira her. Erato wolte die Gelegenheit nicht versäumen hier ihre Andacht zu verrichten. Wir begleiteten sie in den herrlichen Tempel / welcher dreyfach mit Myrtenbäumen umgeben /aus eitel weissen Marmel recht in die Rundte / und eben so wie der Dianen Tempel zu Ephesus vierhundert [318] fünff und zwantzig Schuch lang gebaut / inwendig mit dichtem Golde überzogen / aber mit keinem Dache belegt war. Denn es hat dieses Heiligthum diß besondere Wunderwerck / daß weder Regen noch Thau selbtes befeuchtet. Das Thor hat Phidias aus Ertz gegossen / und darinnen wie die gebohrne Venus auff einer Purpur-Muschel von vier Meer-Schweinen ans Ufer abgeladen wird / auffs künstlichste gebildet. Uber dem Thore stehet auff einem viereckichten Agathsteine folgende Uberschrifft:


Die Liebe wird verehrt in diesem Heiligthume /
Die Mutter der Natur und Schöpfferin der Welt /
Die Irrthum für ein Kind des kalten Meer-Schaums hält.
Weil eh / als Ertzt / Crystall / Kraut / Schwesel / Baumwerck / Blume
Corall / Stein / Thier gewest / ihr Wesen schon bestand.
Ja dieses All von ihr den ersten Trieb empfand.
Die flößt den kräfft'gen Thau der Fruchtbarkeit in alles /
Was Regung / Seele / Trieb und Wachsthum in sich fühlt.
Die schafft: daß / was nur lebt / auff seines gleichen zielt.
Die schwängert Wasser / Lufft / den Bauch des Erden- Balles /
Ja Sternen geußt sie Oel / den Reben süssen Wein /
Den Wurtzeln Farb' und Safft / den Hertzen Anmuth ein.
Schämt aber euch / die ihr Vernunfft und Urthel habet /
Daß / da nicht wildes Vieh aus dem Geschirre schlägt /
Da Panther / Löw und Pferd kein falsches Feuer hegt /
Nur ihr verfälscht / wormit euch die Natur begabet.
Wenn Mißbrauch ihre Milch in Gifft und Geilheit kehrt
Und / was euch nähren soll / wie Mad' und Krebs verzehrt.
Flieht / Irrdische / von hier / die ihr unreine Lüste
Für Töchter und Gespiel'n der Göttin bettet an!
So wenig als Napel aus Rosen wachsen kan /
Jaßmin aus Schwämmen blühn / und Balsam qvelln aus Miste;
So wenig kan die Pest / für der man muß vergehn /
Der Geilheit Mißgeburt in heil'gen Tempeln stehn.
Was ihr für Liebe rühmt / ist Eyter von den Drachen
Was ihr zur Göttin macht / ist ein Gifft-athmend Weib.
Sie frißt's Gewissen aus / sie tödtet Seel und Leib.
Ja wer die Wollust wil zu einem Gotte machen /
Ist wie / der Knobloch / Aff / Hund / Katzen / Crocodil'
In Götter; Ochs' und Bär in Sterne wandeln will.
Ihr Seelen aber kommt / ihr unbefleckten Hertzen /
Die ihr den keuschen Geist nur einer Seel' ansteckt!
Denn wie mein Opffer-Tisch wird durch kein Blut besteckt /
Wie man mich nur bestrahlt mit Schwanen-weissen Kertzen:
So muß bey dem / der liebt / auch Leib und Seele rein /
Ein Hertze das Altar / die Tugend's Opffer seyn.

Dem Eingange gegenüber stehet die Helffenbeinerne Venus des Praxiteles / welche mit der zu Gnidus um den Vorzug streitet / und darein sich Macareus so unsinnig verliebet. Unten an dem Fuße dieses Wunderbildes waren diese Reime zu lesen:


Soll Paris und Adon / weil diese nur allein

Die Venus nackt gesehn / diß Bild gefertigt haben?

Nach dem die Aehnligkeit so eigentlich trifft ein.

Weil aber so belebt sich zeigt diß todte Bein;

So fragt sichs: ob ein Gott diß Wunder ausgegraben?

Denn es kan ja kein Mensch beseelen Horn und Stein.

Sagt: was Praxiteles sein Meister nun muß seyn?


Auff der rechten Hand stehet eben dieser Göttin Bild /wie sie die Himmels-Kugel auff den Achseln trägt /aus Alabaster vom Phidias gemacht / auff der lincken des Alcamenes aus Marmel / einen güldenen Apffel in der Hand haltend / damit er den Agoracritus überwunden. Der oberste Priester Sostratus begegnete uns auf der Schwelle mit etlichen andern / und ließ die zum Opffer von uns bestimmten drey Böcke / als das hier angenehmste Opffer / nachdem er sie eusserlich wohl betrachtet / und tauglich befunden / von uns abnehmen. Er selbst führte uns für das in der Mitte unter freyem Himmel stehende Altar / für welchem wir nieder knieten / nachdem wir vorher einen güldenen Groschen darauff gelegt / und eine Hand voll Saltz in das daselbst brennende Feuer gesprenget. Das darüber erhöhete Bild der Göttin war nicht in Menschen-Gestalt / sondern ein aus Gold gegossener Circkel / der vorwerts am weitesten war / einwerts aber immer enger in einen gar kleinen Umkreiß zulieff. Des Priesters Auslegung nach / ist die Venus also gebildet / entweder weil so wohl die grösten als kleinsten Geschöpffe der Natur durch ihren Einfluß erhalten würden / oder ihr Gestirne eben so wie der Monde ab und zunehme /wenn es der Erden am weitesten [319] entfernet / voll und am grösten / bey Näherung der Erden aber hörnricht und am kleinsten wäre. Der Priester ließ von denen geschlachteten Böcken nur die im Weine rein abgewaschene eussersten Theile der Glieder und Eingeweide auff das Altar bringen / denn es mit keinem Blute bespritzt werden darff. Zweyfelsfrey / weil die Liebe selbst der Ursprung alles Blutes / oder auch gar nicht blutbegierig ist. Nach dem der Priester alle Fäserlein / und insonderheit die Stücke von den Lebern genau beschauet / streute er eine Schüssel voll Weyrauch in die Fla e / kehrte sich hierauff um und fing zur Erato an: Die Göttin hätte ihr Gebet erhöret; Sie würde zwar noch allerhand Zufälle überwinden müssen / aber das Verhängniß dächte ihr mehr zu / als ihre Gedancken itzt begreiffen / oder ihre Hoffnung fassen könte. Nach dieser erfreulichen Ankündigung führte uns Sostratus in eine Halle / und zeigte uns alle dieselben unvergleichlichen Schätze / welche die Vorwelt / und in selbter auch ihre Vor-Eltern der Göttin verehret. Unter denen aber allen den Vorzug verdienet das aus dichtem Golde gegossene Bild der reutenden Hipsicratea / welches zu ewigem Gedächtnisse ihrer unzertrennlichen Begleitung ihr Gemahl der grosse Mithridates diesem Heiligthume gewiedmet. Erato nahm nebst uns Abschied / und wir segelten mit gutem Winde nach Rom. Sintemahl sie in diesem allgemeinen Vaterlande der Völcker vom Fürsten Zeno einige Nachricht zu erhalten hoffte. Wie wir nun zu Rom zwar vom Zeno das wenigste vernahmen / Erato aber mit des Tiberius Sohne dem jungen Drusus verträuliche Freundschafft machte / und dieser seinem Vater und dem Germanicus in den Dalmatischen Krieg folgen wolte / entschloß sich Erato in seiner Gesellschafft zu reisen / und mit ihm daselbst ihr Glück zu versuchen. Wie wir aber in Rhetien kamen /kriegte Drusus vom Tiberius Zeitung / daß der Dalmatische Hertzog Bato und sein Sohn Sceva sich den Römern ergeben / und also dieser Krieg ein Ende bekommen hätte. Hierbey war ein Befehl an Drusus /daß weil krafft einer vom Könige Marbod ertheilten verträulichen Warnigung die Deutschen wider die Römer einen Auffstand fürhätten / solte er sich in das Läger des Qvintilius Varus nach Deutschland verfügen / und daselbst in die Fußstapffen seines Vettern des sieghafften Drusus treten / welcher die auffrührischen Gallier im Zaume gehalten / die sie verleitenden Sicambrer über den Rhein getrieben / die Bataver und Usipeter gedemüthiget / die Friesen / Chauzen und Cherusker zum Gehorsam bracht / bey der in die Lippe fliessenden Alme die Festung Elsens / als einen Kapzaum selbigen rauhen Völckern angelegt / die Bructerer auff der Emse geschlagen / funffzig Schantzen an Rhein gelegt / diesem Flusse den dritten Ausgang ins Meer eröffnet / und mit den Römischen Adlern biß an die Elbe gedrungen wäre. Erato wolte diese Gelegenheit das so berühmte Deutschland zu beschauen nicht aus Händen lassen / und also reiseten wir mit dem Drusus nach Meintz / allwo er seines in Deutschland von einem Bein-Bruche verstorbenen Vettern prächtiges Begräbnüß-Mahl betrachtete / und auff seinem Altare opfferte. Von Meintz reisete Drusus und wir mit ihm auff das Gebürge Taunus / und besahen gleicher gestalt die daselbst vom ersten Drusus auffgebaute Festung. Wie wir aber von dar / in willens zu dem andern Altare des Drusus an der Lippe und Alme zu gelangen / bey die StadtMattium kamen / wurden wir / die wir von keinem Kriege nicht wusten / gantz unvermuthet von den Catten überfallen / ja der junge Drusus im ersten Anfalle mit seinem Pferde über einen Hauffen gerennet. Wenn auch Erato und Artafernes nicht so tapffer den Catten begegnet hätten / wäre [320] Drusus unzweiffelbar ertreten / oder gefangen worden. Aber in dem Erato sich so sehr bemühete den Drusus aus dem Gedränge zu bringen / fiel sie mit ihrem Pferde in einen Sumpf / ward also von den Catten nebst mir / die ich meine Königin nicht in dem Stiche lassen wolte / gefangen. Drusus entkam auf das Gebürge; ob Artafernes sich mit ihm geflüchtet / oder todt blieben / stehe ich noch zwischen Furcht und Hoffnung. Wir aber sind von dem Hertzoge der Catten als Gefangene in das deutsche Läger /und endlich hieher unter die Schutz-Flügel so einer tugendhafften Fürstin gebracht worden.

Hiemit beschloß Salonine ihre Erzehlung / die holdselige Thusnelde aber umarmte sie mit beweglicher Versicherung / sie hätte mit nichts so sehr / als durch den Fürtrag so wunderwürdigen Begebenheiten verbunden werden können. Gegen der Erato aber betheuerte sie: Es wäre ihr hertzlicher Wuntsch / daß sie in Deutschland der Angelstern ihrer Vergnügung wieder erblicken möchte / der ihr auf dem schwartzen Meere aus dem Gesichte kommen wäre. Sie müste aus denen von ihr erzehlten Tugenden mehrentheils Wunderwercke machen; aber dieser finde sie keinen genungsam würdigen Nahmen / daß sie Kron und Zepter verschmehet um ihrer Treue keinen Abbruch zu thun; daß sie den so beständig geliebet / von dem sie zweiffeln könte: Ob sein Stand ihres Geschlechtes fähig wäre. Denn die Warheit zu sagen / wie hoch ich die Tugend schätze / wiewol ich weiß / daß ihre Vollkommenheit in ihrem eigenen Wesen bestehe / und sie so wenig einen Beysatz / als ein vollkommener Edelstein eine Folge dürffe; so traute ich mir doch nicht zu mein Gemüthe zu überwinden / daß selbtes sich einem gantz und gar eignen solte / der nicht Edelgebohren wäre; wenn auch schon der Neid selbst an ihm keinen Tadel zu finden wüste. Ja wenn ich auch schon aus Irrthum mich so ferne übereilet hätte / würde ich trachten meinen Fuß aus diesem Garne unvermerckt zurücke zu ziehen. Denn meinem Bedüncken nach erfordert so wol Liebe als Freundschafft eine Gleichheit; und wie hohe Ankunfft den Niedrigen einen Zunder der Liebe abgiebt; also hindert ein niedriger Uhrsprung bey den Edlen / daß eine entglimmende Gewogenheit zu keiner Liebe werde. Zwar ist mir nicht unbekandt / daß auch bey uns deutschen Königinnen ihre Liebhaber von der Pflugschaar genommen; daß die Scythischen und Serischen Könige ihre Gemahlinnen insgemein auch aus dem niedrigsten Pöfel erkiesen; aber ich weiß nicht / ob ihre Wahl mehr für tugendhafft zu achten / als des Paris Beginnen für leichtsinnig zu schelten sey; da er nach erfahrnem Fürsten-Stande seine Hirten-Buhlschafft Oenone verschmähete. Denn wie die Rosen niemahls ohne Purper blühen / die Granat-Aepfel nie ohne Kronen wachsen; also soll eine Fürstin auch nie nichts anders lieben /als was Purper und Kronen in sich hat. Die Königin Erato begegnete ihr: Ich habe mich der Rechtfertigung einer so niedrigen Liebe nicht anzumassen / weil ich an nichts weniger / als an des Fürsten Zeno hoher Ankunfft zweifele. Aber mich dünckt / daß die so holdselige Thusnelde ein allzu strenger Richter über die Liebe sey; wenn sie die Tugend eines niedrigern nicht für Liebens-würdig / oder / wahrhaffter zu sagen /nicht für edel hält; Da doch diese der Brunn alles Adels ist. Ich lobe den Wahnwitz nicht / daß eine Käyserin sich in einen Fechter / eine Königin in einen Mohren / eine Fürstin sich in einen Zwerg verliebt. Ich widerspreche nicht / daß wie auff den höchsten Gebürgen die reineste Lufft / also in hohen Stämmen insgemein fürtreflichere Gemüths-Gaben anzutreffen /und daß die mit Fürstlichem Geblüte vermählte Tugend einen zweyfachen Glantz habe / und also der niedrigern fürzuziehen sey; Aber ich kan auch nicht enthengen / daß eine Fürstin einen zu lieben Abscheu tragen solle / der durch seine Tugend sein Geschlechte [321] adelt / und den ersten Stein zu seinem Glücke leget. Sonst hätte Astyagens Tochter Mandane nicht dem Cambyses / die Edle Hersilia nicht den Tullus Hostilius / des Damascon Wittib nicht Agathoclen / und des itzigen Käysers Tochter nicht den Agrippa lieben können. Sicher / die Liebe hat allzu viel Zärtligkeit an sich / als daß sie diesem scharffen Gesetze sich unterwerffen solte. Die hohen Cedern sind der Ehrsucht /die niedrigen Myrten- und Rosensträuche der Liebe gewiedmet; Diese aber hat mit jener keine verträgliche Gemeinschafft. Die der Liebe ein Sinnbild zueignen / bilden sie wie keinen Adler ab / die nur in der Schooß des Jupiters / oder auf dem Taurischen Gebürge nisten / sondern wie Bienen / die an dem Saffte und der Seele der niedrigen Blumen sich vergnügen; die den Thau des Himmels nicht verschmähen / wenn er schon in die tiefsten Thäler auf sich bückende Kräuter gefallen ist. Ja auch die Liebe / die zwischen hohen Häuptern sich entspinnet / enteusert sich bey ihrer süssen Genüssung aller euserlichen Herrligkeit; Sie suchet ihre Ergötzligkeit nicht in den Zinnen der Palläste / sondern in den Wohnstädten der Hirten; nicht in dem Gepränge des Hoffes / sondern in einfältiger Verträuligkeit. Uber diß schiene der Fürstin Thusnelde Meinung auch der Würde des weiblichen Geschlechtes einen Abbruch zu thun. Denn da ein Edler durch seine Heyrath eine Unedle adelte; warum solte diese Krafft dem Frauenzimmer verschränckt seyn? Warum solten sie nicht ihren Adel auf die Geschlechts-Nachkommen fortpflantzen / die zu der Fortzeugung mehr Geblüte und Sorge / denn die Männer / beytrügen? Diesemnach die Epizephyrier den Adel gar vernünfftig von den Müttern herrechneten; die Lycier ihre Kinder nach den mütterlichen Ahnen /als denen edelsten Vor-Eltern nenneten; und die Egyptier ihren Königinnen mehr Ehre / als den Königen erwiesen; in Indien die Schwester-Kinder so gar die Söhne von der Reichs-Folge ausschlüssen. Die Fürstin Thusnelde antwortete hierauf: Ich will nicht in Abrede seyn / daß auch tapffere Leute von gemeinen gezeuget werden. Dieses aber geschiehet vielleicht so selten / als denen Reigern auf ihren Köpfen die so kostbaren Königs-Federn / und denen Schlangen Kronen wachsen. Dahingegen die alten Geschlechter nichts minder von tapfferen Söhnen; als in Indien die alten Steinklippen von Schmaragden und Türckißen reich sind. Die an der Sonne gewachsenen Früchte sind schmackhaffter / als welche an dem Schatten reif worden. Und wenn man auf den Adel tapfferer Helden nicht ein besonderes Absehn nehmen wolte; was würde endlich zwischen Kindern der Menschen und unvernünfftiger Thiere für ein Unterschied bleiben? Man verehrt ja das Alterthum in den todten Ehren-Säulen wohlverdienter Leute / warum nicht auch in ihren lebenden Ehrenbildern / nehmlich den Nachkommen? Diese schuldige Ehrerbietung macht / daß diß / was ein Edler gethan / stets ansehnlicher sey /als was ein neuer Mensch ausgerichtet. Denn wo die Tugend in einem Geschlechte einmahl recht einge wurtzelt ist / können desselbten Nachkommen so schwer in eine böse Unart verfallen; als die Mohren-Mütter weisse Kinder gebähren; ungeachtet ihre Schwärtze keine unabsonderliche Eigenschafft selbiger Menschen ist. Diesemnach denn der Adel gar billich für einen Lorber-Krantz zu halten / welchen nicht alsbald die ersten Verdienste zu wege bringen / sondern die verjährende Zeit denen Geschlechtern nach und nach aussetzt / wenn die rühmlichen Thaten gleichsam schon zum Theil vergessen sind. Dannenhero muß ich unvermeidlich unserm Geschlechte ablegen / und für das männliche nachgeben: daß / nach dem die Früchte nicht so sehr nach den Stamme eines Baumes / als nach dem Propfreisern fallen / ungeachtet jener allen Safft zum Wachsthume [322] thume hergeben muß; die Art der Kinder / und also die Fortpflantzung des Adels mehr denen Vätern / als Müttern zuzueignen sey. Jene sind doch nach aller Völcker Rechte die Uhrheber / diese aber der Beschluß der Geschlechter. Alldieweil aber kein Zweiffel ist / daß ein auf einen edlen Stamm gepfropffter köstlicher Zweig die allervollkommensten Früchte trägt / muß ich die Gewohnheit der Deutschen nothwendig vertheydigen / welche keinen für vollkommen edel hielten / noch zu hohen Aemptern befördern / der nicht von Vater und Mutter Edel gebohren ist. Wiewohl sie in dem Kriege / als aus welchem der Adel seinen Uhrsprung nimmt / solches nicht so genau beobachten / sondern man in Erwehlung der Heerführer bloß auf ihre Tugend und Thaten das Absehn hat. Die Fürstin Ismene ward von einem geheimen Triebe gleichsam gezwungen Thusuelden einzubrechen: Sie meinte zwar von beyden Seiten gut von Adel zu seyn; nichts desto weniger unterstünde sie sich nicht ihr selbst diesen Ehrgeitz beyzumessen / daß es keine Unedle ihr nicht in vielem zuvor thun solte. Dahero däuchtete sie ihres Vaterlandes Gewohnheit selbst allzu strenge / ja hochschädlich zu seyn / weil sie durch Ausschlüssung der Unedlen von den höchsten Ehrenstellen vielen Tugendhafften Leuten den Weg verschränckte / dem gemeinen Wesen viel guts zu thun. Zeugeten Leute von niedriger Ankunft nicht allezeit grosse Helden; so wären die Kinder der Edlen auch oft von aller Tugend leer / welche doch alleine der Adel / wie die Speise das Leben /erhielte. Vieler Fürsten Söhne wären ihren Vätern so unähnlich / daß dieser Verdienste jenen nur ihre Fehler fürrückte / und ihrer tapffern Ahnen verrauchte Bilder / ja gleichsam lebhaffte Steine ihnen Krieg ansagten / und als Unwürdigen den keinem Erb-Rechte unterworffenen Adel abstreiten wolten. Da nun dieser ohne Verdienste als dem Uhrsprunge solcher Würde ein eiteler Schatten / ein Verfolg tapfferer Thaten herrlicher / als eine lange Reye berühmter Ahnen wäre; da alle Menschen von einem entsprossen seyn sollen / und also den Fürsten der gantzen Welt zum Ahnherrn haben; da kein königliches Geschlechte so alt und ansehnlich wäre / welches nicht niedrige Leute / die man nicht einst vom Nahmen kennet / unter seinen Vor-Eltern hätte; ja der grösten Helden Nachkommen insgemein gleichsam in ihr erstes Nichts verfielen / und daher die von den Edlen Römern auf den Schuhen getragene Monden gar nachdenklich das Wachsthum und das Abnehmen des Adels abbildeten; da unsere Geschlechts-Register so leicht dem Irrthume und unterschlieffe unterwunden wären / gestünde sie frey heraus: daß sie bey habender Wahl zwar einen tugendhafften Fürsten allen andern fürziehen / einen lasterhafften aber / ja auch so gar einen mittelmäßigen einem tapfferen Unedlen im heyrathen unfehlbar nachsetzen würde. Sintemahl dieser / ungeachtet seiner niedrigen Anherokunfft / ihren Ahnen viel näher kommen würde / als die / welche nur vom Geblüte Edel sind / und in sich einen Geist des Pöfels haben.

Die Hertzogin Thusnelde war schon zu einem neuen Gegensatze geschickt; als die Gräffin von Horn eine Jungfrau aus ihrem Frauenzimmer ihr andeutete: daß der Feldherr mit unterschiedenen Fürsten schon im Vorgemache wären / sie heimzusuchen. Also ward ihr Gespräche unterbrochen um selbte zu empfangen /welche auch gleich in ihr Zimmer eintraten. Mit dem Feldherrn kamen Hertzog Arpus / Segestes / Jubill /Rhemetalces / Malovend / und endlich auch Zeno; dessen aber Erato nicht ehe innen ward / biß sie sich mit den andern bewillkommet hatte. Wie diese zwey aber einander erblickten / verlohren sie beyderseits Farbe / Sprache und Bewegung. Alle Anwesenden /denen die Nahmen und die Geschichte so wohl des Zeno / als der Erato / also auch die Ursache [323] dieser augenblicklichen Veränderung unbekandt war; sahen einander an / nicht wissende: Ob sie beyder Schrecknüß für eine Würckung der Feindschafft / oder Gewogenheit auslegen solten / biß der gleichsam aus einer Ohnmacht sich erholende Zeno für der Erato auf die Knie sinckende / zu ruffen anfing: Ihr Götter! würdigt ihr den unglückseligsten Zeno / daß er noch einmahl den Schatten seiner Seelen-Beherrscherin erblicke? Oder ist Deutschland so glückselig ein so wol getroffenes Fürbild der Armenischen Königin zu besitzen? Die Königin Erato erholete sich nun gleichergestalt / iedoch konte sie sich nicht mäßigen ihn zu umarmen / von der Erden aufzuheben / und zu beantworten: Nein / nein / mein liebster Zeno; du stehest weder die Armenische Königin / noch ihren Schatten; aber wol deine getreueste Erato. Zeno fing alsofort nach solcher Ausdrückung voller Bestürtzung an: O seltzame Bländung irrdischer Zufälle! darf wol ein Verwürfling der Welt / den das Glücke nicht nur dreyer Kronen / sondern durch die in der Welt erschollene Erkäntnüß Ariobarzanens für den Sohn des Polemon / seines Standes / seines eingebildeten Uhrsprungs beraubet / dem das Verhängnüs nichts als das Leben zu einer Straffe übrig gelassen / seine Augen gegen einer so erlauchteten Sonne aufzuheben sich erkühnen? oder darf der / dem die Götter selbst den Rücken gekehrt / der sich weniger als ein an die Ruderbanck geschmiedeter Sclave auszuführen weiß /ihm etwas von Treue oder Liebe einer gekrönten Königin träumen lassen? Erato ließ hierüber entweder für Freuden / oder für Mitleiden einen reichen Strom von Thränen über die Wangen rinnen; und antwortete ihm: Solte die / welche vom Fürsten Zeno in ihrer Erniedrigung / ja ehe er sie gekennet / so hertzinniglich geliebt worden / von ihm itzo so leichtsinnig absetzen; nach dem sein Uhrsprung von unserer Unwissenheit alleine verdecket wird? Ventidius / der die Ehre gehabt zum ersten mahl in Rom über die Parther ein Siegs-Gepränge zu halten / der in eben dem Tage des Königs Sohn erlegt / als der edle Crassus so viel tausend edle Römer eingebüsset / hat seinen Vater niemahls erfahren. Soll man der Sonnen ihre Ehre entziehen / wenn sie Wolcken umbhüllen? Oder soll unsere reineste Liebe sich in eine Ehrsucht verwandeln / und nicht auf die Tugend ihr Absehen haben / sondern mit dem veränderlichen Glücke bald diese / bald jene Larve fürnehmen? Ich weiß ja wohl / daß irrdische Abzielungen einen Menschen ihm selbst so unähnlich machen können / als er keinem frembden ist; daß die Ehrsucht heute mit der Fersen stöst / die die Schein-Liebe gestern geküsset; daß die itzt wohlrüchenden Rosen uns morgen anstincken. Aber die Götter werden meine Seele für dieser Schwachheit / oder vielmehr für diesem Schandflecke behüten; daß mein itziger Unbestand den Anfang meiner reinen Liebe zur Heucheley machen; mich aber der Welt als ein Muster der Leichtsinnigkeit fürstellen solte. Tugend und Liebe sind beyde von so hoher Ankunfft / daß ihr alle Würden weichen / alle Vortheil aus dem Wege treten müssen. Zeno ward über so holdseliger Erklärung gantz auffs neue begeistert / und nach dem er keine seine Regung genungsamausdrückenden Worte fand /seufzete er und küste die Schnee-weissen Hände der itzt zweyfach belebten Erato. Alle anwesenden Fürsten sahen diesen und mehrern Liebes-Bezeugungen erfreuet zu / und ihre Zuneigung zu beyden Verliebten machte sie ihrer Vergnügungen nicht wenig theilhafftig. Denn die sonst so eiversüchtige Liebe erlaubet gleichwol der Freundschafft / daß diese sich über ihren Ergetzligkeiten belustigen möge. Und es ist ein Beysatz der Glückseligkeit / wenn wir uns nicht allein selbst / sondern auch andere glückselig schätzen. Wie nun die Fürstin Thußnelde noch immer der Königin Erato die Thränen über die Wangen schüssen [324] sah /fing sie gegen ihr an: Ich weiß wol / daß die Thränen insgemein nach den Seuffzern / wie ein sanffter Regen nach einem warmen Thau-Winde zu folgen / und die Liebe sich so wohl als ihre Rosen mit derselben Thaue zu erfrischen / oder auch durch so eine geleuterte Fluth die Entzückung der Seele auszulassen pflege. Ich bin aber der Gedancken gewest / daß die Thränen alleine der Betrübten Liebes-Kinder / und die Traurigkeit ihre Weh-Mutter wäre. Nach dem ich nun mir unschwer einbilden kan / mit was für einer Vergnügung die Königin Erato den Fürsten Zeno bewillkommt haben müste; so lerne ich numehr / daß die Thränen eben so wohl ein reines Blut freudiger Seelen seyn / die ein verliebtes Hertze / welches seine Freude nicht in sich beschlüssen kan / über die Ufer der Augen auszugiessen gezwungen wird. Salonine / welche ihrer Königin Gedancken mercklich zerstreuet zu seyn wahrnahm / vertrat sie durch folgende Antwort: Es wäre nicht ohne / daß das Lachen insgemein eine Gefärthin der freudigen / das Weinen aber der bekümmerten Liebe wäre; welches so denn sonderlich bey der Verliebten Zertrennung herfür zu qvellen pflegte. Denn weil die Vorliebten sich so ungerne von einander entferneten / stiegen ihre Seelen so gar biß zu den Augenliedern empor / um ihre Buhlschafft zum minsten so weit / als das Gesichte trüge / zu begleiten. Weil nun diese Trennung der vereinbarten Seelen ihre wahrhaffte Verwundung wäre; so güssen sich die Thränen aus selbten eben so häuffig aus; als wie das Geblüte aus einem zergliederten Leibe herfür sprützete. Alleine bey einer unversehenen Wiederersehung der Verliebten entzündete und öfnete sich ihr Hertze /die Seele vereinbarte sich abermahls mit ihren Aug-Aepffeln; und wäre begierig sich durch ihre annehmliche Stralen mit dem / was sie liebet / zu vereinbarn. Weil nun die Augen allzu unvermögend wären / das gantze Wesen der Seele in einen andern Leib überzugiessen; züge sich so wohl von Liebe als Zorn in diesen irrdischen Sternen eine Menge feuriger und nasser Geister zusammen / welche die von kalter Traurigkeit verstopfften oder verfrornen Röhre des Hertzens öffneten / und die herfür kugelnden Wasser-Perlen über die Wangen / wie die im Frühlinge von den lauen Sonnen-Strahlen eröffneten Wolcken die sanfften Regen abtröpffelten. Daher auch die von der Freude mit Gewalt ausstürtzenden Thränen kalt / die langsam herfür qvellenden Trauer-Zähren aber heiß wären; bey obiger Bewandnüß aber es keines Verwunderns dörfte / daß die Einwohner des Hesperischen Eylandes das Weinen für ein Merckmahl ihrer grösten Freuden angewehren solten. Ismene fing an: Salonine weiß von der Verliebten Thränen so tiefsinnig zu urtheilen / daß es scheinet / sie müsse hierinnen schon das Meister-Stücke gemacht haben. Ich hätte meiner Einfalt nach solche Thränen für nichts anders / als einen Schweiß der Seele zu halten wissen; welche von dem Feuer der Liebe und Freude / als denen zwey hitzigsten Gemüths-Regungen ausgeprest würden. Dahingegen die kalte Furcht das Hertze einzwänge / und darmit auch allen Thränen ihren Lauff verstopffte. Rhemetalces nahm das Wort von ihr und sagte: Ich höre wohl / diese schöne Fürstin sey eine Beypflichterin des Plato / welcher der Seele nicht nur Flügel / sondern auch den Geistern leibliche Empfindungen zugeeignet hat. Ismene versetzte: Ich bin zwar das ungelehrteste Kind in der Liebe / und traue daher meine darinnen vorfallende Irrthümer nicht zu verfechten. Nichts desto weniger glaube ich / daß die Seelen empfindlicher / als die Leiber sind; ja weil nichts unbeseeltes etwas fühlet / die Glieder [325] aber nur vermittelst der Seelen Empfindligkeit haben / solte man fast die Leiber für unempfindlich halten / die Empfindligkeit aber alleine der Seele zueignen. Und ob wohl das Thränen-Wasser kein selbst-ständiges Wesen der Seele ist / so scheint es doch so wenig ungereimt zu seyn / daß man es für einen Brutt der Seele / als den Regen für ein Gemächte der die Dünste an sich ziehenden Gestirne hält. Die Fürstin Thusnelde pflichtete Ismenen bey / daß die Thränen-Vergiessung nicht aus einem Gebrechen des Leibes / noch von einer übelen Beschaffenheit der Feuchtigkeiten / sondern von der Bewegung der vernünfftigen Seele gezeuget würden / daher auch kein ander Thier / als der Mensch alleine eigentlich weinen könte. Dieses aber wäre ihr mehr nachdencklich: warum die so weise Natur die Thränen so wohl zu Freuden- als Trauer-Zeichen erkieset habe? Jubil antwortete: Vielleicht zu einer Unterrichtung / daß das menschliche Leben mit Freuden und Traurigkeit stets abwechsele / und unser Hertze in beyderley Begebenheit einerley Gebehrdung und Empfindligkeit haben solte. Aber / wie kommt es / daß das Frauenzimmer zum weinen viel geneigter /als die Männer sind? Thusnelde versetzte: Vielleicht meinen einige / daß die Weiber eine Verwandschafft mit dem feuchten Monden / die Männer mit der trockenen Sonne haben; und jene daher auch kleiner und kälter sind / und also sie mehr Zeug zu Gebährung der Thränen in sich haben. Rhemetalces fiel ihr ein: Wo ihre Geburt der Seele zuzueignen ist / kan der Thränen Uberfluß aus nichts anderm herrühren / als daß das Frauenzimmer eine zärtere und empfindlichere Seele / also auch hefftigere Gemüths-Regungen habe; und also auch die Königin Erato dem Fürsten Zeno in der Liebe und Freude überlegen sey. Salonine hielt es ihrer Schuldigkeit zu seyn sie zu verreden / und begegnete ihm: Ich glaube zwar / die Liebe sey eine ruhmswürdige Tugend / denn sonst würden die Griechischen Welt-Weisen ihr schwerlich zu Athen im Eingange ihrer hohen Schule ein Altar aufgerichtet haben. Diesemnach ihre Stärcke so sehr / als die Grösse in Perlen gerühmt zu werden verdienet. Warum will man aber hierinnen dem Fürsten Zeno seinen Preiß zweiffelhafft machen. Sintemal ja die sich an ihm gezeigete Ohnmacht eine kräfftigere Entzückung der Liebe ist / als die Thränen. Denn die Lebens-Geister / die gleichsam die Seele der Sinnen / und der zweyte Anfang des Lebens sind / zerstreuen sich daselbst so sehr / daß selbtes kein ander Merckmahl /als ein schwaches Hertz-Klopffen behält; welches nichts anders / als ein ängstiges Schlagen und Hülffe-Ruffung der vergehenden Seele ist. Diese Ohnmacht der Verliebten ereignet sich nur bey der übermäßigen Begierde oder Freude; wenn das Hertze auff einmahl alle seine Pforten angelweit aufsperrt / daß die Geister / die so flüchtigen Werckleute der Bewegung / die Federn in dem Uhrwercke der Sinnen / mit einem Hauffen heraus brechen um mit dem Geliebten sich zu vereinbarn / und hiermit dem Hertzen alle Krafft / und dem Liebenden schier gar die Seele entziehn.

Unter diesem Gespräche verwandte Hertzog Jubill bey nahe kein Auge von der mit dem Fürsten Zeno sich unterhaltenden Erato. Denn er empfand eine ihm unbekandte Regung über der Schönheit und Großmüthigkeit dieser unvergleichlichen Königin. Der Feldherr aber nahm für eine absondere Beglückseligung des Himmels auf / daß er nicht allein so eine grosse Königin / und einen so tapffern Fürsten in seine Bekandtschafft kommen lassen; sondern daß sie auch in seiner Burg / die sie vielleicht für einen traurigen Kercker angeblickt hätten / durch ein sonderbar Verhängnüß und ihre Vereinbarung alle Gemüths-Beschwerden ablegen könten / die sich in ihrem beliebten Vaterlande angesponnen hätten. Nach seinen und der andern [326] Fürsten gegen sie verwechselten Höfligkeiten ersuchte er sie allerseits diesen Abend mit ihm Taffel zu halten; worzu er selbst die Fürstin Thusnelden / Zeno seine so lange Zeit mit tausenderley Hertzeleid vermiste Erato / Hertzog Jubil Ismenen / und Malovend Saloninen auf den grossen Saal führeten /und nahe biß an Mitternacht die Zeit mit anmuthigen Gesprächen und Schertz-Reden verkürtzten; welche aber allein der Erato und dem Zeno durch die Begierde einander ihre inzwischen ausgestandene Ebentheuer zu erzehlen zu lang werden wolte; biß endlich nach sämtlicher Abscheidung der angenehme Schlaff sie ihrer Sorgen und vielfältigen Gemüths-Regungen auff einerley Arterledigte; dem Hertzoge Jubil hingegen durch allerhand Träume das Bildnüß der wunderschönen Erato noch tieffer / als vorher seine Augen /in denen die Liebe insgemein zum ersten jung wird /ins Gedächtnüß und Gemüthe prägete.

Inhalt des Vierdten Buches
Inhalt
Des Vierdten Buches.

Thußnelde / Ißmene / die Cattische Hertzogin und Fräulein nebst Saloninen werden in begieriger Erwartung der zwischen der Königin Erato und Fürsten Zeno vorgegangenen Ebentheuer von Adgandestern des Feldherrn obristem Staats-Rath zu dem Taufanischen Tempel / allwohin des Drusus zu Alison von den Deutschen noch übrig gelassene Heiligthümer gebracht werden sollen / verleitet / vom obristen Priester Libys mit gewöhnlicher Ehrerbietigkeit in solchen geführet / und aldar die vier Haupt-Ströme Deutschlandes / die Donau / der Rhein / die Elbe und die Weeser nebst des Drusus in Lebensgrösse aus Marmer gehauenem Bildnüsse mit allerhand schönen seine herrliche Siege und Thaten in sich haltenden Dencksprüchen gezeiget / über welcher sonderbaren Kunst und Erfindung sich die gantze Versammlung zwar ergötzet / sich aber zugleich befrembdet / wie diese ruhmräthigen Bilder zu Verkleinerung ihres Vaterlandes Schutz-Götter in ihr Heiligthum gesetzet werden könten / welchen Hertzog Herrmann versetzet: daß die Tugend auch bey Feinden zu loben / und zu guter Nachfolge dienen müsse / welchen alles widrige Urtheil überwiegenden Gründen des Feldherrn der Priester Lybis beypflichtet / und die Tugend nicht anders als die Sonne überall einerley und zu verehren würdig schätzet; und kommt hierauf unter so vielen eratichteten Göttern auf ein eintziges göttliches Wesen / welches alles einstimmig ordne / schaffe und erhalte. Ob nun wohl der Priester Libys den sterblichen Menschen keine Vergötterung zugestanden /sondern ihr ruhmbares Andencken in die Hertzen der Lebenden / als die besten Tempel und schönste Ehren-Säulen gesetzet wissen will; So kan er doch nicht alle euserliche Gedächtnüß-Mahle / als dem rechten Sporn lauer Gemüther / [327] und also auch des Drusus Bild nicht so / wie die ihren reinen Gottesdienst benachtheiligende Altar-Täffel aufzurichten widersprechen / welche letztere der Feldherr hierauf zerbrechen / den Hertzog Jubil / Arxus / Siegismund und Melo aber zur Berathschlagung wichtig eingelauffener Schreiben in Tempel beruffen läst. Fürst Adgandester Rhemetalces und Malovend besprachen sich indessen bey Zermalmung dieser herrlichen Taffel von des Drusus Ruhme / der Bunds-Genossenschafft und denn auch von den Gründen der Vernunfft und Gesetzen der Natur. Drusus wird wider die den Römern verhaste Feinde die Rhetier geschicket. Käyser August zu Lugdun auf dem Wagen der Sonnen in Gestalt des Apollo durch die ihm aufgerichtete mit eitel von der Sonnen und den Haupt-Strömen Galliens hergenommenen auf ihn und den Julius zielenden Sinnbildern ausgezierte Ehrenpforte in den vom Adginnius am Rhodan aufgebaueten Tempel aufs prächtigste eingeholet. Die Gallier werden wider die Römer schwürig /durch des Drusus Vorsichtigkeit aber bald wiederum zum Gehorsam gebracht; Ingleichen die Moriner nebst den Batavern von diesem vergeblich bekriegt: welche letztern von den streitbaren Catten entsprossen / ihren Sitz zwischen dem Rheine und Nord-Meer erkieset / dem Schutz der Britannier sich anfänglich unterworffen / nachgehends aber dieses harte Joch vermittels ihres tapffern Hertzogs Eganors und seines Sohnes Eisenhertz sich wiederum zum freyen Volcke gemachet. Dieser ihre grosse Handlung und Schiffarth hat sie in der gantzen Welt bekandt / ihre Hertzhafftigkeit sie fast zwischen allen Völckern zu Schieds-Richtern und Bundsgenossen der mächtigen Römer gemacht / biß sie endlich von den klugen Britanniern /ja selbst dem Hertzoge Wodan durch die Süßigkeit der Ruhe und des Gewinns eingeschläfft / der Waffen vergessen / vom Drusus plötzlich überfallen / und in kurtzer Zeit fast des halben Theils ihrer Herrschafft entsetzet worden. Enno ein alter Staats-Mann bringet die Fürstliche Herrschafft als die älteste und heilsamste Herrschens-Art wider das neue Staats-Gesetze zum Vortheil des Cariovalda und Frohlocken des Pöfels wieder auf den Teppich / worauf dieser einen der vornehmsten Räthe und den gemeinen Redner wider Urthel und Recht aus einem blossen Verdacht erbärmlich abschlachtet. Inzwischen nehmen die Sicambrer /Usipeter und Catten aus einer sonderbaren Staats-Klugheit gleichwol wahr: daß sie sich von den herrschenssüchtigen Römern nicht einzuschläffen / sondern des Drusus sieghafften Waffen zu widersetzen Ursach hätten / wordurch des Drusus Heer denn von den Batavern abgezogen / von jeden aber wegen des Ober-Gebiets und Mißträuligkeit weiter nichts fruchtbares ausgerichtet wird / als / daß ein Stillstand der Waffen zu ein und anderm höchsten Nachtheil erfolget. Drusus unterfänget sich gegen die Friesen und Catten eines nicht minder glücklich als verzweiffelten Werckes durch Vereinbarung eines Rhein-Arms mit der Nabal und Aufbauung der Festung Drususburg /überwinder die bey einem sonderbaren Feyer versammleten Friesen nach hartem Gefechte seiner eigenen Verwundung / und des gefangenen Fürsten Cheudo großmüthigen Antwort. Er Drusus ergötzet sich an der ins Nord-Meer sich ausgiessendem Emße / wie nicht weniger an denen vom Hertzoge Wodan dabey aufgerichteten und auf sich selbst deutenden Säulen. Die hier aus geschöpffte Selbst-Liebe und Heucheley veranlasset ihn auch die Chäutzen überfallen / die ihn aber mit höchstem Verlust und gäntzlicher Niederlage [328] der Friesen gantz krafftloß wieder nach Rom schicken / von dar ihn Eifer und Rache bald wieder zurücke diesen und den Usipetern auff den Hals ziehen / welche erstern sich auch nach hertzhaffter Gegenwehr dennoch dem Römischen Joche unterwerffen / und durch plötzlichen Uberfall des Cheruskischen Gebiets zu Deutschburg des Feldherrn Segimers zwey Söhne mit ihrer Mutter Asblaste dem Drusus zur Beute werden müssen. Der Feldherr Segimer der Sicambrische Hertzog Melo ziehen die Catten in ihr in einem heiligen Häyne mit der Römer Blute gleichsam bezeichnetes Bündniß / schneiden dem an die Weser gerückten Drusus / welcher Fluß / seiner eigenen in Stein gegrabenen Worte nach der Zweck seiner Siege war / die Rückkehr ab / in welchem blutigen Fechten die Römer 12. Fahnen der Nervier / 8. der Friesen / 20. der Gallier nebst einem Römischen Adler einbüßen /Anectius vom Arxus / Senectius vom Melo erlegt und Drusus vom Segimer verwundet wird / so / daß er sich nach Alison flüchten muste / von dar er nach Rom zum Siegs-Gepränge beruffen / und vor ihm her des Feldherrn Gemahlin Asblaste mit ihren zwey Kindern auff einem goldnen Wagen mit 4. weissen Pferden geführet wird. Von dieses des Drusus mehr den Deutschen zum Schimpff als ihm zu Ehren gereichenden Siegs-Gepränge kommt Adgandester auff Rhemetalces und anderer Fürsten inständiges Anhalten auff der Octavie des Käysers Schwester Tochter die schöne in einen Edelmann Nahmens Murena verliebte dem Drusus aber von der Livia und Augustus zugedachte Antonia / wie diese ihre Liebe unter einer in dem ihr verehrten Vorwerg bey Baje zahm gemachten Fisch Murene so klüglich verstecket. Wie sehr sich beyde gleich vor der auffsichtigen Octavie und schlauen Livie in acht nehmen / so muß doch eine im Saal des Weihers gefundene stumme Taffel / und bald darauff die durch widrigen Zufall erfolgte Verwechselung der Brieffe ihrer Liebe Verräther seyn. Octavia und Antonia gerathen durch Umstürtzung des Schiffes in Lebens-Gefahr / werden aber vom Murena wunderbar errettet; Die verwechselten Brieffe zwischen Julien und Antonien gegen einander ausgewechselt / diese auch von jener bey bevorstehenden zu Puteoli angestellten Schau-Spielen / wobey Hertzogs Segimers Gesandter der Ritter von der Lippe das beste gethan /alles Vorschubs in ihrer geheimen Liebe zwar versichert / unter dem vermeinten Murena aber dem Drusus fälschlich in die Hände gespielet / worüber sie in halbe Verzweiffelung gesetzet wird. Inzwischen wird Drusus in der am so genannten Spiegel-See der Göttin Diane gelegenen Höhle Egenia von seiner Mutter wegen eines an die Julia gefertigten Brieffs gerechtfertiget / diese Stadtkündige Laster nebst andern ihrer Ehe verhinderlichen Geheimnissen / dagegen die wunderwürdige und mit allen Tugenden vergesellschafftete Schönheit der Antonie / die ihm mit der Zeit den Käyserlichen Thron zum Braut-Schatze zu bringen würde / ihm vor Augen gestellet / endlich auff des Käysers vorgezeigten Befehl zu der letztern Entschlüssung auch bewogen / und diese wenige Tage darauff nach denen der Diane geschlachteten Opffern zu Rom durch ordentliches Beylager mehr mit Liviens und Juliens / als der Vermählten Freude prächtig vollzogen wird. Dem Drusus steckt Juliens Liebe noch immer im Kopffe; Julia dagegen der Zeither in Kummer und Einsamkeit vergrabenen Murena zu geniessen dencket auff alle ersinnliche Mittel / wird aber von der begleichleidigten [329] Antonia mit gleicher Müntze bezahlet und der Liebe des Murena entzogen /gleichwohl aber durch die Staassüchtige Livia mit tausenderley Erfindungen an ihren andern Sohn den Tiberius mit Verstossung der frommen und schwangern Vipsania vermählet; diese mit unabläßlichen Geilheiten schwanger gehende Julia zündete nicht weniger Eifersucht bey ihrem Gemahl / als neue Liebes-Flammen in dem Gemüthe des Drusus an; bauet am Rheine die nach ihrem Gemahl benahmte Stadt Tiberich / ihr selbst zu Ehren und des am Rhein stehenden Drusus mit besserm Fug zu geniessen / an der Ruhr die Stadt Jülich. Dieser fällt auffs neue die Catten wieder an / wird auch von ihrem am Ufer hertzhafft fechtenden Hertzoge Arpus selbst verwundet; Den noch aber von diesem wegen der den Römern zu Hülffe kommenden Ubiern sich in die Wälder zwischen die Fulde und Weser zu setzen vor rathsam gehalten / allwo ihn Drusus ungeirret lassen / sich gegen dem Mäyn wider die Hermundurer zurücke ziehen /vor der grossen Macht des Marobods seine kriegerische Waffen in Friedens-Zeichen verwandeln / ja dieses und des Schwäbischen Königs Vannius erlangte Feindschafft mit allerhand kostbaren Geschencken verehren muß. Nach diesem Erfolg sucht er seine Rache an denen von fremder Hülffe entblößten Cheruskern auszuüben / setzet über die Weser biß an Hartz-Wald / nach gefundenem Widerstande wendet er sich gegen die Elbe / diesen noch von keinem Römer iemahls betretenen Fluß zu übersetzen; Allein die Gespenster müßen sich seinem Ehrgeitze in Weg legen / und die durch Opffer vergeblich versöhnten Schutz-Götter des Flusses ihm seinen Brückenbau hindern. Die dißfalls sorgfältigen Rhemetalces und Adgandester sich unter einander besprechende Fürsten: Ob diese vom Drusus und vielen andern erzehlte gleichstimmige Begebniß wahrhafftig geschehen und was davon zu glauben sey? vergesellschafftet der ihnen zuhörende Priester Libys / ertheilet ihnen seine Gedancken über die denen Menschen / Landschafften / Bergen / Städten / Tempeln und Flüssen zugeeignete Schutz-Götter / wie von diesen in Nothfällen augenscheinliche Hülffe erfolget / also um so viel weniger zu beleidigen / noch durch was widriges zu verjagen wären / ja es zeigte der schlechte Ausgang des Drusus: daß diese durch keine vermeinte Künste / wohl aber durch unsere eigene Laster entrissen werden könten / dafür wohl gar einige Menschen in ihren Geburtstägen von ihrem sichtbaren Schutz-Geiste oder durch Träume gewarnet worden. Der hierauff unverrichteter Sache sich wieder zurück ziehende Drusus findet seine über die Weser geschlagene Brücke nicht allein zernichtet / sondern auch von seiner dabey gelassenen Besatzung nichts mehr als ihre Todten-Knochen. Die wieder ergäntzte Brücke steckt der im Hartz-Walde stehende Segimer durch sonderbare List wieder in Brand / erleget das hierdurch getheilte feindliche Heer biß auffs Haupt / den Drusus bey nahe selbst durch Stürtzung seines verwundeten Pferdes. Dessen gefährlicher Beinbruch wird durch den zuschlagenden Brand unheilbar / die Gefahr dem Tiberius durch schnelle Botschafft beybracht / welcher ihn kümmerlich zu Mäyntz noch lebend antreffen und ihm den letzten Abschieds-Kuß geben kan. Die anwesende Julia drückt ihm die Augen zu / mit ihren Thränen wäscht und salbt sie zugleich seinen Leib ein /biß er vollends nach Rom gebracht / alldar öffentlich gewiesen / vom Käyser selbst seiner Thaten halber gerühmet / [330] durch die vornehmsten der Römischen Ritterschafft auff das Feld Mars getragen / allda verbrennet / die Asche ins Käyserliche Begräbniß gesetzet /ja ihme und allen seinen Söhnen nicht allein der Nahme des Deutschen gegeben / sondern auch statt des ihm bestimmten Siegs-Geprängs andere Feyer und Gastmahle angestellet / zu Rom und am Rheine Ehrenbogen auffgerichtet / die Mutter Livia aber in die Zahl derselbigen Mütter / die drey Kinder gebohren /gezehlet worden. Unterdessen ni t Segimer die vor unüberwindlich geschätzte Festung Altheim am Rheine ein / dräuet auch einen Einfall den Galliern / also: daß Käyser August den Batavern ihre Länder und Städte an der Maaß wieder abtreten / Segimern durch annehmliche Friedens-Vorschläge besänfftigen und die übrigen Bundes-Genossen befriedigen muß. Uber dieser des Adgandesters Erzehlung läufft die unvermuthete Nachricht ein: daß die Fürstin Thußnelde nebst ihren Gefährtinnen aus dem Lust-Garten mit Gewalt geraubet worden / worauff der nebst dem Fürsten Jubil im Tempel sich befindende und darüber höchst bestürtzte Hertzog Hermann augenblicks seine Leib-Wache auffbeut und samt den übrigen Fürsten den Räubern nacheilet / von welchen / und daß Fürst Zeno tödlich verwundet / die an einen Baum gebundene Solonine / ingleichen einige übereilete Lombardische Soldaten Bericht ertheilen / auch: daß Segesthes und Marobod diesen verzweilfelten Anschlag ausgeführet / und an dem Furthe der Weser mit 6000. Pferden der Räuber erwartete; Worauff Hertzog Herrman sich gleichfals verstärcket / und / ehe er es vermeinet / mit des Feindes Hinterhalt ein Treffen halten muß / biß er endlich gar auff sie stöst / viel zur Beute machet / und nach Erblickung seines Leit-Sterns der Thußnelde selbst den Marobod als ein wütender Löwe anfällt; von der Menge aber endlich übermannet / gefangen und von dem undanckbaren Segesthes mit einer schimpfflichen Ketten als ein Knecht geschlossen wird / auff welche erblickte Schmach Thußnelde als eine ihrer Jungen beraubte Bärin dem nächsten Lombarder den Degen ausreisset und durch dessen tapffern Gebrauch den Feld-Herrn aus den Ketten /ein unter dem Rhemetalces darzu kommender Ritter Horn aber ihn auff sein Pferd bringet / daß er den Marobod / jener aber den Segesthes hurtig anfallen kan; Worauff dieser ihm übel bewuste und hefftig verwundete Flüchtling eines schimpfflichen Todes halber; Marobod aber gleichfals verwundet mit Hinterlassung seiner herrlichen Beute / die er letzt noch durch einen verzweiffelten Bogen-Schutz zu verderben suchet /sich aus dem Staube machen und mit den seinigen den Platz räumen muß. Indessen halten Hertzog Melo und Jubil mit dem Marsingischen Hertzoge Taxis und des Sarmatischen Königs Jagello Sohn Boris einem halben Riesen ein hartes Gefechte / darinnen Melo zwey mahl verwundet sich zurück ziehen / und Jubil die Hitze vollends allein aushalten muß / biß er endlich des Boris Pferd verwundet und zugleich den Reuter mit seiner schweren Rüstung über und über stürtzet /wie er ihm aber vollends das Lebens-Licht auszulöschen im Wercke ist / wird er durch ein unvermuthetes auch bald hierauff erkanntes Geschrey der sich gegen einige blancke Sebel der Sarmater beschirmenden Königin Erato hiervon ab / und ihr zu Hülffe gezogen / daran er aber von zweyen zu des Boris Leib-Wache [331] abgerichteten und von dessen Waffenträger wider ihn loßgelassenen weissen Bären mercklich gehindert / wegen der Königin selbst in grösten Kummer gesetzt / ja letzt von dem noch übrig lebenden Bären bey seinem grösten Unglück auff gantz wunderbare Weise in den Ort gebracht wird / allwo sich die kaum noch athmende Königin mit den geilen Sarmatern ärgert / sie aber hiervon alsbald mit der Feinde eigenen Waffen erlöset / und auff zweyen in Wald verlauffenen gesattelten Pferden wieder zu seinen durch den Fürsten der Hermundurer entsetzten Cheruskern bringet. Thußnelde dancket ihrem vom Blut bespritzten Hertzog Herrmann mit tausend Thränen vor die Erlösung / verflucht die Untreu ihres Vaters; der Feld-Herr aber leget auff der Wage seiner Vernunfft dem vergessenen Unrecht vor der Rache das Gewichte zu. Nicht weniger fällt die Königin Erato dem Hertzog Jubil in die Armen / und erhebt ihn unter vielen Lobsprüchen vor ihren Schutz-Gott / wird aber von ihm wie vorhin mit rühmlicher Tapfferkeit / also auch nunmehr mit aller gegen gesetzten Höffligkeit verfochten. Diese Begebnüß giebet zugleich Anlaß zu einem unwidersprechlichen Urtheil: daß Tugend und Laster nicht dem Einfluß der Sternen / am wenigsten aber gewissen Ländern zuzuschreiben / sondern ieder Ort seine Wunderwercke und Mißgeburten nicht weniger als seine Tage und Nächte habe: Ja wo Sonnen /es nicht an Finsternißen; Wo Menschen / es nicht an Ungeheuern fehle / deren Grausamkeit alle vernunfftslose Thiere zu entwaffnen / und gegen die Königin Erato die sonst raasenden Bären mehr Barmhertzigkeit als die Sarmatischen Unmenschen vorzukehren gewohnet. Uber diesem Gespräche kommen unvermuths einige vom Adgandester und Malovend geschlagene Marckmänner dem Feld-Herrn in die Hände / welcher / an statt: daß er dem flüchtigen König Marobod vollends vertilgen können / ihm durch einen Brieff ersprießliche Friedens-Mittel anzutragen / und seine über ihres Vaters des Segesthes Untreu höchst bekümmerte Thußnelde dadurch möglichst zu trösten bemühet ist. Thußnelde erzehlet ihren und der Königin Erato vorgegangenen Raub / des Fürsten Zeno dabey erwiesene Tapfferkeit / Saloninens Ungemach / Segesthes und Marobods über sie ergangene Entschlüssungen mit höchster Gemüths-Beschwer / und wie sie endlich zu Deutschburg anlangen; kommt Hertzog Hermanns Bruder Flavius mit höchster Freude des gantzen Hofes auff etlichen Post-Pferden alldar an / und überbringet von Rom die grosse Bestürtzung über des Varus erlittenen Niederlage / so den fünfften Tag / weil insgemein dem Ruff Flügel angehefftet werden / schon alldort kundig worden; Augustus verlieret durch sein hierbey bezeigtes Ungeberden das Ansehen bey den deutschen Fürsten / die ihn des Tages zuvor aller widrigen Zufälle Meister /ja der gantzen Welt Beherrschung würdig geschätzet; Jedoch redet diesem der Feld-Herr alleine noch das Wort / und zwar: daß zuweilen auch der Hertzhafftigste dem Glücke und der Natur ausweichen / bey Helden die Furcht und Tapfferkeit eben so wohl als in Wolcken Feuer und Kälte sich vereinbaren müste. Flavius erzehlet seine Begebniß und Aufferziehung zu Rom / der Römer insonderheit des jungen Lucius lasterhafftes Leben und Geilheit. In dieses jungen Fürsten Hertze hält die Lehre des weltweisen [332] Athenodors und der heuchlerische Hoff einen rechten Kampff-Platz. Jener bemühet sich ihm auff tausenderley Art die Wollust zu vergällen; Ein ander von der Staats-süchtigen Livia erwehlter Welt-Weiser Aristippus aber flöste ihm dagegen solche ins geheim durch seine verzuckerte Worte und verteuffelte Hand-Griffe ie mehr und mehr ein / biß solche endlich vom Sotion einem frommen Druyden verrathen / Flavius nebst dem Cajus und Lucius / welcher an den hitzigen Morinnen sein eintziges Vergnügen / an allem weißen Frauenzimmer als todten Bildern einen Eckel gehabt /von diesem Laster-Balge entrissen / dieser aber nebst seiner ergriffenen unzüchtigen Gesellschaft auffs Käysers Befehl erwürget / in die Tiber geworffen / und alle Epicurische Weltweisen aus Rom und Welschland verbannet werden. Der Käyserin Livia Geburts-Tag wird zu Rom mit allerhand Auffzügen auffs prächtigste begangen / Lucius dabey in die Dido des Juba und jungen Cleopatre Tochter / weil er ohne dem einen sonderbaren Zug zu den schwartzen Morgenländern gehabt / hefftig verliebet; Flavius aber / welcher sich ihn von seinen schwartzen Gottheiten abzuhalten / und die Weißen vor jenen mit allerhand Gründen zu erheben bemühet / auch das Urthel durch die Schieds-Richter nebst dem Nahmen Flavius erhellet / von ihr mit mehr Stralen der Bewogenheit beglücket / dagegen von seinem eiffersüchtigen Neben-Buhler; dieser von der darzu kommenden Dido / Dido vom jungen Agrippa durch einen Dolch; Agrippa vom Micipsa der Dido Edelknaben durch einen Pfeil tödlich verwundet wird; die Verwundeten werden alle von einem Britannischen Artzt nicht so wohl durch Verbindung der Wunden / als des mit einem gewissen Staube bestreuten Dolches wiederum geheilet / der Artzt aber /um / daß dieser den Flavius sein Hülffs-Mittel zugleich mit geniessen lassen / mit eben diesem Mörder-und schädlichen Werckzeuge vom Lucius in Leib gestochen / welche That dem Käyser zu höchster Empfindligkeit / und den Flavius ausser Rom in Sicherheit zu wissen veranlasset / so nach schmertzlichem Urlaub bey der Dido unter dem König Juba und Cornelius Cassus wider der Getulier Hiempsal zu dienen bald begierig / und die Dido in Numidien wieder zu sehen gewärtig ist. Juba läst dem Gefangenen Himilco den Kopff abschlagen und solchen dem die Stadt Azama beschützenden Hiarba mit gleichmäßiger Bedräuung überbringen / welcher ihm hundert Köpffe gefangener Numidier unter dem Vorwand sonderbarer Freygebigkeit und eines schuldigen Danck-Opffers zur Gegen-Gabe lieffert. Wodurch die Numidier noch mehr erhitzet und die Getulier durch einen vom Flavius ersonnenen listigen Streich vermittels der Alraun-Wurtzel in seinem verlassenen Läger eingeschläffet / hierauff überfallen / gefangen und der ertödteten Köpffe dem Juba zur Beute überbracht werden / von welchen dieser König einen grossen Berg schütten / mit den Gefangenen die Stadt Antotala bestürmen / alles darinnen niederhauen und den Deutschen zu Ehren die Stadt Tumarra / allwo Flavius diesen Sieg erhalten /Germana heissen läst. Nach gäntzlich erlegter Feinde und des Hiempsals eigener Person setzet zu Cirtha des vergötterten Juba durch künstliches Zugwerck von der Cleopatra zubereitetes Bild seine Krone dem in Tempel siegreich zurück kommenden Könige Juba; [333] Zwey andere aber dem Cornelius Cassus und Flavius zwey mit Diamanten und Rubinen durchflochtene Lorber-Kräntze auf; dieser letzte findet in dem seinen einen verwirreten Zettel / nachgehends aber in dem Tempel der Getulischen Diana unter diesem Bilde seine unter andern zum Schlacht-Opfer schon fertig stehende geliebte Dido / welche über des Flavius Anblick in Ohnmacht weggetragen / eine andere in ihre Stelle verordnet / auch vom Juba folgenden Tag im Tempel in Beyseyn des Priesters über den zu Rom ihr begegnenden Verlauff befraget wird. Da sie denn mit aller Bestürtzung des Lucius zu Massilien an sie versuchte Thätligkeiten / davon sie sich nicht anders / als durch das Gelübde ewiger Jungfrauschafft loß reissen können / nebst Verachtung ihrer Götter und Stürmung des Tempels / worüber ihm Dianens gerechte Rache das Lebens-Licht ausgeblasen / erzehlet: Welch gezwungenes Gelübde Flavius als ungültig verwirfft /der oberste Priester dagegen widerspricht / und die Dido dabey zu sterben verurtheilet / worüber der König und Flavius betrübt aus dem Tempel gehen /Cornelius Cassus aber nach Rom wegen der gezwungenen Getulier zum Siegs-Gepränge kommen muß. Flavius erzehlet: Daß er unter Furcht und Hoffnung noch ein gantzes Jahr bey dem Könige Juba zu Hofe geblieben / die Getulier auf Anstifften der Garamanten aber bald hierauf wiederumb wegen des in Lybien geänderten Acumonischen Gottes-Dienstes wider die Römer die Waffen ergriffen / so König Juba unter seines des Flavius tapfern Anführung mit Eroberung vieler Städte / des Micipsa eigenhändiger Erlegung / und des Amilcars am so genanten Sonnen-Brunnen erfolgten Gefangenschafft bald wiederumb dämpfet / worauf Ovirinius zu Rom / Juba und Flavius zu Cirtha /dieser letztere mehr über die Feinde als seine Seelen-Beherrscherin sieghaft einziehet: Denn an statt / daß ihre annehmliche Bewillkommung seine Freude vermehren soll / eröffnet sie ihm durch ein Schreiben /daß sie ihre Jungfrauschafft einem geilen Priester opfern müssen / welche Greuel-That Flavius an dem obersten und übrigen ihm vergesellschaftenden Priestern mit eigenhändiger Ausschneidung ihrer Mannheit / zum Zeugnüß ihrer künftigen Keuschheit zu rächen / und dem Juba in einem Abschieds-Briefe solches zu seiner Nachricht zu eröffnen nicht umbgehen kan / darauf er wieder nach Rom kehret / vom Käyser und Tiberius wegen seiner vor die Römer in Africa geleisteten guten Dienste wohl empfangen / des Käysers Leibwache zum Haupte vorgestellet / bald aber wiederumb mit dem Tiberius und Rhemetalces entge gen dem Bato / Dysidiat / und die die Römer glücklich bekriegende Dalmatier gesendet wird. Der widrige Lauff dieses Krieges bringet den Tiberius in einigen Verdacht / den jungen Agrippa hingegen aus Bret / welch ihrem Sohne höchst-schädliche Neben-Sonne die argdenckliche Livia bald wieder verfinstert. Inzwischen wendet der in Pannonien geschickte Germanicus allen möglichen Fleiß an / dem Bato einen glücklichen Streich zu versetzen / welcher auch vermittels des Flavius und Deutschen Tapferkeit / ingleichen durch des Feindes Zwytracht dergestalt erfolget /daß Dysidiat den Tiberius umb Frieden anflehen muß / nach welch glücklichen Erfolg Tiberius / Germanicus und Flavius mit Freuden und erlangten Sieges-Kräntzen wieder nach Rom kehren / Bato aber vom Dysidiat wegen seiner Verrätherey [334] gespisset wird /welche der Käyser vor einen neuen Friedens-Bruch anni t / den Dysidiat aufs neue überziehet / Tiberius die Festung Anderium / Germanicus durch des Flavius Hülffe die von den inwohnenden Weibern aufs äuserste beschützte Stadt Arduba erobert / und endlich die Dalmatier / Pannonier / Dacier und Sarmater nach vielen harten Treffen / worüber der tapfere Silan sein Leben einbüsset / am Ister und Drave-Strom gäntzlich erleget / Dysidiat aber dergestalt ins Enge gebracht wird / daß er zu den Füssen des Tiberius mit Darreichung seines Kopfes umb Gnade bitten / und sein gantzer Anhang sich unter des Kaisers Gehorsam beugen muß / welcher Ursachen halber denn vor den Tiberius und Germanicus zu Rom neue Siegs-Gepränge / vor den Flavius und den auf dem Bette der Ehren gestorbenen Silan zwey Sieges-Bogen in Pannonien aufgerichtet / und auf der Wallstadt den sich dabey sonderlich wol gehaltenen Deutschen zu Ehren die Stadt Deutschburg aufgerichtet worden. Die inzwischen zu Rom erschollene grosse Niederlage des Varus / dessen Ursache Hertzog Herrmann sein des Flavius Bruder gewesen / habe alle seine Dienste vertilget / die deutsche Leibwacht abzuschaffen / und aus Furcht mit andern Deutschen erschlagen zu werden / dem Käyser Ursach zu geben / ihn nach dem Eylande Dianium zu senden / an dessen Ufer er unversehens mit der Dido angelendet / ihr mit tieffster Ehrerbietigkeit begegnet /beyder Unfall nochmals beklaget / und dabey berichtet habe / daß Juba den obersten Priester mit Löwen zerreissen / die andern aber alle entmannen lassen: Sie wäre erheblicher Ursachen halber nach Rom gereiset /ihm aber zu seiner Flucht das eine Schiff abgetreten /dessen er sich mit Vergiessung vieler Thränen bedienet / und also mit seinen zwey Deutschen Edelleuten zu Massilien angelanget. Nach dieser Erzehlung und des Flavius von der Fürstin Thußnelde / Ißmene / und übrigem Cattischen Frauenzimmer erlangtem Handkuß / scheidet diese vornehme Gesellschafft von ein ander.

Das Vierdte Buch
Das Vierdte Buch.

Das Schimmer der schläfrigen Morgenröthe hatte noch nicht den Schatten der Nacht vertrieben / noch die aufgehende Sonne die Gestirne gar verdüstert / als die vielfache Sorgsfalt schon dem Hofe den Schlaf aus den Augen gestrichen; insonderheit aber die Liebe in unterschiedenen Gemüthern alle Grmüths-Regungen ausgelescht hatte. Fürnehmlich aber machte die Begierde der Königin Erato und den Fürsten Zeno wache / umb ihre beyderseits überstandene Zufälle zu vernehmen. Thusnelde und Ismene / wie auch die Cattische Hertzogin und Fräulein wurden auf dieser Anleitung nach Erfahrung solcher Ebentheuer gleichfalls lüstern; Weswegen sie sä tlich mit Saloninen sich in den eine Stunde von der Hertzoglichen Burg gelegenen Lust-Garten verfügten / umb in ihren Erzehlungen von niemanden gestöret zu werden. Adgandester aber des Feldherrn obrister Staats-Rath brachte selbtem /[335] als er mit dem Hertzoge Jubil / Arpus / Sigismund /Melo / Rhemetalces / Malovend sich auf der Reit-Bahn befand / die Nachricht: daß zu Folge seines Befehls die fürnehmsten Stücke des dem Drusus zu Ehren in der Festung Alison aufgebauten / von den Deutschen aber abgebrochenen Heiligthum zu dem Tansanischen Tempel geführt worden wären. Dieses veranlaßte sie insgesa t sich dahin zu verfügen / den Feldherrn zwar / daß er darmit die bey sich entschlossene Anstalt verfügte / die andern Fürsten aber der Vorwitz diß berühmte Gedächtnüß-Mahl eines in der Welt so beruffenen Heldens zu sehen. Der oberste Priester Libys bewillko te beym Eingange des Thales diese Fürsten mit gewöhnlicher Ehrerbietung / führte sie hierauf zu dem Tempel / für welchem die Drusischen Denckmale niedergesetzt standen. Es waren die vier Haupt-Flüsse / die Donau / der Rhein / die Elbe und die Weser aus Marmel künstlich gehauen / über denen das Bildnüß des Drusus aus Ertzt mehr als in Lebens-Grösse gegossen stand. Sie lehnten sich mit den lincken Armen auf grosse Wasser-Gefässe / daraus ihre Ströme geschossen kamen; mit der rechten Hand aber reichte die Donau dem Drusus einen Myrten-Krantz empor / in dessen inwendigem Kreisse eingegraben war: Dem Bezwinger der Aufrührer. Der Rhein langte ihm einen Krantz aus Eichen-Laube /mit der Umbschrifft: Dem Erhalter der Bürger. Die Weser einen Lorber-Krantz / mit denen Worten: Dem Uberwinder der Feinde. Die Elbe einen Krantz aus Oel-Zweigen / mit dem Beysatze: Nach verjagtem Feinde. Des Drusus Bild hatte eine dreyfache vergüldete Krone / darinnen ein Mauer- ein Läger- und Schiff-Krantz artlich durcheinander geflochten war /auf dem Haupte / in welchen künstlich gepräget stand: Nach erstiegenen Mauern / nach erobertem Walle / nach dem Schiffs-Siege. Dieses Gedächtnüß-Mahl hatte mitten in dem achteckichten Heiligthume gestanden. Von seinem Altare aber war alles zermalmet / ausser denen silbernen Opfer-Gefässen /und einer silbernen Taffel / welche die förderste Seite des Altar-Fusses abgegeben hatte; in diese war mit erhobenen Buchstaben nachfolgende Uberschrifft gegossen:


Dieses Heiligthum

der Tugend und des Drusus Claudius /

beyder unzertrennlicher Geferten /

ist / auf Befehl des Kaisers / dessen Reich er erweiterte /

aus Andacht der Römer / die er wieder in Freyheit zu setzen trachtete /

mit den Händen der Feinde / derer Gemüther er ehe /als ihre Hälse fesselte /

in Deutschland aufgerichtet.

Die Donau betet ihn an /

Weil er die rauhen Vindelicher / die unwirthbaren Rheten / die kühnen Pannonier

gezähmet /

Der Rhein fürchtet ihn /

weil er seine Ausflüsse dreyhörnricht gemacht /

seine niedrige Ufer mit Tämmen umbschrencket /

seinen Nachbarn durch funfzig Festungen einen Kapzaum angelegt.

[336] Die Weser verehret ihn /

die er unter den Römern am ersten überschritten /

und allhier zwischen ihr festen Fuß gesetzt.

Die Elbe bewillkommet ihn /

weil sie für ihm keinen Römer gesehen hat.

Das Nord-Meer verwundert sich über ihm;

weil er auf selbtem die ersten Römischen Flacken aufgesteckt.

Seiner Tapfferkeit schafften weder

die Feinde mit ihren Waffen /

die Gebürge mit ihren Klippen /

die Flüsse mit ihren Strömen /

die Lufft mit Gespenstern /

noch die Träume mit ihren Schrecknüssen

einige Hindernüß.

Ja die Natur war nicht nur zu schwach ihm irgendswo einen Rügel fürzuschieben /

sondern er selbst änderte die Gräntz-Mahle der Natur;

in dem er den Rhein mit der Isel vermählte /

in Deutschland neue Eylande machte /

den Nachkommen aber den Weg zeigete /

durch Zusammenschneidung der Arar und Mosel /

das grosse Welt-Meer mit dem Mittelländischen zu vereinbarn.

Seine Gestalt bezauberte die Hertzen der Anschauer /

seine Tugend gewan die Gewogenheit des Himmels /

welche von nichts als seiner Sanfftmuth übertroffen ward.

Denn / ob er zwar wie der Blitz alles ihm widerstrebende zermalmete /

so versehrte er doch nichts / was sich demüthigte.

Ob er schon die Sicambrer durchs Schwerd / die Usipeter durch Feuer verheerte /

so nahm er doch die Schwaben freundlich auf /

Er riß den Cheruskern die Palmen aus den Händen /

wormit er den Friesen Oelzweige einhändigte.

Er vergnügte sich an dieser gezinßten Ochsenhäuten /

und versorgte die Schwaben mit einem tauglichen Könige.

Seine eigene Feinde netzten seine Asche mit Thränen

weil niemand bey seinem Leben über ihn hatte weinen dörffen.

Seine Wolthätigkeit hatte kein Maaß /

seine Großmüthigkeit kein Ziel;

Wenn die gütigen oder mißgünstigen Götter in weiblicher Gestalt /

mit der er auch unter den Sterblichen zu kämpffen verkleinerlich hielt /

selbtes an dem Ufer der Elbe /

nicht so wol seinen Wercken / als seinem Leben gesteckt hätten.

Dann / [337] nach dem er sich durch seine Thaten allzu

zeitlich vergöttert hatte /

verlangten die Götter seinen Geist unter ihrer Zahl zu haben /

der Ruhm sein Gedächtnüß bey der Nachwelt zu verewigen /

das Glücke sein Thun aus irrdischen Zufällen /

das Heil seinen Leib aus den Bandensterblicher Schwachheit zu reissen.

Das ewige Rom hob seine Todten-Asche in Gold auf.

Die Hülfen seines Leibes würdigten die Kriegs-Obersten auf ihren Achseln zu tragen /

Tiberius sie vom Rheine biß an die Tiber zu Fusse zu begleiten.

Das Römische Volck hätte sein Leid nicht zu mäßigen gewüst /

wenn nicht sein Geist seinen Sohn beseelet /

und am Germanicus der Welt eine neue Sonne aufgegangen wäre;

also sich iederman beschieden hätte:

daß zwey Drusus und zwey Sonnen einander nicht vertragen könten.

Diese allhier verächtlichrinnenden Flüsse

verehren nicht so wohl seinen Schatten auf diesem Opffer-Tische /

worzu die Adern des Hartz-Waldes ihr erstes Ertzt und Marmel gaben;

als sie durch diß Ehren-Mahl sich selbst der Welt

bekandt machen.

Denn die Tugend versetzt nicht nur die Helden /sondern auch die Flüsse unter die Gestirne.


Als diese gantze Versammlung alles nachdencklich durchlesen / und die Kunst dieser Denckmahle betrachtet / fing Hertzog Arpus an: Ich muß bekennen /daß die Erstlinge unserer Berg-Schätze in keine ungeschickte Hand gediegen; aber es hat nicht allein der Römische Hochmuth / sondern auch ihre Abgötterey der Hand den Griffel und das Polier-Eisen geführet /die diese Steine ausgehauen / und diese Buchstaben geetzt hat. Diesemnach bin ich begierig zu vernehmen / zu was Ende der Feldherr diese Stücke zum Tempel unserer Götter zu bringen erlaubet habe. Hertzog Herrmann begegnete ihm: Sein Absehn wäre diese Bilder im Eingange des Tanfanischen Tempels aufzurichten. Der Catten Hertzog versetzte: Er nehme des Feldherrn Erklärung für einen Schertz auf; sintemahl er nicht begreiffen könte / daß weder diese ruhmräthige Bilder ohne Verkleinerung der Deutschen Freyheit unzermalmet bleiben / noch ohne Beleidigung des Vaterlandes Schutz-Götter bey ihrem Heiligthume stehen könten. Der Feldherr antwortete: Es wäre sein angedeutetes Absehn sein rechter Ernst. Man müste wegen seines eigenen Vortheils der Tugend keine Kürtze thun. Drusus hätte durch seine Helden-Thaten verdient / daß ihn die Lebenden geliebt / die Nachkommen verehret hätten. Und er wolle eben deßwegen diese Denckmahle in die heilige Halle setzen / wormit die Deutschen daraus ein Beyspiel der Tugend / und eine Warnigung für innerlicher Zwytracht schöpffen möchten. Wie man wegen einer beliebten Person ihre Laster nicht lieben solte / also müste man wegen einer unangenehmen der Tugend nicht gram werden. Hertzog Arpus fing an: Er wäre in dem mit dem Feldherrn einig / daß man auch die Tugend am Feinde hoch schätzen / und als ein Bild der Nachfolge anschauen solte; Er tadelte auch nicht / daß man in Siegs-Geprängen / oder auch in Leichbegängnüssen die Bilder der überwundenen Völcker trüge / und dem Sieger zu Ehren aufstellete; aber dem könte er nicht beystimmen [338] / daß man die zu sein und seines Volckes Schande aufgerichtete Gedächtnüß-Mahle stehen lassen / und hierdurch diese Götzen der Ehrsucht verehren solte. Solche Bilder rückten mit ihrer stummen Zunge alle Augenblicke den Deutschen ihre Fehler für / und rissen ihnen täglich die Wunden auf / daß sie nimmermehr verheilen könten. Sie machten den Landes-Fürsten verächtlich / den Adel schwürig / das Volck furchtsam / und den Pöfel unbändig. Dieser Ursache halben / und wormit er durch Verdunckelung der Persischen Geschichte alleine der Griechen Helden-Thaten in Ansehn setzte / nicht aber aus einer wollüstigen Verleitung der Thais / habe der grosse Alexander mit der Persischen Haupt-Stadt alle ihre Ehrenmahle eingeäschert; der grosse Pompejus des Mithridates güldene Wagen / des Pharnaces und anderer Pontischer Könige Bilder / Augustus der Ptolomeer Säulen aus den Augen selbiger Völcker gethan / und zu Rom in Schmeltz-Ofen geworffen. Uber diß wäre die Aufrichtung solcher Säulen bey denen / die solches thäten /ein Aberglaube / die es aber verstatteten / ein unerträglicher Ehr-Geitz. Denn so schändlich es einem Buhler wäre / sich mit der Magd seiner Braut gemein machen / so unanständig wäre es auch / wenn man seine Liebe nur halb der Tugend / halb ihrer Magd /nehmlich der eiteln Ehre / zutheilte. Ja weil diese Verehrung allein den Göttern keinem sterblichen Menschen zukäme / massen auch die allerersten zu Rhodis den Göttern wären gewiedmet / und vom Cadmus bey den Griechen in die Tempel gesetzt worden; hätte Gott an vielen / theils durch ihre Zermalmung seinen Zorn ausgeübet / theils selbte zu Merckmahlen irrdischen Unbestandes und Andeutungen hi lischer Rache gebrauchet. Die Säule des Hiero wäre eben den Tag herunter gefallen / als er zu Syracuse umkommen. Aus des Spartanischen Hiero Bilde wären beyde Augen gefallen / als er kurtz hierauf bey Leuctra ins Graß gebissen. Die vom Lysander erhobenen Sterne wären vergangen / und das Antlitz seines Marmel-Bil des mit wildem Kräutichte überwachsen / ehe er mit dem gantzen Atheniensischen Heere von den Lacedemoniern erschlagen worden. Gleichergestalt wäre diese unmäßige Ehre offt der Ehrsucht zu einer Schiffbruche-Klippe und zur Ursache eines gemeinen Auffstandes worden. Als des Britannischen Königs Hippon Stadthalter der Hertzog Bala / nach erhaltenem Siege wider die Menapier / Eburoner / Moriner / Advaticher und Nervier / sein Bildnüß / das zweyen den Adel und das Volck bedeutenden Bildern auff dem Halse stand / aus Ertzt hätte aufrichten lassen / hätte er selbige schon gefässelte Völcker zu einem verzweiffelten Abfall / seinen König um so viel Länder /sich um die Gnade des Königs / und in Verachtung des Hoffes bracht. Das Bild wäre selbst wieder abgebrochen / und die unzeitige Ehre in Schimpfverwandelt worden. Zuweilen hätten auch diese Säulen einen Drittern den Hals gekostet. Dionysius habe den Antiphon lassen hinrichten / weil er gesagt / diß wäre das beste Ertzt / woraus der zweyen Tyrannen-Vertreiber des Harmodius und Aristogitons Säulen gegossen wären. Hingegen wäre Cato zu loben / daß er für eine grössere Ehre geschätzt hätte / wenn man seinetwegen gefragt: warum er kein / als weßwegen er ein Ehren-Bild hätte? Und Mecänas habe nichts weniger dem Käyser klüglich gerathen: Er solte ihme durch Wohlthaten unsichtbare Säulen in die Hertzen der Men schen / keine Gold- oder silberne aber in Rom aufsetzen; als Augustus nicht allein die ihm anderwerts aus Silber gegossene Bilder zerschmeltzet / und dem Apollo Dreyfüsse daraus gefertigt / sondern auch anderer abergläubige Heucheley mehrmahls verlacht habe. Denn als einsmahls die Stadt Tarragon ihm durch eine Gesandschafft zu wissen [339] gemacht / daß auf einem dem Käyser zu Ehren angerichteten Altare ein Palmbaum auffgeschossen wäre; hätte er so wohl ihren Aberglauben / als diß Wunderwerk / welches ein alberer Fürst vielleicht in der gantzen Welt hätte ausruffen lassen / verlachet; in dem er den Abgeschickten nichts anders geantwortet / als / er sehe wohl / daß sie ihm auf seinem Altare wenig Opffer verbrenneten. Und da ja auch Menschen durch ihre Tugenden solche Ehre verdienten; so wäre doch solche nicht den Feinden / am wenigsten aber von den Deutschen einzuräumen. Ein Serischer König eines neuen Stammes habe seinem Geschlechte für verkleinerlich geschätzt / wenn die Nachwelt etwas älters /als von seinen Thaten wissen solte / und daher alle Bücher verbrennt; Wie möchten denn sie Deutschen ohne Spott ihrer Feinde Bilder gantz lassen? Die weder dem Tuisco noch dem Mann ihren eigenen Uhrhebern einiges gemacht / ja nicht gerne solche den Göttern zu fertigen erlaubten; sondern ihre Helden mit nichts / als einem Liede verehreten. Der Feldherr hörte den Catten-Hertzog gedultig aus / setzte ihm aber entgegen: Es wäre seine Meinung nie gewest den Ehren-Säulen das Wort zu reden / welche vom Aberglauben oder Heucheley Unwürdigen aufgerichtet würden. Er verlache die Abgötterey der Griechen / die der Phryne Bild in den Delphischen Tempel gesetzt; der Alexandriner / die der schönen Sclavin Balestia Tempel gebauet / des Cäcilius Metellus / der der unzüchtigen Flora Bildnüß in dem Heiligthume des Castors aufgestürtzt; insonderheit aber des grossen Alexanders / der der Pythionice / welche drey mahl eine leibeigene Magd / und eine Hure gewest / ein prächtiges Grabmahl zu Babylon / der unkeuschen Glicera zu Tharsus eine ertztene Säule / ihm aber selbst und den Seinigen kein Gedächtnüß aufgerichtet hat. Auch hätten die Säulen der Boßhafften / oder die die Ehrsucht ihr selbst und zu anderer Verkleinerung aufgesetzt / so wenig Bestand / so wenig das Laster durch einen angeschmierten Firnß zur Tugend werden / oder Eigen-Ruhm zu seiner Vergrösserung ausschlagen könte. Des Demetrius Phalereus 360. Säulen hätten die Ehre nicht gehabt / daß sie der Schimmel verstellt oder der Rost gefressen hätte; denn sie wären alle noch bey seinen Lebzeiten abgebrochen und in stinckende Schachte geworffen worden. Des Demas ertztene Bilder hätte man zu Nacht-Scherben umgegossen. Hingegen hielte er in allewege wohlverdiente Ehren-Säulen für eine herrliche Belohnung; ja für einen Saamen der Tugend / welche man zugleich ausrottete / wenn man ihr allen Preiß entzöge. Dieser wäre weder Frembden zu entziehen / noch diese Beehrungs-Art für einen Greuel der Götter zu schelten. Alexander hätte dem Aristonicus / einem nach tapfferm Gefechte in der Schlacht umbgekommenem Cytherschläger eine Säule aufzusetzen kein Bedencken gehabt. Ja der heilige Numa wäre von den Göttern dem weisen Pythagoras und dem tapffern Alcibiades zwey Säulen in Rom aufzurichten befehlicht worden. Ja es diente zu einer Vertheidigung seines itzigen Beginnens / daß die Römer ihres geschwornen Ertz-Feindes Hannibals Bild an dreyen Orten ihrer Stadt aufgerichtet hätten. Vielen hätten solche Ehren-Bilder den Trieb der Tugend eingepflantzt / den ihnen weder das Geblüte ihrer Eltern / noch der Fleiß ihrer Lehrmeister einflössen können. Dem Theseus hätten die Tempel des Hercules / dem Themistocles die Säulen des Miltiades den Schlaff verstört und zu Helden-Thaten angefrischet. Denn weil das Beyspiel frembder Ehre die Nahrung und der Zunder der eiversüchtigen Tugend ist / werde ein feuriger Hengst von dem[340] Schall der Trompeten nicht so sehr zu der Schlacht als ein edles Gemüthe durch frembden Ruhm aufgemuntert. Sintemahl wie der Himmel grosse Helden in ihrem Leben dem Vaterlande zu Mauern / nach ihrem Tode aber zu einem allgemeinen Spiegel des Adels und einem Muster ihrer Lebens-Art bestimmet; also läst ein edler Geist sich nicht beruhigen / wenn er in ihre Fußstapffen tritt / sondern er brennet für Begierde es ihnen noch vorzuthun. Der in dem Grabe schlaffende / ja wol längst vermoderte Achilles weckte den grossen Alexander alle Nacht auf / daß / wie er / dem mütterlichen Geschlechte nach / von ihm entsprossen war; also er ihn in Thaten übertreffen möchte. Er sahe sein Bildnüß keinmahl / daß ihm nicht Thränen aus den Augen fielen; nicht so wohl Achillens Sterbligkeit / als seine eigene Langsamkeit zu beweinen / daß er nicht schon berühmter als jener wäre. Wiewohl an ihm scheltbar bleibt / daß er auch an Grausamkeit ihm überlegen seyn wolte; als er an statt des todten Hectors den lebendigen Betis umb die Stadt Gatza schleiffte. Was nun Achilles dem Alexander war / war dieser dem Käyser Julius. Denn weil jener die Morgenländer bezwungen / wolte dieser der streitbaren Abend-Welt Meister werden; also: daß / da er ihn nicht übertroffen / doch zweiffelhafft gelassen / ob der grosse Alexander nicht kleiner als Julius gewesen sey. Käyser August hätte zwar anfangs mit einem Sphynx gesiegelt / von guter Zeit aber brauchte er nur das Bild des grossen Alexanders / nicht so wohl / daß selbtes ihm Glücke zuziehen / als eine Aufmunterung zu großmüthigen Entschlüssungen abgeben solte. Er selbst müste betheuren / daß Marcomirs seines Anherrns Schatten ihm als ein Gespenste offt für dem Gesichte umirrete; ja daß die Tugend seiner Feinde ihm täglich neue Fürbilder auffstellete. Dahero er auch diese zu stürmen für ein Merckmahl eigener Schwachheit hielte. Rom hätte die Ehren-Säule des hoffärtigen Tarqvinius auch / nach dem man ihn als einen Feind des Vaterlands verjagt / nicht nur im Capitol stehen lassen / sondern so gar des Uhrhebers ihrer Freyheit des Brutus darneben gestellt. Als etliche Römer hätten des Philopemenes Siegs-Bilder in Griechenland abbrechen wollen / weil er ihr Feind gewest wäre / und so wol dem Qvinctius als Attilius grossen Abbruch gethan hatte / wäre es von dem großmüthigen Mumius verwehret worden; und der /welcher sich auff die Kunst und Kostbarkeit der Corinthischen Ertz-Bilder nicht verstanden / hätte doch sie als Merckmahle der Tugend zu schätzen gewüst. Ja er hätte es für verantwortlicher gehalten / die Haupt-Stadt Achajens / die Zierde Griechenlands / die Schatz-Grube aller Köstligkeiten und die Gebieterin zweyer Meere einzuäschern / als eines hertzhafften Feindes Bildnüß zu beschimpffen. Käyser Julius hätte die Gallier geliebt / daß sie seines Feindes des Brutus Bild auch nach seinem Tode in Ehren gehalten hätten. Diese Beehrung gereichte auch nicht allein dem Verehrer zu Lobe / sondern auch zum Vortheil. Also hätte Julius mit Auffrichtung der vom Pöfel herabgestürtzten Bilder des Sylla und Pompejus seine eigene befestigt. Endlich verliere das Crystall bey uns nicht seinen Werth / daß es aus den steilesten Klippen gehauen würde; Die rauen Schalen benähmen denen Diamanten / die ungestalten Muscheln den Perlen nichts von ihrem Preiße. Wir kauffen die Rhabarbar von denen wildesten Scythen / Ambra / Musch und andere Kostbarkeiten von den Menschen-Fressern. Also könte er nicht begreiffen / warum die Tugend sie anstincken solte / weil sie nicht auff eigenem Miste gewachsen wäre? Der Purper der Rosen behielte [341] seinen Glantz und Geruch auf den dörnrichtsten Stöcken / die Tugend unter den ungeheuersten Völckern / und bey den grimmigsten Feinden. Als der Feldherr seine Rede beschloß / schienen die Anwesenden meist seiner Meinung beyzufallen. Denn grosser Fürsten Worte sind eitel Urthel / und haben das Gewichte des Goldes. Dahero überwiegen sie auch die Meinungen der beruffensten Weltweisen. Welches hier so viel leichter sich ereignete / weil Hertzog Herrmann mit so guten Gründen diß behauptete / was die meisten Völcker fürlängst mit ihrem Beyspiele gebillicht hatten. Sintemahl auch sonst der Fürsten Irrthümer gar leichte Beyfall kriegen; weil man insgemein den Mantel nach dem Winde richtet / und nicht so wol mit den Fürsten als mit ihrem Glücke redet / um sich durch Beyfall beliebt zu machen. Der tapffere und kluge Hertzog der Catten / welcher wol verstand / daß ein hartnäckichtes Widersprechen eines andern Urtheil verkleinerte / also verdrüßlich wäre / und man dahero nichts minder eigenes als frembdes Widersprechen verhüten solte / fand sich gleichfalls drein. Diesem folgte der oberste Priester Libys / welcher sich gegen dem Fürsten bückte / und nach dem er Uhrlaub etwas fürzubringen gebeten hatte / anfing: Er hielte es in allewege mit dem großmüthigen Ausschlage des Feldherrn. Die Natur hätte zwar nach dem Unterschiede der Länder die Eigenschafften der Geschöpffe und der menschlichen Leiber; die Gewohnheit auch ihre Sitten unterschieden; aber die Tugend wäre nicht anders als die Sonne überall einerley und zu verehren würdig. Er hätte deßhalben bey Durchreisung Indiens selbige Einwohner gepriesen / daß sie des grossen Alexanders Siegs-Bogen nicht beleidigt hätten / sondern noch verehrten. Jedoch hätte er darbey zu erinnern / daß der Mißbrauch die den Helden gebührende Ehre bey den meisten Völckern sehr verunreinigt / und also auch der Aberglaube dieses Denckmahl des Drusus befleckt hätte. So lange die Griechen die Nahmen ihrer Helden in der Minerva Schleyer gestückt / die Römer ihre in den Saliarischen Liedern besungen hätten; wäre denen über den Pöfel sich schwingenden Geistern ihre anständige Ausrichtung geschehen. Die Vergötterung aber der Todten / und da ihnen die Römer träumen liessen / daß die Adler der Käyser die Pfauen der Käyserinnen Seelen von den Holtzstössen in den Himmel trügen / daß der Julius in ein Gestirne verwandelt worden wäre / daß man sie nach ihrem Absterben / ja den Augustus noch bey Lebzeiten mit Tempel und Opffer-Tischen verehren müste / wäre zwar ein Geheimnüß der Staats-Klugheit / um die Fürsten für aller Beleidigung so viel mehr zu versorgen; aber eine Erfindung der Ehrsucht / und fürnehmlich derer / welche hernach selbst vergöttert zu werden verlangten / also ein irrdischer Gottesdienst und eine lächerliche Andacht. Der Fürst Rhemetalces fiel dem Priester ein: wie die Laster einen Menschen derogestalt verstelleten / daß er / wo nicht gar zum Vieh /doch Halb-Vieh Halb-Mensch wurde; also würde man durch die Tugend wo nicht gar / doch zum theil vergöttert. Deßhalben gläube er / daß Zoroaster / Plato und andere tiefsinnige Weisen durch die der menschlichen Seele zugeeigneten Flügel / welche sie aus den Gestirnen herab und wieder hinauf führten / anders nichts als die Tugend und die Krafft ihrer Vergötterung verstanden hätten. Zumal da sie ausdrücklich lehrten: es büste die Seele solche Flügel durch Wollust ein. Seine Meinung bestärckte das Alterthum der Vorwelt und die Einstimmung der Völcker. Die Egyptier eigneten den Seelen die Sternen zur Wohnung und ein göttliches Wesen zu; weßwegen ihre Pyramiden auch nichts / als ihren Helden zu Ehren gebauete Altäre wären. Die Scythen hätten ihren Toxaris / die Carthaginenser ihren sich in das Opffer-Feuer stürtzenden Amilcar und die sich [342] verscharrenden Philenischen Brüder / die Salaminier den Ajax / die von Egina den Eacus göttlich verehrt. Athen habe dem Cecrops / dem Theseus / dem Menestheus und Codrus / die Spartaner dem Hyacinthus / dem Agamemnon /dem Menelaus / die Arcadier dem Epaminondas / die Archiver dem Perseus / die von Delphis dem Neoptolomeus / die Chersoniter dem Miltiades / die von Levce dem Achilles Tempel und Altäre gebauet. Wer hätte nicht in frischem Gedächtnüsse / daß Juba bey den Mohren / Selevcus bey den Syrern / Disares bey den Arabern / Philippus und Alexander bey den Macedoniern / Romulus zu Rom / und Belecus von den benachbarten Norichern als Götter angeruffen würden. Ja den Deutschen würde nachgesagt / daß sie den Tuisco und den Mann göttlich verehrten. Zu dem hätten viel Völcker diese Verehrung weder in das männliche Geschlechte noch allein auff Helden eingeschrenckt; ja auch frembder Tugend selbte nicht mißgegönnt. Carthago erkennte die Dido / Babylon die Semiramis / Phasis Medeen / Memphis Arsinoen /Sparta Helenen / Athen Erigonen / Rom die Acca Laurentia und Deutschland die Herta und die noch-le bende Aurinien für eine Göttin. Uberdiß wären nicht allein die sich fürs Vaterland aufopffernden Töchter des Erechtheus zu Athen / und die neun Musen vom Leßbischen Könige Macaris vergöttert; sondern es hätten die Zinser auch dem Homerus weisse Ziegen geopffert / die Metapontier den Pythagoras angebetet /die von Stagira dem Aristoteles ein Fest gefeyret; die Indier rufften ihren Lehrmeister Cambadaxi / und seine Thracier den Getischen Gesetzgeber Zamolxis an / daß er nach dem Tode ihre Seele aufnehmen wolle. Dem Paris stehe weder sein feindliches Vaterland / noch sein Raub im Wege / daß er nicht von den Laconiern für einen Gott gehalten würde. Die Macedonier hätten dem Eneas / die Umbrier dem Diomedes / die Rhodier dem Kleptolemus kostbare Heiligthümer aufgerichtet. Des Ulysses Altar solle in Britannien / ja auch am Rheinstrome zu sehen / und von seinem Vater Laertus eine Uberschrifft daran zu lesen seyn; ja er selbst habe so wohl auf des itzigen Käysers / als des grossen Alexanders Altären am Boristhenes opffern gesehen. Also würden die Deutschen so wenig alle dem Drusus noch auch andern Römern aufgerichtete Opffer-Tische zu zerstören / als diese Meinung von der Vergötterung der gantzen Welt auszureden mächtig seyn.

Der Priester begegnete dem Thracischen Fürsten mit einer demüthigen Annehmligkeit / beydes letztere wäre zu bejammern. Der Aberglaube hätte gemacht /daß man drey und vierzig Hercules / drey hundert Jupiter und zusammen dreißig tausend Götter zählte /und so gar unbeseelte Sachen / als die Cappadocier das Messer / wormit Iphigenia solle geopffert worden seyn / die Spartaner die Schale von dem vermeinten Ey der Leda / Rom die Ancilischen Schilde / die Indianer einen Affen-Zahn für göttlich verehrten. Alleine alles diß wäre so wenig / als die Vielheit der Irrenden für einen Grundstein der Warheit zu legen. Die menschliche Seele habe von dem Brunn aller Dinge dem einigen und ewigen Gotte zwar den Schatz der Unsterbligkeit / aber kein göttliches Wesen bekommen. Dieses sey unversehrlich / unverderblich und unveränderlich / und von dem Wesen der Seele so weit /als die Sonne von einem Feuer-Funcken / als das Meer von einem Tropffen Wasser unterschieden. Die Seele besudelte sich mit vielen Lastern / und sey in dem zerbrechlichen Geschirre des Leibes vielerley Leiden unterworffen / auch als ein unvollkommeneres Geschöpffe von dem vollkommenen Schöpffer gantz zweyerley. Diesemnach könne auch der göttliche[343] Dienst auff keinen sterblichen Menschen noch seine sterbliche Seele / die GOTT ihre Tauerung zu dancken habe / ohne eine dem unendlichen Wesen zuwachsende Verkleinerung / so wenig / als die Verehrung eines Königs auff seinen Knecht / erniedrigt / ja aus einem Menschen weniger ein GOtt / als aus einem unvernünfftigen Thiere ein Mensch / gemacht werden. Zu dem wären die Wohlthaten der Menschen / welche etwa ein Volck gepflantzt / eine Stadt erbauet / das Vaterland beschirmet / die Weißheit gelehret / eine nützliche Kunst erfunden / gegen die unermäßliche Güte des Schöpffers und des Erhalters aller Dinge /nicht als ein Strohhalm gegen das grosse Welt-Gebäue / zu rechnen. Auch vernehmen die herrlichsten Seelen / sie hätten gleich / nach des Plato Meinung /ihren Sitz / bey den Gestirnen / oder / nach der Stoischen Schule / beym Monden / oder / wie Arius wolte / in der Lufft / oder / nach des Pythagoras Glauben /in andern Leibern / so wenig die ihnen zugeschickte Anruffungen; sie rüchen so wenig den angezündeten Weyrauch / sie sehen so wenig die brennenden Opffer; als in ihrer Gewalt stünde den Flehenden zu helffen / die Befleckten zu reinigen / die Boßhafften zu straffen. Diesemnach / wie Gottes unverneinliche Eigenschafft wäre / die Ewigkeit ohne Uhrsprung und Unermäßligkeit / welche seinen Mittel-Punct allenthalben / seinen eusersten Zirckel aber nirgends habe /also folge: daß so wenig zwey Ewigkeiten und Unermäßligkeiten neben einander stehen / und in eine / den ermäßlichen Dingen allein anständige / Zahl und Zeit verfallen; so wenig auch mehr als ein GOtt seyn /noch in der Zeit und den engen Schrancken der Welt eine neue Gottheit entspringen könte. Dieses wäre der älteste und deßhalben auch der wahrhafftigste Glaube der ersten Welt; Und ob schon Unverstand und Boßheit solchen hernach abscheulich verfälscht hätte /wäre doch dieser Strahl auch in der ärgsten Finsternüß der abergläubischen Zeiten nicht gantz verdüstert worden. Denn es hätte nicht nur Pythagoras einen GOtt / als einen unumbschrencklichen Geist / Parmenides ein einiges unbewegliches und unbegreiffliches Wesen / Zoroaster ein einiges Feuer / welches alles gezeuget hätte / Antisthenes einen einigen natürlichen GOtt / sondern auch so gar diß gelehret / daß wie die Natur und alles Geschöpffe nicht so wohl ein Fürhang / der das göttliche Wesen verstecke / als ein heller Spiegel wäre / in dem die sonst blinde Welt schauen könte / es sey wahrhafftig ein GOtt / es sey iedwedes Geschöpffe ein Zeugnüß von GOtt / wie der Schatten ein Merckmahl eines verhandenen Leibes; die Sonne mahle diß mit ihren Strahlen / der Mensch mit seiner Vernunfft / die Erde mit ihrer Fruchtbarkeit / der Himmel mit seiner Würckung / die gantze Natur mit ihrer Ordnung / als klaren Pinseln / denen / die nicht sehen / sondern nur fühlen / deutlich fürs Gesichte; also auch durch das Licht der Natur bey so unauffhörlicher Eintracht so vieler tausend unterschiedener ja widriger Dinge / und da nicht eine Feder eines Sperlings / ein Blatt einer Eyche / eine Schupffe eines gewissen Fisches / mit einer andern Art / durch Gleichheit vermischet würde / erhärtet werden könte: es sey mehr nicht als ein einiger GOtt / der alles einstimmig ordne / schaffe und erhalte. Wiewohl nun diß / was die Sterblichen in dem Glauben eines Gottes hätte bestärcken sollen / so / wie die Unerschöpfligkeit der Brunnen / die gleiche Unaufhörligkeit der Flüsse uns überwiese / daß das Meer alles dessen einiger Uhrsprung sey; gleichwohl albere Menschen nicht begreiffen könten / wie so viel Dinge möglich von einem Uhrsprunge herrühren / und das grosse Last-Schiff der weiten Welt von [344] einem Steuer-Manne geleitet werden könte / also aus der Vielheit der Würckungen auf die Menge der Ursachen einen Schluß gemacht / den Werckzeug für den Meister angesehen; so wäre erfolget / daß die Sonne / der Himmel / die Gestirne / die Lufft / das Feuer / das Wasser / ja alle Wolthaten Gottes / als die Eintracht / die Liebe / der Sieg / die Freyheit / gleichsam als absondere Götter verehret worden. Nichts desto weniger hätten nicht allein dieselbten / welche weiter als der albere Pöfel gesehen / wohl wahrgenommen / daß alle diese Umbkreisse mehr nicht als einen Mittel-Punct / so viel Bäche nur einen Brunn / und die Welt nur einen Gott hätte; sondern es hätten auch gantze Völcker die Erkäntnüß eines einigen Gottes behalten. Dieses würde bey den Juden am reinesten angetroffen / und die Egyptier zu Thebais hätten unter so viel abgöttischen Nachbarn ihren einigen Gott Kneph / den Schöpfer der Welt / behalten. Die Griechen / als sie unter so unzehlbaren göttlichen Nahmen so vieler Völcker gleichwohl nur ein Wesen verborgen zu seyn erblicket / dessen rechten Glantz aber unter so viel Nebel nicht recht erkiesen können / hätten dem unbekandten Gotte zu Athen / ja auch Augustus zu Rom ein Altar aufgebauet. Wiewohl er auch die / die Gott anfangs so vielerley Nahmen gegeben / ihn mit so vielerley Art des Gottes-Diensts verehret / nicht so wohl für Abgötter hielte / als des unvernünftigen Pöfels schlimmer Auslegung den Anfang des Aberglaubens beymässe. Worzu er die Mißgunst der ehrsüchtigen Priester rechnete / welche umb ihnen ein desto grösser Ansehen zu machen den Gottes-Dienst zu lauter Geheimnüssen machten / und hinter Retzel und tieffsinnige Sinnen-Bilder versteckten. Weshalben man in Egypten in allen Tempeln des Isis und Serapis / den Harpocrates oder Sigaleon finde / der mit zweyen auf den Mund gelegten Fingern die Heimligkeiten der Götter verschwiegen zu halten andeutete / und zu Rom hätte es den Valerius Soraus das Leben gekostet / daß von ihm ihr Schutz-Gott wäre ausgeschwätzt worden. Bey den Deutschen dürfte niemand den Wagen der Hertha / welcher mit einem Fürhange verdeckt ist / anrühren. Bey den Juden der Hohe-Priester allein in das innerste Heiligthum eingeben. Ja die Egyptischen und Serischen Priester gebrauchten sich in Göttlichen Dingen so gar einer absondern Sprache / und einer gantz andern Schreibens-Art; gleich als wenn die Priester nur den wahren Gott / die Könige nur die Natur / der Pöfel aber die vergötterten Menschen anzubeten würdig wären. Wie denn bey den Seren niemand als der König dem Himmel und der Erde opfern dörfte. Hinter diese Geheimnüsse wären gleichwohl von Zeit zu Zeit unterschiedene / theils durch Nachdenken / theils durch der Priester Offenbarungen kommen. Massen denn der grosse Alexander derer ein gantz Buch voll von den Egyptischen / Cyrenischen / Persischen und Indianischen Priestern heraus bracht / und an seine Mutter Olympia überschickt hätte. Und er wolte nicht so wohl Eigen-Ruhms als der Wahrheit wegen nicht verschweigen / daß wie der Aberglaube einerley Abgotte vielerley Nahmen zugeeignet / als unter der Ceres / Cybele / Minerva /Venus / Diana / Proserpina / Juno / Bellona / Hecate /Rhamnusia / Isis / Dago / Derceto / Astarte / den einigen Monden / unter dem Phöbus / Apollo / Mercurius / Osiris / Adargatis die einige Sonne verstanden hätte; also die nachdencklichen Priester aller Völcker / unter viel seltzamen Nahmen / als die Römer / unterm Jupiter / die Cyrener / unter dem Ammon / die in der Atlantischen Insel / unter dem Pachakamack und Usapu / die meisten aber / als die Juden / Epyptier / Seren /Indianer / Celtiberier und Deutschen / unter keinem Nahmen / den einigen Schöpfer der Welt für den wahren Gott erkenneten / dessen Nahmen auszudrücken weder einige Buchstaben / noch einiges Wort / [345] weniger einiges Bild zu finden wäre. Der berühmte Tempel zu Jerusalem / der zu Gades und das Heiligthum des Berges Carmel verwürffen alle Bildnüsse / weil das unsichtbare Wesen Gottes nur mit den Gemüths-Augen zu schauen / und die innerliche Furcht und Andacht die tieffste Ehrerbietung wäre. Oder da ja auch irgendswo der wahre Gott durch etwas fürgebildet würde / zielete solcher Entwurff bloß auf eine Wolthat / oder auf eine gewisse Offenbarung. Weswegen einsmals der berühmte Indianische Brachmann / Zarmar / der sich hernach in Anwesenheit des Käysers Augustus zu Athen lebendig verbrennet / seine Einfalt verlacht / und als er sich / bey verspürter tieffsinniger Weißheit / über die Vielheit ihrer Götzen und Götter verwundert / ihn unterrichtet hätte: Der grosse und einige Gott habe sich nicht nur durch die geringsten Geschöpfe / durch Kefer / Schnecken / Fliegen / Schlangen und Würmer offenbaret; sondern er sey auch selbst in allerhand Gestalten auf der Welt / hier so /dort anders / erschienen. Wie nun diese unterschiedene Erscheinung seine Gottheit nicht zergliederte /also geschehe diß noch weniger durch ihre Bilder und vielfache Verehrungen. Jedoch könte er disfalls desselben Weltweisen Meynung nicht beypflichten: daß Gott an dem vielfachen Unterschiede des Glaubens und des Gottes-Dienstes ein Gefallen trüge. Aus Beypflichtung dieser Einigkeit hiessen die Assyrischen Priester Gott anders nicht / als Adad / nemlich: Den Einigen. Ja in den Sybillinischen Büchern würde Griechenland / wegen Vielheit der Götter und ihrer vergötterten Menschen / stachlicht durchgezogen. Und ob schon die Ausländer von den Deutschen insgemein ausgäben / daß sie drey Götter / nemlich die Soñe / den Mond und das Feuer anbeteten; so läge doch / unter diesen dreyen Bildern / durch die sich Gott dem Mann / ihrem Uhr-Anherrn offenbaret hätte / ein heiliges Geheimnüß einer dreyfachen Einigkeit verborgen; welches zu ergrübeln dem menschlichen Geiste so unmöglich / als seine Augen in die Sonne zu schauen geschickt wären. Denn menschlich darvon zu reden / wie der Monde von der Sonnen sein Licht /das in den natürlichen Leibern aber befindliche Feuer von Sonn und Mond seinen Ursprung hätte / und alles diß auf gewisse Maaß dreyerley / und gleichwohl ein Wesen / und eines Alters wäre; also sey aus dem Göttlichen Wesen eine andere Person / aus beyden auch die dritte / iedoch von aller Ewigkeit her / entsprossen / und doch die Göttliche Einigkeit hier weder zergliedert noch vermehret worden. Auch wäre die Hertha bey den Deutschen keine absondere Göttin / sondern ein unsichtbares Sinnen-Bild der Gemeine /die diesen reinen Gottes-Dienst / welcher durch die weissen Ochsen bedeutet würde / in ihren Hertzen unbefleckt behielten. Die Aurinia aber wäre / so wol als andere Heldẽ bey dẽ Deutschen / zwar durch herrliche Gedächtnüß-Lieder verehret / kein Mensch aber bey ihnen iemals unter die Zahl der Götter gerechnet /weder einigem Könige damit geheuchelt worden. Denn ob ihnen wohl die Ausländer beymässen / daß sie ihren Mercurius / Mars / wie auch die Isis anbeteten / und daß sie diesen Gottes-Dienst von Frembden angenommen hätten / aus einem aufgerichteten Renn-Schiffe erzwingen wolten / er auch nicht läugnete /daß ein Theil der Deutschen in diesen Irrthum durch etliche Druiden versetzt worden wäre; so wohnte doch denen Verständigern eine viel andere Meynung und Auslegung dieser Sinnen-Bilder bey. Zudem hätten auch nebst ihnen viel Völcker die Vergötterung der Todten / darinnen die Griechen den Anfang gemacht /verdammet. Die Africaner / ausser den Augilen und Nasamonern / welche ihre Eltern anrufften / und auf diß / was ihnen bey ihren Gräbern träumete / grosse Stücke hielten / hätten sich dieser Abgötterey allezeit enthalten. Die Persen wären bey ihrer Sonne [346] blieben /biß sie auf Alexanders Befehl dem Hepyästion / und hernach ihm hätten Tempel bauen müssen. Diese Anruffung der Seelen wäre auch nur nach und nach / und aus einem Mißbrauche dessen / was Anfangs / zum blossen Gedächtnüsse der Todten und zum Trost der Uberlebenden / angezielt worden / entsprungen / und die Helden-Ehre zu einer Andacht / die Trauer-Mahle zu einem Opfer worden. Ja diese Andacht sey anfangs nur in einem Hause / bey der Blut-Freundschafft / und bey nächtlicher Fürsetzung Weyrauchs / Weines und Brodts / in die Gräber / verblieben / wormit sie die der Speise noch dürftige Seelen zu laben vermeynt; hernach aber habe die Ehrsucht der Lebenden die todten Könige in Gestirne verwandelt / und mit ihren neugebacknen Nahmen die für etlich tausend Jahren gestandenen hi lischen Zeichen verunehret / endlich sie gar zu grossen Göttern / und die letzte Begräbnüß-Pflicht zum Gottes-Dienste gemacht / wormit die Abgötter eines Gottes Söhne oder Brüder würden / ja sie auch wohl hierdurch aus dem rechten Gottes-Dienste ein Gespötte machten. Wie man denn wohl ehe denselbten / dem man giftige Schwämme zu essen gegeben / oder für einen Narren gehalten / vergöttert; Julius Proculus auch / daß er den Romulus in Göttlicher Gestalt gesehen habe / meyneidig getichtet hätte. Dieselben aber / welche sich besorgt / daß die klügere Nachwelt ihren Aberglauben verlachen würde / hätten selbten durch die Veränderung der Nahmen / in dem sie aus dem Romulus einen Quirin / aus Leden eine Nemesis / aus der Circe eine Marica / aus dem Serapis einen Osiris gemacht / zu vertuschen / oder ja seinen eigenen Ehrgeitz darmit zu verhüllen vermeynet /wie nechsthin Augustus / der nicht so wohl zu Liebe dem Romulus / als die Jahre seines glückseligen Alters zu bezeichnen / einen dem Quirin gewiedmeten Tempel / von sechs und siebentzig Säulen / aufgerichtet. Alleine die Thorheit werde durch keine Einbildung zur Weißheit / kein Irr-Licht durch Verblendung zur Sonne und kein Sterblicher durch Aberglauben zu einem Gotte.


Alle Anwesenden / insonderheit aber Rhemetalces /der bey denen seiner Einbildung nach wilden Deutschen / einen so vernünftigen Gottes-Dienst zu finden / ihm nicht hatte träumen lassen / hörten der anmuthigen und nachdencklichen Rede des Priesters / gleich als er ihnen lauter Weissagungen oder hi lische Geheimnüsse entdeckte / mit Verwunderung zu. Wormit aber des Thracischen Fürsten Einwurff nicht allzu unvernünftig schiene / redete er den Priester sehr ehrerbietig an: Er wäre / von Göttlichen Geheimnüssen zu urtheilen / allzu unvermögend; bescheidete sich auch /daß die Demuth und heilige Einfalt Gott annehmlicher / als eine vermässene Nachgrübelung wäre. Weswegen ihm iederzeit die Bescheidenheit des weisen Simonides gefallen hätte / welcher dem Könige Hieron /auf sein Begehren das Göttliche Wesen auszulegen /nach vielen Frist-Bittungen / endlich geantwortet hätte: Je länger er diesem Geheimnüsse nachdächte /ie mehr ereigneten sich Schwerigkeiten / etwas gewisses von Gott zu entdecken. Ja er glaubte: daß es Gott selbst nicht gefiele / wenn der menschliche Vorwitz ihn / nach dem irrdischen Mäß-Stabe der eitelen Vernunft / ausecken wolte. Denn Gott wäre freylich dißfalls der Sonne gleich / welche sich durch nichts anders / als ihr eigenes Licht / entdeckte / hingegen aber der Menschen Augen verblendete / welche sie gar zu eigen betrachten und ausholen wolten. Ja zwischen Gott und dem Menschen wäre ein viel entfernter Unterscheid / als zwischen dem grossen Auge der Welt /und der schielenden Nacht-Eule. Weswegen die Spartaner Zweifelsfrey aus rühmlicher Bescheidenheit dem verborgenen [347] Jupiter opferten / die zu Elis und zu Athen den unbekandten Gott anbeteten. Diesemnach hätte er weder das Hertze noch Vermögen einem so heiligen Priester zu widersprechen / sondern wolte mit dem armseligen Tiresias lieber gar nicht / als mit dem Athamas und Agave / welche ihre Feinde für Löwen und Tieger ansahen / Gott für was ansehen / was seinem Wesen und Eigenschafften unanständig wäre /auch daher nicht billigen / daß man der verstorbenen Helden Seelen den dem höchsten Gott schuldigen Anbetungs-Dienst zueignen / und den Hercules auff den Thron des Jupiters setzen solte. Aber / nachdem die Sonne Neben-Sonnen / dieses Auge der Welt den Monden / Augustus neben sich die Verehrung des Tiberius / ohne Verminderung ihrer Hoheit / vertrügen /hielte er dafür / daß die mindere Verehrung der Helden der höchsten Anruffung des unbegreifflichen Gottes keinen Abbruch thue / als welcher auch Menschen / die er geliebet / mehrmals hätte lassen die Sonne still stehen / die Sterne gehorsamen / und das Meer aus dem Wege treten. Libys lächelte und versetzte: Es liesse sich von menschlichem Unterschiede auf den Gottes-Dienst keinen Schluß machen. Der eingeworffene Verehrungs-Unterscheid käme ihm für / wie die Entschuldigung der geilen Julia / welche ihren Ehbrüchen diesen Firnß angestrichen / daß sie ihren Ehmann / den Agrippa / doch am hertzlichsten liebte /auch lauter ihm ähnliche / keine frembde Kinder gebähre / weil sie eher nicht / als nach völlig belastetem Schiffe / andere Wahren aufnehme / oder / nachdem sie schon schwanger / frembden Begierden willfahrte. Alleine diese umbschränckte Uppigkeit bliebe so wol eine Verletzung der Eh-Pflicht / als die Anruffung der so genanten Halb-Götter eine Abgötterey. Denn wo die Sonne der ewigen Gottheit schiene / müsten alle andere Sternen auch der ersten Grösse gar verschwinden. Sintemal doch die Sterblichen nur mit äusserlichen Gedächtnißmahlen / Gott aber allein mit dem innerlichen Opfer der Seelen zu verehren wäre.

Wie nun des Priesters letztes Ausreden ein allgemeines Stillschweigen nach sich zoh; redete der Feldherr den Priester an: ob er denn nun für zuläßlich /oder gar verwerfflich hielte / des Drusus Denckmale in der Halle des Tansanischen Tempels auffzusetzen? Libys antwortete: Gemeine Menschen pflegten in ihren Rathschlägen den Vortheil zu ihrem Augen-Ziel zu haben; Fürsten aber müsten ihr Absehen auff den Nachruhm richten. Diesen aber befestigten die am gewissesten / die sich ihrer Sterbligkeit bescheideten /und ihrer hohe Pflicht so weit ein Genügen thäten: daß die Nachkommen von ihnen sagten: Sie hätten ihren Ahnen keine Schande angethan / dem Volcke vorsichtig fürgestanden / in Gefahr sich unerschrocken bezeugt / und für das gemeine Heil in Haß zu verfallen sich nicht gescheuet. Dieses wären die rechten Tempel / die man derogestalt ohne Abgötterey / in die Hertzen der Lebenden bauete / die schönsten und unvergänglichen Ehren-Seulen. Denn welche aus Marmel gehauen werden / bey der Nachwelt aber Fluch verdienen / würden geringer als schlechteste Gräber gehalten. Gleichwohl aber wären eusserliche Gedächtniß-Maale nicht gäntzlich ausser Augen zu setzen. Denn sie munterten ein laues Gemüte wie ein Sporn ein träges Pferd auff. Und für sich selbsten wären selbte denen Helden nicht allein zu gönnen / sondern sie möchten auch selbst darnach streben. Denn weil die Verachtung der Ehre auch die Verachtung der Tugend nach sich ziehe / wäre die sonst in allem verwerffliche Unersättligkeit alleine bey dem Nachrühme zu dulden. Und man verhinge wohlverdienter Leute Nachkommen nicht unbillich / daß sie so wohl wegen ihres Andenckens / als in ihren Begräbnissen / für dem Pöfel etwas besonders hätten. Einige kaltgesinnte [348] hielten zwar den Nachruhm für einen Rauch; aber dieser wäre die süsseste Speise der Seelen / wie der von den Opffern auffsteigende Dampff eine Annehmligkeit GOttes. Alle andere Dinge verleschten; das Gedächtnüß der Tugend aber erleuchtete die fernsten und finstersten Zeiten. Dieses herrlichen Glantzes halber hätten die Alten / welche die Ehre für eine Gottheit gehalten / selbter eben so / wie dem Saturn / oder der durch ihn vorgebildeten Zeit / mit blossen Häuptern geopfert; gleich als wenn nur diese zwey Gottheiten nicht verfinstert werden könten. Mit einem Worte: In dem Nachruhme bestünde alleine die irrdische Glückseligkeit / und die Ehre wäre die einige Köstligkeit /wormit man Gott selbst beschencken könte. Ja der tugendhaften Gemüther Begierde / nach ihrem Tode ein rühmliches Andencken zu behalten / wäre kein geringer Beweiß für die Unsterbligkeit der Seelen. In solchem Absehen könte wohl geschehen / daß das Bild des Drusus alldar aufgesetzt würde; die Altar-Taffel aber gereichte zu Abbruch ihres reinen Gottes-Diensts. Die Fürsten nahmen des Priesters Urtheil /als einen Göttlichen Außspruch an / und der Feldherr befahl hierauf / des Drusus Bild aufzurichten / die Taffel aber zu zerbrechen.

Bey dieser Unterredung lieffen dem Feldherrn wichtige Schreiben ein / welche veranlaßten / daß er sich mit dem Hertzog Jubil / Arpus / Sigismund und Melo zur Berathschlagung in Tempel verfügte / den Fürsten Adgandester aber zu Unterhaltung des Fürsten Rhemetalces und Malovends hinterließ / welche inzwischen der Zermalmung der herrlichen Taffel zuschaueten. Rhemetalces fragte hierauf den Adgandester: Ob diß alles / was in der Uberschrift vom Drusus erwehnt würde / der Warheit gemäß wäre? Dieser antwortete: Seine und der Deutschen Redligkeit wäre nicht gewohnt eigene Fehler zu überfirnßen / fremden Ruhm aber mit dem Schwa e der Mißgunst zu verwischen; also müste er gestehen daß daran wenig zuviel geschriebẽ wäre. Dieser Drusus / sagte er / des Nero rechter / des Käysers Stieffsohn / den Livia erst nach der mit dem Käyser schon erfolgten Vermählung gebohren hatte / hat wenig Römer seines gleichen gehabt / keiner aber in Deutschland mehr ausgerichtet. Seine Geschickligkeit übereilete das Alter / und der Verstand kam den Jahren zuvor. Deßwegen erlaubte ihm auch Augustus / daß er fünff Jahr eher / als es die Gewonheit zu Rom mitbrachte / öffentliche Aemter bediente. Wie er denn auch alsofort als Tiberius der damahlige Römische Stadtvogt mit dem Käyser in Gallien zoh / sein Amt inzwischen rühmlich vertrat. Kurtz hierauff ereignete sich / daß / nach dem der Marckmänner König die Bojen / ein Volck dem Ursprunge nach aus Gallien / aus ihrem Sitz an der Moldau / Elbe und Eger vertrieben / dieses aber sich bey den Rhetiern und Vindelichern mit dem Könige Segovesus niedergelassen hatte / diese vermischten Völcker theils aus angebohrner kriegerischen Art / theils weil ihre Felsen ihnen zu enge werden wolten / nicht nur in Gallien zum öfftern Einfälle thäten / sondern auch gar aus Italien Raub holeten / ja von den Römern selbst Schatzung foderten und ihrer Stadt dräueten. Uber diß hielten sie alle durch ihre Länder reisende und mit den Römern / nicht aber mit ihnen verbundene Personen an; setzten denen sich darüber beschwerenden Nachbarn entgegen: Es wäre bey ihnen ein altes Herkommen / daß wer nicht ihr Bundes-Genosse wäre / oder ihnen Schatzung gebe / für Feind gehalten würde. Rhemetalces fing an: Ich höre wohl /die Rhetier sind derselben Weltweisen Meinung /welche den insgemein geglaubten Wahn / samb die Natur die Menschen durch einen geheimen Zug vereinbarte und zu Unterhaltung der Gemeinschafft triebe / verdammen / sondern die für einander habende Furcht sie in [349] Gesellschafft / Dörffer und Städte versammlete. Adgandester begegnete ihm: Wenn er die Beschaffenheit gegenwärtiger Zeit und die Neigungen itziger eisernen Menschen recht überlegte / müste er dieser denen Rhetiern beygemessener Meinung beypflichten. Deutschland wäre von undencklicher Zeit gespalten / und ein Volck gegen dem andern wie Hund und Katze gesinnet gewest. Die einige Furcht für den Römern hätte sie nun endlich mit einander verknüpffet / welche wegen ihrer anhängender Kälte die Eigenschafft des Wassers hätte / indem diese nicht nur das sonst zerfliessende Wasser / sondern auch die widrigsten Dinge durch Zusammenfrierung / jene aber die ärgsten Feinde gegen die von einem Drittern andräuende Gefahr vereinbarte. Rhemetalces versetzte: der meisten Weltweisen einhellige Meinung wäre doch / daß weder die Ameisen noch die Bienen zu der Versammlung so sehr als der Mensch geneigt wären. Diesen hätte die Natur ohne Waffen geschaffen / also wäre er eines gemeinen Beystandes mehr als andere Thiere benöthigt. Er würde der wilden Thiere tägliche Beute / und sein Blut ihre gemeinste Speise seyn /wenn ihn die Vernunfft und Gesellschafft nicht beschirmete. Diese aber eignete ihm die Herrschafft über die stärcksten Elephanten und die unbändigsten Panther zu. Sie befreyete ihn von Kranckheiten /stärckte ihn beym Alter / linderte seine Schmertzen; ja mit ihr würde die Einigkeit des menschlichen Geschlechts und das Leben selbst zertrennet. Weil nun iedes Thier einen natürlichen Trieb zu seiner Erhaltung hätte / müste der Mensch auch selbten zur Gesellschafft / als dem einigen Mittel seiner Erhaltung haben. Die Einsamkeit wäre dem Tode ähnlicher als dem Leben; jener aber wäre das schrecklichste in der Welt / und die Zernichtung der Natur. Wie könte solcher nun der Mensch nicht gram seyn? Auserhalb der Gemeinschafft wäre die Zunge / der alleredleste Werckzeug der Vernunfft / und das den Menschen am meisten von andern unterscheidende Merckmahl /nichts nütze. Solte sie deßhalben die kluge Mutter der Welt umsonst geschaffen haben? Das Feuer der Liebe müste ohne Gesellschafft erleschen / das Band der Freundschafft sich zernichten / die Fortpflantzung nachbleiben und durch die allgemeine Furcht das gantze menschliche Geschlechte in sein altes Nichts vergraben werden. Malovend hielt sich schuldig zu seyn Adgandesters anzunehmen / setzte also Rhemetalcen entgegen: Die Furcht ist kein so grausames Unthier als sie insgemein gemahlet wird. Sie hilfft in unterschiedenen Kranckheiten; Sie öffnet die Blase /vertreibt das Schlucken / der Gicht und das viertägichte Fieber; Läst die Meer-Spinne die schwartze Feuchtigkeit entgehen / die sie von dem Garne deß Fischers eben so wohl als den Menschen aus dem Netze der Feinde errettet. Sie verwandelt im Cameleon so offtmahls die Farben / ohne welche Veränderung er sich nicht lange erhalten könte. Die Hindinnen sind nicht fähig zu empfangen und trächtig zu werden /wenn sie nicht der Blitz vorher furchtsam gemacht. Die Furcht lösete des jungen Croesus stumme Zunge; Sie ist eine Gefährtin kluger und in die Ferne künfftiger Zufälle sehender Köpffe / und daher war Aristippus auff der See beym Sturme furchtsamer als niemand anders. Ja die Furcht ist eine Wehmutter der Tapfferkeit / in dem ein alles fürchtender Mensch auch alles fähig zu wagen ist / und die älteste Urheberin der Andacht / denn sie hat den Menschen zum ersten gelehret / daß ein Gott sey. Weßwegen sich so vielweniger zu verwundern / daß die Römer der Furcht nicht nur Altäre / sondern die Spartaner ihr einen Tempel gebaut / und an selbten den Richter-Stul ihrer Fürsten gelehnet haben. Warum solte sie[350] denn zu einer Stiffterin menschlicher Gemeinschafften unfähig oder zu ohnmächtig seyn? Die verwechselte Liebe der Menschen hat sicher wenig Städte gebauet. Denn so heiß sie gegen sich selbst ist / so kalt ist sie gegen andere. Wäre diese uns von der Natur eingepflantzt / warum liebt man nicht einen Menschen wie den andern? Warum hat man für so vielen eine innerliche Abscheu? Die Selbst-Liebe um uns entweder zu liebkosen oder Nutzen zu schaffen / ist die einige Ursache / warum wir uns nach ein oder anderer Gesellschafft sehnen. Versammlet uns das Gewerbe / so suchen wir unsern Gewinn / des andern Bevortheilung. Kommen wir in Amts-Sachen gleich zusammen / hat die Furcht mehr ihr Auge auff des andern Thun / als auff Befestigung einiger Verträuligkeit / und das Mißtrauen gebiehret mehrmahls Spaltungen als Freundschafft. Wollen wir mit andern die Zeit vertreiben /schöpffen wir die gröste Vergnügung aus fremden Gebrechen / aus Verkleinerung der Abwesenden / und wenn wir durch Erlangung grössern Ansehens und Vermögens unsere Furcht auff andere Schultern legen. Ja unter dem Scheine der Weißheit und der Begierde zu lehren oder zu lernen / verbirget sich die Eitelkeit eigener Ehre / und das Verlangen andern zu Kopffe zu wachsen; und mit einem Worte: der Mensch hat mehr Neigung über andere zu herrschen / als sie zu Gefährten zu haben. Aus dieser eingepflantzten Herschens-Begierde erwecket das Mißtrauen insonderheit bey den Schwächern Furcht / diese aber stifftet grosse und tauerhaffte Versammlungen. Sintemahl uns die Einsamkeit nur wegen dessen / was unserer Selbst-Liebe abgeht / verdrüßlich ist; und bey ermangelnden Erhaltungs-Mitteln gleichsam ein Zwang der Natur / oder bey Erkiesung ein und andern Vertheils die Vernunfft dem Menschen die Gesellschafft auffnöthigt / worzu er doch seiner angebohrnen Art nach so geschickt nicht ist / als zur Einsamkeit. Denn diese erhält ihn in der Glückseligkeit des Friedens und in seinem Wesen; Ausser der aber geräthet er alsbald in Krieg. Sintemahl die Menschen niemahls das erstemahl und für gemachten Bündnissen zusammen kommen / da nicht der Argwohn Schildwache halte / das Mißtrauen im Hertzen koche / und die Vernunfft auff Beschirmungs-oder Uberwältigungs-Mittel vorsinnet; Also aller Menschen erster natürlicher Zustand gegen alle andere kriegerisch ist / ungeachtet Vorsicht oder Heucheley insgemein diese Eigenschafft verblümet. Rhemetalces fragte hierauff: Ob er denn derogestalt der Rhetier gegen alle Menschen und Völcker / die sie gleich nie beleidigt hätten / tragende Feindschafft billigte? Adgandester antwortete: Er begehrte der Rhetier Thun nicht zu vertheidigen. Denn ob wohl die Neigungen der Menschen an sich selbst kriegerisch wären / so hätte doch die Natur durch die Vernunfft ihnen diß Gesetze zugleich eingepflantzt / daß man einem andern nicht thun solte / was man selbst von ihm nicht gern erduldete. Die Regungen und das Recht der Natur wären gantz unterschieden. Uberdiß könte die Selbst-Liebe neben der Gemeinschafft / und die eigene Erhaltung ohne des andern Unterdrückung gar wohl stehen; ja jene müste wegen des Menschen Schwäche und Dürfftigkeit diese zu Gefährten haben /und ihre Hefftigkeit mässigen / wormit der Mißbrauch nicht das Band der Gesellschafft zertrennete. Wenn auch schon der Mensch sich in genugsame Sicherheit gesetzt hätte / so wäre er doch auch denen / welche zu seiner Erhaltung nicht fähig oder nöthig sind / auff den Hals zu hucken nicht berechtigt. Ja auch frembder uns zu vertilgen nicht gemeinter Vortheil gäbe zum Kriege uns kein Recht. Ein Wetteläuffer wäre befugt alle [351] eusserste Kräfften anzugewehren / um andern vorzukommen; nicht aber denen ihn übereilenden ein Bein unterzuschlagen. Jeder Mensch möchte sich um seine Nothdurfft bewerben / aber sie nicht andern arglistig oder mit Gewalt nehmen; ungeachtet die Natur dem Menschen das Urthel / was er zu seiner Erhaltung bedörffe / frey gelassen / und anfangs alle Dinge iederman frey gemacht hätte. Denn jenes solle der gesunden Vernunfft und dem angezogenen Gesetze gemäß seyn; und weil das Recht aller Menschen zu iedem Dinge nur eines ieden Genüß verhindern würde / wäre hernach das durch die Gemeinschafft eingeführte Eigenthum von ihr gebilligt / und derogestalt dem Kriege ein Zaum angelegt worden / welcher der Erhaltung der Menschen ungezweiffelt zuwider; also der Mensch denen / die ihm zu schaden nicht gemeinet sind / vermöge obigen Gesetzes / gutes zu thun /und also ihre Gemeinschafft zu unterhalten verbunden wäre. Zu welcher Verbindligkeit auch allein genug zu seyn schiene / daß der andere so wohl ein Mensch als er wäre. Denn diese Gleichheit hebe alle Fremdigkeit auff / sänftige alle widrige Meinungen und gebe einen festen Fuß zu allgemeiner Freundschafft ab. Die Griechen hätten ihrem Jupiter nicht unbillich den Zunahmen eines Freundes / eines Gefärthen und eines Gastfreyen zugeeignet / und ihn gepriesen / daß er diese Eigenschafften auch den Menschen mittheilte / wormit sie durch verwechselte Wohlthaten ihrer Selbst-Liebe so vielmehr ein Genügen thäten. Sintemahl auch die Ehre vielen andern genutzt zu haben uns selbst die süsseste Vergnügung ist. Je mehr ihrer nun unserer Hülffe geniessen / ie weiter erstreckt sich unser Ruhm. Weßwegen die nur gegen eintzele Menschen tragende Freundschafft mehr von des menschlichen Geschlechts Schwachheit / als von der Einsetzung der Natur den Ursprung hat; und deßwegen Hercules / welcher allen Menschen ohne Unterscheid durch seine Thaten wohlzuthun bemüht gewest / für allen andern Helden unter die Sternen versetzt worden. Malovend warff ein; was ist denn die Natur für eine zänckische Stieff-Mutter / daß sie dem Menschen einen kriegerischen Trieb einpflantzet / gleichwohl aber Gesetze der Eintracht fürschreibet? Adgandester unterbrach diesen Zwist / und fing an: Seinem Urtheil nach hätte der Mensch eine natürliche Neigung zu der häußlichen Gemeinschafft / die bürgerliche aber hätte ihren Ursprung aus der Furcht / und der Vorsorge bevorstehendes Ubel abzuwenden. Jene hätte zu ihren Grundfesten die Begierde der Vermehrung und daher die Gemeinschafft des Männ- und Weiblichen Geschlechts / wie auch die eingepflantzte Liebe der Eltern gegen ihre Kinder und der Bluts-Verwandten gegen einander. Diese häußliche Gemeinschafft ist schon genug den Menschen zu vergnügen und glückselig zu machen. Sintemal die Natur mit wenigem vergnügt / der Uberfluß aber eine Mißgeburt grosser Städte ist. Bey dieser Gemeinschafft wären die ersten Menschen blieben; welche insgemein in holen Bäumen und Wäldern gewohnt. Die Scythen hätten noch ihren Auffenthalt auff Wagen / die Araber in Ziegen-Hütten / welche sie bald dar bald dort auffschlügen. Eben so hätten die wenigsten Deutschen Städte / die meisten vertrügen nicht / daß der Nachbar an ihre Häuser anbauete; sondern sie wären nach Gelegenheit eines Brunnens / Pusches / Feldes oder einer Bach weit von einander zerstreuet. Viel wohnten auch noch in den Hölen der Berge / und bedeckten sie des Winters mit Miste. Bey solcher Beschaffenheit hätte die Natur gar nicht / sondern die Wollust alleine vonnöthen gehabt dem Menschen die Begierde zu bürgerlicher Gemeinschafft einzupflantzen / ungeachtet der Mensch eine Fähigkeit an sich hat / daß er zum bürgerlichen Wandel ausgearbeitet [352] werden könne. Für sich selbst aber und seinem Ursprunge nach kan er ausserhalb der Städte vergnügt / tugendhafft und also glückselig leben. Dahero auch ein guter Mann und guter Mensch weit vonsammen unterschieden sind; und es sich in einem verwirreten Stadt-Wesen treffen kan / daß ein guter Bürger kein guter Mann seyn dörffe. Ja weil die häußliche Gemeinschafft allem Mangel der Lebens-Mittel und den Verdrüßligkeiten der Einsamkeit abzuhelffen vermag / hingegen aber die Bürgerliche ein Verbündniß ist / welches Kinder und albere Leute nicht eingehen können / auch ohne Gesetze unmöglich bestehen kan / welche den Menschen / sein Vermögen / seine Ehre und Leben derselben Zwange unterwerffen / ihm also viel / worzu er keine Lust hat / auffnöthigen / seinen frechen Begierden einen Kapzaum anlegen / und gleichwohl manchen zu keinem das gemeine Wesen fürnehmlich suchenden Bürger machen / scheinet die bürgerliche Gemeinschafft eine Beraubung der natürlichen Freyheit / und also der Natur mehr zuwider als ihr Werck zu seyn. Zumahl der Mensch unter allen Thieren das ungezähmteste ist; und an kriegerischer Zwytracht die rasenden Tieger übertrifft / welche gleichwohl unter sich selbst einen ewigen Frieden halten; jener aber nicht nur auff seines gleichen / sondern wider sein eigenes Blut wütet /durch Geitz / Hoffart und Ehrsucht / derer vereinbarten Regungen sonst kein Thier fähig ist / nicht nur die andern Glieder einer Stadt unterdrücket / sondern Gott selbst verachtet; also / daß die Natur nur deßhalben aus einer vorsichtigen Erbarmniß den Menschen am allerlangsamsten groß wachsen läßt / wormit er nicht zu geschwinde zu einem unbändigen Ungeheuer werde / und durch kluge Aufferziehung zu einem tauglichen Bürger ausgeschnitzt werden könne. Diese angebohrne Unart der Menschen hat unter dem gantzen Geschlechte ein Mißtrauen und Furcht / diese aber die bürgerliche Gemeinschafft / die Erbauung der Städte / die Befestigung gewisser Plätze / den Gerichts-Zwang und die höchste Gewalt gestifftet / wormit man so wohl wider Fremder als Einheimischer unrechte Gewalt sicher sey; Nachdem das Gesetze der Natur wegen der Menschen allzu hefftiger Gemüths-Regungen sie in den Schrancken der Billigkeit zu halten viel zu schwach / und ihr Urthel theils wegen so grossen Unterschieds der Meinungen zu zweiffelhafft / theils wegen übermäßiger Selbst-Liebe gar zu unrecht ist.

Malovend und Rhemetalces nahmen entweder aus wahrhafftem Beyfall / oder aus Begierde Adgandestern auff seine angefangene Erzehlung zu bringen /seine Erklärung für einen gerechten Entscheid an. Diesem nach er denn folgender massen darinnen fortfuhr. Die Rhetier waren ein Beyspiel der von den Gesetzen der Natur abirrenden Menschen / und daß die Furcht eine Mutter der Rache und Grausamkeit / auch die bürgerliche Gemeinschafft mehrmahls der Natur abgesagte Feindin sey. Denn als die Römer einst etliche Rhetier durch List in ihre Hände bekamen und tödteten / machten diese ein Gesetze / daß niemand bey Verlust seines Lebens einen in seine Gewalt gediegenen Römer leben lassen dorffte / ja sie verschonten nicht der unzeitigen Knaben in Mutterleibe / nachdem sie durch Zaubereyen erforschten / ob die schwangern Weiber Knaben oder Mägdlein trügen. Diesem nach schickte der Käyser diesen Drusus mit einem Heere gegen sie; welchem sie aber bey dem Tridentinischen Gebürge die Stirne boten / iedoch weil die Römer ihnen an Art der Waffen überlegen waren / den Kürtzern und sich zurück ziehen musten. Nichts destoweniger streifften sie noch immer in Gallien / welches den Käyser nöthigte den Drusus mit einem frischen Heere ihnen entgegen zu schicken /und Tiberius selbst [353] setzte ein anders über den Brigantinischen See / und kam den Rhetiern in Rücken; also nach dem sie vor und hinterwerts angegriffen wurden / sie nach unterschiedenen harten Treffen in die Gebürge zurück wichen. Nach dem aber Tiberius Taxegetium / Cur / Brigantz / Vemania / und Viaca / Drusus Paerodun / Abudiacum / Esco / Ambra / Isarisca und Clavenna einnahm / und an dem Lech in der Stadt Damasia etliche tausend Römische Geschlechter niedersetzte / hingegen die streitbarsten Rhetier in Italien hin und wieder zertheilete; musten sich diese Völcker nach mehrmahls fruchtloß versuchten Auffstande nur endlich für dem Drusus demüthigen und das Römische Joch auff sich nehmen. Allein die in Gallien versetzten Rhetier thäten den Römern daselbst unbewaffnet mehr Schaden / als vorhin in ihrem Vaterlande. Denn sie nahmen der Gelegenheit wahr den Galliern ihre schimpffliche Dienstbarkeit stachlicht zu verweisen / und sie so gar für Werckzeuge und Fesselträger der Römischen Herrschafft zu schelten; nach dem man so gar fremde der Freyheit zugethane Völcker in Gallien gleichsam in ein genugsam sicheres Gefängniß brächte. Wie nun diese Einhaltung unterschiedenen fürnehmen Galliern tieff zu Gemüthe ging; also unterliessen auch die benachbarten und zum Theil in Gallien noch vermischten Deutschen nicht / insonderheit die Sicambrer und Usipeter / denen der glückselige Streich wider den Lollius schon einst geglückt war / ihnen in Ohren zu liegen. Unter andern aber trug sich zu: daß als der Käyser Augustus aus Spanien in Gallien ankam / der Römische Landpfleger alle Fürsten in Gallien nach der Stadt Lugdun an dem Rhodan verschrieb / den Käyser daselbst mit desto grösserer Pracht zu bewillkommen. Drey Tage nach des Käysers Ankunfft fiel sein Geburts-Tag ein. Ob nun wohl August sich zu Rom aller übermäßigen Ehre entschlug / so verhing er gleichwohl / daß man daselbst seinen Geburts-Tag als heilig mit Lust-Spielen und Jagten feyerte. Die Ritterschafft hielte allerhand Rennen / und die Zunfften sammleten so gar das gantze Jahr in eine Lade die Unkosten zu unterschiedenen Freuden-Zeichen. Alle Stände gingen mit grosser Ehrerbietung zu dem Pful des Curtius / und warffen dem Gott Summanus für das Heil des Käysers eine Gabe hinein. Und an diesem Tage durffte kein Ubelthäter verurtheilet / weniger abgethan werden. Alleine in denen überwundenen Ländern hatte die Heucheley der Landvögte diese Fest-Tage viel herrlicher zu halten eingeführet / auch August solches mehrmahls gebillicht / welcher für ein Geheimniß seiner Herrschafft hielt sich zu Rom kleiner / anderwerts aber grösser /als er war / zu machen / und dort für einen Bürger /anderwerts für einen Gott angesehen seyn wolte. Insonderheit meinte dißmahl der Landvogt Qvintus Adginnius was ungemeines auszuüben / verschrieb also alle Fürsten und einen Ausschuß des Adels nach Lugdun / welche den Käyser nebst zwey Römischen Legionen auffs prächtigste einholeten. Ausserhalb der Stadt war eine kostbare Ehren-Pforte gebauet / welche mit allerhand von dem Phönix genommenen Sinne-Bildern bemahlet war. Auff der rechten Seiten stand das Bild des Käysers / über ihm war eine Welt-Kugel / und darauff ein Phönix gemahlet / mit den Worten:Der einige in dem einigen. Neben ihm stand ein Phönix / der gerade in die Sonne sahe / mit der Beyschrifft: Gleich und gleich. Auff der andern Seite flog ein junger Phönix / der eines andern verbrenntes Nest auff ein der Sonne gewiedmetes Altar legte / mit der Uberschrifft: Heute dir / morgen mir. [354] Bey dem Fuße spreußte ein Phönix die Flügel / und drehete den gestirnten Thier-Kreyß mit einem Fuße herum. Die Worte dabey waren: Ich verändere die Zeiten. Oben in der Spitze schwebte ein Phönix / unter ihm hingen die Adler ihre Flügel. Die Uberschrifft war: Der Könige König. Auff der lincken Hand stand das Bild Galliens / über selbtem aber ein sich verbrennender Phönix / mit der Uberschrifft: Ich verginge / wann ich nicht vergangen wäre. Auff der einen Seite war ein Phönix den die Sonne mit Strahlen überschüttete /mit der Beyschrifft: Anderer Verzehrung meine Speise. Auff der andern Seite ein den Hals empor streckender Phönix / der darum seinen auff Art eines Halsbandes habenden güldenen Kreiß zeigete / mit den Worten: Meine Bande meine Zierde. Oben in der Spitze warff ein Phönix Zimmet und Weyrauch auff ein brennendes Altar / mit der Uberschrifft:Meine Opffer meine Genesung. Das erste Sinnebild war ein zerbrochener Spiegel / in dessen iedem Stücke die Sonne vollkommen sich bespiegelte / mit den Worten dabey: Verminderung ohne Abgang. Das andere war ein hol ausgeschliffener Brenn-Spiegel / in dessen Mittel-Puncte die Sonnen-Strahlen sich vereinbarten / mit dem Beysatze: Je enger ie kräfftiger. Das dritte war der verschlossene Tempel des Janus mit der Uberschrifft: Er zeigt sich durch die Verschlüssung. Das vierdte Sinne-Bild war der zusammengefügte Tempel der Tugend und der Ehren / mit der Beyschrifft: Durch Staub zum Gestirne. Die dritte Ehren-Pforte stand für dem Königlichen Hause /das dem Käyser zur Wohnung bestimmt war / und auff den Rhodan ein weit und anmuthiges Aussehen hatte. Weil sichs nun gleich traff / daß die Sonne zu Golde ging / war die Uberschrifft daran:


Die Sonne sinckt ins Meer / so bald August zeucht ein.

Denn eine Stadt verträgt nicht zweyer Sonnenschein.


Der Käyser war in Gestalt des Apollo gebildet und ward auff dem Wagen der Sonnen von vier weissen Pferden gezogen. Die gantze Ehren-Pforte war mit eitel von der Sonne genommenen Sinne-Bildern angefüllt. Die am Morgen lieblich auffgehende Sonne hatte eine Uberschrifft: Eigenbeweglich und umsonst. Die am Mittage den gantzen Erdkreiß überstralende diese Worte: Unermüdet und allenthalben. Bey der alle Gestirne mit Lichte betheilenden Sonne stand: Alle von einem. Bey der den Schnee zerschmeltzenden und die Kräuter erqvickenden: Ich vertilge und erqvicke. Der einen Regenbogen machenden Sonne war beygeschrieben: Mahlwerck eines Blickes. Der die zwölff himmlischen Zeichen durchwandernden Sonne stund beygesetzt: Eines nach dem andern. Die aller gröste Pracht aber hatte Adginnius in dem bey Zusammenrinnung des Rhodans und der Araris dem Käyser Julius und Augustus zu Ehren aus weissem Marmel gebauten Tempel sehen lassen / dahin der Käyser folgenden Tag auff dem Rhodan in einem gantz übergoldeten Schiffe geführet / und mit mehr als tausend andern Schiffen begleitet ward. Der Käyser warff / als er den ersten Fuß in das Schiff setzte / einen köstlichen Ring in den Rhodan / entweder auch hierinnen es dem grossen[355] Alexander nachzuthun / der nach Eroberung der Stadt Hamatelia dem Meere opfferte / oder aus einer wahrhafften Andacht / nachdem nicht nur die Messenischen Könige den Fluß Pamisus / die Phrygier den Meander und Marsyas / die Egyptier den Nil göttlich verehrten / sondern auch die Römer glaubten / daß die Götter und die Gestirne sich von denen aus dem Meere und den Flüssen dämpffenden Feuchtigkeiten nähreten. Uber der Pforte des Tempels stand in eine ertztene Tafel gepreget: Denen zwey Göttern der vier Gallien. Der Tempel war nach Art des Tugend-und Ehren-Tempels zu Rom in zwey Theile abgetheilet. In dem ersten stand des Cajus Julius Bild zu Pferde aus Ertzt gegossen in der Mitten. Unter dem Pferde lagen allerhand in Ertzt gleichfalls geetzte Kriegs-Waffen; und an einem Marmelnen Fußbodeme war zu lesen:


Als Mars in Gallien nahm Cäsars Thaten wahr /

Sprach er: Ich sehe nun / wo ich den Krieg sol lernen.

Nahm also über sich sein Thun / Amt und Gefahr /

Und Cäsars Seele ward der Kriegs-Gott bey den Sternen.


Auff der einen Seiten des viereckichten Tempels stand das Bildnis des Belgischen Galliens. Die Wand war in zwey Felder abgetheilet. Im ersten war des Julius mit dem Könige Ariovist gehaltene Schlacht zwischen der Araris und dem Rheine / und insonderheit wie der verwundete Ariovist in einem kleinen Nachen sich über den Rhein flüchtete / und zwey Gemahlinnen nebst einer Tochter im Stiche / die andere dienstbar machen ließ / abgebildet. Darunter war in Stein gehauen:


Ariovisten trifft mein erster Donnerschlag;

Der Deutschland zitternd macht und Gallien ertäubet.

So kan ein Helden-Arm ausüben einen Tag /

Was ewig eingepregt in Ertzt und Sternen bleibet.


Im andern Felde war die hefftige Schlacht mit den Nerviern zu sehen / da diese gantz verzweiffelt fochten / aus den todten Leichnamen Brustwehren machten / und das Römische Heer zu weichen nöthigten /Käyser Julius aber einem gemeinen Kriegs-Knechte den Schild vom Arme riß / an die Spitze sich stellte /den Sieg des Feindes hemmte / ja fast den Nahmen der Nervier vertilgte. Darbey war auffgezeichnet:


Sind Perseus und sein Schild als Sterne zu erhöhen /

Weil Atlas und ein Fisch verwandelt wird in Stein;

Muß Cäsar und sein Schild verkehrt in Sonnen seyn /

Weil tausend Nervier für ihm wie Marmel stehen.


Auff der andern Seite war das Bild des Aqvitanischen Galliens auffgerichtet / und an dem ersten Felde der Wand künstlich eingeetzt das hohe mit sechs Füssetieffem Schnee bedeckte Gebennische Gebürge / über welches Käyser Julius die Arverner wider alle menschliche Einbildung überfiel. Darunter stand:


Verkreuch dich Hannibal mit deinem Alpen steigen /

Weil Mensch und Sommer dir dort einen Fuß-Pfad zeigen;

Gebennens Schnee-Gebürg' ist Gemsen auch zu hoch /

Doch findet Julius durch Klipp' und Schnee ein Loch.


In dem andern Felde stand die Eroberung der überaus festen Stadt Uxellodun; da Käyser Julius nach vergebens gebrauchtem Schwerdt und Feuer einem starcken Brunnen das Wasser entzoh / und durch Durst die Belägerten zur Ubergabe zwang / hernach aber allen / die Waffen getragen hatten / die Hände abhauen ließ. Die Beyschrifft war:


In dem Uxellodun in Cäsars Hände fällt /

Als er dem ew'gen Qvell die Adern abgeschnitten;

Erweist der Käyser sich mehr einen Gott als Held /

Denn Götter können ja nur der Natur gebieten.


An der dritten Seite des Tempels stand das Bild des Celtischen Galliens / und im ersten Felde der Mauer war zu sehen Cäsars wunderwürdige Belägerung der unüberwindlichen Festung Alexia / und derselben Auffgabe. Die Schrifft dabey war:


[356]

Kein Weg das Auge trägt kaum auf Alexens Klufft /

Doch schwingt sich Cäsar hin / zermalmt Thor / Mauern / Riegel.

Nicht rühmt des Dädalus zur Flucht geschickte Flügel /

Denn Götter nehmen nur ein Schlösser in der Lufft.


In dem andern Felde der Mauer aber die Ergebung der Carnuter / und die Aushändigung ihres Fürsten Guturvat / welcher dieses und andere Völcker wider die Römer aufgewiegelt hatte / und deshalben mit Prügeln und einem Fallbeile hingerichtet ward. Unter demselben war zu lesen:


Als sich Carnut empört / ko t Cäsar / siht und siegt
Für seinem Schalten fällt fußfällig es zun Füssen /
Siht wie sein Haupt entseelt von Beil und Prügeln liegt.
Denn knechtschen Meyneid muß ein Fürst auch knechtisch büssen.

An der vierdten Ecke des Tempels sahe man das Bild des Narbonischen Galliens / und in dem einen Felde die Schlacht des Käysers mit dem Könige Vercingentorix / und wie nach derselben Verlust dieser mit seinem Volcke und Läger sich selbst dem Käyser ergibet / und für seinem Stule fußfällig Helm und Waffen niederlegt. Die Worte darbey waren:


Nicht Vercingentorix / gantz Gallien liegt hier /
Wirfft Helin und Zepter weg / weicht Cäsarn Hertz und Seele;
Rufft: Cäsar halt' ihm selbst der Völcker Opffer für /
Weil er in Menschen-Tracht die Gottheit so verhöle.

In dem andern Felde war die unvergleichliche Belägerung der Stadt Massilien fürgebildet / und wie nach verzweifelter Gegenwehr sie ihre Rüstung / Waffen /Geschütze / Geld und Schiffe dem Käyser demüthig eingeliefert / die Stadt aber nicht wegen ihrer Verdienste / sondern wegen ihres Alterthums / weil sie die Phocenser noch gebauet / begnadigt wird. Darunter stand:


Massilien erstarrt für Cäsars Ungewitter /
Wenn er wie Mavors Glut / wie Zevs Blitz auf sie schneyt /
Doch fässelt er sie mehr durch seine Gütigkeit.
Denn Grüñ zwingt Mauern nur / Sanftmüthigkeit Gemüther.

Dieses Vor-Tempels an eitel kriegerischen Dingen bestehende Pracht aber ward weit übertroffen von dem Friedens-Tempel des Kaisers Augustus. Wie in dem erstern die Zierrathen eitel eisenfärbichte Waffen / das Laubwerck nur Lorbern waren; also waren im andern allerhand Blumen / insonderheit viel Hörner des Uberflusses in Marmel und Ertzt geetzt. Das Laubwerck bestand an eitel Oel- und Myrten-Laube /und war alles ziervergoldet. Für der Pforte stand ein Spring-Brunnen / in welchem die Schale aus Porphir /das Bild der Natur aber / welches aus den Brüsten mit grosser Heftigkeit / darein das kläreste Brunn-Wasser spritzte / war aus Corinthischem Ertzte gegossen / die Schale trugen vier aus Alabaster gehauene Delphinen. Die mitten zertheilte Pforte war aus Ertzt / und darauf Bacchus mit seinen Wein-Reben / und Ceres mit Weitzen-Eeren gegossen. Darüber stand in Marmel gehauen:


Dem Käyser Augustus /

Der Gallier grossem und gütigem Jupiter /

baute dieses

Qvintus Adginnius /

Der Stadt Rom und des Käysers Priester /

bey der Zusammen-Flüssung des Rhodans

und der Araris.


[357] Dieser Tempel war Kugel-rund gebauet; in der Mitten stand aus Corinthischem Ertzte des Käysers Augustus Bildnüß / welchem alle Kennzeichen des Jupiters und der Sonne beygefügt waren. An dem marmelnen Fusse stand:


Laß Cäsarn / wenn er stirbt / zu einem Gotte werden /

Ein Schrecken Galliens / des Himmels Kriegs-Stern seyn.

August wird eine Sonn' / ein Gott noch hier auf Erden;

Er und der Friede baut / was Furcht und Krieg reist ein.


Die Abtheilung des Tempels aber war fünffach /und in einer ieden eine Geschichte des Jupiters in Marmel eingehauen / welcher aber alenthalben ein dem Kayser August gantz gleiches Antlitz hatte. In iedem Fünfeck war einer von den Haupt-Flüssen Galliens / nemlich der Rhodan / die Garumne / die Ligeris / die Seene und die Maaß abgebildet / welche aus ihren Krügen grosse Ströme Wassers ausgossen. Im ersten lag die Maaß / allenthalben mit Schilff umbwachsen / oben saß August bey einer Taffel / ein fliegender Adler aber nahm ihm mit dem Schnabel ein Theil der Speise vom Teller / mit der Beyschrifft:


Nicht wunder dich August / daß dir ein Vogel frist

Die Speisen aus der Hand. Er kennt dich / wer du bist.

Und du kanst / was es für ein Vogel sey / ermässen.

Denn Adler pflegen nur mit Jupitern zu essen.


Im andern Fünfeck saß die Seene / umb und umb mit tausenderley Art Muscheln umbleget / und der noch junge Jupiter ward mit Honig von den Bienen ernähret / welche nach und nach ihre Eisen-Farbe in Gold-gelbe verwandelten. Darüber war zu lesen:


Warumb wird Gallien am Golde so sehr reich /
Nach dem's dem Käyser zinßt? Es grub ja vor kaum Eisen /
Nicht fragt! denn Jupiter macht / wenn sie ihn nur speisen /
Der Bienen Eisen-Farb auch schönstem Golde gleich.

Im dritten Felde lag die Ligeris auf einem mit Mooß bewachsenen Felsen; über ihr war Jupiter gemahlet / wie er den Thurm des Acrisius durchbricht /und sich als ein güldner Regen in die Schoos seiner hierdurch geschwängerten Danae abläßt. Darunter war geschrieben:


Entsetze / Gallien / dich für dem Käyser nicht /
Der güldne Friede kommt / wenn er gleich stürmt und wütet.
Wenn Jupiter durch Ertzt / durch Thürm und Mauern bricht /
Wird Danae mit Gold und Segen überschüttet.

Im vierdten Theile lag der Fluß Garumna / das Haupt hatte er wie Bacchus mit Reben und Wein-Laube umbhüllet. In selbigem Felde war die Geburt der Pallas aus dem Gehirne Jupiters eingehauen / mit der Bey-Schrifft:


Die Weißheit steigt hier hoch. Warumb? August regirt.
Denn Pallas wird gebohrn aus Jupiters Gehirne.
Saturnens güldne Zeit wird aber auch verspürt!
Denn dieser Zevs hier beut dem Vater nicht die Stirne.

Im fünften Theile lag der Rhodan auf einem mit eitel Corallen-Zapfen bewachsenen Felsen. Im Felde war der in einen Schwan verwandelte Jupiter gebildet / wie er die Leda des Tyndarus Gemahlin schwängert / welche hernach zwey Eyer gelegt / aus derer einem Pollux und Helena / aus dem andern Castor und Clytemnestra hervor kommen. Darunter war gezeichnet:


Warumb mag wohl August so Gallien bebrütten?

Nicht: daß es Eyer ihm aus Golde legen soll.

Als Zevs die Leda zwingt / thut es ihr selber wohl.

Zwey Helden haben sich aus ihrem Ey geschnidten.

Viel tausend aber hört man Franckreich Mutter nennen.

Was macht es? Jupiter ward ein unfruchtbar Schwan.

Der Käyser aber ist ein unermüdet Hahn /

Und die vier Gallien vier gute Lege-Hennen.


[358] Als der Käyser bey dem Tempel aus dem Schiffe trat / bewillkommte ihn der ihm zugeeignete Priester Cajus Julius Vercondaridubius / ein Heduer der Geburt / nebst sechs andern Priestern / welche iedem denen dem Käyser fürtretenen Fürsten eine weisse mit Oel-Laube umbwundene und brennende Fackel einhändigten. Mitten im Tempel war bey seinem Bildnüsse ein hoher Thron aufgebauet / darauf sich der Käyser setzte. Alsofort ward auf denen darinnen stehenden fünf Altaren von wolrüchendem Holtze ein Feuer angezündet. Die Fürsten der Gallier / und nach ihnen der Adel / gingen nach der Reyhe / neigten sich für dem Augustus / küsseten gegen ihm ihre rechte Hand / dreheten sich hierauf linckwerts (welches bey den Galliern die gröste Andacht ist) zu denen Altaren / und warff ieder eine Handvoll Weyrauch in die heilige Flamme.


Ich mag / fuhr Adgandester fort / alle abergläubische Heucheleyen / die daselbst fürgingen / nicht erzehlen. Uns ist alleine genung / daß viel Gallier diese ihre schmähliche Dienstbarkeit einen sterblichen Menschen göttlich zu verehren in ihrem Gemüthe verfluchten / die zuschauenden Sicambrer und Rhetier aber die Gallier als Knechtische Sclaven verschmäheten / und alle auf den Julius Cäsar und den Augustus gerichtete Sinnen-Bilder und Uberschrifften zu ihrer ärgsten Verkleinerung auslegten. Wordurch denn nach dem Abzuge des Kaisers ihrer viel aufgewecket wurden / das Römische Joch abzuwerffen / sonderlich da der Sicambrische Hertzog Anthario ihnen wider die Römer mit äusersten Kräfften beyzustehen versprach.


Dieser Aufstand / sagte Malovend / ist eine noch allzu geringe Straffe des Käysers gewest / welcher durch angenommene Verehrung der Priester keine absondere Ehre Gott übrig gelassen. Sintemal entweder keine blindere Thorheit / oder keine schändlichere Vermessenheit seyn kan; als wenn ein elender Mensch / der im Leben sich mehrmals nicht der Läuse / nach dem Tode nicht der Maden erwehren kan / sich zu einem unsterblichen Gotte machen / und seinen Staub und Asche mit denen unversehrlichen Gestirnen verwechseln wil. Zeno antwortete Malovenden: Er hätte selbst eine Abscheu für dem / daß ein Sterblicher sich den unsterblichen Göttern gleichen solte. Alleine weil die Menschen sich durch Wohlthat den Göttern ähnlich machten / schiene so ärgerlich nicht zu seyn /wenn man seine Wolthäter / derer Verdienste man nicht vergelten könte / auch etlicher massen mit einer denen wolthätigen Göttern zu liefern gewohnten Danckbarkeit betheilte. Hätten doch die Epyptier den Schlangen-verzehrenden Vogel Ibis / und andere wilde Thiere wegen des ihnen zuwachsenden Nutzens vergöttert. Sonst aber könte er sich schwerlich bereden / daß iemals ein Mensch so alberer Gedancken gewest wäre; sondern es hätte von Anfang die Unwissenheit des Pöfels / welcher die herrlichen Thaten der Helden als etwas irrdisches zu begreiffen nicht gewüst / in dem sie alle andere Menschen nach ihrer Fähigkeit ausgemässen / ihnen etwas Göttliches mitgetheilet zu seyn vermeynet; hernach hätte entweder das danckbare Andencken empfangener Wolthaten / zuweilen auch wohl die Heucheley / und endlich die Staats-Klugheit / welche das unbändige Volck durch nichts besser in den Gräntzen des Gehorsams zu halten gewüst / die Halb-Götter in der Welt aufbracht. Niemand aber hätte seines Wissens irgendswo geglaubt / [359] daß unter solchen Helden und den ewigen Göttern kein Unterscheid seyn solte. Malovend versetzte: Beyder Verehr- und Anbetung wäre gleichwohl gantz gleich. In Gallien wäre keinem Gotte ein so herrlicher Tempel als dem Augustus aufgerichtet / und jenem in einem Jahre nicht so viel Weyrauch / als diesem in einem Tage verbrennet worden. Käyser Julius hätte sich auf einem Wagen dem Capitolinischen Jupiter entgegen setzen lassen. Anfangs wäre freylich zwar die Götter und Helden-Verehrung unterschieden gewest; diese hätte in Bildern / jene in Opfern / diese in Küssen / jene in der Anbetung bestanden / weil man die von uns entfernten Götter nicht wie Menschen erreichen können. Hernach aber hätten die Angilen und Nasamonen in Africa die verstorbenen Seelen / die Persen ihren Cyrus als wahre Götter zu verehren den Anfang gemacht. Die Griechen hätten der Lampsace anfangs nur eine Säule / hernach aber Altäre aufgerichtet; die Arcadier ihren Arcas anfangs nur in einen Stern / den Aristäus aber folgends in Jupitern verwandelt. Jedoch wären bey allen Völckern die grösten Helden noch so bescheiden gewest / daß sie die Göttliche Ehre von ihren heuchelnden Unterthanen erst nach ihrem Tode zu empfangen sich vergnüget /erwegende: daß die Göttligkeit noch glaublicher einem Menschen nachfolgen / als ihn begleiten könne / und daß zu Befestigung dieses Aberglaubens so viel Zeit verlauffen müsse / wormit man sich des verstorbenen Schwachheit nicht mehr erinnere / oder zum minsten selbte nicht mehr sehe. Zumal mit dem Tode auch die der Tugend allezeit aufsätzige Mißgunst erlischt / und die sie schwärtzende Verläumbdung verrecket; hingegen die Nach-Welt iedem nicht nur seinen verdienten Ruhm wieder erstattet / sondern auch aus der Helden irrdenen Bildern Heiligthümer zu machen geneigt ist. Augustus aber habe die Gottheit bey seinem Leben von denen Galliern anzunehmen sich nicht gescheuet / welche doch nicht das Vermögen haben ihnen selbst einen König zu machen; Da es doch ein unermäßlich schwererers Werck ist einem den Himmel / als ein Königreich zuzuschantzen. Zeno warff hierwider ein: August wäre der erste nicht gewest / der solches bey seinem Leben verstattet hätte. Der grosse Alexander hätte als des Jupiters Sohn angebetet zu werden verlanget / und den solches widerrathenden Callisthenes peinigen und kreutzigen lassen. Philadelphus hätte seine und der andern Ptolomeer Bilder auf güldenen Wagen neben dem Bacchus und andern Göttern mit ungläublicher Pracht aufführen / Kayser Julius unter der Götter Bildern seines tragen / auch alle Göttliche Ehre anthun lassen. Nichts desto weniger wäre dieses alles vermuthlich mehr aus einer Staats-Klugheit / als aus einer thummen Einbildung einer wahrhaften Göttligkeit geschehen. Sintemal diese alle die Götter selbst angebetet / Julius auch sein auf der Erd-Kugel stehendes Ertzt-Bild mit der Uberschrifft eines Halb-Gottes bezeichnet hätte. Insonderheit wäre August nicht zu bewegen gewest ihm in Rom einiges Heiligthum bauen zu lassen; hätte auch Liviens Bild nicht in der Gestalt der Juno aufrichten lassen wollen; auch als ihm der Rath die von denen überwundenen Völckern angebotene Vergötterung gleichsam aufgedrungen / sich erkläret / daß sein Ehrgeitz nicht diese Anbetung / sondern seine Liebe des Vaterlandes [360] nur des RathsVorsorge billigte; wel che meinte / daß durch diese Künste dem Römischen Reiche ein Ansehn zuwüchse; und die Welt sich weniger einem Gotte als Menschen unterthänig zu seyn schämen würde. Die Persen und des Atlantischen Eylandes Inwohner bezeugten gegen ihrem Könige nur deßhalben einen so blinden Gehorsam / weil jene gläubten / daß er die Stütze des Himmels und der Erde / sein Fußwasser aber eine heilige Artzney wider viel Kranckheiten wäre; Diese aber daß er liesse Sonne und Monde scheinen. Malovend fiel ein: Er könte einen frommen Betrug der Staats-Klugheit nicht verwerffen / als durch welchen Numa / Scipio / Lucius Sylla / Sertorius / Minos und Pisistratus ihrem Thun und Gesetzen gleichsam ein göttliches Ansehn gemacht; Er verargte den Griechen nicht die Aufrichtung des Trojanischen Pferdes / denen Phöniciern und Zazinthiern den von den Göttern ihrem Fürgeben nach im Traume befohlnen Tempel- oder vielmehr Festungs-Bau / daraus sie sich gantz Hispaniens bemächtigt; Aber Gott die Würde der Gottheit / und die Ehre der Anruffung abstehlen / wäre eine verdammlichere Boßheit / als ein ärgerlicher Irrthum / daß der Gottesdienst nur eine Erfindung der Staats-Klugheit wäre. Denn diese steckten nur in dem Finsternüsse der Unwissenheit; jene aber wären die wahrhafftesten Riesen / die den Himmel vorsetzlich stürmeten / und der Salmoneus / der mit seinem Donner den Jupiter zum Streit ausforderte. Diesemnach auch sie von der göttlichen Rache durch Blitz eingeäschert zu werden verdienten; und hätten alle vernünfftige Weisen solche eitele Vergötterung verspottet / der Rath zu Athen auch den Demas gar recht mit einer Geld-Busse belegt / weil von ihm der sterbliche Alexander bey denen Olympischen Spielen als ein GOtt eingeschrieben worden wäre. Ja Leonnatus hätte sich nicht gescheuet / einen den Alexander anbetenden Persen ins Antlitz zu verhöhnen; und Hermolaus hätte nebst denen andern Edel-Knaben deßhalben den eitelen Alexander zu erwürgen sich verbunden. Gleichwol aber / versetzte Zeno / ist der Delphische Apollo selbst so eiversüchtig nicht gewest / in dem er den Griechen gerathen den Hercules zu vergöttern. Adgandester begegnete ihm: Es hat der Delphische Wahrsager-Geist wol eher dem Könige Philip und andern liebgekoset. Weil aber August selbst wol ehender mit dem Agrippa / Alexander mit seinem Hephestion wegen allzu grossen Ansehens geeivert hat; und kein Stern in Anwesenheit der Sonne sich einigen Glantz von sich zu geben erkühnet; möchten die armen Sterblichen sich wol selbst bescheiden / daß sie gegen GOtt Spreue / und keiner Göttligkeit fähig sind; der angebetete Darius / Xerxes und Attaxerxes auch leider ein Gelächter der ohnmächtigsten Menschen worden / als den ersten die Scythen / den andern zwey Griechische Städte / den dritten Clearchus und Xenophon gleichsam in ein Bocks-Horn gejaget.

Hertzog Zeus merckte / daß die Eitelkeit der Vergötterung allen Deutschen ein Dorn in Augen wäre; also brach er von derselben Entschuldigung ab / und ersuchte den Fürsten Adgandester in seiner annehmlichern Erzehlung fortzufahren. Dieser verfolgte sie dergestalt: Das Bündnüß ward zwischen denen durch des Agrippa strenge Verfahrung / und des Licinnius Geitz und unmenschliche Schinderey ohne diß vorher verbitterten Gallier dem Sicambrischen Hertzoge Anthario und den Fürsten der Ubier Beer-Muth ins geheim / und insonderheit durch Unterhandlung der über des Augustus Vergötterung eivernden Druyden beschlossen. Alleine die Römer kriegten hiervon zeitlich Kundschafft; und der zu Beobachtung der Deutschen und Gallier zurück gelassenen Drusus beruffte unter dem Scheine des Augustus Feyer abermahls zu begehen / die Fürsten der [361] Gallier nach Lugdun. Diese fanden sich so viel fleißiger ein / ie weniger sie ihren Anschlag verrathen zu seyn besorgten / oder wegen ihrer so beflissenen Dienstbarkeit sich einigen Arges versahen. Aber die sie beschlüssenden Fässel lehrten sie allzu zeitlich / daß man bey Anspinnung eines gefährlichen Beginnens alles Vertrauen aus dem Hertzen verbannen müste. Weil sie aber auf Andräuung noch schärffern Verfahrens nicht nur ihre Söhne und Bluts- Verwandten den Römern wider die Pannonier und Dalmatier zukriegen einlieferten; also der Käyser mit ihnen nicht nur Hülffs-Völcker / sondern auch Geisel überkam / wie nichts minder alle Geheimnüsse des Bündnüsses erfuhr / wurden sie nach desselbten Abschwerung wieder auf freyen Fuß gestellt. Wordurch sie aber das Mißtrauen bey den Römern und die Verächtlichkeit bey den Bunds-Genossen nicht ablehneten; ja so gar verursachten / daß die Sicambrer und Usipeter sich mit dem Drusus in ein Bündnüß einliessen.

Weil aber die obbestrickten Gallier den Hertzog der Moriner Erdmann beschuldigten / daß er ebenfalls theil an ihrem angezielten Aufstande gehabt hätte; oder die Römer in Gallien keine umschrenckte Gewalt vertragen konten / kündigte ihm Drusus unter einem gantz andern Vorwande / nehmlich / daß die Helffte seiner Länder mit seiner ältesten dem Licinnius verheyratheten Tochter an seinen Eydam verfallen wäre /den Krieg an. Diese Moriner waren nebst den Batavern das einige Volck in Gallien / welches nicht der Römischen Botmässigkeit schlechterdings unterworffen war. Käyser Julius und Labienus hatten zwar ihnen zwey Schlachten abgewonnen; aber die feste Beschaffenheit ihres sümpfichten Landes und ihre der Streitbarkeit vermählte Vorsicht hatte / auser einer den Römern verwilligten leidlichen Schatzung / sie noch grossen Theils bey ihrer Freyheit erhalten; also /daß weder Agrippa / noch August selbst / bey ihrer Anwesenheit ein Bein unterzuschlagen vermochten. Als nun Drusus mit den Morinern anband / auch sich etlicher Plätze bemächtigt hätte / hemmete eine Gesandschafft der Britannier und Bataver / welche schon funfzig tausend Kriegs-Leute auff den Beinen / und zu Beschirmung der Moriner fertig hatten / den Lauff der Römischen Siege; nöthigten auch den Drusus / daß er / um nicht das mißträuliche Gallien gantz in Gefahr zu setzen / mit den Morinern einen billichen Frieden schlüssen muste.

Drusus ward über der Fehlschlagung seines eingebildeten Sieges so verbittert / daß er sich hätte in die Finger beissen mögen; insonderheit aber meinte er gegen die Bataver seine Galle und Rache auszugiessen berechtigt zu seyn. Dieses Volck war von den streitbaren Catten entsprossen / hatte wegen häußlicher Unruhe sein Vaterland verlassen / die zwischen dem Rheine und dem Nord-Meer gelegene Pfützen ausgetrocknet / und solch Eyland zur Wohnung erkieset. Weil sie aber von Anfangs weder an Mannschafft noch Kriegs-Geräthe sonderlich starck waren / musten sie sich unter den Schutz der Britannier begeben /welche damahls vom Einflusse des Rheins biß an die Seene Meister der Gallischen Küsten waren. Als aber die Britannier eine schwerere Hand ihnen auflegten /als die freyen Deutschen zu tragen gewohnt waren /beschwerte sich der Bataver Hertzog Eganor gegen dem Britannischen Könige / und schrieb ihm zu: Er möchte sich entweder seiner Härtigkeit / oder seiner Herrschafft enteusern. Es möchte wohl seyn / daß anderer Völcker Könige nur den Göttern Red und Antwort zu geben gewohnt wären; Die Deutschen aber forderten auch von ihren Gebietern Rechenschafft; und fromme Fürsten hielten es für einen Ruhm / die Gesetze und das Urthel ihrer Unterthanen [362] über sich zu leiden. Der König / welchem entweder von seinen Land-Vögten die geklagte Bedrängung ausgeredet ward / oder weil er eine umschrenckte Gewalt nicht für Königlich hielt / verwieß die Bataver an statt verhoffter Erleichterung zu der Schuldigkeit ihres Gehorsams. Dieses jagte nicht nur die Bataver in den Harnisch / sondern Eganor bewegte alle denen Britanniern unterthänige Gallier zum Aufstande. Wiewol nun der kluge und tapffere Eganor Meuchelmörderisch hingerichtet ward; verfolgte doch sein Sohn Eisenhertz den Krieg wider die Britannier so glückselig /daß diese jene für freye Leute erkennen musten. Die Bataver / wie ein kleines Antheil Galliens sie gleich besassen / erlangten hierdurch ein grosses Ansehen /und den Ruhm / daß sie nicht nur unter den Galliern /sondern allen an dem Rheine wohnenden Völckern die tapffersten wären. Weil nun ihr Eyland endlich so wohl ihrer Mannschafft zum Unterhalte / als ihrer Tugend zur Gräntze viel zu enge war / lagen sie täglich denen benachbarten Galliern in Eisen / und machten sie durch stete Uberfallung zinßbar. In denen Nord-Völckern ging zu sagen kein Rauch auf / da sie nicht als Mittler erbeten worden / oder sie sich selbst zu Schieds-Richtern aufwarffen / und denen hartnäcktichten einen Frieden vorschrieben. Durch Schiffarthen und Handlung machten sie sich nichts minder vermögend / als in der gantzen Welt bekandt. Ob auch wol hernach Käyser Julius gantz Gallien einnahm /wagte er sich doch nicht / die Bataver in ihrem Lande anzutasten. Ja weil sie für die besten Schwimmer /und die fürtrefflichsten Reuter berühmt waren / suchte er nicht alleine durch Gesandschafft und Geschencke ihre Freundschafft; sondern brauchte sie auch in seinem Britannischen und Bürgerlichen Kriegen um zweyfachen Sold für Hülffs-Völcker. Unter dem Käyser August stiegen sie so hoch / daß Agrippa im Nahmen des Käysers sie nicht nur für Freunde und Brüder der Römer aufnahm / und zum Gedächtnüsse dieser Verbindung an dem Ufer / wo der Rhein ins Meer fällt / eine von Rom übersendete Marmelne Säule mit der Uberschrifft: Das Volck der Bataver / der Brüder des Römischen Reichs / aufgerichtet ward; sondern August erkiesete sie auch zu seiner Leibwache. Derogestalt schienen die Bataver an den höchsten Gipffel der Ehre und Glückseligkeit gelanget zu seyn; Ob zwar im Wercke bey ihnen wahr war / daß Herrschafften offt mehr dem Ruffe / als dem Wesen nach auf festen Füssen stehen. Denn wie dem Britannischen Könige ein Reichs-Rath diesen schlauen Anschlag gegeben hatte / daß die Bataver / wie ihre unbewegliche Pfützen / durch Ruhe verderben müsten; Also ereignete sich freylich / daß die Bataver theils durch Sicherheit / in dem sie ihre Macht so feste beraset zu seyn vermeinten / daß sie allen Nachbarn die Spitze bieten könten / theils durch die vortheilhaffte Kauffmannschafft guten Theils der Waffen und ihrer streitbaren Art vergassen. Worzu sie nicht allein die Süßigkeit des Gewinns / sondern die von denen listigen Britanniern an die Hand gegebene Gelegenheiten; ja der Batavischen Fürsten eigne Anleitungen verführten; als welche ebenfalls durch Verzärtelung der Bataver ihre vorhin mercklich verschrenckte Gewalt zu vergrössern anzielten. Insonderheit gab Hertzog Waldau durch Einführung gewisser Handlungs-Gesellschafften auch dem Adel Anlaß / sich in die Handlung zu verwickeln. Und ob wohl der Catten Gesandter dem Batavischen Adel die Gewohnheit ihrer Vor-Eltern / welche alle Kauffmannschafft bey Verlust des Kopffes aus ihren Gräntzen verbanneten / wie auch daß das Gewerbe die hertzhafftesten Gemüther verzagt / und nach der Süßigkeit auch eines unanständigen Friedens lüstern machte / einhielt; so setzten doch die Werckzeuge [363] des Fürsten Wodan diesen Erinnerungen entgegen: Die Kauffmannschafft wäre der alten Scythen und fast aller Völcker bestes Gewerbe gewest. Die Phönicischen Handelsleute hätten sich durch ihr Gewerbe zu Fürsten / die Stadt Tyrus zu einer Beherrscherin vieler Länder / und Carthago bey nahe zum Haupte der Welt gemacht. Der grosse Gesetzgeber Solon / und die berühmtesten Weltweisen Democritus und Socrates hätten sich zu handeln nicht gescheuet / und der göttliche Plato wäre durch den in Egypten getriebenen Oel-Handel reich worden. Dem Thales hätte die Vermählung seiner Sternkunst und Kauffmannschafft grossen Wucher einbracht. Die Römische Ritterschafft hätte durch Kauffmannschafft ihren Glantz behalten; Lucius Petius zu Panormus /Qvintus Mutius zu Syracusa dardurch ein grosses erworben. Käyser Julius wäre eines Wechslers Enckel /und der König Tarqvinius Priscus / so wol als der grosse Bürgermeister Cicero / eines Kauffmanns /nehmlich des Damarats Sohn gewest / ja Tarqvinius selbst und der grosse Pompejus hätten Handlung getrieben. Die über des Adels Auffnehmen eifernde Fürsten hätten durch Abschneidung des Gewerbes selbtem arglistig die Flügel zu verschneiden getrachtet /und solches dem kleinmüthigen Pöfel zugeschantzt. Hätten Curius / Scipio und andere grosse Helden /wie auch fast aller Völcker Adel dem Feldbaue als einer der Ritterschafft anständigen Bemühung obgelegen; warum solte die Kauffmannschafft / welche die Hand in Seide / Gold / Perlen und den edelsten Gewächsen hätte / selbter verkleinerlich seyn? Die Handlung wäre ja ein Grundstein eines Reiches; welche das Vermögen als die Spann-Adern des gemeinen Wesens beytragen müste. Die Griechen hätten das Schiff der Argonauten als ein Sinnebild der Kauffmannschafft unter die Gestirne versetzt; weil sie wol gesehen / daß sie ein beweglicher Angelstern eines Landes wäre. Hiermit erreichte Fürst Wodan seinen Zweck; die Bataver wurden wohl / wie die andern Gallier / reicher / aber auch weibischer. Weil nun Wodan nicht ohne Mißgunst wahrnahm / wie die Gallier dem Käyser auf sein Wincken zu Gebote stunden / die Britannier auch dem / was sie ihren Königen an Augen ansahen / durch Befolgung zuvor kamen; ward er verdrüßlich / daß er mehr ein Diener / als Gebieter der Bataver seyn / und nach der Deutschen Art nur mit seinem Beyspiele / nicht mit Befehle sie zu Beliebung eines oder des andern Dinges bringen solte. Daher fing er an nach und nach etwas weiter zu greiffen. Die Wohlthaten seiner Vorfahren hatten ohnediß dem Volcke eine Liebe gegen sein Geschlechte eingeflöst; diese aber ist nicht selten eine Stief-Mutter der Freyheit und eine rechte der Dienstbarkeit. Also war fast iederman seinen Befehlen zu gehorsamen geneigt; und ie begieriger einer zu dienen war / ie mehr ward er vom Volcke gepriesen / und vom Fürsten erhoben. Das Glücke bot seinem Vorhaben gleichsam die Hand / weil zwischen denen Eubagen / die die Bataver zu ihren Priestern und daher auch zu ihren vornehmsten Leitern hatten / sich über gewissen Meinungen Zwist entspan / und sie dardurch ihre alte Gewalt schwächten. In diese Zwytracht wickelte sich Hertzog Wodan unter dem Scheine sie zu vereinbaren / in der Warheit aber sich / nach der Römischen Käyser verschmitzten Beispiele / zum obersten Priester zu machen. Die klügern Vorsteher des Landes merckten numehr / wohin Wodan zielte; daher waren sie bemüht dieser Fluth bey Zeiten einen Tamm entgegen zu bauen; und schlug der edle Bisuar / den die Bataver für einen göttlichen Wahrsager hielten / allerhand kluge Mittel für; wordurch Wodan unvermerckt in den Schrancken voriger Fürsten / die Bataver aber bey ihrer alten Freyheit erhalten werden möchten. Unter andern rieth er / daß die zwistigen [364] Eubagen nicht ihnen selbst Recht sprechen / sondern für einer allgemeinen Landes-Versammlung verhöret und entschieden werden solten. Wodans Anhang beschuldigte Bisuarn hierüber / daß er dem neuerlichen Irrthume beypflichtete /und dardurch die Herrschafft der Bataver zu zerrütten vorhätte. Wie nun die neue Meinung der Eubagen als irrig verdammt ward / also sprach und schlug man Bisuarn den Kopff ab. Aller ferne sehenden Bataver Köpffe erschütterten sich über dem Falle dieses Haupts; ihre Hertzen flossen mehr von Thränen / als ihre Augen; weil aber das gemeine Volck / das ohnediß sich über so blutigen Schlacht-Opffern zu ergetzen pflegt / auff Wodans Seite stand / war niemand so behertzt / daß er hierüber seine Empfindligkeit hätte blicken lassen. Die Wunden der Beleidigten heilte die Zeit nach und nach zu; Die Freyheitliebenden gewohnten endlich des Gehorsams / und niemand war / der den tapffern Wodan nicht zu herrschen / und seine Verdienste nicht einer grossen Vergeltung würdig schätzte. Also erlangte dieser Fürst fast eine vollmächtige Botmäßigkeit / und verließ sie seinem Nachfolger Dagobert. Dieser machte zwar durch seine Vermählung mit des Caledonischen Hertzogs Tochter sich vermögender / aber auch verdächtiger. Insonderheit wuste er nicht so wol als Wodan in gefährlichen Entschlüssungen frembdes Wasser auf seine Mühle zu leiten / und ihm den Vortheil / andern aber den Haß zuzueignen. Wie er nun die seinem Vorhaben widrige Stadt Batavodur mit der ihm anvertrauten Kriegs-Macht zu überrumpeln vergebens versuchte; Also starb er hierauf unverlängt / entweder aus Gramschafft über seinem entdeckten aber fehlenden Anschlage / oder etlicher Meinung nach durch Gifft. Denn insgemein wird über unvermutheten Todes-Fällen der Fürsten also geurtheilt / gleich als wenn sie nicht denen gemeinen Gesetzen der Sterbligkeit unterworffen / oder insgesamt ein Ziel der Verrätherey wären Sein Tod zohe vielen / welche die alte Freyheit noch in ihrem Hertzen besassen / die Larve vom Gesichte. Denn nach dem doch ein niemahls fehlender Schluß des Verhängnüsses ist / daß von dem Vorhaben der Fürsten nichts verschwiegen bleiben kan; daß die Wände ihrer geheimsten Zimmer und Schlaffgemächer auswendig der Nachwelt als helle Spiegel für Augen stellen / was inwendig im verborgensten begangen wird; so ist insonderheit der Tod / wenn alle andere stumm bleiben / ein Verräther ihrer Geheimnüsse / welcher durch das Horn des gemeinen Ruffes der gantzen Welt kund macht / was mehrmahls der oberste Staats-Rath nicht gewüst hat. Welche Begebnüß Fürsten alleine eine genungsame Ursache seyn solte / nichts niedriges in ihre Gedancken zu fassen /als von welchem hernach die Welt ewig reden wird. Ja weil das Geschrey von so schnellem Gewächse ist /daß es über Nacht aus einem Zwerge zum Riesen wird / und bey Abwegung der Gemüths-Eigenschafften die Verläumbdung dem Gewichte des Guten iedesmahl ein Steinlein unvermerckt weg nimmt und dem Bösen zulegt; ereignete sichs auch / daß vom Dagobert ausgesprengt ward / er hätte mit den Caledoniern und Römern ein Verständnüß gehabt / wie er die Bataver ihm als Leibeigne unterthänig machen könte. Alldieweil denn das Böse insgemein glaubhaffter als das Gute ist / und über den gemeinen Ruff auch die reineste Unschuld schwerlich einen Richter findet; blieb dem verstorbenen Dagobert viel nachtheiliges auff dem Halse. Sein verlassener Sohn Cariovalda /ein Kind von wenigen Monaten / war ohnediß der Herrschafft unfähig / und verfiel unter die Vormündschafft derer / welche der Freyheit geneigt und der Herrschafft Spinnenfeind waren. Also ward Cariovalda nicht nur mehr Bürgerlich als Fürstlich erzogen /sondern es ward die gantze Herrschens-Art umgekehret; in [365] dem nicht nur wie in Gallien / vermöge der von denen Maßiliern bekommenen Richtschnur / der Adel / sondern auch ein Ausschuß des gemeinen Volcks zu der Herrschafft gelassen ward. Ja etliche Eiverer für die Freyheit machten ein eidliches Bündnüß / daß sie Dagoberts Geschlechte nimmermehr ihnen so sehr zu Kopffe wachsen lassen / noch dem jungen Cariovalda die Waffen und höchsten Aemter des Landes in die Hände geben wolten. Massen denn auch alle Festungen nicht so wohl im Kriege erfahrnen Edeln / als welche im Verdacht waren / daß sie allezeit einen Hang zu Fürstlicher Herrschafft / und eine Abscheu für der Bürgerlichen hätten / sondern mehr niedrigern und daher umb leichtern Sold dienenden Leuten an vertrauet wurden. Denn die bürgerliche Herrschafft ist geneigt zur Sparsamkeit und geschickter zu Unterhaltung des Friedens / als des Krieges. Daher wuchs auch bey den Batavern die Handlung und das Reichthum also / daß dieses die Hibernier und Sitonen in die Augen stach / und dem Drusus Anlaß gab / diese den Batavern / welche / seinem Angeben nach / numehr so wol ihnen als den Römern in den Schiffarthen Gräntzen und Gesetze fürschreiben wolten / auf den Hals zu hetzen. Die Bataver kriegten von des Drusus Ungewogenheit zwar Wind; Sie konten iedoch einige erhebliche Ursache eines Krieges nicht ersinnen; gleich als wenn selbte nicht wohl ehe die Herrschenssucht vom Zaune zu brechen pflegte. Die Catten / Sicambrer und Usipeter warnigten zwar die Bataver / boten ihnen auch wider die Römer ein Bündnüß an; aber das erste vermehrete nur mehr ihren Argwohn / als ihre Kriegs-Verfassung / und das letztere anzunehmen war ihrer Kargheit wegen gefoderter Hülffs-Gelder bedencklich; da doch auch die / welche / frembdes Geld nicht zu begehren / beym eignen sparsam / bey des gemeinen Wesens Gütern geitzig zu seyn der Schuldigkeit erachten / keine Verschwendung heilsamer halten / als die zu Erhaltung der alten Bundsgenossen geschiehet. Viel derer / die im Rathe sassen / und zwar die Friedens-nicht aber die Kriegs-Künste verstunden / hatten ihre unfähige Anverwandten zu Kriegs-Häuptern in die Festungen eingeschoben; andere heuchelten ihnen selbst mit dieser schädlichen Einbildung: Gott und die Natur hätte die Bataver so befestigt / daß / da Käyser Julius über ihre Flüsse und Sümpffe zu kommen sich nicht getrauet hätte / Drusus viel zu ohnmächtig wäre denen etwas abzujagen / welche von den Catten entsprossen /denen die unsterblichen Götter nichts anhaben könten. Drusus / der inzwischen alle deutsche Fürsten durch Gesandschafften der Römer verträulicher Nachbarschafft versichert / viel hohe Bataver mit Geschencken gewonnen / ja den Fürsten der Ubier und Tenckterer gar in ein Kriegs-Bündnüß gebracht hatte /zohe mit drey mächtigen Kriegs-Heeren an; die festesten und fast unüberwindlichen Gräntz-Städte Grinnes / Vada und Arenacum giengen ohne einige Gegenwehr / theils aus Verrätherey der bestochenen Gewalthaber / theils aus Mangel genungsamer Besatzung /theils aus Gebrechen des nicht herzugeschafften Kriegs-Vorraths über. Der zu Vertheidigung des Rheinstroms bestellte Kriegs-Oberste wieß den Römern selbst den Furth. Also ward in Monats-Frist das halbe Gebiete der Bataver gleichsam ohne Schwerdschlag eingenommen. Jederman flüchtete in die Eylande der einverleibten Taxanter; und wenn nicht noch einige treue Leute das Land mit Durchstechung der Tämme / wiewol mit unschätzbarem Schaden / unter Wasser gesetzt hätten / wäre die Haupt-Stadt Batavodurum / und die gantze Herrschafft in die Hände der Feinde verfallen. Hieran war es aber noch nicht genung / sondern auff der andern Seite zohe noch ein Wetter auf / in dem der Hibernier König / ungeachtet seines mit den Batavern unlängst verneuerten Bündnüsses / [366] mit einer mächtigen Kriegs-Flotte sie / wiewohl mit schlechtem Vortheil / antastete. Denn die Bataver / Taxandrer und Friesen / welche wegen ihrer grossen Handlung die erfahrensten See-Leute waren /und bey so fernen Schiffarthen wider die See-Räuber den Wasser-Krieg geübt hatten / schlugen die Hibernier nicht allein aus der See / sondern es zohen auch Himmel und Winde wider sie in Krieg. Unterdessen schwebten die Bataver gleichwohl in dem gefährlichsten Schiffbruche. Der Verdacht unter ihnen selbst stieg so hoch / daß keiner dem andern trauete / und ein ieder sich für seinem Nachbar als einem Verräther fürchtete. Also ward alles gute Verständnüß zerrüttet / alle nöthige Anstalt versäumet / die Klügsten verwirret / und die Hertzhafftesten feige gemacht. Der zur Enderung geneigte Pöfel fing anfangs an nach der Fürstlichen Herrschafft zu seuffzen / bald darauf aber darnach zu schreyen / und den jungen Cariovalda eigenmächtig um seine Beschirmung anzusuchen. Der Rath spitzte zu diesem nachdencklichen Ansinnen gewaltig die Ohren; und ob zwar / vermöge eines neuen Staats-Gesetzes / niemand bey Verlust des Kopffs die Fürstliche Herrschafft auff den Teppicht bringen solte / auch allgemeiner Meinung nach / alle Fürstlichgesinnte aus dem Rathe ausgemustert waren; so erkühnte sich doch Enno / ein alter von Adel / der dreyer Fürsten Helden-Thaten noch mit seinem Auge gesehen hatte / in der Versammlung aufzustehen / und diesen Vortrag zu thun: Die Liebe des Vaterlandes verknüpffte einen iedern auch wider die Gesetze sich aufzulehnen / wenn sie dem gemeinen Wesen anfingen schädlich zu seyn. Denn man schnidte auch Arm und Bein ab / wenn der sich darein fressende Krebs den gantzen Leib anstecken wolte. Dieses nöthigte ihn wider diß zu reden / was dem Fürsten Cariovalda an Beherrsch- und Erhaltung der Bataver hindern möchte. Er fürchtete nicht die auf solche Freyheit gesetzte Straffe. Denn er würde von den Händen des Scharff-Richters rühmlicher / als in einer blutigen Schlacht fürs Vaterland sterben. Diß aber könte dißmahl nicht anders / als durch einhäuptige Herrschafft erhalten werden. Diese wäre der Bataver und aller Völcker älteste und heilsamste Herrschens-Art. Rom hätte sich selbter mit dem Tarqvinius zwar entschlagen / bey seiner Verwirrung und Abfall aber hätte es von dem gäntzlichen Untergange nicht anders errettet und zu einem kräfftigen Leibe werden können / als daß sie den Julius sich ihnen zum Haupte machen liessen. Das gantze gemeine Volck der Bataver widersetzte sich itziger Freyheit und dem Rathe; die sich also zertreñnenden Glieder vermöchte aber nur einer vereinbaren / dem sich niemand zu widersetzen berechtiget wäre. Diß aber hätte in vieler Herrschafft nicht statt. Bey geschwinden Kranckheiten / wie die gegenwärtige Zwytracht und Verfallung der Bataver wäre / müste man kräfftige Mittel brauchen. Keine Herrschens-Art aber hätte mehr Nachdruck / als die einzele / wo die Gewalt zu schlüssen in eben dem Haupte beruhete / das der Hand die Ausübung anbefehlen könte. Vieler Herrschafft wäre nur so lange vorträglich / als Tugend / Arbeitsamkeit und gute Sitten im Schwange gehen. Wenn die aber verfallen und bey einschleichender Ungleichheit die Edlern / Reichern oder Geschickten andere überlästig werden /also das Armuth den Pöfel zu unrechtem Gewinn /das erduldete Unrecht zur Rache / die Verschmehung zu verzweiffelten Entschlüssungen zwinget; müste zwischen beyden ein vermögender Mittler / Richter und Beschirmer aufwachsen / wo nicht beyde einander zermalmen solten. Die vorige Gleichheit hätte unter den Batavern aufgehöret; die Kauffleute wären zu reich / die Handwercker [367] zu arm / der Adel zu sehr gedrückt. Die Sparsamkeit wäre in Eitelkeiten der Kleider / der Häuser / der Blumen und Gemählde zur Verschwendung / die guten Sitten zu Lastern / ihr einträchtiger Gottesdienst zu einer vielköpfichten Schlange seltzamer Meinungen worden. Der meisten Gemüther wären nicht hertzhafft und streitbar genung zu einer Herrschafft des Volckes; die wenigsten geneigt denen fürtrefflichern zu gehorsamen; Die Vermögenden wären alle selbst zu herrschen begierig; Die Schwächern nach der Dienstbarkeit lüstern / jene spotteten der Obrigkeiten / diese der Freyheit; jene thäten böses aus Verwöhnung / diese aus Noth; Also hätte müssen gegenwärtige Zerrüttung erfolgen; ja wenn auch das Vaterland nicht so auff der Schüppe stünde / erforderte die Eigenschafft so widriger Neigungen / daß sie alle einem Cariovalda unterthänig würden. Alle Anwesenden im Rathe höreten ihn gedultig / sahen einander an / niemand aber erkühnte sich ein Wort darzu zu sagen / biß der gemeine Redner auftrat / und zwar seine Rede von dem Lobe der unschätzbaren Freyheit anfing; Als er aber der meisten Rathsherren vorhin ausgeleuterte Gesichter gleichsam von einem Unwillen überwölcken sahe; wendete der verschlagene Redner seinen Schluß dahin / daß man bey euserster Noth solch güldenes Kleinod der Freyheit / wie die Schiffenden ihre köstliche Ladung / um das Schiff nur zu erhalten / ins Meer werffen / und durch gutwillige Unterwerffung des unvermeidlichen Herrschers Gemüthe besänfften / also ein Theil oder nur einen Schatten der alten Freyheit nebst Mäßigung der Dienstbarkeit erhalten müste. Derogestalt müste man freylich der Neigung des Volckes folgen; oder vielmehr durch Ausruffung des Cariovalda für ihren Fürsten denen hefftigern Thätligkeiten des Volckes vorkommen. Gleichwol aber stellte er zu der gegenwärtigen Landes-Väter Nachdencken: Ob nicht dem Cariovalda die Herrschafft nach Art der Römischen Dictatorn nur auf gewisse Zeit anzuvertrauen /auch mit gewissen Gesetzen zu umschrencken wäre? Enno aber begegnete diesem nunmehr mit einer hertzhafften Freyheit: Cariovalda würde sich nicht weigern die Eydes-Pflicht und Verbindung gegen die Bataver nach dem Beyspiele und der Maßgebung seines Vaters und Großvaters abzulegen. Nimmermehr aber würde er seine Achseln ihrem gebrechlichen Staat unterschieben / wenn er nach überstandener Noth einer verkleinerlichen Absetzung zu erwarten hätte. Die Römer hätten nur zu solcher Zeit / wenn ein Theil des gemeinen Wesens zerrüttet gewest / einem auf gewisse Zeit die oberste Gewalt anvertrauet. Bey itzigem Zustande der Bataver aber dräueten alle Wände den Einfall; daher müsten sie / wie die Römer zuletzt / einen beständigen Fürsten / keinen veränderlichen Verwalter haben. Niemand war im gantzen Rathe /der nicht gleichsam mit zusammen klopffenden Händen dem Enno beyfiel; ieder wolte unter den Abgesandten seyn / die dem Cariovalda die neue Herr schafft antragen / oder dem Volcke andeuten wolte. Als auch Cariovalda im Rath erschien / welchen das Volck mit unzehlbarem Zulauff und tausenderley Glück wünschen begleitete / trachtete ieder durch Ausdrückung seiner über dieser neuen Wahl geschöpfften Vergnügung dem andern vorzukommen. Die gemeinsten Lobsprüche waren / daß das Verhängnüß zu Hohne des Glückes / als einer widrigen Stiefmutter den Fürsten Cariovalda zum Vater des Vaterlandes erkieset / und seine Tapfferkeit zu einer gesicheren Gräntz-Festung / als ihre grossen Flüsse und Lachen dem Feinde entgegen gesetzt hätte. Mit diesem Fürsten gienge bey so grossen Ungewittern den Batavern ein heilsames Gestirne der Wohlfarth auff. Das Volck dörffte nunmehr nur um den Fürsten /nicht mehr um [368] das ihm allzusehr angelegene Heil bekü ert seyn. Als auch Cariovalda den Eid seiner Vor-Eltern willig ablegte / rieff der gantze Rath: die Grösse dieses Fürsten wäre nicht nach der engen Herrschafft der Bataver; die vollkommenste Gemüths-Mäßigung aber wohl nach seinem Ehrgeitze abzumessen. Also pfleget iederman und zwar die / welche vorhin die hartnäckichsten Eiverer für die Freyheit gewest /bey veränderter Herrschafft in die Dienstbarkeit des neuen Fürsten zu rennen. Je edler einer von Geschlechte / ie ansehnlicher er an Verdiensten oder Würden ist / ie tieffer demüthigt er sich und verhüllet wie die Sterne gleichsam für der auffgehenden Sonne seinen Glantz; wormit er dem Fürsten nicht verdächtig sey / noch sein im Hertzen insgemein steckender Unwille nicht aus einer Kaltsinnigkeit herfür blicke. Je unfähig- oder boßhafter auch der Fürst ist / ie niedrigere Unterwerffung erfordert theils seine Eigenschafft / theils der Unterthanen sicherheit / wormit jener sich nicht für verächtlich oder verhaßt zu seyn einbilde / und diese zu unterdrücken sich entschlüsse.

Cariovalda brachte durch so willigen Gehorsam /und die Hülffe der Menapier die verworrenen Sachen der Bataver gleichwohl etlicher massen wieder zu Stande / die noch übrigen Pässe wurden besetzt / und die Hibernier wurden zum andern mahl aus der See geschlagen. Dieses Glücke vergrösserte hingegen die Verbitterung des Volcks gegen die vorige Herrschafft. Ein gemeiner Mann beschuldigte einen der fürnehmsten Räthe / daß er die fliehenden Hibernier zu verfolgen verhindert / und dem Cariovalda nach dem Leben gestanden hätte. Die erste war eine offenbare Verläumdung / das andere eine Anklage ohne Beweiß. Gleichwohl nahmen ihn die Richter in Hafft / der Pöfel aber kam dem Urthel durch eine unmenschliche Zerfleischung sein und des gemeinen Redners zuvor. Also weiß der blinde Pöfel weder die Tugend von den Lastern zu unterscheiden / noch in Liebe und Haß Maß zu halten; sondern es wird der gestern mit Frolocken bewillkommte Camillus / Themistocles und Cimon heute ins Elend verstossen / dem grossen Miltiates / dem Griechenland die Freyheit zu dancken hatte / wird nicht nur ein Krantz von Oelblättern versagt / sondern er muß so gar im Kercker verschmachten. Der redliche Nuncius wird von dem wütenden Volcke zerfleischet / daß es dem schlimmsten Bürger die bestimmte Würde zuschantzen könne. Denn wie bey einer bürgerlichen Herrschafft auch die grösten Wohlthaten und Verdienste von niemanden als ihm geschehen geschätzt / sondern wegen Vielheit derselben / denen sie zu gute kommen / gleichsam zu Soñen-Staube werden; Also machet hingegen der Verdacht iede Mücke zum Elephanten / und es ist kein Bürger so geringe / der nicht meine / daß durch einen schlechten Fehler an ihm die Hoheit der Herrschafft verletzt worden sey.

Unterdessen ward durch Vertilgung anderer hohen Bäume / welche gleichwohl noch einigen Schatten auff den Cariovalda warffen / seine Botmäßigkeit mehr ausgebreitet und befestigt. Hingegen ist unschwer zu urtheilen: Ob die neue Eintracht der Bataver / oder die kluge Anstalt des Cariovalda / oder auch das mit seinen eigenen Geschöpffen endlich eiffernde Glücke dem siegenden Drusus in Zügel fiel /und seinen Eroberungen / wiewohl nicht für seiner Ehrsucht ein Grentzmahl steckte. Gleicher Gestalt stieß sich die Macht der Ubier und Tenckterer an der Stadt Baduhenna / davon ein Cattischer Sanqvin die Belägerer mit ihrem grossen Verlust und seinem Ruhme abschlug.

Inzwischen nahmen die Sicambrer / Usipeter und Catten gleichwohl wahr / daß es nicht rathsam wäre /die Römer in der Nachbarschafft mächtiger werden zu lassen; Insonderheit aber riethen die Catten / entweder aus einer alten Zuneigung zu den Batavern / oder aus einer vernünfftigen [369] Staats-Klugheit: Es solten die Deutschen mit den Batavern diesen nach Uberwindung der Rhetier alleine noch übrigen Thamm / zwischen der Römischen und Deutschen Herrschafft /nicht zerreissen lassen. Durch der Bataver Thore würden sie in das Hertze Deutschlandes einbrechen / ja ihnen gleichsam in Rücken gehen können. Die Natur wäre hierinnen selbst ihr Wegweiser / welche / wormit zwey Meere nicht zusammen brächen / die darzwischen stehenden Vorgebürge mit so steilen Felsen befestigt hätte; Oder auch heute durch die Wellen an diesem Ecke wieder ansetzte / was die Fluth gestern an jenem Ende abgespielt hätte. Wiewohl nun einige Fürsten unter ihnen sich auff keine Seite schlagen /und den Ausgang als Zuschauer des Spieles erwarten wolten; insonderheit auch die Römer durch ihre Gesandten alle deutsche Fürsten ihrer beständigen Freundschafft versichern liessen; und deßwegen die Ubier und Tenckterer allen andern entgegen setzten: daß die empfangene Beleidigung keines weges aber die Furcht für dem sich vergrössernden Nachtbar eine rechtmäßige Ursache des Krieges wäre; so hielt ihnen doch der großmüthige Hertzog der Usipeter und Estier ein: Die Freyheit wäre ein so edles Kleinod / welches zu erhalten alle eusserste Mittel zuläßig wären. Eine vernünfftige Beysorge solches einzubüssen /rechtfertigte alle Beschirmungs-Mittel / wenn die Furcht anders nicht eine weibische Kleinmuth / und insonderheit der siegenden Nachbar herrschenssüchtig / und zu ungerechtem Kriege geneigt wäre. Weil nun die Römer ihnen ein Recht die gantze Welt zu beherrschen einbildeten / sie nicht einst eine Ursache des wider die Bataver angesponnenen Krieges zu sagen wüsten; mit ihrer Eroberung aber sich zu Herren des Nord-Meeres und zum Gesetzgeber gantz Europens machten / die Deutschen aber bereit hundert mahl unrechtmäßig beleidiget hätten; so solten sie sich ja ihrer Nachbarn Unterdrückung zu Hertzen gehen /und der herrschenssüchtigen Römer Versicherungen nicht einschläffen lassen. Indem die Beleidigten immer das angethane Unrecht vergessen / oder vielmehr aus einer knechtischen Zagheit verschmertzet /und sich nur immer das würcklich angegriffene Volck ihnen zur Gegenwehre gestellt hatte / wäre ihrer so vielen das Joch an Hals geleget worden. Den Deutschen würde allein die dem Ulysses verliehene Gnade jenes Cyclopen zu statten kommen / daß er ihn zuletzt fressen wolte. Die es mit keinem Theile hielten /machten sich beyden zum Raube und dem Uberwinder zur Beute. Die Thebaner hätten mehr als die Feinde gelitten / als sie bey des Xerxes Einbruch in Griechenland den Mantel auff zwey Achseln getragen /hingegen die Etolier es dem Bürgermeister Qvinctius zu dancken / daß sie auff seine Beredung sich mit den Römern wider den Antiochus eingelassen. Diese hertzhaffte Entschlüssung der Deutschen ward mit einer grossen Tapfferkeit ausgeübt. Die Deutschen setzten mit Gewalt über den Rhein / ob schon die Fürsten der Ubier und Tencterer ihnen allenthalben die Uberfarth verweigerten / wo sie den Feinden den Weg gewiesen hatten. Drusus / welcher ohne diß denen Trevirern und andern von den Deutschen entsprossenen Galliern nicht trauen dorffte / ward gezwungen ausser wenigen Besatzungen seine gantze Kriegs-Macht aus dem Gebiete der Bataver zu ziehen / und den Deutschen am Rheinstrome entgegen zu setzen. Weil nun Cariovalda bey dieser Erleichterung die Hände gleichsam in die Schooß legte / ausser daß er die Stadt Fletio einnahm / und das verlassene Traject besetzte / hingegen Drusus etliche frische Legionen an sich zoh; wurden die Sicambrer und Usipeter gezwungen sich zurück über den Rhein zu begeben. Drusus folgte selbten mit Hülffe der Ubier und Tencterer; Und nach dem der Deutschen Bündnis entweder [370] noch nicht recht zusammengeronnen / oder sie wegen des Ober-Gebiets im Kriege mit einander zwistig waren / wo nicht gar Verdacht gegen einander hegten / gingen ihre Kriegs-Völcker zurück und von sammen. Dem Drusus konte das Glücke keinen grössern Vortheil als diese Zwytracht der Feinde zuwerffen; gleichwohl wuste er nicht / ob sie nicht aus einem geheimen Verständnisse derogleichen Uneinigkeit annehmen / und / um ihn in ein Netze zu locken / ohne Noth zurück wichen. Daher übte er alleine seine Rache durch Einäscherung etlicher Flecken aus / und gab für: Er wolte seine zwistige Feinde nur ihrer eigenen Auffreibung überlassen / weil er kein Jäger wäre /daß er das Wild in unwegbaren Wildnüssen auffsuchte.

Alldieweil aber Drusus auskundschaffte: daß der Theudo der Friesen / und Ganasch der Chautzen Hertzog denen Batavern grossen Vorschub gethan hatte /auch die Deutschen Fürsten zu einem allgemeinen Bündnisse anreitzeten; Er auch über diß wahrnahm /daß die Bataver bey ihrem etliche Jahr getriebenen Kriegs-Handwercke wieder auff die alten Sprünge kämen / und / wie vor Zeiten die Thebaner von denen Lacedemoniern / also die Bataver von den Römern die Ubung der Waffen erlerneten / und daher den Krieg mit ihnen auff eine Zeitlang abzubrechen / oder sie vielmehr einzuschläffen für thulich hielt / wie nichts minder vernünfftig überlegte / daß die Römer denen Deutschen nichts anhaben würden / wenn sie ihnen nicht ans Hertz kämen / welches aber anderer Gestalt nicht als über das Nord-Meer / und durch Bemächtigung eines grossen Stromes geschehen könte; Als beschloß nach getroffenem Stillstande mit den Batavern er bey den Friesen und Chautzen einen unversehenen Einbruch zu thun / in der Hoffnung / daß wenn ihm dieser Anschlag von statten ginge / sein Ruhm aller andern Römer Siegs-Kräntze verdüstern würde. Sintemahl die Friesen unter den Deutschen so berühmt waren / und sie keinem sterblichen Menschen an Treue und Tapfferkeit nichts bevor gaben; wolte Drusus sein Heil versuchen / an ihnen Ehre einzulegen. Nachdem ihm aber vorwerts die tieffen Moräste / auff dreyen Seiten das Meer / die Flevische See / und der Emse-Strom am Wege stand / unterfing er sich eines verzweiffelten Wercks mit erwünschtem Ausschlage. Denn er machte einen tieffen und breiten Graben acht tausend Schritte lang / und führte einen Arm des Rheines in die Nabal oder Sala / baute aldar eine Festung Drususburg / und vergrösserte von dar biß in die Flevische See den Busem des Flusses; also / daß er mit den grossen Schiffen darein / und ferner um Frießland in das grosse Meer schiffen konte. Weil auch hierdurch das Land der Bataver und Caninefater / welches sonst jährlich von dem Rheine überschwemmet ward / einen grossen Vortheil erreichte; liessen es jene nicht ungerne geschehen / diese aber ihnen nebst den Römern daran recht sauer werden. Rhemetalces fiel dem Adgandester hier ein: Es hätte es Drusus ihm in alle Wege für ein grosses Glücke zu schätzen / daß seine Tugend hierinnen die Natur übertroffen / und die von dem göttlichen Verhängniße gesetzte Grentzen einem so grossen Strome verändert hätte. Die Götter hätten durch ihre Weissagungen nicht allein derogleichen Fürnehmen den Menschen wiederrathen / sondern auch ihre darüber bestehende Hartnäckigkeit mehrmahls mit Ernst unterbrochen. Sesostris wäre gemeint gewesen / das rothe und Mittelländische Meer zusammen zu führen / hätte aber über hundert und zwantzig tausend Menschen darüber sitzen lassen. Darius / Ptolomeus und Cleopatra hätten sich ebenfalls ohne Frucht unterwunden / und man sehe noch bey der Stadt Arsinoe die Merckmahle [371] vergebener Hoffnung. Ich habe derogleichen unnütze Arbeit in Augenschein genommen / wo Seleucus Nicanor das Caspische und schwartze Meer zu vereinbaren gesucht. Als die Gniedier ein anhängendes Stücke von Carien abschneiden wollen / hätte es ihnen Apollo zu Delphis nicht nur untersagt / sondern die Steine wären denen / die durch selbige Felsen hauen wollen / in die Augen gesprungen / also / daß sie davon abstehen musten. Pyrrhus habe vergebens aus Epirus in Calabrien / Xerxes über den Hellespont eine Brücke zu machen / Diomedes das Gaganische Vorgebürge von festem Lande abzureissen sich bemühet. Daher wolte er es weder selbst wagen / noch einem andern rathen /es dem Drusus nachzuthun / und die Natur zu meistern / welche allen Dingen der Sterblichen am besten gerathen / und so wohl ihren Ursprung / als Ausfluß am weisesten eingerichtet hätte. Ja es würde durch solche Veränderung gleichsam die über Ströme und Berge herrschende Gottheit / denen die Vorwelt Heynen geweihet / und Altäre gebauet / beleidiget. Adgandester antwortete dem Thracischen Fürsten: Wenn aus blosser Ehrsucht / oder einen wenigen Umweg zu verkürtzen / Felsen durchbrechen / aus blosser Eitelkeit Berge abtragen /oder seltzame Gestalten daraus bilden / und einen unbedachtsamen Eifer über einem etwan ertrunckenen Pferde schiffbare Ströme in seichte Regenbäche zertheilen / wie es Cyrus mit dem Flusse Gyndes gemacht / wegen eines freyern Aussehens von einem Lusthause hohe Hügel wegräumen /oder zu blosser Vergnügung des Auges auff fruchtbaren Flächen rauhe Klippen über einander tragen wolte; müste er dem Rhemetalces in allewege beyfallen. Aber wenn derogleichen Wercke zum allgemeinen Nutz / oder aus Noth / und zu Abwendung aller hand Ungemachs / angefangen würden / hielte er sie in alle wege für löblich; Und da die Klugheit hierbey das Richtscheit führte / würden sie auch mit gewünschtem Ausschlage / ihr Stiffter aber mit unsterblichem Nachruhme beseligt. So wenig eine Mutter ihrem Kinde mit der Geburt zugleich alle Vollkommenheiten beylege; so wenig habe die Natur auch ihre Geschöpffe derogestalt gefertigt / daß sie dem menschlichen Nachdencken nichts daran zu verbessern übrig gelassen. Sie habe ja so viel wilde Bäume gezeugt / daß die Kunst ihnen durch Pfropffung hülffe. Dem Agsteine und den schönsten Diamanten müsten die rauhesten Schalen abgeschliffen / das Gold aus häßlichen Schlacken geschmeltzet / die Perlen allererst durchlöchert werden. Der Mensch werde halb wild gebohren / ja die Weißheit selbst sey anfangs eine Bäuerin / und die gantze Welt Barbarn gewest. Warum solte menschlicher Witz nicht auch an rauhe Gebürge und unbeqveme Flüsse Hand anlegen dörffen? Welche die Natur mehrmahls selbst den Lauff der Ströme ändert / ja durch Erdbeben / unterirrdische Winde und andere Verrückungen der aus dem Meere in die Gebürge gehenden Wasserröhre / neue Flüsse machet / und die Felsen in Seen verwandelt? Er wolte sich mit keinen Ungewißheiten / als daß der Phönicische Hercules bey Gades / das Mittelländische und das grosse Welt-Meer / der Cimmerische die Ost- und West-See zusammen gegraben haben solle / behelffen. Allein es habe nicht nur Drusus mit dem Rheine /sondern auch Marius mit dem fast gantz versändeten Rhodan / den er an einem andern tiefferen / und für dem Sturme sicheren Orte ins Meer geleitet / es glücklich ausgeführt. Cyrus habe durch Ableitung deß Flusses Phrat sich der Stadt Babylon / Käyser Julius mit Zertheilung des Flusses Sicoris / Hispaniens bemächtigt / Segimer mit Schwellung der Ocker die Haupt-Stadt der Camplacer erobert. Für weniger Zeit habe Grubenbrand / der fürtreffliche Hertzog der Sicambrer / Longobarder und Estier / [372] den Viader mit der Spreu vereinbart / und auch die Schiffarth in die Elbe und West-See: Vereingetorich der Gallier König aber den Fluß Garumna mit dem Mittel-Meere verknüpffet. Daß die Götter sich solchen Unterwindungen nichts minder als Jupiter der von den Riesen fürgenommener Zusammentragung der Berge widersetzten / wäre ein Wahn der Abergläubigen / oder ein Fürwand der Faulen. Zum letzten gehörte das Gedichte / daß die Gespenster die Arbeiter / als Tuisco die Donau und den Meyn in einander leiten wollen / weggetrieben hätten; Zum ersten / daß eben damahls / als er diß mit der Arar und Mosel fürgenommen / biß was im Tage gearbeitet worden / die Schutz-Götter selbiger Flüsse des Nachts wieder eingerissen hätten. In dem jenes Träume oder Gedichte der Werckleute /hier aber der viele Regen und der Schwämmichte Bodem die Ursacher gewest. Insgemein zernichtete diese Wercke die unbedachtsame Fürnehmung einer Unmögligkeit / oder nebst übeler Anstalt zufällige Hinderniße. Also hätte Darius die Vereinbarung des rothen- und Mittel-Meeres nahe zu Wercke gerichtet /und seinen Graben dreyßig Ellen tieff und hundert breit schon biß auff 38000. Schritte vollendet gehabt; Er hätte aber / um Egypten nicht zu ersäuffen / zuletzt abstehen müssen / nachdemer allzuspät wahrgenommen / daß das rothe Meer wohl drey Ellen höher gelegen wäre. Gleicher gestalt hätte der hohe Phrat sich mit dem niedrigen Tigris / der dürre und felsichte Bodem den Avernischen See mit dem Munde der Tiber nicht wollen vermählen lassen. Silem der Scythen König wäre nahe daran gewest / die Tanais an die Wolge zuhängen / wenn es die Massageten nicht mit Gewalt verwehret hätten. Ein Todesfall wäre Ursach / daß in Persien nicht die Flüsse Miana und Tirtiri / und mit diesen das Caspische und Persische Meer aneinander verknüpfft worden.

Aber wir müssen den Flüssen ihren Lauff lassen /und mit dem Drusus auff seinem neuen Strome zu den Friesen schiffen / welcher denn über die Flevische See mit hundert Schiffen glückselig segelte / und als sich die Friesen von den Römern nichts träumen liessen /sondern in dem Baduhennischen Heyne ein sonderbares Feyer begingen / seine Kriegs-Völcker unverhindert ans Land setzte. Drusus / welcher wohl wuste /was im Kriege an der Geschwindigkeit gelegen war /ließ ihm durch die Gefangenen alsofort den Weg zu dem Friesischen Heiligthume weisen. Die in der Andacht begriffenen / wiewohl nicht gäntzlich entwaffneten Friesen griffen alsofort zur Gegenwehr; Und weil Theudo ihr Hertzog ihnen mit tapfferem Beyspiel vorging / fochten sie wie Löwen / also daß / ungeachtet die mit völliger Rüstung versehenen Römer für den so unversehens überfallenen Friesen einen grossen Vortheil hatten / ihrer dennoch viel erlegt / Drusus und viel Kriegs-Obersten auch verwundet wurden. Endlich aber musten sie der Menge der Römer nachgeben / und nachdem alle ihre in der Eil gemachten Ordnungen durchbrochen waren / ihr Heil durch die Flucht in dem Gehöltze und den Sümpffen zu suchen /sonderlich der Hertzog Theudo hefftig verwundet und hierüber gefangen ward. Nach erlangtem Siege wolte Drusus seinen Durst aus dem unfern von ihm sich befindenden Brunnen kühlen / und mit seinem eigenen Helme daraus Wasser schöpffen; Es rieff ihn aber der gefangene Theudo an / und verwarnigte ihn / daß er durch solch Wasser seiner Gesundheit nicht Abbruch thun solte. Drusus goß das geschöpfte Wasser zur Erden / und fragte: Wer er wäre? und warum ihm denn solches schaden solte? Theudo antwortete: Er wäre der Friesen Hertzog / diß Wasser aber ein gifftiger Brunn / von welchem den Trinckenden die Zähne ausfielen / und die Grelencke in Knien auseinander gingen. [373] Wie nun andere Gefangene diesen Bericht bestärckten / wunderte er sich über der Redligkeit dieses gefangenen Fürsten; welche des Römischen Raths überwog / da sie ihren Feind den König Pyrrhus selbst für Gifft warnigten / als sein Artzt Timochares ihm zu vergeben antrug. Wormit aber Drusus so vielmehr erforschte: Ob Theudo aus Heucheley um dardurch seinen Uberwinder zu besänfftigen / oder aus Großmüthigkeit / ihn gewarniget hätte / fragte er ihn: Warum er wider die Römer die Waffen ergriffen / und den Batavern Hülffe geleistet hätte? Theudo antwortete mit lächelndem Munde / und unveränderter Stimme: Weil ich die Römer für allzu herrschenssüchtig /die Friesen aber für unüberwindlich gehalten. Als nun Drusus ferner erkundigte: Ob er diesen seinen Fehler nunmehr bereuete? versetzte Theudo: Kein Unfall vermöge die Tugend so zu verstellen / daß man sich derselben schämen / oder gereuen lassen solte. Auff fernere Frage des Drusus / wie er in seiner Gefängniß verhalten wolte seyn; erklärte sich Theudo sonder die geringste Veränderung des Gesichtes und der Geberden / wie er meinte / daß es dem Sieger vorträglich /und der Uberwundene würdig wäre. Drusus sahe über so hertzhaffter Antwort diesen unerschrockenen Fürsten eine gute Weile an / und nach einem nachdencklichen Stilleschweigen fragte er ihn ferner: Ob er wohl mit seinen Friesen dem Römischen Volcke treu verbleiben wolte / da ihm selbige länger zu beherrschen verstattet würde? Theudo antwortete so ernsthafft als vorher / und als wenn es ihm gleich gielte / ob er wieder zur Herrschafft kommen möchte oder nicht: Ja / so lange die Römer die Friesen als auffgenommene Freunde und Bunds-Genossen / nicht als Knechte handeln würden. Drusus war hierüber so vergnügt /daß er ihm alsofort die Ketten abnehmen ließ / die Gefangenen loßgab / und den Theudo gegen Versprechen wider die Römer nicht mehr zu kriegen und jährlich tausend Ochsenhäute zu zinsen / in seiner völligen Herrschafft bestetigte. Malovend brach dem Adgandester ein: Es solte ein Fürst in allewege sein Antlitz nicht mit seinem Glücke verändern / sondern dem Widrigen und dem Uberwinder gerade ins Gesichte sehen. Denn die Kleinmüthigkeit des Uberwundenen wäre dem Sieger selbst schimpflich / seine Hertzhafftigkeit aber gereichte ihm zur Ehre / und dem Bezwungenen zur Wohlfarth. Da hingegen die Furcht den Grimm des Feindes nicht mildert / noch das Schrecken iemanden aus der Gefahr zeucht / sondern vielmehr sein Gegentheil muthiger / die Seinigen aber kleinmüthig macht / welche aus dem Antlitze ihres Fürsten / wie aus denen umbhaubten Gipffeln der Berge das bevorstehende Ungewitter wahrnehmen. Alles diß begegnete dem so verzagten Pompejus /welchem nicht so viel der Verlust der Schlacht / als daß er ihm die Kennzeichen eines Römischen Feldherrn selbst abnahm / schadete / und durch seine Erniedrigung eines Verschnittenen Hand wider sich behertzt machte. Ja es schämte sich Emilius / daß er an dem fußfälligen Perseus einen Knecht / keinen Fürsten überwunden hatte. Der Römische Rath konte die Rede des weibischen Prusia nicht aushören / sondern verspeyete seine Zagheit / als er in Sclaven-Kleidern und mit beschornem Kopffe für den Römischen Gesandten zu Bodem fiel / sich einen Freygelassenen deß Römischen Volcks / die Rathsherren aber seine Götter schalt / und die Schwelle des Rathhauses küßte. Hingegen hat der gefangene Hermundurer Hertzog Socas durch seine Großmüthigkeit sein Leben und Ehre errettet / als er Marcomirn / ungeachtet schärffster Bedräuungen / die belägerte Festung Elbburg aufzugeben seinen Kriegsleuten nicht befehlen wolte; Auch als ihm über dem Schach-Spiele das Leben abgesagt ward / er sich daran nichts [374] irren ließ /sondern einen mit ihm spielenden Cattischen Fürsten fortspielen hieß. Adgandester fuhr hierauff in seiner Erzehlung fort: Drusus war von dem durch seine Großmüthigkeit ebener Gestalt geneseten Hertzog Theudo durch gantz Frießland herum geführt / und ihm alles Merckwürdige gezeiget. Letzlich kamen sie an den Mund der Emse / und auff das Eyland Birhanis oder Fabaria / um welche sich dieser Strom in das Nord-Meer außgeust. An ieder Ecke war eine von überaus grossen Steinen auffgerichtete Seule / oder vielmehr übereinander getragener Berg zu schauen. Unten war in einem glatten Stein ein Bild eines alten Schiffers gegraben / der über die Schultern eine Löwen-Haut hencken hatte / in der rechten Hand eine Keule / in der lincken einen Bogen trug. An der Seite hieng ein Köcher / durch das euserste der Zunge ging eine von Gold und Agstein gemachte Kette. Auff dem obersten Spitz-Steine war diese eingegrabene Uberschrifft zu lesen.


Wodan

zeichnete mit diesen Seulen

das Ende seiner

und den Anfang grösserer Helden-Thaten.

Denn die Tugend leidet keinen Grentzstein /

Und das Ziel der Vorwelt soll seyn der Ansprung

der Nachkommen.


Drusus laß an beyden Seulen die gleichstimmige Schrifft mit höchster Vergnügung / und mehr als zehnmahl; fing hierauff zum Hertzog Theudo an: Er finde hier so wohl zwey neue Seulen des Hercules /als sein Bildnis; also solte er ihm sagen: Ob Hercules auch bey den Friesen gewest / und diese Seulen auffgerichtet habe. Theudo antwortete? Weil die alten Deutschen sich mehr bemühet hätten tapffere Thaten auszuüben / als auffzuschreiben / und deßhalben ihre denckwürdigste Sachen in Vergessenheit kommen /oder durch vielfältige Kriege und daher entstandene Feuersbrünste / in Frießland auch durch öfftere Uberschwemmung des Meeres viel Gedächtnis-Mahle wären vertilget worden / wüste er ihm von diesem Helden kein genugsames Licht zu geben. Nachdem aber nicht so gar weit von dar an dem Munde der Schelde des Magusanischen Jupiters Tempel zu finden wäre / schiene es glaublich / daß dieser Wodan der Deutschen Hercules wäre / welchen die Klügern Deutschen nicht / wie die Ausländer ihnen einbildeten / für einen Gott / sondern für einen großmüthigen Helden verehreten; Und / wenn sie eine Schlacht anfingen / zu Auffmunterung des Kriegsvolcks seine Thaten zu singen pflegten. Diesem wären auch zwischen dem Emse und dem Seste-Strom mehr derogleichen steinerne Berge / und an der Lippe ein grosser Wald zugeignet. Jedoch wäre er der Meinung / daß nicht nur ein Hercules sich in der Welt so berühmt gemacht / sondern iedes Volck seinen eigenen gehabt /die Ubereintreffung der Helden-Thaten aber ihrer vielen einerley Nahmen beygelegt hätte.

Drusus brandte bey solcher Besichtigung für Begierde über die Seulen dieses Deutschen Hercules seine Siege zu erstrecken; und er nahm die gefundene Uberschrifft wo nicht für eine auff ihn zielende Wahrsagung / doch zum minsten für eine Auffmunterung an. Denn es kan kein Brenn-Spiegel [375] noch eine Schlange von den Strahlen so sehr als ein tugendhaftes Gemüthe von anderer Ruhme erhitzt werden; ja die Ehrsucht ist begierig so wol diß / was sie zu rühmlichem Beginnen aufgewecket / durch grössere Thaten zu verdüstern / als das Feuer seinen Zunder /und die Natter ihre Mutter zu verschlingen. Diesemnach lieff er mit seiner Schiff-Flotte umb Frießland herumb / fiel darmit die von den Chautzen besetzte Insel Birchanis an / machte sich auch derselben stürmender Hand Meister. Von dannen segelte er in den Einfluß der Jede / und zwar als die Fluth am höchsten war / kam also mitten in dem Gebiete der Chautzen an. Diese Ankunfft war ihrem Hertzoge Ganasch / den sie alle in der Schlacht und an des Feld-Herrn Hofe wohl haben kennen lernen / von etlichen Fischern zeitlich zu wissen gemacht worden. Daher verfügte er sich mit seinen an der Hand habenden Kriegsleuten auf eine der von den Wurtzeln der Bäume zusammen geflochtenen und schwimmenden Inseln / an welche die Römer anzulenden sich eiffrigst bearbeiteten. Als nun von etlichen Schiffen das Kriegsvolck zu Lande kommen war / ließ Hertzog Ganasch die Seinigen solches bewegliche Land fortstossen; fiel hierüber die angeländeten Römer / die nun allererst sich von den andern abgeschnitten und auf einem schwimmenden Lande sahen / so grimmig an / daß alle ausgestiegene entweder von den Waffen aufgerieben / oder ins Wasser gestürtzt wurden. Hierauff befahl er den Seinigen: daß sie sich auf ihren Nachen begeben / und zwar etlicher massen sich gegen die Römischen Schiffe zur Gegenwehr setzen; allgemach aber zurück weichen solten. Bey diesem Gefechte fiel das Wasser bey der Eppe nach und nach ab; also / daß Drusus mit seinen grossen Schiffen auff den Grund gedieg; Hertzog Ganasch hingegen und seine Chautzen mit Geschoß /und insonderheit brennenden Pech-Töpffen selbten hefftig zusetzte / viel Römer erlegten / und unterschiedene Schiffe in Brand brachten. Und es wäre dißmal umb die Römer gethan gewest / wenn nicht das Wasser endlich so weit weggefallen wäre / daß auch die Nachen im Schlamme stecken blieben / zu Fuße aber zu fechten nicht vorträglich oder möglich schien / und die Chautzen sich auff ihre gemachte Sandhügel zurück ziehen musten. So bald nun der Bodem gantz trocken worden / setzte zwar Drusus sein Kriegsvolck von den Schiffen ab / umb weiter hinein ins Land festen Fuß zu setzen; Aber Hertzog Ganasch traff mit seiner geschwinden Reuterey / welche mit großen aus Muscheln zusammen gemachten Schilden bedeckt /und mit langen Spießen gewaffnet war / auf die Römer / welche denn mit ihrem langsamen Fußvolcke wenig ausrichten konten / sondern grossen Abbruch litten. Der Verlust wäre auch noch grösser gewest /wenn nicht Ganasch mit allem Fleiß die Römer mehr abzumatten / als zu erlegen / also sich mehr stetem Lermens / als einer Schlacht zu bedienen / und so lange / biß die Fluth aus der See wieder aufschwellen würde / den Feind aufzuhalten / für rathsamer befunden hätte; in Meynung so denn durch Feuer ihre Feinde mit Strumpf und Stiel auszurotten. Drusus sahe diesen Anschlag des Feindes und seinen Untergang wol für Augen; Gleichwol wuste er nicht zu erkiesen: Ob es rathsamer wäre / sich tieffer ins Land zu wagen / und also die zurück gelassenen Schiffe in Gefahr zu lassen; oder daselbst stehen zu bleiben / und der sechs tausend Friesischen Hülffs-Völcker zu erwarten / die in kleinen Nachen über die Emse zu setzen / und so denn auff dem Lande zu ihm zu stossen versprochen hatten. Wie nun Drusus in diesem Kummer schwebte; überfiel ihn noch ein grösserer / indem die Chautzen mit mehr als hundert Nachen hinterrücks die letztern auff dem Grunde noch stehenden [376] Schiffe mit ihren Feuer-Töpffen anfielen / und derer etliche in Brand brachten; Also die Römer auf allen Seiten zwischen Thür und Angel schwebten. So fing auch das Wasser an sich schon wieder zu zeigen / und den Römern den endlichen Untergang anzudräuen; massen die Chautzen sich bereit wieder mit ihren Kahnen und Feuerwercken zu Anzündung der in dem seichten Wasser unbeweglichen Schiffe fertig machten. Drusus ließ gleichwohl das Hertze nicht fallen / sondern erzeigte sich allenthalben als einen tapfferen Kriegs-Held / und als einen vorsichtigen Feldherrn. Bey solchem verzweiffelten Zustande liessen sich endlich die Kriegs-Zeichen der Friesischen Hülffs-Völcker sehen / welche auff die Chautzen / die bey dem bereit zehnstündigen Gefechte auch nicht Seide gesponnen hatten / gerade loß giengen / und dardurch den Römern ein neues Hertze zum fechten machten. Aber wie ein kluger Feld-Oberster sich auff alle unversehene Zufälle geschickt macht / also hatte auch Hertzog Ganasch einen starcken Hinterhalt hinter etlichen Hügeln stehen / die er alsofort befehlichte / denen Friesen die Stirne zu bieten. Diese hatten ihnen nicht eingebildet /die Chautzen in so guter Verfassung / die Römer aber im Gedränge und an einem so schlimmen Orte zu finden. Ob nun wohl Hertzog Theudo mit seinem Kriegs-Volcke tapffer ansetzte / so sahe er doch wol /daß ihm nicht nur die Chautzen überlegen wären /sondern das allgemach aufschwellende Wasser sie beyde von einander trennen / und also in die Gewalt ihrer Feinde liefern würde. Diesemnach lenckte er bey währendem Treffen so viel immer möglich gegen die Römer ab / wormit sie zusammen stossen / ihre Schiffe als das einige Mittel ihres Heiles beschirmen / und endlich so gut sie könten mit Ehren aus diesem Schiffbruche zurück kommen könten. Hertzog Ganasch nam diß Absehn alsofort wahr; und also vermochten die Friesen keinen Fuß breit fort zu rücken /den sie nicht mit Aufopfferung vieler Todten bezahlen musten. Zumal die Chautzen auf sie / als Deutsche mehr / als auff die Römer / erbittert waren / und sie so viel grimmiger anfielen. Die Römer breiteten ihren rechten Flügel zwar gegen die Friesen so viel möglich aus / um beyde Völcker an eine Schlacht-Ordnung zu hencken; aber es kostete sie viel edlen Blutes. Endlich kamen sie gleichwol zusa en / als die Römer schon fast biß an die Knie im Wasser standen. Hertzog Theudo gab hierauf alsofort dem mit Blut und Schlamm bespritzten / und fast nicht kennbaren Drusus zu verstehen: Es wäre nicht länger Zeit dar zu stehen / sondern er solte / so gut er könte / sich mit den Römern auff die Schiffe wieder verfügen / er wolte inzwischen mit seinen des Wassers mehr gewohnten Friesen die Feinde so viel möglich aufhalten. Drusus erstarrte über der Treue dieses kaum versöhnten Feindes / umarmte ihn also mit diesen Worten: Er wolte zwar seinem Rathe folgen und die Seinigen sich auf die Schiffe flüchten lassen; Aber die Götter möchten ihn in diese Leichtsinnigkeit nicht verfallen lassen /daß er sich von eines so treuen Freundes Seite solte trennen lassen. Wie nun die Römer sich an ihre Schiffe zurück zohen / drangen ihnen die erhitzten Chautzen mit aller Gewalt auff den Hals; also / daß /wie männlich gleich die Friesen nunmehr fast biß in den Gürtel im Wasser stehend ihnen begegneten / sie doch in eine offentliche Flucht gediegen; und derogestalt die theils ihnen nachwatenden / theils auf Nachen sie verfolgenden Chautzen sie wie unbewehrte Schaffe abschlachteten / oder auf ihren Schiffen verbrennten /theils auch ersäufften / und die / welche gleich einem Messer des Todes entranen / doch durch einen andern Werckzeug entseelet wurden. Die Friesen und mit ihnen Drusus und Theudo musten endlich auch der Gewalt und dem Grimme der Chautzen weichen / und auf ihr Heil bedacht seyn / also auf die Schiffe sich zurück ziehen. Die Chautzen [377] aber waren so erbittert /daß sie biß an Hals ins Wasser ihnen nachsetzten /die noch festen Schiffe anzündeten oder mit Beilen Löcher darein hackten; theils mit denen etwan ertapten Schiff-Seilen die sich hebenden Schiffe anhielten; ja wenn schon ihnen eine Hand abgehackt war / mit der andern ja mit den Zähnen die Abfarth verwehreten. Allem Ansehn nach wäre auch kein Schif und keine Gebeine von den Römern darvon kommen /wenn nicht die hertzhaften Friesen ihnen zur Hülffe erschienen wären / und nicht allein ein Nord-Ost-Wind / sondern auch der gleich einfallende Neu-Mond mit Aufschwellung des Salpeter- und saltzichten Wassers die Fluth ehe und höher / als sonst insgemein allhier geschiehet / über die flachen Ufer ergossen / und die Abfarth der noch etwan übrigen funfzig Schiffe beschleuniget hätte. Also muste Drusus nach Verlust des Kerns und grösten Theils seiner Kriegs-Leute nach der Insel Birchanis traurig zurück segeln /und / weil fast niemand unverwundet blieben / daselbst / und bey den treuhertzigen Friesen ausruhen /endlich an den Rhein zurück kehren / und von dar sich nach Rom / allwo er abermahls zum Stadtvogt erwehlet ward / und dem Käyser aus denen so treuen Friesen eine auserlesene Leibwache mitnahm / bey anbrechendem Winter begeben. Unterdessen räumten die Römer alle Plätze / welche sie nicht nur in dem Eylande / sondern auch auff dem Gallischen Gebiete der Bataver erobert hatten / auser der Festung Carvo und Blariach an der Maaß; welchen erstern Ort aber Cariovalda belagerte und einnahm; ungeachtet es schien / daß die Römer selbten leicht hätten entsetzen können. Welche zwischen beyden sich ereignenden Lauligkeit fast iederman überredete / daß Drusus und Cariovalda insgeheim mit einander verglichen wären; nur / daß dieser solches wegen besorgter übelen Nachrede verhölete / daß er die aus blosser Guthertzigkeit für die Bataver kriegende Deutschen im Stiche liesse.

Nachdem aber der großmüthige Drusus wol verstand / daß der Pöfel in seinen Rathschlägen sein Absehn nur auf seinen Nutzen und Gemächligkeit habe; ein Fürst aber nach einem guten Nachruhme unersättlich streben solle; sintemal der Tod beyden gemein /jener Grab aber durch Vergessenheit / dieser durch Ehrengedächtnüsse von einander unterschieden ist; so war es ihm unmöglich / in dem wollüstigen Rom lange zu rasten. Denn ein grosser Geist findet nicht anders / als die Sonne in steter Bewegung / seine Ruh; und er wil lieber wie ein Lufft-Gestirne sich in Gestalt eines strahlenden Sternes einäschern / als wie ein trüber Nebel die Thäler bebrüten. Uberdiß nagte die Rache wegen des letztern Verlustes Tag und Nacht an seinem Hertzen; die nach Art einer geneckten Biene ihrem Feinde einen Stich beyzubringen trachtet / soll sie gleich selbst darüber ihr Leben einbüssen. Augustus aber hatte ebenfals Lust darzu. Denn er wolte seinem Vater dem Käyser Julius / der zweymal eine Brücke über den Rhein geschlagen / nichts nachgeben; Wiewol er diese seine eigene Ehrsucht mit dem Vorwand bekleidete / daß er die Deutschen nur dem Julius zu Ehren und der von ihm gebrochenen Bahne nachzufolgen bekriegte. Diesemnach kam der Drusus am Frühjahre mit einem frischen Kriegsheere wieder am Rheine an / schlug eine Brücke darüber / und fiel bey denen Usipeten ein / in willens durch selbte und die Tencterer bey den Chautzen einzubrechen. Die Usipeter und die Sicambrer langten bey des Drusus verlautender Ankunfft alle Nachtbarn / und insonderheit die Catten umb Hülffe an; zumal die Usipeten ja den Catten ihr Land geräumt / und ihnen am Rheine mit Vertreibung der Menapier durchs Schwerd einen Auffenthalt gesucht hatten. Gleichwohl aber blieben aus denen benachbarten die Catten alleine mit ihren Hülffs-Völckern aussen; entweder weil sie den Usipeten / als von ihnen verletzten / gram waren / oder die allgemeine Gefahr weder [378] so nahe / noch so groß /oder sie doch alleine sich zu vertheidigen für mächtig genung hielten. Inzwischen kam Drusus nebst den Ubiern und Tencterern den Usipeten mit der gantzen Macht über den Hals / und wurden diese gedrungen mit den Römern zu schlagen. Alldieweil aber die gantze Römische Macht einem kleinen Theile des zwistigen Deutschlandes weit überlegen war / und so wol ein zertheiltes Reich als ein zerbrochenes Schiff zu Grunde gehen muß; zohen die tapfferen Usipeter /wie hertzhaft sie auch ihrem Feinde begegneten / den kürtzern. Ja weil diese selbst wahr nahmen / daß das Verhängnüß und Glücke gleichsam selbst den Römern zum besten die Uneinigkeit unter die Deutschen säete / musten sie mit dem Drusus / so gut sie konten / abkommen / und das Römische Joch übernehmen. Weil nun die Sicambrer aus Ungedult / daß die Catten von der allgemeinen Freyheit und Wohlfarth die Hand abzohen / ihnen selbst eingefallen waren / schlug Drusus in höchster Eil über die Lippe eine Brücke; und nach dem solch Land aller streitbaren Mañschafft entblöst war / durfte es weder Kunst noch Schwerdschlags sich desselbten zu bemächtigen. Massen sie sich alsofort der Gnade eines so starcken Feindes unterwarffen; Drusus auch um sich ihrer so viel mehr zu versichern etliche Festungen auffbaute. Hieran aber ließ sich Drusus nicht ersättigen; sintemahl die Herrschenssucht eben so wie ein Fluß / ie mehr er Bäche in sich schlucket / desto mehr überschwemmet und wegreisset / also brach er durch der Tencterer Landschafft in das Cheruskische Gebiete ein; und zwar so unvermuthet / daß sie zu Deutschburg den jungen Fürsten Herrmann und Flavius der Feldherrn Segimers zwey Söhne mit ihrer Mutter Asblaste des Fürsten Surena aus Parthen Tochter gefangen bekamen. So geringschätzig ist in den Augen der Ehrsucht das Ansehn voriger Freundschafft / welche die Cherusker lange Zeit mit den Römern sorgfältig unterhalten hatten; In dem Gesichte des Glückes aber selbst eigene Gefahr / die ihm Drusus durch so vieler streitbaren Völcker Beleidigung zuzoh / und endlich auf der Wagschale des Krieges das Recht / welches die Römer zu kräncken kein Bedencken hatten / weil die habende Gewalt bey Fürsten ein rechtmäßiges Mittel ist sich mit fremdem Gute zu bereichern. So bald Segimer nun / die mit dem Sicambrischen Hertzoge Melo gegen die Catten zu Felde lag / und sich ehe des Himmel- als Römischen Einfalls versehen hatte /diese bestürtzte Zeitung empfing; machten diese zwey Fürsten mit den Catten einen Stillestand der Waffen; Weil aber die zwey auff der Römer Seite stehenden Obersten der Nervier Senectius und Anectius bey den Catten einen Einfall thäten / und unter dem Scheine einer unentbehrlichen Nothdurfft einen Raub von vielem Vieh in das Römische Läger wegführten / wurden die Catten so erbittert / daß sie alsofort den Stillestand in einen Frieden verwandelten / und mit dem Segimer und Melo sich wider die Römer verbanden. Dieses Bündnüß bestätigten sie in einem heiligen Heyne / schlachteten darbey zwantzig von den Römern gefangene Hauptleute / machten auch mit einander die Eintheilung gehoffter Beute (so viel trauten sie ihrer Tapfferkeit zu) derogestalt / daß die Cherusker die Pferde / die Catten das Gold und Silber / die Sicambrer die Gefangenen haben solten. Kurtz hierauff kriegten diese Bunds-Genossen Nachricht / daß Drusus etliche tausend sich in der Eil zu Beschirmung des Landes zusammen gethane Cherusker bey dem Flusse Arbalon in die Flucht geschlagen / an der Lippe und Alme eine Festung und prächtiges Siegs-Zeichen /welches wir hier gesehen / auffgerichtet hatte / und geraden Fusses auff die Weser zueilte / allwo er allein Ansehen nach überzusetzen gedächte / weil er in dem Deutschburgischen Heyn viel Nachen hätte fertigen lassen und selbte mit sich führte. Segimer / [379] Arpus und Melo wurden hierüber schlüßig dem Feinde seinen Lauff zu lassen / und ihm sodenn den Rückweg an der Weser abzuschneiden; richteten also ihren Weg gerade der Lippe zu. Inzwischen kam Drusus an der Weser an dem Ende der Cassuarier / wo der Dimmel-Strom darein fällt / an / setzte ein Theil seines Volckes in den Nachen über den Strom / um daselbst sich zu verschantzen / wormit er so viel sicherer eine Brücke / ohne die er einem Römischen Feldherrn überzukommen verkleinerlich hielt / schlagen könte. Es waren auch schon etliche Pfäle eingestossen; als ein Schwarm Bienen sich an den einen Römischen Adler legte. Dieser Zufall jagte den Römern und selbst dem Drusus in Erinnerung / daß ihnen / als Hannibal sie bey dem Trasimenischen See geschlagen / und dem Pompejus / als er die Pharsalische Schlacht verlohren / eben diß begegnet war / ein solches Schrecken ein / daß er alsobald zum Abzuge blasen ließ / und ihm für seinem Zurückzuge nicht die Zeit nahm / ein ander Gedächtnüßmaal seiner Anwesenheit an der Weser zu lassen / als etliche grosse Steine; dar ein er graben ließ: Biß hieher kam Drusus / dem das Verhängnüß und seine Vergnügung die Weser dißmal zu einem Zwecke seiner Siege setzten. Denn wie einem grossen Glůcke nichts schädlicher / als unaufhörliches Wachsthum; also ist der gröste Sieg / die Waffen mit Sanfftmuth / die Glückseligkeit mit Gesetzen / die Uberwindung mit Liebe mäßigen. Er war aber kaum eine kleine Tagereise gegen dem Rheine fortgerückt; als die Kundschaffter ihn berichteten / daß alle Rückwege von den Deutschen besetzt wären / welche er in ihrem Vortheil und denen zum Uberfall so beqvemen Wäldern anzugreiffen nicht für rathsam hielt / sondern an einem dienlichen Orte theils auszurasten / theils die eigentliche Verfassung der Feinde zu erforschen / insonderheit aber Anstalt zu machen / daß die bey Arenacum am Rheine stehende Legion mit den Ubiern bey den Catten einfallen / und also die feindliche Macht zertheilen möchte / stille liegen blieb. Zumahl er mit nicht geringem Schrecken erfuhr / daß Hertzog Segimer theils durch Einhaltung wichtiger Ursachen /theils durch Andreuung gäntzlicher Ausrottung der Ubier und Tenckterer Hertzoge zu Abbrechung des Römischen Bündnüsses / und auff die Seite der Deutschen gebracht hätte. Die Deutschen aber liessen sich bey Wahrnehmung dieser Kriegs-List nichts irre machen; sondern bemüheten sich mit der Cherußkischen und Sicambrischen geschwinden Reuterey / in dem das bey den Deutschen am höchsten geschätzte Cattische Fußvolck auf der Hute stehen blieb / dem etwan anfallenden Feinde die Stirne zu bieten / den Römern alle Lebens-Mittel abzuschneiden. Diese Bedrängnüß und der annahende Winter zwang den Drusus sich zu entschlüssen / daß er irgendswo mit Gewalt durchbrechen wolte. Hiermit zoh er bey anbrechender und regenhaffter Nacht aus dem Läger in möglichster Stille auf: also / daß die deutsche Reuterey erst folgenden Tages hiervon Kundschafft erlangte / und es denen dort und dar zertheilten Völckern so bald nicht zu wissen machen konten. Folgenden Tag lag er abermals stille / und wie er vorher gegen die Tenckterer seinen Weg einzurichten geschienen; also lenckte er folgende Nacht recht gegen die Usipeter ab / und traf mit anbrechendem Morgen bey Arfeld auff den Hertzog Arpus; welcher ob er wohl nicht die Helffte so starck war / dennoch die Römer zwischen dem Gehöltze mit unaufhörlichem Scharmützel so aufhielt / daß sie langsam fortkommen konten. Ein paar Stunden darauf kam Hertzog Melo mit 8000. Sicambrern den Catten zu Hülffe / also / daß Drusus nunmehro Stand zu halten / und eine rechte Schlacht zu [380] liefern gedrungen ward. Worzu er sich so viel leichter entschloß / weil er sich noch stärcker / als die Deutschen zu seyn schienen / befand / dieses auch für ihre völlige Macht schätzte. Beyde Theile vergassen nichts /was klugen Feld-Obersten / und tapffern Kriegsleuten oblieget / gleichwol aber musten die wenigen Deutschen nach etlicher Stunden blutigem Gefechte sich ein wenig zurück ziehen / sonderlich da die Römer in einem engen und tieffen Thale standen / da die deutsche Reuterey ihnen wenig Abbruch thun konte. Gegen den Mittag aber kam der Feldherr Segimer /der mit seinen Cherußkern an einem andern Orte dem Feinde aufgewartet hatte / darzu. Worauf sich denn alsofort das Blat wendete; indem den ohne diß schon ermüdeten Römern gegen einem so frischen Feinde das Hertze entfiel / den Catten und Sicambrern aber wuchs; also / daß / wie sehr gleich Drusus die Seinigen mit zusprechen und seinem Beyspiele anfrischte; sie doch anfangs zu weichen / hernach / als Segimer insonderheit den Drusus verwundet / Arpus den Anectius / und Melo den Senectius erlegt hatte / und unterschiedene Kriegshäupter mehr gefallen waren / zu fliehen anfingen. Die Schlacht veränderte sich deßhalben in ein Schlachten / und würde weder Drusus noch sonst ihrer viel aus den Händen der Deutschen entronnen seyn / wenn sie nicht auf der Seite einen Furth gegen der mit Römischem Volcke besetzten Festung Alison / als wohin Drusus sein einiges Absehn gerichtet hatte / gefunden / die anbrechende Nacht aber die Verfolgung der Deutschen gehemmet hätte. Drusus kam zu Alison verwundet und nicht mit der Helffte des Kriegs-Volckes an; das meiste Fußvolck / alles Krieges-Geräthe / 12. Fahnen der Nervier / 8. der Friesen / 20. der Gallier / und ein Römischer Adler /welcher aber in einen Sumpf verborgen worden / blieb im Stiche; und nach dem er selbige Festung starck besetzet / nam er durch das Gebiete der Usipeter und Tenckterer seinen Weg an den Rhein / und befestigte daselbst Antonach. Dieser herrliche Sieg der Deutschen aber ward zu allem Unglücke abermahls durch ihre gewohnte Zwytracht zernichtet; indem die Uberwinder über so reicher Beute uneinig wurden; und also den Feind gäntzlich aus Deutschland zu vertreiben / die Usipeter wieder in Freyheit zu setzen verschlieffen / Drusus aber ward zu einem Siegs-Gepränge nach Rom beruffen / dahin er sich dañ auch mit Antonia seiner Gemahlin / nach welcher er die von ihm am Rheine an der Cattischen Gräntze gebaute Festung Antonach nennte / und denen gefangenen Kindern Hertzog Segimers erhob; daselbst mit grossem Siegsgepränge den Einzug hielt / und auff dem güldenen von vier schneeweissen Pferden gezogenen Wagen für sich Asblosten mit ihren zweyen Kindern sitzen / unter ihnen aber neben den Vorder-Rädern den Werckzeug / wormit die zum Tode verdammeten abgeschlachtet wurden / hengen hatte; zur Anzeigung / daß Siegern über die Gefangenen die Willkühr des Lebens und des Todes zustehe. Der Römische Rath empfing ihn mit grosser Ehrerbietung / und weil seine Stadt-Vogtey zu Ende war / ward er zum Unter-Bürgermeister über Gallien und Deutschland erkläret; den Titel des obersten Feldherrn rief ihm zwar das Kriegsvolck zu; Augustus aber stand an / ihm solchen noch offentlich ertheilen zu lassen. Drusus hingegen hielt dem Käyser zu Ehren kostbare Schauspiele; und an seinem Geburts-Tage auf dem Marckte in Rom eine Jagt von allen nur ersinnlichen Thieren / ließ ihm auch zu Ehren viel Egyptische und andere Sinnbilder fürtragen / davon der Abriß hernach in den vom Sylla zu Preneste erbauten Glücks-Tempel gebracht worden. Rhemetalces brach Adgandestern ein: Erkönte nicht begreiffen / wie die Deutschen wegen der Beute mit einander zerfallen / darüber sie ja vom Anfange mit einander Abkommen getroffen; und wie Drusus nach einer so grossen Niederlage ein Siegs-Gepränge habe halten [381] mögen? Adgandester beantwortete ihn: die reiche Beute / die man bey einem Feinde weiß / ist ja wol ein Sporn / der das Kriegsvolck anfänglich zur Tugend und tapfferem Gefechte aufmuntert. Die Begierde darnach machet / daß man das euserste gedultig ausstehe. Aber wie solcher Uberfluß oft zu ungerechtem Kriege Anlaß giebt; wie denn Crassus deßhalben die Parther überfallen / auch biß zu den Bactrian- und Indianern zu dringen im Schilde führte; und die Hispanischen Reichthümer die Carthaginenser zu sich lockten; Also verursachet selbter in Schlachten meist grosse Unordnung und Gefahr; indem die streitenden bey sich nur wenig ereignendem Vortheile mehr auf die Beute als aufs Treffen bedacht sind /vielmal auch schon umzingelte Könige und Fürsten /als den Triphon und Mithridates / durch Wegwerffung ihres kostbaren Geräthes aus den Händen ihrer Feinde / die sie schon im Sacke gehabt / entrinnen lassen. Endlich gebieret auch die glückliche Uberkommung der Beute zuletzt mehr Schaden als Gewinn. Denn die in Carthago und Corinth eroberte Reichthümer haben alle gute Sitten in Rom verderbet; die itztreichen Gallier waren streitbarer / da sie arm waren / und die von den Deutschen dißmal den Römern abgeschlagene Beute verderbte das gantze Spiel des Krieges. Denn ob sie zwar wegen der Pferde / der Gefangenen / des Goldes und Silbers sich vorher verglichen hatten; so war doch wegen der Waffen / die sie erobern würden /nichts ausgenommen. Worvon die Catten / welche am längsten gefochten / den Sicambrern ein geringes /diese aber den Cherußkern gar kein Theil verstatten; die Cherusker hingegen / als welche die Oberhand und ihren Fürsten zum Feldherrn hatten / nach ihrer Willkühr damit gebahren / und insonderheit Segimer zu Auslösung seiner Gemahlin und Kinder die fürnehmsten Gefangenen haben wolte. Uber dem Siegsgepränge des Drusus aber wundert man sich in allewege billich / wenn man die alten Sitten und Gesetze der Römer für Augen hat; welche solches niemanden verstatteten / der nicht auff einmahl zum minsten 5000. Feinde / und zwar nicht Knechte oder See-Räuber / sondern freye Völcker und ohne sonderbaren Verlust überwunden hatte. Weßwegen selbter auch bey den Einnehmern so wol die Anzahl der erlegten Feinde / als der gebliebenen Bürger eidlich anzeigen muste. Gleichergestalt ward dem Fulvius und Opimius diese Ehre verweigert / weil jener zwar Capua /dieser Fregella wieder erobert / aber mit nichts neuem das Reich vermehret hatte. Zugeschweigen / daß auch Scipio wegen eingenommenen Hispaniens / und Marcellus nach erobertem Syracusa diß entbehren musten / weil sie nur als Bürger und ohne Bekleidung hoher Aempter alles diß ausgerichtet hatten. Gleichergestalt war solche Freude in bürgerlichen Kriegen / indem das eigene Blut mehr zu beweinen ist / nicht erlaubet. Dahero zohe Nasica und Opimius / nach Erlegung der Grachen / Qvintus Catulus / nach Dämpffung des Lepidus / stille in die Stadt. Antonius / als er den Catilina erleget / wischte das Bürgerblut von allen Schwerdtern ab; Und ob gleich Sylla den Marius /Sulpitius / Cumma / Narbanus / Scipio / Telasinus und Lamponius geschlagen hatte; so ließ er doch in seinem Siegs-Gepränge keines dieser / sondern nur Mithridatens und fremder Städte Bilder ihm fürtragen. Ja Fulvius Flaccus / und mehr alte Römer entschlugen sich selbst dieser verdienten Ehre. Nach der Zeit aber / da die Tugend nicht mehr für ihren eigenen Preiß gehalten ward / sondern der Ehrgeitz an statt des Wesens nach einem Schatten zu greiffen / und dem alberen Pöfel einen blauen Dunst für die Augen zu machen anfing; ertichtete man Eroberungen vieler nicht einst gesehener Länder; wenn etwan eine Handvoll Räuber erlegt / oder ein geringes Nest eingenommen war / rühmte man sich grosser Siege über gantze Völcker; und daß man [382] unüberwindliche Festungen bemeistert hätte. Wenn aber die Römer selbst aus dem Felde geschlagen wurden / bekleideten sie ihre Schande mit dem Nahmen einer klugen Zurückziehung /und mit Verdrückung ihres Verlustes. Massen sich denn einige nicht schämten bey des Crassus Parthischer / und des Lollius Deutscher Niederlage / da der fünfften Legion Adler verlohren gieng / sich noch eines Vortheils zu rühmen. Insonderheit wolte ieder hochtrabender Römer der tapfferen Deutschen Meister worden seyn. Dahero bedienten sie sich der zaghafften Uberläuffer / kaufften von allerhand Barbarn großgewachsene Knechte / nöthigten sie / daß sie etliche deutsche Wörter erlernen und nachlallen / ihre Haare nach unserer Art lang wachsen lassen / und röthen musten; kleideten sie in deutsche Tracht / und rüsteten mit diesen blinden Gefangenen ihre Siegs-Gepränge aus. Auf diese Weise gieng es nun auch bey diesem Feld- und Einzüge des Drusus her / und diente die gefangene Aßblaste mit ihren Kindern zu einer glaubhafften Beschönigung.

Rhemetalces setzte bey: Ihn bedünckte / daß Eigenruhm und Verkleinerung anderer Völcker nicht neu /sondern ein altes Laster der Römer / ja der Schein ihre erste Farbe gewesen sey. Des Romulus Geburt und Todes-Art; des Numa Gespräche mit der Göttin Egeria; die Weihung des vom Himmel gefallenen Schildes; die wunderlichen Thaten des Marcus Curtius / des Horatius Cocles / der Clelia / und des Mucius Scevola / wären grossen Theils Gedichte. Von ihren ungemeinen Tugenden schriebe niemand als sie selbst / hingegen würden die Thaten des Porsenna /der Gallier / der Carthaginenser / des Pyrrhus / uñ anderer aufs möglichste verkleinert / den Griechen die Unwahrheit / den Mohren Untreu / den Syrern die Uppigkeit / den Deutschen und Thraciern die Grausamkeit / ja allen Fremden alle die Laster beygemessen; die doch nirgends mehr als zu Rom im Schwange giengen. Wiewol die Römischen Geschichtschreiber sich hin und wieder selbst verreñten / sich des Geitzes schuldig gäben / unrechtmäßiger Gewalt die Vergrösserung ihres Reiches zuschreiben / und / daß der letztere Krieg wider Carthago aus keiner rechtmäßigen Ursache / sondern bloß aus neidischer Mißgunst gegen ein so grosses Reich erhoben / mit zweydeutigem Versprechen die Schiffs-Flotte ihr aus den Händen gewunden / daß der Lusitanische Heerführer Viriat von des Pompilius erkaufften Meuchelmördern erleget / daß vom Aqvilius die Pergamenischen Brunnen zu Austilgung derer dem Aristonicus anhängenden Feinde wider das Recht der Völcker vergiftet /daß vom Sulla mit der Fackel in der Hand sein Vaterland zu erst angezündet worden wären / zustünden.

Malovend fiel hierüber ein: Sonder zweiffel haben alle Völcker ihre Fehler / wie ein iedes Gestirne seine Flecken; nur / daß sie in einem sichtbarer sind als beym andern. Sonst aber ist sich über dem Gepränge und der Hochhaltung des Drusus so sehr nicht zu verwundern. Denn die Heucheley ist so alt als die Welt; welche schon bey den ersten Menschen aus einem Apffel mehr als einem Klumpen Goldes machte. Die Helden-Nahmen waren gemeiner / und der Adel wolfeiler bey der Vorwelt / als itzt. Wenn einer ein wild Schwein erlegte / hieß er ein Hercules. Wegen Erfindung der Phrygischen Buchstaben ist der Phrygische /wegen der Angebung der Purpur-Farbe ist der Tyrische Jupiter zum Halb-Gotte worden. Wenn einer einen Mörder umbrachte / hat man ihn für einen Riesen-Bezwinger / und wenn einer ein Raub-Nest eingenommen / für einen grossen Weltbezwinger gehalten; und durch Gedichte aus einem Floh ein Elefanten gemacht. Es ist wahr / sagte Adgandester / daß nichts minder für Zeiten / als heute zu Tage viel mit Ehren-Kräntzen grossen Ruhms begabt worden / ihrer wenig aber selbte verdienen. Alleine die Zeit entblösset doch [383] endlich ihre Unwürdigkeit; und die Wahrheit ist von solchem Nachdrucke / daß selbte weder Feinde noch Heuchler vertilgen können. Dahero denn auch die Römer selbst wider Willen frey heraus sagen / daß den Ausländern nicht so wol die Herrschafft / als die Laster der Römer unerträglich wären. Also ereignete sich nach obigem Abzuge des Drusus aus Deutschland / daß die Römische Besatzung aus Antonach und Bingium den Catten mit täglichen Raubereyen beschwerlich waren. Wie nun diese nach aller Völker Rechte Gewalt mit Gewalt ablehneten; und mehrmals die Römer den kürtzern zohen; von Drusus / welcher gleich damals nebst dem Qvintius Crispinus Bürgermeister war / Anlaß zum dritten mal sein Heil in Deutschland zu versuchen; sonderlich da die Catten und Eherusker selbst wider einander in Haaren lagen /und Deutschland seine Hände in eigenem Blute wusch. Diese Gelegenheit brauchte Drusus zu einer Schein-Ursache eines neuen Zuges in Deutschland; ungeachtet der Blitz in den Capitolinischen Tempel schlug / und die vom Drusus aufgehenckte Sieges-Zeichen auf den Bodem fielen; Also die Wahrsager ihm wenig gutes andeuteten / der Käyser ihn auch ungerne von sich ließ; wiewohl Drusus viel einen andern Dorn im Fusse stecken hatte; dessen Erzehlung aber vielleicht anzuhören der Versammlung beschwerlich fallen dörffte.

Als nun aber Rhemetalces und die andern Fürsten Adgandestern anlagen / diese Heimligkeit ihnen nicht zu verschweigen; vollführte er seine Erzehlung folgender Gestalt: Der berühmte Marcus Antonius / dessen Geschlechte vom Hercules seinen Uhrsprung haben soll / hat mit Octavien des Käysers Augustus Schwester zwey Töchter erzeuget; derer eine Domitius-Enobarbus heyrathete. Die andere und jüngste Nahmens Antonia / war von der Natur mit fürtreflicher Schönheit begabt / und so wol der einige Trost ihrer Mutter / als ein Schoß-Kind des Käysers. Weil nun die Schönheit / als die Mutter der Anmuth für sich selbst eine geschwinde Jägerin abgiebt / die Augen und Hertzen leicht in ihre Garne bringt / und man auf dasselbe Bild so viel mehr die Augen wirfft /das eine so grosse Sonne bestrahlet; entzündete Antonia viel Hertzen / ehe sie noch selbst wuste / was sie für Feuer in sich selbst stecken hatte. Aber sie erfuhr zeitlich genung / daß nichts anfälliger als die Liebe wäre; und daß kein Licht von dem andern so geschwinde Feuer / als eine zarte Seele diese süsse Empfindligkeit des andern Alters fange. Denn als einsmahls an des Käysers Geburts-Tage der Kern des Römischen Adels sich mit prächtigen Aufzügen /Rennen / und andern Freudenspielen sehen ließ; Gewan ein junger wohlgebildeter Edelmann Lucius Muräna den Preiß / und zugleich das Hertze Antoniens. Seine Gestalt / seine hohe Ankunft / und seine Tapfferkeit schätzte sie anfangs ihres Ruhmes / hernach ihrer Gewogenheit würdig. Diese Blüte der Liebe aber verwandelte sich nach und nach unvermerckt in einen vollkommenen Liebes-Apffel. Nachdem aber das Glücke insgemein der Liebe ein Bein unterzuschlagen gewohnet ist; fühlte Antonia nicht so geschwinde in ihrer Seele diesen anmuthigen Zunder; Als der Käyser und Octavia auff Anstifftung der Livia ihr einen Vorschlag thäten sich mit dem Claudius Drusus zu verheyrathen. Dieser Vortrag war in Antoniens Ohren ein rechter Donnerschlag / und ein rechter Wirbelwind / der ihre Ruhe des Gemüthes in völlige Unruhe versetzte. Wie aber die Liebe eine geschwinde Erfinderin ist; Also war die junge Antonia alsofort so klug / daß sie mit ihrer Jugend und allerley anderm Fürwand ihre Entschlüssung ins weite Feld zu spielen wuste. Inzwischen wuchs ihre Liebe gegen den Muräna von Tag zu Tage / und zwar so viel hefftiger / weil sie Drusus durch seine Liebesbezeugungen zuverdringen suchte: sie aber ihr Hertze gegen keinem Menschen / am [384] wenigsten aber gegen dem Muräna ausschüttẽ / und also ihr Gemüthe erleichtern konte. Denn sie hatte an Octavien eine genaue / an des Drusus Mutter Livia aber eine noch schärffere Aufseherin / für denen sie sich nicht rücken dorfte. Alleine höret / wie die Liebe auch einen hundertäugichten Argus zu verbländen mächtig sey. Mecenas des Käysers vertrautester Freund bat ihn einmal auf sein an dem Flusse Ania gebautes köstliche Lust-Haus / welches so wohl wegen seiner Gelegenheit / in dem man darauf gegen die Sabinische Landschafft /die Pränestinischen / Labicanischen / und Tusculanischen Aecker übersehen konte / als wegen seiner fürtrefflichen Marmel-Säulen / ertztenen Bilder / seltzamen Gewächse / von welchen ein angefüllter Garten das Gebäue an dreyen Ecken umbgab / wegen der im ersten Vorhofe stehender drey herrlicher Spring-Brunnen / und insonderheit wegen der annehmlichen Gesellschafft / indem Mecenas daselbst die gelehrtesten Leute selbiger Zeit unterhielt / für ein irrdisches Paradis von den Römern / und überdiß vom Käyser wegen der liebreitzenden Terentia beliebet ward. In der Gesellschafft des Käysers war seine Gemahlin Livia /ihre Söhne Drusus und Tiberius / Antonia und unter dem Römischen Adel / die den Augustus bedienten /Lucius Muräna. Nebst vielfältigen Kurtzweilen stellte Mecenas in dem daran gelegenen tieffen Thale eine Fischerey an / und es muste iede anwesende Person ihm aus den gefangenen Fischen eine Art auslesen /und zu seinẽ Lobe etwas auf die Bahn bringen. Antonia erwehlte ihr eine grosse Murene / und meldete: Es könte kein Frauenzimmer einiger Art Fische nicht holder seyn als dieser / welche dem weiblichẽ Geschlechte so zugethan wäre / daß auch keine männlichen Geschlechtes wäre. Ihre Schlauigkeit gehe allen Fischen für / und diene zur Lehre dem Frauenzimmer / daß dieses so sehr dem Hamen der Wollüste / als jene dem Garne und Zischen der Fischer zu entgehẽ verschmitzt seyn solle. Cajus Hircius wäre aller Flüche werth / daß er zum erstẽ zwar für die Murenẽ dienende Weiher angerichtet / derer aber auf einmal 6000. zu des Käysers Sieges-Mahle ausgewogen habe. Hingegen habe Hortensius ihre Huld erworben /daß er eine von ihm lange bewahrte und endlich abgestandene beweinet habe. Nichts weniger hätte sie Lucius Crassus geschätzt / als er einer ein Halsband von Edelgesteinen angemacht; welche als seine aufgeputzte Buhlschafft ihn an der Stimme eigentlich erkennet /ihm zugeschwommen wäre / aus seiner Hand Speise genommen / und hierdurch nach ihrem Tode verdienet hätte / daß er umb sie als seine Tochter in der Trauer gegangen wäre. Der Käyser lächelte über der Antonia freymüthigem Vortrage / und verehrte ihr des Hortensius vorhin erkaufftes Vorwerg bey Bajä / das sie mit höchster Dancksagung annahm / und alsofort ihre kostbaren Ohr-Gehäncke ab- und ihrer ausgelesenen Murene anmachte; ja hierauf sich in das geschenckte Vorwerg verfügte / daselbst diese Murene in den Weiher einsetzte / einen absonderlichen Wärter darzu bestellte / umb den Weiher ein kostbares Gesimse von rothem Marmel-Steine fertigen / und darein graben ließ:


Rühmt euern heil'gen Fisch / die ihr durch Zauberey
Und Liebes-Tråncke meynt ein freyes Hertz zu rauben;
Es mag auch Lycien von seinem Fische glauben /
Daß er zukünftig Ding zu melden fähig sey.
Der Indus-Strom erheb' auch seinen langen Fisch /
Der unausleschlich Oel den Persen gibt zum kriegen;
Lucull mag Silber gleich des Scarus Lebern wiegen /
Die Auster mache werth zur Unzeit Crassus Tisch;
Arion streich heraus den willigen Delfin /
Und Bajens See den / der ein Kind trägt auf dem Rücken.
Es mag auch Pollio mit Fischen sich erquicken /
Die er mit Menschen-Fleisch pflegt grimmig zu erziehn.
Betraure deinen Fisch / Orata / wie ein Kind /
Pythagoras verehr ihr angebornes Schweigen.
Es mag sich Syrien fůr zweyen Fischen neigen /
Weil Gatis und ihr Sohn darein verwandelt sind;
[385] Es bet' Egyptenland Hecht' / Aal' und Karpen an;
Die Barben ess' Octav' für Jupiters Gehirne /
Es steig' aus Böthens Pful der Wallfisch ins Gestirne /
Weil er aus seiner Fluth der Venus Kind gewan;
Nehmt ihr zwey gůldnen Fisch' auch's Himmels Thier-Kreiß ein /
Weil Venus und ihr Sohn sich so verstellet haben /
Als sie für Typhons Grimm die Flucht ins Wasser gaben;
Die Purpur-Muschel mag der Wollust Abgott seyn /
Weil sie der Achsel Glantz / dem Halse Perlen gibt;
Es schåtze Julius gemeine Milch-Murenen /
Die ihm muß Hircius zum Sieges-Maale lehnen;
Antonia ist in vernünftige verliebt.

Diese seltzame Liebe zu einem Fische / und die Kirrung dieser Murene / welche Antonia gewehnte daß sie sich auf ihr Zuruffen an das Ufer näherte / und ihr aus den Händen aaß / verursachte viel vorwitzige Römer sich in dieser lustigen Gegend oftmals einzufinden / und mit diesem freundlichen Fische ihre Kurtzweil zu haben. Unter diesen fand sich auch offtmals Lucius Muräna / welchem Antoniens Liebs-Bezeugung bald anfangs nachdencklich vorkommen war. Wie er nun folgends die eingegrabene Schrifft zu Gesichte bekam; überlaß er selbte wohl zehnmal / und insonderheit bedauchte ihn / daß der letzte Reim ihm das völlige Räthsel auflösete / nemlich / daß Antonievs Kurtzweil ein blosses Sinnen-Bild / und die darschwimmende Murene nur das Zeichen / er aber selbst der bezeichnete wäre. Wie er sich nun theils mit diesen süssen Gedancken eine gute Zeit gekützelt / theils auch mit der Beysorge allzu vermessener Einbildung lange geschlagen hatte; sintemal Hoffnung und Furcht an der Spille der Liebe die zwey Wirtel sind / mit denen sich das Gemüthe der Liebhaber herumb drehet / ereignete sich / daß Antonia mit ihrer Mutter Octavia und Mecenas zu dem Weiher kam / und den Muräna daselbst sich auf das Gelender auf lehnende auch gantz ausser sich und unbeweglich antraffen. Er ward ihrer auch ehe nicht gewahr / als biß Antonia die Murene mit dem Munde lockte / und diese aus dem Wasser empor sprang; worauf er mit einig mässiger Veränderung gegen ihnen die gebührende Ehrerbietung bezeugte. Octavia fragte ihn hierauf: Ob die Verwunderung oder die Zuneigung zu diesem Fische ihn so eingenommen / und unempfindlich gemacht hätte? Muräna antwortete: Es habe ihn zugleich beydes übermeistert; denn dem / was eine so schöne Fürstin liebte / könte man ohne ihre Beleidigung nicht gram seyn; zu verwundern aber wäre sich über derselben Leutseligkeit / daß ihre Gunst auch diß nicht verschmähete / was von ihrer Würdigkeit doch so weit entfernet wäre. Antonia versetzte mit einer freundlichen Geberdung: Ihrem Urthel nach hätte er sich so viel weniger über ihrer / als der alldar schwimmenden und ihr so liebkosenden Murene zu verwundern / so viel mehr die Gewalt etwas zu erwehlen und zu unterscheiden dem Menschen für einem unvernünftigen Thiere zukäme. Muräna begegnete ihr: Es wäre aber dem natürlichen Triebe und der Vernunft / derer ersteres die Thiere so gut / das andere aber in weniger Maaß besässen / gemäß / daß das unwürdigere das würdigere / dieses aber nicht eben jenes liebte. Beydes erhärtete der Elefant zu Alexandria des Aristophanes Nebenbuhler / der dem von ihm geliebten Mägdlein mit der Schnautze aufs freundlichste liebkosete / und sie täglich mit Obste beschenkte; der Drache / welcher ein Etolisches Weib täglich besuchte / inbrünstig umbhalsete / und in die Ferne ihr nachzoh; der Stier / welcher in die Lauten-Schlägerin Glauce / und die Gans / die in Egypten in einen Knaben verliebt war; ein Panter-Thier habe des Philinus Vater alle Gewogenheit erzeiget; und ein Drache den Thoas in Arcadien aus den Händen der Räuber errettet; eine Schlange in Egypten eines ihre eigenen Jungen getödtet / weil es ihres Wirthes Sohn umbgebracht; eine Wölffin habe den Romulus und Remus /eine Hindin den Cyrus / [386] viel andere grausame Thiere den vom Hispanischen Könige Gargoris weggeworffenen Habis gesäuget / und die Bienen in Sicilien des Hieroclytus Auswürffling Hiero gespeiset. Insonderheit aber wäre nichts minder den Delfinen und Murenen die Liebe gegen dem Menschen / Als den Pfauen gegen die Tauben / und den Turtel-Tauben gegen die Papegoyen eingepflantzt. Die Delfinen nähmen sich so gar des menschlichen Seufzens an / ergetzten sich über ihrer Stimme / und kämen den Schiffen entgegen geschwommen. Ja ob schon die Berührung der Erde ihr Tod wäre; so folgten sie doch so weit denen lockenden Menschen nach. Und also wäre einer auf dem trockenen Sande erblichen / der einen Knaben aus der Stadt Jassus / Dionysius genennt / für Liebe nicht lassen wollen / welchen hernach der grosse Alexander zum Priester des Neptunus bestellet hätte. Bey eben dieser Stadt Jassus / und bey Naupact habe ein Delfin sich an dem flachen Ufer hingerichtet / weil sie einen auf ihnen reitenden Knaben bey entstandenem Ungewitter abfallen und ertrincken lassen. Und an dem nechst angelegenen Lucriner-See wäre noch das von dem Käyser gebauete Begräbnüß eines für Sehnsucht entseelten Delfins zu sehen / der einen Knaben täglich von Bajä nach Puteoli und zurücke geschiffet / nach des Knabens Tode auch sein ihm verdrüßliches Leben aufgegeben hätte. Aus den Murenen hätten einige den Lucius Philippus / den Hortensius und Hircius hertzlich geliebet / und ein denckwürdiges Beyspiel sehe man alldar für Augen: Also er glauben müste / daß wie die grössesten Thiere / als Elefanten und Cameele / für dem Menschen Furcht trügen / weil die Natur ihren Augen die Eigenschafft eines Vergrösserung-Glases eingesetzt hätte / wormit sie uns für grösser /als wir wahrhaftig wären / ansehen; also habe sie auch gewissen Thieren einen solchen geheimen Trieb / wie das Eisen gegen dem Magnet-Steine oder die Sonnenwende gegen der Sonne hat / eingepflantzt; hingegen aber wäre an Antonien als eine ungewöhnliche Ubermaaß ihrer Güte zu rühmen / daß sie eine unwürdige Murene mit ihrer Gegen-Liebe eben so wie die Sonne die sümpfichten Thäler mit ihren Straalen beseligte. Nach dem auch Antoniens Leutseligkeit ihren Augen keinen sauern Blick zu erlauben fähig ware; betrauerte er / daß die Murene ihre grosse Glückseligkeit nicht genung erkennen könte. Zumal wie sonst alle Murenen vom Essig-Geschmacke rasend / also diese Geliebte von einem einigen unholden Straale verzweifelnd werden würde. Antonia sahe es dem Muräna an den Augen an / daß er einen Blick in die Heimligkeit ihres Hertzens gethan hatte; und weil Octavia sich mit dem Mecenas gleich auf die Seite wendete / warff sie auf ihn einen so anmuthigen Straal / der ihm durch Marck und Adern ging / und vollends den Nebel alles seinen Zweifels zu Boden drückte: Diesen begleitete sie mit folgendem Innhalt: Es hätten ja wohl ehe hohe Häupter an geringeren Thieren /denen sie zu Ehren gantze Städte und prächtige Grabmahle gebauet / Crassus / Hortensius und Hircius an Murenen so gar ihre Erlustigung gehabt / daß sie selbte für unschätzbar gehalten / ja für sie die Klage angelegt hätten. Zu dem wüste niemand als sie von der Würde ihrer vernünftigen Murene zu urtheilen. Uber dieser Erklärung hatte Muräna noch theils seine Seufzer zu verdrücken / theils die Veränderung seines Gemüthes und Gesichtes nickt mercklich zu machen; und daher ward er genöthiget / sein Gespräche mit Höfligkeit abzubrechen. Weil nun Octavia und Mecenas mit einander in einen Lustgang / Antonia alleine sich in einen andern Weg schlugen / erkiesete Muräna / welchen die der anfangenden Liebe anklebende Furcht sich Antonien beyzugesellen nicht erlaubte /den drittern. Und als er einen Scheide-Weg wahrnahm / welchen Antonia nothwendig treffen muste; schrieb er mit dem Stabe daselbst [387] in Sand: Ich liebe. Nachdem nun die scharffsichtige Liebe nicht leicht eine Spur übersihet; fiel diese kurtze Schrifft Antonien alsofort in die Augen / welche / als sie Octavien und den Mecenas ihr von ferne folgen sahe / unter der angenommenen Betrachtung etlicher ausländiser Gewächse die Schrifft hin und wieder tretende mit ihren Fußstapfen ausleschte; hiermit aber die Liebe in dem Hertzen des hierauf merckenden Murena zweyfach anzündete. Octavia / Antonia und Mecenas fuhren hierauf mit einander auf das bey Baje auf einem Berge gelegene Vorwerg des Käysers Julius / das funfzehn Ellen lange Marmel-Bild seines Schutz-Gottes zu schauen / welches Augustus für etlichen Tagen daselbst hatte aufrichten lassen / und in kriegischer Gestalt in der rechten Hand eine Opfer-Schüssel / in der lincken ein Horn des Uberflusses hielt; die Uberschrifft war daran: Dem Schutz-Gotte des Käysers Julius. Von dar verfügten sie sich in das kostbare Vorwerg des Marius / allwo Mecenas wegen daselbst in den warmen Bädern wieder erlangter Gesundheit dem Esculapius aus Ertzt eine Säule aufrichten ließ. Inzwischen aber verfügte sich Lucius Murena nach Puteoli / und ließ daselbst den Weiher der Antonia /als wenn er brennte / und mit den Flammen die darinnen spielende Murene überschüttete / mit in einander versetzten vielfärbichten Steinen abbilden / und in eine weisse Marmel-Taffel darunter graben:


Ihr Motten / die ihr blind in heisse Fackeln flůget /
Die Flügel euch sengt weg / vergleicht euch ja nicht mir.
Weil ihr vom ersten Straal bald eingeäschert lieget;
Mein Brand und Leiden geht dem eurigen weit fůr.
Ich brenn' in dieser Fluth / wormit ich mich offt kühle /
Und meine Liebes-Brunst nur so viel länger fühle.
Ihr Salamander weicht der leuchtenden Murene;
Ihr könnt wohl bestehn in Flammen / weil ihr kalt.
Das Wasser aber / das ich mir nur hier entlehne /
Ist nicht mein Element / Feu'r ist mein Auffenthalt.
Die Glut / die ihr lescht aus / schlägt über mir zusammen /
Die Liebe steckt mein Hertz / ich diese Fluth in Flammen.
Ihr Würmer / die ihr lebt in siedend-helssen Qvellen
Und euch vom Schwefel nährt / die ihr von Kält' erbleicht;
Glaubt: daß der kalte Teich hier Zunder hegt der Höllen /
Daß euer Feuer-Kost weit meiner Speise weicht.
Denn ihr speist nur den Mund mit Schwefel / ich mein Hertze
Mit Liebe / welcher Glut gleicht keine Schwefel-Kertze.

Dieses Bild und Gemählde schickte er nach seiner Verfertigung durch etliche unbekante Leute zu oberwehntem Weiher / und ließ / unter dem Vorwand /daß es Antonia bestellet hätte / solches in dem daran stehenden Spatzier-Saale aufsetzen. Wie nun Octavia / Antonia und Mecenas dahin zurücke kamen / fanden sie diese Neuerung / und Antonia nicht ohne sonderbare Entsetzung. Jedoch weil sie ihr leicht an den Fingern ausrechnen konte / woher dieses Ebentheuer käme / verstellte sie so viel möglich ihre Gemüths-Veränderung / und gab auf Octaviens Befragung für: Sie hätte für etlicher Zeit diese Reime in dem Saale gefunden / und weil sie solche für des Virgilius Maro Gemächte hielte; so hätte sie so wohl ihm zu Ehren /als ihrer Murene zu Liebe / das Bildnüß fertigen lassen. Sie konte sich aber an dieser Schrifft nicht satt lesen / und ie länger sie selbter nachdachte / ie klärer stellte selbte die heftige Liebe / ja so gar den darinnen deutlich ausgedrücktẽ Nahmẽ des Lucius Murena für Augen. Ob nun wohl beyder Liebe täglich zunahm /sonderlich da dieses Feuer im Hertzen so feste verschlossen blieb; so ereignete sich doch keine sichere Gelegenheit solche gegeneinander auszulassen / biß auf den anmuthigen April / da bey Baulis das Fest der Venus von dem Römischen Frauenzimmer begangen ward. Der Käyser Julius hat daselbst der gebährenden Venus als der Mutter der Julier einen so herrlichen Tempel / als der zu Rom ist / gebauet / darinnen ihr ein Wagen über und über mit Britannischen Perlen gestücket / geweihet / und darein ihr künstliches vom Archesilaus gefertigtes Marmel-Bild / welches zweymal die Lebens-Grösse übertrifft / und in der rechten Hand eine Welt-Kugel / in der lincken [388] drey Pomerantzen-Aepfel hält / gesetzet. Alle dahin kommende Frauen sind aufs köstlichste aufgeputzet / tragen Kräntze von Myrten / haben einen Korb voller Rosen an der lincken Seite hencken / welche sie in dem Tempel hin und wieder ausstreuen. Wie nun Antonia sich unter ihnen gleicher gestalt fand; bediente sich Murena der bey diesem Feyer bräuchigen Freyheit / fügte sich Antonien an die Seite / und legte darein einen Zettel / mit Beysatz dieser Worte: Göttliche Antonia /verschmähe nicht dieses Zeugnütz meiner unausleschlichen Liebe. Antonia nahm des Zettels also fort wahr / steckte ihn also unvermerckt in den Busem /und antwortete dem Murena mit einer liebreitzenden Geberdung: Die Antwort wirst du auf den Abend für dem Tempel in dem Rachen des Medeischen Drachen finden. Murena war hierüber für Freuden fast verzücket; verfügte sich also bey anbrechender Nacht zu der aus Ertzt gegossenen und von zwey Drachen gezogenen Medea / die Käyser Julius von der Stadt Cyzicnum umb 1200000. Sestercier gekaufft / und daselbst bey dem Brunnen des Cupido gestanden hatte /welcher denen daraus trinckenden die Liebe vertreiben soll. Er fand auch an dem besti ten Ort einen Zettel / und kehrte darmit mit Freuden-Sprüngen in sein Gemach. Als er ihn aber öffnete / fand er dariñen folgende Zeilen:

Es ist nicht ohne / hi lische Julia / daß der Käyser und die Staats-Klugheit mir eine andere annöthige /und daß Antonia der Liebe nicht unwürdig sey. Aber sie urtheile: Ob die Wahl nicht mehr meiner Seele und dem Verhängnüsse / welche beyde ihr ihre Stimmen geben / gebühre? und ob die Vergnügung frembder oder seiner eigenen Augen Beyfalle folge. Die gantze Welt schätzet uns vergebens glückselig / weil wir uns solches nicht selbst überreden können / und das grössere Licht verdüstert das kleinere. Dahero wird Drusus so lange Antonien nicht erwehlen / so lange ihn Julia nicht verstösset.

Murena war über Lesung dieser Zeilen anfangs hertzlich bekümmert / weil er nicht fand was er gesuchet; dahero er bald unverwandten Fusses zu der Medea kehrte / aber von Antonien das wenigste nicht antraff / und deshalben sich mit zweifelhaften Gedancken schlug: Ob Antonie ihrem Versprechen nicht nachkommen / oder ihre Schrifft in eine frembde Hand verfallen wäre / welches erstere er / wie sehnlich er darnach geseufzet hatte / nunmehro nicht geschehen zu seyn wüntschte. Gleichwohl vergnügte ihn überaus: daß er hinter die geheime Liebe des Drusus und Juliens des Käysers Augustus Tochter / und des Vipsanius Agrippa Wittib / kommen war / und hierdurch Antonien so viel mehr vom Drusus zu entfrembden verhoffte. Diesemnach schrieb er alsofort einen andern Zettel / in Hoffnung / daß sich solchen Antonien zuzubringen Gelegenheit ereignen würde. Der Innhalt war:

Wo nicht ein Zufall der Göttlichen Antonie Hand in frembde Hände geliefert / oder meine Unwürdigkeit die Zurückziehung ihres Versprechens verursacht hat; muß die zauberische Medea selbte in die Beylage verwandelt / oder der Himmel durch Entdeckung solchen Geheimnüsses die Untreu des Drusus entdeckt haben. Die Götter / welche den unter der Schein-Liebe verkleideten Betrug so wunderlich ans Licht bringen /wollen die Augen der unvergleichlichen Antonie eröffnen / daß sie dem möge ins Hertze sehen / der sie biß in Tod lieben / ja solch sein Einäschern mit Vergnügung erdulden wird.

Es war bey nahe Mitternacht / als er diesen Zettel geschrieben hatte / und sich an das Gestade des Lucrinischen See-Busens verfügte / umb Puteoli überzufahren; weil auf den Morgen der vom Calpurnius dem Käyser Augustus zu Ehren gebaute und mit hundert Corinthischen Säulen gezierte Tempel eingeweihet werden solte. Die See war bey grossem Zulauffe des Römischen Volckes / und Anwesenheit des Käysers mit etlich hundert hin und wieder fahrenden [389] Schiffen bedecket / der Himmel aber von dem hellen Lichte des Vollmonds erleuchtet. Muräna war nicht weit vom Ufer abgefahren / als eine von dem Berge Vesuvius auffsteigende schwartze Wolcke den Monden umhüllete / die Lufft stockfinster machte / und einen harten Sturm erregte; also / daß die Schiffleute nicht so geschwinde die Segel einziehen konten / als von diesem grössern Schiffe ein anders übersegelt und umgestürtzt ward. Bey solchem Ungklücke vernahm der oben auff dem Bodeme des Schiffes stehende Muräna unter andern Geschrey eine klägliche Weibs-Stimme / welche rieff: Ach! Antonia! Dieses Wort brachte alsofort den Muräna in die verzweiffelte Entschlüssung / daß er in die See sprang / der gescheiterten Antonia beyzuspringen. Der Himmel selbst schiene diesem rühmlichen Vorsatze die Hand zu reichen /als welcher sich fast selbigen Augenblick ausleuterte; Und das Monden-Licht ließ ihn fast alle in der See schwimmende Menschen unterscheiden. Hiermit ergriff er mit iedem Arme ein Frauenzimmer / und durch seine Geschickligkeit lendete er mit beyden an seinem nunmehr nach abgeworffenen Segeln stillstehenden Schiffe an. Die Boots-Leute halffen auch / daß so wohl beyde auffgefischten Frauenzimmer als Muräna ins Schiff gezohen wurdẽ. Jene erkennte man alsobald für Octavien und Antonien; worüber Muräna so verwirret war / daß er nicht wuste / ob er sich über seiner Hülffe erfreuen / oder / weil beyde mehr todt als lebendig schienen / über solchem Hertzeleide zu tode grämen solte. Nachdem man sie aber vorwerts legte /wormit das Wasser ihnen aus dem Munde wieder abschiessen konte / ihnen auch mit Erwärmung und kräfftigen Labsalen beysprang / erholte sich anfangs Antonia / und hernach auch ihre Mutter. Inzwischen ländeten sie zu Puteoli an / allwo dieser Zufall die Nacht mit Fleiß verschwiegen gehalten ward / wormit weder der Käyser erschrecket / noch dieser zweyer noch matten Frauenzimmer nöthige Ruh verstöret würde. Wie nun aber früh sich eine unglaubliche Menge Volcks bey Einweihung des Tempels einfand /ward alsofort ruchtbar: wie die in die See gestürtzte Octavia und Antonia vom Muräna wäre errettet worden? Dahero suchte nach vollbrachter Einsegnung der Käyser mit der Livia beyde heim / ließ auch den Muräna dahin holen / und bezeugte gegen die Schiffbruch leidenden über ihrer Erhaltung grosse Freude / gegen dem Muräna aber grosse Verbindligkeit. Livia schertzte auch hierbey: weil Antonie zeither einer Murene so viel Annehmligkeit erwiesen / hätten die Götter sie billich durch Muränen aus dem Rachen des Todes gerissen. Octavia / welche allererst spät erfuhr /wer ihrer beyder Lebens-Erhalter gewest wäre / wuste mit Worten gegen ihm ihre Danckbarkeit nicht auszudrücken / Antonia aber muste ihre Empfindligkeit mehr vestellen / und ihre Schuldigkeit nur durch einen und andern annehmlichen Blick oder Seuffzer zu verstehen geben. Nach dem Abschiede des Käysers und der Käyserin nahm Muräna die Gelegenheit wahr /Antonien das überkommene Schreiben des Drusus /und das seinige unvermerckt zuzustecken. Als dieser nun aber ebenfalls zurück kehren wolte / stieg die liebreitzende Julia an der Pforte des Hauses gleich vom Wagen um Antonien zu besuchen. Diese redete den Muräna lächelnde an: Es hätte die Göttin Diana / welcher Stelle sie unter der Zahl der zwölff Götter bey Einweihung des neuen Tempels und Auffnehmung des Augustus vertreten hatte / ihr ihm etwas zuzustellen anvertrauet; reichte ihm hiermit einen Zettel / darinnen er diese Worte fand:

Nachdem es sich nicht geziemet denen Urtheln der Natur zu widerstreben / welche mit ihrer Klugheit alle unsere Spitzfindigkeit übertrifft; so mag ich länger nicht läugnen / daß ich den Muräna mehr / als seinen Nebenbuhler / [390] ja hertzlicher als mich selbst liebe /und daß seine Befehle hinfort werden meine Richtschnur seyn. Mir ist die Eigenschafft des verliebten Frauenzimmers wohl bekannt / daß sie ihren Liebhabern ihr Hertz verschlüssen / und sie zwischen Thür und Angel der Furcht und Hoffnung zu halten pflegen. Solche Unempfindligkeit aber ist eine Tochter der Grausamkeit. Daher soll man seine Liebhaber entweder bald verwerffen / oder seine Bedienung ihm nicht unerträglich machen.

Muräna / ob er wohl die Handschrifft Antoniens nicht kannte / zweiffelte an nichts wenigern / als / daß dieser Zettel (als welchen Julia vielleicht nicht / von wem er käme / verstanden / oder aus Höffligkeit und wegen der am Drusus habenden Vergnügung ihr zugestellet hätte) die Antwort Antoniens / und unter dem Nebenbuhler niemand als Drusus verstanden wäre; zumahl solche sich so wohl auff seine Zuschrifft schickte / die er Antonien in Korb geworffen hatte.

Muräna und die andern Besucher waren von Antonien kaum aus dem Zimmer kommen / als sie Murenens Schreiben mit höchster Vergnügung / des Drusus aber mit solcher Verwunderung durchlaß / daß sie der eintretenden Julia nicht einst inne ward. Weil nun Julia nicht allein mit Antonien in grosser Vertrauligkeit lebte / sondern sie auch eines überaus freyen Gemüthes / und allen Vorwitz mit ihrer Annehmligkeit zu verhüllen geschickt war / fragte diese sie unvermuthet: was ihr Drusus / für dessen Hand sie solches ansehe / für annehmliche Empfehlung zugeschrieben hätte? Antonia war hierüber entröthet / versetzte aber alsofort: Gewißlich / sie ist von solcher Beschaffenheit / daß sich Julia darüber nicht wenig zu erfreuen hat. In alle wege / antwortete Julia / weil Antonie wohl weiß / daß ich als eine einsame Wittib einiger Erfreuungen wohl von nöthen / sonst aber auch Theil an aller ihrer Vergnügung habe. Antonie begegnete ihr: Aber Julia wird mir nach mehr dancken / daß ich keines an gegenwärtiger hoffen darff. Hiermit reichte sie der Julia des Drusus Brieff. Diese laß ihn ohne alle Veränderung durch / und fing hierauff zu Antonien an: Sie erkennte für eine sonderbare Verträuligkeit / daß sie ihr dieses Schreiben nicht hinterhalten wollen. Alleine sie dörffte sich über des Drusus vorhin bekandte Liebes-Erklärung so wenig verwundern /als Antonia mit ihr eifern / sintemahl ihr unverborgen wäre / daß nicht Drusus / sondern die leuchtende Muräne ihr Hertz beherrschete. Antonia thät / als wenn sie es von ihrem Fische verstünde; antwortete diesemnach: In alle wege; und / weil sich niemand vielleicht so sehr in einen Fisch verlieben wird / habe ich mich noch weniger für Eifersucht zu besorgen. Julia lächelte / und hob an: Ich besorge / der Käyser / dem Calpurnius heute den Tempel eingeweihet / dörffte mit ihr eiffern. Denn Antonia habe für Errettung ihres Lebens diesen Fisch mehr zu vergöttern Ursache / als die Egyptier ihren Oxirinchus / oder Calpurnius den Käyser. Antonia färbte sich über dieser Auslegung /und sahe wohl / daß ihre Heimligkeit verrathen war /redete daher Julien an: Sie möchte ihr doch nicht verschweigen / welcher gestalt sie ihr in das innerste ihres Hertzens gesehen hätte. Julia versetzte alsofort: Mir hat es die Zauberin Medea entdecket; zohe auch hiermit Antoniens eigenes Schreiben heraus / dieses Inhalts:

Ich bin zu ohnmächtig dem Verhängnüsse und dem himmlischen Triebe meiner Seele länger zu widerstreben. Deine Tugend hat meiner Freyheit obgesiegt /und ich gestehe / daß meine Lucrinische Murene nur das Vorbild derselben sey / die mein Hertze an dir zeitlicher in geheim angebetet hat. Aber lasse dir zu deiner Vorsicht dienen / daß unsere Flammen so tieffer im Hertzen / als das ewige Feuer in Todten-Grufften verschlossen bleiben müssen / da sie nicht verleschen sollen.

[391] Antonia / als sie sich durch ihre Handschrifft überzeuget sahe / und nunmehr wahrnahm / daß ihre Zettel und des Drusus Schreiben mit einander verwechselt worden waren / meinte sie durch völlige Ausschüttung ihres Hertzens Juliens Gemüthe / als welches sie ohne diß dem Drusus verknüpfft zu seyn hielt / so viel mehr zu gewinnen. Also ließ sie sich heraus: Sie empfinde zwar in ihrer Seele die unergründliche Leitung der Götter zu dem Murena / und das Verhängnis hätte es nicht umsonst geschicket / daß sie dem / den sie vor so inbrünstig geliebet / noch die Erhaltung ihres Lebens dancken / und also auch das Unglücke ein Band zu Befestigung ihrer Liebe weben müste; sie erkennte auch für eine gütige Schickung des Himmels /daß Drusus / welchen die Menschen ihr sonst zueigneten / eine Abneigung für ihr / und sein Hertze ihrer so lieben Freundin gewiedmet hätte / gegen welcher sie seinethalber zu eysern ihr niemahls würde in Sinn kommen lassen / weil sie wohl wüste / daß die Natur zum Hohne der Liebes-Göttin Julien zu einer Gebieterin über aller Männer Hertzen gemacht / und die Macht alle Seelen zu bezaubern / iedoch auch die Gütigkeit iederman wohlzuthun verliehen hätte. Dieses letztere erwartete sie mit Ertheilung eines heilsamen Rathes / nachdem es so grosser Behutsamkeit ihre Liebe für der auffsichtigen Octavie zu verbergen /kluger Anstalt der Livia Absehen zu unterbrechen dörffen würde / weßwegen sie in tausenderley Kummer stünde / und nicht mehr als eine viertel-Sunde den Murena in einer geheimen Unterredung für allerhand Gefährligkeiten zu verwarnigen wünschte. Julia nahm Antoniens Offenhertzigkeit für eine neue Verbindligkeit auff; händigte gegen Empfang des von Drusus an sie gerichteten Schreibens Antonien das ihrige ein / und sprach ihr mit einer sonderbaren Freudigkeit zu / sie möchte ihr hierüber keinen Kummer machen / sondern sich ihr vertrauen / so wolte sie folgenden Tag sich mit dem Muräna zu unterreden ihr eine sonst iederman verschlossene auch unerforschliche Pforte eröffnen. Es wären ja Antonien so wohl der deutschen Botschafft zu Ehren vom Käyser gemachte Anstalt zu den Schau-Spielen / als die Beschaffenheit des grossen Schauplatzes zu Puteoli unverborgen /welchen der Käyser wegen des einsmahls vom Pöfel beschimpfften Rathherrn / dem niemand keinen Raum gemacht / derogestalt gebauet hätte / daß wie iede Person von hoher Ankunfft / also auch sie beyde ihren eigenen abgesonderten Platz und Eingang von aussen / die Sitze ihrer Fenster und Fürhänge / ja unten vielfältige verborgene Zimmer und Gemächer hätten. Wenn nun das Frauenzimmer bey Aufftretung der nackten Fechter und Ringer / da es ohne diß schon insgemein düstern würde / sich zurück zu ziehen pflegte / wolte sie mit ihrer Erlaubnüs durch ihre vertraute Leute schon die Anstalt machen / daß Antonia in den untern verhangenen Zimmern ihren liebsten Murena verträulich würde sprechen / und ohne einigen Verdacht von sich lassen können. Die treuhertzige Antonie umarmte Julien und stellte ihr frey alles nach ihrem Gutbefinden einzurichten / mit Bitte / daß sie selbst auch von ihnen unentfernet seyn wolte. Julia fuhr mit tausend Freuden von Antonien; schickte auch noch selbigen Abend durch einen ihrer Edelknaben an Murena diesen Zettel:

Nach dem seine Getreue sich mit ihm / volkommenster Murena / wegen wichtiger Angelegenheiten zu bereden hat / beliebe er morgen bey angehendem Ringen sich durch meinen Eingang in das untere Zimmer des Schauplatzes zu verfügen / welches er für sich nicht weniger / als das innerste meines ihm gewiedmeten Hertzens offen finden wird.

Dem Drusus schickte Julia in ihrem eigenen Nahmen einen Zettel eben dieses Innhalts. Folgenden Tages drang sich alles [392] Volck / was nur zu Puteoli war / in den Schau-Platz / also / daß alle Strassen gantz einsam blieben. Julia foderte auch selbst Antonien ab / und wormit der gemachte Anschlag ihr so viel weniger Verdacht verursachen könte / wenn ja iemand die Enlassung des Murena wahrnehme / erbot sie sich mit ihr die Stellen im Schau-Platze zu verwechseln. Es dienet hieher nicht / sagte Adgandester / die trefflichen Schauspiele zu erzehlen; diß aber kan ich gleichwohl nicht verschweigen / daß Hertzog Segimers Gesandter der Ritter von der Lippe damahls zwey wilde Ochsen mit einem Spieße von seinem Sitze herunter auff einen Wurff getödtet habe. Ungeachtet dieser und anderer vergnügender Begebnisse / machte doch die Gemüths-Unruhe der verliebten Julia und Antonia nicht allein die lustigen Schau-Spiele / sondern auch die annehmliche Gesellschafft mehr vergnügt / als die sonst traurige Einsamkeit verdrüßlich. Das Verlangen machte ihnen ieden Augenblick zum Jahre / und das offtere Auff- und zuziehen der goldgewürckten Fürhänge verrieth gleichsam ihre Ungedult. So bald nun das Ringen angehen solte / trat Antonia von ihrem Fenster wie andere Frauenzimmer ab / fügte sich / der Julien Abrede nach / ins untere Gemach / allwo sie bey schon tunckelem Abende von ihrem eingebildeten Murena auffs freundlichste bewillkommet und umarmet ward. Die Liebe / welche in solchen Begebenheiten eine stumme Rednerin ist / und daß beyde ohne diß laut zu seyn wegen der nahe daran stossenden fremden Zimmer nicht für rathsam achteten / verursachte / daß dieser zweyer gehender Liebhaber Irrthum / oder vielmehr Juliens Arglist länger als eine Viertelstunde verborgen blieb. Ja die keuscheste Antonia ward nach Geniessung unterschiedener Küsse endlich überwunden / daß sie dem / welchem sie sich bereit selbst gewiedmet hatte / auch einen Kuß zu geben unterwand / mit beygefügten Worten: Erkenne hieraus / liebster Murena / zu was für kühner Entschlüssung mich die Hefftigkeit meiner Liebe verleitet. Uber diesen Worten vernahm sie einen tieffen Seuffzer / und fühlte / daß der sie bißher Umfassende die Armen sincken ließ. Antonien kam diese Enteusserung seltzam und verdächtig für; also strich sie den Fürhang / der für einer in der Mauer vertiefften Ampel hieng / auff die Seite / welches Licht ihr den leibhafften Drusus für Augen stellte / beyde aber in ungemeine Bestürtzung setzte. Nach dem sie eine gute Weile wie Marmelbilder gegen einander gestanden /erholte sich endlich Antonia / und fing an: Gehe hin Drusus / ich glaube / daß du / wie ich / nicht aus Vorsatz / sondern aus Irrthum gesündiget hast; Glaube aber / wo du der Unschuld kein Laster auffbürden wilst / daß ausser dir kein Mensch ie Antonien geküsset habe / oder ihr lebtage mehr küssen werde. Sey auch vergewissert / daß meine Seele niemahls über deiner Kaltsinnigkeit empfindlich / noch gegen der göttlichen Julie eiffernd seyn wird. Denn da der Himmel zweyerley Einflüsse verträgt / und ein Stern verliebt / der andere abgeneigt macht; habe ich nicht Ursache mich zu verwundern / daß er wie der Magnet zweyerley Ertzt; also Drusus Antonien verwirfft / und Julien erwehlet. Ja wenn diese zu lieben ein Laster wäre / würde der Hoff gantz Rom verjagen / und sich selbst zur Wüsteney machen müssen. Weil sich dieses allhier begab / umhalsete Muräna in einem andern finstern Zimmer Julien / und sie ihn mit einer solchen Empfindligkeit / als eine so hefftige Liebe verursachen kan. Sie beantwortete des Muräna endliche Anredungen mit nichts als verliebten Seuffzern / und stillschweigenden Küssen. Wie nun aber eine ziemliche Zeit vorbey gegangen war / hob Muräna endlich an: Hat dich denn / liebste Antonie / deine Liebe gantz stumm gemacht? und vermag sie mir die angedeuteten wichtigen Angelegenheiten nicht [393] fürzutragen? Julia fing nach einem tieffen Seuffzer an: Wundere dich nicht / Muräna / daß die / welche dich hundert mahl brünstiger als Antonie liebet / daß die /derer gantze Seele in dir lebet / kein Wort auffbringen könne. Muräna vernahm mit höchster Bestürtzung /wie er verführet sey / zohe damit den Vorhang ebenfalls weg / und sahe / die für Begierde gläntzende Julia vor sich stehen; fragte hierauff mit etlichmaßiger Entrüstung: wie sie darzu käme / daß sie sich an derselben Platz und Recht stellete / die ihn dahin beruffen hätte? Julia antwortete für ihm auff die Knie sinckende: Allerliebster Muräna / übe deinen Zorn über die zu deiner Vergnügung aus / die sonst nichts gesündiget hat / als daß sie ihre Seele dir selbst auff dem Feuer der eussersten Liebe auffopffert; denn diese nimmt auch Wunden für Liebeskosungen auff. Glaube aber / daß du hier eben diese findest / die dich hieher beruffen hat. Ach Muräna! Zürnestu mit mir /daß mein Geburts-Gestirne alle Regungen in mir nach dem Einflusse deiner Vollkommenheit erweckt? Fürchtestu nicht / daß die Liebe mit grösserer Grausamkeit ihre Verachtung rächet / als sonst ihre Kräffte sind? Ach Muräna! bey dir stehet es ja wohl / daß du mich verschmähest; aber so wenig es in meiner Gewalt beruhet / dich nicht zu lieben / so wenig kan auch deine Gramschafft es verhindern. Mit diesen Worten umarmte sie auffs neue Muränen / der ihr aber einbrach: Wenn du mich liebtest / würdest du mich nicht in Untreu zu stürtzen trachten; und wenn du dir nicht selbst unhold wärest / würdestu deine Vergnügung nicht in der Unmögligkeit suchen. Die Liebe ist derselbe Vogel / welcher nicht als von seines gleichen gefangen werden kan / nehmlich der Gegenliebe / welcher du nicht fähig werden kanst / weil sie einer andern verpfändet ist. Julia versetzte: Ist Antoniens Liebe mir zuvor kommen in der Zeit / so überwiegt sie meine im Gewichte / und ist gegen meiner kalt Wasser. Hat Antonie ehe geliebt / so liebe ich hefftiger. Ach Muräna! meinestu / daß uns die Götter hier vergebens zusammen gebracht? meinestu / daß der Käyser und Octavia nicht fürlängst Antonien dem Drusus verlobet? Und wer weiß / ob du nicht noch heute erfährest / daß Antonia den Drusus eher als dich umarmet habe? Arglist wird sicher nicht besser verbergt / als unter dem Fürhange der Einfalt; und die Einbildung setzet die Falschheit bey uns mehrmahls in solch Ansehen / daß man sich auch mit offenen Augen verbländen läst. Was am wenigsten vermuthet wird / verleitet uns am geschwindesten. Ach Muräna! Hiermit erblaßte Julia; und sie wäre ohnmächtig zu Bodem gesuncken / wenn sie nicht Muräna erwischt /und mit Balsamen erqvicket hätte. Wie er sie sich aber wieder erholen sahe / hob er an: Julia überwinde dich / schone meiner / hoffe auff die Zeit / vertraue den Göttern / und gedencke / daß die Wunden der Liebe nicht alle mit dem Eisen geheilet werden / das sie zum ersten gemacht hat. Und hiermit trat er nicht weniger verwirret aus ihrem Zimmer und dem Schau-Platze / als er Julien bestürtzt sitzen ließ.

Ich lasse euch nachdencken / in was für Wellen das Hertze Muränens über so seltzamen Zufalle gewallet haben müsse. Aber es war hiermit bey weitem nicht ausgemacht. Denn als er aus dem Schau-Platze schriet / trat Antonie gleich auff ihre Sänffte; und ob er ihr gleich ins Gesichte fiel / schlug sie doch augenblicks das Antlitz von ihm weg / zohe auch überdiß die Fürhänge für / daß er sie darinnen nicht sehen konte. Wie er auch zu Hause etliche Stunden seinem Kummer nachgehangen hatte / aber weder sein Elend übersehen / noch selbtem abhelffen konte / ward bey ihm ein Freygelassener angesagt / der ihn selbst in Person sprechen wolte. Dieser übergab ohne einiges Wort dem Muräna ein Schreiben / kehrte auch unverwandten Fußes zurück. Muräna öffnete [394] es alsobald / und laaß darinnen nachfolgendes:

Unsere Liebe hat entweder eine seltzame Schickung der Götter / oder eine Boßheit der Menschen entzwey gerissen. Ja / was noch ärger / Antonia hat sich beflecket / also / daß Muräna mit ihr mehr keine Gemeinschafft haben kan. Deñ die einen fremden küsset / ist nicht fähig von einer so reinen Seele mehr Liebe zu geniessen. Heuchele mir nicht / daß ich unschuldig sey. Die Hermelinen seuffzen nach ihrem Tode / wenn sie auch wider Willen sich besudeln; Und nach dem die Vorsicht ein hundertäugichter Wächter der Keuschheit seyn solte / ist der bloße Irrthum bey dem Urthel-Tische der Liebe verda lich /und der von fremder Verleitung herrührende Fehler unausleschlich. Vergnüge dich daran / daß sie dich geliebet / so lange es die Tugend verstattet / und daß sie dich für dem erkieset / den ihr die Ehrsucht fürschlug. Muthe mir aber dißfals ferner nichts zu / wormit weder Antonia nach verletzter Liebe auch die Höffligkeit beleidigen / noch Muräna an vergebener Hoffnung Schiffbruch leiden / und mit Ungedult sich anderwärtiger Beglückseligkeit unwürdig machen müste.

Muräna gerieth über diesem Absagungs-Brieffe Antoniens in halbe Verzweiffelung / nach etlichen ohne Trost in tieffer Einsamkeit hingelegten Tagen und ohne Schlaff verlohrnen Nächten erkühnte er sich bey Hofe einzufinden / um noch etwan aus Antoniens Antlitze / nicht anders als aus seinem Geburts-Gestirne seine Erhaltung oder Untergang zu erkiesen. Aber da ging der Welt wohl dreymahl ihre / dem Muräna aber niemahls seine Sonne auff / und es war von der sonst nicht so einsamen Antonia kein Schatten zu sehen / biß daß der Käyser und der gantze Hoff nach Rom auffbrach / und er Antonien von dem Drusus an der Hand ins Schiff begleiten / für ihm selbst auch nicht undeutlich die Augen niederschlagen sahe. Muränen hätte hierüber das Hertze zerspringen mögen /und er ward genöthiget um seine Schwachheit nicht zu zeigen / sich aus dem Gesichte des Volckes zu entziehen / ja er verlohr sich auch endlich gar für aller Römer Augen.

Unterdessen aber sann Julia / ihren Ausschlag in Rom vollends auszuführen / nach; worzu ihr denn die Natur genugsamen Witz / ihre hefftige Liebe mehr deñ zu viel Kühnheit / ihre ausbündige Schönheit und Anmuth / darmit sie sonst / wen sie nur wolte / bezauberte / satsame Gelegenheit verliehe; Weil sie aber gleichwohl Muränens Meister zu werden nicht getrauete / so lange Antonia entweder bey Leben / oder in der Freyheit-Muränen zu lieben gelassen würde /ihr auch so wohl die Herrschsucht Liviens / als ihr Absehen / daß Drusus Antonien heyrathen solte / unverborgen war; ließ sie einmahls / als sie aus Liviens Zimmer ging / gleich als wenn sie solches ungefehr heraus zöge / das vom Drusus an sie abgelassene Schreiben fallen. Die vorwitzige Livia / die ohne diß auff der wollüstigen Julia Buhlereyen fleißige Kundschafft legte / nahm solches zwar wahr / verschwieg es aber / und hob selbtes / als Julia schon weg war /begierig auff. Sie hatte aber kaum mit eusserster Gemüths-Veränderung ihres Sohnes eigene Handschrifft / und daraus so wol seine gegen Julien ausgelassene Liebe / als die Abneigung gegen der in ihren Augen allzu liebenswürdigen Antonia wahrgenommen; Als sie dem Käyser des Drusus Beginnen fürtrug. Die vorhin zwischen beyden getroffene Abrede / und daß sie allerdinges den Käyser in Händen hatte / brachte unschwer zu wege / daß Augustus mit eigener Hand Livien auff ein Papier schrieb: Es ist mein gemessener Wille / daß Drusus sich alsofort an Antonien vermählen soll / weil es zu Befestigung des Reichs / zum Auffnehmen unsers Hauses / und beyder selbst eigenem Wohlstande gereichet. Denn die kluge Livia meinte / der dem Käyser ohne diß in der Schooß sitzende Drusus habe [395] nicht nöthig seine Hoffnung zum Käyserthume durch Heyrathung der Julia zu befestigen. Weil aber es gefährlich schien / so ein grosses Absehn nur auff zwey leicht verfallende Augen zu stellen / wolte sie ihrem andern Sohne dem Tiberius gleichfals ans Bret helffen / und also arbeitete sie an einer Vermählung des Tiberius mit Julien. Livia machte ihr folgenden Tag eine Lust-Reise auf des Käysers Vorwerg / welches zwischen dem Aricinischen Walde / und dem See / den man den Spiegel Dianens nennet / gelegen ist; nahm dahin aber niemanden als ihren Sohn den Drusus / und Octavien nebst Antonien zu sich. Des Morgens war sie unter dem Scheine der Andacht gar früh auf / und die gantze Gesellschafft muste mit ihr über den See in den gegen über liegenden Tempel fahren / darinnen die Göttin Diana / welche sich in diesem rundten See offt bespiegelt haben soll / insonderheit von denen / die zu heyrathen vorhaben / andächtig verehret wird. Nach verrichtetem Gebete / welches sie mit Fleiß zeitlicher als Octavia und Antonia abbrach / nahm sie ihren Sohn Drusus bey der Hand / und führte ihn in die nahe darbey gelegene Höle der Egeria / sie setzte sich auf das Marmel-Bild des Neptunus / Drusus auf das der Thetys / derer iedes ein starckes Qvell von sich spritzte. Hierauf fing Livia an: Du weist / lieber Sohn / daß die Mutter-Liebe eine der heftigsten Gemüths- Regungen unter allen Müttern / ich aber die sorgfältigste für ihre Kinder sey. Denn du irrest / da du dir einbildest / daß meine Schönheit oder ander Liebreitz den Käyser mir biß auf diese Stunde so unabsetzlich verknüpfet halte / welcher des Servilius Isauricus holdselige Tochter seine Braut noch für der Vermählung nicht aus Staats-Sucht / des Antonius schöne Tochter die junge Fulvia / noch ehe er sie erkennet /nicht wegen Zwytracht mit ihrer unverträglichen Mutter / die fruchtbare Scribonia nicht wegen ihrer Eifersucht / sondern alle drey aus blosser Lüsternheit und Eckel verstossen hat. Glaube hingegen vielmehr / daß ich wegen deiner alle Verdrüßligkeiten verschlucket /alle Verläumbdungen der vom Käyser verstossenen Scribonia verschmertzet / alle Schleen des Unglücks ihm verzuckert / und mich mehrmals zur Magd gemacht habe / umb mich nicht so wohl in der Würde einer Käyserin / als dich in dem Vortheil eines Käyserlichen Sohnes zu erhalten. Der Himmel hat in meine Segel alle gute Winde blasen lassen / also / daß Augustus sich nicht so wohl einen Herrn der Welt /als ich mich eine Beherrscherin des Kaisers zu rühmen habe. Eines fehlet mir nur noch zu meiner vollkommenen Glückseligkeit / nehmlich die Unsterbligkeit / welche mich über die Staffeln alles irrdischen Wohlstandes erhebe. Diese suchet nun zwar die Heucheley in der eitelen Vergötterung / ich und die Wahrheit aber in rühmlichen Nachkommen. Denn wie kan ich mich bey der Welt und Nachwelt scheinbarer verewigen / als wenn ich meine Kinder und Kindes-Kinder auf den Römischen Käyser-Stuhl setze? Diese Würde / hertzliebster Drusus / hänget dir zu / nicht nur vom Verhängnüsse / und meiner Fürsorge / in der ich so gar deinen Bruder Tiberius / welchem das Alter sonst das Vor-Recht zueignet / dir nachgesetzet; sondern schon selbst von der Zueignung des Käysers. Alleine der Grund des Glückes ist so voller Trübsand /daß in selbtem schwerlich ein Ancker haftet; und die Gewohnheit der Fürsten ist so wetterwendig / daß selbte mehr als mit einem Nagel muß angeheftet werden. Du bist mit dem Augustus ja durch mich verknüpfet; aber solte ich das Haupt legen / dörfte so wohl meine Hoffnung als dein Aufnehmen verfallen. Diesemnach habe ich auf eine neue Verbindung mit ihm gesonnen / keine aber ist nachdrücklicher als des Geblütes. Fremde Tugend ist in unsern Augen Zwerges-Art / aus unserer Anverwandten Mittelmässigkeiten aber machen wir Wunderwercke. Schaue dich nun selbst in dem grossen Schau-Platze [396] der Welt umb; ich zweifele / daß weder die Liebe noch die Ehre dir eine vollkommenere Gemahlin auslesen könne / als die der Käyser und ich dir bestimmet / nehmlich die unvergleichliche Antonia. Diese hast du nunmehro ohne fernere Zeitverlierung zu erkiesen / da du den Käyser vergnügen / mich erfreuen / und dein eigenes Glücke befestigen wilst. Drusus fiel nach beschlossener Rede Livien zu Fusse / und fing gegen ihr an: Ich würde /allerliebste Mutter / für ihr erstummen müssen / wenn gleich Kinder andern Müttern ihre Wolthaten verdancken könten. Denn ich erkenne die Ubermaaß ihrer Verdienste / und das Unvermögen meiner Abschuldung. Sie hat mich geleitet zur Tugend / und das Thor aufgeschlossen der Ehren. Ich erkenne ihre wohl-gemeynte Abzielung / und ich werde über ihren Urtheln keinen höhern Richter suchen. Aber nachdem hohe Würden zwar durch Verbindnüsse befestiget / durch die Tugend aber erworben werden müssen / düncket mich / ich würde durch Ubereilung mich selbst stürtzen / da ich nicht den Ansprung von der Tugend nehme. Meine Kriegs-Ubungen sind allererst Erstlinge der Tapferkeit / keine Thaten / die einen Kaiserlichen Stuhl behaupten könten / welcher auf Klugheit und Hertzhaftigkeit gegründet werden muß; welches letztere zwar angebohren / das erstere aber durch Erfahrung erlanget werden muß. Die hierzu nöthigen Ausübungen aber würde Zweifels-frey hindern / wo nicht gar stören eine übereilte Heyrath / als der wahrhafte Stein des Anstossens derer / die auf der Renne-Bahn der Ehren gleich rühmlich einlegen / ja auch einen guten Vorsprung haben. Denn ein sich verheyrathender giebet dem Glücke / welches sonst über die Tugend nichts zu gebieten hat / schon den Zügel in die Hand. Da er vor nichts als Ehre zu gewinnen trachtete / fürchtet er hernach nichts als sein Weib und Kinder einzubüssen / welche ihm bey allen kühnen Unterfangungen für dem Gesichte herumb irren /und nicht anders als traurige Gespenste alles Unglück wahrsagen. Er ist lüstern nach dem Rauche von Ithaca / und verspielet darüber etliche Länder; er seufzet nach seiner Penelope / und vergisset des unsterblichen Nachruhms; er waget keine Schlacht unter dem Vorwand des ermangelnden Befehls von Hofe; er hebet Belägerungen der schon sich zur Ergebung verstehenden Festungen auf / wormit er nur das Bette seines ihn in geheim beruffenden Ehweibes besteigen könne. Er schätzt es für Grausamkeit seinem Hause Abbruch thun / wenn er schon sein Vaterland darüber in Stich setzt. Sein Kummer bestehet in dem / was er seinen Kindern verlassen / und wie er seinen Söhnen die Anwartschafft der Aempter zuwege bringen möge; sie mögen gleich darzu geschickt seyn oder nicht. Antonius ist durch Cleopatren von der höchsten Staffel in Abgrund verfallen; und der grosse Mithridates hat /umb sich selbst den Fesseln und Untergange zu entziehen / seine Sebel in seiner eigenen Gemahlinnen Blute waschen müssen. Ja das Oppische und andere Gesetze hat den Landvögten ihre Ehe-Weiber in die zu Verwaltung anvertrauten Länder mitzunehmen verboten. Sintemal dieses Geschlechte beym Frieden Uppigkeit / beym Kriege Schrecken / beym Aufbruche Unordnung / bey den Männern Mißbrauch der Schatzungen / bey den Unterthanen Schwürigkeit verursacht / und / wie viel Schwachheiten selbtem gleich ankleben / doch bey gutem Glücke sich aus Ehrgeitz des Gebietens anmasset. Nach dem sich denn die dem Vaterlande und denen Seinigen schuldige Liebe so schwer eintheilen läst / zweifele ich nicht / es werde die / von der ich nicht nur das Leben / sondern auch den Reitz zur Tugend erlangt / ihr mehr meine zu rühmlichen Entschlüssungen dienende Freyheit gefallen lassen / als selbten durch frühzeitige Verheyrathung einen Kapzaum anlegen. Livia begegnete dem Drusus: Er thue dem heiligen [397] Ehstande Gewalt und Unrecht an / wenn er wegen etlicher Fehler eine an ihr selbst so gute Sache verdamme. Aus dem besten Weine machte der Mißbrauch den schärffsten Essig /und aus den gesündesten Speisen das schädlichste Gift. Ein tugendhaftes Ehweib verlerne alle weibliche Laster bey Anmassung männlicher Verrichtungen. Es wäre ohne Noth der tapfern Semiramis und der streitbaren Amazonen zu erwehnen. Wie vielmal habe in den Römischen Lägern eine Frau die Stelle des Feldherrn vertreten / die tapfern Kriegsleute aufgemuntert / die Armen begabet / die Krancken gepfleget / die Verwundeten verbunden? Bey den rauhen Deutschen /derer Hertzhaftigkeit er bereits erfahren / schlüsse der Mann sein Weib nicht aus den Schrancken der Tugend / noch aus den Gefährligkeiten des Krieges. Sie wäre eine unabtrennliche Gefertin seiner Bemühung und Ebentheuer / und sie streite neben ihm in den Schlachten; ja sie bringe zu Aufmunterung seiner Hertzhaftigkeit ihm nichts als ein gesatteltes Pferd und eine Rüstung zum Braut-Schatze zu. Man habe für etlicher Zeit erstarret / wie daselbst eine Fürstin im Krieges-Rathe so klüglich vorgesessen / die Heere gemustert / die Lauff-Gräben besichtigt / die Befestigung angegeben / die Stürme angeordnet / ihr Hembde zu Pflastern für geqvetschte Kriegs-Leute zerschnidten / und gewiesen / daß Blitz und Schwerdter nicht allein für die Männer gewiedmet sind. Dencke diesemnach zurücke / mit was für Rechte du den Eh-Stand schiltest / und unserm Geschlechte beymissest / daß es einen Riegel der Tugend fürschübe /und ein Werckzeug Laster sey? Jener hat freylich keine Beschwerden / aber auch seine Gemächligkeiten. Der wahrsagende Apollo gab dem weisen Socrates zur Antwort: Er möchte sich verheyrathen oder nicht /so würde er bereuen / was er thäte. Das Verhängnüß gibet unsern Anschlägen den Ausschlag / nicht unsere Behutsamkeit. Wenn die Stadt Athen gleich die schli sten Rathschläge erwehlte / richtete doch die Minerva alles zum Besten. Dieses heisset dich dein bißheriger Glücks-Stern ebenfalls hoffen. Der Eh-Stand / das Ansehn der Kinder ist mehrmals ein Sporn zur Tugend und tapferen Helden-Thaten. Der grosse Julius hat alle seine Thaten ausgeübet / nach dem er sich mit des Piso Tochter vermählt gehabt. Ich selbst bin mit dem Augustus in die Morgen- und Abend-Länder gereiset. Kan man mich aber beschuldigen / daß ich ihm einigen Verdruß / seinen wichtigsten Reichs-Geschäfftẽ einige Hindernüß verursacht habe? Hingegen wirst du es mit der Zeit erfahrẽ / was eine Frau ihrem aus der Schlacht ko endẽ und ermüdeten Ehmanẽ für eine Erleichterung schaffe. Uberdiß untersucht man zu spät und umbsonst / ob diß thulich sey / was schon der verfüget / dem man schlechter Dinges zu gehorsamen schuldig ist. Mit diesen Worten reichte Livia ihrem Sohne des Käysers Befehl. Drusus färbte sich etliche mal über den wenigen Zeilen; fing hierauf an: Er wäre versichert / daß Augustens Vorsorge zu seinem Besten angezielet sey. Aber nach dem die Wichtigkeit des Werckes Zeit und Nachdencken / Heyrathen einen gantz freyen Willen erforderten; versehe er sich weder einiger Ubereilung noch einigen Zwanges. Livia begegnete ihm: Des Käysers und mein Absehen ist dir heute nicht neu /und es ist seit deiner Wissenschafft mehr Zeit / als drey Heyraths Berathungen erfordern / vestrichen. Die Freyheit nach seinem Belieben zu heyrathen ist ein Vorrecht des Pöfels. Der Adel aber / der in so viel andern den Vorzug hat / muß ihm diesen Kitzel vergehen lassen. Denn wo dem Reiche und der gemeinen Ruhe etwas daran gelegen / bestehet die Wahl der Braut bey dem Fürsten / nicht bey dem Urthel eines lüsternen Auges. Es ist Klugheit / sich so wohl Fürsten / als das Verhängnüß bey der Hand leiten / nicht mit den Haaren ziehen lassen. Die Götter haben [398] dem Käyser das höchste Urthel über alle Dinge gegeben /dem Drusus aber nur die Ehre eines Gehorsams übrig gelassen. Drusus versetzte: Er wüste in alle Wege die neue Art der Dienstbarkeit / daß hohe Häuser aus der Hand der Fürsten ihre Liebsten empfangen müssen /wormit diese entweder ihre Buhlschafften wohl angewehrten / oder vermögende Geschlechter durch Vermählung armer oder niedriger Dirnen / in mittelmässigen Schrancken behielten / oder durch Antrauung ihrer Baasen / welche einen Königlichen Unterhalt erforderten / ihnen ein und andere Schwung-Feder ausraufften. Wiewohl nun alles diß in gegenwärtigem Falle nicht einträffe; iedoch die Gütigkeit des Käysers ihn etwas bedenckliches besorgen / ja sich auch diese Gewalt der Fürsten nicht iegliche Heyrath zu erlauben weder tadeln / noch hintertreiben liesse; so wäre doch noch niemals in Schwung kommen / daß man einem wider Willen zu heyrathen schlechter dings aufbürdete. Denn diese Annöthigung hätte in sich ungleich mehr Dienstbarkeit / als jene Verweigerung. Und die Gesetze erlaubten diesen Zwang auch so gar nicht der väterlichen Gewalt. Livia stund mit Entrüstung auf /und fing an: Drusus / Drusus / kanst du es wohl übers Hertz bringen / einer dich so hertzlich liebenden Mutter Einrathung so verächtlich in Wind zu schlagen? Traust du es wohl zu verantworten / dessen Gewalt der väterlichen nachzusetzen / welchen iedermann für den Vater des Vaterlandes verehret? Drusus antwortete mit tieffster Demütigung: Ich entschlüsse mich zu verehlichen / allerliebste Mutter / wenn sie es ja für gut ansihet. Aber warumb redet sie mir nicht das Wort bey der unvergleichlichen Julia? Und da mir der Käyser so wohl wil; warumb gönnet er mir nicht lieber seine Tochter / als seine Baase? Livia begegnete ihm mit mehrer Heftigkeit: Meynst du / ich wisse nicht / daß hier der Hund begraben liegt / und daß die Gestalt der dich doch verschmähenden Julia dich gefesselt habe? Hiermit zeigte sie ihm den gefundenen Brief. Aber laß dir diese Einbildung nur bey Zeite vergehen / und schlag dir so schädlich und unmöglich Ding alsbald aus dem Sinne. Mache dir aus einer flüchtigen Schönheit keinen Abgott; zünde der in deinem Hertzen keinen Weyrauch an / welche ihren Leib zu einem stinckenden Grabe vieler Uppigkeiten machet. Meynst du bey Julien einen Uberfluß der Annehmligkeit zu finden / welche ihre zwey Männer Marcellus und Agrippa / für längst abgemeyet? Wolte aber Gott! es wäre keine frembde Sichel in ihre Erndte kommen! Aber leider! diese irrdische Sonne hat ihre Straalen iedermann gemein gemacht / in dem aber hat sie es der Sonne nicht nachthun wollen / daß wie diese niemals ohne die Morgen-Röthe aufgehet / also sie sich aus Schamhaftigkeit iemals gefärbet hätte. Hingegen verschmähest du die noch frischen Knospen Antoniens / welcher die Keuschheit selbst aus den Augen siht / und die / welche der Käyser für seine Tochter aufgenommen / weil er Julien solcher Ehre nicht mehr würdig schätzt. Ich bin froh / daß du keine blinde Liebe zu Antonien trägst / weil du sie ehlichen sollst. Denn die unvernünftige Begierde ist ein Leitstern zu einer unglücklichen Heyrath / und verliebt seyn ein wahnsinniger Geferte der Ehleute. Dieser erstes Kind ist die Eifersucht / und das andere Haß. Die Eh soll eine Art der vollkommensten / und also auch der tauerhaftesten Freundschafft seyn. Weil nun aber der Verliebten Trieb ein schneller Feuer ist / als der Blitz / welcher zwar alles einäschert / aber selbst bald verschwindet; hat selbter keine Geschickligkeit den unverzehrlichen Zunder einer so beständigen Vereinbarung lange zu unterhalten. Die unter der Asche glimmenden Kohlen halten länger Feuer / als die in der [399] Glut krachenden Wacholder-Sträuche; und daher dienet die lodernde Julia zwar besser zur Buhlschafft /die laue Antonia aber ist unzehlich mal geschickter zur Gemahlin. Jene darff nur gläntzende Schalen; diese aber muß im Kerne gut seyn. Ist deine gute Vernunft aber nicht geneigt diesen wichtigen Unterscheid zu beobachten / so wird zuversichtlich deine Tugend der Natur Krieg anzubieten nicht gemeynt seyn. Die Natur / sage ich / verbeut dir die Gemeinschafft / wie vielmehr das Ehband mit Julien / nach dem du mich ja zwingest ein Geheimnüß auszuschwätzen / was nur ich und noch eine Seele weiß. Ach! mein Drusus! wie weit irrest du / wenn du dir einbildest / daß du ein Sohn des Tiberius Nero heist. Nein Drusus / weit gefehlt! Erkenne heute den Käyser für deinen Vater. Und daß Livia dem Augustus ehe vermählt gewest /ehe er sie aus dem Hause des Nero in seines genommen hat / daß die schwangere Livia im dritten Monden ihm keinen Stief-Sohn gebohren. Ob nun wohl Livia hier etwas anhielt / sahe sie doch Drusus alleine ohne eintziges Wort groß an / also / daß sie fortfuhr: Erwege nun / liebster Sohn / was der Käyser für Macht über dich habe? was Augustus für Liebe und Sorge für dich trage? und warumb er dir mit Antonien das Käyserthum für deinem älteren Bruder Tiberius /ja die Sonne zuzuneigen entschlossen sey? warumb er dir deine Schwester nicht vermählen könne? Drusus sanck hierauf für Livien abermals nieder / mit beygesetzten Worten: Ich dancke den Göttern und ihr / daß sie mich heute zu einem Sohne eines so grossen Käysers machen. Ich unterwerffe mich schuldigst seinen und ihren Verfügungen. Ich erkläre mich Antonien zu heyrathen. Aber ich sorge / daß Antonie schwerlich mich zu ehlichen belieben werde. Darfür lasse mich sorgen / antwortete Livia / und ging hiermit aus der Höle. Wie sie nun vernahm / daß der Priester der Dianen / welcher allhier gar mit dem Titul eines Königs beehret ward / mit Octavien und Antonien gegen dem Nemorensischen Lust-Walde / in welchem Diana den zerrissenen und wieder zum Leben gebrachten Hippolytus der Egeria anvertrauet haben soll / gegangen wäre; folgte sie ihnen nach / fand sie auch neben einem Brunnen beysammen auf einem vom Wetter niedergeschlagenen Myrten-Baume sitzen. Wie sich Livia nun neben sie verfügt hatte / hob sie an: Liebste Antonia / sie weiß / was der Käyser von Kind auf zu ihr für Zuneigung gehabt / und wie rühmlich er die Stelle ihres unglückseligen Vaters vertreten habe. Ich aber betheure bey der Gottheit / welcher dieser Pusch geweihet ist / und in Beyseyn dieses heiligen Priesters / daß ich mit Octavien eifere / da ihre mütterliche Liebe meine überwiegen solte. In was aber mögen wohl Eltern ihre Fürsorge mehr an Tag geben / als in glücklicher Vermählung ihrer Kinder? Und wen kan Antonia erwüntschter heyrathen / als der mit der Zeit den höchsten Gipfel in der Welt besteigen soll? Sie kan unschwer urtheilen / daß ich den Drusus meyne. Ich mag ihm als Mutter nicht das Wort reden / Rom aber und die Welt redet es. Und der Käyser hat mir in Mund gelegt meine ietzige Ausschüttung des Hertzens. Das Antlitz Octaviens gibt ihr schon ihre Einwilligung zu verstehen. Also erwarte ich nur von ihr eine mir und dem Käyser annehmliche und ihr selbst ersprießliche Erklärung. Antonia röthete sich über diesem unvermutheten Vortrage etliche mal / und nach dem sie ihre Mutter angesehen / auch einen tieffen Seufzer geholet hatte / antwortete sie: Ich bin verbunden diß / was das Verhängnüß beschlossen / der Käyser befiehlet / Livia verlanget / Octavia genehm hat / und Drusus belieben wird / zu vollziehen. Livia umbhalsete mit Freuden Antonien / und machte [400] daß sie sich sämtlich mit einander wieder in Tempel Dianens verfügten; unferne aber darvon für ein glückseliges Zeichen wahrnahmen / daß ihnen zwey Turteltauben entgegen geflogen kamen. Wie nun Drusus auf Liviens Verfügung auch im Tempel erschien / eröfnete sie ihm ihre bey Antonien nach Wunsch verrichtete Werbung; und also musten beyde / Drusus und Antonia / derer iedes auf des andern Unwillen sich verlassen hatte / für dem Altare der Diana ihr Verlöbnüß vollziehen. Und nach dem sie Dianen zwey weisse Ochsen / dem Pilumnus aber auf einem nahen Hügel eine Ziege geopffert hatten / kehrten sie zurück in das Vorwerg des Käysers / und den dritten Tag nach Rom / allwo das Beylager mehr mit Liviens und Juliens /als der vermähleten Freude aufs prächtigste vollzogen ward. Denn die Liebe des Drusus war gegen Julien derogestalt eingewurtzelt / daß er Liviens Vorgeben /als wenn er und Julie der Scribonia Tochter vom Vater Geschwister / und beyde des Augustus Kinder wären / mehr für eine kluge Erfindung / als für Warheit aufnahm. Antonien aber blieb Julie ein steter Dorn in Augen; in dem sie die Zerstörung der Liebe zwischen ihr und dem Lucius Muräna / dessen Verbergung ihr Angedencken nicht ausleschte / der arglistigen Julia alleine zuschrieb.

Hingegen vermochte die Vielheit der Liebhaber Julien derogestalt nicht zu ersättigen / daß sie nicht so wol den Drusus in seiner gegen ihr gefangenen Liebe unterhielt / und wormit sie nicht gar verleschte / nach und nach mehr Zunder verlieh; als nach dem unerforschlichen Muräna Tag und Nacht seufzete. Unter ihren anwesenden Liebhabern aber war bey ihr keiner mehr gesehen / als Julius Antonius / ein Römischer Jüngling hohen Geschlechtes / grossen Vermögens /und ausbündiger Schönheit. Diesen hatte sie mit ihrem Liebes-Reitze derogestalt bezaubert / daß sie ihn mit einem Augenwinck / wie der Mohr den Elefanten / gleich als an einer Schnur leiten konte. Nebst dem war er entweder so verblendet / daß er Juliens Zuhalten mit andern Liebhabern für eine in blosse Höfligkeit eingeschrenckte Freundligkeit ansah; oder die seine Liebe überwiegende Ehrsucht verursachte /daß er zu Juliens Uppigkeiten ein Auge zudrückte; nach dem er ihm nebst Juliens Heyrath von künfftiger Besitzung des Käyserthums was süsses träumen ließ. Julia merckte des Julius Antonius Absehn nicht allein wol / sondern sie wuste auch meisterlich ihn mit dem Winde dieser Eitelkeit zu speisen. Endlich meinte er: Er sässe nicht allein Julien / sondern dem Glücke selbst in der Schooß; Als sie es beym Käyser durch Vorbitte / bey denen vorhergehenden Bürgermeistern /Qvintus Fabius / und Qvintus Elius Tubero durch ihre fast iederman feile Schönheit zu wege brachte / daß Julius Antonius Römischer Bürgermeister ward. Diesem aber schrieb sie zugleich alsobald für / daß er den wiewol abwesenden Lucius Muräna zum Stadtvogte erkiesen / und ihn durch offentliche Ausschreibungen im Römischen Reiche darzu laden muste. Hierdurch ward Muräna / der inzwischen aus Verdruß sich in das Cilybeische Gebürge versteckt / und zu einer freywilligen Einsamkeit verdammt hatte / gezwungen nach Rom sich zu verfügen / und die ihm vom Vaterlande aufgetragene Aempter / derer sich ohne Unehre seines Geschlechtes niemand entbrechen dorfte / aufbürden zu lassen. Muräna war kaum nach Rom kommen / als Julia alle Künste ihres Liebreitzes herfür suchte sein Hertz zu erweichen. Sie verschloß ihre Ohren für aller voriger Liebhaber Anbetungen / und alle Röhren ihrer gewohnten Annehmligkeit gegen gantz Rom / um solche nur über den unerbittlichen Muräna auszuschütten; entweder weil sie noch keinen Menschen so inbrünstig / als diesen / liebgewonnen hatte / oder weil sie es ihr für einen grossen Abbruch hielt / da einigen [401] Menschens Kaltsinnigkeit sich ihres Liebreitzes erwehren solte. Die Magnet-Nadel wendet sich so begierig nicht nach dem Angelsterne; die Sonnenwende nicht nach dem grossen Auge der Welt; als ihre Begierde auf den Muräna gerichtet war. Sie brauchte tausenderley Erfindungen sich in die Versammlungen / wo er befindlich war / einzuspielen; Und wie sehr er sich ihrer zu entschlagen bemühet war / wuste sie ihn doch unterschiedẽne mal so künstlich zu besetzen / daß er ihrer einsamen Beredung sich nicht entbrechen konte. Einsmals kamen sie in den Gärten an der Tyber / welche Käyser Julius dem Römischen Volcke vermacht hatte / zusammen; da sie denn alles euserste ihn zu gewinnen verfuchte. Julia brachte den Muräna gleich zwischen den vom Ascalon nach Rom gebrachten Bilde der gewaffneten Venus / und des Träzenischen Hippolytus zu Stande. Siehest du wol / fing sie an / Muräna / was das Verhängnüß auf beyder Seiten deiner Hartnäckigkeit für heilsame Warnigungen fürstelle? Glaubst du noch /daß die Liebe nur ein nacktes Weib / nicht eine gewaffnete Göttin sey; welche ihre Verschmähungen zu rächen nicht vermöge? Müssen ihr nicht die mächtigsten Götter Beystand leisten / und der kalte Neptun seine Meer-Ochsen leihen / daß sie an dem unholden Hippolytus ihre Rache ausüben? Wenn ich nicht wüste / daß Muräna einsmals ein Gefangener der todten Antonia gewest wäre / müste die lebhaffte Julia sich nur bereden / Muräna hätte von sich selbst eine so grosse Einbildung / daß er sich selbst unter allen Sterblichen nur liebenswerth / die gantze Welt aber für verächtliche Spreu hielte. Wie aber / haben dich seit der Zeit deine Meinungen bezaubert / daß du alle andere zu verwerffen / und allen Liebreitz zu verlachen entschlossen bist? Hältest du es für einen Schandfleck einem Frauenzimmer den geringsten Stand in deinem Hertzen zu enträumen? Oder wilst du die Liebe der brennenden Julie zu einem Sieges-Zeichen deines unempfindlichen Hochmuths aufrichten? Augen / Mund und Brüste leereten alle ihre Köcher der Anmuth aus / um diesen unerbittlichen oder steinernen Menschen zu bemeistern. Daher / wie der härteste Marmel endlich von den Regen-Tropffen abgenützet / und das festeste Ertzt von öfterem Anstreichen eines weicheren Seiles zerkerbet wird; also erweichte endlich entweder die heftige und beständige Liebe so einer irrdischen Göttin / oder die Hofnung künfftiger Dinge / welche alles viel herrlicher fürbildet / wenn das Glücke einem die gehabten aus den Händen reist / fürnehmlich aber die Anwartschaft höchster Ehrenstaffeln / des Muräna steinernes Hertze / daß er Julien anfänglich anzuschauen / hernach zu hören / ferner ihr günstig zu werden / und endlich sie zulieben anfing. Höret aber / wie die Eifersucht auch nach erloschener Begierde und aller verschwundenen Hoffnung noch so scharfsichtig und mißgünstig sey. Die keusche Antonia / welche nunmehr mit ihrem Drusus sich vergnügte / und des Muräna zu genüssen die Unmögligkeit für Augen sahe / war gleich die erste / die Muränens verliebte Veränderung wahrnahm / und das gröste Unvergnügen schöpffte / daß sie Julien mit dem Siegskrantze der Liebe prangen / und aus ihrem unwiederbringlichen Verluste ihre Nebenbuhlerin so bereichert sahe. Nachdem sie nun ihr von der Käyserin Livia unschwer fürbilden konte / daß ihr Absehn mit Julien weit anders wohin / als auf den Lucius Muräna gerichtet war; entschloß sie nach langem zweiffelhafften Nachdencken sich an Julien mit eben dem zu rächen / wormit sie von ihr beleidiget worden war. Muräna hat nach seiner Zurückkunft nach Rom der nunmehr aus des Drusus Armen unabtrennlichen Antonia das von der Julia empfangene Liebes-Schreiben / welches er für Antoniens hielt / zurück gesendet / gleich als wenn er sie dardurch aus sonderbarer Höfligkeit ihres ihm gethanen Verbündnüsses befreyen wolte; Antonia aber allererst hieraus er grübelt / [402] daß durch Julien die Verwechselung im Schau-Platze zu Puteol mit Fleiß angestifftet worden wäre. Diesemnach ereignete sich / daß Muräna und andere junge Römer in denen Servilischen Lustgärten mit Julien und anderm Frauenzimmer sich in allerhand Kurtzweil-Spielen belustigte / und von ieder Person der zu ihrer aller Richterin erkieseten Livia ein Pfand eingeliefert ward; welches sie hernach wiewohl mit verbundenen Augen wieder verwechselte / und von der Person / die es zu sich genommen hatte / nebst einem Sinnspruche zurück empfing. Antonia wolte diese Gelegenheit nicht aus den Händen lassen / und als ihr ungefehr Muränens Handschuch zukam / steckte sie an statt des Sinnspruches der Julia Schreiben darein. Wie nun Livia in denen verwechselten und zurück bekommenen Pfändern die Sinnsprüche / um über ein-oder andern Theiles Scharfsinnigkeit zu urtheilen / eröfnete / und auf Juliens Schreiben kam / verstummte sie eine gute Weile; iedoch verstellte sie ihre Veränderung möglichst; also / daß selbter auser Antonien niemand eigentlich gewahr ward. Gleichwol brach sie kurtz hierauf das Spiel ab / zohe den Käyser auff die Seite / und weiste ihm seiner Tochter Handschrifft; nichts weniger ihr einbildende / als daß Antonia solches ihr zugesteckt / sondern vielmehr / daß es Muräna vergriffen hätte. Augustus / welcher nach der Art grosser Fürsten sich mehr um diß bekümmerte / was in denen entferntesten Welt-Enden als in seinem Hause sich zutrug / ward über Julien heftig erbittert. Denn ober zwar seine Tochter vorher / nachdem ihr erster Ehmann Marcellus auff Liviens Anstifften vom Artzte Antonius Musa durch kalte Bäder getödtet war / dem vom niedrigerm Uhrsprunge herrührenden Agrippa vermählet hatte; so war er doch schon vorher mit dem Käyser beschwägert; in dem er der Octavia Tochter Marcella zur Eh gehabt / seine Siege wider die Gallier / sein Meer-Bau bey Bajä / sein See-Sieg wider den Damochares und Sextus Pompejus / seine hohe Würden / und das mehrmahl verwaltete Bürgermeister-Ampt hatten ihn auch schon auf eine so hohe Staffel erhoben / daß Muräna / wie viel edler er gleich von Geblüte war /sich dem Agrippa nicht gleichen dorfte; ja die Staats-Sucht selbst den Käyser nöthigte ihm entweder seine Tochter / oder ein Glaß voll Gifft zu geben. Zugeschweigen / daß der Käyser auf den Muräna nicht allzuviel traute; weil sein Bruder Varro Muräna sich mit dem Fannius Cäpio wider ihn verschworen hatte. Diesemnach forderte der Käyser Julien in eine Laubhütte für sich / und fragte alsobald /was sie mit dem Lucius Muräna für verträuliches Verständnüß hätte? Diese / welche ihr von nichts weniger / als dem an den Muräna für längst geschriebenen Brieffe träumen ließ / machte ihr die Beschuldigung gantz fremde. Augustus legte ihr aber alsofort ihre eigene Hand für; worüber sie zugleich blaß und stumm ward; alsofort aber dem Käyser zu Fusse fiel / und /daß sie auf Muränen ein Auge gehabt hätte / zugestand. Augustus verbot ihr hierauf bey Straffe des Lebens alle Gemeinschafft mit dem Muräna / verließ also Julien in euserster Bestürtzung / und kehrte zu Livien zurücke um mit ihr zu berathschlagen / wie solcher unzeitigen Liebe Juliens abzuhelffen wäre. Livia / welcher ihre lüsterne Art allzu sehr kundig war / versicherte den Käyser / daß er von Julien noch grössere Schwachheiten zu besorgen hätte; da er ihrer Freyheit nicht einen Rügel fürschieben würde. Denn die sterblichen Menschen wären selten genungsam vorsichtig denen Begierden zu gebieten / welchen das Glücke selbst zu Gebote stünde. Daher wäre ihr Rath: Es solte Augustus sie aufs neue verheyrathen / und also mit einem Hammer so wol ihre unzeitige Liebe straffen / als ihr ihr eigenes Glücke schmieden. Augustus gieng eine gute Weile im Garten voller [403] Nachdencken auf und nieder / kam hierauf wieder zu Livien mit diesen Worten: Es ist niemand Juliens fähig als ihr Sohn Tiberius. Die Käyserin ward hierüber mit einer so unermäßlichen Freude überschüttet / daß wie viel sie gleich wider beyderley Glücke vermochte /dennoch Noth hatte solche zu verstellen. Diese Empfindligkeit aber bekleidete sie mit diesem befremdenden Einwurffe: Mit was Rechte oder Schein könte der Julien ehlichen / dem die so schöne Vipsania Agrippina / die Marcus Agrippa mit des Pomponius Atticus Tochter gezeugt hätte / vermählet wäre? Augustus begegnete ihr: Mit eben dem Rechte / als die Juno Jupitern verlassen / und die Stadt Stymphalus für den Himmel erkieset / als Penelope vom Ulysses sich getrennet und nach Sparta geflüchtet / endlich ich selbst Scribonien verstossen / und sie geheyrathet habe. Dannenhero solte sie ohne einige Zeitverspielung dem Tiberius seine Entschlüssung einhalten / und auf allen Fall zum End-Urthel eröfnen / daß das gemeine Heil einem Bürger viel näher / als sein liebstes Eheweib angetrauet wäre. Livia war zu dem / was sie hertzinniglich verlangte / unschwer zu bereden; denn ob sie wol wuste / daß ihr Sohn Drusus vom Käyser zum Reiche bestimmt war; so gönnte sie doch entweder dem Tiberius diese Würde lieber / oder sie wolte auf den Fall / da die irrdischen Zufälle dem einen den Compaß verrückten / für beyde Söhne den Grund legen / als ihre Hoffnung lieber mir zwey / als einem Ancker befestigen / und für ihr eigenes Glücke eine Zwickmühle behalten. Wie sie nun vernahm / daß Tiberius auf das an dem Albanischen See liegende Vorwerg des Pompejus gereiset war / folgte sie ihm noch selbigen Tag nach / fand ihn aber in dem unferne dar von aufgebauten Tempel der Venus / welcher auf Liviens Nachfrage / was ihn für eine Andacht dahin triebe / antwortete: Sie wüste ja wol / daß seine Gemahlin hohen Leibes gienge / also hätte er der gebährenden Venus daselbst für glückliche Genesung schuldige Opffer gebracht. Livia lächelte und fing an: In Warheit / ich kan dich besser als hiesige Priester versichern / daß die Göttin dich erhöret / und dir mehr /als du verlanget hast / zugedacht habe. Tiberius ward durch diese Rede und Liviens überaus freudige Gebehrdung sein Glücke zu vernehmen begierig; welchem sie denn auch endlich entdeckte / daß ihm der Käyser Julien vermählen wolte. Tiberius nahm es Anfangs für Schertz auf / und fragte: Ob denn der Käyser in Rom mehr als eine Frau zu ehlichen verstatten wolte? Livia versetzte: Zwar dieses ist der Käyser nicht gemeinet; aber unsere Sitten erlauben wohl /und ich selbst diene dir zum Beyspiele / daß man wol eine weg lassen / und eine neue erkiesen möge. Tiberius erschrack über dieser Auslegung / und wie bedachtsam er gleich sonst in seinen Entschlüssen verfuhr; so trieb ihn doch seine Liebe so sehr / daß er in die Worte ausbrach: Die Götter wollen mich in diesen Wanckelmuth nicht einsincken lassen / daß ich meine getreueste Vipsania / die Mutter meiner einigen Hoffnung nehmlich des jungen Drusus / und die itzt wieder in so heiligen Banden gehet / undanckbar verstossen; auch für eine so keusche Gemahlin die geile Julia erkiesen solte! Livia brach ihm ein: Er solte zurück halten von der so verkleinerlich zu sprechen / die des Käysers Tochter und seine unvermeidliche Braut wäre; auch der Wahrheit durch Leichtgläubigkeit eitelen oder verläumdischen Ruffes nicht alsobald Abbruch thun. Tiberius antwortete: Seine Einwendung bestünde nicht auf fremdem Argwohn / sondern auf eigener Erfahrung; indem Julia noch bey Lebzeiten des Agrippa gegen ihm selbst feil gemacht hatte / was eine ehrliche Frau für allen / auser ihrem Ehherrn /verborgen halten solte. Livia begegnete ihm: So viel mehr hastu die Grösse der Liebe / die Julia zu dir trägt / zu ermessen. Aber warum redest du / oder ich mit dir von der Liebe / [404] welche nur der Alberen ihr Leitstern ist? Bist du wol iemahls so einfältig gewest / daß du geglaubt / ich hätte deinen Vater den Nero verlassen / weil ich den Augustus inbrünstiger als ihn geliebet? Die inbrünstigste Liebe verlieret ihr Wesen /und verwandelt sich in eine Chimere / welche mit der Zeit so gar aus dem Gedächtnüsse verschwindet /wenn es um Ehre und Herrschafft zu thun ist. Kanst du sie aber nicht aus dem Hertzen loß werden / so dencke nur / daß auch ich dem Nero nicht gram worden sey / als ich gleich schon in dem Bette des Käysers geschlaffen? Zwischen Liebe und Heyrath ist eine grosse Klufft befestiget. Jene hat freylich ihr Absehn auf Vergnügung / diese aber aufs Aufnehmen. Liebe diesemnach / wie du wilst / deine Vipsania / aber ehliche Julien und mit ihr die Anwartschafft zum Käyserthume. Lasse Vipsania aus deinem Hause /aber nicht aus deinem Gemüthe. Behalt den jungen Drusus und was sie ferner gebähren wird / zu deinem Kinde; wie ich dich und den Drusus behalten habe. Gönne endlich der eine Handvoll verstohlener Wollust / die dir die Herrschafft der Welt zum Braut-Schatze einbringt. Denn in Warheit diese ist wichtiger als der eitele Wind aller verzweiffelten Liebhaber /und hat mehr Nachdruck / als alle scharffsinnige Einwendungen. Der bestürtzte Tiberius versetzte seiner Mutter: wie kan ich mir einige Hoffnung zum Käyserthume träumen lassen / wenn ich durch meine unzeitige Ehscheidung mir gantz Rom gehäßig mache? Was Julius und August bey ihrer schon befestigten Herrschafft gewagt / läst sich von einem Bürger nicht nachthun / der den höchsten Gipffel zwar im Auge / nicht aber in seinem Besitze hat. Die Gesetze und Beyspiele stehen mir im Wege. Romulus erlaubt einem Manne sein Weib nur zu verstossen / wenn sie die Eh gebrochen / den Kindern vergeben / oder falsche Schlüssel gebrauchet. Daher auch viel hundert Jahr zu Rom von keiner Ehscheidung zu hören gewest wäre; biß Spurius Carbilius wegen Unfruchtbarkeit /Publius Sempronius wegen Anschauung der Begräb nüß-Spiele sein Ehweib verstossen. Seine fruchtbare und unschuldige Vipsania aber hätte das minste verbrochen. Bey welcher Beschaffenheit auch Käyser Julius weder durch den Ehrgeitz verleitet / noch durch des Sylla Dräuungen hätte bewegt werden können /seine liebste Cornelia des Cnina Tochter zu verlassen. Und ob wohl freylich unterschiedene mal einige aus liederlichen Ursachen ihre Weiber verstossen / Cato seine aus Freundschafft dem Hortensius abgetreten hätte; wäre doch dieser Mißbrauch vom August selbst allererst nachdrücklich abgestellet worden. Livia lachte nur zu des Tiberius Einwürffen / und fragte: Ob er sich selbst nicht kennte / wer er wäre? Und ob er nicht verstünde / wem die Gesetze geschrieben würden? Tiberius aber antwortete: Es wäre dem Käyser und ihm selbst daran gelegen / daß auch die grossen denen Gesetzen gehorsamten. Denn ein Fürst büste all sein Ansehen ein / wenn er das seinen Befehlen angefügte Unrecht nicht rächen könte. Er zeigte mit nichts mehr seine Schwäche / als wenn er den Verbrechern durch die Finger sehe. Wenn aber die Gesetze zu Spinnweben würden / welche die Wespen und grossen Fliegen zerrissen; kehrte sie der Pöfel hernach gar ab / und trete nicht so wol sie / als den Gesetzgeber selbst mit Füssen. Livia ward hierüber nunmehr unwillig / und fing mit einer ernsthafften Verstellung an: Es ist der Klugheit nicht gemäß über dem zu grübeln / worinnen uns statt der Wahl nur der Gehorsam übrig ist. Der Gesetzgeber der Käyser will es einmahl so haben /dessen Gewalt du kein Maaß setzen must; wo du nicht deine künfftige verkleinerlich einschrencken wilst. Tiberius wuste Livien hierauf nichts als tieffe Seufzer entgegen zu setzen; endlich bat er / ihm so viel Zeit zu erlauben / daß er seiner Vipsania Gemüthe einen so schweren [405] Stoß zu verschmerzen fähig machen möchte. Als diß ihm schwerlich erlaubt ward / trug er es in eben selbigem Tempel seiner Gemahlin mit der empfindlichsten Wehmuth und mit betheuerlicher Versicherung / daß seine Liebe durch keine Zertrennung erleschen würde / für. Vipsania aber nahm diese Verstossung / weil sie die Unvermeidligkeit leicht ermessen konte / mit einer solchen Bezeugung auf / daß man ihr weder einige Kaltsinnigkeit ihrer Liebe / noch einige Kleinmuth bey hartem Unglücke zumessen konte. Als sie aber nach Rom gelangten /und Tiberius von Vipsanien nun Abschied nehmen solte; sintemahl der Käyser inzwischen Julien ohne lange Gewinnung ihres Willens befehlicht hatte sich zu der Vermählung mit dem Tiberius fertig zu halten; Uberwog beyderseitige Wehmuth alle Kräfften der Standhafftigkeit / also / daß sie einander mit nichts als heissen Thränen und stummen Küssen gesegnen konten. Ja als Tiberius und Julia auch schon einander angetraut waren / konte er seiner Vipsania unmöglich vergessen; ihre Gestalt schwebte ihm gleich als einem Gespenste Tag und Nacht für den Augen / er bereuete tausendmahl ihre Verlassung; ja als er sie einmal in dem von ihrem Vater allen Göttern gewiedmetem Tempel nur ungefehr zu Gesichte kriegte / sahe er selbte mit so starren Augen an / daß ihm darvon die Augenlieder aufschwollen; und die solches er erfahrende Livia hierauf sorgfältig verhüten ließ / das Vipsania ihm nicht leicht wieder zu Gesichte kommen solte. Hier entgegen blieb gegen Julien seine sich anfangs anspinnende / und nach dem sie ihm auf der Rückreise aus Pannonien zu Aqvileja einen Sohn gebahr / etwas ergrössernde Liebe dennoch laulicht; endlich / als diß Kind zeitlich starb / ward sie kalt /und verschwand gar / also / daß Tiberius sich ihrer /so viel möglich / entschlug; sonderlich / da er sahe /daß Julia in Rom nichts von ihren gewohnten Uppigkeiten nachließ; und dieses alle Augenblicke mit einer neuen Gemüths-Enderung schwanger gehende Weib zwar alle Farben / niemahls aber die Weisse der Tugend nach Art des Cameleons anzunehmen fähig / und derselben schönen Griechin ähnlich war / welcher man den Zunahmen einer Uhr gab / weil sie sich keinen Liebhaber länger besitzen ließ / als biß die Wasser-Uhr ausgelauffen war. Gleichwol bezeigte sie gegen den Tiberius iederzeit eine so feurige Liebe /daß sie ihm auff den gefährlichsten Reisen in die rauesten Länder / insonderheit zu den Pannoniern / welche nach vernommenem Absterben ihres ersten Uberwünders des Agrippa aufstanden / und nach der von den Deutschen erlittenen Niederlage des Marcus Lollius / darinnen die Römer den Adler der fünfften Legion einbüsten / in Deutschland nachfolgte. Und weil sie bey diesen fremden Völckern so viel Gelegenheit zur Uppigkeit nicht fand / hierdurch den eiversüchtigen Tiberius ein wenig besänfftigte. Denn ob zwar die Eiffersucht insgemein eine Geburt der hefftigsten Liebe / wie die Vermehrung der Galle übermäßig genossener Süßigkeit ist; Tiberius aber Julien nie mit einiger Ader geliebt hatte; so war er doch entweder aus einer angebohrnen Gramschafft / oder aus Einbildung / daß durch Juliens Geilheit seine Ehr und Ansehen anbrüchig würden / oder welches am glaublichsten: weil er keinem Menschen Juliens zu genüssen gönnete / dieser Schwachheit übermäßig unterworffen. Welche neidische Unart / wenn sie mit der Eifersucht sich vermählet / auch mit dem Tode nicht aufhöret; daher jene zwey Römer in ihrem letzten Willen verordneten / daß nach ihrem Absterben ihre zwey schönen Weiber auf dem ersten Fechterspiele einander tödten solten / und Herodes / als er einsmahls zum Käyser reisete / hinterließ einen Befehl seine wunderschöne Mariamne zu ermorden / wenn er nicht zurücke käme. Ja weil Livia dem Tiberius seine Eiversucht weder durch das Beyspiel ihrer eigenen Ubersehung / noch durch angezogene Ursachen [406] ausreden konte / sondern er ihr zu seiner Vertheidigung entgegen setzte: daß die Natur selbst diese Gemüths-Regung billichte / wenn sie die in Mutterleibe noch befindliche Zwillinge zweyerley Geschlechtes absonderlich in eine Haut einhüllete und für einander bewahrte; Livia sich also zu Rom wegen Juliens ärgster Händel / und so gar eine Zerfallung des Tiberius mit dem Käyser besorgte / in dem doch der eiversüchtigen Rache die heftigste und schnelleste ist; und deßhalben das Bild der Nemesis zu Smyrna mit den Flügeln des Liebes-Gottes ausgerüstet war / so veranlast sie den Tiberius / daß als er gleich nach Rom kehrte / und die Last des deutschen Krieges seinem Bruder Drusus überlassen muste /doch Julien unter dem Scheine fordersamster Rückkehr bey dem Altare der Ubier zurück ließ. Julia / ob sie wol euserlich diese Absonderung schmertzlich empfand / verlangte doch im Hertzen ferne von ihm zu seyn; sonderlich / weil des Drusus gegen ihr tief eingewurtzelte Liebe durch diese beqveme Gelegenheit und bey so unverdächtigem zusammen-seyn aufs neue wiederum zum heftigsten entbrannte / und so wol der Eckel für dem gramhaftigen Tiberius / als die ihr allzu sehr versaltzene Genüssung des in Syrien von dem Käyser ihrentwegen entfernten Muräna ihre Liebe gegen dem holdseligen Drusus vergrösserte /und ihre vorige umschweiffende Zuneigungen nunmehr gleichsam in einen Mittelpunct zusammen drang; wo anders nicht auch die gegen Antonien gefassete Rachgier / weil sie nach eingezogener Nachricht vom Muräna ihr die Zerstörung ihrer Liebe beymaß / Julien reitzte ihren Drusus zu lieben / um hierdurch Antonien so viel mehr zu beleidigen. Also wird die so heilsame Liebe mehrmals nicht nur zu einer Larve der Herschsucht / sondern auch zu einem Dolche der Rachgier mißbraucht. Massen denn Antonia dieses Verständnüß zwar merckte / aber weder ihren Eheherrn zu beschimpffen / noch ihrer Nebenbuhlerin Anlaß zu geben / daß sie sich noch mehr über ihrer Verschmehung kützeln könte / vernünftig verstellte. Sintemal die Eifersucht nur eine sinnreiche Erfindung sich selbst zu qvälen / und ein Wetzstein fremder Begierden ist. Hierdurch aber richtete Antonia gleichwol nichts anders aus / als daß Julien gar nicht nach Rom gelüstete / sondern etliche Jahre / und wormit die Ursache so viel weniger mercklich war / auch / wenn Drusus im Winter nach Rom kehrte / in Deutschland verharrete / und in dem Belgischen Gallien nicht weit vom Rheine ihrem Gemahl zu Ehren die Stadt Tiberich / ihr selbst an der Ruhr die Stadt Julich erbaute; Hingegen zohe Julia den lüsternen Drusus stärcker als der Nordstern den Magnet an sich. Dahero er auch als Bürgermeister den dritten Zug / nicht so wol wider die Deutschen / als der unersättlichen Julie zu genüssen /fürnahm / und sich keine widrige Andeutungen / noch des Augustus Widerrathungen abhalten ließ. Welcher den aus dem Deutschen Kriege erwachsenden schlechten Vortheil / aber mercklichen Verlust nunmehr zu überlegen anfing / und daher diesen Krieg der Fischerey mit dem güldenen Hamen vergliech / in der mehr zu verlieren / als zu gewinnen wäre. Sintemal die blinde Liebe so sehr in ihr Verderben / als die Motte in die sie zwar anlockende aber verzehrende Flamme rennet.


Wie nun Drusus zu Mäyntz / wo der Mäyn in Rhein fällt / ankam / fand er die nach ihm lechsende Julia schon daselbst auf ihn wartend / welche ihn den Rhein hinab führte / unter dem Schein ihm ihre zwey neuangelegten Städte zu zeigen / in der Warheit aber seiner Liebe viel länger und freyer zu genüssen. Ja er baute zu Gelduba am Rheine denen drey Heldinnen und der Liebe ein Heiligthum / in welches er der Julie Bildnüß setzte / und ihr / unter dem Scheine solcher Gottheiten / nach dem Beyspiele der Spartaner opfferte; welche durch diesen Gottesdienst andeuteten / daß man für Ergreiffung der Waffen alle gütliche Mittel versuchen solte. Drusus brauchte sich dieser wollüstigen [407] Reise gleichfals zu einer Kriegs-List / um vielleicht die alte Meinung und das Gedichte wahr zu ma chen / daß die Liebe die scharfsinnigste Erfinderin unter den Göttern / und Mercur niemals nachdencklicher gewesen sey / als wenn ihr annehmliches Feuer nichts minder seinen Verstand erleuchtet / als sein Hertze entzündet hätte. Denn er stellte sich / als wenn er mit seiner Kriegs-Macht wieder bey den Sicambrern einbrechen wolte; weßwegen die Catten / ungeachtet ihres letztern Zwistes wegen der Beute / ihnen etliche tausend der am besten berittenen Mannschafft / treuhertzig zu Hülffe schickten. Sintemal die sich mit einander beissenden Tauben nicht geschwinder mit einander vereinbaret werden können / als wenn sich ein Habicht / der sie alle zu zerreissen vermag /empor schwingt. Ehe sichs aber die Deutschen versahen / oder Kundschafft erlangen konten / setzte Drusus bey Antonach die Römischen Legionen / und Gallischen Hülfs-Völcker über / und brach bey den Catten mit völliger Macht ein. Hertzog Arpus bot mit seinen versammleten Catten den Römern die Stirne / und wolte weder seine denen Sicambrern zu Hülffe geschickte Völcker / noch auch andern Beystand erwarten / entweder weil er die Römer nicht für so starck /oder sich alleine dem Feinde genungsam gewachsen hielt / und deßwegen in Zurücktreibung der Römer die Ehre alleine einlegen wolte. Also gieng das Treffen beyderseits mit grosser Tapfferkeit an / Hertzog Arpus fochte wie ein Löwe an der Spitze seiner hertzhafften Catten. Aber weil der Römer wohl viermal mehr als der Deutschen waren / wurden sie übermannet / und Arpus mit seinem Heere zurück zu weichen gezwungen; welches wie allhier gegen die Deutschen /also fast allezeit der Römer Vortheil gewest / daß ihre Feinde sich nicht mit einander um die gemeine Erhaltung berathen haben / sondern in dem sie eintzel weise gefochten / alle nach einander überwunden worden. Gleichwol aber hatten dißmal sich die Römer schlechten Vortheils zu rühmen; indem ihrer so viel /wo nicht mehr als der Deutschen geblieben waren /und die Catten an der Lahne wiederum festen Fuß setzten / um des Feindes Uberkunfft zu verwehren. Drusus ward über dem / daß eine Handvoll der Deutschen ihm so viel zu schaffen machten / erbittert; hielt auch die so kostbare Erhaltung des Feldes mehr für Verlust als Sieg; und die Beschirmung dieses kleinen Flusses für eine grosse Schande der Römer. Weßwegen er folgenden Tages seinem in voller Bereitschafft stehenden Heere andeutete: Er wolte in dreyen Stunden Meister beyder Ufer seyn / oder selbst sein Begräbnüß im Flusse haben. Hiermit setzte er an dreyen Orten an / wormit er die schwächere Macht der Feinde so viel mehr zertheilte. Die Gallier als geringgeschätzte Fremdlingen / welche wie die angepflöckten Krähen auch denen Deutschen den ihnen angeschlingten Strick der Dienstbarkeit um den Hals zu werffen bemüht waren / musten den ersten Angriff thun / und weil die Catten mit unglaublicher Gegenwehr keinem einen Fuß aus dem Wasser zu setzen erlaubten /gleichsam mit ihren Leichen den Römern drey Brücken über den Fluß machen / also / daß von viel tausend Galliern wenig übrig blieben / welchen nicht entweder von den Waffen der Deutschen das Licht ausgelescht / oder von dem Wasser verdüstert ward. Als nun aber die Römischen Legionen folgten / und Drusus selbst mit der Reuterey an einem neuen Furthe durchbrechen wolte / gieng die Schlacht allererst mit erbärmlicher Blutstürtzung an. Arpus wolte mit seinen Catten keinen Fuß breit Erde dem Feinde einräumen / und Drusus nicht abziehen / und solte das Römische Heer auch mit Strumpf und Stiel vertilget werden. Er selbst hielt zu Pferde mitten im Strome / umb den Seinigen ein Beyspiel zu seyn; Hertzog Arpus aber gegen ihm am Ufer; ja endlich kamen sie einander so nahe / daß der Catten [408] Hertzog den Drusus in lincken Arm verwundete; Gleichwohl wolte er keinen Fuß breit zurück weichen / weil er wohl wuste / daß ein Feldherr in dem Kriegs-Spiele zwar ein Rechenpfennig von eben dem Ertzte / als andere Kriegsleute sey / aber etliche tausend gemeine Pfennige gelte /und ein demselben begegnender Zufall den seinigen ein unermäßliches Schrecken dem Feinde eine zweyfache Hertzhafftigkeit zuziehe. Nach einem sechsstündigen hartnäckichten Gefechte aber und als die Römer schon an dem Siege verzweiffelten / hatten die den Römern noch um einen wiewohl zweyfachen iedoch schändlichen Sold dienenden und der Orten mehr kundige Ubier wohl eine Meile weges von diesem Schlacht-Platze weg / einen andern gar nicht besetzten Furth gefunden / und den Römischen Hinterhalt an sich gezogen / welcher nunmehr die Catten auff der Seite anfiel. Hertzog Arpus / als er sahe / daß bey solcher Beschaffenheit gegen der grossen Menge der Römer länger zu stehen mehr eine verzweiffelte Unvernunfft / als eine Tapfferkeit wäre / gab seinen Catten ein Zeichen sich nach und nach zurücke in die verhauenẽ Wälder zu ziehen / in welche wegen allzu grossen Verlusts und Abmattung der Römer Drusus sie nicht verfolgen konte / sondern vielmehr des Arpus vorsichtige Zurüchweichung einem mittelmäßigen Siege vorziehen / und für eine He ung seines Einbruchs rühmen muste. Wie denn Drusus in Warheit an dem Lahnstrome stille zu stehen / und aus den Besatzungen noch eine Legion nebst zwölff tausend Galliern zu Hülffe zuruffen gezwungen ward. Mit dieser neuen Verstärckung drang Drusus seinem Feinde nach / welcher inzwischen sich mit etlich tausend Sicambrern und seinen ihnen zu Hülffe geschickten Völckern verstärckt / und an der Eder gesetzt hatte. Allhier kamen sie mit einander das drittemahl zu schlagen. Hertzog Arpus bediente sich abermahl dieses Flusses zum Vortheil. Denn er hatte seine Schlacht-Ordnung gestellet / daß er mit dem lincken Flügel an die Eder stieß / mit dem rechten an die alsbald hinter ihm darein flüssende Fulde etliche Meilen oberhalb der Stadt Stereontium / über welche beyde er etliche Brücken geschlagen hatte / um auff allen Fall darüber sich zurück zu ziehen. Weil nun die Catten derogestalt auff beyden Seiten versichert standen / daß die Feinde nicht einbrechen / noch auch / weil die Stirne der Schlacht-Ordnung nicht allzu breit war; Drusus sich seiner Menge völlig bedienen konte / war diese Schlacht so grimmig / als keine vorher. Drusus und Arpus kamen dreymahl in Person an einander; und so tapffer jener vor seine Siegs-Ehre fochte / so behertzt begegnete ihm Arpus für die Freyheit seines Volckes. Das Blutvergiessen währete vom Auffgange der Sonne biß in Abend / und gleichwohl hatte sich keiner des Sieges zu rühmen. Der Römer waren so viel blieben als der Catten / der Gallier aber ungleich mehr /welche Drusus an die Spitze stellte / und den Feind durch die Eder anzugreiffen befehlicht hatte / und gleichsam aus ihrem Verluste denen Römern einen Gewinn zuzu ziehen vermeinte. Beyde Feldherren waren verwundet / und die Kriegs-Heere blieben nur drey Bogen-Schüsse weit von einander halten / mit beliebtem Stillestande die Nacht über ihre Todten zu beerdigen. Eine solche Gülte hat der Friede in sich /daß auch die Feinde dessen mitten unter dem Geräusche der Waffen nicht entpehren können. Hertzog Arpus aber / weil er seiner Ehren genug gethan zu haben vermeinte / auch wohl sahe / daß seine Völcker grossen theils sehr verwundet / und durchgehends abgemattet / hingegen viel Römer noch nicht einst zum Treffen kommen waren / brauchte sich dieses Stillstandes zu einer neuen Kriegs-List / welcher sich die Persen / weñ sie in der Flucht die sie verfolgende Feinde bekämpffen / bedienen / und dadurch die Scythen die gröste Ehre einzulegen vermeinen / wenn sie andern den Rücken [409] kehren / und ihnen gleichwohl den grösten Abbruch thun. Jedoch ließ er mit dem flüchtigen Demosthenes in der Hoffnung sich künfftig besser zu halten / den Schild nicht im Stiche; sondern die gantze Nacht anfangs alles Kriegs-Geräthe / hernach die Verwundeten und das Fußvolck über den Fluß gehen; und endlich folgte er mit der Reuterey nach /zündete die Brücken hinter sich an / und zohe sich an die Weser. Drusus / welcher ihm einbildete: er hätte den Arpus zwischen diesen zwey Flüssen im Sacke /ward am Morgen allererst bey Abweichung der letzten Hauffen dieser klugen Zurückziehung gewahr; hatte auch Bedencken einem so listigen und tapfferem Feinde zwischen die Flüsse und Wälder tieffer nachzugehen; sonderlich da er vernahm: daß die Catten sich abermahls an einen so vortheilhaften Ort zwischen die Fulde und Weser gesetzt / und am Rücken ebenfals etliche Brücken geschlagen hatten. Diesem nach entschloß sich Drusus auch einmal mit dẽ Hermunduren / welche wie die Catten gleicher gestalt ein Theil der Schwaben waren / anzubinden / und sein Heil zu versuchen; richtete also seinen Zug gegen Mittag und gegen dem Meyn / von dar wendete er sich gegen der Saale; fand auch zu seiner Verwunderung etliche Tagereisen weder einigen Widerstand / noch einige Menschen. Denn in denen Wäldern waren alle Flecken verbrennet. Endlich aber gerieth sein Vortrab nahe biß an den Hermundurischen Saltz-See; aus welchem sie an statt des mangelnden Meer-Wassers das von ihnen so genennte Saltz-Oel schöpffen / solches in einen grossen Hauffen glüender Kolen giessen /und also denn das durch Feuer und Wasser gleichsam zusa en gebackene Saltz von der Asche absondern. Diesen Ort / als welchen die Natur mit einem so herrlichen Schatze begabet / auch mit diesem gesaltzenen einen andern süssen See unmittelbar verbunden hat /halten die Hermundurer für den heiligsten in der Welt / und glauben / daß Gott nirgends wo so geschwinde das Gebet der Sterblichen erhöre; dahero sie auch wegen Besitzung dieses Saltz-Sees und etlicher anderer Saltz-Brunnen mit den Catten und Cheruskern offtmahls Kriege geführet. Nahe hierbey / sage ich /stiessen etliche Hermundurer / so den Feind ausspühren solten / auff des damahligen Bürgermeisters des Qvintus Crispinus Sohn / der den Römischen Vortrab führte. Wie nun er sich dieser wenigen leicht bemächtigte / also zwang er ihnen endlich durch Dräuen und Marter aus: daß der Marckmänner König Marobod zwischen der Saale und dem Saltz-See mit siebentzig tausend außerlesenen Fußknechten und dreißig tausend Reutern wartete. Vannius aber / ein Qvadischer Fürst / welcher durch Marbods Hülffe das Königreich der Qvaden und Schwaben zwischen der Donau / dem Flusse Marus / und dem Reiche der Bojen unlängst erobert hatte / stünde nicht weit darvon / und hätte dieser allen seinen Unterthanen befohlen / sich gegen der Saale zurück zu ziehen. Drusus stutzte nicht allein über dieser Zeitung / sondern ward auch bekümmert /daß er von dieser grossen Macht nicht umgeben und auffgerieben werden möchte. Weil er aber gleichwohl nicht begreiffen konte / warum die Hermundurer /welche eine so grosse Macht an der Hand gehabt / so ferne gewichen wären; fragte: warum sie denn ihr Land selbst so sehr verwüstet hätten? Nostitz / ein gefangener Edelmann / antwortete dem Drusus: Bey den Deutschen wäre es Herkommens / daß ein ieder der gemeinen Wohlfarth zum besten sich ihres Vermögens gerne verlustig machten. Wenn diesem nach ihr Fürst es für vorträglich hielte / steckte ieder Einwohner auff seinen Befehl das Feuer mit Freuden unter sein eigenes Dach / weil sie sich bescheideten: daß ein Fürst eben so wohl als die Sonne manchmahl beschwerlich seyn müste; welche mehrmahls einem Reisenden den Schweiß austriebe / unterdessen die Erndte reiff machte / die Welt beseelte / und tausenderley Nutzen schaffte. Schwere Sachen senckten sich in die Tieffe / als ihrem ordentlichen [410] Ruh-Platze; Gleichwohl erhüben sie sich offt empor / wormit in der Natur nichts leer bliebe; also müsten Unterthanen sich dem gemeinen Wesen zum besten auch zuweilen ihrer süssen Ruh und Wohlstandes enteussern. Am besten aber wäre / daß die Deutschen den Verlust ihrer wenigen Güter leicht wieder schaffen könten. Warum aber dißmahl ihre Fürsten die Flucht und die Einäscherung ihrer Wohnungen verordnet hätten / stünde ihnen nicht zu auszugrübeln. Ausser Zweiffel aber wäre es aus wichtigen Ursachen / und zu ihrem Besten geschehen. Weil diese Aussage dem Drusus noch i er mehr Nachdencken machte / schickte er an den König Marobod / und ließ ihm fürtragen: Weil er wol wüste / wie Käyser August den Marobod / als er in seiner Jugend zu Rom sich auffgehalten / so lieb und werth gehabt / und wie hoch er ihn noch zur Zeit schätzte /wäre er dahin nicht kommen die alte Freundschafft zu verletzen / welche vielmehr die Grösse beyderseitigen Glücks befestigen solte. Augustus habe ihm vielmehr eingebunden das gute Vernehmen zwischen ihnen zu unterhalten. Nachdem aber die Hermundurer so vielmahl in das Gebiete der Römer eingefallen wären /und ihre Bunds-Genossen mit Raub und Brand beschädiget hätten / wäre er genöthiget worden ihrer Vermessenheit zu steuern / und deßhalben in ihre Gräntzen gerücket. Dafern auch dem Marobod hierüber ausführlicher zu handeln eine mündliche Unterredung beliebte / möchte er hierzu Zeit / Ort und Art benennen. Marobod entbot dem Drusus zurücke: Er hätte gegen die Römer sich in Andencken der ihm zu Rom erwiesener Wohlthaten stets also bezeiget / daß er sie niemahls zum Kriege veranlasset. Dafern man sich aber an ihn reiben wolte / hätte er genugsame Macht und Hertze ihnen zu begegnen. Er wolte aber gegen den Mittag an der Bach / welche zwischen beyden Heeren hinflüsse / nur mit hundert Pferden sich einfinden / und daselbst vernehmen / was er an ihn ferner zu bringen hätte? Drusus fand sich ein wenig für der Zeit an dem bestimmten Ort ein; daher König Marbod sich daselbst einzufinden weigerte / weil es ihm verkleinerlich schiene zum Drusus als einem Vornehmern zu kommen. Wiewohl nun Drusus die Hoheit des Römischen Volckes und das Ansehn des Käysers für sich anziehen ließ / entbot ihm doch Marobod zurücke: Er wäre in Deutschland diß und ein mehrers / als Augustus zu Rom. Und da sein Vorfahr König Ariovist zum Käyser Julius zu kommen für verkleinerlich geschätzt; wie viel weniger stünde ihm an zu eines Käysers Feldhauptmanne zu ko en / fürnehmlich aber allhier in Deutschland / da er König /Drusus aber entweder ein Gesandter / oder ein Gast /oder ein Feind wäre. Uber diß hätte er beym Drusus nichts zu suchen; wenn also Drusus bey ihm nichts anzubringen vermeinte / könten sie beyde der Zusammenkunfft gar entpehren. Endlich ward durch Unterhandlung er dahin verglichen: daß Drusus von dem Orte abweichen / und beyde zugleich auff die verglichene Stelle zusammen kommen musten. Ihre Leute liessen sie eines Bogenschusses weit hinter sich / sie aber trennte nichts als die schmale Bach. Drusus fing nach beyderseitiger freundlichen Begrüssung zum ersten an die Gewogenheit des Käysers / die Friedens-Begierde des Römischen Volckes gegen ihn auszustreichen. Weil nun aber die unbändigen Hermundurer leicht einen Zanck-Apffel zwischen sie werffen dörfften / verlangte er einen Vorschlag / wie diese am füglichsten im Zaume gehalten / und aller besorglichen Zwytracht bey zeite vorgekommen werden könte. Marobod antwortete: Es wäre ihm nicht unangenehm die Freundschafft der Römer; Weil aber nechsthin der Römische Landpfleger zu Carmut ihm und seinem Bundsgenossen der Qvaden Könige Vannius / der nicht weit hinter ihm stünde / und der Römischen Macht in Pannonien Abbruch zu thun Kräffte genug hätte / schlechte Bezeugung ihrer Freundschafft gethan / und sich weitaussehender Anschläge verlauten lassen; darzu ihm dieser Einbruch des Drusus [411] nicht unbillich bedencklich fürkäme / thäte Drusus gar wohl / daß er alle Gelegenheit der Uneinigkeit aus dem Wege zu räumen trachtete. Die einmahl zerbrochene Freundschafft wäre hernach unauffhörlichem Mißtrauen unterworffen / liesse sich auch weniger als ein zerfallenes Glaß vollkö lich ergäntzen. Dieselbten hegten mit einander den beständigsten Frieden /die ihre Kräfften noch nicht gegen einander versucht hätten. Der Hermundurer Streiffen lobte er nicht / es wäre aber eine so tieff eingewurtzelte Art dieses streitbaren Volckes / welches schwerlich durch einiges Mittel / am wenigstẽ aber durch die Waffen vertilget werden könte. Nachdem aber die Hermundurer ihn für ihren König angeno en / und er ihren vorigen unruhigen Fürsten vertrieben / wolte er darob seyn / daß der Römer Beschwerden / so viel möglich / würde abgeholffen werden. Drusus nahm diese Erklärung für bekandt an / und bat / daß Marobod den Vannius zu ihnen beruffen möchte. Als diß erfolgte / redete Drusus ihn an: Sein Antlitz und Geberdung bestätigten bey ihm das gute Urthel / welches König Marobod von ihm gefället hätte / da er ihn zum Königreiche der Qvaden wäre beförderlich gewest. Diesemnach erkläre er ihn im Nahmen des Käysers ebenfals für einen König der Qvaden / für einen Freund des Käysers /und treuen Bunds-Genossen der Römer. Hiermit befahl Drusus alsofort / daß so wohl dem Marobod / als dem Vannius ein schönes mit einer goldgestückten Decke / und mit güldenem Zeuge geputztes Pferd / ein mit Edelgesteinen versetzter Degen / eine Lantze /und ein gülden Halsband mit des Käysers Bildniße herbey gebracht ward. Wormit sie also nach gewechselten Versicherungen ihrer Freundschafft von sa enschieden / die Römer aber von ihrem Drusus hierauff ruhmräthig aussprengten / daß er den mächtigen König Marobod zũ Frieden gezwungen / auch den Qvaden und Schwaben einen König für gesetzt hätte.

Diesem nach entschloß sich Drusus / der vermöge des mit dem Marobod getroffenen Abkommens / das Gebiete der Hermundurer räumen muste / seine Rache an den Cheruskern auszuüben / darzu er nimmermehr eine bessere Gelegenheit hoffen konte / als sie ihm itzt die zwischen dem Marobod / und ihnen schwebende Mißhelligkeit an die Hand gab. Also richtete er seinen Zug recht gegen die Weser / welche von aller Besatzung entblösset war / indem der von so vielen innländischen Kriegen abgemergelte Segimer sich mit dem übrigen Kriegsvolcke im Bacenischen Walde / so wohl wegen der Marckmänner / als Römer verhauen hatte / aus Beysorge: Es hätten Marobod und Drusus bey ihrer Zusammenkunfft wider die Cherusker ein Bündniß gemacht / und ihn vor und hinterwerts anzugreiffen mit einander abgeredet. Sintemal die Zusammenkunfft grosser Fürsten nichts minder / als die Vereinbarung grosser Gestirne / nachdrückliche Würckungen nach sich zu ziehen pflegen. Drusus schlug eine Brücke über die Weser / befestigte sie / und ging mit dem gantzen Heere über. Weil er nun alle Flecken leer fand / versuchte er zwar in den Hartzwald ein zu brechen; aber er muste mit Verlust abweichẽ / indem die der heimlichen Wege kundigen Cherusker die Römer bald vor / bald hinterwerts anfielen / und von denen hohen Klippen und schattenreichen Gipffeln der Bäume unversehens verletzten. Hiervon wendete er seinen Zug gegen der Elbe / mit Vorsatz über diesen berühmten Fluß zu setzen / und hierdurch allen für ihm gewesenen Römern / derer keiner noch diesen Strom gesehen hatte / den Preiß abzurennen. Welches ihm deñ auszurichten nicht schwer schien / weil Deutschland zwischen der Weser und der Elbe fast gantz Volckleer war / und sich die Einwohner entweder in den Bacenischen Wald / oder in die Inseln geflüchtet hatten. Alleine wo menschliche Armen zu schwach sind einem ungestümen Glücke die Stirne zu bieten / hauen die Götter selbst einem einen Span ein / wo das Verhängniß seine Deichsel anderwerts hin zu drehen beschlossen hat. Drusus kam zwar ohne einigen feindlichen [412] Anstoß an die Elbe; alleine / als er noch eine Tage-Reise davon entfernet war / und er des Nachts seinen Zug fortsetzte / legte sich ein schwartzes Gespenste in einem Walde ihm über den Weg /also daß das Pferd mit Schäumen zurück prellte / und weder durch Sporn noch Ruthe über solchen Pfad zu bringen war. Nach dem er auch in dem unbesetzten Flusse eine Brücke zu bauen anfing / überschlug sich das Schiff / und ertrancken die meisten / welche den ersten Pfal einstossen wolten. Drusus war hierüber bestürtzt / und nach dem er ihm einbildete / daß der Schutz-Gott dieses Flusses oder Landes ihm zu wider wäre / baute er selbtem am Ufer ein Altar von Rasen und Mooß / verordnete selbtem gewisse Priester /welche ihn durch Wüntsche und Beschwerungen / und insonderheit durch Opferung der am Ufer gewachsenen Disteln geschwinde zu erscheinen nöthigen solten. Drusus selbst streute allerhand wäßrichte Kräuter in das Feuer / strich die Hoheit dieses edlen Stromes hoch heraus / gelobte ihm nicht nur daselbst / sondern auch zu Rom einen Tempel zu bauen / und zu seiner Verehrung grössere Andacht / als die Deutschen ihm iemals gewiedmet hätten / anzurichten. Dieser neue Gottes-Dienst ward des Abends bey der Demmerung verrichtet / weil diese Zeit denen Wasser-Göttern am angenehmsten seyn soll. Wie nun Drusus und die Priester auf eine sonderbare Erscheinung warteten /flohe unversehens dem Drusus eine Nacht-Eule über dem Kopfe weg / von welchen gegläubet wird / daß selbte zwar der unholden Götter Abneigungen und künftiges Unglück ankündigten / zugleich aber als Bilder der Weißheit den Menschen eröffneten / wie sie allen Trauer-Fällen glücklich entkommen solten. Es war aber kaum dieser Unglücks-Vogel fürbey / als an dem andern Ufer der Elbe sich ein die Länge eines Menschen wohl zweyfach übertreffendes Weib empor streckte / und mehr als über die Helfte des Stromes gegen dem Drusus gewatet kam. Sie war fingernackt /die Augen gläntzten wie glüende Kohlen ihr im Kopfe / die Haare hingen ihr gantz verworren über die Brüste und Schultern / und wie sie stehẽ blieb / hob sie ihre rechte Hand gegen dem Drusus dräuende auf /und fing mit einer holen Stimme gegen ihm an: Drusus / Drusus / bilde dir nicht ein / daß der Trieb deiner Ehrsucht stärcker sey / als die Schutz-Götter dieses mächtigen Stromes / noch daß dein Hochmuth das Ziel des Verhängnüsses überflügen könne. Weiche diesemnach alsofort zurücke / denn hier ist das Ende deiner Thaten und deines Lebens. Jedes Wort dieses Geistes war ein Donner-Schlag in den Ohren und dem Hertzen des Drusus.

Rhemetalces brach ein: Es ist unschwer zu glauben / nach dem ich diese Begebnüß selbst nicht ohne Erschüttern anhöre / dafern anders dieser Begebung völliger Glaube beyzumässen ist. Denn die Wunderwercke dörffen wegen offter Verfälschung genauere Prüfung als die Müntze. Ich selbst habe in Egypten mit meinen Augen gesehen / daß die Crocodile etliche sich im Nil badende Knaben an dem Geburts-Tage des Apis verschlungen haben / da doch ihre Priester der gantzen Welt weiß machen wollen / daß sie umb selbige Zeit sieben Tage lang zahmer als die Lämmer wären. Man hat mich zu Rom verlachet / als ich nach dem Orte gefraget: Wo die Vestalische Jungfrau Valeria Maxima zu Bewehrung ihrer Keuschheit aus der Tiber das Wasser geschöpft hätte / welches sie in einem löchrichten Siebe in den Tempel der Götter-Mutter getragen. Ja der sonst glaubhaftesten Geschicht-Schreiber Bücher sind von gantz unglaublichen Dingen / welche auch für Träume zu alber scheinen / angefüllet / also / daß nach dem schon ein Löwe in Peloponnesus / ein Mensch und Ochse anderwerts vom Himmel gefallen seyn soll / wir mit ehstem eine Land-Karte des Monden mit den Gemählden derer darinnen wohnenden Thiere zu erwarten haben. So[413] leichtglaubig sind die Menschen / und wir scheinen in nichts nachdencklicher zu seyn / als wenn wir einander eine Unwahrheit aufbinden wollen; ja unsere Einbildung ist bemühet offt selbst unsere Sinnen zu betrügen / und einen blauen Dunst für die Augen zu mahlen. Adgandester antwortete: Die Wahrheit wäre eine Bürgerin des Himmels / und eine seltzame Gästin auf Erden / also nicht Wunder: daß man sie nicht allezeit und allenthalben antreffe. Auch wüste man /mit was für Aberglauben und Falschheiten die Römer so wohl ihre Unglücks-Fälle als Fehler zu bekleiden pflegten. Nichts desto weniger wäre das erzehlte dem Drusus mehr deñ allzu gewiß begegnet / und könte er ihnẽ etliche noch lebende Deutschen fürstellen / welche an dem andern Ufer der Elbe eben diß mit eigenen Augen gesehen haben. Es ist merckwürdig / hob Rhemetalces an / und eine sichere Bürgschafft der Wahrheit. Sintemal sonst insgemein so wunderbare Erscheinungen nur von einem Menschen gesehen / andern aber / die gleich nahe darbey stehen / die Augen verschlossen werden. Gleich als wenn nur die / welche etwas Göttliches an sich haben / Geister sehen /und mit Göttern sich selbst besprechen könten. Aber soll ich dieses Weib für einen Gott oder für einen Menschen halten? Adgandester versetzte: Diese Frage zu erörtern wäre für ihn zu hoch / und gehörte in die Schule der Geistligkeit; iedoch fiele ihm bey: daß ein derogleichen Weib auch dem Catumandus erschienen wäre / und ihn von Belägerung der Stadt Massilien abgemahnet; er aber solche hernach in dem Tempel für die Göttin der Massilier erkennet / und mit einer güldenen Kette beschencket hätte. Durch diese Entschuldigung war der Priester Libys / der kurtz vorher aus dem Tempel zurück kommen war / und der letztern Erzehlung unvermerckt zugehöret hatte / veranlasset / sich mit diesen Worten herfür zu thun: Seine Begierde so eines tapfern Fürsten Sorgfalt zu vergnügen / nöthigte ihn ihre Unterredung zu stören. Seinem Urthel nach aber wäre dieses Gesichte weder für einen rechten Gott / noch für einen schlechten Menschen zu halten. Rhemetalces umbfing den Priester mit einer ehrerbietigen Höfligkeit / und lag ihm an: daß er durch seine Erklärung ihrer Unwissenheit abhelffen möchte. Libys begegnete ihm hierauf mit einer besondern Annehmligkeit: Zwischen Gott und dem Menschen wäre etwas mitleres / nehmlich die Geister. Denn Gott als der einige Mittel-Punckt / aus welchem der Circkel aller Dinge wie aus einem unerschöpflichen Brunnen grosse Ströme entsprungen wäre / hätte nicht nur den grossen Welt-Cörper als den Schatten und das Bild seiner unsichtbaren Gottheit mit einem obersten Geiste beseelet / welcher die widrigen Glieder derselben gleich als eine von allerhand Art Saiten zubereitete Harffe durch annehmliche Zusammenstimmung in Eintracht erhält / und insgemein die Natur genennet wird; sondern dieser sorgfältige Vater hat iedem Theile und Gliede der Welt zu seiner Erhaltung einen Geist absonderlich zugeeignet. Die tieffsinnigen Egyptier schreiben der verständlichen / der hi lischen und unterirrdischen Welt zwölff Haupt-Geister / ja den Gestirnen alleine acht uñ viertzig oberste Herrscher zu / derer zwölff gute nach Zoroasters Lehre vom Orimazes / zwölff böse aber vom Arimanius zu Beseelung der Welt als eines Eyes erschaffen seyn sollen. Die unterirrdische Welt solle abermals vier Haupt-Geister bewirthen / derer einer Osiris dem Feuer / der andere Isis oder Hertha der Erde / der dritte der Lufft / der vierdte dem Wasser fürstehen solte. Aber hierbey hat es die Güte des unbegreifflichen Gottes nicht bewenden lassen. Jedes Land / ieder Berg / ieder Fluß / iede Stadt / ieder Mensch hat seine gewisse Schutz-Geister. Egypten verehret nicht nur fünf allgemeine / sondern iede Landschafft einen absonderlichen / und zwar ieden in einem absonderen Tempel. Die Persen zünden ihren [414] feurigen Weyrauch an / die Syreropfern ihrem wäßrichten. Und unser Deutschland ist so wenig als Italien oder Thracien seines Schutz-Geistes entblösset. Die Phönicier schauen nicht nur den Berg Carmelus / und die Emessener /die Cappadocier und Dacier ihr Gebürge als ein Antlitz des ewigẽ Schöpfers an / und verehren ihre Geister theils mit Tempeln / theils mit anderer Andacht /weil sie die Berge an sich selbst für die herrlichsten Tempel halten; sondern auch Rom gläubt: der uns hier im Gesichte liegende Meliboch ihre absondere Geister in sich hegen. Ich geschweige der Wälder und Thäler / und berühre nur die sich mehr hieher schickende Brunnen und Flüsse. Gewißlich hätte das Auge des Gemüthes in ihnen nicht absondere Geister wahrgenommen / würden die Egyptier ihrem Nilus nicht so viel Säulen und Tempel gebauet / die Messenier ihrem Pamisus / die Phrygier dem Meander und Marsyas / der grosse Alexander dem Meere geopfert / die Römer den Vater Tiberin nicht verehret haben. Der Brunn Clitumnus würde von Umbriern / ein ander von Samiern / das Qvell Arethusens von Griechen /und die Unsrigen von den Bojen und Catten nicht für heilig gehalten werden. Und die Stadt Puteol würde ihrem grossen Schutz-Gotte kein so prächtiges Gedächtnüß-Mahl mit einer so herrlichen Uberschrifft gestifftet haben. Ich gebe gerne nach / daß viel durch ihre Vergötterung allzuweit gehen / aber das erzehlte Beyspiel unserer Elbe ist ein genungsames Zeugnüß /daß diese Geister nicht zu beleidigen sind / sie auch aus Göttlicher Zulassung eine gewisse Beschirmungs-Macht haben müssen. Auch ist nicht unbekandt / wie die Stadt Apollonia mit dem Schutz-Bilde des Flusses Aäntes / welches ihnen die Epidaurier alleine zu Hülffe verliehen / die Illyrier in die Flucht getrieben habe. Die Thebaner haben wider die Leucrenser einen herrlichen Sieg mit Hülffe ihres so genanten Schutz-Geistes Hercules erfochten; dessen Tempel zu Thebe sich bey angehender Schlacht eröffnet / dessen darinn aufgehenckte Waffen sich verlohren / und also seine Abreise angedeutet / seinen Beystand in der Schlacht aber das ungemeine Schrecken der Feinde bewähret hätte. Daher auch unsere Vorfahren / als sie nach der den Römern bey dem Flusse Allia zugefügten grossen Niederlage die Stadt Rom eroberten / und die Rathsherren auf ihren Stülen unbewegt sitzen fanden / nicht ohne Ursache sich entsetzten / weil sie sie anfangs für die Römischen Schutz-Geister ansahen. Ich geschweige / daß die Griechen den Schutz-Geist der Stadt Troja durch ihre Beschwerungen auf ihre Seite gebracht habẽ sollen. Welchẽ es die Römer / wie ietzt vom Drusus erzehlet worden / nachthun; hingegẽ aber den Nahmẽ und Eigenschafft ihres Schutz-Geistes Romanessus so sorgfältig verbergen; ja ihre geweihtẽ Bilder / als den Ancilischen Schild durch Nachmachung so viel anderer verstecken. Rhemetalces fiel ein: Aber da die Geister einem Orte derogestalt entzogen werden können / warumb hat es dem Drusus so sehr fehl geschlagen? Der Priester antwortete: Wer kan ohne Verblendung der Augen in die Sonne / und ohne Verdüsterung des Gemüthes in das viel hellere Licht des Göttlichen Verhängnüsses sehen? Ich weiß wohl / daß derogleichen Mißrathungen vom Aberglauben einer ungeschickten Verehrung zugerechnet werden. Denn dieser bildet ihm ein: Einem Geiste müste eine Wiedehopfe / einem andern ein Kirbis / insonderheit kein frembdes oder des Geistes Wesen widriges Gewächse / ingleichen alles mit gewisser Geberdung und in seltzamer Tracht geopfert; ja es könte ohn ein Maulwurffs-Hertze keine gewisse Andeutung erbeten; auch müsten die Säulen / in welche die Geister zum Wahrsagen gebannet werden solten /aus gewissem Zeuge bereitet und unterhalten werden. Wordurch König Philipp in Macedonien die Pythia /oder so gar des Apollo Wahrsager-Geist gewonnen haben solle. [415] Aber mir sind diese Thorheiten ein Greuel / und ich glaube / daß unser Schutz-Geist durch keine frembde Künste / wohl aber durch unsere Laster uns entrissen wird / und daß so denn der Göttliche Beystand von uns und unserm Lande Abschied ni t /wenn unsere unreine Hertzen mehr zu keinem Tempel eines reinen Geistes taugen / wenn unsere Flüsse / unsere Berge / als die von der Natur gesetzte Schutzwehren der Länder mit Blute und Unrecht besudelt sind. Diesemnach dañ auch für keine Strengigkeit des gütigẽ Gottes anzuziehẽ ist / wenn er verhänget / daß Städte und Menschẽ nichts minder von einem bösen /als einem guten Geiste begleitet werdẽ / oder: daß vieler Meynung nach / iede Stunde der Woche eines besonderen Geistes bald heilsamer bald schädlicher Herrschafft unterworffen / und daher unser Glück und Thun auch so ofter Veränderung unterworffen seyn solte. Denn der iedem Menschen noch in Mutter-Leibe zugeeignete Schutz-Geist / welcher keinen Augen-Blick sich von ihm entfernet / sondern zu unserer Geburt behülfflich ist / und nicht / nach etlicher Meynung mit uns gebohren / oder aus dem Geburts-Gestirne herunter gelassen / weniger aber von uns sterblichen Menschen geschaffet wird; ja der uns auf den Händen trägt / und biß man die Seele ausbläset /als ein unabtrennlicher Gefärte begleitet; auch wohl gar nach dem Tode / wenn des verstorbenen Boßheit sie nicht selbst verbannet ein Beschirmer des Hauses bleibet / und den unfrigen uns zu Liebe zu Dienste stehen / ist solchen widrigen Geistern nicht nur gewachsen / sondern auch überlegen / wenn selbter nur in schuldigen Ehren gehalten / fürnehmlich aber nur mit einem heiligen Leben versöhnet wird; weswegen unsere Vor-Eltern in ihren Geburts-Tagen ihren Schutz-Geist mit Wein und Blumen beschenckten; massen mir denn auch ein Edelmann aus der Insel Thule / dessen Geschlechte nebst etlichen andern alldort von Gott die Gnade haben sollen / die den Menschen zugeeignete Geister in Gestalt allerhand Thiere mit Augen zu sehen / betheuerlich erzehlet / daß ihnen sonderlich an eines ieden Menschen Geburts-Tage die Augen eröffnet würden. Diese Gabe soll auch Socrates gehabt / und durch Beyhülffe seines Schutz-Geistes viel ihm durch Zeichen oder Träume vorangedeutete Unfälle abgelehnet / ja sein eignes ihm so abgeneigtes Geburts-Gestirne übermeistert haben. Und ist derogestalt irrig / daß iedes Menschen Geist die Eigenschafft seines Sternes haben solle. Denn dieser war bey dem Socrates irrdisch / und zur Uppigkeit geneigt; jener aber feurig / welcher ihn zu Nachsinnung hi lischer Dinge / zu Ausübung der Tugend an- und von allem vergänglichen ableitete. Uber diß deutet unser Schutz-Geist uns mehrmals unser gutes Glücke an / wie dem Curtius Rufus in Africa von seinem in einer schönen Weibes-Gestalt ihm erscheinenden Geiste begegnete; er wecket uns zu einer ersprießlichen Entschlüssung auf; wie dem Käyser Julius geschahe /welchen / als er über den Fluß Rubico zu setzen Bedencken trug / die Schilff-Pfeiffe eines grossen Menschen-Bildes aufmunterte / und ihm über den Strom den Weg zeigte. Daß aber unser Schutz-Geist mit uns nicht verschwinde / sondern auch nach unserm Tode für uns und die Unsrigen wachsam sey / hat die Erfahrung uns mehrmals augenscheinlich erwiesen. In der Marathonischen Schlacht fochte der Schutz-Geist des Theseus mit hellgläntzenden Waffen für die Griechen wider die Persen. In der Philippischen Schlacht der Geist des Käysers Julius wider seinen Mörder den Cassius / und ein anderer Geist erstieg für die furchtsamen Römer den Wall der Brutier und Lucaner. Die Geister des Pollux und Castors brachten auf ihren mit Schweiß und Staub besudelten Pferden die fröliche Botschafft von dem bey dem Viturnischẽ See erhal tenẽ Siege nach Rom. Des in dem Sicilischen Kriege von des Augustus Krieges-Volcke enthaupteten Gabinius [416] Haupt deutete dem Sextus Pompejus an: daß die hi lisch- und unterirrdischen Geister des Pompejus Wehklagen erhört / und er einen gewüntschten Ausschlag zu hoffen hätte. Aus dem todten Leichname des Buplagus mahnete sein Geist die Römer von der Grausamkeit gegen seine Syrier ab. Des von dem rasenden Wolffe gefressenen Publius nur übrig gelassenes Haupt / welches hernach in den neu-erbauten Tempel des Lycischen Apollo gebracht ward / sprach seinen Römern ein Hertz ein / und vermahnete sie zur Tapferkeit. Als die Aetolier ihres verstorbenen Fürsten Polycritus mit seiner Locrensischen Frauen erzeugtes oben männunten weibliches Kind als eine Andeutung eines zwischen beyden Völckern bevorstehenden Krieges zu Versöhnung der Götter verbrennen wolten / kam des Polycritus Geist / redete seinem Kinde das Wort / und warnigte sein unbarmhertziges Vaterland für dem daraus entstehenden Unheil. Ja als er das Volck von seinem Schlusse nicht abwendig machen konte / und er sein Kind / umb es aus ihren blutdürstigen Händen zu reissen / selbst zerrieß und verschlang / redete dieses Kindes Schutz-Geist aus dem nur noch übrigen Kopfe beweglich die Bürger an / daß sie dem blutigen Kriegs-Verderben sich zu entbrechen von dar weg / und auf eine Zeitlang in eine der Pallas heilige Stadt ziehen solten. Der dem Athenodorus mit so viel Ketten sich zeigende Geist konte nicht ruhen / biß sein ermordeter Leichnam ausgegraben / und an einen geweihten Ort geleget ward. Der Tod war nicht mächtig die Liebe der schönen Philinion des Demostrates und der schönen Charito Tochter auszuleschen / sondern ihr Geist beseelte noch die schon begrabene Leiche umb ihren geliebten Machates zu umarmen. Hier entgegen wird unser Schutz-Geist auch noch im Leben durch lasterhaftes oder dem Verhängnüsse widerstrebendes Beginnen von uns verjaget / und schichtern gemacht. Welches alleine /nicht aber einige Zwytracht der guten Geister Ursache seyn kan / daß des Antonius Geist sich für des Augustus Geiste gefürchtet haben solle. Oder wenn wir unsern Schutz-Geist von uns weggestossen / krieget unser feindlicher Luft uns zu betrüben und zu erschrecken; wie dem Brutus zweymal / als er nehmlich aus Asien in Europa mit seinem Heere übersetzen wolte / und den Tag für der Schlacht in den Philippischen Feldern begegnete. Ein solcher Geist brachte den Tarquinius und die Hetrurier in Schrecken und Flucht / als er bey währender Schlacht mit den Römern aus dem Arsischen Walde ruffte: Ein Hetrurier ist mehr als der Römer todt blieben / welche auch den Sieg behalten werden. Und des Dions böser Geist deutete mit seinem Hauskehren ihm sein und seines Sohnes Todt an. Also muthmasse ich / daß das dem Drusus in unserer Elbe begegnete Gesichte entweder sein böser / oder dieses Flusses Schutz-Geist gewesen seyn müsse. Aber fing Rhemetalces abermals an /ward dem Drusus auch wahr / was dieser Geist oder Gespenste ihm angedeutet hatte? In alle wege / antwortete Adgandester. Denn solch sein Schrecknüß ward bald mit mehrern bestärcket. Folgende Nacht umbrennten sein Läger etliche Hauffen grausam-heulender Wölffe; mitten im Läger / darein doch bey Leibes-Straffe kein Weib kommen dorfte / ward ein jämmerliches Winseln von Weibern gehöret / und etliche Luft-Gestirne wurden gesehen / gleich als wenn der Himmel mit solchen Lichtern dem kurtz darauf sterbenden Drusus / wie die Sterblichen ins gemein ihren Leichen mit wächsernen Todten-Fackeln zu Grabe leuchten wolte. Rhemetalces warff ein: Er liesse die Erscheinung des deutschen Schutz-Gottes billich an seinem Orte / an denen andern Begebenheiten stünde er nicht unbillich an / weil er sehe / daß kein grosser Mann iemals gebohren oder gestorben wäre / da nicht entweder die Liebe zu dem Todten / oder der Haß wider die Verdächtigen solche Wunderwercke [417] auf die Bahn gebracht / oder ungefährliche Zufälle dahin abergläubisch ausgedeutet hätte. Des Romulus Empfängnüß und Tod soll durch einer Sonnen-Finsternüß / des Mithridates Geburt und Herrschens-Anfang durch einen Schwantz-Stern / welcher siebentzig Tag und Nächte mit seinen Flammen das vierdte Theil des Himmels bedecket habe / angedeutet seyn. Da doch solche aus dem unveränderlichen Lauffe der Gestirne sich begeben müsten. Der Tempel zu Ephesus solte wegen Abwesenheit der bey des Alexanders Geburt handreichenden Diana verbrennet seyn / da doch die Götter allenthalben gegenwärtig / oder zum minsten auch in die Ferne zu würcken vermögend seyn solten. Als Carneades sich mit Gift hingerichtet / soll der Monde sich verfinstert haben / da doch diß / wenn Carneades gleich noch hundert Jahr gelebt hätte /nicht nachblieben wäre. Anderer Unglück solten frembde Vögel angekündigt / oder andere Thiere beweinet haben; da doch der Mensch alleine nur Thränen vergiessen kan. Alleine / wie dem allem sey /glaube ich / daß die blosse Einbildung des Todes ein Schwantz-Gestirne / welches dem Leibe den Untergang dräuet / der Seele aber ein zur Tugend wegweisender Leit-Stern sey; Drusus auch durch das ihm begegnete Gesichte zu keiner gemeinen Schwermuth /also zu seltzamen Einbild- und furchtsamen Entschlüssungen verleitet worden. Adgandester fuhre fort: Ich wil darüber nicht streiten / ob dem Drusus die erzehlten Dinge begegnet sind / oder geträumet haben. Diß aber ist gewiß / daß Drusus folgenden Tag mit seinem Heere aufbrach / und seinen Rückweg gegen dem Rheine nahm / nach dem er in einen grossen am Ufer aufgerichteten Stein hatte eingraben lassen:

Das Ziel des Claudius Drusus / welches ihm das Verhängnüß setzte / weil sein Feind keines zu machen / seine Tugend aber nicht inne zu halten wuste.

Die Römer kamen biß an die Weser ohn Hindernüß; fanden aber ihre befestigte Brücke abgebrochen /und nichts als die Todten-Knochen von ihrer Besatzung. Welches sie in eine noch grössere Bestürtzung setzte; zumal niemand verhanden war / der ihnen nur die Art so erbärmlicher Niederlage erzehlen konte. Wie sie nun beemsigt warẽ eine neue Brücke über diesen Fluß zu schlagen; fielen umb Mitternacht ein Hauffen von fünff hundert Cheruskischen Edelleuten den Römern ein / erlegten die Wache / rennten alles was ihnen begegnete im Läger zu Bodem / zohen sich auch / als sie das gantze Läger in Lermen gebracht /und etliche hundert Feinde erlegt hatten / ohne einigen Verlust zurücke. Weil nun ein Sieg des andern Werckzeug ist / und dieselben / welchen das Unglück mit seinen Bley-Füssen gleich lange auf dem Rücken herumb getreten hat / wieder aufrichtet / so ermunterte dieser glückliche Streich den Feldherrn Segimer ebenfalls / daß er die Römer beym Ubersetzẽ des Flusses anzugreiffen sich entschloß; sonderlich da er vom Marobod / daß er sein Kriegsheer Sudwerts gezogen hätte / vom Drusus aber / daß bereit das dritte Theil über die Brücke gesetzt wäre / Kundschafft einzog. Diesemnach zohe er sein gantzes Heer aus dem Hartzwalde gegen eben selbigen Strom / und befehlichte etliche Wagehälse / daß sie drey mit Pech / Schwefel /und anderm brennenden Zeuge angefüllte Schiffe des Nachts Strom-ab führen / und darmit die Römische Brücke zernichten solten / mit der Abrede / so bald er das erste ihm mit einer Fackel gegebene Zeichen von einem Berge erblicken würde / wolte er mit gesa ter Macht das Römische Läger anfallen. Der Anschlag ging nach Wuntsch von statten. Denn / weil die Nacht sehr trübe war / die auf den Schiffen sich auch nur den Strom ab [418] treiben liessen / und mit den Rudern kein Geräusche machten / ward der Feind ihrer nicht ehe gewahr / als biß die Deutschen an die Brücke anstiessen / und die Brand-Schiffe anzündeten. Die Römer lieffen hierauf beyderseits der Brücke zu / umb das Feuer zu leschen / als Hertzog Segimer an einem Orte des Lägers Lermen machte / an zwey andern aber mit aller Macht einbrach / also geriethen sie alsobald in Verwirrung / und wusten nicht / an welchem Orte sie zur Gegenwehr eilen solten. Drusus befahl selbst das Läger anzuzünden / umb den Feind von seinem eignen Volcke zu unterscheiden / welches einander hin und wieder selbst verwundete / und zu Bodem rennete. Weil nun aber die Römer mehr auf die Flucht als Gegenwehr bedacht waren / und daher einander selbst in das Wasser drangen / und von der in der mitten brennenden Brücke abstürtzten / drang Drusus mit seiner Leibwache herfür / um durch sein Beyspiel den furchtsamen ein Hertz zu machen. Hingegen war der Feldherr Segimer von seinem Adel nicht zu erhalten /daß er / ungeachtet seiner damals ihm zustossenden Schwachheit sich ebenfalls an die Spitze seines Kriegsvolcks stellte. Rhemetalces fieng hierüber an: Die Feldherrẽ / welche zugleich Häupter und Herren des Krieges wären / vergässen aus Eifer in den Schlachten gemeiniglich das Ambt eines Kriegs-Obersten / und eines Fürsten. Denn da diese / wie Jupiter auf dem Idischen / und Neptun auf dem Samothracischen Gebürge der Trojaner und Griechen Schlacht / oder wie Xerxes auf dem Egaleischen Gipfel dem Salaminischen See-Treffen / von aller Gefahr entfernet zuschauen solten / zückten sie sich unzeitig herfür / vertreten die Stelle gemeiner Kriegs-Leute /und beobachten nicht / daß ein unglücklicher Streich dem Treffen ein böses Ende / und dem Reiche das Garaus machen könne. Es ist nicht ohne / antwortete Adgandester / daß / wenn auf einer Schlacht nicht das Hauptwerck des gantzen Krieges / das Heil oder der Untergang des gantzen Reiches beruhet / und derselbten Ausschlag an einem zweifelhaften Fademe hängt /ein Fürst sich nicht muthwillig in Gefahr stürtzen solle. Sintemal es auch bey Niedrigen eine Unvernunft ist / sich über der Gefahr erfreuen / und nicht erwegen / ob aus selbter uns einiger würdiger Lohn zuwachse. Wenn aber Freyheit und Dienstbarkeit eines Volckes auf der Wag-Schale liegen / und es umb des Fürsten Ehre / die Wolfarth des Vaterlandes zu thun ist / muß kein Fürst einige Gefahr zu groß / keinen Tod zu schrecklich / und sein Blut nicht zu köstlich schätzen; sondern bey verzweifelten Fällen durch seine Verwogenheit der Kleinmuth und dem Unglücke einen Riegel vorschieben. Denn jene würde dardurch beschämet und lebhaft; diß aber scheute sich selbst mit einer verzweifelten Kühnheit anzubinden. Also hätte Sylla sein flüchtiges Heer wider den Orchomenes in Beotien zu Stande / und den Sieg auf seine Seite bracht /als er sich selbst in das Gedränge des Feindes gestürtzet. Hätte Alexander nicht mit seinen Macedoniern die Gefahr getheilet / und das wichtigste auf seine Achsel genommen / würde er nicht biß an das Ufer des Ganges gedrungen / und Cäsars Siegs-Ruhm in der Blüthe verdorben seyn / wenn er bey schon halb verspielter Schlacht nicht einem Hauptmanne den Schild ausgerissen / und dem Nachdrucke der Nervier einen Stillestand geboten hätte. Dahero bey so gefährlichem Zustande der Cherusker / dem Segimer seine wohlbedächtige und wohlausgeschlagene Herfürzückung nicht als ein Fehler ausgelegt / sondern von denen ohne dis die Gefahr liebenden Deutschen für eine Ubermaasse der Tapferkeit ewig gepriesen werden müste. Denn er schlug sich durch des Drusus Leibwache hertzhafft durch / und verwundete des Drusus Pferd mit einem Wurff-Spiesse so sehr / daß er sich mit ihm überschlug / und das rechte Schienbein entzwey brach. Des Drusus Fall brachte die erschrockenen Römer [419] in Verzweifelung / diese aber auch die Furchtsamsten zu Zorn und Kühnheit. Insonderheit meynten sie ihnen ein unausleschliches Brandmaal zuzuziehen / da ihr Feldherr in des Feindes Hände verfallen solte. Und ob wohl hierüber viel der tapfersten Römer ins Gras bissen / liessen sie doch nicht nach / biß sie den Drusus unter dem Pferde herfür und aus dem Gedränge / auch auf einem Nachen über die Weser brachten. Segimer muste hingegen nach einem stündigen Gefechte wegen ihm von seiner empfangenen Wunde zuhängenden Schwachheit aus der Schlacht weichen. Weil nun das Römische Heer ohne diß stärcker als die Deutschen waren /auch bereit zu tagen anfieng / der Tag aber die Schwäche der Cherusker ans Licht bringen würde /rieth er seinem Kriegs-Obersten / daß sie dem Feinde Lufft machen solten sich über die Weser zu ziehen. Denn wenn Drusus seine Kräfften mit Vernunfft brauchen könte / hielten sie ihnen die Waage; wenn er sie aber mit Verzweifelung vergrösserte / würden sie ihnen überlegen seyn. Deshalben solte man einem ins Gedrange gebrachten Feinde lieber eine güldene Brücke bauen / als alle Ausflucht abschneiden. Also zohen die Deutschen sich nach und nach wieder ab; iedoch ließ Segimer dem Drusus durch einen Gefangenen sagen: Er wolte aus Erbarmnüß den Römern erlauben / daß sie selbigen Tag unverhindert vollends über den Fluß setzen möchten; von dem aber / was den folgenden Tag noch betreten werden würde / solte kein Gebeine darvon kommen. Die Römer / ob sie wohl diese verdächtige Güte der Deutschen nicht begreiffen konten / wurden gleichwohl überaus froh /überlegten das abgebrennte Theil der Brücke mit Balcken und Bretern / so gut es die Zeit lidte / wormit das Fußvolck überkommen konte; die Reiterey aber muste meist durch den Fluß setzen; und / wormit die Deutschen sie nicht so bald wieder überfallen möchten / brandten sie selbst vollends die Brücke ab / reiseten auch Tag und Nacht / biß sie den Rhein erreichten / und zu Antonach nach verlohrnem Kerne ihres Heeres wieder ankamen. Unterdessen aber / weil der Schaden des Drusus sich sehr gefährlich anließ / ward dem Tiberius durch rennende Bothen dieses Unglück zu wissen gemacht / welcher nach geendigtem Pannonischen Kriege sich zu Ticin aufhielt. Wormit sie auch so viel eh einander sehen möchten / ließ er sich /wie schwach er von dem nunmehr durch zugeschlagenen kalten Brand unheilbaren Schaden war / nach Meyntz tragen / allwo er den dreissigsten Tag nach der Verwundung / als Tiberius eine Stunde vorher daselbst ankommen / und in Tag und Nacht auf drey Post-Wagen zwey hundert tausend Schritte über die schrecklichen Gebürge und Wildnüsse mit einem einigen Geferten Antabagius gereiset / auch auf des kaum noch athmenden Drusus Befehl von den Legionen als ihr Feldherr bewillko t war / und ihm den letzten Abschieds-Kuß gegeben hatte / mit der Hoffnung noch grösserer Thaten seine Seele ausbließ. Die anwesende Julia drückte ihm die Augen zu / und ihre Augen wuschen seinen Leib mit einem Strome häuffiger Thränen ab. Denn ob zwar sonst die Schamhaftigkeit auch einen rechtmässigen Schmertz verbirget / so zohe doch ihr allzu empfindliches Hertzeleid ihrer Liebe die Larve vom Gesichte / welche nur im Anfange / und so lange ihr kein ungemeiner Zufall aufstöst /fürsichtig ist. Die Leiche ward köstlich eingebalsamt /und nicht nur von den Kriegs-Obersten / und denen Raths-Herren der Städte / worauf sie zukam / nach Rom getragen / sondern Tiberius selbst stützte darbey seine Achseln unter / und ließ sich seiner gegen Julien geschöpften Eifersucht noch gegen dem Drusus allererst sich entspinnenden Verdrusses nicht mercken /umb Livien nicht zu erbittern / noch den Käyser zu beleidigen. [420] Gleichwohl aber / weil mit denen täglichen bey Bewillkomm- und Abschiednehmung gewöhnlichen Küssen / welche die annehmliche Julia /in Meinung / daß vieler Gewohnheit den Lastern ihre Heßligkeit benehme / allererst zu Rom auffbracht hatte / vielerley Geilheit bedecket und entschuldiget ward / lag er dem Käyser in Ohren / daß er diese Aergerniße durch öffentliches Verbot abschaffen möchte. Bey der Stadt Meyntz richtete ihm das Kriegs-Heer ein prächtiges Denckmahl auff. Zu Rom ward seine Leiche auff dem Marckte auff einem hohen Pracht-Bette gewiesen / und daselbst vom Tiberius / auff der Flaminischen Renne-Bahn aber vom Käyser selbst seine Thaten heraus gestrichen / der Leib von den fürnehmsten aus der Römischen Ritterschafft auff das Feld des Mars getragen / daselbst verbrennet / die Asche in das Käyserliche Begräbniß beygesetzt / ihm und seinen Söhnen der Zunahme des Deutschen vom Rathe gegeben; an statt des ihm bestimmten Siegs-Gepränges ein ander Feyer angestellet / dem Römischen Volcke auff dem Capitol ein Gastmahl ausgerichtet / zu Rom und am Rheine köstliche Ehren-Bogen auffzurichten anbefohlen / und Livia die Mutter des Drusus und Tiberius unter die Zahl derselbigen Frauen gezehlet / die drey Kinder gebohren hatten. Unterdessen nahm Hertzog Segimer die von den Römern für unüberwindlich gepriesene Festung Altheim an dem Rheine ein / dreuete auch einen Einfall in Gallien / also daß Käyser August denen Batavern alle abgenommene Länder und Städte an der Maaß vollends abzutreten / den Segimern durch annehmliche Friedens-Vorschläge zu besänfftigen / den Catten allen Schaden zu erstatten / und die Sicambrer von der auffgebürdeten Schatzung zu befreyen gezwungen ward.

Adgandester hatte noch die letzten Worte auff der Zunge / als ein mit verhangenem Zügel Spornstreichs gegen sie auff einem Schlägebäuchenden Pferde rennender Reuter ängstlich nach dem Feldherrn fragte /und endlich dem Fürsten Adgandester vermeldete /die Fürstin Thußnelde wäre nebst ihrer Geferthin aus dem Lustgarten mit Gewalt geraubet und hinweg geführet worden. Diese bestürtzte Zeitung konte Adgandester nicht verschweigen / sondern fügte sich alsofort in den Tempel solches zu berichten. Alle erschracken überaus hefftig / fürnehmlich aber Hertzog Herrmann und Jubil standen / als wenn sie der Blitz gerühret hätte. Denn ob wol die Liebe die lebhaffteste Gemüths-Regung ist / so beraubet doch keine den Menschen geschwinder seiner Sinnen und natürlichen Kräffte / als wenn das Schrecken ihr den Verluft ihres Absehens unversehens fürbildet. Gleichwohl erholeten sie sich alßbald / und verwandelte sich das Erschrecknis bey dem Feldherrn in einen hefftigen Zorn; beym Fürsten Jubil aber in eine Begierde sich beyde der Königin Erato durch ihre Erlösung ihr beliebt zu machen. Was gilt es / fing Herrmann an / und mich werden meine Gedancken nicht betrügen / daß Segesthes der Urheber dieses verrätherischen Raubes sey? Hiermit eilte er aus dem Tempel / setzte sich mit seiner Leib-Wache nicht allein zu Pferde denen Räubern nachzueilen / sondern Hertzog Jubil / Melo / Adgandester / ja auch Rhemetalces und Malovend folgten ihm auch auff der Fersen nach. Denn diese fremde gefangene Fürsten hielten ihrer Schuldigkeit zu seyn /daß sie ihre Tapfferkeit ihrem so wohlthätigen Fürsten zu Liebe sehen liessen. Ausser dem erlaubte diese Eilfertigkeit niemanden bey dem Boten die Umstände des Raubes zu erkundigen; sondern nach dem man ihm ein frisches Pferd gegeben / ward er befehlicht nur den geraden Weg dahin zu zeigen / wohin die Räuber ihre Flucht genommen hatten. Wie sie nun bald nahe an Deutschburg kamen / stiessen nach und nach wohl tausend Pferde zu ihnen / die [421] bey erregtem Geschrey sich fertig gemacht hatten; wiewohl Saloninens Bericht nach die Räuber / welche sie an einem Baum feste angebunden gelassen / ihr auch den Mund verstorfft / den Fürsten Zeno aber tödtlich verwundet hatten / schon etliche Stunden zu ihrem Vorsprunge ihrer Flucht hatten. Gleichwohl aber kamen sie auff die Spur / und behielten selbte wohl vier Stunden lang recht gegen dem Weser-Strome zu / biß sie endlich an einem Scheide-Wege sich nach Anleitung des Huffschlages auch zu theilen genöthiget waren. Der Feldherr mit dem Hertzog Melo und Adgandestern behielt die rechte / Hertzog Jubil mit Rhemetalcen und Malovenden die lincke Hand. Gegen der Sonne Untergang ereilte der Feldherr etliche zwantzig Reuter / welche die Müdigkeit ihrer Pferde ihren Geferthen länger gleiche zu reiten verhindert hatte. Diese vermeinten sich zwar in dem dicken Walde auff die Seite zu verschlagen / weil es wider eine so grosse Menge ihrer Verfolger zu fechten eine verzweiffelte Thorheit schien. Alleine ihre Verfolger umringten sie alsofort /daß die meisten nicht abweichen konten / die übrigen wurden auch vollends aus den Hecken herfür gesucht. Auff geschehene scharffe Rechtfertigung: wer sie wären / und wo das geraubte Frauenzimmer hinkommen? meldeten sie: Sie wären Longobarder / König Marobods Unterthanen und von der Besatzung der an der Elbe liegenden Festung Lauburg. Fünff hundert daselbst liegende Reuter wären befehlicht worden /Tag und Nacht biß an ein in dem Deutschburgischen Walde gelegenes Thal ihren Zug zu nehmen; allwo sie noch nahe drey tausend Pferde / und zwar ihren eigenen König und einen Hertzog der Cassuarier / dessen Nahmen ihnen unwissend / angetroffen hätten; von denen sich kein Mensch ausser dieses rings umher mit einem dicken Walde umgebenen Thales hätte herfür thun dörffen / ungeachtet sie 3. Tage daselbst sich verborgen gehalten; Diesen vierdtẽ Tag aber frühe eine Stunde nach der Sonnen Auffgange wäre ein reñender Bote ko en / und nach dem dieser dem fremden Hertzoge nur drey Worte ins Ohr gesagt /wäre er mit dreißig außerlesenen und am besten berittenen Edelleuten auffgewest; König Marobod hätte mit tausend Reutern / darunter auch sie gewest / ihm gefolget / wäre aber in dem Ende des Waldes gegen Deutschburg verborgen stehen blieben. Ungefehr aber nach einer Stunde wären die dreißig Pferde Spornstreichs in Wald zurücke kommen / und hätten auff zwey Zelter-Pferden zwey weinend- und heulende Frauenzimmer zurücke bracht. Worauff ihr König und alles Kriegs-Volck mit grosser Vergnügung und Eilfertigkeit zurück gekehret wären; also / daß sie mit ihren abgematteten Pferden ihnen nicht länger hätten folgen können. Weil nun fast ieder absonderlich hierüber vernommen ward / und sie allesamt mit einander überein stimmten / etliche sich auch verschnapten /daß König Marobod an dem Furthe der Weser / wo sie alle durchgesetzt / noch sechs tausend Pferde stehen hätte; stellte der Feldherr diesen Gefangenen völligen Glauben zu / schickte auch alsofort einen Edelmann mit Befehl zurücke / daß aus den nächst herum gelegenen Plätzen / in denen das Kriegs-Heer zertheilet lag / alles / was nur in der Eil auffsitzen konte /ihm folgen solte. Er aber ließ sich die vernommene Menge der Feinde nicht schrecken sie zu verfolgen /sonderlich reitzte ihn die Verbitterung wider den Segesthes / an dessen Anstifftung er nicht mehr zweiffelte / nachdem König Marobod selbst diesen Anschlag auszuführen sich erkühnet hatte / welcher bey der Fürstin Thußnelde sein Nebenbuhler allein / und beym Segesthes iederzeit sehr hoch am Brete gewest war. Etliche Stunden in die Nacht kam der Feldherr auff eine schöne mit einer rauschenden Bach zertheilte Wiese / darauff er / wiewohl nicht ohne Unwillen mit seinen Leuten / weil die Pferde nicht mehr recht fort[422] wolten / ein wenig auszurasten gedachte / und umwechselungsweise die Pferde auszäumen zu lassen gezwungen ward. Denn ob es zwar so stockfinster war /daß die Cherusker einander mehrmahls in die Augen griffen / und einander übern Hauffen rennten / und den Weg mit den Händen erkiesen musten; so erleuchtete doch das in dem Hertzen des Feldherrn brennende Feuer der Liebe seine Augen / daß er ihm einbildete nicht weniger / als gewisse Thiere auch im finstern zu sehen. Sintemal so wol diese scharffsichtige Gemüths-Regung / als die Seele selbst in den Augen ihren fürnehmsten Sitz hat. Nach Mitternacht sagte ihm seine Vorwache an / daß sie von ferne ein Gethöne der Waffen / ein Geräusche der Pferde / und Geschrey streitender Leute hörten. Diese Nachricht brachte alsofort iederman zu Pferde / und der Feldherr befahl / daß man alsobald mehr Kühn-Fackeln anzünden / und ieglicher sich hertzhafft zu fechten fertig machen solte; Adgandester muste auch mit seinem Vortrabe alsobald sich gegen solchem Getümmel nähern / welches / weil es nicht vorwerts /sondern auff der lincken Seite zu seyn schien / mit grossem Ungemach geschach / weil sie durch unterschiedene Moräste / und einen dicken Kiefer- und Tannen-Wald sich durcharbeiten musten. Das sich ihnen immer ie länger ie mehr nähernde Gethöne machte sie so vielmehr begieriger ihr Handgemenge darbey zu haben. Endlich erreichten sie bey begiñender Tagung den Kampf-Platz / welches ebenfals eine sumpffichte und zum Treffen ungeschickte Wiese war; daher auch die meisten von den Pferden abgestiegen waren / und zu Fusse kämpfften. Der erste Anblick zeugte alsobald aus der Tracht / daß die Cherusker und ein Theil Catten unter dem Hertzog Jubil /mit denen Marckmännern und langbärtichten Einwohnern der zwischen der Elbe und der Spreu gesessenen Völcker einander in Haaren waren. Dieser ihre Menge war auch jenen wenigern weit überlegen; dahero sie sich auch zu ihrer Gegenwehr nur der vortheilhafftigen Enge an dem Walds bedienen muste. Die Ankunfft des Feldherrn aber änderte alsbald die Beschaffenheit des Treffens / als er und die zwey andern Fürsten mit ihrem Hauffen dem Feinde großmüthig in die Seite fielen. So bald Hertzog Jubil dieser Hülffe wahrnahm / drang er sich zu dem Feldherrn durch /ihm vermeldende: Es wäre nicht rathsam / daß sie insgesamt hier im Gefechte bleiben solten. Denn König Marobod und Segesthes hätten bey verspürter Verfolgung nur diesen verlohrnen Hauffen um sie auffzuhalten / und inzwischen mit ihrer reichen Beute zu entwischen am Rücken gelassen. Also wäre am rathsamsten hier nur so viel Volck / welches dem Feinde an einem so engen Orte zur Noth gewachsen wäre / zu lassen. Sie aber müsten mit dem Kerne ihres Volckes dem Haupt-Feinde in Eisen liegen. Der Feldherr lobte diesen Rath; Befahl daher dem Fürsten Adgandester /daß er nebst Malovenden allhier dem Feinde begegnen solte. Er aber und alle andere Fürsten lenckten mit tausend Pferden rechtwärts / schnitten also diesen feindlichen Hauffen vom Könige Marobod und Segesthes ab. Gegen den Mittag holten sie ihren desthalben gantz unvermutheten Feind ein / welcher auch desthalben / ausser einer mit fünffhundert Pferden bestellter Wache / in einem anmuthigen Thale ausruhete. Der Anfall der Wache brachte alsbald alles feindliche Kriegsvolck in Lermen; allein / weil die Cherusker / um desto grösseres Schrecken zu machen / an vier Orten angriffen / und gegen einem unversehenen Feinde zweyfache Mannschafft nicht zu stehen vermag / konten die Marckmänner und Langbärte sich unmöglich aus ihrer Unordnung verwickeln / und daher hatten die Cherusker mehr zu metzgen als zu fechten. Zumahl die Gerechtigkeit der Sache den für sie kämpffenden noch ein Hertze macht / dem ihm übel bewusten aber die Helffte nimmet. Der Feldherr hatte auch das Glücke von einem Hügel [423] eine Sänffte zu erblicken / in welcher er seine himmlische Thußnelde eingekerckert zu seyn ihm einbildete. Daher machte er mit seinem Schwerdte / als einem unauffhörlichen Blitze durch Niederschlagung alles dessen / was sich gegen ihm setzte / einen Weg dahin; kam auch also nahe / daß er Thußnelden sein einiges Kleinod dieser Welt mit ihren thränenden Augen erblickte. Hierüber gerieth er gantz ausser sich; indem eines Liebenden Seele mehr in dem ist / was sie liebet als was sie beseelet; also / daß ob wohl König Marobod und Segesthes in Person mit fünff hundert auffs beste gewaffneten Edelleuten alldar in Bereitschafft standen / er doch sich für allem seinem Volcke herfür brach / und den Marobod als ein wütender Löw anfiel. Die Schwerdter waren nicht zu zehlen / die über ihn gezückt wurden / welche auch sein Pferd derogestalt verletzten / daß er selbst aus dem Sattel springen / und sich zu Fuße beschirmen muste. Aber was konten zwey Armen gegen tausend ausrichten? Denn ob er schon fast mit iedem Schlage einen Feind seiner rachgierigen Liebe auffopfferte / ward er doch / nach dem die Seinigen ihn gantz aus dem Gesichte verlohren hatten / übermannet / zu Bodem getreten / und auff Marobods Befehl gefangen. Der verda te / und aus Hertzog Herrmanns blosser Gnade nur noch lebende Segesthes ward durch seine Rache auch so ferne verleitet / daß er ihm selbst eine Kette an den Hals warff / und ihn als einen Knecht fortschleppen ließ. Diese Schmach erblickte die vorhin weinende /itzt aber wütende Fürstin Thußnelde; welche von ihrem Herrmann so wenig als die Turtel-Taube von ihren Eyern / kein Auge verwendet / sondern durch ihre Strahlen sein Glücke auszubrüten vermeinet hatte / nunmehr aber alle Feinde mit ihren Augen erstechen wolte. Daher sprang sie als eine ihrer Jungen beraubte Bärin aus der Sänffte / riß einem derer sie verwahrenden Longobarder den Degen aus / und ob sie wohl ungewaffnet / ja mit hinderlichen Frauen-Kleidern angelegt war / versetzte sie doch zweyen Marckmännern von denen / die den Feld-Herrn gebunden hielten / ehe sich iemand dessen versahe / zwey so grimmige Streiche / daß sie todt zur Erden fielen. Die übrigen geriethen hierdurch in Schrecken und Flucht / weil sie Thußnelden mehr für eine Kriegs-Göttin / als ein sterbliches Frauenzimmer ansahen. Hiermit riß sie dem Feldherrn die unwürdige Last der Kette vom Halse / der sich denn Augenblicks mit dem Schilde und Degen eines Erschlagenen waffnete; Und weil er diese Bestrickung für die gröste Schmach seines Lebens hielt / solche mit einem häuffigen Strome feindliches Blutes auszuleschen alle Leibes-Kräfften anwendete. Denn Liebe und Rache hatten ohne diß vorher sein Gemüthe auffs eusserste angestecket. Die großmüthige / und numehr gleichsam aufs neue lebende Thußnelde bemühete sich ihrem gewiedmeten Helden alle Streiche nachzuthun / und schlug auff die bey dem Marobod fechtenden Marckmäñer getrost loß /welche darum so viel mehr ausrichtete / weil Marobod diß wahrnehmende den seinigen bey Leibes-Straffe verbot / sie nur wieder zu fangen / nicht zu verwunden. Es ist unmöglich zu beschreiben / was diese zwey Helden gegen die grosse Menge ihrer Feinde für Thaten ausübten. Inzwischen aber hatte Fürst Rhemetalces und die ihm zugegebenen Cherusker die Gefahr und den Nothstand des Feld-Herrn wahrgenommen /und also ihnen mit Blut und Leichen den Weg zu seiner Errettung gebähnet; Ja endlich drang der Ritter Horn harte an ihn / sprang vom Pferde / wormit sich Hertzog Herrmann dessen bedienen / und dem auff ihn dringenden Marobod begegnen konte. Wie nun diese zwey mit einander hertzhafft anbanden / geriethen Rhemetalces und Segesthes an einander. Beydes Gefechte war würdig von der gantzen Welt gesehen zu werden. Segesthes aber ward an den rechten [424] Ellbogen hefftig verwundet; Daher / und weil er den schlimsten Tod vor Augen sahe / wenn er noch einmal gefangen würde / machte er sich zum ersten aus dem Staube. Der inzwischen auch verwundete König Marobod versuchte zwar alle sein Heil zu siegen / kriegte aber von des Feldherrn Wurffspiesse noch eine Wunde in die Achsel / und also muste er mit verfluchter Verlassung seiner in der Hoffnung schon verschlungenen Thußnelda auch aus dem Gefechte sich zurücke ziehen. Hiermit kriegte der Feldherr Platz die ungewaffnete Thußnelda aus so gefährlichem Gedränge zu bringen. Weil aber die Liebe in gekrönten Häuptern allzu zart und ungedultig / des geliebten Dinges Verlust unerträglich ist / und kein Zorn rasender / als derselbe zu seyn pflegt / welcher eine hefftige Liebe zur Mutter hat; schoß der erboste Marobod bey seiner Zurückweichung einen Pfeil iedoch vergebens nach der schönen Thußnelde. Die Marckmänner fochten hierauf alsobald laulichter / hingegen wuchs den Cheruskern wegen theils wieder erstrittener Beute /und daß etliche neue Hauffen ihnen zu Hülffe kamen /das Hertze; wiewohl die Longobarden mit solcher Hartnäckigkeit stritten / daß sie lieber sterben / als einen Schritt aus ihrem Gliede weichen wolten. Endlich gaben die Marckmänner die Flucht / welche der Feldherr allzuweit zu verfolgen nicht für rathsam hielt / weil er seinen geraubten Schatz dem Feinde wieder abgeschlagen / und von den Gefangenen den grossen Hinterhalt an der kaum drey Meilweges von dar entfernten Weser ausgeforscht hatte / zumal ihm die allzu zeitliche Flucht des sonst so streitbaren Marobods allzu verdächtig fürkam.

Diese Zurückhaltung war auch so viel nöthiger und heilsam / weil der hertzhaffte Jubil inzwischen in euserster Noth badete. Denn dieser war mit seinem in dreyhundert Männern bestehenden Hauffen auf dreyhundert streitbare Marsinger unter ihrem Hertzoge Tapis / dessen Sitz an dem Flusse Guttalus in der Stadt Budorigum ist / und dessen Gebiete sich an solchem Strome von dem Marcomannischen Gebürge biß an die Bartsch erstrecket / gestossen. Ihre Sprache bezeuget / daß sie von Uhrsprunge Schwaben sind. Neben diesen hielten noch fünf hundert Sarmater den Hertzog der Hermundurer warm; welch Volck zwar zu Fusse nichts taugt / zu Pferde aber ist es so schnell / daß wenn es mit seinen über Stock und Stein rennenden Hauffen anfällt / auch die geschlossenste Schlacht-Ordnung zertrennet wird. Diese führte des Sarmatischen Königs Jagelle Sohn / dessen Reich sich von der Weichsel biß an den Fluß Tanais / und vom Baltischen biß an das schwartze Meer / und die Meotische Pfütze erstreckte. Ihre Grausamkeit haben auch die Römer schon unter dem Lucullus im Thracischen Kriege / und noch für weniger Zeit Augustus erfahren / nach dem sie über die gefrorne Donau den Römern oftmals eingefallen / und grossen Schaden gethan / also daß der Käyser ihretwegen den Lentulus mit dreyen Legionen zu Besetzung selbigen Flusses halten müssen / biß endlich durch Vermittelung des Dacischen Königs Cotisan die Römer und Sarmater mit einander einen Frieden gemacht / als jene zu dem Jagello nach Kiov / diese aber zum Käyser biß in Hispanien nach Tarracon eine prächtige Gesandschafft abgehen lassen. Dieses Königs Sohn Boris / ein zwantzig jähriger streitbarer Fürst / hatte sich an des Königs Marobods Hoffe etliche Monat aufgehalten /und um seine schöne Tochter Adelmund geworben; also um ihm durch seine Tapfferkeit Gunst und Ansehn zu erwerben / sich diesem eilfertigen Anschlage des König Marobods zugesellet. Hertzog Jubil und Melo musten bey solcher Beschaffenheit sich auch in zwey Hauffen theilen / und also nahm dieser den Marsingischen Hertzog / jener den über alle andere hervorragenden und mit einer abscheulichen Rüstung alles grausame dräuenden [425] Boris auf sich. Auf beyden Seiten ward alle Tapfferkeit und Kriegs-List herfür gesucht. Nach langem Gefechte ward Hertzog Melo vom Marsingischen Fürsten in die lincke Seite / hernach von dem RitterHohberg an dem rechten Arm verwundet / und mit ihm sein Hauffen für denen an der Menge ihnen weit überlegenen Feinden etwas zurück zu welchen gezwungen. Gleicher gestalt kamen Hertzog Jubil und Boris an einander / welcher auf eine gantz seltsame Art sein um und um mit eisernem Bleche behencktes Pferd mit dem Zügel im Munde lenckte. Anfangs brauchte er an statt der Lantze einen langen an dem Sattel feste gemachten stählernen Pantzerstecher / welchen er mit der rechten Hand in vollen biegen rennende auff seinen Feind richtete; dem aber Hertzog Jubil / weil er diß Gewehre ihm auff die Seite abzulehnen nicht getraute / klüglich auswich. Ob er nun zwar hingegen den Boris mit der Lantze zu erreichen vermeinte / beugte sich doch dieser Sarmate mit einer grossen Geschwindigkeit auf die andere Seite; Hierauf ließ er seinen Schild auf die Seite hängen / ergriff mit beyden Händen eine überaus lange Sebel /und schlug auff den Fürsten der Hermundurer mit grossem Ungestüme loß / also / daß er für diesen Riesenstreichen sich zu beschirmen grosse Müh hatte. Nach vielen vergebenen Streichen kriegte endlich dieses ungeheure Gewehre den Schwung / also / daß es ihm aus den Händen entfuhr. Jubil meinte bey dieser Gelegenheit ihm eines zu versetzen / aber Boris bedeckte mit seinem überaus breiten Schilde seinen gantzen Leib /warf sein Pferd herum / und bückte sich zugleich so tief an Bodem / daß er eine andere daselbst liegende Sebel aufhob / und mit seinem Feinde aufs neue anband. Jubil hingegen suchte alle Meisterstreiche herfür diesem geschwinden Feinde einen Vortheil abzurennen / und insonderheit sein Pferd zu erlegen / weil er wol sahe / daß des Boris Rüstung und Waffen zu einem Fußgefechte ungeschickt waren; Zumal diese List vielen Cheruskern neben ihm wider die Sarmater wohl glückte. Ob nun wohl der abhängende Harnisch viel tapffere Streiche zernichtete; so gerieth ihm doch endlich einer derogestalt / daß er des Boris Pferd an einen Vorder-Schenckel hefftig verwundete / worvon er über und über stürtzte. Hertzog Jubil sprang Augenblicks vom Pferde um seinem Feinde vollends den Rest zu geben; als er ein jämmerliches Geschrey eines Frauenzimmers hinter sich im Walde erblickte / und als er sich umwendete / die Königin Erato mit einem Stocke gegen zwey mit blancken Sebeln sie antastende Sarmater sich beschirmen sahe. Dieser Nothstand machte / daß er des gefallenen Boris vergaß / und der Königin zu Hülffe eilete; für welchem sich ihre Feinde alsofort in die Hecken verbargen. Herentgegen sahe er zwey grausame weisse Bären / welche Boris gezähmet / und gleichsam zu seiner Leibwache abgerichtet / sein Waffenträger aber bey seines Herrn ersehener Stürtzung loß gelassen hatte / auf ihn zurennen / welches ihn nöthigte / sich an einen dicken Baum anzulehnen / wormit er nicht zugleich vor- und rückwärts angegriffen würde. Bey dieser Sorge hatte er noch eine grössere für die sich nahe bey ihm befindende und unbewehrte Königin / welche aber / entweder aus göttlicher Beschirmung / oder weil die Bären dem weiblichen Geschlechte leichte kein Leid thun /zu seiner grossen Vergnügung unangetastet blieb; iedoch von denen zwey vorigen Sarmatern aufs neue überfallen / und in das Gepüsche fort geschlept ward. Wiewohl er nun kein ander Gewehr / als seinen Degen bey der Hand hatte / auch in halbe Verzweiffelung gerieth / daß er die in so grosse Ehren- und Lebens-Noth verfallene Erato nicht retten konte / so hielt er doch die Bären ihm eine gute Zeit vom Leibe / verwundete auch beyde in ihre Mäuler. Dieses aber verursachte bey ihnen keine Furcht / sondern vielmehr ein grausames Wüten; [426] insonderheit da der Hertzog dem einen Bären den Degen tief in die Brust stache. Wie er nun über dem heraus ziehen zerbrach / sprang der andere Bär gleichsam seines Gefärthen Tod zu rächen / ihn so gewaltig an / daß er bereit mit einem Knie zu Bodem fiel. Wie nun dieser auch in der grösten Lebens-Gefahr und bey Ermangelung allen Gewehres gantz unverzagte Held kein ander Mittel sahe diesen grimmigen Klauen zu entkommen / sprang er mit einer unglaublichen Geschwindigkeit dem Bären auf den Hals / hielt sich auch mit Händen / Beinen und Zähnen so fest an / daß sich dieses wilde Thier seiner ungewöhnlichen Last nicht entschütten konte. Weil nun Jubil / nach dem er sich feste genung zu sitzen vermeinte / den Bär mit seinem noch behaltenen Degenstrumpffe möglichst neckte / und zu verwunden trachtete / nahm dieses erboste Thier in sein erstes Vaterland / nehmlich in den dickesten Wald seine Zuflucht / brachte ihn aber aus sonderbarem Verhängnüsse des Himmels eben an selbigen Ort / wo sich die nunmehr kaum noch athmende Königin mit den geilen Sarmatern ärgerte / und in Mangel anderer Waffen mit Zähnen und Nägeln ihre Ehre vertheidigte. Also führet das unerforschliche Verhängnüß seine Schlüsse durch wilde und zahme Thiere aus; und Hertzog Jubil hatte bey nahe diesem wütenden Bäre so viel zu dancken / als Paris dem so gütigen / der ihn auf dem Berge Ida gesäuget; und Arion dem Delfine / der ihn durch das Meer nach Corinth getragen haben soll. Hertzog Jubil konte ihm zwar nichts anders einbilden; als daß der Bär bey seinem Absteigen ihn aufs neue anfallen würde; Gleichwol hielt er für rühmlicher von einem unvernünfftigen Thiere zerfleischet werden / als eine so tugendhaffte Königin in den Klauen dieser die Grausamkeit des Bäres weit übertreffender Raubvögel zu lassen / und hierdurch sich selbst zum Unmenschen machen. Daher griff er mit beyden Händen nach einem vorwärts ersehenem Aste / und ließ den Bär unter sich seine blinde Flucht vollstrecken; welcher denn auch ohne einiges Umsehen nach seinem Reuter den dicksten Hecken zueilte. Hertzog Jubil wuste diese göttliche Hülffe mit keinem angenehmern Opffer seinem Gott abzugelten / als daß er Augenblicks denen sich auf der Erde mit der Königin umweltzenden Sarmatern zueilte / einem auch / ehe er sein inne ward / die Sebel von der Seiten wegrieß / und selbte beyden in den Wanst stieß / worvon sie zugleich ihre tolle Brunst abkühleten / als ihre viehische Seelen den höllischen Rachgeistern ablieferten. Die ihres Hauptes inzwischen entblösten Cherusker zohen nicht wenig den kürtzern / waren auch von dem Hertzoge Tapis und dem wieder zu Pferde gebrachten Fürsten Boris schon in Verwirrung und zum weichen gebracht; als Hertzog Jubil / der in dem Walde zwey aus dem Treffen entlauffene Pferde erwischt / und nebst der Königin sich darauff gesetzt hatte / wieder gleichsam vom Himmel fallende den Seinigen zu Hülffe kam. Sein erster Anblick erneuerte auch der Ermüdesten entfallene Kräfften; Gleichwol aber würden sie von der Menge endlich übermannet worden seyn /nach dem Hertzog Melo sich wegen vieler Wunden hatte müssen wegtragen lassen / Hertzog Jubil auch aus sieben wiewol nicht gefährlichen Wunden seine Kräften ausblutete / ja aus denen Cheruskern nicht einer mehr unbeschädigt blieben war; wenn nicht nach der Flucht König Marobods und des Segesthes Hertzog Herrmann und Rhemetalces mit ihrem Hauffen dem Fürsten der Hermundurer und denen nothleidenden Cheruskern zu Hülffe kommen wären. Dieser Ankunfft verkehrte alsbald das Spiel. Denn Hertzog Tapis und Boris / welche inzwischen mit den ihrigen auch nicht Seide gesponnen hatten / sahen wol / daß diese neue Hülffe ihnen überlegen wäre; machten ihnen auch alsofort die Rechnung / daß Marobod an der andern daselbst [427] zwar unsichtbaren Seite die Flucht gegeben haben müssen. Ja wenn sie auch schon gerne länger gegen die Cherusker gestanden hätten / so konten sie doch nicht mehr das offentliche Ausreissen ihrer Marckmänner und Sarmater / welche sich ohne diß in ihren Kriegen mehrmals der Flucht zu einer Kriegslist brauchen / und also selbte kein mal für Schande halten / verwehren. Dahero musten diese zwey streitbare Helden nur auch zu diesem Erhältnüsse der furchtsamen ihre Zuflucht nehmen / und sich trösten / daß die Klugheit zuweilen auch hertzhafften zu weichen räthet; und bey verzweiffeltem Zustande der Gefahr selbst in die Waffen rennen / eine viehische Hartnäckigkeit / keine Tugend sey. Die Cherusker hingegen waren in ihrer Verfolgung nicht zu hemmen; in Meinung / daß die / die Furcht im Hertzen trügen / auch ein Merckmahl auf den Rücken bekommen müsten. Ob nun wol denen Marckmännern und Sarmatern von dem Hinterhalte Marobods eine starcke Hülffe entgegen kam; so wolten sie doch nicht ihren Verfolgern die Stirne bieten / sondern brachten unter ihre Gehülffen anfangs ein Schrecken / hernach ein gleichmäßiges Fliehen; biß den Cheruskern theils die Müdigkeit ihrer Pferde / theils die einbrechende Nacht endlich auch den Zügel anhielt.

Die nunmehr erledigte Fürstin Thußnelda konte sich nicht enthalten ihren gantz mit Blut besprützten Feldherrn thränende zu umfangen / und für ihre Erlösung Danck zu sagen. Hertzog Herrmann nahm selbte mit unaussprechlichen Hertzens-Freuden an / und ermahnte sie diese mehr göttliche als menschliche Errettung mit Frolocken / nicht mit Thränen zu erkennen. Thußnelda antwortete: ihre Zunge könte freylich ihre Freude der Seele nicht aussprechen / daß sie nicht allein aus den Händen des grausamen Marobods gerissen / sondern auch in den Armen ihres liebsten Herrmanns aufenthalten wäre; aber wie solte sie nicht nur mit Thränen / sondern vielmehr mit Blute beweinen /daß das Geschencke des Lebens als die gröste Wohlthat eines verletzten Menschen ihren Vater Segesthes nicht hätte gewinnen / und von einem so bösen Fürnehmen zurück halten können. Der Feldherr versetzte: Sie solte sich an der Güte des Himmels vergnügen. Wer die göttliche Gewogenheit zur Mutter hätte /könte die Hold eines unbarmhertzigen Vaters leicht entbehren. Auch könte Segesthes ihm nimmermehr so viel Leides anthun; als er ihm ihr zu Liebe vergessen wolte. Ja nach dem er nunmehr Segesthen zweymal überwunden hätte / könte er mit keinem Ruhme sich die Schwachheit des Zornes überwältigen lassen. Freylich wol / begegnete ihm Thußnelda / ist diese Vergessenheit empfangener Beleidigung rühmlicher als das berühmte Gedächtnüß des Cyneas; weil diß eine blosse Gabe der Natur / jene eine edle Würckung der Tugend ist. Auch ist die Rache eben so wol ein Laster / als die Verletzung / nur daß jene es dieser in der Zeit zuvor thut. Jene empfindet nur die Süßigkeit eines Augenblicks / Sanftmuth und Vergebung aber so lange / als das Leben und Andencken tauert. Jene verletzet nur den Leib ihres Feindes / diese aber ihre eigene Seele; ja sie kan seinem Verletzer nichts anders rauben / als was ihm die Zeit ohne diß entziehen wird. Großmüthige Verzeihung hingegen wird durch unsterblichen Nachruhm verewigt. Dieser hat niemanden iemals / jener aber die meisten unzehlich mal gereuet / alle verhast gemacht / und nicht wenig auch einer gleichmäßigen Rache unterworffen. Also ward des Achilles Sohn Neoptolemus / weil er den Priamus dem Jupiter auf seinem Altare abgeschlachtet hatte /vom Orestes nicht unbillich dem Apollo abgethan. So richtet ihr auch die Grausamkeit in ihrem eignen Hertzen eine Folter auf. Denn wie die grimmigen Thiere für einem Schatten / einẽ abschelenden Blate / einem ungemeinen Geruche erschrecken / die Löwen sich auch für einer aufspringenden Mauß erschüttern; also fürchtet sich ein grausamer Fürst für eben so vielẽ /als andere für ihm. Aber stehet es wol in unserer [428] Gewalt ein so grosses Unrecht zu vergessen? Giebet uns nicht so wol unsere eigene Sicherheit / als der natürliche Trieb das Rachschwerd in die Hand / wenn unsere Gütigkeit unsern Feind nicht besänftiget / sondern nach Art der abzugelten unmöglichen Wolthaten / ihn nur noch mehr erbittert? Oder kan die Liebe gegen derselben unversehrt bleiben / wenn ihr Ursprung nichts als Gift und Galle kochet? Und mit was für einer Bach voll Thränen mag Thußnelde ihren eigenen Schimpf abwaschen; nach dem Segesthes sein gantzes Geschlechte mit solcher Untreu besudelt? Keine Flecken sind schwerer zu vertilgen / keine Verbrechen geben einen häßlichern Gestanck von sich / als welche nach Verrätherey rüchen. Der Feldherr umarmte Thußnelden aufs neue / mit beweglicher Bitte: Sie wolte doch ihr und der Tugend kein so ungerechtes Urthel fällen / wenn sie ihr fremde Schuld des Segesthes aufhalsete. Das Licht der Tugend allein hätte nur diesen Vorzug; und begreiffe so viel in sich / daß sie auch andere mit ihrem Glantze betheilte; das Wesen der Laster aber bestünde in Finsternüß / und erstrecke sich ihr Schatten nicht über das Maaß der Verbrecher; Daher könte zwar fremdes Feuer unsere eigenthümliche Güter / aber fremde Schuld nicht unsern eigenen Ruhm verzehren. Uberdiß würde die Grösse ihrer Liebe ihr schwerlich zu glauben verstatten / daß die Seinige durch einigen Zufall der Welt vermindert werden könte. Tugend und ungefälschte Liebe wären in dem / dem Gestirne zu vergleichen / daß kein Nebel noch Unglück ihnen das Licht ausleschen könte; darinnen aber überträffen sie es / daß sie allzeit im Wachsthum blieben. Wie aber könte sein guter Ruhm mehr ins Abnehmen kommen / als weñ er durch Rachgier selbten verfinsterte? Alle Begierden verblendeten zwar die Augen des Gemüths / den Geitzigen machte sein ersehner Vortheil übersichtig / ein Geiler sähe den Frosch für eine Diana / ein Hoffärtiger die Riesen für Zwerge an / ein Heuchler machte aus Kohlen Kreide / ein Verläumder aus Kreide Kohlen; ein Zorn- und Rachgieriger aber sey stock blind / und stürtze sich oft ehe als seinen Todfeind in den erschrecklichsten Abgrund; ja er rechne es ihm für einen grossen Gewinn / wenn er seinen Feind mit seiner eigenen Leiche erdrücken könne.

Bey währender dieser annehmlichen Unterredung wuste die Königin Erato ihre Verbindligkeit gegen dem Hertzoge Jubil nicht genungsam auszudrücken /also daß sie auch ohne einige Bedenckligkeit ihres Geschlechtes in seine Umarmung rennte. Sintemal man sich gegen dem aus Schamhaftigkeit nicht zu zwingen hat / welchem man die Behaltung der Ehre und Scham zu dancken verbunden ist. Sie nennte ihn ihren Schutz-Gott / ihren Erhalter / ihren Vater / ja dem sie so viel mehr verknüpft wäre / so viel sie ihre Ehre höher / als ihr Leben schätzte; weil er mit dem Blute der geilen Sarmater nicht nur ihre viehische Begierde / sondern auch das Andencken ihrer schwartzen Unterfangung ausgewischt hätte. Er habe sein Leben für ihre Keuschheit in die Schantze gesetzt / wormit sie ihr Lebtage nicht für der Welt und ihrem eigenen Andencken schamroth / oder vielmehr ihre Hände in ihrem eigenen Blute hätte waschen dörffen. Denn da diese rasende Unmenschen ihr gleich nach geraubter Ehre den Lebens-Athem übrig gelassen hätten / würde sie selbtem als einer Marter ihrer reinen Seele doch durch eine Wunde auszufahren Luft gemacht haben. Wiewol sie zu den Göttern der Zuversicht gelebt / sie würden ihr ehe den Lebensfadem abgerissen / oder sie der Vernunft und aller Sinnen beraubet / als eine solche Schmach zu erleben und zu empfinden über sie verhangen haben. Hertzog Jubil war über dieser freymüthigen Erkäntnüß derogestalt erfreuet / daß er der Königin Gunst-Bezeigung nicht nur für eine weit überwichtige Vergeltung seiner Wolthaten schätzte /sondern auch seine hieraus geschöpffte Vergnügung aller seiner überstandenen Gefährligkeiten schier vergaß. Er raffte diesemnach itzt alle Kräfften seiner[429] Höfligkeit / wie vorhin seiner Tapfferkeit zusammen /einer so liebreichen Königin annehmlich zu begegnen. Er strich ihre gegen die gewafneten Sarmater erwiesene Hertzhafftigkeit mit so hohen Lobsprüchen / als es ihre herrliche That verdiente / und mit so lebhafften Farben heraus / daß der Feldherr seine Tbußnelda und die andern Fürsten / (welche ihre überstandene Ebentheuer zu vernehmen begierig waren) alles gleichsam noch einmal geschehen sahen. Er verkleinerte seine Verdienste / indem das Glücke ihm in allem Thun die Hand geführet / und einen wilden Bären ihm zum Pferde und Wegweiser gemacht hätte; solte ja aber seine Tapfferkeit etwas darbey gethan haben / wäre ihr unvergleichliches Beyspiel für den Zunder zu halten / welcher seinen Geist zu behertzten Entschlüssungen angesteckt hätte. Dahero wäre seine That nicht so wol aus eigner Würdigkeit / als nur wegen so erfreulichen Ausschlages / da eine so tugendhaffte Königin aus einer so abscheulichen Antastung errettet worden / zu schätzen. Hingegen überstiege ihre zusammen vermählte Tapfferkeit und Keuschheit das Lob aller Sterblichen / zumal die einige Keuschheit ohne diß für eine grössere Hertzhafftigkeit / als aller Welt-Eroberer Helden-Thaten zu achten wäre. Fürst Rhemetalces brach hier ein: Er wäre verwundert über dieser grossen Heldin / und der Neid selbst würde ihrem Ruhme ehe was beysetzen müssen / als einen Gran wegnehmen können. Aber diß könne er nicht begreiffen / wie die Keuschheit die eigenthümliche Tugend des schwächeren Geschlechtes eine grössere Hertzhafftigkeit / als die Tapfferkeit der Helden abgeben solle? Jene hätte ja meist ihre Anfechtung nur von anmuthigem Reitze und zuckernen Worten / ihr Kampff geschehe in wohlrüchenden Zimmern; und die ihr am hefftigsten zusetzten / küsseten ihrem Feinde die Hände / legten sich ihm unter die Füsse /verschmertzten alle Beleidigung / gehorsamten ihrem Augenwinck / opfferten ihm Seuffzen und Thränen /und nicht selten ihre hellodernde Seele auff dem Altar der Verzweiffelung auff. Also hätte die Keuschheit mehr das Ansehn einer gebietenden Käyserin / als einer streitenden Amazone. Sie liesse sich mehrmals die tiefste Demuth nicht erbitten; sie aber gebiete wol über Könige / und lache derer / die alle ihre Kräfften mit eben solchem Vortheil an ihre Unbarmhertzigkeit / als das Meer seine Wellen an eine steile Klippe anschlagen. Hingegen müsse die Helden-Tugend so vielen Todten die Stirne bieten / als es Pfeile in den Köchern der Feinde / und Spitzen an Degen eines versammleten Kriegs-Heeres habe / sie müsse über unwegbare Felsen / durch ungründbare Ströme / auf geharnschte Mauern / wider Feuer und Schwerdter / und den Donner der Geschütze behertzt ansetzen / welche in der Welt grössere Schrecken und Mörde stiffteten /als der natürliche Blitz aus den Wolcken. Diese gewinne Schlachten / erobere Festungen / erwerbe Zepter und Kronen / und zehle ihre Uberwundene nach tausenden. Die holdselige Thußnelda begegnete dem Thracischen Fürsten mit einer durchdringenden Anmuth / daß nicht so wol die Selbstliebe ihres Geschlechtes / als die Warheit sie nöthigte / dem Fürsten Jubil beyzufallen. Denn wenn man die euserliche Bemühung des Leibes / und ansehnliche Geschickligkeit der Glieder / weil die Tugenden ja nicht in Fleisch und Beinen / sondern im Gemüthe ihren Sitz hätten /wegnehme / würde wenig mehr scheinbares für die Helden übrig bleiben / daß ihre Tapfferkeit sich der Hertzhafftigkeit einer keuschen Frauen fürzücken solte. Diese müste zu ihrer Ausübung nicht immer die Gebel in der Hand / Stahl und Feuer über dem Kopffe / blutige Hände und feurige Augen haben / noch auf Leichen und Asche gehen. Jedoch wäre die Keuschheit nicht nur eine Tugend des Krieges / sondern auch des Friedens; und zwar eines so harten / welcher weder einen Stillestand / [430] noch daß man sich auff keine Seite des Feindes schlüge / verstattete / sondern in dem man sein Lebenlang kämpffen / und entweder sterben oder siegen müste. Die Keuschheit hätte zwar zu ihrem Sinnbilde die weichen Lilgen / aber sie müste mit Disteln umgeben seyn. Ja ihrem Bedüncken nach wäre die Rose ihr füglicher zuzueignen / welche nicht nur an ihrer Farbe verschämt / sondern mit so viel Dörnern gewaffnet ist. Unter den Thieren wäre das gröste und zum Kriege geschickteste / nemlich der Elefant / auch das keuscheste / welches von keinem Ehebruche wüste. Die Keuschheit habe so viel Feinde / als das menschliche Gemüthe unziemliche Regungen; und so viel mehr gefährliche / als sich mit Anmuth und Tugend vermummen / und daher weniger kentbar und schwerer zurück zu treiben wären / als welche einen mit Dreuen und Schnauben zum Kampff ausfordern. Also lasse sich der sonst wider den Hammer bestehende Marmel von weichen Regen-Tropffen abnützen; und der allen starcken Thieren so schreckliche Löwe von einer Wespe überwinden. Dahero sey Hercules / nach dem er die Ungeheuer der Welt und der Hölle überwältiget / Alexander und Julius / nach dem sie so viel Völcker bestritten / so viel Reiche zermalmet / von der Liebe untergedrückt worden / und ihr Helden-Geist niedriger gewest / als welchen die Keuschheit von nöthen habe. Ja die Natur schlage sich mit ihrem Triebe / unsere eigene Sinnen mit ihrer Kitzelung auf die Seite dieser so annehmlichen Widersacher; eröfneten ihnen verrätherisch die Pforte des Hertzens; dahero wie die unvermerckte Krafft des Magnets das so schwere und unbewegliche Eisen ohne unsere Gewaltsamkeit an sich zeucht / also werde der Liebreitz auch leicht Meister unsers Willens / und vereinbare sich mit unser Zuneigung. Hin gegen habe die Tapfferkeit keine so schlaue und schleichende / sondern nur einen öffentlichen Feind /nemlich die gewaltsame Antastung; und nebst ihr die Natur selbst zum Beystande; welche für Abwendung aller Beleidigung allezeit Schildwache hält / und das Böse abzulehnen dem Gemüthe einen angebohrnen Trieb / iedem Gliede eine absondere Fähigkeit zu Beschirmung des gantzen Leibes eingepflantzet hat; wenn die Keuschheit von niemanden als der einigen Vernunft ihre Waffen zuentlehnen weiß. Also sey in alle Wege der Tapfferkeit viel leichter einem Riesen die Stange zu bieten / als der Keuschheit die Zuneigungen des Gemüthes zu zwingen / das Verlangen der Seele / den Trieb der Sinnen zu dämpffen / die Vergnügung als ein so scheinbares Gut aus den Händen zu schlagen / ja der Wollust obzusiegen / einer so hartnäckichten und zugleich liebkosenden Feindin /welcher weder die Gewalt der Starcken / noch das Nachdencken der vorsichtigsten etwas leicht anhat /ob sie schon nicht mit Schwerd und Feuer / sondern mit Blumen und Schneeballen angreift. Ich geschweige / daß die Liebe und Wollust insgemein noch viel mächtige Feinde auf den Kampf-Platz bringe; als den Geitz / durch Ausschüttung köstlicher Perlen / unschätzbarer Edelgesteine / und des güldenen Regens /wordurch man auch unzehlbare Schlösser aufsprenget / und zu Danaen durch eiserne Riegel dringet; die Schmach und Schande / wenn man der widerspenstigen Keuschheit grausamste Laster und knechtische Buhlschafft anzutichten dräuet / die Ehrsucht / wenn man ihre ungemeine Würden / Purpur und Anbetungen vieler Völcker verheisset / ja endlich den so grausam aussehenden Tod / wenn ein brüllender Tarqvin einer Lucretia den Dolch ans Hertze setzt; wenn ein Wüterich auf einer Seite sein aus Sammet und Atlas bereitetes Bette / auf der andern Seite der Hencker Rad und glüende Zange fürleget; also die Keuschheit alle annehmliche Eitelkeit großmüthig verachten /alles schreckliche mit einer unbeweglichen Gedult ausstehen / beydes aber durch eine mehr als heldenmäßige Hertzhafftigkeit überwinden / ja mit ihrem eigenen Messer dem Nothzwange toller Brunst zuvor kommen / [431] und ihre Brüste mit reinem Blute beflecken muß; wormit man die Lilgen der Keuschheit unbesudelt in Sarch lege; Massen denn ohne dergleichen Anfechtungen sich keine für keusch zu rühmen / sondern entweder für eine von der Geburtsart her frostige /oder für eine von den Lastern selbst verschmehete zu halten hat. Der Feldherr brach allhier seiner Thußnelden ein: Die Keuschheit dörfe in alle wege ein grosses Hertze / und unverzagte Entschlüssungen; aber diß könne er nimmermehr billichen / daß sie wider sich selbst ihre Rache ausüben / und ein fremdes Laster an ihrem unschuldigen Leibe straffen solte. Denn da das Gemüthe in eines andern Uppigkeit nicht gewilligt habe / wäre durch Zwang weder die Seele besudelt / noch dem guten Nahmen ein solcher Schandfleck angehenckt worden / welcher mit so scharffer Lauge seines eigenen Blutes abgewischt werden müsse. Ihm wäre zwar nicht unbekandt / wie hoch die Römer den Selbstmord ihrer Lucretie heraus strichen; er finde aber daran nichts ruhmwürdiges /als daß sie mit ihrem Messer das Joch der königlichen Tyranney zerkerbet habe; und daß wie aus Aureliens Bauche der Julius und die Römische Dienstbarkeit geschnitten / also aus Lucretiens Wunde die Freyheit des Volckes gebohren worden. Auser dem aber / da sie Tarqvin mit Gewalt verunehret / wäre sie keines Todes schuldig; da sie aber zugleich gesündigt / ihre Reue zu spat / und ihre Verzweiffelung keines Lobes würdig gewest. Die Königin Erato konte sich nicht enthalten / der in ihren Augen so hoch gesehenen Lucretia das Wort zu reden / und nach des Feldherrn gebetener Erlaubnüß entgegen zu setzen: Keuschheit und Lilgen wären von solcher Reinligkeit / daß diese auch in ihrem Stiele / jene in ihrem Leibe keinen Fleck erduldete. Die Lilge streckte ihr Haupt unter den Blumen / die Keuschheit unter den Tugenden am höchsten empor / wormit jene von dem Schlamme der Erden / diese der Laster nicht besudelt würde. Die Lilge habe eine Farbe wie Schnee / einen Geruch über Bisam / eine Krone von Gold; die Keuschheit müsse nicht alleine den Glantz der Unschuld / sondern einen allen Verdachts befreyten Geruch eines guten Namens haben / wenn sie den Krantz der Ehren erwerben wolte. Wie nun aber die Lilge alleine / wenn sie unberührt bleibt / ihren Geruch behielte / durch Betastung aber selbten in Stanck verwandelte; also müsse die Keuschheit auch die Berührung ihrer Glieder von einem geilen Finger verhüten / wo sie ihrer Ehre keinen Abbruch thun wolle; oder da ihre euserste Sorgfalt sie endlich für der Verwelckung nicht länger befreyen / und mit ihrem kräfftigen Geruche die Giftsaugenden Schlangen von dem Genüsse ihres Jungfrauen-Honigs verjagen könte / doch mit ihrem Blute ihr einen neuen Ruhm gebähren / wie die Lilge sich aus ihren abfallenden eigenen Thränen säme und fortpflantze. Die Fürstin Thußnelda fiel der Königin ein: Sie billigte allerdinges ihre Lehre / aber nicht das darzu aufgestellte Beyspiel. Denn sie liesse Lucretien gerne für eine Austreiberin der Tyrannen / für eine Mutter der bürgerlichen Freyheit / nicht aber für ein vollkommenes Muster der Keuschheit gelten. Sintemal sie für ihrer Befleckung den angesetzten Dolch des Tarqvin / nicht aber nach verwundeter Sache ihr Messer in ihren Brüsten hätte empfinden sollen. Weil ja eine mit Schrecken erpreste Beliebung zwar kein freyer / aber gleichwol ein Wille; ein züchtiges Hertze aber ein so durchsichtiges Crystall wäre / welches keinen Schatten gebe / und ein so heller Spiegel / daß er vom Anhauchen / von einem geilẽ Anblicke Flecken bekäme. Diesemnach wäre mit viel reineren Leibern /mit viel keuscheren Seelen nach der vom Marius erlittener Niederlage das deutsche gefangene Frauenzimmer gestorben / da sie in einer Nacht / als sie Marius der Göttin Vesta nicht wiedmen wolte / durch eigenhändigen Tod aller fremden Brunst zuvor kamen. Da aber ja von einem Wüterich der Keuschheit die Hände gebunden würden / könte sie so deñ allererst ein behertzter Tod aller Schande befreyen. [432] Also wäre eine Fürstin ihres Geschlechtes von einem Ungeheuer anfangs in Band und Eisen geschlagen / hernach aber als sie vergebens um durch einen rühmlichen Todt ihrer Schande für zukommen / aus einem hohen Zimmer herab gesprungen / in seinem Bette / worfür sie Pfal und Holtzstoß lieber beschritten hätte / zu ihrer Entweihung angebunden / und aus hierüber geschöpfftem Hertzeleide ihre reine Seele auff dem Grabe ihres vorher ermordeten Ehherrn ausgeblasen worden. Fürst Rhemetalces / nachdem er mit Verwunderung so tugendhafften Geschicht- und Entschlüssungen zugehöret hatte / fing hierauff an: Er und die übrige Welt müsten bey solcher Beschaffenheit nicht nur ihren Meinungen beypflichten / sondern auch ihren Tugenden aus dem Wege treten. Armenien aber / fing Hertzog Jubil an / würde sich nunmehr mit der Heldenthat ihrer Erato auch den Deutschen zu gleichen und andern Völckern für zu zücken haben. In alle wege fuhr der Feldherr fort / denn die Tugend ist an keine Ecke der Welt angepflöcket. Wie unter einem gütigen Himmel und einem glückseligen Gestirne solcher ArtMenschen gebohren werden / die unter dem kalten Angelsterne wohnen; Also werden in dem eyßichten Nord auch solche gezeuget / wie die /so die Sonne über ihrem Würbel haben. Mir ist zwar nicht unbewust / daß die Sternverständigen die Weltkugel in sieben der Breite nach genommene Landstriche abtheilen / den ersten / der durch die Insel Meroe geht / dem Saturnus / und desthalben groben / argwohn- und verrätherischen Leuten / den andern bey der Egyptischen Stadt Siene dem Jupiter / und darum klugen andächtigen und ehrliebenden Einwohnern /den dritten / der Alexandria berührt / dem Mars / und also kriegerischen und unruhigen Menschen zueignen. Uber dem vierdten / unter dem Rhodis und halb Griechenland gelegen / setzen sie die Sonne / darinnen gelehrte / beredsame und zu allen Künsten geschickte Leute wohnten; Den fünfften / welcher Italien begreifft / stellen sie unter den Einfluß der Venus / und machen darinnen Wollust und Uppigkeit zur Herrscherin. Den sechsten / der Gallien in sich hat / soll Mercur unter sich / und also veränderliche und unbeständige / iedoch denen Wissenschafften ergebige Einwohner; Der siebende aber / der uns Deutsche und Britannien erreicht / des Monden Eigenschafft haben /und deßhalben traurige / und nur zur Kauffmannschafft und Gastereyen geneigte Leute bewirthen. Alleine wie ich unschwer enthenge / daß die Würckung der Gestirne über die Beschaffenheit der dort oder dar sich befindlicher Leiber eben so wie über die Erde selbst eine grosse Gewalt ausübe; wiewohl auch diese nach ihrem Unterscheide jener Würckung verhindert; Daher es auch unter dem mittelsten Sonnen-Zirckel nicht allenthalben glüendheiß / sondern recht mittelmäßig / gegen Mitternacht nicht allenthalben unerträglich kalt ist / also ist das edelste Kleinod des Gemüths die Tugend / welche ihren Ursprung nicht aus den Sternen / noch aus den Dünsten der Erden sondern aus einem überirrdischen Saamen / welchen die Göttliche Versehung in Mutterleibe noch in unsere Seelen eingeust / und eine gute Aufferziehung fortpflantzet / nicht in gewisse Winckel des Erdkreißes zu verriegeln. Zwar ists nicht ohne / daß ein Volck tugendhaffter sey als das andere / und daß zu gewisser Zeit gewisse Laster / wie manche Kranckheiten / mehr im Schwunge gehen. Allein es ist kein Ort und keine Zeit so unglückselig / daß eitel Klodier /kein Cato leben solte. Jedes Land hat seine Wunwerwercke und seine Mißgeburten nichts weniger / als seine Tage und seine Nächte. Keines ist /welches nicht seinen Hercules / und seine Lucretia auff die Schaubühne stellen könne. Und wo Sonnen sind / giebt es auch Finsterniße. Ob wir Deutschen nun wohl dem berühmten Armenien eine so köstliche Perle / als ihre Königin Erato ist / nicht mißgönnen /so rechnen wir es doch für [433] ein Glücke Deutschlandes /daß selbte mit einem so herrlichen Strahl ihrer Tugend unser Deutschland beseligt / und ihre Heldenthat zu einem Beyspiele unser Nachkommen fürgebildet habe. Die Königin färbte über diesem Ruhme ihre verschämte Wangen / schrieb ihr Beginnen / da es ja eines Ruhmes würdig wäre / dem Einflusse Deutschlandes / welches so vieler Völcker gemeine Laster auch nicht nur von Nahmen keñte / alles ihr gegebene Lob aber der Hertzhafftigkeit des Fürsten Jubils zu /dessen Tugend nicht nur so viehische Menschen /sondern auch die grausamsten Thiere bezwungen /und den Nahmen eines neuen Hercules verdienet hätte. Die Fürstin Thußnelde fiel ein: Ich weiß sicher nicht / ob ich wilde Thiere oder böse Menschen für grausamer halten solle. Denn ob gleich die Natur diese nicht wie die Bäre mit starcken Tatzen / wie die Löwen mit starcken Klauen / wie die Tiger mit scharffen Nägeln / mit einem Rüssel wie die Elefanten / mit Hörnern wie die Ochsen / mit Zähnen wie die hauenden Schweine / mit Stacheln wie die Bienen ausgerüstet / so hat sie es doch nicht so wohl aus Mißgunst gethan / weil die Vernunfft alle Waffen überwieget /als die Menschen aus Mißtrauen allzu grossen Mißtrauens entwaffnet. Sintemal die Verläumder eine viel gifftigere Zunge als die Nattern / wormit sie auch die reinsten Lilgen begeiffern / die Betrüger viel krümmere Anschläge / als die Hörner der Auer-Ochsen sind /wormit sie auch die Fürsichtigen beschädigen / die Neidischen schädlichere Augen als Basilißken haben /und mit ihren Blicken die Unschuld zu erstechen trachten. Der Athem der Drachen ist nicht so tödtlich als der Heuchler / die Hunds-Zähne nicht so spitzig als der Zornigen / keine Egel so blutdürstig als die Tyrannen. Also sind im Menschen nicht nur aller Ungeheuer Waffen vereinbart / sondern da diese zum höchsten uns nur des Lebens zu entsetzen mächtig sind / so rauben uns diese noch Ehre / Friede / Gut /Vergnügung / das Gewissen / und endlich gar die Seele / durch Lästern / Krieg / Diebstal / Ehbruch /Verführ- und Verzweiffelung. Bey welcher Bewandniß sich nicht zu verwundern ist / daß so viel Weltweise geglaubt: die Menschen hätten nichts überirrdisches an sich / sondern sie wären wie die wilden Thiere von sich selbst aus der Erde gewachsen. Massen denn ein Mensch dem andern offt unähnlicher als einem Affen / und gehäßiger als den Schlangen ist. Daher Socrates mit ihm selbst nicht eins gewest ist: Ob er ein Mensch oder ander Thier wäre / und deßwegen nachdencklich gedichtet / daß er auff dem Vogel-Eylande wegen deß daselbst eingewurtzelten Hasses wider die Menschen / sich habe für einen Affen ausgeben müssen. Ich muß es gestehen / fing Hertzog Jubil an / diese zwey Bären bezeugten allhier gegen einer solchen anbetens-würdigen Göttin mehr Barmhertzigkeit und Ehrerbietung / als die Sarmatischen Unmenschen; ja der eine führte mich so gar zu ihrer Errettung. Und ob sie wohl gegen mich ihre Klauen gewetzet / so ist doch diß nicht so wohl für eine Grausamkeit zu schelten / sondern vielmehr als eine Vertheidigung ihres Herrn / welcher sonst sein Leben dißmahl nicht darvon gebracht hätte / zu loben. Fürst Rhemetalces setzte bey: Es wäre in alle wege die That dieser zwey so wohl abgerichteten und treuen Bären so schlecht nicht anzusehen. In Epiro habe zwar ein Hund den Mörder seines Herrn angegeben / ein ander sich mit seinem Lisimachus verbrennen / Masinissa sich von Hunden bewachen lassen / einander sich mit seinem in die Tiber geschmissenen Herrn ersäuft. Die Colophonier und Castabalenser hätten Hunde in ihren Schlachten an die Spitze gestellet / zwey hundert Hunde hätten einen König der Garamanter durch ihre Tapfferkeit wieder in sein Reich gesetzt. Der grosse Mithridates habe zwar Hunde / ein Pferd / einen wilden Ochsen / und einen Hirsch / Hanno einen Löwen im Läger zu seiner Bewahrung abgerichtet / welches als [434] ein Zeichen angezielter Ober-Herrschafft über Carthago ihn seinen Kopff gekostet / Marcus Antonius habe nach der Pharsalischen Schlacht zur Andeitung / daß die hertzhafftigsten Römer sich einem knechtischen Joche unterwerffen würden / gezähmte Löwen an seinen Wagen gespannet / und sey darmit in Rom gefahren; von denen so wilden Bären aber habe er noch nicht gehöret / daß selbte zur Leibwache wären gebraucht / und zum Kriege abgerichtet worden. Der Feldherr antwortete: Es wäre in denen Nordländern diß nichts ungemeines; massen die Bären alldar zum Tantz und anderer Gauckeley gewehnet würden. Auch hielte er darfür / daß die Bären in Thracien nicht grimmiger seyn müsten / weil in dem benachbarten Phrygien ja des Priamus wegen eines Traumes in das Idische Gebürge verworffener Sohn Alexander von einer Bärin soll gesäuget worden seyn. Rhemetalces versetzte: Ich höre wohl / daß der Feldherr meiner Nachbarschafft mehr als ich selbst kundig sey. Jedoch fällt mir zu Bestärckung obiger Meinung ein / daß es die Menschen den wilden Thieren weit zuvor thun /wie Cyrus von einem Hunde / Pelias von einer Stutte /Egisthus von einer Ziege / Romulus von einer Wölffin / König Habis von einer Hinde / Midas von Ameisen / Hiero und Plato von Bienen / ja Pythagoras gar von einem Aspen-Baume ernehret worden sey; als die unbarmhertzigen Eltern ihnen die Lebens-Mittel entzogen. Es ist zu bejammern / antwortete der Feldherr /daß vernünfftige Menschen wilder als wild sind / daß ein Thier ins gemein nur einer übeln Art / als der Fuchs der Arglist / der Hund der Zwistigkeit / der Esel der Trägheit / der Hase der Furchtsamkeit / der Panther der Grausamkeit / der Mensch hingegen aller Laster fähig sey. Und da kein Unthier ein anders tödtet / wenn es nicht Hunger oder Beleidigung darzu nöthiget / der Mensch alleine das heilige Ebenbild Gottes den andern im Schertz und Kurtzweil in offentlichen Schau-Plätzen mit Lachen und Frolocken der Zuschauer ermordet. Ja weñ man den Abriß deß menschlichen Lebens genau betrachtet / scheinet selbter fast alle zehn Jahr eine neue Gestalt eines Thieres abzubilden / und biß zum zehenden Jahre einen Papagoyen / und ein spielendes Eichhorn / biß zum zwantzigsten einen stoltzen Pfauen / biß zum dreißigsten einen hitzigen Löwen / biß zum viertzigsten ein arbeitsames Kamel / biß zum funffzigsten eine listige Schlange / biß zum sechzigsten einen neidischen Hund abzugeben / und derogestalt biß er wieder zum Kinde wird / sich von Jahre zu Jahre mehr zu verschlimmern / und ie mehr sein Verstand zunimmet /sich seines edlen Schatzes der Vernunfft nur weniger zu gebrauchen / oder kräfftiger zu mißbrauchen. Die tugendsame Thußnelde seufzete hierüber / und zweiffelsfrey über dem Beginnen ihres Vatern Segesthes /und hob an: Wolte Gott! daß der Mensch dieses mehr als hi lische Licht der Natur / welches in uns alle Nebel der Unwissenheit / allen stinckenden Dampff der Laster erleuchten und zertreiben soll / mit Nachhängung seiner bösen Lüste nicht verfinsterte! Wolte Gott! daß er alle sein Thun nach dieser Richtschnur richtete! Denn die Vernunfft ist in Warheit der Probierstein / an dem man alle Begebnüsse streichen /alles Böse und Gute unterscheiden muß. Sie ist die Magnet-Nadel / welche sich allezeit gegen dem Angelsterne der Tugend wendet. Diese ist des Menschen eigenthümliches Gut / das die Natur ihm zuvoraus geschencket hat; Alle andere Gaben besitzen auch andere Thiere. Einen Leib haben auch die Steine / ein Leben auch die Gewächse / die Bewegung auch das Gewürme / eine Schönheit auch die Pfauen / eine Stimme auch die Papagoyen / eine Stärckere der Löw / eine schärffere der Adler / eine lieblichere die Nachtigal. Die Elephanten übertreffen den Menschen an der Stärcke / die Hirschen an Geschwindigkeit / die Affen am Geschmacke / die Spinne am Fühlen / der Geyer am [435] Geruche / der Luchs am Gesichte / das wilde Schwein am Gehöre. Der Mensch aber alle Geschöpffe / auch die Gestirne am Gebrauch der Vernunfft / nehmlich der Tugend.

Uber diesen Worten vernahmen sie ein starckes Geräusche / welches die Fürsten das Frauenzimmer auff die Seite zu bringen / und sich zu Pferde zu setzen verursachte. Bald hierauf sahen sie aus dem Gehöltze eine Menge flüchtiger Marckmänner spornstreichs hervor kommen / welche von denen Cheruskern unter dem Fürsten Adgandester und Malovend verfolgt worden / hier aber ihrem zweyten Feinde in die Hände fielen. Wie nun diese wenige Uberbleibung alsofort umringet ward / und sie keine Ausflucht sahen / warffen sie alle die Waffen von sich / und untergaben sich der Gnade ihrer Uberwinder. Der Feldherr ließ sie nach Kriegsbrauch gefangen nehmen und in Verwahrung halten. Nach dem er auch von Adgandestern verstand / daß nach etlicher Stunden hartnäckichtem Gefechte sie wohl ein paar tausend harte hinter ihnen herziehende Cherusker entsetzet / und den Feind in gegenwärtige Flucht getrieben hätten; ward er mit den andern Fürsten schlüßig den König Marobod vollends zu verfolgen und aus seinem Gebiete zu treiben.

Diesem nach fertigte er zwey tausend Pferde von denen / welche wenig oder gar nicht gefochten hatten /unter etlichen seinen Kriegs-Obersten ab / dem Feinde noch selbige Nacht nachzusetzen. Die Fürsten aber mit denen abgematteten begaben sich in die kaum eine halbe Meile von dar entfernte Stadt Tulisurgium /wohin die Verwundeten zu ihrer Pflegung / die Todten aber zu ehrlicher Beerdigung gebracht wurden.

Es begunte aber kaum ein wenig zu tagen / als der Feldherr mit seinen ausgeruheten Cheruskern schon wieder zu Pferde saß / und biß an den Weser-Strom fortrückte; daselbst aber von einem aus seinem Vortrabe zurück geschickten Edelmanne benachrichtiget ward / daß König Marobod mit seiner geringen Uberbleibung / welche nicht entweder von der Schärffe der Schwerdter gefallen / oder wegen Müdigkeit nicht folgen können / über die Weser gesetzt / und so eilfertig sich geflüchtet hätte / daß er schwerlich zu ereilen seyn würde. Weil nun der Vortrab nach dem Urthel derer / die die flüchtigen Hauffen gesehen hätten /dem Feinde überflüßig gewachsen zu seyn schien /zumal insgemein drey Flüchtige nicht gegen einem aus den Uberwindern stehen / hielt es der Feldherr nicht vor rathsam einem so schwachen Feinde selbst /uñ mit so hohen Häuptern und mehrer Macht nachzusetzen / sondern er schrieb an König Marobod folgenden Inhalts:

Ob zwar das Fürstliche Cheruskische Haus und seine Bundsgenossen von den Marckmännern durch vielerley Beleidigung zu Ergreiffung der Waffen wäre gereitzet worden / habe doch die Liebe des Vaterlands / und die Sorge für die allgemeine Freyheit ihm allezeit die Eintracht gerathen. Sintemal der Degen zwar / wenn man will / ausgezogen / nicht aber eingesteckt werden könne; und sie beyderseits einen solchen Feind an der Seite hätten / der sich der Deutschen Uneinigkeit zu seinem Vortheil meisterlich zu bedienen wüste. Er habe zeither wegen dieses gemeinen Besten unterschiedene Feindseligkeit unerschrocken übernommen / und die ihm von den Römern angebotene güldene Berge verächtlich gehalten / da er nebst ihnen mit dem Marobod brechen wolte. Also befremde ihn nicht wenig gegenwärtiger wider alles Fried- und Kriegs-Recht fürgenommene Einfall / und zwar zu der Zeit / als er und andere recht deutsch gesinnte Fürsten so wohl für seine als ihre eigene Erhaltung zu Felde gelegen / und das schon in fremder Dienstbarkeit schmachtende Deutschland aus den Fesseln gerissen hätten; ja da der Fürst Ingviomer unterwegens wäre ihn aller Freundschafft zu versichern /und ein neues Bündiß fürzuschlagen. Die Entführung seiner mit ihres Vatern Willen ihm verlobten [436] Braut beleidige nicht nur das Recht der Freundschafft / der Völcker und der heiligen Eh / sondern auch die Gottheit / für welcher Altare das Eh-Verlöbniß vollzogen worden / und welche das ihr angefügte Unrecht zu rächen nicht vergesse. Daher mangele ihm nunmehr weder erhebliche Ursache noch Kräften / mit seinen sieghaften Waffen dieser Beleidigung gerechter Rache zu üben; daraus die Sterblichen ins gemein einen grossen Wucher suchten / Gott auch selbst deshalben für uns sorgfältig wäre. Jedoch wolte er noch einmal hierzu ein Auge zudrücken / und glauben / daß Segesthes der Uhrheber / die Heftigkeit seiner Liebe nur der blinde Wegweiser dieses Anschlages gewesen sey; der allgemeine Nachtreter unbedachtsamer Erkühnungen nemlich die Reue ihm aber schon auf den Fersen folge. Daher wolle er das gemeine Heil seinem absondern Unrechte vor- die abgefertigte Botschafft nicht zurücke ziehen; also ihm zum Uberflusse noch die Wahl lassen: Ob er das fürgeschlagene Bündnüß für die Freyheit des Vaterlandes belieben / oder ihm und seinen Bundsgenossen einen verderblichen Krieg abnöthigen wolle? Er möchte aus des vorhergehenden Tages Begebenheit nachdencken / daß man zum Kriege noch anders gefaßt aufziehen müsse / als zu einem Treffen; und daß die Bürger-Kriege die blutigsten und ungerechtesten / als welche ohne schlimme Stücke weder angefangen noch ausgeführet werden könten.

Dieses Schreiben stellte der Feldherr einem Marsingischen Ritter / Zedlitz / zu / umb solches seinem Könige zu überbringen / er ließ auch nebst ihm alle Gefangene / welche er biß an die Marckmännische Gräntze / wo die Saale und Elbe zusammen fleust /durch 500. Pferde begleiten und beschirmen.

Hierauf kehrten sie allerseits mit neuem Siege und unermäßlichen Freuden zurücke / ausser daß die Königin für die Wunden ihres hertzliebsten Zeno grossen Kummer trug / ob sie schon einige zuletzt nachkommende Edelleute versicherten / daß die Beschädigung so gefährlich nicht wäre / als man anfänglich gefürchtet. Denn weil ins gemein böse Botschafften so viel möglich vergeringert werden / finden selbte auch stets nur einen zweifelhaften Glauben. In der zarten Seele der edlen Thußnelde aber war der traurige Kummer noch viel empfindlicher eingewurtzelt / weil sie ihre eigene Ehre durch ihres Vaters Untreue befleckt zu seyn meynte. Daher / ob sie zwar mit ihrem lächelnden Munde ihre iñerliche Gemüths-Vergnügung zu eröffnen / und ihn mit einem Strome der Annehmligkeit zu überschütten sich bemühte / waren doch die ihre Freudigkeit unterbrechenden Seufzer Verräther ihres mit eitel Schwermuth überladenen Hertzens. Ja die Augen selbst vermochten die Qvellen der Traurigkeit nicht zu verstopfen / daß nicht zuweilen die Thränen ihre lachende Wangen befeuchteten. Hertzog Herrmann fühlete diese Schmertzen zweyfach in seiner Seele / weil sie mit Thußneldens durch die heftigste Liebe vereinbaret war. Diesemnach nöthigte ihn sein eigenes Mitleiden Thußnelden Lufft / und sie ihrer gewohnten Größmüthigkeit eindenck zu machen / also ihr einzureden: daß sie durch übermässige Kleinmuth ihrem erhaltenen Tugend-Ruhme keinen so grossen Abbruch / seiner Liebe aber kein so grosses Hertzeleid anthun möchte. Denn es wäre kein ärger Ubel / als kein Ubel vertragen können. Ein Weiser freuete sich auch in einem glüenden Ochsen; das weiche Holtz würde nur wurmstichig / und ein niedriges Gemüthe durch Widerwertigkeit zu Bodem geworffen. Er wüste zwar / daß die Natur in Thußnelden der Welt ein Muster der Vollkommenheit / ihm aber einen Leit-Stern zur Tugend fürstellen wollen; nichts desto weniger würde sie zweifels-frey selbst empfinden / daß wie der Wind die Lufft / die Glut das Ertzt /der Sturm das Meer; also das Unglück die Gemüther von aller Unreinigkeit saubere. Ach! [437] sagte Thußnelde / ich weiß und fühle nunmehr allzu sehr meine Schwachheit. Ich lerne / daß das Verhängnüß Anfechtungen habe / welche Riesen Furcht einjagen / und auch marmelnen Säulen Schweiß austreiben können. Es ist nicht ohne / versetzte der Feldherr? Aber zuletzt gereichet alles dem / der alles diß überwindet / zum Vortheil. Beym Blitze werden nur von den Muscheln die Perlen empfangen / die Myrrhen rinnen nur durch die Wunde / welche das Baum-Messer in seiner Mutter-Staude macht; der Wein-Stock wil geschnidten /und gewisse Bäume behauen seyn / wenn sie Früchte tragen sollen. Nicht andere Eigenschafft hätte das unter der Trübsal sich am tapfersten bezeigende Gemüthe des Menschen; und würde man vom Hercules /wenn keine Ungeheuer gewest wären / so viel rühmliches nicht zu sagen wissen. Was ein oder ander Mensch absonderlich ausstünde / gereichte zu Erhaltung des gemeinen Wesens. Die Natur selbst beförderte ihre Geburten durch eine Verderbung vorher gewesener Dinge. Wer nur immer glückselig seyn wolte / verlangte die Welt nur auf einer Seite / das Gelücke nur vorwerts / und die Natur nur halb zu kennen. Er wolte / wenn andere beregneten / keinen Tropfen auf sich fallen lassen / und bey allgemeinem Schiffbruche nur sein Segel in Hafen bringen. Thußnelde röthete sich hierüber / und versetzte: Sie könte ohne Unvernunft sich keines Vorzugs für andern Menschen /noch einer Freyheit von der Botmässigkeit des Gelückes sich anmassen; aber ihr Unstern schiene mit Fleiß dahin ausgerüstet zu seyn / daß er sie in dem Mittel ihres Hertzens / nemlich in dem Behältnüsse der allein unversehrlichen Ehre / verwunden / und bey vermeynter Erlangung ihres höchsten Wohlstandes einäschern wolte. Hertzog Herrmann begegnete ihr mit einem ihm aus den Augen herfürbrechenden Mitleiden: Es wäre zwar eine gemeine Ketzerey der Menschen / daß sie / denen es ein wenig wol ginge / sich für die Schooß-Kinder / die ein wenig unglücklichen aber sich für die Verwürfflinge des Himmels ausruffeten. Den Hoch- und Kleinmuth vertrügen als Riesen und Zwerge keine Mittelgattung im menschlichen Leben. Allein es wäre das Unglück dem Menschen so gemein / als die Schwärtze dem Raben. Weswegen einige Weisen in dem Weinen eine merckwürdigere Eigenschafft und Unterscheidung von andern Thieren bey dem Menschen zu finden vermeynet / als in dem Lachen / oder auch gar in der Vernunft. Denn sie wären ins gemein in Wahrheit denen traurigen Wacholder- und Fichten-Bäumen zu vergleichen / welche keine Blüthen trügen / und also aller Merckmale des freudigen Lentzes beraubt wären. Ihr gantzes Leben /wenn es gleich die Wollust zuweilen verzuckerte /wäre vergället / und sie wüsten von keinẽ Honige; den nicht der Tod durch Aufhebung ihres Elendes verursachte / oder die Tugend aus ihren eigenen Wermuth-Blumen saugte. Dahero der tieffsinnige Democritus den verzweifelnden König Darius beym Verlust seiner schönsten Gemahlin / nach versprochener Lebendigmachung dieses seines todten Abgottes / durch diese nachdenckliche Erinnerung zur Vernunft gebracht: Er solte dreyer niemals unglückseliger Nahmen auf der Verstorbenen Grab einätzen lassen. Welche Darius aber so wenig in seinem grossen Gebiete / als der Himmel iemals unter seinem weiten Dache gehabt hat. Unter dieser allgemeinen Unglückseligkeit machte doch der Himmel die tugendhafte Thußnelda seinem geringschätzigen Urtheil nach / sie aber ihn tausendsach glückselig. Das Verhängnüß machte alle schlimme Anstiftungen ihrer Feinde zu Wasser / und alle zernichtete Fall-Stricke zu Sieges-Zeichen. Sie besässe den / welchen man von ihr zu trennen Himmel und Erde beweget / und die Hölle beschworen hätte. Alle Verfolgung gelangte ihrer Unschuld zur Mitleidung / und ihrem Nahmen zum Ehren-Ruhme.[438] Sintemal auch die nicht ohne Schuld leidenden die Gewogenheit / als wie der verfinsterte Monde die Augen der Menschen an sich zu ziehen / und die Unglückseligsten gegen sich nichts minder eine Verehrung / als Erbarmnüß zu erwecken pflegten. Also wiche man eben so gern einem Blinden / als einem Könige aus dem Wege; und die Alten hätten die von dem Donner berührten Oerter zu Heiligthümern eingeweihet. So würde sie wohl / antwortete Thußnelde /einer der grösten Tempel in Deutschland werden / ungeachtet sie sich für keine Gott zu wiedmen würdige Hecke hielte. Sintemal das Unglück seine äuserste Kräfften an ihr prüfete / und eines alle Tage dem andern die Hand reichte. Massen sie denn ihr Vater Segesthes zeither fast so vielen Götzen zun Füssen geleget / als seine Veränderung ihm neue Anschläge an die Hand gegeben hätte. Der Feldherr begegnete ihr: Gleichwohl hätte er unter diesen ihrer beyder Wuntsch billigen / und dardurch bestärcken müssen /daß / wie vieler absonderlich tödtlichen Gifte Vereinbarung heilsam / also mehrmals ein Ubel des andern Artzney wäre. Wenn auch der Sturmwind und das Unglücke so gar arg rasete / wäre es ein Merckmahl der äuserst angewehrten Kräfften / und daß beyde bald aufhören würden. Die schwärtzeste Wolcke wäre durch die letzthin erhaltene väterliche Einwilligung zu ihrer Heyrath zertrieben; sintemal zwar nicht das Recht der Natur / dennoch der Völcker der Eltern Beyfall zu der Kinder Verehligung erforderte; alle übrigen / welche Arglist oder Verläumbdung erdächten /wären nur unter die so geringschätzigen Verdrüßligkeiten zu rechnen; welche Telemachus und die Egyptischen Weiber durch das Kraut Nepenthes in die Vergessenheit zu vergraben getrauten. Nach dem aber in allen diesen Unfällen das unveränderliche Verhängnüß seine Hand hätte / und unsere Feinde nur Werckzeuge des Göttlichen Zornes wären / stünde es uns ja besser an / uns der unvermeidlichen Noth zu unterwerffen / als ein Sclave unsers verzärtelten und offt der Natur unverträglichen Willens zu seyn. Der Himmel wolte zuweilen unsere Vergnügung durch die Schärffe der Widerwertigkeiten / wie die übermässige Süssigkeit durch eine annehmliche Säure verbessern /ja zuweilen durch einen Sturmwind uns in Hafen der Glückseligkeit treiben. Also pflegten die Aertzte zuweilen selbst ihren Krancken ein Fieber zu machen /umb gefährlichere Schwachheiten abzuleiten. Gleicher gestalt hätten die Rhodier bey Einfallung ihres Colossus aus dem guthertzigen Beytrage ihrer Nachbarn mehr Vortheil / als aus dem Erdbeben Schaden empfunden. Einigen hätte ein in der Schlacht sie verwundender Pfeil ihr Geschwüre eröffnet / welches die Aertzte mit einigem Finger anzurühren sich gefürchtet hätten. Mit einem Worte: Die so süsse Milch hätte ihren Ursprung aus Blute / und der Honig aus bitterem Klee / und die grösseste Ergetzligkeit aus überstandenem Unglücke. Thußneldens Hertze ward nicht so wohl durch die Krafft der angezogenen Gründe /als durch das Ansehen des Redners selbst gerühret /daß sie eine merckliche Gemüths-Beruhigung von sich blicken ließ. Gleichwohl aber giengen ihr die Augen noch über / und sie gab diese Ursache ihrer Wehmuth zu verstehen / daß sie all ihr Unglück zu vergessen verbunden wäre / weil das Verhängnüß sie durch die Liebe des Feldherrn mit tausendfacher Glückseligkeit überschwemmete. Alleine / diß stiege ihr noch allzusehr zum Hertzen / daß ihr Unstern so viel andere Unschuldige mit drückte; oder / daß für die Wiederbringung ihres Heiles andere so viel leiden müsten. Wie denn die holdselige Königin Erato nur deshalben / daß sie sich an sie als einen zerbrechlichen Rohr-Stab gelehnet hätte / in die Gefahr verfallen wäre / Hertzog Hermann / Jubil und Malovend ihr Blut verspritzet / viel andere auch / und vielleicht der großmüthige [439] Zeno ihr Leben gar aufgeopfert hätten. Hertzog Jubil begegnete ihr mit einer freymüthigen Ehrerbietung / und weil die Königin Erato sich ihrer Sänfte näherte / versicherte er sie / daß Hertzog Zeno ausser aller Gefahr / sonst aber mehr Helden für eine so tugendhafte Fürstin zu sterben verbunden wären /als das thörichte Griechenland für eine unkeusche Helena auf die Schlachtbanck in Phrygien geliefert hätten. Hertzog Malovend antwortete: Der den Griechischen Helden zugewachsene Nachruhm machte nichts desto weniger ihre Baare glückselig / und die / welche für die unsterbliche Thußnelde iemals ihren Degen gezücket / würden gleichfalls nimmermehr vergessen werden; zumal sie das Glücke gehabt hätten so viel Zuschauer ihrer Helden-Thaten zu haben. Nach dem aber der gerühmten Tapferkeit des Fürsten Zeno so viel Zuschauer abgegangen wären; würde es zu ihrer allgemeinen Vergnügung / und zum verdienten Preise dieses Helden gereichen / wenn sie der Wisenschafft solcher Begebnüß theilhaftig würden.

Als nun auch die andern Fürsten ihre Begierde den Verläuff des geschehenen Raubes zu vernehmen mercken liessen / erzehlte die liebreiche Thußnelda: Sie wäre früh mit der Königin Erato / dem Fürsten Zeno und Saloninen in den Fürstlichen Lust-Garten bey Deutschburg gefahren / in Meynung von erwehntem Fürsten die vertröstete Erzehlung seiner wundersamen Zufälle zu vernehmen. Wir setzten uns / sagte sie / zu dem Ende auf den Umbgang des letztern Lust-Hauses / theils dem annehmlichen Spring-Brunnen / allwo aus vier ertztenen Wallfischen vier grosse Ströme Wasser in die marmelne von so viel unterbückenden Meer-Göttern gehaltene Schale ausspritzẽ / zu zuschauen / theils auch unsere Augen in die selbige Gegend gleich eines Krantzes umbgebende Hügel und Wälder auszutreiben. Der Fürst hatte nach etlichen andern annehmlichen Unterredungen kaum seine Geschichte berühret / als wir aus Deutschburg einen zu Pferde spornstreichs dem dicksten Walde zurennen sahen / uns aber als von allen Feinden weit entfernet /hierüber das wenigste bedenckliche träumen liessen; wiewohl wir hernach aus dem Ausschlage gemuthmasset / daß durch eben selbten unsere Anwesenheit in dem Lust-Garten verrathen sey worden. Wenige Zeit hernach kamen aus drey unterschiedenen Ecken des Waldes etwan zwölf Pferde gegen Deutschburg Fuß für Fuß geritten / die wir aber ebenfals / zumal sie auf Cheruskische Art bekleidet waren / aus der Acht liessen / und des Fürsten Zeno anmuthiger Erzehlung Sinnen und Gemüthe wiedmeten. Der Feldherr brach ein: Es ist sicher eine höchst vermessene That / aus unserm mit so viel tausend Mann besetztem Fürstlichen Läger bey hellem Tage mit so weniger Mannschafft einzubrechen / und Erlauchte Personen freventlich anzutasten. Aber es gehen keine Anschläge glücklicher von statten / als derer man sich am wenigsten versihet / und der Vernunft am wenigsten ähnlich sind / entweder weil das Glücke seine Oberhand über alle Klugheit hierdurch bezeugen /oder diese uns für aller Unachtsam- und Sicherheit warnigen wil. Thußnelda fuhr fort: Bey dieser letztern verlohren wir sie ein par Gewende lang unter der ziemlich hohen Gartẽ-Mauer aus dem Gesicht und Gedancken / wurden ihrer auch nicht ehe gewahr / als biß derer sechs oben auf der Mauer standen / an einer angehenckten Leiter von Stricken in Garten stiegen /das nahe darbey sich befindende Thor innwendig aufriegelten / und noch wohl zwantzig andern den Eingang öffneten. Wir eilten wider des Fürsten Zeno Vermahnung die Stiege an dem Lusthause herab / in Hoffnung / wir würden dieser Gewalt noch durch die Flucht in den innern Garten entkommen / oder zum minsten durch unser Geschrey iemanden eher als an diesem allzu weit entfernten Theile erruffen können. Allein diese Räuber hatten so gute Kundschafft der sich daselbst [440] befindenden Lust gänge / daß sie uns zuvor kamen / und wir ihnen recht in die Hände lieffen. Fürst Zeno / ob er zwar ohne Schild und Helm /mit seinem blossen Degen bewaffnet war / grieff die Räuber mit einem unverzagten Helden-Muthe an /massen in unserm Beyseyn er zwey den Staub zu küssen zwang / und ihrer wohl fünf verwundete. Alleine weil ihrer wohl zwölff andere ihm den Zutritt zu uns mit Degen und Spiessen verwehrten / banden die an dern der Königin Erato und mir die Hände zusammen / schleppten uns aus dem Garten / und hoben uns mit Gewalt auf zwey Pferde / ungeachtet die Königin in tieffe Ohnmacht sanck / als sie im Zurückschauen den Fürsten Zeno von den Streichen der ihm zusetzenden Meuchel-Mörder zu Bodem sincken / Saloninen aber an einen Baum anbinden sah. Aber / ob schon Erato gantz unbestelet war / und von zweyen neben ihr reitenden Bösewichtern mit Noth auf dem Pferde erhalten werden kunte; waren doch diese Raub-Vögel wie die Steine unempfindlich / und eben so stu . Daher wir allererst in dem Walde die Stifter dieser Entführung erfuhren / als wir den König Marobod und Segesthes in voller Rüstung und Bereitschafft antraffen /dieser aber mir / daß ich jenem als meinem unveränderlichen Bräutigam nur gutwillig folgen; der Königin aber / daß sie die Beherrscherin seiner Seele in so wenigen Tagen worden wäre / und sie unser beyder Heil und Vergnügung am meisten suchten / andeutete. Ich lasse so empfindliche Gemüther / als solche Erlauchte Helden haben müssen / urtheilen / wie mir und der sich den gantzen Tag fast nicht von ihrer Ohnmacht erholenden Königin müsse zu Muthe gewesen seyn /da wir den Fürsten Zeno für todt hielten / Saloninen angebunden / und dardurch allen Trost / daß unser Raub so bald entdeckt / und uns einige Hülffe nachgeschickt werden würde / verschwunden sahen. Gewißlich / setzte Erato darzu / weil ich damals mehr todt als lebendig gewest / habe ich meine Stelen-Angst nicht recht empfunden / sondern sie allererst dazumal recht angegangen / als mich die zwey verda ten Sarmater so schändlich angetastet. Und kan ich betheuern / daß ich selbst nicht weiß / ob sie mich aus den Senfte gerisse / oder wie ich sonst daraus kommẽ oder in ihre Hände verfallen sey. Allem Ansehen nach aber haben sie sich bey anderer hitzigem Gefechte ihres Vortheils bedienen / und ihren Muthwillen an mir gewaltsam ausüben / und sich so denn aus dem Staube machen wollen.

Unter diesen Gesprächen kamen sie / nach zweymal abgewechselten frischen Pferden / wiewohl schon eine Stunde in die Nacht / nahe bey Deutschburg an /allwo sie von denen versa leten Kriegshauffen / und von der Menge des Volcks / welches sich das Hertzogliche Beylager theils zu bedienen / theils zu beschauen / in die Stadt nach und nach eingefunden hatte / mit Jauchzen und Frolocken bewillko t / und mit tausenderley Glückwüntschung über der Erlösung Thußneldens und den neu-erlangten herrlichen Sieg /in die Fürstliche Burg begleitet wurden; darinnen nach vorher eingelauffener guter Zeitung und erschollenem Geschrey / welches nicht selten der Geschichte zuvor ko t / ein herrliches Mahl bereitet worden war / zu welchem alle anwesende Fürstliche Personen und Kriegs-Häupter sich einfunden / ausser Hertzog Melo / welcher wegen seiner empfangenen Wunden erst folgenden Tag auf einer Sänfte nachkam / und der Königin Erato / die bey dem Feldherrn dißmal sich abzusondern / und in dem Zimmer des Fürsten Zeno zu speisen Verlaub erlangte. Den andern Tag früh ließ der Feldherr nach gehaltenem Rathe die Fürsten abermals in dem nechsten Thier-Garten zur Taffel einladen.

Die Fürsten waren schon in dem Speisesaale versa let / als dem Feldherrn angesagt ward / daß ein frembder Fürst nur mit etlichen Post-Pferden ankommen wäre / und bey ihm Verhör [441] zu erlangen suchte. Wie nun Hertzog Herrmann ihn in selbigen Saal zu leiten befahl / und er ihm im Vorgemache entgegen kam / trat sein eigner Bruder Ernst oder Flavius hinein / welcher von dem Feldherrn und denen andern deutschen Fürsten alsobald erkennet / mit grossen Freuden und hertzlicher Umbarmung bewillkommet ward. Weil nun die Speisen allbereit auf der Taffel standen / musten sie beyderseits ihren Freud- und Freundschaffts-Bezeugungen etwas abbrechen / und sich an die Taffeln setzen. Der Feldherr bezeigte sich überaus lustig / und gab zu vernehmen / daß er gegenwärtigen Tag für den andern seiner glückseligsten hielte / indẽ er nicht allein wider einen mächtigẽ König einen so herrlichen Sieg / sondern auch seinen Aug-Apfel die wunderschöne Thußnelda und seinen liebsten Bruder wieder erlanget hätte. Diese Erklärung machte den Fürsten Flavius begierig / den Verlauff selbigen Tages zu vernehmen / welchen denn der Feldherr mit ausführlicher Erzehlung vergnügte / und insonderheit des Fürsten Zeno / Rhemetalces und Malovends Tapferkeit hoch heraus strich / und meldete / daß Hertzog Malovend diesen Tag seinen Fehler /daß er wider sein Vaterland die Hand aufgehoben /getilget / die andern zwey Fürsten aber umb Deutschland verdienet hätten / daß sie für Fürsten ihres Reichs erklärt / und mit dem Rechte und Freyheit der Deutsch-Eingebornen beschencket würden. Massen denn auch nach der andern Fürsten Einstimmung der Feldherr zum Zeichen ihrer Annehmung in den deutschen Fürsten-Stand / iedem eine Fahne / eine Lantze / und ein köstliches Schwerdt überreichte / von ihnen beyderseits auch mit grosser Vergnüg- und Dancksagung angenommen ward. Hierauf gab Hertzog Arpus auch dem Flavius seine Sorgfalt über seiner so unvermutheten Ankunft zu verstehen; iedoch verlangte er mehr nicht / als nur: Ob ihn ein guter oder böser Stern von Rom in sein Vaterland geleitet hätte / zu vernehmẽ / da er die Ursache offentlich zu entdecken Bedencken trüge. Flavius antwortete: Er müste gestehen /daß er aus einer geheimen Ursache ungerne von Rom gewichen wäre. Die ihn aber hierzu genöthiget / wäre denen nicht zu verschweigen / von denen sie selbst herrührte. Arpus ward hierüber noch begiriger; bat daher / weil sie derogestalt zu sagẽ taugte / sie ihnen nicht zu verschweigen. Flavius antwortete: Die zu Rom erschollene Niederlage des Varus habe den Käyser derogestalt erschreckt / daß er alle unter seiner Leibwache / oder auch nur Reisens und Handels wegen zu Rom sich befindende und zu den Waffen geschickte Deutschen auf unterschiedene entlegene Inseln / die unbewehrten aber aus Furcht / daß sie einen Aufstand anstiften möchten / ausser der Stadt Rom geschafft hätte. Ich war auch auf die Insel Dianium gebracht / von dar ich durch Beystand eines Frauenzimmers mich dieses Gefängnüsses entbrochen habe. Arpus fragte: Wenn er denn von Rom weg wäre / und wie es möglich seyn könte / daß bey seiner Anwesenheit in Rom man schon die Niederlage des Varus gewust haben könne? Flavius antwortete: Sie hätten daraus keines weges zu zweifeln / sondern sich zu versichern / daß diese böse Zeitung schon den fünften Tag zu Rom gewest / er aber noch wohl vier Tage hernach aus Rom geschieden sey. Rhemetalces fiel ein: Ob es durch ein Wunderwerck zu Rom so zeitlich kund worden / wie er ihm denn erzehlen lassen / daß die Schlacht in Macedonien / in welcher Paulus den Perses überwunden / und in welcher Marius die Cimbrer geschlagen / zu Rom / und des Taurofthenes Sieg und Krönung zu Egina an eben dem Tage / als solche weit darvon geschehen / von Gespenstern wären angekündigt worden. Gleicher gestalt solle der Griechen Plateischer Sieg in Beotien wider den Mardonius in eben demselben Tage auf dem Vorgebürge Mycale kund worden / und eine Ursache des wider die Persen erlangten See-Gefechtes gewesen seyn. Den [442] Sieg der Lorrer wider die Crotoniaten in Italien sollen eben selbigen Tag die Stadt Corinth / Athen / und Sparta /die Pharsalische Schlacht viele entfernte Oerter / des Käysers August Sicilische Uberwindung Rom erfahren haben. Flavius versetzte: Es hätten zwar unzehlich viel Wunderzeichen ein grosses Unglück zu Rom angedeutet / indem der Blitz in den Tempel des Mars geschlagen / gantze Wolcken voll Heuschrecken in Rom kommen / und von Schwalben aufgezehret worden; in dem Apemnius und Alpen die Gipfel der Berge eingebrochen und gegen einander gefallen /daraus drey Feuer-Säulen aufgefahren / der Himmel etliche mal in vollem Feuer gestanden / etliche Schwantz-Sterne zugleich erschienen wären. Alleine diese Zeitung wäre durch die schnelle Post / welche Käyser August in ordentlichen Stand gebracht hätte /dahin kommen. Denn ob wohl vorhin die Römer auch unterschiedene mahl sich reñender Bothen gebrauchet / in dem Sempronius Grachchus in Griechenland von Amphissa nach Pella den dritten Tag / Vibullius zum weit entfernten Pompejus in kurtzer Zeit / Marcus Cato den fünften Tag von Hydrunt nach Rom / Julius Cäsar den achten von Rom an Rhodan auf abgewechselten Pferden kommen / und ieglichen Tag hundert tausend Schritte gereiset hätten; so wäre doch diese schnelle Post allererst von ietzigem Käyser ordentlich eingeführt / welcher durch gantz Italien / ausserhalb der gemeinen Land-Strassen / absondere schnur-gerade Kriegs-Wege mit breiten Steinen gantz gleiche habe pflastern lassen / also / daß die Post-Wagen gar leichte und fluggeschwinde fortgerollet würden. Rhemetalces antwortete: Es wäre diese Erfindung mit denen schnellen Wagen besser und gemächlicher als des Cyrus darzu auf ieder Tage-Reise bestellte Angar-Pferde und Ställe / auf denen sich die Bothen offt zu Tode rennten / oder die Pferde stürtzten / und zu schanden würden. Uber diß wäre von der Lippe den fünften Tag etwas nach Rom zu bringen eine solche Geschwindigkeit / welche alle vorhin erzehlte und die von den Persen übernommenen übertreffe; ja er könte dieser / weder des Hannibals / der nach verspielter Schlacht gegen den Scipio in zwey Tag- und Nächten drey tausend Stadia weit nach Adrumet / noch auch kaum des Königs Mithridates / welcher in einem Tage tausend Stadia / derer acht eine Römische Meile machen / gereiset soll seyn / vergleichen. Es ist wahr /versetzte Flavius; ledoch meyne ich / daß derselbige Freygelassene / der zu meiner Zeit von Rom in sieben Tagen nach Tarracon zum Käyser in Spanien geritten / und der Philippides / welcher von Marathon nach Athen noch selbigen Tag kommen / und mit diesen Worten: Seyd gegrüßt / wir haben überwunden / seine müde Seele ausgeblasen hat; nicht längsamer / als der in fünf Tagen von der Lippe nach Rom kommen kan /gereiset sey / und so gute Pferde / oder der Persischen Könige Dromedarien / die in einem Tage funfzehnhundert Stadien gerennet haben sollen / gehabt haben müsse. Aber es hätten diese schnelle Post nicht allein die Pferde / sondern guten theils die Stimme der Menschen verrichtet. Denn nach dem die Gallier und Deutschen schon für langer Zeit gewohnt wären in wichtigen Zügen gewisse Menschen / die helle Stimmen hätten / hinter- und so weit von einander / als des andern Ruffen zu vernehmen wäre / zu stellen / da immer einer dem andern die Zeitung zuschreyet / also / daß in des Käysers Julius Kriege diß / was früh bey der Belägerung Genab vorgieng / des Abends in der Averner Gräntze schon vernommen ward; so habe Käyser Augustus eben dieses von dem Rhein an / an allen bergichten Orten / wo man mit den Post-Pferden so geschwinde nicht rennen kan / angeordnet. Rhemetalces bedanckte sich für so gute Nachricht / mit dem Beysatze: Er erinnere sich numehr / daß in Persien für Zeiten auch derogleichen auf die Berge und Hügel gestellte Postschreyer bräuchig gewest [443] wären / und insonderheit sich derselben Eumenes derogestalt bedienet hätte / daß er in einem Tage dreißig Tagereisen weit etwas hätte zu wissen machen können. Und als Xerxes in Griechenland Krieg geführet / hätte er von Athen biß nach Susis derogleichen Ruffer ausgesetzt /durch welche man in acht und viertzig Stunden in Persien erfahren / was in Griechenland geschehen wäre. Peucestes hätte eben des grossen Alexanders Tod in einem Tage dem eussersten Persien zu wissen gemacht. Der Feldherr setzte bey / diese Post-Art wäre wohl die schnellste / aber sehr ungewiß; indem ein widriger Wind selbte auff einmahl vernichtete / die Erfahrung auch öffters mit Schaden gewiesen hätte /daß die darzu bestellten Leute eine Sache gantz unrecht vernommen / und mehrmahls das Widerspiel an den bestimten Ort berichtet worden wäre. Denn eines einigen übeles Gehöre verfälsche aller andern Zungen. So liesse sich auch hierdurch nichts berichten / an dessen Heimligkeit offtmahls so viel gelegen wäre. Noch ungewisser wären die in Sicilien bräuchliche Fackeln / de man sich auch nur des Nachts bedienen könte. Weil sich auch so gleiche Wege zu bereiten /wie Augustus gethan / allzu kostbar / die bergichten Länder aber darzu gar nicht geschickt wären / hielte er es mit den Scythischen und Sarmatischen Pferden /derer sie etliche zwantzig Stück auff der Rennebahn gesehen / welche / wie unansehnlich sie gleich wären /in einem Tage / und zwar wohl zehn Tage hinter einander sonder einige Uberlast hundert Römische / oder fünff und zwantzig deutsche Meilen / auff eussersten Nothfall auch / wenn man sie den Tag vorher nicht überfütterte / noch halb so weit lauffen könten. Rhemetalces wunderte sich hierüber / und sagte / diese Pferde wären mit Golde nicht zu bezahlen / und eines prächtigen Grabmahls besser werth / als die Krähe des Egyptischen Königs Marrha / die er allenthalben hin Brieffe zu tragen abgerichtet hatte. Hertzog Jubil fiel ihm ein: Ich halte diese Pferde weniger wunderns-werth / als den Philippidas / der im Persischen Kriege in zwey Tagen von Athen nach Sparta / zwölff hundert und sechzig Stadia weit / um Hülffe zu bitten; und noch mehr den Euchidas / der in einẽ Tage das heilige Feuer zu holẽ von Athen nach Delphis und wieder zurück also tausend Stadia weit zu Fuße gelauffen. Ja unglaublich scheint / daß des grossen Alexanders Bothe Philonides von Sicyon nach Elis hundert funffzig Römische Meilen in neun Stunden gegangen / und auch alsobald zurücke gekehret sey /also gleichsam die Sonne überlauffen habe. Wiewohl ich darfür halte / daß es neun Sommer-Stunden gewesen / und daß man damahls eben wie itzt die Römer /den langen und kurtzen Tag in zwölff Stunden abgetheilet / und selbte / nach dem der Tag lang oder kurtz ist / verlängert oder verkürtzt habe. Eben so unglaublich scheint / daß Philip ein edler Jüngling den grossen Alexander fünff hundert Stadia weit in voller Rüstung begleitet / und das ihm vom Lysimachus offt angebotene Pferd anzunehmen geweigert habe. Sonsten aber halte ich die Botschafft durch das Geflügel sehr hoch / nützlich / und nicht allein den geschwindesten Pferden / sondern auch denen in den eussersten Nordländern bräuchigen Rennthieren / welche täglich dreißig deutsche Meilen / und also alle Pferde der Welt überlauffen / überlegen zu seyn. Sintemahl sie keinen krümmenden Umweg machen dörffen / auch über Seen und Flüsse fliegen / durch keine Läger /Mauern und Bollwercke auffgehalten werden können. Und wie in Egypten die Taubẽ insgemein zu Briefträgern gebraucht werden / also weiß ich bey denen benachbarten Batavern / wie auch in Syrien eine berühmte Stadt / welche bey ihrer Belägerung sich derselben nützlich bedienet hat. Mir ist aber auch nicht unbekandt / versetzte Rhemetalces / daß eine andere Festung dar durch zur Ubergabe gebracht worden / als eine solche Post-Taube [444] wegen Müdigkeit sich im feindlichen Läger auff eine Fahne nieder gesetzt / mit ihren Hülffs-Brieffen erwischet / ihr andere widrige Brieffe angebunden / und darmit in die Stadt zu fliegen frey gelassen worden. Der Feldherr redete darzwischen: Es wären diese Botschafften freylich wohl eben so zweiffelhafft / als der Hunde / welche mehrmahls durch feindliche Läger mit nützlicher Nachricht durchkommen / zuweilen aber auch zum Schaden erwischt worden wären. Jedoch liessen sie sich sicher gebrauchen / wenn man gezifferte Brieffe schriebe /die niemand / als der sie empfangen solte / lesen könte. Hertzog Flavius fing hierauff an: Er hielte für rathsam / daß ein Fürst alle seine Brieffe / an denen etwas gelegen / und welche in feindliche Hände fallen könten / mit solchen unkenntlichen Buchstaben schreiben solte; wie denn Käyser August seines Wissens dieses Geheimniß mit einem andern / gewisse Kennzeichen abzureden / erfunden; Käyser Julius noch nur / wenn er was Geheimes irgends wohin schreiben wollen / einer andern daselbst ungemeinen Sprache Buchstaben gebraucht hätte. Insonderheit hätte er nach der Niederlage des Lollius iedem Landvogte eine absondere Art Zieffern zu geheimer Brieffwechselung überschicket / auch ihre jährige Verwaltungen durchdringend noch auf ein Jahr verlängert /wormit selbte als der Länder erfahrne / und derer die Völcker schon gewohnt wären / alles so viel leichter in Ruh erhalten könten. Der Feldherr fing hierauff an: Die Tieffsinnigkeit der Menschen ergrübelt nunmehr nicht alleine die Geheimniße der Schrifften / sondern sie erfindet auch Angeln das verborgenste aus denen verschlossensten Hertzen herfür zu ziehen. Er hätte in seiner väterlichen Erbschafft die Kunst in einem Buche verzeichnet gefunden / wie man die gezifferten Brieffe auffschlüssen könte / und wäre der Feldherr Segimer darinnen ein Meister gewest / welchem niemals einiger Brieff zu handen kommen wäre / den er nicht ausgelegt / und dardurch den Nahmen des deutschen Oedipus erworben hätte. Unterdessen wäre gleichwohl die geheime Schreibens-Art in keinerley Weise zu verwerffen / weil in Griechenland selbten mehr als einer gefunden würden / die die Räthsel eines Sphynx auffzulösen wüste. Sonst aber merckte er aus des Flavius Erzehlung / daß der Deutschen Sieg gleichwol zu Rom nicht geringes Schrecken verursacht haben müsse. Flavius antwortete: Er versicherte sie / daß es grösser gewest / als da Hannibal für den Römischen Thoren gestanden. In gantz Italien hätte alles nach Rom geflüchtet / in Rom aber alles gezittert und gebebet / indem die fremden Hülffs-Völcker alle mit drauff gegangen / die Grentz-Festungen des Volcks entblösset / die junge Bürgerschafft zu Rom durch den Pannonischen und Deutschen Krieg gantz erschöpfft wären / ja zu Rom schon die gemeine Rede gegangen / daß die Deutschen geraden Weges gegen Rom anzögen / und schon nahe unter den Alpen stünden / um ihrer Vorfahren Fußstapffen nach zu treten / und die vom Marius empfangene Wunden zu rächen. Ob nun wohl der Keyser zu Besetzung des Gebürges neue Werbungen angestellet / hätte doch fast niemand des rechten Alters wider einen so tapffern Feind sich wollen einschreiben lassen / also daß der Käyser die sich weigernden Bürger zum Loß gezwungen / und aus denen / die noch nicht dreißig Jahr alt / den fünfften / aus denen ältern den zehenden /aller Güter und Ehren entsetzt; ja als auch diß noch nicht geholffen / etliche tödten lassen. Das dem Tiberius wegen des Pannonischen Krieges bestimmte Siegs-Gepränge und andere Schau-Spiele hätten müssen nachbleiben; und es wären in Rom alle Plätze mit starcken Wachten wider allen besorglichen Auffruhr. besetzt worden. Der Käyser selbst / der vorhin bey vielen grossen Unglücksfällen nicht nur ein unverändertes Gesichte behalten / sondern auch um sein unerschrockenes Gemüthe zu zeigen Gefährligkeiten gewünschet / und darbey seine Ehrsucht [445] ausgeübet hätte / wäre gantz verzweiffelt mit dem Kopffe wider die Thür-Pfosten gelauffen / ruffende: Qvintilius Varus /schaffe mir die verlohrnen Legionen wieder. Er hätte drey Tage nie gespeiset / drey Nächte nicht geschlaffen / wider Gewonheit sein Haar und Bart nicht bescheren / den Tag der Niederlage in das schwartze Zeit-Register / wormit man jährlich daran die erzürnten Götter versöhnte / einzeichnen lassen. Dem Jupiter hätte er nebst zugesagten grossen Schauspielen viel andere Gelübde gethan / da er das gemeine Wesen in einen bessern Stand setzen würde. Alle deutsche Fürsten hörten diese Betrübniß ihrer Feinde mit Freuden an; Hertzog Arpus aber fing an: Augustus hat durch diese Zagheit bey mir ein grosses Theil seines Ansehens verlohren / und ich halte diesen Abend wenig von dem / den ich gestern der gantzen Welt Beherrschung würdig schätzte. Denn was mag einem Fürsten unanständiger / seinem Reiche schädlicher seyn / als wenn er ieden Glücks-Wechsel sein Gesichte / und mit iedem Winde seinen Lauff ändert? Wer für Trübsalen die Augen niederschlägt / macht selbte gegen ihn nur behertzter; wer aber selbten mit unverwandten Augen ins Gesichte sihet / machet offtmahls Tod und Hencker stutzend. Die Kleinmüthigkeit reißt keinen aus der Gefahr / wohl aber die Hertzhafftigkeit. Aus den wäßrichten Augen eines Fürsten erkennet das Volck die Grösse bevorstehenden Ubels / wie aus umwölckten Bergen das Ungewitter / verlieret also das Hertze / läst die Hände sincken / und fällt in Verzweiffelung. Hingegen hat ein Fürst mancher Furcht und daraus erwachsender Gefahr dadurch abgeholffen / wenn er seine Wunden verbunden / nicht gewiesen hat. Massen der meisten Reiche und Kriege Befestigung nicht so wol auff der Grösse der Kräfften / als ihrem grossen Nahmen gegründet ist. Hätte Pompejus nach der Pharsalischen Schlacht sich nicht so weibisch und kleinmüthig gebärdet / würde es ihnen an Kräfften nicht gemangelt haben / dem Julius die Wage zu halten. Weniger hätte ein verschnittener Knecht sich gewagt einen so tapffern Held abzuschlachten. Hingegen hätte der gefangene Porus dem grossen. Alexander nicht so unverzagt geantwortet /würde er ein Sclave / kein König blieben seyn. Es ist schimpff- und schädlicher seinen Muth als eine Schlacht verlieren. Dieses kan wegen überlegener Feinde / wegen Vortheilhafftigkeit seines Standes /oder durch Versehung der seinigen geschehen. Ja Staub / Wind und Sonne verdienen offtmahls den Siegs-Krantz / und das Glücke den Nahmen / daß es sey ein Meister aller Ausschläge / und eine Gebieterin über die Schlachten. Der Verlust des Muths aber rühret von unserer eigenen Schuld her. Sintemal weder Glücke noch sonst iemand einige Herrschafft über unser Gemüthe hat. Dieses ist allen Regungen gewachsen / lässet sich nicht wie geschlossene Glieder mit Lantzen / und feste Mauern durch Sturmböcke durchbrechen / es vertreibet alle Furcht und vergeringert alles Ubel / wenn es nur beherzigt / daß nichts als unsere Fehler den Nahmen eines Unglücks verdienen /und daß es rühmlicher sey / ohne sein Versehen etwas verspielen / als durch Laster oder blossen Zufall viel gewinnen. Diesemnach wie ein Fürst sich beym Glücke nicht überheben / noch bey gutem Winde die Hände in die Schoos legen muß / also soll er auch beym Sturme ihm nicht den Compaß verrücken lassen / sondern mit wachsamen Augen / steiffen Händen /unerschrockenem Hertzen seiner vorigen Richtschnur nachgehen / gleich als weñ seine Klugheit diesen Sturm lange vorher gesehen hätte / und kurtz zu sagen / die Noth kleiner machen als sie ist. Freylich wol /versetzte der Feldherr / ist es ein grosser Fehler /wenn ein Fürst ihm zur Unzeit in die Karte sehen läst / was er für ein böse Spiel habe / oder weñ ein Ancker gerissen / das Schiff selbst für verlohren ausrufft /oder wol gar in Grund bohret. Diese Zagheit überfället auch insgemein dieselben / welche allzulanges Glücke / oder allzugrosse Vermessenheit auff seine Kräfften in Sicherheit eingeschläfft / [446] gleich als sie sich mit jenem auff ewig vermählet / oder diese mit dem Feinde nur zu spielen / nicht zu fechten hätten /also ihnen nichts weniger als einen Unfall habe träumen lassen / weniger auff den Fall / da etwas umschlüge / vorsichtige Anstalt gemacht. Dieses stürtzte den Pompejus / welcher in der Pharsalischen Schlacht in seinem Gemüthe sich ehe überwunden gab / als er im Felde angegriffen ward. Es fällte die Spartaner /als die Athenienser ihnen wider vermuthen Pylus und Cythere wegnahmen. Deñ wie soll ein niemahls verwundeter Fechter / ein nie zu Bodem gelegener Ringer / ein Schiffer / der nie keinen Sturm ausgestanden /das erste mahl dafür nicht erschrecken? Und es scheinet / daß die gewohnten Siege der Römer dißmahl das Schrecken über des Varus Niederlage zu Rom freylich vergrössert habe. Allein ich bin gleichwohl der Meinung / daß es in solchen Gefährligkeiten / welche den Staat leicht über einen Hauffen werffen können / oder da das Volck allzu sicher oder zu vermessen ist / es so wenig einem Fürsten rathsam sey ein groß Unglücke /als einem Krancken sein Ubel zu verschweigen. Wenn ein Schiffer den Wellen nicht mehr gewachsen / ruft er ängstiglich alle Schiffende / daß sie entweder mit Hand aus Ruder legen / oder ihre Götter um Hülffe anruffen. Wenn ein Fürst zu allem Unglücke unempfindlich ist / scheints / daß er entweder keine Liebe zu seinem Volcke / oder keine Acht auff sein Reich habe / oder aus dem Blitze der zornigen Götter ein Gelächter mache. Ein treues Haupt eines Landes fühlet alle Wunden der Glieder / und alle Thränen seines Volcks gehen einem Vater des Vaterlandes durchs Hertz. Die Natur hat allen Thieren als ein Mittel ihrer Erhaltung das Fühlen eingepflantzet / die Staats-Klugheit den Fürsten eine Empfindligkeit. Die Krancken sind so denn in eusserster Gefahr / wenn ihnen nichts mehr weh thut / und die Fürsten / wenn ihrem Reichs-Cörper ein Glied nach dem andern ohne Empfindligkeit abgerissen wird. Es giebt Sardanapaln / welche sich mehr um niedliche Speisen / als umbs Läger bekümmern; Die auff Erfindungen sinnen / daß sie das gantze Jahr frische Feigen / alle Monden neue Blumen haben; den Sommer in Spreu / Schnee und Eiß / und drey Jahr die Weintrauben gut behalten / daß sie auff einen Stamm zehnerley Früchte pfropffen / und in einem Apffel Pomerantzen und Granat-Aepffel mit einander vermählen; hingegen sich über einer verlohrne Schlacht kützeln / meinende: Es hätte dem schwürigen Pöfel eine Ader müssen geschlagen werden; Aus dem Verlust einer eingebüsten Stadt noch einen Wucher machen / weil sie als alzuweit entlegen gar zu viel zu erhalten gekostet / die / wenn sie ein fruchtbar Land verspielet / darfür halten daß in den übrigen noch Weitzen genug wachse / wenn des Nachbars Haus brennet / das ihrige noch weit genug entfernet schätzen. Da denn insgemein heuchlerische Diener aus solcher Schlaffsucht eine Großmüthigkeit machen / und diese Blindheit für ein Staats-Geheimniß verkauffen. Denn es hat noch nie ein so schlimmer Fürst gelebt / dem seine Hoffheuchler nicht den Titel eines Helden gegeben / den die Klügern auch eine gute Zeit vertragen und seine Fehler zum bestẽ gedeutet / ungeachtet er nach seinem Tode kaum für ein Mittelding zwischen Mensch und Vieh angesehen worden. Es ist in alle Wege wahr / antwortete der Catten Hertzog /daß ein Fürst seines Reiches Wunden fühlen / sein Unglück nicht gar verstellen / und das gemeine Feuer zu leschen iederman beruffen solle. Daher könte er nicht schelten / daß Augustus über so grossem Verluste seine Empfindligkeit bezeigt / insonderheit aber die Sorgfalt die Reichs-Grentzen zu versichern nicht vergessen hätte. Alleine seine erzehlte Ungeberdung wäre nicht männlich / weniger Fürstlich. Denn ein Fürst solle wie ein kluger Schiffer auch bey dem gefährlichsten Ungewitter nie erblassen / noch die Grösse der Noth mercken lassen / wenn er nicht seine Gehülfen verursacht wolte / daß sie aus Verzweiffelung die Hände sincken lassen / und die Augen mit unnützen [447] Thränen beschäfftigen müssen. Die Furcht wäre die Eigenschafft eines Lasterhafften / und das Schrecken eines Sclavens. Alle andere Ubel hätten ihr Maaß / und das Unglück sein gewisses Ziel. Die Furcht alleine überschritte alle Grentzen / und vertrüge keinen Zaum der Vernunfft. Andere Schwachheiten fühlten nur diß / was sie würcklich und wesentlich beleidigte; die Furcht aber machte das künfftige oder auch nur geträumte Böse gegenwärtig. Sie verwandelte den Schatten von einem Zwerge in einen Riesen; wie die unter gehende Sonne einen Rosen-Strauch in eine Ceder. Sie sehe einen gläntzenden Nachtwurm für ein Irrlicht an; Sie zitterte für ihrer nichtigen Einbildung /wie Pisander für seiner eigenen Seele. Sie benehme dem Gesichte die Farbe / dem Haupte die Vernunfft /dem Leibe das Hertze / dem Munde die Beredsamkeit. Sie machte auch die Treuesten wanckelmüthig / und nöthigte auch den Guten den Irrthum der Bösen auff. Sie unterscheidete nicht die heilsamen Eriñerungen kluger Leute / und die Meinungen des albern Pöfels. Sie zerstörte alle Ruh und Eintracht / und gebe eitelem Ruffe mehr Gehöre als der Warheit. Ja sie erdichtete ihr selbst / was ihr doch zuwider wäre. Sie triebe einem die grauen Haare in einer Nacht heraus; Sie entlieffe wie das grosse Heer des Xerxes für dem furchtsamsten aller Thiere / nemlich einem Hasen; flüchtete sich wie die mächtige Kriegs-Flotte der Insel Samas bey dem Flusse Siris für dem Geräusche etlicher aufffliegender Rebhüner / oder stürbe wohl gar für Aengsten wie die Wasser-Heuschrecke / wenn sie den Meer-Fisch zu sehen kriegt / der von vielen Füssen den Nahmen hat. Ein Fürst aber nehme durch seine einige Zagheit tausend ihm folgenden Löwen das Hertze / und stürtzte sein gantzes Volck mit einer kleinmüthigen Gebehrdung ins Verzweiffeln / wie die verfinsterte Sonne die gantze Welt in Schrecken. Diesem nach müste er alle Furcht von sich verbannen. Denn wer das wenigste davon im Hertz hätte / wäre unfähig solche andern einzujagen. Denn die Crocodile und Feinde lieffen nur für denen sie verfolgenden; hingegen verfolgten sie alle Flüchtigen. Der Feldherr setzte dem Hertzog Arpus entgegen: Er wolte des Augustus Verstellung zwar nicht das Wort reden; aber er könte den Deutschen schwerlich so sehr heucheln /daß der Käyser hierdurch bloß die Verfallung seines Gemüths entdecket / nicht aber vielmehr ein unerforschlich Geheimniß verborgen haben solte. Er kennte den August gar zu gut / August aber so wohl der Römer als Deutschlands Kräfften. Wäre es eine Klugheit sein Unglück verkleinern / so könte desselbten Vergrösserung zuweilen auch wohl ein Streich der Staats-Verständigen seyn. Wie viel Leute würden nur durch eusserste Gefahr vorsichtig gemacht / und durch Donner und Blitz aus dem Schlaffe ihrer Sicherheit auffgeweckt? Die Thoren hielten den nur für einen tapffern Helden / der sich für nichts fürchtete. Daher sein Vorfahr Marcomir / dessen Hertze gewiß keine weibische Zagheit zu beherbergen fähig gewest wäre /über eines Großsprechers Grabschrifft / Krafft welcher er sich niemahls für etwas gefürchtet haben solte / lachte und urtheilte: der Verstorbene müste niemahls ein Licht mit den Fingern geputzt haben. Denn die Steine hätten allein diese Unempfindligkeit; Die Unwissenden schreckte kein Blitz; die Wahnsinnigen lieffen nur wie die thummen Schaafe ins Feuer / und die wilden. Zelten hätten nicht ihre Hertzhafftigkeit /sonder ihre blinde Unvernunfft an Tag gegeben; als sie die unversehrlichen Wellen des sie überschwemmenden Meeres mit ihren Waffen zurück treiben wolten. Man müste dem Glücke und der Natur zuweilen aus dem Wege gehen. Diese hätte in den hertzhaftesten Thieren uns einen Spiegel der Klugheit fürgehalten / wenn sie gemacht / daß der Löwe sich für dem Geschrey eines Hahnes / der Elefant für dem Gruntzen eines Schweines / oder für dem Ansehn eines Widers /der Tiger sich für dem Gethöne einer Paucke / der Wallfisch für Zerstossung der [448] Bonen sich entsetzet. Und bey den Helden wäre mehrmals die Furcht und Hertzhafftigkeit eben so wol / als in den Wolcken Feuer und Kälte vereinbarlich. Aratus Sicyonius hätte durch seine Thaten bey den Griechen den Ruhm eines unvergleichlichen Feld-Hauptmannes erworben /gleichwol hätte ihm bey allen Treffen das Hertze mehr / als dem furchtsamste Kriegsknechte geklopfft; und er hätte offt seine Untergebenen ängstig gefragt: Ob er auch selbst würde treffen müssen? Er wolte einen andern tapfferen Kriegs-Mann nicht nennen / welcher bey angehender Schlacht ärger / als ein Aespenlaub gezittert; diesen Gebrechen der Natur aber einsmals gegen einem / der ihm einen Harnisch anzulegen gerathen / aber derogestalt artlich abgelehnet hätte: Er dörfte keiner solchen Waffen. Denn das Fleisch zitterte und scheute sich nur für dem Gedränge / darein es sein feuriges Hertze einzwängen wolte. Dahero wäre die Meinung nicht durchgehends anzunehmen / daß kein furchtsamer iemahls ein Siegszeichen aufgerichtet / noch das Glücke zum Beystande gehabt hätte. Griechenland glaubte / daß die Furcht denen Göttern selbst anständig wäre; als welche sich für dem Riesen Tiphaus in Egypten geflüchtet / und in wilder Thiere Gestalt versteckt hätten. Das Verhängnüß brauchte das Schrecken bißweilen zu einem bösen Wahrsager /und wenn selbtes eine göttliche Schickung wäre / müsten auch eiserne Hertzen beben / und die Kinder der Götter so wol / als Ajax / Hector und Amphiaraus fliehen. Also hätte Pan bey des Bacchus Heere durch ein blosses Geschrey / und desselben Wiederschall dem Indischen / eine blosse Einbildung dem Xerxischen / und eine unerforschliche Ursache des grossen Alexanders Heere / als es gleich mit dem Darius schlagen sollen / eine über-natürliche Furcht eingejagt / daß sie wie unsinnige Menschen sich geberdet. Gleichwol wäre bey den letzten solche bald mit Weglegung der Waffen verschwunden / und ihr Schrecken mit einem herrlichen Siege gekrönt worden. Dahero wäre die Furcht nicht nur zuweilen unvermeidlich /sondern auch nützlich; und würden auch die tapffersten Leute durch geschwinde Zufälle erschrecket. Denn ob zwar ihre Ubermasse freylich wol alle Weißheit aus dem Gemüthe raubete / und ein ungetreuer Lehrmeister unsers Fürhabens ist; so wäre doch die mäßige eine Mutter der Vorsicht / diese aber der Glückseligkeit / und eine Schwester der Klugheit. Sintemal die furchtsamen insgemein auch die Nachdencklichsten sind. Und wie der Camelion nur /wenn er furchtsam ist / zu seiner nöthigen Erhaltung die Farben veränderte / und die Hindinnen nur / wenn es donnert / trächtig würden; Also lehrete auch nur eine vernünfftige Beysorge für Unglücks-Fällen kluge Anschläge / und vielerley Anstalten zu erfinden; und das gemeine Heil fruchtbar zu machen. Die übermäßige Furcht selbst wäre mehrmals zu was gutem dienlich; indem sie durch die Verzweiffelung unmögliche Dinge ausübete; Und der über seines Vaters Crösus Lebens-Gefahr erschreckende Sohn seine ihm von der Natur gebundene Zunge aufflösete / wormit sein Band der Liebe dem Vater den Lebens-Fadem verlängere. Ja die Furcht wäre mehrmals so heilsam / daß man selbte annehmen müste / wenn man sie am wenigsten hätte. Mit dieser hätte Ventidius den Pacorus mit seinen Persen / diese aber den Antonius überwunden. Die Staats-Klugen brauchten die Furcht oft zum Werckzeuge der Ruhe und Sicherheit. Sie wäre der einige Nagel / welcher die Gesetze hielte / weil die wenigsten aus Liebe der Tugend nicht sündigten. Sie wäre das Siegel der Friedens-Schlüsse und Bündnüsse / ein Kapzaum unbändiger Völcker / welche bey verschwindender Furcht also gleich wieder zu den Waffen griffen / und das gemeinste Band der Unterthanen. Denn man müste alle die mit ihr zwingen /welche durch Wolthat nicht zu [449] gewinnen wären. Dahero die Römer die Furcht für so göttlich gehalten /daß / wie sie in der Welt die erste Andacht gestifftet; also sie ihr selbst Altäre gebaut und geopffert hätten. Mit einem Worte: ein Fürst müste allezeit klug / insgemein hertzhafft / zuweilen furchtsam / aber niemals verzagt seyn. Ich muß es gestehen / fing Flavius an /daß die Furcht mich nichts minder aus der Römer Händen errettet habe / als sie die Hirschen der Grausamkeit der Jäger zu entreissen pfleget. Hertzog Herrmann bat hierauf den Flavius: Er möchte doch / wie er so glücklich von Rom in Deutschland entronnen /kürtzlich entwerffen. Rhemetalces aber setzte bey: Er möchte doch seine auch vorher ihm zu Rom begegnete Zufälle darbey nicht gäntzlich vergessen. Denn er wüste wol / daß wie Africa eine Mutter täglicher Mißgeburten / also Rom seltzamer Zufälle wäre / und insonderheit Fremden. Flavius antwortete: Aus seinen wäre zwar kein Wunderwerck zu machen; iedoch wolte er seine merckwürdigste Begebnüsse ohne Umschweif berühren / um theils der Anwesenden Verlangen zu vergnügen / theils ihre Gedult nicht zu mißbrauchen. Hiermit fing er an: das Verhängnüs machte unsere unglückliche Gefangen schafft dardurch glückselig / daß uns Drusus nicht mit zum Siegs-Gepränge / sondern der Käyser / weil mein Bruder Herrmann ihn bey Mniturne aus dem Wasser errettet / uns neben dem jungen Agrippa und Germanicus in Rom einführte. Ich genoß allenthalben dasselbe mit / was Hertzog Herrmann durch seine Tugend verdiente / worvon ich viel denckwürdige Begebnüsse erzehlen müste / wenn ich mich nicht bescheidete / daß seine Armen wohl grosse Thaten auszuüben geschickt sind / seine Ohren aber ihre Erzehlung nicht vertragen können. Einmal neigte mir ja mehr das Glücke / als meine Geschickligkeit ein Mittel zu / des Käysers Gewogenheit etlicher massen zu erwerben / als ich auf einer vom Drusus angestellten Jagt ein wildes Schwein aufhielt / daß es den fallenden Käyser nicht verletzen konte. Der Käyser war über meiner Auferziehung und Unterweisung in der Bau-Rechen- und Meß-Kunst / wie auch in ritterlichen Ubungen mehrmals so sorgfältig / daß uns ieder Fremder ehe für des Augustus Enckel / als für Gefangene angesehn haben würde. Ich hätte den Käyser vielleicht auch wohl zuweilen in unsern Prüfungen vergnügt / wenn mein Thun nicht allemal von meinem Bruder und dem Germanicus wäre verdüstert worden. Wiewol diese Verdüsterung gleichwol zu meinem Vortheil gereichte; weil mein eingeschlaffener Geist aus Eiffersucht ermuntert / und mein Gemüthe durch zweyer so lebhaffter Fürsten Beyspiel gleichsam rege zu werden gezwungen ward. Sintemal die Laster nicht nur anfällig sind; sondern auch die Tugend / wie des Apollo Leyer / welche einen Stein /an dem sie gehangen / singend gemacht / und des Orpheus Grab / bey welchem die Nachtigaln eine viel süssere Stimme bekommen haben sollen / ihre Gefärthen mit ihrer Köstligkeit betheilet. Auser diesem waren Herrmanns Verdienste so groß / daß die Schätzbarkeit der Römer ihre Gewogenheit nicht gar auf ihn ausschütten konten / sondern wie die Sonne mit ihren Stralen auf unfruchtbare Klippen / mich Unwürdigen damit betheilen musten. In dessen Ansehn ward mir auch Mecenas hold / und der Käyser hieß mich nebst meinem Bruder des verbrennten Drusus Asche in der Julier Begräbnüß tragen. Welche Verrichtung zwar in Deutschland einen Schein der Dienstbarkeit haben kan / in Rom aber eine der grösten Ehren ist / welcher nur die Rathsherren fähig sind. Uber diß ward ich zu allen Gemeinschafften gezogen / in denen sich des Käysers Enckel Lucius und Cajus befanden; und ich hatte das Glücke / daß ich mit diesen unbändigen Jünglingen niemals zerfiel; und weil ich zuweilen mit etwas verhieng; erlangte[450] ich bey ihnen so viel Ansehen / daß mein Wiederrathen sie offt ehe / als des Käysers strenge Dreuungen von ihren wilden Entschlüssungen zurück hielt. Es ist wahr / sagte Hertzog Arpus; Man muß an grossen Höffen allezeit vermummte Antlitzer haben / und das freudig mit machen / darfür man die gröste Abscheu hat. Junge wilde Fürsten muß man auch / wie die Wall fische fangen; denen man das in die Seite eingejagte Seil nachläst / und wenn sie schwach ober müde worden sind / sie allererst zu dem sonst über einen Hauffen gerissenen Schisse ziehen muß. Hertzog Flavius fuhre fort: Ich darff meine über diese zwey Fürsten gewonnene Botmäßigkeit wol nicht meiner Klugheit zueignen / weil ich meiner selbst noch nicht mächtig / und mein Thun ein steter Fehltritt war. Ich meine aber / daß mein Vortheil von einer Verwandschafft unser Gemüther / und von der Eintracht der Neigungen den Uhrsprung hatte / welcher Würckungen offt so seltzam sind / daß sie der Unwissenheit des Pöfels mehrmahls eine Zauberey heisset. Diese Verwandnüs beredet ohne Worte / und bemächtiget sich der Gemüther ohne Verdienste; ohne sie aber ist alle Tugend ohnmächtig / und alle Bemühung vergebene Arbeit. Dieser verborgenen Neigung hilfft nichts mehr auff die Beine als eine Befleissung sich in die zu schicken / mit denen man umgehet. Denn wenn man mit den Wölffen heulet / mit den Affen spielet /mit den Eichhörnern tantzet; wird man nicht nur allenthalben beliebt / sondern diese kluge Verwandlung machet / daß hernach alle andere einem so fertigen Proteus auch was kluges nachthun. Lucius war kaum dreyzehn Jahr alt / als er schon eine hefftige Neigung der Geilheit von sich mercken ließ. Welches mir als einem Deutschen so viel seltzamer vorkam / als welche sehr langsam diesen Trieb der Natur fühlen / und für dem dreißigsten Jahre auch zuläßlicher Liebe pflegen für Schande achten. Welches / als ich es damals auf Anstifften unsers Lehrmeisters Athenodorus dem Lucius erwehnte / so wol ihm als seinen Römischen Gefärthen anfangs unglaublich / hernach ein Gelächter war. Sintemal diese uns Deutschen für halbe Mißgeburten schalten / denen unser gefrorner Himmel mehr Schnee als Blut in die Adern geflöst hätte. Ich aber hing ihnen im lachenden Muthe diesen Schandfleck an / daß ihre unzeitige Lüsternheit ihre Kräfften erschöpffte / ehe sie erstarreten; und im Frühlinge unreiffe und sauere Aepffel abbreche / welche die Deutschen im Sommer in ihrer süssen Vollkommenheit zu genüssen pflegten. Hiervon rührete / daß die sich zur Unzeit abmergelnden Römer gleichsam halbe Zwerge blieben; Hingegen der Baum-langen Deutschen Kinder als halbe Riesen herwüchsen / und sichtbare Beweißthümer der Elterlichen Leibes-Kräften für Augen stellten. Bey solcher Mäßigung hätten die Deutschen auch in der Wollust selbst einen Vortheil. Denn sie behielten biß ins greise Alter das unerschöpfliche Vermögen der Jugend. Dahingegen bey denen / welche durch zu frühe Begierden ihnen und der Natur Gewalt anthun / eben so zeitlich entkräfftet würden / wie gewisse Bäume ehe verdorren / wenn man ihnen die Blüthen abbricht; Als wenn man ihre Aepffel reif werden läst. Insonderheit aber war der bey dem Kayser so sehr beliebte Athenodor von Canaan in Sicilien /theils nach Anleitung seiner Stoischen Weltweißheit /theils wegen Verbindligkeit gegen dem Käyser / für viel genossene Wolthaten beflissen den Lucius von dem Wege der Wollust abzuleiten. Dieser weise Mann ward entweder dem August zu Liebe / oder auch wegen seiner Lehre und tugendhafften Lebens halber für einen halben Gott verehret. Denn ob zwar anfangs die Stoischen Weisen / als Nachfolger des unverschämten Diogenes als hoffärtige / halsstarrige und unruhige Verächter der Obrigkeit gantz verachtet waren; so erlangten sie doch nach [451] und nach durch ihre Mäßigung / und insonderheit / als man ihre Weißheit nicht in Schalen zierlicher Worte / sondern im Kerne der von ihnen stets eingelobten Tugend bestehen sahen / ein so grosses Ansehen / daß man sie unter allen gleichsam nur alleine für Weltweisen / oder sie nur für Männer / die andern Meisen aber für Weiber hielt. Dahero August diesen Athenodor nach Rom /wie vorher der Parthische König den weisen Demetrius von Athen / nach Babylon die Stoische Weißheit daselbst fortzupflantzen holen und unterhalten ließ. Dieser gute Athenodor hatte schier von der Wiege an dem Cajus und Lucius den Grund der vom Zeno und Cleanthes befestigten Lehre eingeredet / daß das höchste Gut des Menschen wäre / den Schlüssen der Vernunfft zu folgen / nach der Richtschnur der Natur /nemlich nach dem Willen Gottes zu leben / mit ihm selbst einträchtig und vergnügt zu seyn / und sich aller hefftigen Gemüths-Regungen / welche in dem Menschen einen bürgerlichen Krieg erregten / zu entschlagen; welche die Vernunfft nicht im Zügel führte und zu Ermunterung der sonst laulichten Tugend angewehrte. Aber beyden war diese Lehre zu schwer auszuüben. Denn der heuchlerische Hoff / und die Stadt / worinnen alle Laster Bürgerrecht gewonnen /wo nicht den Nahmen der Tugend erworben hatten; redeten in einer Stunde ihnen mehr aus / als ihnen Athenodor in zehn Tagen mit genauer Noch beybracht hatte. Als er nun sonderlich den Lucius einen unmäßigen Trieb zur Geilheit haben sahe / befließ er sich die sonst gewohnte Mäßigung seiner uhrsprünglich strengen Lehre bey Seite zu setzen / und die Wollust mit Stahl und Schwefel anzugreiffen. Einen gantzen Monat lang sagte er dem Lucius schier nichts anders für / als was das Frauenzimmer ihm verhast / und bey der Welt kohlschwartz machen konte. Es hieß ihm ein unvollkommenes Thier / eine Mißgeburt der Natur /welches schwerlich für einen Halb-Menschen zu achten wäre. Ein häßlich Weib wäre eine Abscheu der Augen / ein schönes eine helle des Hertzen. Die Liebe machte aus ihr einen Wüterich / die Verachtung einen Todfeind / die Erzürnung eine höllische Unholdin. Ihre Regungen wüsten von nichts mittelmäßigen / und vertrügen über sich keine Vernunfft; ihre Gedancken duldeten keine Beständigkeit / ihre Begierden keinen Zaum / ihr Haß keine Versöhnung. Auch was Tugend an ihnen schiene / wäre ein Blaster / kein Wesen / und ein blosser Fürniß der Laster. Sie wäre niemanden getreu / als aus dringender Noth / keinem Menschen hold / als zu ihrem Vortheil / und nur keusch aus Furcht der Schande oder der Verstossung. Sie betrüge ihren besten Freund mit lachendem Munde / sie versteckte ihr schaden-frohes Gemüthe mit falschen Thränen / die Unwarheit mit glatten Worten / das Gifft ihres neidischen Hertzen mit verzuckertem Liebkosen. Ihre grimmige Augen verwandelten die thörichten Liebhaber in Stein / ihre holden Anblicke bezauberten sie. Ihre Küsse verrückten auch den Weisesten die Vernunfft / und ihre Uppigkeit machte sie zu Unmenschen. Ja die Weißheit hätte mit dem weiblichen Geschlechte eine solche Unverträglichkeit / daß ihre Göttin nicht von einem Weibe / sondern nur aus dem Gehirne Jupiters hätte können gebohren werden. In selbtem kämen alle Laster / wie die Striche in dem Mittel eines Kreisses zusammen; also / daß Plato mit sich Rath gehalten / ober die Weiber nicht für eine Mittelgattung zwischen Mensch und Vieh halten solte. Die aber / welche der Unzucht den Zügel schüssen liessen / wären grimmere und garstigere Thiere /als die / welche vom Raube und eitel Unflate lebten. Denn die Wollust wäre der wahrhaffte Prometheus /welcher zu Fertigung seines Menschen den Grimm des Löwen / die blinde Unart wilder Schweine / die Grausamkeit der Tiger / die Zagheit der Hinde / die Betrügligkeit des [452] Fuchses / und den Wanckelmuth des vielfüßichten Meerfisches genommen hätte. Sie stäche ihr selbst die Augen aus / daß sie weder Schande noch Gefahr sehen / sondern desto blinder und verzweiffelter in den Pful aller Laster rennen könte. Sie liesse sich anbeten als einen Abgott; und würde hernach ein Hencker ihrer eigenen Priester. Sie äscherte Städte und Länder ein / darinnen man sie beherbergt /und auf Gold und Purpur gelegt hätte; Sie besudelte mit Mord und Blut das Ehbette / und die Taffeln der Eltern; und ersteckte wie die Schlangen die Kinder ihres gutthätigen Wirthes. Ihre Augen tödteten wie die Basilisken ohne Verwundung / ihr Athem vergifftete /was er anhauchte; ihre streichelnde Hände hätten Kreile wie die Egyptischen Mäuse / welche mit ihrem Krimmen die Eingeweide zerfleischten. Ihre Armen erwürgten wie die Affen mit ihren Umhalsungen. Ihr Mund bliesse wie jener Wald-Gott kalt und warm heraus; und ihr Hertze nährete / wie gewisse Berge / bald feurige Ströme brünstiger Liebe / bald eusersten Schnee des bittersten Hasses. Sie rotte alle andere Tugenden mit Strumpf und Stiel aus / und brauche die besten Wissenschafften zu einem Richtscheite nach der Kunst zu sündigen / und auch in der Boßheit dem Pöfel überlegen zu seyn. Alles diß / was die hefftige Ungedult dem Athenodor wider die Wollust und das weibliche Geschlechte heraus lockete / merckte Lucius fleißiger auf / als nichts vorher. Hierdurch machte er seinem Lehrmeister keine geringe Hoffnung der in seinem Gemüthe noch gli enden Funcken der Tugend. Alleine Lucius verfügte sich ins geheim fast täglich zu dem weltweisen Aristippus / welcher sich für einen Nachfolger des Epicur ausgab / und dahero vom Mecenas an der Tiber einen Garten geschenckt bekommen; auch an dessen Thüre / eben wie vorhin Epicur / angeschrieben hatte: Hier werden die Gäste wol bewirthet; denn hier ist die Wollust das höchste Gut. In der Warheit aber pflichtete dieser Aristippus dem Aristippus bey / der ein Uhrheber der Cyrenischen Weltweisen war / und die Wollust des Leibes für das höchste Gut hielt; Also von dem Epicur so weit als schwartz und weiß entfernet war. Sintemal diesen alleine die Verleumdung zu einem Freunde der Faulheit / und die zu einem Beschirmer der Uppigkeit machen wollen / welche ihre Laster in der Schoß der Weltweißheit verbergen wollen. Dahingegen Epicur nur dieselbe Wollust billigt / welche man aus der Tugend schöpffet; und daher der Wollust eben diß Gesetze vorschreibt / was Zeno der Tugend. Dahero er auch selbst sein nur mit Wasser und Brod unterhaltenes Leben in der höchsten Mäßigkeit hingebracht /das euserliche Glücke für einen seltenen Gefärthen eines Weisen gehalten / auch zuweilen selbst den Schmertz verlanget hat / wenn er zumal sich besorgt /daß auff die Wollust einige Reue folgen dörffte. Ungeachtet er nun seine verdammte Lehre stets mit den Meinungen des Epicur verhüllete / so schwam ihm der Honig der Wollust doch immer auf der Zunge; also / daß Lucius für dem Athenodor einen hefftigen Eckel / zu dem Aristippus aber eine desto grössere Zuneigung empfing. Diesemnach brachte er den Vermerck der von Athenodor heraus gelassenen Heftigkeiten zu Livien / und verlangte durch sie beym Käyser verbeten zu werden / daß er sich eines so rauchen Lehrers entschlagen / und mit bescheidenern versorgt werden möchte. Livia zohe entweder aus einer weiblichen Schwachheit / oder aus einer vorhin schon wider ihn gefasten Gramschafft des Athenodorus Lehre für eine sie selbst antastende Schmähung an; verklagte ihn beym Käyser / und drang darauf / daß er und alle Stoische Weisen aus Italien gejagt werden solten. Wiewol sie nun diß nicht bey dem Käyser auswürcken konte / sondern er ihr zur Antwort gab: Man müste mit dem Socrates streiten / mit dem [453] Carneades zweiffeln / mit dem Diogenes zuweilen über die Schnur hauen / mit dem Epicur sich beruhigen / mit dem Zeno die Natur überwünden lernen / und also ihm einen ieden Weisen nütze machen; so brachte sie es doch dahin / daß weder Cajus noch Lucius ihn ferner hören dorften. Hingegen / weil ihr und ihrem auff den Tiberius gesetztem Absehen daran gelegen war /daß beyde Käyserliche Enckel in den Lastern ersteckt würden; half sie mit des Mecenas Einrathen dem Aristippus zu der Unterrichtung des Cajus und Lucius /wie auch meiner. Dieser Verführer trug uns anfangs zwar den besten Kern der Epicurischen Weißheit für /und wuste der Tugend meisterlich eine Farbe anzustreichen; Gleichwol aber hing er derselben stets diesen Schandfleck an / daß sie nicht wegen ihr selbst /sondern nur wegen ihrer viel edlern Tochter / nemlich der Wollust zu lieben wäre. Hernach kam er auff natürliche Dinge / und lehrte uns / daß die Welt / nicht nach des Heraclitus Meinung / aus Feuer / nicht / wie Thales lehrte / aus Wasser / noch wie dem Pythagoras träumte / aus Zahlen / sondern aus eitel durcheinander schwermenden Sonnen-Stäublein / ungefehr zusammen gewachsen / am allerwenigsten aber nach des Aristoteles Meinung und Einbildung ewig wäre. Auff diesen Schluß gründete er ferner / daß die Götter sich um die Welt und die Menschen unbekümmert / also die vom Plato gerühmte göttliche Vorsorge und Versehung ein blosser Traum wäre / ja die Götter hätten nicht einmahl den. Sinn der Tugend wol zu thun / weniger Waffen und Macht die Bösen zu beschädigen. Die Seelen der Menschen verrauchten mit dem sterbenden Leibe / und hätten nach dem Tode weder Lust noch Straffe zu erwarten. Dahero wäre die Entschlagung aller Bekümmernüß die Ruhe des Gemüthes das höchste Gut der Sterblichen / wie der Müßiggang der Götter. So viel wagte er sich dem fast unzehlbaren Hauffen seiner sich täglich zu ihm drängenden Lehrlinge fürzutragen. Und wenn iemand über etwas ihm einen Zweifel erregte; wuste er durch spitzige Unterscheidungen seine Sätze so meisterlich herum zu drehen / daß es schien / als wenn er die Götter angebetet / die Menschen allerdings tugendhafft wissen wolte. Als er aber den Cajus und Lucius so gar geneigt zur Wollust sahe; ließ er sie und mich einmal in das innerste Theil seines bewohnten Lusthauses zu absonderer Unterweisung leiten. Wir fanden daselbst an ihm gleichsam einen gantz andern Menschen. An statt des langen Mantels trug er nach Griechischer Art einen seidenen Rock der Edelen. Die Platte seines kahlen Kopffes war mit falschen Haaren bedeckt. An den Armen und Fingern trug er güldene Geschmeide und Ringe mit Edelgesteinen. An den Füssen hatte er gestickte Schuh mit kleinen Monden. Und von der Tracht der Weltweisen war nichts / als der lange Bart übrig; welcher aber mit Fleiß ausgekämmet / und eingebalsamt; die Lippen mit Zinober geschmückt / die Nägel vergüldet / und von seinen itzt Rosenfärbichten Wangen das sonst aufgeschmierete Bleyweiß / welches sie in seiner Schule sonst blaß machte / abgewaschen war. Der Saal / darinnen er lehrte / war mit allem nur ersinnlichen Vorrathe der Verschwendung /insonderheit aber mit denen geilesten Bildern ausgeschmückt. Für dem Unterrichte erqvickte er uns mit denen kräfftigsten Labsaln. Er badete uns mit wohlrüchenden Wassern / salbete uns mit Syrischen Balsamen / und verschwendete allen Vorrath des üppigen Asiens. Hierauf machte er eine weitscheiffige Rede von seiner gegen uns tragenden Gewogenheit / und daß diese ihn nöthigte wiewol mit seiner Gefahr das Geheimnüß der wahren Weltweißheit zu offenbaren. Nach dem er uns nun gleichsam nach diesem verborgenen Schatz seufzen sähe; fing er an / alter Weltweisen Meinungen als Irrthümer zu verdammen / und als Betrügereyen zu verfluchen. Die wahre Weißheit wäre / wissen / daß kein Gott wäre. Socrates [454] hätte zwar zum Scheine zuweilen Gottes / als eines unveränderlichen Lichtes / gedacht; aber / weil er selbst nichts davon gehalten / beygesetzt: Er wäre ein Wesen ohne Leib. Er hätte zwar aller andern Weltweisen Meinungen widerlegt; aber selbst keinen Satz gemacht / sondern sich nur mit seiner Unwissenheit gerühmt; und deßwegen hätte ihn der Wahrsager-Geist Apollo für den weisesten Menschen ausgeruffen. Zwar hätte er oft einer hohen Weißheit / welcher aber der Pöfel nicht fähig noch würdig wäre / erwehnet; diese aber wäre nichts anders gewest / als die oben erwehnte; und hätte er sie nur etlichen hohen Geistern / wie wir wären / eröfnet. Gleichwol aber wäre er verrathen /und wegen Entdeckung eines Geheimnüsses / welches nur herrschende Fürsten wissen solten / vom Rathe zu Athen zum Tode verdammt worden. Plato / und die nach folgenden Weisen wären Heuchler gewest / und hätten aus Furcht gleicher Belohnung die Warheit zu bekennen sich nicht gewagt. Epicur hätte zwar denen scharfsichtigen wieder ein Licht aufgesteckt; und weil er zu Athen nicht sagen dörffen / daß es keine Götter gebe; habe er gelehret: Es wäre keine göttliche Versehung. Gleich als wenn nicht dieses letztere auch das erstere aufhübe. Sintemal ein Gott ohne Versehung weniger als ein Klotz oder Stein den Nahmen eines Gottes verdienet. Alleine Aristippus von Cyrene hätte die vom Socrates gefaste Weißheit allererst recht ans Tagelicht gebracht / und fortgepflantzt; nach dem er der Götter als eines Undinges gar nie erwehnet / und nichts minder durch die Lehre / als durch sein Beyspiel / da er in dem Bette der geilen Lais / und an der Taffel des verschwenderischen Dionysius alleine seine Lust gesucht / alles vergangene vergessen / alles künfftige verachtet / und sich nur des gegenwärtigen erfreuet / allen Klugen die Augen aufgesperret / und durch das Leben auch derer / die ein widriges mit dem Munde lehren / erwiesen / daß die Wollust des Leibes das einige und höchste Gut des Menschen sey. Hierauf trat auf sein gegebenes Zeichen ein überaus schönes / aber fingernacktes Frauenzimmer in den Saal und uns ins Gesichte. Aristippus aber fing an: Sehet ihr nun / ihr Fürsten der Jugend / das schändliche Ungeheuer des wahnsinnigen Athenodorus. Düncket euch diese nackte Lehrerin nicht ein klüger Weiser zu seyn / als der sich für wenig Jahren zu Athen wahnwitzig verbrennende Indianer? oder der thumme Empedocles / der sich in den feurigen Berg Etna stürtzte? Warlich / entweder euch muß der Sauertopf Athenodor oder eure Augen betrügen. Diese aber werden euch zuversichtlich überweisen / daß ein schönes Weib das gröste Wunder der Natur / ein Paradiß der Augen / das würdigste Buch eines Weisen / und ein wesentlicher Begriff himmlischer Ergetzligkeiten /und eine wahrhaffte Gottheit unter den Menschen sey. Ohne sie werden die Männer ihnen selbst feind; von ihnen aber werfen die Kältesten / wie die Erde von der Sonnen / angefeuert / und sie opfern ihre Hertzen keiner Gottheit würdiger / als diesem Geschlechte. Sie sind der unerschöpfliche Brunnen der Fortpflantzung /und die Vollkommenheit der Natur. Deßhalben würde zu Rom Jupiters Priester mit dem Tode seines Eheweibes auch ein Wittiber seines Priesterthums und zu opffern unfähig. Darum darf in dem Heiligthume der Cybele oder der Götter-Mutter kein Thier / welches nicht weiblichen Geschlechtes ist / gebildet seyn. In dem grossen Feyer der Ceres zu Athen wird das weibliche Geburtsglied verehret; weil durch desselbten ersetzende Anschauung Ceres den Verlust ihrer Tochter bergessen hätte. Dieses Sinnenbild aber deutete nichts anders als den unschätzbaren Werth der Wollust an. Ohne sie ist das Leben bittere Wermuth / und die eingebildete Weißheit nur Thorheit. Als er uns dieses seiner Meinung nach feste genung eingedrückt zu haben [455] vermeinte; wie er denn wohl truste / daß kein Schweffel ein so geschwinder Zunder des Feuers / als die Jugend der Laster sey; leitete er uns in ein ander Gemach; darinnen wir zwey marmelne Bilder / des Bacchus und der Venus / derer erstem zwölf wie Wald-Götter / dem andern wie Liebes-Götter geputzte Knaben bald raucherten / bald darum nach einem verborgenen süssen Gethöne tantzten; in der Mitte aber eine Taffel mit den seltzamsten Speisen bedeckt / um selbte acht mit Persischen Teppichten bekleidete Bette antraffen. Wie wir uns nun auf seine Nöthigung auf vier Bette gelehnet hatten / fanden sich so viel gantz nackte Frauenzimmer neben uns auff die noch leeren Bette; und zwölf andere ebenfals nackte Dirnen bedienten uns insgesamt an der Taffel. Nach dem diese aufgehoben war / hegten sie zu uns allerhand geile Täntze mit denen unverschämtesten Stellungen. Cajus und Lucius verlohren sich dann und itzt in die Neben-Gemächer; und ich selbst wuste mich kaum zu besinnen / ob mir träumete / oder ob ich in dem Meer der selbst-ständigen Wollust badete. In dieser Entzückung brachten wir in dem fest verschlossenen Garten den halben Tag und die Helffte der Nacht zu / biß uns Aristippus selbst erinnerte / für dißmahl unsere Lehre zu beschliessen; Bey der Gesegnung aber erinnerte: wir solten nun die eigene Erfahrung als den klügsten Richter urtheilen lassen: Ob des Aristippus höchstes Gut nicht besser als des gramhafften Athenodorus sey? Ob des Crates Tasche / des Antisthenes Kappe /des Diogenes Faß / des Zeno Stab würdiger / als des Epicurus Lustgarten zu achten wäre? Wiewohl alle diese Heuchler nur euserlich wie die Schauspieler sich in den Mantel der Tugend hülleten; im Hertzen aber der Wollust beypflichteten / und in geheim sich mit derselben vermählten. Plato hätte sich dardurch allzu sehr verrathen / da er gelehrt / daß die Weiber allen Männern gemein seyn solten. Als Crates einmal eingeschlaffen / hätte man in seiner Tasche noch tausend güldene Darier gefunden; ungeachtet er all sein Reichthum als Koth weggeworffen zu haben sich rühmete. Dem Antisthenes wären aus seinen zerrissenen Hosen offtmals Würffel und Karten gefallen. Diogenes wäre an Alexanders Hoffe über dem Diebstahle eines güldenen Bechers betreten / und in seinem Schübsacke das Bild der unkeuschen Lais gefunden worden; ungeachtet er nur aus dem Hand-Teller zu trincken / und die Weiber mit dem Stabe von seinem Fasse wegzutreiben pflegen. Euclides wäre in Weibskleidern zu Athen im Hurenhause angetroffen worden; als er unter dem Vorwand den Socrates zu hören von Megara dahin zur Nachtzeit geschlichen. Pythagoras hätte in den Armen seiner Theano / Socrates auff den Brüsten der Aspasia und ihrer Dirnen gelechset / durch welcher feil gehabte Schönheit sie den Peloponnesischen Krieg angezündet hätte. Der scharffe Gesetzgeber Solon hätte nicht nur der sich gemein machenden Venus einen Tempel gebaut / sondern auch mit unkeuschen Weibern Gewerb getrieben. Des Parthaoins für einen Weltweisen gerühmter Sohn wolte eine schöne Täntzerin nicht neben sich niedersitzen lassen; als sie aber hernach feil geboten ward / bot er nicht nur das meiste darfür / sondern raufte sich auch mit andern um sie. Fliehet daher diese Thoren / folget dem viel weisern Epicur / welcher mit seiner holdseligen Leontium den Zucker dieser Welt genoß / und dem Aristippus / welcher auf denselben Brüsten schlief / von welchen alle Mahler zu Corinth das Muster ihrer zu bilden nöthigen Brüste nahmen. Opffert die Blüten eurer kräfftigen Jugend der ergetzenden Wollust / und dencket / daß sie im Alter welck wird; nach dem Tode aber keine mehr übrig sey.

[456] Mit diesem abscheulichen Unterrichte nahmen wir von dem Verführer Aristippus Abschied / und kamen mit Verwunderung des Hofes / daß Cajus und Lucius sich so sehr in die Weltweißheit verliebt hätten / nach Hause. Folgenden Tag fanden wir uns wieder gar zeitlich in des Aristippus Garten / da er denn uns und der verhandenen grossen Menge der Zuhörer fürtrug: Ein Weiser solte in allem / was er thäte / sein Absehn allein auf seine eigene Vergnügung haben. Daher dörffte der / welcher am Müssiggange Ergetzligkeit spürte / sich nicht mit Erlernung schwerer Dinge quälen / ein Geitziger dörffte gegen niemanden freygebig seyn /ein Furchtsamer nicht in Krieg ziehen / ein Unachtsamer sich umb Gott nicht bekümmern. Zuletzt gab er uns ein Zeichen / daß wir uns wieder in seine geheime Schule einfinden solten. Cajus und Lucius waren schon in das Lust-Haus hinein / und ich auf der Schwelle / als ich fühlte / daß mich einer hinterrücks bey dem Kleide zurück zoh. Als ich mich umbwendete / sahe ich einen alten Mann / dessen Antlitz eine sonderbare Andacht / seine Geberden aber eine grosse Bestürtzung andeuteten. Dieser fing mit aufgehobenen Händen an: Tritt zurücke / edelster Flavius / von der Schwelle deines Untergangs. Hiermit ergriff er mich bey der Hand / und führte mich halb gezwungen und halb gutwillig in den düstersten Gang des Gartens /daselbst fiel er mir umb den Hals / küßte und benetzte mich mit einem reichen Strome bitterer Zähren. Hier auf sahe er gegen dem Himmel / und fieng an: Ewiger Gott! lasse nicht zu / daß der Sohn des frommen Fürsten Segimers in den Klauen eines so schändlichen Gottes-Verächters / und seine Seele von diesem Ertzt-Mörder umbkomme! Ich / der ich anfangs gleich über der Kentnüß und hertzhaften Ansprache dieses Greises mich verwunderte / ward nunmehr durch einen geheimen Trieb zu einer absondern Ehrerbietung gegen ihn gereget / und es schien ihm eine überirrdische Lebhaftigkeit aus den Augen zu sehen. Daher ich anfing: Sage mir / Vater / woher du mich kennest / und was mir für ein Unglück vorstehe? Ach! fing er seufzende und zwar nunmehr in deutscher Sprache an: Es ist hier kein Ort dir alles zu offenbaren. Meine Sprache versichert dich / daß ich dein Landsmann / und diese meine Betheuerung / (hiermit legte er seine Hand ihm flach aufs Haupt /) daß ich ein treuer Knecht deines Vaters Segimers / Aristippus aber der verfluchteste Unmensch und euch den höllischen Unholden zu einem fetten Schlacht-Opfer zu liefern vorhabens sey. Hier leidet die Zeit nicht mehr Worte zu machẽ. Wilst du dich aber erhalten wissen / so entferne dich augenblicks aus diesem Garten / und suche mich morgen früh in dem Tempel der Isis / welchen der Käyser unlängst an den Ort / wo vorhin der vom Julius eingerissene gestanden / zu bauen erlaubet hat. Hiermit setzte sich dieser Greiß in einen Kahn auf die Tiber / und fuhr davon; ich aber verfügte mich in die grosse Renne-Bahn / und brachte den Tag mit allerhand Ritterspielen zu / umb mich der von des vorher gehenden Tages seltzamer Begebnüß / oder dieses Alten Erinnerung zuhängenden Traurigkeit zu entschlagen. Umb Mitternacht kam Lucius in mein Zimmer für mein Bette / und wuste mir die beym Aristippus genossene Lust / welcher die erstere nicht das Wasser reichte / nicht genungsam heraus zu streichen. Denn er hätte sie mit eitel jungen Mohren und Mohrinnen bedienet / gegen welcher feurigem Liebes-Reitze des weissen Frauenzimmers Anmuth nur für Schnee zu achten wäre. Ich konte mich über diesem Vortrage nicht enthalten überlaut zu lachen und zu fragen: Was Aristippus für eine Beredsamkeit sie zu bereden gebrauchet / daß die Raben schöner als die Schwanen wären? Sind die Raben nicht schöner / versetzte Lucius / so sind sie doch wahrhaftiger zum Reden / als die Schwanen zum singen geschickt / und also anmuthiger. Warumb aber solte nicht auch[457] Schönheit und Schwärtze bey einander stehen können? Meynest du / weil deine Deutschen / wie auch du / so weiß sind / daß die Mohren in allen Augen so heßlich seyn? Weist du nicht / daß die Venus in Africa eben so aus schwartzem / wie zu Athen von weissem Marmel gebildet wird? Ja die Griechen selbst geben nach / daß diese Mutter der Schönheit und Liebe mit ihrem Vulcan ein Mohren-Kind gezeugt habe. Ich antwortete: Nach dem die Gewohnheit auch etwas abscheulichem eine bessere Farbe anstreicht /und den Augen ihre erste Empfindligkeit beni t; ja die Liebe gar ins gemein verbundene Augen hat / ist mir nichts frembdes / daß die Wald-Götter ihre rauche und Ziegenfüssichte Geferten / und die halbgebratenen Mohren ihre beraucherte Weiber oder vielmehr ausgeleschte Kohlen für schön halten? Ich aber werde mir solche Farbe niemals für schön verkauffen / noch auch michs so gar die nackten und schwartzen Weltweisen in Indien bereden lassen. Mein Auge ist mir dißfalls nicht allein ein unverwerfflicher Richter; sondern die Römischen Frauen sind meine unzehlbare Zeugen / welche durch so viel Künste ihre gelbe Haut in eine lebhafte Schnee-Farbe zu verwandeln / und ihre schwartze Häupter mit den weissen Haaren des Deutschen Frauenzimmers auszuschmücken bemühet sind. Ja / sagte Lucius / iede Farbe hat ihre Vollkommenheit. Was weiß ist / muß sehr weiß seyn / wenn es schön seyn soll. Also ist die Schwärtze auch schön /wenn sie nicht fahl / sondern vollkommen schwartz ist. Der schwartze in Mohrenland und bey denen Landesleuten den Lagionen wachsende Marmel wäre beliebter / als der weisse des Eylands Paros. Auch ich /versetzte ich / halte viel von schwartzen Steinen; und Diamanten selbst sind nicht schön ohn schwartze Folgen und finstere Straalen. Aber unter dem Frauenzimmer halte ich es mit dem weissen. Das Meer hat in sich nichts köstlichers / als die weissen Perlen; der Himmel der Begriff aller Schönheit weiß von keiner schwartzen Farbe. Lucius begegnete mir: Er hat dieser in alle wege zu seiner höchsten Pracht von nöthen. Denn seine Gestirne sind so gar unsichtbar / wenn ihn der Pinsel der Nacht nicht schwartz anstreicht. Ich brach ihm ein: Der Schatten hilfft wohl unserm blöden Gesichte / aber dem Lichte und den Sternen theilt er keine Zierde mit. Die Sonne das schöne Wunderwerck der Natur ist der Schwärtze so feind / daß Nacht und Schatten für ihr in ewiger Flucht seyn müssen. Gleichwohl wird bey den Phöniciern / versetzte Lucius / ein schwartzer Stein als das Ebenbild der Sonnen unter dem Nahmen des Eliogabalus angebetet. Also müssen die Gestirne mit dieser Farbe keine so unleidliche Eigenschafft hegen. Die Indischen und theils Griechischen Götter verlangen ein schwartzes La / oder eine solche Kuh zu ihrem Opfer. Alles diß / antwortete ich / rühret schwerlich von einer beliebten Verwandschafft / vielmehr aber daher / daß ein heßlicher Gegen-Satz der Schwärtze ihrer Zierde einen Firnüß anstreichen soll. Massen denn die Diamante schwartze Schalen / die Perlen tunckele Muscheln / und die Gold-Adern nicht finstere Behältnüsse und düstere Schlacken verschmähen. Ich hingegen versetzte: Das von der Unreinigkeit geläuterte Ertzt und die saubersten Geschöpfe sind am weissesten. Das Licht ist ein Merckmal der Vollkommenheit / und daher auch diß vortrefflicher / was dem Lichte am ähnlichsten ist. Das weisse aber ist nichts anders als ein ruhendes Licht / wie das Licht eine thätige Weisse. Dahero ich / ausser dem Lucius / noch keinen Verliebten von den schönen Kohlen seiner berähmten Buhlschafft / wohl aber von dem Alabaster des Halses / dem Helffenbeine des Leibes / und den Perlen der Brüste Lobsprüche gehört hätte. Vielleicht aber doch / sagte Lucius / von dem schönen Finsternüsse schwartzer [458] Augen / und von dem einẽ kohlschwartzen Pferde / das die nachdencklichen Tichter nicht ohne Ursache vor den Wagen der Soñe gespañt / und vielleicht dardurch angedeutet haben / daß ein Weib ohne schwartze Augen unvollkommen schön sey. Ich antwortete: Schwartze Augen stechen in alle Wege wohl ab / aber nur in einem weissen Antlitze / unsere blauen aber schicken sich in beyde. Da man aber von einem so kleinen Theile des Leibes einer Farbe den Vorzug zueignen wolte / würde die weisse den Obsieg behalten / weil niemand weissere Zähne hätte / als die Mohren / auch an ihnen nichts zierlicher wäre als die Zähne. Ich muß dem Flavius / versetzte Lucius / seine Meynung lassen. Ich aber bin ein Nachkomme des Käysers Julius / welcher nichts minder / als Anton an der braunen Cleopatra / mit welcher er nicht nur biß in Mohrenland gereiset / sondern sie gar nach Rom mitgenommen / mehr als an der Schwanen-weissen Martia Ergetzligkeit genossen / und die Mohrin Euroe der den Schnee beschämenden Servilia fürgezogen. Perseus hatte nicht nur die schwartze Andromede geehlicht; sondern sie wäre so gar in den Himmel unter die Gestirne gesetzt zu werden gewürdiget worden. Massen denn die einander zusagende Abtheilung der Glieder / und wenn iedes an seinem Orte steht / mehr als die blosse Farbe so wohl ein Frauenzimmer / als eine Säule vollkommen machen. Dahero die Griechen zu Abbildung einer vollkommenen Schönheit verlangt hätten / daß Euphranor das Haar / wie seine Juno gehabt / Polygnotus die Augenbrauen und Wangen / wie er der Cassandra zu Delphis zugeeignet / Apelles den übrigen Leib / nach dem Muster seiner Pacata / Aetion die Lippen / wormit seine Roxane pranget / mahlen solte. Hierauf haben die Egyptier Zweifels-ohne gesehen / als sie zu ihrem berühmtesten Memnons-Bilde so schwartzen Stein / als er im Leben gewest /zu nehmen kein Bedencken gehabt. Es muß alles /antwortete ich / beysammen stehen. Denn die Vollkommenheit hat mit keinem Gebrechen Verwandschafft. Diese / versetzte Lucius / ist schwerlich unter der Sonnen zu finden / und theilet die vorsichtige Natur einem dieses / dem andern was anders zu. Massen ich dich denn versichere / daß die zarte Haut der Mohren für weiche Seide / der weissen Weiber aber hingegen für Hanff anzufühlen / diese aber im Lieben wo nicht todt / doch eißkalt / jene hingegen lebhaft / und mit einem Worte Buhlschafften voll Feuer sind. Ich weiß hiervon nicht zu urtheilen / fing ich an / weil ich keine Mohrin nie betastet / auch von der Liebe selbst nicht zu sagen weiß: Ob sie dem Schnee oder dem Feuer verwandt sey? Du wirst beydes morgen prüfen können / antwortete Lucius / wo du dich unser Glückseligkeit nicht wie heute entbrechen wilst. Hiermit sagten wir einander gute Nacht; ich aber konte aus einer ungewöhnlichen Unruh des Gemüthes kein Auge zuthun / stand also mit dem ersten Tagen auf / und eilte in den Tempel der Isis. Dieser war länglicht-rund von eitel rothfleckichtem Egyptischem Marmel gebaut; das in der Mitte stehende Bild der Isis war von Thebe hingebracht / war aus Porphyr / hatte auf dem Haupte einen dreyfachen Thurm / wollichte Haare / am Halse das Zeichen des Krebses und Steinbocks / zwölff Brüste / in der rechten Hand eine Cymbel / in der lincken einen Wasser-Krug / nackte Füsse / darmit sie auf einem Crocodil stand. Die Priester opferten auf dem Altare gleich etliche Gänse. Der mich den Tag vorher bestellende Alte war meiner bald gewahr / winckte mir also / daß ich selbtem durch eine Pforte folgen solte. Dieser leitete mich in einen langen gewölbten Gang / und endlich in ein kleines Heiligthum / darinnen zwar ein Altar /aber kein Bild zu sehen war. In diesem nöthigte mich der Alte auf einen dreyeckichten steinernen Stul niederzusitzen; [459] fing auch alsofort an: Entsetze dich nicht / mein Sohn / daß du in diesem Heiligthume weniger annehmliches / als in des Boßhaften Aristippus Garten zu sehen bekommest / darinnen aber keine Frucht zu finden / die nicht von einem schädlichern Drachen / als welcher die Aepfel der Hesperiden bewacht hat /verwahret / oder vielmehr vergiftet werden. Ich bin Sotion / von Geburt ein Cherusker / von Ursprung ein Cattischer Fürst / von Glauben ein Druys / von Lebens-Art ein Pilgram / ein Knecht des Cheruskischen Hauses / des Libys Bruder / welcher ietzt oberster Priester in dem Tanfanischen Tempel seyn soll. Meine mit Begierde der Weltweißheit vermischte Andacht hat mich schon für geraumen Jahren aus meinem Vaterlande in Thracien gelocket / theils des berühmten Zamolxis von dem Pythagoras gelernete / und zu denen Druyden und biß zu denen Hyperborischen Völckern von ihm gebrachte Weißheit zu begreiffen; theils auch mich umb das Glücke zu bewerben / daß ich durch meine Aufopferung zum Gesandten der Thracier an den Halb-Gott Zamolxis erkieset werden möchte. Das Looß fugte auch meinem Verlangen; weil ich aber ein Ausländer war / ward ich von dem Glücke eines so herrlichen Todes und eines ewigen Nachruhms verdrungen. Ich wendete mich hierauf nach Athen; weil ich aber daselbst die wahre Weißheit / welche der Jude Pherecydes des Pythagoras Lehrer in Griechenland bracht / in die Striche des immer weinenden Democritus / und in die Spitzfindigkeiten des Protagoras verwandelt fand / fuhr ich in Syrien /verrichtete ein gantzes Jahr meine Andacht in dem heiligen Tempel der Juden zu Jerusalem / darein mir aber nicht ehe der Eingang verlaubt ward / als biß ich nach dem Beyspiele des Pythagoras mich beschneiden / und wie jener seine Tochter Sara / also ich mich Moses nennen ließ. Von dar kam ich in Epypten / und nach einer sieben Jahr mit dieses Landes Priestern gepflogenen Verträuligkeit reisete ich nach Cyrene / aus welcher Stadt alleine so viel Welt-Weisen / als aus gantz Griechenland kommen seyn sollen. Daselbst habe ich den Verführer Aristippus angetroffen. Ob nun wohl diese Stadt noch von des alten Aristippus gelehrten Uppigkeiten angesteckt ist / also / daß man daselbst keinen Wein ohne eingemischten Balsam trincket / und auch Mägde sich mit dem köstlichsten Veilgen-Oel und Rosen-Salbe einbisamen; also ihnen Plato einiges Gesetze zu geben sich nicht unbillich geweigert hatte; so waren doch seine Unterfangungen so abscheulich / indem Ehbruch / Blutschande / unnatürliche Brunst die geringsten Laster waren / welche dieser geile Bock und unverschämte Hund der albern Jugend durch seine verda te Lehre und ärgerliches Beyspiel eingeflöst hatte / daß er in Hafft genommen /und als ein Knecht seiner schändlichen Begierden mit seiner von garstigem Unflathe der Unzucht stinckenden Gefertin der Hure Cyrene / welche darinnen zwölff neue Stellungen erfunden zu haben sich rühmte / und ein zauberisches Kraut verkauffte / welches zu siebentzigmaligem Beyschlaf fähig machte / zum Creutze verdammt. Weil aber zu Cyrene die obrigkeitliche Macht denen Lastern nicht gewachsen war /wurden diese zwey Ubelthäter von einem Hauffen verwegener Buben dem Scharffrichter aus den Händen gerissen / und durch ein fertiges Schiff entführet. Ich nahm von Cyrene als einer Spiel-Tonne aller Laster zeitlich meinen Abschied / und bin für acht Monden zu Metapont ankommen / alldar ich in Beschauung des von dem Pythagoras bewohnten / und zu seiner Zeit stets mit sechs hundert Schülern angefüllten Ceres-Tempels / und anderer [460] heiligen Alterthüme zubracht / auch selbst noch unterschiedene geheime Anmerckungen von dem Oenuphis und Souched / die Pythagoras zu Hieropolis gehöret / und von dem Ezechiel / welcher ihn zu Babylon unterwiesen / wie auch von seinen Nachfolgern dem Zelevcus / Charonda /und Archytas zu meinen Händen gebracht habe. Von dar haben mich zwey bekandte Egyptische Priester mit anher nach Rom gebracht / und mir nebst zwey andern hier gefundenen deutschen Druyden / weil sie meinen / daß wir eben wie sie / die Isis anbeten / und ihr Schiff verehren / und von den von mir gerühmten Pythagoras hochhalten / dieses kleine Heiligthum erlaubet haben. Weil nun meine Sorgfalt die Lehren hiesiger Weltweisen zu erforschen mich angetrieben /bin ich auch hinter den Betrug des verführerischen Aristippus kommen / und weil mir deine Gestalt etwas Deutsches zu seyn geschienen / man mir auch ehegestern gesagt / daß du ein Sohn des deutschen Feldherrn Segimers wärest / hat mein hertzliches Mitleiden mich so kühn gemacht / daß ich auch mit meiner Gefahr dich aus dem Abgrunde des Verderbens zu reissen entschlossen. Hiermit fing er an: Das wahre Wesen / die väterliche Vorsorge und Versehung Gottes / die Unsterbligkeit der Seelen / die Bestraffung der Bösen / die Belohnung der Frommen / die Schätzbarkeit der Tugend / die Freudigkeit eines guten / die Qvaal eines lasterhafften Gewissens aus unumstoßlichen Gründen wider des Epicurus und Aristippus verdammte Lehre auszuführen; ja diesen Betrüger selbst aus des Epicurus eigenen Sätzen zu widerlegen; iedoch um vielleicht der Schwachheit meiner Jugend zu helffen / der Wollust so ferne das Wort zu reden / daß ihr mäßiger Genieß mit der Tugend keine Todfeindschafft hegte / jene aber wie die Ehefrau zu lieben /diese wie ihre Magd zu dulten wäre. Nach diesem Beschluß dieser seiner heilsamen Lehre umarmte mich Sotion auffs neue / und beschwur mich bey denselbigen Geistern meiner frommen Ahnen / daß ich von ihrem heiligen Gottesdienste / von den heilsamen Sitten meines Vaterlandes / und von dem Pfade der Tugend keinen Fußbreitt absetzen / und den Aristippus furchtsamer als Schlangen und Nattern fliehen solte; wo ich mich nicht in eine ewige Pein gestürtzet / und mein altes Geschlechte erloschen wissen wolte.

Das Hertze schlug mir bey währender Rede wie die Unruh in einer Uhr; das innerste meiner Seele ward gereget / und mich bedünckte nicht so wohl einen Menschen / als einen Gott zu hören. Daher verfluchte ich den Aristippus / und verschwur seine Schwelle ni ermehr zu betreten. Die andern zwey Druyden kamen immittelst auch darzu / liebkoseten mir auffs freundlichste / und waren bemühet mich mit tausend guten Lehren wider die Versuchungen der Wollust auszurüsten. Worüber ich mich derogestalt vergnügt befand / daß ich mit ihnen das ohne Auffsetzung einigen Fleisches aus lautern Kräutern und Gesäme bereitetes Mittags-Mahl einnahm. Uber dieser Mahlzeit reitzte mich mein Vorwitz zu fragen: Ob alle Druyden sich des Fleisch-Essens enthielten / und ob sie es aus der vom Pythagoras herrührenden Meinung thäten /daß der Verstorbene Seelen in den Thieren wohneten? Der eine Druys / von Geburt ein Celte / verjahete /daß sich alle erleuchtete Druyden des Fleisches enthielten / iedoch nicht aus angezogener und vielen noch zweiffelhafften Ursache. Wiewohl diese Meinung längst für dem Pythagoras von denen Nord-Völckern angenommen / und insonderheit vom Zamolxis fortgepflantzet worden. Wenn diß zweiffelhafft ist /wundere ich mich / daß sich die Druyden des Fleisches enthalten / da doch die sonst so strengen Stoischen Weltweisen solches essen / und Diogenes so gar rohe Fische zu essen sich nicht gescheuet hat. Sotion fiel ein: Bey mir hat die Wanderung der Seelen in Thiere keinen Zweiffel. [461] Aber auch ausser dem halte ich für mehr wunderns-werth / daß iemahls ein Mensch eines Thieres Aaß nur anzurühren / ja gar ihrer tödtlichen Wunden Eyter / oder der Gebeine Marck auszusaugen und das Blut ihrer Adern zu essen sich erkühnet habe? Welches ich nichts anderm als dem Mangel des Getreydes in der sich mit Eicheln speisenden ersten Welt zuschreiben kan; Weil ich angemerckt: was viel Menschen für einen Eckel für noch nie gesehenen Krebsen / Schild-Kroten / Meer-Spinnen und Austern gehabt / welche doch der kostbaren Taffeln niedlichste Speisen sind. Sonder Zweiffel haben auch die / welche zum ersten ihre Schwerdter in Menschen-Blut getauchet / mit Tödtung der Thiere /und zwar anfangs grimmiger Tyger / wilder Schweine / schädlicher Bären den Anfang gemacht / biß die der Grausamkeit gewohnte Menschen / nach Art der Athenienser / welche zum ersten den Verleumder Epitideus getödtet / hierdurch aber den tapfern Theramenes und weisen Polemarchus zu tödten gelernet haben / auch zu den frommen Lämmern und nützlichen Rindern kommen sind. Dahero auch Empedocles den Griechen / und der Römische Rath Ochsen und Küh zu schlachten / ja auch den Göttern zu opffern ihrer Nutzbarkeit halber vor Alters verboten hat. Mich bedüncket auch / ja meine Natur sagt mirs gleichsam /daß sie nicht nur unter den Menschen ein Band der Liebe / sondern auch zwischen Menschen und Vieh zum minsten eines des Friedens und des Mitleidens gestifftet habe. Die Elephanten lassen von sich keine geringe und schlechte Merckmahle der mit uns gemein habender Vernunfft blicken. Die Papagoyen und Schalastern thun uns so gar die Sprache nach; Zwischen uns und den Affen ist eine ziemliche Aehnligkeit. Weßwegen zu Athen auch auff eine Straffe gesetzt war / die nur einem lebenden Widder die Haut abzohen. Ich brach hier ein: Fressen doch aber Löwen / Bären / Wölffe und Crocodile die Menschen / und zerreissen also dieses vermeinte Bündniß der Natur. Sotion antwortete: Vermuthlich haben es ehe die Thiere von denen einander selbst fressenden / und also grimmigern Menschen / als diese von jenen gelernet; Wiewohl die Menschen die Vernunfft von dem abhalten solte / was die unvernünfftigen Thiere aus grossem Mangel oder aus Rache zu thun genöthiget werden. Zudem tödten wir mehr zahmes als wildes Vieh. Wir essen keine Drachen / Löwen / keine Tiger noch Wölffe; hingegen verschwenden wir tausend Lerchen auf einer gethürmten Schüssel; Wir erwürgen auf ein Gastmahl die Fasanen zu hunderten / und können ohne unzehlbare Leichen nicht so wohl unsere grimmige Magen / als unsere unbarmhertzige Augen sättigen; und lassen uns weder der Vögel Blumen und Tapezerey wegstechende Schönheit / noch ihre und der Schaffe umb Erbarmniß bittende Sti e von unser Blutbegierde abwendig machen / sondern ermorden die edlen Phönicopter / die wunderschönen Pfauen /daß wir nur von jener hunderten einen einigen Bissen niedlicher Zungen / von diesen eine Schale Gehirne haben; Von dem Scarus-Fische und Hechten essen wir nur die Lebern / von den Murenen nur die Milch / und in einem Löffel verschlingen wir hundert Seelen mit hundert Sonnen-Fischen; welche wir nur deßwegen nicht grösser wachsen lassen / wormit unsere Verschwendung nicht zu wenigen Thieren das Leben und Licht auslösche; da doch ein iedes unter diesen / ja auch eine Fliege ihrer fühlenden Seele halber edler /als die Sonne ist. Wer wolte sich aber erkühnen den allerkleinesten Stern auszulöschen / wenn es schon in seinem Vermögen stünde? Ja wir mästen nicht nur die unschuldigen Thiere zu ihrem Tode / wormit wir selbte nicht aus einem Eyfer / sondern mit gar gutem Vorbedacht zu schlachten scheinen. Wir kappen oder entmannen sie auch / [462] wormit sie selbst unserer Lüsternheit so wohl feister werden / als ihre ausgeschnittene Glieder uns zum Zunder der Geilheit dienen; da doch unser enger Mund keinen scharffen Schnabel / noch einen weiten Rachen; keine lange Zähne / die Nägel keine spitzige Kreilen / der Leib keine so grosse Stärcke / und der Magen keine so kräfftige Verdäuung hat / daß wir zu Umbring- und Verzehrung des Viehes geschickt wären. Daher nicht nur solch Fleisch gesotten / gebraten / mit Eßig gebeitzt / sondern auch nicht anders / als eine zu begraben nöthige Leiche mit Morgenländischem Pfeffer / Zimmet und Muscaten eingewürtzet / und unserm Magen verdäulich gemacht werden muß. Wiewol auch das auffs beste zugerichtete Fleisch eben so wohl als der Wein zwar den Leib stärckte / das Gemüthe aber entkräfftete; Also / daß dieses wie ein angefülltes Ertzt-Geschirre nicht klingen / wie ein mit Feuchtigkeit überschwemmtes Auge nicht sehen / und die umwölckte Sonne nicht leuchten könte. Wie viel mehr Abbruch muß nun die Seele und der Verstand leiden; da man wie alle andere also auch diese Speise nicht zur Nahrung / sondern zu Erregung kützelnder Begierden zurichtet. Die fremden Fische ersäufft man im Cretischen Weine; die Indianischen Hüner ersteckt man in ihrem eigenen Geblüte; die Schweine tödtet man mit glüenden Eisen / daß man zugleich ihres Fleisches und Blutes genüsse; ja daß man mit beyden auch die vermischte Milch und den Safft unzeitiger Früchte schmecke / tritt man denen trächtigen Bär-Müttern auff ihre Eiter und tödtet sie. Zu geschweigen / daß diese Fleisch-Begierde ein Wegweiser gewesen / daß nicht nur etliche wilde Völcker ihre verstorbene Eltern und Freunde verzehret haben / sondern auch noch etliche ihre Gefangenen schlachten und essen. Hingegen haben nicht nur viel Weisen / sondern gantze Völcker eine eingepflantzte Abscheu für vielerley Fleische bey sich empfunden; massen die Juden keine Schweine und Hasen / die Egyptier keinen Ibis / die Indier keine Kuh / die Syrier keine Fische und Tauben essen / und allhier zu Rom Jupiters Priester kein rohes Fleisch nur anrühren darff.

Mit diesen und andern Gesprächen brachten wir die Zeit biß auf den Abend zu / da ich denn allererst mit vertrösteter Wiederkehr Abschied nam; auf dem Morgen aber vom Lucius verlacht ward / daß ich des vorigen Tages Lust / welcher bloße Erzehlung mir eine grosse Abscheu für so viel unnatürlichen Uppigkeiten erregten / versäumet hätte. Dieser lag mir hernach beweglich an / daß ich folgenden Abend sie zu dem Aristippus vergesellschafften möchte / welcher allbereit hundert edle Römische Jünglinge in sein geheimes Heiligthum auffgenommen hätte / und sie selbige Nacht dem Bacchus und der Venus einsegnen wolte. Ich mühete mich möglichst / den Lucius von fernerer Besuchung des Aristippus / insonderheit aber von der vorhabenden Einweihung abzuhalten. Alleine / weil die Wollust zwar einen schlüpffrigen Eingang / aber einen mit zähem Leime beworffenen Ausgang hat /oder ihr Gifft die Vernunfft gantz einschläffet / wolte Lucius ihm weder eines noch das andere erwehren lassen / sondern schützte sich sonderlich damit / daß der Käyser August zu Athen sich der viel verdächtigern Ceres einsegnen zu lassen kein Bedencken gehabt hätte; ja derogleichen Einsegnungẽ / ob sich schon selbte mit der Wollust vermählten / doch Beweißthümer der Unschuld / und den Göttern angenehm wären. Also verfügten sich Cajus und Lucius zum Aristippus / ich aber noch vorher mit einer hefftigen Empfindligkeit zu meinem Sotion / welcher mir meinen Unmuth alsofort ansahe / und um die Ursache fragte. Weil ich nun einem so heiligen Manne nichts zu verschweigen getraute / eröffnete ich ihm mein Mitleiden über das Verderben der zweyen jungen Fürsten Cajus / Lucius / und hundert anderer edlen Jünglinge. Sotion erstarrte [463] über dieser Zeitung / und über eine Weile fing er erst an: Ist es nicht einerley Missethat einen ersäuffen /oder einen Ersauffenden / wenn man kan / nicht aus dem Wasser ziehen? Ich finde mich in meinem Gewissen verpflichtet der Obrigkeit des Aristippus schreckliche Einweihung zu entdecken / welche nicht ohne grausame der Natur selbst widerstehende Laster geschehen kan. Ob nun zwar ich und beyde andere Druyden hierbey allerhand Bedencken hatten; war doch Sotion nicht zu erhalten / sondern eilte zum Bürgermeister Lucius Cornelius / erzehlte ihm des Aristippus gantzes Leben / und sein Fürhaben; iedoch verschwieg er / daß unter der Römischen Jugend /welche er selbige Nacht der Hölle verloben wolte /des Käysers Enckel wären. Cornelius wolte anfänglich dem fremden Sotion wenig Glauben beymessen /die fürstehende Gefahr aber und Sotions unerschrockene Betheurung überredete ihn endlich / daß er zwar den Sotion in Verwahrung behalten ließ / er selbst aber zum Käyser sich verfügte und ihm fürtrug: Es wäre ein ärgerer Ausländer in Rom / als derselbe Grieche / welcher für hundert und zwey und achzig Jahren in Hetrurien / hernach in die Stadt eingeschlichen wäre / das schändliche Feyer des Bacchus ins geheim eingeführt / den Minius und Herenius Cerrinius zu Priestern / die Puculla Minia zur Priesterin eingeweyhet / und biß sieben tausend Männer und Weiber durch Unzucht / Mord / Gifft und tausend schreckliche Laster dem Bacchus verlobet hätte. Weil nun auff damahlige Anzeigung der Freygelassenen Hispala und des jungen von seiner eigenen Mutter Duronia der Hölle gewiedmeten Ebutius wider alle Verschwornen mit Schwerdt und Feuer verfahren worden wäre; wäre kein Augenblick zu verspielen / wormit diesem noch abscheulicherm Ubel vorgebeuget würde. Augustus billichte des Bürgermeisters Gutachten / und befahl dreyen Hauptleuten / daß sie mit einem Theile der Leibwache des Aristippus Garten in aller Stille besetzen / von der Seite der Tiber selbten ersteigen / die Gebäue auffbrechen / das Fürhaben der darinnen Betretenen erforschen / und selbte / insonderheit aber den Aristippus in Hafft nehmem solten. Dieser Befehl ward wegen des in dem Lusthause mit Paucken und Hörnern verübten Getümmels so unvermerckt volbracht / daß die Wache ohne einigen Menschens Warnehmung in den grossen Saal kam / darinnen ein Auffzug des Bacchus uñ der Venus von eitel nackten Jünglingen und Weibern mit abscheulich-garstigen Unzuchts-Bildungen gehalten ward / Aristippus aber /dessen Leib keinen Finger breit / ausser das Haupt mit einem Reben- und Myrten-Laubenen Krantze bedeckt war / einen auff dem Altare stehenden Priapus mit Weine bespritzte / und zu seiner teufflischen Einsegnung den Anfang machte. Cajus selbst bildete den Bacchus / die geile Cyrene die Venus / und Lucius den Cupido ab. Es ist leicht zu ermessen / was die Leib-Wache über Erblickung dieser beyden Fürsten /diese Versammlung aber über dem Eintreten der Wache für Schrecken überfallen habe. Cajus und Lucius wolten durch ihr hohes Ansehn / die andern durch Herfürsuchung der Waffen die Wache abweisen; aber der angedeutete Käyserliche Befehl / und die für Augen stehende Macht schlug aller Hertzen zu Bodem; wo anders wollüstige Leute noch eins in ihrem Busem haben. Sintemal kein Messer so sehr /als Geilheit einen Menschen zu entmannen fähig ist. Dem Cajus und Lucius wurden allein ihre Kleider gereicht / und auff einem Wagen nach Hofe gebracht. Aristippus aber ward mit drey hundert andern beyderley Geschlechtes so / wie sie betreten wurden / fortgeschlept / und eintzelich in die Gefängnisse gesperret. August erschrack über seiner Enckel Verbrechen so sehr / daß er etliche Nächte nicht schlaffen konte / und etliche Tage keinen Menschen / als Livien vor sich ließ / welche sich über [464] des Cajus und Lucius Verfallung im Hertzen erfreuete. So boßhafft ist die Ehrsucht / daß sie mit eigner Boßheit sich empor zu schwingen, andere aber mit ihrer in Abgrund zu drücken vor hat. Der Käyser befahl endlich nach langem Nachdencken: Man solte den Aristippus / Cyrenen und alle ihre Gefährten / wie auch die Mohrischen Weiber und Knaben im Kercker erwürgen / ihnen Steine an Hals hencken / und sie des Nachts in die Tiber werffen. Nachdem auch August selbst dem Cajus und Lucius das Gesetze geschärfft / und ihnen bey nachbleibender Besserung die Verweisung in das ungesunde Sardinien angedräuet hatte / wurden sie /und zwar / wormit das Verbrechen nicht einem Ubersehen an dem andern gestrafft zu werden schiene / alle Römische Gefangene loß gelassen. Alle Epicurische Weltweisen wurden aus Rom und Italien verbannet. Sotion hingegen kam bey den Römern in grosses Ansehen / und beym Käyser in solche Gnade / daß er die Weißheit öffentlich lehren / die Druyden auch den halbzerstörten Tempel der Bellona / weil man darinnen viel mit Menschenfleische gefüllte Töpffe gefunden hatte / ergäntzen / und für sich und andere Ausländer ihren gewohnten Gottesdienst üben dorfften. Denn den Römischen Bürgern wolte der Staatskluge August weder diesen noch einigen andern fremden zulassen. Cajus und Lucius faßten mich zwar in Verdacht / als wenn von mir Aristippus und sein böses Beginnen angegeben worden wäre / aber der Käyser hatte dißfals selbst Sorgfalt für mich; indem er durch einen mir in ihrer Anwesenheit gegebenen empfindlichen Verweiß / daß ich auch des Aristippus Verleitung gefolget hätte / mich aus dem gefaßten Argwohne klüglich versetzte.

Cajus und Lucius wurden durch diese Begebniß genöthiget ihre Unart zwar zu verbergen / aber nicht mächtig sich selbter zu entäussern. Denn die in dem Hertzen eingewurtzelten Laster sind schwerer als Unkraut aus geilem Erdreiche auszurotten. Ja die Menschen haben durchgehend mehr den Firniß / als das Wesen der Tugend an sich. Dahero denn beyde junge Fürsten / als der Eyfer des Käysers verrauchte / und seine gewohnte Leutseligkeit zu ein und anderm Fehler ein Auge zudrückte; insonderheit aber das Beyspiel des Hofes und die kuplerische Heucheley sie wieder auff die alten Wege verleitete / sie dem Athenodor zwar ihre Ohren; aber denen Wollüsten ihre Hertzen verliehen. Wormit aber meine Zunge nicht scheine ein Register fremder Schwachheiten zu seyn /und daß ich mich mit anderer Kohlen weiß brennen wolte / will ich alleine diß / worvon zugleich mein Glücks-Fadem gehangen / berühren. Lucius war durch des Aristippus Verleitung so verwehnt / daß er gleichsam für allem weissen Frauenzimmer eine Abscheu / zu denen Morischen aber einen hefftigen Zug hatte. Daher er ihm etliche schwartze Sclavinnen kauffte / selbte in einem Garten unterhielt / und sich diesen Mägden zum Knechte machte. Es trug sich aber zu / daß König Juba / welchem August die junge Cleopatra vermählt / und das Königreich Numidien wegen seines Vaters Juba ihm geleisteten treuen Beystandes eingeräumet hatte / seine Tochter Dido nach Rom schickte / um die Römischen Sitten zu fassen /und bey dem Käyserlichen Hause sich beliebt zu machen. Diese war eine Fürstin von sechzehn Jahren; aber von reiffem Verstande. Sintemal die Einwohner der heißen Länder ohne diß tieffsinniger / als kalte Völcker / diese hingegen hertzhaffter / als jene seyn sollen. Sie war zwar ihrer Numidischen Landes-Art nach schwartz; aber die Anmuth leuchtete ihr aus den Augen / die Freundligkeit lachte auff ihrem Munde; dessen Lippen nicht nach Morischer Art auffgeworffen / sondern wie alle andere Glieder ihr rechtes Maaß und ihre vollkommene Eintheilung hatten. Lucius hatte diese Fürstin so geschwinde nicht gesehen /als die Kohlen ihres [465] Leibes seine Seele in Brand und Flamme versetzten. Diesemnach er sich aller andern Vergnügungen entschlug / und seine vorhin auff tausend Gegenwürffe zerstreuete Neigungen gegen der Dido als in einen Mittelpunct zusa en zoh; also ihr anfangs durch Höfligkeit seine Freundschafft / hernach durch Seufzer und andere stumme Beredsamkeiten seine Liebe zu verstehen gab; endlich durch ersinnlichste Auffwartungen ihre Gewogenheit zu erwerben bemühet war. Unter andern fugte ihm das Glücke / daß als der Hoff der Käyserin Livia Geburts-Tag feyerte; ihm die Dido zu bedienen durchs Loß zufiel. Der Auffzug geschahe des Abends auff der Tiber. Des Käysers Schiff war gebildet wie ein Ochse / welcher von denen verborgenen Rudern unter dem Wasser derogestalt beweget ward / gleich als er durchs Wasser schwimme. Livia saß in Phönicischer Tracht oben an dem Halse wie eine Königin in Purpur gekleidet / und mit vielen tausend Diamanten gekrönet. Sie hielt sich an eines seiner güldenen Hörner an /welche mit vielem Blumwercke umkräntzt waren. August stellte den Jupiter für / Mecenas den Apollo / Terentia die Venus / und andere Römische Raths-Herren und Frauen die andern Götter / welche auff allerhand Art Livien bedienten. Die Heldinnen aber preiseten durch allerhand Lob-Gesänge die von Jupiter auff einem eben so gebildeten Schiffe geraubete Europa /und verblümeten hierunter / wie August auch dem Tiberius Nero Livien / und zwar noch schwanger / aus seinem Bette genommen habe. Cajus führte die junge Livia des Drusus Tochter auff einer Muschel / er selbst bildete die Sonne für / welche mit ihren Stralen sie schwängerte / und Livia die Venus / welche gleich gebohren und von denen um sie herumschwimmenden Meer-Göttinnen fortgestossen / von denen geschwäntzten Sirenen aber ihre Schönheit und Lust singende gerühmet ward. Lucius aber stellte den Wein-Gott / und Dido eine schwartze Venus / oder vielmehr die Schiffarth des Antonius / und ihrer Großmutter Cleopatra nach Cilicien für. Denn seines Schiffes Vordertheil war auffs zierlichste gemahlet /das Hintere gantz vergüldet / die Segel aus Purpur /die Ruder versilbert / welche von eitel Satyren nach dem Falle der von zwölff Heldinnen gespieleten Lauten und andern lieblichem Gethöne bewegt wurden. Auff dem Schiffe war um den Mast herum ein Gold-gestecktes Zelt auffgespannt / die Seiten aber unten entblösset / daß man darunter die Fürstin Dido in Gestalt der schwartzen Arcadischen Venus / welcher zwölff kohlschwartze Liebes-Götter mit Pfauen-Schwäntzen Lufft zufachten / und den Fürsten Lucius in Gestalt des gekrönten / und auff einem zweyerley Wein von sich spritzenden Fasse sitzenden Bacchus /welchen zwölff Bachen mit Schalen bedienten / sehen konte. Zwölff andere Mohren sassen und streuten in die mit glüenden Kolen gefüllten Rauchfässer Weyrauch; zwölff Mohren-Weiber aber spritzten allerhand wohlrüchende Wasser und Balsame umb sich. Das Schiff war mit etlich tausenden allerhand Bildungen fürstellenden Wachs-Lichtern besteckt / und an der Spitze des Mastbaumes waren mit eitel Flammen die Nahmen Lucius und Dido / an dem Hintertheile des Schiffes / Bacchus und Venus / an dem Vordern / Antonius und Cleopatra ausgedrückt. Mit einem Worte: Gantz Rom hielt des Lucius Auffzug für den allerprächtigsten. Bey diesem nun hatte Lucius überflüßige Gelegenheit der Dido seine Liebe fürzutragen / und um die ihrige sich zu bewerben / weil er / wenn schon etwas von ihr für eine zu kühne Freyheit auffgenommen werden möchte / alles mit dem übernommenen Schau-Spiele entschuldigt werden konte. Dido muste dem Käyser zu gefallen / und diesen Auffzug nicht zu verstellen / [466] umb mehr / als sie vielleicht im Hertzen gemeint war / dem Lucius liebkosen. Wiewohl auch die Ehrsucht ihm das Wort redete; indem Dido sich niemahls höher / als an diesen vermutheten Erben des Käysers / und des halben Römischen Reichs / hätte vermählen / oder zum minsten ihre väterliche Krone Numidiens in Africa ansehnlich vergrössern können. Zu dieser Hoffnung schien ihr nicht wenig zu dienen die Heucheley des an dem Ufer der Tiber als Mauern stehenden Volckes / welches dem Lucius und der Dido tausend Lob-Sprüche und Glück-Wünsche zuruffte. Folgende Tage war der Dido Gebehrdung gegen ihn zwar viel laulichter; nichts destoweniger unterhielt sie ihn mit möglichster Höffligkeit / also /daß solcher Nachlaß mehr einer behutsamen Klugheit / als einer kalten Ungewogenheit ähnlich zu seyn schien. Daher sich Lucius unschwer selbst gar bald beredete / daß der Dido Hertze gegen ihn nicht weniger Feuer / als seines gegen ihr hegete. Denn ob wohl sonst das Frauenzimmer hierinnen leichtgläubiger /die Männer aber mißträulicher sind; sintemahl diese die Klugheit warniget / jenes aber das grosse Vertrauen auff ihre Schönheit / und die gewohnte Anbetung auch derer / die sie zu lieben ihnen nie träumen lassen / verleitet; so bildete ihm Lucius dißmahl aus einer Schwachheit des noch unreiffen Verstandes / oder in Meinung / daß alle Weiber der Welt zu Sclavinnen eines jungen Käysers gebohren / oder er vollkommener / als niemand in Rom wäre / diß festiglich ein /ohn welches er sich nicht glückselig schätzen konte. Alldieweil denn Liebe eine so gewaltsame Regung ist / daß sie die Seele peinigt / das Hertze ängstigt / die Vernunfft verwirret / des Willens sich bemächtigt /und also den Menschen auser sich selbst versetzt und in ihm nichts minder feind als unvorsichtig macht; konte ich und andere / insonderheit die schlaue Livia dem Lucius die Heimligkeit seines Gemüths gar leicht an der Stirne ansehen / und in seinem Gesichte lesen. Denn die Bläße des Gesichtes / die Seuffzer des Hertzens / die verworrene Umbschweiffung der Augen sind allzu geschwinde Verräther der Verliebten. Livia / welche nichts lieber wünschte / als daß Lucius und Cajus durch seltzame Vergehungen des Käysers unmäßige Gewogenheit verspielen / und des Römischen Volcks Haß auff sich laden möchte / goß sie / so viel an ihr war / Oel in diß Feuer / und that des Lucius wahnsinniger Liebe allen Vorschub. Dido wuste hingegen meisterlich eine angebehrdete Liebhaberin gegen dem Lucius fürzustellen. Denn ob es zwar sonst leichter ist / aus etwas nichts / als aus nichts etwas zu machen / so ist es doch theils der Boßheit /theils der Klugheit nicht so schwer / eine falsche Liebe zu richten / als eine wahrhaffte zu verbergen. Massen auch der Leib schwerer eine schmertzhaffte Wunde verbeisset / als er sich verwundet zu seyn stellen kan. Unterdessen ward doch ich / weil mich Lucius insgemein mit zu seiner geliebten Dido nahm / ich weiß aber nicht / aus was vor Anlasse so scharffsichtig / daß mir Didons Bezeigungen gegen dem Lucius eine blosse Larve der Liebe zu seyn schien. Hierinnen ward ich von Tage zu Tage immer mehr gestärckt / weil ich sahe / daß Dido in seiner Anwesenheit mir nicht viel kältere / in seinem Abseyn aber viel nachdrücklichere Bezeugungen that. Weßwegen mich auch meine Einfalt verleitete / daß ich dem Lucius meine Muthmassung offenhertzig entdeckte / und ihn von so heisser Brunst gegen einen so schwatzen Schatz abwendig zu machen mich erkühnte. Lucius aber verlachte mich als einen / der in Ergründung der Liebe ein Kind / und ein unfähiger Richter über die Schönheit wäre. Wenn mein Hertze von jener / und meine Augen von dieser etwas verstünden / würde ich bekennen / daß die eine wahrhaffte Enckelin derselben [467] Cleopatra wäre / welcher ihrer viel ihr Leben willig auffgeopffert hätten / um nur eine einige Nacht ihrer Liebe zu geniessen. Und ihm solte seines eben so wenig gereuen / wenn er bey der Dido gleicher Glückseligkeit fähig würde. Ich versetzte zwar: Rom würde solcher Gestalt bald öde / und die Welt Männerarm werden / wenn so schwartze Gottheiten Menschen-Opffer verdienten. Denn die Schöneren würden so denn zu ihrer Versöhnung gantze Städte zu ihrer Abschlachtung verlangen. Er wüste zwar / daß nichts Schönes so schön / als diß / was man liebte / wäre; weil die Einbildung Apellens Pinsel beschämte / und die Gewonheit selbst das Urtheil der Natur verdammte. Daher auch von Hiberniern die Sprenckeln / von Thraciern die Mahle / von Mohren die pletschichten Nasen und von den Einwohnern der Insel Taprobana die langen durchlöcherten Ohren für einen Ausbund der Schönheit gehalten würden. Alleine diese Einbildung könte der wahren Schönheit so wenig / als die nächtliche Finsterniß der Klarheit der Sternen Abbruch thun. Weniger Menschen seltzames Urthel könte die Schwärtze so wenig zu einer Vollkommenheit / als ein Bildhauer einen Stein oder Baum zum Gotte machen. Es würde aber besorglich in kurtzer Zeit dem Lucius mit seiner Mohrin / wie der etwas verlebten Helene mit ihrem Spiegel gehen /welche mit heissen Thränen beweinte / daß er ihr Antlitz nicht so schön wie vor zehn Jahren abbildete. Denn wie die neidische Zeit Helenen gleichsam selbst der Helene raubte; also wird eine andere Schönheit und ein reifferes Urthel der Dido in den Augen des Lucius bald eine andere Farbe anstreichen. Mit diesem Zwiste brachtẽ nicht nur wir beyde offtmahls viel Zeit zu / sondern Cajus schlug sich auch zu mir / welcher sich inzwischen in eine schöne Cimbrische Sclavin verliebt hatte / und selbte seine schöne Clytemnestra hieß / weil sie so schneeweiß war / als wenn sie ebenfalls / wie jene und Helena aus einem von der Leda gelegtem Ey geschälet worden wäre. Insonderheit verfielen sie einmahl in Servilischen Gärten mit einander in diesen Wort-Streit / allwo in einem Gange die Andromeda aus schwartzem / und Helena aus weissem Marmel einander gegen über standen. Da denn Cajus für die Farbe seiner Buhlschaft anführte / daß selbte die Leib-Farbe nichts minder der Hoheit / als Schönheit wäre. Daher sie die Alten der Soñe gewiedmet; Pythagoras seinem Gotte ein schneeweisses Gewand zugeeignet / der grosse Alexander nur eine weiße Krone getragen / die Indianer aber solche Fahnen für ein Kennzeichen der Freundschafft / und fast alle Völcker für ein Merckmal des Friedens erkieset hätten. Die weiße Farbe verdiente auch nur alleine den Nahmen einer Farbe / oder weil alle andere von ihr den Ursprung nehmen / zum minsten den Ruhm /daß sie aller Farben Mutter wäre / als welche aus Vermischung des Lichtes und des Schattens ihren unzehlbaren Unterscheid bekämen. Hingegen wäre die Schwärtze die abscheuliche Leichen und Todten-Farbe / ja sie verdiente nicht einst diesen Nahmen; denn sie wäre an sich selbst nichts wesentliches / sondern wie die Finsterniß der Nacht ein blosser Mangel des Lichtes / oder vielmehr der Tod aller andern Farben / ein Schatten der Hölle / und daher eine Andeutung des Unglücks. Weswegen die Scythischen Könige nicht erlaubten / daß ihnen einiger schwartzgekleideter ins Gesichte ko en dörffte. Lucius setzte ihm entgegen / die weisse Farbe wäre aller Völcker in Indien Trauerkleid / und eine Schwachheit der Natur. Massen denn alle weißen Thiere viel ohnmächtiger wären als die schwartzen. Der Elefant würde von der ihn blendenden weissen Farbe wilde und wütend; und in Mohrenland mahlte man die bösen Geister nur weiß. Die in dem Schnee wachsenden Kräuter blieben alle bitter / hingegen wäre das schwartze Erdreich das fruchtbarste. In den kaltẽ Nordländern / darein die Natur nichts [468] minder Unfruchtbarkeit / als die Finsternüß verbannt hätte /wären die Bären / die Feldhüner / die Falcken / die Hasen / ja selbst die Raben weiß. Also klebete an allem weissen eine Unvollkommenheit / insonderheit aber ein kalter Geist in weissen Weibern. Dahero sie nur / wie Galathea von einem einäugichten Polyphemus / welcher sein Lebtage nichts schöners als Milch und Käse gesehn und geschmeckt hätte / geliebt zu werden verdienten. Also wunderte er sich nicht / daß in Africa die Bräute noch ihre Hände und Füsse über ihre natürliche Farbe / ja so gar viel Frauenzimmer ihre weisse Zähne / und die Sarmatischen ihre Nägel an Händ und Füssen schwärtzten. Ich ward hierüber gezwungen mich meines Vaterlands und unsers weissen Frauenzimmers anzumassen / und so wohl für jenes Fruchtbarkeit / als dieser Schönheit zu fechten. Als ich nun gleich mit diesen Worten schloß: Weisses Frauenzimmer wäre so ferne dem schwartzen / als der Tag den Nächten / und ein leuchtendes einem verfinsterten Gestirne vorzuziehen; kam eine weisse Taube geflogen / und setzte sich auf das schwartze Bild Andromedens. Welches ich und Cajus / daß die Göttin der Liebe mit diesem ihr heiligem Vogel den Obsieg der weissen Farbe über der schwartzen andeutete; Lucius aber dahin auslegte / daß sie durch ihre dahin befehlichte Taube der schwartzen beypflichtete. Uber diesem unserm Streite streckten die Fürstin Dido und Servilia ihre Häupter hinter dem in selbigem Gange zusammen geflochtenen Laubwercke herfür / allwo sie ihrem Farben-Kampfe zugehöret hatten. Massen denn Dido so wohl mir / als dem Cajus / als so offenbaren Feinden ihrer Leib-Farbe einen gerechten Krieg anzukündigen berechtigt zu seyn sich heraus ließ /wenn ihr eigenes Hertze nicht wider sie einen Aufstand erregt / und der weissen Farbe beygefallen wäre. Mit derogleichen Schertz vertrieben wir die Uberbleibung selbigen Tages. Worbey ich denn aus einigen Geberdungen wahrnahm / daß diß / was Dido zwar schertzweise und mit lachendem Munde wider den Lucius für den Ruhm der weissen Farbe fürbrachte /als meist gar nachdencklich / was ernsthaftes hinter sich verborgen hatte. Wie wir auch von einander Abschied nahmen / und mir Servilia selbst die Hand reckte sie zum Wagen zu führen; sagte sie gemählich zu mir: Flavius ist heute glückselig / daß er mit seiner Schönheit einer Königin Hertz bemeistert / und es ihr zu einem Feinde ihm aber zur Sclavin gemacht hat. Ich konte mich nicht enthalten mich darüber zu röthen; da sie denn fortfuhr: Ich sehe wol / seine weisse Farbe vermähle sich mit einer mitlern / wormit er mit Didons schwartzer so viel leichter zum Vergleich komme. Ich wolte ihr antworten; alleine sie wendete sich mit Fleiß zum Cajus / und verließ mich also in ein weniger Verwirrung. Nach etlichen Tagen stellte Lucius einen Tantz an / darinnen die Farben umb den Vorzug stritten. Ich muste darinnen die weisse vorstellen / er aber vertrat seine beliebte schwartze; welcher auch von dem zum Richter erkieseten Hercules Melampyges / den Marcus Lollius übernahm / ein aus eitel schwärtzlichten Blumen geflochtener Krantz zuerkennt und aufgesetzt / und von denen neun Musen ihr oder eigentlicher der Fürstin Dido ein Ruhms-Lied gesungen ward. Wenige Tage hernach stellte Cajus einen gleichmässigen Farben-Tantz an / welche alle wie Wasser-Nymphen und Meer-Götter aufgeputzt waren; da er mich denn abermals zur weissen / und das Looß die Dido zum Richter der schwartzen Farbe erkiesete / und in der Fürbildung der Cassiopea mir einen von weissen Lilgen gemachten Krantz aufzusetzen gezwungen ward. Hiervon habe ich zu Rom / und folgends so gar in meinem Vaterlande den Nahmen Flavius bekommen / und ist mein wahrer Nahme Ernst dardurch gleichsam gar erloschen. Denn nicht nur Cajus und Lucius kleideten sich und ihre Hofe-Leute nach der Gewogenheit / die jener zur weissen /dieser [469] zur schwartzen Farbe trug; sondern das Römische Volck spaltete sich ihnẽ zu Liebe gleichsam in 2. 3. widrige Farbenbuhler / also / daß in denen Schau-Plätzen mehrmals / insonderheit wenn Cajus und Lucius den Spielen beywohnten / sich hierüber Zwist ereignete / und ein Theil dieser / das ander Theil der andern Farbe so wohl mit ihren Kleidern als Ruhmsprüchen beypflichtete. Diesemnach der Käyser selbst dieser weit aussehenden Uneinigkeit zu begegnen kein klüger Mittel wuste / als andere Farben ans Bret / und in Ansehn zu bringen / und dardurch dem Pöfel entweder seine Eitelkeit zu zeigen / und zu bestillen /oder doch die mehrere Verwirrungen / wie die schwermenden Bienen durch den Rauch zu beruhigen. Er stellte diesemnach Livien an / daß sie einen solchen Tantz hielt / in welchem sie die Farben als Schäferinnen aber mit eitel Sclavinnen aufführte / darunter sie selbst als eine Blumen-Göttin der grünen den Siegs-Krantz aufsetzte. Zuletzt aber folgte ein Tantz von zwölff grün-gekleideten Närrinnen / dardurch sie die Erwehlung einer gewissen Farbe gleichsam als eine Thorheit durchzoh; diß aber darmit vorsichtig verblümet ward / daß zwar die grüne Farbe mit allen andern eine Verwandnüß habe / und also hochschätzbar / ja gleichsam der fruchtbaren Natur allgemeine Leib-Farbe sey / aber doch von der Gewohnheit zum Aufzuge der Narren gebrauchet werde. Servilia hielt auf des Käysers Befehl einen Tantz / darinnen vier und zwantzig Zwerge so viel Farben in Gestalt der Gestirne aufführeten / und nach dem Stande der zwölff hi lischen Zeichen künstliche Stellungen machten. Sie krönete selbst in Gestalt der Juno die blaue Himmel-Farbe mit einem Hyacinthen-Krantze. Zuletzt aber erschienen so viel Todten-Gerippe / welche anfangs die Eitelkeit der ängstlichen Sterbligkeit durch seltsame Geberden abbildeten / hernach aber / welches die zum Tode und Trauren geschickteste Farbe wäre / sich miteinander zancktẽ / endlich die blaue Farbe darzu erwehleten / als welche ohn diß bey den meisten Morgẽ-Ländern die Kleidung der Leidtragenden wäre. Livia / des Drusus Tochter / folgte mit einem Tantze /darinnen sieben Laster sieben Farben fürstellten. Die Heucheley war weiß / die Grausamkeit roth / die Hoffart grün / der Neid blau / der Haß schwartz / die Ehrsucht braun / die Eifersucht gelbe geputzt / und diese ward von dreyen Unholdin zur Königin erwehlet / und ihr Haupt mit gelben Blumen geschmückt. Endlich beschloß Lollia mit einem von zwölff Heldinnen und so viel Liebes-Göttern gehegtem Tantze / darinnen sie nicht so wohl als eine angeberdete als wesentliche Venus / die rothe Liebes- und Herrschaffts-Farbe mit einem Rosen-Krantz beschenckte / welchen aber der Neid / der Haß / die Eifersucht / die Unfruchtbarkeit /als die Tod-Feinde dieser süssen Regung ihr abrissen / und ihr einen Dornen-Krantz aufsetzten.

Bey diesen öftern Versa lungen ließ Dido gegen mir allezeit meiner Einbildung nach etwas blickẽ /welches mich einiger gegen mich tragenden Gewogenheit zu versichern schien / und mir Terentiens Räthsel auslegte. Ich aber / der ich einige Empfindligkeit der Liebe noch nie gefühlet hatte / mich auch nicht des Lucius Eifersucht zu erregen sehr behutsam anstellen muste / begegnete ihr mit einer ziemlich kaltsinnigen Höfligkeit. Den Morgen nach dem letzten Tantze brachte mir ein unbekandter Knabe auf dem Reit-Platze einen Püschel weisser Blumen / daraus ich nach derselben genauer Beschauung folgende Zeilen laß:

Weil der weisse Flavius nichts minder ein Hertze /als ein Vaterland voller Schnee hat; bin ich genau zu glauben veranlaßt worden / daß alles weisse nicht nur unempfindlich / sondern auch ohne Seele sey. Nach dem mir aber diese Blumen den letzten Irrthum benommen / habe ich mich verbunden geachtet ihn durch dieser Lebhaftigkeit zu erinnern / daß nicht alles / was weiß ist / Schnee seyn müsse.

[470] Dieses seltsame Schreiben veranlaßte mich nach dem Uberbringer mich umzusehen / aber er war unvermerckt verschwunden / welches mir so viel mehr Nachdenken machte. Servilia und Didons Augen aber hatten mir bereit einen gar zu guten Vorschmack von Didons Zuneigung gegeben / also / daß ich mir gar geschwinde eine vortheilhaftige Auslegung von der Fürstin Dido Liebe machte. Unterdessen gelüstete mich diese Schrifft wohl zehnmal zu lesen / iedes Wort liebkosete mir in Gedancken / und redete mir gleichsam ein / daß es eine unverantwortliche Unhöfligkeit wäre / einer so annehmlichen Liebes-Erklärung keine geneigte Erwiederũg abzustatten. Ich brachte den Tag in verwirrter Einsamkeit / die Nacht in Unruh zu. Auf den folgenden begegnete mir Dido / als sie mit Livien in den allen Göttern zu Ehren gebauten Tempel fuhr / da sie mir denn noch einmal so schön /und vielmal so liebreitzend / als andere mal fürkam /also daß ich durch einẽ geheimẽ Trieb mich genöthigt befand ihr dahin zu folgen. Sie kniete für dem Bilde der hi lischen Venus / und ließ selbter etliche weisse Tauben aufopfern. Meine Anwesenheit aber stahl der Göttin von Didons Augen mehr annehmliche Blicke ab / als sie derselben oder andere Andacht ihrem Bilde lieferte. Als Livia auch für dem Altare des guten Glückes aufstand / und der Dido ein Zeichen gab ihr zu folgen / sagte diese im vorbeygehen lächelnde zu mir: Sie hätte der Liebe die weisse Taube /welche auf der schwartzen Andromeda Haupte gesessen / geopfert / daß sie mein Hertze von dem Hasse der Schwärtze abwendig machen möchte. Diese Worte begleitete sie mit einer so durchdringenden Anmuth / daß sich meine Seele gleichsam durch eine Zauberey gantz und gar verändert befand. Des Nachts stellten mir die Träume / des Tages mein Verlangen unaufhörlich das Bild der Dido / als einen Anbetens-würdigen Abgott für. Hatte ich sie einen Tag nicht gesehen / dorffte ich mich folgende Nacht keines Schlafes getrösten; hatte sie mich aber ihres Anblicks gewürdigt / so wuste ich meine Freude nicht zu begreiffen. Derogestalt ward mein Leben eine beständige Unruh. Mit einem Worte: Ich war verliebet / und mir lag ein schwerer Stein auf dem Hertzen / welchen ich durch eine der Fürstin Dido auf des Mecenas Vorwerge geschehende Bekäntnüß abzuweltzen vermeynte. Aber der nichts minder brennenden Dido mir statt der Antwort auf meine Stimme gegebener Kuß verwirrete mir vollends alle Vernunft / daß ich noch nicht weiß /was ich damals für Abschied von ihr genommen habe. Meine und ihre Flamme ward in beyden Hertzen immer grösser / also / daß wir sie für dem nichts minder angesteckten Lucius zu verbergen alle möglichste Sorgfalt / und dardurch unser Vergnügung ein grosses abbrechen musten / wo anders die Heimligkeit nicht minder eine Verzuckerung / als ein Zunder der Liebe ist.

Alleine / ist es wohl möglich die Liebe zu verstecken / da das gemeine Feuer durch die festesten Steinklüffte mit ausgespienem Schwefel und Hartzt; ja durch die unergründlichen Meere herfür bricht /und seine Fluthen siedend macht? Lucius / welcher sich umb der Dido Liebe so gar durch verzweifelte Mittel bewarb / kriegte von einer Zauberin die Nachricht / daß einer / welcher seiner Buhlschafft am unähnlichsten wäre / seinem Absehn allein im Wege stünde. Der ohne diß gegen mich argwöhnische Lucius machte ihm hieraus alsofort einen unzweifelten Schluß / daß ich und Dido einander liebeten. Dieser Verdacht machte ihn zum genauesten Aufmercker unser Geberdungen / und hiermit auch zum Ausspürer unser Hertzen. Weil nun die Heftigkeit meines Gemüthes keine mittelmässige Entschlüssungen vertrug /setzte er ihm für / mir das Licht des Lebens auszuleschen / und ihm den Schatten / welcher seiner Vergnügung am Lichte stünde / aus dem Wege zu räumen. Weil er aber wohl wuste / daß der Käyser mir geneigt war / wolte er vor bey der Dido das äuserste versuchen. Diesemnach setzte er als ein Eifersichtiger[471] an sie mit höchster Ungestüm / sagte ihr unter Augen / wie thöricht sie einen frembden Sclaven für einen Römischen Fürsten und besti ten Nachfolger des Käysers liebte / wolte auch ein für alle mal ihre endliche Entschlüssung wissen. Worbey er sich nicht hemmen konte / so wohl Flüche auf mich / als Bedräuungen wider ihren Vater Juba unvernünftig heraus zu stossen. Dido sahe wohl / daß weder Höfligkeit noch bescheidene Antwort diesen verzweifelten Liebhaber beruhigen würde; und weil sie meinethalben am meisten bekümmert war / mühte sie sich nur ihm meine Liebe auszureden / und von mir die besorgliche Gefahr abzulehnen / und für sich alleine Zeit zu gewinnen / sagte ihm also: daß wenn er Bürgermeister zu Rom seyn würde / wolte sie anfangen ihn zu lieben. Denn ehe stünde es ihr als einer Königs-Tochter nicht an. Lucius war mit diesem Versprechen zu frieden /und also bemüht / diese Würde ie ehe ie besser zu erlangen. Also stiftete er an / daß Cajus und er / wiewohl ohne Zulassung des Käufers / in den grossen Schau-Platz kamen / das heuchelnde Volck beyden mit grossem Frolocken und Lob-Sprüchen empfing /auch den Käyser anflehete / daß er diese mit ihrer Tugend den Mangel der Jahre ausgleichende Fürsten aller Würden fähig erkennen möchte. Sintemal August selbst im zwantzigsten / Marius im achtzehenden Jahre Burgermeister worden / Cajus aber beynahe so alt / und Lucius wenig jünger wäre. Hierüber ward Lucius so verwegen / daß er den Käyser offentlich ansprach: Er möchte seinen Bruder Cajus zum Burgermeister erklären; in Hoffnung / daß das Volck ihn so denn zu des Cajus Geferten begehren würde. Der Käyser schöpfte zwar hierüber nicht geringen Unwillen / und sagte: Marius wäre durch Gewalt / er aber aus Noth zu dieser Würde kommen / welche die Väter für dem drey und viertzigsten Jahr iemanden anzuvertrauen verboten hätten; gleichwohl aber machte er den Cajus zum Priester / und dem Lucius erlaubte er zugleich / daß er in den Rath / in die grossen Schauspiele / und in die Gastmahle der Burgermeister mit erscheinen dorfte. Hiermit meynte Lucius der Dido Bedingung schon ein Genügen gethan zu haben. Wie nun der Käyser mit den Fürnehmsten des Hofes sich auf des Lucullus Vorwerge befand / nahm Lucius in dem Garten bey dem grossen Spring-Brunnen Gelegenheit die Fürstin Dido umb ein Merckmal ihrer Liebe anzusprechen; ihr zum Beyspiel fürhaltende /daß sie doch nicht unempfindlicher / als die aus todtem Marmel gehauenen Bilder seyn möchte / welche mit so grossem Uberflusse gesunden Wassers nicht nur die durstigen Menschen labten / sondern auch Blumen und Kräuter erquickten. Die verschmitzte Dido hingegen wolte des Lucius damalige Beschaffenheit für keine Würde eines Römischen Bürgermeisters gelten lassen / sondern wiese ihm eine Marmel-Taffel an dem Umbschrote des Brunnens / darinnen Penelope mit nächtlicher Zurückwebung ihrer Tages-Arbeit / und andern Entschuldigungen ihre Buhler biß ins zwantzigste Jahr aufhielt; Welches den ungeduldigen Lucius derogestalt beleidigte / daß er sich ihr mit heftigster Entrüstung entbrach. Sintemal er mit der ihm vom Käyser erlaubten Freyheit ihm schon die Herrschafft über alles Frauenzimmers Seelen eingeraumt zu seyn einbildete. Zu allem Unglücke begegnete ich ihm ungefehr etliche wenige Schritte von dem Brunnen / da er deñ mir / der ich mich des geringsten Unwillens nicht versah / einen unvermerckt herfür gezückten Dolch in die Seite stach / worvon ich für todt zu Bodem fiel. Dido / welche diß wahrnahm / sprang gantz verzweifelt herzu / riß den Dolch mir aus der Wunde / und gab darmit dem Lucius einen Stich in Hals. Wie nun sie hierauf mich / oder vielmehr meine vermeynte Leiche mit vielen Thränen auf dem Erdboden umbarmte; der junge Agrippa aber den Lucius in der Nähe gurgeln hörte / oder auch wohl den von der Dido dem Lucius gegebenen Stich gesehen hatte /sprang er herzu / zohe dem auf der Erde zappelnden[472] Lucius den Dolch aus der Wunde / und stach ihn der Dido zwischen das Schulterblat hinein. Micipsa / ein die Dido bedienender Edelknabe / ward dessen gewahr; ergrief also seinen Bogen / und verwundete mit einem Pfeile Agrippen in Bein. Hierüber entstand ein grosser Lermen / und kamen alle im Garten Anwesende / ja der Käyser selbst mit Livien herbey; welcher über denen auf der Erden für todt ausgestreckten / und häuffiges Blut von sich lassenden vier Verwundeten aufs euserste bestürtzt war. Die Sorge für ihr Leben verschob die Untersuchung dieser Begebnüs. Gleichwohl wurden alle Deutschen und Mohren gefänglich eingezogen. Agrippens und der Dido Verletzung ward für nicht so sehr gefährlich; meine und des Lucius aber für tödtlich befunden. Agrippa kam derogestalt bald zu rechte; Dido aber / als sie meinen Zustand vernahm / riß ihr selbst die Pflaster von der Wunde /und sagte offentlich / daß sie mich nicht zu überleben begehrte: Inzwischen schöpfften die Wund-Aertzte auch von des Lucius Genesung einige Hofnung; worüber Dido fast unsinnig ward / und in ihrer Raserey tausend Flüche und Dräuungen auff den Lucius ausschüttete; welcher inmittelst mit einem Wundfeber überfallen / und sein Aufkommen sehr zweiffelhafft gemacht ward. Endlich gab sich ein Britannischer Artzt beym Käyser / an / der uns beyde in kurtzer Zeit zu heilen bey Verlust seines Kopffes versprach. Weil uns nun die Aertzte gantz verlohren gaben; ließ uns der Käyser dieses gefangenen Britanniers Willkühr übergeben / ihm auch nebst seiner Freyheit ansehnliche Belohnung versprechen. Dieser riß so wol dem Lucius als mir alle Pflaster ab / und wusch unsere Wunden mit einem gewissen Weine aus. Hernach forderte er den Dolch / von welchem wir waren beschädigt worden; sauberte selbten aufs fleißigste / salbete ihn ein und verband ihn mit einem genetzten Tuche; unsere Wunden aber verhüllete er nur mit einem trockenen. In wenig Stunden vergieng nicht nur mir und dem Lucius / sondern auch der Dido / welche durch ihr Pflaster-abreissen ihren Schaden wiederum sehr verärgert hatte / alle bißherige Hitze. Nach dem dieser Artzt dreymal unser Wunden ausgewaschen / und so viel mal den Dolch mit einem gewissen Staube bestreut und verbunden hatte / wurden mir nicht nur der Schwulst / sondern auch der Schmertzen erledigt. Als dieses Lucius wahrnahm; fragte er den Britannier: Ob denn die Verbindung des Beleidigung-Waffens der Wunde durch natürliche Würckung zu statten käme? Als der Artzt diß verjahete / und daß diese Heilung vermittelst einer geheimen Verwandnüß gewisser Dinge geschehe; ja dessen Warheit dardurch bewährete / daß wenn er den verbundenen Dolch über das Kohlfeuer hielt / den Lucius seine Wunde hitzte; Bey dessen Annetzung aber wieder schmertzloß ward; fragte Lucius ferner: Ob alle mit diesem Dolche gemachte Wunden zugleich heileten? und wie der Britannier abermals diß bestätigte / fuhr er fort: Ob er denn nicht machen könte / daß nur seine darvon heil /des Flavius aber ärger würde; verneinte es der Artzt und meldete: Er hätte an diese unbarmhertzige Kunst noch nie gedacht. Uber diesem Bescheide fuhr Lucius auf / rieß dem Artzte den Dolch aus der Faust / und stach ihn selbst dem Artzte in Bauch / mit Versetzung dieser verzweiffelten Worte: Ich will lieber mit meinem Feinde sterben / als ihn mit mir genesen sehen. Alle Umstehenden erschracken hierüber euserst; der Britannier aber zohe ihm unerschrocken den Dolch aus dem Leibe / wischte selbten ab / und verband ihn aufs neue. Ich und Dido empfanden um selbige Zeit unglaubliche Schmertzen / nicht anders / als wenn wir in unsere alte Wunde einen neuen Stich bekämen. August schöpffte über des Lucius erfahrnen Grausamkeit einen hefftigen Unwillen; ließ also den Lucius nicht allein bewachen / sondern auch binden; wormit er nicht in [473] mehrere Verzweiffelung gerathen möchte. Inzwischen ward es mit mir / und weil Dido hiervon Nachricht kriegte / mercklich besser; ja wir geneseten beyde eher als Lucius. Diesemnach denn der Käyser nicht für rathsam hielt / mich länger in Rom zu lassen; wormit er so wol meiner Sicherheit rathen / als auch dem unbändigen Lucius keinen Stein fernern Anstosses am Wege liegen lassen möchte. Weil nun mein Bruder Hertzog Herrmann in Asien sich so verdient machte; gleichwol aber er mich in Deutschland ziehen zu lassen Bedencken trug; stellte er mir frey /wohin ich unter dem Römischen Gebiete mein Kriegs-Glücke versuchen wolte. Es machten dazumal gleich die Cantabrer in Hispanien wider die Römer /und in Africa die Getulier wider den König Juba einen Aufstand. Ich erkiesete ohn einiges Bedencken dem Könige Juba zu dienen / und der vom Käyser ihm zur Hülffe erkiesete Cornelius Cossus bat mich selbst aus / daß ich unter ihm die Waffen führen möchte. Dido / welche bey ihr fest beschlossen hatte /aus Hasse gegen dem Lucius nicht in Rom zu bleiben / und bereit an ihren Vater Juba um Erlaubnüß nach Hause zukehren geschrieben hatte / ward über dieser Entschlüssung höchst erfreuet / und versicherte mich /daß sie sich nichts in der Welt aufhalten lassen wolte mich in Numidien zu umarmen. Nach dreyen Tagen nahm ich von Rom und der mich mit viel Thränen gesegnenden Dido Abschied / wir wurden aber / als wir kaum das Lylibeische Gebürge aus dem Gesichte gebracht / mit einem heftigen Sturme befallen / etliche Schiffe auff denen Aegatischen Steinklippen zerschmettert / ich selbst strandete auf dem Eylande Terapsa / wiewol biß auff fünf Personen alle Leute gerettet wurden. Derogestalt kam ich wol zehn Tage längsamer als Cornelius Cossus in Numidien an / welcher mich bereit gantz für verlohren geschätzt hatte. Das übrige Römische Heer / und darunter fünfhundert mir unter gebene Deutschen und Gallier waren inzwischen in dem Olcachitischem Seebusem angelendet. Cornelius Cossus und die obersten Befehlhaber / darunter auch ich war / reiseten hierauf nach Cirtha voran /allwo wir in Abwesenheit des Königs Juba von der Königin Cleopatra wol bewillkommt wurden. Nach dreyer Tage Ausruhung / folgten wir dem nach Getulien auff dem Flusse Pagyda eilenden Heere. Welch Land aus keiner andern Ursache / als aus Andencken der alten Freyheit / vom Juba abgefallen war / und noch darzu die Lybier über dem Gebürge Thambes und Mampsarus an sich gezogen hatten. Sintemal für Zeiten beyde Völcker keinem Gesetze noch Botmäßigkeit unterworffen waren. Wiewol nun Juba aus dem unfruchtbaren Getulien wenig Einkünsten zoh; ja ihnen die Besetzung der Gräntzfestungen / und er zu denen Wartegeldern / welche er denen zu seinen Kriegsdiensten bestellten Getuliern jährlich reichte /noch zubüssen muste; wolte er doch ehe sein euserstes dran setzen / als einen Fußbreit sandichter Erde verlieren. Also vermindert die Armuth eines Landes gar nicht die Begierde zu herrschen / als welche ein Brut der Ehren / nicht des Geitzes ist. Unterwegens erfuhren wir / daß Juba mit seinem gantzen Heere in die Flucht geschlagen worden / und er selbst in der Stadt Vegesela belägert wäre. Dahero eilten wir so viel mehr gegen den Feind; welcher aber bey unser vernommener Ankunfft zurücke gegen Uciby und von dar zwischen das Gebürge Audus wich. Juba versammlete zwar so denn seine zerstreuten Numidier grossen Theils wieder zusammen; aber die flüchtigen Getulier / welche ohnediß auser wenigen Festungen keine beständige Wohnungen hatten / waren nicht gemeinet gegen die Römer stand zu halten / sondern uns nur müde zu machen. Wie sie denn auch uns gantzer sechs Monate derogestalt umtrieben und abmatteten /daß wir nicht länger in Getulien stehen konten / sondern uns in Numidien zurück ziehen musten. Alleine der Feind lag uns Tag [474] und Nacht in Eisen / und thät uns durch Einfälle mehrmals Schaden. Endlich hatte ich mit meiner deutschen Reiterey das Glücke ihnen einen Streich zu versetzen / und ihres neu aufgeworffenen Fürsten Hiempsals Brudern Himilco / welche beyde sich des Jugurtha Enckel rühmeten / bey der Stadt Lampesa gefangen zu bekommen. Wie wir nun nach einer zwey monatlichen Ruh wieder ins Feld zohen / und gegen Sitiphis einbrachen / die Getulier uns aber wieder wie vormals äffeten / zwang Juba dem Himilco durch Umgebung eines glüenden Mantels zu offenbaren / wohin die Getulier ihre Lebensmittel versteckten. Sintemahl wir nirgends keinen Vorrath fanden / der Feind aber niemals keinen Mangel hatte. Hiermit erforschten wir eine grosse Mänge Sandgruben und Hölen / darin Hiempsal viel Weitzen / Datteln / Granat-Aepffel und Wein verborgen hatte /worvon doch niemand als Hiempsal und seine Fürnehmsten wusten. Wie nun dieser Vorrath zu einem grossen Vortheil des Römischen und Numidischen Kriegsvolckes diente; also geriethen die Getulier hierüber in grosse Noth; also / daß sie meist nur von Heuschrecken und dürren Kräutern leben musten. Juba und Cornelius wurden derogestalt schlüßig die Stadt Azama zu belägern. Hiempsals ander Bruder Hiarba war darinnen oberster Befehlhaber. Diesem ließ Juba andeuten / daß er auf den Fall seiner verweigerten Ergebung den gefangenen Himilco in seinem Gesichte abschlachten wolte. Hiarba aber ließ dem Juba zur Antwort wissen: Er könte ihm und dem Hiempsal keinen grössern Gefallen thun. Denn weil Himilco sich als ein furchtsames Weib fangen lassen; hätte er den Spieß zum Lohne seiner Zagheit wol verdienet. Weil er aber ehrsüchtig gewest / wäre Hiempsal einer grossen Sorge entübrigt / und er Hiarba als der jüngste hätte so denn eine Staffel näher zur Herrschafft. Juba /welcher nicht mit einem rechtschaffenen Feinde / sondern mit aufrührischen Unterthanen zu kriegen vermeinte / ließ auf einen Hügel gegen der Stadt Antabele über / ein Gerüste bauen / und dem Himilco den Kopf abschlagen. Diesen schickte er dem Hiarba mit einem Zettel / welcher ihm ein gleichmäßiges Verfahren andräuete. Hiarba hingegen ließ 100. gefangene Numidier enthaupten / gab die Köpffe dem Boten und ließ ihm melden: Er müste eines so grossen Königs Freygebigkeit mit Wucher vergelten / und weil bey den Numidiern bräuchlich wäre / daß ihre Fürsten 100. Löwen auf einmal opfferten; könte er auch den Juba mit nicht weniger Köpffen verehren. Hieraus erwuchs eine verzweiffelte Verbitterung / eine ernste Belägerung / und eine euserste Gegenwehr. Juba und Cornelius unter gaben mir die gantze Reuterey / um das Numidische Läger mit nöthiger Zufuhre zu versorgen / und alle Einfälle zu verhüten. Als ich nun einsmals 400. mit Weitzen und Mehl beladene Kamele ins Läger zu führen bemüht war; erlangte ich Kundschaft / daß die Getulier mich allenthalben umsetzt hätten. Ich war bekümmert nicht so wol zu entkommen / als diesen Vorrath zu retten. Alle Numidier riethen den Wein und den Weitzen in Sand lauffen zu lassen / die Kamele zu erstechen / und uns an einem Orte durchzuschlagen. Alleine ich sahe zu allem Glücke daselbst viel Alraun-Wurtzel wachsen. Dahero befahl ich alsobald selbte auszurauffen / und so gut man konte auszupressen. Diesen Saft ließ ich mit dem grösten Theile des Weines vermischen / aber die Lagen / Blasen und andere Behältnüsse zeichnen. Wir waren mit unser Arbeit kaum fertig / als die Getulier sich an dreyen Orten herfür thäten. Ich ließ zwar etliche Geschwader leichte Reuter mit den ersten Hauffen treffen; befahl aber nirgends Fuß zu halten / und als die Getulier mit voller Macht anstachen / ließ ich den gantzen Vorrath im Stiche. Des Feindes grosser Mangel an Lebens-Mitteln / und die Eroberung der reichen Beute machte / daß ich wenig oder gar nicht verfolget ward; also mich etliche Meilen darvon in einem Palmen-Pusche [475] sicher setzen konte. Um Mitternacht als ich meinte / daß der mit der Alraun-Wurtzel vermischte Wein / welcher auch / wenn er nur neben ihr wächst / zwar nicht giftig wird / aber eine heftige Einschläffungs-Krafft bekommt / seine Würckung gethan haben würde; machte ich mich in aller Stille auf / und kam an den Ort meines Verlustes: Daselbst fand ich etliche theils leere / theils belastete Kamele / umirren; welches mir ein gewünschter Vorbote eines sonderbaren Vortheils war. Ich rückte nur zwey Stadien der Spure nach fort / da fand ich die Getulier in einem Palmen-Gepüsche ohne einige Wache theils schwermend / meist aber schlaffend. Diesemnach ließ ich die Helffte meiner Reuterey in zweyen Theilen auf allen Nothfall fertig stehen; die andere Helffte aber theilte ich wol in zwölf Hauffen / welche auf die noch wachenden loß giengen. Es ist ohne Noth hiervon viel Ruhmes zu machen. Denn es waren wenige / die an die Gegenwehr gedachten / sondern nur die Flucht ergrieffen. Also schlachteten wir zwölftausend Getulier ohne Verlust eines einigen Mannes ab. Etliche zwantzig von meinem Volcke waren alleine verwundet. Drey tausend schlaffenden nahmen wir nur aus Kurtzweil ihre Pferde und Waffen von der Seite / welche auff den Morgen bey ihrer Erwachung fußfällig um ihr Leben bitten musten. Den grösten ab genommenen Raub / nebst funfzehn tausend meist Lybischen Pferden eroberten wir wieder; also / daß ich bey meiner Annäherung zu unserm für Antotale stehendem Heere anfangs ein grosses Schrecken / hernach aber eine viel grössere Freude erweckte. Massen mich denn Juba mit beyden Armen umschloß / mich seinen Bruder nennte / und mit kostbaren Waffen beschenckte; wiewol ich den Titel des Bruders in eine väterliche Gewogenheit zu verwandeln bat und erlangte. Weil nun meine Deutschen der Getulier Köpffe an die Pferde gebunden / die Numidier aber sie auf die wieder eroberten Kamele gepackt / und ins Läger gebracht hatten; ließ Juba gegen Antotale einen grossen Berg von der Erschlagenen Köpffen aufbauen / durch etliche Gefangene aber den Belägerten die böse Zeitung des grossen Verlustes zubringen. Aber Hiarba steckte auch Mauern und Thürme voll von denen Köpffen der erwürgten Römischen und Numidischen Gefangenen. Juba ließ hingegen die gefangenen Getulier zehn und zehn zusa en schmieden / und brauchte sie im Stürmen zu der Seinigen Vormauer. Gleichwol verzog sich die mit allen ersinnlichen Kriegs-Streichen eifrigst fortgesetzte Belägerung biß in sechsten Monat /in welchem endlich die hartnäckichten Feinde überwältiget / und alle lebende Seelen in Antotale durch die Schärffe der Schwerdter vertilget wurden. Die Stadt Thubutis und Aegea giengen hierauf gleicher gestalt über. Hiempsal muste hierüber gegen dem Flusse Ampsa weichen; ich brachte ihn aber an selbtem unter der Stadt Tumarra wieder zu Stande / und nach einem verzweiffelten Gefechte in die Flucht. Die Getulier setzten wol durch den Strom / weil aber die Deutschen geschickter als sie waren durch die Flüsse zu schwämmen / wurden ihrer viel theils im Wasser /theils auf dem Ufer erschlagen. Hiempsal ward selbst verwundet / und konte mit genauer Noth nebst wenigen auf das Buzarische Gebürge entrinnen. Juba folgte mit dem Groß seines Heeres nach / kam aber zum Siege zu spät / iedoch fand er sich so vergnügt / daß er die Stadt / bey welcher ich diß Glücke gehabt / den Deutschen zu Ehren Germana heissen ließ. Mit diesem Siege ward zwar Juba des flachen Getuliens Meister / aber die in und über dem Buzarischen / Thambischen und Atlantischen Gebürge wohnenden Phorusier / Siranger / Nisibes / schwartzen Getulier und Natembres stellten sich gegen dem Juba in möglichste Verfassung / und versahen Hiempsaln mit einem neuen Heere. Nach etlicher Monate Ruh drangen wir /wie wol nicht ohne Verlust vielen edlen Blutes / ins Gebürge ein. Unter andern [476] zeichneten drey hundert Deutschen mit ihrem Blute einen Felsen / auf welchem Juba den ersten festen Fuß setzte. Nach eines gantzen halben Jahres gleichsam wechselweise ausschlagenden Treffen brachten wir an dem Flusse Ghir den Hiempsal mit seinem Heer ins Gedränge; nach einer sehr blutigen Schlacht aber in die Flucht. Weil ich nun wahrnahm / daß Hiempsal abermals durch den Strom entrinnen wolte / kam ich ihm zuvor / verbeugte ihm den Weg; da ich denn das Glücke hatte /daß er mir selbst in die Hände lief. Alleine ungeachtet er schon gantz von Blute trof / wolte er sich doch nicht ergeben / sondern wehrte sich so lange / biß er von Pfeilen und Schwerdtern gantz zerfleischet mit seinem Pferde zu Bodem fiel / und beyde mit einander den Geist ausbliessen. Mit dem Falle dieses Hauptes entgiengen allen Kriegs-Gliedern ihre Kräfften. Die Getulier / welche unter dem Marius zum ersten / nunmehr auch zum andern mal die Römischen Kräfften gefühlet hatten / wurden verzagt / öfneten ihr Land vollends dem Uberwünder / erlangten auch gegen Versprechung / daß sie alle Jahr zehn tausend Pferde und eine grosse Menge weissen Saltzes / dessen sie viel mit denen gar schwartzen Mohren in gleichem Gewichte und Gold verwechseln / nach Cirtha liefern wolten / völlige Gnade. Hiermit kehrte König Juba siegreich nach Cirtha. Für der Pforten ward er von der Königin und vielen Priestern bewillkommt / und von ihnen nebst uns in den Tempel geführet / welcher seinem vergötterten Vater Juba zu Ehren gebanet war; der so getreu dem Scipio wider den Käyser Julius beystand / und / um nicht in des obsiegenden Feindes Hände zu fallen / von seinem Freunde Petrejus in einem Gefechte zu sterben erwehlte. Bey dem darinnen gehaltenen grossen Sieges-Gepränge hatte Cleopatra das Bild des vergötterten Juba mitten in Tempel stellen / und durch verborgenes Zugwerck bereiten lassen / daß als der lebende Juba bey selbtem vorbey gieng / das Bild seine mit Lorbern durchflochtene Krone von seinem Haupte nahm / und dem Könige aufsetzte. Auf beyden Seiten standen zwey andere Bilder nehmlich der Luft und des Feuers / welche von den Africanern ebenfals göttlich geehret werden. Das erste setzte dem Cornelius Cossus einen mit Diamanten / das andere mir einen mit Rubinen gezierten Lorber-Krantz auf. Wie ich nun nach vollbrachtem Feyer in meinem Zimmer den Lorber-Krantz abnahm /und betrachtete / ward ich darinnen eines Zettels gewahr / darinnen ich folgende Zeilen laß:

Die / welche tausend mal geseufzet dem unvergleichlichen Flavius einen Myrthen-Krantz aufzusetzen / hat bey ihrer Verdamnüß noch den Trost für ihrer eusersten Verzweiffelung demselben / welcher ihre Seele vorlängst überwunden gehabt / diesen Siegs-Krantz aufzuwinden. Ein Unstern / oder ich weiß nicht / ob der Menschen oder der Götter Grausamkeit hat sie zu einer blutigen Priesterin einer so wilden Gottheit gemacht / daß / wo mein einiger Abgott Flavius sich nicht diesem Ungeheuer sie zu entreissen erbitten läst / sie sich selbst zwar nicht der Getulischen Diana / wol aber dem unsterblichen Flavius eigenhändig aufzuopffern / und mit ihrer Uhr-Anfrau Dido auf einem von Liebe angezündeten Holtzstosse einzuäschern entschlossen ist.

Ich / sagte Flavius / laß diese Zeilen wol zehn mal; und ob ich wol auf die Numidische Fürstin Dido muthmaste; wuste ich mir doch auf die darinnen begriffene Geheimnüsse keine sichere Auslegung zu machen. Sintemal ich in der Meinung war / daß / weil kurtz nach meiner Abreise Lucius vom Käyser nach Spanien geschickt worden / unterwegens aber zu Maßilien gestorben war / Dido sich noch in Rom aufhielte. Ich schlug mich die gantze Nacht mit unruhigen Gedancken / der Morgen aber steckte mir etlicher massen ein Licht auf; indem König Juba mich in meinem Zimmer besuchte / und erkundigte: [477] Ob ich nicht der Gottesdienste der Getulischen Diana beywohnen wolte. Auf meine Befragung unterrichtete er mich: Es hätte Jugurtha / als er wider den Marius Krieg geführt / und die Getulier ihm so treulich beygestanden / der von den Getuliern zu ehren gewohnten Diana einen herrlichen Tempel aus rothem Marmel zu bauen angefängen; Hiempsal / welchen Marius nach überwundenem Jugurtha zum Könige in Numidien und Getulien gemacht / weil er ihm in seiner Flucht Auffenthalt in Africa gegeben / hätte auch etwas daran gebauet / wie auch nach dessen geschwindem Tode sein Sohn Hiarbas; alleine / weil dieser als ein Gemächte des Marius / auf des Sylla Befehl vom grossen Pompejus bekriegt und gefangen; Hingegen sein Großvater Hiempsal /als der noch einige Zweig von Masanissens Stamme /mit beyden Kronen Numidiens und Getuliens beschenckt ward / hätte die Ehre gehabt / diesen köstlichen Tempel auszubauen. Weil er nun die Getulier als ein wildes und meist rohes Fleisch mehr mit Andacht / als durch einigen andern Kapzaum ihm zu verbinden nöthig hielt / diese aber der Diana ihre selbst eigene Kinder auf dem Berge Atlas zu opffern pflegen; ließ er die in Gestalt eines Löwen gemachte / und von den Getuliern als ihr einiges Heil- und Schutzbild mit unglaublicher Andacht angebetete Diana von dem Atlantischen Gebürge auff einem mit zwölf Löwen bespannten Wagen in Begleitung halb Getuliens anher nach Cirtha bringen / und um die Getulische Grausamkeit theils zu miltern / theils ihnen nicht gar zu abzulegen / führte er einen solchen Gottesdienst ein /wie die Griechen selbten für Alters der Taurischen und Brauronischen Diana hielten / die sich nur mit der Feinde Blut vergnügte. Hiempsal hätte zwar gerne /wie Lycurgus / selbten dahin eingerichtet / daß an statt der Abschlachtung die Menschen nur gegeisselt und die Göttin mit dem ausrinnenden Blute versohnet werden möchte. Alleine die Getulier setzten sich hartnäckicht darwider / vorgebende: da die Taurische Diana / wenn man ihr nicht von genungsam edlen und schönen Knaben Blut geopffert / sich zum Zeichen ihrer Ungnade so schwer und unbeweglich gemacht hätte / daß sie die Priesterin nicht hätte von der Stelle heben können; würde die viel mächtigere Getulische Diana mit so geringschätzigen Opffern so viel mehr unvergnügt und ergrimmet seyn. Also hätte es Hiempsal und Juba sein Vater nur darbey bewenden lassen müssen; ob wol die Römer mehrmals wider diese Menschen-Opfferung gemurret. Diesemnach denn auch er / da er die Getulier nicht anders wieder zu einem Aufstande veranlassen wolte / heute aus den Getuliern selbst die Erstlinge der Gefangenen aufopffern müste. Weil nun bey den Deutschen gleichmässige Opfer wären; zweiffelte er nicht / daß ich solchem beyzuwohnen Belieben tragen würde. Ungeachtet ich nun zwar ein und anderes Bedencken hätte haben können / reitzte mich doch die Begierde meines Räthsels Auslegung zu erfahren / daß ich mit dem Könige Juba selbigen Tag mich in den Tempel de Getulischen Diana verfügte. Denn die Opfferung darff nur des Nachts geschehen. So bald wir in den Tempel traten /erhob sich ein grausames Gethöne von Paucken und Jagthörnern. Der oberste Priester besprengte uns daselbst mit Wasser / welches aus dem Atlantischen Gebürge dahin gebracht werden muß / und leitete uns zu dem in der mitte stehenden Altare; bey welchem wir uns auff den stachen Erdbodem niedersetzen musten. Die oberste Priesterin stand wie eine Diana bekleidet auf dem Fusse des Opffer-Tisches für einer grossen ertztenen Wanne / über welcher denen hundert in grüne Seide gekleideten Gefangenen die Gurgeln abgeschnitten werden solten. Die Menge der brennenden Fackeln entdeckten mir im ersten Anblicke meine geliebte Dido. Nach wenigen Augenblicken ward auch sie meiner gewahr / und sahe sie mich eine gute weile[478] mit unverwendeten Augen an. Bald aber darauf ließ sie das Schlacht-Messer aus der Hand fallen / fing an ihre Geberden und Antlitz zu verstellen. Endlich fiel sie gar zu Bodem / und in Ohnmacht. Juba und alles Volck erschrack über diesem Zufalle so viel mehr /weil die Menschen-Opfferung an sich selbst schrecklich genung ist. Die Getulischen Priester aber / um ihren Gottesdienst nicht verhast zu machen / legten es für eine göttliche Entzückung aus. Gleichwol trugen sie sie von dem Altare weg / und kleideten in möglichster Eil eine andere Priesterin zu solchem Opffer aus / welches mit jämmerlichem Winseln der Sterbenden / mit grosser Verwirrung des Volckes / und mit so hefftiger Bestürtzung des Königs geschah / daß er unerwartet des Ausgangs sich desselbten entbrach / und nach der Halle / in welcher Dido lag / leiten ließ. Ich folgte über eine Weile dem Juba nach / und sahe / daß sie sie durch reiben und Balsame wieder ein wenig zu rechte gebracht hatten. So bald sie mich aber nur wieder erblickte / fiel sie nicht alleine wieder in die ersten Ungebehrdung / sondern über eine Weile rief sie bey ihrer Entzückung: Flavius / Flavius! Jederman sahe mich hierüber an / und ich selbst hatte keine solche Botmässigkeit über mein Antlitz / daß selbtes hätte meine Liebes- und Mitleidens-Regung verbergen können. Juba / welcher hierunter ein gewisses Geheimnüß verborgen zu seyn muthmaste / befahl der Dido in einem geheimern Zimmer des Tempels wahrzunehmen / mich aber nahm er bey der Hand / leitete mich aus dem Tempel / und führte mich mit sich nach Hoffe in sein innerstes Gemach. Daselbst beschwur er mich bey der Redligkeit / worvon alle Völcker die Deutschen rühmten / daß ich ihm die Ursache der mit seiner Tochter sich ereignenden Zufälle eröfnen solte; weil nicht nur meine selbst eigene Veränderung meine Wissenschafft verrathen / sondern der Dido Mund mich selbst für den Ausleger erklärt hätte. Diese Beschwerung nöthigte mich ihm rund heraus meine und ihre Liebe zu bekennen; auch alles zuerzehlen / was sich zwischen uns und dem Lucius in Rom zugetragen hatte / mit dem Schlusse / daß mich nichts minder vergnügt und glückselig / als seine Tochter gesund machen würde / wenn er sich mich für seinen Eydam anzunehmen würdigen wolte. Juba hörte mich mit Gedult und genauer Aufmerckung an; an statt der Antwort aber holete er aus der innersten Seele einen tieffen Seufzer. Endlich fing er an: Er höre wol / daß ich von den letzten Begebnüssen der Dido und denen Getulischen Gesetzen keine Nachricht hätte. Daher /wolte er auf den Morgen / wo möglich / mir hiervon nöthige Wissenschafft zu wege bringen. Wir nahmen hierauf von einander Abschied; aber die Nacht ward meinen Gedancken zu einem rechten Zirckel der Unruh; wiewol ich daraus nicht wenig Hoffnung schöpffte / daß Juba meine Erklärung so gar gütig auffgenommen hatte. Auff den Morgen sehr früh fügte sich Juba in den Tempel der Dianen / guter fünf Stunden darnach ließ er mich auch dahin beruffen. Man leitete mich durch selbten in ein unterirrdisches /gleichwol aber durch ein oben in der mitte des Gewölbes einfallendes Licht ziemlich erleuchtetes Gemach /in dessen Mitte eine aus Egyptischem Porphyr gebildete Diana aus den Brüsten in eine weite Marmel-Schale Eißkaltes Wasser spritzte / und den Ort aufs annehmlichste erfrischte. Darinnen fand ich zwischen dem Könige und dem obersten Priester meine Dido sitzen. Die Traurigkeit sahe ihr aus den Augen / und machte sie nicht nur stumm / sondern gar unbeweglich. Der Priester bewillko te mich freundlich / fing aber alsbald an: die grosse Bestürtzung der Priesterin / uñ die unabläßliche Bitte des Königs hätte mir den sonst iederman verschlossenẽ Eingang in diß Heiligthum nur zu dem Ende zu wege gebracht / daß ich darinnen die erheblichen Ursachen vernehmen möchte / warum ich den Zunder meiner Liebe in meinen Hertzen gäntzlich zu vertilgen [479] bedacht seyn; übrigens aber derogestalt an mich halten solte / daß die nichts minder rachgierige als alles sehende Diana ihren Grimm über mich auszuschütten / wie auch die Priester mich nach ihren heiligen aber scharffen Gesetzen zu straffen nicht gezwungen würden. Als ich dem Priester mit Ehrerbietung gedanckt / sing die beängstigte Dido an: Verzeihe mir / Flavius / daß mein itziger Zustand den / welchen ich mehr als mich selbst geliebt / so kaltsinnig willkommen heist. Dämpffe in deinem Hertzen die vor süssen / nunmehr aber nur mir eitele Pein gebährende Flammen. Denn die Unmögligkeit stehet unser Liebe selbst im Lichten / und die Göttin dieses Ortes befiehlet in selbte mehr und kälteres Wasser zu giessen / als diß Bild allhier ausspritzet. Dieses redete sie mit einer solchen Empfindligkeit / daß ich nicht wuste / ob in mir die Liebe oder das Mitleiden heftiger wäre. Gleichwol konte ich mich nicht bereden lassen / daß es Didons gantzer Ernst wäre mir die Liebe gantz auszureden; weil mir ein gantz widriges die in dem Lorberkrantze gefundene Schrifft andeutete / und so wohl der Ort / als die Anwesenheit des Priesters mir diesen Vortrag verdächtig machte / daß Dido mit gebundener Zunge redete. Daher fing ich an: Unvergleichliche Dido / machet mich denn ihre Verstossung / oder die Mißgunst einer Göttin so unglückselig? Ich kan wol dencken / daß du nicht ohne Gelübde der Diane Priesterin worden bist. Aber hast du mir nicht ehe / als ihr eines gethan / nemlich mich ewig zu lieben? Müssen mir also die Götter dieses Ortes / wo sie anders gerecht sind / nicht selbst das Vorrecht über dich zuerkennen? Der Priester entrüstete sich über diesen Worten / gebot mir zu schweigen / und fing an: Wilst du thörichter an der Gerechtigkeit Dianens zweiffeln / welche am gerechtesten ist / wenn es die alberen Menschen am wenigsten glauben? Wilst du ohnmächtiger Mensch mit den Göttern ums Vorrecht kämpffen / welche über dich die Gewalt des Lebens und des Todes / als über ihren Leibeigenen haben? Ich entschuldigte meinen Irrthum mit tieffer Demüthigung / so gut ich konte / und bat nur / daß mir Dido doch nur zu meinem Troste erzehlen möchte / wie sie zu Vergessung des mir / und zu Beschlüssung des der Diane angelobten Gelübdes käme. Als der Priester diß durch ein Zeichen willigte / fing Dido an: Wenige Zeit nach seinem Abschiede von Rom erhielt ich die traurige aber nun leider zu spat falsch erscheinende Zeitung / daß Flavius mit seinem Schiffe / und allen Menschen darauf / zu Grunde gegangen wäre. Dieses Schrecknüß setzte alle meine Vernunft aus ihren Angeln; also / daß ich weiter weder um mich einige Bekümmernüß zu führen vergaß / ob mir schon von meinem Herrn Vater die Erlaubnüß von Rom zu verreisen und wieder nach Africa zu kehren einlief. Als aber Lucius mich mit neuen Versuchungen beunruhigte /fing ich an wieder an meine Heimreise zu gedencken /schickte mich auch derogestalt darzu / daß ich den siebenden Tag von Ostia abzusegeln gedachte. Ich hatte kaum an drey oder vier Orten Abschied genommen / als unvermuthet heraus brach / daß in zweyen Tagen Lucius mit dreyen Schiffen in Spanien segeln /und das Römische Krieges-Heer wider die Cantabrer führen solte / welche wider die Römer mit einer verzweiffelten Verbitterung die Waffen ergriffen hatten /weil ihre Gesandten zu Rom lange Zeit mit Bestätigung ihrer Freyheit geäffet / hernach von einander in gewisse Städte abgesondert / und endlich so schimpflich gehandelt worden waren / daß sie ihnen selbst aus Verdruß vom Leben geholffen hatten. Des Lucius Reise erreichte auch den dritten Tag ihren Fortgang /und ließ er bey mir noch alle mir zugezogene Verdrüßligkeiten entschuldigen. Den 3. Tag darauf schied ich in Begleitung vieler edlen Frauen von Rom biß nach Ostia / den 4. aber fuhr ich von dar an der Thußkischen und Ligustischen Küste hin biß nach Massilien; theils weil ich die weltberühmte Anmuth[480] desselbigen Ufers genüssen / theils diese von den Römern selbst so beliebte / und für einen kurtzen Begrieff gantz Griechenlands gerühmte Stadt zu besehen lüstern war. Massen mich denn auch die Reichthümer ihrer fernen Handlung nicht in geringe Verwunderung zohen / die Reinligkeit der Griechischen Sprache / welche sie von dem Alter ihrer unter dem Tarquinius geschehenen Erbauung zwischen eitel Galliern gantz rein behalten hatten / und die Menge ihrer Weltweisen nebst der lustigen Gegend überaus erquickten. Aber diese Lust ward mir in wenigen Tagen durch eine Nachricht zeitlich versaltzen / daß Lucius / welcher bey Aphrodisium mit seinen Schiffen mir vergebens vorgewartet hätte / endlich auf meine Spur / und gleichfalls in Massilien ankommen wäre. Ich mag hier nicht die Umbstände meiner Bekümmernüsse und des Lucius Anfechtungen erzehlen. Genung ist es zu wissen / daß Lucius zu Massilien wie der Käyser selbst angebetet ward / und ihm alles zu Gebote stand. Daher es ihm unschwer fiel mir und meinem Schiffe die Ausfarth aus dem Hafen zu verwehren. Nach dem er meiner Keuschheit durch die allerglattesten Liebkosungen und Versprechung güldener Berge vergebens zugesetzt hatte / verfiel dieser geile Hengst in die Raserey / daß er in einem Lusthause Gewalt an mich legen wolte / wordurch ich genöthigt ward von selbtem einen kühnen aber glücklichen Sprung zu thun. Denn ich kam durch Hülffe meiner auf mein Geschrey sich nähernden Leute aus dem Garten. Weil ich mich aber nirgends sicher wuste /nahm ich meine Zuflucht in den nah von dem Uhrheber selbiger Stadt / nemlich dem Peranus / gebauten Tempel der Dianẽ / darinnen alleine 300. Griechische Jungfrauen unterhalten; aber / weil die Massilier unter dem Scheine der Gottesfurcht niemanden einigen Müssiggang enträumen / in der Weltweißheit und denen Geheimnüssen des Gottes-Dienstes aufs sorgfältigste geübet werden. Sie nahmen mich willig in den Vorhof / und nachdem ich mich gebadet / und mit gantz neuen Kleidern angethan hatte / in den Tempel auf; sintemal so wohl allhier als zu Tarent niemand sonst diß Heiligthum beschreiten darff. Lucius begehrte mich zwar als seine Verlobte mit grossem Ungestüm und Dräuen heraus; nach dem ich aber die Ober-Priesterin eines widrigen betheuerlich versicherte / schlug sie ihm meine / als ihrer Freyheit verletzende Ausfolgung rund ab. Als er auch ihr mit mehr schimpflichen Worten zusetzte / sagte sie dem Lucius in die Augen: Es wäre diß ein Tempel der keuschen und glimpflichen Diane. Dahero möchte er mit seinem geilen Ansinnen sich nach Athen zu dem Tempel der Unverschämigkeit / und mit seinen Schelt-Worten zu dem Heiligthume der Verachtung verfügen. Hiermit ließ sie den Tempel für ihm zuschlagen; der wütende Lucius aber denen drey Obersten unter denen sechshundert Tumuchen oder Rathherren anbefehlen: Sie solten der Ober-Priesterin das auf dem Rathhause verwahrte Gift zu ihrem verdienten Eigen-Morde schicken / und mich aus dem Tempel schaffen. Der Rath entschuldigte sich aufs beste / daß solch Gift nur dem / welcher es selbst verlangte / und genungsame Ursache zu sterben andeutete / gegeben würde; an dem Tempel aber dörfften sie sich ohne ihren ungezweifelten Untergang nicht vergreiffen / dessen Schatten auch die Verächter selbiger Gottheit tödtete. Lucius lachte über diesem Vortrage / und sagte: Es wäre dieser Aberglaube vielleicht so wahr / als daß derselbẽ Leiber / welche einmal in den Arcadischen Tempel des Jupiters einen Fuß gesetzt hätten / so verklärt würden / daß sie hernach an der Sonne keinen Schatten mehr von sich würffen. Wie er denn auch ferner hönisch fragete: Ob solcher Tempel auch nicht / wie von dem unbedeckten Heiligthume der Cyndigdischen Diane getichtet würde / nicht beregnete und beschneyete? Und derogestalt beharrete er halsstarrig auf seinem Verlangen. Der Rath [481] umb den Lucius etwas zu besänftigen schickte das Gift der obersten Priesterin; worüber die geweiheten Jungfrauen in höchste Bekümmernüß / ich aber in gröste Verwirrung gerieth / und die Priesterin aufs beweglichste ersuchte: Sie möchte das Gift mir zu trincken gebẽ / und hierdurch auf einmal so wohl ihrem /als meinẽ Kummer abhelffẽ. Aber sie war unerbittlich / sondern sie tranck das Gift selbst aus / und fing an: Ich weiß gewiß / daß es die Aertztin Diana mir nicht wird schaden lassen / und durch diß Wunderwerck dem Gottes-Verächter Lucius eine ewige Hertzens-Angst einjagen. Wir erstarreten alle über diesem Beginnen und Glauben / noch mehr aber über dem wunderwürdigen Ausschlage / in dem die Priesterin die geringste Veränderung nicht davon empfand. Lucius ward hiervon zwar benachrichtigt / aber er antwortete nichts anders / als daß die Massilier ihn viel zu alber ansehen / wenn sie ihren Betrug ihm unter einem thörichten Aberglauben aufzubinden vermeynten. Dahero solten sie mich ihm gestellen / oder er wolte selber den Tempel stürmen. Diese Entschlüssung versetzte die gantze Stadt / insonderheit aber die geistlichen Jungfrauen in kein geringes Schrecken / und mich in Furcht / man würde mich bey äuserster Gefahr aus dem Tempel stossen. Dahero ließ ich mich nach abgelegtem Gelübde ewiger Jungfrauschafft zu einer Priesterin einweihen / umb der besorglichen Verstossung /und des Lucius toller Brunst vorzukommen. Hilff Himmel / rieff ich / sagte Flavius von sich! Hat gleichwohl der üppige Nebenbuhler Lucius das Glücke gehabt / daß er durch Verursachung dieses Gelübdes mich auf mein Lebtage unglückselig gemacht? Nach meinem mit gleichsam tauben Ohren angehörten Wehklagen / erzehlte mir Dido ferner: Der Rath und zwey Priester des Jupiters liessen den zu Stürmung des Tempels sich rüstenden Lucius beweglich abmahnen. Der Rath hielt ihm ein: Daß Lucius hierdurch ihre Götter erzürnte / die alte Freũdschaft beyder Völcker beleidigte. Sintemal Massilien mehr für eine Schwester / als eine Magd der Stadt Rom zu halten wäre. Denn sie hätte bey ihrem Ursprunge mit den Römern ein ewiges Bündnüß gemacht / selbtes nie versehret / und in Glück und Unglück sich ihre treueste Freundin bezeigt. Sie wäre / als Brennus sie verbrennet / umb Rom im Leide gegangen / hätte alles Gold zum Lösegelde des Capitolium vorgeschossen /und sie hätten zu Rom auf den Schauspielen unter den Raths-Herren ihren gleichen Sitz. Dahero die Stadt nicht nur zu Beschirmung ihrer Heiligthümer in Aufruhr gerathen / sondern der Käyser selbst diese Gewalt-That ungnädig empfinden würde. Die Priester aber dreuten ihm die unnachbleibliche Rache der Götter an / und machten ihm eingedenck: Wie Brennus die Stürmung des Delphischen Tempels und den Raub des Goldes daraus so schrecklich gebüsset hätte. Proserpina hätte am Pyrrhus die Entweihung ihres Sicilischen Heiligthums mit Umbschlagung alles Glückes und seinem Untergange ernstlich gerächet. Ihre Diana aber wäre nichts anders als Cynthia im Himmel / und Proserpina in der Hölle. Die Persen wären in der Potideischen Belägerung durchs Wasser erbärmlich umbkommen / weil sie einen Tempel des Neptun verunehret / und Amilcar hätte nach Beraubung der Erycinischen Venus weder Stern noch Glücke mehr gehabt. Den Göttern und ihrer Rache wären aber auch die Römer unterwürffig. Diese wären durch einen gewaltsamen Sturm beschädigt worden / als sie sich erkühnet nur etliche heilige Bilder von Delphis nach Rom zu führen. Die geweiheten Jungfrauen aber wären lebhaftere und also heiligere Bilder der Götter /als die Marmel- und güldenen. Clodius wäre gar recht an der Pforte des der Cybele gewiedmeten Hauses erschlagen worden / weil er zu Rom in ihren Tempel vermessentlich gegangen. Griechen und [482] Egyptier wüsten: Daß wer nur sich die Geheimnüsse der Isis zu schauen gelüsten liesse / alsbald stürbe / und Appius /welcher nur die Freygelassenen zu des Hercules Gottes-Dienste zugelassen / wäre blind worden. Wie viel ärgere Straffe würde nun seine Gewalt-That und Jungfrauen-Raub ihm auf den Hals ziehen? Zumal der Römer / welcher bey Eroberung der Stadt Carthago dem Apollo nur den Mantel abgenommen / die Hand /und Flavius Flaccus / weil er die von der Lacinischen Juno Tempel abgerissene Zügel auf das Heiligthum des reitendẽ Glückes decken lassen / beyde Söhne und sein Leben eingebüsset. Lucius lachte zwar nur zu allem dem / sagte dem Rathe / daß sie dem Kayser Julius als Uberwundene sich ergeben / und aus Geferten zu Unterthanen gemacht hätten. Die Priester höhnete er mit dem Beyspiele des Dionysius / welcher mit dem Raube der Locrischen Proserpina glücklich nach Hause geschifft wäre / des Olympischen Jupiters göldenẽ Mantel mit grossem Wucher um einẽ wöllenen eingetauscht / und zu Epidaur den Esculapius seines göldenen Bartes beraubet hätte. Die Priester seufzeten hierüber / und nahmen mit diesen Worten ihren Abschied: Gott ersetze mit der Grösse die Langsamkeit seiner Rache! Welche Worte doch beym Lucius einẽ solchẽ Nachdruck hattẽ / daß er 3. Tage sich gantz stille hielt / und iedermann nun das Ungewitter vorbey gegangẽ zu seyn glaubte. Alldieweil aber die Furcht für Gott / wo sie nicht eine andächtige Liebe zum Grunde hat / als eine seichte Pfütze von der Hitze böser Begierden leicht ausgetrocknet wird; unterstand er sich in der vierdten Nacht mit dreyhundert reichlich beschenckten Römischen Kriegs-Knechten der Dianen Tempel heimlich zu ersteigen. Weil aber alle Nacht hundert Jungfrauen in selbtem / und hundert Hunde in dem Vorhofe wachen / entstund alsofort ein heftiger Lermen im Tempel / und die Priesterin befahl von den Zinnen Steine und brennende Fackeln auf die Stürmenden zu werffen. Lucius ward hiervon selbst getroffen / stürtzte also von einer hohen Leiter hinab /und brach neben noch zwölffen den Hals. Die übrigen wurden mit solchem Schrecken befallen / daß sie ihre todte Geferten im Stiche liessen / und nur alleine die Leiche des Lucius mit sich nahmen. Etliche erzehlten hernach / daß sie auf der Spitze des Tempels die mit Schwefel und Pech wider sie kämpfende Diana gesehen hätten. Welches / ob es wahr gewest / oder aus Furcht geglaubet worden / ich nicht zu erörtern weiß. Ob nun zwar der Rath zu Massilien / umb den Käyser nicht zu erbittern / die Todten in aller Stille auf die Seite bringen ließ / und der Römer Vorwand / daß Lucius an einem Schlagflusse gestorben wäre / möglichst bestärckte; so machten doch die Massilier ein grosses Wunderwerck daraus / zohen selbtes auch demselben weit für / da ihre Minerva dem Könige Catumand im Traume erschienen war / und ihn die Belägerung der Stadt Massilien aufzuheben gezwungen hatte. Ich selbst ward dardurch in meinem Gelübde nicht wenig bestärcket / und blieb daselbst / biß mein Herr Vater auf erlangte Nachricht von meinem Geistlichen Stande mich von der Ober-Priesterin zu einer Priesterin unser Getulischen Diana ausbitten / und anher abholen ließ. Dido beschloß hiermit und einem Beysatze vieler tausend Thränen ihre Erzehlung / welche verursachten / daß mein Hertz inwendig blutete /und ich im Eifer heraus brach: Der Dido Gelübde und Priesterthum ist von keiner Giltigkeit / weil es den Irrthum zum Vater / und die Furcht zur Mutter gehabt. Sintemal sie das von meinem Tode falsch erschollene Gerüchte darzu verleitet / und die Furcht für dem wütenden Lucius ihr ihr Angelöbnüß abgezwungen hat. Der Priester widersprach mir / und sagte: Die den Göttern geschehende Versprechungen wären nicht nach den Handlungen der Menschen zu urtheilen. Sie blieben unauflößlich / denn sie gereichten allezeit den Menschen zum Besten. Daher [483] könten sich diese niemals über einige Bevortheilung beschweren. Also solte Dido nur ihre Vergnügung in der Andacht suchen. Dido wäre einmal Priesterin / diß müste sie sterben. Also müste ich mir das Andencken dessen / was sie vorhin gewest / und meine Liebe mir nur aus dem Sinne schlagen. Denn ausser der Vergeßligkeit hätten die Sterblichen kein Recht über geschehene Dinge /und vergangene Sachen. Hiermit gab er so wohl dem Könige als mir ein Zeichen zu unserer Entfernung. Dido aber begleitete mich mit so wehmüthiger Geberdung / daß ich mich länger der Thränen nicht enthalten konte. Ihr stummer Mund flehete mich beweglichst umb Errettung an / und meine Augen bemüheten sich ihr selbte stillschweigende zu versprechen. Nach dem ich mit dem Juba auf sein Gemach kam /ließ er auch seine Gemahlin Cleopatra kommen / erzehlete mir die grosse Müh / welche er und der Priester gehabt seine Tochter von hundert verzweifelten Entschlüssungen zurücke zu halten. Er betrauerte /daß es mit der Dido so weit kommen wäre / und so wohl er als Cleopatra betheuerten / daß / wenn die Götter hierinnen ein Mittel schickten / sie für gröstes Glücke schätzen wolten / wenn ich ihre Tochter zu einer Gemahlin würdigte. Diese Zuneigung und andere Höfligkeiten hielten mich zu Cirtha zurücke / als gleich Cornelius Cossus mit der meisten Römischen Macht wieder nach Rom zoh / allwo man seine Verrichtung so hoch hielt / daß ihm der Käyser / wie vorher dem Statilius Taurus / dem Lucius Antronius /und Cornelius Balbus ein Africanisches Siegs-Gepränge und des Getulischen Zunahmen verstattete.


Ich / fuhr Flavius fort / brachte bey nahe ein gantzes Jahr an des Juba Hofe / und zwar die Tage mit allerhand Mohrischen Kriegs-Ubungen / die Nächte aber mit stetem Nachdencken zu / die unter dem Scheine einer heiligen Würde angefässelte Dido zu erlösen. Drey mal hatte ich / das Glücke sie auf gewissen Fest-Tagen zu sehen und einmal auch so wohl von ihr einen geheimen Zettel zu bekommen / als ihr einen zuzustecken / darinnen ich alles äuserste für sie zu thun angelobte. Inzwischen machten die Getulier auf Anstiftung der Garamanten und Marmarider einen neuen Aufstand. Die letzten ergriffen deshalben wider die Römer die Waffen / weil August in gantz Lybien des Ammonischen Jupiters Gottes-Dienst deshalben verbieten ließ / daß er durch seine denen kringlichtẽ Hörnern insgemein gleiche Wahrsagung seinen Enckel Cajus in Armenien zu schickẽ / und darüber einzubüssen verleitet hatte. Auch hätte der Landvogt im Befehl aus dem uhralten noch von dem Bacchus erbauten Tempel den kostbaren Widder nach Rom zu schicken / welcher mit eitel gelben Edelgesteinen übersetzt ist / die die Egyptier die heiligen Widder-Hörner heissen / und Göttliche Träume verursachen soll. Die Lybier schlugen die Römer aus der Stadt Ammon und Mareobis / und die Priester versicherten sie / daß ihr Hammon sie so wohl von den Römern erretten würde / als er dem ihn zu vertilgen anziehenden Cambyses funfzig tausend Persen mit Sande bedeckt hätte. Durch diese eifernde Andacht kamen auch die Garamanten mit ins Spiel / und Micipsa der zu ihnen geflohene Sohn des von dem Juba erschlagenen Hiarba reitzte auch die Getulier auf / welche wegen der ihnen geraubten und nunmehr schlecht verehrten Diana wider die Numidier grössere Ursache des Krieges hätten / als die Marmarider wider die Römer. Der dem Cajus zur Aufsicht mitgegebene Publius Quirinius / welcher zwar von schlechter Ankunft zu Lavinium entsprossen / aber zu dem grösten Krieges-Ruhme / und so gar zur Würde des Römischen Bürgermeister-Ampts gestiegẽ war / auch wegen der in Ciliciẽ eroberten Hamonadensischẽ Schlösser zum Siegs-Gepränge gelassen worden war / kam nach des Cajus Tode und dem Parthischen [484] Frieden aus Asien nach Paratonium an / schlug unter dem Gebürge Aspis die Lybier / eroberte Mareotis und A on wieder. König Juba aber und ich brachen mit leichter Müh / weil alle vortheilhaftige Oerter mit Numidiern besetzt waren /in Getulien ein. Nach dreyen leichten Treffen wiech Micipsa zu den Garamanten / welche wir an dem Flusse Garama zum stehen zwangen / und sie mit Erlegung etlicher zwantzig tausend in die Flucht schlugen / und die vormals vom Cornelius Balbus eroberte Haupt-Stadt Garaman eroberten. Unterdessen hatte Quirinius die Marmarider völlig zum Gehorsam bracht. Daher führte er auf dem Flusse Ciayphus sein Kriegsvolck auf dreyhundert seichten Schiffen in die schönste und fruchtbarste Landschafft des gantzen Africa Cieyps / und über das so lustige Gebürge / die Hügel der Chariten genennet / vollends in das Reich der Garamanten. Diese sahen sich nun auf beyden von einem mächtigen Feinde umbzüngelt / und derogestalt in höchsten Aengsten / sonderlich weil die Römer wegen der betrüglich ermordeten Römischen Besatzungen keinen Garamanter leben liessen. Nach dem sie sich nun die Brunnen des Landes mit Sande zu bedecken bemühten / weil zu uns täglich Landes-kündige Uberläuffer kamen / ergaben sich in einem halben Jahre die Städte Negligemela / Rapsa / Thube / Tabidium / Nathabut / Nitibrum / Tapsagum / Pege und Boin / und hiermit das halbe Königreich. Quirinius nahm Matelge / Zazama / Baracum / Baluba und Balsa mit Sturm ein / und endlich belägerten wir den Garamanten-König Asdrubal / und den Micipsa in der Stadt Debris. Diese unterliessen nichts / was zu einer Gegenwehr gehöret. Es kamen aber meine durstige Deutschen / welche an vielen Orten Brunnen zu finden gruben / auf eine unter der Erde von eitel Porphyr gemauerte Wasserleitung / welche wir alsofort den Belägerten abschnidten / und zu grosser Erquickung unsers Heeres verbrauchten. In weniger Zeit lidten jene grosse Noth vom Wasser. Denn ob wohl sie in der Festung einen Brunn hatten / so diente doch das von Mittag biß zu Mitternacht heiß hervor quellende Wasser zu keiner Durstleschung. Das von Mitternacht biß zu Mittag rinnende kalte war für eine so grosse Menge Volck und Pferde nicht zulänglich / auch wegen seines vielen Schwefels ungesund; daher auch so wohl Menschen als Vieh häuffig zu sterben anfingen / und in unserm Läger sich viel Uberläuffer einfanden. Diese berichteten uns / daß folgende Nacht alles / was Waffen tragen könte / auszufallen / und sich durchzuschlagen entschlossen wäre. Daher zoh ich an dem besti ten Orte alle Wachen zurücke / öfnete die Verbauungẽ der Wege / umb dem verzweifelten Feind Lufft zur Flucht zu machen. Ich versteckte aber zweyerley starcke Hinterhalte / derer einer bey erfolgendem Ausfall alsbald in die Stadt drang / der andere den Flüchtigen in Eisen lag. Diesen letzten führte ich selbst / und hatte das Glücke den Micipsa eigenhändig zu tödten / den König Amilcar gefangen zu kriegen. Der Ritter Gleichen / Oberster über die Deutschen / bemächtigte sich aber des Thores. Und hiermit ward auch diesem Kriege in zweyen Jahren ein Ende gemacht; Sintemal die übrigen Städte uns vollends die Schlüssel schickten. Wir betrachteten alle mit einander den seltzamen Sonnen-Brunn / welchen die Garamanten Göttlich verehren / auch über selbten einen rundten Tempel ohne Dach / der Sonnen zu Ehren von rothem Marmel gebauet haben. Jedoch gestehen die Garamanter selbst / daß der Troglodytische Sonnen-Brunn noch wunderbarer sey / weil er am Mittage eiß-kalt und süsse / umb Mitternacht brühheiß und bitter ist. Die Griechen aber meynen ihren des Mittags verseigenden und stets kalten Jupiters-Brunn beyden weit vorzuziehen / weil er die angezündeten Fackeln auslescht / die ausgeleschten aber anzündet. [485] Qvirinius und Juba theilten das Garamantische Reich mit einander / und schafften diesem halb viehischem Volcke die Gemeinschafft der Weiber und andere wilde Unarten bey Lebens-Straffe ab. Jener zohe sieghafft / und mit zweyfachem Ruhme nach Rom / weil er das ihm verlaubte Siegs-Gepränge unterließ / und sich des gegebenen Zunahmens Marmaricus und Garamanticus nicht gebrauchen wolte. Ich kam mit dem Juba gleichfals wieder in Numidien /welcher mich neben ihm auff einem mit sechs Elefanten bespannten güldenen Siegs-Wagen zu Cirtha einzufahren nöthigte. Aber diese Freude war viel zu schlecht meinem nun wieder auffwachendem Liebes-Kummer abzuhelffen / denn die steten Kriegs-Geschäffte nur ein wenig eingeschläfft hatten. Insonderheit goß die der Diana in meinem Ansehen opffernde Dido abermahls mehr Oel in das Feuer meines Hertzens als sie Weyrauch in die glüenden Kohlen des Opffer-Tisches streuete. Dahero Juba und Cleopatra so wohl mit mir / als ihrer nichts minder verliebten und mit Unwillen opffernden Tochter Mitleiden hattẽ / mir auch alles eusserste zu versuchen anboten / was zu meiner Vergnügung gereichen möchte. Hierauff fügten sie sich fast täglich in den Tempel / und ward einen gantzen Monat lang mit den Priestern über der Dido Befreyung Rath gehalten. Nach solcher Zeit kamen Juba / Dido / und der oberste Priester des Morgens früh bey auffgehender Sonnen voller Freuden in mein Schlaffgemach / weckten mich auff / weil mir gleich träumte: Wie ein Falcke mir eine an dem Meer-Ufer gefundene herrliche Perlen-Muschel aus den Händen riße / selbte empor führte / und nachdem er die darinnen gewesene köstliche Perle verschlungen /sie wieder in meine Schoos fallen liesse. Uber dieser Begebung erwachte ich / und vernahm mit grosser Vergnügung die gewünschte Zeitung / welche mich meines Traumes und aller Sorgen vergessen ließ. Wie mir denn auch die grosse Hoffnung den Beysatz nicht verdrüßlich machte / daß unser Beylager noch drey Monat verschoben werden müste. Den dritten Tag ward ein grosses Feyer in dem Dianischen Tempel gehalten. Der Diana wurden hundert Löwen geopffert /hundert zehnjährige edle Mägdlein auff Atheniensische Art eingeweyhet / und selbte auff zehn mit Bären bespannten Wagen in Tempel geführet. Die den Tempel ringsum bewachenden drey hundert Löwen wurden nach Getulien geschickt / uñ in der Wüsteney frey gelassen. Den vierdten Tag ward Dido auff einem prächtigen Siegs-wagen nach Aphrodisium in den an dem Meer-Strande stehenden Tempel der Aphroditischen Venus geführet / welcher sie daselbst auf gewisse Zeit eingeweyhet werden solte. Mir kam zwar nachdencklich für / daß ich bey solchem Aufzuge der Fürstin Dido Haupt mit fremden Haaren bedeckt; und über diß / daß die Abschneidung der Haare ein Zeichen des Traurens / und ein Opffer der Schiffbruch-leidenden ist / sie noch in der traurigsten Bestürtzung sahe; meine Liebe aber / welche insgemein zwar argwöhnisch / aber auch leichtgläubig ist / ließ sich leicht durch den Vorwand beruhigen / daß die Traurigkeit zweifelsfrey nur aus einer verliebten Ungedult wegen verschobener Hochzeit herrührte / ihre Haare aber hätte sie an statt ihrer Jungfrauschafft Dianen zur Beute lassen / wie bey denen Trözeniern die Heyrathenden ihre dem Hippolytus / und bey den Assyriern der Derceto wiedmeten. Also hätte schon Orestes auf Befehl der Götter der Taurischen Diana einen Tempel bauen / und seine abgeschnittene Haare darein lieffern müssen. Man überredete mich zwar auch / daß Dido in selbigem Tempel drey Monat ihre Andacht verrichten müßte; ein ins geheim dahin abgeschickter Deutscher aber brachte mir die Nachricht / daß sie bald die andere Nacht von Aphrodisium weg gesegelt wäre; Welches mich so unruhig machte / daß / als Cleopatra von mir die Ursache meiner ungewohnten Ungedult zu wissen [486] verlangte / ich ihr diß / und meine deßhalben geschöpffte Bekümmerniß rund heraus entdeckte. Sie aber gab mir lächelnde diese scheinbare Antwort: Es wäre wahr / daß sie eine Wallfarth in den Lyceischen Tempel bey der Stadt Trözen verrichten / und daselbst ihr Gelübde abstatten müste. Sie würde aber auff bestimmte Zeit unfehlbar zu Cirtha seyn. Und hätte man wegen der ohne diß bey mir verspürten Traurigkeit nur diese Entfernung verhölet. Ich war hiermit abermahls vergnügt; ungeachtet ich mehrmahls fürhatte / ihr in Griechenland zu folgen. Juba unterhielt mich inzwischen mit allen nur ersinnlichen Ergetzligkeiten / mit Jagten auff die Löwen und Elefanten / wie auch mit Mohrischen Ritterspielen auff. Die drey Monat waren noch nicht gar verflossen / als Dido wieder zu Aphrodisium anländete; dahin ich denn sie zu bewillkommen selbst eilete. Sie war zwar in dem Tempel noch verwahret / iedoch kriegte ich Erlaubniß sie darinnen in Anwesenheit der Priesterin zu sprechen. Die Traurigkeit war bey ihr noch nicht verschwunden / ihr gantzes Thun war vermischt von Kaltsinnigkeit und Liebes-Bezeugungen / welche aber immer wider ihre vorhin gewohnte Freyheit und Freudigkeit etwas gezwungenes an sich hatten. Als ich das dritte mahl mit ihr sprach / und die Priesterin anderwerts hin Augen und Gemüth wendete / steckte sie mir ein Schreiben mit einer solchen Empfindligkeit zu / daß an statt der ihr auff der zitternden Zunge ersterbenden Wörter sie ihre Wehmuth mit einem Zeugnisse etlicher hundert Thränen erhärtete. Nachdem ich wieder in mein Zimmer kam / erstarrte ich mehr deñ der in Stein verwandelte Atlas / als ich darinnen folgende Zeilen laß:

Wenn ich dich / edler Flavius nicht so sehr liebte /würde ich mich deiner Liebe nicht berauben. Nim also diese meine selbsteigene Verunglückseligung für ein unverfälschtes Zeugniß auf / daß ich lieber gehasst und verstossen seyn wil / als meine Liebe mit einiger Unreinigkeit besudeln. Ach leider! aber / ist gleich mein Leib / so ist doch meine Seele nicht beflecket. Der Wahn des Aberglaubens / und der Zwang meiner verleiteten Eltern hat mich mir selbst zu einem Greuel / und dir zu einer unwürdigen Anbeterin gemacht. Denn ich habe die dir gewiedmete Jungfrauschafft einem geilen Priester der zu Cirtha so unzüchtigen Diane opffern müssen. Alleine dieser Verlust war noch zu wenig. Man spottete noch der Geschändeten /und machte sie aus einer Verunehrten zu einer Närrin. Denn man schickte mich in Argia / badete mich bey der Stadt Nauplia in dem Brunnen Canathus / in welchem alle Jahr Juno ihre Jungfrauschafft wieder bekommen soll. O des abscheulichen Aberglaubens! daß auch die Götter den Schwachheiten der Begierden unterworffen / und des Abbruchs ihrer Vollkommenheit fähig seyn sollen! O des albern Wahnwitzes! daß das Wasser / welches ja zuweilen einigen Schwachheiten des Leibes abhilfft / den Verlust dessen / was die Natur und die Götter nicht ergäntzen können / erstatten solle! Höre mich diesemnach auff zu lieben / Flavius; wormit du von mir geliebt zu seyn nicht allzu würdig bleibest. Verstoß mich Flavius / und enteussere dich einer solchen Braut / welche mit Ehren weder einer keuschen Gottheit Priesterin bleiben / noch eine Ehefrau werden kan. Erlaube mir aber nur aus Erbarmniß / daß die / welche du einsmahls die Beherrscherin deiner Seele zu nennen würdigtest / deine Magd und Leibeigene sterben möge.

Ich ward / sagte Flavius / über dieser Greuel-That des Priesters beynahe rasend. Bald verfluchte ich den abscheulichen Priester / bald schalt ich die wahnwitzige Dido; bald verwandelte sich mein Grimm in das wehmüthigste Mitleiden. Also brachte ich gantzer zwey Tage und Nächte zu. Endlich überwand die Begierde mich an dem Priester zu rächen meine andere Gemüths-Regungen. [487] Ich sann nunmehr auff Mittel und Wege meinen Grimm an ihm auszuüben; als ein deutscher Edelmann mir wissend machte / daß der Diana oberster Priester mit noch sechs andern nach Aphrodisium ankommen wäre / daselbst der Diana zum Danckmal ein Heiligthum einzuweihen / und die Fürstin Dido nach Cirtha zu begleiten. Keine erwünschtere Zeitung konte mir damahls zu Ohren kommen. Ich verstellte daher möglichst meinen Schmertz und meinen Eiver / veranlaßte auch die Dido / daß sie zur See und auff dem Fluße Pagyda nach Cirtha zu kehren schlüssig ward. Weil nun ohne diß mir weder die Landes-Gewonheit / noch Höffligkeit zuließ meinen Auffenthalt auff dem die Dido führenden Schiffe zu haben / nahm ich die sieben Priester auff mein meist mit lauter Deutschen besetztes Schiff. Meinen Vorsatz zu vollziehen schien mir Himmel und Wind gleichsam seine Hülffe anzubieten. Denn dieser beunruhigte ein wenig das Meer / daß die Schiffe von einander etwas entfernet wurden / und die Wolcken umhülleten des Nachts den Monden / daß sie einander aus dem Gesichte kamen. Hiermit befahl ich mit meinem Schiffe an der gantz nahen Insel Calathe anzuländen. Daselbst trat ich mit etlichen meiner Getreuesten aus / und ließ die Priester auch dahin leiten. Ich hieß aber ausser dem Obersten sich alle andere entfernen / und fragte ihn mit ernsthafftem Gesichte: Durch was für ein Mittel sich Dido von ihrem Gelübde befreyet hätte? Er erblaßte und verstummte zugleich; endlich aber fing er an: Es liesse sich dieses Geheimnis niemanden offenbahren. Aber / versetzte ich / die offenbaren Laster wohl bestraffen. Du unheiliger Mensch! hat dir nicht gegrauset deine tolle Brunst mit der Andacht einer keuschen Göttin zu verlarven? Hastu dich nicht entröthet eine so reine Fürstin mit dem Unflathe deiner Unzucht zu besudeln / und die mir gewiedmete Myrthen in so traurige Cypressen zu verwandeln? Der Priester stand nicht anders / als wenn er vom Blitz gerühret wäre; gleichwol erholete er sich und sing an: Was er gethan / wäre aus keiner Geilheit / sondern nach dem Willen Dianens / nach der Stifftung des Alterthums / nach den Sitten der meisten Morgenländer / und mir selbst zu Gefallen geschehen. Die Jungfrauschafft bestünde ohne diß mehr in einer einfältigen Einbildung / als in einem wahrhafften Wesen der Natur. Ja in Africa und Indien hielte man sie mehr für einen Fehler / als für was schätzbares. Dido hätte sie auch nicht ihm / sondern nur durch ihn / als ein Werckzeug Dianen auffgeopffert / und er hiervon nicht die wenigste Lust / wohl aber die Göttin ihre Vergnügung geschöpffet. Diese hätte ihn / er aber die Dido so heilig überschattet /daß ihre Reinigkeit so wenig hätte Flecken / als der Amianthen-Stein in der Flamme Rauch oder Versehrung fangen können. Er glaubte nicht / daß ich die ihrer Dianen geschehene Opfferung der Jungfrauschafft scheltbarer als der Indianischen Götter / und wie sie auff den Eleysinischen Feyern durch höltzerne Götzen geschehe / halten würde. Ja zu allem Uberflusse hätte das heilige Wasser des Brunnen Canathus alles unreine abgewaschen. Woran so viel weniger zu zweiffeln wäre / weil die Egyptier durch das Bad der Isis / die Perser durch das des Mithra / die Griechen durch die Apollinar- und Eleusinischen Besprengungen / und insonderheit durch das Wasser des Flusses Ilissus so wohl alle Seelen- als Leibes-Flecken abwischen. Ich ward verdrüßlich diese scheinheilige Thorheiten anzuhören / unterbrach sie also und sagte ihm: Er solte seine thörichte Wasser-Würckungen nur die überreden / die aus dem Paphlagonischen Brunnen sich vollgetruncken hätten / und deutete ihm an: Weil er ja so eine heilige Sünde begangen zu haben vermeinte / wolte ich keine Straffe an ihm ausüben / als die ihre Götter selbst vollzogen hätten. Weil sich Attis gelüsten lassen [488] des Midas Tochter der in ihn verliebten Cybele vorzuziehen / wäre er von dieser eyversichtigen Göttin gezwungen worden / ihm unter einem Fichten-Baume mit einem geschärfften Kieselsteine sein Geburts-Glied abzuschneiden. Hiermit legte ich ihm Stein und Messer für / eben diß an ihm zu vollbringen / wormit er ein desto keuscher Priester seiner Diane / aber ein nicht so schädlicher Räuber der für ihn nicht gewiedmeten Jungfrauschafften seyn möchte. Der Priester machte hierüber zwar tausend Schwürigkeiten; aber meine Andräuung grausamern Verfahrens nöthigte ihn sich der Schärffe meines ihm gegebenen Gesetzes würcklich zu unterwerffen. Gleichwohl ließ ich durch meine Wundärtzte ihn sorgfältig verbinden / forderte die andern sechs Priester vor mich / verwieß ihnen ihren abscheulichen Gottesdienst / und sie zur Nachfolge an das Beyspiel des getreuen Combabus; welcher für der ihm anvertrauten Begleitung der Königin Stratonice / sich selbst entmannete / und diese in Honig / Myrrhen und ander Gewürtze verwahrete Wahre dem Könige Selevcus unter seinem Siegel anvertraute / daß sie ihm konte hernach ein Zeugniß seiner Treue und Keuschheit / eine Widerlegung der Verläumder / und für des Selevcus Eyfersucht eine sattsame Beschirmung seyn. An den König Juba schrieb ich:

Nach dem die Deutschen für Aberglaube und Unehre einen Eckel hätten / könte er seine geschändete Tochter nicht in ein Fürstliches Ehbette erheben. Er entschuldigte des Juba Leichtgläubigkeit / und hätte Mitleiden mit dem Unglücke der zu beweinen würdigen Dido. Seine an dem Priester verübte Rache würde er nicht für übermäßig schelten / weil er nur diß gestrafft / wormit er gesündigt / und ihn nichts mehr /als das Vermögen mehr zu verbrechen / selbst von sich zu thun / angehalten hätte. Diß sein Beyspiel solte dem Juba ein Wegweiser seyn / wie er künfftiger Zeit für so schnöden Verleitungen seiner unzüchtigen Priester sicher seyn konte. Hätte Cybele zum Gedächtniße ihres geliebten Attis ein Gesetze machen können / daß alle ihr dienende Priester bey Trompeten-Schall entmannet werden müsten; so hätte er seiner mehr liebwerthen Tochter halber mehr Ursache alle Numidische auff gleiche Art zum Dienste der keuschen Diana fähiger zu machen.

Diesen Brieff gab ich denen aus dem Schiffe gesetzten Numidiern / hinterließ sie mit den Priestern auff dem Eylande Calathe; ich aber segelte mit mei nen übrigen Deutschen gerade nach Drexena in Sicilien. Nachdem ich nun so wohl hierinnen / als in Campanien alles Merckwürdige besehẽ hatte / kam ich wieder nach Rom: da mich deñ so wol der Käyser als der inzwischen ans höchste Bret gestiegene Tiberius sehr wohl auffnahmen; weil nicht nur Cornelius Cossus / sondern auch der beym Tiberius sehr hoch gesehene Qvirinius von mir viel gutes berichtet / und meine Dienste im Africanischen Kriege aus Gewogenheit mercklich vergrössert hatten. Ich kam gleich nach Rom / als Tiberius kurtz vorher aus Deutschland kommen war / und nebst dem Sentius Saturninus sich mit diesen Völckern verglichen hatte. Dieses halff mir / daß der Käyser mich zum Haupte über die zu seiner Leib-Wache erkieseter Batavischen Reiterey setzte. Weil aber sich wenige Zeit der hefftige Krieg in Dalmatien anspann / und Tiberius dieses gefährliche Feuer zu leschen dahin bestimmet war / muste ich mit denen in Römischen Kriegsdiensten befindlichen Deutschen nur auch dahin. Batto hatte gleich bey Certissa an der Sau die Römer aus dem Felde geschlagen / die Breuzen und Teraunizer / zwey Pannonische Völcker ihm beyfällig gemacht / und nach Eroberung der Städte Citalis und Budalia die an dem Flusse Bucantius gelegene Haupt-Stadt Sirmium belägert; ja Bato Dysidiatus hatte mit seinen Dalmatiern alles zwischen dem Flusse [489] Tedarius und Tillurus biß an Apollonia und das Eyland Pitica entweder erobert oder verwüstet / und die einige noch übrige Stadt Salona belägert; aber wegen einer von einem Wurff-Steine empfangener hefftigen Wunde dafür abziehen müssen / iedoch die Römer zweymahl geschlagen; ja er gleichsam als ein Blitz biß an die Grentzen Italiens gedrungen / hatte die Städte Nauport / und Tergestis /als zwey Schlüssel nach Rom in seinen Händen / welches für Schrecken zitterte / sonderlich als der Käyser selbst im Rathe meldete: der Feind könte in zehn Tagen für Rom stehen. Also stand es in Dalmatien und Pannonien; und in Macedonien wütete Pinnes /als der Landvogt in Illyris / auch nach seinem Gefallen / als Meßalinus mit der zwanzigsten Legion und vier tausend Galliern dem Dysidiat entgegen eilete /uñ ich ihm mit tausend Deutschen / Tiberius aber mit einem grössern Heere folgte. Messalinus traff den Feind bey dem Tempel des Diomedes für sich; und weil er entweder zu hitzig war / oder die Ehre des Sieges alleine davon tragen wolte / ward er von dem zwar noch verwundeten / aber die Dalmatier hefftig anführenden Dysidiat zurück getrieben / daß er mit ziemlichem Verlust über den Fluß Natiso weichen muste. Ich kam folgenden Tag zum Messalinus / und nach dem wir erfuhren / daß die Dalmatier auch übersetzten / stellten wir uns in einen vortheilhafftigen Ort / lockten den Feind zu einem neuen Treffen / und hatten das Glücke den Dysidiat auffs Haupt zu schlagen /welcher nach Verlust mehr als zwölff tausend Mann /weil wir ihm stets in Eisen lagen / biß über den Sau-Strom zu weichen gezwungen ward. Weil nun inzwischen der Mysische Landvogt Cäcina Severus den Bato auch die Belägerung für Sirmium auffzuheben genöthigt hatte / stiessen beyde Bato zusammen; und nach dem so wohl Tiberius als Rhemetalces mit einem neuen Heere sie gleichsam umringte / zohen sie sich zwischen das Almische von den Römern so genennte Claudische Gebürge. Rhemetalces lockte zwar ein Theil des Pannonischen Heeres auff die Fläche /und versetzte selbtem einen ziemlichen Streich; nachdem aber er und Severus mit seinem gantzen Heere seinem Mysien / in welches die Dacier und Sarmaten eingefallen / Ariopolis erobert / und viel offene Oerter angezündet hatten / zueilen muste / Tiberius mit dem Messalin zu Sescia zwischen der Sau und dem Flusse Colapis überwinterte / kriegte der Feind Lufft / spielte zwischen der Sau / der Drave und Ister allenthalben den Meister / und brachte fast gantz Pannonien auff seine Seite. Unterdessen gewanen Rhemetalces und Rasciporis mit ihren Thraciern zwar in Macedonien dem Pinnes eine Schlacht ab / alleine er verstärckte sich mit seinen Dalmatiern auff dem Skandischen Gebürge und an dem Flusse Drilon; aus welchen sichern Behältnißen sie denn Macedonien mit unauffhörlichen Einfällen beunruhigten. Ich ward wohl befehlicht denen Pannoniern mit der Deutschen und Gallischen Reuterey möglichsten Abbruch zu thun; und ich traff auch etliche mahl mit ziemlichem Vortheil. Weil aber die Feinde mir an Macht weit überlegen / auch so flüchtig als die Deutschen waren / hingegen tausend Schlipplöcher zum Uberfall und Entkommen wusten /war unmöglich was hauptsächliches auszurichten. Aulus Cäcina und Silvanus Plautius setzten zwar aus Asien fünff frische Legionen zu Lissus aus / und der König in Thracien stieß mit zehn tausend Reutern zu ihnen / aber Pinnes und Bato boten ihnen an dem Flusse Clausula die Stirne / schlugen die Thracier zum ersten in die Flucht / erschlugen fast alle Hülffs-Völcker / zertrennten drey Römische Legionen / erlegten viel Obersten / eroberten viel Fahnen / und trieben das übrige Heer biß nach Lissus. Weil nun Tiberius und Meßalin bey Sescia gleichsam unbeweglich lagen / und [490] schier alle Anschläge Krebsgängig wurden / verfiel Tiberius beym Käyser in Verdacht: daß er / um die Waffen stets in seinen Händen zu behalten / diesen Krieg mit Fleiß verzögerte. Daher entschloß er sich den jungen Agrippa in Dalmatien zu schicken; Aber Liviens Arglist wendete alle Künste an / den Tiberius einer solchen Neben-Sonne zu entübrigen /brachte es auch so weit / daß nicht allein statt des Agrippa der vom Tiberius für einen Sohn angenommene Germanicus in Pannonien geschickt / sondern auch Agrippa / weil er wegen dieser Ubergehung Livien ihre Stieffmütterliche Feindschafft / dem Käyser aber die Vorenthaltung seiner väterlichen Güter fürrückte / auff das Eyland Pcanasia verwiesen ward. Germanicus kam mit einem mächtigen Heere in Pannonien / denn der Käyser hatte nicht nur Freygebohrne darzu geworben / sondern auch bey damahliger Theurung viel tausend Freygelassene um Getreyde zu Kriegs-Diensten erhandelt. Dalmatien und Pannonien ward von so viel Römischen Heeren zwar gleichsam überschwemmet / sintemahl zehn Römische Legionen / siebentzig Fahnen Hülffs-Völcker / vierzehn Flügel Reuterey / ohne viel tausend Freywillige zusammen kamen / welche aber wider die tapffern Pannonier wenig denckwürdiges ausrichteten / als daß sie weit und breit Pannonien einäscherten / um die / welche sie mit Waffen zu überwinden nicht getraueten / durch Hunger zu zähmen. Severus rückte zu dieser Zeit /nachdem die Dacier und Sarmater wieder über die Ister in das bergichte Dacien gewichen waren / aus Mysien zwischen dem Flusse Pathissus und Ister durch das Gebiete der Metanaster und Jazyger den Pannoniern auff den Hals / setzte bey Salinum über den Ister / bey Cäsarea über den Fluß Urpan / schlug sein Läger an dem Volceischen See auff / kam also dem Bato recht in Rücken. Dieser aber zohe in Eil den Dysidiat an sich / übersiel gantz unversehens des Severus umb Triccana Barbis / und Serbium in aller Sicherheit sich erfrischendes Heer / und trieb es biß unter den Wall. Weil aber von Flexum den Tag zuvor die vierzehende Legion ins Läger ankommen war /welche den Flüchtigen mit der alten Besatzung zu Hülffe kam / musten die Pannonier sich zurück ziehen. Germanicus und ich hatten zu selbiger Zeit mit einem Theile unsers Heeres gegen die Dalmatier zu schaffen / und das Glücke / daß wir die Maceer und Dindarier unter dem Gebürge Carvancas aus dem Felde schlugen: welchen Sieg Germanicus selbst der Deutschen Tapfferkeit zueignete. Gleicher gestalt ging die feste Stadt Lopsica / darein der Feind fast allen Vorrath des Landes gebracht hatte / durch die Stärcke eines Hermundurischen Ritters Polentz / oder Pulio über. Hiermit geriethen die Dalmatier und Pannonier in eusserste Noth der Lebens-Mittel / und von denen gegessenen rohen Kräutern und Wurtzeln rissen viel schädliche Seuchen / wie nichts minder die Zwytracht bey ihnen ein. Denn Bato der Breutzer Fürst liefferte gegen empfangenes Versprechen / daß er selbiges und das Skordiskische Fürstenthum bekommen solte / den Fürsten Pinnes und die Festung Aleta in des Tiberius Hände. Welches den Dysidiat nöthigte dem Tiberius Frieden anzubiethen / welcher denn auch von ihm zu einer Unterredung ein frey Geleite bekam / und dem Tiberius auff die Frage: Warum sie wider die Römer auffgestanden wären? antwortete: Weil sie ihre Heerden zu bewahren nicht Hirten und Hunde / sondern Wölffe brauchten. Dysidiat schloß also einen für die Dalmatier und Pannonier ziemlich erträglichen Frieden. Tiberius und Germanicus zohen mit grossem Siegs-Gepränge / und der Käyser / welcher / umb dem Kriege desto näher zu seyn / unterdessen sich zu Arminium auffgehalten hatte / mit grossen [491] Freuden nach Rom; allda er auch mich mit einem Siegs-Krantze beschenckte. Inzwischen konte Dysidiat dem Bato seine Verrätherey nicht vergessen / daher belägerte er ihn mit denen ihm ebenfalls gramen Breutzen in der Festung Serota /verdammte ihn nach derselben Eroberung zum Tode /und ließ ihn als einen Verräther in Spieß stecken. Der Pannonische Landvogt nahm diß für einen neuen Friede-Bruch auff / überzohe die Breutzer / und zwang sie mehr durch Feuer als durchs Schwerdt auffs neue um Frieden zu bitten; den Dysidiat aber nach Arduba in Dalmatien zu weichen. Alldieweil aber beyde Völcker von den Römern ärger als iemahls vorher gedrückt und ausgesogen wurden; fleheten sie den Fürsten Dysidiat abermahls umb Beschirmung ihrer Freyheit an /überfielen die Römischen Besatzungen / und brachten den Silan bey Velcera ziemlich ins Gedrange. Germanicus eilte mit frischen Völckern in Dalmatien / büssete aber in der Stadt Rhetium / darein ihn die flüchtigen Dalmatier arglistig lockten / durchs Feuer etliche tausend Mann ein. Diese aber ersetzte er kurtz hernach mit Eroberung der vormahls vom Tiberius vergebens belägerten Stadt Seretium. Weil aber Dysidiat sich täglich verstärckte / und mit vier Heeren gegen die Römer kriegte / schickte der Käyser noch drey Kriegs-Heere unter dem Tiberius dem Silan und Lepidus in Pannonien; Er selbst aber und darunter ich schlugen sich zum Germanicus. Silanus kriegte an dem Flusse Arrabo / Silan an der Drave mit ihren Feinden zu schaffen / und wurden nach etlichen Treffen bey Carrodum / Bolentium und Limusa Meister. Tiberius und Germanicus drangen mit dem Käyser durch der Flanater / Japüder und Mazoer Gebiete dem Dysidiat biß ins Hertze Dalmatiens / und ward er selbst in der fast unüberwindlichen Festung Anderium an dem Flusse Jader belägert. Der Käyser ruhete bey dieser Belägerung in der Nähe zu Salona aus. Ich will hier nicht die Künste des schlauen Tiberius erzehlen; genug ist es / daß er den Dysidiat / als er seine Dalmatier vergebens zu einem neuen Frieden zu bewegen bemühet war / dahin brachte / daß er sich heimlich aus der Festung stahl / und die Seinigen verließ; auch nach eusserster Gegenwehr den Feind endlich zur Ergebung zwang. Unterdessen schlug Germanicus nebst mir etliche mahl den Feind / und nahm das gantze Gebiete der Epetiner / Phryger und Karier biß auff die Haupt-Stadt Arduba ein. Diese Belägerung setzte Germanicus mit so viel hertzhafftigerm Eyfer fort / als er dem Tiberius in der Belägerung der Stadt Anderium / von welcher dieser jenen mit Fleiß entfernet hatte / nichts nachzugeben begierig war. Die Stadt Arduba war fast umb und umb von dem überaus strengen Strohme Tillurus umgeben; in welchem die Römer mit ihren sonst bräuchigen Schiff-Flössen /oder an die Schenckel gebundenen und auffgeblasenen Ochsen-Blasen und Ziegen-Häuten über zu kommen vergebens versuchten. Germanicus wuste ihm hierinnen weder Hülffe noch Rath / und also foderte er von mir ein Gutachten. Ich aber / weil ich bereit wahrgenommen hatte / daß der Strohm nicht allenthalben an die Stadtmauern striche / sondern an etlichen Orten ein ziemlicher Platz Erde unbewässert an den Mauern hinge / erbot mich folgende Nacht unter der Stadt-Mauer mit meinen Deutschen festen Fuß zu setzen. Dieses bewerckstelligte ich auch glücklich. Deñ ich laß mir 200. des Schwi ens erfahrne Deutschen aus; iedem gab ich ein Grabscheit / ein Holtz oder Bret /welches sie mit über den Fluß zu bringen getrauten. Mein Vorgang / die trübe Nacht / und das grosse Geräusche des Stromes machte / daß wir unvermerckt[492] überkamen / vorwerts uns mit einer für uns aufgeworffener Brustwehre / über uns mit einem von Bretern gemachten / und für den Brand mit Erde beschüttetem Dache / wider alle Gewalt verwahrten. Worüber die Belägerten derogestalt bey der Tagung erstauneten / daß sie sich zu ergeben schlüssig waren. Weil aber mehr als tausend Uberläuffer in der Stadt waren / welche an aller Gnade verzweifelten / und also alles äuserste auszustehen vorhatten / entstand in der Stadt ein Aufruhr. Jedoch schlugen sich die mehr männlichen Weiber zu den letzten / und fielen ihren eigenen Männern / Brüdern und Söhnen in die Haare. So bald ich der innern Unruh innen ward / ließ ich durch meine schwimmende Deutschen etliche Seile über den Strom ziehen / an welchen nicht nur meine übrige Landsleute / und ein paar tausend Römer / sondern auch der benöthigte Sturm-Zeug übergebracht werden / und wir schier ohne allen Widerstand die Stadt Arduba ersteigen konten. Die Dalmatischen Weiber liessen nunmehr von ihren eigenen Anverwandten ab /und fielen uns wie wütende Unholden an; nachdem sie aber ihrer Ohnmacht gegen unsere Waffen gewahr wurdẽ / stürtzten sie sich meist alle mit ihren in der Eil erwischten Kindern / theils in die von ihnen selbst angezündeten Häuser / theils über die Mauern und in den Fluß Tellurus. Sintemal ihnen erträglicher schien alles / als das edle Kleinod der Freyheit zu verlierẽ. Also ging diese für unüberwindlich gerühmte Festung schier ohne Verlust über; und mit ihr entfiel fast allen Dalmatiern vollends das Hertze / also / daß sie entweder sich selbst willig ergaben / oder vom Vibius Posthumius vollends unschwer bezwungen worden. Die Pannonier aber wurden aufs neue von Daciern und Sarmatern durch eine Hülffe von 40000. Mann aufgefrischt / welche die berühmte Stadt an dem Ister zu den Colossischen Säulen genannt / mit einer grossen Niederlage der Römer dem Severus abgewannen / und biß an die Mansvetinische Brücke an der Drave alles unter ihre Gewalt brachten. Dieser neue Feind ermunterte auch die zwischen dem Gebürge Ardius und dem Flusse Drinus überaus vortheilhaftig gelegene und so wohl ihrer Kriegs-Wissenschafft als Harnäckigkeit halber beruffene Daoriser / wie auch die streitbarẽ Disitiates / daß sie unter dem jungen Pinnes wider die Römer die Waffen ergriffen. Wider diese letztern ward der neu-erwehlte Dalmatische Landvogt Vibius Posthumius / Lepidus und Junius Blesus geschickt /welche fast mit gäntzlicher Vertilgung dieser Völcker dem Kriege ein Ende machten. Mich aber schickte der Käyser mit dem Licinius Nerva Silianus wider die Dacier und Sarmater / weil die Deutschẽ / des Augustus Urtheil nach / diesen geschwinden Feinden am besten zu begegnen wüsten. Ich setzte bey Leucomũ über die Sau / bey Anciana über die Drave / in Meynung bey Varronianum auch über den Ister zu kommen / und nicht nur dem sich aus Dacien täglich vermehrenden Feinde alle fernere Hülffe / sondern auch die Rückwege über den Ister abzuschneiden. Es setzten sich aber die Pannonier und zehntausend Dacier bey Animascia uns in Weg; also / daß ich mit meinẽ Vorzuge gezwungen ward zu schlagen. Ich gebrauchte mich aber des von dem Ventidius gegen die Parther so glücklich angewehrten Vortheils / daß ich mit meinem Kriegs-Volcke einen Hügel besetzte / von dem ich die mich angreiffenden Feinde Spornstreichs und mit verhengtem Ziegel als ein Blitz anfiel; also nicht allein die viel tausend abgeschossenen Pfeile der Dacier überhin gehen ließ / sondern auch die fördersten Feinde über einen Hauffen rennte / und durch die Tapferkeit der einigen Deutschen in kurtzer Zeit die Dacier und Pannonier in Unordnung und in die Flucht brachte. Wie wir aber vernahmen / daß der Feind zu Varronianum und Mursella sich [493] starck verschantzt hatte /wurden Silvan und ich schlüssig zu Mursa zurück über die Drave / und zu Korbach über den Ister zu gehen. Dieses verrichteten wir ohne einigen Widerstand. Weil aber der Feind nunmehr inne ward / daß wir ihm in Rücken zu kommen vermeynten / hielt er für nothwendig / ehe als wir uns einigen festen Ortes bemächtigten / zu Varronian ebenfalls über den Ister zu setzen / und uns mit gantzer Macht auff den Leib zu gehen. Dieser kam uns den dritten Tag mit 60000. Mann ins Gesichte. Daher Silan und ich uns harte an den Ister-Strom recht gegen über / wo die Drave in den Ister fällt / in Schlacht-Ordnung stellten / wormit die starcke feindliche Reiterey die Sarmater das Römische Fußvolck nicht umbgebẽ und an beydẽ Seiten anfallen könte. Wie wir auch wahrnahmen / daß die Pannonier den rechten / die Dacier den lincken Flügel erwehltẽ / der Sarmater aber beyde Flügel auf der Seite deckten; also ich die Helffte unser Reiterey denen an dem Ister vergebens gestellten Sarmatern an ihrem lincken Flügel genungsam zu seyn meynte; setzte ich alle Stall-Buben zu Pferde / und stellte die Helffte derselben bey unserm lincken Flügel / allwo Silan mit der vierzehenden Legion am Ister gegen den Feind genungsam feste stehen konte. Die Helfte der Deutschẽ und Gallier Reiterey aber / wie auch 2000. unnützes Gesindlein stellte ich hinter einen auf der rechten Hand gelegenen Berg. Wir traffen mit unserm lincken Flügel wegen Vortheilhaftigkeit des Ortes mit Fleiß zum ersten. Da denn unser Anschlag bald gewüntscht ausschlug / indem / als die Römische Legion mit fest geschlossenen Gliedern gegen die Pannonier andrang / die Sarmatische Reiterey derogestalt ins Gedrange kam / daß sie sich nicht rühren konte /auch die Ordnung der Pannonier selbst dort und dar verwirrte. Daher entschloß sich zwar ihr Führer Fürst Popel in den Strom zu setzen / in Meynung in selbtem herunter zu schwe en / und unserm lincken Flügel in Rücken zu kommen; Aber es hinderte diß theils das hohe Ufer / theils / weil ich derogleichen vorgesehẽ /meine Anstalt / in dem ich an dem seichten Ufer in der Eil hatte Grabẽ aufwerffen / oder höltzerne Schläge fürmachen lassen. Inzwischen kam auch unser rechter / und des Feindes lincker Flügel ins Gefechte. Unsere an die Spitze gestellten Griechen und Asiatischen Hülffs-Völcker lidten zwar von den hartnäckichten Daciern etwas Abbruch / iedoch ließ ich bald Deutsche / bald Römer an die Lücke tretẽ / und erhielt also die Schlacht-Ordnung feste / daß die Dacier müde worden / ehe die dritte Legion / welche dem Lucius Apronius vertrauet war / recht zum Fechten kam. Die Reiterey der Gallier und Thracier lidt zwar auch von den geschwinden Sarmatern Noth; wenn aber die Deutschen auf sie traffen / räumten sie Augenblicks den vorhin erlangten Vorthel. Als nun derogestalt beyde Heere miteinander im heftigsten Treffen waren /kamen 50. mit Pannoniern geladene Schiffe den Strom herab / welche theils des Silans Legion und unsern gantzen lincken Flügel in der Seite mit allerhand Geschoß angriffen / theils auch unterwerts Volck mit Aexten aussetzten / die die Graben fülleten / die Schlag-Bäume zerhieben / und also der Sarmatischen Reiterey am Ufer auszusetzen / und unsern lincken Flügel hinterwerts anzufallen Gelegenheit machten. Silan wendete zwar / als unsere blinde Reiterey nemlich die Stallbuben die Flucht nahmen / ein Theil des lincken Flügels umb und gegen die Sarmater; aber weil er von dreyen Seiten bestritten ja er auch selbst von denen eindringenden Sarmatern mit einer Sebel im Haupte heftig verwundet ward / gerieth der gantze lincke Flügel in Unordnung. Mein rechter hatte für sich selbst genung zu thun; also befahl ich / daß unsere hinter einem Hügel stehende Reiterey dem lincken Flügel zu Hülffe eilen / die gantze blinde Reiterey aber umb den Berg herumb gehen / und denen gegen mich fechtenden Daciern in Rücken [494] einzufallen dräuen solte. Der Ritter Zimbern führte die deutsche Reiterey mit unvergleichlicher Hertzhaftigkeit an / und zwang die Sarmater / daß sie über Hals und Kopf in Ister sprengen musten. Ich kam auch selbst dem lincken Flügel zu Hülffe / und vertraute dem Apronius den rechten / setzte denen schiffenden Pannoniern 500. Thracische und Cretische Schützẽ entgegen /brachte also den lincken Flügel wieder in Stand. Hingegen wurden die Dacier und Sarmater in ihrem lincken Flügel von unser sich hervorthuenden blinden Reiterey derogestalt geschreckt / daß diese die offentliche Flucht zu ergreiffen / jene aber in Verwirrung zu gerathen anfingen. Ritter Pappenheim hielt nicht für rathsam die flüchtigen Sarmater zu verfolgen / sondern ging dem Dacischen Fußvolck in die Seite / Apronius drang ihnen vorwerts auf den Hals; und also ging der gantze lincke Flügel über einen Hauffen /zumal der Dacische Fürst Deldo selbst todt blieb. Die Pannonier im rechten Flügel verlohren hiermit ihren vorigen Vortheil / das Hertze und das Feld. Das Gefechte ward nunmehr in ein Würgen verwandelt. Von dem Feinde blieben 18000. ohne die sich in den Ister stürtzten / auf der Wallstadt todt / 10000. wurden gefangen. Dysidiat entran zwar auf einem Nachen / iedoch ließ er uns seinen Gehorsam / und seinen Sohn Sceva zur Geissel anbiethen. Ich aber / weil der tapfere Silan folgenden Tag von den empfangenẽ Wunden sein Leben auf dem Bette der Ehren beschloß /verwieß ich ihn an den zu Segesthe des Ausschlags erwartenden Tiberius / welcher anfangs den Sceva /hernach den ihm zu Fusse fallenden Dysidiat / welcher sein verwürcktes Haupt zur Abschneidung willig darreichte / zu Gnaden annahm. Gantz Illyris / Dalmatien und Pannonien kam hiermit zu völligem Gehorsam / Dacien und die Sarmater in Schrecken. Germanicus brachte dem Käyser selbst die fröliche Zeitung / welcher mit dem Tiberius zu Rom im Siegs-Gepränge einzuziehen kostbare Anstalt machte / den Germanicus mit einem Lorber-Krantze / und mit der Würde der Stadt-Vogtey / mit der Fähigkeit nunmehr Bürgermeister zu werden / und nach den Bürgermeistern im Rathe seine Meynung zu sagen beschenckte; mir und dem Silan aber zwey Sieges-Bogen in Pannonien aufführen / ja auf die Wallstatt eine Stadt zu bauen / und sie den Deutschen zu Ehren Deutschburg zu nennen befahl.

Ich kam derogestalt vergnügt nach Rom / und ward allenthalben nunmehr nicht so wohl für einen Deutschen / als für einen Römer gehalten. Nach dem aber den fünften Tag nach des Käysers Ankunft die traurige Zeitung von der grossen Niederlage des Varus /und daß mein Bruder Uhrheber dieses grossen Verlustes wäre / nach Rom kam; also die deutsche Leibwache abgeschafft / alle andere Deutschen entweder vom Pöfel erschlagen / oder aufs Käysers Befehl in Hafft genommen wurden / verrauchten auch in einem Augenblicke alle meine Verdienste. Man brachte mich noch selbigen Tag nach Ostia / setzte mich auf ein Schiff / und segelte mit mir nach dem Eylande Dianium. Der Käyser ließ mir zwar andeuten / daß es zu meiner selbsteigenen Sicherheit / und nur biß der schwirige Pöfel sich wieder beruhiget habẽ würde /geschehe; alleine ich hielt es für ein einsames Gefängnüß. Den andern Tag nach meiner Dahinkunft ging ich an dem Meer-Ufer in traurigen Gedancken / als ich unversehns zwey frembde Schiffe anländen sah. Bald darauf ward ich in einen Stein verwandelt / als die Numidische Fürstin Dido ans Land trat. Diese ward mein so bald als ich kaum ihr gewahr / iedoch war ihre Veränderung nicht so heftig; daher sie sich mir näherte / mich aufs holdeste grüßte / und nach dem sie allen ihren Leuten sich zu entfernen einen Winck gegeben hatte / umb meinen Zustand fragte. Ich ward schamroth über derselben Freundligkeit / die ich durch meine Verschmähung beleidigt zu haben vermeynte; gleichwohl begegnete ich ihr mit [495] möglichster Höfligkeit / und entdeckte ihr meine Beschaffenheit aufs kürtzeste. Nach einem tieffen Seufzer fing sie an: Unvergleichlicher Flavius / glaube / daß ich dein Unglück mehr als du selbst empfindest / und daß ich dich als eine irrdische Gottheit verehre / weil ich dich zu lieben unwürdig bin. Meine bißherige Zufälle verdienen nicht dein Gehöre; tröste aber deine Rache /daß Juba den obersten Priester auf dein Zuschreiben habe die Löwen zerreissen / und die andern Priester der Diane sä tlich entmannen lassen. Ich bin aus erheblichen Ursachen auf der Reise nach Rom begriffen / hier aber angefahren / umb in dem hiesigen Heiligthume Dianen ein Gelübde abzustatten. Wormit du aber glaubest / daß ich deine Magd im Wercke sterben wolle / so trete ich dir das andere Schiff zu deiner Flucht ab. Erwehle selbst einen Ort / wo du hin wilst. Ich verlange selbten nicht zu wissen. Mache hierüber keine Schwerigkeit / und lasse allen Kummer mir zurücke. Ich ward hierdurch derogestalt gerühret / gleich als ich eine Göttin für mir reden hörte. Die Thränen fielen mir aus den Augen / welche ich statt einer Dancksagung ihr zurücke ließ / und mit meinen zwey deutschen Edelleuten / die man mir ja noch gelassen hatte / das Schiff betrat. Dido befahl dem Schiffer mir nicht anders als ihr selbst zu gehorsamen. Nachdem ich von ferne noch einst den traurigsten Abschied von ihr genommen hatte / erwehlte ich nach Massilien zu fahren / da ich auch den andern Tag anländete / und von dar auf verwechselten Pferden durch Gallien nunmehr so glücklich allhier ankommen bin.


Hertzog Herrmann schöpften über dieser Erzehlung überaus grosse Freude / die andern Fürsten aber nicht geringe Verwunderung. Der Tag war hierüber grossen Theils verstrichen: und weil Hertzog Flavius Erlaubnüß bat der Fürstin Thußnelde und Ismene / wie auch dem Fürstlichen Cattischen Frauenzimmer die Hände zu küssen / schied diese fürnehme Versa lung mit höchster Vergnügung von einander.

Inhalt des Fünfften Buches
[496] Inhalt
Des Fünfften Buches.

Die Gleichheit der Gemüther / welche einen nicht wenigern Zug hat als andere gewisse Verwandnüß unter sich habende Dinge / bringet auch vor dißmal den Feld-Herrn / Hertzog Flavius / Jubil / Arpus / Catumer / Rhemetalces und Malovend in Begleitung der Thußnelde / der Königin Erato / Ißmene und Saloninen in des verwundeten Zeno Zimmer zusammen. Dieser wüntschet dem Feld-Herrn über den erhaltenen Sieg und der erlöseten Thußnelde vielfältiges Glück /kommet zugleich auf das im Traum zu seiner Genesung dienende wunderbare Gesichte; Salonine und Rhemetalces aber auf den Schluß: daß das Pflaster der Liebe allen andern Gesundheits-Kräutern vorzuziehen. Der Feld-Herr giebet Beyfall und bestätiget: daß offtmals der Krancken feste Hoffnung der Hand des Artztes zu Hülffe komme / gebrauchten Kräutern frembde Kräffte zuwüchsen / und die Einbildung allerhand Kranckheiten und Gebrechen zu heilen / ja so gar in Bildung der Geschöpffe die Natur zu bemeistern mächtig sey. Fürst Zeno kommt auf Veranleitung der liebreichen Erato auf die Erzehlung seines Ursprungs / Auferziehung und Ankunfft nach Sinope /dahin ihn die Hinterlistigkeit des Armides geführet /und zur erfolgenden Vermählung dem Könige Ariobarzanes in die Hände gespielet / darzu denn alsbald alle Zubereitungen im Tempel gemacht / der König in seinem Vorsatz von des Zeno Vater dem Polemon unterstützet; die Königin Dynamis aber wegen der ihr hierinnen bewusten Heimligkeit / der vermeinten Arsinoe / in höchstes Bekümmernüß gesetzet wird. Diese Arsinoe ist in der Kindheit zu Rom gestorben /und in das Begräbnüß des Großvaters Mithridates geleget / nachmals unter dessen Person Zeno auferzogen worden. Polemon erschrickt über diesem von der Dynamis ihm geoffenbahrten Sohne als einer Schlangenbrut / wil ihm auch im Tempel das Schlacht-Messer in Leib stossen / wenn ihn nicht des Priesters Arm daran verhindert. Polemon und Dynamis streiten hierauf mit einander über dem Haß und Liebe / ob solche nur von der blossen Einbildung / oder von einem geheimen Triebe der Natur herrühren / darinnen sie das unvermeidliche Verhängnüß entscheidet / die Dynamis nebst dem Zeno aber aus dem Tempel ins Gefängniß bringet / in welches der wütende Vater Polemon mit einem blancken Dolche / den er von seinem Schutz-Geiste empfangen zu haben sich rühmet / einbricht / um seinen Sohn aufzuopffern / dessen Standhafftigkeit den Vater in Furcht und Verwirrung endlich aber zu der Entschlüssung bringet: daß er durch den Königl. Stadthalter Nicomedes der Dynamis die Freyheit / dem Zeno dagegen die augenblickliche Entfernung von Sinope ankündigen läst. Nicomedes erzehlet die dem Polemon im Schlaffe zugestossene Einbildung / und daß der von seinem Schutz-Geiste empfangene Dolch des Mithridates gewesen / mit mehrer Ausführung was von Träumen zu halten? Diese Erzehlung unterbricht Salonine durch Auflösung / der Wundbinden / und Prüfung des wolangeschlagenen neuen Pflasters. Worauf [497] alsbald Zeno wieder in der Erzehlung fortfähret: wie er in seiner gewöhnlichen Frauen Tracht von seinen zweyen Edelleuten vergesellschafftet zu Schiffe gegangen / in die berühmte See- und Handels-Stadt Dioscurias / um allda desto unkenntlicher zu seyn / geschiffet / von denen am Strome Hippanus und Tyras wohnenden See-Räubern angefallen / diese aber durch tapffern Widerstand endlich überwunden / und nach erobertem Schiffe fußfällig von denen Gefangenen in seiner Frauen Kleidung vor die Fürstin Arsinoe erkennet / ja als eine Schutz-Göttin verehret / die auf dem Raub-Schiff zugleich erlösete Panthasilea aber vor der Amazonischen Königin Minotyea Schwester und einzige Tochter des Albanischen Königs Zobers mit Hindansetzung ihres väterlichen Reichs gehalten worden. Er Zeno / weil er bey seiner verkleideten Gestalt den König der Meden und Armenier Ariobartzanes nicht hätte ehlichen wollen / hätte ihn der Pontische König Polemon aus allen seinen Reichen verbannet. Panthasilea versprichts mit Ausschüttung vieler Mitleidungs-Thränen ihn bey der Königin Minothea anzubringen. Hierauf kommt Flavius und Rhemetalces auf die Numidier alten Egyptier und andere Völcker / bey welchen die Männer den weiblichen / die Weiber aber den männlichen Verrichtungen obgelegen. Panthasilea erzehlet ihren Ursprung / und wie des deutschen Königs Alemanns als ihres Uhranherrns Tochter Vandala die erste Kämpfferin zu Pferde / ja aller Amazonin Mutter gewesen. Dieser sparsamen Liebes-Wercke in ihrer mit des Bojus Sohne Tanausis geführten Ehe; Ihre hertzhaffte Antwort und Tapfferkeit gegen den Egyptischen König Vexoras oder Sesostres in Iberien bey der Stadt Harmasis / allwo die Egyptier die gerüsteten Weiber vor eitel Gespenster angesehen / und nebst ihrem hierbey verwirreten Könige Hertz und Feld verlohren. Zum Zeichen dieses Sieges und vieler darauf folgenden Länder bauet ihr Vandala zwischen die Ströme Iris Thermedan ans Meer zu ihrem Königl. Sitze die Stadt Themiscyra; Tanausis aber nach Eroberung des kleinen Asiens / Syriens / Mesopotamiens und Assyriens Hirapolis und Bethsan / welcher guten Länder wegen die Gothen ihres kalten Vaterlands / ja Frauen und Kinder vergessen. Vandala setzet den überwundenen Sacken einem Scythischen Volcke ihre Base Zerina zur Königin vor / und führet dardurch auch bey den rauhen Meden die Amazonische Herrschafft ein. Sie eilet den Gotischen ihrer Männer entblösten Frauen in Cappadocien zu Hülffe /und giebet alsbald dem zweiffelhafften Siege an dem Fluße Iris seinen erwüntscheten Ausschlag / bauet dahin wegen ihrer unter währendem Kampffe aufgeflochtener Haarlocken die durch Grichische Redens-Art so benamte Stadt Komana / ingleichen der Kriegs-Göttin unter dem Nahmen der Taurischen Diana einen prächtigen Tempel / darinnen nachgehends Agamemnon seiner Tochter Iphigenie Opffer Meße aufgehoben. Die Gotischen Frauen tödten ihre zu Hauße gebliebene und der Schlacht sich entzogene Männer vollends / nehmen den Nahmen der Amazonen und die ersten Gesetze der Vandala an / welche ihnen die zwey tapffersten Frauen Marpesia und Lampeto zu Königinnen fürsetzet / diese brennen ihnen selbst / den Bogen desto besser zu gebrauchen / die rechte Brüste ab / und nennen sich Tochter des Kriegs-Gotts und der Diana. Endlich stirbt nach vielen Siegen in ihrem Reiche Vandala / und läst das Gedächtniß einer Göttin der Tapfferkeit hinter sich. Marpesiens sieghaffte Waffen biß in das Caucasische oder nachgehends nach ihr genennte [498] Marpesische Gebürge unterbricht ein Assyrischer Pfeil / ihre Tochter Gorgonia verfolget ihre Siege / von welcher die so genannten mit Schlangen behangene Gorgonische Schilde und Waffen den Nahmen bekommen / wird aber auch letzt durch Hinterlist vom Perseus erleget. Nach ihr herrschet die Königin Myrine / diese überwindet die Syrer durchs Schwerdt / die Cilicier durch Schrecken / bauet auch unterschiedene Städte / biß sie ebenmäßig in der Schlacht wider die Thracischen Könige umkommet. Lampeto und ihre Tochter Antiope wird nicht weniger sieghafft und in die Höhe eines so rühmlichen Urtheils gestellet: daß eine Amazone zu überwinden so wenig / als den Himmel mit Fingern zu erreichen möglich / und dem Hercules einer Amazonen Gürtel vor ein schwerers Werck / als das goldene Fell aus Colchis zu holen auferleget sey. Die von den Amazonen hart bekriegte und fast über den Hellespont getriebene Griechen bauen diesen ihren Feinden zum ewigen Gedächtniß die Stadt Amazonia auf. Panthaseleens Liebe gegen den König der Mysier Telephus des Hercules und der Auge Sohn bringet das Amazonische Reich in Aufstand; fällt aber doch gleichwol bald die aufs neue Troja beängstigenden Grichen wieder an / darunter die hertzhaffte Königin Tamyris dem Scythischen Könige Madyes wider den Cyrus zu Hülffe kommt / ihres erwürgten Sohnes Rhodobates wegen viel tausend Persen erleget / gegen den König selbst aufs grausamste wütet / und dardurch allen Völckern ein Schrecken einjaget / auch behauptet: daß kein ander als Königl. Geblüte ins künfftige den Thron betreten solle. Die Königin Thalestris sendet wider des Königs Artaxerxes Ochus verschnittenen Meuchelmör der Ochus Bagoas und den sich zum Könige aufgeworffenen Darius Codman tausend Amazonen / welche des Gotischen Königs Sitalces Tochter Syeda zwar hertzhafft führet / aber tödlich verwundet / vom Atropates gefangen / dem grossen Alexander verehret / und alldar dem die Großmüthigkeit der deutschen verfechtendem Fürsten Anthyr vermählet wird / mit dem sie wieder in Deutschland zurücke reiset. Zeno bekommt Nachricht von der Fürstin Thußnelde: daß diese zwey Helden-Leute nicht allein glücklich im Vaterlande ankommen / sondern ihnen auch die Heruler zwey steinerne Ehren-Bilder aufgerichtet / die Syeda als eine Ceres verehret / und ihr jährlich geopffert haben. Von diesem uhralten Stamm haben die noch heutiges Tages blühenden Hertzoglichen Wappen den Bucephals Kopff geerbet. Die Königin Thalestris wird vom Alexander mit List hintergangen / endlich gar von ihm geschwängert; die Königin Erato von der Fürstin Thußnelde zu einiger Erzehlung ihres Helden-Stammes / beyde aber dardurch gegen einander zu sonderbaren Höfligkeiten gebracht: biß endlich Rhemetalces von diesen Heldinnen /ingleichen von der hertzhafften Teuta ausführlicher zu erzehlen vom Zeno selbst ersuchet / auch vom Feld-Herrn darinnen unterstützet wird: wie ihr Vater Basan ein Sicambrischer König seinen einzigen Sohn Sedan wegen Ehbruchs getödtet / und dardurch Deutschland in Krieg verwickelt habe. Der Illyrier König Agron beut ihm seine Freundschafft und Beystand an: worauf König Basan mit seiner streitbaren Tochter Teuta / und zwar er durch seine Klugheit / die Fürstin mit ihrer Tapffer-König Agron durch seine Streitbarkeit den Feinden obsieget. Basan erlegt eigenhändig den König Thabor; Teuta den Heerführer der Sarmaten /und Agrons Heldenthaten bringen ihm die Vermählung der Teuta auf der Wahlstatt zu wege. Rhemetalces [499] fähret in Erzehlung der Illyrier und des sie bekriegenden klugen König Philipps in Macedonien / welcher zu aller benachbarten Fürsten geheimten Rathhäusern einen goldenen Schlüssel gehabt / und zu der grossen Welt-Beherrschung Alexanders den Grundstein geleget / weiter fort: an wen nemlich nach seinem Tode die Königl. Gewalt Illyriens verfallen; wie Eacidus König in Epirus aus dem Reiche verjagt; sein zweyjähriger Sohn Pyrrhus zur Aufopfferung von dem wütenden Volcke verfolget / endlich vom Glaucias dem König der Illyrier und seiner Gemahlin Beroe wider den Macedonischen König Cassander in Schutz genommen / und nebst seinen Söhnen auferzogen /letzt im zwölfften Jahr auf den väterlichen Thron gesetzet worden. Dem Glaucias folget sein Sohn Pleuratus / diesem aber der Hoffnungs-volle Agron der Teuta Ehgemahl / welche die Mydioner wider die unruhigen Etolier durch eine ansehnliche Gesandschafft um Hülffe anflehen. Teuta als ein Kriegsknecht verkleidet gehet ohne wissen des Königs zu Narona zu Schiffe / setzet in Etolien aus / erleget sie nebst dem Etolischen Zunfftmeister; kommt nicht allein mit reicher Beute / sondern mit noch grösserm Ruhme zurücke / weil ihr die Mydioner eine Ehren-Säule als ihrer Erlöserin aufsetzen. Uber dieser plötzlichen Freude stirbet ihr Ehgemahl Agron / und läst einen einzigen von einer Grichin gezeugten Sohn Nahmens Pines. Teuta herrschet in dessen Minderjährigkeit über die massen wol / demüthiget die sie antastende Eleer und Messenier / nimmt auch gar die Stadt Phoenitz in Epirus mit stürmender Hand ein / wird aber in vollem Siege wegen der erlangten Nachricht / daß die Insel Issa und die Stadt Epidamnus sich den Dardanern ergeben / zurück in Illyrien geruffen: da sie alsbald die Aufwiegler wiederum zum Gehorsam bringet / sich aber zu Rom über die den Meineydigen gethane Hülffe beschweret. Sie stöst den vom Eylande Isso abgeordneten Calemporus wegen seiner bey der Verhör allzuscharff gebrauchten Worte mit eigener Hand tod / den Römischen Gesandten aber läst sie im Rückwege hinrichten / zwey Stadt-Thore zu Dyrrachium erobert sie mit List / das Eyland und die feste Stadt Corcyra beko t sie zum Sieges-Preiße / welche der Römische Bürgermeister Cajus Fulvius durch gutes Verständniß mit dem Stadthalter wieder einnimt. Gleichwol erhält der Teuta Hertzhafftigkeit beyden Römern noch einen vortheilhaftigen Frieden /weiset Demetrium mit seiner an sie muthenden Liebe schimpflich ab / welcher sie als eine treulose Stief Mutter deßwegen bey der Tritevta des jungen Fürsten Pines rechten Mutter / hernach auch bey den Römern aufs neue verhasst macht: daß sie ihn zum Vormund erkieset / die unvergleichliche Königin Teuta aber durch ein paar überschickte gifftige Handschuch tödtet / und also den Demetrius durch ihre Vermählung zum Stiefvater / kurtz hierauf aber zu ihrem eigenen Meuchelmörder machet. Thußnelde und Erato stellen wechselsweise den Unterscheid zwischen der Tugend und dem Glücke oder Verhängnüße vor. Fürst Zeno verführet seinen von der Panthasilea erhaltenen Bericht / und wie des Gothischen Königs Coriso Amazonische Tochter Syrmanis durch List den Römern wieder entnommen; kommt hierauf auf die sonderbaren Merckmahle der Argonauten und den Tempel der Medea; Hertzog Herrmann aber wie diese insonderheit Hercules / Jason und Medea mit dem entwendeten goldenen Widder sich vor dem Colchischen Könige flüchten müssen; Fürst Zeno / wie er mit Panthasilea von Discurias aufgebrochen / zu Ampsalis [500] von denen Amazonen insonderheit der Königin Minothea empfangen / mit allerhand Lustbarkeiten und Jägereyen ergetzet worden / rühmet zugleich ihre Tugenden und grossen Reichthum. Der Königin Minothea und Panthasilea Liebe gegen den gefangenen Fürsten Oropastes / und dessen wiederum gegen den verkleideten Zeno. Oropastes lehnet der Königin Minothea Liebe durch ein der Göttin Diane gethanes Gelübde höfflich ab / verfällt aber durch der einen Hirsch verfolgenden Panthasilea nachdenckliche Antwort in das gröste Unglück / durch welches er seine Mannheit / wie Panthasilea die Augen / von der erzürnten Königin Minothea verlieren soll. Hertzog Herrmañ Jubil und Flavius nehmen hierbey Anlaß auf die Schönheit und Vortreffligkeit der Augen zu kommen. Fürst Zeno eröffnet dem Oropastes sein bevorstehendes Unglück und fliehet nebst der Schwester Syrmanis über die höchsten Gebürge. Sie finden in dieser ihrer Flucht allerhand Seltzamkeiten / ja vermöge der in Stein und Felßen alldar eingegrabenen Reimen und Lob-Sprüche gleichsam ein irrdisches Paradieß; daß auch Oropastes und seine Schwester Syrmanis ihr Leben allda zuzubringen sich entschlüssen. Diesen Fremdlingen erzehlet der Priester Meherdates ihren Gottesdienst /und sein der Königlichen Würde gleichendes Priesterthum. Fürst Zeno kommt wiederum auf seine zurück gebliebene Rede: wie er mit dem Oropastes und Syrmanis auf die Spitze des Berges Caucasus zu dem Tempel des Prometheus gereiset / wie hoch solcher sey / und was sie allda angetroffen / auch wie weit sie darauf ihr Augenmaaß getragen; was vor Herrligkeiten und Kunststücke sie in solchem Tempel angetroffen / und wie endlich sie der Priester in seine Höle zu einer köstlichen Blumen- und Kräuter-Mahlzeit eingeladen. Hierauf den Augenblick auch dem Hertzog Herrmann die bereitete Tafel angekündiget / dem noch schwachen Zeno zu Liebe aber in seinem Zimmer auf Römische Art nicht so wol der Schwelgerey als Beqvemligkeit wegen iedem auf einem Bette bey der Tafel zu speisen Anschaffung geschiehet. Dabey kommt der Deutschen Speise-Art nicht weniger auf den Teppich als die Speisen auf die Tafel / und die aufgetragenen fremden Fische geben zu mehrer Verwunderung Anlaß: daß gewisse Völcker Würmer /Heuschrecken / Nattern / Schlangen vor die besten Leckerbißichen halten. Die Tafel wird mit allerhand fremden Köstlichkeiten besetzet / die sie mit herrlichem Weine wie auch sonst allerhand Gesundheits-Wässern begiessen / und dabey von dem Gebrauch und Mißbrauch der starcken Geträncke denen darinnen Meister spielenden Völckern / von dem Unterscheid gekochter und ungekochter auch anderer Wässer / zu reden Gelegenheit nehmen. Diesen langwirigen Wortwechsel unterbricht bey aufgehobener Tafel das so gar ungemeine und von seiner Natur des Holtzes wunderbar gebildete Tischblat. Zeno kommt wieder auf den Priester Meherdates und den von ihm genommenen Abschied / auch / daß er wegen des zersprungenen Caucasus und des erst bewunderten Tempels Abstürzung nebst seiner Gefährten bald um sein Leben kommen / wie hier von nichts mehr / als des Prometheus beschriebener und an einer Seite zerschlagener Leichenstein / zu Verführung ihrer Reise aber wegen zerfallener Klippen fast kein Ausgang mehr übrig gewesen; nach ihren mühsamen und gefährlichen Auswickelung sie zum grausamen Strudel kommen / welcher das schwartze und Caspische Meer unsichtbar vereinigen / und solches Wunder ein vom Mithridates beschriebener Fisch / wie ein Delphin zwischen dem Caspischund [501] Persischen / dem rothen und Mittel-Meer / der West- und Ost-See gethan /denen Einwohnern entdecket haben soll. Zeno / Oropastes und Syrmanis erlittener hefftige Sturm auf dem Caspischen-Meer / und Syrmanis dabey mit unterlauffende Ungedult / wie nicht weniger ihre wunderbare Errettung; die Furcht vor den Scythen und die ihnen aufgebürdeten Kriegsdienste; ihre Verhör vor dem Könige Huhansien am Fluße Ganges; dessen sein Aufzug / Art und Kleidung; seine Freundlichkeit und grosses Versprechnüß; sein schneller Brückenbau über den Fluß Ganges; die Ankunfft an die Serischen Gräntzen / dieser elende und dürre Beschaffenheit /der Scythen daher verursachte er bärmliche Durstleschung. König Huhansien argwohnet der Syrmanis Geschlecht / ja dieser / der mit Uberwindung des Serischen Reichs schwanger gehet / wird ein Gefangener der Liebe / die ihm seine gute Vernunfft als einen Wetzstein der Tapfferkeit vorstellet. Fürst Zeno wird von einem Scythischen Fürsten des Serischen Reichs Beschaffenheit nebst der Ursache des gegenwärtigen Krieges verständiget / und daß unter ihren Königen vornemlich Hoangti und Yvas die Erfinder vieler himmlischen und fast aller Handwercks-Künste wären / weßwegen sie auch von den Inwohnern hochgehalten und lebendig vergöttert worden: Massen die Wohlfarth des Reichs ins gemein von frommen und verständigen Fürsten als ein unausbleiblicher Seegen zu hoffen. Alexanders des Großen in Asien am Fluße Hyppanis aufgebaute und theils zu seinem Ruhm /theils zu seiner Verkleinerung überschriebene Altäre. Die 300. deutsche Meilen oder 10000. Serische Stadien lange Mauer vom Könige Tschin oder Fius am Ost-Meer erbauet. Der Serer und Scythen eingepflantzte Widrigkeit so groß: daß diese beyde Völcker auch nicht auf einerley Art in Mutterleibe zu liegen /und gebohren zu werden gewohnet. Die Europeer werden von allen hoffärtigen Serern nur einäugicht /die andern Völcker alle aber vor blind gehalten. Die Sud-Tartern im Königreich Nackia unterwerffen sich der Serischen Bothmäßigkeit / und bringen zum Zeichen ihres Gehorsams diesen Königen jährlich eine weisse Phasan-Henne. Der Sud-Tartern hefftige Niederlage auf dem Berge In vom Serischen Feldhauptmann Gveicing erlitten; ihre Gewohnheit beym Sebel und der Nacht-Eule zu schweren so heilig als das Pallas-Opffer der Athenienser. Die mächtige Stadt Siucheu am Fluße Kiang von redenden Papegoyen berühmt wird durch eine dieser Vögel ungläubliche Propheceyung zur Ubergabe gebracht. Von diesen und dergleichen wahrsagenden Vögeln kommt Zeno wiederum auf der Serer Land / und ausgehauenen Wunder des Berges Fexao und Tunghuen. Der Serer Lebens-Art gibt ihnen Anlaß zu überlegen: ob die Weltweißheit bey den Waffen stehen könne? Hartes Gefechte zwischen beyden Königen Huhansien und Ivan; des ersten gefährliche Verwundung / dessen tödtlicher Streich von der Syrmanis siegreichen Händen / die ihr durch gewisse Abgesandten deßwegen angetragene Königliche Würde nimmt sie mit höchster Bescheidenheit an. Der Serer Meinung von Beschaffenheit der Seelen und der Gemüths-Ruh. Ihr vornehmstes Geschencke 12. im gantzen Königreich ohne Maal und Flecken ausgelesene und mit den köstlichsten Edelgesteinen gezierte Jungfrauen an den König Huhansien /die er aber als ein teutscher Fürst hertzhafft ausschlägt / und hierdurch diese zur Verlobung ewiger Jungfrauschafft / sich aber in die Liebe der Syrmanis /die er nunmehr aus vielen [502] Kennzeichen vor die Weltberühmte Tochter des Königs Catisons urtheilet / versetzet / sie auch alsbald der Landes Art nach auf entblösten und geschrenckten Scythischen Sebeln vor die Königl. Braut ausruffen / wie nicht weniger den Getischen König durch Gesandten insonderheit den Oropastes um die Einwilligung ansuchen läst. Huhansien vergist bey der Liebe nicht seine Siege; er erobert die fast unüberwindliche Stadt Hamfung durch Sturm /den Fürst Zeno krönet er wegen der ersten Ersteigung und Tödtung des Serischen Helden Pingli mit Lorbern / welche ihm aber von den verzweiffelten Serern bald hier auf mit Blute gefärbet / Huhansien und Syrmanis auch selbst dabey / iedoch mit erhaltener Wahlstatt verwundet werden. Diese beyde kommen nebst dem Zeno bey Betrachtung des Wunder- oder Frauen-Berges Yonin auf die in Stein und Holtz befindlichen seltzamen Bildungen der Natur / insonderheit macht dieser letzte auf Befehl des Königs mit seinen bey sich habenden Scythen ihm Berg / Klippen und Steine wegsam / daß sie die Feinde auch mehr für Götter als Menschen ansehen. Hertzog Hermann lobet am Zeno die Mäßigung seiner hierdurch erlangten Ehren-Maale / weil ein vernünfftiger Diener niemals aus seinen Thaten ihm einen Ruhm erzwingen / sondern alles der Leitung seines Fürsten zuschreiben solle. Mit Eroberung der Stadt Qvanchung wird ihnen auch der alle andere der gantzen Welt übersteigende Königliche Schatz zu Theil. Ivens Leiche auf Königs Huhansiens Befehl nebst einer in Jaspis gegrabenen herrlichen Grabschrifft nach der Serer Art in ihrer Ahnen Grufft prächtig beygesetzt / um zu zeigen: daß sich auch die gerechteste Rache nicht über eines Feindes Tod erstrecken solle. Huhansien wird um Frieden angeflehet / solcher auch durch den hierzu Gevollmächtigten Zeno mit erwüntscheten Bedingungen beschlossen. Fürst Zeno und Hertzog Herrmann halten an der ungemeinen Fruchtbarkeit des Gebürges Lie / welches wegen des frommen Xuno weder Dornen noch Unkraut tragen soll / wahr zu seyn: daß die Frömmigkeit der Fürsten einem gantzen Lande Seegen / seine Laster aber Göttliche Straffen zuziehe. Der weltweise Cheucung wird wegen seiner sonderbaren Geheimnüße / insonderheit wegen der entdeckten Krafft des Magnets / den sie den Hercules. Stein nennen / bey den Seerern Göttlich verehret / das Bild des Flußes Kiang aber gleich dem Rhodischen Sonnen-Colossus nebst seinen denckwürdigen Uberschrifften der Haupt-Stadt Suchem / des Königlichen Sitzes Moling und Porcellanenem Thurme vom Zeno mit gröster Verwunderung betrachtet / seine öffentliche Verhör aufs prächtigste vorgenommen / und der auf seidenes Pappir geschriebene Friedens-Schluß vom Serischen Könige ihrer Art nach beschworen / endlich der Gesandte mit vielen Geschencken an den König Huhansien wieder abgefertiget. Seine Zurückreise über die reiche Handelstadt Uching und Schlangen-Gebürge Kutien an die von ihm mit Sturm eroberte feste Stadt Junchhang / und endlich wiederum ins Königl. Lager Huhansiens. Luckiang der weißen Elephanten Enthaltniß / dieser ihre Kämpffens-Art / und von diesen dem Zeno zugestossene Gefahr; Seine eingewurtzelte Liebe gegen die Königin Erato vertreibet alle vom Huhansien und denen Indianern ihm angetragene Glücks- und Ehren-Strahlen. Perimals gefangene Gemahlin wird durch vielmal sie überwiegende Perlen und Edelgesteine von ihren Unterthanen ausgelöset /auch noch so viel ihrer Erlösung wegen von den Früchten dieses unschätzbaren Landes ihren Göttern und den [503] Armen gegeben. Zeno berichtet / wie er der Indianer Weiber sich so freudig mit ihren verstorbenen Männern auf dem Holtzstoß verbrennen sehen /und dieses alles aus einem verborgenen Egyptischen und Brahminischen Gottesdienst / davon wie auch von Wanderung der Seelen ihnen der Priester Zarmar viel Erzehlungen machet. Zeno erlegt bey dem goldreichen Eylande Catucaumene ein von seltzamer Gestalt sich dem Schiffe näherndes Seeweib / überläst dardurch dem klugen Nachdencken der Welt: was von Syrenen oder dergleichen Meer-Wundern zu halten? Des Käyserlichen Stadthalters Cornelius Gallus zu Heliopolis mit einer allzu ruhmräthigen Uberschrifft von ihm selbst aufgerichtete Sonnenspitze lehret: daß alle neblichte Neben-Sonnen / welche ihre rechte Fürsten-Sonne überscheinen wollen / sich in vergängliche Regentropffen verwandeln müssen. Die Anlendung in der herrlichen Krocodil-Stadt bey dem Behältnüß des fruchtbaren Nils / und dem dabey befindlichen vom Könige Meris erbauetem wunderwürdigen Irrgebäu. Der Nilus führet sie von einem Wunder zum andern /und also auch von dar nach Memphis zu den alten Grabe-Spitzen / dem sieben Wundern der Welt / oder vielmehr zu den zerfallenen Uberbleibungen der Eitelkeit. Die Gesandtschafft langet über Babylon zu Marmacus in der Samischen Sybillen Geburts-Orte glücklich an / in dessen vornehmsten Tempel sie das ertztene Bild der Ceres und Pythagoras des vollkommensten Weltweisen und halb-Gottes mit allerhand sinnreichen Uberschrifften nebst seinen eifrigen Nachfolgern antreffen; kommen von dar auf die Insel Paris zum schönen Tempel des Pallas / nachgehends an den Munychischen und Pyreischen Haafen zu denen noch sichtbaren Merckmahlen des raaserischen Sylla / biß sie die Begierde vollends zu Theseus Tempel / zum Grabe Menanders und Euripides / ja zu dem Heiligthume des vergötterten Socrates führet / dessen Porphyrenes Bild und Grab sie mit einer Hand voll Narcissen und Hiacynthen verehren. Der Gesandten Ankunfft; Käysers Augustus prächtiger Einzug in dem Augapffel Grichenlands der aller Künste und Weißheit vollen Stadt Athen, dabey der Käyser in Gestalt des Saturns und anderer Götter; Livia der Astrea und Ceres; beyde endlich aus Gold in des Jupiters und Juno Stelle gesetzet werden. Alle Tempel müssen dar geöffnet und den Göttern von wegen des Gottes Augustus geopffert / Ringen / Rennen / alle ersinnliche Lust- und Schau-Spiele begangen seyn. Des Indianischen Gesandtens Verhör beym Käyser / von da er an den tugendvollen Höfling und Staats-Mann Mecenas des Käysers Schooßkind zum Bescheid verwiesen wird. Ihr Gespräch bey der Tafel über die gesunden und ungesunden Speisen; des Käysers persönliche Besuchung; Mecenas eröffneter Bilder-Saal; seine Freygebigkeit gegen die Indianischen Gesandten; deren erkenntliche Danckbarkeit durch allerhand mitgebrachte und von der Natur wunderbarer weise gebildete Seltzamkeiten / darüber sich Mecenas kaum so sehr erfreuen / als Zeno sich über dessen scharffsinnigem Prometheus vergnügen kan. Nach Maselipals abgelegter Verhör werden ihnen alle Gedächtnüße der Stadt Athen / insonderheit die Tempel mit ihren Heiligthümern und Gottesdienste der alles in sich begreiffenden geschleyerten Isis gezeiget. Die Gesandschafft vom Zarmar zu des Plato Grabe und seiner von den Spartanern allein unverletzten hohen Schule geführet. Zarmars Lehre gegen die Atheniensischen Weltweisen insonderheit den sich vor andern herfürthuenden [504] Cheremon von Beschaffenheit der Seele und einem einzigen Göttlichen Wesen: die er auch mit Aufopfferung seines zeitlichen und Erwartung eines glückseligern bewehret. Seine Asche wird zu Athen als ein Heiligthum verwahret / Masulipat beurlaubet; Zeno aber wegen seiner entbehrten Erato als ein umirrender Stern in Griechenland gelassen / iedoch nicht gar aus dem Creiße der Vernunfft und vorsichtigen Klugheit geleitet.

Das Fünffte Buch
Das Fünffte Buch.

Die wundersame Zusammen-Neigung zweyer an sich selbst unterschiedener Dinge / stecket nicht allein in Steinen / in Ertzt und Pflantzen / sondern auch in den Seelen der Menschen. Der Magnet zeucht nicht so begierig das Eisen / der Agstein die Spreu / das Gold das Qvecksilber an sich; die Reben vermählen sich mit dem Ulmenbaume nicht so gerne / als etliche Gemüther an einander verknüpffet sind. Dessen einige und wahrhaffte Ursache ist alleine bey beyden die Verwandschafft ihrer Aehnligkeit. Denn auch die unbeseelten Dinge haben wo nicht einen Trieb / doch eine Geschickligkeit sich mit ihres gleichen zu vereinbarn. In einem Siebe samlet sich unter unzehlbarem Gesäme mehrentheils einerley zusammen. Das sich aufschwellende Meer wirft die runden Kiesel an einem / die länglichten an einem andern Orte über einen Hauffen. Wie viel mehr ist nun solcher Zug in beseelten zu finden. Der Weinstock hat die Eigenschafft aus der Erde die Süßigkeit / die Wolffsmilch das Gifft / die Kolokinthen die Bitterkeit an sich zu ziehen. Nach dem nun aber des Menschen Geist durch die Kräfften der Vernunfft aller anderer Dinge Neigungen weit überlegen ist; darf es keiner Verwunderung / daß einige ihrer Aehnligkeit halber entweder in Tugenden / oder auch in Lastern so feste an einander /als die Schnecken und Austern an ihren Muscheln und Häusern kleben. Jedoch weil eine Tugend mit der andern / nicht wie die Laster zusammen zwistig sind, ist keine festere Verbündnüs nicht anzutreffen / als zwischen denen der Tugend geneigten Seelen.

Derer waren nun vorigen Tag eine ziemliche Anzahl zusammen kommen / welche / weil die Tugend nicht so / wie die Boßheit hinter dem Berge zu halten / und ihre Häßligkeit inwendig nein zu kehren Ursach hat / durch ihre ausgelassene Verträuligkeiten einander ziemlich ausgenommen hatten. Ihre Gemüths-Aehnligkeiten reitzten sie also stets um einander zu seyn; Die Höfligkeit aber / und das Mitleiden verband sie den von seinen Wunden noch nicht genesenen Fürsten Zeno / welcher sich den Tag vorher über seine Kräfften ausgemacht und nebst andern Fürsten dem Frauenzimmer aufgewartet hatte / in seinem Gemach heimzusuchen. Also verfügten sich der Feldherr /Hertzog Flavius / Jubil / Arpus / Catumer / Rhemetalces und Malovend in Thußneldens Zimmer / da sie denn bey ihr die Königin Erato / Ismenen und Saloninen antraffen / und weil sie selbst darzu Anlaß gaben / sie zum Fürsten Zeno führeten. Dieser empfing solche annehmliche Gesellschafft aufs freundlichste /wünschte dem Feldherrn über dem neuen Siege / und der Erlösung seiner unvergleichlichen Thußnelda Glück; Auf erfolgende Befragung um seinen [505] Zustand aber ließ er sich heraus: Es müsse Deutschland einen viel gnädigern Himmel als andere Länder haben; Denn über die grosse Sorgfalt / welche der Fürstliche Hoff seiner Genesung halber fürkehrete / hätte er diese Nacht in einer überaus sanfften Ruhe erfahren /daß die Götter selbst um seine Gesundheit bekümmert wären / nachdem ihm gegen Morgen eigentlich geträumet hätte: Wie ein Frauenzimmer ihm die Binden von den Wunden aufgemacht / selbte besichtiget / und / nachdem sie daran eine übermäßige Geschwulst und Jucken verspüret / gemeldet hätte: Es wäre der Degen mit Ziger-Kraute vergifftet gewest. Daher wären die Wunden mit andern / als zeither gebrauchten Mitteln zu heilen; sie sey auch alsofort weggegangen / habe gestossene Raute gebracht / und sie ihm aufgelegt. Sie verwunderten sich über dieser Erzehlung nicht wenig / Salonine aber sing an: Sie hielte diesen Traum in allewege für eine göttliche Offenbahrung / und hätte sie ihr nicht allein erzehlen lassen / daß / als Ptolomäus für der Stadt Hamatelia durch ein gifftig Geschoß verwundet / und nunmehr an seinem Leben gezweiffelt worden / dem für diesen tapfferen Krieges-Obristen so sehr bekümmertem Alexander zu seiner Genesung ein dienliches Kraut ebenfals im Traume gewiesen worden sey / sondern sie hätte auch in Syrien in einem Seraphischen Tempel gesehen / daß krancke Leute darinnen nach verrichtetem Gebete eingeschlaffen /und eine Artzney im Schlaffe zu vernehmen gehoffet. Rhemetalces fiel ihr bey / und meldete: Es hätten die Syrer nicht allein diesen Glauben / sondern die Griechen verehrten den Esculapius nichts minder für einen GOtt der Wahrsagungen / als der Artzney. Die Egyptier erzehlten für eine unfehlbare Warheit / daß Isis ihren Krancken durch Träume ehre Artzneyen offenbarte. Die Carier rühmten sich / daß sie eben diß von ihrer angebeteten Hemithea im Schlaffe erführen. Hiermit gieng Salonine unverrückten Fusses in Garten / brachte zerqvetschte Raute / und Erato legte nach vorher erhaltener Genehmhabung des Wund-Artztes / welcher dieses Kraut rühmte / und / daß die wenigsten Eigenschafften der Kräuter noch unergründet wären / zugestand / solches selbst auf des Fürsten Zeno Wunden. Dieser fing hierüber schertzweise an: Er hätte darzu ein grosses Vertrauen. Denn zu Rom hätte man gantzer sechs hundert Jahr alle ihre Kranckheiten auch nur mit einem Kraute / nehmlich mit Kohle glücklicher / als hernach mit theurer Vermischung vieler ausländischer Gewächse geheilet. Wie viel heilsame Artzneyen wären auch nicht dem Menschen von Thieren gewiesen worden? Wenn aber auch schon sein Traum ein eiteler Wahn / und diß Kraut für sich selbst zu seinen Wunden nicht dienlich wäre /müste es doch von so schönen Händen / und einem so mitleidendem Hertzen eine neue Krafft empfangen. Die Königin Erato färbte sich über diesem Lobe / und versetzte: Sie wüste zwar wol / daß die Natur ihren Gliedern keine Würckung der Wund-Kräuter verliehen hätte / da aber hertzliche Liebe die Krafft zu heilen / oder Wunder zu thun hätte / wolte sie an nichts weniger / als an der Würckung dieses gemeinen Krautes / und an des Fürsten Genesung zweiffeln. Hierüber netzte sie die Pflaster mit einem Strome voll Thränen / gleich als wenn ihre zarte Seele auch ein Theil zu dieser Artzney beytragen müste. Hertzog Jubil fing hierüber an: Das Glücke eine so vollkommene Fürstin zu seiner Aertztin zu haben / und nichts minder von so schönen Händen verbunden / als von so himmlischen Augen bethauet zu werden / solte einen lüstern machen kranck zu werden. Rhemetalces pflichtete ihm bey / und sagte: Bey Aertzten von solcher Beschaffenheit könte er so viel leichter anderer Aertzte Meinung annehmen / daß wie die bunte Farben-Vermengung der Tulipanen von ihren [506] Kranckheiten herrührte; also etliche Schwachheiten den Menschen theils schöner /theils verständiger machten. So ist / versetzte Jubil /unter so gütige Kranckheiten sonder allen Zweiffel die Liebe zu rechnen; welche / wo nicht dem Leibe eine Zierrath / doch den Gliedern eine Geschickligkeit beysetzt / fürnehmlich aber dem Geiste ein Licht anzündet / und den Ruhm verdient ein Wetzstein der Tugend genennet zu werden. Der Feldherr brach ein: Ich gebe das letztere gerne nach; diß aber ist der Liebe viel zu verkleinerlich / daß sie mit dem Nahmen einer Kranckheit verunehrt werden wil. Jubil antwortete: zum minsten müssen wir enthengen / daß sie eine Mutter der Kranckheiten sey / wo es wahr ist / daß Antiochus aus Liebe gegen der Stratonica todt-kranck worden. Der Feldherr versetzte: Nicht die Liebe / sondern der seiner Liebe angethane Zwang / und in dem er diß / was sich so wenig / als das Feuer verbergen läst / in seinem Hertzen verdrücken wolte / setzte den Antiochus in so erbärmlichen Zustand. Durch die Liebe aber seiner Stratonica / ja durch einen einigen Anmuths-Blick / ward er gleichsam in einem einigen Augenblicke gesund. Also eignet Fürst Zeno der Erato nichts neues zu; wenn er von dem Einflusse ihrer Gewogenheit ihm zu genesen Hoffnung macht. Zeno danckte für die Vertheidigung seiner Meinung /und setzte bey: Die Liebe würde in Asien und Griechenland für die Erfinderin aller Künste / und also auch der Artzneyen gehalten; Ja der schlaue Mercur wäre niemals verschmitzter gewest / als wenn ihm das Feuer der Liebe seinen Verstand erleuchtet hätte. In der Stadt Egira stünde das mit einem Horne des Uberflusses gebildete Glücke der Säule der Liebe recht an die Seite gesetzt; weil diese gleichsam eine Schmiedin der Glückseligkeit wäre. Diesemnach wäre keines weges für so eitel zu schätzen / daß eine kräfftige Liebe heilsame Würckung stifften / das Gifft aussaugen / und gleichsam den Tod selbst bezaubern könne. Es sey diß so viel weniger zu verwundern / sagte der Feldherr / weil iede Einbildung fast in allen Dingen so wunderseltzame Macht hätte / und mehrmals das Andencken einer gebrauchten Artzney / oder das Anschauen ihres Behältnüsses / eben diß / was sie selbst zu würcken pflegte. Diesemnach glaube er / daß des Krancken feste Hoffnung nicht selten den Irrthümern der Aertzte zu Hülffe komme / und gebrauchten Kräutern fremde Kräfften zueigne; weil die Erfahrung bezeugte / daß offtmahls verzweiffelte Kranckheiten durch schlechte Worte / und seltzame Kennzeichen /denen er an sich selbst die geringste Würckung nicht enträumte / oder vielmehr durch des Krancken starcken Glauben geheilet worden. Dieser wäre die einige Ursache gewest / daß des Scythen Toxaris Säule zu Athen / und das Bild des Polydamas auff dem Olympischen Kampf-Felde die Anrührenden / wie auch das vierdte Buch der Homerischen Ilias / die / welche darauf schlieffen / vom Fieber befreyete. Der Psyllen in Africa / der Marsen in Italien / der Ophiogenes in Asien Gifft-Aussaugungen hätten den festen Glauben zu ihrem festen Grunde. Sonder Zweiffel rührte auch aus einer solchen Einbildung her / daß Pyrrhus mit seiner grossen Zehe im rechten Fusse die Miltz- Kranckheit / die Pannonischen Könige die Gelbesucht / die Cantabrischen die Besessenen / die Britannischen die hinfallende Sucht / der Gallier Fürsten die Kröpffe geheilet haben sollen. Was die Einbildung im Kinder-zeugen könne / und wie von dieser die Aehnligkeit derselben ihren Ursprung habe / erhärtete das berühmte Beyspiel der Mohrischen Königin Persina /die vom starren Ansehen einer Marmelnen Andromeda wider die Landes-Art ein schneeweisses Kind gebohren / also in Verdacht des Ehebruchs und Gefahr des Lebens verfallen wäre. Der Fürst Zeno fiel dem Feldherrn bey / daß die Einbildung nicht nur bey den Menschen / [507] sondern auch bey wilden Thieren ihre wunderliche Würckung habe. Denn daß die Schlangen sich von den Beschwerern in einen Kreiß bannen liessen / oder die Ohren für ihrer Stimme verstopfften / rührte nicht von dem Nachdrucke der Worte und Zeichen / sondern von einer blossen Bestürtzung. Was aber die Einbildung bey den Menschen würcke /hätte er bey den Amazonen verwundernd wahrgeno en / indem er derselben unterschiedene gesehen /welchen auf der rechten Seite keine Brüste gewachsen. Daher ihrer viel für ein Gedichte der Vorwelt hielten / daß sie / um sich des Bogens desto beqvemer zu gebrauchen / die Brüste auf der rechten Seite weg brennten; oder es müste diese Gewohnheit bey ihnen nun gar veraltet und abkommen seyn. Gewiß aber wäre es / und hätten seine Augen ihm unbetrügliche Zeugen abgegeben / daß die Natur ihnen zu diesem beliebeten Gebrechen itzt selbst die Hand reichte; dessen Ursache / seinem Bedüncken nach / nichts anders / als die Einbildung wäre. Die Königin Erato konte sich nicht enthalten / zu fragen: Wie und wenn er unter die streitbaren Amazonen verfallen? Zeno antwortete: Diese begehrte Nachricht wäre ein grosses Stück seiner ihm begegneten Ebentheuer; derer Erzehlung er mit ihrer Erlaubnüß itzt abzulegen erbötig wäre. Die Fürstin Thußnelda fing hierauf an: Sie sähe es allen Anwesenden an den Gesichtern an / daß sie seine Zufälle zu vernehmen höchst begierig wären. Sie selbst hätte darnach gleichsam eine absondere Sehnsucht. Aber wer möchte ohne Grausamkeit ihm solche Bemühung bey seiner Schwachheit zumuthen? Zeno versetzte: Er empfinde an ihnen / daß Zuneigung und Mitleiden anderer Wunden allezeit gefährlicher und grösser macht / an ihm hingegen nunmehr wenig Schmertzen / und keine sonderliche Schwachheit /welche ihm und zu deroselben Vergnügung sein Hertz auszuschütten / verhinderlich seyn könte. Wie nun alle Anwesenden ihr Verlangen selbst bestätigten; zumal sie an ihm eine sonderbare Lust zu solcher Erzehlung verspürten; fing der Fürst Zeno nach einem tieffen Seufzer an:

Ich kan aus der Verträuligkeit dieser holdseligen mir die Ohren gönnenden Versammlung und andern Umständen die Rechnung mir leicht machen / daß die liebreiche Erato meinen Uhrsprung / meine seltzame Auferziehung / ihre Ankunfft nach Sinope / unser wunderwürdige Liebe / und die unvermeidliche Entschlüssung / daß wir die Nacht für der zwischen dem Medischen Könige Ariobarzanes und mir bestimmten Vermählung mit einander weg segeln wolten / ausführlich erzehlet habe; daher ich von ihrem vermutheten Schlusse den Anfang meiner fernern Begebenheit nehmen will.

Ich fügte mich auf bestimmte Zeit in den Königlichen Garten / fand auch / Saloninens Andeutung nach / den mir bestimmeten Leiter. Dieser führete mich zu folge gepflogener Abrede auf ein Schiff / und ein darinnen wohl aufgeputztes Zimmer / um daselbst meine Ruhstadt zu haben. Also fort zohen die Bootsleute die Segel auff / schifften mit gutem Winde aus dem Hafen / und weil ich so wol selbst der Ruhe von nöthen hatte / als meine hertzliebste Erato in ihrem Schlaffe nicht stören wolte / war ich um ihren und Saloninens Wolstand unbekümmert. Ward auch / nach dem ich mich kaum auf die von köstlichen Persischen Tapeten bereitete Lagerstatt verfüget / von einem festen Schlaffe befallen. Die Sonne hatte wol schon zwey Stunden an unser Helffte des Himmels gestanden / als mich bedeuchtete etliche tieffe Seuffzer zu hören; daher ich aus dem Schlaffe aufffuhr / meinen über dem Gesichte habenden Flor wegstrich / und zu meiner höchsten Bestürtzung den Armidas / welchen ich unter des Ariobarzanes Edelleuten zu Sinope öffters gesehen hatte / auch aus seiner Medischen Kleidung so viel leichter erkennte / für mir auf den Knien liegen sah. Wie befremdet [508] mir diß nun zwar fürkam; so verspürte ich doch an dem Armidas eine viel hefftigere Bestürtzung / als er mein Antlitz erblickte / also daß er als ein todter Stein für mir erstarrete. Diesemnach ich meine Veränderung so viel möglich verstellte / und den Armidas mit ernster Gebehrdung rechtfertigte: Wer ihm erlaubet hätte in diß Zimmer zu kommen? Und was er bey mir zu suchen hätte? Nach einem ziemlichen Stillschweigen bewegte er nach Medischer Landes-Art sein Haupt zur Erden / küssete meine Fußstapffen / und bat allein um einen gnädigen Tod /nach dem er seinen Kopff verwürgt zu haben freywillig wol gestehen muste. Diese seine Demüthigung veranlaste mich noch mehr ihm härter abzuheischen: wie er dahin kommen? und was sein sterbenswürdiges Verbrechen wäre? Hierauf hob er endlich an: Er wolte nicht verschweigen / daß er sich in meiner Adelichen Jungfrauen eine / nehmlich die Monime verliebet /und / weil ihr Vater / Maxartes / sie ihm nicht verehlichen wollen / sie auff diesem Schiffe zu entführen mit ihr abgeredet hätte. Statt der Monime wäre nun ich selbst ihm / er könte nicht begreiffen / aus was für Zufällen / in die Hände gefallen. Daher er seinen Leide kein Ende wüste. Er könte aber alle allwissenden Götter zu Zeugen ruffen / daß er sich an mir nicht aus Vorsatz / sondern blossem Irrthume versündiget hätte. Diesen wolte er alsobald verbessern / und den Seinigen befehlen / daß sie den Lauf gegen Sinope zurück richten solten. Ich erschrack über diesem Schlusse auffs neue nicht wenig / iedoch weil mir aus dem Stegereiffen keine scheinbare Ursache solches abzulehnen nicht einfiel / verwieß ich ihm / iedoch mit mehrerm Glimpffe sein Beginnen / vertröstete ihn auch selbtes / so viel möglich / zum besten zu wenden; Itzt solte er sagen / wohin der Lauf des Schiffes gerichtet wäre? Armidas antwortete: recht nach dem Flusse Absyrtus / auff welchem er biß unter das Moschische Gebürge auszusetzen / und von dar vollends in Armenien zu kommen ihm fürgesetzt hätte. Ich fing hierauf gegen ihn an: So dörffte dein Irrthum mich gleichwohl nicht weit von meinem für gesetzten Wege ableiten /weil ich wegen wichtiger Schwürigkeiten / die meine Mutter wider meine Vermählung mit deinem Könige erreget / mich heimlich in sein Gebiete zu flüchten mit dem Ariobarzanes abgeredet. Diesemnach ist mein Wille / daß du den gerädesten Weg gegen Armenien inne hältest / und dem Volcke auf diesem Schiffe von mir / oder meinem Anschlage noch zur Zeit das minste nicht entdeckest. Armidas thät / als wenn meine Erklärung ihn überaus vergnügte / ließ mich also in dem Zimmer gantz alleine / und / weil ich um mich nicht zu verrathen nicht einst auffs Schiff kam / darfür halten / als wenn wir unsern vorigen Weg gegen Morgen verfolgten / da ich denn mich auff dem Lande aus seinen Händen zu winden schon Mittel zu erfinden getraute. Und derogestalt war ich nicht mehr um mich / sondern nur um meine verlohrne Erato bekümmert. Wir waren aber meines Bedünckens über fünf Stunden nicht gefahren / als ich vermerckte / daß das Schiff anlendete / und Armidas kam / mich befragende: Ob mir auszusteigen beliebete / nach dem wir bereit in den Sinopischen Hafen gediegen wären? Ich erschrack mehr als iemals über dieser unvermutheten Zeitung / fuhr auch den Armidas alsofort an: Wer hat dir / verrähtrischer Bösewicht / erlaubet / zurück zu kehren? Armidas entschuldigte es: Er hätte zwar anfangs meinem Befehl nachzukommen gemeinet /nachdem er aber der Sache reiffer nachgedacht / wie König Polemon gleichwol diesen Tag zur offentlichen Vermählung bestimmet / hingegen in Sinope unter den Meden verlautet hätte / daß ich den Ariobarzanes ungerne heyrathete / wäre ihm meine einsame Flucht bedenck- und unverantwortlich fürkommen / also hätte ihn seine Pflicht gezwungen / das Schiff [509] umzukehren / und anitzt von seinem Herrn / an den er bereit durch einen Nachen hiervon Nachricht ertheilet /ferneren Befehl zu erwarten. Er hatte noch nicht ausgeredet / als unterschiedene hohe Beamptete / so wohl des Königs Polemon / als Ariobarzanes ins Schiff traten / und mir andeuteten: Es wäre im Tempel alles zur Vermählung fertig / beyde Könige selbst schon anwesend / und würde ich mit höchster Begierde erwartet. Ich hätte für Unlust vergehen mögen / auch würde mich niemand lebendig aus dem Schiffe bracht haben / da ich nicht noch in dem wider alle Gewaltthat und Beleidigung befreyten Heiligthume eine Ausflucht zu finden / oder Hülffe von den Göttern zu erbitten gehoffet. Also folgte ich denen Leitenden in die Halle des Tempels / da mir ein prächtiges Braut-Kleid angeleget / und ich so denn ferner in den innersten Tempel geführet ward. Das in- und um den Tempel versammlete unzehlbare Volck frolockte / als mein Hertze Blut weinte / und die Königin Dynamis in dem innersten Gemache der Priester / in unaufhörliche Ohnmachten fiel; König Polemon / der dem Altare gegen über auff einem hohen Stuhle saß / bewillkommte mich mit einem zornigen Blicke / und ich mühete mich alle Galle meines Hertzens durch meine Augen über den neben ihm sitzenden Ariobarzanes auszuschütten. Alles dessen ungeachtet / gab der König den Priestern ein Zeichen / daß sie der Göttin Derceto / die ihr gewiedmeten Fische abschlachten / selbige über dem heiligen Feuer sieden / rösten / und in denen an iedem Pfeiler angehenckten Rauchfässern den Weyrauch anzünden solten. Ariobarzanes stieg von seinem mit Gold und Purpur ausgeputzten Sitze herab / und stützte sich auff die Achseln der Königlichen Stadthalter in den Ländern Bogdomanis und Timonitis. Sein eigener Unter-König zu Ecbatane trug das ewige Feuer / der zu Thospia eine güldene Schale voll Syrischen Balsams / die Stadthalter zu Tigranocerta und Satala zwey Schüsseln mit güldenen und silbernen Fischen für ihm her; welches der König alles der Göttin ablieferte / und den Balsam in das Opffer-Feuer goß. Er fassete auch die rechte Hand der Göttin / und der oberste Priester winckte mir / daß ich nun auch mein Opffer / nehmlich ein paar weisse Tauben herzu bringen solte. Ich aber ergriff der Derceto von silbernen Schoppen gläntzenden Fisch-Schwantz / welches eine Abschwerungs-Art ist / und fing an: Heilige Derceto /die du wegen unrechter Gewalt dich in den See bey Ascalon gestürtzet / und von den Fischen erhalten worden bist / nimm auch mich allhier in deine Schutz-Armen / und beschirme mich wider die Gewalt dieses Fremdlings / welchen ich / bey deinen Augen schwerende / nimmermehr ehlichen kan. Alle Zuschauer wurden über dieser meiner Enteuserung bestürtzet / der oberste Priester ließ das in der Hand gehaltene Rauchfaß fallen; Ariobarzanes schäumte für Zorn / und König Polemon sprang von seinem Stuhle zu dem Opffer-Tische / ergrief das Schlachtmesser / und wolte es mir in die Brust stossen. Ein Priester aber erwischte ihm den Arm / und ermahnte ihn / daß er mit Blutvergiessen nicht das Heiligthum entweihen / und der Göttin Rache / derer Zorn ohne diß aus allen Opffern herfür blickte / nicht auff sich laden solte. Zwey andere Priester führten mich in ihr eigenes Behältnüß / darinnen die Königin Dynamis sich in Thränen badete / wenn ihr noch die stete Ohnmacht so viel Kräfften überließ. Der König mit dem obersten Priester folgten mir auf dem Fusse nach / und weil jener für Ungedult kein Wort fürbringen konte / ermahnte mich dieser bey der Gottheit / die selbigen Tempel bewohnte / die Ursache meiner Abscheu für dem so tapfferen Ariobarzanes zu entdecken. [510] Ich sahe die Königin mit bestürtzten Augen und Gemüthe an / sie aber erholete sich / und fing an: Fordert von mir diese Rechenschafft / und höret auff / der Natur Gewalt anzuthun. Denn so wenig ihr aus kalten Brunnen Feuer schöpffen könnet / so wenig werdet ihr diesen meinen Sohn ohne Greuel einem andern Mann verheyrathen. Polemon sprang über diesem Berichte auff / und stieß diese Worte gegen der Königin aus: Was sagst du? Ist diß nicht meine Tochter Arsinoe? Nein sicher / versetzte sie / selbige ist schon / als du zu Rom gewest /in ihrer Kindheit verblichen / und du wirst ihren eingebalsamten Leib noch in dem Begräbnüsse Mithridatens finden. Aber wie ist dieser denn dein Sohn? fragte Polemon. Dynamis versetzte: Eben so / wie er deiner ist. Denn nach dem Arsinoe gestorben / hat meine Mutter-Liebe unsern Sohn / welchem du den Nahmen Polemon / ich Zeno gab / von seiner Amme Pythodoris abgefordert / und unter dem Schein unserer Tochter aufferzogen. Ihr Götter! ruffte Polemon /hast du eine Schlange in deinem Busen auferziehen können / von der du der unfehlbaren Götter Ausspruch wohl gewüst hast / daß ich von ihr solte verschlungen werden? Von der mir die Wahrsagung schon heute wahr wird / in dem mein über ihr geschöpffter Eiffer mir zweiffels frey mein Leben verkürtzet / und mich in die Grufft stürtzen wird? Dynamis antwortete: Glaubst du wohl / daß / da der Götter Wille ihren Worten gemäß ist / selbter durch menschliche Klugheit zu hintertreiben sey? Hast du den Ausspruch des weisen Pittacus nie gehöret / daß die Götter selbst sich dem Nothzwange des Verhängnüsses zu widersetzen allzu ohnmächtig sind? Magst du deinem eignen Sohn eine Schlange / und dardurch dich selbst einen Vater eines so gifftigen Thieres schelten? Kanst du das Erbarmen einer empfindlichen Mutter für ein so arges Laster verdammen? Welche doch diß / was sie neun Monden unter dem Hertzen getragen /mit so viel Schmertzen gebohren / mehr als ein Vater zu lieben berechtiget ist. Oder hast du ihm nicht selbst das Leben geschencket? Polemon versetzte: Aber nicht verstattet / ihn unter meinem Dache zu beherbergen. Bist du aber deinem Ehherrn nicht mehr Liebe / als deinem Unglücks-Kinde schuldig gewest /für welche andere glüende Kohlen verschlungen / und um den Wolstand ihres Reiches und Gemahles zu erhalten ihre Söhne auff glüenden Rösten geopffert haben? Ich gestehe es / Polemon / antwortete die ihm zu Fusse fallende Königin / daß auff der Wagschale der Mütter- und Ehelichen Liebe diese überschlagen solle. Aber wie schwer ist zwischen beyde sein Hertz nach dem rechten Maaß abtheilen! sonderlich wenn die Erbarmnüß einem Theile ihr heimliches Gewichte beylegt? Wie viel Väter haben ihre Kinder mehr als sich selbst geliebet? Ariobarzanes in Cappadocien nahm seine Krone vom Haupte / und setzte sie in Beyseyn des grossen Pompejus seinem Sohn auf. Octavius Balbus wolte lieber in die Hände seiner ihn verfolgenden Mörder fallen / als seinen zurück gebliebenen Sohn nicht noch einmahl sehen. Und du wilst über meiner Mutter-Liebe mit deinem Sohne eiffern? Glaube aber / hertzliebster Polemon / daß / da ich mein Kind mit einer / ich dich sicher mit zweyen Adern geliebt / und von einem so tugendhafften Geiste deines eigenen Fleisches mich keiner so grimmen That besorget / sondern vielmehr eine sanfftere Auslegung über die meist schwerdeutige Wahrsagungen gemacht habe. Ich habe erwogen / daß unsere Gefahr nicht so wohl von der Boßheit unserer Wiedersacher /als von dem unversehrlichen Fademe unserer Versehung den Hang habe; [511] Ja daß unsere Beschützung mehr vom Himmel / als unser Vorsicht herrühre. Diese kanst du sicherer nicht erlangen / als wenn du dich dem ohne diß unüberwindlichem Verhängnüsse gedultig unterwirffst / und nicht durch Grausamkeit gegen dein Kind die Götter als unsere Väter wider dich mehr verbittert machst. Glaube nur / daß diese durch unserer mißträulichen Klugheit Abwege uns schnurgrade auff den Pfad ihrer unveränderlichen Schlüsse leiten! Polemon begegnete ihr mit noch ernsthafftem Gesichte: Uberrede diese Träume wen anders / und lobe einem leichtgläubigern deine Liebe ein. Die Sonne erleuchtet ja wohl die Schwantz-Sternen nichts minder / als andere Gestirne; Aber was ist zwischen jener und dieser ihrem Feuer / zwischen deiner Liebe gegen den Zeno / und der gegen mich nicht für ein Unterscheid? Unser Großvater Mithridates dienet uns zum Vorbilde. Denn weil seine Gemahlin Stratonice nur ein festes Schloß mit seinen Schätzen dem Pompejus übergeben hatte / durchstach er in denen von ferne zuschauenden Augen seiner Mutter ihren und seinen Sohn Xiphar / und ließ ihn unbegraben liegen; Und ich soll für mein eigen Leben nicht eiffern? Gehet aber / und saget dem Ariobarzanes /daß zwischen seine Vermählung was grosses kommen sey / wormit seine Ungedult sich nicht gegen uns über noch mehrere Aeffung beschweren dörffe. Hierauff kehrte Polemon mit niedergeschlagenen Augen auff die Burg; verließ also Ariobarzanen in wütender Raserey / die Königin in ängstigster Bekümmernüß /mich im Zweiffel: Ob ich den Polemon für meinen Vater / oder für meinen Todtfeind halten; ob ich zu Sinope bleiben / oder mich flüchten solte. Ehe ich mich aber eines endlichen entschlüssen konte / kam der Hauptmann über die Königliche Leibwache / und sagte so wohl mir als der Dinamis an / daß wir ihm auf Königlichen Befehl folgen solten. So bald wir nun von der Schwelle des Tempels traten / wurden wir von einer Menge Krieges-Volckes umgeben / und zu empfindlichem Betrübnüsse der uns begleitenden Priester auff die Burg in einem fest verwahrten Thurm / zu dem der König selbst die Schlüssel behielt / verwahret. Ich stelle einem ieden zum Nachdencken / wie uns diese Gefängnüß bekümmerte. Denn wenn Fremder hefftigste Beleidigung den Geschmack der Schleen hat / schmeckt ein von seinen Anverwandten empfangenes mäßige Unrecht bitterer als Wermuth. Sintemahl nicht das Wasser / wohl aber das Geblüte sich in Galle zu verwandeln fähig ist; und aus dem süssesten Honige der schärffste Essig gezogen wird. Weil aber das Mitleiden für die unschuldige Königin mir am tieffsten zu Hertzen ging; hatte ich meines Nothstandes schier vergessen / biß uns nach Mitternacht das Schwirren der eisernen Riegel und Thüren bey so unzeitiger Eröffnung des Thurmes einen neuen Schauer einjagte. Massen denn auch also fort der unbarmhertzige Polemon mit einem blancken Dolche nebst etlichen von der Leibwache zu uns hinein getreten kam. Sein Antlitz war als ein weisses Tuch erblasset / seine Glieder und Lippen zitterten / und aus den Augen sahe zugleich Furcht / und ihre zwey Töchter /Verzweiffelung und Grausamkeit. Hilff Himmel! schriehe die Königin / welch höllischer Mord-Geist reitzet ihn selbst zum Mörder seines Fleisches und Blutes zu machen? hat er seine Unbarmhertzigkeit gegen andere Menschen zeither darum gesparet / daß er sie itzt mit vollen Strömen über sein unschuldiges Kind ausschütte / und sich denen Indianischen Einhörnern gleich mache / welche mit allen andern wilden Thieren in Friede leben / und nur wider seines gleichen wüten? [512] Polemon antwortete: Mein eigner Schutz-Geist hat mich aus dem bangsamen Schlafe erwecket / mir diesen Dolch in die Hände gegeben / und hierdurch dem Vater-Mörder vorzukommen ermahnet. Daher bereite dich / Zeno / nunmehro behertzt zu sterben / nach dem es das Verhängnüß also schicket / und die Götter es befehlen. Ich / fuhr Zeno fort / war meines Lebens schon überdrüssig / und ich sahe ohne diß nichts / als den Tod für mir / welches / nach verlorner Erato / mich meines Jammers erledigen konte. Daher fiel ich für dem Polemon auf die Knie / rieß die Kleider von meiner Brust weg / und redete ihn an: Glaube / Polemon / daß / wie ich dir im Leben zu gehorsamen mich allezeit gezwungen / ausser da mir die Natur selbst einen Riegel fürgeschoben; also ich dir auch sterbende nicht wil zuwider seyn. Glaube / daß ich von dem / dem ich das Leben zu dancken / auch den Tod zu erdulden mich schuldig erkenne; daß ich vergnügter meinẽ letztẽ Athem ausblase / als daß man mich Lebenden als einen Vater-Mörder fürchte; daß ich dardurch nicht so wohl meinen Ruhm als meine Liebe vollkommen zu machen gedencke / wenn ich die Vater-Hand küsse / die mich zu tödten das Eisen zückt. Stoß also / stoß Polemon / durch das hier nicht für Schrecken / sondern aus Liebe schlagende Hertze; aber beleidige nicht mehr die so unschuldige Dynamis: Stoß zu! stoß zu / Polemon! und zweifele nicht /daß ich behertzter sterben / als du mich tödten wirst; ja daß ich dir deine zitternde Hand selber zu führen nicht scheue. Hiermit küssete ich die gewaffnete Hand Polemons / war auch selbst bemühet selbige mit dem Dolche gegen meine Brust zu ziehen. Dynamis hatte hierüber in voller Ohnmacht liegende / Sinnen und Verstand verloren. Polemon holete aus / mir einen starcken Stoß zu versetzen; im Augenblicke aber sprang er mit höchster Entsetzung zurücke / ließ den Dolch fallen / drehete sich auch ohne einige Wort-Verlierung umb / und eilete aus dem Thurme / also /daß er nicht einst der Wache / ob sie uns wieder verschliessen solte / Befehl ertheilete. Ich wuste derogestalt nicht / wie mir / weniger wie dem Könige geschehen war. Insonderheit wuste ich die Ursache nicht zu ergründen / welche dẽ Polemon von Ausübung seines so blutigen Vorsatzes gehemmet haben müste /ausser / daß ich auf meinen willfertigen Gehorsam zu sterben muthmassete. Sintemal Gri und Eifer eben so wie die stürmenden Meeres-Wellen alles / was sich mit Härtigkeit widersetzet / zerdrümmern; aber jene an der Demuth / diese in dem weichen Sande des Ufers sich besänftigen. Nach weniger Erholung rieb ich an der Königin / brachte sie auch endlich wieder zu sich selbst / nach dem sie eine gute Zeit mich für einen Geist gehalten hatte. Ihre mütterliche hierauf erfolgte Umbarmungen kan ich nicht ausdrücken; iedoch vermochte diese Freude sich auch der Furcht für neuem Ubel nicht zu entschütten / weil sie noch weniger als ich auszulegen wuste / was für ein Trieb den vollen Stoß des Polemons zurück gezogen haben müsse. Wir lebten zwischen Furcht und Hoffnung oder vielmehr in einem Mittel-Dinge des Todes und des Lebens / unter der Umbwechselung mit Thränen und Küssen zusammen biß an den hohen Mittag; da ward unser von der Wache inzwischen wieder versperrtes Gefängnüß eröffnet / und kam Nicomedes /der Königliche Stadthalter zu Libyssa / wo der berühmte Hannibal begraben liegt / mit freudigem Antlitz / und gleichwohl weinenden Augen zu uns hinein getreten. Seine vermischte Geberdung deutete auf eine gleichmässige Verrichtung. Denn er kündigte der Königin die Freyheit / mir aber einen Befehl an: Daß ich noch für der Sonnen Untergang Sinope räumen solte. Ich war mit dieser Strafe vergnügt / Dynamis aber über meiner Beraubung hertzlich bekümmert. Weil sie denn zu Nicomeden ein sonderbares Vertrauen hatte / bat sie / er möchte ihr nicht verschweigen / was [513] seit unser Bestrickung fürgegangen wäre / und was den König zu der nächtlichen so blutdürstigen Uberfallung veranlaßt hätte. Dieser konte anfangs für Weinen kein Wort aufbringen / hernach aber erzehlte er: Wie die Stadt über der Strengigkeit Polemons über uns erstaunet / iedermann fast eine absondere Ursache / bey Unwissenheit der wahrhaften / der verhinderten Heyrath mit dem Ariobarzanes ertichtet / dieser aus Sinope halb rasend sich begeben / dem Polemon den Krieg angekündigt / der oberste Priester aber unsere Befreyung beweglichst gesucht / ja die Sache in ziemlich guten Stand gebracht hätte. Alleine es wäre der König / bey welchem er vorige Nacht im Vorgemache selbst die Wache gehabt / aus dem Bette aufgesprungen / hätte auf ihn geruffen / und umbständlich erzehlet / Es hätte ihn sein Schutz-Geist aufgewecket / ihm angedeutet: Es wäre nun nahe dabey / daß er von seinem Sohn aufgerieben werden solte. Also wolte er ihn nicht allein dem Thäter fürzukommen / und ehe er sich seines Gebietes entbräche / desselbten sich zu entbrechen vermahnet / sondern ihm auch hierzu seines Großvatern des Mithridatens Dolch eingeantwortet habẽ. Ich / sagte Nicomedes / wolte ihm dieses als einen eitlen Traum ausreden. Polemon aber widersprach es / bezohe sich auf seine wachende Augen /und insonderheit wäre das unfehlbare Kennzeichen der Dolch dar / derogleichen keiner im Zimmer nicht gewest wäre / ja er erkennete ihn auch für den / der auf Mithridatens Grabe gelegen hätte. Wenn aber auch diß gleich nur ein Traum wäre / bliebe es doch /aller Weisen Urthel nach / eine vom Himmel geschickte Warnigung der Götter. Socrates selbst hätte aus einem Traume erfahren / daß er in dreyen Tagen sterben würde / und es dem Eschines entdeckt. Der grosse Pythagoras hätte gelehrt / daß ein Mensch in seinen Träumen sich wie in einem Spiegel betrachten solte. Der weise Periogetes / welchen ich in der Eil hatte ruffen lassen / antwortete dem Könige: Ja / aber des Pythagoras Meynung wäre nicht / daß man / wie etliche tumme Atlantische Völcker nur den Morpheus für seinen Gott halten / und alles thun müste / was einem träumte. Denn sonst würde denen Sabinern /welchen alles träumte / was sie wolten / kein Laster zu verwehren gewest seyn. Träume könten wohl eine Nachricht von der Beschaffenheit des Leibes / und von den Neigungen des Gemüthes abgeben. Dahero ein Mensch nach dem Urthel des Zenon / sich aus den Träumen ausnehmen könte: Ob er in der Tugend zugenommen / oder nicht. Sintemal / wo dem Epicur zu glauben / ein Weiser ihm allezeit / ja auch / wenn ihm träumet / ähnlich ist. Indem aber / was vom Glücke oder Verhängnüsse herrührte / könte man ohne Aberglauben auf keinen Traum fussen. Daher auch der so erfahrne Hippocrates an die Hand gäbe / wie man durch Opfer sich von der Beschwerligkeit der Träume erledigen solle. Polemon vergaß aller sonst gegen dem Periogetes zu bezeigen gewohnten Bescheidenheit /und fuhr ihn an: Was bringst du vor ketzerische Lehre auf die Bahn? Verneinest du die Vorsorge der Götter /daß sie auch durch Träume uns für künftigem Unglück warnen? Verwirffst du die durch Träume geschehende Göttliche Weissagungen in des Amphiaraus Tempel bey Athen / und in dem Heiligthum der Pasithea zu Sparta? Meynst du auch / daß ich der erste sey / der den ihm im Traume gleichsam mit Fingern gezeigten Feind aus dem Wege geräumet habe? Smerdes muste über seines Bruders Cambyses Klinge springen / als diesem träumte / daß er sich auf seinen Stul setzte. Astyages gab seinen Enckel Cyrus dem Harpagus zu ermorden / weil er aus seiner Tochter Leibe einen gantz Asien überschattenden Wein-Stock wachsen sahe. Des Harpagus Ungehorsam aber brachte den Astyages umbs Leben und Reich / und erhärtete die Gewißheit so wichtiger Träume. Periogetes verlohr hierdurch nicht den Muth dem Könige [514] derogestalt zu begegnen: Es möchten die Götter ja wohl zuweilen durch Träume was offenbaren / aber sicherlich gar selten. Nimmermehr aber liesse er sich bereden /daß sie den Kinder-Mord billigen / weniger durch Träume verordnen solten. Zwar müste unter so viel tausend eitelen Träumen ja zuweilen einer eintreffen. Denn wenn tausend Blinde nach dem Ziele schüssen /würden schwerlich alle fehlen / sondern einige ungefehr treffen. Xerxes hätte seine Eitelkeit nicht genung zu bejammern gewüst / daß er / auf Verleitung eines zweyfachen Traumes / und seiner eiteln Ausleger den Krieg wider Griechenland angehoben. Wären die Träume Göttliche Warnungen / würde gewiß den Narren und Boßhaftigen nicht mehr / als den Frommen und Weisen / am wenigsten aber auch dem Viehe träumen. Ja sie würden ihre Meinungen viel deutlicher sagen / und sie nicht in so düstere Nebel verstecken /daß uns die über der Auslegungs-Art so sehr zwistige Wahrsager nicht entweder nach ihren Neigungen /oder uns nichts minder zu verführen / als Pflaumen zu streichen Anlaß nehmen könten. Worzu des Käysers Julius Traum / indem er seine Mutter beschlief / ein merckwürdiges Beyspiel abgibt. Sintemal die ihm liebkosenden Römer hierdurch ihm die Herrschafft über unser aller Mutter die Erde wahrgesagt zu seyn glaubten. Dahingegen Hippias / welcher ihm längst vorher diese Blut-Schande träumen ließ / nichts weniger als ein solcher Welt-Beherrscher ward. Polemon schien hierüber der Vernunfft wieder ein wenig Raum zu geben; warff aber ein: Sein Traum / wo ein so klarer Befehl der Götter auch so geringen Nahmen vertragen könte / wäre so deutlich / daß er keiner Auslegung dörffte. Auch wäre ausser Zweifel / daß Könige / und insonderheit etliche Geschlechter in gewissen Dingen was besonders über den Pöfel hätten. Ihre Schutz-Geister wären gewiß stärcker und sorgfältiger / als gemeiner Leute. Insonderheit hätte der Königliche Pontische Sta einen Traum zum Grund-Stein seines Glückes. Denn dem Antigonus in Syrien hätte geträumet: Er säete Gold / sein Diener Mithridates aber erndtete es ein / und führte die Frucht in Pontus. Dieses Traumes halber hätte Antigonus ihn zu tödten getrachtet / Mithridates aber sich in Cappadocien zu flüchten genöthigt gesehen / allwo ihm das Glücke die Hand geboten / sich des Pontischen Reiches zu bemächtigen. Eben dieser Traum / versetzte Periogetes /dienete zum Unterricht: Daß kein menschlicher Witz verhüten kan / was die Götter auszuüben im Schilde führen. Ausser dem vertrüge Polemons Traum allerdings eine und zwar sehr gute Auslegung; Sintemal die meisten Traum-Deuter festiglich darfür hielten /daß alle Träume auf das Widerspiel zielten. Polemon besänftete hierüber sein Gemüthe / und versprach dem Zeno kein Leid zu thun / wenn nicht der ihm von dem Geiste eingehändigte Dolch aus des grossen Mithridatens Begräbnüsse käme / welches ihm der grosse Pompejus zu Ehren in Sinope aufgerichtet hätte. Ich /sagte Nicomedes / hielt nichts weniger / als dieses glaublich / und erbot mich daselbst die Wahrheit zu erforschen. Aber Polemon fügte sich aus Mißtrauen selbst dahin / und wir befanden leider! zu unserer äusersten Erstaunung / daß auf Mithridatens Grufft der dargelegene Dolch fehlte. Dieses Wunder versetzte uns ins höchste Schrecken / den König aber brachte es / alles Einredens ungeachtet / zu der festen Entschlüssung / seinen Sohn auf selbsteigene Veranlassung der Götter hinzurichten. Wir sahen aber / fuhr Nicomedes fort / den König mit grösserer Bestürtzung aus dem Gefängnüsse zurück kehren. Er warff sich mit höchster Verwirrung auf sein Bette /befahl mir biß zu Tage nicht von ihm zu weichen. Wie ich nun eine Weile seiner [515] Unruh / welche ich für eine Bereuung seines Kinder-Mords annahm / zugesehen hatte / fing Polemon endlich an: Ach! ihr grimmigen Götter! ach! Nicomedes! wir sind verlohren! Nach unterschiedenen verwirrten Reden entdeckte er mir endlich auf meine Befragung: Er habe seinen Sohn nicht getödtet. Denn als er gleich ausgeholet hätte / ihm den Stoß zu geben / wäre eben der Geist /der ihm gleich vorhin den Dolch eingehändiget / mit grausamer Gestalt darzwischen gesprungen / habe ihm den Dolch aus den Händen gerissen / und gesagt: Halt! diß ist weder dein Sohn / noch ein Todschläger. Nach solcher Erzehlung wäre Polemon gegen den Morgen endlich eingeschlaffen / nach seiner Erwachung aber hätte er den Priester erfordern lassen / mit ihm eine lange Unterredũg gepflogẽ / und ihn endlich mit dieser Botschafft zu ihnen abgefertigt. Dynamis und ich entsatzten uns über Nicomedens Vortrag /sonderlich aber / da wir selbst den noch am Boden liegenden Dolch betrachteten / und selbten gleicher gestalt für Mithridatens erkenneten. Am allermeisten aber stieg mir zu Hertzen / daß der dem Polemon erschienene Geist mich zwar wider die besorgte Mord-Lust vertheidiget / mir aber zugleich seine Kindschafft abgesprochen haben solte. Dahero umbhalsete ich mit vielen Thränen die Königin / wüntschte / daß diesem meinem unschätzbaren Verluste / da ich mit einem so mächtigen Vater zugleich eine so holdselige Mutter einbüssete / mein Tod von der Hand des Königs zuvor kommen wäre. Dynamis aber küßte mich mit der hertzlichsten Empfindligkeit / als eine Mutter thun kan / und / umb mir diesen Kummer auszureden / fragte sie: Ob ich einem lügenhafften Gespenste mehr als dem wahrhaftesten Kennzeichen der inbrünstigften Mutter-Liebe Glauben geben wolte? Das Aufwallen ihres mütterlichen Hertzen gegen mich könte sie so wenig zu einem frembden Kinde ziehen /als die Magnet-Nadel für den Angel-Stern ein frembdes Gestirne erkiesen. Sie könte sich auf die Treue der tugendhaften Pythodoris so sehr / als auf ihr eigenes Augenwerck verlassen. Ja wenn es auch schon wahrhaftig heraus käme / daß ich nicht ein Sohn ihres Leibes wäre / so würde ich es doch ewig in ihrem Gemüthe bleiben. Sintemal der / welcher durch seine Tugend ein Königs-Sohn zu seyn verdiente / wenn er es schon nicht wäre / sich doch höherer Ankunfft rühmen möchte / als der / welcher es nur von Geburt / nicht aber durch Verdienste wäre. Ich / ob ich zwar über meiner Kindschafft selbst zweifelte / und auf den gebrechlichen Grund der von der Natur eingepflantzten Mutter-Liebe wenig fussete / wolte mich doch nicht selbst eines so hohen Ursprungs berauben / noch die Königin durch meine Enteuserung mehr betrüben. Und also brachten wir die übrige Zeit meines vergünstigten Darbleibens mit eitel liebreichen Umbarmungen zu / biß mit der niedergehenden Sonne nach und nach das Licht von der Welt / ich aber mit tausend Thränen von der Dynamis Abschied zu nehmen gezwungen ward. Salonine brach hier ein: Wir müssen nun auch die Würckung unsers neuen Pflasters erkundigen. Also muste Zeno mit seiner Erzehlung anhalten / und die Wundbinden auflösen lassen. Die Schwulst hatte sich zu aller Anwesenden Verwunderung in so kurtzer Zeit fast gantz gesetzt / und / des Zeno Andeuten nach / aller Schmertz gestillet / daher band ihm Salonine frische Raute auf. Die Fürstin Thußnelde aber fing an: Ich verwundere mich über dem so heftigen Liebes-Triebe der Dynamis / und weiß daher nicht: Ob die grosse Liebe der Eltern gegen ihre Kinder nicht mehr von der Einbildung / als einem geheimen Triebe der Natur eingepflantzt werde / nachdem ich gleichwohl aus der Königin Erato Erzehlung so viel erfahren / daß nicht er / Zeno / sondern Ariobarzanes für ihren und Polemons wahrhaften Sohn erkennet worden sey; also [516] die Zuneigung der Eltern ihre Kinder derogestalt nicht erkenne / wie die Wünschel-Ruthe von einer Hasel-Staude das vergrabene Gold und Silber / die von einem Eschbaume verborgenes Ertzt andeutet. Es ist wahr / antwortete Zeno / ich habe hernach bekümmert erfahren / wie Ariobarzanes den Polemon auf seinem Tod-Bette für seinen Vater erkennet / also diß Gespenste wahr geredet habe / und ich so arm worden sey / daß ich weder Vater noch Mutter zu nennen weiß / und wenn ich nicht zu dem allgemeinen Ursprunge der Menschen gehörete / mich aus einem Steine entsprossen zu seyn schätzen müste. Aber ich wil mich nicht versehen / daß mein und der Dynamis Irrthum die Gesetze der Natur zerreissen /oder die angeborne Zuneigung zu einer blossen Einbildung machen werde. Wenn das menschliche Gemüthe ausser der Kinder-Liebe sonst keine Zuneigung / sondern wie der Magnet nur zum Eisen / der Agstein nur zur Spreu einen Trieb hätte / würde sie ihre denen Augen unkenntliche Kinder Zweifels-frey erkiesen /und das Hertze über ihrer Erblickung viel anders zu schlagen anfangen. So aber werden wir von der Gleichheit unserer Geburts-Art / von der Tugend /von Aehnligkeit der Gestalt / oder von einem geheimen Einflusse des Gestirnes offt zu eines gantz frembden Menschens Liebe gezogen / also / daß da uns weder das Geblüte noch andere Gaben reitzen /wir mehrmals selbst die Ursache unserer Gewogenheit nicht finden können. Diese Vielheit der Gemüths-Regungen machet also unsere Unterscheidung schwer und zweifelhaft / hebt aber der Eltern innerlichen Trieb nicht auf. Uns würden sonst die unvernünftigen Thiere beschämen / wenn die wilden Bären für ihre Jungen biß aufs Blut kämpfen / wenn die Panther lieber in die Eisen der Jäger rennen / als ihre Frucht im Stiche lassen / wenn die Löwen gegen denen zu Lämmern werden / die ihnen zu ihrem Brute verhelffen; wenn die Störche die jüngern auf ihren Flügeln tragen; andere Vogel mit ihrem eigenen Blute heilen; die Adler die ihrigen gegen die Straalen der Sonne abrichten; wenn die Wallfische ihren Brut in ihren Rachen für sich nähernden Raubfischen wieder einschlüssen /und nach dem die Gefahr fürüber / selbte gleichsam zum andern mal gebähren. Zwar ist nicht ohne / daß eine kräfftige Einbildung der Natur mit ihren Würckungen ziemlich nahe kommet / daß offt Mütter fremde Wechsel-Bälge / und Väter die ihnen durch Ehebruch eingeschobene Kinder mit der zärtlichsten Empfindligkeit lieb gewinnen! aber deshalben ist dieser ihr unverfälschter Trieb so wenig zu verwerffen /als der Glantz denen Gestirnen abzusprechen / weil auch die Irrwische ihrer Straalen sich bedienen. Die Fürstin Thußnelda warff hierwider ein; Warumb aber fressen so viel Thiere ihre eigene Jungen? Warumb zerschlagen so viel Vögel ihre eigene Eyer? Warumb ermordet Lysimachus seinen tapfern Sohn Agathocles! Warumb nagelt Maleus seinẽ Sohn Cartalus ans Creutze? Warumb setzet Ptolomeus-Physcon seinen zergliederten Sohn Menephiten der Mutter Cleopatra für ein Gerüchte auf? Warumb richtet Laodice ihre fünff mit dem Ariarathes erzeugte Kinder mit Gifft hin! Und wer weiß alle Kinder- oder auch Vater- und Mutter-Mörde zu erzehlen? Nachdem gantze Völcker an dem Caspischen Meere ihre verlebte Eltern erhungern / die Bactrianer aber sie gar von den Hunden auffressen lassen. Freylich wohl / versetzte Zeno / giebt es unter den Menschen eben so wol undanckbare Kuckucke / grausame Nattern / Spinnen und Scorpionen /die ihres eigenen Geschlechts und Blutes nicht schonen. Dessen aber ungeachtet / bleibet doch der Natur gemäß / daß die Eltern und Kinder [517] einander lieben /und daß / so lange bey ihnen die Vernunfft recht auffgeräumt bleibt / dieses heimliche Feuer unausleschlich sey. Wo aber die Laster die Oberhand genommen / und die Menschen sich auff die Spitze des Glücks setzen / ziehen sie nicht nur ihre Menschheit / sondern die gantze Natur aus. Und also ist kein Wunder / daß die geilen Mütter ihre Töchter / die herrschsüchtigen Söhne ihre Väter nicht mehr kennen / und in Kerckern verfaulen lassen. Deñ die in dem menschlichen Gemüthe auffsteigenden lasterhafften Auffdampffungen verdüstern nicht nur die Vernunfft wie dicke Nebel die Sonne; sondern sie gebähren Ungeheuer / wie die Schwefel-Dünste feurige Lufft-Drachen. Ja da die wilden Thiere nur insgemein von einer übeln Neigung /als die Panther von Grausamkeit / der Fuchs von Betruge / die Natter von Undanck / der Hund von Geilheit / die Heydechse von Mißgunst beruffen sind; so ist ein mißrathener Mensch ein Begriff aller Laster. Aber nach diesen Mißgeburten muß der vernünfftige Mensch so wenig abgemahlet / als die in den faulenden Leichen wachsenden Würmer für eine rechtschaffene Menschen-Brut gehalten werden. Thußnelda antwortete: Ich gebe gerne nach / daß bey solchen Unmenschen die Regungen der Natur sich verlieren /diese auch nach einer so krummen Richtschnur nicht abzumessen sind; aber woher rühret es / daß vernünfftige Eltern einem Kinde geneigter / als dem andern /oder wohl gar so Spinnen-feind sind / daß sie es kaum für den Augen leiden können / daß auch tugendhaffte Söhne für ihren Eltern einen Abscheu haben; Massen ich in Italien einen Edelmann gekennet / der / wenn er seines Vaters ansichtig war / erblaßte / und sich mehr als der Elephant für dem Widder / der Löw für einem Hahne / die Hauß-Schlange für einem nackten Menschen / die Natter für einem Zweige von Buchen / der Agstein für Oel / der Weinstock für dem Epheu entsetzte. Fürst Zeno versetzte: Es sind dieses seltzame Absätze der Natur / welche so wohl Kriepel und Mißgeburten des Gemüthes / als des Leibes zuweilen gebieret; daraus man so wenig einen Schluß machen /als ergründen kan / warum ein Mensch keine Katze /ein ander keine Maus sehen / warum dieser keine Zwiebel essen / jener keinen Wein trincken könne? Hertzog Herrmann setzte bey: Sonder allen Zweiffel wird der seinem Vater so verhasste Sohn ihm an Gestalt und Gemüthe sehr unähnlich gewesen seyn. Denn wie die Aehnligkeit auch zwischen Fremden eine Vereinbarung stifftet; Also ist die Unähnligkeit so wohl zwischen Menschen als andern Geschöpffen eine Ursache des Hasses. Hiervon rühret die Uneinigkeit zwischen dem Magnet und Demant. Deßhalben stösset der Mohrische Stein Theamedes das Eisen so behertzt von sich / als es der Magnet an sich zeucht. Der Weinstock kan den Kohl nicht neben sich leiden /und ist dem Lorber-Baume so todtfeind / als das Rohr dem Farren-Kraute / und die Fische dem Oelbaume. Die Unähnligkeit pflantzet das Schrecken dem Schwane für dem Drachen / dem Meerschweine für dem Wallfische / dem Löwen für dem Hahne / dem Elephanten für dem Widder / dem Pferde für dem Kamele ein. Welch letzteres den Cyrus zum Uberwinder des Crösus machte. Das Geschrey des Esels tödtet so gar die Jungen der Flachs-Fincken und erschellet ihre Eyer. Ja dieses Vogels und der Goldammer Blut sollen sich nicht einst mit einander vermischen. Und die stärcksten Raub-Vögel müssen / wenn sie über den kleinen Camelion flügen / auff die Erde fallen. Keine andere Beschaffenheit hat es mit den Menschen / ja mit gantzen Völckern / derer einige einander / theils durch einen geheimen Zug geneigt / theils Spinnen-feind sind. Diese ihre Aehnligkeit und Ungleichheit rühret grossen Theils [518] von der Art ihrer Länder / noch mehr aber ihrer Eltern her. Daher vertragen sich die Meden und Armenier / wie auch die vielerley Scythen so wohl mit einander. Die Europeer und Asiatischen Völcker / wie auch die Mohren und Römer können zusammen gar selten stehen. Zwischen den Galliern und Celtiberiern / zwischen den Britanniern und Caledoniern ist fast ein unauffhörlicher Krieg; Weil der erstern Vaterland einander gantz gleiche / der andern gantz ungleiche ist; Auch von denen hierbey sehr viel würckenden Sternen unterschiedene Einflüsse hat.


Zeno pflichtete dem Feldherrn bey / und meldete: Er hätte auff seinen Reisen eben diß angemerckt / und so bald er über das Euxinische Meer kommen / den grossen Unterscheid zwischen desselbten Sud- und Nord-Nachbarn verspührt; Hingegen bey denen se weit entfernten Serern etlicher Völcker nahe Verwandniß mit seinem Vaterlande wahrgenommen. Weil nun der Anwesenden Stillschweigen ihm eine Andeutung ihres Verlangens zu seyn schien / fuhr er in seiner Erzehlung fort: Ich verfügte mich noch selbigen Abend mit zweyen Edelleuten / und einem Knaben / und zwar in meiner gewöhnlichen Frauen-Tracht / in ein Schiff / nicht so wohl / weil es an einen von mir erkieseten Ort fahren wolte / sondern weil es seegel-fertig war / um mich nur desto geschwinder dieses unglückseligen Ufers zu entbrechen. Nachdem wir bereits die gantze Nacht Nord-Ostwerts gesegelt hatten /erfuhr ich allererst vom Schiffer / daß der Lauff gegen der Moschischen Küste auff die berühmte See- und Handels-Stadt Dioscurias zwischen dem Flusse Anthemus und Charus gerichtet wäre; Allwo man täglich wohl dreyhunderterley Völcker anzutreffen pfleget /und die Römischen Kauffleute hundert Dolmetscher zu Auslegung dreyhundert alldar im Schwange gehender Sprachen unterhielten. Welches mir so viel lieber war / weil ich in einer Versammlung so vieler Völcker nicht nur desto unkenntlicher zu bleiben / sondern auch so viel mehr mein anderwärtig Glück zu finden verhoffte. Nachfolgenden Tag gegen Abend fing der auffm Mastkorbe sitzende Boots-Knecht an zu ruffen / wir solten die Waffen ergreiffen / und uns zum Streit fertig machen / denn er sehe ein Raub-Schiff seinen Lauff recht gegen uns zu richten. Dieser Ruff erregte im Schiffe ein nicht geringes Lermen / und / weil es nicht sonderlich zum Kriege ausgerüstet / darzu kaum dreißig bewehrte Männer darauff waren / bey den meisten empfindliches Schrecken. Diesemnach ich zu Verwunderung der Schiffenden nicht allein mich selbst zum Gefechte fertig machte / sondern auch denen Kleinmüthigen ein Hertze zusprach; nebst dem zugleich erkundigte: Woher man in solcher Ferne so genau erkiesen könte / daß diß eben ein Raub-Schiff seyn müste? Der Schiffherr / welcher aus der Stadt Tanais bürtig war / sagte mir: Es wäre dieses un schwer an der Art der Schiffe zu erkennen / welche die auff denen in dem Flusse Boristhenes sich befindlichen häuffigen Inseln / und an dem Strome Hippanis und Tyras wohnenden Räuber zu führen pflegten. Dieses wäre ein von Kind- auff zum Kriege abgerichtetes Volck / dessen Reichthum zu Hauße allein in Viehzucht bestünde / also alles andere auff dem Euxinischen Meere suchte / ja an die daran stossenden Länder mit seinen flachen Schiffen anländete / und mehrmahls reiche Beuten darvon brächte. Sie erkennten theils der Geten / theils der Sarmater König für ihren Ober-Herrn / aber mehr zum Scheine als wesentlich. Denn sie gäben ihm nicht allein keine Schatzung / erwehlten ihnen selbst ihre Obersten und Richter / sondern die Könige liessen ihnen auch selbst jährlich ein gewisses von allerhand Haus- und Krieges-Geräthe austheilen; iedoch hätte er in [519] Kriegen wider andere Feinde sich auff ihre Tapfferkeit zu verlassen / und wären durch sie unterschiedene grosse Thaten ausgewürcket worden. Unter diesem Gespräche näherte sich dieses Raub-Schiff / welchem ich wegen seiner Kleinigkeit noch nicht zutrauen konte /daß es uns antasten würde. Mir kam aber der Glaube zeitlich in die Hand; denn so bald uns der Feind nur erreichen konte / begrüßte er uns mit seinen Pfeilen /worvon einer alsbald in meinem Schilde stecken blieb / und einen neben mir in Arm verletzte. Sein Schiff war oben rings umher mit einem Tuche umspannet /Daß wir die Anzahl der uns anfallenden nicht erkiesen konten. Wir hingegen thaten mit unsern Bogen gleichfals das beste / wo wir nur einen unserer Feinde erblickten / und der Schiffer bemühte sich mit unserm als einem viel grössern Schiffe das feindliche zu übersegeln / aber wegen Schlau- und Geschwindigkeit der Räuber vergebens. Nachdem wir wohl eine Stunde gegen einander mit dem Pfeil-Gefechte zubracht /auch bey uns unterschiedene gefährliche Wunden bekommen hatten / und ich sahe / daß disseit der Herr des Schiffes die Seinigen nur zu eigener Beschirmung nicht zum Angriffe des Feindes anwieß / welches so viel ist / als einem wohl überwunden zu werden / aber nicht zu überwinden Macht geben; fing ich an: Wir hätten durch unsere Zagheit dem Feinde nur ein Hertze gemacht / würden auch dergestalt uns durch eigene Schuld gar verlieren. Denn wer im Kriege nur seiner Haut wehrte / und den Feind nicht in seinem eigenen Lager und Lande suchte / hätte schon halb verspielet. Also wäre mein Rath / daß / weil allem Ansehen nach sie uns an der Zahl nicht überlegen wären / wir unser Schiff an das ihrige feste zu machen trachten solten. Wie schwer er nun hierzu zu bereden war / so folgte er doch endlich meinem Rathe / als ihm selbst ein Pfeil in Schenckel zu stecken kam. Weil unsere bißherige Fechtens-Art einer Kleinmuth allzu ähnlich / und der Feind hierdurch vermessen gemacht war / gieng der Anschlag desto leichter / und hiermit der rechte Streit mit den Schwerdtern an. Dieser währete eine lange Zeit / ohne ein oder des andern Theils Vortheil /die Todten und verwundeten waren fast gleiche; Wiewohl die Geten durch ihren Eifer und Behendigkeit wiesen / daß sie das Kriegs-Handwerck wohl verstünden / und diesem Theile / darunter ihrer viel diesen Tag wohl das erstemahl die Waffen führten / weit überlegen gewest wären / wenn ich und meine zwey Edelleute nicht für die Lücke gestanden hätten. Wie ich nun mit dem Obersten der Räuber / und zweyen andern / welche mich ihnen allein fürnahmen / genugsam zu thun hatte / ward ich eines Frauenzimmers im feindlichen Schiffe gewahr / welche von unten empor stieg / einem Geten hinterrücks das Schwerdt aus der Hand riß / und seinem Nachbar einen solchen Streich versetzte / daß er todt zu Bodem fiel. Dieser Streich kehrte alsbald etliche Sebeln des Feindes gegen diß Frauenzimmer / die sich aber männlich vertheidigte. Weil ich nun sie ohne Schild / und daher in höchster Gefahr sahe / versuchte ich gegen meinen Feind das eusserste / brachte auch dem Obersten Räuber einen so glücklichen Streich an / daß er mit seiner Hand auch die Sebel muste fallen lassen. Ich wolte mich dieses Vorteils bey Zeiten bedienen / besprang daher das feindliche Schiff / und benahm mit einem andern Streiche einem Feinde das Leben / und das Frauenzimmer der ihr ziemlich nahenden Todes-Gefahr. Meine Geferthen wurden hierdurch behertzt / der Feind aber / nachdem mehr als die Helffte erlegt war /so verzagt / daß sie die Waffen wegwarffen / für mir /ich weiß nicht aus was für Ansehen / zu Fusse fielen /und das Leben baten / welche alsofort gebunden und verwahret wurden.

[520] Rhemetalces fiel ein: Diß sind die herrlichsten Merckmahle eines Gebieters / welche einem die Tugend und die Natur eingepräget. Zepter und Kronen hingegẽ nur Tockenwerck des Glückes / welches einẽ Knecht so wenig zum König / als ein Perlen Halsband einen Affen zum Menschen machen kan. Hingegen sahe man dem Cyrus auch in der Hirten-Höle seinen hohen Ursprung und sein Helden-Gemüthe an. Und als Käyser Julius gleich von den See-Räubern gefangen war / jagte er ihnen doch Furcht und Schrecken ein. Denn in Warheit / wer zum Herrschen gebohren ist / verliert auch in Ketten und Banden nicht seine Botmäßigkeit; einem dienstbaren Geiste aber machen auch hundert Kronen kein Ansehen. Zeno gab diß alles nach; entschuldigte diese auff ihn gemachte Auslegung / fuhr also fort:

Der Herr des Schiffes und alle andern wusten mir nicht genug zu dancken / noch auch was sie von mir als einem Weibsbilde urtheilen solten / wenn nicht einer unter den Schiffenden mich für die Fürstin Arsinoe erkennet / und mich also durch seine unzeitige Ehrerbietung allen Anwesenden bekandt gemacht hätte; Welche denn insgesamt mir zu Fusse fielen /darfür haltende / daß der Himmel mich ihnen zu einer absondern Schutz-Göttin zugeschickt hätte. Eben diesen Titel legte mir das erlösete Frauenzimmer bey /welches mich mit Thränen umbhalsete / und nicht genug ihre Verbindligkeit auszudrücken wuste / daß sie von mir aus den Klauen dieser Raubvögel erlöset worden wäre. Ich versetzte gegen ihr / daß ihre eigene Tapfferkeit ein Werckzeug unsers Sieges gewest wäre / und würde sie meinen geringen Dienst überflüßig abschulden / wenn ich allein wissen möchte / wie sie in diese Noth verfallen wäre / und wem ich dißmahl zu ihrer Freyheit geholffen hätte? Penthasilea / also nennte sie sich / gab mir zu verstehen: Wenn mit beliebte ihr einen Ort zu unserer Einsamkeit anzuweisen / wolte sie mir in allem Vergnügung leisten. Nachdem ich nun Vorsorge gethan / daß / was von dem Raube Penthasileen zuständig wäre / abgesondert / und ihr wieder zugeeignet / das übrige aber für gute Beute ausgetheilet würde / führte ich sie in mein Gemach des Schiffes / darinnen sie mir eröffnete: Sie wäre der Amazonischen Königin Minothea Schwester / und eine Tochter des Albanischen Königs Zober / welcher nebst dem Könige Pharnabazes in Iberien wider des Antonius Feldhauptmann Canidius Krieg geführet /und / als er von selbtem geschlagen worden / sich nach Ampsalis / der Amazonischen Haupt-Stadt / biß ihn Moneses mit dem Antonius wieder ausgesöhnet /geflüchtet / und daselbst ihre Mutter Androgyne geschwängert hätte. Bey welcher sie in ihrer Kindheit vermöge der Amazonischen Reichs-Gesetze / welche den Vätern alles Recht über ihre Töchter entziehen /hätte verbleiben müssen / hernach aber hätten sie die angewohnten Sitten / und die Süßigkeit ihrer Freyheit so eingenommen / daß ob wohl ihr Vater / König Zober / ohne Söhne gestorben / sie nach dem väterlichen Reichs Erbe nie gefragt / sondern eine Amazonin blieben wäre. Ich war begierig von dieser Fürstin die wahre Beschaffenheit ihres Reichs zu erforschen /welche sie sonst insgemein aus einer besondern Staats-Klugheit für den Ausländern auffs sorgfältigste verhölten. Daher gab ich ihr mit einem freudigen Antlitz zur Antwort: Ich vernehme mit grosser Vergnügung / daß die vertriebenen und unglückseligen Männer bey denen Amazonen / die doch in der Welt für die grausamsten Feinde des Männlichen Geschlechtes ausgeschrien würden / ihren Auffenthalt findeten; Also hätte vermuthlich eine verstossene Fürstin / und insonderheit ich / die ich zwar nicht vom Geblüte /aber wohl vom Gemüthe eine Amazonin wäre / dergleichen sich zu getrösten. Sintemahl ihr alle Anwesenden auff dem Schiffe würden erzehlen können /daß weil [521] ich den König der Meden und Armenier Ariobarzanes mit Verlust der güldnen Freyheit nicht hätte ehlichen wollen / hätte mich der Pontische König Polemon aus allen seinen Reichen verbannet /und also segelte ich nunmehro auff gutes Glücke dahin / wohin mich die Götter und mein Verhängniß beruffen würden. Penthasilea schüttete mitleidende gegen mich aus ihren kohlschwartzen Augen einen Hauffen nasser Perlen / umarmte und versicherte mich / daß die Königin Minothea mich als ihr Kind oder ihre Schwester auffnehmen würde / da ich meine Zuflucht dahin zu nehmen sie würdigen würde. Es wäre ihr zwar nicht unwissend / was der falsche Ruff den Amazonen für wilde Sitten andichtete / wie sie nehmlich alle neugebohrne Knaben Muttermörderisch tödteten / denen Mägdlein die rechte Brust mit einem glüenden Eisen versehrten / wormit die Brüste sie mit der Zeit nicht an dem Gebrauch des Bogens verhinderten / oder der rechte Arm dadurch desto mehr Stärcke bekäme / daß sie aus Erfindung der Königin Antianira die erwachsenen Männer lähmeten / wormit sie zum Kriege ungeschickt / zur Geilheit desto fähiger würden; Allein es würde mich mein erster Augenschein in ihrem Reiche ein anders bereden / indem ich darinnen viel wohlgestalte Knaben / die biß ins siebende Jahr sorgfältig aufferzogen / und so denn ihren Vätern heimgeschickt würden / die Amazonen meistentheils zweybrüstig / viel vollkommene Männer /welche nur nicht Waffen tragen / und die Reichs-Aemter bedienen dörfften / sondern der häußlichen Wirthschafft / der Kinderzucht / und anderer sonst den Weibern obliegende Geschäffte abwarten müsten / antreffen würde.

Flavius brach ein: Ich erinnere mich / daß ich derogleichen verkehrte Lebens-Art auch in der Numidischen Stadt Tesset angetroffen / wo nur die Weiber den freyen Künsten obliegen. Ja / sagte Rhemetalces: In Egypten ist es voriger Zeit üblich gewest / daß die Männer gesponnen / genehet und gewürcket / die Weiber aber männliche Geschäffte verrichtet haben. Nicht anders liegen auch die Gelones in Meden der Uppigkeit ob / schmincken und balsamen sich ein; ihre Weiber aber verrichten alles wichtige. Ich will nicht zweiffeln / sagte Zeno / daß weil die Amazonen lange Meden beherrschet / die Gewonheit von ihnen den Ursprung habe. Ubrigens ermunterte ich Penthasileen nicht nur durch mein fleißiges Auffmercken in ihrer annehmlichen Erzehlung fort zu fahren / sondern ich ersuchte sie auch beweglichst / mir den wahrhafften Ursprung ihres Reiches nicht zu verschweigen /nach dem ins gemein so unterschieden hiervon geredet würde. Penthasileens Willfährigkeit überwog mein Verlangen / also fing sie hierauff gegen mir an: Unser erster und warhaffter Ursprung rühret von der Fürstin Vandala her / des Deutschen Königs Alemans Tochter / welcher zu seiner Leibwache / oder vielmehr zum Zeichen seiner über Menschen und Thiere habender Herrschafft stets einen Löwen an der Hand führte. Als dieser starb / theilten seine drey Söhne / Norich /Hunnus und Bojus die väterlichen Reiche vom Boristhenes biß an Rhein alleine unter sich; Welches ihre mehr als männliche Schwester Vandala / welche am allerersten unter den Menschen zu Pferde gestiegen /und so wohl das Reiten / als Kämpffen zu Pferde erfunden hat / nicht verschmertzen konte / sondern als ihre Brüder ihr ein gewisses Erbtheil abzutreten weigerten / ein grosses Heer von allerhand Weibern versammlete / und zwischen denen Brunnen der Weichsel und des Guttalus mit dem Bojus eine Schlacht wagte / selbten auch aus dem Felde schlug. Dieser Sieg verursachte / daß aus allen Enden des deutschen Reichs eine unzehlbare Menge Weiber / welche entweder der männlichen Herrschafft überdrüßig waren /oder durch die Waffen Ehre einzulegen getraueten /der Fürstin Vandala [522] zulieff. Diese Macht / oder vielleicht auch die Abscheu für grösserm Blutvergiessen brachte zu wege / daß die drey Brüder ihrer Schwester Vandala den Strich zwischen der Weichsel und dem Guttalus einräumten. Es verliebte sich aber in diese tapffere Vandala des Bojus Sohn / Tanausis / welchen sein Vater zum Könige der damahls um die Meotische Pfütze wohnenden Gothen gemacht hatte. Diesen tapffern Held vergnügte zwar die Königin Vandala /iedoch war sie nicht zu bewegen / daß sie ihn als ihren Ehherrn bey sich behalten / und die Herrschafft über ihr männliches Frauenzimmer mitgetheilet hätte; sondern er muste darmit vorlieb nehmen / daß sie ihm alle Jahr einen Monat bey ihr zu bleiben erlaubte / die Söhne / die sie gebahr / ihm folgen ließ / die Töchter aber für sich behielt. Eben zu selbiger Zeit bemeisterte sich fast gantz Asiens der Egyptische König Vexores / Sesostres / oder Sethos. Nachdem dieser das Reich der Aßyrier unter dem Könige Sosarin / und der Sycioner unter dem Imachus ihm zinßbar gemacht /schickte er an den Tanausis einen Herold mit Befehl /daß er sich seiner Herrschafft gleichfals unterwerffen solte. Dieser Deutsche König der Gothen ließ dem Vexores zur Antwort wissen: Es wäre grosse Thorheit / daß eines so reichen Volckes König durch Krieg bey denen etwas suchen wolte / die die Sebel für ihr gröstes Reichthum hielten / also alldar zwar keine Beute /wohl aber Verlust und ein zweiffelbarer Kriegs-Ausschlag zu besorgen wäre. Nach dem ihn aber ja so gelüstete / mit den Gothen anzubinden / wolten sie selbsten ehestens bey ihm seyn. Weil nun Tanausis der Königin Vandala Ehrsucht wohl wuste / machte er alles diß ihr eilfertig zu wissen / welche mit ihrem Weiblichen Heere sich nicht säumete den Gothen zu Hülffe zu kommen. Die grossen Ströme des Boristhenes / des Pantycapes / des Pacyris / und Gerrhus / und der Cimmerische Bosphorus / waren ihrer Ruhms-Begierde allzu geringe Hinderniße in Asien zu dringen. Tanausis / welcher mit einem starcken Heere über die Flüsse Tanais / Marabius / Rhambites / Psöpis / und Varadan gesetzt / und solche unter dem Coraxischen Gebürge stehen hatte / kam ihr biß in die Stadt Apaturus mit den fürnehmsten seiner Gothischen Fürsten entgegen; baute auch hernach wegen ihrer daselbst genossenẽ Vergnügung der Liebe einen prächtigen Tempel. Hierauff zohen sie mit einander an der Nord-Seite des Caucasischen Gebürges / und kamen in Iberien /bey der Stadt Harmastis gegen der Egyptier Vortrab zu stehen. Die Fürstin Vandala bat ihr gegen diesem wollüstigen Feinde allein zu fechten aus. Der unversehene Anblick eitel gerüsteter / und so männlich anfallender Weiber jagte denen Egyptiern alsbald ein grausames Schrecken ein. Denn / weil sie nicht glaubten /daß dieses schwache Geschlechte solcher Tapfferkeit fähig wäre / sahen sie sie für Gespenster an. Weil nun in Schlachten das Auge am ersten überwunden wird /dieses aber so denn dem Hertzen leicht den Muth benimmt / schlug Vandala nach weniger Stunden Gefechte den Feind aus dem Felde; welches in das grosse Königliche Heer nicht einen geringen Schrecken vor her jagte. Dieses traffen die Deutschen in Colchis an dem Flusse Hippus an. Beyde Heere wurden des Nachts in Schlacht-Ordnung gestellet / wormit sie bald / wenn es begunte zu tagen / mit einander anbinden könten. Vandala führte den rechten / Tanausis den lincken Flügel. Die auffgehende Sonne warff durch ihren Widerschein von der Egyptier güldenen Waffen / goldgestückten Kleidern / und Pferde-Decken denen Deutschen und Gothen einen solchen Widerschein in die Augen / daß sie bey nahe verbländet /und daher so wohl Vadala als Tanausis die Stirne ihrer Schlacht-Ordnung etwas seitwerts zu lencken genöthigt wurden. Beyde Heerführer [523] nahmen daher Anlaß ihr Volck auffzufrischen; Vexores: daß der Feind nicht einst den Glantz ihrer Waffen vertragen könte; Vandala und Tanausis aber / daß sie mit keinen abgehärteten Kriegs-Leuten zu fechten / sondern nur auffgeputzte Tocken / und eingebiesamte Weiber zu erlegen haben würden. Alleine den Egyptiern schauerte für Schrecken schon die Haut / als sie die deutschen Amazonen auff eitel schwartzen Pferden /und mit schwartzen Schilden gerüstet / die Gothen aber auff weißen Pferden mit Kohlen-berähmten Gesichtern und Armen wie der Blitz andringen sahen. Es ist freylich wohl rathsamer / fing Rhemetalces an / mit starcker als prächtiger Rüstung versehen seyn. Denn das Eisen / nicht das Gold ist von der Natur zu Waffen gezeuget. Und die Federn dienen wohl den Vögeln zur Flucht / aber nicht den Kriegsleuten zum Gefechte. Es wäre wahr / sagte Hertzog Herrmann / und wüsten die Deutschen insonderheit nicht viel von dieser den Feind nur zum Raube reitzenden / und an sich seilbst beschwer- und hinderlichen Eitelkeit. Gleichwohl aber wäre die Auffputzung der Kriegs-Leute nicht schlechterdings zu verwerffen; und hätten die zwey grossen Helden Philopömen und Käyser Julius die ihrigen prächtig ausgerüstet. Der köstliche Granat-Aepffel-Safft steckte in schönen / die Diamanten in heßlichen Schalen / und ein Helden-Hertze thäte in beyden Wunder. Zeno meldete / diesesmahl in dem schlechtesten Auffzuge. Uberdiß ereignete sich / daß /als die Schlacht nur angegangen war / Vexores von dem obersten Priester aus Memphis die traurige Zeitung bekam / daß des Königs Bruder und hinterlassener Stadthalter die Königin verächtlich hielte / mit des Königs Buhlschafften sich befleckte / und die Herrschafft an sich zu reissen trachtete. Dieses Unglück verwirrte den Vexores derogestalt / daß er seinen Kriegs-Obersten gantz widrige Befehl ertheilte / und also sein eigenes Heer in Unordnung brachte. Hingegen fiel auff einer Seite Tanausis / auff der andern Vandala die Egyptier wie Löwen an / an denen sie aber mehr zu schlachten / als mit ihnen zu kämpffen hatten. Alles was sich nicht an das Taurische Gebürge / oder die Nacht versteckte / kam durch die Schärffe des Schwerdtes um. Der König kam mit Noth auff den Fluß Phasis / und auff selbtem über das Euxinische Meer / in den Fluß Halys / daselbst stieg er aus /ging zu Lande durch Galatien / und Lycaonien / biß an den Fluß Cydnus / auff dem er in das Cilicische Meer schiffte / und bey Cypern vorbey gleichsam ohne Umschauen in Egypten ankam. Polemon fing an: Es ist diß ein merckwürdig Beyspiel / daß ein Feldherr mit einem unbekandten Feinde nicht leicht schlagen / auch nicht alles an die Spitze einer einigen Schlacht setzen solle. Ja / sagte Hertzog Hermann /auch / daß ein Heerführer nicht allein ein grosses Hertze / sondern auch in der grösten Verwirrung einer Schlacht einen auffgeräumten Kopff haben müsse; welcher alle böse Zeitungen verdäuen und verhölen /ja Zufälle und das / Unglück selbst zu seinem Vortheil gebrauchen könne. Also munterte der hertzhaffte Brennus seine bey währender Schlacht von einem Erdbeben erschreckende Deutschen auff: Sie solten nur tapffer ansetzen. Denn wie solte der Feind gegen denen stehen / für welchen die Erde zitterte. Und der großmüthige Marcomir hielt einsmahls sein Heer /von welchem etliche Geschwader durchgingen / mit diesen wenigen Worten in gutem Stande: Es ist gut /daß sich die Weiber bey zeite von den Männern absondern. Hertzog Jubil setzte bey / daß Ariovist zu der dem Käyser Julius gelieferten Schlacht einem ihm die Zeitung bringenden Kriegsknechte / daß seine Gemahlin getödtet wäre / unverändert geantwortet habe: du wirst mein Kebs-Weib meinen. Denn ich weiß von keiner andern Gemahlin / als meinem Reiche; diß aber [524] bestehet nicht in Berg und Thälern / sondern in denen hier hertzhafft fechtenden Seelen. Zeno fing an: Also hätte ihm Vexores auch helffen / und mit seinem Glücke nicht alsbald gar die Vernunfft verlieren sollen. Der Königin Vandala / und dem Tanausis hingegen wuchs mit dem Glücke die Klugheit / allen Deutschen aber durch diesen so leichten Sieg der Muth /und durch die reiche Beute die Begierde mehr zu erlangen. Dahero bemächtigte sich Vandala der zwischen dem Taurischen / und Moschischem Gebürge /wie auch dem Euxinischen Meere gelegener Länder /besetzte die Stadt Phasis / Sebastopolis an dem Flusse Acinasis / die Stadt Absyrtus an dem Fluße Absarus / Baute Xylina zwischen dem Flusse Pyxites / und Pritanus / besetzte die Flüsse Adienus / Ophis / Nyssus / und Melanthius / ja brachte biß an den Fluß Halys die gantze See-Küste unter ihr Gebiete; zwischen die Ströme Iris / und Thermodon aber baute sie ans Meer zu ihrem Königlichen Sitze die Stadt Themiscyra. Tanausis aber theilte sein Heer in zwey Theil / mit einem drang sein Bruder Parthes über den Caucasus in Hircanien / und durch die Caspischen Pforten in Meden / welchem sich des Vexores Unter-König Sorim gutwillig unterwarff. Dieser richtete daselbst von seinem Nahmen das berühmte Volck und Herrschafft der Parthen und Bactrianer auff. Das andere Theil führte Tanausis in Cappadocien und Lycaonien / daselbst liessen die Gothen ihre Weiber / Kinder und Alten unter dem Schirm der beyden Fürsten Ylinos und Scolopitus zurücke / überschwemmeten nicht nur das kleinere Asien / sondern auch Syrien / Mesopotämien und Assyrien; Sie wären auch biß in Egypten gedrungen / wenn sie die Pfützen von dem überlauffenden Nil nicht zurücke gehalten hätten. Tanausis baute in Syrien Hierapolis uñ Bethsan / und die Liebligkeit selbiger Länder verursachte / daß die Gothen nicht nur ihres kalten Vaterlandes / sondern auch der ihrigẽ in Cappadocien vergaßen; Ungeachtet sie ihre verlassenen Frauen beweglich zurück rufften /und aus den Nachbarn andere Männer zu erkiesen dräueten. Die Königin Vandala führte inzwischen mit den Sacken / einem Scythischen Volcke Krieg / überwältigte sie / und drang ihnen zur Königin ihre Base /die schöne und streitbare Zarina auff / welche hernach die Meden / und andere rauhe Völcker demüthigte /selbten mildere Sitten angewöhnete / und unterschiedene Städte bauete / also auch unter den Scythen die Frauen-Herrschafft / unter den Amazonen aber die Tugend und Tapfferkeit durch dieses Gesetze befestigte / daß keine / die nicht drey Feinde erlegt / und zwar nur alsdeñ / weñ sie vorher ihren Gottesdienst verrichtet / mit einem Manne Gemeinschafft haben dorffte. Weßwegen sie nach ihrem Tode vergöttert /und mit Auffrichtung einer Himmel-hohen steinernen Säule verehret ward. Als Vandala mit den Sacken kaum fertig ward / bey diesem Kriege aber sie fast alle ihre Macht aus dem kleinern Asien zurück gegen Norden gezogen / und zu Ampsalis ihren Sitz erkieset hatte / kriegte sie von denen in Cappadocien gelassenen Gothischen Frauen Nachricht: Nachdem die benachbarten Pamphilier / Paphlagonier und Armenier /die Gothischen Weiber in Cappadocien aller Mannschafft entblösset / und von ihren Männern gantz verlassen gesehen / wären sie mit gesamter Hand bey ihnen eingefallen / hätten auch beyde Fürsten Ylinos und Scolopitus erlegt / also wäre es um sie geschehen / da sie ihnen nicht schleunige Hülffe leistete. Vandala machte sich unverrücktes Fusses mit einem Theile ihrer streitbaren Weiber auff / über das Euxinische Meer / stieg zu Themiscyra aus / und traff die Gothischen Frauen an dem Flusse Iris in einem hitzigen Gefechte mit ihren Feinden an. Ihre schneidenden Schwerdter gaben dem zweiffelhafftem Siege bald einen Ausschlag; Die Feinde wurden meistentheils[525] nieder gehauen / und hierdurch daselbst ein neues Weiber-Reich auffgerichtet. Vandala baute auff der Wallstatt eine Stadt / und nennte sie zum Gedächtnisse / daß bey währender Schlacht sich ihr die Haarlocken auffgeflochten / sie aber solche biß zum Ende fliegende gelassen hatte / nach angenommener Griechischen Redens-Art Komana. In dieser Stadt richtete sie von eitel rothem aus dem Taurischen Gebürge gehauenem Marmel der Kriegs-Göttin unter dem Nahmen der Taurischen Diana einen prächtigen Tempel auff / ordnete hundert Priesterinnen dahin / darunter die Oberste nach der Königin die höchste Gewalt im Reiche hatte; Sechs tausend Gefangene machte sie zu Opffer-Knechten / welche aber auff gewisse Feyer einander selbst auffreiben musten. Die Griechen und alle andere Völcker verehreten hernach dieses Heiligthum für allen andern / und Agamemnon wiedmete darein das Opffer-Messer / wormit seine Tochter Iphigenia abgeschlachtet worden war. Weil auch einige bey ihnen nachbliebene Männer nicht mit in die Schlacht kommen waren / tödteten die Gothischen Weiber sie vollends / und nahmen hiervon den Nahmen der Amazonen und die erstern Gesetze der Vandala an; welche ihnen die zwey tapffersten Frauen Marpesia und Lampeto zu Königinnen fürsetzte / die ihnen ihre rechten Brüste den Bogen desto besser zu gebrauchen weggebrennet hatten / und sich des Krieges-Gottes und der Diane Töchter nannten / die erste auch einem Theile des Caucasischen Gebürges / aus dem die Flüsse Corax und Astelephus entspringen /ihren Nahmen zugeeignet hatte / weil sie die daselbst einbrechenden Scythen so hertzhafft zurück geschlagen. Vandala selbst aber kehrte wieder in ihr Nordliches Reich / alldar sie nach vielen Siegen endlich starb / von den ihrigen aber für eine Göttin und Fürbild der Tapfferkeit in unerleschlichem Gedächtniße behalten ward. Lampeto und Marpesia aber übten ihr Frauenzimmer an statt des verächtlichen Spinnens in Ritter-Spielen / theilten sich in zwey Heere ab; Marpesia bemächtigte sich Armeniens / und nennte denselbigen gantzen Strich des Caucasus nach ihrem Nahmen das Marpesische Gebürge / wiewohl sie hernach bey einem Einfall der Assyrer durch einen Pfeil tödtlich verwundet ward / iedoch erst nach erlangtem Siege ihren Helden-Geist auffgab. Dieser ihre Tochter Gorgonia verfolgte ihre Siege / fuhr auf dem Tigris über das Persische / und nach Erlegung der Araber über das rothe Meer / allwo sie dem Egyptischen Könige Horus der Isis Sohne ihre Tochter Myrina auff eine gewisse Zeit vermählte / und ein Bündniß auffrichtete. Von dar zohe sie durch die Cyrenische Wüsten in Numidien / baute zu dem Tritonischen See eine Stadt / und unterwarff ihr theils durch Tapfferkeit / theils durch Schrecken / indem die von ihr so genannten Gorgones ihre Schilde und Waffen mit Schlangen behingen / viel Völcker; Ward aber endlich durch Arglist vom Perseus erlegt. Nach ihr maßte sich der Herrschafft die Königin Myrina an / schlug die Einwohner in Cercene / worauff sich die andern Atlantischen Völcker ihr gutwillig untergaben. Von dar drang sie wieder in Arabien / bemächtigte sich der Syrer durchs Schwerdt / der Cilicier durch Schrecken /baute die Städte Cyme / Pitame / Priene und Mitilene. Blieb endlich in der Schlacht mit den Thracischen Königen Sipylus und Mopsus; Nach welcher Tode diese Amazonen wieder in Lybien zurück kehrten. Lampeto eroberte inzwischen auff der andern Seite Galatien / Pisidien / Cilicien / und ein Theil Syriens /baute die Stadt Smyrna / Cuma / Myrina / Paphus /Ephesus / und der Diane Wunder-Tempel; Ja endlich drang sie biß in Thracien. Vandalens Nachfolgerinnen aber machten ihnen auff der Nord-Seite des Euxinischen Meeres biß an den Einfluß der Tanais alle Völcker dienstbar. Marpesien folgte ihre Tochter Orithia /[526] welche ewige Jungfrauschafft gelobte / und die Stadt Sinope baute; der Lampeto ihre Tochter Antiope /welche zwey mit ihren Thaten die Welt also erfülleten / daß es eine Amazone zu überwinden so unmöglich /als den Himmel mit den Fingern zu erreichen gehalten ward. Wie denn deshalben Bacchus in dem Tempel zu Samos etlicher von ihm erlegter Amazonen Gebeine als ein grosses Wunderwerck aufhenckte. Daher als Hercules in Griechenland nach unterschiedenen grossen Verrichtungen / und insonderheit / daß er das goldene Fell aus Colchis geholt / und den an dem Caucasus angeschmiedetẽ Prometheus loßgemacht hatte / sich beym Könige noch grösserer Streiche vermaß / legte dieser ihm auf / einer Amazonischen Königin Gürtel zu bringen. Hercules nahm dieses auf sich / und die Gelegenheit in Acht / als Orithia mit den meisten Amazonen über den Phrat gesetzt war /zohe den Kern des Griechischen Adels / unter denen Theseus / Enneus / Thoas / Sokoan / Artolicus / Demeleon / Phlogius die fürnehmsten waren / an sich /segelte mit neun langen Schiffen durch die Thracische Meer-Enge über das Euxinische Meer in den Fluß Thermodon / schlug also des Nachts unvermuthet bey der Stadt Themiscyra ein Läger auf. Des Morgens schickte Antiope zu den Griechen / sie für Freunde haltende / welche nach Gewohnheit ihrer Landes-Art ihrer Liebe zu genüssen dahin kommen wären / allerhand Erfrischungen sie zu bewillkommen. Hercules und Theseus nahmen selbte an / luden die Amazonen mit allerhand Liebes-Bezeugung auf ihre Schiffe /wordurch sich der Königin Schwester Hippolyte nebst etlichen andern blenden / und also vom Theseus / der sich Augenblicks in sie heftig verliebte / fangen ließ. Hierauf forderte Hercules noch den Gürtel der Königin / oder er wäre entschlossen solchen mit Gewalt zu nehmen. Die Amazonen / wie wenig ihrer gleich ein heimisch waren / wolten ehe rühmlich sterben / als ihrem Ruhme durch Zagheit einigen Schandfleck anbrennen / oder auch nur sich in die Mauren zu Themiscyra einsperren lassen. Daher fielen sie auf die in voller Schlacht-Ordnung stehenden Griechen aus /nach dem sie vorher geloset / wie sie hintereinander auf den großmüthigen Hercules treffen solten. Die Griechen aber überfiel eine solche Furcht / daß Hercules dem Schrecken als einẽ Gotte opfern muste. Ismene fing hierüber an zu lächeln / und zu melden: Die Schwachheit unsers allzuviel redenden Krancken veranlassete mich die Thorheit der sonst so klugen Griechen zu verlachen / daß sie diß für Gottheiten verehren / was wir Deutschen für Schwachheiten / oder gar für Laster haben. Dergleichen allerdings die von dem schrecklichen Hercules angebethene Furcht ist. Ja /sagte Rhemetalces / und zu Athen stehen noch zwey Tempel / derer einer der Verachtung / der andere der Unschamhafftigkeit gewiedmet ist. Thußnelde fragte halb-entrüstet hierüber: Heist diß aber nicht unverschämt seyn? und ist es nicht eine offenbare Gottes-Verachtung / wenn man durch eine so lächerliche Andacht nur des Himmels spottet? Rhemetalces als ein Griechischer Nachbar röthete sich ein wenig über diesem Eifer. Wormit er nun nicht für einen / der an diesem Aberglauben Theil hätte / angesehen haben möchte / hob er an: Er wüntschte / daß die Athenienser ehe / als sie so verda liche Tempel gebaut / mit den Eleaten den weisen Xenophanes zu Rathe gefragt hätten; welcher auf ihre Befragung: Ob sie länger der Morgenröthe mit Heulen und Wehklagen opfern solten? ihnen vernünftig antwortete: Wenn sie die Morgen-Röthe für eine Göttin hielten / wären die Thränen nichts nütze; wäre sie aber eine Verstorbene / so verdiente sie kein Opfer. Ismene fragte: Was richtete Hercules aber mit seinem furchtsamen Opfer aus? Zeno sagte: Mit seinen von der Medea empfangenen Zaubereyen / welche ihn unverwundlich [527] machten /sonder Zweifel mehr / als mit seinem thörichten Gottes-Dienste. Wiewohl ich darfür halte / daß der gewüntschte Ausschlag weder eine falsche Andacht rechtfertige / noch ein widriger den rechtmässigen verwerfflich mache. Denn die gerechten Götter haben mehrmals so viel Ursache uns / als die Eltern ihren Kindern ihre Bitten zu versagen; denen Bösen aber ihre sie ins Verderben leitende Wüntsche zu gewehren. Ismene versetzte: Kriegte denn aber Hercules keine Wunde? Zeno antwortete / aus Penthafileens Berichte: Keine / aber wohl viel heftige Streiche /deren aber keiner durchdrang. Rhemetalces brach ein: Ich traue gleichwohl dem Hercules nicht zu / daß seine Festigkeit von Colchischen Künsten hergerührt haben solle / weil die Gemsen- und Siegwurz / die in dem Hertzen der Gemsen gefundene Kugel / und etliche andere natürliche Kräuter einen für allen Wunden versichern sollen. So müssen / sagte Jubil / die für Troja verwundete Venus / und andere Götter schlechte Kräuter-Verständige / und ohnmächtiger als die Zauberin Medea gewesen seyn / daß sie sich auch nicht unverwundlich haben machen / und Jupiter selbst seinen Sarpedon nicht erretten können. Zeno antwortete: Dem sey / wie ihm wolle / so blieb er doch fast alleine nur unversehret. Denn Antiopens Schwester Malpadia traff auf den Theseus / welcher der Griechen lincken Flügel führte / verwundete ihn auch zwar an dreyen Orten / sie ward aber von der Menge der Griechen umringet und gefangen; Aella traff auf den Hercules / von welchem sie aber verwundet / und aus dem Treffen zu weichen genöthiget ward. Dieser folgte die tapfere Philippis / welche Hercules bald im ersten Anbinden erlegte. Nach diesem griffen ihn Prothoe / welche auf einmal hinter einander sieben Helden überwunden hatte / Euribea / Celeno / Eurybia / Phobe / welche sonst mit ihren Pfeilen auf ein Haar traffen / ferner Deianira / Asterie / Marpe / Tecmessa / Auge / und die zu ewiger Jungfrauschafft verlobte Alcippe an. Alle diese wurden entweder vom Hercules verwundet oder erschlagen / also / daß sie alle darfür hielten / es müsse mit Kräutern zugehen /oder er kein verwundlicher Mensch seyn. Endlich wolte Antiopens andere Schwester Manalippe ihr letztes Heil an ihm versuchen / verwundete ihn auch an die Hüffte; sie fiel aber endlich auch in seine Hände / also / daß die Königin Antiope sich mit den übrigen Amazonen in Themiscyra flüchten / und /wolte sie anders ihre Schwester Menalippe loß haben / sie mit ihrem Gürtel bey dem Hercules auswechseln muste / welcher denn nach erlangtẽ Siegs-Zeichen mit seinen grösten theils auch verwundeten Griechen nach Hause kehrte / unterwegens aber gleichwohl durch eine Krieges-List sich der Stadt Sinope bemächtigte /und daselbst den Artolycus zum Fürsten einsetzte /dessen Schiff an einer Steinklippen zerbrochen ward. Die andere Schwester Hippolyte aber / wegen welcher sich Soloon aus verzweifelter Liebe in den Fluß Thermodon stürtzte / war durch kein Mittel zu befreyen /sondern sie ward dem Theseus / die wunderschöne Auge auch dem Hercules selbst vermählet. Als Orythia diesen Raub und schimpfliche Niederlage vernahm / munterte sie ihre Amazonen zur Rache auf / ihnen vorhaltende / wie vergebens sie sich des Pontus und Asiens bemächtiget hätten / da die Griechen aus ihrem Hertzen einen solchen Raub zu holen sich unterwinden möchten. Sie ersuchte auch der Königin Vandala Tochter Hipsierate / und den Gothischen König der Parthen Sagil des Parthes Sohn umb Hülffe / jene versprach ihr in kurtzer Zeit / so bald sie nur aus ihrem Scythischen Kriege zurück kommen würde / 20000. auserlesene Amazonen zuzuschicken; alleine weil König Sagils Sohn Panasagor mit 40000. Pferden zur Orythia stieß / wolte sie Hipsicratens Hülffe nicht erwarten / sondern zohe geraden Weges in Phrygien / und weil Priamus ihr den Durchzug verwehrte /schlug sie sein Heer aus dẽ Felde / worüber aber ihre Tochter Myrnita todt [528] blieb. Hierauf setzte sie über den Hellespont / und drang von dar biß in Peloponnesus. Gantz Griechenland hatte daselbst unter der Haupt-Fahne der Athenienser seine Kräffte versammlet / als es aber zum Treffen kam / gerieth Orythia mit dem Fürsten Panasagor wegen des Vorzugs in Zwist /und zohe dieser sich in sein Läger zurücke. Dessen ungeachtet / band Orythia und ihre Amazonen mit den Griechen tapffer an / und blieb der Sieg einen halben Tag zweiffelhafft / biß daß Orythia nach eigenhändiger Aufopfferung vieler Feinde / und insonderheit Hippolytens / welche für ihren Ehherren Theseus der Griechen Feldherrn an der Spitze wider ihre Schwestern am verzweiffeltesten fochte / tödtlich verwundet ward. Ob sich nun wol hierauf das Glück wendete; brachten doch die hertzhafftesten Amazonen ihre Königin aus dem Gedränge der Feinde / und zohen sich zurück-weichende in Panasagors Läger / darinnen Orythia mit Vergnügung / weil sie Hippolyten erlegt hatte / nach Vermahnung der Amazonen zur Tapfferkeit / und Benennung ihrer Tochter Penthasilea zum Reiche dieses Leben gesegnete. Die abgematteten Griechen wolten sich nicht wagen das Läger anzutasten / sondern liessen den Feind ohne einige Verfolgung wieder über den Hellespont in Asien setzen /und bauten zum ewigen Gedächtnüß auff den Siegs-Platz die Stadt Amazonia. Penthasilea verliebte sich im Rückwege in den König der Mysier Telephus / des Hercules und der Auge Sohn / und behielt ihn etliche Monat bey sich. Welche Liebe denen Amazonen aus Rachgier gegen dem Hercules höchst verdächtig und also verdrüßlich war / ungeachtet Telephus ihnen beym Ubersetzen allen Vorschub gethan / hingegen den Griechen / als sie zur Belägerung der Stadt Troja zohen / sich entgegen gesetzt / den Fürsten Timander getödtet / und / als er dem flüchtigen Ajax und Ulysses nachrennende mit dem Pferde stürtzte / von den Pfeilen des Achilles eine tödtliche Wunde bekommen hatte / die auch anders nicht / als mit Verbindung des verwundenden Eisens / zu heilen war. Dieser Liebes-Zwist kam endlich so weit / daß Penthasilea Monotapen / als sie ihr allzu hefftig einredete / durchstach /und hierdurch das Amazonische Reich in offentlichen Aufstand wider sich versetzte / also / daß sie mit einem Theile der ihr wohlwollenden Amazonen sich in Mysien flüchten muste. Wie nun Troja von den Griechen aufs ärgste bedränget / Hector auch schon vom Achilles erlegt war / meinte Penthasilea sich so wol an den Griechen zu rächen / als einen unsterblichen Nahmen zu erwerben; Zohe also den Trojanern zu Hülffe / erlegte daselbst etliche tausend Griechen /das unveränderliche Verhängnüß aber schickte es /daß sie nur auch von dem Schwerdte des grimmigen Achilles fallen muste. Unterdessen wurden die Amazonen in Cappadocien wegen der Herrschafft uneins /die benachbarten Völcker hingegen fielen von ihnen ab / und machten wider sie / als welche gleichsam zu ewiger Schande der Männer sie so lange mit Füssen getreten hatten / starcke Bündnüsse; also / daß sie sich endlich entschlossen selbige Länder zu verlassen; zohen daher durch Colchis zu ihren Schwestern / die unter den Nachkommen der Königin Vandala zwischen dem schwartzen und Caspischen Meere noch über viel Völcker herrschen. Unter der Reyhe dieser Königinnen war auch die hertzhaffte Tamyris / welche dem Scythischen Könige Madyes / mit dem sie einen Sohn Rhodobates gezeuget hatte / wider den Cyrus zu Hülffe kam. Denn nachdem dieser Asien und alle Morgenländer überwältiget hatte / stach ihn auch der Kützel der Scythen Meister zu werden. Madyes schickte seinen Sohn Rhodobates mit einem ansehnlichen Heere an den Fluß Araxes den Persen die Uberkunfft zu verwehren; Tamyris aber rieth / den Feind unverhindert überzulassen / und selbten zwischen die Engen des Taurischen Gebürges [529] zu locken. Rhadabates folgte im ersten / als aber Cyrus nach zweyen Tagereisen aus angenommener Furcht sein mit Wein und köstlichen Speisen angefülletes Lager verließ / bemächtigte sich dieser junge hitzige Fürst desselbten / darinnen sein gantzes Heer in Wein und Schlaff alle Tapfferkeit vergrub / des Nachts von den Persen überfallen / und biß auff den letzten Mann nieder gemetzget ward. Die Königin Tamyris suchte den Trost über den Verlust ihres einigen Sohnes nicht in weibischen Thränen / sondern in Rache; wiech daher mit ihrem Heere biß über den Fluß / welcher nicht weit von dem Caspischen Meere in Araxes fällt / und von des Cyrus erfolgter Niederlage hernach seinen Nahmen bekommen. Die übermüthigen Persen nahmen ihnen für nicht zu ruhen / biß sie ihr Reich biß an den Jaxartes oder Tanais erstreckt hätten / setzten also unbedachtsam über den Fluß Cyrus / allwo die Königin Tamyris mit ihren Amazonen sie aus allen Ecken des Gebürges überfiel / und zweymahl hundert tausend Persen niedersebelte / also / daß nicht einer darvon kam / der die Nachricht von dieser Niederlage in Persen zu bringen vermocht hätte. Cyrus selbst ward gefangen / und an ein Creutz genagelt / hernach ihm der Kopff abgeschlagen / welches Tamyris in einen Kessel voll Blutes warf / mit den Worten: Sättige nun allhier du unersättlicher Wüterich deinen Blutdurst. König Amorges / welcher mit seinen Sacken den Persen zu spät Hülffe leisten wolte / ward gleichfals aufs Haupt geschlagen / daß er mit Noth entran. Wie nun derogestalt die Amazonen mit ihrem Ruhm und Thaten die gantze Welt / mit ihrem Geblüte die grösten Reichs-Stüle erfülleten / daß sie nicht leicht von Feinden mehr angetastet wurden / sondern auch andere Völcker sie zu ihrer Herrschafft erkieseten; massen denn die Königin Semiramis in Assyrien / Cleosis in Indien des Amazonischen Uhrsprungs sind; Also haben unsere Königinnen genau beobachtet / daß sie keinen / der nicht ein König / oder aus Königlichem Geblüte ist / ihrer Liebe'genüssen lassen / wormit kein unedles Blut auff den Amazonischen Stul komme. Nach der Zeit trug sichs zu / daß die Königin Thalestris auff bewegliches Flehen des Persischen Königs Arses / dessen Vater Artaxerxes Ochus von seinem verschnittenen Bagoas ermordet / sein Fleisch den Mäusen zu fressen gegeben / die Beine zu Degen und Messergriffen verbrauchet worden waren / wider diesen Fürsten-Mörder und den auffgeworffenen König Darius Codomann / selbtem tausend Amazonen zu Hülffe schickte. Diese führte des Gothischen Königs Sitalces hertzhaffte Tochter Syeda / welche aus Begierde der Tugend zu den Amazonen kommen war. Alldieweil aber die furchtsamen oder meineidischen Persen den Arses und die Amazonen im Stiche liessen / wurden sie von den Feinden umringt; Bagoas / und die fast tödtlich verwundete Fürstin Syeda mit noch hundert Amazonen vom Medischen Unter-Könige Atropates gefangen / von diesem aber kurtz hernach dem den Darius überwindenden grossen Alexander verehret. Dieser großmüthige Fürst nahm sie mit grosser Höfligkeit an / und versetzte sie noch selbigen Tag in die Freyheit; wiewohl sie selbst Lust hatten eine Zeit unter seinen Fahnen zu kriegen. Weil nun die Macedonischen Fürsten sie täglich bedienten / und über ihrer Tapfferkeit sich verwunderten / ward die wieder genesene Fürstin Syeda mit einem Deutschen Fürsten Anthyr bekandt / dessen Vater noch über die Heruler herrschte / die Mutter aber aus dem Königlichen Amazonischen Stamme herrührte / und mit der Königin Thalestris Geschwister Kind war. Dieser junge Fürst war mit der Deutschen Gesandschafft zum Alexander kommen / welche zwischen ihm und dem[530] Getischen Könige Syrmus vermittelte / auch ihm unter Augen sagte / daß die Deutschen sich für nichts als für Einfallung des Himmels fürchteten. Weil nun dieser junge Fürst Anthyr grosse Gewogenheit von Alexandern genossen / und unter einem so grossen Helden durch tapffere Thaten sich berühmt zu machen begierig war; zohe er mit drey hundert deutschen Edelleuten ihm in Asien nach / und erlangte durch seine Hertzhafftigkeit nicht mindern Ruhm / als des Königs Gewogenheit. Welcher denn auch / als ihm Anthyr sein Anliegen eröffnete / bey der Fürstin Syeda ihre Gegen-Liebe / und endlich eine Heyrath zwischen beyden Deutschen Fürstlichen Personen zu wege brachte. Anthyr aber ward bald nach dem Beylager von denen Herulen und Varinen zur Herrschafft beruffen / weil seines Vatern Todt ihm diese eröffnet hatte; welcher denn mit denen Amazonen nach genommenem Urlaub von Alexandern unter einer Begleitung zwey tausend Macedonier biß an unsers Reiches Gräntze / bey der Königin Thalestris glücklich ankam / von dar aber mit seiner Gemahlin Syeda durch Sarmatien und über das Venedische Meer in ihr Vaterland verreisete. Ob nun diese zwey / fuhr Zeno fort / in Deutschland ankommen / wuste mir Penthasilea nicht zu sagen; Ich solte aber vielleicht allhier hiervon einigen Grund erlangen. Es ist wahr / antwortete die Fürstin Thußnelda alsofort: Denn dieser zwey Helden-Leute wird Deutschland nimmermehr vergessen; weil sie nicht nur Stargard / und andere Städte gebauet / sondern durch ihre Thaten verdienet / daß die Heruler ihnen zwey steinerne Ehrenbilder aufgerichtet; Welche noch als Anreitzungen zu rühmlicher Nachfolge von denen Deutschen in hohen Ehren gehalten werden. Des Anthyrs Bild ist in Riesen-Grösse / hat auff dem Helme einen güldenen Greiff. Der Schild aber bildet halb einen Ochsen / halb einen Pferde-Kopff ab / welchen ihm der grosse Alexander aus köstlichem Ertzte etzen lassen / und zum Gedächtnüsse verehret / weil er den Marden das abgenommene Pferd Bucephal wieder abgeschlagen. An dem Bilde der Königin Syeda hencken die Haare biß an die Waden herab / beyde Hände hält hinter dem Rücken / in einer einen güldenen Apffel / in der andern grüne Wein-Reben mit Trauben. Weil sie diese Früchte mit aus Asien gebracht / und zum ersten in Deutschland an der Donau zu pflantzen gelehrt haben soll. Dahero sie von den Herulen fast als eine Ceres verehret / und jährlich ihr geopffert wird. Diesen seinen Eltern folgte ihr Sohn / Anar / nicht nur im Reiche / sondern auch in Tugenden nach; welcher die Sarmatische Fürstin Oraja zur Ehe nahm / und mit ihr nicht geringere Ehren-Säulen verdiente. Ja dieses Geblüte und Tugenden leben noch itzt in dem Helden-Stamme der Herulischen / Rugischen und Varinischen Hertzoge / welche noch alle obigen Bucephals Kopff in ihren Schilden führen. Diese gute Nachricht / sagte Zeno / bekräfftigt mir gewaltig Penthasileens gantze Erzehlung; welche denn mir zugleich vermeldete / daß Alexander der Fürstin Syeda an die Königin Thalestris einen freundlichen Brieff überschickt / und sie zu sich beweglich eingeladen hätte. Aus dieser Veranlassung wäre die Königin Thalestris / welche doch vorher seinen Feld-Obristen Sopyrion mit seinem gantzen Heere in Albanien erschlagen hatte / mit drey hundert Amazonen dem grossen Alexander biß in Hircanien nachgezogen / und dreyzehen Tage / biß sie sich von ihm schwanger befunden / bey ihm verharret. Von dieser Thalestris wäre sie und ihre Schwester die Königin Minothea des Iberischen Königs Pharnabazes Tochter [531] noch übrig. Die andern Amazonen pflegten meist im Frühlinge auf die Gräntzen ihres Reiches sich zu verfügen / und alldar den Albanern / Iberiern /Gargarensern und Scythen beyzuwohnen. Die Amazonen hätten auch noch dem Mithridates wider den Lucullus ansehnliche Hülffe geleistet unter seinem Feld-Hauptmanne Taxiles / und dem grossen Pompejus nebst dem Iberischen Könige Artocus / und dem Albanischen Orezes nicht geringen Abbruch gethan.


Die Fürstin Thußnelda fiel dem Zeno in die Rede: Ich höre wol / es habe Zeno sich so sehr in die Tugend der streitbaren Amazonen verliebet / daß sein Gedächtnüß nicht eines von den Geschichten ihrer Tapfferkeit ihm entfallen lassen. Denn / ob schon Freundschafft und Liebe einander so gar nahe verwand sind / daß selbte offt Geschwister abgeben /jene auch gegen dieser mehrmals Mutterstelle vertrit; so sind sie doch / was das Andencken betrifft / einander insgemein himmelweit entfernet / indem die Freundschafft ihre der Ewigkeit würdige Wohlthaten nur in leichten Staub / die Liebe aber ihre ungefährliche Handlungen in den Marmel der Unvergeßligkeit eingräbet. Aber / warum vergisset Fürst Zeno den Uhrsprung seiner geliebten Erato auch denen Amazonen zuzurechnen / nachdem ihre gegen mich ausgeübte Thaten schon ihr Geschlechte verrathen hat. Die Königin Erato färbte sich über diesem Lobe / und versetzte: Sie könte nicht leugnen / daß ihre Vor-Eltern von mütterlicher Seite ihren Stamm von Amazonen herrechneten / und es wäre in Morgenland fast kein Fürstliches Hauß / welches nicht etliche Amazonische Schilde zwischen ihren Geschlechts-Kleinoden zeigete. Aber sie würde durch das Andencken ihres Zweykampfs nicht allein ihrer Unfähigkeit halber beschämt / also / daß sie entweder an so streitbarer Ankunfft zweiffeln / oder / ob sie nicht als eine Mißgeburt ihres Ursprungs Tugenden nicht geerbet hätte / sich über das Verhängnüß beklagen müste / sondern würde zugleich gezwungen in ihrem Hertzen der tugendhafften Thußnelda einen solchen Siegs-Krantz aufzusetzen /dessen keine behertzte Tamyris würdig wäre; weil sie mit ihren Waffen sich zwar ihrer Glieder bemächtiget / durch ihre gegen eine überwundene Feindin aber gebrauchte Sanfftmuth sich zu der Gebieterin ihrer durch euserliche Gewalt unzwingbaren Seele gemacht hätte. Diese ihre Tugenden beglaubigten ihr mehr / als das Zeugnüß der bewährtesten Geschichtschreiber /daß die Amazonen aus deutschem Geblüte entsprossen. Denn in ihren Augen wäre Thußnelda zwar nicht an Grausamkeit / wol aber an Tapfferkeit die vollkommenste Amazone. Thußnelda begegnete der Königin: Es hätten alle irrdische Dinge zweyerley Farben / nachdem man selbte entweder gegen dem Schatten /oder ans Licht stellte; alles menschliche Beginnen aber zweyerley Gesichter / also / daß sie uns bald schön / bald ungestalt fürkämen / nachdem nehmlich entweder die Klugheit / oder die Zuneigung der Menschen / oder auch wol gar der blosse Zufall eines für dem andern hervor zeigte. Diesem letztern alleine /nicht eigener Geschickligkeit habe sie beyzumessen /daß sie von einer so vollkommenen Königin nicht wäre überwunden worden. Das Glücke habe die Gewohnheit / daß es dieselben / welche es ohne Schuld mit vielen Ubeln drücket / zuweilen mit Zuwerffung eines unverdienten Obsieges von gäntzlicher Verzweiffelung zurück ziehe. Oder / daß ihre Unglücks-Wolcke durch einen entgegen gesetzten Sonnenschein so viel mehr scheinbar werde. Ja ein Loth des Glückes überwiege einen Zentner der Geschickligkeit. Also wäre es eine Ubermaß ihrer Gewogenheit / nicht ein Verdienst eigener Wercke / daß man Thußnelden nur mit dem Titel einer Amazonin würdigen wolte. Nein / nein / Durchlauchte Fürstin / fing Rhemetalces[532] an; auch ich muß ihr ihrer gegen die Römer ausgewürckter Thaten halber unter allen die Oberstelle bedingen. Ja ich wundere mich nun nicht mehr über die hertzhafftige Teuta / nun ich von dem Wunder unserer Nachbarschafft so viel lebendige Abrisse in der Schoos des streitbaren Deutschlandes finde. Die Königin Erato vergaß aus Begierde dieser Neuigkeit /der Fürstin Thusnelda Gegensatz zu beantworten; Lag daher Rhemetalcen mit einer beweglichen Höffligkeit an: Er möchte ihr doch die ihr unbekandte Teute bekandt machen. Rehmetalces erklärte ihr die Begierde zu gehorsamen; Aber sie würden entweder hierüber die annehmlichere Erzehlung des Fürsten Zeno vergessen / oder ihn doch in selbter irre machen. Zeno schlug sich also fort auff die Seite seiner Erato / und bat: Er möchte nicht allein sie hierinnen vergnügen /sondern ihm auch hierdurch Gelegenheit eröfnen ein wenig zu verblasen. So wird mein Verlangen des Fürsten Zeno selzamere Begebenheiten vollends zu vernehmen eine beqveme Verdeckung meiner Unberedsamkeit seyn / sagte Rhemetalces / denn ich werde mit einer unverhofften Kürtze abbrechen / und mich bescheiden / daß kurtze Reden / wenn sie gut sind /zweyfache Güte haben; ungeschickte aber durch ihre Kürtze die Helffte ihres Tadels verlieren. Diese Teuta hat zur Zeit / als Arsaces ein verstossener Sohn des Königs Aschki in Scythen und einer Amazonischen Königin der Parther Reich in Persien aufgerichtet / als eine Königin gantz Illyricum beherrschet. Ihr Vater soll Basan / eines Sicambrischen Königs Sohn gewesen seyn; von dem / und wie es mit Verheyrathung der Teuta hergegangen / uns der Feldherr besser / als ich iemanden unterrichten wird. Hertzog Herrmann übernahm alsofort diese Vollführung / und berichtete: Es wäre König Basan des Sicambrischen Fürsten Melo Anherr / ein Feldherr der Deutschen / und ein so strenger Handhaber der Gerechtigkeit gewest / daß /seinem Urtheile nach / er dem Lucius Brutus / und dem Spurius Caßius vorzuziehen wäre; indem diese wegen ihrer wider das gemeine Wesen verübte Verbrechen ihre Kinder / Basan aber / weil er eines Sicambrischen Edelmanns Ehfrau durch Ehbruch beflecket / seinen Sohn Sedan getödtet hätte. Da es doch bey andern Völckern nicht ungemein wäre durch Unzucht und Ehebruch gleichsam sich als einen Sohn des Fürsten sehen zu lassen. So unglückselig nun König Basan in diesem seinem Sohne war; so viel mehr Freude sahe er an seiner Tochter Teuta / welche nicht nur alle Tugenden des weiblichen Geschlechtes vollkommentlich besaß / sondern es auch an Tapfferkeit denen streitbarsten Helden zuvor that. Ihre Vollkommenheit erwarb ihr die Liebe des Volckes / ihre Tugend den Ruhm der Ausländer / und dieser die Beruhigung des Vaterlandes. Denn nachdem König Basan an seinem einigen Sohne Sedan das strenge Todes-Urthel ausgeübt hatte / hoben unterschiedene deutsche Fürsten ihre Häupter nach der Würde der Feldhauptmannschafft empor. Also gebahr dieser Ehrgeitz nicht allein einen bürgerlichen Krieg / sondern brachte auch die Sarmater und Dacier mit ins Spiel /daß Deutschland als ein siecher Leib nicht nur von innerlichen Würmern gefressen / sondern auch von euserlichen Pfriemern zerfleischet ward. Ja Rache und Mißgunst verbländete die Deutschen so sehr / daß sie über Vertilgung ihrer eigenen Mitglieder jauchzeten /das in ihren eigenen Städten und Saaten wütende Feuer mit Freuden toben sahen / und lieber eines nur Knechte unter sich leidenden fremden Fessel küssen /als eines einheimischen Fürsten väterliche Herrschafft erdulden wolten. Basan steckte derogestalt zwischen Thür und Angel; Denn die Ausländer wüteten auf die euserlichen Glieder Deutschlands / seine eigene[533] Landsleute aber in seinen Eingeweiden; wiewol er sein graues Haupt mit Abtretung seiner Würde zur Ruh zu legen mehrmals entschlossen war / wenn ihn nicht die Freyheit und Liebe seines zu seinem Verderben gleichsam sporenstreichs rennenden Vaterlandes zurück gehalten / und ihm alle Beschwerligkeiten erleichtert hätte. Die gantze Sache stand nun schier auff der Spitze / König Basan führte seine Sicambrer / das Haupt seiner Widerwärtigen / Thabor der Sedusier und Vangionen König mit seinen ihm anhängenden Daciern und Sarmatern / stellten ihre Heere gegen ein ander in Schlacht-Ordnung / und es hatte bey Gegeneinanderwägung beyderseitigen Machten das Ansehen / daß der seinen Feinden schwerlich an Macht gewachsene Basan den kürtzern ziehen würde; Alls ihm der Illyrier König Agron seine Freundschafft und Beystand zuentbieten ließ / welcher er ihn dreyen Tagen mit seiner Heeres-Krafft würcklich zu leisten versicherte. König Basan zohe zu König Thabors Verwunderung nebst seiner streitbaren Tochter Teuta sein Heer durch eine besondere Krieges-List über den Mäyn zurücke; vereinbarte sich auch mit den Illyriern so unvermerckt / daß die ihn gleichsam als einem verzagten flüchtigen hitzig-folgendem Feinde dessen nicht einst inne wurden / biß König Basan in einer neuen Schlacht-Ordnung sein fast zweyfach vergrössertes Heer dem unvorsichtigen Feinde entgegen stellte. Dieser unvermuthete Anblick siegte anfangs denen Augen / hernach die Klugheit Basans / die Tapfferkeit der Fürstin Teuta / und die Streitbarkeit des Königs Agron denen Waffen der Feinde ob. Basan erlegte eigenhändig den König Thabor / Teuta den Heerführer der Sarmaten / und Agron verdiente durch seine Helden-Thaten / daß ihm die Fürstin Teuta auff der Wallstatt vermählet ward. So viel weiß ich von dieser Heldin deutschen Verrichtungen zu erzehlen; das beste wird Fürst Rhemetalces fürzutragen wissen.

Dieser fuhr fort: Der Illyrer Reich hat Riphat gegründet / welchen einige irrig Illyrius heissen / und für des Cyclopen Poliphemus und Galateens Sohn halten. Ihre Tapfferkeit ist von uhralten Zeiten berühmt; also / daß sie denen behertzten Molossen in Epirus mehrmahls obgesieget / und in einer Schlacht ihrer über zehn tausend erleget. Hierauff haben sie den Meister über die streitbaren Macedonier gespielet / und ob sie zwar einsmahls von diesen / als sie der Anblick ihres mit in die Schlacht genommenen Königs Europus eines noch zarten Kindes zu verzweiffeltem Gefechte veranlaste / eine schwere Niederlage erlitten; so haben sie gleichwohl ihr Haupt wieder empor gehoben / den König Amyntas ihnen zinsbar gemacht / und ein Theil Macedoniens erobert. Nach dem aber die Illyrier unter einander selbst zwistig waren / also / daß die Scordiscier die Triballen aus dem Lande und biß über den Ister an das schwartze Meer verjagten / ja die Andierer und Liburnier /wie auch die Taulantier und Parthiner solch Reich gar unter einander theileten / und jene den Clitus / diese den Bardylis zu ihrem Könige erwehlten / brauchte sich der schlaue Philipp dieser Gelegenheit / und zwang nach einer blutigen Schlacht / in welcher er zwar siegte / aber nebst dem Verlust seines besten Adels verwundet ward / und nach Eroberung der Stadt Lissus am Flusse Drinus und dem Meere / dem Bordylis alles / was er in Macedonien besaß / abzutreten. Wie nun aber ein Fluß nur so lange sein Ansehn / daß man selbten nicht durchwaten könne / behält / biß man einen Furth dardurch gefunden; Also hält man ein Reich nicht länger für unüberwindlich / als biß selbtes einmahl einen Hauptstreich versehen. Dieses bewog Philippen [534] denen Illyriern immer ie länger ie mehr auff den Fuß zu treten; diese Geringschätzung aber die Illyrier / daß sie wider Philippen mit meinen Thraciern und Poeoniern ein Bündnüß machten. Aber König Philipp / welcher zu aller benachbarten Fürsten geheimen Rathhäusern einen güldenen Schlüssel hatte / kam ihnen mit seinem auserlesenen Heere zuvor /und schlug / ehe sie sich mit einander vereinbarten oder in Ordnung stellten / anfangs die Thracier / hernach die Illyrier und Poeonier. Ja weil das Verhängnüß durch diesen Philip zu der grossen Welt-Herrschafft Alexanders den Grundstein legen wolte / dessen stählernem Rade menschlicher Witz und Tapfferkeit vergebens zwischen die Speichen trit / und so wenig als ein Fels die Ausbrechung eines Qvelles oder die Herfürwachsung eines Cederbaumes verhindert; so brachte er es durch seinen glücklichen Parmenio so weit / daß sie ihn grossen theils für ihren Oberherrn erkennen musten. Wiewohl sie nun bey seinem Tode nach ihrer Freyheit seuffzeten / und unter dem Könige der Taulantier Glaucias nach dem Degen die Banden ihrer Dienstbarkeit zu zerschneiden grieffen; so war ihnen doch Alexander als ein Blitz auf dem Halse / und legte durch Besetzung ihrer Festungen ihnen einen solchen Zaum an / daß sie nur der Noth /und dem Verhängnüsse stille halten / also unter ihren Uberwindern den Ruhm ihrer Tapfferkeit zu erhalten trachten musten. Massen sie denn Alexandern in dem Persischen Kriege ansehnliche Dienste gethan / und für der erstern Schlacht mit dem Darius von Alexandern mit einer absonderlichen Rede beehret worden. Nach Alexanders Tode ward ein Theil des Königreichs Illyris dem Philo zu theile; welchen aber König Glaucias bald wieder des Reiches entsetzte. Dieser beherrschte seiner Vor-Eltern Reich mit grosser Klugheit / und setzte sich bey seinen Nachbarn in grosses Ansehen; also / daß nach dem der König in Epirus Eacides wegen unaufhörlicher Kriege mit den Macedoniern dem Volcke verhast / und aus dem Reiche verjagt / ja sein nur zwey Jahr alter Sohn Pyrrhus zur Auffopfferung vom Volcke gesucht ward / Androclites und Angelus diesen Knaben zu ihm flüchteten. Welcher / als er für den Glaucias und seine aus der Eacider Geschlechte entsprossene Gemahlin Beroe auff die Erden nieder gesetzt ward / und der König aus Beysorge den Macedonischen König Cassander allzu sehr zu beleidigen / ihn anzunehmen anstand /von der Erden aufstand / anfangs das Altar / hernach des Glaucias Mantel ergriff / und durch seine Thränen erweichte / daß er den Pyrrhus nicht allein aufnahm /und mit seinen Söhnen auferziehen ließ / sondern auch Cassandern / welcher gegen seine Ausfolgung ihm zwey hundert Talent bot / abweiste / und wie er zwölf Jahr alt war / ihn mit einem mächtigen Heere in Epirus führte / den König Alcetas erlegte / den Pyrrhus aber auff seinen väterlichen Stul setzte. Dem Glaucias folgte sein Sohn / Pleuratus / welcher denen Atheniensern behülflich war / daß sie die ihnen vom Demetrius auffgedruñgene Besatzung ausschlugen /und sich in Freyheit versetzten. Dieser verließ nach einer friedsamen Herrschafft / ob schon sein benachbartes Macedonien und Epirus sich gleichsam täglich in frischem Blute badete / den König Agron; dessen Kindheit schon den Illyriern grosse Hoffnung feine zu Land und Wasser aber in Bereitschafft stehende Land- und See-Macht den Nachbarn grosses Aufsehen verursachte. Denn er bemächtigte sich im ersten Jahre seiner Herrschafft des Eylands / Pharos und Corcyra / der herrlichen Stadt Epidamnus an dem Flusse Palamnus / und eines grossen Theils von Epirus. Welches alles noch mehr vergrössert ward / als er aus Deutschland sieghafft zurücke kam / und zum Siegs-Preiße die streitbare Fürstin Teuta zur Gemahlin nach Hause brachte. [535] Denn sie waren kaum in dem Königlichen Sitze ankommen / als die Mydionier durch eine herrliche Gesandschafft sich über ihre unruhige Nachbarn die Etoler beklagten / daß / weil sie sich ihrer Pöfel-Herrschafft nicht hätten untergeben wollen / sie von ihnen mit grosser Heeres-Krafft belägert würden / und dahero wider diese unrechte Gewalt Hülffe baten. Weil nun Königen die Vergrösserung bürgerlicher Herrschafft ohne diß stets ein Dorn in Augen ist; Uberdiß König Demetrius in Macedonien ihm ein grosses Stück Geldes für diese Hülffe darschoß; rüstete Agron in aller Eil hundert Schiffe mit fünf tausend außerlesenen Kriegsleuten aus. Die Königin Teuta wolte alsbald bey ihrer Ankunfft ihr einen Nahmen machen; Und daher verkleidete sie sich in einen gemeinen Kriegsknecht / und segelte ohne Vorbewust des Königs aus dem Hafen zu Narona mit darvon. Wie sie nun nach dreyen Tagen um Mitternacht an das Mydionische Vorgebürge kamen / gab die Königin sich dem verordneten Kriegs-Haupte zu erkennen / und befahl ihr allhier sein Ampt abzutreten. Hiermit befahl sie alsofort sich dem Ufer zu nähern /und auff Booten das Kriegsvolck in möglichster Eil und Heimligkeit auszusetzen; Alsofort aber alle Schiffe und Nachen vom Ufer wegzuführen / mit der Andeutung / daß sie entweder auff dem Lande siegen /oder sterben / keines weges aber sich ihres Schifzeuges zu schändlicher Flucht mißbrauchen wolte. Nach diesem machte sie die Schlacht-Ordnung / untergab dem Cleomenes das Fußvolck / sie aber führte die Reuterey. Die Etolier sahen zu ihrer höchsten Bestürtzung / als es anfing zu tagen / ein fremdes Krieges-Heer harte an ihrem Walle stehen. Ihre Vermessenheit verleitete sie gleichwol / daß sie ihr Kriegsvolck gegen die Illyrier aus dem Läger führten. Alleine dieser / und insonderheit der einer Löwin gleich kämpffenden Teuta Tapfferkeit brachte die Etolier /welchen die belägerten Mydionier auch in Rücken fielen / bald im ersten Angrieffe in Verwirrung / und kurtz hierauf in die Flucht. Von denen aber wenig Reuter entranen / alles Fußvolck ward erschlagen oder gefangen / und unter diesen auch der Etolische Zunfft-Meister. Also kehrte die Königin mit reicher Beute /aber grösserm Ruhme eilfertig zurücke; welcher die Mydionier eine Ehren-Säule aus Ertzt aufrichteten /mit der Beyschrifft: Der göttlichen Teuta / der Mydionier Erlöserin. König Agron / der inzwischen um die verlohrne Königin sich halb todt gegrämet hatte /ward durch ihre sieghaffte Zurückkunfft mit so übermäßiger Freude überschüttet / daß er davon / und nicht wie die mißgünstigen Etolier von ihm aussprengten / an dem durch Schwelgerey verursachtem Seitenstechen den Geist aufgab. Also kan das Gemüthe zu seinem Verderb nichts minder mit etwas gutem überschüttet / als der Leib durch gesunder Speisen Uberfluß gekräncket werden. Er verließ einen zwey jährigen Sohn Pines / welchen er vorher mit einer Griechin erzeuget hatte; die Königin Teuta aber ungesegnet. Denn es schien / als hätte die Natur diß /was es an Gemüths-Gaben ihr zuviel gegeben / durch Unfruchtbarkeit am Leibe wieder abbrechen / und jene Ubermaß mit diesem Gebrechen ausgleichen wollen. Teuta verwaltete das Reich mit einer männlichen Klugheit / und einer heldenmäßigen Tapfferkeit. Denn als die Messenier und Einwohner in Elis / welche in dem Illyrischen oder Jonischen Meere ihr Gewerbe und Schiffarth trieben / sich weigerten auf Corcyra den gewöhnlichen Zoll abzugelten / und deßhalben etliche Schiffe als verfallen eingezogen wurden; schickten die Eleer mit Zuziehung der Epirer unterschiedene Raub-Schiffe aus / welche auf der Liburnischen Küste so gar die königlichen Segel antasteten. Die Königin befahl hingegen alle fremde Schiffe auffzubringen / eilte selbst mit einer Kriegs-Flotte [536] in Peloponnesus / durchstreiffte und verwüstete der Eleer und Messenier Landschafft / rückte hierauf in aller Eil für die Stadt Phönice in Epirus / und nahm selbte durch Hülffe der darinnen liegenden 800. Gallier / mit welchen sie heimliches Verständnüß hatte / mit stürmender Hand ein. Zu der Uberwundenen Erinnerung /daß / wer Verräther zu seinen Gehülffen würdigt / von selbten billich betrogen werde. Denn diese von ihnen höchst unvernünftig zur Besatzung eingenommene Gallier waren wegen Untreu aus ihrem eigenen Vaterlande / und wegen Beraubung des Erycinischen Tempels aus den Römischen Diensten verstossen worden.

Ob nun wohl hierüber gantz Epirus die Waffen ergrieff / und an dem bey Phönice flüssenden Strome ein Läger gegen der Königin aufschlug / so musten sie doch ihre mächtige Heeres-Krafft theilen / und gegen der Enge bey Antigonia ein Theil abfertigen /weil der Illyrische Feldhauptmann Scerdilaidas mit 5000. frischen Illyriern daselbst einzubrechen im Anzuge war. Als Teuta dessen / und daß die sichern Feinde im Schlaf und Schwelgerey vertiefft wären /vernahm / machte sie des Nachts eine Brücke über den Fluß / gieng mit ihrem Volcke in höchster Stille über / überfiel mit dem Tage die Epirer / und schlug sie durch eine grosse Niederlage aus dem Felde. Diese rufften mit grossem Wehklagen und Fürstellung eigener Gefahr die Etolier und Achäer zu Hülffe; als nun aber die Königin Teuta mit dem Scerdilaidas im Wercke war / ihre Feinde anzugreiffen / kriegte sie von Hause Nachricht / daß die Insel Issa / die Stadt Epidamnus und ein Theil Illyriens sich den Dardanern unterworffen hätte. Dieses nöthigte die Königin mit den Griechen einen ehrlichen Frieden zu schlüssen /welche denn mit unsäglicher Beute an Silber / Vieh und Sclaven in Illyris zurück kehrete / nachdem für ihren Waffen gantz Griechenland erzittert war. Nach ihrer Heimkunfft brachte sie die meisten Aufrührer alsofort in die Flucht / und alles / ausser Epidamnus und Issa / zum Gehorsam. Sie schickte auch nach Rom eine Bothschafft / umb sich über den ihren aufrührischen Unterthanen geleisteten Beystand zu beschweren; welche aber schlechtes Gehör / und alleine diß zum Bescheide kriegte / daß die Illyrier durch Antastung etlicher Brundusischer Schiffe zum Kriege Anlaß gegeben hätten. Hierentgegen als Teute wider ihre Abtrünnigen zum Gehorsam zu bringen bemüht war / kamen Coruncanius von Rom / und Calemporus von dem Eylande Issa als Gesandten bey ihr an / welche beyde sie bey der Verhör mit ziemlich harten Worten antasteten. Daher sie den Gestanden der Insel Issa / die sie für Aufrührer und keiner Gesandschafft fähig zu seyn hielt / aus Eifer mit eigener Faust durchstach; den Römischen zwar fortreisen / auf dem Wege aber gleichfalls hinrichten ließ. Alldieweil auch die Stadt Dyrrachium mit dem Demetrius unter der Decke lag / segelte sie mit hundert Schiffen dahin ab / welche unter dem Schein frisch Wasser zu holen / mit ihren in den Kannen versteckten Degen sich zweyer Stadt-Thore bemächtigten / endlich aber / als sie wider die allzu grosse Macht sie nicht länger behaupten konten / zurücke zohen / und umb das Ceruanische Vorgebürge auf das Eyland Corcyra zusegelten. Nach ihrem Aussteigen / und für genommener Belägerung der Stadt / schickten die Etoler / Achäer / die Städte Appollonia und Dyrrachium eine ansehliche Kriegs-Flotte nach Corcyra; welcher aber die Königin Teuta mit ihrer und der Acarnaner ihrer Bundsgenossen Schiffen begegnete / unterschiedene feindliche und darauf den berühmten Acheer Marcus von Caryna versenckte / viel eroberte / und nach dem alle übrige die Flucht nahmen / das Eyland und die feste Stadt Corcyra zum Siegs-Preiße bekam. Wie sie nun hierauf Issa und Dyrrachium aufs neue belägerte / lendete der Römische Burgermeister [537] Cajus Fulvius mit 200. Schiffen unversehens zu Corcyra an / welchen der Königin Stadthalter daselbst / aus Verdruß einem frembden Weibe zu gehorsamen / und weil er aus etlicher Verläumdũg die Königliche Gnade gegẽ ihn etwas sincken sahe / dahin beruffen hatte / und den Römern nicht nur Corcyra und Pharos einlieferte / sondern auch verhalff / daß sie / nach dem Arlus Posthumius noch mit 22000. Mann von Brundusium übersetzte /die Stadt Apollonia / Dyrrachiũ / und Ißa / nach aufgehobener Belägerung die Pforten öffneten / die Parthiner und Atintaner / den Römern sich ergaben / die Stadt Nutria / wiewohl mit grossem Verlust / stürmend einnahmen. Teuta ließ bey der Untreu der Ihrigen und so widrigem Glücke gleichwol nicht den Muth fallen / sondern setzte sich an dem Flusse Rizon und der Stadt Buthoa feste / brachte es auch dahin /daß die Römer gegen Abtretung dessen / was sie Sud-Ostwerts gegen Epirus erobert hatten / welches alles sie dem Demetrius zur Verwaltung einräumeten / und gegen Versprechen / daß die Illyrier die frembden Küsten nicht mehr durch Raub-Schiffe beunruhigen wolten / mit ihr einen noch erträglichen Frieden eingiengen. Muste also diese streitbare Königin dißmal zwar / wiewohl sonder ihre Verwahrlosung / in einen sauren Apfel beissen; iedoch erwarb sie daraus den Ruhm einer besondern Klugheit / weil doch der Friede denen Siegern zwar schön anstehet / denen schwächern aber den meistẽ Nutzen schafft. Wie nun die Römer hierauf mit den Celten am Po in Krieg verfielen / verrauchten bey dem undanckbaren Demetrius der Römer Wolthaten; daher verleitete er nicht allein die Istrier und Atintaner der Römer Joch von den Achseln zu streiffen / sondern unterstund sich auch der Königin Teuta seine Liebe und Ehe anzutragen. Diese nahm solche Kühnheit für eine unverschämte Beschimpfung an / und ließ dem Demetrius zur Antwort wissen: Deutsche Fürstinnen wären ungewohnet sich zu ihren Knechten zu legen / noch weniger aber Teuta einen Verräther zu umbhalsen. Dieser schlechte Bescheid verwandelte seine Liebe in ärgste Galle. Denn diese beyde sind so nahe / als Honig und Stachel an der Biene beysammen. Wormit er aber seine Rache so viel leichter ausüben möchte / gewan er das Hertze der Tritevta des jungen Fürsten Pinnes Mutter. Dieser bildete er anfänglich für: Mit was Unrechte die Stief-Mutter Teuta sich der Illyrischen Herrschafft mit ihrer Ausschlüssung anmaßte / und wie ihr Sohn in äuserster Reichs- und Lebens-Gefahr schwebte; sintemal die Stiefmütter weniger als die Nattern ihr Gift von sich ablegen könten. Hiermit brachte er anfangs zuwege / daß auf ihr bewegliches Anhalten die Römer den Demetrius / welcher die Larve eines keiner schädlichen Gemüths-Regung unterworffenen Weltweisen ihm meisterlich fürzumachen wuste / zum Vormünden des Fürsten Pines erkläreten / und ihm seine Auferziehung nebst der Tritevta anvertraueten. Allein seine Wercke entlarveten zeitlich seinen Drachen-Kopf /und wiesen / daß die / welche von der Tugend und der Unempfindligkeit die grösten Streiche machen / meist der Stein-Fels aller anstossenden Neigungen / und der Strudel aller Laster sind. Denn er verleitete die einfältige Tritevta / nach dem das weibliche Geschlechte insgemein den Schimmer für die Güte einer Sache hält / in kurtzer Zeit dahin / daß sie die unvergleichliche Königin Teuta durch ein paar zugeschickte vergiftete Handschuch / wiewohl unwissend / tödtete / hernach diesen Meuchelmörder in ihr Ehe-Bette nahm /und den / welcher vorher die Königin Teuta als eine Stiefmutter verdächtigte / als einen Stiefvater aus blinder Liebe umbarmete / ohne Nachdencken / daß die Tyger durch keine Kirrung vollkommen zahm werden; sondern daß sie so denn / wenn sie ihre Zähne verstecken / mit ihren Klauen die Unvorsichtigen zu zerreissen gedencken; und daß die Schlangen /wenn sie schon [538] bey ihrer Beschwerung ihr Gift weglegen / selbtes doch bald / wenn sie aus dem Zauber-Kreisse kommen / wieder an sich ziehen. Dieses war das traurige Ende der wunder-würdigẽ Teuta / iedoch war von den Hochzeit-Fackeln der einfältigen Tritevta so wenig verbrennet / daß der Uberrest ihr noch konte zu Grabe leuchten. Denn weil die Herrschens-Sucht der Ursprung dieser Heyrath war / ward Tritevta fast ehe Leiche als Gemahlin. Der Hochzeit-Tag / der doch auch Sclaven heimlich ist / und ihren Ketten einen annehmlichen Klang zueignet / umbwölckte sich schon mit tausenderley Unvergnügen. Ja sie war in des Demetrius Bette kaum warm worden / als sie von seiner eigenen Faust durchstochen schon in dem Sarche erkalten muste.


O ihr Götter! rieff hierüber die holdselige Königin Erato. Warumb ist das Verhängnüß dem weiblichen Geschlechte so aufsätzig? Oder warumb ist das Glücke gegen die Tugend so eifersichtig? Warumb preßt das Elend die Thränen aus den schönsten Augen? Und warumb verdüstert der Rauch der Betrübnüsse die reinesten Kertzen edelster Seelen? Die behertzte Thußnelda antwortete ihr: Lasset uns weder dardurch der Tugend was ab- noch dem Verhängnüsse was auflegen. Jene hat ihre Vergnügung nicht in dem Tocken-Wercke des Glückes / sondern in der Ruhe des Gemüthes; nicht in der Ergetzligkeit des Pöfels / sondern in der Freude des Gewissens. Auch die durch gerechteste Göttliche Versehung in eine untadelhafte Ordnung versetzte Natur hat ihren herrlichsten Geschöpfen gleichsam eine Unglückseligkeit angekleibet. Keine gemeine Sternen / sondern nur die zwey grossen Lichter des Tages und der Nacht haben ihre scheinbare Flecken / und sind der Verfinsterung unterworffen. Der Blumen Königin die Rose pranget zwar mit dem schönsten Purper / sie wird aber von den Dornen am ärgsten verwundet / sie leidet am meisten von der Hitze des Mittags / und von den Sturmwinden der Mitternacht. Die Perlen werden in der Schoß des Ungewitters gezeuget / und die Corallen wachsen in dem bittersten Meer-Wasser. Hingegen blühen Napell und andere giftige Kräuter auf keinen Distel-Stengeln / und was der Pöfel für Glückseligkeit hält / ist eine Dienstbarkeit der Wollüste. Durch diese werden wir verderbet; ja sie hecket in uns schädlichere Würmer / als ein stets unbewegter Leib Maden. Das Unglück aber ist nicht nur die Artzney wider die Wassersucht des Gemüthes / sondern die Anleitung zur Tugend. Keine Laster haben eine solche Anmuth /daß sie nicht endlich ihre eigene Liebhaber anstincken. Und wenn ein Boßhafter auf Sammet liegt / so foltert ihn doch sein Gewissen; wenn sein Nahme gleich mit Gold an marmelnen Ehren-Säulen stehet /so verwandelt sie doch die Zeit in Kohlen. Ein unschuldiges Leben aber gibt einen so annehmlichen Geruch von sich / welcher auch in den garstigsten Kerckern die fauleste Lufft einbisamt / also / daß wir keinen Athem an uns ziehen; welcher nicht zugleich unserer reinen Seele ein Labsal / der Nachwelt aber ein erquickend Gedächtnüß abgebe. Dahero mag die Boßheit es uns so sauer machen / als sie kan / weil die Hoffnung zu siegen alle Verdrüßligkeit des Kampfes verzuckert / so zeucht die Tugend ihre Ruhe aus der Widerwertigkeit / und sie findet ihre Erlustigung mitten in der Unruh. Also hat die Zeit in ihrem Rade keinen Unglücks-Nagel / welcher der Unschuld nicht einen Weiser auf eine glückselige Stunde abgebe; und das Glücke kan auf sie kein so schäles Auge haben /welches sie nicht in einen Sonnen-Schein zu verwandeln wisse; denn auch das schli ste muß ihr zu Ausübung ihrer Gedult dienen. [539] Wenn endlich auch Glücke und Natur ihr gar viel abgewinnt / so sind es eitele Tropfen Wasser. Denn die Tugend zwinget ihre Feinde / daß sie sich mit Thränen oder einer Handvoll Bluts vergnügen müssen / welche sie aber vorher von der Natur überko en. Ja selbst in der Verzweifelung unter glüenden Zangen und siedendem Oele tröstet sie doch ihr Gewissen / und die Hoffnung eines herrlichern Lebens. Der Hencker selbst wird wider Willen ihr Erlöser / und der letzte Schlag zerbricht ihre Fessel / endiget ihre Pein / nicht aber ihr Leben. Denn in Wahrheit / so wenig ein Fürst sein Bild aus Golde giessen läst / daß er es in einen finstern Stall setze /so wenig hat die Göttliche Weißheit ihr Bildnüß in reine Seelen gepräget / daß es nur in der Welt in dem Elemente der Thränen und Dörner / zur Schaue / oder vielmehr zur Plage stehen solte; sondern sie werden in dem Schmeltz-Ofen dieser finstern Eitelkeit von den Schlacken ihrer Schwachheiten gesaubert / wormit sie in einer unendlichen Ewigkeit desto herrlicher gläntzen mögen.


Die Königin Erato umbarmte Thußnelden mit diesen Worten: Ich empfinde aus ihren heilsamen Lehren- nichts minder ein grosses Licht / als aus ihrem Beyspiele eine freudige Aufrichtung meines Gemüthes / wider die Verfolgungen des Glückes. Freylich muß man / wenn ich es recht bedencke / dem Göttlichen Verhängnüsse / wie ein Blinder seinem Leiter an die Hand gehen. Das Licht unsers Verstandes ist so tunckel / daß / wenn wir dardurch uns selbst erleuchten wollen / nicht weit ohne tödtlichen Fall kommen können. Diesemnach muß ich aus eigener Erfahrung enthängen / daß das Wehklagen über unsere Trauer-Fälle nicht weniger unrecht / als unnütze ist. Wir machen unsern Unverstand zum Laster / wenn wir der Göttlichen Versehung anmuthen / ihre unveränderliche Rathschlüsse umbzustossen. Wir sind mit sehenden Augen stock-blind / wenn wir zu Erleuchtung unsers abschüssigen Lebens ein heller Licht begehren / als dasselbte / welches die Sonne erleuchtet / und die Circkel der Sternen abmißt. Aber mich verlangt / hertzliebster Zeno / daß er nun wieder durch Verfolgung seiner Zufälle nicht so wohl unserer Begierde der Neuigkeit abhelffe / als mein zuweilen kleinmüthiges Gemüthe durch sein beständiges Beyspiel aufrichte.


Fürst Zeno antwortete ihr: Sie wäre geschickter andern ein Vorbild ihrer Standhaftigkeit abzugeben / als es von andern zu nehmen; und er vermerckte wohl /daß weil ihre Thaten nichts weibisches an sich hätten / belustigte sie sich zuweilen ihre Reden ihrem Geschlechte ähnlich zu machen. Er wolte aber durch Fortsetzung seiner unterbrochenen Erzehlung ihnen willigst gehorsamen; nur wüntschte er / daß sie derogestalt von seiner Erzehlung vergnügt würden / als er von Penthasileens. Denn dieser ihre hätte alsofort in ihm eine heftige Begierde gewürcket das Reich der streitbaren Amazonen selbst zu beschauen / welches er der liebreichen Penthasilea auch alsofort zu verstehen gegeben / iedoch vorhero / wie sie in die Hände der rauberischen Geten verfallen wäre / ihm vollends zu eröffnen gebeten.


Diese / fuhr Zeno fort / bemühte sich aufs beste mich zu vergnügen / fuhr dahero fort zu erzehlen: Es hätte des Getischen Königs Cotiso Tochter Syrmanis /welchem Käyser Augustus seine Julia hätte verheyrathen wollen / sich deshalben / daß sie des Käysers Gemahlin oder vielmehr sein Kebs-Weib werden sollen / zu den Amazonen geflüchtet / dieser hätten ihre Sitten so beliebt / daß / ob wol Cotiso vielmahl [540] mit Versicherung: Es hätte sich alle Feindschafft zwischen dem Käyser und ihm zerschlagen / sie zurück begehret / sie doch diese edle Freyheit zu verlassen nicht zu bereden gewest wäre. Wie nun ihr Vater alle Hoffnung seine Tochter in Güten wieder zu erlangen verzweiffelt / habe er solches durch List / nachdem er durch offentlichen Krieg es gleichfals nicht wagen dörffen / auszuüben getrachtet / und weil ihm verkundschafftet worden / daß die vornehmsten Amazonen um diese Jahres-Zeit den sehr alten an dem Ufer dieses Meeres dem Achilles zu Ehren gebauten Tempel zu besuchen / darbey allerhand Ritterspiele zu üben / und Ergötzligkeiten zu suchen pflegten / etliche Schiffe auff den Anschlag seine Syrmanis wegzunehmen ausgerüstet. Diese hätten sich etliche Tage vorher zwischen die am Ufer sich häuffig befindenden Stein-Klippen versteckt; Und als die Amazonen nach verrichteten Opffern und Ritterspielen gegen dem Abende um frische Lufft zu schöpffen an dem Meere gantz unbewaffnet sich erlustiget / wären die Geten mit blancken Degen herfür geplatzet / da denn sie fast am ersten wäre erwischt / und weil die Räuber sie ihrem nachmaligen Berichte nach / wegen ihrer prächtigen Kleider für die Königin angesehen hätten / auff das Schiff mit Gewalt getragen / und hierauff fort geführet worden; Ubrigens wüste sie nicht / wie es mit den andern abgelauffen seyn würde.

Mit diesen und andern annehmlichen Erzehlungen vertrieb mir Penthasilea / sagte Zeno / die Zeit / biß wir nach etlichen Tagen endlich glücklich in die herrliche Stadt Dioscurias ankamen. In dieser sind noch unterschiedene Denckmahle von den Argonauten / insonderheit aber der Tempel der Medea / und ihre aus Ertzt gegossene und rings umher mit Schlangen umflochtene Seule zu sehen. Nebst derselben stehet eine andere des jüngern Marsus / des Gothischen Königs Tanausis Sohn / welcher Meden / nachdem sie am Jason und seinen Kindern die grausame Rache ausgeübt / dem Hercules aber von seiner Raserey geheilet hatte / geehlicht / und mit sich in Deutschland geführet / allwo sie von den Marsen unter dem Nahmen Anguicia noch verehret werden soll.

Hertzog Herrmann fiel dem Fürsten Zeno allhier ein / und sagte: Es wäre wahr / daß die Marsen der Medea Gedächtniß verehrten / und insonderheit von ihr rühmten / daß sie sie wider die Schlangen / wegen welcher ihr Land damahls fast nicht zu bewohnen gewest wäre / ein bewährtes Mittel gelehret hätte. Ausser dem aber berichteten die Marsen / daß Hercules /Jason / und Medea selbst bey ihnen ausgestiegen weren. Denn wie sich die Argonauten mit dem entwendeten güldenen Widder geflüchtet / habe der Colchische König Eetes alsobald mit einer Schiffs-Flotte den Mund der Thracischen See-Enge besetzet; Weßhalben sie durch die Cimmerische See-Enge in die Meotische Pfütze / von dar auff dem Flusse Tanais nahe biß zu seinem Ursprunge gefahren / daselbst ihre Schiffe über Land in den Fluß Rah / aus dieser in den Fluß Vagus getragen / darauff in das grosse Nord-Meer / endlich bey Gades wieder in das Mittelländische Meer / und ferner in Griechenland geschiffet wären.

Fürst Zeno kam hiermit wieder in seine Erzehlung /daß er und Penthasilea / wie sie alle Seltzamkeiten zu Dioscurias beschauet hätten / nach der Stadt Pytius über den Fluß Corax / von dar endlich durch die vier hundert und achzig Stadien lange Mauer / welche die Colchier wider den Einfall der Amazonen an dem Berge Caucasus gebauet / ihren Weg über ein Theil selbigen Gebürges genommen / auch den andern Tag glücklich auff die Amazonischen Grentzen ankommen / und Penthasilea mit grossen Freuden bewillkommet; von dar in die am Flusse [541] Borgis liegende Stadt Ampsalis begleitet worden wäre. Das Geschrey / sagte Zeno / kam unserer Ankunfft zuvor / und also die Königin Minothea von Masetica uns entgegen; Welche mich als eine Erlöserin ihrer Schwester gleichsam auff den Händen trug / und uns erzehlte: wie sie bey dem Einfalle der Geten zu den Waffen kommen / selbte überwältiget / ja König Cotisons eigenen Sohn den Fürsten Oropastes selbst gefangen bekommen hätten. Die erste Frucht unserer Ankunfft war / daß Oropastes seiner engen Bestrücknis erlediget ward; nachdem sie sich bloß seiner um ihn gegen Penthasileen auszuwechseln so wohl versichert hatten. Hierdurch erfolgte / daß dieser tapffere Fürst zu mir eine ungemeine Zuneigung gewann / weil ich sein Volck überwunden / und ihnen seine Beute abgeschlagen hatte. Denn die Freyheit ist alleine der unschätzbare Schatz unter den Irrdischen. Ich würde etliche Tage dörffen zu Erzehlung aller Ergetzligkeiten / die uns die Amazonen mit Hirsch-Luchs- und Biber-Jagten / welche sich auch in dem See-Strande aufhalten / mit Reiger-und Phasan-Beitzen / die allhier ihr rechtes Vaterland haben / mit Ritter-Spielen und Durchschwemmungen der Flüsse / darinnen sie es allen andern Völckern zuvor thun / anstelleten; Also daß weder ich mich anders wohin / noch auch Oropastes nach Hause sehneten / und daher die Entschlagung ihres Vaterlandes der Fürstin Syrmanis nicht für übel haben konten. Mich vergnügte insonderheit / daß diese Amazonen viel anderwerts herrschende Laster auch mit den Nahmen nicht kannten / und also dieser ihre Unwissenheit viel heiliger / als sonst in der Welt die Erkentniß der Tugend ist; daß ihre Sitten mehr gutes / als anderwerts heilsame Gesetze stifften. Insonderheit ist ihnen die Anbetung Gold und Silbers / des Abgottes so vieler Menschen gantz unbekandt; daher sie in die Bäche / welche vom Caucasus abschiessen / und vielen Goldsand mit sich führen / zwar Schaaff-Felle hencken / und damit Gold sammlen; solches aber mehr zur Lust / als zum Geitze anstellen. Denn ihr gröstes Reichthum ist ein schnelles Pferd / ein guter Bogen und ein Zobelner Peltz. Unter dieser ihrer Unschuld aber / sind gleichwohl Liebe und Rache die hefftigsten Gemüths-Regungen. Diese verwandeln unsere Vergnügung allzu geschwinde in ein klägliches Trauer-Spiel. Denn die Königin Minothea und Penthasilea verliebten sich in den Fürsten Oropastes; Oropastes aber / ich weiß nicht aus was für einem seltzamen Triebe / in mich. Ich merckte diese Regung dem Oropastes zeitlich an / iedoch verstellte ich meine Wahrnehmung so lange / biß er seine Neigung nun nicht mehr mit Veränderung der Farbe und Seuffzern / sondern mit deutlicher Ausdrückung zu verstehen gab. Da ich mich denn Anfangs seiner Gesellschafft auff alle ersinnliche Wege entschlug / hernach seiner Liebe durch bewegliche Abmahnung abzuhelffen mich bemühete / und den Oropastes zu behertzigen ermahnte / daß ich aus Haß gegen die Liebe meine Eltern und Vaterland verlassen / und den Ariobarzanes verschmähet / inzwischen zwar Erde und Lufft / nicht aber mein Gemüthe verändert hätte. Aber ich befand /daß die / welche eine hefftige Liebe mit allzu grosser Kaltsinnigkeit zu stillen vermeinen / eben diß ausrichten / als die mit Oel das Feuer leschen; und daß es rathsamer sey / selbte mit Glimpff nach und nach abzukühlen / und sie sich an laulichter Begegnung wie die Wellen des stürmenden Meeres auff dem weichen Bette des kleinen Sandes abschlagen lassen. Weil nun Oropastes derogestalt sein gantz Hertze mir gewiedmet hatte / blieb nichts für die brennende Minothea und Penthasileen übrig / welche beyde für Liebe hätten zerschmeltzen mögen / sonderlich aber die letztere / welche ihren Brand für der Königin auffs vorsichtigste verdecken muste. Minothea konte sich endlich nicht enthalten / auff einer [542] Jagt in einer erkieseten Einsamkeit für dem Fürsten Oropastes / welcher zeither von allen ihren Anmuths-Blicken die Augen nieder schlug / für ihren Seuffzern die Ohren verstopffte /ihr gantzes Hertze auszuschütten / ihm alle ihre Schönheiten zu entblössen / alle ihre Annehmligkeiten zusammen zu raffen / und endlich ihre Rede zu schlüssen: Vermöchte er sie nicht aus Zuneigung zu lieben / so solte er aus Erbarmung sie nicht sterben lassen / oder doch selbst der annehmliche Werckzeug ihres Todes seyn / und mit ihren eigenen Pfeilen /(diese legte sie ihm mit Bogen und Köcher zun Füßen) ihrem elenden Leben abhelffen. Oropastes erschrack über dieser verzweiffelten Entschlüssung /wuste auch nicht / wie er der so hefftigen Königin vernünfftig begegnen solte. Nach etlicher Zeit Nachdencken / ersuchte er sie: Sie solte dem Verhängnisse nicht in den Zügel fallen / sondern seinen weisen Schickungen in Gedult und Hoffnung den Lauff lassen. Vernunfft und Zeit wären die zwey Dinge / ohne welche weder die Vergnügung noch die Glückseligkeit reiff werden könte. Er wäre des Stromes ihrer Gewogenheit / mit der sie ihn überschüttete / nicht würdig / und er bejammerte sein Unglücke / daß ein unversehrliches Gelübde / das er auff gewisse Zeit in dem berühmten Tempel Dianens an dem Ausflusse des Flusses Tyras bey seiner Absegelung gethan hatte / ihn hinderte dieser ihm angebotenen Süßigkeiten nicht zu geniessen. Ja weil er bey einer so vollkommenen Königin eine solche Ubermaß ihrer Gnade nicht verdienet hätte / trüge er nicht unbilliges Nach dencken / daß die Götter ihn hierdurch versuchten: Ob er seine Vergnügung nicht ihrer Furcht vorziehen würde? Die Königin Minothea muste sich mit dieser wichtigen Entschuldigung beruhigen; stieß also nach langem Stillschweigen die Worte aus: Ich nehme es für bekant an / Oropastes / daß dein Gelübde nur auff eine gewisse Zeit ziele / und daß ich in Hoffnung der Zeit und dem Verhängniße auswarten solle. Glaube aber / daß ich dich aus meinen Reichs-Grentzen nicht lassen werde / biß das Ziel deines Gelübdes erreichet worden sey. Hiermit verfolgte die Königin die Jagt /und ließ Oropasten nicht in geringer Bestürtzung zurücke; Welcher in tieffem Nachsinnen fast ausser sich gesetzet war / als ihn ein durch das Gestrittig dringender Hirsch gleichsam aus dem Schlaffe erweckte /welchem Penthasilea sporn-streichs nachsetzte / und selbten mit einem Wurffspiesse glücklich erreichte /gleichwohl mit dem in seinẽ Rücken steckenden Eisen seine Flucht verfolgete. Oropastes redete Penthasileen an: Ihr Wurff wäre gewiß ein Meisterstreich gewest /und müsse er sich wundern / daß dieses so hefftig verwundete Thier noch so flüchtig seyn könte. Penthasilea versetzte: Wunder dich vielmehr Oropastes über mir / daß ich noch lebe; denn ein viel schärffer Geschoß steckt mir nicht nur im Rücken / sondern im Hertzen. Wie nun aber Oropastes nur stille schwieg /und sie starr ansahe / hob sie abermahls an: O unbarmhertziger Oropastes! wie bistu doch viel grimmiger wider meine Seele / als wir Amazonen gegen das flüchtige Wild. Uber diesen Worten erblickte sie von ferne ihre einen Luchs verfolgende Schwester die Königin; Daher sie zu Vermeidung Verdachts sich Oropastens entbrechen / und der Spur ihres Hirschens nacheilen muste. Oropastes sahe nun wohl / daß Minotheens Hefftigkeit ihm nicht mehr Zeit ließ Fuß für Fuß in dem Liebes-Gewerbe gegen mich fort zu schreiten; Daher drückte er in einem mir bestimmten Schreiben die Pein seines Hertzens mit so brünstigen Worten aus / daß selbte gleichsam für Feuer raucheten / und / da ich nicht selbst seines Geschlechts gewest wäre / mich / wo nicht zur Liebe / doch zum Mitleiden bewegt haben würden. Unter andern klagte er darinnen über meine schwartze Augen / aus derer Finsterniß ein unauffhörlicher Blitz seine Seele verwundete; Wie sie denn wohl wissen / daß die Verliebten [543] nicht nur beredsam sind; sondern auch aus mittelmäßigen Dingen unvergleichliche Wunderwercke zu machen und aus gemeinen Brunnen Nectar und Honig zu schöpffen wissen. Zuletzt schloß er: Ich möchte doch den nicht ohne Hoffnung vergehen lassen / welchen eine Königin fruchtloß anbetete. Mir ging Oropastens Zustand zu Hertzen / und ich hätte ihm so gerne von seinem Irrthum und Gemüthskranckheit /als der in ihn verliebten Penthasileen zu ihrer Vergnügung geholffen; wenn ich anders mich hätte wagen dörffen die Larve meines Geschlechtes von dem Gesichte zu ziehen. Diesem nach entschloß ich mich dieses Schreiben Oropastens der Fürstin Penthasilea /welche überaus schöne schwartze Angen hatte / durch eine unbekandte Person unter seinem Nahmen zuzufertigen / theils ihr Gelegenheit zu geben sich dessen zu ihrem Vortheil über den Oropastes zu bedienen /theils durch meine so scheinbare Untreu ihm seine Liebe gegen mich zu vergällen / und also zweyerley Wunden vielleicht mit einem Pflaster zu heilen. Höret aber / wie mein Wohlmeinen so unglücklich ausschlug! Die Königin und Penthasilea waren nebst denen fürnehmsten Amazonen an dem Flusse Icarusa auff einem Lusthause / allwo sie ein Göttermahl angerichtet / und / was diese oder jene für eine Person vertreten solte / geloset hatten. Penthasilea ging allezeit in grüner Kleidung / und wie die Diana ausgeputzet; Zu allem Unglück aber war dißmahl das Loß derogestalt gefallen / daß Penthasilea die Juno / Minothea aber Dianen fürstellte. Der von mir zum Bothen erkiesete Edelknabe kommt bey schon anbrechender Nacht in der Demmerung dahin / wo sie in einem Garten sich mit allerhand Spielen erlustigten / verkennet in solcher Tracht die Königin für Penthasileen / welche ohne diß ausser den schwartzen Augen einander sehr ähnlich waren; Giebet also im Nahmen Oropastens sein Schreiben der Minothea. Diese nimmt / voller Freude und Begierde den Inhalt aus einer so ungemeinen Bothschafft zu erfahren / solches an / sondert sich alsbald von ihren Geferthen ab / erkennet aber bey dessen Durchlesung alsbald den Irrthum des Abgebers / wendet sich also unverrückten Fusses zu ihm /und fraget: An wen Oropastes diß Schreiben abzugeben befohlen? Dieser giebt nach meinem Befehl in voriger Meinung / er rede mit Penthasileen zur Antwort: An niemanden / als an Penthasileens selbst eigene Hände. Wohl! antwortete ihm die Königin /bringe deinem Herrn zur Antwort wieder / was dich deine Augen bald selbst unterrichten werden. Hiermit wandelte Minothea ihr Antlitz in ein Gesichte einer rasenden Unholdin / ging hierauf in den Hauffen ihrer Gespielin und fing an: Es ist nun genug gekurtzweilt /wir müssen auch ein Trauer-Spiel beginnen; Greiffet und bindet diese hochmütige Juno / welche uns nicht so wohl die Krone vom Haupte / als das Hertze aus unser Brust zu reissen gedencket. Alle Amazonen erstarrten / und hätten diesen Befehl für eine lustige Erfindung zu einem neuen Spiel angenommen / wenn die Augen der Königin nicht für Grimme Feuer ausgelassen / und ihr Mund für Boßheit gegeiffert hätte. Also / nachdem bey denen Amazonen der Ungehorsam / oder auch nur die Ursach oder Auslegung über einen Königlichen Befehl zu begehren ein sterbenswürdiges Laster ist / musten sie Minotheens Urthel an der für Schrecken erstummenden Penthasilea vollziehen. Die wüttende Königin aber ergriff einen Pfriemer / und stach der unschuldigen Schwester ihre wunderschöne Augen aus mit beygesetzten Worten: Thut mir nun mehr Eintrag bey dem unbesonnenen Oropastes. O des grausamen Urthels! O der kohlschwartzen Rache über die weisse Unschuld dieser schwartzen Augen! fing die Fürstin Thußnelda überlaut an zu ruffen. O der unmenschlichen Schwester / gegen welcher Panther- und [544] Tiger-Thiere für zahm und gütig zu halten sind! Ich gestehe es / sagte Jubil / daß ich kein rasendes Thier dieser Caucasischen Wölffin / ausser dem eyversüchtigen Wald-Esel zu vergleichen weiß; welcher alle seine von der Mutter nicht bey zeite versteckte männliche Jungen aus der Beysorge entmannet / daß sie seine Neden-Buhler werden würden. Auch diese Vergleichung / sagte Zeno / reichet noch nicht an die Grausamkeit der Minothea; Weil es sonder Zweiffel ärger ist / iemanden die Augen ausstechen /als entmannen. Wiewohl sie / um sich zu einem Muster einer vollkommenen Unholdin zu machen bey ihren eigenen Augen und Haaren schwur: daß sie Oropasten eigenhändig entmannen wolte. Hertzog Jubil versätzte: Minothea müste eitel Eigenschafften einer Schlange / und ausser der euserlichen Gestalt nichts Menschliches an sich gehabt haben. Jedoch wäre sei nem Urtheil nach der Schwur uñ der Fürsatz ihren kurtz vorher so sehr geliebten Oropastes so schändlich zu verstümmeln eine unmenschlichere Grausamkeit / als die Beraubung der Augen. Denn ob zwar diese dem Menschen der Beschauung tausenderley Schönheiten insonderheit der Sonnen / weßhalben etliche Weisen das menschliche Geschlechte erschaffen zu seyn geglaubet / entsetzte; so gereichte doch dieser Verlust zu einer Entfernung mehr Verdrüßligkeiten und Aergerniße. Derer gäbe es in der Welt so viel /daß einige die Schlaff-Zeit / da man die Augen zuthäte / für das beste Theil des Lebens hielten. Viel durch das Gesichte sich sonst zerstreuenden Kräfften der Seelen blieben in den Blinden beysammen / verbesserten ihre andere Sinnen / ja so gar ihre Vernunfft; also / daß weil die Natur / als eine gütige Mutter den Gebrechen in einem / mit andern Vortheilen zu ersetzen beflissen wäre; Die Blinden insgemein leiser höreten / empfindlicher fühlten / und überaus verschmitzt wären. Weßwegen der alle Weltweisen übertreffende Democritus sich selbst des Gesichts beraubet haben soll / damit seine verschlossene Augen des Gemüths zum Nachdencken geschickter werden möchten. Der blinde Tiresias hätte in die Begebenheiten künfftiger Zeiten einen so reinen Blick als kein Sehender / und aus allen diesen es eben so wenig iemand dem blinden Homerus nachgethan. Appius Clodius hätte zwar den Staar / aber wenn ihm iemand fürkommen wäre / dem er es hätte nachthun sollen / in Ergründung wichtiger Dinge mehr / als Luchs-Augen gehabt. Die weise Natur machte in Mutterleibe die Augen am letzten / als welche der Mensch unter allen Gliedern noch am besten entbehren könte. Viel kleine Thiere hätten gar keine Augen / des Maulwurffs wären mit einem Felle überzogen / also nichts nütze; und das grosse Wunder der Wallfisch wäre so übersichtig / daß er einen kleinen Fisch zum Führer dörffte. Im Scythischen Chersonesus kämen die Kinder /wie man von Hunden glaubte / blind auff die Welt; In Iberien unterm Caucasus solten ihrer viel nicht im Tage / sondern nur des Nachtes sehen. Ja unsere Lüsternheit suchte gar offt mit der Dido in Finsternissen ihre Ergetzligkeit / und die Andacht in den düsternen Tempeln ihre Entzückung von der Eitelkeit. Hertzog Herrmann setzte seuffzende bey: Wir blinde Menschen sind auch nicht einst fähig in die Sonne zu sehen; Wenn uns aber der Tod unsere blöde Augen wird zugeschlossen haben / hoffen wir ein so verklärtes Gesichte zu erlangen / welches in das grosse Licht der ewigen Gottheit zu sehen fähig seyn wird. Flavius fing an: Auff diß Geheimniß muß sonder Zweiffel die bey so vielen Völckern angenommene Gewohnheit zielen / daß die Priester denen auff die Holtzstösse gelegten Leichen / ehe sie verbrennet werden / die vor her von ihren Freunden zugedrückte Augen auffsperren. Zeno wendete sich gegen die zwey letztere Fürsten / meldende: Es wären dieses heilige Gedancken;[545] aber hoffentlich nicht zu Verminderung deß von der Minothea durch Ausstechung so schöner Augen begangenen Lasters angesehen. Wiewohl er versichert wäre / daß ein so edler Fürst / wie Jubil wäre / seine Vergnügung in keinem andern Finsterniße / als zweyer so schwartzen Augen / wie sie die unglückselige Penthasilea gehabt und geliebt / finden könte. Das Gesichte wäre im Leibe der edelste Sinn / wie der Verstand in der Seele; Und darum stünden die Augen auff einer so ansehlichen Höhe. Es wäre der gewisseste und geschwindeste Sinn. Denn das Gehöre wäre mehrmahls denen Verleitungen der Unwarheit unterworffen / und die Augen kämen mit ihrer Botschafft bey dem gemeinen Sinne viel zeitiger an / als die Ohren und das Fühlen. Alle andere Sinnen wären irrdisch / das Fühlen hätte die Eigenschafft der Erde /das Rüchen des Feuers / der Geschmack des Wassers / das Gehöre der Lufft; das Auge alleine wäre den Sternen ähnlich / und also was Himmlisches; Ja weil es in einem Augenblicke aus der Tieffe der Erden über viel tausend Sternen einen unbegreifflichen und geschwindern Flug als die Sonne selbst thun könte /gleichsam was göttliches. Die Natur hätte sonder Zweiffel auch das Gehirne als den Sitz der Vernunft von dem Brunnen des Lebens / nehmlich dem Hertzen nur deßhalben ins Haupt entfernet; Wormit sie nur eine Nachbarin der Augen / als Fenster der Seele seyn möge / zwischen beyden aber wäre eine sichtbare Verknüpffung. Sintemal die eusserste weisse Schale des Auges von der eussersten und härtern Haut des Gehirnes; die innwendige dünnere schwärtzlichte Trauben-Haut des Auges von der weichern Haut des Gehirnes das ädrichte Augen-Netze und Spiegel aus dem selbständigen Wesen des Gehirnes durch die Augen-Spann-Ader den Ursprung hätten / und also beyde aneinander hingen. Ja die Augen wären die Leiter und Pforten der Liebe; Ohne welche man die Welt für eine Wüsteney / das Leben für einen verdrüßlichen Traum halten müste. Wer wolte nun zweifeln /daß einen blind machen eben so viel sey / als einen Lebenden in ein Grab verschlüssen? Denn ob zwar der Verlust eines Auges im Menschen nicht / wie in einem Schweine / den Verlust des Lebens nothwendig nach sich zeucht; So wäre doch das Leben der Blinden nur ein Schatten des Lebens / und ein Blinder nichts besser als die in denen unter-irrdischen Flüssen befindliche Fische / welche Anfangs blind / hernach gar zu Steine würden / ja ein Todter unter den Lebenden. Die Natur hätte die Augen / um diese unschätzbare Werckzeuge in Sicherheit zu setzen / so tieff zwischen die Gebeine versetzt / auch mit Augenbrauen / Liedern / und zweyfachen Augen-Wimpern verwahret / über diß fast alle Thiere mit zweyen Augen versehen / wormit / wenn ja eines Schaden litte / das andere ihnen das unschätzbare Sehen erhielte / und das unvergleichliche Meisterstücke das Haupt um keiner andern Ursache wendbar gemacht / denn daß die Augen allenthalben sich umschauen könten. Ihre Runde wäre ein Zeugniß ihrer unwidersprechlichen Vollkommenheit / ja die Stoischen Welt-Weisen gäben dem Gesichte gar den Nahmen eines Gottes. Ein entmannter Mensch hingegen litte an nichts / als an seinen Nachkommen und an Wollust Abbruch. Wie viel aber wären nicht von Natur / sondern aus eigener Willkühr und Gelübde unfruchtbar? Zudem wären jene nicht aller Vergnügung entnommen / wo die allem Vieh gemeine Wollust bey dem Menschen nicht mehr in Verachtung / als in Werth zu ziehen ist. Die geilesten Weiber vergnügten sich mehr mit der Verschnittenen Langsamkeit und dem Schatten der Wollust / als mit einer männlichen Zuthat. Unter diesen wäre Cambabus bey der Syrischen Königin Stratonica so beliebt [546] gewest / daß sich ihm und ihr zu Liebe die meisten Höfflinge hätten verschneiden lassen. Die Assyrier hätten denen Persischen Königen jährlich eine gewisse Anzahl ausgeschnittener Knaben zinsen müssen. Alle diese behielten nicht nur ihre Haare und helle Stimme lebenslang unversehrt / ihre Schönheit und gesunden Kräffte biß ins hohe Alter; Weßwegen auch die allen andern unentmannten Menschen und Thieren tödtlichen Schwefel-Dünste bey Hieropolis in Asien ihnen nichts schadeten / sondern ihr Gehirne der Sitz der Weißheit bliebe ihnen unvermindert / welches sonst zu Zeugung des Saamens seine beste Kräffte beytragen müste. Daher wären sie iederzeit bey allen Morgenländischen Reichen die höchsten im Brete; ja nicht nur oberste Räthe / sondern auch Heerführer gewest / und von den Persischen Königen ihre Augen und Ohren genennet worden. Zu geschweigen / daß ihrer viel aus Andacht sich selbst verschnitten / weil sie in solcher Beschaffenheit eben so den Göttern reine Opffer zu bringen vermeinten /als die verschnittenen Thiere viel niedlichere Speisen als andere abgeben. Dahero die Mutter der Götter in dem Weltberühmten Phrygischen Heiligthume nur Verschnittene zu ihren Priestern würdigte. Ja der weise Aristoteles hätte den Hermias / dieses seines Mangels unbeschadet / so hoch gehalten / daß er ihm wie einem Gotte zu opffern kein Bedencken gehabt. Jubil begegnete dem Fürsten Zeno mit einer besondern Annehmligkeit: Er merckte wohl / daß Fürst Zeno mehr aus den Gesetzen seines Vaterlandes / als der Natur urtheilete / und hierdurch unvermerckt seinem Asien das Wort reden müste. Alleine die Deutschen hielten nichts minder als die Römer die Entmannung für eine härtere Straffe / als den Tod selbst. Daher Käyser Julius sich nicht hätte überwinden können des grossen Mithridates Sohn Pharnaces zu begnadigen / weil er von denen gefangenen Römern etliche hätte verstimmeln lassen. Die zu ewiger Fortpflantzung so begierige / ja keinen Augenblick ohne Bezeugung sich befindende / sondern stets schwangere und zugleich gebährende Natur müste für dieser Verstimmelung nothwendig die eusserste Abscheu haben. Daher sie auch in Zubereitung des Weiblichen Geschlechts so vorsichtig gewest wäre / daß zwar /wie Semiramis die Männer / also Andramytis die Weiber zu verstimmeln am ersten bemüht gewest / sie doch hierdurch ihrer Fruchtbarkeit nicht können beraubet werden. Wer vernünfftiges möchte auch den Raub der nichts minder edelsten / als zu Erhaltung der Welt höchst nöthigen Geburts-Krafft gegen den Gewinn einer glatten Haut / etlicher gekräuselten Haar-Locken / und einer weibischen nur zur Würtze der Uppigkeit dienenden Stimme verwechseln? und sich zu etwas machen lassen / was weder den Nahmen eines Mannes / noch eines Weibes führen kan / und in dem die Natur sich suchet / aber nicht findet? Wer wolte sich bereden lassen / daß durch ein Messer etwas schöner werden solte / welches / wenn es so gebohren würde / eine Mißgeburt hiesse? Uber diß wäre die Unfruchtbarkeit des Gemüthes meistentheils mit der des Leibes verschwistert; ja es schiene schier wider die Vernunfft zu seyn / daß ein Entmannter die männliche Tugend der Tapfferkeit an sich haben solte. Weniger schickte sich was so gebrechliches zum Gottesdienste; Und könten bey den Deutschen so wohl als bey den Hebreern weder die gekappten Thiere Opffer / noch die Verschnittenen Priester abgeben. Sintemal was in den Augen der Menschen unvollkommen wäre / Gott ohne Verkleinerung nicht gewiedmet werden könte. Hierdurch aber meinte er keinesweges denen schwartzen Augen der schönen Penthasilea einigen Abbruch zu thun / noch dem Fürsten Zeno zu verargen / daß [547] er über der Verfinsterung zweyer so schöner Gestirne seinen gerechten Eyver ausläst; wo anders nur die schwartzen zwey Sonnen der Königin Erato nicht eyversüchtig zu werden vermeinten. Zeno ward gezwungen über diesem Schertze zu lächeln / Erato aber sich zu röthen; Und zwar jener zu seiner Schutzrede anzuführen: Er liebte die Königin Erato so sehr /daß sie mit niemanden als ihrem eigenen hohen Stande zu eyfern uñ zu besorgen Ursache hätte; dieser habe etwan so viel Theil an meiner Seele / als ihre andere Vollko enheiten. Erato versetzte: das erstere wäre ein blosses Glücks-Geschencke; alles andere aber an ihr so mittelmässig / daß sie nicht schweren wolte: Ob die aus den schwartzen Augen der schönen Amazone gepflogenen Pfeile des Fürsten Zeno Schlüsse fiederten; Ihr aber würde ja niemand zutrauen / daß sie mit einer so unglückseligen Todten eyfern solte. Ja wenn Penthasilea auch noch gegenwärtig den Fürsten Zeno mit ihren schönen Augen beglückseligte / würden ihre kleinen Lichter so wenig mit ihren zu eyfern die unbesonnene Vermessenheit / als die Sternen in der Mittel-Strasse mit dem grossen Auge des gestirnten Ochsens sich zu vergleichen Ursache haben. Flavius brach ein: Unsere Augen widerlegen zwar der Königin von ihren eigenen Augen gefälltes Urthel / und wir sehen wohl / daß sie sie auch im Ansehen der Sonne gleich wissen will; welche / wenn sie über unserm Wirbel stehet / am kleinesten zu seyn scheinet. Alleine ist es denn der Eiversucht Eigenschafft / daß sie nur mit ihres gleichen in Krieg ziehe? Weil sie eine Schwester der Mißgunst ist / solte ich meinen / daß sie mit dieser die geringen Gestirne verachten / aber die grossen Monden-Kugeln anbellen solte. Die Königin antwortete: Ich halte diß für eine unrechte Schwester der Eyfersucht / oder vielmehr für eine Mißgeburt blinder Begierden. Wenn ein Kampff nicht zur Tollkühnheit / oder zum Gelächter werden soll / muß er gegen seines gleichen seyn. Eine Juno und Pallas mag wohl mit einer Venus / aber keine Arachne mit einer Minerve / kein Marsyas mit einem Apollo / und kein Thersites mit einem Achilles eifern. Thußnelde brach mit einem Uberflusse ihrer angebohrnen Anmuth ein: Ich begehre mich zwar nicht wider diß Gesetze der Gleichheit auffzulehnen; dennoch dörffte sie dieser tieffsinnigen Gesellschafft nicht verschweigen / daß die blauen Augen ihr eine Vollmacht auffgetragen hätten / zu erforschen: Warum die schwartzen ihnen allenthalben den Vorzug zueigneten? Sintemahl die blauen ja mit der Farbe des Himmels / die schwartzen mit der Hölle prangeten; jene vielmehr Feuer / diese mehr Wasser in sich hätten. Die schwartzäugichte Erato ward durch solche Höffligkeit genöthiget / die Seite ihrer eigenen Augen zu verlassen / und denen blauen Augen Thußneldens das Wort zu reden. Daher sagte sie: Ihre angeführte Ursachen sprächen den Himmelblauen Augen billich den Preiß zu. In ihren Augen wären auch keine schönere Edelgesteine / als die Saphire; keine schönere Blumen als die Hyacinthen / in der Mahlerey nichts kostbarers / als das vom Lasurstein kommende blaue /an welcher Farbe / und der ihr gantz nahe ko enden grünen die Augen selbst sich allein erqvickten; Hingegen weisse Dinge das Gesichte zerstreueten /schwartze die Augen-Strahlen zu sehr in die Enge drängten / die Röthe aber die Augen entzündete und blendete. Gleicher gestalt stächen die Pfauen mit ihres Schwantzes blauen Augen der Schönheit aller andern Vögel die Augen aus. Das schöne blaue wäre gleichsam der Schmeltz der Regenbogen; ja die schwartzen Augen selbst könten in ihrem den Aug-Apffel umgebenden Regenbogen dieser Himmel-Farbe niemahls gantz entbehren. Nein / nein / rieff die Fürstin Ismene. Die Königin wolte mehr ihren deutschen Augen / als der Würde der schwartzen liebkosen / welche schon für allen Richter-Stülen [548] das Recht wider alle andere Arten erlanget hätten. Diesem nach wäre es nun nicht mehr umb den Innhalt / sondern nur umb die Ursache des allenthalben / insonderheit aber von der Liebe angenommenen Urtheils die Frage. Aller Anwesenden Augen nöthigten die Königin von Ismenen das Wort zu nehmen / und sich zu erklären: Sie wüste weder von angezogenem Ausspruche / noch weniger von der Beypflichtung der Liebe etwas; welche / wenn es anders wahr wäre / daß die Mutter aus dem blauen Meere ihren Ursprung hätte / von Rechtswegen für schwartzen die blauen zu erkiesen schuldig gewest wäre. Salonine fiel ein: Soll sie denn die / welche sie unter ihrer eigenen Stirne getragen / selbst andern verächtlich nachgesetzt habẽ; da sie keiner andern Göttin den Preiß der Schönheit zu enträumen willens gewest ist? Erato antwortete: Ich erinnere mich wohl / daß Pallas von ihren grossen blauen Augẽ berühmt ist /und daß der Glantz blauer Augen eines tieffsinnigen Geistes Merckmal sey; daß aber die Liebe schwartze gehabt / darvon hab ich keine Gewißheit / ungeachtet die Mahler / welche ihre Unwahrheiten zu vertreten einen alten Frey-Brief haben / solche / ich weiß aber nicht aus was für einem Grunde schwartz bilden. Auch weiß die gantze Welt / daß das uns vom Apelles hinterlassene Ebenbild der Venus aus vielen schönen Antlitzen zusammen gezogen / des Praxiteles nach der Phryne / und des Adimantus nach des Königs Demetrius Schwester Phile gebildet worden. Wenn ich aber ja für die schwartzen Augen was vorträgliches sagen muß; weiß ich nichts anders / als daß sie wegen ihres vielen Wassers bey Tage / die blauen aber wegen mehrern Feuers in der Nacht heller sehen sollen. Aber auch die Sternen leuchten nur bey Nacht. Thußnelda fiel ein: Und die Sonne nur bey Tage; ja wo Sonnen und schwartze Augen sind / kan und darff keine Nacht seyn. Daher ich glaube / daß wie diß die schönsten Diamanten sind / welche die schwärtzesten Straalen von sich werffen / weswegen man auch denen allzu lichten schwartze Folgen unterlegt; also auch die diesen Edelsteinen gleiche Augen der Ausbund aller andern. Erato versetzte: Ich verstehe mich zwar nicht auf die Edelgesteine / welches die reinsten sind; diß aber bestätigen alle Naturkündiger / daß in schwartzen Augen die Crystallen-Feuchtigkeit viel Erde in sich habe / welche von der angebornen Wärmbde nicht genung geläutert werden kan. Dahero die in heissen Ländern wohnende Mohren / Indianer und Syrer fast alle schwartze / die Nordländer aber meist graue und blaue Augen haben; wenn ich aber von Gleichheit solcher Dinge die Schätzbarkeit der Augen messen solte / würde ich / meiner Neigung nach / auch hierinnen den blauen Augen den Vorzug zu geben gezwungen /weil in meinen Augen die Perlen schöner als alle Edelgesteine sind / dieser Schönheit aber meist in blaulichtem Glantze bestehet / als in einem scheinbaren Zeugnüsse / daß die Perlen mehr vom Himmel als vom Meere an sich haben. Fürst Zeno meynte seiner Erato beyzuspringen / meldete also / daß die klugen Serer die vielfärbichten Augen für die vollkommensten hielten / und insonderheit von ihrem hoch-schätzbaren Könige Yaus rühmten / daß er so gar vielfärbichte und wie Regenbogen spielende Augenbrauen gehabt hätte. Ismene fing an: Unter die Fürtreffligkeit der Augen wird fürnehmlich gerechnet: daß ein ander sich darinnen wie in einem erhobenen Spiegel besehen könne. Weswegen man die Verschwindung dieses Gegenscheins für ein unfehlbar Sterbens-Zeichen hält / und glaubt / daß drey Tage für iedes Menschen Tode man sich nicht mehr in des Sterbenden Augen bespiegeln könne. Weil nun die aus tunckelem Stale geschliffene / alle gläserne Spiegel übertreffen / ja diesen durch Anschmeltzung düsternen Bleyes noch geholffen werden muß / ist ausser allem Zweifel: daß die schwartzen Augen denen [549] sich bespiegelnden ihr Antlitz viel vollkommener / als andere / entwerffen müssen. Welches die Königin Erato / wenn sie daran zweifelte / alsbald in den schwartzen Augen ihres Zeno versuchen könte. Ja / allerdings / sagte Thußnelde / denn sie wird zugleich in diesem lebendigen Spiegel ihren Glücks-Stern wahrhafter erkiesen können / als die / welche in Achaien für dem Tempel der Ceres in einem biß an das Wasser eines heiligen Brunnes gelassenen Spiegel ihre künftige Kranckheit /Tod oder Genesung zu erfahren verlangen. Zeno war begierig nun wieder an seine Erzehlung zu kommen /fing also an: Er sehe wohl / sie würden über ihrem Augen-Stritte nicht einig werden / es wäre denn / daß die / welche vollkommen schön seyn solte / wie der Serische König Fohi / und Xunus / und etliche Scythische Völcker das grosse Glücks-Zeichen / nemlich /in iedem Auge zwey Aug-Aepfel / und zwar einen schwartzen und blauen hätte. Ihm aber hätten die erstarreten Augen seines zurückkommenden Edel-Knabens schon seine unglückliche Verrichtung wahr gesagt / ehe er noch berichtet / daß in der Königin Minothea grauen Augen Grimm und Rache / nicht nur Pferde / (wie die Thibier im Pontus in ihren Augen haben sollen /) sondern eitel Tyger und Drachen gebildet hätten / also aus ihnen eitel Mord und schwartzes Unglück gefahren wäre / und die in ihrem Gesichte aufgezogenen kohlschwartzen Wolcken ihm und dem Oropastes nichts als Blitz und Untergang dräueten. Weil nun / der Naturkündiger Meynung nach / in den Augen keine eigentliche Farbe wahrhaftig seyn /sondern nur zu seyn scheinen solte; überdiß die Verliebten meist übersichtig wären / und nicht so wohl was schönes liebten / als was sie liebten / für schön hielten / würde die hohe Versa lung ihm hoffentlich erlauben / von ihrem Augen-Streite Urlaub zu nehmen; wormit sie erfahren möchte / wie er und Oropastes sich von den tödlichen Basiliskẽ-Augen der erzürnten Taube Minothea entfernet hätten. Ich lasse aber / fuhr Zeno fort / so viel empfindliche Hertzen urtheilen: In was für eine Bestürtzung mich der Bericht meines Spornstreichs zurückkommenden aber kaum zu reden mächtigen Knabens versetzt habe /daß mein unvorsichtiges Beginnen der so holdreichen Penthasilea ihre Augen / und mit selbten wohl gar das Leben genommen hätte. Weil ich denn den Fürstẽ Oropastes ebenfalls in nicht geringer Gefahr zu seyn achtete / entschloß ich mich / ihm meinẽ Zustand /und diesen seltzamẽ Verlauff völlig zu entdecken. Wie ich nun in sein Zimmer kam / traff ich seine Schwester Syrmanis an / welche die gantze Nacht geritten war / und ihm bereit seine Gefahr berichtet hatte. Wir entschlossen uns also ohne lange Berathschlagung mit einander / und zwar umb so viel sicherer durchzukommen / nicht gegen das Euxinische Meer / sondern in das Taurische Gebürge zu flüchten; welches wir auch / nachdem wir zwey Tage und zwey Nächte nicht von Pferden gesessen waren / hernach mit erhandelten andern Pferden nach dreyer Tage und Nächte möglichster Forteilung erreichten / und in einer Höle / unter welcher der Fluß Borgis entspringet / bey etlichen Wurtzel-Weibern einen Tag ausruheten. Wir gaben für / daß wir nach Gewohnheit der dort herumb wohnenden Völcker / aus einer besondern Andacht den Tempel des Prometheus besuchen wolten / der auf denselben Stein-Fels gebauet ist / worvon ihn Hercules soll loßgemacht haben; erlangten auch unter diesem heiligen Scheine etliche Amazonische Weiber zu Wegweisern. Diesen Vorwand bestärckten wir durch die denen Amazonen / Massageten und Armeniern gewöhnliche Aufopferung unserer Pferde der Sonnen zu Ehren / als welche wir ohne diß über die steilen Klüffte nicht fortbringen konten / sondern Schuh aus rauchem Ochsen-Leder umb nicht zu gleiten [550] anziehen / und nur zu Fusse unsere Reise fortsetzen / ja uns mit Wurtzeln / Kräutern und Milch etliche Tage behelffen musten. Nach dem wir zehn Tage über die höchsten Gebürge / und unserm Bedüncken nach offtmals durch die Wolcken gestiegen waren /auch unterweges aus den Brunnen der berühmten Flüsse Abascus / Corax und Astelephus zu trincken das Glücke gehabt hatten / kamen wir endlich in ein sehr fruchtbares / und zu unserer höchsten Verwunderung mit Reben und Oelbäumen überdecktes Thal /darinnen ein einfältiges Volck wohnhaft ist / welches uns mit allerhand Erfrischungen erquickte / und diesen Winckel der Welt für das glückseligste Land preisete / darein von undencklicher Zeit die Begierde der Menschen keinen Feind geführet hätte. Wir traffen über die in unsern Landen bekanten herrlichen Früchte und Thiere allerhand uns unbekante Arten / und unter andern einen mit unzehlbaren Farben Federn geschmückten und einen Purpur-rothen Schnabel habendẽ Vogel an / welcher von einer Blume wächst / und nicht länger lebet / als die Blume tauret / also / daß er gleichsam für eine fliegende Blume zu halten ist. Gleicher Gestalt fanden wir ein Gewächse in Gestalt eines Lammes / das auf einem Stengel wuchs; eine den Jaßminen im Geruch gleich kommende / an Grösse und Vielheit der Blätter sie aber weit übertreffende Blume Mogorin / derer eine ein gantz Haus einzubisamen genung ist; Rosen / welche ihre Farben bald in Schnee / bald in Purpur verwandeln; eine Frucht /da Citronen und Pomerantzen streiffweise sich in einem Apfel vermählen; und endlich ein Kraut / dessen Genüssung traurige lustig macht / ja die Tieger-Thiere / die es allhier gab / waren gantz zahm / und die Schlangen eben so wohl von keinem Gifte / als die Einwohner / ausser der Liebe / von den schädlichsten Gemüths-Regungen / nehmlich / Ehrsucht / Geitz und Rachgier nicht eingenommen / also / daß diese Landschafft mit Rechte der Garten der Welt / und ein Meister-Stücke der Natur genennet zu werden verdiente. Auch Oropastes und Syrmanis daselbst so gar ihr Leben zuzubringen schlüssig wurden; mir auch / welchem ohne diß der Himmel meines Vaterlandes so ungütig gewest war / und dem in Abwesenheit meiner Erato alle Gestirne finster und schrecklich fürkamen /leicht die übrige gantze Welt vergället haben würde /wenn mich der innerliche Magnet nicht gezogen hätte meine Sonne auch unter dem eysichten Wirbel-Sterne aufzusuchen. Gleichwol schlug ich nicht aus mich in diesẽ Paradise von meinen überstandenen Verdrüßligkeiten ein wenig zu erholen. Denn wo wir hinkamen /waren wir angenehme Gäste / die Gärten und Aecker waren so wenig durch Gräntzmale / als alle Bedürftigkeiten durchs Eigenthum unterschieden / sondern der Uberfluß aller Dinge machte hier alles gemein / diese Gemeinschafft aber stellte die Wahrheit der ertichteten güldenen Zeit / das von Milch und Honig flüssende Land der glückseligen Inseln oder des so sehr beruffenen Eylands Taprobane für; also / daß wir seines Reichthums halber derselben Vorwitz verlachten / die umb die unnützen Spitz-Thürme Egyptens zu sehen /oder einen güldenen Widder zu holen alle Unlust und Gefahr des Meeres ausstünden / wegen seiner Einwohner aber es uns nicht anders als jenem von Corinth nach Sparta kommenden fürkam / daß wir alldar die ersten rechten Menschen sehen. Die Einwohner wusten wenig von unsern Göttern / sondern stunden wegen etlicher von andern Völckern erfahrner Nachrichten in denen Gedancken / daß / ausser ihnen / die gantze Welt das Glücke für seinen Gott anbetete / und ieder Mensch nach dem Triebe des blinden Glückes insgemein aus seiner thörichten Einbildung / offtmals auch aus schändlicher Mißgeburt ihm einen Abgott /die meisten Laster aber zu einem Gottes-Dienste machte. Es ist wunder / sagte Hertzog Herrmann / daß [551] diese heiligen Leute / da ihnen niemand anderer Völcker Thun aufrichtig entdeckt / glauben / daß sie Menschen sind / weil sie insgemein im Bösen andere Thiere übertreffen. Noch mehr aber befrembdet mich /daß sie in den Kreiß ihrer Ruhe aus der andern stürmerischen Welt einigen Frembden einlassen. Allein ich bin wohl begierig dieses unschuldigen Volckes Gottes-Dienst zu vernehmen. Zeno fuhr fort: Als wir eben diß von ihnen verlangten / führten sie uns in die Mitte ihrer Landschafft / und zeigten uns auf einem lustigen mit fruchtbaren Bäumen und kräfftigen Kräutern bewachsenem Hügel ihren einigen Tempel. Dieser war ein von dreyhundert Himmel-hohen Cedern umbsetzter Umbkreiß. In der Mitte stand das alabasterne Bild ihrer einigen Göttin / nemlich der Natur. Den einen Fuß hatte es auf einer ertztenen / den an dern auf einer gläsernen Kugel / hiermit auf den Erd-und den Wasser-Kreiß zielende. Das Haupt war mit der Sonne bekleidet / an der Stirne hing der Monde /das Halsband war eine Reye fünckelnder Sterne; umb den Leib trug sie einen Gürtel / darauf die zwölff hi lische Zeichen gepräget waren. Aus der rechten Brust spritzte sie Wein / aus der lincken Milch / aus dem Geburts-Gliede Wasser / welches sich in einer Schale von Agat zusammen vermischte / und in einer verborgenen Röhre auf das Altar der Göttin geleitet ward. Auf der äusersten rechten Hand stand das Zeichen des Schwefels / und in selbter hielt sie eine nie verleschende Ampel; unter dem lincken Arme ein Horn des Uberflusses / welches mit tausenderley Früchten und Blumen erfüllet war. In dem lincken Hand-Teller war das Zeichen des Saltzes / und aus einem Glase troff fort für fort Oel in die Schale. Auf dem rechten Fusse stand das Zeichen des Quecksilbers in der Mitten /und umb selbtes herumb des Goldes / des Silbers /des Kupfers / des Zienes / des Eisens / und des Bleyes. Auf dem lincken Fusse des Spießglases / des Salpeters / und anderer Berg-Gewächse. Zwischen den Zehen stachen Corallen-Zapfen / Purpur- und Perlen-Muscheln / rauhe Diamante und andere Edelgesteine herfür. Der Rücken war über und über / nach Pythagorischer Art mit eitel Ziffern bezeichnet; als welcher lehrte / daß die gantze Natur von nichts als Zahlen bestünde. Dieses Sinne-Bild der Natur / und die Freundligkeit des uns anweisenden Priesters vergnügte uns überaus / veranlaßte auch uns ihn so wohl umb den Ursprung dieses Gottes-Diensts / als die Art der Verehrung zu fragen. Der Priester unterrichtete uns: Dieser Gottes-Dienst wäre so alt als die Natur selbst /und darumb auch der reineste / ja nicht allein den Menschen / sondern allen Geschöpfen gemein. Denn nicht nur der Mensch mit seiner Sprache / die Nachtigal mit ihrem Gesange / sondern auch die Löwen lobten mit ihrem grausamen Brüllen / die Pferde mit ihrem Wiegern / die geringschätzigen Raben mit ihrem unartigen Geschrey / das Gewürme mit seinem ohnmächtigen Athem-holen ihren Schöpfer. Nicht nur die Sonnenwende durch ihre Umbwendung / das Gewächse Acacia / wenn es seine Blätter von Mitternacht biß an Mittag aufnach der Zeit aber zuschleust; ein ander Kraut / wenn es mit der untergehenden Sonne verwelcket / mit der aufgehenden wieder grünet / ein anders bey untergehender Sonne seine hohe Farbe in blaue Trauer-Farbe verwandelt / ein anders des Abends seine Blätter in eine Knospe zusammen zeucht / früh aber wieder ausbreitet / bezeugeten ihre Andacht gegen ihrem Ursprunge; sondern auch der Trauer-Baum / der des Tages seine Blätter abwirfft und welck wird / des Nachts hingegen frische wohlrüchende Blumen [552] beko t / der Glantzbaum der des Nachts mit seinem Scheine die Finsternüß erleuchtet /ja alle und iede Kräuter gäben mit ihren wunderwürdigen und dem unachtsamen Menschen noch grossen theils verborgenen Würckungen ihre Danckbarkeit gegen ihrem ewigen Schöpffer zu verstehen / und dienten Gott unbefleckter als die alberen Menschen /welche das durch eine unzertrennliche Einigkeit in einander verknüpffte Wesen der Natur / oder vielmehr den einträchtigen Einfluß des Schöpffers zergliederten / und wenn dieser die Sonne / ein ander die Sternen /der dritte die Erde / der vierdte das Wasser / der fünffte das Feuer / etliche nur Bäume und Steine anbeteten / das Stückwerck für das gantze verehreten / oder vielmehr Gott den alles beseelenden Geist in ein so enges Gefässe einsperreten. Da doch sie mit Augen wahrnehmen / daß die Zeder einen grössern Raum zu seinem Wachsthum / als der Isop bedürffe. Ja der Mensch / das unvollkommene Nachbild Gottes liesse sich nicht in einen Wald wie der Elefant / nicht in eine Wiese / wie das Pferd / nicht in einen Seebusem /wie der Wallfisch / nicht in einen Teich / wie der Schwan / nicht in eine Pfütze / wie der Frosch / noch auch allein in die weite Lufft / wie der Adler einriegeln / sondern die Erde sey ihm zu seichte; er durchgrabe ihre innersten Eingeweide / daß Gold und Silber seinen Geitz sättige; Er baue Wolcken-hohe Schlösser in die Lüffte / seinen Hochmuth zu vergnügen; Er fahre über / und in die Tieffen des Meeres /um seiner Eitelkeit Perlen / Corallen und Ambra zu opffern; ja seine Gedancken meisterten den Lauff und die Würckung der Gestirne; sein Nachdencken lösete die Rähtsel auff / die die ewige Versehung mit verborgenen Ziffern in die Himmels-Kreisse verzeichnet; und die Schrancken der Natur wären der Grösse seines Gemüthes / oder seinen unmäßigen Begierden zu enge. Wie viel weniger könte nun ein Stern / oder was geringers / ein genungsamer Begriff einer unermäßlichen Gottheit seyn? Diesemnach wäre zwar eine Eichel / aus der so ein grosser Baum wüchse / eine Biene / die so künstlich baute / eine Ameisse / die so sorgfältig wäre / eine Schnecke in ihrem Wunder-Hause / eine Muschel / in der die Natur mit so viel Farben spielet / ein kleiner Stein / der das Zu- und Abnehmen des Monden fürbildet / ein gläntzender Nachtwurm mit seinem Wunder-Lichte ihnen ein genungsamer Beweiß einer wahrhafftigseyenden / kein Geschöpffe aber / ja die gantze Welt selbst nicht ein anständiges Behältnüß einer unumspannlichen Gottheit. Es sey zwar die Grösse der Himmels-Bogen mit der Geschwindigkeit der darinnen geschehenden / und die Blicke der Augen übereilenden Bewegungen unbegreiflich; Die Schönheit und Eigenschafften der zwar nicht nach der Schnur oder dem Zirckel eines Feldmessers gesetzten- aber mit einem gewissen Lauff und durchdringenden Tugenden begabten Gestirne / in dem wie iedes Kraut / also auch ieder Stern seine absonderliche Würckung hat / unermäßlich; die zwey grossen Lichter Sonne und Monde / derer jene die Erde erwärmte und trocknete / dieser die Meere benetzte / und die Pflantzen bethaute / jene den Tag /dieser die Nacht erleuchtete / jener dem Jahre / dieser den Monaten ihr Maaß gäbe / wären zwar die zwey Wagschalen der Zeit / die zwey Pfeiler / an denen die Wunder der göttlichen Versehung geschrieben wären; Alleine wie ein hundertäugichter Mensch viel zu wenig Augen hätte den Himmel genungsam zu betrachten; also wären die fünff Sinnen viel zu wenig die Fruchtbarkeit der Erde / welche täglich mit neuen Gewächsen unserer eckelnden Zärtligkeit abhülffe / zu genüssen / oder nur in einer Rose die Schönheit zu beschauen / die Vielheit der Blätter zu zehlen / mit dem Geruche sich zu erqvicken. Der Uberfluß der unzehlbaren Gewächse wäre ein Kennzeichen ihrer Freygebigkeit / der grosse [553] Unterscheid / da kein Kraut dem andern / kein Blat eines Baumes / keine Feder eines Sperlinges einem andern gantz ehnlich ist / sey ein Merckmal der göttlichen Weißheit / die Abwechselung der Zeit / des Gewitters / und daß die Stauden nicht auff einmal / sondern nach und nach ihre Blüten und Früchte brächten / wormit es uns so viel mehr genoßbar würde / bezeichne seine väterliche Liebe. Die Lufft flösse uns zwar mit iedem Athem-holen einen Hauch der göttlichen Gnade ein; Befruchte mit ihrem Anblasen die Erde / ergötze und speise uns mit dem Gesange und dem Fleische so unzehlbarer Vögel; ja die göttliche Versehung habe zweiffelsfrey den Vogeln alleine für allen andern Thieren eine so annehmliche Stimme / keinem einigen aber das wenigste Gifft beygelegt / um den Menschen zu ermuntern / daß er so viel mehr seine Zunge zum Lobe Gottes anwenden / und seine Seele für allem Giffte / welches allein denen auf der Erde krichenden Thieren anklebet / rein behalten; Und wie das männliche Geflügel allezeit schöner als das weibliche ist; also auch unser Geschlechte aller weiblichen Schwachheiten frey / und diesem ein Leitstern zur Tugend seyn solle. Es wären die Gebürge die Gebeine der Erden eine Kette der Natur / welche derselben Glieder aufs künstlichste an einander hielte; Ein Behältnüß des göttlichen Reichthums / darinnen das Ertzt geschmiedet / die Brunnen von dem Meer-Saltze geleutert / von denen die Wolcken zertheilet / auf denen die hohen Bäume zu Häusern und Schiffen gefället würden. Es sey zwar das Meer ein Spiegel der göttlichen Allmacht / dessen gethürmte Wellen / welche die Sternen zu bekriegen schienen / doch keinen Fußbreit Erde verschlingen könten / da ihnen doch die Natur nichts als Staub zu einer Mauer entgegen gesetzt hätte / dessen unergründliche Tieffe niemahls überlieffe / ob gleich so viel tausend schifbare Ströme so viel tausend Jahr hinein gelauffen wären. Es wäre eine unerschöpfliche Speisekammer / welches dem Menschen so viel unzehlbare Fische gebieret / daß / nachdem sie der gantze Erdkreiß nicht aufzuzehren mag / sie einander selbst auffressen müsten; Es wären die nimmer verseugenden Flüsse ein Fürbild der göttlichen Ewigkeit / die Artzt- und Heilbrunnen seiner Barmhertzigkeit /die Wunder-Qvellen ein Anweiser / daß etwas sey über den gemeinen Lauff der Natur / nehmlich ein verborgener / und seinem Wesen nach in seine unerreichliche Unbegreiffligkeit eingehülleter / aber in den Geschöpffen augenscheinlich offenbarter Schöpffer /der zwar unsern Augen entfernet / seinen Wercken nach aber uns so nahe / als wir uns selbst wären / dessen Willen wir so sehr in unserm Thun widerstrebten / so sehr er unser Hertz durch einen innerlichen Trieb zu seiner Liebe und Erkäntnüß nicht anders als der Nordstern die Magnet-Nadel / der Mittelpunct die Schwerde / die Höhe das Feuer an sich züge / also /daß man zwar Länder ohne Feuer / keines aber ohne die Wissenschafft / daß ein Gott sey / angetroffen hätte; und noch niemahls ein Vernunfft-fähiger Klügling gefunden worden / der das geringste Geschöpffe zu tadeln gewüst / oder an der so vollkommenen Natur etwas zu verbessern ihm getrauet hätte. Denn die / welche die so gütige Natur nicht für eine Rechte / sondern für eine Stieff-Mutter zu schelten sich erkühnet; und die Thiere alles Giftes / das Feld alles Unkrautes / die Lufft aller Mücken / die Zeit alles Winters befreyt zu seyn verlanget / wären nicht ihre Kinder / sondern unvernünfftige Wechselbälge. Die sie aber tadelten / daß sie den Flöhen mehr Beine als den Elefanten / der Raupe mehr Geläncke als dem Krokodil / der Krähe ein viel grösseres Alter als dem Menschen gegeben / verdienten als Unsinnige mehr als Prometheus in stählernen Fesseln auff dem Caucasus angeschmiedet zu werden. Ich fiel / fuhr Zeno fort / dem Priester [554] in die Rede / und sagte; So höre ich wohl / dieses Bild sey nicht das Abbild euerer Göttin / und ihr haltet die Natur auch selbst nicht darfür. In keinerley weise / antwortete mir der Priester. Diese Säule ist ein Spiegel der Natur / die Natur aber Gottes. Jene ist die Harffe / welche dieser stimmet; jene eine Strahl seiner überschwenglichen Herrligkeit /nicht aber die selbstständige Gottheit / welche / ob sie zwar alles erfüllt / erhält / erleuchtet / erwärmet / erfreuet / beseelet / schwängert / doch keine Verwunderung in ihrem Wesen / keinen Abfall in ihren Kräfften leidet. Ob sie zwar auch in der Seele des Menschen mit Kräfften des Verstandes / in den Gestirnen durch Wärmde / Licht und andere Einflüsse in der irrdischen Welt durch Bewegung und Fruchtbarkeit würcket / ja iedem Kraute etwas absonderliches einflöst / so bestehet sie doch nur in einer einigen Einigkeit / als aus welcher so vieler widriger Dinge Eintracht rinnet. Diese Einigkeit ist eine Mutter eines so unzehlbaren Vorraths / welcher nirgends einigen Gebrechen zeigt /gleichwol aber in aller dieser Menge keinen unnützen Uberfluß hat. Sie würcket in dem grossen mit nicht beschwerlicher Bemühung / als in dem kleinen; Sie reget so leicht einen Wald voll Elefanten / und ein Meer voll Wallfische / als einen Ameiß-Hauffen. Alleine sie ist in grossen Dingen nur derogestalt eine so grosse Künstlerin / daß sie gleichwol nicht kleiner in dem kleinen sey. Ja sie hat in dem kleinen mehrmahls solch Belieben / daß sie nirgends mehr gantz / als in den kleinsten Geschöpffen zu seyn scheinet. Wormit aber gleichwol diese Gottheit sich nicht selbst verkleinere / noch ihre Unermäßligkeit gegen das grosse eine Abneigung zeigen möchte / hat sie in der Welt die grosse Sonne / das Hertze und Mittelpunct der Welt /das unverseigende Qvell alles Lichtes zu ihrem Spiegel aufgethürmet. Denn wie diese allein machet / daß man alle Sachen siehet / sich aber doch selbst nicht recht sehen läst / wie dieser ihr Glantz alle andere Lichter verdüstert; Also eröfnet auch Gott allen Thieren die Augen / und dem Menschen den Verstand /beydes aber kan ihn nicht sehen / und alle andere Abgötter sind gegen ihm verdüsterte Schatten. Herentgegen ist der Monde der Spiegel der kleinern Welt /nehmlich des Menschen / in dem beyde bald ab- bald zunehmen / bald gebohren / bald begraben werden /bald alles / bald nichts sind / beyde ihr Licht nicht aus sich selbst / sondern von der Sonne nehmen; wenn sie am vollkommensten sind / die meisten Flecken haben / und von der Erde verfinstert werden. Wie der Monde allezeit sein Antlitz gegen der Sonnen kehret / und seinen Morgenthau der Sonnen zu einem täglichen Opffer liefert; also soll das menschliche Hertze auch sich niemals von dieser Sonne der Gottheit abwenden / sondern seine Seufzer und Gedancken ihr zu einem süssen Geruch andächtig abliefern. Dieses ist das rechte von GOtt verlangte Opffer / welcher ihm nur zu einem euserlichen Kennzeichen das siebende Theil ihres Zuwachses auf dem nahe alldar stehenden Altare darreichen läst; massen die Kinder im Frühlinge die siebende Blume / die mannbaren Jünglinge und Jungfrauen im Sommer die siebende Garbe alles Getreydes / die Männer das siebende Theil aller Baum-Gewächse zu bringen pflegen. Mit diesem wenigen seines eigenen Geschenckes vergnügt sich Gott / damit der Mensch so viel mehr ihm sein gantzes Hertze zu wiedmen Ursach haben möge. Wir hörten diesen Eisgrauen (erzehlte Fürst Zeno ferner) mit grosser Vergnügung an; und weil er so wohl Griechisch redete /bat ich ihn meinem Vorwitze zu vergeben / und mir zu sagen: Ob er ein Eingebohrner in diesem Lande /oder ein Fremder wäre? Dieser antwortete: Er wäre Meherdates / ein gebohrner Armenier / des Comanischen Priesters Archelaus / mit dem Sylla und Gabinius verträuliche Freundschafft gepflogen hätte / leiblicher Sohn / dem Pompejus nicht allein zu diesem Priesterthume verholffen / sondern auch ein [555] ansehnliches Gebiete unterworffen hätte. Diese Würde wäre der Königlichen in vielem so nahe / daß er jährlich auch zwey Tage die Königliche Krone trüge / und alle Königliche Gewalt ausübte / daß er Fürstliche Einkommen genüsse / und allein sechs tausend Opffer-Knechte unterhielte; in vielem giengen sie auch gar über den König / indem dieser ihn als einen Vater verehrete / von ihm nicht allein Erinnerungen annehmen / sondern er auch die Beschwerden des Volckes wider den König entscheiden müste. Uberdiß wäre das Glücke ihm so an die Hand gegangen / daß durch sein Anstifften der König in Cappadocien Ariarathes vom Antonius wäre getödtet / ihm aber selbigen Reiches Krone aufgezetzt worden. Ja / ob er wol in der Schlacht bey Actium dem Antonius beygestanden /hätte er sich doch bey dem Augustus ausgesöhnet /und derogestalt eingeliebet / daß er ihm noch das kleinere Armenien und Cilicien geschencket. Wie er aber derogestalt dem Glücke gar in der Schooß zu sitzen vermeinet / hätte es ihn über Hals und Kopff herab gestürtzet / indem ihn der Landvogt in Syrien Titus beym Käyser derogestalt vergället / daß er sich für den Römischen Waffen und des Titus Nachstellungen in das Taurische Gebürge flüchten müssen / über welches ihn ein Armenier in diese glückselige Gegend geführet; Gottes wunderbare Versehung aber und die mehr hieraus / als aus seiner Geschickligkeit sich entspinnende Zuneigung dieses hier wohnenden Volckes ihn zu einem Priester der Natur gemacht / also seinen vorigen eitelen Gottesdienst allhier in einen viel heiligern und glückseligern verwandelt hätte. Allhier habe Gott und die Natur allererst seiner angenommenen Blindheit abgeholffen / die Larve dem Glücke vom Gesichte gezogen / und mit dem Elende zeitlicher Würden und königlicher Höffe die Herrligkeit der Gemüths-Ruh / und einer vergnüglichen Einsamkeit entdecket; also / daß ihn nun nach nichts weniger als seinem mit so viel Seufzern erworbenem / und so unverhofft ihm aus den Händen gewundenem Zepter gelüstete. Wormit er auch hierüber für uns so viel mehr sein Gemüthe ausschüttete / führete er uns zu einem nahe darbey gelegenen Steinfelß / darein er nachfolgende Gedancken / von denen ich mir gegenwärtige Abschrift auffgehoben / mit grosser Mühe eingegraben hatte:


Du Wetterhahn der Welt / du Fallbret unsers Lebens /

Du Gauckelspiel der Zeit / Gelücke / gute Nacht!

Die Menschen zünden dir den Weyrauch an vergebens;

Und dein taub Ohr giebt nie auf Wunsch und Andacht acht.

Wenn du einmal dein Rad / wir eine Hand umdrehen /

Sehn wir Colossen falln / und schweres Ertzt verwehen.


Ich aber schätze dich weit über Gangens Schätze /

Du irrd'sches Paradiß / du Hafen süsser Ruh /

Weil hier kein Wüterich giebt knechtische Gesetze /

Weil die Natur uns hier läst allen Willen zu /

Wo die Begierde nie aus dem Geschirre schläget /

Vergnügung und Vernunfft sich in ein Bette leget.


Verdammter Heyrath-Schluß / unselige Vermählung!

Wo Geitz ein gülden Aas bebrütet Tag und Nacht;

Wo der sonst todte Schatz nur lebt zu unser Qvälung /

Wo Uberfluß uns arm und unersättlich macht;

Wo wir wie Tantalus beym Reichthum Hunger leiden /

Des Nachbars dicke Saat' / und fettes Eyter neiden.


Hier herrschet die Natur / die wenig nur verlanget /

Die läst die Wurtzel nicht des Bösen wurtzeln ein.

Kein Berg-Marck ist das so wie Pomerantzen pranget /

Woran die Früchte Gold / die Blüte Perien seyn;

Ja eingebalsamt Gold / das Ambra von sich hauchet /

Und Perlen die man recht zur Hertzens-Stärckung brauchet.


Die güldnen Berge sind kein Merckmal güldner Länder /

Wo Gold in Flüssen schwimmt / da rinnt auch Uppigkeit.

Diß Ertzt heckt aus den Geitz / der Geitz gebiehrt Verschwender;

Wo man das Gold nicht kennt / da ist die güldne Zeit.

Und da die eiserne / wo man schärfft Stahl zu Degen /

Und nicht das Eisen schmeltzt zu Pflugschar'n und zu Eegen.


Wiewol der Acker trägt hier Weitzen und Getreide /

Wo gleich kein Pflug streicht hin / die Eege nicht fährt ein.

Der Baum / der anderwärts bringt Wolle / giebt hier Seide /

Die Kiefer köstlich Oel / der Schleedorn süssen Wein.

Der Zucker wächst auff Schilff / die Buche trägt Muscaten /

Die Mantel Dattelkern / der Apffelbaum Granaten.


Die Ameiß sammlet hier zusammen Weyrauch-Körner /

Die Holder-Staube treifft von Balsam und Jasmin /

Die Disteln stehn voll Lilg- und Rosen ohne Dörner /

Und auf Wacholdern sich't man Nelck' und Zimmet blüh'n /

[556]

Die Mäuse nehr'n Ziebeth / der Mosch schmiltzt von den Ziegen /

Der Hirsch zeugt Bezoar / den Honig machen Flügen.


So herrlich lebt man hier / wenn dort der Tisch der Fürsten

Das kaum erschwitzte Brodt oft halb verschimmelt giebt;

Wenn oft selbst Könige bey voller Taffel dürsten /

Aus Sorge: Daß iemand wo ihnen Gifft einschiebt.

Wenn man für eigner Wach' und Sklaven sich erschüttert /

Und als ein Aspenlaub für Schatten bebt und zittert.


Hier aber wohnt die Ruh und sicheres Vergnügen /

Die Einfalt weiß vom Mord und vom vergifften nicht.

Die Tieger sind hier zahm / der Wolf spielt mit den Ziegen /

Und keine Natter kan hier bleiben / welche sticht.

Betrug und Arglist heist bey Hof' ein Meisterstücke.

Hier weiß man nichts von List / als wie man's Wild berücke.


Bey Hofe weiß ein Greiff zur Taube sich zu machen /

Ein Fuchs ist mit der Haut der Lämmer angethan /

Der Panther scheint ein Schöps / die Geyer und die Drachen

Sieh't man für Vögel offt des Paradises an;

Alleine dieses Fell / die Federn und die Sitten /

Sind Angeln nur / wofür sich niemand weiß zu hütten.


Oft wenn das Auge weint / da kützelt sich das Hertze /

Ein Todfeind macht ihm dort die Freundschaffts Larve für.

Der Mord-Dolch wird versteckt in eine Hochzeit-Kertze /

Und in Liebkosenden steckt offt ein Tieger-Thier.

Uns schwimmt das innerste des Hertzens auf dem Munde /

Dort geust man Oel in Glut / hier aber in die Wunde.


Die Liebe selber wird bey Hof' ein Ungeheuer /

Die Tochter der Natur zur Mißgeburt der Welt.

Geitz / Ehrsucht / Geilheit macht da nur ein todtes Feuer /

Das nicht zum Hertzen dringt / und selten Farbe hält.

Denn niemand frey't der Braut / die ihm / er ihr zugegen /

Der buhlet um ein Ampt / ein ander ums Vermögen.


Hier aber weiß man nichts von so verfälschten Lieben /

Gestalt und Tugend ist hier nur das Heyrath-Gut.

Die Ehberedung wird dort aufs Papier geschrieben /

Das Hertz' ist hier der Brieff / die Tint' ist beyder Blut;

Ja man vergräbet hier auf einmal und zusammen /

Die Asche der Gebein' und auch der Liebes-Flammen.


Den sonst verhasten Nord hör'n wir mit Anmuth wütten /

Weil er gesunde Lufft / uns keinen Schiffbruch bringt.

Wir dörffen Haab und Gut niemals in's Wasser schütten /

Weil uns kein Vorwitz sticht / auch kein Gebrechen zwingt /

Noch zu nichts-nützem Glaß und ungesunden Speisen /

Den Erdkreiß zu umfahr'n nach Ost und West zu reisen.


Granaten-Aepffel geh'n für Königliche Zierden /

Ihr Krantz sticht Kronen weg / die Knospe den Rubien /

Wenn jener ihr Besitz schafft ängstige Begierden /

Kan man aus dieser Safft und kräfftig Labsal ziehn.

Der / und die Rosen sind dem Purpur uberlegen;

An diesem klebet Blut / an jenem Thau und Segen.


Der Sorgen-Wurm heckt sich in Seiden-Wurms Geweben /

Die Unschuld fühlt kein Leid in unser schlechten Tracht.

Wo Gold und Schnecken-Blut die Achseln rings umgeben /

Wird offt das Hertze kalt / das Antlitz blaß gemacht.

Wir hülln zwar nur den Leib in weisse Lämmer-Felle;

Doch fühl'n wir in der Seel' auch keine Pein und Hölle.


Last Fürsten im Pallast auf glattem Marmel gleiten /

Von Sammet und Damast früh ohne Schlaff aufstehn /

Wozu sie ihnen doch Maah-Träncke zubereiten;

Wir woll'n auf Kräutern ruhn / auf weichen Rosen gehn /

Mit der itzt müden Sonn uns froh zu Bette machen /

Und mit der Morgenröth' erst wiederum erwachen.


Bey Hofe trinckt man Gifft aus kostbaren Krystallen /

Wir süssen Wein aus Tohn / rein Wasser aus der Hand.

Die Mißgunst schenckt dort ein der Tugend ärgste Gallen /

Auf unsern Wiesen ist auch Wermuth unbekandt.

Dort sticht der Scorpion des Neides / hier nur Bienen /

Wofür ihr Honig uns doch muß zum Labsal dienen.


Ein Hencker prest uns dort den Safft aus Marck und Beinen /

Ein Bluthund saugt das Blut aus unser Adern-Qvell;

Weiß Künste fettes Oel zuziehn aus dürren Steinen;

Und endlich übers Ohr den Nackten auch ihr Fell.

Hier milckt man bloß die Milch / und läst die Woll' abscheren /

Die Küh und Schaffe nur durch Uberfluß beschweren.


Ein allgemeiner Brunn / der eine Stadt vergnügen /

Der ein volckreiches Land zur Nothdurfft träncken kan;

Wird dort vielmal erschöpfft / ist oft wol gar versiegen /

Wenn ein verschnitten Knecht setzt seine Gurgel an.

Der Stein und Ertzt verdeut / das keine Glut verzehret /

Und wie die Egel sich mit fremdem Blute nehret.


Man sieht Verleumdung dort der Unschuld Lilgen schwärtzen /

Der Heuchler falscher Firnß verwandelt Koth in Gold.

Hier fälscht kein Honig nicht den Mund / kein Gifft die Hertzen /

Niemand ist Tugenden gram / noch den Lastern hold.

Ein häßlich Antlitz prahlt dort gar mit Fleck und Mahlen /

Allhier ist nichts geschminckt / auch keine leeret Schalen.


Der Wind ist nicht so sehr veränderlich im Mertzen /

Als sich des Hofes Gunst des Glückes West verkehrt.

Wenn er mit Zweigen scheint zu spielen und zu schertzen /

Sieht man / daß er wie Blitz in Stämm' und Zedern fährt.

Die früh des Pöfels Gott / der Fürsten Schoßkind waren /

Die schleppt ein Henckers Knecht des Abends mit den Haaren.


Der Rosen Purpur-Haupt / der edlen Lorbern Wipffel /

Entgehn des Hofes Sturm / des Glückes Wettern nicht.

Denn es sucht Ruhm daraus / wenn's Himmelhohe Gipffel

Zerschmettert / Riesen fäll't / und grosse Maste bricht;

Wenn's denen / die sich hülln in Gold und Edelsteine

Giebt Ruder in die Hand / legt Ketten an die Beine.


Ja wem gleicht sich der Hof mehr als gemahlten Schiffen /

Die Fessel scheinen Gold / die Ruder Helffenbein.

[557]

Ob diese gleich von Schweiß / auch offt von Blute trieffen /

Mein't ieder doch ein Herr / kein Ruderknecht zu seyn /

Ob dessen Fuß gleich nur von Banden wird gekräncket /

Ein Höfling aber liegt an Seel und Geist umschräncket.


Bey uns ist iederman sein Herr / sein Fürst / sein König;

Man dringet uns kein Joch / auch wir niemanden auf.

Jedweder ist vergnügt / und keiner uns zu wenig /

Der Tugend lassen wir den Preiß / der Zeit den Lauff.

Wer für's gemeine Heil wil Schweiß und Witz anwenden /

Dem hilfft man selbst ans Bret und trägt ihn auf den Händen.


Es ist des Glückes Rad recht eine Töpffer-Scheibe /

Die aus geringem Lett' oft güldne Götzen dreht.

Und ihre schnöde Gunst gleicht einem geilen Weibe /

Die Kriepel hälß't und küß't / und Zwerge nicht verschmäht.

Hier ist die Tugend nur gesehn und hoch erhoben /

Dort schimmert Schein und Spreu / hier Schwerdt und Wesen oben.


Auch der drey Kronen trägt / den Stul auf Tugend gründet /

Verfäll't in Staub und Koth / wird aller Pracht beraubt.

Dem man itzt Weyrauch streut / und Sieges-Kräntze windet /

Dem trit ein Scherge noch für Morgens auf sein Haupt.

Hier fürchtet niemand nicht / Volck / Richter / Hencker / Büttel /

Ein einig Wechsel hängt uns zu / der Sterbekittel.


Von dem sind aber auch Palläste nicht befreyet /

Und zwar mit herberm Ach und ängst'ger Furcht umhüllt.

Denn sie sind zu Altarn der Eitelkeit geweihet;

Ihr sterblich König ist ihr schnödes Götzen-Bild.

Wir aber seh'n dem Tod' hertzhafftig ins Gesichte /

Denn er versetzt das Bild der Tugend erst ins Lichte.


Dort tobet Glück und Neid auch auf die Ehren-Mahle;

Zermalmt Ertzt und Porphir / wirfft Bilder in den Schach.

Der Schutz-Herr gestern hieß / der steckt heut auff dem Pfahle /

Der ihn vor segnete / rufft ihm itzt / Schelme / nach.

Hier weiß man nichts von Fluch der andrer Ruhm versehre.

Die Andacht klimmt zu Gott / die Tugend strebt nach Ehre.


Saloninen lieffen über diesen Reimen tausend Thränen über die Wangen / welche bey derselben Schlusse sie mit diesen Worten rechtfertigte: Warlich / dieser Meherdates muß den Hoff gewiß auch in- und auswendig haben kennen lernen / weil er ihn mit so lebendigen Farben abzubilden gewüst. Aber ach! nein / wer wil diese Mißgeburt abbilden / welche die Larve niemals vom Gesichte legt / und gleichwol alle Stunden verwechselt / welche durch allerhand falschen Schein das Antlitz verstellet / und ihr Hertze auszuschütten für ärgsten Schiffbruch hält / welche nichts mehr zu verlangen sich angebehrdet / als worfür sie die heftigste Abscheu hat / ja niemanden bey ihr seinen freyen Willen läst / als alleine darinnen / daß sie sich zu freygelassenen Knechten des Hoffes machen mögen. Aber auch dieses thun sie aus keiner Freyheit / sondern aus dem Nothzwange der sie fässelnden Begierden. Denn keine Fliege strebet so sehr nach Honige / kein Raubvogel eilet so sehr nach einem Aasse /keine Egel dürstet so sehr nach Blute / keine Ameisse eilet so sehr mit dem gefundenen Weitzen-Korne in ihr Läger / ungeachtet sie ihrer Grösse nach die Geschwindigkeit der Sonne übereilet; als die Höflinge sich nach ihrer erbärmlichen Dienstbarkeit sehnen /welche doch von grossem Glücke zu sagen haben /wenn sie sich ihr Lebtage mit dem Traume süsser Hoffnung / dem Brodte der Elenden speisen können /nicht aber ihrer unerträglichen Folterung durch das Messer der Verzweiffelung abzuhelffen gezwungen werden. Rhemetalces fing an: Diese Gedancken des Meherdates sind sicher / weiser und heiliger / als das Thun seines Vaters' Archelaus / da er in Armenien sich bey seiner Priesterlichen Würde in die weltliche Herrschafft einmischete / ja diese Süßigkeit ihn endlich so gar lüstern machte / daß er an den Cappadocischen Zepter die Hand zu legen / und seinen rechtmäßigen König Ariarathes darvon arglistig zu verdringen sich unterstanden. Seiner Boßheit aber hätte des Himmels gerechter Rache seine wolverdiente Erniedrigung ein Ziel gesetzt / und dardurch seinen Sohn angewiesen / daß die Priesterliche Würde nicht mit die Hand im Spiele irrdischer Dinge / keine Stimme im Fürsten-Rathe / und den Fuß nicht auff dem Richterstuhle haben solle. Hertzog Zeno begegnete dem Feldherrn mit einer sonderbaren Bescheidenheit: Er könte dem Archelaus freylich das Wort nicht reden / daß er den Ariarathes aus eigener Herrschenssucht ein Bein untergeschlagen / und sich in seinen Purpur gehüllet hätte; [558] Aber die Priesterliche Würde so enge einzusperren / oder vielmehr sie gar unter die Füsse zu treten / schiene ihm nicht rathsam zu seyn. Sie wären die Boten und Ausleger des göttlichen Willens / ja gleichsam die Unterhändler und Friedens-Stiffter zwischen GOtt und den Menschen; Sie wären Schutzsäulen der Reiche / nichts minder als die Könige / welche das Volck mit ihrer Andacht / Gebete und Fasten beschirmeten / als Könige mit den Waffen. Die Aufhebung ihrer Hand hätte wol ehe unter den hochmüthigen Feinden eine grössere Niederlage verursacht / als viel tausend Lantzen und geharnschte Helden-Armen. Ihre Hirtenstäbe hätten wol ehe Meere zertheilet / Mauern nieder gerissen / Erdbeben / Blitz und Hagel aus den Wolcken erreget; Wie der wütende Brennus mit seinen Galliern bey dem Delphischen Tempel erfahren. Wie viel mal hätte eines einigen Priesters blosses Ansehen dem grimmigsten Feinde den Muth genommen /und seine Rachgier in Sanfftmuth verwandelt? Wie offt hätte ihre Aufmunterung den allerverzagtesten ein Hertze gemacht? Ihre bewegliche Einredung zwistige Fürsten mit einander versöhnet. Ja den unbändigen Pöfel / für welchen die grösseste Macht kein genungsamer Kapzaum wäre / vermöge ein Priester gleichsam mit einem Nasen-Bande zu leiten / wohin er wolle. Daher könne er der Cappadocier alles Herkommen so sehr nicht verdammen / daß sie dem Comanischen Priester so grosse Gewalt eingeräumet hätten. Die benachbarten Königreiche / Albanien / Iberien und Cappadocien verehreten seine Hoheit / erholeten sich bey ihm / wie bey einer göttlichen Wahrsagerey Rathes / liessen ihnen auch von ihm alle ihre Priester benennen / oder zum minsten bestätigen. Diese Verehrung der Priester wäre fast allen andern Völckern gemein. Bey denen Egyptiern wären die Priester alleine der geheimen Weißheit würdig geschätzt worden. Sie hätten für allem andern Volcke eine absondere Schrifft und Sprache. Zu der Königlichen Hohheit hätte daselbst niemand gelangen können / der nicht vorher ein Priester gewest wäre. Die Könige richteten sich nach ihren Maßgebungen / und es hätte Darius /als gleich die Persen Egypten unter ihre Botmäßigkeit gebracht / sich nicht erkühnen dörffen wider eines Priesters Willen sein Bild über die Säule des Sesostris zu setzen. Ja die Egyptier trauten ihren Priestern zu / daß sie über die Götter selbst nicht geringe Gewalt hätten / und diese auf ihre Beschwer- und Dräuungen / daß sie die Geheimnüsse der Isis verrathen / die zerfleischten Glieder des Osiris dem Tiphon fürstreuen wolten / nicht geringes Absehen haben müsten. Wie viel Völcker / und so gar die durchtriebenen Römer glaubten / daß der oberste der Priester auch der oberste unter den Menschen sey /weßwegen er nicht nur keiner Mißgunst / keinem Hasse / keiner Eigennützigkeit / sondern auch alleine dem Verhängnüsse unterworffen wäre / und die Sternen über sein Thun keine Gewalt hätten. Bey den Egyptiern / Persen und Griechen / zu Sparta und anderwärts sey nichts minder die Priesterliche Würde der Königlichen gleich. Die Römer hielten den Priester des Jupiters für ein lebendig und heiliges Ebenbild seiner Gottheit / für eine Zuflucht aller Bedrängten; also / daß wenn ein Ubelthäter zu seinen Füssen sincke / müsse er seiner Fessel erlediget / und er dörffe selbigen Tag weder geschlagen noch getödtet werden. Bey den Mohren habe nicht nur König Sabacus auf der Priester Befehl Zepter und Krone weg gelegt /sondern alle ihre Herrscher entäuserten sich solcher Gewalt / wenn es ihr oberster Priester für gut befindete. Diesemnach hätten die Juden / die Egyptier / und letzlich die Römischen Käyser die königliche Gewalt mit der Priesterlichen Würde als einem festen Pfeiler unterstützet. Auch wäre ihm anders nicht wissend /als daß wie bey den Britañ- und Galliern die Druyden / [559] also bey den Deutschen ihre Priester in höchster Ehre / und den Fürsten gleich gehalten würden; also daß sie nichts minder als die Könige keinen Gesetzen / und keinem weltlichen Gerichts-Zwange unterworffen wären. Der Fürsten Kinder würden wie bey den Persern und Serern ihrer Auferziehung anvertrauet / sie schlichteten der hohen und des Volckes Zwistigkeiten durch Urthel oder Vermittelung; insonderheit richteten sie über Todt-Schlägen / über Erbschaffts- und Gräntz-Streitigkeiten / sie setzten den Tugendhafften ihre Belohnung / den Bösen ihre Straffen aus; und fürnehmlich die grösseste unter allen /nehmlich die Ausschlüssung von dem offentlichen Gottesdienste; weßhalben solche Menschen von den andern wie die Pest geflohen würden. So wären sie auch aller Anlagen / aller Ritterdienste und Frohnen befreyet; und sie erkennten in der Welt niemanden /als das von ihnen selbst erwehlte Haupt / dieser aber niemanden als Gott über sich. Daher könte man nicht die Priesterschafft von der obersten in eine so niedrige Staffel herab setzen / zugleich aber eines der festesten Bande / wormit der Pöfel in Furcht und Gehorsam gehalten würde / zerreissen. Hertzog Herrmann hörete den Fürsten Zeno wol aus / nahm sich aber Rhemetalcens derogestalt an: Ihm wäre die Fürtreffligkeit des Priesterlichen Amptes so wohl als das Ansehen bey den meisten Völckern nicht unbekandt. Alleine wie der Könige Macht in euserlicher Gewalt / und in Beherrschung der Leiber bestünde; also hätten die Priester nur mit den Seelen der Menschen zu thun. Weil nun aber diese nicht mit Stahl und Eisen / sondern nur durch Vernunfft und der Warheit ehnliche Schlüsse beherrschet würden / masten sich die Priester irrdischen Zwanges zu Unrechte an. Ihr Ampt zielte nicht auf Krieg / sondern auff den Friede des Gemüthes; Daher wäre auch ihr Stab nicht spitzig zum beleidigen / sondern oben krum gebogen / daß die Fallenden sich daran anhalten könten. Priester versetzten durch den Glantz ihrer Tugenden sich in eine solche Herrligkeit / machten ihnen hierdurch so viel Gemüther verbindlich / daß sie keines weltlichen Armes nicht bedürfften / zumahl es ieden Fürstens Pflicht wäre /selbte zu vertheidigen. So übel es nun jene empfindeten / wenn diese ihren Fuß aufs Altar erhüben / so ungeschickt wäre es / wenn jene für eine Mütze einen Helm aufsetzten. Weßwegen auch die alten Römer für abscheulich hielten / daß die / welche einmahl auch bey gerechten Verdammungen eines Ubelthäters gesessen hatten / den Göttern ein unbesudeltes Opffer darreichen solten. Des Hercules Priester bey den Coern / und des Alcis bey den Naharvalen müsten seinem Bedüncken nach deßhalben in weiblicher Tracht opffern / daß sie sich aller männlichen Sorgen zu entschlagen indenck leben solten. Auch wäre er versichert / daß bey der ersten Welt die Priester weder in den geheimen Rath der Könige eingedrungen / noch den Richterstuhl über das Volck betreten / noch mit fliegenden Krieges-Fahnen aufgezogen wären. Etlicher Priester Ehrsucht und Vorwitz / unterschiedener Fürsten Unachtsamkeit / oder auch etlicher / die sich mit Unrecht und Mord auf den Thron gesetzet / ihre Furcht und Gewissens-Angst / und endlich des Pöfels Aberglaube habe der Priesterschafft das Hefft grosser Länder und Königreiche in die Hände gespielet / und ihre einsamen Grüffte in hohe Paläste verwandelt. Der Schein / daß geistliche Stifftungen von Blut und fremdem Raube reinigten / hätte vieler Könige Schatzkammern erschöpffet. Die Lehre / daß / was man in die Hand der Priester legte / in die Schooß der mildreichen Götter fiele / hätte gantze Länder arm / die Priesterschafft wollüstig gemacht. Der Fürwand / daß Heyrathen und Eyde Gewissens-Sachen wären / und von denen untersucht werden müsten / welche die Sorge der Seelen über sich hätten / hätte ihnen den Schlüssel [560] zur Gerichts-Stube eingehändigt. Der Eifer des Gottes-Dienstes habe sie zu Reichs-Cantzlern / zu Hertzogen / Fürsten / und geheimsten Räthen gemacht / und die / welche fürzeiten nur denen Kriegsheeren ein Hertze zugesprochen / wären endlich gar zu Heerführern worden. Ja etlicher der Freyheit gehässigen Fürsten eigene Anstalt hätte mit Händ und Füssen geholffen / daß die Priesterschafft unter sich selbst gewisse Häupter empor gehoben / weil sie diese als Werckzeuge der Dienstbarkeit wider die Freyheit des Volcks zu brauchen angezielet / welche bey durchdringender Gleichheit der gehorchenden erhalten wird / ihrer weniger Bothmässigkeit aber der Königlichen Macht am nähesten ko t und am dienlichsten ist. Wolte aber Gott! es wäre die Priesterschafft noch in diesen mittelmässigen Schrancken blieben. Denn wo haben sie nicht ihnen fast alle liegende Gründe zinsbar gemacht? In wie vielen Ländern besitzen sie nicht das dritte Theil des fettesten Bodens / und der gewissesten Einkünfte? Wo aber entziehen sie sich nicht von den allgemeinen Mitleidungen anderer treuen und viel ärmerer Unterthanen? Wo machen sie nicht das Seil der weltlichen Herrschaft von ihren Hörnern loß? An wie vielen Orten lassen sie sich die allgemeinen Richtschnuren nicht binden? Aus wie vielen Richter-Stülen verstossen sie nicht alle Weltliche / und wo schwingen sie ihre Flügel nicht über die Grund-Gesetze der Reiche / und über die Hoheit der Könige? Haben sie nicht die ersten Stimmen bey ihrer Wahl? An wie viel Kronen empfangen Fürsten Kron und Zepter aus ihren Händen? Ich wil der üppigen Priester auf der Atlantischen Insel / denen aller Bräute Jungfrauschaften geopfert werden müssen / der gri igen in Mohrenland / auf derer Befehl sich sein König hinrichten muß / geschweigen / und allein von dem Comanischen Priester in Armenien fragen: Ob Sesostris für so übermüthig zu schelten sey / daß er vier Könige an seinen Siegswagen angespannet / oder Tigranes /daß er ihrer vier zu seinen Aufwärtern hatte / oder auch jener Scythe / der einen grossen Fürsten zum Fuß-Schemmel brauchte / als dieser Comanische Priester / welcher nicht nur seinem / sondern auch fremden Königen Gesetze fürschreibet / und ihnen in Anstalten des Gottes-Dienstes die Hände bindet? Welchem Ariarathes die Füsse küssen / und seine Ferse auf seiner Königlichen Scheitel erdulden müssen? Zu geschweigen / daß übermässiges Reichthum und Gewalt sich mit inbrünstiger Andacht / und also mit der Priester eigenen Pflicht nicht verträget / sondern sie bey dem Besitzthume zur Uppigkeit verleite; Ehrsüchtigen aber Anlaß gebe nach diesem güldenen Apfel durch alle verbotene Künste zu streben. Julius hatte gegen dem Lentulus das Recht gebeuget / den Pöfel angebetet / und nahe sein gantzes Vermögen verschencket / daß er nur den Quintus Catulus / und Publius Isaurius / welche nebst ihm sich umb das Priesterthum bewarben / wegstechen konte. Diese Pest sey auch leider bey den Deutschen eingerissen. Denn seine Vorfahren hätten nicht nur aus einer allzugrossen Gutwilligkeit verhangen / daß die Missethäter zu binden / zu schlagen / oder zu tödten niemanden als den Priestern freystehe; sondern es habe auch Segesthes sein Gewissen an Nagel gehenckt / die deutsche Freyheit auf die Schippe gesetzt / daß er seinem Sohne Siegmund nur das Ubische Priesterthum zuwege gebracht. Endlich wäre es so weit kommen / daß solche ehrsüchtige hohe Priester sich selbst vergöttert / ihnen selbst gewisse Priester / welche diese Würde vorher theuer erkauffen müssen / angenommen / und die niedlichsten Opfer von Samischen Pfauen / Persischen Hünern / Fasanen / und Phönicopter-Zungen zu liefern angeordnet hätten. Diese Mißbräuche zu unrecht angemaßter Gewalt hätte jener König zu Meroe mit Hinrichtung aller [561] Priester / die sich der Gewalt des Lebens und des Todes über ihn angemaßt / nicht ohne Ursache abgestellt / und er wüste nicht / ob die Albaner so sehr zu tadeln wären / daß sie ihre Priester / wenn sie sie vorher wohl aufgemästet und eingebalsamt hätten / selbst zum Opfer schlachteten. Weil aber diese Leute insgemein gefährlicher als glüendes Eisen anzurühren wären / hätte der kluge Aristobul bey den Juden / der weise Anius bey den Lateinern /der verschmitzte Midas bey den Phrygiern / und die Römischen Käyser durch klügere Erfindung sich selbst zu obersten Priestern gemacht / und die entwendete Gewalt wieder an sich gebracht. Käyser August hätte mit Schmertzen nach dem Tode des Priesters Lepidus geseufzet / weil er ohne sein Priesterthum sich noch nicht des Römischen Reiches völlig versichert zu seyn erachtet. Der fünfte deutsche Feldherr sein Uhr-Anherr Alemann habe gleicher gestalt schon wahrgenommen / daß die allzu grosse Gewalt der Priester / und die allzusehr umbschränckte Herrschafft der Feldherrn der deutschen Macht einen grossen Abbruch thäte. Dahero / wenn Alemann / seinem Absehen nach / das oberste Priesterthum hätte an seine Krone heften / und auf seine Nachkommen fortpflantzen können / wären die Deutschen hierdurch erschrecklicher / als durch seines Enckels des glückseligen Marcomirs unzehlbare Siege und Helden-Thaten worden. Ja er würde sein Vaterland mehr / als durch Beysetzung etlicher Königreiche vergrössert haben /wenn er nur seine heilsame Anschläge ins Werck zu setzen durch den ihn übereilenden Tod nicht wäre verhindert worden. Denn es war bereit unter der Hand /daß dieselben Stifftungen / die von denen unverwendlichen Gütern des Reiches wider die alten Grund-Gesetze geschehen waren / zurück gezogen / iedoch die er hobenen Nutzungen vergessen / und wo die Priesterschafft ja ohne solche ihr Auskommen nicht haben möchten / andere Güter erkaufft / und ihnen zugeschlagen werden solten. Nebst diesem solte man alle bereit besessene geistlichen Güter in die Land-Taffel einzeichnen und untersuchen: Ob selbte auskommentlich oder nicht; jenen so denn weder durch Behandlung noch durch einige Freygebigkeit mehrere an sich zu bringen erlauben / diesen aber den Mängel durch anderer Uberfluß und derselbten Zuschlagung ersetzen. Ferner solten die kostbaren Wallfarthen und Gelübde nach Carnutum dem berühmten Sitz der Druyden in Gallien / wordurch nicht alleine Deutschland aller Mittel erschöpft / sondern denen weibischen Galliern gleichsam zinsbar gemacht würde / abgestellet seyn; am wenigsten auch von dar einige Bestätigung unserer Priesterthümer gesucht / sondern von dem Feldherrn / welcher von der Fähigkeit derer darzu beruffenen besser / als Ausländer urtheilen könte / erlanget werden. Nichts minder hatte Alemann für / die übermässige Anzahl der Priester / wordurch dem Vaterlande / an dessen Erbauung und an nöthigen Kriegsleuten viel entginge / auf die Helffte einzuziehen / der unbedachtsamen Jugend / welche ins gemein entweder durch Uberredung / oder durch eigene Ubereilung sich allzu frühzeitig dem Altare wiedmete / bey ihrẽ reiffen Alter aber vergebens bereuete / das fünf und zwantzigste Jahr zur Fähigkeit ein Gelübde zu thun auszusetzen / die denen Geistlichen zufallenden Erbtheile dem gemeinen Wesen zum Besten anzuwenden / und die Eltern / die ihre Kinder in solchen Stand treten liessen / mit alsbaldiger Abstattung in den Reichs-Kasten zu bebürden. Seit der Zeit sind unterschiedene Häupter zwar auch auf diese Gedancken gefallen; aber es hat selbte entweder die innerliche Unruhe gestöret / oder die Mißbräuche haben durch Länge der Zeit so feste Wurtzel gefaßt / daß sie solche auszurotten selbst verzweifelt. Zumal man in diesen Kranckheiten stürmerische Artzneyen ohne diß mit höchster Gefahr [562] brauchet; vielmehr aber man diese vorher durch allerhand Liebkosungen einschläfen muß / denen man unempfindlich ein- oder ander Glied abschneiden wil. Zeno fing hierauf an: Die Priester hörten nicht auf Menschen zu seyn / und also wäre kein Wunderwerck / daß einige zu weit gingen /oder sich in etwas vergriffen. Wären doch die Könige leicht zu zehlen / und die Nahmen der grossen Staats-Diener hätten in einem Ringe raum / welche nicht über die Gräntzen ihrer rechtmässigen Gewalt geschritten wären. Diesemnach liesse sich wegen etlicher oder vieler Priester mißbrauchten Macht / oder übel angewehrter Güter der sämtlichen Priesterschafft weder die Ehren-Staffeln verschliessen / noch die Brunnen der Freygebigkeit verstopfen. Am allerwenigsten hätte Deutschland Ursache darzu; allwo die meisten Priester sich selbst der dürftigsten Armuth und der gehorsamsten Demuth verlobten. So hätte er auch bey denen fürnehmsten Druyden / welche gleich mit bey dem Steuer-Ruder des Vaterlandes / unter den Fürsten sässen / eine in Asien ungemeine Bescheidenheit / und eine solche Liebe des gemeinen Wesens gefunden / daß sie mit Freuden ihre älteste Stiffs-Ein kunfften für das Heil des Volckes ausgeleeret / und das Armuth mit ihrem Uberflusse versorgt hätten. Also wäre die Priesterschafft wohl ein Meer / in welches viel Flüsse ihr Wasser zinseten; aber aus selbtem auch alle Brunnen ihr Wasser / entweder durch offene Röhren ihrer Freygebigkeit / oder durch die verborgenen Adern des Göttlichen Segens / welche die Priester durch ihre Andacht immer rinnend machten. Wie viel unglückseliger wäre Asien und Comagene / wo die Priester tausend Götter verehrten / und durch tausenderley Erfindungen sich müheten blutsäugende Aegeln des Volckes zu seyn. Welche Priester wären in der Welt berühmter / als die nackten Brachmanen Indiens? Gleichwohl aber bestünde bey ihnen nicht nur die Fürstliche Herrschafft und Oberkeitliche Gewalt /sondern ihr Wille wäre eine strenge Richtschnur aller andern Menschen / und dieser Willkühr an jener Gesetze durch ein Seil des allerstrengsten Gehorsams angefässelt. Die Hände wärẽ ihnẽ gebunden / ihre Vernunft verdüstert / daß niemand nichts / als durch die Augen der Brachmanen zu sehen glaubte. Ohne ihr Erlaubnüß dörfften sie nichts essen / ihnen nicht die Haare abschneiden / noch sich in dem heiligen Ganges baden / noch sonst einig Gelübde abgelten. Sie verkaufften nicht nur denen Heyrathenden das Wasser dieses unerschöpflichen Stromes zehnmal theuerer /als anderwerts den besten Wein; sondern auch den Küh-Mist wiegen sie den Einfältigen als ein groß Heiligthum gegen zweymal so viel Gold aus. Die Dürstenden müsten ehe erdürsten / als ohne eines Brachmans Einwilligung aus einem offenen See trincken; und die wohl zwantzig Tage-Reisen weit vom Ganges entlegene Leute wären von denen Brachmanen ihr versiegeltes Wasser gegen einer schweren Schatzung zu ihrem Labsal zu holen verpflichtet. Wenn ein Indianer was verliere / müste er zur Straffe seiner Unachtsamkeit eben so viel seinen Priestern bezahlen / oder er würde bey Nachbleibung dessen als ein Verfluchter aus der Gemeine gestossen / aus welcher ohne diß wenig in ihre Tempel kommen / und niemand auser denen Brachmanen ihrer Götter Bilder anrühren dörffte / gegen welche Deutschland wegen seiner bescheidenen und glimpflichen Priesterschafft sich glückselig zu schätzen / und ihren zuweilen mit unterlauffenden Schwachheiten / wie kluge Aertzte gewissen Kranckheiten / etwas nachzusehen hätte. Denn das hohe Priesterthum mit Gewalt an sich zu reissen / oder ihnen die Flügel allzu sehr zu verschneiden / wäre ein im Gewissen nichts minder bedenckliches / als in der Ausübung schweres und der gemeinen Ruhe gefährliches Werck. Daher wolte er dem Feldherrn nimmermehr [563] rathen diese Flamme anzurühren. Was lange Jahre so weichlich gehalten worden / wäre schwer zu etwas härterem ohne Gefahr zu gewehnen. Und also sey es besser ein Auge zuzudrückẽ / als ohne Frucht etwas verzweifeltes verneuern. Denn die Wieder-Einführung der altẽ Schärffe und besserer Sitten sey schädlich und unzeitig / wenn selbte erstarret / unsere Kräfften aber abgenommen hätten. Und es sey so denn mit einer solchen Herrschafft / wo die Gebrechen zu Sitten worden / wie mit alten siechhaften Leibern beschaffen; da die Artzney die schädlichen Feuchtigkeiten nur rege machte / und den sonst noch eine gute Weile angestandenen Tod beschleunigte. Das Volck selbst sey durch die Länge der Zeit schon dahin gebracht / daß sie die Gebrechen der Priester ietzt so sehr liebten / als sie für Alters ihre Andacht und Tugenden werth gehalten. Den Adel kitzelte es / daß sie dem ältesten Sohne ihre Güter verlassen / die jüngern durch die Würde eines Priesterthums abstatten / und derogestalt den Glantz ihres Geschlechtes erhalten / oder auch erhöhen könten. Daher würde unter seinen Räthen und den Werckzeugen seines Vorhabens niemand seyn / der nicht Theil an diesem Ubel / und zu diesem Berge einen Karn voll Erde getragen hätte. Auch gäbe es unter den Unterthanen solche Leute / welche den Veränderungen so gram wären / daß ihnen für ihrer erlangten Freyheit eckelte. Die von der grausamsten Dienstbarkeit kaum erlöseten Römer hätten die Tarquinier wieder einzuruffen sich gelüsten lassen. Und ein verwehntes Volck fluchtete nichts minder dem / der seine Wolfarth suchte / als die am Feber kranck liegenden denen / welche ihnen bey währender Hitze das schädliche Wasser zu geben verweigerten: Er wüste zwar wohl / daß auch durch linde Mittel kluge Fürsten vielem Ubel abhülffen. Alleine auch alle eingewurtzelte Kranckheiten des Leibes nehmen selbte nicht an / sondern erforderten Stärcke / Reinigungen und scharffes Aderlassen. Wie viel weniger wären die so hoch entbrennten Begierden des Gemüthes mit laulichten Säfften zu leschen. So fühlete auch keine Spinne so geschwinde / wenn nur ein Finger einen Faden ihres Gewebes anrührete / als die Priesterschafft / wenn man ihren Freyheiten mit einem Tritte zu nahe käme. Also sey es besser bey so zweifelhaftem Ausschlage so kräfftige Schwachheiten nicht anrühren / als es durch unzeitigen Eifer offenbar machen / daß wir selbten nicht gewachsen sind. Denn für derogleichen Gesetzen wird noch immer mit Furcht / es werde verboten werden / gesündigt. Wenn es aber nach dem Verbot den Verbrechern ungenossen ausgehet / verschwindet nicht nur alle Furcht und Scham bey den Unterthanen / sondern auch alles Ansehen bey dem Fürsten.

Aber / fuhr Zeno fort / ich muß wieder auf den Lust-Garten meines Gebürges kommen; darinnen Oropastes / Syrmanus / und ich / zwar eine gute Zeit unser Ergetzligkeit pflegtẽ / endlich aber theils aus Andacht / theils aus Begierde der Neuigkeit / auf die Spitze des Caucasus / und in das Heiligthum des Prometheus zu kommen verlangten. Wir reiseten einen gantzen Tag in diesem lustigen Thale über allerhand mit Wein / Oel- und Granat-Aepfel-Bäumen bedeckte Hügel; des andern Tages kamen wir auf ein neues Gebürge / welches zwar überaus hoch / gegen der aber uns nun für dem Gesichte liegenden Spitze des Caucasus / nur gleichsam für Maulwurffs-Hauffen anzusehen war. Mit dem Abende kamen wir an den Fuß des Berges / und nach dem wir nur etliche Stunden geruhet / stiegen wir mit unsern Maul-Thieren Berg-auf / weil die Hitze des Tages daselbst fast nicht zu reisen verstattet. Am [564] Morgen musten wir wegen angehender Gehigkeit die Maulthiere zurücke / und unsere Erfrischungen durch etliche Bergleute tragen lassen. Gegen Mittag verminderte sich die Wärmde nach und nach / und wir kamen endlich in eitel Schnee und Eiß; die Lufft war auch so kalt gegen Abend / daß wir ein Feuer machen / uns und unser bey nahe gefrornes Geträncke wärmen / und bey einem hellen Qvell / welches eines Armes dicke / und wohl drey Männer hoch aus der Spitze eines Stein-Felsens empor spritzte /übernachten musten. Befunden auch / daß unsere Krafft-Wasser alle Stärcke verlohren / der Wein aber mehr Krafft bekommen hatte. Folgenden Tag fingen wir mit auffgehender Sonnen an wieder empor zu klimmen / kamen in einen dicken Nebel / welcher unsere Kleider fast durch und durch annetzte / nach Mittages aber in eine helle sehr dünne / aber / weil die Sonnen-Stralen so hoch von der Erde nicht zurück schlagen können / überaus kalte Lufft / und eine Stunde vor Abend auff die verlangte Spitze des Caucasus /welche dem Bley-Maße nach vier hundert und acht Stadien / oder ein und funffzig tausend Schritte hoch ist. Diese hat eine Fläche etwan einer halben Meile in sich / wir empfanden den wenigsten Wind nicht / und zu unser höchsten Verwunderung oben in dem weissen Sande mit einem Stabe folgende Reime gantz unversehrt geschrieben:


Der hohe Fels hier ist des Weisen Ebenbild.
Man lacht hier wenn es blitzt / wenn Schloß und Hagel fållt;
Wenn bald der heisse Sud versengt die Unter-Welt /
Bald sie der kalte Nord in Frost und Schnee einhůllt.
So macht den Weisen auch kein Unfall kalt noch heiß /
Kein Neid / kein Schwamm der Zeit / lescht seine Zirckel aus.
Denn Tugend ist sein Thun / ein himmlisch Geist sein Hauß /
Das stets hat Sonnenschein / und nichts vom Winter weiß.

Diese Beschaffenheit bestetigte unsern Glauben /daß die Opffer-Asche auff dem Peloponesischen Berge Cylene ein gantz Jahr unverwehet bliebe; und daß beyde Gipffel den dritten Strich der Lufft erreichten / wegen welcher Abtheilung halber die Griechen sonder Zweiffel den Tempel der Lufft dreyen Gottheiten eingesegnet hätten. Wir konten von dieser unglaublichen Höhe zu unser höchsten Belustigung beyde das schwartze und Caspische Meer / nicht aber die Meotische Pfütze / wie nach des Aristoteles Bericht insgemein von diesem Berge geglaubet wird / erblicken; Welche beyde aber ein viel düsterners Ansehen hatten / als die herum liegende Berge / weil diese die Sonnen-Strahlen fester und gewaltsamer zurück schlagen / jene aber solche gleichsam in sich schlucken / und also keinen Widerschein geben. Die andern Taurischen Berge / auff welchen die weit unter uns schwebenden Wolcken lagen / kamen uns wie schneeweisse niedrige Hügel / und ein Regenbogen wie unser Fuß-Schemmel für; Auser der uns nach Sud recht gegen über liegende Berg Ararat / auff dem ein grosses Schiff stehen sol / worauff sich der Scythische Deucalion mit seiner Asia und Kindern / auff Einrathung seines Vaters Prometheus für der allgemeinen Sündfluth soll errettet haben. Wovon die Griechen hernach getichtet / daß dieses Schiff nach Wegweisung einer ausgelassenen Taube auff dem Berge Parnassus angelendet / ja das übrige Wasser zu Athen in einen Schlund eingeschlucket worden wäre / worüber sie hernach dem Olympischen Jupiter einen Tempel gebauet / darein sie jährlich einen von Honig und weitzenem Mehle gebackenen Kuchen als ein Opffer zu werffen pflegen. Dieser Berg Ararat / sagte Zeno /schien so hoch / wo nicht höher / als der Caucasus zu seyn / soll aber / nachdem durch Erdbeben etliche Klüffte davon abgespalten sind / nicht mehr bestiegen werden können.

Nach dem wir nun auff dieser stillen Höhe uns nicht lange auffzuhalten vermochten / weil uns der Athem wegen Dünnigkeit der Lufft überaus verlag /also daß wir nasse Tücher für den Mund halten musten / hieraus also wahr [565] befunden / daß man durchs Athemholen von der Lufft / als durch Speise und Tranck aus Erd und Wasser Nahrung schöpffete /überdiß es auch allbereit ziemlich finster zu werden anfing / und wir unwahr zu seyn erfuhren / daß auff dem Gipffel dieses Berges die Sonnen-Stralen fast die gantze Nacht durch schimmerten / und es darauff vier Stunden länger Tag seyn solte; so machten wir uns auff der Seite gegen Sud in ein Thal herunter / zu dem uhralten Tempel des Prometheus / darinnen zu übernachten. Der abschüssige Weg nöthigte uns gleichsam von der Höhe eben so springend herunter zu eilen / wie man in Africa einen gewissen Berg tantzend zu übersteigen genöthiget seyn soll / wenn man nicht vom Feber befallen werden will / oder vielmehr eines Weisen Lebens-Art seyn soll / daß er den Pfad aller Beschwerligkeiten mit einem freudigen Geiste wandele / und durch keine Unruhe die Ruhe seines Gemüthes stören lasse. Vorerwehnter Tempel ist in einen gantzen auff der Fläche dieses Thales liegenden Stein-Felß entweder von einem künstlichen Werck-Meister gehauen / oder von der Natur selbst ausgehölet. Er ist groß / inwendig kugelrund / und empfängt von einem oben durch den sich zusammen welbenden Felß gebrochenem Lufft-Loche nur ein weniges Licht. Wenn Agrippa diesen Tempel / oder seinen Abriß gesehen hätte / wolte ich kühnlich sagen / daß er nach diesem Muster zu Rom sein Pantheon gebauet. In der Mitte stehet ein steinern Altar / darauffliget eine Erdkugel / welche über die uns bekandte Länder / Meere und Flüsse mit vielen neuen bezeichnet ist; Ungeachtet diese Kugel sonder allen Zweiffel viel älter ist / als die ins gemein für die älteste gehaltene Land-Charte Anaximanders. Sie übertrifft an Vollkommenheit auch die kupfferne Taffel des Ariftagoras / und die vom grossen Alexander in den Tempel des Ammonischen Jupiters verehrete goldene / welche doch alle Länder /Meere und Flüsse auffs genaueste für Augen stellen solte; wo anders unsere itzige Abrisse nicht mangelhafft sind. Der Fuß / darauff die Kugel liegt / ist mit einer Eins beziffert; Gleich als diese dem Menschen bekandteste Kugel der Meßstab aller andern Cörper seyn solte. Uber der Erd-Kugel stehet das aus dichtem Golde gegossene Bild der Sonne / auff seinem rechten Fusse die Ziffer 140. weil sie so vielmahl grösser als die Erde seyn soll. Wiewohl einige Weltweisen sie für hundert sechs und sechzig tausend mahl grösser halten. Hingegen Epicur ihm hat träumen lassen / daß weder die Sonne noch andere Sternen grösser wären /als sie uns unser Augen-Maaß fürbildete; ja einige gar auff den Wahn gerathen sind / daß wie der Stern im Auge keine wesentliche Kugel / sondern nur ein rundes Loch in der mitlern Augen-Haut sey; Also die Sonne nur ein kleiner Platz des obersten Feuer-Himmels / welcher so weit in die Runde eröffnet stünde. Auff dem lincken Fuße ist ein Jahr verzeichnet / weil sie in dieser Zeit alle zwölff himmlische Zeichen durchlauffet / also / daß kein Theil des Erdbodens länger oder weniger als das andere bestrahlet wird; Ob schon unter den Angel-Sternen das gantze Jahr nur ein Tag und eine Nacht eines halben Jahres lang zu verspühren ist. Auff dem Nabel sind sieben und zwantzig Tage vermercket; weil in so vielen sich die Sonne um ihren eigenen Mittelpunct herum drehet /wormit sie nicht nur der Erde / aus allen ihren vielfältigen Schatzka ern ihren Reichthum zu neigen / und sie mit ihrer tausendfachen Besämungs-Krafft überschritten; sondern auch einem ieden Irrsterne seiner Eigenschafft gemässe Strahlen und Tugenden / aus ihren unzählbaren Röhren nicht anders / als das Meer durch seine Bewegung und Eindringung [566] in die Höhlen der Berge die Erde bey Kräfften erhält / einflössen möge. An der Seite hänget ein Bogen mit Köcher und Pfeilen / ihren für unsern Augen noch mehr als Pfeil geschwinden Lauff / und ihre durchdringende Krafft darmit abzubilden. Sintemal / da gleich die Sonne nicht um den Erdkreiß rennet / wie die Weltweisen insgemein glauben / daß ihr geschwinder Lauff vom menschlichen Verstande nicht zu begreiffen sey; In dem sie in einer Stunde über neun hundert / drey und funffzig Breiten des Erdbodens weit fortrennen müsse; So kömmt doch ihre Herumweltzung um ihren eigenen Wirbel und Mittelpunct / welches längsten in sieben und zwanzig Tagen / oder vieler Meinung nach alle 24. Stunden geschiehet / aller irrdischen Geschwindigkeit zuvor. Ihre Wirckung aber dringt biß in den Abgrund des Meeres / biß in den Mittelpunct der Erde / und schwängert gleichsam durch eine angenehme Vermählung alle fruchtbare Dinge / die verborgensten Ertzt-Adern / die kältesten Kristallen und Schnecken / und das Marck der rauesten Felsen. In der lincken Hand hat es eine Leyer / weil die Bewegung der Sonne nicht allein einen angenehmen Klang von sich abgeben; sondern auch die widrigen Würckungen anderer Gestirne / und gegeneinander streitenden Eigenschafften der Elemente vereinbaren soll; Also daß die Sonne selbst so wohl aus dem Erdbodem / als aus denen andern sechs Irr-Sternen ihren Einfluß annimmt / von welchen ihr rinnendes Meer nach Erheischung der Natur zuweilen als durch einen Sturmwind beweget / zuweilen auch sein übermäßiges Auffsieden besänfftiget wird. Nebst diesem Sonnenbilde stehet das himmlische Zeichen des Löwen / als ihr rechtes Erhöhungs-Haus abgebildet. Mit den Armen hält es über dem Haupte eine überaus grosse von Berg-Cristallen zwar geschliffene / an sich selbst aber nicht glatte / sondern hin und wieder nichts minder als die Erde von Bergen / Thälern / Meeren und Flüssen gantz höckrichte Kugel / durch welche man etliche Reyhen Berge gleich als einen Rückgrad / Rippen und Gebeine / als Behältnisse ihrer Vereinbarung gehen /auch aus solcher Kugel offtmahls Strahlen / Dampff und Wolcken ausschiessen siehet. Welches mir der Priester selbigen Tempels dahin auslegte / daß die Sonne / das warhaffte Element des eigentlichen Feuers / dieses aber in seiner warhafften Eigenschaft sonst nirgends / sonderlich aber unter dem Monden nicht zu finden wäre / und dannenhero die Sonne theils aus einem harten feurigen Kalcke / theils aus einem flüssenden Flammen-Meere bestünde / welches dem im Schmeltz-Ofen glüendem Golde zu vergleichen wäre; und dannenher bey seiner mehrmals hefftigen Bewegung nicht nur feurige Dünste ausdampffte /sondern wie die Feuerspeyenden Berge grosse Ströme Glutt von sich ausstiesse; welche hernach sich entweder in einen Feuer-Regen verwandelten / und sich also wieder zu ihrem Ursprunge zügen / und der Soñe gleichsam zur Speise dieneten / hierdurch aber die vielfältigen Flecken an der Sonnen-Kugel / wie auch ihre Erblassung / und daß sie ihre gütige Einflüsse nicht so leichtlich der Erde mittheilen könte / verursachten; Oder gar ihr hartzichtes Wesen also zusammen kleibten / daß daraus Schwantz-Gestirne erwüchsen / welche / nachdem ihr Talg geschwinde oder langsam sich einäscherte / ihre Dauerung / und gleich als auff Erden die Irrwische oder die flügenden Drachen ihren Untergang hätten. Dieser Erzehlung nach /sagte Rhemetalces / fehlen die Stoischen Weltweisen sehr weit / weñ ihrer Meinung nach die Sonne aus dem Meere / der Mond aus süssen Wassern / die andern Sternen aus den Dünsten der Erde ihre Nahrung ziehen sollen. Noch ärger aber irret Cleanthes / wenn ihm die Sonne deßhalben nicht den Krebs- und Stein-Bocks-Kreiß überschreiten kan / daß sie [567] sich nicht von ihrer Speise entferne. Allerdings / fuhr Zeno fort /ist beydes weit gefehlt. Sintemahl iedem Dinge nur diß / woraus es seinen Ursprung bekommen / zur Nahrung dienet; die Sonne aber eben wie die Erde in ihrem eigenen Kreyße ihren Unterhalt findet. Sonsten ist / des Priesters Angeben nach / das dicke Wesen in der Kugel des Sonnenbildes aus Amianten-Stein / und Jambolischem Holtze / das flüssende aber von dem Oel derselbigen Feuer-Würmer / die in den Schmeltz-Oefen gezeuget werden / bereitet; Also / daß es unauffhörlich ohne einige Verminderung brennet / zum Zeichen / daß die Sonne zwar nichts minder als die Erde und andere Gestirne aus verzehrlichem Wesen bereitet ist / auch ihr Abnehmen / Gebrechen / und jährliche Kranckheiten erduldet / derogleichen sie allererst für weniger Zeit gelitten / und ein gantz Jahr gantz verblaßt geschienen hätte; Gleichwohl aber einen solchen Talck an sich hätte / welcher dem dünnen Sonnen-Feuer eine beständigere Nahrung giebet. Da aber auch gleich solch Feuer etwas abnähme /würde es durch die häuffigen Sonnen-Röhren nicht anders / als der abnehmende Schwefel in denen unauffhörlich brennenden Bergen / von dem Zuflusse aus denen fernen Berg-Adern reichlich wieder ersetzet. Der Priester stellt die / welche der Soñe opffern wollen / und eine Hand voll Weyrauch in eine güldene mit Rubinen und Chrysolithen versetzte Schüssel / etliche Handvolln Weyrauch und Myrrhen streuen müssen / um das Altar herum; Hierauff zündet er eine mit Lorber-Zweigen umflochtene Fackel an / reichet sie dem / welcher ihm am nächsten ist / dieser dem folgenden / biß sie wieder an den Priester zurück kommt. Alsdenn zündet er den Weyrauch an; da denn zugleich zweiffels frey durch ein verborgen Rohr das Oel oder der Zunder in der Sonnen-Kugel vermehret wird / weil sich alsdenn derselben Glantz vergrössert. Diese hat an sich nichts minder / als das durch sie abgebildete grosse Tage-Licht von dreißig biß an funfzig scheinbare Flecken / welche gantz beständig bleiben / und die dichten nicht flüssenden Glieder oder Gebeine der Sonne sind / zwischen welchen vielmehr gläntzend und flüssendes Wesen sein Behältniß hat; Wiewohl / weil die Sonne und diese Kugel sich um ihren eigenen Mittelpunct umwendet / auch diese Flecken einmal anders als das andere ins Gesichte fallen / aber doch nach sieben und zwantzig Tagen wieder kommen. Ausser diesen giebt es unzehlbare / bald vergängliche / wiewohl gegen anderer Gestirne Dünsten sehr helle Flecken / welches nichts anders als aus ihren Hölen und von dem aufschwellenden Meere aufschüssende Fackeln sind / durch die die innern Sonnen-Kräffte in ihren eussersten Rand getrieben werden; zum Theil auch durch ihren Dampff verhindern /daß die flammenden Sonnen-Strahlen die Erde und andere Irrsterne nicht zu hefftig entzünden. Hinter dem Altare stehet eine zugespitzte Seule / an der folgende Uberschrifft zu lesen ist:


Des grossen Gottes Bild / der / weil er dem Gesichte

Unsichtbar ist / sich uns in diesem Spiegel weist.

Das Auge dieser Welt / das Sud und Nord macht lichte /

Das ieden Tag sein Kind / die Nåchte T \chter heißt.

Das Hertze der Natur / der Brunn der Lebens-Geister /

Die Himmel / Erd und Meer beseel'n mit ihrer Krafft.

Des Sch \pffers milder Arm / sein reich Almosen-Meister /

Der Bettlern Speise giebt / und Raben Nahrung schafft.

Der Ursprung allen Licht's / von dessen Fackel zůndet

Der tunckeln Ampeln Oel iedweder Irrstern an /

Für welchem der Gestirn' entlehnter Glantz verschwindet /

So weit der Flůgel sie der Nacht nicht decken kan.

Das unerschöpffte Qvell der Wårmde / die in Thieren /

In Pflantzen / in Gewůrm' / in Ertzt und Steinen steckt.

Der Schatz / wo Perlen / Gold und edle Stein herrůhren /

Das Thier / das Purpur hegt / Zibeth und Ambra heckt.

Der Strohm der Fruchtbarkeit / der / daß auf Sarg und Bahre

Nicht Welt und Vorwelt liegt / durch sein Gesäm' erhålt.

Die Richtschnur ieder Zeit / der Måßstab aller Jahre /

Der Früling / Sommer / Herbst und Winter giebt der Welt /

Das Meer / aus welchem Freud und Reichthum k \mmt geroñen /

Ist's Bild / dem man allhier steckt Weyrauch an:

Der Sonnen.


[568] Um dieses herrliche Sonnen-Bild sind um den rundten Tempel herum in einer wohl abgetheilten Entfernung sechs andere zu sehen. Das erste Bild war silbern / stand auf zwey weissen Ochsen / hatte auff dem einen Fuße 29. Tage / 12. Stunden / und 44. sechzigtheil; Auff dem andern 27. Tage / 7. Stunden / 42. sechzig theil zum Merckmahle seines Lauffs. So hoch ist der Vorwitz des Menschen gestiegen / daß er den Himmel auff einen Finger / die Erde auff ein Haar /und die Zeit gleichsam auff einem Augenblick abzumessen vermist! Seine gläserne Kugel über dem Haupte war kaum das zwey und vierzigste Theil so groß als die Erd-Kugel; denn so viel kleiner soll der Monde seyn; Wiewohl ihm ihrer viel auch das neun und dreißigste Theil der Erde zueignen. Diese hatte in sich so wol ein irrdisches als ein wässerichtes Wesen; welches letztere gegen dem Sudlichen Rande sich als ein grosser Brunn in viel Bäche zertheilete / und gleichsam unterschiedene helleuchtende Spiegel abbildete. Sie ware auch voll Meere / Flüße / Inseln /Berge / Wälder und Thäle / und daher entspringender unzehlbarer Flecken / welche theils daraus / daß die Strahlen von der Sonnen-Kugel in solche Tieffe nicht fallen können / theils aus dem Monden-Meere entspringen; auch / weil dieses sich nichts minder als das irrdische Meer aus seiner eigenen Natur / und von der Krafft der Sonnen-Strahlen / bald hin bald her beweget; ja der Monde sich von Ost gegen West / und wieder zurücke weltzet / nicht einmal wie das andere aussehen / sondern / nachdem die Monden-Kugel gegen den Sonnen-Strahlen / oder dem Auge des Menschen stehet / sich verändern. Gleichwohl war sein silberfarbener Schein / nicht nur wenn er voll / sondern auch /wenn er nur wie eine Sichel aussah / der schönste und dem Augenmasse nach / grösseste nach der Sonnen für allen andern Stern-Kugeln. Zu den Füssen dieses Bildes stand das himmlische Zeichen des wäßrichten Krebses; In der rechten Hand hatte es eine weisse Wachs-Fackel / in der lincken einen Wasser-Krug oder Thau-Horn. Sintemal der Monde nicht nur die Nacht erleuchtet; sondern auch die gantze Erd-Kugel /welche sonst von der Hitze der Sonne bald zu Staube werden würde / anfeuchtet; und zwar alsdenn / wenn die Sonne das Monden-Meer im Neu- und Voll-Monden am hefftigsten bewegt / am meisten bethauet; also / daß aus der Monden-Kugel nichts minder als aus der Erde viel / iedoch weit dünnere Dünste auffsteigen /das Meer sich bey Epp und Flut höher auffschwellet /Flüsse anlauffen / die Pflantzen mehr Safft kriegen /Krebse und Muscheln völler werden / das Gehirne feuchter wird / und insonderheit die Blutlosen Dinge den Geist des Monden empfinden.

Das andere Bild des Mercurs war von einem aus getödtetem Qvecksilber zusammen gefügten Talcke bereitet; welches mit einem Fusse auff einem steinernen Hahn / mit dem andern auff eine Ertztene Schlange trat. Seine über dem Haupte schwebende Kugel war neunzehn mahl kleiner als die Erd-Kugel / und kriegte auch nur zuweilen / wenn die Sonnen-Kugel am aller dunckelsten leuchtete / einen Ascherfarbenen Gegenschein. Auff einer Seiten standen die gestirnten Zwillinge / auff der andern die Jungfrau. Diß Bild hatte in der lincken Hand einen Zirckel / in dessen Mitte das Bild der Sonnen stand; weil dieser Irr-Stern seinen Lauff um die Sonne verrichtet / und von selbter sich keinmahl über acht und zwanzig Staffeln entfernet / wird also er gleichsam in ihre und der Venus Stralen stets eingehüllet; daher auch seine Kugel meist auff beyden Seiten lichte ist / wenn die Venus nicht zuweilen zwischen ihn und die Sonne tritt. In der rechten Hand trug diß Bild einen Herolds-Stab /mit zwey gegeneinander gekehrten Schlangen / weil dieses Gestirne / sonderlich [569] wenn es mit der Sonne vereinbaret ist / oder sein Geist durch ihre gerade einfallende Strahlen beseelet wird / denen irrdischen Dingen eine Lebhafftigkeit einflöst / die Thiere / und voraus den Menschen tieffsinnig machet. Auff dem einen Fuße dieses Bildes stand die Ziffer sechs; weil dieser Stern in so wenigen Stunden sich um seinen eigenen Mittelpunct umdrehet / und also auff der Erden gleichfalls bald voll bald hörnricht zu seyn scheinet.

Das dritte Bild der Venus war von Kupffer / stand mit einem Fuße auff einem Marmelnen Schwane / mit dem andern auff einer Alabasternen Taube. Die rundte Kugel über seinem Haupte war zwar nur das sechste Theil so groß als die Erd-Kugel / iedoch nimmt selbte gleicher gestalt ab und zu; übertrifft aber mit dem Glantze seine weißgelblichten Strahlen alle andere Sterne / ausser denen zwey grossen Welt-Lichtern; also / daß selbter so gar einen ziemlichen Schatten von sich wirfft. Dieses Bild hatte auff einer Seiten den himmlischen Ochsen / auff der andern die Wage / in der Hand einen Zirckel / in dessen Mittelpuncte gleichfals die Sonne abgebildet war; weil dieser Irr-Stern um die Sonne lauffen / bald über bald unter ihr stehen / auch sich keinmahl allzu weit von ihr entfernen soll; sondern bald ihr Vorläuffer / bald ihr Nachfolger / bald Morgen- bald Abend-Stern ist / und dahero seinem Stande nach auff der Erde bald klein /bald groß / und wie der Monde Monatlich; also dieser jährlich bald voll / bald halb / bald wie eine Sichel sich sehen läst; Auch nach Art der Sonne bald ihre höckrichten gleichsam aus Diamanten bestehenden Gebürge / bald ihr aus rinnendem Crystall sich sanffte rührendes Meer beweget / Zierde und Annehmligkeit denen irrdischen Dingen einflösset / und gleichsam eitel Musch und Ambra von sich hauchet.

Das vierdte Bild des Mars war auß hellgeschliffenem Stahle / stand mit einem Fuße auff einem Bocke /mit dem andern auff einem Wolffe; Weil dieser Irr-Stern allerhand stinckende Einflüsse hat / und wölfichter Art ist / in den Adern schwartzes Geblüte / im Hertzen Gifft und Galle kochet. Auff dem rechten Fuße stand die Ziffer 14. als das Maß / wie viel mahl er grösser als die Erde seyn soll. Auff der lincken sein Bewegungs-Ziel / nehmlich / 1. Jahr / 321. Tage / 22. Stunden / und 24. Sechzigtheile; Auff der Seiten das Zeichen des himmlischen Schützens und der Fische /als seine zwey Häuser. In der lincken Hand hatte dieses Bild einen rundten gantz glüenden und die obere Kugel bestrahlenden Schild / in der rechten einen Pfeil / wormit dieser Irr-Stern auch sonst bezeichnet wird. Mit dem ersten zwar / weil er nebst der Sonnen auch zum Theil sich durch sein eigenes Feuer erleuchtet; daher auch sein Schein / welcher sonst blasser als der Mond seyn würde / blutroth ist; Auch wegen dieses seines eigenen Scheines seine Kugel zuweilen als halb gespalten scheinet / nachdem er sich nehmlich um seinen eigenen Mittelpunct herum drehet / und dem Erdbodem ein oder andere Seite zeiget / wormit er seine schädliche Würckungen über die Erde nicht allezeit in gleicher Hefftigkeit ausübe. Massen er denn über diß in der Mitten einen rundten so grossen Wirbel und Schlund / als wohl gantz Africa ist /ingleichen ein finsteres schwartz-gelbes Pech-Meer hat / darinnen der Zunder / den dieses feurige Gestirne zu täglicher Zehrung darff / zwischen denen Schwefel-Bergen / und der aus Hüttenrauch und funckelnder Ertzt-Erde gemachtem Gerippe erhalten / und durch die geheimen Röhren in die unterirrdischen Hölen dieses Feuerspeyenden Etna geleitet wird. In der rechten Hand führete diß Bild einen Pfeil / [570] und aus dem Munde fuhr der Blitz / weil er nicht alleine kein mahl rund aussiehet / vielmehr aber allezeit grosse Spitzen oder Borsten aus seinem Cörper vorragen hat; sondern weil seine Schärffe allenthalben durchdringet / er gleichsam als ein wüttender Vulcan alle schädliche Waffen zum Verderb der Welt schmiedet / das Haupt schwindelnd / die Glieder zitternd / die Leber hitzig /das Hertze klopffend / die Thiere rasend macht / die Gewächse versänget / die Brunnen versäugen läßt /früh alles verbrennet / des Abends alles austrocknet /gifftige Winde / aussaugende Lufft / Donner und Wetter verursacht. Daher er auch von einigen Weisen das kleine Unglück der Welt / und ein Gott der Zerstörung geheissen worden. Auff den Achseln trug diß Bild eine blaugelbe höckerichte Schweffel-Kugel /oder vielmehr einen Feuer-ausspeyenden Berg; weil der hiedurch bezeichnete Irr-Stern unauffhörlich stinckenden Rauch und Feuer schäumet / das wässerichte Theil eitel siedendes Hartzt kochet / um seine Kugel schwartze Nebel und Wolcken erreget / und durch solche unauffhörliche Auffschwellung seine Eigenschafften als aus einem Schmeltz-Ofen heraus flösset / auch allen andern. Geschöpffen eindringet; Wiewohl diese Dünste sich endlich in einen Regen verwandeln / und also um dieses Wüten ein wenig zu besänfftigen / wieder zu ihrem Ursprunge absincken. Jedoch kriegte diese grausame Kugel von denen für ihm stehenden erstern und dritten / wie auch von dem hinter ihm folgenden Irr-Sterne offtmahls einen annehmlichen Gegenschein. Denn wie die grosse Harffe der Welt zu ihrer annehmlichen Zusammenstimmung allerhand ungleiche und widrige Seiten erfordert / die Erde aus unterschiedenen streitbaren Dingen vereinbaret ist; also hat der Himmel auch dieses kriegerischen Gestirns von nöthen / um im Winter die Kälte zu miltern / und der offtmahls gleichsam Wassersüchtigen Erde zu Hülffe zu kommen. Ja wie kein Gifft zu finden /daß nicht auch zur Artzney werde / wie das gifftige Gewürme seinen Nutzen schafft / die Spinne in der Lufft / die Kröte auff der Erde / der Scorpion aus den Wunden / die grünen Käfer aus den Pest-Drüsen das Gifft an sich ziehen; Also zeucht auch dieser Stern die schädlichen Einflüsse aller andern wie ein rechter Miltz an sich / und verbraucht selbte zu seinem Zunder. Auch hat die Natur weißlich geordnet / daß der Zirckel dieses Sternes / der in seiner Näherung zuweilen beym Eintritt des Wassermanns und der Fische ein grosser Haar-Stern zu seyn scheinet / um die Sonne /die Venus und den Mond gehe / womit er zuweilen von der Erde sehr weit entfernet werde.

Das fünffte Bild des Jupiters war aus fünckelndem Zihn / stand mit einem Fuße auff einem mit Blitz ausgerüstetem Adler / mit dem andern auff einem Hirschen. Auff dem Fusse war das Ziel seines Lauffes mit 11. Jahren / 315. Tagen / 17. Stunden / und 14. Sechzigtheilen bezeichnet; Neben diesem Bilde war das Zeichen des gestirnten Schützen und der Fische. Auff dem Nabel sahe man 284. Tage eingepreget /weil dieser Irr-Stern in solcher Zeit sich um seinen eigenen Mittelpunct / wie ein Rad um die Axe umwenden soll; Wormit er die heilsamen Kräffte beyder Seiten den andern Gestirnen und der Erde mittheilen möge. In der Hand trug diß Bild einen mit Oel-Laube umflochtenen Zepter; denn dieses Königlichen Gestirnes Einflüsse (wenn selbte nur nicht durch den dazwischen tretenden Cörper des feindlichen Kriegs-Sternes auffgehalten werden) wigen den Menschen Ehre /Herrschafft / einen freudigen Geist und Klugheit zu; Sie ermuntern in Thieren die Lebens-Geister / in Gewächsen stifften sie Fruchtbarkeit / in der Lufft heimliches Wetter / sanffte Regen / anmuthige Winde; im Auffgange [571] vermehren sie die Wärmde / im Niedergange die Feuchtigkeit; Im Sommer mäßigen sie die Hitze / im Winter den Frost; ja weil die Tieffen dieses Gestirns mit eitel Ambragriß angefüllet sind / bestehen seine Ausdampffungen in eitel wohlrüchendem Balsam / welche in der Erden alle kräfftige Gewürtze / Oele und Hartzte zeugen / und alle der Indier Stauden einbiesamen. Daher er nicht unbillich der grosse Glücks-Stern / und das Horn des Uberflusses geheissen wird. Dieses Bild trug über seinem Haupte einen absonderlichen Himmel mit vier unterschiedenen Zirckeln. In der Mitte stand eine hellgläntzende / auch die Erde wohl vierzehn mahl an der Grösse übertreffende / um den eussersten Rand etwas höckrichte Kugel / welche gegen der Sonnen mit ihrem Liechte dem Abends-Sterne nichts nachgiebt. Auff der abgewendeten Seite war sie gleichwohl auch ziemlich lichte / weil dieser Irrstern nicht nur von der Sonnen /sondern auch von seinem eigenen Liechte erleuchtet wird. Umb diese Kugel von Ost gegen West gingen unterschiedene etwas tunckele theils gerade theils gebogene Gürtel; Weil dieses Gestirne von solchen dem Taurus verglichenen Gebürgen in gewisse Striche abgetheilet / zwischen diesen das dariñen mehr gläntzende / und sich unauffhörlich bewegende Silber-Meer bewahret / auch nur an etlichen Orten von etlichen See-Engen durchschnitten wird. Diese Stern-Berge / welche schmal / bald breit / bald weit / bald nahe beysammen / bald schnurgleiche / bald gekrümt scheinen / nach dem diese sich von Nord gegen Sud sich umweltzende Kugel uns im Gesichte stehet / halten in sich allen Saamen der herrlichen Tugenden /welche allen andern Elementen desselben mitgetheilet / und gleichsam von eitel lieblichen West-Winden ausgehauchet werden. Diese schöne Kugel krieget ferner noch einen absonderlichen Glantz von ihren vier in denen vier Zirckeln um sie herum stehenden Stern-Geferthen / welche sämtlich von West gegen Ost /und zwar die innersten und nechsten immer geschwinder als die eussersten herum lauffen / und ihrem Haupt-Gestirne ihr theils eigenes / theils von der Sonne geborgtes Licht mittheilen; sonderlich der erste und dritte / welche überaus helle schimmern / und gleichsam gegen den andern zweyen Monden zwey kleine Sonnen sind. Ja weil die Sonne dieses grosse und hohe Gestirne nicht völlig erleuchten kan / zum theil ihre Stelle verderben / und aus der Tieffe desselbten alle Kräfften empor ziehen: wiewohl der erste und nächste an Grösse den rechten Monden / der andere dem Mercur / der dritte der Venus / der vierdte der Erde gleich kommt; iedoch nachdem sie ihrem und dieses grossen Gestirnes Lauffe nach zu stehen kommen / bald nahe beysammen / bald weit von einander / gegen Nord groß / und als wenn sie unten / gegen Sud viel kleiner / und als wenn sie über dem Jupiter stünden / auch nach dem Stande der Sonnen bald wie volle / bald wie wachsend- oder abnehmende Monden aussehen / auch zuweilen vom Schatten des Jupiters verdeckt; hingegen / weil aus dieser Gestirne hellen Dünsten sich auch auff eine zeitlang neue Hartzt-Sternen zeigen / zuweilen an ihrer Zahl vermehret werden.

Das sechste Bild / war ein aus Bley gegossener alter Greiß; seine Stirne voller Runtzeln / die Wangen eingefallen / alle Glieder schwach und sonder Lebhafftigkeit; Die Augen hatte er unter sich geschlagen /und die Beine schienen zur Bewegung gantz ungeschickt. Deñ der hiermit fürgebildete höchste und langsamste Irr-Stern hat an sich alle Schwachheiten des langsamen Alters / daher auch 29. Jahr / 162. Tage / 7. und 36. sechzigtheil Stunden verstreichen /ehe er einmal um seinen Zirckel herum ko t. Diß Bild stand auff einem Drachen und [572] Bären / hatte auf dem Fusse die Ziffer 22. als das Maaß seiner Grösse /wiewol andere diesen Irr-Stern mit seinen zweyen Armen oder Geferten 165. mal grösser als die Erde schätzen. Auf der Seite stand der gestirnte Steinbock /und der Wassermann. In der rechten Hand hatte es eine Sichel / in der lincken einen Rauch-Topf / weil die in diesem Irr-Sterne sich befindende graue Erde und Bley-Berge / wie auch das gleichsam aus eitel Spießglase sich langsam bewegende todte Meer aus seinen Hölen / und aufkochendem Hartzte unaufhörlich stinckendẽ schwartzen Rauch ausdampfet / als die rechte Kugel der Verwirrung alles verdüstert / mit seiner Todten-Sichel aber alles heilsame abmeyet /durch seine Kälte die Lebens-Wärmde auslescht /Feber gebieret / die Feuchtigkeiten zähe machet / giftige Nebel / Ungewitter / Schiffbruch / Unfruchtbarkeit und Kälte verursachet / sonderlich / wenn er sich unserm Scheitel nähert / oder mit dem kriegerischen Irr-Sterne in ein Horn bläßt; daher er billich der grosse Unglücks-Vogel / der kalte und trockene Feind der Natur / und das Vorbild der Zeit / welche ihre eigene Kinder auffrißt / genennt wird. Uber dem Haupte schwebte eine grosse dunckele Kugel / welche vorwerts von der Sonnen / auf der Seiten aber auch von zwey kleinen Kugeln / die ihn gleichsam zu einem dreyleibigten Geryon machen / erleuchtet wird; wiewohl beyde Geferten / nach dem man stehet nicht stets als von der mittelstẽ grossen Kugel gantz abgesondert / sondern nur / als angefügte Armen / handhaben /und halbe Monden; also die mitlere Kugel wie ein länglichtes Ey / oder / wenn die eine kleinere Kugel vor- die andere hinterwerts stehet / gar nicht gesehen werden. Sintemal umb diesen Irr-Stern zwey kleinere Irr-Sterne / derer ieder nur halb so groß ist / ieder in seinem absondern Circkel von West gegen Ost aufwerts herumb lauffen / wormit sie mit ihrem eignen Lichte / weil die überaus weit entfernte Sonne seinen grossen Cörper nicht genungsam erleuchten kan / alle seine ihnen nach und nach zugewendete Theile /indem sie und dieser Irr-Stern sich ebenfalls umb ihren Mittel-Punct umbweltzet / erhellen / und seine traurige Einflüsse durch ihre absondere Würckungen beseelen helffen; ohn welche die schwere Bley-Kugel gantz unbeweglich und finster seyn würde; wiewohl /wenn sie diesem Irr-Sterne ihre ebenfalls an sich habende irrdische dunckele Seite zuwenden / selbter gleichsam verschwindet / oder er auf seinen beyden Seiten mit zwey wesentlichen / nicht aber von einem blossen Schatten herrührenden düsternen Henckeln umbgeben wird; hingegen wenn eine Kugel gleich mit ihrem lichten Theile vor ihm steht / selbten so wenig als ein kleines Licht einer grössern Flamme Schimmer verfinstert. Diesen Irr-Stern als den allerschädlichsten hat die Natur in eine unermäßliche Höhe / nehmlich nahe funfzig tausend Breiten der Erde weit / über die Erdkugel gesetzet / womit seine mächtige Würckungen desto schwächer wären / auch von Heilsamkeit des Jupiters / von der Lebhaftigkeit der Sonne / und der Feuchtigkeit der Erden gelindert würden. Wiewohl sie nichts minder als Napel / Wolffs-Milch und dieselbigen Artzney-Kräuter / welche übel rüchen / in Eingeweiden reissen / dem Magen Eckel schaffen /oder auch die gifftigen Brunnen / die Schwefel-Bäder / und siedende Flüsse auf Erden / ja Nacht-Eulen und Fleder-Mäuse nöthig und nütze sind. Denn ob die Saturnischen Einflüsse zwar in denen Leibern / welche einen ihres Giftes fähigen Zunder in sich haben / grossen Schaden thun; so saubern sie doch andere ihnen nicht so sehr Zugethane darvon / und treiben die bösen Feuchtigkeiten in das ihnen von der Natur besti te Glied zum Heil der andern Eingeweide. Sintemal was in dem Menschen der Magen ist / der die Speise verdäuet / und iedem Eingeweide sein zuständiges Theil zueignet / das ist in der Welt die Erde; die [573] Werckstatt der Feuchtigkeiten ist in den Thieren das Gehirne / in dem Himmel der Monde; der Austheiler der Lebens-Geister ist in der kleinen Welt das Hertze / in der grossen die Sonne; die Leber theilet den Gliedern mit dem Geblüte Krafft und Stärcke mit / der gestirnte Jupiter allen Geschöpfen / die Lunge schöpfet Lufft / und kühlet die Hitze des Hertzens ab / wie der Mercur unter den Gestirnen; die Nieren sind das Sieb / welches das reine von dem unreinen unterscheidet /und der Werckzeug der Fruchtbarkeit; dieses würcket auch in der Welt die gestirnte Venus; und wie die Galle das bittere und schweflichte Geblüte an sich zeucht; also macht es im Himmel der Kriegs-Stern; ja wie der Miltz alle andere schädliche Feuchtigkeit dem Leibe zum besten theils in sich zeucht / theils durch die Stulgänge abtreibet; also ist es in der grossen Welt mit dem gestirnten Saturn beschaffen; zu geschweigen / daß er auch die flüchtigen Geister hemmet / alles überflüssige zusammen zeucht / und den Menschen zu Erforschung nachdencklicher Dinge bereitet.


Alle diese sechs Kugeln waren nur vorwerts gläntzend / ausser daß die des Saturn und Jupiters von den Geferten / des Mars aber von seinem eigenen Feuer auf der Abseiten etwas erhellet wurden / weil sie von der Sonnen-Kugel ihren Schein bekommen / und alle als kleiner hinter sich einen zugespitzten Schatten werffen. Man nahm in allen diesen Kugeln gleichsam Erde / Lufft / Feuer und Wasser wahr / ob wohl dieser Dinge Vermischung bey einem Sterne viel anders / als beym andern / zu seyn schien. Sintemal iedes Element in einem ieden Gestirne eine besondere Eigenschafft haben soll. Daher auch so wohl die Irr- als andern Sterne ihre Ausdampfungen haben / daraus zuweilen Schwantz- oder Haar-Gestirne / nach dem die Sonne sie durchstraalet / entstehen; welche / ob sie wohl lange Zeit / ja biß zwantzig Jahr scheinen / nach dem ihr Wesen nehmlich feste und hartzicht ist / wie man in der Cassiopea / auf der Brust des Schwanen und andern Gestirnen wahrgenommen / doch endlich verschwinden; nach dem der Mittelpunct iedes Sternes eine magnetische Krafft in sich hat / welche / wie es die Erde und alle Eingeweide in den Thieren thun /alles seinem Wesen gleichgeartete an sich zeucht; also daß da ein Stück von dem Monden mit Gewalt auf die Erde käme / selbiges so wohl zu dem Monden klimmen / als ein Stein aus dem Monden zur Erde fallen würde. Und daher für ein blosses Getichte zu haltẽ wäre / wenn Licinius Silanus gesehen haben wil / daß ein Mägdlein aus den Sternen gefallen / und selbtes nahe bey der Erde in eine Fackel verwandelt worden wäre; Wie auch / daß einst ein Löwe aus dem Monden in Peloponnesus abgestürtzet hätte. Hingegen billichte der Priester dieses Ortes nicht nur die Meynung des Pythagoras und des Xenophanes: daß es im Monden Städte / vollkommenere Menschen / und funfzehen mal grössere Thiere gäbe als auf der Erden. Ja daß daselbst in der Höle der Hecate der hier abgelebten Seelen über ihr Thun Rechenschafft geben / und ihre Straffe oder Belohnung empfangen müsten /indem daselbst das rechte Elysische Thal anzutreffen wäre; sondern es würden auch die übrigen Gestirne /gegen derer Herrligkeit unsere Erde für Koth / und gegen ihrer unbegreifflichen Grösse für ein Saam-Korn zu achten wäre / bewohnet / welche aber ihren Leibern und Gemüthern nach / uns gantz ungleich /hingegen ihrer Wohnung nach geartet wären. Gleicher gestalt sind die Seren und Scythen von dieser Meynung nicht entfernet / daher der Tatter Xaucung den Serischen König Hiaorus unschwer beredete / daß er ihm seine verstorbene [574] und im Monden wohnende Changoa alle Nacht zu seinem Beyschlafe herunter lockte. Als auch gleich dessen Betrug offenbar ward /wolte er doch biß in den Monden einen Thurm bauen lassen. Welche Thorheit ihm nicht ehe auszureden war / als biß der Bau-Meister das gantze Serische Reich zur Grundlegung forderte. Hertzog Herrmann brach Schertz-weise ein: Ich erinnere mich / daß die Einwohner des Atlantischen Eylandes nach ihrem Tode in die Sternen versetzt zu werden gläuben; also werde diese vermuthlich ihre Bürger seyn. Alleine hat Democritus diese bewohnte Stern-Kugeln auch unter seine viel Welten gerechnet? Oder hielt dieser Priester / des Plato Meynung nach / die Welt / die Erde und Sterne für beseelte / und mit allen Sinnen begabte Thiere? Zeno antwortete lächelnde: Es würde Pythagoras diesem Priester solche Geheimnüsse unter dem Siegel des Stillschweigens vertrauet haben / weil er gegen ihn damit hinter dem Berge gehalten. Es mangelte aber gleichwohl noch zur Zeit nicht an Vertheidigung beyder Meynungen. Und erinnerte er sich / daß etliche das eine Nasen-Loch der Erde / in das Thronische Nord-Meer / andere in die Mitte des Caspischen Nord-Meeres versetzten / und daß die Erde durch selbte Athem holete / erhärteten; andere Epp und Fluth des Meeres für der Erde Lufft-Schöpfung / das Erdbeben für die Schütterung dieses Thieres hielten /alle aber aus der Hegung so vieler beseelten Dinge ihr eigenes Leben behaupten wolten. Des Democritus Meynung aber hätte nicht nur unzehlbare Nachfolger /sondern Epicur hätte gar gelehret / daß täglich neue Welten entstünden und untergingen. Ja Metrodor hätte ihm dieses so fest eingebildet / daß er es so ungereimt zu seyn geachtet / wenn nur eine Welt alles All begreiffen solte / als wenn auf einem grossen Felde nur eine Aehre wüchse. Daß auch dessen von langer Zeit nicht etwan der albere Pöfel / sondern die grösten Leute beredet gewest / gibt uns der grosse Alexander ein merckwürdiges Beyspiel / welchem des Anaxarchus hierüber geführter Beweiß so tieff zu Hertzen ging / daß er bittere Thränen darüber vergoß.

Nach Betrachtung dieser Bilder / fuhr der Fürst Zeno fort / zeigte uns der Priester ein in dem Tempel hängendes Muster des grossen Weltbaues / darüber ich mich zum höchsten verwunderte. Denn nach dem ich zumeinem Lehrmeister einen Chaldeischen Sternseher / einen Griechischen Weltweisen / und einen Egyptischẽ Priester gehabt / bin ich vom ersten unterrichtet worden / daß die Erde der Mittel-Punct der Welt sey / und diese lieffe im ersten Circkel der Monde / im andern Mercur / im dritten Venus / im vierdten die Sonne / im fünften Mars / im sechsten Jupiter / im siebenden Saturn herumb. Eben dieses fast hat mich der Platonische Weltweise gelehrt / ausser daß er die Sonne in andern / den Mercur in dritten /die Venus in vierdten Circkel setzte. Der Egyptische Priester hat in dem mich nur etwas sonders bereden wollen / daß die Sonne zwar im andern Circkel umb die Erde lieffe; aber Mercur und Venus rennten nicht umb die Erde; sondern ihre zwey Circkel / derer innersten Mercur / den äusersten Venus inne hielte /gingen mit ihrem Lauffe umb die Sonne / als ihre Trabanten / welche sich keinmal weit von ihr entferneten. In diesem Welt-Gestelle aber war alles verrückt. Denn der Mittel-Punct war die Sonne / umb diese lieff im ersten Kreisse Mercur / im andern Venus / im dritten rennte die von mir für den unbeweglichen Mittel-Punct gehaltene Erde / und umb diese in einem absondern kleinen Circkel der Monde herumb. Den vierdten Kreiß hatte Mars / den fünften Jupiter / umb welchen[575] in vier Circkeln vier Sternen umblieffen / den sechsten Saturn / umb den in zwey Circkeln zwey Sterne umbeileten / inne. Mein Vorwitz trieb mich dem Priester einzuhalten / daß es ja wider den Augenschein lieffe /wenn man die täglich auf- und nieder gehende Sonne unbeweglich machen / die Erde aber / ausser dem Mittel-Puncte der Welt / welches aus denen rings herumb darauf fallenden schweren Dingen zu ermessen wäre / rücken wolte. Wie solten auch auf der wanckenden Erde Menschen und Thiere sicher stehen /oder daraus so viel Bäume und Pflantzen wachsen /da sie sich bewegen solte / nachdem das Wesen / in welches die Kräfften aller Gestirne einflüssen solten /ja ruhig seyn müste? Der Priester antwortete mir lächelnde: Ich solte meinen blöden Augen nicht zutrauen / das Mittel des unermäßlichen Welt-Gebäues zu erkiesen / welches sie ohne ein Circkel-Maaß in keinem Kreisse eines Fingers lang so genau treffen könten. Meinen falschen Augenschein die Bewegung der Dinge zu unterscheiden / solte ich aus einem Schiffe wahrnehmen / da mich bedüncken würde: Das Ufer fliehe für mir / und ich nicht für ihm. So geschehe auch die Bewegung der Erde in viel mehrer Gleichheit / als eines Schiffes bey dem besten Winde / darinnen alles so unverrückt bliebe / wenn es auf der See fort segelte / als wenn es im Hafen angebunden stünde /ob schon die Erde wohl mehrmals sich erschütterte /offtmals nicht nur Berge einbrächen / sondern auch an einen fernen Ort gar fortgesetzet würden. Und die /welche gantze Jahre auf dem Meere sich herumb schüttelten / würden sich über keinen Abgang der einflüssenden Sterne zu beschweren / vielmehr aber zu bezeugen haben / daß in denen darauf stehenden Gefässen die irrenden Pflantzen nichts minder als die in der grossen Erdkugel eingewurtzelt wären / wüchsen. Über dis hätte nicht nur die Erde / sondern auch die Sonne und alle Sternen ihren absonderen Mittel-Punct / in welchen alles zurück fiele / was aus ihr empor kommen wäre. Hingegen wäre es nicht allein möglicher und der Vernunfft gemässer / daß die Erdkugel alle vier und zwantzig Stunden sich umb seinen Würbel umbwendete / alle Jahre aber einmal umb die Sonne herumb lieffe; als daß dieses unbegreifflich-grosse Geschöpfe und so viel tausend unmäßliche Gestirne sich so geschwinde / als es menschlicher Verstand nicht fassen kan / umbrennen solten; sondern es würde nach fortgesetztem Grunde / daß die Welt hier wahrhaftig abgebildet wäre / die Rechnung mit der Bewegung der Sternen / der Mond- und Sonnen-Finsternüsse viel genauer eintreffen.


Wie wir nun / sagte Zeno / mit unser Verwunderug dieses Priesters Unterricht für eine unzweifelbare Wahrheit anzunehmen schienen / gab er uns Anlaß das Gewölbe des Tempels genauer zu betrachten /und zu schauen: Ob das daran gebildete Gestirne mit unsern gestirnten Himmels-Kugeln überein treffe? Ich ward aber bald gewahr / daß die mir bekandten 48. oder 50. hi lischen Bilder unzehlich viel mehr Sternen in sich hatten / indem meine Lehrmeister mit dem Ptolemeus ihrer nur 1022. gezehlet. Insonderheit nahm ich in dem neblichten Theile des Orions ihrer zwölff / zwischen seinem Gürtel und Degen achzig /zwischen seinen Schenckeln mehr als fünf hundert / in der Krippe sechs und dreissig / umb das Sieben-Gestirne vierzig / und in allen Zeichen eine grosse Menge neuer Sternen wahr; in der Milch-Strasse war die Zahl unzehlbar / und der Priester versicherte mich / daß im einigen Orion mehr Sternen / als man ihrer ins gemein [576] am gantzen Himmel zehlte / ja ihrer in dieser Strasse allein über hundert tausend wären; derer keiner doch so wenig als das kleineste Aederlein in dem menschlichen Leibe umsonst geschaffen / sondern in der Welt seine absondere Würckung / ja iedes Kraut seinen eigenthümlichen Stern hätte. Ich erstarrte aber / als er mir gegen Sud funfzehn gantz neue Sternbilder / davon ich vorhin nichts gesehen noch gehöret hatte / zeigte. Daher ich für grosser Begierde alsofort ihre Nahmen zu wissen verlangte / aber zur Antwort bekam: Es wohnte in diesem Tempel weder Heucheley noch Ehrgeitz / welche sich nicht vergnügten / Huren / Ehebrecher / Mörder in Marmel und Helffenbein zu bilden / sondern sie auch nebst wilden Thieren unter die Sternen versetzt hätten; daher hätten auch weder diese noch andere Sternen in diesem Tempel so irrdische Nahmen / noch so eitele Eintheilung; Er könte aber aus ihrem Stande leicht wahrsagen /daß man mit der Zeit Schlangen / Flüsse / Fliegen /Fische / Dreyecken / Thiere / Krähen / Phenixe / Pfauen und andere Geflügel daraus machen würde. Er machte auch unter diesen Sternen / welche insgemein für unbewegliche in einen Crystallenen dichten Himmel eingeschraubte Cörper hielte / aber in der daselbst durchdringlichen dinnesten Lufft eben so wol ihre richtige / wiewol unsern entfernten Augen unsichtbare Bewegung hätten / nur nach ihrem Wesen und Eigenschafften einen Unterscheid / daß etliche rechte Sonnen / unter denen der Sirius die gröste /wären / welche die um sich herum irrenden wiewol in unser Gesichte nicht fallende / und von unserer Sonne zu erleuchten unmögliche Monden mit ihrem Lichte betheilten / auch aus ihren feurigen Ausdampffungen viel durchsichtige Schwantz- und Haar-Sterne zeugeten / wiewol man ihren Schwantz und Haare nicht so wie unter denen Irrsternen erkiesen könte; weil sie mehr als hundert mal weiter von der Sonne / als die Sonne von der Erden stünden. Diese Weite verursachte gleichfals / daß nachdem diese stillstehenden Sternen sich zwar nicht von Ost gegen West alle Tage umwendeten; Gleichwohl aber der gantze gestirnte Himmel jährlich ein gutes Stück von West gegen Ost / wie die Erdkugel alle Tage fortrückte / man kaum in hundert Jahren solche Fortrückung mit den Augen vermerckte. Dessen wäre ein klares Zeugnüß der mitternächtige Angelstern / welcher sich kaum drey Himmels-Staffeln weit um seinen Mittelpunct zu drehen schiene; Da doch dieser enge Umkreiß in Warheit mehr als der Zirckel des Mars in sich begrieffe. Aus welchen Geschöpffen wir die Unermäßligkeit des ewigen Schöpffers / welcher ist der rechte Mittelpunct der gantzen Natur / und der vernünfftigen Seele ermessen / und also wie die vernunfftlosen Dinge nach ihrem /also so viel mehr wir / in derer Gemüthern Gott ein so grosses Licht des Verstandes aufgesteckt hätte / nach unserm Mittelpunct uns ziehen solten.

Wir hatten uns über dem unzehlbaren Gestirne schier müde gesehen / als der Priester uns wiederum zum Altare führte / und uns das Marmelbild des Scythischen Königs Prometheus zeigte / welches mit beyden Händen die zwey Hörner desselben faßte / die Augen aber starr auf die Sonnen-Kugel richtete. Die ser / sagte der Priester / ist es / der auf diesem hohen Gebürge sein gantzes Leben in Betrachtung der Sonne und Sternen / gleich als wenn er nach jenes Weltweisen Meinung hierzu alleine geschaffen wäre / zubracht hätte; worvon das Getichte entsprungen wäre / daß er auf dem Caucasus vom Mercur an eine steinerne Säule gefässelt worden. Dieser Steinfels wäre die Säule / seine himmlische Gedancken wären die Fessel / und er habe einem hierbey nistenden Adler / wenn er sich ausser seinem Gesichte in die Höhe geschwungen / mißgegönnet / daß er nicht / wie dieser unverständige Vogel / dem Gestirne näher kommen [577] könte. Dieses wäre der Adler / welcher ihm täglich sein Eingeweide gefressen zu haben gedichtet würde. Hier habe Prometheus nicht nur durch den Augenschein / wie in denen niedrigern Wolcken aus dem Dampffe der schweflichten Dünste und salpetrichten Feuchtigkeiten Donner und Blitz gezeuget würde / sondern auch durch sein tieffes Nachsinnen und künstliche Schau-Gläser die Eigenschafften der Sternen / und den Abgrund der hellen Himmels-Lichter erforschet / und andern Menschen entdecket. Deßhalben hätte die Nachwelt fürgegeben: Er wäre durch Hülffe der Minerva in Himmel gestiegen / hätte an dem Wagen der Sonne eine Ruthe angezündet / und hiermit das Feuer auf den Erdbodem bracht.

Uber dieser Unterred- und Betrachtung des Tempels / war der Abend nahe herbey kommen / und wir hätten darüber schier des Essens vergessen / wenn uns der Priester nicht ein gutes Theil den Berg hinab in eine zu seinem Auffenthalt dienende Höle / zu seiner gewöhnlichen Kräuter-Speise eingeladen / und mit dem köstlichen Wasser eines daselbst aus einem rothen Felsen entspringenden Brunnens erqvicket hätte; welches uns in Warheit besser schmeckte / als das Wasser aus dem Flusse Lyncestis / das wie der Wein truncken machen soll; oder auch aus dem Brunnen des Bacchus selbst / wenn es schon den siebenden Tag gewest wäre / da er allemahl mit Wein qvellen soll. Hertzog Herrmann fing an: Es ist gleich Zeit / daß wir auch unser deutsches Wasser kosten. Denn der Graf von Leuningen hatte dem Feldherrn gleich angemeldet / daß auff seinen Befehl in des Zeno Vorgemach die Taffel / und zwar dem noch schwachen Zeno zu Liebe auf Römische Art bereitet wäre / daß ieder Gast sich zur Taffel auff einem Bette legte. Hiermit verfügte sich die sämtliche Versammlung dahin. Der Feldherr entschuldigte bald anfangs / daß zwar der Tisch / aber nicht die Gerüchte nach Römischem / weniger nach Asiatischem Uberflusse bereitet seyn würde. Sintemal er selbst zu Rom gesehen / daß bey einer Mahlzeit zweytausend seltzame Fische / und sieben tausend Vögel aufgesetzet worden wären. Die Persischen Könige aber solten auf ein Abend-Essen viertzig Talent aufwenden / und tausend Thiere abschlachten lassen. Denn die Deutschen wären nicht gewohnt / wie diese wollüstige Fürsten / in die Welt Ausspürer niedlicher Speisen auszusenden / noch grosse Silber-Preisse für die Erfinder neuer Wollüste aufzusetzen / sondern hielten vielmehr dafür / daß der Gerüchte Uberfluß Eckel verursachte / und das Essen hinderte. Hierauf ward zum ersten von frischen Neun-Augen vorgelegt; Erato / welche ihr Lebtage keine solche Fische gesehen / hatte Bedencken sie anzunehmen / und fing an: was sie mit diesen Würmen machen solte? Rhemetalces / ob sie ihm gleich eben so fremde waren / fing lächelnde an: Es wäre nichts ungemeines / daß man Würmer ässe. Seine Nachbarn / die Thracier / hielten die weissen Holtzwürmer mit den schwartzen Köpffen für Leckerbißlein. Flavius setzte bey: Und die Africaner nicht nur die Heuschrecken / sondern auch die grünen Heydächsen. Zeno bestätigte es / und meldete /daß sie um den Berg Athos die Nattern ässen / und deßhalben insgemein biß hundert und viertzig Jahr zu leben glaubten. Die Candeer in Africa speiseten auch meistentheils Schlangen. Nachdem aber der Feldherr die Fremden versicherte / daß die Neun-Augen Fische wären; genassen sie selbte mit sonderbarem Vergnügen. Noch vielmehr aber hielten sich Zeno und Erato an die aufgesetzten Biber-Schwäntze und Klauen /welche sie für die köstlichste Speise des Euxinischen Meeres / Deutschland aber für das rechte Vaterland der seltzamsten Köstligkeiten hielten; als sie Aescheu / uñ ein Stücke von einem Stör auftragen sahen / und selbten aus denen gegen den Kopf gekehrten Schupffen erkenneten. Rhemetalces fing auch [578] an: Es hätte diß schöne Stücke wol verdienet / daß sein Kopf wie zu Rom mit einem Krantze / und von bekräntzten Schallmeyern wäre aufgetragen worden. Wie denn auch die Beotier die Aale mit Kräntzen ziereten / und sie ihren Göttern opfferten. Rhemetalces hatte kaum ausgeredet / als man auf des Feldherrn Winck eine Schüssel rothe Aale aufsatzte; Welches die fremde Gäste noch mehr verwundernd machte. Hertzog Herrmann aber befahl einem ieden Gaste eine Schale mit einem köstlichen am Flusse Pathissus gewachsenem Weine zu geben / und erinnerte sie solche zu genüssen; weil nur die lebenden Fische im Wasser / die todten aber in etwas heisserem schwimmen. Daher müsten sie des Fürsten Zeno seinem Wasser ertheilten Ruhm für dißmal etwas miltern. Rhemetalces fing an: Er hätte gleichwol in Pannonien bey Saline in brüh-heissem Wasser Fische schwimmen sehen. Auch solte das Wasser zur Verdäuung besser seyn / als der Wein. Fürnehmlich aber wäre der Hunger der beste Koch /und der Durst der beste Kellermeister. Daher dörfte man sich nicht wundern / daß schlechtes Wasser dem Fürsten Zeno nicht nur besser als der so hoch beschriehne Nectar geschmecket hätte / sondern auch wol bekommen wäre. Er hätte sich gleichfals offt darmit gelabet / und er könte dem Pindarus ohne grosses Bedencken enthengen / daß das Wasser unter den Elementen / was das Gold unter den Metallen wäre. Unterdessen aber wäre doch dem so grossen Geschencke der Natur dem Saffte der edlen Reben sein Vorzug für dem Wasser nicht zu entziehen / sondern vielmehr zu enthengen / daß der Wein eine Milch der Alten und der Liebe / ja ein Oel des Lebens / und eine Artzeney der Krancken genennet zu werden verdiente. In welchem Absehn Bacchus zu Athen als ein Artzt; ja sein Gewächse selbst in Africa für einen Gott verehret würde. Jederman müste den Wein für einen Zunder der Hertzhafftigkeit / und für ein heilsames Mittel wider die Traurigkeit gelten lassen. Dahingegen das Wasser betrübt / und etliches gar / wie das aus dem Brunnen Salmacis / weibisch machte. Zeno versetzte: Er wäre kein abgesagter Feind des Weines / und hielte es für Verleumdung / daß einige ihn für ein im Holtze der Reben verfaultes Wasser schielten. Er hielte ihn auch für eine Hertzstärckung / und eine der köstlichsten Artzneyen; aber nicht für ein dienliches Geträncke. Denn er grieffe die Lebens-Geister an / erhitzte das Geblüte / zerrüttete das Gehirne / zerstörete die Fruchtbarkeit / und schwächte die Kräfften der Vernunfft. Daher die Griechen die Schrifften des Demosthenes dem / was Eschines schrieb / nicht wegen seiner bessern Geburts-Art vorzohen / sondern weil dieser Wasser / jener Wein tranck. Und ob zwar hierinnen die Maßhaltung eine Gräntzscheidung zwischen dem Nutzen und Schaden seyn solte; so bezeugte doch die Erfahrung / daß diesen Unterscheid zu beobachten schwerer als die Aus-Eckung eines Zirckels wäre. Die uns angebohrne Lüsternheit setzte dem Glase der Gesundheit einen Becher der Freundschafft bey / und das dritte schenckte man zu Erfreuung des Gemüthes ein. Hiermit erschlieche uns ein halber Satz zur Trunckenheit / wordurch ein Mensch schon nicht mehr seiner mächtig wäre / sondern dem Schwelgen freyen Zaum verhienge. Auf diese Art hätte die Trunckenheit sich gantzer Völcker bemächtiget / daß sie bey ihnen den Nahmen der Sitten / und das Vermögen viel zu trincken den Ruhm einer Tugend erlangt. Da doch der Mensch dardurch sich gleichsam zu was ärgerm / als einem Vieh machte; sintemal / kein Thier auser dem Menschen / ohne und über den Durst trincke. Daher die Römer allen Weibern / die Carthaginenser allen Kriegesleuten das Weintrincken so scharf verboten / daß es bey ihnen dem Ehebruche / bey diesen der Verrätherey gleiche gestrafft ward. Pythagoras hätte die / welche sich des Weines nicht [579] gäntzlich zu enthalten gewüst / aus seiner Schule gestossen; und Pittalus ein Gesetze gegeben / daß ein in der Trunckenheit begangenes Laster zweyfach gestrafft werden solte. In den Opffern der Sonne / welche doch diesen Safft selbst allein kochte / und zubereitete / wäre es nicht zuläßlich einigen Tropffen Wein beyzumischen /und in den Tempel der Juno dorfte man keinen dem Bacchus gewiedmeten Epheu bringen; Zu einer heilsamen Lehre / daß insonderheit Fürsten / und die /welche über andere Menschen Aufsicht haben / sich dessen zu enthalten hätten. Daher der grosse Alexander mit seinem Heere einen weiten Umweg genommen hätte / wormit er es nicht über den weinreichen Berg Nysa führen dörfte / weil er solches unversehrt darüber zu bringen nicht getrauete. Denen über die Gesetze sonst erhabenen Königen in Indien wäre der Wein durch ein Gesetze verboten / und ein Weiser hätte den Weinberg nachdencklich die Haupt-Stadt der Laster genennet. Hertzog Herrmann lächelte /wendete sich gegen den Hertzog Arpus / und fing an: Ich mercke nun allererst / daß Zeno sich bey den Catten aufgehalten / und ihm ihre Sitten nicht übel gefallen haben müssen / welche eben so wenig / als die von ihnen entsprossenen tapfferen Nervier in Gallien einigen Wein / als wordurch man nur weibisch und zur Arbeit untüchtig gemacht würde / in ihr Land zu führen bey Lebens-Straffen verbieten. Hertzog Arpus antwortete: Ich besorge vielmehr / daß seine Scheltung der Trunckenheit nichts minder meine Catten /als alle andere Deutschen zu treffen anziele. Sintemal wir fast in der gantzen Welt deßhalben schwartz find /es auch in Warheit wenig anders ist / als daß es bey den Deutschen keine Schande sey / Tag und Nacht mit trincken zugebracht haben. Hertzog Herrmann setzte bey: Es ist leider wol wahr / daß die Deutschen im Truncke ihre Schwäche zeigen. Gleichwol aber würde ihnen viel über die Warheit beygemessen; insonderheit wäre es eine offenbare Verläumdung der Römer /daß sie einen Knaben um einen Eymer Wein vertauschten; Bey denen Gastmahlen ihnen die Stirne aufritzten / das Blut daraus in den Wein rinnen liessen / und aus ihren Hörnern zu Bestätigung ihrer Freundschafft einander zubrächten. Und ob er wol seiner Landsleute Laster nicht entschuldigen / weniger zu Tugenden machen wolte; so hielte er doch das Trincken nicht für das ärgste. Den Deutschen wäre angebohren / aufrichtig und streitbar zu seyn. Nach des Plato Berichte aber / wären alle streitbare Völcker / als Scythen / Persen / Zelten / Spanier und Thracier zum Truncke geneigt / und die Warheit solte im Weine begraben liegen. In welchem Absehn die Griechen die Sieger auf den Spielen des Bacchus mit dreyfüßichten Trinckgeschirren beschenckten / gleich als wenn die Trinckenden so wahr / als die Wahrsagerinnen aus dem Dreyfusse des Apollo redeten. Zeno entschuldigte sich in alle Wege / daß er die Deutschen anzugreiffen nie gemeint gewest wäre; auch nicht glaubte / daß sie im Trincken allen andern Völckern überlegen seyn solten. Die Parthen suchten Ehre aus vielem Trincken / und hätten der Scythen Gesandten von ihnen geurtheilt / daß ie mehr sie in sich schütteten / ie mehr dürstete sie. Die Persen hätten ihrem Erlöser dem tapffern Darius als eine besondere Lobschrifft auf sein Grab geetzt / daß er ohne sein Ungemach viel zu trincken vermocht. Der grosse Alexander hätte Säuffern ein Talent zum Siegs-Preisse aufgesetzt / mit dem Proteus in die Wette getruncken / und durch den Wein ihm selbst den Tod verursacht / gleich als sich Bacchus hierdurch an ihm wegen Zerstörung der Stadt Thebe hätte rächen wollen. Die Sybariten hielten für Schande / diß was sie auff dem Bretspiele gewonnen / anders wohin / als auf Wein anzulegen. Sie nöthigten einander so viel mal ihre Schalen auszuleeren / als der Würffel ihnen [580] ein Gesetze fürschriebe. Sie schämeten sich nicht dem sich ausschüttenden Magen Gewalt anzuthun / und diß zu füllen / was die Natur leer zu haben sich mühte; gleich als wenn sie zu Verderbung des Weines gebohren wären / und dieser edle Safft nicht anders als durch ihren Wanst ausgeschüttet werden könte. Unter diesem versoffenen Volcke hätte sich Sminderydes gerühmet / daß er in zwantzig Jahren nie hätte gesehen die Sonne aufgehen. Bey den Griechen wäre das Trincken ein uhraltes Handwerck / und es hätte Homer nicht so eigentlich den Schild Achillens als das Trinckgeschirre des zum Truncke geneigten Nestors beschrieben. Bey ihren Gastmahlen würde aus einem grossen Kessel iedem Gaste durch ein absonderliches Silberröhr so viel Wein zugeflöst / daß selten einer genung schlingen könte. Alcibiades selbst hätte nicht nur wegen seiner Tapfferkeit in Schlachten / sondern auch im Sauffen einen berühmten Nahmen erlangt. Die zwey grossen Weisen Socrates und Plato wären von ihrem Trincken beruffen; Arcesilaus und Lacydes hätten sich gar zu tode gesoffen / und Solon wäre hundert mal über sein eigenes Gesetze gefallen / darinnen er die Trunckenheit der Obrigkeit bey Lebens-Straffe verboten. Eben so sehr wäre dieses Laster bey den Römern eingerissen; welche allererst eine Kunst erfunden / ihn durch einen Lagersack zu seigen / also dem Weine seine Stärcke zu nehmen / und ihn gleichsam zu entmannen / daß sie dessen nur so viel mehr trincken können. Marcus Antonius hätte von seiner Trinck-Kunst ein gantz Buch geschrieben. Des Cicero Sohn wäre zu Rom für einen so grossen Säuffer / als sein Vater für einen Redner gehalten worden. Tiberius selbst wäre ein so grosser Held in Gläsern / als im Felde / und hielte den Torqvat nur wegen seiner selzamen Sauff-Künste in seiner Bestallung. Rhemetalces fing an: Er solte seinen in diese Zeche gehörigen Thraciern nur nicht heucheln / als bey welchen so wol Weiber als Männer das Volltrincken / und so gar die Kleider mit Weine netzen / den Titel des glückseligsten Lebens verdiente. Hertzog Arpus versetzte: seinem Bedüncken nach / wäre die Trunckenheit diesen Völckern /welchen die Natur durch den Weinwachs einen so reichen Zunder hierzu verliehen hätte / ehe als den Deutschen zu verzeihen / derer euserste Gräntzen / und zwar nur noch für weniger Zeit durch blosse Lüsternheit mit Reben wären belegt worden; da die Deutschen doch vorhin geglaubt / daß sich bey ihnen so wenig Wein pflantzen / als auf dem Eylande Tenos sein Brunnwasser sich mit Weine vermengen liesse. So aber hätten die Deutschen mit vielem Nachdencken ergrübelt / wie sie auch das Wasser truncken machen / und diß also die Eigenschafft des starcken Flusses Erganes überkommen möchte; da sie nehmlich ihr Bier aus Gersten und Hopffen kochten. Welche Erfindung alleine seinen Wunsch zurücke hielte /daß alle Wasser in der Welt die Eigenschafft des Clitorischen Brunnes haben möchten / dessen der / der nur einmal daraus getruncken hätte / nicht einmal den Wein rüchen könte. Jedoch wolte er gerne zu frieden seyn / wenn die Deutschen sich mit den Königen in Persien vergnügen wolten / welche sich des Jahres nur einmal an dem Feyer ihres Gottes Mithra voll trincken dorften. Antiochus in Syrien / und Mydas in Phrygien hätten gantze Brunnen mit Weine angefüllt / wormit jener seinen Uberfluß zeigen / dieser den Silenus berauschen könte. Alles diß aber wäre Kinderspiel gegen der Verschwendung des Serischen Königs Rieus / mit welchem auch der erste königliche Stammbaum Hiaa untergegangen. Denn er hätte einen grossen / und zur Schiffarth fähigen Teich graben /und mit Weine füllen lassen; woraus immer wechselsweise drey tausend Menschen auff Hundes-Art sauffen / und hernach im nechsten Walde die an die Bäume gehenckten und gebratenen [581] Ochsen / Hirsche und wilde Schweine verzehren müssen. Zeno fing an: Hertzog Arpus erinnerte ihn durch sein Verlangen der Mäßigkeit dessen / was die Serer von ihrem unvergleichlichen Könige Yvus rühmten; daß / als sie ihm den neuerfundenen aus Reiß gemachten köstlichen Tranck zu kosten gebracht / kläglich geruffen hätte: Wehe meinem Stamme und dem Königreiche / welche beyde durch dieses süsse Gifft vergehen werden! Rhemetalces sagte: Derogestalt sind die Deutschen nicht die ersten / oder wenigstens nicht alleine / die ihnen neue Träncke erdacht haben. Denn über die Serer kochten die Mohren aus Hierse / die Pannonier / Spanier und Egyptier aus Weitzen eben dieses Geträncke / welche letztern es gar von ihrem Osiris gelernt haben wolten. Seine Thracier machten aus Gesäme gewisser Kräuter / die Babylonier aus Pflaumen / die Illyrier aus Baumknospen / die Indianer aus Datteln und Zucker-Rohre / die Africaner aus Granat-Aepffeln starcke Geträncke. Ja die Scythen trincken sich auch durch den Rauch gedörreter Kräuter voll. Hertzog Herrmann setzte bey: Diese Einzieh- und Ausblasung des Rauches wäre fürnehmlich in dem Atlantischen Eylande gemein / woher sie die Friesen auch in die Wasser-Länder Deutschlandes gebracht hätten; und wüste er nicht / ob die Atlantier von den Scythen /oder diese von jenen / diesen dürren und stinckenden Tranck bekommen hätten. Am allerselzamsten aber wäre / daß die Einwohner des Eylands Thule ihren Fischthran / oder die von den Wallfischen geschmeltzte Fettigkeit allen Weinen der Welt weit fürziehen. Sonst aber müste er nur von seinen durstigen Deutschen gestehen / daß sie zu Unterhaltung der Trunckenheit noch aus gepresten Aepffeln und Honige einen starcken Meth jähren liessen; zu ihrem gemeinsten Geträncke aber Milch und Wasser brauchten. Diese zwey / sagte Zeno / sind sonder Zweiffel wol die ältesten / und daher auch die gesündesten Träncke. Massen denn der Wein so gar von eingemischtem bittern Meer-Wasser / oder wenn man die mit Most gefülleten Fässer eine weile im Meere schwimmen läst / besser werden soll. Thales Milesius hält das Wasser gar für den Uhrsprung aller Dinge /die Egyptier für einen Gott / und die meisten Völcker verehren die warmen Brunnen / und die Qvelle grosser Flüsse. Ja in dem Heiligthume des Clarischen Apollo / wie auch des zu Colophon macht das aus seiner Höle getrunckene Wasser auch die ungelehrten Priester so geschickt / daß sie in gebundener Rede aufs zierlichste wahrsagen. Seine Artzney-Kräffte sind nicht zu zehlen. Daher Melampus die Vermischung des Weines mit dem Wasser aufbracht hat; und sein Genüß ist so kräfftig / daß nicht nur die Heuschrecken davon alleine leben / sondern auch viel Menschen /ohne andere Speise / sich lange erhalten haben. Denn wie Philinus von lauter Milch; also haben Moschus /Anchimolus und Lamprus von eitel Wasser neben wenig Feigen und Myrthen-Früchten gelebt. Der Feldherr fing hierüber an: Er wäre ebenfals nicht nur ein Freund / sondern auch ein Koster der Wasser; wiewol niemand eines oder des andern Güte durch den Geschmack besser als die / welche keinen Wein trincken / zu unterscheiden wüsten; Es wären aber die Meinungen von Gesundheit derselben so unterschieden / daß er sich nicht recht daraus zu wickeln wüste. Die Griechen rühmten das Attische / die Persen ihr Euleisches / die in Asien das Donyleische / die Phrygier ihr warmes bey Tragasta / die Sicilier ihr kaltes im Brunnen Arethusa / die Sarmater ihr dinnes im Borysthenes /die Stadt Nissa ihr fettes Wasser / welches sie so gar an statt des Oeles brauchten / für das beste. Zwar wären die Wasser aus schlammichten und gegrabenen Brunnen / wie auch die Salpeter- und saltzichten / und die das Ertzt angreiffen / oder langsam das Gesäme kochten / [582] wie auch das stillestehende verwerflich. Daher die Corinther aus dem eißkalten Brunnen beym Contoporischen Vorgebürge das Wasser nicht ehe trincken / als biß es ziemlich weit aus selbtem hervor geflossen wäre. Und das köstliche Achillische Wasser bey Milet solte / wenn es stille stehen müste / saltzicht werden; Das unterirrdische aber / welche die Sonne nie beschiene / taugte noch weniger; also / daß in Cappadocien das gesündeste Wasser / welches gleich stehende gut bliebe / verdürbe / wenn es unter die Erde lieffe. Eben so wenig hielte man von den färbichten. Denn wie der rothe Wein / der gelbe Honig /das grüne Oel / der schwartze Balsam / also wäre das Milch-weisse Wasser auch das beste. Ja auch den wolrüchenden Brunn in Mesopotamien zu Cabura wolten wenig loben; weil eben so wol das gar nichts rüchende / als das nichts schmeckende Wasser das beste seyn solte. Hertzog Malovend bestätigte es /und zohe als was merckwürdiges an / daß da die Sonne sonst das Wasser so sehr verbesserte / gleichwol das von denen Sonnenstrahlen empor gezogene /und hernach aus der Lufft herab fallende so wenig nütze wäre. Sintemal das aus Schnee und Schlossen zerlassene so gar eine Gifft bey sich haben / der Tau die Krätze verursachen / das Regenwasser aber wegen bey sich habenden Schlammes am geschwindesten faulen / und also auf die Schiffe nichts taugen solte. Alleine diese geschwinde Fäulnüß / versetzte Jubil /halten viel Aertzte für ein Merckmal ihrer Heilsamkeit. Daher sie das Regenwasser etliche mal mit Fleiß faulen lassen / und allemal reinigen / also hernach solches für gesünder / als alle andere rühmen. Uberdiß hätten die Alten / insonderheit aber / wenn sie truncken gewest / Schnee zu trincken / oder auch solchen mit Weine zu vermischen / grosses Belieben gehabt. Des grossen Alexanders Taffel wäre niemals leer davon gewest; und hätte er im heissen Indien / bey Belägerung der Stadt Petra / in dreißig mit Eichenem Laube bedeckten Gruben den Schnee zu seinem Geträncke aufs sorgfältigste verwahren lassen. Es wäre diß nichts altes / antwortete Hertzog Herrmann /indem er zu Rom etliche hundert Eiß-Gruben und Behältnüsse des Schnees gesehen / welchen zu erhalten die Spreu eine deßhalben so viel mehr wunderwürdige Eigenschafft hätte; weil sie in sich durch ihre Wärmde das unzeitige Obst reif machte. Den Schnee aber und das Eiß brauchten die Römer bey ihren Mahlzeiten /nicht nur des Sommers den Wein damit in Flaschen aufzufrischen / sondern sie würffen beydes / und zwar auch im Winter / nach dem sie die vom Rooste noch glühenden Biltze oder andere scharf gepfefferte Speisen siedendheiß verschlingen / in ihr Geträncke / wormit sie mit dem noch unzergangenen Eiß und Schnee ihre erhitzte Magen abkühleten. Ja es wäre diß nicht etwan was besonders grosser Leute zu Rom / sondern der Pöfel wäre auch so lüstern / daß der Schnee ihme zur Unzeit eine Würtze seiner Uppigkeit abgeben müste. Wordurch man denn daselbst eine Gelegenheit ausgesonnen hätte / das gemeine Wasser zu kauffen; nachdem es dieser wuchersüchtigen Stadt verdrüßlich wäre / daß man die Lufft / die Sonne / oder sonst etwas umsonst haben solte. Allein es wären alles diß nur Erfindungen der verschwenderischen Wollust /welche ihrer Lüsternheit so wol das Leben und die Gesundheit willig aufopfferte. Zeno fing an: sonder allen Zweiffel muß dieses kalte Geträncke die natürliche Wärmde sehr dämpffen / und die Rohigkeit des Eises und Schnees sehr schädlich seyn; wo es anders wahr ist / daß die gekochten Wasser am gesündesten sind / die Schmertzen der Wunden stillen / und daß auch die schädlichen Wasser / wenn man sie halb einsieden läst / trinckbar werden. Ja ich halte nichts gesünders zu seyn / als das Geträncke der Seren / welche nichts als über ein gewisses Kraut siedend-heiß gegossenes Wasser / so warm es ihr Gaumen und Zunge [583] vertragen kan / niemals aber nichts kaltes trincken / und daher auch nicht einst die Nahmen der Darm- und Glieder-Gicht / des Steines / und etlicher anderer unserer schmertzhafftesten Kranckheiten kennen. Hertzog Herrmann wunderte sich hierüber / und fragte: Ob sich denn mit so heissem Geträncke der Durst wol leschen liesse? und wie es den Ausländern zuschlüge? Beydes gar wol / antwortete Zeno; und hätte ihm hernach die Aenderung vom warmen zum kalten / als die erste vom kalten zum warmen Geträncke viel bänger gethan. Sonst hätten sie in Asien wol auch eine gute Art / daß sie gutes Wasser abkochten /hernach in Brunnen oder Hölen abkühleten; aber es käme der Serischen nicht bey. Ja / sagte Flavius /auch zu Rom wird diß itzt für eine tiefsinnige Erfindung gehalten / daß sie / um den schädlichen Beysatz des gemeinen Schnees und Eises abzusondern / abgekochtes Wasser in Gläsern zu Eiß oder Schnee gefrieren lassen / und sodenn in anderm Getränke mit genüssen; auch glauben / daß es so denn nicht nur gesünder / sondern das gekochte Wasser viel schneller gefriere / im Gewichte leichter sey / auch viel kälteres Eiß daraus werde. Solte denn aber / fragte Fürst Catumer / ein Wasser leichter als das andere / und zwar das leichtere das gesündeste seyn? An dem ersten /antwortete Rhemetalces / ist nicht zu zweiffeln; das Wasser des Boristhenes schwimmt im Flusse Hippanis seiner Leichtigkeit halber augenscheinlich oben; das Pangaische ist im Winter um ein dritte Theil schwerer als im Sommer. Und die Griechen / welche auff einer gewissen Wasser-Wage alle Wasser in Griechenland gewogen / haben das Wasser im Brunnen Pirene das leichteste zu seyn befunden. Es meinen zwar etliche / antwortete der Feldherr / daß weil das Eretrische gute / und das Amphiaratische böse Wasser einerley Schwere hätte / nicht das Gewichte / sondern diß das gewisseste Kennzeichen gesunden Wassers sey / wenn selbtes geschwinde warm / und bald wieder kalt würde / oder im Winter lau / im Sommer Eiß-kalt wäre. Aber die meisten prüfften seine Güte aus der Leichtigkeit / als einem Merckmale / daß es keinen irrdischen Beysatz habe. Daher denn das Flüßwasser denen Brunnen / fürnehmlich aber den felsichten Qvellen vorzuziehen wäre. Unter den Flüssen aber verdienten den Preiß / welche / wie unsere gesunde Donau / von Abend gegen Morgen lauffen / weil diese die Sonne für andern herrlich läuterte und leichter machte. Ja / sagte Rhemetalces / deßhalben lassen die Könige in Thracien ihr Thrinckwasser aus dem Ister bringen. Alleine die von Mittag gegen Mitternacht lauffenden Flüsse haben eben so gesund- oder noch gesünder Wasser. Weßwegen die Egyptier ihr leichtes / und nur halb so viel Feuer als andere / zu seiner Abkochung dörffendendes Nilwasser für das gesündeste in der Welt / und welches so gar unfruchtbare Frauen fruchtbar / und ihre Leibes-Früchte stärcker machte /halten / diesen Strom ihren Goldfluß / ihren Jupiter heissen / und göttlich verehren. Daher schickte Ptolomeus Philadelphus seiner dem Antiochus verheyratheten Tochter Berenice das Nil-Wasser stets in Assyrien mit grossen Unkosten zu. Zeno versetzte: die Persier halten gleichwol das Wasser ihres Flusses Choraspes bey Susa noch viel leichter und besser / welches nicht nur der König alldar trincket / sondern auch abgekocht auf seine ferneste Reisen in silbernen Gefässen auff Maul-Thieren mit sich führen läst. Hertzog Malovend brach ein: Er hätte sich berichten lassen / daß die Persischen Könige ihr grünes Wasser / welches nur sie und ihre ältesten Söhne trincken dörfften / aus Brunnen schöpfften. Zeno antwortete: Es könte beydes wol beysammen stehen / und würden diese wollüstige Könige ihr Geträncke zweiffelsfrey nicht seltener / als ihr Hof-Lager verändert haben; indem sie zu Susa den Winter / zu Eebatena den Sommer / zu Persepolis den Herbst / [584] und zu Babylon den Frühling hingebracht. Die Indianischen Könige aber trincken beständig das Ganges-Wasser / dessen ieder Becher eine Untze leichter seyn solte als alle andere Wasser der Welt. Allein ich habe doch hernach bey den Serern / (welche meines Erachtens die dinnschälichsten Zungen Wasser zu kosten haben / und nicht leicht aus einem Brunnen trincken / ehe sie das Wasser auff einer künstlichen Wage abgewogen /) in der Landschafft Xensi zwey Flüsse Jo und Kiemo angetroffen /welche wegen Leichtigkeit keine Spreu oder Holtz /weniger einiges Schiff tragen. Welche Umstände mich bereden / daß in selbten das leichste Wasser der Welt sey. Ich möchte wissen / sagte der Feldherr: Ob biß schwerer oder leichter sey / welches unsere Friesen in dem Mittags-Theile der Atlantischen Insel über dem Andischen Gebürge angetroffen / und auff der Wage viel leichter / im Geschmacke viel köstlicher / und zweiffelsfrey viel gesünder / als das Nil / das Choraspes / und Ganges-Wasser befunden haben.

Ich will / sagte Zeno / weder mit den Friesen / noch mit sonst iemanden wegen ihres Geschmacks einen Rechts-Streit anfangen / wormit wir nicht jenen Philoxenus / der ihm zu dieser Prüfung eines Geyers Kehle / und eines Kranchens Hals wünschte / oder die wegen ihrer scharffen / und zum Theil drey gespitzten Zunge alle andere Thiere am Geschmack übertreffende Schlangen zu unserm Schieds-Richter zu erkiesen gezwungen werden. Dem Jupiter aber kan schwerlich sein Nectar besser schmecken / als mir das Wasser des Caucasus / dessen Süßigkeit mich wieder zu dem Fürsten Oropastes / und der Syrmanis zu kehren reitzet; ungeachtet wir hier hundert mahl köstlicher / als auff dem Caucasus / oder auch Apicius bey seinen Kamel-Füssen / Hüner-Kämmen / Pfauen- und Nachtigal-Zungen gessen haben / und dieser edle Wein mit allen in der Welt um den Vorzug kämpffen kan; Hin gegen uns dort die von dem Priester genossene Kost bald ziemlich versaltzen ward. Der Feldherr danckte für die Willfärigkeit des Fürsten Zeno / entschuldigte / daß ihr Wasser-Gespräche Ursache gewest wäre /daß sie weder satt gessen / noch auch getruncken hätten. Weil aber die allermäßigsten Griechen bey ihren Mahlzeiten ein Glaß voll Wein den Gratien / das andere der Venus / das dritte dem Dionysius / und zum Beschlusse noch wohl das vierdte dem Mercur zu ehren; Die Asiater aber das erste zur Gesundheit / das zweyte zur Wollust / und endlich eins zum Schlaffe /oder den sie versorgenden Göttern zuzutrincken pflegten; möchten sie doch ihnen ein wenig wohl seyn lassen / und durch allzu strenge Mäßigkeit seiner Sparsamkeit keinen Vorruck thun. Alle anwesende / ausser der seiner Wunden halber für sich selbst entschuldigte Zeno / trancken ein Glaß auff gutes Glücke des Feldherrn aus; welcher hiermit die Taffel auffheben hieß. Erato aber verwunderte sich über dem entdeckten Tischblate / welches von wellichtem Flaser-Holtze war / und mit seinen Augen zugleich einen Pfauen-Schwantz fürbildete. Daher rieff sie: wie die seltzame Panther-Taffel in Deutschland kommen wäre? Der Feldherr antwortete ihr lächlende: Aus dem nächsten von Orlen-Bäumen gar reichen Walde / aus derer Stämmen oder Wurtzeln derogleichen Flasern Brete häuffig geschnitten würden. Rhemetalces fing an: Ich selbst hätte diß für außerlesenes Zeder- oder Zitronen-Holtz angesehen; ja ich muß auffrichtig gestehen /daß dieses Blat die zwey zu Rom für unschätzbar gehaltene Taffeln beschämet / derer iede König Juba für 15000. Sestertier verkaufft. Noch weniger reichen ihm die zwey kostbaren Taffeln des Käysers / die er aus des Cicero Erbschafft / und vom Asinius Gallus bekommen / das Wasser. Es ist wahr / sagte Zeno: auch die Heilffenbeinern Taffeln der Indianer wären hier der Zierde halber in keine Gleichheit zu ziehen. Thußnelda warff ein: Aber jene sind nicht / wie unsere / der Fäulniß [585] unterworffen. Zeno versetzte: Ich glaube / daß diese beständiger als jene sind; weil das Helffenbein mit der Zeit gelbe wird. Alleine welchem irrdischen Dinge lässet sich mit Bestand einige Beständigkeit / ausser in dem Unbestande / zueignen? Würmer und Fäulnis sind nicht nur Werckzeuge der Eitelkeit / und Scharffrichter der alles fressenden Jahre. Was kein Holtz-Wurm ausfressen / keine Feuchtigkeit verfäulen kan / wird durch Sturmwinde zerdrümmert / durch Blitz eingeäschert / durch Erdbeben zernichtet. Die Brunnen vertrocknen / die Steine werden zu Staube / und gantze Gebürge werden über einen Hauffen geworffen: wie mir der grosse Caucasus ein grausames Schauspiel für Augen gestellet hat. Denn nachdem wir bey unserm wohlthätigen Priester des Prometheus die Nacht über wohl ausgeruhet hatten / nahmen wir früh Abschied / gingen durch ein steinichtes Thal / stiegen hierauff einen andern gähen Berg hinauff / in willens daselbst eine Höle zu beschauen / in welcher Hercules / und seine nach Colchis gereisete Gefärthen ihre Gedächtnisse verlassen haben sollen. Wir waren noch nicht gar auff der Spitze / als der Fels unter uns zu beben / und der gantze Berg gleichsam wie eine hängende Wagschale hin und wieder zu wancken anfing. Der Himmel war helle und heiter; die uns rings umher umgebende Berge aber speyten mit grossem Gekrache Blitz und Flammen aus. Der höchste Gipffel des Caucasus brach entzwey / und überschüttete mit seinem Grause die darbey liegenden Thäler; mit dem Rauche aber / den er aus seinem itzt auffgespaltenen Rachen ausstieß / verfinsterte er das weite Gewölbe des Himmels / und die durchdringenden Strahlen der Sonne. Der Tempel des Prometheus fiel mit seinem felsichten Fusse in das Thal herab / durch welches wir erst gegangen waren; also daß das grosse Welt-Gebäue sich nunmehr in sein Nichts zu verwandeln schien. Ich stelle zu iedes Nachdencken / wie wir gezittert / da die Klippen zitterten / und wir die Berge zerbersten / die Steine zerschmeltzen sahen. Unser Antlitz erblaßte / die Zunge verstummte / das Hertze schlug / als wenn es sich aus dem in so grosser Lebensgefahr schwebenden Leibe reißen wolte / und unsere Beine waren nicht mehr starck genug uns auff den Füssen zu erhalten; daher wir auff den Erdbodem fielen / und unter der Furcht /daß wir von denen einfallenden Gebürgen bald in dem Abgrunde der Erden würden begraben werden / aller Sinnen beraubet wurden. Ich weiß nicht zu sagen /wie lange wir in dieser Ohnmacht gelegen / oder wie lange der Lauff unsers Lebens allhier gehemmet gewest. Gleichwohl kriegte ich zum ersten meine Siñen wieder / und raffte mich aus dieser Asche / darmit wir inzwischen gantz waren bedeckt worden / wieder auff; Oropastes aber und Syrmanis blieben noch gantz für todt liegen. Weil ich nun den Göttern für Erhaltung meines Lebens nicht besser als durch hülffbare Beyspringung und Liebe gegen meinen Geferthen zu dancken wuste / eilte ich einer unferne von dem Berge abschüssenden Bach zu / schöpffte daselbst in meine Hände Wasser / brachte auch endlich durch Kühl- und Reibung zuwege / daß anfangs Oropastes / und hernach die Fürstin Syrmanis wieder zu sich selbst kamen; wiewohl sie eine lange Weile kein Wort reden konten. Endlich sprachen wir einander wieder ein Hertze zu / fielen auf unsere Antlitzer / um unsern Schutz-Göttern Danck zu sagen / und für fernere Beschirmung andächtig anzuruffen. Wir verwunderten uns hierauff über der seltzamen Veränderung der gantzen Gegend / welche wir nicht gekennt / sondern uns vielmehr in ein ander Land versetzt zu seyn gemeinet hätten / wenn nicht wir die Stücke von dem herab gestürtzten Promethischen Tempel erkennet hätten. Weil denn der Berg / darauff wir waren / auff der Seite /dahin wir wolten / auch abgespalten und unwegbar worden war / kehrten wir / theils aus Noth / theils aus Vorwitz / den Graus des herrlichen Tempels [586] zu beschauen / wieder in das Thal / fanden aber alles denckwürdige entweder in Staub verwandelt oder unter die Klippen vergraben; Ausser des Prometheus Leichenstein / den wir doch im Tempel nie wahr genommen hatten / lag an einen Stein angelehnet / dessen oberste Seite uns mit seiner Schrifft benachrichtigte / wo er herkommen wäre. Denn es war darauff zu lesen:


Prometheus nicht / sein Staub liegt nur in dieser H \le;

Sein lebend Leib war schon in dieses Berges Klufft

Versperrt; die Sternen warn die Wohnung seiner Seele.

So war er halb gebohrn dem Himmel / halb der Grufft.


Auff der andern und inwendigen Seite war eingegraben:


Schilt nicht / o kleine Welt / auff Untergang und 's Grab;
Dein Talg ist ja nur Staub / dein Grund ein Th \nern Fuß
Auch stůrmst du auff dich selbst / vergiebst durch Uberfluß
Gesunder Speisen dir; frist's Hertze dir selbst ab
Durch Ehrsucht / Rache / Geitz. Dein långster Måßestab
Hålt dreyzehn Spannen kaum; da der Verhångniß- Schluß
Der grossen Welt nicht schont / wenn auch's Gestirne muß
Verschwinden / das der Nacht so Licht als Leben gab.
Die Sonn' ist selbst nicht frey von Fleck und Eitelkeit /
Der Himmel schrumpffet ein / wird ein vermodernd Kleid /
Der Sternen Oel versengt / die Tempel stehn entweih't
Die Flůsse trocknen aus / der Berge Marck verstäubt.

Allhier war ein Stücke vom Steine abgebrochen /und also mangelte der Schluß dieser Reyme. Weil wir denn ohne diß wegen Mattigkeit uñ einbrechender Nacht allhier übernachten musten; grub ich mit einem daselbst befindlichen spitzigen und harten Steine folgende Worte darzu:


Die Gräber fall'n in's Grab. Was frißt nun nicht die Zeit?
Nun auch die Asche nicht uneingeäschert bleibt.

Ob wir nun wohl nach der mehr durch unruhige Träume / als durch sanfften Schlaff hingebrachte Nacht / nicht Ursache hatten / an diesem gefährlichen Orte viel Zeit zu verspielen; so weiß ich doch nicht: ob unsere Erbarmung über dieser Verwüstung / oder unser Vorwitz / welcher auch in denen Einäscherungen und in zermalmetem Grausse herrlicher Gebäu etwas schönes zu finden ihm eingebildet / uns noch einen halben Tag in Beschauung des zerdrümmerten Tempels aufhielt. Hierauff erinnerte uns die Begierde unsers Magens auf unsere Speise und hiermit auch auff Enderung unsers Ortes vorzusinnen. Dem erstern Vergnügung zu schaffen / fanden wir nichts / als etliche Wurtzeln. Dahero hätten wir uns gerne in das von uns verlassene Paradiß zurück gezogen / wenn uns das Erdbeben durch Abspaltung so vieler Stein-Klippen nicht alle Wege verschrenckt hätte. Die Fürstin Syrmanis kam in dieser Einöde wiederum die Liebe ihres Vaterlandes an / für welcher ihr so lange geeckelt hatte. Daher rieth der ihr beysti ende Oropastes /wir solten unsern Weg nach Nordwest einrichten / da wir entweder an die Bruñen des Flusses Hippus oder Agrus ko en würden / welche beyde in diesem Gebürge ihren Ursprung hätten / und durch das Land Colchis in das Euxinische Meer ihr Wasser ausschütteten. Wir befahlen unsern wenigen Bedienten an den Felsen hinauff zu klettern und zu erkundigen: Ob wir daselbst aus diesem steinernen Gefängniße einige Ausflucht finden könten? Aber nachdem sie mit eusserster Lebens-Gefahr sich verstiegen / wurden sie theils durch die Unmögligkeit ferner zu kommen genöthiget / theils durch unsere Zeichen verursachet mit noch grösserer Gefahr zurück zu kehren. Weil wir nun durch unsere eusserste und beynahe verzweiffelnde Mühwaltung nirgend anders / als Ostwerts aus dem Crantze dieser unsäglich hohen Berge endlich einen Weg selbte zu übersteigen fanden / musten wir hier nur den Leitungen der Natur / nicht unsers Willens folgen. Wir kamen den dritten Tag an eine ziemlich starcke Bach / welche gegen der Sonnen Aufgang von den Gebürgen abschoß. Dieser folgten wir / als unser Einbildung nach einer Wegweiserin zu dem Caspischen Meere / und dannenhero auch in eine von Menschen bewohnte Landschafft; Welche letztere wir auch nach zweyer Tage beschwerlicher Reyse erlangten / auff der uns gleichwohl etliche von unsern Pfeilen erlegte Gemsen zur Speise aushalffen. Daselbst nahmen wir wahr / wie diese Bach nebst etlichen andern [587] hieher zusa enlauffenden Flüssen von einer überaus hohen Tieffe mit schröcklichem Geräusche verschlungen wurden. Es grausete einem / wenn man in diesen Strudel sahe; die sonst einfältigen Einwohner aber versicherten uns / daß diese Tieffe ein Theil der unterirrdischen Höle wäre / durch welche das Caspische uñ schwartze Meer unsichtbar sich mit einander vereinbarten. Wir hielten diß zwar für einen Traum der einfältigen Iberier / bey denen wir uns nunmehr befanden; und glaubte ich dieser zweyen Meere Verbindung so wenig als vorhin / daß der Griechische Fluß Pyrrhus zu Syracusa in den Brunnen Arethusa /der Phrygische Fluß Meander in dem Peloponesischen Strome Asopus / der sich verschlingende Phrat in dem Flusse Nilus seinen Ausgang haben solte; wie wir aber gleichwohl mehr aus Schertz als Ernst nach dem Grunde dieser Meinung fragten / berichtete uns ein Eißgrauer Mann / daß man offtmahls in diesem Strudel eine gewisse Art Schilff / welches nur im Caspischen Meere wüchse / und eine gewisse Art Fische /die nur im schwartzen Meere sonst zu finden wären /finge. Uber diß hatte er in seiner Jugend auff seinen Reisen selbst angemercket / daß das Caspische Meer bey wehenden Westwinden sich hoch angeschwellet /hingegen das schwartze bey dem Ostwinde überaus hefftig sich beweget und gebrauset hätte. Welches keine andere Ursache seyn könte / als daß der ordentliche Ausfluß des Caspischen Meeres durch die Westwinde gehindert / durch die Ostwinde aber gewaltig befördert würde. Uberdiß nehme das Caspische rings um mit der Erde umfangenes Meer funffzehn Haupt-Flüsse ein / gleichwol aber lieffe es nicht über; also diese unbegreiffliche Menge Wasser sich ja irgends wohin verlieren müste. Endlich wäre ein unfehlbares Zeugniß dieser verborgenen Zusa enflüssung / daß für etlichen Jahren ein Fisch im Caspischen Meere wäre gefangen worden / an dessen Schwantze ein güldener Ring gehangen hätte / mit dieser Uberschrifft: Mithridates gab mir zu Sinope die Freyheit und dieses Geschencke. Der Feldherr fiel dem Fürsten Zeno in die Rede / meldende: Es wäre die Zusammenverbindung der Wasser eines von denen grösten Wundern der Welt / und glaubte er: daß wie in dem menschlichen Leibe keines der kleinesten Aederlein wäre / das nicht seinen richtigen Gang zum Hertzen hätte; also wäre auch in der Erdkugel kein Bruñ /keine Bach / keine See / die nicht an dem grossen Welt-Meere hinge / und daher müsten alle Flüsse / die nicht ins Meer sich ergiessen / sondern unter die Erde sich verschlingen / alle Meere und Seen / welche keine eusserliche Einfarth ins Meer hätten / durch unterirrdische Vereinbarung an selbtes verknüpfft seyn. Ja ihn habe sein Lehrmeister aus wichtigen Gründen beredet / daß das Caspische Meer nicht nur mit dem Schwartzen / sondern gar mit dem Persischen / das rothe mit dem Mittel-Meere / in ihrem Deutschlande die West- mit der Ost-See / und viel andere mit einander verborgene Gemeinschafft hätten. Zu Alexandria habe ihm auch ein Priester erzehlet / daß ein schöner Delphin / welchem Ptolemäus eine güldene Taffel mit seinem Namen angehenckt / und wieder ins rothe Meer versetzt / wenig Tage hernach bey dem Einflusse des Nils im Mittel-Meere gefangen worden wäre. Fürst Zeno pflichtete dem Feldherrn bey / und sagte: die Natur wäre freylich wohl der rechte Baumeister /die Kunst nur ein Pfuscher / oder ein Affe. Denn sie hätten unterweges noch die ohnmächtigsten Merckmahle derer von Selevcus Nicaner geführter tieffen Graben gesehen / in welchen er das Caspische und Euxinische Meer hätte zusammen leiten wollen. Nach dieser und der Einwohner Anleitung wären sie in Albanien zu dem Flusse Cyrus ko en / auff selbigem zu Schiffe hinunter gefahren / auf der lincken Seite die berühmte Stadt Cyropolis lassende / biß wo dieser Fluß in den Arares fällt / mit welchem er sich hernach durch einen Mund in das Caspische Meer stürtzet. Weil mir aber bedencklich war / allzu tieff in das Medische Gebiete uns [588] zu machen; reiseten wir Nord-Ostwerts zu Lande zu der berühmten Stadt Terebynth /welche der grosse Alexander an das Caspische Meer /und an das Ende des von dem Caspischen Gebürge sich dahin erstreckenden Armes / nebst noch einer Mauer über das Gebürge / vierhundert Stadien lang /wider die Amazonen und andere Nord-Völcker gebauet hat. Allhier wurden wir schlüssig über das Caspische Meer gegen dem Flusse Rha / der mit siebenzehn Strömen in selbiges Meer fällt / und auf selbtem biß dahin / wo er sich dem Tanais auf wenige Meilen nähert / alsdenn auf diesem Strome über die Meotische und das Euxinische Meer zum Boristhenes / oder Hippanis als des Fürsten Oropastes und seiner Schwester Syrmanis Vaterland zu schiffen. Wir segelten anfangs mit gutem Winde; des Nachts aber wurden wir von dem starcken hin und wieder schlagen des Schiffes erwecket / indem sich ein harter Nord-West-Wind erhob / welcher sich in weniger Zeit in den grausamsten Sturm-Wind verwandelte. Das brausende Meer hob uns mit seinen Wellen bald biß an die Wolcken empor / welche uns theils mit einer neuen See zu besäuffen / theils mit unaufhörlichem Blitze einzuäschern dräueten; bald stürtzte es unser Schiff in den abscheulichsten Abgrund / an welchem in wenigen Stunden der Mast abbrach / und zu unserm ärgsten Schrecken den umb die gemeine Wohlfarth äuserst bemühten und wohlerfahrnen Schiffer tödtete. Das Steuer-Ruder ging kurtz hierauf auch entzwey / die Ancker waren nicht zu gebrauchen / und die Boots-Knechte liessen aus Verzweifelung Hände und Muth sincken; zumal ohne diß nichts mehr auf dem Schiffe zu thun war / als daß wir das darein spritzende Wasser ausplumpeten / und hin und wieder die Fugen der Schiffs-Taffeln verstopften. Kein Mensch war zu sagen auf dem Schiffe / welcher noch einige Hoffnung des Lebens übrig behielt; ja ihrer viel wüntschten nur einen geschwinden Untergang / umb sich nur der mehr empfindlichen Todes-Furcht zu entbrechen / welche allemal empfindlicher ist / als der Tod selbst. Ja die Fürstin Syrmanis selbst brach nach zweyer Tage Ungewißheit: Ob wir lebendig oder todt wären / die Gedult aus / daß sie sich übers Verhängnüß beschwerete: Warumb sie die zornigen Götter nicht lieber durch Erdbeben unter den Promethischen Tempel begraben hätten / als daß der Schlag iedweder Welle ihr den Tod nicht anders als eine Schlag-Uhr die Zeit andeutete? Ich redete ihr also ein: Sie möchte doch ihr Klagen mässigen / um durch Ungeduld den gerechten Zorn der Götter nicht mehr zu erheben. Diese müsten durch derogleichen Sterbens-Glocken uns zuweilen unserer Sterbligkeit erinnern / weil wir auf die Anzeigung der von der Natur in unsere Brust gepflantzten Uhr so wenig Achtung gäben. Denn ieder Schlag unsers Hertzens deutete uns nicht weniger / als die wütenden Wellen die Näherung unsers Endes an. Jedwedes Athemholen solte nichts minder als der uns schreckende Donner in Ohren klingen / und uns zum Schiffbruche zubereiten. Welche Vorbereitung bey den Sterblichen alle Augenblicke fertig seyn solte /weil unser Hertz und Lunge ein Compaß ohne Nadel /und eine Uhr ohne Weiser wäre / nachdem wir weder Ort noch Zeit unsers Ablebens vorsehen könten. Wer aber derogestalt bereitet wäre / und durch die Tugend sein Gewissen beruhigt hätte / der schwebete mit lachendem Munde zwischen Donner und Sturmwind; er blickte mit einerley Gebehrdung den Rachen des Abgrunds und den Hafen des Lebens an; er zwinckerte mit keinem Augenliede für dem Tode / und er veränderte nicht einst die Farbe für dem Hencker. Fürst Oropastes sti te meinen Tröstungen mehrmals bey /und Syrmanis entbrach sich ja zuweilen ihrer Traurigkeit; aber die Länge der Gefahr / und die Schwachheit ihres Geschlechtes rieß ihr bey Zeite wieder ihre Wunden auf. Sie hätte wohl / sagte sie / ehemals mit unverwendetem Aug-Apfel dem Tode [589] das blaue in Augen gesehen; aber diß wäre ja allzu schrecklich /wenn man weder sterben / noch genesen könte; wenn der Tod uns als ein Gespenste vor dem Gesichte herumb irrete / das Leben aber durch blasse Furcht uns beunruhigte. Dieses wäre das grausamste aller schrecklichen Dinge / und ein unvermeidliches Fallbret der beständigsten Gemüther. Oropastes versetzte ihr: Die schon einmalige Beunruhigung ihres Gemüthes ziehe so viel Dünste niedriger Einbildungen empor. Der kläreste Brunn würde durch wenigste Aufrührung / das edelste Gemüthe durch geringe Ungedult trübe; und / wie ein Quell sich durch nichts besser / als wenn man selbtes in Ruh liesse / ausklärete; also besänftigten sich Zorn / Furcht / und andere trübe Gemüths-Regungen nicht besser / als mit der Zeit von sich selbst. Die Gedult wäre eine Mutter der Hoffnung / diese der Klugheit. Ein Kluger aber siegete über alles / und er machte sich zum Meister über Wellen und Sterne. Biß in fünften Tag währete dieser elende Zustand / als sich der Sturm nach und nach legte / uns aber noch zur Zeit schlechte Hoffnung unserer Erlösung machte / nachdem wir des Mastes und des Steuer-Ruders beraubt / und also in der blossen Willkühr dieses ungütigen Meeres lebten. Ob wir uns nun derogestalt als ein aller Spann-Adern beraubter Leib weder mit Segel noch Rudern forthelffen konten; so vermerckten wir doch aus dem hin- und wieder schwimmenden See-Schiffe / daß unser Schiff durch den noch strengen Nord-West-Wind starck fortgetrieben ward. Nach vier Tagen erblickten wir von ferne ein Gebürge / iedoch unter zweifelhafter Beysorge: Ob es nicht Wolcken wären / biß wir nach der zwischen dem Angel der Furcht und Hoffnung bingelegter Nacht uns nahe am Ufer sahen / kurtz aber darauf mit unserm Schiffe am Boden feste zu stehen kamen; welches denn auch alsofort von den Wellen zerstossen ward / und sanck / also / daß ein ieder nunmehr mit Schwimmen sich zu retten gezwungen ward. Oropastes und ich / hätten leicht ans Ufer kommen können /wenn die Vorsorge für die zwar sonst des Schwimmens wohl erfahrne / aber durch bißherigen Sturm und Kummer gantz abgemattete Fürstin Syrmanis zurück gehalten hätte; welche / ungeachtet unserer Hülffe / so viel Wassers eintranck / daß wir sie für todt ans Ufer / und durch viel Müh kaum wieder zum Athem-holen brachten. Wir hatten uns bey einem gemachten Feuer kaum ein wenig abgetrocknet und gewärmet / als wir einen Schwarm Reiter mit verhencktem Zügel dem Rauche nach auf uns zurennen sahen; Weil wir nicht wusten / an welchem Ende der Welt wir wären / konten wir auch von diesen Leuten nichts urtheilen. Ihre Kleidung aber verrieth sie also fort /daß sie Nomades / ein Scythisch Volck waren. Diese rechtfertigten uns alsofort anfangs in ihrer / hernach in der etwas veränderten Parthischen Sprache / wer wir wären / und wie wir dahin kommen? Wie sie nun unsern Schiffbruch / und daß wir Armenier wären /(denn hierfür hielte ich rathsam / uns auszugeben /weil die Scythen der von ihnen ausgetriebenen Parthen / diese aber der Armenier gleichsam angebohrne Feinde sind /) verwandelte sich die ihnen von uns zugedachte Raubsucht in Mitleiden. Dahero verständigten sie uns / daß wir in der Landschafft Sogdiana /zwischẽ dem Flusse Oxus und Japartes / nicht ferne von der Stadt Zahaspa uns befindeten. Dieses Land hätte für Alexandern nebst denẽ auf der linckẽ Hand des Flusses Oxus gelegenẽ Bactrianern Oxyartes beherrschet / dessen Tochter Roxanen Alexander geehlichet. Nach Alexanders Tode hätte sich Theodotus über tausend Bactrianische Städte / und über alles /was zwischen dem Oxus und Jaxartes lieget / zum Könige aufgeworffen. Diesem hätte sein Sohn gleichen Nahmens / und endlich Encratides gefolget /welcher letzte wider den Indianischen König Demetrius unerhörte Tapferkeit ausgeübet / indem er 60000. Feinde / welche ihn [590] in der Festung Maracande 5. Monat belägert / mit 300. Reitern zernichtet / hernach sich Indiens biß an Ganges gar bemächtiget hätte. Wie aber des Encradites Sohn und Reichs-Geferte Zariaspes die Unterthanen allzu harte gehalten /wären die Sogdianer von ihm abgefallen / und als Zariaspes endlich gar seinen Vater ermordet / über seinen blutigen Leib / gleich als über einen besiegten Feind mit den Pferden gesprenget / und die Leiche zu begraben verboten / hätten die über dem Jaxarthes wohnenden Nomades / und Mithridates / der Parther König / das Bactrianische Reich unter einander getheilet / und den unferne von dar flüssenden Oxus zu ihrer Reichs-Gräntze gemacht. Itzo beherrschte dis Land der grosse König der sä tlichen Scythen / dessen Gebiete sich von dem Flusse Rha biß an das Reich des Königs Sophites / welcher sich dem grossen Alexander ohne Schwerdt-Streich unterworffen /erstreckete. Hierauf deutete uns der ansehlichste unter diesen Scythen an / daß wir ihnen zu ihrem von dar nicht weit entfernten Fürsten folgen müsten; wordurch die mit uns gestrandetẽ Gefärthen nicht wenig erschrecket wurden. Dieses nahm vorerwehnter Scythe wahr; daher redete er uns aufs freundlichste zu: Wir möchten kühnlich alle Furcht und Verdacht sincken lassen. Sie wüsten gar wohl / daß einige Ausländer sie nur für Halb-Menschen hielten / welche alle Frembdlinge schlachteten / sich mit ihrem gerösteten Fleische speiseten / und aus ihren Hirnschälen träncken. Alleine die Erfahrung würde ihnen die Scythen nicht nur als vollkommene Menschen / sondern auch als die gerechtestẽ unter allen Sterblichen fürbilden. Insonderheit solten sie nicht gläuben / daß man daselbst wider sie grausamer / als die ihrer verschonende wilde Wellen seyn würde. Wir kamen nach ein paar Stunden an den berühmten Strom Oxus / an dessen Ufer der Königliche Stadthalter über Sogdiana sein Zelt aufgeschlagen hatte. Dieser bewillko te uns mit freundlichen Geberden / und nachdem er unser Vaterland und Unfall verstanden / ließ er uns alsofort eine Trachtvoll Speisen / unter denen gesäuerte Pferde-Milch und gebratenes Cameel-Fleisch die köstlichsten Gerüchte waren / auftragen. Hierauf tranck er uns dreyen selbst eine Schale Wasser aus dem See Kia zu / woraus der Fluß Ganges entspringet / welches alle Grossen bey den Scythen holen lassen. Nach vielen erwiesenẽ Höfligkeiten sagte er uns: Weil der grosse König der Scythen Huhansien gegen die Seren einen mächtigen Zug für hätte / zu dem er bey dem Ursprunge des Flusses Ganges zu stossen befehlicht wäre /müsten wir zwar nach ihren Reichs-Gesetzen / welche alle streitbare Frembdlingen in Königs-Dienste nöthiget / dem Königlichen Heerlager folgen; er versicherte uns aber / daß der König / als ein Liebhaber der Ausländer / uns gnädig empfangen / und ehrlich verhalten werde. Als wir nun aus der Noth eine Tugend machen / und also unsere Freywilligkeit dem Zwange vorkommen muste / ließ er uns etliche schöne Pferde / und einen Vorrath Scythischer Waffen herzu bringen /wordurch wir uns nach eigener Wahl ausrüsteten. Wir reiseten also drey Tage harte an dem Ufer des Oxus /aber weil wir alles Wasser mit uns führen musten /nicht ohne grosse Beschwerligkeit / und derogestalt bey einem so grossen Strome in grosser Armuth des Wassers. Sintemal das in dem Flusse Oxus so schwer und so trübe / daß man von dessen offterẽ Genüß gefährlich erkrancket. Den vierdten Tag lenckten wir uns Nordwerts / und reiseten über eine sändichte Fläche / welche aber durch unzehlich viel aus dem Flusse Oxus abgeleitete Bäche / die seinen berühmten Strom so sehr vermindern / daß seine gäntzliche Versändung mit der Zeit zu besorgen / bewässert / auch sein sonst untrinckbares Wasser durch so vielen Sand mercklich geläutert und verbessert ward. Den siebenden Tag lendeten wir nicht ferne von dem Sogdianischẽ Steinfels an / welcher 30. Stadia hoch seyn soll / und eine unüberwindliche Festung auf sich hat / die Alexander durch Verrätherey erobert. Wir übernachteten [591] in der Stadt / oder / vielmehr in dem Steinhauffen der von Alexandern eingeäschertẽ Stadt Branchis; folgenden Tag aber erreichten wir die berühmte Stadt Buchara /bey welcher sich ein ander Sogdianischer Fürst mit 10000. Mann zu uns schlug. Nachdem wir einen Tag ausgeruhet / kamen wir nach dreytägiger Reise in der Sogdianischen Haupt-Stadt Samarcanda an dem Flusse Isarlo an. Allhier stieß die gantze Sogdianische in mehr als 100000. streitbaren Männern bestehende Macht zusammen / welche der Königliche Stadthalter musterte / hernach der Lebensmittel halber / die ohn dis großen theils auf Kamelen mitgeführet werden muste / wieder in drey Hauffen vertheilte / und gegen die Landschafft der Tacken ihren Zug einzurichten befehlichte. Wir reiseten wohl zwantzig Tage / biß wir nach Cascar unter das Gebürge Imaus kamen / welches sich von dem Mitternächtischen Welt-Meere an /bis an das Gebürge Paropamisis / welches die Macedonier / Alexandern zu Ehren / den Caucasus hiessen / und von dar biß über den Fluß Oxus / als ein Rückgrad / sich erstrecket / auch endlich in Bactriana mit dem Taurischen Gebürge sich verknüpfet. Allhier stieß das Heer wieder zusammen / als welches durch eine gefährliche Enge über das Gebürge / von welchem etliche hundert fehltretende Cameele und Pferde in die tieffsten Abgründe stürtzeten / ziehen muste. Wir brachten hierüber zehn Tage zu; iedoch nach dem das Heer an den Fluß Caradrus kam / auf welchem alles Heer-Geräthe zu Schiffe geführet werden konte /ward selbtes einer grossen Last entbürdet / und dadurch der Zug mercklich beschleuniget. Wo dieser Strom sich nun mit dem Ganges vereinbaret / traffen wir den König Huhansien an / welcher mit 200000. Scythen / darunter aber auch viel Sarmater und Deutsche waren / an dem Flusse Jaxarthes Strom- auf gezogen war. Dieser grosse König gab uns unter einem baumwöllenẽ Gezelt Gehöre. Auf dem Haupte hatte er statt einer Krone einen güldenen Wieder-Kopf /sein Kleid war ein purpurfärbichter Seidenrock / mit schwartzen Füchsen durchfüttert / die Sebel hatte allein einen güldenen Grieff und Beschläge mit Edelgesteinen versetzt. Denn die Scythen würdigen alleine zu den Waffen / zu keiner andern Uppigkeit dieses seltzame Ertzt. Nach dem er von uns ietzigen Zustand Asiens / und des Römischen Reiches erforschet / auch von uns die Erklärung vernommen hatte / daß wir unter seinen Fahnen fechten wolten / ordnete er uns einen reichlichen Unterhalt an allerhand Lebens-Mitteln / beschenckte uns mit seidenẽ Röcken / Sebeln und Bogen / und schwur bey dem Winde und seiner Sebel / daß er nach glücklich verrichtetem Feldzuge uns mit reichen Geschencken in Armenien liefern wolte. Er ließ noch selbige Nacht an einer Brücke über den Ganges arbeiten / welche zu unser Erstaunung folgendẽ Tag gegen Abend fertig war. Wo der Ganges / sagte Hertzog Arpus / so groß als unser Rhein ist / mag Käyser Julius sich verkriechen / dessen in zehn Tagen über unsern Strom geschlagene Brücke die Römer für ein halbes Wunderwerck halten. In alle Wege / antwortete Zeno. Denn der Ganges ist / wo er am schmälesten / 100. Stadien breit / und an diesem Orte stärcker als der Nil / und der Ister zusa en. Daher er des Huhansiẽ Brückẽ-Bau für etwas wichtigers / als Darius über den Thracischen Bosphorus / und des Xerxes hielte / welcher sich dem Neptun Fessel angelegt zu habẽ gerühmet / weil er über den Hellespont eine Schiffbrücke geschlagen; für Alexanders gegen der Stadt Tyrus gebautem Tamme hätte sich zwar das Meer entsetzt / und Neptun seine Wallfische darwider ausgerüstet; aber es wäre ein Werck von 7. Monaten gewest. Des Pyrrhus und Varro Vorhaben von Apollonia aus Griechenland nach Hydrunt in Italien / über das Adriatische Meer einen Weg zu bähnen / wäre in den ersten Knospen der Einbildung ersticket. Lucullus hätte zwar die auf dem Lande abgetragene Berge in die See gesenckt / und Lusthäuser drauf gesetzt; oder vielmehr aus dem Meere Land /und [592] aus dem Lande Meer gemacht / also den Nahmen des langröckichten Xerxes beko en; aber auch diese Verschwendung wäre weder dem Nutzen / noch der Geschwindigkeit halber mit Huhansiens Wercke zu vergleichen / welcher gleichwol acht Tage mit Ubersetzung des Heeres theils auf Schiffen / theils über die Brücke zu thun hatte. Wiewol noch ein absonderes Heer von denen dem Huhansien biß an das Nord-Meer unterthänigen Scythen gegen die Serer anzog. Wir setzten hierauf über das Gebürge des Paropamisus unsere Reise schleunigst fort / und kamen nach zwey Monaten qver über die lange Sandwüsteney Lop nicht ferne von der Serischen Gräntze an. Wir konten in dieser Einöde / welche weder Wasser / Laub noch Graß hat / sondern hin und her nur etliche stachlichte Kräuter und Hecken zeuget / uns über die Härtigkeit der Menschen und des Viehes nicht genungsam verwundern. Das mitgeführte Wasser reichte kaum für das Kriegesvolck / also musten Pferde und Kamele ungetränckt sich mit den dürren Kräutern / die Scythen aber sich mit dem Pferde-Blute vergnügen / welches sie aussogen / wenn die Natur von sich selbst /oder sie ihren zu sehr erhitzten Pferden zur Ader liessen. Hertzog Rhemetalces fiel ein: Die in dieser Wüsten reisenden solten billich die Eigenschafft jenes Griechen von Argos haben / den sein Lebtage nie dürstete / auf der weiten Reise zu dem Ammonischen Jupiter nur faltzichte Speisen aß / und gar nicht / ja auch sonst sehr selten tranck. Zeno setzte bey: Casyrta Lasionius würde sich ebenfals gar wol zu uns geschicket haben / welcher in dreißig Tagen nichts tranck / auch nichts feuchtes aß; gleichwol aber Wasser von sich ließ. Es wäre beydes viel / sagte der Feldherr / und dünckt mich / es haben die Griechen beydes nichts minder / als die Hyperborier vergrössert / welche ihren Abaris niemals haben wollen essen oder trincken sehen. Die Natur wäre zwar mit wenigem vergnügt; Aber der Mensch könte so wenig als ein Cameleon / der gemeinen Sage nach / von der Lufft /noch von den Sonnenstrahlen leben. Sintemal die Erfahrung diesen Irrthum verrathen / und gezeigt hätte /daß diß Thier Würmer und Fliegen verzehrte. Zeno fuhr fort: Wir überstanden durch der obersten Befehlhaber kluge Vorsicht / und sparsame Austheilung der Lebens-Mittel gleichwol diesen beschwerlichen Weg /ohne sonderbaren Verlust / an Menschen oder Vieh. Wiewol auch die Serer zwischen dieser Wüsten und ihren Gräntzen alles versängt / verheeret / und die Scythen verjagt hatten / so hatten diese doch ihren meisten Vorrath unter die Erde vergraben / und sich in die Gebürge verstecket / welche nunmehr herfür rückten / und diesem Heere überflüßige Lebens-Mittel entgegen brachten. Der König schlug sein Läger an die zwey Seen / durch welche der berühmte Saffran-Fluß fleust / stellte es daselbst in zwey Schlacht-Ordnungen; und es musten beyde Heere zu Bezeugung ihrer Tapfferkeit / und wie sie sich nunmehro bald gegen ihre Feinde verhalten wolten / durch ein blindes Treffen andeuten. Also musten auch wir unsere Krieges-Ubungen schauen lassen / welche den König derogestalt vergnügten / daß er iedem unter uns tausend Nomadische Scythen von seiner Leibwache untergab. Jedoch hatte Huhansien bey unserem Gefechte von der Syrmanis eine Muthmassung gefast / daß sie nicht männ- sondern weiblichen Geschlechtes wäre; daher er nach und nach so viel mehr auf ihre Leibesgestalt und Gebehrden Achtung gab / und endlich mich zur Rede setzte: warum wir für ihm ihr Geschlechte verbergen wolten? Also solte ich ihm gerade zusagẽ /wer sie wäre. Ich erschrack über dieser unvermutheten Ansprache; wuste also nichts anders in der Eil zu sagen / als daß sie Oropastens Schwester wäre / welche aus Anreitzung der Tugend / die Welt zu beschauen / und sich durch tapffere Thaten berühmt zu machen sich ihnen zugesellet hätte. Huhansien fragte mich etliche mal: Ob er auf meine Erzehlung trauen[593] dörffte? mit der Erinnerung / daß die Unwahrheit in eines Sclaven Munde eine Schande / in eines Edelmannes eine unausleschliche Un-Ehre / bey den Scythen aber ein sterbens-würdiges Laster wäre. Als ich ihm nun selbtes betheuerte / Oropastes es auch nicht allein mit seinen Worten / sondern fürnehmlich mit scheinbarer Ehrligkeit bestätigte; Ließ er die Syrmanis für sich kommen / erzeigte selbter überaus grosse Ehrerbietung / verordnete ihr eine Fürstliche Bedienung zu. Wir selbst kamen hierdurch in grösseres Ansehen / ob wir uns gleich nur für Edelleute ausgaben /auch die Ursache so grosser Gnaden nicht ergründen konten. Alleine die Liebe hat die Aehnligkeit des Himmels. Dieser ist ein versiegeltes Buch für allen Geistern; tausend Weisen haben mit ihren Fern-Gläsern die Heimligkeit ihres Wesens noch nicht zu erforschen vermocht. Unterdessen leuchtet doch seine Annehmligkeit in aller Augen. Nicht anders war es mit der Liebe des Scythischen Königs beschaffen. Er mühte sich seine Neigung gegen der Syrmanis so sehr zu verbergen / als die Beschaffenheit der Liebe an ihr selbst unbekandt ist. Gleichwol aber verhüllete ihr Band nur seine / nicht aber unsere Augen. Denn wir wurden bey Zeiten / Syrmanis aber noch zeitlicher inner / daß Huhansien ein Auge auf sie hatte. Seine Höfligkeit verwandelte sich in wenig Tagen in Liebkosung / und nach und nach in eine inbrünstige Liebe. Denn ob zwar diese die Flüchtigkeit und Empfindligkeit der Liebe in sich hat / und ihre Mutter die Gewogenheit wie die Regenbogen in einem Augenblicke gezeuget wird / so unterwerffen sie doch alle kluge Leute der Berathschlagung / und eröffnen ihr allererst die Pforte des Hertzens nach einem vernünfftigen Urthel. Die Schönheit der Syrmanis legte hierzu zwar den ersten Grundstein; aber ihre Tugend machte es vollends aus / und den König Huhansien zu einem Gefangenen / als seine Gedancken mit Uberwindung des Serischen Reiches schwanger giengen. Weil aber nur die thumme Liebe ein verführisches Irrlicht; die vernünfftige aber ein Leitstern zur Tugend / und insonderheit ein Wetzstein zur Tapfferkeit ist; vergaß Huhansien nicht der Waffen. Denn dieser großmüthige Fürst meinte / daß die Uberwindung der Seren ein Werckzeug seyn würde / auch der tugendhafften Syrmanis Hertze zu gewinnen. Der König ließ hiermit sein Heer über das Damasische Gebürge fortrücken /welches zu aller Verwunderung schlecht besetzet war / und wir kamen fast ohne Schwerdschlag in das Königreich Suchuen. Von diesem erzehlte mir ein Scythischer Fürst / daß nach dem Könige Sophites / welcher sich dem grossen Alexander ergeben hätte / seine Nachkommen selbtes beherrschet / iedoch allezeit die Scythischen Könige für ihre Schutzherren erkennet hätten. Für ungefehr zwey hundert und viertzig Jahren aber hätte der großmächtige König der Serer / der das Geschlechte Tschina auf den Königlichen Stul erhoben / und sein grosses Reich mit diesen Nahmen genennt / aus angebohrner Feindschafft gegen die Scythen (als welche schon für zwey tausend drey hundert Jahren unter dem glückseligen / in iedem Auge zwey Aug-Aepffel habenden Könige Xunus in das Hertze des Serischen Reiches eingebrochen wären) die damals darinnen herrschenden Fürsten Pa und Cho vertrieben / und solches Volck / welches aber noch immer nach der viel gerechtern Herrschafft der Scythen seufzete / bezwungen. Ich ward durch diese Erzehlung überaus begierig von der Beschaffenheit des Serischen Reiches / und der Ursache itzigen Krieges mehrern Grund zu erfahren. Daher dieser leutselige Fürst mir auf mein Ansuchen erzehlte: Es wären schon bey nahe 3000. Jahr / als Fohius / der erste König / oder Himmels-Sohn (diesen Nahmen gäben sie ihren Beherrschern) das Serische Reich gestifftet /und mit heilsamen Gesetzen versehen / [594] also verdient hätte / daß die Serer ihm keinen sterblichen Vater zueigneten / sondern fürgäben: Es wäre seine Mutter /als sie im Lande Xensi in einen grossen Fußstapffen getreten / von einem Regenbogen geschwängert worden; Gleich als ein gütiger Fürst dem Leibe nach zwar von einem Menschen / dem Gemüthe nach aber vom Himmel / als auf dessen Lauff er sich auch überaus wol verstanden hätte / seinen Uhrsprung gehabt haben müste. Nach ihm hätten die Serer einen andern erwehlet / welcher wegen erfundenen Ackerbaues und ausgeforschter Eigenschafften aller Kräuter / Ximumgi oder der geistliche Ackersmann genennet / von seinem untreuen Unter-Könige Hoangti aber nach hundert und viertzig jähriger gütigster Herrschafft getödtet worden wäre. Ob nun wohl Hoangti derogestalt durch Mord und Gewalt sich auf den Königlichen Stul gedrungen / so hätte er doch hernach zu einem wunderwürdigen Beyspiele gewiesen / daß auch eine durch Laster erworbene Herrschafft mit Tugend und Sittsamkeit behalten werden könte. Denn er hätte Maaß /Gewichte / die Königlichen Kleinode / aus Anschauung der Blumen die Mahler- und Färbe-Kunst / das Schnitzwerck / die Töpffer-Arbeit / die Müntze / die Sing- und Rechen-Kunst / die Sinesische sechzig jährige Kreiß-Rechnung und Kriegs-Ubungen erfunden; sich in blau und gelbe / als die Farben des Himmels und der Erde / gekleidet. Dieses alles / noch mehr aber die Liebe seines Volckes / hätte die Flecken seines schlimmen Anfangs mit Golde überstrichen / die Gemüther der Unterthanen ihm verknüpfft / und verursacht / daß sie ihnen zu denen Unsterblichen lebendig versetzt zu seyn gläubten / und zu seinem unvergeßlichen Ruhme alle Könige seinen Nahmen Hoangti / wie des Arsaces alle Persische / und des Ptolemäus alle Egyptische führten. Diesem wäre gefolget sein Sohn der friedsame Xaohavus / dessen glückliche Herrschafft die Erscheinung des seltzamen Sonnen-Vogels angedeutet / er auch deßhalben der Weisen Kleider mit darauf gestückten Vögeln / der Kriegsleute mit Löwen und Tigern zu bezeichnen / und derogestalt alle Würden und Stände sichtbarlich zu unterscheiden verordnet hätte. Wie aber keine Rose ohne Dornern / kein groß Gestirne ohne Flecken / und kein schöner Leib ohne Mahl wäre; also hätte diese reine Herrschafft der Zauberer Kienli mit erschreckenden Nachtgespenstern und Abgötterey besudelt. Von welcher aber der folgende König Chuenhious / des Hoangti Brudern Sohn / das Reich wieder gesaubert / die Reichs-Stände nach dem Beyspiele zu seiner Zeit vereinbaret-gewester fünf Irrsterne mit einander in Eintracht versetzt / und theils zu Befestigung der Königlichen Hohheit / theils zu Verhütung einschleichenden Aberglaubens ein Gesetze gemacht hätte / daß niemand als der König dem obersten Himmels-Könige opffern dörffte. Der sechste König wäre gewesen sein Vetter Cous / der Vater des unvergleichlichen Yaus /welcher im vierdten Monden / als seine Mutter kurtz vorher im Traum einen rothen Drachen das Zeichen grossen Glücks gesehen / wäre gebohren worden. Dieser heilige Fürst hätte als ein kluger Stern-verständiger die Jahr-Rechnung verbessert / einen sechsfachen hohen Reichs-Rath gestifftet / das Gespinste der Seidenwürmer / und die Weberey aufbracht / die ersäufften Länder getrocknet / zu der Sinesischen Weltweißheit den ersten Stein gelegt / durch seine Frömmigkeit aller von der zehn Tage nie untergehenden und also alles versengenden Sonne entstehenden Noth abgeholffen; ja auf Einrathen seines getreuen / und die Königliche Würde selbst verschmähenden Dieners Sungous den tugendhafften Ackersmann Xunus / seinen eigenen ob schon wolgerathenen Söhnen fürgesetzt / und ihn anfangs zum Gefärthen im Reich angenommen / hernach zu seinem Stul-Erben verlassen. Hertzog Herrmann brach hier ein: [595] Jenes wäre ein Beweiß / daß ein Weiser auch die Sternen bemeisterte; dieses aber so ein herrliches Beyspiel / daß es alles Gewichte des Ruhmes überwiege. Denn da ein Fürst keine nützlichere Sorge fürkehren könte / als sich um einen tauglichen Nachfolger bekümmern; so wäre diß eine unvergleichliche Wolthat / wenn man selbten nicht aus seinem Geschlechte / sondern nach der Nothdurfft des Reiches erkiesete. Es sey ein blosser Zufall ein gebohrner Fürst seyn / die Geburt ersetzte den Mangel der Tugend nicht; die Wahl aber eines Fürsten hätte diesen unvergleichlichen Fürzug / daß sie keinen / als einen tauglichen auff den Stul heben könne. Es ist beydes freylich wahr / sagte Zeno. Insonderheit haben kluge und fromme Fürsten gleichsam eine Botmäßigkeit selbst über den Himmel. Und rühmten die Serer von ihrem Könige Tangus dem Uhrheber des Stammes Xanga; daß als es sieben Jahr nie geregnet / und die Wahrsager angedeutet hätten /daß durch eines Menschen Gebete und Tod der Himmel versohnet werden müste / dieser Vater des Reichs sich zum gemeinen Opffer angeboten / aber durch seine Andacht einen fruchtbaren Regen erbeten hätte. Gleichergestalt wäre der Irrstern Mars durch des Königs Caus Andacht drey Himmel-Staffeln weit zurück getrieben worden: wormit er nicht das himmlische Zeichen Sin / unter dessen Schutze sie das Serische Reich zu seyn gläuben / berühret hätte. Auff diese Art / fing Malovend an / bedingen etliche Völcker des Atlantischen Eylandes ihnen bey Erwehlung ihrer Könige nicht so alber / daß er ihnen auch solle die Sonne scheinen / und die Wolcken regnen lassen. Zeno fuhr fort: bey dem Könige Xunus wäre diese Bedingung so wenig vergebens gewest / als sonst alle von ihm vorher gefällete Urthel / und geschöpffte Hoffnungen eintraffen. Dieser wäre aus Liebe seines Erblasters drey Jahre nie von seinem Grabe kommen. Seine Herrschafft könte ein Vorbild aller andern seyn; Er hätte im Reiche öffentlich verkündigen lassen / man dörffte seinen Befehlen nicht gehorsamen / weil er König /sondern wenn sie den Rechten gemäß wären; Seine Leibwache dörfften ihre Spitzen nur so lange / als er ein Vater des Landes wäre / für ihn / wenn er aber iemanden unbilliche Gewalt anfügte / wider ihn kehren. Er hätte die einbrechenden Scythen aus seinem in zwölf Landschafften abgetheilten Reiche geschlagen /die Gräntzen erweitert / die überlauffenden und das Land ersäuffenden Flüsse mit Thränen eingeschränckt / Schiffreiche Ströme durch hohe Gebürge geleitet /Seen ausgetrocknet / trockene Länder mit Strömen versorget / und für seinem Tode mit gleichmäßiger Ausschlüssung seiner Söhne Yrus / einen Sohn des vorher am Leben gestrafften Qvenius zum Reichs- Erben benennet / der sich zwar der Königlichen Hoheit zu enteusern getrachtet; Aber / weil die Ehre wie der Schatten die darnach strebenden fleucht / den fliehenden aber nachfolget / auf des Volckes Begehren solche nur übernehmen müssen. Dieser wäre dem Xunus nichts minder an Thaten / als an Würde gleich kommen. Denn er hätte zu unsäglichem Nutzen durch das Reich viel herrliche Fahrten gegraben / grosse Ströme durch Berge geleitet / See-Buseme zu Acker gemacht / die Tingung derselben gelehret / seine Fehler ihme zu sagen verlanget / und die im Reiche nöthige Verbesserungen zu erinnern / gewisse Andeutungen verordnet / auch durch seine Wolthaten verdienet / daß die Serer sich seinem Geschlechte Hiaa als Erb-Unterthanen unterworffen. Aus diesem wären siebzehn tapffere Könige kommen / welche vier hundert ein und viertzig Jahr geherrschet hätten. Hernach wäre diese Würde auf acht und zwantzig Könige aus dem von dem klugen und måßigen Fürsten entspringenden Stamme Xanga kommen / und bey selbten sechs hundert Jahr blieben; Biß König Faus ein streitbarer Held den Stamm [596] Cheva ans Bret gebracht / und mit sieben und dreißig Nachfolgern acht hundert und sechs und siebentzig Jahr ausgeschmückt hätte. Unter diesem Stamme wäre der grosse Alexander biß an die Serische Reichs-Gräntze eingebrochen / als aber die grosse Macht und Zurüstung der Serer in seinem Heere erschollen / ja daß Agrammes ein Serischer Unter-König alleine mit zwantzig tausend Reutern / zwey hundert tausend Mann Fußvolck / zwey tausend Wagen / und drey tausend Elefanten die Gräntzen besetzt hätte / wäre durch keine Bitte / Zorn oder Zurede sein Kriegsvolck weiter zu bringen gewest / und also an dem Ufer des Flusses Hypanis / so wie für ihm Semiramis und Cyrus in dem Sogdianischen Lande /Alexander auch selbst / als er den ersten Fuß in Asien gesetzt / gethan / zwölf Altare mit hohen aus viereckichten Steinen funfzig Ellenbogen hoch gebaueten Thürmen zum ewigen Gedächtnüsse aufgerichtet. Massen er / Zeno / denn selbst an dem grösten zugespitzten Thurme diese von Alexander in Stein gegrabene Schrifft gelesen hätte:


Der / den kein Krieg erschreckt / noch Ruh geschlåffet ein /
Kein Schatz ersättigt hat / steckt hier ein Ziel dem Siege;
Daß nur die Nachwelt noch was zu bezwingen kriege /
Wie wol selbst die Natur / die ihm die Welt zu klein /
Die Sonne schuff zu groß / hålt seinen Lauff zurůcke.
Um seinen Siegs-Krantz kämpft die Tugend und das Glůcke.

Es hätte aber ein König aus dem Chevischen Stamme / nach dem er dem Andvocot wider den König Seleucus Nicanor beygestanden / und Indien von dem Macedonischen Reiche abgerissen / auf die andere Seite solchen Thurmes eingraben lassen:


Fůr dem Europa bebt / und Asien sich bůcket /

Dem auch die Renne-Bahn der Sonnen enge scheint /

Der über Eitelkeit der Erde seufzt und weint /

Hat hier der Eitelkeit ihr Siegel eingedrücket

An seiner Siege Ziel. Mensch / zeuch die Segel ein!

Der Geist ist doch der Welt zu groß / der Leib zu klein.


Der vierdte Erb-Stamm wäre Tschina / dessen Haupt aber König Tschin / oder Xius gewesen / der für zwey hundert Jahren die drey hundert deutsche Meilen-lange / dreißig Ellen hohe / funfzehn dicke und mit vielen Thürmen und Bollwercken versehene Mauer in fünf Jahren von Ost gegen West / und zwar bey dem Einflusse des Stromes Yalo etliche Stadien weit ins Meer auf viel mit Eisen angefüllt- und versenckte Schiffe wider die offt einbrechenden Scythen gebauet / ihren Vorfahren auch grossen Abbruch gethan hätte. Daher ob schon dieser Stamm mit dreyen Königen in viertzig Jahren verschwunden / der andere Nachfolger Cu vom Hyangioo dieser aber von einem Rauber Lieupang / welcher hernach den fünfften Sta Hanya aufgerichtet / erwürget worden wäre; so hätten doch des Xius herrliche Thaten solche Kürtze / wie die Herrligkeit der auf einmal herausschüssenden köstlichen Blumen die eintzele Fruchtbarkeit der hierauf verwelckenden Aloe reichlich erstattet. Nach dem Lieupang mit seinem niedrigen Stande auch alle Laster weggeleget / und die Serer als ein kluger Fürst lange Zeit beherrschet gehabt / wäre sein Sohn Hyaoxus das Haupt der Serer worden. Dieser hätte das Reich Corea erobert / hernach mit den Scythischen Königen blutige Kriege geführet. Zeno fuhre fort: Ich danckte diesem Scythischen Fürsten für so umständliche Nachricht; Ersuchte ihn aber mir die Ursache des gegenwärtigen Krieges / zwischen denen zwey mächtigsten Königen Huhansien / und Iven zu entdecken. Denn ob ich mich zwar bescheide / daß Unterthanen sich über der Gerechtigkeit ihres Herren Waffen zu bekümmern kein Recht / sondern nur schlechter Dinges seinen Heer-Fahnen zu folgen Ursach hätten; so schiene es doch Ausländern nicht anzustehen / daß sie wissentlich einem ungerechten Kriege fremder Völcker sich einmischten. Derogleichen er aber von einem so gütigen Könige / als er den Huhansien hätte erkennen lernen / nicht vermuthete. Tanian der Scythische Fürst war hierzu sehr willfertig; [597] fing also an: Es ist die Feindschafft gewissen Völckern wie etlichen Thieren angebohren. Diese hat von etlichen tausend Jahren / oder vielmehr von ihrem Ursprunge her / eine Trennung zwischen den Serern und Scythen / oder /wie sie uns nennen / den Tattern gemacht. Ich weiß nicht / ob diese Tod-Feindschafft dem Unterscheide der Länder / oder der Widerwertigkeit unserer Gestirne zuzueignen sey. Denn sie ist so groß / daß man insgemein glaubt / die Serer und Tattern lägen nicht auf einerley Art in Mutterleibe / würden auch auf zweyerley Weise gebohren. Wenn auch die Serer iemals sich einer Tatterischen Landschafft bemächtigt /oder sie gefangen weg geführt; haben diese aus Abscheu für den wollüstigen und grausamen Seren sich ihrer Weiber enthalten / daß sie denen Serern nur keine Sclaven zeugten. Wie nun der Unterscheid der Gestalt freylich wol eine augenscheinliche Anzeigung ist / daß die Natur selbst zwischen beyden Völckern einen Unterscheid gemacht / auch sie durch Gebürge /grosse Ströme und Sandwüsten von einander gesondert habe: Also tragen die einander fast in allen Sachen widrige Sitten / und die Tracht / besonders aber der Haare / welche die Serer mit grosser Sorgfalt hegen / wir aber abscheren / sehr viel zu dieser Zwytracht. Den grösten Haß aber nicht nur der Tattern / sondern aller andern Völcker ziehen ihnen die Serer durch ihren unerträglichen Hochmuth auf den Hals; indem sie alleine nur zweyäugicht seyn wollen /die Europeer für einäugicht / alle andere Völcker für blind / oder für Thoren halten. Sie versperren allen Fremden / als ihrer Gemeinschafft Unwürdigen / den Eintritt in ihre Gräntzen / verschrencken ihnen alles Gewerbe / und heben durch ihre Verschlüssung alles unter den Völckern übliche Recht auff. Dieses ist die erste wahrhaffte Ursache gewest / warum für zwey und zwantzig hundert Jahren die Tattern unter dem Könige Xunus das erste mal in das Serische Reich eingefallen. Die Gelegenheit hierzu gab eine grosse Menge aus dem Reiche verbannter Serer. Sintemahl Xunus die Landes-Verweisung aus dem Reiche / als eine das Hals-Gerichte weit übertreffende Straffe einführte. Diese Verjagten gaben den Tattern alle Anleitung in das Serische Reich einzufallen / und sich der Beute ihres Uberflusses zu bereichern. Mit diesen Einfällen fuhren die Tattern wider die Serer als Feinde des menschlichen Geschlechtes fort / biß der kluge König Yvus / unter dessen glückseliger Herrschafft es drey Tage Gold geregnet haben soll / den Tattern alle Jahr eine Botschafft zu ihm zu schicken / und darbey sich der Kauffmannschafft zu gebrauchen erlaubte. Wiewol auch hernach einige Könige solche Gesandschafften störten; so ließ sie doch König Is nicht alleine wieder zu / sondern er führte auch ein / daß die Tatterischen Botschafften durch sein gantzes Königreich frey gehalten wurden. Hierauf aber ereignete sich ein neuer Zwist zwischen beyden Völckern / weil die Tattern dem aus dem Reiche verjagten Kieus bey ihnen zu wohnen erlaubten. Wiewol es der kluge König Tangus vermittelte / daß es zu keinem Kriege kam. Nach dem aber folgende Könige denen Tattern abermahls Thür und Thore versperreten; brachen sie durch das Damasische Gebürge in Suchuen ein / und verheerten auf beyden Seiten des grossen Flusses Kiang / biß an das Siangische Gebürge alles; zohen aber / als König Chungting ihnen etliche mächtige Heere entgegen schickte / mit unschätzbarer Beute zurück. Unter dem frommen Könige Uuting geriethen beyde Völcker abermahls mit einander in besser Verständnüß; sonderlich / als die Serer hernach mit denen Nord-Tattern des Königreiches Niulhan und Yen /welche auff der Brust schuß-freye Kupffer-Spiegel /die Schwerdter auff dem Haupte tragen / zu schaffen kriegten / welch letzteres Reich auch Tiyeus durch seinen Feld-Hauptmann [598] Kileus eroberte / und dem Serischen einverleibte. Ja die Verträuligkeit ward so groß / daß zwey West-Tatterische Brüder zu des Serischen Königs Cheus tapfferen Feld-Hauptmanne Changus in Xensi reiseten / und sich seinem Ausspruche unterwurffen; wer unter ihnen das väterliche Reich beherrschen solte? Weil ieder es dem andern aufdringen wolte. Rhemetalces fiel seufzende ein: O ein unvergleichliches Beyspiel der Gemüths-Mäßigung! Lasset uns alte herrschsüchtige / welche / um einen Tag dieser scheinbaren Dienstbarkeit zu genüssen / sich der ewigen Unruh wiedmen / oder sich und ihr gantzes Geschlechte aufopffern / in die Sitten-Schule der vergnüglichen Scythen weisen! Zeno versetzte: Auch die Serer hätten gleichmäßige Beyspiele. Denn nach des Königs im Reiche U Xenugkungs Absterben / hätte der älteste Sohn Chufan dem jüngsten Cichaus mit Gewalt den Purpur angezogen. Dieser aber hätte sich um der ihm nicht zukommenden Würde zu entbrechen geflüchtet / und insgeheim einen Ackersmann abgegeben; also daß der älteste auff des Volckes Begehren wider Willen hätte herrschen müssen. Indem des Königs Yven grosser Feldherr Fanlius / welcher fast alle vom Reiche abgespaltene Länder erobert / wäre zwey mal aus dem Hoffe entlauffen /und hätte bey Drehung einer Töpfferscheibe die Unbeständigkeit des wanckelhafften Glücks-Rades ausgelacht: Eben so merckwürdig wäre gewest / daß die Sud-Tartern im Königreiche Nankiao / itzt Gannan genennet / durch die Tugenden des Königs Faus / und Chingus bewogen worden durch eine Gesandschafft sich der Serischen Botmäßigkeit freywillig zu untergeben / und zu dessen Zeugnüsse dem Chingus eine weisse Fasan-Henne zu lieffern.

Hierauf kam Zeno wieder in des Scythischen Fürsten Tanian Erzehlung: Auf diese lange Wetterstille brach ein grosses Ungewitter aus. Denn Mous der fünffte König des Stammes Cheva hatte bey seinen Tugenden eine unmässige Begierde zu reiten / und auf dem Streit-Wagen zu rennen. Weil nun die Tattern es damals in beyden der gantzen Welt zuvor thaten /meinte er / daß sein Ruhm einen grossen Abbruch leiden würde / wenn er nicht seine Kräften mit den Tattern gemässen hätte. Also fiel er / wie wol wider den treuen Rath seines klugen Schweher-Vaters Cigung /bey denen um die Brunnen des Saffran-Flusses wohnenden West-Tattern mit einem mächtigen Heere ein. Diese hoben ihre flüchtige Zelten mit allem Vorrathe auf / und zohen sich damit zwischen den Berg Imaus /und das Damasische Gebürge; aus welchem sie bald da / bald dort / den Serern in die Seite oder in Rücken fielen / und grossen Schaden zufügten; also daß Mous mit Verlust vielen Volckes und seines Ansehens zurück zu ziehen gezwungen ward / und nichts anders zum Vortheil hatte / als daß hernach die heilsamen Rathschläge des Cigungs bey ihm mehr Ansehn gewahnen. Die Tattern waren hierdurch so erbittert / daß sie hernach lange Jahre die Serer mit unzehlichen Einfällen beunruhigten. Wider den König Jeus aber übten sie eine merckwürdige Rache aus. Dieser ward von einer schönen Dirne Paousa / welcher Mutter von dem Schaume eines Drachens soll geschwängert worden seyn / so eingenommen / daß er seine Gemahlin aus dem Ehebette / und seinen Sohn Ikieus vom Reichsstuhle verstieß. Dieser flohe zu seines Vatern Bruder Xin / in die Landschafft Xensi; wider welchen König Jeus / weil er ihm seinen Sohn nicht ausfolgen lassen wolte / die Waffen ergriff. Xin ruffte die West-Tattern zu Hülffe / gegen welche Jeus ohne diß zu Felde lag. Dieser hatte / um seiner niemahls lachenden Paousa eine Lust zu machen / durch seine Krieges-Losung /nehmlich das Feuer etliche mahl Lermen gemacht /und sein Krieges-Heer in die Waffen gebracht. Unter diesen Kurtzweilen rückte [599] Xin und Ikieus mit dem Tatterschen Heere an des Königs Jeus Läger. Als dieser nun gleich durch die gewohnte Flamme sein Heer aufforderte / blieb doch selbtes in Meinung / daß es abermals der Königin zu Liebe angestellte Freuden-Feuer wären / in seiner süssen Ruh unbeweglich. Hierüber brachen die Tattern ins Läger ein / zertraten und zerfleischten / was ihnen in voller Unordnung begegnete; erschlugen auch den König selbst mit seiner Paousa. Xin und Ikieus erschracken zwar selbst über der grossen Niederlage der Serer / flohen also davon /und boten den Tattern mit einem frischen Heere die Stirne. Alleine diese trieben den neuerwehlten König Ikieus zurücke / bemächtigten sich der grossen Länder Xensi / Suchuen / Inunan und Qvecheu. Ikieus muste sich mit den Ost- und der andere Sohn des Jeus Pnigus mit den Sudländern vergnügen; ja das gantze Serische Reich ward zerrissen. Sintemal der Königliche Stadthalter Tschi in Xantung / zu in Huqvang und Kiangsi / und Tschyn in Xansi sich zu Königen aufwarffen. Weil aber die Tatterschen Könige die eroberten Länder in viel Theile zergliederten / ersahe Siangkung ein Nachkomme des Pferde-Hirten Ficius seinen Vortheil und versetzte denen Tattern einen unvermutheten Streich / eroberte auch die Landschafft Xensi / mit welcher er sich vergnügte / und den Grund zu der folgenden Herrschafft seines Stammes Tschina legte; alles andere aber / was er einnahm / dem Könige Pingus abtrat. Von dieser Zeit an war nichts minder das allzuviel Häupter habende Scythische / als das zergliederte Serische Reich über drey hundert Jahr lang in eitel innerliche Kriege zerspaltet / also / daß beyde die über Leschung ihres eigenen Hauses beschäfftiget waren / kein fremdes anzuzünden Zeit hatten. Unterdessen wuchs das Geschlechte Cnia mit Hülffe der Tattern in Xensi / Xansi / und Honan so groß / daß es allen Nachbarn schrecklich ward. Die Furcht für dieser aufsteigenden Macht verband wider ihren Fürsten dem Serischen Könige Xicin fünf angräntzende Serische Könige zusammen; er erlegte sie aber alle fünffe auffs Haupt. In Suchuen hatten zwey Tatterische Fürsten Pa und Xo sich mit einander durch einen langwierigen Krieg abgemergelt; suchten endlich ohne Erwegung / daß die zwistigen Tauben der zu Hülffe geruffenen Adler / und die mit einander kämpffende See-Schnecke und Reiger der Fischer Beute werden / bey dem Cinischen Könige Hülffe /welcher den letzten erlegte / und den / der geholffen /zu seinem Unterthanen machte. Weil nun dieses Tschinischen Königs Sohn Chaosiang den Serischen König Tschi / und Gvei überwältigte / und die mächtige Stadt Iyang einnahm / hielten die West-Tattern für rathsam dieser anwachsenden Macht zu begegnen; fielen also in Xensi ein / und machten obigen Serischen Königen Lufft / daß sie nebst dem Könige Han sich wider ihn aufs neue rüsten konten / und er ihnen die Landschafft Xansi biß an den Saffran-Fluß wieder abtreten muste. Diese liessen zwar die Tattern alleine im Stiche / weil aber der Tschinische König diesem streitbaren Volcke wenig abgewinnen konte / auch auf das Serische Reich sein einiges Augenmerck hatte /machte er mit ihnen gleichsam Frieden. Hingegen streute er unter die Serischen Könige so viel Zwytracht / daß sie einander selbst aufrieben / und weil sie eintzelhafft mit ihm kriegten / alle überwunden wurden; ja das oberste Haupt der Serer für ihm fußfällig ward. Aber der Tod besiegte den Chaosiang in seinem höchsten Siegs-Gepränge / und des Fous Bruder Cheukiung brachte mit Hülffe der Tattern und der andern wieder abfallenden Serischen Könige wider seinen Sohn Ching oder Xius ein mächtiges Heer auf. Alleine wie vieler Fürsten Bündnüsse / weil ieder nicht den gemeinen / sondern den Eigen-Nutz sucht / wie die gezogenen Gewebe sich leicht verwirren; also diente der Serer und Tattern [600] Sieg ihnen nur zur Uneinigkeit / und zum Verderben. Xius gebrauchte sich dieses Vortheils in unvergleichlicher Geschwindigkeit / welche eben so eine Mutter der Glückseligkeit / wie die Zeit ihre Stiefmutter ist. Der Himmel selbst schien allenthalben sein Beystand zu seyn; also / daß er in weniger Zeit der Mitternächtischen Landschafften Meister ward. Fasous / der König in Zu oder in Hukwang und Kiangsi bot ihm nur noch die Stirne. Aber des Xius Feldhauptmann Vangcien gewan ihm eine solche Schlacht ab / daß die Balcken auf dem Felde in Menschẽ-Blute schwamen. Er selbst ward gefangen / und nach Serischer Art mit seinem gantzen Geschlechte ausgerottet. Also ward Xius der Uhrheber des Königlichen Tschinischen Stammes für 200. Jahren ein vollmächtiges Haupt über das Serische Reich / welches er auch nach seinem Geschlechte Tschina nennte / und umb aller vorigen Fürsten Gedächtnüsse zu vertilgen alle Serische Bücher verbreñen ließ / wordurch er ihm aber bey den Nachkommen ewigen Fluch / und seinen Vorfahren mehr Ehre zuwege brachte. Weil aber Xius durch Müssiggang seinen neuen Unterthanen nicht Luft ließ auf Empörungen zu gedencken / und sein Reich wider die streitbaren Tattern / als von welchen er nunmehr alleine Gefahr zu besorgen hatte / baute er aus der Landschafft Xensi von dem Ufer des Saffran-Flusses an /biß an das Ost-Meer obenerwehnte 10000. Serische Stadien lange mit vielen Thürmen verstärckte und so feste Mauer / daß die Arbeiter / wo man irgends einen eisernen Nagel einschlagen konte / zum Tode verda t wurden. Sie ist so breit / daß 8. Pferde darauf neben einander gehen können / und wird von 1000000. Menschẽ bewacht. Diese Mauer und der innerliche Krieg der Seren / da nehmlich Lieupang den Tschinischen Stamm bald mit des Xius Söhnen ausrottete /hernach aber mit dem Könige in Zu und andern genung zu schaffen hatte / machte zwischen den Serern und Tattern einen ziemlichen Stillstand. Nachdem aber Lieupang die West-Tattern vollend aus Suchuen / ja gar über den gelben Fluß zu vertreiben Anstalt machte; brach ihr Bunds-Genosse der Nord-Tartern König in die Landschafft Xansi durch die ungeheure Mauer mit 500000. Mann ein. Lieupang schickte ihnen zwar seinen glücklichen Hansin / welcher aus einem armẽ Fischer ein unvergleichlicher Feldhauptmann worden war / mit einem mächtigen Heere entgegen; alleine die Tapferkeit der Tatterischen Reiterey zertrennete nichts minder das Serische Fußvolck / als des Hansin Glücke / welches ihn nur deshalben mit so viel Siegs-Kräntzen bereichert hatte / damit es auf einmal ihm eine desto reichere Beute abnehmen könte. Denn er ward nicht allein aus dem Felde geschlagen / sondern auch in der Stadt Maye belägert /und von dem hertzhaften Könige Maotun gezwungen / daß er sich und die Uberbleibung seines Heeres den Tattern ergeben muste. Die Haupt-Stadt Taitung und ihr gantzes Gebiete unterwarff sich diesen Uberwündern. Wie nun aber Maotun vernahm / daß König Lieupang mit den meisten Kräfften des Serischen Reiches gegen ihn anzoh / nahm er mit Fleiß eine furchtsame Anstalt an / setzte sich also in dem Thale Thai an den Fluß Kiuto / und versteckte den Kern seines Heeres in das Gebürge Cinhi / also / daß die Serischen Kundschaffter dem Lieupang die einstimmige Zeitung brachten: Es bestünde das Tatterische Heer in eitel halb-bewehrtem Rauber-Gesinde. Ob nun wohl der erfahrne Leuking ihm die Tattern anzugreiffen nachdencklich widerrieth / ward er doch als ein Verräther in Band und Eisen geschlagen. Lieupang / weil er dem verschantzten Tatterischen Heere nicht beykommen konte / theilte sein Heer in zwey Theile / ließ mit dem einen den König Maotun beobachten / mit dem andern aber ging er fort / nahm Quanguu wieder ein / und belägerte Taitung. Maotun ließ ein geringes Theil seines Heeres im Thale [601] Thai steheñ / ging mit fast allen seinen Kräfften in aller Stille zurück über das Gebürge / und kam unverhoffter als der Blitz dem Serischen Könige Lieupang auf den Hals / jagte ihn mit grossem Verluste von Taitung weg in das Gebürge Peteng. Der darinnen belägerte Lieupang ward gezwungẽ von dem Maotun demüthig Frieden zu bitten / und ihn mit tausend Centnern Silber zu erkauffen. Weil aber die betrüglichen Serer den Tattern in das Silber viel Bley eingeschmeltzt hatten / brach Maotun aufs neue ein / und versetzte dem Lieupang ein solches Schrecken / daß er ihm den Leuking mit grossen Geschenckẽ entgegen schickte / und ihm / so gut erkönte / Friedẽ zu schlüssen Vollmacht gab. Dieser ward derogestalt getroffen / daß die Serer noch so viel Silber zahlten / und der Serische Reichs-Erbe Hoejus des Maotuns Tochter heyrathen solte. Das erste ward gehalten; die Tatterische Königs-Tochter aber ward betrüglich / wiewohl mit Unwillen der beyden Feld-Hauptleute Hansin und Chinhi / einem andern Serischen Fürsten beygelegt. Wie nun dieser mit einem starcken Heere gegen die einen neuen Einfall dräuenden Tattern geschickt ward / redete er den Hansin auf wider den undanckbaren und betrüglichen Lieupang sich zum Könige aufzuwerffen. Aber dieser Anschlag ward entdeckt / und durch Hansins Hinrichtũg der Anschlag im käumẽ ersteckt; Chinhiaber zu den Tattern zu fliehen genöthigt / mit derer Beystand er biß an seinen Tod den Serern genung zu schaffen machte. Nach seinem Tode brachen die Nord-Tattern aufs neue in Xansi ein / und muste des Königs Hoejeus Mutter Liuheva des Königs Maotun Sohn mit Verlobung ihrer Tochter / und einem reichen Braut-Schatze versöhnen. Weil aber diß letzte Versprechen nicht völlig erfolgte / schickte der Tatterische König seine Braut der Liuhera mit einem schimpflichen Schreiben zurücke. Dieses ehrsüchtige Weib / welche nach ihres Sohnes Absterben selbst die Serische Herrschafft an sich zoh / meynte zwar Bäume auszureissen / und die Tattern mit Strumpf und Stiel auszurotten; aber ihr Feldhauptmañ Kipus dämpfte ihren unzeitigen Eifer /und versicherte sie: Wer an den Tattern zum Ritter werden wolte / müste in iedweder Brust ein Männer-Hertze haben. Ungeachtet sie nun ihrem Enckel Uen das Serische Reich abzutreten gezwungen ward / vergassen doch die Tattern nicht ihrer Rache / sondern überschwemmeten gantz Xansi biß an des alten Königs Ivus Geburts-Stadt und Königlichen Sitz Pingyang. Ob sie nun zwar / als der Feldherr Siang mit sieben hundert tausend Serern auf sie loß ging / für rathsam hielten / mit ihrer Beute nach Hause zu kehren; verknüpften sie sich doch mit den West-Tattern /und brachen diese in Xensi / jene in Xansi ein. König Uen und sein berühmter Heerführer Afu zohen beydẽ mit 3. mächtigen Heeren entgegen / gleichwol aber hatten sie nicht das Hertze mit ihnen zu schlagen /sondern sie besetzten alleine die Pässe / schnidten ihnen alle Zufuhre ab / nöthigten also hierdurch nach dem Beyspiele des langsamen Fabius die Tattern /daß sie nach aufgezehrtem Vorrathe und Einäscherung beyder Länder sich zurücke ziehen musten. Uen starb kurtz hierauf / und folgte ihm Hiacking; gegen diesen brachen die Nord-Tartern in das Land Ki oder Yen / und die von Westen in Suchuen ein / kehrten auch mit reicher Beute nach Hause. Alleine hiermit ward auch ihrem Glücke ein Ziel gesteckt / als welches niemanden noch seiner Beständigkeit halber einigen Bürgen gesetzt hat. Für Ursachen dieser Enderung lassen sich nicht so wohl die Einflüsse der Sternen / als diese Umbstände anziehen / daß die Tattern durch ihr stetes Kriegen die vorhin weichen Seren abgehärtet / und [602] durch lange Ubung zu Kriegesleuten gemacht hatten / diese auch an Vermögen und Menge des Volcks / als denen zwey Spann-Adern eines Reiches denen wegen steten Reitens zum Kinderzeugen nicht so geschickten Tattern weit überlegen waren; insonderheit aber diese durch Zertheilung ihres Reiches sich allzu sehr geschwächt hatten. Ihr Unstern aber ging ihnen mit des Hiaokings Sohne dem Könige Hiaovus auf / wiewohl anfangs mit zweifelhaftem Lichte. Denn weder das Glücke noch die Natur ist gewohnt von einer äusersten Spitze auf die andere einen Sprung zu thun. Hiaovus hatte mit den Tattern bey Antretung seines Reichs mit Versprechung eines jährlichen Soldes einen ewigen Frieden gemacht. Als er es aber nun durch Gesetze und seine getreuen Landvögte genungsam befestiget hatte / rieth ihm Quei / oder vielmehr seine Ehrsucht / daß er nunmehr ein so schimpfliches Bündnüß zerreissen möchte. Gleichwohl traute er seinen Kräfften nicht zu / durch offenen Krieg diesem behertzten Feinde einige Feder auszuziehen; sondern schickte den Ligvang und Puve mit zweyen Heeren ab / unter dem Scheine / die Wache an der langen Reichs-Mauer abzulösen / und er selbst folgte mit drey hundert tausend Mann biß nach Maye. Weil aber die Tattern durch einen Gefangenen hiervon Wind kriegten / begegneten sie ihnen mit unerschrockenem Muthe. Hiaovus meynte die Tattern zwar durch Bestraffung des Quei zu bestillen; alleine sie hielten für schimpfliche Kleinmuth der Seren Meyneid ungerächet zu lassen. Hiermit trieben sie drey Serische Heere über Hals und Kopf zurücke. Wie aber Ligvang / welchen sie denn seiner Geschwindigkeit halber den flügenden Heerführer nennten / mit noch einer stärckern Macht ankam / riethen ihnen ihre Wahrsager sich zurücke zu ziehen; Ohne daß die Serer sie ausser der Mauer zu verfolgen das Hertz hatten. Hierauf schickte Hiaovus den Chenkiang / das von dem Könige Xius eroberte / aber inzwischen wieder abgefallene Reich Junnan einzunehmen; welches er nicht allein mit grossem Glücke verrichtete / sondern auch noch darzu die zwey Reiche Tavon / und Takiam zwischen denen Flüssen Caor / Cosmin und Martaban eroberte / und derogestalt die Serische Herrschafft biß an das Indianische Sud-Meer erweiterte. Dieser glückliche Streich und die Einrathung des Feldhauptmanns Gveicing / welcher den Feind in seiner Gräntze erwarten für schädliche Kleinmuth /sein Pferd aber an des Feindes Zaum binden / für ruhmbare Klugheit hielt / bewegte den Hiaovus zu der Entschlüssung die Tattern zu überziehen / welche nur in ihrem Neste wie Cacus in seiner Höle von einem Hercules erleget werden könten. Weil nun das West-Tatterische Reich Tibet unter dem Amasischen Gebürge alle Tattern schier mit herrlichen Pferden ausrüstete / derer Wiegern nicht einst die schlechten Serischen Pferde vertragen kunten / fiel der Schluß / ihnen am ersten diese Rüst-Kammer abzuschneidẽ. Also zohen wider sie durch Xensi vier solche Kriegsheere auf / derer iedes / wie des Xerxes / Berge abzutragen /und Flüsse auszutrincken mächtig war. Die West-Tattern musten für dieser Menge sich theils in die Damastschen Gebürge / theils über den Saffran-Fluß begeben. Wormit nun die Seren in der Tatterischen Fläche festen Fuß setzen / und im Fall der Noth irgendswohin eine sichere Zuflucht finden möchten / baute er in der Tarterey Tanyu etliche Schantzen / und an den Saffran-Fluß ein grosses viereckichtes / und mit vielen Vorrathen versorgetes Läger. Weil nun die Tattern wohl sahen / daß ihnen hierdurch ein gewaltiger Kapzaum angeleget ward / versuchten sie durch öfftere Uberfälle das Werck zu hindern; und als dis nicht verfing / mit ihrem gantzen Heere zu treffen. Alleine Gveicing [603] versetzte ihnen auf dem Berge In einen solchen Streich / als sie noch keinen erlitten hatten. Viertzig tausend Tattern / und der König in Tanyu mit allen Fürsten blieben todt auf der Wallstatt / und funfzig tausend wurden gefangen. Daher die Tattern auch noch zur Zeit niemals ohne Thränen selbigen Berg übersteigen. Der Serische König kam für Freuden selbst dahin / und stieg aus Vorwitz auf die hohen Gebürge zwischen Tanyu und Tibet. Auf der Jagt fing er ein grosses Thier mit einem Nasenhorne / welches die abergläubigen Serer für eine Andeutung mehrer Siege hielten; daher auch Hiaovus von dieser Zeit allererst die Jahre seiner Herrschafft zu rechnen anfing /und des erschlagenen Königs Hirnschale brauchte er zum Trinck-Geschirre. Von dar schickte Hiaovus ein Heer gegen Mitternacht / welches die Tattern abermals aus dem Felde schlug / und ihr Land biß an die Berge Yenchi und Kilien achthundert Stadien weit verwüstete / und dẽ König Hoensieus zwang sich mit seinem Lande den Serern zu unterwerffen. Wordurch die Landschafft Xensi unter den vorhin gräntzenden Saffran-Fluß biß an die an der Westlichen Wüsten Xamo liegende schwartze See / und das Gebürge Kin / über den Fluß He erweitert und mit der berühmten Stadt Socheu versehen ward. Weil nun die Herrschens-Sucht wie das Feuer unersättlich / und ein Sieg des andern Werckzeug ist / schickte Hiaovus auf einmal 3. mächtige Heere aus. Queicing brachte auf der Ost-Seite des Berges Imaus in Barolybien zweytausend Stadien weit biß an das Gebürge Tienquen alles unter seine Gewalt; und ob er wohl darüber sich unter die weiten Sandflächen nicht wagen wolte; so erboten sich doch alle Tattersche Fürsten biß an das nordliche Welt-Meer zur Zinsreichung. Kinping drang in das Reich Barrapheliot / über die Sand-Wüsten Xamo und den Berg Lankius vier tausend Stadien weit / und kriegte über die erschlagenen siebentzig tausend Tattern gefangen; baute auch daselbst die Städte Jungya und Lienyung. Liquang fiel in Nord-Ost hinter das Land Corea gegen Yesso ein; allwo er aber wegen des grossen Sandes wenig oder nichts ausrichtete / und aus Eifersucht gegen die andern zwey Sieger ihm selbst die Kehle abschnidt. Hiaovus machte diese 2. Heerführer zu Königen über die eroberten Länder /welche aber den König der Serer für ihr Haupt erkennen musten. Weil aber den Tattern der Knechtischen Serer eiserne Hand unerträglich war / flüchteten sich viel tausend in das Königreich Tibet / Usußang /Kiang / und andere in Suchuen und Junnan gräntzende Tatterische Länder. Nachdem nun die West-Tattern / des Hiaovus Verlangen nach / ihnen nicht den Auffenthalt verwehren wolten / schickte er anfangs den Gveicing / hernach den Cham gegen die Könige U /und Sum / mit starcker Heeres-Krafft / welche ihre /zwischen den Flüssen Tatu / Kinxa / und dem hohen Gebürge Umuen liegende Länder eroberten / und der Landschafft Suchuen biß an das Gebürge Lin einverleibten. Er selbst Hiaovus wendete sich gegen Sud /führte auf den Flüssen Lukiang und Lonsang 2. Heere mit sich / bemächtigte sich des Reiches Laos / und erweiterte sein Reich nicht nur mit Eroberung des Landes Tungking biß an das grosse Sud-Meer / sondern nahm auch das Eyland Hainan ein / und kam mit einem grossen Schatze von Perlen durch Fokien siegsprangende zurücke. Diese grosse Siege veranlaßten den König Hieutu in Tibet / daß er sich ebenfalls dem Serischen Reiche unterwarff. Dessen Sohn Geli Hiaovus an seinen Hof nahm / ihn anfangs zu seinem obersten Stallmeister / hernach zu seinem fürnehmsten Rathe machte / und ihn für einen Eingebohrnen erklärte / und den Nahmen Kin gab. Hingegen fielen die geflüchtetẽ Tattern aus dem Reiche Samahã täglich den Serern in Tanyu ein / worvon Hiaovus [604] den König durch einẽ Gesandten Suvus abmahnen / und ihn aller guten Nachbarschaft versichern ließ. Weil aber der zu ihm geflohene Serer Gveli ihn als einen Kundschaffter angab / ward er auff das Eiland Tarata in dem Nord-Meer geschickt / und zu einem Schaaf-Hirten gebraucht. Hiaovus zohe diß zu rächen mit eylff starcken Heeren durch die Sand-Wüsten Xamo; die Tattern aber räumten das Feld / verschlossen sich in die Gebürge / und lachten den sie zum Streit ausfordernden Hiaovus aus / welcher aus Verdruß zurücke zoh / und dem tapffern Feld-Hauptmanne Laus die Kriegs-Macht übergab. Dieser drang in das Gebürge Sinuck / und brachte zwar den König in Tanyu in die Flucht; Weil aber der König in Samahan hinter ihm das Gebürge einnahm / und ihm alle Zufuhr abschnitt / gerieth er in so grosse Noth / daß Anfangs sein Unter-Feldherr Qvoncan zu den Tattern überging /und hernach Laus selbst mit seinem gantzen Heere sich ergeben muste. Hiaovus verlohr hiermit das Hertze die Tattern ferner zu bekriegen; sondern verwahrte nur die Fläche zwischen der Serischen Mauer und dem Gebürge Kin. Der König in Samahan oder Samarkanda unsers Königs Huhansien Großvater erlangte hingegen unter allen Tattern ein so grosses Ansehen / daß alle benachbarte Könige ihn heimsuchten / und als einem unüberwindlichen Helden zu Ehren Kühe opfferten / ihn auch zu ihrem allgemeinen Schutz-Herrn erkieseten. Des Hiaovus Sohn und Reichs-Erbe / welchem der Vater den Tatter Geli Kin zum obersten Feldherrn verordnete / machte über dieser zusa enwachsenden Macht der Tattern grosse Augen / und suchte unter dem Scheine den Gefangenen Suvus zu lösen eine Verneuerung des Friedens. Des Hiaovus Enckel König Siven kriegte zwar eine Lust sich wie sein Groß-Vater durch einen Tatterischen Krieg berühmt zu machen / sein oberster Rath aber widerrieth es ihm auffs beweglichste und hielt ihm ein: die wider die Tattern erhaltenen Siege kosteten die Serer mehr edles Blut / als sie Wasser gewonnen hätten. Viel glückliche Streiche erwürben einem Fürsten wohl den holen Schall des Nachruhms; aber ein unvernünfftiges Beginnen wäre genugsam ihn des Reiches / das Volck der Ruhe zu berauben / und den Fluch der Nachwelt seinem Gedächtnisse auffzuhalsen. Derogestalt / und weil Huhansiens Vater als ein gerechter Herr die andern Tatterschen Fürsten zur Ruhe anleitete / blieb der Friede mit dem Könige Siven / und dem itzigen Haupte der Serer Juen noch feste stehen; die Tattern mochten auch mit ihrer Wurtzel Ginse / mit Mardern / Bibern und Zobeln nach Socheu frey handeln. Alldieweil aber itziger König Juen mehr gelehrt als klug ist / seiner Gemahlin Cieyva alles verhänget / auch schon ihren Sohn Gaus frühzeitig zum Reichsfolger erkläret / seinen treuen Lehrmeister Siaovang auff Verleitung der Heuchler hat verderben / und die Landschafften Quangsi und Hainan abfallen lassen / ja sich selbst seinem Diener Hien zum Sclaven gemacht hat / ist mit dem Könige Huhansien das Eintrachts-Band liederlich zerrissen worden. Denn als für einem Jahre zwey an die Landschafft Xensi gräntzende Könige der Tattern in ihrem Gebürge auff Bisam-Ziegen jagten / die Serischen Gräntz-Bewahrer aber hiervon Kundschafft erlangten / fielen sie unvermerckt dahin aus / und nahmen beyde sich keiner Feindseligkeit versehende Fürsten gefangen. Ihr Schutz-Herr Huhansien schickte eine Botschafft ab ihre Befreyung in der Güte zu suchen / und sich über den Friedensbruch zu beschweren; Alleine sie ward nicht einmal eingelassen / sondern ihr ins Gesichte gesagt: Man wäre den Barbarn nicht länger als es die Staats-Klugheit erforderte / Treu und Glauben zu halten schuldig. Die Gefangenen wurden auch enthauptet / und ihre Köpffe an den Westlichen Anfang der Serischen Mauer auffgesteckt. [605] Die unerträgliche Schmach hätte Huhansien zu rächen bey der Sebel und Nacht-Eule geschworen / welche die Tattern so klug uñ so heilig / als die der Pallas opffernden Athenienser verehrten / sich auch alsbald mit denen verhandenen Kräfften auffgemacht / die Serer nicht allein aus denen in Tebet und Ususang habenden Orten getrieben / sondern auch in Xensi die Grentz-Festung Socheu erobert / folgends über den Saffran-Fluß gesetzt / und auff dem Gebürge Pexe den belagerten Leanghoejus mit seinem halben Serischen Heere durch Durst getödtet. Weil aber hierüber Juen seines gantzen Reiches Macht auffgeführet / hätte nunmehr auch Huhansien alle seine Kräfften zusammen gesucht / und fast alle Tatterische Könige in sein Bündniß gebracht. Weil nun die Nord-Tattern gleichfals in Xensi oder Xansi / sein anders Heer aber durch Tibee einbrechen solten / versehen sie sich eines erwünschten Fortganges; sonderlich weil die Gerechtigkeit der Sache ihrer Kriegs-Wage den Ausschlag gäbe. Dieses / sagte Zeno / wäre die Erzehlung des Scythischen Fürsten gewest.

Unsere Reise aber anreichend / so bald das Scythische Kriegs-Heer über das Damasische Gebürge an den Fluß Lu kam / führte König Huhansien selbtes in so schneller Eyl auff etlich tausend kleinen Schiffen Strom ab / und kam über den See Mahu (der diesen Nahmen von einem einst darauff gesehenen Drachen-Pferde bekommen haben soll) so unversehens für die vom Könige Hiaovus erbaute Stadt Jangko / daß die Einwohner meinten / wir fielen ihnen vom Himmel auff den Halß. Dieses Schrecken öffnete uns alsobald die Pforten der Stadt / und wir segelten nun mit allhier eroberten grössern Schiffen auff dem strengen Fluße Mahu hinunter / und kamen für die mächtige Stadt Siucheu / dessen Mauern von diesem und dem Flusse Kiang bestrichen werden. Diese stellten sich zwar Anfangs zu tapfferer Gegenwehr / und wir würden Noth gehabt haben / diese von der Natur so wohl befestigte Stadt zu erobern / weñ sie nicht ein thörichter Aberglaube / welcher die Furchtsamsten in Löwen / die Hertzhafftigsten aber in Hasen zu verwandeln vermag / in der Scythen Hände geliefert hätte. Diese Stadt /sagte Zeno / ist überlegt mit redenden Papagoyen und andern Vögeln. Von diesen kam drey Tage nach einander ein Papagoy auff die Spitze des fürnehmsten Tempels zu sitzen / und rieff mit heller Stimme: Würden sie die Stadt nicht ergeben / so würde keine Seele den Scythischen Schwerdtern entrinnen. Huhansien erfuhr diese Begebenheit von einem Uberläuffer; Daher schickte er auff den Morgen eine Tafel / darauff eben diese des Papagoyens Worte geschrieben waren /nebst einer brennenden Fackel und blutigem Schwerdte zum Zeichen ihrer Einäscherung und Untergangs in die Stadt. Weil nun die Serer glauben / daß die Seelen der absterbenden Menschen in ein ihrem Leben gleich geartetes Thier / der Weltweisen aber fürnehmlich in solche beredsame Vogel fahren; Uber diß die Ubereinsti ung des Ausfoderungs-Schreiben und des wahrsagenden Papagoyen merckwürdig überein traff /schickten sie noch selbigen Tag zwölff Mandarinen heraus / welche dem Huhansien einen Fußfall thaten /und ihm die Stadt ergaben. Also ist die Vernunfft auch der scharffsichtigsten Weltweisen / wenn selbte nicht von der göttlichen Versehung geleitet wird / ein Compaß ohne Magnet-Nadel. Huhansien zohe in die Stadt / nicht als wie zu Feinden / sondern als seinen geliebten Unterthanen ein; kein Scythe dorffte einigem Einwohner ein Haar krü en; er vergeringerte ihnen ihre Schatzung / und alles Thun dieses gütigen Königes schien denen Uberwundenen ein Wunderwerck /weil selbter ihnen mehr Wohlthaten erzeigte / als sie von einem Lands-Vater hätten hoffen können. Wie nun Huhansien von dieser Stadt mit viel Köstligkeiten / als edlen Steinen / [606] Porcellanen / Ambra / dem rothen Adler-Holtze / der allein in Suchuen wächset / und Tschina-Wurtzel bewillkommet ward / brachten sie auch zugleich oberwehnten Papagoyen mit / welchen der König in ein güldenes Keficht einschlosse / und der Fürstin Syrmanis verehrte. So bald diese ihn in ihre Hände empfing / rieff der Papagoy überlaut: Syrmanis wird den König Iven tödten. Jederman erstaunte hierüber / und selbst Syrmanis / zumahl er vor niemahls ihren Nahmen gehört hatte; sie verkehrte aber ihre Schamröthe in einen höfflichen Schertz. Der Ausgang aber wieß hernach / daß dieser verständige Vogel nichts als die Warheit geredet hatte. Ist diß immermehr möglich? fing Flavius an zu ruffen; so verwundern sich die Römer nicht ohne verdiente Verlachung über ihren Papagoyen / welcher den Käyser Augustus gegrüsset; und so müssen die aus Irrthum für gantz unvernünfftig gehaltene Thiere zuweilen mehr / als wir mit unserer Klugheit / künfftige Dinge vorsehen / weil ich mich erinnere / daß die Ameißen /welche dem schlaffenden Midas Weitzen-Körner / die Bienen / die dem noch kindlichen Plato Honig in Mund getragen / jenem sein Reichthum / diesem seine herrliche Weltweißheit angekündiget. Rhemetalces fing an: Ich weiß nicht / ob dieser Papagoy durch andere Kunst geredet haben möge / als die Dodonischen Wahrsager-Tauben / oder die vier güldenen Vögel /welche die Zauberer zu Babylon auff das Königliche Schloß angebunden / diese aber das Volck durch eine absondere Krafft zur Gewogenheit gegen die Könige angelockt haben sollen. Künfftiger Dinge Wissenschafft wäre kein Werck der Vernunfft / weniger der Thiere; ja die Götter selbst wüsten nicht alle / was künfftig geschehen solte / und ihre Wahrsager irrten vielmahl. Die Vernunfft aber wäre eine Tochter des Himmels / ein Funcken des göttlichen Lichts / und also nur dem Menschen verliehen; welche in ihm fast diß / was Gott in der Welt würckte. Diesemnach denn nicht wenig Weisen gar auff die Meinung kommen wären / daß nur der Mensch eine Seele / welcher eigentliches Wesen im Nachdencken bestünde / andere Thiere aber gar keine hätten / sondern sich nur durch den Trieb ihres Geblütes / wie die gezogenen Tocken durch den Drat bewegten. Ja wenn man auch schon in selbten eine der Vernunfft ähnliche Unterscheidung wahrnehme / wäre selbte doch für nichts bessers / als die Bewegung der Uhren zu achten / die bey ihrer blinden Unvernunfft die Stunden richtiger / als der klügste Mensch andeuteten. Hertzog Arpus fiel ein: ich weiß zwar nicht aus was für einem Triebe dieser Papagoy geredet haben mag. Allen Thieren aber alle Würckungen / ja auch den Schatten der Vernunfft abzusprechen / dünckt mich für sie ein zu strenges Urthel zu seyn. Hätte Praxiteles seiner Marmelnen Venus eine geheime Krafft alle Beschauer zur Liebe zu reitzen einpregen / Archytas eine höltzerne Taube flügend / die Egyptier redende Bilder durch Kunst zubereiten können / müste man der grossen Werckmeisterin Gottes der Natur vielmehr zutrauen / daß sie denen lebendigen Thieren / welche der weise Epicur Spiegel Gottes genennet / etwas edlers eingepflantzt habe. Sie beflisse sich allezeit das beste zu zeugen / und iedes Ding zur höchsten Vollkommenheit zu bringen. Daher ereigneten sich nicht nur in den Thieren augenscheinliche Anzeigungen der Vernunfft / sondern auch in den Pflantzen so klare Merckmahle des Fühlens / daß Empedocles nicht nur in ihnen den Unterscheid des Männ- und Weiblichen Geschlechtes verspüret / und wie so wohl andere Gewächse / als die Granat-Aepffelbäume ohne Vermengung beyderley Geschlechts-Wurtzeln keine Früchte brächten / angemerckt; sondern es hätte Plato / Anaxagoras / Democritus und Pythagoras ihnen / als mit einer gewissen Seele versorgten Thieren / an statt eines bliden Thieres / eine vernünfftige Neigung zugeeignet. [607] Sintemahl die Pflantzen nichts minder / als die Thiere durch den Mund ihrer Wurtzeln Nahrung an sich saugten / ihre eingewurtzelte Feuchtigkeiten sorgfältig erhielten / durch die Rinden Hartzt und andere Unsauberkeiten ausschwitzten / trächtig würden / des Winters gleichsam so lange als die Bären und Ratzen schlieffen / im Frühlinge sich ermunterten / und zu gewisser Zeit ihre Freude und Traurigkeit bezeigeten. Zeno bestätigte diß / und meldete: Er hätte diß allzudeutlich in Indien wahrgenommen / allwo er den so genennten / und einem klein blätterichten Pflaum-Baume nicht unähnlichen Trauer-Baume mit Augen betrachtet; welcher auff iedem seiner wöllichten Blätter einen röthlichen Stiel / und darauff vier rund blättrichte Knospen hätte / auff welchen fünff weisse / der Granat-Aepffel-Blüthe nicht ungleiche aber noch viel annehmlicher rüchende Blumen / und endlich Früchte in Gestalt grüner Hertzen wüchsen. Mit diesem Reichthume aber prangte dieser Baum nur des Nachts / bey auffgehender Sonne aber liesse er nicht nur allen Schmuck seiner Blumen fallen / sondern der Baum selbst stünde den Tag über mit seinen Blättern gantz welck. Hingegen wüchse daselbst ein dem weiblichen Farren-Kraute ähnlicher Dorn-Strauch / welcher des Tages / ie heisser die Sonne stäche / ie schöner er grünete / und seine Blätter allezeit diesem beliebten Himmels-Auge zukehrete / herentgegen für Traurigkeit gleichsam in der betrübten Nacht erstürbe. Daß aber die Pflantzen ein nichts minder empfindliches Fühlen / als die Thiere an sich hätten / wiese der Indianer mit gelben Blumen prangendes und verschämtes Fühl-Kraut / dessen Blätter sich bey einer nur nähernden Hand / oder Berührung vom Staube welcken / und zusammenschlüssen. Welchem eine Krafft nicht nur die Liebe einzupflantzen / sondern auch die verlohrne Schamhafftigkeit zu erstatten zugeeignet wird; seinem Geheimnüsse aber ein Weiser in Indien so fleißig nachgedacht / daß er darüber unsinnig worden. Ein ander Kraut in Indien lässet von Anrühren die Blätter gar fallen; ja auff dem Eylande Taprobana lauffen die von einem Baume gefallenen Blätter / wenn man daran stösset / auff zweyen kleinen Füssen davon; Und die Blätter der Staude Charitoblepharon werden vom Anrühren gantz harte. Hertzog Herrmann fügte bey: Es hätten ihm die Friesen von eben derogleichen für dem Anrühren erschreckenden Pflantzen / und deren vom Anfühlen verwelckenden Gerste-Stengeln des Atlantischen Eylandes umständliche Nachricht ertheilet. Allein man dörffte das Fühlen der Kräuter nicht aus so fernen Landen holen / in seinem Garten wüchse eines / dessen Frucht vom Anrühren zerspringe / und daher den Nahmen hätte: Rühre mich nicht an. Denen deutschen Förstern würde man auch kümmerlich ausreden / daß die Bäume eine Empfindligkeit hätten; als welche allein die Ursache wäre: warum in dem ersten unvermutheten Hau die Axt viel tieffer in Baum dringe / als hernach / da der leidende Baum sich so viel möglich verhärtete. Für die Meinung aber / daß die Pflantzen beseelte Thiere wären /oder aber zum minsten es zwischen den Thieren und Pflantzen / wie zwischen den Menschen und Thieren eine Mittel-Gattung gäbe / schiene nicht wenig zu streiten / daß aus denen in das Meer fallenden Baum-Blättern bey den Orcadischen Eylanden / Endten; bey den Serern in dem See Vo Schwalben; und in Griechenland aus den Feigen Würmer wüchsen. Zeno sagte: In Scythien habe ich mit meinen Augen ein Gewächse mit einem Lamme / und in Suchuen bey der Stadt Chingung Bäume gesehen / welche die Blume Thunghoa tragen / auff derer ieder ein vollkommener Vogel mit einem Zinoberfarbenem Schnabel wächst; aber mit der verwelckenden Blume nichts minder sein Leben / als Schönheit einbüst. Hertzog Arpus fing an: [608] Aus allem diesem läst sich nun so vielmehr schlüssen / daß die Natur in denen vollkommenern Thieren so viel weniger eine Stieff-Mutter gewesen / und sie mit einem gewissen Lichte des Verstandes betheilet haben müsse. Denn ob zwar sie keinesweges dem Menschen / welcher gegen sie seiner Weißheit halber für einen Gott zu halten / zu vergleichen wären; so bliebe doch ein geringer Verstand eben so wohl ein Theil der Vernunfft / als ein Zwerg so wohl ein Mensch / als die Riesen. Man spürte an ihnen den Verstand / das Gedächtniß / und die Wahl ihres Willens. Diß aber wären die sämtlichen Kräfften der Vernunfft. Der Wolff fiele nicht zwey mahl in eine Grube; der Fuchs käme sein Lebtage nicht wieder dahin / wo ein Fußeisen gelegen; die Hunde stritten biß auff den Tod für ihren Herrn und Wohlthäter; die Tauben gäben so wohl / als jene verschmitzte Krähe des Königs Martes / in Egypten richtige Brieffträger ab; die Hüner warnigten ihre Jungẽ für dem Sperber; die Ameißen versorgten sich über Winter / bissen die Weitzkörner an /daß sie nicht käumen / und begrüben ihre Todten; die Kranche hielten wechselsweise Wache; die Ochsen übten sich vorher zum vorstehenden Streite; die Löwen gingen um den Jägern zu entrinnen / rückwerts in ihre Hölen / und zügen im Gange ihre Kreilen ein; die Cilicischen über den Taurus fliegende Gänse nehmen Kieselsteine in die Schnäbel / daß sie ihr gewohntes Geschrey nicht den auffwartenden Adlern verrathe; die Cretensischen Bienen machten sich /wenn es windicht / mit Sandsteinlein schwerer. Die Vogel bauten ihre Nester so künstlich / und nachdem ein Land heiß oder regenhaft / an einem Orte oben am andern unten offen; die Papegoyen hiengen sie / um ihre Jungen für den Schlangen zu bewahren / mit Fädemen an die Bäume; die Affen lernten in Africa auff der Flöten und Laute spielen; die Kranche kündigten den Winter / die Störche und Schwalben den Sommer an. Das Schwein hätte das Ackern / die Spinne das Weben / der Esel das Hacken der Weinberge / und viel Thiere die meisten Artzeneyen erfunden. Es sind diß schon die Gedancken des Anaxagoras gewest /versetzte Rhemetalces / welcher aber den Thieren nur einen in ihnen würckenden Verstand enthangen /selbst aber nachgeben müssen / daß ihnen keine Fähigkeit etwas mehrers / als ihnen angebohren ist / zu begreiffen verliehen sey. Zu welchem letztern doch der Kern der Vernunfft steckte; weil der Mensch selbst von der Geburt her einem ungehobelten Holtze und ungeschliffenem Steine ähnlich wäre; woraus der Fleiß als die rechte dem Prometheus an der Hand stehende Minerva allererst ein Bild des Mercur machen müste. Insonderheit mangelt es den Thieren an dem vornehmsten Werckzeuge der Vernunfft / nehmlich der Sprache / welche das einige Mittel ist / so wohl seine Gedancken zu entdecken / als von andern zu vernehmen. Hertzog Jubil begegnete ihm / beydes schiene ihm sehr zweiffelhafft zu seyn. Sintemahl die Thiere zwar keine Sprache der Menschen / aber doch eine solche hätten / daß sie einander verstünden; ja auch nach und nach die Sprachen der Menschen verstehen lernten / und also mehr von der Vernunfft / als Anaxagoras wahrgenommen / in sich stecken haben müsten. Melampus / Tiresias und Thales hätten sich gerühmt / daß sie die Rede der Thiere verstanden /und hiervon käme der Ruff / daß die Schlangen vor Alters geredet hätten. Daher lehrten so wol die Schwalben und Nachtigalen die Jungen ihren Gesang / als die Störche und Adler ihren Flug; Wie sollen sie aber nicht was anders zu begreiffen fähig seyn / da sie selbst fremde Sprachen lernen? wie die dem Ptolomäus aus Indien geschickte Hinde die Griechische /und der aus eben diesem Vaterlande kommende Papegoy die Britannische / welcher aus des Königs Fenster in die Temse fiel / und um zwantzig Pfund einen Kahn zu bringen rufte; [609] hernach aber dem Schiffer nur einen Stieber zu geben einrieth. Hanno und Apsephas haben beyde allerley Vögel abgerichtet /daß sie geruffen: Hanno ist ein Gott / Apsephas ist ein Gott. In Griechenland habe ich redende Krähen gesehen / zu Rom Droßeln / und in unserm Deutschlande sind die sprechenden Stahre nicht ungemein. Ja auch das Weinen und Lachen / die dem Menschen alleine als was sonderbares zugeschriebene Eigenschafften / sind etlichen Thieren gemein. Nicht nur die Papagoyen / sondern auch gewisse gelbe Vögel in Indien lachen so artlich / daß es kaum vom Menschlichen zu entscheiden ist. Die Africanischen Esel vergiessen so wohl Thränen für Müdigkeit / als die Crocodile aus Heucheley. Die Pferde haben nicht nur für Wehmuth ihren todten Achilles / sondern auch den ermordeten Käyser Julius beweinet. Auch die Augen der Elephanten trieffen von diesen Mitleidungs-Zehren /welchem Thiere für allen andern Vernunfft und Verstand zugeeignet werden müste / wenn man sie schon allen andern absprechen könte. Es ist wahr / sagte Zeno; Ich selbst habe von Elephanten Dinge gesehen /welche ich schwerlich glaubte / wenn mich dessen nicht meine Augen überredet hätten. Daß sie ihre Muttersprache verstehen / und sich darinnen zu allem anweisen lassen / ist das geringste. Ich habe in Indien sie etliche Worte / dardurch sie ihren Willen eröffnet /reden gehöret; ja auch in den Staub mit der Schnautze schreiben sehen. Daher ich nun ausser Zweiffel setze /daß einer zu Rom Griechisch geschrieben: Ich habe den Celtischen Raub zur Einweihung getragen. Sie lassen sich zum Kriege und allen andern Künsten abrichten / und einen Knaben mit einen kleinen Eisen nach Belieben leiten. Sie halten um die Indischen Könige die Leibwache; fallen zu beqvemern Auff- und Absteigen auff die Knie / bücken sich für ihren Herren mit grosser Ehrerbietung; und wie hertzhafft sie kämpffen / habe ich so wol / als der wider den Porus streitende Alexander erfahren. Ja auch die Wilden machen unter sich Schlachtordnungen gegen Thiere und Jäger / nehmen die Schwachen in die Mitte / verlassen keinmahl die Matten / und ziehen die Pfeile aus den Wunden vorsichtiger / als die erfahrensten Aertzte. Sie lernen die Fechter- und Schwimmens-Kunst /spielen mit dem Balle / schießen nach dem Ziele /tantzen nicht nur nach den Kreißen und fürgemahlten Wendungen / sondern auch auff dem Seile / und thun in den Schauspielen den Gaucklern alle Künste nach /oder zuvor. Sie vergessen in zehn und mehr Jahren nicht angethane Beleidigungen / und sparen ihre Rache biß zu beqvemer Gelegenheit / betrüben sich hingegen zuweilen über ihrer Leiter Absterben so sehr / daß sie sich selbst durch Enthaltung vom Essen tödten. Sie wissen derer auff sie bestellten Knechte Betrügereyen artlich zu entdecken; und wie keusch sie sonst nicht allein unter sich selbst sind / sondern auch denen Ehebrechern alles Leid anthun / verlieben sie sich doch in die Menschen auffs hefftigste. Sie sind so Ruhmbegierig / daß ich einen sich auff des Königs Anleitung in den Strudel des Ganges / also in den augenscheinlichen Tod stürtzen sehen. Welcher derogestalt so merckwürdig zu achten / als jener Elephant Ajax des Königs Antiochus / der aus Scham mit Fleiß erhungerte / weil er es ihm den andern Elephanten in Uberschwimmen eines Flusses zuvor thun ließ / und ihn hernach mit silbernem Zeuge ausputzen sahe. Sie beerdigen ihre Todten / und wormit gleichsam den Menschen weder Weißheit noch Andacht zum Vorrecht bleibe / so gläuben die Indianer feste / daß die Elephanten auch von dem / was im Hi el geschehe /Wissenschafft hätten; Ich aber habe mit Augen gesehen / daß sie die auffgehende Sonne und den neuen Monden anbeten. Wer wolte nun nicht nachgeben /daß etliche Thiere nicht einen der menschlichen Vernunfft zwar nicht gleichkommenden-iedoch [610] einen ihr nicht gantz unähnlichen Verstand haben? Sintemahl diß / wormit der Mensch alle andere Thiere übertrifft /mehr was göttliches / als menschliches ist. Der Papegoy unserer Gethischen Fürstin Syrmanis redet mir hierinnen noch ferner das Wort / von dem ich schier zu erzehlen vergessen hätte / daß / als er über die Gräntze des Serischen Reichs geführet ward / zu reden anfing: Ich bin ein Serischer Vogel / und schätze ausser meinem Vaterlande keines würdig / daß sie meine Sti e hören solle. Worauff er alsofort im Kefichte sich erstieß. Der Feldherr fing an: dieser Papegoy hat besser als Alexanders Pferd und sein Hund Peritas / welchen er zu Ehren 2. Städte in Indien gebaut / ein Ehrenmahl / und ein köstlicher Begräbniß / als nechsthin ein Rabe zu Rom / verdienet. Diesem Papegoyen muß ich einen von den Friesen aus der Atlantischen Insel gebrachten / und meinem Vater Segimer verehrten Vogel an die Seite setzen / welcher / wo nicht der verständigste / doch gewiß der schönste Vogel in der Welt ist / und daher besser als der Pfau ein außerwehlter Vogel der Juno / und des Königs der Mohren / zwischen dem See Zaire / und dem Meere zu seyn verdienet / in dessen Gebiete niemand ausser ihm bey Verlust des Lebens und der Güter einigen Pfauen halten darff. Er war aber auff dem Bauche und der Helffte der Flügel morgenroth / der Rücken und das übrige der Flügel himmelblau / der lange Schwantz fleischfarbicht / mit bleich-grün und gläntzender Schwärtze untermengt. Der Kopff hatte wellicht und rückwärts gekräuselte Federn von Rosenfarbe / und von einem gelb-rothen Feder-Pusche eine Krone / die wie glüende Kolen schimmerte / die Augen breñten wie Rubinen unter schneeweissen Augenliedern. Was aber das wunderwürdigste war /verstand uñ redete er in 3. Sprachen die Worte verständlicher / als die abgerichtestẽ Papegoyen aus.

Nach aller Anwesenden hierüber geschöpfften Verwunderung und Urthel: daß dieser Papegoy ihm sein Grabelied gewisser / als die Schwanen zu singen gewust / erzehlte Zeno ferner: Als König Huhansien zu Siucheu alles in gute Ordnung gestellt hatte / wäre er wegen der im Strome Kiang befindlicher Strudel und Steinklippen auff der lincken Seiten des Flusses zu Lande / gegen der Haupt-Stadt Chunking fortgerückt. Nachdem das Heer den ersten und andern Tag durch eine überausfruchtbare Gegend biß an den Fluß Chung kommen / hätten sie den dritten Tag das Läger unter dem hohen Berge Thunghuen auffgeschlagen /an dem er sich damals nicht satt sehen / noch itzo ohne höchste Verwunderung zurücke gedencken könte. Denn ob wohl die Serer insgemein auff den Gebürgen ihren Abgöttern und Helden zu Ehren köstliche Bilder aufsetzten / uñ insonderheit die aus Stein gehauene Seule des Abgotts Fe / ein Elefant / ein Löw / eine Glocke und Drommel auff dem Berge Xepao in der Landschafft Junnan berühmt und würdig zu schauen wären; Ob auch wohl des berühmten Baumeisters Dinostratus Erbieten / daß er aus dem Berge Athos des grossen Alexanders Bild / welches mit einer Hand eine grosse Stadt / mit der andern einen Fluß oder See fassen wolte / dessen Wasser den Einwohnern zu täglichem Gebrauch auskommentlich seyn solte / insgemein für eine großsprecherische Unmögligkeit gehalten würde; so hätte doch aus dem viel grössern Berg Tunghuen ein alter König den Götzen Fe mit geschränckten Beinen / und in die Schooß gelegten Händen gefertiget / dessen Höhe und Grösse daraus zu ermessen wäre / daß man Augen / Ohren /Naßlöcher und den Mund daran über 2. deutscher Meilen davon erkiesen könte; also / daß ihm weder der aus einem Steine gehauene Egyptische Sphynx /dessen Kopff 122. Füsse dick / 143. lang / und 162. hoch seyn soll / noch auch der Fuß in der andern Spitz-Seule oder dem Begräbnisse des Königs Amasis aus zweyen Steinen / deren ieder 30. Füsse dick /und 1400. lang ist / und darein die Wohnungen [611] der Priester gehauen sind / einigerley Weise den Schatten reichten. Auff dem Nagel der kleinen Zehe im rechten Fusse lese man folgende Uberschrifft:


Laß / dreymahl grosser GOtt / diß Zwerg-Bild dir belieben /
Das der / den du gemacht zum Grösten in der Welt /
Dir hier aus Andacht hat zum Denckmahl auffgestellt.
Ist doch dein Bild so gar in Sand und Kraut beklieben /
In Schneckenhäuser ein- dein Nahm und Lob geschrieben /
Weil deiner Weißheit auch / was klein ist / wohlgefällt;
Die auch Colossen nur fůr Ameiß-Hauffen hält /
Und steile Berge kan wie Asch' und Staub durchsieben.
So schau nun nicht das Werck / nur deinen Werckzeug an /
Der dir mehr seinen Geist / als diesen Steinfels weihet.
So viel dem Menschen Gott Vernunfft und Kråfften leihet /
So viel ist's / was er ihm auch bau'n und wiedmen kan.
Hält doch dein Bau / die Welt / dir selber nicht's Gewichte /
Und dein blaß Schatten steckt in Stern- und Sonnen- Lichte.

Der König Huhansien / fuhr Zeno fort / hielt sich theils um sein Kriegs-Heer durch die Früchte dieser Gegend und die aus diesem Götzen entspringende Bäche zu erfrischen / theils dieses Wunderbild genau zu betrachten zwey Tage darbey auff / verrichtete für ihm seiner Landes-Art nach sein Opffer / kriegte aber den dritten von einem überlauffenden Serer die Nachricht / daß König Juen / welcher wegen falscher Kundschafft seine gantze Macht in die Landschafft Xensi gezogen hatte / nach verlautetem Einbruche in Suchuen / nur ein Theil seines Kriegs-Volcks alldar zur Beschirmung gelassen / er aber mit der grösten Macht sich auff den Strom Sung gesetzt / und bey der Stadt Chunking / wo selbter in den Fluß Kiang fällt /ausgeladen hätte / also nun nahe an ihm mit dem gantzen Heere in vollem Anzuge wäre. Auf den Abend ließ sich schon der Serer Vortrab sehen / mit welchem die berittensten Scythen nur etliche Scharmützel ausübeten. Um Mitternacht stellte Huhansien und seine Feld-Obersten in der bey Piexan liegenden zwey hundert Stadien langen Fläche das Kriegs-Heer schon in Schlacht-Ordnung; iedoch derogestalt / daß ein grosses Theil des Volcks hinter dem Berge Chungpie verborgen stand. Als es begunte zu tagen / sahen wir schon / daß König Juen mit seinen vier mahl hundert tausend Serern in voller Schlacht-Ordnung gegen uns ankam. Oropastes / ich und die als eine Amazone ausgerüstete Syrmanis musten nahe bey dem Könige bleiben. Es ist unmöglich zu beschreiben die grausame Blutstürtzung; Die Serer waren zwar an Menge stärcker / und thäten durch ihre vortheilhafftige Gewehre /insonderheit durch viel von Gewalt des Feuers geschossene Bley-Kugeln grossen Abbruch. Die in denen sändichten Wüsteneyen / aber mehr ausgehärteten Scythen / waren doch denen durch Uberfluß ihres von Fruchtbarkeit schwimmenden Landes / und durch übermäßige Ubungen der Weltweißheit halb weibisch gemachten Serern überlegen. Wie? sagte Rhemetalces / soll die Weltweißheit / welche das Gemüthe wider alle Zufälle befestiget / welche einen erst zum Manne macht / welche als eine unersteigliche Mauer durch keinen Rüstzeug des Glücks übermeistert werden kan; welche die Foltern der Hencker verlachet / für der Sichel des Todes und den schimmernden Klingen der Feinde kein Auge verwendet / eine Mutter weibischer Zagheit / und eine Vorläufferin des Untergangs seyn? Der Feldherr nahm sich des Zeno an: die rechte und unverfälschte Weltweißheit / welche das Gemüthe durch Tugend ausarbeitet / die Richtschnur des Lebens / was zu thun oder zu lassen sey / fürschreibet /bey dem Steuer-Ruder der Vernunfft sitzet / und durch die stürmenden Wellen des trüben Welt-Meeres glücklich durchführet / ist in allewege ein eisernes Bollwerck der Königreiche / nicht ihre Verzärtlerin. Aber insgemein tauchten die Menschen nur einen Finger in ihre Lehre / weil diese im Anfange herber als Wermuth / die liebkosenden Wollüste aber ihnen süsser als Zucker schmeckten. Also umbhüllten ihrer viel sich mit dem Mantel der Welt-Weisen / derer Gemüthe mit Uppigkeit angefüllt wäre. Uberdiß mengte man allerhand scheinbare Waare unter ihre Würtzen /welche [612] zwar an sich selbst nicht falsch / aber zum Mißbrauch überaus diente. Dieses wäre die Beredsamkeit / die Dichter- Bau- Stern- und Meß-Kunst / ja alle dieselben Wissenschafften / welche an sich eine angeborne Liebligkeit hätten / die Ruhe liebten / dem Kriege und rauhen Arten feind wären. Durch diese verlernte man die Krieges-Ubungen / der Leib würde verzärtelt / das Gemüthe eingeschläft / das Volck zu Schauspielen und andern Kurtzweilen verliebet / und den tapfersten Leuten unvermerckt das Hertz aus der Brust / und das Schwerdt aus den Händen gerissen. Durch dis Kunst-Stücke hätte Cyrus die Lydier / Aristodemus die Cumaner gebändiget / indem jener ihnen Pferde und Waffen genommen / hingegen Wirths- und Huren-Häuser aufgerichtet; dieser aber der Bürger Söhne biß ins zwanzigste Jahr im Frauen-Zimmer unter Bisam und Balsam erzogen / welche zuvor im zehnden schon in das staubichte Lager genommen worden. Denen Römern wäre es bey Menschen Gedencken mit den Britanniern / welche sie Tempel /Raths-Häuser / und Bäder zu bauen / sich in der Lateinischen Beredsamkeit zu üben / Lust-Spielen und Gastereyen zu ergeben angewöhnet / glücklich angegangen / daß sie ihnen unter dem Schein der Höfligkeit das Seil der Dienstbarkeit an die Hörner geschlingt. Dieses hätte seine Vorfahrẽ / als sie in Griechenland und Gallien eingebrochen / beweget / daß sie von Verbrennung ihrer Bücher abgelassen / weil sie nach und nach wahrgenommen / daß sie daraus wohl gelehrt / aber auch weibisch worden. Und er erinnere sich zu Rom gehört zu haben / daß Cato stets im Munde geführet: Rom hätte seine Freyheit verlohren / als die Künste der Griechen bey ihnen Bürger-Recht gewonnen. Ja er habe zuwege gebracht / daß drey beruffene Griechische Redner alsofort wieder wären nach Hause geschickt worden. Rhemetalces versetzte: Dieses ist nicht die Schuld dieser herrlichen Künste und Wissenschafften / sondern derselben / die sich ihrer schändlich mißbrauchen. Soll man aber darumb alle Rosen-Sträuche ausrotten / weil die Spinne Gift daraus sauget; oder gar den Gottes-Dienst aufheben / weil die Thorheit ihn zum Aberglauben macht? Die Lehre der Tugend und Sitten ist freylich wohl der Kern der Weltweißheit / die Tugend aber selbst nicht so unbarmhertzig / daß sie dem menschlichen Gemüthe alle Anmuth mißgönnen / und iede Ergetzligkeit verstören solte. Die Oelbäume vertrügen neben sich die Myrthen / der Wein-Stock das annehmliche Blumwerck. Und ich möchte selbst in keiner Stadt wohnen / in welcher alle Wohnungen Zeughäuser oder Ruder-Bäncke wären. Soll man aber dieser Weißheit gram werden / weil der Mißbrauch ihr Leid anthut? Ich meyne vielmehr / daß ihre Unschuld nichts minder zu beweinen sey / als eine Jungfrau /welcher die Geilheit Unehre zumuthet. Fürst Zeno antwortete: Ich habe in meiner Erzehlung weder die sauersehende / noch auch die anmuthige Weltweißheit verdammet; sondern allein die Serer getadelt / daß sie dieser allein umbarmet / die Kriegs-Kunst aber zur Thüre hinaus gestossen / und hierdurch ihr mächtiges Reich / für dessen Kräfften gantz Asien zittern solte /zum Raube schwächerer Völcker gemacht. Wiewohl ich gestehe / daß sie dieses mal ihren Mann noch ziemlich gewehret: Dahero denn auch die Schlacht den halben Tag mit gleichem Glücke abwechselte /biß Zingis ein Scythischer Fürst nebst dreissig tausend auserlesenen Nomaden und Sarmatern hinter dem Berge Chungie herfür kam / und den Serern recht in Rücken fiel; da denn zwar jene einen Vortheil zu kriegen schienen / iedoch brachte der tapfere König Juen durch seine Hertzhaftigkeit / und die neue Hülffe des Serischen Hinterhalts alles wieder in gleiches Gewichte. Weil nun der in gelben Kleidern allein prangende König Juen fast allenthalben / wo es am gefährlichsten schien / an der Spitze fochte / [613] und seine Haupt-Fahne dahin zudringen ließ; hielt König Huhansien es ihm für eine unausleschliche Schande / diesem kühnen Feinde nicht selbst die Stirne zu bieten. Also musten die für ihn fechtenden Völcker Platz machen / und er drang mit seiner Leibwache gerade auf den Serischen König loß. Diese zwey Könige fielen einander selbst als Löwen an / gleich als sie eine absonderliche Tod-Feindschafft gegen einander trügen. Oropastes und ich kamen auf zwey Fürsten des Geblütes zu treffen / worfür wir sie aus ihren mit güldenen Drachen gestückten Kleidern erkennten. Und ich hatte das Glücke einen mit meinem Sebel zu erlegen; Oropastes aber seinen Feind mit einem Spiesse vom Pferde zu rennen. Inzwischen hatte König Juen / ob ihn schon Huhansien mit einem Pfeile in die Lendẽ verwundet / durch ein verborgenes Feuer-Gewehr dem König Huhansien 2. Bley-Kugeln in den rechten Arm geschossen / daß er nicht mehr seine Sebel brauchen /und also aus dem Streite mit nicht geringem Schrecken der Scythen weichen musten. Die Fürstin Syrmanis / als die nechste darbey / hatte zu grossem Glücke den dem Könige Juen stets an der Seiten kämpfenden höchsten Reichs-Rath / der zu seinem Kennzeichen eine Binde mit vielen Edelgesteinen führte / durchrennet; Dahero als sie den König Juen dem weichenden Huhansien nachdringen sahe / brachte sie mit einer unglaublichẽ Geschwindigkeit dem Juen einen tödtlichen Streich bey / daß er todt vom Pferde fiel. Die umb ihn fechtenden Serer erschracken hierüber so sehr / daß sie erstarreten / gleich als sie alle der Blitz gerühret hätte. Oropastes rieß bey dieser Gelegenheit dem Reichs-Fähnriche das einen güldenen Drachen fürbildende Königliche Reichs-Fahn aus / und schmisse es zu Bodem. Hierdurch gerieth das gantze Serische Heer in Unordnung / und nach dem die Leibwache noch wohl eine Stunde lang umb die Fahn und die Königliche Leiche verzweifelt / aber vergebens gefochten hatte / worüber ich in die Achsel / Syrmanis in die Hand verwundet ward / hingegen unser äuserster Hinterhalt aufs neue den Serern in die Seite fiel /gerieth alles in Verwirrung / und weil die Furcht auch die Tapferen / wie der Krebs die gesunden Glieder nach und nach einni t / bald darauf in offentliche Flucht. Kein Scythe steckte diesen Tag eine Sebel ein / die nicht vor in Serischem Blute gewaschen war /und die Mitternacht leschte noch nicht dieser verbitterten Feinde brennende Mord-Begierde aus. Das einmal einreissende Schrecken beni et den Augen das Gesichte / den Ohren das Gehöre / und der Vernunfft allen Verstand; daher die Scythen nicht allein die an denen zwey Haupt-Flüssen Pa und Kiang liegende herrliche Stadt Chunking verliessen / sondern sich auch des Vortheils dieser zwey Flüsse / an welchen sie mit geringer Macht noch einmal so viel Scythen hätten aufhalten können / entäuserten. Die Stadt Chunking schickte mit der Morgen-Röthe dem König Huhansien die Schlüssel zu den Stadt-Thoren entgegen; welcher / ungeachtet seiner Verwundung / gegen Mittags zu Pferde seinen überaus prächtigen Einzug hielt. Die Häuser auf den Strassen waren mit eitel Gold-gestickten Teppichten bekleidet / die Spring-Brunnen spritzten eitel eingeambert Wasser aus / die Strassen waren mit eitel hier häuffig wachsenden Blumen Meutang bestreut / welches eine weißlichte mit Purpur vermischte überaus grosse und aller Dornen befreyte Rose ist / und von den Serern für die Königin der Blumen gehalten wird. Bey der Königlichen Burg übergaben die Mandarinen dem Könige Huhansien die daselbst befindliche Königliche Krone / und andere Zierrathen. Auf den Morgen kam der König selbst in das Zimmer der Fürstin Syrmanis / führte sie an der Hand / und setzte sie nebst sich auf einen güldenen von vier schneeweissen Pferden gezogenen Sieges-Wagen / und zohe mit noch grösserer Pracht auf den nahe bey der Stadt gelegenen Lustberg Lungmuen /auf welchem ein von weissem Marmel [614] gebauter inwendig mit dichtem Golde überzogener und mit vielfärbicht eingelegten Porphiren und Agathen gepflasterter Tempel stehet / in welchem die Könige dieses Sophitischen Reichs für Alters gekrönet / und für dem Wüterich Tein / welcher / umb aller seiner Vorfahren Gedächtnüß auszutilgen / von ihm aber einen Anfang aller Geschichte zu stiften / alle Schrifften und Denckmahle verbrennen lassen / wohl 30000. Bücher von dem Priester Scyulo verborgen und erhalten worden. So bald er dahin kam / trat er mit der Fürstin Syrmanis für das Altar / auf welchem die Priester von eitel wohlrüchendem Adler- und Zimmet-Holtze / das ein Regenbogen berühret hatte / ein Feuer machten. Hierauf reichte er der Syrmanis eine Agtsteinerne Schale mit Weyrauch / und ermahnte sie / daß sie dem grossen Himmels-Könige darmit opfern solte. Syrmanis /unwissende / daß dieses denẽ Königin dieses Reiches allein zukäme / und selbte durch derogleichen Opferung für das Haupt des Landes erkläret würde / streute den Weyrauch freymüthig in die Fla e. Dieses war kaum geschehen / als die mit Fleiß anher geführten theils gefangenen / theils sich ergebendẽ Fürsten und Mandarinen in Suchuẽ der Syrmanis zu Fusse fielen /ihre Häupter biß zur Erde neigten / hernach sie / wiewohl mit helffenbeinernen Taffeln für dem Munde /wormit sie ihr Athem nicht berührte / für die Königin in Suchuen grüßten. Also nimmet man auch frembde Herrschafften / nur weil sie neu sind / mit Frolocken an. Diesen folgten vier Scythische Fürsten / welche die Syrmanis nahmen / und auf einen mit unzehlbaren Edelgesteinen schimmernden Stul hoben. König Huhansien ward von vier andern auf einen gleich über stehenden getragen. Der Tempel erbebte von dem Frolocken des Volckes / Syrmanis aber wuste nicht /wie ihr geschahe / biß nach einem Handwinck alles stille ward / der König aber zu reden anfing: Das Glücke / das Recht der Waffen / und unsere Tugend hat uns zum Meister in Suchuen gemacht. Man muß aber durch Klugheit behalten / was man durch Tapferkeit erworben hat. Jene erfordert die Belohnung grosser Verdienste / und eine weise Einrichtung der Ober-Herrschafft. Beydes dieses aber eignet der unvergleichlichen Syrmanis die Krone Suchuens zu. Diese gebühret dir / weil du dem grossen Fürsten der Scythen das Leben erhalten / dem Serischen aber hertzhaftig genommen hast. Du aber wirst selber dich nicht entziehen / weil das Verhängnüß dir übermässigen Verstand solche zu tragen / und einen Helden-Geist sie zu beschützen verliehen hat. Freue dich aber nunmehr erst glückseliges Suchuen / daß du einer Königin gehorchest / welche Saltz im Gehirne / Zucker im Munde / Feuer im Hertzen / und den Blitz in Händen führet. Ist sie nicht von Geburt eine Königin / so hat sie die Natur durch ihre Fähigkeit / und die Tugend durch Verdienst hierzu gemacht. Fürstliche Hoheit und Freundligkeit aber sind augenscheinlich in ihr Antlitz gepräget. Dieses annehmliche Ansehen verknüpft durch eine geheime Krafft die Hertzen der Unterthanen ihr nicht allein zum Gehorsam / sondern so gar die Seelen der Herrschenden zur Verehrung. Beglückselige dich also / Suchuen / mit deinem Schiffbruche / welcher dir was bessers gegeben / als genommen hat / Die härtesten Donner-Schläge / wie schrecklich sie scheinen / ziehen nach sich eine reiche Fruchtbarkeit. Vergnüge dich aber / grosse Syrmanis /an diesem Reiche. Einer Ceder ist zwar ein kleines Gefässe / einem grossen Gemüthe aber der geringste Winckel der Welt seine Tugend auszuüben zu enge. Nichts ist für klein zu schätzen / wo ein grosser Nahme Raum finden kan. Die Fürstin Syrmanis / ob sie zwar dieser Begebenheit sich auf diesen Tag am wenigsten versehen hatte / hörete den König Huhansien mit unverändertem Gesichte / und sonder das geringste Merckmal eines verwirrt- oder frolockenden Gemüthes aus. Ihre Geberden zeigten keinen Hochmuth / und bey aller dieser Neuigkeit schien an ihr nichts [615] neues / gleich als sie mehr herrschen könte / als verlangte. Sie erklärte sich hierauf mit einer annehmlichen Erbietung: Das weibliche Geschlecht wäre die Centner-Last eines Reiches auf seine Schultern zu heben allzu unvermögend; ihre geringe Dienste aber allzu unwürdig / daß sie ihr den Siegs-Preiß zueignen solte / welchen die Tapferkeit des grossen Huhansien / und die Waffen der streitbaren Scythen mit ihrem Blute erworben hätten. Sie bestärckte in dieser Meynung das Beyspiel des in diesem Reiche so sehr berühmten Fürsten Sungous / welcher dieses Ampt seinem grossen Verstande überlegen zu seyn gemeynet. Bey ihrer Unfähigkeit wüste sie doch dieses: daß es einem Unvermögenden rühmlicher wäre / sich einer angetragenen Bürde zu entäusern / als einem Vermessenen die übernommene schimpflich einzubüssen. Bey solcher Beschaffenheit würde sie für eine Gnade annehmen / da der König sie ihre Schwachheiten auf dem grossen Schauplatze der Welt zu entblössen nicht in Gefahr setzen / seinen eigenen Siegs-Preiß aber nicht in die Schantze schlagen würde. Da aber der Befehl des Königs so unerbittlich / als der Schluß des Verhängnüsses unveränderlich wäre / müste sie sich bescheiden / daß wie den Göttern auch schlechte Opfer angenehm wären / und sie ihn untüchtigen Werckzeuge geschickt machten; also wolle Huhansien durch Erhöhung ihrer Niedrigkeit die Grösse seiner Gewalt zeigen / ihren Gehorsam seinem eigenen Vortheil vorziehen / und durch seine Beschirmung eine Ohnmächtige zu Beherrschung eines so grossen Volckes fähig machen. Jedoch würde sie auf allen Fall unter dem Schatten der Königlichen Würde das Ampt einer wesentlichen Stadthalterin des grossen Huhansiens bekleiden. Die 4. Scythischen Fürsten überlieferten der neuen Königin hierauf die Königlichen Kleinode / welches war ein blau und gelber Bund mit einem Pusch Reiger-Federn und grossen Diamanten ausgeschmückt / ein mit Rubinen über und über versetzte Sebel / ein göldener Köcher und Bogen mit Smaragden gantz bedeckt / und das Königliche Siegel / darein ein Drache gegraben / welchem alle / die zu der Königlichen Verhör gelangen wollen / ja auch der König selbst bey seiner Wahl tieffe Ehrerbietung bezeugen müssen. Das allerschätzbarste aber war eine küpferne vergüldete Kugel / auf welcher einen Helfte die Landschafft Suchuen / auf der andern aber die Gestirne / welchen diß Land unterworffen /sehr künstlich gestochen waren. Diese Kugel war zwar nicht von denselbigen 9. Gefässen / welche König Ivus schon für 2200. Jahrẽ als Merckmale seiner 9. Länder hatte bereiten lassen / und wormit als einem heiligen Geheimnüsse den Königen die Herrschafft des Reiches übergeben ward. Alleine es war ein Gemächte des Fürsten Xius / der allererst für 200. Jahren von dem Fürsten Xo und Pei / welche beyde mit ihrem Vater sich dem grossen Alexander unterwarffen / Suchuen erobert / und also des Yvus Reichs-Geschirre mit Vergrösserung des Reiches vermehret / Huhansien aber solche unter dem Geräthe des Königs Juen erobert hatte. Alles Volck / welches die Eroberung dieser Gefässe für eine Göttliche Zuwerffung des Reiches hielt / verwandelte bey Erhebung der Fürstin Syrmanis sein Stillschweigen in ein Frolocken / und begleitete den König der Scythen und die neue Königin mit höchster Pracht und Glücks-Zuruffungen wieder nach Chunking. Also zeitlich verwandelte sich das Traurẽ / welches doch einem so neuen Betrübnüsse / als der schmertzhafte Tod ihres erschlagenen Königes war / wohl anstehet / in Freuden; ja / weil so wohl die Serer als Persen ihre Reichs-Häupter nicht ohne Geschencke begrüssen /ward die Königin Syrmanis in wenig Tagen mit tausenderley Gaben gleichsam überschüttet. Massen denn auch den sechsten Tag von der an der Gräntze des Reiches Huquang liegengenden Stadt Jungning /und von der fürnehmsten Haupt-Stadt Suchuens Chnigtu / an dem Flusse Kin / in welcher Gebiete ein Brunn wie das Meer ab- und zunimmt / [616] und eine Bach von dem Berge Tafung sechzig Stadien hoch abfällt /nicht nur Zeitung / daß sie die dahin geschickten Scythischen Krieges-Völcker zur Besatzung eingenommen hatten / sondern auch Gesandschafften mit grossen Kisten Bisam / welcher an dem Nabel eines kleinen Rehes wächst / seltzamen Affen / und andern Kostbarkeiten ankamen. Das herrlichste Geschencke unter allen aber waren zwölf wunder-schöne Knaben /welche die Fürsten des Reichs zu Bedienung der neuen Königin im Lande auserlesen hatten. Diese waren aufs herrlichste mit den grössesten Perlen um den Hals und die Armen / auf dem Haupte mit einem von Diamanten schimmernden Krantze ausgeputzt. Vier derselben waren mit Purpur bekleidet / mit Köcher und Bogen ausgerüstet / der eine überlieferte der Königin Syrmanis eine Krone / der ander einen Königsstab / der dritte eine grosse güldene Müntze / auf welcher sie mit einem neuen Nahmen nemlich einer Tochter der güldenen Abendröthe gepreget stand; der vierdte ein güldenes Zeit-Register / in welchem der Anfang der Jahres-Rechnung von dem Tage ihrer Herrschafft angefangen ward. Diese vier waren Lehrlinge aus der Schule des für fünfftehalb hundert Jahren blühenden weltweisen Confutius; dessen Lehren so unzweiffelbar / als ein göttlicher Ausspruch verehret werden. Sie zielen fürnehmlich auf eine glückselige Reichs-Herrschafft / verehren kein Bild / nur einen einigen Gott den Erhalter der Welt / und halten der Gottlosen Seelen für sterblich. Die andern vier Knaben waren blau angethan / einer trug in einem güldenen Korbe die wolrüchensten Blumen / der ander auf einer Porcellanen Schüssel die geschmacktesten Früchte / der dritte in einer Crystallenen Schale ein köstliches Geträncke / der vierdte in einem Porphirenem Gefässe Ambra / Zibeth und Bisam. Diese waren aus der Schule der Tausi / welcher Weltweisen Urheber Lauzu mit dem Confutius zu einer Zeit gelebt /und neun mal neun Jahr in Mutterleibe gewesen seyn soll; auch gelehret hat / des Menschen höchstes Gut wäre die Wollust / weil die Seele mit dem Leibe verschwinde. Die letztern vier Knaben hatten alle ein Rubinenes Hertz auf der Brust hencken / in den Händen güldene Zirckel / und legten selbte wie vorige Knaben zu der Königin Füssen. Sie waren Lehrlinge der Bonzier / die von dem klugen Tschaka herrühren / welchen für weniger Zeit des letztern Serischen Königs Vater durch Anleitung eines Traumes aus Indien holen lassen / und mit welchem seine Mutter im Traume einen weissen Elefanten / wie Olympias eine Schlange sehende / soll schwanger worden seyn / und ihn durch die Seite gebohren haben. Sie gläuben mehr als eine Welt / die Versetzung der Seelen aus einem Leibe in den andern; sie sind bemühet allein um die Vollkommenheit des Geistes / und ihr höchstes Gut ist die Ruhe des Gewissens. Dahero die Serer insgemein von diesen dreyen zu urtheilen pflegen: Die Gelehrten beherrschen das Reich / die Tausi den Leib /die Bonzier das Hertze. Rhemetalces fiel dem Fürsten Zeno hier in die Rede: Ich wundre mich / wie die Lehre des unwissenden und wollüstigen Epicurus der rechten verhasten Nacht-Eule unter den andern Weltweisen auch zu den Serern kommen sey? Hertzog Herrmann setzte ihm alsofort entgegen: Ich vertheidige nicht die Serer und andere unvernünfftige Ausleger dieses Weltweisen; aber seiner eigenen Unschuld habe ich mich billich anzumassen. Er hat geirret / wie alle Weltweisen in andern Stücken; wo es anderst wahr ist / daß er unsere Seelen für sterblich gehalten /und keine göttliche Vorsehung geglaubt; nicht aber vielmehr / wie sich wider seinen Verleumder Nausiphanes aus vielen andern Lehren muthmassen läst /die Eitelkeit der Griechischen Abgötter verworffen /die Vielheit der Gottheiten als den Grund aller ihrer Tempel und Andacht über einen [617] Hauffen zu werffen angezielet; der lasterhafften Seelen künfftige Angst aber durch ihre Sterbligkeit angedeutet hat. Massen denn auch einige seiner Feinde gestehen / daß er nicht so wohl die Versehung Gottes / als daß das ewige /unsterbliche und allergütigste Wesen einiger Schwachheit der Sorgfalt unterworffen sey / geleugnet habe. Ja alle dieselben / welche seine vielleicht unrecht-verstandene Lehren verdammet / oder seine drey hundert selbst gemachte und nirgends ausgeschriebene Bücher vielleicht nie gar / und mit Bedacht gelesen haben / seine tugendhaffte und mäßige Lebens-Art aller andern Weltweisen Wandel fürgezogen. Denn Epicurus hat zwar die Wollust auf den Königs-Stul des höchsten Gutes erhoben / nicht aber die üppige und schlammichte / sondern die ruhige / welche aus dem Besitzthum der Tugend und insonderheit aus der süssen Erinnerung dessen / was man voriger Zeit gutes gethan hat / entspringet; also auch zwischen Fesseln und Folterbanck ihre unabtrennliche Gefährtin ist. Diese Wollust ist sicher nichts anders / als die Beruhigung des Gemüthes / und die Freude eines guten Gewissens. Wenn es hagelt und stürmet / wenn der Himmel einbricht / und der Erdbodem berstet /bleibet sodenn das Hertze der Unschuld unbeweglich / und ein tugendhafftes Leben balsamet in den stinckenden Kerckern die verfaulte Lufft ein / welche eine reine Seele durch den Athem in sich ziehen soll. Dannenhero verhüllten Geilheit und Schwelgerey nicht allein mit dem Mantel des Epicurus ihre Gifft-Drüsen /sondern sie besudelten auch mit ihrem Unflate seine Reinligkeit. Er selbst verschmähete die weibische Wollust / welche einige Reue nach sich ziehen könte /und sehnte sich nach den Schmertzen / der das Gemüthe erleichterte. Er hielt die Angst in dem glühenden Ochsen des Phalaris für Süßigkeit / und das Feuer könte / seinem Urthel nach / ihn zur Noth ja wol brennen / aber nicht überwünden. Es könte ein streitbarer Arm ja wohl in Seide eingehüllet / und ein unerschrockener mit Sammet bekleidet seyn. Das Glücke habe keine Herrschafft über einen Weisen / weniger Gewalt selbten umzudrehen. Dieselben wären nichts minder strafbar / die ihren Tod wünschten / als die ihn nicht verlangten. Zumal jenes nothwendig von einem bösen Leben den Ursprung haben müste. Kurtz zu sagen: Epicurus wäre die selbstständige Mäßigkeit /aber die Verleumdung hätte ihm ein Huren-Kleid angezogen / und ihn auff das Faß des schwelgerischen Bacchus gesetzt. Seinem Urthel nach aber habe Epicurus nicht weiter / als Zeno / welcher die rohe Tugend an sich selbst zum höchsten Gute gemacht / vom Zwecke gefehlet / da doch solches aus beyder / nehmlich der Tugend und der daraus erwachsender Wollust Zusammenfügung bestünde. Bey welcher Bewandnüß er dem Epicur als einem noch nie Uberwundenen die Ertztene Ehren-Säule nicht abbrechen helffen könte /die ihm sein Vaterland nach dem Tode aufgerichtet hätte.

Zeno fing an: Ich muß von diesen Weltweisen nun wieder nach Chunking zu dem grossen Könige der Scythen kehren / für welchem / nach reicher Beschenckung der Königin Syrmanis / eine herrlich ausgeputzte Frau erschien / und zum Zeichen / daß sie das Reich Suchuen abbildete / dessen Wapen auf ihrem Schilde führte. Ihr folgten zwölf Jungfrauen /alle mit entblösten Brüsten und wie Liebes-Göttinnen mit Rosen-Kräntzen auf den Häuptern ausgekleidet. Das Reichthum der an ihnen schimmernden Edelgesteine mühte sich zwar der Zuschauer Hertz zu gewinnen / aber ihre lebhaffte Schönheit stach die Pracht der todten Steine weit weg / und ihre anmuthige Gebehrdung gab ihnen noch darzu eine herrliche Folge. Wie sie alle für dem Könige Huhansien nieder gesuncken / redete ihre Führerin den König an: Sie übergäbe ihm hiermit zwölf Geschöpffe der Natur /an welchen der Neid keinen Tadel / und tausend Augen [618] nicht ein Mahl eines Nadelknopfs groß finden würden. Diese hätte Gott allein in Suchuen darum lassen gebohren werden / wormit es einen vollkommenen König vergnügen / das Reich aber sich ihrem Uberwinder mit etwas ungemeinem verbinden könte. Der König Huhansien lächelte über diesem unvermutheten Geschencke / und nach dem er sie alle wol betrachtet /gab er der gegen überstehenden Syrmanis einen freundlichen Anblick / fing hierauf an: Ich erkenne zwar aus diesem den Serischen Königen zu bringen gewöhnlichen Geschencke die Zuneigung ihrer Gemüther; Aber die Scythen sind gewohnet aus Liebe ihnen ihre Ehegatten zu erkiesen / nicht ihrer Geilheit zu Gefallen einen Menschen-Zoll aufzurichten. Auch ist bey ihnen das Band der Hertzen die Tugend / nicht die Gestalt; denn der Purpur krönet so wol Unkraut als Rosen; Die Heydechse pranget nichts minder mit Sternen / als der Himmel. Und die Natter nistet am liebsten unter die Balsam-Staude. Die Entweihung so schöner Kinder düncket mich grausamer zu seyn / als das Gebot des Scedasus / dessen entleibtem Geiste Pelopidas / da er anders zu siegen vermeinte / eine Jungfrau aufopffern solte; und der abergläubigen Griechen / die das Ungewitter mit der Iphigenia Blute zu stillen vermeinten. Beydes aber haben die Götter verwehret / welche dort eine Stutte / hier einen Hirsch zum Lösegeld aufgenommen. Fürsten sind in der Welt Ebenbilder Gottes; also stehet ihnen so wenig zu die Entehrung keuscher Seelen / als der Todschlag der Leiber. Welche ihrer tollen Brunst hierinnen den Zügel verhengen / machen sich zu Indianischen Teuf fels-Götzen / derer schandbaren Höltzern die Bräute ihre Jungfrauschafft opffern müssen. Die Geilheit hat den Siegern insgemein den Siegs-Krantz aus den Händen gewunden / und Könige in Staub getreten. Nicanor hat zu Thebe nicht ehe seine gefangene Buhlschafft / als eine selbst händigermordete Leiche umarmet. Jener überwündende Macedonier hat mit den Küssen einer geschändeten Jungfrauen seine Seele durch eine ins Hertz empfangene Wunde ausgeblasen. Unzucht hat Sardanapaln ins Feuer gestürtzt / Troja eingeäschert / die Tarqvinier aus Rom vertrieben /und den Antonius zu Grunde gerichtet. Kehret diesemnach nur zurücke / ihr Ausbund der Jugend / welche nicht ihr Vorsatz verleitet / sondern die Mißbräuche des Vaterlandes verderben wollen. Trachtet durch Vernunfft eure Gemüther schöner zu machen / als die Natur eure Glieder geschmückt hat; weil auch eine Englische Helena ohne den Purpur der Schamhafftigkeit heßlicher ist / als die runtzlichte Penelope. Eine keusche Seele schreitet begieriger in das Ehebette eines Schäffers / als in das Zimmer Königlicher Kebsweiber. Denn die Pracht der Welt und das Glücke der Menschen hat ein falsches Licht / an dem nichts tauerhafft / als der Unbestand ist. Die Tugend alleine hat Bestand und Vergnügung. Die Keuschheit hegt die empfindlichste Ergetzligkeit; Sie ist der herrlichste Aufputz der Schönheit. Wollust aber gebieret Reue und Eckel. Also musten nach gegebenem Zeichen zu höchster Verwunderung aller Anwesenden diese hierüber zugleich verstummenden irrdischen Göttinnen den Königlichen Saal räumen. Ich gestehe es / sagte Rhemetalces / diese Enteuserung ist hundertfach rühmlicher / als Xenocratens / der die geilen Umhalsungen der allgemeinen Phryne so theuer nicht bezahlen wollen / und des Scipio / der die zu neu Carthago gefangene Braut ihrem Luccejus unversehrt aushändigte. In alle Wege / versetzte Zeno. Dannenher diese recht Königliche Entschlüssung nicht allein dem Huhansien die Gemüther der Serer / welche der Keuschheit die Oberstelle aller Tugenden zueignen / ihren Liebhabern nicht selten Ehren- und Sieges-Bogen aufsetzen / und den nach seiner Gemahlin Tode nicht wieder heyrathenden [619] König Chungting noch itzt nicht sattsam zu rühmen wissen / ihm aufs festeste verknüpffte sondern sie ziehe auch eine kräfftigere Würckung als der Blitz nach sich / welcher die gifftigen Thiere entgifftet / die nicht-gifftigen aber vergifftet. Denn diese zwölff Jungfrauen / welche zum theil sich schon in Gedancken mit dem grossen Huhansien inbrünstig umhalset hatten / gelobeten ewige Jungfrauschafft; Die zeither aber gegen des Königs Liebkosungen allzulaue Syrmanis empfand augenblicklich eine Erweichung ihres Hertzens / hernach eine ungemeine Zuneigung / und endlich die vollkommene Krafft der Liebe; also / daß sie Noth hatte selbte zu verhölen. Alleine weil es leichter ist eine Schlange im Busen / das Feuer in der Hand / als die Liebe im Hertzen zu verbergen / nahm der König in weniger Zeit nichts minder die Veränderung ihrer vorigen Unempfindligkeit / als ihrer Blicke und Bezeigungen wahr. Und weil nichts mehr als die Liebe leichtgläubig macht / so überredete ihn seine Einbildung / daß er ihre Zuneigung täglich mehr als den zunehmenden Monden wachsen sehe. In dieser stillen Hoffnung zohe der König mit dem Groß seines Heeres / nach dem er den Sogdianischen Unter-König bey der Stadt Qveicheu / die Gräntze Suchuens mit hundert tausend Mann zu beobachten / und ferner in dem Reiche Huqvang einen festen Fuß zu setzen / hinterlassen /an dem Flusse Sung Strom-auf biß zu der lustigen Stadt Ganhan. Daselbst belustigte sich der König in dem Gebürge Co / welches mit eitel Granat-Aepffel-und Pomerantz-Bäumen bedeckt ist; von dem man den zwölf-spitzichten / und mit neun Saltz-Brunnen versehenen Berg Nanmin gleichsam zum Gegensatz selbiger Fruchtbarkeit liegen siehet. Wie nun die Königin Syrmanis sich über dem mercklichen Unterscheide dieser Gegend überaus wunderte / holete Huhansien aus seinem tiefsten Hertzen einen beweglichen Seuffzer / und fing an: Ach vollkommenste Syrmanis! Gläubet sie wol / daß jener rauhe Fels / und diese von Fruchtbarkeit trieffende Hügel einander unehnlicher sind / als der Lust-Garten ihres Antlitzes / und die Unbarmhertzigkeit ihres steinernen Hertzens? Zweiffelt sie / daß jene Saltz-Brunnen von so viel Wasser / als meine Augen über ihr heimliche Thränen vergossen / nicht würden süsse gemacht worden seyn? Da doch ich noch zur Zeit kein Kennzeichen einer Empfindligkeit wahrnehmen kan. Unvergleichliche Syrmanis! Ich erkenne ja wohl / daß kein Sterblicher ihrer Liebe / und die Herrschafft der Welt nicht ihrer Vollkommenheit fähig sey; Aber verschmähe nicht Huhansien / welcher in seiner Seele dir einen Tempel gebauet / in welchem er dir sein selbsteigenes Hertz aufopffert / und die Oberherrschafft der Scythen unterwirfft / derer Siegen die Götter kein Ziel / den Reichs-Gräntzen die Natur kein Maß gesetzet hat. Syrmanis überwand bey dieser zwar unvermutheten Ansprache alle empfindliche Aufwallungen ihres Gemüthes; ungeachtet sie Huhansien recht in ihre Blösse traf. Daher neigte sie sich mit tieffster Ehrerbietung / und antwortete dem Könige ohne die mindeste Veränderung des Antlitzes: Großmächtiger Huhansien / ich würde diesen Fürtrag für einen Schertz /wo nicht für einen Traum anzunehmen haben / daß der / dessen Herrschafft die Welt zu enge / dessen Tugend der Himmel zu niedrig ist / seine Gewogenheit auf die unwürdige Syrmanis absencket / wenn ich nicht bereit erfahren hätte / daß es dem Haupte der Scythen ein geringes sey / Königreiche zu verschencken / und daß seine Gnade nicht mehr auff seine Freygebigkeit als auff der beschenckten Würdigkeit ziele. Zwar benimmet der niedrige Fuß einem hohen Colossen / und ein tieffes Thal einem spitzigen Felsen nichts von seiner Grösse / und die Sonne streicht auch irrdischen Dingen ein Licht an. Aber Heyrathen [620] erfordern eine anständige Gleichheit. Die Natur selbst bleibt bey ungleicher Vermischung entweder unfruchtbar / oder sie gebieret seltzame Mißgeburten. Wie viel gekrönte Häupter haben durch niedrige Vermählung den Haß der Königlichen Bluts-Verwandten / durch fremde den Auffstand der Unterthanen / beyde aber den Untergang ihres Reichs verursacht? Jedoch bekümmert mich nicht der Mangel eines grossen Braut-Schatzes. Denn wer alle Tage eine halbe Welt gewinnen kan / dem darff man keine Königreiche zubringen. Aber ich besitze auch nicht die Schönheit Roxanens / die den grossen Alexander bezauberte /noch die Tapfferkeit einer Semiramis / welche dem Gemüthe Huhansiens beystimmete / das den Donner des Himmels nicht fürchtet / und das Gewichte der Erdkugel überwieget. Würde nun nicht diese übermäßige Würde den wenigen Zunder meiner Tugend / wie allzu kräfftige Nahrung die natürliche Wärmde eines schwachen Magens erstecken? Ziehe dannenhero /Huhansien / deine Gedancken zurücke / welche insgemein unsere Vernunfft versuchen / und unsere Klugheit prüfen; Ob wir auch fähig sind gegen unsere Glückseligkeit genungsam vorsichtig zu seyn. Höre mich / deiner gegen mich tragender Liebe halber / auf zu lieben; wormit sie bey dir nicht zum Eckel / bey mir zur Verachtung werde. Heyrathen sind ohne diß nichts minder ein Schwamm der Liebe / als die Zeit der Wohlthaten. Nim diß nicht an für ein Mißtrauen zu deiner Beständigkeit. Unverdiente Ehre fühlet ihre eigene Schwäche / und erfüllet das Hertze der Unwürdigen mit dem Schatten der Furchtsamkeit. Und in Warheit / ich würde bey besorglich herfürbrechender Unfähigkeit so wenig Gedult haben meine Verstossung zu verschmertzen / als ich mich itzt eines Verdienstes rühmen kan / den König der Scythen zu umarmen. Schilt nicht diese meine Kleinmuth. Vorhergehende Furcht vermindert die folgenden Ubel /wenn sie sie schon nicht ablehnet. Vorgesehene Streiche sind weniger schmertzhafft / und der muß stets mit dem Bleymasse in der Hand / und mit Mißtrauen im Hertzen fortsegeln / den das Glücke in seinen Nachen hebet. König Huhansien ward durch diese Ablehnung nichts minder als die Flamme durch Oel angezündet. Dannenhero wendete er all sein Vermögen an / das Gemüthe der Syrmanis zu gewinnen / und selbtes von dem Nebel aller Bedenckligkeit auszuklären; also / daß sie sich länger nicht überwinden konte / ihre Gemüths-Regungen zu verdrücken / sie fiel ihm also zu Fusse mit diesen Schluß-Worten: Hier lieget /Huhansien / deine Syrmanis / nichts minder zu deinem Willen / als zu deinen Füssen. Ich schütze nun nicht mehr für unsere Ungleichheit; Denn der die Mächtigen unterdrücken / die Hoffärtigen ins Joch spannen kan / vermag auch der Verächtligkeit ein Ansehn beyzulegen. Die Liebe fängt bißweilen Zunder von unsern Gebrechen / wie ein schönes Antlitz herrlichen Schein von gewissen Maalen. Ich bin zeither durchs Verhängnüß der Götter deine Magd und Gefangene gewesen; Ich will von nun an seyn deine Braut auff deine Anschaffung / und sodenn deine Gemahlin / wenn mein Vater der Gethen König Cotison es erlauben wird. Glaube aber / daß die / welche dich in ihrer Erniedrigung hertzlich geliebet hat / dich auf dem höchsten Throne der Welt allererst anbeten werde. Huhansien unterbrach voller Freuden ihre Rede: Was sagst du / holdseligste Syrmanis? Umarme ich hier die weltberühmte Tochter des Cotison / welche das Bette des grossen Augustus verschmähet /und den unwürdigen Huhansien erwehlet hat? Mit diesen Worten konte er sich länger nicht mäßigen sie inbrünstig zu umarmen. Sie aber / um ihn alles Zweiffels zu benehmen / zohe herfür etliche Schreiben des Käysers Augustus / sein und ihr mit [621] Diamanten neben einander köstlich versetztes Bildnüß / welches sie stets an ihren Leib gebunden trug / und daher noch aus dem Schifbruche mit zur Ausbeute davon gebracht hatte. Der König wuste seine Vergnügung nun nicht mehr zu begreiffen / weniger seine Liebe zu verhelen; Daher kehrte er nach etlichen Umarmungen mit der Königin Syrmanis aus demselben Luststücke zurücke an einem annehmlichen Springbrunnen / wo er seine Scythische Fürsten / mich und Oropasten verlassen hatte. Sein erstes Wort war / sie solten die Syrmanis nicht mehr als Königin in Suchuen / sondern als des Gethischen Königs Tochter / das Haupt der Scythen / und als die Braut Huhansiens verehren. Wie seltzam nun diese geschwinde Verlobung Oropasten und mir fürkam / so geschwinde zohen die Scythischen Fürsten ihre Sebeln aus / schrenckten selbte so artig gegen einander zusammen / daß Syrmanis auf ihren blancken Klingen einen ungefährlichen Sitz bekam. Massen sie denn andere darauf Ehrerbietig erhoben / sie zu dem nicht weit entfernten Heere trugen / und sonder einiges Wortverlieren durch diese einige Landes-Art zu einer Königin der Scythen erkläreten. Das wegen allbereit ausgeübter Tapfferkeit ihr überaus gewogene Heer empfing sie mit unbeschreiblichen Frolocken. Inzwischen umarmete sich der König mit Oropasten / und endlich auch / weil er ihm meine Beschaffenheit kürtzlich zu entdecken nöthigte / mit mir. Wir kehreten hiermit alle gleichsam als gantz neue Menschen in die Stadt Ganhan; allwo der König bald folgenden Morgen den Unter-König der Sacken mit tausend Pferden in Gesandschafft an den Gethischen König Cotison abfertigte / und auff bewegliches Ansuchen endlich auch / wiewol unter versicherter Zurückkehr / Oropasten nach mehr als Königlicher Beschenckung mit zu reisen erlaubte / um durch ihn so viel mehr die väterliche Einwilligung zu ihrer Heyrath zu erlangen. Nach dem diese Stadt der Syrmanis gehuldigt hatte / und die herum liegenden Festungen besetzt waren / verfolgten wir unsern Zug zu der an dem Flusse Kialing liegenden Stadt Pasi / allwo die Gesandten der grossen Stadt Inping an dem Flusse Feu /welche ein rechter Schlüssel des Reichs gegen das Scythische Reich Sifan ist / nicht allein die Schlüssel ablieferte / sondern auch eine Gesandschafft des Königs in King / welches mit eitel Bergen umfestigte Reich niemals denen solches gantz umschlüssenden Serern gehorchet / mit der Königin Syrmanis ein Bündnüß schloß. Die Begierde die Herrschafft durch die Waffen zu erweitern / und durch Geschwindigkeit die Mutter des Glücks / in Kriegen sich vollends des Reiches Xensi zu bemächtigen / ehe die Serer durch neue Heeres-Krafft selbiges entsetzten / verbot uns alle Rastung; also muste das Heer fast Tag und Nacht über den Fluß Tung / unter dem Gebürge Juntai / das wegen seiner Höhe den Nahmen des Wolcken-Stuls bekommen / und so ferner forteilen / biß es der König auf der Xensischen Gräntze unter dem fruchtbaren Gebürge Tapa ausruhen ließ. Denn Huhansien erlangte Kundschafft / daß zwar sein durch die Wüste Kalmack oder Xamo / in das Königreich Xensi / welches zeither i er der Königliche Sitz gewest / ein gebrochenes Heer nach dem Abzuge Königs Juen sich der festen Gräntz-Stadt Xamheu bemächtigt / hingegen die Serer in der von eitel Felsen wie mit einer Mauer umgebenen Festung Ninghia / und an dem gantzen Saffran-Strome / über welchen bey Ninghia von einem Berge zum andern die in einem einigen Bogen bestehende viertzig Ruthen lange / und nur von oben biß ans Wasser funfzig Stangen tieffe Wunder-Brücke gehet / feste gesetzt / wie nichts minder nach verlautetem Anzuge der Scythen / mit einem drittern Heere zwischen beyden Flüssen Han / und denen daran stossenden Gebürgen verschantzt hätten. Huhansien traute ihm [622] sonder Krieges-List hier ferner in Xensi nicht durchzubrechen; Daher gab er seinem Heer öffentlich zu verstehen / daß er nicht mit Wasser und Klippen Krieg zu führen verlangte / sondern linck- und west-werts gegen der herrlichen Stadt Cungchang / wo der berühmte König Fohius gebohren und begraben ist / seine Mutter aber einen Ehren-Tempel aus eitel Porphyr hat aufrichten lassen / abzulencken und den Feinden sodenn in Rücken zu gehen gedächte. Unter diesem Vorwand schickte er zwantzig tausend Massageten biß an den Fluß Sihan voran /und durch etliche kleine Hauffen ließ er gegen das feindliche Läger Kundschafft einholen; ja derer etliche mit Fleiß in die Hände der Serer verfallen. Weil nun nicht allein alle Gefangenen einmüthig zusammen stimmten / sondern auch der Scythen Entschlüssung der Vernunfft sehr ehnlich schien; hoben die Serer mit höchst unvernünfftiger Ubereilung mit Zurücklassung kaum zwantzig tausend Mann ihr Läger auf / um den Scythischen zwischen dem Gebürge Poching / auf welchem das unfruchtbarmachende Kraut Hoaco wächst / und dem Berge Loyo / wo ein überaus grosser steinerner Löw aus dem Rachen ein starckes Qvell ausspritzt / fürzubeugen. So bald dieser Auffbruch dem Könige Huhansien verkundschafftet ward / eilte er mit seinem gantzen Heere auff die fast unüberwindliche und von Bisam und Zinober überaus reiche Stadt Hanchung zu / wo Lieupang der Stiffter itzigen Königlichen Geschlechtes Hanya zum ersten wider das Hauß Tschina die Waffen ergriffen / schwemmte in Gesichte des hierüber erstarrenden Feindes / der über diesen Fluß nur mit Schiffen zu überkommen möglich hielt / mit der Reuterey durch den Strom Han. Alles was sich widersetzte / fiel durch die Schärffe der Scythischen Sebeln. Ehe nun das Fuß- Volck auff denen eroberten Schiffen auch übergesetzt ward / berennte er die Stadt / um ihr alle Hülffs-Völcker abzuschneiden / rings herum. Weil aber Pingli /der Enckel des grossen Helden Changleang / in selbter das Oberhaupt war / setzte er ihm für ehe mit seinem Blute die glüende Asche der Stadt auszuleschen /als mit Zagheit die tapfferen Helden-Thaten seines Großvaters zu besudeln / und daselbst eine Schand-Säule zu erlangen / wo jener den herrlichsten Ehren-Tempel verdienet hatte. Ob nun zwar Huhansien anfangs durch sorgfältigste Verschonung seiner hierum liegender Land-Güter und Lusthäuser den Pingli bey den Serern zu verdächtigen vermeinte; Hernach als dieser zu Ablehnung solchen Fallstricks / wie für Zeiten Pericles zu Athen / seine Güter dem gemeinen Wesen zueignete / gegen ihm seine grosse Versprechungen mit schrecklichem Dräuen vermischte / da er sich seinen sieghafften Waffen länger widersetzte; entbot er ihm doch hertzhafft zur Antwort: Worte wären nur ein Schatten von den Wercken. Diese wären Männer / jene wären Weiber; Er aber versichert / daß seine siegende Tapfferkeit ihn entweder zum Helden / oder sein Tod zum Gotte machen würde. Huhansien ward hierüber erbittert / wiewol er endlich die Tugend in seinem Feinde lieb gewinnen muste; ob schon ihm etliche Stürme zu seinem grossen Schaden abgeschlagen wurden. Die Scythen wendeten alle Kräfften und Krieges-Wissenschafften an / die Mauren zu zerschmettern / die Stadt mit fliegendem Feuer zu ängstigen / die Bollwercke zu untergraben; aber die Tapfferkeit der Belägerten trat als die festeste Mauer iederzeit in die Lücke / biß endlich fast alle Wehren zerschellet waren / und König Huhansien / in Meinung / daß an dieser Eroberung das gantze Reich Xensi / an seiner Abtreibung aber auch der Verlust des eroberten Königreichs Suchuen hienge / oder weil das Feuer und das edle Laster / nehmlich die Begierde seine Gewalt zu erweitern / durch die Nahrung nur gereitzet / nicht ersättigt wird / und den Fürsten insgemein nicht diß / was sie besitzen / sondern was ihnen abgehet / [623] beliebet / in Person die Seinigen zum Sturm anführete / den Feind durch unaufhörliches Anlauffen abmattete / und endlich sich der Stadt stürmender Hand bemächtigte. Ich hatte das Glücke der erste auff der Mauer zu seyn; aber den Unfall / daß der verzweiffelte Pingli / weil er sich alles Ermahnens unerachtet / nicht ergeben wolte / als gleich schon die eroberte Stadt in ihrer eigenen Beschirmer Blute schwam / er aber für Mattigkeit und von empfangenen Wunden lächsete / von meinem Degen fiel. Huhansien setzte mir in dem Gesichte des gantzen Heeres einen Lorber-Krantz / dem für der Zeit aber entseelten Pingli eine Ehren-Säule auf / mit der Uberschrifft:


Zollt diesem Helden-Lob / nicht unglücksel'ge Zehren /

Mit diesem balsamt nur die Liebe Gräber ein.

Aus Helden-Asche blühn die güldnen Ehren-Aehren /

Die ein vernünfftig Feind sich schämet abzumey'n.

Klagt nicht den frühen Todt / das kurtze Ziel der Jahre;

Sein ewig Ruhm verträgt der Zeiten Mäßstab nicht.

Glückselig! dem sein Volck pflantzt Lorbern auf die Bahre;

Noch seliger / den selbst sein Feind hebt an das Licht!


Die Scythen waren noch in Blutstürtz- und Plünderung dieser grossen Stadt begriffen; als dem Huhansien angedeutet ward / daß die Serer / welche die Belägerung dieser Stadt von den Flüchtigen erfahren /beym Berge Tung zurücke über den Fluß Han gesetzt / die Scythische Vorwache zurücke getrieben hätten /und in voller Schlacht-Ordnung gegen die Stadt anzügen. Der König befahl mir also fort mit denen noch im Läger auff allen Fall unverrückt gebliebenen Kriegs-Völckern dem Feinde die Stirne zu bieten. Inzwischen brachte er in der Stadt durch gewöhnliche Kriegs-Zeichen sein Volk unter ihre Fahnen. Ich war kaum ein paar Stadien aus dem Läger fortgerückt / als der Serer Vortrab auff mich mit grosser Ungestüm zu treffen kam. Sie verfolgten auch ihren Angriff mit einer so beständigen Tapfferkeit / daß einer nicht unbillich gezweiffelt hätte: ob wir hier eine gantz andere Art Feinde gefunden / oder ein neuer Helden-Geist nach so grossem Verlust in die Serer gefahren wäre. Also ist die Verzweiffelung der rechte Wetzstein der Tapfferkeit / und die euserste Noth machet einen ungewaffneten wider vier geharnschte zu fechten fähig. Hingegen reitzte der mehrmals erhaltene Sieg / welcher auch die Verzagten endlich behertzt macht / die Scythen zu grösserer Tugend an. Ich drang nach blutigem Gefechte endlich in die Mitte dieses Vorzugs /und riß dem Feinde die Haupt-Fahne / an welcher zweiffels-frey eine rechtmäßige Beschirmung anzudeuten / ein mit einem Adler kämpffender Schwan nebst diesen Worten: Ich fordere nicht / aber ich schlags nicht aus / gemahlet war / aus den Händen. Aber das grosse Heer der Serer / welches des erlegten Königs Juen Bruder der unverzagte Zinem führete /brachte den Vortrab bald wieder in Ordnung und uns ins Gedränge; also / daß ich zu rechter Zeit vom Könige Huhansien und der streitbaren Syrmanis entsetzt ward. In seiner Haupt-Fahne führte Zinem einen gekrönten Drachen der Serischen Könige Kennzeichen /welcher etliche ihn antastende Schlangen verschlang /mit der Beyschrifft: Ohne euch / wäre ich nicht /was ich bin. Beyderseits war so grimmig gefochten /daß ich gestehe / niemals sonst auser nechsthin unter dem Varus in einem heisseren Bade gewesen zu seyn. Ich kriegte für der Sonnen Untergange drey Wunden; Huhansien und Syrmanis / welche Wunder thaten /und mehrmals unter den Feinden verwickelt waren /daß man sie nicht wuste / wurden gleichfals verletzt; und dennoch vermochte weder die Mattigkeit noch die Nacht die verbitterten Feinde von einander zu trennen / biß sich nach Mitternacht entweder der Himmel beyder erbarmte / oder so vielem Blutvergiessen nicht länger zuschauen konte / indem es mit einer kohlschwartzen Wolcke das Monden-Licht verhüllte / [624] und also gleichsam selbtes Gestirne ein Trauer-Kleid anzoh. Beyde Heere wichen also mit einem verstockten Stillschweigen zurücke. Auf den Morgen aber wurden wir gewahr / daß Zinem sich gar über den Fluß Han zurücke gezogen hatte. Die leere Wallstatt stellte uns allererst recht das grausame Schauspiel der Schlacht mit mehr als 100000. Leichen für; etliche tausend geköpfte Strümpfe wusten ihre Häupter / andere ihre abgehackte Armen / Hände und Beine nicht zu erkiesen: Viel hatten ihren Geist mit den Eingeweiden ausgeschüttet / andere ihre Seele unter den todten Pferden ausgeblasen. Nicht wenig waren von der raschen Reiterey zertreten / oder unter der Last der auf sie fallenden Leichen ersticket. Etliche hielten noch mit den Zähnen die sie entseelende Feinde / weil ihnen keine geschicktere Waffen übrig blieben waren. Zum Theil waren sie lebendig von dem häuffigẽ Staube begraben; viel bissen für Verbitterung in das Graß / weil die Ohnmacht sie verhinderte ihren Feind zu erreichen; und eine Menge der Verwundeten seufzete /rechelnde nach der Zertrennung des Leibes und der Seele / weil sie bereit mit allzu langen Schmertzen auf dem Scheidewege des Lebens und Sterbens geschwebet hatten / und wegen jenes Bitterkeit dieses für ihre Wolfarth erkieseten. Ja der Tod hatte allhier fast so vielerley Gesichter angenommen / als die Zahl der Todten oder noch Sterbenden ausmachte; also / daß König Huhansien und Syrmanis sich selbst nicht von bittern Thränen mässigen konten; hierüber er auch seufzende anfieng: Ihr entseelten Leichen / warumb verursacht ihr mich euch zu beweinen? lasset vielmehr eure Geister über mich Thränen auspressen / der ich euch selber der Wegweiser zum Tode gewesen bin! Also waren diese erlegten Krieges-Leute zum minsten glückseliger / als die Weichlinge des Xerxes /indem diese noch bey Leben mit weibischen / jene aber nach dem Tode mit edlen Thränen beehret wurden / und zwey Königliche Häupter zu ihren Klage-Weibern hatten. Unter den Todten / welche der König ohn Unterscheid beerdigen / theils aber denen in weissen Trauer-Kleidern vom Fürsten Zisem abgeschickten Serern / welche die Ihrigen im Vaterlande kostbar zu begraben pflegen / zum Leichen-Gepränge ausfolgen ließ / ward endlich auch Barcas der vermißte Unter-König der Sacken gefunden / aber wegen vieler Wunden kaum erkennet. Dieser war in seiner Kindheit eines seiner Bluts-Verwandten umb künftig seinen Kindern sein reiches Erbtheil zuzuschantzen ausgeschnidten worden / aber hierdurch hatte er das minste von seiner angebohrnen Tapferkeit eingebüßt /und durch seine überaus treue Dienste sich zu einẽ Schoß-Kinde des Königs gemacht. Der König konte sich nicht enthalten diese blutige Leiche zu umbarmen. Nachdem sie auch abgewaschen war / ließ er sie auf einem mit Purpur bedeckten Prang-Wagen in die Stadt Hanchung führen / in welcher die eingefälleten Mauern ergäntzet / die fast unzehlbaren Verwundeten aufs sorgfältigste gepflegt wurden. Inzwischen lief Nachricht ein / daß die Serer sich gar zurücke biß an das Gebürge Poching gezogen hatten; dahero reisete Huhansien / Syrmanis und ich / mit einem ausgelesenen Kriegs-Volcke den Strom Han hinauf / den vom Feinde verlassenen vorthelhaften Ort zu besetzen /und hierauf den Wunder-Berg Yoniu / oder die köstliche Frau genennet / zu besichtigen / weil die Natur auf selbtem aus Marmel ein so schönes Weibsbild als immermehr Praxiteles gebildet. Wir erstarreten für diesem Bildnüsse / und Huhansien wolte sich durch viel Betheurungen nicht bereden lassen / daß nicht ein Künstler die Hand mit im Spiele gehabt / wenn ich ihn nicht versichert / daß ich selbsten viel Steine / und insonderheit Agaten gesehen hätte / in welchen Städte / Schlösser / Bäume / Vögel / Fische / vierfüssichte Thiere / Schlangen / ja Menschen aufs deutlichste wären ausgepregt gewest / und daß in dem Lande Fokien / bey [625] der Stadt Yecheu der von der Natur gleichsam als einem künstlichen Pinsel mit Bergen / Flüssen / Bäumen und Blumen durchmahlete Marmel gantz gemein wäre. Der Berg Apennin bildete hin und wieder Brust-Bilder / das Vor-Gebürge bey Scylla einen niedergeschlagenen / ein Melitensischer Berg einen gehangenen Menschen / ein ander bey Panormus eine Müntze mit des Käysers Bildnüsse / das Gebürge an der äusersten Sud-Spitze in Africa ein deutliches Antlitz ab / welches entweder aus blossem Zufalle durch die Krafft des flüssenden Saltzes / oder weil die Natur zuweilen ein rechtes Thier (wie man denn in dem Reiche Huquang an dem Berge Xeyen viel versteinerte Schwalben findet / und sie zur Artzney brauchet) durch ihre versteinernde Krafft in einen wahrhaften Stein oder etwas flüssendes / das etwan in einem weichen Behältnüsse eine gewisse Gestalt bekommen / in Crystall oder Agt-Stein / darinnen ohne diß nicht gar ungemein Fliegen / Spinnen und Nattern herrlich begraben gefunden werden / durch überaus heftige Kälte / oder andere zusammenziehende Magnetische Krafft / die in allen Dingen stecket / und seines gleichen an sich zeucht / verwandelt werde. So könten sich auch in die wachsenden Steine allerhand Saamen von Bäumen und Kräutern einmischen / und zu solchen Abbildungen helffen / wie man auf dem höchsten Gemäuer wegen des durch Wind und Vögel dahin gebrachten Gesämes allerhand Gewächse / ja starcke Bäume aufwachsen sehe. Hertzog Herrmann brach hier ein / und meldete: Daß in dem Hercynischen Walde sehr offt artliche Steine mit gebildeten Thieren gefunden würden; und an dem Norwegischen Gebürge stellte ein Berg einen verkappten Menschen für. Zeno fuhr fort: Es wäre die Welt mit diesen Wundern ziemlich angefüllt / ja die Wolcken pflegten uns nicht selten gantze Geschichte fürzubilden; aber das erwehnte wunder-würdige Frauen-Bild überträffe seinem Urtheil nach alles Spielwerck der Natur. Jedoch gäben demselben wenig nach zwey Felsen im Reiche Kiamsi / da der höchste einen Drachen / der niedrigere einen Tiger / welche gegen einander zu rennen scheinen / der Berg Ky in Kiangsi bey der Stadt Qucilin einen Elefanten / und der Berg Packi in Xensi einen Hahn / der für dem Ungewitter ein grosses Gethöne von sich gäbe / den Hügel Mainen bey Sangku zwey sehr grosse Augen / dariñen der Apfel / wie auch das schwartze und weisse von der Natur vollko en unterschieden / die Spitzẽ auf dem Gebürge Lo bey Chiũing aber sieben und zwantzig vollkommene Menschen-Bilder eigentlich darstellten. Dieses hätte auch den König Huhansien verursacht / daß er einen gegenüberstehenden Berg durch eine unglaubliche Menge Xensischer Einwohner zu einer Spitz-Säule /wie die Egyptischen wären / aushauen / und aus köstlichem Ertzt das Bildnüß seines geliebten Barcas auf die Spitze setzen / darunter aber graben ließ:


Was Mann und Vater macht / das schnidt der Stahl mir ab /

Doch hat der Stahl mir auch / was Helden macht / erworben /

Der was den Gliedern fehlt / dem Hertzen wieder gab.

Bin ich auch gleich ietzt hier durchs Feindes Stahl gestorben /

Muß doch der Scythen Haupt aus Ertzt mir Bilder weihn /

Darein der Nach-Ruhm schreibt mein Lob mit Demant ein.


Unten an dem Fusse des gespitzten Berges stand in den Fels eingegraben:

Ihr Riesen von Gemůth' / und auch ihr neid'schen Zwerge

Die hoher Tugend Glantz meist in die Augen sticht;

Mißgönn't diß Ehren-Mahl dem edlen Barcas nicht /

Sind doch die Helden gröss- und seltzamer / als Berge.


Die Freygebigkeit des Königs Huhansien / in Beehrung wohl-verdienter Helden / sagte Hertzog Jubil /ist ein unfehlbares Kennzeichen / daß er selbst viel ruhmwürdiges an sich gehabt habe. Denn diese zünden der Tugend mit einer begierigen Freudigkeit Weyrauch an / weil sie selber von so süssem Geruche etwas mit genüssen. Unverdiente Leute aber sind hierinnen [626] die kärgsten; sintemal sie das Lob der Tugend dem Gelde gleich achten / dessen man so viel weniger behält / als man davon ausgiebt. Weil über diesem Ehren-Maale gearbeitet ward / sagte Zeno / verfolgte der König Huhansien mit dem grösten Theile seines Heeres den Feind / machte auch seinem zeither durch tapfere Gegenwehr der Serer an dem Saffran-Flusse aufgehaltenen Unter-Könige in Tibet Lufft / daß er mit seinen 200000. Mann über solchen Strom setzen konte. Inzwischẽ befahl mir der König mit 100000. Mann mein Heil gegen dem Königlichen Sitze und der überaus grossen Haupt-Stadt Sigan zu versuchen. Wiewohl ich nun nicht wuste / ob diß aus grossem Vertrauen / oder wegen scheinbarer Unmögligkeit mich ins Verderben zu stürtzen geschahe / indem der Weg von Hanchung dahin von des Königs Lieupang welt-berühmtem Feldherrn Changleang mit vieler 100000. Menschen unglaublicher Arbeit durch die Himmel-hohen Stein-Klüffte gehauen worden / welche nah auf beyden Seiten die zwölf Ellenbogen weite Strasse derogestalt verdüstern / daß die Sonne niemals darein scheinen kan. Uber diß besteht das dritte Theil dieser 30. deutscher Meilen langen Strasse an wunderwürdigen Brücken / welche über so hohe Thäler / daß einem hinunter zu schauen grauset / von einem Berge zum andern gebaut / und von hohen Pfeilern unterstützt / auf der Seiten aber mit 7. fast unüberwindlichen Festungen verwahret sind. Der Mangel einiger Beywege nöthigte mich diesen Pfad auf des Königs Befehl / welche ausser Augen zu setzen keine Todes-Gefahr erlaubet / inne zu halten. Ich fand aber den ersten Tag alsbald zwar eine Festung verlassen / aber die Brücke abgeworffen; also / daß die Scythen mich fragten: Ob ich ihnen Flügel geben könte über diesen Abgrund sich zu schwingen? Nichts desto weniger sprach ich ihnẽ ein Hertz ein / stellte ihnen für Augen: Wie die Scythen ohne unausleschliche Schande nicht für unmöglich halten könten / was die Serer vermocht hätten vorzuthun. Also legte alles /was sich nur regen konte / Hand ans Werck / die Pfeiler zu ergäntzen / die abgeworffenen Dielen empor zu ziehen / und hiermit ward zu meiner selbst eigenen Verwunderung eine Brücke einer Meile lang ergäntzet. Noch schleuniger ward ich mit der andern nicht viel kleinern Brücke fertig / weil die Scythen schon die Handgrieffe etwas besser gelernt / auch aus der Stadt Hanchung viel Bauzeug und Werckleute herzu geschleppt hatten. Zu der drittern kamen wir als die flüchtigen Serer / die sich hier sicherer als in der Schoß ihrer Schutz-Götter schätzten / selbte abzubrechen allererst den Anfang machten / und ich mich also derselben und etlicher tausend Serer bemächtigte. Diesen ließ ich alsofort ihre Kleider aus- und den Scythen anziehen / mit welchen ich die vierdte Brücke und die darbey besetzte Festung durch Krieges-List /indem sie ihnen von keinem Feinde träumen / die halb-bewachten Pforten auch unverschlossen liessen /eroberte / und in selbter des Unter-Königs in Sigan Sohn / als obersten Befehlhaber / gefangen bekam. Zwey folgende Schlösser und Brückẽ fanden wir gantz unbesetzt; bey der äusersten und grösten aber kam unser Glück ins stecken; denn da war nicht allein die überaus lange Brücke abgebrochen / sondern auch in das Thal wie in den höllischen Abgrund nicht ohne Grausen zu schauen / und die gegen über liegende Festung mit viel tausend Serern verwahret. Weil ich nun die Unmögligkeit geraden Weges aus diesem Gedränge zu kommen für Augen sahe; ließ ich einen Preiß von 10. Talent Silbers ausruffen / wenn iemand einen Seiten-Weg ausspüren würde. Dieser Lohn gewan alsbald einen gewinnsüchtigen Serer / welcher meinem Volcke und hiermit auch mir einen Fuß-Steig gegen der Stadt Linchang über den Berg Limon weisete / darauf ich selbst mit Verwunderung einen Brunn fand / der [627] wie der Albunische See bey Tibur oben eyßkalt / unten aber siedend-heiß ist. Daselbst leitete mich eine entspringende Bach bey nächtlicher Zeit biß an das Ende des durchbrochenen Gebürges. Ob ich nun zwar der Haupt-Stadt Sigan nur aüf 30. Stadien entfernet war / hielt ich doch für rathsamer den noch in dem Gebürge befestigten Feind zu überfallen / und also der Scythischen Keiterey den Weg zu öffnen. Diese Entschlüssung gelückte mir bey anbrechendem Morgen so wohl / daß mein Volck sich ehe auf dem Walle befand / ehe der Feind zu den Waffen grieff / und deswegen auch die / welche sie in Händen hatten / entweder aus Verzweifelung / oder ihrem Andeuten nach / weil sie die Scythen bey ihrem Uberfalle nicht mehr für Menschen / sondern für Götter zu halten angefangen hatten / zu Bodem warffen. Diese Gefangenen musten nun selbst die zerscheiterte Brücke wieder bauen / und ihrem Feinde seinen Siegs-Weg bähnen. Allhier hatte König Lieupang dem Stiffter dieses wunderwürdigen Felsen-Bruchs Changleang zu Ehren an den Gipfel des höchsten Felsen mit sechs Ellen langen Buchstaben folgende Reymen eingraben lassen:


Daß Changleang fůrs Reich Verstand und Sebel wetzet

Die Mauern åschert ein / und V \lcker tritt in Koth /

Durch unser Feinde Blut den Saffran-Fluß macht roth /

Hat ihm den Lorber-Krantz der Helden aufgesetzet.


In dem wird aber er fůr mehr als Mensch erkennet /

Daß er den Abgrund båhnt / Gebürge reisset ein;

Denn in der G \tter Hand beruhen ja allein

Die Schlůssel der Natur / und Blitz / der Felsen trennet.


Also verrichtet ein grosses Hertz und ein kluger Kopf wohl herrliche Wercke; aber eine beredte Zunge oder eine gelehrte Feder muß selbten einen Firnüß anstreichen; welchen denn dieses Wunderwerck meinem Urtheil nach wohl verdienete / als gegen welchem die Arbeit des Xerxes / der dem Berge Athos einen lächerlichen Dräu-Brief / daß er nehmlich ihn / da er sich übel durchgraben lassen würde / ins Meer stürtzen wolte / geschrieben / und ihn hernach mit einem nur 1500. Schritte langen Durchschnitte von dem festen Lande abgesondert; wie nichts minder der vom Lucullus durch den Berg Pausilippus gehauene Weg /welchem bey den Serern einer durch den Mingyve gleichet / für einen blossen Schatten zu achten ist. Ja wenn ich an der Scythen Durchbruch über diese Klippen nicht Antheil hätte / unterstünde ich mich ihn des Hannibals Reise über das Pyreneische Gebürge weit fürzuziehen. Daher ich jener Uberschrifft gegen über an einen Fels mit nicht kleinern Buchstaben eingraben ließ:


Zermalmen Fels und Klufft / und durch Gebůrge brechen

Von Berge biß zu Berg auf Meere Brůcken baun /

Den Schiffen eine Bahn durch Land und Klippen haun /

Låst unter menschliches Erkůhnen sich wohl rechen.


Daß aber über Wolck' und Berg der Scythe klettert /

Und ůbern Abgrund kli t / den auch ein Vogel scheut /

Wenn ein gewaffnet Volck ihm Tod und Mord gleich dreut /

Das hat Huhansien im Leben schon verg \ttert.


Hertzog Herrmann bezeugte über diesen Heldenmässigen Thaten eine sonderbare Vergnügung / und gab gegen dem Fürsten Zeno zu verstehen / daß er in diesem wichtigen Vornehmen nichts minder einen vollkommenen Staats-Klugen / als einen tapfern Feldherrn abgebildet hätte; da er zwar dieses Gebürge erobert / in dem seinem Könige aufgerichteten Ehrenmahle aber seiner so gar vergessen. Denn ein Diener solte niemals aus seinen Thaten ihm einen Ruhm erzwingen; sondern das ihm zugestossene Glücke alleine der vernünftigen Leitung seines Fürsten zuschreiben; in Erwegung / daß auch der geschickste Ruderknecht mit seinem Schweisse nichts zu Umbwendung eines Schiffs helffe; sondern an der einigen Hand des Steuer-Mannes die Einrichtung der gantzen Farth hänge. Bey so gestalten Sachen wird er durch seine Tugend ihm gehorsamẽ / durch die Entäuserung [628] seines Eigenruhms sich zwar auser Neid / nicht aber ausser Ehre setzen. Hingegen ist nichts verächtlicher /als wenn ein Diener sich eines ihm etwan gelückten Streiches zur Eitelkeit mißbraucht / und seinem Ehrgeitze selbst einen Lorber-Krantz auffsetzt / aus Unwissenheit / daß der / welcher sich seines rühmlichen Verhaltens am wenigsten mercken läst / seinen Ruhm vergrössere; gleich als wenn der dieses deßhalben selbst verdrückte / weil er ihm noch weit ein mehrers auszurichten getraute. Ein kluger Diener hat hierinnen zu seinem Leit-Sterne und Vorbilde das Auge; welches zwar alles ausser ihm / sich aber selbst nicht sehen kan; und des Spiegels / der in ihm alles / sich aber selbst nicht abbildet. Aus dieser Ursache ziehe ich unser deutschen Ritters-Leute Absehen allen andern für. Denn ihre erste Pflicht bestehet in dem / daß sie das Vaterland beschirmen / für ihren Fürsten ihr Blut verspritzen / alle ihre Thaten aber / ja auch alle Glücksfälle ihm zueignen. Also kämpffen die Fürsten für den Sieg / die Ritterschafft aber für den Fürsten. Diese sind in ihrem Reiche / was die erste Bewegung unter dem Gestirne / und das Gewichte in den Uhren. Die Räder / in denen das gantze Kunstwerck stecket /sind die Diener / welche insgeheim und im verborgenen die Zeit und die Geschäfte abmessen sollen. Ja wenn auch ein nachlässiger Fürst sich aller Herrschafft entschlägt / und nichts minder die Erfindung und Anstalt als die Ausübung eines Wercks von einem Diener herrühret / so soll er doch seinen Fürsten für den Weiser in der Reichs-Uhr achten / welcher öffentlich als die Richtschnur der Menschen die Stunden anzeiget; ungeachtet er in sich selbst keine Bewegung hat / oder bey der Sache etwas thut. Denn Diener sind nur Gefärthen der Arbeit / nicht der Gewalt und Ehre; blosse und meist entbehrliche Werckzeuge / nicht Urheber; Schatten / keine Sonnen / welche alsofort verschwinden / wenn sie sich unvorsichtig ans Licht machen. Die hellesten Sterne und der Monde das grosse Nacht-Licht büsset feinen Glantz ein / wenn sie sich an ihrer Finsterniß nicht vergnügen / sondern der Sonne zu nahe kommen / und sich mit ihren Strahlen bekleiden wollen. König Hippon in Britannien ließ seines hochverdienten Krigesobersten Aletodobals ruhmräthige Ehren-Seule abbrechen und zerschmeltzen / die er aus seiner Feinde Ertzt hatte giessen lassen; und als er ihm gleich die Eroberung Caledoniens anzuvertrauen ihn aus Noth nicht übergehen konte / gewährte er ihn doch aus Gramschafft seiner Bitte nicht / daß er dem Könige den Steigbügel hätte küssen mögen. Noch in tiefere Ungnade verfiel Cornelius Gallus beym Augustus / weil er ihm in Egypten viel Ehren-Seulen auffstellte / seine Geschichte in die Spitz-Seulen grub; ja die Ungedult zwang ihn ihm selbst vom Leben zu helffen. Hierentgegen starb Agrippa in unversehrter Gnade / der zwar der Urheber und Werckzeug aller grossen Siege und herrlichen Gebäue war / hierbey aber sein gantz vergaß / dem gemeinen Wesen den Vortheil / dem Käyser die Ehre zuschrieb; offt auch gar / um das Glücke zu mäßigen und seinem Fürsten nicht zu sehr in die Augen zu leuchten sich seines Vortheils nicht bediente; Also den Cneus Pompejus zwar zur See schlug /ihn aber gar nicht verfolgte. Den gewissesten Verderb aber zeucht nach sich / wenn man die Liebe des Volcks / und den Zuruff des Pöfels gegen sich erwecket. Daher soll ein Feld-Oberster nach erhaltenem Siege lieber des Nachts und einsam nach Hofe ko en / um die Ehrerbietung der Bürger zu verhüten / nach geendigtem Kriege sich des Hofes entschlagen / und sich zur Ruhe begeben / wormit er mit seinem Glantze andere müßige nicht verblende / hingegen aller ihrer Mißgunst gegen sich errege. Ja wenn ein Fürst auch selbst einen Diener allzu hoch ans Licht stellen will / hat er so viel mehr Ursache sich selbst zu verdüstern. [629] Denn die Sonne zeucht die niedrigen Dünste der Erden keinmahl / ja auch zu keinem andern Ende empor / als daß sie selbte hernach wieder zu Bodem drücke. Wie viel Fürsten haben ihre treuen Diener zu Reichs-Gefärthen erkieset / ihre Bilder den ihrigen gegenüber / oder in die Reyhe ihrer erlauchten Vorfahren gesetzet / ihre Thaten auff güldene Müntzen geprägt / sie für Väter des Fürsten / für Beschirmer des gemeinen Wesens ausruffen lassen; selbte aber hernach aus einer blossen Eiversucht in Staub und Koth getreten. Sintemal der Schatten ohnediß insgemein denselben Cörper / worvon er fällt / an Grösse übertrifft / und ihn daher so viel mehr in die Augen sticht. Dahero sagte Cyaxares: Er könte ehe das seinen Meden angethane Unrecht verschmertzen / als fremden Wohlthaten zuschauen / die einer seinem Volcke erzeigte. Denn dieses solte nichts minder als eine Ehfrau alleine von ihres Ehemannes und Fürsten Liebe wissen / also nur auff ihn die Augen haben. Und hiervon rühret: warum Fürsten meist mittelmäßige Leute /die den Geschäfften gewachsen / aber nicht überlegen sind / in hohe Aempter erheben / die fürtrefflichsten Köpffe aber entweder nicht befördern / oder hernach wenn sie dem Fürsten das innerste ihres Hertzens ausnehmen / oder ihre Klugheit zur Richtschnur aller Rathschläge eindringen wollen / absetzen. Ja ein Diener soll nicht nur mit seinem eigenen Thun seines Fürsten Hoheit verdüstern / sondern auch alles fremde Schattenwerck aus dem Wege räumen. Daher dem Parmenion für eine ungemeine Klugheit ausgedeutet wird / daß er in Morgenland alle alte Tempel des Jasons zerstörte / wormit der Nachwelt nur seines Alexanders Gedächtnißmahle im Gesichte bleiben möchten. Hertzog Arpus bekräfftigte diese Gedancken des Feldherrn nicht allein / sondern erstreckte selbte auch auff andere / ja selbst auff Fürsten / daß sie ihre Thaten zu keinen Wunderwercken / und ihre Verdienste zu keinen Riesen machen solten. Denn denen Ehrsüchtigen hinge nicht nur von ihren Oberherren / sondern auch von ihres gleichen / ja von denen einerley Werck fürhabenden Gefärthen Gefahr zu. Der eifersüchtige Hercules hätte sich über den bey Stürmung der Stadt Troja unter dem Könige Laomedon zu erst über die Mauer kommenden Talemon so verbittert /daß er ihn erwürgt hätte / weñ er nicht von dem verschmitzten Talemon durch Zusammenlesung der Steine wäre begütigt worden; Aus welchem dem grossen Uberwinder Hercules ein Altar gebauet werden solte. Sich klein machen und grosse Dinge ausrichten / wäre eine zweyfache Tapfferkeit / und eine sichere Schadloß-Bürgschafft. Marius hätte in diesem Absehen den Tempel der Ehre zu Rom so niedrig gebaut / als kein anderer sonst daselbst wäre. So demüthig solten nun alle seyn / welche nicht unwürdig in selbten gehen wolten. Die klugen Baumeister setzten die vollkommensten Seulen unten / die nur aus dem Gröbsten gearbeiteten in die Höhe; wormit ihre Ferne die Fehler /und das Urthel die Augen betrüge. Die Mäßigkeit des Gemüthes aber wäre das Kennzeichen einer durchgehends vollkommenen / und unauffgeputzten Tugend. Der stinckende Rauch des Ehrgeitzes führe mit Gewalt in die Höhe. Die reine Flamme der Hertzhafftigkeit brennte zu unterste. Die todten Leichen schwimmen auff dem Meere oben; Die von Perlen und Purpur reiche Muscheln aber blieben in dem Grunde liegen. In der kleinen Welt schwebte das Hertz unter der Lunge / und in der grossen die Sonne unter dem ungütigen Saturn; da doch beyde der Natur und dem Menschen das Leben / wie ein kluger Fürst seinem Volcke den Wohlstand gäben.

Fürst Zeno röthete sich über den ihm durch dieser Verachtung der Ruhmräthigkeit zuwachsendem Lobe / und sagte: Er hätte bey Eroberung [630] dieses Gebürges für sich selbst so wenig denckwürdiges begangen /daß er nicht so wohl aus einer so tieffsinnigen Klugheit / als aus Mangel der Verdienste seines Nahmens in gedachter Uberschrifft vergessen hätte. Weil er aber sich darinnen nach dem Maaße seines Unvermögens beschieden / hätte ihm das Glücke / welches denen insgemein den Rücken drehet / die seine Gutwilligkeit für eigene Weißheit verkauffen / den warhafften Preiß solcher Bemühung zugeworffen / nehmlich die Eroberung der drey Meil Weges grossen Haupt-Stadt Qvanchung oder Sigan / welche der zweyen Königlichen Geschlechter Chera und Tschina / und nun auch des drittern Hana Sitz gewest. Denn ob zwar diese mächtige und feste Stadt bey unserer unvermutheten Ankunfft zu den Waffen griff; die Einwohner auch weder durch die Bedräuung der Scythen / noch durch das traurige Beyspiel der durch Sturm übergangenen Stadt Hanchung zur Ubergabe sich bewegen lassen wolten; so fiel sie doch entweder durch Kleinmuth / oder durch übermäßige Vaterliebe durch Schwerdtschlag in unsere Hände; indem der darinnen sich befindende Unter-König mir selbst in Geheim des Nachtes die eine Stadt-Pforte öffnete / als ich gegen dem Königlichen Pallaste ein hohes Creutz aufrichten / und ihn bedräuen ließ / daß ich auff den Morgen seinen im Gebürge gefangenen Sohn daran nageln wolte. Hertzog Herrmann fing hierüber an zu ruffen: Ob er nicht auff den Morgen diesen verrätherischen Unter-König selbst ans Creutz geschlagen hätte? denn der / welcher wider sein eigenes Volck den Degen auszüge / setzte nicht nur ihm das Messer an die Gurgel / sondern auch der / welcher sein Geblüte oder sich selbst lieber als das Vaterland hätte; und nicht lieber mit dem redlichen Themistocles sich durch getrunckenes Ochsen-Blut auffopfferte / als er ihm etwas zu Leide thäte. Und ich weiß nicht / ob die unbarmhertzigen Mütter zu Carthago / die wider Feind und Pest ihre unmündige Kinder / derer sich auch die Feinde erbarmen / auff die glüenden Opffer-Tische geleget / und durch derselben Blut von den Göttern Friede zu kauffen vermeinet / um derer Leben man sie am andächtigsten anrufft; mehr ein grausamer Laster zu ihrer Artzney gebrauchet / als die / welche ein Kind zu erhalten ein gantzes Volck ins Verderben stürtzen. Uber diß zweiffele ich / daß es des Fürsten Zeno Ernst gewesen sey / einem unerschrockenen Helden wegen seiner Treue ein so blutiges Trauer-Spiel fürzubilden. Massen denn insgemein solche Dreuungen nur Versuchungen weibischer Gemüther /nicht beständige Entschlüssungen sind. Marcomir bekam einesmahls den Fürsten der Hermundurer gefangen; Ob er ihn nun schon auff eine Trauer-Bühne /da ihm der Hencker den Kopff für die Füsse legen solte / steigen ließ / vermochte er ihm doch keinen Befehl auszupressen / daß sich eine seiner Städte ergeben solte. Und wie diese Beständigkeit ihm damals nicht den Kopff verspielte; also gewan er zum Vortheil noch einen unsterblichen Nahmen bey der Nachwelt.

Zeno lächelte hierüber / und meldete: Er wäre niemahls der Tugend so feind gewest / daß er sie an seinem Feinde mit einer so ungerechten Rache hätte bestraffen sollen; hingegen wäre dieser kleinmüthige oder vielmehr verrätherische Stadthalter den seinigen ein Greuel / den Feinden eine Verachtung worden. Die Loßgebung aber seines Sohnes erwarb uns nicht alleine diese fast unzwingbare Stadt / sondern den von etlichen tausend Jahren gesammleten Königlichen Schatz zum Lösegelde. Ich bin nicht nur ohnmächtig den unschätzbaren Reichthum zu beschreiben / sondern meine Erzehlung würde auch denen Leichtgläubenden verdächtig fürkommen. Unter allen Schätzen aber wurden für den köstlichsten gehalten / zwey grosse sich nach Art des Monden-Steines nach dem [631] Zu-und Abnehmen dieses Gestirnes an der Farbe verändernde Perlen; welche deßhalben auch die Perlen des klaren Monden genennet werden / und von dem Könige Hiaovus bey dem Eylande Hytan in einem Fisch-Netze sollen gefangen worden seyn / nachdem er vorher auff Anleitung seines Traumes einen geangelten Fisch frey gelassen. Und in Warheit wer selbte Perlen gesehen / wird sie unzweiffelbar derselben / die Julius Cäsar seiner Buhlschafft Servilia des Brutus Mutter theuer erkaufft / und denen / welche König Porus an seinen Ohren getragen / welche die verschwenderische Cleopatra um den Antonius an Kostbarkeit zu übertreffen / im Eßige zerlassen eingeschluckt / fürziehen; und es dürffte selbte nicht nur Lucius Plancus einer noch reichern Königin aus den Händen reissen; sondern es würde der wollüstige Clodius / Esopens Sohn bey ihrem Anschauen sein und seiner Perlen-trinckenden Gäste üppigen Gaumen mäßigen. Rhemetalces setzte allhier bey: Ob er zwar auff die Eitelkeit der Perlen und Edelgesteine / welchen weder Nutz noch Nothdurfft / sondern allein die Verschwendung einen so hohen Preiß gesetzt hätte / indem die ihnen zugeschriebene Tugenden meist ertichtet / der Demant zu dem geringsten nütze / der so theure Bezoar in der Artzeney ein blosser Betrug wären / wenig hielte / so möchte er doch diese Perlen ihrer Farben Veränderung halber wohl sehen; wo es anders ohne Zauberey geschehe. Denn ob er wohl einen Türckis einst zu schauen kriegt / der bey seines Besitzers Tode erblasset / und mitten durch einen Ritz bekommen / bey Uberkommung eines neuen Herrn aber sich wieder gefärbet und ergäntzet hätte; und einem zu Rom / der eines Fürsten in Gallien gewest / so glaubte er doch nicht / daß solches aus naturlichen Ursachen geschehen sey. Nichts weniger wären ihm verdächtig zwey bey einer Fürstin aus Gallien gleichfals gesehene Diamanten / welche offt andere ihres gleichen geheckt /gleich als die Steine auch lebten / und sich durch Vermählung vermehrten.

Zeno begegnete ihm: Es wäre an diesen Perlen so wenig zauberisches / als an dem sich ebenfalls mit seinem zugeneigten Gestirne verwandelnden Monden-Steine; indem er mit dem leuchtenden Monden nicht nur leuchtete / sondern auch nach dem Ab- und Zunehmen seine gantze und halbe Gestalt abbildete /und denen bey den Serern häuffig wachsenden Rosen gleichte / welche alle Tage bald schneeweiß / bald Purpur-färbig sind. Uber diß findet man in diesem Reiche Xensi noch andere Steine / die sich mit dem Monden wie das Meer vergrössern und verminderen; wie auch in dem Reiche Kiamsi auff dem Berge Xangkiu einen Stein in Gestalt eines Menschen / der mit der Lufft seine Farben verwandelte / und die Veränderung des Gewitters ankündigte. Der Feld-Herr fing an: Ich bin wohl kein Götzen-Knecht todter Eitelkeiten; unterdessen halte ich diese zwey Perlen für ein Meisterstücke der Sonnen / ja auch des Monden /und glaube / daß nach derselben Fischung der Erdbodem mehr Reichthum besitze als das Meer / dessen Schätze sonst alle Köstligkeiten der Gebürge wegstechen sollen. Ich bilde mir auch ein / daß wenn die Indianer der alten und neuen Welt diese zwey Wunder-Perlen zu Gesichte bekämen / jene ihren Affen-Zahn /diese ihren Schmaragd unangebetet lassen würden /ob schon dieser die Grösse eines Strauß-Eyes haben soll.

Höret aber / fuhr Zeno fort / wie das Kriegs-Spiel auff der andern Seite mit den Serern verwandelt hatte; indem König Huhansien / als er seinem im Gebürge Poching befestigtem Feinde nicht beykommen [632] können / über den Fluß Sihan / und Yao gesetzt / daselbst sein ander Heer über den Saffran-Fluß an sich gezogen / und mit dieser schrecklichen Macht die Stadt Lieyao stürmender Hand / Thienxin aber die Begräbnüß-Stadt des grossen Fohius mit dräuen / welchem eben zu selber Zeit der Berg Xecu oder die steinerne Drommel genennt / zum Zeichen eines grossen bevorstehenden Ungemachs durch sein schrecklich Gethöne zu statten kam / eroberte / und als die Serer selbte zu entsetzen / wiewol zu spät / ankamen / selbige abermals aufs Haupt erlegte. Allhier erlangte der König Nachricht von der Ubergabe der Hauptstadt Quanchung; Daher ließ er die Königin Syrmanis mit dem grösten Theile des Heeres für die Stadt Ganti an dem Flusse King rücken / und zugleich denen flüchtigen Serern in den Eisen liegen; Er aber eilte nach der Stadt Fungziang an dem Flusse Ping / welche ihm die Schlüssel biß zu der Stadt Lung entgegen schickte /weil sich ihr gewöhnlicher Glücks-Vogel / den sie für den Arabischen Fenix halten / abermals hatte sehen lassen / und ihrer Auslegung nach unter dem Schirme Huhansiens ihnen grossen Wolstand verkündiget. Von dar kam er in wenig Tagen nach Quanchung /von dar ich inzwischen mich der Festungen Hoa und Jao / ja des gantzen Strichs biß an den Saffran-Fluß bemächtiget hatte. Er umarmte mich allhier mit grosser Vergnügung / ging auch mit mir nun nicht mehr als mit einem fremden Fürsten / sondern wie mit seinem Bruder um. Aus dem Königlichen Schatze hieß er mich nehmen / was mir gefällig wäre / der Königin Syrmanis aber / von welcher in etlichen Tagen die Eroberung der Stadt Gante berichtet ward / schickte er die zwey köstlichen Perlen oder Steine des hellen Monden / mit diesen Zeilen:


Nim diese Perlen an / du Perle dieser Welt /

Wächst und verfällt ihr Glantz gleich mit des Monden Kertze;

So zweiffle du doch nicht / daß mein getreues Hertze

Die Farbe kräfftiger als Stern und Perlen hält.


Folgenden Tag / als Huhansien nach Qvanchung kam / ward auch des in der Schlacht gebliebenen Königs Juen Leiche mit Serischem Gepränge dahin gebracht /nur daß die Scythen nicht / wie es sonst bey Beerdigung der Serischen Könige bräuchlich war / alle der Leiche begegnende Menschen / und andere Thiere ermordet hatten / gleich als wenn man durch so viel Tode dem Volcke ihre Könige so viel mehr zu beweinen Ursache geben wolte; In welchem Absehn der Jüdische Landvogt Herodes viel edle Leute nach seinem Absterben zu tödten im letzten Willen nicht unbillich verordnete / weil seine böse Thaten ihm schon wahrsagten / daß niemand seinetwegen ein Auge naß machen würde. Hertzog Herrmann fing an: Es ist diß eine abscheuliche Erfindung / das ohne diß unnütze und weibische Weinen über die Verstorbenen zu erwecken. Und sind gegen diese verdammte Anstalten noch dieselben Völcker / welche mit den sterbenden Herren Pferde und Knechte begraben; ja auch Alexander zu entschuldigen / welcher aus einer über Hephestions Tode empfundener Unlust seinen Artzt hencken / alle Pferde und Maul-Thiere bescheren / des Esculapius Tempel anzünden / das Ecbatanische Schloß verwüsten / vieler Städte Mauern umwerffen / und noch mehr Völcker ihm Thränen und Weyrauch opffern ließ. Zeno fuhr fort: so viel zu thun hätte Huhansien wol nicht Ursache gehabt; Weil aber die Serische Könige von undencklicher Zeit zu Quanchung ihr Begräbnüß in einem von eitel Cypreß-Holtze gebauten Tempel hatten / befahl Huhansien die kostbar eingebalsamte Leiche auffs allerprächtigste zu seinen Vorfahren zu begraben. Rhemetalces fing an: Es wäre einem Sieger nichts rühmlicher / als seinen gefangenen Feinden gütlich / und den Todten ihren letzten Dienst thun. Also hätten der grosse Alexander den Darius königlich / Anton den Brutus / Annibal den Marcell und Emilius stattlich beerdiget. Hingegen[633] würde Cambyses noch verschmäht / daß er des Amasis Leiche mit Ruthen peitschen / und wider der Egyptier Gewohnheit zu Asche brennen lassen. Ja / sagte Flavius / es wäre diß eines niedrigen / jenes eines edlen Gemüthes Merckmal. Denn auch die gerechteste Rache folte sich nicht über eines Feindes Tod erstrecken. Alleine mehrmahls brauchte die Heucheley die Einbalsamung der Leichen / die Auffrichtung herrlicher Ehren-Male / und die rühmlichsten Grabeschrifften zu Bedeckung des schwärtzesten Meuchelmords. Also hätte Herodes seinem ermordeten Schwager Aristobul / Antigonus der von ihm hingerichteten Cleopatra / des grossen Alexanders Schwester / ein prächtiges Begräbnüß ausgerichtet; eine Britannische Königin hätte eine Tonne Goldes zum Leichgepränge einer Caledonischen Fürstin hergegeben / und aus Marmel ein Ehren-Mal aufgebauet / welche sie doch selbst hätte enthäupten lassen. Hertzog Malovend versetzte: dessen wäre Huhansien nicht zu beschuldigen /weil er den König Juen als seinen Feind in öffentlicher Schlacht vermöge des Kriegs-Rechtes getödtet. Daß er auch das gantze Serische Reich zu zerreissen nicht im Schilde geführet hätte / erschiene daraus /weil er ihn in sein väterlich Grab legen lassen. Sintemal Perdiccas der Macedonischen Herrschafft alsbald das Leichenbret gestellt; weil man den grossen Alexander zu Alexandria / nicht aber in Macedonien begraben. Zeno antwortete: Die Serer wären hierinnen mehr als kein ander Volck abergläubisch / hätten sich also über die Gütigkeit des Königs Huhansien nicht genungsam verwundern können; Daher sie auch unter gemeinen Leuten / wenn sie nicht den gantzen Leib /zum wenigsten einen Zahn von der Leiche in seiner Ahnen Grab legten. Fürst Catumer fiel ein: Warum nicht / nach anderer Völcker Gewohnheit / das Hertze? Sind die Zähne bey den Serern die edelsten Glieder? Flavius antwortete: Bey der Beerdigung müssen sie / ich weiß nicht / ob darum / daß sie nicht leicht verfaulen / oder aus einem andern Geheimnüsse in grossem Ansehn seyn / weil zu Rom / und wo es sonst bräuchlich ist / die Leichen zu verbrennen / die Kinder / welche noch keine Zähne haben / dieser Flamme nicht gewürdiget werden. Zeno antwortete hierauf ferner: Huhansien hätte in allem andern bey der Königlichen Leiche die Serischen Gewohnheiten beobachten /insonderheit ihr eine köstliche Perle / wie die Egyptier eine güldene Müntze / unter die Zunge stecken / sie in einen gläsernen Sarch legen / und neben seines Vaters Grabmal in eine Jaspische Taffel / welchen Stein die Serer vor andern hoch halten / eingraben lassen:


Der als ein weiser Fůrst der Seren Stul betrat /

Durch seiner Diener Schuld in blutgen Krieg verfiel;

Der alles / was beym Sturm ein kluger Schiffer / that /

Doch durch sein Beyspiel lehrt: auch Tugend hab' ihr Ziel.

Den würdigste sein Feind / daß er hier Fůrstlich lieget.

Beweint ihr Seren euch / nicht seinen Tod und ihn /

Der die Unsterbligkeit erlangt hat zum Gewinn.

Zu dem ist er gefalln durch einer G \ttin Schwerd /

Die nichts erlegt / was nicht der Ewigkeit ist werth /

Und die Huhansien / den Sieger selbst besieget.


Diese Verehrung war am Huhansien so viel mehr zu rühmen / weil die Seren aus Beysorge / der erzürnte Feind würde mit der Königlichen Leiche schimpflich gebahren / sie mit so viel wiegendem Golde auszulösen erbötig waren. Welchen stinckenden Gewinn aber Huhansien großmüthig ausschlug / und für Schande hielt / mit der Schalen des menschlichen Leibes Gewerbe treiben / oder von dem etwas anhalten / den die Natur bereit ausgespannet hat. Eben denselbigen Tag kriegte der König von dem Serischen Fürsten Zinem Schreiben / darinnen er beklagte den zwischen den Serern und Scythen entsponnenen Krieg. Er entschuldigte dessen Ursachen so gut / als er konte / und / da auch König Juen sein Bruder hieran einige Schuld trüge / hätten so viel tausend Seelen / und er selbst es mit [634] seinem Leben gebüsset. Huhansiens Großmüthigkeit / und die Tugend der vergnüglichen Scythen versicherten ihn / daß sie mehr umb Ruhm / als aus Begierde fremde Länder einzunehmen die Waffen ergrieffen. Jenen hätte er über alle seine Vorfahren bereit erworben. Kriegsknechte suchten ihre Vergnügung am Siege / kluge Fürsten im Frieden. Die aber /welche den Frieden aus Liebe des Krieges störeten /legten ihn nur aus Begierde des Friedens nicht weg. Er kriegte für itzt mit einem sechsjährigen Kinde Ching / des Juens Sohne; Riesen aber hielten ihnen verkleinerlich mit Zwergen anzubinden. Er würde den Serern auch so viel Länder nicht abnehmen / als die Ohnmacht seines Feindes seinem erworbenen Ruhme Abbruch thun könte. Die Serer wären entschlossen den Scythen alles abzutreten / was der grosse Xius ihnen für langer Zeit abgenommen. Die gerechten Götter aber hätten für denen eine Abscheu / welche auf billiche Bedingungen denen Bittenden die Ruhe verweigerten / und unersättlich nach Menschen-Blute dürsteten / welches sie als die Oberherren der Fürsten von ihren Händen zu fordern hätten. Diesem Brieffe war beygefügt eine Vorbitt-Schrifft der friedliebenden Königin Syrmanis / und recht königliche Geschencke. Dieses bewegte den ohne diß nicht blutdürstigen Huhansien / daß er die Stadt Jengan in Xensi / weil sie für Zeiten den Scythen zugehört / zur Friedens-Handlung beliebte / auch mich und zwey andere Scythische Fürsten darzu vollmächtigte. Wir wurden daselbst aufs prächtigste bewillkommt / und nach zweyen Tagen auser der Stadt auf dem Berge Chingleang in eine ihnen überaus heilige und für einen Tempel der Eintracht gehaltene Höle / in welcher 10000. steinerne-von einem einigen in diese Einsamkeit sich verkrichenden Könige aufgerichtete Götzenbilder standen / begleitet; nach zehntägichter Unterhandlung auch der Friede derogestalt beschlossen / daß die beyden Reiche Suchuen und Xensi dem Könige Huhansien völlig und ewig verbleiben / dessen Bruder / der König in Tibet / des verstorbenen König Juens Schwester heyrathen / und hiermit alle zwischen beyden Völckern erwachsene alte und neue Ansprüche von Grund aus aufgehoben seyn solten.

Demnach nun dieser Friede von dem wiewol noch so jungen Könige / und denen obersten Reichs-Räthen beschworen werden solte; bat ich mir bey dem Scythischen Könige aus / die Botschafft dahin zu übernehmen. Also schiffte ich auf dem Strome Guei in den Saffran-Fluß / und von diesem biß zu der Stadt Pu in dem Reiche Xansi / allwo ich austrat das Gebürge Lie zu beschauen / auf welchem der fromme Akersmann Xuno / der hernach der Serer König worden / das Feld gebauet / darauf seiner Tugenden wegen seit derselben Zeit kein Dorn / kein Unkraut / noch einige schädliche Staude wachsen soll. Rhemetalces fragte alsofort: Ob er diß also wahr befunden? Denn auf solchen Fall hielte er es für ein ungemeines Wunderwerck. Zeno versetzte: das Wachsthum dieses Berges wäre allerdinges dem Ruffe gemäß; ob er aber für dem Könige Xuno was schädliches getragen / wäre mehr bedencklich. Der Feldherr fügte bey: Er hielte diß nicht für so unglaublich / nachdem es die ungezweiffelte Warheit wäre / daß die Frömmigkeit eines Fürsten einem gantzen Reiche Segen / sein Laster aber göttliche Straffe zuziehe. Dahero hätten die Egyptier ihren Königen alle böse und gute Begebungen / und also auch blosse Zufälle seiner Schuld beygemessen; die Massynecier ihr Oberhaupt / wenn etwas mißgelungen / einen Tag lang mit Entziehung der Lebensmittel gestraft. Bey welchem Verstande deñ dieselben Könige / welche sich Brüder der Sternẽ und Söhne der Soñen; oder auch / daß sie sich mit dem Monden vermischten / rühmeten / so sehr nicht zu verlachen wären; denn die Frömmigkeit wäre sicher ein Schlüssel zum Himmel; eine Meisterin der[635] Natur; eine Verbindung des Glückes / und der Sterblichen.

Der Fürst Zeno pflichtete dem Feldherrn bey / und vermeldete / daß die Serer fast alle Wolthaten der Natur / ihrer Könige Tugenden zueigneten / und hätte er auff dieser seiner Reise hierüber unzehlbare Merckmahle der Danckbarkeit an Marmel- und Ertzt-Säulen gefunden. Unter andern hätten sie ihm auch in der Landschafft Hanan / bey Vorbeysegelung des von ferne sich zeigenden Gebürges Tai nahe an der Stadt Honui / erzehlet / daß unter eben selbigem frommen Könige ein entzwey spaltender Felß eine Höle von drey hundert Mäß-Ruthen geöffnet hätte / daraus ein zehes Wasser flüsse / welches man in vielen Dingen nützlich für Oel brauchte. Auser diesen natürlichen /wäre diß Reich mit kunstreichen Wolthaten ihrer Könige durch und durch überfüllet. Die auf dieser seiner Schiffarth angemerckte Verwahrung des überaus grossen und schnellen Saffran-Flusses / da nehmlich alle seine Ufer auff flachem Lande / und insonderheit in dem viel niedriger liegendem Reiche Honan mit grossen viereckichten Werckstücken zu Beschirmung des sonst leicht ersauffenden Landes befestigt stünden /wäre ein rechtes Wunderwerck; zugeschweigen / daß dieser Strom vor Zeiten durch das Reich Pecheli gelauffen / und durch Kunst hieher geleitet worden. Nichts minder wäre der obersten Reichs-Räthe fürnehmste Sorge / entweder durch ein nützliches Gebäue oder eine kluge Erfindung dem Vaterlande ihr Gedächtnüß zu verlassen / daß sie ihrer anvertrauten Würde werth gewest. Unter diesen wäre für andern berühmt der für 1100. Jahren abgelebte Weltweise Cheucung / dessen Thurm zum Sternsehen nebst allerhand Mäßzeuge ihm allhier in Honan gezeugt worden. Diese Erfindung aber wäre ihm nimmermehr zu verdancken / daß er den Serern gewiesen / wie der Magnet sich gegen dem Mitternächtigen Angelsterne aus eben der Ursache / als die Sonnen-Wende sich der Sonnen zu wende / und also die darvon gemachte Weiser oder Magnet-Nadel einen klugen Wegweiser aller unbekandten Schiffarthen abgäbe. Welch Geheimnüß ihm der Steuermann vertrauet / und zu seiner Verwunderung gewiesen hätte. Hertzog Herrmann fragte aus Begierde dieses herrliche Mittel recht zu erforschen um alle Beschaffenheit; die ihm Zeno nicht allein umständlich auslegte / sondern denen Anwesenden auch einen bey sich habenden See-Compaß zeigte. Dieser gab ihnen nichts minder Vergnüg-als Verwunderung / und fing Rhemetalces an / daß dieser einigen Kunst wegen / da doch viel andere herrliche Eigenschafften in diesem Steine steckten / der Magnet allen Perlen und Edelgesteinen weit fürzuziehen wäre / der Erfinder aber eine güldene Ehren-Säule verdienet habe. Er hat sie verdient / sagte Zeno; zumal er seinen Landsleuten noch ein in der Landschafft Qvantung wachsendes Kraut gezeiget / aus dessen Knoten zu erkennen seyn soll / wie viel folgendes Jahr Sturmwinde / und um welche Monat-Zeit sie kommen würden; daher hat er sie auch erlangt. Denn mitten in dem Saffran-Flusse auf einer hohen Klippe stehet eine Marmel-Säule / und dieses Erfinders aus Ertzt gegossenes und vergoldetes Bild in Lebensgrösse / unten aber am Fusse ist zu lesen:


Ihr Sternen / die ihr sonst Wegweiser pflegt zu seyn /

Denn Schiffern durch den Schaum der ungebähnten Wässer;

Råumt euren güldnen Sitz nunmehr den Steinen ein /

Nun ein so klein Magnet zeigt alle Seefarth besser.

Ihr G \tter aber ihr / die ihr Belohner heist

Der Weißheit / die mit Nutz sich sehn läst auf der Erde.

Verg \ttert Cheucungs Seel' / und schaffet / daß sein Geist

Im Himmel ein Gestirn / im Meer ein Pharos werde.


Mich wundert derogestalt / fuhr Rhemetalces fort /daß dieses Geheimnüß allen andern Völckern / insonderheit denen tiefsinnigen Egyptiern / welche doch den Magnet als einen Gott verehret / so lange verborgen blieben / oder auch durch eigenes Nachdencken nicht ergrübelt worden [636] sey; also daß sie ihre Schiffarthen mit ihrer grossen Gefahr und Zeitverlierung immer an denen Ufern / und nach der allzu entfernten Richtschnur etlicher Sterne / oder aus dem Schiffe loßgelassener Vögel vollführen müsten. Der Feldherr fiel ein: Er wundere sich nicht von den Egyptiern /weil sie aus Verächtligkeit aller andern Völcker die Schiffarth auser ihrem Reiche verboten / und sich gleichsam aus einer Andacht gegen ihrem Nil / des Meeres gäntzlich / als eines vom Typhon herrührenden Schaumes / enteusert. Gleicherweise hätten auch die Serer sich aller fremden Völcker mit Fleiß entschlagen / und ihr einiges Reich für eine für sich selbst vollkommene Welt geachtet; aber aus den fernen Schiffarthen der Tyrier und Carthaginenser muthmaste er / daß sie diese Kunst auch gehabt / und wäre glaublich / daß der Magnet bey ihnen deßhalben dieser Krafft halber des Hercules Stein geheissen / welchen sie für den allgemeinen Wegweiser verehrten. Jedoch wäre diese Wissenschafft hernach auser Acht gelassen worden / und wie viel andere Künste der Alten in Vergessen kommen. Von den Friesen aber hätte er bereits etwas erzehlet / was mit dieser Kunst eine Verwandschafft hätte. Uber diß brauchten sie auf ihren Schiffen ein gewisses Eisen / welches in seiner Ader gegen Mittag gelegen / dasselbe bestrichen sie an der einen Seite mit dem Magnet; also wiese ihnen die sich bewegende Spitze iederzeit den Mittagsstrich. Es scheinet / sagte Zeno / beyderley Kunst aus einerley Nachdencken entsprungen zu seyn / ich aber bin erstaunet / wie gewiß der Steuermann auf diesem strengen Flusse auch bey stockfinsterer Nacht das Schiff geleitet / also / daß unsere Reise noch einst so geschwinde / als ich mir eingebildet hatte / von statten ging. Wir kamen also glücklich in die Landschafft Xantung / fuhren den Fluß Su hinauf zu der Stadt Sao uns zu erfrischen / und sodenn biß in den Pful Lui den aus einem Steinfels gemachten Drachen mit einem Menschen-Kopff in dessen Mitte zubeschauen / der /wenn man auf seinen Bauch schlägt / ein Gethöne wie der Donner von sich giebt / und deßhalben der Donner-Geist genennet wird. Von dar giengen wir zu Lande wieder in den Saffran-Fluß. Weil aber aus diesem biß in den Strom Guei eine tieffe und breite Wasserfarth gegraben / mit eitel geschnittenen Steinen besetzt / und mit zwantzig beqvemen Schleussen versehen ist; vermochte ich mich von der Beschauung nicht zu enthalten / theils aus Vorwitz / theils zum Unterrichte derogleichen vielleicht anderwerts darnach anzugeben. Wo der Wassergang in den Fluß Guei bey Lincing fällt / stehet ein achteckichter Thurm mit neun Umgängen / der von der Spitze biß zum Grunde neun hundert Ellen hoch / auswendig mit dem feinsten Porcellan inwendig mit Spiegelglattem Marmel bedeckt ist / oben aber einen küpffernen und starck vergoldeten Götzen stehen hat. Wir kehrten von Lincing über den Berg Minaxe / darauf eine Säule hundert Meß-Ruthen hoch steht / von dem geringsten Anrühren wie ein Drommel klingt / und von dar auff dem Flusse Mingto über die Haupt-Stadt Cinan meist durch flache mit Roßmarin / Hirschen / Rehen und Fasanen häuffig bedeckte Felder / endlich auf dem Flusse Ven / in die grosse Wasserfarth / und in den Saffran-Fluß zurücke. Auf diesem kamen wir mit gutem Winde zu der überaus grossen Handelstadt /Linchoai wo der Saffran-Fluß und der grosse Strom Hoai zusammen kommen / und durch einen Mund in das grosse Ost-Meer fallen. Von dar fuhren wir durch eine prächtig gegrabene / und mit eitel weissen viergeeckten Steinen besetzte Wasserfarth / 60. Stadien lang / bey dem grossen See Piexe vorbey zu der von dem Saltzhandel überaus reichen / und mit unzehlbaren Brücken / derer viel vier und zwantzig auch dreißig steinerne Bogen haben / versehenen Stadt Kiangtu; In welcher das schönste Frauenzimmer gefunden / [637] aber durch offentlichen Verkauff zur Geilheit ärgerlich entweihet wird. Biß hieher kamen mir zwey Reichs-Räthe entgegen / diese führten mich auff ein überaus prächtiges Schiff / welches mit der Vorderspitze einen schrecklichen Schlangen-Kopff / auf welchem ein vergoldeter Götze saß / unten aber viel lebendige Endten hiengen / mit dem Hintertheile einen langen Schlangenschwantz / an dem ein sich schwenckender Gauckler oben und unter dem Wasser allerhand Kurtzweil machte / das Mitteltheil aber mit grün- und gelbichten Schuppen einen Schlangen-Bauch abbildete. Uns bedeckte ein schneeweisses Dach; auf der Seiten waren goldgestückte Vorhänge fürgezogen / und an wol zwantzig hohen Säulen weheten unzehlbare seidene Fahnen / zwölf Bootsknechte warffen mit ihren nach Art der Löffel gehöleten Rudern das geschöpffte Wasser so behende hinter sich /daß das Schif wie ein Blitz bey denen gleichsam verschwindenden Ufern vorbey flog. Wir kamen also in weniger Zeit auff der noch immer währenden Farth in den überaus grossen Fluß Kiang / welcher wol den Nahmen eines Meer-Sohnes verdienet. Allhier fuhren wir strom-ab bey der grossen Stadt Changcheu auf die Insel Zingkiang / unter welcher dieser Fluß nun nicht mehr zu übersehen ist / und sich mit dem grossen Meere vermählet. An der eusersten Ecke ragen zwey Steinklippen aus dem Wasser / auff diesen zweyen stehet das Bild des Flusses Kiang / aus Ertzt / achzig Ellen hoch / also / daß zwischen denen zwey Schenckeln so gut / als durch den Rhodischen Sonnen-Colossus / welcher noch um zehn Ellen niedriger gewest / die Schiffe durchsegeln können. Dieses Wunderbild / gegen welches ohne diß der Apollonische Apollo /der Tarentinische Jupiter und Hercules für Zwerge zu achten / wird dardurch noch mehr vergrössert / daß es aus einem güldenen Kruge eine Bach süssen Wassers in das unten strömende Saltz-Wasser ausgeust / welches für so köstlich gehalten wird / daß darvon alle Tage dem Serischen Könige seine Nothdurfft zu dem gesunden Cha-Trancke aufgefangen / und nach Hoffe gebracht wird; weil im gantzen Reiche sich keines besser darzu schicken soll. Wie ich nun alles dieses /sagte Zeno / erstarrende ansah; erzehlte mir einer von den Reichs-Räthen / diß wäre gleichergestalt ein Werck des grossen Xius / der die lange Mauer gebauet hätte. Das herausschüssende süsse Wasser habe er aus einem starcken Qvelle auf dem Berge Hoei /den sie mir Sud-Ost-wärts von ferne zeigeten / steinernen Röhren biß in dieses Riesen-Bild / welches er iederzeit höher als die Mauer geschätzt / mit unglaublicher Müh und Unkosten geleitet. Weil man mich nun ohne diß dieses Wunder zu beschauen durch einen Umweg hieher geführet hatte / fuhren wir etliche mal unter diesem Bilde durch / endlich stiegen wir gar aus / und auff denen in den Felß gehauenen Staffeln empor; da ich denn unten an dem rechten Fusse diese aus dichtem Golde geetzte Uberschrifft zu lesen bekam:


Halt' allen Flůssen nicht ich Meer-Sohn das Gewicht?

Mein Wasserreicher Krug kan Länder überschwemmen /

Doch meinen strengen Strom kein Berg noch Felß umtämmen.

Wie kommt's denn / daß allhier das Wasser mir gebricht?

Bin ich getrocknet aus durch's heisse Sonnen-Licht?

Kan ein Medusen Kopff die flücht'gen Wellen hemmen?

Was weiß fůr Zauberey in Ertzt mich einzuklemmen?

Die Fluth wird ja wol Stein / zu Ertzte nirgends nicht.


Nein es ist's Xius Werck. Der mir hier Lufft verleiht /

Den můden Lauff benimmt den Blitz-geschwinden Füssen;

Mich trocknet / daß von mir solln keine Thrånen flůssen /

Mich anhålt; weil er auch den Zügel hemmt der Zeit /

Mein flůchtig Wesen bringt zu Stande / daß wir wissen:

Er k \nn' auch irrdisch Ding verkehrn in Ewigkeit.


Auf der andern Seite war an den in der ausgestreckten lincken Hand gehaltenen güldenen Wasser-Krug eingepräget:


Des Monden Thau-Horn tr \pfft ja Wasser in den Sand

Der Wolcken fruchtbar Schwamm befeuchtet Feld und Auen /

Man sieht aus Qvellen Oel / aus Stauden Balsam thauen /

Ja Feuer-Brunnen sind bey uns nicht unbekand.

[638]

Die Berge speyen Pech und Schwefel übers Land /

Auch Wein brach einst herfür / wo man ließ Steine hauen

Hier aber ist im Meer' ein süsses Qvell zu schauen /

Und Wasser spritzt aus Ertzt / das Fluth nicht hegt / nur Brand.


Auch diß ist's Xius Werck. Ein frommer Fůrst / wie er /

Weiß nicht nur bitter Saltz in Zucker zu verkehren /

Er macht Artzney aus Gifft / mey't ab vom Unkraut' Aehren /

Bringt aus den Steinen Brod / aus Ertzte Wasser her /

Kehrt unversehrlich Gold in flüssendes Getråncke.

Ja Xius giebt fast mehr als die Natur Geschencke.


Als ich mich an diesem Wunder-Colossen fast müde gesehen / fuhren wir recht aus dem grossen Munde des Flusses Kiang gegen das grosse Ost-Meer / endlich aber lieffen wir Sudwärts in eine gegrabene Wasser-Farth / und bey Changxo in den Fluß Leu ein /welcher uns in die von dreyen süssen Strömen ohne die in den Fluß Kiang gegrabene Farth gleich als mit einem lustigen See gantz umgebene Hauptstadt Sucheu leitete; von welcher das Sprichwort ist: Was der Himmel ist oben / ist Sucheu auf Erden. Die Ringmauer hält wol fünf / die Vorstadt aber sieben deutsche Meilweges / ihr Reichthum die Menge der Schiffe und die von vielerley Völckern hier ausgeladene Wahren sind unbeschreiblich / gegen Ukiang hat sie eine Brücke mit 300. steinernen Bogen. Nach ihrer Beschauung fuhren wir über den grossen See Tai /und einen daraus geführten Graben biß in den Fluß Kiang / welcher daselbst zwischen zwey Himmelhohen Bergen / die man auch deßhalben des Himmels-Thor heist / sich durchreist. Wir schiften zwischen der aus einem einigen Felsen bestehenden Insel / und der schönen Stadt Tanyang durch / und kamen endlich bey dem Königlichen Haupt-Sitze Moling an / da eines der Königlichen Schiffe / welches über und über vergüldet / und mit Drachen aus zusammen gesetzten Perlen und Edelsteinen gezieret war / aus dem Flusse Kiang durch einen Arm in die Stadt führte / und in einem herrlichen Schlosse abladete. Diese Stadt kan man wegen ihrer Grösse / da nehmlich das königliche Schloß fast eine die innere Stadt sechs / die euserste 20. deutsche Meilen begreifft / ein Land / wegen ihrer vielen Einwohner einen Ameiß-Hauffen / wegen ihrer prächtigen Gebäue ein Wunder der Welt / wegen gesunder Lufft / anmuthiger Gärte / Seen und fast auf allen Gassen hinrauschender aus dem Flusse Kiang geleiteter und mit viel tausend marmelnen Brücken belegter Ströme / einen Lustgarten; wegen Reichthums / einen Begrieff des Erdbodems / wegen Höfligkeit und gelehrter Leute die hohe Schule der Weltweisen / und mit einem Worte mit besserm Rechte / als die Stadt Rom sich rühmet / ein Haupt der Welt / und eine Königin aller Städte nennen. Alle diese Herrligkeiten von oben zu beschauen stehet darinnen ein nichts minder wunder-würdiger überaus hoher Thurm / auswendig von den edelsten grünroth und gelben Porcellanen so künstlich zusammen gesetzt / daß er aus einem Stücke gebacken zu seyn scheinet. Er hat neun zierliche mit grünen Dächern überwölbte Umgange; an derer vielen Ecken eine grosse Anzahl silberner Glöcklein hangt / die vom Winde beweget ein überaus liebliches Gethöne machen. Auf der Spitze stehet ein grosser Granat-Apffel aus gediegenem Golde. Dieses Wunder soll gleichergestalt ein Werck des grossen Königs Xius seyn / und unten bey dem Eingange stehet über dem Porphyrenen Thürgerüste /in welchem das Thor aus dem auf der Serischen Insel Aynan wachsenden theueren Adler- oder Rosen-Holtze gemacht ist / in einer Agat-Taffel eingegraben:


Egypten bůcke dich und deine spitz'gen Thůrme /

Du hast nur schlechten Stein / ich Gold und Porcellan.

Doch / weil sie nur geweiht fůr Leichen / Stanck und Würme /

Sieht man sie gegen mir für Gräber billich an.

Nun aber Moling ist ein Himmel auf der Erden /

Ein Garten dieses Reich's / der Welt ihr Aug' und Zier /

Das Kleinod Asiens / muß ich genennet werden /

Sein Stern / sein Zederbaum / sein Apffel / sein Saphir.


Den dritten Tag / als man uns zwischen die fürnehmsten Seltzamkeiten der Stadt gewiesen / ward ich auf einer goldgestückten Senffte / welche 12. edle Serer trugen / über eine lange und breite Strasse / welche wie fast alle andere mit viereckichten [639] blauen Steinen belegt war / in das königliche Schloß / in das 12. eiserne Pforten gehen / getragen. Das Schloß ist rings um mit einer starcken marmelnen Mauer beschlossen /und an ieder eusersten Ecke ein Lustgarten. Bey ieder Pforte standen drey Elefanten / und in dem ersten Vorhoffe die Leibwache zu Pferde. In dem andern Hoffe / in dem man über einen schnellen Strom auf einer herrlichen Brücke und durch eine noch stärckere Mauer kommet / stand die Leibwache zu Fusse / und an einer Alabasternen Säule hiengen drey güldene Drachen / als das königliche Wapen / welchem sonst alle Gesandten so grosse Ehrerbietung als dem Könige selbst erzeigen müssen. Derogleichen mir aber nicht zugemuthet ward. Der dritte Platz / bey welchem mich zwey Reichs-Räthe bewillkommten / bildete einen vollkommenen Schauplatz zwischen denen um und um von Golde schimmernden Gebäuen ab; der Bodem war mit weiß und rothem Marmel gepflastert /und iede Reye mit einer Ziffer bezeichnet / weil allhier die Botschaften bey der Verhör ihren Sitz haben / und nach ihrer Würde weiter oder näher gegen dem königlichen Stule gestellet werden; wiewol keiner des Königs Antlitz zu schauen gewürdigt wird. Ich aber ward selbst unter den mit eitel Persischen Tapezereyen bedeckten / und um und um offenen Lust-Saal geführet / wo der junge König Ching saß / ein überaus schöner Knabe auf einem von eitel Diamanten sich schütternden Stuhle / an dem die Lehnen zwey Drachen-Köpffe / mit Rubinen versetzt waren. Drey Staffeln tieffer standen zwölf Reichs-Räthe in blau-sammtenen Röcken mit güldenen Drachen und Schlangen gestickt / wie steinerne Bilder gantz unbeweglich. Auf der zwey obersten Reichs-Räthe Brust war auff dem Kleide der Vogel Fam gestückt / der König aller Serischen Vogel / dessen Haupt zum Theil einem Pfauen- zum Theil einem Drachen-Kopfe / der Schwantz eines Hahnes gleichet; die Flügel sind von fünff der schönsten Farben vermischt. Er ist bey ihnen nicht nur ein Fürbild der fürnehmsten Tugenden / sondern auch / wenn selbter sich versteckt / ein Zeichen eines bevorstehenden Unglücks. Welche Freudentracht in der gantzen Königlichen Burg mich bey Andencken des für so weniger Zeit verstorbenen Königs Juen anfangs befremdete; biß ich erfuhr / daß der nicht allein den Todt verwürckte / der in Trauer-Kleidern in die Burg erschiene / sondern auch der König trauerte um keinen Menschen / gleich als wenn diese Schwachheit keinem Fürsten anständig / oder ein König mehr als ein Mensch über gemeine Empfindligkeiten erhoben wäre. Nichts minder legte auch das Volck nach des neuen Königs Krönung die Klage weg / die Jahr-Rechnung würde so wol als der alte Nahme des neuen Königes verändert / eine neue Art Müntze geschlagen / gleich als wenn nicht so wol ein neuer Herrscher auf den Stul / als ein neues Reich auf die Beine käme. Eben diese Gewohnheit habe ich hernach bey denen Indianern wahrgenommen / da niemand in ihrer blauen Trauer-Tracht für dem Könige erscheinen / ja den Tod nicht einst nennen darf. Mir war dem Könige recht gegen über ein von Rubinen gläntzender Stuhl / an welchem die Lehnen Wieder-Köpffe waren / (denn roth ist der Scythen Königs-Farbe / die Wieder ihr Wapen) gesetzt / zwey Staffeln hoch / und also saß ich nur um eine niedriger als der König / der bey meiner Ankunfft von dem Stuhle aufstand / biß ich auch zum sitzen kam. Nach dem ich meine Botschafft / welche an Glückwünschung zum Reich / und dem Frieden / wie auch an Versicherung auffrichtiger Freundschafft des Scythischen Königs bestand / abgelegt / antwortete mir der König mit einer wunder-würdigen Freymüthigkeit; erkundigte sich um den Zustand Huhansiens / und versicherte mich / daß wie er den geschlossenen Frieden aus Liebe seines Volckes / ungeachtet seines grossen Verlustes / genehm hätte [640] / und folgenden Tag beschweren würde; also wolte er nichts vergessen / was zu Huhansiens Vergnügen / und beyder Völcker Eintracht würde dienlich seyn. Hiermit endigte sich diese Verhör; auf den Morgen aber kamen abermals zwey Reichs-Räthe mit drey vergüldeten Drachen-Schiffen für das mir eingeräumte Schloß / und führten mich auf einem Arm aus dem Flusse Kiang Nord-Ostwerts für die Stadt in einen überaus grossen umbmauerten Tannen-Wald / in welchem ein hoher Berg / in dessen Steinfels eine herrliche Grufft gehauen / darinnen ebenfalls vieler alten Könige Leiber verwahrt werden / noch mehrer Bilder aber darinnen theils aus vergüldetem Ertzte / theils aus köstlichen Steinen aufgesetzt stehen. Unter diesen befand sich auch bereit des letztern von der Syrmanis erlegten Königs Juen Bild aus Alabaster / welches eine güldene Himmels-Kugel auf der lincken Achsel trug / an der die Sonne gleich an der West-Spitze stand / und also ihre Straalen theils auf die Ober- theils auf die Unter-Welt warff. An dem ertztenen Fusse stand eingeetzet:


Wer in dem Leben Gott zu dienen sich befleißt /
Fůrs Vaterland setzt auf Schweiß / Kräffte / Blut und Geist /
Der steht / wenn er gleich fällt / auf festem Fuß und Knichel.
Sein ihn verkleinernd Sarch wird sein Vergrösse-Glas /
Er ni t dem Neide 's Gift / der Zeit ihr Winckelmaß /
Dem Tode seinen Pfeil / der Eitelkeit die Sichel.
Bey denen / die uns gleich das Fußbret kehrn / behält
Die Tugend doch den Lauff / die Sonne dieser Welt;
Auch klimmt die Seel ins Licht / schmeltzt gleich der Gliede L \the.
Wenn Sonn' und Juen uns gleich scheint zu untergehn
Ist's doch ihr Anfang nur; und beyder Glantz bleibt stehn /
Ein gut Gedåchtnůß ist der Tugend Abend-R \the.

Diesen Begräbnüssen gegen über stehet auf einem lustigen und mit eitel fruchtbaren Bäumen / Blumen und Kräutern bedecktem Hügel / ein viereckichter /prächtiger und überaus grosser Tempel / welcher aus eitel Eben- und anderm köstlichem Holtz gebauet ist. Umb denselben herumb sihet man viel aus rothstreiffichtem Marmel-Steine der Sonne / dem Monden / den Bergen und Flüssen zu Ehren gebaute Altäre / aber ohne einiges Götzen-Bild. Auf ieder Seite recht gegen den vier Winden gehet eine breite Stiege in Tempel /da ieder Stuffen ein Marmel-Stein ist. Den Tempel theilen vier Reyen aus Spiegel-glatten Ceder-Bäumen aufgerichteten Pfeiler in fünf Gewölber / welche so dicke / daß sie zwey Männer nicht umbarmen können / und so hoch / daß ich nicht geglaubet hätte / es wären in der gantzen Welt so schön und gleiche Gewächse aufzufinden. Recht in der Mitten stehen zwey mit Edelgesteinen reichlich versetzte güldene Dracher-Stüle; auf derer einen sich der Serische König /nachdem er sich vorher in der Halle in einem alabasternen Spring-Brunnen gebadet hatte / setzte / und dem unsichtbaren Schöpfer / welcher den gegen über stehenden Stul zu besitzen geglaubt wird; wie auch dem Himmel / der Sonne und dem Monden durch Ausstreuung Goldes / Weyrauchs / und allerhand Feld-Früchte unter die armen Leute opferte. Hierauf nahm er das seidene Papier / darauf der Friedens-Vergleich geschrieben / und mit beyden Reichs-Siegeln bekräfftiget war / legte selbtes aufs Haupt / und hierauf streckte er beyde Hände aus / mit heller Stimme ruffende: Himmel / Sonne und Monde seyd / Zeugen und Rächer dieses von mir beliebten Frieden-Schlusses. Euer Licht leuchte dem / der ihn bewahret / und lesche meines aus / so bald ich hiervon eines Nagels breit weiche. Als diß vollbracht / gab er den Frieden-Schluß einem seiner Reichs-Räthe / umb selbten mir /der ich ein wenig auf der Seite einen köstlichen Stul besaß / einzuhändigen. Nach diesem ward ich in einen andern / aber viel kleinern Tempel geleitet / worein mir die zwölff obersten Reichs-Räthe folgten. In der Mitte stand der aus Ertzt gegossene Wasser-Brunn Lothus / auf dessen ausgebreiteter Blume saß in einer ernsthaften [641] Frauen-Gestalt die Göttin Puße aus überaus wohlrüchendem Calambi-Holtze gemacht / das in den Landschafften Inunan und Chiamsi auf den allerhöchsten Steinklippen wächst. Ihr Rock war oben blau und feuerfarbicht / unten aber grün und weiß; von welchem aber allerhand mit Blumen und Sternen gestückte Binden hin und her flatterten. Das Haupt und die Schläffe waren mit allerhand Früchten beschattet. Aus ieglicher Seite gingen acht Armen / welche Schwerdter / Spiesse / Kräuter / Räder / Flaschen / Bücher / und andere mir unkenntliche Zierrathen in Händen hielten. Für diesem Bilde fielen die Reichs-Räthe nieder / und beschwuren gleichfalls den Frieden / sich dieser Göttin Hülffe entäusernde / da sie selbtem iemals widerkommen würden. Diese erzehlten mir von diesem Abgotte allerhand seltzame Geschichte / insonderheit daß sie vom Himmel auf Erden kommen / von einer genossenen Frucht schwanger worden wäre / und einen fürtrefflichen Sohn gebohren hätte /dessen Nachkommen das Serische Reich 1600. Jahr glücklich beherrschet hätten. In dem grossen Reiche Zipangri / welches als eine Halb-Insel in dẽ grossen Welt-Meere noch weiter gegen Morgen liegt / gegen Nord aber an dem äusersten Ecke des Scythischen Reiches henckt / würde diese Göttin / wiewohl in Gestalt eines mit der Sonne bekleideten schönen Antlitzes verehrt / welches im Wasser über zusammen gefügten Kirsch-Stämmen / schwartzen Elefanten-Zähnen und güldenen Blumen auf einer Muschel stünde /und mit Abschlachtung eines Bocks versöhnt würde. Kurtz zu melden: Es scheinet mir hierdurch der Egyptier viel-gebrüstete Isis und die durch unsere Cybele abgebildete Zeuge-Mutter die gütige Natur fürgestellet zu seyn. Nach dem nun derogestalt der Friede bestätigt war / ließ der König mir folgenden Tag unter dem Schein einer sonderbaren Höfligkeit die Abschieds-Verhör selbst andeuten. Sintemal die arggedencklichen Serer denen Ausländern schwer ihre Einkunft / noch schwerer aber langen Aufenthalt erlauben. Nach meinem Abschiede brachten mir die Königlichen Trabanten die dem Huhansien besti ten Geschencke / welches nebst köstlichen Edelgesteinen / darunter einer / der in des Serischen Feinxes oder des Vogels Fum Neste / auf dem Berge Fungsao gefunden worden / für unschätzbar gehalten wird / an allerhand seltzamen Thierẽ und Gewächsen bestand. Darunter waren die fürnehmsten ein wohlrüchender Hirsch aus der Landschaft Yuñan / aus dessen Nabel der Musch geschnitten wird / etliche rechte Schaf-Wolle tragende Hüner / der schöne Vogel Fum / und der oben schon beschriebene fremde Wunder-Vogel /welchen man Kanib hieß. Auch waren hierbey eine Kiste knorpelne Vogel-Nester / welche auf dem felsichten Gestade der Landschafft Tungking / und der Insel Aynan aus einem von ihnen selbst ausgespeytem Talcke bereitet / und für die niedlichste Speise gessen werden. Unter denen Gewächsen waren etliche seltzame Rosen-Sträuche / etliche junge Stauden / woraus die Bäume in Quangsi wachsen / die statt des Kernes köstliches Brodt-Meel haben; das tausend Jahr tauernde Kraut Pusu aus Huquang / welches alte Leute zu verjüngern / und die unserm Alrau fast ähnliche Wurzel Ginseng aus Leabtung / welches denen Halb-Todten noch eine empfindliche Lebens-Krafft zu geben mächtig seyn soll; nichts minder das Kraut Yu aus Fokiẽ / welches wie Seide gewebt / aber viel köstlicher gehaltẽ wird. Uber diß war eine Schachtel voll des Krautes Quei / das alsofort die Traurigkeit vertreibet; und etliche Kisten von dem besten Trinck-Kraute Snuglocha / das in Kiangnan bey der Stadt Hoeicheu wächst / und wider den Stein / die Gicht und Schlafsucht eine unvergleichliche Artzney ist; endlich so viel der gelben Winter-Wurtzel Rheubarbara / die in rothẽ Leime an der grossen Mauer am besten gezeugt wird. Alles dieses ließ ich auf dem Strome Kiang in der [642] Königin Syrmanis Reich Suchuen führen. Ich selbst war gemeynet diesen geraden Weg auf dem westlichen Arme des Flusses Kiang über die reiche Stadt Nanling / und den Schlüssel dreyer Länder Gangking / wie auch über die Schiff- und Zoll-reiche Stadt Juchang in dem Lande Kiangsi / wo die köstlichstẽ Porcellanen aus der in Kiangnan gegrabenen Erde gemacht werden / zurück zu kehren. Ich kriegte aber für meinem Aufbruche vom Könige Huhansien einen Edelmann mit Schreiben und Nachricht: daß Huhansien und Syrmanis zu Befestigung ihres in Suchuen und Xensi aufgerichteten neuen Reiches die dem Pöfel zeither in denen eroberten Städtẽ mitzukommende Gewalt alleine dem der Scythischẽ Herrschafft mehr anständigẽ Adel zugeeignet; die Zahl derer Obrigkeitlichen Personen vermindert / hingegen auf dem Lande die Ackers-Leute mit neuen Freyheiten versehen / die unverschrenckte Gewalt ihrer Herrschafft in viel Wege geschmälert / die alten Schatzungen auf die Helffte abgesetzt / einen eingebohrnen aber vom Könige Juen nicht allein verjagten / sondern auch durch seines Vaters schmähliche Hinrichtung biß in die innerste Seele beleidigten / vom Volcke aber beliebten Fürsten aus Suchuen daselbst zum Unter-Könige bestellt; die grausamen vorhin gewöhnlichen Straffen durch offentliche Gesetze gelindert /die Richter-Stüle mit redlichen und dem Geitze gehässigen Leuten besetzt / alle wohl-verdienten Königlich belohnet / zu Einführung des Scythischen Gottes-Dienstes fromme Geistlichen und Lehrmeister bestellt / hierbey aller gleichwohl die Gewissens-Freyheit ungekränckt zu lassen befohlen / keine Verbrechẽ nachzusehen / die Grossen aber nach ihrem Maaß vorsichtig zu straffen verordnet / die Scythische Sprache und Ritter-Spiele in Ubung bracht; viel tausend Scythische Bauern aus den sändichten Wüsteneyen in die neuen Länder vermenget / denen Serern / die Scythische / und denen Scythen / die Serische Weiber heyratheten / unterschiedene Vortheil ausgesetzt /auch endlich die Gräntz-Festungen mit starcken Scythischen Besatzungen versehen hätte. Nach dieser klugen Reichs-Verfassung wären Huhansien und Syrmanis mit dem grösten Theile ihres Kriegesheeres durch Suchuen / und das Serische Reich Jungchang / über das Gold-reiche Gebürge Kinhoa / auf welchem der eine Gipfel gediegenes Gold seyn soll / und die Flüsse Lansang / Lukiang und Pinglang gegen das Reich des grossen Königs Pirimals gezogen / welcher / von Taprobana an / alles was zwischen dem Flusse Indus /Ganges und Coßmin lieget / unter seine Gewalt gebracht / also hierauf den gemeinen Nahmen der Indischen Könige Porus angenommen / und endlich über den Fluß Oxus in Sogdiana einen Einfall gethan hätte. Dahin solte ich ihm geraden Weges folgen / und weil er aus dem Reiche Xensi und Tibet ein absonderes Kriegsheer an dem See Tache sich zusammen zu ziehen befohlen / solte ich daselbst gegen dem Feinde einzubrechen trachten. Uber diesen Reden ward in des Fürsten Zeno Vorgemache die Taffel abermals gedeckt; da denn diese annehmliche Versa lung vom Feldherrn zu Einnehmung der Abend-Mahlzeit ermahnet ward; wormit ihr krancker Geschicht-Erzehler zugleich ein wenig verblasen möchte.

Die Mahlzeit ward zwar aus Begierde das übrige zu vernehmen kurtz abgebrochen / allein die darzu kommenden Aertzte wolten dem noch schwachen Fürstẽ Zeno selbigen Tag nicht erlauben / sich mit ferneren Reden abzumatten. Also ward dieser und anderer Hindernisse halber seine Erzehlung biß nach Mittage folgenden Tages verschoben. Wie sie sich nun alle beym Zeno wieder eingefunden; fing dieser an: Nach erlangtem Befehl des Scythischen Königs eilte ich auf denen bequemen Wasser-Fahrten über [643] die reiche Handel-Stadt Uching an dem See Tai zu der herrlichen Haupt-Stadt und dem unschätzbaren Lustgarten Chekiang / an dem über eine deutsche Meile breiten Flusse Cienthang / welcher sich darunter mit grossem Ungestüme ins Meer stürtzt. Ich kam mitten im Wein-Monat dahin / und sahe mit Erstaunung / wie das Meer seiner Gewohnheit nach umb diese Zeit durch den Trieb des Monden und Gestirnes den Strom mit grausamen Wellen als Berge aufschwellete / und die grosse Menge der als / güldne Palläste auf dem Flusse sonst liegender Schiffe in die inneren Wasser-Armen /und den an der Stadt liegenden Crystallen-hellen See Sichu trieb / über welchen etliche tausend steinerne Brücken und prächtige Siegs-Bogen zu zehlen sind. Sie weicht an Grösse fast keiner Stadt; die Strassen sind alle mit viereckichten Steinen besetzt / und nach der Reye mit fruchtbaren Bäumen beschattet. Die Menge des Volckes ist daher zu ermässen: daß darinnen sechzig tausend Seiden-Weber wohnen / und alle Tage zehn tausend Säcke Reyß / derer ieder hundert Menschen vergnüget / verspeiset werden. Von dieser Stadt segelte ich mit gutem Winde den Fluß Che hinauf biß an die Stadt Sintu / bey welcher der berühmte Serische Weltweise Niensulin auf dem Berge Fuchung heimlich aufgehalten / und vom Fischen sich ernähret / umb denen ihm angemutheten hohen Reichs-Aemptern aus dem Wege zu treten; dahin aber der König nach seiner Ausspürung gefolgt / und sich eine Zeitlang neben ihm auf seinen härenen Kutzen beholffen hatte. So vergällt war fürzeiten die Ehrsucht / und so beliebt die Weißheit! Hier muste ich durch das bergichte Land / welches sich von dem Gebürge Kiming und Kinhoa abzeucht / auf dem der Liebes-und Kriegs-Stern umb die daselbst wachsende überaus wohl und viel edler als unsere Jasminen rüchende Blume Mogorin gestritten haben soll / und da auf gewissen Bäumen der beste Talg zu weissen Lichtern /und zugleich Oel in die Ampeln wächst / zu Pferde fortreisen. Ich kan hierbey nicht verschweigen: daß als ich mich auf dem Berge Kutien bey Kaihoa /wegen überfallender Nacht / zur Ruhe legen muste; mit dem Tage erwachende meine Glieder häuffig mit Schlangen umbschrenckt / und sieben Tieger spielende umb mich sahe. Ich sprang für Schrecken auf / und rieff meinen in gleicher Gefahr schwebenden Geferthen; alleine der hierüber erwachende Königliche Postmeister benahm uns alsobald zu unserer Verwunderung alle Furcht / mich versichernde: daß auf diesem Berge alle Schlangen ihr Gifft / und die hitzigsten Tyger ihren Grimm verlieren. Nach diesem setzte ich mich unter Joxan auf den Fluß Yo / und fuhr Strom-ab biß nach Quecki an den Drachen- und Tyger-Berg Lunghu / und ging zu Lande über den Berg Yangkiu / auf dem ein mit der Lufft die Farbe veränderndes und das künftige Wetter andeutendes Menschen-Bild stehet / auf die lustige Stadt Vucheu. Hier fuhr ich auf dem lincken Arme des so klaren Flusses Lienfan / daß man sein Wasser wegen seiner unveränderlichen Art zu Stunden-Gläsern braucht / in den grossen und felsichten Strom Can in Kiangsi. Von dar ward das Schiff den Strom hinauf durch abgewechselte Pferde Tag und Nacht mit grosser Behendigkeit gezogen. Derogestalt kam ich nach Linkiang /Vannungam / bey welcher Stadt überaus künstliche Stein-Klippen und Leim und Thon durch Kunst ge macht in die Lufft empor ragen; und endlich umb Mitternacht zu der herrlichen Stadt Changkan / die wir im finstern ziemlich weit von ferne aus dem darbey liegenden Berge Tiencho erkieseten; weil des [644] Nachts darauff ein den glüenden Kohlen gleiches Feuer gesehen wird / welches die einfältigen Einwohner für seltzame Schlangen oder Spinnen halten. Bey dieser Stadt gingen wir über die von hundert und dreißig Schiffen bestehende / und mit eisernen Ketten befestigte Brücke / und so denn auff dem Flusse Chang nach Nangan. Allhier musten wir über das schwere Gebürge / welches das Land Kiangsi von Qvantung trennet / vorhin das Königreich Nanive geheissen /und vom Könige Hiaovus erobert worden. Wir setzten uns aber bey der ersten Stadt Hiungheu auff den Fluß Chin / fuhren stromab / und kriegten daselbst eine lustige Landschafft / auff welcher viel hohe Steinklippen gerade hinauff wie Seulen gewachsen waren /nicht minder das seltzame Gebürge der fünff Pferdeköpffe ins Gesichte. Bey der schönen Stadt Xaocheu /wo der Fluß Chin und Vu zusammen fließen / schifften wir vorbey / und kamen durch das alles Augenmaß übersteigende Gebürge Sangwonhab / welches dieser Strom durchschneidet / und auff dem Holtze /so harte und schwer wie Eisen wächst / endlich in die Wunder-Stadt Ovangcheu / wo der Fluß Chin und Ta in das grosse Sud-Meer fällt. Diese vier deutsche Meilen grosse Stadt ist auff der einen Seite mit dem breiten Strome / einer zweyfachen Mauer / und zwey Wasser-Festungen / auff den andern Seiten in einem halben Zirckel mit Mauern / fünff Schlössern und hohen Bergen verwahret / mit köstlichen Tempeln /Palästen auch Marmelnen Siegs-Bogen geschmückt /und durch grosse Kauffmannschafft und Schiffarth bereichert. Nachdem ich hie einen Tag ausgeruhet /schiffte ich auff dem Flusse Ta gegen Abend / kam in die herrliche Stadt Nanhai / um welche das wohlrüchende und von der Natur so schön gemahlte Adler-Holtz wächst / in das Land Qvangsi zu der viel beströmten und von den Meelbäumen Qvanglang berühmten Stadt Kiaocheu. Dieses Landes Haupt-Stadt ist Queilni / bey welchem sieben Berge den Stand des gestirnten grossen Bären eigentlich darstellen. Von Nanhai ließ ich das Schiff abermals mit Pferden nach der Stadt Qveping ziehen / in welcher Gegend wir etliche gehörnte Thiere / derer Bein auch das Helffenbein übertrifft / zur Erlustigung durch ausgestreutes Saltz fingen; sintemahl dieses unvernünfftige Fürbild der an der verderblichen Wollust klebenden Menschen lieber die Freyheit und das Leben / als das ihm so wohl schmeckende Saltz einbüßet. Auff diese Art kam ich auch nach Yolin / ja auff den Flüssen Luon und Puon in das Reich Inunan. Dieses grosse Land gehörte für Zeiten zu dem Königreiche Mung / oder Nanchao / welches zwar vom Könige Xius bemeistert ward / kurtz hernach aber wieder abfiel. Als aber desselbten König Sinulo sein Volck / zu Zeiten des Serischen Königs Hiaouv / in sein Gebiete unterschiedene Einfälle thun / und Raub holen ließ / Hiaouv aber sich durch Gesandschafft hierüber beschwerte / entblößte Sinulo seine Sebel / und hieb darmit sechs Füsse tieff in einen Stein / welcher nah bey der Stadt Chinkiang /da ich zum ersten ankam / zu sehen ist / mit beygesetzten Worten: gehet und sagt eurem Könige / was wir für Schwerdter haben. Hierüber ward Hiaouv sehr erbittert / brach daher mit einem außerlesenen Heere unter seinem Feldhauptmann Tangsienyo allhier ein /erschlug den König Sinulo mit zwey hundert tausend Indianern bey der kleinen Stadt Chao / derer Beerdigung man noch auff dem Berge Fungy zeiget. Also fielen des Sinulo sämtliche Länder Tibet / Laos / Necbal / Aracan / biß wo der Fluß Caßmin in den Gangetischen Seebusem fällt / in der Serer Gewalt / ja sie verfolgten ihren Sieg biß gar an den Fluß Ganges. Diesemnach ging ich von Chingkiang zu der reichen und lustigen Haupt-Stadt Inunan / an dem grossen See Tien / die ihr Eroberer König [645] Hiaov ergrösserte /als er daselbst aus seltzamer Veränderung etlicher vielfärbichter Wolcken ihm sein künfftig Glück wahrsagte. Von hier nahm ich meinen Weg zu der Stadt Yecheu an dem grossen Strome Mossale / welche Stadt / ehe sie Hiaouv eroberte / unter den Königen des Reiches Mung zu dem Volcke Kinchi mit den vergüldeten Zähnen gehörte. Massen die Einwohner noch jährlich einen zehn Meßruthen hohen Stein bey Nangan über und über mit Golde / von dem viel Berge und Flüsse allhier angefüllet sind / überdecken und anbeten. Allhier erfuhr ich / daß König Huhansien mit seinem Heere schon über die Flüsse Lanßang / Lukiang / und Pinglang kommen / und dem gegen Bactriana mit seiner Heeres-Krafft stehenden Könige Pirimal recht ins Hertze gegangen wäre; wie auch / daß um den See Tache sich das bestimmte Scythische Kriegs-Heer versammlete / welches ich führen solte. Westhalben denn auch der Serische Unter-König nicht so wol aus Liebe gegen den Scythen / und des neuen Verbindnißes / als ihre zwey geschworne Feinde die Scythen und Indianer zu ihrem Vortheil an einander zu hetzen / und also aus ihrer Abschwächung sich zu verstärcken / uns den Durchzug durch ihr Gebiete willig erlaubten / mir zu Ubersetzung der Flüsse und Unterhaltung des Kriegsheers / Schiffe / Reiß / Waffen und Geld anboten. Sintemahl keine verschmitztere Kriegs-List ist / als durch unsern Vorschub den Feind von unsern Gräntzen abhalten / und durch fremde Schwerdter ihm die Gurgel abschneiden; Daher die Spartaner in solchem Falle dem Kriegs-Gotte einen Ochsen / wenn sie aber dem Feinde eine Schlacht abgewonnen / nur einen Hahn zu opffern pflegten. Mit diesem mir dienlichen Vorschube / und einer ziemlichen Anzahl des freywilligen Adels aus Inunan / welche unter den Scythischen Fahnen wider die Indianer ihr Heil versuchen / oder vielmehr jener Kriegs-Art begreiffen wolten / kam ich zu der vom Könige des Reichs Mung Nanchao erbauten Stadt Inseng / und über die darbey aus lauter eisernen Ketten zusammen geheffteten Brücke / 140. Mäß-Ruthen lang / biß zu der vom Könige Sinulo gebauten Stadt Mungre / welcher Gegend und Lufft von dem überflüßigen Bisame gleichsam eingebalsamt / und von denen zwey Bergen Fughoang / auff dem jährlich viel tausend Vögel ihren daselbst gestorbenen Fenix zu beklagen sich versammlen sollen / und von dem Felsen Tienul / der wegen seines überaus zarten Widerschalls das Ohr des Himmels genennet wird / in der Welt berühmt ist. Bey der Haupt-Stadt des Hertzogthums Yecheu / welche Hiaouv nach diesem eroberten Indien daselbst /wo der Fluß Putoa in den See Siul fleust / in Grund legte / begegnete mir Ulassa ein Scythischer Feld-Oberster / mit Bericht / daß das Scythische Kriegs-Heer auff etlich tausend von den Serern hergegebenen Schiffen den Strom Lukiang herunter käme / und bey der in währendem Scythen-Kriege von den Serern abgefallenen Stadt Jungchang auszusteigen gedächten. Ich fuhr also den Fluß He schleunig herunter in den Strom Lanßang / und traff endlich das gantze Heer in bester Verfassung unter dem Gebürge Ganlo an / auff welchem zwey starcke Qvelle aus einem zweyen Nasenlöchern gleich gebildeten Felsen entspringen. Ich machte alsobald Anstalt die grosse und feste Stadt Junchang / welche für Zeiten zu dem mächtigen Königreiche Gailao gehöret / und Pugnei geheissen / zu beschlüssen / und an dem Flusse Lukiang durch eine Schiffbrücke zu verhindern / daß ihr aus selbtem über den daranstossenden See Cinghoa keine Hülffe zukäme. Weil aber diese Gräntz-Stadt starck besetzt /die von den nunmehr mit den Scythen verglichenen Serern abgefallene Bürgerschaft wegen besorglicher schweren Strafe gantz verzweiffelt war / sonderlich /da sie so viel Serer in dem Scythischen Lager warnahmen; ließ die [646] Belägerung sich schwer an. Die Mauren waren sechtzig Ellenbogen hoch / und noch mit tieffen Graben umgeben; also / daß / ob wir wol diese mit Reisicht / Säcken und Erde füllten / wegen der Uberhöhung mit denen auff Waltzen beweglichen Sturm-Thürmen / und Fallbrücken wenig auszurichten war; und dieselben / welche wir auch endlich so hoch machten / wurden durch unauffhörliches Feuer-Einwerffen zernichtet / ob wir sie schon vorwärts mit eisernen Platten / oben aber mit rohen Ochsen-Ledern bedeckten. So schafften auch die eisernen Widderköpffe an denen Stahl-festen Steinen der Mauer nicht viel; und wo sie auch irgendswo Schaden thun wolten / liessen sie von der Mauer Stroh- und Woll-Säcke in den Stoß fallen / um selbten zu schwächen / oder sie zerdrümmerten die Stoß-Böcke mit herunter geworffenen Steinen / etliche fingen sie auch mit grossen Seilen und Schlingen auff / daß sie ohne grossen Verlust nicht konten zurück gezogen werden. Dieser hertzhaffte Widerstand verbitterte die Serer mehr als mich; also brachten sie zu wege / daß der Unter-König mir von Mungre drey grosse aus Metall gegossene Röhren ins Läger schickte / mit erfahrnen Leuten / welche in selbten einen aus Schwefel / Salpeter und Kohlen vermengten Staub fülleten / und durch desselbte Entzündung eiserne Kugeln eines Kopffs groß mit einem donnernden Krachen so hefftig an die Mauern schleuderten / daß selbte endlich bersten und zerfallen musten. Die Belägerten / welche dieses mir überaus seltzame Geschütze bey den Serern vorher mehrmahls gesehen / müheten sich zwar die Löcher mit Steinen und Balcken zu ergäntzen / oder mit innwendigen Abschnitten uns zu begegnen; endlich aber ging die Stadt um Mitternacht durch Sturm über / und es war mir unmöglich zu erwehren / daß nicht alles von der Schärffe der Scythischen Sebeln niedergehauen / und die Stadt von denen rachgierigen Serern in die Asche gelegt ward. Ich räumte diese von Blut und Feuer verstellte / dem Scythischen Reiche aber wegen Entlegenheit ohne diß wenig nütze Stadt dem Serischen Unter-Könige ein / mit der Andeutung: Ich wäre von Huhansien befehlicht / den Serern alles / diß was ihnen die Indianer vom Flusse Pinglang und Knixa als ihrer vorigen vom Könige Hiaouv erstreckten Reichs-Gräntze abgenommen hätten / alsofort abzutreten. Diese Erklärung verband mir nicht allein die Gemüther zu noch mehrerm Vorschube; sondern ich hatte auch in weniger Zeit so viel Serische Hülffs-Völcker im Läger / daß ich ein Theil derselben zurück senden muste / um nicht selbst die Scythen an der Zahl zu überwachsen. Wormit aber diese etwas zu thun bekämen / und die Indianer an vielen Orten zur Gegenwehr sich zu zertheilen genöthigt würden / rieth ich diesem Uberschusse den Strom Lukiang / der wegen seiner Grösse die Mutter der Wässer genennet wird / hinunter zu schiffen / und / wo selbter ins Sud-Meer fällt / sich der an dem Munde liegenden grossen Stadt Siam / in welcher Gebiete jährlich mehr als anderthalb hundert tausend Hirschen geschlagen werden / zu bemeistern; darzu ich ihnen denn etliche verständige Scythen zu ihrer Anführung verlieh. Mit meinem Heere aber setzte ich über den Fluß Lukiang / und fuhr ohne einigen Widerstand auff dem Strome Xinchuen / biß wo er sich mit dem Flusse Pinglang vermählet; daselbst stieg ich aus / und belägerte zu Wasser und Lande die vom Könige Hiaouv erbaute / vom Könige Pirimal aber eingenommene Gräntz-Festung Mien. Ich hatte diese Stadt durch die Sturm-Böcke und das ertztene Geschütze schon so weit gebracht /daß die Belägerten durch das traurige Beyspiel der Stadt Jungchang von der Ubergabe handelten / als ich Kundschafft kriegte / daß der Unter-König in der güldenen Halb-Insel Malacca die Serer bey Siam auch geschlagen hätte / die in Aracam / Ava / Cosmin und[647] Bacan aber mit einem mächtigen Heere / Mien zu entsetzen / im Anzuge wären. Ich ward also genöthigt ein Theil des Heeres bey der Belägerung zu lassen / das gröste aber des Nachts in aller Stille gegen den ankommenden Feind zu führen / ob schon die Zeit / da der Fluß Pinglang sich wie der Nil über sein Gestade ergeust / für der Thür war; Ein des Landes wohl erfahrner Serer aber wieß mich so glücklich an / daß ich den fast zweyfach stärckern /und mit vielen zum Streit abgerichteten Elephanten ausgerüsteten Feind bey auffgehender Sonne / als selbter sich gleich nach durchreiseter Nacht zur Ruhe begeben hatte / in voller Sicherheit überfiel / den meisten Elefanten durch etliche in Indianische Tracht verkleidete Waghälse die Schnautzen mit langen Beilen abhauen ließ / worvon diese und die andern sich umkehrten und auff die Indianer / als ihre vermeinte Feinde wüteten / das gantze Lager in Schrecken / die in Eil geschlossenen Hauffen in Unordnung setzten / und mir mit Hinterlassung alles Kriegs-Geräthes einen grossen Sieg ohne Zückung meines Degens zuschantzten. Der Todten waren über dreißig- der Gefangenen über zwantzig tausend / denn die Scythische Reuterey holete die sich meist in Mangel der Pferde / der schnellen Ochsen gebrauchende Flüchtigen unschwer ein / und hierunter war der Aracanische Unter-König Abisar selbst / welcher mich verständigte / daß zwar der Scythen König sich grossen theils der Städte an dem Flusse Coßmin bemächtiget hätte / es wäre aber der König Pirimal mit einem unglaublich grossen Kriegs-Heere schon über den Fluß Ganges und Caor kommen / um den Scythen die Stirne zu bieten. Als diese Aussage mir von andern Indianern mehr umständlich erzehlet ward / schickte ich nur ein Theil des Heeres mit denen eroberten Kriegs-Fahnen und denen Gefangenen für die Stadt Mien zu rücke / die sich denn nach verno enem Siege auff Gnade und Ungnade bald ergab; Ich aber eilte Tag und Nacht gegen dem Flusse Cosmin umb für der Schlacht noch zum Könige Huhansien zu stossen. Ich kam den zwantzigsten Tag an den verlangten Strom zu der vom Huhansien eroberten und besetzten Stadt Tipora. Weil ich denn vernahm /daß die Scythen sich bereit des Stromes Caor und der Gangariden biß an das Königreich der Pharrasier bemächtigt / die Indianer aber bey Dekaka schon für acht Tagen mit ihrer gantzen Macht gestanden hatten, ließ ich durch schnelle Posten dem Könige meine Ankunfft wissen; ich hingegen kriegte Nachricht / daß die Scythen bereit zwey Tage an dem Fluße Sirote den Indianern die Uberkunfft durch unauffhörliches Gefechte strittig gemacht hätten / weil sie sich ihnen nicht gewachsen hielten. Wie ich aber in das Königliche Läger kam / hatte selbige Nacht der König Pirimal gleich durchgedrungen / und also Huhansien sich in ein vortheilhafftiges Gebürge ziehen müssen. Huhansien und Syrmanis wusten ihre Freude über meiner Ankunft nicht genugsam auszudrücken; Gleichwohl aber wolte er mit dem ermüdeten Volcke nicht bald die von den Indianern so sehr verlangte Schlacht wagen / nicht nur um sein Kriegs-Heer ausruhen zu lassen / sondern auch den Feind desto unvorsichtiger zu machen; daher er sich zwischen den Bergen / ungeachtet die Indianer sich mehrmahls näherten / und die zum Reiten gleichsam gebohrnen Scythen oder vielmehr warhaffte Centauren auf ihren Pferden mehr ausruhen / als ermüdet werden / gantz unbeweglich hielt /und hiermit seine Verstärkung derogestalt verdrückte / daß Pirimal von Ankunfft einiger Hülffs-Völcker das wenigste erfuhr. Den andern Tag aber / als die Mittags-Hitze etwas vorbey war / führte Huhansien das Groß seines Heeres / Syrmanis den rechten und ich den lincken Flügel in möglichster Geschwindigkeit / aus dreyen Pforten des Gebürges in die darfür liegende Fläche / gegen die Westwärts liegenden Indianer ins Feld / und [648] stellten selbte in Schlacht-Ordnung. Pirimal / der der Scythen Entschlüssung nicht so wohl ihrer Hertzhafftigkeit als einem Mangel an Lebensmitteln zuschrieb / ordnete ungesäumt auch sein unzehlbares Kriegsheer / ob schon selbtes der neundte Tag nach dem Neumonden war / den die Indianer eben so wie den ersten / da der Mond zurück bleibt / für sehr unglückselig halten / und dem Pirimal ein rother Sperber / mit einem weissen Ringe um den Hals / von der lincken Hand gegen der rechten / über sein Zelt flog; ja selbige Nacht ein Crocodil einen Elephanten / für dem er sich sonst so sehr gefürchtet /getödtet hatte. Für ieden Flügel stellte er funffzig geübte Elephanten / in der Mitten aber waren derer wohl hundert / und er selbst als auch seine Schwester / die er nach der Indianer Reichs-Gesetzen geheyrathet hatte / (die doch sonst die von dem ersten Priester des Feuers Andsham / bey den Babyloniern und Persern als ein Heiligthum eingeführte Blutschande so sehr verdammen) liessen sich auff zwey überaus grossen und schneeweissen Elephanten sehen / welche von Purpur / Gold und Edelgesteinen an der Sonne gleich als ein Feuer gläntzeten / und einem die Augen verbländeten. Diese weisse Elephanten findet man alleine und zwar selten an dem Strome Lukiang / die Indianer halten sie für Könige der andern / sie verehren sie als etwas göttliches / der König selbst sucht sie offtmahls heim / und sie werden aus eitel güldenen Geschirren gefüttert. Die sonst so behertzten Scythen bebten anfangs für diesen gethürmten Thieren / und denen Sichel-Wagen / welche mit ihrem Ansehen und Erschütterung einem ein Grauen einjagten. König Huhansien aber sprach den seinen ein Hertz ein / und erinnerte sie; wie diese Dinge mehr das Auge fülleten / als Nachdruck hätten. Zwey oder dreyer Elephanten Erlegung würde die andern scheue / und ihren Feinden zum Fallbrete machen. Denn sie gingen so lange auff den Feind / so lange ihr Leiter ihrer mächtig wäre; nach ihrem Schrecknisse aber rennten sie die ihrigen als blind und rasend zu Bodem. Sie solten sich erinnern / daß der grosse Alexander wider des Porus gleichmäßige Rüstung die hertzhafften Scythen an die Spitze gestellt / und durch ihre Tugend mit einer Schlacht dem gantzen Kriege ein Ende gemacht hätte. Ja als die Macedonier für ihnen die Hände sincken lassen / habe er mit den Scythen alleine durchzubrechen getrauet. Ihm hätte es an Elephanten zum Kriege so wenig gemangelt / wenn er sie für dienlich geachtet; er hätte sie aber als mehr verächtlich von sich gelassen. Ihre Tugend wäre so vielen Völckern obgelegen / welche zum Theil unter ihnen die Waffen trügen; wie möchten sie sich nun für der langsamen Bürde unvernünfftiger Thiere entsetzen. Die von Ertzt sich erschütternden Sichel-Wagen aber lägen mit Zerbrechung eines Nagels / oder mit Hinfallung eines Pferdes zu Bodem. Endlich wären dieses ihrer verzweiffelten Feinde letzte Kräfften / nach derer Niederlage sie nicht mehr um den Sieg zu kämpffen / sondern um die Eintheilung unschätzbarer Beute sich zu bemühen haben würden. Wie nun beyde Kriegs-Heere auffs beste geordnet / insonderheit aber von mir dieselbigen / welche bey Mien schon die Elephanten zu fällen gelernet hatten / hierauff absonderlich bestellt waren / mit dem Befehl / daß sie die auff dem Nacken sitzenden / welche diese Thiere durch einen eisernen Griffel leiteten / mit langen Hacken herunter zu ziehen / die Elephanten selbst mit Wurff-Spiessen hinter die Ohren zu verletzen / oder hinten unter dem Schwantze in die weiche Haut die Degen zu stossen / mit langen Beilen ihnen die Schnautzen abzuhauen / und endlich sie mit brennenden Fackeln zu bländen trachten solten; gieng die Schlacht mit grausamen Blutstürtzen an. Die Scythen litten anfangs von denen alles über einen Hauffen rennenden Elephanten die gröste Noth /die Indianer aber blendete die Sonne / und die geschwinde [649] Reuterey machte ihnen auf allen Seiten genugsam zu schaffen. Derogestalt war das Glücke biß in die sinckende Nacht durch beyder Heere Tapfferkeit gefäßelt / daß seine Wage weder auf ein- noch das andere Theil einen Ausschlag gab / sondern /nachdem iedes einen Bogenschuß zurücke gezogen /auff der Wallstadt gegeneinander stehen blieben; wiewohl die Scythen durch Erlegung etlicher dreißig Elephanten einen grossẽ Vortheil erlangt zu haben vermeinten. Um Mitternacht begunte ein starcker Nordwind zu wehen / daher wich Huhansien mit seiner Schlacht-Ordnung dahin ab / theils gegen den Feind den Wind zu gewinnen / theils auch die Morgen-Sonne aus den Augen zu kriegen. Alle Serer aber versteckte er in das Gebürge unter Scythischen / wiewol auch Serisch gekleideten Kriegs-Häuptern / welche zu rechter Zeit den Indianern in die Seite fallen solten. Diese wurden noch des Nachts des von den Scythen gesuchten Vortheils gewahr / und also kam es / ehe es noch tagete / zum neuen Gefechte. Alleine die Scythen behaupteten den Wind / der ihre Pfeile mit grösserm Nachdrucke auff die Indianer zu; dieser ihre aber auff sie selbst zurücke trieb. Ja er schmiß den häuffigen Sand und Staub so wohl den Menschen als Elephanten so sehr in die Augen / daß sie ehe die tödtlichen Streiche von den Scythischen Sebeln empfunden / als ihren Feind zu Gesichte bekamen. Nichts destoweniger that Pirimal und seine hertzhaffte Gemahlin das eusserste die ihrigen mit ihrem Beyspiel und Worten in festem Stande zu erhalten / und die Menge ihres Kriegs-Volcks vermochte allezeit mit frischen Hauffen die Lücken der Fallenden zu ersetzen. Insonderheit kam dem Pirimal die von dem Cyrus auch gegen den Crösus glücklich angewehrte Kriegs-List nicht wenig zu statten; da er gegen die unvergleichliche Reuterey der Scythen / welche bey vollem Rennen sich biß zur Erde bücken / und ihre verschossene Spiesse oder Pfeile wieder auffheben kan / etliche tausend auff Kamele gesetzte Bactrianer herfür rücken ließ. Weil nun die Pferde die Kamele weder rüchen noch sehen köñen / geriethen die Scythen in nicht geringe Unordnung; deñ auch die edelsten Pferde der Scythischen Fürsten / welche über ihre Ankunfft wie der Adel über seiner Ahnen Geschlechts-Register halten; ja auch Huhansien selbst konten ihre edelsten Pferde / welche sonst mit einem seidenen Faden zu leiten waren / nicht bändigen / und an der Schnure halten. Huhansien ließ zwar alsofort ein Theil des Serischen Fuß-Volcks darzwischen rücken; Aber dieses würde gegen die viel stärckern Indianer nicht lange getauert haben / wenn nicht ein Scythischer Oberster durch eine andere Kriegs-List der feindlichen abgeholffen / und durch Herbeyholung zweyer gezähmten Löwen alle Kamele schüchtern gemacht /und in die Flucht getrieben hätte. Hiermit kriegte die Reiterey wieder Lufft / und gegen dem Mittag gerieth einem Scythen im lincken Flügel ein so glücklicher Streich / daß er der Königin weissen Elephanten in rechten Vorder-Schenckel verletzte / worvon er zu Bodem fiel. Wiewohl dieser hertzhafte Edelmañ diß Glücke mit seinem Lebenbezahlen muste. Denn der Elephant schlug ihn mit der Schnautze zu Bodem. Die Königin selbst tödtete ihn durch einen Pfeil von ihrem Bogen; hingegen senckten sich alle bey diesem Flügel fechtende Elephanten zu grossem Unglück der Indianer auff die Erde / sintemahl sie gewohnt waren / dem weissen Elefanten als ihrer Königin alles nachzuthun. Welche Abrichtung seinem Bedüncken nach so schädlich wäre / als die übrige Zubereitung der Pferde; wordurch die Sybariten auff einen Tag schier gar vertilget worden / nachdem ihre schlauen Feinde mitten in der Schlacht die angewohnten Saitenspiele hören liessen /die Pferde aber statt des Kampffes zu tantzen anfingen. Die Verwirrung des rechten Flügels / und die Gefängniß der Königin / welche die Indianer vergebens[650] aus unsern Händen zu reissen bemühet waren / jagte dem andern Heere nicht ein geringes Schrecken ein /die auff Huhansiens Befehl aber nunmehr aus dem Gebürge herfür brechenden- und in die Seite des rechten Flügels einfallenden Serer / welche die Indianer für ein gantz frisch ankommendes Heer hielten /brachte in weniger Zeit alles in öffentliche Flucht /und der für Rache schäumende Pirimal muste wider seinen Willen nur auch mit seinem weissen Elephanten umdrehen; welchem denn alle übrige Augenblicks folgten. Die Scythen netzten nunmehr ihre Sebeln nur in der Flüchtigen Blute / ich aber hielt mir für die gröste Schande / daß ein niedriger Scythe die Königin gefangen gekriegt hatte / mir aber der König in meinem Gesichte entkommen solte. Also drang ich nebst meiner Leibwache durch unterschiedene noch um den König fechtende Hauffen durch / ich kam aber in dem Gedränge der wütenden Elephanten von den Meinigen so weit ab / daß in Mangel alles Entsatzes ich mit dreyen Pfeilen verwundet / mein Pferd zu Bodem getreten; ich aber von der Schnautze des Königlichen Elephanten umfaßt / und dem Könige oben auff seinen Thurm zugereicht ward. Also ward ich nach so herrlichem Siege durch seltzames Ebentheuer ein Gefangener des Uberwundenen / und in die Stadt Comotay / dahin die Flüchtigen zohen / gebracht. Weil aber Pirimal sich hier entweder nicht sicher schätzte / oder ein neues Heer auf die Beine zu bringen gedachte /setzte er die Uberbleibung seines Heeres / woran die Indianer selbst 200000. Mann und 80. Elephanten verlohren zu haben gestanden / über den Strom Caor /und fuhr nach Hinterlassung genugsamer Besatzung selbigen Strand hinab / biß zu der Stadt Sotagam; und von dar eilte er biß an den wohl zwey deutsche Meil-weges breiten Strom Ganges. So bald der König auf diesen Strom kam / fiel er mit allen den seinigen im Schiffe auff seine Knie / hierauff schöpffte er mit grosser Ehrerbietung in einer breiten güldenen Schale Wasser daraus / wusch damit Händ und Antlitz /warff hernach selbte zum Opffer uñ seiner Versöhnung in den Fluß. Deñ alle Indianer verehrten ihn als einen Gott / und mit grösserer Ehrerbietung / als die Egyptier ihren Nil; gläubende / daß zwar alles ausser dem Meer-Wasser / (welches die Indianer für einen unreinen Harn / die Egyptier für eytrichte Thränen des Saturnus halten / auch deßhalben kein Meer-Saltz /sondern nur das aus dem Brunn-Wasser des Ha ons gemacht wird / gebrauchen) am aller kräfftigsten aber des Ganges Wasser / oder auch / weñ ein Abwesender nur daran gedencke / solch Gedächtniß die Menschen von Sünden abwasche / und weñ die Asche darein geworffen wird / die Todten aus der Höllenpein erlöse; weil es in dem Hi el entsprossen / auf den Fuß ihres Gottes Wistnou / und das Haupt des Abgotts Eßwara / und hernach erst auff die Welt gefallen wäre. Daher sie auch alle die / welche sich damit reinigen / oder selbtes auf viel hundert Meilen zu ihren Opffern abholen wollen / dem Könige vorher eine gewisse Schatzung erlegen müssen. Bey dieser Uberfarth sahe ich mit grosser Bestürtzung / wie Pirimal einen auf das Schiff zuschwi enden Crocodil durch Knüpffung etlicher Knoten in ein Band unbeweglich / und nach unser ziemlichẽ Entfernung durch ihre Wiederauflösung beweglich machte. Der König / welcher mich bald anfangs von meiner Ankunft / und wie ich zu den Scythen kommen wäre / ausgefragt / und mich i er unter seiner Leibwache stets mit geführet hatte / trug mir bey seinen allhier angeordneten neuen Kriegs-Werbungen eine Feld-Hauptmañschafft an / die ich aber mit Vorwand / daß es wider seinen Wohlthäter /als König Huhansien wäre / ja auch wider den / dem man einmal Treu und Glauben zugesagt / die Waffen zu ergreiffen / einem edlen Gemüthe unanständig wäre / höfflich ablehnete / zumal meine geliebte Erato mein Hertze hefftiger als der Nordliche Angelstern die Magnet-Nadel nach sich zoh / und mir also die so fernen Umirrungen von meinem [651] Bewegungs-Ziele empfindlich versaltzte. Es ging kein Tag / ja zu sagen kein Augenblick vorbey / da ich nicht gewahr ward / wie eine iede abgesonderte Helffte eines Dinges in der Natur nach Vereinbarung mit der andern verlange /und dadurch vollko en zu werden begierig sey. Diß aber / was wir lieben / ist sicher eine Helffte von uns /und ein zu unser Vergnügung nothwendig gehöriges Theil. Diesemnach ist eines Verliebten Hertz in einer unauffhörlichen Unruh / und in mühsamer Bewegung; die Gedancken rennen in steter Botschafft; die Seele liegt in halber Ohnmacht / biß durch Vereinbarung der Leiber die Gemüther auch in ihren richtigen Stand und Wesen gedeyen. Mich anlangend / die Warheit eigentlich zu sagen / war ich nach so langer Abwesenheit so unvermögend über mich / oder meine Kräffte so verfallen / daß ich nicht so wohl die Königin Erato als eine Helffte meiner Liebe zu besitzen / als das wenige übrige / was ich mit meinem Liebe in der Welt herum trug / ihr vollends zum Besitz einzuräumen verlangte. Sintemal meine Seele fürlängst aus meinem Hertzen die Wohnstadt verändert / und sich so wohl in ihre Verwahrung oder Dienstbarkeit geliefert / oder klärer zu sagen / von ihrer Liebe umfangen zu seyn sich gesehnet hatte. Denn ob es zwar nicht ohne ist /daß eine ungefälschte Liebe ohne den Genuß der ergetzenden Anwesenheit bestehen / nichts von ihrem Nachdrucke verlieren könne / ja der entfernten Verlangen der Liebe noch mehrmals eine Ubermaß beysetze; so ist doch die Zusa enkunfft die Frucht und das höchste Gut der Liebe / welche durch die verwechselten Anblicke als durch eine Kette beyde Seelen zusa en knüpft / und die vorhin trüben und wässerichten Tage allererst mit einem Sonnenscheine beglückseligt. Die Fürstin Thußnelda fing an: Warlich /Zeno weiß die Bewegungen der Liebe so eigentlich zu beschreiben / daß es scheinet / er habe ihr recht an Pulß / und sie ihm recht an die Seele gegriffen. Dahero wolte ich wenig Bedencken haben / der Königin Erato meine Bürgschafft anzutragen / daß seine Seele mehr in ihrem geliebten Leibe wohne / als in seinem /welchen sie doch beseelen muß. Ich kan es nicht läugnen / antwortete Zeno / daß diß die einige Ursache war / warum ich Huhansien / der mich inzwischen unter den Todten mit tausend Beja erungen vergebens suchen ließ / meine Gefangenschaft nicht zuwissen machte / von welchem ich versichert bin / daß er mich gegen Ausfolgung der Indianischen Königin ausgelöset haben würde. Die Königin Erato brach ein: da Fürst Zeno eine so empfindliche Seele hat /wie hat er seine so holdselige Reise-Gefärthin Syrmanis / und den wohlthätigen Huhansien mit seinem unter den Gnaden-Blicken eines so mächtigen Welt-Beherrschers so bald ausser Acht lassen können? Alleine was befremdet mich? daß Zeno sich die Annehmligkeiten Indiens nicht hat anfeßeln lassen. Deñ man wird des mildesten Hi els / und der Hesperischen Lustgärte endlich überdrüßig / aus einer eingepflantztẽ Sehnsucht nach einer steinichten und wilden Heimath. Diß aber ist vielmehr bedencklich / wie Zeno seinem im Morgenlande auffgehenden Glücke den Rücken und der ihn mit so viel Sturm und trüben Wolcken verjagenden Mitternacht das Antlitz kehren können? Zeno versetzte: Sie wüste selbst allzu wohl /daß Gewogenheit und Liebe von einander so weit unterschieden wären / als der kleineste Stern in der Milchstrasse und die Sonne. Der Syrmanis Freundschafft und der Magnet hätten beyde in sich wohl einen Zug; aber diese Kraft verliere sich / wenn der Glantz einer Erato und eines Diamants sich näherte. Das Glücke hätte ihm zwar mit den Händen des gütigen Huhansien liebgekoset / sie kennte aber allzuwohl sein Gemüthe / daß er dieses unvernünfftige Weib /welches zwischen Geitz uñ Verschwendung kein Mittel wüste / welche zwar geil seyn / aber nicht lieben könte / niemals zu seiner Gemahlin erkiesen solte; da sie nicht einst zu einem Kebs-Weibe taugte. Sie würffe zwar Kronen und Fürsten-Hüte auch Knechten zu / und verwandelte auch Thon / wenn sie ihn anrührte /in Gold; [652] sie thäte beydes / aber ihre Schoß-Kinder mehr damit zu äffen als zu beseligen. Sie wäre ein Weib ohne Füsse / weil sie nirgends stand hielte; sie hätte zwar Hände und Flügel / aber mit jenen spielte sie nur aus der Tasche / und diese liesse sie niemanden anrühren. Also dörfte es keines Verwunderns / daß er diesem Irrwische kein Licht angezündet; sondern bey seinem einigen Glücks-Sterne der holdseligen Erato den Mittel-Punct seiner Ruh gesucht hätte. Alle Unruhen wären hierumb nützlich angewehret; denn die Bekümmernüsse gäben das Saltz der nachfolgenden Vergnügung ab; und die Wiederwertigkeit machte die Liebe zur Tugend. Die / welche nur immer mit gutem Winde segeln / auf Rosen gehen / ihr Haupt in der Schoß des Glückes liegen haben wolte / wäre eine Hof-Poppe der Wollus. Hingegen hätte die wahrhafte Liebe nichts minder mehr Bewegung / als das helle Quell-Wasser gegen dem sümpfichten. Sie und die Gestirne hätten einen mühsamern Lauff als die Schwantz-Sternen / und die Tauben einen geschwindern Flug als die Raben. Jedoch führte das Glücke mit der Tugend nicht einen ewigen Krieg. Es gebe im Lieben eben so wohl Windstillen /als auf dem Meere; es bliesse nicht selten in die Segel desselben Schiffes / worauf die Tapferkeit ruderte /und hülffe durch eine Gefängnüß einem auf den rechten Weg / und zur Freyheit. Nicht anders spielte es mit der gefangenen Königin und mit mir. Denn der großmüthige Huhansien schickte jene dem Könige Pirimal ohne Entgeld nach Hause; welcher aber hingegen Huhansien so viel Perlen und Edelgesteine zum Löse-Gelde übersendete / als die Königin schwer war. Welchen die Indianer mehr als noch so viel freywillig zulegten. Denn diese Fürstin hatte durch ihre Leutseligkeit ihr die Gemüther der Unterthanen so feste verknüpft / daß ihrer etliche tausend nach Jalamaka / wo die Flammen aus einem Stein-Ritze und einem eyßkalten Brunnen heraus schlagen / und in den mit dichtem Golde gepflasterten Tempel des Abgotts Matta zu Nagracot wallfartheten / und für ihre Erlösung dort ihnen ein Stück von ihren Fingern abbrenneten / oder drey Zähne an statt des Opfers ausrissen /hier aber ein Stück von ihrer Zunge abschnitten; glaubende; dieser Abgott lasse es ihnen in kurtzem wieder wachsen. Andere trugen grosse Schätze von Diamanten / Rubinen / Saphiren / und köstlichen Perlen / mit welchen dieses Reich gleichsam angefüllet ist / als ein Löse-Geld zusammen. Ob nun wohl die Pracht dieses Hofes / an welchem alle Tage durchs gantze Jahr neue Köstligkeiten gebraucht werden / im Anfange des Jahres aber der König sich in einer Wag-Schale gegen Edelgesteine / Perlen / Gold / allerhand Früchte abwiegen / und hernach diese Gewichte den Armen austheilen läst; das Reichthum des Landes / da die Gebürge Edelgesteine / und Balsam schwitzende Bäume / die Flüsse Gold-Sand und Perlen-Muscheln / die Wälder alle Arten des Gewürtzes / die unfruchtbaren Sand-Wüsten bey Golconda die seltzamsten Diamanten tragen / die Forsten mehr als 50000. Elefanten unterhalten / einen vollkommenen Auszug des Natur fürstellete; so empfand ich doch über aller Annehmligkeit ich weiß nicht was für einen Eckel / und ich seufzete numehr hertzlich nach meinem wiewohl verborgenem Vaterlande. Zu meinem Glücke beschloß König Pirimal eine Botschafft nach Rom zu schicken / umb den Käyser durch Geschencke und noch grössere Verheissungen / zu einem Kriege wider die Scythen / als die allgemeinen Räuber der Welt zu bewegen. Die Wissenschafft der Römischen und Griechischen Sprache / oder vielmehr ein guter Stern / der mir bey dem Könige / ich weiß nicht / aus was für einer Zuneigung / aufging / erwarb mir das Erlaubnüß mit zu reisen. Wie wir nun von dem Könige Abschied genommen hattẽ / und in dem Hafen zu Satigan ins Schiff treten woltẽ / traffen wir auf dem daselbst bey einem herrlichen Tempel sich befindenden weiten Platze [653] eine grosse Menge Volcks an / welches meinen Vorwitz veranlaßte mich selbtem zu nähern. Ich sahe daselbst eine grosse Anzahl der edelsten und schönsten Weiber / welche in ihrem köstlichsten Schmuck nach allerhand Saiten-Spielen umb unterschiedene nur zum anzünden fertige Holtz-Stösse von Morellen-Aloe-Sandel- und Zimmet-Holtz tantzten. Kurtz hierauf brachte man eine Reihe eingebalsamter Leichen: von denen mir die Umbstehenden meldeten: Es wären die vornehmsten in der Schlacht gebliebenen / und umb grosse Kosten gelöseten Herren; die Tantzenden aber ihre Wittiben / welche sich nach ihren Landes-Gesetzen mit ihnen verbrennen würden. Ich näherte mich hiermit einer in der Mitten stehenden / und aus einem einigen Marmel-Steine gehauenen Spitz-Säule /auf welcher oben aus Golde ein sich verbrennender Phönix zu sehen war. Unter dieser Säule sind überaus herrliche Grufften gebauet / in welche der verbrennten Asche in köstlichen Gefässern aufgehoben wird. An dem Fusse dieser Säule war mit güldenen Buchstaben eingeetzet:


Ihr Heuchler / weichet weg von diesen Grabes-H \len!

Wo ieder Todten-Kopf beherberget zwey Seelen.

Ein Hertz / ein Geist / ein Sinn / ein Tod / ein Grab / ein Graus /

Muß / wenn's Verhångnůß gleich lescht zwey paar Augen aus /

Allhier vereinbart seyn. Wil auch des Todes Rachen

Gleich einen Unterscheid durch halbe Trennung machen /

So zwingt doch's andre Theil zu sterben ein Gebot

Der Liebe. Denn die ist viel stärcker als der Tod /

Die zeuget aus der Asch' ein unverweslich Leben /

Kan Seelen auf zu Gott / den Ruhm zur Sonnen heben.

Und also ist die Lieb' auch Herr der Eitelkeit /

Und ein keusch Weib durch sie ein Ph \nix ihrer Zeit.


So bald die Leichen oben auf die Holtz-Stösse gelegt waren / nahmen die nun dem Sterben so nahe Frauen mit lachendem Munde und annehmlichen Küssen von ihren Befreundeten / unter die sie noch ihren an sich tragenden Schmuck austheilten / behertzten Abschied; wuschen sich hierauf in einem nahe darbey mit Marmel umbsetzten Weiher / stiegen darmit in der einen Hand eine Pomerantze / in der andern einen Spiegel haltend / auf die Staffelweise gebauten Holtz-Stösse / setzten sich auf die Leichen ihrer mit Lorbeer-Kräntzen geschmückten Ehe-Männer / und machten ihnen die Augen-Lieder auf / unter tausend Lob-Sprüchen der Umbstehenden / weil dieser Tod ihnen selbst nicht nur zu künftiger Ehre / sondern ihren Männern auch zu ewiger Freude dienen soll. Zu geschweigen: daß die zu diesem Feuer allzu zärtliche Wittiben Schandflecken ihres Geschlechtes / ein Spott des Pöfels bleiben / und ihre Seele so wenig der andern Eh / als ihr Haupt einiger Edelgesteine gewürdiget würden. Dahero man die sich weigernden Edlen auch wider Willen mit in die Flamme stürtzt / wie man bey etlichen andern Völckern die Leibeigenen auf ihrer Herren Gräber abgeschlachtet. Nachdem nun auf ihr gegebenes Zeichen man unten die Holtz-Stösse anzündet / und die Flamme an dem überall angehefteten schnellen Zunder empor stieg / gossen sie aus einem Kruge ein wohlrüchendes Oel über ihr Haupt /welches alsobald Feuer fing / und diese hertzhaften Weiber wie ein Blitz im Augenblick tödtete. Die Königin Erato fing hierüber laut an zu ruffen: O heiliges Gesetze! O löbliche Gewohnheit! wolte Gott! es wäre der gantzen Welt allgemein / daß kein Weib ihren Ehemann überleben dörffte! O des nur dieser weiblichen Großmüthigkeit halber ruhmwürdigsten Indiens! Rhemetalces wolte hierbey seiner Thracier Lob nicht verborgen seyn lassen / sondern meldete: daß für Zeiten daselbst des verstorbenen Ehweiber mit einander gerechtet hätten / welche sich mit ihm solte ins Grab scharren lassen. Die vernünftige Thußnelda begegnete beyden mit einem anmuthigen Lächeln: Ich würde der Erato Meynung Beyfall geben müssen / wenn ich alleine die Heftigkeit meiner Liebe / so wie sie die ihrige / hierinnen zum Richter machte. Diese gibet freylich den Verzweifelten Gifft und Messer in die Hand; diese heisset uns die [654] Haare ausrauffen / die Wangen zerkratzen / und über Stock und Stein sich in den tieffsten Abgrund stürtzen. Aber zu geschweigen: daß der übermässige Schmertz allzu geschwinde verrauchet / und daß die erste Hitze sich in weniger Zeit in Eyß verwandelt / ja die / welcher heute kein Trauer-Kleid schwartz genung ist / oder für welcher man die Brunnen zustopfen muß / morgen die Wangen anstreicht / und aus dem Trauer-Flor Zierrathen schneidet / ihr weisses Antlitz darmit auszuputzen; so bin ich der Meynung: Die Vernunft werde einer empfindlichen Wittib viel mässigere Gedancken einrathen /nemlich: daß die Männer wohl mit Thränen zu beweinen / Weiber aber mit eigenem Blute nicht zu beflecken sind. Nein / nein / sagte Erato / lasset uns unserer Schwachheit derogestalt nicht Pflaumen streichen. So wenig ohne Bluten der Kopf von dem Halse geschnitten werden kan / so wenig soll ohne derogleichen Strom eine Ehe-Frau sich von ihrem Haupte trennen lassen. Die Natur selbst weiset uns in ihren Geschöpfen die Fußstapfen / in welche wir bey solcher Begebung treten sollen; wenn sie den weiblichen Palmbaum gleichsam durch eine unheilbare Traurigkeit verdorren läst; wenn man ihm den männlichen von der Seite gerissen. Ja / versetzte Thußnelda / dieses aber geschihet nicht durch eine augenblickliche und gewaltsame Verfallung / sondern nach und nach / und gleichsam unempfindlich. Ich gebe auch nach: daß ein Weib die Helffte ihres Hertzens / nemlich das Behältnüß der Freude mit auf ihres Ehemanns Holtzstosse verbrennen / dieses Theil aber / darinnen die Hertzhaftigkeit stecket / der Welt zum Beyspiele / und die Vernunft zu ihres Hauses Bestem unversehrt behalten soll. Sie mag in ihrem Wittiben Stande sich wohl mit ihrer Traurigkeit / nicht aber mit ihrer Schwäche bloß geben. Sie kan wohl ihre Gedancken / doch darff sie nicht ihren Leib mit dem Schatten ihres verblichenen Ehmanns vermählen. Sie muß sein Bildnüß in ihrem Gedächtnüsse / seine Asche zu ihrem Heiligthume aufheben; aber nicht die Versorgung ihrer Kinder in Wind / und ihrem Geschlechte auf einmal zwey Wunden schlagen. Wenn der Monde durch Finsternüsse von seiner Sonne geschieden wird; verlieret er zwar sein Licht und die Anmuth / nicht aber seinen Lauff /noch seine Würckung. Wie schwartz und traurig er scheinet / verirrt er sich doch nicht aus seinem Circkel und er vergißt nicht mit der Zeit auch ein helles Gesicht anzunehmen. Was ist aber bey Entfallung ihres Ehmannes ein Weib in ihren vier Pfälen anders / als was der Mond in Abwesenheit der Sonne in dem grossen Hause der Welt? Diesemnach muß sich jene sowohl als dieser dem gemeinen Wesen zum Besten thätig erzeigen / und ohne Entfallung der Hertzhaftigkeit statt ihres Ehmanns an die lincke treten. Denn die Schwachheit unsers Geschlechtes entschuldigt uns so wenig / als die Blässe das so nutzbare Nacht-Licht. Die Turtel-Taube seufzet und girret ja wohl über dem Verlust ihres Buhlen / aber sie verläst weder ihr Nest / noch vergißt sie die Erziehung ihrer Jungen; und die verwittibte Adlerin zeucht nichts minder auf die Jagt /und wider die Schlangen in Krieg aus. Also muß sicher der Schmertz ihrer Vernunft / die Liebe aber der mütterlichen Erbarmnüß aus dem Wege treten. Und da eine Frau ja von einem solchẽ Streiche des Unglücks eine Schramme behalten soll / muß selbte doch keine Lähmde des Gemüthes nach sich ziehen. Die Königin Erato wolte sich noch nicht geben / sondern setzte Thußnelden entgegen: Es wäre die gröste Hertzhaftigkeit / keine Kleinmuth / den Tod umbarmen / wenn er einem gleich den Rücken kehrte. Die Versorgung der Kinder wäre für die Fruchtbaren /oder vielmehr kleinmüthigen Mütter ein scheinbarer Fürwand; aber im Wercke ein Mißtrauen zu den gütigen Göttern; gleich als wenn diese / die die Welt versorgtẽ / verwäyseter Kinder Vater zu seyn / allzu ohnmächtig [655] wären. Diese hätten der hertzhaften Entschlüssung der tapferen Porcia selbst die Hand geboten. Denn als ihre kleinmüthigen Freunde ihr alle Messer aus den Händen gerissen / die Armbänder abgestreifft / und die Haare abgeschnitten / daß sie selbte nicht zu einem Stricke gebrauchen / und ihrem erblaßten Brutus sich vergesellschaften könte; hätten ihr die Götter von ihrem Opfer-Tische glüende Kohlen zugelangt / so wohl ihrem Leben ein Ende / als ihrer Liebe ein Vergnügen zu schaffen. Warlich / versetzte Thußnelda / ich halte für ruhmwürdiger / wenn eine Frau ihr Hertze mit ihres Ehemanns in einen Todten-Topf einschleust; als wenn sie mit seiner ihre Asche vermenget. In meinen Augen ist die Carische Königin Artemisia viel grösser als die ungeduldige Porcia / welche dem Tode zu Hohne sich von ihrem schon todten Mausolus nicht trennen ließ / in dem sie ihrer beyder Bild aus einem Agat gemacht / in ein Wunderwerck der Welt / seine Asche in den Tempel ihres eigenen Leibes / sein Gedächtnüß in das Heiligthum ihres steten Andenckens versetzte / und seinem niemals aus ihrem Gesichte verschwindenden Schatten ihr von unausleschlicher Liebe loderndes Hertze nicht etwan zu einem bald verrauchenden Irr-Lichte /oder einer in wenig Stunden vertrieffenden Begräbnüß-Fackel / sondern zu einem viel Jahre mit gleichem Lichte scheinenden Gestirne anzündete; ja ihren eigenen Leib zu seinem lebendigen Begräbnüsse einweihte. Wiewohl ich nicht weiß: Ob man Artemisien nicht jene Marsingische edle Jungfrau fürziehen soll /welche aus der Asche ihres erblichenen Bräutigams eine Sand-Uhr machte / nach welcher sie ihre Lebens-Zeit abmaß / und nach seiner Bewegligkeit die Unruh ihres Hertzens richtete / oder auch mit ihren thränenden Augen die Geschwindigkeit des auslauffenden Aschen-Sandes zu übereilen sich mühete.

Alle Anwesenden gaben Thußnelden Beyfall / und nachdem Erato sich übersti t sehende / nur die Achseln einziehen muste; fügte Zeno bey: daß auch bey denen Indianern die Mütter vieler Kinder sich des Holtz-Stosses unnachtheilig entzügen; und erzehlte ferner: daß der Indianische Gesandte mit seinem Volcke und ihm der berühmten Handels-Stadt Ganges zu Schiffe gegangen / und mit gutem Winde an der Desarrenischen und Paralischen Küste bey den Städten Sopatum und Poduca Sudwerts so lange gesegelt hätten / biß sie die Insel Taprobana / welche wegen ihrer häuffigen Zimmet- und anderer Gewürtz-Wälder einen annehmlichen Geruch etliche Meilen weit in die See gegeben / erreicht / und daselbst in der Stadt Cydara sich zu erfrischen ausgestiegen wären. Ich muß gestehen / fuhr Zeno fort / daß ich dieses Eyland für den Lustgarten und die Schatz-Kammer der Welt /und für den edelsten Kreiß des Erdbodems halte. Die Wälder versorgen fast alle Länder mit Zimmet / derer Bäume desto köstlichere Rinde tragen / ie öffter selbte abgeschelet wird. Hier ist das rechte Vaterland aller Elefanten / welche an Grösse allen andern vorgehen. Die Berge stecken voller Gold / Rubine / Smaragden und Saphire. In dieser Insel ist auch der höchste Berg Indiens / auf dessen Gipfel in einen Fels ein überaus grosser Fußstapfen eingetreten ist / den die Einwohner / wie die Griechen Delphis / für das Mittel des Erdbodems halten / und nebst einem Elefanten-Kopfe / welcher ihnen Weißheit verleihen soll / Göttlich verehren / auch ihm daselbst einen Tempel und Altar aufgebauet haben / auf welchem ein vollkommener Rubin ohne den geringsten Flecken einer Hand breit lang / drey Finger dicke zu sehen ist / und des Nachts als ein Licht scheinet. Von dieser Insel erzehlte mir der Gesandte Masulipat / daß es anfänglich das einige Reich König Pirimals gewest / und nach Abdanckung seines Bruders [656] auf ihn verfallen wäre / weil in Indien nichts minder als bey den Arabern die Brüder nicht allein den Söhnen in der Reichsfolge / ja auch den Töchtern in gemeiner Erbschafft vorgiengen / sondern auf der Insel Taprobana auch ein altes Herkommen wäre / daß die Könige / so bald sie Erben bekämen /Zepter und Krone niederlegen müsten / um das Reich nichterblich zu machen. Hiervon aber wäre das sonst die freye Wahl habende Volck bey itzigem Könige Pirimal abgewichen; indem sie ihn nun nach etlicher Jahre Vererbung entweder aus Liebe seiner Güte und Tapfferkeit / oder aus Furcht seiner so weit ergrösserten Macht / ohne Wiederrede behalten. Seine Tugenden und hingegen die Laster derer Könige / welche über das vielfältig zertheilte Indien geherrschet / hätten ihm auch das so grosse Reich erworben; in dem die Völcker meist ihre vorige aus Bartscherern und anderm Pöfel auf den Stul erhobene / und deßhalben so viel mehr unerträgliche Fürsten verstossen / und sich dem so milden Pirimal freywillig unterworffen; also / daß er nicht nur die mächtigen Reiche der Gangariden und Prasier zwischen dem Ost-Meere und Ganges / wider derer König Agrammes dem grossen Alexander sein Heer nicht hätte folgen wollen / sondern auch alle Länder / zwischen dem Ganges und Indus beherrschete / und derogestalt sechs hundert Königen zu gebieten gehabt hätte. Diß aber / was er über dem Flusse Caor / Cosmin und Martaban besässe / hätte er als ein von Indien durch den König Hiaouv abgerissenes Antheil Indiens denen Serern /ingleichen das zwischen dem Flusse Arabs / Etymandrus / und Indus gelegene Königreich Gedrosia den Parthen durch die Waffen abgenommen. Als er nun auch von den Scythen das eroberte Land Paropamisis und Arachosien wieder zu suchen vermeinet /wäre er in diesen unglückseligen Krieg verfallen / zu einer nachdencklichen Erinnerung / daß das Rad des Glückes am allerhefftigsten loßschlägt / wenn man vermeinet es am allerfestesten angenagelt zu haben; und daß dieser allgemeine Abgott der Sterblichen auch dieselbige Hand mit seinem Feuer verletzet / die ihm gleich den Weyrauch auf sein Altar streuet; ja mit seinem überrennenden Wagen zerqvetschet / die für ihm täglich zu Fusse fallen / oder auff ihn alle ihre Hoffnung anckern. Jedoch hätte König Pirimal sich seines itzt unglücklichen Krieges halber weder über seine Diener / noch über die Götter zu beschweren. Sintemal jene ihm iederzeit mit den streitbaren Scythen zu kriegen beweglich widerrathen; diese ihn auch / als er in das Paropamisische Gebürge einbrechen wollen / deutlich genung gewarniget hätten. Denn als er an dem Flusse Hyphanis bey denen daselbst vom grossen Alexander aufgerichteten steinernen Altären geopffert hätte; wären neun den Scythen heilige Nacht-Eulen / aber der Indianer verhaste Unglücks-Vögel von dem Gebürge hergeflogen kommen / hätten sich auff die Spitzen der Altäre gesetzt / und nicht allein gegen den König Pirimal ein heßliches Geschrey angehoben / sondern auch ihren Koth in seine Opffer-Feuer fallen lassen. Er Masulipat selbst hätte noch den König erinnert / daß er an diesem merckwürdigen Orte nach dem Beyspiele des grossen Alexanders /wie auch des Bacchus / des Hercules / der Semiramis / und des Cyrus seinen Siegen ein Gräntzmal / seiner Großmüthigkeit ein Maaß ausstecken möchte. Alleine Pirimal hätte ihm geantwortet: wenn er Alexanders Vorbild solte seine Richtschnur seyn lassen / müste er / wie jener bey Betretung Asiens / hier zwölf Altäre /als den Anfang seiner Siege / und an dem Gestade des Scythischen Nord-Meeres sein Ziel mit zwölf andern steinernen Säulen bezeichnen. Sintemal er noch viel zu erobern hätte / was seiner Indianischen Vorfahren gewest wäre. Also deutete der Himmel zwar allezeit künfftige Unfälle an / aber das Verhängnüß verstockte die Gemüther [657] derer zum Unglück versehenen Menschen / daß sie entweder nichts sähen / oder nichts gläubten.

Wie nun wir auf Taprobana nicht so wohl ausgeruhet / als in hundert Lustgärten unsere Lüsternheit mit tausenderley Wollust gesättigt hatten / auch der glückselige Tag / da der Monde zum ersten herfür kommt / anbrach / machten wir uns alle zur Reise fertig; der Gesandte Masulipat aber ging mit den Seinigen baarfüßig / und mit der rechten Hand zuvor in ein unter dem hohen Berge liegendes / und dem Abgotte Annemonta / oder dem Winde gewiedmetes Heiligthum / um eine glückliche Schiffarth zu erbitten. Welche Verehrung / wie sie mir an sich so befremdet nicht fürkam / weil auch die Phoenicier und Augustus in Gallien dem Winde einen Tempel / die von Athen auff Befehl des Delphischen Apollo beym Anzuge Xerxens ein Altar gebauet; Also wuste ich nicht zu begreiffen / daß der Abgott unter der Gestalt eines in Gold eingefasten Affen-Zahnes verehret ward; ungeachtet die Egyptier / die Pittecusier und Araber ihren Anubis und Mercur wie einen Affen abbilden und bedienen. Wir segelten aus der Stadt Cydara mit einem beständigen Ost-Winde unter dem Eylande Leuce bey der Sud-Spitze Indiens / und den Sesecrienischen Inseln vorbey / und wiewohl ich durch meine Serische Magnet-Nadel dem Schiffer ein gerader Wegweiser seyn wolte / traute er doch nicht / sondern hielt sich an die Ufer bey Nelcynda / Tyndis / Tirannobas /Cammoni / Herone und Acabaris. Massen wir denn auch in dem Baracischen Seebuseme auff dem Eylande Cilluta / dem Einflusse des Indus gegen über / um frische Lufft zu schöpffen ausstiegen / hierauff an der Gedrosischen Küste unter den Eylanden Crocala / Bibracte / Carmine / biß an die der Sonne und dem Serapis gewiedmete Insel Nosola fortsegelten / in willens in den Persischen Seebusem einzulauffen. Ein hefftiger Nord-Nord-Ost-Wind aber trieb uns wider Willen auff die Arabische Küste gegen die Zenobischen Eylande hinauff. Die annehmliche Unterredung mit dem Masulipat verkürtzte mir nichts minder den Weg als die Tage / und Zarmar / ein mit ihm reisender Brahman gewan mich nach unterschiedener Tage Unterredungen so lieb / daß / ob diesen Indianischen Weisen zwar in ihrem uhralten Gesetzbuche die Geheimnüsse ihres Glaubens und Weißheit / nichts minder als bey den Griechen den Elevsinischen Gottes dienst / andern Indianischen Stämmen / noch mehr aber Fremden zu entdecken verboten war / ich täglich von ihm etwas zu lernen bekam. Rhemetalces fing an: Es ist diß fast allen Völckern gemein / daß ihre Priester die Heimligkeiten ihres Glaubens und Gottesdienstes so verborgen halten. Die Egyptier hätten in diesem Absehn von ihrer Isis gerühmt / daß kein Sterblicher sich iemahls unterstanden hätte ihr den Schleyer abzuziehen. Sie hätten in alle ihre und des Serapis Tempel das Bild des den Mund mit der Hand bedeckenden Harpocrates gesetzt / zur Erinnerung /daß hier alles verschwiegen seyn solte. Die Juden hätten mit tausend Flüchen den Ptolomeus überschüttet /daß er ihr Gesetzbuch Griechisch übersetzen lassen. Der Elevsinische Gottesdienst dörffte in Griechenland bey Lebens-Straffe nicht entdecket werden. Des Pythagoras fünffjähriges Stillschweigen / und sein Gebot / daß niemand an seinem Finger einen Ring tragen solle / in welchen Gottes Bild oder Nahmen gegraben wäre / zielete nirgends anders hin / als auff die Verhölung des Gottesdienstes. Zu Athen würde auff einem gewissen Altare dem verborgenen Gotte geopffert. Die Scythen bildeten zu dem Ende ihren Anacharsis derogestalt / daß er mit der lincken Hand seine Geburts-Glieder bedeckte / [658] mit der rechten ihm den Mund zuhielte. Und vom Mercur sagte man / daß er eine stumme Göttin geheyrathet hätte. Hertzog Herrmann fing an: Ich muß unsere Druyden auch hierzu rechnen / welche die sich in ihre Gemeinschafft begebende Edelknaben gantzer zwantzig Jahr lang in geheim unterrichten; auch ihre Geheimnüsse gar nicht aufschreiben / ihre Lehrlinge mit theuren Eyden fässeln / daß sie nichts von ihren hohen Lehren / insonderheit aber dem Pöfel nicht eröffnen dörffen; auser diß / was zu der Tapfferkeit zu wissen nöthig ist /nehmlich / daß die Seelen unsterblich sind. Massen denn die Deutschen durchgehends für heiliger halten /Göttliche Geheimnüsse gläuben / als derselben Wissenschafft ergrübeln wollen. Eben diß / sagte Zeno /nehmen auch die Egyptier / Seren und Indianer in acht; welche letztern für die Gelehrten eine gantz absondere Schreibens-Art haben / die ersten aber alle Weißheit unter tunckele Sinnenbilder verstecken / für die Thüren ihrer Tempel einen Sphynx setzen / beyde aber sich sonderlich in acht nehmen ihren Weibern nichts hiervon zu vertrauen. Weßwegen ich mich selbst noch verwundere / daß dieser Weise mit mir Fremden so verträulich ward. Der Gesandte Masulipat entdeckte mir anfangs / als ich mich über die Einsamkeit die Kleidung und Sitten dieses Weisen wunderte / insonderheit / daß er weder einiges Fleisch aß /noch den Königlichen Gesandten seiner Taffel würdigte; Es hätten diese Weltweisen ihren Nahmen vom Brahma / den unser Plato das Wort des einigen Gottes nennte / welcher aus einer wäßrichten Blume / die dem auff dem Wasser mit der Zehe im Munde spielenden einigen Gotte aus dem Nabel gewachsen seyn solte / entsprossen wäre / und durch den so wohl als durch den Geist und die Seele der Welt Gott Himmel /Erde und Meer erschaffen hätte. Der erste Brahman wäre gewest Kaßiopa / den Gott durch Brahma nicht vermittelst einer Frauen / sondern nach seinem Willen aus Erde erschaffen. Dieser Kaßiopa hätte mit seinem frommen Weibe Diti die Brahminen gezeuget / welche aus zweyen von ihr gelegten Eyern / wie die Kinder der Leda und die Syrische Göttin Atargatis wären ausgebrütet worden. Sie hätten anfangs ihren Auffenthalt zwischen dem Phrat / Tiger und in Syrien biß auff Abram gehabt; hernach aber wären seine und der Chettura Kinder in Magulaba ein Theil Arabiens /und so fort in Indien kommen. Sie hätten Wissenschafft aller Geheimnüsse im Himmel und der Hölle /und deßhalben die Sorge für die Seelen / und die Verpflegung der Todten. Sie wären als das angenehmste Geschlechte Gottes von aller Arbeit / Auflage und Dienstbarkeit befreyet; Hingegen müsten alle andere Geschlechte sie versorgen / und den dritten Theil der Einkunfften vom Lande ihnen liefern. Ja auch die Edlen wären begierig ihnen zu dienen / und für sie das Leben zu lassen / weil Gott jenes für einen ihm selbst geleisteten Dienst annehme; dieses aber sie nicht /wenn die Sonne Sudwärts laufft / da nehmlich die Sterbenden nicht in den freudigen Ort Surgam kommen könten / sterben liesse / sondern sie unzweiffelbar in solch Paradiß nach dem Tode versetzte. Die Könige erwiesen selbst ihnen demüthige Ehrerbietung / welche Zepter und Krone zu tragen ihrem Geschlechte allzu verächtlich hielten / als welche alleine aus dem Haupte des Brahma entsprossen wären; dahingegen die Edlen und andere nur aus seinen andern Gliedern den Uhrsprung hätten. Wiewol sie gleichwol dem gemeinen Wesen zum Besten ihre Gesandten und Räthe zu seyn nicht verschmäheten. Kein Richter hätte Macht über ihr Haupt den Stab zu brechen / wenn ihre Verbrechen gleich vielfältig den Todt verschuldet hätten. Hingegen wäre es eine der fünf grösten Sünden einen [659] Brahman tödten / und der Todschläger müste mit entblöstem Haupte / ungewaschenen Gliedern / und zerrissenen Kleidern zwölf Jahr in des Ermordeten Hirnschale Allmosen sa len /auch alles gebettelte daraus essen und trincken. Welche Beschreibung mir genungsam zu verstehen gab /daß diese Leute in Indien höher / als bey den Egyptiern die Priester / bey den Persern die Weisen / bey den Galliern die Druyden / bey den Spaniern die Turditanen am Brete wären. Diesemnach unterließ ich nicht durch tieffe Ehrerbietung seine Gewogenheit zu gewinnen / und so wol durch Erzehlung unserer Weißheits-Lehren / als durch Verwunderung über ihrer tiefsinnigen Geheimnüsse ihm ein und anders heraus zu locken. Meine erste Sorgfalt ließ ich über seiner Kleidung und Aufzuge aus / und erforschte: warum sie auch bey rauhem Winde nichts als die Geburts-Glieder mit Leinwand verdeckten? Warum sie ein von dreyen gezwirneten Schnüren zusammen gefügtes Band über die lincke Schulter gegen der rechten Seiten unter dem rechten Arme trügen / und niemals ablegten? Der Brahman Zarman lächelte / und fing an: Mein Sohn / warum binden die Priester des Jupiters zu Rom / welche nicht mit unbedecktem Haupte gehen dörffen / ihnen einen Fadem um das Haupt / und bleiben zuläßlich unbedeckt? Und warum hencken die Richter in Egypten einen Vogel an Hals? Warum tragen die Priester eine Mütze von dünner Leinwand auf dem Haupte? Die auf dem Eylande Madagascar an denen zwey vörderstern Fingern lange Nägel wie Vogelklauen? Wie ich nun ihm hierüber keinen gewissen Bescheid zu geben wuste / fuhr er fort: Gott / dessen tägliche Priester wir sind / wollen von uns Nackten die Opffer empfangen / zur Anzeigung / daß unsere Andacht keine Hülle irrdischen Beysatzes haben / sondern die reine Seele sich ohne anhangenden Leim der Erde / oder ohne den Firnüß der Heucheley zu Gott schwingen solle. Daher einige unserer Brüder aus Irrthum keinen Faden an ihrem Leibe leiden. Aber wer wolte glauben / daß Gott eine solche Blösse beliebete / welche eine Decke der Uppigkeit / und eine Ursache der Aergernüß seyn kan. Unsere Hülle ist wie der Egyptischen Priester nicht aus Wolle / sondern aus Leinwand bereitet. Denn jener Uberfluß der Thiere stehet der Priester Reinligkeit nicht an; wol aber der Flachs / der mit seiner blauen Blume die Farbe des Himmels / mit seinem aufwärts steigenden Stängel aber die Aufschwingung der Seele von irrdischem Staube fürbildet. Jedoch ist diese meine Hülle aus einer gantz andern vom Feuer unversehrlichen Leinwand bereitet / welche von ihren Flecken nicht durch Wasser / sondern durchs Feuer gesaubert wird. Denn dessen Gebrauch ziehen die Heiligen allezeit dem Wasser für; nicht zwar / daß wir mit denen albern Persern und Chaldeern das Feuer für einen Gott halten; Denn weder dieser Völcker Weisen / noch ihr Lehrmeister Zoroaster / der in ihre Tempel /Paläste und Hölen das Feuer zum ersten eingeführet /hat diesen Aberglauben gehabt / sondern solches allein als ein Ebenbild des alles verzehrenden Gottes andächtig betrachtet / und daher eingeführet / daß in den Opffern des Horus von Pfirschken / in des Osiris vom Lorberbaume / in der Isis von Wermuth das Holtz verbrennet / und in den heiligen Oertern viel Ampeln angezündet werden musten; wiewol Gott /der das Licht selber ist / dieser Lichter gar nicht bedarf. Dieses Absehen / und daß die Seele sich noch flüchtiger / als das mehr unreine Feuer zu Betrachtung Gottes / der sich einem unserer Heiligen in einem Pusche in Gestalt des Feuers offenbaret / empor heben solle / veranlasset mich mit dieser feurigen Leinwand etliche Glieder zu verhüllen / und meinen Leib zu Erduldung gleichmäßiger Flammen geschickt zu machen. Das dreygezwirnte Band aber / welches wir selbst ohne Spinnrad aus freyer [660] Hand bereiten / und wenn selbtes zerschleist / ehe wir einige Speise zu uns nehmen / ergäntzen / jährlich auch im fünfften Monate verneuern müssen / ist nicht nur unsers Geschlechtes eigenthümliches Kennzeichen / ohne welches niemand für einen Brahman erkennet werden darf / und daß wir schon den zwölften Tag unsers Lebens bey einem heiligen Opffer-Feuer anlegen / so bald uns die Eltern einen Nahmen geben / und zum Merckmale unserer Gott ewig-schuldigen Dienstbarkeit die Ohren durchbohren lassen. Warum aber ist dir / mein Sohn / nicht eben so wol seltzam / daß ich wider meine Landes-Art meine Haare biß auf einen auf dem Wirbel behaltenen Püschel abgeschnitten; Zumahl die Abschneidung der Haare eine der schimpflichsten Straffen der Ubelthäter ist? Oder auch / daß ich meine Brust täglich mit Küh-Koth beflecke / und darauf gewisse Ringe zeichne? Wie ich nun / fuhr Zeno fort / um die Ursache dieser Geheimnüsse demüthige Nachforschung that; verfolgte Zarmar seine Erklärung: die Abschneidung der Haare habe ich durch ein Gelübde in dem Tempel zu Tripeti fürgenommen. Denn nach dem ich in mir die Liebe gegen Gott allzu kaltsinnig oder vielmehr erstorben verspüret / hat mich bedüncket / ich hätte über dem Tode meiner sündigen Seele mehr Ursache / als über das Absterben eines Freundes diese denen Egyptiern / Assyriern und Indianern gewöhnliche Klagens-Art anzunehmen / oder mich dessen zu entblössen / was die / derer Leib nur erbleichen soll / ihnen abscheren lassen / und mich selbst gegen Gott für einen Ubelthäter zu erklären; als von ihm ein strenges Verdammungs-Urthel zu erwarten. Diese von geäschertem Küh-Koth auf meinen Brüsten gemachte Ringe / welche insgemein für Schilde wider den höllischen Richter gehalten werden / lasse dich nicht als aber gläubische Zaubereyen ärgern. Denn ob wol unser Hiarchas und Tespion / so gut als Budda bey den Babyloniern / Hermes bey den Egyptiern / Zoroaster bey den Persen / Zamolxes bey den Thraciern /Abbaris bey den Nord-Völckern nicht nur durch ihre kräfftige Zeichen Geister beruffen / grausamen Thieren den Rachen zuschlüssen / Todten-Köpffe redend machen / sondern auch durch natürliche Krafft höltzernen Geflügel den Gesang und Flug / küpffernen Schlangen das Zischen und die Bewegung geben / aus Asche in wenig Zeit frische Blumen und Kräuter zeugen / wie die Psyllen die Schlangen eines gantzen Landes auff einen Hauffen zusammen bringen / und wie Orpheus mit ihrem Gesange das Ungewitter stillen können; so haben doch diese Merckmale viel ein heiliger Absehen. Wie die Egyptier durch eine ihren eigenen Schwantz anbeissende Schlange die stete Wiederkehr der Zeit fürstellen; also erinnern uns unsere Zirckel des einigen Wesens / welches weder Anfang noch Ende hat / nehmlich des ewigen Gottes. Denn dieser allein ist der unbegreifliche Kreiß / dessen Mittelpunct allenthalben / dessen Umschrenckung nirgends ist / welcher in allen Dingen ist / ohne daß er darinnen beschlossen sey / und auser aller Dinge /ohne ausgeschlossen zu seyn. Er ist höher als der Himmel / tieffer als die Hölle / ausgestreckter denn die Erde / und ausgegossener als das Meer. Wie alle Zahlen in der Eines / alle Striche im Mittelpuncte begriffen sind / also befinden sich alle Sachen in ihm /welcher alles in allem ist. Welcher mit nichts / als mit unserm Verstande erblickt / keinesweges aber von der Vernunfft / sondern nur mit unser Andacht umarmet werden kan / iedoch derogestalt / daß keine Weite vieler Welten seine unmäßbare Grösse / keine Zeit seine Ewigkeit / kein Geist seine Weißheit / keine Tugend seine Güte / kein Werck seine Macht nur mit Gedancken begreiffen könne. Daß wir uns aber mit Koth und Asche bezeichnen / haben wir sterbliche Men schen / die wir im Leben Koth / nach dem Tode Asche sind / erhebliche Ursache. Jedoch kommet [661] dieses mit Fleiß von einem heiligen Thiere / um uns zu erinnern / daß dem grossen Gotte nichts / was zu seinem Dienste andächtig gewiedmet wird / zu verächtlich sey / und daß wir das irrdene Gefässe unsers zerbrechlichen Leibes mit einem frommen Leben einbalsamen sollen. Zeno berichtete hierauf; Er habe den Brahman gefragt: warum sie denn die Kühe für so heilige Thiere hielten? indem er ihre Bilder nicht nur in ihren Tempeln häuffig gefunden / sondern auch gehört / daß ein Brahman ehe sterben / ja lieber das Fleisch seiner Eltern / als von einer Kuh essen würde. Zwar hätten die Athenienser und Römer für Zeiten bey Lebens-Straffe ein Kind zu schlachten verboten; ja jene hätten sie nicht einst ihren Göttern zu Opffern gegönnet; aber diß wäre nicht wegen ihrer eingebildeten Heiligkeit / sondern ihrer Nutzbarkeit halber geschehen / weil sie nicht alleine der Ackers-Leute Arbeits-Gefärthen wären / sondern auch mit ihrem Miste den Bodem tingeten / und die Küh ihre Milch den Sterblichen gleichsam zur ersten Speise gegeben hätten. Worauf aber Zarmar versetzt: Warum von den Lybiern die Böcke / von den Völckern in der Atlantischen Insel die Schlangen / von den Egyptiern Zwiebeln / Katzen und eben die Ochsen so hoch verehret würden? Zwar billigte er nicht den Aberglauben des unverständigen Pöfels / welcher das Vorbild mit dem geheimen Verstande vermischten / und wenn sie die Heiligkeit in das Fell und die Knochen dieser Thiere einsperreten / die Spreu für den Weitzen erkieseten /und daher auch dieselben / welche sich zu ihres Geschlechtes Glauben bekenneten / aus einer allzu thummen Andacht ihre Speisen sechs Monate mit Kühmiste vermischten. Aber er solte die Brahminen / von welchen die Egyptier allererst ihren Gottesdienst /wiewol mit nicht geringer Verfälschung bekommen /eben so wenig für so alber ansehen / daß sie eine Kuh für eine Göttin / oder einen Ochsen / wormit bey den Indianern Basira / bey den Egyptiern Serapis / bey den Juden Joseph fürgestellt würde / für einen Gott hielten / als andere Völcker / welche noch verächtlichere Thiere darfür verehret. Unter diesen geringen Schalen wäre ein köstlicher Kern verborgen; Nicht zwar / daß nach dem Aberglauben des Pöfels eine Kuh mit ihren Hörnern die Welt-Kugel unterstützte /sondern mit diesem Thiere hätten so wol ihre Vorfahren / als andere Völcker die Fruchtbarkeit der Natur abgebildet; also / daß wie ihm zu Memphis ein Priester erzehlet / auch die Römer die Vorsicht des Korn-Vogts Minucius / die Egyptier das Grab ihres Serapis mit dem Bilde eines vergüldeten Ochsen beschencket hätten. Und dem Egyptischen Osiris wäre von Gott in einem Traume durch sieben magere und fette Küh der Mangel und Uberfluß künfftiger Jahre entdecket worden. Warum solten sie nicht das Bild des göttlichen Segens in ihre Heiligthümer setzen / nach dem es die Vorwelt nicht ohne Nachdencken unter die zwölf himmlischen Zeichen gestellet? Gewiß / dieses Geheimnüß / warum die Egyptier allein einen rothen Ochsen opffern / warum die Juden allein mit der Asche einer rothen Kuh / die durch Anrührung eines Todten sich befleckenden / zu ihrer Reinigung besprengen / wäre durch kein Nachsinnen zu ergründen; es würde aber dessen Auslegung in weniger Zeit kund werden. Dannenhero müste ein Weiser aus dem kalten Kieselsteine eines rauhen Vorbildes das Feuer eines heilsamen Verstandes herfür bringen. Sintemahl bey ihnen und andern Völckern der blinden Vernunfft noch wol ärgerlicher zu seyn schiene / daß die Egyptier und Römer an dem Feste des Osiris und Bacchus das männliche / die Syracusier an ihrem Thesmophorischen Feyer das aus Honig und Gesäme gefertigte weibliche Geburts-Glied / wir beydes vereinbart in Tempel setzen / zur Schaue tragen und verehren; da man doch hierdurch [662] theils die zeugende / theils die empfangende Krafft der fruchtbaren Natur andächtig fürbildete. Am allerwenigsten aber wäre sich zu verwundern / daß sie sich so sehr für Speisung des Rindfleisches enteuserten / welches so vielen Völckern ein göttliches Vorbild gegeben hätte; nach dem auch die Juden lieber stürben / als von Schweinen nur wegen ihrer Unreinigkeit speiseten / Sostrates und andere hätten ihr Lebetage sich alles Fleisches enthalten /und mit Milch vergnüget / weil sie gesehen / daß weder das Fleisch zur Nahrung dienlich wäre / noch die Natur uns mit einigen zum Fleisch-Essen geschickten Werckzeugen geschaffen hätte. Zeno berichtete hierauf: Er hätte bey dieser Gelegenheit dem Brahman einen Einwurff gethan / daß sie aber auch keines andern Thieres Fleisch zu essen pflegten / ob diese denn alle göttliche Bilder wären? So könte er auch nicht begreiffen / warum die Brahminen des Tages nur einmal / und zwar mit keinem Menschen /ja so gar mit ihren eigenen Ehweibern / die eines andern Geschlechts wären / nicht speiseten / noch ihre Gefässe brauchten / oder doch im Nothfalle das Wasser daraus in ihren Mund ohne Berührung der Lippen schütteten / und so gar den König selbst ihrem Essen nicht zuschauen liessen. Worauf ihm Zarmar geantwortet hätte: Wolte Gott! unsere Natur vertrüge / daß wir gar nicht essen dörfften / wormit der Leib mit der Zeit die Seele nicht wegen der ihm durch Ubermaß angefügten Feindschafft verklagen dörffte / hingegen man Gott täglich mit Fasten dienen könte. Denn wie Gott der Trunckenheit und Schwelgerey todt-feind ist / also daß / vermöge eines alten Gesetzes / ein iedes Weib bey uns einen trunckenen König nicht allein unsträflich tödtet / sondern auch dem folgenden Könige zur Belohnung vermählet wird; also ist Gott ein nüchterner Mund / und ein andächtiges Hertze das annehmlichste Heiligthum. Welches auch euer Empedocles verstanden / welcher allezeit zu fasten rieth / so offt ein Mensch was übels gethan hatte / oder in Nöthen steckte. Ja die bey euch das Feyer der reichen Ceres begehen / müssen ihr für ihren Uberfluß mit Fasten dienen. Zu dem hat Gott dem allerersten Menschen ein Gesetze gegeben / daß er sich des Fleisches enthalten / und nur von Feldfrüchten leben solte. Unsere Einsamkeit aber rühret aus keiner Hoffarth her /sondern es dienet uns zu steter Erinnerung / daß die /welche allein Gott zu dienen gewiedmet seyn / nicht viel Gemeinschafft mit Weltgesinnten haben sollen. Denn die Gemüther der Sterblichen bleiben leichter an irrdischer Wollust / als die Vogel an der Leimruthe kleben. Die Mücke fleucht in das Feuer / ob sie gleich darinn eingeäschert wird / und der Fisch greiffet nach der Angel / ob gleich nur ein Stücke Aas daran klebt /und es ihm das Leben kostet. Und warum halten auch bey euch unterschiedene Völcker die für unrein / die nur eine Leiche anrühren? Warum dörffen die Priester des Jupiters zu Rom die Bohnen / weil man sie zu Todten-Mahlzeiten und Leichenbestattungen gebrauchte / weder anrühren noch nennen? Glaube aber / daß niemand mehr todt sey / als in dem die Begierde Gott unaufhörlich zu dienen erkaltet ist. Dannenhero müssen unsere sündigen Pereaes ihre Brunnen und Häuser mit Todtenbeinen bezeichnen; wormit selbte iederman fliehe / und niemand sich auch nur durch ihr Wasser / oder den Schatten ihres Daches verunreinige. Und zu Memphis habe ich selbst wahrgenommen /daß die / welche mit Schweinen umgehen / weder die Tempel / noch die Wohnungen der Priester betreten dörffen. Uberdiß verträgt auch unser bey der Mahlzeit gewöhnlicher Dienst so wenig / als die Kost keine Gemeinschafft der Unwissenden. Wir selbst müssen uns mit Isop und Springwasser reinigen / unsere Stirne zur Erinnerung [663] der Sterbligkeit mit Todten-Asche bezeichnen / unsern Leib waschen / unsere Glieder mit Weyrauch beräuchern / den Mund ausspülen / ein sauberes Kleid anlegen / unsere Gebete verrichten /einander rechtfertigen / wie viel ieder selbigen Tag in Erkäntnüß Gottes und heiligem Wandel zugenommen habe; die Nachläßigen aber von dem Tische hinweg und zur Thüre hinaus stossen / ja die Speisen mit geriebenem Holtze bitter machen / oder uns auch gar mit diesem Wasser und Holtze vergnügen; worfür die Zärtlinge dieser Welt / denen auch offt für den niedlichsten Speisen eckelt / eine Abscheu oder Verdruß haben würden. Hieraus kanst du / mein Sohn / nun selbst unschwer ermessen: warum wir uns des Fleisches / als der Würtze menschlicher Begierden / enteusern; ja auch die / welche den Himmel ihnen ohne Umweg zu erlangen gedencken / entschlagen sich eines uns sonst gewöhnlichen Feyers / auf welchem ein Vieh erstecket / und auff dem Feuer geopffert wird / weil die Opffernden das Hertze davon zu zertheilen und zu essen pflegen. Zeno fuhre fort / und vermeldete / daß Zarmar wegen des Fleisch-essens ihm nur einen blauen Dunst für die Augen zu machen gemeinet; daher er ihm entgegen gesetzt: weil er glaubte / daß die Opffernden sich so wol / als bey ihnen die Priester bey den Opffern der Hecate alles Essens enthalten könten / und wahr genommen hätte / daß die Indianer das Leben der Thiere mit Geld erkaufften / zu ihrem Unterhalt heilige Stifftungen machten / und auch denen verächtlichsten / oder sie verletzenden Thieren noch liebkoseten / die verstorbenen Rinder prächtig beerdigten; muthmaste er / es müsse eine andere geheime Ursache hierunter verborgen seyn. Zarmar aber begegnete mir: Jeder Gottesdienst hätte seine besondere Eigenschafft / und auff ihrem Feste müste das Hertze des Thieres gessen werden. Was aber dörffte ich über ihrer Speise so sorgfältig seyn; stünde doch zu Athen in dem Elevsinischen Tempel unter den Gesetzen des Triptolemus in Ertzt eingegraben: Man solle nicht Fleisch essen. Kein Egyptier / auser die von Lycopolis / esse von einem Schaffe / ihre Priester zu heiligen Zeiten von keinem Thiere / ja so gar nicht Eyer und Milch / weil diese ihr Blut / jene ihr Fleisch wären; die Priester des Jupiters zu Rom von keiner Ziege / die Britannier von keinem Hasen / Huhne oder Ganß. Und zur Zeit des weisen Ptolomeus habe ein Egyptier über seine eigene Mittel vom Könige funfzehn Talent Silber geborgt / und auf das Begräbnüß-Gepränge seiner für Alter gestorbenen Kuh zu Memphis verwendet. Zeno berichtete: Er hätte sich hiermit noch nicht abweisen lassen wollen / sondern um ihm recht auf den Puls zu fühlen / dem Brahman Einhalt gethan: warum aber die heiligsten unter ihnen wegen der auch denen Kräutern eingepflantzten Seele ihnen ein Gewissen machten / ein Kraut mit seiner gantzen Wurtzel oder Stengel auszureissen / sondern nur zu ihrem unentbehrlichem Unterhalt die eusersten Blätter abbrächen? Er solte ihm daher nur frey heraus sagen: Ob sie nicht / wie Pythagoras / die Wanderschafft der Seelen in Thiere und Kräuter glaubten / welcher daher lieber in die Hände seiner Mörder verfallen / als in die wachsenden Bohnen sich verstecken / und die darinnen ruhenden Seelen hätte beunruhigen wollen? Welches er darum so viel leichter glauben müste / weil die Griechen darfür hielten / daß die Indianer ihren Pythagoras als einen grossen Heiligen / unter dem Nahmen des Brahma / mit dreyen Antlitzen und sechs Armen abbildeten / ja anbeteten; Uber diß ihm der Buddas von Muziris gesagt hätte: Sie hielten mit unserm Parmenides / Empedocles und Democritus / insonderheit mit dem Pythagoras darfür / daß dem Wesen nach nur eine eintzige Seele in der Welt wäre / und nichts minder die Steine / Kräuter und Thiere / als [664] den Menschen begeisterte / auch als ein kräfftiges Band diese Glieder der Natur miteinander verknüpfte. Hingegen bestünde eines ieden beseelten Wesens Fürtreffligkeit in dem Leibe / als dem Werckzeuge / wordurch die Seele herrlichere oder geringere Kräfften auslassen könte. Daß nun die Kräuter nicht lauffen / die Thiere nicht reden könten / die Steine nicht fühlten / geschehe aus blossem Gebrechen des darzu benöthigten Werckzeugs. Sintemal die mit einer vernünftigen Seele unstrittig begabten kleinen Kinder aus eben dieser Uhrsache ihre Sprache und Vernunft nicht gebrauchen könten. Welche Einbildung den Crates von Thebe so weit verleitet hätte / daß er keine Seele gegläubt / sondern alle der Seele sonst zugeeignete Würckungen den natürlichen Kräfften des blossen Leibes zugeeignet. Zarmar / sagte Zeno / veränderte über diesem Vortrage etliche mal sein Gesichte / und fuhr endlich mit ziemlicher Entrüstung heraus: Es mischen diese letztere die dreyerley Seelen mit so grossem Irrthum unter einander / als die / welche tichten: daß die erste Sprache in der Welt so wohl dem Vieh als den Menschen gemein gewest wäre / und daß an gewissen heiligen Oertern fremde Vieh auch selig würde; oder daß die Flüsse für Zeiten in menschlicher Gestalt herumb gegangen wären; und die den Leib zu einem blossen Kercker und Klotze / in welchen die Seelen ihrer Sünden wegen verdammet würden / und kein wesentliches Antheil des Menschen wäre; ja zu einem kalten Grabe machen / darinnen diese Geister /welche entweder von Ewigkeit her ihr Wesen gehabt /und aus Gott / wie das Licht aus der Sonnen sonder des Ursprungs Verminderung entsprossen wären /oder doch mit der Welt erschaffen worden / erfrieren und erstarren müsten. Denn / da Gott die Seelen nur zu ihrer Marter in die Leiber einsperrete; würde die Natur nicht alle ihre Kunst zu so schöner Bildung eines grausamen Gefängnüsses anwenden. Es würde ohne grosse Ungerechtigkeit keine heßliche Seele in wohlgestalten Gliedern wohnen; noch auch die verächtliche Asche unserer Leiber von Gott mit der Zeit gewürdiget werden / daß sie wieder zu einem viel verklärtern Leibe werden / und in unaussprechlicher Freude mit ihrer durch den Tod abgesonderten Seele ewig vereinigt bleiben solte. Welch Geheimnüß aber den Augen euerer eitelen Weltweisen gäntzlich verborgen ist. Die Egyptier hingegen habẽ einen Blick von diesem Lichte ersehen / und die Leichen so fleissig mit Phenicischem Weine gewaschen / mit Myrrhen / Aloe und köstlichẽ Hartzte eingebalsamet; daß die Seele mit der Zeitdarein / als in eine unversehrte und ihr anständige Wohnung wieder einkehrẽ könte. Wormit dir aber / mein Sohn / unser Glaube nicht so unglaublich fürkomme; wil ich dir zeigen / daß das Feuer den Dingen seine innerliche Eigenschaften nicht benehme / sondern selbte mit ihrer Saamens-Krafft in der Asche übrig bleibe. Hiermit nahm er ein an Blättern und Wurtzeln so dürres Kraut: daß man es mit den Fingern in Staub zerreiben konte / setzte es in ein Glas voll kräfftigen Wassers / welches / seinem Berichte nach / aus gewissẽ Berg-Gewässern gezogẽ war. Es waren aber kaum drey Stunden verstrichen; als aus der Bein-dürren Wurtzel ein frisches Kraut zu meiner höchsten Erstaunung herfür grünete. Uber diß nahm er ein ander gantz frisches Kraut / welches er zu seiner Speise mitgenommen hatte / zerschnitt selbtes zu Staube / verbreñete es zu Asche / und säete es in ein mit frischer Erde gefülltes Gefässe; mit der Versicherung; daß eben selbiges Kraut in wenig Tagen wieder herfür wachsen würde. Als es sich auch hernach wahrhaftig ereignete. Urtheile nun / sagte Zarmar / ob es dem allmächtigen Gotte schwerer seyn werde / die Asche unsers Leibes in einen frischen Leib zu verwandeln / als dem ohnmächtigen Menschen ein Kraut aus seinem Staube / oder einem Seidenwurme sich aus seinem Grabe lebendig heraus zu wickeln. Brenne / verbrenne / [665] wandele Gold / Quecksilber und ander Ertzt / in Geträncke / Wasser / Oel und Staub; glaube aber: daß du ihre Eigenschafft nicht verwandelt / weniger getödtet hast. Denn sie verstecket sich nur für dem verzehrenden Feuer in ein ander und sicheres Kleid; und wenn du deinen künstlichen Beysatz wegnimmest / wirst du den Kern des ersten Wesens unversehrt finden. Meynet ihr aber: daß nach dem Pythagoras mit seinen Träumen euch verdüstert / er uns derogestalt verblendet habe: daß wir ihn als einen vorsetzlichen Verleiter oder unwissenden Verleiteten für den Göttlichen Brahma den wahrhaften Mitler zwischen Gott und den Menschen erkennen solten? Ich erschrecke für dieser Lästerung: daß Brahma / von welchem die Welt / keines weges aber nach der Meynung eueres Aristoteles von andern Ursachen / noch / nach dem Stoischen Irrthume / von einem blinden Noth-Looße oder Verhängnüsse / noch von dem Einflusse der Sternen / in Ordnung gehalten /und an statt des Göttlichen Wesens / welches nicht /wie euer Epicurus schwermet / so wohl seine als irrdische Sachen unachtsam ausser Augen setzt / beherrschet wird / der sonder den Zwang der Geburts-Sternen allen Menschen ihr Glück und Unglück abmißt /auch ihnen ihr Lebens-Ziel stecket / der durch seinen Geist / welchen euer Plato die Seele der Welt heißt /der gantzen Natur ihre Nahrung gibet / etliche Vögel mit einem Tropfen Wasser / die Schlangen mit dem Winde / die Schnecken mit Thau / etliche Thiere mit Feuer / andere mit der Lufft sättigt; daß / sag ich / der grosse Brahma / das Wort / oder wie Plato nachdencklich redet / der Sohn Gottes mit einem aberwitzigen Weltweisen vermenget werden wil; denn wie zwar die Egyptier alle ihre Weißheit von unsern Vor-Eltern erlernet; aber mit grossem Undancke ihre Lehrer nicht nur verschwiegen / sondern die Lehre selbst verfälschet / und unter einem ertichteten Alterthume ihnen selbst den Ursprung zugeeignet haben / vorgebende / daß unter ihrer Zeit die Sternen zum vierdten mal ihren Lauff vollbracht hätten / welches nach eures Plato Rechnung über hundert vier und viertzig tausend Jahr beträgt / daß die Sternen-Kunst bey ihnen schon über hundert tausend Jahre bekandt gewest /und ihr Reich siebentzig tausend Jahre von Königen beherrschet worden wäre / daß Zoroaster sechs tausend Jahr für dem Plato gelebet hätte; also hat Pythagoras von dem Canupheischen Priester / seinem Lehrmeister / viel falschen Tand für gute Wahre erkaufft /oder das noch aus Egypten / oder vielmehr aus dem Gesetz-Buche der Judẽ / so wol von ihm als vorher von dem Pythagoras und Aristobul geschöpfte reine Brunn-Wasser der Weißheit in den Sümpfen der Griechischen Weltweisen verfälschet / weil er in natürlichẽ Dingen den Heraclitus / in Sitten- und Herrschaffts-Lehren den Socrates / in Schluß-Reden den Pythagoras zu seinem Leiter erkieset; also theils sich /theils seine ohne diß eitele Griechen / die auch ihr Athen neun tausend Jahr für dem Solon gebaut zu seyn tichten / darmit hinters Licht geführet hat. Eben diese Flecken kleben dem Pythagoras an / welchen die Egyptier zwar am Fleische mit einem steinernen Messer / aber nicht in Irrthümern mit der Schere vollkommener Wahrheit beschnidten / oder doch der abergläubige Morgi des Cretensischen Jupiters Priester / welchen er in schwartze Wolle gekleidet / dreymal neun Tage in der Ideischen Höle bey dem Bilde des Jupiters gehöret / wieder verunreiniget / und den Pythagoras bethöret hat: daß er sich von ihm am Tage mit Ceraunischem Steine am Meere reinigen / des Nachts bey flüssendem Wasser mit einem schwartzen Lamb-Felle krönen / und dardurch dem daselbst vergrabenen Zan oder Jupiter einweihen lassen. Dieser Pythagoras hat die unschätzbare Perle / nemlich die Lehre von der Seelen Unsterbligkeit in eine stinckende Auster-Schale versteckt; da er aus der Seele eine vierfache sich selbst bewegende Zahl gemacht / die Lufft [666] mit viel tausend umschwermendẽ Seelen angefüllet / die Vielheit der Götter gelehret / und sie in Zahlen verwandelt; am allermeistẽ aber mit den albern Egyptiern die Welt mit der Wanderung der Seelen in andere menschliche und viehische Leiber bethöret hat; vorgebende: daß nachdẽ die Seele sich einmal aus dem Gestirne in einen irrdischen Leib herab gelassen hätte /müste sie durch allerhand andere Leiber herum wandern / biß sie nach 3000. Jahrẽ / oder dem grossẽ Welt-Jahre / wieder in ihren ersten Leib und vorigen Circkel komme / endlich aber nach einer sehr langen Zeit sich mit ihren Flügeln wieder zu ihrem Gestirne empor schwinge. Diese Wanderschafft geschehe aber nach der Beschaffenheit des guten und bösen Verhaltens / also: daß die Fro en entweder in eine andere menschliche / oder in heiliger Thiere / die Bösẽ aber in unreiner Thiere Leiber sich verfügten. Also rühmte sich Pythagoras: Seine Seele wäre anfänglich in einem Pfauen gewest / hernach in Euphorbus / von dar in Homerus / und so fort Pyrrhus / Eleus / endlich in seinen damaligen Leib gefahren; weßwegen er auch zu Delphis noch eigentlich seinen dahin gewiedmeten Schild erkennet hätte; und sich erinnerte: wie er in der Hölle den an eine ertztene Säule angefesselten Hesiodus / und des Homerus an einen Baum gehenckte und mit Schlangen umgebene Seele gesehen. Gleicher gestalt wäre die Seele des Orpheus in einen Schwan /des Thamyras in eine Lerche / des Telamonischen Ajax in einen Löwen (in welcher Gestalt auch einst König Amasis soll erkennet worden seyn) Agamemnons in einen Adler gediegen. Der Weltweisen ihre kämen in Bienen / der Redner in Nachtigaln / umb sich auch nach dem Tode an der Anmuth und Süssigkeit zu sättigen. Welche aber nur dem Göttlichen Erkäntnüsse obgelegen / würden unmittelbar zu Engeln. Auch wäre diese Umbirrung ihnen keine Straffe / sondern eine Ehre und Vergnügung; nachdem die heiligen Seelen auch in der wilden Thiere Leibern ihrem Vaterlande wohlthäten / die Erd-Kugel umbreiseten /und das Thun der Menschen beobachteten / ja die Götter selbst in heilige Thiere sich zu verfügen nicht scheueten. Hingegen würden die Zornigen in Schlangen / die Geitzigen in Wölffe / die Betrüger in Füchse / die Hoffärtigen in Pfauen / die Neidischen in Hunde / die Unzüchtigen in Schweine / die grausamen in Crocodile / die Faulen in Esel / die Rauber in Raub-Vögel / einige Seelen auch wohl gar / nach der Lehre des Empedocles / in Bäume und Pflantzen verdammet. Ob nun wohl die Egyptischen Priester eben dieses den albern Pöfel und die leichtglaubigen Ausländer überredet / also daß dieser Irrthum nicht nur gantz Morgenland eingenommen / auch unsere Einfältigen die glückseligsten Seelen in Küh-Häuten eingeschlossen zu seyn vermeynen / sondern auch vom Zamolxis zu den Geten / von den Druyden in Gallien / und auch in Deutschland gebracht worden; so haben doch die Priester ihnen etwas mit Fleiß weiß gemacht / was sie selbst nicht geglaubt / auch von unsern Vorfahren nicht gelernet; oder sie selbst haben die Lehre des Hermes und Zoroasters als unserer Schüler übel verstanden; oder nachdem sie die Unsterbligkeit der Seelen / und daß die Frommen nach dem Tode ergetzt /die Bösen gepeinigt werden solten / gestehen müssen / nicht gewüßt / was sie denen Seelen für einen Aufenthalt zueignen / oder einem Geiste für äuserlichen Zwang anthun solten; diß / was wir verblümter Weise geredet / und die Griechen zum Theil selbst unter der Zauber-Ruthe Circens und der Ulyssischen Geferten fürgebildet / wie nehmlich der Mensch durch seine unvernünftige Begierden / durch Unterdrückung der Vernunfft / von dem Kitzel äuserlichen Sinnen sich selbst zum Viehe mache / wesentlich angenommen /und die Spreu für den Weitzen erkieset / wiewohl auch einige unter ihnen nur die Wanderung der Seelen in andere Menschen / nicht aber in das [667] Vieh nachgegeben haben. Da sie sich doch leicht hätten bescheiden können: daß die Seele als ein Geist in und von sich selbst den Ursprung ihrer Bewegung und Würckung habe / und des Leibes als eines unentbehrlichen Werkzeuges keinesweges bedürffe. Welch Erkäntnüß auch die Stoischen Weltweisen zu glauben bewogen: daß die tugendhaften Seelen umb den Monden sich an Beschauung der hi lischen Dinge erlustigten / die Lasterhaften aber umb die Erde / oder gar umb die düsteren Gräber so lange / biß sie nach und nach von ihren irrdischen Begierden gesaubert würden / herumb schwermeten; ja Pythagoras selbst hat geglaubt: daß die allerärgsten Seelen in uneingefleischte Teuffel verwandelt würden. Ich gestehe übrigens gerne: daß bey uns eben so wohl das gemeine Volck viel Schatten für das Licht erwische / und ihre Andacht eben so wohl als in Griechenland und Egypten mit Wahn vermischet sey. Alleine es ist besser selbten bey irrigem Gottes-Dienste unter der Furcht für dem gerechten Gotte / und dem Gehorsam seiner Obrigkeit zu halten / als selbten ohne einige Gottes-Furcht in allerley Laster ohne Scheu rennen zu lassen. Uber diß ist Gott ein so verborgenes Wesen / daß ie mehr wir selbtes zu ergründen uns bemühen / ie mehr unsere Gemüths-Augen / wie derer / welche in die Sonne sehen / von übermäßigem Lichte verdüstert werden. Denn ob wohl Gott sein Wesen und Würcken auch durch den verächtlichsten Käfer / durch den niedrigsten Isop erhärtet / und also des Protagoras und Diagoras Nachfolger / welche nicht gläuben: daß ein Gott sey / für Unmenschen zu halten sind; so sind doch seine Eigenschafften so verborgen: daß die Welt noch keinen ihm anständigen Nahmen zu finden gewüst / ob man auch schon mit unsern tausend Nahmen seine Allmacht und Güte nicht aussprechen kan. Gottes Weißheit / Macht / Gerechtigkeit sind nur Worte und Erfindungen unserer Einfalt; diß aber / was wir darmit meynen / ist seine Gottheit selbst / welche ein einfaches Wesen hat / und keine Zusammensetzung einiger Zahlen oder Tugenden verträget. Dannenher auch die Weisen dem unbekandten Gotte Tempel und Altar aufzurichten veranlasset worden. Verbirget doch der gestirnte Himmel mehr als die Helfte seiner Lichter / für unsern Augen; ja die Kräfften der Kräuter / die wir mit Füssen treten / vermögen wir durch unser Nachsinnen nicht zu erforschen. Wie viel weniger werden wir das Meer der so tieffen Gottheit erschöpfen. Wohin denn auch / der Griechen Bericht nach / des Saturnus Gesetze / daß man bey schwerer Straffe die Götter nicht nackt sehen solte / und das Gedichte: samb der die Diana nackt sehende Actäon von Hunden zerrissen /der die badende Minerva ins Gesicht bekommende Tiresias blind worden wäre / ihr Absehen hat. Also /daß nach dem die Weisen hier auch im blinden tappen müssen / einigerley Weise zu entschuldigen ist: daß die Griechrn alle Geheimnüsse unter Gedichte verstecket / und den Pöfel durch solchen Aberglauben im Zaume gehalten haben. Massen ohne diß Gott durch Unwissenheit am meisten erkennet; und mehr durch demüthiges Gebet / als durch spitzige Nachforschung verehret wird. Und wie das grosse Auge der Welt seinen Glantz auch den Neben-Sonnen mittheilet; also mißgönnet auch Gott nicht die Ehre seinem Schatten /den blöde Augen für ihn als das selbstständige Licht erkiesen.

Mit diesen und andern tieffsinnigen Gesprächen /sagte Zeno / verkürtzten wir unsern Weg und die Zeit / wiewohl mir die Beysorge: Ich möchte durch allzu grossen Vorwitz diesen weisen Mann gar aus der Wiege werffen / verbot / ein und anders Bedencken wider seine Lehren aufzuwerffen; und insonderheit zu erhärten / daß weil Gott seine Ehre keinem andern geben wolte / sondern er darumb gerechtest eiferte; der Einfalt so wenig [668] ein falscher Gottesdienst / als einer armen Mutter für ihr Kind ein Wechselbalg unterzustecken; und ein Gottesdienst ohne Warheit und Weißheit für ein Gespenste / einen Schatten / einen blauen Dunst und verführisches Irrlicht zu halten sey; Ja daß der / welcher für ein göttliches Wesen nur eine neblichte Wolcke umarmet / mit dem Ixion nichts als Mißgeburten zeuge / sich aber selbst in den Abgrund abstürtze. Denn wie einen Affen nichts garstiger und lächerlicher macht / als daß er sich den Menschen gleichen will; also ist der Aberglaube nur eine abscheuliche und verwerffliche Nachäffung des wahren Gottesdienstes.

Wir schifften / fuhr Zeno fort zu erzehlen / unter halbem Sturmwinde nur mit einem Segel / wiewohl ziemlich schnelle fort; weil der Wind aber in unserm Segelwercke ein und anders zerbrochen hatte / stiegen wir theils solches wieder anzurichten / theils uns zu erfrischen auff dem fruchtbaren Eylande Dioscorida unter Arabien aus / welches die halbe Welt mit Aloe versorget. So bald wir von dem Schiffe traten / fiel Zarmar gegen Morgen auff sein Antlitz in den Staub der Erde / rührte kein Glied / ausser seiner Zunge /mit welcher er unglaublich geschwinde / seinem Glauben nach / tausend Zunahmen Gottes aussprach / den Bodem aber mit unzehlbaren Thränẽ netzte. So bald auch die Sternen auffgingen / machte er ein Feuer von Aloe-Holtze / trat hernach mit einem blossen Fuße nach dem andern in den fast glüenden Sand und heiße Asche / ohne das geringste Zeichen einiger Empfindligkeit; betrachtete lange Zeit eine gantz feurige Kugel / und die übrige Nacht sahe er einen grossen weissen Stern mit unverwendeten Augen an / biß selbter unter den Abends-Zirckel absanck. Wie nun Zarmar des andern Tages in dem Garten des Königs Eleazes / welchem dieses Eyland und das Weyrauch bringende Theil Arabiens zustehet / seine die Nacht über gepflogene Andacht auszulegen gebeten ward; antwortete er: Meinet ihr denn / daß die Wolthaten Gottes / indem er uns Wind und Wellen zu Liebe in Fesseln gehalten /nicht alle unsere Demuth und Dancksagung übersteige? Schätzet ihr Gott nicht für so hoch / daß wir / die wir Asche sind / und zu Staube werden / also nicht einst recht den Nahmen ehrlicher Erde verdienen / uns für ihm nicht in den niedrigsten Staub zu verscharren schuldig sind? Meinet ihr / daß tausend Lobsprüche seiner Herrligkeit ein mehrers beysetzen / als wenn man einen Löffel voll Wasser ins Meer geust? Solten unsere verzärtelte Glieder nicht einen wenigen Schmertzen des Feuers vertragen / um in der Andacht gegen dem Schöpffer unserer Seelen / dem wir unser brennendes Hertz täglich auffzuopffern schuldig sind /nicht schläffrig zu werden? Wisset ihr nicht / daß wenn das Meer keinen Dampff mehr über sich werffen / und die Sternen darmit träncken wird / selbte eingeäschert herab fallen sollen? Warlich / werden keine Seuffzer und Thränen der sündigen Menschen den brennenden Zorn Gottes abkühlen / so wird er die Welt wie ein Schmeltz-Ofen die Spreu verzehren. Wie aber hingegen ein Gärtner sich über die bey ihrer Beschneidung weinenden Reben als einem Zeichen der Fruchtbarkeit erfreuet; Also sind Gott die Thränen eine Anzeigung der reichen Seelen-Erndte. Das Gebet hat nur die Eigenschafft des Weyrauchs / weil es Gott einen süssen Geruch abgiebt / und den Gestanck unser garstigen Sünden vertreibet; die Thränen aber haben eine Krafft des Zwanges in sich / welche seinen gerechten Zorn fässelt / und sein mitleidentlich Hertze presset / daß er unser barmhertziger Erbarmer seyn muß. Da man nun aber Gott aus Betrachtung aller Dinge erkennen soll; warum soll mir nicht eine Kugel / als das vollko enste unter denen begreifflichen Dingen / das Muster der Welt / und das Vorbild der alles begreiffenden Gottheit zu einem [669] Nachsinnen dienen? Warum soll meine Finsterniß nicht aus dem Feuer ihr ein Licht anzünden / welches dem Himmel am ähnlichsten / keiner Fäulniß unterworffen / der Urprung alles Glantzes ist; welches die todte Erde beseelet / zu allen Geburten der Thiere und Pflantzen behülfflich seyn muß / die stärckste Würckungs-Krafft in sich hat / und als das aller fruchtbarste Wesen sich aus sich selbst zeuget / und daher von eurem Heraclitus die Natur für nichts anders / als für ein würckendes Feuer gehalten worden ist; ja welches die nachdrücklichste Tugend zu reinigen hat; also / daß so viel Völcker solches als einen Gott angebetet / alle es zu ihren Opffern nehmen / die feurigen Thiere für die edelsten halten / und nicht wenig darum ihre Leichen verbrennen: wormit die Glut dieselben Flecken vollends vertilge / welche durch kein Weyhwasser haben köñen abgewaschen werden. Am allermeisten aber haben wir unsere Augen und Gemüther an die Sternen zu nageln; Deñ geben sie gleich nicht nach vieler Meinung lebhaffte und beseelte Schutz-Engel der Menschen und Thiere ab / so sind sie doch die hellesten Spiegel der göttlichen Weißheit und Allmacht. Zeugen selbte aus sich neue Sternen / wie vielmehr gebieret ihre Betrachtung Kinder Gottes; ja sie sind nicht so wohl Lichter des Tages und der Nacht / als Wegweiser zu Gott dem unerschaffenem Lichte.

Zwischen diesen Gesprächen vergaß Zarmar als ein erfahrner Gärtner nicht / uns die Eigenschafften der seltzamsten Gewächse / insonderheit aber der unterschiedenen Aloe zu zeigen und auszulegen. Unter diesen allen war die köstliche Holtz-Aloe / wormit die Morgenländischen Könige ihre Kleider und Bettgewand einbisamen; welcher annehmlicher Geruch so durchdringend war / daß einige unserer Leute genöthiget wurden aus dem Garten zu weichen. Es ist / sagte Rhemetalces / diß ein unfehlbarer Beweiß eines sehr durchdringenden Geruchs; weil der Mensch / als welcher seiner Grösse nach das meiste und feuchteste Gehirne haben soll / unter allen Thieren den schwächsten Geruch hat; hingegen wie andere in andern Sinnen; also die Raben und Geyer den Menschen hierinnen vielfältig übertreffen. Massen / denn alle diese Vögel von Athen / und aus dem Peloponesus nach der Pharsalischen Niederlage der Meden von den stinckenden Leichen / und ein Habicht von einem Aaße aus der Damaskischen Gegend biß nach Babylon gelockt worden. Zeno begegnete ihm / es wäre diß allerdings wahr; iedoch gäbe es auch Thiere / welche viel weniger rüchen / als die Menschen insgemein. Unter diese wäre fürnehmlich der Löwe zu rechnen; welcher wegen mangelnden Geruchs die Syrische Katze / als seine Wegweiserin mit auff die Jagt nähme / und den Raub mit ihr theilte. Hingegen hätten viel Menschen ein sehr scharffen Geruch / besonders die stumpffen Gesichts wären. Jubil setzte bey: Auch die Albern solten eine dünnschälichte Nase / scharffsinnige Leute aber einen schlechten Geruch haben. Dessen Beyspiel man an dem überaus klugen Könige Hippon in Britannien hätte / welcher weder Zibet noch Bibergeil /weder Ambra noch Hüttenrauch zu unterscheiden gewüst. Rhemetalces antwortete: Ich solte vielmehr das Widerspiel glauben / weil nach der Lehre des Heraclitus die den Geruch dämpffende Feuchtigkeit auch den Kräfften der Vernunfft soll Abbruch thun. So hätte auch der scharffsinnige Phereydes einen so herrlichen Werckzeug des Geruches / er bestehe nun gleich an einem Beine / oder an einem Fleische / oder an einer gewissen Spann-Ader / gehabt / daß er aus Anrüchung der Erde ein Erdbeben gewahrsagt. Nichts minder hätte Democritus bey der Unterredung mit dem Hippocrates durch seinen Geruch die ihnen gebrachte Milch zu unterscheiden gewüst / daß sie von einer schwartzen Ziege wäre. Der Hirte Agathion aber hätte [670] so gar in der Milch unterscheiden können: ob sie ein Weib oder Mann gemolcken? Unter welchen die zwey ersten nicht nur für scharffrüchende / sondern auch für tieffsinnige Weisen gelten könten. Flavius setzte bey: Er erinnerte sich / daß König Juba in Africa bey seinem Heere Kundschaffter gehabt / die das fette und sandichte Land auff etliche Meilen ausspüren müssen. Salonine sagte: Wo die Trockenheit eine Schärffung des Geruchs / wie die Feuchtigkeit des Geschmacks ist / müssen die verbrennten Mohren nothwendig am besten rüchen. In alle wege / antwortete Zeno. Dahero wäre der starcke Mosch denen heissen Babyloniern ein rechtes Gifft / und den Arabern stiege der Balsam / wie uns die geriebene Brunnkresse oder Senff in die Nase. Die schwefflichten Katzen aber würden von starckem Rauchwercke gar rasend. Der Geruch der Rosen tödtete die Käfer / die Salben- und Narden-Wasser die Geyer. Rhemetalces fiel ein: die bey dem Ursprunge des Ganges wohnenden Völcker müsten bey ihrem scharffen Geruche noch etwas gar besonders haben; wo sie anders nur von süssem Geruche der Blumen lebten / von widrigem aber stürben. Zeno versetzte: Ich bin bey dem Brunnen des in Scythen entspringenden Ganges wohl gewest / habe aber das minste davon gehöret. Dahero dieser eingezogene Bericht zweiffels frey so wenig wahr ist / als daß der Würmer und Fliegen fressende Camelion nur von der Lufft oder denen eingebiesamten Soñen-Stralen leben solle. Wiewohl ich nicht läugne / daß wohlrüchende Sachen die Geister erqvicken / und das Gehirne stärcken; den Magen aber zu vergnügen sind sie wohl allzu dünne und zu flüchtig. Weßwegen auch die kräfftigsten Balsame in den Speisen sehr ungesund seyn sollen; wiewohl itzt den lüsternen Mäulern keine schmecken wollen / wo die Nase sich nicht so sehr mit Bisam / als der Magen mit Würtzen sättigt. Salonine warff ein: Sie könte keine Ursache ergründen /warum die wohlrüchenden Speisen ungesund seyn solten / da die dem Menschen zur Speise und Artzney geschaffene Kräuter / Pomerantzen und Granat-Aepffel so herrlich rüchen; ja die Bienen / welche in so vielen Dingen der Menschen Lehrmeister wären / von eitel wohlrüchenden Blumen und Blüthen-Geistern lebten. Es ist wohl wahr / antwortete Zeno; aber unser Weyrauch / Ambra und Mosch ist ihnen gantz zuwider / ja wenn eine Biene derogleichen Geruch an sich gezogen / wird sie von den andern gleich / als wenn sie sich durch ein Laster verunreinigt hätte / gestrafft. Vielleicht / sagte Flavius / geschiehet dieses nur darum / weil dieser kräfftige Geruch den schwächern der Blumen zu sehr dämpffet und ersteckt / daraus sie doch ihre Nahrung saugen müssen. Sintemal auch das Pantherthier / welches durch seinen starcken Geruch allerhand andere Thiere an sich locket / in Gegenwart des Menschen diese Krafft einbüsset. Denn ich traue denen edlen Bienen nicht zu / daß sie schlechter Dings für so köstlichen Geschöpffen der Natur einen Eckel; hingegen einen Zug zum Gestancke / wie jener Verres haben solten; welcher den dem Apronius aus seinem Leibe und Munde auffdampffenden Stanck für Süßigkeit hielt / wormit er doch sonst Menschen und Vieh verjagte. Die holdselige Fürstin Ismene brach ein: Sie wüste wohl / daß noch mehr Menschen lieber Knobloch / als Syrischen Baum-Balsam rüchen; sie hielte diß aber für eine Eigenschafft unreiner Seelen /oder zum minsten ungesunder Menschen. Denn der Gestanck wäre eine Anzeigung eines Aaßes / oder zum minsten einer Fäulniß / der gute Geruch aber eine Lebhafftigkeit. Der Himmel eröffnete seinen Zorn durch den Schwefel-Gestanck des Blitzes; und / der Griechen Bericht nach / hätte Venus die Weiber auf Stalimene und Lemnos mit nichts ärgerm / als daß sie nach einem Bocke gestuncken / zu straffen gewüst. Welche Straffe so viel härter wäre / weil [671] die also rüchenden Menschen von dem Gebrauche wohlrüchender Dinge nur noch ärger stincken. Hingegen müsten alle Länder den Arabern ihren Weyrauch und Aloe zu ihrer Andacht abkauffen / und Gott darmit einen süssen Geruch anzünden. Die Fürstin Thußnelda versetzte: wir müssen Arabien / und der vom Zeno gerühmten Dioscorida ihrer Würtzen und Aloe halber den Vorzug geben / und glauben / daß selbte so wohl als Mosch und Zibeth nur Kinder des heissen Himmels sind; ich weiß aber nicht / ob nicht Deutschlands Blumen so einen kräfftigen Geruch / als die Morgen- oder Sudländischen haben. Zum minsten bin ich glaubhafft berichtet worden / daß in dem doch so warmen Egypten Kräuter und Blum-Werck den unsrigen am Geruche nicht das Wasser reichen. Auch habe ich von unsern Blumen eine grössere Würckung gesehen / als Zeno von der Arabischen Aloe zu erzehlen gewüst; nehmlich / daß einige von dem Geruche ihrer hundert-blätterichten Dorn-Rosen ohnmächtig worden sind. Rhemetalces begegnete ihr mit einer höfflichen Ehrerbietung; Er wäre zu wenig dem fruchtbaren Deutschlande seine Köstligkeiten abzusprechen; auch wolte er nicht behaupten / daß diese Rosen nur fremde in diese Nordländer versetzte Gewächse wären; aber er müste nur gestehen / daß alle Blumen in Asien stärcker / als in seinem doch vielmehr Sudlichen Thracien / oder auch in Griechenland rüchen. Wie viel die Hitze den Geruch erhöhete / würde man auch in Deutschland wahrnehmen; wo im heissesten So er am Mittage und beym Sonnenschein iede Blume einen stärckern Geruch von sich gäbe / als im Herbste / des Abends oder beym Regenwetter. Wie dem aber wäre / schriebe er die seltzame Würckung nicht so wohl der natürlichen Krafft des Rosen-Geruchs / als einer angebohrnen Entsetzung gewisser Menschen zu; indem auch die annehmlichsten Dinge denen Kindern widrig wären / worfür eine schwangere Mutter Eckel bekäme. Hertzog Herrmann bestetigte es / und meldete: Die gesündesten Gewächse würden so denn zu Giffte / also / daß ein Narsingischer Priester vom Geruche der Rosen getödtet worden wäre. Eine Britañische Jungfrau hätte von heimlicher Aufbindung dieser heilsamen Blume Blattern bekommen; Und er keñte einen streitbaren Kriegsheld / den er mit einem Püschel gesunder Raute ehe / als mit hundert blancken Sebeln in die Flucht bringen könte. Ich bin / sagte Zeno / eben dieser Meinung; aber viel rührt auch von der eignen Krafft des Geruchs her. Wie viel Menschen werden wegen ihrer Schwäche des Hauptes bey Persepolis von den vielen Rosen / in Spanien von dem häuffigen Rosmarin / in Taprobana von der Menge des Gewürtzes mit Hauptweh geplaget? Und in Warheit diese Holtz-Aloe gehet allen Sabeischen wohlrüchenden Gewächsen für; Dahero ihr Wesen auch in Oel / als woriñen der Geruch am beständigsten tauret / eingethan / und in die fernesten Länder verschickt wird. Am allerschätzbarstẽ aber hielt Zarmar die Kraft der Aloe die Leichen für Fäule und Würmern / derer Zahn sonst so gar der Felsen / der Corallen und Jaspiße nicht verschonet / zu bewahren. Bey welchem Berichte er uns seuffzende ermahnte nicht allein nachzudencken: Ob Gottes Hand unsere Leiber für gäntzlicher Zernichtigung in der Asche / in Flammen / Wellen /und in dem Magen der gefräßigen Thiere zu erhalten mächtig seyn könte; sondern auch zu glauben / daß der Mensch nichts minder aus seinem andern Begräbniße in den Staub der Erde / als aus dem ersten Sarge / nehmlich der Mütterlichen Schooß / lebendig herfür brechen würde. Nebst diesem sahen wir auch eine überaus grosse Menge dörnrichter Aloen; derer etliche in unserer Anwesenheit etliche Schuch hohe Stängel ausstiessen / ihrer viel aber auff zwölff Ellen hohen Stengeln mit etlichen tausend rothgelben Blumen prangeten. Sehet hier / sagte Zarmar / [672] ein rechtes Bild der Eitelkeit / indem beyde in ihrem höchsten Glantze verwelcken. Denn diese Blumen-Mutter wird wahrhaffter / als die Natter von ihren Kindern bey der Geburt getödtet. Oder / weil diese schöne Blumen so bald abfallen / mag ihre Mutter für Hertzeleid nicht länger im Leben bleiben.


Nach dreyer Tage Erfrischung setzten wir unsere Reise fort / und segelten endlich recht in den Mund des rothen Meeres / kamen auch nach etlichen Tagen in den Gebanitischen Seehaven Ocila / in Meinung /daß der Arabische König Sabos / dessen Vater / dem Käyser Augustus zu Liebe / auff seines Syrischen Landpflegers Qvintus Didius Anstifftung die von der Cleopatra im rothen Meer gebaute Schiffe hatte verbrennen lassen / mit den Römern in gutem Vernehmen stünde. Wir erfuhren aber von einem Perlen-Fischer / der von dem Eylande Delacca zurücke kam /zu unserm Glücke bey Zeiten / daß Sabos mit den Römern wegen der Gräntzen / und weil Augustus dem Jamblichus sein väterliches Reich wider den Sabos in Arabien zugesprochen hatte / in offentliche Feindschafft verfallen / und Elius Largus zwar mit einem mächtigen Heere tieff in Arabien eingebrochen wäre. Allein nachdem die Araber sie mit Fleiß so tieff in ihre sandichte Wüsteneyen / biß an die Stadt Athlula gelocket / und allenthalben die Brunnen verdecket /wäre das gröste Theil des Heeres für Durst und an Hauptweh umkommen; Die übrigen hätte König Sabos umringt und erschlagen / also / daß kaum ein Bote dieser Niderlage zurück ko en wäre. Diesem nach wir uns für Kauffleute von Oaracta / welches dem mit den Arabern verbundenem Könige der Parthen gehorsamt / ausgaben / und nach nur geschöpfftem frischen Wasser unsern Lauff durch die Abalitische See-Enge in den innersten Busem des rothen Meeres richteten. Wir segelten zwantzig Tage ohne einige denckwürdige Begebenheit / ausser daß ich bey dem Gold-reichen Eylande Catacaumene ein unserm Schiffe sich näherndes See-Weib / welches beynahe die Grösse eines Kamels / einen Ochsen-Kopff / einen Fisch-Schwantz / vollkommene Brüste und Armen /an statt der Finger aber rechte Endten-Füsse hatte /mit etlichen Pfeilen zu grossem Wehklagen meiner Gefärthen erlegte; welche vielleicht solche Mißgeburt für eine Wohnstatt einer grossen Seele hielten. Der Feldherr brach hier ein: bey solcher Beschaffenheit hat unser deutsches Meer schönere Tritones und Sirenen / als das rothe. Denn ich habe bey meinem Vetter dem Hertzoge in Codanonia ein paar der vollkommensten Meer-Wunder halb Fisch und halb Mensch gesehen; derer Obertheile nichts als die Sprache mangelte / nur daß / wenn man sie gar nahe sahe / die Haut mit weissen zarten Schupen belegt war. Ihr Schwantz aber war in 2. Theile getheilet. Diese hat er an dem Cimbrischen Ufer gefangen / und verwahret sie in einem annehmlichen Weiher. Rhemetalces verwunderte sich mit Vermeldung: Er hätte zeither die Sirenen für blosse Gedichte / oder Gespenste gehalten; und möchte er wohl wissen: Ob dieses eine gewisse Art der Fische oder nur Mißgeburten der Natur wären / oder aus Vermischung zweyerley Thiere den Ursprung hätten. Hertzog Herrmann versetzte: das letztere wäre seines Bedünckens unmöglich. Denn ob zwar die Vorwelt uns bereden wolte / daß die Hippo-Centauren von den Centaurischen Völckern / und den Magnesischen Stutten herkämen; daß Pindarus ein von einem Hirten und einem Mutter-Pferde entsprossenes Kind gehabt; Crathis mit einer Ziege eine Tochter; ein ander Schäffer darmit den Sylvan; ein Esel ein ander schönes Mägdchen Onoscelis gebohren hätte /ja die Cimbrischen Fürsten sich rühmten / daß ihres Geschlechtes erste Sta -Frau von einem Bären geschwängert worden wäre: ein Adelich Geschlechte in Spanien einen Wassermann zu seinem Anherrn machte / ein gantzes Volck [673] in Indien an dem Flusse Kinxa von einer durch Schiffbruch an den Seestrand geworffener Jungfrau / die ein Hund beschlaffen hätte / entsprossen seyn wolte; so schiene ihm doch dieses alles unglaublich zu seyn / und hielten die bewehrtesten Naturkündiger darfür / daß aus Menschen und Vieh durch ordentlichen Lauff der Natur kein Thier / am wenigsten aber ein Mensch gezeuget werden könne. Daher die Sirenen ungezweiffelt so wohl als die Satyren (da es anders derer iemahls wahrhafftig gegeben) oder auch als die Affen für eine besondere Art der Thiere zu halten wären. Denn wie in dem Meere Fische zu finden / die von ihrer Aehnligkeit den Nahmen des Monden und der Sternen bekämen / die mit ihrem Fluge den Vogeln sich gleichten / andere den Titel der Nessel und anderer Kräuter führten; in dem Meere Bäume und Stauden so wohl als auff der Erde wüchsen; viel See-Thiere den Löwen / Kühen / Pferden / Kälbern und Wölffen / ja auch die Affen und andere Thiere dem Menschen sehr nahe kämen; also wäre so vielmehr wundernswerth / daß diese Meerwunder auch uns Menschen im Ober-Leibe so ähnlich schienen. Man hätte derer in Griechen-Land / Welschland / Africa und an vielen andern Orten gesehen. Ja bey den Batavern wäre für drittehalb hundert Jahren eine gefüßete Sirene / welche so gar am Rocken spinnen lernen / und ein Meer-Mann ohne Schwantz in dem Cimbrischen Meere für funffzig Jahren mit einem Seile gefangen worden. Zeno betheuerte / daß er in Indien derogleichen für die gewisseste Wahrheit gehöret hätte; und in Griechenland wüste man auch viel von Sirenen / welche im Unterleibe Vögel abbildeten / zu sagen. Hiermit erzehlte er ferner / daß sie nach einer dreyßig tägichten Schiffarth an der eussersten Spitze des rothen Meeres in den Hafen der Stadt Arsinoe eingelauffen wären / welche Stadt zwar Landwärts in einem unfruchtbaren Sand-Meere läge / aber wegen seines Handels mit den Schätzen der Morgenländer gleichsam angefüllet wäre. Dar hätte sie der Käyserliche Stadthalter ansehnlich bewillkommt / und auff einer Menge Kamelen nach Heliopolis führen lassen /allwo Cornelius Gallus nebst die zwölff ersten berühmten Sonnen-Spitzen / die Könige Manufftar /Sotis / Psammetich und Sesostris der Sonnen zu Ehren auffgerichtet / und mit vielen in ihren mit vielfärbichten Tropffen gleichsam besprenckeltem Thebaischen Marmel gegrabenen Sinnbildern ausgezieret hatten / auch zu grossem Wunder von dem wütenden Cambyses nicht zerschmettert waren / eine gleichmäßige ihm hatte auffsetzen / ja in die glatte Sonnen-Spitze die Manfenkur des Sesostris Sohn auffgethürmet / sein Bildnis hauen / und in den Fuß schreiben lassen:


Egypten lerne nun viel gr \ßre Spitzen bauen /

Als diese / welche solln der Sonnen Finger seyn;

Du hast auff Erden itzt mehr Sonnen anzuschauen /

Fůr welchen diese kaum geringe Zehen seyn.

Läßt Cåsars Bild sich auch gleich in Porphir noch hauen

So heischt des Gallus Ruhm doch einen edlern Stein.

Denn ist August dein Fůrst / weil er dich ůberwunden /

So hast am Gallus du erst einen Vater funden.


Hertzog Herrmann fing hierüber lachende an: Es wäre sich über die Pracht dieser grossen Steine / welche / wie er selbst zu Alexandria gesehen /meist mit viererley Feuer / Lufft / Wasser und Erde gleichsam abgebildeten Flecken bestreuet / und desthalben der in diesen vier Uhrwesen kräfftig würckenden Sonne gewiedmet wären; nichts minder auch über die künstliche Fortbringung / da man nehmlich aus dem Nile absonderliche Wasserfarthen biß zu dem Thebaischen Gebürge gegraben / und Anfangs mit Steinen zweyfach beladene Schiffe unter die mit beyden Ecken am Ufer aufliegende Spitzen geführet / hernach durch die Erleichterten auffgehoben / und an den bestimmten Ort gebracht hat; am allermeisten aber über die vermessene Uberschrifft des hochmüthigen Gallus [674] zu verwundern. Dannenhero diese neblichte Neben-Sonne / welche so gar ihren Fürsten überscheinen wollen / wohlverdient so geschwinde verschwunden /und zu Thränen-Wasser worden wäre. Aber warum hat Augustus nicht auch das Gedächtnis dieses hoffärtigen Knechtes vertilget? Zeno antwortete: Es hätte diß ihn ebenfals befremdet; der Egyptische Landvogt Cajus Petronius aber hätte ihm gemeldet / daß der Käyser ihm / als er dieses austilgen wollen / zugeschrieben hätte: Gallus wäre nicht wegen seiner aberwitzigen Eitelkeit / welche das Gelächter des Volckes / die Erbarmung und nicht die Rache des Fürsten verdiente / sondern wegen anderer Laster bey ihm in Ungnade verfallen. Des Gallus blödsinnige Uberschrifft würde folgenden Landvögten zur Warnigung dienen /sich für seinen Verbrechen zu hüten / und an seinem Untergange zu spiegeln. Ein Fürst wäre das Haupt /dieses aber mißgönnte den andern Gliedern nichts. Der Fürsten Fürbild solten seyn die Egyptischen Spitz-Thürme / denn wie diese am Mittage wegen ihrer Breite keinen Schatten von sich würffen / also solten jene aller Beneidung sich enteusern. Daher dieselben für so thöricht als Gallus zu achten wären /welche ihren Dienern mißgönten / daß sie besser tantzten / oder auff der Laute schlügen / als sie. Ein Fürst solte mit niemanden in nichts / in dem aber mit der gantzen Welt eifern / da iemand sich ihm an Tugend und Güte vorzücken wolte. Hingegen aber solten sich hochmüthige Diener an dem von denen Egyptiern verlassenen / und bey hervorbrechender Ungnade des Käysers verhöneten Gallus spiegeln / der ihm doch jene durch grosse Wohlthaten zu seinen Schuldnern gemacht zu haben vermeinte; und sich erinnern: daß Fürsten Sonnen / Diener nur Sonnen-Uhren wären /welche kein Mensch mehr einigen Anblicks würdigte / wenn die Sonne und die Huld des Fürsten sie nicht mehr beschiene.

Dieser Petronius / sagte Zeno / ließ uns von Heliopolis nach Aphroditopolis / und von dar auff dem rechten Arme des Nilus hinab / auff dem lincken aber wieder hinauff / und durch die Arsinoitische Gegend /auff dem gemachten grossen Wasser-Graben in die herrliche Krocodil-Stadt führen / und daselbst unter andern Seltzamkeiten den sehr grossen See weisen /welchen König Meris funffzig Ellen tieff in Sand graben / mit Marmel am Boden und Rande besetzen lassen: daß bey hoch angeschwollenem Nil das Wasser sechs Monat hinein / bey abfallendem Strome aber sechs Monat heraus lauffen / und das dürstende Egypten befeuchten könne. In der Mitte stehen zwey Marmel-Spitzen / welche funffzig Ellen über das Wasser noch in die Lufft ragen / an der einen war der Fluß Nil / an der andern König Meris auff einem Stule sitzende / und einen Wasser-Krug ausgiessende / gebildet. Auff des Nilus Wasser-Kruge stehen die gestirnten Zwillinge und die fünff folgenden himmlischen Zeichen; Auff des Meris aber der Schütz / und die fünff übrigen. Denn in jenen Zeichen ist der Nil auffgeschwellet / theils von denen häuffigen Regen in Mohrenland / wo er in dem Lande Sakela auff der Fläche eines mit Wasser gantz angefüllten Berges seine zwey Augen oder Brunnen hat / und durch vielerley Schlangen-Wege durch erschreckliche Stein-Klüffte in Egypten abstürtzet; theils weil also denn / wenn die Sonne fast am höchsten steht / ein Thau fällt / welcher das Wasser und den Schlamm durch Beseelung seines von der Sonnen-Hitze erwärmeten / und zu der Fruchtbarkeit alleine dienenden Saltzes und Salpeters schwängert / und beydes jährend macht. Weßwegen sich nicht allein das Nil-Wasser vier oder fünff Tage für seinem Wachsthume wie der junge Wein in Fässern trübet / sondern auch die aus dem Bodeme geraffte Erde bey solcher Auffschwellung schwerer wird; also / daß man nach solcher Schwerde die bevorstehende[675] Vergrösserung des Flusses urtheilen kan. Welches Saltz im Frühlinge ebenfals der jährenden Erde gleichsam ihre Schweiß-Löcher öffnet; nach seiner Verflügung aber sich den Schlamm wieder setzen läst / also / daß in viel tausend Jahren die Ufer sich von selbtem nichts erhöhet / und die Alten nur geträumt haben / wenn sie gegläubet / daß das untere Egypten aus dem herunter geschweiffeten Lette zusammen gespielet / für Zeiten aber See gewest wäre. Die Tingung dieses Nil-Wassers ist so gut und übermäßig /daß die Egyptier zu Dämpffung des übermäßigen Salpeters / und daher rührender Fettigkeit bey Säung der Melonen und Gurcken die Aecker zuweilen besänden / und zu derer Vermagerung so viel Müh als andere zur Tingung anwenden müssen. An dem Henckel des Alabasternen Kruges / den Moeris ausgoß / war das Bild Egyptens und folgendes zu lesen:


Hertz-Ader des Osir / der Isis hold Gemahl /

Des Paradißes Arm / der G \tter milde Zehren /

Ihr Saamen / ihr Geschenck / und ihr Genaden-Strahl /

Du reicher Himmels-Brunn / du Vater fetter Aehren /

Du Geist der Unter-Welt / du fruchtbar-reicher Nil /

Gantz Africa kan dich nicht nach Verdienst verehren /

Kein Tempel ist zu groß / kein Opffer dir zu viel /

Doch itzt scheint dir nur halb mein Weirauch zugeh \ren.

Dem Moeris streut die linck' / und dir die rechte Hand;

Denn ein halb Jahr netzt er / das andre du mein Land.


Auff dem Rückwege sahen wir an dem aus diesem See gehenden Wassergraben das wunderwürdige Irr-Gebäue / welches König Moeris zu seinem Begräbnisse angefangen / andere zehn Könige vollführet /und Psammetich ausgebauet hat; dessen Wunder alle Kräffte menschlichen Verstandes und Macht erschöpffen / und allen Glauben übertreffen; gegen welches das Nachgemächte des Dedalus auff dem Eylande Lemnos nicht sein hunderstes Theil ausmacht. Als sich uns das Thor öffnete / erbebte alles von einem grausamen Donnerschlage. Es ist getheilt nach den zwölff Egyptischen Landschafften in zwölff Höfe /kein Egyptischer Gott ist / der darinnen nicht seinen Tempel habe / welche von eitel Marmelnen Seulen unterstützt sind / und in ihnen eine grosse Menge wohl vierzig Ellen hoher Spitz-Thürme haben. Ausser diesem ist eine grosse Menge Lustgänge / und Gemächer / wohl neunzig Staffeln hoch zu sehen / welche von Seulen aus Porphir getragen werden; zwischen denen der Könige uñ Götter Bilder in viehischer Gestalt / aber aus köstlichem Ertzte und seltzamen Steinen auffgerichtet sind. Dieser Gemächer werden vierdtehalb tausend gezehlet / derer iegliche Seite so wol als die Bedachung von einem gantzen Marmelsteine bestehet. Die untersten sind Behältnisse der Königlichen Leichen / und der heiligen Krokodile /die nicht wie die obersten Fremdankommenden gezeuget werden / aus derer irrsamen Umschweiffen sich Dedalus selbst nicht auszuwickeln gewüst hat. Diß /was ich für das köstlichste hierinnen gehalten / ist die neun Ellenbogen hohe Seule des Serapis aus einem einigen Smaragde / welcher die gleichmäßige Keule in dem Tempel des Hercules zu Tyrus weit übertrifft /und das Bild der Isis aus derogleichem Steine vier Ellen hoch / welchen Stein ein König von Babylon dahin verehret hat. Jedes Bild hatte zwar seine Beyschrifft / aber aus mir unleßlichen Ziffern / darein allerhand Thiere eingemischt waren. Uber dem aus Ertzt gegossenem Thore stand ein Paradiß-Vogel von allerhand Edelgesteinen recht lebhafft zusa en gesetzt / welcher ihrem / wiewol von mir in Indien irrig befundenen Glauben nach / keine Füsse haben / also niemahls ruhen / nichts essen / keinmahl schlaffen /und iederzeit in der Höhe herum schweben soll. Diesen brauchen die Egyptier deßhalben zu einem Sinnbilde eines Fürsten / weil er niemahls ruhen / seiner Unterthanen Güter nicht verzehren / aber wohl stets für sie sorgfältig wachen soll. Hier aber war in gemeiner Egyptischer Sprache darunter zu lesen:

[676]

Wie irr't ihr Sterblichen / die ihr den Irrbau seht

Fůr einen Irrgang an / der euch nur soll verfůhren.

Ein gleicher Fuß-Pfad scheint dem Blinden auch verdreht;

Ein Weiser aber kan die Spur hier nicht verlieren.

Wenn euer Vorwitz sucht in Sternen Glůck und Leid /

Muß euch die Sonne selbst ein schädlich Irr-Licht werden.

Und euer Wahnwitz geht den Pfad der Eitelkeit /

Wenn ihr hier's Paradis / den Himmel sucht auf Erden.

Des Menschen Lebens-Lauff gleicht einer Irre-Bahn /

Aus Einfalt irrt ein Kind / ein Weiser durch Begierde /

Des Alters Irr-Weg ist ein falsch-gesetzter Wahn /

Des Geitzes schimmernd Ertzt / der Geilheit fremde Zierde.

Jedwedes Laster fehlt / und fällt vom Mittel ab /

Sucht einen Abweg ihm zum eigenen Verderben.

Ja nicht der hundertste weiß seinen Weg ins Grab /

Er kennt ja wohl die Noth / doch nicht die Art zu sterben.

Wer aber durch den Bau vernůnftig irre geht /

Wird seines Heiles Weg / der Wahrheit Richtschnur finden.

Denn unser todter Geist wird lebhaft und erh \ht

Zu Gott erst / wenn er siht sein scheinbar Nichts verschwinden.

Die Leichen lehren euch: Der Leib sey Mad' und Aaß /

Wenn sich die Seele schwingt in ihres Sch \pfers Hånde.

Der Tempel zeigt: Gott sey ein Circkel ohne Maaß /

Ein Brunn-Quell ohne Grund / ein Wesen sonder Ende.

Wie irr'n die Albern doch / die iedes heil'ge Thier /

Mauß / Ochsen / Ziege / Kalb / Fisch / Katze / Kåfer / Drachen /

Wolff / Affen / Zwiebeln / Lauch / Hund / Habicht / Wespe / Stier /

Frosch / Schlange / Crocodil zu rechten G \ttern machen!

Zwar Gottes Finger låst in iedem sich wohl sehn /

Und seiner Allmacht Glantz durch diesen Schatten mahlen.

Denn Gottes Auge pflegt nichts kleines zu verschmåhn /

Doch ist sein Wesen weit entfernt von diesen Schalen.

Wer hier nicht irren soll / die Bilder-Schrifft verstehn /

Muß einem Vogel sich des Paradises gleichen /

Nicht kriechen auf der Erd / auf lahmen Fůssen gehn /

Der Trågheit faulen Schlaf ihm aus den Augen streichen /

Nach irrd'scher Speise nicht der Wollust lůstern seyn /

Nicht unter Eulen ruhn / sich ůber Wolcken schwingen /

Gott schlůssen in die Seel / und nicht in Marmel ein /

Nicht Weyrauch / sondern's Hertz ihm zum Geschencke bringen.


Die Egyptier selbst halten dieses Gebäue ietzt noch für das köstlichste / nach dem Cambyses das Begräbnüß des Königs Osymandyas gröstentheils eingeäschert / sein aus einem Steine gehauenes hundert und acht und sechzig Schuch hohes Bild zerschmettert /und den unschätzbaren güldenen Circkel umb das Grab / welcher nach der Zahl der Tage drey hundert fünf und sechzig Ellen im Umbkreisse hatte / und aller Gestirne Lauff andeutete / mit sich weggeführet hat.

Von dar leitete uns der Nil-Strom ab nach Memphis und besahen wir in der Nähe die allen Grabe-Spitzen / welche wegen ihrer Kostbarkeit / und beständigen Alterthums / danemlich in etlichẽ 1000. Jahrẽ sie an der Nord-Seite der Regen / und die Luft an denen hervorgehenden Ecken der zusammen gefügten Marmel-Felsen nur ein wenig belecken können /mit gutem Rechte unter die Wunder der Welt gezehlet werden. Wir stiegen auswerts auf denen zwey hundert und acht vier Füsse hohen Staffeln / biß auf die zugespitzte Fläche des grösten unter diesen künstlichen Marmel-Bergen; von dar niemand als ich mit seinen Pfeilen über den ersten Fuß reichen konte. Unser Vorwitz trieb uns auch diese Grab-Säule inwendig zu beschauen / da wir denn durch unterschiedene niedrig-gewölbte Stiegen endlich zu einem leren Grabe kamen / in welchem des uns anweisenden Priesters Berichte nach / für tausend Jahren ein Wüterich ein köstlich Smaragden-Geschirre / nebst einer ziemlichen Menge güldener Müntzen gefunden haben soll; derer Menge gleich die Unkosten betragẽ / die er auf die Durchbrechung der zwantzig Ellen dicken Mauer / oder des /nach etlicher Meynung / daselbst gewachsenen und nur äuserlich zugespitzten Felsens verwendet hatte. Diese Grab-Stelle aber wäre zwar dem Könige Chemmis / der diesen Bau in zwantzig Jahren mit dreyhundert und sechzig tausend Menschen vollführet / zugeeignet; er sey aber darein nicht geleget worden; weil er durch Abmergelung seiner Unterthanen unversöhnlichen Haß auf sich geladen / und also für ihrer Rache unter so vielen Felsen nicht sicher zu bleiben besorget. Der Priester hatte diesen Bericht uns kaum erstattet / als ein Indianischer Edelmann sich nach aller Länge in das Grab streckete / und anfing: So wil denn ich dieses Grab seines Zweckes / mich aber durch ein so herrliches Grab eines unsterblichen Gedächtnüsses fähig machen. Und hiermit stieß er einen Dolch ihm so tief ins Hertze: [677] daß er mit seinem hoch empor spritzenden Blute Augenblicks seine Seele ausbließ. Wie sehr wir nun erschracken / so sehr eiferte sich der Priester hierüber; also / daß er für Ungedult heraus brach: Leichen eigneten wohl den Gräbern; Gräber aber nicht unwürdigen Todten Ruhm und Würde zu. Welchen ich aber zu besänftigen bemühte / und endlich lächelnde beysetzte: Die von dem köstlichen Agsteine umbronnenen Nattern und Flügen würden gleichwohl von Königen werth geschätzt nur ihres prächtigen Grabes willen / welches an Herrligkeit alle Egyptische Grabes-Spitzen weit übertreffe. Inzwischen wolte doch niemand diese Leiche anrühren; welche hernach auf des Gesandten Unkosten / nach Egyptischer Art / weil keine Seelen die verfauleten Leiber mehr sollen beywohnen können / eingebalsamt ward / indem der Land-Vogt es allererst an den Käyser gelangen ließ: Ob diese Leiche alldar zu lassen /oder wegzunehmen wäre.

Hierauf besahen wir die andere vom Könige Cephren gebaute / auch zwar eben so hohe aber nicht so dicke / auch gantz glatte / und endlich die dritte vom Könige Mycerin aufgeführte Grabe-Spitze. Diese giebet zwar an Grösse den erstern ein merckliches nach; aber die Bau-Kunst und die weissen Marmel-Steine daran sind viel köstlicher. Denn an der Nord-Seite stehet König Mycerins Nahme / und daß die Bau-Leute darbey nur an Knobloch und Oel sechs hundert Talent Silber verzehret hätten / eingegraben. Die andern kleinern Grabe-Spitzen zu beschauen verhinderte uns die anbrechende Nacht / also betrachteten wir zum Beschlusse nur den ungeheuren aus einem Marmel-Felsen gehauenẽ Sphinx / dessen Kopf allein hundert drey und vierzig Füsse lang / und vom Bauche biß zur Scheitel zwey und sechzig hoch ist. Der Leib bildete einen Löwen / das Haupt eine Jungfrau ab; weil in diesen zweyen hi lischen Zeichen der Nil am höchsten anschwillt / umb hierdurch Egyptens Fruchtbarkeit fürzustellen. Wie wir uns nun in denen aus eitel gantzen Marmel-Steinen gehauenen Wohnungen der Priester / daselbst zu übernachten / verfügten / fanden wir eine Anzahl eingebalsamter / und auf des Largus Befehl dem Indischen Gesandten zu Liebe ausgegrabener Leichen oder Mumien / welche alle unter der Zunge eine güldene Müntze / etliche auch am Halse zum Kenn-Zeichen ihrer gehabten Würde güldene Vögel / oder andere Thiere hengen hatten. Wiewohl nun meine Geferthen nach ihrer Beschauung und eingenommenem Nachtmahle sich zur Ruhe verfügten / trieb mich doch die Begierde denen Egyptischen Eitelkeiten meine Verachtung einzupregen / und daher erkauffte ich etliche der Mumien-Gräber / daß sie selbige Nacht bey brennenden Fackeln mit ihren Pfrimern nach Anleitung meiner Kohlen-Schrifft in einen glatten Stein der grösten Grabe-Spitze folgende Reymen eingruben:


Ihr Th \r'chten / die ihr meynt durch Balsam / Hartzt und Stein

Den todten Leib für Zeit und Maden zu beschützen /

Die ihr die Ewigkeit sucht in den Grabe-Spitzen /

Glaubt: Balsam / Hartzt verraucht / und Mauern fallen ein.

Ja Sothis hat vielleicht långst Salbe můssen seyn /

Und ein schlecht Sclave wird nach Cephrens Fleische schwitzen.

Wird Lufft und Regen auch nicht diese Thůrm' abnůtzen;

So wird man Asch' und Saltz vielleicht noch auf sie streun.


Den Seelen ist allein die Ewigkeit verwand /

Die Tugend ist hierzu ein Balsam / der nicht schwindet /

Ein Ehren-Mahl / das Zeit und Sterben ůberwindet /

Wenn Mumien zerfall'n / Palläste werden Sand.

Ja wenn die Sternen selbst schon eingeåschert werden;

So lebt ihr Geist bey Gott / ihr Nachruhm auf der Erden.


Hertzog Herrmann brach allhier ein: Es wären diese Egyptische Grabe-Spitzen wohl Wercke von grosser Kunst und Kostbarkeit / aber von keinem Nutzen. Sie wären Beweißthümer reicher und ehrsüchtiger / aber nicht gutthätiger Fürsten. Sie hätten der Zeit einen Rang abgerennt / und der Eitelkeit eine Scham-Röthe abgejaget; aber ihren Uhrhebern ein Brandmahl eingebrennt; welches ihre unbarmhertzige Unterdrückung [678] des unter Schweiß und Last Athemlosen Volckes denen unnützen Marmel-Bergen an die Stirne schreibet: daß sie alle Anschauer daran sonder Erkiesung einigen Buchstabens lesen könten. Diesemnach er des Königs Meris fruchtbaren See-Bau aller anderer Egyptischen Könige Wercken / insonderheit aber diesen spitzigen Bergen weit fürzüge; welche niemanden als den Leichen / oder dem Aberglauben zu statten kommen könten; wenn er selbte entweder für Staffeln den Menschen in Himmel / oder den ohnmächtigen Göttern vom Himmel auf die Erde halten wolte. Es stünde zwar Fürsten nicht die Art des Scipio Emilius an / welcher sein Lebtage nichts gebauet /sondern vielmehr diß / daß sie die Bau-Kunst unterhielten / und durch ansehliche Gebäue der Nachwelt ihr Gedächtnüß liessen; wenn aber daran nicht der gemeine Nutz zum Grund-Steine gelegt; sondern nur umb auf die Spitze das Fahn eitelen Ruhmes zustecken / Sand und Kalck mit Schweisse der verschmachtenden Unterthanen eingemacht; und die Werck-Stücke mit abgepreßtem Vermögen oder anderem Blute der Bürger zusammen gekittet würden / verwandelte sich das gesuchte Lob in Fluch / und das Gedächtnüß in Abscheu; oder das gelindeste Urthel der Nachwelt bezeichnete solche mühsame Riesen-Wercke mit dem Titul einer kostbaren Thorheit. Noch einen ärgern Nahmen aber verdiente die nur zur Verschwendung angezielte Bau-Sucht derer / die umb ihr Vermögen nur wegzuwerffẽ / oder die Nachbarn zum Raube anzureitzen nach dem Beyspiele der Meden das Ecbatanische Schloß mit gantz güldenen Zügeln deckten / oder mit dem Memnon in der Festung zu Susa das Gold an statt des Eisens zu Klammern in die Steine brauchten. Jene hätten zwar diesen scheinbaren Vorwand: daß sie durch tägliche Bemühung ihre arbeitsame Unterthanen von den Wollüsten abzügen /oder die überwundenen streitbaren Feinde durch Anleitung zu Erbauung kostbarer Schau-Plätze / Lusthäuser / Gärte / und warmer Bäder weibisch machten; alleine es mangelte niemals einem klugen Fürsten an Gelegenheit was nutzbares zu bauen; welches so denn ein herrlicher Ansehen hätte / als die Gefängnüsse der wollüstigen Sardanapale mit den silbernen Gegittern und Berg-Crystallenen Fenstern. Daher gereichete es dem grossen Alexander zu keinem kleinem Ruhme: daß er den Baumeister verlacht und abgewiesen; welcher sich erbot / aus dem Berge Athos sein Bild zu fertigen. Und jener Arabische König / welcher auf zwölf Tagereisen weit in dreyen absondern aus Leder gemachten Geleiten das Wasser aus dem Flusse Coris führte / und sein dürstendes Reich darmit tränckte / ist nicht unbillich dem sorgfältigen Meris an die Seite zu setzen. Unter den Römischen Bau-Leuten aber schiene Agrippa mit seinen nützlichen Wasserleitungen /und dem herrlichen Tempel am vernünftigsten Nutz und Ansehn mit einander vermählt zu haben. Denn er wäre keines weges der Meynung: daß der Mensch in Wohnungen nicht von den Thieren / und seine Häuser nicht von einsamen Hölen oder düsternen Gräbern unterschieden seyn solten. Es wäre so wenig dem Gesetze der Natur zuwider: daß man nicht mehr unter einem überhängenden Felsen sich für Schnee und Regen deckte / nicht mehr in hohlen Bäumen schlieffe / nicht in geringen Laubhütten wohnte; als daß man etwas anders / als Eicheln und Wasser zu seinem Unterhalte gebrauchte. Die Noth hätte die Vernunft geschärffet / daß sie die Axt und den Hammer erfunden /und Häuser zu bauen gelehrt. Ja die Natur hätte die Vögel und Bienen dem Menschen gleichsam hierinnen zu Lehrmeistern fürgestellet / in dem jene ihre Nester nach der allerbequemsten Gemächligkeit; diese nach der allerfürtrefflichstẽ Bau-Kunst ihre wächserne Zimmer zubereiteten. Zu was Ende hätte diese weise und nichts umbsonst schaffende Mutter so viel Ertzt /Marmel / und Alabaster in den Gebürgen; so schönes und vielfärbichtes Holtz in den Wäldern wachsen [679] lassen? warumb hätte sie so viel Steine gleichsam mit einem künstlichen Pinsel gemahlet? was wäre nicht für Ordnung in den Schnecken-Häusern / für Glantz in den Perlen-Muscheln; für Abtheilung in den Spinnweben / für Herrligkeit in den Zelten der Seiden-Würmer zu sehen? Wie viel mehr solten nun auch Fürsten ihrem Ansehn anständige Häuser haben. Gott hätte sein Zelt in dem allerschönsten Gestirne / nemlich in der Sonne aufgeschlagen; warumb solten denn seine Stadthalter auf der Welt sich in Schacht / oder düsterne Winckel verstecken? Zumal da die Vollkommenheit eines Fürstlichen Schlosses nicht so wohl an Kostbarkeit des Zeuges / als an bequemer Eintheilung des Raumes läge; die Ordnung aber mehr zu Erspar-als zu Vergrösserung der Unkosten diente; und wenn die Nothdurft aus rechten Orten / nicht zur Unzeit herbey geschafft / selbte auch bald anfangs an gesunde und feste Stellen gesetzt / nicht flüchtig überhin gemacht; sondern auf beständigen Fuß gegründet würden / die Tauerhaftigkeit alle Ausgaben reichlich erstattete.

Wie wir auf den folgenden Morgen nach Babylon am rechten Arme des Nils ankamen / berichtete uns Petronius: daß der Käyser nach Besichtigung Asiens auf dem Eylande Samos wäre / daselbst aber nicht lange verbleiben würde. Daher ging der Indianische Gesandte alsofort zu Schiffe / fuhr mit uns bey den Städten Busiris / Bubastus und Phacusa vorbey / und auf dem Pelusischen Strome hinab in das mittelländische Meer mit einem erwüntschten Sudwind. Wir kamen auf dem Eylande Samos und zwar in der Stadt Marmacus glücklich an / fanden auch zwar den Käyser / der aber noch selbigen Tag nach Athen segelte /und uns ihm zu folgen erinnern ließ. Weil nun Zarmar vernahm: daß diese Stadt des Pythagoras und seines Knechtes Zamolxis / wie auch der Samischen Sybille Vaterland wäre / lag er dem Gesandten an / ein paar Tage daselbst zu verharren. Wir liessen uns durch einen lustigen Wald von eitel Oelbäumen zu dem berühmten Tempel der Ceres leiten / worinnen der Käyser für etlichen Tagen selbst geopfert hatte. Ich erinnerte mich auf der Schwelle der Lehre des Pythagoras: daß in Heiligthümern auch die Seelen der härtesten Menschen gerühret würden; daher ich entweder durch diß Andencken / oder durch die Eigenschafft dieses Heiligthums eine besondere Andacht in mir empfand. Der Tempel war recht viereckicht aus weissem Marmel gebaut. In der Mitte stand auf einem Altare ein Vier-Eck aus dichtem Golde / wormit Pythagoras eine einige Gottheit bezeichnet; und die vierdte Zahl zur höchsten Betheuerung der Wahrheit gebraucht hat. Der einigen Pforte gegen über stand auf einem marmelnen Altare ein ertztenes Bild / welches auf einer Seite die Ceres / auf der andern den Pythagoras ausdrückte. Dieses zweyfache Bild hielt in seinen Händen einen umb selbtes herumb gehenden güldenen Circkel / in welchen eingeetzet war; auf der Seite der Ceres: Gott speiset durch Gewächse den Leib. Auf des Pythagoras Seite: Durch Weißheit die Seele. An dem Fusse war auf des Pythagoras Seite zu lesen: Pythagoras der erste wahrhafte Weise; weil seine Demut der Fuß aller Tugenden sich dieses Tituls entäusert /und sich mit dem eines Weißheit-Lebhabers vergnüget / hat durch seine Geburt nichts minder diß Thal /als Jupiter durch seine dẽ Berg Ida berühmt gemacht. Was die Juden von Gott / die Phönicier von Zahlen /Egypten von der Natur / Babylon vom Himmel /Creta und Sparta von vernünftigen Gesetzen / Pherecydes von der Weißheit gewüßt; was alle an guten Sitten gehabt / war in ihm in einem kurtzen Begriffe beysammen. Er war beschnidten in seiner Vorhaut /aber mehr in Begierden; mehr ein Erfinderer der Meßkunst / als ihr Verbesserer. Gleichwohl aber eignete er alles nicht ihm / sondern der Eingebung des ersten Ursprungs zu; und opferte für ein ausgedachtes Mäßwerck den Musen hundert; und ein ander [680] mal einen von Mehl gebackenen Ochsen. Das kleine Griechenland hat ihm sein Gewichte / das grosse seine Mäßigkeit / die Welt ihre Wissenschafft von dem Lauffe des Morgen- und Abend-Sternes / von der Unbewegligkeit und Runde der Erdkugel zu dancken. Er gab die erste Nachricht von den Menschen / die uns die Füsse kehren / und kehrte seine Gegen-Laster und Irrthümer. Er jagte die Wollust aus Croton / und verlieh der Weißheit daselbst das Bürgerrecht. Die Männer lerneten sich von ihm weibischer Lüsternheit schämen; die Weiber aber nahmen männliche Tugenden an / daß sie diesen mehr ihre Hertzen / als ihre Kleinodter der Juno wiedmeten. Gleichwol aber hätte seine Weißheit nichts raues an sich; Denn das Mittel /wordurch er einen Zornigen besänfftete / einen Neidischen begütigte / einen Verzweiffelten tröstete / einen Verliebten befreyte / und die hefftigsten Gemüths-Regungen niederschlug / war eben diß / wormit er seine Lehrlinge einschläffte / ihnen annehmliche Träume verursachte / nehmlich die süsseste Singe-Kunst / die er aus dem Behältnüsse der einträchtig mit einander einstimmenden Gestirne auf die Erden herab geholet hat. Denn seine Sinnen drangen biß in Hi el / seine Augen biß in die Tieffe des Meeres / und durch die Eingeweide der Erde. Daher ließ er einen im Monden lesen / was er in einen holen Spiegel schrieb / sagte die Erdbeben / das Ungewitter und die gifftigen Seuchen vorher. Die Natur unterwarf sich selbst seiner Botmässigkeit / in dem er den Flug der Adler in der Luft / und den Grimm der wütenden Tiger und Panther in Wüsteneyen zu hemmen wuste. Er hatte ein Bein aus Golde / das andere aus Helffenbein; denn ein so herrliches Ebenbild Gottes konte nicht auff geringer Säulen stehen / und der Geist des diesen Tempel benetzenden Flusses Nessus grüste ihn ehrerbietig /als er durch ihn watete / und eignete ihm viel zeitlicher / als die Nachwelt / und die Uhrheber dieses Heiligthums den Nahmen eines Gottes zu. Er selbst bestätigte seine Göttligkeit nicht nur durch tausend Heilige / sondern auch durch Wunderwercke. Denn er erschien in einer Stunde zu Metapont in Italien / und zu Tauromin in Sicilien; Er lebte zu Metapont in dem Heiligthume der Musen viertzig Tage ohne Speise und Tranck / und sein gantzes Leben hatte an ihm wenig menschliches. Die Mäßigung seines Gemüthes ließ ihn niemals weinen / auch niemals lachen. Sintemal beydes eine Ubergiessung derer uns von der Tugend ausgesteckten Ufer ist. Er hat sein Tage kein unnützes Wort aus seinem Munde gelassen / und sein Stillschweigen hat der Beredsamkeit aller andern Weisen den Vortheil abgerennt. Denn alle seine Reden waren göttliche Lehren / iedwedes Wort war ein Talent schwer / und die Sparsamkeit seiner Zunge ward ausgegleicht durch Verschwendung unzehlbarer guten Wercke. Sintemal seine Weißheit nicht ein unfruchtbares Nachdencken / sondern das gemeine Heil zum Absehn; nicht die Einsamkeit einer verborgenen Stein-Klufft / sondern das Rathhauß und den Richterstuhl zum Sitze hatte. Denn die Gerechtigkeit ist das Saltz des Lebens / und einem Volcke klug und treulich vorstehen eine unverfälschte Weltweißheit / ja ein heiliger Gottesdienst. Niemand war andächtiger gegen Gott / als er; aber er verbot von ihm etwas absonderes zu bitten. Denn diß wäre so viel / als Gott die Unwissenheit unser Dürfftigkeit / oder den Willen seiner Erbarmnüß absprechen. Er war ein Todfeind der Lügen / und sein höchster Schatz die Warheit / durch welche der Mensch sich Gott am ähnlichsten machen könte /als dessen Leib Licht / dessen Seele die Warheit wäre. Die Welt hat niemals einen grössern Verlust gelitten als in ihm; und dennoch hat er ihr so viel Weißheit hinterlassen / daß die Nachwelt keinen für reich an Weißheit hält / der sich nicht mit seinem Stückwercke betheilet hat.

Wir lasen diese Taffel / sagte Zeno / nicht allein [681] etliche mal / sondern ich zeichnete sie auch eilfertig in meine Schreibe-Taffel ab / ohne daß der uns anweisende Priester einiges Wort hierzu redete; also durch sein Stillschweigen zu verstehen gab / daß er ein Nachfolger des Pythagoras wäre. Gleichwol aber fragte ich ihn hierum / und ob in Samos / oder sonst irgendswo noch Schulen dieses grossen Weisen gefunden würden? Der Priester beantwortete mich mit diesen Worten: Er und alle Priester in Samos pflichteten den Lehren des Pythagoras bey. Denn ob zwar durch die Verrätherey des boßhafften Eylon / welchen selbiger Weise seiner verträulichen Gemeinschafft nicht würdigen wollen / drey hundert der fürnehmsten Pythagorischen Weltweisen in der Stadt Croton verräthrisch verbrennet / Pythagoras auch selbst ermordet /und seine Nachfolger durch gantz Italien von selbigem lasterhafften Schwarme euserst verfolget worden; so wäre doch / als solcher Sturm überhin gewest /seine Weißheit von Euritus und Philolaus wieder in Schwung gebracht / sein Hauß zu Croton ihm zu einem Tempel eingeweihet / und seine Lehren biß ins zehnde Glied fortgepflantzet worden. Auf dem Eylande Samos aber tauerten sie noch / ungeachtet ihre Schwerde viel von der Nachfolge abgeschreckt hätte; in dem Pythagoras alle Geheimnüsse durch Zahlen und in Dorischer Sprache gelehret; Plato und Aristoteles auch / welche sich mit seinen Federn geschmückt / durch Antichtung allerhand thörichter Meinungen ihn iederman verhast gemacht / und hierdurch den Brunn verstopfft / aus welchem sie das edle Wasser ihrer Weißheit geschöpft hätten. Uber diß hätte des Pythagoras Weißheit unter dem Nigidius Figulus wieder herfür zu käumen angefangen / und mit dem Käyser wäre allererst Publius Sextius / Sotion und andere abgesegelt / welche bey ihnen die Weißheit gelernet /und in des Pythagoras Heiligthume die Weyhe angenommen hätten. Ich forschte ferner: Ob sie ihre Weißheit noch öffentlich / und auch Fremde lehrten? Welches der Priester verjahte / und meldete / daß sie ohne die noch in den fünf Jahren des Stillschweigens begriffene Lehrlinge drey hundert Zuhörer aus Griechenland / Syrien / Egypten / Deutschland und Scythen hätten. Ich erkundigte mich ferner: Ob sie noch die strenge Lebens-Art behielten / daß sie nichts / was gelebt hätte / speiseten? Der Priester versetzte: Pythagoras hätte auser dem Kind- und Schaff-Fleische / den Fischen und Bohnen alles andere ohne Unterscheid gessen; diesem folgten sie nach / und wüsten sie auser dem von keiner Strengigkeit; es wäre denn / daß man die Mutter der Freyheit und Vergnügung nehmlich die Tugend zu einem strengen Halsherrn machen wolte. Endlich fragte ich: wer denn eigentlich des Pythagoras Vater gewest / nach dem so viel unterschiedene Meinungen hiervon wären? Der Priester antwortete: Demarat / ein reicher Phoenicischer Kauffmann / Vesiar ein Jude / Mnesarchus ein Siegelstecher / Tirrhenus und Marmacus hätten sich wol alle / weil ein ieder eines grossen Flusses Uhrsprung seyn wolte / für seinen Vater gerühmet; ja man wüste so gar seines Vatern Vater Hippasus / und den Großvater Eutyphron /wie nichts minder seinen Bruder Eurynomus und seines Vatern Bruder Zoilus zu nennen / welcher ihn auch dem Syrischen Weltweisen Pherecydes zum Unterricht untergeben / und ihm drey silberne Schalen die Egyptischen Priester damit zu gewinnen geschenckt hätte. Er wäre aber sicher des Mercur eigner Sohn gewest / welcher ihn mit einem solchen Gedächtnüsse versehen / daß er sein Lebtage nichts vergessen / was er gehöret oder gelesen. Nach dem Pherecydes hätte er auf diesem Eylande den Hermodamas zum Lehrer gehabt. Hierauf hätte ihn der Samische Fürst Polycrates mit einer fürtreflichen Vorschrifft zum Könige Amasis in Egypten geschickt / dieser aber ihn daselbst [682] durch die Priester und zu Babylon durch die Weisen in den geheimsten Dingen unterrichten lassen / hernach hätte er mit dem Epimenides viel Jahr auf der Insel Creta in der Ideischen Höle gestecket und der Weltweißheit nachgedacht; endlich durch Griechenland seinen Weg in Italien genommen / und daselbst sich zu einem so grossen Lichte der Welt gemacht. Ich danckte dem Priester für so guten Unterricht / streute nach dieses Ortes Gewohnheit dem Pythagoras zu Ehren eine Handvoll rothes Saltz in das Feuer / und hiermit nahmen wir von dem Priester Abschied / ohne daß Zarmar ein einiges Wort in unser Gespräche mischte / und also den grösten Liebhaber des Stillschweigens mit einem solchen Stillschweigen verehrten / daß es ihm auch kein stummer Fisch hätte können zuvor thun.

Folgenden Tag giengen wir mit einem beqvemen Ostwinde wieder zu Segel / lieffen zwischen denen fast unzehlbaren Eylanden des Griechischen Meeres glücklich fort / und kamen den siebenden Tag des Abends an dem von vielen Marmel-Säulen berühmten Vorgebürge des Attischen Landes Sunion an. Weil wir den auf der Insel Paris die wunderwürdigen Marmel-Brüche beschauenden Käyser überfahren hatten /stiegen wir ans Land / und beschauten den auf einem hohen Felsen liegenden Wunder-Tempel der Pallas. Unter allen aber war diß das merckwürdigste / daß wir auf den Zinnen dieses Tempels nicht nur das Schloß zu Athen / sondern auch das auf einem Thurn des vom Lycophron gebauten Zeughauses gesetzte Bild der Minerva sahen / ja dessen gläntzenden Helm und Spiß deutlich erkiesen; also dessen Grösse kaum begreiffen konten / da diese Entfernung sieben und dreißig tausend Schritte beträgt. Die Begierde dieser erblickten Stadt / welche an Alterthum Rom 800. Jahr übertrifft / und mit Rechte die Mutter der Künste / ein Sitz der Weißheit / ein Schauplatz der Tapfferkeit /und der Augapffel Griechenlands genennt wird / verstattete uns nicht hier lange zu rasten. Also giengen wir gegen Abende zu Schiffe / und kamen folgenden Morgen für dem Munychischen Seehafen / bey welchem der Fluß Ilissus ins Meer fällt / und ein köstlicher Tempel der Diana stehet / an. Weil aber dieser Hafen von den Käyserlichen Schiffen gedruckt voll war / und wir wegen des Gedränges selbigen Tag durch den engen Mund des Pyreischen Hafens einzukommen nicht getrauten / segelten wir auf das Eyland Salimis / als das alte Königreich des Ajax / und des Euripides Vaterland; Darinnen wir etliche alte Gedächtnüsse / und die 100. Hölen besahen / darinnen er etliche seiner Schauspiele geschrieben hat. Von einem Felsen konten wir abermahls mit grosser Vergnügung die Schlösser zu Megara / und den im Meere liegenden Steinfels Ceras erkiesen / darauf Xerxes einen silbernen Königs-Stul gesetzt / und der See-Schlacht zwischen den Persen und Griechen zugesehen hatte. Folgenden Tages fuhren wir zwischen denen zweyen Felsen / darauf an so viel Marmel-Säulen eine ihn schlüssende Kette henckt / und ein weiß marmelner Löwe gleichsam Wache hält / in den Pyreischen Hafen ein. Weil dieser nun 400. Schiffe beherbergen kan / machte derselben Anzahl uns kein Gedränge /der Anblick aber so vieler vom grimmigen Sylla eingeäscherter Gebäue verursachte mich des Sylla Raserey zu verfluchen / welcher nicht nur wider die grausamen Steine / sondern auch wider die leutseligen Götter seine Rache ausgeübt / und daselbst Jupiters /Minervens und der Venus Tempel / den Schauplatz des Bacchus / das unvergleichliche Zeughauß des Philon / den Richterstul Phreattys / den prächtigen Hippodamischen Platz / und den unschätzbaren Bücher-Saal des Apollicon / woriñen fast aller alten Griechischẽ Weltweisen unvergleichliche Schriften verrauchet / durchs Feuer zernichtet hatte. Gleichwol aber verhöhnte den Sylla gleichsam der noch stehende viereckichte / und mit Alaun überfirnste Thurm / den er bey währender Belägerũg durch [683] keine Kunst-Feuer anzünden konte. Weil wir so herrlicher Dinge Grauß und Asche auch verehrens würdig hielten; betrachteten wir die zerdrümmerten Marmel-Mauern / die zerstückten Porphyr-Säulen mit Seufzen. Von dar wurden wir von zweyen der so genennten Archonten /oder Athenischen Rathsherren in dieselbige Stadt eingeholet; darinnen die Weißheit / der Gottesdienst /das Getreide / die Gesetze entsprossen. Wir fuhren zwischen der zweyfachen im Peloponnesischen Kriege gebauten / und vom Sylla gleichfals sehr beschädigten Mauer / und lernten / daß die viereckichten mit Eisen zusammen geklammerten Marmelsteine wider die Steine und der Menschen Raserey eine zu schwache Befestigung abgäbe. Unterweges sahen wir des Theseus Tempel / das Grab Menanders und des Euripides nur überhin. Als man uns aber zwischen vielen Oelbäumen nebst einem Brunnen das Heiligthum des Socrates zeigte / konte sich Zarmar nicht enthalten vom Wagen abzusteigen. Wir folgten ihm theils aus Antrieb seines Beyspiels / theils aus eigner Ehrerbietung gegen diesem Halb-Gotte. In der Mitte des rundten Heiligthums stand auf einem schwartz-marmelnen Fusse Socratens Bild aus Egyptischem Porphyr gemacht / mit dem Gifft-Kelche in der Hand. In den Fuß war mit weissen Buchstaben sehr künstlich eingelassen:


Hier liegt der weiseste der Sterblichen begraben /

Der grosse Socrates. Diß glaubt gantz Griechenland /

Streut Blumen auff sein Grab / und Weyrauch in den Brand /

Weil ein solch Zeugnůß ihm die G \tter selber gaben.

Gott / den die Griechen nie vorhin erkennet haben /

Den kein Verstand begreifft / war ihm allein bekand.

Denn ihm war ein gut Geist vom Himmel zugesand /

Im Leben ihn zu lehr'n / im Sterben ihn zu laben.


Athen / das ihn bracht' um / beseelt nun seinen Ruhm /

Verg \ttert seinen Geist durch dieses Heiligthum /

Verdammt den Urthels-Spruch / der ihn zwang zu erblassen;

Und machet sich hierdurch von Schmach und Unrecht frey.

Denn wer will nicht gestehn / daß irren menschlich sey

Was ůber-menschliches den alten Irrthum hassen?


Der weise Zarmar küste vielfältig mal Socratens Bild / nennte ihn den Heiligsten unter den Griechen / als welcher zwar als ein Gottes-Verleugner wäre verdammt worden / mit seinem Tode aber die Warheit des einigen Gottes besiegelt / und darmit keinen irrdischen Krantz verdienet hätte. Der Indische Botschaffter und ich rupften neben dem Brunnen etliche Handvoll Narcissen und Hiacynthen ab / und streuten sie diesem unvergleichlichen Weltweisen auffs Grab. Hierauf kamen wir endlich durch die Pyreische Pforte in Athen / und wurden auf der fürnehmsten Ceramischen Strasse neben dem Grabe des Leos in ein prächtiges Hauß eingelegt / welcher wegen seiner fürs gemeine Heil geopfferter Töchter ein in der Stadt sonst ungewöhnliches Grabmahl verdienet hatte.

Den andern Tag darnach hielt der im Phalerischen Hafen ausgestiegene Käyser in die Stadt seinen Einzug /nach dem er sich vorher auf dem Lande mit Jagten erlustigt hatte. Es leidet es die Zeit nicht das grosse Gepränge zu beschreiben / wormit diese zwey hundert Stadien im Umkreiß habende Stadt den Käyser annahm. Denn das Bild der Minerva / welches soll vom Himmel gefallen seyn / und sich dazumal / als Augustus dieser dem Antonius geneigten Stadt das Eyland Aegina und Eretrea genommen / von der Sonnen Aufgange gegen Niedergang gewendet / und Blut ausgespien hatte / solte sich itzt wieder von Ost gegen West gekehret / und der darfür hangende güldene Leuchter des Callimachus / der gerade so viel Oel in sich läst / als er zum jährlichen Brennen bedarf / und drey Tage vorher solte ausgebrennet seyn / über seine Zeit seinen unverzehrlichen Zunder und Feuer behalten haben / ob man schon aus dem durch das Gewölbe des Tempels gehende messene Röhr keinen Rauch mehr ausdampffen gesehn hätte. Uberdiß ereignete sich dieses Wunder / oder die Heucheley hatte es erfunden / [684] daß der auf dem Tritonischen Berge befindliche und stets saltzichtes See-Wasser in sich habende Brunn mit süssem Wasser angefüllt war; gleich als wenn Augustens Gegenwart die geheimen Meer-Adern zu verstopffen / und süsse zu eröfnen / oder aber alle Bitterkeit zu verzuckern mächtig wäre. Diesemnach hatten sie in Hoffnung grosser Käyserlichen Gnade für der zum Einzuge erkieseten Stadt-Pforte Dipylon des Augustus und der Livia Bild / jenes in Gestalt des Saturn / dieses der Astrea auffgerichtet /und mit Golde darüber geschrieben: Die zwey Fürsteher der güldenen Zeit. Für dem nicht ferne vom Thore stehenden Tempel des Theseus stand abermals das Bild des Käysers in Gestalt des den Minotaurus tödtenden Theseus / mit der Uberschrifft: Der nur denen Ungeheuern schreckliche Käyser. Darneben stand Liviens Bildnüß in Gestalt der Ariadne mit dem güldenen Fademe / mit der Beyschrifft: Die kluge Verrichterin aller Verwirrungen. Nicht weit davon stand des Käysers Bild noch einmal / welches in der ausgestreckten Hand einen Hut / zu den Füssen eine zerbrochene Kette hatte / mit dem Beysatze: Der Uhrheher der Freyheit. Liviens Bild stand gegen über in Gestalt der Ceres / welche aus einem Gefässe Mehl schüttete / mit der Uberschrifft: Die gütige Versorgerin der Armen. Denn in diesen nach dem Marathonischen Siege gebauten Tempel nahmen die von ihren Herren übel gehaltene Leibeigenen ihre Zuflucht / und man theilte darinnen den Armen Mehl aus. Auff der andern Seite war für die aus Marmel vom Könige Ptolemeus gebaute Schule das überaus köstliche Bild des Mercur gesetzt / welcher dem August gleichsam seinen Schlangen-Stab reichte / daran ein Zettel mit dieser goldenen Schrifft hing: Dem würdigern Mercur unser Zeit. Auf einer Seite stand die allhier denen freyen Künsten obliegende Römische / auf der andern die Griechische und andere fremde Jugend über zehn tausend starck / welche sich für Augusten und Livien neigten / und ihm als einem Vater / ihr als einer Amme der freyen Künste zurufften. Wie nun der Einzug durch die Ceramische Strasse fortrůckte; also waren für das überaus köstliche Pantheon / oder den Tempel aller Götter zwar die Bilder der zwölf Götter aufgerichtet / des Jupiters und der Juno aber weggenommen / und an derer Stelle Augustens und Liviens aus Gold / da die andern nur aus Ertzt waren / hingestellt. Uber ihnen stand eine herrliche Ehren-Pforte mit der Uberschrifft:


Dergleichen Gottheit / solcher Zeit /
Heischt Ertzt von mehrer Köstligkeit.

Auf dem Ceramischen grossen Platze für dem Tempel des Vulcan / welchem Erfinder des Feuers Athen die ersten Fackeln gewiedmet hat / reichte ein Ertztenes Bild dieses Gottes dem Käyser eine brennende Fackel aus weissem Wachse zu; darumb war mit Golde geschrieben:


Nim grosser Kåyser hin die mir geweihte Kertze;

Weil deine Glut uns giebt viel nůtzlichern Gebrauch.

Denn dein von heisser Gunst entzůndet Vater-Hertze

Hegt Liebe sonder Falsch / und Feuer ohne Rauch.


Hierauf wendete sich der Zug aus der Ceramischen Strasse auf die lincke Seite bey dem Spatzier-Gange des Zeno / und der ihm folgenden Stoischen Weisen vorbey. Weil nun in selbtem die grossen Verrichtungen der alten Helden von denen fürtrefflichsten Mahlern abgebildet waren / und insonderheit Polignotus seine Meisterstücke dahin gewiedmet hatte; waren daselbst auch die fürnehmsten Geschichte des [685] Käysers abgemahlt / und zwar dergestalt abgemahlt / daß in ieder Taffel August eine der Gemüths-Regungen überwand. Weil diese Weisen solche gar vertilget wissen wollen / und daher alle andere Weißheit für weibisch schelten / ihre eigene aber nur für männlich achten. Diese Strasse leitete den Einzug für den vom Cyrrhestes aus Marmel gebauten achteckichten Thurm / auf dessen ieder Seite ein daselbsther wehender Wind eingeetzt war. Die Ostwinde hatten ein feuriges / die Sudwinde ein irrdenes / die Westwinde ein lufftiges / die Nordwinde ein wäßrichtes Drey-Eck zu ihrem Merckmale. Der auf der Spitze dieses Thurmes stehende / und sich mit iedem Winde herum drehende Triton / wendete sich / und weiste mit seiner Ruthe gegen das auff der Strasse in Gestalt des Eolus aufgerichtete Bild des Käysers / welches ein Meerschwein zu seinen Füssen hatte; zweiffelsfrey darum / weil die Haut von diesem Fische einem die Macht diesen oder jenen Wind wehen zulassen / zueignen soll. Am Fusse war eingeetzt:


August und fromme Fůrsten sind

Die Meister über Stern und Wind.


Zu Ende dieser Strasse wendete sich der Zug abermals auff die rechte Hand für einem Tempel des Jupiters fürbey. Darfür August in Gestalt des Ammonischen Jupiters / Livia in Gestalt Amaltheens fürgestellet ward. Jener sprützte aus seinen Widder-Hörnern Wein und Oel / diese aus ihren Ziegen-Hörnern Milch und Honig in vier unterschiedene Marmel-Kessel /daraus ieder nach Belieben schöpffen mochte. Auf dem Fusse war in Marmel gegraben:


Des Uberflusses altes Horn

Ist Armuth gegen's Kåysers Gaben.

Wein / Oel / Milch / Honig / Reiß und Korn

Ist's minste / was wir von ihm haben.


Für der Höle des wahrsagenden Apollo stand ein güldener Drey-Fuß / auff welchem die Pythische Priesterin dem vorbey fahrenden Käyser zurief:


Beseele / Käyser / meinen Fuß /

Nach dem Apollo schweigen muß.


Für dem Tempel des Lycischen Apollo und der Schule des Aristoteles stand das Bild des Käysers in Gestalt des auff einer Leyer spielenden Apollo:


Wenn dieser Ph \bus stimmt die Saiten / stimmt die Welt

Annehmlich ůberein / und was sie in sich hålt.


Darbey neigten sich zwey tausend der Weltweißheit beflissene Jünglinge gegen den Käyser und Livien. Nahe darbey kämpfften hundert paar Fechter und Ringer mit einander / und für die Bürger zu Athen waren unter dem seiner wunderwürdigen Grösse halber berühmten Maßholderbaume / und um den köstlichen Brunn Diocharis drey hundert Taffeln gedecket; ob es zwar damals nicht eben einen Tag traf / da man in diesem Lust-Walde Peripatus öffentlich zu speisen pflegte. Bey der Vorburg / welche in dem sparsamen Alterthume über 2000. Talent gekostet hatte / empfingen den Käyser und Livien die fünf hundert Areopagiten / welche nahe darbey das höchste Richter-Ampt in Athen / und zwar um desto weniger gestört zu werden / nur des Nachts verwalteten. Diese Areopagiten legen in Athen alleine ihr Ampt nicht ab / da alle andere Richter es jährlich verwechseln. Ihr Richterstul ist als der fürnehmste mit dem ersten Buchstaben bezeichnet. Sie führen ihren Nahmen vom Mars / weil sie über ihn zum Richter erkieset worden / als er einen Sohn des Neptun erschlagen. Nichts weniger sind sie wegen ihres über Oresten / welcher seine Mutter Clytemnestra umbracht / über den Cephalus wegen seines getödteten Ehweibes Procris / und den Dedalus wegen des erschlagenen Talus gefällten Urthels berühmt. Für dem ansehnlichsten Thore unter den neunen / die [686] in die Cecropsburg durch die Mauer Cimonia giengen /war zwischen dem aus Ertzt gegossenen Medusen-Haupte / und dem Schilde Aegys ein kostbarer Siegesbogen; auf der einen Seite stand Neptun / und rühmte gegen dem Jupiter den der Stadt Athen verliehenen Seehafen / auf der andern Seite striech Minerva ihren der Stadt zum besten erfundenen Oelbaum heraus; iedes Theil wolte das Recht die Stadt nach seinem Nahmen zu nennen behaupten. In der Mitte aber zeigte sich Augustus / dessen Haupt mit einem Oel-Krantze / die Hand mit einem güldenen Apffel gezieret war. Jupiter sprach über die Streitenden folgendes Urthel aus:


Der Nahm: Augustus-Stadt gebůhrt alleine dir;

Denn Gold und Friede geht so Oel / als Wasser fůr.


Für dem vom Pericles an statt des von den Persen eingeäscherten Alten / durch die berühmten Baumeister Ictinus und Callicratus nach Dorischer Baukunst aus Marmel aufgeführtem Minerven-Tempel hatten sie das Bild der Livia in Gestalt der Minerva aufgesetzet; nur / daß sie an statt der Nacht-Eule einen Phenix auf der Hand sitzen hatte. Unten war in Ertzt eingeetzt:


Nim nicht fůr ůbel auf / du Pallas unser Stadt /

Daß man nicht Eulen dir allhier gewiedmet hat;

Die Eule bringt nur Leid /

Du aber güldne Zeit;

Wer aber uns beschenckt mit solchen edlen Gaben /

Muß mehr als Pallas seyn / und einen Phenix haben.


Der Käyser und Livia stiegen allhier vom Wagen /und verfügten sich aus wahrer oder angemaster Andacht in Tempel; darinnen bey dem über die Zeit wundersam brennenden Leuchter des Callimachus ein Altar aufgerichtet / auf solchem des Käysers Bild /wie die Sonne ausgeschmücket; für diesem aber ein geringes Feuer zu sehen / und an dem Fusse des Opffer-Tisches zu lesen war:


Wie wird man dir / August / ein Opffer abgewehren?

Die Glut verliert für dir des Feuers Eigenschafft.

Doch nein! Es ist die Art der Sonnen / Oel und Safft

In Båumen zu vermehrn / nicht aber zu verzehren.

So sorge nun Athen für dein schlecht Opffer nicht;

Was Sclaven offt verschmåhn / das hebt die Sonn' an's Licht.


Hinter dem sich umkehrenden Bilde der Minerva /welch Wunderwerck Phidias aus Gold und Helffenbein gemacht hatte / stand Livia abermals wie die Pallas gebildet; nur / daß sie zugleich einen Reben- und Oel-Krantz auff hatte / und bey ihren Füssen auf einem Weinstocke zugleich Reben- und Oel-Zweige /welche beyde am ersten zu Athen sollen gepflantzt worden seyn / mit Früchten wuchsen. An dem Fusse war in Marmel gegraben:


Warum kehrt Pallas weg von Livien's Gesichte /

Uns aber wieder zu? Diß / weil des Glůckes Schein

Athen lacht wieder an; und jenes / weil sie Wein

Und Oel beysammen sieht / sonst zweyer Götter Früchte.

Was sie nun schamroth macht / das heist uns danckbar seyn /

Und Livien das Hertz / Minerven's Antlitz weih'n.


Aus diesem Tempel verfügten sich beyde in den andern der Poliadischen Minerva / des Schutz-Gottes Jupiters / des Neptun / der Venus / den Phedra um sich der gegen den Hippolitus entzündeten Liebe zu befreyen gebaut hatte / der Aglaura und des Sieges; da denn August als oberster Priester / weil in allen auf dem Tritonischen Felsen liegenden Tempeln / wie auch auff dem unter freyem Himmel stehenden Altare der Freundschafft / der Schamhafftigkeit und Vergessenheit geopffert ward / in iegliches Feuer eine Handvoll Weyrauch streute; hernach sich auff die vorragende Spitze des Felsen setzte / darauf Silenus ihm seinen Sitz erkieset haben soll / als er mit dem Bacchus diesen heiligen Ort besuchet. Inzwischen leiteten die Priester den Käyser zu dem für ein grosses Heiligthum gehaltenen Oelbaume / welcher damals soll hervor geschossen seyn / als Neptun und Minerva um das an Athen habende Vorrecht gestritten. Livia verfügte sich auch in das Hauß / worinnen [687] der Minerva Priesterinnen ihren Auffenthalt haben / und aß daselbst mit ihnen dicke Milch aus dem Eylande Salamis /auser welcher sie keine sonst essen dorfften. Allenthalben empfiengen August und Livia fast göttliche Ehrenbezeugungen; wordurch Athen aber so viel zu wege brachte / daß den Morgen darauf August dieser Stadt auf Liviens Vorbitte alles wieder gab / was er ihr vorher darum entzogen hatte / daß sie dem Antonius so sehr waren zugethan gewest. Denn weil die Weiber insgemein am herrschsüchtigsten sind / geben sie denen Liebkosenden am liebsten Gehöre; sintemal doch der Heucheley das denen Herrschenden angenehme Laster der Dienstbarkeit im Busen steckt. Folgenden Tag wurden alle Tempel in Athen / und darunter auch der des Bacchus / welchen man doch nur des Jahres einmal öffnete / aufgesperrt / und in iedem sein gröstes Feyer gehalten / gleich als wenn alle auf diesen Tag eingefallen wären. In dem Tempel des Olympischen Jupiters / welcher ein Achttheil einer Meilweges im Umkreisse hat / und zwar seiner Grösse halber in sechs hundert Jahren nicht hat ausgebauet werden können / aber wegen seiner unschätzbaren Bilder /und des an Gold und Helffenbein verhandenen Uberflusses ein rechtes Wunder der Welt ist / wurden hundert Ochsen / in dem Heiligthume der Agroterischen Diana fünf hundert Böcke geopffert / welches sonst nur an dem Tage der erhaltenen Marathonischen Schlacht geschiehet. In einem vom Egeus gebauten Tempel der himmlischen Venus / darinnen ihr vom Phidias gemachtes Wunderbild stand / schlachtete man hundert Pfauen / im andern fünf hundert Tauben / und zehn tausend Sperlinge / im Tempel des Esculapius zwey hundert Hähne / in dem des Mars hundert Hunde / in dem Heiligthume des Saturn und der Rhea drey Scythische Knaben. In dem herrlichen Triclinion / darinnen auf einer Seite ein Gastmahl der Götter /auf der andern Seite der alten Griechen in weissem Marmel aufs künstlichste erhöhet ist / ward allen Fremdlingen eine offene Taffel gedeckt; in dem auff einem Eyrundten Hügel nach gleicher Art erbautem Schauplatze / welchen niemand ohne Verwunderung iemals gesehen hat / wurden allerhand Rennen gehalten. Im Spatzier-Saale des Elevtherischen Jupiters waren alle denen Persen für Alters abgenommene Waffen auffgehenckt / welche Sylla nicht mit nach Rom geführet hatte. Im Spatzier-Gange des Attalus hegte man allerhand Spiele / im Thraconischen theilte man iederman Mehl aus. In dem Schauplatze Odeon /welches Ariston für der Syllanischen Belägerung eingerissen / Ariobarzanes König in Cappadocien aber auf eigene Kosten wieder erbaut hatte / kämpfften die berühmtesten Sänger und Saiten-Spieler mit einander um den Preiß. Im grossen Schauplatze des Bacchus /welcher der erste in der Welt gewesen seyn soll / wurden die auserlesensten Lustspiele des Aristophanes /des Alepis und Cleodemus / welche letztern zwey für Freuden wegen erlangten Preisses ihrer fürgestellten Schauspiele gestorben / gesungen. Der Schall der Redend- und Singenden bethörte aller Zuhörer Ohren /und die Lufft aller Zuschauer Nasen. Denn in etlichen Hölen des Schauplatzes waren in wol abgemessener Ferne ertztene Gefässe gesetzt / welche den darein fallenden Schall annehmlich verstärckten. Und die oben auf den Zinnen des Schauplatzes stehenden Alabaster-Bilder des Menanders / welcher hundert und fünf /Euripidens / der funftzig Schauspiele geschrieben /und vieler anderer berühmten Tichter bisamten durch einen aus kleinen Silber-Röhren gespritzten Thau den gantzen Schauplatz ein. Bey der Ithonischen Pforte neben dem von den Amazonen gebauten Tempel / wo Theseus mit ihnen geschlagen hatte / ward auf Amazonische Art ein Kampf / bey dem Tempel des Vulcan und der blauäugichten [688] Minerva / wo man die junge Mannschafft zum Kriege musterte / ein Fackel-Rennen gehalten. Auf dem Prytaneon oder dem Rathhause waren die Bilder des Pericles / des Miltiades / des Cimon und anderer Helden mit Lorber-Kräntzen geschmückt / das darauf verwahrte ewige Feuer / und Solons Gesetze öffentlich zur Schaue gestellt. Auf dem Marckte für dem Altare der Barmhertzigkeit ward allen / die das Leben verwürgt hatten / Gnade angekündigt. Unter dem Kräuter-reichen Berge Pentelicus hatte man das frische und wohlschmeckende Wasser des Brunnen Brysis / durch verborgene Röhren weggeleitet / und floß daraus Oel / wie aus dem Ceramischen Quelle; bey dem Altare der zwölff Götter Wein / und aus denen vom Pisistratus gestifteten neun Marmel-Röhren des berühmten Brunnes Callirhöe Milch. Nichts weniger raan aus dem neben des Esculapius Tempel befindlichem Brunnen Hallirrhotius Honig / welcher sonst mit dem Phalerischen See-Busen durch eine unterirrdische Ader sich vermengen / und die in Brunn geworffene Sachen daselbst ausschütten soll. Gegen den Abend selbigen Tages versa lete sich gleichsam gantz Athen an dem Flusse Iphissus bey dem Tempel der Ceres. Denn August und Livia kamen mit grossem Gepränge dahin / diese zwar sich in den kleinen Elevsinischen Geheimnüssen der Proserpina einweihen zu lassen; jener aber daselbst seinen bey der ersten Einweihung empfangenen seidenen Rock / den die Eingeweihten / biß er zerschlissen / nicht ausziehen dörffen / abzulegen. Ihnen kamen vierzehn Priesterliche Jungfrauen biß an den Fluß entgegen; derer sieben einen mit Blumen / die andern sieben einen mit Weitzen-Aeren bedeckten Korb trugen. Nach dem der Käyser und Livia in Tempel kamen / ward er feste zugeschlossen; weil niemand ungeweihtes dem Feyer beywohnen darff. Dieses währete biß umb Mitternacht. Da denn allererst der Käyser aus diesem Tempel / darinnen Livia zurück blieb / durch die Hyerische Strasse mit noch grösserem Gepränge zwischen mehr als 20000. Fackeln seinen Zug zum Elevsinion oder dem Tempel der Elevsinischen Ceres hielt / dariñen ihr vom Praxiteles gemachtes unvergleichliche Bild zu sehen war. Für dem Käyser trug der oberste Prieste das Bild des Schöpfers / der Fackelträger der Sonne / der Altar-Aufschauer des Monden / der heilige Herold des Mercur. Die Melissischen Priesterinnen trugen in einem verborgenen Kästlein das verborgene Heiligthum des weiblichen Geschlechtes. In diesem Tempel ließ sich der Käyser zu dem grossen Geheimnüsse der Ceres einweihen. Denn ob zwar vermöge eines alten Gesetzes / kein Fremder dieser Weihe fähig war / und daher dem Hercules zu Liebe die kleinere Weihe gestiftet ward / hatte doch der Rath zu Athen den Käyser für einen Eingebohrnen / ja für den Vater ihrer Stadt erkläret; wie uns dieses ein dem Gesandten zugegebener Priester auslegte / und auf unsere Nachfrage ferner unterrichtete: Diese Einweihung wäre einerley mit der Egyptischen der Isis. Diese hätte Orpheus so wohl /als die Weihe des Bacchus / welche mit der des Osiris überein käme / aus Egypten in Griechenland gebracht. Bey der Elevsinischen Weihe würden alle diesem Gottes-Dienste beywohnende / insonderheit aber die Neulinge gebadet / ja auch die Bilder der Götter gewaschen / und die Strassen / wordurch sie ihren Umbgang hielten / mit Weih-Wasser besprenget. Auch dörffte in Athen kein ander Wasser als aus dem geweihten Flusse Iphissus hierzu genommen werden. Hierdurch würden alle begangene Laster getilget. Daher hätte sich selbst Apollo / wegen eines begangenen Todschlages / vom Carmanor; Hercules nach erschlagenen Centauren / vom Orpheus; und als er den Cerberus aus der Höle holen wollen / vom Musäus; Theseus nach unterschiedenen [689] Todschlägen / von Phytaliden; und Bellerophon vom Pratus der Argiver Könige der Ceres einweihen lassen. Die aber dieser Göttin sich vollkommen wiedmeten / würden durch ein Hemde der Ceres von oben an durchgesteckt /gleich als wenn sie von dieser Göttin gleichsam wiedergebohren würden. Auf welche Art auch Juno den Hercules an Kindesstatt angenommen hätte. Sie müsten über diß gewisse Zeit fasten / und insonderheit sich Brodt und Weines / am meisten aber des Beyschlafs enthalten / und ihre Geburts-Glieder dieser Mässigkeit halber mit Saffte vom Zieger-Kraute netzen. Massen der Ceres Priester durch einen solchen Tranck sich gar zu entmannen verbunden wären. Diese Einweihung hätte die Krafft die Seelen gleichsam von den Hefen irrdischer Dinge abzuspülen / die Geister zum Nachsinnen in Göttlichen Sachen zu erhöhen. Sie kriegten einen Zug zu einem gerechtern Leben / und hätten deswegen in allen Gefährligkeiten die Götter zu ihren Beyständen. Nach dem Tode wohnten die Eingeweyhten / wenn sich andere im Schlamme sieleten / im Finstern herumb schwermeten / bey den Göttern / und hätten ihre absondere Sonne und Gestirne stets in Augen / das Gemüthe aber voller Freuden. Diesemnach hätten die berühmsten Helden Jason / Castor / Pollux / Hercules / Orpheus / König Philipp in Macedonien / und nunmehr auch August sich zu Athen einsegnen lassen. In Samothracien wären auch zwey solche alte Heiligthümer; da man nemlich denen Cabirischen und Curetischen Göttern eingeweihet würde. Von dar wären sie vom Corybas Jasions und der Cybele Sohne in Phrygien / und endlich unter dem Nahmen des Cybelischen Gottesdienstes nach Rom gebracht worden.

Nach dreyen Tagen ward der Indianische Gesandte in die Cecropsburg zum Käyser mit grossem Gepränge abgeholet. So bald der weise Zarmar an der überaus prächtigen Stirne des Minervischen Tempels die güldene Uberschrifft: Dem unbekandten Gotte / erblickte / fiel er auf sein Antlitz in Staub darnieder /und brachte bey nahe eine Stunde in seiner gewohnten Andacht zu. Die Priester der Minerva sahen Zarmarn mit Verwunderung zu / wusten uns aber diese alte Uberschrifft nicht recht zu erklären; ausser: daß selbte vermuthlich von einem zu Phalera in Elis befindlichen Altare genommen wäre / darein Epimenides zu Solons Zeiten eben diß geschrieben hätte. Jedoch wäre die Zeit der Wahrsagung gleich vorbey / da dieser unbekandte Gott solte offenbart werden. Weil nun der Gesandte ohne Zarmarn seinen Dolmetscher nicht in die Königliche Burg fortrücken wolte / zeigten ihm inzwischen die Priester des Praxiteles Diana / die vom weisen Socrates gebildeten Gratien / des Dedalus /Cleetas / Endeus und Calamis unvergleichliche Arbeit in Bildern / Säulen und der Bau-Kunst / wie nichts weniger viel unschätzbare Gemählde des Micon / des Parrhasius / und Timenettus. Mecenas empfing ihn in dem letzten Vor-Gemache / und führte ihn zur Verhör in das Käyserliche Gemach. Für dem Gesandten trugen acht nackte Indianer die an köstlichen Edel-Gesteinen / Perlen und Ambra bestehende Geschencke vorher. Hierbey lieff ein Jüngling ohne Achseln und Armen / welcher mit den Füssen den Bogen spannen /Pfeile abschüssen / und alle sonst den Händen obliegende Arbeit geschicklich verrichtete. Von denen andern Geschencken / welche an vielen vorher in Griechenland noch nie gesehenen Tigern / an zehn Ellen langen Schlangen / dreyellichten Schnecken / an einem Rebhune / welches grösser als ein Geyer war /bestanden / ward dem Käyser ein Verzeichnüß nebst einem Grichischen Schreiben vom Könige Pirimal[690] eingehändigt. Der Käyser nahm den Bothschaffter mit angebohrner Freundligkeit an / hörte ihn mit Gedult /beantwortete ihn / nach dem der vorhin lange Zeit in Egypten und Griechenland gereisete Brahman Zarmar des Indianers Sprache Griechisch erkläret hatte / mit sonderbarer Anmuth / fragte umb den Wohlstand seines Bruders des Königs Pirimal / und verwieß ihn völlig an den Mecenas / der mit ihm handeln und einen gewissen Schluß machen würde. Nach geendigter Verhör führte Mecenas ihn und uns auff Käyserliche Verordnung zu einem herrlichen Gastmahle / welches in einem köstlichen Spatzier-Saale des vom Lycurgus erbauten Zeughauses bereitet war; bey welchem sich für Zeiten Egeus herab gestürtzet hatte / als er das den Theseus nach Creta überführende Schiff mit schwartzen Segeln zurück kommen sah / und ihm einbildete: er wäre vom Minotaurus aufgerieben worden. In diesem Gastmahle vergnügte uns nicht so wohl die Pracht aller seltzamen von vielen Enden des Römischen Reiches und denen entlegensten Eylanden zusammen verschriebener Speisen und Geträncke / als das Aussehen auf das mit Inseln gleichsam besäete Meer / und die uns von daher anwehenden Lüffte; am meisten aber die unvergleichliche Annehmligkeit des Mecenas. Und kan ich in Wahrheit sagen: daß auf des Mecenas Taffel Samos seine Pfauen / Phrygien die Haselhüner / Tarpessus die Murenen / Pessinunt seine Zante / Tarent seine Austern / Cilicien seine Scarus /Colchis seine Fasanen gezinset hatten. Seine Freundligkeit aber war die edelste Würtze dieser Speisen /oder vielmehr das beste Gerichte. Denn darmit übertraff er alle Demuth derer / die ihn gleichsam für Verwunderung anbeteten; die Redligkeit aber sahe ihm aus den Augen / und überredete also fort einen ieden: daß diese Anmuth keine Larve eines falschen Hertzens / noch seine Beredsamkeit eine Schmincke betrüglicher Anschläge wäre. Ich hatte ihn zwar vorhin vor den redlichsten Mann in der Welt / ja für ein Meister-Stücke der Natur und der Kunst rühmen hören; aber ich erkennte ihn allererst für ein Wunderwerck /als ich an ihm alle Annehmligkeiten des Hofes / keines aber seiner Laster fand. Zumal da er so viel Jahre auf dieser gefährlichen Höhe gestanden / und bey so vielfältiger Abwechselung des Glückes gantz unverändert geblieben war. Er hatte niemals eine andere Flacke aufgestecket / als die er zum ersten bey seinem Eintritte in die Burg geführet; und der Hof / welcher sonst auch die Heiligen verführet / vermochte biß auf diesen Tag ihn mit seinen Kohlen nicht zu berämen. Er konte in seiner gelehrten Einsamkeit / und bey seiner Musen-Gesellschafft wohl des Hofes / aber der Hof nicht seiner entbehren. Dieser sehnete sich nach seinen Lust-Gärten / der Käyser ward lüstern nach seinem Vorwerge; und alle diese nahmen daselbst seine unschuldige Sitten an / und legten so wohl ihre Laster als Sorgen ab; aber Mecenas blieb bey Hofe was er in seinen vier Pfälen war. Denn sein Gemüthe war so feste gesetzet: daß es die Verdrüßligkeiten so wenig herbe; als so viel Flüsse das saltzichte Meer süsse machen kunten. Verleumbdung und Heucheley waren bey ihm unbekandte Ungeheuer. Denn seine Zunge machte niemand weisses schwartz / und seine Geberden nichts schwartzes an ihm selbst weiß; sondern seine Redligkeit bemühte sich vielmehr mit Fleisse äuserlich zu zeugen / was er inwendig war. Seine Geburts-Art schien von solcher Güte zu seyn: daß wenn er gleich seinen Gemüts-Bewegungen den freyen Zügel ließ / selbte doch nirgendshin als auf das Mittel der Tugend verfielen. Er beging niemals keinen Fehler / weder aus Schwachheit noch aus Vorsatz. Seine Aufrichtigkeit ließ [691] ihn niemanden / seine Vorsicht aber sich nicht betrügen. Sein Verstand übersah alsbald seine Tieffen oder Dinge; seine Geschickligkeit fädmete die Geschäffte mit einer besondern Art ein. Jenes Licht ist das Auge / dieser Handgriff aber der Werckzeug eines grossen Staats-Klugen. Sein einiges Absehen war dem Käyser das rechte Maß in Entschlüssungen; dem Volcke aber den Ruhm des Gehorsams einzuloben. Und in Wahrheit / dem Augustus ward nirgends ein Tempel gebauet / den Mecenas nicht vorher in denen Hertzen der Unterthanen in Grund gelegt hatte. Er hatte bey Hofe keinen Dienst /wormit er die Freyheit iedermann zu dienen nicht verlieren möchte. In Rom wolte er weder das Burgermeister-Ampt / noch anderwerts einige Land-Vogtey übernehmen; denn er sagte: Die Höhe verursachte an sich selbst einem den Schwindel; alleine im Wercke war er der Stadt und des Reiches Vormund; und weil er durch seine Wohlthaten iedermann gewan / ja den Neid selber schamroth und ihm geneigt machte / verdiente er: daß das Volck ihn seinen Vater / der Rath seinen Leitstern / der Käyser seinen Freund und Bruder hieß. Seine Treue war der erste Priester / der den noch lebenden Käyser vergötterte. Denn ob zwar der unermüdliche Agrippa wegen seiner vielen Siege und grossen Krieges-Dienste beym Augustus hoch am Brete war; wie denn Mecenas dem Käyser selbst rieth: Er müste Agrippen entweder tödten / oder zu seinem Eydame machen; so hatte der Käyser doch den Mecenas mehr im Hertzen; jenen schätzte / diesen aber liebte er mehr; als welchem einiger Mensch in der Welt nicht vermochte gram zu seyn. Denn die Wollüstigen fanden bey ihm ihre Ergetzligkeit / die Tugendhaften ihre Vergnügung. Welchen er des gemeinen Bestens wegen etwas abschlagen muste / die beschenckte er mit dem Seinigen; oder er wuste auch sein Nein derogestalt zu übergülden / daß er darmit mehr Gemüther gewaan / als andere mit ihrer Verschwendung. Ja seine Worte waren bey iedermann so wichtig / daß er darmit hätte alle seine Schulden bezahlen können. Agrippa rieth dem Käyser / was zu seiner Herrschafft nützlich / Mecenas aber / was ruhmwürdig war. Jener demüthigte seine Feinde / dieser beschirmte die Unschuld. Jener machte / daß Augustus aus den Schlachten niemals ohne Sieg zurücke kam; dieser aber: daß er vom Richter-Stule allezeit ohne Blut aufstund. Agrippa hatte Theil an des Käysers Armen / Mecenas aber an seinem Hertzen. Mit einem Worte; Augustus hatte eine Bothmässigkeit über die Welt / Mecenas aber über den Käyser. Dieser war ein Schoß-Kind des Glückes / Mecenas der Tugend / des Glückes und des Käysers.

Ob nun wohl gegen den Abend Mecenas den Gesandten und uns von sich ließ; so behielten wir ihn doch in unserm Gedächtnüsse. Masulipat hatte sich in ihn derogestalt verliebet: daß er die halbe Nacht sich mit mir seinethalben unterredete. Des Morgens war die Sonne so früh nicht in unserm Hause / als die köstlichsten Erfrischungen / wormit Mecenas uns beschenckte. Gegen den Mittag suchte er uns selbst heim / und nöthigte uns in eines seiner unter dem Berge Corydalus am Meere gelegenen Lust-Häuser zur Taffel. Bey welchem Marcus Antonius von eitel köstlichem Laube die Höle des Bacchus aufgebauet /den Bodem biß an die Knie mit eitel hundertblättrichten Rosen überschüttet / und unter der Gestalt des Bacchus gantz Athen überflüssig bewirthet hatte. Die Natur hielt am selbigem Orte einen Begriff ihrer Wunderwercke / nehmlich wohlrüchende Wälder /fruchtbare Gärte / lustige Steinklippen / erfrischende Hölen / warme Bäder / [692] rauschende Bäche / gesunde Brunnen in einem Kreiß versammlet; die Kunst aber mühte sich mit Einpfropffung allerhand ausländischer Gewächse / zierlicher Eintheilung des Baumwercks und Blumenstücke / mit Bereitung seltzamer Felsen und Klüffte / von den höchsten Gipfeln abstürtzender Wasser / spielender Wasser-Künste der Natur ihrer Mutter einen Rang abzurennen. Das Lusthaus war aus weissem Marmel gebaut / die Decken waren mit Helffenbein übertäffelt / die Fenster aus Berg-Kristallen /die Tische aus flasernem Zitron- und Zeder-Holtze /welche meist gleichsam mit Augen eines Pfauen-Schwantzes beworffen waren. Die Bödeme waren mit Aßyrischen / die Wände mit Serischen Teppichten /oder Persischen Goldstücken bekleidet / welche noch darzu von Perlen starrten / und mit Edelgesteinen flammeten. Wiewol nun diese mehr als Königliche Pracht aller Augen gleichsam verblendete / so hatte doch Mecenas in diesem seinem Eigenthume alles Ansehen seiner Würde / und alles Gepränge des Hofes von sich weggeleget; uñ dahero schiene die Wollust hier so wenig schädlich / als die Schlangen auff Cypern gifftig zu seyn. Seine Höffligkeit machten seine unüberfirnste Gemüths-Gaben desto scheinbarer / also / daß wir bey Hofe nur die Helffte des Mecenas / in dieser Einsamkeit aber seine gantze Vollkommenheit gesehen zu haben uns bedüncken liessen. Denn seine vorige Freundligkeit verwandelte er nunmehr in eine offenhertzige Verträuligkeit. Er hatte von den Grossen des Hofes keinen bey sich / ob schon seine Taffel täglich iedermann offen stand; indem er mit dem Epicur eine einsame Mahlzeit für eine Zerfleischung roher Thiere / und eine Lebens-Art der Löwen und Wölffe hielt. Gleichwol wäre seine Taffel dißmal auch für den Käyser selbst nicht zu geringe gewest /so wohl wegen der kostbaren Zubereitung / als wegen Seltzamkeit der Gerichte; unter welchen aber zu unserer Verwunderung ein Viertel von einem jungen Esel befindlich war; welches Mecenas seinen Gästen allezeit fürzusetzen soll gewohnt gewesen seyn. Maro uñ Horatz waren wie sonst täglich / also auch dißmal seine Gäste; wormit er durch Anleitung ihrer Getichte auch bey annehmlichem Zeitvertreib unvermerckt zu der Liebe der Tugend und Weißheit auffgemuntert würde. Aller dieser meiste Unterredungen waren eitel Lobopffer des Käysers; oder Lehren / wie man durch Tugend ein Leben bey der Nachwelt erhalten solte. Unter dieser Verträuligkeit nahm ich wahr / wie Mecenas ihm selbst ein Stücke von dem Esel-Viertel abschnitt / und bey dessen begieriger Verzehrung aller andern Köstligkeiten vergaß. Diesemnach ich von dem Vorschneider selbst ein Theil von diesem neuen Gerichte verlangte; welches mir / ich weiß nicht ob aus einem Zuge gegen dem Mecenas / oder seiner Gütigkeit halber überaus wol schmeckte; und daher anfing: Ich wünschte mir nun auch auf eine kurtze Zeit einen Kranchs oder Kamel-Hals mit dem Philoxenus; oder daß ich wie Pithyllus meine Zunge in ein Futter eingeschlossen gehabt hätte / um diese Süßigkeit so viel eigentlicher zu schmecken. Mecenas veranlaste den Indianischen Gesandten hiervon auch etwas zu geniessen; aber er war hierzu nicht zu bereden; weßwegen ich ihn schertzweise entschuldigte: In Indien äße man keine Hasen / daher müste der Gesandte auch der Aehnligkeit halber sich der Esel enthalten. Horatius begegnete mir: weñ des Römischen Frauenzimmers Glaube wahr wäre: daß das Hasenfleisch schön machte / müste es in Indien Mangel an schönem Frauenzimmer geben. Der Gesandte antwortete mit einem gleichmäßigen Schertze: die Indianer wüsten zwar die Eigenschafft beyderley Fleisches; alleine wie die Einwohner der Atlantischen Eylande kein Schwein / aus Beysorge / sie möchten kleine Augen beko en /wie auch keine Schildkröte äßen / aus Furcht nicht so schlammig zu werden; also [693] enthielten sich die Indianer der Hasen und Esel / um von ihren langen Ohren befreyet zu bleiben. Uber diesem Schertz-Gespräche ward eine Schüssel voll Phasan- und Pfauen-Gehirne auf den Tisch gesetzt / daher Maro anfing: Er merckte wohl / daß sie zu Athen wären / wo man kein Gehirne äße / weil man dessen so einen grossen Uberfluß auffzutragen hätte; iedoch wüste er nicht / ob nicht etwan ein Artzt oder ein Nachfolger des Pythagoras gegenwärtig wäre / indem die ersten das Gehirne für eine ungesunde / die letzten für eine unreine Speise hielten. Mecenas wolte seine Tracht vertheidigen / und versetzte: wenn diß wäre / warum nennte man deñ die Skarus-Lebern und andere niedliche Gerichte des Jupiters Gehirne? Es solten aber seine Gäste sich ja der Frehyeit diß zu erwehlen / was ihnen schmeckte / gebrauchen. Denn über den Geschmack hätte man keinen Richter / und es wäre nichts mehr als die Speise dem Aberglauben unterworffen. Die Römer enthielten sich weisser Hähne / der Köpffe und Geburts-Glieder von den Thieren / der Eyer / der Bohnen / des Viehes /welches keinen Schwantz hätte / aller vom Tische gefallenen Speisen / und niemand wüste eine Ursache zu sagen. Andere wolten von Hasen / Barben / und Maulbeer-Bäumen nicht essen / weil sie ihren Monatlichen Fluß haben solten. Ich / sagte Zeno / bestätigte es mit beygesetzter Nachricht / daß wider die Gewonheit der Juden die Einwohner des Eylandes Madagascar die von den Schildkröten gemästeten Färcklein für das köstlichste / und andere Indianer für das gesündeste Gerichte hielten. Die Scythen hingegen enthielten sich alles Getreides und Gegräupes als einer Nahrung für das Vieh / das Fleisch aber alleine für den Unterhalt der Menschen. Endlich mangelte es nicht an so wilden Leuten / welche rohe Därmer / klein geschnittene Haare in Honig / und das Bären-Unschlit / ja die Menschen selbst verzehreten / und von diesen die Brüste oder die Füsse / wie von den Bären die Klauen / ihren Obersten als Leckerbißlein fürlegten. Für welchem allem andere Leute ein Grauen und Abscheu hätten. Pythagoras hätte alle Fische verboten; Apicius hingegen hätte die Sardellen allen Speisen in der Welt fürgezogen / und sie dem Bithynischen Könige Nicomedes in denen sonst so verachteten Rüben aufftragẽ lassen. Bey den Colchiern hätte die Schulter / bey den Galliern das dicke Bein võ den Thieren den Vorzug; denen sonst schwerlich iemand einsti te. Als wir gleich am besten hiervon redeten / trat der Käyser unversehens in das Zimmer / welcher nur nebst Livien und der schönen Terentien / als des Mecenas Ehefrauen auff einem Nachen sich an dem Meerstrande in diesen Garten hatte führen lassen. Als wir nun alle über dieser unversehenen Ankunfft aufffuhren / ermahnte uns Augustus unsere Reye und Gespräche nicht zu verrücken. Denn es käme nicht der Käyser / sondern nur Octavius zu ihnen. Dieser Erinnerung beqvemten sich alsofort Mecenas / Maro / und Horatz / welchen des Käysers Art schon kundig war / und endlich auch wir Fremdlinge nach ihrem Beyspiele. In Warheit /Augustus hatte mit seiner Reichs-Last allen Schein eines so grossen Welt-Beherrschers derogestalt auff die Seite gelegt / daß ich ihn selbst ehe für einen Bürger / als für einen so grossen Fürsten angesehen hätte / und ich mich itzt so viel weniger wundere / wie die freyen Römer sich einem so freundlichen Fürsten so leicht dienstbar gemacht haben. Weil der Käyser aber gleichwohl vermerckte / daß seine Anwesenheit unserer Freyheit einigen Eintrag thät / indem doch Fürsten und Gestirne sich niemahls ihres Glantzes gar enteussern können; wolte er uns in unserer Lust nicht länger stören / sondern nahm nach unterschiedenen Schertz-Gesprächen von uns mit seinem Frauenzimmer Abschied; Livia aber sagte schertzende zum Mecenas / daß ihre Vermählung mit Terentien allererst[694] zu Rom sich endigte / und sie also ihm seine Beyschläfferin noch nicht zurücke lassen könte. Welches sie meines Bedünckens mehr uns fremden zum Anhören redete / den erschollenen Verdacht vom Käyser abzulehnen / daß er mit Terentien heimlich zuhielte. Wiewohl zu sagen Weltkündig ist / daß Livia anfangs mit Terentien geeyfert / und der Schönheit halber sich gezancket habe / biß sie hernach nicht alleine mit mehrer Klugheit zu dieser geheimen Buhlschaft ein Auge zugedrückt / sondern auch andere Frauenzimmer dem Käyser an ihre Stelle ins Bette gelegt / und durch diese verstattete Freyheit den Käyser ihr auffs festeste verknüpfft hat. Hierbey aber konte ich dem Mecenas nichts weniger als einen Unwillen oder Eyversucht anmercken / von welchem man mir vorher erzehlet hatte / daß er mit Terentien deßhalben in täglichem Gezäncke lebte / mehrmahls gewünscht haben solte Terentia / nicht Mecenas zu seyn; und daß die Römer deßwegen von ihm schertzweise sagten: Er hätte zwar nur eine Ehfrau / aber sie mehr als tausend mahl geheyrathet. Wie wir nun den Käyser biß an den Meer-Strand begleitet hatten / führte uns Mecenas durch einen langen Gang / der auff ieder Seite mit hohen Palmbäumen besetzt / auff der einen Hand mit dem saltzichten Meere / auff der andern mit einem süssen Weyher / in welchem die Feuerrothen Fische wie fallende Sternen schimmerten / angefrischet war /in einen prächtigen Saal voller herrlichen Seulen und Ertzt-Bilder. Wir betrachteten sie alle / so viel es die Zeit vertrug / und Mecenas nöthigte uns zu urtheilen /welches ieder für das beste Stücke hielte. Der Gesandte erwehlte die Andromeda aus schwartzem Marmel / vielleicht wegen Aehnligkeit seiner Farbe / ich das Bild der Verzweiffelung aus Corinthischem Ertzte / weil diese Unholdin wegen meiner verlohrnen Erato ohne diß meine tägliche Geferthin war / Zarmar aber das Bildniß des Todes aus Helffenbeine. Hierauff wiese Mecenas auff das Bild der Gemüths-Ruh / aus Alabaster / meldende: dieses aber gebe ich nicht für alle Bilder und Edelgesteine der gantzen Welt. Ich gestehe es / sagte Zarmar / daß die Gemüths-Ruh oder ein gutes Gewissen der gröste Schatz der Welt sey /ich aber halte einen seligen Tod noch weit höher; denn jene ist zwar das Paradiß des Zeitlichen / dieser aber die Pforte zu der unvergänglichen Glückseligkeit. Ich höre wohl / sagte Mecenas / Zarmar sey kein Schüler des Dicearchus und Epicurus / welche gläubten / daß die Seelen mit dem Leibe vergehen / sondern vielmehr der Meinung / welche Pherecydes zu erst in Griechenland gelehret / Thales / Pythagoras / Plato /und Socrates aber bekräfftigt haben / daß der Tod nur eine Veränderung / aber keine Verderbung der Seelen sey. Oder pflichtet er dem Cebes / Zeno / und denen Stoischen Weltweisen bey / daß die Seele allererst mit Einäscherung der Welt verschwinden / oder mit Gott ihrem Ursprunge wieder würde vereinbaret werden? Zarmar antwortete: Er wäre derer keinem zugethan. Die erstern wären nicht für Menschen / sondern für Vieh zu halten; ja nicht werth / daß ihnen Gott eine unsterbliche Seele eingeflöst / wenn selbte ihnen nicht zur ewigen Pein dienete. Denn haben sie nie mit Augen gesehen / wie es den Frommen in der Welt so übel / die Boßhafften aber auff Rosen gehen? Wäre diß nun nicht der Gerechtigkeit Gottes zuwider / da in dem andern Leben die Seelen der Frommen nicht solten erqvicket / der Lasterhafften gepeiniget werden? Haben sie nie wahrgenommen / daß die Seele ein eigenbewegliches Wesen und ein Geist / der Leib aber nur von verweßlichem Talck zusammen gekleibet sey? Solte nun jener herrliche Kern mit dieser leichten Spreu zernichtet werden? Was sage ich aber zernichten? [695] Auch der Leib kan durch keine Kunst / durch keine Gewalt zernichtet; sondern nur in was anders verwandelt werden. Sintemal eines Wesens Verterbung eines andern Geburt ist. Wie mögen diese Blinden die himmlische Seele der Zernichtung unterwerffen? haben sie nie beobachtet: daß ihre eigene Seele das vergangene gedencke / das Gegenwärtige verstehe / und eine freye Herrschafft über den Leib als seinen Dienstboten ausübe / und seine viehische Regungen unterdrücke? Wer wolte nun glauben / daß diese Gebieterin der vergangenen / gegenwärtigen / und künfftigen Zeit eines Augenblicks Einäscherung unterworffen sey? daß diese gewaltige Frau aus ihres Knechtes Munde den lebenden Athem ausblasen solle? Haben sie mit ihrer Seele nie begriffen / was in die Sinnen des Leibes nicht fallen kan; hat sie nie gebillicht / was dem Auge unglaublich scheinet; Als daß der kleineste Stern grösser als der Erdbodem; hat sie die Wollust nie verfluchet / derer Kützel doch dem Leibe so wohl thut? Wie mag ihnen denn ihre Zertrennung bey der Erblassung des Leibes so unmöglich scheinen? Die letztern Weltweisen aber sind wenig besser; weil sie die Seele einem irrdischen Leibe wie den Leib einem umbmäßlichen Orte anbinden / und selbte gleichsam nur für eine Bewegung / oder für ein Gewichte des Leibes halten / welches ihn als eine Uhr fort treibe; ja wohl gar uns bereden wollen: daß das Wasser das feurige Wesen der Seele ersäuffen / oder eine grosse Last selbte wie einen Rauch zertheilen könne. Da sie selbst doch gestehen: ihr Ursprung rühre von Gott / wie der Tag von der Sonnen her /und dahero sey sie nichts minder als Gott / der nichts leibliches an sich hat / für ein von der Glieder irrdischen Hütten absonderliches Wesen zu halten / welches ohne den Werckzeug des Leibes in und von sich selbst genugsame Krafft zu würcken habe. Die mitlern haben durch erblickte Ewigkeit der Seelen zwar ein grosses / iedoch lange noch nicht vollkommenes Licht der Warheit erkieset. Mecenas hörte ihm begierig zu / und fing nach einem langen Nachdencken an: Ich bin zwar auch der Meinung: daß die Seele durch den Tod sich aus ihrem Kercker des Leibes in vergnüglichere Freyheit entreisse; Aber warum soll ich nicht die Ruhe des Gemüthes / die eingebohrne Tochter der Unschuld / die warhaffte Gebärerin künfftiger Ergetzung / als den Lebens-Balsam des gegenwärtigen Lebens dem Tode fürziehen? Ist dieser nicht nur der Scherge / der uns die Fessel loß macht; jene aber die Befehlhaberin Gottes / welche unsere Erlösung anordnet? ja der Vorschmack des Himmels / wie ein böses Gewissen der Hölle? Denn wie dieses allezeit die Furcht der Straffe in seinem Busem trägt; also schmecket die ihr bewuste Unschuld schon die Freude ihrer Vergeltung. Zarmar versetzte: Ich gebe allem diesem Beyfall; ja ich weiß: daß ein lasterhafftes Leben nicht so wohl ein Leben / als ein Trauren sey. Der Geist / der es beseelet / ist eine blosse Einbildung; diese aber schon sein Hencker und seine Folterbanck. Die Furcht verfolget einen Boßhafften ärger / als der Schatten den Leib. Seine Lust-Häuser /könten sie gleich schöner / als dieses seyn / sind seine Kercker / welche der gantzen Welt / nur ihm nicht gefallen. Von seinen Blumen-Beethen genüssen andere die Rosen / er nur die Dornen. Da auch diese gleich zuweilen eine unvorsichtige Hand verwunden / so durchstechen sie aber ihm seine Seele. Seine bangsamen Seuffzer verjagen den kräfftigen Geruch / wormit die Blüthen der Granat-Aepffel / und die Jasminen die Lufft einbalsamen. Das Rauschen seiner Springbrunnen schreyet ihm in die Ohren: daß alle seine Eitelkeiten wie das Wasser zerrinnen / seine Marter aber unvergänglich seyn werde. [696] Der für Augen schwebende Verlust macht ihm sein Reichthum zur Uberlast / und auf das Altar / welches die Heuchler seiner Würde anzünden / liefert er sein Hertze selbst zu einem brennenden Opffer. Ja wer an der H \llenpein zweiffelt /frage ein böses Gewissen / so wird er vernehmen /daß es Hencker und Foltern / die man nicht sehe / und ein Leben gäbe / welches ärger als der Tod ist. Herentgegen / weil ein ruhiges Gemüthe unaufhörlich auf Gott / wie die Magnet-Nadel nach dem Angelsterne zielet / muß selbtes in einem Meer voll Ergetzligkeiten schwimmen; auch nichts anders / als diß / die unvermeidliche Noth zu sterben verzuckern; ja seine bitterste Galle zwischen glüenden Zangen annehmlich machen: also daß / wie schwartz und grausam er denen Lasterhafften fürkommt / er dennoch von jenen als ein liebreicher Bräutigam umarmet wird. Aus welchem Nachdencken der Meister dieses Todtenbildes vielleicht das annehmliche Helffenbein zu einem sonst so abscheulichen Gespenste erkieset hat. Alleine es ist nicht möglich / daß ein Mensch entweder aus einem tieffen Schlaffe der Unachtsamkeit / oder aus einer falschen Eigenliebe ihm eine Gewissens-Ruh mache /und bey seiner gefährlichsten Kranckheit gleichwol keine Schmertzen empfinde? Pflegen nicht die / welche aus ihren Lastern ein Handwerck gemacht / alle Stachel des Gewissens zu verlieren; ja sich über ihrer begangenen Boßheit noch zu kitzeln? Oder schweben wir elende Menschen nicht allhier auf so glattem Eise / daß wer heute stehet / morgen zu Bodem fällt? Einen Ringer aber krönet nicht der gute Anfang / sondern ein herrliches Ende; Einen Menschen nicht seine eigene Beruhigung / sondern ein seliger Tod. Mecenas begegnete ihm: Ich vertheidige ein gutes Gewissen /welches keine andere / als einen tugendhafften Wandel zur Mutter hat; nicht die Schlaffsucht derer / die in dem Schlamme der Sünden ohne einige Empfindligkeit stecken. Dahero müssen diese Mahblumen nicht mit wohlrüchenden Rosen vermengt werden. Ich kenne auch zwar nicht die menschlichen Schwachheiten; Aber die Absetzung von einem guten Absehen klebet nur fahselnden Buhlern / oder Gleißnern an. Denn in der Tugend steckt eine kräfftige Anmuth /daß wer sie nur einen Augenblick wahrhafftig lieb gewonnen hat / selbte sie sein Lebetage nicht hassen kan. Vollkommentlich aber kan niemand was lieben /der es nicht vorher eigentlich erkennen lernen. Die Tugend aber erkennen ist eine Verbündnüß mit Gott /ein Ancker der Seligkeit / ein Geschmack über alle Süßigkeiten der Wollust / und alle Bitterkeiten des Lebens. Diesemnach der weise Epicur zu sagen gepflegt hat: Ein Weiser würde nicht des Lebens überdrüßig / und verlangte nicht zu sterben / wenn man ihm schon beyde Augen ausstäche. Und er würde allezeit den Göttern für Erhaltung des Lebens danckbar seyn / wenn sie ihn schon nach so vielen Liebkosungen lähmeten / verstellten / zum Krievel werden und am Kreutze stehen liessen. Zarmar begegnete ihm: Er wäre wol selbst kein Weichling / noch auch ihr Vertheidiger / sondern er hielte es für die gröste Tugend in einem preßhafften Leibe einen freudigen Geist behalten. Alleine diß wäre eine allzu strenge Grausamkeit gegen sich selbst / aus Haß gegen dem Tode / erbärmlich zu leben wünschen; wiewol diß nicht ein Leben / sondern eine Tauerung der Pein / ja vielmehr ein langsames Sterben wäre. Es schiene eine schnöde Bettelung der Furcht zu seyn / wenn man lieber die Seele gleichsam Tropffen- oder Stückweise / und durch eine langsame Schwindsucht / als auf einmahl behertzt auszublasen wünschte. Er hielte die Nothwendigkeit zu sterben eben so wol für eine Wolthat der Natur / als ein Gefangener einem zu dancken Ursach hätte / der ihm die Fessel aufflösete. Dannenhero müste man sich der Begierde zu leben enteusern / weil es doch insgemein befleckt oder beschwert wäre; den Tod aber [697] am wenigsten fürchten. Denn es wäre doch wenig daran gelegen / wenn man diß überstünde / was man endlich einmal überstehen müste. Es hätte nichts auf sich / wie lange; wol aber / ob man wol lebte. Ja vielmal bestünde die Güte des Lebens darinnen / daß es kurtz wäre. Mecenas antwortete: Es wäre wol eine Thorheit zu leben / um vom Schmertze gefoltert zu werden / aber eine grössere Zagheit / des Schmertzens halber zu sterben. Denn wer um dieses Henckers sich zu entschlagen ihm das Leben verkürtzte / oder sich nur nach dem Tode sehnete / stürbe nicht / sondern würde als ein Zärtling von Kleinmuth überwunden. Es wäre eine grosse Vergnügung lange mit sich selbst umgehen / wenn man anders sich durch Tugend würdig gemacht hätte sein zu genüssen. Und daher dörften nur die Lasterhafften für einem ängstigen Alter Eckel haben / und eine stinckende Leiche zu werden wünschen. So lange aber euserliche Ungemach / und der kränckliche Leib das Gemüthe nicht entkräfftet /und einem nicht nur die Seele / sondern das Leben übrig bliebe / solte ein Weiser das Tagelicht erfreuet anblicken / und nach der Abendröthe des Todes keinen Seufzer schicken. Ich / sagte Zeno / fiel hier ein /weil der Abend einbrach / und ich wahrnahm / daß Mecenas vom Käyser einen Zettel bekam. Beyde Meinungen kämen einander so nahe / daß sie schwerlich mehr unterschieden werden könten. Und ich hielte darfür / daß wenn Mecenas die Ruhe seines Gemüthes lange mit dem Leben behalten / Zarmar aber nach seiner verlangten Art sterben würde; beyde von dem allgemeinen Zwecke des höchsten Gutes nicht entfernet seyn könten.


Also nahmen wir mit gröster Vergnügung vom Mecenas Abschied / fanden aber in unserm Hause zu höchster Verwirrung die drey k \stlichen Stücke / welche wir gegen dem Mecenas / als die schätzbarsten /gerühmet / schon als sein Geschencke für uns stehen. Diesemnach wurden wir schlüßig auf den Morgen uns in den Garten des Mecenas zu verfügen / und an die ledige Stellen etliche Seltzamkeiten / die wir aus Morgenland mit gebracht / zu versetzen. Wir fanden aber die Lücken schon durch drey köstliche Bilder / nemlich einen Kopf Hannibals aus Berg Crystallen / einen Liebes-Gott aus Magnet- und eine Helena aus Agsteine ersetzt / und den Maro darbey / um selbten eine anständige Uberschrifft beyzusetzen. Wie wir nun dieses verstunden / gab ich dem Maro zu verstehen / daß wir die Freygebigkeit des Mecenas durch geringe Erkäntnüsse zu begegnen vermeinet hätten; wir sähen aber wol / daß unserm guten Willen schon eine sinnreichere Hand zuvor kommen wäre. Denn meines Bedünckens hätte der Bildhauer zu dem Kopfe des glück-und unglückseligen Hannibals nichts geschickters als zerbrechliches Glaß / zu der Liebe / welche den rauhesten Stahl an sich zeucht / nichts bessers als diesen Stein / und zu Helenen / welche Griechenland und Asien angezündet / und so viel tausend Augen-Thränen ausgeprest / nichts beqvemers / als den brennenden und aus denen Thränen der Sonnen-Töchter zusammen geronnenen Agstein nehmen können. Jedoch hofften wir / es würde Mecenas unser geringes Opffer der Danckbarkeit / oder vielmehr ein verächtliches Gedächtnüß-Mahl nicht verschmähen. Hiermit ließ der Gesandte ihm ein breites Becken aus Agat / darinnen von Natur ein grünlicher Frosch gewachsen war /reichen / und legte des Hannibals Haupt darein. Dem Cupido hieng er einen mit Diamanten versetzten Köcher um / mit Andeutung: weil der Magnet bey Diamanten seine Krafft verlieren solte / wolte er durch diesen Beysatz auch die Hefftigkeit der Liebe etwas mäßigen. Ich hatte in Egypten das Bild des Paris erkaufft / welches Euphranor aus Thebaischem Steine so künstlich gehauen hatte / daß es ihn zugleich als einen Richter der drey Göttinnen / als einen Liebhaber [698] Helenens / und einen Erleger des Achilles fürstellte. Dieses ließ ich nebst die Agsteinerne Helena setzen /als welche fürlängst Liebe und Verhängnüß zusammen vermählet hätte. Maro verwunderte sich über unsere so wol eintreffende Geschencke / konte sich auch kaum bereden lassen / daß wir von diesen neuen Bildern des Mecenas keinen Wind kriegt haben solten /sondern diese Einstimmung aus blossem Zufalle herrühren solte. Nebst diesem meldete er / weil er in diesem Garten nichts zu befehlen hätte / könte er uns unsern Geschencken zwar nicht den Raum verschrencken / iedoch zweiffelte er / daß Mecenas sich würde überwinden können selbte anzunehmen. Deñ wir möchten glauben / daß es gefährlich wäre / bey ihm etwas zu loben / daß man es nicht selbige Stunde noch in sein Hauß bekäme. Ja wie groß gleich die Freygebigkeit des Käysers gegen den Mecenas wäre /so verwendete doch Mecenas diß und ein mehrers zu nichts anderm / als dem Augustus hierdurch die Gemüther tapfferer Leute zu erkauffen; also / daß der Käyser mit seinen Geschencken mehr ein Kauffmann /Mecenas aber mehr des Käysers guter Haußhalter /als sein Schoßkind zu seyn schiene. Hierentgegen vermöchten ihm gantze Länder / denen er gleich die Freyheit von allen Schatzungen erbeten / nicht ein Crystallen Gefäß einzunöthigen; weil er theils die Verbindligkeit der Gemüther aller Welt Schätzen vorziehe / theils seine Wolthaten nicht mit dem Schatten des geringsten Eigennutzes verdüstern wolte. Niemals aber hätte ihn der Käyser selbst bewegen können / einiges Ampt oder Ding / das ein Verda ter besessen /und zu der Käyserlichen Schatzkammer eingezogen worden / anzunehmen / gleich als wenn des vorigen Besitzers Laster hiermit auch auf ihn verfielen. Maro hatte diß letzte Wort noch im Munde / als Mecenas selbst in den Saal trat / und nach unserer freundlichsten Bewillkommung auf des Maro Winck unserer Gegengeschencke gewahr ward. Worauf er denn alsofort sich als beschämt zu seyn beklagte / daß wir durch unsere übermäßige Vergeltung ihm nicht allein sein Unvermögen uns nach Verdienst zu beschencken / für Augen stellten / sondern auch / da wir uns nicht erbitten liessen ihn dieser allzu schätzbaren Gaben zu überheben / ihm ein Verbrechen wider sein Ampt aufnöthigten. Gegenwärtige an den Ecken der Blumenstücke stehende Bilder erinnerten ihn seiner Schuldigkeit / daß eines Fürsten Diener zwar Augen / um die Früchte seines Herren zu bewachen / nicht aber Hånde selbte abzubrechen haben solte. Die anfängliche Uberwündung anfangs was von einem guten Freunde anzunehmen / ziehe leicht eine Begierde nach sich auch diß / wormit die Boßheit den redlichsten Richter zu bestechen versuchet / nicht zu verschmähen. Denn der Geitz und das Feuer wachse von dem /wormit sich beydes sättigen solte. Alleine solche Diener / wenn sie sich mit dem Raube des Volckes über alle Maaß überleget / würden hernach nicht unbillich als Schwämme von ihren Fürsten ausgedrückt / oder sie würden auch ein fettes Schlacht-Opffer des ausgesogenen Pöfels / und erführen mit ihrem Untergange zu spät / daß sie wie die Holtzwürmer ihnen zwar in grosse Bäume ehre Wohnungen gebauet hätten / mit dem ausgefressenen Stamme aber endlich zu Grunde giengen. Am ärgsten aber wäre / daß solche unersättliche Leute mit ihrem Laster noch den unschuldigen Fürsten besudelten / in dem das Volck selbten entweder für unachtsam / der seiner Diener Schalckheiten übersehe / oder für eben so boßhafft hielte / der an solchem Raube theil hätte. Wir hingegen baten: unsere Geringigkeiten nicht durch den Nahmen einer Vergeltung noch mehr zu vergeringern. Denn / ob wir wol durch seine Wolthaten uns von Natur hierzu verbindlich erkennten / so überstiegen sie doch das Maaß unserer Kräfften. Uberdiß hielten wir darfür / daß die Danckbarkeit alleine mit dem Hertzen / die Zahlung aber durch Liefferung eines [699] gleichgiltigen Dinges geschehe. Mecenas solte erwegen / daß die Gesetze der Freundschafft nicht nach der Richtschnur des Eigennutzes abzumåssen wären / und bey so gestalten Sachen hätten sie auch des Mecenas so ansehnliche Gaben zurück senden sollen. Von iederman Geschencke annehmen wäre Geitz / von vielen eine Niedrigkeit des Gemüthes / von niemanden eine Grausamkeit. Unser Absehen wäre allein die Ehre zu haben /daß unsere Scherben an dem Orte stehen dörfften /wohin der Käyser etwas zu setzen für ein Glück schätzte / und wohin alle Völcker ihre Seltzamkeiten /als einen der Tugend schuldigen Zinß zu lieffern verbunden wären. Ja da er dem wenigen den Raum nicht erlaubte / liesse seine Höfligkeit es zwar für keine Verachtung ausdeuten; allein es würde zu Athen nebst seiner Wolthat / unser Undanck ruchbar werden. Niemand aber solte aus dem Ehre suchen / was zu eines andern Verkleinerung gereichte. Mecenas zohe die Achseln ein / und vermeldete: Es wäre zwar einer Verwerffung des Geschenckes nicht unehnlich / wenn selbtem ein grösseres auf der Fersen zurück folgte; alleine er müste nur der Ubermasse unser Höfligkeit sich unterwerffen / und bey seiner Schamröthe trösten / daß gute Gemüther zwar Wolthaten nicht vergessen könten / wol aber zuweilen darfür müsten Schuldner bleiben. Die Erkäntnüß der Schuld aber wäre schon ein Theil der Vergeltung / vielmal auch einer Vergeltung fürzuziehen. Hiermit kam Mecenas zu genauer Betrachtung unserer Geschencke / welche er über ihren Werth nicht genung zu schätzen wuste. Als er aber in dem Agathenen Becken den grünlichten Frosch erblickte / vermochte er seine Gemüths-Regungen nicht mehr im Schrancken zu halten / brach dannenhero heraus: Ihr Götter! hättet ihr unter irrdischen Dingen mir selbst wohl ein annehmlicher Geschencke zu liefern vermocht? Oder habt ihr nichts minder den Pinsel der Natur / als das Gemüthe des Masulipats gereget / daß sie dieses beliebte Bild in die Adern dieses edlen Steines eingepreget? Wie wir nun einander ansehende uns bekümmerten / was den Mecenas eigentlich zu dieser Regung verursacht /wiese er uns an seiner Hand den Petschir-Ring / in welchem auf einen vielfärbichten grossen Opal ein Frosch gegraben war. Sehet / fing er an / hier den Stein / wessentwegen Marcus Antonius den Nonius von Rom verjaget / und welchen zu erhalten Nonius lieber sein Vaterland verlassen wollen. Diesen aber hat Nonius hernach für grosse Wolthaten dem Käyser freywillig / der Käyser aber mir geschencket / und weil ich mir zum ewigen Wapen meines Geschlechtes einen Frosch erwehlet / solchen darein graben lassen. Wie hoch ich diesen zeither geschätzet / kan Maro zeugen; also lasse ich sie allerseits urtheilen / wie viel höher ich dieses mein von der Natur selbst gemahltes Wapen zu schätzen habe. Mit diesen annehmlichen Abwechselungen brachten wir schier biß an Mittag zu / als Mecenas zum Käyser beruffen ward. Maro erzehlte uns hierauf / daß als Augustus den Sphinx / als sein mütterliches Wapen / mit dem Bilde des grossen Alexanders verwechselt / hätte Agrippa / wie für Zeiten Agamemnon / einen Löwen-Kopf / Mecenas aber einen Frosch erkieset. Dieser habe seine Erfindung von den Egyptiern / welche mit dem Frosche auf einer Wasserblume die menschliche Unvollkommenheit fürbilden / entlehnet / und zu seiner Erinnerung ihm dieses verächtliche Thier fürgestellet / daß / wie ein Frosch mit seinem Vordertheile aus dem todten Schlamme sich zu reissen bemühet / wenn gleich sein unbeseelter Hinterleib noch Erde ist; also die Seele des Menschen nicht in dem Kothe irrdischer Dinge /oder unter der Bürde seines beschwerlichen Leibes verstarren / sondern sich zu Gott empor zu schwingen bemühen solte. Maro weiste uns hierauf in einem Lusthause allerhand von Fröschen genommene Sinnenbilder. [700] Uber einem von der Erde ins Wasser springenden war geschrieben: Allenthalben; um anzuzeigen / des Frosches Geschickligkeit im Wasser und auf der trockenen Erde zu leben / wäre eine Anweisung /daß ein vernünfftiger Mensch in Glück und Unglücke einerley Gesichte behalten solte; Darneben hatte ein-gegen einer den Rachen aufsperrenden Schlange hüpffender Frosch ein Stöcklein qver über im Maule / mit der Uberschrifft: Mit Vernunfft / nicht durch Stärcke; Zur Anweisung / daß man durch Fleiß und Klugheit seiner Schwäche zu Hülffe kommen solte. Ferner hatte ein auf dem Rücken mit Bienen besessener Frosch diese Uberschrifft: Gegen das empfindlichste unempfindlich; wordurch angezielet war / daß wie die Frösche die schärffsten Stiche der feindlichen Bienen nicht fühlten; also solte ein Tugendhaffter sich die Verfolgungen des Glücks / und die Anstechungen der Verleumder nichts anfechten lassen. Auff einer andern Taffel lag ein auffgeschnittener Frosch / mit zweyen heraus hangenden Lebern auf einem Altare. Darüber war zu lesen: Solch Glücke in der Verächtligkeit; Um anzudeuten / daß wie die Frösche zwar geringe Thiere wären / und doch zwey Lebern hätten; also die Demuth eine Mutter des Glückes wäre. Sintemal bey den Opfferungen für das schlimmste Zeichen gehalten ward / wenn das dazu bestimmte Vieh keine Leber / für das glückseligste aber / wenn es zwey Lebern hatte. Jenes befand sich also / als Marcellus vom Annibal erschlagen ward; dieses aber begegnete dem August zu Spolet. Deßwegen ihm auch der Priester auf selbiges Jahr die Erlangung einer zweyfachen Herrschafft ankündigte / wohin dieses Sinnbild vielleicht auch zielen mochte. Ferner war auf einem Kupffer-Blatte ein- an einer Angel ins Wasser gehenckte Frosch gemahlet / an welchen sich zwey Purpur-Muscheln hingen / sonder einige Beyschrifft. Maro erzehlte / der Käyser hätte diß Gemählde dem Mecenas gegeben / und / so viel er urtheilen könte / ihm darmit zu verstehen geben wollen / daß wie die Purpur-Schnecken eine sonderbare Neigung hätten sich mit Fröschen zu speisen; also hätte auch er und Livia am Mecenas eine sonderbare Vergnügung. Viel andere daselbst befindliche Sinnbilder / sagte Zeno / möchte er nicht erzehlen / auser noch eines / wie nehmlich ein gegen der Sonne aufgestellter Frosch sein Maul in den Schlamm steckte / mit beygesetzten Worten: Eine stillschweigende Verehrung; welches lehren solte /daß wie die des Nachts lauten Fr \sche gegen dem Tage verstu ten; also solte ein vernünfftiger Staats-Diener seinem Fürsten nie widersprechen. Hertzog Herrmann fing an: Er hätte den Mecenas gekennt /und er würde nicht nur seiner Gewogenheit / sondern auch seiner Tugenden halber sein Gedächtnüß allezeit hoch halten. Allein er hätte dem Mecenas gewünscht /daß selbter noch zweyerley Anmerckungen von denen so beliebten Fröschen genommen hätte; von welchen man glaubte / daß wenn man einem lebenden Frosche die Zunge ausrisse / ihn fortschwimmen liesse / und sie einem schlaffenden Weibe aufs Hertze legte / sie alle ihre Heimligkeiten / darum sie gefraget würde /eröffnete. Weñ man aber mit einem Schilffe einen Frosch zum Geburts-Gliede hinein / und zum Maule heraus stäche / dieses aber hernach in ihr Monats-Geblüte steckte / kriegte sie für Ehbruche eine Abscheu. Hätte nun diß letztere Mecenas gethan / würde ihm seine Terentia keinen so bösen Nahmen / und ihm keinen Spott zugezogen haben. Hätte er auch Terentien / und sie nicht ihm die Heimligkeit seines Herrschens heraus gelockt / so hätte er nie vom Käyser wegen ihr entdeckter Murenischen Verschwerung gescholten [701] werden dörffen. Zeno antwortete: Es ist diß sehr klüglich erinnert / und ich weiß / wenn Mecenas noch lebte / und es selbst hörete / würde er für so aufrichtige Lehren danckbar seyn / und sie seinen Sinnebildern noch beysetzen. Nach derselben Betrachtung /führte er uns bey der sich vergrössernden Mittags-Hitze in eine mit vielen künstlichen Springwassern erfrischete Höle / darinnen wir wieder unser Vermuthen die Taffel aufs köstlichste zugerichtet antraffen. Weil nun Mecenas sich selbst nicht vom Käyser entbrechen konte / kamen auff sein Ersuchen Cneus Calpurnius Piso / der für Jahren schon Bürgermeister gewest war / Licinius Nerva Silanus / und Marcus Furius / alle Römische Rathsherren /uns die Zeit zu verkürtzen. Etliche folgende Wochen brachte Mecenas mit dem Gesandten meistentheils in geheimen Handlungen /ich aber theils in Beschauung der denckwürdigen Sachen zu Athen / theils auch mit Ergetzligkeiten auf dem Lande / und mit Durchlesung des vom Mecenas scharfsinnig beschriebenen Prometheus zu; welch Buch mir Maro in Vertrauen geliehen / und mich dadurch nicht wenig vergnügt hatte. Sintemal er anfangs darinnen die Geschichte des Prometheus / wie er einen Erfinder der Sternen-Bildhauer- und anderer Künste /ein Artzt / einen Ertzt- und Kräuter-Verständigen /einen Wahrsager abgegeben; hernach ihn als ein herrliches Fürbild des Käysers August / und dessen gantze Herrschafft in Sinnbildern beschrieben hatte. Käyser Julius war in der Gestalt des Japetus / als sein Vater / und das Bild der Themis / als seine Mutter /Antonius in der Gestalt des vermessenen Epimethus fürgestellet / welcher aus Cleopatrens Wollust-Gefässen / wie aus der Schachtel Pandorens alles Böse heraus fliegen ließ. Insonderheit war nachdencklich zu sehen / wie der Käyser als der andere Prometheus das thönerne Bild der Stadt Rom von Stück zu Stück in Marmel verwandelte / und die herum in einem Kreisse abgebildeten Völcker der Welt allerhand kostbare Edelgesteine / Perlen / Gold / Ertzt und andere Schätze zu Auszierung dieses Bildes zulangeten; weil er derogestalt sein Vaterland verbessert zu haben sich rühmte; an einem andern Orte / wie er diesem Römischen Bilde die Hertzhafftigkeit der Löwen / die Scharfsichtigkeit der Adler / die Klugheit der Schlangen / die Frömmigkeit der Störche durch Einhauchung dieser Thiere einflöste / und dardurch den ersten Prometheus weit übertreffe / als welcher seines mit der Furcht der Hasen / der Arglist der Füchse / der Maulwürffe Blindheit / mit der Hoffart der Pfauen / und der Grausamkeit der Tyger ausgerüstet hätte. Ferner war der Käyser abgebildet / wie ihm Minerva biß an den Wagen der Sonnen empor half / daran er die Fackel der Weißheit anzündete / und dieses edle Feuer nach Rom brachte. Der Adler / welcher dem Prometheus auf dem Gebürge Paropamisus die Leber fraß / war auf die Römische Herrschafft ausgedeutet / welche August ihrer Beschwerligkeit halber niederzulegen offt entschlossen war; gleichwohl aber auff des Mecenas Einrathen dem gemeinen Wesen zum besten /diese Sorge täglich an ihm nagen ließ.

Nach dem nun Masulipat mit dem Mecenas zum Schlusse kommen war / kam folgenden Tages Mecenas sehr früh zu uns / und führte uns in Athen herum /unter dem Vorwand die Seltzamkeiten dieser berühmten Stadt zu zeigen. Wir fuhren durch die heilige Pforte / und traten zu erst im Anaceon / oder dem berůhmten Tempel des Castor und Pollux ab / darinnen Pisistratus die Bürgerschafft versa lete / als er sie zu entwaffnen vor hatte. Neben dem Tempel ist der Marckt leibeigener Knechte. Von dar fuhren wir über eine Höhe in den lustigen Garten des weisen Melanthius /darinnen des berühmten Redners Lycurgus Grab / und ein Marmel-Bild des wider den Riesen Polybotes[702] kämpffenden Neptunus würdig zu sehen war. Hernach betrachteten wir den Spatzier-Gang und den Ubungs-Platz des Mercur / wie auch den Tempel des Bacchus / wo vorher des Polytion Hauß gestanden hatte / darinnen die Elevsinischen Geheimnüsse vom Alcibiades waren entweihet worden. Wir fuhren hierauf zu dem Grabe des Deucalion / und dem Graben / worinnen das letztere Wasser der Sündfluth versuncken seyn soll. Nach diesem betrachteten wir den Tempel des Saturn und der Rhea; fürnehmlich aber den des Olympischen Jupiters / welcher als der gröste Tempel der Welt die Grösse dieses Gottes abbilden sol. Hierauff leitete uns Mecenas durch die Egeische Pforte in das prächtige Hauß und die Gärte des Egeus / darinnen das vom Phidias gemachte Bild der Venus alle andere Kostbarkeiten übertraf. Weil es nun bereit über den Mittag war / liessen wir auf der rechten Hand den Tempel der himmlischen Venus / Isocratens Grab /der Cynischen Weltweisen Schule liegen / und besahen allein in der Eyl den Tempel des Hercules / und sein Bild / des Gelades Meisterstücke / den Phidias zum Lehrmeister gehabt. Die Huren-Kinder wurden allhier geübt / und verehrten den nicht besser gebohrnen Hercules. Hierauff ließ Mecenas in vollen Bügen auff einen dem Tritonischen Fels gegen über liegenden Hügel rennen / auf welchem für Zeiten Museus seine Gedichte abgelesen / die Athenienser / als Theseus mit den Amazonen stritt / ihr Läger geschlagen /und endlich die Macedonier um Athen im Zaume zu halten / eine Festung gebaut hatten / woraus sie aber hernach vom Olympiodor getrieben wurden. Allhier traffen wir unter dem Schatten der Oelbäume eine prächtig-bereitete Taffel an; worbey nach den auserlesensten Saiten-Spielen des Museus Gedichte abgesungen / und zwar die Orte / wo eines oder das andere geschehen seyn solte / von dieser das Auge weit über Land und Meer tragenden Höhe durch den Maro gewiesen wurden. Gegen Abend führte uns Mecenas in den Tempel des Bacchus / darinnen täglich vierzehn Priesterinnen den Gottesdienst verrichteten. Wir lasen an einer in der Mitte stehenden Marmel-Säule die alten Heyraths-Gesetze der Atheniensischen Könige /welche nur eine in Athen gebohrne und auferzogene Jungfrau heyrathen dorfften. Von dar fuhren wir in den Schauplatz des Bacchus / in den Spatzier-Saal des Eumenicus / in den Tempel der Proserpina / der Lucina / und den überaus prächtigen der güldenen Dreyfüsse / darinnen wir den unvergleichlichen Satyrus / welchen Praxiteles nebst dem der Phryne geschenckten Cupido für sein Meisterstücke hielt / und daher dem Bacchus wiedmete / nicht genung betrachten konten. Endlich als es schon dämmerte / kamen wir in den Tempel des Serapis. Unterweges erzehlte uns Mecenas / daß Augustus zum Gedächtnüsse und zu Dancksagung für die ihm in Egypten wider Cleopatren / und die Mohren-Königin Candace erhaltenen Siege daselbst ein marmeln Altar hätte aufsetzen lassen / welches selbigen Abend der Isis eingeweihet werden solte. Der Tempel war hin und her mit einer Ampel ein wenig erleuchtet. Wie viel Volck gleich darinnen sich befand / spürte man doch ein allgemeines Stillschweigen. Kurtz nach unser Ankunfft ward ein Alabasternes Bild der Isis auf einem güldenen Wagen mit zwey zahmen Löwen in den Tempel bracht / welchem Augustus / Livia und Terentia auf dem Fusse folgten; die denn auch nebenst den Priestern selbst mit Hand anlegten / solches auf das Altar zu heben. Das Bild stellte ein Frauenzimmer für. Das Haupt krönten drey über einander gesetzte Thürme; das Haar war wellicht ausgebreitet / mit Korn-Aehren untermenget / [703] und mit einem Schleyer bedeckt; Uber den Schläffen ragten zwey gekrümte Schlangen herfür; am Halse stand das Zeichen des Krebses und Steinbocks / darunter aber Hercules mit einem Palmzweige / und Apollo mit einem Lorber-Krantze. Die Armen waren mit vier Löwen besetzt und ausgestreckt. In der rechten Hand hatte sie eine Leyer / in der lincken einen Wasser-Eymer / daran die gleichergestalt zu Sais in Egypten befindliche Uberschrifft zu lesen war: Ich bin alles / was gewest ist / und seyn wird. Kein Sterblicher hat meinen Schleyer noch auffgedeckt. Meine erste Frucht / die ich gezeuget / ist die Sonne. Und alles diß war mit einem Krantze aus Früchten und Blumen umfangen. Die Brust und der Leib bis an Nabel strotzte von eitel Brüsten / und ihr Gürtel war mit dem halben Monden und vielen Sternen besetzt. Der Unter-Leib biß über die Knichel steckte in einem engen Kessel; An dem Obertheile auf der einen Seite Diana / auf der andern Ceres; zwischen diesen drey gehörnte Hirschköpffe / und zwey Bienen eingeetzet waren. Im mitlern Theile ragten auf der Seite zwey Drachen / im untersten zwey Löwen herfür / zwischen beyden aber waren drey Ochsen-Köpffe zu schauen. Die Beine um die Knichel deckte ein zartes Hemde / die Füsse aber waren bloß / der eine stand auf der Erde / der ander auff Wasser. In das Altar war eingegraben: Der einigen Isis / welche alles ist. Wie dieses Bild nun feste gesetzt war /brachte man ein Meerkalb / und eine Gans herbey /welche ein Egyptischer Priester Choeremon / den der Käyser von Memphis her zu diesem neuen Gottesdienste bestellt hatte / schlachtete / und aufopfferte. Bey diesem Beginnen zohe mich Zarmar der Brahman auf die Seite / und sagte mir in ein Ohr: Lasset uns dieses besudelten Gottesdienstes / oder vielmehr dieser unzüchtigen Gottes-Spötter entbrechen! Ich versetzte / daß diß ohne Aergernüß des Volckes / und ohne Beleidigung so wol des Käysers / als des Mecenas nicht geschehen könte. Gott straffte auch die Versehrer eines irrigen Gottesdienstes / als welcher besser / als keiner wäre. Zu dem hielte ich dieses Heiligthum für eine Verehrung der Ceres oder Cybelens /welche er von Kind auff verehret / die Vorwelt aber damit die göttliche Erhaltung der gantzen Welt / oder die Natur fürgebildet hätten. Die Thürme bedeuteten die Schlösser der Gestirne / das Haar ihr Licht / der Schleyer ihre verborgene Würckung / die Aehren /Blumen und Früchte die Fruchtbarkeit / die Schlangen den veränderlichen Lauff des Monden / der Krebs und Steinbock die zwey eusersten Ziele der Sonnen; Hercules und Apollo die Schutz-Götter dieser zwey Ende / die Löwen die Stärcke der Natur / die Leyer ihre Eintracht / der Wasser-Eymer den Regen / die Brüste vielerley Art der Ernährung / der Gürtel die rundte Bewegung des Gestirnes / Diana die Wälder und Gärte / Ceres die Land-Früchte / die Hirschgeweihe die Sonnenstralen / die Drachen Gottes scharfsichtige Wachsamkeit / die Ochsen den Ackerbau / die Löwen den Bestand / das Hemde ihre Bekleidung / die nackten Füsse die Geschwindigkeit / die Bienen die Ordnung der göttlichen Vorsorge. Ich verstehe diß alles wol / antwortete mir Zarmar. Aber siehest du nicht /daß Augustus seine unzüchtige Liebe unter diesem Gottesdienste verblüme / und nach dem Beyspiele des Lasterhafften Jupiters / welcher seine Kebsweiber unter die Gestirne versetzt haben soll / seine Ehbrecherin auff Altäre hebet / und aus einer geilen Venus eine heilige Isis macht. Ich trat hierauf etliche Schritte näher zum Altar / und als ich bald die Isis / bald die Terentia genau betrachtet hatte / ward ich gewahr /daß beyde einander / wie ein [704] Ey dem andern ähnlich waren. Ich wandte mich hierauf wieder zum Zarmar /meldende: Ich sehe nunmehr die Ursache deines Unwillens; Ob ich nun wohl weder die Geilheit Augustens / noch die Verhängung der blinden Livia entschuldige; so laßt uns doch lieber diese Laster verdecken / als durch ihre Eröffnung so viel tausend Einfältige ärgern. Bildnüsse sind ohne diß keine Abdrückungen der nichts leibliches an sich habenden Götter /sondern nur ein Schatten ihrer Eigenschafften; welche Prometheus erfunden / die Perser allemal verdammet /und aus gleichmässigem Aergernüsse Diagoras Melius des Hercules Säule auf einem Holtz-Stosse verbrennet haben soll. Denn da man nicht einst die menschliche Seele mit Ertzt und Stein abzubilden vermag / wie viel weniger lässet sich Gott / der über die Seele / ja über die Natur ist / derogestalt nachpregen. Daher haben die Griechen von den Phöniciern die Bilder ziemlich langsam bekommen / und Rom hat hundert und sechtzig Jahr ihre Götter ohn einiges Bild verehret. Ja Zenon verda te die / welche ausserhalb ihres Hertzens / Gott zu seiner Wohnung einigen Tempel bauten / als welche ebenfalls von Anfang aus Grabe-Städten ihren Ursprung erhalten. Laß uns daher diesen Alabaster-Stein nicht als ein Ebenbild /sondern als ein blosses Denckmal der Isis anschauen. Haben doch die Götter nicht nur in Egypten Gestalten wilder Thiere / sondern bey den Brahmannen selbst habe ich das Bild G \ttlicher Weißheit mit einem Elefanten-Kopfe angetroffen. Die Götter sehen ohne diß nicht die Herrligkeit ihrer Götzen / sondern die Andacht der Betenden an. Wie viel derer haben bey der Anadyomenischen und bey der Gnidischen Venus Hülffe gefunden; da doch der ersten Bild Apelles nach sein und des grossen Alexanders Buhlschafft Pancasta gemahlet / die andern aber Praxiteles nach der üppigen Phryne / wie selbte an dem Elevsinischen Feyer sich für dem versa leten Griechenlande entblössete /gebildet hat. Die Stadt Tyrus soll denselben Jahrs-Tag an grossen Alexander über gegangen seyn / als die Carthaginenser das grosse ertztene Bild des Apollo zu Gala aus dem Tempel geraubet / und nach Tyrus geschickt / die Tyrier aber / als wenn es für den Feind kämpfte / schimpflich verspeyet; ungeachtet selbtes nach dem Ebenbilde des grossen Wüterichs Phalaris in Sicilien soll gegossen worden seyn. Mit dieser Einredung hielt ich den unwilligen Zarmar so lange auf /biß das Opfer sich endigte / und wir also aus dem Tempel zu kommen Gelegenheit bekamen. Gleichwohl blieb Zarmar voller Unwillen / also; daß er heraus brach: Er wüntschte und hoffte von der Gottlosen Terentia ein eben so erbärmliches Ende zu erfahren /als der Spötterin Pharsalia begegnet / welche sich zwar nicht gescheuet die von dẽ Philomelus aus einem Tempel geraubte und ihr als seiner Buhlschafft geschenckte güldene Krone der Daphne zu tragen / welche die Lampsacer hinein gewiedmet hätten; aber hernach von denen darüber unsinnig werdenden Priestern zerrissen worden wäre. Terentia aber wäre ungleich straffbarer / welche nicht nur einen heiligẽ Krantz stehle / sondern sich selbst zu einer Gottheit machte.

Beym Abschiede für dem Tempel ersuchte uns Mecenas / wir möchten folgenden Tag ihm in Beschauung der Stadt ferner vergnügliche Gesellschafft leisten. Diesem zu folge machten wir uns umb dem höflichen Mecenas vorzukommen mit dem Tage auf. Er begegnete uns aber schon an der Ecke / wo man gegen dem Richter-Stule des Polemarchus fährt / von welchem so genennten dritten Raths-Herren vor Zeiten die Athenischen Kriege geführt / und der Ausländer Strittigkeiten gerichtet wurden. Nach einer freundlichen Beschwerde: daß wir ihm die Ehre uns abzuholen nicht gegönnet hätten / führte er uns alsbald nahe darbey in den Tempel des Lycus / welcher Pandions Sohn gewest war / und darinnen ein Marmel-Bild in Gestalt eines Wolffes hatte. Wie wir uns hierüber verwunderten / fing der die Wanderung [705] menschlicher Seelen in Thiere festiglich glaubende Masulapat an: Lycus hat zu Athen mehr als einen Tempel verdienet /wenn er nur die Helfte Wolff gewest / und die andere Helfte Mensch blieben ist. Denn der soll noch gebohren werden / der nicht was viehisches an sich hat. Die meisten Menschen aber verwandeln sich nicht nur in wilde Thiere / sondern bemühen sich auch noch Wölffe und Bären an Grausamkeit zu übertreffen. Wir haben nahe hierbey / sagte Mecenas / dessen ein klares Beyspiel; führte uns also zu dem Grabe des Königs Nisus / welchem seine Tochter Scylla das mit seinem Reiche verlobte Haar abgeschnitten hat / wormit sie die Herrschafft ihrem liebgewonnenen Minos zuschantzte. Hierauf führte er uns über den Agorischen Platz / da das Volck umb einen in der Mitte stehenden / und mit dicken Leinen umbspannten Richter- Stul versa let wird / für welchem Demosthenes und andere grosse Redner ihre gelehrte Beredsamkeit unzehlbare mal geprüfet haben. Daselbst traten wir in den Tempel der Musen ab / darein Mecenas das vom Fulvius aus Ambracia nach Rom gebrachte Marmel-Bild der Musen verehrt hatte. Als wir diesen Tempel /und die vom Anaximander daran gemachte künstliche Sonnen-Uhr genung betrachtet / und darbey Cimons und Elpinicens Haus besehen hatten / fuhren wir durch die drey so genennten Theile der Stadt Colytos /darinnen nicht nur Plato gebohren ist / sondern die Kinder auch schöner seyn / und ehe als anderwerts in Athen reden lernen sollen / wie auch durch Melite und Kolonos gerade durch / und stiegen allererst bey dem Brunnen Paropis ab / besahen daselbst die gleichsam an einander rührenden Tempel der Eumeniden / der Minerva / des Prometheus / der Venus / wie auch die Ehrenmaale des Theseus / des Oedipus / des Pyrithous und Adrastus; welche aber von den Spartanern übel zugerichtet waren. Das Grab des Plato war allein entweder wegen Ansehen dieses Göttlichen Mannes /oder wegen Einfalt des Werckes unversehrt blieben. Gleich als wenn die Menschen so wohl als die Zeit dieser nicht so sehr als dem Gepränge aufsätzig wären. Denn es war allein auf einer Porphyrenen Taffel folgendes zu lesen:


Den eine Jungfrau hat gebohren ohne Mann /

Aus dessen Lippen sich die Honig-Biene speißte /

Der Weißheit ihm zu hohl'n an Nil und Jordan reißte /

Dadurch er Griechenland die Augen aufgethan /

Daß es die Tugend kennt / zu Gotte klimmen kan.

Weil er das Flůgelwerck der Seelen unserm Geiste /

Und der Unsterbligkeit Geheimnüß allen weiste;

Von dem Gesetz und Licht zwey V \lcker namen an;


Der Halb-Gott / der so weit stieg ůber alle Grichen /

Als die geh'n Barbarn fůr / der ist allhier verblichen.

Doch Plato nicht / nur diß / was er fůr Hůlsen / Schaum

Und Koth des Menschen hielt / liegt unter diesem Steine /

Das abgezehrte Fleisch / die faulenden Gebeine.

Denn ein solch himmlisch Geist hat nicht im Grabe raum.


Wir bestreuten diesen Grabe-Stein über und über mit Blumen / Zarmar aber küßte ihn vielmal und betheuerte: daß unter den Grichen nach Socraten keiner so hoch als Plato wäre erleuchtet gewest. Von dar begaben wir uns zu der Academia oder der Schule des Plato. Die Gebäue hatten noch ihren alten Glantz. Denn / als gleich die Spartaner umb diese Gegend das meiste verwüsteten / schonten sie doch dieser Schule /weil ein Bürger zu Athen Academus / von dem sie den Nahmen hat / dem Castor und Pollux in geheim entdeckt hatte / wo die vom Theseus aus Sparta entführte Helena versteckt war. Die alten vom Cimon gepflantzten Lustwälder aber waren noch nicht in dem ersten Ansehn; indem Sylla die grossen Stämme zu Sturm-Böcken / Sturm-Leitern / und anderm Werckzeuge des Krieges verbraucht hatte. Unterdessen wendete nicht nur August / sondern auch Mecenas ein ergebiges darauf / alles wieder in guten Stand zu bringen. Massen denn auch die alten Helden Harmodius /Aristogiton / Pericles / Thrasibulus und 100. andere /welche in dieser [706] Vorstadt / oder vielmehr umb den Wohn-Platz der verewigenden Weißheit begraben zu werden für Ehre schätzten / diesen zwey Wohlthätern zu dancken haben: daß ihre versehrte Gedächtnüß-Maale wieder ergäntzt / die Verfallenen aufgerichtet /die Verlohrnen verneuert worden. Daher diese Gegend schier einem steinernẽ Walde voll Marmel-Säulen und Bilder gleichet; also: daß der / welcher der alten Athenienser grosse Thaten zu wissen verlangt / nur allhier die herrlichen Grab-Schriften lesen darff. Unter diesen lassen sich für andern neben einem kleinen Tempel des befreyenden Bacchus / und einem der Calistischen Diana in einem marmelnen Umbkreiß des Theseus / Oedipus und Pirithous Grabmale wohl sehen. Welche alle aber an Pracht nicht ferne davon gegen dem Berge Pentelicus die Ehren-Pforte übertrifft / die K \nig Antigonus dem weisen Zenon neben seine daselbst gehabte Schule über seiner Grufft hat aufrichten lassen / daran war mehr nicht geschrieben /als:


Die Weißheit war vorhin ein Weib /

Hier aber ruhet dessen Leib /

Der sie zum Manne hat gemacht /

Vom Kriechen auf die Beine bracht.


Auf der andern Seite gegen des Theseus Tempel ward auch das Grab des Artztes Toxaris / als ein für das Feber helffendes Genesungs-Mittel verehret. Der marmelne Lehr-Saal des Plato war mit den Altären der Musen / der Minerva / des Vulcan / des Neptun und Prometheus / wie auch der Liebe gleichsam gantz umgeben; welches letztere alldar ihr ältestes Heiligthum ist / darauf der dem Pisistratus so beliebte Knabe Charmus ihr zum ersten geopfert hat. Als wir ausserhalb dem mit Fleiß verschlossenen Saale der Weißheit diese merckwürdige Gegend / und ich zwar nicht ohne innerliche Regung und geheime Ehrerbietung gegen die mir gleichsam für den Augen schwebenden Todten betrachtet hatten / führte uns Mecenas nebst zweyen der fürnehmsten Weltweisen unter den Berg Pentelicus zu dem Brunnen Brysis und einer daselbst abermals nach seiner Art bereiteten Taffel / welche uns von denen tieffsinnigen Gesprächen des Zarmars und dieser zweyer Platonischen Weltweisen noch mehr versüsset ward. Diese erzehlten unter andern von dem bey der Academia stehenden Altare des Cupido: daß aus solchem Socrates im Traume einen jungen Schwan in seine Schoß fliegen / hernach sich gegen den Himmel schwingen gesehen hätte / durch dessen Gesang Götter und Menschen wären bezaubert worden; welchen Traum er alsofort auf seinen Schüler Plato ausgedeutet; den ihm selbigen Tag Aristo in die Lehre gebracht hatte. Daselbst entdeckte er uns; wie der Käyser folgenden Morgen den mit nach Athen gebrachten Priester Cheremon in der Schule der Platonischen Weltweisen einführen wolte: also hätte er ihm befohlen auch den Brahmann Zarmar hierzu einzuladen. So wenig uns nun anständig war diese Gnade des Käysers auszuschlagen / so sehr reitzte uns die Begierde / uns unter die Versa lung der weisen Griechen einzufinden.

Früh schickte der Käyser dem Zarmar ein Kleid von köstlicher Leinwand / einen helffenbeinernen Stab / und einen güldenen Stuhl / darauf er in die Versa lung getragen ward. Mecenas folgte kurtz hierauf / und führte auf seinem Wagen den Gesandten Masulipat / und mich in den nunmehr eröfneten Weißheits-Saal der Academia; gegen Morgen stand darinnen ein Altar der Liebe / hinter diesem das Bild des Pythagoras / des Pherecides / und des Göttlichen Plato. Für diesen aber sassen alle Platonische Weltweisen mit breiten Achseln / zu welchen sich auch Cheremon gesetzt hatte. Gegen Mittag stand ein Altar der Göttlichen Versehung; als welcher die Stoischen Weltweisen das meiste zuschreiben. Darneben stand das Bild des Zeno aus Cypern / wie auch ein Altar und eine güldene Krone; welches beydes die Stadt Athen ihm gewiedmet hatten; wie auch die Thor-Schlüssel / [707] die sie bey zweifelhaften Zeiten ihm anvertraute. Nach ihm war der spitzfindige Chrysippus zu sehen; an der Ecke Crates / Antisthenes und Diogenes mit seinem Fasse. Für ihnen sassen die großbärtichten Weltweisen ihre Nachfolger. Gegen Mittag stand das Altar /welches die Stadt Stagira dem Aristoteles zu Ehren aufrichten lassen; darneben sein Bildnüß aus Corinthischem Ertzte / die sein Schüler Theophrastus ihm zu giessen in seinem letzten Willen verordnet / und auf selbtem der güldene Krantz / wormit ihn der grosse Alexander verehret hatte. Weiter hin sahe man den Theophrastus. Für ihnen sassen die ihnen anhängigen Weltweisen / die an der Anzahl alle andere übertraffen. Nordwerts stand ein Altar der Wollust / welches Idomeneus aufgerichtet / darneben des Epicurus Bild /welches Theodorus gemahlet hat / und von seinen Nachfolgern an seinem Geburts-Tage jährlich verehret / auch so wohl durch ihre Schlaf-Gemächer / als die Gärte / die er unterhalb der Stadt Athen zum ersten angegeben / mit allerhand Freuden-Zeichen herumb getragen wird. Neben dem Epicurus stand Aristippus und Laertius; für ihnen sassen die wohl aufgeputzten Epicurischen Weltweisen / mit freundlichen Gesichten und frölichen Geberden. Zarmar aber saß alleine bey dem an einer Ecke stehenden Bilde des Socrates; welches die ihn zu unrecht verdammende / hernach aber aus allzu später Reue vergötternde Stadt Athen ihm aus Ertzte durch den Lysippus hatten aufrichten lassen. Der Käyser fragte Zarmarn: Warumb er sich zu keiner gewissen Schule derer hernach vollkommener gewordenen Weltweisen / und insonderheit zu den Platonischen / welche zum theil vom Socrates ihre Lehre hätten / schlüge? Zarmar antwortete dem Käyser: Seines Bedünckens wäre nach dem Socrates die Weltweißheit wohl spitziger / aber auch ärger worden. Der Rath zu Athen hätte ihn zwar dem Pythagoras nach / ihr eigener Gott Apollo aber allen klugen Leuten vorgesetzt. Seine Lehren von Gott wären so weise: daß man nicht unbillich von ihm rühmte: Er hätte seine Weißheit vom Himmel bekommen. Sein Leben wäre nichts minder so gut gewest: daß aller weisen Leute Fürnehmen billich sein Nach-Gemählde seyn solte. Gott würdigte ihn durch einen guten Geist stets zur Tugend zu leiten; wo man anders nicht die Klugheit für Socratens und aller Weisen Leitstern halten soll. Uber diß träffen die Indianischen Weisen auch sonderlich in dem mit dem Socrates überein: daß ihnen verleumdische Aristophanes antichteten; sie beteten nur Nebel und Wolcken an; da sie doch den allein ewigen Gott verehreten / ausser dem aber nichts ewig / nichts Anbethens würdig schätzten. Anitus und Melitus hätten ihn zwar als einen / der keinen Gott gläubte / angeklagt; da er doch in Athen nur alleine ein Verehrer des wahren / seine Ankläger und Richter aber desselbten Verächter gewest wären / da sie drey hundert Jupiter / drey und viertzig Hercules / und dreissig tausend andere Götter angebetet hätten. Man hätte sein Haus mit seinem Haushalter Chörephon verbrennt; da jenes doch der heiligste Tempel in Athen / dieser nach dem Socrates das würdigste in Griechenland gewest wäre. Jedoch wäre sich hierüber nicht zu verwundern. Denn man finde eine ungemeine Tugend so wenig ohne Mißgunst / als eine Lerche ohne Püschel auf dem Kopfe. Alleine er hätte keine vollkommenere Vertheidigung seiner Unschuld ihm selbst wüntschen könnẽ / als daß seine eigene Verurtheiler den einen Ankläger verwiesen / den andern zum Tode verdammet; und Athen mit Aufrichtung einer güldenen Säule zu seinem Gedächtnüsse /Socraten verewigt / und ihre Schuld bereuet hätten. Hierüber erhob sich ein allgemeines Gemürmel unter allen versamleten [708] Weltweisen; ja wenn des Käysers Anwesenheit nicht Zarmarn beschirmet hätte / besorge ich: man hätte ihn als einen Abergläubigen in des Socrates Kercker und zu seinem Gift-Trancke verdammet. Cheremon / welcher in dieser Zusammenkunfft der Isis eingeführten Gottes-Dienst rechtfertigen solte / stand hiermit auf; und an statt seines fürgesetzten Zweckes schärffte er seine Zunge wider Zarmarn / durch dessen Widerlegung er sich für allen Weisen gantz Griechenlands meynte sehen zu lassen. Diesemnach fing er mit einer hochtrabenden Stimme an: Ich halte nicht nöthig die der gantzen Welt kündige Gottheit der grossen Isis / der Tochter des Saturnus / die den mächtigen Osiris zum Ehmanne / Bruder /und Sohne gehabt / auszuführen. Sie ist es / welche die Menschen mit Getreide / Artzneyen und Gesetzen am ersten beseliget / und der Welt zum besten die Glieder des vom Tiphon zerrissenen Osiris mit höchster Sorgfalt zusammen gesucht hat. Sie ist es / welcher Krafft in den Stralen des glüenden Hunds-Sternes zu prüfen ist. Wessentwegen die weisen Egyptier die ältesten aller Völcker / unter welcher Herrschaft die Sonne viermal ihren grossen Lauff verändert hat /und zwey unterschiedene mal im Abende aufgegangen ist / bey die zwey Götter-Bilder des Osiris und Isis allezeit die Seule des Horus gesetzet; welcher mit dem Finger auf dem Munde gewarniget: daß niemand diese Götter Menschen nennen solte. Dieser Unwissende aber unterfängt sich durch Fürbildung eines einigen Gottes / nicht nur die unvergleichliche Isis / sondern so viel Götter Griechenlands von ihrem Throne zu stürtzen; und ausser seinem Gotte allen andern / ja der Welt / worüber Isis die Gebieterin ist / die Ewigkeit abzusprechen. Meynest du wohl: daß eine so weitläufftige Aufsicht / als Himmel / Erde / Meer / und so viel tausenderley Arten Thiere bedürffen / von einem Gotte möglich zu bestreiten sind? Gläubest du? daß dem höchsten Gotte sich aller geringen Händel anzumassen anständig sey; welches auch ein mittelmässiger Haus-Vater ihm zu verächtlich schätzt? Beni st du deinem Gotte alle Fruchtbarkeit seines gleichen zu zeugen; welche denen auf dem Bauche kriechenden Thieren doch nicht mangelt? Oder beni st du ihm die den Göttern sonst gemeine Art des männ- und weiblichen Geschlechtes? Entzeuchst du der aufrichtigen Vorwelt allen Glauben / derer Augen sich mehr als eine Gottheit offenbaret hat / derer Vielheit aus dem Unterscheide widerwertiger Würckungen erhellet /und derer Eigenschaften sie mit so viel hundert Nahmen offenbaret? da du aber Gott selbst für ewig hältst / mit was für Vernunft entzeuchst du die Ewigkeit der Welt / welche ein Schatten ist des ewigen Lichtes; ein sichtbares Bild des unsichtbaren? Ausser welcher Gott vorher in nichts hätte würcken können? Was für ein Talg soll denn für der Welt gewesen seyn / aus welchem sie ihren Ursprung gewonnen? Oder was eignest du ihr für ein anständiges Alter zu / nach dem der einige Vogel Fenix sieben tausend Jahr lebet? Wie oder gläubest du: daß eine Welt aus der andern /wie der Fenix aus seiner eigenen Asche entspringe? Zarmar hörete den hitzigen Cheremon ohne einige Gemüths-Bewegung aus / und antwortete: Mein lieber Cheremon / der allein ewige Gott erleuchte dich: daß du deine heilige Isis / welcher Priester du seyn wilst /besser / und nach dem Verstande deiner klügern Vorfahren erkennen lernest; welche unter ihrem Nahmen keine absondere / sondern meiner einigen Gottheit Weißheit und Versehung verehret haben. Sihest du die alten Griechen aber für so alber an: daß sie so viel Götter gegläubt / als sie des einigen Gottes Würckungen Nahmen gegeben; welcher / ob er zwar keinen eigenen Nahmen hat / und deshalben allhier zu Athen auch auf [709] dem Altare des unbekandten Gottes am heiligsten angebetet wird / doch mit tausend Zungen nicht ausgesprochen werden kan. Betrachte selbst nur etwas tieffsinniger das Bild und die Eigenschafften der Isis; so wirstu handgreifflich wahrnehmen: daß deine Isis wegen ihrer Weißheit der Griechen Minerva / wegen Fruchtbarkeit / die Venus / wegen ihrer Herrschafft in der Lufft / die Juno / wegen ihrer unterirrdischen Kräfte / Proserpina / wegen Erfindung des Weitzens / Ceres / wegen ihrer Waldsorge / Diana /wegen Beseelung der Erde / Rhea / wegen ihrer himmlischen Würckung Cynthia; dieses alles aber nur eine Isis sey. Frage Römer und Griechen / warum sie bey Anruffung ihres Jupiters das Haupt / der Minerva die Augen / der Juno die Armen / des Neptun die Brust / anrühren? Ob ihre Andacht nicht dadurch auf ein einiges Göttliches Wesen / wie ihr Finger auff einen einigen Leib ziele? Hastu von dem Lehrmeister des Plato Sechnuphim nicht gelernet: daß wie der Zirckel nur einen Mittelpunct / also der Kreiß der gantzen Welt nur ein einiges Göttliches Wesen habe /welches aber alle Theile bewohne und beseele? Frage deine Platonische Weisen: Ob die Vielheit der Götter nicht nur ein Glaube des Pöfels / Gottes Einigkeit aber ein Geheimnis der Weisen sey? Ob nicht Plato nur aus Furcht für dem Volcke mehrern Göttern geopfert / wormit er nicht selbst / wie Socrates / ein Opffer ihrer Grausamkeit würde. So gehe zu deinen Landsleuten nach Thebe und frage: Ob sie nicht allein den Gott Kneph / welchen wir Wistnou und Eßwara / die Römer Jupiter neñen / für einen Gott ohne Ursprung und Ende anbetẽ. Wiewol auch diese Nahmen nicht seinem Wesen / sondern nur unser Schwachheit gemäß sind; und daß wie ein Mensch nach unterschiedenen Absehen drey und mehrerley Personen fürstellet; also das an sich selbst einige Göttliche Wesen nach dem Unterscheide seiner Hülffe und Würckungen vielerley Götter; und daher von den Unwissenden auch so viel Nahmen bekommen habe. Lasse dich nur berichten: daß / als der kluge Euripides die Soñe den grossen Allmosen-Meister Gottes nicht für einen Gott erkennet / sondern einen güldenen Erdschollen genennet / er vom Pericles kaum aus den Händen des Pöfels errettet worden. Frage die Griechen: Ob nicht ihre Hermesianax öffentlich gelehrt: daß Pluto / Proserpina / Ceres / Venus / Cupido / Triton / Nercus / Thetis / Neptun / Mercur / Vulcan / Pan und Apollo alles ein Gott sey? Pythagoras und Socrates hat zwar mehr dienstbare Geister Gottes als Mitteldinge zwischen ihm und den Menschen / welche diesen die Göttliche Gaben / jenem die Menschliche Seuffzer zubrächten /aber nur einen wahren Gott geglaubt. Ja mein lieber Cheremon / lasse nur das Licht der Natur dir hierinnen den Weg zeigen: Hältestu nicht Gott für das vollkommenste Wesen aller Dinge? Kan aber die Vollkommenheit also zerstücket seyn? Raubstu nicht Gott seine Eigenschafft der Vollkommenheit / wenn du selbte nicht der gantzen Welt Herrschafft gewachsen zu seyn gläubest / und dardurch der Vollkommenheit Mängel ausstellest; wenn du ihm unnöthige Gehülffen beysetzest? Warum setzestu dem sichtbaren Spiegel Gottes der Sonne / nicht eine andere an die Seite? Meinestu deinem Schiffe besser zu rathen / wenn du ihm noch ein Steuerruder ansetzen wirst? Wilstu Gott / welchen die Egyptier einen unbegreifflichen Zirckel heissen / seiner Unbegreiffligkeit berauben; wenn du seine Macht in so viel zertheilest / da doch die Unbegreiffligkeit alles begreiffet / nichts ausschleust /und also nichts unbegreiffliches neben sich vertragen kan. Lasse dir aber auch nicht träumen / daß der Schöpffer der Welt / der in sich aller Dinge Bilder wie in einem Spiegel behält / zu seiner Auffsicht einige Mühe bedürffe. Dessen blosser Wille genug zum Saamen aller Geschöpffe gewest; darff auch nichts beschwerlichers zu ihrer Leitung. Hüte dich auch so wohl in [710] seiner väterlichen Fürsorge / als in denen irrdischen Dingen gewisse Staffeln zu machen. Gott ist der Mittelpunct; alle Dinge machen um ihn einen Zirckel / und stehet eines so weit als das andere von ihm entfernet. Sterne sind so wohl als der Erdbodem sein Fußsche el; und du / der du dich in seinen Augen vielleicht dünckest Gold zu seyn / bist vielleicht geringer / als zerbrechlicher Thon. Alles ist Asche für seinem unverzehrlichen Feuer; eine Asche aber düncket sich vergeblich köstlicher / als die andere zu seyn. Denn der köstlichsten Dinge Werth verraucht mit der Flamme. Eingeäscherte Seide und Purpur ist von verbreñtem Stroh und Bettlers-Mänteln nicht zu unterscheiden. Was hebstu aber deine Maulwurffs-Augen zu der unerforschlichen Fruchtbarkeit Gottes herfür? Hättestu ein Theil von dem Schatten /den Plato aus diesem Lichte von der ewigen Zeugung des allergöttlichsten Wortes / das die Welt erschaffen / das den Lauff der Sterne ordnet / und des auf dem Wasser schwebenden Geistes / oder der Seelen der Welt / erwischet; du würdest keine so düsterne Meinungen hegen. Warlich dein Plato / welchen Griechenland nicht ohne Ursach seiner Tiefsinnigkeit halber für den Adler / und wegen der Beredsamkeit für den Schwan seiner Weltweisen hält / hat hierüber viel heilsamere Gedancken gehabt. Erforsche vorher genauer / wohin seine Zahlen und seine Abmässungen eigentlich gezielet. Erinnere dich: daß die Uberschrifft seiner Schule iederman den Eingang verbot / der nicht vollkommen die Mäß- und Rechen-Kunst verstand. Was unterstehestu dich deñ von der Eigenschafft der Gottheit zu reden; da du noch in der Zahl nicht gegründet bist / und nicht weist: daß wie die Eines die Wurtzel aller Zahlen / also der einige Gott der Uhrsprung aller andern Dinge sey? Zeuch den Parmenides deines Plato zu rathe / daß er dich unterweise: der einige Gott sey allein etwas / was warhaftig und wesentlich sey; alles andere habe nur eine von diesem einigen Wesen herrührende Tauerung. Alles vergangene / alles künfftige sey nichts / Gott allein aber von Ewigkeit zu Ewigkeit / ein gegenwärtiges / kein gewesenes / auch kein künfftiges Wesen; sondern ein Ende des vergangenen / und ein Anfang des künfftigen. Denn durch ihn verleschet alles / und von ihm entspringet alles. Lasse dich darum / o du elender Mensch! nicht gelüsten / in höhere Geheimnisse zu blicken. Ist dir unbegreifflich: daß der einige und unsichtbare Gott sich unserm blöden Gesichte nicht in vielerley Gestalten zeigen könne? Hastu aus dem Kanuphim nicht gelernet / in wie vielerley Thiere eure Götter sich verkleidet? Wie Osiris und Isis bald als ein Löwe / bald als ein Hund / bald als eine Katze /bald als ein Habicht sich den Sterblichen gezeigt /und ihnen ihre Wohlthaten mitgetheilet haben? Soll eure Isis sich nicht in einen Fisch verstellet haben? Unsere Weisen halten sicher diß für die erste Erscheinung des ewigen Wistnou. Haben deine Egyptier nicht die Schildkröten in die Zahl der Götter gerechnet? Dieses ist bey uns seine andere Erscheinung; und auff ihrem Schilde ruhet die Last der gantzen Welt sicherer / als auff den Achseln des Atlas. Ich übergehe mit Fleiß unsere übrige Erleuchtung. Denn ein Blinder siehet bey tausend Fackeln so wenig / als bey keiner. Ein Tropffen Thau / der zu beqvemer Zeit in eine Muschel fällt / wird zur Perle; fällt er aber auff ein glüendes Eisen / verraucht er ohne Nutz. Nichts anders ist es mit dem Balsame heilsamer Lehre. Denn da du nicht begreiffen kanst die Eigenschafften der Welt / wie soll dein Verstand ihren Schöpffer erreichen? Wie aber bistu deinen eigenen Lehrern so abtrünnig worden? Welche die Welt aus nichts durch das Wort Gottes geschaffen zu seyn gläuben. Hastu das Ey der Welt / in welchem der Himmel die Schale / der Totter die Erdkugel abbildet / in den Egyptischen Spitz-Seu len nirgends [711] aus dem Munde eurer Gottheit hervor schüssen sehen? Frage den Plato und Zenon: Ob jener nicht Gott / als den Schöpffer aller Dinge / ausser sich verehret / und der Tauerung der Welt ein gewiß Ziel steckt; dieser aber ihre Geburt dem Sonnen-Staube zueigne? Betrachte ihr verterbliches Wesen / und daß wir Sternen gebohren werden / und wieder ersterben sehen. Ist es aber wohl möglich: daß etwas verterbliches von Ewigkeit her sey / und in Ewigkeit tauere? Unterstehestu dich aber Gott einem Drechßler zu vergleichen; der ohne Bein oder Holtz nichts verfertigen kan? O du alberer Mensch! Siehe die elende Spinne /den ohnmächtigen Seiden-Wurm an; wie jene ihr Netze / dieses sein Gewebe aus sich selber spinnet. Du aber wilst den / der alles in sich begreiffet / diesen geringen Würmern nachsetzen / und den / der ohne Anfang ist / nach dem Maße der Zeit messen / und die Wercke dessen / für dem tausend Jahre keinen Augenblick machen; durch deine Getichte in Zweiffel ziehen; ja wohl dem / der mit einem Atheme zehn solche Welten erschaffen kan / und derer Vielheit nicht nur die Indianischen Weisen / sondern auch Epicurus und Metrodorus geglaubet / die Hände binden? Wormit du aber an der Warheit meiner Lehre so viel weniger zu zweiffeln hast; so will ich selbte morgen für dem Altare des dir unbekandten Gottes mit einem solchen beweglichen Grunde bestetigen: daß du mir nicht ein mahl wirst widersprechen können; Euch aber allen theils ein Beyspiel der Nachfolge lassen / theils ein Geheimniß eröffnen / an welchem unser und der Welt Wohlfarth henget. Jederman hörte dem Zarmar / den man anfangs für einen Barbarn gehalten / nunmehro aber so wohl in der Griechen als Egyptier Weißheit genugsam erfahren zu seyn befand / mit Vergnügung zu; Jedoch waren aller Augen und Ohren auff den Cheremon gewendet; was dieser Zarmarn entgegen setzen würde. Nachdem er aber gäntzlich verstummte; machte er sich allen Anwesenden zum Gelächter / und dieser Versammlung ein Ende. Zarmar hingegen nahm mit grossem Ansehen seinen Abschied; iedoch verlohr er sich in dem Gedränge des Volckes aus unsern Augen: daß wir ihn biß an den Morgen auff dem bestimmten Platze für dem Heiligthume des unbekandten Gottes nicht zu Gesichte bekamen. Gantz Athen drang sich mit anbrechendem Tage dahin; und als Masulipat / Mecenas / und ich dahin aus Begierde eine sonderbare Neuigkeit zu vernehmen ankamen /fanden wir ihn in seiner Indianischen Tracht für dem Altare / auff welchem kein Bild / sondern allein ein Dreyeck / und dariñen die Worte: Dem unbekanten Gotte / in Stein eingegraben zu sehen war / auff dem Antlitze im Staube ligen. Wie er nun seine Andacht vollendet; richtete er sich mit freudigem Antlitze empor / und stieg auff einen nah darbey auffgethürmten Holtzhauffen. Auff diesem sahe er sich eine gute Weile um / biß er unter der grossen Menge Volckes den Käyser / und uns auff einer Seiten an etlichen Fenstern erblickte. Hiermit fing er mit erhobener Stimme an:

Es ist heute gleich neun mahl neun Jahre / da mich der einige und ewige Gott in diese vergängliche Welt hat lassen gebohren werden. Die es Ziel des Alters halten viel Weisen für das vollkommenste des menschlichen Lebens; welche aus der siebenden Zahl dem Leibe / aus der neundten dem Gemüthe sonderbare Geheimnisse ausrechnen. Aller Völcker Weltweisen / die damahls in Griechenland waren / haben euren Plato für göttlich gehalten / und ihm Opffer geschlachtet / weil er in eben dem Geburtstage seines ein und achzigsten Jahres die Hülsen seines sterblichen Leibes abgelegt. Eratosthenes / und Xenocrates haben in eben diesem Jahre zu erblassen das Glück gehabt. Dionysius [712] Heracleotes wolte durch Hunger /Diogenes durch rauhe Speisen um diese Zeit Gotte den Tod abzwingen. Ich werde zwar auff diesem Holtzstosse meinen geäscherten Leib der Erde / meine Seele ihrem Schöpffer wieder zuwenden. Glaubet aber: daß ich zu dieser Entschlüssung weder aus Aberglauben / noch aus Verdruß zu leben gebracht werde. Die verlebten oder erkranckten Heruler sollen eine Gewonheit / die über sechzig Jahr alten Einwohner des Eylandes Chio ein Gesetze haben / durch den Tod ihrem kindischen Leben vorzukommen. Die Maßilier heben in einem Tempel Gifft für dieselben auf /welche zu sterben rechtmäßige Ursachen anzeigen. In meinem Vaterlande Taprobana ist es einem gewissen Volcke aufferlegt: daß sie nach dem siebzigsten Jahre zwischen tödtenden Kräutern einschlaffen müssen. Die Getischen Weltweisen halten es für ein Theil ihrer Weißheit / wenn sie zu leben müde sind / mit gekräntztem Haupte und lachendem Munde von abschüssigen Klippen sich in das Meer stürtzen. Ich weiß auch wol: daß die Stoischen Weltweisen für gut halten / die Seele aus einem abgemergelten Leibe gleichsam als aus einem verfaulten / und den Einfall dräuenden Hause zu reissen; und für rühmlicher Abschied nehmen / als aus diesem morschen Gebäue gestossen werden. Allein haben wir das Haus unsers Leibes gebauet / welches wir einbrechen wollen? Oder gehöret es nicht vielmehr Gott eigentlich zu /und hat uns die Natur nicht nur Mietungs-weise darein gesetzt? So müssen wir es ja auch ihm unversehrt wieder abtreten; wenn die bestimmte Zeit verflossen ist. Darum halte ich es mit eurem Epicurus nicht nur für lächerlich / aus Uberdruß des Lebens dem Tode entgegen rennen / sondern für eine zaghaffte Schwachheit aus Ungedult einiger Schmertzen ihm den Tod anthun. Also sterben ist nicht die Schmertzen überwinden / sondern von selbten überwunden werden. Beydes ist der Weichlinge Eigenschafft: Ohne Noth sterben / und sich für dem Tode entsetzen. Daher verdiente solch Selbst-Mord den Nahmen einer Viehischen That / wenn das Vieh hierinnen nicht klüger als die Menschen wäre. Bruder- und Vater-Mord ist gegen dem ein so viel grausamer Laster / als wir uns selbst über Vater und Bruder lieb zu haben schuldig sind. Dieses entschuldigt auch nicht die Schmach eines andern für Augen schwebenden Todes. Denn es ist besser dem Hencker den Nacken darstrecken / als unsere Hand mit einem Mord-Eisen ausrüsten. Wir sollen dem Verhängnisse gerade ins Gesichte sehen /und behertzigen: daß es die höchste Unvernunfft sey /darum sterben, daß man nicht sterbe. Ja wir verdammen so gar / die aus Begierde der Seligkeit ihnen das Leben nehmen. Denn Gott hat / nach euers Plato Meynung / uns Menschen in die Welt dem Verhängnisse zur Verwahrung gegeben / welcher wir uns eigenmächtig zu entbrechen nicht befugt sind. Wir sind nach unser Willkühr nicht gebohren worden; wie viel weniger können wir also sterben; und die Wohnstatt unsers Leibes ausleeren / die uns Gott zu verwahren anvertrauet hat. Daher ich die Sitten derselben Völcker lobe / die die Selbst-Mörder entweder gar nicht /oder die Hand / die den verzweiffelten Streich verübet / als ein feindliches Glied des andern Leibes absonderlich beerdigen / oder die Selbst-Mörder gar keines Grabes würdigen. Deñ weil sie durch diß Laster dem Willen des ewigen Vaters widerstreben / sind sie nicht werth: daß sie die Mutter / nehmlich die Erde in ihre Schoß auffnehme. Am allerwenigsten aber habe ich zu sterben Ursach. Deñ mein Alter ist noch ohne Schwachheit / mein Leib ohne Gebrechen / mein Gewissen ohne Ragung. Ein unbesudeltes Leben aber hat so wenig als ein abgeläuterter Wein in der Neige Hefen. Alleine ich kriege einen besondern Bothen von Gott / der mich aus diesem Leben ruffet. [713] Denn wie kan einer glückseliger sterben; als der mit seinem Tode die Warheit versiegelt / dessen Todten-Fackeln andern ein Licht ihres Lebens abgeben? Mag ein Kriegsknecht für Erhaltung seines Vaterlands oder Fürsten / oder auch nur seines Befehlhabers sein Leben in die Schantze setzen? Mag einer für eines andern Freyheit sein Leben zur Geissel verpfänden? Warum soll ich nicht so viel Seelen aus der Finsterniß zu reissen den übrigen kurtzen Faden meines Lebens abschneiden: daß er ihnen ein Wegweiser aus so verderblichem Irr-Garten sey? Cheremon / Cheremon /hastu auff die Vielheit deiner Götter / auff die Ewigkeit der Welt ein solches Vertrauen / daß du deine Meinung mit der Tinte deines verspritzten Blutes /oder mit den Kohlen dieses Holtzstoßes auffzeichnen wilst? Ist dir dein Leben nicht zu lieb / durch dessen Verachtung die Irrenden zur Warheit zu leiten? Hoffestu für so heilige Entschlüssung von deinen Göttern nicht einen unverwelckenden Siegs-Krantz zu bekommen? Mißgönnestu mir nicht die Ehre: daß ich durch diese Fla en die Eitelkeit deiner / und die Weißheit meiner Lehre erhärte? Hierüber schwieg Zarmar eine gute Weile stille / und sahe mit starren Augen den nicht ferne vom Holtzstoß stehenden Cheremon an; welcher aber sein Antlitz beschämet zu Bodem schlug. Worauff Zarmar fort fuhr: Ich erfreue mich /liebster Cheremon / daß du deinen Irrthum erkennest. Es ist menschlich / irren; aber Viehisch / seinem Irrthume hartnäckicht nachhängen. Hingegen nichts seliger / als Gott zu Dienste und der Warheit zu steuer sterben. Warlich / Cheremon / ein tugendhaftes Leben und ein solcher Todt ist der Zweck eures Hierocles /und die Bahn zur Vergötterung. Diese / Cheremon /ist noch weit über der gestirnten Milchstrasse / über dem Zirckel des Monden und der Sonnen; wo Egyptens und Griechenlands Weisen ihrer Vorgänger Seelen zu finden vermeinen. Aber ach! was unterwindet sich meine Blindheit den Griechen für ein Licht auffzustecken! Ich sehe die siebende Erscheinung Gottes unter dem grossen Ramma und Kristna für Augen /und allen Völckern ein Licht auffgehen; für welchem unser Verstand Finsterniß / unsere Weißheit Thorheit seyn / der aber allhier als unbekannt verehrte Gott offenbahr werden wird. Nehmet zum Beweise dieser Warheit nicht meine todten Worte / sondern die völlige Verstummung eurer Wahrsager-Geister an. Deñ von dieser Stunde an wird in der Welt keiner mehr reden / die gleich noch in ungebundener Rede gleichsam nur noch gelallet haben. Es wird keiner auch hinfort / wie der zur Zeit des Xerxes seine Antwort einziehende Branchidische Apollo / zu Alexanders Zeit wieder zu reden anfangen. Denn der Mund / und das ewige Wort Gottes bindet ihnen seine Zunge. Diesemnach last euch nicht bereden: daß die Geister durch einen übrigen Regen ersäufft / durch hefftigen Donner ertäubt / durch Erdbeben verjagt / durch Pesten getödtet /durch Auffdampffungen der Erde verstopft / durch Verrückung der Gestirne entkräfftet / durch Verachtung erzürnet / oder ihre Priester bestochen sind. Sie verschwinden für dem neuen Lichte der Völcker / wie die Sternen für der auffgehenden Sonne. Mit diesen Worten griff er gleichsam gantz von allem Irrdischen entzückt nach der hinter ihm liegenden Fackel / fuhr damit unter sich in den mit vielem Hartzt angefüllten Holtzstoß / goß hierauff einen Krug voll köstlichen Oels und Balsams über sein Haupt / worvon alles in einem Augenblicke in die Flamme gerieth / die den nichts minder hertzhafft als weisen Zarmar in den Augen so vieler tausend sich verwundernden Zuschauer zu Aschen verbrennte. Alles Volck preisete ihn nicht nur als einen Weisen / sondern als einen Heiligen / de Käyser ließ die Asche fleißig in ein Gefässe von Porphir zusammen lesen / als ein besonderes Heiligthum in dem Tempel der Ceres verwahren und darbey in einen Marmel [714] graben: Hier ist verwahrt die Asche des Indischen Priesters Zarmar von Bargosa / der nach seiner Landes-Art zu Bestetigung der Warheit sich selbst lebendig verbrennet.

Ich gerieth hierüber in die Liebe der Einsamkeit /und baute diesem grossen Weltweisen täglich in meinem Gemüthe ein neues Ehrenmahl. Ich betrachtete: wie ein Weiser so wohl in seinem Absterben / als die Sonne / wenn sie zu Golde gehet / seinen Glantz behalte. Wie ein tugendhafftes Leben einem frölichen Tode so annehmlich zu Grabe leuchte. Absonderlich aber dachte ich dem Geheimniße nach / welches der sterbende Zarmar bey seinem Tode / ich weiß nicht /ob entdeckte oder verhölete. Ich seuffzete nach dem Erkäntniße derselben Warheit / welche er mit seinem Tode bestetigte. Ich verehrte selbte / wiewohl voller Unwissenheit / als eine Gottheit. Denn mich bedünckte; daß ich nunmehr erst ein wenig Licht über des Pythagoras Lehre bekommen; welche dem grossen Oromasdes / oder dem allmächtigen Gotte das Licht zu einem Leibe / und die Warheit zur Seele zueignet; Und daß ich einen Blick in des Plato Meinung gethan / der der Warheit ihre Wohnstatt nicht in dieser irrdischen / sondern in einer andern Welt einräumet; oder so viel sagen will: daß sie wesentlich nur in GOtt / ihr Schatten aber nur bey Menschen gefunden werde. Sintemal doch auch der weisesten Leute vernünfftigste Schlüsse nur einen Schein der Warheit haben. Je länger ich aber hierüber nachsann; iemehr muste ich dem Democritus beypflichten: daß die Findung der Warheit in einem tieffen Brunnen / nehmlich der menschlichen Blödigkeit verborgen läge; und daß derselben Offenbahrung von GOtt dem höchsten Wesen zu erbitten / und mit der Zeit zu erwarten wäre. In welchem Absehen vielleicht die Alten dem höchsten Irr-Sterne dem Saturn als dem Schutz-Geiste der Warheit eitel Köpffe geopffert haben.

Nach etlichen Wochen ward Masulipat vom Käyser mit guter Verrichtung abgefertigt / welcher sich denn auch nach Rom erhob. Ich aber blieb nach allerseits genommenem Abschiede / ungeachtet mich Zarmar in Indien / Mecenas nach Rom mit Masulipat bewegen wolte / zu Athen / und machte mit denen berühmtesten Weltweisen Kundschafft. Denn es hatte die Gemeinschafft und der Tod dieses Indischen Weltweisen mir gleichsam alle Lust zu irrdischen Dingen vergället. Von dar durchreisete ich gantz Griechenland / und suchte meine Vergnügung in der Weltweißheit. Aber das stete Andencken meiner Erato war mir eine stete Unruhe des Lebens / und ein Fürbild meiner Träume. Endlich verwickelte mich das Verhängniß mit meinem Unwillen in den Dalmatischen / und folgends in den deutschen Krieg. Aber der erfreute Ausgang hat mich auch in meinem Unglücke und in meiner Gefängniß unterwiesen: daß der Mäßstab unsers Verstandes /wenn er unsern künfftigen Wohlstand abzirckeln wil /ein krummes Richtscheit / und das Licht unserer Seele / wenn sie in die Sonne des Verhängnisses sehen will / eine schwartze Finsterniß sey. Ich lache der Menschen / die einen glückseligen Streich für eine Frucht ihrer Klugheit rühmen; da doch alles unser Beginnen sich nur mit dem ersten Bewegungs-Zirckel der Göttlichen Versehung herum drehet. Wir können ja wohl die Segel ausspannen / aber nicht den Wind machen; der uns bey allen Klippen rorbey in den verlangten Hafen führet. Jene muß so wohl uns vom Strande treiben / als einen Leitstern abgeben. [715] Und also ist wohl der An- nicht aber der Ausschlag unter der Menschen Botmäßigkeit. Hingegen wenn uns das Verhängniß schon über Stock und Stein führet / müssen wir nicht verzweiffeln; sondern nur die Augen zudrücken / und uns trösten: daß wir in den Armen einer solchen Wegweiserin sind / welcher nicht ein Tritt mißlingen kan. Hiermit beschloß Fürst Zeno seine Erzehlung / und so wohl die Müdigkeit als der schon späte Abend beruffte sie allerseits zu der nöthigen Nacht-Ruh.


Ende des fünfften Buchs. [716]

Inhalt des Sechsten Buches
[717] [715]Inhalt
des Sechsten Buches

Dem Hertzog Arpus und Fürsten Cattumer wird die Ankunfft ihrer beyden Gemahlinnen Erdmuth als der Fürstin Thußnelde nahen Bluts-Freundin / und Rhamis durch einen Cattischen Edelmann kund gemacht; der gantze Hoff aber darüber in ungemeine Freude versetzet / Fürst Adgandester wird inzwischen durch den beschäfftigten Feldherrn befehliget diese übrige fremden Gäste auffs annehmlichste zu unterhalten. Welcher ihnen alle Zubereitungen des bevorstehenden Beylagers zeiget / und nach dem sie auff [715] der Rennbahn sich zur Gnüge belustiget / verfügen sie sich in den Lust-Garten / allwo sie sich mit der alldar gefundenen Königin Erato / Saloninen und übrigem von der Fürstin Thußnelde zurück gelassenen Frauenzimmer auffs freundlichste besprechen. Der Königin Erato sonderbare Begierde die beyden Cattischen Hertzoginnen bald zu umarmen; wie nicht weniger die Liebes-Beschaffenheit zwischen dem Feldherrn und der Fürstin Thußnelde / und die von ihrem Vater dem Segesthes darüber geschöpffte Gramschafft vom Fürsten Adgandester als einem Schoos-Kinde und Gefärthin aller Heimligkeiten des Hertzog Herrmanns zu vernehmen / Fürst Adgandester stillet dies Verlangen /wohlwissende: daß der Vertrauligkeit zwischen Thußnelden und der Königin Erato ohne dem nichts verborgen bleiben / und jener reine Liebe allen Liebhabern wohl ein Licht / niemanden aber ausser dem Segesthes ein Aergerniß abgeben könte. Rhemetalces vergnüget sich über dieser Entschlüssung / und ersuchet mit Gutheißen der Königin Erato dem Adgandester die deutschen Geschichte und des Feld-Herrns Helden-Thaten zu erzehlen. Adgandester beziehet sich dißfals zwar aus gewohnter Höffligkeit auff den mehr erfahrnen anwesenden Malovend / und den ihm vielleicht anklebenden Argwohn / weil die Warheit der Kern und die Seele eines Geschichtschreibers seyn müste; läst endlich doch nach allen ihm abgeschnittenen Ausflüchten in einem umschlossenen Creiße sich darzu bewegen. Es habe mit den Ländern in der Welt und dem Meere oder Wolcken einerley Beschaffenheit aus angeführten hochwichtigen Vernunffts-Gründen. Der Egyptier und Scythen närrische Einbildung / der alten Deutschen hingegen viel vernünfftigeres Urtheil vom Ursprung des Menschen. Der kalten Nordländer Fruchtbarkeit gegen die heißen Sudländer / die ersten auch dannenhero nicht unrecht die Scheide aller Völcker genennet. Die entstandene Unähnligkeit der Völcker und Kriege der Deutschen. Dieser Lüsternheit nach den Früchten Welschlands durch keine Stein-Klippen / noch die aufsichtigen Thuscier und Tauriner aufzuhalten. Ihr Leben unter allen Völckern das tugendhaffte / ihr Kriegen das ernsthaffteste. Ihre Erweiterung zwischen den Flüssen Ticin und Addua. Die vom Bellovesus nach der deutschen Art gebauete Stadt Meyland. Sein Nachfolger Elitoro der Alemänner Hertzog / von dessen Tapfferkeit der Nahme Cenomänner herkommen. Dessen Kriege und erbaute Städte die Thuscier aus ihrem Lande in die steilen Klippen des Obinischen Sees getrieben. Flüße und Länder [716] wie lange sie beyde ihr Ansehen behalten. Hertzog Medons Sieg wider Welschland / sein allda dem Kriegs-Gotte mehr zum Schein als aus Andacht gebauete Tempel. Sein Volck die Saalier oder Saal-Länder ihrer Einträchtigkeit halber die Libitier / er ein Bundsgenoß der Römer genennet. Der zwischen dem Hercynischen Gebürge allzu enge eingeschrenckten Bojen Ausbreitung biß über den Po. Hertzog Lingo wegen seiner Länge Licinius genennet / seine / durch ein sonderbares mit des Tuisco Haupt gebildetes Feldzeichen / ausgeübte Krieges-List. Der Deutschen ungemeines Fechten / erhaltener Sieg / der Feinde Flucht biß an den Fluß Gabellus und Berg Sicinima; Gewisser Römer rühmliche Nachfolge. Des Lingo ebenmahlig am Fluß Scultenna wider die Umbrier aus einem unvermutheten Donnerschlag zu seinem Vortheil gedeuteter Sieg und dessen gläublicher Erfolg. Der Deutschen und Gallier Zustand in Welschland /dieser ihr Einbruch über den Rhein / der Deutschen Gesandtschafft an der Gallier König Catmund / dessen Hochmuth und darauf erfolgter Friedensbruch und Uberfall der um die Brunnen der Donau wohnenden Celten. Des um Hülffe angeruffenen Hertzogs der Semnoner oder edelsten Schwaben Brennus verrichteter Gottesdienst bey ihrem zwischen der Oder und dem Bober habenden Heiligthume. Dessen Hochhaltung / sonderbare Beschaffenheit und Opffer / des Celtischen Abgesandtens dabey geschehene Begnädig- und Abfertigung. Des Brennus und seines Brudern Basan Einfall in Gallien. Der durch der Maßilier Sitten und Wollüste verzärtelten Gallier Flucht / Hatumands und seines frischen Heeres fernere Niederlage / sein theuer erkauffter Friede / des Brennus und der Celten Ausbeuthe Ehrsucht und Begierde mehr zu gewinnen. Sein und seiner Schwaben beschwerlich doch glückliche Zug über die Alpen biß an das am Adriatischen Meer liegende Gebiethe der Veneter und über den Po an das Apeninische Gebürge. Der in einem vortheilhafften Orte noch wohnenden Umbrier vergeblicher Widerstand und durch betriegerische Wahrsagerey aufgerichtete Tempel-Bau von des Brennus Tapfferkeit und dem Verhängnüße zerstöret. Turnus der Hertzog der Umbrier fällt als ein Stern vor der blitzenden Sonne dem Brennus zu Bodem / Sold und Liebe aber kämpffet im Soldaten um das Vorrecht. Tugend in Feinden zu loben / und einem grossen Sieger zu Theil werden dem besiegten bester Trost. Des Brennus am Meerstrande bey dem Misus-Fluße zum Gedächtnüß erbaute Stadt Semnogallien; Ingleichen seine durch Gerechtigkeit und Ansehen in Welschland befestigte Herrschafft. Klage wider die Stadt Clusium. Ihre verächtliche Antwort / neue Eydsgenossenschafft und feindlicher Aufstand. Klugheit hencket ihre Schilde lieber in der Feinde Zäune / als daß sie die feindlichen in den ihrigen siehet. Der Semnoner Niederlage zum Schimpf aufgerichteter Steinhauffen das Begräbniß der Gallier genennet. Des Brennus Kriegs Behendigkeit / und Zug über die höchsten Berge nebst der schleinigen Eroberung Aretium / eignet ihm bey den Clusiern Flügel zu. Zur Unzeit eine Schlacht lieffern die schlimste Thorheit eines Vermessenen / ohne Schwerdstreich aber überwinden / ein Meisterstück der Klugen. Der Semnoner durch Einnehmung der Städte Croton und Cortona zweyfacher Sieg. Lars Niederlage und Tod. Aruntes gerechte Rache lehret das Vaterland hoch und heilig halten. Die Belägerten in der Hetrurier Haupt-Stadt Clusium versuchen den Brennus durch Liefferung des schuldigen Lucumars[717] zu besänfftigen / seine Verweigerung bringet sie nebst einem darzu kommenden Vogelgeschrey zu verzweiffelter Gegenwehr. Aberglauben bemeistert viel Völcker. Der Clusier bey den Römern mit allerhand angeführten Bewegungs-Gründen gesuchte Hülffe. Dieser Gesandschafft an den Brennus; dessen bescheidentliche Antwort gegen der hitzigen Fabier Anmuthen und Rechtfertigung / der Gesandten vergessenes Völcker-Recht / und die deßwegen zu Rom geführte Beschwerführung. Das dem Brennus zu einer Friedens-Bedingung angetragene Geld als eine den Deutschen verächtliche Wahre ausgeschlagen / die Belägerung Clusium aufgehoben / und der Zug des gantzen Krieges-Heeres auf Rom gerichtet / die Römischen Legionen aufs Haupt geschlagen / von der abgeschnittenen Feinde Köpffen vor Rom ein Thurm erbauet / die Stadt selbst eingenommen / und biß aufs Capitolium wegen eines eifersichtigen Greisens über Antastung seines Barths / als eines unberührlichen Heiligthums vieler Völcker / zu Staub und Asche worden. Des Brennus mit dem Sulpitius getroffener Friede; der Hetrurier mit Hülffe der Veneter neuer Anfall; die Eroberung Soßina und Belägerung der Stadt Croton; Frauen-Geschmeide zu Aufbringung des versprochenen Lösegeldes nicht zulänglich; der Römer Hinterlist. Des Brennischen Gesandtens scharffer Wortwechsel mit dem Römischen Feldherrn Camillus / sein und des Fürsten. Bei so tapffere Gegenwehr; des letztern Heldenmüthiger Tod / jenes listige und vortheilhaffte Zurückziehung über die Tiber biß an des Brennus Lager / die Stadt Croton von der Belägerung der Clusier erlöset und die Römer zu einem neuen Frieden gezwungen. Des Brennus biß in Sicilien / Africa und Grichenland sich ausbreitende Siege. Sein und des Königs in Sicilien Dionysius hoher Ruhm beyder in der Stadt Corinth auf dem Rathhauße aufgerichtete ertztene Bilder. Brennus als ein ander Hercules von allen deutschen Fůrsten benachfolget / Hertzog Antenor bekommt wegen seiner Rittermäßigen Tugenden König Belins Tochter Cambratur zur Ausbeuthe. Der Catten Hertzog Batto nebst seinem Sohne treten dem Vetter das Erbtheil ab in Hoffnung ein anders durch den Degen zugewinnen. Beyder Einfall über den Rhein / ihr Sieg wider die Gallier; die Eroberung des zwischen dem Rhein und Meer gelegenen Eylandes; ihr angenommener Nahme und erbaute Stadt Nimmegen. Der von den Allemännern über dem Pyreneischen Gebürge zwischen dem Fluß Durias und Sucra neu gegründetes Reich. Die Deutschen wegen ihrer Tapfferkeit und Treue bey frembden Völckern zu Kriegs-Obristen / und Leibwache angenommen. Brennus Tod und seines Sohnes Ludwigs rühmliche Nachfolge; Sein denen bekriegten Veliterern wider die Römer glücklicher Beystand. Der Römer vortheilhaffte Zurückziehung; ihres Kriegs-Ob. Furius Vorwand seiner verweigerten Schlacht. Seiner Thaten ungleicher Bericht bey den Geschichtschreibern. Dieser angewohnte Heucheley mit Unterdruckung der Warheit. Wenn und wie diese zu entschuldigen / auch aus verlohrnen Schlachten vortheilhaffte Siege zu machen? Hertzog Adolphs mit denen von seinem Bruder Hertzog Ludwigen anvertrauten Deutschen Annäherung bey Rom. Des Röm. Feldherrn Qvintius Pennus entgegen gesetztes Lager / und einiger Römischer Edelleute unglück- und schimpflicher Zweykampff. Der Deutschen Zurückkehr gegen die Stadt Tibur biß über den Fluß Livis wider die die Hernicier bekriegenden Campanier. Dieser Verlust /[718] der Städte Allisa / Telesia / Calatia und anderer Ubergabe. Des Bürgermeisters Petilius Libo und Fabius Ambustus neuer Anfall / welche Hertzog Adolph biß in Rom verfolget / und sich an die Collinische Pforten der Stadt setzet. Daraus entstandener großer Schrecken nebst des neuen Feld-Obristen Servilius Ahala und Titus Qvintius verlohrner Schlacht und Niederlage. Hertzog Adolphs Aufbruch aufwerts der Tiber gegen die Tiburtiner beängstigenden Bürgermeister Petelius / dieses flücht- und lächerliches Sieges-Gepränge zu Rom. Der Römer erneuertes Bindniß mit den Lateinern und Betrügung der Tarqvinier. Der Deutschen, als aller damahligen bedrängten Zuflucht /fruchtbare Hülffe. Des Römischen Feldherrn Cajus Sulpitius Schimpff / sein abgenöthigtes zweiffelhafftiges Treffen und Siegs-Gepränge zu Rom. Des Fabius durch den Ritter Sultz erlittene Niederlage / beyder Völcker Verhöhn- und grausame Abschlachtung vieler gefangenen Edelleute. Der deutschen Priester List wider den Popilius Lenas. Der Deutschen und Tarqvinier Uneinigkeit über erlangter Beuthe. Popilius Lenas auf dem kalten Berge vortheilhaffte Verschantzung. Eines deutschen Ritters fast übernatürliche doch blutige Bestürmung erwirbt ihm einen neuen Ehren-Nahmen. Die Besiegung der Grichischen Seeräuber und Gewinnung der Lateiner zu grossem Nachtheil der Römer. Der Bürgermeister Camillus erkieset zu seiner Sicherheit die Pomptinischen Gesümpfe. Ein auf dem beyde Läger von einander scheidenden Fluße Amasen an einem alten Weibe sich ereignetes seltzames Begebnüß / ihre Anrede / an den Deutschen insonderheit an dem wider den Marcus Valerius im Zweykampf fechtenden Udalrich ausgeübte Zauberey nebst dergleichen mehrern Befolgungen. Aberglaube die heßlichste Larve der Vernunfft. Die Römer und Deutschen / nach dem sie überflüßig gegen einander ihre Kräffte gemessen / müssen beyderseits eine Verblasung suchen. Dem streitbaren Hertzog Ludwig folgt der friedliebende Alarich. Ein neuer Schwarm der um den Berg Abuoba und den Brunnen der Donau wohnenden Allemänner unter dem Hertzoge Arnolff ziehet ihm durch seine allzuweite Ausbreitung den am Strome Tyros wohnenden Sarmatischen König nebst fremder Hülffe auf den Hals. Der Deutschen und des Macedonischen König Philipps verneuerte Bundsgenossenschafft. Seines Sohnes und Nachfolgers des grossen Alexanders Siege den Deutschen verdächtig. Derer an ihn abgefertigte Gesandschafft. Alexanders aus ihrer Hertzhafftigkeit geschöpfftes sonderbare Vergnügen / mit ihnen gemachtes Bündnüß / und gesetzte Gräntz-Maale. Deren vom Thracischen Stadthalter Zopyrion aus Ehrsucht wider die Gothen und Deutschen vorgenommene Erweiterung ihm Spott und Todt zu wege bringet. Der Deutschen abermalige Gesandschafft nach Babylon zum Alexander / ihr vor andern hohes Ansehen / Treue und Tapfferkeit nebst der schönen und ansehnlichen Leibesgestalt vom Alexander gepriesen. Schönheit die geheimste Zauberey der Gemüther Fürsten und Gesandten anständig; die Heßligkeit dagegen ein unabtrennlicher Vorbothe der Verachtung. Weiße Farbe den Nordländern eigenthümlich. Der Gesandten angeführtes Vorzugs-Recht von des Alexanders Ausspruch und der Deutschen eigene Klugheit und Tapfferkeit behauptet. Alexanders und seines Sohnes Hercules Meichelm \rderischer Tod von den Deutschen beklaget / der gefangene Lysimachus auf des Meineydigen Cassanders Tod ohne Entgeld loßgegeben. [719] Der Deutschen Glücks-Sonne gehet in Griechenland auf / in Welschland unter. Der Semnoner eingeschläffte Tapfferkeit. Zwietracht eine Besiegerin der streitbarsten Völcker. Neuer Krieg zwischen den Samnitern / Campaniern und Marsien. Der wider die Samniter zu Hülffe geruffenen Römer Friedens-Bruch. Hertzog Siegfrids vergebliche Abmahnung; sein und seines Schwagers Pontius entgegen gestellte Krieges-List; der Röm. Bürgermeister Veturius und Posthumius erlittener Schimpff; der deßwegen erzürnten Römer Rache. Neues Bündniß der Semnoner /Samniter und Hetrurier. Die zu Rom deßwegen vorgenommene Musterung und erkieste Heerführer; Scipio vom Hertzog Clodomar zwischen denen vortheilhafftesten Felßen und Klippen aufgesucht / und aufs Haupt geschlagen. Nichts ist der Tugend unüberwindlich. Der Semnoner Gebiethe von beyden Bürgermeistern Decius und Fabius befallen; Ihr mit dem Clodomar zweiffelhafftes und blutiges Treffen; glücklicher Wagen Kampf; der vielen Bundsgenossen / als vieler Köpffe / entstehendes Unheil. Boßheit und Zauberey soll den Römern zum Sieg dienen / wird von dem neuen deutschen Hertzoge Wittekind stattlich gerochen. Dessen scharffes Aufboth unter dem Verlust Sporn und Degens. Davon der Ort nachgehends seinen Nahmen bekommen. Fabius schlüsset Friede und ziehet nach Rom zum Siegs-Gepränge. Die geschlagenen Samniter bemächtigen sich durch Hülffe Hertzog Britomars und seiner Semnoner des Römischen Lagers. Des Bürgermeisters Atilius Verlust und Niederlage bey der Stadt Lucuria; seine Verstärckung; dem Jupiter gethanes Gelübde und darauf geendetes Kriegs-Spiel. Des Bürgermeisters Papirius neuer Uberfall; des Semnonischen Fürsten Cajus Pontius Herennius scharffes Aufboth nach Sirpium; Seiner Kriegsleute vor einem blutigen Altare geschehene eidlichr Zusa enverschwerung; Ihre Bemächtigung der Stadt Aqvilonia. Der beeden Bürgermeister Corvillius und Papirius Kriegs-List mit einer großen Niederlage vergolten. Des jüngern Fabius Versehen vom Vater gerechtfertiget / seine Entschuldigung zu Rom und verzweiffelter Streich gegen dem Fürst Pontius / dessen Gefangenschafft und schimpflicher Tod. Des Raths zu Samnium Kleinmuth und Abschwerung aller fremden Bündnüße. Der darüber klagenden Semnoner schlechte Verhör. Der Deutschen Beystand und Belägerung der Stadt Aretium. Des Junius Gesandschafft an den deutschen Hertzog Britomar; Seine Bedräuung und darauf empfundene Rache. Der Gesandschafft Würde heilig / und das dabey stehende Völcker-Recht unverletzlich. Britomar deßwegen vom Bürgermeister Dolabella rachgirig angefallen / gefangen / erbärmlich gehandelt / und gantz Umbrien grausamlich verheeret. Hartmanns ergrimmte Bruder-Rache an der mit Sturm eroberten Stadt Arctium ausgeübet. Seine glückliche Kriegs List wider den zum Entsatz kommenden Coecilius und davon entsprungener Nahme Anhalt. Die edle Freyheit und das Joch der Römischen Dienstbarkeit vereinbart aller deutschen Fürsten Gemüther die Waffen wider Rom / als ein ihnen leicht angehendes Werck zu ergreiffen; Rom dagegen und die herrschenden Bürgermeister den ihrigen zu Besiegung der Deutschen der Römer Gewalt als einen Schrecken der gantzen Welt vorstellend. Anhalt läst der gefangenen Römer Köpffe ins Römische Lager schleudern / verursacht dardurch großes Schrecken. Beyder Läger hitziges Treffen. Die Römer vom Dolabella verstärcket;[720] Anhalt nach euserster Gegenwehr durch den Vadimonischen See sich zu retten genöthiget. Glücks und Sonnenrads Gleichstimmigkeit. Des deutschen Fürstens in Pannonien Cambaules herrlicher Sieg und Beuthe in Mysien und Thracien. Des großen Belgius Schrecken bey den Nachbarn. Der Königin in Pontus und Thracien Arsinoe an ihn abgefertigte Gesandschafft / ihr in Gestalt der Dianen zugleich mitkommend herrliches Bildniß. Des Königs daraus geschöpffte Liebe und Heyraths-Entschlüßung. Ptolomeus verschmitzte Ablehnung seines eigenen Vortheils wegen. Sein im Tempel des Jupiters gethanes Gelübde und Liebkosungen gegen Arsinoen zu Cassandrea. Beyder prächtiges Beylager in der Stadt Epidamus; des jüngern Ptolomeus Flucht zum Könige Belgius. Arsinoens und ihrer beyden jüngsten Söhne erbärmlicher Zustand zu Cassandrea ihrer eigenen Stadt. Des Königs Belgius Gesandschafft zu diesem Wüterich; seine hochmüthige Antwort und fruchtlose Abfertigung / aber bald darauf von der verkleideten Arsinoe empfundene rechtmäßige Rache. Arsinoens und ihres Sohnes Ptolomeus Zusammenkunfft und hertzliches Umarmen. Des Belgius und Königin Arsinoe Heyrath; des Wüterichs Ptolomeus Enthauptung /und beschimpfter Kopf in Macedonien. Der sich widersetzenden Macedonischen Fürsten Meleagers und Antipaters Niederlage; dagegen des jüngern Ptolomeus Erhöhung zum väterlichen Thron. Der unedle und von einem Ackersmanne gezeugte Sosthenes erlangt durch seine Tapfferkeit den Nahmen eines Königs in Macedonien. Mäßigung der Ehre die gröste Königs-Würde. Sein tapfferes aber unglückliches Fechten wider den dem Belgius zu Hülffe kommenden Brennus den Tectosager Herzog. Der Deutschen dardurch mercklich vergrösserte Siege. Des Brennus und eines bey sich habenden Ritters besondere List zu Durchschwemmung des Stromes Sperchius. Brennus bestürmet Thermophylen. Unterschiedener deutschen Ritter dabey erwiesene Heldenthaten und davon überkommene Nahmen und Wappen. Der Grichische Feldherr Calippus vom deutschen Fürsten Acichor eigenhändig erlegt. Die Deutschen von der Athenienser Schiff-Flotte mit Pfeilen als mit Hagel überschüttet. Brennus biß hertzhaffte Anführung seiner Tectosager biß an den auf einer hohen Klippe liegenden Tempel der Minerva. Der Fürsten Orestes und Combut Zug wider die Etolier / endlich des Brennus selbst durch der Heracleer Wegweisung über den Berg Oeta / und mit gefährlicher Verwundung des tapffern Calippus biß an Athen. Falsches Gedichte vom Brennus wegen Beraubung des Delphischen Tempels. Aberglauben setzet sein Volck in Furcht und Schrecken. Sonn- und Monden-Finsternüße darzu behülfflich. Brennus Tod und die hierauf erfolgte Unruhe. Cammontors des Belgius Sohns in Asia und Europa Siege und Heldenthaten. Des Brennus Söhne und ihre ungleiche Erbtheile. Verrätherey wider des Brennus Sohn den König Hunn durch des grösten Verräthers Gemahlin entdeckt und gestrafft. Kampff zwischen des Vaterlands und der ehelichen Liebe / Tugenden und Lastern. Thessalors des Scordisker Fürstens Flucht zum Antigonus. Des König Hunns Gesandschafft an dessen Hoff und erfolgter Betrug. Der beyden deutschen Hertzoge Leonar und Luthar herrlicher Sieg zu Wasser und Lande. Der sichern Tectosager Niederlage durch Antigonus Schiff Flotte. Königs Pyrrhus Ankunfft aus Sicilien. Sein und seines Sohnes des streitbaren Ptolomeus [721] Sieg wider den Antigonus. Verkehrtes Krieges-Spiel. Des Pyrrhus und Ptolomeus Tod /des zweyten Sohnes Selenus Gefangenschafft und Loßlassung. Antigonus Undanck gegen die Deutschen; dieser Hertzhafftigkeit und blutiger Kampf. Alexander von des Antigonus Sohne Demetrius des Königreichs Macedonien entsetzet; von den Scordiskischen Deutschen aber bald wiederum eingesetzet. Der Deutschen Siege in Grichenland. Beyder Fürsten Leonars und Luthars Ehren-Nahmen in Asien und Entsatz der vom Zipetes von wegen der Deutschen irrig benennten Galater bedrängten Prusaburg. Dessen Tod / und zertheiltes / nachgehends Galatien benahmtes Reich. Blutiger Krieg zwischen Antiochus Sohne und Nachfolger Seleucus mit dem Könige Ptolomeus in Egypten von wegen jenes Stief-Mutter dessen Schwester vorgenommenen Hinrichtung. Antiochus Sieg vermittels der deutschen Hülffe wider den Seleucus und Krönung auf der Wallstat. Sein den Deutschen verweigerter Sold / und daher erlittene Niederlage. Des Zela Fürstens in Bythinien schändliche List wider den Fürsten Luthar beraubet ihn seiner Herrschafft und seines Lebens. Phileterus eines gemeinen Mannes Sohn wirfft sich zum Könige in Pergamus auf. Sein genommener Vortheil aus anderer Blutstürtzung / und glücklicher Anfall des Siegers Antiochus. Ptolomeus in Egypten rufft die Deutschen wider den ihn bekriegenden Cyrennischen König Megas zu Hülffe. Entstandenes Mißtrauen unter ihnen. Argwohn und Ehrsucht die betrüglichsten Wegweiser. Der Römer Wachsthum gegen der aus ländischen Nachbarn Macht / insonderheit die Stadt Carthago. Andacht aller Kriege Firniß. Berg Etna wegen seiner Höhe die Seule des Himmels genennet. Der Stadt Rom und Carthagens Untergang durch eine silberne Schaale bedeutet. Aberglauben der Betrug Larve. Carthagens blutiger Krieg durch des Berges Etna hefftig speiendes Feuer und Erdbeben bedeutet. Der berühmten Deutschen angeflehete Hülffe. Selzamkeiten der Sicilianischen Stadt Agrigent. Des Hanno unglückliche Opfferung / und anderer ihm von den Göttern bezeigter Unwille. Der Deutschen in der grausamen Belägerung Agrigent bezeigte Tapferkeit vom Feldherrn Hanno schlecht belohnet. Ungemeiner großer Drache in Africa vom Bürgermeister Atilius Regulus erleget; dessen vom neuen deutschen Feldherrn Xantippus erlittene Niederlage. Des Uberwinders Sieg zu Carthago; jenes aus Unmuth und Betrübnüß erfolgter Tod. Seines Eheweibes unrechtmäßige Rache. Wohlthaten wie sie beschaffen seyn sollen /und was vor Danck ihnen gebühre? Xantippus von den undanckbaren Carthaginensern ins Meer gestürtzet / bald darauf gerochen. Der Deutschen Treu bey Belägerung der wegen der Cumanischen Sibylle Grabe berühmten Stadt Lilybeum. Der Sibylle Weissagung verlieret ihren Glauben bey den Innwohnern. Ihre Kleinmuth. Zweyer behertzten Ritter Aufrichtigkeit und Rache gegen die Verräther der Stadt. Strabo ein scharffsichtiger Marckmann versichert die Kleinmüthigen ankommender Hülffe; Himilco dagegen zündet durch Erfindung eines Semnonischen Edelmanns der Römer erhöhete Thürne an. Jener herrliche Belohnung und erlangte Sieges-Kräntze. Die ziemlich ins Gedränge gebrachten Römer bekommen durch den goldenen Widder Dädalus und veränderten Taubenflug wiederum ein Hertze / zernichten der Carthaginenser Schiff-Flotte / und überkommen durch einen Frieden-Schluß das fruchtbare Sicilien zur Ausbeute.[722] Fürst Narvans jüngste Söhne überlassen dem ältesten das Recht der Erstgeburt / und suchen ihnen andere ihrer Tugend anständige Ländereyen. Agtsteins Wachsthum / Eigenschafft und Würckung. Saturnischer Abgott und Menschen-Opfferung an Bomilcars Sohne Imilio / des von der leiblichen Mutter listiger Weise untergesteckten Printz Narvas ungeachtet / verübet. Carthagens von Tag zu Tag sich vergrösserndes Elend. Agathocles verwechselt seine Krone mit einer Priester-Mütze / bringet dardurch das wütende Volck zum Gehorsam / und seine Herrschafft zu neuer Ruhe. Bomilcars unglücklicher Ausschlag wegen seines aufgeopfferten Sohnes und angemasten Herrschafft. Blosser Argwohn der angemasten hohen Gewalt ziehet den Tod nach sich. Des Königs Aphelles und Agathocles große Vertrauligkeit bey Carthago. Herrschenssucht verleitet diesen gegen jenen zum Meuchelmord / und Verwüstung aller seiner Länder. Fürst Narvas widersetzet sich dem hochmüthigen Agathocles / erobert den Carthaginensern viel verlohrne Städte wieder / wird endlich von den Numidiern und Mohren gefangen und zu Meroe zum Schlacht-Opffer denen göttlich verehreten Affen verurtheilet. Seine unglückliche Flucht; doch endliche Erhaltung durch Hülffe der Königl. Tochter Andraste / und der Affen selbst eigene Aufreibung. Seine von der Stadt Carthago inzwischen erbetene Freyheit; der Affen-Priester darüber entstandener Grimm und Verwegenheit gegen ihren König Ergamenes; ihre rechtmäßige Abschlachtung; Eingeführtes neues Priesterthum und Gottesdienst. Königs Ergamenes Elephanten-Jagt. Des Königs und der Königlichen Princeßin. Andrasle vom Fürsten Narvas Errettung aus ihrer augenscheinlichen Lebens-Gefahr / und den geilen Priester-Händen /wordurch er hohe Würden und die Liebe der Andraste ihm erwirbet / beyder Vermählung unter eitel Frolocken. Fürst Narvas mit Adrasten gezeugte drey Söhne. Des jüngern Fürsten Narvas hurtige Jugend; seine und Autaritus Eifersucht um der Sophonisben Liebe. Autaritus Erbitterung und Wüten wider seinen Nebenbuhler den Gescon und viel edle Carthaginenser. Fürst Narvas erhält die Sophonisbe zur Ausbeute. Sein / Hannibals und Amilcars Sieg wider den Mathos / Spendius und den von Liebe und Rache brennenden Autaritus. Beyder Feinde gegen einander ausgeübte unmenschliche Grausamkeit. Des Hanno erbärmliche Abschlachtung. Des Narvas Vermählung mit Sophonisben / und dessen Unbestand. Der Römer Hochmuth gegen ihre Nachbarn / und Furcht vor den Deutschen aus der Sibyllinischen Propheceyung entstanden. Der unter den Deutschen um Sold fechtenden Gäsaten Kriegs-Art. Unterschiedener vornehmer Deutschen wie auch des Heerführers Concoletans Niederlage. König Aneroests hertzhaffter Tod zum Beyspiel: wie weit der Vermessenheit das Göttliche Verhängniß die Gelübde verstatte. Wunderzeichen den Römern erschrecklich / wie weit solche zu fürchten und ihnen zu glauben. Der Deutschen erschreckliche Gestalt und verachteter Zierath als ein denen Kriegsleuten gefährliches Kennzeichen vor dem Feinde. Der Römische Marcellus lehnet des deutschen Fürsten Viridomar Zweykampf mit List ab / welchen stat seiner Klodomir ein Sicambrischer junger Fürst mit großem Vortheil und seines Gegeners blutigem Untergange verfolget. Das allgemeine Heil auf die Spitze eines einzigen Degens zu setzen / nicht minder[723] verargen / als verdammlich. Der Deutschen Glücksstern in Welschland untergehend. Carthagens Macht und Größe mit der Römer bald in gleicher bald ungleicher Waage stehend. Amilcars und seiner Gemahlin der Arimene Todfeindschafft wider die Römer; Beyder Geschlecht verschworner Haß wider diese ihre Feinde. Asdrubals hinterlistige Hinrichtung. Der junge Annibal zum Haupte der Stadt Carthago / allen aber zum Beyspiel gesetzet: daß das Alter nicht die Meßschnure der Klugheit; ingleichen: daß das Thun eines Klugen und Thoren nicht so wol aus seinem Wesen / als aus der Zeit und Unzeit zu unterscheiden sey. Hannibals Großmüthigkeit wider die pochenden Römer / und Beweißthum: daß die Dräuungen im Kriege nur Blitze ohne Donnerkeule. Der Stadt Sagunt vom Amilcar erlittene harte Belägerung und der Iñwohner Verzweiffelung. Der Römischen Gesandten Hochmuth vor dem Rath zu Carthago; dieser großmüthige Antwort von der Deutschen Hülffe unterstützet. Der Römer Niederlage. Annibals schwerer Zug über die Alpen; dessen Penninischer Gipffel die Seule der Sonnen genennet; Sein dem Jupiter darauf gethanes Gelübde. Albert ein bey den Römern gefangener Deutscher Fürst macht im Römischen Lager einen Aufstand / gehet zum Annibal über und wird herrlich empfangen. Der Römer große Niederlage zwischen den Flüssen Mela / Po und Athesis unter dem unvorsichtigen Bürgermeister und Heerführer Tiberius /wordurch dieser in höchste Verachtung; die Stadt Rom aber in gröstes Schrecken gerathen. Des Bürgermeisters Flavius große Niederlage mit einem Erdbeben begleitet. Die Römer verliehren durch des Annibals sonderbare Kriegs-List viel Rathsherren und Adler. Annibal wird seinem Glück mißtraulich. Die Römer aber durch der Deutschen und Africaner Zwietracht wieder ermuntert; bald wieder aufs schärffste angefallen und aus ihres Heerführers Posthumius abgeschlagenem Haupt oder Hirn-Schädel ein Trinck-Geschirr gefertiget / und als ein großes Heiligthum aufgehoben. König Philipps in Macedonien mit dem Annibal getroffene Bündniß und Gesandschafft. Wollust die Verderbniß der grösten Kriegs-Helden. Agathoclia bezaubernde Liebe bringet ihren Buhlen den König Ptolomeus Philopater ums Leben; Annibaln in Haß und nicht viel geringere Gefahr. Liebes-Streit zwischen dem Vater und Vaterlande sich an Porelle ereignet. Verkehrter Glücks-Haafen / daraus der Argwohn eitel Mißgeburten gebieret. Annibals angestellter herrlicher Aufzug und sündhaffte Garten-Lust traurig geendigt / und wie Unschuld selbst mit Rache und Tod an der frommen Chlotildis von den Lastern befallen; also diese letztere mit Ach und Weh an der Schlangenbrut Agathoclia belohnet; selbst Annibals Glück und das gemeine Heil dardurch zu Grabe gehen. Gertrudis / Erdmunds des Neretischen Hertzogs Tochter gefangen / als ein Wunder der Schönheit zum Scipio gebracht von diesem ihrem Bräutigam unverletzt wieder ausgehändigt. Annibals Thränen über seines enthaupteten Bruders Asdrubals Haupt / über dessen und der Stadt Carthago Verhängniß. Dessen unveränderlich und unerforschliches Wesen. König Syphar tritt von den Carthaginensern zu den Römern /wird von Masanißa geschlagen. Masanißens Schwester-Sohn Maßiva / seine Tapfferkeit in den ersten Jahren / seine Gefangenschafft und Loßgebung vom Scipio. Kunststück ihm seine [724] Feinde zu verbinden. Königs Gada Nachfolger samt seinen Brüdern vom herrschenssichtigen Fürst Mezetul erwürget. Masanißa mit jenes höchstem Verdruß von den Reichs-Ständen zum Könige erkläret. Masanißens scheiterndes Glück und Leben an dem mächtigen Syphax und an einem wütendem Strohme; seine wunderbahre Erlösung und freudige Bewillkommung in seinem Königreich. Königs Syphax und Sophonisbens Gefangenschafft in der Haupt-Stadt Cyrtha. Carthagens große Gefahr. Des Scipio und Hannibals zweiffelhaffte Schlacht und daraus entstandener Friede zwischen dem eifersichtigen Rom und Carthago. Den Deutschen wird zugeeignet: daß Annibal Italiens / Scipio Hispaniens / Masanißa Africens Meister worden; das Haupt aber habe unter allen Gliedern den Vorzug. Die Römer verlieren bey ihrem Nothstande weder Witz noch Hertz. Carthagens Undanck gegen Hannibaln den grösten Helden der Welt gereichet ihr zu eigenem Verderb. Tapfferkeit und Wissenschafft schicken sich wohl unter einen Helm. Annibals und Scipio schlaue Kriegs-Räncke; beyder Tugenden und Fehler / Mißgunst und Verfolgung. Hannibal ein besser Kriegsmann als Scipio / Scipio ein besser Bürger als Hannibal. Adgandester vollführet seine unterlassene Rede /bewundert bey der Römer sich numehr selbst überwachsenem Glücke das alle menschliche Rathschläge bemeisternde Verhängnüß. Die Römer ziehen ihre sieghaffte Waffen wider den mit dem Annibal im Bündniß stehenden König Philipp in Macedonien. Die Eroberung Thebe / Eubäa und Sparta durch ein vorhergehendes Sieges-Zeichen bedeutet. Amilcar nebst vielen deutschen Fürsten stirbet vor die edle Freyheit / denen übrigen ziehet die vor Augen schwebende Dienstbarkeit / unter dem Corolan / seinem Bruder Ehrenfried dem Bojischen Fürsten Dorulach /ziemlich glücklich den Harnisch an / biß endlich Carthago sich selbst ohne Noth zu der Römer Füssen leget / und den blutigen Krieg dem Annibal aufbürdet. Königs Antiochus Zärtligkeit und Zagheit bey seinen großen Kräfften sich mit dem Annibal gegen die Römer zu sezen. Die Römer suchen bey dem Antiochus den Annibal verdächtig zu machen. Hartes Gefechte der Römer mit den Deutschen / Hertzog Ehrenfrieds und Darulachs dabey bezeigte Tapfferkeit; Jener große Niederlage. Die Deutschen von Micipsa des Masanißa Sohn schändlich hintergangen / worüber Fürst Bojorich für Kummer gestorben / Darulach aber in Deutschland beruffen wird. Königs Antiochus weibisches Gemüthe; Seines Heeres Flucht und große Niederlage; sein schimpflicher Friede; der Römer Sieg und herrliche Beuthe / Scipio prächtiges Siegs-Gepränge zu Rom. Der Deutschen verwirrter Zustand und Nothzwang vom König Philipp in Macedonien in der belägerten Stadt Abydas. Ihre Widererholung und erhaltene See-Schlacht auf Seiten des Königs Perusias entgegen den Eumenes durch wunderbare in die Pergamenischen Schiffe geworffenen Schlangen-Tõpffe nebst Eroberung der Haupt-Stadt Pergamus und des goldenen Bildes Esculapius. Der Deutschen Ansehen in Syrien verursachet: daß der große Antiochus sie zu seiner Leibwache und ihrem Könige Mendis seine Tochter Arsinoe zur Braut anträget. Hannibals Siege verursachen zu Rom abermaliges großes Schrecken. Antiochus den Macedoniern bezeigter Liebes Dienst vom König Philipp als ein Zanckeisen und Friedensbruch angenommen. Antigonus [725] verfällt in seine vorige Furcht / Wollüste / schimpfliche Verheyrathung und erkaufften knechtischen Friede; die von aller Hülffe entblösten deutschen in Krieg und eigene Zwietracht. Ihre Großmüthigkeit im Unglück. Des Mannlius Ehrsucht. Ihre unverrückte Treu und Glauben in Erfüllung des versprochenen Lösegeldes. Aufrichtigkeit der alten Deutschen Eigenthum / vieler anderer Völcker insonderheit der Grösten auf der Welt Gauckelspiel / und die Versprechnüße zu erfüllen eine knechtische Dienstbarkeit. Neues Verbindnüß wider die Römer theils durch Furcht / theils durch Geschencke der Bundsgenossen zerrissen. Der tapffere Hannibal muß der Treulosigkeit zum Schlacht-Opffer werden. Der Römer hieraus entstehender Hochmuth durch die Aqvaner / Alemänner / den zur Macedonischen Cron kommenden König Perses / und die wieder auf Rache sinnende Carthaginenser gedemüthiget. Perses Zagheit von der deutschen Fürsten Carsignat und Gözonor Tapfferkeit abgeholffen. Carsignats hefftige Verwundung. Der Deutschen grõster Sieg / und der Römer gäntzliche Aufreibung durch den Meuchelmörderischen Evander verhindert. Hertzog Götzonors daraus geschöpfte Ungedult. Des Römischen Raths Geschencke an den deutschen König Cincibil. Jener Grausamkeit in Grichenland und bald darauf von der Stadt Uscana erlittene Niederlage. König Gentius nimmt die Römischen Gesandten mehr als Kundschaffter denn Bothschaffter in Verhafft / worunter Pompejus der Römer Unergründligkeit mit der Feuer-Prüfung bestätiget. König Perses von den Römern überfallen / seine schändliche Flucht nach Pella / endlich nach Samothracien in Tempel zum Heiligthume der Venus und Phaetons / derer Freyheit er als ein Meuchelmörder unwürdig geschätzet / und nebst seinen Söhnen nach Rom zum Siegs-Gepränge geführet wird. Königs Gentius nicht ungleiches Trauerspiel wegen seines / durch Anhaltung der Römischen Gesandten / und herrschenssichtige Hinrichtung seines Bruders / verletzten Völcker- und Bruder-Rechts. Keine menschliche Vernunfft kan dem Verhängnüße in die Speichen treten / noch einigen Riegel vorschieben. Rom fast von aller Welt angebetet / die Deutschen allein vor ein freyes Volck erkennet / und in Friedens-Bund genommen. Des Königs Eumenes Eifersucht / Unruhe und Tod / dessen Nachfolger sein Bruder Attalus. Sein Krieg mit dem Prusias und Deutschen. Prusias wegen Plünderung der beyden Tempel Apollo und Diane von seinen Bundsgenossen verlassen / und wegen seines vorhabenden Kinder-Mords von seinem Sohne Nicomedes zu Nicomedien in Jupiters Tempel nicht ohne Göttliche Rache ermordet. In Syrien wird nach des alten Antiochus Tode sein Sohn Antiochus durch den Demetrius verdrungen / der untergesteckte falsche Alexander verjaget / und der junge Demetrius von den deutschen Fürsten auf den väterlichen Thron gesetzet. Die in Ligurien zeither still gelegene Deutschen wachen wider die Römer auf / halten ihnen auch so lange die Waage / biß sie in voriger Freyheit gelassen / nachgehends aber durch die Wollüste Welschlands und der Römer listige Räncke eingeschläffert werden. Rom stifftet nicht nur aufs neue den König Masanißa wider Carthago zum Krieg an / sondern beschwehret auch in voller Raths-Versammlung dieser Neben-Sonne gäntzlichen Untergang. Carthago mit allen ersinnlichen Friedens-Vorschlägen abgewiesen / belägert / durch der deutschen Tapfferkeit in verzweiffelte [726] Gegenwehr gebracht /endlich aber doch vom Scipio erobert / und zum andern Troja gemacht. Asdrubals Ehfrau übet wegen ihres knechtischen Gemahls grausame Verwegenheit aus; die noch lodernde Asche aber dieser mächtigen Stadt wahrsaget Rom den gleichmäßigen Untergang /an dessen Tugend sie sich zeither / wie ein Wetz- oder Feuerstein an dem andern / geübet. Der Römer lasterhaffte Blindheit in schändlicher Einäscherung der schönen Stadt Corinth. Neuer Anfall der Deutschen mit Aufsuchung der Sibyllinischen Bücher. Viriath eines deutschen Fürsten Olonichs Sohn von den Römern / als ein Kind verfolgt / auf den steilesten Klippen von Gemßen gesäuget / endlich von einem Hirten gleich dem Cyrus erzogen. Seine hurtige Jugend verwandelt seinen Hirtenstab wider die Römer in einen blutigen Degen; Sein herrlicher Sieg und Ansehen bey den Celten. Er wird der Lusitanier Obrister / schläget die Römer abermal aufs Haupt / und richtet auf dem Gipfel des Venus-Gebürges ein von der Römer herrlichen Beuthe bestehendes Sieges-Zeichen auf. Seine Ankunfft und Opfferung; Sein an Tag kommendes Herkommen und Geschlecht nebst der würcklichen Besteigung des väterlichen Stuhls. Seine Verheyrathung an Algarbe eines Celtischen Fürsten Tochter /mit Verweigerung aller übrigen Pracht. Neues Treffen mit den Römern und dabey bezeigte Kriegs-List. Die zum Friede gezwungene Römer werden Eydbrüchig und muthen den Lusitaniern ungewohnte Dienstbarkeit zu / verhetzen zwey seiner Landsleute zum Meuchelmord des tapffern Viriaths. Dieser der Hispanier Romulus genennet. Seine Gemahlin Algarbe behauptet durch ihre und der übrigen Celtischen Weiber ungemeine Tapfferkeit die von den Römern beängstigte Stadt Numantia. Zweyer Numidier Liebe gegen sie /beyder Entschied / die Römer werden gezwungen der Stadt Numantia ewige Freyheit zu beschweren / werden aber bald Eydbrüchig. Ihre Kriegs- und Ehrsucht über die Alpen zu gehen. Des Arverner Königs Luens Reichthum und Uberfluß ihre mehrere Zulockung. Sein Sohn Bituit wirfft sich zwischen den hochmüthigen Römern und Allobrogen zum Schieds-Richter /auf deren Verweigerung zu ihrem Feinde auf. Der Römer am Rhodan aufgerichtete Sieges- und Ehren-Maale. Der Sarunter Furcht und Verzweiffelung vor der Römischen Dienstbarkeit / worunter sich auch die Chemnoner neigen / die Deutschen aber einen gewaltigen Riegel vorschieben. Die Uberschwemmung des Cimbrischen und Tritonischen festen Landes verursachet die Innwohner insonderheit die ohne dem ziem lich gedrange wohnende Deutschen ihnen einen andern Sitz zu suchen mit Verdruß und Furcht der Römer. Dieser vom Hertzoge Bojorich und Brinno erlittene Niederlage. König Teutobach erkennet die Celtiberier für alte deutsche Landsleute und würdig aus der Römer Dienstbarkeit zu erlösen. König Teutobachs Gesandschafft zu Rom mit scheinbaren und leeren Worten abgespeiset / an den Römern schimpflich gerochen. Des Römischen Caßius Kopf von Langerta des Cimbrischen Hertzogs Tochter abgehauen / und zu Bojorichs Füssen geworffen. Die Götter straffen an den Römern den Raub des Apollinischen Tempels zu Telosa. Jugurtha vom Mauritanischen Könige den Römern in Band und Eisen gelieffert. Der Römischen Feldherren Zwietracht dienet den Deutschen zu grossem Vortheil. Einem Cimbrischen Ritter [727] verbessert seine Tapferkeit das Wappen; dahingegen unrechtmäßigem Verhalten der Verlust der Ehre und des Adels folget. Die Deutschen sehen ihr Gelübde an der Römer Beuthe erfüllet / und Bojorich richtet den Römern zum Schimpf über die Erschlagene ein Grabmaal auf. Scaurus Hochmuth mit dem Leben bestrafft. Marius opffert auf Eingeben einer Syrischen Wahrsagerin in Hoffnung künfftigen Sieges seine Tochter Calphurnien; dieser ihre Standhafftigkeit und rühmliches Grabmaal. Der Deutschen zugemutheter Zweykampf vom Marius mit klügster Bescheidenheit abgelehnet. Des Marius List vermittels zweyer von der Wahrsagerin loßgelassener Geyer. Der Deutschen Weiber Hertzhafftigkeit gegen die Römer am Fluße Canus. Die Deutschen fechten vor ihre Freyheit; Die Römer aus Begierde des Sieges verzweiffelt / worüber die Heldin Landgerta ihr Leben einbüsset / König Teutobach aber nach ausgerichteten Riesen-Thaten und vielen empfangenen Wunden halb tod vom Feinde aufgehoben wird. Der Deutschen Niederlage und aufgethürmte Todten-Knochen machen den Marius zum fünfften mahl Bürgermeister. Große Anstalt in Rom zu seinem Siegs-Gepränge. Die aller Arbeit gewohnte Deutschen werden durch der Veneter fruchtbares Land in Wollust / nach Art der wachsamsten Helden nach einem großen Wercke in Schlafsucht /wie das Meer nach hefftigem Sturme in eine Windstille gesetzet. Bojorichs Gesandten durch König Teutobachs unvermuthete Gefangenschafft höchst bestürtzt. Seine Anforderung zum Kampff und darauff erfolgte Schlacht. Das mit allen Elementen vor die Römer kämpffende Verhängnüß kan die Deutschen kaum überwinden. Cesorichs Gefangenschafft; des sieghafft sterbenden Bojorichs vom Marius erlangter Ehren-Ruhm; der Königin Hatta und vielen andern Fürstlichen Frauen den wüttenden Römern entgegen gesetzter großmüthiger Tod und davon erlangte Ehren-Maale. Des Marius über diesem Sieg zu Rom erlangter Ehren-Tittel und Triumph / König Teutobachs aber dabey erlittener Schimpf. Catulus des Römischen Feld-Herrns mit seinem Nahmen bezeichnete und den Deutschen den grösten Schaden gethane Pfeile. Des Marius auf dem Berge Vogesus vom Römischen Rath aufgerichtete Siegs-Tempel / nebst seiner alldar geopfferten Tochter Calphurnia mit eitel sinnreichen Uberschrifften befindlichem Bildniß. Hertzog Merodachs gleichmäßige Rache in Aufopfferung der Römer. Die Einäscherung des Glücks-Vogels Phönix Rom nachdencklich. Das in Wollüste verfallene Rom; Ihr Undanck gegen die Marsen und Sermiter bringet beyde wider sich selbst in Harnisch. Des Fürstens der Marser Silo List und Sieg gegen den unvorsichtigen Cepio. Der Römer verfallenes Ansehen in Asien / und der Saluvier Aufstand in Gallien durch den Marius gestillet. Seine abgelegte Feld-Herrschafft. Der tapffern Judacils eigenmächtige Verbrennung und dessen Ursache. Des Sylla Opfferung und dabey sich ereigneter Zufall machet die Römer groß-das Pelginische Heer aber kleinmüthig. Rom wird genöthiget den Deutschen in Italien das längst verfochtene Bürger-Recht zu geben / sich aber selbst durch des Sylla und Marius bürgerlichen Krieg in eigenem Blute zu sehen. Wunderbares Begebnüß zwischen dem zum Tode verdammten Marius [728] und einem Marsingischen Ritter. Des erstern wieder erlangte Würde und darinnen rühmlich erfolgter Tod. Des großen Pontischen Königs Mithridatens Geburt durch einen Schwantz-Stern bedeutet; seine Tugend und Großmüthigkeit denen benachbarten Völckern bedencklich / dem Bedrängten erfreulich. Des deutschen Hertzog Herrmanns am Fluße Psychrus nach seinem Nahmen gebaute Stadt Hermanassa. Mithridatens unzehlbare Eroberungen und Uberwindung des Chersomesischen Königs Scilurus nebst seinen achzig Söhnen. Seine grosse Kriegs und Seemacht. Die unter dem andächtigen Vorwand der Heiligthümer erbaute Festungen den Nachbarn ein Kapzaum. Des Marius dem Mithridates gegebene Staats-Lehre. Die klugen Deutschen entziehen sich dem Schatten dieses allzu groß wachsenden Riesens / und gehen mit den Römern einen Bund ein. Der junge König Ariarathes unter dem Vorwand der Freundschafft vom Mithridates eigenhändig entleibet /und sein Sohn unter jenes Nahmen vorgestellet. Nicomedes List durch eine dergleichen verrathen. Die Cappadocier mehr des Gehorsams als der Herrschafft fähig. Der Deutschen gutes Verständnüß mit den Römern dem Mithridates ein Dorn in Augen; Seine Begierde sie von ihnen abzuziehen; Seine Klage zu Rom wider den König Nicomed und Eroberung des Königreichs Cappadocien. Des erstern Niederlage und der Römer zugeschickte Hülffe. Mithridatens Sieg und Freygebigkeit gegen seine gefangene Feinde bahnet den übrigen zur freywilligen Ergebung / den seinigen aber seine hertzhaffte Ermahnung den Weg nach Rom als eine Wölffin aller Völcker. Dem Uberwinder Mithridates leget des Milesischen Philipemanes Tochter Minoma durch ihre Schönheit die Liebes-Fässel an. Der Aberglaube tritt seinem Glücke in Weg und ziehet ihn von der Stadt Rhodis und Patana / des Pergamus Wollüste und der Minoma Liebkosungen aber die Hülffs-Völcker von ihm ab. Des tapffern Archelaus und eines deutschen Ritters in dem Eylande Delos / so die Griechen der Götter Vaterland nennen /heldenmäßige Verrichtungen vom Glücks-Kinde Sylla unterbrochen. Dessen denckwürdige Belägerung der Stadt Athen / und Festung Pyrennium nebst beyder Eroberung und Blutstürtzung. Seine Schlacht und Sieg wider den Archelaus; dessen falsche Verläumdung über die deutsche Fürsten. Mithridatens schändlicher Undanck und Grausamkeit gegen sie zu Pergamus ausgeübet. Des noch erretteten Dejotars Rache am Archelaus und Mithridates. Sylla trägt einen Leuen und Fuchs im Hertzen Rom und allem Volcke zum Schrecken. Seine über die Römer bekommene Gewalt. Mithridates bemühet sich die Deutschen wieder auff seine Seite zu bringen / tödtet seinen Sohn aus einem falschen herrschenssüchtigen Wahn. Der grosse Sylla beiget sich vor der am Pompejus neu aufgehenden Sonnen / und leget nunmehr seine mit viel Schweiß und Gefahr geraubte Würde mit seinem Leben nieder. Sein herrliches Begräbnüß und Grabschrifften. Grausamer Krieg des vom Sylla verbannten Sertorius mit Zuziehung eines grossen Theils des Römisch- und Deutschen Adels. Sein neu auffgerichteter Rath und Leibwache. Seine herrliche Thaten und Rache wider die Stadt Lauran. Pompejus von den Deutschen ausgestandene Gefahr / und der nach der Meuchelmörderischen Hinrichtung des [729] Sertorius aufgerichtete Vertrag / ingleichen der unter des deutschen Fürsten Dejotars Anführung dem Mithridates gethane Abbruch. Pompejus seltzames Krieges-Spiel / seine Flucht / der seinigen Verzweiffelung und seines Sohnes Machars Verhängnüß. Mithridates als ein Stief-Kind des Glücks von seinem eigenen Gemahl der Stratonice verkaufft und verrathen. Seine Leiche von seinem leiblichen Sohne Pharmaces dem Pompejus zugesendet. Sein herrliches Begräbnüß / Grabstätt und prächtige Uberschrifft. Pompejens nach Rom gebrachte kostbare Beuthe und Siegs-Gepränge. Der Römer daraus erwachsener Ubermuth und Grausamkeit gegen ihre gefangene Ausländer. Dieser ihre hertzhaffte Entschlüssung und vor die Freyheit aufgerichtete Kriegs-Fahnen / zu deren Haupt und Heerführer Spartacus ein deutscher Ritter aus vorhergehender Wahrsagerey gewehlet wird. Seine Tapfferkeit und Sieg wider die ihn aufsuchende Römer mit sein und seiner Feinde Blut besiegelt. Der Deutschen verneuerte Treue durch keine Verhetzung und Versprechnüß von Rom abwendig zu machen. Der Römer dagegen schlechte Vergeltung und Undanckbarkeit bringet sie wieder in Harnisch / und machet ihren Hertzog Catugnat mehrmals wider sie sieghafft / letzt aber dem wanckelbaren Kriegs-Spiele unterwürffig. Diese des Malovends Erzehlung heisset die natürlich untergehende Tages- und die dem Hertzog Herrmann an Thußneldens Hochzeit-Feyer aufgehende Liebes-Sonne endigen / und die fernere Erzehlung der Deutschen und Römer insonderheit des Käysers Julius und seines Nachfolgers Augustus aufskünfftige verschieben.

Das Sechste Buch
Das Sechste Buch.

Die Sterne stunden noch am Hi el / und der gantze Hof lag noch zur Ruh / als ein Cattischer Edelmann dem Hertzog Arpus und Fürsten Catumer zu wissen machte: daß beyder Gemahlinnen Erdmuth und Rhamis nur drey Meilen von dannen auf einem Lusthause des Feldherrn ankommen wären; derer erstere / als der Fürstin Thußnelda nahe Bluts-Freundin / bey dieser Vermählung die Mutter-Stelle vertreten solte. Diese Post erweckte anfangs diese zwey Cattische Fürsten; Hernach aber / als Fürst Adgandester hiervon Nachricht kriegte / und dem Feldherren beybrachte / alle Grossen. Denn iederman war über dieser Ankunfft erfreuet. Also ward von allen Deutschen Fürsten Befehl ertheilet fertig zu machen / diese annehmliche Gäste zu bewillkommen. Der Feldherr alleine blieb zurück /und verschloß sich wegen wichtiger Schreiben in sein Zimmer / befahl aber dem Fürsten Adgandester: daß er bey fast einsamen Hoffe die fremden Fürsten inzwischen annehmlich unterhalten solte. Wie nun das hertzogliche Schloß derogestalt von allen Häuptern gleichsam ausgeleeret ward / führte Adgandester die fremden Gefangenen / oder vielmehr annehmlichen Gäste / auf die neue Rennebahn / und zeigte ihnen alle Anstalten / die der Feldherr zu herrlicher Begehung seines Beylagers angeordnet hatte. Nachdem sie auch mit unterschiedenen Rennen sich erlustigt / verfügten sie sich in den Lustgarten; da sie die Königin Erato mit Saloninen und etlichem andern Frauenzimmer /welches die Fürstin Thußnelda zurück gelassen hatte /antraffen; [730] und nach gegen sie bezeugter tieffer Ehrerbietung erkundigten; mit was für Annehmligkeit sie einander in dieser Einsamkeit unterhielten. Die holdselige Erato berichtete hierauf: daß sie ihr die Ankunfft und Beschaffenheit der beyden Cattischen Hertzoginnen; denen der gantze Hoff entgegen gezogen wäre / hätte erzehlen lassen; und von ihnen so viel gutes vernommen: daß sie eine grosse Begierde hätte sie nur bald zu umarmen / und sich um ihre Gewogenheit zu bewerben. Ihr Vorwitz hätte sie auch ferner getrieben den Uhrsprung der Liebe zwischen dem Feldherren und der auserwehlten Fürstin Thußnelda /wie nichts minder der von ihrem Vater hierüber geschöpfften Gramschafft zu erforschen. Worvon ihr die anwesende Nassauin zwar ein Theil zu eröfnen Vertröstung / hiernebst aber diese Anweisung gethan hätte: daß sie alle Umstände von niemanden besser /als dem Fürsten Adgandester / welchem Hertzog Herrmann iederzeit sein Hertze mit allen Heimligkeiten vertraut hätte / ja ein treuer Gefärthe seines Glücks gewest wäre / vernehmen könte. Aber sie trüge nicht unbilliches Bedencken ihm nicht nur eine so beschwerliche Bemühung / sondern auch die Eröffnung derselben Heimligkeiten anzumuthen; welche die Liebhaber insgemein verborgen wissen wolten; weil sie davon den Aberglauben hätten: daß wie die Sonne den Glantz den Sternen / also die Wissenschafft den Zucker der Liebe benehme. Jedoch könte sie ihn wohl versichern: daß die holdselige Thußnelda ihr selbst nichts hiervon zu verschweigen Vertröstung gethan hätte. Adgandester bezeugte gegen die Königin ein absonderes Verlangen ihr zu gehorsamen / und trüge er selbte zu eröffnen kein Bedencken. Sintemal er wol wüste: daß er hierdurch nichts / was sein Herr und Thußnelde für ihnen verschwiegen haben wolte / entdeckte. Nicht zwar / weil ihnen vieler Eitelkeit anklebte / welche ihre Liebe für unvollkommen / oder nicht für genung eingezuckert hielten / wenn nicht auch andere darvon wüsten; und gleichsam an ihrer Ergetzligkeit theil hätten; sondern vielmehr / weil beyder Liebes-Fackeln alles Rauches befreyet wären; also: daß sie allen andern Liebhabern wol ein Licht /niemanden aber kein Aergernüß abgeben könten. Und irrete ihn nichts: daß Segesthes selbst diese reine Gluth nicht nur auszuleschen / sondern auch zu schwärtzen sich auf alle Weise bemühete. Denn wie die von der Erden aufsteigenden Dünste es die Sonne zu beflecken nicht endeten / gleichwol aber durch ihre Zerrinnung der angefeuchteten Erde wider ihr Absehn Nutzen schafften; Also benähme die Verleumdung denen Stralen der Tugend nicht den geringsten Funcken; ja sie verursachte mit ihrem Schatten vielmehr: daß sie desto heller leuchtete / und ihren Lauf mit so viel mehr Ehre vollendete. Hertzog Rhemetalces fiel ein: Er wolte wol nicht gerne der Königin Verlangen /und ihrem aus Anhörung einer so merckwürdigen Liebes-Geschichte bereit durch den Vorschmack der Hoffnung geschöpfften Vergnügen den minsten Abbruch thun; weil er aber bereit diese Nachricht hiervon hätte: daß die Erzehlung in andere wichtige Reichs- und Kriegs-Begebenheiten Deutschlands einfallen würde; stellte er zu der Königin Entschlüssung: Ob nicht Fürst Adgandester zu vermögen wäre / ihnen vom Uhrsprunge an der Deutschen Geschichte / und insonderheit die mit denen Römern und Griechen gehabte Vermengungen vorher entwerffen / und dardurch des Feldherrn Herrmanns Thaten ein Licht geben wolte. Erato versetzte: sie wäre für diese gute Erinnerung dem Fürsten Rhemetalces hoch verbunden / noch höher aber würde sie es gegen den Fürsten Adgandester seyn; wenn er sie alle mit einer hochverlangten Nachricht zu beglückseligen erbittlich seyn möchte. Adgandester antwortete: Er wäre so begierig als schuldig hierinnen zu gehorsamen; Sein einiges Bedencken wäre nur: daß seine Erzehlung einer so lieblichen Gesellschafft [731] mehr Eckel als Anmuth verursachen / er auch in einigen Umständen / die dem Fürsten Malovend zweiffelsfrey besser kundig wären /irren / und also seine übrige Berichte verdächtig machen dörffte. Alle Anwesende nahmen seine Erklärung für bekandt auf / und versicherten ihn ihrer hohen Vergnügung; da er ihnen von Grund aus und umständlich alles fürtragen würde; weil dieser ihnen freygelassene Tag durch keine bessere Lust zu verkürtzen wäre / ihnen auch diese Gelegenheit nicht so bald wieder kommen möchte. Adgandester erinnerte hierauf: Man möchte seine Erzehlung deßhalben nicht bald als unwahrhafft verdammen; wenn selbte nicht in allem mit den Römischen Geschichtschreibern / welche ihrem Volcke bißweilen zu sehr geheuchelt /übereinstimmete. Die aufrichtige Entdeckung der Deutschen Fehler und Niederlagen würden hoffentlich ihm auch im übrigen desto mehr Glauben erwerben. Zeno begegnete ihm: Er möchte deßhalben den minsten Kummer haben; weil nicht nur die Deutschen /sondern auch die Griechen und andere Völcker hierüber eine gleichmäßige Klage führten / und ein überaus grosser Unterscheid zu lesen wäre / von dem /was die Römer und Fremde von ihren Africanischen und Parthischen Kriegen aufgezeichnet hätten. Da doch die Warheit der Kern und die Seele eines Geschichtschreibers / die Heucheley aber ein vergänglicher Firnüß wäre / welchen die Zeit nichts minder von scheltbaren Thaten / als das Alter die Schmincke von runtzlichten Wangen abwischte. Fürst Malovend setzte auch diese absondere Vertröstung bey: daß er mit seinen Erinnerungen ihm auf den unverhofften Nothfall nicht entfallen wolte; weil er zumal dem Fürsten Zeno und Rhemetalces noch in der Schuld wäre / die Begebenheiten der beyden Feldherren Aembrichs und Segimers zu erzehlen. Adgandestern waren hiermit alle ohne diß nur von seiner Höfligkeit eingeworffene Ausflüchte abgeschnitten; dahero er denn / nach dem die Königin Erato / Saloninc nebst dem andern Frauenzimmer / Fürst Zeno und Rhemetalces sich in einem anmuthigen Gesträuche in einen Kreiß niedergelassen hatte; folgende Erzehlung anfing.


Es hat mit den Ländern in der Welt und dem Meere / oder denen Wolcken einerley Beschaffenheit. Die Flüsse / die das Meer in sich verschlinget / giebet es durch geheime Wasser-Röhren aus den Gebürgen wieder von sich; die schwämmichten Wolcken drücken ihre Feuchtigkeit wieder auf den Erdbodem aus /woher sie empor gedampfft waren. Und die vor anderwärts her bevölckerten Länder überströmen und besämen hernach andere. Denn ob zwar insgemein geglaubet wird / daß Menschen und Thiere von Anfang nicht anders als die Piltze / oder die Egyptischen Mäuse aus dem Erdbodem / und zwar anfangs nicht in solcher Vollkommenheit / sondern heßlich und gebrechlich gewachsen wären; Weßwegen die Egyptier aus ihres Landes annehmlicher Fruchtbarkeit / die Scythen aber aus der Höhe ihrer Gebürge zu behaupten vermeinet: daß die ersten Menschen bey ihnen aus dem fetten Leime gewachsen / oder doch von denen im Nil schwimmenden Wasser-Leuten gezeuget worden wären; so ist doch bey uns Deutschen eine beständige von unsern Ahnen herrührende Sage: daß Gott in Asien nur einen Mann / nemlich den Tuisto und ein Weib Hertha aus einem Erdschollen erschaffen habe. Dessen Sohn wäre Mann / sein Enckel Ascenas gewest; welcher aus Phrygien über die Meer-Enge und den Ister-Strom zum ersten Deutschland besessen /und durch seiner dreyen Söhne Jugävon / Hermion und Istevon Nachkommen derogestalt erfüllet hätte: daß sie hernach viel andere Länder zu besetzen genungsamen Uberschuß gehabt. Sintemal die Natur die kalten Nordländer für dem heissen Sud-Striche mit mehrer Fruchtbarkeit beschencket / [732] also: daß Mitternacht die Scheide der Völcker genennet zu werden verdienet hat. Unter diesen Deutschen Propfreisern sind die ersten gewesen die Gallier; welcher Sprache noch ein Kennzeichen ist: daß so wol sie als das Volck selbst von uns / nicht aber von Galaten / dem geträumten Sohne des Hercules entsprossen. Ja von den alten Griechen und Römern alles / was zwischen dem Pyreneischen Gebürge biß an das schwartze Meer und die Ost-See lieget / mit dem Nahmen Galliens belegt / und also die Deutschen insgemein für Gallier gehalten / diese aber zu Nachbarn der Scythen gemacht worden; da doch der Rhein die eigentliche Gräntze der Gallier und Deutschen ist. Wiewol nicht zu leugnen: daß anfangs auch ein Theil von des Javans Nachkommen aus denen Egeischen Eylanden /und hernach die für dem Persischen Joche sich flüchtenden Phocäer / nach dem sie vorher mit dem Römischen Könige Tarqvinius ein Bündnüß gemacht / an dem Rhodan niedergelassen hätten. Und eben diese Vermischung ist hernach die Ursache der zwischen diesen beyden verschwisterten Völckern itzigen so merckwürdigen Unähnligkeit und vieler andern Verenderungen gewest. Es ist bekandt: daß die Einwohner der Nordlande / ungeachtet sie sich mit einem Weibe vergnügen / viel fruchtbarer als die des heissen Sudstrichs sind. Aus dieser Ursache ward Deutschland / Sarmatien und Gallien seinen Völckern endlich zu klein / und daher entstanden zwischen denen Deutschen / und denen nicht minder fruchtbaren Sarmatern der Gräntzen halber die ersten Kriege; Wiewol diese zwey streitbare Völcker sich auch mehrmals mit einander vereinbarten / und der übrigen Welt gegen einander ein Schrecken einjagten. Insonderheit kam Galathes / der Deutschen König / zur Zeit des zu Troja herschenden Ilus / seiner Macht und Tapfferkeit wegen in grosses Ansehen; und was die aus Deutschland entsprossenen Amazonen in Asien und Africa für Wunder gethan / ist ohne diß Weltkündig. Weil nun die sich in Gallien vermehrenden Völcker wegen der ihnen im Wege stehenden zweyen Meere und Gebürge nicht so wol ausbreiten konten / wurden die aus Deutschland in Gallien gekommenen / und ziemlich ins Gedrange gebrachten Bojen unter dem Gebiete des Königs der Bituriger Ambigat genöthigt / die Deutschen anzuflehen: sie möchten ihnen ein Stücke Landes in ihrem alten Vaterlande einräumen. Worauf sich ihrer viel tausend unter dem Heerführer Sigovesus /des Königs Schwester Sohne / in dem ihnen angewiesenen Hercynischen Walde an dem Muldau-Strome niederliessen / auch alldar blieben sind / biß sie unlängst der Marckmänner König Marobod über die Donau vertrieben hat. Weil aber die Bojen nicht alle in dem volckreichen Deutschlande raum hatten / traf des Sigovesus Bruder / den Bellovesus / das Looß /über denen Himmel-hohen Alpen / welches für ihm kein Mensch als Hercules überstiegen haben solte /eine Wohnstadt zu suchen. Zu den Bojen schlugen sich viel tausend Schwaben und Alemänner; iedoch schiene der gantzen Welt Macht nicht genung zu seyn / durch die Mauern Italiens / nemlich die so steilen und von der Natur mit unvergänglichem Schnee verwahrten Gebürge einen Weg zu brechen. Sie versuchten an vielen Orten / aber vergebens. Endlich fand sich zum Belloveß ein Helvitischer Schmied / welcher gleich aus Italien kam / und getrocknete Feigen / frische Weintrauben / Oel / und andere denen Deutschen unbekandte und für ein Meer-Wunder gehaltene Früchte mit brachte / und darmit den Bojen und Deutschen die Zähne sehr wäßricht machte. Die Lüsternheit nach so süsser Kost / und nach einem so glücklichen Lande schloß ihnen die Alpen auf; ungeachtet sonst der vom Elico gewiesene Fußsteig für ein so grosses Volck viel zu enge oder zu beschwerlich gewest wäre. Also fanden sie durch die Taurinischen Steinklüffte den Eingang gleichsam in eine neue Welt; und zwar zu der Zeit: als Tarqvinius [733] Priscus zu Rom herrschte / und die Phocäer gleich sich an dem Rhodan niederliessen. Die Thuscier kamen ihnen zwar an der Cicinischen Bach mit volckreicher Heeres-Krafft entgegen; alleine der Deutschen erster Anblick streute ihren Vortrab von sammen; und die damals den Vorzug habenden Allemänner traffen auf in den lincken Flügel gestellten Vieberer und Lepontier mit solcher Gewalt: daß sie im ersten Ansatze alsbald verwirret / und kurtz hierauff in völlige Flucht gejagt wurden. Die Thuscier und Tauriner erwarteten nicht einst der andringenden Celten / Helvetier und Marckmänner; und kamen in wenig Stunden über zwantzig tausend Feinde meist im Wasser und in Abstürtzung über die Steinklippen um. Denn wenn in einer Schlacht-Ordnung nur ein Fadem zerreist / gehet unschwer ihr gantzes Gewebe auf; und das Schrecken macht die Flüchtigen so alber oder so blind: daß sie /umb einem verzweiffelten Tode zu entrinnen / dem Gewissen selbst spornstreichs in die Armen rennen. Mit dieser einigen Schlacht war es auch gleichsam ausgemacht. Denn als die Besiegten erfuhren: daß die Deutschen im Kämpffen ärger / als wütende Thiere /im Leben aber tugendhaffter und gerechter als andere Völcker waren / räumten sie ihnen zwischen dem Flusse Ticin und Addua ein Stücke Landes ein / und Bellovesus baute zu seinem Sitze die Stadt Meyland; wiewol nach deutscher Art ohne einige Befestigung. Wie nun eines Vorgehers Fußstapffen richtige Wegweiser / und anderer Glückseligkeiten annehmliche Lock-Bären sind; Also folgte nach 76. Jahren ein abgefundener Hertzog der Allemänner Elitoro mit seinen übrigen Landsleuten dem Bellovesus auf der Spure nach / welche zwischen denen Cottischen Alpen durch ihre Verwegenheit ihnen einen Weg bähneten; und weil Elitoro im Gefechte ihnen allezeit zurief: Fechtet ihr kühnen Männer / den Nahmen Cenomånner erwarben. Diese setzten mit des noch lebenden Bellovesus geheimer Einwilligung über die Ströme Ticin / Lamber und Addua / und bemächtigten sich nach wenigem Wiederstande zwischen den Flüssen Humatia / Ollius / Cleusis und Mincius biß an dem Po des gantzen Landstriches; und bauten daselbst die Städte Brixia /Beromum und Bedriach. Die alten Einwohner die Thuscier wurden durch die Deutschen derogestalt verdrungen; und musten sie ihr fettes Land nur mit dem Rücken ansehen / und Feuer und Herd zwischen denen steilesten Gebürgen oberhalb dem Sebinischen See um den Uhrsprung des Flusses Zen / Athesis und Ollius aufschlagen / da sie von ihrem Führer Rhetus die Rhetier genennt wurden / und nach und nach aus einer halb gebrochenen Sprache alle Arten ihres Vaterlandes verlernten. Weil nun auch der tiefste Fluß nur so lange sein Ansehn behält / biß man einmal einen Furth dardurch gefunden; und ein zwey mal überstiegener Zaun zum gemeinen Fußsteige wird; nahm Hertzog Medon / von welchem der fromme Metellus sein Sprichwort entlehnet: Wenn er wüste: daß sein Hemde seine Anschläge wüste / wolte er es verbrennen; mit zwantzig tausend Deutschen von dem Saal-Strome her / durch denselbigen Weg seinen Zug in Italien. Er stellte sich anfangs / als wenn er über den kleinern Fluß Duria gegen die Brunnen des Po einbrechen wolte; ließ auch gegen selbigem Landstriche den Ritter Eberstein mit seiner Reuterey allenthalben Lermen machen; weßwegeñ die Feinde fast alle ihre Macht an selbigen Strom legten. Uber welche er oberhalb der Stadt Ocelum einen herrlichen Sieg wider die viel stärckeren Feinde erhielt / und mehr zum Scheine als aus Andacht / hernach dem Kriegs-Gotte daselbst einen Tempel baute. Medon aber wendete sich mit seiner rechten Heeres-Krafft gegen dem Flusse Orgus / und dem grösseren Duria / und behauptete nach etlichen wenigen Treffen seine [734] Herrschafft von dem Uhrsprunge des Flusses Arcus und Durentia biß an den Strom Seßites. Sein Volck / welches anfangs von ihrem väterlichen Flusse die Salier oder Saal-Länder genennet ward / erwarb von ihrer Eintracht und gegen einander bezeigten Liebe den Nahmen der Liebitier; sein zwölfter Nachkomme Cottius pregte selbigem Gebürge seinen Nahmen ein / erweiterte seine Herrschafft / und erwarb nichts minder in Italien ein grosses Ansehen und den Titel eines Königes / als bey den Römern eines Bundgenossen. Unterdessen ward das zwischen dem Krantze der Hercynischen Gebürge begriffene Land den fruchtbaren Bojen / und der Strich zwischen der Weichsel und Oder denen Logionen und Lygiern auch zuklein /daher erhob sich beyder Völcker Uberschuß unter dem Lingo und setzte über den Rhein / erlangte bey den Helvetiern aus Freundschafft / bey den Rhetiern aus Furcht freyen Durchzug / kam also über die Penninischen Alpen in Italien; Und weil die lincke Seite an dem Po schon mit Deutschen angefüllet war / setzte er nach Erbauung der Stadt Laus an dem Flusse Lamber durch ihrer Landsleute Vorschub bey dem Einflusse des Mincius mit den Flössen über den Po. Die Hetrurier und Umbrier hielten zwar das Ufer mit viel tausenden besetzet. Hertzog Lingo aber / welchen die Italiäner seiner Länge halber einen Storch oder Liconius hiessen / warf bey dem zweiffelhafften Gefechte das Kriegs-Zeichen / darauf des Thuisco Haupt gebildet / und als ein heiliges Glücks-Bild aus einem Hercynischen Heyne an der Moldau mit genommen war / auf das feindliche Ufer mitten unter die Umbrier. Die Deutschen / welche tausend mal lieber ihr Leben / als diß Heiligthum zu verlieren gemeinet waren / fingen hierüber nicht mehr als Menschen /sondern als wütende Bären an zu fechten; also: daß die Feinde sie anfangs am Lande musten lassen festen Fuß setzen / hernach gar das Feld råumen. Die Flůchtigen wurden biß an den Berg Sicimina / und an den Fluß Gabellus verfolgt. Welches kurtz hernach Servius Tullius in ihrer Schlacht gegen die Sabiner /Furius Agrippa / als er wider die Hernicher / und Qvintus-Capitolinus / als er wider die Phalisker kämpfte / ihm glücklich nachthäten. Nach dem die Bojen sich zwischen dem Flusse Tarius / Nicia und Gabellus feste gesetzt hatten; und ihnen noch wol 10000. ihrer Landsleute nachkamen / rückten sie ferner. Die Umbrier begegneten ihnen abermals an dem Flusse Scultenna. Wie nun Hertzog Lingo seine Bojen und Logionen in die Schlacht-Ordnung gestellt hatten / schlug der Donner nahe für ihm in eine über dem Strome stehende Eiche. Welches die Umbrier nicht wenig erschreckte / Lingo aber deutete diesen Zufall für ein gewisses Zeichen des Sieges aus; redete hiermit sein Volck an: Sehet ihr wol: daß der Himmel uns selbst den Weg weiset / und wider unsere Feinde zu kämpfen den Anfang macht. Worauf denn nicht nur seine Reuterey behertzt durch das Wasser setzte; sondern das Fußvolck schwã mit entblösten Waffen durch den Strom; und es währete keine Stunde / waren die Umbrier in der Flucht / ihr Hertzog gefangen; Das Ende der Verfolg- und Niedermachung aber endigte sich allererst auff die sinckende Nacht / und an dem Flusse Rhenus. Rhemetalces brach allhier ein / und fing an: Es ist ein Meisterstücke / wenn ein Heerführer solche Zufälle zu seinem Vortheil brauchen kan; und erinnere ich mich: daß Chairias / als für seiner zum Treffen fertigen Schiff-Flotte der Blitz gleichfals niederschlug / er auff des Lingo Art ebener massen sein Kriegsvolck anfrischte. Und Epaminondas / als des Nachts eine brennende Fackel mitten in sein Heer fiel; fing zu selbten an: Freuet euch / die Götter stecken uns selbst Lichter auf. Ja / sagte Zeno / dieses aber ist noch růhmlicher / wenn ein scharfsinniger Feldherr aus Unglücks-Zeichen zu seinem Besten verdrehen [735] kan; wie eben dieser Epaminondas; welcher /als der Wind von einer aufgesteckten Lantze seine Hauptbinde in eines Spartaners Grab wehete / und hierdurch seine Thebaner hefftig erschreckt wurden /darüber diese Auslegung machte: Fürchtet euch nicht / den Spartanern hengt der Untergang zu. Denn die Zierden der Gräber sind Leichen. Und als ein ander mahl der Stul unter ihm zerbrach / sprang er freudig auf / und sagte zu seinen solches übel-deutenden Kriegesleuten: Auf / auf! denn ich sehe / wir sollen nicht stille sitzen. Nicht unglücklicher deuteten Scipio / und Käyser Julius ihre Fälle vom Schiffe auff die Erde aus; als jener anfing: Gott lob! ich erdrücke Africa; und dieser: Ich umfasse die Erde unsere gütige Mutter. Adgandester setzte bey: daß ein Celtischer Feld-Oberster bey einem sich in der Schlacht ereignenden Erdbeben sein erstarrendes Kriegsvolck mit diesen Worten: Nun die Erde für uns bebet / wie mögen die Feinde gegen uns stehen / auffmunterte; und der Feldherr Marcomir erhielt sein Heer / als gleich der rechte Flügel in die Flucht gerieth / mit dieser Zusprache: Ich sehe wol: daß wie im Menschen /also auch in meinem Heere das Hertze nur in der lincken Seite sey / im Stande / und darmit den Sieg. Unser Hertzog Lingo aber schlug die Umbrier zum dritten mal bey dem Flusse Vatrenus / und erweiterte zwischen dem Po und Apennin sein Gebiete vom Flusse Tarus an / biß an den Rubicon. Dieses war der Deutschen und Gallier Zustand in Italien / biß nahe in die zwey hundert Jahr / nach des Bellovesus erstem Einbruche. Unterdessen aber liessen sich die nunmehr halb entfremdeten Gallier mehrmals gelüsten ohne der Deutschen Einwilligung ihr übriges Volck / welches ihre Gräntzen nicht mehr zu beherbergen vermochte /über den Rhein zu setzen; auch wol offt sonder einige Noth aus blosser Leichtsinnigkeit allerhand Raub zu holen. Die Deutschen begegneten den Galliern anfangs mit Glimpf / und vergnügten sich an wieder-Ahnehmung des Raubes / oder liessen auch die Gallier unversehrt über den Rhein und die Gräntze zurück führen. Hierbey vermahneten sie die Häupter der Gallier: sie möchten die ihrigen im Zaume halten; auser dem würden sie Gewalt mit Gewalt ablehnen / und gegen die der alten Verwandschafft vergessen / welche vorher den gemeinen Frieden / und das Völcker-Recht verletzten. Der Gallier König Katumand entbot den Deutschen hochmüthige Antwort: der Furchtsamen Eigenschafft wäre sich mit dem Seinen vergnügen / streitbare Völcker und großmüthige Könige pflegten um fremdes Gut zu kämpffen. Zu dem könten die Deutschen den Galliern nicht übel auslegen / was sie unter einander selbst ausübten. Es wäre unlaugbar: daß die Deutschen wilde Thiere zu jagen / und schwächere Menschen / welche gleichsam zum Gehorsam gebohren wären / zu rauben / oder ihm unterthänig zu machen für ein gleichmäßiges Recht / ja einen andern / der nicht ein Glied seines Gebietes /oder mit ihnen im Bündnüsse wäre / zu tödten für einen Helden-Ruhm / die um sein Land aber rings herum gemachte Wüsteney für eine lobwürdige Befestigung der Gräntzen hielten. Diese Gewohnheit wäre nichts minder bey den alten Griechen und Hispaniern im Schwange gegangen / und derogleichen Einfall wäre sonst der mehr als brüderlich-verträglichen Triballier tägliches Handwerck. Die Rhetier rechtfertigten durch dieses Völcker-Recht ihre mehrmals in Italien verübte Raubereyen. Krieg wäre so wol der Menschen als derer ohn Unterlaß gegen einander kriegender Fische erster und natürlicher Zustand; die Furcht /nicht aber die gegen einander tragende Liebe und Verwandschaft die Ursache derer Gemeinschaften und Bündnüsse. Wenn auch schon benachbarte und unverbundene Völcker einander nicht stets in Haaren lägen / wäre diß für keine angebohrne oder ihrer menschlichen Art gemässe [736] Eintracht / sondern nur für einen aus verwechselter Furcht entspringenden Stillestand zu halten; indem einen nur entweder seine Schwachheit und heimliche Wunden / oder des Nachbarn Kräffte oder Bündnüsse vom Angriffe zurücke hielten. Deshalben hätte die Natur den Menschen nicht allein gleicherley Waffen gegeben / und ins gemein des einen Schwäche in Gliedern mit der Geschickligkeit zu seiner nöthigen Beschirmung ersetzt / sondern auch die Ehre einen andern in etwas zu übertreffen /oder ihm zu gebieten / als einen rechten Zanck-Apfel in der Welt aufgeworffen. Des einen Vorzug aber ziehe nach sich des andern Verachtung / und also eine rechtmässige Ursache der Beleidigung. So strebte des Menschen Gemüthe auch von Natur nach dem besten / und also nach einerley Dinge; welches aber selten theilbar wäre / also ein unvermeidliches Zanck-Eisen abgeben müste. Die mehr tapferen als Rachbegierigen Deutschen kamen ungerne daran: daß sie mit ihren Bluts-Verwandten brechen; und durch eigene Schwächung der aufachtsamen Nachtbarn Uberfall ihnen auf den Hals ziehen solten. Diesemnach schickten sie drey ihres Alters / Heiligkeit / und Beredsamkeit halber in grossem Ansehn sich befindende Priester an den König Catumand / welche ihn von Verübung mehrer Feindseligkeit abwendig machen solten: diese hielten ihm bescheidentlich ein: Unzeitige Begierde frembden Gutes ziehe meist nach sich den Verlust des eigenen. Der Gallier ungerechtes Recht vermöchte zwar nicht ihre / aber wohl die Waffen der Deutschen wider sie zu rechtfertigen. Treffe ihre Beschuldigung einen oder den andern / so hätten doch die meisten und vernünftigsten Deutschen ohne Begierde fremden Reichthums / ohne blinde Rachgier oder eitele Ehrsucht durch Gerechtigkeit in ihrem Ansehn zu bleiben getrachtet; ihre Großmütigkeit mit Ruhme besänftiget / keinen unnöthigen Krieg angehoben / und den Nachbarn vorsetzlich keinen Schaden gethan. Hingegen hielten sie für das einige Merckmal der Tugend und Stärcke / ihre Ober-Herrschafft durch kein Unrecht befestigen; den Beleidigern alsofort die Spitze bitten /und bey seiner Ruhe gleichwohl für einen nur schlafenden Löwen gehalten werden. Wir Menschen wären alle eines Vaters Kinder / und also das gantze menschliche Geschlechte einander mit Blut-Freundschafft verknüpft. Die wilden Thiere kämpften nicht leichtlich wider ihr eigenes Geschlechte. Die den Menschen verliehene Gleichheit der Kräfften riethe ihnen die Beleidigung vernünftig ab; daher wäre derer Friede / welche mit einander noch nicht die Kräfften gemessen hättẽ / und also gleicher Stärcke zu seyn schienen / der beständigste; die Eintracht aber in alle Wege der natürliche Zustand der Menschen; und der gesunden Vernunft nichts ähnlicher: als niemanden beleidigen / iedermann bey dem Geniesse des Seinigen lassen; und was er ihm nicht gethan wissen wil /an andern nicht ausüben. Ehrsucht / Geitz / und Mißtrauen als Ursachen des Krieges wären keine Eigenschafft aller / sondern eine Miß-Geburt vieler menschlichen Gemüther; welche die Vernunfft / die den Menschẽ von dem Vieh unterscheidete / in der ersten Blüthe / als schädlich und unanständig / tödtẽ solte. Zu dem könten dardurch wohl etliche / nicht aber das gantze Geschlechte beleidigt werden. Herentgegẽ empfinde ieder Mensch in der sichersten Einsamkeit /wo er das minste nicht zu fürchtẽ hätte / gleichwohl eine Begierde nach seines gleichen. Diese Zuneigung würde noch mehr gereitzet von der allgemeinen Dürftigkeit; und hätte die Natur nicht aus Mißgunst / sondern um uns durch Wolthatẽ aneinander zu verknüpfen / den Menschen ohne Zähne der Wald-Schweine /ohne Klauen der Panther / ohne Schnautze der Elefanten / ohne Harnisch der Crocodile / schwach und nackt geschaffen. Seine Waffen wären Vernunfft und Gemeinschafft. Diese verliehe ihm die Herrschafft über alle [737] Thiere; diese thue ihm in Kranckheiten nöthige Handreichung / diese sey sein Gehülffe im Alter; sein Trost bey empfindlichsten Schmertzen. Also könne der Mensch sich selbst nicht / sondern zugleich auch andere lieben. Welcher Vater ziehet den Nutzen der Kinder nicht seinem eigenen für? Welche Mutter fürchte ihren Untergang / umb ihr Kind zu erhalten? Uber diß hätte wegen anderer / nicht seiner selbst halben die Natur dem Menschẽ eine Sprache / und die Geschickligkeit einen andern zu unterweisen verliehẽ. Das Vieh ergötzte sich in Einöden / Hölen und Raub; der Mensch aber genisse die Süssigkeit seines Gutes erst in der Mittheilung / und vergässe seines Unglücks unter der Gesellschaft und hülfbarer Beyspringung. Ja da Ertzt nud Steine / Kräuter und Bäume aus einer verborgenen Zuneigung sich mit einander verknüpften / lieffe der Vernunfft zuwider: daß nicht auch diese /sondern vielmehr widrige Furcht der Ursprung menschlicher Gemeinschafft seyn solte. Also solten sie sich des allgemeinen Völcker-Rechts bescheiden /sich ihres gemeinen Ursprungs erinnern / und versichert leben: daß es den Deutschen weder an Hertze noch Kräfften fehle Gewalt mit Gewalt abzulehnen /und durch die Waffen den Frieden zu befestigen / zu dem die Gallier nicht durch vernünftiges Einreden sich verstehen wolten. Alleine die Gallier gaben nicht nur ein Lachen drein / sondern Katumand / nach dem er mit den Massiliern Friede und Bündnüß gemacht /brach mit einem starcken Heere bey denen umb die Brunnen der Donau wohnenden Celten ein / derer Hertzoge des Semnoner Hertzogs Brennus Schwester zur Ehe hatte; und thät mit Raub und Brand unsäglichen Schaden. Diese Celten machten es dem damals seiner Tapferkeit wegen berühmten Hertzoge der Semnoner Brennus zu wissen. Dieses Volck ist das älteste und edelste unter den Schwaben / und ist von der Elbe an Ostwerts an der Spreu / der Oder und Warte über hundert Dorfschaften eingetheilet. Wie die Gesandten beym Brennus ankamen / verfügte er sich alsbald mit den fürnehmsten Semnonern in den zwischen der Oder und dem Bober ihrem Gotte geweihetẽ / und bey ihren Vor-Eltern vieler Wahrsagungen wegen hoch verehrten Wald. Alle trugen an Füss- und Beinen Fessel; umb anzudeuten: daß an diesem heiligen Orte / als dem Uhrsprunge ihrer Macht / niemand als Gott herrschete / für welchem sie alle Knechte und Sclaven / ausser dem aber keinem Menschẽ in der Welt unterworffen wären. Weñ auch in diesem Walde ungefehr iemand zu Bodẽ fällt / darff er weder selbst aufstehen / noch iemand anders ihm aufhelffen / sondern er muß / gleich als er allhier Gott in seine Hände gefallen wäre / umbkommen. Brennus ließ allhier alsofort einen Gefangenen zum Opfer abschlachten; und nachdem der Priester grosses Glück zu seinem Fürnehmen ankündigte / grieff er auf sein Haupt / welches mit einem von empor gesteckten Pfeilen gemachten Krantze umbgeben war / zoh einen daraus / und gab selbten dem Gesandten zum Wahrzeichen und Versicherung: daß er mit seinen Semnonern ihnen unverlängt zu Hülffe kommen wolte. Brennus übergab seinem Sohne die Herrschafft / und zohe mit seinem Bruder Basan und zweymal hundert tausend Schwaben in Gallien. König Katumand begnete ihnen mit einem mächtigen Heere / welches aber im ersten Treffen sonder grosse Müh in die Flucht geschlagen ward. Denn die Gallier waren durch die Wollüste und Sitten der Massilier sehr verzärtelt / und also ihre erste Tapferkeit nicht wenig vergeringert worden. Katumand aber brachte in Eil durch Hülffe der Massilier / und des Bisuntschen Königs Sigirin ein frisches Heer auf; welches die Semnoner abermals aufs Haupt erlegten /und die Gallier und Massilier nöthigte ihnen den Frieden theuer abzukauffen; auch dem Brennus die Stadt Agendicum mit ihrem Gebiete / denen Zelten aber zwischen dem Rhodan und dem Pyreneischen [738] Gebürge einen Kreiß Landes einzuräumen. Dahingegen setzte sich ein Theil der Semnoner umb den Berg Abnoba an der Celten statt unter dem Nahmen der Marckmänner nieder. Denn der Bisuntische König Sigwin muste seine Tochter dem Hertzog Brennus vermählen / und ihm die Stadt Aventicum mit dem Landstriche zwischen dem Flusse Arola und Urbe zum Heyraths-Gute abtreten. Des Brennus Ehrsucht ward durch die wider die Gallier und Massilier erhaltene Siege so wenig als das Feuer durch grosse Klufften Holtz ersättiget. Sein voriger Gewinn war nur ein Zunder der Begierde mehr zu gewinnen; und weil in Deutschland alle Lieder des Bellovesus / des Elitoco / des Medon und Lingo Helden-Thaten eben so / wie des Tuisco und des Hercules heraus strichen / hielte er sich unwerth den Fürsten-Nahmen zu führen / und seine Schwaben nicht werth: daß sie Deutschen hiessen; wenn sie nicht auch über die Alpen stiegen. Welches dazumal in Deutschland eben so hoch; als bey den Griechen / wenn sie nach Colchis segelten / geachtet ward. Ja es war ihm verächtlich in anderer Fußstapfen zu treten / und daher suchte er ihm mit drey hundert tausend Schwaben einen neuen Weg / setzte über die Donau / ging durch das nunmehr auch mit Deutschen besämete Norich / und über den Berg Alpius; von dem er an dem Strome Plavis herab / folgends durch das Gebiete der von Troja an das Adriatische Meer gekommenen Veneter über den Po fortging; und weil er es bey seinen Landesleuten nicht gedrange machen wolte / am allerersten das Apenninische Gebürge überstieg. Die allhier ohne diß ins Gedränge gebrachten Umbrier / welche nunmehr nicht mehr Land / sondern alleine diesen letzten Winckel ihres vorhin weiten Gebietes nebst der Freyheit und dem Leben zu verlieren hatten; boten mit ihrer eusersten Macht ihm an dem Flusse Pisaurus die Stirne / gelobten auch dem Glücke an dem Adriatischen Meer auf Einrathen ihrer Wahrsager einen Tempel. Alleine die Tapferkeit überwieget aller Oerter Vortheil / und das Verhängnüß den Aberglauben. Die Semnoner setzten im ersten Anfalle an dreyen Orthen über den Fluß / und zwangen die Semnoner zu weichen. Turnus / der Umbrier Hertzog / hielt zwar anfangs am Rücken seines Heeres / und dräute den als seinen Feind zu empfangen / welcher ihm das Antlitz / und dem Feinde den Rücken kehren würde. Aber die Noth zwang ihn bey Zeite für seinem wanckenden Heer sich an die Spitze zu stellen. Er selbst ergrieff einen seiner Fähnriche /als er gegen die Deutschen fortzurücken stutzte / bey dem Arme / und führte ihn an; einen flüchtigen Kriegs-Obersten erstach er mit eigner Hand. Und weil alle Umbrier für dem blossen Anblicke des wie der Blitz alles zu Bodem schlagenden Brennus zurücke wiechen / begegnete er ihm mit dem Kerne seines Adels / mit einer Ruhmswürdigen Hertzhaftigkeit. Allein es giebet unter den Gestirnen sechserley / unter den Helden aber noch mehr unterschiedene Grössen. Jeder Stern hat seine Vollkommenheit; gegen der Sonnen aber zeigen sie durch Verschwindung ihre Gebrechen. Nicht anders ereignete sich zwischen dem Brennus und Turnus / indem diesem von jenem nach einem merckwürdigen Kampfe das Licht ausgelescht ward. Mit diesem Streiche wurden dem Umbrischen Heere zugleich alle Spann-Adern verschnitten. Denn die hurtigsten hielten noch die Flucht für das euserste Merckmal ihrer Treue; die meisten aber / und insonderheit die umb Sold geworbenen / warffen die Waffen weg / und fielen dem Sieger zu Fusse / und bothen ihm als einem glücklichen Uberwinder ihre Dienste an. Sintemal die / welche nicht aus Liebe des Vaterlandes / noch aus einem Eifer für den Wohlstand ihres Herren / und aus Begierde der Ehre fechten / sich nicht bekümmern / wem sie dienen / sondern nur für was. Es ist nicht ohne / fing Zeno an: daß geworbene und umb Sold dienende [739] Kriegsleute ins gemein mehr auf ihren Gewinn / als auf ihren Ruhm / und des Volckes Heil ihr Absehn haben / und bey umbschlagendem Glücke den Mantel nach dem Winde hängen; aber sie lassen sich hingegen leichter im Zaum halten; und können durch lange Ubung besser ausgewürckt werden / als die des Zwanges ungewohnte / und selten beständig dienende Freywillige / oder die / welche meist wechselsweise von den Ländern als ein Außschuß in Krieg geschickt werden. Adgandester versetzte: Kein Kriegs-Zwang / keine Waffen-Ubung trägt so viel zum Siege / als die Liebe des Vaterlandes bey; welche ich bey denen / die aus dem Kriege eine Handlung machten / und mit ihrem Gefechte wucherten / nicht antreffe. Daher / wenn einige Zufälle / oder auch das Unvermögen der durch den Krieg ausgesogenen Länder verhinderte: daß geworbenem Kriegs-Volcke der Sold nicht auf die Stunde bezahlt würde /lassen sie aus Trägheit anfangs die Hände sincken; hernach gerathen sie ins Luder; und wenn man ihrer Trägheit und Muthwillen nicht durch die Finger sihet / machen sie gar einen Aufstand / legen die Hand an ihre Befehlhaber / plündern ihre Länder / die sie beschützen sollen / und verkauffen dem Feinde sich und ihre anvertrauten Festungen. Durch welchen Fehler Carthago in grössere Gefahr eines gäntzlichen Untergangs gerieth / als es in dem Römischen Kriege kurtz vorher gewest war. Ich bin / versetzte Zeno / eben der Meynung; wenn Fürst Adgandester die Werbung der Ausländer verwirfft / welche freylich wohl mehr selbst zu fürchten sind / als sich auf sie zu verlassen ist. Insonderheit stehet ein Reich schon auf dem Fallbrete /wenn man eitel oder grösten theils fremdes Kriegs-Volck auf den Beinen hat / und mit dem Schweiß und Blute eigener Unterthanen besolden soll. Alleine man muß Bürger und Eingebohrne werben / und also ein Heer mit der Liebe des Vaterlandes / und mit der Schärffe der Kriegs-Gesetze vereinbaren; Ausländer aber nur in solcher Anzahl / welcher man zum minsten dreyfach überlegen ist / zur Unterspickung in Dienste ziehen. Wenn ein Fürst dieses wahrni t /wird es ihm niemals an geübtem und treuem Kriegs-Volcke / auch nie an willigem Beytrage der Kriegs-Kosten fehlen; dahingegen es schläfrig hergehet /wenn ein Kriegs-Mann sich selbst verpflegen / oder ein Land seinen durchs blinde Looß oder unvernünftige Wahl in Krieg geschickten Ausschuß besolden soll. Das Heer sihet so denn mehr auf das Volck / als den Fürsten; und hat dieser so wenig Ansehn / als Vermögen grosse Streiche zu thun. Daher die Römer die ersten vierdtehalb hundert Jahr / als die Bürger ohne Sold kriegten / kaum etlicher geringen Land-Städte sich bemächtigten; nach dem sie aber bey Anxur dem Fuß-Volcke / und im Vejentischen Kriege der Reiterey einen wiewohl geringen Sold an schlechtem Kupfer-Gelde reichten / spielten sie in der Helfte so vieler Zeit in dreyen Theilen der Welt des Meisters. Adgandester antwortete: Ich stelle dahin: Ob der Kriegs-Sold des Römischen Wachsthum / oder nicht vielmehr die erste Schwäche der Römischen Kindschafft / und die Schwerigkeit alles Anfangs die Hindernüß zeitlichern Aufnehmens gewesen sey. Ich glaube auch wohl: daß die Besoldung des Kriegsvolcks dem Kriegs-Haupte mehr Gewalt zueigne; aber hiermit gehet auch die Freyheit auf Steltzen. Denn es ist kein sicherer Mittel einem Volcke das Seil an die Hörner zu legen / als den Adel von der Nothwendigkeit in Krieg zu ziehen entheben / und die Bürger mit geworbenen Kriegsleuten beschirmen. Weswegen die alten Deutschen / Sarmater und Scythen niemals zu bereden gewest wären / zu Hause zu sitzen / und die Gemächligkeit süsser Ruhe der Beschwerligkeit [740] des Kriegs fürzuziehen; oder vielmehr ihre güldne Freyheit um den faulen Schlamm eines stinckenden Müßiggangs zu verkauffen. Welchen Griffs sich Käyser Julius meisterlich zu gebrauchen gewüst / als er für dem ihm bereit im Kopffe steckenden Bürger-Kriege den Kriegs-Sold um des Heeres Gewogenheit zu gewinnen / noch einmal so hoch gesetzt. Und August hätte es ihm ebenfals nachgethan. Gleichwohl aber wäre das hierdurch verwehnte Römische Kriegs-Volck darmit nicht vergnügt / sondern es hätte schon mehrmals durch Auffstand des Soldes Vergrösserung gesucht. Uber biß hieraus erwachsende Ubel wäre der Kriegs-Sold nicht nur ins gemein auch den vermögensten Ländern unerschwinglich / welche mit Herbeyschaffung des Kriegs-Geräthes und der Lebensmittel genug zu schaffen hätten; sondern er wäre auch der Verkürtzung der Zahlmeister / der Verschwendung der Kriegs-Obersten / und andern so vielen Unterschlieffen unterworffen: daß die scharffsichtigste Auffsicht der redlichsten Befehlhaber selbten zu steuren viel zu unvermögend wäre. Das allerärgste aber wäre: daß so denn unter denen Fahnen unzehlbare blinde Lücken blieben / und dem Feldherrn tausend nie in der Welt geweste Undinge / oder die Nahmen der längst Verstorbenen für Kriegsleute verkaufft /derselben Sold in fremde Beutel gestrichen / und durch diese Blendung die Fürsten eines auff den Rollen starcken / im Felde aber schwachen Heeres zu unvernünfftigen und höchstschädlichen Entschlüssungen verleitet würden. Welcher Betrug hingegen mit Benehmung der Gelegenheit von dem Solde schnöden Gewinn zu machen hinfiele / und also viel heilsamer wäre: weñ ein Kriegs-Heer nur mit auskommentlichen Lebensmitteln Kleidern und Waffen versorgt; die tapffern aber wegen ihrer Verdienste ansehnlich belohnet; und derogestalt nichts minder die feigen von den Hertzhafften unterschieden / als die tugendhafften durch anderer Hervorzückung zu Nachthuung gleichmäßiger Heldenthaten angereitzt werden. Diese Eyversucht ist der beste Sporn zu grossen Verrichtungen / und die Ehre der würdigste Sold der Kriegs-Leute; unter denen die Edelsten so begierig nach einem Krantze von eichenem Laube oder Lorber-Zweigen gestrebt haben: daß sie auch vergessen die zu ihrem Begräbnisse nöthige Unkosten zu hinterlegen. Auff diese Art zahlete auch der großmüthige Brennus sein siegendes Kriegs-Volck aus / durch welches er ihm nach obiger Niederlage mit weniger Müh nicht nur das Land vom Flusse Utis biß an den Strom Aesis /sondern auch die Umbrier unterwürffig machte; welche einem so grossen Helden zu gehorsamen ehe für Glück als Verlust hielten. Also ist auch in Feinden die Tugend ein Magnet der Gewogenheit / und eine Bezauberung der Seelen. Brennus baute zum Gedächtnisse an dem Meer-Strand bey dem Einflusse des Misus-Stroms / eine Stadt / und nennte sie nach seinem Volcke Semnogallien; befestigte seine neue Herrschafft mit Gerechtigkeit / und erlangte in Italien für allen andern Häuptern das gröste Ansehen. Dieses veranlaste einen Hetrurischen Edelmann aus der Stadt Clusium / Aruntes: daß er zum Brennus kam / und so wohl wider den Rath wegen versagten Rechtes / als wider seinen Pflege-Sohn Lucumon / der sein Ehebette besudelt hatte / Rache und Hülffe foderte. Brennus ärgerte sich nach seiner deutschen Art so wohl über ein-als dem andern Laster; als bey welchem die Straffe der versehrten Keuschheit auf der Fersen folget /und unnachläßlich ist; und niemand wie die zu Clusium / aus dem Ehebruche ein Gelächter macht. Gleichwohl aber schickte er nach Clusium / und verlangte den Lucumar entweder nach aller Völcker Rechten zu straffen / oder ihn ihm ausfolgen zu lassen. [741] Weil aber niemand daselbst im Rathe saß / der nicht mit dem Ubelthäter befreundet oder geschwägert war; wiesen sie die Botschaft mit verächtlicher Antwort ab: daß sie nicht wüsten / wer den Brennus zu ihrem Ober-Richter bestellt hätte. Sie klagten auch alsofort denen andern eilf mit ihnen in einer Eyd-Genossenschafft stehenden Hetrurischen Städten: daß Brennus sich mit Gewalt an sie riebe / und nur Gelegenheit auch die Hetrurier unter sein Joch zu bringen suchte; also möchten sie bey Zeiten nicht nur auff ihre allgemeine Beschirmung vorsinnen; sondern auch ihre Waffen vereinbaren um diese Räuber wieder über die Alpen zu jagen. Sintemal es doch nichts minder besser als rühmlicher wäre / sein Pferd an seines Feindes Zaum binden. Und der / welcher des Feindes zu Hause wartete / bekennte schon: daß er ihm nicht gewachsen /auch nichts zu gewinnen / sondern nur nicht zu verspielen gesinnt wäre. Hiermit zohen die Hetrurier unter dem Fürsten Lars zu Clusium (als welche unter denen zwölff verbundenen Städten damals gleich die Reye der Ober-Herrschafft traff) in Eil ihre Macht zusammen / und besetzten gegen Umbrien auff dem Apennin nicht nur alle Eingänge; sondern überfielen auch unterhalb des Aesischen Brunnen drey hundert die Gräntze bewachende Semnoner; richteten an dem Orte der Niederlage einen Steinhauffen auf / und nennten ihn das Begräbniß der Gallier. Brennus schickte ein Theil seines Heeres daselbsthin; theils der Hetrurier Einbruch zu steuern / theils sich anzustellen / als ob die Semnoner gegen Helvillum einbrechen wolten. Er hingegen ließ in Umbrien ein Auffbot an den Fluß Metaurus ausruffen / auff welches alle streitbare Mannschafft bey Verlust des Lebens zu erscheinen verbunden ist; so gar: daß auch die zuletzt oder zu spät sich stellenden in aller Angesichte durch allerhand Pein auffgeopffert werden. Aus diesen machte Brennus einen starcken Ausschuß / wendete sich mit der grösten Macht gegen dem Ursprunge des Arnus / allwo ihm Aruntes einen Weg über den Apennin zeigte / durch welchen er bey Aretium so unverhofft ankam: daß als die Clusier hiervon Zeitung kriegten / sie hierüber lachten / und fragten: Ob die Semnoner sich in Kranche / wie die Ripheischen Völcker in Wölffe verwandeln / und über die Berge flů gen könten. Der Glaube aber kam ihnen zeitlich in die Hand. Denn sie erfuhren wenig Stunden darnach: daß Aretium mit Sturm übergegangen / und alle Einwohner durch die Schärffe der Deutschen Schwerdter gefallen wären. Lars verließ hierüber die Engen des Apennin / und eilte über Hals und Kopff seinem brennenden Vaterlande zu. Er traff auff den gerade gegen Clusium anziehenden Brennus bey Cortona. Der bereit empfundene Verlust reitzte ihn zu einer geschwinden Rache / und er meinte: weil das Amt eines Kriegs-Mannes schlagen wäre; müste nicht schlagen ein Merckmal eines Feigen seyn. Da doch zur Unzeit eine Schlacht liefern / die schlimmste Thorheit eines Vermessenen; und ohne Schwerdtstreich überwinden ein Meisterstücke der Klugen ist. Weil nun Brennus dem Lars an Kriegs-Wissenschafft die Semnoner den Hetruriern an Tapfferkeit überlegen / jene auch noch ausgeruhet / diese müde waren / und einen vortheilhafften Ort mit dem Winde bereit eingenommen hatten / war es den Deutschen unschwer sich des Sieges zu bemeistern. Mit denen flüchtigen Hetruriern drangen die Uberwinder mit in die von den Lydiern erbaute Stadt Croton oder Cortona / und erlangten derogestalt in einem Tage einen zweyfachen Sieg. Lars zahlte selbst seine Ubereilung mit Einbüßung seines Lebens; Aruntes aber ward von seinen eingeholeten Deutschen im Gedränge durch die Pferde zertreten. O eine gerechte Straffe der Götter! fing Zeno an überlaut zu ruffen / daß der / welcher [742] sein Vaterland durch fremde Macht in Kloß treten wollen; ehe er diese grausame Freude erlebt / selbst so schändlich in Koth gedrückt worden! Rhemetalces fiel ein: hat denn nicht Aruntes eine billiche Ursache sich an dem undanckbaren Lucumar / und seinem ungerechten Vaterlande zu rächen gehabt? Hat nicht Lucumar ein Laster begangen / dessen Flecken durch keine andere Seiffe als durch Blut abzuwaschen sind? Haben nicht die Clusier durch ihr Unrecht das Recht der Völcker verletzt; und sich dem beleidigten Aruntes zu einem Stieff-Vater gemacht? Es ist beydes wahr / versetzte Zeno. Aber hat sich gantz Clusium am Aruntes versündigt? Ist er versichert gewest: daß keine Seele seine Beleidigung unbillige? Sollen die nun leiden / die ihm im Hertzen recht gaben / und seine Richter verdammten? Wenn aber auch schon eine gantze Stadt verbricht; ist doch nicht ein ieglicher zu straffen. Am wenigsten aber ist ein beleidigter Bürger berechtigt sein Unrecht gegen sein Vaterland zu rächen. Man muß wie wohlgearthete Kinder auch die unverdienten Streiche der Eltern verschmertzen. Denn die Liebe gegen das Vaterland soll reichlicher abgemässen werden / als die gegen die Brüder / oder gegen die Eltern; und der gegen die Götter am nechsten ko en. Sintemal wir wohl ohne unsere Blutsfreunde / nicht aber nach untergehendem Vaterlande bestehen können. Diesemnach der von Rom verwiesene Camillus nicht rühmlicher sein undanckbares Vaterland beschämen konte /als da er es von den Galliern errettete. Und der ins Elend gejagte Themistocles übte zugleich gegen sein Vaterland eine Wohlthat und Rache aus / da er sich um nicht wider selbtes den Persen zu dienen durch geopffertes Ochsen-Blut tödtete; indem er durch sich selbst Athen zwar eines grossen Feindes / aber auch eines unvergleichlichen Sohnes beraubte. Cimon vergalt die ihm und seinem wohlverdienten aber im Kercker erstickten Vater angehenckten Feßel mit unvergeltbaren Wohlthaten. Als auch gleich der unschätzbare Hannibal sein vergeßliches Carthago mit dem Rücken anzusehen gezwungen ward / hieng und neigte er ihm doch biß in seinen Tod das Hertze zu / und bemühete sich die gantze Welt wider Rom in Harnisch / und durch dessen Fall sein Vaterland wieder empor zu bringen. Wenn man aber auch gar sich zu überwinden entweder nicht vermögen / oder zu rächen allzu grosse Ursache hat; soll unsere Empfindligkeit nicht zu des Vaterlandes Verderb / sondern nur zu seinem Erkäntniße angesehen seyn. Auf diese Art rächte Scipio sonder Schaden sich an Rom; als er seine Todten-Asche lieber den geringen Lintern / als dem Haupte der Welt gönnte / und zu einem ewigen Verweiß auf sein Grab schreiben ließ: Undanckba res Vaterland! Es ist dir nicht so gut worden meine Gebeine zu besitzen. Diese Rache erfolgte erst nach seinem Tode / als er dieser Stadt nicht mehr wohlzuthun mächtig war. Gleichwohl aber war diese sanfftmüthige Rache nachdrücklicher / als des Coriolans / der sein Vaterland für Furcht gleichsam in ein Bocks-Horn jagte. Er entzoh Rom nichts / als seine Asche / sie zu erinnern: daß sie selbst nicht zu Asche worden; und daß der Römischen Bürger Augen der Glückseligkeit nicht würdig wären / seine Todten-Asche mit ihren Thränen anzufeuchten. Gleichwol aber stachen dieser Grabeschrifft wenige Buchstaben tieffer in der Römer Hertzen / als keine Spieße einiger Verräther zu thun vermocht hätten; und er vergrösserte sich durch Verachtung seiner Schmach mehr; als da er Rom zur Frauen / und Africa zu einer ihrer Mägde machte. Brennus zohe nach erobertem Siege mit dem grösten Theile des Heeres gerade nach Clusium / um sich des Hauptes der Hetrurier im ersten [743] Schrecken zu bemächtigen / nach welchem so denn die andern Glieder sich gleichsam von sich selbst legen müsten; das andere Theil aber setzte über den Clusischen See / eroberte Beturgia / und einen grossen zwischen dem Fluße Umbro gelegenen Landstrich. Die Belägerten meinten den Brennus nunmehr durch Lieferung des schuldigen Lucumar zu besänfftigen; liessen ihn daher durch eine Gesandtschafft gebunden ihm einhändigen; und um Friede Ansuchung thun. Brennus wäre beynahe damit vergnügt gewest / wenn nicht der über seinem Laster vernommene Lucumar fürgeschützt hätte: daß er durch seinen Ehebruch nichts wider die Sitten der Hetrurier und anderer Tyrrhener gehandelt hätte /bey welchen ihre Kinder von der Wiegen an aufs zärtlichste erzogen und zur Geilheit abgerichtet / auch die welche in der Wollust am sinnreichsten und vermögend wären / für die Edelsten verehret würden. Sie liessen sich bey Tische nichts anders als von nackten Dirnen bedienen; alle Weiber wären gemein; und die /welche man gleich für Ehweiber erkiesete / möchten andere Männer in der ersten Anwesenheit ohne Scheu zulassen. Den Beyschlaff verrichteten sie offentlich in aller Augen / und hielten ihnen noch Seitenspiele darzu. Daher auch die Kinder wegen Ungewißheit ihrer Väter gemein wären / und aus den Einkünfften des gemeinen Wesens erzogen würden. Nur der Adel und Pöfel wären hierinnen unterschieden; weil jener nur mit diesem sich zu vermischen für Laster hielte. Daher weder der gramhaffte Aruntes wider ihn so eifersüchtig zu seyn / noch die nicht reineren Clusier ihn zur Straffe auszulieffern Ursach gehabt hätten. Brennus hörte diese abscheuliche Lebens-Art nicht ohne Entsetzung an / fragte daher die Clusischen Gesandten: Ob sich alles erzehlter massen verhielte. Diese meinten ihre Unart zwar zu vermänteln / unter dem Vorwande: daß für Alters es zwar also gewest /und diese Lebens-Art mit vom Fürsten Tyrrhenus /oder Tarchon nach Croton aus Lydien / woher die Hetrurier entsprossen / gebracht worden wäre / nunmehr aber die Sitten sich um ein merckliches gebessert hätten; und würde nur noch nach eingeführtem Spartanischen Gesetze / denen heyrathenden Alten auffgelegt: daß sie zu Bedienung ihrer jungen Frauen einen hurtigen Jüngling unterhalten / und ihre Kinder für die eigenen annehmen müsten. Brennus ward über so ärgerlichen Gesetzen und Sitten auffs hefftigste entrüstet; Befahl also: daß die Gesandten selbigen Augenblick sich aus dem Lager in die Stadt zurück ziehen solten. Denn er wäre nicht gemeint für eines gantzen Volckes so abscheuliche Boßheit den einigen Lucumar Gott zu einem Versöhn-Opffer abzuschlachten; sondern die Missethäter alle zu straffen. Der Clusier Schrecken ward durch diese Bedräuung in eine Verzweiffelung verwandelt; also: daß sie sich biß auf den letzten Blutstropffen zu wehren entschlossen; sonderlich da die andern Hetrurischen zehn Städte sie des Entsatzes in geheim versicherten / und die Obersten der Stadt /derer keiner allhier so wenig als zu Sparta ohne die Wissenschafft aus dem Vogel-Geschrey zu wahrsagen in Rath kommen konte / das Volck versicherten: daß Clusium nicht eingenommen / Rom aber für sie ein Söhnopffer werden würde; sintemal ein Falcke / welcher einer Taube / die Clusium und die Lydier zu ihrem Zeichen führten / nacheilte / selbte fahren ließ /und sich über einen ihm in Wurff kommenden Adler machte / und selbten zerfleischte. Rhemetalces fing an: Es hat diese Weissagung / so viel ich weiß / auch hernach eingetroffen / und ist die Begebenheit derselben nicht unähnlich / da aus des Brutus des Käysers und Antonius zweyen gegeneinander stehenden Lägern zwey Adler gegen einander empor flogen; und der auff des Brutus Seite verspielende auch des Brutus Niederlage andeutete. Erato brach ein: Sie wäre wol [744] des Geschlechts / welches man insgemein des Aberglaubens beschuldigte; aber es wäre ihr die Art aus der Vogel unvernünfftigem Beginnen künfftige Zufälle vorzusehen allezeit sehr verdächtig fürkommen. Denn woher solten die Vogel für andern Thieren / insonderheit aber für den Menschen / welche Gott mit der Vernunfft als einem Funcken seines Lichtes betheilt / ein Vorrecht haben? Malovend antwortete: Es ist diß nichts unglaubliches; weil die Natur auch in vielen andern Dingen / als in Schärffe der eusserlichen Sinnen / und in Länge des Lebens denen Thieren für dem Menschen einen Vortheil gegönnet. Insonderheit aber scheinen die Vögel eine Eigenschafft zu haben: daß ihre Augen eben so wohl für uns in Göttliche Versehung als die Adler in die Sonne einen Blick thun können. Die Fincke kündigt uns das Winter- Wetter / die Schwalbe den Frühling / der Kuckuck den Sommer / die Schnepffe den Herbst / der Hahn mit seinem offt und zur Unzeit geschehenem Krähen den Regen / der Sperling mit seinem Morgengeschrey Ungewitter / die hoch aber stille flügenden Kranche heimlich Wetter / die gleichsam bellenden Raben Wind / die im Sande sich baden den Reiger / und die schnatterden Gänse Platzregen an. Zeno warff ein: diß wären alles natürliche Dinge / welche aus Veränderung der Lufft / aus Auffschwellung des Wassers /und Auffdampffung der Dünste nicht nur von den Thieren / sondern auch von einfältigen Ackersleuten durch die Erfahrung wahrgenommen werden könten. Künfftige ungewisse Zufälle aber vorsehen / wo weder Sinnen noch Scharffsinnigkeit einigen Einfluß oder Ursache ergründen kan / ist was göttliches. Daher auch er auff der Vogel Flug / Geschrey oder Speise einiges Absehen zu setzen für gefährlich / oder auch gar für eiteln Aberglauben hielte. Rhemetalces begegnete ihm: wie kommts denn: daß so viel nachdenckliche Anzeigungen der Vögel so genau eingetroffen? Ist es ungefehr geschehen: daß der Rabe auff des Cicero Vorwerge bey Cajeta den eifernen Weiser an der Uhr fortrückte / an dem Saume seines Rockes nagte / da er bald darauff ermordet ward? Deutete nicht ein auff dem Dache sitzender Adler durch allerhand Gebehrdung desselbigen nahen Einfall an? Suchten nicht drey Raben durch Abwerffung eines Dach-Ziegels den Tiberius von Besuchung des Capitolium abwendig zu machen; auff dem er vom Priester Scipio Nasica erschlagen ward? Kündigten nicht die aus dem Gebauer zu gehen sich weigernden Hüner dem Junius den Verlust seiner Schiffleute an? Zwangen nicht zwey Raben durch ihre gewaltsame Widersetzung den Priester Metellus zu Hause zu bleiben: daß er aus dem kurtz darauff brennenden Tempel der Vesta das Bild der Pallas rettete? Zeno versetzte: Es kan wohl seyn: daß zuweilen ein- und andere Muthmassungen hierinnen eintreffen. Aber lassen sich wohl dieselben / welche fehl geschlagen haben / zehlen? Wie viel haben solche Zeichen verächtlich in Wind geschlagen / gleichwohl aber ihr Fürnehmen glücklich ausgeführt? Käyser Julius verlachte alle solche Andeutungen / welche ihm den Zug wider den Scipio und Juba / wie auch die Farth in Asien widerriethen; gleichwohl aber war er niemals glücklicher als selbige mahl. Und der grosse Alexander ließ sich Aristanders Unglücks-Zeichen von der glücklichen Erlegung der Scythen nichts irre machen. Am allerklügsten aber halff der beym grossen Alexander befindliche Jude Mosomachus dem auff dem Zuge nach Babylon stutzenden Heere fort / als er den stille sitzenden Vogel / mit welchem / der Wahrsager Gesetze nach / es auch unbeweglich bleiben solte / mit einem Pfeile vom Baume schoß / und den erzürnten Wahrsagern einhielt: Sie solten doch nicht gläuben: daß der Vogel / welcher nicht sein eigenes Unglück vorgesehen hätte / fremdes hätte wissen köñen. Was kan hierunter nicht für Betrug fürgehen; und [745] hat nicht jener Carthaginenser sich durch abgerichtete Vögel gar für einen Gott ausruffen lassen? Ja wie soll diß auff was beständiges zu gründen seyn / das so gar widrig ausgedeutet wird? Die Hetrurier geben bey dem Vogel-Fluge auff Ost / die Römer auff West / die Deutschen auff den Nord acht. Die Eule ist den Atheniensern ein Glücks- den Römern ein Unglücks-Vogel; und sie solte ihre Niederlage bey Numantia angekündigt haben. Die auff des Hiero Spieß sitzende Nacht-Eule soll ihm die Königliche Würde angedeutet; und des Agathacles Heer als ein Siegs-Zeichen auffgemuntert /hingegen aber / als sie sich auff des Pyrrhus Lantze gesetzet / ihm den Tod bedeutet haben. Diesemnach sich Cato wunderte: daß die Wahrsager / welche auff die Vögel acht hätten / nicht selbst über ihre Eitelkeiten oder Betrügereyen lachen müsten. Und Hannibal verwieß es dem Könige Prusias ins Antlitz: daß er einem Stücke Kalbfleische / und einer unvernünfftigen Eule mehr / als einem erfahrnen Feldhauptmanne Glauben beymaß. Hingegen wurden Mamertius und Amilcar von den Vogeln und denen / welche ihre Sprache zu verstehen / und aus fremdem Gehirne mehr als aus eigenem zu verstehen meinten / hefftig betrogen; indem jener zwar ins feindliche Läger / dieser in Siracusa / beyde aber als Gefangene darein kamen. Der Mißbrauch eines Dinges / antwortete Adgandester / macht die Sache und den rechten Gebrauch nicht alsofort verwerfflich. Der Unterscheid in Auslegungen solcher Zeichen hat auch nichts zu bedeuten. Sintemal die Vögel nicht aus ihrer eigenen Wahl die Menschen leiten / auch nicht des albern Pöfels Meinung nach / ihres hohen Fluges halber die göttlichen Rathschlüsse ausforschen; sondern Gott leitet die Vogel: daß sie nach der Auslegung ein oder andern Volckes ihren Flug oder ihr Geschrey zur Nachricht künfftiger Begebnisse einrichten. Sind also die Vögel auff eben die Art / als die Träume / oder die Wahrsager-Bilder / wie auch die weissagenden Tauben zu Dodona Werckzeuge göttlicher Offenbarungen. Dieser hätte sich das tieffste Alterthum / und fast alle Völcker der Welt / Deucaleon auch schon in der grossen Wasser-Ergiessung einer Taube und eines Rabens bedienet. Wiewohl auch die Deutschen abergläubischen Dingen sehr unhold sind; so haben sie doch nichts minder die Wahrsagung der Vögel von undencklicher Zeit hoch gehalten / und in dieser Weißheit sich geübet. Und ob unsere weisen Frauen zwar auch aus dem Geräusche des Wassers künfftig Ding zu sagen wissen; verdient doch jene Weissagung grössern Glauben / und weicht keiner andern / als die / welche aus dem Wiegern und der Bewegung der weissen heiligen Pferde angemerckt wird. Zeno begegnete ihm: Es befremdet mich: daß die in Glaubens-Sachen sonst so mäßigen Deutschen hierinnen so leichtgläubig sind; indem doch darbey so wenig Gewißheit zu finden und kein Alterthum die Irrthümer zur Warheit macht. Ich widerspreche zwar nicht: daß die Götter nicht offtmahls den Menschen künfftige Dinge zu ihrer Warnigung offenbaren; aber den Vorwitz von sich selbst in die Geheimnisse des ewigen Verhängnißes zu sehen / weiß ich wohl nicht zu billichen. Denn die Wissenschafft künfftiger Begebnisse ist ein Vorrecht der Götter. Und unser Polemon hat durch sein trauriges Ende diese Vermessenheit augenscheinlich gebüsset / der Welt aber ein Beyspiel gelassen: daß die / welche hierinnen Luchs-Augen zu haben vermeinen / weniger als die Maulwürffe sehen. Adgandester fing hierauf mit einer lächelnden Bescheidenheit an: Gleichwohl aber traff der Hetrurischen Wahrsager Andeutung ein. Denn die belägerten Clusier / welche furtreffliche Künstler und Baumeister waren / also: daß sie die Römer darmit versorgten /hielten die Semnoner mit Fallbrücken / grossen Schlendern / und insonderheit mit unglaublich geschwinder Ausbesserung der zerschelleten [746] Mauren so lange auff: biß die Hetrurischen Bundsgenossen bey der Stadt Herbon eine ansehnliche Macht wieder zusammen zohen. Inzwischen war die Gesandtschafft der Stadt Clusium auch zu Rom anko en / welche um Hülffe bewegliche Ansuchung that / und für sich anführte: Ob sie schon mit einander nicht in Bündniße ständen / hätten sie sich doch mit den Römern iederzeit in Freundschafft zu leben beflissen; also: daß sie auch den Vejentern ihren Bluts-Verwandten nicht wieder sie beystehen wollen; in welchen Fällen auch unverbundenen Freunden wider ungerechte Gewalt bey zustehen das Recht der Völcker erlaubte / weñ schon die Hülffe nicht ausdrücklich wäre versprochen worden. Uberdiß hätten die Römer aus selbsteigener Staats-Klugheit Ursache / dem Wachsthume dieser wilden Völcker / welche gleichsam zu Ausrottung des menschlichen Geschlechtes gebohren zu seyn schienen / und den Maßiliern als Römischen Bundgenossen so grosses Leid angethan hätten / bey zeite zu begegnen. Denn es stünde nicht nur die Stadt Clusium /sondern gantz Hetrurien in Gefahr; welchem die Stadt Romihren Gottesdienst / ihre Künste / und den fürtrefflichen König Tarqvinius zu dancken hätte. Die Römer schlugen der Stadt Clusium die gebetene Hülffe zwar ab / weil die Semnoner sie noch mit nichts beleidigt / mit den Maßiliern Friede gemacht hatten /und des Nachbars blosse Vergrösserung keine genugsame Ursache wäre selbten zu bekriegen; iedoch schickten sie des Marcus Fabius Ambustus drey Söhne in Botschafft an den Brennus um selbten zu bewegen: daß er von Bekriegung der Clusier / welche ihres Wissens die Semnonier nicht beleidiget hätten /abstehen möchten. Brennus empfing in dem prächtigen Irrgarten / welchen König Porsena an dem See bey Clusium zu seinem Begräbniß-Mahle aus eitel viereckichten Marmelsteinen gebaut / und mit Wunderholen Seulen besetzt hatte / die Römischen Gesandten auffs höfflichste / hörete sie mit Gedult an /und antwortete ihnen: die Römer wären ihm zwar ein unbekandter Nahme / iedoch hielte er sie für tapffere Leute / weil die Clusier in ihrer höchsten Noth auff ihren Beystand so grosses Vertrauen gesetzt / und sie nicht alsbald aus blindem Eifer die Waffen ergriffen /sondern vernünfftiger ihren Freunden durch diese Gesandschafft an der Hand gestanden hätten. In Ansehung solcher Vermittelung wolte er den Clusiern /welche wieder die Semnoner nicht nur den Maßiliern /sondern auch den Umbriern Hülffe geleistet / auch sie zum ersten beleidigt hätten / den Frieden gönnen / mit dem Bedinge: daß die biß an den Fluß Umbro / und denen neuen Säulen gelegene Aecker / welche sie ihren Feinden durch Kriegsrecht abgewoñen / ihnen verbleiben müste. Stünde diß aber den Clusiern nicht an / wolte er in Anwesenheit der Gesandten / mit seinen Feinden schlagen / wormit sie zu Rom berichten könten / wie weit die Semnoner andere Sterblichen an Tapfferkeit übertreffen. Die allzu hitzigen Fabier versetzten mit ziemlichen Ungeberden: Was die Semnoner in Hetrurien zu schaffen hätten? Woher sie ihnen fremde Aecker zueignen könten? Ob sie nicht sich mit den Massiliern und Umbriern verglichen? Ob unter dem Frieden nicht auch die Bunds-Genossen stillschweigend eingeschlossen wären? Wer dem Brennus einen Gerichts-Zwang über den Lucumar und andere Bürger zu Clusium verliehen? Brennus lachte nur über der Unbescheidenheit dieser Gesandten / und schlug auff sein Degen-Gefäße / sagende: In dieser Scheide stecket meine Berechtsamkeit; und die gantze Welt ist streitbarer Helden Eigenthum.

Folgenden Tag näherte sich das zu Pallia versa lete Hetrurische Heer / welchem Brennus mit seinen Belägerern hertzhafft die Stirne bot. Die Fabier aber liessen sich wider die Würde ihres tragenden Amts /wider aller Völcker Recht / das allen Gesandten alle Feindseligkeiten wider den / zu dem sie geschickt sind / auszuüben verbeut / [747] zu Heerführern der Clusier brauchen; ja einer unter ihnen hatte das Glücke einen Obersten der Semnoner / Brand geneñt / als dieser dem Feinde die Haupt-Fahne auszureissen bemüht war / mit einer Lantze zu durchrennen / und ihn seiner Waffen zu berauben; worüber dieser Römer von Semnonern auch erkeñet ward; indem ein Semnonischer Edelmann herzu rennte / und den Fabius nicht allein den Raub im Stiche zu lassen zwang / sondern ihm auch seine Streitaxt auswand. Weßwegen ihm Brennus wegen eines darauff gemahlten goldenen Ochsens den Nahmen Gold-Axt / und den Ochsen zu seinem Krieges-Zeichen gab. So bald nun die Clusier sich theils in die Stadt / theils auff die Schiffe in den Clusischen See geflüchtet hatten / schickte Hertzog Brennus eine Botschafft nach Rom / durch welche er ihm die Fabier / als Verletzer des Völcker-Rechts / auszufolgen verlangte. Ob nun wohl der Römische Rath ihr Beginnen weder loben noch entschuldigen konte / so brachte es doch das Geschlechte der Fabier durch ihr Ansehen und Reichthum bey dem Volcke so weit: daß der Rath dem Brennus nicht allein kein Recht verhalff / sondern die Semnoner mit einem Stücke Geldes befriedigen wolte; welches die Gesandten als eine bey den Deutschen verächtliche Wahre anzunehmen weigerten; als bey denen es ungewöhnlich wäre / die gerechte Rache um unnützes Ertzt zu verkauffen. Ja der Römische Pöfel / welcher insgemein die hitzigsten Entschlüssungen für die klügsten / und Wagehälfe für die grösten Helden hält / erklärte die Friedbrecher auf folgendes Jahr gar zu Kriegsobersten. Also verblendet das Glücke die Gemüther der Menschen / wenn es iemanden seinem besti ten Untergange nicht wil entkommen lassen. Die hierüber nicht unbillich verbitterten Semnoner hoben auf diese Zeitung alsbald die Belägerung der Stadt Clusium auff / und nachdem sie vorher des Porsena prächtiges Grabmal eingeäschert /zohen sie den geraden Weg auff Rom zu / setzten aber unvermerckt unter dem Berge Soracte über die Tiber. Den dritten Tag / als inzwischen das gantze flüchtige Latium mit Schrecken der Stad zueilte / uñ von der Feinde Ankunft Nachricht brachte / welche die Götter durch den Marcus Cöditius zwar vorher geweißagt /die Römer aber verächtlich in Wind geschlagen hatten / begegneten die Fabier / Sulpitius Longus / Qvintus Servilius und andere mit dem Römischen Heere bey dem Fluße Allia den Semnonern. Jene stellten ihre Legionen mitten in die Fläche / die Hülffs-Völcker aber an beyden Seiten auff erhobene Hügel. Der Kriegsverständige Brennus trieb zum ersten mit seiner deutschen Reuterey / welche in der gantzen Welt damals schon / wie das Spanische Fuß-Volck / für andern berühmt war / den Feind von den Hügeln / wormit sie bey dem Treffen ihm nicht konten in die Seiten fallen; welche aber bald die Fersen kehrten. Hirmit fielen die Semnoner in die Römischen Legionen auff allen Seiten ein; allein weder Führer noch Kriegsknechte vermochten die blossen Gesichter der ergrimmten Semnoner vertragen; ergriffen also ohne einige Gegenwehre eine so blinde Flucht: daß sie ihren eigenen Hinterhalt über Hauffen rennten / ja daß das gröste Theil verzweiffelt durch die Tiber schwe te /und in die feindliche Stadt der Vejentier sich zu begeben nicht scheuete. Der gantze lincke Flügel warff für Schrecken die Waffen weg / und stürtzte sich in den Tiber-Strom; also: daß die Semnoner anfangs nicht wissende: Ob die Römer aus Zagheit oder einer Kriegslist so schimpfflich wichen / sie zu verfolgen Bedencken trugen / hernach aber die ereileten Flüchtigen nur zu schlachten hatten / und von dem Heere nicht ein Bothe nach Rom kam. Die Semnoner schnitten den Todten dreißig tausend Köpffe ab / hingen sie an die Mänen ihrer Pferde / und bauten hernach für der Stadt Rom einen abscheulichen Thurm darvon. Folgenden Morgen kamen sie mit dem Vordrab für Rom / funden selbte zwar offen / uñ unverwachet /scheueten aber aus Beysorge eines verborgenẽ Hinterhals sich derselben zu bemächtigẽ. [748] Wie nun aber die gantze Macht dar ankã / sie auch sich nirgendswo das minste rühren hörten / drangen sie durch die Collinische Pforte mit grossem Geschrey in die Stadt; fanden aber allenthalben eine wüste Einsamkeit / in dem sich alle Weiber und Kinder des Nachts vorher an andere Orte / die streitbare Mannschafft aber unter dem Manlius aufs Capitolium geflüchtet hatten. In den innersten Gemächern alleine fanden sie die alten verlebten Greisse / welche sich den obersten Priester Marcus Fabius für das gemeine Heil den Göttern hatten zu Versöhn-Opfern einweihen lassen / auf helffenbeinernen Stülen gantz unbeweglich sitzen; welche die Semnoner anfangs für Gespenster ansahen / hernach aber als Marcus Papirius einen Deutschen / der ihm seinen langen Bart streichelte / den helffenbeinernen Stab auf den Kopf schlug / in Stücken zerhieben. Hat Papirius / fing Rhemetalces an / die Anrührung seines Bartes für eine unerträgliche Beschimpfung angenommen? Oder hat er der Deutschen Zorn durch seinen Eifer mit Fleiß erregen wollen: wormit ihr Vorhaben für das Vaterland sich aufzuopfern nicht zernichtet würde? Es mag eines und das andere wohl die Ursache gewesen seyn / sagte Adgandester. Sintemal der / welcher sich schon einmal also zu sterben verlobt hatte / wenn er nicht starb / keinen Gottes-Dienst mehr abwarten dorffte. Andern theils wurden die Haare / und insonderheit der Bart nicht nur bey den Römern und Lacedemoniern / sondern auch bey fast allen Völckern in Ehren / und dessen Betastung so wohl / als derselbten Abscherung für eine Beschimpfung gehalten. Weswegen auch bey den Rhodiern ein Gesetze die Abscherung des Bartes und der Haare verbot; und insonderheit die Weltweisen mit langen Bärthen prangten; ja auch die alten Bildnüsse der Götter mit langen Bärten gezieret sind; und Jupiter von denen Tichtern / wie er bey seinem unversehrlichen Barte schwere / mehrmals eingeführet wird. Daher / und weil der Bart für eine Zierde der Männer und Götter gehalten wird / ungeachtet er sonst wenig nütze ist / bey den Griechen und Römern die bärtichte Glücks-Göttin umb das Wachsthum der Haare angeruffen wird. Hingegen werden die Leibeigenen / und die Ruder-Knechte auch noch ietzt gleichsam zur Schmach glatt beschoren / gleichsam als wenn diese Leute nicht in das Geschlechte der Männer / sondern der glatten Weiber und der Verschnittenen zu rechnen wären. Zeno fiel ein: Von diesen alten Sitten aber scheinen die Griechen / Römer /insonderheit auch die Deutschen / ja bey nahe alle Völcker grossen theils abgewichen zu seyn / welche die Bärte abscheren lassen / und derselben Hegung entweder für ein Kennzeichen der Verda ten / oder der euserst Betrübten brauchen. Also haben die Catineer in Sicilien durch Gesandten / welche zu Bezeigung ihres Nothstandes ihnen die Bärte derogestalt verwildern lassen / zu Athen Hülffe gesucht. Und der blutgierige Attalus gab auf solche Weise seine Bestürtzung über seiner Mord-Thaten zu erkennẽ. Käyser Julius ließ nach der Titurianischen Niederlage ihm Bart und Haare lange wachsen; und des Flavius Berichte nach hat August nach des Varus Erlegung ihm kein Schermesser wollen ansetzen lassen. Ja in Griechenland lassen ihnen nach dem uhralten Beyspiele des Theseus die Jünglinge ihre ersten Bart-Haare abnehmen / und wiedmen selbte an ihrem Geburts-Tage zu Delphis dem Apollo. Zu Troetzen / und in andern Orten Griechenlands opfern die Bräute ihre abgeschnittenen Haare dem Hippolitus. In Sicyonien soll das Bild der Gesundheit kaum für daran gehenckten Haaren zu sehen seyn. Zu Rom habe ich gesehen: daß nicht nur die edlen Jünglinge / sondern auch ältere /ihre in Gold und Edelgesteine verwahrte Haare für des gantzen Leibes Wohlstand dem Capitolinischen Jupiter geweihet haben. Ich erinnere [749] mich auch allhier gehört zu haben: daß kein Catte für Erlegung eines Feindes sich nicht dörffe bescheren lassen. Es ist nicht ohne / versetzte Adgandester: daß bey vielen Völckern andere Gewohnheiten aufkommen; iedoch bleibet die gäntzliche Abnehmung der Haare allenthalben ein Schandmaal. Und werdẽ bey uns Deutschẽ denen Ehebrecherinnen die Haare zum höchsten Schimpf gantz abgeschnittẽ. Ausser dem pflegen wir Deutschen zwar aus eben der Ursache / als es der grosse Alexander bey seinem Heere einführte / den untersten Bart abzuschneiden / wormit er beym Gefechte denen Kriegsleuten keine Hinderung / denen Feinden aber einen Vortheil selben zu fassen abgebe. Uber diß tragen wir Deutschen einen starcken Knebel-Bart /und lange kräußlichte Haare / welche wir aber nur in Schlachten über dem Haupte in einen Knoten zusammen knipfen / wormit siẽ uns nicht für die Augen flügen / und wir den Feindẽ desto schrecklicher aussehen. Malovend brach hierüber ein: Es ist allerdings wahr / daß alle Völcker die Antastung der Haare und Bärte für eine Beschimpfung halten; ich glaube aber: daß der deutsche des Papirius Bart mehr aus Vorwitz / und umb zu erfahren: Ob die unbeweglichen Alten lebten / als selbten zu spotten angerühret habe. Hätte also Papirius wohl nicht Ursache gehabt ein zweydeutig Ding so übel aufzunehmen / und durch unzeitigen Eifer die Sieger zu verbittern. Zumal daß die Betastung deß Bartes offt als eine Liebkosung gebraucht wird. Und hätte er sich erinnern sollen: daß Castor und Pollux den Enobarbus eben so gestreichelt / und ihm seinen schwartzen Bart geröthet haben.

Adgandester fiel ein: Man kan solche Sachen hin und wieder verwerffen; unterdessen gerieth Rom hierüber wider des Hertzogen Brennus Verbot aus vermuthlicher Rache in Brand / und in die Asche. Die Semnoner belägerten das Capitolium / und durchstreifften das Land biß an den Fluß Vulturus. Jenes würden sie unschwer erobert haben / wenn nicht die Semnoner des Lucius Albinus Frau und Tochter /welche auf seinen Befehl vom Wagen absteigen / und selbten denen sich baarfüssigflüchtenden Vestalischen Jungfrauen einräumen müssen / gefangen bekommen hätten. Denn Hertzog Brennus verliebte sich so sehr in die letztere: daß er ihr zu Liebe das Capitolium nicht zu stürmen / und also ihre Bluts-Verwandten zu tödten / sondern nur durch Abschneidung der Lebens-Mittel zur Ubergabe zu nöthigen angelobte. Welches er so treulich hielt: daß als einsmals in der Nacht die Semnoner stillschweigend schon biß auf die Mauren gestiegen / die schlafenden Römer aber viel zu spät von dem Geschnater der Gänse erweckt waren / Brennus die Ubersteigung zu verfolgen verbot. Inzwischen brachte er gleichwohl die Römer durch Hungers-Noth und sein mit dem Könige Dionysius aus Sicilien gemachtes Bündnüß / der damals gleich mit den Locrensern in Italien Krieg führte / so weit: daß sie die Aufhebung der Belägerung / und die Einräumung der eingeäscherten Stadt mit tausend Pfund Goldes abzukauffen willigten. Brennus verließ sich auf den mit dem Sulpitius abgehandelten Frieden; zohe also mit dem grösten Theile seines Heeres zurück. Denn die Hetrurier hatten mit vielem Golde und noch grössern Vertröstungen die Veneter beredet: daß sie denen Semnonern ins Land gefallen waren / auch bereit an dem Flusse Sapis / Sassina erobert hatten. Gleicher gestalt belägerten die Hetrurier ihre verlohrne Stadt Croton / und dräuten zugleich einen Einfall gegen Sestin. Inzwischen blieb der oberste Eisenberg zu Rom /und wartete auf die versprochenen tausend Pfund Goldes / welches die damals arme Stadt / ungeachtet das Frauenzimmer alle ihr güldenes Geschmeide beytrug /ohne Angreiffung der Heiligthümer nicht zuwege bringen konte. Dahero sie anfangs die Deutschen im Gewichte zu [750] bevortheiln trachteten / hernach aber /als Eisenberg dieses inne ward / sie bedreuten: daß wo sie sich nicht darmit vergnügten / ihnen an statt des Goldes geschlieffenes Eisen zuwiegen wolten. Eisenberg lachte hierzu / legte seinen Degen auf die Wage / sie solten so viel Goldes ihm noch zur Zugabe herbey schaffen. Uber dieser Wortwechselung trat der von Rom verwiesene / aber nunmehr mit einem ziemlichen von Veje und Ardea zusammen gelesenen Heere beruffene Camillus mit hundert geharnschten Männern in den Saal / und befahl das Gold auf die Seite zu schaffen; weil sein Vaterland mit Stahle /nicht mit Golde zu lösen wäre. Die zwantzig daselbst befindlichen Deutschen schützten den getroffenen Vertrag für. Aber Camillus versetzte: Er wäre erwehlter Römischer Feldherr / und ohne ihn hätte weder Manlius / noch Sulpitius was nachtheiliges eingehen können. Also wäre er der Semnoner Feind / und daher solten sie sich nur zur Gegenwehr fertig machen. Eisenberg drang mit den Seinen sich hierauff eilends zur andern Pforte hinaus; und machte Lermen. Ehe er aber sein Kriegs-Volck zusammen bringen konte / fielen die Vejer / Ardeater / und Römer durch 3. Pfortẽ in die Stadt / Manlius auch aus dem Capitolium; gleichwohl aber wehrten die nicht das vierdte Theil so starcken Semnoner sich als umbstrickte Löwen / und schlugen sich durch zwey Thore durch. Bey dem achten Meilen-Steine von der Stadt begegnete ihnen eine neue zusammen gezogene Macht / und Camillus lag ihnen ebenfalls in den Eisen; also: daß sie fast allenthalben von Feinden umbringet wurden. Eisenberg aber munterte seine Semnoner so wohl mit seinem Arme / als mit seiner Zunge zu einer behertzten Gegenwehr auf; und befahl: daß sie sich nach und nach an den nicht weit entfernten Fluß-Anio / und unter das darbey stehende Dorff ziehen solten. Das Beyspiel ihres Obersten / und die euserste Noth / welche der mächtigste Werckzeug des Sieges ist / zwang denen wenigen Deutschen ungemeine Helden-Thaten ab. Insonderheit übte Briso ein junger Semnonischer Fürst gegen die Römer Wunderwercke aus. Weil er aber keinen Fußbreit Erde weichen wolte / ward er von den Feinden umbringet / und nach unglaublicher Gegenwehre und vielen empfangenen Wunden endlich vom Manlius getödtet. So bald aber Eisenberg das verlangte Ziel erreichte / ließ er das erlangte Dorff an allen Ecken anzünden; und nach dem er bey nahe tausend Mann verlohren / gleichwohl aber auch die Römer nicht Seide darbey gesponnen hatten / setzte und schwemmte er unter dem Dampf und Rauche über den Strom / warff die Brücke hinter sich ab / daß der Feind ihn nicht weiter verfolgen konte. Von dar kam er so unverhofft nach Fidene: daß er die Pforten offen fand. Dieses zündete er an / gieng nach etlicher Stunden Erfrischung daselbst über die Tiber / und kam /ohne daß sich einiger Feind an ihn ferner wagen wolte / in Hetrurien; allwo Brennus bereit die Clusier von Belägerung der Stadt Croton abgetrieben / und seinen Sohn gegen die Veneter voran geschickt hatte. So bald er nun durch das Geschrey von der Römer Friedens-Bruche gehört hatte; wendete er seine Deichsel wieder gegen Rom / begegnete also seinem von Rom kommenden Volcke bey dem so genanten Königs-Bade. Brennus ward über der Römer Betruge aufs eifrigste verbittert; verheerete daher biß nach Nepete alles mit Feuer und Schwerdt. Und das Geschrey brachte nach Rom ein solches Schrecken: daß Camillus sich vergebens bemüht hätte die nach Veje allbereit besti te Flucht des gantzen Römischen Volckes zu hintertreiben; wenn nicht die Römischen Gesandten zu Nepete ihn durch Entgegenbringung der tausend Pfund Goldes / welche inzwischen die umb die Römische Verwüstung im Trauren gehenden Massilier als treue Bundsgenossen [751] nach Rom geschickt hatten / und Entschuldigung ihrer aus Mißverstande entsprungenen Thätligkeiten besänftiget / oder vielmehr andere geheime Ursachen zu Beliebung eines neuen Friedes bewegt hätten. Denn weil er die Hetrurier und Veneter noch hinter sich als einen beschwerlichen Dorn im Fusse hatte / die über dem Po wohnenden Deutschen auch mit einander in Krieg geriethen / und die vertriebenen Rhetier auch denen Bojen eingefallen waren / hielt er nicht rathsam mit so vielen Feinden auf einmal sich in beständigen Krieg zu vertieffen; als in welchen Fällen man nicht stets hinter sich sehen kan; und der Schild der Klugheit die feindlichen Streiche sicherer / als ein gewaffneter Arm ablehnet. Uber dis hatten es die Römer durch ein neues mit den Massiliern aufgerichtetes Bündnüß / krafft dessen alle Massilier das Römische Bürger-Recht / die Zoll-Freyheit / und ihren Gesandten ein Sitz im Römischen Rache verliehen ward / so weit gebracht: daß sie mit andern gegen die Deutschen ergri ten Galliern / weil Hertzog Marcomir biß an die Maaß die deutsche Herrschafft erweitert hatte / des Brennus zu Aventicum zum Hertzoge der Semnoner eingesetzten Bruder bekriegten; welchen Brennus nicht hülff-loß lassen konte; daher er zehn tausend Deutschen ihm über die Alpen zuschickte; und hierdurch die Feinde zum Frieden zwang. Als Brennus derogestalt auf beyden Seiten der Alpen sieghafft war / flog auch seiner Semnoner Ruhm in Sicilien / Africa und Griechenland. Denn es hatte König Dionysius in Sicilien mit dem Hertzoge Brennus ein Bündnüß gemacht / und von ihm zwölf tausend deutsche Hülfs-Völcker bekommen. Denn er eroberte durch ihre Tapferkeit die von den Carthaginensern erbaute See-Stadt bey dem Lilybeischen Vorgebürge Motya; zwang den Imilco; daß er / umb freyen Abzug aus Sicilien bitten muste. Ja bemächtigte durch sie sich in Italien des grossen Griechenlands. Fünff tausend dieser Semnoner schickte Dionysius auch der von den Beotiern belägerten Stadt Corinth zu Hülffe / welche des Nachts in aller Stille in den Lecheischen Hafen einlieffen; und bald daraus in einem Ausfalle das gantze Beotische Läger gegen dem Tempel des Priapus aufschlugẽ; also den Feind die gantze Belägerung aufzuheben nöthigten. Weswegen die Stadt Corinth dem Brennus und Dionysius zwey ertztene Bilder auf dem Rathhause aufrichteten. Die Corinther und Carthaginenser beehrten den Brennus auch hernach mit Gesandschafften / und bewarben sich so wohl / als die Nachbarn in Italien umb seine Freundschafft. Als nun derogestalt in Griechenland und Deutschland des Brennus Thaten nicht anders als des Hercules gesungen wurden; hielten es alle andere Deutschen darfür: daß ihnen / wenn sie es ihm nicht nachthäten / so viel Schande / als ihm Ruhm zuwüchse. Daher fast alle deutsche Völcker damals zu schwermen anfingen. Hertzog Antenor segelte mit etlichen 1000. Deutschen in Britannien; hielt sich daselbst so tapfer: daß ihm König Belin seine Tochter Cambra vermählte; von welcher seine Völcker noch ietzt die Sicambrer genennet werden. Denẽ Cattẽ war ohne diß ihr bergicht und unfruchtbares Land zu enge / also: daß sie selbst einander in die Haare geriethen. Endlich entschloß sich Fürst Batto und sein Sohn Heß ihrem Vetter ihr Erbtheil abzutreten / und wie Brennus eines mit dem Degen zu erwerben. Diese beyde Hertzoge zohen mit 30000. Catten den Rhein hinab /schlugen die Gallier / und bemächtigten sich des zwischen denen zwey Armen des Rheines und dem Meere liegendẽ Eylandes / nennten sich auch nach ihrẽ Fürsten die Bataver / welcher die Stadt Nimegen erbaute. Bathanat machte sich ebenfalls mit 100000. an dem Oder-Strome gelegenen Osen und Marsingern auf /setzte über die Donau / und eroberte zwischen diesem Flusse und der Sau ein grosses Gebiete. Die noch in[752] Deutschland und Gallien gebliebenen von denen Allemännern aber gedrückten Celten giengen so gar über das Pyreneische Gebürge / und gründeten um den Fluß Durias und Sucra ein neues Reich der Celtiberier. Alle in Griechenland kriegende Völcker mühten sich einige Deutschen zu ihren Kriegs-Obersten /und die Könige sie zu ihrer Leibwache zu bekommen /und insonderheit nach etlicher Zeit König Philip in Macedonien. Inzwischen aber starb Brennus / und ließ seine Herrschafft seinem Sohne Ludwig; sein Gedächtnüß aber der Nachwelt zu einem Beyspiele der Tapfferkeit. Hertzog Ludwig war seines Vaters Ebenbild nichts minder an Gestalt als an Gemüthe. Daher nam die von den Römern bekriegte Stadt Velitre zu ihm Zuflucht; und beklagten sich / daß Rom die minste Ursache einiger Feindseligkeit gegen sie hätte /sondern aus blosser Herschenssucht sich als eine Wölffin alle andere Städte in Italien als Schaffe zu verschlingen berechtigt hielte. Weil nun die Römer die Velitrer aus dem Felde schlugen und ihre Stadt belägerten / es also nicht Zeit war mit der Feder / sondern mit dem Degen zu fechten; machte er sich mit 40000. Semnonern auf / und rückte so eilfertig fort: daß die Römer von ihrem Anzuge nicht ehe Kundschafft kriegten: als biß sie zu Crustumerium über die Tiber gesetzt hatten. Sie erklärten hierauf den Marcus Furius zu ihrem Feldherrn / schrieben an alle ihre Bundgenossen um Hülffe / niemand aber wagte sich in diß Spiel zu mischen / aus Beysorge: daß sodenn die Deutschen die Kriegs-Last ihnen selbst auff den Hals weltzen würden. Wie nun Hertzog Ludwig bey Collatia über den Fluß Anio gieng / und biß nach Alba kam; hoben die Römer die Belägerung für Velitre über Hals und Kopff auf / setzten sich darmit an einen vortheilhafftigen Ort; aus welchem sie durch keine Ausforderung der Semnoner zu locken waren; unter dem Vorwande: daß das Bild des weiblichen Glückes an dem Wasser Crabra bey Rom nunmehr zum dritten mal geredet / und ihnen zu schlagen verboten hätte. Rhemetalces fiel ein: Er hätte ja in den Römischen Geschichtschreibern gelesen: daß Marcus Furius die Semnoner damals bey Alba aufs Haupt geschlagen; deßwegen zu Rom ein Siegs-Gepränge erlangt / und der Deutschen wenige Uberbleibung sich in Apulien geflüchtet hätte. Adgandester antwortete: Die Griechischen Geschichtschreiber redeten hierinnen den Deutschen ihr Wort; und wäre aus diesem unverdächtigen Zeugnüsse zu urtheiln: wie viel in andern Fällen der Römer Großsprechen Glauben verdiente. Und zweiffelte er nicht: Rhemetalces würde diß / was er erwehnte / aus dem Livius haben / welchen Käyser Augustus selbst wegen gesparter Warheit / und daß er allzu sehr Pompejisch wäre / beschuldigte; wie man hingegen den Dion für allzu gut Käyserlich / den Fabius für zu gut Römisch / den Philinus für allzu Carthaginensisch hielte. Es ist diß / sagte Zeno / der gröste Schandfleck eines Geschichtschreibers / welcher / wie köstlich er sonst ist / hierdurch alleine die Würde gelesen zu werden einbist; und nicht unbillich einem Thiere vergliechen wird / dem man die Augen ausgestochen hat. Daher auch die sonst so ruhmswürdige Liebe des Vaterlandes alleine in einem Geschichtschreiber verwerflich ist. Rhemetalces versetzte: Es ist freylich wol wahr; ich glaube aber: daß es so wenig Geschichtschreiber ohne Heucheley / als Menschen ohne Maale gebe. Wolthat und Beleidigung zeucht uns gleichsam unempfindlich zu ungleichem Urtheil; wie der Strom des Hellesponts auch bey der Windstille die Schiffe gegen das Griechische Meer. Daher Callias von Syracuse sich nicht mäßigen konte / alles Thun des ihn beschenckenden Agathocles zu rechtfertigen / der von ihm aus Sicilien verwiesene Timeus aber alles zu verdammen. Ja nach dem Berichte des Asinius Pollio / hatte Käyser Julius in seinen [753] Schrifften selbst so wenig Warheit gefunden: daß er selbte zu verbessern durch Schamröthe bewogen / durch seinen Tod aber verhindert worden. Zugeschweigen daß einige nach der Art des Zevxes / welcher alle Menschen grösser machte / als sie wahrhafftig waren / auch ihre Geschichte derogestalt vergrössern / gleich als wenn die Warheit ein zu schlechter Firns der Schrifften / und diese ohne Erzehlung ungemeiner Wunderwercke nicht lesens-würdig wären. Adgandester nahm das Wort von ihm / und sagte: Die denen Schlachten oder andern Staats-Händeln selten beywohnenden Geschichtschreiber sind noch ehe zu entschuldigen; als welchen selbst zuweilen entweder das unwahrhaffte Geschrey / oder der Irrthum eines anbindet. Viel schädlicher aber ist es / wenn ein Feldherr oder Volck entweder nichts ausrichtet; und gleichwol nach Römischer Gewohnheit grosse Siegs-Gepränge hält; oder gar seinen Verlust für einen grossen Gewinn in der Welt ausruffen läst. Zeno versetzte: Es erforderte es vielmal die euserste Noth aus einem Schatten einen Riesen machen; und es wäre die gröste Klugheit seine Wunden mit den Pflastern des Eigenruhms nicht minder verhölen / als heilen. Denn welche Freundschafft hielte bey verkehrtem Glücke die Farbe? Das Elend züge denen Bundgenossen die Treue / wie die Sonne hohe Farben aus; und kein Eydschwur / keine Bluts-Freundschaft / keine genossene Wolthat verhinderte: daß man nicht sich fremder Gefahr entzüge; ja denen Bedrängten selbst Spinnenfeind würde; und wormit es nicht schiene: als wenn man es iemals mit ihnen gehalten / sie selbst vollends ins Verderben stürtzen hülffe. Also wäre das Unglück des grossen Pompejus Hencker / Achillas aber nur sein Scherge gewest. Bacchus wäre dem Jugurtha erst / als ihm das Glücke den Rücken gekehret / feind worden; und König Prusias hätte nicht ehe seine Larve gegen den Hannibal vom Gesichte gezogen; als biß jene Närrin sie vorher abgenommen. Adgandester begegnete ihm: In zweiffelhafften Begebnüssen wäre es freylich eine Klugheit seinen schlechten Zustand so viel möglich beschönen; aber wider die kundbare Warheit Falschheiten aussprengen sehr unverschämt. Gleichwol aber hätten die Römer diß unzehlbare mal gethan; und hätten ihre überwundenen Heerführer offt / ja Marcus Furius und Petilius ieder Siegs-Gepränge gehalten / ohne daß einer iemals einen Feind geschlagen. Welches der mit denen Galliern verbundenen Stadt Tibur nicht unbillich so lächerlich vorkam; daß sie nach Rom schickten / und den über sie siegprangenden Petilius fragen liessen: Ob er mit ihren Mücken / oder mit ihrer Verstorbenen Geistern geschlagen hätte? Denn 9. Jahr nach der Zeit / da Hertzog Ludwig Velitre entsetzt / und aus dem Römischen Gebiete grossen Raub in Umbrien zurück gebracht hatte /überfielen die Römer die Hernicier / und folgendes Jahr das Gebiete der über fünftehalb hundert Jahr älteren Stadt Tibur. Weil nun die Semnoner zu Rom vergebens ihre von beyden Völckern gesuchte Vermittelung fürschlugen / schickte Hertzog Ludwig seinem Bruder Adolph dreißig tausend Deutsche beyden zu Hülffe / welche biß an den dritten Meilenstein an Rom anrückten / und also die Römer / welche die Stadt Ferentin erobert / der Hernicier Gebiete zu verlassen / und ihrem eigenen Feuer zuzulauffen nöthigten. Hertzog Adolph gieng / um die Stadt Tybur zu bedecken / zu Antenna über die Tiber / und setzte sich an dem Flusse Anio auf der Saltzstrasse dem neuerwehlten Römischen Feldherrn Qvintius Pennus recht gegen über. Die Römer mühten sich durch vielfältige Anfälle die daselbst zwischen beyden Lägern über den Fluß Anio gebaute Brücke zu gewinnen / wurden aber allemal mit grossem Verluste zurück geschlagen; also: daß Qvintius durch keine Dräuung oder Versprechen sie zu fernerm Angriffe bewegen konte; also genöthiget ward die eusersten Kräffter aus [754] Rom an sich zu ziehen / und die junge Mannschafft mit einem schärffern Eyde zu verfassen. Die Semnoner kamen hierauf nach und nach einzel-weise auf die Brücke /tummelten sich daselbst und forderten die Römischen Edelleute zum Zweykampf aus. Nach vielem Ruffen erschien endlich gegen einem Deutschen Edelmanne Gergelase der junge Licinius; welcher aber / als der Deutsche auf ihn an drang / i er wie ein Krebs zurücke wich / und endlich die Flucht nahm / weßwegen ihm jener hernach zum Gedächtnüsse einen Krebs auf den Schild mahlen ließ. Diese Scharte auszuwetzen stellte sich des Bürgermeister Sulpitius Sohn wider Morien einen Deutschen Edelmann ein; nach einem kurtzen Gefechte aber versetzte Morien dem Sulpitius einen tödtlichen Streich in Halß / daß er zu Bodem fiel. Morien nahm ihm nichts / als seinen Schild mit einem güldenen Sterne; Hingegen beschenckte ihn Hertzog Adolf mit einem köstlichen Schilde / darauf er die Saltz-Brücke und einen güldenen Stern pregen ließ. Eben so unglücklich gieng es dreyen folgenden Römern / welche gegen so viel Semnonern zu fechten sich erkühnten. Als nun diese keinen Römer durch die schimpflichste Ausforderung zum Kampffe mehr bewegen konten / kam endlich ein unbekandter Deutscher Jüngling in einem blau-gelben seidenen Rocke auf die Brücke; mit blossem Haupte und nur mit einem Degen und schmalem Schilde gerüstet. Dieser ruffte den Römern zu: Es solte doch der tapfferste unter ihnen / wo anders einer noch ein Hertz im Leibe hätte / mit einem ungewaffneten / oder wenn die Römer ja alle zu Weibern werden / mit einem Deutschen Weibe sich schlagen. Worauf denn Qvintius aus dem Römischen Adel mit Noth den Titus Manlius mit der Erinnerung: daß sein Geschlechte vom Verhängnüsse den Semnonern zu widerstehen erkieset wäre / noch beredete: daß er aufs sorgfältigste mit einem grossen Schilde / einem Spanischen Degen /und unter dem Rocke mit einem Pantzer-Hemde ausgerüstet / gegen den Deutschen sich stellte. Das Gefechte beginnte beyderseits mit einer freudigen Tapfferkeit; iedoch erlangte der Deutsche den Vortheil: daß er dem Manlius drey hefftige Streiche anbrachte /welche aber wegen des verborgenen Pantzers nicht durchgiengen. Diese über diesen Betrug erwachsende Verdrüßligkeit verleitete den Deutschen: daß er dem Manlius einlief / selbten faste und zu Bodem warf. In diesem Ringen aber stieß Manlius dem Deutschen einen verborgenen Dolch beym Nabel in den Leib; worvon er mit häuffiger Blutstürtzung zu Bodem fiel. Manlius sprang hierüber auf / rieß dem Deutschen sein güldenes Halsband ab / henckte es ihm um / und kehrte darmit eilfertig ins Römische Läger; welches hierüber / als einer gewonnenen Schlacht / ein grosses Freuden geschrey erregte / und den Manlius mit dem Zunahmen Torqvatus beehrte. Hertzog Arnold ließ den Deutschen alsbald von der Brücke abholen / befanden aber; daß selbte eines Semnonischen Edelmanns Tochter war; Daher sie die Römer mit ihrem Siege nur verhöhnten / und noch selbigen Tag Lochau ein Edelmann / biß an den Wall des Römischen Lägers ritt / und dreyen auff seine Ausforderung sich gestellenden Römern die Köpffe abhieb; welche er hernach zum Gedächtnüsse auff seinen Schild mahlen ließ. Nach dem nun beyde Heere zwantzig Tage gegen einander / iedoch das Römische wegen der im Rücken habenden Stadt in mercklichem Vortheil gelegen hatte / diß aber zu keiner Schlacht zu bringen war / denen Deutschen aber die Lebensmittel abgiengen / zündete Hertzog Adolf sein Läger an / zohe sich gegen der Stadt Tibur; und weil die Campanier auff Anstifftung der Römer die Hernicier mit offtern Einfällen bedrängten / rückte er an dem Flusse Anio biß zu seinem Brunnen fort. Hierauff gieng er bey Sora [755] über den Fluß Livis / überfiel bey der Stadt Arpin die Campanier und schlug selbte mit seiner blossen Reuterey aus dem Felde. Die Stadt Atina sperrte ihm selbst die Thore auf; die in dem fruchtbaren Oel-Lande aber gelegene Stadt Venafrum eroberte er mit Sturme / und zwar durch die Reuterey; welche / als an beyden Seiten das Fußvolck anfiel / auff dem die Stadt zertheilenden Flusse Vulturnus unvermerckt darein schwemmte / die Gatter zerhieb / alles was in Waffen war erlegte / und die Pforten dem Fußvolcke eröffnete. Allisa / Telesia und Calatia begaben sich hierauf in der Deutschen Schutz / richtete also Adolph hier eine neue Herrschafft auf. Diesemnach rückte der Bürgermeister Petilius Libo / um den Campaniern Lufft zu machen / für die Stadt Tibur / Fabius Ambustus aber fiel denen Herniciern ein. Hertzog Adolph aber trieb mit dem blossen Nahmen seiner Ankunfft den Fabius aus dem Hernicischen Gebiete / trieb ihn von Preneste weg / verwüstete in den Gegenden um Lavicum / Tusculum und Alba alles / was den Römern anhing; und jagte endlich den Fabius in Rom /und setzte sich eines Bogenschusses weit von der Collinischen Pforte. Es bebeten die sieben Berge über dem Heulen und Angstgeschrey des eine neue Eroberung besorgenden Volckes. Der Rath machte den Servilius Ahala zu einem neuen Feldherren / und was nur Waffen tragen konte / muste sich in die Kriegs-Rollen schreiben lassen. Titus Qvintius führte die Reuterey zu erst hinaus / welchem Hertzog Arnold Platz zum Treffen machte. Die Schlacht beginnte erst gegen den Abend / wormit die Römer bey widrigem Glücke ohne allzu grosse Unehre sich zurück weichen könten. Aber die Sonne gieng noch nicht zu Golde / als das Römische Heer schon zertrennet / und biß an die Stadtmauer gejagt ward. Die Römischen Weiber /alten Greise und Kinder / standen zwar auf den Thürmen / rufften den ihrigen aufs beweglichste zu; sie möchten sich als Männer halten / und ihr Vaterland retten; durch die Collinische und Viminalische Pforte kriegten sie auch eine starcke Hülffe von frischem Volcke; ja die Römischen Weiber selbst wurden zu Besetzung der Mauern gebracht / aber es war alles umsonst; und muste Servilius nur das völlige Feld räumen / und sich in die Stadt nach überaus grossem Verluste retten. Weil nun in dreyen Tagen sich kein Römer für denen geschlossenen Thoren mehr sehen ließ / Arnold aber weder Volck genung / noch Sturmzeug die Stadt Rom anzugreiffen bey der Hand hatte /und die Tiburtiner wider den Petelius bewegliche Hülffe suchten; eilte er an der Tiber hinauf. Sein Vortrab kam mit dem Bürgermeister zwischen Nomentum und Tibur zu schlagen; die Nacht aber scheidete sie von sammen; in welcher Petelius zu Noment über die Tiber gieng / das Deutsche Heer nicht erwarten wolte / sondern nach Rom kehrte / gleichwol aber daselbst zwey lächerliche Siegs-Gepränge hielt. Folgendes Jahr verneuerten die Römer ihr altes Bündnüß mit den Lateinern / zohen also viel tausend Kriegsleute an sich / griffen hierauf die Tarqvinier mit Krieg an; aber Hertzog Adolf kam ihnen mit seinen Deutschen / die damals aller Bedrängten Zuflucht waren / zeitlich zu Hülffe; und brachen bey Preneste und der Stadt Pedum ein. Die Römer machten aus beyder Bürgermeister Heere eines / und den Cajus Sulpitius zum Feldherrn. Dieser aber verschantzte sich an einem festen Orte / und war weder durch der Deutschen schimpfliche Ausforderung / noch durch seines eigenen Volckes Schmachreden zu einigem Treffen zu bewegen / sondern er verbot vielmehr bey Lebens Straffe / wenn einer ohne Befehl kämpffen würde. Als er endlich sich ohne euserste Verkleinerung nicht länger enthalten konte / und ein grosses Theil des Deutschen Heeres sich Rom näherte / und ihr Gebiete mit Feuer und Schwerd verwüstete / versteckte er des [756] Nachts allen mit Waffen ausgerüsteten Troß nebst hundert Reutern in ein Gepüsche auf einem Tusculanischen Hügel / und stellte des Morgens sein Heer für dem Lager in Schlacht-Ordnung. Die Deutschen waren so begierig zum Fechten: daß sie die Römer ehe anfielen / ehe Hertzog Arnold seine Schlacht-Ordnung gemacht / oder das Zeichen gegeben hatte. Sie brachten auch den rechten Flügel / darinnen doch der Feldherr selbst fochte / und das Ampt eines tapffern Kriegs-Mannes verwaltete / zum weichen in Verwirrung. Der lincke Flügel aber hielt mit dem Marcus Valerius den Semnonern die Wage; iedoch muste der nothleidende Sulpitius seinem Troß ein Zeichen geben: daß selbter auf der Seite gegen die Deutschen herfür brach. Durch welche Bländung denn die Deutschen stutzig gemacht wurden. Weil nun sich der Wind zugleich wendete /und den Deutschen den Staub recht in die Augen wehete / zohe Hertzog Arnold sein Heer mit einer so klugen Art zwischen die Berge: daß der Verlust beyder streitbaren Theile gleiche war; ungeachtet die Römer dem Sulpitius ihrer Meinung nach ein wahrhafftes /nicht aber wie vormals andern falsch ertichtete Siegs-Gepränge erlaubten. Hingegen gewan Ritter Sultz /welcher mit 10000. Semnonern denen Tarqviniern beystand / dem Fabius einen herrlichen Sieg ab / welche / weil die Römer vorher etliche Gefangene dem Mars geopffert hatten / 307. gefangene Römische Edelleute ebenfals abschlachteten. Diesen Verlust einzubringen ward das Jahr hernach der Bürgermeister Popilius Lenas wider die Tarqvinier und Deutschen geschickt; welcher aber mit einer schweren Niederlage abgefertigt war; worzu die Deutschen Priester nicht wenig halffen / welche für dem Tarqvinischen rechten Flügel mit brennenden und mit Schlangen umwundenen Fackeln vorher lieffen / und die über diesem neuen Aufzuge bestürtzten Römer verwirrten / denen Tarqviniern aber ein Hertze machten. Es wurden aber die Deutschen mit denen Tarqviniern wegen der Beute uneines; weßwegen jene ihre Hülffs-Völcker nach Hause berufften / diese also unterschiedene mal grossen Schiffbruch liedten. Weil die Römer aber aufs neue die Tiburtiner überfielen / schickte Hertzog Ludwig / Erdmann / sein Schoßkind einen jungen Semnonischen Ritter / wieder mit einem frischen Kriegs-Heere ins Latium; gegen welchen der Bürgermeister Popilius Lenas mit einem starcken Heere aufzoh; weil er aber den Deutschen sich gleichwol nicht gewachsen zu seyn / oder die Langsamkeit einem Feldherren anständiger als die Vermessenheit hielt / sich auff dem kalten Berge verschantzte. Dem jungen und hitzigen Erdmann ward die Zeit zu lang / und die Gedult zu kurtz den Feind an einem gelegnern Orte anzugreiffen / daher entschloß er wider die Einrathung / welche entweder von Art oder Alter zum Verzuge geneigt waren / den Berg und das befestigte Läger zu stürmen; und zwar unter diesem Vorwand: daß der Feind sich nur auff seinen Wall / er sich aber auf die Hertzen seiner Deutschen verliesse / welche lieber stürben / als etwas unüberwindlich hielten. Zudem wären sie so fruchtbar: daß ihrem Hertzoge alle Nacht ein Heer gezeugt würde. Er selbst führte anfangs den Sturm an; und ob die Deutschen gleich aus dem Athem kamen /ehe sie des Berges Höhe erstiegen / oben auch noch zweyfache Graben und Wälle für sich hatten / und es augenscheinliche Unmögligkeit war das Lager einzunehmen / stürmte er doch mit stets abgelösten Völckern Tag und Nacht durch; eroberte auch zwar den eusersten Wall / und warf dem Bürgermeister einen Spieß durch die lincke Achsel; also: daß das Römische Lager nunmehr in Gefahr stand; aber das Blat wendete sich unverhofft / indem Erdmann mit einem Steine so harte am Kopffe verwundet war: daß er für todt zu Bodem fiel. Worauf die andern Kriegs-Obersten nicht für [757] verantwortlich hielten dieses so vermessene Werck zu verfolgen; sondern von Sturme abblasen liessen; ihr Läger ansteckten / und sich nach Alba zohen / sondern daß sich die Römer sie zu verfolgen wagten. Erdmann kam den dritten Tag erst wieder zu sich selbst; und als die Obersten sich über dem allzu hitzigen Fürnehmen beklagten / nur die Achseln einzoh / und antwortete: Es war wol eine harte Ecke. Worvon er hernach den Zunahmen Harteck bekam; iedoch diese Scharte hernach durch einen herrlichen Sieg gegen die Griechischen See-Räuber / welche bey Laurentum / wo vor Zeiten Eneas ausgestiegen war /aussetzten und das Land verheereten. Sintemal er diese nicht nur mit grossem Verlust in die Schiffe jagte / sondern auch die Lateiner dadurch gewan: daß sie den Römern aufs neue den Bund aufkündigten. Hierüber ward Rom so bestürtzt: daß sie ein Heer von zehn Legionen / iede zu fünftehalb tausend Mann aufrichteten; mit dessen gröstem Theile der Bürgermeister Camillus gegen die Deutschen in das Pomptinische Gebiete aufzoh; welcher aber durch Langsamkeit die zum kämpffen eifrige Deutschen gleichfals abmatten und durch Verdrüßligkeit zu einem unvernünftigen Treffen verleiten wolte; also sich allezeit / wann der Feind auf ihn drang / zwischen die Pomptinischen Sümpffe versteckte. Der Fluß Amasen scheidete beyde Läger von einander / über diesen kam um Mitternacht ein altes Weib auff einem Hunde mit einem Krantze von Eisen-Kraute auf dem Haupte / und mit einer brennenden Fackel in der Hand geschwommen; machte mit selbter einen Kreiß in die Hand; und nach vielen gemahlten Zeichen und seltzamen Gebehrden fing sie gegen das Deutsche Läger mit heiserer Stimme aus allen Kräfften zu rüffen: Ist irgends ein Gott /eine Göttin / oder Geist / der die Deutschen beschützet / so verehre und bitte ich euch: verlasset der Deutschen Land / Städte und Läger. Jaget ihnen Schrecken / Zagheit und Vergessenheit ein. Kommt nach Rom; erwehlet unsere Heiligthümer / und stehet unserm Heere für; so geloben wir euch Tempel zu bauen /Opffer zu liefern und Spiele zu halten. Die Deutsche Wache ward hierüber verbittert / schossen daher mit Pfeilen auff sie / welche aber alle für dem Kreisse niederfielen. Sie ließ sich auch in ihrer Gauckeley nicht hindern / sondern machte einen Hauffen wächserne Bilder und zerschmeltzte sie in der Fackel; zuletzt steckte sie einen Stab in die Erde in einen Ameiß-Hauffen / an welchem die Ameissen hinauf auf lieffen; an der Spitze sich in Raben verwandelten / und davon flohen. Hierauf fing sie so ein jämmerliches Geheule an: daß den Deutschen die Haare zu Berge stunden /und sprang in den Fluß / über welchen diese Zauberin ihr Höllen-Hund an dem Römischen Ufer aussetzte. Zeno fing an: Es ist diß eine Zauber-Art / wie sie in Pannonien aus den Ameissen Staare machen /und ihrem Nachbar in die Weinberge die Trauben abzufressen schicken sollen. Aber ich glaube / daß diß alles abergläubische Bländungen sind. Adgandester versetzte: Der Deutsche Heerführer Leuchtenberg war in eben dieser Meinung; daher er die Deutschen / welche zu Abwendung dieser Zauberey drey mal in die Schooß den Speichel ausspien / verlachte / die in seinem Heere befindlichen Tiburtiner aber / die dem Neptun und der Nemesis opffern / oder in dem Läger des Priapus Bildnüß auffrichten wolten /wie nichts minder denen Kiegsleuten viel mit Raute / Knaben-und Faselwurtz gefüllte Knispel an Hals zu hencken mittheilten / auch ihm das Läger zu verrücken riethen / mit hartem Verweiß abfertigte; alleine der Ausgang wieß gleichwol: daß das göttliche Verhängnüß doch der Zauberey zuweilen etwas enträume; und daß die schwartzen Raben den Deutschen so viel Böses / als die weissen [758] denen Beotiern in Thessalien Gutes bedeuteten. Denn Udalrich ein deutscher Edelmann setzte über den Fluß / und forderte den hertzhafftesten der Römer zum Zweykampffe aus. Die Römischen Wahrsager brachten es bey dem Camillus wider vorige Gewohnheit der Römer / welche sonst schwer hierzu kamen; in dem ein gantzes Heer meist aus solchen Gefechten den Ausschlag des gantzen Krieges urtheilte / durch grosse Vertröstungen dahin: daß einem Kriegs-Obersten Marcus Valerius mit dem Deutschen zu kämpffen erlaubt ward. Wie der Streit nun angehen solte / kam über das Deutsche Läger ein Rabe von ungemeiner Grösse mit grausamen Geschrey geflogen /setzte sich dem Valerius auff den Helm / und beym Anbinden flohe er dem Udalrich ins Gesichte / hackte und kratzte ihm die Augen aus; also daß Valerius bey dieser seiner Bländung ihm leicht etliche tödtliche Stiche beybringen konte. Die Deutschen schmertzte dieser zauberische Betrug / und die Bezauberung des Todten so sehr: daß die Vorwache ohne Verlaub durch den Fluß schwemmte und den Valerius mit seinen Gefärthen verfolgte / unter denen waren zwey Hermundurische Edelleute; welche dem Valerius nicht nur die abgenommenen Waffen abjagten / sondern ihm auch den Helm von dem Kopffe schlugen / und eroberten; weßwegen der eine hernach den Zunahmen Rabe / und einen mit einem Raben ausgeputzten Helm / der andere Rabenstein mit einem Raben im Schilde führte. Uber diesem Gefechte aber drangen aus beyden Lägern so viel Kriegsleute nach und nach herzu: daß beyde Feldherren endlich um nicht ihre bereit kämpffenden Leute im Stiche zu lassen / gezwungen wurden mit vollen Kräfften loß zu gehen. Camillus munterte die Seinigen darmit auf: daß der dem Valerius zu Hülffe gekommene Rabe den Römern zur rechten / den Deutschen zur lincken Hand geflogen wäre; also jenen den Sieg / diesen den Untergang angekündigt hätte. Diesem ihrem Glücks-Vogel und Wegweiser solten sie nur behertzt nachfolgen. Die Götter schickten den Menschen mehrmals Thiere zu Gehülffen und zu Leitern. Also hätten die Tauben den Chalcidensern über das Meer an den Ort / wo sie hernach Cuma hingebaut / eine Schlange der Antinoe nach Mantinea / eine Kuh dem Cadmus nach Thebe /ein Widder dem Bacchus in Africa den Weg gewiesen. Leuchtenberg hingegen redete diß den Deutschen aus; und meldete: daß der Aberglaube die heßlichste Larve der Vernunfft / und eine Ohnmacht des Gemüthes wäre. Jedoch hatten die Deutschen / welche durch den Fluß Amasen theils schwimmen / theils waten / und in dem Wasser biß an die Achsel stehende gegen die an dem festen und meist hohem Ufer fechtenden Römer kämpffen musten / einen schweren Stand. Nichts desto weniger setzten sie endlich festen Fuß / und erfolgte beyderseits eine grausame Blutstürtzung so lange / biß die wieder Gewohnheit stockfinstere Nacht die gegen einander rasende Feinde von einander sonderte / und ieden in sein Läger zu kehren zwang; also: daß sich kein Theil mit Warheit eines Sieges rühmen konte / beyde aber wol den verlohrnen Kern ihres Volckes zu betrauren / und nur die höllischen Geister über ihrer Mordstifftung sich zu erfreuen hatten. Camillus zohe hierauff nach Rom / die Deutschen aber erfrischten sich in Apulien; und machte diese geschehene Prüfung beyderseitiger Kräfften zwischen ihnen einen stillschweigenden Stillestand; welchen die Römer hernach mit vielen Geschencken und Liebkosungen unterhielten; wormit sie bey dieser Einschläffung die Samniter und Lateiner unter ihre Botmäßigkeit bringen konten. Diese Ruhe unterhielte von seiten der Deutschen auch theils die zwischen denen Semnonern / Bojen und andern über die Alpen gestiegenen Völckern erwachsende Unruh /theils daß den streitbaren Hertzog [759] Ludwig der friedliebende Alarich folgte / welcher mehr mit guten Gesetzen seine Herrschafft zu befestigen / als sie mit dem Degen zu erweitern trachtete. Also endern auch die Völcker / wie die Gewächse unter einem andern Himmel ihre erste Eigenschafften.

Unterdessen bewegte sich ein neuer Schwarm der um den Berg Abnoba und den Brunnen der Donau wohnenden Allemänner unter dem Hertzoge Arnolff; gieng nach dem Beyspiele der Marsinger und Osier in Pannonien / und breiteten sich von dar biß an den innersten Seebusem des Adriatischen und Illyrischen Meeres / die Marsinger und Osier aber biß über den Fluß Marisus aus; also: daß der um den Strom Tyras wohnende Sarmatische König Athea wider sie den Macedonischen König Philip zu Hülffe beruffte. Die Deutschen erinnerten sich ihrer alten mit den Sarmatern gepflogenen Freundschafft und Bündnüsse. Sintemahl schon zur Zeit des zu Troja herschenden Ilus der Deutsche König Galathes und Gothard mit der Sarmater Könige Lauthim wider den Darius Histaspides zusammen gekrieget / und diesen / weil er sich die überschickte Mauß / Frosch und Pfeile nicht zurücke halten ließ / mit Verlust 90000. streitbarer Männer wieder über den Ister getrieben / hernach aber nach getroffenem Frieden dem Xerxes unter seinem Bruder Ariomard wider die Griechen gedienet hatten. Daher sie denn auch dißmal den Sarmatern wider den herrschsüchtigen Philip beyzuspringen für recht und rühmlich hielten; welcher nach aufgehobener Belägerung der Stadt Byzanz von dem Könige Athea unter dem heiligen Scheine: daß er an dem Ister dem Hercules eine gelobte Säule aufrichten wolte / über diesen Strom zu setzen / Erlaubnüß bekam / die einfältigen Sarmater aber überfiel / und grosse Beute machte. Bey Ankunfft der Deutschen aber muste Philip nur weichen / und seiner vorangeschickten Beute nach ziemlichem Verluste folgen; ja als die Deutschen sich mit denen Triballen vereinbarten / ihnen die Beute gar im Stiche lassen / und nach empfangener gefährlichen Wunde die Flucht ergreiffen. Weil nun dieser der Deutschen Tapfferkeit genungsam geprüfet hatte /hielt erster rathsamex sie zu Gehülffen in sein Schiff zu nehmen / als es an diesen Klippen zu zerstossen. Daher er denn ihrer sich in dem Kriege wider Athen fruchtbarlich bediente / und derer insonderheit damals / als er zu Corinth von gantz Griechenland zum Feldherrn wider die Persen erkieset ward / 10000. in Bestallung nahm. Nach dem aber Philip hierüber getödtet war / und sein Sohn der grosse Alexander nicht nur die Thracier / Illyrier / Triballer und Peonier überwand; sondern auch über den Ister setzte / und wider den Syrmus den König der Geten / welche vorzeiten Hertzog Berich und Philomar aus dem mitternächtigen Deutschlande an den Ister und Tibiscus geführet haben sollen / zohen die Deutschen die Hand ab / und sperrten die Augen gegen diesen Siegen weit auf; schickten also die Allemänner / Marsinger und Osier Gesandten an Alexander / welche ihn von Bekriegung ihrer Verwandten und Bundsgenossen der Geten abmahnten / ihm auch rund heraus andeuteten: daß sie seine Herrschafft sich über den Ister und die Sau zu erweitern gar nicht enträumen könten. Alexander verwunderte sich nichts minder über ihrer Freyheit der Gemüther / als über den Kräfften ihrer Leiber; fragte daher die Gesandten für was sich die Deutschen am meisten fürchteten? An statt der verhofften Erklärung: daß sie die Macedonische Macht anziehen würden /kriegte er von ihnen zur Antwort: In den Hertzen der Deutschen hätte keine Furcht raum. Solten sie aber ja für etwas Sorge tragen / könte es nichts anders seyn /als daß der Himmel ihnen auf den Hals fiele. Sonst aber unterhielten sie mit hertzhafften Leuten gerne Freundschafft. So wil denn auch ich / versetzte Alexander / [760] solche mit euch befestigen / euch zu Liebe noch heute des Syrmus Gebiete räumen / und zwischen uns den Ister das Gräntzmahl bleiben lassen. Hierdurch erhielt er: daß nicht allein die vorigen Deutschen unter seinem Heere blieben / uñ denen Illyrischen Königen Clitus und Glaucias wider ihn keinen Beystand leisteten / sondern auch etliche tausend sich unter ihm in den Persischen Krieg bestellen liessen /welche ein nicht geringer Werzeug seiner unglaublichen Siege waren. Wie nun Alexander als ein Blitz gantz Persien unter seine Füsse gelegt hatte / kützelte die Ehrsucht auch seinen in Pontus und in Thracien hinterlassenen Stadthalter Zapyrion: daß er mit dreißig tausend Macedoniern und Thraciern / nebst einer grossen Menge Mösischer Hülffs-Völcker über den Ister setzte / und also auch gegen Nord das Macedonische Reich zu erweitern trachtete. Aber Zapyrion erfuhr zeitlich wie wahr der Epirische König Alexander geurtheilet: daß in Europa Mäñer / in Asien Weiber wohnten. Sintemal die Geten und Deutschen ihn mit seinem Heere umringten und erschlugen: daß nicht einer davon die Zeitung über den Ister brachte. Nachdem aber Alexander die Welt biß an den Ganges bemeistert hatte / und alle Völcker entweder aus Furcht oder aus Heucheley ihn mit Gesandschafften ehrten /hieltẽ auch die Deutschen / mit welchen der Landvogt in Macedonien Antipater inzwischen Friede gemacht hatte / es ihnen anständig zu seyn / durch eine Botschafft ihr altes Bündnis zu verneuern. Die deutschen Gesandten / nehmlich der Ritter Rosenberg und Sternberg zohen biß nach Babylon / allwo der aus Indien siegprangend zurückkommende Alexander aller Völcker Bothschaffter seiner zu warten befohlen hatte. Ungeachtet nun die Chaldeer ihn die Stadt Babylon /wie andere Wahrsager dem Epirischen Alexander den Fluß Acheron / als das Ziel seines Lebens zu meiden /beweglich warnigten / hielte er doch das einige grosse Babylon seiner Grösse uñ dem Gepränge so viel Bothschaffter zu empfangẽ gemäß zu seyn / zohe also / ungeachtet er schon über den Phrat ko en war / auf des weisen Anacharchus Einrathen nach Babylon zurücke. In dieser Stadt oder vielmehr kleinen Welt waren von mehr als fünff hundert gekrönten Häuptern Botschaffter verhanden; welche bey verlauteter Ankunfft des grossen Alexanders sich mit unbeschreiblichem Pracht / insonderheit die Indianischen und Africanischen mit unschätzbaren Perlen und Edelgesteinen sich ausgeputzt / und mit Beyführung unzehlbarer Elephanten / Nasenhorn-Thiere / Kamelen und Mauleseln ausgerüstet hatten. Sie eilten meist für der Zeit aus Babylon / und wolte ein ieder den Vorzug haben. Der Deutschen Auffzug war mehr männlich / als wollüstig / iedoch auch nicht heßlich. Die fast alle andere überragende Länge / die wohl abgetheilten Glieder /die weissen Antlitzer / und Haarlocken der zweyen deutschen Bothschaffter und ihrer hundert Edelleute aber nahm allen andern gefirnsten Zierrachen bey weitem den Preiß weg / also: daß sie aller Zuschauer Augen an sich zohen / welche gleichsam wie Mauem die Strassen der Stadt und der Felder besetzten. Es ist wahr / fing die Königin Erato an: die weisse ist die vollko enste unter den Farben / und daher die Deutschen auch die schönsten unter allẽ Völckern. Daher würde ich mich zu Babylon nicht sehr nach den schwartzen Indianern und Afrikanern / noch auch nach den gelben Asiatern umgesehen haben. Die Fürstin Ismene versetzte: Sie sehe wol: daß die Königin noch nicht mit ihnen zu schertzen / und ihnen den Ruhm der schwartzen Farbe abzunöthigen vergessen könte. Die Natur antwortete Erato / wäre die Rednerin für sie / welche nur weiße Perlen / lichte Sternen / ja nichts merckwürdiges schwartzes geschaffen hätte. Je mehr auch ein Leib lichtes an sich hätte / ie mehr wäre sein Wesen von Unsauberkeit gereiniget / wel che der Anfang der Finsterniß / diese aber eine Vertilgung der [761] Schönheit / oder die Heßligkeit selbst wäre. Die weisse Farbe wäre nichts anders als ein Glantz des reinen Geblütes und des Geistes / und das Licht nichts anders als eine thätige Weisse. Ja die Götter selbst könten nicht schwartz seyn; und daher könten die welche die Farbe der Perlen oder Sternen und des heiteren Himmels an sich hätten / sich mit gutem Fug rühmen: daß sie den Göttern ähnlicher als schwartze Leute wären. Thußnelde war bereit geschickt der Königin zu begegnen; als Zeno ihr mit Fleiß vorkam und sagte: Die Schönheit stünde zwar allen Menschen wohl an / aber niemanden besser als Fürsten und Gesandten; als welche durch ihre geheime Zauberey die Gemüther der Menschen zu gewinnen am meisten vonnöthen hätten. Daher die Serer / welche aus der Schönheit gleichsam einen Abgott machen / noch auch die Völcker / die den Schönsten zum Könige erwehlen / so wenig als die Spartaner für Thoren zu halten wären / welche ihren König Archidamus verhöneten / weil er ihm eine Zwergin heyrathete. Und die Hispanier hätten kein verwerffliches Gesetze; daß ihre Könige schöne Gemahlinnen ehlichen solten. Die ansehnliche Gestalt des Marius / und die Anmuth des Käysers Augustus hätte zweyen sie zu tödten schon im Wercke begriffenen Mördern Arm und Streich zurücke gezogen. Hingegen wäre die Verachtung der unabtrennliche Nachfolger der Heßligkeit; und wäre einsmahls ein nur mit einem Auge sehender Gesandter bey Hofe gefragt worden: Ob er von denen einäugichten Cyclopen geschickt wäre? Und der sonst zum Schertz ungeneigte Cato hätte von denen Bithynischen abgefertigten Gesandten / derer einer den Schwindel / der ander die Gicht / der dritte wenig Witz gehabt / geurtheilt: daß die Römische Botschafft weder Haupt / noch Füße noch Hertz hätte. Wiewohl auch der Agrigentische Gesandte Gellias / als die Centuripiner ihn als ein Ungeheuer zu hören nicht würdigten; ihnen spitzfinnig begegnete: daß seine Oberen zu schönen schöne / zu heßlichen heßliche Gesandten schickten; so vergnügte er zwar durch diese Rache seine Empfindligkeit / aber nicht in der Verrichtung seine Bürger.

Adgandester verfiel in seine Erzehlung / und sagte von seinen deutschen Bothschafftern: Ihre Verrichtung hätte ihrer Gestalt nichts zuvorgegeben. Denn als alle Gesandten an den Fluß Phrat kamen / über welchem Alexander in tausend von Golde schimmernden Zelten / so wohl der Bothschafften / als anderer zu seinem Einzuge verordneten Anstalten erwarte; wolte keiner dem andern weichen; indem die Scythen ihr Alterthum / die Serer ihre Macht / die Carthaginenser ihre Reichthümer / die Indianer ihre Bündnisse / die Epirischen ihre Anverwandniß / die Sarmater ihre Tapfferkeit / andere was anders vorschützten; also: daß es beynahe zu den Waffen kommen wäre / wenn nicht Perdiccas darzu kommen / und denen Bothschafften ihre Reyhe angedeutet hätte. Weil nun die Deutschen vernahmen: daß die Serer die ersten / die Indianer die andern / die Scythen die dritten / die Deutschen die vierdten seyn solten; und die verhandenen Schiffe zur Uberfarth der Serer bestellt wurden; fing der Ritter Rosenberg an: es ist niemand an Treue und Tapfferkeit über die Deutschen; und sie wissen von keinem Vorzuge / als den man ihnen mit dem Degen macht. Hiermit sprengte er Spornstreichs in den Strom / ihm folgte Ritter Sternberg und alle ihre Edelleute; welche zu vieler tausend Menschen höchsten Verwunderung alle glückselig durchschwemmeten / und also allen Gesandten den Ruhm ablieffen; von dem solches anschauenden Alexander auch überaus geneigt empfangen / und hernach bey dem Einzüge unmittelbar für ihm zu reiten gewürdigt wurden. Die Sarmater folgten dem Beyspiele der Deutschen /und jener die Scythen; so denn folgten allererst der andern Völker Gesandten auff den Schiffen [762] nach. Rhemetalces brach ein: dieser Deutschen Entschlüssung überstiege allen Ruhm. Sintemahl es gewiß in solchen Fällen / da man einem Gesandten / und seinem durch ihn vorgebildeten Fürsten etwas verkleinerliches zumuthete / Witz und Tapfferkeit erforderte / seinem Fürsten nichts vergeben / und gleichwohl den / zu dem man geschickt würde / nicht beleidigen. Denn der Vorzug ist ein Augapffel der Fürsten; welchen sie mit grösserer Empfindligkeit berühren / als ihnen sonst grossen Schaden zufügen lassen. Daher hätte Arsaces seinen Gesandten Orobazes enthaupten lassen / weil er dem Sylla gewichen / und der Rath zu Athen den Derogoras harte gestrafft / weil er den Persischen König wider ihre alte Art verehret. Es wäre zwar eine gemeine Art sich der Zusammenkünffte zu enteussern / wo man in Gefahr stünde nicht seine gebührende Ehre zu genüssen; zuweilen würde auch die Oberstelle durch Gewalt behauptet; und wären wohl ehe der Britannier und Gallier Gesandten von ihren eingenommenen Stühlen gestossen worden; aber jenes hielte schon selbst ein eigenes Mißtrauen / und ein halbes Nachgeben in sich; und diß wäre nicht nur eine Versehrung der Höffligkeit / sondern auch offt ein Zunder schrecklicher Kriege. Zuweilen pfleget man sich auch wohl dem ungewissen Looße zu unterwerffen; nach welchem Antonius / August / Lepidus und Pompejus nach Abredung ihres Bündnüßes ihre Stellen nahmen; oder man erkieset zum Sitz runde Taffeln / misset gegen einander die Tritte ab / redet zusammen einander begeggnende; sucht den andern / wenn er zu Bette liegt / heim; giebt stehende Verhör: daß auch der andere nicht sitzen dörffe. Allein biß alles sind Künste nichts zu vergeben / aber auch nichts zu gewinnen. Daher denn die Römischen Gesandten in dem Etolischen Reichs-Tage viel klüger thaten: daß als sie für dem Macedonischen Gesandten nicht zur Verhör kommen konten / sie auch denen geringern Atheniensern freywillig den Vorzug liessen; und dardurch den Vortheil der vorhergehenden Gründe zu wiederlegen erlangten; und doch vorschützten: daß bey den Römern der / welcher zuletzt ginge und redete / der Vornehmste wäre. Des Königs Perseus verschmitzter Diener Philip machte durch einen annehmlichen Schertz: daß Perseus ohne Verkleinerung zu dem Römischen Bürgermeister Qvintilius als einem Aelteren über die Bach zur Unterredung kommen konte. Eben so verschmitzt machte es der Thebanische Gesandte Ismenias; welchem der Persische König ohne Beugung seines Hauptes zur Erde keine Verhör geben wolte; da er beym Eintritte mit Fleiß seinen Ring fallen ließ / und ihm also Ursache den Ring auffzuheben machte / gleichwohl aber den Verhörgeber vergnügte. Ein Persischer Bothschaffter aber / welcher durch eine mit Fleiß erniedrigte Pforte zu dem Indianischen Könige eingeleitet ward / erhielt rückwerts hineingehende das Ansehen seines mächtigen Herrschers. Und des Deutschen Feldherrn Marcomirs Bothschaffter / als der Scythische König ihm in dem Verhör-Saale keinen Sitz-Teppicht aufbreiten lassen / machte aus seinem Mantel einen Sitz / und aus der Noth eine Tugend.

Adgandester fuhre fort: Es wäre darbey nicht blieben / sondern als die Botschaffter hernach bey dem Einzuge Alexanders abermahls mit einander zwistig wurden / und insonderheit die sich eindringenden Serer und Indianer verlauten liessen: Sie wolten die wenigen Deutschen in Stücken hauen; zohen dich augenblicks von Leder / und der Gesandte Rosenberg sagte ihnen unter Augen: Sie wüsten vielleicht nicht: daß der in dem Amasischen Gebürge wachsende Stahl zwar der schönste / und am Glantze bey nahe dem Golde und Silber gleich / der Hercyn- und Abrobische aber in Deutschland der schärffste wäre / und der Deutschen Brüste die Härtigkeit der Amboße / ihre Streit-Hämmer aber die Eigenschafft [763] der alles zermalmenden Mühl-Steine hätten. Also wären sie fertig ihre Klingen gegeneinander zu versuchen. Aber Alexander lies diß Unvernehmen unterbrechen / und verfügen: daß der Vorzug im Einzuge nach der Ordnung der geschehenẽ Empfangungen eingerichtet werden solte. Zeno bezeugte ein sonderbares Vergnügen über der Deutschen so fertiger Entschlüssung / und so stachlichter Antwort; als durch welche er seinem hochmüthigen Gegentheil so gut / ibo nicht besser begegnet wäre / als der Parthische Gesandte Vagises dem Crassus / da dieser jenen zu Selevcia zu beantworten bescheidete / jener aber mit Lachen ihm den Hand-Teller wieß / und versetzte: Es würden auff selbtem ehe Haare wachsen / als seine Augen Selevcia sehen. Und als der Taurominische Fürst Andromachus / für welchem der Carthaginensische Gesandte die Hand umdrehete / und andeutete: Würde er nicht aus ihrem Gewässer die Corinthische Schiffs-Flotte abziehen /wolten sie Tauromin / wie er seine Hand zu oberste zu unterste drehen; worauff Andromachus mit der Hand gleiche Geberdung machte und dem Gesandten sagte: Er solte bey Sonnen-Schein von dar weg / oder er wolte es seinem Schiffe auff diese Art mitspielen. Adgandester kam wieder in seine Erzehlung / und meldete: daß die Deutschen beym Alexander von Tage zu Tage immer in grösser Ansehen kommen; und die ersten gewest wären / mit welchen er das Bündniß verneuert hätte. Sie hingegen gewannen Alexandern so lieb: daß sie seinen kurtz darauf folgenden Tod zwar nicht so weibisch / als die Persen beweineten / aber sein Gedächtniß werther / als seine Macedonier hielten. Denn diese konten den meineydigen Cassander / welcher Alexandern bey Aufffrischung seines Tranckes alles ausser Pferde-Huff zerbeitzendes Gifft einschenckte / und seines wohlthätigen Königs gantzes Geschlechte ausrottete / zu ihrem Könige; jene aber nicht wohl zu ihrem Nachbar leiden. Dahero sie mit einem Kriegs-Heere über die Donau setzten / um des Alexanders Sohn Hercules mit Hülffe des Polyperchon auff den Macedonischen Stul zu erheben. Westwegen auch Cassander sein eigen Feuer zu leschen gezwungen / und zu folge des mit dem Ptolomeus in Egypten und Lysimachus in Thracien getroffenen Bündnisses wider den Antigonus auffzuziehen verhindert ward. Hätte auch Polyperchon sich nicht vom Cassander bestechen / und den Hercules Meuchelmörderisch hinrichten lassen; würde Cassandern seine Krone auff dem Häupte gewaltig gewackelt haben. Gleichwohl aber war er den Deutschen und der mit ihnen verbundenen Könige der Sarmater Dromichetes nicht gewachsen; sondern es muste ihm Lysimachus mit allen seinen Kräfften zu Hülffe kommen /welcher aber auffs Haupt geschlagen / selbst gefangen / aber / als die Deutschen nur des Cassanders Tod vernahmen / von ihnen seiner Tapfferkeit halber ohne Löse-Geld großmüthig freygegeben ward.

Also beginnte in Griechenland den Deutschen ihr Glücks-Stern auff- in Italien aber / weil das Verhängniß Rom nunmehr empor zu heben anfing / allgemach nieder zu gehen. Denn es kriegten die Semnoner etliche friedliebende Fürsten zu ihren Herrschern / welche zwar anfangs von ihrem kriegerischen Volcke denen von Rom bedrängten Völckern zu stehen gleichsam gezwungen wurden; Hernach aber nam das Volck auch die Art ihrer Fürsten an / die der süssen Ruh gewohnten / und sich die Liebkosungen der Römer einschläffen liessen / und als sie die tapfferen Samniter verschlungen / nichts minder blinde Zuschauer ihres eigenen / als unbarmhertzige fremden Unterganges abgaben. Jedoch gaben die Semnoner /wie die ausleschenden [764] alten Lichter in den eröffneten Grabe-Hölen noch einen Glantz ihrer Tapferkeit von sich; und fielen wie die durch ihren Fall viel Stauden zerschmetternden Eich-Bäume. Wie aber diese von innen zum ersten faulen / oder von Würmern gefressen werde; also begiñte auch der Deutschen Unglück von ihrer eigenen Zwytracht / als welche sich allein eine Besigerin streitbarer Völcker zu rühmen hat. Der Anfang aber hierzu war: daß / als Siegfried der Semnoner Herrschafft antrat / ein neuer Schwarm Völcker / welches grösten theils die von den Bructerern vertriebenen Marsen waren / in Italien eindrang; worüber die umb den Po wohnenden Gallier aus Beysorge: sie würden von Deutschen endlich gar verdrungen werden / nicht wenig Eifersucht schöpften / und mit den Römern ins geheim Verständnüß machten. Gleichwohl aber vermittelte es Hertzog Siegfried: daß die Marsen sich mit verlaubtem freyen Durchzuge der Bojen und Gallier vergnügten. Also kamen diese in Hetrurien / und von dar rückten sie über die Tiber. Weil auch die Römer sonst alle Hände voll zu thun hatten / musten sie geschehen lassen: daß sie umb den Fucinischen See in dem Apenninischen Gebürge ein Glücke Landes einnahmen. Gantz Hetruriens Raub ward fast ihnen zur Beute; aber so wohl die Gallier als Semnoner schöpften hieraus Neid und Mißtrauen; iedoch blieb der Zunder der Mißgunst und Feindschafft noch unter der Asche glimmend. Wenige Zeit darnach ward Herennius der Samniter Fürst / dessen Tochter Siegfried geheyrathet hatte / mit den Campaniern und Marsen uneines. Die Campanier aber erkaufften mit grossem Gelde die Römer: daß sie mit den Samnitern ohne einige Ursache den Frieden brachen. Wiewohl nun Siegfried sich ins Mittel schlug /und den Römern einhielt: daß es nicht allein verkleinerlich wäre aus dem Kriege ein Gewerbe zu machen / sondern auch ihr Friedens-Bruch wider die gemeine Ruh Italiens lieffe / sich auch erboth die Samniter mit den Campaniern und Marsen zu vereinbarn; verfing doch bey denen Römern / welche wider die Samniter für längst Gelegenheit zu kriegen gesucht / dieses alles das minste. Diesemnach führte Pontius des Fürsten Herennius Sohn die Samniter; Siegfried aber wegẽ verächtlich ausgeschlagener Vermittelung seine Semnoner den Römischen Bürgermeistern Veturius und Posthumius / welche mit dem Römischen Heere bey der Stadt Calatia ihr Läger geschlagen hatten /biß zu der Stadt Caudium entgegen / und besetzten daselbst aufs heimlichste die zwey Engen des Caudinischen Gebürges. Von dar vertheilten sie zehn in Pferde-Hirten verkleidete Kriegs-Knechte / welche denen Römischen Streiff-Rotten einmüthig berichteten: daß der Feind zwischen den Flüssen Cerbalus und Frento die Stadt Luceria in Apuliẽ starck belägerte. Die Römer setzten noch selbige Nacht über den Fluß Vulturnus / und eilten den geraden Weg gegen Luceria mit ihrem gantzen Heere unvorsichtig in das erstere Thor in das Caudinische Gebürge / dessen Ausgang sie aber mit Bäumen verhauen / mit abgeweltzten Stein-Felsen verschlossen / und als sie wieder zurück kehren wolten / den ersten Eingang von den Semnonern starck besetzt / und schon auch grösten theils verhauen fandẽ. Nach dem sie nun aus diesem Gefängnüsse durch keine Gewalt weder hinter sich noch vor sich konten / muste das gantze Römische Heer auf Befehl des Pontius / wiewohl Siegfried und Herennius sie ohne solchen Schimpf loß zu lassen / oder gar zu tödten rieth / die Waffen und Kleider niederlegen / und nach der Ordnung ihrer Würde /also die Bürgermeister zum ersten halbnackt unter einem Joche durchgehen / und einen Frieden belieben / wie es ihnen fürgeschrieben ward. Alleine wie die Römer das ihnen geschenckte Leben für keine Wohlthat / den angethanen Schimpf für eine Ursache der Todfeindschafft annahmen / also [765] wolte der Römische Rath den gemachten Frieden nicht genehm haben; sondern die Bürgermeister wurden zurück geschickt /die sechs hundert zur Geissel gelassene Römische Edelleute in Wind geschlagen / unter dem Papirius ein neues Heer / und darunter die durchs Joch gegangenen als verzweifelte und rasende Leute wider die Samniter angeführet; welche / weil sie der Semnoner Hülffe nicht erwarten wolten / geschlagen / Pontius und andere Gefangene aus gleichmässiger Rache ebenfalls durchs Joch getrieben wurden. Diese Unbilligkeit / und des Fabius Maximus durch den Ciminischen Wald in Hetrurien gemachte Einfall nebst Abziehung der Stadt Aretium von dem gemeinen Bündnüsse stiftete zwischen den Semnonern / Samnitern /und Hetruriern ein neues Bündnüß; und die Belägerung der Stadt Aretium. Ob nun wohl die Römer solche entsetzen wolten / wurden sie doch aufs Haupt /und der Burgermeister Lucius zugleich mit erschlagen. Dieser Steg aber ward den Samnitern kurtz darauf durch etliche Niederlagen / welche sie von dem Bürgermeister Volumnius und Appius erlitten /mercklich vergället. Weswegen der Samnitische Fürst Gellius Egnatius abermals zu den Hetruriern und Semnonern seine Zuflucht nahm; jenen die Helden-Thaten des Porsena / diesen des Brennus / beyden die Gefahr unter das Römische Joch zu fallen beweglich einhielt. Weil nun die zwischen Stahl und Waffen gebohrnen Semnoner die Hetrurier selbst aufmunterten /brachten sie diese / wie auch die über dem Flusse Aesis wohnenden Umbrier wider die Römer in Harnisch. Zu Rom ward nicht nur alle streitbare Jugend und Mannschafft / sondern auch die verlebten Alten gemustert; die zwey Bürgermeister Quintus Fabius /Publius Decius / wie auch der Stadt-Vogt Appius Claudius und Lucius Volumnius zu Heerführern erkieset. Ehe diese aber Hetrurien erreichten / kam Hertzog Clodomar mit seinen Semnonern dem Scipio bey Clusium auf den Fluß / und jagte ihm ein solch Schrecken ein: daß er sich im befestigten Läger nicht sicher schätzte / sondern in der Nacht auf einen zwischen der Stadt und dem Läger liegenden Berg zoh. Weil aber die Deutschen ihnen und der Tugend keinen Weg unwegbar zu seyn hielten / grieffen sie die Römer an dem flächesten Theile des Berges behertzt an / und hielt von Seiten der Römer der vortheilhafte Ort / von Seiten der Deutschen die Begierde zu siegen die Schlacht so lange in gleicher Wage; biß der Ritter Kyburg mit 500. Semnonern auf der einen Seiten /und der Ritter Homberg mit so vielen recht in Rücken über die steilen Felsen empor gestiegen waren; und die Römer daselbst gantz unvermuthet anfielen. Scipio thät zwar das äuserste; aber der Nachdruck der Semnoner verwirrete alle gute Anstalt / und hiermit auch sein Heer / welches / weil selbtem auf dem Berge alle Flucht abgeschnitten ward / eine solche Niederlage erlitt: daß kein Römer die Botschafft hiervon bringen konte. Unterdessen eilten die zwey Bürgermeister Decius und Fabius in Umbrien / und brachen in der Semnoner eigenes Gebiete ein / wormit diese ihr eigen Feuer zu leschen genöthigt / und die Römer nicht gar aus Hetrurien zu treiben verhindert würden. Die Semnoner rückten mit einem Theile der Samniter alsofort über den Berg Apennin; und bothen den Römern bey der Stadt Sentin die Stirne / trieben auch alle ihnen begegnende Hauffen mit grossem Verlust in das am Flusse Aesis geschlagene Läger; darinnen sie sich zwey Tage wegen widriger Wahrsagungen feste eingeschlossen hielten. Den dritten Tag aber stellten sie mit der ersten Tagung beyde Heere gegen einander in Schlacht-Ordnung; zwischen welcher ein Wolf und eine Hindin in vollen Bügen gerennt kam. Die Römer machten dem Wolfe als einem bey ihnen heiligen Thiere durch alle geschlossene Glieder Platz /die Samniter aber erlegten zu [766] grossem Unwillen des Fürsten Clodomar die Hindin mit Pfeilen; welcher es nicht minder für ein Böses / wie Fabius für ein gutes Zeichen auslegte. Clodomar traf mit seinem rechten Flügel der Semnoner auf den Decius / Egnatius mit seinen Samnitern auf den Fabius. Den gantzen Tag biß an den sinckenden Abend ward beyderseits mit einer solchen Hartnäckigkeit gefochten: daß keiner dem andern einen Fuß breit Erde abgewan. Wenn nun die Hetrurier und Umbrier dem Verlaß nach gefolgt /und den Feind oder sein Läger im Rucken angegriffen hätten / wären die Römer sonder Zweifel aufs Haupt erlegt worden. Aber es ging allhier wie insgemein im Kriege vieler Bundsgenossen; da so viel Köpfe so viel Absehen das allgemeine Glücke hindern; indem Bündnüsse nur einerley Zweck / wie ein Kreiß einen Mittel-Punct haben müssen; wenn selbte nicht sollen verterbt und verfälscht werden. Die Hetrurier und Umbrier hielten ihnen für thulicher: daß die Semnoner und Samniter mit ihren Klauen alleine in die heisse Asche greiffen / und die Aepfel des Sieges und Friedens daraus ziehen solten. Aber ihre absondere Schonung war aller Untergang; und da sie unschwer alle zusammen hätten siegen können / machte ihre schlimme Klugheit: daß ein ieder überwunden ward. Denn der verzweifelte Decius hatte ein Gelübde gethan daselbst zu siegen / oder begraben zu seyn. Daher redete er dem Kern des Römischen Adels beweglich zu: daß sie ihre äuserste Kräffte vollends daran setzen / und behertzigen solten: daß nach dem Reitze der Natur es zwar süsse zu leben / aber nach dem Urtheil der Vernunfft viel süsser wäre fürs Vaterland zu sterben. Mit diesen traff er gleichsam unsinnig auf den die deutsche Reiterey führenden Ritter Mannsfeld / welcher bereit acht Kriegs-Fahnen den Römern abgenommen hatte; nöthigte ihn auch zweymal sich an das deutsche Fußvolck zu setzen. Hertzog Klodomar machte hiermit zwischen dem Fuß-Volcke eine Strasse; durch welche der Ritter Falckenstein hundert zweyrädrichte Sichel-Wagen anführte / auf welchen eitel Semnonische Edelleute ihre Wurff-Spiesse gleichsam wie Donner-Keile auf die Römer ausschütteten / oder sie zu Bodem rennten. Das blosse Geschwirre der eisernen Räder jagte vielen ein Schrecken ein / insonderheit brachte es die Pferde in Verwirrung. Nach der Flucht der Reiterey ward auch die fünfte und sechste Legion zertrennet / und was nur die Vermessenheit hatte über Hauffen gerissen / zerquetschet und gerädert. Die deutsche Reiterey und das Fuß-Volck säumte nun auch nicht den Römern auf den Hals zu dringen / und auf die Fersen zu treten; also: daß der gantze lincke Flügel der bebenden Römer in offene Flucht gedieg. Decius schäumte für Zorn gegen seine Flüchtige / und für Rache gegen die Deutschen. Jene fragte er: Für was sie fliehen? Ob sie in denen vom Romulus nach dem Raube des Sabinischen Frauenzimmers angestellten Spielen keinen Wagen-Kampf gesehen hätten / welcher mehr Geräusche / als Wercks hätte? Ob sie weicher / als die weibischen Asier wären / welche bey der Stadt Elis mit dieser Kurtzweil noch des Oenomaus / als des Erfinders Gedächtnüß jährlich feyerten? Als aber alles diß nicht helffen wolte / rieff er mit aufgehobenen Händen seinem Vater Decius /der bey Veseris sich auch für sein Heer geopfert hatte. Hierauf befahl er dem Priester Livius: weil er sich der Erde und der verstorbenen Geistern abschlachten /und das feindliche Heer zu verfluchten entschlossen hätte / solte er ihm die grausame Entsegnung vorsprechen. Nach dem diß verbracht / verhüllte er sein Haupt / und rennte Spornstreichs unter die Deutschen / welche ihn denn Augenblicks / ehe Klodomar es verbieten konte / mit unzehlbaren Wunden tödteten. Es ist Wunder zu sagen / und schier unglaublich zu hören: daß den Augenblick / als Decius fiel / den Semnonern aller [767] Muth / und de Römern alle Furcht entfiel; sonderlich: da der Priester Livius sich umbwendete / und rieff: Die Römer haben gesiegt / der Feind ist der Erde und den höllischen Geistern gewiedmet. Die Seele des Decius ruffet ihnen schon ihm zu folgen; kehret umb / und schlachtet die schon Erstarrenden ab. Hiermit wendeten sich die Romer / die Semnoner liessen Hertz und Hände sincken / ausser daß sie von Schilden gleichsam eine Brustwehre für sich machten. Klodomar selbst stand als verrückt oder bezaubert; und ließ sich ohne Gegenwehre vom Cajus Junius erschlagen. Der Semnoner Brustwehre ward auch bald durchbrochen / und weil sie zu fliehen ungewohnt waren / wurden sie gleicher Weise erlegt. Fabius / welcher inzwischen dem siegenden Jupiter ein Heiligthum gelobt hatte / ward nunmehr durch Eifersucht auch gleichsam zu siegen / und die nichts minder bestürtzten als müden Samniter zu weichen genöthiget / zumal da ihr Fürst Egnatius an der Spitze hertzhafft fechtende erschossen ward. Als nun die Samniter das Feld geräumt / die Römer das Läger erobert hatten; ermunterte Manßfeld / Falckenstein /Werdẽberg / Metsch / und andere noch übrige Kriegs-Obersten die Deutschen: daß sie nicht wie todte Stöcke sich aufreiben / sondern weil es zu stehen mehr nicht rathsam wäre / sich gegen das Gebürge und den Ursprung des Flusses Metaurus zurück ziehen solten. Welches so viel leichter geschah / weil die Römer kaum mehr athmen / und ihrer wenig einen Leib ohne Wunden zeigen konten. Falckenstein ward wegen seines tapferen Wagen-Gefechtes mit einem zweyrädrichten Schilde / Mannsfeld mit acht / und Kneßbeck mit fünf Fahnen beschenckt. Zehn tausend Deutsche /und fünfzehn tausend Samniter blieben todt auf der Wallstatt liegen / acht tausend Samniter und Umbrier wurden gefangen; hingegen waren in des Decius Flügel sieben tausend / und in des Fabius zwölf hundert Römische Bürger / und sonst über zwölf tausend Campaner und Lateiner todt. Ungeachtet nun wenig Tage darnach Cneus Fulvius die Perusiner und Clusier schlug / die Samniter auch aufs neue von Pelignern beschädiget wurden / traute doch Fabius bey den Deutschen nicht weiter einzubrechen; weil ihr neuer Hertzog Wittekind an dem Flusse Metaur auf einem Berge eine Fackel und eine blosse Sebel aufsteckẽ /und in seinem Gebiete ausruffen ließ: Daß wer in fünf Tagen sich daselbst nicht gerüstet stellte / solte das Recht Degen und Sporne zu tragen verlohren haben; worvon hernach dieser Ort zum Degen genennet ward. Wormit nun Fabius die Deutschen nicht aufs neue schwürig machte / ging er mit ihnen einen Frieden ein; worinnen sie aber deutlich ausdungen: daß wenn der Krieg gegen die Samniter noch länger tauern solte / sie ihnen / als alten Bunds-Genossen unbeschadet des Friedens mit zehn tausend Mann beystehen möchten. Hierauf zohe Fabius mit seinem Heere nach Rom / und hielt dar sein Siegs-Gepränge. Weil aber Appius Claudius und Volumnius in einer Schlacht sechszehn tausend Samniter erschlug / und Atilius Regulus mit einem starcken Heere aufs neue gegen Samnium anzoh / welches ohne fremde Hülffe nunmehr verlohren zu sein schien / schickte Hertzog Britomar den Grafen Eichelberg mit zehn tausend Semnonern den Semnonern zu / welche an der Gräntze ihr Läger harte an das Römische schlugen. Weil nun den dritten Tag ein sehr dicker Nebel fiel / stürmte der Samnitische Kriegs-Oberste Gellius an einer / Eichelberg an der andern Seite das Römische Läger. Dieser drang auch zu der einen Pforte hinein / bemächtigte sich der Kriegs-Gelder / tödtete den Zahlmeister Opimius Pansa / und erregte im gantzen Läger kein geringes Schrecken. Wenn auch der dritte Samnitische Kriegs-Oberste nicht in einen Sumpf gediegen / und der Nebel nicht verschwunden wäre / hätte Atilius eine völlige Niederlage erlitten; so aber muste Eichelberg[768] der auf ihn dringenden gantzen Macht und in das Samnitische Läger weichen. Die Römer durfften sich gleichwohl nicht rücken / sondern musten im Läger als in einẽ Gefängnüsse leben; weil die geschwinden Semnoner alle auf Fütterung ausreitende Römer erschlugen / und ihnen den Vorrath abnahmen. Dahero der Bürgermeister Lucius Posthumius ihnen mit einem neuen Heere und frischen Lebens-Mitteln zu Hülffe eilen muste. Weil nun die Samniter alldar alles aufgezehret hatten / zündeten sie ihr Läger an / und zohen sich an einen bequemen Ort zurücke. Die Deutschen aber / weil der Bürgermeister Attilius dahin rückte / eilten in Apulien zu denen die alte vom Diomedes erbaute Stadt Luceria belägernden Samnitern. Daselbst kam es zu einer hitzigen Schlacht / darinnen die Römer von den hertzhaften Deutschen und erhitzten Samnitern geschlagen / und mit Verlust sieben tausend Mann in ihr Läger getrieben wurden; in welchem die Römer wie ein Aspen-Laub bebten / und aus selbtem sonder Zweifel geflohen wären / wenn die Samniter nur dem tapfern Eichelberg gefolgt / und in der Nacht das Läger gestürmt hätten. Weil aber diese den Römern Lufft liessen / sprach Attilius ihnen wieder ein Hertze zu / und sie wurden auf den Morgen mit frischen Völckern verstärckt; also: daß sie folgenden Tag den Samnitern aufs neue die Spitze bothen. Ob sie nun zwar anfangs wieder zum weichen und ins Gedrange gebracht wurden; also: daß Attilius sich an die Pforte des Lägers mit blossem Degen stellen / und die Eindringenden zurücke treiben / auch dem stehenden Jupiter einen Tempel geloben muste; so verkehrte sich doch nach solchem Gelübde abermal das Spiel /also: daß die Samniter mit ziemlichem Verluste zurücke weichen musten; gleich als wenn die Feinde der Römer nicht so wohl mit Menschen als Göttern zu fechten hätten. Nachdem auch folgendes Jahr die Samniter vernahmen: daß der Bürgermeister Papirius noch mit einem mächtigern Heere sie auszurotten in Samnium einbrechen solte; beschrieb ihr Fürst Cajus Pontius Herennius alle über achtzehn und unter sechzig Jahren sich befindende Mannschafft nach Sirpium / mit der Bedräuung: daß der aussenbleibenden Köpfe dem Jupiter geopfert werden soltẽ. Also kamen viertzig tausend Kriegsleute zusammen / aus diesen wurden sechzehn tausend ausgelesen / und mit leinen Kitteln angethan / nach allerhand schrecklichen Opfern von dem Priester Ovius Paccius eingeweiht / und für einem blutigen Altare endlich zu betheuern gezwungen: daß er aus der Schlacht nicht fliehen / sondern die Flüchtigen selbst tödten / und ein ieder einen absondern Mann aus dem Feinde zu erlegen erkiesen wolte. Mit diesen rückten sie in der Hirpiner Landschafft / und bemächtigten sich der Stadt Aquilonia. Beyde Bürgermeister Carvillius und Papirius zohen mit zwey starckẽ Heeren dahin; jener belägerte Cominium / dieser lieferte bey Aquilonia den Samnitern eine Schlacht; welche er wegen unvergleichlicher Gegenwehre der Semnoner sonder Zweifel verlohren hätte; wenn nicht Papirius in der grösten Hitze des Treffens die Samniter durch eine sonderbare Kriegs-List in die Flucht bracht hätte / in dem Spurius Nautius mit etlichen hundert Reitern und dem Troß auf der Seite / unter dem Scheine / als wenn es das andere unter Cominium stehende Heer wäre / einfiel. Worüber der Samniter dreissig tausend / und darunter der biß auf den letzten Mann fechtende / und der Samniter Flucht zu hemmen bemühte Eichelberg mit vier tausend Semnonern erschlagen wurden. Pontius mit seinen Samnitern / und Graf Habspurg mit seinen übrigen Deutschen rächte sich zwar an dem jungen Fabius / und gewan selbtem einen so herrlichen Sieg ab: daß der Bürgermeister Fabius nach Rom seiner Unvorsichtigkeit halber gefordert ward / und er ein schimpfliches Urtheil zu erwartẽ [769] gehabt hätte / wenn nicht sein Vater durch angezogene Verdienste seines Geschlechtes / und sein Versprechen selbst wider die Samniter in Krieg zu ziehẽ den Rath versöhnet / und das Volk besänftigt hätte. Sie brachten auch zwar beyde Fabier noch einmal in die gröste Verwirrung /und Pontius hatte den jungen Fabius schon gantz umbzüngelt; aber der verzweifelte Vater that ein Werck über seine Kräfften / sprengte den Fürsten Pontius an / verwundete ihm und errettete nicht allein seinen Sohn / sondern nahm den Pontius auch selbst gefangen; der streitbare Habspurg fochte zwar noch etliche Stunden als ein Löw / und zehlte man ihm so viel Wunden als Streiche nach / endlich aber fiel er auf das Bette der Ehren / und hiermit das gantze Hertze des noch kämpfenden Heeres; welches in die Flucht / Pontius aber zu Rom unter das Beil des Scharffrichters; der Rath zu Samnium durch die glücklichen Waffen des massigen Curius in solche Kleinmuth gerieth: daß er zu Rom Friede bat / und auf schwere Bedingungen erhielt / unter denen war: daß sie alle Fremde / insonderheit der Semnoner Bündnüß abschweren musten. Diese konten ihnen hieraus leicht an den Fingern ausrechen: daß dieser Vergleich auf ihren Untergang gemüntzt wäre; insonderheit / da die Römer vorher auch der Deutschen Bunds-Genossen in Hetrurien / nemlich die Vulsinier / die Städte Perusia und Aretium von ihnen abtrünnig gemacht / und in ihren Schutz genommen hatten. Diesemnach beschwerten sich die Semnoner gegen die Römer / als sie aber schlechte Antwort erhielten /rückten die Deutschen für Aretium. Die angefleheten Römer schickten den Cöcilius Metellus mit einem Heere der belägerten Stadt zu Hülffe; weil sie aber ungerne mit den Deutschen zerfielen / den Junius in Gesandschafft vorher an den Hertzog Britomar. Dieser nahm die Absendung des Junius / als der seinen Vater Klodomarn erschlagen hatte / alsbald übel und für eine Kriegs-Ankündigung auf. Gleichwohl aber überwand er sich: daß er ihn hörte. Weil aber Junius von den Semnonern verächtlich redete / Britomarn einen Eydbrüchigen schalt; und ihn zwingen wolte: daß er / ehe er von seinem Stule aufstand / sich erklären solte: Ob er die Belagerung der Stadt Aretium mit Erstattung alles Schadens aufheben wolte; ja ihm in die Augen sagte: daß er den Degen an der Seite führte / wormit er seinem Vater Klodomarn das Licht ausgelescht hätte / solcher auch nicht stumpfer als für siebzehn Jahren wäre; entrüstete sich Britomar so sehr: daß er das Römische Bündnüß für des Junius Augen in tausend Stücke zerrieß / und ihn wegzuführen befahl. Die Leibwache aber ward über den Juius so verbittert: daß sie ihn in ebẽ so kleine Stücke zerkerbte? Zeno brach ein: Diese Verletzung des Römischen Gesandten ist gewiß ein Vortrab eines unglücklichen Kriegs gewest; nach dem nicht nur das Recht der Völcker / sondern die Götter selbst hierdurch verletzt und zur Rache bewegt würden. Malovend antwortete: Ich wil dieser That nicht das Wort reden / welche freylich ein böser Ausschlag verda t hat. Aber es ist auf der Römer Seiten auch grosse Unvernunft / wo nicht eine vorsetzliche Beleidigung gewest: daß sie nicht nur einen so trotzigen / sondern auch wegen seiner That so verhaßten Gesandten abgeschickt. Sintemal dieser Ampt ist auch die herbsten Befehl durch eine freundliche Bescheidenheit zu verzuckern. Eines verhaßten Botschafters Anmuth aber ist verdrüßlich / die vernünftigsten Liebkosungen werden in seinem Munde zur Galle / die höchste Billigkeit seines Vortrages scheinet eine unrechtmässige Forderung zu seyn; und daher nicht wegen ihr selbst / sondern nur seinethalben verworffen; hingegen das verworffene / so bald es nur aus einem andern Munde fleust / nicht anders / als wenn es wie die durch die Ertzt-Adern gequollenen Brunnen einen gantz andern Geschmack und [770] Kräffte an sich gezogen hätte / mit beyden Händen angenommen. Rhemetalces billigte diß und setzte bey: Die Römer hätten sich selbst erinnern sollen; wie das wegen der verlebten Virginia auf den Aventinischen Berg entwichene Volck des Valerius und Horatius Vortrag so begierig angenommen / vorher aber den unangenehmen Julius / Sulpitius und Tarpejus mit ihren vortheilhaftigern Vorschlägen nicht einst zu hören gewürdigt hätten. Die Gewogenheit rennte hier innen der Beredsamkeit / und ein gutes Ansehen dem sonst so angenehmen Nutzen den Vortheil ab. Daher die Spartaner einmal einen sehr heilsamen / aber von einem lasterhaften Menschen gegebenen Rath so lange verwarffen / biß ihn einer aus dem Rathe fürtrug. Und der stammelnde Menenius Agrippa stillte mit wenig halb verbrochenen Worten den Aufstand des Römischen Volckes auf dem heiligen Berge. Insonderheit aber legt die Verwandnüß / oder die mit dem Gesandten gepflogene Gemeinschafft seinem Gesuch ein grosses Gewichte bey. Daher richtete der Redner Archelaus bey dem die Stadt Rhodis belägernden Cassius / welchen er Griechisch gelehrt hatte / so viel aus. Die geraubte Sabinerin Hersilia leschte mit wenig Thränen die des Weiber-Raubes halber zwischen den Römern und Sabinern unausleschliche Kriegs-Fla e. Etliche Seufzer der Mutter Veturia und des Ehweibs Volumnia trieben den grimmigen Coriolan von der Belägerung der Stadt Rom ab. Und die Stadt Carthago wuste keinen geschicktern Friedens-Werber als den gefangenen Regulus nach Rom zu senden.

Adgandester fuhr fort: Es wäre freylich so wohl auf der Römer als Semnoner Seiten gefehlt worden; wiewohl einige dem Hertzoge Britomarn riethen: daß er die / welche ohne seinen Befehl den Junius umbgebracht hatten / den Römern zur Bestraffung ausliefern / und dardurch nichts minder ungleiche Nachrede / als die Rechtfertigung des Römischen Frieden-Bruchs ablehnen solte. Weil aber böse Rathschläge so selten zurücke gehen / als Unkraut vertirbt; drang derselben Meynung / die des Junius Erlegung billigten / und die Auslieferung widerriethen / darmit fürnemlich durch: daß die Römer auch die Fabier / welche bey Clusium die Deutschen verletzt / ebenfalls nicht hätten ausliefern wollen. Diesemnach ließ der Bürgermeister Dolabella Hetrurien Hetrurien seyn / und eilte mit einem zweyfachen Heere aber tausendfacher Rachgier durch das Sabin- und Picenische Gebiete in die Semnonische Landschafft. Der verwegne Britomar raffte von seinen Semnonern / derer Kern Aretium belägerte /mehr eine Menge Land- als Kriegs-Volck zusammen; und lieferte / ungeachtet es ihm seine alte Kriegs-Obersten widerriethen / bey der Stadt Atidium dem zwey- oder dreymal stärckern Dolabella eine Schlacht. Anfangs standen die ersten Glieder der wehrhaften Semnoner wohl als Mauren / Britomar wieß auch durch seine Tapferkeit: daß es seinem Leibe weniger am Hertze / als seinem Kopfe an Klugheit mangelte. Nach dem aber die ungeübtẽ Bauers-Leute zum Treffen kamẽ / brachten sie die Römer alsbald in Verwirrung und in die Flucht; Britomar und sein Adel ward vom Feind umbringet / dieser meist geschlagen / jener aber gefangen; auch alle Tage als ein Knecht geprügelt / und wie ein Ubelthäter gepeinigt; gleichwohl aber ihm alle Mittel zu sterben abgeschnitten / welche Freyheit doch dem Vieh unverwehret ist; und diß zwar; weil die Rache sich an seinem Leiden / und der Ehrgeitz an seiner Einführung nach Rom im Siegs-Gepränge zu vergnügen vorhatte. Dolabella durchstreiffte hierauf gantz Umbrien; das gantze Land rauchte von denen eingeäscherten Städten und Dörffern; noch abscheulicher aber von dem verspritztẽ[771] Blute. Denn alles was vierzehn Jahr alt war / fiel durch die Klingen der wütenden Römer; Weiber und Kinder wurden nackt wie das Vieh in Heerden fortgetrieben / und allenthalben unmenschliche Grausamkeit ausgeübt. Denn Dolabella mühte sich so gar alle Fußstapfen: daß jemals Menschen alldort gewohnt hätten / zu vertilgen / umb seinen Nahmen durch Verwüstung unsterblich zu machen. Weil aber das Glücke mit den Orten ins gemein sein Gesichte verwandelt; lief es bey Aretium viel anders ab. Denn Lucius Cöcilius wolte selbige Stadt mit Gewalt entsetzen. Hertzog Britomars Bruder Hartmann hörte seines Volckes Niederlage und die Verheerung des Landes zwar /aber die Rache / welche andere Gemüts-Regungẽ /wie die Koloquinten alle andere Kräuter todtet / erlaubte ihm nicht dem Vaterlande zuzulauffen; sondern reitzte ihn und sein Volck / welches er an Bestürmung der Stadt Aretium anzuhalten beweglich ermahnte /vorher seinen Eifer anderer Blute zu kühlen / welche durch ihre Hartneckigkeit den Semnonern so grosses Unglück auf den Hals gezogen hattẽ. Weil er nun vernahm: daß Cöcilius schon mit dem Entsatz zu Perusia ankommen war / stellte er alsbald ein Theil seines Heeres in Ordnung / und machte den gantzen Tag bald dar bald dort durch falsche Stürme Lermen in der Stadt. Auf die Nacht aber grieff er mit seinem wohl ausgeruhten Volcke das den Tag über abgemattete Aretium an fünf Orten mit allem Ernst an; eroberte sie mit Sturm; und er konte die erhebten Semnoner nicht erhalten: daß sie nicht nur alles was Waffen trug /sondern auch sich in die Tempel flüchtete / mit denen opfernden Priestern für denen Altären niederhieben /gleichsam mit diesem Blut den Geist des inzwischen zu Rom erwürgten Britomars zu versöhnen. Daher der Krieg wohl recht ein Kind des Göttlichen Zornes /weil man darinnen offt aus Noth und wider Willen sündigt / die Unsinnigkeit aber eine Tochter / und die Blindheit eine Schwester der Rache; also nicht allein unerbittlich ist / sondern sie sinnet auch nicht nach /wen sie zu Bodem rennt. Wenn sie ein Mensch beleidiget / müssen es tausend andere / ja die Unschuld selbst und die Heiligthümer der Götter entgelten. Gleichwohl aber war die List allhier noch eine Gefärtin der Rachgier. Denn Hertzog Hartmann verboth bey Leibes-Straffe: daß kein Mensch ohne seine absondere Zulassung ausser der Pforten des befestigten Lägers kommen dorffte; wormit die Römer nichts die Eroberung der Stadt vernehmen möchten. Wie Cöcilius auch mit seinem Heere nahe an das Lager ankam / machte er allerhand blinde Stürme / und Ausfälle aus der Stadt / gleich als wenn sie sich noch wohl hielte; schickte auch durch falsche Kundschafter ertichtete Briefe dem Cöcilius zu; lockte hingegen auch andere von ihm heraus / und dardurch verleitete er ihn: daß er in Hoffnung eines abgeredeten Ausfalls das Lager an dem allerfestesten Orte stürmte; und sich in etliche rechte Falken locken ließ; und / ungeachtet daselbst die Römer gleichsam wider die Unmögligkeit stritten / dennoch durch das gegen der Stadt von dem Troß mit Fleiß erregte Waffen-Gethöne zu hartnäckichter Verfolgung des thörichten Sturmes verleiten ließ. Als dieser Sturm sechs Stunden mit grossem Verlust der Stürmenden gewehret; kam Hertzog Hartmann / welcher sich auf der andern Seite des Lägers mit dem Kerne seines Heeres heraus gezogen hatte /über die gegen Tifernum liegenden Hügel in voller Schlacht-Ordnung heran gerückt. Die Reiterey ließ er vorwerts das gantze Fuß-Volck / welches er ohne diß auf Hetrurische Art angekleidet und ausgerüstet hatte / bedecken / und durch selbte einen heftigen Staub erregen / wormit Cöcilius nicht die Grösse der Macht /und was es für Volck wäre / erkiesen konte. [772] Cöcilius erschrack hierüber nicht wenig; Jedoch weil ein Feldhauptmann nichts mehr fürchten soll / als daß es nicht scheine / samb er was fürchtete / sprach er den seinen ein Hertz zu / und bot mit einem Theile der umgewendeten Deutschen / welche er für Hetrurier ansahe /denen sich nähernden die Stirne. Als er aber sich die Reuterey gegen ihn in zwey Hörner austheilen / und das geschlossene Kriegs-Volck andringen sahe / ließ er vom Sturme abblasen. Dieses geschahe nicht ohne grosse Unordnung und so bald: daß die Deutschen denen weichenden Römern aus zweyen Pforten und gar über den Wall des Lägers in die Hacken gingen; und sie also an zweyen Orten mehr aus Verzweiffelung / weil sie wegen des hinter sich habenden Arnus-Stroms und Clusinischen Sees nirgendshin weichen konten; als aus Hertzhaftigkeit fochten. Hierzu kam noch das dritte Ubel / indem Segger / Bothmar / Sursee / Grotov / Weißlav / und andere Deutsche Edelleute / die hernach eitel Schiffe auff ihren Schilden führten / auff funfftzig Schiffen von der Stadt Aretium theils als Römer / theils als Samniter gekleidet auff dem Clusinischen See herab fuhren / den Römern recht in Rücken kamen / und mit Pfeilen / Steinen /Wurffspießen unauffhörlich auff sie hagelten. Derogstalt ging es recht an ein metzgen; und weil die Deutschen keinen Römer gefangen nehmen wolten / sondern in der That ihr Losungs-Wort: Schlag todt / aufs strengeste ausübten / stachen viel edle Römer einander selbst todt / gleich als wenn der Freunde Klingen nicht so weh als der Feinde thäten / oder es tröstlicher wäre von jenen als diesen sterben. Cöcilius zohe den noch übrigen Kern der ältesten Kriegsleute an sich /und meinte mit der Haupt-Fahne gegen Croton sich durch die eingebildete Hetrurier / denen er seine Kriegs-Gelder und bey sich habende Kostbarkeiten zur Beuthe fürstreuen ließ / durchzuschlagen. Aber der allenthalben als ein wüttender Bär um sich reissende Hartmann war ihm bald selbst in Eisen / und rieff ihm mehrmals nach: Halt an / halt an! kam auch endlich selbst an ihn / und schlug ihn mit seiner Streit-Axt vom Pferde / von denen er bald zertreten /und die Haupt-Fahne vom Ritter Zorn erobert ward. Hiermit war es nun auch fast umb das gantze Heer gethan / worvon wenig durch Hülffe der finstern Nacht und durch ihr Schwimmen über den Arnus davon kamen. Dreyzehn tausend Römer wurden ohne die Ertrunckenen / und die erschlagenen Hülffsvölcker /und darunter sieben Kriegs-Obersten / zweyhundert Hauptleute auff der Wahlstadt gezehlet / und ihre Köpffe rings um den Clusinischen See auff Pfähle gesteckt. Rom zitterte auffs neue über dieser Zeitung /sonderlich da sie hörten: daß Hertzog Hartmann /welchem man nunmehr den Zunahmen Anhalt gab /seinen Zug gerade nach Rom einrichtete. Denn dieser hielt seinen Deutschen ein: Die Römer hätten eine gantz widrige Art / als der vom Hercules erlegte Riese Antius; ausserhalb ihrer Stadt wären sie mehr als Männer / in ihrem Neste aber weniger als Weiber. Daher hätten die Deutschen sehr geirret: daß sie nur die eussersten Glieder dieser Raubvögel bezwickt /nicht aber ihnen aus Hertz gegangen wären. Denen Schlangen wenn sie sterben solten / müste man den Kopff zerqvetschen. Der nicht weniger kluge als hertzhaffte Brennus hätte hierinnen das Eiß gebrochen / und ihnen den Weg gewiesen. Diesem solten sie nachfolgen / er wolte ihr unerschrockner Vorgänger seyn. An eben diesem See hätte Brennus eine Ursache gefunden / und den Schluß gemacht / Rom zu zerstören. Beydes treffe auch itzt ein / die Ursachen aber wären viel glösser / als damals. Denn zu selbiger Zeit hätten die Fabier etwan drey Semnoner getödtet; itzt hätte Dolabella ihr Land / und beynahe ihre gantze Völckerschafft vertilget. Der Deutschen itziger Sieg aber wäre herrlicher / als alle vorige; und daher ein gewisser [773] Werckzeug vieler folgenden. Ja die Noth zwinge sie einen neuen Sitz zu suchen; weil ihr Umbrien wohl einem feurigen Steinhauffen / aber keinem Lande mehr ähnlich sehe. Sie selbst würden in wenig Jahren vollends verloschen seyn / wenn sie nicht ihre nach Rom geschleppten Weiber und Kinder wieder holeten / für welche auch wilde Thiere lieber ihr Leben / als sie im Stiche liessen. Hierbey ließ es Hertzog Anhalt nicht; sondern er schickte an die Bojen /Hetrurier / Samniter / Lucaner und Brutier Gesandten; und ermahnte sie wider den in Italien um sich fressenden Krebs / nehmlich die Herrschsucht der Römer mit gesamter Hand Eisen und Brand zu brauchen / und die selten zweymahl kommende Gelegenheit sie mit Strumpff und Stiel auszurotten nicht aus Händen zu lassen. Ehe er nun noch von diesen die hernach erfolgten guten Vertröstungen bekam / setzte er seinen Zug fort / weil er einem erschrockenen Feinde keine Lufft zu lassen für rathsam / und die Geschwindigkeit für die Amme der Glückseligkeit im Kriege hielt. Die Römer hingegen bothen in ihrem gantzen Gebiethe Mann für Mann auff / liessen allenthalben die Wälder verhauen / die Brücken abwerffen / die hohlen Wege verfüllen / die Lebensmittel verbrennen / und den in Umbrien seng- und brennenden Dolabella zurücke ruffen. Zu allem Unglücke machten die hefftigen Regen die Wege bey nahe unwegbar / die Tiber und Clanis ergossen sich so sehr: daß die Semnoner zehn Tage auff den Perusischen Bergen Hungerune Noth leiden musten. So bald aber das Wasser nur ein wenig gefallen war / setzte er über den Fluß / und rückte durch das feindliche Gebiete und viel ihm in Weg gelegte Hindernisse gerade gegen Rom zu. Bey Polimartium begegnete den Deutschen der Bürgermeister Domitius / mit welchem es / weil der deutsche Vorzug aus allzuhefftiger Hitze sich zu sehr vertieffte / wider Hertzog Anhalts Willen zur Schlacht kam. Ungeachtet nun die Semnoner vom Reisen und vielem Ungemache sehr abgemattet waren / fochten sie doch gegen die ausgeruhten und viel stänkern Römer biß in den sinckenden Abend so hertzhafft: daß sich kein Theil einigen Vortheils zu rühmen hatte. Von beyden Seiten wurden etliche hundert gefangen; welche Anhalt aber auff des Domitius Verlangen nicht austauschen wolte; westwegen die Deutschen durch eigens Auffreibung den Todt für der Dienstbarkeit erkiesten / Anhalt aber der gefangenen Römer abgeschlagene Köpffe auff Lantzen stecken / und ins Römische Läger schleudern ließ. Dieses erregte darinnen ein solches Schrecken: daß Domitius sich biß an den Vadimonischen See zurücke zoh. Hertzog Anhalt hingegen erhielt unter dem Ritter Freyberg fünff tausend Bojen / und acht tausend Hetrurier zu Hülffe; mit welchen er die Römer verfolgte / und den Domitius zwang an dem Vadimonischen See Stand zu halten. Nach fünff-stündiger Schlacht kam das Römische Heer in Verwirrung / und schien schon alles verlohren zu seyn; als Dolabella mit seinem mächtigen Heere zu diesem Treffen kam /und anfangs mit der voranhauenden Reutere des Domitius Heer von offenbarer Flucht errettete / hernach aber mit den Legionen der Semnoner rechten Flügel angriff; und nach zweyer Stunden tapfferer Gegenwehr zertrennte. Der lincke muste hierüber seinen über die Römer habenden Vortheil vergessen / und dem rechten zu Hülffe kommen. Worbey Hertzog Anhalt unglaubliche Heldenthaten ausübte. Weil es aber augenscheinliche Unmögligkeit war zweyen / und darunter einem frischen Heere gewachsen zu seyn; zumal die Hetrurier die Flucht nahmen / vom rechten Flügel auch wenig mehr übrig / er selbst auch schon gantz umringt war / sprengte er zum ersten in den Vadimonischen See; welchem bey nahe noch tausend Semnoner folgten; und / weil ihm kein Römer durch zu schwemmen getraute / in der Nacht nach Polimartium[774] entkamen. Hertzog Anhalt war daselbst voller Ungedult / und hätte nach eingebüstem Heere sich selbst auffgerieben; wenn nicht so wohl Semnoner / Bojen und Hetrurier / derer sich daselbst noch ungefehr sieben tausend zusammen rafften / ihn mit Thränen von einer so kleinmüthigen Entschlüssung zurück gehalten hätten. Er wich daher biß an den Fluß Metaurus zurück / verstärckte sich daselbst mit etlichen tausenden; Und weil die Römer seiner Vorfahren Fürstlichen Sitz Senogallien mit Römischen Einwohnern zu volcken vorhatten; wolte er dasselbte verhindern; aber der Bürgemeister Emilius Papus zwang ihn mit einem vierfach stänckern Heere zurücke zu weichen. Gleichwohl brachte er es durch seine Tapfferkeit noch dahin: daß die Römer ihm und seinen wenigen Uberbleibungen die Gegend zwischen dem Fluße Rubico und Utis liessen; gantz Umbrien und Hetrurien aber mit deutlichem Beystande des unerbittlichen Verhängnißes ihnen unterthänig machten. Unterdessen behielt doch Hertzog Anhalt in diesem engen Kreisse sein völliges Ansehen / zu einem merckwürdigen Beyspiele: daß die Tugend so wenig als die Natur ihre Vollkommenheit an Riesen Geschöpffe gebunden habe; sondern ein grosser Fürst sich so wohl in einem kleinen Gebiete; als die köstliche Balsam-Staude in einem engen Gefässe sehen lassen könne.


Es ist aber das Rad des Glückes eben so wohl dem Lauffen / als das der Sonne unterworffen. Beyde geben niemahls unter: daß sie nicht zugleich an einem Orte auffgehen. Insonderheit traff es diese Zeiten bey denen Deutschen ein. Denn als ihr Glücks-Stern in Italien so sehr verdüstert ward / klärte er sich anderwerts so viel heller aus. Ich wil nicht die Siege der Sicambrischen Fürsten Diocles und Basan wider die Gothen / und die Erweiterung seiner Herrschafft über den Rhein erwehnen; weil beyder Vortheil wider Deutsche erhalten ward / und die Bemeisterung seiner eigenen Landsleute mehr für Verlust / als Gewin zu halten ist. Der erste deutsche Fürstin Pannonien / welcher die benachbarten Völcker in Furcht und Schrecken versetzte / war Cambaules. Denn dieser drang durch Mysien biß in Thracien / und brachte ein unglaubliches Reichthum an Beute zurück. Nachdem aber Hertzog Belgius mit zweymal hundert tausend Marsingern / Lygiern / Gothonen und Herulen verstärckt ward / jagte er durch diese streitbare Völcker /und seine Tapfferkeit allen benachtbarten Königen ein solches Schrecken ein: daß auch die / denen er gleich keine Gewalt andreutete / den Frieden mit grossem Gelde von ihm erkaufften. Unter andern Gesandschafften kam auch eine von der Königin in Pontus und Thracien Arsinoe / des grossen Lysimachus Wittib / der dem weisen vom grossen Alexander unschuldig verstimmelten Callisthenes durch gereichtes Gifft von seinem erbärmlichen Leben geholffen / und den Löwen / welchem er auff Alexanders Befehl vorgeworffen ward / zerrissen / den Pyrrhus auch aus Macedonien getrieben hatte / nachmahls aber vom Selevcus in einer Schlacht erschlagen worden war. Unter den Geschencken war ein grosser Carniolstein / aus welchem der fürtreffliche Bildhauer und Baumeister Sostratus Gnidius / der den Egyptischen Pharos gebauet / dem Lysimachus in Gestalt der Diana Arsinoen gehauen hatte. Dieses Bild veranlaste den König Belgius zu fragen: Ob er trauen dörffte: daß Arsinoe in diesem Steine ohne Heucheley abgebildet / und nach dem Leben getroffen wäre. Wie ihn nun die Gesandten dessen versicherten / ließ er sie mit herrlichen Geschencken von sich; und alsbald so wohl bey Arsinoen selbst / als beym Könige Ptolemeus in Macedonien ihren Bruder um sie zu werben. Ptolemeus fertigte die Botschafft geschwinde / und mit Bezeugung grosser Gewogenheit von sich; schrieb aber dem König Belgius: Wie sehr er Arsinoen [775] ihm gönnte /und mit einem so mächtigen Könige in Verwandniß zu ko en verlangte; so müste er doch aus auffrichtigem Gemüthe ihm diese Heyrath wiederrathen. Denn ob sie wol seine Schwester / und ihrer Schönheit halber ein Meisterstücke der Natur wäre; bliebe doch ihre Seele ein Begriff aller Laster / und ein Ebenbild der höllischen Unholden. Sintemal sie nicht nur die meisten aus den funffzehn Kindern des Lysimachus /und darunter ihren Stieff-Sohn Agathocles / der in so vielen Kriegen seine Tapfferkeit erwiesen hatte / und vom Lysimachus zum Reichs-Erben bestimmt war /sondern auch ihren Ehherrn selbst durch Gifft getödtet hätte. Arsinoen aber schrieb er in geheim: Sie möchte dem Belgius / welcher einem Räuber ähnlicher als einem Fürsten wäre / und dessen Volck von keinen Gesetzen wüste / sich nicht vermählen / und dardurch so wohl ihr Reich als ihre Kinder / darum es ihm allein zu thun wäre / nicht in augenscheinliche Gefahr setzen / noch auch ihr den Haß aller wohlgesitteten Völcker / welche für den rauhen Deutschen eine Abscheu hätten / auff den Hals ziehen. Wiewol auch nun Arsinoe mit ihrem Bruder eine zeitlang Krieg geführt hatte / ihr auch sein herrschsüchtiges Gemüthe nicht unbekaut war / nahm sie doch ihres Bruders Rathschlag als wohlgemeint danckbar auff / und versprach dem Belgius die Eh abzuschlagen / wenn sie nur ein Mittel wüste sich gegen einem so mächtigen Feinde in Sicherheit zu setzen. Ptolemeus schickte alsofort eine prächtige Botschafft an sie zurücke / welche ihr seine Macht / nachdem er den Antigonus aus Macedonien vertrieben / durch Verheyrathung seiner Tochter Antigone aber den mächtigen König Pyrrhus in Epirus ihm verknüpfft hätte / noch vielmehr aber seine zu ihr tragende Liebe scheinbar heraus striech / und also ihre Bluts-Freundschafft noch durch ein engeres Band der Ehe zu befestigen antrug. Arsinoe ward über dieser Werbung noch mehr bekümmert / und zweiffelhafft; sonderlich da ihr ältester Sohn Ptolemeus ihr fürbildete; wie durch diese Eh nur seiner Brüder Untergang / als gegen welche Ptolemeus schon einmahl den Degen gezuckt hätte / gesucht würde. Den Gesandten aber hielt er selbst ein: daß ihren Oheim die angebohrne Schande und die Abscheu wohlgesitter Völcker / für so naher Vermählung seiner vollbürtigen Schwester Eh zurück halten solte. Alle Heyrathen zwischen dem Geschwister hätten einen kläglichen Ausgang gewonnen; Thyestes und Macareus / die mit ihnen heimlich zugehalten / währen durch eigenhändigen Tod umko en. Der Gesandte aber redete Arsinoen ein: Ptolomeus wolte mit ihren Söhnen sein eigenes Reich theilen; gegen welche er zeither zwar gekriegt / keinesweges aber sie ihres väterlichen Reichs zu berauben / sondern nur die Ehre zu erlangen getrachtet hätte: daß sie es von seinen Händen empfingen / und ihm destbalben so viel mehr verbunden würden. Dieses alles wäre Ptolomeus im Angesichte der väterlichen Götter mit einem kräfftigen Eyde zu erhärten erbötig. Wider des jungen Ptolomeus Bedencken setzte er: der Geschwister Vermählung wäre der Natur nicht zuwider; die etlicher Menschen hierüber gefaste Abscheu wäre eine von Kindauff eingeflöste Einbildung; und weil selbte durch die Gewonheit insgemein bestätigt würde / hätte sie sich in ein angebohrnes Gesetze verkleidet. Nicht nur die berühmtesten Helden / sondern ihre eigene Götter hätten ihre Schwestern geehlicht / Saturnus die Opis / Neptun die Thetys / Jupiter die Juno; Artemisia wäre des Mausolus / Mecasiptolema des Archetolis Schwester und Eh-Weib gewest. Cimon hätte also geheyrathet; Solons Gesetze hätten es zu Athen verstattet / die Egyptischen aber wegen glücklicher Heyrath des Osiris und der Isis / [776] wie auch die Carischen / nach dem Beyspiele des Hidrieus solches gar geboten. Der junge Ptolemeus begegnete nun zwar dem Gesandten: Die angezogenen Gesetze und Einwendungen hätten alleine ihr Absehn auf halbbürtiges Geschwister / das zweyerley Mütter hätte; welches auf Arsinoen nicht zu ziehen wäre. Der Gesandte aber lachte hierüber / fragende: Ob der Vater zu Zeugung eines Kindes nicht ein mehrers beytrüge als die Mutter / derer Zuthat wol arbeitsamer / nicht aber edler wäre. Ob nicht der meisten Völcker Recht deßhalben die Kinder der Gewalt der Väter / nicht aber der Mütter unterwürffe? Ob deßhalben die klugen Spartaner wegen eines Vaters /nicht aber einer Mutter Kindern die Heyrathen verboten hätten? Ob Ptolomeus nun nicht die Verweigerung dessen / was dem gemeinen Pöfel frey gelassen / für eine Verachtung aufzunehmen haben würde? Dieser letzte Donnerschlag bewegte die nicht so sehr wegen ihrer selbst / als ihrer Kinder halber ängstige Arsinoe: daß sie ihren getreuen Chodion in Macedonien zu Abnehmung des angebotenen Eydes abschickte / in Meinung: daß ihre Eh ihre Kinder sie mehr als die Waffen für dem Grimme eines so mächtigen Feindes beschirmen würde. Ptolomeus umfaste in dem Tempel des Jupiters / welchen die Macedonier für den heiligsten und ältesten hielten / die Hörner des Altares / und das Bildnüß Jupiters / schwur also mit unverändertem Gesichte: Er suchte die Heyrath seiner Schwester von treuem Hertzen; Er wolle sie nebst sich auf den Reichs-Stul setzen / keine aber nebst ihr in sein Ehbette / auch niemanden anders als ihre Kinder zum Macedonischen Zepter erheben. Er kam hierauf selbst mit nur etlichen Edelleuten nach Cassandrea / und bethörte Arsinoen mehr mit seinem Liebkosen / als vorher mit seinem Meineyde; führte sie also in seine Stadt Epidamus / allwo das Beylager mit grossen Freuden und unbeschreiblicher Pracht vollzogen / ja Arsinoen die Krone Macedoniens aufgesetzt ward. Allein alles diß / was Arsinoens Hertze als ein Magnetstein an sich zoh / enteuserte als eine Beschwerung des jungen Ptolomeus Gemüthe von seinem neuen Stiefvater. Daher er sich auch bey Zeiten aus dem Staube machte / und zu dem über dieser Heyrath schäumenden Könige Belgius in Sicherheit verfügte. Die einfältige Arsinoe / welche das gefährliche Wetterleuchten für die angenehme Morgenröthe ansah /meinte sie hätte mit der Krone nun auch vom Donner unversehrliche Lorbern auf ihr Haupt gesetzt; und es könte kein Gifft eines falschen Hertzen mit einer so heissen Liebe behisamt werden; also wolte sie die ihr zu Epidamus wiederfahrne Anbetung zu Cassandrea mit einem gleichwichtigen Opffer abschulden. Sie reisete daher vorher / ließ alle Strassen mit Persischen Tapeten / die Königliche Burg mit Edelgesteinen / die Thürme mit Freuden-Feuern / die Altäre mit brennendem Weyrauch erhellen / schickte auch ihren sechzehn jährigen Sohn Lysimachns / und den zwölf jährichten Philip mit Myrthen gekrönet dem eingeladenen Ptolomeus entgegen. Allein der Untergang greifft insgemein schon nach uns / wenn leichtgläubige Sicherheit so wol Furcht als Fürsicht aus dem Hertzen gejagt hat. Welcher zwar sie auffs freundliche umarmte / und mit vielem Küssen bethörete; so bald er aber in Cassandrea kam / Stadt und Burg mit seinem Kriegsvolcke besetzte / der Arsinoe Kinder aber tödten hieß. Diese flüchteten sich in ihrer Mutter Zimmer und Schoß / aber sie vermochte weder mit Entblössung ihrer Brüste / noch auch mit Fürwerffung ihrer Armen und Glieder den unmenschlichen Ptolomeus von so grausamem Morde ihrer Kinder abhalten. Ja ihr selbst ward nicht erlaubet sie zu begraben / sondern sie ward mit zerrissenen Kleidern / zerstreuten Haaren aus der Stadt gestossen / und mit zweyen Knechten in Samothracien ins Elend verjagt; welches [777] durch nichts mehr vergället ward / als daß sie mit ihren Kindern nicht sterben konte. Als Ptolomeus allhier so abscheulich wütete / fiel der erzürnte Belgius mit einem mächtigen Heere in Macedonien ein; iedoch schickte er eine neue Botschafft an den Ptolomeus / die ihm andeutete: daß er zwar sein eigen Unrecht gegen Erstattung verursachter Kriegs-Kosten vergessen wolte; die an der Arsinoen Hause verübte Grausamkeit aber anders nicht / als durch Abtretung der Stadt Cassandrea und des väterlichen Reiches an den sich zu ihm geflüchteten Ptolomeus / beygelegt werden könte. Allein / er bildete ihm ein: es wäre nicht schwerer einen grossen Krieg / als grausame Laster zu endigen; daher wieß er diese Gesandschafft schimpflich und mit dieser Antwort ab: Er könte mit dem Belgius keinen Frieden schlüssen / als biß zwölf Deutsche Fürsten ihm zur Versicherung / und alle ihre Waffen ausgeliefert würden. Ja die ihn zu stürtzen beschlüssende Rache Gottes bethörte ihn so gar: daß er die von den Dardanern ihm angebotene zwantzig tausend Hülffs-Völcker verächtlich ausschlug / vorwendende: daß seine Kriegsleute der Macedonier Söhne wären / die unter dem grossen Alexander die gantze Welt überwältigt hätten. König Belgius / und der junge Ptolomeus / konten sich über des Ptolomeus hochmüthiger Antwort nicht genungsam verwundern / und sich des Lachens enthalten; drangen daher. Mit ihrem Kriegs-Heer über das Skandische Gebürge und den Fluß Axius in das Hertze / Macedoniens; und nach dem Ptolomeus mit allen / einen Kräfften ihnen bey der Stadt Aedessa eine Schlacht lieferte / wurden die Macedonier / entweder weil es ihnen des Ptolomeus auch zu ihres Reichs Auffnehmen gereichende Laster zu verfechten kein Ernst war / oder weil so denn / wenn das Verhängnüß die Hand abzeucht / die Hertzhafftigsten ihre Tugend verlernen / in weniger Zeit zertrennet / und aus dem Felde geschlagen. Unter den Verwundeten ward Ptolomeus selbst / und ein mit Macedonischen Waffen angethaner Kriegs-Knecht gefunden /der dem halb todten Könige auf dem Halse lag / und mit seinem Degen ihm schon sieben Wunden versetzt hatte. Wie nun König Belgius diesen weg zu reissen /und den Ptolomeus aufzurichten befahl / gab Arsinoe durch Abziehung ihres Helmes sich zu erkennen /welche ihr anwesender Sohn Ptolomeus alsobald thränende umhalsete / Belgius nach grosser Verwunderung aufs freundlichste bewillkommte; Sie aber erzehlte: daß sie um gegen ihrem Todfeinde verdiente Rache auszuüben / bey vernommenem Kriege sich in einen Kriegsknecht verkleidet / unter der Macedonier Heer den Tag für der Schlacht sich vermenget / und durch die unvergleichliche Tapfferkeit der Deutschen /als sie den Ptolomeus in der Flucht vom Pferde gerennet / ihren Vorsatz glückselig auszuüben Gelegenheit gefunden hätte. Ptolomeus öffnete über dieser Erzehlung seine schon halb gebrochene Augen / und sahe mit einem tieffen Seufzer seine siegende Arsinoe an. Belgius redete ihn hierüber mit ernster Gebehrdung an: Dieses ist noch nicht genung dir deinen Tod zu verbittern / sondern wisse: daß in dreyen Tagen Belgius mit Arsinoen auff deiner Königlichen Burg sein Hochzeit-Feyer halten wird. Ptolomeus seufzete hierauff / noch mehr aber / als noch selbigen Tag sich Aedessa; und den dritten die Stadt Pella ergab / und er mit schälen Augen / und vergifftetem Hertzen so wol den Macedonischen Stul / als das Bette Arsinoens vom Belgius betreten sahe. Ptolomeus lief mit dem Kopffe wieder eine marmelne Säule; worauf Belgius um ihn eines so mühsamen Todes zu überheben / ihm das Haupt abschlagen / und auff eine Lantze stecken ließ / welches hernach zum Schrecken der Feinde durch gantz Macedonien herum geführet ward. Mit diesem Schlüssel oder vielmehr mit dem Schrecken seiner blutigen Sebel eröffnete ihm Belgius [778] viel Städte / und erschütterte gantz Griechenland. Die zwey Macedonischen Fürsten Meleager und Antipater unterstunden sich zwar die Macedonier vom Wehklagen und Verfluchung des lasterhafften Ptolomeus zur Gegenwehr anzuleiten / aber jener verlohr nach sechzig /dieser nach fünf und vierzig Tagen mit seiner zerstreueten Macht die Königliche Würde; welche hingegen der junge Ptolomeus durch der Deutschen Hülffe /und der Thracier Auffstand gegen die Macedonischen Landvögte wieder erlangte. Endlich brachte der unedle Sosthenes / welcher eines Ackermannes Sohn / und durch seine Tapfferkeit ein Oberster über zweytausend Kriegsknechte worden war / das Macedonische Wesen ein wenig in Stand / sintemal die von dem Marsingischen Fürsten Cerethrius vorher gedemüthigten Geten und Triballen den Deutschen nach seinem frühzeitigen Absterben hinterrücks eingefallen waren / und also König Belgius seine Macht zurücke ziehen muste. Sosthenes ward derogestalt zwar für den König in Macedonien ausgeruffen / wiewol er nach dem Beyspiele des grossen Philippus nur den Nahmen eines Feldherren annahm; Alleine es kam Brennus der von dem Necker aus dem Schwatzwalde in Pannonien gezogener Tectosager Hertzog / welcher sich inzwischen zum Meister in Illyris biß an den Fluß Drilon gemacht hatte / auff bewegliches zuschreiben des König Belgius mit einem frischen Heere in Macedonien / zu welchem Belgius noch dreißig tausend an der Ost-See um die Weichsel / um die Agstein-Inseln wohnende Herulier und Skirer unter dem Fürsten Acichor stossen. Sosthenes begegnete zwar dem Brennus bey Heraclea an dem Flusse Erichton / und versuchte alles / was einem tapfferen Heerführer möglich war; insonderheit sprengte er aus: daß Brennus von ihm erlegt wäre / wormit er denen Macedoniern einen Muth / viel Deutschen auch irre machte; alleine der feurige Brennus ließ sich um diesen schädlichen Irrthum zu wiederlegen / bald als ein Blitz an der Spitze sehen /und band mit dem auch unerschreckenen / und für ein gantzes Königreich fechtenden Sosthenes tapffer an. Dieser aber hatte mehr Hertze denn Glücke. Denn er ward vom Brennus aus dem Sattel gehoben / von Pferden ertreten / das durch Verlust seines Hauptes verstimmelte Heer in die Flucht / und nicht allein das von den Deutschen überschwe te Macedonien grossen Theils erobert / sondern auch des Brennus Siegs-Fahnen biß an den Berg Cytheron / und die Corinthische Land-Enge ausgebreitet. Denn weil die Griechen dem Sosthenes Hülfsvölcker zugeschickt / die Deutschen aber schon gute Zeit die berühmten Herrligkeiten Griechenlands im Kopffe hatten / beschloß Brennus mit dem Fürsten Acichor Griechenland zu bekriegen. Das Geschrey hiervon erschütterte diß mehr / als für Zeiten Xerxes mit seinen unzehlbaren Persen; daher auch der Griechen Zurüstung nunmehr zwey mal so groß war. Ja alle benachbarte Könige schickten ihnen Hülfsvölcker / insonderheit Antiochus aus Asien den Telesarchus / und der inzwischen nach dem Sosthenes in Macedonien auffkommende König Antigonus den Aristodemus. Der oberste Feldherr war der Stadt Athen Kriegs-Hauptmann Callippus. Gleichwol aber hielten sich alle Kräfften Griechenlands zu schwach den Deutschen in freyem Felde zu begegnen. Anfangs setzten sich zwar die Griechen an den Fluß Peneus in Thessalien; als aber ein schwacher Vortrab von tausend leichte berittenen Lygiern unter dem Berge Olympus bey Larissa durchschwe te / hoben die Griechen über Hals und Kopff ihr Läger auf /giengen über den Fluß Sperchius und warffen hinter sich alle Brücken ab. Also eroberte Brennus die Länder Magnesia / Thessalien und Phtiothis ohne einigẽ Schwerdstreich. An dem Strome Sperchius aber hemmte sich etlicher massen der Lauf seines Sieges.[779] Denn dieser floß nicht allein mit grossem Ungestümme vom Berge Pindus herab / und hatte allenthalben hohe felsichte Ufer; sondern war noch darzu vom Regen sehr angelauffen / und von den Griechen besetzt. Der nichts minder schlaue als kühne Brennus laß darum zehn tausend der längsten Deutschen aus seinem gantzen Heere aus / und schickte sie unter dem den Nahmen mit der That habenden Ritter Unverzagt in aller Stille biß unterhalb Thebe den Strom hinab /welcher daselbst wegen seiner Ausbreitung einem stehenden See ähnlicher als einem Flusse ist. Unverzagt muste um nicht entdeckt zu werden bey finsterer Nacht / und zwar entweder biß in den Hals watende /oder schwimmende übersetzen; worzu ihm denn ein treuer Hund / welchen er hernach auch auf seinen Schild mahlen ließ / zu einem guten Wegweiser / und vielen Deutschen ihre Schilde zu Kahnen dienen. Cephissodor der Beotier Heerführer hatte in selbiger Gegend seinen Stand; Er konte aber der Deutschen Antlitzer / weniger ihre Schwerdter vertragen; flüchtete sich also auf den Berg Oepta / wiewol fünf hundert übereilte Beotier im Stiche blieben. Critobul der Phocenser / Midias der Locrer / und Polyarchus der Etolier Feld-Hauptleute giengen ebenfals durch / und setzten sich an die Thermopylische Berg-Enge an den Maliakischen See-Busem. So bald die Phtiotier die Brücke über den Fluß Sperchius wieder gelegt hatten / gieng Brennus mit seinem gantzen Heere über / und wormit er den Griechen so viel eher aus Hertz käme /wolte er sich mit Belägerung der wolbesetzten Stadt Heraclea nicht aufhalten. Ungeachtet nun die Eroberung der Thermopylen mehr als ein menschliches Werck zu seyn schien; und die Deutschen selbst selbige Unmögligkeit wiederriethen; sagte doch Brennus: hätten die Griechen das Meer und die Felsen / so hätten die Deutschen ihr kühnes Hertz zur Mauer; ließ also folgenden Tag mit aufgehender Sonne daselbst zu Sturme lauffen. Keine Reuterey war in diesen felsichten und noch darzu wegen vieler Qvelle schlüpfrichten Orte zu brauchen. Den ersten Angrief thät Ritter Sultz mit unglaublicher Tapfferkeit / eroberte auch gegen den Obersten der Megarensen Megareus die erste Höhe des Gebürges. Ihn entsetzte der Ritter Schlick / und bekam den Felsen ein / auff welchem eine Ertztene Säule des Hercules stand; die er auch hernach in seinem Schilde führte. Auff der dritten Höhe bemeisterte Ritter Schwartzenberg zwey feste Thürme / und trieb den Lysander mit seinen Beotiern daraus. Die oberste Spitze dieses Berges behauptete zwar der Ritter Hohenlohe; er ward aber in die Brust tödtlich verwundet; gleichwol aber rieß er den Pfeil grimmig aus seiner Wunde / und erschoß mit selbtem noch der Beotier Obersten Thearidas. Die den Berg hinab gehenden Versetzungen verlieffen die Griechen ohne Gegenwehr / und wurden die Deutschen des an dem Meere liegenden engen Thales Meister. Wie nun Fürst Acichor den andern Berg zu bestürmen anfing /welchen der Griechische Feldherr Callippus selbst nebst dem Midias / Diogenes / Lacrates / und dem tapfferen Cydias vertheidigten / dieser letzte auch vom Acichor eigenhändig erlegt ward; kam der Athenienser Schif-Flotte herfür / und überschüttete von der Seite die Deutschen mit ihren Pfeilen wie mit einem Hagel; also: daß nach dem sie diesen Sturm zwey Stunden ausgestanden / und gleichwol dem Callippus genung zu schaffen gemacht / sie um auf den ersten Berg zurücke weichen musten. Brennus wütete für Unmuth: daß er daselbst nicht durchbrechen konte; daher ließ er den Fürsten Acichor alldar die Griechen unaufhörlich mit blinden Lermen beunruhigen; Er selbst aber zohe mit dem grösten Theile seines Heeres sich unter dem Berge Oeta westwerts hin; und versuchte durch die Truchinische Berg-Enge; wo nur zwey Menschen neben einander gehen können /durchzukommen. [780] Er selbst war nicht zu erhalten: daß er nicht seine Tectosager anführte. Er erlegte mit seiner eignen Hand zwar auch den Obersten Telesarchus / und drang biß zu dem auf einer hohen Klippe liegenden Tempel der Minerve durch; aber die Klippen waren daselbst Thürme hoch: daß nur Brennus an ihnen den Kopf zu zerbrechen vernünfftig unterlassen muste. Weil aber unter allen Griechen die Etolier den Deutschen am hartnäckigsten begegneten / schickte Brennus die Fürsten Orester und Combut mit 40000. Mann über den Fluß Sperchius / welche durch Thessalien über den Berg Callidromus in Etolien einbrachen; alles mit Feuer und Schwerd verheerten / und hierdurch die Etolier zu Beschirmung ihres Eigenthums von Thermopylen wegzohen; welche aber nebst ihren Gehülffen den Patrensen nur in den Gebürgen sich aufhalten / und nach etlichen Treffen / und verbrennter Stadt Callium mit reicher Beute musten abziehen lassen. Unterdessen weil die Heracleer und Aeniater der Deutschen Last überdrüßig waren / weiseten sie nicht zwar aus Haß gegen die Griechen / sondern um sich zu entbürden dem Hertzog Brennus selbst einen leichten Weg über den Berg Oeta / auf welchem für Zeiten der Mede Hydarnes den Leonides überfallen / und Ephialtes die Persen in Phocis geleitet hatte. Die Phocenser hatten diesen Eingang zwar auch besetzt; aber der zu selbiger Zeit fallende Nebel verbarg die Deutschen so lange: daß die Griechen dieser nicht ehe / als biß sie gantz umringt waren / gewahr wurden. Daher wurden sie fast alle erschlagen oder gefangen; und brachten wenig entflohene dem Callippus von der Ankunfft der Deutschen die traurige Zeitung. Callippus wendete sich zwar gegen den Brennus / aber nach einem zweystündigem Gefechte gieng bey den Griechen alles über einen Hauffen /sonderlich / da der tapfere Callippus gefährlich verwundet ward. Daher flüchtete sich alles / was noch den Deutschen Schwerdtern entran / auf die Atheniensischen Schiffe; von denen aber eine ziemliche Anzahl überladen ward / und in dem Schlamme stecken blieb; also von denen ins Meer watenden Deutschen noch erobert wurden. Fürst Acichor rückte hiermit unverhindert durch die Thermopylen; gantz Phocis und Achaien selbst biß an Athen muste sich dem Brennus ergeben und für ihm demüthigen. Der gantze Peloponnesus aber die Corinthische Land-Enge besetzen /das Cytherische Gebürge verhauen / und die holen Wege mit abgestürtzten Klippen verriegeln / um der Deutschen Einfall zu verhindern. Mir ist hierbey das Gedichte nicht unbekandt; als wenn Brennus kein geringerer Gottes-Spötter wie Dionysius gewest wäre; welcher bey Beraubung der Tempel fürgegeben: daß der güldene Mantel dem Apollo im Sommer zu schwer / im Winter zu kalt wäre; und die gütigen Götter ihme selbst ihre güldene Kräntze zulangten / und daß selbter den Delphischen Tempel auf dem Berge Parnassus / darinnen ein aus einer unterirrdischen Höle aufsteigender Wind die Priester zum Wahrsagen begeistern soll / seines dahin gewiedmeten Reichthums zu berauben vor gehabt hätte / vom Erdbeben und anderm Unglück aber / nach dem er ihm vorher einen Dolch ins Hertz gestossen / samt seinem gantzen Heer aufgerieben / und kein einiger Mensch errettet worden wäre. Alleine dieses Gedichte werden nicht allein nachfolgende Thaten des Brennus wiederlegen; sondern es wiedersprechen ihnen die Geschichtschreiber selbst / da sie theils bekennen müssen: Es wäre dieser Tempel im heiligen Kriege von den Phocensern lange vorher aller Schätze beraubt worden / theils für gegeben: Es hätten die unter denen Tectosagern vermischte Tolistobogier die Schätze würcklich erobert und zum theil in ihr Heiligthum nach Tolosa geliefert / zum theil daselbst in einen See geworffen / welches hernach der Römische Heerführer Cöpio zu seinem grossen Unglücke heraus gefischet hätte. Es rühret [781] aber dieses falsche Geschrey daher: Hertzog Brennus schickte einen aus dichtem Golde gemachten Spieß / derogleichen die Tectosager nach der ältesten Völcker Art für ein göttliches Bild verehrten / in den Delphischen Tempel zu einem Geschencke. Die aberwitzigen Priester aber / welche dieses Kriegrische Gewehre für eine Andeutung des Krieges hielten; da doch die Säulen des Apollo selbst Lantzen und Pfeile führen / weigerten sich nicht alleine selbte anzunehmen / unter dem Vorwand: daß Gold und andere unnütze Schätze der Tempel nur Anlaß zu ihrer Entweihung und zum Kirchen-Raube gebe / wie sie es schon vom Philomelus / und andere reiche Tempel Griechenlands vom Philippus / des Belus oder Didymeischen Jupiters vom Antiochus und die Egyptischen Heiligthümer vom Cämbyses erfahren hätten; sondern sie liessen auch einem so mächtigen Fürsten höchst unzeitig entbieten: daß ihr Gott am Geschencke geraubter Güter kein Gefallen hätte. Welches den Brennus derogestalt verbitterte: daß er über die Priester Rache auszuüben mit seinem Heere dem Tempel sich näherte. Es traf sich aber ungefähr: daß als selbtes den Tempel im Gesichte hatte / die Sonne sich verfinsterte; welches / wie iederzeit dem unwissenden Pöfel / also auch dißmal den Tectosagern nicht ein geringes Schrecken einjagte; die Delphischen Priesterinnen aber zum Aberglauben meisterlich zu gebrauchen wusten; in dem sie gleichsam als verzückt mit zerstreuten Haaren und mit Schlangen in Händen / unter das zu Beschirmung des Tempels versammlete Volck lieffen / vorgebende: Sie hätten den Apollo in Gestalt eines schönen Jünglings mit zwey gewaffneten Jungfrauen / welches Diana und Minerva seyn müste / vom Himmel in den Tempel absteigen gesehen; sie hätten gehört das Schwirren der Waffen und der gespanneten Bogen; die Geister des längst verstorbenen Pyrrhus Hyperochus und Laodocus wären ihre Vorgänger; also möchten sie nicht die Gelegenheit versäumen mit denen vorgehenden Göttern die vom Schrecken schon halb tobte Feinde anzufallen. Für diesen wütenden Leuten wäre der angefallene Vortrab aus einer aber gläubischen Bestürtzung zurück gewichen / und von selbtem an statt des Fechtens mit seinen Waffen um der verfinsterten Sonne zu helffen / ein grosses Gethöne gemacht worden. Rhemetalces fing an: Es ist nichts im gemeines: daß die tapffersten Leute durch ein solch unversehenes Schauspiel erschreckt / oder durch eine aberglaubische Andacht in die Flucht bracht worden. Also zerstreuten die Valisker und Tarqvinier / wie auch die Vejenter und Fidenater zwey mal das Römische Heer durch eine Menge als Priester angekleideter Kriegsleute /welche mit Schlangen und Fackeln in Händen sie gleichsam rasende anfielen. Adgandester versetzte: Brennus aber ließ sich diese Larven nicht schrecken; sondern sprach seinem fortzurücken sich weigerndem Heere / welches ihr Fürnehmen für ein Gott widriges Erkühnen gehalten / und ihm selbst den Untergang wahrgesagt / durch seine mit sich geführte Priester /welche hierinnen beym Pöfel vermögender als Obrigkeiten sind / vernünfftig zu / und versicherte es: daß diese aus natürlichen Ursachen entstandene Finsternüß in einer Stunde überhin seyn würde. Worauf er denn auch bey der darauf folgenden schönen Ausklärung des Himmels / welche die Sonnen-Finsternüsse wie der Wind die Monden-Finsternüsse insgemein zu begleiten pflegt / die ihm entgegen rasenden Hauffen unschwer zerstreuete / etliche schuldig befundene Priesterinnen tödtete / die andern aber beschenckte /in dem Tempel seine Andacht verrichtete / ja zwey in seinem Heere befindliche Fürsten aus Thessalien /welche ein Marmelnes Siegsbild aus dem Delphischen in einen Thessalischen Tempel gebracht hatte /straffte / und an seinen ersten Ort setzen ließ. Ob auch wol die Phocenser hernach aus einem blinden Eyver und Aberglauben dem Brennus unter der Stadt Ambrysus einfielen; wurden sie doch mit [782] blutigen Köpffen abgewiesen / und ihr Heerführer Aleximachus selbst getödtet. Fürst Zeno brach hier ein: Es wunderte ihn nunmehr weder die Aussprengung von des Brennus erdichtetem Untergange / noch auch des Deutschen Heeres Schrecken über der Sonnenfinsternüß; Nach dem auch die Affen und andere wilde Thiere sich darüber entsetzten / und vielen tapfern Kriegsleuten mehrmals das Schwerd aus den Händen gefallen wäre. Also wäre des grossen Alexanders Heer an dem Flusse Tigris bey der Mondenfinsternüß fast verzweiffelt / hätte auch um keinen Fuß breit wider der Götter Willen fortzusetzen einen Aufstand gemacht; welchen Alexander selbst zu stillen nicht getraut /sondern die Bestürtzten durch die Egyptischen Warsager beredet hätte: daß der Monde der Perser Sonne wäre / und seine Verfinsterung ihnen allezeit Unglück bedeutete. Niccas hätte bey ereigneter Finsternüß mit seiner Schiffflotte aus dem Hafen in die See zu lauffen sich nicht erkühnet / und dardurch der Stadt Athen unsäglichen Schaden zugefüget. König Archelaus in Macedonien hätte für Furcht die Burg verschlossen /und zum Zeichen seiner Bestürtzung seinem Sohne die Haare abscheren lassen. Der vorhin nie erschrockene Hannibal hätte sich für seiner mit dem Scipio zuletzt gehaltenen Schlacht über Verfinsterung der Sonnen so sehr; als König Perseus / da er gegen die Römer schlagen solte / über der Mondenfinsterniß entsetzt. Welches alles daher geflossen: daß nicht nur der Pöfel / welchem man die Ursachen der Finsternüsse mit Fleiß verschweiget / sondern auch die Weltweisen iederzeit sehr seltzame Meinungen hiervon geführet haben. Anaximander meinte / der Sonnen und dem Monden würde bey ihrer Verfinsterung das Loch verstopft / woraus sie ihr Feuer und Licht ausschütteten; Heracletus: Es kehrten sich ihre nur auf einer Seiten leuchtende Kugeln um; Xenophanes: Es gebe viel Sonnen / welche nach und nach verleschten; biß Thales endlich die Warheit gelehrt: daß der zwischen die Sonne und die Erdkugel tretende Monde der Sonnen /die Erde aber mit ihrem Schatten des Monden Finsternüß verursache. Die sonst genungsam gescheuten Brahmänner glaubten aber noch viel thörichter: Sonn und Monde würden von zweyen Schlangen gefressen; die Serer: diese zwey Gestirne verlieren ihren Schein aus Furcht für einem Hunde und Drachen / der sie zu verschlingen dräute; andere Indianer: sie würden von dem gestirnten Drachen gebissen. Rhemetalces fing an: Diese Wissenschafft ist vielen eine Handhabe ihres Glückes / wie der ersten abergläubiger Unverstand eine Ursache ihres Verderbens gewest. Denn der in Africa segelnde Agathocles machte durch Auslegung der damals sich ereignenden Sonnenfinsternüß seinem Kriegsvolcke ein grosses Hertz; in dem er ihre böse Bedeutung artlich auf die / wider welche er zog /abweltzte. Und der die natürliche Ursache des verfinsterten Monden anzeigende Sulpitius Gallus half der Bestürtzung des Römischen Heeres ab. Unterschiedene Heerführer haben hierdurch ihr auffrührisches Kriegsvolck besänftiget. Niemand / sagte Adgandester / hat sich der Vorsehung der Finsternüsse nützlicher / als Hanno gebraucht / welcher in dem Atlantischen Eylande mit seinem gantzen Heere hätte erhungern müssen; weñ er nicht die wilden Einwohner daselbst mit einem in wenig Stunden bevorstehenden Finsternüsse erschreckt / und sie zu Lieferung reichlicher Lebensmittel bewegt hätte. Sintemal diese einfältigen Wilden so denn das Ende der Welt besorgen und darfür halten: die Gestirne würden von einem höllischen Geiste verschlungen; oder Sonn und Monde wären auf die Menschen ergri et; oder auch: sie würden von bösen Leuten bezaubert; dahero sie insgemein mit klingendem Ertzte / Kieselsteinen und andern Dingen ein Geräusche machten / etliche auch ihre Wangen zerkratzten / und ihre Haare ausraufften. Die Deutschen pflegten sich auch dergleichen Gethönes aber mehr aus angeno ener Gewohnheit von andern Völckern / als aus Aberglauben zu gebrauchẽ. Ob nun wol freylich [783] die Finsternüsse der zwey grossen Welt-Lichter so wol ihre ordentliche Ursachen als ehre Gesetze Zeit haben; so ist deßhalben es der göttlichen Versehung unverschrenckt: daß sie hierdurch grosse Enderungen / und insonderheit die Verdüsterung grosser Welt-Lichter / wie der Schatten an den Sonnen-Uhren die Stunden andeute. Massen denn wenige Zeit hernach so wol Brennus als Belgius ihrem Leben und Siegen ein Ende machten. Bey diesen Todesfällen ereigneten sich unter den Deutschen Fürsten allerhand Zwytrachten; welche die grösten Reiche auch biß zu der eusersten Ohnmacht zu entkräfften mächtig sind. Bey welcher Unruh Antigonus sich wider gantz Macedoniens bemächtigte. Gleichwol aber behauptete des Belgius Sohn Commontor nebst dem halben Pannonien ein Stücke von Dacien / Mysien und Thracien / zwischen dem schwartzen Meere und dem Flusse Athyras / nach dem er vorher die Geten und Treballen in etlichen Schlachten aufs Haupt erleget hatte. Dieser Fürst erlangte durch seine Helden-Thaten in Europa und Asien einen so starcken Nahmen: daß alle ferne Könige an seinen neuen Reichs-Sitz die Stadt Tube schickten / und den Hertzog Commontor um Hülffe und Bündnüß ersuchten. Denen Byzantiern nahm er nach etlichen Treffen ihre fetten Aecker / und brachte sie derogestalt ins Gedrange: daß sie ihm und seinen Nachkommen jährlich 80. Talent zum Geschencke senden musten. Unter diesem ehrlichen Nahmen verhüllen die schwächern Herrschafften die schimpflichen Schatzungen. In diesem Zustande blieb es / biß Fürst Cavar von den Thraciern überwunden ward. Brennus verließ unterschiedene Söhne / und zwar seinem Sohne Hunn Pannonien / den andern beyden Leonor und Luthar nebst einer schlechten Abstattung seine zwey beste Sebeln /mit der Erinnerung: daß diese / die Tugend und das Glücke schon mächtig genung wären / sie mit einem Erbtheile etlicher Reiche zu versehen. König Hunn aber eignete seines Vaters Feld-Hauptmanne Thessalor ein Hertzogthum zwischen dem Ister und der Sau zu / welcher die ihm untergebenen Völcker nach seinem Vater die Scordißker nennte. Dieser ließ anfangs zwar in seinem Reiche ihm nichts mehr / als den Ruhm seiner Gelindigkeit angelegen seyn; nach dem er aber durch allerhand Künste die Gemüther seiner Unterthanen und die Gewogenheit der Nachbarn gewonnen hatte / verleitete ihn die einmal gekostete Süßigkeit der Herrschafft so weit: daß er so gar auff den Pannonischen Zepter ein Auge warf / unterschiedene Pannonische Fürsten / welche der Deutschen Herrschafft überdrüßig und der Neuigkeit begierig waren /auf seine Seite / die Geten und Triballen aber wider die Deutschen in ein Bündnüß brachte. Nach dem diesen verschwornen nun unterschiedene Anschläge den König Hunn durch Gifft hinzurichten fehl schlugen /beschlossen sie ihn auf der Jagt / welche Sinadat einer seiner geheimsten Räthe anstellte / aufzureiben. Hunn war schon auf dem Wege / als ein Deutsches Weib sich qver über einen engen Weg legte / wordurch der König reiten solte / und mit aufgehobenen Händen bat / er möchte keinen Schritt ferner reiten / ihm auch von des Sinadats eigenem Weibe ein verschlossen Schreiben einhändigte / welches das Geheimnüß der Verrätherey umständlich entdeckte; von welchem sie ihren Ehmann abwendig zu machen nicht vermocht hätte. Hunn entsetzte sich über iedem Worte / weil er die /denen er die gröste Treue zu- und das Hefft seines Reiches anvertraut hatte / unter dem Verzeichnüsse der schlimmsten Verräther fand. Also kehrte er stillschweigend zurücke / ließ ihre Schrifften durchsuchen / und / nachdem er darinnen augenscheinlichen Beweiß fand / selbte an statt des Wildes auf der angestellen Jagt fangen / und denen zwey fürnehmsten Rädelsführern Sinadat und Irenitz die Köpffe abschlagen. Ihr Götter! fing die [784] Königin Erato an zu ruffen /mit was für Empfindligkeit ist dieser Schlag nicht des Sinadats Weibe durchs Hertz gegangen? Hat sie einen Augenblick den Tod ihres Ehmanns überlebt / dem sie eh als der Hencker das Messer an die Gurgel gesetzt? Oder haben die / welche ihre Ehmänner aufrichtiger ließ gewonnen / nicht sie als eine Unholdin / die den Eyd der Treue / und das heilige Band der Ehe zerrissen / verfluchet? Fürst Rhemetalces lächelte / und bat / sie möchte diese Ruhms-würdige Heldin / welcher Pannonien einen Ehren-Krantz schuldig blieben wäre / nicht unverhörter Sache durch ein so strenges Urtheil verdammen. Denn ob zwar die Liebe eines Ehweibes alle andere übertreffen solte / wäre selbte doch dem Mäß-Stabe der Vernunfft unterworffen /ohne welchen alle Tugenden zu Lastern würden. Sie könte ihr Hertz zwar mit keinem Nebenbuhler theilen / aber sie wäre nicht befugt es ihrem Vaterlande zu entziehen; welches über uns mehr Gewalt hätte / als Väter über ihre Kinder / und Männer über ihre Weiber. Der Ehleute Liebe wäre angenommen / des Vaterlands aber angebohren. Ja auch die angebohrne müste des Vaterlands Liebe aus dem Wege treten. Daher hätte Agesilaus zu unsterblichem Nachruhme seinen Sohn Pausanias der Spartaner Fürsten / weil er sein Vaterland dem Xerxes für 500. Talent verrathen wollen / durch Hunger getödtet / seine Mutter aber die Leiche unbegraben weggeworffen. Brutus und Cassius hätten diese Zärtligkeit ihnen aus dem Gemüthe geschlagen / als sie beyde ihre wider das Vaterland aufgestandene Söhne zum Tode verurtheilet; und Fulvius / als er seines Sohnes Kopf springen sahe / gesagt: Er hätte ihn nicht dem Catilina wider das Vaterland / sondern dem Vaterlande wider Catilinen gezeuget. Das Vaterland könte wohl bestehen / wenn ein Geschlechte zu Grunde ginge / dieses aber nicht /wenn jenes fiele. Da nun ihrer so viel ihre selbsteigene Liebe des Vaterlands nachgesetzt / und dessen Wohlstand mit ihren Leichen unterstützet hätten / wie wäre des Sinadats Ehfrau ohne sich der Verrätherey selbst theilhafft zu machen ihres verrätherischen Ehmanns zu schonen / und das gemeine Heil in Grund zu stürtzen berechtigt gewesen? Sintemal ja die Eh ein Verbündnüß der Hertzen / nicht aber der Laster seyn solte. Erato begegnete dem Rhemetalces: Sie gebe gerne nach: daß ein Weib ihren Ehmann von bösen Entschlüssungen abzuleiten bemüht seyn; aber ihn doch nicht selbst angeben solte. So wenig einer sich selbst anzuklagen schuldig wäre / so wenig läge es seiner unzertreñlichen Gefärtin in allem Unglück und zweifelhafften Fällen ob. Calliroe / welche ihres Vaters Lycus abscheuliche Menschen-Opferung ihrem Liebhaber Diomedes entdecket / hätte sich hernach mit einem Stricke erhencket; Bysatia die eben dis von dem Massyler Könige dem Crassus offenbart / ihr die Kehle abschneiden müssen. Also würde sie sich nimmermehr überwinden / aus Liebe des Vaterlandes dem Ehmanne treuloß zu werden / welchen der meisten Völcker Recht über ihre Weiber die Gewalt des Lebens und des Todes zueignet. Adgandester ward ersucht / hierüber den Ausschlag zu geben / aber er lehnte sein begehrtes Urtheil mit allerhand Unterscheidungen der Umbstände ab; wolte des Sinidats Ehweib weder gäntzlich vertheidigẽ noch verdammẽ; vorwendende: Es gebe solche Thaten; welche nach der Eigenschafft der auf dem Lande und im Wasser lebender Thiere gewisser massen zu den Tugenden und Lastern gerechnet werden könten. Jedoch / sagte er /fragte König Hunn nach der Zeit wenig nach ihr; sie selbst brachte ihr übriges Leben mit Einsamkeit hin /ihren Kindern aber nur die Ungenossenheit der nichts minder fallenden Straffen zuwege. Der Skordisker Fürst Thessalor flüchtete sich zum Antigonus / und erhärtete durch sein Beyspiel: daß ein beleidigter Freund mehr als tausend Feinde Unheil stiften könten. Denn nach dem [785] alle Deutschen alle innerliche Unruh gestifftet / die Geten und Treballen gezähmt hatten /wurden sie / und insonderheit Leonor und Luthar lüstern / das verlohrne Macedonien wieder zu erobern. Der König Hunn schickte deshalben zum Antigonus eine Bothschafft / oder vielmehr Kundschaffer die Beschaffenheit Macedoniens auszuspüren; welche Antigonus aufs kostbarste unterhielt / und ihnen seine grosse Gold- und Silber-Klumpen / als die Spann-Adern der Kriege / nebst den Elefanten zeigte. Dis aber /was die Deutschen vom besorglichen Kriege abschrecken solte / reitzte sie nur mehr zur reichen Beute an; zumal die Gesandten berichteten: daß das Macedonische Läger gar nicht befestigt / fahrlässig bewacht würde; das Eisen liesse man daselbst verrostern; gleich als wenn sie durch ihren Uberfluß des Goldes schon genungsam sicher wären. Diesemnach setzten beyde Hertzoge Leonor und Luthar in möglichster Eil über den Fluß Strymon / und eilten dem oberhalb Heraclea geschlagenen Läger zu. Antigonus aber traute nicht der Deutschen Ankunfft zu erwarten / sondern ließ das volle Läger stehen / und flohe mit seinem Heere in das Bertiskische Gebürge / theils in die See-Stadt Arethusa / umb die in dem Strymonischen See-Busem liegende Kriegs-Flotte zu verstärken. Weil nun dazumal in Griechenland die bereit für hundert Jahren geschehene Phaennische Weissagung in grossem Ruffe war: daß die Deutschen in Asien ein mächtiges Reich aufrichten würden; zohen Leonor und Luthar gerade dem Meere zu / überfielen auch die bey Arethusa liegende Schiffe wie ein Blitz. Als aber die Deutschen ihnen von keinem Feinde was mehr träumen liessen / sondern nur in den Schiffen Beute machten; kam die bey Stagira liegende Schiff-Flotte des Antigonus mit vollem Segel angelauffen / und erlegtẽ in den Schiffe beynahe 3000. Tectosager. Nichts desto weniger behaupteten sie etliche 20. Schiffe / mit welchen sie lange auf dem Aegeischen Meere herumb kreutzten / biß sie von denen eroberten Schiffen eine starcke Kriegs-Flotte zusammen brachten; und bald dar bald dort in Asien reiche Beute holeten; insonderheit aber die Attalischen Länder sehr ängstigten. Inzwischen kam König Pyrrhus / nach dem er gute Zeit mit allerhand Zufällen in Italien und Sicilien Krieg geführet hatte / unverhofft in seinem Königreiche Epirus an / zohe zehn tausend deutsche Hülffs-Völcker von denen Skordiskern an sich; und weil ihm Antigonus seiner Vertröstung zuwider kein Volck in Italien zu Hülffe geschickt hatte / fiel er in Macedonien ein. Antigonus ward hierdurch gezwungen mit den Deutschen Friede zu machen / und dem Fürsten Leonor und Luthar jährlich hundert Talent zu versprechen; worgegen sie ihm mit fünf tausend Tectosagern beystunden. Beyder Könige Heere traffen an dem Flusse Aliacmon unter dem Berge Citarius auf einander; und thäten die unter dem Ritter Eberstein auf die Spitze gestellten Deutschen denen Epiroten grossen Abbruch. Als aber König Pyrrhus seine Deutschen auch herfür rücken ließ; liessen die dem Antigonus ohne diß nicht allzu geneigte Deutschen ihre Hände sincken; welche sie nicht in ihrer Landsleute Blut waschen wolten. Hiermit geriethen die Macedonier in Unordnung / und in die Flucht; und es wäre Antigonus / dessen gantzes Heer biß aufs Haupt erlegt ward / selbst nicht entronnen / wenn nicht die Deutschen noch so ehrlich an ihm gehandelt / und ihn / wiewol mit Verlust etlicher hundert tapfern Kriegsleute nach Thessalonich gebracht hätten. Wiewohl nun Antigonus daselbst mit vielem Golde die Deutschen erkauffte: daß sie / iedoch mit der ausdrücklichen Bedingung nicht wider die Deutschen zu kämpfen / denen Epiroten bey Apollonia noch einmal die Spitze bothen; so erhielt doch des Pyrrhus streitbarer Sohn Ptolomeus wider den Antigonus einen so grossen Sieg: daß er nebst sechs Pferden mit genauer [786] Noth entkam / und sich von Argos flüchtete. Gantz Macedonien und Thessalien ergab sich hierauf dem Pyrrhus; weil er aber so wohl der erlegten Deutschen eroberte Schilde in den Itonischen Pallas-Tempel; wie die Macedonischen in des Dodoneischen Jupiters Heiligthum den Deutschen gleichsam zur Verkleinerung aufhencken ließ; zohen des Pyrrhus deutsche Hülffs-Völcker wieder in Pannonien. Worauf denn sein Sohn Ptolomeus in der Stadt Sparta von Weibern erlegt / Pyrrhus selbst aber bey Stürmung der Stadt Argos mit einem Steine erworffen / iedoch sein gefangener Sohn Helenus vom Antigonus frey / und in sein Königreich Epirus gelassen ward. Also machte sich Antigonus durch Beystand der Deutschen nicht nur zum Herren in Macedonien / sondern auch über ein Theil des Peloponnesus. Weil aber Antigonus über dem Uberflusse so vielen Glückes hochmüthig ward / und den Deutschen ihren versprochenen Sold hinterhielt; fielen sie acht tausend starck in Pierien ein. Antigonus / welcher diesen Feind mehr als keinen andern fürchtete / ließ den Spartanern und dem Ptolomeus / mit welchen er damals kriegte / gerne Lufft / und eilte mit allen seinen Kräfften wider die Deutschen / schnitt auch ihnen zwischen dem Flusse Aliacmon und Pharibus den Rück-Weg zur See ab. Weil sie nun gegen einer so grossen Macht ihren Untergang für Augen sahen /ihre bey sich habende Weiber und Kinder nicht in die Dienstbarkeit fallen lassen wolten / rieben sie sich nach vielen Thränen und Küssen durch ihre eigene Schwerdter auf; fielen hierauf mit blutigen Fäusten die Macedonier so verzweifelt an: daß wenn diese ihnen nicht zehnmal an der Zahl überlegen gewest wären; sie schwerlich ihren Sturm ausgestanden hätten. So aber wurden die Deutschen / derer keiner gefangen seyn wolte / biß auf wenige sich in das Citarische Gebürge und von dar in Epirus entkommende /iedoch nicht ungerochen erschlagen; weil der Macedonier über zwölff tausend auf der Wallstadt blieben. Die geflüchteten frischten Alexandern den König in Epirus an / so wohl seines Vaters Pyrrhus Tod / als ihr Unrecht am Antigonus zu rächen; welcher denn mit der Deutschen Zuthat den Antigonus nicht nur Macedoniens / sondern auch des Lebens beraubte. Bald aber drauf wendete sich mit der Deutschẽ hin und wieder fallenden Hülffe das Blat des Glückes /gleich als wenn es mit ihnen im Bündnüsse stünde. Denn durch sie vertrieb des Antigonus Sohn Demetrius ein minderjähriges Knabe Alexandern aus Macedonien und Epirus zu den Acarnanen; die Skordiskischen Deutschen aber setzten ihn bald wieder in sein väterlich Königreich ein.

Unterdessen als ein kleines Theil der Deutschen in Griechenland Kronen nach Belieben nahm und aufsetzte; besti te das Verhängnüß solche in Asien denen tapfern Fürsten Leonor und Luthar aufzusetzen; welche man daselbst recht der Hochmüthigen Schrecken / der Bedrängten Zuflucht nennen konte. Sie hatten sich an dem Ascanischen Flusse und See feste gesetzt / als der König in Bithynien Nicomedes / dessen Groß-Vater wider des grossen Alexanders Feldhauptmann Calantes der Bithynier Freyheit so herrlich beschirmet hatte / von seinen aufrührischen Unterthanen und seinem Bruder Zipetes auf des Königs in Syrien Antigonus Anstiftung sehr bedrängt / und in der Burg zu Prusa belägert; also die Deutschen umb Hülffe an zuruffen genöthigt ward. Hertzog Leonor und Luthar waren mit ihrem Heere zeitlicher in dem Gesichte der Belägerer / als sie es ihnen träumen liessen; weil sie den Fluß Sagar gegen sie starck besetzt hatten. Wie die Deutschen aber diese Besatzung im ersten Angriffe auf die Flucht bracht hatten / also hoben die Bithynier auch über Hals und Kopf die Belägerung auf; welchen aber Hertzog Luthar in die Eisen ging / sie biß aufs Haupt schlug / und sechs tausend gefangen[787] nahm; aus denen Nicomedes die Rädelsführer auslaß /und ihre Köpfe auf die Prusischen Mauern stecken ließ. Sein Bruder Zipetes entran mit genauer Noth übers Meer in Macedoniẽ; welchẽ die Byzantier zwar hernach zu ihrem Heerführer wider seinẽ Bruder-Sohn den König Prusias berufftẽ / aber ihn ehe von seiner Kranckheit erbleichen / als seinen Degen wider sein Blut und Vaterland zücken sahen. Dem Fürsten Leonor und Luthar aber Paphlagonien und die zwischen dem Flusse Parthenius und Halys gelegene Helfte seines Gebietes einräumte; darinnen die Tectosager die Stadt Pessinus / die Trogimer Ancyra / die Tolistobogier Tobia erbauten / und dardurch sich nichts minder als gute Wirthe als streitbare Helden bezeugten. Dieses neue Reich bekam den Nahmen Galatiens / weil die Deutschen in Asien Galater / wie in Griechenland Gallier irrig genennt wurden. Alle Könige in Asien bewarben sich umb ihre Freundschafft / gründeten ihre Hoheit auf ihre Achseln / und die Völcker legten ihre Freyheiten in ihre Armen. Kurtz nach gegründetem Galatischen Reiche entstand nach des Königs in Syrien Antiochus Tode zwischẽ seinẽ Sohne und Nachfolger Seleucus / und dem Könige Ptolomeus in Egyptẽ ein blutiger Krieg / weil jener seine Stiefmutter Berenice des Ptolomeus Schwester mit ihrem Sohne auf Anstiften seiner rechten Mutter Laodice getödtet hatte. Als nun wegen seiner Grausamkeit viel Städte von ihm abfielen / er durch Schiffbruch und eine verlorne Schlacht 2. schwere Niederlagen erlitte /ruffte er seinen Bruder Antiochus Hierax zu Hülffe; und nach dem das Verhängnuß sich entweder an ihm ausgerächet / oder das Unglück ermüdet hatte / also sein ihm vorher gehässiges Volck aus Mitleiden geneigt zu werden anfing / zwang er dem Ptolomeus den Frieden ab. Weil aber Selevcus dem Antiochus das Theil Asiens / das zwischen dem Taurischen Gebürge lieget / und er ihm versprochen hatte / nicht abtreten wolte / zohe dieser mit grossen Vertröstungen die Deutschen oder Galater an sich; durch derer Tapferkeit er seinen Bruder Selevcus aufs Haupt erlegte /also: daß er selbst kaum mit hundert Pferden sich durch einen Fluß rettete; Antiochus sich aber auf der Wallstatt krönen ließ. Wie aber Antiochus den Deutschen den versprochenen Sold zu reichen weigerte /schlugen sie sein Heer / tödteten seinen Feldhauptmann Patroclus / umbringten ihn selbst in seinem Gezelt / und nöthigten ihn solchen zweyfach zu bezahlen. Unterdessen kam das Königreich Bithynien vom Nicomedes auf den Fürsten Zela / bey welchem die alten Wohlthaten der Deutschen schon ihren Geruch verlohren hatten. Daher er das Königreich Galatien nicht mehr als ein Kauff-Geld des erhaltenen Bithyniens / sondern als einen Verlust seiner Krone mißgünstig ansah. Gleichwohl aber hatte er weder Hertze noch Kräfften mit den Deutschen anzubinden; ließ also den Hertzog Luthar unter dem Scheine das väterliche Bündnüß zu verneuern auf die Gräntze einladen. Ihre Zusammenkunfft geschahe auf einer in dem Flusse Sagar liegenden Eylande; ieder hatte nur hundert Edelleute bey sich. König Zela ließ nichts an Pracht und herrlicher Bewillkommung mangeln. Ehe man sich aber zur Taffel setzte / trug man ein Geträncke herumb; darunter diß / was man dem Fürsten Luthar brachte / mit dem ärgsten Gifte angemachet war. Dieser aber hatte wegen schon einmal empfangenen Giftes die Gewohnheit: daß sein Mund-Schencke alles vorher übertrincken muste. Wie nun diese Vorsicht auch dißmal beobachtet ward; fiel er Augenblicks steintodt zu Bodem. Eben diß begegnete einem andern daraus trinckenden Deutschen. Daher denn auf des Fürsten Luthars Winck die übrigen ihre Sebeln blösten / und den König Zela mit fast allen anwesenden Bithyniern in Stücke hieben. Sein Bruder Prusias war froh über der an ihn verfallenden [788] Herrschafft /verdammte des Zela Arglist / und machte so wohl mit dem Fürsten Luthar / als dem in Thracien gebietenden Cavar Freundschafft; welcher ihm die Byzantier so enge: daß sie nicht vor die Stadt-Pforten durfften /einsperren / und hernach einen vortheilhafften Frieden machen halff. Ein viel grösser Ungewitter aber zohe aus dem Attalischen Mysien auff. Denn Phileterus eines gemeinen Mannes und einer Pfeifferin Sohn hatte sich aus einem Stadthalter zum Könige zu Pergamus auffgeworffen / und seine Herrschafft seines Bruders Sohne Eumenes hinterlassen. Dieser sahe denen zwischen dem Selevcus / Antiochus und Deutschen entstandenen Blutstürtzungen mit grosser Vergnügung zu / und zehlte alle ihre Niederlagen unter seinen Gewinn. Wie er nun meinte: daß sich die Syrier und Deutschen genug abgemergelt hätten; und insonderheit diese so wol in dem mit dem Selevcus als Antigonus gehaltenen Schlacht viel erlitten hatten; griff Evmenes den Sieger Antiochus / und die von ihren Wunden noch nie genesenen Deutschen bey Sardes mit einer grossen Macht an; und spielte in dem nach Syrien gehörigen und gleichsam keinen Besitzer habenden Asien allenthalben den Meister. Gleichwohl aber behielten die Deutschen ihre neue Reichs-Gräntzen unversehret; ob schon sonst die noch nicht feste- beraasete Herrschafften leicht zerfallen. Ja Ptolomeus in Egypten / wider welchen der Cyrennische König Magas auffstand / und mit einem Heere in Egypten einzubrechen vorhatte / bath vom Hertzog Luthar vier tausend Deutsche zu Beschirmung seiner Gräntzen aus. Welche seinem Vorzuge einen gewaltigen Streich versetzten; und weil überdiß die Marmariden von hinten zu in Cyrene einfielen / verursachten: daß Magas unverrichteter Sachen von Egypten abzoh. Weil nun dieser tapfferen Leute Wohlthaten grösser waren / als sie Ptolomeus zu bezahlen hatte / konten sie anders nicht als mit Undanck vergolten werden. Die Erkentnüß seiner Schuld gebahr in ihm Haß / dieser aber vermählte sich gleichsam zu seiner Rechtfertigung mit einem wiewohl der Warheit gar nicht ähnlichem Verdachte / samb die Deutschen oder Galater sich Egyptens zu bemächtigen im Schilde führten. Weil nun keine betrüglichere Wegweiser als Argwohn und Ehrsucht sind / setzte er sie auff der Mareotischen See zu Schiffe / und führte sie auff dem Flusse Lycus über den Märischen See den Nil hinauff; ließ sie auff einem oberhalb Thamiat liegenden wüsten Eylande aussteigen / die Schiffe des Nachts heimlich abstossen / und erhungern. Welches aber die Deutschen in Asien nicht ungerochen liessen / sondern den König in Syrien dem Ptolomeus auf den Hals hetzten / und mit Beysetzung ihrer Waffen ihm alle seine Ehrsuchts- Zirckel verrückten.

Der in Asien auffkommende Nahme / und der sich ausbreitende Ruhm der Deutschen diente denen Semnonern und andern in Italien zu einem Vorwand ihre Hände in die Schooß zu legen / und dem sich mit Gewalt auff der Römer Seite schlagenden Glücke zuzuschauen. Denn ungeachtet sie ihnen die Rechnung leicht machen konten: daß durch eintzelen Krieg alle überwunden / und die grosse Last der sieben sich alle Tage vergrössernden Berge sie mit der Zeit auch überschütten würde; so hatten sie doch schon mit Schaden erfahren: daß das Verhängniß denen selbst auff die Zeen trete / welche das Römische Wachsthum zu hindern sich erkühnten; und dahero hielten sie für Klugheit Zeit zu gewinnen / und das ihm zuhengende Verterben noch auffzuschieben. Nach dem nun Hetrurien und Samnis gedemüthigt / Pyrrhus aus Italien vertrieben / Rhegium erobert war / und sich nichts mehr wider die Römer rührte; fingen sie an gegen ausländischer Nachbarn Macht eiffersüchtig zu werden; sonderlich [789] aber stach sie die Stadt Carthago in die Augen; welcher Macht sie rings um sich her / und insonderheit in dem benachbarten Sicilien anwachsen sahen. Weil nun Andacht fast aller Kriege Firnß seyn muß / schickten sie in dem dem Vulcanus zugeigneten Herbst-Monathe einen ihrer Priester mit einer grossen Platte Gold / darauff die Stadt Rom gepreget war /auff den Berg Etna / welcher seiner Höhe wegen die Seule des Himmels genennet wird. So bald sie der Priester in seinen feurigen Kessel warff / ward sie augenblicks verschlungen. In des Vulcanus Tempel aber liessen sie einen güldenen Amboß lieffern / da denn die Hunde den abgeschickten Priester liebkosende bewillkommten / und alle seine Fußstapffen leckten. Weil beydes nun für gewisse Zeichen künfftigen Glücks in Sicilien angenommen ward / fertigten sie den Bürgermeister Appius ab / der belägerten Stadt Messana zu Hülffe. Die Carthaginenser wurden nicht alleine die Belägerung auffzuheben gezwungen / sondern der König zu Syracuse Hiero schlug sich auch zu den Römern; weil der grosse Brunn Arethusa / der auff dem an Syracusa liegenden Eylande Ortygia aus einem Steinfelsen entspringet / eine silberne Schale auffgestossen hatte / auff der gepreget war / wie ein Wolff ein Pferd zerfleischte / welches die Priester in dem darbey stehenden Tempel der Alpheischen Diana dahin auslegten: daß Rom die Stadt Carthago zerstören würde / und also den Hiero sich der Unglückseligen zu entschlagen / und an der Römer Glücks-Bild zu lehnen verursachte. Wiewohl dieses eben so wohl für einen Betrug der Priester gehalten ward; als dieses: daß eine in Arcadien zu Olympia in Fluß Alpheus geworffene Schale / wie auch die Merckmahle von denen daselbst geschlachteten Opffer-Thieren aus diesem Brunnen solten hervor ko en / ja vom Delphischen Apollo selbst dem Archias gerathen worden seyn: daß er da / wo der unter dem Meere unvevmischt durch dringende Alpheus sich mit dem Brunnen Arethusa vermählte / seine angezielte Stadt /nehmlich Syracusen erbauen solte. Wie nun die Carthaginenser derogestalt einen schweren Krieg / dessen Grausamkeit der Berg Etna mit Ausstossung ungewöhnlicher Hartzt und Schwefel-Bäche / mit Abstürtzung zerschmoltzener Stein-Klippen in das vom unterirrdischen Feuer siedende Meer / und das gantze Eyland durch grausame Erdbeben ankündigte /für Augen sahen / hingegen der Deutschen Tapfferkeit nicht nur in der gantzen Welt beruffen war / sondern die Semnoner / welche Brennus dem Könige Dionysius zugeschickt hatte / in denen Sicilischen Kriegen /und die Celten in den Spanischen ihre Tugend genugsam hatten sehen lassen / beschlossen sie so viel Semnoner / Celten oder andere Deutschen / als ihrer möglich auffzubringen wären / in ihre Kriegs-Dienste zu ziehen. Weil nun die zwey Könige der Alemannier Concoletan und Aneroest ihrem zwischen dem Rhein /Meyn und der Donau liegendes Gebiete alle denen Helvetiern zustehende Landschafften zwischen den Alpen und dem Gebürge Jura beygesetzt / die Insubrer und Ligurier aber / welche mit den Maßiliern der Römer Bunds-Genossen in Krieg verfallen waren /ihnen die Städte Antipolis und Nicea abgenommen /und Britomarn der Catten Hertzog wegen seiner Tapfferkeit zu ihrem Könige erwehlet hatten; schickten sie an diese Könige eine Gesandtschafft; und brachten eine ansehnliche Hülffe von Alemännern / Insubrern und Liguriern zuwege / die sie auff dem Rhodan herab / von dar in Sardinien / und endlich in Sicilien nach Agrigent führten; welche Stadt nicht allein ihrer Festung halber / sondern auch wegen allerhand natürlichen Seltzamkeiten berühmt ist / insonderheit wegen des Saltzes / das beym Feuer zerfleust / beym Wasser wie anders von der Flamme zerplatzet / wegen des Brunnen / aus welchem alle / insonderheit [790] aber das fünffte Jahr eine grosse Menge Erde hervor qvillet /und daß daselbst aus einem Felsen des Sommers Wasser / des Winters Feuer springet; ja ein kaum eines Schildes grosser Pful / wenn Badende hineinspringen / sich so weit ausdehnet: daß ihrer wol funfzig darinnen Raum haben / und so wenig Menschen als Holtz untersincken läst. Nach dem auch die Carthaginenser durch ihre Schiffarth mit den Friesern /Chauzen / und Cimbern vertrauliche Freundschafft gemacht / ja den aus Indien vom Sandrcot verjagten /bey dem Ptolomeus Lagida in Egypten / und dem Lysimachus in Thracien unter zu kommen vergebens suchenden Friso / Bruno und Sax mit ihren Schiffen biß an die Weser übergeführet hatten / brachten sie da selbst gleicher Gestalt eine ansehnliche Menge Hülffs-Völcker auff; welche dem überaus bekümmerten Hanno zu Heraclea / wohl zu statten kamen. Denn dieser war halb verzweiffelt; weil wider des Orts Gewonheit seine auff dem Vulcanischen Hügel über Reben-Holtz gelegte Opffer sich von sich selbst entzünden wolten; ja in dem berühmten Oel-Brunnen bey dem Blumen-reichen Berge Gonius das Oel versieg /als es Hanno nach empfangener Weihung zu seinem Gottesdienste schöpffen wolte / und also die Götter ihm ihren Unwillen genugsam zu verstehen gaben /welchen er auch in der That verspürte / indem der die Stadt Agrigent belägernde Posthumius und Manlius seinen Entsatz mit grossem Verlust zurücke schlug. Ihre erste Tapfferkeit erwiesen die Deutschen in der grausamen Belägerung der Stadt Agrigent / indem diese nicht nur durch ihre Tapfferkeit / sondern auch durch ihre Mäßigkeit den Mohren und Siciliern ein Beyspiel die fast unmenschliche Hungers-Noth auszutauern abgaben; auch zuletzt den in Agrigent beschlossenen Hannibal des Nachts mitten durch das Römische Läger mit dem Degen in der Hand glücklich durchbrachten; nachdem die Römer über dreißig tausend Mann für dieser Stadt hatten sitzen lassen. Jedoch wurden ihnen ihre treue Dienste schlecht belohnt. Denn als sie ihren so lang entbehrten Kriegs-Sold forderten / vertröstete sie der Feldherr Hanno: daß er ihnen folgende Nacht der gantzen Stadt Entella reiche Beute zu ihrer Belohnung lieffern wolte; schickte sie auch gerade darauff zu. Inzwischen hatte Hanno durch einen Uberläuffer den Bürgermeister Ottacilius benachrichtiget: daß die Carthaginenser in der Stadt Etellan Verständniß hättẽ / und selbige Nacht sie überfallen würden. Daher wartete Ottacilius mit seinem halben Heere jenen auff den Dienst; umringte sie auff allen Seiten; und erlegte vier tausend tapffere Deutschen / derer keiner von einiger Ergebung hören wolte; noch seine Haut ungerochen verkauffte. Jedoch blieb dieser dreißig tausend Römer schändliche Undanck des Hanno verdrückt / und kamen sechs tausend frische Deutschen unter den Heruler Fürsten Avtarit den Carthaginensern zu Hülffe; welche unter dem Boodes / als er dem Cnäus Cornelius mit der Römischen Schiffs-Flotte in dem Hafen zu Lipara beschloß / alles gefangen nahm; und unter Amilcarn / als er zwischen der Stadt Paropos und denen Himerischen warmen Brunnen vier tausend Römer erlegte. Als auch Atilius Regulus in Africa aussetzte / nach erlegtem abscheulichen Drachen / (dessen hundert und zwantzig Füße lange Haut hernach zu Rom in des Saturnus Tempel gehenckt ward) und nach eroberter Stadt Clupea Adin belägerte / die Carthaginenser aber in dẽ Gebürgen mit ihren Elephanten und Reuterey gar nichts ausrichten konten / und die gantze Last der Römer den Deutschen Hülffsvölckern auff dem Halse lag / übten diese unglaubliche Helden-Thaten aus /und trieben die erste Legion mit grossem Verlust zurücke. Weil sie aber die Africaner allein im Stiche liessen / litten sie ziemlichen Verlust; also: daß sie unter damaligen Heerführern [791] dem Asdrubal / Bostar und Amilcar / nach dem vorher Annibal wegen übel geführten Krieges gekreutziget worden war / länger zu fechten sich weigerten. Dieses verursachte: daß Xantippus / der aus Griechenland mit frischen gewordenen Hülffs-Völckern von Celten und Spartanern ankam / zum Feldherrn erwehlet ward / welcher denn auch durch seine vortheilhafftige Schlacht-Ordnung und der deutschen Tapfferkeit / die an den Spitzen beyder Flügel wie Löwen fochten / und auff der Seite die Römischen Hauffen durchbrachen / biß auff wenige sich nach Clupea flüchtende erlegte / und die / welche nicht in der Flucht von Elephanten und Pferden zertreten wurden / mit dem Bürgermeister Attilius Regulus nach Carthago zum Siegs-Gepränge führte; und also wahr machte: daß auch mit Löwen / wenn selbte einen Hasen zum Führer haben / nichts ruhmwürdiges auszurichten / ein kluger Kopff aber viel tausend Händen überlegen sey. Diese Schlacht jagte den Römern ein solch Schrecken ein: daß sie etliche Jahre sich allezeit nur an bergichten Orten setzen / und mit diesem Feinde nicht in falschem Felde treffen wolten /biß Aßdrubal bey Panormus vom Cöcilius die grosse Niederlage erlidt / und alle seine Elefanten einbüste. Attilius starb hierauff zu Carthago für Betrübnis /nicht aber durch der Feinde Grausamkeit / wie des Attilius ergri tes Ehweib zu Rom fälschlich aussprengte / um ihre unmenschliche Rache / da sie nehmlich den zu ihrer Verwahrung anvertrauten gefangenen Bastar durch Hunger getödtet / Amilcar auch schon das letzte auff der Mühle hatte; der aber durch des Römischen Raths Vorsorge noch kümmerlich erhalten ward / mit etwas beschönigen möchte. Höret aber /wie der Undanck nicht alleine einen ausgepreßten Granat-Apffel auf den Mist wirft / ein satter Mund dem süssesten Qvell den Rücken kehrt; sondern wie nichts gefährlicher sey / als einen durch grössere Wolthaten ihm verknüpffen / als selbtem zu vergelten /entweder sein Vermögen oder seine Gemüthsart erlaubet. Jener Mangel machet einen anfangs schamroth /hernach verrauchet das Gedächtniß durch Vergessenheit. Dieses aber sauget aus einer so köstlichen Frucht das ärgste Gifft / wordurch er seinem Wohlthäter vom Leben hilfft / wormit ieder seiner Anblicke ihm nicht seine Undanckbarkeit stets auffrücke. Bey welcher Beschaffenheit es sich niemanden sicherer Wolthaten erzeigen läst; als dem / der ihren Werth gar nicht zu schätzen weiß / und gegen einem Pfund Ambra ein Loth Saffran zurücke wiegt. Die boßhaften / aber auch zugleich blinden Carthaginenser wurden nicht allein durch diesen glückseligen Streich so hochmüthig / als wenn sie mit diesem Heere allen Römern das Licht ausgelescht / oder die Mohren so viel schon in der Kriegs-Kunst begriffen hätten: daß sie des Xantippus gar wohl entbehren könten; denen abgesetzten Heerführern aber schien es nicht allein verkleinerlich zu seyn: daß der Carthaginensische Adel / und der uhralten Barcken-Sta einem Spartanischen Bürger nachgehen / oder gehorsamen / dieser herrliche Sieg ein Werck eines unedlen Spartaners seyn solte; sondern es wäre auch eine grosse Unvernunfft einem Ausländer das Hefft der Dinge zu vertrauen; dem alle fremde Hülffs-Völcker auff einen Winck zu Gebote stünden / und den ihr eigner Pöfel als einen Abgott verehrte. Dahero stelltẽ sich die Carthaginenser an /als wenn sie mit den Römern einen Frieden schlüssen wolten / beschenckten den Xanthippus und etliche mit sich gebrachte Kriegs-Häupter ansehnlich / gaben selbten sie in Griechenland über zu führen 10. Kriegs-Schiffe zu / den Mohren aber Befehl: daß sie auff der hohen See den Xanthippus mit den seinigen ins Wasser stürtzten; hernach tichtende: daß sein Schiff auff einem Steinfelsen zerborsten wäre. Die Deutschen und andere Hülffs-Völcker wurden hierüber unwillig / und Carthago büste alsbald durch den Verlust der See-Schlacht bey dem Hermetischen [792] Vorgebürge seine Thorheit und Boßheit / ja es wäre schon damals um Carthago geschehen gewest / wenn der Schiffbruch den unvorsichtigen Römern nicht zweyhundert und drey- und siebzig Schiffe mit allem Volck und Vorrathe verschlungen / auch nicht nach eroberter Stadt Panormus ihre Flotte bey der kleinern Syrte auff den Grund kommen / und in der Sicilischen Meerenge ihnen abermals durch Vermarlosung anderthalb hundert Schiffe zu Grunde gegangen wären. Der Alemänner / Friesen / Chauzen / Semnoner und Celten Treue und Tapferkeit ward doch endlich bey der berühmten Belägerung der von dem Grabe der Cumanischẽ Sibylle berühmten Stadt Lilybeum wieder aus Licht gebracht. Denn ob wol die Sibylla dieser festẽ Stadt wahrgesagt hatte: daß so lange sie ihre Asche unversehrt auff heben würden / kein Feind mit Gewalt sie übermeistern würde; so wurde doch dieser Glauben nach und nach sehr vermindert / und in Kleinmuth verwandelt / als etliche Griechen nach langer Gegenwehr und vielem verspritztem Blute alle Hülffs-Völcker zu den Römern aus der Festung über zu gehen beredet hatten / sie auch schon im Läger mit dem Bürgermeister die Bedingungen abhandelten. Allein es war Alexon / ein in Achaien gebohrner Celtischer / und Delmenhorst ein Chauzischer Ritter so redlich: daß sie dem Himilcon solches nicht allein eröffneten / sondern auch nebst dem bey den Deutschen sehr beliebten jungen Hannibal die wanckenden Kriegsvölcker durch grosse Vertröstungen in beständiger Treue erhielten / ja sie zu Niedersebelung derer vom Feinde zurückkommenden Verräther bewegten. Uberdiß war unter den Hülffs-Völckern Strabo ein streitbarer und scharffsichtiger Marckmann / dessen Gesichte von einer Höhe der Stadt Lilybeum biß an das Hermetische Vorgebürge in Africa trug; und denen Kleinmüthigen andeutete: daß er aus selbigem Hafen 50. Schiffe auslauffen sehen. Massen denn auch den dritten Tag der hernach so grosse Annibal Amilcars Sohn mit so viel Schiffen im Angesichte der für dem Hafen liegenden feindlichen Schiffs-Flotte darein glücklich einlieff. Wiewol nun der Ausfall auff des Feindes Belägerungs-Wercke von den Römern behertzt abgetrieben / und Annibal schon nach Depanum dem Adherbal zu Hülffe gezogẽ; ja die Römer den Hafen zu versencken bemühet / und mit ihren Sturm-Thürmen den Belägerten biß ans Hertz kommen waren; nahm doch ein Semnonischer Edelmann die Zeit wahr / da von der Stadt ab gegen das feindliche Läger ein gewaltiger Sturmwind bließ / und gab dem Himilco eine Erfindung an die Hand des Feindes Gebäue einzuäschern. Himilco vertraute die Ausführung dem Erfinder und denen Deutschen / die er ihm selbst auslaß; welche denn umb Mitternacht sich an Stricken über die Mauern liessen / über die Graben schwammen / und ehe der Feind ihrer inne ward / ihre die Mauer weit überhöhenden Thürme an dreyen Orten in Brand brachten. Die von dem Winde auffgeblasene Flamme nahm in einem Augenblicke derogestalt überhand: daß alles Leschen vergebene Arbeit /und diese Gebäue etlicher tausend Römer Holtzstösse und Todtenbahren waren. Himilco that hierauff einen Ausfall / da denn der Wind nicht allein Feuer und Rauch / sondern auch die feindlichen Pfeile den Römern mit Gewalt in die Augen trieb / und so viel Schaden that: daß denen Belägerern alle Hoffnung der Eroberung entfiel / und von Rom zehn tausend frische Römer in Sicilien musten geschickt werden. Der Angeber dieses Brandes erlangte einen köstlichen Siegs-Krantz / und andere kostbare Geschencke; zwey Friesische Edelleute aber / welche den durch Abstürtzung eines abbrennenden Thurmes rings herum mit glüenden Bränden umschütteten Himilco aus dem Feuer und augenscheinlicher Lebens-Gefahr retteten / eben zwey solche Seulen in dem Lilybeischen Tempel der Ceres / wie sie denen 2. frommen Jünglingen [793] Anapius und Amphinamus in dem Cartaneischen Felde auff gerichtet sahen / die Vater und Mutter aus dem feurigen Hartzte des Berges Etna getragen haben. Als die Friesen nun auch in der Seeschlacht bey Drepanum unterm Adherbal sich so tapffer hielten / daß drey und neunzig Römische Schiffe erobert wurden / und Publius mit dreißig Schiffen zur Noth entrann / auch eben diese unter dem Carthalon die für Lilybeum liegende Römische Schiff-Flotte anzündeten / den Bürgermeister Junius aber bey dem Pachinischen Vorgebürge an Strand jagten / und zwey Römische von einander getrennte Kriegs-Flotten / dem Winde und Wellen auffopfferten / ward hinfort sonder der Deutschen Zuthat kein wichtiger Anschlag mehr fürgeno en. Welche denn auch dem kühnen Hamilcar Barca an die Hand gaben: daß der zwischen der Stadt Panormus und Hyccara der Lais Vaterlande dem Berge Ercta an einem festen und fruchtbaren Orte / wovon er mit Schiffen die Italiänischen Küsten täglich unsicher machen konte / zu grossem Abbruch sein Läger schlug /die Römer in grosse Hungers-Noth brachte / welche der Erycinischen Venus Tempel eingeno en hatten /den Aeneas auff dem Gipfel des Berges Eryx gebaut /und darein seinen Vater Anchises nebst der Venus Sohn Eryx begraben hat. Die Römer kamen hierdurch derogestalt ins Gedrange: daß sie dieses Heiligthum /und vielleicht gantz Sicilien verlassen hätten / wenn nicht der wunder würdige güldene Wider / dẽ Dädalus der Venus gegossen / sich Landwerts umgekehrt / und derogestalt die Römer daselbst noch zu bleiben erinnert / hingegen die Tauben / welche von der dar in Gestalt einer rothen Taube vorflügenden Venus jährlich nach Africa nachflügen sollen / ihren Flug gegen Italien verändert / und gleichsam gegen dieses ihre Gunst / gegen jenes ihre Abneigung angedeutet hätten. Das Blat wendete sich auch etliche Tage hernach; indem etliche tausend unter dem Hertzog Narvas streitende / von den Mohren aber übel gehaltene Deutschen zu den Römern übergegangen wären / wodurch denn die Römer nicht alleine aus diesem Gedrange errettet / sondern auch der Abgang dieser tapfferen Leute kurtz hierauff in der Seeschlacht bey Drexana zwischen dem Hanno und Lutetius mercklich gemißet / den Carthaginensern funffzig Schiffe in Grund gebohrt / siebenzig mit zehntausend Mann gefangen wurden; und Carthago derogestalt durch den an Klugheit und Tapfferkeit keinem nachgebenden Feldherrn Hamilcar mit den Römern einen Frieden schlüssen /das fruchtbare Sicilien aber im Stiche lassen muste.

Kurtz erwehnter Fürst Narvas war ein Enckel des Bructerer Hertzogs Narvas / dessen zwey jüngere Söhne theils wegen ihres Brudern Erstgeburt / theils wegen ihres allzu volckreichen Vaterlandes mit seinem Theile Volckes ein fremdes Land zu suchen gezwungen wurden. Der eine Sohn Bagan ließ sich in Gallien zwischen der Schelde und Maaß an dem Flusse Sabis nieder; von welchem die Stadt Bagenheim /von dessen Vater aber das Volk den Nahmen der Närvier hat. Der andere Sohn Estion verdrang ein Theil der Veneter / und bemeisterte sich des Seestrandes an dem Venedischen Seebusem von dem Flusse Chronus und Rubo an biß an den Strom Turnutum; an welchem er nach seines Vatern Nahmen die Stadt Narva erbaute. Nach seinem Tode nöthigte der älteste Sohn Hirus seinen jüngern sechzehnjährigen Bruder Narvas sein Vaterland zu räumen. Dieser junge Held hielt es ihm anständiger zu seyn / bey den Fremden durch Tugend ein Lorberreiß zu verdienen / als seinem Bruder durch Trägheit Uberlast / und seiner Vor-Eltern Reichs-Apffel zum Zanck-Apffel zu machen; dahero segelte er mit etlichen Carthaginensischen Kauffschiffen / welche auff dem Eylande Glaßaria Agstein / den das Meer häuffig an diese Ufer anspielet / einkaufften / nach Carthago. [794] Die Königin Erato fuhr hierüber heraus: was höre ich? Ist Deutschland das rechte Vaterland des edlen Agtsteines? und wird der häuffig im Meerstrande gefunden; welcher in Morgenland den Edelgesteinen vorgezogen wird / zu Rom und in Asien nicht nur ein herrlicher Schmuck / sondern auch eine köstliche Artzney für das Anlauffen der Mandeln und andere Flüsse; ja weil er Stroh an sich zeucht /eben so wohl / als der Magnet ein Wunder der Natur ist? Die Nassauin antwortete: der reine und wohlrüchende Agstein würde nirgends als bey den Gothonen und Estiern an der Ost-See um die Weichsel und den Fluß Rodan gefunden; welchen letztern die Griechen aus Irrthum oder vielleicht deßhalben Eridan hiessen; weil ihren Getichten nach die für den vom Hi el gestürtzten Thränen der Sonnen-Töchter in Agstein solten verwandelt werden. Salonine fing an: Es ist diß Getichte nicht so ungeschickt. Sintemal es zweifelsfrey den Ursprung und die Köstligkeit des Agsteins auszudrücken erfunden / und er hierdurch bey weitem dem Weyrauche / welcher aus des in eine Staude verwandelten Jünglings Libanus Thränen entsprossen seyn soll / fürgezogen worden. Erato versetzte: Es ist freylich diß Getichte geschickter / als des Sophocles und Demonstratus thörichte Meynungen; in dem jener den Agstein für der Indianischen Hennen Zähren hält /dieser aber gläubt; daß er aus dem Harne der Luchse entspringe. Sonst aber ist der Agstein in meinen Augen so schön: daß die ihn gebährenden Bäume von den Deutschen mit Rechte den Arabischen Weyrauch-und Myrrhen-Bäumen / uñ denen Syrischen Balsam-Stauden entgegen gesetzet werden können. Daher in Asien ein Stücke Agstein / darinnen eine Heydechse von der Natur begraben worden war / für etliche Talent / und zu Rom ein kleiner Agsteinerner Cupido theuerer / als schwerlich ein lebender Mensch wäre zu verkauffen gewest / meinem Bedüncken nach nicht zu theuer verkaufft worden. Wie nun die Gräffin von Nassau lächelte / fragte die Königin Erato: Ob sie die Liebe aus Agstein wol oder übel gebildet zu seyn glaubte? Ihrer Einbildung nach hätten beyde mit ein ander eine vielfache Aehnligkeit; indem beyde zum brennen geschickt wären / und einen Magnetischen Zug an sich hätten. Die Gräfin entschuldigte sich: daß sie daran nicht gedacht / sondern nur theils sich über der übermäßigen Kostbarkeit des Agsteins verwundert hätte / welcher bey den Gothonen so gemein wäre: daß sie ihn zum Räuchern und zu den Opffern an statt des Weyrauchs / ja zur Kitte brauchten / auch der Estier Hertzog der Fürstin Thußnelde unlängst ein Stücke dreyzehn Pfund schwer geschenckt hätte; theils aus der Königin Rede eine Billigung des gemeinen Irrthums zu spüren gewest wäre / samb du Agstein ebẽ diß an gewissen Bäumen / was das Hartzt an den Kiefern und Tannen / und das Gummi an den Kirschbäumen wäre. Verhält sichs denn nicht also? versetzte die Königin: daß der fette von gewissen Bäumen ins Meer trieffende Schweiß von dem Meersaltze durchbeitzet und gereinigt / von den Sonnen-Stralen aber gleichsam zu einem durchsichtigen Ertzte gehärtet / und von den Fischern entweder an dem von der See bespielten Strande auffgelesen / oder aber aus gewissen Gräben / darein es das Meer auswirfft / gefischet werde? Die Naßauische Gräfin antwortete: Es wird zwar der Agstein auff solche Arten gesammlet; er ist aber weder der Safft noch das Hartzt / weniger die Frucht eines Baumes / sondern eine Fettigkeit der schwefflichten Erde / welche die Kälte und das Saltz des Meer-Wassers wie der Frost die Berg-Kristallen versteinert; und daher auch diß auff denen zweyen länglichten an der Ost-See in der Estier Gebiete liegenden Eylanden mehrmahls herrliche Marck aus seiner Mutter der Erde gegraben wird. Zeno fügte bey: derogestalt wird nunmehr der zeither verworffene Bericht des Philemons [795] gerechtfertiget: daß der Agstein auch wie Ertzt aus der Erden komme. Allerdings /sagte die Nassauin; aber der gegrabene gleicht dem nicht / den das Meer-Wasser und die Sonnen-Stralen geleutert haben. Zeno nam das Wort von ihr und meldete: Es muß das Meer-Wasser eine wunderwürdige Krafft haben / ungeachtet es sonst / seiner Fruchtbarkeit unbeschadet / so verächtlich gehalten wird. Denn sein Saltz und seine Bewegung bereitet auff gleiche Weise den seines Geruchs halber unvergleichlichen Ambra / welcher / wie ich in Indien selbst wahrgenommen / nichts / als ein von dortigen Fliegen oder Bienen in denen am Meer liegendẽ Steinklüften zusa engetragenes / hernach herunter gefallenes uñ von den Meereswellen ausgearbeitetes Wachs und Honig eben so wenig aber der meisten Meinung nach / als der Agstein eine Baum-Frucht / viel minder Schaum der Meerschweine / oder eine von dem Meere ausgearbeitete Fettigkeit der Erde / noch Mist / gewisser nur köstliche Würtze essender Vögel ist. Vielleicht aber fiel Salonine ein / bat der Agstein in Gallien Hispanien / Britannien und Mohrenland einen andern Ursprung. Die Gräfin versetzte: diese Länder haben zwar etwas / das dem Agsteine gleicht / keines weges aber den rechten ausgeklärten Agstein / welcher nirgends in der Welt als in dem deutschen Gebiete der Gothonen und Estier gefunden / daselbst seiner Durchsichtigkeit halber Glaß genennt / von dar nach Carmut / und folgends in Italien / Griechenland und Asien gebracht wird. Seinen ersten Werth aber haben ihm die Carthaginenser gegeben / welche ihn mit ihren Schiffen in Africa brachten; woraus vielleicht der Ruff kommen: daß in Mohrenland an dem Orte /wo Phaethon umkommen / des Ammons Wahrsagung und das Wachsthum des Agsteins zu finden sey. Adgandester bestetigte diß / und fuhr in seiner Erzehlung derogestalt fort: Als Narvas auff eben solchen Schiffen nach Carthago gebracht ward / führte gleich diese Stadt mit dem Könige Agathocles dem berühmten Töpffer-Sohne / von welchem / als er noch in Mutter-Leibe war / Apollo wahrgesagt hatte: daß er in Sicilien und Africa groß Elend stifften würde / Krieg. Dieser war zwar mit genauer Noth aus der belägerten Stadt Syracuse entronnen / und mit einem Theile seines Heeres in Africa kommen / hatte die Städte Magna und Tunis unversehens eingenommen / und eingeäschert; und Hanno war mit etlichen tausenden theils durch Agathocles List / indem er bey währender Schlacht eine Menge Nacht-Eulen / als ein Siegs-Zeichen der Griechen flügen lassen / theils durch des andern Feldherrn Bomilcars verrätherisches Weichen erschlagen / viel Städte und Festungen in Africa erobert; ja auch ihr Heer / welches Syracusa belägerte /von Antandern des Agathocles Brudern unversehens aufgeschlagen / und der Feldherr Amilcar / des Giscons Sohn / lebendig gefangen / hernach zu tode gepeinigt worden. In diesem Gedränge war Carthago /als das Schiff / auff welchem der junge Fürst Narvas war / in den Hafen lieff; welchen aber die Meyneidischen Kauffleute unterweges als einen Gefangenen gebunden hatten / und aus Begierde eines schnöden Gewiñes des Bomilcars Gemahlin für einen Knecht verkaufften / um selbten für die Wolfarth ihres noch nicht in die Stadt zurücke gekommenen Ehherrns dem Saturnus auffzuopffern; dessen ertztenes Bild mit zweyen Antlitzern / unter sich gestreckten Armen die ihm darauff gelegten Menschen unter sich in einen glüenden Schmeltzofen abstürtzet; und also hier von diesem grausamẽ Abgotte / mit welchem doch die Vorwelt nur die sich selbst verzehrende Zeit fürgestellet hat / in Warheit abgebildet ward: daß er seine Kinder fresse. Folgenden Tag aber rückte Agathocles mit seinen beyden Söhnen Archagathus und Heraclidas gar für Carthago; und ein Grieche ritt mit dem blutigen Kopfe Amilcars biß unter den Wall den Feinden selbten recht eigentlich [796] zu zeigen / welches die Behertzten auf die Mauern die Kleinmüthigen aber in die Tempel trieb / von ihren Göttern Hülffe zu bitten. Die blutdürstigen Priester der Saturnus und Hercules aberschrieben die Ursache alles Elendes der kaltsiñigen Andacht zu / indem sie ihrem Hercules nach Tyrus in vielen Jahren keine Zehnden geschickt / dem Saturnus aber keine Kinder / oder doch nur ungeartete uñ Fremdlinge geopfert hattẽ. Weil nun erschrockene Gemüther leichte zum Aberglauben bewegt werden /füllten die Frauen mit ihren güldenen Geschmeiden /Perlen / und Edelsteinernen Ohrgehencken ein ziemlich Schiff voll / und schickten es noch selbigen Tag nach Tyrus. Drey hundert edle Geschlechter brachten freywillig so viel ihrer Söhne in den Tempel des Esculapius zum Saturnus-Opfer. Der Pöfel aber / welcher beym Unglücke zugleich verzagt und grausam wird / war noch grausamer / als dieser Mord-Geist. Denn er nöthigte noch zwey hundert edle Häuser; und unter selbten auch Bomilcars eines ihrer Kinder zum Opfer herzugeben. Wiewohl nun Bomilcar nur einen einigen Sohn hatte / muste er doch in einen sauren Apfel beissen / und lieber seinen Sohn als den Schein des Vaterlandes missen. Aber seine Gemahlin Hipsicratea konte es nicht übers Hertze bringen sich eines so unschätzbaren Pfandes zu berauben. Daher nahm sie den gekaufften Fürsten Narvas / schnitt ihm seine schneeweisse Haare ab / und erstattete selbte durch falsche schwartz-gekräuselte; schmierte sein Antlitz und gantzẽ Leib mit allerhand färbendẽ Kräutern und Sesam-Oel ein: daß ihn nunmehr die braunen Africaner / nicht aber die weissen Estioner für ihr Lands-Kind annehmen konten. Welches der dienstbare Narvas / dem Hipsicratea hiebey auf alle ersinnliche Weise liebkosete / auch ihn anders nicht als ihren Sohn nennte / desto williger vertrug; weil er ihm nicht träumen ließ: daß man ihn zu einer so abscheulichen Abschlachtung mästete. Wie nun die besti te Zeit erschien / fuhren die Mütter auf köstlichen von Maul-Thieren gezogenen Sieges-Wagen mit ihren in ascherfärbichten Silber-Stücke gekleideten / und mit Cypressen / welche mit Quicken / Jaspissen und Topassen umbwunden waren / gekräntzten Söhnen gegen Mitternacht in den von allerhand Paucken und Saiten-Spielen bebenden Tempel / und also auch Hipsieratea mit ihrem aufgeputzten Narvas / den sie überredete: daß sie in dem Heiligthume die Banden seiner Dienstbarkeit auflösen / und wahrmachen wolte: daß er an ihr eine natürliche Mutter überkommen hätte. Das Kinder-Opfer gewan nicht nur im Angesichte des grossen Rathes / sondern ihrer selbsteigener Väter den Anfang / und die Mütter musten mit lachendem Munde ihre Söhne selbst dem fressenden Saturnus auf die Armen legen / oder vielmehr ihr Mutter-Hertze in einen giftigen Höllen-Pful verwandeln / und ihre Hände den Werckzeug der unempfindlichsten Hencker übertreffen. Der behertzte Fürst Narvas wuste anfangs nicht / was mit so viel edlen Knaben gespickt ward / ob er schon von ferne beym Abfall eines oder des andern einen feurigen Strahl aufschiessen sahe /biß ihm die bey etlichen Kindern aus den Augen rinnende Thränen die Sache verdächtig machten. Es waren ihrer wohl schon 200. von dem zerschmoltzenen Bley verschlungen; als die Reye an ihn kam / und die Opfer-Knechte ihn binden / und Hipsicrateen in die Hände liefern wolten. Er erblickte aber den feurigen Pful / sprang also zurücke / und als die Opfer-Knechte ihn gleichwohl antasten wolten /zohe er einem edlen Carthaginenser die Sebel aus der Scheide / und stellte sich zur Gegenwehr. Hipsicratea ward hierüber überaus verwirret / und das zuschauende Volck wendete nunmehr die Augen auf Bomilcarn / was selbter bey Entweihung dieses Opfers gegen seinem widerspenstigen Sohne entschlüssen würde. Denn ihm lag nunmehr vermöge der väterlichen Gesetze [797] ob / selbst an sein Kind Hand anzulegen. Bomilcar / welcher selbst nicht anders wuste / als Narvas wäre sein rechter Sohn / stand hierauf von dem Altare des Esculapius / für welchem er kniete / auf / umb dem Gottes-Dienst sein Recht zu thun; und das Gethöne verwandelte sich auf gegebenes Zeichen in ein tieffes Stillschweigen. Wie nun Bomilcar den Fürsten Narvas anredete: Mein Sohn / wilst du dem Willen der Götter und deiner Eltern widerstreben? Wilst du dein Vaterland lieber / als deinen ohnmächtigen Leib eingeäschert wissen? Narvas versetzte: Verrätherey hat mich zwar zu deinem Knechte / nicht aber zu deinem Sohne gemacht; und meine eigene Sprache zeiget: daß ich Carthago für mein Vaterland nicht; zu rühmen habe. Hiermit rieß er die falschen Haare vom Kopfe / streiffte den güldenen Rock von der lincken Schulter ab / und zeigte unter dem Arme einen Fleck der weissen Haut / zum Kennzeichen: daß sein Leib nur wäre angefärbt worden. Bomilcar verstu te / und sahe nur die gleichsam in einen Stein verwandelte Hipsicratea an. Das Volck aber ward gegen Bomilcarn und seine Gemahlin überaus erbittert /rannten zum Theil in seinen Pallast / und schleppten seinen Sohn Imilco in Tempel; welchen die unglückselige Mutter nunmehr nicht so wohl fürs Vaterland /als für den Vater und sich selbst aufopfern muste / da sie nicht von den Klauen des erbosten Pöfels wolten zerfleischet werden. Das Opfer ward hierauf vollendet / Fürst Narvas aber auf Befehl des Rathes im Tempel verwahret; welcher / als er auf den Morgen sich für dem Rathe rechtfertigte / und durch Einziehung seiner Verkäuffer sein Zustand entdecket war / nicht allein auf freyen Fuß / sondern auch in der Stadt Krieges- Dienste kam. In die Stadt kamen hingegen täglich schlimmere Zeitungen / wie nemlich Agathocles die Neustadt und Adryneet / ja wohl zwey hundert Städte erobert / mit dem Numidier Könige Elymas wider Carthago / welche zeither gantz Africa gedrückt und sich also verhaßt gemacht hatte / in ein Bündnüß getreten / auch mit einem Theile des Heeres biß in das innere Libyen gedrungen wäre. Wiewohl nun hierauf den Carthaginensern sich ein Sonnen-Blick zeigte /indem Agathoclens Heer / weil sein Sohn Archagathus einen tapferen und beliebten Kriegs-Obersten Lyciscus / der ihn ungebührlichen Zuhaltens mit seiner Stiefmutter Alcia beschuldigte / ermordet hatte /einẽ Aufstand machte / und den König / weil er seinen Sohn zur Straffe aushändigen wolte / in der Feinde Hände zu liefern vor hatte / so verwandelte sich doch selbter bald wieder in eine Donner-Wolcke. Denn /als Agathocles für dem gantzen Heere den Purpur ablegte / die Priester-Mütze / welche er an statt einer Königlichen Krone zu tragen gewohnt war / zu ihren Füssen warf / eines gemeinẽ Kriegs-Knechtes Kleid anzoh / und durch selbsthändige Hinrichtung seiner Gefängnüß fürko en wolte / ließ das vorhin wütende Volck durch den Aufruhr / wie das stürmende Meer in dem weichen Sande von seinem Brausen ab / und nöthigte ihn / sich der Königlichen Würden wieder anzumassen / verdiente also von ihnẽ aufs neue wieder gefürchtet zu werden / weil er für ihrem Dräuen und dem Tode selbst keine Furcht hatte. Rhemetalces fiel hier ein: Es wäre bey äuserster Gefahr kein besserer Rath als die Verwegenheit / sonderlich bey dem gemeinen Volcke / welches für allen Mittel-Dingen ein Grauen hat / und von dem äusersten Ende frecher Grausamkeit bey einer unvermutheten Entschlüssung zu der Erbarmnüß und Dienstbarkeit verfällt / gleich als wenn die Schamröthe über ihr Verbrechen anders nicht als durch übermässige Demuth vertilget werden könte. Und daher habe auch einer seiner Vorfahren Antigonus König in Macedonien durch ebenmässige Wegwerffung der ihn vom Volcke angefochtenen Krone nicht nur selbte / sondern auch die Bestraffung der Aufwiegler erhalten. Ja / sagte Adgandester / und Agathoclens Heer bemühete sich von Stund an durch[798] Tapferkeit ihre Scharte auszuwetzen. Massen sie denn die Carthaginenser / welche aus Sicilien mit etwas waren verstärckt worden / und den König Elymas durch Geschencke und Vertröstungen wieder auf ihre Seite brachten / aus dem Felde biß in das Läger unter die Stadt trieben / den König Elymas aber mit einem seiner Söhne und ansehlichem Heer erschlugen. An diesen Unglücken war es noch nicht genung; denn sie hengen meist wie die Ketten-Glieder an einander. Es kam in die Stadt Zeitung: daß Aphellas / der ein gewesener Kriegs-Oberster des grossen Alexanders gewest war / und anfangs das Königreich Cyrene dem Tyrannen Thimbro aus den Händen gewunden / dem Könige Ptolomeus unterthänig / hernach aber sich aus einem Unter-Könige zu einem eigenmächtigen Herren gemacht / mit den Atheniensern sich verbunden / von dar eine Enckelin des berühmten Miltiades Euthydica geheyrathet hatte / mit einem mächtigen Heere von Cyrenern und Griechen durch Marmarica dem Agathocles zu Hülffe im Anzuge wäre. Weswegen von Carthago ein ziemliches Heer gegen der Stadt Leptis so wohl dem Aphellas fürzubeugen / als die Abtrünnigen Numidier wieder an sich zu ziehen abgeschickt war. Bey dieser Gelegenheit entschloß sich Bomilcar eines gefährlichen Vornehmens / als welcher nicht allein lange Zeit sich zum Ober-Herren der Stadt Carthago zu machen im Schilde geführt / sondern auch die abgezwungene Opferung seines einigen Sohnes zu rächen beschlossen hatte; er hatte fünf hundert Bürger /und zwar meistentheils die / derer Kinder auch wider Willen waren geopfert worden / wie auch tausend geworbene Kriegsleute auf seine Seite bracht / mit diesen nahm er früh morgens den grossen Marckt ein /erklärte sich daselbst für einen König / ließ hierauf alle auf den Strassen ungewaffnet befindliche Bürger niederhauen. Wie nun aber die Stadt verstand: daß kein ausländischer Feind / sondern Bomilcar derogestalt wütete / grieffen die Bürger / und zwar der dem Hause des Bomilcars / gehässige Fürst Narvas am ersten zun Waffen / führte auch selbte so behertzt an: daß diese Aufrührer zerstreuet / und Bomilcar / welchen Narvas selbst mit einem Spiesse in die Seite verletzte / lebendig gefangen ward. Folgenden Tag ward Bomilcar auf dem Marckte / als dem Schau-Platze seiner Würden und Verbrechens an ein Creutze genagelt / welches er behertzt erduldete / und der Zuschauenden Menge beweglich zuredete: daß ihn die Grausamkeit ihrer blutigen Opfer und ihr Undanck gegen wohlverdiente Helden zu solcher Entschlüssung gebracht hätte; indeme er wahrgenommen: daß nach dem sie ihn seines einigen Sohnes beraubet / es ihm nicht besser gehen würde / als dem Hanno / welchẽ sie aus blossem Argwohn angemaßter Oberherrschaft getödtet; oder dem unschuldig vertriebenẽ Gisgo /und denen zweyen Amilcarn / derer einem sie verläumderisch beygemessen: daß er mit dem Agathocles unter dem Hute spielte; den andern gleichsam aber gezwungen hätten: daß er bey vernommener Flucht seiner Völcker sich selbst in sein eigenes Opfer-Feuer lebendig gestürtzet. Ob sie ihn nun hernach vergöttert /wäre doch biß ein merckwürdiges Beyspiel: daß sie die Güte einer Sache allererst nach ihrem Verluste schätzten; der Tugend aber im Leben Spinnen-feind wären. Wie aber diß alles bey vergällten Gemüthern wenig Mitleiden schaffte; also kam der noch junge Fürst Narvas in grosses Ansehen seiner Tapferkeit halber. Inzwischen war König Aphellas den Carthaginensern schon zuvor / und in Agathocles Läger ankommen / daselbst zwischen beyden grosse Verträuligkeit gemacht / und des Agathocles Sohn Heraclidas vom Aphellas zum Sohne angenommen worden. Weil aber dessen sein Absehn und Bündnüß dahin ging: daß Agathocles sich mit Sicilien und einem Stücke Italiens vergnügen / gantz Africa aber des Aphellas Beute seyn solte; überredete zu gelegener Zeit / als das Cyrenische Heer theils auf der Fütterung aussen /theils in der Ruhe war / [799] Agathocles sein Heer: daß Aphellas ihm mit Gift nachgestellet hätte; worauf die Cyrener alsofort überfallen / Aphellas getödtet / die meisten aber sich unter die Sicilier unterzustellen gezwungen wurden. Mit diesem vereinbarten Heere rückte er für Utica / und nahm selbtes stürmender Hand ein; weil die Belägerten ihre an die Spitzen gestelllen Mit-Bürger und Bluts-Freunde / die Agathocles vorher gefangen bekommen hatte / zu beleidigen eine lange Zeit anstunden / also durch eine unzeitige Barmhertzigkeit die gantze Stadt ins Verterben stürtzten. Hierauf ergabe sich des Agathocles Sohne Archagathus / und seinem Feldhauptmanne Eumachus die grosse Stadt Tocas / Phellnia / Moschala / die Pferde-Burg / und Acris mit einem grossen Theile Numidier und Asphodeloder. Und es wäre alles vollends von den Siciliern überschwemmet worden / wenn nicht Fürst Narvas / welcher inzwischen in die Stadt Miltine mit einem Theile Celten zur Besatzung war gelegt worden / den hochmüthigen Feind mit überaus grossem Verlust abgetrieben hätte. Dieser glückliche Streich / und achtzehn aus Hetrurien mit Semnonischen und Bojischen Hülffs-Völckern ankommende Schiffe versetzte gantz Africa in einen andern Zustand / und ermunterte die Carthaginenser: daß sie mit dreyen Heeren gegen ihre Feinde aufzohen. Darunter das mitlere unter dem Hanno den Sicilischen Feldhauptmann Eschrion erlegte; das äuserste aber führte Imilco gegen Numidien. Wie nun Eumachus gegen selbtes anzoh / rieth der darzu kommende Fürst Narvas / er solte die Helffte jenes Heeres unter ihm zum Hinterhalte lassen / und bey Zeite sich anstellen / als wenn er die Flucht nehme. Als nun hierauf Eumachus den mit Fleiß weichenden Imilco unvorsichtig verfolgte /fiel Fürst Narvas mit der andern Helfte des Heeres dem Feinde in den Rückẽ / und machte eine so grosse Niederlage: daß von drey und zwantzig tausend Mann Fuß-Volck mehr nicht als dreissig / und von acht hundert Reitern nur viertzig davon kamen. Mit dem dritten Heere schnitt Artabas dem Feinde an der Seite gegen das Meer alle Zufuhr ab. Endlich als in dem Mohrischen Lager bey ihrem Opfer ein heftiger Brand entstand / und viel Carthaginenser verzehrte / kam des Nachts in der Sicilier Läger ein unvermuthetes Schrecken: daß sie alle die Flucht ergriffen / und hierüber wohl viertzig tausend Mann einbüßten. Welches den Agathocles so verzweifelt machte: daß er heimlich entwiech / und seine Söhne im Stiche ließ / welche das Kriegs-Volck ermordete / den Carthaginensern alle eroberte Städte verkauffte / und sich selbst grossen Theils in ihre Dienste begab. Fürst Narvas aber gerieth inzwischen in einen kläglichen Zufall; denn als er nach erobertem Siege wider den Eumachus dem noch feindlichen Könige der Numidier und Mohren Ergamenes einfiel / dieser aber mit Fleiß den Narvas biß in die innersten Sand-Wüsteneyen verleitet hatte / besetzten die Mohren alle Pässe; also: daß die Carthaginenser / welche schon die Helffte theils vom Durste / theils von Schlangen verlohren hatten / dem zehnmal stärckern Heere des Ergamenes nur die Stirne bitten musten. Die Verzweifelung zwang ihnen ungläubliche Helden-Thaten ab / und fügte den Mohren nicht geringen Schaden zu / indem keiner ungerochen starb; endlich aber ward die Menge doch ihr Meister /Fürst Narvas nach zwantzig empfangenen Wunden gefangen / und mit etlichen wenigen Semnonern und Celten nach Cirtha gefangen bracht / endlich gar nach Meroe geführt. Zu ihrem grösten Unglücke hatten diese in der Schlacht zwey Affen umbbracht / welchen die Numidier und Pithecusier / so wie die Egyptier den Hunden Göttliche Ehre erweisen / und sie als ihre Helffer in alle Schlachten mit nehmen; die aber / welche sich an ihnen vergreiffen / unnachläßlich am Leben straffen. Die Gefangenen wurden von den Numidiern und Mohren zwar wohl gepflegt / aber zu ihrem Tode; welcher ihnen denn auch angesagt ward.[800] Zu welchem Ende sie den Tag vorher der Gewohnheit nach an die Stadt von beyden Seiten berührenden Nil-Strom geführet wurden / sie daselbst abzuwaschen. Narvas / welchem der Kerckermeister in geheim aus Erbarmnüß vertraut hatte: daß sie auff den Morgen solten von grimmigen Affen / welchen man die Gefangenen zu opffern pflegte / zerrissen werden / nahm die Gelegenheit in acht / und entschwam seinen Hütern über den wol eine halbe Meile breiten Fluß. Ob nun wol iederman verzweiffelte: daß er es das andere Ufer zu erreichen schaffen würde / so entkam er doch aus dem Wasser und durch einen blossen Zufall in den an dem Ufer liegenden Königlichen Garten; als die Königin Elisa ihre Tochter Andraste / und ihr Sohn der junge Fürst Syphax gleich daselbst frische Abendlufft schöpffte. Sie hatten dem schwimmenden Narvas lange von ferne zugesehen / als sie einen so schneeweissen Wassermann aus dem Flusse steigen sahen; welcher aber für Müdigkeit so viel Kräfften nicht hatte ihre Frage / wo er dahin käme / zu beantworten; biß König Ergamenes selbst auch darzu kam / und Fürst Narvas für einen Gefangenen erkennt / also auf inständiges Anhalten eines blutbegierigen Affen-Priesters wieder gefangen in die Stadt geführet / und auf den Morgen in den grausamen Mord-Tempel zum Opffer geführet ward. Im hingehen drückte ein Numidier ihm eine kleine Schachtel in die Hand; welche Narvas bey der ihm verstatteten Entkleidung eröffnete; und darinnen nebst etlichen eingebisamten Kugeln dieses zu lesen fand: Die / welche an unschuldiger Aufopfferung einer liebens-würdigen Schönheit ein grosses Mißfallen hat / übersendet dir ein sicheres Mittel aller Affen Zähne und Klauen stumpff zu machen. Narvas wuste nicht / ob er dieser Nachricht Glauben zustellen / oder dieses ihm gleichsam vom Himmel gefallenen Mittels sich bedienen solte. Wie nun aber er in den Schauplatz / welchen der gantze Königliche Hoff / und eine unglaubliche Menge Volck anfüllte / gebracht / die hungrigen Affen auch /welche mit ihren Gebehrden ihre Blutbegierde genungsam entdeckten / aus ihren gegitterten Kefichten gebracht waren / und sie also grimmig auf ihn zurennten / schüttete Narvas unvermerckt die Kugeln an Erdboden; nach welchen die Affen Augenblicks schnapten / hierüber aber einander so grimmig in die Haare fielen: daß derer etliche zwantzig todt auff dem Pflaster liegen blieben / die übrigen aber so verwundet und abgemattet waren: daß Narvas zu grosser Verwunderung des Volckes / und Verbitterung der Abgöttischen Priester unversehret blieb. Die Tunckelheit des Ortes hatte diese Zanckkugeln aller Zuschauer Augen verborgen; und also urtheilte nicht nur das Volck / sondern der König selbst: daß die Götter an dem Tode dieses schon zweymal wundersam erretteten Menschen ein Mißfallen haben müsten; daher wolte er den Priestern kein Gehöre mehr geben; welche unter dem Scheine der Andacht seine Hinrihtung so eifrig suchten. Dieser Verhindernüß legten die nach und nach einlauffenden Zeitungen ein groß Gewichte bey: daß Carthago nicht nur wieder allein Meister in Africa worden / sondern des Agathocles Feldhauptmann Pasiphilus in Sicilien wider ihn aufgestanden wäre / und zum Dinocrates zum Haupte derer von Syracuse vertriebenen Bürger sich geschlagen hätte. Endlich hielt den Ergamenes von aller grausamen Entschlüssung eine Botschafft der Stadt Carthago zurücke / welche dem Fürsten Narvas und etlichen noch übrigen Gefangenen und völlige Freyheit erbat / und das alte Bündnüß mit Carthago wieder befestigte. Die Affen-Priester wurden hierüber so erbittert: daß sie dem Könige durch einen schlechten Boten anbefehlen liessen: Er solte sich alsofort selbsthändig hinrichten. Denn diese Gewalt zu befehlen hatten von Alters her die Mohrischen Priester über ihre Könige. Ergamenes [801] aber ergrimmte über dieser Vermessenheit so sehr: daß er den unverschämten Boten durchstach / mit gewaffneter Hand zu dem gantz güldenen Tempel eilete / alle Priester tödtete / sich zum obersten Priester erklärte und einen gantz neuen / der Königlichen Herrschafft besser anständigen Gottesdienst aufrichtete. König Ergamenes führte hierauf die Gesandten und den Fürsten Narvas auf eine Elefantẽ-Jagt / in eine mit eitel Oel- und Myrthen-Bäume bewachsene Wildnüs gegen dem Flusse Nubia / auf welcher Fürst Narvas das Glücke hatte / nicht allein einem Elefanten /der den König nach empfangener Wunde mit samt dem Pferde zu Bodem rennte / unter dem Schwantze einen Wurfspieß in Leib zu jagen / sondern auch einer Schlange Minia / welche auch einen Hirsch zu tödten und zu verschlingen mächtig ist / auch dißmal die mit ihrem Pferde bey Verfolgung eines Elefanten in einen Graben stürtzende Fürstin Adraste schon umwunden hatte / den Kopf abhieb / also beyde aus augenscheinlicher Todes-Gefahr errettete. Bey welchem Zufalle Adraste dem Fürsten Narvas eröfnete: daß sie ihm aus Erbarmnüß die von Panterthieren ausgezogene Bisam-Kugeln / welche nicht nur die Affen durch ihren annehmlichen Geruch bethörten / sondern auch die Schlangen tödteten / heimlich hätte zuschieben lassen; Fürst Narvas hingegen ihr seine inbrünstige Liebe / welche ihn bey ihrem ersten Anblicke eingenommen / bey itzt vernommener Errettung aber ihn völlig bezaubert hätte / eröfnete. Adraste wuste ihre Liebe durch ihre Mutter Elisa auch so klüglich einzurichten: daß Ergamenes selbst seine Tochter Adraste dem Fürsten Narvas nebst dem Königreiche Massesyler anbot. Die Priester der Stadt Mulucha aber / welche daselbst / wie zu Argib / den Erretter der Andromeda Perseus göttlich verehren / schickten nach vernommener behertzter Erlösung Adrastens alsbald an den Fürsten Narvas / und erklärten ihn bey Uberreichung einer güldenen Mütze / eines helffenbeinernen Stabes / und eines ertztenen Schildes / worauf die an den Felsen bey Joppe gebundene Andromeda / und der ihr zu Hülffe kommende Perseus künstlich geetzet war / zu einem Priester des Perseus und Andromedens. Wiewol nun diese unvermuthete Würde dem Fürsten Narvas anzunehmen ziemlich bedencklich war / so dorffte er doch in dem Lande / wo er nunmehr den Grundstein seines Glückes zu legen vermeinte / diß / was bey iederman in so grossem Ansehen war / nicht verächtlich wegwerffen. Inzwischen kam der gantze Hof nach der Stadt Nigira / (welche an dem See / wo der achzehn Meilweges unter der Erden gekrochene Fluß Nigir wieder hervor kommt /gelegen ist /) allwo das Hochzeit-Feyer mit grosser Pracht und Frolocken des Volckes vollzogen ward. Wie nun aber Fürst Narvas seiner Braut in dem zum Beylager besti ten Zimmer mit höchstem Verlangen erwartete / sagte ihm einer seiner Vertrauten: daß die Priester sie für etlicher Zeit in den Tempel der Derceto abgeholet hätten; weil alle / und so gar die Königlichen Bräute daselbst ihre Jungfrauschafft denen Priestern aus einer besondern Andacht aufopffern müssen. Narvas ward über dieser thörichten Zeitung halb rasend / er grief daher sein Schwerd / und rennte mit seinem einigen Ansäger durch die stockfinstern Gassen dem Tempel zu; allwo er die in Thränen schwimmende und aus einer Ohnmacht in die ander fallende Adraste unter den Armen der geilen Priester antraf; welche sie zu entkleiden / und hernach in das daselbst bereitete heilige Bette zu legen bemüht waren. Diese Weichlinge wurden des Fürsten ehe nicht gewahr /biß er dem einen die vorwitzige Hand abgehauen / des andern Brust durch und durch gestochen hatte. Dieser Anblick zerstreute in einem Augenblicke die Priester; und verstattete dem für Eifersucht schäumenden Bräutigam seine halb verzweiffelte Adraste durch den Garten der Burg unvermerckt in sein Gemach zu bringen. Er hatte aber kaum etliche mal seine wieder zu sich kommende Braut umarmet / als sich für der Burg [802] anfangs ein Geräusche / hernach ein ie länger ie mehr wachsendes Getümmel des Volckes mit unzehlbaren Windlichtern spüren ließ. Kurtz hierauf kam König Ergamenes und die Königin Elisa gantz erblast ins Zimmer / berichteten den Aufruhr des Volckes; und daß sie wegen Beleidigung der Priester und der alten Sitten in höchster Lebensgefahr schwebten. Nach langer Berathschlagung und einlauffendem Berichte: daß der rasende Pöfel schon das eine Thor des Hofes aufgewogen / und man also keine Ausflucht mehr zu finden hätte / setzte Narvas die zu Thirmida bekommene güldene Mütze auff / nahm den Helffenbeinernen Stab in die rechte / den Schild der Andromeda in die lincke Hand; gürtete aber sein Schwerd unter seinen Purpur-Mantel / und trat in Begleitung wol 100. Wachsfackeln an der innersten Pforte dem Volcke entgegen. Diese unverhoffte Begegnung hemmete den ersten Sturm des Volckes; als er aber ihnen noch ferner einhielt / durch was Verdienste er die Würde des Priesterthums erworben; mit was Unrechte ihm derogestalt die Priester seine Braut entführet; mit was Aergernüsse sie ihre Geilheit unter dem Scheine der Andacht bekleideten / und die Blüten der Jungfrauschafften denen keuschesten Seelen wegraubten / verwandelte das leicht bewegliche Volck nicht alleine ihre Raserey in jauchzende Glückwünsche / sondern sie brachten es auch dahin: daß denen unzüchtigen Priestern dieses schandbare Vorrecht durch ein Reichs-Gesetze abgeschafft ward. Fürst Narvas aber lebte in höchster Vergnügung mit seiner tugendhafften Gemahlin / übte wider den feindlichen schwartzen König grosse Heldenthaten aus / erweiterte sein Massesylisches Königreich durch kluge Krieges- und Friedens-Künste / zeugte mit Adrasten drey tapffere Söhne /Narvas / Gala / Desalces / und erfüllte gantz Africa mit seinem Ruhme.

Dieser junge Fürst Narvas begab sich im siebzehnden Jahre seines Alters in der Stadt Carthago Kriegsdienste; brachte sich auch durch seine Tapfferkeit nach kurtzer Zeit in solches Ansehen: daß er in Sicilien zum Obersten über die Numidischen Hülffsvölcker gemacht ward. Es ereignete sich aber: daß als der kühne und verschmitzte Amilcar Barca seine wunderschöne Tochter Sophonisbe nach Lilybeum mit überbrachte / und Autaritus der Celten Heerführer sich zugleich in sie verliebten / und ieder durch seine behertzte Herfürzückung beym Amilcar sich in Ansehen / bey Sophonisben in Gewogenheit zu setzen trachtete. Amilcar gab beyden ein geneigtes Auge / theils weil ieder dieser Liebhaber sein Eydam zu seyn verdienten / theils daß er sie anreitzte durch heldenmäßige Thaten einander das Vortheil abzurennen. Gleichwol schien endlich Fürst Narvas bey Sophonisben /Fürst Autaritus beym Amilcar den besten Stein im Brete zu haben. Hierüber machte Rom und Carthago mit einander Friede / und Amilcar / dessen Macht und Glücke ohne diß viel in die Augen gestochen hatte /legte seinen Stab nieder / und zohe mit Sophonisben nach Hause. Der Rath zu Carthago beschloß zwar klüglich bey so verdächtigem Frieden kein geworbenes Kriegsvolck abzudancken / noch durch Ersparung der Verpflegungs-Kosten die allgemeine Sicherheit in Gefahr zu setzen; Weil aber der Stadthalter zu Lylibeum Gescon vernünfftig überlegte; wie gefährlich es sey fremde Völcker zu Hülffe zu ruffen / indem noch in frischem Andencken war / wie die Carier vom Cyrus / Rhegium und Messana neulich von Römern /Griechenland von Philippen unter das Joch gespannet worden; ja daß fremde Kriegsvölcker entweder stets wider den Feind geführet / oder ihre Kräfften und Laster wie die schwermenden Bienen durch den Rauch zertheilet werden müssen; so schickte Gescon sie auff einzelen Schiffen nach und nach in Africa. Allhier aber fing Amilcar so wohl den Narvas als Autaritus über Achsel anzusehen; theils weil der Barckische Stamm / so sich noch von der Königin Dido herrechnete / [803] aller andern Geschlechter zu Carthago / vielmehr aber fremder sich zu gut achtete; theils weil sich Gescon selbst Sophonisben zu heyrathen anmeldete. Fürst Narvas erfuhr inzwischen nicht nur von der ihm geneigten Sophonisbe die Ursache solcher Veränderung; sondern auch: daß Amilcar an dem Adel des Fürsten Narvas und Autaritius gezweiffelt hatte. Dieses bewegte ihn dem Amilcar seine Vertröstungen der Heyrath wegen schrifftlich einzuhalten / auch ihn zu versichern: daß er sein Fürstliches Geschlechte von solchem Alter / als der Barkische Stamm immermehr hätte / ausführen könte. Allein er begehrte sich mit den verrosterten Schilden seiner Vorfahren nicht zu behelffen / weil Amilcar in Sicilien selbst gesehen: wie viel er ihrer selbst den Feinden abgerissen hätte. Vermeinten die Mohren seine Neuigkeit verächtlich zu halten / so müste er derselben Zagheit verlachen /derer Eltern sich selbst solcher Kinder schämen / ihn aber zu ihrem Sohne wünschen würden / wenn sie aus ihren Gräbern aufstünden. Also möchte er sein Ansuchen nicht verschmähen. Hätte er das Glücke des grossen Amilcars Tochter zu heyrathen / so würde Amilcar sich des unvergleichlichen Tuisco und des mächtigen Hiempsals Enckel zum Eydame zu haben sich nicht schämen dörffen. Autaritus versuchte gleichfals sein Heil aufs beste; aber die Freundschafft des Gescon überwog sie endlich: daß Sophonisbe zu höchster Verbitterung beyder Fürsten jenem versagt / durch solchen Verlust aber des Fürsten Nervas und Autaritus durch die Eifersucht eine zeitlang zertrennte Vertrauligkeit wieder ergäntzet ward. Dieses geschah /als der Rath zu Carthago aus Mangel Geldes zur Bezahlung alle fremde Hülfsvölcker mit Sack und Pack höchst unvernünfftig in der Stadt Sicca sich zusammen ziehen / daselbst eine zeitlang schädlicher Ruhe genüssen ließ; welche anfangs in Muthwillen / hernach in Verwegenheit den rückständigen Sold mit Ungestüm zu suchen sich verwandelte. Jedoch bildete der Rath ihm nichts weniger ein / als daß so viel durch Sprachen und Sitten von einander unterschiedene Völcker so bald wieder Carthago unter einen Hut gebracht werden könten / daher meinten sie durch den Hanno ihnen die Helffte ihres sauer verdienten Lohnes und den Werth der eingebißten Pferde abzudingen. Welch Anmuthen aber ihnen so beschwerlich nicht fiel / als daß sie diese Unterhandlung durch keinen Feldherren / der in Sicilien ihre Kriegs-Thaten gesehen hatte / bewerckstelliget ward; daher setzten sie sich mit 20000. Mann zu grossem Schrecken der Stadt Carthago für Thunis; fluchten insonderheit auf Amilcarn / als welcher um sich seiner betheurlichen Versprechungen güldener Berge loß zu machen sein Ampt abgelegt / und die zwey tapffern Fürsten Narvas und Autaritus / derer Tugend die Herrschafft der gantzen Welt verdiente / durch Versagung seiner Tochter beschimpft hätte. Nach dem aber Gescon in Sicilien bey dem Kriegsvolcke sehr angenehm gewest war /schickte der Rath von Carthago ihn diese Völcker zu bestillen; Als inzwischen sie dem Fürsten Narvas und Autaritus die Ober-Gewalt über sich aufgetragen /und bey dieser ihrer Verweigerung einen Africanischen Edelmann Mathos und einen Campanier von Geburt Spendius zu ihren Häuptern erwehlt hatten. Gescon mühte sich zwar auf alle weise sie zu besänfftigen; wie sie aber um Bezahlung des rückständigen Getreides anhielten / und Gescon aus unzeitiger Ubereilung solche bey ihrem Mathos zu suchen nicht allein sie anverwieß / sondern auch einen frechen Balearier mit seinem Degen verwundete; fielen die nechsten den Gescon an / welcher unzweiffelbar von der ergrimmten Menge wäre erwürgt worden / wenn nicht Fürst Narvas seinen Nebenbuhler zu beschirmen sich unterwunden hätte. Gleichwol konte er nicht verwehren: daß er in Banden geschlossen und ins Gefängnüß gelegt ward; und [804] Mathos durch Botschafften fast alle Völcker zum Aufstande wider die Carthaginenser / als die Feinde der allgemeinen Freyheit bewegte. Sintemal diese mit so viel Unrecht zeither beleidigten Völcker kaum so geschwinde die Post hiervon bekamen /als sie die Carthaginensischen Gewalthaber und Zöllner tödteten / den Hülffsvölckern ihren völligen Rückstand zahlten / grosses Geld zu Fortsetzung des Krieges fürschussen / und selbst mit 70000. Mann ins Feldrückten. Hiermit kamen Utica und Hippacrita in euserste Gefahr; sie beschlossen auch die in einem halben Eylande zwischen dem Meere und einem See liegende Stadt Carthago / und erlegten den Hanno nach angestellter Flucht mit vielen Elefanten und fast den letzten Kräfften der so mächtigen Stadt in zweyen Schlachten. Welches verursachte: daß Amilcar wieder zum Kriegshaupte erwehlet ward; welchem Fürst Autaritus durch einen Gefangenen anbot / mit seinen Celten und Semnonern von den Abtrinnigen ab- und zu ihm zu treten; da er ihm Sophonisben vermählen wolte; weil er an diesem Aufstande kein Gefallen trüge / auch seine Sebel noch nie wieder Carthago gezückt hätte. Hiernebst schickte er zugleich mit eine schrifftliche Verzicht des gefangenen Gescons / welcher um seine Freyheit zu erlangen gerne seine Buhlschafft vergessen wolte. Weil aber Amilcar so wol von Römern als dem Könige Hiero zu Syracusa eine ansehnliche Hülffe bekam / schlug er dieses verächtlich in Wind; welches den Fürsten Autaritus so sehr bitterte: daß er endlich in das lange Zeit hinterhaltene Verlangen des Spendius / nehmlich in den Todt des Gescons willigte; welchem wie auch siebtzig andern Edlen Carthaginensern die Hände abgehackt / die Beine zerbrochen / und sie noch lebend in die Erde geschorren wurden; mit gemachtem Schlusse: daß es hinfort allen Gefangenen nicht besser ergehen solte. Also verwandelt hefftige Liebe seine Anmuths-Blicke in grausame Basilisken-Augen; Und die Geschwüre der Gemüther sind viel schädlicher / als die Gifftdrüsen der Leiber. Ja Autaritus und Spendius bewegten die zur Besatzung Sardiniens gelassene Libyer und Hispanier so weit: daß sie den Stadthalter Bostar mit allen Carthaginensern todt schlugen / den mit neuer Hülffe ankommenden Hanno aber kreutzigten; und also dieses gantze Eyland ihrer Gewalt entriessen. Für dieser Grausamkeit aber hatte Fürst Narvas eine solche Abscheu: daß er um Mitternacht mit seinen Numidiern heimlich aus dem Läger wich / und am tagenden Morgen für Amilcars Lager kam; seine Waffen freywillig von sich gab / und als man ihn auf sein Begehren zum Amilcar führte / ihn folgenden Inhalts anredete: Seine Liebe gegen der unvergleichlichen Sophonisbe / die Wolthaten der Stadt Carthago gegen seinem Vater hätten ihn zeither zurücke gehalten den Degen zu zucken / wider die Stadt / welche die Beherrscherin seiner Seele zum Vaterlande / sein Vater aber zu seiner ersten Aufnehmerin gehabt; wiewol er darfür hielte: daß der Rath durch angefügtes Unrecht so viel tapffere Kriegsleute wider sich in Harnisch bracht hätte. Nach dem aber Spendius durch unmenschliche Grausamkeit das Recht der Völcker verletzt / und des feindlichen Heeres Sache böse gemacht / triebe ihn sein Gewissen und der Reitz der Tugend unter einem so behertzten Feldherren die Waffen für Carthago zu führen. Weder der Tod des unglückseligen Gescons / noch sein Verdienst machten ihm einige Hoffnung zur Besitzung der unschätzbaren Sofonisbe; weniger hielte er ihm für anständig ihre Heyrath durch ihres Vaterlandes Nothstand und durch bedungene Hülffe auszuwürcken. Er hätte nunmehr sein Gemüthe derogestalt beruhigt: daß sein Verlangen mit dem Verhängnüsse in völliger Eintracht lebte / seinen Vorsatz aber dahin gerichtet: daß Carthago zwischen ihm und einem eingebohrnen Bürger / Amilcar aber zwischen dem [805] Fürsten Narvas und einem würcklichen Eydame keinen Unterscheid finden würden. Wie der Sternseher Rechnung eintreffe / sie setzten gleich die Bewegung der Sonne und die Unbewegligkeit der Erde / oder die Unbewegligkeit der Sonne und die Herumdrehung der Erde zu ihrem Grunde; also wäre es einem vernünfftigen einerley Glückseligkeit: Ob er alles haben könte / was er verlangte; oder nichts verlangte / was er nicht haben könte. Daher wären mit ihm alle Klugen glückselig / weil sie nichts unmögliches suchten; alle Unvernünfftige aber unglücklich /weil sie alle fremde Güter in die Augen stächen. Amilcars Gemüthe ward durch solche Freymüthigkeit dieses Fürsten / und die der Stadt Carthago zuwachsende Hülffe bey dieser ersten Umarmung bewogen /demselben nun nicht mehr seine Tochter vorzuhalten /oder sich selbst und sein gantzes Glücke einer fremden Stadt zuzueignen / sondern selbte vielmehr dem Fürsten Narvas durch einen theuern Eyd zu versprechen. Welche Entschlüssung eine unmäßige Freude in beyder fürlängst verliebter Hertzen / und die demüthigste Ehrenbezeugung gegen Amilcarn verursachte. Denn es können auch die beständigstẽ Seelen eine unvermuthete Freude so wenig in ihrem Hertzen /als die tiefsten Bette der Ströme einen plötzlichen Wolckenbruch in ihren Ufern beschlüssen. Wie nun Amilcar seine erste Krieges-Klugheit darinnen erwieß: daß er an dem Einflusse des Flusses Macar ins Meer wahrnahm / wie selbter zu gewisser Tages-Zeit gleichsam gantz versändet war / und daher über diesen Sand und das Schilf sein gantzes Heer zu höchster Bestürtzung des Mathos übersetzte / als welcher den Strom und das Gebürge allenthalben starck besetzt hielt / ja dem Spendius bey der verschantzten Brücke in Rücken gieng / sechs tausend Mann erlegte / zwey tausend gefangen nahm / die vom Mathos neugebaute / und mehr andere verlohrne Städte wieder eroberte; also besiegelte Fürst Narvas seine Treue mit klugem Rathe und unglaublicher Tapfferkeit / als Amilcarn die Africaner vor- die Numidier hinterwärts / Spendius aber auf der Seite umsetzte. Denn er machte mit seinen Edlen Numidiern Amilcarn einen solchen Muth: daß er mit seinen wol zweyfach stärckern Feinden eine Schlacht wagte / in welcher ihrer 10000. auf der Wallstatt blieben / 4000. gefangen / Autaritus von Amilcarn / Spendius vom Narvas gefährlich verwundet wurden. Alleine dieses herrlichen Sieges Furcht verderbte die zwischen Amilcarn und dem neidischen Hanno sich entspinnende Zwytracht / die Mißgeburt der ruhmwürdigsten Thaten / und die Stiefmutter des geneigten Glückes. Denn Mathos und Spendius erholeten sich nicht alleine bey dieser Windstille / sondern der von Liebe und Rache brennende Fürst Autaritus brachte durch seine durchdringende Annehmligkeit die zwey vorhin getreuesten Städte Utica und Hippacrita zum Abfall; ja Carthago ward vom Mathos Spendius / und denen Africanern / welche der König des innern Libyens Zarxas aufs neue zu Hülffe bracht hatte / belägert. Als aber Hanno zurück geruffen / und Hannibal Amilcarn zugegeben ward / wandte sich das Glücke abermals. Denn Fürst Narvas schnitt mit seiner Reuterey den Belägerten alle Zufuhr ab / also: daß sie selbst mehr für belägert zu achten waren / und die Gefangenen und Knechte selbst für Hunger aufffrassen / und endlich sich Autaritus / Zarxas und Spendius bey der Stadt Prion Amilcarn mit Bedingung: daß er zehn Rädelsführer nach Belieben straffen / alle andere aber mit schlechten Kitteln fortschicken möchte / ergeben musten. Weil aber das feindliche Heer /welches von dieser Behandlung nichts wuste / zu den Waffen grief / die noch übrigen wenigen Semnoner und Celten auch die Gefängnüß ihres Fürsten Autaritus nicht erdulten konten / grieffen sie zur Unzeit nach den Waffen; ihrer aber ward wol 40000. theils von den Elefanten und [806] Pferden zertreten / theils durch die Schärffe der Sebeln in die Pfanne gehackt. Amilcar /Narvas und Hannibal rückten hierauf für Tunis; und weil diese Stadt sich nicht ergeben wolte / ließ Amilcar / wie beweglich sich gleich Narvas hierwieder lehnte / den Fürsten Autaritus und Spendius unter der Stadtmauer an hohe Kreutze anpflöcken. Dieses traurige Schauspiel rechnete der belägerte Mathos in einem unversehnem Ausfalle in des unachtsamen Hannibals Läger mit etlicher tausend Carthaginenser Hinrichtung; ja er ließ den gefangenen Hannibal selbst an die Stelle des abgenommenen Spendius anhefften / und 30. der Edelsten Feinde dem Autaritus zu einem Versöhnungs-Opffer durch hunderterley Qval abschlachtẽ. Gleichsam als wenn es beyden Kriegenden nicht so wol um den Sieg / als den Vorzug in der Grausamkeit zu thun wäre. Hanno kam hierauf aus der abermals bebenden Stadt Carthago mit 30. Rathsherren ins Läger / welche durch des Fürsten Narvas Vermittelung den Hanno mit Amilcarn aussöhnte. Der verzweiffelte Mathos forderte mit seinen letzten Kräfften Amilcarn endlich zu einer Schlacht aus / darinnen er aber den Kürtzern zog / selbst gefangen nach Carthago zum Siegs-Gepränge geführet / daselbst mit glüenden Zangen zerrissen / Sophonisbe und Narvas mit höchstem Frolocken vermählet / und durch Unterwerffung Afrikens dieser Krieg geendiget ward / zu einem unvergeßlichen Denckmale: daß einheimische Kriege nicht nur die schädlichsten / sondern auch die grausamsten sind.

Wie aber die irrdische Glückseligkeit an Zerbrechligkeit dem Glase / an Veränderung der Lufft überlegen ist; also genaß Fürst Narvas wenige Jahre seiner süssen Eh / und nach seinem verstorbenen Vater der königlichen Herrschafft. Ob nun wol er einen dreyjährigen Sohn Lacumarn nach sich verließ; so verfiel doch nach den Africanischen Reichs-Gesetzen das Reich auff des Narvas ältesten Bruder Gala.

Als dieses derogestalt in Africa erfolgte / geriethen hingegen die Deutschen in Italien ie länger ie mehr ins Gedränge. Denn das Glücke gleichet sich mit seinen Umwechselungen dem wütenden Meere; welches an einem Orte neue Eylande gebieret / am andern aber so viel den Ufern abspielet. Oder das von so vielen Siegen aufgeblasene Rom wolte nunmehr als ein grosses Meer alle Länder überschwemmen / und alle Nachbarn in seinen Rachen verschlingen. Massen die Römer nicht alleine wider die Ligurier und Insubrier eine Kriegs-Ursache vom Zaune brachen / sondern auch Publius Valerius eigenmächtig / und ohne einige Kriegs-Ankündigung die Semnoner überfiel / aber von ihnen derogestalt empfangen ward: daß er vierdtehalbtausend Römer an dem Flusse Sapis sitzen ließ. Und ob er zwar hernach mehr aus einer blinden Verzweiffelung als aus einer vorsichtigen Tapfferkeit den Semnonern einen Abbruch that; hielt der Römische Rath doch des Valerius Vortheil so geringe: daß ihm das verlangte Siegsgepränge verweigert ward. Viel glücklicher überfiel Grachchus ohne die geringste Ursache / und unter erdichtetem Vorwand: daß etliche Römische Handelsleute wären beraubet / und ins Meer geworffen worden / die unschuldigen Ligurier /und die durch innerliche Unruh entkräftete Carthaginensische Besatzung auf den Eylanden Sardinien und Corsica. Denn nach dem sie auf diesen unglaublichen Raub gemacht hatten / Carthago aber die abtrinnigen Sardinier zum Gehorsam bringen wolte / nahmen sich die Römer der Aufrührer an / und zwangen diese ohnmächtige Stadt ihnen den Frieden durch Abtretung Sardiniens und zwölff hundert Talent abzukauffen; denen Semnonern / Celten und Bojen aber befahlen sie gantz Italien zu räumen. Weil nun die Semnoner Italien nicht räumen wolten / sondern mit den Bojen und Liguriern wider den allgemeinen Feind sich verbanden; zohen die Bürgermeister Lucius Cornelius und [807] Qvintus Fulvius mit zweyen vereinbarten Heeren ins Feld; mit derer grossen Macht die Deutschen zu schlagen nicht trauten / sondern sich stets in vortheilhaffte Oerter zwischen Sümpffe und Gebürge setzten: daß ihnen die Römer zwar nichts abgewinnen konten / aber müde und verdrüßlich gemacht wurden. Wie nun die Bürgermeister ihre Heere zertheilten in Meinung der Semnoner Gebiete gäntzlich zu verheeren /und dem Feinde alle Lebensmittel abzuschneiden /oder gar über den Po zu setzen; fiel Hertzog Ates des Nachts unversehens des Fulvius Lager an / bemeisterte sich der einen Pforte / erlegte etliche tausend Römer / wäre auch des gantzen Lägers Meister worden / wenn er nicht auf erhaltene Nachricht: daß Cornelius dem Fulvius zu Hülffe eilte / mit guter Ordnung sich zurücke gezogen hätte. Nach dem ihm auch König Galatus mit 12000. Bojen / und 20000. Allemäñern aus Deutschland zu Hülffe kamen / räumten beyde Bürgermeister der Deutschen noch übriges Gebiete / und wiechen in Hetrurien. Ungeachtet nun der Bürgermeister Lentulus ihre Bundsgenossen die Ligurier schlug; schickten doch Hertzog Ates und Galatus zu dem Cornelius und Fulvius / und liessen mit grosser Bedräuung die Wieder-Abtretung des Ariminischen Gebietes als ihres alten Eigenthums fordern. Weil diese nun den Deutschen nicht gewachsen waren / verwiesen sie sie mit guten Vertröstungen an den Römischen Rath; und machten mit ihnen einen Stillestand. Bey dieser Gelegenheit streuten die Römer unter die Semnoner und Bojen allerhand Saamen des Mißtrauens / beredeten die Bojen: daß die Alemänner von Semnonern nicht so wol wider die Römer / als der Bojen fruchtbares Land einzunehmen beruffen hätten. Hieraus entstand ein grausamer Aufruhr; und /weil König Galatus und Ates diese Zwytracht zu stillen / und den ihrigen den Verdacht auszureden bemüht waren / wurden sie beyde als Verräther von ihrem eigenen Volcke erwürget. Alle drey Völcker kamen hierüber einander in die Haare / schnitten also den Römern zum besten ihnen mit ihrem eigenen Messer die Spann-Adern selbst entzwey. Die undanckbar belohnten Alemänner zohen wieder nach Hause; die Semnoner musten Arimin / und die Bojen alles / was sie über dem Po hatten / fahren / und beyde die Ligurier den Römern zur Beute lassen. Dieses Friedens genossen die Deutschen etliche Jahr /weil die Römer mit denen Liguriern / Sardern und Lorfen / denen ihr Joch unerträglich war / alle Hände voll zu thun hatten. Nach dem diese aber ziemlich gedemüthiget waren; rieben sich die Römer aufs neue wider die Deutschen. Der Zunfftmeister Flaminius /wormit er sie zur Ungedult bewegte / zwang dem Rathe ein Gesetze ab: daß die Picenischen und Semnonischen Aecker nach Anzahl der Köpffe unter das Römische Volck vertheilet werden solte. Als die Deutschen diß verschmertzten; führten die Bürgermeister Emilius und Junius ihr wider die Ligurier bestimmtes Heer in einem ungeschickten Umwege mitten durch das noch übrige Gebiete der Semnoner. Der Rath zu Rom verbot keinem Deutschen einiges Gold oder Silber zukommen zu lassen; weil sie dessen für verkauffte Leibeigene sehr viel zu bevorstehendem Kriege wider die Römer versammlet hätten; und im Schilde führten Rom aufs neue zu überfallen / wenn das Römische Heer in Ligurien sich verwickelt haben würde. Die Deutschen musten für so viel Unrecht nicht nur die Augen zudrücken / sondern noch durch Anbietung ihrer Dienste die Gnade der Römer unterhalten; Gleichwol aber kochte das Geblüte in ihren Hertzen eitel Galle; und suchten sie unter der Hand über den Alpen in Deutschland neue Hülffe. Weil aber die Römer gleichwol hiervon Wind kriegten /oder zum minsten Argwohn schöpfften; trauten sie nicht mit denen in Hispanien sich überaus vergrössernden Carthaginensern / wie [808] sehr es ihnen gleich darum zu thun war / nicht zubrechen / sondern vergnügten sich mit dem Vortrage: daß die Carthaginenser nicht über den Fluß Iber schreiten / und Sagunt in Freyheit lassen solten. Unterdessen verlautete in Rom: Es stünde in den Sibyllinischen Büchern: daß um selbige Zeit die Deutschen und Griechen Rom einnehmen würden; worvon alldar ein solches Schrecken entstand: daß der Rath in Griechenland zu den Etoliern / Acheern / nach Corinth und Athen Bothschafften schickten / und mit ihnen Freundschafft machten; dem Pöfels Aberglauben aber abzuhelffen zwey Deutsche und zwey Grichen zu Rom auff dem Ochsen-Marckte lebendig vergraben ließ; gleich als wenn hierdurch die Sibyllinische Wahrsagung erfüllt wäre. Nach dem aber der streitbaren Deutschen so nahe Macht der schon in fremde Länder ausgestreckten und nach Eigenschafft des Feuers stets nach mehrerm Zunder dürstenden Herrschsucht der Römer allein im Wege stand / beschlossen sie ihr eusserstes zu thun / um diesen beschwerlichen Dorn aus dem Fusse zu ziehen. Dieses zu vollziehen machten sie einen Uberschlag ihrer Kriegs-Macht / und befanden: daß sie mit ihren in Waffen stehenden Hülffs-Völckern über 700000. streibare Fußknechte / und 70000. Reuter auff den Beinen hatten. Sie richteten überdiß mit den Venetern und Cenomannen ein Bündniß auff /welche den Römern zu Liebe 20000. Mann auff den Fuß stellten / und auff erfolgten Friedens-Bruch den Bojen einzuhalten fertig stunden. alles dessen unbeschadet / rüsteten die Deutschen sich zum Kriege. Wie nun auff ihr bewegliches Ansuchen der Alemänner König Aneroest / der Catten Hertzog Concoletan mit grosser Macht über die Alpen kamen / und der Insubrer Fürst Britomar mit den Bojen sich vereinbarte / hielten die Deutschen es nunmehr rathsam zu seyn /der Römer nicht zu erwarten / sondern ihre Pferde an einem fremden Zaum zu binden. Die Bojen blieben unter ihrem Fürsten Gondomar gegen die Veneter und Cenomänner zu Beschirmung ihres Landes stehen; Aneroest / Concoletan / und Britomar aber drangen mit funffzig tausend Mann zu Fuße / und zwantzig tausenden zu Rosse in Hetrurien. Weil aber kein Römer Stand hielt / rückten sie biß nach Clusium; allwo sie Nachricht bekamen: daß ein Römisches Heer ihnen auf dem Fuße folgte. Dahero dreheten die Deutschen alsofort ihre Deichsel um / und kriegten beyde Heere einander mit der Sonnen Untergange ins Gesichte. Des Nachts aber zündeten die Deutschen ihr Läger an / und wiech Aneroest mit dem Fußvolcke mit Fleiß zurücke. Wie die Römer nun auff den Morgen nur die feindliche Reuterey für sich / und zwar gleicher Gestalt weichen sahen / meinten sie: die Deutschen trauten sich nicht mit ihnen zu schlagen; also zohen sie ihnen über die neuen Seulen / und Beturgia / ja gar über den Fluß Arnus nach. Wie sie aber den Feind in völliger Flucht zu seyn vermeinten / trafen sie bey der Stadt Fesula gantz unvermuthet auff das vom Aneroest in völlige Schlacht-Ordnung gestellete Fußvolck / und ein Theil der Reuterey / welche der Sohn Aneroests führte. Der Strom auff einer / das Gebürge auff der andern / und Aneroest auff der dritten Seite schnitten den Römern alle Ausflucht ab /und also wurden sie gezwungen sich aus dem Steigereiffen einer Schlacht zu entschlüssen. Allein das schreckliche Ansehen dieser gri igen Feinde / welche kolschwartze Schilde / gemahlte Leiber hatten / und mit ihrem blossen Schatten schon den Todt oder die Hölle vorbildeten / wie auch die schon anbrechende Nacht / überwunden erstlich der Römer Augen; ihr erster Angriff trennte ihre Glieder / und der von hinten zu mit der meisten Reuterey einfallende König Concoletan brachte sie in höchste Verwirr- und Blutstürtzung. Denn der Flucht waren alle Wege verrennet. Sechs tausend [809] Römische Edelleute blieben auf der Wallstatt / vier tausend wurden gefangen / der Uberrest kroch bey der düstern Nacht gleichwohl in das Apenninische Gebürge gegen dem Thale Mugella / und setzte sich auff einem hohen Felsen feste. Die Beute war an Gelde / Zierrathen / Pferden / Gewehre /Wagen und anderm Geräthe so groß: daß darmit das gantze Deutsche Heer belastet ward. Wiewohl nun dieses die Römer auff dem Gebürge besetzte / so kriegten diese doch alsbald Lufft / weil der gegen die absonderlich einfallenden Semnoner geschickte Bürgermeister Lucius Emilius von Ariminum mit einem frischen Heere gegen die nach Rom ihren Zug richtende Deutschen angezogen kam. Nachdem König Aneroest aber ihn zu keiner Schlacht bringen konte; die schwere Beute ihnen auch überaus hinderlich war / hielt er für rathsam selbte über dem Po bey ihren Bunds-Genossen einzulegen / und hernach dem Feinde mit leichten Händen wieder die Stirne zu bieten. Wormit aber diese Entschlüssung so viel weniger einer Flucht ehnlich sehe / und so viel sicherer bewerckstelliget würde / setzten die Deutschen über den Fluß Arnus / und richteten ihren Zug gerade gegen Rom. Wie sie aber den Fluß Umbro erreichten /zohen sie an selbtem gegen das Meer hinunter / in Meinung an dessen Gestade sich zurücke zu ziehen. Lucius folgte gleichwohl dem Feinde auff der Fersen nach / biß an das Telamonische Vorgebürge / allwo die Deutschen den Weg von einem neuen Krieges-Heere / welches der andere Bürgermeister Cajus Atilius aus Sardinien nach Pisa übergeschifft hatte / auff einem vortheilhafftigen Hügel besetzt fanden / und also unvermuthet zwischen Thür und Angel verfielen. Die Deutschen Heerführer geriethen hierüber gleichwohl in keine Zagheit / als welche der klugen Rath /und des Pöfels Unvernunfft durch einander vermischt / und also der ärgste Feind eines Kriegs-Heeres ist /sondern sie machten aus der Noth eine Tugend / führten ihre Beute auff einen sichern Hügel / und stellten ihr Heer mit zweyen Stirnen in Schlacht-Ordnung /also: daß Concoletan mit seiner dem Cajus / Aneroest mit seiner gegen dem Emilius zu stehen kam; die Rücken aber hinten an einander stiessen / und also kein Heer / sondern das andere gegen den Feind anzutreiben weichen konte. Mit den Wagen aber umsegelten sie die Spitzen oder Hörner ihrer Heere: daß die Römer auff der Seite nicht einbrechen konten. Diese ob sie zwar zweymahl stärcker waren als die Deutschen / grieffen sie selbte gleichwohl nicht ohne geringen Zweiffel am Siege an. Insonderheit war ihnen schrecklich anzusehen: daß die Gösaten / welche unter denen Deutschen für ein gewisses Geld Kriegs-Dienste leisteten / alle nackend fochten / umb von denen hinn und wieder stehenden Hecken und Gestrittig durch ihre abhenckende Kleider nicht verhindert zu werden. Ja in den ersten Gliedern stand keiner / der nicht güldene Ketten und Armbänder umgewunden hatte; und ihre Tapfferkeit war so groß: daß die Römer Faust für Faust gegen sie zu fechten sich weigerten / sondern nur von der Höhe die Bogen-Schützen sie mit Pfeilen überschütten liessen. Wordurch ihrer denn sehr viel verwundet wurden / weil ihre Schilde sie allenthalben zu verdecken nicht zulangten; also: daß sie halb rasende den Berg hinauff renneten /und ihren für Augen schwebenden Tod durch Niedersebelung vieler Schützen rochen. Wo aber die Deutschen auff der Fläche Mann für Mann fechten konten /standen sie wie die Mauern; ungeachtet die Römer ihrer breiten Schilde und zum Stoß und Hau geschickter Degen halber für den Deutschen / die mit ihren Schwerdtern nur hauen konten / einen grossen Vortheil hatten. Ja König Concoletan machte mit seiner Leibwache von dreyhundert Cattischen Edelleuten durch den Blitz ihrer [810] Spieße und Schwerdter einen Weg biß an den Römischen Adler; den der Graff zu Wirtenberg von der Stange riß / und zu Bodem warff. Wie nun der Bürgermeister Cajus diesem Hauffen entgegen drang / durchrennte ihn König Concoletan mit seiner Lantze; welchem der Graff Mansfeld vollends den Kopff abhieb / selbten auff eine Lantze spießte / und zum Schrecken der auff der andern Seite kämpffenden Römer Aneroesten zubrachte. Weil aber die Römer beym Verlust dieses Adlers und Bürgermeisters eine gantz frische Legion an selbigem Ort anführten / und Concoletan nicht zurücke weichen wolte / ward er allenthalben umringet / und vom Lutatius Catulus / der dem Kriege wider Carthago ein Ende gemacht hatte / ihm das Pferd erlegt; welchen aber der Graff von Hochberg zu Bodem rennte / und seinem Könige auff des Catulus Pferd halff. Allein nachdem Wirtemberg / Durlach / Eichelberg / Kyburg / Hochberg / Fürstenberg / Doghenburg / Lentzburg /Grimmenstein / Utzingen / und fast alle des Alemannischen Adels nach unvergleichlicher Gegenwehr erlegt waren / Concoletan auch nach etlichen zwantzig empfangenen Wunden zu Bodem fiel / ward er endlich gefangen. Aneroest that auff der andern Seite zwar das beste / und rächete durch des gewesenen Bürgermeisters Fulvius Flaccus Tod die von ihm vorher untergedrückten Ligurier. Alleine nach dem Concoletan gefangen / und sein Heer fast / wie es gestanden / gliederweise nach einander erlegt war / also drey Römische Heere auff Aneroesten stiessen / raffte er seine eusserste Kräfften zusammen / schlug sich mit etwan drey tausend Pferden durch / und kam mit Hülffe der Nacht biß an den Fluß Umbro. Nachdem er aber über selbten so wohl wegen auffgeschwellten Wassers / als daß die Einwohner der Stadt Ruselle selbten mit Volcke starck besetzt hatten / nicht schwemmen konte / ihm auch Nachricht zukam: daß Concoletan nicht todt / sondern gefangen / ihm auch die gantze Römische Reuterey schon im Rücken wäre / munterte er seinen Uberrest zu hertzhafftem Sterben auff; er wäre bereit sich für sie selbst auffzuopffern /nachdem die Götter ihn seines Gelübdes: krafft dessen er seinen Harnisch ehe nicht / als biß ers Capitolium erobert hätte / aufflösen wollen / zu gewehren nicht für gut befunden hätten. Ein behertzter Tod hätte nicht die Helffte der Bitterkeit in sich; die einer einen Augenblick im schimpfflichen Siegs-Gepränge empfinde. Hiermit rennte er spornstreichs voran mitten unter die Römer. Diese aber muthmassende: daß es König Aneroest wäre / wolten ihn nicht beleidigen / sondern lebendig fangen. Nachdem er aber etliche Feinde durchstochen / fällten sie ihm das Pferd; gleichwohl wehrte er sich mit dem Degen in der Faust / biß selbter mitten entzwey sprang; wormit er aber nicht lebendig in der Römer Hände käme / schnitt er ihm mit dem übrigen Stürtzel die Gurgel ab / und bließ also mit der Feindschafft gegen sie seine Seele aus. Die übrigen Deutschen folgten dem Beyspiele ihres Königes / und bezeugten durch Erleg- und Verwundung vieler Römer: daß ein verzweiffelter Feind mit zweyen Schwerdtern fechte / und mit seiner Leiche meist drey andere zu Bodem drücke. Denn ob wohl viertzig tausend todt blieben / zehn tausend gefangen wurden / mißten die Römer doch über sechzig tausend Mann; und kein Deutscher ward so wenig /als ihr halb todter König Concoletan und Britomar vom Bürgermeister in Rom zum Siegs-Gepränge geführet / aus der Beute aber Jupitern ein güldenes Siegs-Zeichen geweihet / welches Aneroest von den Römischen seinem Kriegs-Gotte gelobet hatte. Rhemetalces fing hierüber an den Unfall zweyer so behertzter Fürsten zu beklagen / auch zu billichen: daß ein Kriegender aus Andacht [811] den Göttern zur Danckbarkeit gewisse Gelübde thue. Alleine wenn man aus Vermessenheit auff seine eigene Kräffte dem unauffhaltbaren Rade der göttlichen Versehung gleichsam in die Speichen fällt; und ehe diß oder jenes mit unsern schwachen Armen ausgerichtet sey / seine Haare / wie Semiramis / nicht auffflechten / oder sie / wie die Catten / für Erlegung des Feindes nicht abscheeren lassen / wie Amilcar auff eine gewisse Zeit in belägerten Städten speisen / oder für ihrer Eroberung kein weisses Hemde anlegen will / und seinen eigenen Kopff zum Verlust durch Gelübde verknüpfft; verwirret Gott nicht unbillich der Klugen Rathschläge / und entkräfftet die Stärcke der Riesen. Uberdiß überlegen die /welchen kein Anschlag krebsgängig werden soll / gar nicht: daß es selbst ihr eusserstes Unglück wäre /wenn die Götter die thörichten Begierden der Menschen allezeit mit gewünschtem Ausschlage beseligten. Denn grosses Glücke scheinet uns zwar wie die Schwantz-Sternen herrlich in die Augen; aber sie ziehen nach sich ihre geschwinde Einäscherung und anderer Finsterniß. Es ist wahr / sagte Adgandester; und hat nicht nur König Aneroest / sondern nach ihm viel andere einen grossen Schiffbruch ihrer allzuverheuchelten Hoffnung gelitten / welche insgemein alle Früchte einerndet / ehe sie reiff werden / und sie daher auch ehe verfaulen / als eßbar werden siehet; für etlicher Zeit Marcus Crassus im Parthischen / Democritus im Etolischen / und Antonius im Cretischen Kriege ein schimpffliches Beyspiel abgegeben. Derer erster dem Qvintius an der Tyber / wenn er daselbst sein Lager auffschlagen würde / der andere den Parthen / erst in der Stadt Selevcia antworten wolte /beyde aber selbst gefangen oder erschlagen wurgen /der dritte mehr Ketten als Waffen in seinen Schiffen mit führte / aber solche schimpfflich einbüste; und die auff fremder Armen und Beine geschmiedete Fessel seinen Römern muste am Halse hencken sehen. Wenn aber solch Gelübde nur eine Erinnerung tugendhaffter Entschlüssung / nicht aber die Unterdrückung der Unschuld zu ihrem Zwecke hat / ist solcher Reitz sonder Zweifel so wenig / als eine Spießgerthe in der Hand eines vernünfftigen Reuters zu tadeln.

Alleine die Vielheit dessen / was mir noch zu erzehlen oblieget / nöthiget mich hier abzubrechen / und noch zu erwehnen: daß Emilius mit seinem Heere in der Bojen Gebiete einfiel / zwischen dem Rhein und dem Flusse Scultenna reiche Beute machte / und die gefangenen Deutschen in voller Rüstung zu Rom im Siegs-Gepränge auffs Capitol führte; wormit sie ihres gethanen Gelübdes sich entschütten möchten / weil sie geschworen haben solten nicht eher als im Capitolium ihren Gürtel auffzulösen. Die Furcht der Römer für den Deutschen war durch diesen glücklichen Streich zwar abgethan / die Begierde der Rache aber nur vermehret. Daher fielen die Bürgermeister Manlius und Torqvatus auffs neue bey den Bojen ein; und weil bereit der Kern ihres Volckes von Römern und Cenomannen erlegt war / die andern Deutschen auch durch eigene Zwytracht ihnen beyzustehen verhindert wurden; unterwarffen sich die Bojen zwischen den Flüssen Gabellus und Idex biß an den Po der Römischen Bothmäßigkeit. Die Römer waren zwar auch im Wercke über den Po zu setzen / und die Insubrier zu demüthigen / sie konten es aber dißmahl wegen starcker Gegenwehr und Ungewitter nicht schaffen. Dieser vergebene Versuch war folgenden Bürgermeistern / nehmlich dem Cajus Flaminius und Furius Philus der hefftigste Reitz die Ehre zu erlangen: daß sie die ersten Römer wären / welche die Siegs-Fahnen auff dem lincken Ufer des Po auffsteckten. Sie versuchten zwar alle Mittel und Kriegs-List über diesen Strom zu kommen; aber die nichts minder vorsichtigen / als streitbaren Deutschen hielten mit ihrer Gegenwehr die Römer drey Tage auf; biß sie endlich [812] ein Theil ihres Heeres weit den Strom hinab schickten / und wo der Fluß Padusa oder der Messanische Graben von den andern Strömen des Po sich absondert; ehe die Deutschen daselbst sich in völlige Verfassung stellen konten / durchdrangen; worüber aber gleichwohl über zehntausend Römer umbkamen; die Stadt Rom auch so bekümmert ward: daß nachdem es im Picenischen Blut geregnet / in Hetrurien der Himmel gebrennet /zu Arimin 3. Monden gesehen / und der Rhodische Colossus durch Erdbeben umgestürtzt worden war /sie alle Wunderzeichen für sich zum ärgsten ausdeutete / und der Rath den Bürgermeistern mitgab mit den Insubriern einen Stillestand zu machen; krafft dessen sie auch ihr Gebiete räumten. Wie aber die Alberen alles ungemeine für Wunderzeichen leicht annehmen; die eitele Furcht auch mehrmals eine Betrügerin der Augen und Ohren ist; die Boßhaften durch sie in ungemeine Zagheit versetzt werden; also macht derselben offtere Begebnüß sie entweder ungewiß / oder verächtlich; die Ehr- und Herrsch-Sucht aber ein Gelächter; oder eine Erfindung der Staats-Klugheit; die Mißgunst ein ihr dienendes Gespenste daraus. Welches letztere auch der Bürgermeister Furius den Flaminius dißmal beredete / und ihn versicherte: daß ihnẽ aus blossem Neid in dẽ Zügel ihrer Siege wider die Deutschẽ gefallẽ würde. Wie der Thebanische Rath seine Bürger die Schlacht bey Luctres zu wagen dardurch beredet: daß des Hercules Waffen sich aus seinem Tempel verlohren hätten; also müsten dem Römischen Rathe / so offt es ihnen gefiele / die Ochsen reden / die Maul-Thiere gebären / Menschen und Thiere ihr Geschlechte verwandeln / die Bilder der Götter weinen / die Säulen Blut schwitzen / die Sternen sich vermehren oder verfinstern / der Himmel brennen oder Schlachten fürstellen. Hierdurch brachte es Furius so weit: daß Flaminius mit ihm und denen von Cenomännern und Bojen erkaufften Hülffs-Völckern den Stillstand brachen / und über den Fluß Clusius den Deutschen einfielen / und alles mit Feuer und Schwerdt verwüsteten. Die Insubrier wurden hierdurch aufs heftigste verbittert / lieffen in den Tempel Minervens / darein sie den mit den Römern gemachten Vergleich verwahrt hatten; nahmen drey ihrer güldenen sonst für unbeweglich gerühmten Bilder daraus / zohen mit diesen / und funfzig tausend Kriegsleuten den Römern unter die Augen. Beyde Heere standen schon in Schlacht-Ordnung gegen einander / als vom Römischen Rathe Briefe ankamen; welche zwar den Bürgermeistern alle Feindseligkeit verbothen / aber auf des Flaminius Einrathen für der Schlacht nicht eröffnet werden wolten. Wiewohl sie auch den Bojen und Cenomannen nicht trauten / und sie durch den Fluß Clusius von sich absonderten; so war doch des Flaminius Schluß entweder zu siegen / oder alles einzubüssen; weswegen er auch sein Heer mit dem Rücken harte an das hohe Ufer des Flusses stellte; also: daß es entweder als eine Mauer stehen / oder mit dem geringsten Weichen in Strom stürtzen muste. Gleichwohl fiel nach einem sehr blutigen Treffen aus Schickung des auf der Römer Seite sich schlagenden Verhängnüsses / und durch ihre vortheilhaftere Waffen der Sieg den Römern zu. Und blieben neun tausend Deutsche auf der Wallstadt. Worauf Flaminius allererst die Briefe laß / sich über des Rathes Mißgunst beschwerte / und nach Rom schrieb: Sie möchten aus seinem Thun die Eitelkeiten der Wahrsagungen verachten lernen / und aufhörẽ abergläubig zu seyn. Er verwüstete zwar auch hierauf das platte Land / nahm eine ihrer besten Städte ein; weil aber Furius nicht länger wieder den Rath ihm beyfällig seyn wolte /kehrte er mit ihm nach Rom / hielt auf des Pöfels Verlangen ein Siegs-Gepränge / und richtete aus der Deutschen Raube und insonderheit ihren güldenen Waffen und Ketten / die sie in den Schlachten an den Hals zu hencken gewohnt [813] sind / dem Kriegs-Gotte so / wie sie es dem Ihrigen gelobt hatten / ein Kriegs-Zeichen auf.

Zeno fing an: So sind die Deutschen in Italien von denen disseits der Alpen mercklich zu unterscheiden gewest; in dem meine Augen und Glieder erfahren: daß diese mehr auf scharffe / als gläntzende Waffen bedacht sind. Insonderheit habe ich unter dem Hertzoge Jubil etliche Geschwader Reiter gesehen; welche nicht nur an Gestalt / sondern auch in Grimme den kohlschwartzen höllischen Geistern ähnlich waren. Adgandester antwortete lächelnde: Es wären diß die starcken Arier / ein Theil derer zwischen der Oder und Warte angesessenen Lygier; welche ihre Schilde und Glieder schwärtzten; die finstersten Nächte auch am liebsten zu ihrem Kampfe erkieseten / und gleichsam mit ihrem Schatten die Feinde jagten. Die übrigen Deutschen / bey welchen zumal ausländische Zierrathẽ noch nicht so gemein wordẽ wärẽ / wären freylich wohl auch gewohnt in Luchs-Wolff- und Bären-Häuten mit Püffel-Hörnern mehr grausam / als prächtig auf den Kampf-Platz zu erscheinen; iedoch verwürffen die Fürsten und der Adel nicht eben alle Kriegrische Aufputzung. Sintemal sie umb dem andern Volcke ein gutes Beyspiel zu geben lieber wolten durch ihren Glantz kentlich und in Gefahr / als verborgen und sicher seyn. Rhemetalces hob an: Es ist diß ein rühmliches Absehn; welches mir mein sonst deshalben habendes Bedencken beni t: daß viel Fürsten an ihren mit güldenen Blumen bestreuten Waffen; an ihren aufgethürmten Feder-Püschen erkennt /und vom Feinde für andern getroffen; etliche auch durch dieses eitelen Uberflusses Beschwerde an der Gegenwehre gehindert / und in Noth versetzt worden. Zeno fiel ihm bey; und lobte darumb nichts minder den Deutschen Feldherrn Herrmann / welcher in der Schlacht an seinen Waffen stets auch in die Ferne wäre zu erkennen gewest; als den Griechischen Heerführer Philopömen / und den Käyser Julius; die ihre Kriegsleute zur Schlacht / wie zum Tantz-Bodem und Hochzeit Feyer aufgeputzt hätten. Adgandester setzte bey: Der berühmte Hertzog Viridomar / mit dem die Insubrier gestanden und gefallen wären / hätte auch durch den Glantz seiner Waffen zwar seinen Tod beschleunigt; aber auch seine Helden-Thaten sichtbar gemacht. Denn als die Römer denen abgemergelten Insubriern so gar Gesätze des Friedens fürzuschreiben / und sie ohne Uberwindung in Gehorsam zu nehmen weigerten; berufften sie erwähnten Viridomar einen jungen Fürsten der Hermundurer zu ihrem Hertzoge /und überkamen mit ihm eine ergebige Hülffe. Dieser empfing die Römer an dem Flusse Addua / durch welchen sie setzen wolten; derogestalt: daß sie das dritte Theil ihres Heeres mit allem Kriegs-Geräthe im Stiche lassen mustẽ. Ob sie nun zwar über Hals und Kopf gegen der Cenomänner Gräntze absacktẽ / so überfiel sie doch bey Schlagung ihres Lägers der wachsame Viridomar noch einmal; erlegte sie biß aufs Haupt; also: daß die zwey Bürgermeister mit Noth über den Bach Clusius entranen; und weil sie besorgten: daß die Deutschen wiederumb biß an das hierüber zitternde Rom fortrücken würden; machten sie mit Viridomarn einen Frieden / krafft dessen denen Insubriern auf beyden Seiten des Po biß an die Stadt Acerre alles eigenthümlich verbleiben solte. Der hochmüthige Marcus Marcellus aber brachte durch seinen Anhang zuwege: daß Manlius und Flaminius auf Angeben der von ihm bestochener Wahrsager /wie auch bald darauf Scipio Nasica und Cajus Martius des Bürgermeister-Amptes / wie nichts minder Cornelius Cethegus und Quintus Sulpitius / weil sie hierzu nicht allerdings sti ten / der Priester-Würde /unter dem Schein: jener hätte die Opfer nicht recht dargereicht / dieser aber die Insel vom Haupte fallen lassen / entsetzt ward; sondern er brach auch / als er Bürgermeister war / [814] den Frieden / weil untüchtige Heerführer nichts verbündliches hätten schlüssen könten. Hiermit sa lete er alle Römische Kräfften zusammen / schickte den andern von ihm selbst erkieseten Bürgermeister Cneus Cornelius mit einem starcken Heere die Stadt Acerra zu belägern; er aber fiel ohne einige Kriegs-Ankündigung mit einem noch stärckern Heere in ihr flaches Land ein / und mühte sich diesen fruchtbaren Garten Italiens in eine Wüsteney zu verwandeln. Die sich dieses Uberfalls am wenigsten versehenden Insubrier schickten dem Marcellus entgegen / und erboten sich zu aller Billigkeit / da sie die Römer in etwas unwissende beleidigt hätten; aber er würdigte die Gesandten nicht anzuhören. Wie nun Viridomar von seinen verwandten Fürsten etliche tausend an dem Rhein und Rhodan angesessene Marckmänner / Rauracher / und Helvetier / welche ihrer langen Spiesse halber in Gallien Gesaten / in Deutschland Lands-Knechte genennet wurden / zu Hülffe bekommen hatte / er aber gleichwohl wegen allenthalben starck verwahrter Zugänge die Stadt Acerra nicht entsetzen konte / rückte er für die Römische Stadt Clastidium / umb den Feind von Acerra abzuziehen. Marcellus folgte ihm mit seiner gantzen Macht alsofort nach; und ließ Viridomarn verächtlich zuentbittẽ: daß er seine Waffen / die er ihm abnehmen würde / schon dem Feretrischen Jupiter gewiedmet hätte. Viridomar antwortete: Er hätte des Marcellus Harnisch und Schwerdt schon dem Vulcan gelobt /oder vielmehr zum Feuer verda t; weil die Deutschen niemals diesen Abgott verehrt haben. Da nun Marcellus so behertzt fechten / als Großsprechen könte /wolten sie mit einander im Angesicht beyder Heere umb diesen Siegs-Preiß alleine spielen. Weil dem Marcellus seine Eltern vielleicht würden verschwiegen haben; wie vielen Römischen Heerführern die Deutschen ihre Köpfe abgeschnitten hätten / wolte er derer ihm etliche zeigen; befahl auch alsofort etliche mit Ceder-Oel eingebalsamte hervor zu bringen. Hierauf sprengte König Viridomar / welcher nach der Deutschen und Gallier Gewohnheit des Zweykampfs begierig war / einen ziemlichen fernen Fleck für seinem Heere herfür; gegen welchen Marcellus sich auch zwar hervor zückte. Wie er aber den so wohl von seiner Leibes-Gestalt / als denen Gold-schimmernden Waffen ansehlichen Viridomar gegen sich mit angelegter Lantze in vollen Bügen ankommen sahe / und die Insubrer zugleich ein Feld-Geschrey erhoben; drehte Marcellus sein Pferd um / und rennte mit verhangenem Zügel seinem Heere zu; vorwendende: daß er durch solche Umbdrehung nur der Sonnen eine andächtige Ehrerbietung erwiesen hätte. Es war aber unter den Cenomännern / welche denen Römern dißmal Beystand leisteten / Klodomir / ein junger Sicambrischer Fürst / Hertzog Basans Sohn / dessen Schwester der Cenomänner Könige vermählet war / und diese Hülffs-Völcker führte. Dieser lag dem Marcellus so lange an: biß er ihm den Zwey-Kampf gegen Viridomarn erlaubte; darzu Klodomirn Marcellus umb seine eigene Scharte auszuwetzen in seinem Gezelte seine eigene Waffen anziehen ließ. Klodomir und Viridomar fielen hierauf einander wie zwey Löwen an; und nachdem sich beyde biß auf den äusersten Athem miteinander ohne einigen Vorschein des Sieges oder Verlustes abgemergelt / strauchelte Viridomars Pferd / wei es in ein Gleiß trat; worauf denn Klodomir als ein geschwinder Falcke zufuhr / und mit seiner Lantze Viridomarn durch die Fuge des Harnisches in die Brust verletzte; und eh er sein Pferd wieder zu Stande bringen konte / ihm noch zwey tödtliche Stiche mit dem Degen versetzte; worvon er vollends todt zur Erden fiel. Die Insubrer / oder vielmehr die Gesaten wolten den Tod ihres Königes rächen; fielen daher die Römer zwar behertzt an; aber der Mangel eines Hauptes / ohne welches das tapferste Heer für einen Bien-Schwarm ohne König zu achten ist; und der Mißverstand unter denen [815] Krieges-Obersten spielte den Römern / wiewohl nicht ohne viel Schweiß und Blut / den Sieg / wie auch die Stadt Acerra und Meyland in die Hände; nach dem insonderheit bey denẽ Gesaten nicht nur mit dem Könige Viridomarn die Gewogenheit zu den Insubrern erkaltete / sondern sie auch diese beschuldigten: daß sie in der Schlacht sich nicht tapfer genung gehalten hätten; also über das Gebürge wieder zurück an den Rhodan und den Rhein kehreten; nach dem sie gleichwohl vorher ein Theil des Römischen Heeres erlegt / und in die Flucht bracht hatten. Inzwischen trug Marcellus den unverdienten Ruhm darvon: daß er selbsthändig Viridomarn erlegt hatte; da doch dieser deutsche Held von niemanden / als einem Deutschen überwunden werden konte. Viridomars güldene Waffen wurden auf einem eichenen Stocke für dem Marcellus zu Rom hergeführet / und ausgeruffen: Er wäre nach dem Romulus und Cornelius Cossus / derer erster den König Acron / der ander den Volumnius getödtet / der dritte / welcher dem feindlichen Heerführer selbst Leben und Waffen abgenommen hätte. Die Insubrischen Fürsten verlohren mit ihrem deutschen Könige und den Gesaten so wohl Hertze als Freyheit; die Römer aber schätzten diesen Gewinn so groß: daß sie dem Delphischen Apollo eine Schale aus dichtem Golde hundert Pfund schwer zuschickten. Zeno fiel ein: Dieses Beyspiel dienet allen Kriegs-Häuptern zu einer Warnigung: daß der Zwey-Kampf mehr ein Handwerck der vermessenen Jugend / als eine Verrichtung einer vorsichtigen Tapferkeit; an Fürsten aber ein Wahnwitz / und ein Untergang der Reiche sey. Denn ob zwar Pittacus einer aus den sieben Weisen / und der Oberherr zu Mytilene bey zweifelhaftem Kriegs-Ausschlage mit dem Fürsten Phrynon / welchen er mit einem Netze bestrickte und tödtete / auf diese Art sich glücklich auswickelte; die drey für das Römische Volck fechtende Horatier ihrem Vaterlande die Herrschafft über die Stadt Alba erwarben; so hat doch der mit seinem Bruder Artaxerxes anbindende Cyrus durch seine Hitze das gantze Spiel verlohren; ungeachtet die ihm beystehenden Griechen auf ihrer Seite den Sieg erhielten. Ja die verspielten Schlachten sind nicht zu erzehlen / welche nur darumb verlohren worden / weil ihre Häupter oder vielmehr die Hertzen der Kriegsheere durch unvorsichtige Kühnheit zu zeitlich gefallen. Daher ich fast anstehe: Ob jener Atheniensische Feldhauptmann nicht mehr Ruhms als Scheltens werth sey; welcher einem sich mit seinen empfangenen Wunden aufblasenden Heerführer einhielt: Er hätte nie keinen ärgern Fehler / als durch unzeitige Näherung einer belägerten Stadt begangen / da ihm ein Pfeil für seine Füsse gefallen wäre. Hingegen würde am Scipio hochgeschätzt: daß er bey Belägerung der Stadt Carthago allezeit drey grosse Schilde ihn für allem Geschoß zu bedecken hätte vortragen lassen; und der so kühne Hannibal hätte nicht nur sein Leben sorgfältig gesparet; sondern auch dem von ihm überwundenen Bürgermeister Marcellus diese schlechte Grab-Schrifft gemacht: daß er als ein tapferer Kriegsmann / aber als ein unvernünftiger Feldherr geblieben wäre. Wiewohl Hannibal bey Belägerung der hartnäckichten Stadt Sagunt und bey Placentz seiner und dieser Klugheit selbst vergaß; als er dort auf der Sturmleiter / hier bey Uberrumpelung einer Festung ver wundet / und beyde mal sein gantzes Heer in bestürtzte Verwirrung gesetzt ward. Des grossen Alexanders Kriegsheer / für welchem vorher die gantze Welt gebebet hatte / ward nach seinẽ Tode zu einem gebländeten Cyclopen / und bewährte dardurch: daß ein Feldherr seines Heeres Auge und Leitstern; also sein Leben ohne äuserste Noth nicht in die Schantze /und als ein Spielball dem blinden Glücke aufzusetzen sey. Es ist wahr / sagte Adgandester; und ward in der Schlacht bey Cannas vom Römischẽ [816] Rathe dem Bürgermeister Varron nicht aus Heucheley / sondern mit gutem Rechte gedanckt: daß er sich zu rechter Zeit aus dem Staube gemacht / und an Erhaltung des Vaterlandes nicht verzweifelt hatte. Und der flüchtige Antigonus entschuldigte seine Flucht durch diesen Schertz gar scharffsinnig: Er wäre nur umbgekehrt /umb sich des zurück gelassenen Heiles zu versichern. Noch klüger aber haben etliche Fürsten gehandelt; welche nach dem Vorbilde des gegen Viridomarn kriegenden Marcellus / umb durch ihre vermeynte Gegenwart ihr Heer zu beseelen; und gleichwohl sich und das gantze Reich ausser Gefahr zu halten / einem andern treuen und tapfern Kriegs-Obersten / welcher fürs Vaterland sein Blut zu versprützen / und im Wercke die Stelle eines Vaters und Fürsten zu vertreten für Ehre geschätzt / ihre Waffen angelegt / und durch einen heilsamen Betrug niemanden als dem Feinde geschadet haben. Alleine wo ein Fürst eines solchen Dieners nicht vergewissert ist / und umb seine gantze Krone gespielet wird / muß er nur auch selbst / ein ander Feldherr aber / so offt ein Hauptwerck unter der Hand / und sein Volck in zweifelhafter Furcht ist /sein eigen Leben aufsetzen / und wie Hannibal zuletzt in Africa / da er mit dem Scipio und Masinissa Mann für Mann zu fechten kam; wie Scipio / als er an Illiturgis selbst die Sturmleiter anlegte; wie Käyser Julius in den Pharsalischen / August in der Philippischen Schlacht; in der er wegen seiner Kranckheit sich doch auf der Sänfte herumb tragen ließ; und unser Hertzog Herrmann letzthin allenthalben an der Spitze fechten /sich getröstende: daß Fürsten auch Fürstliche Schutz-Geister haben; und daß für unerschrockenen Helden sich entweder das Unglücke selbst entsetze / Pfeil und Kugeln sie zu verletzẽ schämen / ja das Verhängnüß sie mit Gewalt dem Tode aus dem Rachẽ reisse / wie der in der Mallier Stadt sich halb verzweifelt stürtzende Alexander ein herrliches Beyspiel abgibt; oder: daß wenn ihre heldẽmässige Entschlüssung auch gleich mißlinget / sie dennoch von viel tausenden beklagt / von niemanden aber / der die Güte des An- und Ausschlags zu unterscheiden weiß / getadelt werden. Unter diese war nun auch der hertzhafte Viridomar zu rechen; mit welchem der Deutschen und der Gallier Glücks-Stern in Italien gleichsam gar verschwand; die Römer aber dessen völlige Meister wurden. Die Bojen / Insubrier / und übrige Deutschen gewohnten auch nach und nach den Römern zu gehorsamen. Sintemal die Noth der nachdrücklichste Lehrmeister ist; und die Erhaltung seines Vermögens den Verlust der Freyheit gleichsam unempfindlich macht. Nachdem aber die Römer der Deutschen eigenthümliche Güter /als den Aug-Apfel des gemeinen Volckes antasteten /nemlich nach Placentz und Cremona mit etlichen tausend Römischen Einwohnern bevolckten; und also die alten Besitzer von ihren Häusern und Aeckern verdrangen; fühlten sie allererst ihre Dienstbarkeit; ihr Geblüte fing hierüber an ihnen in den Adern zu jähren / ihr Hertze nach der alten Freyheit zu lächsen / und ihre Augen sich nach einem Helffer umbzusehẽ. Hiezu ereignete sich durch ein von Mittag über Rom aufziehendes Gewitter Gelegenheit. Denn Carthago hatte bey dem gemachten Frieden den Römern zwar das fette Sicilien / niemals aber den Vorsatz sich desselbten bey ereigneter Gelegenheit wieder zu bemächtigen / abgetreten. Es war dieser herrschsüchtigen Stadt unentfallen / was Rom vormals für ein klein Licht gegen ihr gewest wäre / als sie in dem mit dem Junius Brutus / und Marcus Horatius / beyden Bürgermeistern gemachten erstern Bündnüsse / die Römer derogestalt einschränckten: daß sie über das bey Carthago liegende schöne Vorgebürge nicht schiffen / oder wenn sie durch Ungewitter weiter getrieben würden / daselbst kein Gewerb treiben / auch den fünften Tag zurück segeln musten. Welches Verbot Carthago auch hernach auf Mastia und Tarsesium [817] erstreckten; ja denen Römern in gantz Africa und Sardinien alle Handlung untersagten. Alles dieses aber ward durch den Sicilischen Frieden verlohren / und so gar gantz Sicilien; in welches vorher die Römer mit genauer Noth anlenden durfften. Der tapfere Amilcar trug den Römern damals zwar mit einem beliebten Gesichte aus Noth die Ablegung der Waffen an; aber sein für Ungedult schäumẽdes Hertze legte den Harnisch niemals ab / und sein Gemüthe saan Tag und Nacht auf fügliche Rache. Aber der inerliche Krieg mit den Hülffs-Völckern hielt nichts minder seine Meynung verdeckt / als die Schwerdter in der Scheide. Zu dem verhielt die Aufbrechung dieser nur von aussen zugewachsenen / inwendig aber nie zugeheilten Wunde das von den Römern vernünftig gebrauchte Kühl-Pflaster / da sie nemlich der Stadt Carthago wider den Mathos und Spendius etwas Hülffe schickten. Als aber die Römer hernach ohne einige gegebene Ursache ihnen Sardinien abdrückten / und noch darzu eine jährliche Schatzung von zwölff hundert Talenten aufbürdeten; wolte zu Carthago und bey Amilcarn die Ungedult ausreissen; alleine die Klugheit hieß sie ihrer durch den letzten Krieg entkräffteten Stadt geringe / hingegen der Römer vergrösserte Macht gegen einander auf die Wage legen; und also lieber zu ihrem empfangenen Unrechte ein Auge zudrücken / als durch unzeitige Rache zu Grunde gehen. Der Staats-verständige Amilcar rieth dannenher: daß Carthago /ehe es mit den Römern wieder anbinde / die Numidier / als gleichsam im Busem sitzende Feinde demüthigẽ / und sich in Hispanien vor groß machen solte. Welches beydes er mit grosser Tapferkeit ausrichtete; aus Hispanien ein grosses Reichthumeroberter Beute nach Carthago schickte / dardurch alle von ihm abgeneigten Gemüther gewan / und seinem Vaterlande die Hoffnung der Begierde gantz Hispanien zu bemeistern einpflantzte. Diesen Zweck zu erlangen war überaus vorträglich: daß Amilcar noch in Sicilien des Celtiberischen Königs Salonichs Tochter die schöne Arimene geheyrathet / und mit selbter zum unschätzbaren Braut-Schatze der Celtiberier Zuneigung gegen Carthago / und den Haß wider die Römer bekommen hatte; als welche biß auf den letzten Athem gleichsam in unverrückter Treue für jene wider diese verharreten; und den Lauff des Römischen Glücks-Rades lange Zeit hemmeten. Die Stadt Sagunt und andere Griechen / welche in Hispanien festen Fuß gesetzt hatten / nahmen bey Vergrösserung dieser neuen Macht zwar nach Rom ihre Zuflucht / und vertrauten sich ihrem Schutze; aber die damals anderwerts von den Deutschen fort für fort beunruhigten Römer musten den sieghaften Waffen Amilcars nur den Lauff lassen; welchen nicht allein die Liebe seines Vaterlandes und angebohrne Tugend / sondern auch seine aus deutschem Geblüte entsprossene und daher den Römern von der ersten Mutter-Milch abholde Gemahlin /die behertzte Arimene unaufhörlich wider diese allgemeine Feinde anreitzte. Diese hatte Amilcarn fünf Kinder gebohren / Elißen / Hermegilden / Annibaln /Aßdrubaln / und den Mago. Hermegilde ward dem zu Carthago hochangesehenen Asdrubal / derer Tochter Sophonisbe nachmals den Numidischen König Syphax zur Eh nahm / Elißa dem grossen Hanno vermählet / welcher beyder Tochter Dido hernach dem Maßesyler Könige Desalces heyrathete. Wie nun die Vermählung geschehen solte / führte Arimene ihre Tochter Hermegildis für das Altar der gewaffneten Venus / oder Derceto; und nöthigte sie in Anwesenheit Amilcars ihr eydlich zu versprechen: sie wolte ihrem Könige Asdrubaln Tag und Nacht in Ohren liegen Carthago wider die Römer in Waffen zu bringẽ. Amilcar war über diese Verbitterung gegen seine Tod-Feinde nichts minder beschämet / als [818] erfreuet /und daher ergrieff er den damals nur 9. jährigen Annibal bey der Hand / führte ihn für das Altar des rächendẽ Jupiters / um ihm bey seinẽ Opfern die benöthigte Handreichung zu thun. Nach vollbrachtem Gottes- Dienste umbhalsete und küßte er seinen Sohn / fragende: Ob er wohl Lust hätte mit ihm in Krieg nach Hispanien abzusegeln? Wie ein von dem mütterlichen Geblüte noch nasser Löwe schon seine Klauen zeigt; ja Helden-Kinder in der Wiege Schlangen zu zerreissen begierig sind; also brach beym noch so zarten Hannibal mit seinen Freuden-Thränen schon das Feuer seines Gemüthes für. Er umbarmte die Knie seines Vaters / und küssete den Staub seiner Fußstapfen / mit Bitte: Er möchte ihn ja nicht zurück lassẽ. Amilcar küßte Annibaln mit noch mehrer Brünstigkeit / nahm seine rechte Hand / legte selbte auf das Bild Jupiters / sprach ihm einen Eyd für / in welchem Annibal der Römer Tod-Feind zu sterben angeloben muste. Diesen sprach er nicht nur mit tausend Freuden nach; sondern er war in Hispanien die neun Jahr über ein unabtrennlicher Geferte in den Kriegs-Zelten seines sieghaften Vaters / der durch seine Thaten den ersten Stein zu einem neuen Reiche legte / und seinen Nachfolgern den Weg zu noch grössern Wercken bähnte. Auf der einen Seite des Flusses Iberus war alleine der tapfere und mächtige König Orisso noch übrig / der sein Haupt für Amilcarn nicht beugte. Daher kamen beyde mit einander zum Haupt-Treffen. Wie nun die Iberier überaus hartnäckicht fochten /drang Amilcar aus Ungedult mit einer wunderwürdigen Kühnheit auf das Haupt der Feinde zu / durchrennte den König Orisso; verfiel aber in solchem Gedränge mit seinem Pferde in einen Sumpf / und muste darinnen mit seinem Leben auch die unersättliche Begierde der Ehren ausblasen. Der achzehnjährige Hannibal aber ließ sich weder die Anzahl der Feinde /noch seines Vaters Tod irre machen; sondern gewan durch seine Tapferkeit die Schlacht. Asdrubal / der bißher über die Kriegs-Flotte bestellt war / kam in Amilcars Stelle; welches bey Annibaln schon etlicher massen Schälsucht erweckte. Also düncket ein ruhmsüchtiger Geist niemals einen zu kurtzen Degen / und zu wenig Jahre zu haben / wenn er grosse Unterfangungen im Schilde führt. Asdrubal stand seinem hohen Ampte mit grossem Fleisse und Klugheit acht Jahr für / erweiterte der Carthaginenser Gräntzen sehr weit /und zwar nicht so wohl durch die Waffen / als seine Leutseligkeit / wormit er der meisten Hispanischen Fürsten Gemüther an sich zoh. Denn es lassen sich durch keine Wünschel-Ruthe so wohl die heimlichen Ertzt-Adern erforschen / als menschliche Hertzen durch den Trieb der Freundschafft; und keine Zauber-Gärthe kan so wohl die Gespenster / als Freundligkeit und Wohlthun die Gemüther an sich ziehen. Er erbaute die mächtige und überaus wohlgelegene Stadt Neu-Carthago; welche die Römer sehr ins Gesichte stach /und sie gleichsam aus einem tieffen Schlafe gegen Carthago aufweckte. Alldieweil sie sich aber noch nicht völlig aus dem Illyrischen Kriege mit der Königin Teuta ausgewickelt / auch von denen Deutschen und Celten einen neuen Anfall zu gewarten hatten /machten sie zwar einen grossen Ruff / als auf dessen Gewichte die Kriege offtmals mehr als auf der Schwerde der Waffen bestehen: daß von Ostia und Cajeta ein mächtiges Heer nach Hispanien überfahren solte; ihr gröstes Absehn aber hatten sie auf ihre an Asdrubaln mit vielen Geschencken abgehende Gesandschafft. Wiewohl nun die in Italien noch seßhaften Deutschen / König Aneroest und Viridomar Asdrubaln durch vertrösteten Beystand beweglich in Ohren lagen / nunmehr die Waffen wider Rom und Sagunt zu ergreiffen; ließ er sich doch die Römische Kriegs-Rüstung entweder schrecken / oder ihre Geschencke blenden: daß er ohne des Raths zu Carthago Vorbewust / und zum Nachtheil des Vaterlands [819] den Römern durch ein neues Bündnüß versprach über den Fluß Iberus seine Bothmässigkeit nicht zu erstrecken. Diese Zeitung kam kaum so geschwinde nach Rom /als die Römer ihre völlige Macht gegen die Deutschen an- und über dem Po fortrücken liessen. Durch welche Kleinmuth / und einen dem Asdrubal begegnenden Unfall; da er nemlich einen der Gesandten auf der Jagt mit einem Pfeile tödtlich iedoch zufällig verwundete /ein in der Deutschen Gesandschafft sich befindender Edelmann derogestalt erbittert ward: daß er sich umb seine Rache auszuüben in Asdrubals Leibwache bestellen ließ; als aber in wenigen Tagen des Nachts die Reye der Schildwache für seinem Hause an ihn kam /er sich unvermerckt in das Schlaf-Gemach spielte /und ihm den Degen durchs Hertze stach. Kurtz vorher war zu allem Glücke Annibal wieder bey dem Kriegesheere in Hispanien ankommen / welcher eine Zeitlang in Gallien sich umbgesehen / auch mit den vermessenen Galliern wider König Klodomirn über den Rhein gesetzt; bey damaliger Niederlage anfangs zwar seine Freyheit verlohren / hernach aber durch seine vielfach erwiesene Kriegs-Wissenschafft Klodomirs wunder-schöne Tochter Chlotildis erworben hatte. Das Kriegsheer erklärte den wiewohl sehr jungen doch hertzhaften Annibal in Hispanien alsofort zum Haupte / der Rath zu Carthago bestätigte ihm seine Würde; und der Ausschlag wieß: daß das Alter so wenig die Mäß-Schnure der Klugheit / als ein Riesen-Geschöpfe das eigentliche Wohn-Haus der Tugend sey. Weil nun Volck und Pöfel viel Augen hat neuer Häupter Fehler zu übersehen / und viel Zungen ihn zu lästern; entschloß er sich mit einem herrlichen Anfange ihm ein Ansehen zu machen. Denn ein ungleicher Ruff findet den besten Glauben / und es ist leichter selbtem durch etwas rühmliches vorzukommen / als desselbten einmalige Flecken durch viel tugendhaftes Beginnen zu tilgen. Weil nun auch die allergeräumsten Umbschrenckungen beschwerlich sind; Hannibals Gemüthe aber einen grössern Umbschweiff als die Welt hatte; war ihm der letzte Römische Vertrag ein unerträgliches Fessel; daher beschloß er bey numehr erholten Kräfften die Stadt Carthago lieber frey und todt / als gebunden zu seyn / und seines Vaterlandes Herrschafft über den Flüß Iberus zu erweitern. Zumal seine für Rache glüende Gemahlin Chlotildis /welcher Bruder Concoletan von Römern erschlagen worden ward / Annibaln Tag und Nacht in Ohren lag mit den Römern zu brechen / sie ihm auch von unterschiedenen Deutschen Fürsten schrifftliche Versicherung ihres Beystandes fürzeigte. Weil nun diß ohne mit den Römern wieder ins Handgemenge zu kommen nicht geschehen konte; hierzu aber das gemeine Volck zu Carthago nicht Lust hatte; ja der Adel die gröste Gewalt des zur Kriegs-Zeit am meisten überwiegenden Barkischen Geschlechtes mit schälen Augen ansah / stand er an / diesen Vorschlag selbst aufzuwerffen. Denn ein Kluger soll so viel möglich sich hüten / nicht allein andern zu widersprechen / als welches eine Verdammung ihres Urtheils ist; sondern auch / daß er nichts vorschlage / welches andere besorglich widersprechen werden. Sintemal dieses gleichsam heist wider den Strom schwimmen; und nichts minder zu eigener Gefahr / als zu Verminderung des Ansehens gereichet. Also muß ein Kluger offt mit seiner Erklärung zurück halten / und wenn er es gleich mit den wenigern hält / doch mit den meisten reden. Uber diß erinnerte ihn der gemeine Lauff menschlicher Dinge: daß selten der Ausschlag das Ziel der alles erleichternden Einbildung erreichet /dieser ihr Urtheil hingegen auch das schwerste Fürhaben nach der Mäß-Ruthe des Verlangens urtheilet; und die Grösse der Römischen Macht aber: daß er mit nicht allzu übermässiger Hoffnung diß wichtige Werck unterfangen solte. Zumal ihm [820] Amilcar noch diese heilsame Lehre hinterlassen hatte: mit den Römern nicht ehe zu brechen / biß er gantz Hispaniens Meister worden wäre. Diesemnach stifftete er durch die dritte und vierdte Hand an: daß seine untergebene viel von der Begierde der Deutschen gegen die in Illyricum abgematteten und bey selbigen Völckern verhaßten Römer auffzuziehen / von Beschwerde der Sardinier über das Römische Joch und die Grausamkeit des Manlius / von deren rechtmäßigen Ursachen wider die Römer zu kriegen / von der erwünschten Gelegenheit sich der nicht so wohl unerträg- als schimpfflichen Schatzung zu befreyen. Welches alles so wohl dem Adel / als Pöfel lieblich in Ohren klang. Annibal bestärckte inzwischen diese scheinbare Ursachen mit männlichen Thaten. Denn er nahm die reiche Stadt Althea stürmender Hand ein; worfür Chlotildis das Kriegs-Volck auff einer Seite selbst behertzt an führte. Das gantze Volck der Olcader ergab sich hiermit unter Carthago. Hierauff bemächtigte er sich der Stadt Salmantica mit List / der grossen Stadt Arbucala mit Gewalt / uñ folgends des gantzen Vacceischen Landstrichs. Hundert tausend der mächtigen und so wol vierfach stärckern Carpetaner erlegte er / als sie gegen ihn durch den Fluß Tagus durchsetzten / auffs Haupt; machte sie auch kurtz hierauff ihm gar unterthänig. Und derogestalt war nichts mehr übrig / als die von Zazynthiern erbaute / in der Gräntze der Iberier und Celtiberier tausend Schritte vom Meere liegende / und mit den Römern verbundene reiche Stadt Saguntus im Tarraconensischen Hispanien; welche wegen für Augen schwebender Gefahr Post über Post nach Rom um Hülffe schickte. Hannibal / nach dem er so glücklich seinen Zweck und hiermit so grosses Ansehen zu Carthago erlangt / und seines Bedünckens den die Tugend sonst unterdrückenden Nebel des Neides überstiegen hatte / meinte nunmehr es Zeit zu seyn: daß er sein Vorhaben zu Carthago auff den Teppicht würffe / ehe das Gedächtniß seiner Siege und zugleich derselben Werth veralterte. Denn wie die Wercke eines Klugen und Thoren nicht so wohl in ihrem Wesen / als daß jene zur rechten / diese zur Unzeit geschehen / unterschieden sind; also ist es ein grosser Vortheil sich seiner Neuigkeit bedienen. Sintemal ein heutiges Loth unserer Thaten einen jährichten Centner grosser Verdienste überwieget. Wie er nun so wohl die Gemüther des Volcks gewonnen / als selbtem den Eckel für dem Kriege durch die reichen Beuten verzuckert hatte; schrieb er alle ersinnliche Ursachen: warum Carthago den Römern nunmehr auff den Hals gehen / oder nur Sagunt antasten solten; wormit Rom für sich selbst loß schlagen würde; als welches ohne diß die Hispanier heimlich zum Aufstand verhetzte. Dieser Meinung auch einen grössern Nachdruck zu geben / reisete seine Gemahlin Chlotildis mit vielen Nachrichten / und ihr Vetter Magilus der Bojen Hertzog um sein und seiner benachbarten Völcker Gemüther dem Rathe so viel kräfftiger zu eröffnen selbst nach Carthago; daselbst bearbeitete sich auch des Königs Demetrius Pharius aus Macedonien Gesandter / um ein Bündniß wider die Römer; welche er über dem Fluße Lissus anzutasten versprach. Amilcar war kaum drey Tage zu Carthago in seiner Winterrast; da auff einen Tag Chlotildis und Magilus mit freyer Gewalt für Annibaln zurücke kam; wie auch eine Römische Botschafft mit Verwarnigung / weder Sagunt anzutasten / noch über den Iberus zu setzen /bey ihm sich einfanden. Hannibal gab dieser Bothschafft auff Chlotildens Einredung zur Antwort: daß die Dräuungen im Kriege nur schädliche Warnigungen wären / als wie Blitz und Knall zugleich kommen müste; Gleichwohl beschwerte er sich über die Römer: daß sie zu Sagunt etliche den Carthaginensern verwandte Adeliche Geschlechter durch schimpfflichen Tod hingerichtet; [821] die Saguntiner aber in ihrem Gebiete die Torboleter beraubet / auch wider dieser noch anwesenden Beschwerführung seine billiche Vermittelung verächtlich ausgeschlagen hätten. Nach zweyen Monaten schied die Botschafft von ihm nach Carthago / daselbst gewisse Enschlüssung zu holen. Amilcar aber / der mit Sagunt den Römern alle Gelegenheit in Hispanien festen Fuß zu setzen abschneiden wolte / kam mit seiner Macht unversehens für Sagunt an; beschloß selbte rings um mit einem Walle /daran Annibal und Chlotildis selbst als gemeine Kriegs-Knechte Hand anlegten / bey ieder Gefahr sich in die Spitze stellten; und nach acht Monatlicher Belägerung die nunmehr verzweiffelten Saguntiner / als sie sich von den kleinmüthigen Römern verlassen /alle eusserste Beschirmung aber verspielet sahen /dahin brachten: daß sie alles Gold und Silber auff dem Marckte mit Ertzt und Bley unter einander verschmeltzten; hierauff des Nachts einen Ausfall thäten / alle aber biß auff den letzten Mann erschlagen wurden / ihre Weiber sich theils erheuckten / theils von der Mauer stürtzten; ausser welche durch Vorbitte Chlotildens erhalten blieben. Also war Saguntus nicht so wohl die Ursache / als der Anfang des Krieges. Wie aber diese Eroberung den Römern bey ihren Bunds-Genossen übele Nachrede verursachte / beschlossen sie alsobald und ohne Berathschlagung den Krieg; und daß der Bürgermeister Tiberius mit Kriegs-Macht Carthago selbst belägern / der ander aber wider Annibaln auffziehen solte. Weil sie aber mit dem Demetrius in Illyricum noch genung zu schaffen hatten / schickten sie ihren Schluß biß zu völliger Ausrüstung zu verblümen / eine Botschafft nach Carthago / unter dem Schein die Zwistigkeiten zu vergleichen. Diese beschwerte sich: daß Hannibal wider das mit Asdrubaln gemachte Abkommen über den Iber gesetzt / und Sagunt ihre Bunds-Genossen ausgerottet hätte. Daher im Fall der Rath sich nicht solchen Frieden-Bruchs theilhafftig machen wolte /müste er Hannibaln und alle seine Rathgeber zu der Römer Bestraffung aushändigen. Der Rath versetzte: Ob wohl die Römer schon durch Abdringung Sardiniens und Abheischung einer jährlichen Schatzung den Lilybeischen Frieden gebrochen hätten / wolten sie doch solch Unrecht vergessen / und den Frieden unterhalten. Die Saguntiner aber hätten durch Uberfall der Torboleter sich an den Hannibal gerieben / und ihren Untergang verursacht. Zu dem wären diese bey oberwehntem Frieden der Römer Bunds-Genossen noch nie gewest; sondern nur um der Stadt Carthago einen Dorn in die Augen zu setzen / hernach in ihren Schutz gezogen worden. Endlich wüsten sie von neuem Bündnüsse Asdrubals nichts / der den Rath ohne ihre Einwilligung zu nichts kräfftig verbinden können. Aus welchem Grunde die Römer vorher den zwischen Carthago und dem Römischen Bürgermeister Luctatius in Sicilien gemachten Frieden verworffen / ihnen aber schwere Bedingungen auffgehalset hätten. Was aber Asdrubal für sich geschlossen / wäre mit seinem Tode erloschen. Der Römische Gesandte / an statt: daß er dem Rathe noch hätte einhalten können: die Sardinische Sache wäre durch Erlegung der Schatzungen in der That beliebt / der Friede vom Luctatius auff Genehmhabung des Römischen Raths / Asdrubals aber ohne Bedingung geschlossen / und darinnen alle / also auch die künfftigen Bundgenossen begriffen worden / öffnete den Rock auff der Schoß; fuhr hitzig und entrüstet heraus: Wir sind hieher nicht zum Wortgezäncke erschienen; sondern wir fordern Annibaln und andere Friedbrüchige. Hier stecket Krieg und Friede; was ihr auslesen werdet / will ich heraus geben. Der König oder Oberste im Rath versetzte: Carthagens Würde [822] erfordert diß anzunehmen /was ihr heraus ziehen wollt. Hierauff zohe der elteste Gesandte ein blanckes Schwerd herfür / mit dem Beysatze: Diß ist es / was uns anstehet. Der Rath rieff hierauff einhellig: wir nehmen es an / weil es euch gut dünckt. Wormit die / derer Gemüther viel Jahr vorher getrennt waren / gleichsam für Zorn schäumende von sammen schieden. Wie nun nach zerrissenem Bündnisse Hannibal freye Hand bekam gantz Hispanien ihm in weniger Zeit theils durch Gewalt / theils durch Dräuung / theils Verheissungen zu unterwerffen / und an Römern sein Heil zu versuchen / ließ Hertzog Magilus nicht ab ihn durch Herausstreichung der fruchtbaren Länder / streitbaren / und den Römern gehäßiger Völcker am Po zum Einfalle in Italien durch Gallien zu bereden. So ka eben zu rechter Zeit Matalus und Dietrich zwey Bojische Fürsten / als Gesandten /von den um die Alpen wohnenden Deutschen an /welche dem Annibal selbiger Völcker bereitete Hülffe anboten; andern Kriegs-Häuptern aber den Traum benahmen; als wenn über solch Alpen-Gebürge noch kein ander Kriegs-Heer als für Zeiten des Hercules zu steigen vermocht hätte. Da doch die Gallier und Deutschen mit Weib und Kindern so vielmahl selbtes durchreiset hätten. Ja sie selbst wären über diß Schnee-Gebürge nicht geflogen / sondern itzt gleich über selbtes / und zwar zur Winters-Zeit kommen /wolten also ihre selbsteigne Wegweiser seyn. Der kühne Hannibal wolte diese Gelegenheit nicht aus den Händen lassen; sondern handelte mit ihnen ein gewisses Bündniß ab; in welchem unter andern merckwürdig versehen war: Es solten die Deutschen den Carthaginensern: daß sie Kriegs-Obersten / diese aber jenen / daß sie Weiber zu Richtern und Rathgebern hätten / nicht fürrücken. Diesemnach hielt Hannibal fürs rathsamste den Feind im Hertzen anzugreiffen; schickte also unverzüglich das Hispaniens gewohnte Kriegs-Volck in Africa; das Africanische aber verlegte er in Hispanien zur Versicherung / allwo er seinen Bruder Asdrubal zum Kriegs-Haupte bestellte / und ihm wider der Römer besorglichen Einfall heilsame Lehren gab. Nach so guter Anstalt zohe er im ersten Frühlinge mit neuntzig tausend Mann zu Fuße / und zwölff tausend Reutern über den Iber / brachte alle biß an das Pyreneische Gebürge durch das Aqvitanische Narbonische Gallien mit funffzig tausend zu Fuß / und fünfftehalb tausenden zu Rosse alles alten abgehärteten Kriegs-Leuten. Die auff Römische Seite hengenden Gallier gewan er mit Schrecken / die andern mit Geschencken und Vertröstung: Er käme dahin nicht als ein Feind / sondern Gast /wolte auch den Degen nicht eher / als in Italien zücken. Hertzog Magilus aber reisete eilfertig voran; und versicherte die Insubrier / Bojen / und andere Deutschen der anziehenden Hülffe; welche / weil zumahl die Römer am Po durch Auffricht- und Besetzung der neuen Stadt Placenz diesen freyen Völckern ein Gebiß ins Maul legten / Annibals nicht erwarten konten /sondern die Waffen ergriffen; aus denen abgenommenen und denen Römischen Bürgern vertheilten Aeckern die neuen gewaltsamen Besitzer vertrieben / den Lutatius / Servilius / Annius und andere dahin geschickte Feld-Mässer in Mutina belägerten / und als sie heimlich daraus sich flüchten wolten / erlegten. Manlius eilte mit einem starcken Heere herzu die Stadt zu entsetzen; Magilus aber zohe selbtem entgegen / versteckte sein Heer in einen Wald / und überfiel die daselbst nichts minder als einen Feind besorgenden Römer mit so grossem Vortheil: daß wenig von dem gantzen Heere auffs Gebürge entrannen. Ob nun wohl Manlius mit frischen Völckern ihm begegnete / so schlugen ihn die Deutschen doch abermahls mit grossem Verlust in die Flucht; eroberten sechs Fahnen / und belägerten [823] in der Stadt Tannetum die gantze vierdte Legion / und die Römisch gesinnten Brixianischen Gallier; biß Lucius Atilius mit seiner Legion und viel Galliern an- / die Deutschen aber mit grosser Beute sich zurück zohen. Weil nun aber die Massilier den Römern Annibals Siege in Hispanien zu wissen machten; schiffte der Bürgermeister Publius Scipio mit einem ansehlichen Heere von Pisa ab an dem Ligustischen Meer-Strande biß nach Maßilien / in Meinung biß in Hispanien zu segeln. Er erfuhr aber daselbst mit Erstaunung: Annibal habe nicht nur das Pyreneische Gebürge hinter sich gelegt / auch die ihm widerstehenden Narbonischen Gallier zerstreuet /sondern sey auch schon begriffen über den Rhodan zu setzen. Sintemal die zwey deutschen Fürsten Matalus und Dietrich die auff der West-Seite des Rhodans wohnenden Ardves / wie auch die Deutschen an dem Fluß Araris schon vermocht hatten: daß sie Hannibaln eine grosse Menge Nachen zu Fertigung einer Schiffbrücke den Strom herab brachten. Die Kriegsvölcker höleten auch unzehlich viel Bäume zu Nachen aus. Die Volcaischen Gallier alleine zohen sich mit allen ihrigen auff die Ost-Seite des Flusses / und bothen mit der Maßilier Hülffe Annibaln an dem Strande die Stirne. Dahero führte Fürst Dietrich ein Theil des Heeres unter dem jungen Hanno Bomilcars Sohne unvermerckt eine Tagereise am Rhodan hinauff; allwo der Rhodan in sich ein kleines Eyland macht. Daselbst machten sie des Nachtes in dem anliegenden Walde eine Menge Flössen zusammen / kamen also unverhindert über den Fluß; hiermit rückten sie auff der Ost-Seite Stromwerts wieder ab / berichteten ihre Uberkunfft und Anzug Annibaln; welcher denn alle Schiffe mit Volck besetzte / und darmit überzukommen versuchte. Als nun die Maßilier und Gallier dieses zu verwehren eusserst arbeiteten; fiel Hertzog Dietrich mit neuen deutschen Hülffs-Völckern und Hanno mit seinen Mohren ihrem Feinde in Rücken; erlegten derer viel tausend; also kam Hannibal mit einem grossen Siege über den Rhodan. Wiewohl er mit Ubersetzung der das Wasser überaus fliehenden Elephanten / denen er eine Schiffbrücke bauen / und selbte mit Rasen besetzen muste / unglaubliche Mühe anwendete; derer etliche zwar auch bey Loßtrennung eines an die am obersten Ufer stehenden Bäume angebundenen Schiffes in Fluß stürtzten / aber mit empor gereckten Schnautzen doch herdurch wateten. Allhier kam der tapffere Magilus mit Bericht seiner Siege und zum Wegweiser wieder bey Annibaln; Publius Scipio aber mit seinem Heere am Rhodan wiewohl zu spat an / weil Annibal schon drey Tage vorher am Rhodan hinauff / über den durch der Vecontier Land flüssenden gefährlichen Strom Druentia gediegen war. Das vierdte Nachtlager schlug Annibal in der Tricaßnier Gebiete am Fluße Isara auff; Allwo zwey Allobrogische Fürsten über ihrem zwischen dem Rhodan und Isar in Gestalt eines Eylandes liegenden Erbtheile mit einander zwistig waren / Annibaln aber ihren Streit zu entscheiden untergaben. Annibal sprach wider Bertholden für den Brancus / als welcher auch für sich das Recht der Erstgeburt hatte / und Annibaln an Volck und nöthigem Vorrathe allen möglichen Vorschub zur Reise that. Allhier stiessen zu Annibaln etliche tausend Alemänner und Nemeter unter dem Fürsten Hulderich der Chlotildis jüngsten Bruder; Fürst Berthold aber nahm seine Zuflucht zu denen benachbarten Fürsten der Centroner und Veragrer / brachte auch durch seine klägliche Beschwerden es so weit: daß diese Völcker in aller Eil alle Lücken der Alpen gegen Annibaln besetzten / der zwischen dem Rhodan und dem Isar seinen Weg unsäumbar verfolgte. Berthold aber war allzuhitzig / ließ sich mit seinen im Vortheil stehenden Völckern für [824] der Zeit sehen; da er hingegen bey derselben Verdeckung Annibals Heer in den tieffen Thälern mit schlechter Müh sonder einige Gefahr durch Abweltzung der Steine hätte ausrotten können. Hingegen kundschaffte Fürst Hulderich von etlichen Galliern aus: daß sie des Nachts diese Berg-Engen unbesetzt liessen / und sich theils nach Axima / theils nach Novimagum zurück zügen. Annibal brach hierauf in höchster Eil des Nachts aus seinem Läger auff / bemächtigte sich dieser felsenen Pforten /und führte das gantze Heer Berg auf. Am Morgen fielen die Gallier und Allobroger Annibaln grimmig an /thäten ihm aber nicht so viel Schaden / als das abschüßige und enge Gebürge; von welchem ihrer viel und insonderheit Pferde und andere Thiere mit grosser Menge abstürtzten. Endlich aber ward Fürst Berthold vom Hertzoge Magilus von einem Pfeile tödtlich verwundet / und nicht alleine der Feind verjaget / sondern auch die Stadt Axima mit grossem Vorrathe erobert / allwo er drey Tage sein abgemattetes Heer erfrischte; die benachbarten Gallier aber derogestalt erschreckte: daß sie von allen Orten mit Oelzweigen ihm entgegen kamen / um seine Freundschafft baten /und alles nöthige reichlich zuführten. Zwey Tage reisete Annibal derogestalt friedlich durch das Centronische biß in das Veragrische Gebiete / da ihn denn in einem tieffen um und um mit steilen Klippen umgebenen Thale die mißträulichen Gallier abermals anfielen; also: daß es hier um sein gantzes Heer gethan gewest wäre / wenn der schlaue Annibal aus einem vernünfftigen Mißtrauen nicht die Elefanten und alles Kriegs-Geräthe mit der Reuterey allezeit zu voran geschickt / den Kern des Fußvolckes / und insonderheit die der Felsen gewohnte Deutschen aber im Rücken behalten hätte. Gleichwol war es ein hartes Treffen /und muste nach des gantzen Tages Gefechte Annibal auf einem kahlen Berge übernachten; er erreichte auch allererst folgende Nacht seinen Vortrab. Folgenden Tag machten die Gallier zwar hin und wieder Lermen / aber ohne Nachdruck. Denn so bald sie die ihnen gantz fremden Elefanten ersahen / trieb sie die Furcht zurücke. Den neundten Tag erreichte Annibal den längst gewünschten höchsten Penninischen Gipffel /von welchem man gegen West Gallien / gegen Sud-Ost aber das lustige Italien übersehen kan. Diesen Berg verehren die Gallier nichts minder / als die Syrier den Carmelus; nennen ihn auch die Säule der Sonne. Auf dem Gipffel stehet der Verager Gott Pennus in Risen-Grösse in Marmel ausgehauen. Auf selbtem entspringt der Fluß Dranse / und noch ein ander /jener laufft gegen Mitternacht in den Lemannischen See / dieser gegen Sud-Ost in den Strom Duria; welcher Annibaln gleichsam einen Wegweiser biß an den Fluß Po abgab. Weil nun Annibaln das Wetter fugte /lag er zwey Tage auf dieser Höhe stille; nicht so wol: daß sein Heer daselbst ausruhte; als daß er ihm die Zähne nach denen Herrligkeiten des im Gesichte liegenden Italiens wäßricht machte. Nach dem Andacht und Gottesdienst auch das festeste Band der Gesetze /der sicherste Kapzaum des Volckes ist / vergaß Hannibal nicht auf diesem alle andere Berge überragenden und deßhalben so viel heiligern Berge dem Jupiter /dem alle Gipffel gewiedmet sind / zu opffern; setzte auch dem Pennus das Bild des Ammonischen Jupiters gegen über. Auff der Seiten aber grub er in einen Steinfelß: Annibal der Carthaginenser Feldherr / welcher am allerersten mit einem Heere über diese Höhe in Italien gedrungen / leget dem Jupiter und dem Schutz-Gotte dieses Gebürges ein heiliges Gelübde ab: daß / da sie ihn die beschworne Zerstörung der Stadt Rom bewerckstelligen lassen / er auff die Spitze dieses Berges einen grössern Tempel / als in Rom keiner ist / bauen / und den Capitolinischen Jupiter drein setzen wolle. Ob nun wol auch Annibal beym Aufbruche seinem Heere [825] die nicht mehr allzu ferne Gegend der Stadt Rom / als welcher Stadt Mauern sie so wol / als Italiens mit diesen Bergen überstiegen /ungefähr anwieß; so grausete doch allen für dem gähen und engen Abwege; zumal der die Nacht vorher häuffig-gefallene Schnee Berge und Thäler ausgegleicht hatte; also: daß viel nur einmahl fehltretende Menschen oder Thiere von den Abgründen verschlungen wurden / und nicht einst eine Spure zu anderer Verwarnigung hinter sich verliessen. Die gewohnte Müh des abgehärteten Heeres überwand gleichwol alle Beschwernüsse / ungeachtet die wegen gewohnten Schnee und Eises an die Spitze gestellten Deutschen Fuß für Fuß mit Schauffeln sich durchscharren musten. Endlich aber geriethen auch die Hertzhafftigsten in Verzweiffelung / weil die Natur ihnen selbst einen Rigel vorgeschoben / und tausend Schuch hoch einen Felß von dem Wege abgespalten hatte; also: daß über diese Tieffe zu kommen nicht Füsse / sondern Flügel von nöthen schienen. Der hierüber zwar ängstige / aber sich doch euserlich unerschrocken gebehrdende Annibal suchte anfangs zwar einen Umweg über ein von viel-jährigem Schnee angefülltes Thal; aber die schweren Thiere und Menschen traten durch den neuen oben nur gefrornen Schnee bald durch /und versancken in den unterhalb wäßrichten Sumpf; also: daß nach ziemlichem Verlust Annibal selbst fast nicht wuste / wo er sich hinwenden solte. Gleichwohl ließ er seinen Kummer nicht mercken; entschloß sich also die Unmögligkeit selbst zu überwinden / und über die abschüßige Höhe ihm einen Weg zu bähnen; wol wissende: daß auch eine verzweiffelte Ausrichtung besser / als eine nichts entschlüssende Sorgfalt sey. Zumal Elefanten und andere Thiere auf diesen rauen Klippen schon halb verhungert waren. Diesemnach ließ er alle in der nähe stehende Bäume abhauen / Schnee und Erde herzu schleppen / auff Anleitung der Deutschen die Klippen mit Feuer und Eisen zersprengen / alles diß aber von der Höhe hinab stürtzen / und also einen Weg ausgleichen: daß er den vierdten Tag erstlich das Vieh / hernach die Menschen herunter führen konte / und nach dreytägiger Ruhe endlich im fünfften Monat der Reise die erwünschte Fläche Italiens erreichte / und nach hinterlegtem Salaßischem Gebiete zwischen den fruchtbaren Flüssen Duria und Seßites bey denen ihn mit Freuden bewillkommenden Libiciern an Kräfften sich erholete; sintemal er nach Verlust der Helffte seiner eigenen Völcker mehr nicht als zwantzig tausend zu Fusse / und sechs tausend Reuter allhier übrig hatte / aber alsbald mit zehn tausend auserlesenen Deutschen verstärckt ward; welche aus Helvetien über das Adulische Gebürge / und so fort auf dem Flusse Ticin und über den Verbanischen See vermöge des mit Annibaln gemachten Bündnüsses dahin an- und ihm wol zu statten kamen. Denn weil die Römer den Atilius mit einer starcken Macht dem Manlius wider die Bojen und Deutschen am Po zu Hülffe geschickt hatten / die mit denen Insubrern kriegende Tauriner auch die Römische Seite hielten /und Cneus Scipio mit einem noch mächtigern Heere im Abzuge war; scheuten sich diese mehrmals gewitzigten Völcker / ehe sie von Hannibaln was merckwürdiges sähen / sich öffentlich zu ihm zu schlagen. Weil die Tauriner aber sich für Feind erklärten; fiel ihnen Hannibal als ein Blitz über den Hals / belägerte ihre am Po und dem obern Flusse Duria gelegene Hauptstadt; eroberte selbte auch den dritten Tag stürmender Hand. Welches nicht allein ihm den Zufall der Insubrer / sondern selbiger gantzer Gegend erwarb /auch verursachte: daß die Römer den nach Africa befehlichten Bürgermeister Tiberius vom Lilybeischen Vorgebürge zurück forderten. Wie nun aber Annibal am Po herab zoh / ward ihm angesagt: daß der von Maßilien zurück schiffende Publius Cornelius Scipio mit seinem Heere bereit oberhalb Placentz über den[826] Po gesetzt hätte / und über den Fluß Ticin eine Brücke schlüge. Wenig Tage hernach begegneten beyder Heere Vortrab einander harte am Po; da aber die Römer von Annibals Reuterey bald zertrennet / von den Numidiern umgeben / und meistentheils erlegt wurden. Fürst Magilus verwundete den Bürgermeister selbst / hätte ihm auch gar den Rest gegeben / wenn ihn nicht sein Sohn ein tapfferer Jüngling von siebzehn Jahren / der hernach der Africanische Scipio genennet ward / bey aller andern Römer Zagheit beschirmet / und ihm sich der Gefahr zu entziehen Lufft gemacht hätte. Publius muste derogestalt nicht nur den Fluß Ticin verlassen / sondern auch über den Po zurücke weichen. Hannibal aber lag dem Feinde fort für fort in Eisen / bekam sechs hundert bey der abgebrochenen Brücke gelassenen Römer gefangen / und nunmehr die um den Po wohnende Deutschen Völcker Hauffenweise zu sich; gieng darmit auf einer Schiffbrücke über selbten Fluß biß für das Römische Lager bey Placentz. Nach dem Annibal auch den Publius vergebens zur Schlacht ausgefordert hatte; redete im Römischen Lager Albert ein Deutscher Fürst / welcher von den Römern unters Joch gebracht / und ihnen zu dienen gezwungen war / seine unterhabende Völcker auf: daß sie durch ihre Tapfferkeit sich wieder in Freyheit setzen solten. Diese überfielen des Nachts die neben ihnen liegenden Römer in ihren Zelten / schnitten wol vier tausenden die Köpffe ab / brachen / ehe Publius wider diesen Anfall genungsame Anstalt machte / durch ein Thor aus dem Läger / und kamen des Morgens / als zugleich die Bojen mit denen voriges Jahr gefangenen Römern sich einfanden / zu Hannibaln / welcher alle mit schätzbaren Köstligkeiten beschenckte; und theils seine Freygebigkeit auszubreiten wieder von sich nach Hause ließ. Publius Scipio ward durch den Abfall der Bojen und anderer Deutschen euserst erschreckt; daher brach er des Nachts stillschweigend auff / setzte über den Bach Trebia / und verschantzte sich auff einem darbey liegenden vortheilhafften Hügel. Die Numidische Reuterey aber ereilte den Römischen Nachzug / und hieb alles zu Bodem. Annibal schlug nahe darbey sein Läger auf / kauffte vom Römischen Hauptmanne Brundusin ihr Kornhauß die Stadt Clastidium; also: daß er durch diese Verrätherey und derer Deutschen Zufuhre im feindlichen Lande mehr Vorrath als die Römer hatten. Inzwischen stieß Tiberius Sempronius mit seinem mächtigen Heere zum Scipio; welcher durch etliche Scharmützel so hochmüthig ward: daß ihn der noch von seiner Wunde bettlägrige Scipio die Liefferung einer Schlacht nicht erwehren konte / welche Hannibal / weil die Römischen Krieges-Leute noch ungeübet / die Deutschen aber noch in der ersten Hitze waren / und durch eine grosse That in Italien den Grund des Krieges zulegen für nöthig hielt / auffs sehnlichste verlangte. Sintemal die Sternseher nicht so genau aus denẽ bey der Geburt scheinenden Sternen /als Kriegsleute aus dem ersten Gefechte eines Feldherren den künfftigen Glücks-Lauff wahrsagende urtheilen. Hierinnen nun keinen Fehltritt zu thun / raffte er alle seine Kriegs-Künste zusammen / und versteckte auff der zwischen beyden Lägern befindlichen Fläche seinen Bruder Mago mit tausend auserlesenen Reutern / und den Fürsten Dietrich mit tausend Deutschen Fußknechten zwischen die ziemlich tieffen Ufer einer daselbst rinnenden mit hohem Schilf und Senden bewachsenen Bach; ließ auch des Nachts das gantze Heer erqvicken / und zur Schlacht sich rüsten; mit dem ersten Morgen aber 2000. Numidier biß unter den Römischen Wall streiffen. Tiberius hingegẽ mit seiner Reuterey und 6000. Bogenschützen alsbald auf sie einen Ausfall thun / auch die mit Fleiß fliehenden durch den des Nachts vom zerschmoltzenẽ Schnee und gefallenem Regen angeschwollenen Strom Trebia verfolgen / ob ihnen [827] schon das Wasser biß an die Brust gieng. Añibal wolte diese erwünschte Gelegenheit / welche nach einmal gekehrtem Rücken niemanden leicht wieder das Antlitz zukehrt / nicht aus Händen lassen / schickte daher den Numidiern die Balearischen Schützen / und der Bojen leichte Reuterey 8000. Mann starck alsbald zu Hülffe. Weil diese sich an den Feind hiengen / führte er 6000. Africaner /6000. Hispanier / 4000. Alemänner / 2000. Catten /und 2000. allerhand andere Deutschen / alles auserlesenes Fußvolck aus dem Läger / und stellte sie in einer Reyhe in Schlacht-Ordnung / auf iede Seite 5000. Reuter / meist Hispanier / Africaner und Deutschen; derer rechten Flügel Fürst Magilus / den andern Matalus führte; Er aber selbst und seine gewaffnete Chlotildes beobachteten die Mitte. Tiberius hätte auf des Scipio ungedultiges Zureden sein hungriges Volck zwar gerne zurück gezogen / aber er hatte sich zu tief eingelassen; also / da er seine acht biß 10000. Mann nicht muthwillig in die Schantze setzen wolte; weil die Bach und die Geschwindigkeit der Numidier keine vernünfftige Zurückweichung verstattete / muste er mit dem übrigen Heere nur auch aus dem Läger rücken; welches in 36000. Fuß-Knechten / und 4000. Mann Reuterey bestand; unter welchen 20000. Hülffs-Völcker / und zwar meist zwischen denen Flüssen Mae / Po und Athesis wohnende / und fast alleine nur noch den Römern treuverbliebene Cenomänner waren. Diese Macht war wo an der Zahl stärcker /als Annibals. Aber seinen Führer Tiberius machte sein erste Versehen schon kleinmüthig / und diß: daß er wider Willen schlagen muste / verdammte alles /was er oder die Seinigen hernach gleich gutes ausrichteten. Uber diß ließ sich der Anfang der Schlacht bald zum ärgsten an. Denn das Fußvolck beyder Heere war noch nicht völlig an einander / als die Römische Reuterey in schimpfliche Flucht gerieth. Als diese Magilus verfolgte / brach Fürst Matalus mit den Elefanten in die schwere Rüstung der Römer zur Seiten ein. Endlich fiel Mago mit seinen versteckten Reutern /und Fürst Dietrich mit seinem Fußvolck den Römern in Rücken; worvon das gantze Römische Heer auf einmal verwirret / zertrennet / von Elefanten und Pferden zertreten / die flüchtigen in den Strom Trebia getrieben / und ersäufft wurden; also von 50000. Mann nicht der fünfte Theil nach Placentz ertran. Hingegen war auf Annibals Seite der Verlust geringe; und hatten die Deutschen und Bojen in diesem frostigen Treffen diemeiste Hitze ausgestanden; insonderheit aber weil sie 10000. gegen Placentz durchbrechende Römer mit euserster Gewalt aufhalten wolten / durch ihr Blut fast alleine den herrlicher Sieg erkaufft; welchen der unvorsichtige Tiberius vergebens zu verblümen suchte / da er den Römischen Rath wissen ließ: der Wirter hätte ihm den Sieg aus den Händen gebunden. Alleine die darauf erfolgende Eroberung des Römischen Lagers / der Abfall gantzer Völcker / die Umschlüssung der entflohenen Römer / welchen aller Vorrath mit genauer Noth vom Adriatischen Meere auf dem Po zu Schiffe muste gebracht werden / verrieth alsbald die Warheit der Sache / und erregte zu Rom ein so grosses Schrecken: als wenn Annibal schon für den Pforten wäre. Annibal hingegen ließ alle gefangene Italer loß / vorgebende: daß er nur wider die Römer zu kriegen / denen von ihnen unters Joch gespanneten Völckern aber die Freyheit wieder zu geben in Italien kommen wäre. Hierauf zerstreute Fürst Matalus mit 4000. Deutschen / und 500. Numidiern / 35000. auf der Römer Seiten stehende Anamaner / eroberte die Festung Vicumnia; Annibal aber hielt nicht für thulich die Deutschen und Gallier / als die Werckzeuge seines Sieges mit langer Winter-Verpflegung zu bebürden; weil die Last der Bundsgenossen beschwerlicher / als des Feindes; also mehrmals eine Ursache schädlicher [828] Trennung ist. Daher belegte er nur die Tauriner / und die / welche ihm die Spitze geboten hatten / und zohe im ersten Frühlings-Anfange / entweder weil er von Natur zu beschwerlicher Mühsamkeit geneigt / oder hierdurch sein Kriegsvolck für der Verzärtelung zu bewahren gemeint war /den zwar kürtzesten und daher von Römern am wenigsten besetzten / an sich selbst aber schlimsten Weg über das Apenninische Gebürge / und hernach durch eitel vom über giessenden Flusse Arnus gemachte Pfützen und Sümpffe in Hetrurien; in welcher das Heer gantzer vier Tage warten muste; worvon vielen Pferden das Horn von Füssen fiel / Annibal aber selbst vom Winde und Platz-Regen ums Gesichte eines Auges kam; ja er den Galliern mißtrauende durch Verwechselung der Kleider und fremd-angenommener Haare sich mehrmals verstellte. Inzwischen hatte der Bürgermeister Flaminius ein neu mächtiges Heer versa let / ihm auch der König in Sicilien Hiero eine ansehnliche Hülffe zugeschickt. Mit diesem rückte er biß an Aretium; hatte auch noch den andern Bürgermeister Servilius mit einer grossen Macht zu erwarten. Annibal spürte alsbald des Flaminius Hochmuth aus; der aus allzu gewiß eingebildetem Siege eine grosse Menge Ketten und Fessel die Feinde in Eisen zu schlagen mit sich führte; daher brach er aus der Fesulanischen Gegend auf /durchstreiffte mit Raub und Brand das Land / zohe bey des Flaminius Läger vorbey / und zwischen der Stadt Cortona und dem Thrasimenischen See gerade auf Rom zu. Flaminius schäumte für Zorn: daß ihn Annibal so verächtlich am Rücken gelassen hatte; daher verfolgte er Annibaln blind und unvorsichtig biß an den See; welcher dieses vernehmende des Nachts am Thrasimenischen See alle Hügel mit Deutschen besetzte; Er selbst aber mit den Mohren und Hispaniern an dem innersten Hügel sich in Schlacht-Ordnung stellte. Wie nun Flaminius des Morgens /ungeachtet des dichten Nebels das gröste Theil seines Heeres in das rings um besetzte Thal fortrücken ließ /bot Annibal ihnen unversehens die Stirne. Als sie nun in diesem Gedränge sich vorwärts in Schlacht-Ordnung zu stellen bemüht waren / fielen die Fürsten Magilus / Dietrich und Matalus auf dreyen Seiten mit ihren streitbaren Deutschen wie der Hagel über die Römer; also: daß die rings umgebenen Römer bey so dickem Nebel nicht wusten: ob die Feinde aus den Wolcken ihnen über den Hals kämen. Die Römer wurden im ersten Angrieffe in Unordnung bracht; viel konten wegen des Gedränges nicht einst die Schwerdter zücken / keiner aber einige Lantze brauchen. Ein Deutscher Ritter Ducario / welcher tausend Insubrer führte / erkennte den Flaminius; und weil er seine Schwester ihm in vorigem Kriege weggeführet hatte /drang aus absonderer Rache gegen ihm durch die ihren Bürgermeister vergebens verfechtenden Römer wie ein Blitz durch / rennte seinen Waffenträger zu Bodem / den Flaminius aber mit der Lantze durch und durch; hernach hieb er ihm nach Verdienst den Kopff ab; weil er das Haupt eines so tapffern Heeres zu seyn unwürdig war. Funfzehn tausend Römer / welche weder ihre Kriegs-Gesetze / noch die Beschaffenheit des Ortes fliehen ließ / wurden in Stücken gehauen oder zertreten. Mago und Maharbal traffen inzwischen auff das zwischen dem See und den Bergen fortziehende Römische Heer mit einem solchen Ungestüm: daß die meisten ihr Heil in dem Wasser suchten / aber entweder von Schwerde der Waffen in Grund gerissen / oder von der Reuterey zu Bodem gerennt wurden. Viel kamen durch eigenhändigen Tod der Grausamkeit ihrer Feinde für. Am merckwürdigsten aber war: daß die Hitze der Sieger / und das Schrecken der Uberwundenen allen die Wahrnehmung des sich bey währender Schlacht zutragenden Erdbebens entzoh / welches doch Städte über [829] einen Hauffen warf / gantze Flüsse verleitete / und Berge abstürtzte. Rhemetalces fiel ein: Ich wundere mich nicht: daß Furcht und Schrecken die Besiegten so unempfindlich ge macht habe; weil ich weiß: daß diese henckerische Gemüths-Regung etlichen in einer Nacht graue Haare heraus getrieben / ja blutigen Schweiß ausgeprest /oder auch viel gar auf der Stelle getödtet habe. Daß aber die Uberwünder / welche die Vernunfft besser zu rathe halten könten / so wenig gefühlt haben solten /wäre was gar ungemeines. Malovend antwortete: diß ist nichts seltzamers / als jenes. Denn die Tapfferkeit ist kein so hefftiges Feuer / welches so wenig fühlet /so sehr es von andern gefühlet wird. Sie siehet nichts über ihrem Haupte / alles aber erschüttert sich unter ihren Füssen. Es ist wahr / sagte Adgandester. Und daher antwortete jener Feldhauptmann Hertzog Marcomirs einem Fragenden: Ob bey währender Schlacht die Sonne / wie bey Zeugung des Hercules der Monde am Himmel stille gestanden hätte? gar recht: Er hätte auf der Erde so viel zu schaffen gehabt: daß er nicht Zeit gehabt sich nach Wunderzeichen umzusehen. Alleine in der Thrasimenischen Schlacht waren die Schwerdter der Africaner und Deutschen bey den bestürtzten Römern empfindlicher / als das Erdbeben. Denn ihrer 6000. flüchteten sich darfür / erreichten auch zwar die Höhe der Berge / und endlich nach dem sie bey fallendem Nebel die Abschlachtung des gantzen Heeres wahrnahmen einen gegen Tifernum zuliegenden Flecken; Alleine dieser ward vom Fürsten Magilus und Maharbal bald umrennet / und die Flüchtigen sich auff Gnade und Ungnade zu ergeben gezwungen. Aus 20000. Gefangenen ließ Annibal alle Lateiner frey in ihr Vaterland ziehen / die Römer aber wurden unter die Sieger vertheilet. Annibal hatte in allem nur 1500. Mann verlohren / meist Gallier und Deutschen; darunter dreißig hertzhaffte Edelleute / insonderheit aber Fronßberg / Reynach / Polheim / Arberg / Froburg / Heusenstein / Mettburg / Eyzing /Malzan / Windeck / Pogrel und Greiffenberg ihrer Heldenthaten halber berühmt waren / die Annibal deßhalben auff so viel Hügeln beerdigen / und iedem ein Grabmal aus Marmel auffrichten ließ. Des Flaminius Leib wolte er gleichfals begraben / aber weil die Deutschen ihrer Gewohnheit nach etlich tausenden die Köpffe abgehauen hatten / war er nicht zu erkennen. Darbey Annibal denen / die seine Leiche vergebens suchten; nachdencklich dieses Merckmal andeutete: Sie würden nicht irren / wenn sie einen von Windsucht aufgeschwellten Leichnam unter den Todten anträffen. Dieser herrliche Sieg war kaum vorbey / als ein Deutscher am Flusse Sapis begüterter Ritter Losenstein Annibaln spornstreichs die Post brachte: daß der in Umbria an dem Flusse Ariminus stehende Bürgermeister Cneus Servilius von seinem Heere 4000. auserlesene Reuter dem Flaminius zu Hülffe schickte. Maharbal zohe mit seinen Numidiern / Fürst Dietrich mit der Deutschen Reuterey diesen alsofort entgegen /umringten sie unversehens bey dem Brunnen des Flusses Metaurus / erlegten anfangs die Helffte / hernach zwangen sie die übrigen geflüchteten auf den Berg / unter welchem die Tiber entspringt: daß sie sich mit ihrem Führer Centronius ergeben musten. Annibal ließ hierauf sein Heer allenthalben freye Beute machen / setzte bey Vettona über die Tiber /bey Spolet fürbey und an dem Flusse Nar unter dem Berge Fiscellus in die Picenische der Prätutier / Marruciner / Peligner und Ferentaner Landschafft / darinnen so viel Raub zusa en gebracht ward: daß selbten das sich täglich von Deutschen und Galliern vergrössernde Heer kaum schleppen konte. So groß das Schrecken nun zu Rom wer / und daher Servilius mit seinem Lager nur zu Besetzung der Stadt Rom eilte /so weit breitete Annibal seine siegreiche Waffen aus /drang in Apulien / und verheerte die Daunier / Peuceter [830] und Mesapier biß an das euserste Sallentinische Vorgebürge. Wie er aber vernahm: daß zu Rom Qvintus Fabius Maximus zum obersten und vollmächtigen Kriegs-Haupte / Marcus Minucius zum obersten Befehlhaber über die Reuterey gemacht war /beyde auch mit des Servilius Kriegs-Heere und vier neuen Legionen bey den Dauniern gegen ihn ankamen; zohe er ihnen entgegen / und stellte bey der Stadt Aece an dem Flusse Cerbalus sein Heer in voller Schlacht-Ordnung für das Römische Lager dem Fabius unter Augen. Weil aber der lauschende Fabius zu keinem Treffen zu bewegen war / noch auch / als Fürst Magilus / Dietrich und Matalus ihn zum Zweykampfe ausforderten / er einige Entrüstung von sich spüren ließ; also: daß ihn nicht allein der gemeine Mann / sondern auch der hitzige Minucius als einen Zaghafften verachtete / rückte er über den Apennin in das fette und unerschöpfliche Samnium / nahm Benevent und Venusia ein / und drang endlich über die Berg-Enge Eribanus in Campanien / nehmlich in den rechten Lustgarten und in die Schmaltzgrube nicht nur Italiens / sondern der gantzen Welt / biß an den Fluß Vulturnus in das Falernische Gebiete. Wiewol auch Fabius allezeit eine Tagereise weit ihm auf der Seite über den Berg Maßicus nachfolgte / so ließ sich Annibal doch an Durchstreiffung gantz Campaniens nicht hindern. Fabius meinte zwar hierauf durch Besätzung der Eribanischen Berg-Enge / wordurch der in dem Casallinischen Thale stehende Annibal mit seiner reichen Beute aus dem nunmehr eingeäscherten also zum Winterlager undienlichen Campanien den Rückweg zu nehmen anzielte / Annibaln ins Gedrange zu bringẽ. Dieser aber ließ bey Anbrechung der Nacht Asdrubaln 2000. Ochsen gegen den Berg Callicula antreiben / und alsdenn die an iedes Horn gebundene Fackeln oder dürres Rebenholtz anzünden. Wie nun diese Ochsen an dem Gebürge hinauf steigen / und von ferne viel tausend hin und wieder lauffender Menschen fürbildeten; verliessen die zaghaften Römer die besetzte Berg-Enge / theils aus Furcht umringt zu werden / theils in Meinung dem über den Berg steigenden Feinde zu begegnen / und liessen nicht nur durch selbte Annibals gantzes Heer entwischen / sondern die Hispanier erschlugen auch auff den Morgen tausend Römer. Annibal stellte sich hierauff / als wenn er durch Samnium nach Rom wolte / gieng aber durch die Pelignische Landschaft wieder in Apulien /nahm die Stadt Gerion ein / befestigte darbey sein Läger / und verlegte zwey Drittel seines Heeres von dem Flusse Aufidus an biß an den Strom Freuto. Fabius hingegen reisete aus gewisser Andacht nach Rom / übergab das an dem Flusse Tifernus eingelegte Heer dem Minucius; welcher nach etlichen glücklichen auff die streiffenden Mohren gethanen Streichen Annibaln im Lager gar zu belagern sich erkühnte; von sich aber ruhmräthig nach Rom schrieb: Ein kluger Feldherr /welcher die Vernunfft im Kopffe hätte / führte das Glücke zugleich in den Händen / und trete alle widrige Zufälle unter die Füsse. Annibal zohe sich endlich gar unter die Mauern der angefüllten Stadt Geryon; Die hierüber allzu früh frolockenden Römer aber machten den Minutius zum andern gevollmächtigten Feldherrn / als mit welchem der zurück kommende Fabius das Heer theilen muste. Annibal nahm hier über zu seinem Vortheil die Zwistigkeit der Römischen Feldherrn / und die Vermessenheit des Minutius wahr / versteckte daher des Nachts Maharbaln mit 500. Reutern / den Mago und Fürsten Matalus mit 5000. Deutschem und Hispanischem Fußvolcke in zwey und drey hunderten hinter die zwischen beyden Lägern aufschüssende Hügel; früh aber ließ er Asdrubaln mit etlich tausend Galliern und Africanern eine sichtbare Höhe des Berges einnehmen. Minutius ließ alsbald die leichten Reuter und unlängst darnach den schweren Reisigen Zeug auff den Feind loß gehen / er selbst [831] folgte auch mit den Legionen nach. Hingegen schickte Annibal Asdrubaln die Numidier zu Hülffe; als aber beyde Theile hitzig auf einander traffen / fiel Mago / Maharbal und Matalus den Römern in Rücken und in die Seiten / brachten also das gantze Heer des Minutius in Verwirrung. Wäre nun der verachtete Fabius dem vermessenen Minutius nicht zum Entsatze kommen / so würde es abermals um das gantze Römische Heer gethan gewest seyn; wiewol Minutius ohne diß über 6000. Mann im Stiche ließ. Daher er sich und sein gantzes Heer freywillig dem Fabius unterwarf / und mit allgemeinem Schaden lernte: daß im Kriege öffter durch Ubereilung / als durch Langsamkeit gefehlt werde. Nach Auswinterung des Heeres /da inzwischen die Römer unter den neuen Bürgermeistern Lucius Emilius / und Cajus Terentius / wie auch dem Cneus Servilius ohne die Hülffsvölcker acht Legionen zusammen gezogen hatten / überrumpelte Magilus das Schloß zu Canna an dem Flusse Aufidus / in welches die Römer aus der Stadt Canusium allen Vorrath geführt hatten. Weil nun derogestalt der Römer Bundgenossen vom Feinde gäntzlich ausgesogen /und nunmehr durch so langsamen Krieg zu wancken veranlast wurden / schickte der Rath beyde Bürgermeister ins Feld / mit Befehl zu schlagen. Emilius und Terentius / welche einen Tag um den andern Befehl ertheilten / zwisteten sich aber alsbald / weil jener im flachen Felde mit dem Feinde nicht treffen wolte; dieser aber an seinem Tage das Heer harte für des Feindes Läger führte / und mit selbtem ein ziemlich glückliches Gefechte hielt. Weil nun Emilius folgenden Tag / wie gerne er gewolt / sein Heer nicht zurücke ziehen konte / verschantzte er sein Läger nicht weit vom Flusse Aufidus. Annibal hingegen wolte sich der für seine Reuterey so vortheilhafften Fläche in alle wege bedienen / stellte am Strome sein des Nachts wol gewartetes Heer in Schlacht-Ordnung. Als aber die Römer in ihrem Lager blieben / ließ er durch die schnellen Numidier die waßerholenden Römer unaufhörlich anfallen. Terentius / welchen die Begierde zu schlagen / oder vielmehr das Verhängnüß zu verspielen wie eine Natter im Busen nagte / führte folgenden Tag mit dem ersten Lichte sein Heer / welches in 80000. Mann Fußvolck / und 6000. Reutern bestand /aus beyden Römischen Lägern / stellte selbtes recht gegen Sud in Schlacht-Ordnung / die Römische Reuterey setzte er unterm Emilius am Flusse Aufidus in rechten / die Hülffsvölcker unter sich selbst in lincken Flügel; Marcus und Cneus die gewesten Bürgermeister führten in der Mitte das Fußvolck. Der freudige Hannibal hingegen stellte unter dem Fürsten Magilus und Asdrubal die Spanische / Deutsche und der Gallier Reuterey im lincken Flügel / und ihnen an die Seite die Mohren. Im rechten Flügel führte Hanno und Maharbal die Numidier. In der Mitte stellte er das Deutsche und Hispanische Fußvolck unter dem Mago und Matalus in eine Spitze / die Africaner aber hinter denselbten führte er Dietrich / und die hertzhaffte Chlotildis in einer dienlichen Breite; welche alle nunmehr mit Römischen Waffen versehn waren; wiewol gleichwol eine ziemliche Menge Deutschen und Gallier gantz nackt fochten. Im lincken Flügel stritt die Reuterey mit unverwendeten Pferden unabläßlich Mann für Mann gegen einander; ja auch denen die Pferde erlegt wurden / standen wie Mauern / und fochten aufs grausamste zu Fusse; also: daß nach dem die Deutschen und Hispanier die Oberhand erhielten / von den Römern schier nicht ein Reuter entran. Das Römische Fußvolck hingegen drang nach einer tapfern Gegenwehr und weil so wol Fürst Matalus hefftig verwundet ward / zwischen die zugespitzte Schlacht-Ordnung durch das Deutsche und Hispanische Fußvolck. Alleine sie verfielen hier allererst auf Hannibals / Dietrichs [832] und Chlotildens vortheilhaftig gestelltes Kern-Volck; also: daß als die Deutschen und Hispanier sich in der Mitte zwar trennten / auf den Seiten aber wieder zusammen schlossen / die Römer vorwerts von frischem Volcke und auf beyden Seiten von Deutschen und Hispaniern aufs neue angegriffen wurden. Emilius war aus der geschlagenen Reiterey des rechten Flügels gleichwohl entronnen / und weil nunmehr alles sein Heil auf den Legionen bestand / sprengte er mit seinem Pferde dahin gegen Annibaln / welche als zwey ergri te Löwen gegen einander fochten und die Ihrigen anführten. Inzwischen war die deutsche Reiterey vom lincken Flügel den Numidiern im rechten zu Hülffe kommen / derer anfangs fünf hundert zu den Römern übergelauffen waren / und ihre Schilde /Spiesse und Bogen zu der Römer Füsse geworffen /hernach aber in dem hitzigsten Treffen ihre unter dem Rücken verborgene Degen herfür gezogen / und zu grossem Schrecken der Römer Rücken angefallen hatten; hierüber gerieth Terentius mit seiner Reiterey in die Flucht; welchen Asdrubal die Numidier alleine verfolgen ließ. Er aber und Fürst Magilus fielen mit dem schweren reisigen Zeuge den Römischen Legionen in Rücken / und rennten die Behertztesten zu Bodem. Uber diß stach die Sonne die Römer nicht nur ins Gesichte / sondern der sich vom Vulturnischen Gebürge und Flusse zu erheben gewohnte Wind jagte ihnen auch allen Staub in die Augen; welches der schlaue Annibal alles vorher gesehen hatte / und diesen Tag wahr machte: daß vorsichtige Erkiesung des Kampf-Platzes eines Feldhauptmanns Meister-Stücke sey. Ob nun zwar die Römer derogestalt rings umb von den Feinden umschlossen waren / thaten doch sie durch tapfere Gegenwehre das äuserste; alleine: nach dem Asdrubal den in Illyricum so sieghaften Bürgermeister Emilius mit einem Spiesse durchbohrte / Magilus den Marcus / und die kühne Chlotildis dem vorher von einem Hispanischen Edelmanne aus dem Sattel gehobenen Cneus den Kopf zerspaltete; wurden die Römer derogestalt verwirret: daß sie weder Freund noch Feind mehr unterscheideten / und also viel einander selbst verletzten / sie auch selbst ihren auf einem Steine in Ohnmacht liegenden Bürgermeister vollends ertraten; die meisten aber wie wildes Vieh abgeschlachtet wurden. Terentius Varro entkam mit nicht mehr als siebzig Römischen Reitern in die Stadt Venusia / 300. andere nach Herdonia und Aquilonia / und etwan 3000. Fuß-Knechte verlieffen sich ins Gebürge; welche Carthalo mit seinen Numidiern aber auch nach und nach aufsuchten und hinrichteten. 10000. Mann / welche Lucius Emilius in seinem Läger mit Fleiß zu Anfallung des feindlichẽ Lägers zurück gelassen hatte / wurden gefangen; siebzig tausend aber erschlagen. Unter den Todten waren achzig Rathsherren / und viel andere Würden bekleidende Leute; als Cajus Minutius / Numatius / Lucius Attilius / Furius Bibaculus / wie auch ein und zwantzig Kriegs-Obersten; ja zu Rom war kein Adelich Geschlechte / das nicht etliche gebliebene Anverwandten zu betrauren hatte. Auf Annibals Seiten blieben funfzehn hundert Mohren und Hispanier / zwey tausend Gallier / 2000. Deutsche / und darunter starb der hertzhafte Fürst Matalus an seinen Wunden; welcher gleichwol noch die Freude des Sieges erlebte / welches die annehmlichste Verzuckerung eines Helden-Todes ist; und zu Salapia ein herrliches Begräbnüß-Mal erlangte. Magilus rieth nach so grossem Siege Annibaln: Er solte unverwendten Fusses mit dem gantzen Heere nach Rom eilen / und der Bothschafft von so grosser Niederlage zuvor kommen / welchem Maharbal beyfiel; mit Versicherung: daß er den fünften Tag im Capitolinischen Schlosse Taffel halten würde. Alleine Annibaln verbländete entweder das Verhängnüß / welches der Stadt Rom die Oberherrschafft der Welt bestimmet hatte; oder eine der Stadt Carthago abgeneigte [833] Gottheit: daß er beyden antwortete: Diese Hoffnung wäre grösser / als sie ihm ein Kluger einbilden könte. Da doch Rom in solches Schrecken verfiel: daß Cöcilius Metellus / und Furius Philus öffentlich riethẽ / die Stadt zu verlassen / und aus Italiẽ zu fliehẽ; also: daß der junge Scipio diesen bösen Vorsatz mit dem Degen in der Faust zu hintertreiben noth; hingegen es das Ansehen hatte: als wenn Annibal dem Siege seine Flügel abgeknipft / das flüchtige Glück angeknipft / und in dessen Rade des Viereck seines Kreisses gefunden hätte. Also beni t die Göttliche Weißheit / umb ihren besti ten Zweck zu erreichen /den Ohren das Gehöre / den Augen das Gesichte / und der Klugheit die gestunde Vernunft: daß sie auch denen treulich warnenden keinen Glauben geben; und was sie mit Händen greiffen nicht umbfassen wollen. Fürst Magilus ward hierüber so unwillig: daß er die Worte ausstieß: So sehe ich wohl: daß Annibal wohl siegen / des Sieges aber nicht gebrauchen könne. Annibal gab inzwischen seinem Heere alle Beute frey /und ließ die Leichname in den Fluß Aufidus / und in die Bach Vergellus werffen; welche ihrer Menge halber eine rechte Brücke darüber machten; denen Edlen aber ließ er alle goldene Ringe von Fingern ziehen /und schickte nebst denen eroberten acht Adlern derer drey gantze Maß voll zum Zeugnüsse feines Sieges nach Carthago. Worüber die deutschen Fürsten / welche an diesen Ehren-Gedächtnüssen auch Theil zu haben vermeynten / mit Annibaln abermals in Zwytracht verfielen; und Hertzog Dietrich ihm unter Augen sagte: Die Deutschen hätten die drey grossen Siege mit ihrem Blute erworben; sie sähen aber wohl: daß die Mohren ihnen den Ruhm allein zueigneten. Also wurden die Gemüther der Deutschen und Africaner nach und nach zertrennet / und hiermit der beste Grund-Stein des bißherigen Glückes loß gebrochen. Denn in Wahrheit die Götter hätten den Römern keine bessere Hülffe als die Zwytracht ihrer Feinde zuschicken können. Sintemal es dißmal menschlicher Vernunft nach umb Rom gethan war; denn als die Kwaden / Osen / Marsinger / und Burier an den Flüssen Marus / Guttalus / oder der Oder den glücklichen Lauff der Waffen ihrer Landsleute in Italien vernahmen / machten ihre Hertzoge einen Ausschuß junger Mannschafft zusammen / ihr Heil auch ausser Landes zu suchen; zumal diesen Völckern die Reise-Begierde ohne diß von Natur angebohren ist. Diese setzten bey Carmuntum über die Donau / zohen durchs Noricum über die Rhetischen Alpen in Italien. Sie standen bereit an dem Flusse Athesis bey Verruccia / als die Bojen ihnen entgegen schickten / und sie ihnen zu Hülffe rufften / weil die Römer / als der Bojen Hertzog mit dem Kerne ihres Volckes beym Annibal in Apulien stünde / ihr und der Nachbarn Länder gantz entblösset stünden / den Stadt-Vogt Lucius Posthumius Albinus mit zwey Legionen und 12000. Campanischen und Sicilischen Hülffs-Völckern wider sie abgeschickt hätten / dieses Heer auch bereit durchs Mugellische Thal über den Apennin züge. Briegant der Deutschen Hertzog eilte aus Begierde mit den Römern anzubinden am Flusse Athesis herunter / setzte bey Verona und Hostilia über die Ströme / und vereinbarte bey Mutina mit sechs tausend Bojen seine zwantzig tausend Kriegsleute. Inzwischen näherte sich Posthumius; Hertzog Brigant aber / als er ihm die Gelegenheit der Oerter / worauf die Römer ihren Zug richteten / theils beschreiben / theils anweisen ließ / und er daraus wahrnahm: daß der zwischen dem Flusse Gabellus und Scultena abkommende und sich keines Widerstands besorgende Feind durch den Littannischen Wald ziehen muste; besetzte vorwerts hinten und am Ende den Wald / iedoch auf der Seiten derer beyden dardurch gehenden Strassen / ließ an demselben die Bäume so weit: daß sie mit genauer Noth stehen blieben / und durch [834] geringen Anstoß umbgefället werden konten / absägen / und selbte mit verborgenen Seilen umschlingen. Posthumius / dem noch kein gewaffneter Mann begegnet / alles mit Schrecken erfüllet hatte / ließ ihm von einigem Feinde nichts träumen / rückte also mit allen fünf und zwantzig tausend Mann in den Litannischen Wald. Der Nachzug aber war kaum tausend Schritte hinein kommen / als hinter ihnen die von den Deutschen gezogenen Bäume / nicht anders / als wenn selbte der Blitz oder ein Sturm-Wind niederschlüge / niederfielen /und also ihnen den Weg zur Rückkehr abschnitten. Nicht anders wurden auch für dem Römischen Vortrab die Bäume gefället; also: daß selbter nicht wissend / durch was für Zauberey solches geschehe / anhalten musten. Aber als die Römer hierüber einander erstaunet ansahen / kam das Gewitter in der Mitten über sie selbst; indem die niedergerissenen Bäume ihrer wohl zwey tausend erbärmlich zerschmetterten /ehe sie gewahr wurden: daß die Bäume abgesägt / und von so nahen Feinden über sie gefället würden. Es war schrecklich anzuschauen; indem / wo sie auf der Seite auf die Feinde loß gehen wolten / sie nur selbst in ihren Tod renneten / und in wenigen Stunden das gantze Römische Heer biß auf etwan zwölf hundert /die sich theils in Wald noch verlieffen / oder unter die bereit verfallenen Bäume verkrochen / erschlagen und zerquetscht wurden. Die halblebenden aber / welchen nur etwan Arm oder Bein zerbrochen waren / den wiederschallenden Wald mit ängstigem Klag- die Deutschen aber mit gewohntem Kriegs-Geschrey erfüllten. Alleine auch die / derer die unempfindlichen Bäume verschont hatten / wurden von denen rings umb den Wald auf die Wache gestellten Bojen erlegt / und die noch lebenden unter den Bäumen herfür gesucht; und weil die Deutschen auch am Rücken die Brücke über den Fluß Gabellus eingenommen und besetzt hatten /den Römern allenthalben die Flucht abgeschnitten; also: daß nicht zehn Mann entrunnen / von denen Deutschen aber mehr nicht als zehn todt blieben /welche aber nicht die Römer / sondern weil sie allzubegierig in die Bäume gerissen / ebenfalls die Bäume erschlagen hatten. Unter den Todten suchten die Bojen mit Fleiß den Posthumius herfür; diesem schnitten sie den Kopf ab / lösten das Fleisch darvon ab; und nach dem sie den Hirnschädel aufs sauberste ausgekocht hatten / faßten sie selbten in Gold / und schickten selbten als ein grosses Heiligthum in Deutschland ist der Bojen heiligsten Tempel; welchen König Sigovesus auf dem Sudetischen Gebürge / welches der Bojen alten Landsitz von Marsingern unterscheidet / an dem Neiß-Strome auf einen Berg gebauet hatte / und dahin auch die in Italien wohnenden Bojen aus Andacht offt ihre Wallfarthen verrichteten. Diesen Köpf brauchten die Priester hernach nicht alleine zu einem Trinck-Geschirre / sondern auch zu einem Opfer-Gefässe. Die Deutschen aber erlangten hierdurch eine überaus reiche Beute; da hingegen dieser Unfal bey dem nun fast gar verzweifelnden Rom ein neuer Donner-Schlag war.

Wiewohl nun Annibal darinnen sehr anstieß: daß er das Hauptwerck / nemlich die Zerstörung der nunmehr ohnmächtigen und unbewaffneten Stadt Rom /allwo aus Noth wider das alte Herkommen acht tausend furchtsame Knechte zu Besetzung der Mauern gewaffnet wurden / unterließ; so zohe doch sein Sieg die freywillige Untergebung des grossen Griechenlandes / Campaniens / und fast gantz Italiens nach sich. Der mächtige König Philippus in Macedonien schickte seinen Gesandten Xenophanes zu Hannibaln in Italien / schloß mit ihm ein Bündnüß; krafft dessen er mit 200. Kriegs-Schiffen / und einem Heere zu Lande ihm Rom und Italien / Annibal hingegen dem Philippus Griechenland übermeistern [835] helffen solte. Hierzu kam noch diß: daß als Hiero der Römer geschworner Feind starb / sein Sohn Gelo / und nach dessen Tode sein Enckel Hieronymus sich zu den Carthaginensern schlug. Hertzog Rhemetalces fiel hier ein: Es wäre der Wind die Richtschnure der Schiffleute das Glücke der Fürsten / nach dem sie ihre Segel umbschwenckten. Annibaln aber / als einem weltberühmten Feldherrn traute er den ihm zugeschriebenen Kriegs-Fehler nicht zu / noch weniger wolte er der Göttlichen Versehung eine solche Verbländ- oder Bethörung zueignen; sondern glaubte vielmehr: Er hätte / wie ins gemein die Kriegs-Häupter / weder durch Einrathung des Friedens / noch durch desselbten völlige Ausmachung das Heft nicht gerne aus den Händen geben wollen. Denn Amilcar hatte nicht so wohl mit den Römern Friede gemacht / als nur auf eine Zeitlang die Waffen niedergelegt. Annibal aber / der aus Begierde des Krieges die Eintracht der Stadt Rom und Carthago zerstöret /konte aus Liebe des Friedens nicht auf das Ende des Krieges sinnen. Zumal der Adel bey Friedens- nicht so hoch als bey Krieges-Zeiten gesehen / noch sich durch grosse Verdienste hoch ans Bret zu heben; sondern vielmehr selbten zu drücken Gelegenheit verhanden ist; ja der Friede denen tapferen und feigen einerley Ehren-Stellen einräumet. Zu geschweigen: daß die Ritterschafft durch den Krieg alleine / wenn selbter schon mit Raub und allen Lastern ausgeübt worden /empor zu kommen für rühmlich; durch Friedens-Dienste aber / ob gleich selbte vom Vaterland zehn Kriege und tausenderley Unglück abgewendet / geadelt zu werden für verächtlich hielte. Daher auch die tapfersten Leute / welche dem Kriege den Anfang zu machen am geschicksten wären / den Frieden am längsamsten riethen. Aus diesem Absehn hätte seines Bedünckens Annibal Rom nicht nur unangetastet gelassen / sondern auch der Barchinische Adel zu Carthago des Hanno wohlgemeynte Anschläge hintertrieben.

Adgandester antwortete: Wer wil in solchen Fällen die Schlüssel zu denen mit Fleiß versteckten Hertzen der Menschen finden? insonderheit aber zu Hannibals; welcher zwar in seinen Anschlägen den Kopf voller Gehirne / in seinem Thun den Blitz in der Hand / aber in Geheimnüsse keine Zunge im Munde hatte. Daher weiß ich kein über ihn gefälltes Urtheil zu schelten / auch keinem beyzufallen. Gewiß aber ist: daß übermässiges Glücke eine zaubrische Verwandlungs-Ruthe gröster Klugheit sey; gleichwohl aber viel vernünftige Entschlüssungen von denẽ / die in derselben Grund nicht sehen / und die entgegen stehenden Hindernüsse nicht wissen / als tu verdammet werden. Zumal allen Rathschlägen ein Werth nicht nach ihrer innerlichen Güte / sondern nach dem Ausschlage beygelegt wird; wie das Geld / nicht nach Schrott und Korn; sondern nach der gemeinen Würdigung gültig ist. Diß aber kan nicht verneint werden: daß Annibal und sein Heer / welches in den rauhen Alpen bestanden / in dem fetten Campanien vertorben; und daß den Römern nicht so sehr Canna / als den Mohren dieser Lustgarten schädlich gewesen sey. Denn diß / was in brennenden Nesseln frisch bleibet /verwelcket in weichen Rosen-Blättern. Annibal selbst versanck nach dem nunmehr fast gantz eroberten Italien in Sicherheit und Wollüste. Die Tage brachte er zu Capua in Lust-Gärten / die Nächte mit geilen Weibern zu. Welche herrliche Stadt wegen ihrer fruchtbaren und lustigen Gegend dem bergichten Rom weit herfür zu ziehen war / an Grösse und Reichthum selbtem wenig enträumte / übrigens mit Corinth und Carthago umb den Vorzug kämpfte; und weil sie Annibal zum Haupte Italiens zu machen vertröstet hatte / frey willig in seine Hände verfallen war. Weswegen die schlauen Römer eine grosse Anzahl der schönsten Dirnen mit Fleiß nach Capua schicktẽ / um Annibaln und die andern Kriegs-Obersten / welche ins gemein auch die verterbten [836] Sitten ihres Hauptes anzunehmen für Tugend halten / durch ihre Gifft einzunehmen. Sintemahl sie gar zu wol wusten: daß die Tapfferkeit /wie der Stahl dem Eisen widerstünde / aber von Wollust und linder Feuchtigkeit rostig würde; und daß viel unüberwindliche Helden ihren im Felde erworbenen Ruhm im Zimmer eingebüst hätten; unterschiedene mächtige Herrscher Leibeigne im Frauenzimmer / Uberwinder der Ungeheuer / Seidenstücker worden wären; und die / welche vorher grossen Völckern ihre Freyheit erhalten oder erworben / sich geile Mägde wie Sclaven bescheeren lassen. Unter andern hatte sich Agathoclea / das berühmte Kebsweib des Königs Ptolomeus Philopator in Egypten nach Rom geflüchtet / welche selbten König gantz bezaubert / ihn zu Ermordung seiner Schwester und Gemahlin Eurydice verleitet / endlich aber den Ptolomeus ins eusserste Verderben / indem er von seinem eigenen Volcke erdrückt ward / gestürtzt hatte. Diese war zwar mit ihrem Bruder fingernackt dem rasenden Volcke zum Opffer geliefert / aber auff des jungen Königs Befehl /den sie gesäugt hatte / und durch Arglist eines in sie verliebten Edelmannes aus des Volckes und Todes Klauen errettet worden / und entronnen. Wie aber die Egyptische Gesandschafft / welche die Römer um des jungen Ptolomeus Epiphanes Vormündschaffts-Verwaltung anlangte / von Agathocleen Nachricht bekamen / und bey dem Römischen Rathe ihres Lasters /und wie sie aus den Königlichen Kebsweibern dem verdienten Stricke entkommen wäre / entdeckten /muste sie bey Sonnenschein aus der Stadt. Diese Zauberin kam zu allem Unglücke nach Capua / und ward in weniger Zeit Hannibals so sehr / als vorhin Ptolomäus mächtig. Alle Gewalt bestand in ihren Händen /sie vergab alle Kriegs-Aemter / und kein Verdienst war so groß etwas zu erlangen / wenn man nicht bey ihr einen Stein im Brete hatte. Dieses kränckte die Kriegs-Häupter so sehr; als Chlotildis hierüber eifersüchtig war. Uberdiß gab Agathoclea Hannibaln eine Kuplerin ab / verführte die edelsten Weiber in Capua / und brachte sie durch Geschencke oder wohl zauberische Künste zu Annibals Willen. Unter diesen waren fürnehmlich zwey Weiber Servilia und Polinice / welche für die zwey schönsten in Italien gehalten wurden. Jene war des Perolla Ehweib / dessen Vater Pacuvius Calavius mit seinem Anhange die Stadt Capua Annibaln übergeben hatte; diese des Magius Decius / welche beyde in der Schlacht bey Canna wider die Mohren tapffer gefochten hatten / und unter den Leichen halb todt herfürgezogen und von Annibaln in Fedis ihr Vaterland gelassen wurden waren. Diese beyde verfluchten in ihren Hertzen der Campaner / und insonderheit des Calavius Untreu gegen die Römer; als aber die eifersüchtige Chlotildis beyden noch darzu anfangs verblümt zu verstehen gab: sie möchten auff die Spur ihrer Ehweiber achtung geben; hernach sie durch eine geheime Thüre in einen Lustgang des Gartens führte / daraus sie in eine Höle sehen konten / wie Annibal in einer grossen Marmelsteinernen Muschel / welche das Qvell eines warmen Brunnen in sich faste / mit Agathocleen / Servilien und Polinicen badete / wurden sie für Rache beynahe wütend; und wenn Chlotildis sie nicht zurücke gehalten / hätten sie Annibals in dieser geilen Weiber Blut mit den Chrystallen dieses edlen Brunnen vermischet. Gleichwohl aber blieb dieser Dorn dem Porella und Magius im Fuße. Daher Magilus mit denen gut Römisch-gesinnten Rath hielt / wie sie Annibaln und die Besatzung in Capua überfallen /und die in Bauern verkleideten Römer durch Eröfnung einer gewissen Pforte einlassen möchten. Zu allem Unglück ward das Antwort-Schreiben des Marcellus an den Magilus auffgefangen / und Annibaln zugebracht. Dieser verfügte sich also fort in den Tempel / wo der Capuanische Rath versammlet war / forderte von ihnen [837] über des Magilus Verbrechen zu erkennen / und ihn zu bestraffen. Magilus erschien / und bekandte freywillig: daß er seinem Vaterlande die unter dem Römischen Schirme genossene Freyheit wiederzugeben; an Annibaln aber die Befleckung seines Ehebettes zu rächen noch entschlossen wäre. Annibal schäumete für Gri ; befohl also unerwartet des Urthels dem Magilus Ketten anzulegen / ihn ins Läger zu schleppen / und zu einer grausamen / den Campaniern aber nicht so in die Augen fallenden Straffe nach Carthago zu schicken; Sintemal es gefährliche Unvernunfft ist / Halsgerichte in derselben Augen ausüben / die entweder Theil an des leidenden Schuld haben; oder da auch das blosse Mittleiden ihre Sache besser / und das Volck rachgierig machen kan. Das Meer aber hatte Mitleiden mit des Magilus Unschuld /trieb also das Schiff durch Ungewitter nach Cyrene; allwo Magilus sich zu der am Hafen stehenden Schutz-Seule des Ptolomeus flüchtete / von dar er nach Alexandrien gebracht / und nach verhörter Sache auff freyen Fuß gestellet / gegen Annibaln aber ein unversöhnlicher Feind von der Kette loßgelassen ward. Wie nun bey solcher Ubereilung Annibals des Magilus Mitverschwornen verschwiegen blieben /oder Annibal selbst für rathsamer hielt / die Menge der Schuldigen nicht zu wissen; also hielt Perolla den festen Fürsatz Annibaln das Licht auszuleschen. Wie nun sein Vater Calavius / Jubellius und Taurea die fürnehmsten Herren in Campanien / und Porella einst bey Annibaln in einem Lusthause speiseten / und vom Mittage an biß zur Sonnen Untergange sich auff allerhand Art erlustigt hatten; Calavius aber in einen Lustgang sich absonderte / folgte ihm Porella / und fing an: Vater / ich weiß einen Anschlag die Scharte unsers Abfalls von Rom nicht allein auszuwetzen / sondern auch Campanien in höchstes Ansehen zu bringen. Calavius fragte: was es denn wäre? Porella hob den Mantel auff / zeigte dem Vater ein blosses Schwerd / und sagte: Itzt gleich will ich durch Annibals Blut das neue Bündniß mit Rom versiegeln. Dir Vater / habe ichs allein sagen wollen / wormit du dich könnest auff die Seite machen / da du nicht einen Zuschauer einer so heilsamen That abgeben wilst. Calavius fiel dem Sohne mit vielen Thränen um den Hals /und beschwur ihn bey seiner kindlichen Pflicht den dem Hannibal für so kurtzer Zeit geschwornen Eyd nicht zu brechen; Annibals Wohlthat durch so grausamen Undanck nicht zu vergelten / im Antlitze des Vaters keinen Meuchelmord zu beginnen / noch selbst mutwillig in so vieler gewaffneter Schwerdter zu rennen. Ja wenn auch niemand Annibals Leib beschirmete / würde er seine eigene Brust ihm zum Schilde fürwerffen; wiewohl Annibals blosser Anblick mächtig wäre einem das gezückte Eisen aus der Hand zu winden; für dessen Antlitze so viel geharnischte Legionen erzittert hätten; für dessen Dräuen das grosse Rom bebete. Porella erseuffzete hierüber etlichmahl / und fing an: Ihr Götter! wem bin ich mehr verbunden / dem Vater / oder dem Vaterlande? Soll ich das mir angethane Unrecht verschmertzen / um den Vater nicht in Gefahr zu setzen? Hierauff warff er sein Schwerdt über die Garten-Mauer / und fügte sich mit dem Vater an die Taffel; auff welche Annibal einen Glücks-Topff hatte bringen lassen; aus welchem ein ieder für sich einen Zettel zu dem auff folgenden Tag bestimmten Göttermahle heben muste. Annibal zohe heraus den Mars / Munius Jupitern / Celer den Saturn / Carthalo ward Apollo / Jubellius Pan / Taurea Bacchus /Calavius Neptun / Stenius Pluto / Barcellon ein Hispanischer Fürst Mercur / und Porella Vulcan. Die hierzu beruffene Agathoclia muste für das ihr vom Annibal auffgezeichnete Frauenzimmer greiffen. Sie selbst ward Juno / des Porella Schwester / in welche Barcellon verliebt war / [838] Ceres / Polinice Diana / Servilia Venus / des Jubellus Frau Thetys / des Taurea zwey Töchter Cybele und Pallas / des Stenius Frau Flora / des Munius Frau das Glücke / Aglaja eine edle Frau von Neapolis ward Nemesis. Porella konte die gantze Nacht für Ungedult nicht schlaffen; insonderheit fraß ihm sein Hertze: daß das Loß ihn zum Vulcan / seine Frau zur Venus / und Annibaln zum Mars erkieset hatte. Denn weil der Argwohn lauter Mißgeburten gebieret / kam ihm unauffhörlich für: als wenn entweder Annibal durch ein unbegreiffliches Kunststücke das Loß zu seiner Beschimpffung derogestalt eingerichtet hätte / oder sich das Verhängnis selbst über seinem Unglücke kützelte. Gleichwohl fand er sich folgenden Tag der Abrede gemäß mit dreyen Cyclopen / welche er aus seinen treuesten Knechten nahm / und auff den Fall guter Bedienung ihnen die Freyheit versprach / in dem besti ten Lustgarten ein /der zwischen denen zwey grossen Märckten Albana und Seplasia gelegen war / auff derer ersterm nichts als Perlen / Edelgesteine und Purpur / auff dem andern eitel köstlicher Balsam und andere wohlrüchende Wasser verkaufft wurden. Die Pracht ihrer Ausputzung / und die kostbare Zubereitung ist unbeschreiblich. Aller Welt seltzame Speisen / aller Meere Perlen / aller Gebürge Edelgesteine / gantz Morgenlands Balsame schienen in diesen Garten zusammen geronnen seyn. Alle andere aber übertraf Agathoclia / welche die Göttin des Reichthums und eine Himmels-Königs selbstständig abbildete. Dieser hielt die Wage Servilia / an welcher Leibe nichts verborgen war / als was Perlen und Diamanten verdeckten. Denn ihr von seidenem Flor gewürcktes Kleid war dünner als Spinnenweben / und durchsichtiger als Glaß. Sie bedienten nebst drey finger-nackten Gratien sechs schnee-weisse und sechs Mohren-Knaben / alle wie Liebes-Götter ausgerüstet. Annibal aber hatte einen über und über von stammenden Rubinen schimmernden Rock an. Diese irrdischen Götter wurden unauffhörlich von denen aus den künstlich bereiteten Wolcken mit wol rüchendem Narden- und Bisam-Wasser bethauet; die edelsten Weine Campaniens von Creta und Alba wurden wie gemein Wasser eingeschluckt. Die Speisen dampfften nichts als Zibeth und Ambra von sich aus einem silbernen Spring-Brunnen sprützte eitel Zimmetwasser und Syrischer Balsam aus. Wie nun nichts / was ein Sardanapal zu Ausübung seiner Uppigkeiten hätte aussinnen können / abgieng; also vergassen Wirth und Gäste nichts / ihre angenommene Person meisterlich zu spielen. Nach vollbrachter Mahlzeit brachten 12. geile Satyren einen künstlichen Tantz; worzu ihnen zwölff nackte Wasser-Göttiñen mit weißwächsernen Windlichtern leuchteten / zwölff in grünen Damast gekleidete Schäfferiñen aber sie mit ihren Seitenspielen bedieneten. Diesen folgte im Reygen der von Wein und Brunst erhitzte Annibal; und nach seinem Beyspiele muste ieder Gott seine ihm zugeeignete Göttin erkiesen; also kam Annibal als Mars mit Servilien / der wollüstige Campaner Taurea mit der Ceres des Perolla Schwester / Stenius mit Agathoclien allerhand geile Begebnisse / und die unzüchtigsten Getichte der verliebten Götter zu tantzen. So viel Müh und Kunst wendet man an die Laster; und so sauer läst man sichs werden: daß man mit Geschicke und guter Ordnung sündige. Diese alle liessen durch ihre unkeusche Gebehrdungen genugsam blicken: daß sie keinen Funcken Tugend im Hertzen / keine Schamröthe im Gesichte und keine Scheu für andern Anwesenden hatten; also: daß die Fürstin Chlotildis /Magilus / und Dietrich sich hochvernünfftig dieser Versammlung entschlagen hatten. Sintemal Laster gifftiger als Basilißken sind. Denn diese tödten nur durch ihre Blicke; jene aber / wenn man selbten nur die Augen gönnet. Perolla und Barcellon kochten inzwischen im Hertzen eitel Galle; dieser gegen den Taurea / weil er seiner Buhlschafft [839] mehrmals die Brüste betastete; jener gegen Annibaln / der mit Servilien nicht viel anders umgieng / als ein Ehbrecher mit einer gemeinen Dirne im Hurenhause. Denn die unkeusche Liebe ist nicht nur / weil sie anfangs offt eine heßliche Eule für einen Paradiesvogel erkieset / sondern auch / weil sie ihr einbildet: daß andere Leute ihre offenbare Laster nicht sehen / für blind zu schelten. Aber die hundertäugichte Eiversucht machte Porellen und den Barcellon allzu scharfsichtig. Denn wie Barcellon dem Taurea seine eiserne Ruthe / welche er als Mercur führte / durch den Leib trieb / also stieß Porella in eben selbigem Augenblicke / gleich als hätten sie es mit einander abgeredet / Servilien einen Dolch in die Brüste; daß beyde todt zur Erden fielen. Porella war auch schon in vollem Stoffe Annibaln eines zu versetzen / sein Vater Pacuvius Calavius aber verrückte ihm den Stich. Hierüber fielen alle anwesende Africaner den Porella an; Ob nun wohl ihm seine drey Cyclopen zu Hülffe kamen / und etliche Mohren verletzeten / wurden sie doch von der Menge bald erschlagen / und nicht nur Porella / sondern auch der zwar hieran / aber nicht an Verrathung der Stadt Capua unschuldige Calavius mit mehr als hundert Stichen ermordet. Also sind die Strafen der göttlichen Rache allezeit gerecht / wenn selbte schon für menschlichen Augen die Unschuld zu treffen scheinen. Weil alles Annibaln zulieff / hatte Barcellon inzwischen Zeit sich bey der finstern Nacht aus dem nunmehr so traurigen Lustgarten zu spielen / und ins Läger zu seinen untergebenen Hispaniern zu fliehen; weil doch Hannibal sein Beginnen für ein mit dem Porella abgeredetes Werck auffnehmen; die Verstörung seiner Lust / und den Mord des bey ihm hoch am Brete sitzenden Taurea mit grausamen Strafen rächen würde. Die gantze Versammlung kam hierüber in Bestürtzung / die gantze Stadt in Unruh / also: daß Annibal alle Kreutz-Gassen mit Kriegsvolcke besetzen muste. Wie die Mohren nun die Leichen aus dem Garten schlepten / und also ihre Kleider durchsuchten /fand einer zu allem Unglücke beym Porella einen Zettel mit diesen Worten: Bistu denn mit sehenden Augen blind; daß du deiner Ehebrecherin so viel Luft zu ihren Lastern läst? Meinestu nicht: daß es die Götter für keine geringere Sünde aufnehmen / Laster verhängen / als selbte begehen. Oder hastu kein Manns-Hertze in dir / eines so unreinen Brandes Licht auszuleschen? Der Mohr lieff mit dieser Handschrifft / welche er weder zu lesen noch zu erkennen wuste / alsbald zu Agathocleen; als durch welche alles zu gehen pflegte / was zu Annibaln kommen solte. Diese erkennte sie beym ersten Anblicke für der Fürstin Chlotildis eigene Hand; daher ging sie unverwandten Fusses zu Annibal; verhetzte ihn wider die ihr mehr als Spinnen verhaste Chlotildis / als welche nicht nur die Mordstiffterin des geschehenen Trauer-Falls wäre /sondern auch den Porella zu Hinrichtung Annibals ihres eigenen Ehgemahls angefrischt hätte. Annibal wolte alsbald mit dem Degen in der Faust in Chlotildens Zimmer eilen / und sie in ihrem Bette seiner Rache auffopffern. Agathoclea aber hielt ihm die Gefahr / den Haß / den er ihm bey allen Deutschen zuziehen / und die übele Nachrede bey der gantzen Welt / welche von seiner Gemahlin schwerlich eine so grausame Missethat glauben würden / beweglich ein; und daß nichts alberers wäre / als eine plumpe Rache / welche alle Augen sehen / und dem Rächer selbst Schaden thäte. Sie versicherte ihn: daß Chlotildis den folgenden Untergang der Sonnen nicht erleben / die Scharffsichtigsten aber des Todes Ursache nicht er gründen solten. Hiermit gingen sie zwar zur Ruhe; wiewohl ihrer wenigen der Schlaff in die Augen kam. Auf den Morgen gab Agathoclia achtung / als der Chlotildis Cammer-Jungfrau der Gewohnheit nach aus dem Springbrunnen frisches Wasser zu Begiessung der Jesminsträuche hohlete; welche Chlotildis für dem Fenster ihres Zimmers stehen hatte. [840] Dieser begegnete Agathoclia auff der Stiege / nahm ihr den Krug aus den Händen / vorwendende: daß sie wegen Durstes gleich selbst sich zum Springbrunnen hätte verfügen wollen. Unter diesem Gespräche schüttete sie / als die Trägerin nur einen Blick auf die Seite thät / das hefftigste Gifft in den Krug; diese aber darauf es auf die Jesminen. Kurtz hierauf besuchte Fürst Magilus und Dietrich Chlotilden in ihrem Zimmer; welche über des vorigen Tages Trauerfällen überaus bekümmert waren. Chlotildis legte nach etlichen Unterredungen sich an ihr Fenster / und brach etliche Zweige von Jesminen ab / in willens selbte beyden Fürsten zu reichen. Sie hatte aber kaum den Geruch dieser Blumen recht empfunden / als sie im Augenblicke stein todt zur Erden sanck. Alle Reib- und Kühlungen waren vergebens; die Fürstin und der gantze Hof derogestalt erschreckt: daß sich fast niemand wagte den Mund aufzuthun / sondern nur eines dem andern mit stummen Gebehrden das gemeine Leid klagte. Niemand war zwar: der nicht Agathoclien in Verdacht zohe; aber weil weder diese noch iemand von ihr in etlichen Tagen ihr Zimmer betreten / Chlotildis auch seit des vorhergehenden Tages weder Speise noch Tranck zu sich genommen hatte / war wider Agathoclien der geringste Grund eines billichen Argwohns aufzufinden; auser: daß so wohl bey ihr als bey Annibaln eine grosse Schwermüthigkeit zu spüren war. Denn die Erinnerung lieset in den Gewissen der Boßhafften ohne einige Schrifft ihre eigene Laster / sie redet davon ohne Stimme / und sie peitschet sie biß aufs Blut ohne Ruthe. Ihr eigen bangsames Antlitz ist wie der Zeiger an den Uhren ein Verräther der inwendigen Unruh: daß die Angst ihnen die Ruh aus dem Hertzen / den Schlaff aus den Augen reisse / die Furcht ihren Geist und die Vernunfft verwirre / die Reue Marck und Bein aussauge / und die Verzweiffelung ihnen Athem und Sprache verhalte. Nach zweyen gleichsam in einer Höle hinterlegten Tagen / eröfnete Annibal der Chlotildis Schreibetisch; und sand in selbtem zu seiner höchsten Erstaunung folgendes an Chlotilden abgelassenes Schreiben: Ich flehe die Götter unaufhörlich an um Dämpffung meiner auffschwellenden Gemüths-Bewegungen / seit ich Annibaln mit meinem Ehbrechrischen Ehweibe in der Höle baden gesehen: daß ich ihrem Befehle gehorsamen könne / Annibaln das mir zugefügte Unrecht zu verzeihen. Denn wiewol seine Beleidigung einem edlen Gemüthe fast unverschmertzlich fällt; so wil ich doch lieber eine unauffhörliche Seelen-Marter erdulden / als von einer so tugendhafften Fürstin beschuldigt werden: daß ich mit ihres Ehmannes geringster Wunde das Mittel ihres Hertzen durchbohrete. Ich werde meine Rache nur mit dem Blute meiner Ehbrecherin abkühlen; wormit ich Annibaln so viel leichter vergeben könne; und derogestalt von ihrem strengen Urthel: daß ich ihren und Annibals Hof nicht mehr betreten solle / loßzusprechen seyn. Wie nun diese Zeilen nicht nur Chlotildens Unschuld / sondern auch ihre für Annibals Wolstand gepflogene Fürsorge augenscheinlich ans Licht stellten; also war iedes Wort eine glüende Zange / welche des grausamen Annibals sich selbst verdammendes Gewissen zerfleischte. Bald war er entschlossen sich selbst / bald die Mordstiffterin Agathoclia eigenhändig hinzurichten. Er warf sich auf sein Bette / mit Befehl: daß ihn kein Mensch auch wegen der wichtigsten Angelegenheit beunruhigen solte; Gleich als wenn sein Gemüthe nicht mehr / als das bey gröstem Ungewitter stürmende Meer unlustig gewest wäre. Diese Seelen-Marter zwischen tausend zweiffelhafften Entschlüssungen trieb er den gantzen Tag / und die Nachtdurch. Folgenden Morgen rief er und befahl beyde Fürsten Magilus und Dietrich zu ruffen; ihm aber ward zur Antwort: daß beyde Fürsten schon vorhergehenden Tag nach angemerckten[841] Gifftzeichen an Chlotildens Leiche mit allen Deutschen zu Pferde gesessen / und aus Capua fort geritten wären; vorgebende: daß sie sich eines so vergifteten Hofes zu enteusern wichtige Ursache hätten.

Demnach nun Annibal bereit bey sich entschlossen hatte / Agathoclien ins geheim abzuthun / aus dieser Begebenheit aber leicht muthmassen konte: daß der Verdacht des Gifftes auf ihn fiele; entschloß er durch öffentliche Bestraffung Agathocliens sich für aller Welt rein zu brennen. Daher ließ er Agathoclien in Kercker werffen / und über der Vergifftung Chlotildens anfangs in der Güte; als sie aber leugnete / und inzwischen ein Edelknabe vom Anrühren des Jesmins gleichfals getödtet / also die Ursache des Todes erkundiget / von der Kammer-Jungfrau die Begebenheit mit dem Wasserkruge entdecket worden war / scharf befragen. Die Marter drückte endlich ihr das Bekäntnüß der Warheit aus; sie schützte aber zu ihrer Entschuldigung für: daß sie es Annibaln vorher entdeckt /und Chlotilden mit seiner Genehmhabung vergifftet hätte. Die Richter fragten nach dem Beweise ihres Einwands. Agathoclia bezohe sich auf Chlotildens Schreiben / welches ein gewisser Mohr in des Perolla Kleidern gefunden und ihr gebracht / sie aber Annibaln eingehändigt hätte. Annibal / welchem zu Behauptung seiner Herrschafft in Italien an Verführung seiner Unschuld viel gelegen war / widersprach Agathocliens Fürwand als eine grausame Verläumdung / schickte auch an statt des erstern / der Chlotildis letzteres Schreiben den Richtern; um dardurch zu bescheinigen: daß er Chlotilden deßhalben mehr zu lieben / als ihren Mord zu willigen Ursache gehabt hätte. Diese fällten daher Agathoclien / welche zu Alexandria dem Pfal entronnen war / ein verdientes Urthel / krafft dessen sie rückwärts auf einen räudichten Esel gesetzt / an den Ecken der Stadt mit glüenden Zangen gezwickt / hernach mit vier Pferden zerrissen /verbrennt / und die Asche in den Fluß Vulturnus gestreut ward. Also entrinnen die Lasterhafften zwar zuweilen aus der Hand des weltlichen Richters / niemals aber der göttlichen Rache; welche / wenn sie einem Boßhafften mit langsamen Bleyfüssen nacheilet / ihn auch mit einer desto schwerern Hand zu Bodem drückt.

Das grausamste an dieser zwar verdienten Straffe war: daß Annibal nicht nur diesem Trauerspiele zusah / sondern auch selbst mit einer Gerte das eine nicht anziehende Pferd aufmunterte um denselben Leib zu zerfleischen / den er so viel mal inbrünstig umarmt hatte. Die Königin Erato fing hierüber laut an zu ruffen: O des merckwürdigen Beyspiels! daß eine viehische Liebe nichts als Minotauren gebähre; und ihr Englisches Antlitz sich mit einem Schlangen-Schwantze endige. Freylich wol / sagte Thusnelde. Denn wie das Mittel der Tugend Eigenschafft ist; also haben die Laster nur in dem eusersten ihren Auffenthalt. Jene richtet ihr Thun nach / diese wider die Gesetze der Natur ein; welche zwischen Kälte und Hitze / zwischen Sturm und Meerstille / zwischen Tag und Nacht ein gewisses Mittel beobachtet. Sintemal die Sonne aus den Fischen in Löwen / vom Mittage in Mitternacht keinen gähen Sprung thut; sondern zwischen Winter und Sommer den lauen Frühling und kühlen Herbst; zwischen Licht und Finsternüß eine annehmliche Dämmerung einrückt. Die geile Brunst hingegen verkehrt sich im Augenblicke in bittersten Haß; und sprüet in einem Atheme Liebkosen / Gifft und Galle heraus. Sie hat zwar die Art des hartnäckichten Epheu / welcher alles umarmet / was er nur erreichet; Aber ihre Tauerung ist vergänglicher als der Mertz-Schnee / der insgemein eh / als er die Erde erreicht / zu Wasser wird. Sie raset grimmiger als loderndes Pech und brennender Schwefel; hält eingeäscherte Länder für ihre kostbare Siegszeichen / und das geronnene Blut erwürgter Völcker für [842] süsse Opffer. Ihr grauset für ihren eigenen Flammen / die sie für reiner hält als die Sternen sind; weil sie nunmehr einem gifftigen Nebel gleichen. Die neue Gluth des Zornes schwärtzet sie mit stinckendem Rauche / und erstäckt sie; welche vorher ihre Seufzer aufzublasen /und ihre Augen mit dem Saltze bitterer Thränen zu er frischen ängstig bemüht waren. Wenn sie aber auch ihr unreines Feuer unkeuscher Brunst immer für schön ansieht; so ersteckt doch ihr Hütten-Rauch alles Licht der Seele / damit sie nicht die Pforte der Tugend finde / noch Geblüte und Freundschafft unterscheide. Denn ihre Schande und Mord-Lust sind Eltern und Feinde eines / und der Bruder-Mord nicht schwärtzer als der unschuldige Todschlag des Wildes. Ja ihrer schnöden Lust und unsinnigen Rache ist nicht zu viel mit eigener Hand sein Geschlechte auszurotten / und mit seinen Nachkommen die Hoffnung seines andern Lebens zu erstecken. Ihre Freude ist / wenn sie andern viel Todte zu beweinen / und viel Brände zu leschen läst. Sonderlich aber verlernt sie alle menschliche Empfindnüsse gegen der / welche sie vorher für ihren Abgott anbetete. Sie wandelt sich gegen der in einen Wüterich / welcher Leibeigner sie vor war; und die vorhin so beliebten Haare in Stricke; um darmit ihren Kerckermeister zu erwürgen. Die Rache reitzet sie ein Hencker derselben Gottheit zu werden / welcher Priester er vor war; und der sie vorher ihr Hertz an statt des Weyrauchs anzündete / wünscht er in ihrem eigenen Tempel einzuäschern; weil er sie für seinen Glücksstern / itzt für die erste Bewegung seines Ubels hält. Ihre wenige Funcken der Vernunfft / die sie nicht gar vertilgen kan / braucht sie nur zu einem Irrlichte und Wegweiser in die Sümpffe der Wollust / und zum Werckzeuge ihren Lastern einen Glantz zu geben. Ich höre wol: brach Salonine ein / wem die Königin durch diß schöne Gemählde so heßlich einzubilden bemüht ist. Aber sie muß an ihrem frechen Liebhaber seine Pein und schimpflichen Untergang auch zu entwerffen nicht vergessen. Es ist wahr / versetzte die Königin. Der Apffel der Wollust ist allezeit wurmstichig; und die Stiche des Gewissens versaltzen ihre allersüsseste Kützelung. Wenn aber diese ihrer Vergängligkeit nach endlich verschwindet / überfällt sie eine so grausame Abscheu ihrer Laster: daß wenn der erzürnte Himmel iemanden anders für seinen Scharfrichter zu gut hält / ein so toller Liebhaber an ihm selbst zum Hencker wird; und also das schrecklichste Laster wider sich selbst ausübt.

Adgandester hob ab: So unglückselig war auch leider der sterbende Hannibal. Inzwischen aber war seine Brunst auch das Fallbret seiner Siege / und hatte er nach Chlotildens Tode mehr wenig Stern oder Glücke. Denn als das lustige Capua ein Schauplatz so vieler Trauerspiele ward; kam Annibaln zu voriger Unlust noch die betrübte Zeitung zu: daß Barcellon mit tausend Hispanischen Reutern zu den Römern übergegangen / die Fürsten Magilus und Dietrich aber alle Bojen und Deutschen aus dem Läger an sich gezogen / und ihren Weg nach Hause genommen hätten. Mit derer Abzuge der Carthaginenser Macht nicht allein eine grosse Verminderung / sondern auch Annibals Siege einen gewaltsamen Stoß bekamen. Denn die Römer borgten nach der Cannischen Niederlage in Mangel der Waffen selbte aus den Tempeln; und weil das Unglück sie zwang aus der Noth eine Tugend zu machen / nahmen sie / nach dem Beyspiele der Spartaner / als der Athenienser Feldherr und lahme Tichter Tyrteus sie drey mal aufs Haupt geschlagen hatte /und Agathoclens / als die Mohren ihn so sehr in Sicilien bedrängten / acht tausend Knechte zu freyen Kriegs-Leuten an. Das Römische Frauenzimmer riß ihren Schmuck vom Halse / die Edlen ihrer Vor-Eltern Gedächtnüsse aus ihren Zimmern / und warffen sie zu Kriegs-Kosten in Schmeltzofen. Insonderheit aber brauchten sie sich des zwischen Annibaln und den Deutschen entstandenen Mißverständnüsses; Und / ob sie zwar vorher ohne Frucht den Stadtvogt Lucius Posthumius [843] zu den Deutschen und Galliern geschickt hatten; so liessen sie doch eine kostbare Gesandschafft an Magilus / Dietrich / Briegant und andere Deutsche Fürsten abgehen; welche ihnen der Römer Bündnüß mit der Versicherung antrug: daß die Römer ohne der Deutschen und Gallier Einwilligung über den Fluß Po nicht sätzen / sondern auch / was sie noch disseits besessen / ihnen ewig und eigenthümlich verbleiben solte. Diese Fürsten / und insonderheit den Hertzog Briegant / welcher nun mit 20000. Qvaden / Marsingern und Osen in Hetrurien einzubrechen fertig stand / beschenckten sie Königlich. Allen aber stellten sie der Mohren Laster und Ubermuth für Augen / wie sie unter dem Schein der Italien gebrachten Freyheit / alle freywillig auf ihre Seite gefallene Völcker / und insonderheit die Campaner unter die Füsse getreten / der Deutschen und Gallier Landschaften verheeret / und nach dem sie mit den Macedoniern und Syrern sich verknüpfft / durch Verachtung und böse Thaten den gerechten Haß ihrer treusten Bundgenossen ihnen auf den Hals gezogen hätten. Diese Botschafft gieng so glücklich ab: daß alle Deutschen und Bojen / auser wenig Galliern / welche noch auf der Africaner Seite blieben / den Degen einsteckten / und auff keiner Seite zu stehen sich verbündlich machten. Hierauf erfolgte: daß Titus Manlius in Sardinien die Mohren schlug / den Mago und Hanno gefangen nahm / Claudius Marcellus Annibals Heer von Belägerung der Stadt Nola mit grossem Verlust abtrieb / Titus Sempronius mit seinen gewaffneten Knechten die Mohren und den Hanno bey Benevent in die Flucht brachte / Claudius Marcellus mit Eroberung der fast unüberwündlichen Stadt Syracusa das fast gantz abgefallene Sicilien zum Gehorsam brachte / nach dem sich der neue König daselbst Hieronymus vom Annibal durch seine zwey schlaue Gesandten Hippocrates und Epicydes unter dem Scheine: daß er des Nereis der Pyrrhischen Tochter Sohn wäre / und zum gantzen Sicilien Recht hätte / bereden lassen auf der Carthaginenser Seite zu fallen / mit dem Bedinge: daß Sicilien nach ausgetriebenen Römern halb ihm / und halb der Stadt Carthago zugehören /und der Fluß Himera ihre Gräntze machen solte. Ferner überfiel Valerius bey der Stadt Apollonia des Nachts den König Philip / und trieb ihn in sein Macedonien zurücke; Er demüthigte die Acarnanes / machte mit denen Eloliern ein Bündnüß. Publius und Cneus Scipio nahmen fast gantz Hispanien ein; weil Asdrubal wider den Numidischen König Syphax / der wider Carthago mit einem mächtigen Heere anzog / in Africa beruffen ward. Und ob wol Carthago nach gemachtem Frieden mit dem Syphax / beyde Asdrubal und den Mago mit 30000. Mann und 30. Elefanten in Hispanien schickten / Publius Scipio auch von Asdrubals Reuterey erschlagen / Cneus auf einem Thurme verbrennet ward / ja Marcellus und Claudius fast alles biß an das Pyreneische Gebürge verspielten / die mächtige Stadt Tarent durch Verrätherey des Jägers Philemenes / und Tapfferkeit zweyer tausend noch zurück gebliebener Deutschen und Gallier an Annibaln übergieng / so setzte doch der junge Cornelius Scipio alles in bessern Stand; eroberte die mächtige Stadt Neu-Carthago den ersten Tag seiner Belägerung durch Sturm / darinnen sich Mago mit 10000. Mann ihm ergeben muste; schlug Asdrubaln / zwang viel Städte zur Ubergabe / die Stadt Astapa aber zu ihrer eigenhändigen Einäscherung / zog durch seine Freundligkeit und Keuschheit ein grosses Theil Hispaniens / und insonderheit das gröste Theil der streitbaren Celtiberier durch Gewinnung ihres Fürsten Allucius an sich. Denn seine Braut Gertrudis Erdmunds des Nevetischen Hertzogs Tochter / welche mit ihrer Schönheit aller Anschauer Hertzen verwundete / war über die Cottischen Alpen in Ligurien kommen / und von dar nach [844] Neu-Carthago übergeschifft; also gefangen und als ein Wunderwerck der Natur zum Scipio gebracht worden. Dieser aber / wie sehr er durch den ersten Augenblick in sie verliebt ward / ließ sie dem Fürsten Allucius unversehrt ausfolgen / und schenckte die für sie zum Lösegelde gebrachte Gaben dem Bräutigam zum Heyrath-Gute. Tarent kam inzwischen auch in Römische Gewalt. Qvintus Fulvius und Appius Claudius übermeisterten den Hanno / und eroberten nach mehrmals vergebens versuchter Entsätzung durch eine hartnäckichte Belägerung die Stadt Capua nunmehr Annibals anders Vaterland / und darinnen die zwey Krieges-Obersten Anno und Bostar. Ob auch wol Annibal um seinen Feind von solcher Belägerung abzuziehen / für die fast aller Mannschafft entblöste Stadt Rom an den Fluß Anien rückte; solche auch für seiner Macht bebte / die Mauern mit Weibern / welche vorher mit ihren abgeflochtenen Haaren das Pflaster der Gotteshäuser abgesaubert hatten / besetzte; ja Annibal des Nachts mit dreyen ihn biß an die Pforten begleitenden Wahrschauern / und 3000. im Rücken habenden Reutern das inwendige Wehklagen selbst hörete; so traute er sich doch nicht Rom mit Gewalt anzugreiffen; sonderlich / da nicht allein Claudius Flaccus mit einem Theile des für Capua liegenden Heeres ihm stets auff der Fersen folgte / sondern auch die ungemeinen Platzregen und Sturmwinde / die nicht so wol vom Himmel / als den Römischen Mauern ihren Uhrsprung zu haben schienen /Annibaln von Rom ab- und / nach dem er des Flaccus Läger vergebens durch Arglist zu überfallen sich bemüht hatte / in Lucanien vertrieben. Ungeachtet ihm auch das Glücke hernach etliche holde Blicke gab / in dem er den Bürgermeister Fulvius mit 8000. Römern erschlug / den Claudius Marcellus einmal aus dem Felde jagte / hernach ihn gar tödtete / den Qvintius Crispinus aber in die Flucht brachte / so kehrte diese wanckelmüthige Buhlerin doch denen Mohren bald wieder den Rücken. Denn ob wol Asdrubal des Hannibals Bruder mit einem mächtigen Heere aus Hispanien durch das Aqvitanische Gallien der Arverner Gebiete / der Allobroger Eyland bey der Stadt Mantala über den Fluß Isara setzte / an dem Flusse Arcus hinauf / und über den Berg Cinisius / auf die Stadt Segusio / und bey der Tauriner Hauptstadt mit besserem Glücke als Annibal in Italien kam / und mit denen ihm zufallenden und zu allem Vorschube nunmehr willigen Liguriern sein 56000. Mann starckes Heer biß auf 70000. vergrösserte; auch / ungeachtet des ihm entgegen stehenden Bürgermeisters Marcus Livius die Stadt Placentz belägerte; so zohe doch der im Brutischen Gebiete gegen Annibaln liegende Bürgermeister Claudius Nero mit einem Theile seines Heeres so heimlich: daß es der ihm auf dem Halse liegende Annibal nicht einst erfuhr / aus dem Läger / stieß bey dem Flusse Sena in Umbrien zu dem Livius gleichfals unvermerckt / und nöthigte Asdrubaln zur Schlacht /in welcher er zwar das Ampt eines klugen und unverzagten Feldherren rühmlich verwaltete; aber weil die Gallier und Arverner für Müdigkeit kaum die Waffen tragen kunten / von der grossen Römischen Macht /darunter nunmehr auch 8000. wolversuchte Deutschen und Hispanier / und etliche hundert Numidische waren / übermannet / und weil er sterben oder siegen wolte / also bey Zertrennung seines Heeres gegen dem Nero wie ein Blitz in die Römischen Hauffen sprengte / nach dem er wol zehn edle Römer eigenhändig erlegt hatte / von Volckensdorff / einem Alemannischen Ritter / der hernach den zu Pferde sitzenden Asdrubal in seinen Schild machen ließ / durchstochen ward. Mit ihm fielen über 50000. Africaner und Gallier / auff Römischer Seite 8000. Uber diß wurden fünfftehalb tausend von den Siegern gefangen / Asdrubaln das Haupt abgeschlagen / und / als Nero wieder in [845] sein altes Läger kam / selbtes Annibaln für den Wall geworffen / und durch zwey loßgelassene Mohren ihm die grosse Niederlage zu wissen gemacht. Worüber Annibal seines Brudern Haupt mit Thränen netzte /und seufzende ruffte: Ich sehe leider! den weder durch Witz noch Tapfferkeit ablehnlichen Untergang der unglücklichen Stadt Carthago für Augen. Ich sehe leider! wol das aufziehende Gewitter / aber den Unglücks-Streich weiß ich nicht zu verhüten. So wenig dient künfftiger Dinge Wissenschafft zur Glückseligkeit; ob schon solche der Kern der Klugheit ist. Zwar dieser Ohnmacht ist der stärckste Grundstein: daß Götter sind; welche ein Volck beschirmen / das andere verfolgen. Aber diß ist mir noch verborgen: Ob sie selbst an eine Nothwendigkeit des Verhängnüsses angebunden / oder unerbittlich sind. Denn sonst würden ja auch der Africaner Opffer und Andacht etwas fruchten; welche gleichsam in einem Tage früh den Glücksstern über ihrem Wirbel; des Abends unter ihrer Fußsole / ihre Tugend auch von der Römischen Ehrsucht zu Bodem getreten sehen. Ich habe zeither nicht geglaubt: daß Klugheit als ein unnützes Ding zu verwerffen / Tapfferkeit als ein unglückliches nur zu beweinen / beyde also schlechte Zwergdinge sind; wenn sie nicht dem Glücke auf der Achsel stehen. Wie viel glücklicher aber sind die / welche nie so hoch gestiegen / als die von dieser wanckelmüthigen wie ich zu Bodem gestürtzt / und mit Füssen getreten werden. Hannibal verfiel hierauf in eine so grosse Schwermuth: daß er schier aller Kriegs-Sorgen vergaß; und ihn Reichhold ein Cattischer Fürst / welcher nur noch beym Hannibal stand hielt / aus seiner tieffen Bekümmernüß aufrichten / und ihm einhalten muste: Es wäre keine Schande / wenn einem das Glücke / aber wol / wenn man der Tugend den Rücken kehrte / diese wäre ihr eigener Lohn / nicht der ungewisse Ausschlag. Wenn Gott alle unsere verschmitzten. Rathschläge gerathen liesse / würden wir uns selbst zu Göttern machen; wenn uns aber alle fehl schlügen; würde man glauben: daß entweder alles ungefähr geschehe / oder das Verhängnüß mit Vernunfft und Tugend eine Todfeindschafft hegte. So aber geriethe eines / das andere schlüge fehl; wormit man lernte: daß ein Wesen auser uns sey; in welchem alles ist. Diesem solte er den Lauf des Krieges heimstellen. Denn dieser handelte niemals und nirgends unrecht; sintemal er aller Sterblichen Leben seiner Güte und Boßheit nach auf die Wagschale legte; auch niemals unvorsichtig. Denn Gotte wäre nichts verschlossen. Er wohnte in den Seelen der Menschen / und prüfete ihre Gedancken. Nebst dem solte er das zeither rühmlich bewegte Steuer-Ruder nicht aus der Hand lassen. Denn Gott verkauffte um Müh und Fleiß seinen Segen; Er stünde nicht Weibern / sondern den Tapfferen bey; und fiele der Sieg wie die weisse Henne mit dem Oelzweige der wachenden und unerschrockenen Livie nicht den Müßigen in die Schoß. Also müste man ihm in Unfällen selbst eine Hülffe geben / nicht aber durch eigene Verzweiffelung seine Schwäche zeigen; oder sich dem Unglücke zum Fußhader machen: daß es mit uns das Garaus spiele. In grossen Nöthen wäre kein besser Gefärthe / und kein bewehrter Beystand / als ein gut Hertze / dieses verminderte das Ubel / es käme der Schwachheit zu Hülffe / also daß man aus allem Gedränge darvon käme / und so gar die ungütigen Sterne bemeisterte. Aber Annibal mißtraute nunmehr nicht weniger ihm selbst / als den Göttern; wich also in die euserste Spitze Italiens /nemlich in die Landschafft der Brutier zurücke. Mago machte zwar mit den Liguriern ein neu Bündnüß wider die Römer / und eroberte Genua; Hingegen bemächtigten diese sich fast gantz Hispaniens / erlegten den von Rom wieder abgetretenen Judibilis und Mandonius. Alles diß waren noch erträgliche Wunden für Carthago / weil sie nur die eusersten [846] Glieder traffen. Nunmehr aber griff das Verhängnüß dieser grossen Herscherin ins Hertze; und die im westlichen Hispanien aufgegangene Glücks-Sonne der Römer kam in dem Mittagichten Africa ihnen auch am höchsten; und zwar anfangs durch des Numidischen Königs Syphax / hernach durch des Massasylischen Königs Masanissa Zufall und Beystand. Denn die zwey Geschwister Kinder Syphax und Gala bekamen mit einander einen Gräntz-Stritt; diesen gaben sie dem Rathe zu Carthago zur Entscheidung heim / welcher aus grosser Unbedachtsamkeit der ihm aus diesem Richter-Ampte erwachsenden Gefahr entweder wegen Gerechtigkeit der Sache / oder zur Danckbarkeit für die von seinem Vater und Bruder Narvas geleisteten treuen Dienste für den König Gala sprach. Dieser Ausschlag verbitterte den Syphax so sehr: daß er wider diese mit den Römern in Krieg eingeflochtene Stadt die Waffen ergrief / und mit denen an ihn aus Hispanien überschiffenden Römischen Gesandten ein Bündnüß schloß /von ihnen den Kriegs-Obersten Qvintus Staborius /der die Numidier in denen vorhin ungewohnten Kriegs-Ubungen unterrichtete / zu sich bekam; Hingegen durch seine Botschafft in Hispanien alle den Carthaginensern dienende Numidier nach Hause beruffte /und wider Carthago einen herrlichen Sieg erhielt. Die schuldige Danckbarkeit / und der Carthaginenser bewegliche Einredung: daß Syphax ein geschworner Feind des Deutschen / und also fremden Narvasischen Hauses wäre / auch allem Vermuthen nach den jungen Narvas des Gala Bruder mit Gifft hingerichtet / und ein Auge auf das Massasylische Königreich / als ein altes Antheil Numidiens hätte / brachten den König Gala unschwer dahin: daß er seinen siebzehn jährigen Sohn Masanissa mit einem mächtigen Heere wider den Syphax schickte / welcher mit Hülffe der zu ihm stossenden Carthaginenser den Syphax mit Verlust 30000. Numidier aus dem Felde schlug. Syphax flohe biß an die Gaditanische Meer-Enge zu denen ihm unterthänigen Maurusiern / verstärckte sich daselbst mit Mohren und denen nunmehr auf Römische Seite getretenen Celtiberiern. Masanissa aber hielt mit seinen eigenen Kräfften dem Syphax derogestalt die Wage: daß er schon an dem Römischen Bunde zu wancken anfing. Der Römische Rath aber schickte den Lucius Genutius / Publius Petellius und Popilius mit einem Purpernen Rock und Mantel / einem helffenbeinernen Stuhle / einer güldenen Schale von fünf Pfunden zu ihm / und erhielt durch Vertröstung gewisser Hülffe den Syphax noch auf seiner Seite. Hingegen blieb Masanissa nicht allein in Waffen wider den Syphax /sondern er zohe auch mit 10000. Reutern in Hispanien Asdrubaln zu Hülffe. Er hatte bey sich im Läger seiner Schwester Sohn Maßiva einen Knaben von 14. Jahren. Dieser hatte aus einer rühmlichen Ehrsucht ohne Massanissens Vorbewust nicht alleine in Hispanien übergesetzt / sondern auch in dem Treffen zwischen Asdrubaln / und dem jungen Scipio die Waffen ergrieffen / der aber nach tapfferem Gefechte in der Flucht der Mohren mit dem Pferde gestürtzt / und also gefangen ward. Scipio / als er seinen Uhrsprung und Zufall vernommen / beschenckte ihn mit einem goldenen Ringe / vergüldeten Waffen / köstlichen Kleidern / einem schönen Pferde / und schickte ihn mit sicherer Begleitung dem Masanissa in sein Zelt. Diese Großmüthigkeit gebahr bey Masanissen eine unvermerckte Zuneigung gegen den Römern. Also weiß ein Kluger ihm seine Feinde mehr / als ein Unvernünfftiger seine Bundsgenossen nütze zu machen. Hingegen beobachteten die Römer nicht: daß Freunde haben / unser halbes Wesen sey; und daß die / welche der Mund mit guten Worten gewonnen / das Hertze mit redlichem Beginnen zu erhalten habe. Denn sie suchten nur ihren Eigennutz; [847] und liessen den Syphax in Africa alleine baden. Welches zwar ein gemeiner Streich der Bundgenossen / aber auch die Ursache ihrer Trennungen ist. Also machte auch der dieses wahrnehmende Syphax mit Carthago Friede und Bündnüs. Welcher Botschafft es dahin vermittelte: daß König Gala alles dis / was er und sein Sohn Masanissa eingenommen hatten / dem Syphax / wiewol nicht ohne Unwillen erstatten muste. Wordurch Carthago eben so wol verstieß; Sintemal sie zwar einen laulichten Freund am Syphax erwarb / behielt aber einen der ihm ihre Wolfarth mit Ernst angelegen seyn ließ / wo nicht alsbald in Waffen / doch im Gemüthe am Gala verlohr. Dieses spürte der schlaue Scipio aus; schickte daher den Loelius nach Cirtha zum Syphax / welcher ihn durch reiche Geschencke auf guten Weg / iedoch / weil er sich mit iemand anderm als dem Römischen Feldhauptmann einen Bund zu schlüssen / viel zu hoch deuchtete / zu keinem völligen Schlusse brachte. Scipio und Lölius setzten sich auf zwey Kriegs-Schiffe /und fuhren mit so grosser Verwegenheit als Gefahr nach Cirtha / weil sie kaum etliche Augenblicke für Asdrubaln / der auf der andern Seite mit fünff Kriegs-Schiffen eben dahin segelte / in Hafen einlief. Syphax bewillkommte beyde Kriegs-Häupter mit gleicher Ehre; brachte es auch so weit: daß Scipio und Asdrubal nicht allein an einer Taffel mit ihm speiseten /sondern auch in einem Bette lagen; Hingegen Scipio mit seiner gleichsam aller Menschen Gemüther bezaubernden Freindligkeit so weit: daß der die neue Wolthat / aber nicht die alte Beleidigung vergessende Syphax Asdrubaln mit leeren Worten speisete / mit dem Scipio aber ein Bündnüß machte / und selbtem / wenn er in Africa aussetzen würde / mächtigen Beystand versprach. Gleichwol aber ward so wol auff einals der andern Seite das Spiel durch neue Zufälle verrückt. Denn als Masanissa noch in Hispanien für Carthago Krieg führte / starb sein Vater König Gala; diesem folgte im Reiche sein Bruder Desalces / des Deutschen Fürsten Narvas jüngster Sohn. Er starb aber kurtz hierauf; und kam sein ältester Sohn Capusa zur Krone. Es war aber in selbigem Reiche ein ziemlich mächtiger Fürst Mezetul / des Königs Ergamenes Tochter Sohn / welcher dem gegenwärtigen Königlichen Geschlechte Spinnen-feind war. Dieser mahlte dem Adel die Schande: daß ein Ausländer mit seinen Kindern über die Edlen Numidier herrschen solte /dem Pöfel aber die bisher ertragene Kriegs-Beschwerden für; brachte es auch so weit: daß das Reich sich spaltete. Das aber für den Fürsten Capusa stehende schwächere Theil ward mit samt ihm und den andern Söhnen des Königs Desalces erwürget. Wiewol er nun mehrmals sich verlauten ließ: daß er / als Königs Ergamenes Enckel / der nechste Stul-Erbe wäre; so gaben diesem Ausspruche doch die Reichs-Stände schlechtes Gehöre / sondern sie zielten auf den seiner Tapfferkeit halber so berühmten Masanissa. Mezetul erschrack hierüber nicht wenig; daher suchte er in Wahrnehmung: daß er es schwerlich schaffen würde /sich selbst zum Könige zu machen / durch eine andere Arglist das Hefft in die Hände zu kriegen; schlug sich also auf die Seite des funffzehn-jährigen Fürsten Lacumaces / und weil dieser des Fürsten Narvas / als ältesten Bruders Sohn war / behauptete er: daß er Masanissen / als des jüngern Bruders Gala Sohne / von Rechtswegen fürzuziehen wäre. Uber diß vermählte er ihm zu Unterstützung seines Reiches des Königes Desalces Wittib / Amilcars Tochter und Annibals Schwester Dido / verband sich mit seinem Schwager Syphax aufs festeste. Masanissa / als er seines Vettern Desalces und Capusa Tod vernahm / setzte aus Hispanien in Mauritanien über; und bat bey desselbten Könige Bochar 4000. Mann zu Einnehmung des väterlichen Königreichs aus. An der Gräntze bewillkommten [848] ihn alsofort fünffhundert edle Numidier /durch derer Hülffe er bey der Stadt Tapsus den Fürsten Lacumacen in die Flucht trieb / sich der Stadt bemächtigte / und im Königreiche einen ziemlichen Beyfall überkam. Ob nun wol Lacumaces vom Syphax ohne die Reuterey funffzehn tausend Fußknechte / Mezetul zehntausend Reuter wider Massanissen ins Feld führte; überwog doch dessen Krieges-Wissenschafft in der Schlacht die Menge; also: daß Lacumaces und Mezetul mit wenigen Geferthen nach Carthago entkamen. Wiewohl nun Masanissa seines Königreichs Meister ward / so sahe er doch aus des mächtigen Königs Syphax Zorn-Wolcken ein grausames Gewitter über ihn auffziehen. Daher schrieb er seinem Vetter Lacumaces auffs freundlichste zu / trug ihm an die Nachfolge im Reiche / und daß er ihn wie König Gala seinen Bruder Desalces unterhalten; dem Mezetul aber alle Erb-Güter einräumen wolte. Beyde waren damals aus Königs Syphax Hofe / und hätten sie diese Anerbietung nicht allein angenommen / sondern auch Syphax geschehen lassen: daß Masanissa der Masesyler König bliebe; wenn nicht Asdrubal ihm eingehalten: wie viel ihm und der Stadt Carthago daran gelegen wäre diesen streitbaren und Römisch gesinneten Fürsten bey seiner noch nicht befestigten Macht als ein schädliches Feuer bey erster Entglimmung zu dämpffen. Der ohne diß herrschsüchtige Syphax war wieder einen schwächern König leicht auffzubringen; rückte daher mit seinem Heere in dasselbige Stücke Landes / welches der Rath zu Carthago vormahls zwar dem Gala zuerkennet hatte / nunmehr aber unter dem Scheine neu auffgefundener Urkunden dem Syphax zueignete / und als Masanissa sich wider das Urthel der von ihm nie beliebter Richter und die Gewaltthat des Syphax beschwerte / in das Hertze des Masesylischen Reichs; schlug auch den ihm begegnenden Masanissa aus dem Felde; also: daß er mit Noth auff das Balbische Gebürge entran / Syphax aber nicht Lacumacen / sondern ihm selbst das Reich zueignete. Masanissa streiffte von selbtem Gebürge nicht nur in Numidien / sondern auch in der Stadt Carthago Gebiete / und verkauffte die Beute am Meer-Strande denen anländenden Handels-Leuten. Syphax hingegen schickte seinen Feldhauptmann Bochar mit viertausend Mann diesen Räuber auszuspüren; welcher Masanissen derogestalt in die Enge brachte: daß er mit wenigen auff den Gipffel des Berges weichen / endlich aber aus Mangel der Lebensmittel mit seinen übrigen siebenhundert Mann in ein Thal abkommen muste. Bochar aber lag ihm alsbald in Eisen; er schlug biß auff vier Reuter und den gefährlich verwundeten Masanissa alle; welche in einen strengen Fluß abstürtzten; von denen ihrer zwey alsbald vom Fluße verschlungen / Masanissa aber vom Strome aus der Numidier Augen gerissen / gleichwohl endlich mit seinen zwey Geferthen ans Ufer getrieben ward; da er denn / den nunmehr Bochar und Syphax unfehlbar für todt hielt / seine Wunden ihm in einer Höle mit Kräutern ausheilete. Hierauff wagte er sich wieder in sein Reich; bekam auff der Gräntze mehr nicht als vierzig Reuter / kurtz hierauff aber sechs tausend Mann; welche ihn als einen vom Himmel gefallenen mit unglaublichem Frolocken bewillkommten /zu sich / nahm das gröste Theil seines Königreichs ein / und verheerte noch darzu seiner Feinde Länder. Syphax kam alsbald mit zwey mächtigen Heeren gegen ihm ab; derer eines er selbst vorwerts / das andere aber sein ältester Sohn Vermina anführte; und durch diese Ubermannung Masanissens gantze Macht in Stücken hieb; also: daß er kaum mit siebenzig Pferden zu der kleinern Syrte / und von darzu den Garamanten entran. So bald aber Lälius in Africa kam /fand Masanissa mit zwey hundert [849] Numidischen Edelleuten sich zu ihm / schlug auch den andern Tag mit sonderbarem Glücke etliche hundert Carthaginenser in die Flucht. Scipio kam kurtz hernach auch an / bewillkomte Masanissen / belägerte Utica; und als Amilcars Sohn Hanno bey der Stadt Salera sich gegen die Römer setzte / schlug Masanissa ihn mit drey tausend Reutern todt / unter denen zwey hundert Carthaginensische Edelleute waren. Der jüngere Asdrubal zohe hierauff zwar mit drey und dreyßig / Syphax mit funffzig tausend Mann auff / nöthigten auch den Scipio die Belägerung auffzuheben. Aber nach dem Masanissa mehr als zwanzig tausend ihm zufallende Masesyler und Numidier an sich zoch / schlug Scipio / oder vielmehr Masanissa Asdrubaln und den König Syphax /wiewohl wegen der streitbaren Celtiberier unglaublicher Gegenwehr nicht ohne selbst eigenen grossen Verlust / etliche mahl aus dem Felde / eroberte zwey /iedoch unter dem Schein angezielter Friedens-Handlung arglistig angezündete Läger. Ja Masanissa nahm den Syphax gar gefangen / nöthigte Sophonisben zur Ubergabe der Hauptstadt Cyrtha. Endlich belägerte Scipio die Stadt Carthago / und zwang den Rath nicht nur den Mago aus Ligurien / welcher kurtz vorher in einer blutigen Schlacht wider den Qvintilius Varus /und Marcus Cornelius tödtlich verwundet worden war / und auff der Rückreise starb / sondern auch den neunzehn Jahr in Italien siegenden Annibal nach Hause zu ruffen; welcher so lange Zeit mit seinem Heere niemahls das Feld geräumt / nicht ohne Wunderwerck so vielerley Völcker / aus welchem sein Kriegsvolck bestand / in unverruckter Eintracht erhalten hatte / und daher nicht unbillich bey Empfahung dieses Befehls für Ungedult mit den Zähnen knirschte; gleichwohl aber dem Brande seines Vaterlandes zulauffen muste. In Africa mühte er sich durch persönliche Unterredung mit dem Scipio / selbtem einen nützlichen Frieden durch Vorstellung des in Schlachten am meisten wanckelbaren Glückes zu erwerben. Aber der Ehrsüchtige Scipio wolte vorher den Ruhm haben den Besieger seines Vaters und den berühmsten Kriegs-Held der Welt zu überwinden. Massen denn beyde ihre Heere / zu welchem Annibal den Numidischen Fürsten Tycheus mit zwey tausend außerlesenen Pferden bekam / so klüglich in Schlachtordnung stellten / und so ritterlich gegen einander fochten: daß Annibal weder dem Scipio / noch Scipio Annibaln den geringsten Fehler auszustellen wuste. Alleine bey gleicher Tugend gab gleichwohl die grössere Macht der Römer / der grosse Beystand Masanisses / und das auff ihre Seite henckende Glücke für den Scipio den Ausschlag; indem zwanzig tausend Mohren erschlagen / fast auch so viel gefangen wurden / Annibal auch mit genauer Noth nach Adrumet und so fort nach Carthago entrann. Scipio meinte nunmehr seiner Ehren ein Genügen gethan; und mit diesem Siege einen Grundstein zu Eroberung der Welt gelegt zu haben; scheuete auch die Belägerung einer so mächtigen Stadt / am meisten aber die Ankunfft eines Nachfolgers / welcher ihm so denn den Preiß des geendigten Krieges entzüge. Diesemnach gab er dem vom Verhängnisse augenscheinlich gedrückten Carthago nach überwundenem / und nunmehr so sehr nach der Ruhe selbst seuffzendem Annibal einen Frieden / den er denen noch so starck gewaffneten kurtz vorher versagt hatte. Also trennte die gifftige Anspinnerin dieses Krieges / nehmlich die Mißgunst / auch sein so schädliches Gewebe entzwey; und ward dißmahl zu einer wohlthätigen Friedensstiffterin. Der sonst so kriegerische Hannibal bewehrte die Nothwendigkeit der Ruh durch eine kühne aber redliche Vermessenheit / in dem er den Kriegrathenden Gisco von seinem Raths-Stule zwar wider die Gesetze einer freyen Stadt / iedoch aus einem wohlgemeinten Eiver herab zoh. Mit diesem Frieden blieben eine [850] ziemliche Zeit die Waffen zwischen den Deutschen / Galliern und Römern aufgehenckt; Massen denn die Deutschen damals auch unter dem Fürsten Marcomir die Weltweißheit / Tichter und andere Künste in Schwung brachten.

Fürst Zeno / als er ohne diß warnahm: daß Adgandester ermüdet / und in dem nechsten Zimmer des Lusthauses zur Mittags-Mahlzeit zubereitet ward; fiel ihm ein: Ich vernehme hieraus genugsam: daß weder die Mohren die Wunderthaten Annibals in Italien; noch auch Scipio die Demüthigung der Stadt Carthago den Römern / sondern beyde gröstentheils ihre Siege der streitbaren Deutschen Tugend zuzuschreiben haben. Adgandester antwortete: Ob ich zwar für meine Landsleute ein verdächtiger Zeuge zu seyn scheine / die Römischen Geschichtschreiber auch so wol unser / als ander Ausländer Heldenthaten mit Fleiß verdrücken; so ist es doch die lautere Warheit: daß sonder der Deutschen Hülffe weder Annibal mit seiner Hand voll Volcke Italiens /noch Scipio ohne den Beystand der von uns entsprossener Celtiberier Hispaniens / weniger aber ohne den aus deutschem Geblüte kommenden Masanissa Africens Meister worden wäre. Worinnen die Grichischen Geschichtschreiber den Römern die Warheit zimlich unter die Augen sagen; wiewol sie alle ausser Italien wohnenden Nordvölcker irrig unter dem Nahmen der Gallier auffführen / und wie die Gräntzen / also auch die Thaten der Deutschen mit unter der Celten Nahmen verdecken. Hertzog Rhemetalces antwortete: Es ist ein allgemeiner Brauch der Völcker: daß dasselbte / welches die Oberhand hat / ihme den Verdienst aller seiner Gehülffen zueigne. Es ist nichts seltzames fremdes Wasser auff seine Mühle leiten / und anderer Schweiß zur Farbe seiner Siegs-Fahnen brauchen. Dahero / wie vieler tugendhaffter Würde vom Neide vergället / oder von dem Staube der Vergessenheit vergraben wird; also ist der Nachruhm offt mehr ein Geschencke des Glückes / als der Tugend / und er kehret einem Lasterhafften so bald das Antlitz / als einem tapffern die Fersen. Gleichwol aber wird ein grosses Werck dem nicht unbillich zugeschrieben /der selbtes angegeben / und andern die Hand geführet. Das Haupt behält in allen Anstalten den Vorzug; ob schon der Werckzeug der Armen und anderer Glieder das meiste bey der Sache zu thun scheinet. Ein grösserer Strom beraubet hundert andere einfallende Flüsse ihrer Nahmen / ob sein eigen Wasser gleich kaum das hunderste Theil austrägt. Ein Feldherr hat mehrmals nicht den Degen gezuckt; gleichwohl wird ihm nicht unbilliger nachgerühmet: daß er den Feind aus dem Felde geschlagen; als einem Steuermanne: daß er das Schiff in den gewünschten Hafen bringe. Dannenhero der tapfferen Deutschen Beystand dem Ruhme des klugen Annibals und der Römischen Feldherrn nicht allen Ruhm entziehen kan. Adgandester versetzte: Es sey diß seine Meinung niemahls gewest; aber doch hätten ihre Geschichtschreiber der Deutschen nicht so gar vergessen / sondern sich des nachdencklichen Getichtes ihres Menannius erinnern sollen; wie übel es denen edlern Gliedern deß menschlichen Leibes bekommen sey / als sie den in ihren Augen so verächtlichen Bauch allzu verkleinerlich gehalten. Das Haupt hätte billich den Vorzug; aber die Armen verdientẽ auch ihr Lob. Die Sonne verdüsterte zwar mit ihrem Glantze die andern Gestirne; sie leschte ihnen aber nicht gar das Licht aus; ja sie theilte stets mit ihnen den Himmel / und vergnügte sich mit der Helffte seines Umkreißes; wormit nicht nur der Monde / sondern auch die kleinesten Sternen sich der halben Erde können sehen lassen. Zeno setzte nach: es ist wahr: daß die Tugend der Römer niemals höher kommen sey / als in diesem Römischen Kriege / ungeachtet hernach ihr Glücke allererst zum Riesen worden. Vorher war ihre Tugend allzurau / hernach ihre Grösse zu übermäßig; damals [851] aber ihre Verdienste unschätzbar. Ohne den Brutus würde Rom vielleicht niemahls frey; und ohne den Camillus ein Steinhauffen oder eine Magd der Gallier worden seyn; dißmahl aber nahm nicht nur ein oder ander Bürger /sondern gantz Rom wider die Mohren seiner Pflicht wahr. Nach der grossen Niederlage bey Canna entfiel dem Rathe nicht seine Klugheit / keinem Römer das Hertze / ja der Pöfel vergaß seiner Schwachheiten; und kein Mensch hatte einige nicht dem gemeinen Heile nützliche Gedancken. Das Frauenzimmer wiedmete selbtem ihren Schmuck / der Geitz verschwendete zu der gemeinen Wolfahrt seine Schätze; die am wenigsten Vermögen hinter sich behielten / schätzten sich am reichsten zu seyn. Die Jünglinge ertheilten so kluge Rathschläge / als graue Häupter. Die frevgelassenen Knechte verfochten mit einem edlen Helden-Geiste die sämtliche Freyheit. Fürnehmlich aber übersteiget der Römer getroste Hertzhafftigkeit allen Ruhm: daß als Rom selbst in vieler tausend Augen verlohren zu seyn schien / sie doch in Sicilien und Spanien Hülfs-Völcker / der Stadt Neapolis aber ihr angebotenes Volck und Geld zurücke schickte / und nur das Getreyde von ihrem Geschencke behielt. Sintemal dieses edle Volck auch in der grösten Noth nicht seine Schwäche blicken lassen wolte; weil niemand gerne sich an einen zerbrochenen Stab lehnet; und das Glücke selbst zuweilen lüstern ist einen an den rohen Ort zu stechen / wo es am wehesten thut. Uberdiß trug Rom die Stirne schon so hoch: daß es für ehrlicher hielt / gar zu Grunde zu gehen / als eines Nagels weit von seiner Hoheit zu verfallen / und für einerley Unglück nicht mehr anderer Völcker Herr /oder gar nicht mehr seyn. Es ist nicht ohne / fing Adgandester an: daß die Römer damals nichts versehen /was Tugend und Klugheit zu Erhaltung eines Reichs beyzutragen vermag. Meines Erachtens aber würde alles verlohrne Arbeit gewest seyn; wenn Carthago nicht selbst aus Unvernunfft sein Glücke mit Füssen von sich gestossen hätte. Unter denen die fürnehmste war: daß Hanno dem siegenden Annibal grämer als den feindlichen Römern war; und daß er lieber Carthago eingeäschert / als seinen Feldherrn sieghafft zurücke kommen gesehen hätte; nur daß seine den Krieg widerrathende Meinung nicht getadelt werden könte. Da hingegen die Römer den aus der Cannischen Niederlage entflohenen Bürgermeister viel klüger Danck sagten / daß er nicht gar an der Erhaltung Roms verzweiffelt hätte. Annibals gantz Italien erschütternde Siege wurden zu Carthago entweder nicht geglaubt /wenn er zumal sein Heer mit Volck und Gelde zu verstärcken bath; oder man schalt ihn gar für einen eigennützigen Räuber der feindlichen Beute; und unterbrach alle seine klugen Anstalten / gleich als wenn er nicht der Mohren Feldherr / sondern der Römer Bundsgenosse wäre. Nichts destoweniger überwand Annibal so wohl die einheimischen als fremden Feinde / und verdiente den unzweiffelbaren Nachruhm: daß er der gröste Kriegsmann gewest sey / den iemahls die Erde getragen hat.


Es ist nicht ohne / sagte Zeno: daß Hannibal einer der grösten Helden der Welt gewesen sey. Alleine wie die Natur daselbst / wo das Meer am grausamsten stürmet / denen Ländern zum besten ihm die höchsten Steinfelsen gleichsam als Riegel vorgeschoben hat; also setzet die göttliche Versehung insgemein auch einem grossen Helden einen andern entgegen / welcher selbtem die Stange biete / und die Herrschafften der Welt in gleicher Wage halte. Hector und Achilles; Sylla und Marius; Pompejus und Julius; Anton und August hatte der Himmel gleichsam außerlesen: daß sie ihre Kräfften an einander eichten solten. Und dem Annibal war der unvergleichliche Scipio gleichsam wie ein Angelstern dem andern entgegen gesetzt. Sie waren in vielen Dingen einander zu vergleichen. [852] Annibal war aus dem edlen Stamme Barcha / Scipio aus dem der Cornelier. Jener kam als ein neunjähriges Kind ins Lager / und schwur der Römer Feind zu sterben; ward im fünf und zwantzigsten Jahre seines Alters oberster Feldherr; dieser erhielt im siebzehnden Jahre in der Schlacht bey Ticin seinem verwundeten Vater das Leben; zwang hernach die Römer / welche aus Italien zu fliehen für hatten / mit blossem Degen zu schweren: daß sie nimmermehr ihr Vaterland verlassen wolten; und nahm / als er 24. Jahr alt war / als Feldherr Spanien zu beschützen auf sich. Beyde lagen auch in dem Läger gelehrten Dingen ob; Hannibal hatte den Philenius und Sosilus / Scipio den Ennius bey sich. Beyde waren beflissen ihrem Feinde nicht nur durch unverzagte Tapferkeit / sondern auch durch schlaue Kriegs-Räncke Abbruch zu thun / und nichts minder mit Klugheit als Waffen zu kämpfen. Hannibal wuste des hitzigen Sempronius Gemüthe so listig aufzureitzen: daß er wider die Vernunft die Schlacht bey Trebia wagte und verspielte. Des hoffärtigen Flaminius Gemüthe reitzte er durch Einäscherung des Landes so ferne: daß er aus Ungedult wider seinen Willen schlug / und Heer und Leben einbüßte. Den fürsichtigen Fabius machte er durch Verschonung seiner Land-Güter den Römern verdächtig; dem verwegenen Minutius verhing er einen kleinen Sieg / wormit seine Eitelkeit ihn in den Verlust einer Haupt-Schlacht stürtzte. Denen geitzigen Cretensern / zu denen er sich und sein Vermögen geflüchtet hatte /spielte er es meisterlich aus ihren räuberischen Händen; in dem er viel mit Bley gefüllte Fässer im Spunde mit Golde bedeckt / und als seinen Schatz in der Diane Tempel verwahret / das Gold aber in die holen Ertzt-Bilder verstecket und weggeführet. Den viel stärckern König Eumenes jagte er mit in Töpfe verschlossenen Schlangen aus der See. Nichts weniger schlau war Scipio; als er die Römer glauben ließ: daß er im Capitolinischen Tempel von den Göttern geheime Offenbarungen empfangen / und den Apollo zum Vater hätte; als er bey Belägerung der neuen Stadt Carthago in Spanien bey sich ereignenden Eppe sein Kriegs-Volck beredete: daß Neptun selbst wider die Feinde stritte. Als er Kriegsverständige in Knechte der Römischen Gesandten verkleidete / und des Syphax Läger ausforschte / auch hernach anzündete. Beyde Helden sind auch von dem Neide und Undancke der Ihrigen mehr / als von der Gramschafft ihrer Feinde verfolgt worden. Sintemal Hanno Hannibaln durch seine Vergällung nicht nur Hülff-loß machte; sondern seine eigene Numidier trachteten ihn nach verlohrner Schlacht bey Zama zu tödten. Der Rath zu Carthago schämte sich nicht zu entschlüssen / den in die Hände der Römischen Bothschafft zu liefern / dessen Vermögen einzuziehen / und sein Haus abzubrechen / welcher sein Blut so viel mal für ihre Freyheit aufgesetzt hatte. Antiochus und Prusias meynten nicht viel anders seine Wohlthaten zu belohnen; also: daß er durch seine eigene Vergiftung seiner eigenen Gefangenschafft vorzuziehen gezwungen ward. Eben so war dem Scipio Fabius über Achsel; man maß ihm des Pleminius wider die Locrenser verübte Grausamkeit zu; der Rath durchgrübelte alle sein Beginnen /als eines verdächtigen Ubelthäters. Er verfiel in den Haß des gantzen Volckes; weil er in dem Schauplatze die Gestüle der Rathsherren absonderlich setzen ließ. Und der / welchen man vorher für den Fürsten des Raths erklärt hatte / ward auf Anstiften des Cato an eben dem Tage / da er etliche Jahr vorher Carthago besiegt hatte / verklagt: daß er sich vom Könige Antiochus mit Geld hätte bestechẽ lassen. Wiewohl Scipio darinnen noch glücklicher / als Hannibal war: daß / als er aus Verachtung dieser Anklage aufs Capitolium ging / von seinem Feinde Tiberius Gracchus seine Unschuld vertheidigt ward. Ob ihm auch wohl Rom keine Nothwendigkeit zu sterben aufbürdete; zwang ihn doch Mißgunst und Verläumdung seines [853] Vaterlandes / ohne welchen es zum andern mal wäre erobert worden / sich in einen geringen Winckel bey Linternum zu verkriechen / und daselbst den Acker zu graben. Weil aber Scipio entweder der Römischen Freyheit / oder diese dem Scipio nachtheilig war / und entweder er oder sie von Rom entfernet seyn muste /bezeugte er mehr Großmüthigkeit durch Verlassung /als durch Beschirmung seines Vaterlandes; wiewohler durch eine auf seinen Grabe-Stein eingehauene selbtes mit Beerdigung seiner Gebeine zu beehren verbot. Beyde Helden aber waren darinnen glückselig: daß sie auch in ihrem Elende hochgeschätzt; und zwar Annibal vom Scipio selbst für der Schlacht bey Zama / und hernach zu Ephesus umbarmet / von den Römern gefürchtet / Scipio von den See-Räubern als ein Halb-Gott angebetet / von fremden Völckern bejammert ward; daß beyder Vaterland ihre Asche hernach mit Thränen benetzte / ihr Gedächtnüß mit Ehren-Säulen beehrte / und ihr Geist mehrmals mit viel-tausend Seufzern zurück gewüntscht / ja von den Römern geglaubt ward: daß ein Drache des Scipio Geist in einer Höle unter seinem Linturnischen Vorwerge bewachte. In so vielen waren diese zwey Helden einander ähnlich. Gleichwohl aber düncket mich: daß dem Scipio aus vielen erheblichen Gründen die Ober-Stelle gebühre. Adgandester versetzte: Diese aber hat Scipio zu Ephesus dem Annibal selbst enträumet. Zeno antwortete: Eben damals hat Scipio mit seiner Höfligkeit Annibaln überwunden / wie er ihm sonst mit seiner annehmlichẽ Gestalt und Sanftmuth überlegen war. Jene war so anlockend: daß niemand / der ihn ansahe / sein Gesichte sättigen konte. Mit dieser glimpf- und gütigen Bezeugung überwand Scipio fast mehr Feinde / als Hannibal mit seinen Waffen. Die Freylassung der in Neu-Carthago überkommener Geissel / die Aufnehmung des abtrünnigen Mandonius und Indibilis machte ihm halb Spanien unterhänig. Die Ubergebung seiner gefangenen Braut verknüpfte mit dem Lucejus ihm die Celtiberier. Die Loßlassung der dem Asdrubal abgeschlagener Spanier machte: daß sie den Scipio für ihren König ausrufften. Für den wiedergegebenen Knaben Massiva ward König Masanissa der Römer getreuster Bunds-Genosse / und hertzhaftester Beystand. Durch seine guten Worte zohe er den zweifelhaften König der Bithynier auf der Römer Seite. Adgandester versetzte: Es wäre nicht ohne: daß Scipio an Gestalt und Freundligkeit Annibaln übertroffen hätte. Beydes aber rührte von dem gantz unterschiedenen Land-Striche ihrer Geburts-Stadt her. Wiewohl denen Mohren / welche die Schwärtze für eine Zierrath / und die Ernsthaftigkeit für eine Tugend hielten /den Scipio vielleicht weit hinter Annibal gesetzt habẽ. Gleichwohl aber hätte Annibal auch nicht allemal sauer gesehen / sondern / wenn er es ihm vorträglich zu seyn befunden / hätte sein kluges Absehen iederzeit die ihm angebohrne Neigungen verdrücket; und er insonderheit gegen die Römischen Bunds-Genossen so viel Glimpf und Güte; als gegen die Römer selbst Grausamkeit gebrauchet; hierinnen auch viel klüger /als Pyrrhus gebahret; der denen gefangenen Römern liebkosete / ihre Bunds-Genossen mit Schwerdt und Feuer verfolgte. Nichts minder hätte Annibal des in der Schlacht erlegten Marcellus Leiche aufs beste schmücken / und verbrennen / seine Gebeine in einen silbernen Topf schlüssen / mit einer güldenen Krone beehren / und seinem Sohne zuschicken lassen. Daß aber er gegen die Seinigen sich zuweilen einer Strengigkeit gebraucht / hätte ihm sein eigner Zustand abgenöthigt; weil er meist allerhand fremde Völcker in seinem Kriegs-Heere geführet; selbte ohne Geld und Vorrath in feindlichem Lande im Gehorsam halten müssen; wiewohl alle diese mehr aus Ehrerbietigkeit /als Furcht ihre Pflicht gegen ihm niemals versehret hätten. Wegen [854] welcher Ursache seine Siege aller andern Helden vorgezogen zu werden verdienten. Sintemal Alexander mit eitel Griechen / welche der Persen Tod-Feinde / und meist seine Unterthanen waren / und mit des Darius unschwer eroberten Schätzen; Scipio und Käyser Julius mit eitel Römern und Feinden der Stadt Carthago; Annibal aber mit eitel geworbenen und übel besoldeten Ausländern Krieg geführet. Mit einem Worte: Annibal hätte die Arbeitsamkeit / die Gedult / die Hertzhaftigkeit / die Wissenschaft und alle Tugenden eines Feldherren gleichsam in Ubermasse gehabt. Sein Feldzug aus Spanien; wo es umb Carthago mißlich und zweifelhafft stand; durch das feindliche Gallien / da er alle Tage mit neuen Völckern schlagen müssen; über das unwegbare Alpen-Gebürge / da die Natur und der Himmel gleichsam selbst wider ihn zu Felde lag; in Italien / da er weder Vorrath / Hülffe / noch Sicherheit der Rückkehrung zu hoffen hatte / übersteiget schier den Glauben der Nach-Welt. Wiewohl / wenn man Annibals allenthalben geprüfete Fähigkeit beobachtet / muß man sich mehr über Annibaln / als seinen Zug verwundern /und diesen noch für etwas wenigers / als ein Werck dieses Helden ansehen. Der Verlust seines Auges / die Begegnung fast unzehlbarer Heere waren viel zu ohnmächtig den Lauff seiner Siege von einem Ende Italiens bis zum andern zu hemmen. Ja so lange er in diesem Lande gewest / hat niemand in Schlachten ihm die Wage halten / und nach der Cannischen Niederlage kein Römisches Heer sich gegen ihm in freyem Felde lagern können. Zeno begegnete Adgandestern: Scipio hätte in allem dem Annibaln kein Haar breit gewichen; weil er neu Carthago in einem Tage belägert und erobert / in vier Jahren das etliche mal grössere Spanien bemeistert / darinnen vier Carthaginensische Heere und Feldherrn erschlagen / den mächtigen König Syphax / und endlich den Italien zu verlassen gezwungenen Annibal selbst überwunden. Da hingegen Hannibal schier die geringste sich rechtschaffen währende Stadt zu bemeistern / der Siege zwar durch Wollüste zu genüssẽ / ebẽ so wenig aber /als Pompejus / derselben durch ihre Verfolgung sich zu gebrauchen / am wenigsten / wie Alexander / Scipio und Julius / ein Werck völlig auszumachen gewüst hätte. Welche letztere alle ihre Thaten / so lange noch etwas zu thun übrig war / für ungethan hielten. Also wäre Annibal zwar andern Kriegsleuten Fehler aufzubinden / sich aber von selbten zu befreyen nicht fähig gewest. Wie hitzig er sonst seinen Feind anzugreiffen / auch ihn über Hals und Kopf zu verfolgen gewüst; so unzeitig hätte er nach dem Cannischen Siege ihm unnöthige Schwerigkeiten mehr aus eingebildeten Hindernüssen / als aus Wichtigkeit des Werckes gemacht / durch eine falsche Vorsichtigkeit die Eroberung der Stadt Rom und die Stunde versäumet; darinnen er den gantzen Krieg aus / dem Römischen Reiche ein Ende / und Carthago zum Haupte der Welt machen können; indem entweder sein Verstand nicht so weit sehend / oder sein Gemüthe ein so grosses Glücke zu begreiffen zu engbrüstig / der Römer beraaseter Ruhm und Macht ihm gar zu groß / ihr erschlagenes Heer in seinen Gedancken noch lebend /und der schon überwundenen Kriegsleute Gespenster ihm ein blindes Schrecken gewest wäre. Also hätte er ehe seinen Mühseligkeiten / als dem Kriege ein Ende zu machen gedacht; und endlich / nachdem er nur einmal die vorhin unbekandte Wollüste geschmecket /von selbten sich bezaubern und stürtzen lassen. Adgandester setzte dem Fürsten Zeno abermals entgegen: Für den Scipio hätte augenscheinlich mehr das Glücke / für Annibaln aber die Tugend gestritten. Von jenem wäre zwar bey Zama der Mohren viel geringeres Heer / aber nicht Annibal überwunden worden. Denn an eben selbigem Tage hätte dieser durch kluge Stellung seines Heeres / durch hertzhafte Gegenwehre sich selbst und alle KriegesKünste [855] überstieg. Scipio wäre über Annibals Anstalten selbst erstaunet; und bey seinem herrlichen Siege hätte den überwundenen Annibal seiner grossen Fähigkeit halber beneidet / der flüchtige Annibal aber ihm noch eingebildet: daß er es dem Uberwinder zuvor gethan hätte. Dieser wäre nicht ein Meister im Felde gewest; sondern: daß er auch Städte einzunehmen gewüst; gebe ihm die Asche der hartnäckichten Stadt Sagunt ein Zeugnüß. Daß er aber von Spolet und noch einer kleinern Stadt abgezogen / hätte vom Mangel des Fuß-Volckes / des Geldes und des Sturmzeuges hergerühret. Welches nebst dem / daß er eine Stadt am Meere / umb auf allen Fall Hülffs-Völcker an sich zu ziehen nöthiger gehalten / ihn vermuthlich an der Stadt Rom Belägerung gehindert hätte. Wiewohl nichts seltzamers wäre: daß nach dem das Verhängnüß allen Menschen ein Ziel gesteckt hätte / sich in den grösten Helden Gedult / Hertzhaftigkeit und Beständigkeit erschöpfte; und also Annibal / weil er allzu viel überstanden / nichts mehr auszustehen vermocht; sein vorhin allzu kühner Geist mit übriger Beysorge sich abzukühlen genötigt gewest wäre / und der im Unglücke unüberwindliche Held mit dem liebkosenden Glücke zu buhlen nicht verstanden hätte. Zwar wäre er zu Capua in die Wollüste mehr als ein Weiser eingesuncken; welcher selbte nicht weiter / als zu seiner Erholung gebrauchen soll. Aberes schiene eine gemeine Art der ernsthaften Leute zu seyn: daß sie sich zwar langsam / aber so viel heftiger von ihren Süssigkeiten einnehmen liessen. Denn das Stroh finge zwar augenbliclich Feuer / das Eisen aber würde langsam glüend; hingegen verschwinde jenes auch bald /dieses aber tauerte so viel länger. Zu dem hatte Annibal / als die Noth wieder wäre an Mann kommen / genungsam erwiesen: daß er der alte Annibal wäre; und ob wohl freylich sein Heer von der Wollust allzu sehr verzärtelt worden; so hätten doch nur die Noth und die Beruffung der Stadt Carthago / nicht aber die Gewalt der Römer ihn aus dem Hertzen Italiens zu reissen vermocht. Adgandester hätte noch weiter seinem Annibal das Wort geredet / wenn nicht Hertzog Herrmann / welcher an dem Eingange ihnen eine Weile zugehöret hatte / hinein getreten wäre / und durch seinen Ausspruch diesem feindlichen Zwiste derogestalt ein Ende gemacht hätte: daß Annibal ein grösserer Krieges-Mann als Scipio gewesen seyn würde; wenn es möglich gewest wäre grösser zu seyn als Scipio. Dieser aber wäre ein besser Bürger gewest / als Annibal.

Weil nun in dem Saale selbigen Lusthauses die Taffel mit Speisen bereit besetzt war / führte der Feldherr die Königin Erato / und ihnen folgten alle Anwesenden zu der Mittags-Mahlzeit / welche mit eitel lustigen Schertz-Reden verkürtzt ward; wiewohl die begierigen Zuhörer selbter ohne diß abbrachen; und Adgandestern / welcher mit fernerer Erzehlung ihnen den übrigen Tag beschwerlich zu fallen Bedencken trug /durch ihre Höfligkeit die Verfolgung seiner Geschicht-Beschreibung abnöthigten.

Adgandester erseufzete / und hob an: Ihr zwinget mich nunmehr unserer Deutschen grosse Wunden zu entdecken / welche ich als ein treuer Sohn schuldig zu verhüllen wäre! Jedoch haben diese nicht nur uns /sondern die halbe Welt getroffen. Denn nach besiegtem Carthago schämte sich nun niemand mehr von den Römern überwunden zu werden. Ich mißgönne diesem Volcke nicht ihren Ruhm der Tapferkeit; aber sie selbst wagen sich nicht so viel Siege ihrer Tugend zuzueignen; wenn sie enthängen: daß sie das Glücke wie ein Platz-Regen / oder eine Berg-Bach überschüttet habe. O Anbethens würdiges Verhängnüß! wie thöricht opfern die Sterblichen der Tugend und dem Glücke! Deine unerforschliche Weißheit theilet alleine Siegs-Kräntze aus / und gebieret Schoß-Kinder des Glückes. Wie vielmal hast du denen / [856] welchen die Natur einen Riegel vorgeschoben / wo menschliche Klugheit nirgends aus gewüßt / ein Licht angesteckt /und einen Weg über Meer und durch Felsen gewiesen! Wie offt bist du dem / der aus der Wiege der Morgen-Röthe biß zum Sarche der Sonnen in einem Athem zu rennen vermeynt / beym ersten Ansprunge in Zügel gefallen; und hast die Vermessenheit menschlicher Rathschlüsse mit einem grausamen Untergange bestrafft! Wir elende Menschen können ja wohl den ersten Abrieß eines Gebäues entwerffen; nimmermehr aber selbtes ausbauen; wenn die Göttliche Versehung nicht den ersten Grund-Stein legt. Diese ist die Sonne / welche die Irrwische der alberen Vernunfft zernichtet; diese ist der Wegweiser zu Lande / und sie sitzet beym Steuer-Ruder auf dem bittern Meere dieser Welt / umb uns entweder in die Strudel des Verderbens zu stürtzen / oder bey den Schiffbruchs-Klippen des Untergangs vorbey zu führen. Diese ist die oberste Gebieterin / welcher Gesetzen wir unterworffen; in welcher Gebiete wir eingeschränckt sind; welche der halben Welt Kräfften dem einigen Rom unterworffen hat.

Der Fortgang der Römischen Siege geschahe wider die Macedonier; welch Volck sich vorher der Herrschafft des Erdbodems angemaßt; dessen König Philipp aber sich mit Annibaln verknipft hatte. Ja das Verhängnüß spielte den Römern nicht nur eine scheinbare Ursache des Krieges / nemlich den Schirm der bedrängten Stadt Athen in die Hand; sondern es kündigte ihnen auch durch ein auf dem obersten Kriegs-Schiffe wachsendes Lorber-Reiß den ungezweifelten Sieg an. Ja nicht nur Philip / sondern Thebe / Euböa und Sparta wurden bezwungen. Dieses Glücke konten die zwey hertzhaften Helden Annibal und Amilcar / denen ihres Vaterlandes Unterdrückung durchs Hertze ging / ohne schäle Augen nicht ansehen; weil sie aber weder eigene Kräfften was hauptsächliches zu unterfangen hatten / noch auch Carthago aufs neue in Gefahr setzen wolten; ging Amilcar zu den Deutschen / Annibal zum mächtigen Könige Antiochus über. Jener brachte die nunmehr unter dem Joche der hochmüthigen Römer schwitzenden Insubrier / Bojen / Cenomänner / und Ligurier dahin: daß als Cajus Appius mit gewaffneter Hand in das Gebiete der Bojen einfiel / und ihre Land-Früchte gewaltsam abmeihete / sie ihn mit sieben tausend Römern erschlugen / die übrigen mit dem Bürgermeister Elius nach Rom jagten / und sie sich / in Hoffnung: Es würde Antiochus den Römern biß ins Hertze kommen / mit einander in Bündnüß einliessen / und den Römern den Gehorsam aufkündigten / die Römische Stadt Placentz mit Sturm einnahmen / selbte einäscherten / und mit viertzig tausend Mann Cremona belägerten; also: daß der Bürgermeister Aurelius und der Landvogt Lucius Furius mit einem mächtigen Heere zum Entsatz eilen musten. Ob nun zwar die Deutschen allhier übermannet / Amilcar getödtet /und sie über den Po zurücke zu weichen genöthigt wurden; so unterhielten doch die deutschen Fürsten und der junge Amilcar selbige Völcker noch in den Waffen; wormit sie ihre Freyheit biß auf den letzten Bluts-Tropfen zu vertheidigen entschlossen waren. Aber weil der furchtsame Antiochus Annibals klugen Rathschlägen langsames Gehöre gab / zohen alsbald beyde Bürgermeister mit mächtiger Heeres-Krafft gegen die Deutschen und Gallier auf. Quintus Minutius fiel bey den Liguriern ein / eroberte die Städte Clastidium und Libubium; hierauf rückte er gegen die Bojen; der andere Bürgermeister Cornelius gegen die am Flusse Mincius stehenden Insubrier und Cenomänner: daß selbte bey erfolgender Schlacht von den Deutschen nicht nur ab; sondern / weil sie zum Hinterhalte gestellt waren / ihnen gar in Rücken fielen /und also den sonst zweifelhaften Sieg durch ihren Meineyd den Römern zuschantzten / in welchem drey deutsche Fürsten und der junge [857] Amilcar / als vier Löwen fechtende umbkamen. Diese Niederlage schreckte die Bojen: daß sie mit dem Minutius / dem sie doch bereit grossen Abbruch gethan hatten / nicht zu schlagen getrauten / sondern diese Völcker mit den Römern / so gut sie konten / sich verglichen. Nachdem aber die Römer die Deutschen wie Knechte hielten / vorgebende: daß vermöge ihrer Sitten sie dieselben / welche sich auf Treu und Glauben ihnen ergeben / in Band und Eisen zu schlagen / über ihr Leben und Güter zugebieten berechtiget wären / insonderheit auch der gefangẽ gewesene / und gegẽ gleichwiegendes Silber ausgelösete Fürst Corolam seinen Bojen und Insubriern erzehlte: wie er in dem Siegs-Gepränge vom Cornelius Cethegus mit Füssen getreten; die edelsten Deutschen an einander gekoppelt für seinem Wagen wie eine Heerde Vieh hergetrieben / in den Kerckern halb von Hunger / halb von Gestanck getödtet worden wären / endlich sie von ihren alten Landsleuten den Celtiberiern aus Hispanien Nachricht bekamen: daß sie wegen ebenmässiger Dienstbarkeit den Sempronius Tuditanus mit seinem gantzen Heere er schlagen hätten; zwang die äuserste Ungedult die Deutschen abermals den Harnisch anzulegen. Der erste Streich gelückte dem Fürsten Corolam auch: daß er den Sempronius Gracchus / Junius Sylvanus / Ogulnius und Publius Claudius mit drey tausend Römern aufopferte. Marcellus gerieth hierauf bey der Stadt Comum mit ihm in ein Haupt-Treffen; wiewohl nun Corolam die ersten Hauffen zertrennte / der Sieg auch einen halben Tag auf gleicher Wag-Schale lag / so schlug selbter doch endlich auf der Römer Seite / weil Corolam wegen empfangener gefährlicher Wunde sich aus der Schlacht begeben muste. Sein Bruder Ehrenfried begegnete inzwischen dem andern Bürgermeister Furius Purpureo bey dem Schlosse Mutilum so hertzhafft: daß er die Flucht nehmen / und sich zum Marcell fügen muste. Beyde Bürgermeister fielen hierauf bey den Liguriern ein; Fürst Ehrenfried aber folgte mit seinem wiewohl viel schwächern Lager ihnen stets an der Seiten / und thät den Römern mercklichen Abbruch; gleichwohl aber zohe zuletzt ein Theil seines mit allzu vieler Beute überladenen Heeres den kürtzern; also: daß er sich in die Bojischen Gräntzen zurück ziehen muste. Furius folgte ihm zwar mit dem gantzen Heere / aber die Bojen besetzten ihre Gräntzen so wohl: daß er in Insubrien zurück bleibẽ muste. Wie nun diese über die Raubereyen der Römer beweglich klagten / und die Bojen umb Hülffe anfleheten / schickten sie einen jungen Hertzog der Nemeter Dorulach / der beyden Bojischen Fürsten Schwester Sohn mit zehn tausend Pferden den Insubriern zu Hülffe; aber weil die bedrängten Insubrier mit ihrem Fuß-Volcke nicht zu ihm stossen konten / weil Valerius Flaccus mit einem mächtigen Heere ihm stets die Stirne both; muste er nach ziemlichem Verluste nur umbkehren; zumal er Nachricht kriegte: daß der Bürgermeister Titus Sempronius mit einem frischen Heere schon an den Bojischen Gräntzen stünde; welchem Fürst Bojorich zwar entgegen geschickt; aber allem Ansehen nach nicht gewachsen wäre. Inzwischen hatte Bojorich und Sempronius beyde Läger harte gegen einander geschlagen; und erwartete dieser den andern Bürgermeister / jener aber den Fürsten Dorulach mit mehr Volcke; gleichwohl aber entschloß sich Bojorich / aus Beysorge: es möchte der Eifer seines Volckes lau werden / Flaccus auch endlich an einer andern Seite einbrechen / zwey Tage nach einander sein Heer in Schlacht-Ordnung zu stellen. Als aber die Römer in ihrem Lager unbeweglich blieben /führte er sein Volck biß unter den Wall / und zu Bestürmung des Lägers an. Sempronius wolte diesen Spott nicht vertragen / öffnete also zwey Pforten / und drang mit zweyen Legionen heraus. Die Deutschen aber standen gegen sie wie Mauern / und verhinderten durch ihre männliche Gegenwehr: daß die Römer nicht aus dem Lager zu kommen vermochten; ob schon Quintus Victorius und Cajus Arinius [858] den Fähnrichen die Römischen Kriegs-Fahnen aus den Händen riessen / selbte unter die Feinde warffen / umb das Kriegs-Volck zu derselben Wiedereroberung aufzufrischen und vorwerts durchzudringen. Aber diese verwegene / wiewohl vormals glücklich ausgeübte Kriegs-List wolte dißmal nicht gelingen. Denn Bojorich fochte an der Spitze wie ein Löwe mit unverwendetem Fusse; und mühte sich nicht allein seinen Deutschen ein Beyspiel hertzhafter Gegenwehr zu geben; sondern gar in das Läger zu dringen. Dieser blutige Kampf hatte schon einen halben Tag gewähret / als Hertzog Dorulach mit seiner Hülffe ankam. Weil aber theils das Gedränge der Streitenden / theils die holen Wege ihn verhinderten auf diesen beyden Seiten an Feind zu kommen / fügte er mit seiner Reiterey und wenigem Fuß-Volcke sich zur dritten Pforte / sprang vom Pferde / thät den ersten Hau ins Thor; und ungeachtet es gleichsam Pfeile auf ihn regnete / ließ er doch mit seinen Nemetern / die er stets zur Leibwache umb sich hatte / nicht ab / biß er ins Läger gebrochen war. Die drey Kriegs-Obersten Lucius Postumius /Marcus Atinius und Titus Sempronius bothen ihm zwar hertzhaft die Spitze; aber die ersten zwey erlegte er mit eigner Hand / den letztern ein Nemetischer Edelmann Solms / und blieben mehr als fünfhundert Römer bey diesem Thore todt; ja Dorulach ward Meister des Lägers. Sehet aber / was für ein Zufall den Deutschen die Vollkommenheit eines herrlichen Sieges zernichtete! Es ließ ein Theil Römischer Reiterey / das für das Läger allerhand Nothdurfft einzuholen ausgeschickt war / sich auf der nechsten Höhe sehen /rathschlagende: Ob es bey vermerckter Verwirrung im Römischen Läger fortrücken solte. Der Bürgermeister aber gebrauchte sich dieser schlechten Hülffe durch Kriegs-List zu einem grossen Vortheil; kleidete alsbald etliche Marsen nach deutscher Art aus; welche zu den Deutschen überlieffen / und dem Fürsten Bojorich fälschlich entdeckten: daß der ander Römische Bürgermeister / dessen Vortrab schon auf der Höhe stünde / mit zwantzig tausend Mann keine Meil weges weit mehr entfernet wäre. Dieser scheinbare Betrug verleitete den Bojorich: daß er dem Fürsten Dorulach das Römische Läger zu verlassen / dem gantzen Heere aber sich mit geschlossenen Hauffen wieder in das deutsche Läger zu ziehen anbefahl. Hertzog Dorulach schäumte für Zorn hierüber; sonderlich: da die ausgeschickte Kundschafft entdeckte; wie so leicht sie sich die schlauen Römer hätten hinters Licht führen lassen. Diese hingegen wurden so hochmüthig: daß sie folgenden Tag durch Stürmung des deutschen Lägers den vorhergehenden Schimpf abzuleschen vermeynten. Bojorich aber fiel zu einer /Hertzog Dorulach zur andern Pforte heraus / und griffen die Römer mit so grosser Tapferkeit an: daß ihrer fünf tausend auf dem Platze blieben / und sie sich anfangs mit genauer Noth ins Läger / hernach gar biß nach Placentz zurücke ziehen musten. Scipio vermeynte mit einem absondern Heere zwar bald bey den Bojen / bald bey den Liguriern einzubrechen; aber er muste nur / wegen Wachsamkeit des Fürsten Ehrenfrieds / allenthalben unverrichteter Sache zurück weichen. Inzwischen berichteten die furchtsamen Carthaginenser / welche hierdurch die ihnen vom Masanissa abgedrungene Stadt Leptis / und die darzu gehörige Landschafft wieder zu erlangen vermeynten / nach Rom: daß der von ihnen flüchtige Annibal / auf den sie vorher auch die Schuld des andern Punischen Krieges beym Scipio und zu Rom gelegt hatten / wie auch Thoas der Etolier Fürst den Antiochus zum Kriege wider Rom aufgewickelt / er auch durch dẽ Aristo vom Tyrus Carthago einzuflechtẽ sich bemühet hätte. So knechtisch war Carthago durchs Unglück worden; Annibal aber hätte es für ein Glücke zu achten gehabt / wenn seine Wohlthaten verraucht / nicht aber so undanckbar belohnt worden wären. Alleine[859] diese waren von derselben Art / derer Eigenschaft es ist aus sich selbst Haß und Undanck zu hecken; nemlich: Sie waren von solchem Gewichte: daß Carthago ihr keine Hoffnung machen konte weder sie zu vergelten / noch ihre Fehler / da sie Annibaln muthwillig im Stiche liessen / auszuleschen. / Denn weil der Mensch ihm verkleinerlich hält Wohlthaten zu empfangen /und dardurch seine Schwäche sehen zu lassen / als selbst wohlzuthun; nimmt ein freyes Gemüthe niemals gerne fremde Hülffe an; wird schamroth über der empfangenen; müht sich selbst zweyfach zu vergelten; wenn es diß aber nicht vermag / verwandelt die hierüber geschöpfte Verdrüßligkeit solch zartes Erkäntnüß in bittern Haß und Verfolgung / wie wenige Säure die füsseste Milch in Matten und Molcken. Antiochus regte sich hierauf zwar / als wenn er die Römer bekriegen wolte: aber seine grosse Kräfften machten mehr Geschrey als Werckes. Er weigerte Annibaln ein Theil des Heeres umb in Italien einzufallen / und mit den Deutschen sich zu vereinbaren; da doch die Wahl kluger Heerführer für die Beselung eines Krieges zu achten / weil diese sonder Zweifel ihr Hertz sind. Der eitele Antiochus vergnügte sich an dem Griechischen Gestade seine von Gold und Purpur schimmernde Zelten über kühle Bäche aufzuspannen; die mit edelstem Weine schäumende Crystall-Gläser zu tausenderley Uppigkeiten seinem mächtigem Heere gleichsam die Spann-Adern zu verschneiden. Gleichwohl waren hierüber die Römer nicht wenig bekümmert; zumal auch Fürst Nabis zu Sparta / und die Acheer sich gegen Rom Feind erklärten; insonderheit aber die Deutschen mit viertzig tausend Mann biß nach Pisa fortrückten. Daher sie den Africanischen Scipio nicht nur zum Antiochus ihn vom Kriege abzuhalten / als nach Ephesus zum Annibal / dessen Klauen sie schon mehr als zu viel empfunden hatten / ihm entweder die eingebildete Tod-Feindschafft der Römer gegen ihn auszureden / oder zum minsten ihn beym Antiochus zu verdächtigen / abschickten. Alleine er richtete ausser dem letztern Absehen wenig aus; hingegen sperreten die Fürsten Corolam und Bojorich den Bürgermeister Minutius mit dem gantzen wider sie aufgeführten Heere zu Pisa ein; und weil er zu keinem Treffen zu bringen war / holeten sie reiche Beute durch gantz Hetrurien. Der Bürgermeister Cornelius Merula holete mit seinem Heere zwar einen Raub aus der Bojen Gebiete; aber Hertzog Ehrenfried und Dorulach schnitten ihm bey Mutina den Weg ab / und nöthigten ihn zu einer blutigen Schlacht. Es war in vielen Jahren nicht grimmiger als allhier gefochten worden. Fürst Dorulach brachte den lincken Flügel der Römer / welchen Titus Sempronius vorigen Jahres Bürgermeister führte / bald anfangs in Verwirrung; aber Marcus Marcellus entsetzte ihn mit einer gantzẽ Legion. Livius Salinator brachmit seiner Reiterey zwar durch die ersten Hauffen des deutschen rechten Flügels / aber Fürst Ehrenfried ergäntzte mit seiner Vorsicht und Tapferkeit alsbald die Lücken. Die Schlacht tauerte biß in die sinckende Nacht; da denn Finsternüß und Müdigkeit beyde wiewohl sich des Sieges rühmende Theile zwang / ihrer Blutstürtzung ein Ende zu machen; wiewol Dorulach mit seinen zwey grossen auf dem Helme stehenden Hörnern sich auch im düstern sichtbar / durch die Schärffe seines Schwerdtes empfindlich machte / und die Wallstatt behauptete; hernach aber beym Lichten schwerer als vorher zu erkennen war; weil er allenthalben von Blute troff / gleich als er sich darinnen gebadet hätte. Auf deutscher Seite blieb des Dorulachs Bruder Budoris / auf Römischer / die Kriegs-Obersten Marrus Genutius und Marcus Martius / drey und zwantzig Hauptleute / fünf tausend Römer / und zweymal so viel Hülffs-Völcker. [860] Kurtz hierauff traff auch Minutius mit dem Fürsten Corolam; als Hertzog Bojorich mit einem Theile des Heeres gegen dem Flusse Auser die Ligurische Gräntze für der Römer Einfall beobachtete. Diese Gelegenheit und der Mangel an Lebensmitteln zwang den Minutius: daß er wiewohl mit ziemlichem Verlust durch die Bojen durchschlagen /und über den Fluß Cöcina zurück weichen muste. Welches alles zu Rom schlechtes Vergnügen gab /weil sie gemeinet durch diese zwey mächtige Heere alle Bojen auszurotten; wiewol Marcus Fulvius in Hispanien diese Scharte mercklich ausgewetzt hatte; weil von ihm die Celtiberier geschlagen / und ihr König Hilerm gefangen worden war. Folgendes Früh-Jahr zohen die Bürgemeister Lucius Qvintius / und Domitius Enobarbus mit zwey mächtigen Heeren wider die Bojen und Ligurier auff. Aber sie geriethen in eusserste Noth und Gefahr. Denn Fürst Dorulach überfiel die Römische Reuterey bey Tursena / und schlug sie aus dem Felde. Corolam und Bojorich aber stürmten gar das Römische Läger an dem Flusse Ausser; dessen schnelle Ergiessung alleine die Eroberung verhinderte. Gleichwohl aber traute Qvintius nicht den andern Sturm der ergrimmten Deutschen zu erwarten; ließ also allen Vorrath im Stiche / und machte sich des Nachts stillschweigend über ein Theil des Gebürges. Nachdem aber ein Uberläuffer solches verkundschaffte / schwemmte Fürst Dorulach mit einem Theile der Reuterey / und einer Anzahl hinten auff die Pferde gesetzten Fußvolcks durch den Fluß Auser / dessen Wasser sich ehe in der Mitten empor wöllet / ehe er sein Ufer übergeust; kam also den Römern nicht allein zuvor / sondern verhieb und besetzte auch den Ausgang des Forstes / durch welches Qvintius unvermeidlich ziehen muste. Hertzog Corolam ließ ein Theil seines Volckes zu Bewahrung des verlassenen Römischen Lägers / folgte den Römern auff der Ferse nach und besetzte den Eingang des Waldes. Fürst Bojorich beobachtete die Seiten und Fuß-Steige. Also waren die Römer im Sacke; und menschlichem Ansehen nach / musten sie entweder erhungern oder sich ergeben. Qvintius selbst wuste mehr weder Hülffe noch Rath / und wolte ihm schon selbst verzweiffelnde das Schwerd in Bauch stossen; als Masanissens Sohn Micipsa / welcher mit acht hundert Numidiern den Römern allhier Beystand leistete / ihm das Schwerd aus den Händen wand / die Thorheit der das Laster des Bruder- und Vater-Mords übertreffenden eigenen Entleibung für Augen stellte /und ihm aus dieser Fallgrube zu gelangen Hoffnung machte. Micipsa erwehlte hierauff einen gemeinen ihm nicht unehnlichen Numidier / zohe ihm seine von Gold und Edelgesteinen schimmernde Kleider und Rüstung an; gab ihm etliche der treuesten Numidier zu seiner Bedienung zu / und beredete ihn durch grosse Verheissungen: daß er unter seinem Nahmen folgende Nacht zu den Deutschen übergehen / und den freyen Abzug / oder nur zum minsten eine erträgliche Gefängnis biß zu ihrer Auslösung erbitten solte. Dieser Numidier wuste diesen Betrug meisterlich zu spielen / ließ zwey seiner Gesellen zu der eussersten Wache der Deutschen kriechen / und seine Ankunfft berichten. Fürst Bojorich hörte diese zwey Uberläuffer vergnügt an / schickte auch alsofort den einen zurück / mit Vermeldung: daß / weil die Deutschen nur der Römer / nicht der Numidier / und insonderheit des aus deutschem Geblüte entsprossenen Masanißa Feinde wären / solte Micipsa nicht nur gerne gesehen /sondern auch Fürstlich gehalten werden. Kurtz hierauff fand sich der falsche Micipsa ein / mit Bericht: daß seine Numidier / so bald sie sich nur würden wegspielen können / insgesamt nachfolgen / und zwar zu mehrer Versicherung alle ihre Waffen wegwerffen würden. Die Sonne war kaum auffgegangen / als der Numidische Schwarm [861] sich gegen den eussersten Wachen der Deutschen sehen ließ / sich auch anstellte: als wenn ihre Flucht verrathen wäre / und sie von Römern verfolgt würden. Wie sie denn auch im Angesichte der deutschen Wachen ihre Sebeln und Bogen wegwarffen / und also auff des Fürsten Bojorichs ohne diß vorher ertheilten Befehl unverhindert durchgelassen wurden. So bald sie aber zwischen diesen Wachen und dem deutschen Läger das freye Feld bekamen / rennten sie spornstreichs auff der Seite weg /ohne daß sie einiger Deutsche verfolgte / weil sie mit ihrem Fürsten Micipsa ein genugsames Pfand ihrer Treue in Händen zu haben vermeinten. Alleine sie zertheilten sich alsobald in unterschiedene Hauffen /durchstreifften Ligurien biß an den Fluß Macra / zündeten Bondelia / Tursena und etliche hundert unbesetzte Flecken an / hieben auch mit ihren unter denen langen Röcken verborgenen Sebeln alles nieder. Nicht nur der Rauch und die Flammen / sondern das Wehklagen der armen Ligurier eröffneten alsbald der Numidier Betrug / und wolte Bojorich das gantze für Schrecken bebende Ligurien nicht gar in die Asche legen lassen; so muste er ein grosses Theil seines Heeres dort und darhin diesen Mordbrennern zu steuern von sich lassen. Ja weil jeder Ligurier für sein Haus und Hoff Sorge trug; lieffen sie auch ohne des Hertzogs Zulassung ihren eigenem Brande zu; also: daß Bojorich kaum fünff tausend Bojen bey sich behielt. Dieses nahmen die Römer fleissig wahr; brachen daher mit ihrer grossen Macht an dreyen nicht halb besetzten Wegen durch; also: daß Bojorich mit höchstem Unwillen sich in das Römische Läger ziehen / und das Römische Läger seitwärts ab-nach dem Pisischen Gewässer muste entkommen lassen. Weßwegen er denn auch im ersten Grimme den falschen Micipsa mit seinen Geferthen ans Kreutze nageln ließ / wiewohl er diese Schärffe hernach selbst bereuete /und die Treue dieser Numidier dem Unterfangen des edlen Zopyrus gleich schätzte / welcher mit abgeschnittener Nase und Ohren zu den Babyloniern überlieff / um seinem Könige Darius selbige Stadt in die Hände zu spielen. Nachdem aber die Römer die Ausrottung der stets schwürigen Deutschen in Italien für den Grundstein ihrer Wolfahrt hielten; ja sich so lange nicht recht sicher in Rom schätzten / führte Qvintus Minutius voriges mit noch zehn tausend Mann verstärcktes Heer gegen sie an; Bojorich und Dorulach aber zohen ihm biß unter Pisa entgegen; und kam es da abermahls zu einem hitzigen Gefechte; weil aber den Deutschen Wind und Sonnenhitze in das Gesichte ging / beyde Fürsten auch verwundet wurden / musten sie das Feld räumen; und weil sich die Römer noch täglich durch Hülffs-Völcker verstärckten / also daß sie zu besorgen hatten: es dörffte ihnen der Rückweg über den Fluß Auser abgeschnitten werden / sich aus dem Läger heimlich in Ligurien ziehen. Wiewohl dieser Schade nun zu verschmertzen war; so war doch dieser unschätzbar: daß Fürst Bojorich nicht nur für Kummer starb / sondern auch Fürst Dorulach von seinen Nemetern / wegen Absterben seines Vaters Budoris / in Deutschland zurück beruffen ward. Hingegen brach der Bürgermeister Lucius Qvintius bey den Liguriern / Cneus Domitius bey den Bojen mit zwey mächtigen Heeren ein. Ob nun wohl hier Fürst Corolam / welcher aber wegen vieler Wunden mehrmahls auff dem Siech-Bette bleiben muste / dort Hertzog Ehrenfried tapffern Widerstand that; so überwog doch die Römische Macht und das Glücke die deutsche Tapfferkeit; und musten sie / nachdem der weibische König Antiochus sie lange genug vergebens mit vertrösteter Hülffe gespeiset hatte / einen Frieden schlüssen / alle Römische Gefangenen auslieffern / und noch etliche feste Plätze abtreten; [862] ja auch ein grosses Stücke Geldes bezahlen; worvon zu Rom ein vierspänniger güldener Wagen nebst zwölff mit Golde überzogenen Schilden gefertigt / und zum Siegs-Zeichen über die hierdurch auffs neue verbitterte Deutschen / dem Jupiter auffgehencket wurden. Hiermit erklärete allererst Antiochus auff bewegliches Einreden Annibals den Krieg wider die Römer; aber so bald er nur hörte: daß der Bürgermeister Acilius Glabrio wieder ihn im Anzuge war /flohe er. Sein Heer aber ward bey der berühmten Enge zwischen Phocis und Thessalien ereilet / geschlagen /und seine Macht aus gantz Grichenland verjaget. Diese glücklichen Streiche machten die Römer übermüthig; also: daß sie die Deutschen und Gallier in Italien zu vertilgen nunmehr ungezweiffelte Hoffnung schöpfften. Minutius brach also mit einem frischen Heere in Ligurien ein. Die Einwohner / als sie sahen /daß es nun nicht allein um ihre Freyheit / sondern um ihr Leben zu thun wäre; verschwuren sich zusammen bey einander vollends Gutt und Blut auffzusetzen. Die wenige Hoffnung gegen die Römische Macht länger zu bestehen / und die Ungedult ihres Hertzogs / welcher eine bösse Entschlüssung für besser hielt / als keine; verursachte: daß sie des Nachts des Minutius Läger stürmeten / welches er mit der Helffte seines Heeres leicht beschirmete. Als nun er die Ligurier überaus abgemattet sahe; fiel er bey anbrechendem Tage mit seinem ausgeruheten Volcke zu zwey Pforten heraus; aber er fand nichts destominder männlichen Widerstand; wiewohl endlich die viel schwächern Deutschen nach Verlust vier tausend Mann das Feld räumen / und sich in die Gebürge ziehen musten. Zwey Monat darnach traff der Bürgermeister Publius Cornelius Scipio mit einem noch stärckern Heere gegen die Bojen vom Morgen biß in die sinckende Nacht. Weil denn diese so hartnäckicht fochten: daß sie Vermöge ihres gethanen Gelübdes lieber alle sterben als fliehen wolten; blieben ihrer fünff und zwanzig tausend todt; unter diesen alle Bojische Fürsten /und der gantze Adel; also: daß die verlebten Alten und die unvermögenden Kinder sich schlechterdinges der Römischen Botmässigkeit unterwarffen; auch die Helffte ihrer Aecker Römischen Einwohnern abtreten musten. Ob nun wohl auff Römischer Seite auch über zehntausend Mann blieben waren / hielt doch Scipio ein prächtiges Siegs-Gepränge / in welchem er tausend schöne Pferde / fünff hundert bespannte Streit-Wagen / etliche tausend Ertztene Geschirre / funffzehn hundert goldene Ketten / die die Edlen über ihren Waffen zu tragen pflegten / zweyhundert fünff und vierzig Pfund ungeschlagenes Gold / zwey tausend drey hundert und vierzig Pfund Silber ihm für führen ließ. Bald hierauff schlug Emilius Regillus mit Hülffe der Rhodier des Antiochus Schiff-Flotte / und mit selbter den unglücklichen Annibal aus der See; Lucius Cornelius Scipio setzte unter allen Römern zum ersten mit Kriegs-Macht in Asien über; und das Verhängniß strit hier ebenfals für die Römer. Denn bey darauff folgender Schlacht fiel ein hefftiger Platz-Regen; und machte die Seenen an den Persischen Bogen / und das Leder an den Schleudern / welches der Asiatischen Völcker beste Waffen sind / unbrauchbar. Diese grosse Niederlage / und des Königs Eumenes Beystand zwang dem weibischen Antiochus einen schimpfflichen Frieden ab; indem er sich alles Gebietes in Europa und in Asien disseits des Taurischen Gebürges verzeihen / also Lycaonien / Phrygien / Mysien / Jonien / Lycien / Carien abtreten / fünffzehn tausend Talent den Römern / fünff hundert nebst einer Menge Getreydes dem Könige Eumenes bezahlen / den Annibal nebst etlichen Grichischen Herren auszulieffern versprechen [863] muste. Der Fall eines so grossen Baumes verursachte die Zerschmetterung der an ihm hangender Aeste / deßhalben wurden des Antiochus Bundgenossen die Etolier und Istrier ebenfalls leicht unters Joch bracht / und der letzte König Apulo gefangen.

Weil nun das Verhängniß in der Welt ein neues Reich auffzuthürmen bestimmt hatte; solches auch die Natur etliche Zeit hernach durch Gebehrung eines neuen Eylandes zwischen Theramene und Therasia ankündigte; mischte sich der Deutschen Glücke in Griechenland und Asien auch greulich durch einander. Denn nachdem sie anfangs den König in Syrien Callinicus / hernach den sie für solchen Sieg übel belohnenden Antiochus geschlagen hatten / versetzte der Pergamenische König Attalus Eumenes denen noch von voriger Schlacht müden und blutigen Deutschen einen solchen Streich: daß sie eine Zeit sich zu erholen bedurfften; sonderlich da ihr Bundgenosse Antiochus endlich noch vom Selevcus überwunden / und zum Könige Artamenes in Cappadocien / endlich in Egypten zu fliehen gezwungen ward. Gleichwohl aber wolten sie dem Attalus das zwistige Asien nicht gar zur Beute lassen; sondern nahmen sich der schwächern Völcker wider ihn an / und ergäntzten also durch die Stücke fremden Schiffbruchs ihr zerschleudertes Reich. Inzwischen zohe Antigonus Gonatas /der durch Wegwerffung Kron und Zepter das seinem Mündlein geraubte Reich Macedonien behauptete /die in Griechenland gebliehenen Deutschen mit vielen Vertröstungen an sich; und überwältigte durch sie das vor nie eroberte Sparta. In Asien breitete Attalus seine Herrschafft noch immer aus / und war selbtes disseits des Taurischen Gebürges völlig unterworffen. Daher kam Selevcus Ceraunus über diesen Berg mit einem mächtigen Heere um die seinem Vater Selevcus Callinicus abgenommene Länder wieder einzunehmen. Dieses zwang den Attalus mit den Deutschen ein Bündniß zu machen / und die zeither strittige Landschafft abzutreten. Hingegen stieß ihr Hertzog Apatur zu seinem Feldhauptmanne Nicanor; welche an dem Fluße Melas das Syrische Heer mit samt ihrem Könige Selevcus erschlugen. Acheus sein Blutsfreund aber brachte in so geschwinder Eil ein mächtiger Heer auf die Beine / und rückte so unvermerckt den Feinden auff den Hals: daß sie ehe den Anfall als die Ankunfft erfuhren. Die Pergamener nahmen schier alle / ausser Nicanor mit tausend Edelleuten die Flucht. Hertzog Apatur stand mit seinen Deutschen Mauer-feste / und hielt einen halben Tag die wohl zehnmahl stärckern Syrier hertzhafft auff. Nachdem aber er mit einem Pfeile durchs Hertz getroffen / und Nicanor vom Pferde gerennt und zertreten ward / kam alles in Verwirrung und in die Flucht. Weil Acheus aber zwey Feinde zu haben nicht für rathsam hielt / und die im Stiche gelassenen Deutschen ohne diß gegen die Pargoner verbittert waren / ließ er alle ihre Gefangene loß / und machte mit ihnen Frieden. Hingegen verfolgte er die Pergamener mit Feuer und Schwerdt / und brachte sie allenthalben ins Gedränge. Weßwegen die Syrer ihm ihre Krone antrugen; welche er aber großmüthig des Selevcus Sohne als dem rechtmäßigen Reichs-Erben auffsetzte. Nachdem aber Acheus alles verlohrne in Asien wieder einnahm / ja den Attalus selbst in der Stadt Pergamus belägerte / vermochte seine Gemüths- Mäßigung so grosses Glücke nicht mehr zu verdeyen /und daher eignete er ihm alles disseits dem Taurus zu / und warff sich zum Könige auff. Antiochus in Syrien meinte diß Verlusts halber sich an dem in Wollust schwimmenden Vater-Mörder Ptolomeus zu erholen; kauffte daher seinem übelbelohnten Stadthalter Theodotus die Städte Selevcia und Ptolomais ab / rüstete sich auch gar in Egypten einzubrechen. [864] Ptolomeus aber zog aus Griechenland und Galatien 20000. Deutsche an sich; schlug darmit bey der Stadt Raphia in Syrien den viel stärckern Antiochus aus dem Felde /und zwang ihm den Frieden mit Abtretung alles verlohrnen ab. Unterdessen ruffte Attalus die in Thracien wohnenden Deutschen über den Hellespont wider den Archeus zu Hülffe / und eroberte durch sie Smyrna /Phocea / Colophon und Mysien. Wie sie aber über den Fluß Lycus / das Pelecantische Gebürge biß an den Strom Megistus ihren Sieg ausbreiteten / wurden sie durch eine Finsternüß erschrecket weiter zu gehen. Daher sie Attalus zurücke ließ / und ihnen am Hellespont eine Landschafft einräumte. Weil sie aber hernach als Leibeigene gedrückt wurden; warffen sie des Attalus Joch von sich ab / und belägerten Ilium. Die Phrygier aber trieben sie unter dem Fürsten Themista von Ilium und aus gantz Troas aus. Die Deutschen setzten hierauf in der Abidenischen Landschafft festen Fuß / und eroberten die Stadt Arisba. Es war aber ihnen König Prusias mit einem frischen Heere bald auff den Dache; welcher nach einem blutigen Gefechte / darinnen alle Männer mit dem Degen in der Hand fielen / auch durch Niederhauung ihrer Weiber und Kinder / auser denen / welche in der Stadt Abydus sich als Bürger niedergelassen hatten / sie mit Strumpf und Stiel ausrottete. Nicht viel glücklicher waren die Deutschen in Abydus; sintemal sie vom Könige Philip in Macedonien / weil sie seine Gesandten nicht in die Stadt lassen wolten / belägert / und um nicht in des grimmigen Siegers Hände zu fallen /sich und die ihrigen wie die Saguntiner selbst aufzureiben genöthigt wurden; welcher aber kurtz hernach an den Römern und den Grichischen Bundgenossen um 4000. Pfund Goldes gestrafft / seinen Sohn Demetrius nach Rom zur Geissel zu schicken / und die eroberte Griechische Städte in Freyheit zu setzen gezwungen ward. Sintemal seine vorhin gebrauchten Werckzeuge vieler Siege die Thracischen Deutschen von ihm absatzten. In Galatien aber behielten die Deutschen noch so wol ihr Ansehn als Kräffte unversehret; also: daß zwischen dem Pergamenischen Könige Attalus / und dem Bithynischen Prusias sie gleichsam die Zunge in der Wagschale waren: daß /wo sie / also auch ihr Glücke hinhieng. Daher sie und die Rhodier bey Chius auch dem flüchtigen Attalus /hernach aber / als sie auf Annibals Beredung sich zu dem Prusias schlugen / wider des Attalus Nachfolger Eumenes mit ihm eine herrliche See-Schlacht / und zwar durch viel in die Pergamenischen Schiffe geworffene Schlangen-Töpffe erhielten; hernach auch seinen Bruder den dritten Attalus aufs Haupt erlegten / die Hauptstadt Pergamus einnahmen / und das angebetete güldene Bild des Esculapius zur Beute bekamen / und dem Prusias verkaufften. Eben so hoch waren sie mittler Zeit beym grossen Antiochus in Syrien gesehen; also: daß er 500. Deutsche Edelleute zu seiner Leibwache erkiesete / ihrem Könige Mendis eine jährliche Schatzung zahlte / ja seine Tochter Arsinoe / als sie der Pergamenische König Eumenes aus Furcht für den Römern / nicht wie Ptolomeus in Egypten Cleopatren / und Ariarathes in Cappadocien /die Antiochus annehmen wolte / ihm vermählte. Als dieser nun dem Annibal beystimmte / sich denen in Griechenland bereit zu Acro-Corinth / Chalcis und Demetrias eingenisteten / und durch den Attalus und Eumenes in Asien einspielenden Römern bey zeite die Stirne zu bieten; setzte Antiochus mit dem Mendis und Annibaln über den Hellespont / nahm viel Städte in Thracien ein / verband sich mit Byzantz. Ob nun wohl hierauf der Krieg durch die Römische Botschafft eine weile aufgeschoben / und durch den Africanischen Scipio Annibal beym Antiochus verdächtig gemacht ward; so trieb doch Nicanor und Amynander der zwischen Acarnanien und Etolien [865] wohnenden Deutschen oder Athamaner König / wie auch der Etolier Fürst Democritus mit seinen Kriegs-begierigen Deutschen das Werck so weit: daß Antiochus endlich mit 10000. Mann meist Deutschen in dem Eylande Euboa ausstieg / darauf Annibal Chalcis / Mendis alle übrige Plätze einnahm. Diß erregte zu Rom ein ungemeines Schrecken / weil der Rath besorgte: daß nach Annibals und Nicanors Gutachten des Antiochus Asiatisches Heer in Italien anlenden würde; Weßwegen zu Tarent ein grosses Heer zusammen zog / und die Schiffs-Flotte selbige Küste bedeckte. Annibal spielte es inzwischen auch so künstlich: daß der Macedonische König Philip aus alter gegen die Römer tragenden Gramschafft mit dem Antiochus seine Waffen zu vereinbaren fertig stand. Alleine das unerforschliche Verhängnüß / welches die Hand allenthalben mit im Spiel hat / schickte es so seltsam: daß diß / welches Philip vom Antiochus für einen Liebes-Dienst aufzunehmen Ursache hatte / zu einem Zanck-Eisen ward. Denn als dieser die von Römern bey Cyno-Cephala erschlagenen Macedonier begraben ließ / deutete jener es für einen schimpflichen Verweiß aus: daß er der Seinigen Beerdigung vernachläßigt hätte; schlug sich also wider ihn zu den Römern. Appius Claudius kam nur mit 2000. Mann in Thessalien; diese aber erschreckten den weibischen Antiochus so sehr: daß weder Annibal noch Nicanor ihn von Verlassung der belägerten Stadt Larissa abwendig machen konte. Weil er nun gar nach Chalcis floh / und daselbst eine gemeine Dirne Eubia heurathete / sein Heer in allen Wollüsten ersauffen ließ /auff den Frühling aus Acarnanien nur für dem Ruffe: daß die Römer über das Jonische Meer setzten / drehte Mendis mit seinen Deutschen die Deichsel in Asien / um an der vorgesehenen Schande des Antiochus kein Theil zu haben; welcher bald darauff von dem Manius Acilius in der so vortheilhafftigen Thermopylischen Enge geschlagen / und in Chersonesus zu fliehen gezwungen ward. Nach dem aber auch sich Prusias und die Rhodier zu den Römern schlugen / Diophanes des Antiochus Sohn / Selevcus von Pergamus abtrieb /verließ Antiochus auch den Chersonesus und die Stadt Lysimachia mit unglaublichem Vorrathe. Wie nun die Deutschen der Römer Einbruch in Asien vernommen / stiessen sie um die allgemeine Freyheit zu vertheidigen aus Noth bey dem Berge Sipylus in Lydien zu dem flüchtigen Antiochus; und bewegten ihn: daß er in den Thyatirenischen Feldern mit seiner zusammen gezohenen Macht der bey Sardis stehenden Römer wartete. Hier kam es zu der berühmten Schlacht / welche die Herrschafft Asiens entschied. Mendis fochte mit 5000. gepantzerten Deutschen in dem Hertzen des Syrischen Heeres neben der Königlichen Phalanx; die andern Deutschen standen unter dem Selevcus nebst den Cappadociern im lincken Flügel; Antiochus selbst führte den rechten. Seinerseits aber war diß das erste Unglück: daß König Evmenes durch anbefohlne Erlegung der Pferde die Syrischen Streitwagen verwirrete / und mit selbten die auf Kamelen fechtende Araber in Unordnung brachte. Die gantze feindliche Reutereytraf hierauff gegen die wie Löwen fechtende Deutschen / welche auch / weil sie von den Syriern nicht entsetzt ward / und die allzu enge gestellte Macedonische Phalanx sich kaum rühren konte / fast alle ritterlich auf dem Platze blieben. Worauf der lincke Flügel in öffentliche Flucht gerieth; die Phalanx aber nebst dem Deutschen Fußvolcke von Römern umringt ward / gleichwol aber nicht zertrennet werden konte / biß ihre in die Mitte genommene eigene Elefanten sie zertheilten / und Domitius disseits völliger Sieger ward. Hingegen aber durchbrach König Antiochus die Römischen Legionen / und drang biß an ihr Läger; ward aber von dem übrigen siegenden Heere / und insonderheit [866] dem mit seiner Reuterey ihm begegnenden Attalus nach vernommener Niederlage des lincken Flügels nach Sardes zu weichen gezwungen; Von dar er sich nach Apamea /dahin auch sein Sohn Selevcus durch Hülffe seiner Deutschen Leibwache entronnen war / und endlich in Syrien flüchtete / einen schimpflichen Frieden um 2000. Talent kauffte / gantz Asien biß an das Calycadnische und Sarpedonische Vorgebürge den Römern abtrat / seine Bundsgenossen aber die Deutschen und den Cappadocier König Ariarathes liederlich im Stiche ließ. Dahingegen der Bürgermeister Domitius den Rhodiern / Lycien und Carien / dem Evmenes fast alles eroberte in Asien abtraten. Ariarathes kaufte ihm noch mit Gelde Ruh; den Deutschen aber kündigte Cneus Manlius alsbald mit thätlicher Feindseligkeit einen unversöhnlichen Krieg an. Die wahrhaffte Ursache war: daß die Römer keine sichere Besitzung des eroberten Asiens ihnen einbildeten; so lange dieses streitbare Volck nicht auch gezämet wäre; und der Bithynischen Könige eingewurtzelter Haß wider diese Ausländer trieb den Eumenes: daß er die Römer gegen sie auffs eifrigste verhetzte. Hierzu kam noch die Zwytracht des Deutschen Königes Orgiagon / und Epossognat; welcher allezeit auf Eumenes Seite gehincket / auch bey erster Ankunfft der Römer in Asien / mit ihnen ein Bündnüß aufgerichtet hatte / durch dessen Wegweis- und Anleitung Manlius denen Deutschen so viel leichter einen glücklichen Streich anzubringen hoffte. Also zohe Manlius mit dem gantzen Römischen Heere / zu welchem noch des Eumenes Attalus und Atheneus mit etlichen tausenden stiessen / durch Asien; unterwarf ihm die Alabander /Gorditicher / den geitzigen Fürsten Moageten / ja gantz Pamphilien und Carien. Endlich kam er in die Gräntzen der Tolistobogier / welche nebst den Tectosagern und Trocmiern die drey fürnehmsten Völcker der Deutschen und Semnoner sind. Epossognat bereuete zwar nunmehr / aber zu spät: daß er seinen Landesleuten und Bluts-Freunden solche Gefahr auf den Hals ziehen helffen; und also bemühte er sich auch auf einer Seite die Römer zu besänfftigen: weil der Deutschen einem alten Bundsgenossen aus Pflicht geleistete Beystand keine solche Feindschafft verdiente / zumal wenn man sich mit dem / welchem man Hülffe geschickt / schon verglichen hätte; Andern Theils wolte er die Deutschen bereden / sich unter den Schirm der Römer zu begeben / oder wenigstens eine jährliche Schatzung zu willigen. Aber jenes Absehen verrückte die Ehrsucht des Manlius / dieses die Großmüthigkeit der Deutschen; welche Schatzung zu nehmen / niemanden aber zu geben / weniger ihrer Freyheit ein solch Brandmal einzubrennen gewohnt waren. Daher fielen die Tolistobogier dem Manlius bey der Festung Kuball zum ersten ein; erlegten alle Vorwachen / und zohen sich über den fischreichen Fluß Sangar zurücke. Wie nun aber die Römer über eine Schiffbrücke mit aller Macht folgten / die drey Könige der Deutschen / nehmlich Orgiago / Combolomar und Gaulot wegen der Beschirmungs-Art sich nicht mit einander vergleichen kunten; Nahm Orgiago mit den Tolistobogiern den Berg Olympus / Combolomar mit denen Tectosagern den Berg Magana ein; Gaulot aber blieb mit den geschwinden Trocmiern zu Felde /mit Vertröstung / denen / die die Römer auff den Gebürgen angreiffen würden / beyzuspringen. Aber der Unstern der Deutschen gab diesem Rathschlusse einen betrübten Ausgang. Denn weil die Römer viel Cretensische und Triballische Bogenschützen bey sich / die Römer auch selbst vielerley Art Waffen hatten / wormit sie die darmit nicht so wol versehenen und ohne diß meist nackend fechtende Deutschen verwundeten / brachen sie an dem einen Orte mit Gewalt durch / nach dem Attalus an zweyen andern Seiten durch etliche dieses Gebürges kundige [867] Pergamenische Schützen über die Steinklippen geleitet ward; und also die Tolostobogier ihre Macht an viele Orte zertheilen musten. Also ward das Gebürge mit grosser Beute erobert / und blieben biß an 10000. streitbare Männer; welche aber grösten Theils sich von den Klippen herab stürtzten / um der Schande der Dienstbarkeit zu entfliehen. Die wenigen aber / die in der Feinde Hände fielen / bissen für Ungedult mit den Zähnen in die sie schlüssenden Ketten / reckten ihre Gurgeln begierig den Stricken und Schwerdtern dar /und fleheten ihre Wächter um ihre Hinrichtung mit Thränen an. Gleichwol schlug sich König Orgiago mit etwan 7000. Mann durch; Alleine seine Gemahlin Chiomara ward mit noch wol 40000. Weib und Kindern gefangen. Diese / als Manlius wider die Tectosager fortrückte / ward in der Stadt Ancyra einem Hauptmanne Helvius zu verwachen anvertrauet; welcher ihrer unvergleichlichen Schönheit halber in so tolle Brunst verfiel: daß / als er durch keine Liebkos-und Vertröstungen ihre keusche Seele zu seinem geilen Willen bewegen konte / sie in Fessel schloß / und mit Gewalt nothzüchtigte. Uber diß verleitete ihn der Geitz: daß er ihr gegen ein Attisch Talent Goldes heimlich aus dem Gefängnüß zu helffen mit ihr eines /auch einer ihrer Knechte von ihrem Ehherren das Lösegeld abzuholen abgeschickt ward. Dieser kam mit einem Gefärthen / und dem Golde auf bestimmte Zeit; Helvius und seiner Kriegsknechte einer an dem Flusse Hylas an. Die Königin Chiomara befahl in ihrer Sprache alsbald ihren Knechten: daß sie / wenn Helvius das Gold abwägen würde / ihn durchstechen solten. Welches glücklich vollzogen / dem andern Römer aber gleichwol das Lösegeld gefolgt / und die Ursache solcher Rache zu verstehen gegeben ward. Chiomara ergrif hierauff selbst die Sebel / hieb dem Helvius den Kopf ab; hüllte ihn in ihr Kleid; und legte ihn hernach zu den Füssen ihres Königes; welchem sie mit Thränen ihre Verunehrung eröffnete; welche sie mit nichts als des Schänders Blute abzuwischen gewüst hätte. O der unvergleichlichen Heldin! fing die Königin Erato an; in welcher Keuschheit / Großmüthigkeit und Redlichkeit mit einander um den Siegs-Krantz streiten. Verkriecht euch ihr Römer mit euer Lucretien; und lasset sie als eine beschämte Dienerin dieser Deutschen Fürstin den Schirm nachtragen. Jener verzagte Seele willigte aus Furcht des doch hernach erwehlten Todes in des Tarqvinius Verunehrung; bey der Chiomara aber leiden des Helvius Schand-That nur die in Stahl / und Eisen sich nicht zu rühren mächtige Glieder. Ihre feurige Augen / ihre sprüende Zunge / ihre knirschende Zähne / ihr sich windender Leib / dünckt mich / geben noch ihre Abscheu für dem unmenschlichen Laster zu verstehen. Lucretie schämt sich ihres Fehlers; ja sie läst sich die Schande so gar in eine unvernünfftige Verzweiffelung stürtzen: daß sie das Laster nicht an dessen Uhrheber / sondern an ihr selbst strafft; und ihre Schamröthe mit ihrem eigenen Blute abwäscht. Wie viel hertzhaffter aber rächet Chiomara an dem Ehrenschänder Helvius ihr Unrecht. Der Himmel verleihet ihr über ihn einen so herrlichen Sieg: daß sie seine stinckende Leiche zu ihres beleidigten Ehmanns Füssen legen; und seine Schandflecken zum Wahrzeichen ihrer unbesudelten Keuschheit angewehren kan. Lucretie zwinget ihren Ehmann und Vater durch einen Eyd ihre Beschimpffung an denen Tarqviniern / und also auch an denen zu rächen: die an solcher That keine Schuld hatten. Die aufrichtige Chiomara aber hält auch ihren Feinden Treu und Glauben; und zählet das dem Rothzüchtiger zum Lösegelde versprochene Gold auch in ihrer Freyheit aus. Es ist wahr / versetzte Zeno: daß Chiomara ein Beyspiel sey / das nicht seines gleichen habe. Wie hochschätzbar nun ihre Keuschheit und Hertzhafftigkeit ist; [868] so dünckt mich doch: daß ihr letzteres Beginnen das aller merckwürdigste / und eine rechte Fürstliche Tugend sey. Sintemal Treu und Glauben das heiligste Gut des menschlichen Geschlechtes; ein Ancker des gemeinen Wesens / ein Band aller Völcker / ein Ehren-Krantz der Fürsten / eine Schwester der Gerechtigkeit / und eine in den Seelen ingeheim wohnende Gottheit ist. Weßwegen die Römer billich ihr Bild harte neben den Capitolinischen Jupiter gesetzt haben; weil sie so wol als er ein Schutz-Gott der Sterblichen ist; ohne welche keine Gemeinschafft unter den Menschen bestehen / und keine Zwytracht geschlichtet werden kan. Die Königin Erato brach ein: Ob ich wol meines Geschlechtes halber ihrer Keuschheit das Wort reden solte; bezwingen mich doch die Umstände des Fürstin Zeno Urthel beyzupflichten. Sintemal niemand der Fürsten Chiomara übel ausgedeutet haben würde; wenn sie gleich bey ihrer erlangten Freyheit das ihr in Band und Eisen zu versprechen abgezwungene Lösegeld hinterhalten hätte. Die Fürstin Ismene setzte ihr entgegen: Ich bin gantz widriger Meinung; und halte mit meinen Landesleuten darfür: daß man auch untreuen Leuten / und diß / was man aus euserster Furcht versprochen / zu halten schuldig sey. Sintemal ein gezwungener Willen dennoch eine Verwilligung / und das versprochene beschwerliche in Ansehung des überhobenen grössern Ubels nichts minder als die Auswerffung der Waaren ins Meer gegen dem Verluste des Lebens und Schiffes etwas gutes und verlangliches ist. Rhemetalces nahm sich der Königin an: Er bescheidete sich wol: daß diß / was in öffentlichem Kriege ein Feind den andern verspräche / das Völcker Recht heilig gehalten wissen wolte; und zwar auch gegen den / der schon einmal Bund- und eydbrüchig worden wäre. Helvius aber wäre in seinem Thun nur für einen Räuber und Mörder zu halten / derogleichen Leute des allgemeinen Völcker-Rechts nicht fähig wären. Malovend fiel Ismenen zu: Ich weiß wol: daß dieser Fürwand eines der Schliplöcher sey; dardurch eine aus den Schlingen ihrer Angelöbnüsse sich scheinbar zu reissen gedencken. Alleine wenn solche Leute keines Rechtes genüssen solten / würde an eines Räubers Ehweibe kein Ehbruch / und an seinem rechtmäßigen Gute kein Diebstal begangen werden können. Rhemetalces fiel ein: Eben so wenig / als an ihm selbst ein straffbarer Todschlag. Sintemal ich dem vielmehr Ehre und Vermögen zu nehmen berechtiget bin / über dessen Leben ich Gewalt habe. Malovend antwortete: Es ist diß ein zu strenger und gefährlicher Schluß. Denn ob zwar zwischen einem offentlichen Feinde / und einem Räuber ein grosser Unterscheid / auch zweyerley Recht ist; so hat doch dieser nicht so gleich den Menschen ausgezogen / noch sich aller in der Natur gegründeten Rechte verlustig gemacht. Das Völcker-Recht eignet den Herren über ihre Leibeigene das Recht des Lebens und Todes zu. Gleichwol aber war keiner / der nicht denen in den Pasikischen Tempel geflohenen Knechten sein Wort hielt. Hingegen straffte die göttliche Rache sichtbarer der Spartaner an denen Tenarensischen Leibeigenen wider ihren Vergleich verübte Mordthat. Soll ich einem Räuber sein mir anvertrautes Gut wieder zustellen? Soll ich einem Mörder / der mir den rechten Weg weist / den versprochenen Lohn nicht geben? In alle wege / meine ich. Denn er höret gegen mir auf ein Ubelthäter zu seyn. Und das unrechte Besitzthum eines andern eignet mir nicht bald eine Berechtsamkeit ihm solches zu entfremden zu. Rhemetalces versetzte: Hier aber hat Helvius / der mit Gewalt der Chiomara Versprechen erzwungen / das Lösegeld abgeheischen. Ja / sagte Malovend / aber auch gegen eben diese sind wir es zu halten schuldig; weil es in unserm Willen und Vermögen gestanden solches zuzusagen. Denn ob wol die Obrigkeit einen solchen [869] Gewaltthäter zu straffen / ihm auch das erzwungene wieder abzunehmen Recht hat; so kan doch der Versprecher selbst seine anfängliche Beschaffenheit nicht ändern / und sich wider den / mit dem er das Versprechen vollzogen / zum Richter machen. Daher nicht allein Lucullus dem Führer der Flüchtlinge Apollonius sein Wort gehalten; und Augustus dem sich selbst gestellenden Räuber Crocotas den auff seinen Kopff gesetzten Lohn bezahlet; sondern auch der Römische Rath gar des Pompejus mit den See- und des Julius mit den Pyreneischen Berg-Räubern gemachten Vergleich genehm gehabt hat. Rhemetalces begegnete ihm: Aber Helvius hat die Versprechung des Goldes von der Chiomara durch angedräute Unzucht erzwungen. Soll nun das bindig seyn / was aus einer Gewalt herrühret / welche das Recht der Natur und der Völcker verdammet? Malovend antwortete: Wenn was so verdammliches verheissen würde / wäre es unkräfftig und zu halten scheltbar. Je verdammlicher aber diß ist / was durch das Versprechen verhütet wird; je mehr ist man wegen so einer wichtigen Bewegungs-Ursache das Verheissene zu halten schuldig. Wiewol die Deutschen auch das Versprochene / was gleich an sich selbst scheltbar ist / nicht inne zu halten für Schande achten / und daher / wenn sie ihre aufgesetzte Freyheit verspielen / sich ohne geringe Weigerung dem Gewinner leibeigen geben. Ja unter uns ist auch der Pöfel so geartet: daß er lieber einen Zentner an seinem Vermögen / als ein Loth an seinen Worten einbüssen wil; weil diese ein Vorbild des Gemüthes sind; und wenn jene leichtsinnig sind / dieses liederlich seyn muß. Wiewol diese Aufrichtigkeit uns Deutschen in denen mit den verschlagenen Römern geführten Kriegen sehr schädlich gewest; in dem wir gar zu genau Wort gehalten / und ihren zweydeutigen Reden zu viel getraut haben. Wiewol es rühmlicher ist / durch Redligkeit Schaden leiden / als durch Unwahrheit Schaden thun. Zeno fing hierüber laut an zu ruffen: Nun erfahre ich: daß kein Volck an Treu und Glauben über die Deutschen sey; und daß in andern Ländern nur dieser Tugend Schatten / hier aber ihr Wesen und Uberfluß zu finden sey! Ja / sagte Malovend: dieses reichen Besitz thums haben wir uns zu rühmen; insonderheit aber ist sie eine so nöthige Eigenschafft des Adels und der Fürsten: daß wer darwider handelt seiner Würde verlustig wird; vorher aber weder Fürst noch Edler etwas mit einem Eyde betheuern darf. Weßwegen unser Hertzog Marcomir nicht nur nichts höher / als: so wahr er ein ehrlicher Mann wäre / zu betheuern / und daß er diß wäre / für seinen höchsten Ruhm zu schätzen / ja zu sagen pflegte: diß wäre mehr als Käyser seyn. Zeno fiel ein: Diese Eydes-Freyheit haben zu Rom nur die Vestalischen Jungfrauen / und Jupiters Priester. Und Xenocrates hatte sie seiner Redligkeit halber in Griechenland für allen Richter-Stülen. Wolte Gott aber / daß alle Menschen oder doch nur zum wenigsten Fürsten solcher zu genüssen würdig wären! welcher aber leider! insgemein Treu und Glauben halten nur für eine Tugend der Kauff-Leute / für einen Fehler der Staats-Klugen /und für Gebrechen der Fürsten; die theuersten Eyde für Spielbeine halten / die Albern damit zu betrügen. Rhemetalces nahm das Wort von ihm: Ich gebe gerne nach: daß da ein Mensch / so viel mehr Fürsten als Gottes Bilder auff Erden die Warheit lieben sollen. Weßwegen Marcus Antonius ihm den Titel des Wahrhafftigstens als den fürnehmsten unter allen zueignete. Alleine seinem Bedüncken nach wäre die Welt nunmehr auff so viel Fallstricke abgerichtet: daß ein Fürst mit seinen Worten leicht könte gefangen werden. Solte er in solchen Fällen nicht auch eine verschmitzte Ausflucht zu suchen / und List mit List zu vernichten befugt seyn? Solte er seinen Feind nicht mit Worten in einen Irrthum verleiten [870] mögen / den er zu tödten Recht hat! Warlich / wer in Staats-Sachen gar zu gerade zugehet / wird dem gemeinen Wesen viel Unheil verursachen / und sich zum Gelächter der Boßheit machen. Und dünckt mich: daß die / welche mit gar zu grossem Eyver hierinnen verfahren / eben so sehr verstossen / als der Bildhauer Demetrius; welcher seine Säulen gar zu ähnlich nach dem Leben machte /hierdurch aber alle Annehmligkeit verderbte. So edel die Warheit an ihr selbst gleich ist / so läst doch weder die eigene noch die gemeine Wolfarth / (welche erstere der Natur / die andere das höchste bürgerliche Gesetze ist) allezeit zu mit der Warheit zur Thüre nein fallen. Sie thut mehrmals grössern Schaden / als eine zwar gute / aber zur Unzeit gebrauchte Artzney. Denn sie ist eine unter denen drey guten Müttern /welche so ungerathene Kinder zur Welt bringen; nemlich: sie gebiehret Haß / wie die Verträuligkeit Verachtung / und der Friede Unachtsamkeit. Malovend antwortete: Ein kluger Fürst ist wol nicht schuldig alles zu sagen / was er im Schilde führt; Aber nichts soll er sagen oder versprechen / was nicht wahr / oder er zu halten willens ist. Durch seine Verschwiegenheit mögen sich andere / er aber niemanden durch seine Worte betrügen; noch er seiner Unwahrheit durch eine spitzfinnige Auslegung eine Farbe der Wahrheit anstreichen. Diese haben die Alten mit einem weissen Schleyer abgebildet; weil sie keine Larve verträgt. Daher auch diß / was ohne langen Bedacht unvermuthet versprochen wird / nicht zurück gezogen werden kan. Daher Agamemnon das unbedachtsame Gelübde seine Tochter Iphigenia zu opffern nicht wiederruffen wolte; und Cydippe ward von dem Wahrsagungs-Geiste verurtheilt diß zu halten / was Acontius auf eine Qvitte geschrieben / und sie unvorsichtig nachgelesen hatte. Rhemetalces antwortete: Ich kan mich schwer bereden lassen: daß / wo kein rechter Vorbedacht und Vorsatz sich zu verbinden gewest /man so unauflößlich verknipft sey; und daß das Gesetze sein Wort zu halten keinen Absatz leide. Ja ich glaube vielmehr: daß desselben Zurückziehung offtmals eine zuläßliche Klugheit / zuweilen auch ruhmswürdig sey. Solte jener Fürst wohl getadelt werden können / der bey Belägerung einer sich hartnäckicht wehrenden Stadt auch biß auff die Hunde Rache auszuüben schwur / hernach aber nur diese tödten / die Menschen aber leben ließ? Malovend begegnete ihm: Wenn ein Gelübde und Versprechen auf was an sich selbst böses zielet / und sich derogestalt selbst zum Laster macht / bleibt solches so billich als eine Unmögligkeit zurücke; wie hingegen man nach dem Beyspiele der ihre Bitterkeiten vergüldender Aertzte durch eine nützliche Unwarheit einem andern wol helffen mag. Denn diese ist alsdenn so wenig für eine Lüge / als des Junius Brutus mit Gold erfüllter Stab für geringes Holtz / und seine dem Vaterlande zu Liebe angenommene Blödsinnigkeit für Betrügerey zu halten. Auser dem wissen wir Deutschen von keinem zuläßlichen Absatze; und verdammen fürnehmlich auch die scheinbarsten Ausflüchte / wenn es der / mit dem wir handeln / anders verstanden und angenommen hat. Daher darf sich bey uns der friedbrüchige Amasis nicht rühmen: daß er seinen Eyd gehalten /dardurch er geschworen mit den Barseern so lange ruhig zu leben / so lange die Erde / darauf sie stünden / unbeweglich seyn würde / ungeachtet er selbten Platz hernach untergraben ließ / daß sie unter sich fallen muste. Eben so unverantwortlich führten die Locrenser die Sicilier hinters Licht; da sie in ihre Schuh Erde / und über ihre Achseln unter die Kleider Zwiebel-Häupter versteckten / und schwuren ihre Freunde zu bleiben / so lange sie die Erde unter ihren Füssen /und die Köpffe auf den Achseln haben würden. Und der Cyrenische Aristotoles meinte sich seines der Lais gethanen Angelöbnüsses liederlicher / als sie selbst war / loß zu [871] machen; da er an statt ihrer ihr Bündnüß mit in ihr Vaterland nahm. Massen denn / wenn solche Auslegungen gültig wären / unschwer alle Versprechungen ersitzen bleiben würden / wie des Palanthus in Rhodis Schiffe; welche ihm Iphiclus bey Ubergabe seiner Festung zu seiner Abreise zwar ihrem getroffenen Vergleiche nachgab / aber Seile / Segel und Steuer-Ruder vorher davon nehmen ließ. Adgandester / welcher inzwischen Athem geschöpft hatte / brach hier ein / und meldete: daß Qvintus Fabius Labeo es dem Antiochus nicht besser mitgespielt hätte / da er wider ihr Abkommen: daß dieser die Helffte seiner Schiffe behalten solte / sie sämtlich mitten entzwey hauen ließ / darmit er ihn um alle brächte. Noch betrüglicher liessen die Römer den schlaffenden König Perseus / dem sie das Leben zugesagt hatten / erwürgen / unter dem thörichten Vorwand: daß der Schlaff des Todes Bruder / und ein schlaffender nicht lebend wäre. Und auf diese Art haben diese arglistige Leute /welche nur in kleinen Dingen Treu und Glauben halten: daß sie ihnen den Weg bähnen / andere Völcker über den Stock zu stossen / wenn es ihnen für die Müh lohnet / die leichtgläubigen Deutschen unzehlich mal bevortheilt. Massen sie sonderlich etliche solche Streiche in Galatien gegen die Tolostobogier glücklich anbrachten. Nachdem diese nun derogestalt ziemlich den kürtzern gezogen hatten / traffen etliche Hauffen der Römer auff die Tockmier mit abwechselndem Glücke; endlich aber erlitten die Tectosager an dem Berge Magana eine harte Niederlage; also: daß sie auf bewegliches Wehklagen ihrer Weiber mit den Römern einen wiewol noch erträglichen Frieden zu schlüssen gezwungen wurden; krafft dessen sie nur ein gegen Capadocien liegendes Theil Galatiens im Stiche lassen / und ihre Gräntzen nicht gewafnet zu überschreiten Macht hatten.

Diß denen Galatern zugefügte Unrecht / und die denen zwischen der Donau und der Sau niedergelassenen Deutschen nach Bedrängung Griechenlands immer näher kommende Gefahr / da zumal Acilius den Athamantischen König Aminander verjagte /seine Deutschen der Botmäßigkeit des Macedonischen Königs Philip unterwarf / Cato die Etolier demüthigte / verursachte diese Freyheits-liebende Völcker: daß sie den König im Pontus Pharnaces den Großvater des grossen Mithridates / wie auch den König in Armenien Artaxias / und der Sarmater König Galatus / der vom Antiochus aber flüchtige Annibal den Bithynischen König Prusias / den von Römern so groß gemachten Eumenes auff den Hals hetzten. Des Artaxias Feldhauptmann fiel in Capadocien / Galatus in Griechenland / Leocritus des Pharnaces Heerführer in das verlohrne Galatien / Pharnaces in Paphlagonien / die Deutschen Fürsten Carsignat und Gözotar theils in Phrygien / theils in Capadocien / Prusias in Mysien ein. Dieser verlohr zwar zu Lande eine Schlacht; solches aber rächete der aus Creta zum Prusias fliehende Annibal bald darauff durch einen herrlichen Sieg zur See. Die Sarmater spielten in Griechenland den Meister; in Paphlagonien nahm Pharnaces die Festung Tejum ein / und führte grosse Beute und viel tausend Gefangene heim; Aus Capadocien ward Ariarathes gar vertrieben und der Königliche Schatz erobert. Die Lycier lehnten sich auch wider Rom und die Rhodier auf. Nichts desto weniger ließ sich Prusias das Dräuen der Römischen Gesandten schrecken: daß er nicht nur von Bundsgenossen absetzte / sondern auch Annibaln ausliefern wolte /also ihn sich selbst zu vergifften nöthigte / und wie ein Leibeigener in Gestalt eines beschornen Knechtes der Botschafft entgegen zoh. Dem Prusias folgte der Sarmater König Gatalus / nach dem ihnen die Römer kostbare Geschencke schickten / Philippus in Macedonien für Unmuth wegen seines unschuldig getödteten Sohnes Demetrius starb / und sein [872] Nachfolger Perseus ihnen die Dardaner auf bey Hals betzte. Weil nun die Römer ihre in Griechenland gegen den ihnen verdächtigen Philip habende Waffen alle in Asien übersetzten / machte Pharnaces und Mithridates Friede / gaben alles eroberte aus Furcht wieder / und muste jener noch neuntzig / dieser dreyhundert Talent bezahlen / beyde auch des mit den Deutschen gemachten Bündnüsses sich entäusern. Die Deutschen Fürsten Carsignat und Gözotor aber konten als unversöhnliche Feinde keinen Frieden erlangen. Daher sie sich so lange tapfer wehreten / biß der vom Perseus wieder Rom erhobene Krieg ihnen ein wenig Lufft wachte. In Ligurien machten zwar die Deutschen mit offtern Streiff-Rotten die Römer fort für fort müde /und zohen sich bey andringender Macht hierauf in ihre verhauene Gebürge: daß es also eine gute Zeit zu keinem Haupt-Treffen kam. Endlich aber mergelte doch der Bürgermeister Cajus Flaminius die Britinaten derogestalt ab: daß sie ihm die Waffen aushändigen musten; wiewohl sie / so bald sie nur Lufft kriegten / auf das Auginische Gebürge entkamen. Jedoch drang ihnen Flaminius über den Apennin nach / und zwang sie zur Ubergabe alles Ihrigen. Hierauf grief er die zwischen dem Flusse Arnus und dem Vor-Gebürge wohnenden Apuaner an / und nöthigte ihnen einen Frieden und Versprechen ab: daß sie in die Bononische und Pisische Landschafft nicht mehr streiffen wolten. Der Bürgermeister Emilius aber setzte gar über den Fluß Macra / brennte daselbst an den Bächen Labonia und Sturla alles aus / hernach lockte er die auf den Schweinberg und das Gebürge Ballista geflüchteten Deutschen und Gallier herab / erschlug derer etliche tausend / und brachte sie hernach gleichfalls zum Gehorsam. Marcus Furius aber nahm denen stets in unverrückter Treue auf Römischer Seite gestandenen Cenomännern zwischen dem Flusse Athesis und Mincius / als sie ihnen keine Feindseligkeit träumen liessen / alle Waffen ab. Nach dem nun die in den Gebürgen gebliebenen Ligurier sich nicht gutwillig unters Joch einfinden woltẽ / ward Quintus Martius mit einẽ neuen Heere wider die Apuaner abgefertigt. Diese lockten ihn mit allem Fleiß in ihre innerste Behältnüsse; und als sie die Römer in ein brüchiges Thal verleitet hatten / fielen sie sie vor und hinterwerts an / erschlugen vier tausend Römer / sechs tausend Lateiner / nahmen jenen einen Adler und drey andere / diesen eilf Fahnen / und eine unzehlbare Menge Waffen ab; also: daß wenig durch die Wälder in Hetrurien entkamen. Welcher Sieg denen Alemännern aufs neue Anlaß gab: daß sie über die Tridentinischen Alpen stiegen / zwischen den Flüssen Liquentia / Sontius und dem Adriatischen Meere festen Fuß setzten; und etliche Städte an den Flüssen Tilavemptus / Alsa und Natiso bauten. Unterdessen lächelten den König Perses in Macedonien seiner Vorfahren Thaten auf sich und auch durch Krieg in der Welt ansehlich zu machen. Des die Römer zu bekriegen im Schilde führenden Philippus versammlete Kriegs-Vorrath / der unter dem Römischen Joche schmachtenden Griechen Ungedult / der Stadt Carthago / welche seiner Botschafft des Nachts Verhör gaben / in geheim kochender Groll / und seine auf die gegen Rom verbitterte Deutschen gesetzte Hoffnung waren alles gewaltiger Zunder zu diesem Feuer. Diesemnach verband er sich mit dem deutschen Fürsten Gözonor in Galatien / und mit dem Könige der Odrysen Cotys in Thracien; durch derer Hülffe er den mit den Römern verknüpften Thracischen König Abrypolis aus seinem Lande vertrieb / den eben so gesinnten Illyrischen König Aretas gar erlegte; den König Prusias dahin brachte: daß er den Römern keine Hülffe zu leisten versprach; die Beotier ihm verband. Mit einem Worte: Perses hatte Bunds-Genossen / Mittel / Ansehn und Volck genung; nemlich: neun und dreissig tausend FußKnechte [873] / und drey tausend Reiter auf den Beinen; also: daß er sich spielende gantz Griechenlands Meister hätte machen können. Sintemal keine Römische Macht bey der Hand / Egypten in einen Krieg mit dem Antiochus in Syrien eingeflochten /Eumenes zwar gegen den Perses / der ihn zu Delphis wollen ermorden lassen / verbittert / aber die Römische Macht zu vergrössern nicht gemeynet / Masanissa in Numidien / weil er Carthago siebzig abgenommene Städte wieder geben muste / den Römern nicht mehr so geneigt war. Aber Perses versäumte die Gelegenheit und den Ansprung / verspielte die Zeit und Kriegs-Kosten; ließ sich auch den Gesandten Martius theils durch Dräuen erschrecken / theils durch gemachte Friedens-Hoffnung ums Licht führen; biß die Römer die Haupt-Stadt in Thessalien einnahmen / der Bürgermeister Licinius mit einem mächtigen Heere /und der Stadt-Vogt Lucretius mit einer Kriegs-Flotte in Griechenland einbrach. Der schläfrige Perses hätte ihm die Römer biß in Macedonien auf den Hals kommen lassen; wenn nicht König Cotys mit tausend Thracischen / Hertzog Gözonor mit tausend Edelleuten über die unter dem Feldhauptmanne Ascleopiadiot voran geschickte zwey tausend Deutsche zu Pella ankommen wären / und den Perses den Römern entgegen zu ziehen ermahnet hätten; weil im Kriege der Angriff ein Zeichen eines hertzhaften Vertrauens / und sein Pferd an einen fremden Zaum binden kein geringer Vortheil wäre. Perses rückte also gegen Thessalien fort; Hertzog Gözonor selbst führte den Vortrab /und rückte über den Fluß Aliacmon / nahm die Städte Azor / Pythoum / Doliche und Pertebe mit Schrecken /Creta durch Gewalt / Myle mit Sturm ein. Hierauf setzte sich Perses mit seinem gantzen Heere bey der Stadt Sycurium unter dem Berge Ossa an dem Eingange des Tempischen Thales / und durchstreiffte das gantze flache Thessalien mit der Deutschen und Thracischen Reiterey. Licinius hingegen konte sich mit Noth durch Epirus und das bergichte Athumarien durcharbeiten; erreichte aber endlich den Fluß Peneus; stieß daselbst zu dem Thessalischen Fürsten Hippias; und ob wohl Evmenes / Attalus und Phileterus die drey Pergamenischen Brüder und der Deutschen Galater Fürst Carsignot mit 7000. zu ihm stiessen / wagte er sichdoch nicht dem Perseus unter die Augen zu ziehen / sondern setzte sich unter die Stadt Larissa / und verschantzte sein Läger an dem Flusse Peneus. Ob nun wohl Perses der Pherer Gebiete täglich mit Raub und Brand beschädigte; lagen die Römer doch stille /biß Perses mit einem Theile seines Heeres biß ins Gesichte des Lägers rückte / Gözonor aber und Cotys mit fünf hundert Deutschen und Odrysischen Reitern unter den Wall kamen / und die Römer ausforderten. Der Deutsche Fürst Carsignat hatte mit seinem Vetter Gözonor mit Fleiß abgeredet: daß einer dem Perses /der ander den Römern beystehen solte / um durch ein oder des andern Theiles Verlust die deutsche Herrschafft zu unterstützen. Dieser und Attalus konten den Schimpf nicht verschmertzen / rückten also mit ihrer Reiterey heraus / und geriethen mit einander in ein hitziges Gefechte; darinnen aber Hertzog Carsignat selbst von einem deutschen Ritter tödtlich / und Attalus vom Fürsten Gözonor verwundet ward. Nach fast gleichem Verluste trennte sie die Nacht. Nach etlichen Tagen stellten beyde Theile endlich ihre Heere gegen einander in Schlacht-Ordnung. Der König Cotys grief mit seinem rechten Horne die Römische / Perses und Gözonor aber die Griechische und Asiatische Reiterey an. Ob nun wohl des Carsignats zwey hundert deutsche Reiter ihr bestes thaten / so brach doch Gözonor mit seinen mehrern Deutschen durch. Die Etolier geriethen für ihrem Geschrey in die Flucht. Evmenes nahm zwar sein Volck ein / und brachte die Flüchtigen wieder zu Stande; es tauerte aber nicht [874] lange /sonderlich als Cotys auch die Römische Reiterey zertrennete. König Perses drang zugleich mitten in die Römische Schlacht-Ordnung; und Bereus sein Feldhauptmann trennte mit der Phalanx die eine Legion: daß auf Römischer Seiten nun alles verspielet zu seyn schien. Zu allem Unglücke kam Evander aus Creta /welchen Perses nach Delphis den Evmenes zu ermorden geschickt hatte; machte dem Perses den Ausgang der Schlacht zweifelhaft / er solte durch Heftigkeit die Römer nicht unversöhnlich machen; und erhielt: daß der Perses abblasen / die Krieges-Fahnen umbdrehen /und durch einen betrügerischen Meuchel-Mörder ihm den in den Händen habenden völligen Sieg auswinden ließ. Hertzog Gözonor aber hatte kein Gehöre / sondern verfolgte die feindliche Reiterey biß in den Fluß Peneus; allwo er bey überkommendem Befehle des Perses den blutigen Degen ins Wasser warff / und für Ungedult anfing: Wenn wir Weiber seyn müssen /sind uns die Waffen nichts nütze. Gleichwohl blieben auf Römischer Seiten zweytausend Fuß-Knechte /zwey hundert Reiter; auf Macedonischer Seiten zusammen kaum sechzig. In dem Römischen Läger zitterte alles für Schreckẽ; also: daß der Bürgermeister es des Nachtsin aller Stille über den Fluß versetzẽ muste. Wiewol nun Perses hernach seinen ihm vom Fürsten Gözonor eingehaltenen Fehler erkennte / und auf die Höhe Mopselus zwischen der Stadt Larissa und dem Tempischen Thale rückte; so wiechen doch die Römer noch an einen sichern Ort zurücke; hätten auch Zweifels-frey Thessalien gar verlassen; wenn nicht Misagenes Königs Masanissa Sohn mit tausend Reitern / tausend Fuß-Knechten und zwey und zwantzig Elefanten ankommen / und dem Römischen Heere ein Hertze gemacht hätte. Wie diese sich aber unterstunden in den Phalanneischen Feldern das Getreide abzumeyen; kam König Cotys und Gözonor ihnen mit tausend Thraciern / so viel Deutschen / und Cretensern als ein Blitz auf den Hals / nahm tausend Wagen / und sechs hundert Kriegsleute gefangen; und der darzu kommende Perses umbsätzte den Obersten Lucius Pomponius mit acht hundert Römern auf einem Hügel. Wie nun Licinius / Evmenes / Attalus und Misagenes nur ihr Läger besetzt liessen / und mit dem gantzen Heere diese entsätzten; kam es zu einem blutigen Treffen; in dem auf Macedonischer Seite drey hundert Fuß-Knechte / und Antimachus mit vier und zwantzig Rittern aus dem heiligen Geschwader erlegt wurden. Welches den Perses so kleinmüthig machte: daß er das Gebürge besätzte / und wider Gözonors Rath in Macedonien wiech. Daselbst kriegte Cotys Zeitung: daß Atlesbius ein Thracischer Fürst / und Corragus des Evmenes Statthalter ihm eingefallen und die Landschafft Marene eingenommen hätten. Daher Cotys umb das Seinige zu beschützen / Gözonor aber aus Verdruß über des Perses Zagheit / nach Hause kehrten. Weil der Winter den Römern den bergichten Eingang verhinderte / nahm der Bürgermeister etliche Städte in Illyricum ein; und Cajus Cassius unterstand sich durch dieses lange Land mit einem Heere in Macedonien einzubrechen. Weil aber er die Histrier /Kärnter und andere Deutschen an dem Carvankischen Gebürge für ihre Gutthaten als Feinde handelte; begegnete ihm König Cincibil mit einer sohertzhaftẽ Gegenwehr: daß Cassius nach erlittenem grossem Verluste zurücke weichen / und einen andern Weg in Macedonien erkiesen muste. Cincibil beschwerte sich über so unrechte Gewalt bey dem Rathe zu Rom / und forderte eine Erklärung: Ob er die Römer hinfort für Feinde oder Freunde halten solte. Der Rath entschuldigte alles / als ein ohne ihren Willen erkühntes Beginnen / dräuten den Cassius zu straffen / schickten den Cajus Lelius und Emilius Lepidus zum Könige Cincibil und seinen Bruder mit 2. fünf Pfund Goldes schweren Ketten / mit viel kostbarem Silber-Geschirre / 2. aufs prächtigste ausgeputzten Pferden / güldenen Waffen und herrlichen Kleidern / [875] umb diese streitbare Völcker nicht wider sich in Harnisch zu jagen. Der Römer in Illyris und Griechenland verübte Grausamkeit verursachte: daß als die Stadt Uscana des Appius Claudius Ankunft mit 8000. Kriegsleuten an dem Lycheidischẽ See auf der Macedonischen Gräntze vernahm / sie die benachbarten Scordiskischen Deutschen umb Beschirmung ersuchten / und 4000. Mann zur Besatzung erhielten. Claudius der hiervon nichts wuste / eilte dahin / in Meynung sie des Nachts unversehens zu überfallen. Wie die Römer aber nur einen Bogen-Schuß von der ihrer Einbildung nach eingeschlafenen Stadt waren; erhob sich auf den Mauern von Geschrey der Weiber / vom Schwirren des Ertzts ein jämmerliches Getümmel. Die Deutschen fielen durch 2. Thore auf die so wohl müden als sicheren Römer heraus; brachten sie auch alsofort in Unordnung und in die Flucht; also: daß Appius nicht für voll 2000. zurück nach Lychindus brachte / die übrigen alle erschlagen oder gefangen / alle an Rom hängende Städte aber hierdurch in Schrecken gesetzt /und die Römer ihre Macht in Griechenland zu verstärcken genöthigt wurden. Dessen ungeachtet setzte Cephalus der Fürst in Epirus von Rom ab; Cotys eroberte mit Hülffe der Deutschen / und sonderlich Hertzog Gözonors alles verlohrne in Thracien / machte daselbst mit seinen Feinden einen vortheilhaften Frieden. Dem Perses kam gleichsam die alte Macedonische Tugend wieder in sein Hertze; sintemal er mit dem durch den König Cotys wieder versöhnten Fürsten Gözonor die Dardaner überwand; die von den Illyriern den Römern verkauffte Stadt Uscana zur Ubergabe zwang / und darinnen allein viertausend Römer gefangen bekam / und die fast unüberwindliche Festung Oeneum mit Sturm eroberte. Hierauf schickte Perses anfangs den Illyrier Pleuratus / hernach auch nebst ihm den Glaucias über das Skordische Gebürge nach Lissus an den König Gentius umb ihn zu einem Bündnüsse wider die Römer zu bewegen / welcher denn auch hiezu gute Neigung zeigte; wenn ihm vom Perses mit nöthigen Kriegs-Mitteln unter die Armen gegriffen würde. Aber der Geitz oder das Verhängnüß band dem Perses die Hände: daß er einen so streitbaren Bunds-Genossen zu erlangen in Wind schlug. Hingegen aber liessen sich die Römer nichts gutes träumen; sonderlich da Lucius Cölius mit grossem Verlust und Schimpfe von der Stadt Uscana abgeschlagen ward; und die Rhodischen Gesandten zu Rom dem Rathe mit nachdencklichen Dräuungen einen Frieden mit dem Perses zu machen aufdringen wolten. Bey diesen und andern aufziehenden trüben Wolcken / und da der Bastarnen König mit dem Hertzog Gözonor sich verknüpfte / fertigten sie von Rom den Aulus Postumius / Marcus Perpenna / Lucius Petillius und Marcus Pompejus ab. Der erste solte die Dardaner wider den Perses aufhetzen / der andere die Bastarner und Dacier in Ruh erhalten / der dritte die Dalmatier und Thracier gegen ihre Feinde erregen /der vierdte des Königs Gentius Fürhaben ausforschen. Pompejus brachte den Perpenna und Petilius ohne einige vorher erlangte Geleits-Briefe nach Scodra an den Königlichen Hof. Weil nun der Römische Rath vorher auf der Isseer Vergällung des Gentius Botschafft / sonder ertheilte Verhör schimpflich abgewiesen hatte / und Gentius erfuhr: daß Pompejus mehr als ein Kundschafter denn ein Botschafter dahin kam /ließ er den Perpenna und Petilius in Hafft nehmen; den Pompejus aber fragte er bey der Verhör: Zu was Ende und wohin Perpenna und Petilius verschickt wären; weil er selbst aus Rom für ihren gefährlichen Rathschlägen wäre gewarnigt worden. Pompejus trat auf diese Befragung zu dem neben des Königs Stule gesetzten Tische / hielt seinen Finger in eine der daselbst brennenden Wachsfackeln so lange / biß er gäntzlich versehrt war. Hernach antwortete er: Die Römer sind gewohnt sich ehe einzuäschern / als ihre Geheimnüsse zu verrathen. Gentius ward hierüber bestürtzt / [876] schickte den Pompejus auf seine Reichs-Gräntze / und ließ den Römischen Rath wissen: Er behielte die zwey andern als Stiffter gefährlicher Anschläge bey sich / biß er der Römischen Freundschafft versichert / und ihm wegen Beschimpffung seiner Gesandtschaft Vergnügung verschafft würde. Die Römer verstellten eine Weile ihre hierüber geschöpffte Empfindlichkeit; schickten aber den Qvintus Martius mit neuen Völckern in Thessalien; welcher durch einen fast unwegbaren Weg des von dem Hippias mit zwölff tausend Kriegs-Leuten verwahrten Volustan-und Capathischen Gebürges mit unglaublicher Müh einbrach / und bey Libethrum dem Könige Perses unvermuthet auff den Hals kam: daß er weder Rath noch Hülffe wissende / bald dar bald dorthin floh / aus der festen Stadt Dion alle güldene Bilder wegführen ließ /und dem Feinde alle Pässe / insonderheit den gar engen unter dem Berge Olympus an dem Strome Baphyrus gegen der Stadt Dion öffnete / und nach Pydna floh; seine Schiff-Flotte zu Thessalonich aus schändlicher Furcht anzünden und seine übel aufgehobene Schätze zu Pella ins Meer werffen / iedoch solche hernach wieder heraus fischen ließ. Martius segelte hierauff mit der Römischen Kriegs-Flotte von Heracle ab / setzte bey Thessalonich / Ania / Antigonea und Pallene aus / verwüstete das Land / und belägerte die mächtige Stadt Cassandrea; hätte sie auch erobert /wenn sich nicht auff zehn Schiffen tausend außerlesene deutsche Kriegsleute des Nachts darein gespielet /und durch ihre blosse Ankunfft die Römer abzuziehen verursacht hätten. Der Römische Bürgermeister belägerte inzwischen Melibea / und Martius machte sich auch an die Stadt Demetrias. Weil aber die Römer bey ihrem Glücke hochmüthig / und dem Könige Eumenes ihre tägliche wachsende Kräfften verdächtig wurden / brachte es Perses oder vielmehr Gözonor durch den Cydas und Antimachus so weit: daß er mit seinen Hülffs-Völckern sich von den Römern absonderte / und in Asien kehrte; ja sich nicht erbittten lassen wolte seine in Bestallung habende fünff hundert deutschen Reuter den Römern zu hinterlassen. Diese Veränderung und so wohl des Königs Prusias als der Rhodier für den Perses auffs neue gethane Friedens-Werbung brachte die Römer zu glimpfflicher Anstalt; und daß sie den deutschen Fürsten bessere Worte gaben; unter denen sie den gegen die Bastarnen gräntzenden Hertzog Balanos durch Uberschickung einer güldenen Kette von zwey-einer güldenen Schale von vier Pfunden / eines ausgeputzten Pferdes / und köstlicher Waffen gewanen: daß er die Bastarnen von der dem Perses versprochenen Hülffsleistung abhielt. Nachdem auch Perses durch erlangte neue Hülffe der Deutschen sich wieder erholete / und in Pierien an dem Fluße Enipeus die Römer lange Zeit auffhielt / ja ihnen fast alle Lebensmittel abschniet; liessen sie durch den Cneus Servilius über dem Po sechs hundert deutsche Reuter werben / welche mit dem Bürgermeister Emilius Paulus und einer ansehnlichen Macht in Griechenland übersätzten. Der ängstige Perses schickte auch seinen getreuesten Pantaucus an König Gentius / und dieser den Olympius an Perses; durch welche nicht nur zwischen ihnen ein gemeiner Schirm-Bund geschlossen ward / sondern sie sendeten auch ins geheim zu den Rhodiern und dem Könige Eumenes sie auff ihre Seite zu bringen; welches auch erfolgt wäre: wenn nicht des Eumenes Geitz abermahls das Spiel verderbet / und er die versprochenen Hülffs-Gelder nicht anderwerts / als in seinen Samothracischen Tempel hätte niederlegen wollen. Diese Wurtzel alles bösen / und die Gifft der gemeinen Wohlfahrt that auch noch grössern Schaden. Denn es hatte Perses durch eine Bothschafft den König der Qvaden Clondich beredet: daß er mit einer ansehnlichen Macht von zehn tausend Reutern und so viel Fußvolcke über den Ister und die Sau gesätzt war / und bey der Stadt Desudaba unter dem Orbitaischen Gebürge von [877] dem Perses den versprochenen Sold und die Geissel erwartete. Perses eilte zwar von dem Fluße Enipeus an den Strohm Axius biß zu der von den Deutschen gebauten. Stadt Alemana dem Könige Clondich entgegen / sendete auch ihm und den Heerführern etliche Pferde und Zierathen durch den Antigonus zum Geschencke; mit Vertröstung einer mehrern Freygebigkeit / die Perses zu Bylazor bey ihrer Zusammenkunfft würde spüren lassen. Alleine Clondich wolte wegen bewuster Kargheit des Perses für erlangter Zahl- und Versicherung nicht weiter rücken; und der thörichte Perses kriegte über einer so grossen deutschen Macht selbst Argwohn; oder verhüllte auffs wenigste seinen Geitz mit einer eben so schlimmen Furcht; ließ also dem Clondich melden: daß er mehr nicht als fünff tausend Hülffs-Völcker brauchte. Wie nun auch auff Clondichs Nachforschung für so viel kein Geld verhanden war / kehrete er mit seiner Macht / welche die Römer aus Griechenland zu vertreiben mächtig gewest wäre / wieder an den Ister. Nichts bessers spielte er es dem Gentius mit; indem er ihm dreyhundert Talent zurücke hielt; weil er ihn durch Anhaltung der Römischen Gesandten schon tieff genung in Krieg eingewickelt zu seyn vermeinte. Der Asiatischen Deutschen Beystand büste er auch vollends durch diese Grausamkeit ein. Evmenes schickte um nicht gar von den Römern abzusetzen tausend deutsche Reuter auff fünff und dreißig unbewehrten Schiffen dem Attalus zu. Diese geriethen zwischen dem Eylande Chios und Erythra unversehens unter der Macedonischen Schiffs-Flotte / welche die schlechten. Plätten theils zur Ubergabe zwangen; theils an Strand trieben / und die dem Wasser entkommenden auff dem Lande vollends erschlugen. Diese an ihren Bluts-Freunden verübte Blut-Begierde machte: daß Hertzog Götzonor mit seinen Deutschen wieder in Asien kehrte; und Perses an dem Flusse Enipeus vom Emilius Paulus auffs Haupt erlegt / zwantzig tausend Macedonier erschlagen / fünff tausend flüchtige unter Weges /und sechs tausend nach Pydna entkommene gefangen wurden. Perses kam kaum mit drey Geferthen in die Haupt-Stadt Pella. Allein ein Verzagter schätzt sich auch nicht in der Schoß des Jupiters / weniger in einer Festung sicher. Daher spielte sich Perses noch selbige Nacht aus Pella / und flohe nach Amphipolis / von dar mit zwey tausend nur für die Feinde ersparten Talenten in das Eyland Samothracien. Denn des Perses schändliche Flucht war dem Emilius ein Schlüssel zu den Städten Beroe / Thessalonich / Pella / Pydna /Meliboe / Amphipolis und gantz Macedonien. Zu Pella fand er noch die dem Gentius hinterhaltene dreyhundert Talent. Cneus Octavius segelte auch gerade nach Samothracien / und begehrte des Perses und seines Sohnes Ausfolgung. Beyde aber umarmten die vom Cephissodor gefertigte und alldar hochheilig verehrte Bilder der Venus und des Phaetons. Weil nun dieser Ort die unversehrlichste Frey-Stadt war; hielt Attilius dem Samothracischen Fürsten Theondas ein: daß Perses wegen seines an dem Könige Eumenes in dem Delphischen Heiligthume fürgehabten Meuchel-Mordes keiner Göttlichen Beschirmung fähig wäre. Theondas versprach hierüber Recht zu hegen; und Perses muste seinen gebrauchten Werckzeug Evandern holen lassen. Evander gestand sein Fürhaben; und weil Perses von ihm als Anstiffter verrathen zu werden besorgte / ließ er ihn tödten. Also entweyhte Perses zum andern mahl das Heiligthum mit Blute. Wiewohl er nun den Theondas bestach: daß er sagte: Evander hätte sich selbst getödtet; so verdammte doch den Perses schon sein Gewissen. Daher redete er mit einem Cretischen Kauffmanne Oroandes [878] ab: daß er ihn nach Thracien zum Cotys flüchten solte; ließ auch einen ziemlichen Schatz in sein Schiff bringen. Wie aber Perses des Nachts aus dem Tempel in Demtrischen Hafen kam; war Oroandes schon nach Creta entflohen. Perses versteckte sich hierauff zwar am Ufer / hernach in einen finstern Winckel des Tempels; endlich aber ergab er sich und seinen Sohn Antiochus dem Octavius; und Emilius führte hernach den Perses mit dreyen Söhnen / wie auch des Königs Cotys gefangenen Sohn Bitis zu Rom im Siegs-Gepränge ein. Anitius spielte eben dieses Trauer-Spiel mit dem Könige Gentius / welchem zu seiner Entschuldigung nichts halff: daß Alexander die Thebischen und Spartanischen Gesandten an Darius; die Römer des Königs Philips Gesandten an Annibal; die Sicilier der Stadt Syracusa; die Argiver der Athenienser; die Epiroter der Etolier an verdächtige Oerter gehende Botschafften angehalten / und also er das Völcker-Recht weder verletzt / noch einige andere Ursache zum Kriege gegeben hätte; zumahl / da diesen König auch Lucius Duronius beschuldigte: daß er auff dem Adriatischen Meere See-Rauberey verübte; und zu Corcyra viel Römische Bürger in Band und Eisen hielte. Der Anfang des Krieges geschahe zur See; indem Anitius viel Illyrische Schiffe eroberte; und ungeachtet Gentius an Klugheit in der Kriegs-Anstalt / an Tapfferkeit in den Schlachten nichts erwinden ließ; wurden doch alle seine Anschläge krebsgängig; und schien es: daß die göttliche Rache selbst wider ihn mit zu Felde läge. Sintemahl er seinen vollbürtigen Bruder Plator nur um desto sicherer zu herrschen; oder aus Unwillen: daß er des Dardanischen Fürsten Honun Tochter Etuta heyrathen wolte / durch Gifft hingerichtet hatte. Die Schlachten wurden verspielet. Die zwischen den Flüssen Clausula und Barbana liegende feste Haupt-Stadt Scodra erobert. Die alten Illyrier fielen von ihm ab; und Gentius in Hoffnung sein Land wieder zu bekommen verleitet: daß er nach vergebens erwarteter Hülffe von seinem Bruder Karavant aus der Sicherheit des Labeatischen Sees sich auff Gnade und Höffligkeit in der Römer Hände gab; allwo ihn Anitius zwar höfflich empfing / ihm seine Gemahlin Leva / seine Söhne Skerdilet und Pleurat / wie auch den Bruder Karavant an seine Tafel setzte; beym Aufstehen aber ihm den Degen abheischen / und alle gefangen nehmen ließ; von dar er und seine Söhne nach Rom zum Siegsgepränge geführt; kurtz hierauff vom Emilius Paulus siebenzig Illyrische Städte / die sich gutwillig ergeben / auch bereit die Plünderung mit vielem Gold und Silber abgekaufft hatten / auff einen Tag mit Raub und Brand verzehret wurden. Ob nun zwar die abtrinnigen Ardieer und Palarier dieses Unrecht zu rächen vermeinten; die Japoder und Segestaner auch auff Freylassung des Königs Gentius drangen; wurden doch jene vom Fulvius Flaccus / diese vom Sempronius und Tiberius Pandusius nach etlichen Schlachten übermannet. Wiewohl auch die Dalmatier ihre Freyheit anfangs wider den sie ebenfalls anfallenden Marcus Figulus hertzhafft vertheidigten / und ein Theil seines Heeres biß über den Fluß Naro zurück trieben; so schlug doch das Glücke bald umb. Denn er jagte sie bey der Stadt Delmin in die Flucht; und nöthigte diese fast unüberwindliche Festung durch Einwerffung brennender Pech- und Schwefel-Fackeln sich zu ergeben. Popilius schreckte mit seinen rauhen Worten die Rhodier: daß sie alle / welche iemahls wider Rom etwas gethan / oder gerathen / zum Tode verdammten; und den König in Syrien Antiochus mit einem um ihn mit Staub gestrichenen Kreiße: daß er dem Ptolomeus alles / was er in Egypten erobert hatte / wieder [879] vergeben muste. Epirus / gantz Griechenland und Illyricum strich für den Römern seine Segel; die Könige aus Africa / Asien und Europa stritten mit einander sich durch Glückwünschungen und andere Heucheleyen bey den Römern einzulieben. Ja Prusias und sein Sohn Nicomedes schämten sich nicht die Schwelle des Römischen Rathhauses zu küssen / den Rath ihre Erhaltungs-Götter / sich aber ihre Freygelassene zu nennen. Welche seltzame Fälle allzu deutlich erhärten: daß das ewige Gesetze der Gottheit von aller Ewigkeit her allen Dingen einen gewissen und unveränderlichen Lauff besti&et habe; also weder die menschlichen Geschichte ungefähr / sondern vielmehr aus verborgenen Ursachen sich zutragen / noch iemand das Rad des Verhängnisses auff die Seite abwenden könne / wenn die Vernunfft es schon von ferne ersiehet / und die Tugend beyde Armen vorwirfft. Insgemein aber verblendet diese Nothwendigkeit auch die sonst von Thorheit entfernte Gemüther: daß sie weder ihren Rathschlägen genugsam nachdencken / oder bevorstehender Gefahr nicht klüglich vorbeugen.

Ungeachtet nun derogestalt die halbe Welt nicht nur die Römische Macht anbetete / sondern auch für dem Eumenes und Prusias / als den Werckzeugen so ferner Dienstbarkeit die Achseln einzoh; so liessen sich doch die Deutschen in Galatien zu nichts knechtischem Verleiten. Sie schickten keine Botschafft nach Rom; und als ihnen Prusias ein Stücke Landes abstreiten wolte / welches des Syrischen Königs Autiochus gewesen / und von den Römern ihm solte geschenckt worden seyn; liessen sie dem Prusias zu entbieten; der Degen wäre bey den Deutschen das Grabscheit / wenn man ihnen etwas von ihrem Eigenthume abgräntzen wolte. Ob auch schon Prusias hernach zu Rom von dem Rathe solch Land als eine Vergeltung für seine treue Verdienste verlangte; ward er doch durch diese Antwort abgewiesen: Wenn das Land der Deutschen wäre / müste er nicht übel auffnehmen: daß der Rath sie mit Weggebung fremden Gutes nicht beleidigen / und dem Eigenthums-Herren Unrecht thun könte. Mit dem Könige Evmenes aber banden die Deutschen gar an. Denn Hertzog Solovet / des in Thessalien gebliebenen Fürsten Carsignat Sohn / welcher aus einer besondern Staats-Klugheit stets auff der Römer Seite gestanden hatte / beschuldigte den Evmenes: daß er die ihm geschickten tausend Deutschen Reuter mit Fleiß der Macedonischen Schiffs-Flotte in die Hände geschickt hätte; und Hertzog Gözonor goß bey verneuertem Bündnisse mit dem Solovet mehr Oel ins Feuer; also: daß sie mit gesammleter Macht in sein Gebiete einfielen / auch ihm etliche harte Streiche versätzten. Welche dem zu Rom sich befindenden Attalus so tieff zu Gemüthe stiegen: daß er bey dem Rathe die Helffte seines brüderlichen Reichs für seine Verdienste auszubitten unterließ /indem er wohl sahe: daß seine und des Evmenes Zwytracht die Deutschen gar zu Meistern über das Pergamenische Reich machen würde. Also suchte er nur bey den Römern wider diese hefftigen Feinde Hülffe; welche aber nur Gesandten zur Vermittelung eines Friedens dahin schickten. Diese brachten es zwar so weit: daß die Deutschen / weil der Winter ohne diß für der Thür war / einen drey-monatlichen Stillestand willigten; mit dem ersten Früh-Jahre aber fielen sie über den Berg Didymus wieder ein / und eroberten die Stadt Siniada. Publius Licinius eilte mit dem Attalus dahin / weil inzwischen Evmenes bey Sardes an dem Fluße Pactol sein Heer zusammen zoh. Licinius bat und dreute nicht ferner zu rücken; die beyden deutschen Fürsten aber gaben ihm nur lachen de zur Antwort: Sie wären der Römer gute Freunde /aber kein Antiochus; welcher sich wie [880] eine Schlange in einem Kreisse bezaubern / und mit Dräu-Worten ihm einen schädlichen Frieden abpochen liesse. Licinius muste also unverrichteter Sachen zurücke ziehen; und weil die Deutschen allenthalben den Meister spielten / reisete Eumenes selbst nach Italien um Hülffe zu bitten. Weil aber er im Verdacht war: daß er mit dem Perses unter dem Hute gespielt hätte /machte der Rath nicht nur ein Gesetze: daß kein König nach Rom kommen solte; sondern schickten ihm auch entgegen / und liessen fragen: Was er verlangte; hätte er aber nichts anzubringen / möchte er nur alsofort umkehren. Diß verdroß den Eumenes so sehr: daß er umkehrte und antwortete: Er wäre bettelns halber nicht kommen; sondern nur zu fragen: Ob diß der Danck für so viel Dienste wäre: daß die Römer ihm den ihrenthalben ihm zugezogenen Deutschen Krieg allein auf dem Halse / und die edelsten Pergamener / welche in Macedonien für sie die Waffen geführet / vom grausamen Solovet unmenschlich aufopffern liessen. Kurtz nach ihm kam von den Deutschen eine Gesandschafft nach Rom / welche den Rath ihrer Freundschafft versicherte / und die Ursachen ihres Krieges wider den Eumenes ausführte; auch erhielt: daß sie für ein freyes Volck und Römische Bundgenossen erklärt wurden. Der von Furcht und Zorn unruhige Eumenes zohe nach Hause / verband sich mit dem Antiochus in Syrien / und begegnete nicht allein den Deutschen / sondern fiel auch dem Prusias in Bithynien ein. Weswegen dieser den Python nach Rom schickte / und diesen Uberfall nur seinem mit den Römern habenden Bündnüsse zuschrieb. An statt der verhofften Hülffe aber gab der Rath nur zur Antwort: Er solte mit den Deutschen pflügen / die wären zweyen Eumenen gewachsen. Prusias folgte diesem Rathe; und verband sich mit denen Fürsten Gözonor und Solovet in Galatien / heyrathete auch des in Thracien wohnenden Deutschen Königes Diegyl Tochter; mit denen er gegen den Eumenes mit umwechselndem Siege und Verlust Krieg führte. Weil aber Prusias diesen noch immer zu Rom verdächtigte / der Rath auch den Tiberius Grachus um so wol des Antiochus / als Eumenes heimliches Beginnen auszugrübeln; schickte dieser seine Brüder Attalus und Atheneus nach Rom / ihn von allen Verläumdungen weiß zu brennen. Gleichwol aber konten sie sich so rein nicht waschen: daß nicht Cajus Sulpitius / als ein Kundschaffter aufs neue dahin geschickt ward. Inzwischen starb Eumenes; und ließ seinen den Römern beliebtern Bruder Attalus zum Erben. Jedoch machten die Deutschen und Prusias dem Kriege kein Ende; sondern schlugen den Attalus aus dem Felde / und bemeisterten fast die Helffte seines Reiches. Attalus klagte durch den Andronicus und hernach seinen Bruder Atheneus es zwar zu Rom; Aber des Prusias Gesandter Antiphilus und sein Sohn Nicomedes lehnten alles durch fürgeschütte Gegenwehr ab; biß die dahin geschickten Apulejus und Petronius ein anders berichteten. Daher der Rath den Prusias durch eine Gesandschafft zur Ruh ermahnten. Lucius Hortensius kehrte zwar allen Fleiß an sie zu vergleichen; aber die Deutschen riethen dem Prusias seinen Vortheil nicht aus den Händen zu geben. Nach dem sich auch die Handlung zerschlagen / und Prusias den Deutschen kaum aus den Händen entwischte; rückten sie für die Hauptstadt Pergamus / und belägerten darinnen den Attalus. Weil die Stadt aber allzu wol besetzt war / plünderte Prusias in der Vorstadt des Esculapius / bey Hiera der Diane / und bey Temnos des Apollo Tempel. Weßwegen sich die Deutschen vom Prusias trennten; Attalus hingegen kriegte vom Cappadocischen und Pontischen Könige Hülffe; Die Römer kündigten dem Prusias auch den Bund auf; hetzten ihm die Rhodier und Cyzizener auff den Hals; auf derer Schiffen er in Bithynien [881] einfiel / und den Prusias nicht wenig ins Gedrange brachte. Die Römischen und Deutschen Gesandten aber vermittelten bald einen Frieden. Dieser vertiefte den Prusias in allerley Laster; also: daß er auch seinen Kindern anderer Eh zu Liebe seinen zu Rom sich befindenden Sohn Nicomedes zu ermorden beschloß / wo er nicht vom Rathe die Erlassung der dem Prusias versprochenen fünf hundert Talent erhielte. Der hierzu bestellte Menas aber entdeckte es nicht allein dem Nicomedes; sondern brachte auch ein Theil des Bithynischen Kriegsvolckes aufseine Seite. Attalus nahm den Nicomedes mit Freuden auf / und brach mit ihm in Bichynien ein; dessen Stände häuffig zum Nicomedes fielen. Prusias suchte vergebens zu Rom Hülffe; in das Niceische Schloß nahm er 500. Thracische Deutsche von seinem Schwehervater Diegyl ein. Endlich flohe er nach Nicomedien; und als die Bürger die Stadt aufgaben / in Jupiters Tempel; darinnen ihn aber sein Sohn Nicomedes ermorden / und das Altar mit väterlichem Blute besprützen ließ. Attalus kriegte inzwischen den dem Prusias zu Hülffe kommenden König Diegyl gefangen; ließ ihn aber auf Hertzog Solovets Vorbitte wieder loß. Also erhielten die Deutschen unter so viel Veränderungen gleichwol ihren Stand und Ansehen; und insonderheit bey denen in Syrien. Denn ob zwar nach des Antiochus Tode der sich von Rom wegspielende / und wieder den jungen Antiochus das Reich behauptende Demetrius / welcher den jungen König Ariarathes wegen verschmähter Heyrathung seiner Schwester aus Cappadocien vertrieb / und den von seiner Mutter untergesteckten Orophernes einsetzte / von dem Könige Ptolemeus /Attalus und Ariarathes aus Syrien vertrieben / und ein gemeiner Jüngling unter dem Nahmen Alexanders eines Antiochischen Sohnes eingesetzt; ja auch Demetrius durch Hülffe der Juden vom Alexander erschlagen ward; so erbarmten sich doch die Deutschen Fürsten des von dem Demetrius nach Gnidus zur Sicherheit geschickten und in Creta bey dem Fürsten Lasthenes sich aufhaltenden Sohnes Demetrius; und setzten ihn nach Verjagung des üppigen Alexanders / mit Hülffe des Ptolomeus Philometors in Syrien auff den väterlichen Thron.

Bey diesem Wachsthume der Deutschen in Asien /mühten sich auch die in Italien nach der von den Bojen erlittenen grossen Niederlage ihr Haupt wieder empor zu heben. Massen die Ligurier den in Hispanien ziehenden Stadt-Vogt Bebius angrieffen / sein Volck erlegten / ihn biß in Maßilien jagten / da er den dritten Tag von den empfangenen Wunden starb; ja sie machten sich so breit: daß der Römische Rath beyden Bürgermeistern auftrug die Deutschen zu stillen. Sie gaben ihnen aber genung zu schaffen / biß Flaminius die Friniatischen / Emilius die Apuanischen Ligurier endlich überwältigte / und ihnen die Waffen abnahm. Marcus Furius überfiel hierauf auch die sich keines Krieges versehenden Cenomannen /und entwaffnete sie; der Rath aber gebot ihm einen Stillestand; und Emilius gab ihnen alles abgenommene wieder. Als die Römer nun alle Deutschen in Ligurien für todte Leute hielten / krochen die Apuanischen wieder hinter ihren Klippen und aus ihren Hölen herfür / und streifften biß nach Bononien. Qvintus Martius zohe mit einem Heere gegen sie; welche / als sie ihn durch stetes weichen in die ängsten Thäler zwischen die höchsten Klippen gelockt hatten / ihn rings umher anfielen / 4000. Römer erschlugen / von der andern Legion drey-von den Lateinern eilf Fahnen eroberten; und sie nicht ehe zu verfolgen / als die Römer zu fliehen aufhöreten.

So viel Empörungen der Deutschen aber waren kein Werck einer Leichtsinnigkeit; sondern eitel Rachen angethanen grausamen Unrechts. Sintemal die nunmehr in Wollüsten ersoffenen und daher auch so viel grimmigern [882] Römer andere Völcker mehr für Vieh als Menschen hielten. Massen denn selbige Zeit Qvintius Flaminius aus dem Rathe gestossen ward /weil er am Po einen zu ihm abgeschickten Bojischen Ritter einem mißbrauchten Schandbuben / und zu Placentz einen edlen Ligurier seiner Hure zu Liebe und zur Ergetzligkeit ermorden lassen / und Tisch und Bette mit so unschuldigem Blute besprützt hatte. Zu eben dieser Zeit kam aus Deutschland ein neuer Schwarm derer an der Donau wohnenden Völcker über die Alpen / ließ sich am Adriatischen Meere um die Flüsse Turrus und Tilavent nieder. Wider diese ward Lucius Julius geschickt sie daselbst wegzutreiben. Weil sie aber übel / oder gar nicht bewehret waren / machten sie mit den Römern einen Vergleich /und zohen mit ihrem Geräthe wieder über die Alpen /und setzten sich um den Fluß Anisus. Folgendes Jahr zohen abermals beyde Bürgermeister in Ligurien; da sich denn 2000. dem Marcellus gutwillig ergaben; die andern aber versteckten sich in ihre Gebürge und Festungen: daß ihnen die Römer nicht beykommen konten / sondern ihr Heer von einander lassen; solches aber bald wieder zusammen ziehen / und auff alle Fälle fertig halten musten; Weil ein Geschrey kam: daß in Deutschland viel tausend junger Mannschafft sich zusammen züge / und irgends wo in Italien einbrechen wolte. Die Ligurier machten auch die See unsicher / und thaten den Maßiliern nicht geringen Schaden; musten also die Römer eine Schif-Flotte in das Ligustische Meer schicken. Das nechstfolgende Frühjahr zohe der sonst allenthalben so sieghaffte Emilius Paulus wider die Inguanischen Ligurier auf. Weil er aber von keinem andern Vergleiche / als daß sie sich auf Gnade und Ungnade ergeben solten / hören wolte; stürmten und belägerten sie das Römische Läger; Alleine sie erlitten von denen wegen aussenbleibender Hülffe fast verzweiffelt ausfallenden Römern eine schwere Niederlage; indem 15000. erschlagen / drittehalb tausend gefangen wurden; zur vernünfftigen Warnigung: daß eines verzweiffelten Feindes Degen drey anderen besiehe. Die Inguaner ergaben sich hierauff ohne Schwerdschlag. Wiewol nun diese abgemergelten Völcker gantz ruhig sassen / wolten doch Publius Cornelius / und Marcus Böbius / weil sie in ihrem Bürgermeister-Ampte nichts denckwürdiges verrichtet hatten / an ihnen den Muth kühlen / und Ehre einlegen; Also durchforschten sie mit zweyen mächtigen Heeren das gantze Anidische Gebürge /zwangen sie alle auff die Flächen zu verfügen; und waren weder Geschencke noch Thränen so mächtig die Römer zu bewegen: daß sie in ihren Geburts-Städten ersterben / und ihre Gebeine in den Grabestätten ihrer Vor-Eltern ruhen möchten; sondern es wurden ihrer 40000. in Samnium fortgeschleppet. Weil nun beyde sich hierdurch zu Rom so sehr verdient hatten; daß ihnen / die doch gegen keinem Feinde einigen Degen gezückt / ein Siegs-Gepränge erlaubt ward / machte sich Posthumius über den Schweißberg / und das Gebürge Balista; zwang diese armen Leute durch Abschneidung aller Lebens-Mittel zur Ubergabe; nahm ihnen alles Gewehre / und ließ ihnen mit genauer Noth so viel Eisen übrig / als sie zu Pflugscharen und dem Ackerbau dorfften. Fulvius kroch an dem Flusse Maora in den Hölen / noch 7000. Apuaner aus / welche ihren Landesleuten in Samnium folgen musten. Cajus Claudius beraubte hierauf aus blosser Vermuthung des Krieges die Epanterier / und siegte über den Istrier König Epulo und diese Ligurier; welche aber für Ungedult nicht alleine ins Mutinensische Gebiete einfielen / und es mit Schwerd und Feuer verheerten / sondern auch diese Stadt selbst eroberten. Alleine Claudius rückte mit einem noch stärckern Heere für Mutina / eroberte es mit Sturm; in welchem 10000. Römer / und 8000. Ligurier blieben; schlug hierauff sie beym Flusse Skulteña / trieb sie vom Berge Letus [883] und Balista. Worauf Claudius hochmüthig nach Rom schrieb: Seine Tugend und Glücke hätte nunmehr zu wege gebracht: daß Rom disseits der Alpen keinen Feind mehr hätte. Gleichwol aber reckten diese Untergedrückten aus Liebe der Freyheit bald wieder ihre Hörner empor / erschlugen den Bürgermeister Petilius mit etlichen tausend Römern. Der Bürgermeister Popilius wolte diese Schande an denen allezeit Römisch-gesinnten Statellatisthen Liguriern rächen / und gerieth bey der Stadt Caristum mit ihnen in eine blutige Schlacht; also: daß er sich zwar des Sieges / aber schlechten Vorthels zu rühmen hatte; Wie denn auch der Römische Rath dieses Unrecht ihres Bürgers verdammten / und die Ligurier in ihre Freyheit zu setzen befahl. Aber bey Verwechselung der Aempter blieb es nach; iedoch empfand es das Römische Volck so sehr: daß es in dem Heiligthume Bellonens den Bürgermeister Popilius schimpflich fragte: Warum er die durch seines Bruders Betrug untergedrückte Deutschen in Ligurien nicht wieder in Freyheit gesetzt hätte? Welche Mäßigung denn hernach die Ligurier und Deutsche ziemlich beruhigte; biß die wegen des eroberten Macedoniens des durch eigene Zwytracht entkräffteten Syriens und zur Dienstbarkeit geneigtens hoffärtigen Römer in Ligurien den Krieg ohne einige andere Ursache / als aus Begierde sich durch viel Siege berühmt zu machen den Krieg erneuerten; und die Bürgermeister wegen etlicher vortheilhafften Treffen nebst dem Publius Scipio / welcher mit der Stadt Delmin gantz Dalmatien zum Gehorsam gebracht hatte / ein Siegs-Gepränge hielten. Weil die Deutschen nun von den Maßiliern der Römer geschwornen Gefärthen lange Zeit Uberlast /und beym Kriege Abbruch gelitten hatten / fielen sie in Gallien in ihr Gebiete ein; eroberten die Seestadt Nica / setzten über den Fluß Varus / und belagerten Antipolis. Wie nun die Maßilier zu Rom hierüber klagten / reisten alsofort Flaminius / Popillius Lenas und Pupius dahin / stiegen zu Egitica / welche Stadt den Oxybischen Liguriern gehöret / aus; und befahlen ihnen die Belägerung aufzuheben. Die Ligurier hingegen befahlen den Römern ihre Gräntze zu räumen; und als sie von Dräuen und Scheltworten nicht abliessen / trieben sie sie mit Gewalt in die Schiffe / und verwundeten den Flaminius. Hierauf folgte alsbald der Bürgermeister Qvintus Opinius mit einem mächtigen Heere; drang über alle Gebürge biß an den Strom Acro / nahm die Stadt Egitra ein / und schickte die Fürnehmsten in Band und Eisen nach Rom. Dieses verbitterte die Oxybier: daß sie unerwartet der ihnen zu Hülffe anziehenden Deciaten die wol viermal stärckern Römer aus blinder Rachgier / aber mit grossem Verlust anfielen. Die Deciaten kamen zwar noch zum Treffen / und stritten mit grosser Hertzhafftigkeit wider den allgemeinen Feind; der ihnen aber überlegen war / ihnen ein Stück Landes abnahm / und den Maßiliern gewisse Geissel zu geben aufbürdete. Folgendes Jahr kriegte der Bürgermeister Titus Annius abermals mit den Galliern über dem Po. Und durch diese unauffhörliche Bedrängung wurden alle Kräffte der Deutschen in Italien / wie die Schliefsteine von dem Eisen unempfindlich verzehret: daß sie nur ihre Achseln / wie andere entferntere Völcker unter ihr Joch beugen musten. Jedoch waren nicht so wol der Römer Waffen als ihre Arglist / und der Deutschen selbsteigene Veränderung die fürnehmste Ursache ihrer scheiternden Freyheit. Sintemal jene bald diesen / bald einen andern Deutschen Fürsten durch einen vergüldeten Schild / ein zugerittenes Pferd / einen mit falschen Edelgesteinen versetzten Degen / oder durch eine gemahlte Lantze bethörten; den Kern ihrer streitbaren Jugend zu Uberwindung anderer Völcker oder der Deutschen selbst an sich zohen / und durch öfftere Botschafften die Beschaffenheit [884] ihrer Länder auskundschafften; die Deutschen aber nach Eigenschaft der versetzten Pflantzen unter dem viel sanfftern Himmel Italiens gleichsam ihre erste Geburts-Art vergessen; und den Safft vieler in dem rauern Deutschlande unbekandten Wollüste an sich gezogen hatten. Weil aber die Celtiberier in Hispanien noch nicht so lange von ihrem Vaterlande entfernet waren; tauerte ihre Hertzhafftigkeit noch immer; und machten sie den Römern nach denen aus Hispanien vertriebenen Carthaginensern doch unaufhörlich zu schaffen; und die Kriege so sauer: daß es Marcus Marcellus daselbst nicht mehr auszustehen getraute / und die junge Mannschafft zu Rom für Schrecken sich nicht mehr gegen die streitbaren Celtiberier wolte brauchen lassen. Dahero sie auch der Rath für freye Völcker zu erkennen / ihnen ihre eigene Gesetze zu lassen / auch sie für Freunde und Bunds-Genossen anzunehmen gezwungen ward.

Bey solcher Beschaffenheit brachen die Römer eine Ursache vom Zaune die Stadt Carthago als den grösten Dorn in ihren Augen auffs neue zu bekämpffen; weil anfangs Königs Syphax Enckel Archobarzanes Masanissen beunruhigte / und hernach dessen sein Sohn Gulussa angab: daß Carthago nicht so wol wider ihn als wider die Römer selbst eine Kriegs-Flotte ausrüsteten; also: daß Scipio Nasica selbst diesen unrechtmäßigen Krieg beweglich wiederrieth. Inzwischen verfiel Carthago mit Masanissen in Krieg; weil er ihre Stadt Oroscopa belägerte. Seine Heerführer Anasis und Juba giengen auch mit 6000. Numidiern zu Asdrubaln über; welcher Masanissen anfangs ziemlichen Abbruch that / hernach aber in Anwesenheit des von einem Berge zuschauenden Scipio Emilianus in einer blutigen Schlacht geschlagen / auff einem Berge belagert / und den schimpflichsten Vergleich einzugehen gezwungen ward. Worbey denn die Römer Masanissen anzureitzen nicht vergassen: daß er sich seines Glückes gebrauchen solte. Ungeachtet nun Carthago durch zwey Botschafften sich für den Römern demüthigte / Asdrubaln in Elend vertrieb / so kriegten sie doch keine andere Antwort; als: sie solten Rom Vergnügung geben; darüber aber / was hierunter gemeint würde / konten sie keine Auslegung erbitten. Insonderheit drang Porcius Cato mit hefftigster Ungestüm auff den Krieg; und ruffte wol tausendmal auf dem Rathhause: Carthago werde vertilget! zeigte zugleich eine frische Feige / welche allererst für drey Tagen zu Carthago überbracht worden war; nöthigte also gleichsam dem Römischen Rathe wider den Nasica ab: daß ihre Einäscherung beschlossen / und das von Carthago abfallende Utica begierig angenommen ward. Wiewol sich nun Carthago durch anerbotene freywillige Ergebung das ihnen aufgebürdete Vorhaben der Feindseligkeit genungsam ablehnte / sie auch dem Römischen Befehle nach für Abschiffung der zum Kriege befehlichter Bürgermeister 300. edle Geissel nach Lilybeum lieferten; so schifften doch die Bürgermeister nach Utica / und zwangen die Carthaginenser: daß ob sie schon Asdrubal bekriegte / sie doch ihre Schiffe verbrennen / und alle Waffen aushändigen musten / welche zu Bewaffnung gantz Africens genung gewest wären. Als sie diß würcklich vollbracht / fällte Lucius Martius noch dieses harte Urthel über sie: Sie solten ihre Stadt abbrechen / und vom Meere weg eine andere bauen. Welches die Gesandten in eine Raserey / nach vergebener flehentlicher Bitte aber dieses edle Volck in Verzweiffelung /und in grausame Wütung wider die / welche zu Ausliefferung der Geissel und Waffen gerathen hatten /endlich in die Waffen / worzu die Frauen ihre Geschmeide verschmeltzten / ihre Haare abschnitten /brachte; welches auch eine lange Zeit männlich und wider alle menschliche Vernunfft die Belägerung austauerte / in welcher 500. in Sold genommene / und 300. aus [885] der Dienstbarkeit freygelassette Deutschen in Ausfällen / Zernichtung der Sturmböcke und anderer Gegenwehr gleichsam Wunderwercke ausübten / und denen schier ihrer Vernunfft beraubten Carthaginensern zu Wegweisern dienten. Massen denn auch durch des verachteten Masanissa Absetzung / und des wie der versöhnten Asdrubals Näherung das Römische Heer in grosse Noth gerieth / und die Belägerung hätte aufheben müssen / wenn nicht Publius Scipio /dessen Geschlechte gleichsam vom Verhängnüsse zum Untergange der so mächtigen / und sieben mal hundert tausend Einwohner beherbergenden Stadt Carthago versehen war / darfür kommen wäre. Denn Asdrubal / welcher mit 20000. Africanern / und 2000. vom Andriseus aus Macedonien empfangenen Deutschen die Belägerer mit täglichem Lermen und Abschneidung der Lebensmittel ängstigte / begegnet nach Masanissens Tode seinem Sohne mit ansehnlicher Numidischen Reuterey so er an sich gezogen /und nach ihm aufgetragenem Bürgermeister-Ampte anfangs das Theil Megara erobert / hernach den Seehafen verstopfft / den neuerbauten Hafen und das Theil der Stadt Cothon / endlich auch nach sechstägichter Stürmung das Schloß Byrsa eingenommen hätte. Der Esculapische Tempel war allein noch übrig; darinnen sich Asdrubal zwar eine zeitlang wehrete / aber endlich doch kleinmüthig ergab. Die aus Deutschem Geblüte allein ersprossene Ehfrau des Asdrubals konte sich so wenig / als vorher Sophonisbe überwünden in der Römer Dienstbarkeit zu fallen. Dahero / nach dem sie ihrem zu des Scipio Füssen sitzenden Ehmanne von dem Esculapischen Tempel hefftig verwiesen hatte / schlachtete sie seine zwey Söhne / und stürtzte sie mit sich nach dem Beyspiele der Königin Dido in die unter ihr rasenden Flammen. Scipio selbst konte sich nicht enthalten mit seinen Thränen die nich siebentägichten Flammen glüenden Brände dieser sieben hundert Jahr / (welches schier das längste Ziel langer und grosser Reiche zu seyn pflegt) geblüheten / und nun in der Asche liegenden Stadt auszuleschen. Und wie Nasica vorher die gäntzliche Vertilgung beweglichst wiederrathen hatte: wormit Rom aus Scheue dieser mächtigen Nachbarin nicht in sichere Wollust verfiele; also wahrsagte nunmehr Scipio in Erwehnung des Trojanischen Brandes auch der Stadt Rom ihren Untergang.

Hertzog Zeno fing hierüber an: ihn bedeuchtete: es habe Nasica nicht alleine klüglich gerathen Carthago stehen zu lassen / sondern auch Scipio über ihrer Einäscherung billich geweinet; wo anders die Thränen nicht wie in dem mittägichten Theile des Atlantischen Eylandes / ein Merckmal der Freude / oder ein Firnß der rachgierigen Vergnügung beym Käyser Julius gewest / als dieser des Pompejus blutigen Kopf in die Hände bekam. Denn in Warheit nicht nur eintzele Personen werden durch des Nachbars Tugend aufgemuntert / oder vielmehr durch eine Scheue für anderer Aufsicht von Lastern zurück gehalten; wie an dem Römischen Adel / so lange als der verjagte Tarqvinius noch lebte / anzumercken war / in dem dieser nach seinem Tode bald das Volck zu drücken anfing; sondern es bleiben auch gantze Völcker nur so lange tugendhafft und streitbar; so lange die benachbarte Tugend sie im Zaum hält. Die Feuersteine geben nur so denn Feuer von sich / wenn man einen andern schlägt. Daher hielt es der kluge Cleomenes für rathsam die überwundenen Argiver nicht gar auszurotten; wormit ihre Jugend noch iemanden behielte / an dem sie ihre Tapfferkeit ausübten. Hingegen verfiel mit dem Thebanischen Fürsten Epaminondas nicht nur seiner Landesleute / sondern auch seiner Feinde der Athenienser Tapfferkeit. Hertzog Herrmann hat mir selbst bekennet: daß der zwischen den Cherußkern und Catten strittige Vorzug ein Wetzstein beiderseitiger Tapfferkeit [886] gewesen sey. Ja ich glaube: daß / wie nach eingeäschertem Carthago / nach überwundenem Asien Rom zwar in seinem Leibe mehr Fleisch / aber nicht stärckere Spann-Adern bekommen habe; also es durch seine eigene Laster verfaulet wäre; wenn nicht die rauen Winde / welche ihnen zeither aus der kalten Mitternacht in die Augen gegangen sind / selbtes noch erhalten hätten. So konte ihm auch Scipio leicht die Rechnung machen: daß die gerühmte Ewigkeit der Stadt Rom ein Traum der Uhrheber wäre / und grosses Glücke wegen seiner schweren Last nicht lange Zeit auf einem Beine stehen könte. Dahero sprachen die Scythen beym grossen Alexander dieser Abgöttin gar alle Beine ab; als welche nur Hände und Federn an sich hätte; welche letztere sie mit den erstern keinmal ergreiffen liesse / wormit sie iederzeit die Freyheit behielte ihren Flug anderwärts hin zu nehmen. Uber diß behertzigte Scipio / mit was Unrecht Rom diß Kriegs-Feuer durch die halbe Welt ausgestreuet hatte; und daß die göttliche Rache insgemein den in dem glüenden Ochsen brate / der solchen für andern gegossen hat. Insonderheit aber ungerechtem Gute wie des Adlers von dem Opffer-Tische gestohlnen Fleische eine glüende Kohle anhencke / welche hernach des Raubers gantzes Nest in Brand steckt.


Adgandester fuhr hierauf wieder fort: Er wüste nicht: ob Scipio / als der selbsteigene Werckzeug so unrechter Grausamkeit oder einiger anderer Römer damals mehr in seinem Gemüthe eine so zarte Empfindligkeit gefühlet hätte; weil sie hierauff gleichsam stockblind in den Pful der ärgsten Laster gerennt / und nach zerstörtem Carthago dem Meere vollends das andere Auge / nemlich die schöne Stadt Corinth / und zwar ehe / als sie unter die Zahl der Feinde gerechnet worden / ausgestochen; ja bey spielendem Freuden-Gethöne dieses Wunder der Städte angezündet / und die Steine in kostbaren Staub verwandelt. Worbey aber mehr der Römer Unverstand als ihre Grausamkeit zu bejammern war. Sintemal sie die edelsten Marmel-Säulen aus Kurtzweil / oder um etwan ein darein zur Befestigung eingelassenes Stücke Ertzt zu bekommen zerschmetterten; Die Ertztenen Bilder zerschmeltzten / und unter andern den vom Aristides gemahlten Bacchus zu einem Spielbrete brauchten /für welchen König Attalus hernach 6000. Silbergroschen bot / Mummius aber selbten zu Rom in der Ceres Tempel setzte. Wie nun ein schon einmal beflecktes Kleid nicht mehr in Acht genommen wird; Also hielt es Rom nach einmal an Carthago so offenbar verübten Ungerechtigkeit nicht mehr für Schande sich täglich mit neuen Lastern zu besudeln / und durch ihre Macht der Boßheit das Ansehn und die Zuläßligkeit der Tugend zu geben. Denn eben so betrüglich verfuhr der Ehrsüchtige Bürgermeister Appius Claudius wider die Salaßier / welche sich von der Saale unter die Göröjischen Alpen in ein Thal an dem Flusse Duria niedergelassen hatten. Dieser ward vom Rathe geschickt sie mit ihren Nachbarn zu vergleichen; welche sich beschwerten: daß die Salaßier ihnen den Strom Duria verbauten / und zum Nutzen ihrer Goldbergwercke anderwärts hin verleiteten; also sie ihre unterhalb habende Wiesen und Aecker nicht bewässern konten. An stat dessen aber fiel Appius bey den Salaßiern mit Kriegs-Macht ein / und verheerete alles mit Feuer uñ Schwerd. Diese warẽ nichts minder hertzhafft als unschuldig; grieffen also den Appius an / und erschlugen 5000. von seinem Heere. Der Rath zu Rom hörte zwar des Appius Unrecht und Unglück; aber sie trachteten nicht jenes zu verbessern / sondern diß nur zu rächen. Jedoch waren sie darüber so bekümmert: daß sie die Sibyllinischen Bücher aufschlugen / und belernt wurden: daß sie allezeit / wenn sie mit den Deutschen kriegen wolten / auff derselben Gräntzen ihren Göttern opffern solten. [887] Hierauf grieffen die Römer die Salaßier auffs neue an; und weil dieser ein Mann gegen zehn fechten muste / wurden sie geschlagen / 5000. erlegt / und den Römern das flache Land nebst den Goldgruben abzutreten gezwungen. Gleichwol aber schätzten die Römer den Appius keines Siegs-Gepränges würdig. Und als er sich dessen eigenmächtig anmaste / hätten sie ihn mit Gewalt vom Wagen gezogen / wenn nicht seine Tochter als eine Vestalische Jungfrau ihn beschirmet hätte. Noch viel ärger spielten es die Römer dem unvergleichlichen Helden Viriath mit; dessen Deutscher Uhrsprung und Thaten nicht nur allhier / sondern in der gantzen Welt erwehnt zu werden würdig sind. Es ist bekandt: daß mit denen Carthaginensischen Kauffleuten viel Deutsche in Hispanien übergesetzt sind; Und nicht nur an dem eusersten Westlichen Land-Ende / sondern auch an dem Flusse Anas unter dem Gebürge der Venus einen ziemlichen Strich unter dem alten deutschen Nahmen der Celten bewohnt haben. Diese waren geschworne Feinde der Carthaginenser; und der Werckzeug ihrer meisten Siege in Hispanien. Daher sie auch nach dem andern Punischen Kriege /da Carthago Hispanien im Stiche lassen muste / keine Gelegenheit versäumten den Römern Abbruch zu thun. Unter diesen war ein Fürst der Celten am Flusse Anas Olonich / welcher dem Macedonischen Könige Perses zu liebe auf heimliche Anstifftung der Carthaginenser die Waffen wider die Römer ergrief; aber von ihrer Macht überdrückt / und nach hertzhafter Gegenwehr in einer Schlacht getödtet ward. Sein Großvater ein Sidinischer Fürst an dem Jader oder Oder-Strome war mit etlich tausend Deutschen übers Meer dahin kommen / und hatte selbiges Gebiete von Carthago zum Geschencke bekommen. Weil nun die Römer allen Celten die Hände abschnitten / ja Weiber und Kinder tödteten / flohe Olonichs Wittib mit ihrem halbjährigen Kinde Viriath / welchen Nahmen ihm Olonich nach der Sidinischen Fürsten Hauptstadt in Deutschland gegeben / in das Gebürge der Venus. Die Römer aber verfolgten sie auch in diesen Klippen; also: daß diese edle Fürstin entweder unversehens /oder auch vorsätzlich / um nicht in der Römer Hände zu fallen von einem Felsen abstürzte. Aller andern Flucht verursachte: daß dieses Kind im Gebürge liegen blieb; iedoch / weil es der menschlichen Vorsorge entbehren muste / von den Gemsen gesäuget ward. Sechs Monat genaß es aus sonderbarer Versehung Gottes dieser unartigen Mutter-Milch / ehe ein in das Gebürge hütender und einer geschossenen Gemse nachklettender Ziegen-Hirte das Kind fand / solches in seine Hütte trug / und als sein eignes auferzoh. Diese Wildnüß aber konte so wenig die hohe Ankunfft dieses Fürsten / als des grossen Cyrus verbergen. Er ward der schönste und geschickteste unter den Hirten-Knaben; und keiner war so Ehrsüchtig: daß er nicht diesem verborgenen Fürsten den Vorzug enträumte / und ihn für seinen Führer erkennte. Ermachte ihm und seinen Gefärthen selbst Bogen und Pfeile /und leitete sie mehr zu Verfolgung des Wildes / als zu Hütung ihres Viehes an. Die Alten fragten ihn mehrmals als einen Knaben noch um Rath / und die Zwistigen nahmen ihn für ihren Richter an. Hierdurch machte er ihm in der Blüthe seiner Jugend ein Ansehn eines Alten; und durch Freygebigkeit verknipffte er ihm aller Gemüther. Denn wenn er auff die Gemsen oder ander Wild ausgieng / behielt er von seinem Geschossenen das geringste / und theilte das übrige unter die Gefärthen aus / die gleich nichts getroffen hatten. In diesem Stande blieb er / biß Marcellus den Celtiberiern die Stadt Ocelis und Nertobriga / Marcus Atilius aber denen Lusitaniern die Stadt Oxthraze und etliche Vettonische Städte abdrang. Weil nun die Römer das Land mit Rauben durchstreifften / und also auch dem Celtischen [888] Gebürge sich näherten / machte sich Viriath mit den andern Hirten an etliche dieser Räuber / und eroberte nach ihrer Erlegung / zu seiner höchsten Vergnügung / ihre Waffen / und hiermit fing der in seinẽ Hertzen verborgene Zunder der Tapferkeit Feuer: daß er nach einmal in die Hand bekommenem Degen den Hirten-Stab wieder anzurühren für unausleschliche Schande hielt. Hierzu kam die allgemeine Verbitterung der Hispanier über den Lucullus / welcher mit der am Flusse Tagus gelegenen Stadt Cauca einen Frieden machte; hernach sich und sein Volck betrüglich hinein spielete; alle Mannschafft über vierzehn Jahr meineydig erwürgte / Weiber und Kinder aber verkauffte. Wie nun Lucullus die Stadt Intercatia belägerte / und Sergius Galba in Lusitanien einbrach; gab sich Viriath nicht nur selbst in Krieg / sondern redete auch zwey hundert junge Hirten auf nebst ihm wider so falsche Feinde die Waffen zu ergreiffen. Das Heer der Lusitanier ward vom Galba in die Flucht bracht. Wie aber Viriath mit seinen Gefärthen auf einem Hügel wahrnahm / wie sparsam und langsam die müden Römer sie verfolgten / faßte er ihm einen frischen Muth einem feindlichen Hauffen die Stirne zu bieten. Wie dieser nun wegen ermangelnden Nachdrucks zurücke wiech; nahmen anfangs die Celten /hernach auch die Lusitanier von diesen Hirten ein Beyspiel sich zu wenden. Worüber die zerstreuten Römer in Schrecken und Flucht geriethen / ja aufs Haupt geschlagen wurden; also: daß ihrer 7000. todt auf dem Platze liegen blieben / und Galba mit der Reiterey kümmerlich nach Carmelis entraan / und sich gar nach Conistorgis zurück ziehen muste. Die Stadt Pallantia ward hierdurch auch aufgefrischt: daß sie den Lucullus tapfer zurück schlug; Viriath aber mit einem Pferde / einer güldenen Kette / und einem köstlichen Schwerdte beschenckt / auch zum Hauptmann über fünf hundert Celten gemacht. Dem Galba that dieser Streich in der Seele weh; daher schämte er sich nicht aus Mißtrauen zu seiner Tapferkeit sich des Betruges zur Rache zu bedienen; ließ derhalben den Lusitaniern einen Vergleich antragen; sintemal er selbst wohl wüste: daß sie mehr ihr Mißwachs an Oele /Wein und Weitzen / an Ablieferung ihres Zinses gehindert; als sie aus Untreu die Waffen ergriffen hätten. Der Vertrag ward auf leidliche Bedingungen gemacht; und die Lusitanier stellten sich zu Beschwerung des neuen Bundes beym Galba ein; welcher sie mit Römischem Kriegsvolcke umbsetzte / und nach gutwillig niedergelegten Waffen ihrer 10000. erbärmlich niederhauen ließ. Zu allem Glücke kriegten die auf den folgenden Tag verschriebenen Celten / als sie gleich in das Römische Läger einziehen solten / durch einen Entronnenen / Wind von der verrätherischen Blutstürtzung. Daher Viriath sein Pferd zum ersten umbwendete / und nicht nur den Celten ein Wegweiser zu ihrer Erhaltung war / sondern auch die ihm nachsetzenden Römer mit blutigen Köpfen / und in weniger Anzahl zurück schickte. Weil nun Galba auf dem flachen Lande theils mit Ermordung / theils mit Verkauffung der Gefangenen gleichsam seine Kräfften prüfete: Ob sie in Geitz oder Grausamkeit am höchsten kommen könten; verhieb sich Viriath im Gebürge / und thät durch öftere Ausfälle den Römern mercklichẽ Abbruch. Sein Ruhm wuchs hierüber durch gantz Hispanien; die Noth aber / und seine in Austheilung der Beute erzeigte Freygebigkeit vergrösserte seinen Hauffen so sehr: daß er / nach dem die gröste Macht der Römer wider Carthago in Africa übergesetzt war / sich mit fünf tausend Kriegsleuten herfür machte / und in das den Römern beyflichtende Turdetanien einfiel / und biß an den Fluß Betis mit Flucht und Schrecken alles erfüllte. Cajus Vetilius sa&lete zwar wider ihn ein starckes Heer; und die bekümmerten Lusitanier stunden schon auf dem Schlusse sich dem Vetilius zu untergeben; als Viriath durch Aufmutzung vieler Römischen Meineyde die Handlung abbrach / [889] und sich mit denen Gesandten nach Tribola flüchtete; hernach die Römer durch dort und dar gedräute Einfälle und geschwinde Zurückziehungen matt und müde machte. Vetilius ward hierüber verdrüßlich; und dardurch verleitet: daß er in Meynung diesen verwegenen Hirten mit Strumpf und Stiel auszurotten / sich in einen sumpfichten Wald nachzusetzen verleiten ließ; darinnen ihn die versteckten Celten auf allen Seiten angriffen / und mit seinem in dem Schlamme sich kaum zu rühren vermögenden Heere erschlugen. Die sechs tausend nach Tartessus entkommenden Römer wurden zwar mit fünf tausend frischen Völckern verstärckt / und gegen dem Viriath geführt; aber von ihm derogestalt bewillko&t: daß kein Bothe übrig blieb ihre Niederlage zu berichten. Diese herrliche Siege machten: daß gantz Lusitanien ihn für ihren Hertzog erklärten / und ihre Kriegs-Fahnen seiner Bothmässigkeit untergaben. Viriath / umb mit dieser neuen Würde auch seinen Ruhm zu vergrössern / und durch seine Regung auch die Celtiberier zu beseelen / wendete sich von dem Gaditanischen Meere gegen dem Tagus; trieb alle Römer aus Carpetanien / und bereicherte sein Kriegs-Volck mit vieler Beute. Cajus Plautius eilte mit vierzehn tausend Römern ohne die Hülffs-Völcker dahin / umb das schon wanckende Tarraconensische Hispanien im Gehorsam zu erhalten. Der schlaue Viriath eilte über Hals und Kopf aus Carpetanien / umb durch seine angenommene Furcht die Römer in Vermessenheit zu setzen. Plautius meynte / der Sieg würde ihm mit denen entrinnenden Lusitaniern entflügen; daher schickte er vier tausend Mann eilfertig nach; welche sich an den Feind hängen / und ihn biß zu seiner Nachfolge aufhalten solten. Viriath aber wendete sich bey Libora; umbringete und erschlug sie: daß kaum hundert Römer entraanen. Gleichwohl aller wiech Viriath noch immer zurücke / welchem Plautius aus Begierde der Rache über den Tagus folgte / und unter dem Gebürge der Venus sein Läger schlug. Diese diß Gebürge bedeckende Oel- und Friedens-Bäume aber verwandelten sich dem Viriath in Lorbern / dem Plautius in Cypressen. Denn dieser ward von jenem aufs Haupt geschlagen; welcher / weil die Römer mit wenigen kaum darvon kamen / ihr Gebiete weit und breit unter Schatzung setzte; und die über einem Opfer beschäftigte Stadt Segebrige durch schnellen Uberfall eroberte. Nicht besser machte er es dem Cajus Nigidius / und dem einhändichten Stad-Vogte Claudius; derer erstern mit Strumpf und Stiel auf einmal vertilgte; in dem wider den andern fürhabenden Zuge aber gerieth er fürhabender Ausspürung des Feindes mit drey hundert Celten unter tausend Römische Reiter; iedoch hielt er sich mit den Seinen so ritterlich: daß er nur siebzig einbüßte; die Römer aber nach Verlust drey hundert und zwantzig Mann die schimpflichste Flucht nahmen. Das allermerckwürdigste aber war: daß ein in dem Gepüsche von sieben Römern überfallener Ritter Gußmann selbigen die Stange both; und nach dem er des ersten Pferd mit der Lantze erlegt /dem andern den Kopf mit dem Schwerdte zerspalten /die übrigen in die Flucht brachte. Diß aber war nur ein Vorspiel der dem Claudius bald darauf begegnenden völligen Niederlage. Welchen Sieg er so hoch hielt: daß er auf dem höchsten Gipfel des mehrmals erwehnten Venus-Gebürges ein marmelnes Sieges-Zeichen ausrichtete / der erlegten Römischen Feldherren Waffen und Purpur-Röcke daran hing; und den Göttern daselbst sieben Tage nach einander auf Hispanische Art eitel rechte denen Römern abgehauene Hände opferte. Wie nun Viriath daselbst in voller Andacht für dem Altare lag; trat aus dem grossen Hauffen des daselbst versa&leten Volckes eine edle gantz schwartz gekleidete Frau herfür; welche / nach dem sie den Hertzog Viriath eine gute Weile mit starren Augen betrachtet hatte / drey [890] Handvolln rothes Saltz in das heilige Feuer warff / und laut zu ruffen anfing: O ihr Götter! eröfnet mir meine Augẽ: daß ich dis /was ich mir festiglich einbilde / recht erkennen möge! Hierauf redete sie den Viriath getrost an: Wo mich das Verhängnüß nicht selbst verblendet / bist du nicht Indibil und ein Hirten-Kind; (also hatte man ihn zeither geheissen) sondern Viriath des tapfern Celtischen Fürsten Olonich Sohn. Denn du sihest ihm so gleich /als wenn du ihm aus den Augen geschnitten wärest; und das kleine Feuer-Mal in dem rechten Schlafe /welches ich genau wahrgenommen / als ich dich gesäuget / ist mir ein gewisses Merckmal. Wormit aber weder du noch iemand anders an dieser Wahrheit zweifeln darffst / so entblösse deine rechte Brust; damit man auf selbter das Merckmal der Sidinischen Fürsten / nemlich die eigentliche Bären-Tatze erkenne. Viriath empfand sich zu seiner grossen Vergnügung überwiesen / und aus einem Hirten in einen gebohrnen Fürsten verwandelt. Daher rieß er seinen Rock auf / und zeigte allem Volcke das angedeutete Bären-Zeichen. Bald darauf ward auch Viriaths vermeynter Vater ein alter Ziegen-Hirte aus einer Hütte herbey geholet; welcher bekante: daß er für ein und zwantzig Jahren nach dem Einfalle der Römer und des Fürsten Olonichs Erlegung ihn als ein Kind im Gebürge gefunden habe. Alles Volck fing hierüber ein so grosses Freuden-Geschrey an: daß das Gebürge erbebte / und die tieffen Stein-Klüffte durch ihren Wieder-Schall gleichsam auch ihr Jauchzen beysetzten. Gantz Lusitanien ließ ihn hierauf für ihren Fürsten und Ober- Haupt ausruffen; welchen die Tapferkeit vorher schon zu ihrem Feldherrn gemacht hatte. Er aber selbst änderte mit seinem Stande das mindeste seiner Sitten; sondern er ging mit seinen Kriegsleuten wie mit seinen Brüdern umb; ließ ihnen alle Beute /und vergnügte sich mit der Ehre. Sein Schild war ins gemein seine Taffel; welche meist nur mit Brodt und Wasser angerichtet ward. Er schlief niemals ungewaffnet / noch über fünf Stunden. Wollüste waren ihm so fremde / als Hispanien die Crocodile; also: daß er auch sich zu verheyrathen schwerlich zu bereden war. Mit einem Worte: Er zeigte sich in allem ein ausbündiger Fürst zu seyn / wenn er es schon nie wäre gebohren gewest. Der Rath zu Rom ward über dieser neuen Zeitung noch mehr bekümmert / schickte daher den Bürgermeister Quintus Fabius Emilianus mit siebzehn tausend frischen Völckern in das Betische Hispanien. Die Uberbleibung der vormals geschlagenen Heere aber machte durch Herausstreichung des unüberwindlichen Viriaths die Römer so bestürtzt: daß sie Fabius nicht über den Fluß Betis zu führen getraute; sondern sie bey der Stadt Orsona durch Kriegs-Ubungen vor abzuhärten / auch selbst in dem Eylande Gades dem Hercules auf Celtische Art zu opfern für nöthig hielt. Unterdeß aber setzte Viriath selbst über den Fluß Betis; nahm den Römern vier hundert nach Holtz fahrende Wagen mit fünf hundert Reitern weg; und als des Viriaths Befehlhaber ihn verfolgte / schlug er sein Heer aus dem Felde /und eroberte eine unsägliche Beute. Ob nun wohl Fabius zurück eilte und verstärckt ward / traute er doch nicht mit dem Viriath zu schlagen. Nach dem die Römer mit ihrem Schaden des Viriaths Kriegs-Streiche endlich lernten / erlangte Fabius zwar in etlichen Scharmützeln einigen Vortheil; alleine er wetzte bald diese Schart an dem ihm gleichsam zum Glücks-Steine erkieseten Gebürge der Venus durch Uberwindung des Quintius / und Eroberung der Stadt Ituca aus. Hierdurch brachte er nicht allein die streitbaren Arvacker / Titther und Beller umb den Strom Suero auf seine Seite; sondern auch die Stadt Numantja dahin: daß sie gegen die ungerechten Römer großmüthig die Waffen zückten / welche sie als Sclaven niederlegẽ solten; [891] weil sie von den Römern verjagten Segulenser beherbergten / und für sie eine Vorbitte einlegten. Weil nun Metellus gegen diese zu Felde lag / durchstreiffte Viriath das Land Bastetanien biß an den Berg Orospeda. Seine beste Beute aber war Algarbe eines Celtiberischen Fürsten Tochter / welche er in dem Orospedischen Tempel der Minerve zu Gesichte bekam / und wider seinen ersten Vorsatz gleichsam aus einem Göttlichen Eingeben heyrathete. Die Hochzeit war zwar mit grossem Gepränge angestellt; die Taffel mit köstlichen Speisen bedeckt; aber er war nicht zu bereden sich daran zu setzen / am wenigsten aber nach selbiger Landes-Art aus wohlrüchenden Wassern zu waschen; sondern er aaß nur stehende ein Stücke Brodt und Fleisch; alles andere überließ er seinen Gefärthen. Die kostbaren Tapezereyen strich er im Zimmer und Bette mit seiner nie aus der Hand gelegten Lantze weg / mit Vermelden: daß diese allein eines Fürsten Zierrath wäre. Nach weniger Stunden Verlauff / als nur die Priesterliche Einsegnung geschehen war / nahm er ohne Ubernachtung seine Braut / setzte sie auf ein Tiegerfleckichtes Pferd / und ritt mit ihr seinem Heere und dem Gebürge zu. Der Bürgermeister Quintus Fabius Servilianus kam gleich damals mit zwantzig tausend Mann von Rom dahin / umb gegen den Viriath sein Heil zu versuchen. Ungeachtet er nun nur sechs tausend Mann starck war / verbeugte er doch dem gegen Ituca eilenden Fabius den Weg; und vertraute seiner der Waffen längst gewohnten Gemahlin Algarbe die Helfte seines Heeres; welche umb den Römern mit einem ungewöhnlichen Aufzuge zu begegnen / alle ihre Kriegsleute wie Weiber bekleiden / ihre Haar-Zöpfe aufflechten / und die Locken über Antlitz und Achseln abhencken ließ. Hierauf traff sie und Viriath auf der andern Seite mit einem so abscheulichen Geschrey gegen die Römer: daß diese erstarreten / gleich als wenn sie von höllischen Unholden angefallen würden. Fabius hatte alle Hände voll zu thun sein dort und dar verwirrtes und weichendes Heer auffzurichten / und so lange im Stande zu behalten / biß die Nacht sie / wiewohl mit grossem Verlust der Römer / scheidete. Fabius als er folgenden Tag von einem Gefangenen die Schwäche des Viriaths / und daß sein Heer für einem Weibe erzittert wäre / vernahm / hätte sich für Verdruß in die Finger beissen mögen; gleichwohl aber wagte er sich nicht noch einmal an den Feind / biß er vom Könige Micipsa zehn tausend Africaner und zehn Elefanten bekam. Hierauf band er mit dem sich verstärckenden Viriath abermals an; welcher Fuß für Fuß zurücke wiech / biß er den Fabius an einen Pusch brachte / aus welchem sein Hinterhalt den Römern in die Seite ging / sie trennte / drey tausend Römer / vier tausend Africaner und Hispanier erlegte / alle Elefanten eroberte / und den Fabius über Hals und Kopf ins alte Läger trieb; welches auch zugleich eingenommen worden wäre / wenn nicht Cajus Fannius es noch hertzhaft verfochten hätte. Unterdessen setzte Quintus Metellus den Celtiberiern heftig zu / schlug mit Bedräuung: daß er alle ohne Sieg zurück kommende Römer als Feinde tödten wolte / die Arvacker / und belägerte die Stadt Nertobriga an dem Flusse Salo. Weil aber die Belägerten des zu den Römern übergegangenen Rhetogenes Kinder in dem Sturm-Loche an die Spitze stellten; ließ Fabius / ungeachtet der grimmige Vater ihn ermahnte über seiner Kinder Leichen den Sieg zu verfolgen / vom Sturme abblasen; und ala er des Viriaths Anzug vernahm / hob er die Belägerung gar auf. Folgendes Jahr hatte zwar Fabius das Glücke denen Lusitanischen Obersten Curius und Apulejus die Städte Escadia / Gemella und Obulcula abzudringen; aber Viriath hemmete alsbald sein Glücks-Rad / und trieb ihn von der Stadt Baccia weg. Quintus Pompejus [892] kam mit zwey und dreißig tausend alten Kriegsleuten in Celtiberien / und erregte daselbst so grosses Schrecken: daß die zwey mächtigen Städte Numantia und Termes an dem Flusse Durius schon auff dem Sprunge gestanden sich den Römern zu unterwerffen. Aber der als ein Blitz dahin eilende Viriath verdrehete das schon bey nahe verlohrne Spiel; in dem er die ihnen anbefohlne Ausfolgung der Waffen für ein ärger Brandmahl auslegte; als wenn ihnen die Hände abgehackt würden. Eines hertzhafften Helden Geist ist so wohl fähig hundert tausend Menschen zu beseelen / als ein Funcken gantze Länder anzuzünden. Daher machte Viriaths Auffmunterung: daß Pompejus beyde Belägerungen der Städte Numantia und Termes nach eingebüstem vielem Volcke schimpfflich auffheben / in Seditanien zurücke weichen / und seine Rache an dem Räuber Tangin /und an den furchtsamen Lancinern ausüben muste. Fabius Servilian belägerte inzwischen die Stadt Erisane; Viriath aber spielte sich des Nachts hinein / thät früh auf die Römer einen glücklichen Ausfall und schlug nicht allein sie dar weg / sondern brachte sie auch im Gebürge derogestalt ins Gedränge: daß Fabius mit dem Fürsten Viriath einen Frieden schlüssen /und alles gewonnene Land ihm lassen muste. Durch diß Mittel entrann Fabius und das umzüngelte Römische Heer aus Viriaths Händen; aber der Römische Rath / dessen Ehrsucht nunmehr weder Eyde noch Bündnisse weiter zu halten gewohnt war / als sie ihm Nutzen brachten; erklärte insgeheim diesen schimpfflichen Frieden für ungültig; und schickte den Bürgermeister Cöpio in das Betische Hispanien; welcher den sich ehe des Himmel-Falls als eines Frieden-Bruchs sich versehenden Viriath in der Stadt Arsa zu überfallen vermeinte. Aber Viriath entwischte ihnen unter den Händen in Carpetanien; und weil er da so geschwinde sein Kriegs-Volck nicht zusammen ziehen konte / über den Fluß Tajus. Weil nun Cöpio ihm auff dem Fuße folgte / und so wohl den Vettonern als Galliern grossen Brandschaden zufügte / machte Viriath mit dem Cöpio einen neuen Frieden / trat ihm etliche Plätze ab / und händigte ihm viel Uberläuffer aus. Als diß geschehen / brachte Cöpio ein unerträgliches Friedens-Gesetze auffs neue auff die Bahn; nehmlich: die Lusitanier solten alle ihre Waffen aushändigen. Viriath verlachte diese kaum Weibern anmuthliche Bedingung; verfluchte der Römer Betrug und seine Leichtgläubigkeit / rüstete also sich auffs neue wider den Cöpio zum Kriege / und fügte durch Abzwackung der nach Holtz und Lebensmitteln ausgeschickten Reuterey grossen Abbruch zu; worüber die Römer so erbittert wurden: daß sie den friedbrüchigen Bürgermeister selbst in seinem Zelte verbrennt hätten; weñ er nicht durch die Flucht sich aus dem Staube ge macht hätte. Diese Gefahr und das Mißtrauen am Viriath zum Ritter zu werden / verleitete den Cöpio zu neuer Arglist / und einem Friedens-Vorschlage. Unter denen Gesandten des Fürsten Viriaths waren zwey Lusitanier Ditalco und Minurus. Diese gewann er durch Versprechung der Lusitanischen Ober-Herrschafft und anderer güldenen Berge: daß sie ihren Fürsten zu tödten gelobten; welches sie auch die dritte Nacht / als der den Tag vorher in einem glücklichen Treffen ermüdete Viriath in voller Rüstung in seinem Zelte sich auff die Erde gestreckt hatte; Meuchelmörderisch ausübten / und diesem unvergleichlichen Helden die Kehle abstachen / welcher so wohl wegen seiner Aufferziehung und Tapfferkeit selbst von den Römern mit Rechte der Hispanier Romulus genennt /und von den Nachkommen für eine Säule des Vaterlandes verehret war / mit welchem Hispanien gestanden und gefallen ist. Massen denn der ihm nachfolgende Fürst Tautan Sagunt vergebens belägerte / an dem Flusse Betis vom Cöpio so sehr geänstiget [893] ward: daß er sich und sein Heer den Römern ergab; aus welchem aber Viriaths Gemahlin Algarbe mit fünffhundert Celten nach Numantia entran; und mit ihr gleichsam des entleibten Viriaths Geist zum Schutz-Gotte dahin brachte. Sintemal diese Stadt den Pompejus zum andern mahl von der Belägerung abtrieb / und ihn zu einen Frieden zwang; welchen die Römer aber wieder brachen; Jedoch als Popilius Numantia zum dritten mahl belägerte / mit Einbüssung ihres gantzen Heeres den Friedens-Bruch büsseten. Cajus Mancinius belägerte hernach Numantia zum vierdten mahl; die Numantier aber / und insonderheit die dahin geflüchteten streitbaren Weiber der Celten / mit welchen die Fürstin Algarbe aber / welche kurtz vorher dem Bürgermeister Decius Brutus an dem Fluße Durius lange unglaublichen Widerstand gethan hatten / thaten in Ausfällen so grossen Schaden / und jagten den Römern solche Furcht ein: daß sie mehr weder das schreckliche Geschrey / noch die feurige Augen der Numantier vertragen konten / sondern Mantius des Nachts stille abziehen und das Läger verlassen muste. Die Fürstin Algarbe zohe durch ihre Tapferkeit zweyer Numantischen Fürsten Augen auf sich: daß sie beyde um ihre Liebe in Zwist geriethen. Sie aber entscheidete sie derogestalt: daß der / welcher ihr die erste rechte Hand eines edlen Römers zur Morgengabe lieffern würde / ihr Bräutigam seyn solte. Beyde liessen sich noch selbige Nacht über den Wall / funden aber die Lauffgraben / das Feld und endlich das gantze Römische Läger leer. Die von ihnen zurück gebrachte Nachricht munterte alsbald vier tausend Numantier / und darunter viel männliche Weiber auff / den Römern zu folgen. Die Nacht / die Geschwindigkeit / und die Kundschafft der Oerter halff den Numantiern: daß sie das gantze Römische Heer in den Engen des Caunischen Gebürges umsetzten / und zwantzig tausend Römische Bürger / und zehn tausend andere Kriegs-Leute für dem fünfften Theile der Numantier die Waffen nieder zu legen. Als aber Mancinus / Tiberius Gracchus und die andern Römischen Häupter einen Frieden und darinnen der Stadt Numantia ewige Freyheit beschworen hatten / gaben sie ihnen die Waffen und ein Theil der im Läger eroberten Beute wieder. Als Numantia derogestalt in Ruhe war / Brutus aber in Lusitanien biß an das grosse Meer kam / über den Fluß der Vergessenheit uñ den Strom Minius sätzte / eilte die großmüthige Fürstin Algarbe denen Bracarischen Völckern zu Hülffe; aus denen streitbaren Weibern sie ein absonderlich Heer zusammen zoh / und des Brutus Waffen behertzt / ja verzweiffelt die Spitze bot. Sintemahl die gefangenen Weiber / um der Diestbarkeit zu entkommen / sich und ihre Kinder selbst hinrichteten / und den Tod für die edelste Art der Freylassung rühmten. Wie aber Brutus in einer Schlacht funfftig tausend Lusitanier durch eine besondere List erlegte / ward sie gezwungen mit ihren Weibern in die Stadt Pallantia zu weichen / daraus sie bey der vom Marcus Emilius vorgenommenen Belägerung ihre Anwesenheit durch unzehlbare Helden-Thaten bekand machte / und bey des Emilius Abzuge eins der fürnehmsten Werckzeuge war / welche den Römern einen nicht geringern Streich als die Numantiner versetzten. Jessen ungeachtet erklärte der Römische Rath den Numantischen Frieden für nichtig / schickten den Mancius nach Numantia; welche Stadt ihn aber als eines betrügerischen Friedens allzuunwürdiges Opffer anzunehmen verschmeheten. Wie nun Qvintus Piso in Hispanien ebenfals nichts ausrichtete / ward endlich Publius Scipio zum Bürgermeister und Hispanischen Feldherrn erkieset; gleich als wenn er und sein Geschlechte nur zu Zerstörung mächtiger Städte vom Verhängniße gewürdigt wäre. Er kam in Hispanien / ergäntzte die verfallne Kriegs-Zucht / vertrieb die Warsager /schaffte alle dahin [894] zielende Opffer ab / rückte an Numantia / verwüstete alles um die Stadt herum / zohe des Masanissa Enckel Jugurtha mit zwölff Elephanten und vielen Hülffs-Völckern an sich: daß er sechzig tausend streitbare Kriegs-Leute zusammen brachte /schniet den Numantiern alle Zufuhre ab / enteusserte sich mit denen ihn ausfordernden Feinden zu schlagen / führte einen starcken Wall und tieffen Graben um die Stadt herum / verhinderte durch stachlichte Balcken die Schiffarth auff dem Fluße Durius / und alle Ausfälle; nöthigte also diese mit Gewalt unüberwindliche Stadt durch grausamen Hunger beym Scipio durch den Fürsten Abarus zu bitten: Er möchte ihre Ergebung entweder auff hertzhafften Leuten anständige Bedingungen annehmen / oder sie streitende sterben sehen. Weil aber Scipio nur auff Gnade und Ungnade sie verlangte / stürmten sie verzweiffelt den Römischen Wall / erhielten sich hernach noch eine Weile vom Grase / Mäusen und Menschen-Fleische. Endlich vermahnte die Fürstin Algarbe und ihr ander Ehmann Rhetogenes die Numantier durch tapfferen Zweykampff ihrem Leben und Qvaal selbst abzuhelffen. Massen zuletzt beyde sich auch selbst in die Flamme ihrer angezündeten Burg stürtzen; durch welche gantz Numantia derogestalt eingeäschert ward: daß nicht eine lebendige Seele / nicht ein Stücke Gutes / was nach Rom zu bringen verdient hätte / in der Römer Hände gerieth. Also hatte sich das Kriegsvolck über keiner Beute zu freuen; der grosse Scipio aber sich nichts bessers zu rühmen: dann daß er über den Nahmen der Stadt Numantia ein Siegs-Gepränge gehalten hätte.

Gleichwol aber ward durch Vertilgung dieser Stadt das zwey hundert Jahr bekriegte Hispanien gedemüthiget; die achzig Jahr bestrittenen Ligurier rührten sich nicht mehr. Die in Macedonien einfallenden Skordistischen Deutschen wurden bestillet. Der den Römern des Attalus Erbschafft strittig machende Aristonicus vom Perpenna gefangen und erwürget; und dem Kriege der auffrührischen Knechte in Sicilien auch ein Ende gemacht.

Weil nun das in sich selbst schon zwistige Rom so wenig als ein grosser Leib die Ruhe länger vertragen konte; ward es lüstern die Zwirbelwinde seiner Ehrsucht über den lufftigen Alpen auszuwehen. Hierzu gab ihnen eine erwünschte Gelegenheit die Klage der mit den Römern von Alters her verbundener Maßilier über die an dem Rhodan wohnenden Saluvier an die Hand; welche sie mit beyden Händen ergriffen / und ihren Bürgermeister Marcus Fulvius / um nur dieses unruhigen Kopffes in der Stadt loß zu werden / wieder sie mit Heereskrafft schickten. Ob er nun wohl wieder die Saluvier wenig ausgerichtet / sondern nur etliche Rotten ihm einfallender Ligurier und Vecontier vertrieben hatte; so ward ihm doch / weil er zum ersten die Alpen überstiegen / auff künfftig gutes Glück ein Siegs-Gepränge verwilligt. Diesen Anfang konten die Römer ohne Schande nicht ersitzen lassen; und sie erlangten hierzu noch mehr Anlaß durch die zwischen den Deutschen und Galliern erwachsene Kriege; indem gleich zu selbiger Zeit die Sicambrer wider die Sveßioner zu Felde lagen / und den Tod des von ihnen erschlagenen Fürsten Clodius zu rächen suchten; des Cattischen Königs Sohn Bateph aber wegen innerlicher Unruhe mit einem mächtigen Heere sich des Eylandes zwischen denen zwey Ausflüssen des Rheins bemächtigte / die alten Gallier daraus vertrieb / und sich mit denen Menapiern beschwägerte. Die an dem Ursprunge der Flüsse Vigenna und Elaver wohnenden Arverner / drückten die zwischen der Ligeris und Arar wohnenden Heduer auch so sehr: daß sie mit den Römern ein Bündnis machten. Die Heduer machten hierbey den Römern die Zähne nach der Arverner Reichthümern wäßrig; von dessen letzt verstorbenem [895] Könige Luer sie erzehlten: daß er mehrmahls übers Feld zu fahren / und dem Volcke Hauffenweise Gold- und Silberne Müntze ausgestreut / ja einen funffzehn hundert Schritte im Umkreiß habenden Teich mit köstlichem Geträncke erfüllet / und unzehlbare Gerüchte zum Genüß der Arverner viel Tage nach einander auffgesetzt hätte. Dieser Uberfluß und die innerliche Unruh der Gallier war den hungrigen / oder vielmehr unersättlichen Römern ein hefftiger Reitz sich ihrer zu bemächtigen; wiewohl ihnen auch nicht wenig bedencklich war: daß die Arverner alleine über zwey hundert tausend Männer solten in Krieg ausführen können. Aber Geitz und Ehrsucht tilgte bald diß Bedencken. Also rieben sie sich auffs neue an Teutobaln der Salyer König / dessen Gebiete an dem Flusse Druentia und Canus sich in die Alpen erstreckte / und zwischen den Maßiliern und Liguriern gelegen war. Cajus Sextius und die Maßilier kamen ihm so unvermuthet mit zwey mächtigen Heeren auff den Hals; daß er mit Noth zehn tausend Mann zusa&en bringen konte. Mit diesen muste er gegen seine Feinde ehe treffen / ehe er die Ursache des Krieges erfuhr; welche hernach eine Beleidigung der Maßilier seyn solte. Wiewohl der Stärckere für eine neue Beleidigung annimmt / wenn man nach dem Rechte seiner Feindseligkeit fragt. Gleich als wenn die Riesen von der Natur schon das Erlaubniß erhalten hätten mit den Zwergen ihre Kurtzweil zu haben / und Schwächere zu unterdrücken. Wie tapffer nun zwar die Salyer und Sentier ihren Feinden begegneten / muste doch endlich Teutobal / welcher noch darzu von seinem Vetter Crantor verkaufft und verrathen ward / das Feld und sein Reich / in welchem Sextius an dem Flusse Canus eine neue Stadt baute / selbte von denen annehmlichen kalten und warmen Brunnen die Sextischen Wasser hieß / und mit eitel Römern besetzte / räumen / und zu seinem Schwähersohne Hulderich der Allobroger Könige fliehen. Daß Huldrich den König Teutobal auffnahm /war dem Cneus Domitius dem rothbärtigen / welchem Citinius Crassus einen eisernen Mund / und ein eisernes Hertz zueignete / eine genugsame Ursache die Allobroger zu überziehen; diß aber nur ein Vorwand: daß die Allobroger über den Fluß Arar gesetzt / und zwischen der Ligeris und Arar bey den Heduern einen Raub geholet hätten. Wie nun aber Hulderich der Römer Anzug wider sich vernahm; rückte er mit dem Könige Teutobal biß in die Gräntze Italiens / nehmlich an den Fluß Varus dem Domitius entgegen. Domitius mühte sich über den Strom zu setzen / Hulderich aber solches zu verhindern; worüber die Römer denn etliche mahl den kürtzern zohen. Nachdem aber die von den Römern zuvor überwältigten Deceaten und Nerusier dem Domitius allen Vorschub thäten /kam er endlich bey Glanate über / und also es beyderseits zu einer so hefftigen Schlacht: daß der Fluß von dem Blute der Erschlagenen angeröthet ward. Und weil weder ein noch ander Theil weichen wolte / die finstere Nacht beyde trennen muste. Jedes rühmte sich des Sieges. Weil aber Domitius in Ligurien / Hulderich in sein Reich zurücke wich / war die Rechnung leicht zu machen: daß weder einer noch der ander Seide gesponnen hatte. Der Arverner König Bituit Luers Sohn schickte zwar eine Gesandschafft an den Domitius; welcher sich zwischen den Römern / Allobrogen und Salyern zu einem Mitler anbot. Diese war theils wegen ihrer an Huneen bestehenden Leib-Wache / theils wegen eines bey sich habenden weisen Bardens zwar mit Verwunderung angenommen / aber mit schlechter Verrichtung abgefertigt. Denn Rom hielt es nunmehr nicht nur ihres Ortes für Schande /sondern andern theils für die höchste Beleidigung /wenn ein angetastetes Volck nicht alsbald die Waffen niederlegte. Daher setzte der Bürgermeister Qvintus Fabius Maximus zu Egitna im Hafen ein mächtiges Heer aus / und zohe [896] durch der Adunicater / Sentier und Vecontier Gebiete recht gegen die Allobroger. Domitius folgte auf der rechten / die Massilier auf der lincken Seiten mit einem mächtigen Heere. Dieses letztere aber überfiel Bituit der mächtige König der Arverner bey der Stadt Arausio; und erlegte selbtes derogestalt: daß denen Massiliern und dem Fabius kaum die Zeitung solcher Niederlage zukam. Fabius eilte daher desto mehr gegen dem Flusse Isara / umb zu verhindern: daß die Arverner nicht zu den Allobrogen stossen könten. König Hulderich stand mit seinem Lager bey der Stadt / wo die Vecontier ihre Göttin in einem prächtigen Tempel verehren. Wie er aber vernahm: daß Fabius und Domitius mit zweyen Heeren gegen ihm im Anzug wären / besorgte er: Es möchte ihm eines in Rücken kommen / und ihn von seinem Reiche abschneiden. Doch schickte er den König Teutobal mit einem Theile seines Heeres dem Domitius biß an den See / aus welchem der Fluß Sulgas entspringt / entgegen. Aber Teutobal war zum andern mal unglückselig gegen den Domitius. Denn sie traffen zwar gegeneinander fast mit gleichem Verlust des Volckes; aber die Allobroger musten das Feld räumen. Domitius selbst ward heftig verwundet; aber Teutobal gar erschlagen. Bey solcher Beschaffenheit wiech König Hulderich biß an seine Stadt Cularo an den Iser-Strom zurücke; allwo ein Fürst der Tribocer ihm mit etlichen tausend Deutschen zu Hülffe kam. Fabius und Domitius stiessen bey der Stadt Drachenbach zusammen; und es kam daselbst abermals zu einer blutigen Schlacht. König Hulderich / welcher mit seinem rechten Flügel auf des Domitius lincken traff / brachte selbten / hingegen Fabius mit seinem rechten des Tribocischen Fürsten Siegfrieds lincken Flügel in die Flucht; weil allhier etliche dreissig gethürmte Elefanten durch die Deutschen brachen; welche derogleichen Thiere vorher nie gesehen hatten /und daher so viel mehr Schrecken machten. Der Abend / welcher in einem engen Umkreisse zwantzig tausend Todte zu beerdigen bekam / beschloß abermals auf beyden Seiten die Verfolgung des Feindes; und lernten die Römer aufs neue die Tapferkeit der Deutschen / und daß ins gemein die Gemüther der Menschen der Beschaffenheit ihres Himmels und Bodems nacharthen / erkennen. Inzwischen hausete König Bituit in der Marsilier Gebiete nach Gefallen /zerstörte die Sextischen Gewässer / eroberte den herrlichen See-Hafen Telo Martius; er ward aber vom Könige Hulderich durch inständigste Schreiben genöthiget / ihm zu Hülffe zu kommen; zumal schon ein frisches Römisches Heer zu Segusium über den Fluß Duria gegangen war / und bey Ocelum sich gegen ein Theil seines Heeres gelagert hatte. Weil nun Fabius /ungeachtet diese letztere Macht zu ihm stieß / doch über die Iser nicht einbrechen konte / nahm er ihm für über den Rhodan zu setzen / und mit Hülffe der Heduer in die Landschafft der Arverner einzubrechen. Aber König Hulderich und Bituit / welche bey der Zusammenflüssung des Rhodans und Isar sich gleichfalls vereinbarten / verbeugten der gantzen Römischen Macht den Weg / und kamen unter dem Berge Cemmenus in eine so blutige Schlacht / als bey Menschen Gedencken nicht geschehen war. Nach zwölfstündigem Gefechte / darinnen abermals die Elefanten zu dem Römischen Siege die Bahn brachen / war dieses der traurige Ausschlag: daß zehn tausend Römer /und dreissig tausend ihrer Hülffs-Völcker; hingegen König Hulderich mit zwölf tausend Allobrogern todt blieben; König Bituit aber wohl hundert tausend Arverner verlohr; welche meist wegen einbrechender Brücke in dem Rhodan ersoffen; wiewohl die Römischen Geschicht-Schreiber die Zahl der erlegten Feinde auf hundert funfzig tausend erstrecken; ja sich zu tichten nicht schämen: daß auf ihrer Seite mehr nicht als funfzehn Kriegesleute blieben wären. Fabius erwarb hierdurch ein Siegs-Gepränge / und den Zunahmen des Allobrogers; welches dem Domitius [897] so sehr verdroß: daß er durch ein knechtisches Laster / als der den Tempel der Diane anzündende Herostratus / sein Gedächtnüß zu verewigen sich entschloß. Denn er machte mit dem Arverner Könige Bituit einen Frieden; und verleitete selbten unter dem Scheine verträulicher Freundschafft: daß er mit seinem Sohne Congentiat ihn zu Valentia besuchte. Nach dem er ihn etliche Tage herrlich unterhalten / mühte er sich den König zu bereden: Er solte nach Rom ziehen. Als aber Bituit diß höflich entschuldigte / nahm Domitius ihn und seinen Sohn verrätherisch gefangen / schickte beyde zu Schiffe nach Ostia / von dar sie hernach auf ihren silbernen Streit-Wagen mit ihren vielfärbichten Rüstungen in die Stadt Rom vom Domitius zum Siegs-Gepränge geführt / und Bituit zu Alba gefänglich gehalten / der nach Römischen Sitten erzogene Congentiat aber nach guter Zeit wieder aus einer besondern Staats-Klugheit in sein Königreich eingesätzt ward.

Also hatte König Hulderich mit seinen Allobrogern ihren Tod für ein Glücke zu halten; nicht nur / weil von ihnen diß / was sie dem Vaterlande und der Natur schuldig waren / abgegolten / sondern auch weder der Untergang ihres Reiches / noch die Schmach der Dienstbarkeit erlebet ward. Wiewohl nun Hertzog Siegfried in der Allobroger Haupt-Stadt Ebrodun an dem Rhodan sich mit seinen wenigen Deutschen setzte / ward er doch von den Römern / Massiliern und Heduern derogestalt bedränget: daß er noth hatte seine und etlicher edlen Allobroger Uberbleibung über den Rhodan zu bringen. Also ward das gantze Gebiete der Allobroger zwischen der Iser und dem Rhodan ins Römische Joch gespannet. Die Römer selbst schätzten diesen Gewinn so wichtig: daß / ob sie wol zeither ausser der zu Rom in den Tempeln geschehenen Aufhengung der eroberten Waffen keinen überwundenen Feind verächtlich gehalten / und aus seinem Verluste Gedächtnüß-Maale gestiftet hatten; sie auf denen Sieges-Städten aus Marmel und Alabaster hohe Thürme und prächtige Siegsbogen aufbaueten / und die gewonnenen Waffen daran heftetẽ; Domitius auch nicht nur auf der Wallstadt ihm ein großsprecherisch Ehren-Maal aus Marmel / dem Mars und Hercules zwey Tempel aufrichtete / sondern zwischen dem ihn als einen Sieger mit grossem Geschrey begleitenden Kriegs-Volcke auf einem Elefanten das gantze Land durchreisete. Diesen Sieg begleitete die Unterdrückung der Stöner und Sarnuter; welche unter dem Berge Adula / aus welchem die vier Haupt-Ströme / der Rhein / der Rhodan / der Ticin und Arula entspringen / wohnen; von dem unter Antonach in den Rhein fallenden Saar-Flusse dahin gezogen; durch die Römer aber darumb bekriegt waren: daß sie ihnen wider die Allobroger nicht genungsamen Vorschub gethan hatten. Weil nun der Römische Bürgermeister Qvintus Martius die in der ersten Schlacht Gefangenen so strenge hielt / richteten sie sich selbst durch Entäuserung des Speisen dahin; die übrigen Sarnuter aber sebelten selbst ihre Weiber und Kinder darnider /stürtzten sich hierauf selbst ins Feuer umb der Römischẽ Dienstbarkeit vorzukommen; welche nunmehr durch Erbauung einer neuen und mit eitel Römischem Volcke besetzten Stadt / wo der Fluß Arauraris ins Meer fleust / Gallien ein rechtes Hals-Eisen anlegten. Gleicher gestalt überfielen die Römer diean dem Sau-Strom von einem deutschen Fürsten Segesthes gebaute Stadt Segesthe sonder Ankündigung des Krieges; und aus keiner andern Ursache / als: weil diese Stadt vermögend / und zu Unterdruckung der Pannonier fürtrefflich gelegen war. Und in Dalmatien fing Cöcilius nur darumb einen Krieg an; wormit er nicht müssig sässe / und nicht ohne Siegs-Gepränge sterben dörffte. Marcus Emilius Scaurus nöthigte sich gleicher gestalt zu denen in den Alpen wohnenden Karnen und Gantiskern / und fuhr über ihrer Fürsten [898] Leichen ins Capitolium. Die Gallier sahen dem Untergange ihrer Nachbarn mit blinden Augen und ohne Nachdencken: daß die sich nähernde Flamme auch ihre Häuser auffressen würde / zu; und hatten alleine das Auge auf die ihnen nunmehr allzu schrecklichen Deutschen /welche / nach dem der Sicambrische Hertzog Klodomir an der Maaß über hundert tausend Gallier erschlagen / ein grosses Theil des Belgischen Galliens in Besitz nahmen. So vieler Römischen Siege Freude ward alleine vergället durch die niedergesessenen Skordiskischen Deutschen. Diese Uberbleibungen des Brennus waren noch die einigen Schutz-Säulen der von den Römern bedrängten Völcker; und nahmen so wohl die Karner als Dalmatier zu ihnen Zuflucht; mit denen sie die Römer durch öfftere Einfälle in Macedonien / Thessalien und Illyrien beunruhigten. Die Römer hatten wohl Bedencken mit diesem streitbaren Volcke sich zu verwickeln; sonderlich / weil die Nachbarn gleichsam unmenschliche Grausamkeiten von ihnen erzehlten: daß sie die Gefangenen mit Feuer und Rauche ermordeten / aus ihren Hirn-Schädeln Blut trincken / und die unzeitigen Früchte aus Mutter-Leibe zu schneiden für Kurtzweil hieltẽ. Gleichwohl zohe der Bürgermeister Cajus Portius Cato wider sie; ließ sich aber durch diese in das güldene Gebürge aus angenommener Furcht zurück weichende Deutschen derogestalt in die verhauenen Wälder und Klippen verleiten: daß beynahe sein gantzes Heer erschlagen ward. Gantz Griechenland und alle Länder standen hiermit den Deutschen biß an das Adriatische Meer zum Raube offen; darein sie ihre Pfeile aus Verdruß abschossen; nach dem es die Natur zum Aufenthalt ihrer Siege ihnen in Weg gesetzt hatte. Die Römer sorgten allein ihre festen Städte zu bewahren; wiewohl sie in Macedonien unter dem Bertiskischen Gebürge mit Hinwegtreibung des Viehes den Lucullus aus der Stadt Heraclea lockten / hernach ihm den Rückweg abschnitten / ihn mit acht hundert Römern erlegten und die Stadt eroberten. Jedoch hielten sie sich wenige Zeit hernach wieder in ihren Gräntzen / weil folgendes Jahr der Bürgermeister Livius Drusus / und abermals Titus Didius / wie nichts minder Marcus Drusus ihnen einen schweren Gegenstreich versetzte. Zu eben selbiger Zeit aber schienen die Deutschen der allgemeinen Herrschafft der Römer / welche in dreyen Theilen der Welt Meister spielte /einen Riegel fürzuschieben.


Es liegt von hier gegen Mitternacht ein halbes Eyland / welches mit etlichen andern neuen Eylanden die Cimbern und Teutoner bewohnen / und wordurch die Ost- und West-See von einander unterschieden werden. Wie der Weltweise Hipparchus einen gantz neuen Stern an dem Himmel wahrnahm / und daraus den Römern die völlige Unterdrückung des Griechischen Reiches wahrsagte / schwellete sich das Meer durch einen grausamen Sturm; und weil der Gestirne Würckungen in dem Meere am sichtbarsten sind / vermuthlich durch eine besondere Regung des neuen Sternes derogestalt empor: daß der Cimbrer und Teutoner festes Land grossentheils überschwemmet / und in unterschiedene Eylande zergliedert wurden. Diese enge Einschrenckung oder auch die Ruhms-Begierde dieser streitbaren und überaus fruchtbaren Völcker /welche schon lange Zeit vorher nicht nur biß zu der Meotischen Pfütze / sondern biß in Lydien zum Crösus gedrungen waren / veranlaßte sie: daß zwar König Juta seiner Voreltern Herrschafft behielt / dreymal hundert tausend Mann aber zur Zeit des grossen Alexanders umb anderwerts einen Sitz zu gewinnen / und ihren Freunden Lufft zu machen das Vaterland verliessen. Ein Theil derselben satzten über die Oder /Weichsel und Boristhenes / gingen an dem Flusse Gerrhus hinauf / und liessen sich in dem Taurischen Chersonesus [899] nieder. Nach der Zeit aber setzten sie über selbige Meer-Enge / welche von ihnen den Nahmen des Cimmerischen Bosphorus behält; nahmen ein an Colchis stossendes Theil Scythiens ein; bauten daselbst eine lange Mauer und etliche Städte. Ein Theil darvon drang auch unter dem Fürsten Lygdanis in Lydien und Ionien / nahm Sardes ein / zündete den Ephesischen Tempel an / baute am Euxinischen Meere die Stadt Chersonesus. Endlich als sie in Cilicien eine ziemliche Niederlage erlitten / vereinbarten sie sich mit denen in Asien kommenden Deutschen des Brennus Nachkommen in Galatien. Die andere Helffte der wandernden Cimbern zohe mit gutem Willen der Chautzen / Friesen und Brucierer über den Rhein / und die Maaß / vertrieben daselbst die alten Gallier / und setzten sich zwischen der Maaß / dem Flusse Sabis und der Schelde feste. Aber diß war ein viel zu enger Raum für eine so fruchtbare Menge /und ein so kriegerisches Volck. Daher machten sie mit den benachbarten Belgen eine richtige Gräntzscheidung / liessen nur so viel / als zu Besetzung selbiger Landschafft Volckes von nöthen war /unter dem Nahmen der Aduatischer hinter sich / und etliche aus Italien von den Römern vertriebene Deutschen sich bereden: daß sie mit gesamletem Hauffen über die Alpen in das glückselige Italien einzubrechen beschlossen. Hiermit theilten sie sich in zwey grosse Heere; das eine führte Hertzog Bojorich an dem Rheine hinauf biß zu den Trebozen / zohe unter Weges noch viel Catten und Nemeter an sich; hernach setzte er über den Rhein / und folgends über die Dohnau in Noricum. Weil er aber vernahm: daß die Alpen allenthalben von denen hierüber erzitternden Römern starck besetzt waren / kam er biß in Illyricum / umb durch Anleitung der Skordiskischen Deutschen so viel leichter durchzubrechen. Das andere Heer führte Hertzog Teutobach durch die Länge des Lugdunensischen Galliens gegen dem Rhodan zu; welcher aber an dem Flusse Matrona und der Seene / insonderheit aber bey denen Heduern allerhand Widerstand fand; und daher so geschwinde als Hertzog Bojorich nicht fortrücken konte. Aber Teutobach zählte seine Siege wider die Gallier / nach seinen Tage-Reisen; jagte ihnen auch ein solches Schrecken ein: daß sie den Cimbern alle Wege öffneten; oder / wenn sie sich schon einmal in Festungen zur Gegenwehr gesetzt hatten / aus Verzweifelung alles äuserste erduldeten / ja sich mit derer zum Kriege untauglicher Menschen abgeschlachteten Leibern speiseten / ehe sie sich gutwillig ergaben. Dem Hertzoge Bojorich ließ Papirius Carbo ins Norich zuentbitten: Er solte die Noricher als befreundete Nachbarn der Römer unbelästigt lassen. Bojorich antwortete: Er hätte sich so genau umb die Bündnüsse der ihm unbekandten Völcker über der Donau nicht bekümmert; sondern die Noth ihn aus der äusersten Mitternacht gezwungen ihm irgendswo einen Sitz zu suchen. Dieser von allen Völckern zeither durch ihr Thun bestätigtes Gesetze lehrte ihn: daß alle Dinge der Mächtigen / nichts aber desselbten Eigenthum wäre / der es nicht mit den Waffen zu behaupten wüste. Massen / seines Wissens / die Römer aus keinem bessern Rechte zu so grossen Herrschern worden wären. Ob er nun zwar sich für keinem Menschen /und keines Volckes Waffen fürchtete; so schätzte er doch der so berühmten Römer Freundschafft höher als den über die Noricher erlangten Vortheil; wolte also in der weiten Welt ihm einen Raum aussuchen; weil die Natur ihm einen unter dem Himmel zu geben schuldig / sein Degen auch einzunehmen mächtig wäre. Daher hoffte er: daß die Römer sich in keine mit einem andern Volcke angesponnene Händel mischen würden. Hiermit wendete sich König Bojorich gegen das Gebiete der Taurisker [900] und Karner; lagerte sich auch an dem Fluße Tilavemptus bey der Stadt Noreja. Der durch einen viel kürtzern Weg dem Bojorich zuvor gekommene Carbo meinte die Deutschen des Nachts im Schlaffe zu überfallen. Diese aber niemahls entkleidet schlaffende Völcker griffen behertzt zu ihren keinmahl von der Seite kommenden Waffen; trieben die Römer mit unglaublicher Hertzhafftigkeit zurücke / erschlugen zwantzig tausend Römer / also: daß Carbo mit wenigen entraan und sich nach Ravenna flüchtete. Ja es wäre von ihm kein Bein entronnen /wenn nicht ein hefftiger Platzregen die Deutschẽ an Verfolgung des Feindes gehindert hätte. Carbo zohe zwar aus denen umliegenden Landschafften alle Römische Kräfften zusammen / aus Begierde durch Rache seinen Schimpf abzuwischen / und durch einen Sieg seinen unrechtmäßigen Krieg zu rechtfertigen. Beyde Heere kamen in Rhetien an dem Flusse Plavis gegeneinander zu stehen. Dem bey Erblickung dieser sauersehenden Feinde schwindelnden Carbo fiel alsofort der Muth; daher hätte er sich gerne durch einen Vergleich loß gewunden; ließ also fragen: Was der Deutschen Begehren wäre? Bojorich / und ein zu ihm gestossener Hertzog der Qvaden Brinno liessen dem Carbo wissen: Sie kämen alle von den Römern ihren deutschen Vor-Eltern abgenommene Aecker wieder in Besitz zu nehmen. Auff diesen weit aussehenden Vortrag liessen Carbo und Silan den Deutschen entbieten: Rom hätte vor sie wohl geschliffene Schwerdter / aber keinen Fuß breit Erde. Ehe sie nun mit einander anbunden / fragte Bojorich seine mit sich genommene Wahrsagerinnen um den Ausschlag der Schlacht. Diese waren alte greiße / in weisse Leinwand gekleidet / mit breiten eisernen Spangen umgürtete baarfüßige Weiber / welche über einem grossen Ertztenen Kessel etliche Gefangenen abschlachteten / theils auch aus denen Eingeweiden ihrer Feinde künftige Begebenheiten erkundigten / und bey währender Schlacht auff über die Wagen ausgespanneten Fellen ein groß Gethöne machten. Weil sie ihm nun alle einmüthig gewissen Sieg versprachen / setzte er freudig über den Fluß Plavis; ungeachtet er vernahm: daß noch den Tag vorher dem Carbo vom Po zwey gantze Legionen zukommen waren. Beyde Heere kamen an der Burg mit grossem Ungestümme gegen einander zu treffen. Aber die Römer vermochten kaum zwey Stunden denen weder durch Zärtligkeit ihres rauhẽ Vaterlandes / noch durch angewöhnte Wollüste verunartheten Deutschen die Wage zu halten. Denn in dieser Zeit zerschniet die Schärffe ihrer Schwerdter alle Schlachtordnungen. Alle Hauffen wurden zertrennt; der fast verzweiffelt fechtende Carbo vom Qvaden Hertzoge selbst tödtlich verwundet / zwey Haupt-Fahnen erobert / und dreissig tausend Römische Kriegsvölcker erschlagen. Rom bebte hierüber nicht viel weniger als vorhin für Hannibaln. Jedoch begieng Bojorich eben des Hannibals Fehler / indem er nicht geraden Weges nach Rom / sondern gegen Helvetien und Gallien aus einem unergründlichen Absehen fortrückte / und sich daselbst um eine beständige Wohnung umsah.


Inzwischen hausete König Teutobach in Gallien nach seinem Belieben; und nach dem ihm die Gallier den Weg über die von den Römern starck besetzten Alpen so schwer machten; als in welchen Annibal mehr als die Helffte seines Heeres verlohren hätte; gleichwohl aber ihn durch grosse Gaben beredeten Gallien zu räumen / setzte er bey Nemoßus über den Ligerstrom / und zohe theils durch das Aqvitanische /theils durch das Narbonische Gebiete biß an das Pyreneische Gebürge. Es schickten aber die Celtiberier zwey ihrer Fürsten an Teutobach; welche ihm einhielten: daß sie von Ursprung ebenfalls Deutsche wären /also sich von ihren Landesleuten keines feindlichen Einbruchs versehen. Sie hätten einẽ allgemeinen gewaltigen Feind / mit dem sie schon anderthalb hundert Jahr [901] Krieg geführet. Zuletzt aber wären sie vom Cato Censorius etliche mahl geschlagen / vom Gracchus ihnen wol anderthalb hundert Städte eingeäschert /und des itzigen Celtiberischen Königs Salonticus verrätherisch erschlagen worden; für dessen silberner ihm von den Göttern aus dem Himmel geworffener Lantze die Römer hundert mahl vorher gebebt hätten. Diesemnach möchte König Teutobach lieber in Italien seine Bluts-Freunde aus der Dienstbarkeit erlösen /die ihnen geraubten Länder einehmen; als sie mit ungerechtem Einfall / welches die Götter so wohl mit Donner und Blitz / als sie mit ihren Degen verwehren würden / bekränckẽ. Sie woltẽ inzwischen mit denen Lusitaniern den Römern in Hispanien genug zu schaffen machen; und dem in Africa wider Rom aufgestandenen Jugurtha möglichst an der Hand stehen. Sintemal zwar Jugurtha den Calpurnius Bestia mit Gelde bestochen: daß er unverrichteter Sachen abgezogen; den Aulus Posthumius Albinus durch blosses Schrecken verjaget / sein Läger erobert / ihm auch einen schimpflichen Frieden abgezwungen hätte; es wäre aber dieser vom Römischen Rathe gebrochen / und Cöcilius Metellus mit einem neuen Heere in Numidien geschickt worden. Dieser Vortrag und Erbieten bewegte die Deutschen ihren Fuß zurücke zu setzen /und durch das Narbonische Gallien in der Maßilier Gebiete einzufallen. Diese hielten dem Teutobach ein: daß ehe er wider die Römer sich feindlich erklärte; möchte er vorher seinen Anspruch ihnen eroffnen. Daher er den auff einem Maßilischen Schiffe Gesandten nach Rom schickte / und eben diß / was König Bojorich verlangt hatte / von den Römern forderte /auch auff solchen Fall den Römern wider Jugurthen Beystand versprach. Der Rath / welcher wohl wuste: daß die Römer mit den Deutschen nicht Ruhms-sondern ihrer Wohlfahrt halber zu fechten hätten / erwieß den Gesandten grosse Ehre / zeigte ihnen alle denckwürdige Sachen der Stadt / und unter andern die unschätzbaren Bilder und Gemälde / welche Mu&ius aus der eingeäscherten Stadt Corinth nach Rom bracht hatte; unter welchen ein auff einen alten Stab sich lehnender Hirte überaus hochgehalten ward. Wie nun der eine Gesandte gefragt ward: was für einen Preiß er diesem Bilde zueignete? gab er zur Antwort: Er möchte auch ihn lebendig nicht umsonst haben. Denn denen Cimbern wäre nur mit frischer Mannschafft /welche ihre Schwerdter zu brauchen wüsten / und sich auf die Leichen ihrer Feinde lehnete / gedienet. Wie sie nun die Gesandten lange / und biß Marcus Junius Silanus über die Alpen mit einem mächtigen Heere kommen / und zu den Maßiliern und Heduern gestossen war / durch allerhand Vertröstungen auffgehalten hatten / liessen sie sie mit leeren Händen von sich; meldende: Es wäre wider die Hoheit und Gewonheit der Römer: daß sie sich ihre Feinde einiges Land abtrotzen lassen solten; da Italien ihnen selbst zu enge wäre / und sie mit so viel Aecker-Gesetzen kaum die Landleute in Ruh und in ihren Gräntzen erhalten könten. Zu dem wären sie alle ihren Feindẽ für sich selbst übrig genung gewachsen. Hiermit kam es zwischen beyden Theilen zur Schlacht; aber die an die Spitze gestellten Maßilier und Heduer / welche nicht einst die gri&igen Gesichter der Deutschen vertragen konten / kamen mit dem ersten Angriffe in die Flucht /und verursachten unter den Lateinern eine Unordnung. Die Römischen drey Legionen hielten ein paar Stunden; biß Enano / ein Hertzog der zwischen der Elbe und der Edora wohnenden Sachsen mit seiner Reuterey auff der einen / und Holstein / ein Hertzog der Angeln zwischen dem Flusse Chalusus und der Varne / auff der andern Seite durchbrach. Alles Fußvolck ward zerhauen oder zertreten; die Römischen Fahnen mit welchem Tockenwercke die Deutschen damahls einiges Gepränge zu machen sich schämeten / zerbrochen / [902] der Bürgermeister Silan selbst von Rantzauen einem Cimbrischen Ritter durchstochen. Das über dieser Niederlage abermahls sich erschütternde Rom schöpffte zwar einiger massen einen Trost durch einlauffende Zeitung: daß Marcus Minutius in Thracien an dem Flusse Hebrus die Skordiskischen Deutschen / die Triballen und Dacier durch eine besondere Kriegs-List geschlagen hätte; da er nehmlich bey währender Schlacht seinen Bruder mit wenig Kriegs-Volcke / aber vielen Drommelschlägern und Pfeiffern das Gebürge übersteigen / dem Feinde in Rücken fallen / und sie derogestalt irre machen lassen. Alleine zwey hernach kommende hinckende Bothen vergällten alsofort diesen Trost. Sintemahl die Scordisker die sie unvorsichtig verfolgenden Römer wieder geschlagen / über den zugefrornen Strom Hebrus zurück getrieben; und weil das Eiß gebrochen /etliche tausend darinnen ersäufft hatten. König Bojorich aber hatte nach seinem Siege sich in zwey Theile getheilet; das eine ging unter dem Qvadischen Hertzog Brinno und dem Marckmännischen Fürsten Schleß an dem Fluße Plavis hinab in das Gebiete der Veneter; er aber selbst machte sich auff Bitte der Tugurnier und Ambroner / welche über dem Brigantinischen See zwischen dem Rheine und dem Flusse Arola aus Deutschland sich gesetzt hatten / über den Fluß Atagis / und die grausamsten Gebürge um die Allobroger des Römischen Joches zu entbürden. Unterdessen hatte der Tigurnier Hertzog Divico biß an den Einfluß des Rhodans ins Meer alle Römische Besatzungen auffgeschlagen; daher der Bürgermeister Lucius Caßius mit einem frischen Heere dahin eilte. Hertzog Divico wiech mit seinen Tugurniern und Ambronen so lange hinauff / biß er ihn an die Allobrogische Gräntze brachte / und sich unvermerckt mit dem Könige Bojorich und denen Tugenen unter dem Könige Bolus vereinbarte. Wie nun Devico aus angestellter Müdigkeit seines Volckes stand hielt; stellte Caßius das Römische Heer gegen ihn in Schlacht-Ordnung. Sie hatten aber kaum die Schlacht angehoben; als sich auff einer Seite das Cimbrische / auf der andern das Teutobogische Heer seyen ließ. Dieser blosse Anblick benahm den Römern den Muth und die Gegenwehr; also: daß sie durch offenbahre Flucht in ihr bey der Stadt Umbennum verschantztes Läger zu entkommen sich entschlossen. Aber der wenigste Theil hatte diß Glücke. Denn der Bürgermeister Caßius / und sein Stadthalter Lucius Calphurnius Piso wurden mit zwey und dreißig tausend streitenden erschlagen. Unter denen kriegenden Cimbern war Langerta Hertzog Waldemars zu Laviburg streitbare Tochter; welche im Treffen das Glück gehabt / dem Caßius den Kopff abzuhauen / solchen auff eine Lantze zu spiessen / und zu Bojorichs Füssen zu legen. Cajus Popilius war zwar mit zehn taustnd Mann ins Läger entkommen; aber auff allen Seiten besetzt / und gezwungen / sich auff Gnade und Ungnade zu ergeben / und mit seinem gantzen Heere unter dem Joche dreyer über einander gesteckten Lantzen durchzugehen / auch allen Vorrath einzuhändigen. Bojorich ließ gleichwohl mit den höchsten Kriegs-Häuptern den Popilius loß; welcher aber auff Anhalten des Zunfftmeisters Cölius verwiesen ward. Die Gefangenen wurden theils in Deutschland zum Zeichen der Siege geschickt / theils in Gallien verkauft; und spielten die Deutschen in denen von den Römern eroberten Gebürgen allenthalben den Meister; verursachten auch zu Rom ein solches Schrecken: als weñ die Deutschen mit einem neuen Brennus schon für den Stadtpforten wären. Die an dem Flusse Garomna gelegene Stadt Tolosa / darein sich die Römer arglistig gespielt hatten / sahe sich bey dieser Begebniß wieder nach ihrer Freyheit um; schickte an König Teutobach um Hülffe / und erlegte mit dieser die gantze Römische Besatzung. [903] Welch Leid gleichwohl durch die Zeitung gelindert ward: daß Cajus Marius den König in Numidien Jugurtha / und den Mauritanischen König Bochus auffs Haupt geschlagen / die dem Hercules zu Ehren fast mitten in Africa gelegene / von Sand-Wüsteneyen und Drachen gleichsam bewahrte Stadt Capsa / und die auff einem hohen Steinfelsen fast unüberwindlich geachtete Festung Mulucha durch Verwegenheit eines Liguriers erobert / der Bürgermeister Servilius Cöpio aber durch heimliche Verständniß in Gallien die Stadt Tolosa wieder eingenommen / und aus des Apollo Tempel tausend Pfund Goldes und hundert und zehn tausend Pfund Silber / als einen von Delphis dahin gebrachten Schatz erobert hätte. Wiewohl dieses heilige Reichthum hernach alle / die an diesem Schatze Theil hatten / in Untergang stürtzte; zu einem merckwürdigen Beyspiele: daß geraubte Güter / wenn selbte gleich in vom Feuer unverzehrlichem Golde bestehen / so wohl die schädliche Würckung / als die Flüchtigkeit des Qvecksilbers an sich haben. Die allergröste Vergnügung aber schöpffte Rom / als es erfuhr: daß der Mauritanische König Bochus seinen eignen Eydam Jugurtha arglistig in Band und Eisen geschlagen / und dem Lucius Cornelius Sylla überantwortet hatte. Hingegen ward ihnen diese Freude bald wieder versaltzen durch die Niederlage des Manlius; welcher die Deutschen aus dem Gebiete der Veneter vertreiben wolte / aber von dem Hertzoge Brinno und Schleß an dem Flusse Maduacus auffs Haupt erleget ward; also: daß er selbst mit Noth kaum entraan. Diesemnach wolten die Römer den Krieg wider so mächtige Feinde nicht mehr einem Feldherrn vertrauen; sondern schickten zum Servilius Cöpio noch den Cneus Mallius mit einem Heere in Gallien. Aber diese zwey von Ehrsucht harten Steine waren nicht fähig was gutes abzumahlen. Ihr täglicher Zwist brachte sie endlich zu diesem schädlichen Vertrage: daß sie ihre Kriegs-Heere absonderten / den Rhodan zu ihrem Gräntz-Mahle erkieseten / die Gallier durch ihre Grausamkeit ihnen auffsätzig / die Deutschen aber selbte durch Glimpff und Gerechtigkeit ihnen geneigt machten. Uber diß bezeigten diese eine absondere Gottesfurcht und Andacht; und thäten alle ihre Fürsten ein Gelübde: daß alle Gefangene und Beute heilig seyn solte. Bojorich versetzte den ersten Streich des Bürgermei ster Mallius Sladthaltern / nemlich dem Aurelius Scaurus; erschlug sechs tausend Römer / und kriegte ihn selbst lebendig gefangen. Mallius beruffte den Cöpio hierauff zur Hülffe; kriegte aber zur Antwort: ein ieder hätte sein ihm vertrautes Land zu beschirmen. Gleichwohl aber setzte Cöpio bald darauff an die lincke Seite des Rhodans über; iedoch mehr in Meinung dem Bürgermeister den Ruhm des Sieges wegzufischen / als ihm beyzustehen. Daher er auch zwischen den Mallius und die Cimbern sein Läger schlug. Bojorich / welcher den entfernten Teutobach nicht so bald an sich ziehen konte / ward über die Vereinbarung beyder Römischen Heere bekümmert; schlug also durch eine Botschafft einen Frieden für. Weil aber diese nur mit dem Bürgermeister zu handeln befehlicht war / grief sie Cöpio mit hefftigsten Schmeh-Worten an / und fehlte wenig: daß die Cimbrischen Gesandten nicht in Cöpions Läger ermordet wurden. Dieser vereinbarte hierauff zwar mit dem Mallius sein Läger / aber gar nicht seine Meinungen; also: daß die Deutschen sich ihrer täglich mehrenden Zwytracht zu gebrauchen / und nunmehro zu treffen schlüßig wurden. Bojorich stellte noch für auffgehender Sonne seine Deutschen in Schlacht-Ordnung; Mallius und Cöpio hingegen zanckten sich noch über Stellung der ihrigen; als Hertzog Schleß schon mit seiner Reuterey einbrach. Wie nun das Glücke einem Feinde keinen grössern Vortheil als die Zwytracht der Kriegs-Obersten [904] zuschantzen kan; also kaum die Deutschen an ihrer guten Verständnis einen ansehlichen Vortheil / an ihrer wohl geschlossenen Stellung einen guten Vorsprung; und da dem Könige Bojorich weder an Vorsicht noch Tapfferkeit was abgieng / gewonnen Spiel. Sein von ihm selbst geführter rechter Flügel traff auff den Kirchen-Räuber Cöpio; welchen sein eigen Gewissen schon verklagt / und die göttliche Rache zum Untergange verderbt hatte. Daher in einer Stunde sein lincker Flügel zertrennt / in die Flucht bracht / und über Hals und Kopff an Rhodan gejagt ward; da sie entweder von der Schärfe der deutschen Schwerdter / oder von dem reissenden Strome auffgefressen wurden. Cöpio entkam selbst dritte auf einem kleinen Nachen über den Rhodan; der tapffere Qvintus Sertorius aber schwamm nach verlohrnem Pferde in voller Rüstung darüber / und brachte alleine seinen Schild aus der Schlacht. Bojorich sahe ihm verwundernd nach; und verboth einige Pfeile auff ihn abzuschiessen. Ein Theil dieses Flügels flüchtete sich zwar in des Cöpio Läger; aber ein sie auff dem Fusse verfolgender und vom Ritter Osten männlich angeführter Cimbrischer Hauffen drang zum Thore mit hinnein; welchem ihr Führer immer zurieff: Eines hertzhafften Degen wäre ein alle Schlösser auffmachender Schlüssel. Daher ihn auch König Bojorich hernach mit einem güldenen Schilde beschenckte /worauff ein Schlüssel geetzet war. Ein anderer Hauffen der Cimbrer bemächtigte sich des Walles / ehe selbter noch recht besetzt werden konte / und hieben das andere Thor auff; wordurch die deutsche Reuterey einbrach / und alles / was sich noch entgegen zu stellen vermeinte / über einen Hauffen rennte. Die ersten Eroberer dieses Walles waren Kwal und Brockdorff zwey Cimbrische Edelleute; und in der Schlacht eroberte Alefeld das erste / Bockwald das andere / und Powisch das dritte Römische Kriegs-Zeichen. Gegen den Bürgermeister Mallius traff Brinno der Qvaden Hertzog mit dem lincken Flügel / und einem erschrecklichen Geschrey. Den ersten Angriff thäten fünff hundert mit kohlschwartzen Rüstungen versehene Arier; welche sich für den Hertzog Brinno zum Tode verlobet hatten. Diese drangen sich zwischen beyde Römische Flügel ein; und verhinderten: daß einer den andern nicht entsetzen konte; wiewol ieder alsbald mit sich selbst genug zu schaffen kriegte. Die Römischen Reuter schienen gegen die dem Winde gleichsam zuvorkommende Deutschen nur Fußknechte zu seyn; und also entblösten sie bey zeite die Legionen. Mallius that zwar bey diesen das eusserste /sie im Stande zu erhalten; und erstach einen / der ihm von der Flucht des Cöpio Post brachte / wormit es nicht auch sein Kriegs-Volck von ihm vernehme und verzagt würde; aber wie war es möglich den Deutschen in die länge zu widerstehen; welche unter einander ein Gesetze gemacht hatten: daß wer einen Fußbreit Erde aus Zagheit zurück setzen würde / seiner Ehre und Adels verlustig seyn solte. Daher wurden durch der Cimbern nichts minder kluge / als hartnäckichten Angriffe die Römischen Glieder durchbrochen; und Mallius selbst vom Ritter Oldenburg durchrennet. Des Bürgermeisters Fall war das Loß einer allgemeinen Flucht; welche ein Theil ebenfalls in die Wirbel des Rhodans / das andere ins Läger trieb; welches aber noch selbige Nacht gestürmet und erobert ward. Ein Theil meinte sich in die Gebürge zu verkriechen; abepdie Eingänge waren von den Tigurinern besetzt; und also fielen die Flüchtigen aus dem Regen in die Trauffe. Drey Tage und Nächte währte das Würgen und Schlachten; indem die Römer aus allen Hölen und Püschen auffs fleißigste herfür gesucht; und zu Folge des gethanen Gelübdes alle Gefangenen mit Stricken an die Bäume gehenckt; von der unbeschreiblichen grossen Beute / die köstlichsten Kleider zerschnitten und in Koth getreten / alles Gold in Rhodan geworffen / Harnische [905] und Schilde zerbrochen /die schönsten Hispan- und Mauritanischen Pferde in Sümpffen ersteckt; ja zwey Gallier / derer einer des Bürgermeisters Purpur-Mantel / der andere einen Knispel güldener Müntze zu verstecken vermeinte / mit auffgehenckt wurden. Von beyden Römischen Heeren entkamen nicht mehr / als zehn Menschen; und wurden auf der Deutschen Seite dreyzehn hundert / auff Römischer achzig tausend Todte / ohne den in vierzig tausend Menschen bestehenden und meist auffgehenckten Römischen Troß gezehlet. Nachdem alle Beute zernichtet / die gebliebenen Deutschen herrlich begraben / und von den Cimbern ein grosses Siegs-Feyer mit vielen Opffern verrichtet ward / ließ Bojorich alle Leichen auff einen Hauffen über einander schleppen /und diesen Berg voll Menschen mit Erde beschütten; darauff aber in eine Marmelne Säule eingraben: Hier ist das Begräbnüs achzig tausend Römer; von welchen König Bojorich ihrer zehn entkommen ließ / umb nach Rom die Zeitung zu bringen: daß sie nicht der Blitz / sondern die Cimbern erschlagen hätten.

Dieser herrliche Sieg machte die Deutschen nicht schläffrig / sondern vielmehr nach Römischem Blute und Ruhme durstiger. Daher beschloß König Bojorich im Kriegs-Rathe / nunmehr geraden Weges über die Alpen und nach Rom zu rücken. Befahl auch den gefangenen Aurelius Scaurus zu hohlen; und ermahnte ihn gegen diese Wohlthat des ihm gelassenen Lebens den leichtesten Weg in Italien zu entdecken. Scaurus antwortete hierauff: wenn er nicht diß einzurathen gedächte / was so wohl seinem Vaterlande / als den streitbaren Cimbern vorträglich wäre; wolte er lieber die Warheit verschweigen / wenn er schon wie Marcus Regulus zu Carthago am Creutze stehen solte. König Bojorich hätte durch bißherige Siege so viel Ruhm an den Römern erjagt / als kein Mensch für ihm. Wenn er aber in Italien einbräche / würde die Nachwelt sein Thun mehr für keine Tugend rühmen; sondern als eine Verwegenheit schelten. Denn seine Einbildung wäre ein betrüglicher Irrthum: daß der Kern der Römer umkommen wäre. Ihr Thun verriethe die Uberwundenen: daß sie die geringste Spreu gewest / und kaum den Nahmen der Römer verdienet hätten. Die besten Kräfften stecken in Rom / wie das Leben im Hertzen. Insonderheit hätten die Römer diese Eigenschafft: daß bey wachsender Noth ihnen der Muth / und bey abnehmenden Kräfften ihre Tapfferkeit wüchse. Welches Pyrrhus und Hannibal zwar so wenig / als itzt Bojorich geglaubt / endlich aber mit Schaden erfahren hätte. Daher thäten die Cimbern klüger und rühmlicher: wenn sie diß / was jene zu langsam / vorher sähen. Widrigen Falls würde man sie für übersichtiger als jene halten / weil Rom damahls nicht viel mehr / als eine Zwergin gewest / nunmehr aber durch Eroberung so vieler Länder zu einer unüberwindlichen Riesin ausgewachsen; ja vom Verhängnisse diese Stadt zum Haupte der Welt erkieset wäre / an der alle Feinde ihre Hörner und Köpffe zerstossen müsten. Uber diesem für einen Gefangenen allzu hochmüthigen Großsprechen überlieff dem hertzhafften Bojorich die Galle: daß er des Scaurus unzeitige Wahrsagung mit einem tödtlichen Streiche bestraffte. Gleichwohl starb Scaurus rühmlicher / als es dem furchtsamen Cöpio gieng; welchem zu Rom seine Güter / und sein Amt genommen wurden / welches nach dem hoffärtigen Tarqvinius niemanden noch begegnet war. Den sechsten Weinmonats-Tag /an welchem die Cimbern gesiegt / schrieb man als unglückselig mit schwartzer Farbe zum ewigen [906] Gedächtnisse ins Jahr-Buch / und machte ausser der Zeit den in Africa noch abwesenden Marius zum Bürgermeister; welcher aber bald hierauff nach Rom kam /den König Jugurtha nebst seinen zwey Söhnen im Siegs-Gepränge einführte / und in dem Tullianischen Gefängnisse unter der Erde / und zwar mit einer erbärmlichen Begierde zu leben verschmachten ließ. Das Römische Volck empfing ihn mit unbeschreiblichen Frolocken / nennte ihn die Zierde seiner Zeit /und den Wiederbringer der durch den Adel verfallener Tugend. Massen sie ihm denn auch bald darnach die Bothmäßigkeit über Gallien / die Wahl der Kriegs-Heere übergaben / ihn auff folgendes Jahr schon wieder zum Bürgermeister erklärten; und zwar mit diesem den Edlen verkleinerlichen Beysatze: daß die Tugend die Art des ie länger ie schöner gläntzenden Marmels / der Adel aber des mit der Zeit veralternden Helfenbein und Agsteins an sich habe; also die frische Tugend des unedelgebohrnen Marius an die Lücke des verwegenen Sylanus / des verzagten Cöpio / der geilen Fabier / der auffgeblasenen Appier / und anderer durch Wollüste absetzender Geschlechte treten /und man diesen das übrige Reichthum / als nur zu Lastern dienende Schwung-Federn ausrauffen müste.

Bojorich ließ hierauff zwar auff der seinigen Gutachten an den König Teutobach muthen: daß er über den Rhodan / und mit ihm in Italien fortrücken möchte. Dieser versprach auch solches; kam aber selbtem langsam nach; weil er sich seine unzeitige Empfindligkeit / oder vielmehr die Begierde mit eigener Hand etwas denckwürdiges auszurichten über das Pyreneische Gebürge zu ziehen verleiten ließ. Die Ursache /oder doch der Vorwand war: daß die Celtiberier ihn geäffet hätten / und ihrem Versprechen gegen die Römer auffzustehen nicht nachkommen wären. Er drang auch zwar biß an den Fluß Iberus / und eroberten viel Plätze; aber die mit dem Römische Stadt-Vogte Fulvius vereinbarten Celtiberier wiesen ihnen: daß sie nicht wie die weichen Gallier von der streitbaren Art ihrer Deutschen Voreltern gewiechen / noch aus dem Geschirre geschlagen wären. Daher muste Ulfo nach etlichem Verlust wieder in Gallien weichen. Gleichwol ließ er den Lusitaniern etliche Hülffs-Völ cker; mit derer Beystand sie den Römern einen empfindlichen Streich versetzten. König Teutobach wendete sich hierauff wohl von dem Pyreneischen Gebürge gegen den Rhodan / in willens mit ihm in Italien zu dringen; jagte fast alle Römer aus dem Narbonischen Gallien / und setzte darinnen Kopiln zum Könige ein. Bojorich stand auch schon unter dem höchsten Berge der Penninischen Alpen / die Sonnen-Säule genant /und Teutobach bey Secuster an dem Fluße Druentia; es lieff aber unvermuthet die Zeitung ein: daß Lucius Sylla vom Marius / welcher inzwischen zum Kriege sich eiffrigst rüstete / mit einem Heere voran nach Narbo geschickt; dieser aber mit Hülffe des Gallischen Fürsten Egritomar / welcher hernach den Junius Silanus als einen Urheber alles von den Cimbern entsponnenen Unheils angab / der Tectosagischen Gallier König Kopill geschlagen und gefangen bekommen hätte. Daher Teutobach nicht für rathsam hielt fort zu rücken / und einen solchen Feind im Rücken zu lassen. Dem Könige Bojorich ward nichts minder von den Marsen ein Stein in den Weg geworffen. Denn dieses zwischen dem Rheine und der Isel wohnende Volck ward auff einer Seite von den Sicambern / auff der andern von den Bructerern so enge eingesperret: daß sie ihr Vaterland nicht beherbergen konte. Daher setzte die Helffte ihren Fuß in das fruchtbare Gallien fort / zohe an der Mosel hinauff / an der Arar aber hinunter / machte mit dem Könige Bojorich ein [907] Bündniß / und schlug sich theils zu den Cimbern / theils ließ es sich zwischen der Arar und Liger nieder. Nachdem aber der schlaue Sylla den Kopill erlegt /und im Narbonischen Gallien eine halbe Wüsteney gemacht hatte / trug er denen von den Ambarren und Vadikoßiern beunruhigten Marsen durch die Heduer ein Stücke Landes an; da sie mit den Römern das von den Heduern vorher beliebte Bündniß eingehen wolten. Die Marsen nahmen diß Anerbieten nicht nur mit beyden Händen an; sondern rufften auch ihre zum Bojorich gestossene / von den mehrern Cimbern aber geringschätzig gehaltene Landsleute zurücke; welche mit den Römern freudig ihre Waffen vermengten; also: daß Bojorich gleichsam zwischen Thür und Angel / wie nichts minder in Zweiffel gerieth: Ob sie in Italien fortrücken / oder hinter sich ihnen vorher in Gallien diesen gefährlichen Dorn aus dem Fuße ziehen solten. Uber diesen Verwickelungen verspielten sie zwey gantzer Jahre; welche Marius ebenfals mit blosser Kriegs-Rüstung zubrachte; wiewohl diese einen neuen Krieg in Sicilien anzündete. Denn als der Bithynische König Nicomedes sich von Zuschickung der verlangten Hülffs-Völcker damit entschuldigte: daß die Römischen Zöllner gar zu viel Leute in Dienstbarkeit verschlept hätten; befahl der Römische Rath: daß im gantzen Römischen Gebiete alle frey gebohrne Leute derer mit ihnen verbundener Völcker loßgelassen werden solten. Als nun einige Knechte frey gegeben wurden / empörten sich die andern; wehlten den Salvius und Athenio zu Königen / bauten zu Triocola einen Königlichen Sitz; und machten ihrer mehr als dreissig oder vierzig tausend den Römern / und denen ihnen unter dem Fürsten Gomon aus Mauritanien zukommenden Hülffs-Völckern genug zu schaffen. Denn ob wohl Lucullus ihrer zwantzig tausend erschlug; liessen sie doch weder Muth noch Waffen sincken. Hispanien musten die Römer fast gar vergessen / und den Gehorsam gleichsam in die Willkühr selbiger Völcker stellen. Wiewohl Piso nun in Macedonien gegen die Deutschen und Thracier glücklich fochte; und ihnen biß über Rhodope nachsetzte; Marius auch mit zweyen Heeren unter den Alpen stand; so wagte er sich doch auch im dritten Jahre seines Bürgermeister-Amtes nicht die Cimbern anzugreiffen; sondern vergnügte sich als mit einem auskommentlichen Gewinne: daß sie ihn und Italien unangetastet liessen. Zu dessen Merckmahle er auch itzt allererst seinen eisernen Ring vom Finger nahm / und einen güldenen ansteckte. Nach dem Bojorich und Teutobach nun inzwischen ein- und andere Hindernisse aus dem Wege geräumt / und etliche Pässe wohl besetzt hatten; zohen sie auffs neue den Alpen zu; Teutobach zwar an dem Meere gegen Ligurien; Bojorich aber mehr Nordwerts. Auff dessen von den Maßiliern schleunigst gethane Nachricht ward Marius zum vierdten mahl / und neben ihm Luctatius Catulus Bürgermeister. Beyde führten zwey mächtige Heere und fast aller bekandten Völcker Hülffen mit sich; und war die Abrede: daß Catulus die Alpen bewahren / Marius aber selbst in Gallien die Deutschen angreiffen solte. Dieser musterte in seinem Heere alle andere zu Kriegs-Zeichen gebrauchte Thiere aus / und behielt alleine die Adler. Die Nacht für dem Abzuge träumte dem Marius: wie ihm die Göttin der Siege auff dem Berge Vesulus einen Lorber-Krantz reichte; iedoch hätte er ihr vorher sein Hertz auffopffern müssen. Diesen Traum eröffnete er alsbald einer Syrischen Wahrsagerin Martha; welche er auff einer köstlichen Sänffte allenthalben hin mit sich führte; und nach ihrem Rathe seinen Gottesdienst und anderes Fürnehmen einrichtete. Diese versprach ihm den Sieg wider die Deutschen / wenn er seine einige Tochter Calphurnia / [908] welche sein anderes Hertz wäre / aufopferte. Marius entschloß sich alsofort sein Blut zum Lösegeld für sein Vaterland hinzugeben; nahm also wider der Römer Gewohnheit zu aller Verwunderung Calphurnien mit sich zu Felde. Wie er nun unter die Meer-Alpen kam / ließ er sein Heer übergehen / er aber stieg nebst Calphurnien / der Martha / einem Priester / und wenigen edlen Römern auf die Spitze des Berges Vesulus; richtete daselbst von zusammen gelesenen Steinen einen Altar auf / liest selbtes dem siegenden Jupiter weihen. Hierauf deutete er seiner sich ehe des Himmelfalls versehenden Tochter an: daß sie das für ihr Vaterland auf dieses Altar besti&te Opfer wäre; also solte sie sich nicht mit vergebenen Thränen bemühen; seinen so wenig als des Verhängnüsses unerbittlichen Schluß zu hinterziehen / noch den Zorn der Götter auf sich zu laden; sondern vielmehr durch hertzhafte Gedult sich als eine nicht mißgerathene Tochter des Marius bezeugen. Calphurnia fiel dem Vater zu Fusse / umbarmte seine Knie /küßte seine Hand / und erklärte sich den Streich des Priesters mit unverwendeten Augen / und unverzagtem Hertzen zu erwarten; weil ihr kein grösseres Glück begegnen könte; als daß sie ein den Göttern gefälliges Opfer / ein Lösegeld ihres Vaterlandes; ihre Handvoll Blut aber ein Brunn seyn solte: aus welchem ein gantzes rothes Meer / welches aus so viel rauer Völcker Adern abströmẽ würde / seyn solte. Marius küßte sie hierauf; und befahl dem hierüber erstaunenden Priester sein Ampt zu verrichten. Ob er nun zwar anfangs bey sich anstand ein so grimmiges Menschen-Opfer zu vollziehen; sagte doch Martha: Es wäre der Wille der Götter; und Marius gab ihm einen so nachdrücklichen Blick: daß er mehr aus Furcht als Andacht das Schlacht-Messer ergrieff / und der auf das Altar gelegten Calphurnia die Gurgel abschnitt; hernach ihre Brust eröffnete / und die Eingeweide alle gut befand; woraus Martha ihre vorige Wahrsagung nochmals bekräfftigte. Der entseelte Leib / (dessen ausgeschnittenes und eingebalsamtes Hertze der Priester nach Rom führte / und dem Tarentinischen Sieges-Bilde in einer güldenen Schachtel wiedmete /) ward aus dem Brunnen des daselbst entspringenden Po abgewaschen / auf einen inzwischen aufgerichteten / und mit allerhand Arabischem Rauchwercke angefüllten Holtz-Stoß geleget und verbrennet. Der hierüber mehr als der eigene Vater bestürtzte Priester meynte sein grausames Opfer durch ein Gedächtnüß-Mal zu entschuldigen; kratzte also in dem an statt eines Altars gebrauchten Stein-Fels der die Iphigenia weit beschämenden Calphurnia zu Ehren diese Grab-Schrifft ein:


Liegt hier Calphurnia des Marius sein Kind?

Nein. Denn er selber schnitt ihr ja die Gurgel ab /

Als er zum Schlachten sie dem Priester übergab.

Kein Vater aber ist / der Todes-Netze spinnt /

Auf eignes Fleisch und Blut. Jedennoch aber rinnt

Aus seinen Augen Saltz der Thränen auf ihr Grab.

Diß ist der Eltern Sold. Wer aber wil ein Stab

Des Vaterlandes seyn; schlägt Kinder-Blut in Wind.


Diß opfert Marius als seiner Liebe Pfand

Für das gemeine Heil mit seiner eignen Hand

Der ewigen Stadt Rom. Die Tochter aber rennt

Den Preiß ihm ab / wenn sie so willig sich verbrennt /

Und zeugt: Ihr Vater sey zwar durch so harte That

Ein Sohn; doch sie als Kind die Mutter ihrer Stadt.


Hierauf eilte Marius seinem theils auf der See /theils zu Lande voran gegangenem Heere nach. Und weil die Deutschen ins gesa&t sich weit gegen Mitternacht gewendet hatten / Teutobach durch die Cottischen / Bolus der Helvetier Hertzog durch die Norichischen / Bojorich durch die Vindelicher Alpen einzubrechen / und an dem ihm schon bekandten Flusse Athesis herunter zu gehen willens war / kam Marius ohne alle Hindernüß am Strande des Meeres an den Rhodan. Seine erste Sorge war bey noch entferntem Feinde die Krieges-Zucht wieder zu ergäntzen / das durch Müssiggang und Wollüste verzärtelte Volck durch tägliche Arbeitund KriegesUbungen [909] abzuhärten; dem Feinde aber am Rücken die Lebens-Mittel abzuschneiden; und durch angenommene Langsamkeit entweder die wachsamen Deutschen einzuschläfen / oder wenigstens die hitzige Heftigkeit der feurigen Nord-Völcker abzukühlen. Wormit aber seinem Heere nichts gebräche; blieb er an dem Meere stehen umb der Zufuhr zur See zu genüssen; ließ auch / weil der Mund des Rhodans sich mercklich verschlemmet hatte / von dem Tempel der Ephesischen Diana gegen dem Astromelischen See einen zur Schiffart dienlichen Graben aus dem Rhodan in das Meer führen /umb dardurch nicht allein seine mühsame Kriegsleute von den trägen zu unterscheiden / sondern auch ihnen ins gemein mehr Kräfften beyzusetzen. Weil die Deutschen aber sich in ihrem Zuge wenig irre machen liessen / zohe Marius endlich an dem Rhodan hinauf /und verschantzte sich daselbst / wo die Iser hinein fällt. Hierdurch machte er den König Teutobach stutzig; und verursachte: daß er an dem Flusse Varus umbkehrte / in dem Gebiete der Allobroger die Tuguriner und Ambronen mit ihrem Könige Bolus all sich zoh / und sein Läger dem Marius gegen über schlug. Wie sich Marius aber nicht rückte / stellte er etliche mal unter dem Walle des Römischen Lägers sein Heer in Schlacht-Ordnung; und ließ dem Marius sagen: Dafern die Römer das Hertze hätten / den Deutschen das blaue in Augen zu sehen; stünde er dar fertig mit ihnen anzubinden. Marius ließ ihm hingegen zur Antwort wissen: Die Römer lieferten Schlachten / wenn es ihnen / nicht aber dem Feinde anständig wäre. Hierauf forderte König Bolus den Marius zum Zwey-Kampfe aus. Dieser aber versetzte: Wenn et seinem Leben so gram wäre / und es nicht besser anzuwehren wüste / könte er selbtem ohne wenigere Müh durch einen Strick abhelffen. Er wäre ein Feldherr / kein Fechter; meynte nun Bolus mit einem dieser Art sich zu schlagen / wolte er gegen ihn einen schicken / der schon zwantzig andere Fechter erwürgt hätte. Und da ihn Bolus bemeisterte / so denn nachdencken: Ob für die Stadt Rom rathsam wäre / daß ihr Bürgermeister mit einem frechen Jünglinge anbinde. Wie nun die Deutschen hierüber so verwegen wurden: daß sie einzelich unter den Wall des Lagers renneten / und mit spöttischẽ Wortẽ die Römer zum Kampf ausforderten; also murreten diese für Ungedult: daß Marius zwar auf dem Walle ihnẽ die Deutschen und ihre Art zu streiten zeigte / keinen aber aus dem Lager einen Fuß setzen ließ. Sie hielten ihm nicht ohne Vermessenheit ein: daß ein Feldherr durch Verbittung des Angriffs sein Heer selbst verzagt / seinen furchtsamsten Feind aber hertzhaft machte. Alleine Marius / der diese Begierde ihm wohlgefallen ließ / schützte für: Es wäre vortheilhaftiger mit einem vermässenen als furchtsamen Feinde zu thun haben. Eines Feldherren Ampt wäre die Zeit zum Streite erkiesen / der Kriegsleute / nichts minder gehorsam als tapfer zu seyn. Die weise Martha riethe noch nicht zum schlagen; durch welcher Mund die Götter schon selbst ihnen den Weg und die Zeit ihren hochmüthigen Feind zu dämpfen zeigen würden. Ja ungeachtet Marius von Rom Erinnerung zu schlagen kriegte; weil man in Umbria in den Wolcken zwey feurige Heere fechten / und das fremde herab stürtzen gesehen; die Göttin Cybele auch ihrem Priester Bathabates den unzweifelbaren Sieg angekündigt hätte; so ließ er sich doch nichts irren; sondern verleitete die Deutschen durch angestellte Zagheit: daß sie das überaus starck befestigte Läger mit Gewalt stürmeten; aber durch den Hagel der abgestossenen Römischen Pfeile zurück getrieben wurden / und etliche tausend in den Greben ihr Begräbnüß funden. König Teutobach entschloß hierauf den Marius in seinem Neste zu lassen; und in das Hertze Italiens zu dringen; führte also gantzer 6. Tage lang harte unter dem Römischen Lager sein Heer gegen die [910] Alpen zu; welches fort für fort denen Römern zuruffte: Was sie ihren Weibern und Kindern zu Rom von ihnen für Zeitung bringen solte? Marius /welcher keines weges mehr rathsam befand dem Feinde zuzusehen / ließ / als die Deutschen vorbey waren /zwey von der Zauberin Martha abgerichtete Geyer mit messenen Halsbändern des Nachts aus ihrer Verwahrung / welche mit dem Anfange der Sonnen zu grossem Frolocken des Heeres sich über dem Läger herumb schwungen / hernach dem deutschen Heere nachzohen. Marius ließ alsofort die Thore des Lägers öffnen / und frischte sein ausziehendes Heer zur Tapferkeit an; meldende: Sie solten nun ihr bestes thun; nach dem ihnen die Götter durch diese zwey Glücks-Vögel / welche ihm auch schon in Africa etliche Siege angezeigt hätten / den Weg wiesen. Er erreichte noch selbigen Tag den aus eitel Ambronen bestehenden Nachtrab der Deutschen; und erlegte derselben an einem Furthe über tausend. Weil nun der erste Ausschlag entweder Zuversicht oder Furcht gebieret /diente dieser Vortheil den Römern zu einer mercklichen Hülffe künftigen Sieges. Wie das deutsche Heer nun an die Sextischen Wasser und also nahe unter die Alpen kam; über welche König Teutobach sich durchzuarbeiten nicht für rathsam hielt / da das Römische Heer ihm in den Eisen / der Bürgermeister Catulus aber im Wege lag; also muste er daselbst stand halten; und an diesem lustigen Orte sein Läger schagen. Marius hingegen lagerte sich ein gutes Stücke von dem Flusse Canus weg auf ein dürres Feld. Wie nun sein Kriegsvolck über Wasser klagte / wieß er ihnen den von den Deutschen besetzten Strom; meldende: Seyd ihr nicht Männer; dort holet euch Wasser. Wordurch er nicht nur die Krieges-Knechte / sondern so gar den Troß zum Gefechte angewehnete. Hierauf wolten die auf der Römer Seite stehenden Ligurier /denen Marius einhielt: daß der Deutschen Einfall ihr Land am ersten treffen würde / sich für andern sehen lassen; setzten daher mit acht tausend Mann auf zehn tausend Ambronen an; welche ausserhalb des deutschen Lägers an dem Flusse Canus standen / und den Römern das Wasser abschnitten. Aber Hertzog Harald begegnete ihnen mit so tapferer Gegenwehr: daß etliche tausend Ligurier das Wasser-Trincken vergassen / und Blut lassen musten; also / daß Marius seinen Sohn mit einer gantzen Legion denen nothleidenden Liguriern zu Hülffe schicken muste. Da denn endlich nach einem blutigen Treffen / wordurch nicht allein der Fluß angeröthet / sondern auch eine breite Brücke von todten Leichen darüber gemacht ward /sich gegen das deutsche Läger zurück ziehen musten. Wie die Römer sie aber verfolgten / fielen der weichenden Deutschen mit Aexten und Schwerdtern gewaffnete Weiber aus einer Wagenburg mit unglaublichem Geschrey den Römern in Rücken / und tasteten selbte wie rasende Unholdinnen so verzweifelt an: daß nach dem die Deutschen sich aufs neue gegen sie setzten / und ein neues Heer sich aus dem deutschen Lager hervor thät / die Römer wieder über den Strom weichen / und diesen streitbaren Weibern / welche gleichsam ohne Empfindligkeit den Römern in ihre Schwerdter grieffen / und mit blutendẽ Fäustẽ ihnen die Waffen auswunden / viel Krieges-Zeug und Todte hinterlassen musten. Folgende Nacht hielten die Weiber / derer Männer den Tag vorher geblieben waren /rings umb das noch nicht gar verschantzte Römische Läger ein so jämmerliches Mord-Geschrey: daß nicht nur dem Römischen Kriegsvolck die Haare zu Berge stunden / und sie für Schrecken die gantze Nacht nicht ruhen konten / sondern auch Marius / als er fort für fort ein grosses Geräusche der Waffen / und die Barden darzu ihre Heldenlieder / (welche sie sonst für den Schlachten zu singen pflegen) mit untermischen hörte / selbst in Sorge stand: es würde sein noch schlecht verwahrtes Läger gestürmt werden. Zu seinem Glück aber fiel bey den [911] Deutschen ein Feyertag der Göttin Hertha ein; den sie in ihrem Läger ruhig ausser mit dem erzehlten Gethöne begingen. Bey dieser Gelegenheit; und weil dem Marius aus dem Narbonischen Gallien sechs tausend Marsen zu Hülffe kamen / ließ er den Marcus Claudius Marcellus mit der Helffte der Marsen / drey tausend auserlesenen auf deutsche Art gekleideten Römern / nebst einer grossen Menge gewaffneten Trosses eine püschichte Höhe Seitenwerts gegen das deutsche Läger einnehmen; mit Befehl: daß er bey der nunmehr entschlossenen Schlacht trachten solte dem Feinde in Rücken zu kommen. Auf den Morgen führten beyde Theile ihre Kriegsheere aus dem Läger. Die Deutschen aber waren so hitzig: daß sie die Römer in der zur Schlacht bequemen Fläche nicht erwarten wolten; sondern den von einem Berge abkommenden Feind bergaufwerts fechtende angrieffen. Wiewohl nun die Beschaffenheit des Ortes den Römern sehr vortheilhaftig / den Deutschen nachtheilig war; so standen sie doch wie Felsen; und fochten drey Stunden lang / ehe sie die Römer auf die Fläche kommen liessen. Beyderseits Kriegs-Häupter thäten nicht allein das äuserste / und ergäntzten mit ihrer klugen Anstalt alle Lücken; ja auch die im Hinterhalt stehenden Weiber kamen ihren Männern mit Zuruff und eigner Tapferkeit zu Hülffe /wo sie irgends Noth leiden wolten. Als aber Marcellus den Deutschen mit seinen verkleideten Römern und Marsen in Rücken fiel; wurden sie überaus verwirret; in dem sie nicht wusten: durch was für Verrätherey ihnen ihre Landsleute zu Feinden worden / oder / ob sie ihnen vom Himmel auf den Hals gefallen wären. Die Tugenen lidten hierbey unter dem Könige Bolus die gröste Noth; und begonte der lincke Flügel in nicht geringe Unordnung zu kommen. Aber König Teutobach / welcher nebst seinen drey hundert zur Leibwache habenden Riesen über alle andere Streitenden mit dem Kopfe fürragte / drang dahin / rennte den Marcellus selbst zu Bodem / und brachte die Seinigen / welche endlich die Römische Verkleidung wahrnahmen / wieder zu Stande. Inzwischen aber hatte Marius im rechten Flügel wider den Hertzog Harald einen mächtigen Einbruch gethan; also: daß Teutobach dort abermals fürbeugen muste. Wiewohl nun die Deutschen / insonderheit welche fingernackt fochten / die ungewohnte Hitze selbigen Tages mehr als die Waffen der Feinde abmattete / zum Theil kaum mehr lechsen konten / ja für Schweiß und Staube kaum mehr Menschen ähnlich waren; hielten sie doch biß zur Sonnen Untergange aus. Da denn Teutobach / sonderlich als König Bolus heftig verwundet / Fürst Harald aber getödtet ward / den Seinigen ins Läger zu weichen ein Zeichen gab. Marius blieb zwar zum Zeichen des Sieges etliche Stunden auf der Wallstatt stehen; hernach aber führte er das gröste Theil seines Volckes ins Läger / und ließ alle aufs beste sich erfrischen. Mit etlichen einander ablösenden Hauffen aber machte er durch vieles Geräusche und Geschrey die gantze Nacht Lermen; also: daß die im Läger stehenden und einen Sturm besorgenden Deutschen durch stetes Wachen vollends abgemattet wurden. Dessen ungeachtet führte König Teutobach / als er bey angehendem Tage die Römer sich wieder zu einer neuen Schlacht stellen sahe / und über diß die Lebens-Mittel gebrechen wolten / sein Heer aus dem Lager. Es ist über menschlichen Glauben: mit was für Heftigkeit die Deutschen allhier für ihr Leben und Freyheit / die Römer für den ihnen eingebildeten Sieg gefochten. Die Krieggs-Schaaren stiessen an einander wie Felsen; und gleichwohl hatte biß an den hohen Mittag kein Theil dem andern einigen Vortheil / oder nur einen Fuß breit Erde abgewonnen. Insonderheit aber trat und schlug König Teutobach mit seiner Riesen-Wache alles was ihm begegnete / zu Bodem; und es blieben diesen [912] halben Tag etliche dreissig Römer von des Teutobachs eigener Faust. Am Mittage aber kam die Sonne den Römern abermals zu Hülffe; und die grosse Hitze /derer die Nord-Völcker nicht gewohnet / stritt mit grossem Vortheil wider die Deutschen; derer Leiber im Schweiß gleichsam wie der Schnee zerschmoltzẽ. Daher fing ihr lincker Flügel / gegen welchen Marius die Seinigen mit blossem Degen antrieb / zu wancken. Alleine die ihm zu Hülffe kommenden deutschen Weiber brachten ihn wieder zu Stande; welche die Fürstin Landgertha als eine ergri&te Löwin anführte /einem Römischen Hauptmanne zu erst die Hand mit sa&t dem Degen abhieb / und die Kräffte ihres Geschlechtes übersteigende Helden-Thaten ausübte; also: daß die Schlacht noch wohl eine gute Stunde auf gleicher Wage lag; biß der junge Marius / den hernach der König in Numidien Hiempsal bey sich in so grossem Werth hielt / Landgerthen einen verwegenen Stoß beybrachte; worvon sie ihre edle Seele mit dem Blute ausströmete; aber mit dieser Helden-Dinte auch in den verweßlichen Staub ihren unsterblichen Nahmen aufzeichnete. Der Deutschen Hertzeleid über dieser Fürstin Tode war so heftig: daß sie an statt der Rache in Kleinmuth verfielen. Denn gemeiner Schmertz ist ein Wetz-Stein / übermässiger aber ein Feind der Tugend. Also begonte der lincke Flügel aufs neue zu weichen. Und weil König Teutobach /der bereit aufs sechste Pferd kommen war / bey dem rechten mehr als zu viel gegen den eingebrochenen Marcellus zu thun hatte / war ihm unmöglich dem lincken zu Hülffe zu kommen. Wie aber auch in der Mitten die Schlacht-Ordnung brechen wolte / entschloß er sich durch eine verzweifelte Erkühnung der Gefahr zu rathen; ermahnte also seine Riesen / und zwey hundert umb ihn streitende Edelleute: sie solten ihm behertzt folgen; und hiermit drang er wie ein Blitz der Römischen Haupt-Fahne zu. Alles was sich widersetzte /ward zu Bodem getreten / oder erlegt; und brachte es der nunmehr gleichsam wütende Teutobach so weit: daß ein Alemannischer Ritter Fürstenberg den Römischen Haupt-Adler dem Fähnriche aus den Händen rieß / ihn zerbrach und zu Bodem warff. Wie grosse Verbitterung dieser Schimpf bey den Römern erweckte; also ließ Marius nur ein Theil gegen den schon gantz zertrenneten lincken Flügel der Deutschen fechten; er aber kam mit dem noch frischesten Volcke auf einer / und Cneus Domitius auf der andern Seite mit einer ausgeruheten und zum Hinterhalte gelassenen Legion gegen den Teutobach an; welcher gleichwohl mit seinem Adel und Riesen wie ein Fels gegen die heftigsten Wellen aushielt. Endlich aber / nach dem auch der härteste Marmel-Stein durch weiche Regen-Tropfen abgenützet wird; muste er einen neuen Schluß fassen / sich gegen sein Heer durchzuschlagen; welches beyderseits viel Blut / und den König Teutobach abermals drey Pferde und wohl die Helfte seiner Leibwache kostete. Gleichwohl erreichte er sein nunmehr aller Orten weichendes Heer; welchem er so viel möglich Anleitung gab: gegen Mitternacht in das Gebürge sich zu ziehen / umb von dar über den Strom Druentia in das Vulgentische Gebiete zu entkommen. Wormit er auch den Seinen so viel mehr Lufft machte; both er in dem nechsten Forste den Römern bey schon spätem Abende noch einmal die Spitze; und die Liebe seines Volckes war bey ihm so groß: daß er sich als ihre Schutz-Säule hier lieber wolte zermalmen / als ihre Beschirmung fahren lassen. Daher er biß umb Mitternacht an einem Furthe Stand hielt; endlich aber umbringet / übermannet /und alle bey ihm stehende erschlagen wurden. Er selbst ward so verwundet: daß er biß auf den Morgen unter den Todten lag; welchen aber Marius so denn aufheben / bey verspürtem Athemholen erfrischen /und die Wunden zu grossem Vergnügen dieses großmüthigen Königes heilen ließ; dem sein Leben ein[913] täglicher Tod war; weil selbtes nicht mehr zum Theil seines Volckes / sondern zum Schauspiele seiner Feinde dienen solte. Gleichwohl halff seine Tapferkeit so viel: daß über zwantzig tausend Teutoner und Ambroner über den Fluß Druentia entkamen / und sich mit denen zu Besetzung des Allobrogischen Gebürges gelassenen Tugurinern stiessen; also: daß ungeachtet der Deutschen beyde Tage sechzig tausend blieben /auch zwantzig tausend gefangen wurden / (welche wahrhafte Zahl aber die Römer etliche mal vergrössern) Marius sie zu verfolgen Bedencken trug; vorwendende: Es wäre Ehre genung: daß der Kern der Deutschen erlegt wäre; die übrigen die Flucht im Hertzen und die Wunden auf dem Rücken mit sich führten. Sintemal jene ihr Leben nicht umbsonst verkaufft / und die Römer gleichfalls über viertzig tausend verlohren / Marius / und alle Kriegs-Obersten genungsame Wunden an sich zu verbinden hatten; der Römische Rath auch auf des Quintus Metellus Einrathen den Verlust so vieler Bürger durch ein den Ehstand aufnöthigendes Gesetze zu ersetzen schlüssen muste. Marius ließ von den feindlichen Leichen und Waffen zwey grosse Berge zusammen tragen / auf einen Holtz-Stoß zwölff der schönsten deutschen Jungfrauen setzen / und im Angesichte des gantzen mit Lorbern bekräntzten Heeres von dem Priester zum Gedächtnüsse seiner geopferten Calphurnia lebendig verbrennen. In welche Flamme sich noch viel andere deutsche Frauen freywillig stürtzten; die in der Schlacht gefangen worden waren; umb mit der Keuschheit auch ihre Freyheit durch den Tod zu erkauffen. Den Bergvoll Leichen aber verschleppten die Massilier; brauchten der Deutschen Fleisch und Blut zu Tingung der Aecker / ihre Gebeine aber zu Umbzäunung der Wein-Berge. Marius ward dieses Sieges halber / wordurch gleichsam schon auch die Cimbern und Helvetier überwunden zu seyn schienen / mit unzehlbaren Glückwüntschen überschüttet; zu Rom abwesende das fünfte mal zum Bürgermeister erwehlet / und zu seinem Siegs-Gepränge ungemeine Anstalt gemacht.

Alleine diese Freude und Siegs-Gepränge verstörte bald darauf der Ruff von König Bojorichs Anzuge. Quintus Catulus hatte zwar alle Pässe des Tridentinischen Gebürges besetzt und verschanzt. Bojorich aber / nach dem er sich mit dem Hertzoge der Angeln Cesorich / dem Longobardischen Hertzoge Claudicus /und der Variner Fürsten Lucius verstärckt / arbeitete sich mitten im Winter durch Schnee und Eiß über den höchsten Gipfel der Tridentinischen Alpen zu aller Menschen Verwunderung durch; ob wohl die Cimbern wegen der abschüssigen und von dem Eise Spiegel-glatten Berge mehrmals sich herunter kugeln /oder auf ihren grossen Schilden wie auf Schlitten herunter rennen musten. Quintus Lutatius Catulus entsetzte sich über diesem Einbruche eines gleichsam über die Berge geflogenen Feindes derogestalt: daß er über Hals und Kopf biß nach Verruca zurücke wiech /und sich auf einem Berge verschantzte. Aber die Furcht trieb ihn / ehe er einen Deutschen zu Gesichte bekam / bey nur verlautendem Anzuge biß über den Fluß Athesis nach Verona / allwo sie das Ufer dieses Flusses als eine rechte Festung mit einem Walle belegten. Dessen ungeachtet hielt König Bojorich zu grossem Schrecken des Feindes / ihn / wo er am sichersten zu seyn meynte / anzugreiffen. Daher laß er die grösten Kriegs-Knechte aus seinem Läger zusammen / ließ selbte in den Fluß waten / mit Befehl die Gewalt des Stromes denen unterhalb fechtenden Deutschen aufzuhalten. Welch Beginnen zu Rom ein Geschrey machte: Die Cimbern wären so thu&kühn; daß die Flüsse mit ihren Schwerdtern wie Xerxes das Meer mit Ruthen schlügen; und gleich als wenn auch das Wasser eine Fühle hätte / solchen zu verwunden meynten. Da doch nach ihrer Erfindung Pompejus hernach sein Heer durch den Fluß Cyrus / Käyser Julius sein Volck durch den Rubico führte. Als diß aber wegen Heftigkeit des von dem zergangenen [914] Schnee angelauffenen Flusses nicht anging; ließ er eine Menge Bäume abhauen / ober mit sa&t den Wurtzeln ausreissen / und ungeachtet der feindlichen Pfeile quer über den Strom einwerffẽ; oder sie von oberhalb herunter schwemmen; die sich hernach an den untersten Quer-Bäumen hemmeten; und also sonder fernere Müh den Deutschen eine feste Sturmbrücke baute. Als nun die Römer sich die Deutschen zum Sturm fertig machen sahen / geriethẽ sie in ein solches Schrecken: daß Catulus weder mit Worten noch mit blossem Degen sie von der Flucht zurücke halten konte; gleich als ob ihnen aus dem Siege kein Ruhm / aus der Flucht kein Laster zuwüchse. Wie nun ben dẽ Römern kein haltẽ mehr war; ließ Catulus selbst den Adler aushebẽ; rennten darmit spornstreichs voran; umb die Schmach lieber auf sich / als auf das Römische Heer zu ziehen; wormit diß mehr ihrem Feldherrn zu folgen / als für dem Feinde zu fliehen scheinen solte. Wie denn auch die Zagheit der Flüchtigen eine gantze ihnen zu Hülffe eilende Legion eilends mit zurück über den Fluß Mincius und Clusius biß nach Badriacum rieß. Ja ein Theil setzte bey Hostilia gar über den Po / und kam biß an Rom an; also: daß Marcus Scaurus seinem auch entflohenen Sohne sein Antlitz verbieten; und daß er seinen Gebeinen mit Freuden entkommẽ wolte / ankündigen ließ; hierdurch auch denselben dahin brachte: daß er sein Schwerdt hertzhafter wider sich selbst als den Feind gebrauchte. Nichts desto weniger blieb die fünfte Legion mit zwey tausend Balearischen Schützen unter dem Didius zu Beschirmung des Ufers unverrückt stehen; aber die Menge und Tapferkeit der Deutschẽ übermañeten sie in weniger Zeit; und wurdẽ 8000. Römer und Hülffs-Völcker gefangẽ. Die andere absonderlich verschantzte Legion aber brachte Cneus Petrejus ein Hauptmann / wiewohl nicht ohne grosse Verwegenheit und Verlust davon; indem er den sich durch einen Ausfall zu retten weigernden Obersten eigenhändig erstach / sich durchs Cimbrische Läger des Nachts durchschlug / und deshalben von dem Kriegs-Volcke mit einem Belägerungs-Krantze beschenckt ward. König Bojorich aber hatte an ihrer hertzhaften Gegenwehr ein solches Gefallen: daß ob wohl bey den Römern und den meisten Völckern kein Gesetze der Gefangenen schonen / noch ihre Straffen auf gewisse Art einschräncken heist / er alle ohne Entgeld frey ließ /nach dem sie vorher nach der Cimbrer Gewohnheit über einen ertztenen Ochsen geschworen hatten: daß sie ihre Lebetage wider die Deutschen keinen Degen zücken wolten. Bojorich verfolgte hierauf den Catulus / welcher inzwischen über den Fluß Mela / Humantia und Addua gediegen war / mit einer so unglaublichen Geschwindigkeit: daß die Deutschen in einem Tage mit dem Catulus über diesen letzten Strom kamen. Dieser sahe hierdurch nicht ohne Bekümmernüß ihm den fürgenommenen Weg zu den Insubriern abgeschnitten; über den Po aber zu setzen und den Feind ihm in das Hertz Italiens nachzuziehen hielt er nicht für rathsam. Sintemal Rom sicherlich dißmal nicht in viel geringere Gefahr / als zur Zeit des Brennus verfallen seyn würde: wenn König Bojorich nicht des Deutschen Nachzugs ohne Noth erwartet / sein vorhin unter freyem Himmel zu schlafen / rohes Fleisch zu essen / in Flüsse Schweiß und Staub abzuwaschen gewohntes Kriegsvolck nicht in dem fruchtbaren Gebiete der Veneter durch die weichen Lager-Städte / wohlrüchende Zimmer / niedliche Speisen / warmen Bäder die vorhin unversehrlichen Kräffte eingebüsset; sondern den flüchtigen Catulus hätte seyn lassen / und geraden Weges auf Rom zugerückt wäre. Wie aber Bojorich dem Catulus allzu geschwind über den Hals kam / zwang ihn die Noth mit dem gantzen Heere wieder über den Strom Addua zurücken; allwo Hertzog Lucius nur noch mit 10000. Mann stand. Beyde stellten sich auch wohl / als wenn sie daselbst auf einem Berge ihr Lager befestigen wolten; liessen aber weder absatteln / noch das [915] Kriegs-Geräthe absacken. Wie nun Bojorich hierdurch verführet ward / und folgenden Tages sein Heer gleichfalls zurücke gehen ließ / ging Catulus des Nachts in aller Stille über des Aureolus Brücke / und kam nach Mogruntiacum an den Fluß Lamber; ehe die müden Deutschen des Aufbruchs inne wurden. Bejorich ward hierüber unwillig: daß der Feind nirgends stand halten wolte; ließ also den Hertzog Cesorich und Claudicus selbten verfolgen; er aber schlug oberhalb Placentz eine Brücke über den Po / und streiffte biß an das Apenninische Gebürge gegen Hetrurien; ja der Sicambrische Fürst Merodach kam biß unter die Stadt-Mauer zu Ravenna. Also verfiel dieser sonst kluge Fürst durch einen geheimen Trieb des Verhängnisses in die Fehler des Annibals; welcher hernach zu langsam beklagt: daß er nach der Cannischen Schlacht nicht Rom gestürmt hatte.

Allein es überfällt zuweilen auch die wachsamsten Kriegs-Helden nach einem grossen Wercke eine Schlafsucht / wie das Meer nach heftigem Sturme eine Windstille. Entweder / weil sie die Geschwindigkeit für eine Ubereilung der Unvorsichtigen; die Langsamkeit aber für eine Schwester der Klugheit / und eine Gefertin der Glückseligkeit haltẽ; oder: weil sie die überstandene Gefahr und die noch übrigẽ Schwerigkeiten durchs Vergrösserüngs- ihr Vermögen durchs Verkleinerungs-Glaß ansehen; und den Sieg mehr für einen Zuwurff des Glückes; als desselbtẽ Ausmachung für ein mögliches Werck ihrer Tugend haltẽ; und am füglichstẽ denen Vögeln zu vergleichẽ sind: welche wol Eyer legẽ / aber sie nicht ausbrütten. Nach welcher Art auch der Atheniensische Feldherr Nicias in Sicilien / und der Spartaner Brasidas durch seine Langsamkeit den Sieg aus den Händen verspielte /und sein Thun eine unzeitige Frucht bleiben; hingegen aber Käyser Julius nichts unausgemacht ließ. Gleich als wenn nichts gethan wäre / wenn noch was zu thun übrig bliebe. Also war auch Hermocrates mit seinem Vaterlande nicht vergnügt: daß die von Athen die Belägerung der Stadt Syracusa aufheben musten; sondern er ließ nicht nach / biß er sie aus gantz Sicilien verjagt / und dem gantzen Kriege ein Loch gemacht hatte. Wie nun der einmal ins stecken kommende Fortgang der Waffen den Siegenden selbst den Glauben ihrer Oberhand zweifelhaft; den Feinden aber Lufft / und den Furchtsamsten ein Hertze macht; also kam auch das über Bojorichs Einbruche bebende Rom / als die Cimbern nicht gleich den Apennin überstiegen / wieder zu sich; und zu dieser heilsamen Entschlüssung: daß sie den Marius sein Sieges-Gepränge verschieben / und mit einem mächtigen Heere sich gegen den Bojorich aufmachen liessen; von dem ihm im Mogellischen Thale eine Gesandschafft begegnete / welche den Römern gegen Einräumung eines auskommentlichen Erdreichs für sein und König Teutobachs Volck Frieden antrug. Marius lächelte über dem Vortrage der Deutschen; und antwortete ihnen: Die Römer hättẽ für sie nichts übrig; für den Teutobach und ihre Brüder aber möchten sie ausser Sorgen stehen. Denn diese hätten schon Erde genung; würden selbte auch immer behalten. Wie er nun zugleich den Teutobach und etliche andere gefangene Fürsten ins Zelt führen ließ; erstauneten die von solcher Niederlage nichts wissenden Gesandten so sehr: daß sie ohne fernere Wortwechselung zurück ins Läger kehrten / und dem Könige Bojorich hiervon die traurige Zeitung brachten. Bojorich schäumte hierüber für Zorne; frischte sein Kriegsheer zu gerechter Rache ihrer erwürgten Brüder auf; rückte dem Marius / welcher nun über das Apenninische Gebürge kommen war / entgegen / und forderte ihn zur Schlacht aus; mit der Andeutung: Es wäre der Deutschẽ Art / ohne Verzug umb die Oberhand zu kämpfen; nicht aber zum Vortheil der Kriegs-Obersten / zum Verterb des unschuldigen Landmannes den Krieg zu schleppen / die gemeinen Schatz-Kammern zu erschöpfen / und so denn allererst / wenn beyde Theile mit ihrer Grausamkeit [916] müde / die Länder aber Wüsteneyen worden /einen kläglichen Frieden zu machen. Aber Marius hatte für / die hurtigen Deutschen müde / und seine Hitze durch Verzug laulicht zu machen; wie auch den Feind wieder über den Po zu locken / und des Catulus Heer an sich zu ziehen; ungeachtet den Ehrsüchtigen Marius nicht wenig biß: daß der von ihm sich zum Catulus schlagende Sulla etliche aus den Alpen einfallende Völcker glücklich schlug / und des Catulus Heer mit so auskommentlichen Lebensmitteln versorgte / welche auch dem nothleidenden Marius aushelffen konten. Sintemal Ehrgeitz fremde Wolthat als einen Vorruck seiner Dürfftigkeit hasset; und daher sie mit mehrer Gramschafft / als Rache die Beleidigung verfolget. Dem Bojorich ließ er auf seine Forderung entbieten: Es wäre der Römer Brauch nicht sich feindlichen Rathes zu bedienen; sondern er würde nach seinem Gutbedüncken schlagen. Hiermit lenckte er Nordwestwerts gegen den Po ab; lagerte sich allezeit so vortheilhafftig: daß ihm die Deutschen nicht beykommen konten; gieng bey Dertona über; und weil er sich stellte: als wolte er den Cesorich und Claudicus zwischen beyde Römische Heer einschlüssen; folgte ihm Bojorich über den Po; und nachdem beyde Römische und beyde deutsche Heere zusammen gestossen waren / both Bojorich noch einmahl dem Marius den Kampff an; welches er auff den dritten Tag /und zwar auff dem grossen Raudischen Felde zwischen den Bächen Novaria und Seßites nicht ferne von Vercell beliebte. Weil er aber folgenden Tag Wind- und neblicht befand; ließ er in aller Eil das Römische Heer sich erqvicken / zur Schlacht sich anschicken / und mit anbrechendem Tage auff das bestimmte Feld rücken; allwo er sein Heer Sudostwerts in Schlacht-Ordnung stellte; also: daß wenn die Sonne den Nebel unterdrücken würde / selbte den Deutschen recht ins Gesichte schiene / und sie zugleich der Wiederschein von den gläntzenden Schilden blendete / ja der Wind ihnen auch den Staub unter die Augen wehete. Hierauf ließ er dem Streitbegierigen Bojorich wissen: Er wartete sein auff dem bestimmten Felde; also verlangte er zu vernehmen: ob er so tapffer fechten als großsprechen könte? Die Deutschen / ob sie wohl weder ihrer Pferde recht gepflegt hatten / hielten für ärgsten Schimpff auf solche Ausfoderung sich nicht zu stellen; sonderlich: da der bey ihnen als ein Gallischer Uberläuffer sich einfindende Qvintus Sertorius sie hierzu verleitete / und dem Marius alle ausgefischte Anschläge der Deutschen verkundschafftete. Daher führten sie über einen beschwerlichen Berg ihr Heer dahin. Ehe nun Bojorich seine Schlacht-Ordnung reckt gemacht hatte; stiessen die Deutschen schon bey dem dicken Nebel auff die wider ihre Einbildung nahen Römer; allwo Marius den rechten / Sylla den lincken Flügel führte; Catulus mit seinem Volcke in der Mitten / iedoch mercklich zurücke stand. Denn Marius hatte mit Fleiß die Schlacht-Ordnung so sehr eingebogen / und die aus seinen Legionen bestehenden Flügel so weit herfür gerückt; weil er entweder diesen wegen schon wider den Teutobach befochtenen Sieges mehr trauete; oder weil er den Ruhm der Uberwindung ihm und den seinigen allein zuziehen wolte. Sintemahl diese Auslegung des Marius Ehrsucht / jene seine Kriegs-Erfahrung an Tag giebt. Wie denn seine Anstalt bald anfangs machte: daß Hertzog Claudicus eine gute Zeit die erste Hitze der Römer allein aushalten muste / biß das völlige Deutsche Heer überkam / und in richtige Ordnung gebracht ward. Bojorich kam gegen den Marius / Cesorich gegen den Sylla / Hertzog Lucius und Claudicus gegen den Catulus und Marcellus zu fechten. Bojorichs Helm hatte nur einen / sein Schild drey Löwen; Cesorichs Helm einen Greiff / sein Schild einen Ochsen-Kopff mit einem eisernen Rincken; des Claudicus Helm einen Drachen / der [917] Schild ein auffgelehntes Pferd; des Lucius Helm einen weissen Adler / der Schild einen Goldgekrönten Löwen mit einem güldenen Halsbande auff sich / die Ritters-Leute auch ins gesamt hatten sich mit Löwen-Bär- Luchs- und Wolffs-Häuten umhangen / und ihre geflügelten Helme mit grimmiger Thiere Rachen außgeputzt; die Leiber mit Panzern / die lincken Armen mit weiß-gläntzenden Schilden / die Hände mit Lantzen / grossen Schwerdtern / und zweyfach hauenden Aexten ausgerüstet. Das deutsche Fußvolck war drey tausend sieben hundert und funffzig Schritte breit / und zwar viereckicht gestellt. Die Helffte der in funffzehn tausend Mann bestehenden Reuterey / welche bey denen Römern in höchstem Ansehen war / und derselben zum Gedächtniße auch nach erlangtem Siege die Stadt Eporedia erbauet ward / führte Bojorich höchst klüglich nicht gerade auf die Stirne der Römer / sondern rechtwerts / die andere Helffte Cesorich linckwerts ab; um das Römische Heer gleichsam zu umschlüssen /und in die Mitte zu bekommen. Der schlaue Marius aber merckte bald diese Kriegs-List; daher ruffte er den gerade vorwärts dringenden zu: der Feind fliehe; sie solten ihm also auff der Fersen folgen. Besser aber glückte es dem Cesorich; welcher den Sylla zwischen sich / und das deutsche Fußvolck bekam; und so hefftig zusetzte: daß wenn ihm nicht die Numidische Reuterey mit zwölff Elefanten zu Hülffe kommen wäre; welche in der deutschen Reuterey nicht wenige Unordnung verursachten; wäre das Spiel zweiffelsfrey gantz verkehrt ausgeschlagen. Deñ ob wohl der verschmitzte Bojorich aus zusammengeneheten Ochsenhäuten derogleichen ungeheure Thiere hatte nachbilden / selbige durch darunter versteckte Kamele bewegen / und durch ihre Führer gegen die Reuterey anführen lassen / wormit die Pferde ihrer gewohnten; so übertraff doch diese Warheit jene Nachaffung; und insonderheit war der starcke Geruch der Elefanten den Pferden zu wider / und machten sie unbändig. Gleichwohl meinten diesem Ubel zwey Brüder und deutsche Ritter zu begegnen; welche von ihren Voreltern schon wegen einer tapffern Hülffs-leistung den Nahmen Helffenstein überkommen / und in dem Jugurthischen Kriege gedienet hatten. Diese sprangen bey dieser Gefahr von Pferden / ergriffen zwey daselbst ungefähr liegende Wipffel von abgehauenen Baumen / bländeten damit die ersten zwey Elephanten / und hieb der ältere dem einen die Schnautze ab; also: daß er alsofort umkehrte / unter den Römern selbst Trennung machte. Der jüngere Helffenstein stach dem andern sein Schwerd unter dem Schwantze biß ans Hefft hinein: daß er mit seinem Thurme über einen Hauffen stürtzte. Dieser Beyspiele folgten zwey Norichische Ritter Dietrichstein und Wagensberg; welche mit vorwerts / nach Art der Wein-Messer oder Sicheln gekrümmten Degen oder halben Sicheln zwey andern Elefanten die Schnautzen abhackten; derer einer aber von dem ergrimmten Thiere zertreten ward. Hierüber /und nachdem etliche Elefanten-Leiter mit Pfeilen erlegt wurden / kamen diese Thiere in Verwirrung / die deutsche Reuterey aber wieder in ihre Glieder; das Fußvolck auch beyderseits an einander; also: daß diese zwey / oder vielmehr vier mächtige Heere anfangs ein Rauschen des brausenden Meeres / hernach aber ein Gethöne etlicher hundert Schmieden und Eisen-Hämmer fürbildeten. Zwey Stunden währete die Schlacht: da die streitenden Hauffen für Nebel und Staube einander kaum erkiesen / auch ein Flügel / was in dem andern fürgieng / schwerlich erfahren konten. Hernach aber drückte die Sonne zu grossem Vortheil der Römer den Nebel gleichsam in einem Augenblicke unter sich / und eröffnete beyden Völckern ein jämmerliches Schauspiel; weil ihnen beyderseits soviel tausend blutige Leichen von Menschen und Thieren[918] ins Gesichte fiel; und also die Rachgier in ihren ohne diß verbitterten Gemüthern vergrösserte. Bojorich unterließ nichts / was ein kluger Feldherr / und ein hertzhaffter Held ausüben kan; und Marius bezeigte sich als ein Wunder in der Kriegs-Wissenschafft. Drey Stunden lang blieben beyde Schlacht-Ordnungen noch unverrückt; ungeachtet der Wind mit erregtem Staube / und zugleich die Sonne die Deutschen eine gute Zeit blendete. Denn Bojorich ließ den Hertzog Cesorich wissen: daß er mit dem lincken Flügel und dem mittelsten Heere etwas gegen Westen weichen wolte / um halben Wind und Sonne zu gewinnen. Daher solte er mit dem rechten Flügel feste stehen bleiben; welcher Anschlag auch glückte; und würden die Römer wie die Sonne / welche die der Hitze ungewohnten Cimbern hefftig plagte / den Staub ins Gesichte bekommen haben: wenn nicht der Wind sich /gleich als wenn selbter unter der Botmäßigkeit der Römer / und das Glücke ihr angebohrnes Erbgut wäre / sich abermahls gewendet / und aus Ost so starck zu wüten angehoben hätte: daß die Deutschen fast kein Auge auffthun konten; sondern gleichsam blinde Fechter abgeben musten.

Ob nun wol der Staub der deutschen Helden Augen verdüsterte / versehrte er doch nicht ihre Hertzen. Bojorich durchstach einen Römischen Obersten Lucius Drusus; welchen er wegen seiner güldenen Rüstung für den Marius ansahe / Hertzog Merodach verwundete den Catulus; und der verzweiffelte Fürst Lucius riß einen Römischen Adler zu Bodem; ward aber zu grossem Unglück erstochen. Aber welche Großmüthigkeit mag gegen dem donnernden Verhängnisse bestehen? Welche Riesen-Armen sind dem Winde gewachsen; welcher auch hundertjährige Eichen mit ihren Wurtzeln ausreisset. Wer kan denen Pfeilen fürbeugen / die der Himmel selbst von seinen Bogen abscheust / und uns ins Hertze richtet? Wer wil die Augen des Leibes und des Gemüthes gegen die uns selbst bländende Gottheit auffthun? Daher stürtzte Hertzog Cesorich ohne seine Verwahrlosung mit dem Pferde in einen Graben / und ward gefangen. Sylla erlegte mit eigener Faust seinen Bruder Uffo / einen zwar hertzhafften Fürsten; von welchem aber noch die besten Früchte zu hoffen waren. König Bojorich /welcher ihm vorgesätzt hatte zu sterben / oder den Wind noch einmahl zu gewinnen / drang durch drey Römische Hauffen wie ein Blitz / und erlegte selbigen Tag eigenhändig zwey und dreißig Feinde; aber er ward doch endlich durch eben so viel Wunden erleget. Worbey Marius das Glücke hatte: daß er ihm die letzte / und hiermit auch selbten vom Pferde setzte; welchem aber dieser Römische Feldherr nachrühmte: Bojorich hätte wie ein Löw gefochten / und seine Haut theuer verkaufft. Bey Entfallung dieser drey fürnehmer Häupter musten die von dem dürren Winde / und der unerträglichen Hitze der damahls im Löwen brennenden Sonne fast verschmachtenden und zerschmeltzenden Deutschen nicht so wohl der Tugend der Römer / als dem Winde / der Sonne und dem Verhängniße aus dem Wege treten / und so gut sie konten sich in ihr Läger ziehen. Ein Theil derselben flüchtete sich auch in eine Wagenburg; in welche die Königin Hatta / des Fennischen Königs Tochter / die Fürstin Leutgarde / Kumißa / Adela / und etliche tausend edle Frauen und Jungfrauen ohne die gemeinen sich unter einem rauhen Berge engeschlossen hatten. An diese setzten zwey Römische Legionen mit etlich tausend Balearischen Schützen an; weil Marius in einem Tage dem Cimbrischen Kriege ein Ende machen wolte / sie wurden aber nicht so wohl von der wenigen Mannschafft / als denen behertzten Weibern / und zugleich denen starcken Hunden dreymahl zurück getrieben. Als aber Marius endlich durch Pech / Hartzt und Schwefel die Wagenburg in Brand brachte / und sie sich verlohren sahen; [919] schickte die Königin Hatta an Marius / und erklärte sich: daß / da er ihre Keuschheit zur Entweihung beschirmen; sie auch zu Rom in dem Heiligthume der Vestalischen Jungfrauen bewahren wolte; wären sie erböthig sich zu ergeben / und sich allen Vestalischen Gesetzen zu unterwerffen. Denn das deutsche Frauenzimmer setzte die Freyheit dem Leben / die Keuschheit aber beyden für; welche / wie sie hörten / zu Rom unter dem Nahmen der Vesta göttlich verehret würde. Ohne dieser Verunehrung könte er ihrem an dem Kriege keine Schuld habendem Geschlechte ihre Bitte nicht abschlagen; welches er ohnediß nach überwundenen Männern ohne Schimpff nicht bekriegen könte. Zumal er ohne diß sich nur ihrer Leiber bemächtigen könte. Denn diese wären nur in ihrer eigenen Gewalt / und ihrer Tugend kein Vortheil abzujagen. Derogestalt wäre es ein weniges / was er ihnen liesse; wenn er ihnen aber nichts gebe; würde ihm auch von ihnen nichts zu statten kommen. Aber der rauhe Marius antwortete ihnen: dieses Heiligthum wäre für so wilde Weiber nicht gewiedmet. Dieses verursachte; daß sie im Angesichte der Römer ihre zarten Kinder an die Felsen und Wagen schmetterten; dieselben auch / welche nicht zum fechten geschickt waren / sich an die Bäume auffhingen / und hierzu an statt der Stricke ihre abgeschnittene Haare brauchten. Unter andern war eine edle Frau / welche ihre zwey kleinen Söhne an ihre Füße / und sich mit ihnen an eine Deichsel hing; vorgebende: daß nichts / waran ihre Kinder hencken solten / als diß / worvon sie ihr Leben bekommen / würdig wäre. Die übrigen Frauen aber fielen die Römer wie wütende Thiere an; und geselleten ihren abscheidenden Geistern noch nicht wenig feindliche zu; halffen auch hierdurch: daß Hertzog Merodach / weil Claudicus in der Flucht ebenfalls gefangen ward / mit noch dreißig tausend Mann in die Lepontischen und Penninischen Alpen entrann. Der Deutschen waren siebzig tausend erschlagen / dreißig tausend gefangen. Auff Römischer Seite blieben etliche dreißig tausend; also sich über die Römischen Geschichtschreiber zu verwundern; die sich nicht schämen die deutsche Niederlage noch zweymal grösser zu machen; hingegen zu tichten: daß der Römer nicht vor voll dreyhundert erlegt worden wären; da doch ihrer mehr als zweytausend von Weibern erschlagen worden. Die Königin Hatta stach ihr selbst /weil die Römischen Befehlhaber sie nicht zu tödten /sondern gefangen zu nehmen verordneten / ihr eigenes Schwerd in die Brüste. Ihr Leib ward hernach von denen gefangenen Barden mit Erlaubnis des Marius in eine nahe dabey befindliche Höle begraben; und zu ihrem Gedächtniße in einen Felsen eingehauen:


Als Hatta sich erstach / rieff sie: Schwerd / Leiche Seele /

Seyd Zeugen meiner Scham / beym Feinde / Mann und Gott.

So preist nun / nicht beweint dieselbe / welcher Todt

Hat Zeugniß auff der Welt / im Himmel / in der Höle.


Zu Rom war über diesem Siege / von dem die Römer hernach abergläubisch getichtet haben: daß selbten eben selbigen Tag zwey mit Lorbern gekräntzte Jünglinge bey dem Heiligthume des Castors und Pollux zu Rom verkündiget hätten / so grosse Freude: daß das Volck nicht nur den Göttern /sondern auch dem Marius opfferten; ja bey ankommender Zeitung kein Bürger in Rom war / der ihn nicht unter die Zahl der Götter rechnete. Der Rath muste ihn aufs neue zum Bürgermeister bestätigen; sein Geschlechte / weil er eines Tagelöhners Sohn war / unter die Edelsten zehlen; ihn nach dem Romulus und Camillus den dritten Vater der Stadt Rom nennen / und ein zweyfaches Siegs-Gepränge ihm zueignen; wiewol er sich an einem / darzu er auch den Catulus zum Geferthen nahm / vergnügte; und dadurch etlicher massen die Verdüsterung des Catulus entschuldigte / dessen Heer ein und dreißig / des Marius [920] aber nur zwey deutsche Kriegs-Fahnen erobert hatten. Uber diß weiseten des Catulus Kriegs-Leute den Gesandten von Parma auf der Wallstatt: Daß fast alle Todten mit ihren Schuß- und Wurff-Pfeilen erleget waren; als welche sie mit des Catulus ihres Feld-Herrn Nahmen vorher bezeichnet hatten. Gleichwol aber schien es nicht wenig hochmüthig zu seyn: daß Marius nach dem Beyspiele des über Indien siegprangenden Bachus bey seinem Einzuge in Rom eine Kanne in der Hand führete; und den zehn Füsse hohen / und sich unter seiner Rüstung bückenden König Teutobach mit güldenen Fesseln für seinem Wagen herjagte. Hingegen baute er der Ehre und Tugend nur aus gemeinen Steinen und auff bäuerische Art /gleichsam der Bau-Kunst und den edlen Steinen /oder vielmehr dardurch gemeinten alten Geschlechten zu Hohne; Catulus aus Marmel / aber ohne mindere Ehrsucht dem Glücke einen Tempel; gleich als ob diß mehr / als ihre Tapferkeit die Uhrheberin dieses Sieges wäre. Wiewol sonst iederman insgemein die glücklichen Streiche seinem Witze / die unglücklichen dem Verhängniße zuschreibt; und daher die siegenden Feld-Herren stets für klug gepriesen werden; Die verspielenden aber durch tausend Zeugen nimmermehr ablehnen können / daß sie nicht was versehen hätten. Wormit nun der Adel sich bey dem glücklichen Marius so viel mehr einliebte / ließ der Römische Rath auff den Berg Vogesus / und zwar auff den Felß / darauff Calphurnia geopffert worden war / einen Ey-rundten Siegs-Tempel bauen; in dessen Mitte das Bild des Cimbrischen Sieges aus Corinthischem Ertzt auf einem marmelnen Fuß stand / unter welchem der Brunn des Flusses Po herfür qvall. Auff der Abend-Seite des Tempels stand das Bild seiner Tochter Calphurnia aus Alabaster / auf einem ertztenen Begräbnüß-Maale; daran auswendig ihre Auffopfferung geetzt / inwendig aber in einem güldenen Geschirre ihre Todten-Asche verwahrt war. Auff der Seite war im Ertzte zu lesen:


Nach dem Calphurnia besiegt die Wollust hat /

Der reinen Jungfrauschafft den keuschen Geist geweiht;

Tilgt sie die Eigen-Lieb und weib'sche Zärtligkeit /

Sie hemmt der Cimbern Sieg / der Römer Unglücks-Rad

Zertrennt der Feinde Macht und den Verhängniß-Drat /

Bemeistert endlich auch Vergessenheit und Zeit /

Wenn sie fürs Vaterland ihr Blut zum Opffer leiht

Daß ihr gutwillig Tod umwende Krieg und Blat.


Mäßt / Sterblichen / ihr Thun nach ihrem Grabe nicht /

Die Asche vom Gestirn' hat selber keinen Schein.

Sie konte / wenn man prüfft den Schatten und ihr Licht /

Lebendig nichts nicht mehr / todt nichts nicht minders seyn.

Doch ists genung: daß sie die Nachwelt nennen muß:

Die Mutter der Stadt Rom / ein Kind des Marius.


Gegen Ost stand auff einem schwartz-marmelnen Fuße das Bild des Marius aus weissen Marmel gehauen; in welchem der Bildhauer durch ein besonder Kunst-Stücke eine rothe Ader zu dem sein Haupt umflechtenden Lorber-Crantze gebraucht hatte. Die drey Schlachten des Marius wider den Jugurtha / die Teutoner und Cimbern / wie auch die Auffopfferung seiner Tochter Calphurnia waren unten in Corinthisches Ertzt gegossen; in den marmelnen Fuß aber eingegraben:


Die Marmel zanckten sich / als Rom diß Bild geboth

Zu fertigen; woraus es solte seyn gepräget?

Der schwartze / weil der Held die schwartzen Mohren schläget /

Der weiße / weil er schmeist die weißen Deutschen todt /

Der rothe / weil er selbst für die gemeine Noth

Den Göttern / die erzürnt / der Tochter Blut fürträget.

Biß daß Minervens Spruch den Zwist hat beygeleget:

Der Fuß sey schwartz / das Bild selbst weiß / der Siegs-Krantz roth.


Nun kützele der Neid sich über diesem Bilde;

Es sey von Lorbeern reich / entblösset aller Schilde /

Rom hab' ihn nicht gezeugt / kein Anherr steh' dabey.

Die Thaten zeugens ihm zu aller Römer Ruhme:

Daß er mehr als ihr Kind / des Adels Kern und Blume /

Des Kriegs-Gotts erster Sohn / Roms dritter Vater sey.


Am allermerckwürdigsten aber war: daß die edelsten Geschlechter / welche den Marius vorher bey dem Jugurthinischen Kriege wegen ihm auff getragener hohen Gewalt auffs eusserste [921] angefeindet hatten /ihm ihre erste Stimme gaben: daß er solche Ehren-Maale durch seine Tugend verdient hätte. Also steiget diese endlich so hoch: daß dem Neide das Gesichte vergehet; wenn er selbter nachsehen wil. Denn weil die Mißgunst nichts himmlisches an sich hat; sondern als ein geringer Dunst von der Erden / und aus niedrigen Thälern entspringet; wird selbte von denen kräfftigen Sonnenstrahlen der Tugend bald untergedrückt. Ja wie der Schatten der Erde mit seiner Verfinsterung nur den niedrigen Monden / nicht die höhern Gestirne erreichet; also muß die Mißgunst auch alle die unversehret lassen: welche durch ihr Verdienst sich in so hohen Stand versetzt haben: daß mit ihnen sich niemand vergleichen kan.

Wie nun die Uberbleibung von des König Teutobachs Heere; welche sich in den Alpen zu verstärcken vermeinten / auch die unglückliche Schlacht König Bojorichs vernahmen; liessen sie die Hoffnung den Römern einiges Land abzuzwingen fahren; kehrten sie zurücke an den Rhein / an welchem sie sechstausend Mann mit ihrem schwersten Geräthe zurücke gelassen hatten. Alldieweil aber ihnen die Deutschen /insonderheit aber die Bojen keinen Sitz erlauben wolten; sondern man allenthalben ihnen mit Heereskrafft begegnete: nahmen sie ihren Weg an der Maaß hinunter; und setzten zwischen der Schelde und dem Fluße Sabis bey ihren daselbst vorhin schon eingesessenen Landes-Leuten denen Adualichern festen Fuß. Ein Theil darvon aber ward von denen Celtiberiern auffgenommen; welche hernach den Römern in Hispanien genung zu schaffen machten. Denn sie redeten die Lusitanier auff: daß sie wider den Cornelius Dolabella die Waffen ergriffen / als auch sie geschlagen / und etliche hundert nach Rom gefangen geführt; und in den Schauplatz wieder Löwen und Elefanten zu kämpffen gebracht wurden; redete sie ein einiger darunter befindliche Deutsche auf: daß sie durch freywilligen Kampff einander selbst aufrieben. Nichts minder lehnten sich die Celtiberier mit ihnen gegen die Römer auf; und überfielen sie in der Stadt Castulo. Daher die Römer zehn Gesandten in Hispanien zu schicken genöthiget wurden. Wiewol auch Titus Didius wieder die Vacceer und Termestiner glücklich fochte; so he ten doch diese gewaltig den Lauff seiner siegenden Waffen; und strafften die an der Stadt Colenda verrätherisch ausgeübte Mord-Lust. Nasica wütete zwar nach ihm auff etliche Gefangene / und äscherte unterschiedene Städte ein; goß aber dardurch nur mehr Oel ins Feuer; biß Cajus Valerius durch Erlegung wol zwantzig tausend Celtiberier solches auff eine zeitlang stillete. Ein Theil der Deutschen ward auch von den Tencterern bewirthet; welches an dem Rheine unterhalb dem Flusse Segus eine Stadt nach dem Nahmen der Teutoner baute.

Hertzog Merodach aber zohe mit des erschlagenen Königs Bojorich über die Penninischen Alpen entronnenen Cimbern zu ihren Landes-Leuten denen Scordiskiern in Pannonien und Thracien; welche die Römer in verwichenen Kriegen entweder aus Illyricum vertrieben / oder sie zum Pfluge verda t hatten. Durch diese neue Verstärckung aber streckten die Scordiskischen Deutschen abermahls die Hörner von sich; unterwarffen ihnen die Avtariaten / die Triballier / alle Eylande in Ister / und erweiterten die zwey Haupt-Städte Heorta und Capedun. Ja Hertzog Merodach / dessen Hertze von unauslöschlicher Rache gegen die Römer kochte / nahm den Römern die Stadt Syrmium ab / schlug den Cajus Geminius auffs Haupt; und eroberte alles / was die Deutschen zwischen der Sau und Drave verlohren hatten / verwüstete Macedonien mit Feuer und Schwerdt. Und / weil Marius unter denen zwölff der Calphurnia geopfferten Jungfrauen auch seine Schwester mit verbrennt / und zu Rom dem Jupiter sieben edle Deutschen geschlachtet hatte; ließ er hundert gefangenen edlen Römern über einem [922] Kessel gleicher Gestalt die Gurgel abschneiden; das Blut auff die Altäre giessen; aus ihren mit Gold eingefasten Hirnschädeln aber Trinckgeschirre bereiten. Weßwegen zu Rom nicht nur ein Rathschluß gemacht ward: daß weder einige Römer noch ihre Bundgenossen Menschen-Blut opffern solten; sondern es erregte auch des Geminius Niederlage abermals grosses Schrecken; sonderlich: weil kurtz vorher der Rathsherr Manilius angedeutet hatte: daß der zeither gelebte Glücks-Vogel Phönix sich eingeäschert; und darmit die Eintretung eines neuen und grossen Welt-Jahres angekündigt hätte / welches die merckwürdigsten Veränderungen nach sich ziehen würde.

Die empfindlichste Wunde aber versetzten den Römern die vierzigtausend Deutschen; welche Marius in dem mit dem Könige Teutobach und Bojorich geführten Kriege gefangen / und hernach durch gantz Italien für Knechte verkaufft hatte. Denn nach diesen Siegen verfiel Rom in Wollüste und Laster; gleich / als weñ ihr glücklicher Wolstand keiner Tugend mehr benöthiget wäre; oder bey dem Wechsel des grossen Welt-Jahres die Boßheit nicht nur die Farbe / sondern auch die Güte der Tugend überkommen hätte. Daher ermordete Malleolus seine Mutter. Der thörichte Apulejus warff sich für einen König wieder den Römischen Rath auff. Der grausame Rabirius setzte sein vom zerstückten Leibe gerissenes Haupt auff etlichen Gastmahlen zum Schau-Gerichte auff. Der hoffärtige Claudius führte grausame Schauspiele und Streite wieder Elefanten; und Sylla ein Gefechte von hundert Löwen ein. Crassus und Domitius brachten durch übermäßige Zahlung der Häuser / Trinck geschirre und Bäume / wie auch durch Betrauerung fremder Fische nichts minder die Verschwendung / als Eitelkeit in Schwung. Am meisten aber drückte der Ehrsüchtige Marius durch seine übrige Gewalt die Bürger. Der redliche Metellus muste ihm aus Rom weichen. Der ehrliche Rutilius ward ins Elend verjagt; und ihm sein Vermögen unrechtmäßig abgesprochen. Der unruhige Drusus erschöpfte dem Marius zu Liebe durch Einführung des Gracchischen Acker- und Brodt-Gesetzes die gemeinen Einkünffte; brachte durch das versprochene / hernach aber nicht gewehrte Römische Bürger-Recht die meisten Völcker wieder Rom in Harnisch. Denn diese / insonderheit aber die von den Deutschen entsprungenen Marsen / und die mit den Bojen / Liebiciern und andern Deutschen für Alters verbundenen und befreundeten Samniter rühmten sich: daß sie durch ihr Blut die Cimbern und Teutonen zurück getrieben / das Römische Reich so groß gemacht / nichts anders aber zu Lohne hätten: als daß man sie verächtlicher / deñ einen Römischen Freygelassenen hielte; welches die redlichsten uñ verständigsten Bürger in Rom selbst als Unrecht verdammten. Pompedius Silo der Marsen Fürst / und der für nehmste Uhrheber dieses Werckes hatte deßhalben mit den Zunfftmeistern in Rom vertrauliches Verständniß; schrieb ihnen als eine heilsame Eriñerung zu: daß die Römer niemahls über / auch nie ohne die Marsen einen hauptsächlichen Sieg erlangt hätten; beschwerte sich zum ersten bey den Nachbarn hierüber; uñ daß man den ihrer gerechten Sache beypflichtenden Drusus deßhalben mit einem Schusterkneip meuchelmörderisch erstochẽ hätte. Hiermit brachte er es so weit: daß die Pelignische Gräntz-Stadt Corfinium zum Haupte Italiens erkläret / zwey gemeine Bürgermeister / zwölff Vögte / und ein grosser Rath von fünff hundert Gliedern erwehlet ward. Dieser erklärte alsbald alle dienstbare Deutschen auff den Fall / wenn sie einen aus den Feinden erlegt haben würden / frey; und gewannen dardurch über zwantzig tausend streitbare / und für den Gewinn der Freyheit begierig aufopffernde Kriegs-Leute. Das erste Merckmal ihrer Danckbarkeit zeigten sie zu Asculum an dem Flusse Truentus. Denn als Cneus Pompejus solche Stadt mit Gewalt stürmte / und die Einwohner [923] sich mit Fleiß einer verzagten Gegenwehr gebrauchten / und nur schwache alte Greise auff die Zinnen stellten; fielen tausend Deutsche und tausend Asculaner heraus / und jagten die Römer mit Verlust alles Sturm-Zeuges und vielen Volckes hinweg. Die Lucaner nahmen den Sulpitius Galba gefangen; Aus dem Römischen Läger ward dem Fürsten Selo alles verkundschafftet. Und ob wol die Lateiner / Hetrusker und Umbrier auff Römischer Seite blieben; Aus Asien auch Hülffs-Völcker ankamen; so legte doch der einigen deutschen Beysatz denen Marsen und Samnitern ein solch Gewichte bey: daß jene den Bürgermeister Rutilius Lupus / Judacilius / Afranius und Ventidius den Pompejus Bettius Cato mit den Samnitern den Bürgermeister Lucius Julius aus dem Felde schlugen / sie belägerten / die Stadt Venafruno und Nola einnahmen / und den Licinius Crassus zu weichen / ja noch viel bey den Römern stehende Völcker abzufallen nöthigten. Der Bürgermeister Rutilius trennte sich zwar vom Marius; und meinte denen ihm an dem Flusse Telonius gegen über liegenden Marsen einen gewaltigen Streich zuversetzen. Vettius Cato aber kriegte hiervon Nachricht; versteckte also vier tausend Deutsche in ein Thal; welche / nach dem er vorher dem Rutilius eine zeitlang tapffer gefochten / den Römern theils in Rücken gehen / theils die Brücke abbrachen; und den Bürgermeister mit acht tausend Römern erschlugen; ohne die in der Flucht im Strome ersoffen. Der Römische Rath ließ hierauff zwar den Marius die Helffte seines Heeres dem Cepio zutheilen; der Marsen Fürst Silo aber verleitete diesen unvorsichtigen Jüngling durch Uberlieferung zweyer gemeiner / aber für seine Kinder ausgegebener Knaben / wie auch durch vieler mit Gold und Silber überzogener Bley-Platten in sein gestelltes Netze; darinnen Cepio mit zehntausend Römern von den Deutschen und Marsen gleichsam als Vieh abgeschlachtet wurden; Weil die Römer wegen der sie auff allen Seiten anfallenden Feinde ihre Waffen zu zücken weder Raum noch Zeit hatten. Die darüber bekümmerten Römer folgten hierauf dem Beyspiele ihres Feindes; machten daher aus denen gefangenen Deutschen auch zehen tausend Kriegs-Leute; und liessen sie nebst so viel Africanischen Reutern zu des Bürgermeisters Lucius Julius Cäsars Legionen stossen. Hingegen putzte der Samniter Fürst Papius den zu Venusta verwahrten Sohn des Jugurtha Oxynta als einen König aus; und verursachte: daß das Africanische Kriegs-Volck meist zu ihm überlieff; Worauff er denn auch die Stadt Esernia eroberte. Julius wolte die vom Papius belägerte Stadt Acerre zwar entsetzen; Marius Egnatius aber erschlug ihm darüber dreyßig tausend Römer. Jedoch rächete solches Marius und Sylla an den Marsen; welche der erstere wegen allzugrosser Sicherheit überfiel und zertrennte / der andere aber in ihrer Flucht ihnen noch grössern Schaden zufügte. So bald aber Fürst Silo nur die für Acerre gewesenen Cimbern wieder zu sich bekam; both er nicht allein dem Marius wieder die Stirne; sondern beschloß ihn auch in seinem Läger / ritt unter den Wall an die Pforte / und ruffte ihm zu: daß weñ er ein so grosser Feld-Herr wäre / solte er heraus rücken. Welchem Marius nur antwortete: Wenn Silo ein kluger Feld-Herr wäre / würde er ihn nichtnöthigen wider Willen zuschlagen. Durch welchen Krieg also die Römer nicht nur zu Hause gekränckt; sondern auch fast all ihr Ansehen in Asien ausgelescht / und die Saluvier in Gallien wider Rom auffzustehen veranlaßt; iedoch diese vom Cajus Cöcilius wieder bestillt wurden. Marius wagte zwar endlich denen Marsen und Deutschen eine Schlacht zu lieffern; er ward aber mit Verlust in sein Läger getrieben; Und wäre diß zugleich erobert worden: Wenn die Peligner die schon den Wall [924] behauptenden Deutschen nicht allein im Stiche gelassen hätten. Westwegen Marius den Römern nicht nur ihre Zagheit mit diesen Worten verwieß: Die Marsen hätten nicht der Römer Rücken / diese aber nicht jener Antlitz vertragen können; sondern auch bey seinem derogestalt verwaltenden Gelücke mit vorgeschützter Unpäßligkeit abdanckte. Weil nun ie länger ie mehr Völcker in Italien von Rom abfielen; muste der Römische Rath sein Heer mit Freygelassenen verstärcken; und durch einen Rathschluß / welcher allen in unverrückter Treue verbliebenen das Römische Bürger-Recht verlieh / dem gantzen Abfalle Italiens einen Riegel vorschieben. Julius schlug hierauff zwar die Samniter / Cneus Pompejus die Marsen / Böbius belägerte Asculum / und der solchen durch das Römische Lager zu Hülffe hinein dringende tapffere Kriegs-Held Judacil / welchen aus den gefangenen Cimbern die Apulier und Picentes zu ihrem Heerführer gemacht hatten / verbrennte sich nach ausgetrunckenem Giffte in dem herrlichsten Tempel daselbst; weil er unter den zaghaften Asculanern länger zu leben überdrüssig ward. Allein die Bundgenossen der Lateiner / Marsen und Deutschen wurden dardurch nur mehr verbittert als geschwächet / und die Römer gezwungen durch den Plautius und Carbo ein neu Gesetze zu machen: daß alle zu denen mit Rom verbundenen Städten gehörige Einwohner Italiens /die sich in sechzig Tagen anmelden würden / für Römische Bürger angenommen werden solten. Diß aber halff noch wenig zur Sache. Die Skordisker und Thracier hauseten in Macedonien nach Gefallen. Die Krieges-Zucht verfiel in den Römischen Heeren. Ihr Gebieter auff der Kriegs-Flotte Posthumius Albinus ward von gemeinen Knechten ermordet; Gleichwol aber muste Sylla durch die Finger sehen. Jedoch erlangte er durch das ihm gleichsam vermählte Gelücke wider die Peligner und Samniter zwey herrliche Siege; zuderer erstern die Vermessenheit eines trunckenen Cimbers; welchen auff seine öfftere Ausforderung ein Mohr mit einem Pfeile erschoß; und dardurch als eine Andeutung künfftiger Niederlage das gantze Pelignische Heer kleinmüthig machte. Zum andern aber der Aberglaube Ursache gab: weil / als Sylla opfferte /unter dem Altare eine Schlange herfür kroch; welches die Römer als ein gewisses Sieges-Zeichen zur Tapfferkeit nicht wenig auffmunterte. Hingegen aber ward der Bürgermeister Lucius Portius / als er der Marsen und Deutschen Lager an dem Fucinischen See stürmte / und Aulus Gabinius von Lucanern erschlagen. Und ob wol die Hirpnier und Samniter hin und wieder einbüßten; Asculum auch an die Römer über gieng; gieng doch der unverzagte Selo mit seinen Deutschen dem Mamercus Emilius tapffer unter die Augen / und nahm die Stadt Boviam ein. Weßwegen ihm fast gantz Italien ein herrliches Siegs-Gepränge bereitete. Die Bundsgenossen suchten zwar durch eine Bothschafft den Pontischen König Mithridates mit in ihr Bündniß wieder Rom zu ziehen / aber sie konten von ihm keine gewisse Entschlüssung erhalten; Gleichwol aber legten sie zu seiner hernach gegen Rom ausgeübten Feindschafft gleichsam den ersten Stein. Sintemahl er dem Sothimus der Scordiskischen deutschen Könige heimlich in Ohren lag / und durch Geschencke ihn dahin brachte: daß er die Römischen Kräffte durch unauffhörliche Einfälle in Macedonien zertheilte. Durch dieses und die zwischen dem Sylla und Marius erwachsende grausame Zwytracht ward Rom endlich genöthiget anfangs den tapferen Marsen / und denen mit ihnen vermischten Cimbern und Teutonern / hernach allen Völckern Italiens das durch so vieles Blut befochtene Römische Bürger-Recht zu geben; welches aber bald mit viel blutigen Strömen versaltzen und besudelt ward. Denn in dem durch [925] den Sylla und Marius entsponnenen bürgerlichen Kriege ward vom Morden nicht ehe aufgehöret / als biß niemand fast zu erschlagen übrig war; weil beyder Ehrsucht von so vielem Blute mehr erhitzet; ihr Rachgier aber nicht gesättiget ward. Dahero tranck Sylla das Blut der Römischen Bürgermeister aus güldenen Geschirren; Marius aber setzte die Köpffe der Raths-Herren zu Schau-Gerichten auff seine Tafel. Catulus verschlang glüende Kohlen; und der Priester Merula bespritzte mit dem Saffte seiner zerkerbten Adern die Augen des Jupiters. Mucius Scevola der hohe Priester äscherte seinen Leib über dem Vestalischen Feuer ein; ehe sie den Grimm dieser Tiger erwarteten; welche das Rath-Hauß zu einer Schlacht-Banck / die Tempel zu Mord-Gruben / das Capitolium zum Stein-Hauffen machten. Also: daß dieses mahl / da die Römer nicht in ihre eigene Glieder ärger als wütende Wölffe raseten; ja die Raserey nicht auffhörte / als die zwey Tod-Feinde Sylla und Marius gleich in zwey feindliche Gräber / jener nehmlich ins Feuer / dieser ins Wasser verscharret war; die Deutschen ihre Rache gegen die Römer durch ihre gäntzliche Vertilgung unschwer hätten ausüben können; wenn nicht die Deutschen theils mit den Galliern / theils unter sich selbst täglich einander in Haaren gelegen / und insonderheit zwischen dem Cheruskischen Hertzoge Aembrich / und dem Alemänner Könige Ariovist ein grausamer Krieg entbrant wäre. Gleichwol mag ich nicht verschweigen: daß unter beyden kriegenden Theilen der Römer / die Deutschen die Hand mit im Spiele gehabt haben. Unter welchen ich alleine erwehnen wil eines Marsingischen Ritters Schöneich; welcher vom Marius in der mit dem Könige Teutobach gehaltenen Schlacht gefangen / und nach der Stadt Minturne an dem Flusse Liris verkaufft worden war. Dahin flüchtete sich auch der aus Rom vom Sylla vertriebene Marius; welchen der Römische Rath durch offene Befehl zu tödten bey Verlust des Lebens anschaffte. Als diese Verordnung nach Minturne / wo Marius sich in einer geringen Hütte aufhielt / ankam; war der Stadt-Rath zwischen Thür und Angel; weil dieser dem Befehl zu wiederstreben / gleichwol aber den so hoch verdienten Marius / der sechsmahl Bürgermeister gewest war / hinzurichten billich anstand. Daher versprach der oberste Raths-Herr zu Minturne / der den Deutschen leibeigen gekaufft hatte / ihm die Freyheit; da er einen vom Römischen Rathe verda ten Menschen in der ihm gezeigten Hütte ins geheim niedermachen würde. Schöneich / der in denen Gedancken lebte: daß dieser ein frecher Ubelthäter wäre / welchen sie anzutasten fürchteten / ging behertzt in die Hütte / und fand den Marius schlaffend. Weil er aber sein verdecktes Antlitz vorher sehen wolte; polterte er mit Fleiß um ihn zu erwecken. Wie nun der Schlaffende hierüber aufffuhr / und der Ritter ihn für den grossen Marius erkennte; warff er seinen Degen zu Boden; lieff ohne einiges Wort zurücke / und meldete seinem Herren an: Er begehrte seine Freyheit durch den Meuchelmord eines so tapffern Heldens nicht zu erkauffen; noch sich mit desselben Blute zu besudeln / aus dessen Augen feurige Strahlen gegangen / und etwas mehr /als Menschliches geleuchtet hätte. Dieses bewegte den Rath: daß sie den Marius / welchem ohne diß aus sieben in die Schoß gefallenen jungen Adlern gewahrsagt worden war: er würde siebenmahl zu Rom Bürgermeister seyn / aus der Stadt zwischen die Minturnischen Pfützen führten / von dar er auff einem Fi scher-Kahne entkam; und in dem Abraume der eingeäscherten Stadt Carthago den Wechsel des ungetreuen Glückes seuffzende überlegte. Von dar er aber / als Sylla wider den Mithridates kriegte / wieder nach Rom kam / zum siebendenmal Bürgermeister ward /in dieser Würde starb / und die Nachwelt zweiffelhafft ließ: Ob er im Kriege mehr genutzt / oder im Friede mehr geschadet habe.

Bey diesen gefährlichen Anstössen hatten die [926] Deutschen in Galatien zwar für den Römern Ruh; allein es gieng ihnen in der Nähe / und fast über ihrem Wirbel am grossen Pontischen Könige Mithridates ein grausamer Schwantz-Stern auff. Diese seine Eigenschafft ward durch einen so wol seiner Geburt / als Herrschafft vorleuchtenden Schwantz-Stern von dem Himmel selbst angedeutet; der wol siebzig Tage mit seiner feurigen Rutte der Welt gedräuet / ja das vierdte Theil des Himmels eingenommen / und den Glantz der Sonne selbst untergedrückt haben soll. Sein Vater Mithridates hatte den Römern wider den Aristonicus Beystand geleistet / und dardurch den Nahmen eines Römischen Bundgenossen / wie auch das grössere Phrygien erworben; ward aber in der von seinem Vater Pharnaces eroberten Stadt Sinope von den Seinigen ermordet. Dem jungen nur eilfjährigẽ Mithridates ward von seinen Vormünden selbst mit Gifft und Schwerdt nachgetrachtet; welches ihm die Erlernung der Kräuter-Wissenschafft die Erfindung eines kräfftigen Gegengiffts an die Hand gab; und verursachte: daß er vier Jahr unter keinem Dache schlieff; sondern in Wäldern und Gebürgen wohnte / also Leib und Gemüthe zur Arbeit und Tugend abhärtete. Hiernechst lernte er wol zwey und zwantzig Sprachen; für welche Wissenschafft ihm sein vom Flusse Halys biß an Armenien sich erstreckendes Reich viel zu enge war. Daher er bey angetretener Herrschafft sich zum Herren aller der Völcker zu machen lüstern ward / mit welchen er reden konte. Wormit er nun weder denen mächtigen Römern / noch den Asiatischen Nachbarn keinen Argwohn wieder sich erregte / machte er mit diesen Bündniße / verknüpffte sich mit den Deutschen in Galatia / Thracien / und denen Bastarnen; setzte hierauff über das Euxinische Meer in das Asiatische Sarmatien / nahm daselbst die Stadt Gorgippia / Hierus / ja alles disseits des Berges Corax von dem Flusse Icarusa biß an die Cimmerische Meer-Enge in einem Sommer ein. Der Galatischen Deutschen Fürst Herrmann / welcher zum ersten festen Fuß gesetzt hatte /baute daselbst am Munde des Flusses Psychrus nach seinem Nahmen die Stadt Hermonassa. Folgenden Feldzug richtete er wieder den Antipater Sisis den Fürsten in Colchis / zwang ihn auch ihm sein gantzes Gebiete abzutreten. Als er sich nun derogestalt von seiner Pontischen Gräntze an biß an den Fluß Corax Meister gemacht hatte; brachte er es durch den Ruhm seiner Tapfferkeit dahin: daß die in dem Taurischen Chersonesus bey dem Parthenischen Vorgebürge von denen aus der Pontischen Stadt Heraclea überfahrenden Handels-Leuten erbaute / und von den Scythen erweiterte Stadt Chersonesus ihn als ihren Schutzherren zu Hülffe rufften; weil sie der Scythen Gewalt nicht mehr gewachsen war. Wie nun dergleichen Beruff der scheinbarste Vorwand / und das sicherste Mittel ist /sich fremder Länder zu bemächtigen. Also wuste der verschmitzte Mithridates sich auch unter dem Scheine anderer Beschirmung sein Gebiete meisterlich zu vergrössern. Der Chersonesische König Scilurus mit seinen 80. streitbaren Söhnen machte ihm zwar eine Weile ziemlich zu schaffen; Aber nach dem er den Fürsten Palack auffs Haupt geschlagen / und wol dreyßig seiner Brüder gefangen / muste nur dieses Reich sich unter Mithridatens Bothmäßigkeit niedersencken. Der benachbarte Bosphorische König Perisades hatte nicht einmal das Hertze den Degen zu zücken; sondern erkeñte alsofort Mithridaten für seinẽ Oberherren. Der sich aus der Schlacht flüchtende Palack brachte zwar zu wege: daß der zwischen dem Ripheischen Gebürge der Meotischen See / denen Flüssen Buges und Porytus herrschende König der Roxolaner Tasius mit 50000. außerlesenen Kriegsleuten biß an die Land-Enge des Chersonesus einbrach /und die Stadt Taphre eroberte; so begegnete ihnen doch Mithridatens [927] Feld-Oberster Diaphantus mit zwantzigtausend wolgewaffneten Mäñern / gegen welche der Roxolaner Ochsen-häutene Helme / und von Wieten geflochtene Schilde nicht den Stich hielten / derogestalt: daß Tansius kaum mit tausend Pferden entkam. Diophantus baute hierauff dem Mithridates zu Ehren an den Tamyracischen Seebusem die Stadt Eupatorium; und von solchem Buseme in der Enge eine Mauer biß an den Bycesischen See; wordurch den Roxolanen und andern Scythen aller Einfall genungsam verwehrt ward. Mithridates selbst segelte über die Meotische See / und nahm an dem Einflusse des Tanais die berühmte Handels-Stadt Tanais / an der See die Städte Patarre / Azara / Tyrambe / Gerusa und Cimmerium ein; wordurch er gleichsam beyder Meere / und des Asiatischen Thraciens Meister ward /ja gleichsam die Brodt- und Saltz-Kammer für Grichenland und Asien in seine Hände bekam. Sintemahl alleine der Chersonesus ihm jährlich hundert und achzig Malter Getreyde und zweyhundert Talent Silber zinsete. An Schiffen und Volcke aber ward er so reich: Daß er nunmehr funffzig tausend Reuter / und drittehalb hundert tausend Fuß-Knechte auff den Beinen / vier hundert Kriegs-Schiffe im Wasser hatte; welche biß an die Säulen des Hercules die Meere durchkreutzten / und viel Orte mit Hunger und Raub plagten. Die Tauroscythen zwischen dem Fluße Pacyris und Pantycapes wurden zwar über dieser mächtigen Nachbarschafft eyversüchtig / und banden mit dem Mithridates an; Aber er ward derselben durch den Vortheil der Waffen und die Kriegs-Wissenschafft seines geübten Heeres / welches Neoptolemus führte / nach zweyen Schlachten mächtig. Diese fast unerhörte Siege verstärckten seine ererbte Macht wol zehenfach; noch mehr aber vergrösserte sie der Ruhm von dem grossen Mithridates bey allen Nord-Völckern. Sintemahl alle zwischen dem Borysthenes und dem Thracischen Bosphorus wohnenden Völcker mit ihm sich in Bündniß einliessen. Dieser seiner Herrschsucht aber strich er eine scheinbare Farbe durch angenommene Andacht an; indem er nicht nur in das eroberte Eyland Macra des Achilles; sondern mit Zulassung seiner Bundsgenossen an dem sich mit dem Hippanis vermählenden Boristhenes der Ceres /und an des Axiaces Einflusse des Neoptolemus Tempel erbaute; welche aber Festungen ähnlicher / als Heiligthümern waren; Dadurch er denen benachbarten Völckern einen Kapzaum anlegte. Weil nun sein endlicher Zweck war die Römische Macht als die bißherige Schiffbruchs-Flotte aller Machten über einen Hauffen zu werffen; schickte er einen Fürsten der Galatischen Deutschen in Deutschland und Gallien / machte mit selbten ein geheimes Bündniß: daß wenn er mit den Römern brechen / und in Griechenland einfallen würde / sie über die Alpen dringen solten. Wie er diß alles derogestalt auff festen Fuß gesetzt; insonderheit die streitbaren Scythen und Deutschen unter seinen Krieges-Fahnen hatte / meinte er es nun Zeit zu seyn gegen seine Nachbarn loß zu brechen. Zumahl die Könige in Syrien und Egypten durch innerlichen Krieg und Mord sich selbst derogestalt abmergelten: daß diese vorhin so grosse Sternen nunmehr schlechte Lichter in aller Nachbarn Augen waren. Damit die Römer ihm auch nicht bald in die Karte sehen möchten / schickte er eine Bothschafft mit vielem Gelde nach Rom / dardurch er die meisten Raths-Glieder bestach. Und weil Apulejus Saturninus solches merckte / die Gesandten auch nicht höflich genung empfing; wäre er seines Kopffsverlustig worden; wenn nicht der Pöfel ihn dem Urthel des Raths durch Dreuung entrissen hätte. Unterdessen machte er mit dem Könige Nicomedes einen Vertrag; daß sie Paphlagonien einnehmen und mit einander theilen wolten; welches denn [928] auch wegen ermangelnden Hauptes auszuüben sie wenig Müh und Zeit kostete. Biß hieher waren die deutschen Mithridates treue Werckzeuge seiner vielen Siege gewest; als er aber so nahe Galatien grasete /fingen sie an den grossen Schotten zu empfinden / mit dem dieser mächtige Riese sie zu dämpffen anfing /und also ihrer Schantze durch klugen Argwohn wahr zunehmen. Marius kam hierüber unter dem Scheine eines der Cybele im Cimbrischen Kriege zu bauen gelobten Tempels in Asien; sein wahrer Zweck aber war die Gemüther und Verfassungen der Asiatischen Könige auszukundschafften. Und weil er nun im Friede sein Ansehen verwelcken sahe / daselbst Drachen-Zähne zum Wachsthume eines neuen Krieges auszusäen. Dieser kam auch nach Sinope zum Mithridates; da er denn nach genossenen vielen Ehren und bezeugter grosser Vertrauligkeit dem Könige in ein Ohr sagte: Er müste entweder lernen den Römern gehorsamen / oder sich mächtiger machen als sie wären. Mithridaten war diß genung. Daher hielt er nun nicht mehr für rathsam seine Klauen zu zeigen / und wolte vielmehr denẽ seine Heimligkeiten ausspürenden Römern zuvor ko en. Daher fiel er als ein Blitz in Cappodocien ein / erlegte seiner Schwester Laodice Mann den König Ariarathes / und bemächtigte sich des gantzen Reiches. Ehe er aber diß völlig einnahm / kamen auff der Deutschen heimliche Nachricht Römische Gesandten in Asien / welche so wol Mithridaten als Nicomeden alles gewonnene wieder abtreten hiessen. Nicomedes erklärte sich zu gehorsamen; Gab aber halb Paphlagonien seinem Sohne und zugleich einen neuen Nahmen Pylemenes. Allein Mithridates sagte: Paphlagonien wäre schon seinem Vater zugefallen; Daher sie ihm zu spat seine Erbschafft streitig machten. So bald auch er mit Cappadocien fertig war / fiel er mit gantzer Macht in Galatien ein; weil die Deutschen ihre Hülffs-Völcker zu Hause geruffen / und seinem Verdachte nach bey den Römern geklagt hatten. Die Deutschen begegneten zwar mit weniger Macht aber mit unverzagtem Muthe dem Mithridates /biß eine neue Bothschafft von Rom kam; welche ihn aus Galatien zu weichen / und denen Scythen die am Boristhenes mitler Zeit abgenommene Stadt Olbia /wie auch den Tempel der Ceres zu räumen durch von ferne gezeigte Waffen bewegte. Die Deutschen wurden hiermit nicht allein der Römer / sondern auch Nicomedens Bundsgenossen; und Mithridaten so viel mehr ein Dorn in Augen. Nicomedes heyrathete hierauff Laodicen Ariarathens Wittib; Und weil er mit dieser etliche feste Schlösser bekam; bemächtigte er sich mit Hülffe der Deutschen der Städte Saralus /Landosia und Senatra. Aber Mithridates kam als ein Falcke dahin geflogen; eroberte das verlohrne / und setzte des durch den Cappadocischen Uberläuffer Gordius erlegten Königs Ariarathes Sohn daselbst zum Könige ein. Nicomedes muste diesen edlen Fürwand des Mithridates ihm belieben lassen; nach zweyen Monathen aber rückte er mit neuer Heeres-Krafft wieder in Cappadocien; weil der junge Ariarathes dem Gordius nicht das halbe Königreich abtreten wolte. Dieser aber kriegte von Deutschen / Bithyniern und Bastarnen in kurtzer Zeit so viel Hülffe: daß Mithridates mit achzigtausenden zu Fuß / zehntausenden zu Rosse und sechs hundert Streit-Wagen nicht zu schlagen getraute; Besonders da fünff hundert deutsche Reuter wol zwey tausend seines Vortrabs in die Flucht gejagt hatten. Daher nahm er seine Zuflucht zur Arglist; und nach dem er Ariarathen unter einer freundlichen Unterredung vom Frieden bewegt hatte /stach er ihm im Angesichte beyder Heere einen Dolch in Bauch. Dieser Fall des Hauptes nahm denen ohne diß unter einander zwistigen Cappadociern das Hertze: daß ein Theil die Flucht er griff / das andere zum Mithridates freywillig übergieng. [929] Daher die Deutschen und Bastarnen auch ihre Schwerdter einsteckten; Und / weil ihnen Mithridates ein grosses Stücke Geldes auszählte / wieder nach Hause kehrten. Mithridates aber machte seinen achtjährigen Sohn zum Könige / und gab ihm den Nahmen Ariarathes / und den Gordius zum obersten Staats-Diener zu; Gleich als wenn die Annehmung eines Cappadocischen Nahmens / und die Bestellung eines eingebohrnen Dieners auch den Besitz selbiger Krone rechtfertigte. Wie aber nicht nur Gordius / sondern Mithridates die Cappadocier mit Schätzungen zu sehr erschöpfte / und wider sie als überwundene Feinde / nicht als Unterthanen verfuhr / machten sie einen allgemeinen Auffstand /berufften des ermordeten Ariarathes Bruder aus Asien zu ihrem Könige. Alleine Mithridates gewann durch eine einige Schlacht gantz Cappadocien wieder; der entronnene König aber schöpffte daraus solchen Unmuth: daß er kurtz darnach so wol den Geist als die Sehnsucht nach seinem väterlichen Reiche ausbließ. Nicomedes ward hierüber Blatscheu / und bekümmert für sein Bithynien; schickte also einen schönen Knaben mit seiner Gemahlin Laodice nach Rom / welche daselbst diesen ihren dritten mit dem Ariarathes erzeugten Sohn ausgab / und um Einsetzung in Cappadocien anhielt. Mithridates begegnete durch seinen Gesandten Pelopidas dieser Unwahrheit mit einer andern / und gab seinen in Cappadocien zum Könige gemachten Sohn für ein Kind des Ariarathes aus / der den Römern wider den Aristonicus in Macedonien beygestanden hätte. Der Rath zu Rom aber wieß beyde mit ihrem Gesuch ab / und erklärte auff der Deutschen in Galatien Gutachten so wol die Paphlagonier / als Cappadocier für freye Völcker. Welche letztern aber sich für die zwar an sich selbst unschätzbare / ihnen aber / die zum Gehorsam gebohren / und zum Herrschen unfähig wären / unanständige Freyheit bedanckten / und um einen König baten / ohne dem sie zu leben nicht getrauten. Hierauff setzten die Römer einen Cappadocischen Fürsten Ariobarzanes durch der Deutschen König in Galatien zum Könige ein. Mithridates muste diß geschehen lassen; und / um nicht mit Rom und den Deutschen welchen die Römer ein Theil des grössern zwischen dem Flusse Meander und Hermus gelegenen Phrygiens / wie auch den berühmten Saltz-See Tatta verehrte / zur Unzeit zu brechen / ein Auge zuthun. Gleichwol kochte sein Hertz Rache; und daher vermählte er seine Tochter Cleopatra dem Armenischen Könige Tigranes; welcher durch seine Heerführer Mithraas und Bagoas den friedsamen Ariobarzanes über Halß und Kopff aus Cappadocien trieb; und Mithridatens Sohn Ariarathes wieder darein einsetzte. Weil nun durch unauffhörliches Blutvergiessen der Selevkische Stamm gleichsam gar vertilget war; erwehlten die Syrier den Tigranes zu ihrem Könige. Diese zwey Begebnüsse verursachten: daß der Römische Rath den glücklichen Sylla in Cilicien schickte / so wol den Tigranes / als Mithridates zu beobachten. Weil aber die über beyder Könige Verwandniß und Macht sorgfältige Deutschen dem Sylla mit aller Macht unter die Armen zu greiffen sich erboten / und dem Tigranes bey Zeite zu steuern in Ohren lagen / fiel er mit wenig Römern / und meist Deutschen in Cappadocien ein / schlug den ihm begegnenden Gordius / hernach den Bagoas mit seinen Armeniern aus dem Felde / und machte den nach Rom geflohenen Ariobarzanes wieder zum Könige; und war der erste Römer / der mit seinen Waffen biß an den Fluß Euphrates drang. Der Parthische König Arsaces schickte dahin Orobazen in Bothschafft zum Sylla / machte mit den Römern Freundschafft; da denn Sylla das Glücke hatte auff einem erhobenen Stuhle zwischen dem Könige Ariobarzanes und des mächtigsten Königs Bothschafftern zu sitzen; [930] wiewol dieser seinen Nach-Sitz zu Hause mit dem Kopffe gelten muste. Hierauff aber kriegten die Römer in Italien genung zu schaffen; und Nicomedes starb mit Verlassung zweyer Söhne. Der ältere Nicomedes maste sich mit Belieben der Römer des Reichs an; der jüngste Socrates Chrestus aber flohe zum Mithridates um Hülffe; weil sein ältester nur von der Tänzerin Nysa gebohrner Bruder zu herrschen nicht fähig wäre. Mithridates ergriff diese erwünschte Gelegenheit mit beyden Händen / fiel unter dem Nahmen des Socrates / welcher die Deutschen mit vielen Geschencken ihm zu helffen / oder zum wenigsten stille zu setzen angieng / in Bithynien / und ward dessen unter einem so scheinbaren Vorwandte zeitlich Meister; weil die meisten Festungen dem Sohne der Laodice Socrates die Schlüssel entgegen brachte. Weil nun Mithridates sich der Zeit zu bedienen / und das Eisen / weil es noch glüet / zu schmieden für rathsam hielt / brach er auf einer / und Tigranes auff der andern Seite in Cappadocien / und vertrieben mit eben so leichter Müh den Ariobarzanes zum andern mahl daraus. Der Römische Rath schickte den Aqvilius hierauff in Asien zum Mithridates; welcher aber sich über viel von den Römern angethanes Unrecht und ausgesogenes Geld beschwerte; iedoch endlich auff keinem Theile zu stehen sich erklärte. Hierauff rückte Caßius mit wenigen Römern und Phrygiern / der Galatier König Amyntas aber mit einer ansehnlichen deutschen Macht in Bithynien / und hierauff in Cappadocien / setzten dort den Nicomedes / hier Ariobarzanen wieder auff den Stul. Mithridates und Tigranes richteten aus Verdruß über der Römer Beginnen ein Bündniß wieder sie auff / mit der Abrede: daß jener alles Land / dieser alles bewegliche zur Beute haben solten. Mithridates setzte auch eine grosse Menge Volckes aus seinem volckreichen Scythien und Sarmatien über; nahm viel Phönicische und Egyptische Schiffer und Schiff-Zimmer-Leute in Bestallung / schickte Bothschafften zu den Bastarnen / Thraciern / Geten / Daciern / Sarmaten /Deutschen / ja gar biß zu den Cimbern / und frischte selbte mit reichen Geschencken / und Versprechung noch herrlicher Beute wider die Römer als die allgemeinen Feinde des menschlichen Geschlechtes / und die unersättlichen Räuber der Welt auff. Am allermeisten lag er den Deutschen in Galatien in Ohren; welche ohne diß auff die Römer und den Nicomedes unwillig waren; weil sie für die Eroberung Bithyniens und Cappadociens ihnen mit Versprechung güldener Berge das Maul aufgesperret / aber nichts als Wind gelieffert hatten; brachte sie auch durch alle nur ersinnliche Mittel / insonderheit aber durch die aus Italien an ihn geschickte Gesandtschafft der Marsen /Samniter und Lateiner / welche der Römer Laster auffs schwärtzeste abmahlten / so wol als die an Colchis stossende Iberier auff seine Seite / und Tigranes die Meden in ihr gemeines Bündniß. Zumahl diese augenscheinlich warnahmen: daß die Römischen Befehlhaber in Asien aus Begierde zum Kriege / und Hoffnung reicher Beute sich an Mithridates mit Gewalt rieben / ja der Römische Rath ihn / ungeachtet er stille saß / durch eine Bothschafft schimpflich bedreute / ihn mit Strumpff und Stiel auszurotten / da er mehr einem Nachbar zu nahe kommen würde. Der junge Nicomedes ward auch durch der Römer Verhetzung so kühn: daß er in das Pontische Reich einfiel /und biß an die Stadt Amastris mit Raub und Mord streiffte; welches der Mithridates ungeachtet der bey der Hand habenden Waffen mit Fleiß vertrug / und zu Rom durch den Pelopidas sich darüber beschwerte /um seinem vorhabenden Kriege so viel mehr Farbe der Gerechtigkeit anzustreichen. Nicomedes hingegen rechtfertigte seinen Einfall mit dem Nahmen einer billichen Rache für angethanes Unrecht; gab für einen Friedenbruch [931] an: daß Mithridates den Taurischen Chersonesus besässe; weil die Römer allen Asiatischen Königen in Europa überzusetzen verboten hatten; und durch so viel Bündniße nichts anders als Rom zu bekriegen anzielte. Wie nun Pelopidas keine Ausrichtung erhielt / sondern nach zweydeutiger Antwort aus dem Rathhause zu gehen genöthiget ward; waffnete Mithridates auf erhaltene Nachricht in seinem gantzen Reiche; schickte seinen Sohn Ariarathes in Cappadocien und entsetzte wie ein durchdringender Blitz den Ariobarzanes zum dritten mahl selbigen Reiches; den Pelopidas aber und Nicandern nach Rom / zum Römischen Feld-Herrn Maltinus / mit der Andeutung: Sie solten ihrer gleißnerischen Freundschafft ein Ende machen / ihm wieder Nicomeden Recht verhelffen / oder er würde es selbst thun. Seine Hoheit litte es nicht: daß er nach ihm abgenommenen Phrygien / welches sein Vater für die den Römern geleistete Hülffe / oder vielmehr für viel Gold bekommen / Cappadocien / welches seinen Vor Eltern zugestanden /endlich das durch Kriegs-Recht gewonnene Bithynien noch immer mehr ihm auf den Fuß treten ließe. Der Geist seines tapffern Vaters Evergetes / der ihm ein zwantzig-hundert-tausend Schritte langes Gebiete verlassen / würde ihn beunruhigen; die von ihm bezwungenen Colchier / Scythen und Sarmater an dem Euxinischen Meere würden ihn mit Rechte nicht länger zu ihrem Haupte erdulden / wenn er sich zum Gauckel-Spiele eines weibischen Bithyniers machen liesse. Sie möchten also entweder mit der Rechts-Hülffe einen redlichen Frieden / oder den Krieg erwehlen / da sie nicht nur mit ihm / sondern mit Parthern / Armeniern /Thraciern / Bastarnen / Scythen / Tauriskern / Deutschen und allen zwischen dem Tanais und Ister wohnenden Völckern mehr / als sie meinten / zu thun bekommen würden. Die Pontischen Gesandten aber wurden schimpflich abgewiesen; und derogestalt beyderseits die eifrigste Kriegs-Rüstung für die Hand genommen. Lucius Caßius brachte aus seinem Pergamenischen Asien / Phrygien / und des Galatischen Fürsten Teporgis deutschen Hülffs-Völckern viertzig tausend Mañ zusammen / und theilte sie mit dem Aqvilius und Appius Claudius. Minutius Rufus hatte im Pamphilischen Meere eine Schiffs-Flotte bey der Hand; und Cajus Popillius verwahrte mit einer andern den Mund der Thracischen Meer-Enge. Nicomedes führte absonderlich sechs und funffzig tausend Kriegs-Leute ins Feld. Mithridatens zwey tapfere Feld-Hauptleute Neoptolemus und Archelaus begegneten ihm am Flusse Amnia mit dem an dem leichtesten Kriegs-Volcke bestehenden Vortrabe; Mithridatens Sohn Arcathias führte darbey fünff tausend Armenische / und Nordbert drey tausend deutsche Reuter. Dieser und Archelaus blieb in einem Thale mit hundert Sichel-Wagen zum Hinterhalte stehen; Neoptolemus und Arcathias aber nahmen wegen der ihnen an Menge überlegenen Bithynier eine felsichte Höhe ein. Nach eines halben Tages vortheilhaffter und tapferer Gegenwehr aber trieb Nicomedes die Pontischen Völcker vom Berge / und in die Flucht. Alleine Archelaus und Nordbert giengen den Bithyniern so ernstlich in die Seite: daß es sie vergieng die Flüchtigen zu verfolgen; sondern Nicomedes muste gegen diese strengen Feinde eine neue Schlacht-Ordnung machen. Hierüber brachen die hundert Streit-Wagen ein; welche mit denen sich an Sicheln und Rädern anhängenden zerfleischten Menschen noch mehr Schrecken als Schaden verursachten. Neoptolemus und Arcathias kriegten inzwischen Lufft sich wieder zu setzen; gingen auch den Bithyniern so hertzhaft in Rücken: daß Nicomedes / nach dem er unterschiedene mahl die Lücken seines getreñten Heeres er gäntzt hatte; zuletzt aber alle Verfassung über einen Hauffen geworffen ward / muste er nur mit wenigem Adel seiner [932] Leibwache die Flucht nehmen / und sein gantzes Kriegs-Volck im Stiche lassen; worvon aber Mithridates alle Gefangenen mit Verehrung eines Zehrpfennigs loß ließ / um den Anfang seines Sieges mit dem Ruhme seiner Gütigkeit desto herrlicher zu machen. Die Römischen Heerführer wurden durch diesen Verlust / da nicht einst der Kern des Pontischen Heeres eine viel stärckere Macht erlegt hatte / heftig bestürtzt; sonderlich / da die Zeitung zugleich kam: daß die Thracier und die am Ister wohnenden Völcker Macedonien verwüsteten. Der Römische Rath erklärte hierauf den Marius zum Feld-Herrn wider Mithridaten / Sylla aber weigerte sich ihm das Kriegs-Heer abzutreten; und rühmte sich: daß dieser Zug ihm gehörte. Sintemal ihm die zu Rom nach Cappadocischer Art verehrte Kriegs-Göttin im Traume den Blitz zugereicht / und beyzustehen versprochen hätte. Allein Mithridates wartete dem blutigen Bürger-Kriege dieser zweyer verbitterten Raub-Vögel nicht aus; sondern kam dem Könige Pylämenes in Paphlagonien mit anderthalb hundert tausend Mann so geschwind auf den Hals: daß er nicht einst Zeit hatte / seine Kriegs-macht zusammen zu ziehen; sondern die den Vortrab habenden Deutschen hatten nur genug mit Besetzung der verlassenen oder sich ergebenden Oerter zu thun. Mithridates richtete seinen Zug dergestalt gerade gegen dem Flusse Sangar und Bithynien. Aqvilius Maltinus / und der entroñene Nicomedes hattẽ sich am Scoborischẽ Gebürge verschantzt. Weil aber ein Sarmatischer Fürst Radzivil mit hundert seiner Reuter acht hundert ihm begegnende Bithynische Reuter in die Flucht schlug / zwey hundert gefangen brachte /welche Mithridates abermals mit Geschencken in ihr Vaterland schickte / ging Nicomedes des Nachts heimlich durch / und eilte zum Lucius Caßius über den Fluß Sangor. Als Maltinus auf den Morgen diß erfuhr; brach er ebenfalls auf mit Vorsatze sich in das Lindynische Gebürge zu ziehen. Allein Neoptolemus Mithridatens und Menophanes der Armenische Feldherr ereilten ihn an einer Bach / zwangen ihn zu schlagen; und erlegten ihm zehntausend seiner besten Kriegs-Leute. Aqvilius verließ nach erlangter Nachricht sein Läger mit allem Vorrathe zur Beute der ihm auf der Fersen folgenden Deutschen; und entkam mit genauer Noth über den Fluß Sangar / und von dar nach Pergamus. Weil nun Mithridates abermahls alle Asiatische Gefangenen mit seidenen Röcken und andern Gaben von sich ließ / ihnen die Freyheit und die Loßlassung von dem Römischen Joche versprach /gewann er in Asien mehr durch seine Leitseligkeit /denn durch Waffen. Mehr als hundert grosse Städte schickten ihm Gesandten und die Schlüssel zu ihren Festungen entgegen / hiessen ihn ihren Erhalter / opferten ihm wie einem Gotte; also: daß nach vergebens gesuchter Hülffe in Phrygien Caßius nach Apamea /Maltinus nach Rhodis / Nicomedes nach Pergamus /ja endlich gar nach Rom sich flüchtete. Die am Munde der Thracischen Meer-Enge liegenden Schiffe giengen theils durch / theils zum Mithridates über. Die Bithynischen Städte stritten mit einander gleichsam um die Ehre und den Vorzug / welche sich dem grossen Mithridates am ersten ergeben hätte. Also ward er in wenig Tagen Herrscher in Bithynien; Und nachdem er durch Erlassung aller Schulden aller Gemüther gewoñen / alle Kriegs-Leute reichlich beschenckt hatte; hielt er seinem Heere für: Sie hätten nunmehr durch ihre Siege gelernet: daß die Römer keine unüberwindliche Götter; sondern Menschen / ja gegen Helden feige Leute wären. Pyrrhus hätte mit 5000. Macedoniern sie dreymal geschlagen. Añibal 16. Jahr sie im Hertzen Italiens beängstiget; uñ daß er Rom nicht gewoñen / hätten nicht der Römer Kräften; sondern seine mißgünstige Landsleute verhindert. Die Deutschen hätten Rom gar eingeno en / und verbreñt; und die nur [933] noch übrige Spitze eines Berges wäre durch ein Lösegeld erhalten worden. Die bey ihm stehenden Galatischen Deutschen wären eben ihres Ursprungs; ja ihre Tapfferkeit durch die in Illyrien / Thracien und Asien geführte Kriege noch mehr geschärfft worden. Was hätten ihnen nicht die Cimbern und Marsen für empfindliche Wunden geschlagen? Wenn nun so viel streitbare Völcker den gemachten herrlichen Anfang mit ihm hertzhafft verfolgen wolten; traute er in kurtzer Zeit sein ihm durch Beraubung so vieler Länder / durch Verwerffung des tapffern Gordius zum Cappadocischen Könige / durch Auffwiegelung des Tantzmeisters Nicomedes angethanes Unrecht zu rächen; und ihre wieder alle Könige der Welt hegende Todfeindschafft auszuleschen. Sintemahl sie alle ihnen nach der Unart ihrer gehabten Könige fürbildeten; als welche entweder nur der Aborigener Hirten / der Sabiner Wahrsager / oder verwiesene Corinthier / ja Leibeigene der Thuscier gewest wären; und keiner keinen ehrlichern Zunahmen als eines Hoffärtigen verdient hätten. Ihre Uhrheber aber hätten nichts minder die Grausamkeit als die Milch aus den Wartzen einer Wölfin gesogen; welche wilde Art das gantze Volck durch unersättlichen Blutdurst /Geitz und Herrschsucht angenommen / oder vielmehr überstiegen hätten. Seiner Herrschafft aber würde sich hoffentlich kein Volck zu schämen haben / weil er vom Vater des grossen Cyrus und Darius / von der Mutter des noch grössern Alexanders und Nicanors Enckel wäre. Das von Alexandern gar nicht oder unglücklich berührte Scythien hätte er noch in seiner Kindschafft ihm unterworffen. Das viel mildere Asien lächsete unter dem Römischen Joche / und Italien selbst seuffzete gleichsam nach seiner Herrschafft. Das gantze Heer gab mit Zusammenschlagung der Schilde und einem Feldgeschrey ihre Beypflichtung zu verstehen. Tiborgis / der das Didymische Gebürge bewohnenden Deutschen Fürst verließ nunmehr auch den furchtsamen Aqvilius. Mithridates aber rückte mit gesamter Macht in das den Römern unmittelbar unterwürffige Phrygien / und schlug zum glücklichen Zeichen sein erstes Läger an dem Orte / wo es der grosse Alexander gehabt hatte. Das Gelücke lieh gleichsam seinem Siege die Flügel; und die Ausbreitung seiner Herrschafft kam seiner Einbild- und Hoffnung zuvor. Er selbst nahm Phrygien und Mysien ohne Verlust einigen Schweises oder Blutes ein. Neoptolemus bemeisterte Carien und Lycien; Archelaus Pamphylien; der Deutschen König Lydien und alles biß an Jonien und Ephesus. Ja als er nur die mächtige Stadt Laodicea an dem Flusse Lycus durch einen Herold aufffordern / und auff erfolgende Ausliefferung der Römer alle Gnade ankündigen ließ; banden die Einwohner den Römischen Stadthalter Qvintus Oppius mit allen Römern / überliefferten sie dem Amyntas / und öffneten ihm die Stadt-Thore. In Jonien meinte Maltinus / Manius Aqvilius in dem Eylande Lesbos Mithridaten die Stirne zu bieten; aber beyde wurden gefangen / und ihr Volck erschlagen; Oppius zwar höflich / aber Aqvilius / als der Uhrheber des Pontischen Krieges / scharff gehalten / anfangs an einer Kette von einem fünff Ellen langen Bastarnen hinter dem Pferde nachgeschleppt / hernach den über ihn erzürnten Mitylenern übergeben; Manius seines Geitzes halber täglich geprügelt / auff einem Esel herum geführet / und zu Pergamus ihm zerschmoltzen Gold in Hals gegossen. Hierauff ergab sich auch bald Magnesia und Ephesus / allwo aller Römer Bilder abgestürtzt / und aus selbten Mithridatens gegossen wurden. Stratonicea in Carien wiedersetzte sich zwar noch dem Neoptolemus; Aber Mithridatens Ankunfft jagte ihr ein solch Schrecken ein: daß sie sich ergab; iedoch diesen grossen König bald zu ihrem eigenen Gefangenen bekam. Denn er verliebte[934] sich in die schöne Minoma des Milesischen Philopemenes Tochter; welche er auch / als sie ihm nicht um funffzehen tausend Pfund Goldes den Beyschlaff verstatten wolte / gar ehlichte / und zur Königin erklärte. Mithridates / weil er nunmehr schon die Römer für unversöhnlich / auch sich von ihnen mehrmahls beschimpfft und beleidiget hielt; auch auffs neue erfuhr: daß man seinem Gesandten Pelopidas zu Rom die Verhör und den Einzug versagte / auch etliche seiner Bedienten in der Tiber ersäufft hatte / san auff eine ihm zugleich die wanckelmüthigen Asiater versichernde Rache; Befahl also einiger Meynung nach /auf des Rutilius eines zu Mitylene gefangenen Römers Einrathen / in gantz Asien den dreyßigsten Tag alle Römer zu erschlagen. Welches wegen der auf den einen oder andern Fall darauf gesetzten Preiße und Straffen mit solchem Eyver vollzogen ward; daß die Trallianer diese Abschlachtung einem Paphlagonier Theophilus verdingten und weder der Tempel der Diane zu Ephesus / das Bild des Esculapius zu Pergamus noch das Heiligthum der Cybele zu Peßimut von Römischem Blute unbespritzt blieb. Wordurch denn Asien sich mit Rom zu versöhnen gleichsam alle Hoffnung benommen / und dem Mithridates treu zu bleiben gefässelt wurden. Dieser rüstete sich nunmehr mächtig zur See aus / um die in der Schiffarth allen überlegene und wiederspenstige Rhodier zu bezwingen / hierdurch aber andere entfernte Eylande so viel leichter zur Unterwerffung zu bringen. Der Wind oder das Glück trieb ihn vielmehr auff das benachbarte Eyland Caus; auff welchem er des Egyptischen König Alexanders Sohn uñ einen von seiner Groß-Mutter Cleopatra dahin geflüchteten unglaublichen Schatz /wie auch der Asiatischen Juden versammleten und nach Jerusalem zu schicken besti ten Reichthum /und dardurch die rechten Spann-Adern des Krieges in seine Gewalt bekam. Hierauf griff er zwar die Stadt Rhodos zur See und zu Lande an; ihre Geschickligkeit aber überwog seine Macht; und rühmten sie sich: daß die Göttin Isis die nahe an ihrem Heiligthum zu Sturme lauffenden Feinde mit Feuer und Blitz zurück getrieben hätte. Pelopidas belägerte inzwischen die in Lycien noch übrige Stadt Patana / in welcher Apollo durch die sechs Winter-Monathe wahrsagen soll. Wie nun sein Volck zum Sturmzeuge in dem denen Unholden gewiedmeten Heyne etliche Bäume umhieben / ward es durch ein daraus erschallendes Gelächter abgeschreckt; und als Pelopidas auff der Wahrsager Rath ihnen eine Jungfrau opfferte; welche nach ihrer Abschlachtung nicht weniger zu lachen anfieng. Also trat gleichsam das Verhängniß des Mithridatens Siegen in Weg. Er selbst brachte zu Pergamus die beste Zeit mit Liebkosung der Monoma zu; und die deutschen Fürsten / welche ihrer Thaten halber sich nicht hoch genung geschätzt achteten / zohen meist mit Unwillen nach Hause / andere waren der Pontischen Herrschafft / und dieses hochmüthigen Königes / welcher sich nunmehr den jungen Bachus nennen ließ / schon überdrüßig / und unterhielten heimliches Verständnüß mit den Römern; ja stellten ihm gar nach dem Leben. Das Verhängniß selbst kündigte durch unterschiedene Unglücks-Zeichen dem Mithridates eine Umwechselung seines Glücks an. Insonderheit schreckte ihn und das Volck: daß die von den Pergamenern durch Kunst geflügelte und gleichsam vom Himmel kommende Siegs-Göttin / welche dem einziehenden Mithridates eine Krone auffsetzen solte / durch Zerreissung des Drates stecken blieb /die Krone aber zu Boden und in Stücken warff. Gleichwol aber bemächtigte der tapffere Archelaus aller Cycladischen Eylande biß an das Peloponnesische Vorgebürge Malea / der Stadt Chalcis / gantz Euböens und in Thessalien der See Stadt Eretria; und erschlug in Besatzungen mehr als [935] zwantzig tausend Römer. Daswegen seiner Heiligkeit unbefestigte Eyland Deles / welches die Griechen der Götter Vaterland hiessen / und darauf weder ein Weib gebohren /noch einige Leiche begraben liessen / nahm Wartenberg ein deutscher Reuter mit seinen Deutschen Hülffs-Völckern ohne einigen Wiederstand ein. Weil nun diese nur einen unsichtbaren GOtt verehrten /nahmen sie alle Schätze aus dem Tempel des Apollo /und trugen sie in das Heiligthum der Göttlichen Versehung: welche aber hernach theils Metrophanes /theils Aristion daraus raubte / und mit selbten so gar Brunnen anfüllte. Hingegen weil sie an der Grichen Abgöttern Abscheu trugen / warffen sie alle ihre Bilder zu Boden und machte Wartenberg mit dem grossen für des Apollo Tempel stehendem ertztenen Drachen den Anfang; daraus er tausend Schilde giessen /und zum Gedächtnüsse an selbte einen sie umflechtenden Drachen etzen ließ; sie aber hernach in Deutschland schickte. Das berühmte güldene Bild des Apollo / warff ein Deutscher / weil es ihm nicht wie für Zeiten der Ptoische Apollo seinem Lands-Manne Myn antworten wolte / gar ins Meer. Die hierüber sich entsetzenden Grichen aber tichteten: daß diß Bild durchs Meer geschwommen / und im Peloponnesus bey der Stadt Boä angelendet wäre; dahin hernach dem Epidelischen Apollo ein Tempel gebaut ward. Der von Athen beym Mithridates befindliche Gesandte Aristion ließ sich entweder sein Glücke / oder seine Geschencke bländen; daß er die Stadt Athen durch den thummen Pöfel auf Mithridatens Seite / und ihre Herrschafft unter sich brachte. Archelaus machte hier auf Athen gleichsam zu seinem Kriegs-Schlosse; und bewegte daraus die Acheer / Spartaner / Thebaner /und gantz Beotien zum Beyfalle; hätte auch mehr ausgerichtet / wenn nicht Bruttius Sura ihm die Wage gehalten hätte; und das Glücks-Kind Sylla mit fünff Legionen Römern / und wol noch so viel Hülfs-völckern / darunter auch drey tausend Deutsche waren / in Grichenland ankommen wären. Dieser gewann durch seine vorangehende Obersten Thebe und Beotien ohne Schwerdschlag wieder / er selbst brach in Attica ein /und schlug den Feind aus dem Felde; Also: daß Aristion sich nach Athen / Archelaus in die den Attischen Meer-Hafen bewahrende Festung Pyräeum flüchten muste. Jene umsetzte er / um sie durch Hunger zu zwingen; diese aber / welche Pericles mit einer aus grossen viereckichten Steinen erbauten Mauer fast unüberwindlich gemacht hatte / belägerte er selbst / und ließ von Thebe alleine auff zehntausend Maul-Thieren Sturm-Zeug dahin bringen. Weil aber diß noch nicht zulangte / wurden alle heilige Wälder und Püsche abgehauen / welche den Göttern geweihet waren / oder die hohen Schulen der alten Weltweisen ziereten. Sein Armuth / in dem der zu Rom wütende Cinna uñ Marius nur auf Abschlachtung der Bürger / nicht Erlegung der Feinde dachten / zwang ihn alle Kirchen-Schätze zu Olympia / Epidaurus und Delphis anzugreiffen; worbey der Aberglaube oder die Heucheley aussprengte: daß Apollo mit einem aus der Delphischen Höle erschallenden Lauten-Gethöne seinen Raub gebilliget hätte. Weil nun so wol Sylla zu Bestürm- als Archelaus zu Vertheidigung des Pyräeum alle Kriegs-Künste hervor suchten / ja viel neue erfunden / viel ungeheure Thürme gegen einander erbauten / und selbte durch Kunst-Feuer anzündeten / oder nach dem sie durch Alaun für dem Brande versichert wurden /durch Untergrabungen über einander warffen / Archelaus auch zur See offt mit frischem Volcke / und sonderlich tausend außerlesenen Deutschen / welche der Galatische Fürst Toredorich aus Galatien dahin schickte / verstärckt ward / und die Römer mit unaufhörlichen Ausfällen beunruhigte; Hingegen zwey Attische Leibeigene in heraus geschossenen bleyernen Kugeln alle inwendige [936] Anstalt dem Sylla verriethen; war diß eine so merckwürdige Belägerung / welche allen vorhergehenden die Wage hielt / und ein Muster aller künfftigen abgeben konte. Unterdessen gieng die von Hunger auffs eusserste abgemergelte Stadt Athen / welche aus Mangel Oels so gar der Minerva ewiges Feuer ausleschen ließ / durch einen unvermutheten Anfall bey dem unbesetzten Heptachalcum durch Sturm über / und hielt Sylla über die abgebrochene Stadt-Mauer seinen Einzug; worbey so viel Blut vergossen ward: daß es Strom-weise biß in die See floß. Die beym Sylla sich aufhaltende zwey verwiesenen Midias und Calliphon verbaten mit Noth diß ihr Vaterland: daß er es nicht gar vertilgte. Endlich nahm Sylla auch nach unglaublicher Müh und Durchbrechung sechs neuer Mauern / die Archelaus bey währender Belägerung hinter einander aufgeführt hatte /die Festung Pyreäum stürmender Hand ein; welche aber Archelaus bey verspielter Sache mit des Philo berühmten Zeug-Hause anzündete / und sich mit seinem übrigen Volcke in das befestigte Eyland Munychia zurück zoh. Mitler Zeit versetzte Munatius bey Chalcis fürnehmlich durch Tapfferkeit der Deutschen Reuterey dem Neoptolemus einen harten Streich; hingegen nahm Arcathias mit Hülffe des deutschen Fürsten Dejotar und Dromichetes samt ihren theils in Galatien / theils in Thracien wohnenden Deutschen /welche Mithridates wieder auf seine Seite gebracht hatte / die Stadt Amphipolis / gantz Macedonien den Römern ab; ja sie drangen gar in Epir / zündeten den Delphischen Tempel an / und zerstörten des Dodonischen Jupiters Heiligthum. Arcathias starb hierüber; also ward Taxiles Pontischer Feldherr / welcher die Phocische Stadt Elatea belägerte / und mit hundert tausend Fuß-Knechten / zehntausend Reutern / neunzig Sichelwagen über den Fluß Cephißus gegen Athen fortrückte. Sylla rückte ihm mit der meisten Römischen Macht funffzehnhundert Deutschen / und acht tausend Grichen in Beotien entgegen; weil ohne diß die unfruchtbaren Attischen Gebürge ihn kaum länger bewirthen konten. Beyde Heere kamen nicht weit von Elatea unter dem Daulischen Gebürge gegen einander zu stehen; iedoch muste Sylla / ob schon der den Berg Parnaßus überkletternde Hortensius zu ihm stieß / wegen weniger Reuterey sich in einer dem / mit dem Flusse Aßus sich vermengenden Cephißus nahen Fläche verschantzen / und den von Munychia hieher zuvor gekommenen Archelaus die Städte Panopeus und Lebadea in seinem Gesichte einnehmen lassen. Nach dem die Pontischen Völcker ihn mehrmals zur Schlacht ausgefordert / rückte Archelaus gegen die Stadt Cheronea zu / in willens sich nach Chalcis zu ziehen; Gabinius aber kam ihm mit einer Legion in Cherea zuvor; Sylla folgte; und als er wahrnahm: daß Archelaus zwischen selbigem bergichten Orte weder sein Heer ausbreiten / noch die Reuterey brauchen könte; stellte er nach dem Murena sein Heer gegen den Archelaus in Schlacht-Ordnung. Als dieser nun auch darmit umgieng / fiel Ericius und Gabinius /welchen Homolerich und Anaxidamus zwey Cheronenser einen geheimen Steig über den Berg Thurius gewiesen hatte / denen Asiatischen Völckern so unvermuthet über den Hals: daß sie daselbst 3000. sitzen liessen / und theils gegen des Archelaus Läger /theils gegen den Römischen lincken Flügel getrieben wurden / und dort ihre eigene Schlachtordnung zerrütteten hier aber übel empfangen wurden. Archelaus ließ zwar gegen die andringenden Römer 60. Sichel-Wagen loß; weil sie aber aus Mangel des Raubes allzulangsam fortrenneten; öffneten diese ihre Schlacht-Ordnung / und liessen sich selbte sonder einigen Schaden verreñen; wurden also ihre Pferde uñ Führer von dem mit den Grichẽ im Hinterhalte stehenden Sulpitius leicht erlegt. Fürst Dejotar bot zwar auch mit seiner deutschen Reuterey [937] dem Sylla eine weile die Spitze; aber die Zagheit der Asiaten / der Vortheil des Römischen Fuß-Volcks / und der abschüßige Streit-Platz machte: daß ihrer viel bey solchem Gedränge über die Felsen stürtzten; und weil sie nicht entsetzt wurden / nicht wenig Noth litten; sonderlich /weil Murena funffzehn tausend vom Archelaus freygelassene Grichische Knechte mit Schleuderern und Bogenschützen leicht in Verwirrung brachte. Dejotar wickelte sich mitler Zeit zwar aus dem Gedränge /und rieth dem Archelaus sich in sein vortheilhafftes Läger zu ziehen; aber er wolte lieber alles / als etwas verlieren; streckte daher seinen rechten Flügel um einen Berg herum; damit er die Römer gleichsam mit seinem viel stärckern Heere umschlüssen möchte. Galba und Hortensius bothen ihm wol die Spitze; alleine Dejotar und Dromichetes schnitten sie von dem Römischen Heere gantz ab; machten nicht allein alles nieder; sondern verursachten auch den Sylla: daß er mit der Römischen Reuterey selbst dahin eilen muste. Archelaus welcher das feindliche Haupt zu erdrücken hätte bemüht seyn sollen / verließ diesen Platz; und meinte bald des verlassenen Römischen Flügels Meister zu werden. Also kam es dort wieder zu gleichem Gefechte; und weil Murena inzwischen frische Hülffe kriegte / gerieth Taxiles in die Flucht. Die fast gantz im Stiche gelassenen Dejotar und Dromichetes kamen nach eusserster Gegenwehre mit Noth davon. Jedoch hätte noch ein grosses Theil des Pontischen Heeres gerettet werden können / wenn nicht Archelaus für den Flüchtigen die Pforten des Lägers verschlossen /und bey schon gantz verlohrnem Spiele sie mehr hitzig als vernünfftig mit blanckem Degen zum Fechten zurück getrieben hätte. Endlich öffnete er zwar das Läger / aber zu spät; indem die Römer zugleich mit eindrangen / und selbtes eroberten. Also verlohr Mithridates diesen Tag wol sechzig tausend Kriegs-Leute; wiewol die Römer die Zahl wol auf hundert tausend vergrösserten; hingegen sich nicht zu schämen tichteten: daß nur zwölff Römer todt blieben wären; Da doch Fürst Dejotar ihrer mehr mit seiner Hand erlegt hatte; und über zehntausend edlen Grichen Begräbnüß-Male aufgerichtet wurden. Archelaus entrann mit zehntausenden nach Chalcis; die über des Archelaus schlimmer Anführung aber verdrüßlichen Fürsten Dejotar und Dromichetes führten ihre Deutschen durch Thessalien / und Macedonien in Thracien; welches dem Archelaus Gelegenheit gab / durch Verleumdung der Deutschen / samb sie ihn verlassen hätten / sein Versehen zu entschuldigen / und auf sie Mithridatens Zorn und Galle abzuleiten. Weil nun dieser ohne diß ihnen so wenig als denen überwundenen Asiaten traute; entbot er mit vielen Verheissungen unter dem Scheine mit ihnen geheimen Rath zu halten / die Fürsten Dejotar / Toredorich / und wol noch sechzig der fürnehmsten aus dem Adel nach Pergamus. So bald sie dahin kamen / verbot er keinen aus der Stadt zu lassen / ließ auch ihre Gemahlinnen und Kinder unter dem Scheine der Ehren dahin erbitten. Diese Gewalt und Undanckbarkeit gieng ihnen so sehr zu Hertzen: daß sie Mithridatens Tod beschlossen; und hätte Toredorich ihn in dem Richt-Saale hingerichtet / wenn nicht ein Grichischer Leibeigener den Anschlag verrathen hätte. Worüber der furchtsame Mithridat derogestalt verbittert ward: daß er noch selbigen Abend alle / ausser dem durch Hülffe eines Frauen-Zimmers entkommenden Dejotar / und zwey andern Rittern / mit ihren Frauen und Kindern enthaupten / und ihre Leichen den Hunden fürwerffen; das theils durch bißherige Kriege geschwächte / theils ihrer Häupter entblöste Galatien aber durch schnellen Uberfall des Eumachus einnehmen / und seiner Herrschafft unterwerffen ließ. Dejotar flohe in Thracien /und schlug sich mit seinen daselbst gelassenen Deutschen zum Sylla; welcher deñ / [938] als Mithridatens neuer Feld-Herr Dorylaus mit achtzig tausend Kriegs-Leuten nach Chalcis übersetzte / und Beotien durchstreiffte / den Römern grosse Dienste that. Wie auch Archelaus nach seiner See-Rauberey / und vergebens belägerter Stadt Zacynthus zum Dorylaus stieß; ermunterte er den Sylla: daß er bey der Stadt Orchomenus im flachen Lande denen Mithridatischen eine Schlacht zu lieffern wagte; nach dem er vorher des Nachts auf beyden Seiten seines Heeres einen tieffen Graben geführt / an der Stirne aber hinter denen vordersten Gliedern des Fuß-Volcks starcke Pfäle den Einbruch der Pontischen Reuterey und der Sichel-wagen zu verhindern eingegraben hatte. Dejotar selbst erwehlte mit seiner deutschen Reuterey hinter dem dreyfach gestellten Fuß-Volcke in einer Tieffe zu stehen. Die Pontischen Streit-Wagen blieben zwischen den Pfälen stecken / oder trennten gar ihre eigene Schlacht-Ordnung. Die Reuterey stutzte an dem unvermutheten Graben. Hingegen feyerten die Römer mit ihren Bogen und Schwerdtern nicht; biß Archelaus / nach dem ein Stücke des Grabens mit Leichen gefüllet war / mit seiner Reuterey durchbrach / und zwey Legionen zertrennte; Also: daß Sylla selbst vom Pferde springen / und durch Zuruffung: Sie möchten ihren Feldherrn nicht so schimpfflich im Stiche lassen / sie mit Noth zu Stande bringen muste. Welches aber wegen des darzu kommenden Dorylaus nicht lange getauert hätte; weñ nicht die durch das ihnen Raum machende Volck herfür sprengende / und den Feinden gleichsam vom Himmel auf den Hals fallende Reuterey vom Fürsten Dejotar beyden Heerführern tapffer unter die Augen und in die Hacken gegangen wäre. Dejotar durchrennte selbst des Archelaus Stieff-Sohn Diogenes / und er selbst muste weichen. Weil nun Sylla hierdurch Lufft kriegte / die Pontische Phalanx zu zertrennen; gerieth endlich alles in die Flucht. Funffzehn tausend Asiaten bissen ins Graß; Acht tausend wurden gefangen; Den dritten Tag darauf das vom Archelaus besetzte Läger gestürmet / erobert /und alles nieder gemacht; also: daß der Fluß Cephißus von den Leichen angeschwellet / der Copaische See auch von dem Blute soll gefärbt worden seyn. Der unerbittliche Sylla ließ nur zwantzig tausend aus den Sümpffen hervor gezogene ermorden; aus denen aber der drey Tage versteckte Archelaus noch nach Chalcis entkam. Wie nun hierauf Grichenland wieder Römisch ward / und in Asien die Stadt Ephesus den Zenobius ermordete / welcher zu Chios zwey tausend Talent erpreßt und die Einwohner als Sclaven nach Colchos geschickt hatte; andere Städte wegen Mithridatens Grausamkeit abfielen / viel sich ihn zu tödten verschwuren; die Deutschen auch wie der unter dem sich über das Euxinische Meer in Galatien spielenden Dejotar Mithridatens Besatzungen austrieben; der in Asien übersetzende Römische Feld-Herr Flavius Fimbria auch den jungen Mithridates in Bithynien zweymahl / ja den König Mithridates selbst aus dem Felde schlug / die Stadt Pitane / daraus Mithridates kaum durch des Lucullus verwahrlosung entschlipte / wie auch Pergamus und Ilium / Lucullus das Eyland Chios eroberte / und den Neoptolemus bey Tenedos aus der See trieb; ließ dieser endlich durch den Archelaus mit dem Sylla auf solche Bedingungen einen Frieden behandeln: daß Mithridates sich Galatiens / Asiens und Paphlagoniens enteussern / Bithynien dem Nicomedes / Cappadocien dem Ariobarzanes abtreten / den Römern zwey tausend Talent und siebentzig gespitzte Schiffe abtreten solte. Ob nun wol Mithridates so schwere Gesetze genehm zu haben eine weile Bedencken trug / und den Archelaus wegen Verlust zweyer so mächtiger Heere verdächtig hielt; sonderlich / weil Sylla mit ihm als ein Bruder mit dem andern umgieng / ihn [939] einen Römischen Freund und Bundgenossen hieß und ihm in Eubea zehntausend Huben Ackers schenckte; so zohe doch dieser unglückliche König dem Sylla biß zur Stadt Dardanus entgegen / und beliebte nach einer langen Unterredung den geschlossenen Frieden. Worauff denn beyde / gleich als wenn sie niemahls gegen einander den Degen gezückt hätten / als vertraute Freunde einander umhalseten und küßten; die Deutschen also unter dem Fürsten Dejotar / nach dem sie sich zwischen der Römischen und Pontischen Macht seltzam durchgeschraubt hatten / zwar wieder zur Ruh / aber nicht zu ihren alten Kräfften und Ansehen kamen.

Sylla hingegen saß dem Fimbria auff den Hals /und zwang ihn: daß er zu Pergamus sich in dem Tempel des Esculapius ermordete; gleich als diß Laster verzweiffelter Zagheit eine den Heiligthümern anständige Andacht wäre. Wiewol / wenn es einigen Schein der Tugend annehmen kan / es ihm sein Knecht zuvor that / der des Fimbria Leben und Schmertzen durch seinen Dolch vollends abhalff / und hernach sein eigen Blut dessen Leiche aufopfferte; Dessen Leben er seine Dienste so treulich gewiedmet hatte. Hierauf baute Sylla Ilium wieder auf / ließ sich zu Athen in dem Elevsinischen Heiligthume einweihen; behandelte vom Tejus Apelicon / das Aristoteles und anderer weisen Grichen halb vermoderte Handschrifften; und ließ den Murena mit zwey Legionen in Asien / und den Lucullus in der vergebenen Belägerung der Stadt Mytilene zurücke. Hierauf erklärte sich der in Italien kommende Sylla zwar: daß er sich dem Rathe unterwerffen wolte / wenn alle vom verstorbenen Cinna verjagten Bürger wieder nach Rom beruffen würden; aber der Bürgermeister Carbo verderbte alles Spiel /und zündete den grausamen Bürger-Krieg an; in welchem etliche tausend Deutsche abermahls das Blut-Bad musten vergrössern helffen. Denn der Römische Rath / welcher nach des Carbo Urthel mit einem in des Sylla Hertzen wohnenden Löwen und Fuchse zu thun hatte / dorffte bey nahe keinem Römer recht trauen / nach dem Metellus / Cethegus / Verres / Piso /der junge Pompejus / und der Kern des Römischen Adels dem Sylla zufielen; Daher ließ er den Junius Brutus / die Helvetier / Noricher und andere Deutschen mit grossen Vertröstungen wieder den Sylla um Hülffe anflehen. Ein Tribocischer Fürst brachte ihm auch in Eyl drey tausend Reuter zu / mit welchen er dem jungen Cneus Pompejus / der gleichsam als ein neuer Glücks-Stern aufgieng / und mit der Uberbleibung seines väterlichen Heeres zum Sylla ritte / den Weg verbeugen wolte. Allein des Brutischen Heeres Müdigkeit / und die gar zu hefftige Hitze des Tribocischen Fürsten / welcher zu eiffrig dem Pompejus selbst auff den Hals drang; und weil seine Lantze auff des Pompejus Schilde zerbrach / von ihm durchrennt ward / oder vielmehr das für den Sylla selbst fechtende Gelücke waren Ursache: daß die Deutschen und das gantze Heer des Brutus geschlagen ward. Worauff denn auch des Bürgermeisters Scipio Heer ihn verließ / und zum Sylla übergieng; Pompejus aber / der kaum aus dem Picenischen Schul-Staube gediegen war /vom Sylla prächtig bewillkommet / ein Römischer Feld-Herr begrüsset / und am Po denen anziehenden Deutschen zu begegnen verschickt ward. Der junge Marius zohe hierauff zwar ein frisches Heer meist von Samnitern / Marsen und Deutschen zusammen / und grieff den Sylla bey der Stadt Signia tapffer an; weil aber im hitzigsten Treffen sieben Römische Fahnen die Waffen niederwarffen / und zum Sylla flohen /ward selbtes geschlagen; und entkam Marius mit genauer Noth nach Preneste. Pompejus und Metellus schlugen bald darnach auch den Carbo / und Rom sperrte dem Sylla selbst das Thor auff. Ob nun wol derogestalt alles sich für dem Sylla bückte; ja der[940] Bürgermeister Carbo selbst aus Italien lieff / uñ dreyßig tausend Mann im Stiche ließ; so ließ doch allein der Samniter tapfferer Fürst Pontius Telesius und Sultz ein deutscher Ritter mit seinen Hülffs-Völckern den Muth nicht gar sincken / sondern munterten den zu ihnen stossenden Carnias / Damasippus und Marcius auf: daß sie zwischen des Sylla und Pompejus Heeren durch / und gerade nach Rom rückten; und sich auf dem Albanischen Berge im Gesichte der Stadt lägerten / und den ausfallenden Appius Claudius mit vielem Adel erschlugen. Sylla eilte gleichfalls nach Rom / und liefferte ihnen für der Collatonischen Pforte eine Schlacht; in welcher der den rechten Flügel führende Marius Craßus zwar des Carinas lincken Flügel gestellten Samnitern und Deutschen so warm: daß der schon halb verzweiffelnde Sylla ein aus dem Delphischen Tempel geraubtes / und in einen Rubin gegrabenes Bild des Apollo herfür zoh / und selbtes kniende um den Sieg anruffte. Hierauff rennte er zwar auf einem weißen Pferde allenthalben hin / wo die Noth am grösten war / hielt die Flüchtigen mit eigner Hand auf; und hielt da festen Fuß / wo niemand mehr stehen konte; so / daß Telesin einen / und Sultz den andern Wurffspieß ihm nahe am Leibe vorbey schmiessen / aber alles war umsonst; und konte niemand gegen den schäumenden Sultz und Telesin stehen; welcher immer rieff: Man müsse diese für Augen stehende Stadt als Italiens Wald ausrotten / wenn man wolte der Wölffe loß werden. Also gerieth der gantze Flügel in die Flucht; die Römer liessen an den Stadt-Thoren die Fall-Gatter nieder. Dieser Auffenthalt zwang die fliehenden Römer sich wieder zu wenden; und ihre Verzweiffelung verneuerte das Gefechte; welches biß in die sinckende Nacht währte; also: daß beyde Theile biß auff eine geringe Uberbleibung von des Sylla Volcke einander im Finstern gleichsam blind aufrieben; und funffzig tausend Leichen auf der Wallstatt gezehlet wurden. Darunter war Sultz / Carnias / Damasippus / und der noch unter den Todten athmende Telesin / welchen Sylla die Köpffe abschlagen / und sie dem den Marius in Preneste belägernden Lucretius zubringen ließ. Hierauf verfiel Sylla in so unmenschliche Grausamkeit: daß er bey Ermordung acht tausend Ergebener nur im Rathe lächelte / den Marcus Marius nach ausgestochenen Augen / geprügeltem Rücken / tausenderley Pein auf des Catulus Grabe zerfleischen / durchgehends alle Samniter vertilgen / alle vermögende in die Acht erklären ließ; so /daß auch der dreyzehnjährige Knabe Cato seiner Raserey durch einen Dolch abgeholffen hätte / wenn es nicht sein Lehrmeister Sarpedo verhindert. Nach diesem erklärten die Römer ihn zu ihrem ewigen Feldherrn / räumten ihm auch über sich eine so unverschränckte Macht ein: daß er Städte bauen und einäschern / Königreiche nehmen und geben / auch ohne Rechts-weg verdammen und tödten möchte /wen er wolte. Und endlich beschloß er mit einem prächtigen Siegs-Gepränge wegen des besiegten Mithridates; darinnen unter so einer unsäglichen Menge Goldes und Silbers / und so viel unzehlbaren Seltzamkeiten wol nichts bessers zu sehen war: als daß die vom Marius vertriebenen Bürger seinem Siegs-Wagen folgten / und den Sylla ihren Vater und Erhalter / das Volck aber den Glückseligen ausrufften.

Mitler Zeit wendete Mithridates allen möglichsten Fleiß an die Gemüther der Deutschen in Galatiẽ wieder zu gewiñen / mit derer Beystand er unschwer die beym Römischen Kriege abgefallenen Colchier überwand / und auf ihre Bitte ihnẽ seinen Sohn Mithridates zum König gab. Weil sie diesem jungen Fürsten aber zu sehr liebkosten / argwohnte er: sein Sohn wäre ihres Abfalls [941] Uhrheber gewest; entbot er ihn freundlich zu sich / schlug ihn in güldene Fessel / und ließ ihn endlich durch den Rauch einer vergiffteten Fackel tödten; zu einem traurigen Merckmahle: daß Herrschsüchtige Eltern nicht nur ihr Leben aufopffern den Kindern Kronen zu erwerben; sondern auch Kinder schlachten / um Kronen nicht zu verlieren. Bald darauf rüstete er etliche hundert Schiffe über hundert tausend Kriegs-Leute aus / solche wieder die aufrührischen Bosphoraner zu führen. Weil aber Archelaus darbey keinen Dienst bekam / flohe er zum Murena /und brachte unter dem Vorwandte: daß Mithridatens allzugrosse Rüstung nicht wider die schwachen Sarmater / sondern die Römer angesehen wäre / zu wege: daß der Kriegs-begierige Murena in Cappadocien rückte / und alles / was noch Mithridatisch war / einnahm; ja die Stadt Cumana durch Sturm eroberte. Mithridates schickte hierauf zwar drey Grichische Weltweisen an Murena; diese aber riethen verrätherisch mehr zum Kriege als davon ab. Daher auch Sylla das gantze Land durchstreiffte / und mit Raub und Brand so gar nicht der Heiligthümer schonte. Mithridates schickte zwar auch eine Bothschafft an den Sylla /und den Römischen Rath / welche sich über diesen unverschuldeten Friedenbruch beschwerte; mit Bitte: Es möchten die Römer doch unter Feinden und Bundgenossen einen Unterscheid machen; Aber Murena ließ sich nichts irren; sondern setzte über den Fluß Halys / raubte / plünderte und kehrte mit grosser Beute durch Galatiẽ in Phrygien. Ungeachtet auch Callidius von Rom kam / und dem Murena einen Stillestand gebot; so kehrte er sich doch wenig hieran /und bedrängte so wol die Deutschen als den Mithridates. Wie nun jene zu den Waffen griffen; wagte es endlich auch Mithridates; und jagte beyder vereinbarte Macht nicht allein den Murena über den Fluß Parthenius / sondern gar in Phrygien. Viel des Römischen Geitzes überdrüßige Völcker in Asien fielen dem Mithridates wieder zu; und in weniger Zeit eroberte er die von den Römern besetzte Oerter in Cappadocien. Welchen Sieges halber er nach dem Beyspiele der auf des Cyrus Begräbnüß-Berge bey der Stadt Pasargada opffernden Persen / von welchen er entsprossen war / auf die Spitze des Lyndinischen Gebürges selbst Holtz trug / und in einem auff hundert und dreyßig Meilen sichtbaren Feuer dem Kriegs-Gotte Milch / Honig und Oel opfferte. Nach diesem Verluste kriegte Murena durch den Gabinius von Syllen auffs neue Befehl den Mithridates und die Deutschen nicht ferner zu reitzen; zumahl den Römern die einige Stadt Mytilene so viel zu schaffen machte: daß sie sie nicht erobern konten. Gleichwol aber ward ihm zu Rom ein Siegs-Gepränge erlaubt. Mithridates verglich sich inzwischen mit dem Ariobarzanes; Und damit er die Cappadocischen Festungen in seinen Händen behalten konte / gab er ihm eines seiner Kinder zur Geißel. Hierauf setzte er nach Colchis über; überstieg den Caucasus / und erweiterte sein Gebiete biß an den Fluß Cyrus. Hernach zähmete er die noch unruhigen Bosphoraner. Bey denen zwischen dem Flusse Icarusa und Nesus unter dem Caucasus liegenden Acheern aber büste er theils durch Arglist der Feinde / theils durch Einbrechung des Eyßes bey nahe zwey Theil seines Heeres ein. Zu Rom hatte Sylla zeither als ein Herr über seine Leibeigene gebahrt /den Lucretius und andere zu hoch empor wachsende Köpffe abgeschnitten / Egypten einen König gegeben / zehntausend Knechte freygelassen / und sie alle nach seinem Vornahmen genennet; nunmehr aber schien ihm der aus Africa sieghafft zurückkommende Pompejus zu Kopffe zu wachsen; welcher daselbst Hiempsaln das Reich Numidien eingeräumt hatte; weßwegen ihm Sylla ehrerbietig entgegen zoh / ihn den grossen Pompejus hieß / und ihm wieder die Gesetze ein[942] Siegs-Gepränge enträumte; ja / vieler Meynung nach /um von dieser aufgehenden Sonne nicht schimpflicher verdüstert zu werden; sich selbst in dem einsamen Schatten seines Cumanischen Vorwergs einschloß /und in einem Augenblicke sich aller seiner Gewalt /nach dem er vorher viel Tage nach einander dem Römischen Volcke ein kostbares Abschiedsmahl gegeben / und viertzig-jährigen Wein aufgesetzt hatte /enteusserte. Der gröste Trieb dieser Entschlüssung aber rührte von einem Cimbrischẽ Priester her / welcher dem Sylla in der mit dem Könige Bojorich gehaltenen Schlacht aus den Gefangenen zu kommen / und in seinem Hause zeither blieben war. Dieser hatte den Sylla zeither theils durch Rührung seines Gewissens wegen so viel vergossenen Blutes / und seinem Vaterlande geraubter Freyheit / theils durch Vernichtigung der Obersten Gewalt / welche nichts als eine edle Dienstbarkeit / und ein Kreyß ohne Mittel-Punct einiger Ruhe des Gemüthes wäre / endlich so mirbe gemacht; daß er die mit so viel Schweiß und Gefahr geraubte Würde nunmehr als einen eitelen Dunst verschmehete; und derogestalt derselbe / welcher für erlangtem Siege nicht genung zu loben / nach selbtem nicht sattsam zu schelten war; die Neige seines Alters klärer und herrlicher machte als sein Mittel gewest; ja hierdurch verdiente: daß wie er beym Leben des Todes / also in seinem Tode des Lebens würdig zu seyn geschätzt werden muste; ungeachtet er an der denen Wütterichen fast eigenen Läuse-Kranckheit solches mit unsäglichen Schmertzen beschloß. Daher ihm auch bey seinem prächtigen Begräbnüße zwey tausend güldene Kronen für getragen; seine Asche und Gebeine in die alte Königliche Grufft beygesetzt wurden. Seine Leiche ward seinem Befehle gemäß verbrennt; da doch alle Edlen zeither in Rom sich hatten beerdigen lassen; vielleicht aus Beysorge: Es möchte aus gerechter Rache seinen / wie des Marius Gebeinen gehen / die er hatte ausgraben und in den Fluß Anien schütten lassen. Daher fand man in des Sylla Holtz-Stosse eine Zypressen-Tafel / in welche nachfolgendes künstlich eingeschnitten war:


Der Tod der alles tilgt / der öffters Feind' als Freunde

Verscharret in ein Grab / giebt allzu schwach sich an:

Daß er den Marius nicht mit dem Sylla kan

Vereinbarn. Beyder Seeln und Geister sind noch Feinde.

Ja Libitina traut sich nicht nach einer Art

Der grossen Wüttriche zwey Leichen zu begraben.

Weil die des Marius nun ist in Fluth verwahrt /

Muß Syllens Holtz und Gluth zu ihrem Sarche haben.


Hierauff entspan sich in Hispanien der grausame Krieg des vom Sylla verbannten Sertorius; in welchen gleichsam die Seele des Marius und Annibals gefahren zu seyn schien. Deñ als zu Rom durch ein Gesetze allen / die auf des Marius Seite gestanden waren / mit samt ihren Nachkommen alle Staffeln der Ehren verschrenckt worden / zohe er nicht allein einen grossen Römischen Adel an sich; sondern verband sich auch mit denen Celtiberiern / und denen von König Teutobachs Heere in Hispanien gekommenen Deutschen / welche um das Edulische Gebürge ihren Sitz genommen hatten. Diese begegneten in den Pyreneischen Berg-Engen dem durch das Narbonnische Gallien anziehenden Cajus Annius so tapffer: daß drey tausend Römer daselbst ins Graß bissen. Allein Calpurnius Lanarius ermordete den Livius verrätherisch /schlug sich zum Annius / und eröffnete ihm allenthalben die Pforten; welches den Sertorius verursachte mit drey tausend vertriebenen Römern nach neu Carthago / und in Mauritanien zu fliehen. Nach erlittenem Schaden und Schiffbruche setzte er wieder oberhalb des Flusses Betis aus / und traff alldar etliche aus den glückseligen und Atlantischen Eylanden zurückkommende Schiff-Leute an. Daher er die Seinigen in die Ruhe dieser so fruchtbaren Länder überzuschiffen bemüht war; wie sie aber ihm zu folgen weigerten / und die [943] Lusitanier ihn zu ihrem Heerführer berufften / segelte er dahin / schlug sich durch des Cotta Schiffs-Flotte durch / und den Furfidius im Betischen Hispanien aus dem Felde. Wiewol auch der erfahrne Metellus wieder ihn geschickt ward / mergelte er ihn doch sonder Gefechte eusserst ab / schlug den Domitius und Thorius. Hirtulejus mit den Celtiberiern und Cimbern erlegten dem aus Gallien kommenden Lucius Manilius fünff gantze Legionen; also: daß er selbst über den Fluß Sicovis schwemmende mit Noth nach Ilerda entran. Worauf Sertorius einen Römischen Rath von dreyhundert edlen Römern / eine Leib-Wache / aber meist von fünffhundert Deutschen / und zwar nach der aus Deutschland von den Celtiberiern in Hispanien gebrachten Gewonheit aufrichtete: daß diese seine Gefehrten ihr Leben vor ihren Fürsten verloben musten. Mit denen Cilicischen See-Räubern machte er einen Bund; welche allenthalben zur See den Meister spielten. Den Metellus trieb er von der Stadt Laccobrige Belägerung mit grossem Verlust weg; Die Charocitaner trieb er durch hinein geweheten Staub aus ihren Höhlen. Ja seine Klugheit und Tapfferkeit bemächtigte sich mit des Cimbrischen Fürsten Siwalds / und der Celtiberier treuem Beystande fast gantz Hispaniens; und Sertorius hatte bereit für in Italien einzufallen; wenn nicht Cnejus Pompejus / der in Africa den Cneus Domitius und den Numidischen König Hiera überwunden / auch deßhalben im vier und zwantzigsten Jahre seines Alters zu Rom ein Siegs-Gepränge gehalten hatte / mit einem mächtigen Heere über die Lepontischen Alpen durch einen neugesuchten Weg / um es dem Annibal nachzuthun /in Gallien angezogen wäre; Allwo ihm aber die Alemänner / welche das Penninische Thal / und das Gebürge Jura bewohnten / allerhand Hindernüße machten / und seinen Nachtrab grossen theils zernichteten. Pompejus kam gleichwol mit einer grossen / uñ vom Fontejus nach verstärckten Macht das Narbonische von den Römern schon meistentheils besetzte Gallien über das Pyreneische Gebürge in Hispanien. Er ward aber bald übel bewillkommt. Denn als er die vom Sertorius belägerte Stadt Lauron entsetzen wolte /verlohr er zehntausend Römer und die Stadt Lauron darzu; welche Sertorius schleiffte / und eine gantze Römische Fahne niederhauen ließ; weil aus selbter vom Servilius einem Römischen Edelmanne bey Eroberung der Stadt eine edle deutsche Jungfrau mißbraucht worden war; ungeachtet sie ihm mit den Fingern darüber die Augen ausgegraben hatte. Metellus versetzte hierauff zwar dem Hirtulejus und denen Lusitaniern einen gewaltigen Streich; aber Sertorius war ein Meister sich nur nicht alleine selbst für Fehlern zu hüten / sondern auch fremde zu verbessern. Wie er denn durch eigenhändige Erstechung des Boten diese Niederlage für seinem Kriegs-Volcke gantz verdrückte. Massen denn der grosse Ruff vom Sertorius den Mithridates wieder gleichsam aus dem Schlaffe erweckte / und anreitzte: daß er den Tigranes in Cappadocien zu fallen beredete; darinnen er zwölff von den Grichen bewohnte Städte verödete / und dreyhundert tausend Einwohner in seine neue Stadt Tigranocerta gefangen wegführte. Eben selbiges Jahr nahm Pompejus den Celtiberiern die Stadt Segida / und nach Erlegung des Herennius an dem Fluß Durius Valentia weg; daher eilte Sertorius den Deutschen zu Hülffe; und kamen beyde gantze Machten bey dem Flusse Sucroan einem zwar hellen / aber unaufhörlichblitzenden Tage zu einer Haupt-Schlacht; in welcher Afranius des Perpenna und der Celtiberier / Sertorius aber und Hertzog Siewald der Römer rechten Flügel in die Flucht schlug / und Sertorius mit eigner Faust dem Pompejus einen Spieß durch das dicke Bein jagte; Ein Deutscher zu Fusse kämpffender Ritter [944] Gußmann aber ihn gar vom Pferde rieß; also: daß / weil die andern Deutschen sich mit dem Gußmann um das mit Golde und Edelgesteinen reich aufgeputztes Pferd zwisteten / Pompejus gleichsam durch ein Wunderwerck entran. Sertorius trieb hierauf auch den Africanus mit grossem Verlust zurücke; also: daß zehntausend Römer sitzen blieben; Er hätte auch früh dem Pompejus sein letztes vollends versetzt; wenn nicht Metellus ihm zu Hülffe kommen wäre. Hierauff hielt sich Sertorius alles ihm bevorstehenden Vortheils ungeachtet / in seinem Lager gantz stille; biß seine weiße Hindin / die sich in die Wälder verlauffen hatte / zurück kam. Da er denn / gleich / als wenn ihm die Götter durch selbte diß / was er fürnehmen solte / andeuteten / auszoh / und das Römische Heer an dem Flusse Salo bey Seguntium erreichte: mit selbigem vom Mittage biß in die Nacht schlug / und sechs tausend Römer dem Pompejus erlegte; folgenden Tag auch des Metellus Lager stürmte / und bey nah eroberte. Weil nun die Celtiberier und Deutschen hierinnen so tapffere Helden-Thaten ausübten; erkiesete Sertorius ihm solche zur Leib-Wache; die Deutschen aber rückten den Römern für: daß sie bey Stürmung des Metellischen Lägers ihre Pflicht nicht gethan hätten. Welches die Römer hoch empfunden; und als sonderlich Pompejus mit zwey frischen Legionen verstärckt ward / hauffenweise zu ihm und dem Metellus übergiengen. Gleichwol hielt ein Theil nebenst denen Deutschen beym Sertorius stand / entsetzte die vom Pompejus belägerte Stadt Palantia / und erlegte bey Calaguris abermals drey tausend Römer; ja er brachte den Metellus und Pompejus in solche Furcht: daß keiner ihm mehr Stand hielt / und so ins Gedrange: daß jener in einen Winckel Italiens / dieser ins Narbonische Gallien sich verkrichen muste; ja Rom selbst schon für dem ankommenden Sertorius und den strengen Deutschen zitterte. Zu eben dieser Zeit starben Nicomedes und Appio / welche das Römische Volck zu Erben ihrer Königreiche Bithynien und Lybien entsetzte; daher Mithridates mit seinem im Hertzen verborgenen Kriege länger zurück zu halten / und die Römische Macht sich vergrössern zu lassen nicht rathsam hielt. Derhalben schickte er zwey vertriebene Römer / nemlich den Fannius und Magius durch Italien zum Sertorius; welche / iedoch weil dieser gleichwol nichts zu Abbruch des Römischen Reichs fürnehmen / sondern nur des grausamen Sylla Uberbleibung / und die gewaltsamen Herrscher aus dem Sattel heben wolte / mit Noth zu einem Bündnüße bewegte /Krafft dessen Mithridates zwar Cappadocien und Bithynien haben; das übrige Asien aber den Römern bleiben; Sertorius Mithridaten einen Feldhauptmañ mit gewissem Volcke / dieser aber jenem drey tausend Talent und viertzig Schiffe schicken solte. Mithridates brach hierauf alsofort mit den Römern / welcher alleine hundert-sechs- und funffzig tausend Hülffs-völcker von Deutschen / Scythen / Sarmatern / Thraciern / und insonderheit Bastarnen / vierhundert grosse Schiffe /wie auch hundert und funffzig Sichelwagen zusa en brachte. So bald nun Fannius und Magius mit dem gewesenen Rathsherrn Marcus Varius / welchem Mithridates selbst die Oberstelle gab / in Asien ankam /schickte er den Diophantus mit hundert tausend Mann in Cappadocien; er selbst rückte mit anderthalb hundert tausend Fuß-Knechten und zwölff tausend Reutern durch das Timonitidische Paphlagonien und Galatien in Bithynien / und bemächtigte sich der Stadt Heraclea. Daher beyde Bürgermeister Lucullus uñ Cotta wieder den Mithridates geschickt wurden. Alleine der ehrsüchtige Cotta / welcher dem Lucullus den Ruhm des Sieges wegnehmen wolte / ward bey Chalcedon von denen einigen Bastarnen und andern Deutschen auffs Haupt geschlagen; Lucullus Manlius mit sechstehalb tausend Römern getödtet / und die Uberbleibung in Chalcedon eingesperrt. Mithridates selbst[945] segelte mit einem schnautzichten Schiffe die eiserne Kette im Hafen entzwey / erschlug im See-Gefechte acht tausend Römer / und Rhodier / zündete vier Schiffe an / und schlepte die übrigen sechzig mit fünfthalb tausend Gefangenen weg. Daher über Rom aus Asien und Hispanien zwey schreckliche Ungewitter aufzogen. Aber das sich dieser Stadt gleichsam verschworne Glücke zohe ihr bald zwey schädliche Dörner aus den Füssen. Denn weil Sertorius auf der Celtiberier Beschwerde dem Perpenna beweglich verwiesen hatte: daß er in etlichen Treffen diese streitbare Bunds-Genossen allein baden lassen; erstach der rachgierige Perpenna den trunckenen Sertorius unversehens in seinem Speise-Saale. Welch Meuchelmord des Perpenna / den doch Sertorius zum Erben eingesetzt hatte / die Celtiberier und Deutschen verursachte: daß sie sich mit dem Pompejus vertrugen / den Perpenna im Stiche liessen; der hierauf leicht überwunden und erschlagen ward; wiewol die Römer noch genung zu thun fanden / ehe sie die Städte Osca /Terme / Tutia / Valentia / Auxima und Caleguris; in welcher die Belägerten aus dringender Hungers-Noth ihre geschlachteten Weiber und Kinder verspeiseten /und das übrige von ihnen einsaltzten / wieder zum Gehorsam brachten. Der Römer ander Glücke war: daß Appius Claudius die mit den Dardanern verbundene Skordiskischen Deutschen / welche auf Mithridatens heimliche Verhetzung gantz Macedonien durchstreifften / und zu grossem Schrecken der Römer / aus aller Erschlagenen Hirnschädeln Trinckgeschirre machten / zweymahl aus dem Felde schlug / und sie biß an die Donau verfolgte; wie auch denen mit dem Sertorius und Mithridates verbundenen Cicilischen See-Räubern einen heftigen Streich versetzte; Publius Servilius aber gantz Cilicien eroberte / am ersten unter den Römern den Berg Taurus überstieg / und in dem mittagichten Galatien dem mit dem Hertzoge Dejotar strittigen Fürsten Konnachorich die Stadt Isara ab- und selbigen Deutschen so wol als denen Lycaoniern eine Schatzung aufdrang / und durch sein in Cilicien und Pamphilien verlegtes Heer dem Mithridates alle verdächtige Gemeinschafft mit den See-Räubern abschnitt. Den grösten Abbruch aber that Hertzog Dejotar dem Mithridates. Denn weil dieser bey seinem Durchzuge seine Galatische Deutschen gleichsam als Feinde gedrückt hatte / auch die deutschen Hülffs-Völcker allenthalben zu verzweiffelten Verrichtungen gebrauchte; und wenn er sie mit dem Feinde verwickelt hatte / mit Fleiß im Stiche ließ; gleich als wenn es ihm nützlicher wäre: daß die Deutschen von Römern / als diese von jenen erlegt würdẽ; kehrte der verschmitzte Dejotar bey Zeite den Rock um; und verfügte sich / so bald er des Lucullus Ankunfft zu Pergamus vernahm / zu ihm. Er kam gleich den Abend an: als das in Gestalt eines grossen silbernen Fasses vom Himmel fallende Feuer des Lucullus / und des Marcus Varius mit einander schlagendes Heer bey Otrye in Phrygien von sammen getrennt hatte. Lucullus empfing Dejotarn mit offenen Armen / dieser aber gab ihm von Mithridatens Macht und Anschlägen heilsame Nachricht; und so bald dieser mit seiner gantzen Macht die in dem Bebrycischen Meere gantz vertieffte / und überaus feste Stadt Cycicus belägerte /stieß Dejotars gantze deutsche Macht zum Lucullus. Und weil beyde Mithridatens unzehlbares Heer ehe mit Hunger als Fechten zu überwinden getrauten /rückten beyde jenem an den Rücken; und spielte es Dejotar so künstlich: daß er den Magius mit dem Lucullus versöhnte; dieser aber Dejotarn zu Eroberung eines zwischen beyden Bebrycischen Meer-Spitzen gelegenen Berges halff; durch dessen Befestigung und Besetzung dem Pontischen Heere auf einmahl alle Zufuhre zu Lande abgeschnitten ward. Die Stadt ward inzwischen zu Lande und Waßer vom Mithridates[946] auffs eusserste bedrängt und bestürmet; Aber Pisistratus vertheidigte selbte fast über menschliche Vernunfft; und zwar durch diesen den Einwohnern beygebrachten Aberglauben: daß die ihm im Schlaffe erscheinende Proserpina versprochen hätte wieder die Pontischen Pfeiffer einen Africanischen zu schicken. Massen denn folgenden Tag ein hefftiger Sud-Wind von Africa herstrich; und Mithridatens Sturm-Thürme alle über einen Hauffen warff. Endlich aber wäre doch die Stadt aus Verzweiffelung übergegangen; wenn nicht ein Deutscher ihm unter die Armen Blasen gebunden / an die Füsse Bley gehenckt / und über das Meer durch die Pontischen Schiffe in den Cycikischen Hafen geschwommen / und durch berichtete Anwesenheit des Lucullus und Dejotars sie zu tapfferer Gegenwehr aufgemuntert hätte. Wie nun bey herrückender Winters-Zeit dem Mithridates auch zur See die Zufuhre entfiel / zwang der Hunger ihn ein grosses Theil / und fast alle Reuterey seines Heeres weg zu schicken; Alleine Dejotar war ihnen mit seiner Reuterey bald in Eisen / und zwang sie an dem Flusse Rhyndacus Stand zu halten; Lucullus folgte mit einem Theile des Heeres; und erschlug daselbst eine grosse Menge / funffzehntausend Kriegs-Leute / sechs tausend Pferde / und eine unglaubliche Menge Vieh ward gefangen. Wenig Tage darnach schlug Mamercus den Fannius und Methrophanes in Mösien. Weil aber Eumachus Mithridatens Feld-Hauptmann im Pisidien /und bey den Isauriern den Meister spielte; eilte Dejotar seinen Deutschen zu Hülffe / und traff das zerstreute Heer des Eumachus unter dem Berge Didymus in voller Sicherheit an / schlug selbtes in die Flucht /ehe es sich recht setzen konte; funffzehntausend musten über die Klinge springen / und nicht weniger wurden mit unschätzbarer Beute gefangen. Hierüber verlohr Mithridates alle Hoffnung die Stadt Cycicus zu erobern; ließ also den Hermeus und Fannius dafür / er aber schiffte des Nachts darvon. Die zurückgelassenen wurden theils von dem ausfallenden Pisistratus im Läger / theils vom Lucullus am Flusse Esepus und zwar in so grosser Anzahl erschlagen: daß dieser und der Fluß Granicus sich von ihrem Blute färbte. Also kostete diese Belägerung Mithridaten über dreyhundert tausend Menschen; sein See-Hauptmann Aristonicus ward hierauff gefangen / viel Schiffe ihm durch Ungewitter zerschmettert / Apamea und Prusa erobert; und auf Anleitung eines zu Troas in dem Tempel der Venus habenden Traumes / bemeisterte Lucullus bey Tenedos vollends die feindliche Schiff-Flotte; und endlich kriegte er nebst andern Pontischen Fürsten auch den Rathherrn Varius gefangen / welchem er alsofort den Kopff abschlagẽ ließ. Ja weñ Poconius nicht mit dem Samothracischen Aberglaubẽ die Sache unzeitig versäumt hätte / wäre ihm Mithridates mit der Stadt Nicomedia selbst in die Hände gefallẽ. Mithridates flohe von dar zur See nach Hause; verlohr aber wieder durch Schiffbruch sechzig Schiffe / und zehntausend vom Kerne seines Krieges-Volckes; gleich als wenn Himmel / Erde und Meer sich ihn zu vertilgen verschworen hätte. Bey welcher Menge Unglücks dieser kleine Sonnenschein hervor blickte: daß die Stadt Heraclea diesen flüchtigen König einließ /und unter den Deutschen von den Römern aus Isaura vertriebenen Fürsten Konnachorich mit vier tausend Mann zur Besatzung einnahm. Mithridates aber lidt noch einmahl Schiffbruch / und kam auf einem gedungenen Raub-Schiffe selbst kaum nach Sinope. Von dar reisete er nach Anisus / besprach sich daselbst mit dem Könige Tigranes / endlich zu seinem über die Bosphoraner herrschenden Sohne Machar. Den Diocles schickte er mit einem grossen Schatze zu den Scythen um Hülffe; dieser aber flohe darmit zum Lucullus / welcher Amisus und Eupatoria / durch den Dejotar aber [947] Emisayra einnahm; nach dem diese Stadt sich lange nicht allein durch Menschen / sondern auch von den Mauern gelassene Bären und Bienen-schwärme vertheidigt hatte; Gleichwol aber zoh Mithridates bey Cabira dem Lucullus mit viertzig tausend aus Iberien / Albanien / und Scythien versammleten Fuß-Knechten und viertzig tausend Reutern abermahls unter Augen. Seine Reuterey schlug auch die Römische; und ward Pompejus selbst gefangen / aber vom Könige selbst wieder Gewalt beschützet; ja er brachte den sich für der Reuterey in die Gebürge verstecken den Römer bey nahe in so grosse Noth / als der König bey Cycicus gelitten. Allein das Blat wendete sich alsbald; in dem nach einem geringen Verlust sein Heer aus einem blinden Schrecken in eine solche Flucht gerieth: daß dreyßig tausend im Stiche blieben; er auch selbst sich kaum durch von sich Werffung allerhand kostbarer Beuten aus den geitzigen Händen der Römer in die Comanische Landschafft rettete. Von dar flohe er mit zwey tausend Pferden zu seinem Eydame Tigranes in Armenien; weil dieser aber ihn nicht einst vor sich ließ / schickte den Bacchus nach Sinope um seine Gemahlinnen / Schwestern und Kinder durch den Tod aus der Römischen Dienstbarkeit zu retten; sie aber ersparten durch eigene Messer / Strick und Gifft ihm die Mühe. Hiermit fiel fast alles vom Mithridates ab; Amastris und Heraclea ergaben sich ohne Zückung eines Degens; Sinope aber ward nach tapfferer Gegenwehr ihrem Erbauer Autolycus zu Ehren für eine freye Stadt erkläret. Ja Mithridates eigener Sohn Machar schickte dem Lucullus eine güldene Krone / und machte mit ihm Bündnüß. Denn die Kinder wollen auch keinen Unglücklichen zum Vater haben Lucullus rückte hierauf in Armenien. Dejotar gieng mit seinen Deutschen voran; und schlug den Mithrobarzanes mit dem Vortrabe. Sextilius belägerte Tigranocerta. Tigranes selbst begegnete dem Lucullus mit dritthalb-hundert tausend Fuß-Knechten / und funffzig tausend Reutern / liefferte auch wieder Mithridatens Rath ihm alsofort eine Schlacht. Alleine die Deutsche und Römische Reuterey verwirrten mit dem ersten Anfalle diese sich selbst zu fechten verhindernde weibische Menge; also: daß die Römer hundert und zwantzig Stadien weit nur zu schlachten hatten. Manceus in Tigranocerta entwaffnete aus Mißtrauen alle Grichen / wolte sie auch gar aufopffern; diese unbewaffneten aber wurden der Armenier Meister / und halffen den Römern zur Eroberung dieser reichen /und unglaublich befestigten Stadt. Mithridates und Tigranes sammleten zwar dort und dar neue Heere /zohen aber meist allezeit den kürtzern / und in einer harten Schlacht an dem Flusse Iris mit dem Fabius ward Mithridates mit einem Steine auffs Knie / und mit einem Pfeile unter das Auge verwundet; gleichwol aber von den Agarenern aus Scythien mit Schlangen-Pflastern geheilet. So bald er geheilet war / eilte er dem Triarius gegen Sadagena entgegen; alleine ein erschrecklicher Wirbel-Wind trennte nach einem hefftigen Gefechte beyde Heere von sa en. Ungeachtet nun Triarius wenig Seide gesponnen hatte / verleitete ihn doch die Begierde dem aus Armenien sich nähernden Lucullus den Sieg wegzunehmen: daß er folgenden Tag auffs neue mit dem Mithridates anband. Beyde Heere stunden zwar drey Stunden gleichsam in gleichem Gewichte gegen einander; alleine Mithridates /welcher hier entweder sterben oder siegen wolte /drang mit seinem Flügel durch / und jagte den Triarius mit allem Fuß-Volcke in einen Sumpff / darinnen sie sich nicht bewegen konten / und also wie das Vieh durch das Geschoß erlegt wurden. Allem Ansehen wäre kein Römer davon kommen; wenn nicht Wittig /ein auf Römischer Seite fechtender deutscher Hauptmann unter dem Scheine: daß er zum [948] Mithridates gehörte / dem Könige auf der Fersen gefolgt / und ihm einen Wurff-Spieß durch das dicke Bein gejagt hätte. Worüber Mithridatens Gefährten ihn zwar in Stücken hieben / aber aus unzeitigen Schrecken dem siegenden Heere ein Zeichen sich zurück zu ziehen gaben; welches den Tod des Königes vermuthete / und nicht ehe / biß der Artzt Timotheus nach Stillung des Blutes den König hoch empor wieß / zu stillen war. Gleichwol blieben über zwantzig tausend vom Römischen Kriegs-Heere; und unter den Todten wurden vier und zwantzig Obersten / anderthalb hundert Haupt-Leute gefunden. Ja / weil der Römische Rath auch dem seine Kriegs-Gewalt über die Zeit verlängernden Lucullus das Heer ferner zu gehorsamen verbot / auch es selbst aus Uberdruß eines so beschwerlichen Krieges grossen Theils ausriß / und die Römer von den See-Räubern sehr beängstigt wurden; rückte Mithridates in Cappadocien / und eroberte fast sein gantzes Reich wieder. Dem Hertzoge Dejotar lag nunmehr die gantze Last des Krieges auff dem Halse; biß der grosse Pompejus nach ausgerotteten See-Räubern durch Cilicien in Cappadocien kam; da denn Mithridates nur mit der Reuterey die Feinde beunruhigte; mit dem Heere aber alles hinter sich verheerte und verbrennte; wormit der Mangel die Verfolgung der Römer hinderte. Alleine Pompejus gab nichts minder einen versorgenden Hauß-Vater / als einen tapffern Feld-Herrn ab. Und insonderheit führten die Deutschen aus Galatien alles reichlich zu; waren auch nichts minder des Pompejus Vorfechter als Wegweiser. Beyde Heere geriethen nach etlichen schlechten Scharmützeln allererst über den Eufrates / darüber Pompejus die erste Römische Brücke schlug / mitten in Armenien / und zwar des Nachts in ein Haupt-Treffen; in welchem sein gantzes Heer aus einem blossen Irrthume in die Flucht gerieth / und meistentheils durch Abstürtzung über die Stein-Klippen vergieng. Mithridates kam durch das Gebürge mit wenigen davon nach der Festung Sinorex / daraus er sechstausend Talent nahm / darmit gegen dem Brunnen des Eufrates eilte / endlich über diesen und den Fluß Absarus und Phasis setzte / und in der Stadt Dioscorias allererst auf Ergäntzung des Krieges dachte. Die benachbarten Heniocher boten ihm selbst allen Vorschub an; die grimmen Acheer /welche die Griechen ihren Göttern zu schlachten pflegen / setzen sich ihm zwar entgegen; wurden aber bald von ihm gedemüthiget; ja sein undanckbarer Sohn Machar der Bosphoraner König zu eigener Entleibung gezwungen. Er selbst durchreisete bey nahe gantz Scythien / und brachte fast alle Nord-Könige /theils durch Geschencke / theils durch Verheyrathung seiner Tochter auff seine Seite; mit festem Vorsatze /mit den Scythen und Bastarnen durch Thracien / Macedonien / und Pannonien in Italien einzubrechen. Pompejus ward inzwischen vom Dejotar biß in Colchis / und über das Caucasische Gebürge geführet; allwo er den Colchischen König Orthaces gefangen bekam / mit dem Albanischen Könige Orezes / und dem Iberischen Arocus / an dem Flusse Cyrus und Araxes / und zugleich mit denen streitbaren Amazonen zu streiten bekam. Dejotar aber vermittelte zwischen ihnen einen Frieden; und Stratonice Mithridaten Eh-Weib des Xipharis Mutter verrieth und übergab dem Pompejus alle in einer Höle in küpfernen Fassen verborgene Schätze. Pompejus kehrte also zurücke in Armenien; allwo sich König Tigranes mit sechs tausend Talenten ihm ergab / alle Römische Kriegs-Leute beschenckte / und von Eufrates an gantz Syrien den Römern abtrat. Pompejus baute im kleinern Armenien auf die Wallstatt des überwundenen Mithridates die Stadt Nicopolis; schlug die Comagen-Medische und Arabische Könige / nahm Jerusalem und gantz Syrien biß in [949] Egypten ein / schenckte dem Ariobarzanes Cappadocien / dem Attalus Paphlagonien /Colchis dem Aristarchus; den Archelaus machte er zum grossen Comanischen Priester / und seinem treuen Gehülffen so grosser Siege Dejotarn / und dreyen noch wolverdienten deutschen Fürsten gab er Lycaonien und Pisidien; also: daß die Deutschen zwar die Gräntzen / nicht aber die Hoheit ihrer Asiatischen Herrschafft erweiterten. Sintemahl Asien nunmehr eigentlicher Römische Landvögte / als eigenmächtige Könige hatte. Mithridates unterdessen bildete ein rechtes Stieff-Kind des Glückes ab. Denn die Bosphoranische Stadt Phanagoria / und hernach der Scythische Chersonesus fiel von ihm ab; die Scythen liessen ihre hülffbare Hand sincken; ja er muste seine Faust in seiner eigenen Kinder Blute waschen. Diesem nach er entschloß mit seinem noch übrigen Krieges-Volcke in Deutschland zum Könige Ariovist zu ziehen / mit dem er vorher schon durch Bothschafften Freundschafft gemacht hatte; ja nach Hannibals Beyspiele die Alpen zu übersteigen; und sich mit dem durch Gesandtschafft eben so wol verehrten Spartacus zu vereinbaren. Zumahl der tapffere deutsche Fürst Bituit Mithridatens unabtreñlicher Geferthe ihm den Weg zu weisen / und mehr deutsche Fürsten ihm zu verbinden versprach. Mithridates war mit seinem Heere schon biß an den Fluß Hippanis fortgerückt; als es über eine so ferne Reise zu seuffzen anfieng. Daher reitzte sein Sohn Pharnaces selbtes nicht alleine zum Aufstande /sondern stand ihm gar nach dem Leben; brachte es auch durch Geschencke und Vertröstungen dahin: daß sie den Pharnaces für ihren König ausrufften / und aus Mangel einer bessern ihm eine papierne Krone auffsetzten. Welches diesem großmüthigen Helden so tieff zu Hertzen gieng: daß er aus Beysorge: sein Sohn möchte ihn fangen und den Römern zuschicken / Gifft tranck / nach dem seine dem Egyptischen und Cyprischen Könige verlobte zwey Töchter Mithridatis und Nyßa vorher aus selbigem Glase den Tod gezogen hatten. Weil aber das Gifft bey ihm nichts würcken wolte; beschwor er den getreuen Bituit: daß er durch seinen so offt hülffbaren Helden-Degen ihm und zugleich dem Unglücke das Licht ausleschen möchte. Welches er endlich auch / iedoch mit zitternder Hand und thränenden Augen verrichtete / hernach mit seinen übrigen Deutschen über den Fluß Hippanis schwemmte / und in sein Vaterland kehrte. Der ungerathene Pharnaces schickte seines Vaters Leiche mit vielen gefangenen Römern und Grichen dem Pompejus über das Euxinische Meer nach Sinope. Ob nun zwar die Römer über dieses Feindes Tode tausend Freuden-Feuer anzündeten / und grosse Feyer hielten /ließ doch Pompejus den Mithridates in der Königlichen Grufft kostbar begraben / ihn über die fünff für ihm gewesenen Pontischen Könige setzen / von Marmel eine Grabe-Spitze aufrichten / und daran schreiben:


Den grossen Stern der Welt / den grösten Mithridat /

Der funffzig Jahr gestrahlt / deckt dieser Grabe-Stein.

Des kleinern Asiens Begrieff war ihm zu klein /

Das schwartze Meer zu schmal. Sein siegend Fuß betrat /

Was Tyras / Caucasus / Meotens Pfüß / Eufrat

Und das gefrorne Meer für Länder schlüssen ein.

Die Seulen Hercules / Cephißus / Betis / Rhein

Sind Zeugen: daß für ihm Rom offt gezittert hat.


Nicht ärgert aber euch: daß er so tieff verfiel;

Die grösten Herrscher sind der Götter Gauckel-Spiel.

Und durchs Verhängniß ist sein Glück und Reich zerronnen.

Die Sternen tilgt der Tag / Cometen werden grauß.

Legt's sein Geburts-Licht doch schon Mithridaten aus:

Daß er ein Schwantz-Stern sey; Rom aber gleicht der Sonnen.


Pharnaces behielt zur Belohnung seiner Untreu das Bosphoranische Reich; die Stadt Phanagoria aber ihre Freyheit. Pompejus brachte fast alle Schätze und Seltzamkeiten gantz Asiens / unter andern alleine zwey tausend aus Onyx geschnittene Trinckgeschirre / und so viel Edelgesteine nach Rom: daß man dreyßig[950] Tage mit der Gewehr zubrachte. Er selbst fuhr in einem so prächtigen Siegs-Gepränge / als niemand für ihm / auf einem mit Edelgesteinen gläntzenden Wagen / mit des grossen Alexanders Kriegs-Rocke angethan / ein; für ihm giengen der junge Tigranes /König Olthaces / und Aristobulus / Artaphernes /Cyrus / Opathres / Darius / Xerxes / fünff Söhne / wie auch Osabaris und Eupatra zwey Töchter des Mithridates; dessen aus Golde gegossenes sieben Ellen langes Bild nebst vielen Uberschrifften der Pompejischen Siege vorgetragen ward.

Die Ubermasse so vielen die Römer gleichsam überschneienden Glückes / war eine Mutter des Ubermuthes / und der sich täglich bey der Wärmbde nach Art der Fliegen und Käfer mehrenden Laster / verursachte also: daß die Römer die in Italien noch gefangen habende Gallier / Scordisker / Teutonen / Cimbern und andere Deutschen übel und grausam hielten /sie / wenn sie etwan ein Glaß zerbrachen / zu Mästung der Murenen abschlachteten; insonderheit fingernackt des Morgens Löwen und Bären zu zerreissen fürwarffen; nach Mittage aber sie täglich in die Schau-Plätze einschlossen: daß sie wieder ihre Landes-Leute und Blut-Verwandte nur dem Pöfel zur Kurtzweil um Leib und Leben fechten musten; welcher / wenn sie nicht geschwinde genung einander in die Schwerdter renneten / sie mit Peitschen schlug /mit glüenden Zangen brennte / und zum Tode gleich einem Freuden-Spiele antrieb. Daher ward endlich dieser hertzhafften Leute Gedult in Verzweiflung verwandelt; sonderlich / als sie hörten: daß bey des Lucullus uñ andern künftigen Siegs-Geprängen sie nun nicht mehr einzelich; sondern hundert gegen hundert fechten solten. Worzu denn sie bereit zu tausenden in die untersten Gemächer des grossen Capuanischen Schau-Platzes / allwo Lentulus dem Römischen Volcke allerhand Lustspiele zu geben entschlossen war /eingesperret sassen. Es traff sich aber: daß Spartacus ein Skordiskischer Deutscher aus Thracien / welcher selbst etliche Jahre den Römern wieder ihre Feinde gedient hatte / Granicus ein Friese / Oenomaus ein Noricher / und Crixus ein Cimbrischer Edelmann in ein Gefängnüß kamen; und sich mit ihren Gefährten verschwuren / lieber biß in Tod für ihre Freyheit / als dem Römischen Pöfel zur Ergetzligkeit zu fechten. Hiermit erbrachen sie den Kercker / erwürgten ihre Hüter / und entkamen ihrer siebenzig von denen Hunderten in Campanien; da sie denn unter weges niemanden als die Römer insonderheit ihrer Waffen beraubten / sich auf dem Berge Vesuvius feste setzten /daselbst eine grosse weisse Fahne / in welcher auf einer Seite ein Löwe / mit einem blutigen Klauen ein eisernes Gegitter zermalmete; mit der Uberschrifft:Wolangewehrtes Blut. Auf der andern Seite ein Adler / der in dem Schnabel einen güldenen Apffel hatte / aus einem Kefichte empor flohe; mit der Uberschrifft: Die güldene Freyheit / abwehen liessen; wordurch sie in weniger Zeit über dreyßig tausend unter der Römischen Dienstbarkeit schmachtende Deutschen / und noch zwantzig tausend andere ausländische Knechte an sich zohen / und die Landschafft Campanien unter sich brachten; sonderlich; weil ihre vier Kriegs-Obersten für sich keinen Vortheil suchten / sondern alle eroberte Beute gleich eintheileten. Diese alle erwehlten den Spartacus seiner Klugheit und Tapfferkeit / wie auch deßhalben zu ihrem Hertzoge: weil sich zu Rom um des Schlaffenden Haupt ein Drache wie ein Krantz gewunden; eine edle Wahrsagerin auch ihm daher eine grosse Herrschafft geweissagt / und ihn deßhalben in seiner Dienstbarkeit geheyrathet hatte. Claudius Pulcher meinte diese verächtlichen Flüchtlinge mit schlechter Müh zu erdrücken; sie jagten ihn aber in die schimpflichste Flucht. Welch glücklicher [951] Streich dem Spartacus alsbald einen grossen Zulauff der Leibeigenen zu wege brachte. Die Römer schickten alsofort den Varinius Glaber mit zwey Legionen und vielen Hülffs-Völckern gegen sie nicht so wol als Feinde / als wieder Räuber; welche den Furius mit seinem in zwey tausend Römern bestehenden Vortrab schlugen; iedoch sich einer Flucht anmasten / und auf den Berg Vesuvius sich wieder verbargen. Als sie aber der Stadtvogt Glaber darauf belägerte / ließ sich Granicus mit zwey tausend Deutschen an langen aus Wieten zusammen geknüpfften Stricken des Nachts von denen steilesten Klippen herunter. Wie nun Spartacus und die andern Heerführer nach Mitternacht vorwerts das Römische Läger /und den sicher schlaffenden Glaber anfielen / kam ihm Granicus hinterrücks so unverhofft / als wenn ein Feind vom Himmel ins Läger fiele / auf den Hals; und brachte alles / ehe sich die Römer einst recht zur Gegenwehr stellten / in die Flucht. Spartacus erwischte auch den Stadt-Vogt schon beym Rocke; also: daß er mit genauer Noth / und Hinterlassung seines Pferdes sich nach Herculaneum auffs Tyrrhenische Meer flüchtete; sein gantzes Heer aber dem Feinde zum Raube und Abschlachtung im Stiche ließ. Nicht besser gieng es dem Publius Valerius / welcher mit genauer Noth nach Capua entran. Nach diesen Siegen /und vielen täglich zuwachsenden Verstärckungen /theilten sie sich unter ihren Heerführern in vier Theil; eroberten die Städte Cora / Nola / Nuceria / Metapont / der Thurier Stadt; ja Spartacus überfiel in Lucanien bey Saline den Coßimius so unvermuthet: daß er ihn bey nahe im Bade erwischt hätte. Wie er denn samt seinem meisten Volcke gefangen / und das Lager erobert ward. Den Varinius schlug er auch zum andern mahl / und eroberte das Pferd mit denen Bürgermeister-Beilen / und andern Kennzeichen seiner Würde; welche Spartacus hernach für sich gebrauchte. Dem Crixus aber / welcher in Apulien einbrach / und sich des Seehafens Agasus bemeistern wolte / begegneten beyde Römische Bürgermeister mit einem starcken Heere unter dem Gebürge Garganus / auf dessen höchster dem Priester Calchas gewiedmeten Spitze Crixus einen schwartzen Wieder opferte; und als er auf desselben Felle einschlieff / träumende sahe / wie ihn ein Adler auf seinen Flügeln biß ins Gestirne führete. Weil er denn wieder die Eigenschafft dieser Wahrsagung durch des Priesters heuchlerische Veranlassung diesen Traum auf einen vorstehenden Sieg ausdeutete / die Deutschen und Gallier auch mit Gewalt auf eine Schlacht drangen; entschloß er sich mit den Feinden zu schlagen; da doch sein Kriegs-Volck nur mit schlechten ledernen oder aus zusammen geflochtenen Rutten gemachten Schilden / und aus schlechtem Eisen der Fessel umgeschmiedeten Degen / die Reuterey aber nur mit gemeinen Feld- und Acker-Pferden versehen war. Gleichwol wehrte sich Crixus auffs eusserste; er ward aber endlich mit der Helffte seines Heeres erlegt; wiewol keiner fast ungerochen starb / sechs tausend Römer tod blieben / und wol zweymahl so viel verwundet wurden. Spartacus /Granicus / und Oenomaus zohen sich hierauf mit des Crixus Uberbleibung zusammen. Und weil es ihnen an tauglicher Rüstung / ja nunmehr an Lebens-Mitteln gebrach / sie auch leicht wahrnahmen: daß sie in diesem engen Winckel Italiens nicht in die Länge den Schwall der grossen Römischen Macht austauern /weniger die nunmehr der gantzen Welt zu Kopffe wachsende Macht der Römer / an der so viel mächtige Könige die Hörner zerstossen hätten / über einen Hauffen werffen würden; entschlossen sie sich über das Apenninische Gebürge in Gallien / und von dar in ihr Vaterland zu eilen. Weil diß aber wegen des ihnen auf dem Halse sitzenden Varinius nicht ohne grosse Gefahr öffentlich zu vollziehen war; stellte er auff[952] dem Walle seines Lägers lauter todte Leichname an Pfälen empor; ließ auch etliche Pfeiffer und Drommelschläger nach gewöhnlicher Art darinnen die Umgänge halten; er aber zohe um Mitternacht in solcher Stille davon: daß die Römer erst bey hellem Tage und also allzu spat solches gewar wurden. Wiewol auch der Bürgermeister Cneus Cornelius Lentulus in dem Mugellischen Thale ihnen vorbeugen wolte / schlugen sie doch das Römische Heer daselbst auffs Haupt; und bey Mutina erstürmten sie das Läger des Cajus Caßius; schlachteten auch des erlegten Crixus erblastem Geiste zu Liebe drey hundert edle Römer ab; und noch etliche hundert andere Gefangene wurden gezwungen bey dem Holtzstosse des Crixus auf Leib und Leben mit einander zu fechten / oder andere Schauspiele fürzustellen. Wie nun Spartacus sein Heer mit denen eroberten Römischen Waffen ziemlich ausgerüstet hatte / schöpffte diß verbitterte Kriegs- Volck mehr nach dem Mäß-Stabe ihrer Rachgier / und des ihnen heuchelnden Glückes / als nach Uberlegung ihrer und der Römischen Kräfften höhere Gedancken; und muste Spartacus wegen Hartneckigkeit des Granicus und des gantzen Heeres seine vorhin heilsame Gedancken wieder Willen ändern / und mit hundert und zwantzig tausend Mann gerade auf Rom zu ziehen. Weil aber beyde Römische Bürgermeister mit allen eussersten Kräfften den Apenninus besetzt hatten /lenckte er durch Umbrien in die Picenische Landschafft. Als nun jene ihm mit gesammleter Macht folgten / verfielen sie bey Asculum an dem Flusse Truentus in eine so hefftige Schlacht: daß auf Römischer Seiten über viertzig- auf deutscher Seiten zwantzig tausend Mann ins Graß bissen. Ja als die Bürgermeister noch einst ihnen die Stirne boten / schlugen sie sie abermahls auffs Haupt / und Granicus selbst rennte den Caßius über einen Hauffen; wegen welchen Verlustes zu Rom der zehnde Mann aller flüchtigen Römer zum Tode verurtheilt ward. Die überbleibenden stieß Marcus Licinius Craßus zu sechs frischen Legionen und allen nur aufzutreiben möglichen Kräfften des Reiches / mit welchen er den mit zehn tausend Mann bey dem Fucinischen See gelagerten Granicus umringte; welche zwar alle Mittel der Klugheit und Tapfferkeit herfür suchte sich durchzuschlagen; welches einem dritten Theile seines Heeres auch gelückte; er aber büste mit denen meisten / derer keiner sich den Römern gefangen geben wolte / sein Leben ein; welchen ihr eigener Feind das Zeugnüß geben muste: daß keiner nichts knechtisches begangen / sondern durch ihre Tapfferkeit viel Edle beschämt hätten. Hierauf kamen beyde gantze Heere in dem Harpinischen Gebiethe zu einer Haupt-Schlacht; welche mit der aufgehenden Sonnen anfieng / mit der untergehenden sich endigte. In dieser blieb Oenomaus mit viertzig tausend Mann; Hingegen zwantzig tausend auff Seiten der Römer. Spartacus muste sich in sein Läger ziehen; und behielten die Römer zwar das Feld; die Knechte aber den Ruhm. Als nun Spartacus in Samnium / und so fort in Gallien durchbrechen wolte; kam es bey Taurasium abermahls zu zwey harten Treffen; da denn Spartacus nach Verlust zehn tausend Mann in Lucanien / weil ihn Craßus unauffhörlich verfolgte / biß an die eusserste Ecke des Brutischen Winckels weichen / und sich an der Rheginischen Meer-Enge verschantzen muste. Damit nun sein Kriegs-Volck aus keiner Hoffnung der Gnade sich ergeben möchte / ließ er den fürnehmsten gefangenen Römer für dem Lager aufhencken; thät auch durch öfftere Fälle dem Craßus mercklichen Abbruch; welcher endlich / nach dem Spartacus auf Fässern / Nachen und Flössen in Sicilien überzusetzen sich mühte / und der aus Hispanien zurück kommende Pompejus dem Craßus zu Hülffe ziehen solte / das Läger mit aller Macht stürmte und zum [953] Theil eroberte. Gleichwol aber entkam Spartacus mit dem grösten Theile seines Krieges-Volckes biß an die innerste Spitze des Tarentinischen Seebysens an den Fluß Bradanus / in willens Brundusium zu überrumpeln / und von dar übers Meer zu entkommen. Als er aber hörte: daß daselbst Lucullus mit einem Theile seines steghafften Heeres aus Asien ankommen / also ihm alle Ausflucht verhauen war / machte er die Noth zur Tugend / liefferte dem Craßus die verlangte Schlacht; in welcher er / ungeachtet so vieler empfangenen Wunden: daß seine Leiche hernach unter den Todten nicht zuerkennen war / seine Tapfferkeit und Feindschafft wieder Rom nicht ehe / als mit seinem letzten Lebens-Athem / als einer der edelsten Feld-Herren ausbließ; ja alle Deutschen nicht anders als wie Schlangen / die nach zerknicktem Kopffe sich doch noch mit dem Schwantze wehren / biß auf den letzten Blutstropffen fochten; und den Römern den Sieg theuer genung verkaufften. Craßus ließ auf der Wallstatt eine marmelne Seule aufrichten; und ließ durch seines überwundenen Feindes Lob auch sein eigenes derostalt darein graben:


Allhier ist Spartacus der edle Knecht geblieben /

Der seiner Fessel Stahl brach als ein Löw entzwey /

Und hundert tausend sprach von ihren Halsherrn frey.

Rom zehlt die Todten kaum die er hat aufgerieben /

Durch derer Bluter ihn den Frey-Brieff selbst geschrieben.

Die güldne Freyheit legt ihm selbst diß Zeugniß bey:

Daß gar nichts knechtisches an ihm gewesen sey.

Ja Feind und Adel muß den Helden-Sclaven lieben.


War sein zerfleischter Leib gleich hier nicht zu erkennen;

So wird sein Nahme doch unendlich kennbar seyn.

Rom gräbt zugleich sein Lob in dieses Siegs-Mal ein /

Das man nun erst kan Frau und Freygelaß'ne nennen.

Denn hätte nicht der Todt ihn untern Fuß gebracht;

So hätt' er endlich Rom noch gar zur Magd gemacht.


Es ist nicht müglich auszudrücken / wie die in Italien und zwischen den Alpen übrig gebliebenen Deutschen von denen theils dieser empfangenen Wunden halber rachgierigen / theils wegen der Mithridatischen Siege hochmüthigen Römern nach der Zeit gedrückt wurden. Weil aber kein Volck unter der Sonnen den Deutschen an Treue überlegen ist; liessen diese in der Meynung: daß die Tugend so wol den Undanckbaren /als die Sonne gifftigen Thieren wohl thue / durch kein angethanes Unrecht der Römer selbte auch nur eines Haares breit versehren; hielten sich auch bald darauf /als ihr Untergang an einem seidenen Faden hieng / so ehrlich: daß Rom seine Erhaltung ihnen zu dancken hatte. Denn / als unter dem grossen Pompejus die Römischen Heere in fremden Landen wieder den Mithridates zerstreut waren / Lucius Catilina aber mit einem grossen Theile des Römischen Adels ihr Vaterland zu vertilgen sich verschworen / und diesen grausamen Bund mit eines abgeschlachteten edlen Jünglings / auf den das Loß gefallen war / aufgefangenen mit Wein vermischten / und nach der Reye begierig ausgetrunckenem Blute bestätigt; ja er nicht allein in Hetrurien ein grosses Heer versammlet / sondern auch Lentulus zu Rom die Stadt an zwölff Orten anzuzünden / und den Rath zu ermorden Anstalt gemacht hatten; kamen vom Hertzoge Catugnat der Allobroger / wie auch von dem Alemannischen Herzoge Vocion Ariovistens Brudern / welcher die Helvetier beherrschte / eine ansehliche Gesandschafft nach Rom / theils sich über die Grausamkeit und den Geitz des Römischen Landvogts zu Vienne zu beschweren / theils für die Allobroger als der Alemänner Bluts-Freunde eine Erleichterung ihres Joches zu bitten. Lentulus / welcher diese Beschwerden leicht erfuhr / ließ sich alsbald den schlauen Publius Umbrenus / der in Gallien viel Jahre Handlung getrieben hatte / und also die Gesandten gar wol kennte / an diese Beleidigte / und seinem Bedüncken nach leicht bewegliche Allobroger machen; zu versuchen: Ob sie dieses streitbare / und unter dem Joche schmachtende Volck zu des Catilina Anhange machen könte. Umbrenus redete sie [954] auf dem grossen Platze / wie sie auf des Saturnus Tempel noch daselbst in den gemeinen Schatz-Kasten der Stadt Rom gelieferten Schatzung auffs Capitolium gehen wolten /freundlich an; erkundigte ihr Anliegen; bezeugte ein hertzliches Mitleiden mit ihrer Bedrängung; und als sie auf seine Frage: Was sie denn für ein Ende ihres Elendes / zu welchem der Rath taube Ohren hätte / erwarteten; ihm antworteten: den Tod; fieng er seuffzende an: Ich aber / wenn ihr anders noch Männer seyd; wolte euch wol ein bessers an die Hand geben. Die Gesandten begegneten dem Umbrenus nicht anders als ihrem Schutz-Gotte; und fleheten ihn um Eröffnung seiner vertrösteten Hülffe an. Dieser leitete sie alsofort in das nahe darbey liegende Hauß des Brutus zum Gabinius Capito; welcher das Unrecht des Römischen Rathes mit tausend Flüchen verdammte; des Marius und Sylla Rasereyen / das Wüten des Cinna / des Pompejus Hochmuth scharffsinnig durchließ / und wie der meiste Römische Adel vom Bürgermeister Cicero / und andern Neulingen; derer Väter Kohlenbrenner / die Mütter aber Ammen abgegeben / untergedrückt; die ehrlichen Deutschen und viel andere freye Völcker wieder aller Völcker Recht ausgeädert / und zu Leibeigenen gemacht würden /nichts minder verfluchte / als scheinbar erzehlte / endlich eröffnete: daß diese Unterdrückung sie sich aus Liebe der unschätzbaren Freyheit mit dem edlen Catilina wieder den grausamen Rath zu verknüpffen / und die Einäscherung des Raub-Nestes der Welt / des Noth-Stalles aller Völcker der blutigen Stadt Rom zu beschlüssen gezwungen hätte. Da sie nun ihre Freyheit wieder zu erlangen / denen sie ausmergelnden Schindern die Hälse zu brechen entschlossen wären; wolten sie ihnen darzu alle Handreichung thun. Die Gesandten hörten den grausamen Anschlag dieser Un-Menschen wieder ihr Vaterland / dessen Liebe die Mütterliche / ja seine selbsteigene mit aller Welt Reichthum weichen soll / nicht ohne Erstaunung /gleichwol aber mit angenommener Vergnügung an; danckten dem Gabinius für sein Mitleiden und Verträuligkeit; baten aber Frist / hierzu die Gesandten Hertzog Vocions gleichfalls zu bereden; als ohne welche sie ohne diß nichts zu schlüssen befehlicht wären. Wie nun die Allobroger dieses des Vocions Gesandten eröffneten / und sie einmüthig mit einer so schwartzen Verrätherey der Deutschen Ruhm zu besudeln für unthulich hielten; berieffen sie alsbald ihnen zu Rom habenden Schirms-Mann Fabius Sanga; und entdeckten durch ihn dem Cicero alles Haar-klein; welcher ohne diß in höchstem Kummer lebte; weil Gallien und Italien vom Catilina schon in nicht geringe Verwirrung gesetzt war. Dieser wuste seine Danckbarkeit gegen der Deutschen Redligkeit nicht genung auszudrücken; rieth auch: daß sie ihre Beypflichtung zu solchem Bündniße auffs beste bescheinigen und denen Verschwornen alle ihre Geheimnüße möglichst ausholen solten. Wie nun alle deutsche Gesandten folgende Nacht sich bey dem Stadtvogte Lentulus einfunden / ward von denen in grosser Menge versammleten Verschwornen beschlossen: Catilina solte durch das Fesulanische Gebiete eilends gegen Rom anrücken; also denn der bevorstehende Zunfft-Meister Lucius Bestia in seiner gewöhnlichen Antritts-Rede bey dem Feyer des Saturnus des besten Bürgermeisters Cicero übele Herrschafft anklagen; folgende Nacht Statilius / Gabinius und Lucius Caßius die Stadt an zwölff Enden anzünden / Cethegus den Cicero / und der andere Hauffen alle Raths-Herren / derer viel doch der verschwornen leibliche Väter waren / ermorden; und hierauf dem Catilina zurennen; die Gesandten aber eilfertig nach Hause reisen / die ihnen fürgesetzte Befehlichshaber erwürgen /und mit ihrer Macht zum Catilina stossen. Diese [955] versprachen nichts an ihrem Fleiße erwinden zu lassen; alleine müsten sie ins geheim aus der Stadt gebracht /ihnen auch dieses Bündniß von allen Beschwornen unterschrieben und besiegelt ausgehändigt werden; als ohne welches ihr Fürtrag bey ihren Landes-Leuten keinen Glauben verdienen würde. Die anfangs fürsichtige Boßheit wird nach und nach vermessen und bekommet Maulwurffs-Augen: daß sie andere Leute in ihrer Auffsicht so blind zu seyn schätzet / als sie in Ausübung gewohnter Laster ist. Diesemnach unterschrieben die Verschwornen ohne alles Bedencken den vom Cethegus entworffenen Schluß; und befehlichten den Vulturcius: daß er folgende Nacht die Gesandten zum Catilina begleiten solte; welchem Lentulus ein hierzu dienendes Schreiben einhändigte. Die Gesandten liessen diß alles den Cicero wissen: aber auf die bestimmte Zeit der Reise die Milvische Brücke an der Flaminischen Strasse mit Krieges-Volcke besetzen; welches die deutschen Gesandten und den Vulturcius gefangen in Rom brachte. Worauf Cicero die Verschwornen nach und nach ins Heiligthum der Eintracht bringen ließ / sie mit ihrer Hand und Siegel überzeugte / hernach im Gefängniße behielt / und also Rom von so nahem Untergange errettete. Sintemahl die Gefangenen / wie sehr gleich Cicero für sie bat /auf des Cato Gutbefinden im Kercker erwürget; ja viel mitverschworne Söhne von ihren Vätern nach dem Beyspiele des ihnen vorgehenden Aulus Fulvius eigenhändig getödtet / Catilina aber mit seinem Heere biß auf den letzten Mann nach unglaublicher Gegenwehr vom Antonius erschlagen; iedoch ihm von seinen Uberwindern nachgerühmet ward: daß / wenn er fürs Vaterland gefallen; Niemand für ihm eines schönern Todes gestorben wäre. Wer solte aber Rom eine solche Undanckbarkeit zutrauen: daß sie zwar die Gesandten mit helffenbeinernen Stülen / güldenen Stäben / und anderem Tocken-Wercke hätten beschencken; den so treuen Allobrogern aber nicht ein Loth ihrer unerträglichen Zentner-Last abnehmen sollen? Welches dieses hertzhaffte Volck zu einer halbverzweiffelten Entschlüssung brachte: daß sie die Römischen Geldägeln erwürgten / in das Narbonische Gallien einfielen / und für ihre Freyheit alles eusserste zu wagen entschlossen. Aber Cajus Pomptinius / der doch mit den Gesandten selbst ihrer Treue halber Unterhandlung an der Milvischen Brücke gehabt hatte; kam ihnen unter dem Scheine eines Vermitlers so geschwinde mit einem mächtigen Heere auf den Hals; und die Heduer giengen ihnen mit aller ihrer Macht in Rücken; also: daß sie die Allobroger auf einmahl zu verschlingen schienen. Aber Noth und Tugend rennen nicht selten auch der Unmögligkeit einen Rang ab. Dahero ihre tapffere Gegenwehr den Pomptinius nöthigte / an einem vortheilhafften Orte bey der Stadt Acunum sein Läger zu befestigen. Wie nun aber Pomptinius vernahm: daß der Hertzog Catugnat /nach dem er die Römer nicht aus dem Läger zu locken vermocht hatte / bey Bantiana über den Rhodan mit dem halben Heere gesetzt hatte um ins Narbonische Gallien einzubrechen / blieb er mit wenigem Volcke zur Besatzung im Läger / ließ das gantze Heer unter dem Manlius Lentinus des Nachts in möglichster Stille über den Rhodan gehen / uñ hinter einem Walde den Allobrogern wegelagern. Diese aber kriegten noch selbige Nacht durch einen Uberläuffer von allen Umständen des Anschlags Nachricht. Daher zohe Hertzog Catugnat über Hals über Kopff sein gantzes Heer an sich / rückte darmit recht gegen das ihm gestellte Fallbret; stifftete auch etliche leichte Reuter an: daß sie voran gegen die Römer streifften / sich mit Fleiß fangen ließen / und einmüthig aussagten: daß Catugnat nicht selbst bey denen kaum zehntausend Mann starcken Allobrogern wäre; sondern sie des Vocions Sohn ein noch unerfährner kühner Jüngling[956] führte / von den Römern auf selbiger Seite des Rhodans das minste wüste. Catugnat theilte hierauf sein Heer in drey Theil; den Vortrab / der auf die Römer gleichsam unvorsichtig verfallen solte / vertraute er dem jungen Vocion / das andere seinem Sohne; mit welchem er durch einen Umweg den Römern in Rücken gehen solte. Er selbst blieb mit dem Kerne seines Volckes / und etlichen tausend Helvetiern in voller Schlacht-Ordnung stehen / um den Römern / weñ sie den Vocion verfolgen würden / die Spitze zu biethen. Diese der List entgegen gesetzte List schlug glücklich aus. Denn so bald die Römer den Vocion ersahen /fielen sie vorwerts und auf beyden Seiten ihn an; welcher nach laulichter Gegenwehr zu weichen / und endlich zu fliehen anfieng / also mit ihm die Römer auf des Catugnats Heer verleitete. Wie nun dieser ihn so behertzt als unvermuthet unter Augen gieng / des Vocions Volck aber sich zugleich gegẽ die durch die Verfolgung in nicht geringe Unordnung gebrachten Römer wendete; sahen sie wol: daß der Steller in sein eigenes Garn verfallen war. Weil es aber sich dem in Eisen habenden Feinde zu entziehen unmöglich war /musten sie aus der Noth eine Tugend machen / und also sich zu behertzter Gegenwehr anstellen. Eine Stunde währete die Schlacht / ehe die Römische Reuterey zum weichen gebracht war / und die Allobroger die Römer zur Seite antasten konten; hiermit aber gerieth Catugnats Sohn / und der vom Mithridates aus Scythien in Deutschland angekommene Fürst Bituit mit acht tausend Mañ den Römern in Rücken; also in weniger Zeit diese in Unordnung; und endlich / nach dem zumahl Lentinus hefftig verwundet / und zwey Römische Adler genommen waren / in die Flucht; welche aber ihnen fast allenthalben verschrenckt / und das Römische Heer durchgehends wie Vieh abgeschlachtet ward. Der nahe Wald und die Nacht / insonderheit aber ein erschreckliches Hagelwetter / welches nicht drey Schritte weit vor sich sehen ließ / halff dem Lentinus mit drey oder viertausenden theils nach Acunum / theils zu den Heduern darvon; da ohne diesen Zufall von denen dreyßig tausend Römischen Krieges-Leuten allem Ansehen nach kein Gebeine davon kommen wäre. Der hierüber zitternde Pomptinius schätzte sich im Läger nicht sicher; brach daher eilfertig auf / und wiech am Rhodan biß zur Stadt Vindelium zurücke. Der eine denen Römern nicht allzuwol wollende Fürst der Heduer Convictolitan brachte bey Erfahrung dieses herrlichen Sieges es auch dahin: daß sie unter dem Vorwand: Es wären die Alemänner und Helvetier wieder sie im Anzuge / sich aus der Allobroger Gebiethe zurücke zohen. Nach dem aber Lucius Marius / und Sergius Galba mit zwey neuen Heeren / wie nichts minder die Massilier /und die leichtsinnigen Heduer den Pomptinius mit grosser Macht verstärckten / setzte er über den Rhodan / verheerte der Allobroger Gebiethe; und gewañ die eine Seite der Stadt Solonium; nach dem sie der junge Fürst Vocion vergebens zu entsetzen versucht hatte. Die andere Seite der Stadt aber hielt zehn Stürme aus; biß Pomptinius nach erlangter Nachricht von des Herzogs Catugnat völligem Anzuge die Belägerung aufzuhebẽ / das eingeno ene Theil der Stadt Solonium aber einzuäschern nöthigte. Die Römischen Heere eilten diesemnach denen Allobrogern entgegen / die Heduer giengen ihnen auch mit einem frischen Heere in Rücken / und zwungen den Hertzog Catugnat durch Abschneidung aller Lebensmittel zu Lieferung einer Schlacht wieder seine wol dreymahl stärckere Feinde. Sintemal die Zwytracht der Alemäñer uñ Helvetier ihm alle vorige Hülfe beno en hatte. Ob nun zwar die Verbindligkeit zu schlagen schon halb verspielt ist; so wehrte doch das Treffen von der ersten Tagung an biß in die sinckende Nacht; endlich aber erlangten die Römer einen wiewol blutigẽ Sieg; dessen sie sich wenig zu erfreuen / weniger aber zu rühmen hatten. Catugnats [957] Sohn blieb selbst todt; Er aber und der Vocion schwamen mit etwan hundert Edelleuten durch den Fluß Araris / und entkamen mit genauer Noth in die Stadt Genf / an den Lemanischen See und der Helvetier Gräntze. Die grosse Niederlage und der gemeine Ruff: Es wäre der Hertzog in der Schlacht umkommen / verursachte: daß die übrigen Allobroger die Waffen niederlegten / alle Festungen den Römern einräumten / und Catugnat zu den Helvetiern sich flüchten muste. Herentgegen erliedt Cajus Antonius von den Skordiskischen Deutschen in Thracien; welche nebst denen Bastarnischen Deutschen noch immer mit des Mithridates Söhnen wieder die Römer ihr Verständniß unterhielten / und in Macedonien Beute holeten / eine ansehnliche Niederlage.

Diese Erzehlung des Fürsten Adgandesters ward nicht nur durch die zu Golde gehende Sonne; sondern auch durch die Ankunfft eines Edelmannes unterbrochen; Der dem Fürsten Adgandester Nachricht brachte: daß wegen der beyden Cattischen Hertzoginnen /Erdmuth und Rhamis von der eilfertigen Reise empfundener Ungemächligkeit der Einzug biß über den andern Tag verschoben; Gleichwol aber die Gräfin von der Lippe / der Fürstin Thußnelde Hofmeisterin mit ankommen wäre / um von Seiten ihre die gehörige Anstalt des Beylagers zu machen. Adgandester war hierüber erfreuet; und vermeldete alsobald: daß diese Tugendhaffte Frau / welcher kein Geheimnüß von der Fürstin Thußnelde verborgen / und ein wahres Ebenbild der selbst-ständigen Dienstfertigkeit wäre / ihn einer grossen Bürde versprochener Erzehlung überheben würde. Malovend fiel ihm ein: So werde ich meine Unfähigkeit auch vieler Fehler entziehen; Er aber / nach dem ich gleich die Händel / die die Deutschen außerhalb ihrer Gräntzen mit den Römern eigentlich gehabt / beschlossen; die ihm Haar-klein bekanten Begebnüße umständlich fürzutragen wissen /wie nehmlich der für Ehrsucht in dem Gadischen Tempel des Hercules bey dem Bilde des grossen Alexanders bittere Thränen vergissende Julius Cäsar aus einem Traume / darinnen er seine Mutter zu beschlaffen sich bedüncken ließ / ihm die Herrschafft der Welt; und / weil sein gespaltene Klauen habendes Pferd niemanden als ihn aufsitzen ließ / Alexander gleiche zu werden habe träumen lassen; und zu dem Ende in das Hertze Galliens / über den Rhein in Deutschland / ja über das Meer in Britannien eingebrochen / sein Nachfolger August auch seinen Fußstapffen nachgefolgt sey. Die Gräfin von der Lippe aber wird ihr selbst für ein Glück achten / dieser hochansehnlichen Versamlung durch Abmahlung der finsteren Liebes-Wolcken zwischen dem Feldherrn! Herrmann und der Heldin Thusnelde den Sonnenschein des nahen Hochzeit-Feyers desto annehmlicher zu machen. Bey diesen Reden kam die Gräfin selbst zur Stelle; mit welcher sich alle Anwesenden auffs höflichste bewillkö ten; und nach dem sie ins gesa t die Abend-Tafel durch hunderterley annehmliche Gespräche abgekürtzt hatten / von ihr selbst die Vertröstung einer umständlichen Ausführung ihrer Zufälle /zugleich aber diese nachdenckliche Erinnerung bekamen: daß ob wol die Welt selten auf die / welche in der Rennebahn der Tugend schwitzten / acht hätten /dennoch die Sternen endlich selbst gegen dieselben ihre Augen aufsperreten; welche nunmehr den einen Fuß auf den verlangten Zweck setzten. Sie wisse die Freude ihres Hertzens nicht vollkommen auszuschütten: daß sie die Tugend und Liebe des Fürsten Herrmanns / und der nichts minder hertzhafft- als keuschen Thusnelde auff einmahl mit Lorbern und Myrthen herrlich gekräntzt sehe; und wie alle ihre Neider nunmehr erkennen müsten: Es sey alberer an gerechtem Ausschlage der göttlichen Versehung zweiffeln; als von der Sonne Zeugniß ihres Lichtes fordern.

Inhalt des Siebenden Buches
[958] Inhalt
Des Siebenden Buches.

Die Begierde rühmliche Thaten nach zu thun / und die Beschreibung derselbten / als eine Wegweiserin zur Tugend / was sie würcke und worzu sie den Hertzog Zeno / Rhemetalces / Malovend Adgandester und die übrige Gesellschafft verleite? Malovends fernere Erzehlung. Der Gottesdienst und priesterliche Würde als der sicherste Kappzaum der Unterthanen bey dem alten Deutschen mit der Königlichen vermählet gewesen. Jener vielfältige und nutzbare Verrichtung. Der Brittannischen Weisen oder Druyden Lebens-Art und Ansehen der Königlichen vorgezogen. Ihres Haupts Verehrung / Unterricht der Jugend und Eydes-Pflicht. Ihre Sprache und Schrifft / Speise fasten und Keuschheit / ingleichen ihrer Seckte Unterscheid. Des deutschen Frauen-Zimmers sonderbare Klugheit / Ansehen / Wahrsagungen und Zauberey. Der Druyden Opffer / Heiligthum und Verehrung gewisser Bäume; Ihre Lehre allzu heilig was vergängliches zu schreiben. Ihre Leichen-Gedächtniße und Meynung von der menschlichen Seele. Der Aberglaube und Veränderung des Gottesdienste gefährlich / die Gemeinschafft einem Reiche nützlich. Blinder Gehorsam ein Werck unvernünfftiger Thiere / wie die Prüfungen der Warheit ein Thun der Menschen. Unter dem Theut oder Thuisto der Schöpffer der Welt oder Mercur angedeutet / welchen die alten Deutschen nebst dem Hercules und vielen andern zu Schutz-Göttern erwehlet. Der Mond in besonderer Betrachtung unter ihnen. Furcht und Einbildung die gröste Gemüths-Kranckheit. Allerhand aberglaubische Urtheile über Sonn und Mond die grösten Lichter der Welt und derer mehrmahlige Verfinsterungen. Des ersten Druys Serapio in Deutschland mit nachdencklichen Reymen eingegrabene Wahrsag- und Propheceyungen. Der klugen und weltweisen Herrschafft nicht allezeit die glücklichste. Glücks-mäßigung aber die schwerste. Der Druyden anfängliche Andacht in Scheinheiligkeit / ihre von außen-gläntzende Tugenden in Laster / ihre vorgegebene Einigkeit in Zwytracht verwandelt / biß solche einer der tieffsinnigsten Druyden Divitiack ans Licht gestellet und verdammet. Seine darüber ausgestandene Verfolgung. Eine neuere mehr auf die Vernunfft gegründete Lehre verursachet unter den höchsten Häuptern Deutschlands grosse Unruhe. Grosse Niederlage der Eubagischen Gallier auf ihres unglücklichen Fürstens Rubonors Beylager. Der Samnitischen Weiber frevelhaffter Gottesdienst geduldet. Der Bataver und Menapier durch den Degen erworbene Freyheit. Vier an Tugend und Tapfferkeit zu einer Zeit herrschenden Fürsten Deutschland so schädlich / als vier Sonnen dem Himmel. Unter denen der Cheruskische Hertzog Aembrich die Würde der Feld-Herrschafft davon trägt. Des Hertzogs der Alemänner Ariovists kluges Urtheil über solcher ausgeschlagenen Würde. Des von seiner Herrschafft verfallenen Fürstens Orgetorichs wieder den Ariovist unglücklicher Auffstand zum [959] Feuer verdammet / aber vom Pöfel mit Gewalt erlöset. Seine und seines Eydams Domnorichs und Fürsten Darico Entschlüssung vom schlauen Julius Cäsar mit ihrem grossen Verlust hintertrieben. Des Julius und eines Römischen Adlers von den Helvetiern ausgestandene Gefahr / und darauf erfolgter Friede. Des Julius neue Kriegs-Flucht wieder die Deutschen und dem Könige Ariovist gethanes hochmüthiges Anmuthen. Dessen hertzhaffte Antwort vom Römischen Rath wieder Cäsarn selbst gebilliget. Beyder Zusammenkunfft und Unterredung. Cäsar bedienet sich wieder den Ariovist theils der Leuen-Haut / theils des Fuchsbalges / so sich endlich mit übelausschlagender Verrätherey endiget. Ariovists nebst seiner bey sich habenden Deutschen und ihres in der Wagenburg gelassenen Frauen-Zimmers bezeigter blutiger Kampff / und einiger Ritter dabey empfangener Geschlechts-Nahmen. Der Gefangenen Auswechselung und Friede durch den zwischen dem Cherusker Hertzog Aembrich und der Catten Hertzogẽ Arabarn entstandenen Krieg befördert. Hertzog Aembrichs vergrösserte Herrschafft durch Besiegung der Quaden und Unterdrückung der Barden und Eubagen Deutschland besorglich. Der Diener mißbrauchte Gewalt ihrem Herrn und Unterthanen gefährlich. Des Königs Ariovists von seinen vertriebenen Vetter Arabar beym Feld-Herrn Aembrich vergeblich eingelegte Vorbitte. Der beyden Cattischen Fürsten Roßna und Cimbers dardurch erregter Aufstand und Anfall des Cheruskischen Gebiets / welchem Coßibellin der Britannier Hertzog mit einem mächtigen Heere / der Cimbern Hertzog Friadlev mit seinem Beyfall folget. Seine Stürtzung mit dem Pferd / und seine vom Donner abgeworffene Geschlechts-Seule eine Vorsagung seiner und dessen Bundsgenossen erfolgten Unglücksfälle. Aembrichs befestigte Macht in Deutschland. Ausser Landes gehet ein der Deutschen und Belgen Freyheit nachtheiliger Comet am Cäsar wieder auf. Undanck und Verrätherey bereitet ihm bald da bald dort einen Sieges-Krantz / dem Vaterlande aber die Fessel der Dienstbarkeit. Boduognats des Hertzogs der Belgen tapffer verfochtene und durch erwünschete Friedens-Vorschläge behauptete Freyheit / deren Verlust die eigenen Spaltungen als der Römer Tugend befördert. Verrätherey sein eigener Hencker am boßhafften Ufo. Neuer Krieg in Deutschland über der den Druyden eingeräumten grossen Gewalt zwischen dem Feld-Herrn Aembrich / dem Hemunderer Hertzoge Brittan / dem Longobardischen Fürsten Siegbrand /dem Svioner Könige und übrigen Bundsgenossen. Aembrichs und der Seinigen grosse Niederlage. Gothors vielfältige Siege / Arabars Erholung. Cäsars hierbey in Gallien gesuchter Vortheil; der Deutschen vernünfftige Warnigung erfolget. Eines deutschen Ritters Heldenmäßige Entschlüssung beym erzürnten Cäsar vor feine Landes-Leute ein Schlacht-Opffer zu werden. Cäsars an zweyen deutschen Fürsten vergessenes Völcker-Recht vom Römischen Rath höchst empfunden. Cäsar suchet bey den Sicambern dreuende die Ausfolgung der geflüchteten Usipeter und Tencterer. Sein seltzamer aber unglücklicher Brücken-Bau über die Mosel. Seine Ehr und Kriegssucht ziehet ihn nach der Deutschen tapffern Wiederstande in das unter bürgerlichem Kriege seuffzende Britannien. Des Feld-Herrn Aembrichs aus sonderbarer Staats-Klugheit verworffene Hülffe der mächtigen Römer. Cäsars ausgerüstete Kriegs-Flotte von Feind und Wellen / insonderheit von Bondicea einer Königlichen [960] Britannischen Jungfrau glücklich bestritten und zurück in Gallien gejagt. Verwirrter und in voller Kriegsfla e sich befindender Zustand in Deutschland / worinnen der Gottesdienst zwar der Vorwand / das Absehen aber der hohen Häupter die Ober-Herrschafft ist. Was Fürsten / was klugen und treuen Dienern gelegen /und wie jene mit diesen die Bemühungen / nicht aber die Würde theilen sollen; des Feld-Herrn Aembrichs und König Ariovists / Gotharts und Hertzog Brittons gegen einander gestellte Kriegs-Macht; des allzuhitzigen Königs Gotharts tödliche Verwundung dienet zur Lehre: daß ein Krieges-Haupt nicht in der Spitze stehen / sondern wie das Hertze im Leibe zum allerletzten sterben / und ihr Tod möglichst zu verhölen seyn solle. Des Feld-Obersten Terbals Verrätherey wieder den Feld-Herrn Aembrich. Seine Straffe. Thorheit zuweilen eine Gefärthin der Klugheit. Ob der Fürsten Hoheit von keinen Gesetzen umschräncket / und einen Ubelthäter ohne Verhör zu verdammen und entschuldigen sey? Schlacht zwischen dem Feld-Herrn Aembrich und dem Könige Ariovist eine Beförderung des Friedens / mit Mäßigung der Druydischen Macht und Ertheilung der den Barden und Eubagen zeither verschränckten Freyheit ihres Gottesdienst. Vielen Fürsten Beschwerführung beym Feld-Herrn Aembrich über Cäsars Thätligkeiten. Dessen versicherte Freundschafft. Aembrich weiß der Römer Beleidigungen durch seine Vernunfft zu mäßigen / und durch seine Klugheit seinen Sohn Segimer noch bey Leb-Zeiten wieder das sonst gewöhnliche Wahl-Recht zum Nachfolger zu erklären. Aembrich rächet der Deutschen und Belgen Unrecht durch Cäsars Niederlage am Rhein; ziehet sich hierauff seinem eigenen Brande zu. Induciomar der Hertzog der Trevirer belägert den Römischen Labienus / wird aber in einem Ausfall erschossen. Die den Feld-Herrn Aembrich nicht erwartenden Trevirer werden durch feindliche Hinterlist an der Mosel meist erleget / die übrigen unter das Römische Joch gebracht und vom Cingetorich beherrschet. Die Entlegenheit bey Nachbarn der Nagel daran ihre Freundschafft hencket. Die Römer überfallen den gantz sichern Feld-Herrn Aembrich und Cattivolck seinen Bruder auf einem Lust-Hause; der erste kommet durch die Flucht / dieser durch seinen erkiesten Tod dem Cäsar aus den Händen. Cäsar läst den ihm verdächtigen Fürsten Acco nebst viel Semnonern und Carnuten zu tode prügeln / durch welche Grausamkeit er wieder sich die Gallier und andere Bundsgenossen aufwiegelt / und dannenher mit dem Feld-Herrn und übrigen Deutschen einen gewissen Frieden eingehen muß / um die Gallier im Zaume und Gehorsam zu halten. Des Gallischen Adels und der Bellowackischen Jungfrauen Heldenmäßiges Gelübde gegen den Cäsar. Dessen und alle Klugheit Kräffte werden für der himmlischen Versehung zur Ohnmacht. Dem Cäsar stehen die Deutschen wieder die Gallier bey. Die in der Festung Alesie ausgestandene Hungers-Noth so groß: daß auch ein Mensch des andern Speise werden und selbst die Natur der eussersten Noth aus dem Wege treten muß. Menschen-Fleisch eine unnatürliche und im Geblüt nichts als Fäulnüß nach sich ziehende Speise / so schädlich als Gifft. Die Ubergabe Alesiens stürtzt den Vercingetorich zu Bodem / Gallien aber unter den Fußschemel der Römer. Cäsars Grausamkeit in Ugellodun wieder den Fürsten Guturvat und übrige Gefangene. Cäsars und Pompejus Ehrsucht sucht seinen Zunder durch bürgerliche Kriege; der erste aber seine Siege wieder diesen in der Deutschen [961] und ihrer Fürsten Erdmunds und Acrumers Hülffe. Eines Bruckerisch- und Chasnarischen Ritters ungemeine Helden-That und Treue mit einem herrlichen Gedächtniß-Maale von Ertzt und Marmel verehret; Jenes in Gefangennehmung des Dejotars; dessen in Uberdeckung des Cäsars von den feindlichen Pfeilen. Des grossen Pompejus schimpflicher Tod; Cäsar befestigt seine Herrschafft über Rom und die halbe Welt durch Hülffe der Deutschen / biß solche endlich der Neid und das Verhängniß zerdrümmert. Sein zu Rom gehaltene vielerley Siegs-Gepränge schläget die vom Antonius ihm unter dem Bilde des gefesselten Rheins zugemuthete Heuchlerische Ehre / als einen unerträglichen Schimpff der Deutschen ab. Der Ruhstand in Deutschland ihm selbst schädlich. Die Todfeindschafft der Catten und Cherusker wo sie herrührend? ob von einem wiedrigen Einflusse der Gestirne oder einer andern geheimen Würckung der Natur /oder aber von Eigen-Nutz als dem Zanck-Apffel aller Thiere? Heucheley bey Hofe die dienstbarste Sclavin. Der Fürsten Fehler und Gebrechligkeiten als Tugend und Zierathen von Unterthanen nachgeäffet. Die Gemüther des weiblichen Geschlechts unergründlich /ihre Herrschafft über die Männer unersättlich. Fürstliche Heyrathen haben nicht die Liebe / sondern des Landes Wolfarth zum Zweck. Segimers Vorhaben seine unfruchtbare Gemahlin Asblaste zu verlassen uñ Vocionen zu heyrathen. Jener Flucht und nachdencklicher Abschieds-Brieff bringet diese in höchste Raserey: Dem Feld-Herrn Aembrich als Vatern ziehet die hieraus und aus andern Unglücks-Fällen geschöpffte Bekümmernüß den Tod zu. Seines erlauchteten Hauses und zerritteten Reiches letzte und ruhmbare Vorsorge durch Befestigung des edlen Friedens. Neue Kriegs-Flamme zwischen König Arabarn und den Cheruskern. Des Kaysers Augustus mit diesen wieder die Rhetier und Vindelicher gemachtes Bündniß /deren Weiber unmenschliche Tapfferkeit. Des Augustus Lebens-Gefahr bey Belägerung der Stadt Mebulun; der Innwohner verzweiffelte Gegenwehr / ihr und der ihrigen selbst eigene Einäscherung. Was eines Uberwinders Ruhm sey: Nicht vieler Leichen und Steinhauffen Meister zu werden / sondern seinem überwundenen Feinde vergeben / damit dieser verlohrne Hoffnung der Gnade sich nicht in Verzweiffelung verwandele? Kaysers Augustus Sieg wieder die Pannonier und Feinde mit den Cheruskern. Dieser samt ihrer Bundsgenossen der Quaden vom Cattischen Heerführer Stordeston und König Arabars Sohne erlittene Niederlage. Den Römischen Hülffs-Völckern und ihren Adlern wird aus Mißtrauen der Flug über den Rhein geweigert. Augustus zerfällt auffs neue mit dem Antonius / und also Rom wieder Rom. Die Ubier und Usipier Hertzoge werden bey nahe der gantzen Herrschafft entsetzet; dem Cheruskisch bebenden Hause gehet am tapffern Segimer ein neuer Glücks-Stern; dem gantzen Deutschland aber die erwüntschete Friedens-Sonne auf. Hierbey erlangen die Barden und Eubagen ihre Gewissens-Freyheit. Der tugendhafften Asblaste und ihres Vaters Surena am Königlichen Hofe Orodes veränderlicher Zustand lehret: daß die Entziehung verdienter Ehre dem beschimpffeten nur zu grösserm Ruhm gereiche; Und jener am meuchelmörderischen Maxorthes ausgeübte gerechte Rache: daß das sonst schwächere Geschlecht das stärckere an Tugend und Waffen besiegen könne.[962] Die verkleidete Asblaste vor Gerichte gebracht / aber wunderbarer Weise vom Feld-Herrn Segimer erlöset. Surena des an seiner Tochter verweigerten Richter-Amts halber hingerichtet. Segimer wegen der entheiligten Persischen ewigen Flamme in Kercker geworffen / zum Feuer verdammet / von Asblasten seiner Gemahlin erkennet / auff gleiche Art errettet / endlich doch alle beyde gefänglich behalten worden. Die Liebe hat weder Gesetze noch Meß-Stab. Phraatens des Königlichen Persischen Printzens blinde Liebe gegen die tugendhaffte Asblaste. Dieser ehliche Treue und ersonnene List bringet den Segimer aus dem Gefängniß / folgends als das Haupt der deutschen Hülffs-Völcker unwissend der Römer / wieder die Parther in Krieg / darinnen diese geschlagen / des Labienus Kopff zu Athen vom Antonius den Grichen zum Schau-Essen auffgesetzet. Pacors Niederlage verlieret die eitele Einbildung: daß das Glücks-Rad den Lauff der Sonnen / und der Sieg gewisse Oerter und Zeiten halten müsse. Das Geschlecht Rittberg woher es den Nahmen? der Frieden zwischen dem Antonius und denen Parthern bringet dem Segimer beym Römischen Rathe viel Ehren-Bezeugungen / aber desto weniger Hoffnung zu seiner noch gefangenen Asblaste zu wege. Segimer bekommt durch eine Kriegs-List Orodens zwey Schoß-Kinder Pharnabazes und Oroßmanes zur Auslösung Asblastens gefangen / welche letztere Phraates mit Gifft hinzurichten befiehlet /von der in den Pharnabatz verliebten Ternamenen aber durch seltzames Begebniß erlöset wird. Phraates wirfft sich zum Könige wieder seinen Vater auff / gebraucht sich hierzu gewisse Zauber-Künste. Grosse Laster durch grössere ausgeführet vor Tugend / die Herrschafft ohne Wollust vor unvollkommen gehalten. Asblastens und Segimers unverhoffte und so viel erfreulichere Zusammenkunfft. Die Freyheit der beyden Parthischen Fürsten Pharnabazes und Oroßmanes wird beym wütenden Phraates zum Todten-Bret. Phraates dardurch von Freund und Feinden verhast. Deutschland wird gleichsam durch Segimers und Asblastens Zurückkunfft aus einer befallenen Ohnmacht erwecket; alle benachbarten Völcker in Ruhstand gesetzet. Des Janus Tempel vom Augustus zu Rom gesperret. Fürst Herrmann der Erhalter der deutschen Freyheit von Asblaste gebohren. Der Menschen eigene Thaten setzen gute und böse Sterne in den Creiß ihrer Geburts-Lichter. Augustus Begierde alle seine Vorfahren wie an Pracht und Herrligkeit / also an Grausamkeit und Undanck gegen seine Hülffs-Völcker die Celten und Dacier zu übertreffen. Des Feld-Herrn Gesandten hierüber geschöpffte Empfindligkeit; Der Dacier und Bastarnen Auffstand. Erörterte Staats-Regel: ob die Unterthanen durch Uberfluß oder überhäuffte Schatzungen im Zaum und Gehorsam zu halten? Alle zur Pracht und Hoffart gereichende Dinge sollen mit grossen Zöllen beleget / die unentbehrlichen Lebens-Mittel aber dem Armuth zum besten davon befreyet werden. Augustus darinnen begangener Fehler. Gewisse Mittel den Fürsten bey Liebe / den Diener bey Ehren / die Länder beym Gehorsam zu erhalten. Augustus neu-aufgerichtetes Gewerb und Niederlage am Rhein den Deutschen nach theilig / den Catten unerträglich. Der Handlung und Kauffmannschafft Werth und Unwerth / ob / und wie weit solche dem Adel anständig? die Römische Grausamkeit wieder die Catten ziehet ihnen von deren Lands-Leuten [963] einen neuen Krieg auf den Halß / darinnen dem Römischen Marcus Vinicius der Sieg zugeschrieben / und vom Kayser August ein Siegs-Bogen aufgerichtet wird. Staats-Klugheit der Fürsten / dem vergänglichen Rauch und die leeren Hülsen eitler Ehre theuer zu verkauffen. Mecenas des Augustus geheimster Staats-Rath hat an Verstand und Treue keinen seines gleichen. Sein Urtheil vom Agrippa und seinen grossen Verdiensten. Ingviomer des Feld-Herrn Segimers Bruder nimt sich wieder die Römer und den Heerführer Agrippa der Gallier Freyheit an. Verwirrter Zustand in Spanien wieder Uberwinder die Römer. Ingviomer gehet durch Vermittelung des Segesthes / durch Beförderung des Printzens Divitiaks zur Römischen Raths-Würde / und also zu seinem grösten Vortheil mit dem Agrippa einen Frieden ein. Ingviomer vom Augustus hochgehalten / seiner deutschen Leibwache vorgesetzt / letzt auch mit herrlichen Geschencken wieder in sein von Kriegs-Flamme loderndes Deutschland gelassen. Der Hermunderer grosser Freyheits-Eyver und Umschränckung ihrer Hertzoglichen Gewalt. Ihres Hertzogs Brittons Vermählung mit des Königs der Bastarnen Deldo Tochter denen Eubagen wegen ihres der Druyden zugethanen Gottesdiensts / verhast und zum Auffstand ursachlich. Eigen-Nutz des Menschen Augapffel. Brittons Staats-Fehler. Gemeine Wohlfarth das gröste Gesetz. Hertzog Britton wird genöthiget seiner beyden Reichs-Räthe Blut-Urtheil zu unterzeichnen. Königlicher Purper vor dem Anrühren / Fürstliche Hoheit vor Gewalt und Aufruhr zu bewahren. Der Druyden Auffstand wieder die Eubagen unter dem Hertzog Brittons. Dessen verfehltes Mittel in Begnädig- und Bestraffungen: Marbods Zurückkunfft von Rom in sein Vaterland. Seine Ankunfft / Aufferziehung und Ansehen bey den Römern / insonderheit bey dem Tiberius und des Kaysers Tochter Julia Agrippens Ehfrau. Ihre entbrandte Liebe gegen ihn. Die Liebe eine Schwäche der grösten Leute und die Röthe ihr Verräther. Die Entdeckung eigener ist der Schlüssel fremder Geheimnüße. Juliens / Tiberius und Marbods Glück-Spiel in dem Aponischen Brunnen mit dem güldenen Würffel. Juliens unkeusche Liebe wird verrathen; Der unschuldige Marbod der dringenden Zeit aus dem Wege zu treten / und Rom zu verlassen genöthiget; bey denen Hermundurern und Marckmännern zum Kriegs-Obristen wieder den Britton erkläret / auch bald hierauf wegen seines erhaltenen Sieges vor einem Erhalter ihrer Freyheit ausgeruffen. Des Marckmännischen Adels gröster Glantz und Hochhaltung die Geryonische Weissagung. Facksarifs und Marbods beyder Kriegs-Obristen Hertzhafftigkeit und Sieg wieder den Britton und seine ihn verführende Gemahlin. Das Glück ist der Apffel im Auge der Klugheit und die Hertz-Ader in der Tapfferkeit. Britton wegen seines Argwohns von den Seinigen vollends verlassen fällt in die eusserste Knechtschafft. Der Ehr-Geitz kan keinen über noch neben sich leiden. Harneckigkeit ist so wenig als ein kollernd Pferd durch einen allzuharten Zaum zu bändigen. Marbods Staats-Künste ihm das Volck und Kriegs-Heer zu verbinden. Auffruhr das schädlichste Gifft und Mord-Schlange raubet dem Britton das Leben. Ob und wie weit gekrönte Häupter den Gesetzen und des Volcks Urtheil unterwürffig? der Cheruskische und viel andere Gesandten bemühen sich das bey aller [964] Welt über den Fürsten verhaste. Blut-Urtheil mit allerhand Staats- und Rechts-Gründen zu hintertreiben. Der Saamen der Verrätherey unaustilglich. Dessen Wachsthum unbeständig / der die Stauden seines Glücks mit Blute tinget / und auff Gräber pflantzet. Fürstliche Geschlechter gleichen der Keule Hercules und dem Spisse Romulus / wie und auf was Weise? Fürstliche Kinder durch Verzärtelung / wie die Alten durch der Höflinge Heucheley verterbet. Ehrsucht der Fürsten Leit-Stern zu allen Lastern /der Purpur ihr Deck-Mantel. Die bürgerliche Herrschafft vor die Freyheit die sicherste / hat zum Angel- Stern den Wohlstand des Volcks. Freyheit dem Pöfel mehr schädlich als nützlich. Die Anmassung der Gewalt über Fürsten als wahre Ebenbilder Gottes auf Erden ein Raub des Himmels. Ein der Königlichen Hoheit an die Seite gesetzter Reichs-Rath soll wie der Mond von der Sonnen seinen Glantz; Nicht aber von jenem die Verfinsterung erwarten. Facksarifs Gemahlin heiliger doch vergeblicher Eyver in Erlösung des zum Tode verdammten Brittons. Dessen hertzhaffte Entschlüssung: daß ohne Schuld gewaltsam sterben ein blosser Zufall / das Leben aber mit schimpflichen Bedingungen erretten / ein selbst Mord der Ehre sey: der Märckmännische Adel gedrückt / und ihnen das Recht der Erstgeburt / wie auch die Reichs-Raths-Würde entzogen. Fürst Jubile Brittons Sohn von den Märckmännern und Sedusiern zum Oberhaupt erwehlet. Marbods Wiederstrebung und seine sieghaffte Waffen machen ihn zum Landvogt und höchsten Kriegs-Haupte. Jubils Niederlage und genothdrängte Flucht in der Burier Land. Marbod befestiget durch Vertilgung der grösten im Königreiche seine Herrschafft. Fürstliche Hoheit hat das Gebiete über alle Völcker / über die Fürsten der Vortheil. Marbods Staats-Regel ein Reich ruhig zu beherrschen. Der Fürsten gewaffnetes Heer der beste Sach-Redner. Der Degen das einige Messer alle Gordische Zweiffels-Knoten aufzulösen. Durch Erweiterung der Landes- Gräntzen werden nicht allezeit dessen Kräffte vergrössert. Das im Kriege vergossene Menschen-Blut eine Tinte der Ehrsucht / daraus die Kriegs-Leute ihre Siegs-Fahnen färben. Kriegs-Leuten eine Schande durch Schweiß erwerben / was sie durch Blut haben können. Fürsten sind sterblich / nicht aber ihre Völcker und Reiche. Marbod wiegelt das Kriegs-Heer wieder den Reichs-Rath auf / bemächtiget sich dadurch des Brittonischen Stuhls mit scheinbarer Verweigerung des Königlichen Titels / und entschleust den Krieg wieder die Bojen. Hohe Ankunfft und Geblüt muß der Tugend weichen. Der Freyheit bester Sitz nebst des Volckes gröstem Heil die einköpfichte Herrschafft. Marbods geheimes Verständnüß mit etlichen der vornehmsten Bojen; Sein glückliches Vornehmen verjaget ihren nicht sonderlich darüber bekümmerten Hertzog Critasirn aus dem Lande. Die Unempfindlichkeit über den Verlust so schädlich / als die übermäßige Herrschenssucht. Die Empfindligkeit dagegen das eintzige Erhaltungs-Mittel aller Thiere. Erb- und Wahl-Königreiche nebst deren Vorzug. Marbods allzu grosser Eyver wieder die Bojen verbländet ihm den Verstand / wie allzu grosser Glantz die Augen. Sein mit einem Bojischen Ritter hefftiger Kampff und Niederlage. Ursprung der beyden Geschlechter Nothhafft und Tannenberg. Marbods seltzames Begebniß in einer Höle mit einem alldar gefundenen wohlthätigen alten Greiße [965] und Einsiedler. Der Mensch das grimmigste der Thiere und seine in der Boßheit zunehmende ausgetheilte Jahre. Abbildung der Zeit und Vergängligkeit. Tugendhafftes Leben der sicherste Ancker und der vollkommenste Glücks-Stern / ausser diesem alles Eitelkeit. Des Einsiedlers Lehre von der Ruhe des Gemüths und wahren Glückseligkeit. Die Weißheit ein selbst-ständiges Wesen keines eusserlichen Glantzes benöthigt. Die Ehrsucht das unersättlichste Laster unter allen. Die Herrschafft die beschwerlichste Dienstbarkeit. Die Freyheit des Gemüths ein ander Himmelreich. Jeder Grundzeug der Natur ein Auffenthalt menschlicher Gebrechen. Die Ehre der Tugend Zunder / des Lebens Kleinod. Des Leibes / des Hertzens und des Gemüths Wachsthum. Die unvernünfftigen Thiere den vernünfftigen an Jahren und Alter überlegen. Des Volcks Eigenthum ist das Seinige bewahren / eines Fürsten seine Herrschafft vergrössern. Das Alterthum gebieret gegen der gegenwärtigen Zeit eitel Riesen- und Wunderwercke. Die Hertzen und Gemüther der danckbaren Nach-Welt sind vor der rühmlich verstorbenen Asche die herrlichsten Todten-Köpffe. Unterscheid zwischen einem unsterblichen Nach-Ruhme und einer ewigen Schande. Ein tugendhafft Leben balsamt allhier unsern Athem / nach dem Tode die Asche ein. Ubermäßige Ruhmsucht wem sie gleiche? Schatten der Ehre fliehet die Verfolgenden / und folget den Fliehenden. Ruhm-Sprüche ohne Verdienste Schattenwerck ohne Leib / und Grab-Schrifft auf leeren Gräbern. Marbod nimt des Einsiedlers Lehre und Warnigung als eine göttliche Würckung mit Thränen an / verflucht dagegen den Hoff mit seiner heuchlerisch- und betrüglichen Ehre. Der Mensch hat in andern Fehlern Luchs-in seinen eigenen Maulwurffs-Augen. Der selbst-Erkäntniß Nutzbarkeit. Die viehischen Neigungen im Menschen verborgen. Seine Fehler erkennen / schon eine halbe Vollkommenheit. Das Gewissen die Meß-Ruthe unsers Lebens. Die eusserlichen Sinnen und Glieder die Abbildungen der Seele / das Haupt alleine der Sitz des Verstandes. Ein Reich von zweyen Fürsten die gröste Mißgeburt. Die eintzele Zahl zum Herrschen; Die Vielheit zu gehorsamen nur geschickt. Kluge Räthe der Fürsten Augen. Des Hertzens und der Augen genaue Verknipffung. Der rechtmäßige Ohren-Gebrauch bey Fürsten. Der Wollust ein Englisches Antlitz / aber ein Drachen-Schwantz zugeeignet. Ein guter Nahme der beste Geruch der Gemüther und ein tugendhaffter Fürst ein Spiegel seiner Unterthanen. Der Mund ein Pinsel des Gemüths und eine Schreibe-Feder der Gedancken. Die Zunge das schädlichste und nützlichste Glied des Haupts / der Fürsten Steuer-Ruder im Schiffe der Reiche. Fürsten eine erhobene Glocke / der Klang ihr Verräther. Kürtze der Redner Meisterstücke / eines Fürsten Eigenthum. Der Donner die Sprache Gottes und sein Bild auf Erden. Fürsten müssen sich die Vernunfft / am meisten aber das Licht der göttlichen Versehung leiten lassen; Alle Menschen auf dem Welt-Meer GOtt zum Angel-Sterne / das Gewissen zur Magnet-Nadel haben. Des Einsiedlers dem Marbod gethane Offenbahrung: daß er Ariovist der Alemanner Hertzog sey. Unterschiedene Geburts-Maale ein und anderer gekrönter Häupter. Das Abstürtzen von König-Stühlen rühret von Lastern / wie das freywillige Absteigen von Tugend her. Das Glücke der Jugend Schoß-Kind / der Alten Wechselbalg. Der Einsiedler oder vielmehr Ariovist erzehlet dem Marbod seiner und [966] anderer Fürsten Staats-Fehler / und das mit einem vermeintlichen nächtlichen Gespenste oder seinem guten Geiste gehaltene Gespräche. Dieser ihre Lebens-Art. Kunst recht zu leben / wol zu herrschen und selig zu sterben. Der Kindheit / Jugend und Alters Eigenschafften. Das Glück eine Buhlerin der lebhafften / eine Stieff-Mutter der verlebten. Je vollkommener der Fürst / ie mehr der Verleumdung unterworffen. Der Unterthanen Pflicht gegen die Obern. Sterbe-Kittel dem Purper vorzuziehen. Des menschlichen Lebens Elend und Nichtigkeit. Kein Unterscheid zwischen Fürsten und Betlers-Knochen. Prächtige Grabmähle machen nicht so wol der Verstorbenen Thaten / als ihre Eitelkeit berühmt. GOtt der eintzige Angel-Stern unserer Seelen-Ruhe wie und wo er zu finden? Einsamkeit ein Vorschmack des Himmels mit einer des Greißen Höhle überschriebenen sinnreichen Denckschrifft. Dessen und Ariovists Vergesellschafftung. Marbods ihm bezeigte Ehrerbietigkeit und Folge zu seiner Höle. Beyder inzwischen erfolgtes Begebniß und Unterhalt. Der Mensch das unersättlichste aller Thiere. Sonderbare Schätzbar- und Herrligkeit der erlangten Höhle / und das darinnen dem gantzen Deutschland verborgene Reichthum. Der Goldgruben und Aertzte Unterscheid und Eigenschafft. Mißbrauch des herrlichsten Goldes der schädlichste Hütten-Rauch. Dieser Wunder-Höhle verborgene Qvellen / Wässer und Ströme. Im Menschen der kleinen Welt alle Wunderwercke der grossen befindlich. Spring-Brunnen den Frauen-Brüsten zu vergleichen. Das Meer auf gewisse Art der Ursprung der Brunnen; die Brunnen in einer andern der Ursprung des Meeres. Das Meer der Eßig der Welt genennet. Deutschlands vielfältige Sauer-Saltz-Feuer-und andere Brunnen. Ein des Fürsten Thuisco unverweseten Cörper in sich habendes Christallinenes Riesen-Feld das gröste Wunder der offt angezogenen Höhle / und vornehmstes Grabmaal der gantzen Welt. Natter findet in weichem Agtstein ihr Grab. Gräber vom Donner und Erdbeben befreyet / doch so wol als die Leichen der Verweßligkeit unterworffen. Der Eitelkeit Herrschafft hat so wol unter als über der Erden ihr Gebiete / ja über Sonn und Sterne. Dieser verspürte Verminder-Vermehr- und Vergrösserung. Alles was nicht die Tugend zum Grunde / die Ewigkeit der Seele zum Absehen hat / ist vergänglicher Rauch. Die Sonne der gerechten Seelen Kleid. Thuiscons Ruhm und Grabeschrifften. Sein Schatz und Schutz-Bild Deutschlands / wie bey andern Völckern andere. Der Eintracht Riesen-Wercke. Nichts kan dem Geitz als eine Hand-voll kalte Erde sättigen. Hochmüthige Fürsten dem Egyptischen Memnons-Bilde gleich wie und auf was Weise? Die Erkäntniß seiner eigenen Nichtigkeit ist die Helffte seiner Verewigung. Vergnügung der Welt sind eitel zur Schaue ausgelegte betrügerische Waaren und Blendungen. Marbods Zurückkehr aus der Höle / Ariovists Begleitung und dabey überfallener schneller Tod / darüber sein vertrauter Bär sich vom Felsen stürtzet. Ariovists Beerdigung nach Art der alten Deutschen / welche die übrigen Zierathen nur eine Beschwer der Todten gehalten. Marbod und seine Gefärthen nehmen hierauf mit Thränen Abschied / werden von einem Wald- und Wasser-Geiste erschrecket; von einem Lufft-Geiste übel; endlich von einem fünff hundert jährigen Wurtzel-Manne wol empfangen. Ursache seines hohen Alters. Seine Vergnügligkeit und Abscheu vor allen Welt-Händeln und der [967] Menschen Boßheit. Zwey bey der Zackenbach befindliche Warmebrunnen. Allerhand mit dem Wurtzel-Manne über gewisser Thiere Eigenschafften und Gespenstern geführte Reden. Riesengebürge von Gespenstern beschrien. Des Wurtzel-Manns ihnen denckwürdig eröffnete Geheimnüße / Verehrung und Abschied. Der Deutschen insonderheit der Marsinger Gewonheit im Heyrathen nebst der Frea Feyer und Straffe der Ehbrecher. Die am Riesengebürge befindliche zwey warme Brunnen nebst denen darinnen badenden Schönheiten / aller ersinnlichen Lust- und Liebes-Spielen / worbey die Schäfferey das Kleinod erlanget. Der Bober-Fluß das Vaterland der Deutschen Tichter-Kunst. Des Ritter Schaffs mit des Marsingischen Fürsten Leutholds Tochter herrliches Beylager und dabey gehaltene Turnier- und andere Spiele /worbey der Frembdling Marbod erkennet / verfolget /und von einem ihn vergesellschafftenden unbekandten Ritter Vannius noch errettet wird. Marbods unverhoffte Zurückkunfft in sein Land erwecket Schrecken und Freude. Bringet die Alemannische Fürstin Vocione durch einen ihrem Vater dem Ariovist in der Höhle abgezogenen Ring in ein Bündnüß. Marbods Sieg wieder die Meineydigen Bojen und Königlicher Einzug in die Stadt Boviosinum. Des überwundenen Critosirs Hertzhafftigkeit; Seiner Gemahlin höchstvernünfftige Demuth. König Marbods öffentliche Krönung. Der Bojen Abschwerung und Räumung des Märckmannischen Gebiets. Der Stadt Boviosinum Nahmen in Marbods Stadt verändert. Der Lygier und schwartzen Arier Verfechtung ihres vermeinten Gottesdiensts wieder dein Marbod. Hermegildis die Hertzogin der Naharvoler Großmüthigkeit in Vertheidigung Corradun. Der Gothunen Einfall; Jubils Auffenthalt beym Feld-Herrn Segimer. Marbod macht viel neue Ritters-Leute. Des Vannius Herkunfft von den Königen der Quaden; Seine Verdienste gegen den Marbod; behauptet durch dessen Hülffe seiner Vorfahren Königreich zu Trotz und Verdruß der Cherusker und Römer. Des Drusus Tod. Augustus Rache. Tiberius Nero statt jenes an Kindes Statt angenommen. Ubermäßig grosse Weinstöcke und Trauben am Fluße Lixus. Hertzog Arnolds Gemahlin Gertruds Schönheit und Bekümmerniß über ein von ihr gebohren Mohren-Kind. Der Schwangern Einbildung eine seltzame Mahlerey und Bildschnitzerey: kein Schild der Unschuld wieder die Eiversucht bewährt. Das Band der Mutter- und Kinder-Liebe unzertrennlich. Die Brüste von Natur nicht zu Aepffeln der Wollüste / sondern zu heiligen Lebens / Wunder- und Nahrungs-Brunnen erschaffen. Unterscheid zwischen der natürlichen Mütter- und Ammen-Schaaffs und Ziegen-Milch. Die Natur muß der Vernunfft und dem göttlichen Verhängnüße weichen. Wollust und Heucheley des Hoffes schädliche Lock-Vögel. Kinder und Pflantzen arthen mehr nach der Beschaffenheit ihrer Pflegung / als nach dem Einflusse der Geburts-Sternen. Gertrudens Mohren-Kind wird unter fremder Auffsicht erzogen: dessen veränderte Farbe und tugendhafftes Wachsthum / Nahme und Erkäntniß. Dieses jungen Bethonischen Fürstens Gottwalds Ansehen beym Mersingischen Hertzoge Bolcko. Des Vaters Hertzog Arnolds Tod. Des Sohnes Gottwalds Todes-Gefahr von Gertruden wunderbahrer Weise abgewendet / an seinen natürlichen Merckmahlen erkennet /und zu des Reiches rechtmäßigem Nachfolger erkläret. Seiner wieder ihn verhetzten Schwester Mormeline Verheyrathung an den mächtigen [968] Marbod. Der Deutschen unruhiger Zustand ziehet ihnen des Kaysers Augustus Römische Waffen unter dem Heerführer Tiberius Nero auf den Halß. Des Deutschen oder Cheruskischen Feld-Herrn Tod. Fürsten Tod selten der allgemeinen Zerbrechligkeit / sondern ins gemein gewaltsamen Ursachen zugeschrieben. Des Römischen Sentius Siegs-Gepränge. Dem Tiberius der Nahme eines deutschen Feld-Herrn zugeeignet. Der Grund-Stein des Eigen-Nutzes ein Fallbret des gemeinen. Des Tiberius sich vergrössernde Siege in Deutschland. Der Longobarder Sitten und Gebräuche / Unerschrockenheit in Worten und Wercken. Tiberius bedreuet den mit den Longobardern im Bündniß stehenden Marbod mit Krieg. Seine den Römischen Gesandten gethane hertzhaffte Antwort und gezeigte Gegenwehr bringet den Tiberius auff bessere und friedlichere Gedancken. Das auf den deutschen Feld-Herrn Hertzog Hermann zu Rom vom Tiberius aufgeblasene Kriegs-Feuer wird vom Kayser August wieder den allzumächtig werdenden Marbod fruchtloß und zum Schimpff der Römer ausgeschüttet. Die Dalmatier und Pannonier vom Marbod verlassen. Der Fürsten Bündniße auf kein ander Hefft als den Vortheil; des Pöfels Anschläge aber auf eitel Blutstürtzungen gerichtet. Aller und ieder Völcker sonderbare Gemüths-Neigung. Marbods vorsichtige Herrschens-Kunst. Staats-Klugheit hat alles zu ergrübeln / nicht auszuüben. Vorbereitungen zu des Feld-Herrn Herrmanns angestellten Beylager: der Cheruskischen Halb-Riesen und anderer dabey befindlichen Völcker; vornehmlich aber des Feld-Herrn selbst höchst-prächtiger Ein- und Aufzug zu Deutschburg.

Das Siebende Buch
Das Siebende Buch.

Weil die Begierde rühmliche Thaten nachzuthun ein edles Gemüthe nicht ruhen läst; sondern ein todter Marmel dem Alcibiades den Schlaff / ein leichter Schatten dem Alexander die Ruh verstöret; so empfindet selbtes nichts minder als der hungrige Magen nach der Speise einen beweglichen Trieb sich mit anderer Helden Beginnen zu sättigen / und selbte ihm zum Vorbilde tugendhaffter Nachartung fürzustellen. Weßwegen die Geschicht-Beschreibungen nicht nur ein Behältniß des Alterthums / ein Licht der Warheit; sondern auch eine Speise der Seele / und eine Wegweiserin zur Tugend und Klugheit genennt zu werden verdienet; Nach dem in Wahrheit viel grosse Helden ohne das Licht rühmlicher Vorgänger die Rennebahn der Ehren verfehlt hätten. Denn wie die Augen sich selbst nicht schauen; also muß der Mensch nicht aus seinem / sondern fremdem Thun die Richtschnur kluger Entschlüssungen ziehen. Diesemnach sich nicht zu verwundern ist: daß Hertzog Zeno / Rhemetalces /Malovend / Adgandester / Solonine / und die Gräfin von der Lippe der Morgenröthe zuvor kamen / und sich / ihrem Verlaß nach / in dem Zimmer der Königin Erato einfanden. Adgandester ersuchte alsbald den Fürsten Malovend: daß er seiner Vertröstung nach den Fadem der Deutschen und Römischen Geschichte abwinden / und durch seine Geschickligkeit die Fehler seiner unannehmlichen Erzehlung verbessern möchte. Malovend meinte sich zwar anfangs loß zu würcken; vorwendende: daß Fürst Adgandester nur deßhalben[969] sich dieser Ehre entschütten wolte; wormit er nach Art des schönen Frauen-Zimmers / welches durch angekleibte Mahle ihre schneeweisse Haut zeigen wil /durch eines andern Mängel nur seine Vollkommenheit desto herrlicher machen möchte. Nach dem aber Hertzog Rhemetalces und Zeno ihn seines Versprechens erinnerten / Adgandester fürschützte: daß seine Erzehlung für den Cheruskischen Stamm / unter dessen Schatten er so viel Gutes genossen hätte / vielleicht in einem und dem andern verdächtig fallen dürffte; und die Gräfin von der Lippe des Feld-Herrn und der Heldin Thusnelde Liebes-Geschichte beyzusetzen einheischig ward; schickte sich Malovend darein / und /nach dem sie sich alle in einen Kreyß niedergelassen /fieng er folgende Erzehlung an:

Der Gottesdienst ist bey den alten Deutschen von denen Fürsten verrichtet worden / und im Tuisco mit der Königlichen auch die Priesterliche Würde vermählet gewest. Nach der Zeit aber hat entweder die unachtsame Sicherheit der Herrscher / oder die Ubermaß der Geschäffte den Priesterlichen Stab / den so festen Ancker der Königlichen Hoheit in andere Hände kommen lassen; also: daß der Feld-Herr Alemann sich zwar aber vergebens bemühte / mit der andern Hand den hohen Priester-Stab wieder zu umfassen. Mit dieser geistlichen Würde bekamen anfangs die Priester / welche sie Barden hiessen / und von allem Volcke für sehr heilig geachtet wurden / zwar die Freyheit von allen bürgerlichen Beschwerden in Gaben und Aemptern / den Vorsitz über den Adel /die Unversehrligkeit auch unter den Feinden / und die Gewaltstrittige Rechts-Händel zu entscheiden. Ja die Fürsten brauchten sie zu Reichs-Räthen / zu Gesandten; liessen durch sie Bündnüße behandeln /Aufrührer besänfftigen / ihre Kinder in der natürlichen und Sitten-Weißheit unterrichten; über die Laster Straffen aussetzen; Zwistigkeiten der benachbarten Fürsten unternehmen / und das Kriegs-Volck in Schlachten zur Tapfferkeit anfrischen. Wiewol nun diese Macht allbereit der Weltlichen grossen Abbruch that; so blieb sie doch noch in den Schrancken der Erträgligkeit; und / weil sie sich mit edlen Jungfrauen verehlichen mochten / verknipften sie ihnen hierdurch so wol das Geblüte als die Gewogenheit des Adels; durch die Andacht aber den Pöfel. Denn der Gottesdienst ist nicht nur der sicherste Kapzaum / wormit Fürsten ihre Unterthanen in einem Faden leiten; sondern auch die Priester das Volck zu dienstbaren Knechten machen können.

Es war aber in Britannien eine Art gewisser Weisen / die sich Druyden nennen / und aus Aßyrien ihren Uhrsprung haben / aus Britannien aber / oder Calidonien / wo der König Fynnan selbte zum ersten unterhalten haben soll / in das benachbarte Gallien kommen sind. Ihre Tracht ist zwar einfältig und arm / ihre Gebährden demüthig / nachdem sie baarfüßig auf fünffeckichten höltzernen Schuhen / und mit blossem Haupte / in einem härenen weißen Rocke / eine Tasche an der Seite / einen gekrümten Stab in der Hand /und einen getheilten Bart biß unter den Nabel / in welchem ein sonderlich Pfand ihrer Verschwiegenheit versteckt seyn soll / anher ziehen / allezeit die Stirne ernsthafft runtzeln / die Augen nieder zur Erde schlagen / und sich meist in Eich-Wäldern aufhalten; welches Holtz die Griechen nur alleine zu den Bildern der Götter / die Herulen und Gothen zu Aufhenckung ihrer Leichen / die Druyden aber alleine zu Verbrennung der Opffer / und die Zweige zum Spreng-Wasser und Zierath der Alltäre brauchen / weil sie sich den Menschen durch das Anschauen eines einigen hohen oder alten Baumes / ja seines blossen Schattens überzeugt zu seyn achten: daß ein GOtt sey / und ihr Geist in der Einsamkeit am leichtesten zu GOtt entzückt würde. Alleine ihre Gewalt übersteiget dort die Königliche. Denn nicht nur alles [970] Volck / sondern die Könige selbst müssen ihnen zu Gebote leben. Sintemahl diese mehr verwechselt / und bey sich ereignendem Mißwachse oder Ungewitter / gleich als wenn er daran Schuld trüge / von den Priestern abgesetzt werden; jene aber bleiben hingegen unverändert. Und ungeachtet die Druyden auf dem Raasen / Fürsten auf Gold und Helffenbein sitzen / jene in holen Bäumen /diese zwischen Seyde und Perlen wohnen / dennoch ihre Knechte seyn. Sie sind im Kriege von so grossem Ansehen: daß wenn sie bey ihren Völckern zwischen zwey streitende Heere lauffen; selbte nichts minder als bezauberte Thiere oder unbewegliche Marmel-Bilder vom Gefechte nachlassen. Für ihren Hölen stecken sie einen grünen Lorber-Zweig empor / in welchen auch die zum Tode verdammten Sicherheit finden. Ja wenn dergleichen Missethäter ihnen ungefähr begegnen; sind sie aller Straffe frey / und dürffen sie nicht allererst wie die Vestalischen Jungfrauen zu Rom beschweren: daß sie nicht vorsätzlich dem Verdammten entgegen kommen. Sie selbst sind weder den Zufällen des Glücks / noch der Bothmäßigkeit einiges Richters unterworffen; außer ihres einigen Oberhauptes in Britanien; welcher nicht / wie sonst weltliche Fürsten /nur in den Gräntzen selbigen Reiches / sondern auch über alle Druyden / die sich in die gantze Welt vertheilet haben / zu gebieten hat. Sintemahl der Versamlung nicht unverborgen ist: daß selbte nicht allein in Gallien kommen / und in denen Carnutischen Eich- Wäldern ihr gröstes Heiligthum gestifftet haben / sondern auch in Hispanien / Asien / Africa / und nach Rom gedrungen sind; allwo Kayser August für etlichen 20. Jahren den Römischen Bürgern der Druyden Gottesdienst / weil sie in selbtem die Gefangenen zu opffern eingeführt / bey Lebens-Straffe verboten hat. Wormit auch das Ansehn ihres Oberhaupts so viel mehr unverrückt bliebe / reisenalle Druyden / theils daselbst die Geheimnüße desto besser zu begreiffen /theils durch seine demüthigste Verehrung eine besondere Heimligkeit zu erlangen in die Stadt Cantium; allwo die andern Druyden ihm den neunden Theil aller ihrer Einkünffte senden; und zu ihrer ersten Einsegnung einen eichenen Stab um so viel Goldes erkauffen müssen. Das Oberhaupt wird nicht von Königen eingesetzt / sondern von den obersten Druyden erwehlet. Wiewohl die Wahl offt auf zwey und mehr fällt; also: daß einer zu Cantium / der ander in dem Carnutischen Walde / der dritte zu Londen seinen Sitz erkieset; die Druyden aber / welche doch sonst nicht mit in Krieg ziehen / hierüber selbst gegen einander die Waffen ergreiffen. Wo diese Weisen einmahl ans Bret kommen / darff außer ihnen niemand die Weißheit lehren; und also halten sich allezeit eine unglaubliche Menge der geschicksten Jünglinge in ihren Hölen auf; welche bey ihnen gantzer zwantzig Jahr in der Lehre bleiben müssen. Wiewol sie auch keinen aus dem Pöfel / sondern alleine den fürnehmsten Adel ihrer Weißheit würdig schätzen. Und es kan in Britannien und Gallien so wenig als in Persien und Egypten einer zur Krone kommen / der nicht vorher ein Lehrling dieser Weisen gewest ist. Ihre Schüler müssen einen theuren Eyd ablegen: daß sie die Geheimnüsse keinem Weltlichen entdecken / der Druyden Aufnehmen mehr als ihr eigenes befördern / ihre Lehrmeister mehr als ihre Eltern ehren / mit ihnen Leben und Vermögen theilen wollen. Sie sind insonderheit auch in der Grichischen Sprache erfahren /und brauchen ihre Buchstaben in zu schreiben zuläßlichen Sachen auch in der deutschen Mutter-Sprache; ungeachtet die Deutschen noch ehe / als selbte Cadmus in Grichenland / und Evander in Italien gebracht / die von ihrem Thuisco erfundene eigene Schrifft gehabt; welche bey den Gothen an vielen Stein-Felsen und Leichsteinen von etlichen tausend Jahren her zu sehen ist. Ihrer [971] Heiligkeit geben sie einen grossen Schein durch ihre öfftere Fasten / durch den Genüß der blossen Kräuter und Wurtzeln / durch ihr hartes Lager entweder auf Steinen / oder rauen Häuten / und durch Gelobung ewiger Keuschheit; wiewol sie unter ihnen gewisse Orden und Staffeln haben / derer einer strenger als der ander ist; derer fürnehmste die Samotheer / und Semaneer sind; welche letztern nichts als Baum-Früchte essen; alle aber ins gesamt entschlagen sich der Ehe / ob sie schon anfangs in Britannien geheyrathet hatten. Jedoch ist keiner / der nicht seine Männligkeit hat / fähig bey ihnen einzukommen. Dahero sie der alten Gallier / und der Göttin Rhea Priester / welche sie ihnen ausschnitten / und die Priester Dianens die sie zerqvetschten / ingleichen auch die Atheniensischen / welche die Geburts-Glieder durch Ziegerkraut schwächten / verhönen; weil sie aus Mißtrauen ihre Begierden zu zähmen der Natur Gewalt anthäten. Der alten Barden Gewonheit aber / welche neun Tage für dem bevorstehenden Gottesdienste sich auch ihrer Ehweiber enthielten / hielten sie für zu geringe Bemeisterung der Begierden; trachteten also diese mit ewiger Gelobung zu beschämen. Damit auch ihr Ehloser Stand nicht aus einer Abscheu oder Gramschafft gegen das Frauen-Zimmer / wie bey denen Brachmanen in Indien / herzurühren schiene /lehren sie: daß selbte ein GOtt angenehmes Geschlechte sey / und in sich viel Heiligkeit und Klugheit habe. Daher auf der Druyden Veranlassung selbtes von denen Deutschen nicht allein zu Rathschlägen / sondern auch zu Wahrsagungen / insonderheit für den Schlachten / gezogen wird; wie denn auch durch ihr Zusprechen nicht selten grosse Schlachten gewonnen; ja deßhalben von denen Herulen / Polabern und Varinen an dem Codanischen See-Busem der Königin Syeba / des grossen Anthyrius Gemahlin; von eben selbigen und denen Sarmatern der Oraja Hernlischen Fürsten Anara Gemahlin / und der Heldin Aurinia herrliche Ehren-Seulen aufgerichtet / und / wiewol nicht als Göttinnen / verehret worden. Fürnehmlich erheben die Druyden die Alironischen Weiber; welche sich in weiße Leinwand kleiden / mit ausgebreiteten Haaren und baarfüßig gehen / um den Leib einen grossen messenen Gürtel tragen; für den Schlachten aus dem Geräusche und Umdrehung des Wassers künfftige Zufälle andeuten; bey währendem Treffen auf denen über die Wagen ausgespannten Ledern mit Klöppeln ein grausames Gethöne machen / hernach denen Gefangenen die Kehle abschneiden / ihr Blut in einen ertztenen Kessel auffangen / und endlich aus ihren Eingeweyden den Ausschlag des Krieges weissagen; zuweilen auch Geister beschweren / und selbte denen künfftiger Dinge begierigen Feld-Obersten erscheinen und wahrsagen lassen. Sie pflegen auch in die Asche / ohne Beobachtung der Zahl / Striche zu machen / und hernach aus der gleichbefundenen Zahl Glücke / aus der ungleichen / Unglück anzudeuten. Sie vermischen auch keine theils weißgelassene /theils schwartzgezeichnete Höltzer; streuen selbte auffs Altar / oder in ihre Schoß / und lassen sie entweder einen Priester oder Knaben erkiesen zur Nachricht künfftiger Begebnüße. Vielmehr aber gelten der Druyden selbst eigene Wahrsagungen. Denn diese hält das Volck für unzweiffelbare Ausleger des göttlichen Willens / Beförderer ihres Gebetes / und Ankündiger künfftiger Dinge. Es verrichtet alleine durch sie alle Opffer; iedoch ist diese Opfferung an kein gewisses Geschlechte / wie der Ceres Opffer zu Athen an des Eumolpus / des Hercules zu Rom an des Pinarius Geschlechte angebunden. Sie verehren keine Bilder; außer / in ihrem innersten Heiligthume stehet ein Bild einer gebährenden Jungfrauen; dessen Auslegung aber von ihnen nicht zu erbitten ist; außer: daß sie einen zu der Persischen Weisen Auslegung [972] verweisen: was derselben Jungfrau / die ein Kind säuget / und in beyden Händen eine Weitzen-Aehre hält / bedeute? oder auch nachsinnen heissen was die Sonne in der gestirnten Jungfrau würcke. Ihre Lehren schreiben sie in keine Bücher / ungeachtet sie fremder Sprache gute Wissenschafft haben; weil sie Rinde und Leder zum Behältnüße ihrer Weißheit allzu unwürdig achten; oder vielmehr ihre Geheimnüße mehr zu verbergen. Dahero muß ihre Jugend alle in tunckele und zweydeutige Reyme verfaste Lehren auswendig lernen /und täglich ihr Gedächtnüß üben. Darinnen stecken die Eigenschafft des göttlichen Wesens / die Bedeutungen der Opffer / die Beschwerungen der Geister /die Wahrsagungen aus dem Fluge des Geflügels / aus dem Falle und Eingeweiden der geschlachteten Menschen; welche sie mit grossen Beilen Creutz-weise über die Rippen oder die Brust schlagen / der Lauff des Gestirnes / die Beschreibung der Erd-Kugel / die Unsterbligkeit und Wanderschafft der menschlichen Seelen / wiewol nicht in viehische / sondern nur menschliche Leiber. Welche letztere Heimligkeit sie allein dem gemeinen Manne nicht verschweigen / um durch die Versicherung: daß die Seele nicht mit dem Leibe verschwinde / sie zur Tapfferkeit aufzufrischen. Weßwegen sie auch denen Sterbenden offtmahls Geld einhändigen / um selbtes der abgelebten Seelen zu überbringen. Sie beten zwar nur einen GOtt an; und bilden selbten weder in Holtz / Stein noch Ertzt / sie wiedmen aber ihm gewisse Bäume / die keine Axt berühren / in ihre heilige Heynen auch niemand ungebunden kommen / kein fallender wieder aufstehen darff / sondern er muß sich mit gantzem Leibe heraus weltzen. Sie meinen: daß auf solche heiligen Bäume kein Vogel sitzen / selbte kein Wind zerbrechen / kein Blitz zerschmettern könne; sie auch des Nachts ohne einige wesentliche Flamme einen Schein von sich geben. Zu gewisser Zeit ziehen sie an einem schönen Baume die ausgebreiteten Aeste an den Stamm / und binden sie an den Wipffel / schreiben unten den Nahmen Gottes / in einem Ast aber des Tharamis / in den andern des Belen ein / um in der göttlichen Einigkeit doch einen nähern Begrieff tieffsinnig zu entwerffen. Uber diß verehren sie die abgelebten Seelen / welche entweder ein heiliges Leben geführet / oder dem Vaterlande grossen Nutzen geschafft haben. Nebst denen Menschen-Opffern / aus derer Eingeweiden / Adern und Blute sie wahrsagen; wiewol sie zuweilen auch die Menschen nicht schlachten / sondern nur biß auffs Blut peitschen / schlachten sie zwey unter einen Eich-Baum angebundene weiße Stiere; auf welchem ein weißgekleideter Priester selbte mit einem güldenen Beile abhaut; Derer getrunckenes Blut so denn wieder alle Unfruchtbarkeit und Gifft helffen soll. Im Beten legen sie die rechte Hand auf den Mund / und drehen sich rings herum. GOtt opffern sie bey aufgehender Sonne; der Todten Gedächtnüß feyern sie / wenn sie zu Golde geht. Sie fangen allezeit von der Nacht anzurechnen; also: daß die Tage ein Anhang der Finsternüß sind; weil sie aller Menschen Uhrsprung von dem Gotte der Erden und Nacht herrechnen; oder auch die Nacht ehe als der Tag gewest ist. Sie eignen den frommen Seelen / wenn sie unterschiedene Leiber durchwandert / eine ewige Ergetzligkeit / den boßhafften theils eine zeitliche Abbüßung / theils eine ewige Pein zu. Ihrer Uhrheber Gesetze halten sie zwar für eine Richtschnure ihres Gottesdienstes; Sie schätzen aber die Auslegung ihres Oberhaupts für unfehlbar und jenem gleich; ohne dessen Vorbitte die Götter niemanden erhöreten; weil ihm die Schlüssel des Himmels und der Höllen anvertrauet wären. Sie ver werffen die Vielheit der Götter / und die Ewigkeit der Welt; als welche von GOtt aus nichts in sieben Tagen / wie der Mensch aus der Erde erschaffen sey. Jedoch setzen sie zwischen [973] Gott und den Menschen gewisse Schutz-Geister; glauben auch: daß das Ende des Menschen ein Anfang zu künfftiger Vergötterung sey. Denen irrdischen Dingen / ja selbst denen Gestirnen eignen sie so wol einen Anfang als ein Ende bey; weil künfftig sie vom Feuer und Wasser würden verzehret werden / weñ sie sechs tausend Jahr gestanden. Sie halten darfür: daß die göttliche Versehung niemanden verlasse / wer nicht vorher GOtt verläst; und wie der Mensch böse thue aus eigner Willkühr / sonder Zwang; also habe GOtt die Macht böses zu hindern /aber ohne Verbindligkeit. Sie schätzen alle Seelen für verflucht / welche nicht ihrem Glauben beypflichten /und das Oel des Lebens aus dem Balsame ihrer Weißheit schöpffen. Den auf den Eichen wachsenden Mispel halten sie für die heiligste Pflantze der Welt / für ein Merckmahl eines von GOtt erwehlten Baumes. Denn sie gläuben: daß der Mispel-Saame nicht von den Drosseln kommen / sondern vom Himmel gefallen sey; daß dieses Gewächse alle Kranckheiten heile / die Thiere fruchtbar mache / und dem Giffte wiederstehe; sonderlich / wenn selbtes im sechsten Monden /da sie ihr Jahr anfangen / gefunden wird. Sie verrichten ohne dieses keinen Gottesdienst / hegen auch kein Gerichte. Ob sie auch wol das Urthel über des gantzen Volckes Leben in ihren Händen haben / Staffen und Belohnung nach ihrem Gutdüncken aussetzen /der Gerechtigkeit die Tauerung eines Reiches / den Bestraffungen der Todschläger die Fruchtbarkeit des Erdbodens zurechnen; schätzen sie doch die Ausschlüssung von ihrem Gottesdienste für eine viel ärgere Straffe / als Galgen / Strick / Räder und Holtzstoß. Dahero sich ihrer / als von der Erde getragen zu werden unwürdiger Leute / derer Seele nichts minder als der Leib zum Aaße / und vom Feuer oder Wasser verzehret werden soll / iederman entbricht / mit ihnen nicht speiset noch redet / ja sie nicht allein aller Ehren unfähig schäzt / sondern ihnen auch nicht zu recht verhilfft / noch ehrlicher Beerdigung würdigt. Sie maßen sich auch der Artzney oder vielmehr Zauberey an; in dem sie das Samolische Kraut / welches den Tamarisken ähnlich sieht / nichtern / mit der lincken Hand / sich nicht umsehende auflesen / und wieder Kranckheiten des Viehes austheilen; ein anders aber mit rein gewaschenen blossen Füssen in einem weißen Kleide mit der rechten Hand ohne Schärffe des Eisens / nach geopffertem Brod und Weine abbrechen / und darmit vielen Kranckheiten helffen / insonderheit aber mit einem Ey eines Apffels groß / welches die im Sommer über einander liegende Schlangen durch ihren Speichel und Schaum fertigen / ein Mann aber / wenn sie es mit ihrem Zischen empor blasen /mit einem Tuche / daß es die Erde nicht berühre / auffangen / und spornstreichs davon bringen; solches aber so denn / ob es schon in Gold eingefast wäre /Strom-aufwerts schwimmen soll. Ferner machen sie ein fünffeckichtes Zeichen / um darmit die Gespenster zu vertreiben. Uber diß lesen die Druyden bey Aufgehung des Hundssterns zwischen Tag und Nacht /wenn weder Sonne noch Monde scheint / wenn sie vorher das Erdreich mit Honig / welches auch die Römer ihren Bothschafften zu den Feinden mit gaben / benetzet / und mit Stahle einen Kreiß darum gemacht / das Eisen-Kaut mit der lincken Hand; heben es empor / trocknen Wurtzel / Stengel und Blätter iedes abgesondert am Schatten; salben sich darmit ein / und vermeinen alsdenn fähig zu seyn allerhand Verbündnüße zu stifften / alle Kranckheiten zu heilen: weßwegen auch Jupiter darmit seine Zimmer ausfegen lassen / wo es herum gesprengt wird / die Gäste lustig machen / mit Weine aber vermischt die Schlangen vertreiben soll.

Diß sind die Sitten der Druyden; von welchen schier unglaublich ist / in wie so weniger Zeit sie in Gallien so feste eingewurtzelt sind; entweder [974] weder weil dieselben / welche aus dem Aberglauben ihren Vortheil zu suchen vermeinen / der Neuerung eines Glaubens alle Handreichung thun; oder / weil die Gemüther ja so gar die eusserlichen Sinnen eines Volckes durch nichts leichter als durch einen scheinbaren Gottesdienst verrückt werden. Daher die verbländeten Hispanier denen Phöniciern mit sehenden Augen zugelassen: daß sie unter dem Schein eines dem Hercules gewiedmeten Tempels eine Festung gebauet; Die Trojaner aber das Geräusche der geharnischten Grichen / welche in das der Pallas gewiedmete höltzerne Pferd gesteckt waren / nicht gehöret haben / als sie es über den Grauß ihrer eingebrochenen Mauern mühsam in die Stadt schlepten. Mit einem Worte: der scheinheilige Fürwand des Gottesdienstes ist die schönste Schmincke der Stirne / und das schädlichste Gifft der Seele. Ihren ersten Grund legten die Druyden so wol in Gallien als Deutschland / allwo man doch für heiliger hielt von Gott etwas gewisses zu glauben / als dessen Grund zu ergrübeln / auf die Freyheit dieser Völcker; welche nicht nur in zeitlichen / sondern auch in Gewissens-Sachen keinem weltlichen Zwange unterworffen seyn könte. Zumahl auch kein Erb-Fürst über seine Unterthanen / kein Herr über seinen Knecht sich dieser GOtt allein zustehenden Herrschafft anzumassen berechtigt wäre.

Hierwieder warffen zwar einige weitsehende ein: kein Feldmässer ließe ihm die Gründe seiner Kunst zweiffelhafft machen; mit was für Fug dörffte sich denn ein Unterthan erkühnen seines Königs Gottes dienst zu verwerffen? Die Natur pflantzte gleichsam die Liebe des väterlichen Gottesdienstes ein; desselbten Unterschied verursachte Zwytracht des Volckes /und Aufstand gegen die Obrigkeit. Ja ein vom Aberglauben eingenommenes Gemüthe könte der Gottesfurcht nicht hold seyn. Daher alle kluge Völcker / insonderheit die Römer die Verehrung fremder Götter /oder auch nur der Alten auf eine neue Art sorgfältigst verhütet; nach der Niederlage bey Canna die abergläubischen Frauen aus den Tempeln getrieben; alle Bücher des Egyptischen und Jüdischen Gottesdienstes verbrennet hätten; wolwissende: daß der Aberglaube niemahls ruhig seyn könne; und die Veränderung des Gottesdienstes ins gemein Aufruhr / und die Verkehrung der Herrschafft nach sich ziehe; selbter aber schwerer als tieff-eingewurtzelte Hecken mit Schwerdt und Feuer auszurotten wäre / ja seine Hartneckigkeit von dem versprützten Blute nicht anders als der Anteische Riese von Berührung der Erde neue Kräfften bekäme. Es wäre GOtt ein einiges unveränderliches Wesen. Daher müsse aus zweyen wiedrigen Verehrungen ihm eine als irrig mißfallen. Die Gemeinschafft eines Gottesdienstes wäre der festeste Leim / der die Gemüther eines Reichs zusammen kleibete / und eine unzerbrechliche Kette / welche die Kräfften einer Herrschafft beysammen hielte; hingegen zerspaltete der Unterscheid nicht nur die Liebe der Landes-Leute / sondern des Vaterlandes und der Eltern. Sintemahl ein gewissenhaffter mit dem keine verträuliche Freundschafft machen kan / den er für einen Feind und Verächter seines Gottes hält. Weßwegen einige Staatskluge die Duldung vielerley Gottesdienstes für einen Fallstrick derselben Fürsten gehalten hätten / welche ihrem freyen Volcke durch erregte Trennung den Kapzaum strenger Dienstbarkeit anlegen wollen. Alleine es überwog alle diese Erinnerungen die wiedrige Meynung: daß der Glaube freyer seyn solte / als der Wille. Denn ein gezwungener Wille wäre wol ein Wille; aber eine gezwungene Andacht nichts weniger als ein Gottesdienst; ja eine Gott-verhaste Heucheley; weil er so wenig als Menschen von gezwungenen Leuten verehret wissen wil. Auf welche Heuchler und halb-Menschen sonder Zweifel der Jüdische Gesetzgeber [975] Moses gezielet hätte / als er den Huren-Kindern und Verschnittenen /als derer Andacht aus keinem hertzlichen Triebe entspringet / und derer Gebet nichts männliches in sich hat / den Eintritt in das Heiligthum verboten. Denn ihr gleißnerischer Gottesdienst wäre schlimmer als Zenons gäntzliche Verachtung der Götter / und als die Boßheit des Spötters Diogenes; welcher Dianen einen Floch opfferte; weil er ein Gottesdienst seyn wolte /und doch keiner wäre; so wie die Affen und Meer-Katzen deßhalben so abscheulich und lächerlich aus sähen / weil sie Menschen ähnlich schienen / und doch nichts menschliches an sich hätten. Daher brächten die / welche aus Furcht für dem Scharfrichter Weyrauch auffs Altar streuten / GOtt an statt süssen Geruchs einen abscheulichen Gestanck. Ihre Frö igkeit gleichte den Schwan-Federn / welche das schwartze Fleisch dieses Vogels versteckten / deßwegen ihn auch kein Volck iemahls seinen Göttern zu opffern gewürdigt hat. Pythagoras / den der Fluß Caucasus seiner Weißheit halber gegrüst haben soll / als er darüber gesetzt / hätte deßhalben der Warheit des Glaubens / und der Reinigkeit des Gottesdienstes zu untersuchen / und darüber zu streiten freygelassen. Denn ein blinder Gehorsam wäre ein Werck unvernünfftiger Thiere; die in den tieffen Brunnen der Ungewißheit versänckte Warheit aber zu erforschen /und die Prüfungen der Meynungen ein Thun der Menschen. Uber diß hielten einige dafür: daß man zum Geheimnüße der Gottheit nicht durch einen Weg kommen könte; oder auch die unterschiedenen Meynungen endlich im Zwecke wie die unterschiedenen Striche in dem Mittel eines Kreyßes zusammen kämen. Es sey vernünfftiger der Gewissens-Freyheit etwas durch die Finger sehen / und die Hitze etlicher Glieder verrauchen lassen / als durch allzustarcke Artzneyen alle schädliche Feuchtigkeiten des gantzen Leibes rege machen. Die Grichen und Römer schmückten mit Persischen und Serischen Teppichten ihre Tempel aus; die Deutschen raucherten mit dem Weyrauche der Araber auf ihren Opffer-Tischen sonder Vernnehrung ihres gantz andern Gottesdienstes. Warum solte man denn alle etwas anders glaubende Menschen aus unserm Lande und Heiligthümern verstossen? Insonderheit kützelte bey den Druyden der so hoch geschätzte Adel die Ohren der Fürsten; für welchen hingegen der Abbruch und die Umschränckung ihrer Gewalt fürsichtig verhölet ward / mit scheinbarer Fürbildung: daß wenn das Volck durch unterschiedene Glauben zerspaltet würde / hätte ihr Haupt gut machen / und ein Fürst die beste Gelegenheit den Meister zu spielen. Weßwegen die Egyptischen Könige die Geheimnüße ihres Glaubens dem Volcke mit Fleiß verborgen / und ieden was ihn gut deuchtete zu glauben freygelassen hätten / wormit sie so viel weniger sich wieder ihr Haupt vereinbaren könten. Endlich wüsten die Fürsten ihren Unterthanen nichts so schweres auff die Achsel zu bürden; welches sie nicht bey Freylassung ihres Gewissens gedultig ertragen würden. Die fürnehmste Ursache aber dieser Rathgeber war das Absehen auf ihr eigenes Aufnehmen /welches die / so von ihres Fürsten Glücke rathschlagen / selten außer Augen setzen. Denn nach dem sie die Druyden von dem andächtigen Volcke mit dem Kerne der fruchtbarsten Güter überschütten / sie als Ausleger des Göttlichen Willens in den Rath-Stuben der Könige den Obersitz nehmen / den Pöfel selbte halb-göttlich verehren / und ihre Geschlechter auf die höchsten Staffeln der Ehren empor klimmen sahen /gaben die edelsten Gallier / und also hernach auch die Deutschen / insonderheit derer Vermögen entweder durch Unfälle / oder durch Zertheilung in viel Kinder vermindert ward / und zu Erhaltung des Geschlechtes nicht ausko entlich war / ihre geschicksten Söhne anfangs in ihre Lehre / hernach in ihre Gemeinschafft /dessen [976] drittes Gelübde ohne diß vermochte / nicht nur alle Kräffte / sondern so gar das Leben mit Hindansetzung eigenen Geblütes für das Aufnehmen der Druyden anzuwenden. Diese aufgehende Sonnen verdüsterten unnachbleiblich die vorigen Sternen. Daher ob wol die Gallier über tausend Jahr eine andere Art Priester gehabt / und insonderheit die neun geistlichen Jungfrauen verehret hatten / welche auf dem denen Osismischen Ufern gegen über liegenden Eylande Sena sich aufhielten / und / ihrer Einbildung nach /Wind und Meer an einer Schnur führten / ja wie der Proteus in allerhand Thiere verwandeln konten; verschwand für den Druyden anfangs ihr Ansehen / hernach fast ihr gantzes Wesen. Die alten Barden in Deutschland verlohren nach und nach fast allen Glantz ihres Priesterthums / und blieb ihnen fast nichts anders übrig; als daß sie die Thaten der alten und neuen Kriegs-Helden mit ihren nachdencklichen Reymen im Gedächtnüße der Nach-Welt behielten; bey denen Schlachten mit ihren Gesängen / welche sie gegen die für den Mund gehaltenen Schulden kräfftig heraus stiessen / das Kriegs-Volck zur Tapfferkeit anfrischten / oder auch darmit den künfftigen Ausschlag wahrsagten. Die / denen Druyden verstattete Freyheit sperrte zugleich andern ausländischen Gottesdiensten Thür und Thor auf; entweder: daß selbte gantz neuerlich einschlichen / oder dem alten eine unanständige Auslegung machten. Also ward der unter dem Theuth oder Thuisto verehrte Schöpffer und Anfänger der Welt auf den Mercur gedeutet; und ihm zu Ehren die Abschlachtung der Menschen-Opffer eingeführt; ja von den Deutschen so gar in Hispanien gemacht; endlich dieser Teutates oder Mercur / wie bey den Syriern Astartes / bey den Arabern Dysares / für Deutschlands Schutz-Gott gehalten. Der aus der Erbe geschaffene erste Mann / und die Fürstin Aurinia ward mehr als ein Held und menschlich / wiewol minder als ein GOtt verehret. Die Gallier brachten zu den Deutschen die Anruffung ihres Hercules / dessen Bilder / für welchem doch als einer den Göttern unanständigen Verkleinerung die Deutschen vorher eine Abscheu hatten / in der Hand mit einer Keule / auf der Achsel mit einer Löwenhaut / die aus dem Munde gesteckte Zunge mit unzehlbaren güldenen Ketten gemahlet wurden. Von denen Phöniciern ward der Egyptischen Isis Gottesdienst durch die Schiffarth zu den Friesen und Cimbern / und von dar zu den Schwaben und Vindelichern bracht; welche gleichwol ihr Bild anzunehmen Bedencken trugen / sondern nur zu ihrem Andencken entweder einen Tannzappen und Korn-Aehre / derogleichen Keñzeichen in der Licatier Hauptstadt Damasia zu sehen sind / ein leichtes Rennschiff auf einen Fichten-Baum setzten; entweder / weil auch die Egyptier die Isis auf einem Schiffe fahrende abbilden /ihr Sichelmonde auch einen Namen abbildet / oder zum Gedächtnüße der in Deutschland geschehenen Uberfarth. Dahero auch die Deutschen des Monden Schein in allem Fürnehmen genau beobachteten; und wie für Zeiten Agamemnon für dem Voll-Monde seine Iphigenia nicht verehlichen wolte / nur zu selbiger Zeit zu heyrathen; und wie die Lacedemonier nicht für dem voll- also die Deutschen nicht für dem Neumonden Schlachten zu liefern für rathsam halten. Bald darauf nistete auch die Verehrung des Kriegs-Gottes unter dem Namen Hesus / wie nichts minder eines andern des Hercules ein; und ward dem ersten von den Hermundurern an der Sale ein Tempel; dem andern von den Cheruskern ein Wald an der Weser gewiedmet. Wiewol die Deutschen alles diß / was die Grichen und andere Völcker vom Hercules rühmten /auf ihren Aleman den Vater uñ Uhrheber der Bojen /welcher nicht nur in seinem Schilde / sondern auch an der Hand stets einen lebendigen Löwen führte / deuteten; und daher rühmten: daß Hercules bey ihnen nicht nur gewesen / sondern auch entsprossen wäre. [977] Ja dieser Kriegs-GOtt ward endlich bey den Tencterern und Sveonen der Oberste aller Götter / also: daß da er anfangs nur mit Hund und Wölffen / oder mit der von ihren Fremden eroberten Beute versohnt ward / sie ihm hernach die gefangenen Menschen schlachteten. Uber diß erschossen sie die ertapten Diebe uñ Mörder mit Pfeilen / hiengen selbte in ihren Heynen an die Bäume / oder flochten aus Wieten grosse Riesen /steckten die Glieder zerfleischter Menschen oder wilder Thiere darein / und verbrennten sie als heilige Opffer. In Mangel der Missethäter aber musten auch die Unschuldigen loosen / und nach Art der Phönicier und Locrenser eine gewisse Zahl Jungfrauen oder Knaben zur Schlacht-Banck liefern. Die Noricher erkieseten die Sonne unter dem Nahmen des Belen oder Belatucad; die Celten unter dem Tharamis den Jupiter zu ihrem Schutz-Gotte. Die zwischen der Elbe und Oder an der Ost-See gelegenen Angeln / Varnier / Eudosen / Schwardoner und Nuithoner lernten die Erde unter dem Nahmen der Göttin Ertha anbeten; welche den Menschen ihren Unterhalt verschaffe / und wie die Ceres ein Volck nach dem andern heimsuche. Dieser Göttin ward auf dem Rügischen Eylande ein Wald und prächtiges Heiligthum gewiedmet. In demselben stehet ein güldener mit einem grünen Teppichte bedeckter Wagen / auf welchem sie mit zweyen weißen Kühen zu gewisser Zeit unsichtbar herum geführt /von keinem Menschen aber / als dem einiges Gewehr / biß diese Friedens-Göttin sich mit Anschauung der Menschen genung gesättigt hat / und wieder in Tempel bracht ist / niemahls aber der Wagen von iemanden anders / als dem Priester angerühret wird. Ja die Knechte / welche denen Priestern bey dieser Umfarth Handreichung gethan / werden von dem darbey liegenden See / welcher weder Fischer-Netze noch Schiffe leidet / und in dem der Wagen und der Teppicht iedesmahl gewaschen wird / ja sich selbst die Göttin darinnen baden soll / verschlungen. Weßwegen dieser gantze Wald von niemanden ohne innerliches Schrecken angesehen / in einer heiligen Unwissenheit angebetet wird / dessen Geheimnüße nur die / welche bald umkommen sollen / zu Gesichte kriegen. Die um den Weichsel-Fluß gelegenen Gothonen und Estier haben von denen fremden Handels-Leuten / die wegen des an selbigem Meerstrande befindlichen Agsteins häuffig dahin reisen / die Mutter der Götter anruffen lernen; welcher Stäncke sie entweder durch das Bild eines wilden Schweines abbilden; als welche ihre Liebhaber auch mitten unter den Feinden wieder die schärffsten Waffen beschirmen soll; oder auch auf das den Adonis tödtende Thier zielen. Uber diß ist bey den Deutschen auch unter dem Nahmen des Vulcan der Sonnen und des Monden Gottesdienst eingeschlichen; welchen sie bey ereignenden Finsternüßen mit vielem Ertz-Gethöne zu Hülffe kommen. Nicht ferne von der Elbe bey einem Saltz-Brunnen / bildet ein Mann / welcher vorwerts mit beyden Händen ein feuriges Rad hält / die Sonne in der Marians-Stadt an dem Wasser Leyn bey gleichmäßigen Saltz-Brunnen /ein Mann mit langen Ohren / der in den Händen einen goldenen Monden hält; und bey denen Wenden und Rhugiern / wo der Oder-Strom sich mit dem Meere vermählet / der Götze mit drey Antlitzen und einem halben Monden / dieses Nacht-Gestirne ab. Der Grichen und Römer übrige Götter sind in Deutschland zwar vom Nahmen nicht bekandt; doch scheinet dem Saturn nicht ungleich zu seyn das Bild eines alten Greisen auff dem Schlosse Hartzburg beym Melibokischen Gebürge; welcher auf einem Perßken in einem weißen Kittel baarfüßig stehet / mit einer leinwandtenen Binde umgürtet ist / in einer Hand ein Rad / in der andern ein Gefäße voll Rosen / Aepffel und anderer Früchte hält. Welch Sinnenbild auf die Zeit leicht auszudeuten ist. Auf den Jupiter kan unschwer auch gezogen [978] werden der an der Elbe oberhalb der Stadt Statio von dem Könige Gambriv aufgerichtete und auf einen Stul gesetzte Abgott / der in der rechten Hand ein Schwerdt / in der lincken Hand einen Königs-Stab führet; dem auff der rechten Hand aus dem Munde ein Donner-Keil / auff der lincken Blitz und Flamme fähret; auf dessen Haupte ein Adler sitzet / die Füsse aber einen Drachen zertreten. In der Stadt Mesovium ist zwar ein mit einem Myrten-Krantze gekräntztes Weib / welche auf der Brust eine brennende Fackel /in der rechten Hand die Welt-Kugel / in der lincken drey güldene Aepffel hält; und also die natürliche Venus / welcher noch darzu drey Holdinnen Aepffel hinreichen / zu sehen; aber es ist diß nur eine Ehren-Seule der holdseligen Vandala der Uhrheberin aller Amazonen. Die zwischen der Weichsel / Warte und dem Asciburgischen Gebürge wohnenden Lygier und Naharvaler haben von denen Colchiern und Amazonen den Gottesdienst des Castors und Pollux erlernet; welchen sie alle Jahre zwey Elend-Thiere opffern; iedoch selbten keine Bilder aufrichten. Die Sitones /Sviones und Fennen an der Rubeischen eussersten Nord-Spitze beten die Sonne an / schlachten ihr und andern Abgöttern jährlich / wenn der Tag beginnet zu zunehmen / neun und neunzig Menschen / mit so viel Hunden und Hähnen; Sie betheuern darbey: daß sie daselbst das Geräusche der für ihrem Wagen schäumenden Pferde des Morgens eigentlich hören; ja auch ihr strahlendes Haupt genau erkennen können.

Rhemetalces konte sich allhier des Lachens nicht enthalten; und fieng an: Es lohnte für die Müh diesen Weg dahin zu thun; wenn wir anders versichert wären: daß wir nicht stumpfere Augen / als diese Nord-Völcker hätten. Fürst Adgandester antwortete: Er besorgte sich gleichfalls diese Reise umsonst zu thun; und hielte dieses eben für eine thumme Einbildung des Aberglaubens; welches die schlimste Kranckheit des Gemüthes wäre; welche dem Menschen alle Sinnen verrückte / und ihn auf einmahl so wiederwärtige als unmögliche Dinge beredete. Denn da eine blosse Furcht offt etliche Sträuche für gantze Krieges-Heere / einen Schatten für Gespenster ansiehet; ja die Gallier wol ehe ihnen in der Schlacht eingebildet haben: daß aus den Augen der Römer Feuer-Strahlen führen; da die Einwohner der Atlantischen Insel die zu Pferde sitzenden Friesen für Centauren gehalten; da ein Miltz-süchtiger ihm aus Einbildung: daß er eine gantze Stadt ersäuffen würde / das Wasser nicht lassen wollen / biß man ihn die Gefahr eines grossen Brandes überredet; da Thrasyllus aus Einbildung: es wären alle zu Athen an- und ablauffende Schiffe sein Eigenthum / selbte täglich bewillkommt und gesegnet; ein ander Argiver in dem leeren Schau-Platze die schönsten Spiele zu schauen sich bedüncken ließ; da ein Traum einem die seltzamsten Ungeheuer für zumahlen; ja die Mondsüchtigen zu Uberkletterung der höchsten Thürme anzureitzen mächtig ist. Was ist es Wunder: daß wenn der Aberglauben die Vernunfft einschläfft / wenn die Augen des Leibes und des Gemüthes verblendet sind; der nicht einst in die Sonne zugeschweigen in das unermäßliche Licht der Gottheit zu sehen vermögende Mensch ihm mehrmahls was lächerliches träumen läst. Ich wil zwar meinen Landes-Leuten nicht das Wort reden; aber ich halte den Grichen Anaxagoras für blinder; da er die Sonne für einen Stein angesehen; wie nichts minder die Scythen / welchen kein Mensch ausreden wird: daß sie Sonn und Monde auf Pferden reiten / die andern Sternen aber an güldenen Ketten hencken sehen; die aber für thörichter / welche ihnen grausame oder um uns unbekümmerte Götter einbilden / als welche ihre Aehnligkeit in Wachs / Ertzt / Bein und Marmel ausdrücken wollen. Athanas und Agave / welche gemeinet / ihre Kinder [979] wären Hirsche und Löwen / sind mehr Entschuldigens werth / als des grossen Alexanders und Scipions Mütter / welche sich von Schlangen geschwängert zu seyn hielten; Als Midas / welcher aus Aberglauben durch Ochsenblut / und der Milesische König Aristodemus / der wegen eines an seinem Hause gewachsenen Krautes durchs Schwerdt sich hinrichtete. Und ich weiß nicht: was ich vom Nicias und seinem gantzen Heere urtheilen soll; welches in währender Schlacht bey sich ereignendem Monden-Finsternüße Degen und Hände sincken / und sich ohne Gegenwehr niedermachen ließ? Hingegen trugen die Einwohner der Atlantischen Insel unsern fast erhungerten Friesen reichliche Lebens-Mittel zu; als diese die bevorstehende Monden-Finsternüß vorsehende jenen den Untergang dräuten / und durch Verfinsterung dieses Gestirnes hierzu den Anfang machen wolten.

Aber ich muß / sagte Malovend / nun wieder zu unsers Vaterlandes Gottesdienste kehren; welcher zwar durch der abergläubischen Nachbarn Träume sehr verfälscht; iedoch derogestalt nicht vertilgt ward: daß aus den Schlacken nicht das eingebohrne Gold herfür leuchtete. Sintemahl die Deutschen außer den Estiern und Hieren / die denen Schlangen Eyer und Hüner opfferten / und sie zu beleidigen für Tod-Sünde hielten / kein Geschöpffe niemahls für GOtt den Schöpffer angenommen. Denn der Druyden Einweihung der Bäume / des streitbaren Bojus Andacht bey zweyen Eichen an der Donau machte sie so wenig / als die Gothen ihre Berge zu Göttern / wenn sie auf ihnen /wie die Syrier auf ihrem Berge Karmel ihrer Andacht abwarteten. Sintemahl diese so wol / als fast alle andere Völcker / hierdurch nur die Höhe ihrer angebeteten Gottheit andeuten wollen. Des Tuisko / des Hercules / der Aurinia Verehrung stehet noch in den Schrankten eines danckbaren Andenckens / und in einer heiligen Anweisung ihrem rühmlichen Beyspiele zu folgen. Die Anbetung geschiehet allein einer einigen / ewigen / und unsichtbaren Gottheit; ob schon die Art der Anbetung und der Opffer unterschieden ist. Unter diesen ist nunmehr die Weise der Druyden die gemeinste; und hat ihr Glantz von etlichen hundert Jahren her allen andern verdüstert / und selbte in die steilesten Gebürge / oder in die finstersten Hölen und Kolhütten eingesperrt. Hierzu ist ihnen nicht wenig behülflich eine Wahrsagung / welche der erste in Deutschland ko ende Druys Serapio noch ehe / als Rom vom Brennus eingeäschert worden / im Herzinischen Walde in einem Felsen eingegraben; so in folgenden Reymen noch nicht ferne von der Elbe zu lesen ist:


Zwar das Verhängniß hat ins Buch aus Diamant

Geschrieben: daß fůr Rom der heisse Mittag schwitzen;

Daß Löw und Drache nicht soll Africa beschützen;

Daß Ost die Palmen ihm muß lieffern in die Hand.

Die Elefanten solln in Siegs-Karn seyn gespannt /

Auch wird gantz West erstarr'n fůr seiner Schwerdter blitzen;

Doch auf den kalten Nord wird sichs umsonst erhitzen

Und Deutschland leisten ihm behertzten Wiederstand.


Ja selbst die Tiber wird die Donau und den Rhein

Anbeten; Rom und Welt den Deutschen dienstbar seyn.

Diß und nichts anders kan mit Fug der Himmel schicken /

Als daß fůr Riesen nur ein Zwerg die Segel streicht;

Daß eine W \lfin zwey gestirnten Bären weicht;

Roms sieben Berge sich fůr sieben Sternen bücken.


Weil nun die Menschen diß / was sie selbst wünschen / oder ihnen einbilden / leicht glauben; über diß nach und nach ein und anders von den Römern eintraff / ward es gleichsam für eine Missethat gehalten /an der Druyden Meynung zu zweiffeln. Die Fürsten liessen selbst ihre jüngsten Söhne / um den ältesten ihre Länder unzertheilet zu lassen / Druyden werden; ja die Cimbern wehlten ihrer zwey nemlich den Sciold und Hiarn zu ihren Königen; in Meynung: daß weil eines Fürsten herrlichstes Vorrecht für niedrigern Leuten dariñen bestehet: daß er mehr / als alle andere Gutes stifften kan; es [980] würden diese kluge und heilige Leute dem gemeinen Wesen am nützlichsten fürstehen.

Rhemetalces brach ein: Eure Cimbern scheinen desselbten Weltweisen Meynung gewesen zu seyn /daß dasselbe Reich nur glückselig zu achten wäre /darinnen die Weltweisen herrschten. Alleine diese Hoffnung hat nicht selten Schiffbruch gelitten; und haben offt die gelehrtesten Fürsten die einfältigsten Fehler begangen; oder das Glücke mühet sich zum minsten ehe diesen / als andern / welche nicht ihre Vernunfft / sondern alleine sie zu ihrer Leiterin erkiesen / ein Bein unterzuschlagen. Unter den Griechischen Helden für Troja wäre keiner gelehrter / aber auch niemand unglücklicher als Palamedes gewest. Er war wol geschickt vier neue Buchstaben zu erfinden; aber nicht sich aus der ihm vom Ulyßes fälschlich angetichteten Verrätherey zu wickeln. Etliche andere haben sich durch Betrachtung der Gestirne im Himmel so verstiegen: daß sie die Erde aus dem Gesichte /und den Wolstand in ihrem Reiche verlohren. Griechenland hat keine grimmigere Wütteriche gehabt /als die / welche aus den sieben Weltweisen geherrscht haben. Athen und Sparta hat allemahl geblutet oder geseuffzet; wenn einer mit dem Mantel des Pythagoras oder des Plato auf dem Stule gesessen. Daher Diocles der schlauste Hertzog der Sicambern seinen Sohn mehr nicht als diesen Griechischen Spruch: der Fürsten Wille ist ihr Recht / lernen ließ; und dem Priester Theocalus / dem sein Groß-Vater fast die Helffte seiner Gewalt eingeräumet hatte / seine Macht gäntzlich beschnitt. König Antiochus und Lysimachus wolten die Weisen nicht einst zu Bürgern haben / jagten sie aus ihrem Reiche / und hiessen die freyen Künste ein Gifft des gemeinen Wesens. Und die Scythen über dem Rypheischen Gebürge können noch nicht gestatten: daß ihre Unterthanen mehr / als ihre unwissende Herrscher verstehen sollen. Ob ich nun zwar das letzte nicht billiche / und wol weiß: daß die Weißheit an ihr selbst nichts böses hat; ja ohne ihre Hülffe schwerlich ein Reich bestehen kan; Weil die Unwissenheit nicht nur ein Mangel des Guten / sondern wesentlich etwas böses; und ein unverständiger Fürst ein lahmer Ober-Herr ist; für welchem der wahrsagende Apollo die Stadt Sparta so sehr gewarniget hat; über diß die glücklichen Fürsten Pericles / Alcibiades /Epaminondas / Numa / Philip in Macedonien / und Kayser Julius nicht geringere Weltweisen als Helden gewesen; So bin ich doch der beständigen Meynung: daß die / welche von Künsten und Wissenschafften gleichsam ein Handwerck machen / oder schon ihr Leben gleichsam der nachdenckenden Welt-Weißheit gewiedmet haben / sich zur Herrschafft nicht schicken. Sintemahl sie daraus eine solche Süssigkeit schmecken; welche ihnen die Sorgen für das gemeine Heil zu Wermuth und Galle macht. Daher Prometheus / Empedocles und Heraclitus ihre Fürsten-Hüte eigenbeweglich abgenommen / um in einer Einsamkeit der Weltweißheit unverhindert abzuwarten. Zeno antwortete: diese wolgegründete Meynung des Fürsten Rhemetalces hielte nichts mehres / als eine Verdammung des Mißbrauchs / nicht aber der Weltweißheit selbst in sich; von welcher König Phraotes recht Fürstlich geurtheilet hätte: Es wäre nichts Königlicher als die Weißheit; ja ihre Besitzer wären noch etwas mehr als Könige. Allein es stünde nicht die Weißheit / sondern andere wichtige Ursachen den Geistlichen am Wege; warum man selbten die Oberherrschafft einzuräumen billich anstehen solte. Denn weil sie eines strengen Lebens vorher gewohnt / wolten sie aller Untergebener Sitten und Leben nach ihrem Mäß-Stabe richten; und daher verfielen sie in eine gefährliche Schärffe der Herrschafft. Sie legten mit ihrem ersten Stande niemahls die Liebe gegen denselben ab; und deßhalben enträumten sie nicht nur [981] der Geistligkeit allzuviel; sondern vergrösserten auch noch ihre Freyheiten und Güter; welche doch beyde in einem Reiche ihr Mittelmaß haben solten; wormit weder die Bürgerschafft Schatzung zu geben / der Adel im Kriege zu dienen geschwächt / noch auch das Ansehen und die Gewalt des Königes durch sie verdüstert werde / wie in Comagene sich durch die übermäßige Gewalt selbigen Priesters ereignet hat. Adgandester versetzte: Es haben diß die Cimbern nach ihrer Wahl / aber zu langsam erfahren; ja auch uns übrigen Deutschen sind die Druyden / wo sie gleich nie den Fürsten-Hut aufgesetzt / zu Kopffe gewachsen.

Malovend fuhr fort: Ich weiß nicht: Ob sie mehr sich zu erhöhen / oder wir uns mehr unter ihre Fuß-Sohlen zu kriechen bemüht gewest. Daher wir nicht so wol sie / als uns selbst zu schelten Ursache haben. Sintemahl der Mensch von Natur mehr zur Herrschafft / als Dienstbarkeit geneigt; und es fast mehr als menschlich ist / bey übermäßigem Glücke lange Zeit die erste Gemüths-Mäßigung behalten. Es gehöret ein grosses Hertze darzu / welches das Gold und das Eisen beyderley Glücks-Fälle verdäuen soll. Denn das Hertze ist gegen das Glücke / was der Magen gegen die Speisen. Es sey nun aber schuld daran / wer da wolle; so verwandelte sich der Druyden erste Bescheidenheit in Herrschsucht; ihre Genüßligkeit in Wollust / ihre anfängliche Andacht in Scheinheiligkeit; welche auf der Welt jener den Preiß abrennt /und nicht ohne Wunderwercke Himmel und Hölle mit einander verschwistert; ja die Laster für Tugenden anwehret. Unter dem Schein heilsamer Warnigungen versteckten sie ihre Rache; unter dem Vorwand des Glimpfes sahen sie allen Lastern durch die Finger; mit dem Mantel des gemeinen Heiles verhülleten sie ihren Ehrgeitz; die Gerechtigkeit muste ihren Geitz /ein gerechter Amts-Eiver ihren Neid / die erbauende Unterredung ihre Geilheit verdecken. Ihre Enteusserung alles Eigenthums diente ihnen zur Herrschafft über aller / ja der Könige Güter; und welche keine Hütte haben wolten / wohnten nunmehr in eitel Fürstlichen Schlössern. Es war letzlich ihren Uhrhebern an ihnen nichts als das Kleid ähnlich. Diese Veränderung gebahr bey vielen tugendhafften einen heimlichen Unwillen; aber / weil sich niemand diesen bösen Sitten des Vaterlandes zu begegnen gewachsen sahe / musten sie nur mit andern Lastern ihre Schwachheit beseuffzen. Endlich kriegten die Druyden durch diß /welches alle unüberwindliche Machten zu Boden wirfft / nehmlich durch eigene Zwytracht einen gewaltigen Stoß. Denn zur Zeit des grossen Feld-Herrn Marcomirs / thät sich Divitiak einer der tieffsinnigen Druyden herfür; welcher in dem Semanischen Walde zwischen der Elbe und der Weser gebohren war / aber in Britannien / Egypten / und bey den Juden ihm eine grosse Weißheit zu wege gebracht hatte. Dessen Frömmigkeit nahm anfangs der Druyden Laster und Mißbräuche / seine Scharffsinnigkeit aber ihre Irrthümer wahr. Daher fieng er an jene mit einem hertzhafften Eiver zu schelten / diese mit sonderbarer Klugheit zu wiederlegen. Er straffte den Wucher der Priester; verda te ihre übermäßige Gewalt in weltlichen Dingen; eröffnete die für dem gemeinen Volcke versteckten Geheimnüße des Glaubens / verfluchte die Vergötterung der Menschen / zohe die Gründe der Warheit dem Sagen der Druyden und dem Ansehen ihres Hauptes für; Gründete den Wolstand der unsterblichen Seelen auf die einige Erbarmnüß des ewigen Schöpffers; verwarff alle abergläubische Zeichen und Tage-Wehlungen; wiederlegte die Wanderung der Seelen aus einem Liebe in den andern; und brachte mit einem Worte den alten Gottesdienst der Deutschen wieder ans Licht. Ob nun wol die hitzigen Druyden ihm [982] mit Feuer und Schwerdt dräueten / die vernünfftigen ihn erinnerten: Er möchte die Lehre der Druyden nicht gar verwerffen / sondern die Spreu von dem Weitzen absondern; so fuhr er doch mit einem rechten Helden-Muthe fort; brachte die auf dem Melibokischen Gebürge wohnenden Druyden selbst / ja auch die Fürsten der Hermundurer / Alemänner und Catten auf seine Seite. Allem Ansehen nach wäre es um die Druyden damahls gar geschehen gewest; sonderlich / weil Divitiack seine Nachfolger zur alten Armuth anverwieß / und sich der weltlichen Herrschafft anzumassen verbot; also die Fürsten nicht nur ihre erste Gewalt / sondern auch die unter dem Scheine der Andacht ihnen entzogene Güter zurück bekamen. Alleine dieser scheinbare Anfang kriegte einen gewaltigen Stoß durch den tieffsinnigen Eubages; welcher zwar in den meisten Sachen dem Divitiak wieder die Druyden beypflichtete; aber alle Geheimnüße nach dem allzuschwachen Mäßstabe der Vernunfft ausecken; alle Zufälle denen natürlichen Ursachen zueignen; dem Menschen den freyen Willen entziehen / und selbten der Nothwendigkeit des einflüssenden Gestirnes unterwerffen wolte. Also spalteten sich die / welche dem Divitiak und Eubages anhiengen / gleicher Gestalt / und nahmen jene den Nahmen der alten Barden an; diese aber nennten sich alle Eubagen / oder auch Vaties. Jedes Theil erlangte gleichwol von vielen mächtigen Fürsten in Deutschland / Gallien und Britannien eine Beypflichtung; also: daß es fast allenthalben zu bürgerlichen Kriegen ausschlug / und viel tausend Seelen unter dem Scheine der Andacht der blutbegierigen Rache aufgeopffert wurden. Denn so offt als der Ancker des Gottesdienstes bewegt wird; so offt erschüttert sich das gantze Schiff eines Reiches; weil mit dem Glauben ins gemein die Art und das Gemüthe eines Volckes verändert wird. Der kluge und gütige Marcomir pflichtete im Hertzen selbst Divitiaks Meynungen bey / ungeachtet er aus Staats-Klugheit solches nicht öffentlich mercken lassen dorffte. Gleichwol aber hielt er ihm wieder die Gewalt der Druyden Schutz / brachte es auch zu einem Frieden. Aber weil die Einheimischen Zwytrachten selten von Grund aus geheilet werden /brachen diese Wunden nach seinem Tode bey den Celten in Gallien wieder grausamer auf; indem sein Sohn Hippon den Druyden auffs allereifrigste beypflichtete / und nicht nur viel tausend dem Divitiak beypflichtende Barden hinrichten; ja auch den Druys /in dessen Armen Marcomir gestorben war / aus Verdacht gleichmäßigen Glaubens verbrennen ließ; zu geschweigen: daß etliche Druyden ihn verhetzten: Er solte seines Vaters eigene Gebeine ausscharren / und in Asche verwandeln lassen. Nichts minder verfolgten die Druyden in Gallien die Eubagen als Tod-Feinde; wordurch / den Römern sich täglich daselbst zu vergrössern / Thür und Thor aufgesperret ward. Insonderheit wurden die an dem Fluße Alduaria liegenden Heduer / bey denen Divitiak / und hernach Eubages sich lange aufgehalten und ihren Gottesdienst eingeführt hatten / auf der Sudwesten Seite von den Arvernern / gegen Nord-Ost von denen an dem Flusse Alduaria gelegenen Sequanern derogestalt beängstiget: daß sie sich unter der Römer Schutz begeben musten. Worzu ihnen denn die Vorschrifft des weisen Divitiak an den grossen Redner hernach Bürgermeister Cicero / mit welchem er in Gallien verträuliche Freundschafft gemacht hatte / sehr behülflich war; wordurch denn die von ihren Feinden in die Enge weniger Festungen getriebene / aller Kriegs-Macht und Aecker beraubte Heduer / welche der Alemänner König Ariovist gezwungen hatte ihm Geißeln und jährliche Schatzung zu geben / durch die Tapfferkeit ihres Fürsten Pferderichs und den Beystand der Römer wieder Lufft schöpfften / ihre vorige Unterthanen und [983] Lehns-Leute die Segusianer zwischen dem Rhodan und Arar / die Ambarren zwischen der Arar und Ligeris / und die Brannovier wieder unter sich brachten; ja weil sie hingegen den Römern in den Alpen gegen ihre Feinde treulich beystanden / ihre Brüder und Bundsgenossen zu werden verdienten. Noch ärger gieng es denen Eubagen im Aquitanischen Gallien. Die Fürstin der Aquitanier Irmingardis maste sich daselbst unter ihren dreyen nach einander herrschenden Söhnen / welche nichts minder ihres Unglücks / als ihrer Uppigkeit halber beruffen sind / der Herrschafft an; und ihre Herrschsucht machte sie nichts minder / als ihrer Kinder Unfähigkeit auch nach ihrer Mündigkeit zu ihrer Vormündin. Anfangs zwar schlug sie sich bald zu ihren Druyden / bald zu den Barden und Eubagen; und ließ bald dieser bald jener Wind in die Segel ihrer Ehrsucht wehen. Endlich aber machte die Staatssucht: daß sie mit den Druyden ein Sinn und ein Hertze ward. Daher sie alle Klugheit / alle Laster / ja auch die Zauberey selbst zum Verderben der Barden und Eubagen zu Hülffe nahm. Sie reisete mit dreyhundert der schönsten Weiber stets das Land durch; welcher einiges Absehen und Meisterstücke war / den Adel wie die Spinnen die Fliegen / in ihr Gewebe der Wollust und dardurch zu Verleugnung des Divitiakischen Gottesdienstes zu bringen. Ja dieser geschöpffet Haß verleitete sie so weit: daß sie mit ihrem vorigen Todfeinde Hevinserich einem Fürsten der Mediomatriker sich auffs verträulichste verknüpffte; ungeachtet dieser so wol / als sein ermordeter Vater das Aquitanische Reich ihm zuzuschantzen bemüht war. Mit diesem machten sie in einem Zimmer / darinnen Hevinserich aber hernach aus gerechter Rache Gottes wieder ermordet ward / einen festen Schluß / alle Borden und Eubagen mit Giffte / Feuer und Schwerdt zu vertilgen. Um diß so viel glücklicher zu vollziehen /machten sie mit den Barden und Eubagen Frieden /verlobten dem Fürsten der Bigerrionen Rubonor ihrem Haupte in Gallien der Irmingardis Tochter; und schlachteten sieben Tage lang viel tausend sich zum Fürstlichen Beylager eingefundene Gallier ab. Ja die säugenden / oder in Mutterleibe noch athmenden Kinder wurden nicht verschonet / sondern eh ermordet /als gebohren. Hevinserich führte die Meuchel-Mörder selbst eiffrig an; und war unter seinen Getreuen einer /der sich in einer Nacht vierhundert Eubagische Gallier zerfleischt zu haben rühmte. Die wilde Irmingardis stach selbst einigen / die in ihrem Schlosse schlieffen / mit den Fingern die Augen aus; und weidete die Augen an den nackten Leichen der Ermordeten / die sie Hauffen-weise für ihr Burg-Thor brachten. Unter andern ließ sie das abgeschlagene Haupt des tapffern Krieges-Helden Cigolin einbalsamen / und schickte es dem Obersten Druys in Britannien / zu einer vermeinten Versicherung: daß mit diesem Kopffe den Eubagen alle Spann-Adern zerschnitten wären. Irmingardis weltzte die Schuld dieser von der gantzen Welt / ja vielen Druyden selbst verda ten Verrätherey zwar auf den Hevinserich; um selbten schwartz zu machen /sich aber weiß zu brennen. Sie dräuete an dem Uhrheber dieses Blut-Bades den Entseelten ein Rach-Opffer zu lieffern / und die verbitterten Eubagen zu besänfftigen. Aber sie trauten nicht mehr auf diese Fallbrücke zu treten / sondern ergriffen zu ihrer Beschirmung die Waffen / und machten sich bey nahe in gantz Aquitanien zum Meister; brachten auch nach der Irmingardis und ihrer Söhne Tode den Bigerrionischen Fürsten zur Herrschafft. Nach dem aber dieser sich endlich selbst zu den Druyden schlug / nahm der Barden und Eubagen Macht von Tag zu Tag ab / biß sie endlich nach vielen Verfolgungen und Blutstürtzungen in die Haupt-Stadt der Agesinaten verschlossen daselbst mit Hülffe der Veneter die [984] Einfahrt im Meer zwischen den Eylanden Vilar und Antros durch eingesenckte Schiffe verstopfft / also ihnen der Hibernier Hülffe abgeschnitten / und sie also durch unmenschlichen Hunger zur Ubergabe gezwungen wurden. Die Druyden schaften ihnen ihren Gottesdienst mit grosser Schärffe ab; da sie doch den Greuel denen Samnitischen Weibern erlaubten / welche die Eylande des Aquitanischen Meeres bewohnen / daselbst gleichsam rasende dem Bacchus opffern / ihren Männern auf den Eylanden zu wohnen nicht verstatten / sondern zum Beyschlaffe ans feste Land überfahren; alle Jahr das Dach ihres Tempels abbrechen / und noch selbige Nacht für der Sonnen Aufgange wieder erbauen; worzu iedes Weib eine gewisse Last herbey schleppen muß / und die es fallen läst / von denen andern gleichsam zum Opffer mit ihren Nägeln zerrissen wird. Wiewohl auch hernach der großmüthige König der Svessoner Divitiak denen Eubagen beypflichtete / und durch seine Tapfferkeit nicht nur gantz Gallien / sondern auch ein grosses Theil Britanniens unterwarff; ward er doch durch einen Druys Meuchelmörderisch aufgerieben; sein unwürdiger Sohn Galba aber von seiner denen Druyden zugethanen Mutter ihnen zur Unterweisung untergeben. Inzwischen führten auch die Bellovaker / Ambianer / und Veromanduer wieder die Bataver und Menapier / welche aus Deutschland kommen / sich an der Schelde / Maaß und zwischen dem Rheine niedergelassen / und in dem Megusianischen Hercules-Tempel ihren Gottesdienst eingeführet hatten / einen so grausamen Krieg: daß in diesem mehr durch die Hände des Henckers / als durchs Schwerdt hinfielen. Weil über den zwischen den Batavern und Galliern eingepflantzten Haß die Gallier die Entweihung ihrer Heiligthümer / und sonderlich obigen Tempels zu unmenschlicher Rache verhetzte; welche sie so weit verleitete: daß sie zwey Morinischen Fürsten / nur weil sie mit den Menapiern und Batavern einen billichen Vergleich zu treffen einriethen / und deßhalben mit ihrem Fürsten Julius Tutor / dessen Enkel gleiches Nahmens hernach auch mit dem Civilis wieder die Römer aufstand / Brieffe gewechselt hatten / öffentlich die Köpffe abschlagen liessen / für denen vorher etliche mahl der Gallier Feinde erzittert waren. Wiewol die Bataver und Menapier mit Hülffe ihrer Blutsverwandten der Tribozer und Catten / wie auch des Cheruskischen Hertzogs Aembrichs / dessen Bruder Cattivolck sie bey ihm zu ihrem Feld-Herrn ausbaten / mit dem Degen ihre Freyheit behaupteten; ja Aembrich es so weit brachte: daß die in diesen Krieg mit eingeflochtenen Eburoner seinen Bruder Cattivolck zu ihrem Hertzoge erkieseten.

In Deutschland aber dämpfften theils die Klugheit der Feldherren und anderer glimpfflichen Fürsten /theils die mit denen Daciern und Sarmatern geführten Kriege das einheimische unter der Aschen glimmende Feuer zwischen den Druyden / Barden und Eubagen. Denn wie eusserliche Kälte innerliche Wärmde beysammen hält; also ist die auswerts sich nähernde Gefahr auch das kräfftigste Mittel die gegen einander verbitterten Bürger zur Eintracht zu bringen.

Als aber der deutsche Feld-Herr Malorich bey ziemlichem Friede starb / seinen Vetter Aembrich der Cherusker Hertzog unsers Feld-Herrn Herrmanns Groß-Vater zum Feld-Herrn fürschlug; gerieth gantz Deutschland in ein grausames Krieges-Feuer. Denn ein grosses Reich kan so wenig als ein grosser Leib lange in Ruh bestehen; indem / wenn es eusserlich keinen Feind hat / ihm einen in sich selbst machet. Die gröste Ursache aber war: daß auf einmahl in Deutschland vier Fürsten lebten / derer ieder würdig war / das gantze zu beherrschen; nehmlich Aembrich der Cherusker und Quaden / Ariovist der Alemänner /Arabar der Catten und [985] Vangionen / und Briton der Hermundurer Hertzog. Denn wie die mehrern Sonnen im Himmel nichts gutes bedeuten; also ziehet auch die Zusammenkunfft vieler großmüthigen Fürsten in einem Reiche tausenderley Ungemach nach sich; in dem zwar in einem kleinen Gefässe viel kleine Pflantzen / aber auch in dem grössesten nicht zwey oder mehr Palmbäume und Zedern Raum haben; sondern eine die andere verdämmet / oder durch allzustarcken Trieb das Gefäße gar zersprenget. Bey solcher Beschaffenheit schätzte ein ieder sich den würdigsten zum obersten Feld-Herrn Deutschlandes. Und ob wol Hertzog Aembrich für sich das Wort des verstorbenen Hertzog Malorichs hatte; so war dieses doch vielmehr ein Rath / als eine Wahl / welche nicht bey dem Erblaßer / sondern in der blossen Willkühr der deutschen Fürsten bestehet. Uber diß stach diese die grosse Macht der Cherusker / und die Nachfolge so vieler Feldherren aus diesem einigen Hause nicht wenig in die Augen; zugeschweigen: daß Ariovist / Briton und Arabar / welche theils denen Barden / theils den Eubagen beypflichteten / dem es mit den Druyden haltenden Fürsten Aembrich allem Vermuthen nach das Hefft in die Hände zu geben nicht allerdings sicher hielten. Die aller gröste Hinderniß aber brach allererst herfür durch den Auffstand der Quaden; welche meist denen Barden beypflichteten / sich aber von den Druyden gedruckt zu seyn beklagten / über diß dem Hertzoge Aembrich kein Erb-Recht über sie zu enträumen vermeinten / anfangs sich dem benachbarten Briton / und / als dieser es aus einer Heldenmäßigen Großmüthigkeit ablehnte / dem Cattischen Fürsten Arabar sich untergaben. Arabar verband sich mit dem Könige der Dacier Decebal / welcher von dem Flusse Cusus biß zu denen Bastarnen alles beherrschte; Die Marsinger / Gothiner / und Pannonier traten auf seine Seite; der Britannier König Caßibellin / und der Cimbern König Friedlev vertrösteten ihn grosser Hülffe. Auf welchen letzten gantz Deutschland ein grosses Absehen hatte; weil er die Kriegerische Jungfrau der Gothen und Riesin Rusila / welche mit zweyen Fingern das stärckste Hufeisen zerreissen / einen mittelmäßigen Baum mit den Wurtzeln ausreissen konte /im Zweykampffe erlegt; den Hillevioner Hertzog Huirvill im Kriege überwunden / die Orcadischen Eylande und die Haupt-Stadt in Hibernien Duflin durch Krieges-List erobert; auch / als er daselbst von der Menge seiner Feinde gantz umringt war / sich dennoch durch Auffstellung seiner vorhin erlegten Kriegs-Leute glücklich an den Seestrand und nach Hause gezogen hatte. Für aller Menschen Augen schien Hertzog Aembrich verlohren zu seyn; aber dieser Held erlangte mit Hülffe der Ubier bey der Stadt Boviasinum einen so herrlichen Sieg: daß Arabar mit Noth entran / und sich in Gallien flüchtete. Die Dacier zwang er auch alsofort Friede zu machen; nach dem der König der Cimbern Friedlev sein Reich wegen der Svioner / Sitoner und Fennen Königs Gotar seiner Macht nicht entblössen dorffte / welcher zu einem grossen Kriege sich rüstete / niemand aber seinen Feind erforschen konte. Wie nun kein kräfftiger Magnet ist der Menschen Gemüther an sich zu ziehen /als Tugend und Glücke; also ward Hertzog Aembrich ohne einiges Wiedersprechen zum Feldherrn erkläret; ja Briton selbst vereinigte mit ihm seine Waffen wieder seine Feinde / und Aembrich räumte der Ubier Hertzoge Dorulac ein Theil der vom Arabar verlohrnen Landschafften ein. Die Römer aber schickten ihm eine güldene Krone / einen Purpur-Mantel / und einen Helffenbeinernen Stul / nennten ihn ihren Freund /Bruder und Bundgenossen.

Der Alemänner Hertzog Ariovist schlug zwar sein ersteres Absehen diese Würde zu erlangen aus der Acht. Zumahl er vernünfftig wahrnahm: daß sie eine grosse Uberlast / aber nur einen [986] betrüglichen Schein eiteler Ehre an sich hätte; ließ sich noch bey offener Tafel heraus: Es würde ihm bey der Nachwelt rühmlicher seyn / wenn selbte fragen würde: aus was Ursachen er nicht / als warum er zu solcher Hoheit gelangt wäre. Jedoch vergaß er nicht unter der Hand unvermerckt seine Vergrösserung zu beobachten. Denn /nach dem die Bojen / welche denen Barden beypflichteten / von denen Druyden in ihrem ersten Sitze / den ihnen anfangs Alemañ zugeeignet / hernach Segovesus auffs neue behauptet hatte / nicht gelitten werden wolten / zohe ihrer ein ziemliches Heer theils wieder in Gallien / und setzen sich in der Arverner Lande um die Festung Gergovia / bauten auch an dem Fluße Ligeris die Stadt Boja / theils über die Donau an den Lech / vertrieben die Noricher / und nahmen den Hertzog Ariovist zu ihrem Schutz-Herrn an. Bey dieser allgemeinen Glaubens-Strittigkeit trieb auch Divitiak der Heduer Hertzog alle die / welche des deutschen Divitiaks und der Barden Gottesdienste anhiengen /aus dem Lande; welche aber von ihren Glaubensgenossen denen Arvernern und Sequanern willig aufgenommen wurden. Weil nun zwischen diesen Völckern ohne diß eine alte Feindschafft eingewurtzelt war /verfielen sie hierüber so viel leichter mit einander in Krieg. Die Heduer zohen alsofort die Römer an sich; welche ohne diß bereueten: daß sie nach Uberwindung des Königs Luer und Einsperrung des Königs Bituit in die Stadt Alba sich der Arverner nicht gar bemächtigt hatten. Hingegen rufften die Arverner und Seqvaner / derer Fürst Catamantales ein grosser Freund und Bundgenosse der Römer gleich starb /und seinen Sohn Casticus zum Erben hinterließ / den berühmten Fürsten Ariovist zu Hülffe; welcher denn in etlichen Schlachten den gantzen Adel / Ritterschafft / und Oberen der Heduer erlegte / dieses gantze Volk auch derogestalt ins Gedränge brachte: daß sie die noch wenig übrigen vom Adel den Sequanern zur Geissel einhändigen / sich auf ewig ihnen unterthänig geben / und mit denen Römern nimmermehr keine Gemeinschafft zu pflegen / sich eydlich erklären musten. Der Fürst Divitiak aber / ob er wol eben diß zu leisten dem Hertzoge Ariovist an die Hand gelobte /entflohe mit seinen Kindern heimlich nach Rom. Wie nun Ariovist verlangte: daß seinen Kriegs-Leuten /und insonderheit denen zwischen der Donau und dem Kocher ziemlich enge eingeschrenckten Haruden / die sich in diesem Kriege sehr tapffer gehalten hatten /das versprochene dritte Theil von der überwundenen Heduer Aeckern / oder auch bey denen Sequanern ein austräglicher Platz für vier und zwantzig tausend Mann eingeräumt werden möchte / brachte es Divitiak durch seine Künste dahin: daß die Sequaner zu höchstem Undancke sich wieder den Beschirmer ihrer Freyheit / wiewol unglücklich auflehnten. Denn er überfiel sie wie ein Blitz bey der Stadt Amagetrobia /und erlegte sie auf einmal biß auffs Haupt; also: daß sie sich seiner Herrschafft unterwerffen / und die für nehmsten ihre Kinder ihm zur Versicherung ihrer beständigen Treue einlieffern musten. Weil auch die Heduer sich in diesen Auffstand nicht gemischt hatten; sprach Ariovist selbte aus einer ruhmbaren Großmüthigkeit von seiner und der Sequaner Dienstbarkeit frey; außer: daß sie denen bereit eingesessenen Alemännern ihre zugeeigneten Aecker lassen musten. Hingegen weil die alten zwischen dem Berge Jura und dem Flusse Arola gelegenen Helvetier oder Urbigener nicht nur vorhin denen der Helvetier gröstes Gebiete besitzenden Alemännern / die Ariovistens Bruder den König der Noricher Vocion zu ihrem Schutz-Herrn erkiest hatten / wiederstrebten / sondern auch ohne Ursache mit den Sequanern die Waffen gegen den Fürsten Ariovist vereinbart hatten / grieff er die Urbigener behertzt an / und brachte sie nach zweyen Treffen dahin: [987] daß sie ihn für ihr Oberhaupt erkennen musten.

Wiewol nun die Helvetier unter dem Schirm des Fürsten Ariovists / der sich nunmehr einen König nennen ließ / in gutem Wolstande lebten / so thät es doch dem Adel weh: daß zu denen Aemptern meist Alemänner befördert wurden. Sintemahl ins gemein zwar fremde Gewächse / nicht aber ausländische Befehlichshaber angenehm sind; und der Neid oder die Ungedult sodenn der Vollkommenheit selbst Mängel auszustellen weiß. Insonderheit fraß die Ehrsucht dem Fürsten Orgetorich das Hertz aus; welchem die Thränen über die Backen lieffen / so offt er seiner Vorfahren Bilder ansahe / und darmit sich erinnerte: daß er zwar aus einem des Herrschens gewohntem Hause gebohren wäre / nunmehr aber müste gehorsamen lernen. Gleichwol aber hielt die grosse Macht des Königs Ariovists den Degen des Orgetorichs in der Scheide; und veranlaste ihn auff ein ander Mittel zu sinnen: wie er das Hefft wieder in die Hand bekäme. Weil nun die Alemänner sich täglich in Helvetien verstärckten / und es ie länger ie mehr gedränger machten / schlug er den Fürnehmsten und Vertrautesten vom Adel für / ihnen einen neuen Sitz in dem fruchtbaren Gallien um den Fluß Garumna einzunehmen; welches aller Muthmassung nach Ariovist nicht hindern / sondern vielmehr befördern würde / wormit seine Alemänner sich so viel mehr auszubreiten Lufft bekämen. Nach dem er durch seine scheinbare Fürschläge den meisten Adel auf seine Seite gebracht hatte; eröffnete er diesen Anschlag auch dem Casticus / welcher gleicher Gestalt unter Ariovistens Botmäßigkeit und nach der Sequanischen Herrschafft seines Vaters seuffzete. Hierauf brachte er es auch an des Divitiaks Bruder Dumnorich / der die höchste Würde bey den Heduern vertrat / aber aus Begierde der Freyheit dem Ariovist nicht hold / denen Römern aber Spinnen-feind war. Der Schein der Freyheit brachte alle drey unschwer in ein eydliches Bündniß; und die grosse Zuversicht zu ihren Kräfften verhieß ihnen in weniger Zeit die Beherrschung des gantzen Galliens. Dieses grosse Werck aber brach für der Zeit durch die ungewöhnliche Zurüstung des Fürsten Orgetorich /und hernach durch etliche Edelleute / denen ihr Vaterland zu lieb war / aus. Das Volck / welches lieber in Sicherheit gehorsamen / als aus Hartneckigkeit sich in Gefahr und Verterben stürtzen wolte / überfiel den sichern Orgetorich unverhofft / stellten ihn auch in Band und Eisen für ein Gerichte; das ihn als einen Aufwiegler und Störer der gemeinen Ruh zum Feuer verdammte. Er lag schon gebunden auf dem Holtzstosse / der Scharffrichter hielt schon die Fackel an den Zunder / als mehr als tausend Mann zusammen gerottetes / und dem reichen Orgetorich aus Pflicht / oder wegen genossener Wolthaten zugethanes Volck herfür brach / die Nachrichter zerstreute / den Holtzhauffen von sammen rieß / und den Verdammten aus dem Rachen der Flammen errettete. Dieser Frevel aber ward von der Obrigkeit durch Hülffe der Alemannischen Besatzungen mit vielem Blute bald gerochen / und Orgetorich derogestalt ins Gedrange bracht: daß er ihm selbst mit Giffte vom Leben halff. Die Helvetier aber befanden in der Höle / darein er sich versteckt hatte / eine so bewegliche Betheuerung: wie er durch sein Vorhaben drey freye Völcker in den Glantz der alten Freyheit / sich aber keines weges auf den ihm zugedachten Stul zu setzen angezielt hätte: daß auf des Fürsten Divico vernünfftiges Einreden das ihn vorhin zu verbrennen entschlossene Volck / welches zwischen eusserster Liebe und Haß kein Mittel weiß /ihn nunmehr von dem Scheiter-Hauffen in Himmel erhob; und des Orgetorichs Fürhaben auszuführen durch schärffste Eyde sich verschwor / ja viel tausend Rauraker / und Tulinger [988] unter dem Rhetischen Gebürge am Rheine / wie auch fast alle um den Uhrsprung des Rhodans wohnende Latobriger / und endlich zwey und zwantzig tausend derer wegen ihrer Menge auswandernde Bojen mit in das Bündniß zoh; also: daß ob wol dem Fürsten Casticus / und Dumnorich mit denen Sequanern und Heduern zu den Helvetiern zu stossen allerhand wichtige Hindernüße in Weg traten / weder König Ariovist noch Hertzog Vocio diese schwermende Völcker aufzuhalten / sondern vielmehr zu Beruhigung ihrer eroberten Länder den Willen zu lassen schlüßig wurden. Wie sie sich nun alle mit viel tausend Wagen / Vieh und anderm Vorrathe bey den Städten Sedun und Tarnada am Rhodan zu Ende des Merzens versammlet / und nach langer Berathung: Ob sie über das Gebürge Jura durch der Sequaner Land /oder der denen Römern noch nicht allerdinges holden Allobroger Gebiete / über die denen Helvetiern ohne diß zustehende Brücke zu Genf ihren Zug nehmen wolten / den letztern Weg als den leichsten erwehlt hatten; eilte Julius Cäsar mit einer Legion und vielen tausend denen Römern unterthänigen Narbonensischen Galliern nach Genf / brach daselbst die Brücke ab / um denen Helvetiern den Weg zu verbeugen /unter dem Scheine zwar: daß er diesem feindlichen Volcke / welches den Bürgermeister Lucius Caßius durchs Joch getrieben hatte / nichts gutes zutrauen könte / iedoch vielmehr aus Absehen / durch Erwegung eines schweren Krieges das Römische Kriegs-Volck zu seinen Diensten zu bekommen. Die Helvetier schickten alsbald den Fürsten Divico zum Julius Cäsar / beschwerten sich über Abbrechung ihrer eigenthümlichen Brücke / und baten zugleich um einen freyen Durchzug in das Aquitanische Gallien / mit Erbietung Geissel zu geben: daß denen Römischen Unterthanen kein Huhn versehret / sondern alles ums Geld gekaufft werden solte. Der schlaue Cäsar gab dem Divico ziemliche Vertröstung / iedoch bat er Bedenck-Zeit auff zehen Tage / in welchen er von dem Lemannischen See / biß an das Ende des Berges Jura einen neunzehn tausend Schritte langen / sechzehn Füsse hohen Wall mit einem tieffen Graben und vielen Bollwercken aufführte / hernach dem wiederkommenden und verhaßtem Gesandten Divico / als welcher der Tuguriner Heerführer bey Erlegung des Caßius und Lucius Pisonius gewest war / abschlägliche Antwort gab / und den Helvetiern die Spitze bot. Diese kehreten alsofort ihre Deichsel gegen die Sequaner / und brachte es Orgetorich durch seinen Eydam Dumnorich so weit: daß diese ihnen den Durchzug erlaubten. Wie nun die zwey und neuntzig tausend streitbare Helvetier / welche mit Weib und Kindern sich auff dreyhundert acht und sechtzig tausend Menschen belieffen / sich langsam durch die steinerne Pforte des Berges Jura durcharbeiteten /setzte Cäsar den Labienus über das Heer / rennte in Italien / zohe von Aquileja bey der Stadt Ocelum an dem Flusse Duria in den Cottischen Alpen fünff Legionen an sich / und kam mit selbten durch der mit denen Helvetiern in guter Verträuligkeit stehender Garoceler und Centroner Gebiete / nach etlichen mit ihnen gehaltenen Treffen / über die Grajischen Alpen in sieben Tagen in der Vecontier und durch der Allobroger Land über den Rhodan in das Segusianische Gebiete; als die Helvetier gleich über den langsamen Fluß Arar eine Brücke schlugen. Wie nun etliche dem Divitiak zugethane und dem Dumnorich wiedrige Heduer und Ambarrer / die den Helvetiern sich wiedersetzt und daher Schaden erlitten hatten / bey Cäsarn sich beschwerten und Rache baten; insonderheit Divitiak und Liscus schon lange Zeit Cäsarn wieder die Helvetier und Deutschen verhetzt hatten / rückte er alsofort gegen die Helvetier / und überfiel mit drey Legionen ihr vierdtes Theil / nehmlich die Tuguriner /[989] welche nur noch über die Brücke nicht kommen waren. Wiewol ihnen nun von den Römern kein Krieg angekündigt war / und sie sich also ehe des Himmels-als eines feindlichen Einfalls versehen hatten / also der wenigste Theil der Schlaffenden zu den Waffen kommen konten; so starben sie doch nicht gäntzlich ungerochen; in dem auch etliche tausend Römer auf dem Platze blieben; ein Theil der Tuguriner noch sich über die Brücke rettete / die meisten aber im Flusse umkamen / weil sie es rathsamer hielten / sich in diesen zu stürtzen / als in des rachgierigen Cäsars Hände zu fallen / dessen Schwehers Großvatern Piso dieses Volck erlegt hatte. Nach erlangtem Siege setzte er den Divitiak und Luscus den Heduern und Ambarren zu Häuptern für / schlug auch noch selbigen Tag eine Brücke über die Arar. Wiewol nun die Helvetier durch den Fürsten Divico sich des listigen Uberfalls halber beschwerten / die Unrechtmäßigkeit seines Krieges / und die Streitbarkeit der Deutschen fürhalten liessen; iedoch sich zum Frieden / und daß sie das Römische Gebiete in Gallien nicht berühren wolten /erboten; so forderte doch Cäsar hochmüthig die Ersetzung alles denen Heduern / Ambarren und Allobrogern zugefügten Schadens / ihre Rückkehrung und Geißel als Bürgen / für alles diß / was sie zusagten. Daher Divico Cäsarn antwortete: die Helvetier wären gewohnt Geißel zu bekommen / nicht zu geben; und von denen / die sie wol ehe überwunden / nicht als besiegte Gesetze anzunehmen; schickte also die Gesandschafft unverrichteter Sachen zurück. Folgenden Tag ließ Cäsar den Considius mit zwey tausend Römischen und den mit den Haaren in diesen Krieg gezogenen Fürsten Dumnorich mit drey tausend Heduern sich an der Helvetier Nachtrab hencken; welchen aber der junge Fürst Orgetorich mit fünff hundert Pferden so grimmig begegnete: daß nach zweyer Stunden Gefechte / und nach Verlust vier hundert Mann anfangs der unwillige Dumnorich / und hierauff Labienus die Flucht nehmen musten. Cäsar ward hierüber bestürtzt / verbot also den Seinigen sich ohne Noth in ferners Gefechte einzulassen; sondern gieng den Helvetiern funffzehn Tage lang immer an der Seite / und bemühete sich / die wegen noch nicht reiffer Saaten ohne diß sparsame Lebens-Mittel und Fütterung ihnen abzuschneiden. Weil aber auch die Heduer ihm nicht genungsam zuführten / und Liscus den Fürsten Dumnorich beschuldigte: daß er durch seine Gemahlin des Orgetorichs Tochter / seine Mutter eine Fürstin der Bituriger / seine Schwester und Neffen / welche an mächtige Fürsten in Deutschland und Gallien verheyrathet wären / und dem Stieff-Bruder Divitiak die wieder erlangte Hoheit mißgönneten / verleitet würde /das ihm geneigte Volck unter dem eingebildeten Scheine bevorstehender Dienstbarkeit von den Römern abwendig zu machen; oder auch Cäsar wegen des unglücklichen Treffens mit den Helvetiern ihn verdächtig hielt / ließ er den Dumnorich in Verwahrung nehmen. Den sechzehenden Tag ließ er den Labienus mit zwey Legionen einen Berg / unter welchem die Helvetier sich gelagert hatten / einnehmen / zohe auch mit dem gantzen Heere gegen sie; aber der mit der gantzen Reuterey vorangeschickte Considius kam spornstreichs zurücke / und berichtete aus eingebildeter Furcht: Er hätte aus denen Wolffshäuten und Federpüschen wahrgenommen: daß der Feind den Berg für den Labienus eingenommen und besetzt hätte; da doch Cäsar Mittags erfuhr: daß Labienus unvermerckt den Berg behauptet; also der durch Zagheit seiner Leibes- und Gemüths-Augen beraubte Considius durchs Blaster gesehen; Und weil inzwischen die Helvetier fortgerückt / diesen Vortheit zu siegen verspielet hatte. Daher auch [990] Cäsar die gegen dem Flusse Ligeris absackenden Helvetier verlassen / und aus Mangel der Lebens-Mittel sich recht und Ostwerts gegen Bibracte wenden muste. Die Helvetier wendeten hiermit ihre Deichsel um / verfolgten die Römer / die Cäsar auf einem zu ersteigen schweren Berge in vortheilhafftige Schlacht-Ordnung gestellt hatte. Gleichwol brachte der junge Fürst Orgetorich der Römer und Heduer Reuterey in die Flucht. Die fünff Römischen Legionen aber thäten mehr verzweiffelte als hertzhaffte Gegenwehr; und konte Labienus mit Forwerffung eines Römischen Adlers Cäsarn mit genauer Noth aus den Händen der ihn umringenden Bojen erretten. Die Schlacht währete vom Morgen biß drey Stunden für Abend mit solcher Hartnäckigkeit: daß kein Theil dem andern einen Fuß breit Erde einräumete. Nach dem aber die Römer an einem allzuvortheilhafftigen Orte fochten / da die Reuterey ihnen nicht bey konte / durch der Helvetier höltzerne oder lederne Schilde hingegen die Römischen Wurff-Spiesse meist durchdrangen / und sich darinnen das Eisen krümmete: daß sie selbte nicht heraus ziehen / sondern die Schilde wegwerffen und unbedeckt fechten musten /liessen ihre Krieges-Obersten sie sich mit Fleiß gegen einem andern Berge zurücke ziehen. Wie nun die Römer ihnen aus eingebildeten Siege folgeten / fielen funffzehn tausend Bojen und Tulinger ihnen in die Seite; verwundeten den Labienus; und hielten beyde Heere biß in den sinckenden Abend derogestalt einander die Wage: daß kein Theil des Sieges; oder daß er seinen Feind ihm hätte den Rücken drehen sehen /sich rühmen dorffte. Um Mitternacht stürmeten beyde Theile einander das Läger; worüber aber zu grossem Nachtheile der Helvetier der sich allezeit unter die Feinde wagende Orgetorich mit einem Sohne und einer streitbaren Tochter Lisanue / welche den Tag vorher zehn Feinde erlegt hatte / gefangen ward. Weil nun Cäsar in Sorgen stand: daß die Helvetier früh auffs neue mit ihm anbinden würden / erkauffte er einen Gallier: daß er zu den Helvetiern überlieff / und als wenn er vom Fürsten Dumnorich geschickt wäre /sie warnigte: daß den andern Tag zwey frische Legionen Römer und zwantzig tausend Narbonische Gallier zum Cäsar stossen würden; der Fluß Ligeris auch allbereit gegen sie starck besetzt wäre. Dieses bewegte die Helvetier: daß sie ihren Zug in der Lingoner Gebiete gegen die Stadt Andomatum an dem Brunnen des Flusses Matrona einrichteten. Weil aber die Lingonen auf Divitiaks Beredung so / wie die Heduer /mit den Römern in Bündniß getreten waren / und sich für der Helvetier Unterdrückung besorgten / verhieben sie ihnen die Wälder / besetzten alle Wege; also: daß sie nunmehr in nicht geringe Hungers-Noth verfielen; iedoch weil Cäsar mit einem verzweiffelten Feinde noch einmahl zu schlagen Bedencken trug / auch die ihm verdächtigen Alemänner und Helvetier an einander zu hetzen vermeinte / mit ihnen einen Vergleich machte: daß sie über den Fluß Arar durch der Rauraker Landschafft wieder ihren alten Sitz einnehmen mochten / die Allobroger ihnen auch einen grossen Vorschub an Getreide verschaffen musten. Ein Theil derer / die an dem Flusse und bey der Stadt Urba gewohnt hatten / nahmen das Vogesische Gebürge ein /machten ihnen mit dem Schwerte einen Weg durch der Leutzer Land / und liessen sich am Rheine nieder; Die Heduer aber baten die wegen Enge ihres Landes ausgewichenen Bojen: daß sie sich zu ihren Landes-Leuten um Gergovia niederlassen / und wieder die bey den Sequanern eingenisteten Deutschen auff den Nothfall beystehen möchten.

[991] Die theils für den Deutschen / theils den Römern zitternden Aquitanischen und Lugdunensischen-Gallier sagten durch kostbare Gesandschafften Cäsarn nicht allein Danck: daß er sie für der Sündfluth der schwermenden Helvetier errettet hätte; sondern der durch Ehrgeitz gantz verbländete Divitiak lobte ihnen das Römische Joch so sehr ein: daß sie aus Haß gegen den König Ariovist ihm zu Fuße fielen; sich dem Römischen Schutze unterwarffen; und / weil sie besorgten: es würden die rauen Deutschen sie nach und nach aus dem fetten Gallien vertreiben; wieder sie Schutz baten; worunter denn etliche entwichene Sequaner Cäsarn durch allerhand weibisches Wehklagen zu Mitleiden bewegten.

Wiewol nun Cäsar den so mächtigen König Ariovist zu bekriegen weder Ursache / noch auch anfangs das Hertze hatte / ja auch seinem Ruhme verkleinerlich hielt den anzutasten / dessen Freundschafft der Römische Rath durch köstliche Geschäncke und Ehren-Titel gesucht; ja den Cäsar selbst als Bürgermeister für einen Freund und Bundsgenossen der Römer eingezeichnet hatte; über diß der Bürgermeister Bibulus ihm zuschrieb: daß er mit den Deutschen keinen unnützen Krieg anfangen solte; so vertilgte doch Cäsars Ehrsucht alle Bedencken / welche alle Schrancken der Mögligkeit übersprenget / und die Gesetze der Mäßigkeit in Koth tritt. Gleich wie aber die Laster ihre Heßligkeit selbst erkennen / und daher ihnen selbst stets die Larve der Tugend fürmachen; und niemand dem Unrechte so unverschämt beypflichtet: daß er selbtem nicht einen Mantel umgebe; also saan Cäsar Tag und Nacht auff einen Fürwand des Krieges. Solchen zu erlangen schickte er einen niedrigen und trotzigen Krieges-Bedienten zu diesem mächtigen Könige / und ließ ihn nicht so wol ersuchen / als befehlichen: daß er in das Sequanische Gebiete zu ihm kommen solte / und daselbst denen Beschwerden / die die Heduer und Sequaner wieder ihn hätten / abhelffen. Ariovist ließ den geringen Gesandten nicht für sich; sondern ließ Cäsarn melden: weil er sich nicht geringer als Cäsar schätzte / ließe es weder seine Königliche Hoheit / noch / weil er ohne ein mächtiges Heer zu reisen ihm anständig hielte / dieses aber ohne grosse Kosten nicht geschehen könte / die Liebe seiner Unterthanen nicht zu / einen so fernen Weg zu thun. Hätte Cäsar von ihm etwas zu begehren / verpflichtete ihn die Gewonheit der Völcker: daß er sich zu ihm bemühete; wiewol er nicht begreiffen könte: was sich Cäsar seiner Unterthanen der Sequaner / und seiner Lehns-Leute der fürlängst bezwungenen Heduer anzumassen hätte. Cäsar entbot Ariovisten alsbald hochmüthig zu: Es wäre eine Antwort dem gar unanständig / der sich um der Römer Freundschafft so embsig beworben / und von ihnen so viel Gutthat genossen hätte. Da er nun nicht als Feind wolte gehandelt werden / solte er über den Rhein keine Deutschen mehr in Gallien schicken / den Heduern / als Römischen Bundgenossen / die jährliche Schatzung nachlassen / ihnen ihre Geißel zurück senden; den Sequanern eben diß befehlen; denen Entwichenen / und insonderheit dem Divitiak ihre Güter einräumen; und: daß er weder ein noch andern Gallier mehr bekriegen wolte / Bürgen stellen. Ariovist lachte zu diesem unverschämten Zumuthen / und antwortete Cäsarn: Sieger pflegten wol Besiegten / nicht aber einer seines gleichen Gesetze fürzuschreiben. Rom hätte über ihn so wenig / als Ariovist über Rom zu gebieten; weniger ihr blosser Amptmann als Cäsar wäre. Dem Römischen Rath aber berichtete er Cäsars Zunöthigung /und daß er in Gallien geruffen worden; die Heduer durchs Kriegs-Recht erobert / aus blosser Gutwilligkeit gegen einer leidlichen Schatzung freygelassen hätte; also könte er nicht glauben: [992] daß Cäsar auff des Römischen Raths Befehl ihm sein Recht abzwingen /und ihre Freundschafft zertrennen solte. Wolten sie aber sich an ihn reiben; müste er mit seinen Deutschen / derer Handwerck ohne diß der Krieg wäre /und die schon vierzehn Jahr unter freyem Himmel geschlaffen / nur Gewalt mit Gewalt ablehnen. Der Römische Rath konte Cäsars Beginnen nicht billichen; ja / weil kurtz hierauff nach Rom verlautete: daß Cäsar in Ariovistens Gebiete feindlich eingefallen wäre; riethen Bibulus / Cato / Lucius Domitius / Cicero / Rabirius und Metellus: man solte den unruhigen Kopff Cäsarn / welcher ohne diß nicht mit Willen des Raths / sondern durch Unterschlieff / und das Vatinische Gesetze Galliens Verwaltung an sich gezogen hätte /wegen unrechtmäßigen Krieges Ariovisten zur Straffe lieffern. Seine Freunde / und das Absehen auf das in seinen Händen stehende Hefft der Kriegs-Macht milderte es so weit: daß Cäsarn allein dieser Krieg verboten ward. Aber Cäsar hatte schon der Sequaner zwar wegen des sie fast gar umströmenden Flusses Alduasdubis / und einer natürlichen Berg-Mauer feste / aber unbesetzte Stadt Vesontio überrumpelt; Daher schrieb er nach Rom: das Spiel wäre schon / wiewol anfangs durch Ariovisten / angefangen; welcher auffs neue zwantzig tausend Haruden aus Deutschland bey der Stadt Arborosa zu höchster Gefahr der Segusianer eingesetzt / und durch sie von den Heduern die alte Schatzung erprest hätte. So hätten ihm auch die Trevirer Kummer-hafft geklagt: daß Ariovistens Vettern Nasua und Cimber mit hundert tausend Catten bey ihnen einzubrechen am Rheine fertig stünden. Also würde bey längerer Nachsicht nicht nur das Narbonische Gallien / sondern Italien selbst abermahls dieser unbändigen Völcker Raub werden.

Inzwischen kam das Geschrey nach Vesontio: daß König Ariovist mit einem mächtigen Heere im Anzuge wäre; die Fürsten Nasua und Cimber aber mit einem nicht geringern den Römern auflauerten. Wie nun die Heduer und andern Gallier der Alemänner Grösse und Streitbarkeit / derer Angesichter sie nicht einst hätten vertragen können / heraus striechen; in dem wie der Mittag dem kalten Saturnus / der die Menschen tieffsinnig machte / also der kalte Nord dem feurigen Kriegs-Gotte unterworffen wäre / und durch die eusserliche Kälte die innerliche Hitze beysammen hielte; kam die Römer eine solche Furcht an: daß die Edlen aus allerhand Fürwand / und insonderheit / weil der Römische Rath den Krieg wieder die Deutschen nie beliebt / Ariovist nichts verbrochen hätte / und eines unrechten Krieges Ausschlag nichts als Verterben seyn könte / das Läger verliessen; die aus Noth oder Scham zurück bleibenden aber sich weibischer Thränen nicht enthalten konten / und ihren letzten Willen versiegelten; die vernünfftigsten ihre Zagheit mit der gefährlichen Reise / dicken Wäldern /und Abgang der Lebens-Mittel verkleideten; ja endlich die zitternden Kriegs-Knechte ihren Obern nicht mehr gehorsamten. Ob nun wol Cäsar durch allerhand Schein / und fürnehmlich: daß der Rath ihm über vier Legionen auff fünff Jahr lang die Verwaltung anvertrauet; also wieder wen er zu kriegen für Recht und rathsam hielte / heimgestellt / Ariovist zwar noch keine thätliche Feindschafft wieder Rom verübt; aber / wie aus seiner verweigerten Unterredung leicht zu schlüssen wäre / Gall und Gifft im Hertzen gekocht /und durch sein Mißtrauen seine Beleidigung erkennet / ja durch sein blosses Aussenbleiben einen Römischen Feldherrn zu sehr beschimpfft / und Rom beleidiget hätte / sein Beginnen zu rechtfertigen; seinem Heere aber dadurch ein Hertz einzureden versuchte: daß die von ihnen überwundenen Helvetier mehrmahls denen Alemännern obgesiegt hätten; die Gallier aber bey der Stadt Amagetrobia von dem lange eingeschlossenen und bey nahe zur Verzweifelung gebrachten Ariovist mehr durch Arglist als [993] Tapfferkeit geschlagen worden wären; seine Unterthanen ihm wegen seiner Grausamkeit gram / die Nachbarn wegen besagter Unterdrückung heimlich feind / die Deutschen im fechten grossen theils nackt / die Römer gewaffnet wären; jene im Grimm / diese mit Vernunfft ihren Feind antasteten / und ihre grosse Leiber zu Empfahung / der Römer geschickte Glieder aber zu Beybringung der Wunden geschickter wären; so hörten sie ihn doch mit tauben Ohren / und gefrornem Hertzen; also: daß er theils die / auff welche er ein so grosses Vertrauen setzte / zu großmüthiger Entschlüssung mehr entzündete / theils die als furchtsam ihnen nachgesetzten durch Scham zu Leistung ihrer Pflicht brächte /sich verlauten ließ: Er wolte mit der einigen zehenden Legion Ariovisten die Stirne bieten / und entweder den Sieg erwerben / oder das Leben einbißen. Alles dieses aber hätte nicht vermocht denen / die schon ein Hasen-Hertz im Busem hatten / Bezeugungen der Löwen einzureden; weñ nicht der Verräther seines Vaterlandes Divitiak mit zwölff tausend Bojen / Liseus mit so viel Heduern / Divico mit zwantzig tausend Helvetiern / welchen die Alemänner in ihrem Vaterlande keinen Sitz hatten einräumen wollen / Cavarin mit dreyßig tausend Leuzern / Lingonen und Semnonern Cäsarn zu Hülffe kommen wären; ja auch Divitiak ihn versichert hätte: daß er einen der fürnehmsten Kriegs-Obersten des Königs Ariovists durch die Liebe seiner Tochter derogestalt gefässelt hätte: daß er wieder sie kein Glied regen / ja ihnen vielmehr selbst den Sieg in die Hände spielen würde. So wäre auch Ariovistens eigener Bruder Adolf in die gefangene Tochter Orgetorichs Theudelinda so sehr verliebet: daß er sie zu einem bequemen Werckzeuge seines Sieges gebrauchen könte. Uber diß wären ihm in diesen Ländern / ja in den tieffsten Wildnüßen alle Fußsteige und Löcher so bekandt: daß ihnen leicht niemand unversehens über den Hals kommen könte. Mit dieser versammleten Macht rückte Cäsar /Divitiaks Wegweisung nach / Ariovisten entgegen; welcher den siebenden Tag bey Näherung beyder Heere Cäsarn wissen ließ: Er wäre nun dar / entweder durch Unterredung den Frieden zu unterhalten / oder durch den Degen den unrechtmäßigen Einfall abzulehnen. Cäsar / ob er wol keine Eintracht / sondern alleine den Krieg im Schilde führte / beliebte in der Mitte beyder Heere auf einem in einer Fläche liegenden Hügel eine Zusammenkunfft / Ariovist nahm um keinem dem andern an Treu und Tapfferkeit nachzusetzen / zu seiner Versicherung zehn aus so viel ihm gehorchenden Völckern erlesene Ritter / Cäsar aber so viel Römer / die er alle aus der zehenden Legion auslaaß und zu Pferde setzte / zu sich; er stellte aber aus Mißtrauen zwey hundert Schritte hinter einen Hügel selbige gantze Legion. Wie nun Cäsar bey der Zusammenkunfft sich zwar über der herrlichen Gestalt Ariovistens verwunderte; Gleichwol aber seinen vorigen Anmuthungen etwas abzunehmen ihm verkleinerlich hielt; hingegen König Ariovist sich auf seine Hoheit und Recht / und daß er die ihn daselbst zum ersten mit Kriege antastenden Gallier durchs Kriegs-Recht bezwungen / theils die ihn zum Schutzherrn freywillig erkiesenden sich ihm unterworffen hätten / gründete. Dahero er seine Unterthanen so wenig / als die Römer die nur unter ihren Schirm genommenen / ihm könte abspenstig machen lassen. Wären die Heduer der Römer Bundsgenossen gewest; hätten sie selbte von seiner Beleidigung abhalten sollen; und wäre ihm nicht unbekandt: daß selbiger Bund mehr in Worten als Wercken bestanden / beyde Völcker auch ihre Freundschafft vielmahl an Nagel gehenckt hätten. Es wäre genung: daß er der Römer den Heduern heimlich geleistete Hülffe für keinen Friedens-Bruch auffgenommen; also könte er ohne seine Verkleinerung mehr Unrecht nicht verschmertzen; und da Cäsar nicht [994] sein Gebiete räumte / ihm anders nicht als einem Feinde begegnen; mit dessen Blute er in Rom viel Freundschafften erwerben und besiegeln würde. Welche Stadt ohne diß mehr seine nicht bürgerliche Gewalt einzuziehen / als auf Erweiterung des Reiches vorzusinnen hätte / und wol verstünde: daß durch Vergrösserung ein Reich nicht allezeit mächtiger / sondern wie ein Schiff durch übermäßige Grösse unbeweglich würde; und was man nicht umarmen könte / schwer zu behalten wäre. Aber Cäsar hatte hierzu taube Ohren / und verfiel in die seltzamen Gedancken: daß weil Quintus Fabius lange für Ariovisten den Arverner und Rutener König Bituit geschlagen hätte; wäre den Römern für ihm ein Vorrecht über Gallien zugewachsen. Daher beyde mit grösserm Eyver von sammen schieden; und der Fürwand des Friedens sich in offenbaren Krieg erledigte. Gleichwol aber trauete Cäsar ihm nicht zu sonder Arglist mit Ariovisten anzubinden; sondern schickte auf Einrathen Divitiaks einen Fürsten des Narbonischen Galliens Cajus Valerius Procillus / dessen Vater Cajus Valerius Cabur wegen Verkauffung seines Vaterlandes vom Cajus Valerius Flaccus das Römische Bürger-Recht erworben hatte / und den Marcus Mettius / welchem an Ariovistens Hofe grosse Ehre wiederfahren / und der gleichsam für einen vom Hause gehalten worden war / an Ariovisten ab / zwar unter dem Vorwand einen Vertrag zu versuchen / in Wahrheit aber Siwalden durch Divitiaks Schreiben / darinnen er ihm für Verrathung seines Herren und Königes seine Tochter zur Eh und Belohnung versprach; des Königs eigenen Bruder Adolff aber / durch Anreitzung Theudelindens / Orgetorichs Tochter; welche um ihren Vater aus der Dienstbarkeit zu erretten / in des geilen Julius Willen hatte willigen müssen / zur Untreue zu verleiten. Denn nach dem die Laster wie Ketten an einander hängen; oder ein boßhaffter Mensch / der einmahl in Fall gerathen / sich selbst nicht mehr hemmen kan; so verlernete Theudelinde nach verlohrner Keuschheit auch alle andere Tugenden; schrieb also dem Fürsten Adolff: Er solte nunmehr die Betheurung seiner unverfälschten Liebe im Wercke bezeugen; und nach dem zeither Ariovist der einige Verhinderer ihrer Vergnügung gewest wäre / denen Römern den Sieg helffen zuspielen; als unter welcher Schatten sie ihrer süssen Liebe nicht ohne Glantz der Ehre würden genüßen können. Also ist die Geilheit eine rechte Zaubergerthe der Circe / welche die Menschen in grausamste Raub-Thiere verwandelt; und die Pforte zum Pfule aller andern Laster. Procillus und Mettius brachten den Heerführer Siwald durch seine blinde Liebe leicht in das Garn der Verrätherey; zu dem Fürsten Adolff aber lieff ein Helvetier über / und berichtete ihn: daß Cäsar mit der in Manns-Tracht dem Läger folgenden Lisanue in einem Zelt schlieffe / sich in einer Sänffte tragen ließe / und beyde wie Mann und Weib zusammen lebten. Uber diß hätte er von einem Phönicischen Kauffmann zu Maßilien für zwölff tausend Sestertier zwey Schnuren Perlen gekaufft / derer eine er der Servilia seiner heimlichen Buhlschafft nach Rom geschickt / die andere Theudelinden verehret. Wie nun Procillus auch dem Fürsten Adolff an Puls fühlete / und bald von Lisanuen / bald von der Gütigkeit Cäsars / von Glückseligkeit der Römischen Bundgenossen / viel zu sagen wuste / der schlaue Adolff aber die Hefftigkeit seiner Liebe / die Härte seines Bruders Ariovistens gegen ihm berührte /um den Procillus desto mehr auszuholen / überreichte er ihm ein Schreiben von Theudelinden; und nach dem dieser es ohne einige Veränderung des Gesichtes schier durchlesen hatte / brach er unvernünfftig heraus: Cäsar wäre entschlossen ihn zum Könige über die Alemänner zu machen; da er ihm zum Siege wieder Ariovisten verhelffen [995] würde. Hiermit konte sich Adolff länger nicht enthalten; sondern redete den Procillus mit ernsthaffter Gebehrdung an: Verräther! ist es nicht genung: daß du und dein Vater dein Vaterland verkaufft? giebstu noch einen Kupler des Hurenbalgs Theudelindens ab? Meinestu: daß Cäsars Kebs-Weib einem deutschen Fürsten zur Gemahlin wol tauge? und trauestu dir wol zu mich nicht nur zum Verräther Deutschlandes / sondern auch zum Bruder-Mörder zu machen? Adolff befahl auch alsbald den Procillus in Hafft zu nehmen / gieng zum Könige / erzehlte ihm des Procillus Anmuthen / und bestärckte es durch das Schreiben Theudelindens; in welchem sie Adolffen fürmahlete: daß sie ohne Ariovistens Untergang ihrer Liebe nicht genüssen; mit selbtem aber er zugleich den Alemannischen Reichs-Stab in die Hand bekommen könte. Ariovist ward hierüber so erbittert: daß er den Procillus und Mettius in Band und Eisen schlagen; ihre Bedienten aber in das Römische Läger sicher bringen ließ. Ob nun wol Cäsar durch einen andern Gesandten solches für eine Verletzung des Völcker-Rechts / welches die Gesandten für heilig und unversehrlich hielte / auffnahm / und mit Dreuen ihre Erledigung suchte; so antwortete doch Ariovist: das Recht seiner selbst eigenen Beschirmung wieder Verräther und Meuchel-Mörder wäre viel älter / als die Freyheit der Gesandten; darunter diese nicht wäre: daß sie ohne Gefahr den Untergang eines Fürsten suchen möchten; zu welchem sie sich unter dem Schein angezielter Friedenshandlung einspieleten. Auskundschaffer und Verräther hörten den Augenblick / als sie wieder das natürliche Recht etwas anfiengen / auf Gesandten zu seyn. Und da das Völker-Recht erlaubte wieder die Feinde eigene Rache auszuüben; lieffe wieder die Vernunfft: daß man einem wieder die viel ärgeren Verräther und Meuchelmörder die Gewalt Urthel und Recht zu hegen / benehmen wolte. Ariovist brach auch noch selbigen Tag auf; und schlug sein Läger zwey tausend Schritte unter einem Berge neben dem Flusse Alduadubis / wo er sich mit dem Allius vereinbart; zwey tausend Schritte hinter Cäsars zwey verschantzten Lägern; umb ihm die von denen Sequanern und Heduern zukommende Lebens-Mittel abzuschneiden. Aus welcher Ursache / und weil seine Wahrsagerinnen ihm wiederriethen: daß er für dem neuen Monden nach Art der Spartaner / welche nicht für dem Voll-Monden ihr Heer ins Feld führten / mit dem Feinde nicht schlagen wolte / er denn fünff Tage sein Heer innen hielt / nur aber täglich durch die tapfferen Ritter Baden / Artenberg und Fryburg mit sechs tausend außerlesenen Reutern / und so viel hinten auff die Pferde genommenen Fuß-Knechten / welche beym Anfall von Pferden sprungen / und zu Fuße ihren Feind antasteten; hierauff / wenn es nöthig schien /sich wieder auff die Pferde schwungen / oder auch sich mit einer Hand an den Meyn der Pferde anhielten / und selbten gleiche lieffen / den Römern und Galliern grossen Schaden zufügte / und daher den wegen verhinderter Zufuhre bekümmerten Cäsar nöthigte; daß er etliche Tage nach einander sein Heer / wiewol vergebens / in Schlacht-Ordnung stellte / auch eines seiner Läger zurücke fortrücken muste. Wie nun den siebenden Tag Cäsar gegen den Abend sein Heer wieder in die Läger führte / fiel Hertzog Adolff / die Grafen Habspurg / Kyburg / Ebersberg / Solms und Falckenstein mit dreyssig tausend Mann das kleinere Läger der Römer / in welcher zwey Legionen und zwantzig tausend Gallier unter dem Divitiak waren /so grimmig an: daß nach Erlegung beyder Römischen Obersten und Verwundung Divitiaks / wenn nicht der verrätherische Siwald mit Fleiß die zehende Legion mit sechs tausend Lingonen hätte durch / und in das bestürmte Läger kommen lassen / selbtes unzweiffelbar erobert [996] worden wäre. Wie aber Cäsar mit diesen mächtigen Entsatz selbst dahin kam / muste Fürst Adolff mit seinen durch langes Stürmen abgematteten Kriegs-Leuten sich nur zurücke ziehen / und das schon eroberte eine Thor mit grossem Unwillen verlassen. Cäsar / welcher wol sahe: daß nichts / als eine Schlacht die Römer aus so grosser Gefahr erretten könte; auch besorgte: daß aus Siwalds Versehen endlich die Verrätherey gemuthmast werden dörffte /führte den dritten Tag sein Kriegs-Heer in einer dreyfachen Schlacht-Ordnung biß unter das deutsche Läger; welches den von vorigen glücklichen Streichen allzuvermessenen König Ariovist / ungeachtet es Hertzog Adolff und andere Fürsten beweglich wiederriethen / und die Wahrsagerinnen ihnen hierüber die Haare ausraufften / also das Kriegs-Volck wegen angedeuteten Unglücks nicht wenig bestürtzt machten /bewegte: daß er sein Heer zur Schlacht aus dem Läger führte. In die Mitte stellte er die Marckmänner / und die von dem Fichtelberge biß an die Donau wohnenden Haruder unter dem Grafen Salm des Tongrischen Hertzog Kolengs Brudern / der Ariovistens Tochter Klotilde zur Eh hatte; welchem / als Kriegs-Obersten / die Grafen Habspurg / Eberstein / Sultz / Leuchtenberg und Nellenburg an der Hand stunden. In rechten Flügel kamen zu stehen / die zwischen dem Kocher /Necker und dem Meyn angesessenen Seduscer / und acht tausend Catten / unter den Grafen Löwenberg /Lupf / Sultzbach / Dagsberg und Zeringen; in lincken die über dem Rheine wohnenden Tribozer / Vangionen und Nemeter / unter den Grafen Pfyrt / Brigantz /Arberg / Eichheim / Dockenburg und Rangweil. Bey iedem Hauffen waren zehn tausend Alemänner. Den ersten führte Ariovist / und der Herudische Lehns-Fürst Gundomar; den andern Hertzog Adolff / und ein Cattischer Fürst Erpach / dessen Schwester Ariovist zur Eh hatte; den dritten Siwald und Dornberg / Ariovistens Oberster Stallmeister. Hinter das Kriegs-Heer machte er eine Wagenburg / in der alles Geräthe und Frauen-Zimmer / welches mit gefaltenen Händen das Kriegs-Volck ersuchte: Es möchte sie nicht in Römische Dienstbarkeit verfallen lassen / verwahret / auch zugleich die Gelegenheit auszureissen verschränckt ward. Daselbst standen noch zehn tausend Alemänner unter Ariovistens Schwester Sohne dem Fürsten Teck / welcher den Tecktosagen zu gebieten hatte / zum Hinterhalt. Auff der Römischen Seiten hatte hingegen Cäsar mit allem Fleiße sich gegen den lincken Flügel und den Verräther Siwald / den Labienus Divitiak und der Lingonen Hertzog dem Könige Ariovist /Hertzog Adolfen / den Cotta / Decimus Brutus / und der Leutzer Fürsten entgegen gestellet / dem Publius Craßus aber die Reuterey anvertraut. Die Schlacht fieng mit gröster Verbitterung beyder Theile an / und dauerte mit fast verzweiffelter Hartnäckigkeit drey Stunden lang / sonder ein oder des andern Theiles Vortheil. Denn ob wol die voran gestellten Gallier dort und dar in Unordnung gebracht wurden; so verhinderten doch die hinter ihnen stehenden Römer ihre Flucht / und traten mit grosser Hertzhafftigkeit in die Lücke. Hingegen / ob wol Siwald durch allerhand wiedrige Anordnungen die Seinigen irre machte; so ersetzte doch Dornbergs Tapfferkeit und kluge Anstalt seines Führers Gebrechen; oder vielmehr Boßheit. Hierauff aber brach Hertzog Adolf mit seinem rechten Flügel gegen den Cotta und Brutus so gewaltig ein: daß diese in gäntzliche Verwirrung geriethen. Denn ob wohl die Römer durch eine Krieges-List diesem Fürsten ein Bein unterzuschlagen vermeinten; Da sie nehmlich einen starcken Jüngling zu Pferde gesetzt / demselben des Fürsten Orgetorichs Helm mit einem gekrönten See-Hunde hatten [997] auffsetzen / in den Schild aber ein Venus-Bild mahlen lassen / welche mit einem Fusse auff einen sich empor windenden Drachen / mit dem andern auf eine Himmels-Kugel trat / um welches zu lesen war: Liebe ist stärcker als Neid und Ehrsucht; Da denn ieden Wortes erster Buchstabe mit Gold und grösser gemahlt war / daß der Lisanue Nahmen so viel leichter ins Gesichte fallen könte; so hatte doch bey ihm die Eyversucht gegen Cäsarn alle Funcken der Liebe vertilget; und opfferte sein grimmiges Schwerdt die vermeinte Lisanue seiner grimmigen Rache auff. Cotta ward vom Grafen Kalb / Brutus vom Lützelstein verwundet; der Ritter Werdenberg / Cilien und Leuningen eroberten drey Fahnen; ja der gantze Römische lincke Flügel ward biß an das grosse Läger getrieben. Ariovistus hatte in der Mitte schon auch durch den Grafen Hanau einen Römischen Adler gewonnen / und den von dem Ritter Sarwerden verwundeten Labienus so ins Gedrange bracht: daß seine Ordnung auf allen Seiten zu wancken anfieng. So bald Siwald dieses inne ward / befahl er: daß die Helffte seines lincken Flügels sich des Römischen kleinern Lägers bemächtigen / und also dem bereit flüchtigen Feinde die Entkommung über den Strom Alduasdubis abschneiden solte. Er gab selbst dem Pferde die Sporne / und enblöste den gantzen lincken Flügel aller Reuterey. Und nach dem er sein Volck ohne Wiederstand in das mit Fleiß unbesetzte Römische Läger zum Plündern gebracht / gieng er selbst mit etlich hundert Pferden zum Feinde über. Also ward der hertzhaffte Dornberg vom Cäsar umringet; uñ nachdem er nach empfangenen vielen Wunden nebst den Rittern Rheinfeld / Rappersweil / Verlingen / Beutelsbach / Susenberg / Nidow / Witgenstein / Sonnenberg / Veldentz und Isenburg todt blieb / der lincke deutsche Flügel zertrennet. Bey dieser Gelegenheit kriegte Publius Craßus Lufft: daß er mit fünff tausend Reutern dem Cotta und Brutus zu Hülffe kam / also den Römischen lincken Flügel nicht allein wieder zu Stande; sondern auch / weil der verrätherische Siwald unter dem Scheine ihm zubringender Hülffe den tapffern Fürsten Adolff mit einem Wurff-Spiesse tödtete / und Erpach vom Craßus zu Boden gerennt ward / die andern Kriegs-Obersten Dachau / Egensheim / Zeringen / Urach / Waldburg /Klingenberg / Burgdorf / Braunfels / Leuchtenberg und Wittelsbach nach hertzhaffter Gegenwehre auch umkamen / diesen gantzen Flügel in voller Verwirrung biß an die Wagenburg trieb. Alldieweil nun der Fürst Teck / die Grafen Andey / Thaley / Schyr /Moßbach / Rietenberg und Löwenstein mit ihren zum Hinterhalt gelassenẽ Alemännern dem deutschen lincken Flügel wieder Cäsarn zu Hülffe kommen waren /und also daselbst alles bloß stand / ergriffen Ariovistens zwey Gemahlinnen / nehmlich Hatta des Cattischen Hertzogs Arabar / und Ermildis König Vocions Tochter / wie auch Klotilde Salms Gemahlin / und Ariovistens seine zwey unvermählte Töchter Eunöe und Metha mit dreytausend andern edlen Frauen die in der Wagenburg zur Verwahrung gelassenen Waffen; fielen die dem flüchtigen rechten Flügel in den Eisen liegende Römer so verzweiffelt an: daß sie mit Hülffe derer herzu rennenden Ritter Randeck / Abensberg / Hitpoltstein / Schaumburg / Orlemund / und Honstein die Deutschen wieder zum Stande brachten /und daselbst das Treffen noch zwey Stunden währte. Endlich aber wurden beyde Gemahlinnen Ariovistens durchstochen / Metha von Pferden zertreten / Eunöe /welche für Müdigkeit den Degen nicht mehr halten konte / wie auch nach Verlust dreyer Pferde der Hertzog Teck / Graff Haßban / Görtz / Waltey / Simmern / Bogen / Kyrburg / Spanheim / Pfulendorff / und Heiligenberg gefangen; und also beyde Flügel zu weichen gezwungen / [998] iedoch Klotilde von ihrem sich fast verzweiffelt durchschlagenden Ehherrn gerettet. Ariovist behielt nur noch seinen erstẽ Stand / welcher mit eigener Hand zehn Gallier / und darunter Divitiaks Sohn /wie auch fünff Römer erlegt hatte. Weil aber er auf beyden Seiten bloß stand / und Craßus auf einer /Quintus Titurius Sabinus auf der andern Seiten mit der Reuterey einbrachen / hierunter auch die Grafen Wertheim / Zweybrück / Lengfeld / Ror / Büburg /Julbach / Pleßenburg / Sinßheim / Schildach / Wandelburg / Dilling / Seyn / Keßelberg / und Thierstein erlegt wurden / beginnte die Schlacht-Ordnung nun auch zu zerreissen. Gleichwol aber wolte Ariovist lieber sterben als fliehen. Worüber er mit seinen hundert Alemännischen auff seinen Leib bestellten Grafen /welche der Graf Fürstenberg / Hohenloh / Henneberg / und Zimbern führten / derogestalt ins Gedrange: daß er eine halbe Stunde lang von seinem Heere gantz abgesondert fechten muste / und vier Pferde verlohr / die ihm Nothhafft / Werdenberg / Wildenstein / und Justingen vier tapfere Ritter mit Verlust ihres Lebens darreichten; Endlich aber brachen die Ritter Wolckenstein / und Heydeck mit zwey tausend Pferden durch; und brachten / iedoch mit Verlust der Ritter Beilstein / Ranßbergs / Schwabecks / Achalms / Druchburgs /Mindelheims / Weißenhorns / Bitsches / und vieler tapfferer Helden beyderseits den König zu seinem weichenden Heere; welchem er ja endlich auff bewegliches Zureden der Seinen die Wagenburg öffnen ließ / und mit der itzt anbrechenden Nacht den Römern wiewol ohne offenbare Flucht / und mit stets gekehrtem Antlitze und beharrender Gegenwehr das Feld räumte / und sich an das Vogesische Gebürge gegen die Brunnen des Flusses Lugnon setzte; allwo er von seinem Heere funffzig tausend Mann / ungeachtet die Römer noch dreyßig darzu setzen / mißte; am meisten aber seine zwey Gemahlinnen / Töchter und Bruder beklagte / und seinen Weg durch der Rauracker Aecker zurück über den Rhein setzte. Wiewol ihm nun die Römische Reuterey biß an selbigen Fluß folgte; geschahe es doch mehr zur Ruhmräthigkeit / als daß sie Ariovisten in seinem Hertzen anzutasten entschlossen waren. Bey welchem Verfolg ein Marckmännischer Ritter mit hundert Pferden an einem Furthe tausend Römische Reuter drey Stunden lang aufhielt / und von Ariovisten deßhalben den Zunahmen Wolfarthshausen; der Ritter aber / der der Gallier fürnehmstes Kriegs-Zeichen noch davon brachte / den Zunahmen Rothfahn bekam. Die meisten gebliebenen Deutschen waren die / welche auf Siwalds Verleitung das Römische Läger plünderten / und unter der Last ihrer Beute das Leben oder die Freyheit verlohren; wiewol sie sich noch grossen theils zu hunderten in einen Kreiß zusammen stellten / mit ihren Schilden gleichsam eine Mauer um sich machten / und theils dem Feinde ihr Leben theuer verkaufften / theils auch sich zu den ihrigen durchschlugen; und also auff Seiten der Römer und Gallier nicht weniger Todten als auf der Deutschen Seite zu zehlen waren. Daher auch Cäsar / und weil er vernahm: daß die zwey Cattischen Fürsten Nasua und Cimber mit hundert tausend Catten über den Rhein setzten und denen Römern die Stirne bieten wolten / nicht alleine mitten im Sommer sein abgemattetes Heer bey den Sequanern zur Winter-Rast einlegte / er aber am Po zwey neue Legionen / und durch die in Gallien gewonnene Beute die Gemüther der Römischen Bürger warb; sondern auch /weil er vom Labienus vernahm: daß die Gallier des Römischen Jochs schon überdrüßig waren; und insonderheit die im Belgischen Gallien wohnenden Völcker gegen so mächtige und verdächtige Nachbarn starcke Kriegs-Rüstung anstellten / und er derogestalt mit zweyen mächtigen Feinden sich zu verwickeln nicht rathsam [999] hielt / Ariovisten einen Frieden antragen ließ.

Weil nun inzwischen der Cherusker Hertzog Aembrich mit der Catten Hertzoge Arabarn in Krieg gerathen war / also nicht nur Fürst Nasua und Cimber mit ihrem Heere zurück beruffen wurden; die Ubier denen Catten auch bereit ins Land gefallen waren; über diß Ariovist sahe: daß er in den einheimischen Krieg würde eingeflochten werden; hatte er wenig Bedencken den angebotenen Frieden mit Cäsarn auff die Bedingung zu schlüssen: daß er alleine des Rechtes auff die Sequaner und Heduer sich verzeihen; alles übrige / was er in Gallien biß an das Vogesische Gebürge gehabt / behalten / und die Gefangenen gegen einander ausgewechselt werden solten. Alles ward auch vollzogen; ausser: daß Cäsar / welcher alle Tage neue Buhlschafften suchte / und mit dem ersten Anblicke sich in die gefangene Eunde verliebt hatte / sie in Italien vertuschte; welche er hernach durch tausend Erfindungen zu seiner Liebe bewegte / endlich sie dem Mauritanischen Könige Bogud verheyrathete. Uber diß verneuerte Cäsar mit Hertzog Aembrichen sein Bündnüß / um den in Deutschland entglimmenden Bürger-Krieg so viel mehr zur Flamme zu bringen. Denen Heduern halff er wieder zu der alten Hoheit über die Gallier; hingegen drückte er die Sequaner / welche vorher jenen lange Zeit die Wage gehalten / und endlich durch der Deutschen Hülffe den Meister gespielet hatten. Ob auch wol Fürst Tasget die an der Ligeris gelegene Stadt Genab und die darum wohnenden Carnuter / Procillus die Caducker /Cingetorich die Trevirer / Comius die Atrebater / Ollovico die Nitiobriger / und mehr andere ihre Lands-Leute aus Ehrgeitz und Eigennutz zu der Römischen Dienstbarkeit verleiteten; so wurden doch allen andern Galliern die Rhemer für gezogen / den Heduern fast gleiche geschätzet; weil sie durch ihre drey Fürsten den Iccius / Antebrog / und Vertiscus bald nach Ariovistens Niederlage sich auf Treu und Glauben Cäsarn untergaben; also: daß fast alle andere Celtische und Aquitanische Gallier / die wegen alter Feindschafft mit den Heduern keine Gemeinschafft hatten / nunmehr sich des Schirms der Rhemer bedienten.

Inzwischen kam zu Cäsars mercklichem Vortheil in Deutschland die Krieg-Flamme wieder zu Schwunge. Denn ob wol Aembrich nach überwundenem Cattischen Hertzoge Arabar seine Feld-Hauptmannschafft über die Quaden befestigte; so waren doch seine allzugrossen Siege die Ursache ihm grösserer zuwachsenden Nöthen. Er verliebte sich bey so wol gelungenen Streichen in sein Glücke: daß er weder seinem Uberwinden / noch seiner Rache ein Ziel setzte; da doch das Glücke niemahls weniger / als bey Vermengung der Waffen die Farbe hält. Wie nun derogestalt Hertzog Aembrich / ungeachtet des Britannischen Königs Caßibellin / ja selbst des Hermundurischen Fürsten Brito beweglicher Vorschrifft / unerbittlich war Arabarn ein Theil seiner Länder wieder einzuräumen; ja er nicht allein auf der ihm Tag und Nacht in Ohren liegender Druyden unabsetzliches Anhalten ihnen alle vorhin gewiedmete Eichwälder bey den Catten und Vangionen einräumete / sondern auch eben diese dem Fürsten Brito / welcher doch zu seinen Siegen ein grosses beygetragen hatte / anspracht; die Barden und Eubagen aber allenthalben drückte und vertrieb; lud er deßwegen nicht allein des halben Deutschland Haß auf sich; sondern auch die / welche denen Druyden beypflichteten / und denen Catten keinen andern Fürsten ihres Geblütes fürsetzen sahen / fasten einen Argwohn: daß Aembrich über gantz Deutschland eine unverschränckte Gewalt zu erlangen im Schilde führte. Gleichwol aber hielt die Furcht für dem in Deutschland und Gallien so sieghafften Uberwinder alle Schwerdter in der Scheide; [1000] und ihre Ungedult muste sich allein mit heimlichen Seuffzern abkühlen. Die Druyden wurden hierbey übermüthig / und wüteten wieder die Barden und Eubagen mit Schwerdt und Feuer. Die Cheruskischen Befehlhaber entsetzten nicht nur die / welche Arabarn angehangen / ihrer Stamm-Güter; sondern sie zähleten auch die unter die Aufrührer / derer Vermögen sie in die Augen stach. Wiewol nun der Feld-Herr Aembrich von diesen Bedrängnüßen wenig wuste; so ward doch dem Fürsten alle Schuld nicht anders / als der verfinsterten Sonne Mißwachs und Kranckheiten zugeschrieben. Insonderheit fiel die Beschwer wieder Terbaln einen Marcomannischen Edelmann / welchem Hertzog Aembrich die gantze Kriegs-Macht mit der Gewalt Krieg zu führen / Frieden und Bündnüße zu schlüssen / mit denen Uberwundenen nach eigner Willkühr zu gebahren anvertrauet hatte. Denn dieser mäßigte sein Thun nicht nach den Schrancken eines Dieners; sondern um den ihm anvertrauten Kreiß eines Fürsten zu erfüllen drehte er alles oberste zu unterste. Hertzog Zeno fieng an: Er hielte es für den grösten Fehler eines Fürsten; wenn er einem Diener so Treu und Glauben-verdienet er gleich wäre / das Hefft seiner Herrschafft / und diß / was einen zum Fürsten macht /in die Hand gäbe. Denn / nach dem die oberste Gewalt so wenig unvermindert in zweyen Häuptern / als die Erleuchtung der Welt in zweyen Sonnen bestehen könte / machte ein solcher Fürst sich zum Leibeigenen seines Knechtes. Dieser aber züge die Gemüther der Unterthanen an sich / versteckte für dem Fürsten alle Reichs-Geschäffte; und brauchte sich desselbten nur als eines Schattens; welcher seinen Glantz mehr sichtbar machte. Unter dem Scheine süsser Ruh sperrete er ihn in den Kercker der Ziergärte ein; und kein Mensch dörffte sich erkühnen bey ihm Verhör zu suchen / kein anderer Diener ihn einiges Irrthums zu erinnern. Fremde Gesandten verehreten täglich die Thür-Schwelle eines so mächtigen Knechtes; und vergässen dabey dem Königlichen Stule die geringste Ehrerbietung zu erzeigen. Der Fürst verliebte sich selbst so unmäßig in diesen unächtigen Fürsten; wie ein geiler Ehmann in sein Kebs-Weib. Da doch dieser / ie grösser und stärcker er wird / seine Zuneigung vom Fürsten / wie der erstarrende Eppich die Aeste von dem Stamme / daran er sich bey seiner Schwäche gehalten / abzeucht / entweder aus Beysorge: daß sein annahender Fall ihn nicht zu Bodem reisse; oder aus Haß: weil er durch übermäßige Wolthaten sein Feind worden. Und daher ihn anfangs bey seinem Volcke vergället; hernach wohl gar den Degen gegen ihm gezücket. Diesemnach denn ein Fürst auch die blossen Eitelkeiten / welche ihm zugeeignet wären / mit seinem Diener nicht gemein machen solte. Denn der Fürsten Ehre würde nichts minder durch gleiche Ehrerbietung der Heuchler; als das grosse Auge der Welt durch aus lauter Dünsten bestehende Neben-Sonnen verstellet. Fürst Malovend gab dem Zeno alsofort Beyfall; und erzehlte ferner: Der Unwillen erwuchs hierüber nicht nur bey dem gedrückten Adel / sondern auch bey dem unbesonnenen Pöfel / welcher weder künftige Gefahr wahrni t / noch seine Gemüths-Regungen lange verbergen kan; also: daß solche alsofort in einen Auffstand ausschlugen. Wiewol nun dieser ohne ein taugliches Haupt erregte Schwarm zeitlich gedämpfft ward; so war doch denẽ Häuptern Deutschlands ihr Argwohn uñ Mißgunst gegen den Feldherrn Aembrich nicht zu benehmen; sonderlich: da des Königs Ariovist / des Hermundurischen und Longobardischen Hertzogs bewegliche Bitte für ihren vertriebenen Vetter Arabar so gar nichts [1001] fruchtete / sondern seine Länder und Würden der Ubier Hertzoge eingeräumet wurden. Die zwey übergangenen Cattischen Fürsten Nasua und Cimber zohen Hertzog Aembrichs Beginnen nicht für eine Bestraffung des Fürsten Arabar / sondern für eine gäntzliche Unterdruckung des Cattischen Hauses an / welches iederzeit mit dem Cheruskischen um das Alterthum und die Hoheit gestritten hätte. Und weil sie so viel trübe Wolcken sich gegen den Feldherrn Aembrich zusammen ziehen sahen / wurden sie schlüßig ihnen mit dem Degen Recht zu verhelffen / und das Cattische Hauß in den alten Glantz zu erheben. Sie hatten zeither dem Spiele in Deutschland mehr zugesehen / als sich eingemischt / und die unter ihren Fahnen stehenden Catten zu dem besti ten Einbruche in Gallien fertig gehalten. Nunmehr aber schlugen sie loß / und brachen in Hoffnung der Cherusker Macht zu zertheilen und so viel mehr Anhang zu bekommen / an zweyen Orten in des Hertzogen Aembrichs Gebiete ein. Caßibellin der Britannier Hertzog sammlete auch ein mächtiges Heer / um selbtes an der Emse dem Hertzoge Arabar seinem Eydame zu Dienste wieder die Cherusker auszusetzen. Es verliebte sich aber des Königs Sohn Segonach zu Hertzog Aembrichs grossem Glücke in seines Bruders / des Eburonischen Hertzogs / Cativulck Tochter; welcher denn / wie wenig Zuneigung er gleich zum Fürsten Segonach trug; ihn mit langweiligen Heyraths-Bedingungen auf- und also den Einfall in Deutschland zurück hielt; endlich aber / als Caßibellin die Wiedereinsetzung seines Eydams Arabars bey denen Catten mit einzuschlüssen verlangte / des Fürsten Heyraths-Unterhandlung auf einmahl abbrach. Weil nun derogestalt Nasua und Cimber auf beyden Seiten bloß standen / hingegen Hertzog Aembrich den Nasua / der Ubier Hertzog Cimbern mit grosser Krieges-Macht auff den Halß drungen; musten sie nach ziemlichem Verlust unverrichteter Sachẽ zurücke weichen. König Caßibellin in Britannien / und Friedlev /der Cimbern Hertzog / verbanden sich hierauf zwar wieder Aembrichen auffs neue; jener / weil er durch den Cattivulck sich und seinen Sohn geäffet zu seyn klagte; dieser / weil Gotar der Svioner König wieder die Hirren und Estier seine Kriegs-Macht übergeschifft hatte. Alleine der Feldherr verband ihm den Hertzog der Chautzen / welche des Caßibellins Anlendung mit tapfferer Gegenwehr verhinderten; und nach dem er theils durch Sturm / theils durch Unerfahrenheit der Schiffs-Leute / welche mit vielen Schiffen auf den Chauzischen Sandbäncken bey der Epp sitzen blieben / einen grossen Schaden gelitten / unverrichteter Sache zurück segeln muste. Der tapffere König Friedlev nahm zwar öffentlich nicht die Sache des Fürsten Arabars auf sich; weil die meisten Fürsten Deutschlands endlich seine Verstossung gebilliget hatten; sondern er beschwerte sich alleine: daß Aembrich Sarmatische Hülffs-Völcker in Deutschland geführet; und ungeachtet sich wieder ihn kein Feind sehen liesse; Arabar / Nasua und Cimber auch aus Deutschland vertrieben wären / er dennoch seiner befreundeten Fürsten der Varinen / Angeln / Cavionen /Chamaver und Angrivarier Länder mit schweren Besatzungen plagte; derer Treue gegen das Cheruskische Hauß keine solche Bürde / ihr Nothstand aber sein Mitleiden verdiente. Wie nun Aembrich als Feldherr ihm in Deutschland in dem / was er zu Versicherung des Reichs angezielt meinte / nichts vorschreiben lassen / also die Besatzungen nicht abführen wolte / kam es zu öffentlichem Kriege. Alleine das Verhängnüß /oder die abergläubische Ausdeutung zufälliger Dinge wahrsagte dem hertzhafften Friedlev einen traurigen Ausgang des Krieges; in dem er mit seinem Pferde des Nachts in einen tieffen Graben stürtzte; darinnen das Pferd um / er aber allererst nach zweyen Tagen wieder zu [1002] seinem Verstande und Sprache kam. Denn ob wol das leichtgläubige Volck zufällige und natürliche Begebenheiten ins gemein für nachdenckliche Zeichen annimmt; gleich als wenn Fürsten nicht allein über den Staub des gemeinen Volckes / sondern auch über Zufälle und Schwachheiten erhoben wären; so ist doch nicht gäntzlich zu verwerffen: daß die göttliche Fürsorge mehrmahls die Menschen durch ungemeine Begebenheiten für Schaden warnige / und zur Vorsicht aufmuntere. Der Ausgang machte dieses mahl die Auslegung wahr. Denn der sonst so kluge Friedlev hatte in diesem Kriege weder Stern noch Glücke. Die vernünfftigsten Rathschläge giengen den Krebsgang; und denen hurtigsten Entschlüssungen hieb die Natur oder ein Zufall einen Span ein. Gleichen Unstern hatten auch die zwey Cattischen Fürsten Nasua und Cimber; welche bey dieser Gelegenheit mit zweyen neuen Heeren in Deutschland einbrachen. Nasua ward von Terbaln einem Marckmännischen Edelmanne / dem Aembrich seiner Kriegs-Wissenschafft halber eines seiner Krieges-Heere anvertrauet hatte / als er über die Elbe zu den Marsingen und Osen dringen / und von dem Könige der Dacier Decebaln Hülffe an sich ziehen wolte / geschlagen. Wiewol er sich gleichwol wieder erholte / und biß zu denen Jazygen durchbrach / allwo der ihm nachfolgende Terbal durch Hunger und Kranckheiten sein gantzes Heer / Nasua aber sein Leben einbüste. Der kühne Fürst Cimber / nach dem er die Cherusker durch öfftere Einfälle abgemattet hatte / kam auch frühzeitig durch eine gifftige Seuche ins Grab. König Friedlev aber verfiel mit dem Feldherrn Aembrich unter dem Semannischen Walde in eine blutige Schlacht / in welcher die Cherusker zweymahl zum Weichen gedrungen wurden / gleichwol aber endlich durch die Tapfferkeit ihres Fürsten den Sieg erhielten. Diesem Verluste folgte eine neue Niederlage der bey den Lygiern eingesessenen Cimbern /welche Terbal so gar über die Peucinischen Gräntzen verfolgte; Der Cimbrische König aber ward von dreyen mächtigen Heeren des Aembrichs in die Gräntzen seines Gebietes zwischen den grossen und Codanischen Meere getrieben; allwo der Donner zu einem neuen Schrecken seiner drey und zwantzig Vorfahren auffgerichtete Gedächtnüß-Säulen auf den Bodem warff und zerschmetterte. Welcher Zufall nicht wenig zu einem Frieden zwischen den Cheruskern und Cimbern halff; durch welchen Aembrich sich nichts minder in der Welt in grosses Ansehen; als in Deutschland seine Macht auf festen Fuß setzte.

Der Rauch von dieser Krieges-Flamme verdüsterte die Augen der Deutschen derogestalt: daß sie nicht sahen / was mit denen Römern in Gallien ihnen für eine gefährliche Nachbarschafft zuhieng; und was über ihre Lands-Leute im Belgischen Gallien für ein Gewitter aufzoh. Denn die Belgen / welche meist alle aus Deutschland dahin kommen waren / und die alten Gallier vertrieben hatten / sahen wol: daß der herrschsüchtige Cäsar nach überwundenen Galliern auch sie antasten würde; zumahl er über vorige sechs / noch zwey Legionen in dem nunmehr willig dienenden Gallien werben / und aus denen überwundenen Galliern die hurtigsten Jünglinge zu Hülffs-Völckern ausmustern und unterstecken ließ. Boduognat der tapffern Nervier Hertzog am Flusse Sabis / welcher wie die Catten und nach dem Beyspiele der Locrenser / und dem Gesetze ihres Zalevcus in sein Gebiete keinen fremden Kauffmann / weniger Wein / Gewürtze / Balsam / oder einige zur Uppigkeit dienende Wahren kommen ließ / und der mit dem deutschen Uhrsprunge auch die Liebe der Feryheit behielt / war der erste /der nicht allein auf allen Fall sich in Kriegs-Verfassung stellte; sondern auch den Hertzog der Bellovaken / welche von ihren alten Bundsverwandten [1003] den Heduern sich in Römischen Schutz zu geben beredet werden wolten / und den Hertzog Galba der Svessoner / welche die Rhemer zu gleichmäßiger Dienstbarkeit zu verleiten vermeinten / wieder auf bessere Gedancken und zu einem gemeinen Bündnüße für die Freyheit brachte. Diese uñ kein ander Absehen verknüpfte alle einander vormals oft wiedrige zwischen der Maaß und dem Rheine wohnenden Deutschen / nemlich die Condruser / Eburoner / Cereser und Pämaner; wie auch die Mornier / Atrebaler / Ambianer / Menapier / Caleter / Velocasser und Veromanduer. Denn die güldne Freyheit ist nirgends / als in Deutschland zu Hause; bey andern Völckern reiset sie nur durch / oder wo sie nicht gar eine Fremdlingin ist / verkleidet sich die Dienstbarkeit nur in ihren Rock. Daher war auch niemand / der sich anderes Absehen oder Vortheil von Beschirmung dieses herrlichen Kleinodes abhalten ließ; weil sie wol wusten: daß selbtes nach einmahligem Verluste so wenig als die Jungfrauschafft wiederbringlich wäre. Diese zu ihrer Sicherheit angesehene Vereinigung verriethen die Senoner Cäsarn / und der Rhemer zwey Fürsten Iccius und Antebrog; machten ihm die Uberwindung der Deutschen / welche ohne diß diese Länder mit Unrecht besässen / gantz leichte; also: daß er die blosse Beysorge eines Uberfalls für eine erhebliche Ursache hielt die Belgen zu bekriegen. Divitiak gieng mit viertzig tausend Heduern und Galliern über die Seene / und verheerte mit Feuer und Schwerdt der Bellovaker Gebiete. Iccius und Antebrog fielen mit viertzig tausend Rhemern und Senonern den Svessonern ein; Cäsar aber folgte mit acht Legionen / und hundert tausend Galliern. Hiermit grieffen die Belgen zu denen abgenöthigten Waffen / und machten der Svessoner Hertzog Galba wegen seiner Gerechtigkeit und Klugheit zu ihrem Feldherrn. Weil nun der Bellovaken Hertzog mit seinem Kriegs-Volcke zu dem allgemeinen Heere gestossen war / hausete Divitiak nach Belieben; Galba aber begegnete denen zur Dienstbarkeit nicht nur gebohrnen / sondern auch nun zu ihrem Werckzeuge gebrauchten Galliern bey Minaticum derogestalt: daß Fürst Antebrog mit zwantzig tausend Mann auff dem Platze blieb / zehn tausend gefangen wurden / und Iccius mit Noth sich nach Bibrach flüchtete. In dieser ward er von den Belgen belägert /und nun fast zur Ubergabe gebracht; als inzwischen Cäsar von dem Flusse Axona mit seinem gantzen Heere ankam / die Brücke bey Murenna durch den Titurius Sabinus besetzte / den Belägerten aber tausend Numidische Reuter / zwey tausend Cretensische Bogenschützen / und so viel Balearische Schleuderer zuschickte / welche durch die Rhemischen Wegweiser um Mitternacht glücklich in Bibrach gebracht wurden; worvon Hertzog Galba ohne diß schon gegen Cäsars Läger abgezogen war / und nur zwölff tausend Svessoner zur Belägerung hinterlassen hatte; Nach erlangtem Entsatz zohen die Belägerer zwar ab; iedoch verwüsteten sie das Rhemische Gebiete um den Römern die Lebens-Mittel zu vermindern. Galba / Boduognat / und die andern Fürsten setzten sich hierauff für Cäsars Läger / welches er mit vielen Bollwercken / tieffen Gräben und Thürmen befestigte / und zu Lieferung einer Schlacht nicht zu bewegen war. Nach dem die Belgen auch über den allenthalben starck besetzten Fluß Axona sonder grossen Verlust nicht durchbrechen / noch Cäsarn die von denen Galliern auff allen Seiten zugeführten Lebens-Mittel abschneiden konten; über diß die Deutschen denen unter ihnen vermengten Galliern / von derer heimlichen Verständnüß allbereit nachdenckliche Muthmassungen sich ereigneten / nicht trauten / und die Bellovaken Divitiaks Einfall in ihr Land vernahmen; ward beschlossen sich zurück zu ziehen; und dem / welcher von Cäsarn am ersten würde angetastet werden / mit schleuniger[1004] Hülffe beyzuspringen. Cäsar wagte sich nicht aus Beysorge einer Kriegs-List die Belgen zu verfolgen; außer: daß Pedius und Cotta mit der Reuterey ein Theil des Trosses ereilte. Wie er aber des gäntzlichen Abzuges versichert war / und die einfältigen Trevirer sich nicht nur vom Iccius den Römern sich zu ergeben bereden liessen; sondern auch Cäsarn sechstausend wol ausgerüstete Reuter zu Hülfe schickten / rückte er über den Fluß Aesia / welchen des Galba mit Römischen Golde bestochener Kriegs-Oberster Sambom mit zehen tausend Mann zu beschirmen bestellt war /aber unter dem Fürwand eines erlangten Befehles schändlich verließ / in der Svessoner Land für die Stadt Novidun / in welcher des Galba zwey tapffere Söhne sich biß auf den letzten Bluts-Tropffen zu wehren entschlossen; ungeachtet die Belägerten mit Verwunderung anschauten / wie die Römer eine Menge beweglicher und die Stadt-Mauern weit überhöhender Thürme anschoben. Alleine die von Cäsarn und den Rhemern entweder bestochene oder verzagte Kriegs-Obersten brachten den furchtsamen Pöfel dahin: daß sie nicht nur dem Feinde die Thore öffneten / sondern auch des hertzhaften Galba zwey Söhne in Eisen schlugen / und sich mit ihnen in die Dienstbarkeit liefferten. Gleicher Meyneyd spielte auch die Haupt-Stadt der Bellovaker Bratuspantium Cäsarn in die Hände. Denn ob schon dieser Stadt Einwohner den Divitiak mit seinen Heduern aus dem Felde geschlagen / und ihn bey Rhotomagus über die Seene zu weichen gezwungen hatten / wuste doch der Verräther seines Vaterlandes Torgo die Einwohner durch seine Künste solcher Gestalt zu bethören: daß sie Cäsarn zwantzig tausend Schritte weit die Schlüssel der Stadt entgegen trugen / die Weiber und aufgeputzten Knaben ihren Feind mit Streuung Geblümes / und entgegen gestreckten Armen gleich als ihren Erlöser bewillko ten. Also setzet die Heucheley Räubern Kräntze von Lorbern / wie der Undanck ihren Wolthätern von Eiben Laube auf. Die Verrätherey aber weiß die Fessel der Dienstbarkeit so zu vergülden: daß die Bethörten sie ihnen selbst als köstliche Geschmeide mit Freuden an den Hals hängen. Auf diese Art ergaben sich auch die einfältigen Ambianen; welche in Gallien nichts minder die Liebe der Freyheit verlernet / als ihren deutschen Uhrsprung vergessen hatten. Die nichts minder scharffsichtigen / als tapfferen Bellovaken aber wolten weder des knechtischen Divitiaks Schmeichel-Worten trauen / noch dem Römischen Joche ihre Achseln unterwerffen. Daher fiel der gantze Schwall der Römischen und Gallischen Macht ihnen auf den Hals. Cäsar grieff sie an dem Flusse Phradis an. Weil sie nun ein viel zu schwacher Tamm waren den reissenden Strom der gantzen Römischen Macht aufzuhalten; hielten sie für besser das gewonnene Land als die Freyheit einzubüßen / und daher flüchteten sie sich übers Meer in Britannien /und zernichteten alles / was sie nicht mitnehmen kunten.

Wiewol nun so viel Untreue und Verrätherey die Belgen in höchste Verwirrung setzten; in dem fast niemand mehr einen treuen Lands-Mañ oder Todfeind zu unterscheiden wuste; ließ doch der tapffere Boduognat weder Hertze noch Hand sincken; dessen Vor-Eltern aus dem Fürstlichen Cattischen Geblüte auch die Nervier aus Deutschland an den Fluß Sabis gebracht /und wieder die Unterdrückung der Celten und Britannier mit Darsetzung ihres Blutes vertheidigt hatten. Dieser versetzte alle unwehrbare Weiber und Kinder zwischen die Sümpfe / stellte sich mit seinen Nerviern nebst etlichen tausend Atrebatern uñ Veromanduern an den Fluß Sabis in einen Wald; umzäunete die herum liegende Gegend mit dickẽ Hecken: daß keine Reuterey ihn leicht ausspüren konte. Wie nun Cäsar nicht weit darvon sich lagerte / und sein Heer in Befestigung des Lagers beschäfftiget war / fiel [1005] Hertzog Boduognat mit grosser Tapfferkeit und Geschwindigkeit an dreyen Orten seinen Feind an: daß Cäsar / ob er vor die Schlacht-Ordnung machen / oder den Haupt-Adler aufstecken / oder das Wort geben solte /nicht wuste / die Obersten ihre Federn / die Haupt-Leute ihre Helme nicht auffsetzen / die Fähnriche ihre Bären-Häute umzunehmen / die Kriegs-Knechte die Decken von Schilden abzunehmen nicht Zeit hatten; sondern ieder nicht seinem / sondern zu dem nechsten und besten Fahne zulauffen / und / wie es der Zufall traff / fechten muste. Die Atrebater / welche Graf Egmont führte / hatten zwar anfangs den härtsten Stand /und traffen auf die neundte und zehende Legion / als welche in Bereitschafft gestanden hatten / und von Cäsarn selbst angeführt wurden. Gleicher Gestalt machte Labienus mit der eilfften und achten Legion denen unter des Ritters Areschott Anführung streitenden Veromanduern nicht wenig zu schaffen; also: daß jene so gar über den Fluß / diese biß zwischen die Hecken zurück weichen musten. Alleine Fürst Boduognat traff wie ein Blitz auf Cäsars Vettern den Quintus Pedius / trieb ihn und die Römische Reuterey in die Flucht; machte sich alsofort auch an die zwölffte Legion / und der Ritter Croy an die siebende; wiewol der erste ein Theil der Nervier denen Atrebatern / der andere denen Veromanduern zu Hülffe schicken konte und beyde wieder zu rechtem Stande brachten. Ob nun wohl Cäsar der nunmehr vom Hertzoge Boduognat / der ihren Führer Sextius Baculus selbst durchstochen hatte / am meisten bedrängten zwölfften Legion selbst mit einem Kern der zehenden zu Hülffe kam / vom Pferde sprang / einem gemeinen Kriegs-Knechte den Schild vom Arme rieß / und sich gegen den /einem Löwen gleichfechtenden Boduognat hervor zückte; die Römer auch im Antlitze Cäsars so verzweiffelte Gegenwehr thaten: daß fast alle ihre Haupt-Leute todt blieben; so drang doch die Tapfferkeit der Nervier durch: daß der Ritter Brederode nach durchstochenem Fähnriche den Römischen Adler zu Boden rieß; und Cäsar selbst sich aus dem Staube machen /die zwölffte und siebende Legion auch mehr fliehen als weichen muste. Inzwischen hatte der Ritter Horn und Hochstraten die fast unzehlbaren Gallier in die Flucht bracht; und / nach dem die Hülffs-Völcker der Trevirer an statt des Gefechtes ohne Schwerdstreich sich nach Hause gewendet / stürmte und eroberte er das Läger / ungeachtet die darinnen gebliebenen zwey Legionen / wie auch die Cretensischen und Balearischen Schützen solches eusserst verfochten. Als nun diese sich durch zwey Pforten heraus drängten / wurden ihrer etliche tausend von denen grimmigen Uberwindern abgeschlachtet. Gegen die Atrebater und Veromanduer stand die Römische Schlacht-Ordnung zwar noch feste; iedoch konten sie es in die Länge gegen die erhitzten Deutschen nicht ausstehen. Denn wenn einer gleich fiel / trat ein ander bald in die Lücke: ja die Nervier trugen aus denen todten Leichen Berge zusammen / wormit sie von der Höhe mit ihren Waffen desto gewisser ihren Feind treffen konten. Wie nun die Römischen Kriegs-Häupter sahen: daß die meisten Gallier und die Reuterey entlauffen / vier Legionen grossen theils zernichtet waren / und es endlich um ihr gantzes Heer gethan seyn würde; flehten sie den Kayser an: er möchte dißmahl dem Glücke und denen verzweiffelten Deutschen aus dem Wege treten. Cäsarn schossen für Grimm hierüber die Thränen aus den Augen; und er wuste nicht vernünfftig zu entschlüssen: was er heilsamlich thun solte. Als er nun auf einer Höhe sich eine gute Weile nach einem sichern Orte seiner Zuflucht umgesehen hatte; ließ Labienus ihn wissen: daß Cotta hinterwerts einen Weg in der Nervier wol befestigtes aber schlecht besetztes Läger gefunden hätte. Worauff Cäsar ihm befahl sein eusserstes zu thun in selbtes einzubrechen. [1006] Er ließ alsofort auch die andern Adler gegen selbige Seite wenden; er aber bedeckte mit der zehenden Legion an einem engen Orte das übrige Heer so lange / biß Labienus Meister des feindlichen Lägers ward / die Uberbleibung der andern Legionen sich darein gezogen hatten / und er endlich nach empfangenen dreyen Wunden daselbst seine Sicherheit fand; also nach einem so blutigen Tage iedes Theil in dem feindlichen Läger ausruhete; keines aber selbige Nacht auf des andern Antastung / sondern nur auf die Beerdigung ihrer Todten / und Verbindung ihrer Wunden bedacht war. Denn auf beyden Theilen war kein hoher Kriegs-Oberster / ja auch selbst Fürst Boduognat nicht unbeschädigt; fünff Häupter der Römischen Legionen /Egmont / Areschot und Croy auf der Belgen Seite nebst vielen Kriegs-Obersten todt. Ob nun zwar auf der Römer und Gallier Seiten zweymahl so viel Volck / als auf der Belgen blieben war; so waren diese doch für sich selbst noch kaum halb so starck / als ihre Feinde; das eroberte Römische Läger nicht nach dem Vortheil der Deutschen Waffen befestigt; durch Verlust ihres Lägers ihnen der Vortheil des Flusses Sahis / und die Gelegenheit mehr Hülffs-Völcker an sich zu ziehen abgeschnitten. Uber diß brachten die Kundschaffter der Nervier noch selbige Nacht Gefangene ein / mit Schreiben vom Fürsten der Rhemer Vertiscus: daß er nicht allein mit zwantzig tausend Galliern / sondern auch Sergius Galba mit den in Illyricum gelegenen Legionen von sechstausend außerlesener Römischer Mannschafft im Anzuge wäre. Diese Zeitung bekümmerte den Hertzog Boduognat nicht wenig; insonderheit aber trug er Beysorge: daß selbte nicht unter seinem Heere ruchbar würde / und sie zu einer glimpflichen Flucht veranlassete. Gleichwol aber befahl er die im Römischen Lager eroberte beste Beute aufzupacken / und das gantze Heer auf folgenden Tag sich so wol zur Schlacht als zum Fortzuge fertig zu machen. Inzwischen kriegte Cäsar ebenfalls Kundschafft: daß dreyßig tausend streitbare Aduatiker /welche ein Theil von denen in Italien einbrechenden Cimbern waren / denen Nerviern zu Hülffe kämen. Welche Zeitung Cäsarn derogestalt schreckte: daß er dem schon zu nächtlicher Zurückweichung entschlossenem Boduognat einen Friedens-Vergleich anbieten ließ; der auch / weil iedem Feinde zwar seine / nicht aber seines Feindes Wunden bekandt waren / nach kurtzer Unterredung dahin geschlossen ward: daß die Nervier / Atrebater / und Veromanduer in ihrer Freyheit ohne einige Schatzung bleiben / hingegen sie Cäsars andern Feinden keine Hülffe leisten solten. Wiewol nun diese Völcker für sich nach gegenwärtigem Zustande einen vorträglichen Frieden erlangt zu haben schienen; so war selbter doch der gemeinen Wolfarth der Belgen überaus schädlich; und hatten die Nervier hiervon keinen andern Vortheil / als daß die Reye der Dienstbarkeit an sie zum letzten kommen würde. Sintemahl die Römer nicht so wol ihre Tugend / als der Mißverstand derer nicht zusammen haltender Völcker zu Meistern des Erdbodens gemacht hat. Denn wenn auch die tapffersten eintzelich kämpffen / werden alle nach und nach überwunden; und die beysammen stehenden Zwerge werden auch der einzelen Riesen mächtig. Welchen Fehler die Deutschen von dem untergedrückten Grichenlande längst hätten lernen sollen; dessen sämtliche Städte dardurch ihre Herrschafft eingebüst; weil eine iede herrschen wolte; indem sie nicht alleine selbst einander ein Bein unterzuschlagen und zu Kopffe zu wachsen bemüht waren; sondern auch lachende zusahen und die Hände in die Schoß legten; als die Macedonier und Römer bald dieser bald einer andern die Dienstbarkeit aufhalseten; biß sie endlich alle es ehe am Halse fühleten als sahen. Dieses Unglücke traff zum ersten die streitbaren Aduaticher; wieder [1007] welche die ansehnlich verstärckte gantze Macht der Römer anzoh. Die Nervier dorfften ihnen nicht helffen; die angräntzenden Nachtbarn aber wolten nicht. Denn theils waren ihnen nicht grün /weil sie sich mit Gewalt zwischen sie eingedrungen hatten; theils wolten sich in ihr Unglücke nicht einwickeln / welches leichter zum Erbarmen als zum Abhelffen bewegt. Weil es nun denen Aduatichern unmöglich schien der Römischen Macht im Felde zu begegnen / zohen sie alle streitbare Mannschafft in ihre auf der Höhe und fast um und um in Sümpffen liegende Haupt-Stadt Aduatuca zusammen. Denn wie es nicht klüglich gehandelt war alle Kräfften in eine Mauer einsperren / und dem Feinde das gantze Land zum Raube übergeben; also fand die Verrätherey auch mehr denn zu geschwinde einen Schlüssel zu dieser Festung; aus welcher von Anfang durch stete Ausfälle den Römern und Galliern empfindlicher Abbruch gethan ward. Vermund / der Aduaticher Hertzog / hatte zwey Söhne Huglet und Uffo verlassen; von denen der erstere die Herrschafft bekam; der andere aber des Piso / eines Fürsten im Aquitanischen Gallien Tochter / geheyrathet; und mit selbter der Druyden Gottesdienst angenommen hatte. Durch dieses Ehrsüchtige Weib brachte Divitiak den Fürsten Uffo unter der Versicherung: es würde Cäsar ihn seinem ältern Bruder fürziehen / und zum Lands-Fürsten machen /dahin; daß / als der Feind auf funffzehn tausend Schritte weit in einen mit vielen Bollwercken befestigten Wall die Stadt einschloß / und ungeheure Sturm-Thürme an die zweyfache Mauer anschob /Uffo diese Rüstungen / als Wercke der Götter / dem albern Pöfel fürstellte; und / ungeachtet Fürst Huglet nebst dem Adel das Volck zu standhaffter Gegenwehr ermahneten / selbtes beredete; daß sie ohne einige Bedingung die Waffen zum Zeichen ihrer Ergebung über die Mauer warffen; und / wie sehr gleich die Verständigern über dieser zaghafften Untreu fluchten / den Römern ein Thor einräumten. Eine solche Krafft hat die abergläubische Einbildung: daß sie den tapffersten Leuten nicht nur des Hertzen / sondern auch der Vernunfft beraubet. Wie nun hierauf Fürst Huglet bey Cäsarn vergebene Ansuchung thät / daß sie aus freywillig Ergebenen nicht zu Knechten gemacht / insonderheit aber ihnen wegen ihrer untreuen Nachbarschafft nicht die Schutzwehren ihres Lebens und Vermögens abgenommen werden möchten; brachte die Ungedult ihn und den zu den Waffen gebohrnen Adel / der mit derselben Benehmung sich auch seiner Männligkeit beraubt zu seyn schätzte / in solche Verzweiffelung: daß sie des Nachts mit einem Theile den Uffo überfielen / und mit seinem gantzen Hause zu gerechter Rache der Verrätherey erwürgten / mit dem andern die Römische Besatzung von dem eingeräumten Thore wegschlugen / und hierauf mit hellem Hauffen und verzweiffelter Grausamkeit das Römische Läger anfielen. Hertzog Huglet / weil er nichts hoffen konte / wolte doch auch an nichts verzweiffeln; und die eusserste Noth zwang dem ohne diß allem Ansehen nach verlohrnen Adel die eusserste Tapfferkeit ab; ja die / welche bey zweiffelhafftem Ausschlage ihre Waffen aus Furcht weggeworffen hatten / faßten aus der verzweiffelten Erkühnung ein Hertze; weil sie doch ihre Schuld schon mit in die Straffe verwickelt hätte. Weil nun die Finsternüß alle Ordnung / der unvermuthete Uberfall alle kluge Anstalt verhinderte; war dieses Treffen mehr einer viehischen Abschlachtung / als einer Schlacht ähnlich. Jeder erwürgte den /der ihm begegnete; weil weder der Grimm noch das Geräusche der Waffen erlaubte selbten als einen Feind oder Freund zu rechtfertigen. Diese blinde Raserey währte biß der Tag anbrach; da die Römer /welche so wol von ihren eigenen / als den feindlichen Schwertern unglaublichen Schaden erlitten hatten /[1008] die übrigen Aduatiker leicht übermanneten und zurück in die Stadt trieben. Nach dem nun Hertzog Huglet nebst dem Ritter Wachtendanck und Kulenburg zu der Römer höchsten Verwunderung kaum drey Schritte von Cäsars eigenem Zelte zwischen erlegten Feinden tod gefunden wurden / und die in der Stadt ohne ein Oberhaupt in zwistige Meynungen verfielen /die verbitterten Römer aber auf allen Seiten zu Sturme lieffen / erbrachen sie endlich den dritten Tag ein Thor / und hieben alle gewaffnete zu Bodem. Die unbewehrten aber wurden alle mit Weib und Kindern bey aufgesteckter Lantze dem / der das höchste Gebot thät / verkaufft.

Ob nun wol diese Niederlage in Gallien ein solches Schrecken verursachte: daß die an der eussersten West-Spitze am Britañischen Meere gelegenen Gallier dem Publius Craßus Geißel einliefferten / zohen doch die Moriner / Menapier und Bataver eine solche Kriegs-Macht an der Schelde zusammen Cäsarn den Kopff zu bieten: daß er sich an selbte zu reiben Bedencken trug; sondern sein Heer in Gallien hin und wieder vertheilte.

Als Cäsar derogestalt in Gallien den Meister spielte / verkehrte sich das Spiel in Deutschland gantz und gar. Der Feldherr Aembrich meinte nun nicht alle in alle seine Feinde gedämpft zu haben; also: daß wieder ihn niemand den Kopff empor zu heben sich unterwünden / oder mächtig genung seyn würde; sonderlich: weil er mit den mächtigen Römern ein festes Bündnüß gemacht / ja so gar seinen sechzehnjährigen Sohn Segimer mit tausend Edelleuten ihnen im Kriege zu dienen / oder vielmehr ihre Kriegs-Wissenschafft zu erlernen zugeschickt hatte. Weil es nun schwerer ist / der Glückseligkeit mäßig zu gebrauchen / als selbter gar entbehren können / entschloß er sich nunmehr die Druyden in alle vorhin besessene Eichwälder einzusetzen / und durch gewaffnete Hand solches in gantz Deutschland zu vollstrecken. Allein wie nichtig und eitel ist die Rechnung / in der man die Ziffern der Göttlichen Versehung aussen läst! Weil nun die Barden und Eubagen diß für den Anfang ihrer angezielten gäntzlichen Ausrottung anzohen; des Gottesdiensts Ancker aber niemahls gerühret werden kan: daß sie nicht das Schiff einer gantzen Herrschafft erschüttere; machte gantz Deutschland hierzu grosse Augen. In sonderheit beschwerte sich der um die Cherusker so wol verdiente Hermundurer Hertzog Bricon: daß der Feldherr Aembrich ihm hierdurch ans Hertz grieffe. Wie er aber diesen Schluß einmahl nicht abbitten konte; sondern Aembrich mit einem mächtigen Heere über die Saale / und Terbal mit einem andern bey denen Varinen und Eudosen einbrach; Grieff Briton uñ Siegbrand / der Longobarden Fürst / nicht allein zu den Waffen / sondern Gotart der Svioner König wolte diese Gelegenheit nicht versäumen sich an Hertzog Aembrichen zu rächen; weil dieser den Estiern wieder ihn ansehliche Hülffe geschickt / Terbal seine Gesandten von der Friedens-Handlung mit dem Könige Friedlev abgewiesen / ja seine Bluts-Freunde der Variner und Eudoser nichts minder / als Arabarn aus Deutschland vertrieben hatte. Er kam also mit einem ansehnlichen Heere bey denen Swardonen an / schlug die Cherusker aus dem der Hertha gewiedmeten Eylande / und dem gantzen Gebiete der Variner / Eudoser und Cavionen. Sintemahl sie durch Gotarts erstern hertzhafften Anfall / oder vielmehr durch eine ihnen von Gott eingejagte Furcht derogestalt erschreckt wurden: daß ihrer Kleinmuth keine Festung sicher zu hoffen schien. Weil nun auch König Gotart sein Kriegsvolck ohne einige Beschwerde der Einwohner unterhielt; welche die Cherusker vorher schier biß auffs Marck ausgemergelt hatten / gewann er die Gewogenheit des Volckes / und damit so viel Werckzeuge seiner Siege / als Menschen. Die Fürsten [1009] der Nuithoner und Sidiner sperrten ihm Thür und Thor auff. Wo auch gleich Terbal und andere Kriegs-Häupter des Feldherrn einigen Wiederstand thäten / gieng alles durch Sturm über; und das Verhängnüß selbst bähnete durch allerhand seltzame Zufälle Gotarn und seinem Heere unwegbare Klippen und Flüsse. Wiewol nun der Feldherr Aembrich in der Hermundurer Gebiete fast nach eigenem Wunsche gebahrte / die Hertzoge der Tencterer / Sicambrer / und Usipeter /welche den Druyden gleichfalls beypflichteten / den Cheruskern zu Hülffe kamen / und die schöne Stadt Calegia einäscherten; so zohen doch König Ariovist mit seinen Alemännern / die Hertzoge der Bruckerer und Longobarden nunmehr auch die Larve vom Gesichte / und machten mit dem Könige Gotarn ein Bündniß wieder den Feldherrn Aembrich; und die Catten streifften das ihnen vorhin angelegte Seil zugleich von den Hörnern / und rufften den vertriebenen Fürsten Arabar wieder ein. Beyde versamlete mächtigen Heere rückten unterhalb dem Gabretischen Gebürge gegen einander. Und ob wol die grosse Verbitterung in Bürgerlichen Kriegen die Menschen fast in reissende Wölffe verwandelt / so wolte doch der kluge Feldherr Aembrich / welcher noch von dem Hertzoge der Marckmänner und Lygier mehr Volck erwartete /sein Glücke nicht auf die Spitze einer Schlacht setzen. Hingegen setzte der Feind sich nicht weit von dem Läger in volle Schlacht-Ordnung. König Gothart führte den rechten / Ariovist und Hertzog Briton den lincken Flügel / der Longobarden und Variner Fürsten waren über die Reuterey / und der Bructerer zum Hinterhalte bestellt. Der Usipeter Hertzog nahm vier tausend Reuter um des Feindes Stärcke und Anstalt zu erforschen / verfiel aber auf den Variner Hertzog / und ward alsobald derogestalt umzüngelt: daß er dem Feldherren wissen ließ: Er traute ohne viertausend neue Reuter sich nicht durch den Feind zurücke zu schlagen. Wiewol nun der Feldherr mit Unwillen diese wiederrathene Vergehung vernahm; wolte er doch den Kern seiner Reuterey nicht im Stiche lassen; schickte also ihm Litoperten / den Fürsten der Fosen /mit noch viertausend außerlesenen Reutern zu Hülffe. Diesen aber gieng der Longobarben Hertzog nicht allein in Rücken / sondern durchstach den Litpert / und ward allen acht tausend Mann alle Mögligkeit sich zurücke zu ziehen abgeschnitten; der Feldherr aber gezwungen nunmehr sein gantzes Heer zur Schlacht aufzuführen; welcher Zwang einem schon den Sieg selbst halb abspricht. Er selbst traff mit seinen Cheruskern und Quaden auff den König Ariovist und den Hertzog Briton / brachte sie auch durch seine kluge Tapfferkeit zum weichen; Hingegen schlug König Gotart den Hertzog der Ubier mit seinem lincken Flügel; und weil von Anfang alsbald die Cheruskische Reuterey grossen Verlust erlitten hatte / ward der Tencterer Fürst mit der übrigen Reuterey auch in die Flucht bracht. Inzwischen kamen die Bructerer Ariovisten zu Hülffe wieder den streitbaren Aembrich; welcher wie ein Blitz allenthalben durchdrang. Nach dem aber die feindliche Reuterey auff beyden Seiten ihn anfiel / und er selbst so gefährliche drey Wunden bekam: daß er sich kaum mehr zu Pferde erhalten konte / muste er nur das Feld / und seinem Feinde einen herrlichen Sieg enträumen. Sintemahl allhier der Kern des Cheruskischen und Quadischen Adels / die Fürsten der Fosen und Usipeter mit zwantzig tausend Mann todt blieben / zehn tausend mit allem Kriegs-Geräthe gefangen wurden. Dieser Sieg war ein Werckzeug vieler andern. Denn weil die Barden und Eubagen König Gotarten für den Schutz-Gott ihrer Freyheit hielten / thäten sie ihm allen Vorschub selbte zu befestigen. Alle Kriegs-Macht der Cherusker ward vom Hertzog Briton aus dem Gebiete der Hermundurer [1010] vertrieben. Und weil die Bojen des Feldherrn Seite gehalten / brach er bey ihnen ein / und eroberte ein ansehnliches Theil mit der Haupt-Stadt Boviasinum. König Gotart gieng als ein Blitz durch gantz Deutschland / und zermalmete alles was ihm den Kopff bot. Der Catten Hertzog Arabar hob nun auch sein Haupt wieder empor; und fiel in der Usipeter und Tencterer Hertzogthüme; erlegte an dem Sieg-Strome den Fürsten Lilith / eroberte alle festen Plätze / und nöthigte diese zwey ansehnliche Völcker: daß sie für dem Grimme der rauen Catten sich über den Rhein zu flüchten schlüßig wurden. Zumahl ihnen von denen bedrängten Galliern Land und Unterhalt angeboten ward. Weil aber die Menapier mit den Catten in Bündnüß stunden / sich also von denen überkommenden Usipeten und Tencterern nichts gutes versahen; besetzten sie den Strom so starck: daß jene sich zwischen Thür und Angel sehende bey entfallender Macht durch List sich zu retten vorsiñen musten. Daher zohen sie drey Tage-Reisen weit zurücke; gleich als wenn sie bey verzweiffelter Uberkunfft bey denen Chaßuariern einbrechen wolten. So bald sie aber vernahmen: daß die Menapier ihre Besatzung vom Rheine weg geführt hatten / kamen sie mit unglaublicher Geschwindigkeit in einer einigen Nacht an solchen Fluß. Und weil im Unglücke die Noth kräfftiger / als menschliche Klugheit ist / kamen sie ehe über den Strom und den Menapiern auf den Hals / als sie von ihrer Rückkehr einige Nachricht erlangten; also: daß sie ihrer Wohnungen entsetzt / und ferner in Gallien ihren Auffenthalt zu suchen gezwungen wurden. Hingegen rückte Arabar zu den Ubiern; welche zwar bey voriger Zeit der Catten Zinßgeber gewest / von dem Feldherrn Aembrich aber nicht alleine hiervon befreyet / sondern auch über die Catten weit erhoben worden waren. Die Catten rügten mit Hülffe der Alemänner allhier ihr altes Recht / und behaupteten es mit der nachdrücklichsten Beredsamkeit / nemlich dem Degen. Weil der Feldherr Aembrich wieder den König Gatarten alle Hände voll zu Beschützung seiner Cherusker und Quaden zu thun / den Ubiern aber zu helffen weder Zeit noch Kräffte hatte; nahmen sie mehr rachgierig / als vorsichtig zu einem viel gefährlichern Feinde / nemlich den Römern Zuflucht / und baten Schutz wieder die Bedrängung der unerbittlichen Catten. Weil denn diese mit den Römern alles Gewerbe verboten / also ihren Haß wieder sie genungsam an Tag gegeben / die Ubier hingegen mit den Römischen Kauff-Leuten schon lange Zeit Gewerbe getrieben hatten / Cäsarn auch zu Ubersetzung des Römischen Heeres genungsame Schiffe anboten; hemmete nicht Cäsars Gemüths-Mäßigung / sondern nur allerhand wichtige Bedencken die augenblickliche Ausübung ihres Begehrens. Denn er überlegte: daß das Spiel in Gallien noch nicht ausgemacht / der Gallier Gemüther zur Wanckelmuth / wie ihre Lufft zum Winde geneigt; Die Deutschen aber das streitbarste Volck wären / mit welchem die Römer noch gekriegt hätten. Er besorgte zugleich: daß seine Einmischung in die deutschen Händel zwischen ihnen nur die Ein tracht befördern / und den Römern zweyerley Kriege über den Hals ziehen würde. Seine Herrschsucht hingegen hielt ihm ein: was für unsterblichen Ruhm es ihm bringen würde; wenn er / als der erste Römer /seine Siegs-Fahnen über den Rhein schwingen könte. Weil er aber ohne der Deutschen Beystand solches für unmöglich hielt / wäre nicht rathsam mit der Ubier Anerbieten eine so herrliche Gelegenheit aus den Händen zu lassen. Gallien würde ohne diß von den Deutschen nicht unbeunriget bleiben / als biß ihnen die Flügel verschnitten wären. Sintemahl die von den Usipetern und Tencterern vom Rheine vertriebene Menapier gleichsam in seinen Augen sich auff beyden [1011] Seiten der Maaß / wo vorhin nur ein geringer Theil ihrer Landes-Leute unter der Moriner und Bataver Schutz lebten / nunmehr festen Fuß gesetzt hätten; die des Römischen Jochs schon überdrüßige Trevirer aber mit denen Usipetern und Tencterern verdächtige Handlungen pflegten; ja nunmehr der Cheruskischen Freundschafft mit entfallendem Glücke vergässen /und in der Eburoner und Condruser Gebiete / derer Hertzog Cattivolck / des Aembrichs Bruder / mit Cäsarn sich verglichen hatte / täglich streifften. Hierzu kam: daß Cäsar fast schleuniger / als er ihm träumen lassen konte / die Veneter und die Armorischen Städte im eussersten Gallien am Britannischen Meere überwand. Daher entschloß er dem ihn gleichsam mit der Hand leitenden Glücke zu folgen / mit sechs Legionen wieder die Usipeter und Tencterer auffzuziehen / und sie wieder über den Rhein zu treiben. Er war nur noch zwey Tage-Reisen weit von ihren Gräntzen entfernet; als bey ihm eine Bothschafft ankam / und fürtrug: Die Deutschen wären zwar nicht gewohnt bey dem / der sich an sie nöthigte / um Friede zu bitten / am wenigsten aber die Usipeter und Tencterer / welche an Tapfferkeit keinem Volcke / ausser denen Catten / was bevor gäben. Jedoch kämen sie alleine Cäsarn zu erinnern: daß sie ihn mit nichts beleidiget / ihre Freundschafft auch den Römern mehr als der Krieg vorträglich seyn könte. Denn es wäre kein festeres Vorgebürge / als der benachbarten Fürsten Freundschafft; welche / wenn sie einmahl zerbrochen / so wenig als das Glaß zu ergäntzen wäre / sondern allezeit Ritze des Argwohns / und Narben des Verdachts behielte. Diese wolten sie sorgfältig unterhalten / wenn er sie das Land ruhig bewohnen ließe / welches sie aus Noth als Vertriebene ein- und denen ihm wenig holden Menapiern abgenommen hätten. Cäsar aber gab ihnen zur Antwort: Es hätte der / welcher seine Schwäche schon anderwerts sehen lassen / wenig Ursache gegen andere groß zu sprechen. Zwischen den Römern und ihnen wäre vergebens von Freundschafft zu reden / so lange sie in dem durch die Waffen eroberten Gallien / darauff die Römer schon für längst ein beständiges Recht erworben hätten / einen Fuß breit Erde zu behaupten vermeinten. Jedoch wolte er sie bey denen Ubiern /welche ohne diß Hülffe wieder die Catten / ihre gemeine Feinde / brauchten / und seinen Beystand gegen Einliefferung gewisser Geißel suchten / verbitten: daß sie sie in ihre Gemeinschafft aufnähmen / auch ihnen auskommentliche Aecker an dem Taunischen Gebürge zwischen dem Mayn / und dem Siege-Flusse einräumten. Die Gesandten erboten sich diesen Vorschlag /und die Cäsarn von fremdem Gute zu schencken nicht schwer ankommende Freygebigkeit denen Usipetern und Teneterern fürzutragen; ersuchten ihn auch nur drey Tage stille zu stehen. Alleine weil Cäsar allen Verzug nicht nur für einen Verlust der Zeit und des Sieges / sondern auch für eine Gefärthin des Zweiffels und der Furcht; ja für eine Unholdin der Tapfferkeit hielt / war keines von Cäsarn zu erbitten; sondern er befahl noch selbige Stunde: daß Galba mit einer Legion und der halben Reuterey etliche tausend / die über die Maaß und den Demer Fluß gesetzt hatten / zu verfolgen; er aber rückte gegen den Rhein gerade zu. Wie er nun kaum eine halbe Tage-Reise von ihnen war /begegnete ihm vorige Bothschafft; und erklärte sich: daß beyde Völcker erbötig wären zu den Ubiern zu ziehen; mit Bitte: Cäsar möchte so lange zurück halten / biß bey den Ubiern ihr Unterkommen eingerichtet wäre. Aber Cäsar behielt die weder durch Zwang noch Arglist auffhaltbaren Gesandten ohne Antwort bey sich; wiewol er Vertröstung that: [1012] daß er selbigen Tag weiter nicht / als biß an den Urte-Strom rücken wolte. Wie nun die Usipeter und Tencterer Nachricht kriegten: daß Galba bereit an der Maaß ihre Reuterey angetastet hätte / der Ritter Löwenstein aber / der mit acht hundert Pferden den Strom bewachte / mit anbrechendem Tage gewahr ward: daß Craßus / Piso und Virodich zwey Aquitanische Fürsten / welche für Verrathung ihres Vaterlandes vom Römischen Rathe mit dem Nahmen Römischer Freunde beehret wurden /des Nachts mit mehr als fünff tausend Pferden wieder Cäsars Versprechen über den Fluß gesetzt hatten; fiel er die Römische / wiewol siebenmahl stärckere Reuterey mit einer so grossen Hertzhafftigkeit an: daß sie selbte mit dem ersten Angriffe in Verwirrung / nach Verwundung des Virodichs und Erlegung des Piso /in die Flucht / die Helffte vom Leben zum Tode brachten; die überbleibenden aber über den Strom biß in Cäsars Läger verfolgten. Das gantze Römische Heer erzitterte über dieser schimpflichen Niederlage; alleine des Usipetischen Fürsten Mißtrauen gegen die Römer es auszudauern / verterbte nicht allein alle Frucht des ersten Sieges / sondern auch das gantze Spiel. Denn auch das beste Beginnen / wenn es nicht von der Hoffnung gestärckt und genähret wird / verschmachtet wie ein ungebohrnes Kind einer todten Mutter; und erlischt wie eine Ampel / welcher das Oel entgehet. Und der allerhertzhaffteste wird kleinmüthig / wenn er ihm gewiß einen übeln Ausschlag einbildet. Bey solcher Beschaffenheit verfiel der Usipeten Fürst in mittelmäßige / und also in die gefährlichsten Rathschläge; nehmlich / gegen Cäsarn das Treffen durch Irrthum zu entschuldigen / und seinen Grimm durch Zurückruffung der deutschen Reuterey zu miltern. Ihr Führer Lowenstein kam mit Verdruß ins deutsche Läger zurücke; und beklagte: daß man ihn zwar hätte siegen / aber seinen Sieg nicht brauchen lassen. Als er aber durch kein Einreden die Fürsten der Usipeter und Tencterer zu Verfolgung des Krieges bewegen konte; trug er aus Liebe seiner nunmehr zwischen Thür und Angel stehenden Lands-Leute sich selbst zu einem Söhn-Opffer an; ließ sich also für das gemeine Heyl /als einen Störer des gemeinen Heyles / welcher ohne seiner Obern Befehl die Gallier und Römer angetastet hätte / binden und Cäsarn zur Rache überlieffern. Ob nun wol beyde Fürsten sich ins Römische Läger einfunden / das ohne ihren Befehl gehaltene Treffen betheuerlich entschuldigten / und den Ritter Löwenstein zu ihrem Feg-Opffer übergaben; ließ sie doch Cäsar wieder der Völcker Recht in Band und Eisen schlüssen / das Läger der gantz sicheren Deutschen an dreyen Orten anfallen / und darinnen viel tausend unbewaffnete Weiber und Kinder hinrichten. Sintemahl die Männer nach einer hin und her zwischen den Wagen geleisteten tapfferen Gegenwehr mit Hülffe der Nacht sich meistentheils in einen nahen Wald versteckten /selbten verhieben / und sich endlich bey dem zusammenflüssenden Rheine und der Mosel zu denen Sicambrern flüchteten. Wiewol nun der Römische Rath die gefährliche Beleidigung der Deutschen Gesandtschafft verdammte / Cäsarn / um hierdurch die erzürnten Götter zu versöhnen / verfluchte / und viel Raths-Herren ihn den Deutschen zu eigener Bestraffung zu übergeben einriethen; so fragte doch der gewaffnete Cäsar wenig nach den gläsernen Donner-Keilen des zwistigen Rathes; sondern um eine Ursache vom Zaune zu brechen; wormit er in Deutschland einfallen könte / forderte er von den Sicambern mit vielen Dreuungen die Ausfolgung der zu ihnen entko ener Usipeter und Tencterer. Die Sicambrer aber antworteten Cäsarn: Die Usipeter und Tencterer [1013] hätten sich nicht allein unter ihren Schirm begeben; sondern sie wären auch ihre alte Freunde und Bundsgenossen; also könten sie ohne Schimpff und Untreu selbte ihren Feinden nicht auslieffern. Cäsar hätte wegen der den Römern zugethanen Heduer wieder den König Ariovist einen Krieg angehoben; wie möchte er denn denen Sicambern anmuthen: daß sie die sich unter ihren Schutz begebenen Anverwandten ausantworten solten? zumahl da die Usipeter nicht mit den Römern / sondern diese mit jenen zu erst angebunden hätten; in welchen Fällen die Gesetze der Natur / welche unter allen Menschen eine Verwandschafft stiffteten /und die Gewonheiten der Völcker einem ieden die Hülffs-Leistung auch mit seiner selbst eigenen Gefahr aufbürdeten. Sie könten zwar leiden: daß die Geflüchteten sich aus ihren Gräntzen erhieben; sie hätten auch gerne gesehen: wenn sie ihre Zuflucht anderwertshin genommen hätten; Nach dem aber das letzte nicht zu ändern / zum ersten aber die Bedrängten nicht zu zwingen wären / würde Cäsar ihnen nicht aufbürden denen nunmehr die Klauen zu zeigen / welche sich mit ihren Flügeln zu decken gesucht hätten. Cäsar solte bey sich selbst ermässen: ob er sich einer Botmäßigkeit über dem Rheine anzumassen befugt wäre; da er der Usipeter Niederlassung in einem Theile des von ihm noch nicht gantz bezwungenen Galliens für eine genungsame Ursache des Krieges gehalten. Ja es heischte nicht nur die Ehre der Deutschen / sondern auch die eigene Sicherheit: daß sie die Usipeter und Tencterer nicht gäntzlich vertilgen liessen / weil der Sicambrer Wolstand in dieser Völcker Erhaltung derogestalt eingeflochten wäre: daß wenn sie dieser Verterben mit müßigen Händen zuschauten / sie zugleich mit auf ihr Fallbret träten. Alleine der Ubier bewegliches Anhalten / und der Ehrgeitz / welcher zwischen der Tugend und der eussersten Boßheit kein Mittel weiß / verleitete Cäsarn: daß er sich weder in den Gräntzen Galliens / noch in den Schrancken der Billigkeit zu halten vermochte. Dannenher ließ er sein gantzes Heer in dem Gebiete der Condruser unterhalb dem Einflusse der Mosel aber über der Siege gegen dem Berge Rhetico aus dem Rheine drey starcke Ströme ableiten; um dem Flusse seine Tieffe und Stärcke zu benehmen; und / weil er überzuschiffen ihm weder anständig noch sicher hielt / eine höltzerne Brücke in zehn Tagen darüber legen. Denn er stieß die Pfäle mit keiner Ramme ein / sondern ließ derer bey iedem Joche immer zwey und zwey auf ieder Seite neben einander / und zwar nicht gerade hinab nach dem Bleymaße / sondern die Obersten gegen die untersten abwerts vom Strome biß in den Grund des Flusses /legte quer über zwischen die obersten Ende einen starcken Balcken / und verband dessen eusserste Vorgänge mit festen Riegeln; also: daß ie mehr selbiger Balcken beschwert ward / ie fester stunden die Pfäle im Wasser. Die Liebe der Freyheit und die gemeine Gefahr machte in wenig Tagen einen Vergleich und ein Bündniß mit gesammter Hand den Römern zu begegnen / zwischen denen vorhin zwistigen Catten und Sicambern. Wormit sie aber Cäsarn verleiten / und ihm den Rhein hinter dem Rücken abschneiden könten / wiechen sie beyde sechs Meil-Weges hinter sich. Die Ubier stiessen zwar hierauf mit ihren übrigen Kräfften zu den Römern / und Cäsar schickte sechstausend Ubische / drey tausend Römische / vier tausend Gallische / tausend Numidische Reuter / und fünff hundert Balearische Schützen die Catten auszuspähen; Aber sie traffen auf Arabars Sohn / den Fürsten Catumer / welcher vier tausend Reuter von Catten / tausend von denen Usipetern / und tausend Sicambrer führte; und die Römische Reuterey mit solchem Gri anfiel: daß sie nicht einst ihr Gesichte zu vertragen / weniger ihre Waffen zu erwarten wusten; sondern durch die schimpflichste Flucht gegen [1014] dem Rhein umkehrten; und etliche tausend im Stiche liessen. Cäsar ward über so schlimmen Anfange stutzend; sonderlich / da die Entkommenen nicht genung die Stärcke und Tapfferkeit der Catten zu rühmen wusten. Sintemahl die Furcht ohne diß alles vergrössert um dardurch seine Fehler zu vermindern. Daher ließ er bey verlautender Ankunfft der Deutschen / in Meynung: daß eines schwächern Heeres Abzug ohne erlittenen Abbruch einem Feldherrn Ehre genung / ja im Wercke so viel als ein Sieg wäre / den funffzehenden Tag nach seiner Uberkunfft aufpacken / und Tag und Nacht sein Heer zurücke über den Rhein gehen. Jedoch übereilten die Catten noch eine zur Besetzung der Brücke gelassene Legion / nebst etlichen tausend Ubiern und Galliern / die sie meistentheils in Stücken hieben / also sie mit vielen Strömen Blutes die Brände ihrer vom Feinde eingeäscherter Häuser ausleschten. Ja der Catten Uberfall geschahe so schnell: daß Cäsar Noth hatte die Brücke abzubrechen. Diese noch auf der rechten Seite des Rheins gebliebene Ubier musten als einheimische / und also verhastere Feinde hierauf das Bad ausgiessen / und entweder über die Klinge springen / oder sich der Catten Herrschafft unterwerffen. Denen aber / welche mit Cäsarn über den Rhein flohen / räumte er in der Condruser Gebiete unter dem Flusse Abrinca gewisse Aecker ein.

Cäsar hatte in seinen Gedancken schon gantz Deutschland überwunden; und daher hielt er alles für Verlust / was seiner unersättlichen Ehrsucht abgieng. Von seinem empfangenen Streiche aber er goß sich die Galle so sehr: daß er Tag und Nacht nachsaan diese Scharte auszuwetzen / und dardurch nicht so sehr die Freude der Deutschen / als seiner Wiedrigen in Rom zu versaltzen / oder vielmehr Gelegenheit zu einem neuen Kriege zu suchen / wormit er vom Römischen Rathe das Hefft so vieler Legionen aus den Händen zu geben nicht genöthiget würde. Sintemahl so wol Heerführer / als Kriegs-Leute lieber Sieg / als Friede wünschen; weil mit dem letztern jenen das Ansehen / diesen der Sold entfällt. Mit den Deutschen traute er es so bald nicht wieder zu wagen; weil seinem Heere nichts minder noch das Schrecken im Hertzen als die Narben auf den Gliedern waren. Zu seinem Fürhaben aber gaben ihm die in Britannien handelnden Kauff-Leute durch ihren Bericht eine andere Gelegenheit an die Hand: daß die Britannier mit einander in einem steten bürgerlichen Kriege lebten; und durch fast angebohrne Blutstürtzungen sich überaus geschwächt; ja den Fürsten Prasutag aus Verdacht: daß er den Venetern wieder Cäsarn mit denen dahin gesendeten Hülffs-Völckern nicht treulich beygestanden / ermordet hätten. Diese Nachricht erfrischte in dem Hertzen des von Cäsarn zum Fürsten der Atrebater gemachten Comius den alten Groll / den er gegen dem Britannischen Könige Caßibelin wegen versagter Tochter bißher getragen hatte. Seine Rachgier verkleidete sich alsofort in eine Staat-Klugheit /welche Cäsarn den ersten Vorschlag that in Britannien zu segeln; durch welchen Zug ihm nicht allein grosser Ruhm / sondern auch Rom eine nicht geringe Vergrösserung ihres Reichs / ohne sonderbare Schwerigkeit zuwachsen würde. Also wird von Räthen mehrmahls nicht allein häußliche Gramschafft mit dem Mantel des gemeinen besten bekleidet / sondern auch eigner Haß mit dem Glantze ihrer Treue /und rühmlicher Entschlüssungen ihres Fürsten beschönet. Cäsarn stärckte in seinem Fürnehmen auch die Bothschafft des Feldherrn Aembrich / welcher zwar mit den Catten in schwerem Kriege lag / dennoch die mächtigen Römer in Deutschland zu seinen Gehülffen nicht begehrte; besorgende: daß die Deutschen nicht von dem im trüben Wasser fischenden Cäsar / wie für Zeiten die Selevcier von Parthen / die Carier vom Cyrus / die Grichen [1015] vom Könige Philip /die Sicilier von Römern / unter dem Scheine der Hülffe / möchten um ihre Freyheit gebracht werden / oder er ihm doch mehr als die öffentlichen Feinde beschwerlich fallen. Zumahl wie für Alters Athen / also neulich Rom durch nichts mehr als durch ihre willfärtige Hülffs-Leistungen so hoch ans Bret kommen waren. Weil nun der Bundsgenossen entfernter / und ausser seinem eignen Lande geleistete Beystand der sicherste ist; Caßibellin aber iederzeit sich an die Catten gehenckt / und seinem Eydame Arabarn mehrmahls Hülffe geschickt hatte / hielt der Feldherr für rathsamer / sonder eigene Gefahr diesen Zugang den Catten abzuschneiden / und die denen Cheruskern allezeit zugethan gewesenen Usipeten Tencterer und Sicambrer aus dem Römischen Kriege zu wickeln / als mit selbter diesen grössern Abbruch zu thun. Wie nun Cäsar in Gallien alle Anstalt zu einer grossen Schiff-Flotte machte / die Catten aber hiervon Wind kriegten / warnigten sie nicht allein den König Caßibelin /sondern stiffteten auch die Moriner und Menapier an /nach Cäsars Uberfarth den Römern in Gallien einzufallen. Caßibelin ließ / so bald er vernahm: daß Volusenus mit etlichen Kriegs-Schiffen auf der Britannischen Küsten kreutzte / und Gelegenheit zum Anlenden suchte / den von Cäsarn zu ihm mit grossen Freundschaffts-Vertröstungen abgeschickten Comius /als einen Kundschaffter / in Verwahrung nehmen. Cäsar hatte hierauf mit dem unwilligen Meere und dem Winde den ersten Kampff; welche von denen acht und neunzig Schiffen bey nahe die Helffte zerstreuten / ein Theil derselben in den Abgrund versenckten / ein Theil auch auff die Morinischen Sand-Bäncke zurücke trieben / oder auf den Britannischen Klippen zerschmetterten. Wiewol auch Cäsar mit zwey Legionen anfangs in den Fluß Tamesis einzulauffen vermeinte / aber Sudwerts um das Cantische Vorgebürge getrieben ward / uñ an einem bergichten Meerstrande anzuländen bemüht war / so rennte doch Boudicea eine Heldenmässige Jungfrau des streitbaren Wakon Tochter und Königin selbigen Gebietes /(welche / wegen ihrer aus Verdacht begangenen Ehbruch enthaupteten Mutter ein Gelübde gethan hatte /nicht zu heyrathen) eilends dahin / und schoß eine solche Menge Pfeile auf die aussteigenden Römer: daß sie wieder zurücke in die Schiffe lauffen / und Cäsar ausser dem Geschoß Ancker werffen muste. Des Nachts segelte er mit der Helffte der Schiff-Flotte und fast aller Mannschafft acht Meilweges ferner gegen West / an ein flaches Ufer; lendete auch mit den Schiffen und vielen Nachen an / aber Boudicea eilte mit ihrer Reuterey daselbst hin; und ließ ihr Fuß-Volck gegen die zurückgelassenen und bald dar bald dort blinden Lermen machenden Schiffe stehen. Ob nun gleich die Römer mehr als zehnmahl am Ufer festen Fuß setzten; so schlug sie doch die großmüthige Boudicea allezeit mit grossem Verluste in den Schlam und das Meer zurücke; also: daß derer mehr als zwey tausend darinnen erstickten / und fast niemand mehr auff Befehl der Krieges-Obersten ansetzen wolte. Dessen ungeachtet wolte Cäsar hier lieber selbst umkommen / als mit Abweichung allen vorigen Ruhm verspielen. Daher befahl er dem / der den güldenen Adler der zehenden Legion führte: Er solte mit selbtem aus dem Schiffe springen; oder da er kein Hertz hätte / selbten gegen dem Ufer werffen / um zu schauen: Ob die Römer diß heilige Merckmahl ihres ewigen Reiches den Feinden verrätherisch in Händen lassen wolten. Wie nun der Fähnrich voran / Cäsar auch selbst nachsprang / drang sich alles mit Gewalt aus den Schiffen; und wenn schon die Vorgänger von Britanniern erlegt wurden / traten dennoch die nachfolgenden verzweiffelt an ihre Stelle. Weil auch gleich zwölff mit Reuterey verschlagene Schiffe Cäsarn zu Hülffe kamen / muste Boudicea / nach [1016] dem sie einen gantzen Tag mit acht tausend Mann leichten Reutern die Römische Macht aufgehalten hatte / Cäsarn die Anlendung enträumen. Ob nun wol achtzehn andere mit Reuterey beladene Schiffe aus Gallien Cäsarn folgten; so erregte sich doch ein neuer Sturm / und bey damahligem Vollmonden ward die Flut so ungewöhnlich groß: daß jene Schiffe abermahls zerstreuet / die an dem Strande zu kurtz angebundenen aber entweder eingesenckt / oder von den Wellen zerschlagen wurden. Cäsar lernte hierdurch: daß die Hertzhaftigkeit nicht allzeit die Mäß-Schnure unserer Siege und Glücks wären / ward also hierüber nicht wenig bekü ert / sonderlich als er vernahm: daß Bondicea sich in der Nähe verstärckte / und auf ihn loß zu gehen sich anschickte. Gleichwol ließ er Tag und Nacht an Befestigung des Lägers / und an Ausbesserung der zerschmetterten Schiffe arbeiten. Boudicea that inzwischen bey Erwartung des zum Sturm nöthigen Fuß-Volcks den Römern / welche auf Fütterung ausritten /täglich grossen Abbruch / endlich stürmte sie gar das Läger. Weil aber selbtes wegen der tieffen Gräben /grossen Bollwercke / vielen Thürme / und mangelnden Sturm-Zeuges / wie diese ihnen gantz neue Art der Befestigung bedorffte / allzuviel Volckes zu bedörffen schien / hielt sie als eine nicht weniger kluge Landes-Mutter / als eine großmüthige Heldin für rathsamer / den Feind nur ins Läger einzuschliessen / und durch Abschneidung aller Lebens-Mittel zum Abzuge zu nöthigen; denn durch unersätzliche Verschwendung vielen Menschen-Blutes den eitelen Ruhm einer verwegenen Eroberung zu erwerben. Cäsar kriegte hierauf Nachricht: daß König Caßibelin hätte den Comius auf einem Nachen an das Gallische Ufer führen /und daselbst aussetzen lassen; zugleich auch ein Schreiben: Darinnen der König seine Bestraffung selbst heimstellte; weil er durch unrechtmäßige Bestechungen seine Diener verleiten / seine Geheimnüße auskundschafften / seine Unterthanen zu Aufruhre bewegen wollen; und dardurch nicht weniger das Recht der Völcker verletzt / als sein heiliges Amt verunehret hätte. Cäsar lachte zwar hierzu; und sagte: Bothschaffter wären die fürnehmsten Kundschaffter / und einen andern über den Stock stossen ihr Handwerck; gleichwol aber brauchte er die Loßlassung des Comius zu einem scheinbaren Vorwandte seiner Bestillung. Wie nun das ungestüme Meer sich nur etlicher massen besänfftigte; gieng er um Mitternacht in aller Stille zu Schiffe / und zwar mit grossem Verlust der Schiffe und Volckes; segelte aber mit keinem andern Gewinn zurücke / als daß die Römer Britannien gesehen hatten; und lieff theils in dem Iccischen Hafen /theils in dem Munde des Flusses Cancius zu Lutomagus ein.

Cäsar aber fand Gallien auch in ziemlich verwirrtem Zustande; Denn die Moriner und Menapier waren nicht nur denen Atrebatern eingefallen; sondern der Trevirer Hertzog Induciamor empfand auch sehr hoch: daß Cäsar ohne einige Ursache seiner Schwester Tochter die Königin Boudicea überzogen hatte. Daher er nicht nur mit dem Eburoner Hertzoge Cattivolck /sondern auch mit dem Feldherrn Aembrich Rath hielt / wie sie sämtlich ihrer nahen Bluts-Freundin / wie auch denen Galliern / welche von allen Seiten die deutschen Fürsten um Entbürdung des Römischen Jochs anfleheten / zu Hülffe kämen. Weil aber der Feld-Herr Aembrich noch mit denen Catten / Hermundurern und Svionen alle Hände voll zu thun hatte / dorffte er gegen die Römer nichts hauptsächliches entschliessen.

Inzwischen schickte Cäsar den Labienus mit zweyen Legionen gegen die Moriner; den Titurius und Cotta aber mit so vielen / und den Comius mit etlichen tausend Galliern wieder die Menapier. Alleine beyde Völcker verliessen [1017] ihre geringe Wohnungen /brachten ihre beste Sachen in die mit vielen Sümpffen umgebene Wälder; und fügten den Römern / welche sich unterstunden die verhauenen Forste zu öffnen /grossen Schaden zu; also: daß sie endlich ihnen die Freyheit lassen / und mit ihnen einen billichen Vergleich treffen musten.

Unterdessen stand Deutschland noch in voller Verwirrung; und nichts minder die Hertzen voller Rachgier / als das Land voller Kriegs-Flamme. Der Gottesdienst war zwar der Vorwand; das Absehen aber seiner Fürsten war die Ober-Herrschafft. Das Volck ward hierüber theils mit gäntzlichem Unglauben /theils mit Aberglauben eingenommen; welcher letzte die Seele übersüchtig macht / der erste aber sie gar verbländet. Die klügsten entzogen bey dieser Verwirrung dem Vaterlande so wol ihre Achseln / als ihre Rathschläge; wiewol diese Entziehung so gefährlich als anderer Anmassung war. Die bürgerliche Zwytracht hob an vielen Orten den nöthigen Unterschied der Gebietenden und Gehorchenden auf; also: daß diese sich wieder jene / wie zu Rom an dem Feyer des Saturnus die Knechte über ihre Herren der Bothmäßigkeit anmasten. Der Feldherr Hertzog Aembrich selbst gerieth bey vielen in so schlechtes Ansehen: daß etliche Pannonische Ritter ihn in seinem Zimmer übertraten; und ihm die Wiederruffung seiner wieder die Eubagen gemachten Schlüsse aufdringen wolten. Ihrer viel unter denen Grossen umarmeten sich mit den Aemptern seiner Hoheit / wie die Grichen an dem Plyntherischen Feyer mit den Bildern der Minerva und wie die wütenden Priester des Kriegs-Gotts / welche an seinem Feyer zu Rom wie thumme Leute mit den Ancilischen Schulden herum schwärmten. Mit einem Worte: das Gewebe der Herrschafft in Deutschland war derogestalt versitzet: daß es weder der kluge Feldherr / noch iemand anders durch ordentliche Mittel zu vernichten fähig war. Er erkennte sodenn aller erst / wie viel er durch Lindigkeit gefehlet; da er auf Beschwerführung der Ubier und anderer Bundsgenossen seinen Feld-Obersten Terbal seiner Aempter entsetzt hatte; und daß ein Fürst ihm selbst ein Auge ausreisse / wenn er einen in Treue und Klugheit lange geprüfften Diener von sich läst. Daher er diesen verstossenen nunmehr gleichsam wieder alle Gesetze der Staats-Klugheit; ja fast mit unverschränckter Gewalt seinem Kriegs-Heere fürsetzen muste. Denn ob zwar dieser kluge Fürst wol verstand: daß man seinen Diener zum Gefährten seiner Bemühungen / nicht aber seiner Würde machen / ihn mit seinem Schatten bedecken / nicht aber mit seinem Purpur umhüllen / am wenigsten aber man mit seinem Diener verbindliche Bedingungen machen / ihn aller künfftigen Rechenschafft zuvor aus erlassen / und denen Untergebenen ihre Zuflucht an den Fürsten verschrencken solte; so war doch nicht so wol die Klugheit / als die Noth dißmahl das Gesetze der Zeit / und eine Richtschnur seiner Entschlüssung. Terbal besiegelte auch alsobald seine Treue mit einem glücklichen Anfange; da er nemlich den König Ariovist / welcher bey denen Hermundurern sein verschantztes Läger stürmte / mit grossem Verlust abtrieb. Beyde grosse Kriegs-Machten kamen hierauf nicht ferne von der Elbe abermals an einander. Denn ob wol der Feldherr Aembrich daselbst in Eil um sein Heer einen zweyfachen Graben aufwerffen ließ; so trieb doch den König Ariovist die Rachgier wegen vorigen Verlustes / Gotarten das Vertrauen auff sein Glücke / und die Tapfferkeit seines so vieler Siege gewohnten Kriegs-Heeres / den Hertzoḡ Briton das Verlangen die feindliche Macht ausser seinen Ländern zu bringen dahin: daß sie das Cheruskische Heer / ungeachtet des für sich habenden grossen Vortheils / gleichsam verzweiffelt angrieffen. Zu ihrem grossen Unglücke aber ward der allzuhitzige Fürst Gotart an dem andern Graben von einem Burischen Ritter [1018] bald im Anfange des Treffens mit einem Pfeile tödtlich verwundet; zu einer Verwarnigung alter Kriegs-Häupter: daß sie sich die Begierde eitelen Ruhmes nicht zur Vermessenheit verleiten lassen /noch mit einem gemeinen Krieges-Knechte das Ampt verwechseln / sondern vielmehr erwegen sollen: daß ein Feldherr nichts minder in seinem Heere / als das Hertz im Leibe zum allerletzten sterben dörffe. Es ist wol wahr / sagte Zeno; daß ein Fürst / als die Seele seines Reiches sich nicht in allen Träffen befinden /weniger in Schlachten sich an die Spitze stellen solle. Wenn es aber um das Hefft der Herrschafft zu thun ist / oder Kron und Zepter mit dem Heile und der Wolfarth des Volcks auff der Wagschale liegen / scheinet der des Sieges kaum würdig zu seyn / der sich nicht zugleich der Gefahr theilhafftig macht. Das Verlangen sein Reich zu erweitern reitzte den König Philip in Macedonien: daß er seine Vergnügung suchte / wo es am schärffsten zugieng. Den Verlust seines Auges hielt er nach Erlegung seines Feindes für Gewinn; und die Schrammen seiner Glieder für Ehren-Maale. Sein noch grösserer Sohn Alexander suchte allenthalben die Gefahr / wo sich sonst niemand wolte finden lassen. Und es scheinet: daß so denn der Tod sich für denselbigen scheue / die ihm so hertzhafft unter die Augen gehen. Wenn aber auch ja das Verhängnüß ein anders über ihn bestimmet; ist es besser: daß einer als ein Fürst sterbe; als ein Verjagter der Welt ein Schauspiel des Unglücks abgäbe. Zumahl auch Codrus für sein Vaterland vorsetzlich dem Tode in die Armen rennte. Es ist nicht ohne / versetzte Malovend. Aber damahls war es Gotarten nicht um die Herrschafft /sondern um eine fremde Würde zu thun; auch war die Noth so noch nicht an Mann kommen: daß Gotart selbst sich in die Gefahr setzte; oder auch die Verrichtung so beschaffen: daß kein ander Kriegs-Oberster selbte hätte übernehmen können. Jedoch verbesserte der tapffere Gotart diese Ubereilung durch eine vernünfftige Erinnerung; da er nehmlich wegen Unvermögenheit zu reden seine Hand auf den Mund legte /und dardurch seinen Tod geheim zu halten anbefahl. Aber die Bestürtzung seiner Leute / oder das gewäschige Geschrey verrieth seinen Fall in kurtzem durch das gantze fechtende Heer; wiewol es selbtes mehr zur Rache reitzte / als einige Kleinmuth verursachte. Denn als König Ariovist mit dem Feldherrn selbst; Hertzog Briton mit Terbaln / der die Quaden / Lygier und Semnoner führte / nichts minder das Glücke / als die Streiche verwechselte / erlegten die verbitterten Spionen den Chaßuarier Hertzog / und brachten den ihm untergebenen lincken Flügel in die Flucht. Gleichwol blieben die andern Heerführer unverrückt gegen einander in blutigem Gefechte biß in die sinckende Nacht stehen; da deñ der Feldherr seinem Feinde für den Verlust eines so tapfferen Fürsten die Ehre eines theuer bezahlten Sieges einzuräumen gezwungen ward. Hertzog Aembrich büste dißmahl mehr als die Helffte seines Heeres / aber nichts von seinem Hertzen ein. Ja seine Tapfferkeit war niemahls-sichtbarer / als wenn es ihm übel gieng. Die finsteren Wolcken der Unruh erleuchteten gleichsam seinen Verstand; und die Gefährligkeiten befestigten seine Hertzhafftigkeit. Daher verstärckte er sein Heer nicht mehr durch neue Kriegs-Scharen / als mit seinem muthigen Beyspiele. Seinen Feinden hingegen verschwand durch Zwytracht der Heerführer nicht allein die Frucht alles Sieges aus den Händen; sondern ihre Kräfften vergeringerten sich auch unempfindlich / und ohne Wahrnehmung einiger Ursache. Sintemahl der Zwist der Aertzte nicht mehr Leichen zu Grabe schickt / als Uneinigkeit der Häupter denen mächtigen Heeren heim hilfft / oder wenigstens ihnen ihre Spann-Adern verschneidet. Der Hermundurer Hertzog Briton hatte schon für geraumer Zeit auf seiner Bundsgenossen anwachsende Gewalt ein scheles Auge gehabt; welche diesen so wenig zu [1019] seinen Gebietern als den Feldherrn Aembrich zu seinem Herrn /sondern beyde zu seines gleichen haben wolte. Uber diß empfand er: daß nach Gotarts Tode / welcher allein eine einige Tochter in seiner Herrschafft hinterlassen hatte; nicht ihm / sondern einem Svionischen Edelmanne Rixeston die oberste Kriegs-Verwaltung anvertraut ward. Denn Fürsten vertragen neben sich so ungerne niedrige Gefärthen / als das Auge der Welt neblichte Neben-Sonnen. Dieser Gelegenheit bediente sich der Feldherr Aembrich zu seinem ansehnlichen Vortheil / bot dem Hertzoge Briton anständige Friedens-Vorschläge an; wol wissende: daß seine Versöhnung ihm leicht vieler andern deutschen Fürsten Gemüther gewiñen würde. Er hätte auch unschwer seinen Zweck erreicht; wenn nicht sein Feldhauptmann Terbal aus Beysorge: daß der Feldherr ihn zum andern mahl seiner Würde entsetzen / und seinen eigenen aus Persien ruhmwürdigst zurück gekommenen Sohn Segimern darzu erheben würde / mit seinen Feinden in ein heimliches Verständniß getreten / und seine Verrätherey mit der Liebe des Vaterlandes /welchem der Feldherr die Fessel eusserster Dienstbarkeit anzulegen im Schilde führte / verdecket / also den auff Aembrichs Seite schon geneigten Fürsten der Hermundurer irre gemacht hätte. Wie nun Terbal mit dem Könige Ariovist schon zum Schlusse eines heimlichen Bündnüßes kommen war; unterstand er sich die Gemüther der andern Cheruskischen Kriegs-Obersten theils durch Wolthaten ihrem Herrn abzustehlen; theils durch Fürstellung seiner zweyten Abdanckung gegen sich zum Mitleiden zu bewegen; oder vielmehr ihnen fürzubilden: daß sie für ihre treue Dienste von einem undanckbaren Fürsten keinen bessern Lohn /von dem tapffern Könige Ariovist aber als einem / der die Tugend höher zu schätzen wüste / zuerwarten /auf des Feldherrn Untergang aber eine bessere Herrschafft des Vaterlandes und ihre eigene Wolfarth zu ergründen hätten. Also fänget niemand an seinen Fürsten vorsetzlich zu beleidigen: daß er hernach darmit aufhören wolle; und weder Ehrsucht nach Rache wissen in ihrem Beginnen Maaß zu halten. Terbal wuste seinem Meyneyde eine solche Farbe anzustreichen: daß er nicht nur die gemeinen Knechte / welche zwar anfangs wie das Meer unbeweglich sind / hernach aber / wenn der Wind sie einmahl erreget hat / auch /wenn dieser sich schon leget / nicht aufhören zu schäumen; sondern auch etliche der Kriegs-Obersten bländete. Denn / weil die Ehrsüchtigen bey verwirrtem Zustande Würden zu erlangen ihnen einbilden /die sie ihrer Verdienste halber bey ruhigem zu überkommen ihnen selbst nicht getrauen; die Eitelen aber sich nicht so wol über einem abgesehenen Preiße der auf ihre Hörner genommenen Gefahr / als über der Gefahr sich selbst erfreuen / oder dem gegenwärtigen Gewissen das künfftige ungewisse vorziehen; so fällt es einem verschlagenen Aufwiegler nicht schwer anfangs die boßhafften / hernach die leichtsinnigen zu gewinnen / und endlich auch die wenigen Klugen an das allgemeine Seil zu bringen. Gegen diese letztere bediente er sich sonderlich des Vorwands: daß die eingeführte Würde der Feldherrschafft mit der Deutschen Freyheit sich nicht allerdings vertrüge; welche dadurch verewigt würde / wenn alle Fürsten einander die Wage hielten; selbigen Augenblick aber Schiffbruch lidte / wenn einer auch nur eine Staffel die andern überstiege. Gleichwol aber nahm die Treue und Klugheit etlicher Cheruskischen Feld-Obersten Terbals Boßheit zeitlich wahr / welche dem Feldherrn die grosse Gefahr eilends entdeckten; und sich zu Werkzeugen selbter zu begegnen willig anerboten / inzwischen aber theils Terbals Anmuthungen ausdrücklich beypflichteten / wormit sie seine Geheimnüsse nicht nur besser ausforschten / sondern auch durch den Beytrag ihrer [1020] Rathschläge den offentlichen Abfall etwas verzügerten; theils als wenn sie sein Absehen nicht erkieseten / sich mit Fleiß alber anstellten. Rhemetalces fieng an: Ich werde hierdurch in meiner Meynung bestärckt: daß die Thorheit nicht allezeit eine Tochter der Unwissenheit / noch eine Kranckheit der Seele / sondern eine Gefärthin der Klugheit sey. Sonder allen Zweiffel antwortete Zeno. Denn wenn Brutus sich nicht mit dieser Närrin vermählt hätte; wäre Rom unter dem Joche der Tarquinier vollends verschmachtet. Ulysses ist niemahls verschlagener gewest / als da er sich unsinnig gestellt. Ja ich will noch wol mehr sagen; nehmlich: daß die Narrheit eine Erhalterin der Welt / und eine Säug-Amme vieler tausend Menschen sey. Denn wenn der Krieg / als der Rädelsführer aller Thorheiten / nicht so viel Menschen auffrässe; unsere Boßheit nicht den erzürnten Himmel zu Schickung der Pest / der Erdbeben und anderer Unglücke reitzte / würde die Erde kaum die Helffte der Menschen verpflegen können. Wie viel tausend erhalten sich nicht vom Spiele / Tantze / Gezäncke / von Bereitung des Werckzeuges unserer Wollüste; welchem allem unsere Thorheit seine Bewegung giebt. Ja das Siech-Hauß dieser unheilbaren Krancken hat einen so grossen Umschweiff / als die Erde. Daher sich nicht zu verwundern: daß zu Rom alle Jahr das Feyer des Quirinus den Narren zu gefallen gehalten ward. Malovend fuhr fort: die alberen Kriegs-Obersten waren auch in unserer Geschichte des Feldherrn Aembrichs klügste Rathgeber; ja seine und des Cheruskischen Hauses Erhalter. Denn weil es in Verräthereyen gefährlicher ist / als gifftigen Fleckfebern lange über Wahl der Artzney Rath zu halten; er auch wol wuste: wie das Kriegsvolck an Terbaln so sehr hienge / schickte er diesen getreuen Einfaltigen einen Befehl zu: Sie solten mit dem Kopffe denen Auffrührern die Adern verschneiden; und mit dem Blute des einigen Terbals die Schuld aller Mitverschwornen ausleschen. Diese übten den Befehl nicht weniger klüglich als hertzhafft aus. Denn als Terbal des Abends vorher seinem Anhange ein köstliches Gast-Gebot ausgerichtet hatte / überfielen sie ihn des Nachts in seinem Gezelt; also daß dem Heere nicht ehe sein Tod lautbar / als dem Heere der rückständige Sold bezahlet / Terbals Schrifften undurchlesen verbrennt / und zugleich allen angedeutet ward: Weil von Terbaln allein alles Gifft des Meyneydes herrührte /begehrte der Feldherr nach keinem Mitschuldigen zu fragen. Diese kluge Anstalt schreckte die Boßhafften /beruhigte die Verführten / vergnügte die Dürfftigen /versicherte die zweiffelnden; also: daß die derogestalt linde gehandelten Glieder nicht einmahl zuckten / als gleich ihrem Haupte das kalte Eisen durch die Gurgel fuhr; sondern vielmehr kurtz hierauf den Fürsten Segimer zu ihrem neuen Kriegs-Haupte mit Freuden annahmen. Zeno brach ein: Ich unterstehe mich nicht diesen glücklichen Streich des Fürsten Aembrichs zu schelten; weil ich alle Umstände nicht weiß / derer eine einem gantzen Wercke ein gantz ander Gesichte zueignen kan. Ich würde auch den Fürsten ihre über die Schrancken der Gesetze erhobene Macht strittig machen / wenn ich von seinem Urthel Rechenschafft fordern wolte / welches die Perser für eine ungereimte uñ Königen unanständige Umschränckung auslegten; als ihr Cambyses sie fragte: Ob er seine Schwester ehlichen möchte. Allein ich bescheide mich doch: daß die Deutschen wie die vernünfftigsten Völcker solche Fürsten haben / welche mehr für Ehre / als Zwang halten / sich der Vernunfft zu unterwerffen / und / um denen Unterthanen den Gehorsam zu erleichtern ihren Willen eigenbeweglich unter der Richtschnur der Gesetze zu beugen; die gleich von ihrer Willkühr ihre Seele und Krafft bekommen. Welche Gemüths-Mäßigung ihrer Gewalt sicher so wenigen [1021] Abbruch thut /als der Göttlichen Allmacht; wenn selbte ins gemein ihre Wege nach dem Lauffe der Natur einrichtet; und der Wunderwercke sich selten / niemahls auch ausser in den allerwichtigsten Verhängnüssen gebrauchet. Bey welcher Bewandnüß mir denn sehr bedencklich fällt gegen einen Beschuldigten ohne Vehör und Verantwortung zu verfahren. Denn wenn es genung ist einen begangener Laster halber anklagen / wer wird für den Verläumdern unschuldig bleiben? Wil man einem keinen Beystand erlauben / so kan man ihn doch nicht ohne Richter verdammen. Fürsten / ja Wütteriche können einem Sterbenden kaum diese Barmhertzigkeit abschlagen: daß er vorher die Ursache seines Todes erfahre / und die Gnade der Verdammung genüße. Gewiß / auch der gütigste Fürst wird bey einer solchen Verfahrungs-Art niemahls seine Hände von den Flecken zu unrecht versprützten Blutes waschen; und die ärgsten Ubelthäter die Nahmen unschuldiger Märterer zum Gewinn haben. Ein zu strenges Urthel über einen leichten Fehler hat keinen so grossen Schein einer Grausamkeit / als eine linde Bestraffung einer unerwiesenen Missethat. Beym einäugichten Könige Philip war es Halsbrüchig eines Cyclopen gedencken; und beym verschnittenen Hermias ein Beschneide-Messer nennen. Bey einem andern kahlköpfichten Fürsten musten die über die Klinge springen / welche einer Platte erwehnten. Aber alle diese verfielen beym Volcke nicht in so übele Nachrede / als Alexander / da er den durch nichts / als sein ausgepreßtes Bekäntnüß überwiesenen Philotas hinrichten ließ. Zumahl auch mit der Zeit die Rachgier wieder die ärgsten Ubelthäter veraltert / und der Zorn sich eben so in Mitleiden verwandelt; wie gegen der anfänglichen Verbitterung sich keine Unschuld ausführen kan. Ja es verrichtet selten der Scharffrichter sein Ampt: daß nicht das Volck das Urthel für ein zu scharffes Gerichte hält. Diesemnach ist es einem Fürsten nit nur anständiger / sondern auch rathsamer hundert schuldige zu verschonen / als einen unschuldigen zu tödten. Denn es hat die Straffe mehr mit der Hölle / die Begnadigung aber mehr mit dem Himmel Verwandschafft; welcher durch seinen Blitz zwar offt ihrer viel tausend schrecket / aber selten einen beschädigt; also gar: daß das Alterthum geglaubet: Jupiter könne zwar für sich alleine zum Schrecken donnern; aber ohne der andern Götter Einwilligung keinen treffenden Donner-Keil auf die Menschen herab fahren lassen. Ja die Natur selbst scheinet aus keiner andern Ursache das Blut in den mütterlichen Brüsten in Milch zu verwandeln / als damit die säugenden Kinder nicht dardurch zum Blutdurste angewehnet würden. Am allerwenigsten aber stehet die Eigenschafft der Aegln Fürsten an / welche Väter des Landes / und Säug-Ammen des Volckes seyn sollen. Ja dieselben /welche aus Verdacht ohne Urthel und Recht über ihre Diener ein so strenges Hals-Gerichte gehegt; haben meistentheils einen verzweifelten Unterthanen zu ihrem Richter und Hencker erdulden müssen. Daher Fürst Segimer / als einer in solcher Berathschlagung statt seiner Meynung fürbrachte: Des Pompejus Tod war Cäsars Leben; selbigem vernünfftig antwortete: Es ist wahr; aber diß mangelt noch zur Geschichte; Des Pompejus Tod war Cäsars Untergang. Rhemetalces begegnete ihm: Ich bin eben so wol kein Freund der Grausamkeit; und halte darfür: daß einem Fürsten viel Hals-Gerichte so wenig / als einem Artzte viel Leichen rühmlich sind. Es ist ausser Zweiffel auch mehr viehisch als menschlich einen verdammen / dessen Vertheidigung man nicht gehöret hat. Denn die Verläumdung scheuet sich nicht auch die reinste Unschuld zu schwärtzen. Keine Blume hat so gesunde Krafft in sich; daß sie nicht der Kröte zu einer Nahrung ihres Gifftes diene; und der Verdacht ist so wol ein verdächtiger Zeuge als [1022] ein schielender Richter. Alleine dieser Rechtsweg ist keine sichere Bahn in den hohen Verbrechen wieder den Staat und die Hoheit eines Fürsten. Beyde sind unleidlicher anzurühren als die Augen / ja auch sorgfältiger zu verwahren. Den Fischer / der den dem Alexander vom Haupte gewehten und in einen schilfichten Sumpff neben eines alten Königes Grab geworffenen Krantz aufhob / kostete seine Dienstbarkeit den Hals. Und Cambyses hielt einen Traum für genungsame Ursache seinem Bruder das Licht auszuleschen. Ob ich nun zwar in die Fußstapffen dieser scharffen Richter zu treten nicht rathe; so kan ich doch den nicht tadeln / der in den Lastern wieder den Staat das Recht von Vollziehung des Urthels anhebt / wenn entweder derer zu viel ist / die sich wieder das gemeine Wesen verschworen haben /und der Schlag gleichsam schon über dem Nacken schwebt / oder wo der Verräther die Waffen in Händen hat. In diesen Fällen erlaubet das oberste Gesetze / nehmlich das allgemeine Heyl / auch wieder die Gesetze gegen einen Verbrecher zu verfahren / und den Kopff der Schlange unversehens zu zerquetschen / ehe sie sticht. Also ließ Alexander den bey seinem Heere allzuhoch angesehenen Parmenio durch seinen besten Freund Polydamas abschlachten. Nicht anders halff Dion dem gewaffneten Heraclides zu Syracusa vom Leben. Zwar es kan geschehen: daß zuweilen die Unschuld hierdurch Noth leidet. Denn die mit einer Larve der Verläumdung verstellte Tugend sieht vielmahl dem Laster so ähnlich: daß sie auch der scharffsichtigste nicht unterscheiden kan. Aber die gemeine Wolfarth muß diesen Schaden ersetzen. Auch die besten Aertzte lassen gesunden Gliedern zur Ader / um das krancke Haupt zu erhalten / und dem bedrängten Hertzen Lufft zu machen. Wenn der zehende eines seiner Pflicht vergessenden Kriegs-Volcks durchs Loß zum Tode erkieset wird / trifft es mehrmahls die tapffersten. Ja in den Lastern wieder den Staat und die Fürsten machen die Gesetze der meisten Völcker Kinder und Bluts-Freunde / ja auch die straffbar / welche Alters halber zu sündigen nicht fähig sind. Alleine alle grosse Beyspiele haben etwas ungerechtes / wie die kräfftigsten Artzneyen ein wenig Gifft bey sich. Diesen Schaden aber muß die Erhaltung des Reiches und eines Fürsten ersetzen. Denn dieser ist der Steuer-Mann / an dem das meiste gelegen ist; und der in solchen Fällen sich eines andern Compasses in der Nacht / eines andern des Tages gebrauchen; ja bey sich näherndem Schiffbruche auch diß / was er am liebsten hat / über Port werffen muß. Malovend brach ein: Hertzog Aembrich kam eben so ungerne dran; iedoch zwang ihn die Noth sich des ihm nichts minder beliebten als benöthigten Terbals zu entschlagen; den er fast alleine der Feld-Hauptmannschafft gewachsen hielt. Alleine der seinen erledigten Platz vertretende Fürst Segimer erfüllte nichts minder sein Ampt / als den Platz; und kam so wol des Vaters Vertrauen und des Volckes Hoffnung / als seinen Jahren zuvor. Er setzte ihm alsbald für durch einen rühmlichen Anfang sich bey den Seinen beliebt / bey bem Feinde ansehnlich zu machen; wol wissende: daß wie die Sternseher aus dem einigen Geburts-Gestirne des menschlichen Lebens / also die Kriegs-Leute als ihres Heerführers erstem Streiche sein gantzes künfftiges Glück und Unglück wahrsagen. Weil nun durch lange Ruhe das Kriegs-Volck nur in allerhand Schwachheiten verfällt; tägliche Bemühung aber selbtes auff nichts böses gedencken läßt; rückte er mit seinem Heer denen Alemännern ins Hertz / und belägerte die Stadt Alzimoen. Wie nun Ariovist und Arabar [1023] der Catten Hertzog selbter zu Hülffe eilte / kam es daselbst zu einer hefftigen Schlacht / in welcher Segimer zwar verwundet / die Alemänner und Catten aber auffs Haupt erlegte; der Feinde zwölff tausend erschlagen / sechs tausend gefangen wurden. Dieser Sieg brachte den zwischen dem Feldherrn Aembrich und dem Hertzoge der Hermundurer schon ziemliche Zeit versuchten Frieden zu seiner Vollkommenheit /darinnen der Druyden Anforderungen ziemlich gemäßiget / den Barden und Eubagen auch die Freyheit ihres Gottesdienstes verstattet ward; wordurch der siegende Feldherr nicht alleine das alte Ansehen des Cheruskischen Hauses befestigte; sondern auch diß /was er aus erfahrner Unbeständigkeit des Glückes zu thun ihm hoch nöthig hielt; für eine ungemeine Gemüths-Mäßigung ausgelegt ward. Alle Klugen wusten ihn darum so wenig genungsam zu rühmen / als die Unterthanen ihm zu dancken. Sintemal ein seine unmäßige Gedancken zähmender Fürst einen unersättlichen Länderstürmer / wie ein gewandtes Pferd einen Läuffer / und wenn es mehr dem Zügel als dem Sporne gehorsamt / vielfältig übertrifft. In dem dieser nur entseelet und verwüstet; jener aber mit dem güldenen Frieden bauet und lebhafft macht; welchen Phielemon so unstrittig für das höchste Gut hielt; daß er alle als aberwitzig verlachte / welche es in was anderm zu finden meinten.

Hertzog Aembrich selbst meinte nun nicht alleine Deutschland guten theils in Ruh / sondern auch seine Hoheit in alten Stand gesetzt / und seine Herrschafft durch ihre Mittelmaß genung befestigt zu haben; welche eben so wenig von allzugrossem Wachsthume /als der Leib von übermäßiger Speise Kräffte bekommt; indem beyderseits die Verdäuung / nicht die Uberfüllung vorträglich ist. Alleine das Verhängnüß gönnte diesem Fürsten nicht lange diese Erquickung /und Deutschlande die süsse Ruh. Denn kurtz darauf benachrichtigte ihn die Königin Boudicea: daß Cäsar in dem Iccischẽ Seehafen bey nahe sieben hundert Schiffe segelfertig liegen / auch zu einem grausamen Kriege aus gantz Gallien fast alle Mannschafft aufgeboten; der Heduer Fürst Dumnorich sie aber in Vertrauen ihrer Schantze wahrzunehmen gewarniget hätte. Gleicher Gestalt fanden sich bey dem Feldherrn vom Fürsten Dumnorich / vom Hertzoge der Trevirer Induciomar / von den Carnutern und andern Galliern Gesandten ein / die wehmüthigst klagten: Wie sie nicht nur selbst in der Römischen Dienstbarkeit verschmachteten; sondern nunmehr wieder ihre eigne Blutsverwandten / die Britannier / ihre Schwerdter zücken und schärffen solten. Insonderheit beschwerte sich Induciomar: daß Cäsar ihm seine Gewalt überaus geschmälert hätte / und dem abgefundtnen Fürsten Cingetorich / welchem König Gotarts Tochter vermählet wäre; die Herrschafft über die deßhalben unwilligen Trevirer in die Hände zu spielen vorhätte. Wenige Zeit hierauf lieff auch Nachricht ein: Wie Induciomar sich wegen des mit sechs Legionen anziehenden Cäsars in dem Arduennischen Walde hätte verhauen; ja als er allenthalben sich umringet gesehen / endlich sich für Cäsarn demüthigen / und mit dem Cingetorich seine Gewalt theilen / auch erlauben müssen: daß Cingetorich den noch nicht bestillten Catten wieder die Cherusker acht tausend Mann zu Hülffe geschickt; Dieser schlimmen Zeitung folgte in wenigen Tagen diese betrübtere auf der Fersen. Nach dem Fürst Dumnorich weder durch den Vorwand seiner Verwandnüß / noch seiner Gelübde sich von dem Britannischen Zuge bey Cäsarn hätte loß bitten können /wäre er zwar mit seinen Heduern heimlich durchgegangen / in willens bey dem Feldherrn Aembrich unterzukommen / alleine Cäsar hätte deßwegen seine Abfarth verschoben / und ihm mit der gantzen Reuterey nachjagen / auch nach tapfferer Gegenwehr das Leben mit der Liebe der Freyheit benehmen lassen.[1024] Der Feldherr Aembrich meinte hierdurch zwar genungsame Ursache mit den Römern zu brechen überkommen zu haben; iedoch weil er seiner einheimischen Feinde sich noch nicht gar entledigt hatte / und er ohne gründliche Nachricht von der Römer Absehen / aus blossem Verdacht wieder sie einen Krieg anzufangen dem Rechte der Völcker nicht gemäß zu seyn achtete; schickte er eine Gesandschafft an Cäsarn seine Beschwerden ihm einzuhalten. Dieser aber versicherte den Feldherrn seiner beständigen Freundschafft: daß er nichts wieder die Königin Boudicea /sondern seinen selbst eigenen Feind Caßibelin / und auf Bitte des vertriebenen Fürsten Mandubrat / dessen Vater Imanuent vom Caßibelin unschuldiger Weise wäre durchs Beil hingerichtet worden / einen Zug in Britannien für hätte; daß er sich des Cingetorichs Fürhaben nicht anmaste; daß Dumnorich durch Antrieb seines Ehweibes des Orgetorichs Tochter viel Verrätherey wieder die Römer angesponnen / sein Bruder Divitiak ihm auch selbst schon etliche mahl den Hals abgesprochen / ja er wieder Cäsars Willen im Scharmützel das Leben eingebüßt hätte. Nicht so wol die Erhebligkeit dieses Vorwands / als die noch innerliche Unruh hielt Hertzog Aembrichs Schwerdt in der Scheide; und er für eine unvergebliche Sünde wieder die Herrschens-Kunst / wenn auch der mächtigste Fürst ohne Noth mit zweyen Feinden zugleich anbindet. Welchen Fehler die vermessene Stadt Athen allzutheuer bezahlte; in dem sie in Sicilien einzufallen sich wagte / da sie doch in den Pelopoñesischen Krieg eingewickelt war. Es reitzte ihn zwar sein Hertze an den Römern die Beleidigung zu rächen; seine Vernunfft aber sagte ihm: daß empfangenes Unrecht der Beleidigten Untergang sey / wenn sie den Eyver für ihre Ehre nicht mit der Klugheit vereinbaren; das schon vergangene Ubel rächen wollen / sich aber in neues Elend stürtzen / und aus einem Fehler / den sie verbessern wollen / tausend machen. Nebst dem überlegte er: daß Fürst Dumnorich nicht wiederlebendig gemacht werden könte. Denn wer unwiederbringliche Sachen wieder in ersten Stand zu setzen meinet / mißt ihm mehr Gewalt zu / als GOtt hat; und verspielet Müh und Kosten darüber mit Schaden / was keiner Glückseligkeit mehr als der Vergessenheit fähig ist. Bey dieser Entschlüssung brachte er nicht alleine fast gantz Deutschland auff seine Seite; sondern die Fürsten erklärten auch auf seinen Todesfall den tapfferen Segimer zu seinem Nachfolger; ungeachtet sonst freyen Völckern nichts ungewöhnlicher / oder dem Wahl-Rechte abbrüchiger ist; als bey Lebzeiten ihres erwehlten Hauptes sich schon einem künfftigen unterwerffen; sonderlich wenn dieser jenem mit Geblüte zugethan ist / oder viel Herrscher aus einem Hause genommen werden.

Als aber Cäsar nach Verlust vieler Schiffe und Volcks sonder andere Frucht / als daß er den verjagten Mandubrat denen Trinobanten wieder zum Fürsten eingesetzt hatte / in Gallien zurück kam; legte er den Quintus Cicero den Nerviern / den Fabius den Morinern / den Labienus den Trevirern mit einer / den Sabinus und Cotta den Eburonen mit zwey Legionen auf den Hals. Wie nun der Feldherr Aembrich Cäsarn auf Anhalten seines Bruders Cattivolck und des Fürsten Induciomar vergebens um Entlastung seiner Freunde anflehete / die Carnuter / welche den ihnen von Cäsarn auffgedrungenen Fürsten Taßget erschlagen / die Senones / welche gleichfalls den Cavarin aus dem Lande gejagt / und andere Gallier den Feldherrn Aembrich um Errettung von den grausamen Römern /welche doch auch schon Deutschland zu überziehen im Schilde führten / anfleheten; gieng er endlich mit zwantzig tausend Mann über den Rhein / zohe seinen Bruder Cattivolck an sich; und nach dem dieser den Sabinus und Cotta durch List aus der Festung [1025] Antuatuca und dem Läger gelocket / erlegten die Deutschen beyde Legionen mit ihren Häuptern; also: daß mit genauer Noth zwey Kriegs-Knechte durch die Wälder entkamen / und dem Labienus die traurige Zeitung brachten. So tapffer und klug rächete Hertzog Aembrich der Deutschen und Belgen Unrecht; welches auch die edelsten Gemüther aus Hoffnung künfftiger Vergeltung verschmertzen. Denn es ist so wol ein Streich der Klugheit die Empfindligkeit nicht mercken / als eine Zagheit sie verrauchen lassen. Wie es am schlimmsten ist / die Beschimpffung vergessen; also ist nichts künstlichers / als sie vergessen zu haben scheinen lassen. Cäsarn schmertzte dieser Streich mehr / als sein Verlust. Denen Atuatikern und Nerviern aber wuchs durch Aembrichs Sieg so weit das Hertze: daß sie den Cicero in seinem Läger belägerten; in Meynung: daß Induciomar mit den Trevirern den Labienus / und die Armorischen Städte den Roscius / der Abrede nach / angreiffen würden. Aembrich und Cattivulck führten selbst die Deutschen hertzhafft an / liessen die Gräber mit Reiß-Holtze füllen / die auf Römische Art gefertigten Sturm-Thürme anschieben; aber die verzweiffelte Gegenwehr der Römer schlug zwey hefftige Stürme ab. Dahero sie bey erlangter Nachricht: daß Cäsar bereit unterschiedene Legionen zusammen ziehe / sich entschlossen ihr Läger gleichfalls zu umschantzen. Den siebenden Tag ließ der Feld-Herr bey entstehendem starcken Winde eine grosse Menge thönerne Kugeln glüend machen /und selbte aus den Schleudern in das Römische Läger werffen / welches die mit Stroh- und Schilff-Schoben bedeckten Häuser leicht in Brand brachte. Der Feldherr führte hierauf zwar den dritten Sturm / und fiel an vier Orten das Römische Läger auffs grimmigste an. Allein weil kein Römer dem Feuer zulieff; sondern ieder mit unverwendetem Gesichte auff dem Walle gegen die stürmenden stehen blieb / die Sturm-Thürme auch durch brennende Pech-Kräntze in die Glut geriethen / zwey Sturm-Brücken zerbrachen / Cicero auch das ohne diß überaus feste Läger mit vielen vortheilhafften Abschnitten versehen hatte / musten nach sechsstündigen Sturme die Deutschen doch wieder ab lassen / ungeachtet die Cherusker und Nervier an zweyen Orten über den Wall kommen waren; allwo zwey Römische Hauptleute Varenus und Pulfio / welche ihre noch von den Eltern ererbte Feindschafft nicht allein in eine ruhmwürdige Eyversucht / wie einer den andern durch ritterliche Heldenthaten verkleinern möchte / verwandelten; sondern auch ieder dem andern diesen Tag das Leben erhielt; und derogestalt aus hartnäckichten Feinden zu vertrauten Freunden wurden; um nur nicht dem Vaterlande zu Schaden böse Kriegs-Leute abzugeben. Welche vernünfftige Gemüthsmäßigung auch des Themistocles Versöhnung mit Aristiden / noch den Emilius Lepidus / und den Livius Salinator nimmermehr vergessen lassen /die jener gegen den Fulvius Flaccus / dieser gegen den Nero ausübte / als die Gemeinschafft eines Amptes sie zusammen verband. Denn ob zwar die langsame Ablegung einer gefasten Gramschafft eines gerechten Zornes Kennzeichen seyn soll; so ist doch die geschwinde ein Merckmahl eines großmüthigen Hertzens / und eines redlichen Bürgers. Die Deutschen musten zwar dißmahl dieser beyder Römer Tugenden weichen; gleichwol aber waren der Römer so viel blieben / und die übrigen derogestalt abgemattet: daß nicht der zehende Mann ohne Wunden war / und sie sich folgenden Morgen ergeben hätten; wenn nicht eine Schildwache an einem Thurme zwey eingeschossene Pfeile mit zweyen daran gebundenen Briefen wahrgenommen / dieser aber durch Cäsars eigene Handschrifft dem Cicero theils in Grichischer Sprache / theils mit Ziffer-Buchstaben / welche Tullius Tiro des Cicero Freygelassener unlängst erfunden hatte /seine Ankunfft zu wissen gemacht hätte. Welche Nachricht Cäsar deñ noch selbigen Abend mit Anzündung vieler Feuer / und durch ein abermahliges Schreiben / das ein Gallier Vertico durchbringen ließ /[1026] bekräfftigte. Der Feldherr Aembrich rückte Cäsarn alsofort entgegen / und schlug ein Theil seiner Reuterey aus dem Felde. Dahero er den Deutschen eine Schlacht zu liefern sich nicht wagte; sondern in einem vortheilhafften Orte verschantzte. Ob nun wol die Deutschen das Römische Läger fort für fort beunruhigten / durch die Sümpfe biß an den Wall etliche Wege machten / die ausfallenden auch etliche mahl zurück trieben / und daher die Deutschen selbtes in Cäsars Augen zu erobern Hoffnung hatten; so störte doch eine Menge böser Zeitungen / oder vielmehr das Verhängnüß alle gute Anstalt. Denn Cingetorich hatte sich seinen Schweher Induciomar wegen des angezielten Krieges bey denen Trevirern wiedersetzt; die andern Gallier aus Zagheit und Furcht für Cäsarn ihre versa leten Kriegsvölcker wieder von sa en gelassen / die Semnoner durch Vermittelung der Heduer die Carnuter durch die Rhemer sich mit Cäsarn auffs neue verglichen / die sich wieder erholenden Catten und Alemäñer aber die mächtige Festung Utunte am Rhein / nach dem sie etliche mahl die zum Entsatz kommenden Cherusker und Quaden abgeschlagen /erobert / diese auch durch Hunger und Pest bey den Eudosen und Swardonen bey nahe dreyßig tausend Mañ eingebüst. Weil nun der Feldherr Aembrich wol sahe: daß im Kriege die Armen vieler Bundsgenossen mehr zur Verwickelung / als zum Siege dienten; und ihr Thun wie die Striche / welche gleich auf einen Mittelpunct zielten / ins gemein durch und wider einander gienge; hielt er den Galliern und seiner Ehre genung gethan zu haben / nun aber für nöthig dem Brande seines eigenen Feuers zueilen. Daher verließ er beyde Römische Läger / und überwältigte bey seiner Rückkehr die bey Zusa enfließung des Rheines und der Mosel auf einen hohen Fels gelegte Festung der Catten. Cäsar aber ward froh: daß er so wol sich erhalten / als den Cicero befreyet hatte. Weil aber fast alle Gemüther der Gallier gleichsam wider Rom im Jähren waren / traute er sich nicht die Nervier und Atuaticker zu verfolgen oder mehr zu verbittern / sondern blieb den Winter über bey der Festung Samarabrück stehen; iedoch war sein eines Auge stets gegen Deutschland wachsamer / als das andere über Gallien.

Induciomar hob inzwischen zwar seinen Römisch- gesinnten Eydam Cingetorich auf einem allgemeinen Landtage / da alle mannbare Mañschaft erscheinen muß / und der Letzte als ein Opffer abgeschlachtet wird / aus dem Sattel / nöthigte ihn zum Labienus zu fliehen; zohe auch ein Theil der Nervier und Atuaticker an sich / und beunruhigte des Labienus Läger; er ward aber in einem Ausfalle erschossen / und sein Haupt ins Römische Läger bracht. Gleichwol ließen die Trevirer den Muth nicht fallen / sondern bewegten mit Geld und großen Verheißungen den Herzog Aembrich zu abermaligem Beystande. Hingegen bekam Cäsar aus Italien drey neue Legionen; also: daß er derer nunmehr zehn in Gallien hatte. Uber diß stießen nach gemachtem Bündnüße zu Cäsarn sechs tausend Catten und Alemäñer / ja Cavarin und Comius führten unter ihm noch dreyßig tausend Gallische Reuter. Dahero schickte er zwey Legionen und den Cavarin dem Labienus wider die Trevirer zum Entsatz; Er und Comius aber brachen mit fünf Legionen unversehens bey denen Menapiern / mit derer etlichen Comius heimliche Verständnüß hatte / ein / und nöthigte sie zu einem Vertrage / Krafft dessen sie versprochen den Comius für einen Stadthalter des Römischen Rathes zu erkennen / und dessen Feinden nicht beyzustehen. Inzwischen verleitete Labienus die Trevirer durch angeno ene Flucht: daß sie unerwartet des im Anzuge begriffenen Feldherrn Aembrichs über die Mosel schwemmeten; welche aber Labienus / als die Helfte überko en war / aus einem Walde überfiel / und alles / was nicht in Eil zurücke schwa / erlegte. Welch unvernünftig Beginnen den Feldherrn so verdrießlich machte: daß er wieder über den Rhein zurück kehrte. Dahero der sieghafte Cäsar die Trevirer nicht allein leicht zum Gehorsam brachte / und ihnen den Cingetorich fürsetzte; sondern / [1027] weil die Uhier ihm auch allen Vorschub versprachen / schlug er dreyßig tausend Schritte oberhalb der ersten eine neue Brücke über den Rhein. Weil aber diese Uberkunfft denen Catten überaus verdächtig war; Zumahl da nach Absterben des Fürsten Winemars sein Kriegs-Volck Cäsarn die mächtige Festung Utente verkaufft hatte; zohe Hertzog Arabar in dem Bacenischen Walde eine grosse Macht zusammen / und ließ Cäsarn wissen: daß ihre Freundschafft länger nicht bestehen könte; da er über dem Rhein festen Fuß zu setzen vermeinte. Sintemahl er selbst wol wüste: daß vieler Völcker Freundschafft / und also auch ihre /keinen andern Nagel hätte / der sie hielte / als die Entlegenheit. Daher müste sie durch die Näherung nothwendig zerrissen werden. Diese unvermuthete Zuentbietung; der besorgliche Abgang der Lebens-Mittel /und die Nachricht: daß Hertzog Aembrich mit etlichen tausend Deutschen bey seinem Bruder Cattivolck an der Maaß ankommen wäre / nöthigte Cäsarn zurück über den Rhein zu kehren / die Brücke grossen theils abzubrechen / und durch den Arduennischen Wald gegen Hertzog Aembrichen aufzuziehen. Nach zweyen Tage-Reisen kriegte Cäsar vom Cingetorich Nachricht: daß Hertzog Aembrich und Cattivolck nichts wissende von der Römer Annäherung sich im Arduennischen Walde fast gantz einsam auf einem Lust-Hause aufhielten / und daselbst den Fürsten der Arverner Vercingetorich / dessen Vater Celtillus fast über gantz Gallien Feldherr gewest /aber wegen angemaster allzugrossen Gewalt enthauptet worden war / um zwischen ihm und seiner Tochter eine Heyrath zu stifften / wie auch den Fürsten der Semnoner Acco erwarteten / um ein gemeines Bündniß wieder die Römer zu treffen. Dieses hatte ihm ein vertrauter Gallier durch einen eigenen Reuter zu wissen gemacht. Cäsar laß alsbald tausend der berittẽsten aus den Römern und Ubiern aus / ließ sie aber sich so wol auff deutsche Art kleiden / als rüsten / und schickte sie unter dem Minucius Bibulus diese sicheren Feinde zu überfallen. Dieser hatte das Glücke die andere Nacht unvermerckt an diß Lusthauß zu kommen / und / ehe es iemand gewahr ward / rings um zu besetzen. Aembrich war nach den Hunden der einbrechenden Römer am ersten innen. Daher weckte er den Cattivolck / ruffte seinen Edelleuten auf / und sprang dem Thore zu der Gewalt zu begegnen. Weil aber nicht dreyßig gewaffnete Leute auf dem Lust-Hause waren / der grosse Lermen hingegen die Menge / die Sprache die Römer bey Zeite verrieth / baten ihn die Seinigen sich durch den Garten über einen engen Tamm zu flüchten; welches er / wiewol schwerlich /willigte; sonderlich weil er seinen krancken und bettlägerichten Bruder im Stiche lassen solte. Wie er nun kein ander Mittel sahe / machte er sich mit zweyen Rittern nach genommenem kläglichen Abschiede von seinem Bruder / der sich um nicht lebendig in die Hände der Römer zu kommen mit Eibensaffte hinrichtete / und als seine getreue Cherusker inzwischen die Römer an der Pforten hertzhafft aufhielten / glücklich darvon / und durch den Wald an die Schelde zu denen noch nicht den Römern unterworffenen Menapiern /dahin sich die meisten Cherusker und Eburoner bey erschallendem Anzuge Cäsars gleichfalls flüchteten. Wie nun Cäsar alle gefangene Eburoner niederhauen ließ / und ihr gantzes Gebiete denen angräntzenden Völckern zur freyen Beute erklärte / wagte sich gleichwol Aembrich mit etlichen tausend Reutern denen Römern bald dar bald dort einzufallen / und ihnen nicht geringen Abbruch zu thun. Zuletzt kriegte er auch zwey tausend auf den Raub über den Rhein gegangene Sicambrer an sich; mit welchen er durch die Wälder unvermerckt biß an die von Römern besetzte Stadt Atuatuca kam / daselbst herum in der Vorstadt etliche hundert Römer erlegte / viel Römische Kauff-Leute [1028] mit reichen Beuten gefangen bekam / ja biß in die Festung drang / welche er auch behauptet hätte / wenn nicht Cäsar mit fünff Legionen herbey gerückt wäre. Worauf sich also Hertzog Aembrich mit seinen übrigen Cheruskern / Eburonen und Sicambrern zurück über den Rhein zoh; und nach dem die feigen Gallier bereit etliche mal die ihnen zu Hülffe geruffenen Deutschen alleine baden lassen / mit dem Vorsatze ihrentwegen keinen Degen mehr zu zücken /dem unglückseligen Gallien mit Unwillen den Rücken kehrte; welches Cäsar nunmehr viel härter als vorher drücken; den ihm verdächtigen Fürsten Acco auch mit vielen edlen Semnonern und Carunten zu tode prügeln und hernach ihre Köpfe auf die Thürme stecken ließ. Zumal die Catten und Alemänner nicht nur abermals durch unterschiedene Siege das Haupt über die Cherusker empor hoben / also der Feldherr alleine auff sich und seiner Deutschen Bundsgenossen Erhaltung bedacht seyn muste; sondern auch mit Cäsarn ihr Bündniß verneuerten / und ihm auf den Nothfall mit etlichen tausend Reutern wieder die abtrinnigen Gallier beyzuspringen; hingegen aber die Römer nicht über den Rhein zu setzen / noch den Batavern / Menapiern / und denen andern aus deutschem Geblüte entsprossenen und mit den deutschen verbundenen Völckern einig Leid zu thun versprachen. Nach dem auch Vercingetorich nach des Feldherrn Rückkehr die Heyrath mit seiner Tochter abbrach / und sich mit des Comius Schwester vermählte; brachte der um die Römer so hoch verdiente Fürst Segimer zwischen Cäsarn und seinem Vater einen Vergleich zu wege. Hingegen riß Cäsar durch seine am Fürsten Acco verübte Grausamkeit das Band der Liebe in aller Gallier Hertzen entzwey; also: daß fast gantz Gallien / und darunter selbst die Heduer / Allobroger / Comius und andere den Römern vorhin zugethane auf einmahl abfielen /den Vercingetorich zu ihrem Feldherrn erwehlten /und nunmehr ihr eusserstes für die verlohrne Freyheit thaten; zu einer Erinnerung: daß Reiche zwar mit der Spitze der Waffen gewonnen / nicht aber mit der Schärffe erhalten werden. Alleine entweder die Unvorsichtigkeit der Gallier / oder ein über sie würckender Unstern machte: daß alle ihre Anschläge wie unzeitige Früchte in ihrer Geburt verschmachteten / alle tapffere Entschlüssungen krebsgängig giengen; und ihrer viel Edle / wie Acco / in Cäsars Blut-Gerichte /gantz Gallien auch in die eusserste Knechtschafft verfiel. Worbey nicht zu leugnen ist: daß die Deutschen entweder aus allzugrossem Vertrauen auf ihre Kräfften; oder aus dem Triebe des Verhängnißes zu ihrem selbsteigenen Schaden nicht wenig Zunder zu dem Holtzstosse / worauf der Gallier Freyheit eingeäschert ward / getragen haben. Denn als Vercingetorich die vom Cäsar belägerte Stadt der Bituriger Noviodun entsetzte / ward die Römische Reuterey von Galliern völlig in die Flucht geschlagen; ja wenn damahls nicht der Chaßuarier Fürst Erdmund / des Segesthes Vater mit vierhundert deutschen Edelleuten die Gallier gehemmt hätte / welche jener Anfall niemahls auszustehen getrauen / wäre / allem Ansehen nach / das gantze Römische Läger / als in welches ohne diß die Gallier an zwey Orten einbrachen / aufgeschlagen worden. Nichts minder hätte Cäsar wegen Hungersnoth die Belägerung der schönsten Stadt Avaricum aufheben müssen; wenn er nicht von der deutschen Reuterey mit Vorrath wäre versorgt worden / weil Vercingetorich in der Nähe alles verbrennt und verheeret hatte. Eben so trieb Acrumer des Cattischen Hertzog Arpus Groß-Vater mit fünff hundert Catten bey die Belägerung der Stadt Gergo via / die Gallier aus dem Römischen Läger / woriñen Cäsar nur mit zwey Legionen den Fabius gelassen hatte; Als auch kurtz hierauf den Römern ein Haupt-Sturm ab- und in selbtem sechs und viertzig Hauptleute erschlagen wurden / Vercingetorich aber das Läger zugleich anfiel / [1029] muste auf einer Seite Cäsar mit der zehnden Legion / auf der andern Erdmund und Acrumer mit ihren Deutschen das beste thun; namen hierauf die Heduer den Römern Bibracte und Noviodun weg; Camulogen sa lete an der Seene ein mächtig Heer wider sie / die streitbaren Bellovacker brachten den Labienus zum weichen / die Trevirer / welche an Streitbarkeit allen Galliern überlegen seyn wollen / rückten mit dreyßig tausend Mann zum Vercingetorich nach Bibracte; und also schien die Römische Bothmäßigkeit in Gallien auf Trübsande und zerbrechlichem Grund-Eiße zu stehen. Allein ich weiß nicht: ob das Verhängnüß oder das Ungelücke die Deutschen verblendet hatte. Denn dieses macht auch die Klügsten unbedachtsam; und der Verlierende krieget eben so schli / als ein einbissender Spieler. Für eine so schädliche Entschlüssung halte ich: daß der Catten Hertzog Arabar den Trevirern einfiel / und sie zwang ihrem eigenen Ungelücke zuzulauffen. Deñ hierdurch ward den Römern Luft /der Gallier Bund aber schwach gemacht. Jedennoch war Cäsarn nicht wenig kummerhaft: daß die Allobroger durch starcke Besätzung des Rhodans ihm alle Gemeinschaft mit Italien abschnitten; und als er zu denen zweifelhaften Sequanern fortrückte / den Vercingetorich mit einem mächtigen Heere in Rücken bekam / dessen Reiterey allezeit der Römischen überlegen waren. Diese Noth machte Cäsarn die Larve eines großen Freundes der Deutschen für. Er beehrte sie mit einer ansehlichen Gesandschaft / mit Ubersendung vieler köstlichen Geschencke / und bot sich zum Mittler ihrer Zwistigkeiten an. Die redlichen Deutschen hätten sich für einem versöhnten und so herschsüchtigen Feinde hüten und gedencken sollen: daß übrige Weiße und Röthe nicht eines natürlichen sondern geschminckten Antlitzes / allzugroßes Liebkosen aber eines falschen Hertzens Farbe sey. So aber ließen sie sich nicht allein bereden: daß Cäsar es gar aufrichtig meinte; sondern meinten auch ihrer Schuldigkeit zu seyn / nach gegen einander geprüfeten Kräften und beygelegtem Unvernehmen ihn nicht hülfloß zu lassen. Diesemnach schickten ihm die Alemänner Catten / und Ubier sechs tausend leichte Reiter zu; welche bald zu Pferde / bald zu Fuße kämpften. Diesen hatte Cäsar dißmal sonder Zweiffel seine Erhaltung zu dancken. Deñ der gantze Adel der Gallier gelobte dem Vercingetorich durch einen theuren Eid an: sie wolten ihren Kindern / Eltern und Ehweibern nicht wieder ins Gesichte ko en / sie hätten sich denn zweymal durch die Feinde geschlagen; ja unter ihnen war eine Anzahl Bellovakischer edler Jungfrauen / welche ihre deutschen Mütter mit der Bedreuung in diesen Zug geschickt: daß / welche nicht eines erlegten Feindes Kopf zurücke brächten / nimmermehr solten vermählet werden. O des Heldenmäßigen Gelübdes! fieng die Königin Erato an zu ruffen. Bey welchem ich nicht weiß: Ob die Töchter oder die Mütter eines grössern Ruhmes wehrt sind. Diese / weil sie ihrer Töchter edle Geburt und ihre häußliche Tugenden nur für die Helfte eines Frauenzimmers / die Tapferkeit aber für ihr bestes Theil achten; und weil sie durch die Hertzhaftigkeit ihrer Töchter gleichsam den Fehler der Natur zu verbessern gedencken: daß sie dem Vaterlande nichts männliches gebohren. Jene aber; weil sie sich nicht ehe einem Manne zu vermählen würdig schätzẽ /als biß sie mit der Tugend Verlobung gehalten; auch einen andern Braut-Krantz als von erfochtenen Lorbern aufsetzen / und ihren Bräutigamen eine recht blutige Jungfrauschaft liefern wollen! Malovend versetzte: Ich würde der Tugend ihren Preiß strittig machen / welches ihre ärgsten Feinde noch nie gethan; wenn ich diesem Gelübde einen Mängel ausstellte. Aber ach! daß es nicht so wol in unser Macht stehet /glücklich / wie hertzhaft seyn. Wiewol auch diß weder in unser Bothmäßigkeit zu bestehen / noch eine Eigenschaft der Natur zu seyn scheinet. Denn diese ist ihr allezeit ähnlich. Daher würde der / der einmal hertzhafft gewest / es i er / wie das Feuer [1030] allemal heiß seyn müssen. So aber sehen wir auch die manchmal für einem Schatten / oder einer Maus zittern; für welchen ehmals Mauern und Heerschaaren gebebt haben. Daher ist es GOtt / der den Menschen das Hertze giebet und ni t; und das Verhängnüß bindet zwar alles an sein Gesetze; es kan aber nicht vertragen: daß wir selbtes an unsers / noch den Sieg an menschliche Gelübde binden sollen. Ja Kräfte und Klugheit zusa en werden für der ewigen Versehung zur Ohnmacht und Fehlern. Vercingetorich theilte seine Reiterey in drey Theil; den ersten führte Cotus /den andern Cavaril / zwey Fürsten der Heduer / den dritten Eporedorich. Diese griffen den an dem Fluße Alduaria sich endlich setzenden Cäsar so hertzhaft an: daß die Römische Reiterey nicht alleine zwischen die Legionen weichen muste / sondern auch diese bereit Noth lidten; weil die Gallier sie auf allen Seiten anreñeten / mit Pfeilen und Wurfspiessen überschütteten / und denen annahenden Römern / welche mit ihnen zum Schwerd-Gefechte ko en wolten / wieder auswichen. Vercingetorich stand inzwischen mit seinem Fußvolcke an einem festen Orte stille / in Meinung nach der Römer gäntzlicher Abmüdung so denn allererst mit desto kräftigerm Nachdrucke einzubrechen. Die Noth war nun recht an Mann ko en / als auf einem Berge sich ein neues Heer Reiterey sehen ließ; welches anfangs die Römer wegen ihrer langen Spieße gleichfals für feindliche Gallier ansahen / und darüber bey nahe in Verzweiflung geriethen. Alle Glieder wanckten schon im Römischen Heere / und Cäsar hatte alle Hände voll zu thun sie in Ordnung zu halten. Sie erkennten sie aber bald darauf mit desto grössern Freuden für deutsche Hülfs-Völcker; welche zwar wegen angenommener Gefahr die gantze Nacht und den halben Tag ohne Fütterung geritten waren; dennoch auf die Gallische Reiterey mit eingelegten Lantzen loß giengen. Der Ritter Sultz führte den Vortrab / und traf auf den Fürsten Cotus so glücklich: daß er ihn aus dem Sattel hob / und vom Ritter Waldburg gefangen ward. Ein abgefundener Fürst der Catten Palland band mit dem Fürsten Cavarill an / und machte der Römischen Reiterey Luft sich wieder an den Feind zu hencken. Reifferschied / und Westerburg aber zwey erfahrne Kriegs-Obersten der Ubier hatten das Gelücke den Fürsten Eporedorich von einem hohen Felsen / worvon er die Römer mit Pfeilen als wie mit einem Hagel überschüttete / und beängstigte zu treiben; und hierdurch das gantze Kriegs-Spiel zu verrücken. Denn ob zwar Eporedorich und Cavaril das euserste thaten / Teutomat der Hertzog der Nitiobriger / und Comius der Atrebater / auch den Galliern mit dem Hinterhalt der Reiterey zu Hülffe kamen; Insonderheit aber die Bellovakische Fürstin Hadmudis mit ihren gewafneten Jungfrauen / welche aus ihren Augen hier so viel Gri / als sonst Liebe ausließen / durch ihre männliche Thaten den Deutschen und Römern gute Zeit den Sieg / und die Flucht der Gallier aufhielten / wurden sie doch endlich / wiewol nicht ungerochen / übermannet; also: daß nach dem Cavaril vom Ritter Tautenberg und Eporedorich vom Ritter Brandenstein gefangen ward; die Gallier mit Verlust mehr als sechs tausend der besten Reiterey die Flucht nehmen / und nebst dem Vercingetorich anfangs in ihr Läger / hernach gar an den Arar-Strom unter die Haupt-Festung Alesia / die auf einem hohen Felsen vom Fluße Armaneon auf beyden Seiten umgeben wird / weichen musten. Wie nun Cäsar nach an sich gezogenen zwey Legionen hierauf mit dem gantzen Heere folgte / und die Stadt Alesia / ungeachtet des unter der Stadt verschantzten Vercingetorichs / zu belägern entschloß / hielten die Deutschen nicht allein die gantze Macht der Gallier auf: daß die Römer sich ringsherum verschantzen konten; sondern als Vercingetorich auch mit seiner gantzen Reiterey die Römischen Arbeiter überfiel / und abermals ihre Wachten in die Flucht trieb; begegneten ihm [1031] die Deutschen abermahls so harte: daß ihrer zweytausend ins Graß bissen; verfolgten sie biß unter den Wall und an die Pforten des Gallischen Lägers; schnitten selbtem auch durch tägliches Streiffen alle Zufuhr ab; also daß Vercingetorich gezwungen ward unterm Comius alle Reiterey des Nachts zu Einholung mehrer Hülffe von sich zu lassen / sich aber mit allem Fußvolcke in Alesia einzuschliessen. Die Gallier kamen mit ihren eusersten Kräften über zweymal hundert tausend Mann starck zwar unter dem Comius / Viriomar / Vergasilan ihren obersten Kriegs-Häuptern der in euserste Hungers-Noth von Cäsarn gebrachten Festung Alesia zum Entsatz / und verschantzten sich nur fünffhundert Schritte vom Römischen Läger. Gleichwol aber war es keine Mögligkeit durch zu brechen. Inzwischen nam der Hunger / welchen allein die sonst alles zernichtende Zeit vergrössert / in Alesia so sehr überhand: daß denen meisten Kriegs-Leuten schon davon die Schenckel zerschwalen / und daher der darinnen befindliche Critognat / ein Fürst der Arverner / alle alte und zum Kriege untüchtige Leute zu der streitbaren Speise abzuthun unmenschlicher Weise einrieth. Rhemetalces fiel ein: Es wäre freylich wol mehr als viehisch zur Wollust Menschen-Fleisch verspeisen; weil wenig auch der grimmigsten Thiere auf ihr eigen Geschlechte wüteten. Dahingegen unter den Scythen und etlichen andern Völckern so abscheuliche Leute gefunden würden / welche Menschen-Fleisch zu feilem Kauffe auslegten / und auf ihre Gast-Maale die Gefangenen mästeten. Wiewol auch diese noch gegen dem Pollio zu Rom für heilige Leute zu achten wären / der seine Murenen in Hältern mit Menschen-Fleisch mästete / und in des Keysers Augustus Anwesenheit seinen ein Glaß zerbrechenden Leibeigenen zu ihrer Speise zerstücken hieß. Alleine die euserste Noth ist das oberste Gesetze / welchem alle andere Satzungen der Völcker ja der Natur unterworffen sind; welchem die Menschen nur blinden Gehorsam leisten müssen /ja die Götter es selbst nicht versehren können. Diesemnach in der eussersten Hungers-Noth Menschen zu schlachten und zu essen für keine unmenschliche Grausamkeit mit Rechte gescholten werden könte. Denn GOtt ließe alles zu / was nöthig / und das Recht / was unvermeidlich wäre; nach der einem Priester des Hercules von der Pythia eröfneten Wahrsagung. Die erwähnte Noth hiebe alles andere Recht auf / sie benehme andern ihr Eigenthum / und erlaubte fremdes Gut beym Ungewitter ins Meer zu werffen / beym Brande des Nachbars Hauß einzureißen / ja sie rechtfertigte den Diebstal; die Götter vertrügen den Kirchen-Raub / und die Entweihung ihrer Heiligthümer. Daher gantz Grichenland der Stadt Athen wider die Thebaner recht gab / die sie schmäheten / weil sie das heilige Wasser in dem Delphischen Tempel zu ihrer Nothdurft / ja so gar zum Handwasser verbraucht hatten. Denn wenn die Götter iemanden eine Nothwendigkeit aufbürden; bezeuget der / welcher sich ihr ohne Wiederspenstigkeit unterwirfft: daß er mit den Göttern nicht Krieg führen / noch durch gezwungenes Thun von der Bahn eines Weisen absetzen wolle; welcher zuweilen der Zeit / allemal der Noth aus dem Wege tritt / und mit dem willig zu frieden ist / worzu sie ihn doch zwingen würde. Die / welche das Loos /oder eine vernünftige Wahl zur Speise anderer bestimmet / haben sich auch so viel weniger über Unrecht zu beklagen; weil der Hunger sie ohne diß schmertzhafter aufreiben würde; und die wenigere Gesellschaft im Sterben den Tod ihnen nicht schwerer macht / ihre zeitlichere Abschlachtung aber vielen andern das Leben; ja das Vaterland im Stande erhält. Da es nun nicht allein zuläßlich / sondern rühmlich ist diesen zu Liebe sein Blut in Schlachten verspritzen /dem Codrus mit Fleiß in die feindlichen Spiße zu rennen / dem Themistocles durch [1032] getrunckenes Ochsen-Blut sich hinzurichten / den Philenen sich lebendig in Sand zu verscharren / dem Curtius sich in die gifftige Klufft zu stürtzen / den Deciern sich dem Tode zu verloben / warum soll es bedencklich seyn fürs Vaterland seiner Freunde Speise zu werden? Da die Eltern bey so viel Völckern ihre Kinder den Göttern fürs gemeine Heil aufopffern; da ein Feldherr seine Kriegs-Leute an einen Ort zu befehlichen Recht hat / wo der Tod seiner mit offenem Rachen wartet; da es rühmlicher ist sich mit der anvertrauten Festung durch die Glut in die Lufft schicken / sein Schiff in Grund bohren / als dem Feinde übergeben; warum soll es unrecht heissen auch die Wiedrigen zur Erhaltung mehrer und nützlicher Bürger abzuschlachten? Ist es denn vortheilhafftiger des Feuers / der Fäule / und der stinckenden Würmer / vielmahl auch der Fische Speise werden; als seiner hungernden Landes-Leute oder Blutsverwandten? Geben sich doch die Reb-Hüner den Habichten willig zur Sättigung hin / daß nur ihre Jungen entrinnen; warum sollen die unnützeren Menschen fürs Vaterland verspeiset zu werden Abscheu tragen? Dem Harpagus schmeckte an des grausamen Astyages Taffel das gebratene Fleisch seines eigenen Sohnes gut; warum soll uns in eusserster Noth / die uns offt Hunde / Katzen / Mäuse / Graß / Mist / und abscheulichere Dinge einnöthiget / für anderer Menschen Fleische grauen? Welches die Natur für andern zur Nahrung dienlich gemacht hat. Sintemahl doch diese unsere Mutter eben so begierig für Erhaltung des Leibes Unterhalt / als das Feuer Zunder verlanget; und uns zwar die Liebe unsers gleichen eingepflantzt /aber auch ein Gesetze gegeben hat uns in gleicher Noth mehr / als andere zu lieben / und wie sie durchgehends aus eines Dinges Verterb das andere gebieret / also auch mit anderer Untergang uns durch anderer Menschen Verterben darfür zu bewahren geboten hat. Die Gesetze erlauben den Eltern in so grossem Mangel ihre Kinder zu verkauffen / und der Willkühr fremder Grausamkeit heimzugeben. Haben denn nun diese durch gekaufftes Recht bessere Gewalt / als wir über sie? Ich finde nirgends: daß einige ihr Kind essende Eltern haben müssen für Recht stehen; zweiffelsfrey darum: weil der Hunger alles Ansehen der Natur wegnimmt / keines Schreckens achtet / die Empfindligkeit der zärtesten Mütter tödtet; daß sie nach dessen Blute lüstern wird / was sie mit ihrem gesäugt hat; ihre Frucht mit ihren Zähnen zerfleischet /die sie mit ihren Armen und Hertzen umfangen / und in ihren Magen vergräbt / was in ihren Eingeweiden lebendig ward. Daher die tapfferen Saguntiner ihnen das geringste Bedencken gemacht / so wol lebende Menschen zu schlachten / als Leichen zu essen / um der Treue ihrer Bundsgenossen keinen Abbruch / und für Erhaltung ihres Vaterlandes alles eusserste zu thun. Malovend versetzte: Ich weiß wol: daß diese letzte Schuldigkeit allen andern das Vor-Recht nehme / und die Liebe unsers Blutes / ja das Recht unser Leben zu erhalten uns benehme. Daher mag ich nicht hartnäckicht die Verspeisung der wol mehrmahls liederlicher verschwendeten Menschen nicht gäntzlich wiedersprechen. Gleichwol aber nicht ohne erhebliche Bedingungen / wenn nehmlich die eusserste Noth alle andere Erhaltungs-Mittel abstrickt; und einige Hoffnung der Erhaltung aus so grausamen Beginnen herfür blicket; wie es sich in etlichen Schiffarthen verirrten / oder Schiffbruch-leidenden begegnet ist. Wenn aber an unser Erhaltung das Heil des Vaterlandes nicht gäntzlich hänget; sondern man mit dem Feinde auff leidentliche Bedingungen abkommen kan / oder wenn so grausame Verfahrung nur eine Fristung /nicht [1033] eine Abwendung des Unterganges verheisset; halte ich selbte weder für vernünfftig / noch für verantwortlich. Zumahl da der bewehrten Aertzte Meynung nach / das Menschen-Fleisch eine schädliche Nahrung giebt / und das gantze Geblüte anzündet /hernach faulend macht. Massen diese Kranckheit bey denen Menschenfressenden Völckern sehr gemein ist; ja einsmahls ein gantzes Heer der Gallier darmit angesteckt worden / welchem boßhaffte Kauff-Leute gedörrtes Fleisch erschlagener Mohren für Stockfisch verkaufften. Ja in den Atlantischen Eylanden wird das schädlichste Gifft aus Menschen-Fett und Blute bereitet. Wenn es aber auch an sich selbst nicht so schädlich wäre / ist doch dessen Gebrauch selten iemand viel zu statten kommen. Massen denn die zu Sagunt und Astapa eben so wenig / als die Gallier in Alesia /nach ihren so blutigen Mahlzeiten weder sich noch ihr Vaterland / sondern alleine diß erhalten: daß sie der Flammen und des Todes Speise / oder ein Opffer ihrer gegen einander mehr / als viehisch ausgeübten Grausamkeit worden. Denn es scheinet: daß das Glücke denen sein Antlitz nicht zuwenden könne / welche der Natur verzweiffelt Gewalt anthun. Daher ich auch in dem Falle / da sich die Verspeisung der Menschen rechtfertigen läst / mir lieber die Speise / als der Gast zu seyn erwehlen würde. In Alesia hielt des Fürsten Critognat blutiger Vorschlag nicht lange den Stich /sondern die Noth verbitterte sich gleichsam ihnen alle Hülffe / und was der letzte Spar-Pfennig der Elenden ist / die Hoffnung abzustricken. Vercingetorich trieb zwar durch seine leichte Reuter und darunter vermischte Bogenschützen die zu Bedeckung des Lägers auff einer vortheilhafftigen Höhe stehende Römische Reuterey ab; alleine die deutschen Hülffs-Völcker schlugen mit einer unglaublichen Tapfferkeit / zu selbst eigener Verwunderung der Römer / die Gallier wieder herunter. Auch können die Romer nicht genung ihre Tugend heraus streichen / die sie in denen drey Hauptstürmen gegen die Gallier erwiesen. Insonderheit aber im letzten / als Vercingetorich und Critognat mit sechzig tausend Mann ausfielen / und Viriomar an zweyen Orten das Römische Läger stürmeten; ja Vergasulaun auff der Nordseite von einem hohen Berge in das niedrige Läger durch den Wall schon eingebrochen / Labienus verwundet / und alles voller Schrecken war; wuste Cäsar ihm keinen Rath /als daß er mit der Deutschen Reuterey auf der einen Seiten einen Ausfall thät; welche dem Vergasulaun in Rücken gieng; da denn der Ritter Blanckenberg dem Fürsten der Lemovicher den Kopff zerspaltete / der Ritter Beuchlingen aber den Hertzog Vergasulaun selbst gefangen bekam. Wordurch nicht allein die Römer aus eusserster Gefahr errettet / die Gallier Alesia zu verlassen / Vercingetorich aber den Belägerten einzurathen gezwungen ward: daß sie ihn todt oder lebendig Cäsarn einliefern / und darmit seinen Grimm besänfftigen solten. Wie nun dieser Angrieff als des sterbenden Galliens letzter Biß / Cäsars eigenem Bekäntnüße nach / der gefährlichste war; also war die Ubergabe Alesiens der letzte Schlag / welcher den Vercingetorich zu Bodem / und Gallien unter den Fußschemel der Römer stürtzte. Denn ob wol Comius / und Correus mit den Bellovaken die Deutschen um Hülffe inständigst anfleheten / und ihr Heil zum letzten mahl versuchen wolten / so brachten sie doch mehr nicht / als fünff hundert Sicambrer und Chauzen auff; welche die mit dem Cäsar wieder sie auffziehenden Rhemer in die Flucht brachten / und ihren Fürsten Vertisch todt schlugen. Alleine Cäsar setzte diesen Deutschen alsbald ihre eigene Lands-Leute in grösserer Menge entgegen; welche jene ohne sonderbahre Müh in der Gallier Läger trieben / und hernach in unterschiedenen Treffen den Galliern grossen Abbruch thäten / ja endlich den Fürsten Correus in [1034] Deutschland zu fliehen nöthigten; welchem Fürst Comius gleichfalls folgte / nach dem sich Volusenus ihn meuchelmörderisch hinzurichten vergebens bemüht hatte. Als auch Caninius die Festung Uxellodun belägerte /die Fürsten Drapes und Luterius aber in selbte einen grossen Vorrath zu bringen bemüht waren / schlug die deutsche Reuterey diesem nicht allein alle Wagen ab /sondern eroberte auch das Läger der Gallier / und kriegte der Ritter Waldenburg den Drapes selbst gefangen; welcher sich hernach durch Abbruch der Speisen selbst entseelte; als er vernahm: daß Cäsar den Carnutischen Fürsten Guturvat hatte zu tode prügeln /allen Gefangenen in Uxellodun aber die Hände abhauen lassen; wormit zugleich allen Galliern der Degen /oder vielmehr gar das Hertze entfiel.

Gallien war derogestalt wol überwältigt / aber Cäsars Hertze nicht gesättigt. Denn die Herrschsucht ist geartet wie das Feuer / das von seinem Zunder nur mehr hungrig wird. Sie ist weder mit sich noch mit andern vergnügt; und hält selbst die Zeit für ihren Feind / weil sie sich zwischen seine Begierde und den Besitz verlangter Dinge eindringet / und zwischen beyden eine Entfernung macht. Die Wehen ihrer Sehnsucht lassen niemahls nach. Denn ihre Mißgeburten lassen immer Affter-Bürden der ohnmächtigen Ehrsucht hinter sich. Weil nun Cäsar nach überwundenem Gallien keinen Oberherren / der grosse Pompejus nach untergedrücktem Asien aber nicht mehr seines gleichen vertragen konte / suchte das nunmehr allzugrosse Rom aus Mangel eines ausländischen Feindes ihm einen in sich selbst. Ein Ehrsüchtiger hält diß schon für einen Raub / wenn er nicht beko t / was seine Hoffnung seinen Verdiensten zugesagt hat. Daher war es Cäsarn zu Anspinnung des bürgerlichen Krieges schon genung: da der Rath ihm die Bürgermeister-Würde versagte / und nach geendigtem Kriege die Waffen niederzulegen ermahnte; gleich als wenn diese im Kriege wieder die Feinde / im Friede wieder die Bürger zu brauchen wären: daß sie nie mahls verrosteten. Beyde Uhrheber des grausamen Bürger-Krieges Cäsar und Pompejus meinten solchen allzu kaltsinnig anzufangen / wenn sie nicht die hertzhafftesten Ausländer mit ins Spiel wickelten. Diesemnach nahm Cäsar alle in Gallien geprüffte Deutsche Kriegs-Völcker mit in Italien; Pompejus aber zohe deßhalben Dejotarn mit seinen in Asien eingesessenen Deutschen an sich. Dieser allem Ansehen nach nicht so wol aus Kurtzweil des Glückes / welches durch unterschiedene Unfälle Cäsars Siege so viel herrlicher machen wolte / als Dejotarn zu Liebe er aus dem besetzten Brundusischen See-Hafen mit genauer Noth auf einem lecken Nachen entkam / durch dessen Hülffe er seine Sachen wieder zu Stande brachte / dem Dolabella und Antonius grossen Abbruch that / in Epirus Cäsarn friedsame Gedancken abnöthigte / und ihn mit grossem Verlust von der Stadt Dyrrhachium abschlug. Hingegen halffen die Deutschen bey Eroberung der Stadt Maßilien / bey Uberwindung des Petrejus und Afranius in Hispanien / nicht wenig zu Cäsars Siegen; weßwegen auch in dem Cäsarn auf dem Pyreneischen Gebürge aufgerichteten Siegs-Mahle auf der einen Seite des Cattischen Fürsten Acrumers Nahme mit in Marmel eingegraben ward. Den Gewinn aber der Pharsalischen Schlacht / da nicht nur der Stadt Rom und der beyden unersättlichen Kriegs-Häupter /sondern gleichsam der Welt und des menschlichen Geschlechtes Verhängnüß auf der Wag-Schale lag /hat Cäsar niemanden / als denen dreytausend deutschen Reutern unter denen Fürsten Erdmund und Acrumern ohne Wiederrede zu dancken. Denn nach dem Pompejus fast zweyfach stärcker / als Cäsar war / insonderheit aber dreymahl mehr Reuterey hatte / wormit er Cäsars Kriegs-Volck auf allen Seiten [1035] anfiel /mit solcher auch den rechten Flügel / in welchem Cäsar wieder den Pompejus stand / fast gantz umringte; musten die Deutschen das beste thun / welche nicht nur mit solcher Geschwindigkeit an allen Orten Cäsarn zu Hülffe kamen; daß alle andere Reuterey gegen jenen langsame Fuß-Knechte zu seyn schienen; sondern wenn der Feind meinte / er stritte mit einem Reuter / sprangen die Deutschen in einem Augenblicke von Pferden / und durchstachen die feindlichen über sich: daß sie mit ihren Auffsitzern zu Bodem stürtzten; oder sie zielten mit ihren Lantzen recht in die Augen ihrer zärtlichen Feinde; welchen also durch eine geringe Verwundung das Gesichte verbländet /und der Muth länger in der Schlacht zu bleiben benommen ward. Daher die Reuterey des lincken Flügels / nach dem Fürst Erdmund den Thracischen König Sadal über einen Hauffen gerennt / der Alemännische Ritter Zimmern aber den Cilicischen König Tarcondimot nach hefftiger Verwundung gefangen bekommen hatte / zum ersten in die Flucht bekam. Wiewol nun des Pompejus rechter Flügel wieder den Antonius eine gute Stunde länger Stand hielt; sonderlich weil König Dejotar als ein Löwe mit seiner Reuterey allenthalben für den Riß stand; so hatte doch der Ritter Leiningẽ anfangs das Glücke ihm durch Verwundung den rechten Arm unbrauchbar zu machen; Endlich drang Königstein / ein Bructerischer Ritter / welcher bey angehender Schlacht Cäsarn des Sieges / und daß er ihm / er stürbe gleich / oder bliebe lebendig / zu dancken Ursache haben würde / gleich einem wütenden Menschen durch seine Leib-Wache durch / riß ihn mit Gewalt vom Pferde / und kniete ihm auff den Hals. Worüber Königstein zwar mit vielen Wunden getödtet / Dejotar aber gefangen / und daher jenem von Cäsarn auff der Wallstatt ein köstliches Gedächtnüß-Mahl von Ertzt und Marmel auffgerichtet ward. Für diesen Schatten wurden die Deutschen lüstern nicht nur ihr Blut zu verschwenden /sondern auch durch Uberwindung anderer sich selbst Cäsarn überwunden zu geben. Mit Dejotars / und des Marcus Brutus Gefängnüße / welchen Ritter Salm in seine Hände bekam / entfiel allen Streitenden das Hertze; ja weil Cäsar allenthalben nicht so wol aus Erbarmnüß / als seine Feinde zu trennen ruffen ließ: Schonet der Bürger; und alle Macht aber auf die Asiatischen Hülffs-Völcker andrang / liessen die Römer /die zeither mehr für ihr Leben / als des Pompejus Sieg gefochten hatten / nunmehr die Hände / wie vorher den Muth sincken. Hierdurch ward nicht allein die Schlacht / sondern auch das Läger gewonnen; Pompejus aber / der hier durch keines Edlen Klinge fallen wolte / in Egypten zu fliehen genöthiget / wormit er seine Gurgel einem entwandten Knechte / und dem Messer eines verzagten Uberläuffers darreckte. Uber dieses ist des Chaßuarischen Ritters Tapfferkeit und Treue unsterblich; dessen Nachkommen hernach den Nahmen Steinfurth bekommen; weil er Cäsarn / als Ptolomeus zu Alexandria ihn mit grosser Macht in das Meer trieb / nicht nur wegen seiner Schwimmens-Kunst unterstützte / und durch die verborgenen Steinklippen zu denen Römischen Schiffen gleichsam einen Furth fand; sondern auch mit Fleiß sich in seinen Purpur-Mantel hüllete; wormit die feindlichen Pfeile nicht Cäsarn / sondern ihn selbst treffen möchten. Wie er denn auch zwar dardurch seine Grufft in den Wellen / aber auch hernach ein Ehren-Mahl an dem Egyptischen Seestrande / und die Unsterbligkeit seines Ruhmes bey der Nach-Welt bekommen hat. Alleine hatten die Deutschen Cäsarn bey Pharsalus den Sieg / bey Alexandria das Leben erhalten; so halffen sie bey Munda in der gefährlichsten Schlacht mit den jungen Pompejen / da Cäsarn [1036] sein Glücke selbst nunmehr verdächtig fürkam / und ihm eine traurige Abwechselung ahnete / seiner eignen Verzweifelung ab. Denn Cäsar ward daselbst gleichsam selbst zum Steine / als beyde Heere mitten in dem hizigsten Todschlagen / da iedem schier der Jäscht für dem Munde stand / in einem Augenblicke als todte und stumme Bilder gegen einander erstarrten / und die schon halben Streiche zurücke hielten. Ob er sich nun zwar und sein Heer wieder ermunterte / und beyderseits der aus Göttlicher Regung erwachsene Stillestand sich wieder in Würgen verwandelte / hielten doch Cäsars älteste Krieges-Leute wieder die verzweiffelten Pompejen mehr aus Schande als Tugend Stand. Der Kern seines Heeres die zehende Legion kam zum weichen / ungeachtet der gleichsam rasende Cäsar Augen / Hände und Stimme sie auffzuhalten brauchte. Daher er ihm selbst den Degen an die Brust setzte / wormit er nicht dem grossen Pompejus im Tode gleich würde / dem er an Macht schon zu vor kommen war. Aber nicht so wol ein Römer / der ihm den Degen ausrieß; als Sarganß / ein Alemännischer Kriegs-Oberster / der mit zwey tausend Mann in das Pompejische Läger einfiel / lehnte von Cäsarn nichts minder die Schande der Zagheit / als seine und seines Heeres Niederlage ab. Denn als Labienus dem Läger drittehalb tausend Mann zu Hülffe eilen ließ / legte Hertzog Acrumer es der Römischen Reuterey für eine Flucht des Feindes aus; waren also die Deutschen die Ursache eines herrlichen Sieges. Ja weil eine ziemliche Anzahl der deutschen Ritterschafft todt blieben / nagelten sie bey Belägerung der Stadt Munda aus Verbitterung ihrer Feinde Leichen mit Spießen zusammen; machten davon um die Stadt für sich eine Brustwehre / und bauten durch so viel Siege Cäsarn einen herrschafftlichen Stul in Rom über die halbe Welt / wiewol zugleich ein Ziel des Neides / und eine abschüßige Stiege zu seiner Grufft.


Als die Römer derogestalt mit ihren Waffen ihre eigene Eingeweide zerfleischten; Dachte kein Römer mehr den Deutschen einigen Abbruch zu thun. Cäsar hielt zwar zu Rom auf einmahl fünfferley Siegs-Gepränge. In dem über Gallien ließ er alle eroberte Städte und Siegs Bilder aus Citronat-Holtze; über das Pontische Reich / alle aus dem rothen Egyptischen Acanthus-Holtze / über Egypten aus Meer-Schnecken / über Africa aus Helffenbein / über Hispanien aus gedrieseltem Silber fürtragen. Er vertrug auch: daß der Römische Rath seine Seule zwischen die Bilder der sieben Römischen Könige setzte; ja ein Theil dessen ihm die Gewalt aller Römischen Frauen nach Belieben sie zu bedienen zueignete. Als aber der heuchelnde Antonius nebst einem Königlichen Krantze und Stabe ihm aus dichtem Golde das Bild des gefesselten Rheines fürstellte / und Cäsarn bereden wolte jene Königliche Zeichen nicht allein zu tragen / sondern auch dieses mit auffzuthürmen / schlug Cäsar beydes ab / vorwendende: daß das erste ihm zu wenig / das letztere zu viel wäre. Denn er wolte mit keinem Getichte die Warheit der übrigen Siege verdächtig /noch die Deutschen unwillig machen; sondern er rieth den Römern vielmehr: daß sie mit diesem unüberwindlichen Volcke lieber gute Verträuligkeit pflegen; als durch vergebliche Antastung ihre Schwäche verrathen solten. Wiewol auch seine vertrauteste ihm in Ohren lagen: daß er die Bürgerliche Ruh in Rom nicht besser / als durch eusserlichen Krieg / erhalten /und durch öffters Aderlassen das Haupt für allen beschwerlichen Dünsten verwahren könte; war er doch nicht zu bereden durch Krieg wieder [1037] die Deutschen seinen Ruhm noch einmahl in Gefahr zu setzen; sondern als er ermordet ward / berathschlagte er sich gleich / wie er den Parthen und Geten eines versetzen möchte.

Derogestalt hatten die Deutschen nunmehr wol die Hand in den Römischen / die Römer aber nicht in den Deutschen Händen. Alleine wie die Sommer-Wärmde die gifftigen Feuchtigkeiten in die Lufft empor zeucht; welche die Kälte des Winters in der Erde verschlossen hielt; als öffnete die verschwundene Gefahr für den Römern in Deutschland die alten Regungen der Herrsch- und Eyversucht. Die Catten waren den Cheruskern niemahls auffsetziger gewest / als itzt; da ihr Glück und Ansehen gleichsam wieder sichtbarlich zunahm. Denn der Neid hat die Eigenschafft der nur den vollen Mohnden anbellenden Hunde; und ist ein Gifft / welches nicht wircket / wo es keine Wärmde findet. Denn ob zwar einige die Todfeindschafft der Catten und Cherusker / wie auch etlicher andern Völcker einem wiedrigen Einfluße der Gestirne / oder einer andern geheimen Würckung der Natur zueignen; auch etliche gar getichtet haben: daß beyder Blut in einem Becken sich wie der Rhodan in dem Lemannischen See nicht mit einander vermischten; daher auch selbte mit der Mutter-Milch gleichsam denen Kindern eingeflößet würden; so ist doch der Warheit vielmehr gemäßer: daß die Ober-Herrschafft in Deutschland der Cheruskisch- und Cattischen Häuser Zanck-Eisen /und die Uberschlagung der Zunge in der Wage Deutschlandes stets der Uhrsprung eines neuen Krieges / wie für Zeiten zwischen den Grichen und Persen / Asien / zwischen Rom und Carthago das Mittelländische Meer mit seinen Eylanden der Zanck-Apffel gewest wäre. Dieser Eigen-Nutz wäre das Geheimnüß / das die Naturkündiger nicht zu nennen wüsten; und das nicht nur die Menschen / sondern auch Thiere und Gewächse gegen einander zwistig machte. Die Feindschafft zwischen der Eiche und dem Oel-Baume / zwischen Kohl und dem Weinstocke / zwischen Rosen und Knoblauch / rühret aus nichts anderm her / als daß eines dem andern die Nahrung raubt. Der Adler und Drache führen einen ewigen Krieg der Schlangen halber mit einander / die beyde zu ihrer Speise / wie die Catten und Cherusker die Deutsche Herrschafft allein haben wollen. Weil aber weder ein noch das andere Hauß wegen der andern Deutschen Fürsten Eyversucht ihm nach diesem Bissen die Zähne darff lassen wässericht werden; ist inzwischen die Feldherrschafft die Braut / darum beyde tantzen. Denn ob selbte zwar mehr Schatten der Ehre / als wesentliche Macht an sich hat; so ist doch die Ehrsucht nach einem Lorber-Blate offt lüsterner / als nach einem Granat-Apffel; und der Adler um die Herrschafft der Lufft alleine zu behaupten / verfolget den ohnmächtigen Schnee-König nur seines ihm verdächtigen Nahmens halber biß auff den Tod. Daher rückten die Catten dem Cheruskischen Hause auff: daß selbtes nicht so wol durch Tapfferkeit / als durch vortheilhafftige Heyrathen sich vergrössert / und in Deutschland so viel Leut und Länder unter sich gebracht hätte; dessen ungeachtet verschmäheten nunmehr von geraumer Zeit her die Cheruskischen Fürsten andere ältere Geschlechter / und vermählten sich entweder nur mit ihren Blutsverwandten / oder gantz fremden Weibern. Segimer hätte so gar eines Parthischen Leibeigenen des Surena Tochter geheyrathet; da doch voriger Zeit die deutschen Fürsten auch selbst denen Persischen Königen ihre Kinder versagt hätten. Uber diß stellten sie Asblasten / Segimers Gemahlin eine übrige Zärtligkeit zum Mangel aus / wordurch der Morgenländer weichliche Sitten und Lebens-Art in Deutschland unvermerckt eingeschleppt / und der alten Tugend / welche unter Schweiß und Staub einen sicheren Auffenthalt hätte / als Balsam [1038] und Seide / nicht geringer Abbruch gethan würde. Daher hätte der grosse Alexander auffs schärffste verboten einige Asiatische Weiber / oder nur die mit ihnen erzeugten Kinder mit in Macedonien zu nehmen; um durch sie nicht die väterlichen Sitten anzustecken. Unvergleichlichern grössern Schaden aber thäte eine solche Fürstin; welche nicht nur über das Volck / sondern über den Fürsten selbst zu herrschen gewohnt wäre. Andere Menschen könten zwar Verräther der Könige seyn / ihre Gemahlinnen aber verleiteten sie ins gemein: daß sie Verräther ihrer selbst würden; und die / welche ihnen nach Leben und Reiche stünden / rechtfertigten und belohnten. Da nun Fürsten selbst der Weiber Sclaven würden; und sie ihnen in Abgötter verwandelten; wer wolte zweiffeln: daß nicht auch das Volck nach dem Beyspiele der Thebaner / die des Königs Demetrius Beyschläfferin Lana zu Sicyon der Lamischen Venus Tempel einweihten / sie für ihre Herrscherin verehren / und für ihres Lebens Richtschnur annehmen solte? Die Heucheley wäre bey Hofe eine so dienstbare Sclavin: daß sie die Fehler der Fürsten für Tugenden / und die Gebrechligkeiten für Zierden anbetete; mit dem Clisophus / dem einäugichten und hinckenden Philip zu Liebe / ihr das eine Auge verbinde / und hinckte; ja mit selbtem das Maul rimpffte; mit dem Chirisophus dem Könige Dionysius sonder bewuste Ursache lachte /seinen eingeschluckten Speichel für süsser als Honig preiste / und mit dem Antlitze selbten auffienge; mit andern Tellerleckern dem Hiero zu gleichen sich bey der Tafel übersichtig stellte; mit andern dem grossen Alexander zu gleichen den Kopff auf die Seite hienge; ja mit dem Cambalus dem Selevcus / oder auch gar einem solchen Hofeschrantzen zu Liebe sich verschneiden liesse; und um eine Hand voll schnöder Gunst zu erhalten begierig die Männligkeit einbüste. Man hätte für weniger Zeit in der Nachbarschafft wahrgenommen / wie nach zweyer Fürsten Beyspiele ihnen gantze Länder ihre Köpffe kahl geschoren /derer einer wegen Hauptweh / der ander wegen empfangener Wunde die Haare abscheren lassen. Ein vertorbener Hut-Krämer hätte sich durch Bestechung eines Höflings wieder in Stand gesetzt; der seinen König beredet einen von seinen veralterten Hüten zu tragen; weil er die übrigen in einem Tage um zehnfach Geld anwehren können. Noch viel anfälliger aber wären die Laster der Fürsten. Denn iederman meinte so denn durch ihre Nachthuung ans Bret / und in die Gnade seines Herrn zu kommen. Die zaghafftesten der Sünden würden so denn behertzt. Und mit einem Worte / das Ubel fiele aus dem Haupte auf die Lunge eines gantzen Volckes / und daher müste daraus eine tödtliche Verzehrung folgen. Jedoch wäre diß noch alles Kinderspiel gegen dem / wie eine wollüstige Fürstin das gantze weibliche Geschlechte / ja das gantze Reich gleichsam im Augenblicke an ihr Seil bringen / oder vielmehr bezaubern könte. Keine edle Frau in einem Lande wird für gescheut gehalten / welche nicht eine Aeffin ihrer Königin ist. Denn alle lassen gedultiger ihren guten Sitten und Tugenden auf den Fuß / als jene Carische Weiber beym Artabazes auf den Rücken treten / welche dem auf die Wagen steigenden Frauen-Zimmer bey Hofe zum Fuß-Schemmel dienten. Eine fremde Königin hätte unlängst das benachbarte Sarmatien aller seiner Schätze beraubt /den König wie einen Zeidel-Bär an der Kette geführet / allen Reichs-Räthen güldene Ringe durch die Nase gezogen / die alten Gesätze und Sitten in ihre Landes-Art verkehret; und es wäre um der Sarmater so beruffene Freyheit gethan gewest; wenn der mitleidende Tod nicht mit dem Fademe ihres Lebens zugleich das Seil ihrer Dienstbarkeit entzwey geschnitten hätte. Nichts bessers hätte sich Deutschland von Segimers Gemahlin zu versehen / in welcher Vaterlande die[1039] Dienstbarkeit eine Tugend / ihr Geschlechte niemahls zu herrschen gewohnet / derer aus Königlichem Uhrsprunge zur Herrschafft gelangender Leute Eigenschafft aber wäre / in der Bothmäßigkeit keine Maaß halten / und ihrer Hoffart kein Ziel stecken. Auch müste man sich nicht Asblastens angenommene Tugenden irre machen lassen. Denn die Laster wären niemahls gefährlicher / als in diesem Kleide; und wie es schwer wäre der Männer Gemüther zu ergründen; also hielte er es für Unmögligkeit die weiblichen ausnehmen. Dieser schlaue und scheinbare Vorwand schaffte nicht nur eine grosse Verbitterung bey den alten Feinden der Cherusker / sondern auch eine nicht geringe Abneigung bey ihren Bunds genossen; zumahl der Hermundurer Hertzog Briton seine Tochter an Segimern zu vermählen vergebens sich verspitzt /der Catten Hertzog Arabar aber die Heyrath mit der Alemännischen Fürstin Vocione als ein dienliches Band des allgemeinen Frieden in Deutschland vorgeschlagen hatte. Ja in denen Cheruskischen Ohren selbst gewan dieser Vorschlag einen so süssen Klang: daß sie dem Fürsten Segimer anmutheten / entweder die ohne diß unfruchtbare Asblaste gar zu verstossen /oder / Vermöge der denen Fürsten in Deutschland vor Alters her zukommender Freyheit noch eine Gemahlin zu erkiesen. Hertzog Segimer nahm diese Meynung übel auff; sahe die sich hiervon nur etwas aufzuwerffen erkühnenden sauer an; und hielt ihnen ein: Fürsten hätten wol Macht ihren Unterthanen / ob und wen sie heyrathẽn solten / Gesetze vorzuschreiben / damit nicht des Vaterlandes Güter in die Fremde kämen /oder verdächtige Ausländer einnisteten; diese aber könten die Ehen der Fürsten eben so wenig ohne Unvernunfft / als die Sternseher die Vereinbarungen der Gestirne tadeln. Gleichwol verbarg er dieses Unvergnügen des Volkes für seiner so hertzlich geliebten Asblasten auffs möglichste: Alleine es ist kein Ritz so enge / durch welchen nicht die Heucheley den Fürsten die verborgensten Heimligkeiten zustecken könne. Wiewol allhier das Mitleiden einer an dem Cheruskischen Hofe lebender Dulgibinischen Fürstin diese bekü erte Zeitung Asblasten am ersten zubrachte / wormit sie durch ihre Klugheit dieser Gefahr so viel leichter / und ehe das Ubel mehr Wurzel faste / vorbeugen könte. Als nun ein und andere Frauen-Zimmer nach und nach eben diß erwehnten / Hertzog Segimer aber hiervon gegen sie das geringste nicht mercken ließ; verfiel ihr heimlicher Kummer in einen empfindlichen Argwohn: daß er unter der Hand mit der nicht nur schönen / sondern auch überaus reichen und verständigen Fürstin Vocione eine Heyrath abhandeln liesse / und daß man ihr erst nach geschlossener und unhintertreiblicher Sache hiervon Meldung thun / um ihr auff einen Schlag alle Wiedersprechung abzuschneiden. Es ist noch zur Zeit ungewiß: ob die über mäßige Begierde Asblastens ihren Eh-Herrn auch mit ihrer eussersten Seelen-Kränckung zu vergnügen /oder die unrechte Tochter der Liebe / nemlich die Eyversucht sie eine seltzame Entschlüssung zu fassen bewegt habe. Denn als Segimer von dem Feldherrn seinem Vater mit etlichen tausend Edelleuten gegen die Alemannische Gräntzen wieder den besorgten Einbruch geschickt ward / bildete ihr Asblaste ein: es wäre unter diesen Schalen viel ein ander Kern / nehmlich die gäntzliche Vollziehung einer neuen Heyrath mit Vocionen verborgen. Daher machte sie sich in männlicher Tracht mit zweyen ihrer getreuesten und lebhafftesten aus Parthen gebrachten Jungfrauen heimlich aus dem Staube. Der Feldherr Aembrich ließ ihr vergebens auff allen Strassen nachsetzen / weil eine ihrer Jungfrauen unter vor gewendeter Unpäßligkeit ihre Entrinnung drey Tage verhölete; der zurückkommende Segimer aber / welcher etliche Bojische Oerter wieder erobert / und [1040] den Alemannischen Aufzug durch blosse Kriegs-Listen vernichtet hatte /fand an statt eines Siegs-Gepränges diese traurige Zeilen in seinem geheimsten Schrancken:

Die den Tod für die gröste Würckung der Liebe halten / haben entweder ihre edelste Kraft nicht ergründet / oder ihr grosse Unvollkommenheit zugeeignet; wo nicht gar ein Irrlicht für einen Stern erkieset. Es ist leichter / und darff nur einen behertzten Schnitt / oder die Pein eines Augenblicks für den geliebten sein Blut abzöpffen; die Ausstehung aber vieler der Seele zusetzenden Gemüths-Regungen ist etwas übermenschliches. Dieses traue ich mir ausgeübt zu haben / wenn ich der tugendhafften Vocione das nur zur Helffte verlangte Bette meines unschätzbaren Segimers gantz einräume / ihm aber durch meine Anwesenheit keine Unmögligkeit auffbürde seine Liebe so zu theilen: daß die Wagschale nicht hier oder dort überschlage. Der Natur ist es unmöglich mit Feuer zu leschen / und mit Wasser anzuzünden / aber nicht der Liebe. Diese verzehret in mir selbst die lodernden Flammen; und meine angenommene Kälte stecket das Hertze meines unvergleichlichen Segimers gegen der Fürstin Vocione an; welcher ich deßhalben nicht gram seyn kan / weil sie der liebet / dem ich mein Hertze fürlängst tausendmahl aufgeopffert habe. Lebe diesemnach wol / Segimer! und betheile Vocionen mit deiner gantzen Liebe / deine unglückselige Asblasten aber nur mit einem wenigen deines Andenckens.

Die erste Nachricht von Asblastens Entweichung hatte Segimern in Verzweiffelung versetzt; dieser Brieff aber machte ihn gleichsam gantz rasend. Endlich als alle menschliche Mittel sein Gemüthe zu besänftigen vergebens waren / verlohr sich Fürst Segimer zu seines verlebten Vaters und des unruhigen Vaterlandes höchster Bestürtzung nicht nur vom Hofe /sondern aus gantz Deutschland.

Bey Entfallung dieser Seule / welche des nunmehr verlebten Feldherrn Aembrichs schwache Achseln unterstützte / fiengen die Cheruskischen Kräften wieder an zu sincken; die unter ihres Geblütes Fürsten zeither gestandene Eburoner und Moriner fielen durch einen gewaltsamen Aufstand ab / und erwehlten jene ein Kind von drey Monaten Arabars Sohn / diese aber einen Fürsten / der nur dem mütterlichen Stamm-Baume nach von Cheruskischem Geblüte herkam / zu ihrem Olerhaupte. Aembrich gerieth selbst mit vieler Fürsten Deutschlandes auf einer Reichs-Versammlung in der Stadt Casurgis in nicht geringe Gefahr; weil die Catten mit einem mächtigen Heere selbte unverhofft umgaben. Wiewol nun diese ungemeine Noth alle Kräfften der Cherusker und Ubier eilfertig zusammen brachte / und den Feind nicht allein aus dem gantzen Bojischen und Hermundurischen Gebiete trieb; so wendete sich doch bald das Blat. Obymal der Cheruskische Feldhauptmañ ward von Arabarn in dem Gebiete der Usipier geschlagen / er selbst gefangen. Aribert / ein Hertzog der Angeln / welcher nach des Fürsten Gotarts Tode auf die Cheruskische Seite getreten war / weil man ihm in der Feldhauptmannschafft den Ritter Stordesten für gezogen hatte / ward unter dem Sudetischen Gebürge mit seinem gantzen Heere erlegt; und kurtz darauff Löwenmuth Aembrichs ander Sohn auff eben der Stelle / wo König Gotart seinen ersten Sieg erlangt hatte / mit fast nicht geringerm Verlust aus dem Felde geschlagen. Also bindet das Verhängnüß nicht nur einerley Zufälle an gewisse Tage und Namen; sondern auch an etliche Oerter. Hertzog Aembrich legte hierüber mit seinem Leben auch die Sorgen seiner Herrschafft und die Bekümmernüß über sein zerrüttetes Vaterland und die Entfernung des Fürsten Segimers ab; verließ also inzwischen die Verwaltung des Reichs und die Aufferziehung seines nur einjährigen [1041] Sohnes Ingviomers dem Fürsten Löwenmuth. Seinen letzten Athem wendete er noch zu einer beweglichen Ermahnung gegen seine umstehende Räthe an: daß sie die Beruhigung Deutschlandes dem Glantze seines eigenen Hauses /und allen andern Staats-Gesetzen fürziehen solten. Denn der Friede wäre der einige Balsam / durch welchen ein verwundetes Reich wieder geheilet; das Horn des Uberflußes / aus welchem die erschöpfften Länder wieder erfüllet; ein Labsal / mit welchem ohnmächtige Völcker wieder erquickete ein Oel-Baum / von welchem Väter des Vaterlandes alleine bekräntzet werden könten. Wie hertzhafft und sorgfältig nun dieser Fürst dem Reichsfürstand; so war doch das blinde Glücke in seinem wiedrigen Rennen durch keine Tugend nicht auffzuhalten. Gleichwol aber brachte es seine Vorsicht so weit: daß weil die Catten die Alemännische Fürstin Vocione und die übrigen Bundgenossen den durch den König der Cimbern Frotho für geschlagenen Frieden gäntzlich ausschlugen / dieser tapffere Fürst wegen verschmäheter Vermittelung /oder weil der Catten und Svionen durch so viel Siege täglich anwachsende Gewalt ihm verdächtig ward /sich den Cheruskern zu helffen rüstete. Aber so bald Stordeston von dieser nachdencklichen Krieges-Rüstung Wind bekam / rückte er und die Fürstin Vocione dem Cimbrischen Könige Frotho auff einer / und Gunholm mit einem absonderlichen Krieges Heere der Svioner auf der andern Seite über den Hals; brachten es auch durch zwey zu Lande / und eine zur See gewonnene Schlacht dahin: daß er noch selbiges Jahr einen nachtheiligen Frieden schlüssen / und dem Cheruskischen Bündnüße abschweren muste. Als derogestalt der gröste Krieges-Schwall sich zwischen die Ost- und West See gezogen hatte / kriegte Fürst Löwenmuth zwar Lufft / etliche von den Svionen und Catten in dem Quadischen Gebiete besetzte Plätze wieder zu erobern; aber Arabar hetzte denen Cheruskern alsbald einen neuen Feind / nemlich die Könige der Pannonier und Japyden auff den Hals; welche durch ihren schleunigen Einfall den Lauff ihres vorigen Sieges hemmeten. Uber diß kriegte Vocione eine ansehnliche Hülffe von denen Rhetiern und Vindelichern. Weil aber die Cherusker nach Cäsars Tode mit dem Octavius sich verbunden / und ihm bey dem bürgerlichen Kriege wieder den Antonius und Sextus Pompejus mit ansehnlicher Reuterey ausgeholffen hatten; dieser auch nach überwundenem Lepidus / und als Antonius in den Morgenländern beschäfftiget war / zu Rom den Meister spielte; schickte Octavius Cäsar / oder der hernach genennte August den Cheruskern zu Liebe den Tiberius wieder die Rhetier und Vindelicher. Ob dieser nun zwar theils wegen des tieffen Schnees / theils wegen dieser Völcker ja auch ihrer behertzten Weiber / die nach verschossenen Pfeilen so gar ihre zerfleischten Kinder dem Feinde ins Antlitz schlugen / mit dem Degen wenig ausrichtete; machte er doch den Cheruskern Lufft; weil die Rhetier und Vindelicher von den Catten und Alemännern ihre Hülffs-Völcker abzufordern genöthiget wurden. Wieder die Japydes / ein aus Deutschland gleichfalls entsprossenes zwischen dem Durischen und Clavischen Gebürge gelegenes Volck aber rückte Augustus selbst mit fünff Legionen. Die Fläche und die an der Sau gelegene Stadt Segestica verliessen die Japydes gutwillig; im Gebürge aber hatten sie sich derogestalt verhauen: daß in selbtes einzubrechen kein ander Weg /als ein zwischen zweyen stellen Bergen abschüssender Strom zu finden war. Weil es aber dem Römischen Krieges-Volcke unmöglich schien dem rauschenden Wasser entgegen biß an die Achseln zu waten / und über die Klippen zu klettern / von welchen dieser Fluß vielfältig abstürtzte / wie nichts minder sich für den Pfeilen derer auf den Bergen wachsamen Feinde sich zu beschirmen; stutzten sie so lange /biß August selbst [1042] einem gemeinen Kriegs-Knecht den Schild vom Arme rieß / und durch Wasser und Felsen ihnen vorgehende den Weg bähnete; biß es an einer engen Tieffe / worüber die Japyder hatten die Brücke abgeworffen / zu einem schweren Gesechte kam / in welchem August mit seinen an beyden Händen und Schienbeinen empfangenen Wunden selbigen Strom und ihm zugleich seine Ehren-Fahn anröthete. Wie nun die Japydes alldar der Römischen Macht länger nicht die Wage halten konten / zohen sie sich in ihre Haupt-Stadt Mebulum / aus welcher sie denen belägernden Römern durch Abschlagung vieler Stürme /und Verbrennung ihres Sturmzeuges unglaublichen Schaden zufügten. Ja August selbst / als er im zehnden Sturme von einem angeschobenen höltzernen Thurme die Mauer besteigen wolte / ward mit einem Wurffspieße in die Seite derogestalt verwundet: daß man ihn ohnmächtig ins Zelt brachte. Alleine August ließ sich diß so wenig / als ein verlezter Löwe schrecken / der / weñ er sein Blut siehet / nichts minder seine Kräfften / als Grimm vergrössert. Er verschrieb noch zwey frische Legionen darfür / und dräute keines Kindes in Mutterleibe zu verschonen / wenn der Ort mit Sturm über gienge. Weil nun die Tugend endlich wie die Brunnen erschöpfft / und die gröste Hertzhafftigkeit durch ein erbarmendes Mitleiden weich gemacht wird / ließ der eine Japydische Fürst sich das Winseln der Einwohner verleiten: daß er wieder des andern Willen seine Helffte der Stadt mit einem Schlosse den Römern auffgab; und Römische Besatzung einnahm / welche aber folgende Nacht von dem andern Fürsten unversehens überfallen und erschlagen ward. Hierauff vertheidigten die verzweiffelten Japyden beyde Städte mit fast unmenschlicher Hartnäckigkeit / ja als alle Lebens-Mittel aufgezehret / die Mauern zersprengt / die Waffen zerbrochen waren /schlachteten sie ihre Weiber und Kinder selbst ab /zündeten die Stadt an allen Ecken an / vergruben sich also selbst mit der Asche ihres Vaterlandes; und wunden den Römern den Ruhm / ja alle Kennzeichen des geringsten Sieges aus den Händen. Jedoch betrauerte August nicht so sehr: daß er nur eines Steinhauffens /und etlicher Leichen Meister worden war / als daß die Verzweiffelten ihm den besten Ruhm / den ein Uberwinder erlangen kan / mit ihrem Leben abgeschnitten hatten; welcher ist / seinem Feinde vergeben. Derogestalt sind diese Japyden / fieng Salonine an / ein bewehrtes Beyspiel: daß der Mensch sein selbst eigener grosser Feind / ja seines Unglückes Schmid sey. Sintemahl sie aus Furcht eines ungewissen Todes wieder die Gesetze der Götter dem Verhängnüsse das Messer und die Fackel aus den Händen gerissen; und so wol ihnen als ihrem Vaterlande ein solch Unrecht angethan / was der ärgste Todfeind wieder beyde nicht hätte gri iger ausüben können. Diesemnach hielte sie es mehr für ein Werck rasender Thiere sich lieber selbst ins Verterben stürtzen / als dem Feinde sich ergeben; welcher ohne Verletzung des Völcker-Rechts die Ergebenen nicht tödten könte. Der Mensch alleine hätte von der gütigen Natur die Hoffnung in Besitz bekommen. Daher solte er niemahls was verzweiffeltes entschliessen / sondern noch allezeit des besten gewärtig seyn. Rhemetalces begegnete ihr: Ich wil die Hoffnung nicht schlechter Dings verwerffen /noch sie mit einigen für den Lustgarten der Narren /und eine Kurtzweil der Einfältigen schelten. Denn wenn selbte die Vernunfft zum Grunde hat / verdienet sie / das Merckmahl eines grossen Geistes genennet zu werden. Wenn man aber / wie hier die Japyden /von einem verbitterten Feinde nichts als Schmach und Pein zu gewarten / sondern um das armselige Leben zu betteln hat / ist es ja besser dem ohne diß unvermeidlichen Tode etliche Schritte entgegen gehen; als durch vergebene Ausweichung dem Feinde eine Freude machen / umb dem ohnmächtigen Leben mehr Weh zu thun / der von GOTT entsprossenen und niemahls [1043] veralternden Seele aber die verdrüßlichen Bin den des Leibes nicht loß zu binden / sondern ihre Vereinbarung mit den Sternen zu verhindern. Malovend brach ein: Es hatten die Japyden freylich wol wenig Ursache vom August einiger Gnade sich zu versehen; und ist aus seiner letzten Erklärung ihr Thun nicht bald als ein Irrthum oder Laster zu verda en. Denn auch die grausamsten Wütteriche streben nach dem Ruhme der Gütigkeit / und wissen von ihrer Gnade viel Werckes zu machen / weñ die Gelegenheit gnädig zu seyn schon verspielt ist. Wormit aber August nicht ohne Sieg nach Rom kehrete / grieff er die Pannonier an / und belägerte die zwischen dem Flusse Sau und Colops gelegene Stadt Sciscia; die aber so wol zu Lande / als zu Wasser den Römern grossen Abbruch thät. Der fürtrefliche Kriegs-Oberste Menas ward selbst erschlagen. Endlich aber als ihre Mauren fast allenthalben von den Sturmböcken zerstossen waren /musten sie sich auf erträgliche Bedingungen dem Kayser ergeben. Dieser warff alle eroberte Waffen ins Wasser / um den andern Pañoniern ein Schrecken einzujagen; Welches denn auch so ferne gelückte: daß sie mit ihm und denen Cheruskern Friede machten.

Alleine dieser Sonnenschein ward bald von einem grausamen Ungewitter verstellet. Denn Stordeston überfiel mit seinem von so viel Siegen muthigen Krieges-Heere den Cheruskischen Feldhauptmann Salgal einmahl an dem Fluße Chalusus / das ander mahl auf der Flucht bey der Stadt Mesovium. Arabars Sohn /welcher von seinem nunmehr auch abgelebten Vater die Herrschafft und den Haß gegen die Cherusker geerbt hatte / nahm denen. Ubiern und andern Cheruskischen Bundgenossen die besten Oerter weg. Und ob zwar der Ubier Hertzog die Catten einmahl in die Flucht brachte / wetzten sie doch bald die Scharte mit einer grössern Niederlage der Ubier und ihres tapfersten Feldhauptmanns aus. Einen noch grössern Sieg erlangte Stordeston über die Cherusker und Quaden bey der Stadt Boviasmum; welches die Hermundurer vollends gar von ihnen abzusetzen / und die Pannonier auffs neue in der Cherusker Gebiete einzufallen bewegte; wiewol diese Fulvius Geminus nach etlichen blutigen Schlachten / Meßala aber ihre Gefärthen die Saloßier / Agrippa und August selbst die Dalmatier wieder zur Ruh brachte; nach dem er vorher denen Ubiern und Cheruskern durch seine Anwesenheit in Gallien / von dar er mit einer Schiffs-Flotte nach dem Beyspiele des Kaysers Julius in Britannien überzusetzen vermeint / durch blosse Näherung seiner Waffen Lufft gemacht / und in Gallien dem Zwirbel-Winde /der ihn in Britannien dißmahl zu schiffen hinderte /einen Tempel gebaut hatte. So ferne bediente sich der kluge Aembrich des Römischen Bundes; wolte aber dem darnach seuffzenden August keines Weges erlauben: daß die Römischen Adler ihnen zu Hülffe über den Rhein fliegen solten. Hierüber zerfiel August mit dem Antonius aufs neue; und geriethen die Römer selbst wieder einander in die Haare. Daher sassen die Pannonier den Quaden wieder auf den Hals. Die Catten / Alemänner und Svioner spielten gleichfalls wieder den Meister; und entsetzten die wanckenden / aber hernach wieder beständig bleibenden Fürsten der Ubier und Usipier fast ihrer gantzen Herrschafft /namen auch durch Kriegs-List ein Theil der mächtigen Stadt Boviasmum ein.

Die Herrschafft des Cheruskischen Hauses hieng gleichsam nunmehr nur noch an einem seidenen Fademe; als der fast für verlohren geschätzte Fürst Segimer Deutschlande gleichsam als ein neuer Glücksstern aufgieng. Jede Zeit ist geschickt die Kräfften gemeiner Leute zu prüfen; die Noth aber nur einen Fürsten / wie das Ungewitter einen Steuermañ. Also hatte Segimer [1044] nun Gelegenheit genung / sich als einen Fürsten sehen zu lassen. Wie man nun schon das Licht und Würckung der aufgehenden Sonnen erkieset / ehe man sie selbst zu Gesichte kriegt / also erhielt der blosse Ruff von Segimers Zurückkunfft die schon um ihre Ergebung handelnde Stadt Boviasmum. Sein erster Streich aber war die Niederlage eines Cattischen Heeres in dem Gebiete der Ubier; ja ehe es schier menschliche Vernunfft begreiffen konte; brachte er unter seinem Schilde den Oelzweig des güldenen Friedens herfür; nach welchem das seuffzende Deutschland so lange Zeit vergebens seine Armen ausgestreckt hatte; ungeachtet ihre Einwohner sonst nichts minder zum Kriege geneigt / als geartet sind. Denn Menschen beruhigen sich so denn am leichtesten /weñ sie sich auf ihrem eigenen Wagen müde gemacht haben. Ja die nach Krieg lechsenden werden ehe nicht witzig; als wenn sie ihres geträumten Zwecks verfehlet / und mit Schaden gelernet haben: daß der Krieg /was für schöne Farbe er immer hat / nichts anders /als ein hitziges Feber der Reiche / der Friede aber ihre wahrhaffte Gesundheit sey. Die Catten und Alemänner vergnügten sich an ihren elterlichen Ländern / und an der denen Barden und Eubagen bestätigten Freyheit ihres Gottesdienstes. Die Svionen wurden mit gewissen denen Druyden abgenommenen Gebieten bestillet; diese alle aber erkennten nunmehr den klugen und großmüthigen Segimer für den würdigsten Feldherrn der Deutschen; und waren bemüht der tugendhafften Asblasten gleichsam die Hände unterzulegen; welche sie nunmehr wegen ihrer bewehrten Liebe und Treue für eine Halb-Göttin verehrten. Denn diese Fürstin hatte zwar ihrem Eh-Herrn zu Liebe Deutschland verlassen; in Meynung: es würde ihr Vaterland ihr einen andern Mittelpunct der in Deutschland verlohrnen Gemüths-Ruh zeigen: Alleine / weil der Kreiß unsers Lebens nur einen hat / und weñ dieser verrückt /alle unsere Abmässungen verfehlen; hatte Asblaste wol den Himmel / aber nicht ihren Zustand geändert; ja sie verfiel in Persien in einen Pful der empfindlichsten Bekümmernüße. Sie traff zwar ihren Vater Surena noch an dem Parthischen Hofe des Königs Orodes / aber weder auf der Staffel seiner Würde / noch in dem Ansehen an / das seine Dienste in dem Kriege wieder den Craßus verdient hatten. Denn die übermäßigen Wolthaten hatten den Orodes dem Surena zu einem so grossen Schuldner gemacht: daß / weil er selbte nicht vergelten konte / er sie nothwendig als grosse Laster hassen muste. Gleichwol aber konte Surena auch nicht von Hofe weg kommen; weil Orodes ihm nicht einbildete: daß Surena sich nicht würde mit eigner Hand bezahlt machen / nach dem es allerdinges in seiner Gewalt stund dem Orodes zu schaden. Also lebte Surena zu Hofe / aber wie in einem Gefängnüße / oder vielmehr in einer Hölle; weil er sich aus dem geheimen Rathe ausgeschlossen / nicht wenig Unwürdige ihm vorziehen / und sich seiner angestammeten Würden entsetzt sahe. Jedoch / weil grossen Gemüthern eine solche Erniedrigung so wenig als denen Irr-Sternen ihr Eintritt in einen niedrigern Himmels-Kreiß oder in ein schlechteres Hauß abbrüchig; hätte Surena diese Verachtung leicht verschmertzet. Sintemahl er leichter des Hofes / als der Hoff seiner entbehren konte. So aber stand er alle Augenblicke zwischen Thür und Angel; denn der Grimm des Orodes und der verläumderische Hof / welcher gegen iederman eine zweyfache Zunge und selten ein Hertze hat /dräuten allen seinen Tritten: daß sie auff ein Fallbret treten würden. Die Fürstin Asblaste kam gleich nach Hecatompylus / als Orodes seinen Sohn Pacor zum Nochfolger des Reichs erklärte. Wiewol nun das Surenische Geschlechte von Alters her berechtiget war denen Parthischen Königen die Krone aufzusetzen;[1045] ward doch des Craßus Meuchelmörder Maxarthes ihm hierinnen fürgezogen. Also sind manche Fürsten geartet: daß sie ehe Laster belohnen / oder wahre Beleidigungen verzeihen; als sie das Leid vergessen / welches ihnen ein geschickter Diener anzuthun fähig ist; ob er schon nie dran gedacht hat. Surena muste dieses Unrecht verschmertzen / und dem sich an ihn zu reiben suchenden Orodes noch wegen überhobener Müh Danck sagen; ob er schon sonst in seinem Thun und Reden auch bey seiner Unterdrückung die Würde seiner Ankunfft derogestalt in acht nahm: daß sich niemand ihn verächtlich zu halten erkühnete. Wie er denn selbst das Hertze faste gegen den König die angemuthete knechtische Aufwartung zu entschuldigen /da der / welchen der König seinen Freund nennt /unter die Taffel kriechen / und was ihm herab geworffen wird / wie ein Hund abnagen / ja noch darzu von Peitschen blutige Striemen verschmertzen muß. Zeno fiel ein: Meinem Urthel nach hat Maxarthes hierdurch weniger gewonnen / als Surena verlohren. Denn die Entziehung verdienter Ehren gereichet dem Beschimpfften nur zu grösserm Ruhme. Daher meinte Cato: es würde ihm rühmlicher seyn / wenn die Nachwelt nach seiner unsichtbaren Ehren-Seule fragen würde / als wenn die Unachtsamkeit selbte zwar für Augen / niemahls aber im Gedächtnüße hätte. Hingegen verschwinde der Glantz denen verunehrten Würden. Sintemahl diese sodenn nicht nur ihr Wesen /sondern auch den Nahmen einbüsten / wenn sie Unwürdigen zu theile würden. Daher hätte für etlicher Zeit ein Römer / als August seinem Knechte Menas einen güldenen Ring gegeben / seinen Ring vom Finger genommen / in die Tiber geworffen / und angehoben: Diese wären vormahls Merckmahle tapfferer Ritter gewest; nunmehr würden sie Kennzeichen der Freygelassenen. Jedoch machten die Fürsten nicht allezeit Würden und Ehren-Mahle aus Unverstande und Leichtsinnigkeit gemein / sondern es steckte zuweilen ein grosses Staats-Geheimnüß darhinter. Denn es wäre der klügste Handgrieff die Gewalt des Adels zu mäßigen / wenn selbter vielen / und zwar auch denen /die ihn so sehr nicht verdienten / zukäme. Daher hätte August so viel fremde mit dem Römischen Bürger-Rechte betheilt / und so viel Freygelassene zu Edelleuten gemacht. Es ist wahr / sagte Malovend. Und ich erinnere mich: daß Herzog Aembrich dardurch ihrer viel von der Eubagen Gottesdienste ablenckte: daß er nicht wenig denen Druyden anhängende in hohe Aempter und über die Eubagen setzte; die gleich wenig Geschickligkeit hatten. Sintemahl nichts mehr als der Verdruß einem Unwürdigen nachgesetzt zu werden / einem seltzame Entschlüssungen abnöthigen kan. Aber Surena behielt bey seiner Beschimpffung ein freudig Gesichte / und ein ruhiges Gemüthe. Nach dem aber zarte Seelen der ihrigen Unrecht mehr als ihr einiges fühlen / war es der Fürstin Asblaste / welche in Deutschland gelernt hatte: daß Beschimpffungen nur durch Blut ausgetilget werden / unmöglich /ihres Vaters Unrecht ungeahntet zu lassen. Daher / als folgenden Tag Pacor allerhand Ritterspiele anstellte /fand sich Asblaste in unbekandter Deutschen Rüstung auch auf die Rennebahn. Und nach dem sie durch ihre Geschickligkeit unterschiedene Preiße erhalten; derer einen ihr Maxarthes reichen solte / weigerte sie sich solchen aus seinen / als eines Meuchel-Mörders Händen / anzunehmen; ja sie sagte ihm in die Augen / sie hielte ihn so lange für keinen Edlen / biß er ihr zeugte: daß er auch vorwerts einen zu beleidigen das Hertz hätte. Der dem Maxarthes wenig günstige Adel gebährdete sich bey dieser Gelegenheit derogestalt: daß Maxarthes Schande halber mit Asblasten fechten muste. Aber bald im ersten Rennen sprang Asblaste nach Deutscher Art mit solcher Geschwindigkeit vom Pferde / und durchstach Maxarthen: daß er sich ehe auff [1046] dem Bodem liegen fühlte / als dessen Ursache wahrnahm. Gleichwol ließ sie ihm Lufft wieder auf die Füsse zu kommen / und sich gegen ihrem Degen zu vertheidigen. Alleine nach kurtzem Gefechte versetzte sie ihm einen solchen Streich in den Hals: daß Maxarthes nicht nur todt zu Bodem fiel / sondern der Kopff nur mit weniger Haut an dem Leibe häncken blieb; welchen sie vollends ablösete / und mit tieffer Ehrerbietung gegen dem Könige zuförderst auffs Schau-Gerüste legte. Wenig Zuschauer waren / die dem aufgeblasenen Maxarthes nicht diesen Trauerfall gönneten / und dieses unbekandten Ritters Tapfferkeit rühmten; Oroden alleine bieß dieser Unfall so sehr: daß er zwar die Freyheit der Rennebahn schonte; so bald aber Asblaste nach geendigten Schauspielen abwiech / sie von der Königlichen Wache in Hafft nehmen / und als einen Ubelthäter für das strengste Blut-Gerichte stellen ließ. Der einsame Surena / welcher bey den Schauspielen nicht gewest war / weniger von der Rache seiner Tochter das geringste wuste /ward vom Könige selbst zum Ober-Richter ernennet; als welchen er zu keinen andern / als nur zu verhasten Verrichtungen gebrauchte. Surena / welcher gleichsam mit den Haaren zu einem Gerichte gezogen ward / in welchem er entweder den König oder sein Gewissen beleidigen muste / verlohr Sprache und alle Sinnen / als er seine Tochter in Band und Eisen für den Richter-Tisch treten sahe. Nach dem man ihn aber durch Kühlung wieder ein wenig genung ermannet hatte / fieng er seuffzende an: Grausamer Orodes /zwingestu mich nun auch über mein Blut ein Blut-Richter zu seyn! Alle Anwesenden sahen Asblasten hierauff mit starren Augen an; aber ehe sie sich noch auf sie besiñen konten / fieng sie selbst an: Zweifelt nicht / ihr Richter: daß die / welche des Surena Beleidigung und so viel Laster am Maxarthes gerochen hat / Surenens Tochter Asblaste sey. Diese Begebung ward zwar für den König gebracht; aber sie entzündete mehr seine Rachgier gegen Asblasten / als daß sie ihn hätte erweichen sollen / Surenen eines so unanständigen Richter-Amptes zu übergehen. Ja / weil Orodes diesen Fallstrick nicht gern außer Händen lassen wolte / ließ er Surenen andeuten: die Gerechtigkeit hätte keine Augen / und daher kennte sie ihr eigenes Kind nicht. In Wercken des Oberkeitlichen Amptes müste alles Ansehen natürlicher Verwandschafft weichen. Denn wer jenes annehme / züge einen gemeinen Menschen aus. Ja die Götter selbst hätten rechtmäßige Hals-Gerichte so lieb: daß sie solche nicht übel aufnehmen / wenn man gleich darbey der Natur selbst Gewalt anthäte. Daher solte er das Blut-Gerichte hegen; oder als ein Ungehorsamer für selbigem selbst fürtreten. Surena / welcher lieber seinen Kopff / als sein Vater-Hertze verlieren wolte / erwehlte ohne einiges Bedencken das letztere; und die für Furcht zitternden Richter musten um ihre eigene zu erhalten dem Wütterich zu Gefallen / beyden das Leben absprechen. Der Feldherr Segimer kam gleich nach Hecatompylus an dem zu Vollziehung des Urthels besti ten Tage an. Das allenthalben zulauffende Volck leitete ihn für die Trauerbühne / als dem tapfferen Surena sein Kopff von den Achseln gespaltet ward. Dieser Streich hätte Segimern bey nahe mit entseelet / wenn nicht die Erblickung seiner Liebsten Asblaste ihm eine neue Regung verursacht hätte. Diese brachte man nun auch auf das Todten-Gerüste; worüber ein niedriges Gemüthe zweiffelsfrey vergangen wäre. Aber der kluge und hertzhaffte Segimer / welcher vorher die Parthischen Sitten wol begriffen hatte; als er gegen der Trauerbühne den König Orodes erblickte / und also ihm die Rechnung leicht machen konte: daß diese Grausamkeit auf seinen Befehl geschehen müste / lieff augenblicks und schöpfte mit seinem Schilde Wasser aus dem nähesten Springbrunnen / hierauf ergrieff er einen Brand aus dem in der Königlichen Burg [1047] unaufhörlich brennenden Feuer. Mit diesen zweyen wiedrigen Dingen trat er für Oraden / und ruffte selbtem mehr Dräuungs-als Bittweise zu: Er möchte die unschuldige Asblasten der Todes- Straffe entziehen / oder er wolte der Parther heiliges Feuer durch das geschöpfte Wasser ausleschen. Die umstehenden Persen / welche zeithernach menschlicher Gewonheit mehr zum Mitleiden / als zu Abhelffung sich geneigt erwiesen hatten / billigten nunmehr mit Augen und Gebehrden seine Hindernüß. Die zu ihrer Hinrichtung bestellten Hencker erstarrten und liessen nicht allein alsobald die Hände sincken / sondern der grausame Orodes ward Vermöge der Parthischen Grund-Gesetze hierdurch gezwungen die durch das Feuer geschehene Bitte nicht zu verweigern / und Asblasten frey zu sprechen / aber er befahl diesen verwegenen alsofort in den tieffsten Kercker zu werffen; welcher denn auch so geschwinde dahin gerissen ward: daß die über ihrer so fremden Erlösung erstaunende Asblaste nicht einst ihren Erretter zu Gesichte bekam. Gleichwol war sie um selbten zu erfahren eusserst bekümmert / sonderlich da sie erfuhr: Es habe Orodes befohlen: daß dieser Verunehrer des Feners folgenden Mittag dem Feuer solte geopffert werden. Asblaste war folgenden Tag die erste auff dem Berge / in dessen Höle das ewige und ihrem Glauben nach vom Himmel gefallene Feuer verwahrt / und auf dessen Gipffel demselben geopffert ward. In dem heissesten Mittage ward der mit Rosen gekräntzte Fürst Segimer auf einem mit vier schneeweißen Pferden gezogenem Wagen als das bestimmte Opfer herbey bracht; und so wol von dem gantzen Hofe / als vielen tausend Menschen begleitet. Die Opfferknechte schäleten alsbald die Rinde von dem mitgebrachten Ceder-und Lorber-Holtze / der oberste Priester aber verfügte sich in die Höle / und zündete mit grosser Andacht eine Wachs-Fackel an; von welcher hernach der zum Opffer bereitete Holtzstoß angesteckt waren. Die Priester fasten bereit Segimern / bunden ihn / und legten ihn zur Zertheilung auf den Opffer-Tisch; als die sich herzu dringende in einen Parthischen Krieges-Mann verkleidete Asblaste den / der geschlachtet werden solte / für ihren hertzgeliebtesten Eh-Herrn erkennte; und mit dem ersten Anblicke rieff: Nicht beflecket euch mit dem Blute des vollkommensten Fürsten der Welt! Weil sie aber ihre Wiedersprechung für ein allzu schwaches Mittel hielt / des Königes Willen zu hintertreiben / sprang sie zum Opffer-Feuer / und weil sie diese grausame Opfferung zu stören so bald nichts unsauberes zur Hand hatte / nahm sie ein Messer / kerbte sich etliche mahl in den Arm / und ließ das häufig herfür dringende Blut ins Feuer lauffen; wormit die gantze Opferung gehemmet ward. Der hierüber erbitterte Orodes schäumete für Zorn / und befahl beyden den gri igen Nachen-Tod anzuthun. Die Königin aber brachte nach abgekühletem ersten Eyver ihn dahin: daß er vorher die Ursache solcher Entweihung erforschen solte. Daher warb Segimer und Asblaste / welche inzwischen einander mit tausend Küssen umarmeten / für das Königliche Zelt geführt. Da denn Asblaste auf erforderte Rechtfertigung antwortete: Ich bin Asblaste des Surena Tochter / dieser mein Eh-Herr / der um das Persische Reich so hoch verdiente Fürst Segimer. Dieser hat gestern mich aus dem Rachen des Todes gerissen; urtheilet demnach: Ob ich heute ihn zu retten nicht euer heiliges Feuer entweihen müssen; wo ich nicht die viel heiligern Flammen der ehlichen Liebe in mir habe erstecken sollen. Ich habe gesündiget; aber gedencket: daß die Liebe keinen Mäß-Stab / die Noth kein Gesetze leide. Segimer aber bat alleine: daß das strenge Recht an ihm / als einem Fremdlinge. ausgeübet / die tugendsame Asblaste aber möchte freygelassen werden. Worüber Asblaste und Segimer selbst mit einander zwistig wurden; in dem iedes für [1048] das andere wünschte ein Söhn-Opffer zu seyn. Jederman lobte beyder ungemeine Liebe; und ob sich zwar niemand wagte für sie ein gut Wort einzulegen; redeten doch theils die Gebährden / theils die mitleidenden Thränen für sie. Dem sauersehenden Orodes aber ward weiter nicht sein Gemüthe erweichet / als daß er beyde in einen Kercker zu verwahren befahl; weil die Gütigkeit entweder mit seiner Geburts-Art unverträglich war; oder daß seine Aenderung seinen gefasten Zorn keines Unrechts beschuldigen möchte. Hingegen hatte die Schönheit der Fürstin Asblasten dem jüngern Sohne des Königs Orodes Phraaten die Seele derogestalt verwundet: daß / als des Caßius und Brutus zu den Parthen abgefallener Gefährte Labienus und Pacor mit einem mächtigen Kriegs-Heere in Syrien / Orodes auch selbst / um dem Kriege näher zu seyn / nach Edeßa in Mesopotamien verreiset war / er sie heimlich aus dem Gefängnüße auff eines seiner Lust-Häuser zu bringen vorsaan. Wormit er nun seinen Anschlag so viel geschickter ausübte / entschloß er sich Asblasten vorher feine Zuneigung zu entdecken; weil er ihm nicht einbilden konte: daß sie nicht lieber in den Armen eines so grossen Fürsten schlaffen / als in so schweren Fesseln würde verschmachten wollen. Dieses Schreiben vertraute er einem theils durch Gaben bestochenen / theils durch Dräuung genöthigten Hauptmanne über die Kercker-Wache; welcher solches Asblasten abliefferte. Diese laß mit höchster Bestürtzung diese unvermuthete Zeilen; erholete sich aber alsbald / und sagte mit freyem Gemüthe: Sie würde dahin willig folgen / wohin Fürst Phraates befehlen / und der Hauptmann sie leiten würde. Phraates ward über so gewünschter Antwort erfreuet; und ließ durch den Hauptmann mit ihr abreden: daß folgende Nacht die Wache mit gewissen vertrauten Leuten besätzt / und sie unvermerckt aus dem Kercker solte geholet werden. Asblaste bat unter dem Fürwand einiger Unpäßligkeit biß auf die dritte Nacht Auffschub. Inzwischen beredete sie unter dem Scheine: daß sie in ihrem tieffen Gefängnüße von den Feuchtigkeiten um ihr Leben käme / mit vielen Thränen und Geschencken den Kerckermeister dahin: daß er ihr und Segimers Gefängnüß verwechselte / ihn in ihr unteres / sie aber in sein oberes einschloß. Auf die bestimte Nacht kam der vom Phraates bestellte Hauptmann / schloß Segimern die Fessel auffs leiseste auff; und nach dem er ihm alle Wortwechselung verboten / führte er ihn im Finstern unvermerckt aus dem Kercker / und liefferte ihn andern bestellten Leuten ein / die ihn zu Pferde sätzten / und biß zu anbrechendem Tage spornstreichs mit ihm fortjagten. Nach dem sie des Tages über in einem unbewohnten Jäger-Hause ausgeruhet / ritten sie die gantze Nacht wieder mit ihm fort / und kamen ein wenig für dem Tage an ein prächtiges Gebäue; da ihnen in aller Stille die Garten-Thüre eröffnet / Fürst Segimer allein hinein genommen / und die Thüre wieder versperret ward. Segimer / dem diß alles nicht anders als ein Traum fürkam /ward in ein oben von Golde / auf den Seiten mit Helffenbeine / unten von denen köstlichsten Persischen Tapezereyen gläntzendes / und mit wolrüchendem Balsam durchzogenes Zimmer bracht; allwo ihm eine prächtig-gekleidete Person um den Hals fiel / und dem Küssen kein Ende machte. Segimer wuste durch kein Nachsinnen ihm diesen Traum oder Rätzel auszulegen; biß Phraates selbst den Nahmen Asblaste heraus stieß; und die Stimme so wol den Fürsten Phraates als seinen Anschlag verrieth. Segimer entbrach sich hiermit alsofort aus Phraates Armen / und um seinem Irrthum abzuhelffen / sagte er: Ich bin Segimer / nicht Asblaste. Es ist leicht zu erachten / wie Phraates nicht nur über seiner betrogenen Liebe / sondern auch der unbesonnenen Verrathung seiner blinden Liebe verändert worden sey. Gleichwol [1049] erholete er sich / und fragte Segimern: wie er denn an diesen Ort käme? Segimer versetzte: Phraates müste es besser wissen / als er / den man um Mitternacht aus dem Kercker genommen / und dahin geführet hätte. Phraates verstand hieraus leicht den Irrthum des Hauptmanns / und sagte: Ich wil deiner Asblaste zu Liebe dir gleichwol die Freyheit gönnen. Hiermit machte er Anstalt: daß Segimer von zwantzig Parthern durch Meden biß auf die Armenische Gräntze geführt ward. Fürst Segimer /dessen Hertze bey seiner gefangenen Asblaste noch zu Hecatompylus eingekerckert ward / hielt diese Freyheit für was ärgers als eine Dienstbarkeit. Daher war ihm so unmöglich als unverantwortlich das ihm doch so unholde Persien schlechter Dinges mit dem Rücken anzusehen. Weil er nun in Armenien erfuhr: daß Labienus und Pacor den Römischen Feldhauptmann Saxa geschlagen / Antiochien / Apamea / Jerusalem und gantz Syrien biß auff die Stadt Tyrus / Cilicien biß auff die Stadt Stratonicea eingenommen hatte /und König Artabazes dem Ventidius / welchen Antonius mit Kriegs-Macht in Cilicien schickte / etliche tausend Reuter zusendete / zohe Segimer mit diesen Hülffs-Völckern auch dahin. Flavius ein Cheruskischer Ritter / welcher tausend deutsche Reuter führte /empfing seinen Herrn mit unglaublichen Freuden; und ob wol Segimer vom Flavius nicht entdeckt seyn wolte / trat er ihm doch unter anderm Vorwand die Botmäßigkeit über die Deutschen Hülffs-Völcker ab. Labienus flohe aus Cilicien biß an das Taurische Gebürge / ehe er einen Römer zu Gesichte bekam. Wie aber Pacor mit der gantzen Persischen Macht zu ihm stieß / hielt er Stand / und Ventidius schlug sein Läger aus mit Fleiß angenommener Furcht auf einem hohen Berge; wormit er die durch vorige Siege verwegen gemachte Parthen verleitete: daß sie das Römische Läger stürmten. Diese aber liessen sie so nahe anko en: daß sie keinen Platz hatten sich der fernen Bogenschüsse zu bedienen. Hierauf fielen die Römer aus allen Pforten so grimmig die Parthen an: daß sie schier keine viertel Stunde festen Fuß hielten / sondern die Flucht nahmen / und durch Herabstürtzung von den Höhen ihnen selbst mehr als die Römer Schaden thäten. Segimer war mit seinen Deutschen und zweytausend Armeniern unter das Gebürge gestellt / welche denen flüchtigen Parthen mächtig in die Eisen giengen / und derer etliche tausend in der Flucht aufrieben. Pacor entkam mit genauer Noth in Syrien /und besetzte mit dem Pharnabates die Cilicischen Pforten an dem Amanischen Gebürge / Labienus aber flohe mit der grösten Uberbleibung des Parthischen Heeres in Cilicien; welches sich aber für dem folgenden Ventidius hin und wieder zerstreute / nach dem Labienus verkleidet sich desselbten entbrach und versteckte / aber vom Demetrius einem Freygelassenen des Kaysers ausgespürt / erschlagen / sein Kopff dem Antonius nach Athen geschickt ward / allwo er es bei einem prächtigen Gastmahle den Grichen zu einem Schau-Essen auffsätzte. Nach wiedergewonenem Cilicien wehrte sich zwar Pharnabates in seiner Enge wieder den Silo tapfer; aber die darzu kommende Macht des Ventidius / und die durch den grösten Schnee über das Amanische Gebürge sich durchscharrenden Deutschen umringten die Parthen / und brachten sie ins Gedrange. Ja Segimer hatte das Glücke: daß er dem Pharnabates selbst einen tödtlichen Streich versetzte. Ob nun zwar die Parthen sich mit Hülffe des Nabatheischen Königs Malchus wieder verstärckten /musten sie doch für der Römischen Macht bald gantz Syrien räumen. Hiermit rückte Ventidius sonderlich auff Veranlassung des Fürsten Segimers gegen dem Flusse Phrat zu / welchem aber Pacor mit einem über aus mächtigen Heere entgegen zoh; also: daß wenn er nicht durch einen [1050] in seinem Lager ihm bekandten Parthischen Auskundschafter Pharneus des Pacors Anzug durch Einrathung eines fernen Umweges aufgehalten /und inzwischen sich zu verstecken Lufft bekommen hätte / die Römer dißmahl in nicht geringere Gefahr als Craßus verfallen wären. Ventidius ließ hierauff den Pacor mit seinem gantzen Heere unverhindert über den Phrat setzen / und verleitete durch angemaste Furcht diesen hitzigen Fürsten zum andern mahl: daß er an eben dem Tage / als Craßus geschlagen worden war / unter der eitelen Einbildung: Es hielte das Rad des Glückes einen so richtigen Lauff als die Sonne innen / das in der Höhe verwahrte Römische Läger stürmte. Alleine der Ausschlag lehrte ihn: daß der Sieg ein Geschäncke des Verhängnüßes / nicht gewisser Zeiten sey. Zwantzig tausend Parthen bissen ins Graß / und Pacor selbst ward auf der Flucht an einem steilen Berge von der deutschen Reuterey überritten / von einem Friesischen Ritter / welcher hernach hiervon den Nahmen Rittberg bekam / durchstochen /und der Kern des Parthischen Adels / welche seine Leiche noch zu erfechten vermeinten / erlegt. Ja die Deutschen schnitten so gar den flüchtigen Parthen die Brücke über den Phrat ab: daß die überbliebenen sich nach Samosata in das Comagenische Syrien flüchten musten. Ventidius / der des Fürsten Pacor Kopff zu einem Zeichen seines Sieges / und einem Schlüssel aller mit Parthen noch besetzten Festungen brauchte /hatte zwar Lust nunmehr gar in Persien einzubrechen; aber der über so viel Siegen eifersüchtige Anton setzte durch einen über Hals über Kopff mit den Parthern gemachten Frieden ihm allhier ein Ziel / dem Fürsten Segimer aber schob er einen Riegel für sich seiner gefangenen Asblaste weiter zu nähern; und muste sich jener an einem Siegs-Gepränge / dieser an einem Lorberkrantze / einem güldenen Halsbande / einem mit Türkißen versetzten Sebel und Bogen / einer blauen Fahne / und einer goldgestückten Roßdecke / die ihm der Römische Rath liefern ließ / vergnügen. Also naget der Neid nichts minder an der Tugend; als die Kefer an den edelsten Blumen und Aehren; ja er schläget selbter öffter als der Feind ein Bein unter; und fället so wol dem Glücke als der Tapfferkeit in die Speichen: daß sie nicht das völlige Ziel erreichen kan. Alleine Segimers Liebe erregte täglich in seinem Gemüthe ein solches Ungestüm: daß es sich mit so eitelen Geschencken / als mit welchem Rauche der Römische Rath sonst meisterlich zu bandeln / und ihre Bundsgenossen zu verblenden wuste / nicht beruhigte. Diesemnach nahm er acht hundert seiner Deutschen / und zweyhundert Armenier der Parthischen Sprache wol erfahrne Kriegs-Leute / ließ sie der erschlagenen Parthen / theils auch Comagenische Kleider und Rüstung nehmen; und streiffte sonder einigen Menschens Verletzung oder Wiederstand unter dem Schein / als wenn sie ein Theil des geschlagenen Parthischen Heeres wären / biß unter die Stadt Edeßa. Daselbst kriegte er Kundschafft: daß folgenden Tag König Orodes gegen der Stadt Carra aufbrechen würde; nach dem ein Theil der Hoffstadt und der meiste Reisige-zeug schon für zwey Tagen voran wäre. Daher stellte sich Segimer mit seinem Volcke in einen Wald / fiel hierauff die sich ehe des Himmelfalls / als eines Feindes versehende Parther so grimmig an: daß Orodes mit genauer Noth wieder in die Stadt Edeßa entran / seine zwey liebsten Söhne Pharnabazes und Orosmanes aber / welche er mit des Comagenischen Königs Antiochus Tochter gezeuget hatte / vom Fürsten Segimer nach Zeugma / allwo er die Brücke über den Phrat besetzt gelassen / gefangen hinweg geführet wurden. Orodes meinte über diesem Verluste zu verzweiffeln / sonderlich weil er nach des Fürsten Pacor Tode Pharnabazen zum Reichs-Erben bestimmt hatte. Er schickte deßhalben nach Zeugma [1051] sich über diesen Raub und Friedens-Bruch zu beschweren; aber Hertzog Segimer ließ ihn wissen: daß er mit seinen Deutschen sein in Persien erlittenes Unrecht gerächet / und Orodens Söhne für seiner Gemahlin Asblaste erlangter Freyheit nicht loß zu lassen beschlossen hätte. König Orodes schickte hiermit auf der Post nach Hecatompylus / um Asblasten zur Auswechselung nach Zeugma zu lieffern. Aber Phraates hatte inzwischen daselbst den Kercker mit Gewalt erbrochen / den sich wiedersetzenden Stadthalter Moneses aus der Stadt verjagt / und Asblasten nach Rhodis / wo im Frühlinge pflegte die Hof-Statt zu seyn / geführet. Sintemahl nunmehr / da Orodes durch Alter und Hertzeleid über des Pacorn Niederlage gantz verfiel / iederman am Phraates die aufgehende Sonne anbetete. Wiewol nun Asblaste Phraatens unzüchtigen Anmuthungen durch tausenderley kluge und hertzhaffte Begegnungen hintertrieb / und er nach allen theils selbst / theils durch die dreyhundert Frauen-Zimmer / die ihn nach Königlicher Gewonheit des Nachts bewachen musten / vergebens angewendeten Versuchungen an ihrer Gegen-Liebe zu zweifeln hatte; konte er sich doch nicht überwinden / diesen Schatz aus seinen Händen und Hertzen zu lassen; ob ihm schon Orodes die Königliche Gewalt abzutreten Vertröstung thät; entweder / weil Phraates schon das Hefft in Händen zu haben vermeinte / oder ihm anständiger hielt Kron und Zepter zu nehmen als zu überko en; Ja weil er vielmehr in seinen Kram dienlich zu seyn erachtete: daß Orodens zwey Schooß-Kinder Pharnabazes und Orosmanes entweder in Segimers Dienstbarkeit verschmachteten /oder durch seine Rache aufgerieben würden / überwand seine Ehrsucht die Liebe / oder diese verwandelte sich nach langer Verschmähung in eine Unholdin. Sintemahl er Asblasten mit Giffte hinzurichten schlüßig ward. Dieses zu vollziehen befahl er Ternamenen seiner Schwester und geheimsten Rathgeberin; welche solchen Meuchel-Mord an Asblasten zu vollbringen / theils wegen angebohrner Grausamkeit /theils aus Beysorge: es möchte Asblaste sich einst von Phraaten erweichen lassen / und ihr also zu Kopffe steigen / kein Bedencken gehabt hätte; wenn sie nicht in Pharnabazes verliebt gewest wäre / und durch die Hinrichtung Asblastens auch ihrem Pharnabazes das Messer an die Gurgel zu setzen besorgt hätte. Weil sie aber auch gegen den grimmigen Phraates vorsichtig verfahren muste / ließ sie Asblasten zu ihrer Tafel beruffen / und an statt des Gifftes ihr einen Safft von gewissen Kräutern beybringen; welcher sie im Augenblick aller eusserlichen Siñen beraubte: daß sie für tod auf den Bodem sanck. Ternamene ließ alsbald Phraaten erfordern ihm die Würckung des Giffts zu zeigen; welcher denn seine Grausamkeit mit vielen Thränen bedeckte / iedoch nicht wissende: daß seiner Bländung vielmehr ein blauer Dunst für die Augen gemacht ward. Ternamene ließ zu desto mehrer Bescheinigung: daß Asblaste todt wäre / sie in einem Cypressenen Sarche in das Königliche Begräbnüß tragen / welches König Arsaces in einem Lustgarten nach Art des alten Pasargadischen vom Cyrus aufgeführten / iedoch mit viel höhern Säulen und weitern Bogen hatte aufführen / und die Wände über und über mit hertzfärbichten Persischen Fleck steinen künstlich besetzen lassen; in willens sie folgende Nacht von dar weiter zu bringen; wie sie denn gegen den Abend / da sie muthmaste: es würde die todte Asblaste nun allbereit anfangen wieder Athem zu schöpffen / sich unter dem Scheine der Andacht / und des Arsaces auf einem güldenen Stule aufgethrönten Leiche mit neuem Balsame der Perser Gewonheit nach zu erfrischen / selbst in das Begräbnüß verfügte / durch kräftige Stärckungen Asblasten wieder zu rechte halff / und selbter das gantze Geheimnüß ihrer angezielten Erlösung entdeckte. Asblaste wuste mit nicht genungsamen [1052] Thränen Ternamenen zu dancken; versicherte sie auch: daß ihr Eh-Herr Segimer den gefangenen Pharnabazes dahin / wo sie nur verlangte / unversehrt liefern würde. Diese gab Asblasten auch ein in Ariana wachsendes Feuer-rothes Kraut; welches das Oel anzündet / dafern es abgebrochen worden / wenn die Sonne im Löwen ist; wormit sie auf die Nacht bey ihrer angestellten Abholung alsbald Licht machen / und aus denen so weit schweifigen Gewölbern ihren Abholern ein Zeichen geben könte / wo sie zu finden wäre. Höret aber / wie das Verhängnüß diese kluge Anstalt bey nahe verrückt hätte. Phraates / welcher durch die Hinrichtung Asblastens und seine Wiedersetzligkeit sich vom Könige Orodes nichts anders / als seines hefftigen Zornes zu besorgen hatte / entschloß sich nunmehr die Larve gar vom Gesichte zu ziehen / und wieder seinen Vater Orodes sich zum Könige aufzuwerffen; weil doch grosse Laster anders nicht / als durch grössere auszuführen wären; auch so denn wie die grossen Schlangen zu Drachen würden / den Nahmen der Tugenden erwürben. Daher er denn das Königliche Zimmer bezog / wo die zwey grossen Schätze verwahret waren / die man des Königs Haupt-Küssen und Fußschemmel hieß; auch sich in das Bette legte /welches der güldene Weinstock mit denen Trauben aus Edelgesteinen überschattete / und mit dreyhundert schönen für den Orodes verwahrten Dirnen sich ergötzte. Gleich als wenn die Herrschafft ohne Wollust eine unreiffe Frucht wäre; und der Ehrgeitz dem / welchen man vom Stule stürtzt / in der Liebe Eintrag thun müste. Diesen Schluß nun so viel glücklicher auszuüben / hatte ihn ein Zauberer beredet: daß er um Mitternacht dem Geiste des Arsaces opffern / seinen Siegel-Ring / in welchem auff einen grossen Rubin ein Pferd eingegraben war / abziehen und tragen solte. Also kam Phraates mit dem Zauberer des Nachts in die Grufft. Ob nun wol ieder eine Fackel in der Hand hatte / und wegen ihrer abergläubischen Gebährden einer und der ander bald hin bald her lieff; wolte doch Asblaste / dem Verlaß nach / auch ihr Feuer-Zeichen von sich geben. Hiermit er grieff sie eine bey dem Grabe des Pharnaces / (welcher aus Liebe des gemeinen Wesens seinen Bruder Mithridat / mit Nachsetzung seiner Kinder / zum Reichs-Erben setzte /) mit Oel und Balsam gefüllte Schale / berührte sie mit dem Ariannischen Feuer-Kraute; welches augenblicks eine helle Flamme bekam. Darmit gieng sie geraden Weges auf Phraaten zu. Dieser und sein Zauberer erschracken über der schnellen Glut: daß sie unbewegter / als die aufgestellten Leichen der verstorbenen Könige blieben. Wie aber Phraates die sich ihm nähernde Asblaste erkiesete / meinte er / es wäre ihr Geist; welcher käme an ihm als dem Mörder Rache auszuüben. Denn ein böses Gewissen bücket sich auch füreinem Schatten / und meinet: daß die Göttliche Straffe die Hand ihn zu peitschen schon gezückt habe. Daher warff er die Fackel von sich / und flohe mit Zittern und Zagen nebst dem ihm auff der Ferse folgenden Zauberer aus den Grüfften. Asblaste erkennte hierüber allererst Phraaten; und wie sie nach der ihr bevorstehenden Gefahr nachsaan / ward sie in der Ferne eines neuen sich nähernden Lichtes gewahr; welches ihr endlich Ternamenen zu erkeñen gab; die sie deñ nach angehörtem Ebentheuer aus der Grufft und durch den Garten leitete / an der Pforte ihr männliche Kleider durch einen Parthischen Edelmann Mithridat / des Moneses Vetter / reichen ließ; und nach dem sie ihm Asblasten auffs beste befohlen hatte /von ihr Abschied nam. Dieser brachte sie in Begleitung etlicher 20. Parthẽ / unter dem Vorwand: daß er bey dem Comagenischẽ Könige was wichtiges zu verrichten hätte / [1053] glücklich nach Samosata; wie ihn denn Ternamene auch mit Briefen an den Antiochus begleitet / und ihn um die Befreyung der Parthischen Fürsten auffs beweglichste ersucht hatte. Wie aber Mithridat alldar erfuhr: daß die Gefangenen des Fürsten Segimer nach Tyrus wären gebracht worden / reisete er unter sichern Geleits-Briefen dahin / und übergab dem für Unmuth schier halb todten Segimer seine Asblaste. Die Freude he ete eine gute Weile beyder Zungen / und die bißherigen Trauer-Wolcken verwandelten sich in einen Thränen-Regen; worauf allererst der Sonnenschein tausend Ergetzligkeiten ihre Gemüther erleuchtete / und sie mehr mit annehmlichen Küssen / als hierzu viel zu kaltsinnigen Worten-ihre Vergnügung gegen einander ausdrückten. Hertzog Segimer ließ alsbald nicht alleine Pharnabazen / und den Orosmanes loß;. sondern beschenckte auch Mithridaten und die andern Parther Königlich. Wiewol diese Freyheit beyder Parthischen Fürsten und ihres Vaters Todten-Bret war; in dem der wütende Phraates sie beyde an seinem Geburts-Tage durch Gifft in gewissen bestellten köstlichen Speisen / welche gegen ausgesetztem Preiße von den Persen auf die Königliche Taffel pflegten geliefert zu werden / hinrichtete; und als beym Orodes die anfangs in Wasser / aus dem Fluße Choaspes in Chalydonischem Weine / welchen die Persischen Könige allein trancken / ihm beygebrachte Wolffs-Milch ohne Schaden durchgieng / seinen Vater mit eigenen Händen erwürgte. Als die Parther derogestalt in ihre eigene Glieder raseten / und Antonius durch seiner Feld-Hauptleute des Sosius und Canidius Siege / welche durch Iberien und Albanien biß an das Gebürge Caucasus seine Herrschafft erweiterten / lüstern gemacht ward / des Craßus verlohrne Adler dem verhasten Phraates abzugewinnen /ließ Hertzog Segimer ein gutes Theil seiner Deutschen unter dem Flavius zurücke; welcher denn auch durch der Seinigen Tapfferkeit den Antonius von einer des Craßus gleichen Niederlage errettete / hierüber aber durch vier tödtliche Bogenschüße seinen Helden-Geist ausbließ. Segimer aber kam durch Grichenland und Pannonien mit seiner Asblasten zu allem Glücke in sein zerrüttetes Vaterland / um durch das Steuer-Ruder seiner Klugheit selbtes aus dem für Augen schwebenden Schiffbruche zu erretten. Denn nach dem ein Reich ohne Fürsten einer des Kopffes beraubten Natter gleichet / welche sich wol hin und wieder wendet / aber nicht von der Stelle kommt / hatten die Cherusker in Segimers Abwesenheit gleichsam in einer Ohnmacht gelegen / biß sie dieser Fürst durch seine Hertzhafftigkeit / ja gantz Deutschland mit dem Sonnenscheine des edlen Friedens wieder beseelte. Ob auch wol die Trevirer und Moriner nach der Zeit wieder die Römischen Landvögte einen Auffstand machten / und die Catten durch ihre Hülffs-Völcker in solchen Krieg schienen eingeflochten zu werden; weßwegen Nonius Gallius oberhalb der Mosel / und Cajus Carinas oberhalb der Maaß mit etlichen Legionen biß an den Rhein kam; so vermittelte doch der Feldherr Segimer diesen Zwist / und traff sich also nicht ohne Nachdencken: daß als Augustus nach überwundenem Antonius zu Rom den Tempel des Janus zusperrete /Segimer nicht nur Deutschland / sondern alle Nord-Völcker zu Einsteckung ihrer Sebeln bewegte. Wiewol auch Segimer Deutschland nicht mit so viel Gold und Edelgesteinen anfüllte / als August derselben in seiner reichen Beute aus Egypten und Syrien nach Rom brachte; so nahm jenes doch für einen unschätzbaren Reichthum auff: daß folgendes Jahr die holdselige Asblaste einen Sohn gebahr / welcher schon in der Wiege Merckmahle der väterlichen Tugend und der mütterlichen Holdseligkeit von sich blicken ließ; nemlich den Fürsten Herrmann / welcher nechst [1054] hin den Ruhm verdienet ein Erhalter der Deutschen Freyheit genennt zu werden. Alleine wie die Freude zu Rom bald als ein Schatten verschwand / oder die Erfahrung den Römern die Augen öffnete: daß Kayser August zwar die Ketten / an denen er seine Gefangenen im Siegs-Gepränge zu Rom einführte / sehen lassen / die aber / welche er denen Römern selbst an Hals zu werffen Sinnes war / in dem Siegs-Wagen versteckt hatte; also verstellte der Wolstand in Deutschland auch bald sein annehmliches Gesichte; Gleich als wenn in der Welt so wenig eine Glückseligkeit ohne Unlust seyn könte / als die Natur Rosen ohne Dornen zu zeugen fähig wäre; und das Betrübnüß der Ergetzligkeit so nothwendig / als der Sturm auff die Windstille und auff den hellesten Tag dennoch eine tunckele Nacht folgen müste. Wiewol man endlich nachgeben muß: daß wir ins gemein selbst unsers Unglückes Uhrheber sind / und unsere eigene Thaten böse Sternen in den Kreiß unserer Geburts-Lichter setzen.

Kayser August ließ sich bedüncken: daß seine Gewalt und Siege aller vorigen Römer übertreffe / deßwegen hielt er es auch für eine Nothwendigkeit in Pracht und Schau-Spielen es allen Vorfahren vorzuthun. Er weihete der Minerva einen köstlichen Tempel / seinem Vater Julius ein Rath-Hauß und ein Heiligthum ein. Beyde erfüllte er mit unschätzbaren Seltzamkeiten Egyptens. Aus des Jupiters / der Juno und anderer Götter Tempeln räumte er alle alte Zierrathen / unter dem Scheine: daß sie vermodert oder allzu befleckt wären; wormit ihm alle ihren neuen Reichthum zu dancken hätten. Auff das Altar der Venus setzte er Cleopatrens Bild aus dichtem Golde. Mit Löwen / Tygern und Elefanten dem Volcke Lust-Spiele zu halten / war ihm schon allzugemein. Denn Lucius Marcellus hatte schon bey nahe für zweyhundert Jahren hundert und zwey und viertzig den Mohren in Sicilien abgenommene Elefanten in dem grossen Spiel-Kreiße von den Bürgern mit Pfeilen erschiessen lassen. Der grosse Pompejus hatte mit vielen bey Einweihung seines Schauplatzes / ein andermahl mit sechshundert Löwen / wie auch Scipio Nasica zwischen Elefanten und Bären / Mucius Scävola mit Löwen einen Kampf angestellt. Sylla hatte nur als Stadtvogt hundert grosse Löwen von Mohrischen Bogenschützen erlegen / und hernach Elefanten und wilde Ochsen mit einander eine blutige Schlacht halten lassen. Vom Kayser Julius waren eine grosse Menge fremder Thiere in eitel silbernen Kefichten / vierhundert Löwen / ein Camelpardel und zwantzig gethürmte wieder Menschen fechtende Elefanten; vom Aurelius Scaurus die ersten /und zwar hundert und funffzig Pantherthiere / etliche Krocodile und Wasserpferde / ja auch die Gebeine von dem Meerwunder / welchem in Syrien Andromede für gestellt gewest / aufgestellet worden. Mit allem diesem zusammen und noch mehrerm erlustigte August das Römische Volck. Nun wären zwar seine verordnete Schlachten zwischen Löwen und Tigern /zwischen Panthern und Bären / zwischen Wasserpferden und Krocodilen / zwischen Elefanten und denen vorhin nie zu Rom gesehenen Thieren / die von dem Horne auf ihrer Nasen einen Nahmen bekommen; ja endlich das Gefechte des hierzu freywilligen Raths-Herren Vintelius hingegangen. Allein dieses war unverantwortlich: daß er die in dem Parthischen Kriege so hoch verdienten / in der Schlacht bey Accium aber gefangenen edlen Catten und Dacier zwang: daß sie nicht alleine unter sich selbst / sondern auch so gar wieder die grimmigsten Thiere fechten / zuletzt aber doch von den Pfeilen Römischer Knaben sterben musten. Ob auch wol drey deutsche Ritter in dem grossen Spiel-Kreiße auf die in der Mitten erhobene Marmelnen Geländer die heiligen Bilder / als einer der Göttin Cybele / der [1055] ander die grosse Sonnen-Seule /der dritte den Schutz-Geist der Stadt Rom umfaste /wurden sie doch von denen Schergen herab gerissen /und auf sie die grimmigsten Tyger loß gelassen. Worüber des Feldherrn Segimers anwesender Gesandte mit denen Zähnen knirschte / und denen ihm zugegebenen zweyen Römern ausdrücklich zu vernehmen gab: daß sein Fürst diese Grausamkeit nicht verschmertzen würde. Am allermeisten aber wurden hierüber die Catten erbittert / welche an den Römern sich auf gleiche Art / wie sie es ihren Bluts-Freunden mitgespielt hatten / zu rächen sich verlobten. Hierzu kam: daß die Römer nun auch auf der Sud- und Ost-Seiten allzu nahe graseten; in dem Marcus Craßus wieder die Dacier / und die von Deutschen entsprossenen Bastarnen mit einem mächtigen Heere geschickt ward selbte unters Joch zu bringen. Nicht weniger machte es in gantz Deutschland ein grosses Nachdencken: daß die Sarmatier Gesandten nach Rom schickten / und mit dem Kayser ein Bündnüß machten; insonderheit aber: daß er mit einem mächtigen Heere in Gallien ankam / unter dem Scheine in Britannien überzusetzen und bey den Galliern eine Gleichheit der Schatzungen einzuführen; oder vielmehr durch Erhaltung alles Uberflußes die Gallier ruhig und feige zu erhalten; weil Klagen nach Rom kamen: daß nicht das zehende Theil in die Kayserliche Schatz-Kammer gebracht / ihr Schweiß und Blut aber von denen üppigen Landvögten durch Wollüste verzehret würden / und also sie durch Armuth mit der Zeit zu hertzhafftern Entschlüssungen gebracht werden dörfften.

Rhemetalces bat den Fürsten Malovend um Verlaub seine Meynung zu erforschen; Ob er denn mit dem Kayser das Reichthum für eine Ursache der Zagheit und für rathsam hielte: daß ein Fürst seine Unterthanen durch ihre Bereicherung im Zaume halten solte. Seinem Bedüncken nach schiene es ihm für den unbändigen Pöfel ein härter Kapzaum zu seyn / wenn er ihnen durch schwere Schatzungen die Schwung-Federn verschnitte; und ihnen die Flügel ihrer Kräffte und Vermögens nicht liesse zu lang werden. Da man aber auch gleich alten Unterthanen / derer Treue von vieler Zeit gegen ihre Fürsten eingewurtzelt wäre / derogestalt müste Pflaumen streichen / schiene es doch bey denen nicht thulich / derer unwillige Hälse man allererst unters Joch gesteckt hätte Diesen nehme man ja die Waffen aus den Händen; das Vermögen aber wäre die Spann-Adern / ohne welche jene nicht könten gebraucht werden. Cyrus habe deßhalben die überwundenen Babylonier durch aufferlegten Krieges-Sold mit Fleiß erschöpffet / und die Römer hätten durch übermäßige Schatzung den Demetrius in Syrien so gar zum Kirchen-Raube genöthiget. Ja auch bey getreuen Unterthanen wäre übermäßiges Reichthum mehr schädlich als nützlich / weil es geitzig und verzagt / die Nachbarn aber darnach lüstern machte. Aus welchem Absehen die Satarchischen Scythen Gold und Silber aus ihrem Gebiete wie Gifft verbannt hätten. Und nach dem diß Ertzt den Hercules in Hispanien gelocket / wäre selbtes lange Jahre ein verbotenes Besitzthum der Einwohner gewest; also gar: daß die Hispanier / welche der Stadt Carthago im Kriege dienten / ihren Sold nicht nach Hause bringen / sondern zu Erkauffung Africanischer Weiber verwenden musten. Massen denn auch die Römer mit den ärmsten Völckern am meisten zu thun bekommen / der reichsten aber am ersten Meister worden. Weder in einem noch dem andern Falle / versetzte Adgandester / halte ich es für gut sein Volck verarmen zu lassen. Die Natur ist wie in allem / also auch in der Herrschens-Kunst die klügste Lehrmeisterin. Die Ackersleute behauen zu ihrer Nothdurfft nur die Bäume / rotten sie aber nicht gar aus. Ein Schäfer zöpfet seiner Heerde kein Blut ab / sondern vergnüget sich [1056] an der übrigen Milch und Wolle. Und Fürsten müssen die Brunnen ihrer Unterthanen derogestalt schöpffen: daß sie selbst nicht darbey erdürsten. Denn auf solchen Fall werden auch die getreuesten unwillig; und ihrer viel werden ehe einen Stich in ihrem Leibe / als die Abdrückung ihres Vermögens verschmertzen. Das den Leuten angebohrne oder durch Unglück verursachte Armuth drücket zwar die Gemüther zu Bodem; welches aber von dem / der ihr Schutz-Herr seyn / und als ein hoher Berg sie wie Thäler selbst wässern soll /entstehet / bringet sie zu verzweiffeltem Auffstande wieder ihre Ober-Herren. Daher das Römische Volck zwar allemahl seine mit dem Rathe habende Zwistigkeiten wegen Verwaltung der Aempter beylegte / als aber dieser jenes durch das Acker-Gesätze in seinem Vermögen drückte / gieng die gantze Herrschungs-Art zu Grunde / und ward in eines eintzelen Menschen Botmäßigkeit verwandelt. Denn der / welcher nichts mehr / als das nothleidende Leben zu verlieren hat /setzet selbtes leicht vollends in die Schantze; sonderlich / wenn er seinen Bissen Brodt anderwerts liederlich verschwenden / oder Fremden zum besten anwenden sieht. Die Medischen Städte entbrachen sich wegen solcher Bedrängung vom Gehorsam gegen den Cyrus / und Alcibiades bewegte unter diesem Schein die Asiatischen Städte zum Abfalle von seinem Vaterlande. Halb Africa blieb den Carthaginensern treu auch bey denen unglückseligsten Läufften; biß sie durch unersättliche Blut-Egeln den Einwohnern ihren halben Zuwachs abpresten. Aus gleichmäßiger Ursache fielen von ihnen die Hispanier / und von Athen die Bundsgenossen ab. Herentgegen empfindet ein Volck nicht einst die Koppel der Dienstbarkeit an seinem Halse / welches von Uberflusse wol ausgemästet wird; es bekümmert sich nicht um die Zerdrü erung der alten Gesetze / weñ es täglich vom Wolleben angefüllt ist. Es fraget nicht nach der Tichtigkeit seines Fürsten; Also ward von den Persischen Weisen durch die Freyheit von den Gaben der an des Mergis Stelle auf den Stul gesetzte Orpasta etliche Jahr nicht gerechtfertiget / biß ihn endlich der Mangel der Ohren verrieth: Es vergisset endlich seiner angebohrnen Tapfferkeit: Also sind die Gallier / von welchen wir reden / als von Uhrsprung Deutsche / für Zeiten so streitbar / als wir gewest; aber unsers Wissens durch nichts anders / als ihren Uberfluß so weibisch worden. Fürnehmlich aber hatte Kayser August Ursache Gallien nicht allzusehr mit zu nehmen; weil sie die eusserste Gräntze des Reiches halten; weßwegen auch Darius von Mohren und Colchiern keine Schatzung nam. Deßhalben befreyte der Kayser auch alle Edlen /den Pöfel aber ließ er zinsen / was er am leichsten aufbringen konte / als die Friesen Leder / die Sicilier Getreyde / die Corsen Wachs. Wormit aber jene unempfindlich das ihrige beytrügen / setzte er auf Edelgesteine / Perlen / Würtzen grosse Zölle; die unentpehrlichen Lebens-Mittel waren dem Armuth zum Schaden mit nichts belegt. Ja er ließ den Galliern selbst die Verwaltung des Zinß-Kastens / und bestellte darüber ihre Priester zu Auffsehern. Rhemetalces versetzte: von dieser Gelindigkeit hätte August kurtz hernach selbst abgesetzt / und den Galliern durch den zwar eingebohrnen aber scharffen Knecht Licinius /welchen Kayser Julius freygelassen / eine bleyerne Hand aufgelegt; welcher des Jahrs vierzehen Monate rechnete / um so viel öffter die monatliche Schatzung zu erheben / das Gold- und Silber-Gewichte in der Einnahme der Rentmeister erhöhete / ausser dem es aber in vorigem Stande ließ; Die Verkauffung alles Saltzes an sich zoh; auf den Rauch / Lufft / Wasser und die Begräbnüß-Erde / ja auff die Ergetzligkeiten des Ehstandes; insonderheit aber auff eines bey den Morinen noch vom Kayser Julius gepflantzten Ahorn-Baumes Schatten-Genüß / einen ansehnlichen Zoll schlug. Und ob schon gantz Gallien über ihn Ach und Weh schrieh / besänfftigte [1057] er doch durch die Auslieferung des erpreßten Gutes den Kayser nicht allein; sondern trug auch den Ruhm davon: Er hätte denen Galliern dem Kayser zum besten die übrigen Schwung-Federn wol ausgezogen. Malovend begegnete ihm: Fürsten müssen zu ihrer Diener Fehlern offt wieder Willen ein Auge zudrücken / um sich der eigenen Schande zu entbrechen: daß sie in Bestellung der Aempter nicht vorsichtiger gewest. Denn es versöhnet zwar kein Opffer so kräfftig des unwilligen Volckes vergällte Gemüther / als das Blut eines verhasten Dieners; ja selbst-schuldige Fürsten können sich offt hierdurch weiß brennen. Aber es benimmet doch einem Fürsten nichts minder das Ansehen / wenn er Diener ihrer Boßheit halber absetzen muß; als einem Leibe / dem man wegen des Krebses ein Glied abschneidet. Gleichwol aber ließ August den Licinius nicht in Gallien; sondern versetzte ihn nach Art gewisser Kräuter / welche sich in allzu fettem Bodem in Unkraut verwandeln / in das sändichte Arabien. Welch Mittel den Fürsten bey Liebe / den Diener bey Ehren / die Länder beym Gehorsam behält. Alleine diese Erleichterung Galliens wahrsagte den Deutschen eine grosse Bürde. Denn nach dem die Britannier durch Botschafften und Geschäncke den Kayser begütigten; mit ihm auch der Handlung wegen einen gewissen Vergleich trafen / richtete er auch bey dem Altare der Ubier am Rheine eine Niederlage auff; von dar er Wein / Gewürtze / Seide / und andere zur Uppigkeit dienende Waaren häufig Deutschland verführen ließ. Weil nun die Catten nicht alleine in ihrem Lande keine Handlung verstattet hatten / sondern auch augenscheinlich wahr nahmen: daß die Römer durch dieses Gewerbe die Härte der Deutschen weich und weibisch zu machen anzielten / ließen sie auf den Gräntzen bey Leib- und Lebens-Straffe allen Eintritt fremder Handels-Leute verbieten. Der Kayser nahm diß zwar übel / und gleichsam für eine Fehde auf. Sintemahl nicht nur das Recht der Völcker / sondern die Natur zwischen allen Menschen eine Gemeinschafft aufgerichtet; und ihr getroffener Friede so wol die Deutschen / als Römer zur Freundschafft gegen einander verknipfft hätte. Die Catten aber antworteten: Es wäre andern Römern / ausser Kauff-Leuten /ihr Land unverschlossen. Jedes Volck aber wäre berechtiget / die ausser seiner Gräntze zu halten / die den innerlichen Wolstand verterben könten. Uber diß wäre ihr Verbot nicht neu / gienge auch nicht nur die Römer / sondern alle Völcker an. Denn sie hätten niemahls diese Art Menschen bey ihnen gelitten / auch noch neulich Sarmatische Handelsleute wieder zurück gewiesen / und denen Svionischen Fürsten das Verlangen ihren Handelsleuten der berühmten Stadt Wisbye auf dem Eylande Gothland Gewerbe zu verstatten abgeschlagen. Wenn der Kayser sich erinnern würde: daß er keinem Raths-Herrn aus Italien / insonderheit in Egypten zu reisen / sein Vater Julius keinem über zwantzig Jahr alten Bürger zu Rom länger / als drey Jahr ausser Italien zu leben verboten hätte; daß die Serer und Ripheer keinen Einwohner ausser Landes reisen liessen / könte er auch das Verbot der Cattischen Fürsten / welche in ihren Ländern diß / was August zu Rom / wären / keiner Feindseligkeit beschuldigen. Zeno fieng an: die Catten haben hierinnen wol Recht gehabt. Sintetemahl es so gar in eines Fürsten Willkühr stehet: Ob er von fremden Fürsten einige Botschafft einlassen wolle. Alleine nach dem die Handlung uns nicht nur mit Würtzen der Wollust; sondern auch mit vielen zum Leben nöthigen Dingen versorget / und gleichsam der Sparsamkeit der Natur oder den Mängeln der Länder aushilfft; kan ich kaum glauben: daß die einige Beysorge einschleichender Wollüste die Cattischen Fürsten zum gäntzlichen Verbote der Handlung bewegt haben solle. Nach dem[1058] auch kein Land alles nothwendige zeuget / und derogestalt sonder Armuth schwerlich leben kan; weiß ich nicht: Ob diß Gesetze den Catten heilsam seyn könne. Malovend antwortete: die der Natur gemäß lebenden /und also mit wenigen vor lieb nehmenden Catten halten die Kaufmannschafft allerdinges für ein schädliches Ding; welches nicht so viel fremde Waaren als schädliche Sitten einführte / und die Gemüther mit Geitz und Betrug vergifftete. Ja ich kan versichern: daß unter diesem Volcke ihrer viel seyn / welche sich mit dem Zerstörer der Städte Numantia und Carthago Scipio Emilius rühmen können: daß sie ihr Lebtage nichts gekaufft noch verkaufft haben. Welches mir keine gemeine Glückseligkeit / ja das handeln mit der Deutschen Aufrichtigkeit fast nicht verträglich zu seyn scheinet. Sintemahl der Käuffer und Verkäuffer gleichsam für eine Tugend und Geschickligkeit / oder für eine Eigenschafft ihres Gewerbs halten / wenn dieser seine Wahre zu theuer / jener sein Geld zu hoch anwehret / und einer den andern vervortheilt; Gleich als wenn die Klugheit verpflichtet wäre der Gerechtigkeit ein Bein unterzuschlagen. Denn es wird schwerlich mehr ein Quintus Scevola gefunden / der für einen Acker seines Werths mehr giebt / als er ihm geboten wird. Wiewol nun diese Mängel freylich nur Mißbräuche der Handlung sind; so lassen sie sich doch durch keine menschliche Vorsicht davon absondern. Daher Anacharsis über dem zu Athen gemachten Gesetze / welches alle Lügen auf öffentlichem Marckte auffs schärffste verbot / auch zu seiner Beobachtung absondere Richter hatte / lachen muste; weil nirgends unverschämter / als auff eben dem Marckte gelogen würde. Plato hätte zwar auch alle Schwüre /und das Uberbieten der Waare / Aristonicus die ungleiche Verkauffung einerley Dinges verboten / aber beyde Gesetze wären schier eher ab / als aufkommen. Nebst diesem hätten die Catten wol freylich einige absondere Bedencken hierbey. Denn der Adel wäre bey ihnen so starck / als fast in keinem andern Lande. Daher wolte dieser die Handlung keines Weges aufkommen lassen; entweder / weil er selbter als einem verkleinerlichen Fürhaben gram ist / oder dem Pöfel grösseres Reichthum / welches die Handlung zu wege bringt / den Glantz des Adels aber verdüstert / mißgönnet. Zeno versetzte: Ich weiß wol: daß in den meisten Ländern nicht nur die geringe Krämerey / sondern auch kostbare Stückhandlung den Adel anstincket; da er sich doch beym Land-Leben mit schlechterem Kramern zu verunreinigen nicht schämet. Ich erinnere mich auch: daß zu Rom anfangs den Raths-Herren einig Gewerbe zu treiben unanständig / und zu Thebe Kaufleuten einig hohes Ampt zu verwalten durch ein Gesetze verschrenckt war. Alleine die Herrschsücht- und argwöhnischen Herrscher haben dieser herrlichen und nützlichen Nahrung eine so schwartze Farbe angestrichen; wormit der Adel dardurch entweder nicht zu reich / oder von Ubung der zu Vertheidigung des Landes nöthiger Waffen abgezogen würde; so gar: daß bey etlichen Völckern das handeln schimpflich / Morden und Rauben aber Adelich ist. Alleine an ihr selbst ist die Handlung ein unschätzbares Wesen / welches die Spann-Adern des Krieges / und den Uberfluß des Friedens verschafft; kleine Länder mächtiger / als weit umschweiffige Reiche macht; also: daß der grosse Alexander mit Bezwingung der Handel-Stadt Tyrus mehr / als mit dem Persischen Reiche / Rom mit Carthago länger / als mit dem übrigen Theile der Welt zu schaffen gehabt hat. Dieser zwey Städte Seele aber war die Handlung; ihre Kaufleute Fürsten; und der Adel trieb daselbst sonder einige Besudelung fast alleine das Gewerbe. Die Grichen hielten es eben so wenig für verkleinerlich; und der vom Jason aus Colchis geholete güldene Wider deutete nichts / als die Handlung / und das unter [1059] die Sternen gesetzte Schiff die Fürtrefligkeit der Schiffarth an. Endlich war auch Rom klüger / und Pompejus schämte sich dessen nicht / woraus die Parthischen Könige gleichsam ein Handwerck machen. Malovend antwortete: Alle Dinge gleichen fast den gemahlten Gläsern / welche so viel Farben zeigen / so viel mahl man die Stelle sie anzuschauen ändert. Der Unterscheid der Herrschafft ist meines Bedünckens hierbey nicht ausser Augen zu setzen. Deñ bey der Bürgerlichen scheinet die Handlung dem Adel noch etlicher massen anständig zu seyn; aber nicht bey der Fürstlichen. Eines Volckes Sitten schicken sich auch besser darzu / als des andern. Daher ich glaube: daß /wenn in der gantzen Welt der Adel handelte / der Deutsche doch / ich weiß nicht / aus was für einer Abscheu / sich hierzu schwerlich verstehen würde. Deßwegen auch die Catten / als die Römischen Kauf-Leute wieder gethanes Verbot / entweder aus Begierde des Gewinns / oder auf Anstifftung ihrer Vorsteher / im Cattischen Gebiete einen Marckt aufrichteten /sie erschlugen / ihre Wahren aber ins Wasser warffen. Hierzu kam die Nachricht: daß viel edle Catten zu Rom im Schau-Platze von wilden Thieren wären zerrissen worden; und daß August in Hispanien todt kranck läge / dahin ihn die auffstehenden Salaßier /Cantabrer / und Asturier zu ziehen genöthigt hätten. Daher ein Theil der Catten ihrer Bluts-Freunde schmählichen Tod zu rächen in Gallien einfiel / und alle nur zu ereilen mögliche Römer todt schlug. Dieser Einfall brachte das Schrecken biß nach Rom; und ward Marcus Vinicius mit drey Leigonen / und zwantzig tausend Hülffs-Völckern wieder sie geschicket. Die Catten / ob sie zwar nicht halb so stark waren /hielten es doch für eine Schande zu weichen / also kamen sie an dem Flusse Sara mit einander zu schlagen. Wiewol nun die Catten mit dem Abende sich zurücke zohen; blieb auff Römischer Seiten doch viel mehr Volcks auff dem Platze; gleichwol aber schätzte der Kayser diese Schlacht so hoch: daß er dem Vinicius zu Rom ein Siegs-Gepränge anordnete; und als dieser um nicht Liviens und Agrippens Neid zu erwecken solches anzunehmen weigerte / weil der Niedrigern Ehren-Kräntze den Grössern nur Dornen in Augen sind / ließ der Kayser ihm auf den Alpen einen Marmelnen Sieges-Bogen aufrichten; gab ihm auch die Freyheit alle ersten Tage des Jahres einen Krantz und Siegs-Kleid zu tragen. Zeno fiel ein: Es ist dieses eine feine Art des Rauches / welchen zwar gemeine Leute auch um nichts anwehren können / kluge Fürsten aber theuer genung zu verkauffen wissen. Insonderheit aber hat August sich auf diese Kauffmannschafft wol verstanden. Also belohnet er des Agrippa nach der bey Sicilien gewonnenen grossen See-Schlacht mit nichts mehr / als einer blauen Fahne; sein dem Kayser zu Ehren gebautes Pantheon / und des Neptunus Lust-Gänge mit der Freyheit beym Kayser in denen ohne diß übrigen Zimmern zu wohnen. Der grösten Könige Gesandten eignete er als eine grosse Würde in dem Schau-Platze einen Sitz nach denen sechshundert Raths-Herren ein. Eines der edelsten Geschlechter verehrte er mit der Freyheit ihm sein Geträncke einzugiessen; ein anders unangemeldet in sein Zimmer zu kommen; das dritte ihm das Rauchfaß bey den Opffern; und etliche Asiatische Könige ihm den Steigereiff zu halten. Welche Bländungen alle so viel mehr geschätzt wurden / weil er gegen sich selbst in Ehrenbezeugungen sparsam war / und viel ihm vom Rathe angetragene Würden anzunehmen weigerte. Ja /sagte Malovend: Alles dieses that der Kayser aus gewisser Staats-Klugheit. Denn er schlug gleichwol nichts aus / was nicht etwan leere Hülsen eiteler Ehre / sondern den Kern der Obmäßigkeit in sich hielt. Den Agrippa selbst setzte er endlich zum Steuer-Ruder des [1060] Reiches; weil er sich nicht allenthalben hin selbst traute; ja auch in den Rath niemahls ohne Pantzer kam. Wiewol ich gestehe: daß Agrippa / und nebst ihm Mecenas sich um den Kayser so hoch / als noch zur Zeit kein ander Staats-Rath um seinen Fürsten verdient / und das Gewichte aller Vergeltung überwogen / also dieser von jenem dem Kayser nicht weniger klug / als getreu eingerathen habe: Er müsse den Agrippa entweder tödten oder zum Eydame machen. Wie es denn August zu seiner Verbindung nicht genung hielt: daß er vorher mit seiner Schwester Tochter vermählt war / sondern er muste diese verstossen /wormit er des Kaysers eigene Tochter Julia heyrathen konte. Er verzuckerte den der Freyheit gewohnten Römern die neue Dienstbarkeit; er setzte durch seine Siege des Kaysers Waffen in Ansehen bey den Bundgenossen / und gieng gleichwol mit denen Uberwundenen so um: daß der Welt die so sehr gefürchtete Gewalt annehmlich ward. In Rathschlägen zeigte er eine durchtriebene Scharffsichtigkeit / und einen feurigen Eyver in derselben Ausübung. Wo er des Kaysers Zuneigung befördern solte; sahe er sein Absehen ihm in Augen an. Wo es um sein Ansehen zu thun war /grieff er nichts ohne seinen Befehl an / wormit nicht er / sondern der Kayser die Ehre davon trüge; wo ein zweiffelhaffter Ausschlag zu besorgen / nahm er die vermutheten Entschlüssungen des Kaysers auff seine Achsel und Gefahr. Eben dieses wagte er / wie ihm August die Verwaltung über gantz Gallien anvertraute. Denn wiewol der Kayser mit den Deutschen anzubinden Lust hatte / stand er doch wegen des ungewissen Ausschlags an / dieses gefährliche Feuer aufzurühren. Daher nahm es Agrippa auf sich; wormit /wenn es mißriethe / ihm die Schande / wenn er aber seinen Zweck erreichte / dem Kayser der Ruhm zuwüchse. Der ausser dem Narbonischen Gallien wohnende Adel / und insonderheit die um die Römer so hoch verdienten Heduer nahmen es übel auf: daß nur aus jenen / nicht aber aus ihnen einige zu Römischen Raths-Herren erkieset wurden / und daher gaben sie dem vom Geld schmeltzenden Licinius ohne diß ausgemergelten Volcke ins Geheim Anlaß zum Auffstande; welches vorhin überaus schwürig war: daß der Kayser so viel Römer in Gallien versetzte / denen sie ohne Entgelt und Wiederrede ihr väterlich Erbtheil abtreten musten; da sie doch sonst nichts verschuldet hatten / als daß sie fruchtbares Erdreich besässen. Also mangelte ihnen nichts als ein Haupt den Römern die Stirne zu bieten. Dieses fanden sie endlich an des Feldherrn Segimers Bruder / dem Fürsten Ingviomer /einem jungen abgefundenen Herrn; welcher / um die Cheruskischen Kräffte durch Theilung nicht zu schwächen / sich selbst seines väterlichen Erbtheils verzieh / und mit dem Degen sein Glücke zu suchen sich entschloß. Wie er nun der Gallier Gemüther ausgeholet; kam er mit fünf hundert jungen Edelleuten und etlichen tausend dort und dar zusammen gelesener Mannschafft in Gallien; brachte von Heduern /Trevirern / Sequanern und Mediomatrichern unter dem jungen Fürsten Divitiack ein ziemliches Heer zusammen / mit dem Vorsatze den Galliern ihre Freyheit wieder zu erwerben. Agrippa hielt diß anfangs für eine gewünschte Gelegenheit den Deutschen in die Haare zu kommen; er erfuhr aber bald: daß noch etliche tausend Catten zu den Galliern gestossen / und also die Feinde stärcker wären als die Römischen Kräfte in Gallien zu bestreiten vermöchten. Daher muste er mit seinen dreyen Legionen durch allerhand Kriegs-Lift den Ingviomer aufhalten; biß er aus Hispanien und Italien mit noch drey andern verstärckt ward. Worauff es denn bey der Stadt Divodur zu einer blutigen Schlacht kam / in welcher Ingviomer die Hertzhafftigkeit [1061] eines Löwen / und den Witz eines alten Feldhauptmanns für den Jahren derogestalt ausübte: daß kein Theil sich des Sieges zu rühmen hatte; sondern iedes auf eine Tage-Reise zurücke wiech. Agrippa schätzte dieses gleiche Gefechte gleichwol für einen nicht geringen Verlust / nicht allein wegen seiner selbst / sondern auch der Römischen Waffen /welche nunmehr in dem Ruffe waren: daß kein Volck ihnen zu begegnen mehr mächtig wäre. Noch mehr aber ward er durch die Zeitung aus Hispanien bekümmert: daß die vorhin überwundenen und verkaufften Cantabrer ihre Römische Herren erwürget / sich nach Hause gewendet / und daselbst bereit unterschiedene Festungen den Römern abgenommen hatten. Zu allem Glücke kam Segesthes der Chaßuarier und Dulgibiner Hertzog / welcher in dem Kriege wieder den Antonius dem Kayser grosse Dienste geleistet / auch deßwegen von ihm das Römische Bürger-Recht erlangt hatte /zum Agrippa / mit welchem er in Egypten verträuliche Freundschafft gemacht. Durch diesen bewegte er Ingviomern durch Einräumung eines Stücke Landes an der Mosel / und den Divitiak durch Versprechung der Römischen Raths-Würde: daß sie mit Agrippen einen Vergleich eingiengen. Ja Ingviomer zohe selbst mit Agrippen wieder die Cantabrer / für welcher Nahmen die Römer gleichsam zitterten / hielt sich auch mit seinen Deutschen so tapffer: daß die edlen Cantabrer sich aus Verzweiffelung mit Giffte hinrichteten / die gemeinen sich ergaben und von denen Gebürgen ins flache Land versätzt wurden. Zeno fieng an: Es ist diß eine harte Art / sich der Uberwundenen zu versichern. Sintemal nichts empfindlichers seyn kan / als sein Vaterland mit dem Rücken ansehen / und das alte Volck auffhören zu seyn. Daher ich den Saguntinern und Carthaginensern nicht für übel habe: daß beyde sich lieber eingeäschert wissen / als jene auf Hannibals / diese auf der Römer Befehl den alten Sitz / die heilige Behältnüß ihrer Großväterlichen Aschen verlassen wollen. Malovend versetzte: Es ist diese Wanderung mehr schmertzhafft als grausam; weil ieder Ort der Welt einem vernünfftigen Menschen zum Vaterlande dienet; und so viel Völcker freywillig ihre ersten Wohnungen verlassen / die Scythen in Parthen /die Amyoler in Peloponnesus / die Athenienser in Asien / die Phönicier in Africa / die Phrygen in Italien / die Celten in Hispanien / die Deutschen in Grichenland und Galatien einen annehmlichern Himmel gesucht haben. Uber diß ist es ja eine grosse Gütigkeit des Uberwinders / wenn er denen Uberwundenen durch Veränderung ihres Sitzes weh thut / als seine durch das Kriegs-Recht über sie erlangte Gewalt des Todes durch gäntzliche Vertilgung ausübet. Zumahl wenn er sie nicht als Knechte / wie Dionysius es denen Camarinen / die Persen den Juden mitspielten /vertheilet und untersteckt; sondern sie nur an einem neuen Orte das alte Volck seyn / und nach ihren alten Gesetzen leben läst. Massen denn auf diese Art den Feinden gleichsam aus Vortheilhafftigkeit des Ortes die Gelegenheit zu sündigen / und sich unglücklich zu machen benommen ward; solches auch für ihm Pompejus mit denen unter dem Caucasus zu wandern genöthigten Colchiern / sonder einige übele Nachrede /nicht besser gemacht hat. Ich zweiffele auch fast: daß August mit den Cantabrern so gelinde verfahren hätte / wenn es nicht dem für sie bittenden Ingviomer zu Liebe geschehen wäre / welchen der Kayser mit herrlichen Geschäncken empfieng / und ihn über seine deutsche Leib-Wache setzte / der er auch mit grossem Ansehen fürstand / biß der Kayser nach zweyen Jahren mit Terentien in Gallien kam. Da ihn denn der gemeine Wechsel des Hofes und des Glückes / welche beyde sich ins gemein vorwerts weiß / auf dem Rücken schwartz kleiden / aus des Kaysers zu seines Vaterlandes rühmlichern [1062] Diensten brachte; weil er von Terentiens Reise ein wenig zu frey geurtheilet hatte. Denn Fürsten / welche auf ihrer Diener Fehler ein Luchs-Gesichte haben / wollen: daß diese ihre mit Maulwurffs-Augen ansehen / oder doch selbte wie die Flecken in der Sonne und dem Mohnden zu was besserm machen sollen / als sie an sich selbst sind. So bald nun Ingviomer von des Kaysers Unwillen Wind kriegte / und er wol verstund: daß Fürsten dieselben nicht gerne im Gesichte / welche durch blosses Anschauen ihnen ihre Gebrechen verweisen / saan er für / solche Empfindligkeit ihm in eine Gnade zu verwandeln. Sintemahl man nicht leicht mit iemanden / weniger mit Fürsten gar zerfallen soll; weil zwar wenig einem helffen / alle aber / ja die schwachen Käfer dem Adler schaden können. Diesemnach ersuchte Ingviomer den Kayser um seine Erlassung; weil sein Bruder Segimer seiner bey denen innerlichen Unruhen Deutschlandes benöthigt wäre. Welche kluge Zuvorkommung er so wol aufnahm: daß er ihn nicht ohne kostbare Geschencke weg ließ / und also bezeugte: daß seine Gewalt zwar groß / sein Gemüth aber noch grösser wäre.

Hertzog Ingviomer kam zu höchster Noth wieder in sein Vaterland / welches in eine ärgere Kriegs-Flamme / als iemahls versuncken war. Denn der Hertzog der Hermundurer Britton war für etlichen Jahren verstorben / und hatte seinem Sohne eben dieses Nahmens zugleich die zwischen dem Necker / Kocher und der Donau gelegenen Hertzogthümer der Marckmänner und Sedusier verlassen; welche nach des ohne Söhne verschwundenen Königs Ariovists Tode /Vermöge einer zwischen beyden Fürstlichen Häusern aufgerichteten Erbverbrüderung dem alten Briton heimgefallen / und also mit der Hermundurer Ländern vereinbart worden waren. Diese Völcker bezeugten sich für andern Deutschen überaus genaue Eyverer für ihre Freyheit zu seyn. Ihre Hertzoge dörffen ohne Verwilligung des Adels und des Volckes keinen Krieg anfangen / keinen Frieden schlüssen / keine Bürde dem Volcke auflegen / noch für sich allein in wichtigen Reichs-Geschäfften etwas entschlüssen. Gleichwol aber enthiengen sie dem Britton ihrem neuen Hertzoge aus einer besondern Zuneigung anfangs mehr / als seinen Vorfahren; also: daß sie ihm auch nach seiner Willkühr zu heyrathen erlaubten; da das Volck voriger Zeit seinen Fürsten nach dem Vortheil des gemeinen Wesens ihre Gemahlinnen erkiesete; ja etliche Marckmännische Edelleute für achtzig Jahren in der Fürstin Sartuda Armen ihren Eh-Herrn erstachen / den sie wieder des Landes Willen geehlicht hatte / sie auch kurtz hierauff den zu nehmen nöthigten / der zum ersten den Degen auf ihren vorigen Gemahl gezückt hatte. Also sind die Unterthanen niemahls anders / als gewaltsam zu herrschen / und der vorhin demüthigste Pöfel die grausamsten Gesetze fürzuschreiben gewohnet. Hertzog Britton vermählte sich mit des Königes der Bastarnen Deldo Tochter /dessen Vater gleichen Nahmens vom Craßus erschlagen worden war. Diese aber / als eine Ausländerin /ob schon die Bastarnen sich vom Uhrsprung ebenfalls Deutsche rühmen / und weil sie der Druyden Gottesdienste beypflichtete / dem Volcke / und insonderheit den Eubagen verhast; welche in diesen Ländern noch die Oberhand hatten. Als er aber seiner Gemahlin gar etliche zwantzig Druyden / und ihren öffentlichen Gottesdienst in der Stadt Calegia verstattete / sich auch derer ie länger ie mehr in sein Gebiete spielten /und viel ihren zeither vermummten Beyfall öffentlich erkläreten; seuffzeten die Stände / insonderheit die Marckmänner öffentlich nach der vorigen Alemännischen Herrschafft / ob sie schon mit Ariovisten auch nicht allerdings waren zu Friede gewest / kamen auch in den Argwohn: es müste Hertzog Britton im Hertzen selbst den [1063] Druyden beypflichten; und nunmehr nach dem Beyspiele des Cheruskischen Fürsten Aembrichs der Barden und Eubagen Gottesdienst vertilgen wollen. Denn der Verdacht in Glaubens-Sachen brauchet sich eines Schau-Glases / welches nicht allein in andern Hertzen mehr zu sehen zeiget / als sie selbst gedencken / sondern auch die Spinnweben vergrössert; daß sie für Ketten und Banden angesehen werden. Daher machten die Marckmänner einen Auffstand wieder die Stadthalter des Fürsten Britton /unter dem Scheine: daß sie ihnen in ihrem Gottesdienste etliche aber gläubische Gebräuche der Hermundurer aufbürden wolten. Die andern Ursachen aber waren: daß die Marckmänner voriger Zeit / ehe sie unter die Alemannische und folgends die Hermundurische Botmäßigkeit verfallen waren / eigene Hertzoge gehabt hatten; nunmehr aber denen Hermundurern gehorsamen / und unter dieser Nahmen versteckt gleichsam erleschen musten. Jedoch wäre diese ihr gemeines Wesen treffende Wunde noch verschmertzt worden / und das Feuer noch eine Weile unter der Asche verborgen blieben / wenn nicht König Britton eine Untersuchung verordnet hätte: Aus was für Recht einer oder der ander seine Güter besässe. Sintemahl die in vorigem Kriege denen Druyden abgenommene Ländereyen Vermöge Landes-Schlusses dem Reichs-Vermögen einverleibt werden solten / derer viel aber der Adel entweder eigenmächtig an sich gezogen /oder die der alte Britton etlichen auf Lebetage zu genüssen vergünstigt / als ihr Eigenthum behalten hatten. Wie er denn auch von einem Theile solcher Besitzer ein grosses erpreste / hiermit aber nichts minder den Adel / als Pöfel ihm aufsätzig machte. Denn der Eigen-Nutz ist so ein fürnehmes Theil am Menschen /als Feuer und Wasser. Daher er auch die dem gemeinen Wesen biß ans Hertz gehende Wunden so nicht fühlet / als die blossen Anrührungen dieses seines Augapffels. Uber diß verstieß Britton darinnen: daß das unwillige Volck durch Absonderung / wie die Bienen durch unter sie geworffenen Staub zu trennen sind / er bey denen Hermundurern diesem Ubel zu steuern einen Land-Tag ausschrieb. Denn die Land-Boten stärckten die Marckmänner ins gemein in ihrem Vorhaben; und veranlasten das Volck sich wieder die Kriegs-Steuer zu beschweren / welche Britton zwar ohne ihre Einwilligung / doch aus hochdringender Noth angelegt hatte / um die Gräntzen gegen die Semnoner zu besetzen / welche ihm das Eigenthum des Elbe-Stroms strittig machten. Wiewol nun die Hermundurer ihrem Hertzoge wenig zu Willen waren /brachte er doch durch der Bastarnischen Druyden /und insonderheit ihres Oberhaupts in Brittannien Vorschub / weil die Königin sie der freyen Ubung ihres Gottesdienstes versicherte / wie auch durch der meist den Druyden beypflichtenden Sedusier Hülffe ein Kriegs-Heer auf die Beine / und schickte es für Vorkehrung anderer sicherer Mittel wieder die Marckmänner; welche noch zur Zeit weder unter einander einig / noch so vermessen gewest waren / sich öffentlich wieder ihren Fürsten auffzulehnen; nunmehr aber durch die Noth leicht unter einen Hut gebracht wurden / und den scheinbarsten Vorwand bekamen / ihrer natürlichen Beschirmung halber die Waffen zu ergreiffen. Vorher aber hatte Britton schon zwey Fehler begangen; einmahl: daß er die Rädelsführer / ohne die das Volck eine so gefährliche Schantze nie gewagt haben würde / nicht bey den Köpffen geno en hatte; weil derogleichen Empörungen wie die Flüsse / ie weiter sie lauffen / sich vergrössern; und die anfängliche Furcht sich nach und nach in Kühnheit verwandelt; andern theils: er seinen nicht allerdinges unschuldigen Stadthaltern allzuviel Recht gegeben; da doch diese ihres Versehens halber billich; ja / wenn die gemeine Ruh durch diß Feg-Opffer / wie das wütende [1064] Meer bestillt werden kan / auch zu Unrechte etwas zu leiden schuldig sind. Sintemahl dieses durch die gemeine Wolfarth reichlich erstattet / auch beym Auffruhre / welcher in einem Lande eben diß / was der Krebs in menschlichen Leibern ist / ein Glied zu Erhaltung des Leibes ohne Unbarmhertzigkeit abgeschnitten wird. Uber diß entbot er nach ergriffenen Waffen alle die / welche nicht zugleich für Aufrührer gehalten werden wolten / bey Verlust ihrer Güter und Köpffe zu sich; da doch treue Diener ihrem Fürsten keinen grössern Dienst thun können; als wenn sie sich selbst zu Häuptern oder Werckzeugen der Auffrührer gebrauchen lassen; also nicht allein ihre Anschläge entdecken; sondern die Abtrinnigen auch leicht wieder zu rechte bringen können. Zu diesen Fehlern kam noch die Untreue des Hermundurischen Feldhauptmannes Monatil / welcher denen Marckmännern keinen Abbruch that / wie er wol Kräffte und Gelegenheit genung hatte / sondern mit ihnen einen Frieden schloß / welcher denen Aufrührern zwar ihre Verbrechen ließ ungenossen ausgehen / dem Fürsten aber keinen Vortheil noch Sicherheit brachte; sondern vielmehr ihm die Waffen unvermerckt aus den Händen wand; wormit sie hernach desto freyer sündigen konten. Denn sie verstiessen bald hierauf die Priester aus dem gemeinen Rathe / welche doch von undencklicher Zeit die erste Stimme noch für den Fürsten gehabt /darinnen das Reden und Stillschweigen verfüget / und die Fehler verwiesen hatten. Sie beschlossen auch: daß bey ihnen niemand anders / als ein Marckmann von Geburt und Geblüte einiges Ampt zu verwalten fähig seyn solte / also dem Fürsten Britton fast alle Gelegenheit einige treue und vertraute Leute einzusetzen entzogen ward. Inzwischen blieben auch die Hermundurer wieder das alte Herkommen und den Willen ihres Fürsten auf ihrem Land-Tage Jahr und Tag beysa en; uñ an statt: daß Herzog Britton durch sie die Marckmäñer zu demüthigen vermeinte; sonderlich /weil die Sebusier gegen versprochene Wiedererstattung aller Güter / die zu seiner Vor-Eltern Zeit denen Druyden und ihrem Anhange waren abgenommen worden / ihm eine ansehnliche Kriegs-Hülffe gewilligt hatten / lernten sie von jenen auch die Banden des Gehorsams zerreissen; in dem einige öffentlich zu sagen nicht scheuten: die alten Hermundurer hätten nichts minder / als andere Deutschen ihre Fürsten aus dem Kerne des Adels / ihre Heerführer aus denen erfahrnen Kriegsleuten erwehlet; jene hätten das Volck nicht nach Willkühr / sondern durch vernünfftige Anleitung / diese das Heer durch ihr Beyspiel zur Folge bewegt.

Inzwischen brachen die Marckmänner in der Hermundurer Gebiete ein / trieben das zu Besätzung der Gräntzen verlegte Kriegsvolck über den Kocher; unterhielten aber gleichwol den Hertzog mit demüthigen Bittschrifften und Friedens-Vorschlägen; und erlangten einen Stillestand der Waffen / wiewol ihr Kriegs-Heer aus des Hertzogs Gefällen verpflegt werden muste. Dieser suchte die Hermundurer nochmahls um Beystand an / aber sie verschoben selbten durch den Vorwand: daß vorher der Marckmänner Beschwerden untersucht / und ihren eigenen abgeholffen werden müste; ja der Rath drang auch auf die Verhafft der zwey treusten Staats-Räthe des Brittons / den einen anklagende: daß er die Eubagen bey den Sebusiern ermorden / zwey der fürnehmsten auch / welche von der Hertzogin üppigen Sitten stachlicht geredet / nach Abschneidung der Nasen ewig verweisen lassen; den andern / als er mit dem Oberhaupte der Druyden um eine hohe jährliche Besoldung heimliches Abkommen getroffen hätte. Sie wurden auch als Verräther des Vaterlandes / welche die Grund-Gesetze über einen Hauffen zu werffen angezielet / und das Gemüthe des Fürsten wieder seine treue [1065] Unterthanen vergället hätten / angeklagt / beyde zum Tode verdammt / ja Hertzog Britton selbst das Blut-Urthel zu unterzeichnen genöthigt. Denn ob er wol durch seinen eigenen Sohn den Rath um das Todes-Urthel in ewige Gefängnüß zu verwandeln ansuchte / ward doch jenes vollstreckt / und beyden der Kopff / mit diesem aber dem Fürsten gleichsam seine rechte Hand und die Hertzogliche Gewalt abgeschlagen. Den Marckmännern ward all ihr Begehren / ja auch die Befriedigung ihres Kriegs-Volckes von dem Rathe der Hermundurer gewilligt / welche ihnen selbst nur darum wehe thaten: wormit ihr Fürst unrecht bliebe / und seine Unterthanen gehorsamen müsten. Also wenn ein Fürst seinen Unterthanen schon verlaubet den Saum seiner Hoheit und Gewalt anzurühren / reissen sie ihm den Purper gar von dem Halse. Weil das Volck / welches schon einmahl die Süßigkeit nach eigner Willkühr zu leben geschmecket / also fort auch nach dem Herrschen lüstern / und zu Gehorsamen ungeschickt wird. Dahero ich mehr für ein tieffsinniges Lehrstücke / als eine Hoffart der Persischen Könige halte: daß bey Lebens-Straffe kein Mensch das so genennte güldene Wasser kosten darff / welches aus denen siebentzig nur für den König und seinen ältesten Sohn gewiedmeten Brunnen geschöpfft ward; wie auch: daß der König bey der Taffel einen Vorhang für sich hat: daß er zwar die Gäste /kein Gast aber ihn sehen kan. Insonderheit aber muß ein Fürst über seinen treuen Dienern die Hand halten /und sich nicht durch ihre Seite verwunden lassen. Denn ob er zwar jene für das gemeine Heil als ein Versohnungs-Opffer auch ohne Schuld auf die Schlacht-Banck liefern kan; wenn nehmlich des Volckes Grimm auff sie / nicht auf den Fürsten zielet; so stürtzet sich doch ein Fürst selbst in Grund / wenn er zwar siehet: daß es auff sein Haupt selbst gemüntzt sey; gleichwol aber sich durch Abschneidung seiner Glieder verstimmeln / und mit Untergrabung seiner Pfeiler seinen Stul selbst mit zu Bodem reissen läst. Sintemahl auch einem Zwerge nicht schwer fällt einen starcken Eich-Baum auff den Bodem zu reissen / dem man vorher alle Wurtzeln verschnitten hat. Zum wenigsten machet die Furchtsamkeit des Fürsten auch die treuesten Diener verzagt: daß sie entweder den Mantel nach dem Winde hencken / oder ihre Achseln der gefährlichen Herrschens-Last entziehen. Welches letztere denn des Fürsten Britton meiste hohen Befehlhaber thaten; als sie sahen: daß der zwey höchsten Treue sie um den Hals gebracht hatte; und alle freye Entschlüssungen nicht für einen Willen des frommen oder vielmehr alberen Fürsten / sondern für eine Erfindung der Staats-Räthe angenommen ward. Die Stände masten sich nunmehr selbst an / die vornehmsten Reichs-Aempter zu besetzen / und ihrem Oberhaupte zu gebieten. Hierüber machten die Sebusier /welche noch grossen Theils den Druyden beypflichteten / unter dem Vorwand des Hertzogs beleidigte Hoheit und ihre in Gefahr gesetzte Gewissens-Freyheit zu vertheidigen / einen Auffstand / und wüteten mit unmenschlicher Grausamkeit wieder die Eubagen. Wiewol nun Britton sie für Aufrührer erklärte / und selbte zu unterdrücken alle Kräfften hervor suchte; wol wißende: daß die Sedusier sich gar von Hermundurern abzutrennen / und zu den Buriern zu schlagen im Schilde führten; so war jenen doch der Verdacht nicht auszureden: daß er mit den Sedusiern unter einer Decke läge. Einige der Land-Boten unterwunden sich hierbey den Pöfel zu erregen: daß er für Hertzog Brittons Schlosse nicht ihn und seine geheimen Räthe die abscheulichsten Schmähungen ausstieß / in der Reichs-Versamlung aber auffzuwerffen: Ob es nicht rathsam wäre dem Fürsten die Ober-Anstalt zum Kriege zu entziehen / und ihm selbst andere Räthe an die Seite zu setzen. Brittons [1066] Gedult konte diese Frevel-That nicht länger verdeyen; befahl also die Rädelsführer feste zu machen / verfügte sich selbst in die Reichsversamlung / beklagte sich über diese Beleidiger seiner Hoheit / und begehrte ihre verdiente Bestraffung. Diese aber nahmen diß für eine Verletzung ihrer Freyheit auff / die Beklagten unter ihren Schirm / das verhandene Krieges-Volck unter ihre Pflicht /und das Schloß zu Calegia in ihre Gewahrsam; die wieder obige Auffrührer geschickte Wache in Hafft; also: daß Hertzog Britton mit seiner Gemahlin und zweyen Söhnen sich für andräuender Gewalt von Calegia in das Gebürge Gabreta wegzuflüchten gezwungen ward.

Inzwischen warffen sie die der Hertzogin erlaubte Druyden in Kercker / ihnen / wiewol nicht gar sonder Grund / beymässende: daß sie ihren Hertzog mit grossen Versprechungen zu Annehmung ihres Gottesdienstes zu bereden getrachtet hätten. Der Reichs-Rath schickte dem Britton gleichwol nach / und forderten in einer so benahmten Bittschrifft das Kriegs-Heer und den jungen Fürsten Jubil zu ihrer eigenen Aufsicht; und als diß Britton abschlug / nahmen sie eigene Kriegs-Häupter auf / führten ein Heer zusammen / besetzten etliche Festungen mit ihrem eigenen Volcke / schlossen selbte dem Herzoge für den Augen zu / erklärten seine Gewalt dem Reichs-Rathe unterwürffig zu seyn; und daß er zwar nichts ohne sie / sie aber alles ohne ihn kräfftig schlüssen und urtheilen könten; hiermit augenscheinlich bezeugende: daß das einmal jährende Geblüte des Volckes durch keine gelinde Artzney zu stillen sey; des Pöfels Entschlüssungen aber weder Maaß noch Ziel haben. Hiermit kam es zu einem öffentlichen Kriege / in welchem iedes Theil des andern Feld-Hauptleute für Verräther verdammte / und durch solche hitzige Ubereilungen die Wege zu gemeiner Ruh wieder zu kommen gleichsam gar verschrenckte / Britton aber öffentlich verkündigen ließ: daß er nichts wieder den Reichs-Rath noch sein Volck / sondern nur wieder die Uhrheber dieser Unruh zu Beschirmung seiner Hoheit / ihrer Freyheit und Glaubens die Waffen ergrieffen hätte: der Reichs-Rath hingegen: daß ihre Rüstung für ihren Fürsten /wieder die / welche sich seiner Gewalt mißbrauchten /und die Erhaltung des Vaterlandes angesehen wäre. Also hat sich niemahls kein so unrechter Krieg entsponnen / dessen Ursache nicht durch einen scheinbaren Vorwand überfirnset worden. Beyde Kriegs-Heere kamen gegen einander ins Feld / und ob wol einige dem Hertzog Britton riethen: Er solte durch allerhand Verzögerungen den Feind müde / die Reichs-Glieder zwistig / die Heerführer verdächtig / das leidende Volck ungedultig machen; weil dieses die beste Krieges-Kunst wäre / welche Fürsten wieder kriegende Stände ausüben könten; traute er doch zu viel seiner gerechten Sache / und seiner Kriegs-Macht; also kam es zu einer blutigen Schlacht / in welchem nicht der Sieg / sondern die Macht das Ende machte. Jedoch schlug ein Fürst der Narisker Patalin Hertzog Brittons Vetter die Reuterey des Reichs-Raths im lincken Flügel in die Flucht; und hätte er nicht den Feind allzu eiffrig verfolgt / wäre Britton vermuthlich diesen Tag nicht allein Meister im Felde / sondern auch ein völliger Uberwinder seiner Feinde bliebẽ. Alleine so büste er seinen Feld-Hauptmann / und eine ziemliche Anzahl des Adels ein / welche alle wie Löwen fochten; also daß ob wol auff der feindlichen Seite etliche tausend Mann mehr blieben / es dennoch das Ansehen gewann: als hätte Britton gegen Erbsen Perlen aufgesetzt. Gleichwol bemächtigte er sich etlicher Städte /und erschreckte durch seine Näherung gegen die Stadt Calegia seinen Feind dermassen: daß sie demüthiger als iemahls an ihn schrieben / und Friedens-Vorschläge thäten. Aber hiermit meinten sie den Britton nur einzuschläffen. Denn er hatte [1067] sich kaum alles gutes erboten; als der Feind mit einem verstärckten Heere auf ihn andrang. Den grösten Fehler aber begieng Britton darinnen: daß ob er zwar bey sich einen eigenen Reichs-Rath äuffrichtete / auch viel Glieder aus dem zu Calegia sich zu ihm schlugen / dennoch diesen letztern für den rechten Reich-Rath nicht nur in der That / weil er mit selbtem Frieden behandelte /sondern auch endlich durch eine ausdrückliche Erklärung erkennte / weil er anderer Gestalt mit dem Fürsten Britton nichts abhandeln wolte. Gleichwol vergrösserte sich Hertzog Britton auch / und ereignete sich / wiewol ohne einen Haupt-Streich / allerhand abwechselnde Treffen / worinnen aber Britton / und sonderlich Fürst Patalin meistentheils den Vortheil erhielten. Der Stände Feldhauptmañ Sekkes aber in grossen Verdacht der Untreue fiel / und ihm zwey andere Kriegs-Auffseher Lerwall und Facksariff an die Seite gesetzt wurden. Weil der Pöfel gewohnt ist Rathschläge nicht nach ihrer Güte / sondern nach dem Ausschlage zu mässen / und Zufälle in eine Schuld oder Boßheit der Obrigkeit zu verwandeln. Unterdessen maßte sich der Reichs-Rath eines Oberherrschafftlichen Sieges an / zerbrach die Hertzoglichen Zierrathen; er büste aber hierauff drey grosse Feld-Schlachten ein; und gewann Britton das gröste Theil seines Landes durch Hülffe der Sedusier wieder; ja die meisten Glieder des Reichs-Raths enteusserten sich des Bundes wieder ihren Fürsten / und demüthigten sich für ihm. Daher die übrigen Aufrührer gezwungen wurden sich mit den Marckmännern durch einen vortheilhafftigen Bund auffs neue zu verknüpffen; welcher ihnen auch mit einem mächtigen Heere zu Hülffe erschienen. Das Kriegs Spiel wechselte hierauff seltzamer Weise ab; und das Glücke kehrte bald einem bald dem andern das Antlitz oder die Fersen. Alleine kurtz hierauff schien es den Hertzog Britton wieder auff den Stul seiner ersten Hoheit und Glückseligkeit zu setzen / in dem er anfangs den Lerwall / hernach den Feld-Hauptmann Sekkes nach verächtlich ausgeschlagenem Friedens-Vergleiche auffs Haupt schlug. Alleine Britton übte gegen das gefangene Heer durch Freylassung aller derer / die ihm nicht gutwillig dienen wolten / eine übermäßige Güte / gegen sich selbst aber eine unverantwortliche Grausamkeit aus. Denn wie es erbärmlich ist / weñ man in einem Reiche nichts ohne Gefahr thun kan; also ist nichts schädlichers / als wo ieder ohne Furcht der Straffe thun mag / was er wil. Es ist einem Fürsten freylich zwar rühmlich Schuldige begnädigen / aber nicht wenn sie dem gemeinen Wesen auffs neue schaden können / und ihre Unstraffbarkeit andere zur Missethat verleitet. Denn in diesen Fällen muß man den Aufrührern wo nicht die Köpfe / doch die Hände / und damit das Vermögen schädlich zu seyn / abschneiden. Alleine Britton brauchte sich eines gantz andern Masses / so gar: daß er auch nicht zu rechter Zeit dräuen konte. Sintemahl er nach erlangtem Siege auffs beweglichste an den Reichs-Rath schrieb: Sein Kriegs-Glücke wäre viel zu ohnmächtig ihn wieder seine Beleidiger zur Rache zu reitzen / weil sein Vater-Hertze ihn fort für fort zur Erbarmnüß über sein Volck reitzte. Sie hingegen hätten nun eine Weile mit ihrer Pflicht und dem Verhängnüße gerungen / beydes aber hätte ihnen zeither ein Bein untergeschlagen / und sie dahin bracht: daß sie Mangel an Kräfften / und einen Uberfluß an Wehklagen eingeerndtet hätten. Also solten sie nunmehr die Hand nicht von dem Sieger zurück ziehen / der ihnen den Friedens-Oelzweig selbst zulangte; und da er könte / sie nicht mit dem Schwerdte bändigen wolte / um ihnen die Ehre freywilligen Gehorsams / ihm aber den Ruhm; daß seine Güte doch das Gewichte ihrer [1068] Schuld überwiege /nicht zu entziehen. Alleine der Haß gegen diesen Fürsten war in denen hartnäckichten Völckern derogestalt eingewurtzelt; oder ihre Einbildung: Britton könte weder straffen noch zornig seyn / verhärtete sie: daß sie allen Vergleich ausschlugen; sonderlich weil Britton nicht geraden Weges nach Calegia fortrückte /sondern mit Einnehmung anderer geringern Oerter sich auffhielt / und ins gemein mittelmäßige / als die schädlichsten Entschlüssungen erkiesete; Da doch die Haupt-Städte das Hertze eines Reiches sind; welche allen andern Theilen gleichsam Geist und Leben geben. Daher wie ein Fürst sie nicht ohne eusserste Noth verlassen soll; also hat er alle Kräfften anzuspannen sich der Verlohrnen wieder zu bemächtigen; weil offt in einer Stadt das gantze verlohrne Reich erhalten / oder mit ihr wieder gewonnen worden. Sintemahl auch in belebten Dingen nach Uberwältigung des Hauptes / die andern Glieder sich für sich selbst legen.

Als der Hermundurer Zustand derogestalt ziemlich ins Gedrange bracht ward / kam Marbod von Rom in sein Vaterland zu Hause. Dieser Marbod war eines Marckmännischen Edelmannes / nehmlich des Flavius Sohn / welcher in dem Zuge des Antonius wieder die Parthen so grosse Heldenthaten ausgeübt / und für der Römer Wolfarth sein Leben ritterlich auffgesetzt /vorher aber sich unter dem Ventidius schon in so grosses Ansehen gesetzt hatte: daß ihm der Parthische Fürst Moneses zu Larißa / welche Stadt nebst Arethusa und Hierapolis ihm vom Antonius geschenckt war /seine Tochter vermählte. Welche Freundschafft denn auch hernach dem Antonius zu wege brachte: daß ihr Bruder Marius ein Parthischer Feld-Oberster durch seine treue Warnigungen denen Römern aus dem unzweiffelbaren Untergange halff. Marbod war nur ein Kind von zwey Jahren / als sein Vater Flavius blieb /ward also von seines Vaters Bruder mit seiner Mutter in Deutschland geschickt / und in allerhand Kriegs-Ubungen erzogen. Wie er aber nur sechzehn Jahr alt war / begab er sich unter der Catten Kriegs-Volck /welches wieder den Vinicius in Gallien zoh. Die grosse Hitze der Jugend / und die Begierde der Ehre verleitete ihn aber: daß er bey allzu eivriger Verfolgung der Römischen Reuterey gefangen ward. Nach dem aber Vinicius erfuhr: daß er des so hoch verdienten Flavius Sohn wäre / beschenckte er ihn mit einem Arabischen Pferde / einer vergüldeten Rüstung / und schickte ihn dem deutschen Feldhauptmanne zurück. Diese Wolthat reitzte den ruhmsichtigen Marbod: daß nach geschlossenem deutschen Frieden er sich als ein freywilliger in das Römische Kriegs-Heer begab /welches Agrippa wieder die Cantabrer in Hispanien führte. Daselbst zeigte er durch vielfältige tapffere und kluge Thaten: daß der Apffel nicht weit von sei nem Stamme gefallen / er also ein würdiger Sohn des behertzten Flavius wäre. Insonderheit erstieg er des Nachts eine Spitze des Medullischen Gebürges / in welchem sich die Cantabrer verhauen / Agrippa sie aber mit einem Graben funffzehn Meilen im Umkreiße beschlossen hatte; von welchem sie nicht alleine mit dem Geschoß hefftig beschädiget / sondern auch alle ihr Beginnen übersehen werden konten. Dahero die Cantabrer auch nach diesem Verluste / worbey einer ihrer zweyen Häupter vom Marbod eigenhändig erlegt worden war / sich alsofort selbst verzweiffelnde aufrieben; Agrippa aber den Marbod mit nach Rom nahm / und ihn beym Kayser derogestalt einliebte: daß er ihm das Römische Bürger-Recht verlieh / und auf dem Feyer der Tugend und der Ehren / an welchem er Agrippens zwey Söhne Cajus und Lucius zu Kindern annahm / in dem von dem Marius nach dem Cimbrischen Siege der Tugend und Ehre gekautem Heiligthume / von denen um des Marius Bild geflochtenen Lorber-Kräntzen [1069] einen loß machte / selbten dem Marbod auffsetzte / und ihn noch darzu mit dem Degen des damahls erlegten König Bojorichs beschenckte; meldende: Er und sein Vater hätten sich um Rom so sehr verdient: daß er billich dieses seines großmüthigen Landes-Mannes Degen zurück bekäme. Er ward hierauf ein Hauptmann über die Deutsche Leib-Wache / und muste wegen seiner Annehmligkeit täglich bey Hofe seyn. Insonderheit aber stand er mit dem Tiberius in verträulicher Freundschafft / weil er ihn in dem Cantabrischen Kriege / darinnen er die erste Kriegs-Würde / als Oberster / erlangte / aus augenscheinlicher Lebens-Gefahr errettet hatte. Bey dieser Gemeinschafft gerieth Marbod auch in Kundschafft mit des Kaysers Tochter Julia / damahls des Agrippa Eh-Weibe. Diese entbrannte durch hefftige Liebe gegen den schönen und tapfferen Marbod derogestalt: daß als Agrippa einsmahls des Kaysers Geburts-Tag in denen von ihm dem Neptunus zu Ehren gebauten Spatzier-Sälen begieng / sie ihr Gelegenheit nahm den Marbod zu der Argonauten in Alabaster künstlich gehauenen Geschichten zu führen; und mit mehrmahls entfärbtem Antlitze ihn um sein Gutachten über der Bildung Jasons und Medeens zu befragen. Wie dieser nun so wol die Erfindung / als den Meißel des Bildhauers überaus lobte / und meldete: daß er dieses Bild weit über die unvollkommene Medea des Timimachus schätzte / welche Kayser Julius für achzig Talent gekaufft / und in der gebährenden Venus Tempel gesetzt hätte; fieng sie an: Es ist wol wahr: daß mein sonst so bäuerischer Ehmann diese Medea von den Cyzizenern viel theuerer erkaufft; Meine wenigste Sorge aber ist um diese todten Steine. Alleine was urtheilestu von der Liebe dieser schönen Fürstin? Marbod nahm zwar Juliens Veränderung in ihrem feurigen Antlitze wahr / ließ ihm aber ihr Absehen nicht träumen; antwortete also: Er hielte sie für eine der treusten und hefftigsten dieser Welt; sonderlich / da sie den Glantz der väterlichen Krone und Zepters ausser Augen gesetzt hätte / und einem unbekandten Ausländer über Klippen und Wellen gefolget wäre. Julia zwang hierüber alle ihr Annehmligkeiten zusammen / und fieng mit einem gleichsam zauberischen Liebreitze an: Glaube mir / Marbod / wenn ich auch wüste: daß du mir eine Glauce an die Seite legen /oder mit mir grimmiger als Jason handeln woltest; würde ich meines Vaters Kayserthum und meines Ehmanns Glücke doch in Wind schlagen / und durch Flammen und Schnee dir in dein raues Deutschland nachziehen. Marbod ward durch diese unvermuthete Erklärung nicht nur seiner Sprache / sondern gleichsam der Vernunfft beraubet. Weil aber Tiberius an einer / Terentia und Vipsania Agrippina des Tiberius Ehfrau an der andern Ecke des Spatzierganges eintraten / gieng Julia diesen / Marbod aber jenem entgegen. Dieser konte seine Gemüths-Veränderung derogestalt nicht verdecken: daß Tiberius sie ihm nicht also gleich an Augen angesehen hätte. Daher lenckte er alsofort in das nechste Blumenstücke des Gartens mit ihm ab / und ersuchte ihn: Er möchte ihm die Ursache seiner Verstellung nicht verschweigen. Marbod machte sie ihm anfangs zwar gantz fremde; hernach bediente er sich eines andern Vorwands; aber der schlaue Tiberius wolte sich weder eines noch das andere bereden lassen; sondern / als er wol merckte: daß Marbod schwerlich selbst mit einer so gefährlichen Eröfnung würde heraus wollen / beschwur er ihn bey ihrer beyder Freundschafft: daß / dafern er es erriethe /Marbod ihm die Warheit nicht verschweigen wolte. Als dieser es ihm in Meynung der Unmögligkeit auff so seltzame Begebenheit zu kommen angelobte / fieng Tiberius an: Die Liebe ist eine Schwäche der grösten Leute / und die Röthe ihr Verräther; daher muthmasse ich: es werde Julia dir was von [1070] ihrer Liebe entdecket haben. Marbod stutzte über so schleuniger Auflösung seines Räthsels; und fragte: gegen wem soll Julia verliebt seyn: daß sie ihr Hertz für mir ausschütten solte? Tiberius versetzte: Gegen wem pflegen wir diß eher zu thun / als gegen den / der sich desselbten schon bemächtigt hat? Sicherlich / Marbod / du trauest mir allzu blöde Augen und eine allzu geringe Kentnüß Juliens zu / da du mir diese meine Gedancken ausreden wilst. Wormit du aber so wol meiner Verträuligkeit /als des Grundes in dieser Sache vergewissert seyn mögest; so glaube: daß ich auch für dir auf diesem Kampff-Platze von Julien einen solchen Anfall überstanden; als sie nach dem Marcellus verheyrathet war; welcher sie doch mit mehren Ergetzligkeiten unterhielt / als der ernste Agrippa. Uber diß ist Julia gewohnet todte Bilder gleichsam zu Rednern für ihre Liebe zu machen. Deñ sie hat mir in dem über des Pompejus Schau-Platze gebautem Heiligthume der Venus / bey Beschauung der Gemählde so viel zugemuthet; als die Venus iemahls dem Adonis gewehret. Marbod / welcher ihm zwar für gesetzt hatte / dieses Geheimnüßes Wissenschafft ihm allein vorzubehalten / um es weder fremdem Urthel nach Verrath zu unterwerffen / ward durch diese Verträuligkeit verleitet dem Tiberius endlich zu bekennen: daß Julia eine Zuneigung gegen ihm hätte blicken lassen. Denn die Entdeckung eigener / ist der Schlüssel fremder Geheimnüsse. Kurtz darauf begab sich: daß der Kayser in Gallien reisete; da denn Julia / Tiberius und Marbod ihn begleitende / bey Patavium des Geryons Wahrsagungs-Heiligthum besuchten / und in dem Aponischen Brunnen mit dem güldenen Würffel spielten. Dieser heilsame Brunn war durchsichtig wie ein Spiegel / unten mit Marmel gepflastert / und mit vielfärbichten Steinen / darein allerhand Thiere eingelegt. Julia warff zum ersten einen Wirffel / in welchem zwar anfangs eine sechs oben kam / aber er wendete sich am Bodem um / kam auf einem See-Krebse zu liegen / und zeugete den Hund / als den geringsten Wurff. Tiberius und Marbod warffen beyde das beste / nehmlich die Venus; jener Wirffel aber kam auff einer Schnecke / dieser auf einer Syrene zu stehen. Der Priester des dreyköpfichten Geryons /oder der dardurch abgebildeten dreyfachen Zeit / weßwegen sein aus Porphir gehauenes Bild auch am Rücken Flügel / an den Füssen Renne-Schuh / in der Hand eine Sichel hatte / legte die Würffe derogestalt aus: daß sich Juliens Glücks-Blat wenden / und sie auff einem vom Meer umgebenen Eylande in Einsamkeit ihr Leben beschlüssen / Tiberius langsam / Marbod zeitlich zu der höchsten Würde gelangen / mit diesem es aber am Ende auch schlecht ablauffen würde. Diese Wahrsagung machte Julien für Liebe gantz blind: daß / wo sie nur einen Augenblick Zeit hatte / dem Marbod anlag mit ihr in Deutschland zu fliehen. Weil nun Marbod sie schlechter Dings durch eine abschlägliche Antwort zu erzürnen Bedencken trug / sondern mit annehmlicher Bezeugung stets allerhand Schwerigkeiten machte / schrieb sie ihm endlich einen Brieff / welcher umständlich berichtete: wie sie zu ihrer Flucht alles bestellet / und seine bißherige Schwerigkeiten aus dem Wege geräumet hätte. Diesen gab sie ihrer freygelassenen Phöbe dem Marbod zu überbringen. Weil diese aber / als Juliens vertraute Kuplerin / den Innhalt und Anschlag wol wuste / aber in einen Freygelassenen der Vipsania verliebt war /entdeckte sie ihm ihr gantzes Vorhaben / um ihn zur Nachfolge gleichfalls zu bereden. Alleine seine Treue überwog dißmahl seine Liebe. Denn er eröffnete alles der Vipsania / diese dem Tiberius / mit Andeutung: daß sie Juliens Untreue und Marbods Undanck ihrem Vater Agrippa nicht verschweigen könte. Weil nun Tiberius Vipsanien das letztere nicht auszureden /[1071] noch den Marbod des zugedachten Raubes entschütten konte; eilte er zu ihm / eröffnete ihm bevorstehende Gefahr; und wie sehr gleich Marbod seine Unschuld betheuerte / und derogestalt durch die Flucht sich schuldig zu machen anstund; so beredete ihn doch endlich Tiberius: daß er bey seinem zwar guten Gewissen / dißmahl dem Glücke als einer Stieff-Mutter einen Schlag verzeihen / der dringenden Noth und der Zeit aus dem Wege treten müste; weil die Unschuld ein genungsamer Schild wieder Verdacht und Eyversucht / niemahls aber in den Händen der Erzürnten sicher wäre. Also muste Marbod nur Rom mit dem Rücken ansehen / wiewol Tiberius durch seine Entfernung endlich Vipsanien bewegte: daß sie Juliens Anschlag Agrippen verschwieg; welche sich hierüber kranck einlegte / und endlich ihre verachtete Liebe gegen den Marbod / welchen sie vorsätzlich weggereiset zu seyn glaubte / in Gall und Gifft verwandelte.

Marbod kam derogestalt in sein Vaterland / als der Hermundurer und Marckmänner Kriegs-Zustand gegen dem Hertzoge Britton ziemlich schlecht beschaffen war. Alleine weil es der Marckmännische Adel für den höchsten Glantz eines Geschlechtes hält / wenn ihrer viel aus selbtem den Degen wieder Fürsten gezückt haben / wenn schon selbte hierüber den Hals unter das Beil des Scharffrichters bücken müssen / über diß die Geryonische Weissagung ihm einen Muth machte auff was hohes zu dencken; schlug er sich auff die Seite des Volckes; und ward ein Oberster über zwey tausend Marckmänner. Facksariff rückte hierauf mit einem verstärckten Heere für die Stadt Samulocen / und als der Narisker Fürst Patalin solches entsetzen wolte / geriethen beyde Heere in eine blutige Feld-Schlacht / Facksariff mit allem Kriegs-Volcke in die Flucht; aber Marbod hielt mit seinen zweytausend Marckmännern Stand; sonderlich als Patalin abermahls den lincken Flügel allzuweit verfolgte /und sein übriges Völck der Hermundurer Geräthe zu plündern anfieng. Dieses Beyspiel des behertzten Marbods / welcher hierüber gleichsam Meister im Felde blieb / bewegte die Flüchtigen: daß sie sich wieder erholeten / ihre Feinde angriffen / und über sie einen Haupt-Sieg erhielten. Hierauff gieng Samolucen / und alle Städte zwischen der Donau und dem Meyn über; Marbod aber ward für einen Erhalter der Freyheit ausgeruffen. Sekkes schlug unter dem Hercinischen Gebürge mit dem Fürsten Britton selbst nicht ohne Vortheil; gleichwol aber verließ er etliche Plätze / die Britton besetzte. Worüber der Reichs-Rath den Sekkes aus geschöpftem Verdachte: daß er es heimlich mit dem Fürsten hielte / seine Feldhauptmannschafft niederzulegen zwange; hingegen Facksariff an seine Stelle / und Marbod ihm an die Seite gesetzt ward. Diesemnach zohen beyde Theile ihre eusserste Kräfften zusammen. Britton ward von denen Sedusiern / derer Druyden seine Gemahlin güldene Berge versprochen hatte / die Hermundurer aber von Marckmäñern ansehnlich verstärcket. Hierauf rückten sie schwermüthig zusammen; gleich als wenn dieser einige Tag den Ausschlag der Sache geben solte. Die Kriegs-Häupter konten für Grimm ihre Völcker nicht einst zur Tapfferkeit ermahnen; aber die Verbitterung reitzte einen ieden schon zur Rache und Blutstürtzung an. Der hitzige Streit gab ein Gethöne von sich / als wenn Felsen gegen Felsen rennten / und sich auf einander zerscheuterten. Der kühne Fürst Patalin und sein Bruder Zomir fochten im rechten Flügel wie zwey grimmige Tiger-Thiere / jener stieß dem Grafen Onethier / der des Reichs-Raths lincken Flügel führte / einen Spieß durch das dicke Bein; dieser aber schmieß ihm eine lange Hacke ins Gesichte: daß er zu Bodem fiel und gefangen ward; worüber der lincke Flügel in offenbare Flucht gerieth. Hertzog Britton[1072] setzte in der Mitte dem Facksariff als ein großmüthiger Löwe so hefftig zu: daß seine Glieder schon hin und her zu wancken anfiengen. Dahero denn Facksariff einen Fähnrich / welcher sich mit seinem Fahne umwendete / bey der Gurgel ergrieff / und herum drehete / mit der Hand aber auf den Britton wieß / meldende: Hier ist der / gegen den du dich wenden und fechten solst. Durch welche scharffe Ermahnung eines einigen Kriegs-Mannes Facksariff eben so rühmlich / als Kayser Julius in der Afrikanischen Schlacht wieder den Scipio / die Zagheit denen sämtlichen Hauffen benahm / und die schon halb Uberwundenen überwinden lehrte. Gleichwol wäre die Schlacht unzweiffelbar verlohren gewest; wenn nicht Marbod mit seinem rechten Brittons lincken Flügel zertrennet / und als ein Blitz allenthalben durchgedrungen / auch den Facksariff mit seiner Hülffe entsetzt hätte. Patalin kam hierauff zwar zurücke /und brachte eine Weile Brittons Heer wieder zu Stande; ja beyde waren so abgemattet: daß sie / gleich als wenn sie mit einander einen Stillestand abgeredet hätten / gegen einander stille hielten / und eine gute Weile verbliesen / hernach aber ihre Grausamkeit so viel schärffer erneuerten. Alleine das Verhängniß hatte beschlossen diesen Tag alle Vorsicht und Tapferkeit des Fürstens Britton durch die Kühnheit und Hartnäckigkeit seiner Unterthanen in Staub zu legen. Dieser Fürst muste selbst die Tugend dieser seiner Feinde rühmen / als welche mit ihrem Beyspiele dem gantzen Heere gleichsam ihre Hertzhafftigkeit einbliessen; nnd nach dem er sein Heer zu erhalten alles vergebens versucht hatte / jenen das Feld und den Sieg enträumen; ja nicht nur alles Fuß-Volck / seine Haupt-Fahne mit einem gekrönten Löwen und Kriegs-Geräthe / sondern alle heimliche Nachrichten im Stiche lassen. Welcher letztere Verlust zugleich bey viel tausenden die noch gegen dem Britton gli ende Liebe der Hermundurer und Marckmänner vollends ausleschte; weil aus denen überkommenen Nachrichten erhellete: daß Britton denen Sedusiern den Gottesdienst der Druyden bestetiget; von denen Fürsten der Burier und Lygier fremde Hülffs-Völcker bedungen; die Druyden diese Fürsten wieder den Reichs-Rath beweglichst verhetzet; Brittons Gemahlin auch die gäntzliche Ausrottung des Reichs-Raths eingerathen; hingegen Britton vorher deßwegen seine Königin hochbetheuerlich verredet / und unterschiedene allhier sich anders befindende Dinge nicht nur dem Reichs-Rathe / sondern seinem eigenen Heere fürgebildet hatte. Weßwegen sie ihm öffentlich fürrückten: daß wer mit GOtt spielte / kein Gewissen haben könte Menschen hinters Licht zu führen. Wiewol es nun ihm auch bey denen schli sten Zufällen niemahls an Rath und Hertze mangelte; er auch bald dar / bald dort kleine Kriegs-Heere zusammen raffte; schien doch aller Stern und Glücke / welches der Apffel im Auge der Klugheit und die Hertz-Ader in der Tapferkeit ist / verschwunden zu seyn / und eine Niederlage der andern die Hand zu bieten. Marbod nahm gleichsam spielende die festesten Oerter / und Facksariff die fast unüberwindliche Stadt Brigobanna ein / ungeachtet Fürst Patalin solche selbst vertheidigte / und wegen der Ubergabe beym Britton in nicht geringen Verdacht fiel. Worüber dieser Fürst und sein Bruder nebst vielen andern tapfern Kriegs-Leuten unwillig waren / so wol den Britton / als seine Länder verliessen; und durch ihr Beyspiel erhärteten / wie schwer es sey einem leicht argwöhnischen Fürsten zu dienen; besonders bey unglücklichen Läufften; da selbter nach Art der Krancken auch für denen besten Speisen Eckel kriegt. Ja Britton verlohr in drey Monaten mehr / als er in drey Jahren gewonnen hatte. Denn ob wol der Ritter Rosenberg bey den Marckmännern unterschiedene Siege für ihn erhielt / schien doch das Glücke ihn nur zu äffen. Denn das Blat wendete sich bald wieder; und Britton selbst entkam mit genauer Noth in das [1073] Nariskische Gebürge. Ja endlich ward er gantz wehrloß / und in einem Schlosse belägert / aber durch etliche Marckmänner verleitet: daß er verkleidet in Knechtischer Tracht mit abgeschnittenen Haaren sich zu dem Marckmännischen Kriegs-Heere flüchtete /und von dar seinen Kriegs-Obersten Befehl zuschickte: daß sie die noch übrigen Festungen dem Reichs-Rathe abtreten solten. Mit welchen denn auch das Hertzogliche Schwerdt / das Siegel und andere Kleinodien in ihre Hände kamen / und schimpflich zerbrochen wurden. Denn so bald ein Fürst dem Volcke seine Schwäche des Gemüthes zeiget / giebt er ihm Gewalt ihn zu beschimpffen. Britton hatte zwar gemeint / bey den Marckmännern sichere Schutz-Flügel zu finden; er erblickte aber zeitlich ihre Klauen. Denn wie diese ihn bald anfangs nicht viel besser als einen Gefangenen hielten; also deuteten die Hermundurer seine Flucht zu ihrer Verkleinerung aus / und um diese Schmach zu rächen / brachten sie theils mit Geschencken / theils mit Dräuungen Brittons Ausfolgung zu wege / und ihren Fürsten ins Gefängnüß. Bey welcher seltzamen Veränderung unschwer zu ermessen ist; was für Bitterkeit dieser grosse Fürst aus so herben Trachten des Glückes zur Nahrung müsse an sich gezogen haben. Denn Fürstliche Gemüther sind eben so wenig / als andere aus unempfindlichem Kieselsteine; ja weil sie von Geburt viel zärter / und ins gemein des Elendes ungewohnter sind / ist unschwer zu ermessen: daß solche Gallen-Träncke ihnen eine unverdeuliche Speise seyn müssen.

Marbod hatte durch diesen Krieg nunmehr einen Uberfluß von Ruhm / und eines seiner Absehn /nehmlich die Entwaffnung des so mächtigen Fürsten erreichet. Allein es lagen ihm noch zwey schwere Steine auff dem Hertzen. Denn weil der Ehrgeitz sich auch mit demselben erlangten Würden-Maße nicht ersättigt / welches er doch nur anfangs in seinem höchst unverschämten Wunsche angezielet hatte; insonderheit aber neben sich keinen seines gleichen / und über sich keinen höhern vertragen kan; so saan Marbod Tag und Nacht den Feld-Hauptmann Facksariff aus dem Sattel zu heben / und zu verhindern: daß Britton nicht alles / was ihm der Reichs-Rath fürmahlte / unterschrieb / und er hierdurch wo nicht die Gewalt /doch den Schatten eines Fürsten erlangte; auf welches Facksariff zu zielen schien / wormit er im Wercke das Hefft in Händen behalten möchte. Welches dem Facksariff so viel leichter vorkam / weil Fürst Patalin dem Hertzoge Britton ohne diß für längst gerathen hatte: Er solte alles / was nur sein Volck verlangte /wie unrecht und schimpflich es auch schiene / auf eine Zeit eingehen. Denn hartnäckichte Gemüther würden so wenig / als kollernde Pferde durch einen Zaum und starckes Anhalten gebändigt / sondern man müste beyden den Zügel schüssen lassen. Und ein Feind /der einem zu mächtig wäre / müste durch Ruh und Friede entkräfftet / sein Kriegs-Volck durch Müßiggang und Wollüste verzärtelt / die Widerspenstigen durch Geschencke und Beförderung auff seine Seite; die Verführten durch die beste Lehrmeisterin die Zeit zu rechte gebracht / denen Bundgenossen sich selbst zu zancken Lufft gemacht / und ihnen die Süßigkeit einer Fürstlichen Herrschafft gegen die Drangsal vieler Oberherren gezeuget werden. Das gemeine Volck müste man seine Hefftigkeit ausdampffen / und ihre erste Hitze abkühlen lassen. Denn es wäre wie die Hirnßen beschaffen / welche mit ihrem ersten Stiche zugleich den Stachel einbüsten. Es wäre so leichtsinnig seinen Vorgänger zu verlassen / als seinem Verleiter vorher zu folgen. Es bewegte sich von einem Athem wie das Meer von einem kleinen Lüfftlein; und erstecke die / welche sich ihm vertrauten. Also hätte August den mächtigen Seeheld Sextus Pompejus[1074] durch einen scheinbaren Frieden geschwächet: daß er kaum auf einem Nachen entkommen; Agathocles und Antigonus aber ihre Königliche Gewalt dardurch behauptet; da sie Kron und Zepter dem aufrührischen Volcke für die Füsse geworffen.

Marbod hatte gleichwol seinen endlichen Zweck zu erlangen einen ziemlichen Grundstein gelegt / in dem er sich durch Freygebigkeit und Beförderung der Wolverdienten bey dem Heere / durch fürgebildete Einführung aber einer Bürgerlichen Herrschafft bey dem gantzen Volcke überaus beliebt gemacht. Denn Geschencke und Freyheit sind die zwey Klammern / welche die Kronen auch auf eines Wütterichs Haupte befestigen. Keine andere Tugend eines Fürsten ist allen Unterthanen beliebt. Denn die Rachgierigen wünschen einen grausamen / die Wollüstigen einen üppigen / die Ehrgeitzigen einen albern / die Boßhafften einen ungerechten Fürsten. Allen diesen aber gefällt ein Wolthätiger. Ja die Freygebigkeit macht alles Thun eines Fürsten reiff / das böse gut / das gute besser. Sie entschuldiget alle Fehler im Leben / und bereichert auch den Tod mit Thränen der Unterthanen. Mit dieser Angel hatte Marbod schon die meisten Gemüther gefangen / als sich ihm die Gelegenheit das Hefft alleine zu behalten in die Hand spielte. Denn der Reichs-Rath sahe vernünfftig: daß er nunmehr allererst sich für dem grösten Feinde fürzusehen hätte /da kein Feind zu bekämpffen mehr verhanden war. Denn weil das Kriegs-Volck zwar den Sieg / nicht aber den Frieden gerne hat / machet es ihm auch gegen seine Freunde was zu thun. Daher beschloß der Rath ein Theil desselbten abzudancken / und dardurch so wol das Volck der Verpflegung / als sich der Sorgen zu entbürden; vorher aber selbte zu zertheilen. Also ergieng ein Befehl: daß die Helffte wieder die aufrührischen Sedusier ziehen solten. Marbod ließ durch seine Vertrauten diß nicht allein dahin deuten: daß man für ihre treue Dienste und den rückständigen Sold sie ausser Landes auf die Schlachtbanck lieffern wolte / sondern auch ausstreuen: es solten die Kriegs-Völcker untergesteckt / die Befehlhaber abgedanckt werden. Hierüber kam das Kriegs-Volck mit vielem Wehklagen an Marbod; Sintemahl es selbtem weher thut von den Seinigen verächtlich gehalten / als vom Feinde überwunden werden. Marbod machte ihm des Reichs-Raths Vorhaben zwar fremde; vorgebende: Er könte selbtem so grausamen Undanck nicht zutrauen: daß sie so wol verdiente Kriegs-Leute / welche die Merckmahle ihrer Tapfferkeit mit so viel Narben zeigeten / derogestalt beleidigen solte; er bließ aber unter der Hand das Feuer so weit auf: daß das gantze Heer sich verschwor / sich nicht trennen / noch ausser Landes schleppen zu lassen; sondern es drang vielmehr auf Befriedigung; und erinnerte den Rath nunmehr des Volckes Glauben und Freyheit zu befestigen. Der Reichs-Rath hielt dieses Beginnen für eine Kühnheit weniger unruhigen Köpffe; sonderlich / weil Facksariff und etliche andere Häupter nichts hierum wissen wolten; erklärte sie daher für Verräther. Welches das Kriegs-Volck so verbitterte: daß sie geraden Weges nach Calegia rücken und Rache üben wolte. Marbod zohe hiermit die Larve vom Antlitz / pflichtete dem Bündnüße des Kriegs-Volckes bey; iedoch besänfftigte er ein wenig ihre allzuwilde Entschlüssung; Hingegen brachte er den Fürsten Britton aus der Verwahrnüß des Reichs-Raths in die Hände des Kriegs-Volckes; und endlich auch den Feldhauptmann Facksariff auf seine Meynung; die Einwohner aber dahin: daß sie ihnen viel tausend Beschwerden wieder unterschiedene Glieder des Raths einhändigten. Hier auff rückte das Kriegs-Heer gegen Calegia zu / und begehrte obige Glieder aus dem Rathe zu stossen. Denn dieses ist das Meisterstücke aller verschmitzten Aufrührer: daß sie [1075] nicht der Obrigkeit selbst / wenn sie es schon im Schilde führen; sondern nur etlichen Gliedern oder Beampteten derselben die Stirne bieten / da sie anders einen Beyfall der Gemeine verlangen. Sintemahl dieses nicht behertzigt: daß Irrthümern und Schwachheiten unterworffene Menschen in Aemptern sitzen / und die Amptleute durch Auffruhr oder auch durch ihre Verwechselung selten verbessert werden; ja die Häupter des Aufruhrs meist die laster hafftesten Leute sind / welche durch diese gifftige Artzney andern ab / und ihnen in Sattel helffen wollen; wormit sie wie der Scorpion im Himmel dem Lande so viel mehr Schaden anfügen können. Dahero selten ein Wütterich gestürtzt worden; es haben die Werckzeuge hernach sich selbst um seinen Stab gezancket / und einen Bluthund aus gebrütet. Wenn nun aber die Aufrührer das Volck so weit verleitet: daß sie ihren Fürsten ihm durch schwere Mißhandlung unversöhnlich gemacht; so greiffen sie ihm alsdenn selbst nach der Gurgel. Dieses erfolgte auch bey dem Reichs-Rathe der Hermundurer. Denn als gleich die beschuldigten Glieder sich aus dem Staube machten; weil sie mehrmahls selbst im Rathe gehört hatten: Wie ein Mensch / der sich selbst zu erhalten im Gewissen verbunden ist / nichts minder für einen Selbst-Mörder zu halten wäre / wenn er nicht das von dem kalten Brande angesteckte Glied absegete; als der sich durch Hunger tödtet; also verwahrlosete auch eine Obrigkeit / bey welcher das gemeine Heil das oberste Gesetze wäre / das gemeine Wesen / wenn sie einen oder den andern darfür abzuschlachten allzu barmhertzig wäre / nichts minder als die in einem Schiffe lieber ins gesamt erhungerten / als einen einigen Menschen zur Speise verbrauchten. Dennoch war das Kriegs-Heer mit dieser flüchtigen Unrathe nicht vergnügt; sondern ie mehr es sich von dem Rathe gefürchtet / oder seinem Begehren gewillfahret sahe; ie höher spannte es den Bogen seiner Forderungen; suchte der in der Stadt Calegia liegenden Besatzung ihre eigene Kriegs-Häupter für zusetzen / und rückte endlich selbst darfür; also: daß der Reichs-Rath / um zwischen dem Hertzoge Britton und dem Kriegs-Heere Argwohn und Zwytracht zu stifften / Brittons andern Sohn Obiak zu seinem Haupte erklärte. Das Kriegs-Heer aber lachte über diesem Kunst-Stücke / und lösete diesen Zweifels-Knoten mit der Schärffe seiner Degen auf; brachte es also dahin: daß die Stadt dem Facksarif selbst die Schlüssel entgegen brachte / und die Festung darbey einräumte. Also zohe das gantze Heer mit Sieges-Zweigen in die Stadt / seine Häupter vernichteten was der Rath eine zeitlang geschlossen hatte / erwehlten einen gantz neuen Rath / und setzten viel Glieder des vorigen in Gefängnüß / schätzten die Bürgerschafft /und richteten alles nach ihrer Willkühr viel anders ein. Hertzog Britton / dem das Kriegs-Heer anfangs in seine erste Höhe und Gewalt zu setzen weiß gemacht / und der seine Kinder zur Hand geschafft hatte / ward inzwischen von Facksarif und Marbod / welche beyde von dem Fürstlichen Hause der Hermundurer Väter des Reiches und Erlöser des Fürsten waren ausgestrichen worden / mit leerer Hoffnung eines Vergleiches gespeiset / seine getreue Diener ihm von der Seite gerissen; und deßwegen er von einigen Vertrauten gewarniget: daß er sich gegen das Kriegs-Volck / als einem tauben und hartnäckichten Thiere / nichts guts noch friedliches zu versehen hätte / sondern Facksariff und Marbod nunmehr um seinen Kopff spielten. Daher er sich auf die Flucht in das Hercinische Gebürge begab; aber von dem / bey dem er seine Sicherheit zu erlangen verhofft hatte / selbst angehalten ward. Hierauf brach der neue Rath und das Heer mit grausamen Beschuldigungen herfür / hinter welche man allererst kommen wäre; nemlich: Britton hätte seinen Vater durch Gifft hingerichtet; die Barden und Eubagen von den Cheruskern [1076] nicht allein unterdrücken lassen / sondern auch die Sedusier zu ihrer Vertilgung angestifftet. Daher wäre er weder der Wiedereinsetzung und Fürstlichen Würde fähig / noch der Hermundurer Freyheit mehr anständig einem einigen Menschen uñ seinen ungleichen Gemüths-Kranckheiten sich zum Knechte zu machen. Deñ weil die Kriegs-Häupter ihm seine Wiedereinsetzung so hoch betheuert hatten; Treu und Glauben brechen aber ein so heßliches Laster ist / dessen sich auch Mörder und Diebe schämen / musten sie ihre Untreu mit solchen Beschwärtzungen entschuldigen. Wiewol nun dieser letzte Schluß dem Volcke wie ein Donnerschlag durchs Hertze gieng / in dem es ihm nie hatte träumen lassen: daß der Vorwand der Freyheit auf die gäntzliche Ausrottung der Fürstlichen Gewalt gemüntzt wäre / und deßwegen die Hermundurer hin und wieder die Waffen für ihren Hertzog er grieffen / war ihnen doch Marbod allenthalben / ehe sie sich vereinbarten / als ein geschwinder Falcke den ohnmächtigen Tauben auf dem Halse; welche hernach meist als Verräther von dem Scharffrichter abgethan wurden. Gleichwol aber stieg den Marckmännern die gemeine Beschuldigung: Sie hätten ihres Fürsten Blut um Geld verkaufft / und Brittons ihren Gesandten gegebene Antwort: daß er sich bey seinen Käuffern werthgeschätzter hielte / als bey seinen Verkäuffern / derogestalt zu Hertzen: daß sie unter dem Fürsten Namiloth ein Kriegs-Heer von zwantzig tausend Mann für den Hertzog Britton wieder die Hermundurer führten. Alleine Marbod / welcher gleichsam das Glücke an einer Schnure führte /schlug sie nicht allein auffs Haupt / sondern kriegte auch den Namiloth gefangen; ja er drang biß in das Hertze der Marckmänner / und zwang sie alles diß /was das Hermundurische Kriegs-Heer und der neue Rath beschlossen hatte / zu belieben. Hiermit kam Facksariff und Marbod mit Siegs Gepränge nach Calegia / und wiewol etliche von Marbods Geschöpffen einriethen / um die Hertzogliche Gewalt zu begraben den Fürsten Britton durch Gifft hinzurichten / fiel doch endlich der Schluß dahinaus: Man solte wie wieder alle Verbrecher / also auch wieder den Herzog selbst durch Urthel und Recht verfahren / und seinen mit der Mutter zu denen Buriern geflüchteten Sohn Jubill bey Verlust seines Erbrechts für den Reichs-Rath betagen. Der Blut-Rath ward alsofort besetzt /und zwar meist aus dem Pöfel und von eitel solchen Leuten / die den Hertzog vorher auffs eusserste beleidigt hatten / und ihm dannenher auch Spiñenfeind seyn und sein Emporko en ärger als den Tod fürchten musten. Weßwegen auch / oder weil niemand einer Missethat und grausamen Mißgeburt Mutter seyn wil / und die / welche ein Laster am meisten eingerhürt / doch den Namen nicht haben wollen /sondern am ersten die Hände waschen / Facksariff nicht zu bereden war: daß er bey dem Blutgerichte eine Stelle bekleidet hätte. Seine Anklage bestand darinnen: daß er aus einem mit gewissen Richtschnuren umschräncktem Fürsten / sich zu einem nach eigner Begierden herrschendem Wütterich gemacht / den alten Gottesdienst / die Freyheit und die Grundgesetze des Reiches zerstören wollen / wieder den Rath und das Volck einen blutigen Krieg geführet / fremde Völcker ins Land beruffen / und wieder die Eubagen die Sedusier zu Brand und Mord gereitzet hätte. Britton hörte die Anklage mit unverändertem Gesichte /schützte aber vor: daß er als Haupt und Fürst der Hermundurer keinen höhern unter der Soñen über sich; und seine Unterthanen nicht für seine Richter erkennte. Fürsten wären über alle Gesetze / könten also nicht sündigen; da aber auch das Volck über ihr Oberhaupt / und die Gewalt über seinen Kopf zu urtheilen kein mit dem schuldigen Gehorsam verträgliches Ding wäre / hätte nicht das hunderste / weniger das meiste Theil feine Feinde zum Richter erkieset. Also würde durch diese Gewalt-That nicht nur er / sondern die Freyheit des Volckes auch wieder die [1077] grausamsten Laster ihren Unwillen zu bezeugen beleidiget; welches letztere doch den knechtischsten Völckern unverschrenckt wäre. Alleine der Ober-Richter antwortete ihm: Ein Fürst wäre wegen des Volckes /nicht ein Volck wegen des Fürsten; dieser könte nicht ohne jenes / aber jenes wol ohne den Fürsten seyn: und also wäre er zwar höher / als ieder vom Volcke /aber nicht über alles Volck. Dannenher hätten Fürsten / insonderheit in dem freyen Deutschlande GOtt / das Gesetze und den Reichs-Rath über sich; welcher das gantze Volck / wie der Fürst nur seinen Verwalter fürstellte. Also hätten die Stadt-Vögte zu Rom / die Auffseher zu Sparta / der obersten Vorsteher Thun untersucht und geurtheilt. Ein Fürst bleibe so lange das Haupt eines Volckes / so lange er dessen Schutz-Herr wäre. Er entsetzte sich aber seiner Würde selbst / wenn er sich zum Wütterich machte; denn darmit höret die Einwilligung des Volckes auff / welche allezeit diese Bedingung in sich begrieffe. Nach dem nun Britton auff seiner keinem Richter unterwürffigen Hoheit beruhete / und auff die Anklage sich nicht hauptsächlich einlassen wolte / ward von dem obersten Richter / der bey des Hertzogs Abtritte ein blutrothes Kleid angezogen hatte / wieder ihn zu einem denckwürdigen Beyspiele der Nach-Welt des Todes Urthel gefällt.

Die Cheruskischen / Friesischen und Burier Gesandten / derer Fürsten sich in diesen Innländischen Krieg theils wegen der zwischen den Catten und Cheruskern entstandenen Unruh / theils aus Beysorge nicht mehr Oel ins Feuer zu giessen / mit Fleiß nicht eingemischt hatten / mühten sich nunmehro das zeither unglaubliche Fürnehmen der Hermundurer wieder ihren Fürsten zu hintertreiben. Sintemahl kein denen Fürsten schädlicheres Geheimnüß iemahls aus Licht kommen könte; als daß ein Volck Macht habe über sein Oberhaupt ein Blutgerichte zu hegen. Es erlangte hierauff der Cheruskische beym Facksariff / der Friesische beym Marbod / und der Burische beym Ober-Richter wiewol mit schwerer Müh Verhör. Facksariff zohe über allem dem / was ihm eingehalten ward / die Achseln ein; und wiewol er sich nicht wagen dorffte das Blut-Gerichte zu unbillichen / gab er doch zu verstehen: daß seine im Felde gehabte Gewalt nach geendigtem Kriege mercklich verfallen wäre; und bey ihm itzt mehr der Schatten / als die Macht über das Kriegs-Volck bestünde. Gleichwol aber blieb er im Verdacht: daß er die Herrschens-Würde / als ein durch so viel Heldenthaten beruffener Hercules mit seinen Achseln zu unterstützen vorhätte / wenn diese schwere Kugel den Fürsten Britton würde zermalmet haben. Daher der Cheruskische Gesandte auf eine weitläufftige Ausführung verfiel: daß niemand auf demselben Eise könne feste stehen bleiben / wo er einem andern das Bein untergeschlagen hätte. Fürsten hätten nicht nur ihre Nachfolger / sondern auch das Volck / welches anfangs mit zusammen geschlagenen Händen über sie frolockte / verfluchte sie hernach /und brauchte ihre eigene Werckzeuge wieder sie zu Rächern. Denn die letztern lernten sie wegen ihrer selbst eigenen Gefahr erstlich fürchten; hernach aber hassen und endlich tödten. Das neubegierige Volck hielte ohne diß die Gramschafft gegen die Obern für eine Art ihrer Freyheit und für Ergötzligkeit auff ihre Häupter wüten. Weil es das Gute nicht zu unterscheiden wüste / nützete keine Tugend; weil es ein vielköpfichtes Ungeheuer / hülffe keine Gewalt; und weil es ein Thier / welches entweder eitel Schlangen-Gänge hat / oder gar keine Spure nach sich läst / wäre keine Klugheit genung selbtes im Zaume zu halten /und sich zu versichern. Die ermangelnde Gelegenheit ihren Grimm auszuüben verdeckte nur / aber vertilgte nicht ihre Verbitterung / wie die Winter-Kälte das Leben der Fliegen / Frösche und Schwalben. Muth und Eisen könten wol ein [1078] Land zur Einöde machen; aber nicht den Samen der Verrätherey austilgen. Eine in hundert Stücke zerkerbte Schlange wäre durch Zuthat des Regen-Wassers und der Sonnen-Hitze / der Safft einer zerquetschten Raupe ein Saam-Werck tausend anderer. In den Aessern unschädlicher Storche steckte ein Nattern-Brut; aus Wespen wüchsen gifftige Würmer / aus Hünern Spinnen. Also wäre das Blut der Verräther durch die Krafft der Verbitterung ein Saamen viel hitziger Meuchelmörder. Ja der gewaltsamen Herrscher eigene Bluts-Freunde würden durch des Pöfels Heucheley und eigene Ehrsucht angesteckt; daß sie wie das Blut der mit Fleckfebern oder Pest behaffteten Menschen in eigenen Adern Würmer gebähren / die den Drat des Lebens und der Herrschafft mit einander zerbiessen. Diesemnach solte ihm ja keiner träumen lassen: daß er sich auff Brittons zerschmettertem Stul würde feste setzen können; oder auch: daß der lange blühen könte / der die Staude seines Glückes mit Blute tingete / und auf Gräber pflantzte. Facksariff aber beruhete bey Fürschützung seiner Unvermögenheit / mit der Betheuerung: daß er so wenig seine Erhöhung / als Brittons Untergang suchte. Denn er wüste wol: daß Fürstliche Geschlechter der Keule des Hercules / und dem Spiesse des Romulus gleich wären. Denn wie diese mit frischen Hayn-Buchen /jene mit Oelzweigen ausgeschlagen / als sie iederman längst für verdorrt geschätzt; also kämen Fürstliche Reyser mehrmahls empor / wenn man meinte / der Stamm-Baum wäre mit Strumpff und Stiel ausgerottet. Marbod setzte allen Gründen der Friesischen Gesandten entgegen: das gemeine Heil wäre das oberste Gesetze / welchem die Hoheit aller Könige müste nachgeben. Die Hermundurer hätten nun lange genung unter dem Joch ihrer blutgierigen Fürsten geschmachtet; also müsten sie nunmehr / da ihnen GOtt die Macht und das Recht verliehen hätte / itzige Gelegenheit sich in die edle Freyheit zu setzen nicht aus den Händen lassen. Britton müste entweder herrschen / oder sterben / weil seine Geburts-Art kein Mittel vertragen könte; also: daß er sich lieber des Lebens /als der Herrschafft verzeihen / oder auch seine Enteusserung durch verzweiffelte Entschlüssungen den andern Augenblick zurück ziehen würde. Sein Sohn Jubill habe von ihm den Ehrgeitz geerbet / von der Mutter das Gifft der Druyden in sich gesogen / und würden sie durch seine verwechselte Herrschafft das Bette / nicht die Kranckheit ändern. Fürsten von so hohem Geblüte würden meist durch übermässige Liebe ihrer Eltern oder durch Einbildung: daß auch die Flecken so hoher Sonnen die Welt zu erleuchten tüchtig wären / verzärtelt / oder die Höflinge / durch derer Augen und Ohren sie allein sähen und hörten / verterbten sie / weil ihre Heucheley und die Begierde sich einzulieben ihre Boßheiten als Tugenden preisete / ihr Ehr-Geitz ihn mehr ungeschickt als klug zu machen bemüht wäre / wormit seine Scharffsichtigkeit nicht ihre Tücken ergründe / noch ihnen durch Anmassung eigener Herrschafft das Hefft aus den Händen winde. Wenn nun die Wurtzel der Untugend derogestalt bey ihnen erstarrt / wäre durch keine Klugheit auff so wilde Stämme eine süsse Frucht zu pfropffen. Die Ehrsucht / welche die Niedrigen auf die Bahn der Tugend leitete / wäre Fürsten ein Leit-Stern zu allen Lastern / ja sie schämten sich auff einer dem Pöfel erlaubten Mittelbahne zu gehen / und durch Beobachtung der Gesetze sich einem Bürger zu vergleichen. Gleich als wenn die Fürstliche Hoheit in dem bestünde: daß sie nicht was gutes; sondern was ihr beliebte / ausüben dörffte. Und ob zwar es eine Seltzamkeit wäre / wenn selbte nicht einen niedrigern Geist /als Knechte hätten / hielten sie doch die grössesten Gemüther für Leibeigene: daß ihre Macht in der Ohnmacht über ihre Begierden bestünde; [1079] und daß den Willen im Zaume zu halten die aller schimpflichste Dienstbarkeit wäre. Diesemnach denn die Herrschafft eines einigen solchen Menschen nichts anders / als das Elend des gantzen Volckes nach sich ziehen könte; als mit dessen Unlust er alleine seine Lust zu büssen vermeinte. Zwar weil bey einer gemeinen Herrschafft die Belohnungen so groß nicht wären / als bey der Fürstlichen / findete diese mehr / als jene Lobsprecher; und / weil allhier keine so grosse Abgötter aus Bret kämen / wie an den Höfen / in diesen auch den Lastern mehr durch die Finger gesehen / und mehr das Geblüte als die Tugend in acht genommen /ja durchgehends daselbst / wo beym Volcke die Gewalt besteht / man minder das Gute empfindete / als des Bösen entübrigt wäre / so wären die Ehrsüchtigen meist nach der einköpfichten Herrschafft lüstern; und zwar meist darum / weil sie mit ihrem Wachsthum andere Bürger zu verdämpffen hofften. Ja so gar ein vernünfftiger und von Natur guter Fürst müsse seiner Sicherheit halber gleichsam aus dem Geschirre schlagen / und dahin arbeiten: daß niemand so reich und mächtig werde / für dem er sich zu fürchten habe; daß niemand durch Tugend sich beym Volcke beliebt / und auf den Nothfall einen Anhang mache; daß kein treuer Stadthalter lange einem Orte fürstehe / und keine Stadt unzwingbar werde. Weßwegen so viel tugendhaffte Leute Zepter und Krone mit Füssen von sich gestossen / wormit sie mit selbten nicht eine böse Unart an sich nehmen / und aus fetten Oel-süssen Feigenbäumen und erquickenden Weinstöcken / sich in unfruchtbare und stachlichte Dorn-Hecken verwandeln / mit ihrem Schatten so viel Unkraut bedecken /und ins gemein Gifft zu ihrer Erhaltungs-Artzney brauchen dörfften. Denn Fürsten sehen ihren Dienern durch die Finger; wormit sie denen Unterthanen das ihnen verhaste Vermögen wie Blutägeln aussaugten. Weil auch die am geschicksten zum Gehorsam wären / die nicht recht ihre gemeinen Sinnen verstehen; drückten sie alle Wissenschafften um halb viehische Unterthanen zu haben; ja die Unwissenheit muste ihren eigenen Kindern ein Kap-Zaum seyn: daß sie nicht zu zeitlich die Süßigkeit des Herrschens erkennten. Vielmahl fingen sie ohne Noth und Hoffnung des Obsieges Krieg an / nur: daß sie ihren Unterthanen könten zur Ader lassen. Aber Leute / welche ihrer Begierden Meister wären / schmecken die Süssigkeit der gemeinen Freyheit und der durchdringenden Gleichheit. Alle Beschwerden wären hier gleiche und unempfindlich; denn der sie auflegte / müste sie eben so wol auf seiner Achsel tragen. Die Kräfften eines Reiches nähmen durchgehends zu / wie Rom nach Austreibung seiner Könige / Athen nach Befreyung vom Pisistratus / und die Friesen selbst / seit dem sie mit so viel Blut ihre Freyheit erfochten / dienten zum herrlichen Beyspiele / allen Nachbarn zu rühmlicher Nachfolge. Bey bürgerlicher Herrschafft wäre ein ieder seines Besitzthums versichert. Die Würden und Aempter würden abgewechselt; also hätte keiner Zeit sich mächtiger zu machen / als das Volck wäre. Die Künste und Handlungen wären hier in der Blüte; deñ sie würden nicht vom Adel gedrückt; und aller Gewiñ käme dem arbeitenden / nicht dem Fürsten heim. Zum Gewinnen Krieg zu führen wäre freyen Völckern nicht anständig / aber sich zu beschirmen pflegten sie nach Art der Saguntiner und Numantier wie Löwen zu fechten / weil es um das edelste Kleinod der Freyheit zu thun wäre. Und weil allhier ieder was zu verlieren hätte / eckelte allen für Unruh; also genüssen sie des güldenen Friedens desto länger. Alle Rathschläge zielten hier auf den Wolstand des Volckes; dort aber wäre des Fürsten Vergrösserung der einige Angel-Stern / wohin alle Rathschläge wie Magnet-Nageln sich wendeten. Der Friesische Gesandte wendete zwar ein: daß schlimmer Fürsten und eines tugendhafften[1080] Volckes Herrschafft nicht gegen einander auf die Wage zu legen wäre. Aus dem besten Weine würde der schärffste Eßig. Zwar die freye Herrschafft eines Volckes wäre nach ihrer Einrichtung und in ihrer ersten Blüte wol ein herrliches Ding / aber selten gar /niemahls auch ohne Blutstürtzung in ihr Wesen zu setzen; ja endlich veralterte sie doch / und brächten anfangs etliche das Volck / endlich einer den Adel und das Volck unter seinen Gehorsam. Rom hätte sich für der Dienstbarkeit genungsam gewehret: aber endlich hätte doch August das durch bürgerliche Kriege abgemattete Volck unter dem scheinbaren Fürsten-Nahmen unter seine Gewalt bracht. Brutus und Caßius hätten zwar ihr eusserstes gethan der Freyheit auff die Beine zu helffen; aber sie wären unter einem so baufälligen Gebäue erquetschet worden; und hätten mit ihren Leichen viel tausend ihrer liebsten Freunde erdrückt. Marius und Cäsar hätten zwar ihrẽ Herrschenssucht mit ihrem Blute ausgespien; die Freyheit aber wäre deßwegen nicht wieder lebendig worden. Ja aus der Asche eines gantzen herrschenden Geschlechtes komme doch ein neuer Herrscher empor / wenn schon irgendswo die Sitten der Bürger verterbt / und eine allzugrosse Ungleichheit eingerissen wäre. Daher würde mit dem springenden Kopffe Brittons nicht der einköpfichten Regierung das Haupt abgeschlagen werden / sondern der Strumpff nicht anders als die Schlange in der Pfützen Lerna stets neue Köpfe gebähren. Zumahl Fürst Jubill ein Herr von grosser Hoffnung / und so vielen grossen Häusern verwandt wäre / also Himmel und Erden vermischen würde /seines Vaters Blut zu rächen / und seine andere Seele nemlich die Herrschafft zu erhalten. Endlich wenn auch schon eine andere Herrschens-Art an ihr selbst besser wäre; solte doch redlichen Leuten diese die liebste seyn / unter welcher sie gebohren worden. Marbod antwortete lächelnde: Er hielte des Gesandten Vortrag mehr für eine abgenöthigte Vorbitte / als für ein ernsthafftes Begehren der Friesen. Denn weil diese bey dem Feuer der einhäuptigen Herrschafft hätten verbrennen wollen / wie möchten sie die Hermundurer bereden sich darbey zu wärmen. Uber diß schiene es mehr eine Staats-Larve / als ein Ernst zu seyn: daß die Friesen für den Britton ein Wort verlieren / und also was sie selbst gestern gethan / heute tadeln solten. Sie hätten aber nunmehr Zeit beyde Augen aufzusperren: daß ihnen nicht einer einen Rincken an die Nase legte / dessen Groß-Vater ihnen eines andern loß gemacht hätte. Auf welchen Fall bey bevorstehender Noth sie von der genossenen Hülfe der Hermundurer sie so bloß stehen dörfften / als die Vejentier / welche die Toscaner unwürdig schätzten für ihre Freyheit wieder die Römer einen Degen zu zücken / weil sie sich selbst einem Könige unterworffen hatten. Der Burier Botschafft gerieth mit dem Ober-Richter in Streit: Ob ein Volck über seinen König Urthel und Recht hegen könte. Dieser zohe an: daß wie viel ein Brunn edler wäre / als die daraus rinnende Bach; so viel höher wäre auch das Volck / als ein Fürst. Könige könten nicht ohne ein Volck / dieses aber wol / ja besser ohne jene seyn; Und weñ eines unter beyden solte zu Grunde gehen / wäre der gesunden Vernunfft zu wieder: daß das Volck hierinnen solte das Nachsehen haben. Weil nun Tyrannen dessen Untergang suchten / müste jenen ja ein Mittel sich zu erhalten übrig seyn. Niemand hätte Gewalt über sich selbst zu wüten; wie viel weniger könte ein gantz Volck solche einem Wütterich einräumen. Die älteste Herrschafft hätte diese End-Ursache gehabt: daß alle Glieder unter dem Schirme eines Oberhauptes der Gerechtigkeit genoßbar würden; diese wäre das Band / das Fürsten und Unterthanen zusa en knüpfte; wenn dieses zerrisse /wären Reiche nichts anders / als grosse Mord-Gruben. Weßwegen [1081] das Recht und die Gesetze allezeit dem verwilligten Gehorsame mit eingedrungen / und die Gewalt zwischen dem Volcke und dem Fürsten gleichsam wechselweise eingetheilet / also ein böser Fürst nichts minder / als ein schädlicher Vormünde seines Amptes zu entsetzen wäre. Ja die Völcker /welche ihrer Herrscher Lastern selbst fahrläßig den Zügel schüssen liessen / und durch die Finger sähen /machten sich derselben theilhafftig; und hätten mehrmahls die Göttliche Rache für ihre Fürsten empfinden müssen. Zu dem änderten sich mehrmahls die Beschaffenheiten der Menschen; und die / welchen eine natürliche Dienstbarkeit angeboren gewest / zeugten mehrmahls freye Gemüther. Solten diese darum in der Knechtschafft ihrer Eltern verschmachten? oder sich einen Menschen im ewigen Kercker halten lassen /dem GOtt und die Natur selbst die Fessel abgenommen hätte? diese zeigte den Menschen selbst eine Richtschnur in dem Gestirne / derer zwey höchste Fürsten / nehmlich die Sonne von dem weit niedrigern Mohnden / dieser aber von der untersten Erde verfinstert würden. Nach diesem himmlischen Beyspiele hätten alle Völcker wieder ihre untüchtigen Häupter den Kopff empor gehoben / und ihnen das Licht /wenn sie selbtes zur Einäscherung ihrer Länder mißbrauchen wollen / ausgelescht. Ungeachtet die Persen ihre Könige gleichsam als Götter anbeteten; hätten sie doch den Smerdes vom Stule gestoffen / und den unglücklichen Xerxes hingerichtet. Die Mohren machten zwischen GOtt und ihrem Könige schier keinen Unterscheid; Gleichwol müste er auf des Priesters Befehl ihm selbst das Licht ausblasen. Die Argiver hätten über Oresten ein ordentlich Blut-Gerichte gehegt; Thrasybulens Bildnüß wäre in dem Tempel / und des Brutus auffs Rath-Hauß gesetzt worden; weil jener sein Vaterland von dem grausamsten Critias / dieser vom hoffärtigen Tarquin errettet hätte. Eben diesen Preiß würden alle Richter über den Britton bey der Nach-Welt verdienen; wenn gleich die gegenwärtige ihnen für erlangte Freyheit keinen Danck wissen solte. Der Burier Gesandte versetzte: Wenn ein Volck einmahl ein Haupt erkiesete / hätte selbtes sich nichts minder / als ein Knecht / der sich in die Dienstbarkeit verkaufft / aller Freyheit enteussert; und stünde ihm nichts weniger zu / als seines Herrn Fürnehmen zu untersuchen. Eines Ehweibes Willkühr wäre es zwar anfangs einen Mann zu erwehlen / hernach aber der Nothwendigkeit ihm zu gehorsamen. Zu dem wäre Britton vom Volcke nicht erkieset / sondern durch Erbrecht zu der Herrschafft kommen. Es lieffe wieder sich selbst: daß das Volck ein Herr seines Herren seyn solte. Alle Herrschafften hätten nicht allein ihr Absehen auf den Nutzen des Volckes / sondern zugleich / oder auch zuweilen nur auf des Fürsten. Das erstere geschehe mit Rechte / wenn ein schwaches Volck eines mächtigen Fürsten Schutz erwehlet; das letztere / wenn er durch rechtmäßigen Krieg es ihm unterworffen. Vormünde wären zwar auch nicht zum eigen-sondern zu ihrer Mündlein Nutz bestellt; Gleichwol hätten jene nur diesen / diese aber jenen nichts zu befehlen; weniger sie abzusetzen / sondern nur ein höherer / welchen ein Fürst nicht hätte. Kein so grimmiger Wütterich hätte auch noch gelebt; weniger hätte Britton es angezielt das Volck gäntzlich auszutilgen; und auf solchen Fall stünde diesem doch besser ein Schild / als das Rach-Schwerdt an. Denn Fürsten hätten ihre Unschuld nur gegen dem Himmel zu verantworten. Uber das Volck wäre die Obrigkeit; über die Obrigkeit der Fürst / über Fürsten GOtt allein Richter; ohne dessen Wahl keiner den Stul beträte. Kein Volck besudelte durch Gehorsam sich mit seines Königes Lastern / wenn selbter sich nur nicht zum Werckzeuge brauchen liesse; der aber greiffe GOttin Richter-Stab / der über die Götter dieser Welt ihm eine Botmäßigkeit zueignete. [1082] Fürsten müssen zwar ihre Art zu gebieten nach den Gemüthern des Volckes nichts minder als ein kluger Reuter den Zaum und die Stangen nach dem Maule des Pferdes richten. Aber den Zaum gar weg zu werffen wäre beyden unanständig; ja ihr selbst eigner Untergang. Deñ ein Land könte so wenig ohne ein Oberhaupt / als ein Schiff ohne Steuer-Ruder und die Welt ohne Soñe seyn. Ja weñ sich auch diese Verbindung zuweilen unter dem Pöfel zergliedere / so ziehe sie sich doch so begierig wieder in wenig Köpffe zusammen / als das Feuer empor zu glimmen bemüht wäre. Der Himmel zeugte durch den Vorsitz der Sonne / durch den wunderlichen Lauff der Irr-Sternen / durch die vorgehende Grösse und Klarheit ein und des andern Gestirnes: daß auch auff der Erde / als im Spiegel des Himmels /unter den Menschen müsse ein Unterscheid / und über die Geringern ein Haupt seyn; welchem alle andere seinen Glantz und Wesen zu dancken hätten. Die zwey grossen Lichter des Tages und der Nacht würden keinmahl in ihrem Wesen / sondern nur in den Augen der Menschen verfinstert. Sie verdüsterten mit ihrer Gegenwart zwar alle andere Sternen / alle Gestirne zusammen aber wären nicht mächtig / einen Sonnen-Staub an ihnen zu versehren / oder den geringsten Strahl ihres Glantzes zu vertilgen. Die Ameißen und Bienen verschmachteten lieber für Hunger / ehe sie ihren König Noth leiden liessen. Keine Herrschafft könte ohne Beschwerde seyn. Die vollkommensten Sternen wären nicht ohne Flecken / und der helleste Tag nicht ohne Wolcke. Man müste aber nicht die Beschwerligkeit Fürsten aufmutzen / und ihre Wolthaten ausser Augen setzen. Wären zuweilen Völcker ihren Fürsten zu Kopffe gewachsen / weil die Menschen in gemein des gegenwärtigen Zustandes /wie gut er auch wäre / überdrüßig würden; hätten Ehrsüchtige Leute an Götter dieser Welt thätliche Hand gelegt / um sich in ihre Stelle zu schwingen /oder auch ein Volck sich nicht so wol in Freyheit gesetzt / als an statt eines sich vielen Herrschern dienstbar gemacht; wäre meist die Reue auf dem Fuße gefolgt; und hätte dieses nach dem verworffenen Zustande geseuffzet / die Uhrheber aber solcher Neuerungen hätten ins gemein ihre Köpffe darüber im Stiche ge lassen. Hingegen pflegten vernünfftige Völcker tausend mahl öffter ihre Häupter / wie sie ihnen das Verhängnüß fürgesetzt / zu vertragen / und ihre Schwachheiten wie andere irrdische Zufälle zu verschmertzen. Die dißfalls klugen Cappadocier hätten deßwegen die ihnen von den Römern angebotene und dem Pöfel so annehmliche Freyheit nicht auszustehen getrauet / und nach dem sie frey gestanden: daß sie ohne einen König nicht leben könten / ihnen den Ariobarzanes erkieset. Denen Armeniern wäre die für gülden beschriene Freyheit ein unbekandter Traum / oder ein für gebildeter Bleyklumpen. Weil die verhaste Freyheit auch allemahl unnachbleiblich gedrückt werden muß / in dem nichts minder die Dienstbarkeit Gunst und Beförderung / als die Herrschafft tausend Ergetzligkeiten zu ihrer Belohnung hat; hätten für Zeiten die dem Eumenes unterthänigẽ Städte mit keiner Freyheit ihr Glücke vertauschẽ wollen; und ihrer viel aus dem freyen Grichenlande sich unter die Königliche Gewalt des Evagoras nach Salamis gewendet. Zu Rom wäre für längst das Joch ihrer blutigen Freyheit verdammet; und Augusten die abzulegen gemeinte Herrschafft aufgenöthigt worden. Weil denn nun wieder des Volckes eigene Wolfarth lieffe: daß ein Fürst selbtem über sein Thun / welches die Staats-Gesetze in geheim zu halten nöthig erachteten / Rechenschafft geben; und der / welcher Gesetze zu geben und aufzuheben Macht hätte / selbten unterworffen seyn solte; machte sich das Volck selbst zu einem Wütterich /und zerstörte das erste Grund-Gesetze / nehmlich den Gehorsam; wenn es sich über den Höchsten einer [1083] höhern Gewalt anmaste. Die Völcker hätten mehrmahls ein stummes Gesetze zu ihrem Abgotte gemacht; Da die Thasier die Todtes-Straffe dem ausgesetzt / welcher mit Athen in Bündnüß zu treten / Athen demselbten / der zur Behauptung des Eylandes Salamis /die Thurier den Strick selbtem / der ihre Gesetze zu verändern rathen würde. Ein Fürst aber wäre das lebendige / ja über alle Gesetze. Der Ober-Richter antwortete: Es würde ihm nicht schwer fallen alle wieder der Völcker Freyheit und die allen Thieren von der Natur erlaubte Gewalt ungerechte Gewalt durch eigene Beschirmung abzutreiben streitende Einwürffe zu wiederlegen; aber / wenn er alles nachgäbe / was von einem durch keine gewisse Gesetze und seinen Eyd umschränckten Oberhaupte wäre auf die Bahn gebracht worden / liesse sich doch auf die nur unter gewissen Bedingungen angeno ene Fürsten der Hermundurer kein Schluß machen. Diese wären nicht über / sondern unter das Gesetze und den Reichs-Rath gestellt / auch / ausser der enträumten Gewalt / nichts anders oder bessers / als ein ander Bürger; welches der Gesandte für keine Mißgeburt aufnehmen solte. Denn Theseus hätte zu Athen / Agesilaus zu Sparta /die Kinder des Cisus zu Argos / Evander in Italien /Hanno zu Carthago in wenigen Dingen die Gewalt /im meisten aber nur den Königlichen Nahmen besessen. Vereingetorich habe in Gallien zwar den Titel eines Fürsten gehabt; als er aber sich der Herrschafft bemächtigen wollen / wäre er mit dem Leben auch ums erste kommen. Denn weil es schwer wäre bey grossem Glücke seinen Begierden einen Riegel fürschieben; weil der Irrthum den Menschen mehr / als der Schatten das Licht verfolgte / hätten / wie viel andere Völcker / also auch die Hermundurer ihren Fürsten Ziel und Maaß für geschrieben; zu Verhütung besorglicher Verschwendung ihm nur gewisse Einkunfften ausgesetzt / zu Hemmung der unersättlichen Herrschenssucht für sich selbst Krieg anzufangen verwehret. Welche Beschränckung mit gutem Recht geschehe; weil das Volck ihn aus Freywilligkeit nicht aus Schuld er wehlet / dem beruffenen Fürsten aber frey stünde / sich solcher Bedingung mit der angebotenen Herrschafft zu enteussern. Und nach dem niemanden mehr / als einem Fürsten daran: daß einem Angelöbnüße nachgelebet würde / gelegen wäre / erforderte die höchste Noth: daß er keines Nagels breit von seinem Versprechen absetzte. Dieser Umschränckung benähme gar nichts: daß Britton durch Erbrecht über die Hermundurer zu herrschen vermeinte. Denn diß eignete dem Sohne nichts mehr zu / als was der Vater gehabt; verstelle aber nicht die anfangs beliebte Herrschens-Art. Die Hofemeisterschafft zu Sparta wäre zwar erblich; aber enge eingespannt gewest. Insonderheit aber wären Königen die Flügel beschnitten; wenn das Volck ihm einen Reichs-Rath an die Seite gesetzt / und die Noth selbten jährlich oder zu wichtigen Sachen zu verschreiben aufgebunden hätte / und feine Verknipffung nicht in das gemeine Angelöbnüß dem Volcke löblich fürzustehen / sondern in gewisse Verbündligkeit eingepflöckt / ihm aber selbst die Freyheit wiedrigen Falls nicht zu gehorsamen vorbehalten /oder gar: daß ein Haupt seines Reiches verlustig seyn solte / bedungen hätte. Also hätten die Sabeer ihrem Könige die Burg nicht alleine zu seiner Wohnung /sondern auch zum Ende seiner Herrschafft eingeräumt; und wenn er aus selbter nur einen Fuß gesetzt /ihn gesteiniget. Die Egyptischen Könige vereydeten selbst ihre Richter; daß sie dem unrecht urtheilenden Könige nicht gehorsamen wolten. Die Taprobaner hätten Erkäntnüß über ihres Königes Urthel; und ob er schon keine Gewalt hätte einem andern den Hals abzusprechen; büste er doch seinen eigenen ein /wenn er das Volck beleidigte. Von der Römischen Könige Ausspruche hätte man sich mit Rechte an das Volck ziehen können; und Servius Tullius selbst ihm und folgenden Königen [1084] Gesetze fürgeschrieben. Zugeschweigen: daß wenn auch ein Volck nicht mit Gewalt unters Joch gebracht / sondern einem die höchste und unverschränckte Gewalt auftrüge; nicht so wol das bey dem Volcke verbleibende und eingewurtzelte / auch seinem Wesen nach viel edlere Eigenthum / als der blosse Genüß der selbten auf eine zeitlang / oder nur ein Theil der höchsten Gewalt ihm anvertrauet würde. Ja da wieder die höchste Gewalt der Welt Niedrigen sich zu beschirmen verstattet / ein rechtmäßiger Krieg aber ein zuläßiges Mittel wäre / fremde Völcker und Könige ihm unterthänig zu machen /könte man keine Ursache finden; warum nicht ein Volck wieder den Fürsten / der durch Eyd und Pflicht sich den Gesetzen nach zu herrschen betheuert hätte /selbte aber zerdrü erte / sich vertheidigen / und ihn dessen zu entsetzen trachten solte / was er durch Meineyd selbst gleichsam mit Füssen von sich stiesse.

Der Burier Gesandte aber versetzte: wie ein unverschräncktes Reich einem Fürsten nicht die Gewalt zueignete / ein Theil oder das gantze Volck aufzureiben; ieden ohne Ursache seiner Güter zu berauben; also wäre eine mit Gesetzen umschränckte Herrschafft bey ein oder anderm Abwege nicht stracks dem Volcke unterwürffig oder gar erloschen. Bey Fürsten stünde es zu unterscheiden / was zu der Wolfarth des Reiches diente; diese aber wäre das höchste Gesetze / welche alle vorhergehende aufhieb. Zugeschweigen: daß kein Volck mit Rechte seinem von GOtt für gesetzten Könige etwas von dem Maaße seiner Gewalt entziehen könte; ohne welche er seinem hohen Ampte nicht auskommentlich fürzustehen vermöchte. Weñ aber auch gleich Fürsten sonder gäntzliche Zerrüttung ihrer Hoheit / und daß ihnen die blosse Schale des Nahmens übrig bliebe; auch mit den härtesten Bedingungen umschränckt werden könte; benähmẽ ihm doch diese nicht die höchste Gewalt / weniger setzten sie die Unterthanen über ihm also: daß selbtes über ihn; ob er mit Recht oder Unrecht von denen Gesetzen abgewichen / erkennen könten. Auch der Pöfel selbst liesse sich nicht den verurtheiln / der ihn einer Handlung wieder sein Versprechen beschuldigte. Die Gerechtigkeit sähe vielen Fehltritten der Unterthanen durch die Finger; warum nicht auch diese denen Fürsten; welche / wie gut sie auch wären / unmöglich allemahl recht zu thun vermöchten. Man verschmähte nicht alsbald einen / der einẽ von Wind aufgeblasenen Ball fehlete; mit was Recht möge man nun gegen dem so strenge verfahren / der den Zentner-schweren Klumpen eines Volckes nicht allzeit in der Schnure hätte. Einige aberwitzige Völcker hätten zwar auf gewisse Fälle ihren Fürsten ein Ziel ihrer Herrschafft gesetzt; aber es wären nur solche handgreifliche und von den eusserlichen Sinnen zu entscheiden leichte Aufsätze gewest; welche keine Zweydeutung verstattet / noch allererst eine Rechtshegung erfordert hätten. Deñ die Anmassung einer Gewalt über Fürsten wäre ein Raub des himmlischen Feuers / welche Jupiter am Prometheus so harte gestrafft hätte. Weßwegen die klugen Egyptier für eine unvernünftige Greuelthat gehalten hätten / ihre mit den schärffsten Gesetzen umpfälete Könige ihrer Verbrechen halber im Leben zu rechtfertigen; sondern es wäre allein nach dem Tode ihr Gedächtnüß verdammt / die Leiche der Beerdigung beraubet / und derogestalt zwar den Lastern eine Straffe / der Fürstlichen Hoheit aber nichts ungebührlich entzogen worden. Der Reichs-Rath wäre in alle wege befugt einem Könige bey bedencklichen Entschlüssungen einzureden; aber nicht ihm seine Meinungen aufzunöthigen; als welche ohne des Fürstens Genehmhabung keine Krafft hätten; sondern wie der Mohnde sein Licht von ihm / als der Sonnen entlehnen müsten. Zwar wäre der Reichs-Rath in dem höher als die eigenen Räthe des Königs: daß er dieser Gutachten mit gutem Fug / jener aber nicht ohne Beleidigung seines Gewissens verwerffen könte; aber nur diß / nicht der Rath wäre deßhalben sein [1085] Richter-Stul. Die Serischen Könige nähmen mit gebogenen Knien von ihren Weisen ihre heilsame Erinnerungen an / aber diese hielten für höchste Thorheit sich weiser zu düncken / als ihr König / der das Ebenbild Gottes auf Erden wäre. Endlich möchten die Hermundurer wol erwegen: daß sie nicht nur über Brittons / sondern über aller Fürsten Häupter dem Volcke eine Botmäßigkeit zuzueignen sich erkühneten; welches Aergernüß alle die zu rächen bemühet seyn würden / derer Häupter man mit Enthauptung Brittons erschütterte /oder gar wackelnd machte. Und sein mächtiger Fürst der Burier würde der erste seyn / der den Degen zücken / und dem ermordeten Britton mit den Flammen seines Landes zu Grabe leuchten wolte.

Alleine weder dieses Einreden noch Dräuen verfieng bey denen etwas; welche bereit in diesem Wercke so weit kommen waren / dessen Ausführung ihnen keine grössere Gefahr zuzoh / als der bereits gemachte Anfang / und die nicht so wol dem Fürsten Britton / als der Freyheit des Volckes den Hals abzuschneiden beschlossen hatten.

Ein schwaches Weib hätte gleichwol bey nahe den letzten Tag das gantze Trauerspiel verändert. Denn des Facksariff Eh-Frau / welche von weitem dem Hertzoge Britton verwand war / und auf die selbter bey ihrem freyledigen Stande ein Auge geworffen hatte; zohe ihr seine bevorstehende Ermordung tieff zu Hertzen; beredete auch zwey der Kriegs-Häupter dahin: daß wenn anders ihr Eh-Herr darein stimmte; sie durch Verwechselung des zu dem Blutgerüste bestimmten Kriegs-Volcks den Hertzog Britton auf die Seite zu bringen / und zu denen Bastarnen zu flüchten hülffreiche Hand versprachen. Als sie diese gewonnen / setzte sie des Nachts mit denen beweglichsten Liebesbezeugungen / und Vorstellung / daß er seine bißherigen Siege durch Errettung des verdammten Fürsten allererst herrlich machen / und den grösten Ruhm der Nachwelt erwerben würde / an Facksariff. Wiewol dieser nun einwarff: Es stünde so wol sein / als des Reiches Untergang auf der Wiedereinsetzung Brittons; erklärte sie sich doch: daß sie bloß um sein Leben / nicht um seinen Fürsten-Hut bäte; dessen letztern sich Britton entweder selbst willig begeben /oder Vermöge der Reichs-Gesetze verlustig machen würde / wenn er mit des Kriegs-Volckes Vorschub sich aus den Reichs-Gräntzen verfügte. Facksariff ward von der Liebe / als der höchsten Gesetzgeberin in Helden Gemüthern / gezwungen sich dem Flehen seines mitleidenden Eh-Weibes zu bequemen. Allein es ward dieses gute Absehen abermahls gäntzlich verrückt. Denn Britton / welchen Facksariff durch angestifftete Kriegs-Leute ausforschen ließ: Ob er wol gegen Gewinn seines Lebens sich der Herzoglichen Würde zu enteussern entschlüssen könte; verwarff diese Vorschläge / fürschützende: Ohne Schuld gewaltsam sterben / wäre ein blosser Zufall; sein Leben aber mit schimpflichen Bedingungen retten / ein Selbst-Mord seiner Ehre. Welche Entschlüssung den Facksariff etwas stutzig machte. Nichts desto weniger gieng er noch für Tage nach Hofe / und fragte die zwey oben von seiner Ehfrauen gewonnene Kriegs-Obersten: was sie von dem bevorstehenden Trauer-Spiele hielten? Diese unwissende: Ob seine Eh-Frau bey ihm für den Hertzog was ausgerichtet hätte / antworteten allein: Es wäre alles zur Hinrichtung fertig; und / wie in seiner Hand Brittons Leben und Tod bestünde; also wartete man nur auf ihn / wenn er die Losung geben würde. Facksariff / welcher nicht in einer so lange berathenen Sache zum ersten eine Veränderung zeigen wolte; versetzte: daß er niemals was ohne sie geschlossen hätte; und also Brittons Tod nichts minder von dem Fademe ihres / als seines Willens hienge. Einer der Kriegs-Obersten begegnete ihm: das Urthel [1086] wäre gesprochen / nun fragte es sich um die Vollziehung. Facksariff / dem seine hierinnen allzu vorsichtige Eh-Frau nicht vertrauet hatte: daß sie diese zwey Obersten auf ihre Seite gebracht hätte /fieng aus geschöpfftem Mißtrauen sein Vorhaben durchzubringen; und weil er ohne diß den Marbod in Saal treten sahe / aus Verdruß an: So sterbe er denn. Fügte sich hiermit ins innere Gemach; Die zwey Obersten aber wusten nichts ferner zu thun; kamen auch darüber in Gedancken: Es wäre Gottes Wille nicht: Daß Britton bey Leben bliebe. Daher ward Britton alsbald auf eine schwartz beschlagene Trauer-Bühne gestellt / und auf einen seidenen Stul gesetzt /den tödtlichen Streich zu empfangen. Gleich als wenn das Gepränge Laster zu rechtfertigen vermöchte / oder die aufgeputzte Grausamkeit weniger eine Unholdin wäre / als die nackte / und der Blutschreyer auf Tapezereyen eine annehmlichere Stimme / als auf Stein oder Rasen hätte. Britton verlohr also mit einem Streiche seine Herrschafft und sein Haupt / aber nicht die Obmäßigkeit seines Hertzens / und den Muth itzt so standhafft dem Tode / als vorher dem Glücke in die Augen zu sehen. Sein Leib ward zwar gebalsamt und kostbar begraben; Gleichwol aber zu seiner mehrern Beschimpffung / als mit ärgerlichen Seuchen behafftet / ausgeschrien. Nach ihm wurden noch fünff Marckmännern hoher Ankunfft / die für seine Errettung die Waffen er grieffen hatten / gleich als wenn ein so grosser Baum nicht ohne Zerschmetterung vieler Aeste fallen könte / zugleich die Häupter abgeschlagen. Wiewol nun ihrer viel den itzt erblasten Fürsten Britton für dem Streiche des Scharffrichters mit den Augen getödtet hatten; vermochte doch die Grausamkeit nicht zu verhindern: daß das meiste Volck / dem das Schwerdt ehe durch die Seele / als dem Britton durch den Hals gieng / mit bittern Thränen seinen Fürsten beweinte / die Mörder aber bey der Göttlichen Rache verklagte. Ja Facksariff selbst muste wieder seine Einwilligung hierbey in der Klage gehn. Denn seine Gemahlin / welche für den Hertzog Britton umsonst sich bemühet hatte / grämte sich über seiner Hinrichtung zu tode. Hingegen ließ der Reichs-Rath für höchste Verräther ausruffen: Da iemand sich würde gelüsten lassen nur in Berathschlagung zu ziehen: Ob ein ander Fürst über die Hermundurer herrschen solte. Nach dem auch viel aus dem Pöfel sich der höchsten Gewalt theilhafftig gemacht hatten /diese aber wol wusten: daß der Adel nicht allein neuen Leuten / wie tugendhafft sie sich auch erzeigen / allezeit über Achsel; sondern auch nach der Königlichen Gewalt ins gemein lüstern wären; stiessen sie allen hohen Adel aus dem Reichs-Rathe; und besetzten den neuen grösten theils mit denen gewesenen Kriegs-Häuptern; hoben auch theils um seine Kräfften zu vermindern / theils aller abgestatteten Gewogenheit zu gewinnen das Vorrecht der Erstgebohrnen in Erbschafften auf. Welche hefftige Veränderung zwar anfangs von den Staats-klugen für eine Mutter eines bürgerlichen Krieges gehalten / endlich aber befunden ward: daß das Volck / welches ins gemein aus allen Neuerungen ihm güldene Berge verheisset / mit höchstem Frolocken die neue Herrschens-Art billigte.

Viel anders aber nahmen die Marckmänner und Sedusier diese Neuerung auf. Denn sie erklärten den funfzehnjährigen Fürsten Jubill Brittons Sohn für ihr Oberhaupt. Alleine das Verhängnüß schien sich gleichsam gantz wieder Brittons Hauß verschworen zu haben. Denn Marbod / dessen gröste Sorgfalt nun mehr war das Hefft des Kriegs-Volckes aus seinen Händen in keine fremde mehr kommen zu lassen /brach bey den Sedusiern ein; eroberte ihre beste Festung mit stürmender Hand; und ließ alles / was Waffen tragen konte / erwürgen. Dieser glückliche Streich eröffnete alle andere [1087] Festungen. Also machte ihn das Glücke zum Meister / der Staats-Rath aber zum Landvogt über alle Länder der Sedusier / ja zum höchsten Haupte über der Hermundurer Kriegs-Heere / und hiermit auch über den Staats-Rath selbst. Denn wer einem andern die Waffen über giebet / enteussert sich zugleich seiner Herrschafft. Nach dem aber inzwischen Hertzog Jubil mit denen Marckmännern völlig verglichen war / und sie zu ihrer und Jubils Versicherung eine ziemliche Kriegs-Macht versamlet hatten /fiel Marbod mit seinem des Sieges gewohntem Heere bey den Marckmännern ein; welche er deßwegen für Feinde der Hermundurer zu erklären sich berechtigt hielt; weil sie des alten Bundes vergessen / ihren Tod-Feind Jubil in ihre Schoos aufgenommen / und denen Hermunduren aufzuhalfen so viel Waffen versaũllet hatten. Marbod aber hätte bey nahe durch seine aus vielem Glücke erwachsene Verwegenheit seine gantze Schantze versehen. Denn weil er zu tieff ins Feindes Land rückte / ward er in einem Thale rings um von den Marckmännern umsetzt / und sein Heer in verzweiffelte Hungers-Noth gestürtzt. Alleine diese war die Ursache seiner Wolfarth. Denn es ist kein zum Siege dienlicher Gewehre / als die Nothwendigkeit zu Siegen. Hingegen war die Sicherheit der Marckmänner Verterben. Denn als diese sich es am wenigsten versahen / machte Marbod an der einen Enge des besetzten Gebürges einen blinden Lermen / fiel aber an der andern mit so grosser Tapfferkeit an: daß er nicht alleine mit seinem Heere aus dem Gedränge kam / sondern auch die Marckmänner aus dem Felde schlug / und fast alles Fuß-Volck mit dem Kriegs-Geräthe in seine Hände bekam. Als Marbod nun hierauf mit Einnehmung der Städte beschäfftiget war / zohe der tapffere Jubil die eussersten Kräften der Marckmänner zusammen. Mit diesen rückte er zwar dem Marbod entgegen; aber er ließ sich in kein Treffen ein; sondern suchte vielmehr Gelegenheit bey ihm vorbey zugehen / und bey denen Hermundurern einzudringen / in Hoffnung: daß er daselbst grossen Anhang finden würde. Alleine ihm begegnete ein frisches Kriegs-Heer / und Marbod gieng mit seinem ihm in Rücken; Hingegen verschmeltzte sein Volck wie der Schnee. Wie er sich nun dergestalt zwischen Thür und Angel sahe / muste er dem Feinde gezwungen eine Schlacht lieffern. Welcher Zwang schon eine Erkäntniß seiner Schwäche / und eine Wahrsagung des Verspielens ist. Gleichwol fochte er so tapffer: daß er an seiner Spitze den Feind zweymahl in Unordnung brachte / und den Marbod in Schenckel verwundete. Der Marckmännische Adel that gleichfals das eusserste; weil nichts minder die Verzweiffelung als die Tapfferkeit in ihren Händen die Waffen schärffte. Aber endlich wurden sie doch übermannet; und wiewol ihrer wenig von der Wallstatt entkamen / entrann doch Hertzog Jubil nach dreyen in der Schlacht eingebüsten Pferden durch eine wunderseltzame Flucht und viel Wildnüße in das Gebiete der Burier. Diesem Hauptverluste folgte auf des klugen und wachsamen Marbods Seiten die Uberwältigung des gantzen Marckmännischen Gebietes; und musten alle grosse Gefangenen zum grausamen Schrecken der kleinern über die Klinge springen; Gleich als wenn Marbods Haupt ohne Abhauung aller hohen Köpfe nicht genung sichtbar seyn könte. Ja diese ungemeinen Siege Marbods setzten die Macht der Hermundurer in so grosses Ansehen: daß / ob wol Fürsten freyen Herrschafften stets einen heimlichen Haß nachtragen; und so viel benachbarte Herzog Jubils nechste Bluts-Freunde worden /die Cherusker und Catten auch inzwischen dem Drusus einen gewaltigen Streich versetzt hatten / keiner doch das Hertze hatte für ihn einigen Degen zu zücken. Die Alemänner verehrten den Staats-Raath zum ersten mit [1088] einer prächtigen Gesandtschafft. Diesen folgten auch die Catten / und insonderheit der mächtige König der Lygier / der nach gehaltener langen Berathschlagung ihm so gar Bruder und Vetter zuschrieb. Weil die Staats-Klugheit nur die Glückseligen kennet; und bey abgesehenem Nutzen auf gewisse Zeit auch derer Bluts-Freund sich rühmet / die ihr mit keiner Ader zugethan sind / und dieselben umhalset; derer Hals gleich Morgen an die Kette / der Kopff aber auff den Pfal kommen soll. Die Cherusker und Bojen alleine hatten Bedencken sich derogestalt zu verkleinern; wiewol ihre Beschaffenheit sie auch hemmete gegen den Marbod einen unzeitigen Eyfer auszulassen. Also ist das Geblüte gegen dem Feuer der Ehrsucht Eyß-kalt; und der abgesehene Vortheil ist der Grund und die Zertreffung der meisten Freundschafft; ja die Spille / um welche sich alles Thun der Menschen windet und verwickelt. Insonderheit aber haben Fürsten keine Bluts-noch andere Freunde. Denn wie sie über Völcker gebieten / also gebeut der Vortheil über die Fürsten. Ja diesem grossen Thiere gehorsamen alle Menschen.

Wiewol nun die Hermundurer derogestalt ohne Feind waren / wolte doch Marbod nicht ohne Kriegs-Macht seyn; ließ sich auch öffentlich im Staats-Rathe aus: daß wenn eine Herrschafft des Volckes nicht in ihren eigenen Eingeweiden wolte Würmer hecken; müste sie selbte den Nachbarn in Busem setzen. Weil nun nichts leichters ist / als eine Ursache des Krieges zu finden; rieth er: daß / nach dem die Bojen von etlicher Zeit her sich des denen Hermunduren zuständigen Hercynischen Gebürges angemast / denen Römern das Goldwaschen in denen Bächen / und die Ertzt-Gruben theuer vermietet hätten; sie diesen Eingriff den Bojen untersagen / und den Vortheil selbst an sich ziehen solten. Critasir der Bojen Hertzog wolte diesen Nutzen so schlechter Dings nicht aus den Händen lassen; schützte also der Bojen alten Besitz und Genüß des Hercynischen Gebürges für / und daß sie diese verborgene Schätze der Natur als die ersten Erfinder ihnen mit Rechte zueigneten. Marbod aber versetzte: Die Hermundurer hätten das Nordwestliche Theil des Hercinischen Gebürges lange für den Bojen beholtzet / befischet / bejaget; und mit allen seinen offenbaren und verborgenen Nutzbarkeiten eigenthümlich besessen; daher wäre ihr jüngerer Besitz ein Eingriff; und könte die Erfindung einer schon von einem andern besessenen Sache selbten nicht rechtfertigen. Hierbey aber beruhte Marbod nicht / sondern weil er wol wuste: daß zwischen Fürsten ein gewaffnetes Heer der beste Sach-Redner / und der Degen das einige Messer wäre den Zanck-Apffel recht zu theilen /oder den Gordischen Knoten aufzulösen / versa lete er alle Kriegs-Macht zusammen. Weil aber gleichwol in dem Staats-rathe noch einige waren / welche den Schatten ihrer Freyheit allererst erblickten / als ihr Bild schon für ihren Augen verschwundẽ war / uñ wahrnahmen: daß mit diesem Kriege mehr ihre / als der Bojen gäntzliche Unterdrückung angezielet würde; und Marbod nunmehr mehr als den König spielte; liessen sie an ihn eine Bittschrifft ab: Er möchte das durch langen Krieg abgemergelte Volck ein wenig verblasen lassen / und mit ihren treuen Nachbarn und alten Bundgenossen den Bojen lieber einen billichen Vergleich treffen / darzu sie sich schon mehrmahls erboten hätten. Die Hofnung viel zu gewinnen / oder ein uhraltes Besitzthum wäre keine rechtmäßige Ursache. Deñ so würde keine Herrschaft in der Welt ohne Anspruch / und diese nie ohne Krieg seyn; weñ die Verjährung nicht so wol in Ländern /als in Gründen der Unterthanen statt finden solte. Auch würden Reiche mit ihrer Erweiterung nicht allezeit verstärcket; sondern zwar ihre Gräntzen / nicht aber ihre Kräfften vergrössert. Sonderlich aber stünde der Zusatz mehrer Länder freyen Völckern nicht an; welche ohne Wachsthum ihren Nachbarn [1089] schon gewachsen wären. Denn weil die überwundenen Städte grosse Besatzungen / diese aber ansehnliche Mittel dörfften; wäre dieser Gewinn den Uberwindern eine Bürde / und eine Aussaugung der Unterthanen / welche vorher schon so viel Gut und Blut zu dem verterblichen Obsiege beygetragen hätten. Selten stünden die reichsten Landschafften / die man dem Feinde abnähme / für die Müh und Kosten / am wenigsten für das theure Menschen-Blut / welches nicht gegen Gold auszuwägen / auch mehr eine Tinte der Ehrsucht /daraus die Krieges-Häupter ihre Siegs-Fahnen färben / als eine Tingung der Reiche / und ein Schmaltz der Länder wäre. Ihr Besitz ziehe bey den Nachbarn Neid / bey den Uberwundenen Haß / bey den Freunden Mißtrauen / bey den Bürgern Argwohn nach sich. Derselben Erhaltung erschöpfte das Vaterland an Volck und Mitteln; wären also krebsfräßige Glieder /welche man von dem Leibe des Reiches abschneiden solte; oder dem jenigen Fische gleich / der dem / welcher ihn mit dem Hamen fienge / die Hand starrend machte. Ja endlich wäre ihr Verlust kostbarer / als die Gewinnung. Die Landvögte vergässen bey ihrer Botmäßigkeit: daß sie Bürger wären / und verlernten die nöthigste Tugend des Gehorsams. Da aber Marbod ja auf seiner Meynung bestünde; solte man zum minsten nach der unter dem Fürsten gewöhnlichen Art vor die Landstände darüber vernehmen / als welche im Kriege zwar das meiste zu verlieren / aber das wenigste zu gewinnen hätten. Marbod trug diese wolgemeinte Erinnerung als eine Verrätherey den Kriegs-Häuptern für / durch welche der Rath sie eines ruhmwürdigen Sieges / das Vaterland eines ansehnlichen Auffnehmens / die Kriegs-Leute der fetten Bojischen Aecker /wegen welcher ihre Vor-Eltern zu kriegen iederzeit für Recht gehalten hätten / berauben; ja durch den Frieden ihnen die Waffen aus den Händen spielen /und weil der gemeine Kriegs-Mann selten was mehres / als Narben des Leibes / und Lähmde der Glieder mit aus dem Kriege brächte / sie zu armseligen Tagelöhnern machen wolte. Kriegs-Leuten wäre die ärgste Schande durch Schweiß erwerben / was sie durch Blut haben könten. Welches sie aber wenig kosten würde; weil die Bojen in ihrem fruchtbaren Lande bey dem Wolleben alle Kriegs-Ubungen vergessen; der hohe Adel die gemeine Ritterschafft / die besten Vormauern eines Reiches mit ihren Gütern gleichsam verschlungen hätten; ja sie selbst mit einander in eitel Mißverständnüße lebten. Einem schlaffendem Löwen und einem abgedanckten Soldaten träten auch die Hasen auf die Fersen / und der geringste aus dem Pöfel wolte an ihnen zum Ritter werden. Fern und ungelegene Länder zu bemeistern wäre freylich wol nicht rathsam; und hätte so wol Carthago mit Besetzung so vieler fernen Länder / als Athen durch Anfallung Siciliens seine dem Hertzen nöthige Lebens-Geister in die eussersten Glieder unvorsichtig zertheilet /und dardurch jene ihren Untergang befördert / diese auf einmahl ihren achzigjährigen Gewinn verspielet; hingegen wären beyde Meister in der See / und in höchster Blüte gewest / als Athen sich mit den Grichischen Eylanden / Carthago mit den festen Lande in Africa vergnüget hätten. Die Römer hätten ihrer Ausbreitung kein Ende gemacht; wiewol sie Fuß für Fuß fortgerückt / über Italien vierhundert Jahr zubracht /und bey der scheinbarsten Gelegenheit nichts übersprungen. Diese hätten bey ihrer bürgerlichen Herrschafft das meiste / und mehr als niemahls kein König gewonnen. Fürsten wären sterblich / Völcker aber blieben ewig / wären keiner unwissenden Minderjährigkeit / keinem ohnmächtigen Alter / wegen Vielheit der Augen keinen blinden Irrthümern unterworffen; hätten zwar / wie Könige über ihre Bedienten / aber nicht über ihre herrschsüchtige Kinder zu eyfern. [1090] Weil nun denen Hermundurern und Marckmännern nichts vorträglicher und leichter wäre / als das fast rings herum mit einem Krantze feste Gebürge umgebene /und biß an den grossen Donau-Strom reichende Land der Bojen einzunehmen / stellte er zu der Kriegs-Häupter Nachdencken: was sie wieder den schädlichen Rath für sich und das Vaterland gutes entschlüssen wolten. Die Kriegs-Häupter / welche freylich wol den Sieg / niemahls aber Friede verlangen / stimmten nicht allein in den Krieg wieder die Bojen; sondern weil sie doch kein anständiger Oberhaupt als den Kriegrischen Marbod zu hoffen hatten / machten sie unter sich ein eydliches Bündnüß ihn auf den Stul des ermordeten Brittons zu heben; weil doch die Sitten der Hermundurer und Marckmänner die bürgerliche Herrschafft nicht vertragen könten. Marbod vernahm ihren Schluß mit der höchsten Gemüths-Vergnügung; gleichwol aber verhüllete er seine Begierde mit dem Scheine einer beständigen Weigerung eine solche Last zu übernehmen / welche seinen Achseln zu schwer /vielen Zufällen unterworffen / seinen Feinden zur Verläumdung / und tausend Neidern zum Ziel ausgesteckt wäre; ja auch bey vielen seiner Freunde einen Schein gewinnen dörffte / samt er zeither nicht für das Volck / sondern für seinen Ehrgeitz gefochten / und nur mit Emporschwingung seiner Niedrigkeit ihre Freyheit selbst zu unterdrücken suchte. Die Kriegs-Obersten aber hielten ihm ein: Seine Achseln wären alleine fähig diese Last zu übernehmen. Daher solte er dem gemeinen Wesen nicht mißgönnen / was seine Thaten selbtem fürlängst versprochen hätten. Es wäre keine grosse Sache ein Fürst gebohren seyn; aber wol / durch Tugend sich zum Fürsten machen. Niedrige Ankunfft wäre nichts verkleinerliches; sondern nur /wenn man sich aus derselben nicht empor heben wolte. Der wäre schon zum Aufsteigen fähig und groß genung / der nur die / welche seines Standes wären /überträffe. Ein grosser Berg würde für klein geachtet gegen einem grössern / und ein Weitzen-Korn groß gegen andere gemeiner Grösse. Die Freyheit lidte unter einem tugendhafften Fürsten wenigern Abbruch / als unter hundert zwistigen Raths-Herren. Daher wäre es des Volckes Heil / wenn einer die Herrschafft an sich risse / welche von vielen Gebietern in Verwirrung mißbraucht und zerstückt würde. Diß wäre kein Werck eines Wütterichs; sondern eine Unterwerffung gemeiner Zwytracht unter die Einigkeit eines Fürsten. Es nehme dem Volcke nicht seine Freyheit / sondern es wickelte sie nur aus den Verwirrungen vieler herrschsüchtiger Leute. Den Unterthanen wäre leichter einem / als vielen gehorsamen; und denen Gesetzen wäre mehr geholffen durch einen / der sie ausübte / als durch hundert / die sie durch ihre Auslegung vertunckelten. Also dorffte es noch viel Bittens und heisser Thränen / den Marbod zu dem zu bereden / was er wieder Willen des Volckes schon für längst an sich gerissen hatte. Das Kriegs-Heer rückte hierauf alsofort nach Calegia / hob den Staats-Rath auf / erklärte den Marbod nicht nur für einen Fürsten / sondern /weil der alten Hertzoge Titel ihm zu verkleinerlich war / für einen König der Hermundurer / Marckmänner und Sedusier. Alles diß geschahe mit grösserm Gepränge / als vorhin keinem Fürsten geschehen war; welches dardurch nicht geringen Glantz bekam: daß Kayser August ihm zugleich eine güldene Krone /einen Purpur-Rock / einen Helffenbeinernen Stul /und einen mit edlen Steinen versetzten Degen überbringen ließ. Marbod / nach dem ihm alle Stände den Eyd der Treue abgelegt / alle hohe Aempter mit seinen Geschöpffen / und denen / welche zur Dienstbarkeit die gröste Zuneigung bezeugten; insonderheit aber mit seinen Landesleuten den Marckmännern besetzt hatte / brach an zweyen Orten bey [1091] den Bojen ein. Hertzog Critasir lebte daselbst mit den Bojischen Ständen in höchsten Mißverständnüße; weil er seiner Gemahlin Gangoza einer Fürstin der Lygier gleichsam alle Gewalt eingeräumt / und insonderheit alle Ehren-Aempter zu verkauffen verstattet hatte. Dahero waren sie weder durch den Ruff der sich nährenden Gefahr / noch durch ihres Fürsten bewegliche Erinnerung zur Gegenbereitung zu bewegen; also: daß es einem geheimen Verständnüsse zwischen dem Könige Marbod und den Bojen nicht unähnlich schien. Welche Muthmassung dardurch mercklich bestärckt war: daß Marbod einen der für nehmsten Bojen bey sich zum geheimen Rathe hatte / welcher deßwegen aus Critasirs Gebiete gewichen war; weil der König ihn: daß er mit seiner Gemahlin Gangoza / hingegen Gottschalck / also hieß dieser Ritter / Critasirn beschuldigte: daß er mit seiner Frauen allzu verträulich lebte; fürnehmlich aber: daß so bald Marbod über das Hereynische Gebürge ohne den geringsten Wiederstand kam / nicht nur etliche tausend von dem hohen Adel untergedrückte Ritters-Leute / sondern auch viel der grösten Herren zum Marbod ins Läger kamen / und sich unter seine Kriegs-Fahnen stellten. Ja der Bojen Zulauff mehrte sich derogestalt: daß sie an der Zahl stärcker / als seine eigne Kriegs-Leute waren; und daher er jene guten theils ausmustern / und sie unter allerhand Schein dort und dar hin verbrauchen muste. Alle feste Plätze brachten ihm die Schlüssel entgegen; die Haupt-Stadt Boviasmum wehrte sich allein acht /und die Stadt Casurgis fünff Tage. Hertzog Critasir selbst gieng entweder aus Verdruß: daß ihn seine Unterthanen gantz hülfloß liessen / oder weil er ohne diß alt war / und keinen Reichs-Erben / ja wol gar seine Herrschafft niederzulegen im Sinne hatte / aus dem Lande in das dem Feldherrn Segimer zustehende Gebiete der Quaden; und sahe aus der Stadt Celemantia der Uberwindung seines Landes gleichsam ohne Empfindligkeit des Gemüthes und ohne Rührung einiger Hand zu. Also ist die Unempfindligkeit eines Fürsten einem Reiche eben so schädlich / als die übermäßige Herrschenssucht. Denn wie diese die Länder einäschert; also lässet sie jene durch Erfrierung vergehen. Wie die Natur die Empfindligkeit / als ein Erhaltungs-Mittel / allen Thieren eingepflantzet hat; also eignet sie die Staats-Klugheit den Fürsten ein. Denn welchen nicht der Verlust seiner Unterthanen in der innersten Seelen beist / dessen Reiche fället ein Glied nach dem andern /als erfroren weg / der kalte Brand aber frißt endlich biß zum Hertzen / und reibet es gar auf. Welche Kranckheit ins gemein in Wahl-Königreichen / oder wo ein Fürst nicht vererbt ist / über hand nimmt. Denn viel / welche gleich nicht aus innerlicher Großmüthigkeit für ihre Länder wache wären / wecket die Kinder-Liebe auf: daß sie mit ihrem Erbtheile auch für das Vaterland sorgen.

Marbod hingegen wol wissende: daß geschwinder Einfälle gantze Krafft in der ersten Hefftigkeit bestehe / und daß die Spitzen / welche nicht durchgehen / nur stumpff werden; schmiedete das Eisen weil es warm; und seiner Feinde Hertz kalt von Furcht war; ruhete Tag und Nacht nicht / sondern machte sich in wenigen Wochen zum völligen Meister über die Bojen. Er selbst wuste sich in die Ubermaaß seines Glückes nicht zu finden; dessen Hefftigkeit nichts minder den Verstand / als allzugrosser Glantz die Augen verbländet. Daher er denn in Befestigung seiner Herrschafft nicht allenthalben seine gewohnte Klugheit fürkehrte; insonderheit aber denen freymüthigen Bojen allzu scharffe Gesetze aufbürdete; und durch Erbauung eines starcken Schlosses zu Boviasmum und Casurgis entweder sein Mißtrauen zu ihnen / oder seine Anstalt ihnen ein Gebieß anzulegen vermercken ließ. Weil ihm einer seiner Kriegs-Obersten rieth; Es sey sicherer einem die Hände binden: [1092] daß er nicht schaden könne / als sein Gemüthe gewinnen: daß er uns gewogen werde. Da doch ein Uberwinder neue Völcker durch nichts besser / als wenn er alles im alten Stande läst / im Zaum halten kan; weil sie sodenn nicht so wol eine neue Herrschafft empfinden / als des vorigen Fürsten Geist in einem andern Leibe sehen. Weil nun in edlen Gemüthern die großmüthigen Regungen mehr schlafen als gestorben seyn / und bey eusserster Roth wie die im Winter erstarrten Schlangen am Frühlinge lebhafft werden; standen in einem Tage die Bojen durch ihr gantzes Land wieder den Marbod auf; über fielen seine Besatzungen; ja ihn selbst umringten sie unter dem Sudetischen Riesen-Gebürge / dahin er unter dem Scheine den Brunnen der Elbe zu beschauen / in Warheit aber der benachbarten Marsinger Zustand auszuforschen verreiset war. Marbod hätte sich ehe des Himmelfalls / als eines Feindes versehen / als Gottwald / ein junger und hertzhaffter Ritter mit tausend Mann ihn in einem Walde an einem Furth überfiel. Ob er nun wol mehr nicht / als hundert bewehrte Leute bey sich hatte / munterte er doch durch seinen Zuruff und Beyspiel die Seinigen zu einer hertzhafften Gegenwehr auf. Marbod und Gottwald geriethen selbst an einander. Wie nun jener die gemeinen Schrancken menschlicher Tugend zu übertreffen sich bemühte / um den erlangten Ruff: daß er mehr / als ein Mensch wäre / zu behalten / und in einer Stunde nicht zu verlieren / was er durch so viel Jahre durch Schweiß und Blut kaum erworben hatte; also hatte der kühne Gottwald bey sich beschlossen: daß diesen Tag sein Schild entweder sein Grabe- oder der Freyheit Grund-Stein für die Bojen / ihm aber eine Staffel der Ehren und Glückseligkeit seyn solte. Marbod verletzte Gottwalden zwar mit einem Wurff-Spieße in den rechten Schenckel; aber diese Wunde nahm ihm nicht so viel Kräfften / als der Eyver hierüber seiner Tapfferkeit beysetzte. Dahero traff er den Marbod mit einer Lantze so hefftig: daß selbte zwischen dem Gelencke des Harnisches durch die lincke Achsel gieng. Marboden entgieng zwar hierüber nicht wenig Blut /aber das wenigste von seiner Hertzhafftigkeit. Inzwischen aber / weil die Bojen durch das Gehöltze denen Hermundurern und Marckmännern in Rücken kommen waren / lidten sie wegen ihrer Wenigkeit allenthalben Noth; also: daß Marbod / der nun seinen Untergang für Augen sahe / noch einmal sein eusserstes wagte; und nach dem er zwey Bojen zu Bodem geschlagen / einen verzweiffelten Streich auf den Ritter Gottwald thät / und ihm seinen Schild mitten entzwey theilte / ihm auch vollends noch was gefährlichers beybracht hätte / wenn ein Bojischer Edelmann / der hernach hiervon den Nahmen Nothhafft bekam / selbten nicht versetzt / und also fort Gottwalden seinen Schild eingehändigt hätte. Hierüber aber verlohr Marbod sein Pferd; ein Marckmännischer Ritter aber / den Marbod hernach von dem Orte dieses Gefechtes zum ewigen Gedächtnüße Tannenberg hieß / versetzte inzwischen alle feindlichen Streiche: daß er wieder auf die Füsse kam. Marbod / Tannenberg / Lichtenstein /und etliche andere Marckmänner machten ihnen durch das Gedränge mit dem Degen gleichwol einen Weg zu einer dicken Hecke; wohin es mit den Pferden zu kommen unmöglich war; aber Marbod bekam hierüber noch drey gefährliche Wunden. Endlich kam die finstere Nacht ihnen zu Hülffe; Tannenberg und Lichtenstein aber; als inzwischen die übrigen Marckmänner biß auff den letzten Bluts-Tropffen zwischen den Hecken die Bojen auffhielten / kletterten an einem gähen Berge hinauff / und brachten ihn um Mitternacht zu einer felsichten Höle. Wiewol sie sich nun nicht allerdings sicher schätzten / in dem sie um den Berg etliche hundert brennende Kien-Fackeln wie Irr-Lichter schwermen sahen / [1093] also muthmasten: daß die Bojen den König Marbod oder seine Leiche suchten /musten sie doch daselbst verblasen / weil der halb-tode und ohnmächtige Marbod unmöglich weiter zu bringen war. Daher schlepten sie den König Marbod in die Höle / zohen ihm seine Waffen aus / und erquickten ihn mit etlichen Handvolln Wasser aus einem dabey abrinnenden Quelle. Also ist doch niemand / wie viel tausend ihn gleich fürchten müssen /nicht immer der Furcht befreyet; und der mächtigste hat nichts minder von einem schwächern Gefahr / als aus einer kleinen Wolcke ein hefftiger Donnerschlag kommet / und ein verschlossener Wind gantze Gebürge umdrehet. Der verächtliche Gottwald brachte es derogestalt so weit: daß auf diesem hohen Gebürge der mächtige König Marbod so tieff verfallen muste. Und also ereignet sich mehrmahls: daß dieselben sich kaum mit einem Löffel Wasser laben können / welche kaum vorher der Besitz etlicher Meere und hundert Flüsse nicht zu sättigen vermocht hat. Bey anbrechendem Tage wolte Lichtenstein aus der Höle kriechen /um den eusserlichen Zustand zu erkundigen / und für ihre / besonders aber Marbods Wunden einige Kräuter aufzusuchen. Wie er hiermit zurück in die Höle kam / erblickte er zu hinterste einen grossen sich empor hebenden Bären / worüber er nach dem Degen grieff / und einen hellen Gall anzuruffen fieng / um den nicht ferne davon liegenden Tannenberg zu ermuntern. Dieser sprang hierüber auch auf / und wolten sie beyde sich an dieses wilde Thier machen. Es kroch aber ein Eysgrauer mit einer Bären-Haut bekleideter Mann / dessen Bart ihm biß unter den Gürtel gieng / hinter einem Felsen herfür; und gab ihnen zu verstehen: daß wo sie für keinem Menschen sich etwas zu befahren hätten / wären sie für diesem sonst grimmigen Thiere allerdings sicher. Wie nun aber Lichtenstein und Tannenberg ihre Degen nicht bald einsteckten; fuhr der Alte fort: Stehet ausser Sorgen /ihr Fremdlinge / wer ihr auch seyd / ich stehe für aller Gefahr und Schaden. Denn nach dem die Menschen gelernet haben grimmiger zu seyn / als wilde Thiere /fangen diese an zahmer zu werden als die Menschen. Die dem Alten aus dem lebhafften Antlitze sehende Redligkeit / und seine andächtige Gebährden verursachten bey beyden alsbald ein Ehrerbietiges Ansehen; und der Bär selbst streckte sich auf sein gegebenes Zeichen demüthigst zu Lichtensteins Füssen. Dieser hingegen grüste den Alten nunmehr mit tieffer Verehrung als einen Halb-GOtt / und bat um die Auslegung seiner vorigen Worte. Der Alte versetzte: Er sehe sie theils für seinen Füssen / theils trüge er sie an seinem Leibe. Denn seine Kleider deuteten eine nicht geringe Verwundung an; solche aber hätte schwerlich ein reissender Bär oder Wolff / sondern ein viel blutbegieriger Thier verursacht. Dieses wäre der Mensch /welcher biß zum zehenden Jahre einen Affen / biß zum zwantzigsten einen Pfauen / biß zum dreyßigsten einen Löwen / ins vierzigste einen Fuchs / ins funffzigste eine Schlange / biß ins Grab einen unersättlichen und alles Ertzt verdauenden Strauß abbildete; oder vielmehr iederzeit die Laster aller Thiere besässe / zehn Bären aber sich kaum mit der Grausamkeit eines Menschen betheilten. Ja weil kein Thier in sein eigen Geschlechte so wütete / würde die Welt sicher friedlicher / die Erde weniger blutiger seyn / wenn gleich Löwen / Panther / und Tiger-Thiere die Oberherrschafft der Welt behaupteten. Es ist wahr / antwortete Lichtenstein. Denn da wir in dieser Bären-Höle nicht mehr Erbarmnüß finden / wird die Grausamkeit gewiß noch unsern übrigen Lebens-Athem ihr aufopffern. Erbärmlicher Zustand der Menschen! ruffte dieser holdselige Alte / welchem zugleich die milden Zähren über die Backen lieffen / und an seinem Barte wie Morgen-Thau hängen blieben. Warlich! wenn die [1094] Sonne so wol Ohren als Augen hätte; würde sie mehrmahls in ihrer eyffrigen Rennebahn den Lauff hemmen / und dem auf dem Miste dieser Welt winselnden Elende der Menschen Gehöre geben / vielmahl auch auf ihre teuffelische Boßheit an statt der fruchtbaren Stralen Hagel und Blitz ausschütten müssen. Ihr verdammten Halb-Menschen / die ihr unter Englischen Gesichtern gifftige Scorpionen-Schwäntze und rasende Panther-Klauen verdecket; die ihr vom Himmel deßwegen die Waffen der Vernunfft überkommen zu haben vermeinet: daß ihr sie zu anderer Betrug und Blutstürzung gebrauchen köntet; gleich als weñ euch die Natur zu Priestern des Todes gezeuget hätte! Wisset ihr nicht: daß die Welt ein angefüllter Kercker von Missethätern sey / welche das Verhängnüß noch für ihrer Geburt durch ein unwiederrufliches Gesetze zum Tode verdammt hat; in dem ieder alle Augenblicke die Ausübung des Urthels und die Art seiner Hinrichtung zitternde erwarten muß? Ist euch verborgen: daß die Zeit selbst der Scherge oder der Todten-Gräber ist / der euch auf dem vom Verhängnüße ausgesteckten Wege über Hals über Kopff zum Grabe fortschleppet; und daß sie zwar zum Merckmahl / wie geschwinde unser Leben verrauchet / eine Sand-Uhr in der einen; eine Sichel aber in der andern Hand träget / welche uns unfehlbar abmeyet /ehe wir es uns versehen; weil wir schon in der Wiege reiff zum Tode sind. Aber lasset mich durch meine Trägheit nicht auch in verdammliche Grausamkeit verfallen. Hiermit machte der Alte dem noch sprachlosen Marbod die Kleider auf / besahe seine Wunden / wusch sie aus / holete Kräuter / zerquetschte sie zwischen zwey Steinen / und verband sie darmit. Nichts anders verfuhr er mit dem Ritter Lichtenstein und Tannenberg. Um den Mittag brachte er ihnen zur Mahlzeit allerhand Wurtzeln / und in einem ausgehölten Steine ein annehmliches Wasser / welches er nahe darbey aus einem Sauerbrunnen geschöpfft hatte; den lechsenden Marbod aber erquickte er mit Himpel- und andern annehmlichen Beeren; welche in Menge und ungewöhnlicher Grösse auf diesem Gebürge wuchsen. Seinen Bären schickte er auf die Jagt aus / welcher täglich etwas von Wildpret einbrachte; so der gute Einsiedler nach der ersten Welt Einfalt zurichtete; übrigens aber seine Gäste derogestalt unterhielt: daß sie ihn für ihren Artzt / ihren Verpfleger / ihren Lehrer /ja für ihren Vater rühmen musten. Tannenberg und Lichtenstein geneseten in drey / Marbod aber zu aller höchster Verwunderung in acht Tagen von ihren gefährlichsten Wunden. Worauf der Einsiedler allererst nach ihrem Zustande / und wie sie in diß Unglück verfallen wären / fragte; weil er es anfangs zu thun deßwegen anstand: daß ein Mensch nach dem Beyspiele der Sonnen / welche über Wolffs-Milch und Weitzen / so wol über die sie verfluchende Mohren als die sie anbetenden Persen ihre Strahlen ausschüttet / ohne einigen Unterscheid Bösen und Guten wolthun solle. Marbod / welcher gleichwol nicht trauen wolte / wer er wäre / zu entdecken; berichtete ihn: Sie wären Marckmännische Edelleute / welche in Begleitung ihres Königes von denen Bojen verrätherisch wären überfallen / und also zugerichtet worden. Sehet ihrs nun / sagte der Einsiedler: daß die Boßheit mit demselben Messer verwundet werde / welches sie vorher auf andere Hälse geschliffen hat. Marbod und ihr habt euch dieses Uberfalls halber weder zu verwundern noch zu beschweren. Denn habt ihrs den Bojen nicht vorhin ärger mitgespielet? Perill brennet nicht unbillich im glüenden Ochsen; den er vorher andern zur Pein ersonnen hatte. Wer aber sein Thun nach der Wagschale der Gerechtigkeit abwiegt / hat sich für ihrem Schwerdte nicht zu fürchten. Unsere ungezähmte Begierden stürtzen uns nur von den Steinklüfften solcher entsetzlichen [1095] Zufälle. Hätte Marbod / dessen Leib der Himmel nicht begreiffen würde / wenn er mit seinem Ehrsüchtigen Gemüthe gleicher Grösse wäre /sich nicht zum grösten Räuber der Welt / und einem Mörder seines Hertzen gemacht; so hätte das erreitzete Verhängnüß ihm keinen so sauern Blick gegeben. Ein tugendhafft und vergnügliches Leben ist der sicherste Ancker und der vollkommenste Glücks-Stern. Wie tieffsinnig aber ist die Ehrsucht der Menschen um ihr selbst weh zu thun; wenn sie alle Kreiße der Vergnügung übersteigt / und alle Augenblick ihr in den Gedancken eine so hohe Glücks-Staffel fürbildet; die sie gar nicht / oder nur mit ihrer Einäscherung erreichen kan! Wie zwinget sie ihr Verlangen so viel höher / als ihre Augen tragen / und ihre Kräfften reichen. Ja wenn ein Herrschsüchtiger auch schon den ersten Tag auf dem Wagen der Sonne zu sitzen käme; würde er doch Morgen schon in dem allerhöchsten Kreiße die unbeweglichen Gestirne mit seinen Füssen zermalmen wollen. Deñ ehe man sich einer Herrschafft bemächtiget / scheinet eine kleine groß / nach ihrer Uberkommung aber auch die gröste klein zu seyn. Dannenher GOtt gar billich der menschlichen Unersättligkeit durch so viel ohnmächtige Schwächen die Flügel verschnitten und verhangen hat: daß ein Knecht einem Fürsten offt zum Meister werde; und eine Hand mit einem Funcken Feuer in einem Augenblicke verterben könne / was hundert tausend in hundert Jahren gebaut haben. Ihr blinden Sterblichen! Wenn wird euch die Zeit oder euer Nachdencken die Larve vom Gesichte ziehen? wenn werdet ihr sehen: daß in der Tugend / nicht in eusserlichem Gepränge unsere Glückseligkeit beruhe? daß wie viel leichter in einem kleinen Zirckel unser Augen-Maß den Mittel-Punct zu erkiesen wüste; also in niedrigem Stande ehe / als auf denen geschwancken Gipffeln hoher Würden die Ruhe des Gemüthes zu finden sey! Wenn werdet ihr das Wesen für den Schatten ergreiffen; und euer Gemüthe mit Kost / nicht mit Winde speisen? Ist es nicht Thorheit oder vielmehr Boßheit: daß der Mensch den Glantz der Tugend / welcher die Stralen der Sonnen vertunckelt / darum verächtlich hält; weil selbter eine Selbständigkeit zum Grunde hat; und sich mit der Bländung der Laster vergnüget; weil sie das Nichts der Eitelkeit zum Fusse haben. Die Weißheit hält für das höchste / wenn sie was ist; darmit aber kein Gepränge macht / sondern ihre Diamanten mit rauen Steinen / ihren köstlichen Kern mit geringen Schalen verhüllet. Was nichts ist / und nichts zu seyn scheinet / wird billich von Tugend und Boßheit verworffen. Aber in der Welt / weil selbte voll von eitel leeren Dingen ist / und eitel Einwohner hat / die nirgends weniger / als in derselben wohnen / hält man für nichts / was gleich scheinet / und wahrhafftig etwas ist; hingegen für das vollkommenste Wesen /was nicht ist / und nur einen Schein hat / als wenn es etwas wäre. Weil der Papegoy zu reden scheinet /hencken ihn Könige in güldenen Kefichten in ihre herrlichsten Zi er / und speisen ihn mit Zucker; wenn aber Epictet einen Redner abgeben wil / schleust man ihm die eussersten Pforten für der Nase zu. Der grosse Alexander fand zwar beym Diogenes die Glückseligkeit / und sein Faß warff den Schatten weit über die Egyptischen Spitz-Seulen; dieser grosse Weltbezwinger aber wuste keinen Glantz diesem armen Weisen beyzusetzen; sondern er entzog ihm vielmehr die Stralen der Sonnen / und beeinträchtigte die Vergnügung seiner Niedrigkeit. Wenn Marbod in seinem ersten Stande blieben wäre / oder mit mir in dieser Höle gleich seine Vergnügung sehe; würde er doch lieber nach der Lufft eiteler Ehre schnappen / und inwendig gerne ein grausames Ungeheuer vieler Laster werden: daß er nur in den Augen der Eitelen ein Wunderwerck der Glücks-Kinder seyn möge. Es ist zu erbarmen:[1096] daß Menschen sich vernünfftige Thiere zu seyn rühmen; da sie doch selten der Richtschnur der Vernunfft folgen; sondern ins gemein den Absätzen ihrer rasenden Begierde nachhängen; Unter welchen die Ehrsucht die grausamste ist. Alle andere Laster haben ihren Stillestand; die Schwelgerey wird ersättigt / die Wollust überdrüßig / die Grausamkeit ermüdet / der Zorn abgekühlet; die Ehrsucht aber ist das Feuer /welches von seiner Nahrung wol vergrössert / keinmahl aber satt wird. Da doch eine weite Herrschafft die beschwerlichste Dienstbarkeit ist; und die / welche über viel tausend gebieten / nicht Herren über sich selbst sind; in welchem letztern doch die eigentliche Herrschafft bestehet. Der Wollüstige ist ein Sclave eines Antlitzes / der geitzige eines gläntzenden Erd-Klumpens / der Ehrsüchtige ein Knecht der Knechte; für welchen sich dieselben demüthigen /welche über Herren gebieten wollen. Das gröste Königreich aber ist die Freyheit seines Hertzens; welches an nichts / als an seinem Uhrsprunge dem Hi el hengt; welches keinen Menschen beleidiget / Gott nicht erzürnet; welches alle andere Stände ihm für unanständig hält; darein ihn das Verhängnüß nicht gesetzt hat / und den Begierden alsbald einen Riegel fürscheubt; wenn sich ihnen irgendswo ein Abweg zeiget; auf welchem die Lüsternen Hals und Kopff brechen; ob er schon im Eingange mit Lilgen und Jasminen bestreuet ist; wie euch das Beyspiel eures Marbods den gestrigen Tag fürgebildet hat; oder / welches mir glaublicher / der künfftige durch einen viel merckwürdigern Fall aller Welt für Augen stellen wird. Sintemahl die durch Laster an sich gezogene Gewalt eben so wenig / als der Schnee an der Sonnen / und das Wachs im Feuer tauern kan. Marbod färbte und entfärbte sich unterschiedene mahl über der nachdrücklichen Gewissensrührung dieses frommen Alten; er sahe bald den Tannenberg / bald den Lichtenstein an /sie gleichsam fragende: ob sie auch in ihrem Gemüthe die Stiche fühleten / welche so empfindlich sein Hertz träffen. Worüber der Einsiedler alsbald eine Muthmassung faste: daß diß König Marbod wol selbst seyn dörffte. Sintemahl eben so wenig eine Larve einen Fürsten / als eine Wolcke die Sonne völlig bergen kan. Lichtenstein aber / um entweder seinen Fürsten so viel möglich zu rechtfertigen / oder dem Alten mehr Anlaß zu fernerm Unterricht zu geben / sätzte ihm entgegen: Es gebe so wenig Menschen ohne Fehler / als Tiger ohne Flecken. Jeder Grundzeug der Natur wäre ein Behältnüß wilder Thiere / und ein Auffenthalt menschlicher Gebrechen. Die Hoffart hätte ihr Leben gleichsam in der Lufft / der Zorn im Feuer / der Geitz in der Erde / die Selbst-Liebe im Wasser; Die Ehrsucht aber schlüge ihr Gezelt schier unter den Sternen auf / und hätte an sich etwas hi lisches / und darum so viel weniger Rauch und scheltbares. Alle Arten der Thiere hätten unter sich gifftige /und fürnehmlich die Kriechenden. Keinem Vogel alleine klebte einig Gifft an. Daher hielt er die / welche sich von dem Miste des Pöfels erhieben / und über andere durch grosse Thaten empor schwingen / für die reineste Sünde / wormit sich Menschen befleckten. Ihm wäre zwar etlicher Weisen Meinung nicht unbekandt: daß man aus blosser Liebe der Tugend / nicht aus Begierde der Ehren gutes thun solte; und daß die letztere sonst die Tugend in Eitelkeit verwandelte; ja daß die Tugend sodeñ ihr höchstes Ziel erreichte; wenn sie nicht nur alles Ruhms entblöst / sondern gar mit Schmach / Schande und Verachtung verstellet würde. Er wüste wol: daß einige den Pithias beschuldigten / seine Freundschafft gegen den Damon hätte nicht die Liebe / sondern Eitelkeit zum Grunde gehabt. Scipio hätte sich der schönen Gefangenen nicht aus Liebe / sondern aus Staatssucht; Curius der Eitelkeiten aus Eitelkeit enthalten. Alleine heist das nicht Helffenbeinerne Bilder mit Kohlen überfirnsen / und die Sonne mit Gewölcke schöner [1097] machen wollen; und der Tugend ihre Anmuth nehmen / wormit sie so viel weniger Buhler beko e. Sintemahl die Menschen durchgehends so kalt gearthet wären: daß der Zunder der Ehre ihre todten Geister aufwecken müsse. Daher nichts gewissers / als daß der / welcher Ruhm und Ehre verachtet / der Tugend schwerlich hold seyn könne. Massen denn den Menschen die Ehre fast allein von andern Thieren absonderte / und zu GOtt näherte. Ja sie wäre ein viel edler Kleinod als das Leben. Denn diß möchte man wol für jene / niemahls aber jene für dieses einbüssen. Zumahl die Ehre das von der Natur in so enge Schrancken der Zeit eingesperrte Leben sodenn / wenn es rühmlich eingebüßt wäre / verewigte; und das Verlangen beym Leben hochgesehen / nach dem Tode bey der Nachwelt berühmt seyn / einen sichern Beweiß abgäbe: daß die Seele unsterblich sey. Denn wenn sie mit dem Leibe zu seyn aufhörte / was hätte sie für Genüß vom Nachruhme? diesemnach liesse sich keine Ubermaße leichter entschuldigen / als wenn das Verlangen nach einem so herrlichen Dinge über die Schnure rennte. Der Leib wüchse nur fünff und zwantzig Jahr / das Hertz aber funffzig / und das Gemüthe wie der Krocodil so lange man lebte; zu einer nicht unklaren Andeutung: daß die Ergetzligkeiten des Leibes ein zeitliches; tapffere Entschlüssungen ein langsames / das Verlangen über andere zu herrschen gar kein Maß noch Ziel haben solle. Der zerbrechliche Mensch würde wilden Thieren in vielem nachgeben / besonders den Raben; derer Jugend allein hundert Jahr austrüge / und den Adlern / welche biß über die Wolcken flügen / wenn er nicht durch Helden-Thaten sich bey den Nachkommen verewigen / und mit der Herrschafft über die heben könte / welche in der Verachtung bey den Lebenden / und in der Vergessenheit der noch ungebohrnen vergraben liegen. Britton hätte zwar wie ein kleiner Stern für der aufgehenden Sonne des Fürsten Marbods erbleichen müssen; aber dieses Gesetze wäre nicht nur in dem Reiche der Staats-Klugheit /sondern auch der Natur Herkommens; worinnen eines Dinges Geburt des andern Vernichtigung nach sich züge. Das geringe Gewürme des Pöfels krieche nur in dem Staube / die ohnmächtigen Schnecken trügen sich nur mit ihren engen Hütten; Grosse Gemüther aber zügen mit den Habichten und den Löwen auf den Raub aus. Und wie es dem Volcke wol anstünde das Seinige verwahren; also Fürsten um fremde Güter kämpffen. Mühte sich doch die Fettigkeit der stinckenden Moräste in empor steigende Dünste / und diese sich in Lufft-Sternen zu verwandeln. Und ob sie zwar endlich wieder verloderten, wäre doch ihre Asche nicht unedler / als der Uhrsprung. So viel weniger wäre dem von edlem Geschlechte entsprungenen Marbod zu verargen: daß er nach der Eigenschafft der besten Sterblichen ihm die höchste Pforte der Ehren /seinen Nachkommen der Würde / andern Edlen der Nachfolge geöffnet hätte. Weil so viel Riesen-Väter Zwerge; grosse Könige unedle Knechte zeugten / und ihr Geschlechte in Abfall brächten; müsten andere hingegen in Aufnehmen kommen. Wie einerley Ding unterschiedene Farben zu haben schiene / nach dem man es gerade oder seitenwerts ansehe; also wäre nichts seltzames: daß ein Mensch von einem erhoben / vom andern gescholten würde. Die alten Helden deuchteten uns Wunderwerke / die gegenwärtigen nichts zu seyn. Wie verkleinerlich man itzt vom Marbod redete; so groß würde die Nachwelt von ihm sprechen. Dahero wenn schon ihn der Neid oder das Unglücke unter seiner Last erdrückte / könte doch seine Einäscherung ihn zu nichts geringerm / als er gewest wäre / machen; die Welt würde sodenn auf ihn / wie auf die verfinsterte Sonne / mehr Augen wenden / als da er in vollem Lichte gestanden. Denen itzt sein Schweiß stinckte / würde seine [1098] Leiche köstlicher / als Ambra rüchen; Und wenn seine Asche schon nicht in güldene Todten-Töpffe solte verwahret werden; würde sie die Nachwelt doch in ihre unversehrliche Hertzen aufheben.

Der Einsiedler hörte den Ritter Lichtenstein wol aus; fieng hierauf an: Es ist wahr: daß man deßhalben lebe / wormit man nimmermehr sterbe. Ich gebe nach: daß die nach dem Tode nicht leben können; die / ehe sie gestorben / wie Todte gelebt haben. Aber wie es ein grosser Unterscheid ist zwischen einem unsterblichen Nachruhme / und einer ewigen Schande; also wird Marbod durch seine Ehrsucht zwar in diese verfallen / jene aber mit keinem Finger erreichen. Ein tugendhafft Leben balsamt allhier unsern Athem / nach dem Tode die Asche ein; wormit jener uns täglich erquicke; diese aber unverweßlich sey / so gar auch den Verläumdern nicht stincken möge; wie die / welche sich lebend im Blute gebadet / mit Winde gespeiset /im Kothe der Laster geweltzet / und weil sie die Pest der Lebenden gewesen / nichts als ein Aaß unter den Todten seyn können. Marbod / Marbod / lasse dir diesen Zufall eine Warnigung seyn / und überrede dich selbst nicht: daß deine Macht so vielen Feinden gewachsen sey; und daß menschlicher Witz die Streiche des Verhängnüßes versetzen könne. Sey nur versichert: daß kein Orion so groß und mächtig sey / welchen nicht ein kleiner Scorpion entseelen könne. Wärestu in deiner Mittelmäßigkeit blieben / würdestu so wenig / als Anteus / so lange er mit seinen Füssen die Erde erreichte / überwunden worden seyn. So aber hat die Eitelkeit der Erhöhung beyden einen tödtlichen Streich versetzt. Trachtestu dich zu verewigen; so wisse: daß alle nach der Erde rüchende Thaten mit ins Grab verscharrt; die aber alleine verewiget werden; welche der Tugend verwand / und dem Brunnen der Ewigkeit angenehm sind. Ubermäßige Ruhmsucht ist eine grössere Schwachheit / als jenes Menschen / der sich über der Kürtze seines Schattens betrübte / über der Länge aber erfreute. Darzu weistu nicht: daß dieser Schatten die Verfolgenden fleucht / denen fliehenden aber nachfolgt. Bilde dir nicht ein: daß die Ehre allezeit der Tugend Schatten sey. Es giebt offt Schattenwerck ohne Leib / und Ruhmsprüche ohne Verdienste; welche keinem Dinge ähnlicher sind / als denen auf leere Gräber geetzten Grabe-Schrifften. Das Glücke setzet mehrmals die Unwürdigsten auf die höchste Staffel der Ehren und Gewalt / wie die verschmitzten Baumeister die unvollkommensten Bilder in die obersten Gadem / und ausser dem genauern Urtheil naher Augen. Warlich / es ist dein grosser Schade: daß die Welt so viel von dir weiß. Denn hierdurch hastu dein eigen Erkäntnüß vergessen. Wärestu nicht so mächtig worden / so hätte dich niemahls eine solche Ohnmacht deines Gemüthes entkräfftet; und du wärest der lobwürdigste Herr in der Welt blieben /wenn du über dich die Gewalt behalten hättest niemanden unrecht zu thun. Als dieser Ehrwürdige Alte solches mit unverwendeten Augen gegen den König Marbod ausredete; kam dieser in die Gedancken: es müsse eine in ihm steckende Göttliche Würckung ihm / wer er wäre / offenbaret haben; fiel diesemnach dem Einsiedler mit thränenden Augen um den Hals; und nach dem er ihn eine gute Weile geküsset: sagte er: Es ist wahr / Vater / ich bin Marbod / der durch die Kriegs-Flamme so viel Länder angesteckt hat / dem so viel Völcker tausenderley Freuden-Feuer angezündet / kein Mensch aber noch ein solch Licht aufgesteckt hat; als ich durch deine Güte in dieser tunckeln Höle in meinem Gemüthe aufgehen sehe. O erbärmlicher Zustand der Fürsten! welche zwar durch ihre Botmäßigkeit über ihre Unterthanen herrschen; ihre Diener aber durch Heucheley über sich müssen wüten lassen! Derer blinde Eigen-Liebe das tödtliche Gifft unverdienter Lobsprüche [1099] für Treue und Zuneigung annimmt; da es den Fürsten doch nur in seinen Lastern einschläfet / und auf Vergrösserung der Heuchler angezielet ist. Diese öffnen die Ohren ihres Fürsten gegen die Sirenen-Lieder der reitzenden Wollüste / verstopffen sie aber gegen dem Schalle der heilsamen Warheit. Sie find die Spinnen / welche mit ihrem Kothe die Tugend besudeln / mit ihrem Gewebe den Abgrund des Verterbens überspinnen / mit ihrem Giffte die Seele des Königs und den Wolstand der Völcker tödten. Wie viel heilsamer ist es den Fürsten gehast / als geliebkoset zu seyn. Denn der Haß ist ein aufrichtiger Spiegel / welcher uns unsere Flecken deutlich für Augen stellt / und sie abzuwischen uns erinnert. Die Heucheley aber verdeckt sie nicht nur /sondern überfirnset sie auch mit dem Kleister grosser Helden-Tugenden; für welche ich Verleiteter auch vielmahl die grausamsten Tugenden angesehen habe. Aber / weiser Vater / würdige den nun auch einer heilsamen Artzney / dessen Gemüths-Wunden du ihm auffs Lebendige gerühret / und dessen Seuchen du ihm entdeckt hast. Dem Einsiedler gefiel dieses Erkäntnüß so wol: daß er Mitleiden mit Marbods Verbrechen hatte / und ihm antwortete: Er wäre bereit auf dem rechten Wege sein Hülffs-Mittel zu finden. Aber Marbod versetzte: Er würde selbtes dennoch verfehlen / wenn er ihn nicht mit der Hand darzu leitete. Denn wie die Natur in den Augen einen nicht geringen Fehler begangen hätte: daß sie alles andere / sich alleine selbst nicht sehen könten; also wisse der stets irrende Mensch ihm auch selten selbst zu rechte zu helffen; und wie er über andere Fehler Luchs-Augen hätte /also wäre er in seinen eigenen blinder / als ein Maulwurff. Daß er derogestalt die Heßligkeit seiner viehischen Verstellung / der Zornige nicht seine verdrehte Augen / der Wollüstige nicht seine thörichte Gebehrdung; weniger aber sein Heil erkennen kan. Der Einsiedler fieng an: Ich spüre diese Blindheit mehr denn zu viel an dir. Denn du hast das Kraut zu deiner Genesung in Händen / und siehest es gleichwol nicht. Wolte GOtt! antwortete Marbod; es wäre nicht allein so nahe bey mir / sondern auch nicht unsichtbar. Sich selbst kennen / fieng der treuhertzige Einsiedel an; ist die Artzney wieder alle Gemüths-Schwachheiten; und so allgemein: daß sie Königen und Kohlbrennern anschlägt / die Wurtzel aller Vergnügung / und der Pfeiler unser Glückseligkeit ist: Denn / was hilfft es alle andere Dinge kennen; wenn man ihm selbst unbekandt ist? wiewol auch der schwerlich was anders kennen kan; der sich selbst nie betrachtet / oder seiner vergessen hat. Alle andere Thiere kennen sich; und ihr eingebohrner Trieb leitet sie zu allem / was ihre Erhaltung erfordert. Der schädliche Scorpion fleucht das Scorpionen-Kraut / die Schlange den Schatten der Eschbäume / als ihr tödtliches Gifft. Die verwundete Gemse kennet ihr Wund-Kraut; und der Hirsch weiß ein Mittel: daß ihm die Natter nicht schade; welche er mit seinem Athem aus den Steinritzen gezogen hat. Der elende Mensch allein kennet weder sich / noch sein Gutes; sondern erquicket sich am Giffte / rennet in sein eigen Verterben / verwundet sich mit seinem eigenen Messer; weil er den Funcken der Göttligkeit /nehmlich die Vernunfft nicht zu Rathe nimmt / und das edle Kleinod des freyen Willens so schändlich mißbraucht; und sich dardurch derogestalt verstellet: daß Socrates / welchen doch die Göttliche Wahrsagung für den weisesten Menschen erklärt hatte / an ihm selbst nicht ohne Ursache zweiffelt: ob er ein rechter Mensch oder ander Thier sey; und daß der so weise Lehrmeister des Achilles Chiron sich nur für einen Halb-Menschen gelten läst; sein niedriges Theil aber zum Pferde macht; ja die Weisen gar artlich die viehischen Neigungen des Menschen dardurch fürgebildet haben: daß Prometheus bey Bildung [1100] des ersten Menschen die Leber vom Wolffe / das Hertze vom Tiger / die Nieren vom Schweine / die Nase vom Nasen-Horn-Thiere / die Zunge von der Schlange / die Zähne vom Hunde / die Augen vom Basilisken / das Gesichte vom Affen / die Hände vom Geyer / den Magen vom Strauße geborget habe. Bey welcher Bewandnüß Pythagoras wol Ursache gehabt hat seinen Nachfolgern alle Abend die Prüfung ihrer Gestalt /und die Untersuchung des verübten Bösen / oder des unterlassenen Guten so nachdrücklich einzuhalten. Sintemahl seine Fehler erkennen schon eine halbe Vollkommenheit ist. Denn wie nur die / welche erwacht sind / ihre Träume erzehlen können; also vermag auch niemand seine Gebrechen wahrnehmen / als der ihnen gram wird / und sich schon der Tugend befleißigt. Deßhalben band Plato in seinen Gesetzen nach anbefohlner Verehrung Gottes / die Ehrerbietung gegen seine eigene Seele so sehr ein / und daß ein ieder sie für seine Zeugin alles seines Thuns; ja gegen seinen eigenen Leib verschämt seyn solte. Denn hierdurch stellet man sich für den Richter-Stul des Gewissens / welches niemahls ohne Erleuchtung seines Verstandes / und ohne Besserung seines Willens abgehet. Diese Prüfung unsers Lebens ist die Mäß-Rute / welche uns benachrichtiget / wie viel Schritte wir uns der Tugend genähert haben / und wie ferne wir noch von dem Angel-Sterne der Glückseligkeit entfernet sind; welche in der Ruhe des Gemüthes bestehet. Sintemahl einen Lasterhafften seine Begierden nie ruhen / seine Sorgen nie schlafen lassen. Der Verdruß überfället ihn in der Einsamkeit / in Gemeinschafften ist er mit niemanden weniger zu frieden / als mit ihm selbst; er erzittert für einem rauschenden Blate / und seine ihm einkommende Boßheiten machen ihm alle Wolcken von Blitze trächtig; ja wenn alle andere ihn für unschuldig erkennen / verdammet ihn sein eigen Hertze. Denn sein Gewissen weiß mehr / als kein Zeuge / und hat mehr gesehen / als seine ihn Tag und Nacht bewachende Trabanten. Hingegẽ ist der / welcher sich kennen lernt / nicht nur selbst / sondern auch alle andere mit ihm zu frieden. Denn weil er sieht: daß er nicht besser / als andere sey / thut er andern auch nichts anders / als ihm selbst. Er bemüht sich deßhalben zweymahl so viel gutes zu stifften; weil er unstraffbar könte böses thun; ja weil wilde Thiere aus Furcht das verbotene unterlassen / schätzte er sich unwürdig ein Mensch zu seyn / wenn er sich dessen aus einem andern Triebe enthielte / als weil er vernünfftig ist. Dergestalt ist ein sich selbst kennender Mensch ihm allezeit gleich; wie unterschieden gleich seine Verrichtungen sind. Daher ihm Alcibiades niemahls unähnlich wird / ob gleich seine Klugheit ihn zu Athen ansehnlich / zu Thebe arbeitsam / zu Sparta sparsam / in Persen einen Jäger seyn heißt. Und Cato verändert in dem veränderten Rom niemahls sein Antlitz / weniger sein Gemüthe; wenn schon andere nicht nur / wie die Feldhüner in Paphlagonien / zwey Hertzen haben /sondern einem ieden ihnen beliebenden Dinge eines zueignen. Da ihr Erkäntnüß ihnen doch sagen würde: daß ihr einiges nur dem einigen Gotte zu wiedmen sey. Weßwegen die weisen Griechen diese Artzney der Selbst-Erkäntnüß billich mit Gold über die Pfosten des Delphischen Tempels geschrieben / ich aber zu meiner steten Erinnerung in diesen Felß über den Eingang der Höle gegraben habe / wormit es so wol ich / als ieder Kluger ihm in sein Hertz prege. Sintemahl diß der Delphische Apollo für den Kern menschlicher Klugheit erkennet hat. Lieber Marbod /weil du dich nun selbst nicht kennest; magstu dich wol unterstehen / denen Göttlichen Gliedern den Augen; welche nicht ohne Wunderwercke alle Dinge der Seele abbilden / oder sie gleichsam erschaffen /hierdurch aber selbst der Natur der Handlangerin Göttlicher Allmacht Mängel auszustellen? [1101] Allerdinges sind wol die eusserlichen Sinnen und Glieder die Abbildungen der Seele / und Ausleger ihrer Eigenschafften: daß aber die Augen sich selbst nicht sehen /ist eine kluge Behutsamkeit der Natur / welche dardurch den Menschen anweisen wollen: daß er durch stetes Ansehen seiner selbst sich ihm nicht selbst zum Abgotte mache; und wegen so geschäfftiger Eigen-Liebe nichts fremdem seine Augen gönne. Ich mag von allen Gliedern des Menschen dir nicht die Richtschnuren deiner Selbst-Erkäntnüß zeugen; sondern weil du ein Haupt so vieler Völcker bist / und diese Larve wol nicht ehe / als mit Verwechselung des Sterbekittels abzulegen denckest; dich allein an die Betrachtung deines Hauptes weisen; welches allerdinges ein Auszug der Welt / ein Ebenbild der himmlischen Stern-Kreiße / ein Schloß der Seelen / und das Zeug-Hauß ihrer Bewegungen ist; zur Anleitung: daß im Fürsten das gantze Volck gleichsam begrieffen; seine Verrichtungen der himmlischen Reinligkeit zugethan; ein Herrscher der Schutz seiner Unterthanen / und die Stärcke seines Reiches seyn solle. Ein Fürst ist so wol / als das Haupt über alle Glieder empor gesetzt / seines Ansehens und Amptes wegen; welches letztere ihm die sorgfältige Aufsicht über die Niedrigen; das erstere aber: daß er ihm niemanden zu Kopffe wachsen lasse / keinen Diener so groß / als er selbst ist /mache / einbindet. Weßwegen ein Reich mit zweyen Fürsten für eine so grosse Mißgeburt zu halten / als ein Leib mit zweyen Köpffen. Sintemal die einzele Zahl zum Herrschen / die Vielheit aber nur zum gehorsamen geschickt ist; ja die Bewegung des Himmels selbst aus einem Uhrsprunge fleust. Im Haupte haben alle fünff Sinnen ihre Wohnstatt; der übrige Leib / dessen Adern doch noch niemand gezehlet /dessen Gebeine mit den Tagen des Jahres einerley Zahl halten / ist allein mit dem irrdischen Fühlen begabet. Nach dessen Beyspiele ein Fürst so vielmahl seines gantzen Volckes Gaben übertreffen soll. Fürnemlich aber hat der Verstand allein im Haupte den Sitz; weil ein Fürst mit seiner Klugheit den Gebrechen eines gantzen Landes / und den Irrthümern vieler Völcker abzuhelffen gewachsen seyn soll. Das Gedächtnüß ruhet im Hintertheile des Hauptes / wie der Verstand in dem vördersten; weil dieser auf das gegenwärtige und künfftige Auffsicht haben / jenes aber auf das vergangene zurück sehen / und aus dem Menschen gleichsam einen zweyfachen Janus machen muß. Ein Fürst muß nichts minder seiner Vorfahren Thun und Zufälle; und du Marbod insonderheit Brittons Fehler im Gesichte behalten / und aus selbten die zukünfftigen urtheilen. Denn das Leben der Menschen ist ein blosses Schauspiel; in welchem zwar die Personen verändert werden; das Spiel aber einerley ist /und von vornen wieder seinen alten Anfang nimmt. Das Haupt kan nicht ohne Augen; ein Fürst nicht ohne Räthe seyn; weil es nicht rathsam ist: daß er die schwere Kugel der Herrschafft allein auf seine Hörner nehme. Denn ihm allein alles zutrauen ist mehr eine Vermessenheit / als klug gethan. Deßhalben verdienten die obern Staats-Diener bey den Persen schon den Nahmen der Augen; nach dem kluger Rath nichts anders / als ein auf künfftige Begebenheiten gerichtetes Auge ist. Das Hertz und die Augen sind an einander so genau verknüpffet: daß diese sich seiner Freude und Leid alsofort theilhafftig machen. Ein Fürst muß nichts minder seiner Diener empfindlichen Zuneigung versichert seyn; und keine andere erkiesen; als welche wie die Augen keinen Sonnenstaub des Eigen-Nutzes in sich vertragen; welche durch die geringste Betastung nicht ihres Fürsten Heimligkeiten erforschen lassen; und ob sie zwar gleichsam durch einen Tamm unterschieden sind / dennoch mit einander übereinsti en / einerley Augenwerck nehmlich die Ehre ihres Fürsten und den Wolstand [1102] des Volckes für sich haben. Ja der Fürst selbst muß so wenig / als die Augen in seiner Wachsamkeit müde werden / die hefftigen Gemüths-Regungen ihm keinen Nebel / die Arglist keinen blauen Dunst für die Augen machen lassen / noch einerley Ding mit dem einen Auge schwartz /mit dem andern weiß anschauen; wo eben die Augen nicht hernach diß beweinen sollen / was sie vorher verkehrt an- oder gar übersehen haben. Weil aber die Warheit vorwerts einem begegnet / der Betrug aber uns auf der Seite beykommen wil / hat die Natur am Haupte das Gesichte vor die Ohren seitwerts zu Wächtern bestellt. Ein Fürst muß nichts minder auf beyden Seiten wachsam seyn; und wie die Ohren /welche nicht wie die Augen mit Augenliedern / noch wie die ungezähmte Zunge mit zweyerley Zäunen verschlossen werden können / sondern Tag und Nacht offen stehen / iederman und allezeit hören. Denn der ist nicht werth / daß er König ist / dem das Hören verdrüßlich fällt. Wenn der gantze Leib schläfft / halten die Ohren Schildwache / um selbten für der sich nähernden Gefahr zu warnigen. Ein Fürst aber soll deßhalben wachen: daß die Unterthanen sicher ruhen können. Alle Thiere heben und sencken ihre Ohren /des Menschen alleine sind unbeweglich und stets in einem Stande. Ein Fürst soll iederzeit solche Aufacht haben: daß selbter niemahls was beyzusetzen sey /noch er bey andräuender Gefahr die Ohren spitzen dörffe / und seine Feinde ihm niemahls unvermuthet auf den Hals kommen / wenn sie gleich geschwinder /als der Blitz loß schlagen. Wiewol die Ohren nicht wie die Augen die Sachen suchen / sondern von den Sachen gesucht werden / stehen sie doch / wie der Mund mit zwey Mauern verschlossen ist / mit zweyfachen Pforten offen / um die Dinge desto besser in sich zu fassen / weil diß / was man siehet / bestehet; was man aber höret / alsbald verschwindet. Ein Fürst muß keine Ohrenbläser halten / noch nach Vergällung der Unschuld trachten; aber für nichts / was auch nur das leichte Geschrey seinem Reiche gefährliches andeutet / die Ohren verstopffen; ja in allem zum minsten zweymal so viel hören als reden. Weil aber unser Gehöre niemand anderm in die Augen und empfindlich fällt; muß ein Fürst sich mehrmahls anstellen; als wenn er nicht hörte / und wegen geringer Beleidigung sein Reich nicht in Krieg verwickeln / noch allenthalben mit der Stirne / daran die Natur ihm nicht ohne Ursache / wie etlichen grimmigen Thieren kein Horn wachsen lassen / durchfahren. Insonderheit aber muß er nach Art der den Zauberer hörenden Schlange /gegen die Heuchler bey Vernehmung unzeitigen Lobes das eine Ohr mit Erde in Erwegung seiner irrdischen Unvollkommenheit / bey wollüstigen Anreitzungen aber das andere mit dem Schwantze durch Behertzigung des heßlichen Endes zustopffen; und wissen: daß die Wollust zwar ein Englisches Antlitz /aber einen Drachen-Schwantz habe; und ihr Anfang ein Himmel / ihr Ausgang eine Hölle sey. Die Natur hat dem Menschen zwey Ohren / und zwar in Gestalt eines Irrgartens oder Schnecken-Hauses mit gekrümmten Eingängen gemacht; wormit diß / was er höret / an unterschiedenen Orten anschlage / und derogestalt wie das Ertzt aus dem Klange / also die Erzehlungen aus dem Schalle erkennet werden; insonderheit aber ein Fürst / als das lebendige Gesetze / gegründete Anklagen von Verleumdungen / redliche Gemüths-Ausschüttung von betrüglichen Schein-Worten unterscheiden / und wenn die Falschheit das eine Ohr besessen / er das andere der meist zuletzt kommenden / und das Nachsehen habenden Warheit / als eine unversehrliche Jungfrau / vorbehalten möge. Diesemnach denn ein Fürst auch eine dinnschälichtere Nase /als ein scharffrüchender Geyer haben / und nicht nur alles in seinem Reiche / sondern biß in die Staats-Cammern seiner Nachbarn rüchen; [1103] keines Weges aber nach Art des Geyers sich mit den Aessern der stinckenden Laster erquicken / noch wie einige ungezähmte schwangere Weiber für Zibeth Eckel / nach Bibergeil Begierde haben / oder nach blutigen Fleischbissen / sondern mit dem Fenix nach dem köstlichen Balsam der Tugend / welche alles Nabateische Rauchwerck übertrifft / als der süssesten Seelen-Speise lüstern seyn / und durchgehends Muschziegen von stinckenden Böcken; Amber-Bienen von Hirnsen / Syrische Balsam-Aepffel von Sodoms Aepffel-Bäumen / Jasmin von Napel / Rosen von Sammet-Blumen und Aloe von Teuffels-Koth / nemlich den tugendhafften Adel von dem albern Pöfel / tapffere Helden /welche mit dem Geruche ihrer ruhmwürdigen Thaten die Welt erfüllen / von ungeartheten Zärtlingen / derer Leiber nach Bisam rüchen / die Gemüther aber nach Unschlit stincken / treue Diener von Verräthern / Ehre von Schande / und Redligkeit von Boßheit unterscheiden muß. Denn dieses Urthel ist mit einem klugen Fürsten wie der Athem mit dem Leben / der Geruch mit dem Athem unzertrennlich vereinbaret; Ein leichtgläubiger aber / und der ihm Mäuse-Koth für Pfeffer verkauffen läst / liegt schon in der Ohnmacht seines Unterganges / und sein Reich stehet auf der Bahre des Verterbens. Ja sein gantzes Leben muß durch eitel Unschuld die Lufft einbalsamen; wormit sein Gewissen mit iedem Athemholen nicht allein diese anmuthige Erquickung an sich ziehe / und sein Ruhm sich über seine Reichsgräntzen ausbreite; sondern durch diese heilsame Krafft in seinem Reiche aller Gestanck des Unrechts und böser Sitten gedämpffet werde. Sintemahl doch / ihm selbst wol bewust seyn / die Speise des Gewissens / ein guter Nahme der beste Geruch der Gemüther ist / und ein Fürst durch Gesetze und Straffen nicht so sehr / als durch sein gutes Beyspiel seine Unterthanen vom Unflate der Untugenden saubern kan. Denn wie der allerweiseste Schöpffer des Menschen einerley Glied mit dem Geruche / und der Eigenschafft nicht nur das Haupt / sondern so gar die Glieder des andern Leibes von unnützen Feuchtigkeiten zu reinigen versehen; also hat er die Häupter der Erden angewiesen: daß sie nicht nur sich selbst / sondern auch ihr Volck / als ihre Glieder / des Rauches aller hefftigen Begierden / des Windes schnöder Eitelkeit / aller Feuchtigkeiten schläffriger Trägheit entschütten sollen. Ja wormit ein Fürst das denen leiblichen Augen unsichtbare Bild seiner Seele seinen Unterthanen zum Spiegel ihres Lebens fürstellen könne /hat die kluge Mutter dieses allen / durch den Mund eine Pforte geöffnet: daß das Gehöre darein schaue; einen Werckzeug ihm beygelegt / welcher die Seele aus ihrem verborgenen Behältnüß herfür bringe / und ihre weisen Vernunfft-Schlüsse offenbare. Denn der Mund ist ein Pinsel des Gemüthes / und eine Schreibefeder der Gedancken; Alle andere Thiere haben den Mund nur zum essen / der Mensch zum reden / ein König aber nur zur Weißheit. Ungeachtet die Speise gantz irrdisch / die Sprache gantz geistig ist / sind doch Essen und Reden in einem Gliede des Hauptes vereinbart; nicht weil Zunge und Mund allein um den Leib beschäfftigt seyn / sondern ihre meiste Bemühung im Dienste der Seele zubringen sollen / ein Mensch auch nichts zu reden hat / als was er gleichsam vorher gekäuet / wormit die Rede nicht zu Hilfen leerer Worte / sondern zum Kern heilsamer Lehren werde. Und nach dem die Zunge nichts minder das schädlichste als nützlichste Glied des Hauptes ist; hat wegen des letztern die Natur ihm eine gelencke Bewegligkeit verliehen / wegen des erstern aber sie so enge eingesperret. Diesemnach soll ieder Mensch allezeit nicht anders / als in einem letzten Willen / ein Fürst aber nur wie aus einem wahrsagenden Dreyfusse reden. Denn dieser ist eine zu alles Volckes Nachricht und Richtschnur empor gehobene [1104] Glocke; ie seltner selbte läutet / ie mehr erwecket sie Aufmerckung; wenn sie aber übel klingt / verräthet sie entweder die Geringschätzigkeit des Ertztes; oder daß sie zerbrochen sey. Weßwegen Kayser August mehr schrifft-als mündlich seine Meynungen entdecket. Schmincke und Verhüllung sind Kennzeichen eines ungestalten Antlitzes / übrige oder geschmierte Worte eines heßlichen Gemüthes; dessen Antlitz die Rede ist. Kürtze ist der Redner Meister-Stücke / eines Fürsten Eigenthum. GOtt redet gar nicht / ein kluger Fürst wenig / ein Thor zu viel; welcher doch keine geschicktere Larve der Weißheit hat / als das Schweigen. Auch aus ungefährlichen Worten eines Fürsten erzwingen die Zuhörer Geheimnüsse. Der Donner ist die Sprache Gottes; und sein Bild auf Erden. Ein Fürst soll nichts / als Zentner-Worte fürbringen; welche kein Verleumder verdrehen; kein Spötter übel auslegen / kein Boßhaffter verdrücken kan. Alles /was er in Geschäfften redet / sollen Befehle / in Rechts-Sachen Bescheide / in Verheissungen Verbindligkeiten / in Gesprächen Nachdenckligkeiten /im Schertze Räthsel / und alle Bejahungen so heilig /als würckliche Eyde seyn: Das kleine Glied der Zunge ist das Steuer-Ruder / wormit Fürsten das grosse Schiff der Reiche mit geringer Müh lencken und umwenden. Auf diesem beruhet die Ehre und Verkleinerung des Fürsten; das Heyl und Verterben / ja das Leben und der Tod der Unterthanen. Weßwegen der Mund des Menschen nicht mit vorragenden Wolffs-oder Elefanten-Zähnen ausgerüstet ist; wormit Dräu-und Ausübung der Rache entfernet sey. Ein Fürst aber soll gar nicht dräuen; sondern / wenn er auch beleidiget wird / ein Lachen darein geben; biß die Gelegenheit ihm nichts minder zu sicherer und gerechter Rache die Hand biete. Inzwischen aber / weil nicht nur das Haupt allenthalben an sich eine Fühle; sondern auch an Empfindligkeit des Leibes Theil hat; soll er geschwinder / als die Spinne so wol diß / was das Gewebe seines Reiches beunruhigen / als den Aug-Apffel seiner Hoheit verletzen will / ihm zu Gemüthe ziehen. Denn der ist kein Vater des Volckes / der seine Wunden nicht in seiner Seele empfindet; der aber kein großmüthiger Löwe / der von Hasen ihm läst die Haare ausrauffen. Dieses / Marbod / ist das wenigste / was ein Fürst zu seiner Selbst-Erkäntnüß nur aus Betrachtung der eusserlichen Sinnen zu lernen hat. Denn ein Mensch ist ihm selbst ein so grosses Buch / das er sein Lebtage nicht auslesen kan; Die innerlichen Kräfften der Seele aber so hoch; daß kein Weltweiser ihre völlige Wissenschafft erreicht hat. Uber diß glaube: daß mehr zu einem vollkommenen Menschen / als zu dem grösten Welt-Beherrscher gehöre. Dieses allein habe ich dich noch zu erinnern: daß ob zwar ein Fürst das Haupt des Volckes / er dennoch kaum ein Fußschemmel Gottes sey; und daß Könige sich zwar an die Richtschnur der Vernunfft halten / die Zeit ihnen nütze machen / die Gelegenheit mit beyden Händen erwischen / iedoch allezeit für dem Lichte der Göttlichen Versehung mit einer Ehrerbietigen Furcht die Augen zudrücken müssen. Denn diese ist in der Reichs-Uhr das Gewichte / unsere Vernunfft nur der Weiser; und wenn wir gleich alle Segel unserer Klugheit ausspannen / alle an denen Rudern unser Mühsamkeit schwitzen; kommen wir doch nirgendshin anders / als wo uns der Compaß der ewigen Versehung hinleitet; indem sie uns entweder sonder Zwang unsers freyen Willen ihr Absehen erkiesen läst; oder auch durch Sturm auf ihrem unerforschlichen Wege dahin verwirfft / wohin wir auch Traums-weise nie gedacht hatten. Gleichwol aber kan der nicht scheitern / noch eines Hafens fehlen; der auf diesem Meer der Welt GOtt zu seinem Angel-Sterne /sein Gewissen zur Magnet-Nadel hat.

Marbod hörte gleichsam als verzückt diesen [1105] nichts minder klugen / als heiligen Alten aus; und nach einem tieffen Seuffzer fieng er an: Warlich / Vater /diese Perlen sind in der Muschel dieser Höle nicht gewachsen! Denn wie mag die Einsamkeit eine Schule des Hofes / und ein Einsiedel ein Staats-Verständiger seyn? Dannenher wie wir zwar für diesen heilsamen Unterricht dir ungeltbaren Danck schuldig sind / werden selbte doch in unsern Hertzen so viel mehr Nachdruck haben; wenn die Wissenschafft ihres herrlichen Uhrsprungs ihren Werth noch vergrössern und Marbod erfahren wird / wer heute sein so grosser Lehrer gewesen sey. Der Alte blieb eine gute Weile voller Nachdencken stehen / endlich aber redete er den Marbod also an: Wenn das Reichthum meiner Einsamkeit so sichtbar / als der Menschen Begierde fremdes Gut zu besitzen gemein / oder auch meiner Vergnügung Abbruch zu thun iemanden möglich wäre; würde ich billich Bedencken tragen euch zu entdecken: daß ihr für euch einen König sehet / der für Jahren zwar über viel Völcker / nunmehr aber über sich selbst eine viel herrlichere Herrschafft führt; der nunmehr allererst ihm selbst lebt / nach dem er in aller Gedancken gestorben ist. Aber weil mein Glücke höher gestellet ist; als daß es der Neid mit seinem gifftigen Atheme solte können anhauchen / oder die Ehrsucht mit ihren Pfeilen erzielen; so wisse Marbod: daß du reden hörest den weyland unglücklichen / nunmehr aber seligen Ariovist. König Marbod fiel alsofort mit tieffster Ehrerbietung zu Bodem / umarmte Ariovisten mit diesen langsam heraus gestoffenen Worten: Darff ich mir wol das Glücke träumen lassen heute den grossen Ariovist zu sehen; und lässet sich mit Gedancken begreiffen: daß ein grosser Fürst für den Glantz so vieler Kronen das Finsternüß dieser Höle / für die fußfällige Bedienung hundert Völcker diese langsame Einsamkeit erkieset habe? Ariovist hob ihn auf / und hieß ihn von der seinem itzigen Zustande gar nicht anständigen Verehrung abstehen / an der Warheit seiner Erzehlung aber nicht zweiffeln; und an seinem entblösten Arme das angebohrne Kennzeichen der Alemannischen Fürsten / nemlich einen gesichelten Mohnden /wahrnehmen / wie Selevcus auf der Schulter einen Ancker / Kayser August den gestirnten Bär auf der Brust / seine Mutter Atia einen Drachen über dem Nabel gehabt haben solte. Das Abstürtzen von König-Stülen / sagte er / ist zwar gemeiner / als das freywillige herunter steigen; jenes aber rühret meist von Lastern / dieses von Tugend und Klugheit her. Jenes zeucht den Untergang / dieses eine Erhöhung der Seele und der Gemüths-Vergnügung nach sich. Es ist ja wol an Fürstlichen Höfen ein unbekandtes Wunderwerck / nicht herrschen wollen / wenn man kan; aber in der Schule des Weisen ein noch seltzamer die zur Herrschafft bestimmte Vernunfft denen wütenden Begierden unterwerffen; und sich selbst zum Knechte machen; wormit uns andere gehorsamen. Mein Vater Arbogast hatte mir eine ziemliche Anzahl Völcker zu Unterthanen hinterlassen: denn der Ehrgeitz hat nun auch der Menschen Dienstbarkeit erblich gemacht; aber das Glücke warff noch viel mehr Länder unter meine Botmäßigkeit; wormit es durch den Raub seines zugeworffenen Reichthums mit der Zeit einen desto grössern Raub gewinnen möchte. Cäsar hieb mir in das Rad meiner Siege den ersten Span ein; und ich lernte dazumahl allererst: daß das Glücke so wenig Bürgen über seine Beständigkeit / als Tapfferkeit in der Welt nicht ihres gleichen habe. Mit meinen Gemahlinnen und Töchtern verlohr ich mehr / als die Helffte meiner selbst. Denn ich wuste nicht: daß alles irrdische nur geborgtes Gut / die Ruhe des Gemüthes aber allein unser schätzbares Eigenthum wäre. Die Eintracht kehrte hierauf Deutschlande / alles Glücke aber schier mir den Rücken; zum Merckmahle: daß selbtes ein Weib wäre / [1106] welches nur mit jungen Leuten zuhielte / und die welche in der Jugend ihre Schoos-Kinder gewest / mit der Zeit müsten zu ihren Wechselbälgen werden. Das Verhängnüß flochte mich in den Bürgerlichen Krieg mit ein; um mein Gemüthe nicht allein mit allerhand Zufällen zu beunruhigen / sondern auch mehr meine Seele / als die Hände mit Blute des Vaterlandes zu besudeln. Mein Verlangen selbtes wieder mit Friede zu segnen / erschöpffte fast meinen Lebens-Athem; sonderlich / weil ich wol sahe: daß die Siegs-Fahne nicht allezeit auf der Seite der gerechten Sache wehete. Der frühzeitige Tod aber meines einigen Sohnes scharrete mich nahe mit ihm in den Sarch. Zum wenigsten war mit ihm alle Vergnügung erloschen; und wie etlichen Krancken auch so gar der Zucker bitter schmeckt; also däuchtete mich alle Ergetzligkeit Wermuth zu seyn. Es eckelte mir nichts minder für meinem eigenen Thun / als für derselben Anstalt / die es mit mir am besten meinten. Ich verwandelte meine Reichs-Sorgen in eine verdrüßliche Einsamkeit; also: daß die Ehrsüchtigen Diener durch Anmassung der Herrschafft mir zum Theil an das Hefft des Königs-Stabs grieffen; die treuesten meine Verfallung beseuffzeten; keiner aber mir meine Fehler fürhielt. Denn ob zwar der Fürsten Gebrechen nichts minder / als die Verfinsterung der grossen Gestirne sichtbarer sind / als der kleinern; so wird selbte doch nicht der verfinsterte / sondern nur fremde gewahr. Sintemahl nur anderer Augen der Werckzeug sind unsere Splitter zu fühlen / und das Schau-Glaß uns selbst kennen zu lernen. Aber dieses bekommen zwar gemeine Leute / selten aber Fürsten zum Gebrauch. Denn entweder die Heucheley / oder die Furcht wollen Königen nichts ins Ohr sagen / was sie nicht im Hertzen kützelt. Meine eigene Tochter Vocione erinnerte mich noch zuweilen an ein und anderm; also: daß ich bey solcher Beschaffenheit / da meine Schwachheit auch gegen einem Weibe und Kinde zu verstecken war / mich entschloß / ihr die Herrschafft abzutreten. Ich schlug mich mit diesen Gedancken etliche Zeit; Biß endlich auf meinem Schlosse Solicin am Necker um Mitternacht bey hellem Monden-Scheine ein vermeintes Gespenste für mein Bette trat / mich mit dem Arme zohe; und weil ich ohne diß allerdings munter war / auf meine Befragung: wer es wäre; antwortete: Ich bin dein guter Geist; und habe Mitleiden an deinem Unvergnügen. Du wirst aber in kurtzer Zeit nicht nur deine Ruhe /sondern deine wahre Glückseligkeit finden. Ich / fuhr Ariovist fort / sahe diesem Geiste mit unverwendetem Auge ins Gesichte; und hätte geschworen: Ich hätte mich selbst für mir stehen sehen; Gab ihm also / weil er sich und nach und nach entfernet / zur Antwort: Ich würde die Zeit mit unerschrockenem Hertzen abwarten. Denn ich machte meine Rechnung und Auslegung auf nichts anders / als den Tod / welcher auch die in Ruhe versetzt / die im Leben keine gehabt: und niemanden mehr beglückseliget / als die Unglücklichen. Auf den Morgen beredete mich meine Tochter Vocione einer von ihr angestellten Jagt beyzuwohnen. Denn sie unterließ keine Erfindung: daß ich mich meiner Schwermüthigkeit entschlagen möchte. Bey Verfolgung eines Hirschens kam ich zu einem Brunnen / bey welchem ein Stein-alter Greiß auf einem Felsen saß; mich aber bey meinem ersten Anblicke mit dem Nahmen nennte / und auffs freundlichste grüste. Wie ich nun / sagte Ariovist / nach seiner Beschaffenheit fragte; antwortete mir dieser Alte: Ich wundere mich nicht: daß ich dir itzt so unbekandt bin; nach dem die wenigsten Menschen sich selbst kennen. Ich bin aber einer von denen Samothischen Weisen / welche von deinem Uhran-Herr Thuiscon den Uhrsprung haben; und zwar derselbe / welchen dein Vater der tapffere Arbogast zu einem Lehrer deiner Kindheit erkieset hatte; und der kein [1107] grösser Glücke erleben könte; als wenn er dich nunmehr auch könte sterben lehren. Ich konte mich nicht enthalten / fuhr Ariovist ferner fort /diesen guten Alten auffs empfindlichste zu umarmen; als welcher ein weiser Leiter meiner Jugend gewest war / und nicht nur die Griechische Sprache / sondern alles diß / was ich iemals tugendhafftes begrieffen /ihm zu dancken hatte. Er hatte nicht nur unter den Celten den Grund seiner Weißheit gelegt; sondern auch bey denen Zamolxischen Priestern unter den Geten / und in Egypten selbte durch viel heilsame Lehren befestigt. Wiewol diese Samothische Weisen nun von allem Geitz und Ehrsucht entfernet sind /auch sich nur mit Haar bedecken / und von Baumfrüchten leben / haben sie doch die Alemannischen Könige iederzeit an ihren Hoff zu Aufferziehung ihrer Fürsten gezogen; wolwissende: daß gantze Völcker zwar von einem Fürsten können beherrscht; ein junger Fürst kaum von einem gantzen Volcke wol / von niemanden aber besser / als einem Weisen aufferzogen werden; welcher von rechtswegen nicht allein mehr wissen / sondern auch mehr gutes thun soll / als alle Gehorchenden. Ich kan mit Warheit sagen: daß ich diesem Lehrer mehr als Alexander seinem verbunden /iedoch in diesem mit ihm beschämt bin: daß keiner seiner Ehrsucht ein rechtes Maaß zu setzen gelernet hatte. Diesemnach ich denn unter meinen bethränten Umhalsungen diesen Weisen ersuchte mir seine vertröstete Unterrichtung zu der Zeit / da ich für meinen Irrthümern mehr / als in der unvorsichtigen Kindheit und in der verwegenen Jugend Sorge trüge / nicht zu entziehen; welcher denn nach einem tieffen Seuffzer mit vielen Thränen anfieng: Die Kunst recht zu leben ist zwar die gröste der Menschen / wol zu herrschen der Fürsten; selig zu sterben hat an sich etwas Göttliches; denn an dieser hänget unsere Ewigkeit. Weßwegen unser Leben von der blinden Kindheit den Anfang / und mit dem weisen Alter den Abschied nimmt; wormit man allhier keinen Tritt fehle / ja das Alter erwachet gleichsam alle Tage mit einer neuen Schwachheit; wormit selbtes so viel vorsichtiger dem besorglichen Falle zuvor komme. Zwar ist nicht ohne: daß die Herrschens-Kunst in einem klugen Kopfe / nicht in jungen Riesen den Sitz habe. Mehrmahls haben gantze Heere für zitternden Händen gezittert; und nachdem Zeit und Erfahrung das Hertze von unziemenden Begierden / das Haupt von Unwissenheit erlediget /der Verstand auch ins gemein zuni t / wenn die eusserlichen Sinnen ins Abnehmen kommen / siehet ein bejahrter Fürst offt mit einem Blicke weiter; als die scharffsichtigsten Jünglinge mit ihren eingebildeten Adlers-Augen. Ihre Ratschläge richten mehr aus als der hitzigen Jugend geschliffene Spiesse. Gleichwol aber ist ins gemein das Alter bey Fürsten eben so wol eine Kranckheit / als beym Pöfel. Der Stab / für welchem gantze Länder gebebt haben / verwandelt sich in eine Stütze ohnmächtiger Armen. So viel man in der Jugend schwitzet / so viel muß man im Alter husten; jenes aber gebieret Zuneigung des Volckes / dieses Abscheu; also: daß auch die Jugend mit ihren gefährlichen Annehmligkeiten wie eine Sirene die Gemüther an sich zeucht / das Alter aber mit seinen heilsamen Warnungen als ein Gespenste die verwegenen schichtern; und nach dem der bejahrten Eigenschafft ist alles zu verneinen / wie der Kinder iedes zu verjahen / die Begierigen unwillig macht. Die Kindheit des Menschen gleichet sich einem Qvelle / welcher zwischen dem unbefleckten Sande fast unempfindlich herfür rieselt / und bey seiner Einfalt auch seine Reinigkeit behält; Die Jugend wird schon eine rauschende Bach /welche über Stock und Stein abstürtzet / von Gemüths-Regungen schäumet / und mit dem Kothe der Wollust sich trübet; die männlichen Jahre gleichen einem vollkommenen Flusse / der zwar tieff / aber sittsam fortströmet / das Erdreich wässert / [1108] Schiffe träget / Städte befestigt / und hunderterley Nutzen schafft; Das traurige Alter aber ist ein gesaltzenes Meer / ein Abgrund der Gebrechen; wo alle Süßigkeit der Gebehrden sich in bittere Verdrüßligkeit / die nutzbare Hurtigkeit sich in keichende Schwachheiten verwandelt / das Schiff unsers Lebens leck wird / und allgemach in die Tieffe des Grabes zu sincken anfängt. Diesemnach wundere dich nicht / mein lieber Ariovist: daß du bey dem Alter ablegst / und das Volck dir itzt ein ander Gesichte macht / als für dreyßig Jahren. Kinder / die viel Mütter haben / nehmlich der unartige Pöfel / weiß auch unzeitigen Kindern die grauen Haare heraus zu treiben. Er wieget alle Entschlüssungen nach dem Ausschlage des Glückes ab; dieses aber ist eine Stieff-Mutter der verlebten / eine Buhlerin der Lebhafften. Gesetzt aber / Ariovist: daß ein Fürst bey seinem Alter alle Kräfften in- / alles Glücke neben sich erhielte. Wie man für den niedlichsten Speisen einen Eckel bekommt / also werden Unterthanen ihrer besten Fürsten überdrüßig. Je höher ein Berg / ie mehr bedeckt ihn Schnee; ie vollkommener ein Fürst / ie mehr klebet ihm Verleumdung an. Denn das Maul stincket dem lüsternen Volcke i er nach Neuigkeit; und die stärcksten Beine sind zu schwach in die Länge gute Tage zu vertragen. Man betet die mehrmahls Regen und Koth nach sich ziehende Morgenröthe an / und verschmähet die zu Golde gehende Sonne / ob selbte gleich Purpur und Perlen von sich schüttet / und einen erfreulichen Morgen ankündiget. Ja wenn Fürsten auch schon Vermögen und Ansehen behalten; haben sie doch endlich zu behertzigen: daß sie zwar ein grosses Theil ihres Lebens dem Vaterlande schuldig / aber alles ihnen selbst zu entziehen nicht berechtigt sind. Bey gemeinen Menschen soll die Liebe bey sich selbst anfangen /bey Fürsten aber sich endigen. Ich weiß wol: daß ihrer viel mit weniger Bestürtzung den Sterbe-Kittel an-als den Purpur ausziehen; aber sie verstehen nicht: daß in Königlicher Hoheit die wahre Vergnügung keines Weges stecke; weil die Unschuld darinnen nicht weniger seltsam ist / als neue Sternen im Himmel. Kronen bezeichnen nur prangende Knechte / und hoffärtige Elenden. Ja alle von der Einbildung nur begreifliche Wollust ist Wind und am Ende Schmertz; ihre erste Trachten sind zwar aus eingeambertem Zucker-Teige bereitet / aber inwendig stecket Gifft / und das letzte Gerichte schmecket nach Fäulnüß; wenn selbte was liebliches an sich kleben / ihre Ergetzligkeit aber nicht zum Grund-Steine die Ewigkeit hat. Denn tausend Jahre unsers Lebens / weñ sie vergangen / sind weniger als ein Schatten; und tausendmahl tausend Jahre lassen sich doch nur mit einer Ziffer und vielen Nullen schreiben / auch im Augenblick zertheilen; in welchen wir meist so viel Seuffzer eingezogen / als Athem geschöpfft haben. Und die von der Natur in unsere Lunge gesetzte Hauß-Uhr erinnert uns durch ihre alle Augenblicke schlagende Unruh: daß die Stunde unsers Abschieds sich nähere / und /ehe wir es uns einbilden / schlagen werde. Hiermit zerrinnet alles irrdische durch den Tod in nichts / welcher schon in unser Geburt mit uns anfängt zu ringen. Alsdenn lässet sich die Todten-Asche eines Weltbezwingers / der wie ein Blitz hundert Länder eingeäschert hat / von desselbten / der in dem engen Kreiße eines Fasses seine Begierden endigte / und völlige Vergnügung schöpffte / nicht unterscheiden. Die Fürsten und Bettler-Knochen sind nichts minder als ein Ey dem andern ähnlich. Der Ruhm von unserm Tode /uñ die Pracht unsers Begräbnüßes giebt der Sache auch nichts. Dieses blendet etlicher Augen jenes klinget eine Weile in Ohren / beydes aber verschwindet /ehe man es gedacht hätte; und der Tode selbst hat den geringsten Genüß darvon. Die Marmelnen Gräber /welche Könige ihnen setzen / machen nicht so wol ihre Thaten / als ihre Eitelkeit [1109] berühmt; und ob sie zwar die Nachwelt bißweilen zu ihren Abgöttern macht; so bleiben sie doch ins gemein länger ein Denckmahl köstlicher Steine / als derer / welche sie haben bereiten lassen. Nach dem aber die Beschaffenheit der Seele uns klar genung zeiget: daß nicht alles in uns vergänglich sey / uns gleichsam mit den Fingern auf ein Wesen weiset / welches ewig bleibet; wohin zu gelangen die Ablegung dessen / was an uns sterblich ist / eine Pforte abgiebt; so befiehlet uns die Vernunfft / wo nicht alle / doch wenigstens die letzte Zeit dahin anzuwenden: daß wir anders / als Vieh sterben; zumahl ohne Versicherung eines seligen Todes kein Leben vergnüget seyn kan; und weil der Mensch mehr nicht / als einmahl stirbt / also sich der hierbey begangene Fehler nicht mehr verbessern läst; muß hierum die eusserste Sorgfalt fürgekehrt werden; wormit unsere Unachtsamkeit nicht unser eingebildetes Leben mit einem wahrhafften Tode; unsere gegenwärtige Marter aber nicht vollends mit einer Hölle verwechsele. Daher müssen wir unsere Eigen-Liebe in eine Selbst-Erkäntnüß verwandeln / die gläntzenden Schalen aller irrdischen Güter / und mit ihnen die Begierde sie zu erlangen / als auch die Furcht sie zu verlieren / wegwerffen; wormit die sonst unaufhörlich zitternde Magnet-Nadel unsers Gemüthes unverhindert GOtt / den einigen Angel-Stern unserer Seele erkiese / und in der Welt zur Ruhe / nach dem Tode aber zum wahren Leben gelange. Warlich / Ariovist /dieses ist dir keine neue Lehre; ich habe sie dir mit der ersten Milch eingeflöst. Ich habe dir als ein ander Euclides eingehalten: daß ein Kind nur einen Punct /ein Knabe einen ziemlichen Strich / ein Jüngling die völlige Breite guter Künste und Wissenschafften begreiffen / ein Mann die Tieffe der Klugheit / ein Greiß aber den Mittel-Punct und den Zweck des gantzen Lebens-Kreißes / nemlich Gott und den Grundstein seiner Seelen-Ruhe ergründen solle. Aber ich weiß: daß die ewige Bewegligkeit der Staats-Sorgen / und das Getümmel des unruhigen Hofes deinem Leibe nicht einst die nöthige Ruh / noch in deinem dreyßig-jährigen Fürsten-Stande eine Viertelstunde dieser Weißheit nach zu dencken erlaubt haben. Diesemnach ist es Zeit: daß du dich der mehr von Eitelkeit / als dem Lebens-Geiste beregsamen Menschen / und also dieser Hindernüße entschüttest. Es ist Zeit: daß du alle irrdische Anschläge fahren läst; wo du nicht die willkührliche Gewalt des Glückes über dich verlängern /und den grausamsten Zufällen dich selbst zu einem Ziele fürstellen wilst. Verlasse diesemnach das vergängliche / ehe es dich selbst verläst; und kehre dem den Rücken / was dir im Leben noch viel Empfindligkeit verursachen / nach dem Tode nicht wenig von deinem Ruhme benehmen kan. Die Schönheit muß den Spiegel zerbrechen / ehe sie veraltert / ein Fürst den Zepter weglegen / ehe er ihm aus den Händen fällt. Mache dein Ende dir derogestalt nütze: daß es mehr einem Siege / als einer Verfallung ähnlich sey; und das grosse Auge der Welt / die Sonne / dir zu einem Vorbilde / welche ihren Untergang meist mit einer Wolcke verhüllet / um die Welt im Zweiffel zu lassen: ob die Sonne noch über- oder unter unserer Erden-Fläche sey. Es ist freylich wol kein geringes für das Heil der Völcker / und die Ruhe der Länder sorgen; aber ein Augenblick dieser Einsamkeit ist herrlicher und vergnüglicher. Alles ist friedsam in der Seele; alle sonst widerspenstige Gemüths Regungen gehorsamen der Vernunfft auf einen Winck. Müh und Verdrüßligkeit verschwinden; Neid und Ungemach tritt man mit den Füssen; wir unterbrechen das Spiel des Glückes; ja wir fesseln es selbst an / wie starck es sonst ist / und wie krumme Gänge es sonst zu gehen weiß. Die Unruh selbst findet hier ihre Ruh; die Nächte sind aller verdrüßlichen Finsternüß / das Leben der falschen Welt / [1110] und ungelegenen Uberlauffs entübrigt. Wir halten allhier täglich Siegs-Gepränge; man setzet der Tugend alle Augenblicke frische Ehren-Kräntze auff: Der Himmel und unser Gewissen ruffet unserer Unschuld tausend Lobsprüche zu; und wir verwandeln die Hefen des sonst beschwerlichen Alters in das vollkommenste Theil unsers Lebens / welches nunmehr weder Jahr noch Monat / weder Ende noch Anfang zu unterscheiden /für keinem Geräusche zu erschrecken / nach keiner Glocke sich zu richten / und so wenig als die Ewigkeit selbst einer Uhr von nöthen / die Gestirne zu seinem Zeitvertreib / die Welt zu seinem Garten / seine reine Gedancken zu seiner Speise hat. Mit einem Worte; Unsere Lebens-Art stehet reinen Seelen / wie das Wasser den Fischen / die Lufft dem Geflügel an /sie ist ein Muster des Lebens im Himmel; und ein Vorschmack seiner Süßigkeit.

Nach diesen Worten leitete er mich zum Eingange seiner Höle; da er die Lob-Sprüche seiner beliebten Einsamkeit mit folgenden Reymen in eine von dem grünen Moße gesauberte Stein-Klippe mühsam eingegraben hatte:


Der Seele süsse Ruh / der Kern der theuern Zeit /

Des Hertzens stumme Lust / der Unschuld treuster Freund /

Der Warheit Mitgeferth / und Eitelkeiten Feind /

Der List und Wollust nicht mit scheinbarn Körnern streut /

Die auf den Abend nie des Tages Thun bereut /

Die kein schlimm Beyspiel sieht / kein Unrecht nie beweint /

Der wenn es auswerts blitzt / die Sonn inwendig scheint /

Der Friede des Gemüths / diß ist die Einsamkeit.


Glaubt: daß die Unruh ihr der Welt ein Unding heißt;

Daß Ehrsucht nie den Tag / die Furcht keinmahl die Nacht

Zu kurtz; kein Kummer ihr zu lange Stunden macht;

Daß sie kein Zorn erhitzt / kein' Angst ihr Hertz umeyst';

Kein Heuchler sie bläh't auf / kein Dräuen sie zwängt ein;

Daß sie läst Einsame nie bang- und einsam seyn.


Durch diese / und mehr bewegliche Zuredung des Samothischen Weisen / sagte Ariovist / ward ich derogestalt eingenommen; oder / wenn ich zu einer so heilsamen Würckung ein so gefährliches Wort brauchen dörffte / bezaubert: daß meine Königliche Würde und alles irrdische mich anstanck; die gelobte Einsamkeit aber mein Gemüthe mit einem anmuthigern Geruch / als Balsam und Jasmin anhauchete; also: daß ich von Stund an meinem Pferde den freyen Lauf verstattete / meinen Degen / Kleider und Jäger-Geräthe wegwarff / mich mit dieser Haut deckte; und um von den Meinigen nicht ausgespüret zu werden /mit meinem Lehrer mich in eine nahe darbey verdeckte Höle verbarg. In welcher wir folgende Nacht und biß in dritten Tag ein unaufhörliches Gethöne von Jäger-Hörnern vernahmen; weil dem Vermuthen nach ich von den Meinigen gesucht; und nach vergebener Müh / Zweiffels-frey für tod gehalten ward. Nach dem ich mich aber in dieser Nähe nicht allerdings genung verborgen zu seyn achtete / beredete ich meinen Lehrer: daß er mit mir durch die dicksten Harudischen Wälder biß auf den Fichtelberg / und als wir da eine Zeit uns aufgehalten / auf das Hercynische Gebürge; und um selbtes herum biß auf gegenwärtigen Berg sich entfernte. Welchen ich deßwegen für den herrlichsten Ort in der Welt halte; weil ich von dem Samothischen Weisen die vollkommene Ruhe des Gemüthes gelernet / mich darauf über alle irrdische Sorgen erhöhet zu seyn befinde; und bey meiner Glückseligkeit die Thorheiten der Menschen / davon mir zuweilen ein oder ander Wurtzelmann zu erzehlen weiß; verlachen / und itzt mit deiner Eitelkeit / lieber Marbod / Erbarmnüß haben; nichts aber an deiner eingebildeten Hoheit beneiden kan; ja ich traute dir in mei ner Einsamkeit / oder vielmehr in der mir erkieseten Todten-Höle / solche Reichthümer zu zeigen; welche wenige Weltbeherrscher ihr Lebetage zu sehen / weniger zu besitzen bekommen; und da August nichts minder als du mein Grabmahl schwerlich ohne Mißgunst würden betrachten / und wie itzt von mir: daß die Natur / wenn sich die aufblehende Ehrsucht wiedersetzet / leicht zu ihrem ersten Stande und Kleinigkeit komme; also von erwähnter [1111] Höle lernen können: daß die Kunst eine blosse Magd oder Affe der Natur /der Menschen Wunderwercke gegen dieser Gebäuen weniger / als Ameis-Hauffen sind; beyde aber endlich nichts / als dem Feuer eine kostbare Asche; dem Winde einen theuren Staub abgeben.

König Marbod mühte sich mit aller nur ersinnlichen Ehrerbietung dem so berühmten Ariovist an die Hand zu gehen; und ob er zwar unterschiedene Einwürffe thät: daß die Einsamkeit eine böse Rathgeberin / und eine bangsame Geferthin wäre; und daher zu untadelhafter Selbstgelassenheit eine ungemeine Vollko enheit gehörte; die Gemeinschafft zwar ein Verlangen nach sich / die Einsamkeit aber nach andern verursachte; daß ein angebohrner Trieb die Menschen zusammen vereinbarte / und die Freundschafft dem Leben so nöthig / als die Sonne der Welt; der Fürstliche Stand aber nichts minder dem gemeinen Wesen /als das Steuer-Ruder dem Schiffe unentpehrlich; und wegen seiner Sorgen und Gefährligkeit so wenig / als die Rose wegen ihrer Dornen verwerflich; kein ander Stand auch ohne Schwachheiten wäre; sondern iede Fackel ihren Rauch hätte / und ieden Menschen sein Schatten begleitete; so eignete ihm Marbod doch selbst so blöde Augen / und einen so albern Verstand zu: daß er in das Licht einer so hohen Gemüths-Erleuchtung nicht ohne Verblendung sehen / noch sein Urthel über die Meinungen des weisesten Ariovists erstrecken könte. Hingegen lag er ihm mit beweglichsten Bitten so lange an: biß er ihm die erwehnte Höle zu zeigen Vertröstung that. Massen sich denn Ariovist den dritten Tag / als er den König Marbod und seine Geferthen die Zeit über mit Gemsen-Fleisch /Erdbeeren / und Kräutern / mehr aber mit vielen klugen Gesprächen unterhalten hatte / mit ihnen auff den Weg begab; und biß in die sinckende Nacht durch etliche finstere Thäler über viel raue Stein Klippen führte; also: daß diese sich in besten Jahren befindenden Nachfolger ihm mit genauer Noth gleich ko en /und daher sich nicht nur über der Hurtigkeit des Stein-alten Ariovists verwundern; sondern auch seiner gegebenen Ursache beypflichten musten: daß der Ehrgeitz nur nach vielen und seltzamen Speisen lüstern /der Hunger mit wenigem vergnügt, der schlechteste Unterhalt der Gesundheit und den Leibes-Kräften am vorträglichsten wäre. Gantze Heerde Ochsen wären mit einer engen Weyde; eine ziemliche Menge Elefanten mit einem Walde vergnügt; ein üppiger Mensch aber hätte in seinem Zwerg-Leibe einen unersättlichen Straus-Magen; welcher mit seiner Tafel die Lufft erschöpffte / gantze Meere ausfischte / grosse Wildbahnen verödete / den Erdboden arm machte; und / ob schon die Natur um seinem Eckel vorzukommen das Jahr über so viel mahl ihre Zeit / und darmit ihre Früchte veränderte / ihn darmit nicht vergnügte; sondern eines Menschen Leben das Jahr über mit etlichen tausend Leichen unterhalten müste. Dahero so viel weniger wunderns werth wäre: daß solche Schwelger ihnen durch so viel Tode den Weg zu Kranckheiten bähneten / und die Farth zum Grabe beschleunigten.

Sie erreichten aber selbigen Tag den verlangten Ort nicht; sondern übernachteten bey einem Brunnen / aus welchem die berühmte Elbe den Uhrsprung nimmt. Uber welchen sich König Marbod mehr als Alexander bey Erfindung seines Oelbrunnen ergetzte; weil die Elbe einer der Haupt-Ströme seines Gebietes war. Dahero er sich auch bedüncken ließ: daß ihm sein Lebtage kein Wein so gut / als das aus diesem Bruñen mit den Händen geschöpfte Wasser geschmeckt hätte. Nach genossener Ruh auff einem mit hunderterley köstlichen Kräutern bewachsenem Rasen / machten sie sich / als es nur zu tagen anfieng / über eine ziemliche Fläche / von welcher etliche Krystallen klare Bäche [1112] Nordwerts in der Marsinger Gebiete mit grossem Geräusche abstürtzten / auf den höchsten Gipfel des Sudetischen Riesen-Gebürges / von welchem man nicht nur der Bojen / sondern der Marsinger und Burier Landschafften weit und fern übersehen kan / lenckten aber hernach in ein ziemlich tieffes Thal / und kletterten durch allerhand Verdrehungen über viel Felsen biß in die sinckende Nacht. Den dritten Tag schliessen sie wegen ihrer Müdigkeit so lange: biß die Sonne schon mit ihren Strahlen selbiges Thal erfreute. Ariovist führte sie hierauf einen gantz ebenen Weg /da man aber weder von Menschen noch Thieren einigen Fußstapffen fand / zu einer gleichsam gespaltenen Stein-Klippe / machte hierauf ein Feuer / wormit ieder zwey Kyn-Fackeln in die Hand nahm / und dem vorgehenden Ariovist in den Steinritz / welcher eine verborgene Pforte in einen von Graß und Pflantzen gantz kahlen Berg abgab / durch den man sich seitwerts durchdrängen muste / folgten. Sie kamen aber bald in einen breiten aus dem schönsten weissen Marmel gehauenen Gang / in welchem sie anfangs funffzig Schritte gerade ein / hernach dreyhundert Staffeln hinunter giengen. Zu Ende desselbten kamen sie in eine Ey-rundte im Umkreyße siebendehalb hundert Schritte haltende / und mit einer anständigen Höhe versehene Höle. Ihr erster Anblick verbländete durch übermäßigen Schimmer aller Augen. Denn die Wände rings herum waren das vollkommenste Gold-Ertzt / oder vielmehr gediegenes Gold; weil man hin und her nur ein wenig Schlacke / oder vielmehr Beysatz andern Ertztes erkiesen konte. Uber diß hatte die Natur in diesem Gold-Bergwercke auch auf mancherley Arten gespielet; in dem sie allerhand Bäume / Berge / Bäche / gantze Landschafften / allerhand vierfüßichte / insonderheit kriechende Thiere / Geflügel / Fische / Muscheln / und Gewürme so wol / als kaum der künstlichste Bildhauer vermocht / geetzt; ja selbten so gar zuweilen die eigentliche Farbe und den Schatten gegeben hatte. Wie nun Marbod und seine Gefärthen etliche Stunden ihre Augen durch rings herum geschehende Beschauung dieser wunderwürdigen Goldmauern geweidet hatten; fieng Ariovist an: Ob sie wol glaubten: daß sie was köstlichers mit Füssen treten; als woran sich ihre Augen ergetzten; Bückte sich auch hiermit zugleich / und hob eine Hand voll allerhand theils grauer / theils schwärtzlichter Steine / welche sie anfangs für Kieselsteine angesehen / auf; zeigte dem Könige Marbod auch; wie aus selbten hin und wieder die darinnen verborgenen Diamanten herfür strahleten; und versicherte ihn: daß zwar selbte nicht alle / iedoch derer viel denen Morgenländischen an Härte und Glantz gleiche kämen; gantz Indien aber schwerlich so viel edle Steine hätte / als ihrer in diesem einigen Berge vergraben lägen. Gleichwol aber wüste er nicht: ob das reiche Deutschland in ein schmähliches Armuth verfallen könte; als wenn diese Reichthümer desselbten Einwohnern entdeckt würden. Weßwegen er sie alle drey bey ihrer zum Vaterlande tragender Liebe beschwüre: daß sie diesen noch heiligen Schatz / weil selbten keine geitzige Hand versehret und entweihet hätte / keinem Menschen kund machen; und dardurch nicht so wol zu Durchwühlung dieses Gebürges / als zur Peinigung ihrer Seelen / und zum Verlust ihrer freyen Gemüther Ursach geben solten. Sintemahl / wenn der Mangel einmahl diesen gläntzenden Koth in sein Hertze legte / würde dieser zu einem Abgotte / jenes zum Sclaven; und weil das Gold so gezüge wäre: daß ein Knopff einer Kirsche groß sich von der Elbe biß an Rhein ausdehnen liesse / umschlingte es im Augenblicke aller Menschen Hertzen. Da doch die Natur dem Golde darum den Geruch und Geschmack / wormit sie doch das unedlere Kupffer und Eisen begabte / gleichsam zu dem Ende entzogen hätte: [1113] daß die menschlichen Sinnen so viel weniger darzu solten gereitzt werden. Daher die Beschauung dieses Schatzes mehr Andacht und Mäßigkeit von nöthen hätte / als die Araber denen / welche Weyrauch suchen / und die Atlantischen Eyländer denen / welche in den Gold-Bergwercken arbeiten /aufbürden: daß sie sich so gar vorher ihrer Ehweiber enthalten müssen. Marbod betrachtete diese köstlichen Steine gegen dem Lichte mit höchster Verwunderung / Lichtenstein und Tañenberg rafften inzwischen beyde Hände voll / und befanden: daß nicht nur alle Steine Diamanten / sondern auch etliche darunter gantz rein und ausser ihrer Schale waren. Gleichwol aber hatte Ariovistens Zuredung einen solchen Nachdruck: daß sie auch nicht einen dieser Edelsteine zum Gedächtnüße bey sich behalten wolten; biß Ariovist die grösten ihnen einnöthigte / und ihnen einhielt: daß der gute Zweck nichts minder Reichthum / als Gift zu Nutzen machte / der Mißbrauch aber das herrlichste Gold in schädlichen Hütten-Rauch verwandelte. Marbod fieng an: Er sehe wol: daß der gütige Ariovist freygebiger wäre / als die Indischen / Scythischen und Egyptischen Könige; unter denen die ersten ihnen alle über hundert Gran wiegende Diamanten / die andern alle grosse Türckiße / die letzten alle grosse Topaße vorbehielten. Hierauf steckte Ariovist seine zwey Fackeln auf eine bey der Hand liegende sehr hohe Stange / und ermahnte seine Nachfolger nun auch das Gewölbe dieser Höle zu beobachten; welches sie wegen der Tunckelheit für eitel Regenbogen ansahen. Ariovist aber unterrichtete sie: daß es eitel von der Kunsthand der Natur zusammen gesetzte Schmaragden / Topasser / Beryllen und Granaten wären; ja in der Welt wenig Edelgesteine gefunden würden / davon dieses Sudetische Gebürge nicht einen grossen Uberfluß hätte. Aber alles diß / sagte Ariovist / worvon der Geitz so viel Wesens macht / würde ich nicht der Müh werth geschätzt haben / euch einen so beschwerlichen Weg anher zu leiten; wenn ich dir / Marbod /nicht etwas bessers zu zeigen hätte; welches dir theils die wunderwürdigen Geheimnüße der Göttlichen Versehung für Augen stellen / theils deinem Thun vielleicht ein nützliches Beyspiel abgeben könte. Hiermit nahm er den Marbod bey der Hand / leitete selbten hinter einen güldenen Pfeiler in einen ziemlich breiten Gang / durch welchen sie wol eine Stunde zu gehen hatten; dessen Wände anfangs ebenfalls eitel Gold-Ertzt war / hernach sich aber selbtes in Silber / so Marbod und seine Geferthen für Schnee ansahen /verwandelte. Nach und nach kam ihren Ohren ein Geräusche entgegen / welches sich hernach in ein mächtiges Brausen des Wassers verwandelte; also: daß für selbtem mit genauer Noth ein auch ins Ohr redender den andern verstehen konte. Endlich erblickten sie eine zweymahl grössere Höle; worein aber Marbod und die Seinigen zu treten Bedencken trugen; weil sie in selbter grosse Ströme aufwerts schüssen sahen. Ariovist aber versicherte sie: daß ihnen kein Finger oder Fadem naß werden solte: leitete sie also darein /führte sie an die Seiten-Wände dieser Höle; um durch derselben Antastung sie zu versichern: daß zwischen ihnen und diesem brausenden Gewässer eine wiewol gantz durchsichtige / iedoch Marmel-feste Mauer stünde. Marbod vergaß für Verwunderung alle diese Seltzamkeiten / und fragte: Ob denn diese glatten und helleuchtenden Wände eitel Berg-Cristallen wären? Ich kan es für nichts anders erkennen antwortete Ariovist; weil in diesem Gebürge hin und wieder auch auswerts Stücke von Berg Cristallen gefunden werden; und ander zerbrechliches Glaß gegen dem gewaltsamen Triebe dieser Flüsse nicht bestehen würde. Lichtensteins Vorwitz trieb ihn also fort zu fragen: Ob denn unter denen Gebürgen auch Flüsse wären? Ariovist lächelte mit beygesetzter Antwort: Es wäre daran nicht zu [1114] zweiffeln / weil der gantzen Welt unverborgen wäre / wie weit in Hispanien der Fluß Anas / in Africa der Neiger und Nil unter dem Erdbodem hinflüsse. Die Donau selbst werde zum Theil von der Erde verschlungen. In Sicilien bey der Stadt Metaurus habe er eine Höle gesehen / durch welche ein ziemlicher Fluß ströme; und nach dem er weit unter der Erden seinen Lauff gehabt / allererst hervor komme. Bey dem Emporischen Seebusem in Mauritanien solle eine Höle seyn / in welcher man so gar des Meeres Epp und Flut wahrnehme. Und in Sarmatien flüssen nicht ferne von der Weichsel in tieffen Saltz-Klüfften starcke Bäche / woraus man köstliches Saltz kochte. Alleine diß Wasser / welches ihr durch diese durchsichtigen Steine hin und wieder brausen höret / und schäumen sehet; sind keine solche unterirrdische Flüsse; sintemahl dieses wieder die gemeine Art des Oberirrdischen Wassers gerade empor steiget / welches sonst mit seiner Schwerde nichts minder / als der schwerste Stein gerade gegen dem Mittel-Puncte der Erden zudrückt. Marbod / Lichtenstein und Tannenberg / als sie aus genauer Beobachtung dieser wahrhafften Emporsteigung des Wassers diß wahr zu seyn befanden / ersuchten den weisen Ariovist ihnen dieses Geheimnüß auszulegen; welcher denn vermeldete: daß diß Wasser eben die Brunnen der Elbe / des Bobers / und etlicher anderer theils zu den Bojen / theils zu den Marsingern abschüssender Bäche; diese Krystallen aber die wunderwürdigen Röhre und Behältnisse dieser aufqvellenden Ströme wären / und verhinderten: daß diese zwey Hölen nicht von dem Wasser angefüllet würden. Denn ob zwar einige Berg-Brunnen von dem einsinckenden Regen und Schnee-Wasser herrinneten; wären diß doch keine ewige / sondern bey grosser Dürre vertrocknende Brunnen. Die ewigen Brunnen und Flüsse hätten zwar ins gemein auch einen Zuwachs von Regen und Schnee; wiewol in der Narinensischen und etlichen andern Landschafften die Brunnen beym Regen grossen theils versiegen / die Erde bey nassem Wetter zu Staube / bey dürrem zu Kothe wird. Der Brunnen ihr eigentlicher Uhrsprung rühre aber aus dem Mittel der Erd-Kugel her / zu welchem sich das Wasser aus denen Meeren / seiner eigentlichen Schwerde nach / durch seinen sandichten Bodem eindringe. Der begierige Tannenberg fiel alsbald ein und fragte: durch was für eine Wasser-Kunst oder Regung aber das einmahl schwere Wasser zu der eussersten Spitze des Erdbodens und zwar meist zu den Gipffeln der höchsten Gebürge empor gezogen würde; und ob alle Qvellen in solche steinerne Röhren eingeschlossen wären? Ariovist ließ ihm diese Sorgfalt gar wol belieben / und antwortete: Es hätten zwar einige der Druyden ihn anfänglich beredet: daß die Auffsteigung des Qvell-Wassers von dem die Erde überhöhenden Meere herrührte; und in eitel solchen Röhren das Wasser zur obersten Fläche der Erden nicht anders / als wie von Bergen oder Thürmen in die Wasser-Künste getrieben würde; indem es in solchen festen Verfassungen nothwendig so hoch steigen müste / als es anderwerts abfiele; alleine sein erster und letzter Lehrer der Sothische Weise hätte ihm gewiesen; wie diese Meinung allzuweit hergesucht / die angegebenen Wasser-Röhre auch blosse Träume wären. Sintemahl die oberste Fläche des Meeres nirgends so hoch / als die Gipffel der Alpen / des Caucasus / der Pyreneischen Gebürge; solche Brunnen auch mitten in dem grösten Welt-Meere (wordurch entweder derogleichen Wasser-Röhre unmöglich gehen /oder doch wieder Sturm und Wellen nicht bestehen könten; oder solche Röhren unter der Tieffe des Meeres viel tausend Meilen weit geführet seyn müsten) auf den Bergen der kleinsten Eylande gefunden; ja auf den höchsten Gebürgen in den Brunnen eine Verwandnüß in Epp und Flut mit dem nahe darbey und um [1115] viel hundert Schritte niedriger gelegenen Meere verspüret würde. Hingegen wäre aus dem Leibe des Menschens / welcher als eine kleine Welt alle Wunderwercke der grossen in sich begrieffe / die Art der Auffsteigung des Quell-Wassers unschwer zu ergründen. Denn wie im Menschen das in Adern verschlossene Geblüte wegen seiner lebhafften Geistigkeit empor stiege; ausser denen Adern aber / wenn es in die Lufft käme / und seine Geister verrauchten / oder auch in todten Cörpern wie andere schwere Sachen zu Bodem fiele / oder abwerts sincke; also würde auch das in der holen Mitte der Erden aus dem Meere zusammen sinckende und von seiner Bitterkeit gereinigte Wasser nicht zwar durch Feuer / welches wegen mangelnder Lufft daselbst nicht / wie in denen der Erden-Fläche nähernden Hölen tauern könte / in dem allzutieffen Ertz-Schachte schon so gar kein Lichtleiden / sondern durch seine selbsteigene Schwefel- und lebhaffte Krafft begeistet: daß selbtes nach Art des auch von der Sonnen in die Lufft gezogenen Wassers wie dinne Dünste der kalten Fläche der Erden durch alle nur zu durchkrichen mögliche Wege sich nähere /und daselbst gleich als in dem Kopffe eines Brenn-Topffes wieder zu Wasser werde; weßwegen etliche tieffsinnige Weltweisen die Brunnen gar füglich mit den Frauen-Brüsten verglichen haben; weil wie in diesen aus denen zugezogenen dinnen Feuchtigkeiten die Milch / also in jenen aus denen auffsteigenden Dünsten das Wasser gezeuget würde; also denn durch die Lufftlöcher der Erde / (welche das Meer nicht hat /und also solche Aufdampffung nicht zuläst) ausbräche / seine Schwerde wieder beko e / und anfangs Brunnen / hernach Flüsse verursache; also: daß das Meer innerhalb der Erde der Uhrsprung der Brunnen / die Brunnen aber oberhalb der Erde der Uhrsprung der Meere wären; und wie im Menschen das Blut / also in der Erde das Wasser niemahls ruhe / sondern durch unauffhörliche Bewegung einen Kreiß mache. Diesemnach es denn in der Mitte der Erden und aus der Höhe der Meere keiner verschlossenen Wassergeleite darff; wie zwar derer hin und wieder / und also auch allhier gegenwärtig nicht wenig gefunden werden; auch allerdings der Warheit gar ähnlich ist: daß durch solche Wasser-Röhre das Caspische und Schwartze; das rothe und Cyprische Meer an einander gehenckt sind. Diesemnach aber das Meer-Wasser in der Mitte der Erden von einer besondern natürlichen Säuerkeit /so man füglich den Eßig der Welt nennen kan / geschwängert wird; welche zwar das gemeine Quell- Wasser in dem Thone / dardurch es sich dringen und läutern muß / ableget; viel Wasser aber geräumert Gänge findet; ja auch noch darzu durch allerhand schweflichte / saltzichte und anderer Arthen Erde empor dampffet / und von derselben Eigenschafft nichts minder etwas / als die hier empor schüssenden Brunnen ein Theil des Goldes und anderen Ertztes /wie auch der Edelsteine mit sich in die Bäche führen; so ereignet sich: daß es in der Welt / fürnehmlich aber in unserm Deutschlande so viel Sauer- und Saltz- ja auch Feuer- und andere Wunder-Brunnen giebet; ja mitten in den grössesten Strömen / wie in dem Alemannischen Gebiete aus dem Rheine / und in dem Bojischen aus der Töpelbach siedend-heisse Quellen empor springen; in dem Taunischen Gebürge bey denen Mattiazern ein Brunn nach Weine schmeckt; ja in den Wässern eine Krafft sich in Saltz und Steine zu verwandeln stecke. Welches letztere mich am meisten bewogen / mein lieber Marbod / dich hieher zu bringen. Hiermit führte ihn Ariovist zu einem fast in der Mitte der Höle stehenden Bilde / welches einen Berg-Kristallenen Riesen vollkommen abbildete; ausser: daß beyde Schenckel nicht von einander zertheilet stunden / sondern dieser Riese unten gleichsam eine rundte Seule war. Marmod und seine Gefärthen [1116] sahen selbten Anfangs mit Entsetz-hernach mit grosser Verwunderung an. Ariovist aber reckte seine beyde Fackeln empor gegen dem Haupte / und erinnerte sie dieses Riesen-Bild / von welchem dieses Riesen-Gebürge den Nahmen führte / nicht überhin / sondern mehr seinen Kern / als die Schale zu betrachten. Worauf der Ritter Lichtenstein zum ersten gewahr ward: daß in diesem durchsichtigen Steine ein natürlicher Mensch steckte; weßwegen er alsofort / ob ihn seine Augen betrügen / Ariovisten fragte. Nein / antwortete dieser. Denn ihr sehet hier für Augen die unverwesete Leiche des grossen Fürsten Tuisco; und auswendig seinen Kristallenen Sarch. Aller Augen erstarreten für begieriger Betrachtung dieses Wunder-Grabes; und aller Zungen erstummten für Verwunderung; biß Marbod über eine lange Weile in diese Worte ausbrach: O glückseliger Tuiscon / dessen Tugend zwar unter allen Sterblichen verdienet köstlicher / als kein ander Mensch begraben zu seyn! dessen Geist aber auch schwerlich der Nachwelt ein so herrliches Begräbnüs verdancken kan; gegen welchem der Egyptischen Könige / des Mausolus und des Porsenna Marmel-Gräber Staub; Cleopatrens Perlen-Grufft Tockenwerck /der Macrobischen und derer ums Meere wohnender Mohren gläserne / und die güldenen Särche / darein Ptolomeus den grossen Alexander legte / für Asche und schlechte Scherben zu halten sind; also dieser grosse Fürst seines Begräbnüsses halber meinem Bedüncken nach mit niemanden / als mit derselben Natter zu eifern hat; welche über der Weichsel an dem Gothonischen Meer-Strande sich in den noch weichen Agstein verwickelte; und nach dem dieser sich versteinerte / darinnen begraben / von dem Fürsten selbigen Landes dem Feldherrn Segimern / von diesem aber der Kayserin Livia verehret ward. Warlich / wo iemahls ein Grabmahl in der Welt einer vieljährigen Tauerung werth gewest ist / verdienet diß eine Ewigkeit; und es ist zu wünschen: daß wie ohne diß der Donner denen Grabmalen keinen Schaden thut / dieses von keinem Erdbeben versehret werden möge. Aber durch was für Zauberey ist die Leiche in diesen durchsichtigen Stein gebracht / und durch was für kräfftigen Balsam über zwey tausend Jahr für Fäulnüs und Verwesung verwahret worden? Ariovist versetzte: Sie solten nur acht haben: so würden sie aus dem Gewölbe dieser Höle unaufhörlich Wasser abtröpffen /keines aber nirgends flüssen / sondern sich in kurtzer Zeit in so durchsichtigen Stein verwandeln sehen. Daher es nicht nur der Augenschein gebe / sondern ihn auch der Sothische Priester / welcher ihm diese Höle / als der Sothischen Weisen grosses Heiligthum / zum ersten gezeigt / glaubhafft berichtet hätte: daß man des grossen Tuiscons Sohn / welcher vom Tanais an / biß zum Rheine geherrscht / und diese Höle durch Anleitung eines Wahrsagers gefunden hätte /aber in dem Marsingischen Gebiete gestorben wäre /seines Vaters Leiche in einem versteinernden Brunnen dieses Gebürges gelegt / hernach / als selbte entweder das todte Fleisch wie vorhin Holtz und Pflantzen zu Steine gemacht / oder zum minsten mit einer steinernen Schale überzogen / in diese Höle versetzt hätte; wormit von dem stets abtrieffenden Wasser / welches die Krafft im Augenblicke zu versteinern hat / sein Bild von Jahre zu Jahre sich vergrösserte. Da es denn nach so langer Zeit zu einem solchen ungeheuren Riesen / diß Gebürge aber von den Sothischen Weisen /die sonst diese Hölen überaus geheim gehalten / das Riesen-Gebürge genennet worden ist. König Marbod hatte Ariovisten beyde Ohren / diesem Bilde aber beyde Augen gewiedmet /und wuste sein und seiner beyden Ritter Mund nicht genungsame Lob-Sprüche dieser Säule zuzueignen; gegen der sie alle Wunderwercke der Welt für Schattenwerck hielten; Tannenberg [1117] aber besonders die vorhin mit Erstaunen besichtigte Grabe Spitzen in Egypten nicht genung zu verachten wuste. Ariovist fieng hierauff an: Es ist nicht ohne: daß die Herrligkeit dieses Begräbnüßes allen andern in der Welt die Wage hält; zumahl ich euch versichern kan: daß dieser Kristallene Riese gediegenes Gold zu seinem Fuße hat. Wie er denn ihnen selbtes mit Wegstossung der obigen gleichsam gläsernen Schale / welche von dem abspritzenden Versteinerungs-Wasser über den Bodem gemacht war / augen scheinlich zeigte / und sodeñ ferner fort fuhr: Aber ich halte die Kostbarkeit und die Tauerhafftigkeit dieses Grabes an sich selbst für kein so grosses Wesen. Jene ist ein vergrabener Schatz / welcher wenig Menschen in das Auge kommt; und wenn ihr mich nicht zum Ausleger gehabt hättet; würdet ihr so wenig errathen haben: daß der grosse Thuisco darinnen begraben ist; als die Egyptier zu sagen wissen: wer in ihren Grabe-Spitzen beerdigt sey. Die andere ist ebenfalls der Vergängligkeit unterworffen / als die Leichen selbst /welche / wenn sie nicht Feuer oder Fäulnüß verzehret / doch Würmer und Ratten fressen. Sintemahl die Eitelkeit nicht nur über / sondern auch unter der Erden ihre Herrschafft hat / und durch Erdbeben gantze Gebürge und Flüsse verschlucket; durch Schweffel-Brände Ertzt und Felsen einäschert; durch Gewässer die geräumsten Hölen ersäuffet. Massen denn auch falsch ist: daß der Blitz kein Grab versehre. Sintemahl des Gesetzgebers Lycurgus / und des Tichters Euripides davon zermalmet worden; und ist die hieraus auf selbiger Todten Vergötterung gezogene Auslegung nur für eine abgöttische Heucheley zu halten. Es ist aber die Vergängligkeit in unterirrdischen Klüfften so viel weniger zu verwundern; weil die Eitelkeit für längst über das Rad der Sonnen sich geschwungen / und unterschiedene Sternen wo nicht vertilget / doch in dem Gesichte der Menschen ausgelescht hat. Ja mein Sothischer Weltweiser hat mir nicht nur unterschiedene Merckmahle abnehmender Sternen gewiesen / sondern mich auch versichert: daß mit der Zeit vier Sternen in dem Zeichen des Schiffes zwischen dem Hintertheile und denen Rudern / einer in dem rechten Ohre des Hundes / in dem Schnabel des Rabens / der sechste im Krebse / einer ins Ganimedes Knie / der letzte im Schwantze der Schlange /und der helleuchtende im Medusen-Haupte mit der Zeit gar oder grossen theils verschwinden; Hingegen einer im Mast-Baume / der eilffte im Löwen / der neblichte im Schwantze des Scorpion sich vergrössern /ja auf der Stirne des Hundes / in der Caßiopea / und im Wallfische gar neue Sternen gebohren werden würden. Wenn aber auch schon dieses oder einige andere Gräber mit der Erd-Kugel selbst um die Tauerhafftigkeit streiten könte; so scheinet es doch eine ewige Thorheit zu seyn / nach Ruhm unter den Todten streben; und aus dem Grabe eine Sonne machen; wenn zumahl einer im Leben kaum ein Stern der sechsten Gattung / oder einer derselben gewest ist / die in der Milch-Strasse sich gar nicht erkiesen lassen. Sintemahl wie die prächtigen Grab-Maale / welche Evagoras und Miltiades ihren auf den Olympischen Schau-Spielen obsiegenden Pferden / Lacydes seiner Ganß / die Römer einem Raben / andere Hunden aufgerichtet / diese Thiere in keine bessere verwandeln; also werden todte Wercke in kalten Steinen nicht lebhaft / und düncken mich die / welche nicht durch ruhmwürdiges Beginnen die Tage ihres Lebens / sondern durch Gepränge der Ehren-Maale die Nacht ihres Todes zu erleuchten vermeinen / nicht besser / als die gläntzenden Feuer-Würmer zu seyn / welche im Finstern dem Golde / in dem Tage verächtlichem Kothe gleichen. Alles was nicht die Tugend zum Grunde /und die Ewigkeit der Seele zum Absehen hat / ist vergänglicher Rauch. Frist die Zeder nicht der Wurm /das Ertzt nicht [1118] der Rost / so verzehret sie ein ander Zahn der Zeit; ja ein einiger verwahrloster Funcken. Da nun aber du / Marbod / seuffzest: daß dein Leib hier auf Erden mit der Zeit wie allhier Tuisco in Kristall möge verwahret werden; wie vielmehr hastu nachzusinnen: daß die viel edlere Seele im Himmel die Sonne selbst zum Kleide habe. Weil der Mensch scheinet gebohren zu seyn: daß er sterbe; muß er sich bemühen also zu sterben: daß er ewig lebe; und weil das Leben ihn zum Grabeleitet; soll das Grab ihm die Staffel seyn zu verweßlicher Ehre. Glaube mir aber /Marbod / du wirst ein herrlicher Grab / als diß ist; oder aus einem Diamantenen Felsen dir gehauen werden könte / verdienen; wenn du diß / was die Vorwelt an den güldenen Fuß dieses Bildes verzeichnet hat /beobachten wirst; ja dein Gemüthe wird im Leben unversehrlicher Ruh / deine Seele unvergänglicher Vergnügung genüssen; wenn du denen Erinnerungen über der Pforte dieser Höle nachlebest. Hiermit bückte sich Ariovist / räumete um den güldenen Fuß vollends das versteinerte Wasser weg; und zeigte seinen Gefärthen / wie daselbst mit eitel Edelgesteinen nachfolgende Worte auffs künstlichste ins Gold versetzt waren.


Der Erde Marck das Gold / und so viel edle Steine

Sind's Armuth dieser Grufft. Tuiscons edles Grab

Ist ihr und Deutschlands Schatz. Weil diß nur sein Gebeine

Beysammen hält / wird ihm kein Feind was ringen ab.


Als Marbod diese kostbare Schrifft gelesen / fieng er an: So sehe ich wol: daß die Leiche des grossen Tuisco ein Schutz-Bild / und also ein grosser Schatz Deutschlands sey; an dessen Bewahrung das Heil / an Versehrung aber der Untergang des Vaterlandes gelegen sey. Ariovist lächelte / ihm antwortende: Ich weiß wol: daß das der gemeinen Sage nach vom Himmel gefallene Trojanische Palladium / welches man mir noch zu Rom als ein grosses Heiligthum gewiesen /nichts anders / als des Königs Pelops Gerippe / welches ein Asiatischer Weiser bey einer gewissen Vereinbarung der Sternen aus seinen Todten-Beinen zusammen gesetzt / und dem Könige Troß verehret hat; das Olympische Schutz-Bild nichts / als Knochen eines Indianischen Thieres; der Spartaner Minerven- Schild die Menschen-Haut des weisen Pherecydes; das Syrische Dagons-Bild mit einer Wallfisch-Haut umzogen gewesen; und alle diesen Heiligthümern eine Krafft der Unüberwindligkeit zugeeignet worden sey. Alleine ich bin der Meinung: daß wie gegenwärtige Schrifft einen andern Verstand hat; also auch jene Bildnüße gar auf was anders gezielet haben. Marbod fragte alsofort: Ob denn diese ziemlich klare Reymen anders ausgelegt werden könten; als daß so lange Tuiscons Bild unversehrt bliebe / Deutschland würde unüberwindlich seyn? In alle Wege / antwortete Ariovist. Denn / weil ich meine Auslegung dieses Geheimnüßes wol so gefährlich nicht achte / als wenn einer das Palladium zu sehen bekommen; massen Ilus zu Troja / Metellus zu Rom hiervon soll verblindet seyn; so wil ich meinen gemuthmasten Verstand dieses Retzels nicht verschweigen: daß nemlich / so lange Deutschland sich nicht selbst durch Zwiespalt trennen werde / kein Feind selbtem was anhaben würde. Denn nach dem Schirme des Göttlichen Verhängnüßes kan den Feinden eines Reiches kein besserer Riegel / als die Eintracht der Bürger für geschoben werden. Einzele Pfeile können auch Zwerge zerbrechen; viel auf einmal aber nicht Riesen-Armen. Diese / mein lieber Marbod / hüte dich ja vollends zu zertheilen / wo du dein streitbares Vaterland nicht zu einer Magd / dich aber zum Leibeigenen der herrschsüchtigen Römer machen wilst. Aber ich muß dich durch die Uberschrifft des Eingangs noch für einer schnödern Dienstbarkeit warnen. Hiermit führte Ariovist den König Marbod daselbst hin / und zeigte ihm die in Berg-Kristallen tieff eingegrabene Worte:


[1119]

Der's deutsche Reich in Grund / die Feind' in Staub gelegt

Tuisco steht allhier in dieser güld'nen Höle.

Lernt / die ihr Koth für GOtt offt zu verehren pflegt /

GOtt sey ein tauglich Grab den Leichen / nicht der Seele.


Aber / sagte Ariovist; ich traue dir selbst nicht zu: daß ob wol ins gemein der für unvernünfftig gehalten wird / der nicht mehr verlangt / als er darff / dein hoher Geist sich mit dem unflätigen Laster des Geitzes / welches einen reichen Fürsten dürfftiger macht /als ein freygebiger Bettler ist / mit diesem Armuthe des Gemüthes besudeln soltest; welches nicht ehe /als wenn der erblaste Mund die kalte Erde zu käuen beko t / ersättigt wird / und das durch eine unsinnige Begierde des Menschen Hertze alsdenn am ärgsten quälet; wenn er am wenigsten mehr zur Zehrung darff. Wie ich denn auch / da ich diese Beysorge gehabt hätte; keinem unter euch diese verborgenen Reichthümer und Anreitzungen zum bösen gezeigt haben würde. Aber meinem unvergreiflichen Urthel nach /wirstu in der darneben stehenden Kristallen-Taffel etwas mehr zu bedencken finden; in welche eingegraben war:


Die ihr aus Ehrsucht mehr / als Andacht Tempel bauet /

Nur: daß die Nachwelt euch / wie sie vergöttert schauet

Bant dem Tuiscon auf kein güldnes Rauch-Altar.

Denn / kont' er lebend gleich nicht mehr seyn / als er war /

Auch todt nichts weniger / als dieser Riese werden;

So bleibt er doch / wie ihr / für GOtt ein Zwerg auf Erden.


König Marbod; nach dem er diese ihm eingehaltene Zeilen etliche mahl nachdrücklich gelesen hatte; fieng er an: Es ist wahr; wenn wir eingebildete Welt-Götter unser Absehn und unser Wesen gegen einander halten / müssen wir nachgeben: daß die Gebrechligkeit in unserm Vermögen einen festern Fuß gesetzt habe; als die Allmacht in unser Einbildung. Daß unsere Gewalt auf nichts anders / als der Unterthanen Demüthigung /und der Nachbarn Schwäche gegründet sey. Wir sind unserer Hoffart nach in alle wege dem Egyptischen Memnons-Bilde zu vergleichen / welches nur mit der Sonne Gespräche hält / an sich selbst aber nichts / als ein zu Bodem sinkender Stein ist. Wir sind das eingebildete Gold in denen angefeuerten Schmeltz-Kolben /das im Glase Purpur zur Farbe hat / im Ausmachen aber nur Rauch und Asche ist. Ariovist fieng an: Warlich / Marbod / wenn du diß von Hertzen redest /hastu aus der Eitelkeit einen fernen Blick in das Ewige gethan. Denn das Erkäntnüs seiner eigenen Nichtigkeit / ist die Helfte seiner Verewigung / wie die Einäscherung irrdischer Dinge der Weg zu einer neuen Geburt. Wirstu nun behertzigen: daß alle Vergnügung der Welt nur Einbildungen; alle Güter / die die Eitelkeit der Ehrsucht und dem Geitze zur Schaue auslegt / verfälschte und betrügerische Waare sey; daß alles zeitliche vorwerts die Hoffnung / hinterrücks die Furcht zur Begleiterin hat; daß der anmuthigste Blick des Glückes ein Blitz sey / welcher mit seinem Anlachen einäschert; ja daß alles in der Welt Blendungen / Träume und Undinge; der vernichtende Tod aber allein etwas wahrhafftes sind; so wirstu bey Zeite deiner Herrschsucht einen Gräntz-Stein setzen; deine Vernunfft wird dich anverweisen den allzuweiten Zirckel deiner Gedancken in die Enge zu ziehen; wormit dein Gemüthe den Mittel-Punct der Ruhe finde / deine Seele aber nicht in dem Irrdischen eingezüngelt bleibe / sich zum Ewigen auffzuschwingen.

Diesen und vielen andern heilsamen Erinnerungen des frommen Ariovistes gab König Macbod / Lichtenstein und Tannenberg ein auffmercksames Gehöre; welche hierüber von ihm wieder aus diesen zweyen Hölen geführet wurden. Sie kamen nach derselben fleißigster Betrachtung zu dem Felsenritze wieder her aus / als die Sonne schon untergegangen war. Weßwegen sie daselbst übernachten und sich mit denen Wurtzeln und Beeren / welche Ariovist [1120] aussuchte /wie auch mit deme nahe darbey herraus spritzenden Quelle vergnügen musten; wiewol der Hunger ihnen diese schlechten Gerichte derogestalt annehmlich würtzte: daß sie ihnen besser / als der Uberfluß an der Königlichen Taffel schmeckten. Ob nun gleich Marbod auf den Morgen von Ariovisten Abschied zu nehmen meinte / in dem er durch der Marsinger und Semnoner Gebiete / keines Weges aber durch das Land der aufständigen Bojen zu seinen Hermundurern zu kommen getraute; so wolte doch Ariovist ihn und seine zwey Ritter in diesem irrsamen Gebürge nicht verlassen; sondern sie biß unten an desselbten Fuß begleiten. Er führte sie diesemnach über allerhand Berge / durch viel anmuthige Thäler und Wälder; biß die am Mittage brennende Sonne sie unter einer überhängenden Stein-Klippe bey einer rauschenden Bach auszuruhen / ihr Magen sich aber mit der gewohnten Kost zu sättigen nöthigte. Weßwegen Ariovist an der Lähne etliche Kräuter ausrupffte; worüber er aber zur Erde niedersanck; und deßhalben die andern drey herzu sprangen seinen Unfall zu vernehmen. Sie fanden ihn gantz erblast; sein Mund konte mit genauer Noth kaum diese verbrochenen Worte ausdrücken: Ich sterbe um nunmehr recht zu leben. Wormit er denn verstummete / und in selbigem Augenblicke gleichsam ohne einige Empfindung des Todes die Seele ausbließ. Marbod und seine Geferthen empfanden diesen unvermutheten Todesfall dieses anmuthigen Fürsten so sehr: daß sie alle seine Leiche mit bitteren Thränen netzten; insonderheit aber nicht ohne geringe Gemüths-Veränderung wahrnahmen: wie der den Ariovist stets auf dem Fuße begleitende Bär / nach dem er seinen Herrn eine Weile beleckt / und gleichsam / ob er lebend oder verbliechen wäre / erkundigt hatte / sich nahe darbey von dem Felsen in ein tieffes Thal abstürtzte. Gleichwol aber musten alle bekennen: daß wie Ariovistens Leben ein Beyspiel allen Lebenden seyn; also kein Mensch ein sanffteres Ableben wünschen könte; Sintemahl jenem das Glücke nichts zu nehmen; diesem aber der Tod seine anklebende Bitterkeit anzustreichen nicht vermocht hätte. Sie beriethen sich hierauff mit einander über seine Beerdigung; Marbod aber machte den Schluß: daß dieser grosse und weise Fürst verdient hätte / neben Tuiscons Grab gestellet zu werden. Weßwegen ihnen Lichtenstein und Tannenberg nicht beschwerlich liessen fallen / sich mit Ariovistens Leiche zu bebürden /und solche dem vor- und zurück gehenden Marbod gegen der verlassenen Höle nachzutragen. Sie verlohren aber bald die Spur; und ob sie zwar biß in dritten Tag selbte zu finden sich mit grosser Beschwerligkeit bemühten / war doch alles vergebens; also: daß König Marbod endlich seinen Vorsatz änderte / und anfieng: Ich weiß nicht: Ob das Verhängnüs dieser verlohrnen Wunderhöle durch ein Gesetze / wie die Griechen das Eyland Delos / als ihr allgemeines und hochheiliges Vaterland / und die glücklichen Araber eine andere Insel für Beerdigung der Todten verwahret habe. Alleine / nach dem selbte gleichwol des Tuiscons Leiche verträgt / sehe ich wol: daß das Verhängnüs nicht so wol Ariovisten das köstliche Grab mißgönnet / als unsere Augen verblendet; weil es uns nicht allerdinges zutrauet: daß wir künfftig reine Hände von diesen verborgenen Schätzen behalten dörfften; nach dem vielleicht einer oder ander unter uns schon ein Theil seines Hertzens in der Höle zurück gelassen hat; und wir selbtes vielleicht gar mit Ariovistens Leibe darein vergraben dörfften / nach dem uns mit ihm ein so heilsamer Lehrmeister entfallen ist. Diesemnach machte er in einem Kräuter-reichen Thale / unter einem drey grieffichten Ahorn-Baume durch seinen Degen mit Ausgrabung der Erde den Anfang ein Grab zu scharren; welches denn noch selbigen [1121] Tag durch aller dreyer Beyhülffe drittehalb Ellen tieff verfertiget / und also Ariovistens Leiche darein geleget ward. Das Grab erhöheten sie nach der alten Deutschen Art mit Rasen; und sagte Marbod: Ihre Vorfahren hätten Marmelne Gräber für keine Ehre / sondern eine Beschwerde der Todten gehalten. Ariovisten wäre rühmlich genung: daß er einen König zum Todten-Gräber / seine Jugend nebst der Tapfferkeit die Klugheit des Alters /sein Alter die Unschuld der Kinder gehabt; und als der Tod ihn gantz zu verriegeln vermeint / der Nachruhm und die Seele den Sarch für der Zeit erbrochen /jener sich in die Welt vertheilet / diese in eine herrlichere Wohnstatt verfügt hätte. Tannenberg schnitt in die Rinde des ansehnlichen Ahorn-Baumes folgende Reymen ein:


Hier ist's Grab Ariovistens / dessen mächtig Krieges- Heer /

Doch nicht ihn und seinen Muth Glück und Cäsar hat bestritten;

Dessen Beyspiel Fürsten lehret: iede Herrschens-Kunst sey schwer /

Gleichwol könn' ein Mensch du Welt / nur ein GOtt ihm selbst gebitten.


Nach dem sie sein Grab zu guter letzt noch mit häuffigen Thränen genetzet / und die vom Todten ausgeropffte Wurtzeln verzehret hatten / setzten sie ihren Fuß weiter / und kamen gegen Abend an einen stillstehenden See; welcher ihnen auf diesem hohen Gebürge / und weil alles darinnen für eitel grossen Forellen wiebelte / so viel wunderlicher fürkam. Tannenberg / welchen nach so vieler Tage schlechter Kost nach diesen köstlichen Fischen gelüstete / schälete ein wenig Bast von einem Baum / machte daraus und von einer Nadel eine Angel. Er hatte sie aber noch nicht recht ins Wasser gehenckt; als ein nackter / wiewol gantz schupfichter Mann auf einem Kahne aus dem Schilffe gegen ihn herzu schiffte / und ihn mit dem Ruder dräuende anschrie: Er solle ihm sein Heiligthum unversehrt lassen. Tannenberg / der ihn für einen Fischer hielt / antwortete: sie würden ihm für wenig Fische schon gerecht werden. Jener versetzte: Der grosse Wasser-Geist dieses Gebürges hat eurer Vergeltung nicht von nöthen; erholet euch aber in der nicht ferne von hier flüssenden Bach dieses Abgangs. Hiermit schlug er das Ruder auf das Wasser / worvon der gantze See nicht anders als das stürmende Meer zuschäumen anfieng; worüber allen dreyen die Haare zu Berge stunden / und sie eussersten Kräfften nach Berg- ablieffen / biß sie keuchende eine kleine / aber mit Forellen und Eschen so angefüllte Bach antraffen: daß sie nach gehaltener Berathschlagung und Anweisung obigen Wasser-Geistes ihrer nach Nothdurfft mit den Händen erwischen konten. Der Hunger und die Schönheit dieser Fische bewegten Tannenbergen abermahls: daß er um selbte zu rösten von denen nahe darbey stehenden Wacholder-Sträuchen Holtz abzubrechen anfieng. Er hatte aber kaum die Hand ausgestreckt; als von einer hohen Tanne ihm eine Stimme zuruffte: Hüte dich einen Ast zu versehren; wo du deines Lebens nicht müde bist. Tannenberg ward hierüber ungedultig / und antwortete: Ob in so Holtz-reichen Wäldern einem dürfftigen mit besserem Fuge eine Hand voll Holtz / als in der Lufft dem Menschen das Athemholen zu verwehren wäre. Er kriegte aber zur Antwort: Lässestu dir nicht an tausenderley andern Bäumen genügen; sondern mustu dem Wald-Geist dieses Gebürges mit Versehrung der ihm gewiedmeten Wacholder-Stauden beleidigen? Tannenberg und seine zwey Gefärthen erschracken abermals über dieser Stimme / sonderlich / da sie den zuruffenden mit Hörnern am Haupte / mit Klauen an den Füssen / und langen Bockshaaren am Leibe gebildet sahen. Gleichwol aber faste ihm Tannenberg das Hertze / und brach von der nechsten Tanne das benöthigte Holtz [1122] sonder fernere Vernehmung dieses wilden Mannes ab; darauf die Fische gebraten / und mit annehmlichen Schertz-Reden über dieser Begebenheit verzehret wurden. Lichtenstein schöpffte hierauf aus selbiger Bach mit seinem Helme Wasser / und tranck es dem Ritter Tannenberg zu auf Gesundheit des Wasser- und Wald-Geistes in dem Sudetischen Gebürge. Sie hörten aber aus der Höle eine Stimme: warum nicht auch des Lufft-Geistes? sahen aber über sich nichts als eine überaus grosse Nacht-Eule herum flügen. Kurtz darauff wölckte sich der Himmel kohlschwartz / der helle Tag verwandelte sich in eine kohlschwartze Nacht; ausser: daß selbte von unaufhörlichem Wetterleuchten erhellet / Marbod und seine mit ihm nunmehr wie ein Aspen-Laub zitternde Ritter von denen grausamen / und in denen Thälern mehr /als zehnmahl wiederschallenden Donnerschlägen gleichsam ertäubet; von dem häuffigen Platz-Regen /in welchem alle Ströme dieses Wasserreichen Gebürges verwandelt zu seyn schienen / aber schier ersäuffet wurden. Es währete aber kaum eine Viertel-Stunde / so klärte sich die Lufft aus / der Himmel war mit einem wunderschönen Regenbogen ausgeputzt; und die annehmliche Sonne gab ihnen mit ihren freudigen Strahlen gute Nacht. Alle drey hätten bey dieser geschwinden Veränderung das schrecklichste Gewitter /das sie iemahls gehöret / für einen Traum oder Blendwerck gehalten; wenn ihre Kleider nicht noch getroffen hätten. Sie vergassen hierüber fernern Schertzes und eilten möglichst den Berg hinab; sonderlich / da sie nicht weit von dannen ein Hauß erblickten / welches sie auch noch für gäntzlicher Finsternüß erreichten; für selbtem einen alten grauen Mañ / und ein nicht jüngeres Weib antraffen; die sich zwar über der Ankunfft so fremder Gäste anfangs etwas entsetzten /hernach aber auf verspürte freundliche Ansprache /sie willig beherbergten / etliche Milch- und Kräuter-Speisen fürsetzten / und sonst allen guten Willen erzeigten. Dieser Alte entschuldigte: daß sein Armuth sie besser zu bedienen nicht erlaubte; wiewol / wenn er sich in diesem einsamen Gebürge so stattlicher Gäste versehen hätte / er gleichwol was bessers aufzusetzen würde bemüht gewest seyn. Marboden gefiel diese Treuhertzigkeit sehr wol: daß er sich mit dem Alten in ein verträuliches Gespräche einließ. Welcher denn erzehlte: daß er seines Alters über hundert Jahr /seiner Lebens-Art nach ein Wurtzelmann wäre / und sonder allen Zweiffel durch die überaus gesunden Kräuter und Wässer dieses Gebürges nicht nur seine /sondern auch seines nicht ferne von dar wohnenden Vaters Jahre so hoch erstrecket / sondern auch sich für Kranckheiten / welche die Vielheit der Speisen /sonderlich die Ubermaße des Fleisches verursachte /verwahret hätte. Marbod hätte ihn gerne ausgeholet um den Zustand des Marsingischen Hertzogs zu erkundigen / dieser gute Alte aber wolte / oder wuste ihm nichts rechtes zu sagen; vorschützende: die aus dem Thale nach Kräutern zu ihm kommende Leute sagten ihm zwar zuweilen: daß er mit seinen Nachbarn Krieg führte; Er liesse sich aber darum unbekümmert / sondern vergnügte sich mit der nechsten Wiese und Pusche / und mit wenigen Stücken Vieh. Wie er denn seine Hütte und Ruh nicht mit des grösten Fürsten Schlosse und Kummer vertauschen wolte. Ja / wo es wahr wäre / was ihm zuweilen etliche andere Wurtzel-Leute von den Welthändeln wie der seinen Willen erzehleten; müsten grosse Herren nicht allein die elendesten Menschen / sondern die grausamsten Thiere seyn. Er wäre sein Lebetage nicht auffs flache Land kommen; wüste auch nicht ob diß Gebürge das Ende der Welt wäre / oder ob solche Menschen daselbst wohneten. Er hielte es für kein gemeines Glücke: daß er mehrerley Arten Thiere / als Menschen kennte / weil jene ihm nicht so viel schadeten / als er andere von diesen [1123] klagen hörte. Er redete öffter mit den Sternen / als seines gleichen; weil er in diesen zuweilen Falschheit / ins gemein Gebrechen /in jenen aber allezeit eine wahre Andeutung künfftigen Gewitters / selten eine Verfinsterung / die aber bald wieder vergienge / wahr genommen hätte. Ja /wenn er nicht so viel Kräuter kennte; unterstünde er sich zu sagen: er wäre im Hi el besser bekandt / als auf Erden beschlagen. Seine ferneste Reise wäre biß unter das Gebürge zu denen zwey warmen Gesund-Brunnen sein Lebtage gewest; die nahe bey der Zacken-Bach aus der Erde empor quillen / er aber sie nicht so wol aus Noth / als die Wunder göttlicher Vorsorge zu genüssen jährlich im Mey besuchte. Daselbst hätten ihm etliche Fremdlinge zuweilen viel von andern Völckern und Begebenheiten erzehlen wollen; er wäre dessen aber bald überdrüßig worden; hätte auch das meiste für Getichte gehalten; weil er eine so grosse Boßheit denen Menschen nicht zutrauen könte; derogleichen die gifftigen Thiere in diesem Gebürge nicht hätten. König Marbod seuffzete über der unschuldigen Einfalt dieses Wurtzel-Mannes; Gleichwol fragte er: Was für grausam Ding er denn gehöret hätte? Der Alte wolte zwar lange nicht heraus; in Meinung: daß sie seiner Einfalt nur spotteten; endlich sagte er: Es solte ein benachbartes Volck; oder vielmehr etliche Diener / die der Fürst als seine Kinder geliebt / ihn ermordet haben. Marbod verblaste und erstummte über dieser unvermutheten Gewissens-Rührung. Tannenberg aber fiel dem Wurtzelmanne mit Fleiß ein: Ob denn in diesem Gebürge die Natter dem Mäñlein in ihrer Liebes-Beywohnung nicht den Kopff abbisse; die jungen Nattern aber in der Geburt durch Zerreissung ihres Bauches ihre Mutter nicht tödteten? Der Alte lachte hierüber / meldende: Er glaubte auch nicht: daß diß anderwerts geschehe. Er habe mehrmahls Schlangen und Nattern sich wie andere Thiere umschränckende einander beywohnen sehen; er habe in öffterer derselben Zergliederung an ihnen Männ- und Weibliche Geburts-Glieder; ja in diesen zum Küssen / nicht aber zur Empfängnüs geschicktem Munde gewisse Eyer / welche in vier Mohnden zu dinnen Nattern würden / befunden; ja die alten Nattern in engem ja gläsernem Beschlusse gehalten / welche ohne einige Verletzung junge gezeugt und selbte genehret hätten. Tannenberg versetzte: Es würden vielleicht nicht alle / wol aber gewisse Arten der Nattern diese Eigenschafft haben. Sintemahl ja auch die Wiesel im Ohre / die Raben und Fische im Munde geschwängert würden / die ersten auch durch den Mund gebiehren. Warlich / antwortete der Wurtzel-Mann; diß letztere ist so irrig / als das erstere / ich will euch Morgen / weil nichts minder die Zeit / als eure Müdigkeit euch zum Schlaffe nunmehr einräthet /auf euer Begehren die von der Natur nicht umsonst geschaffenen absonderen Geburts-Glieder in diesen Thieren zeigen; und ich habe ihre Vermischung nach gemeiner Art mehrmahls mit Augen gesehen. Marbod danckte für so gute Vertröstung / und insonderheit so annehmliche Aufnehmung; sonderlich / da das alte Weib etliche gewärmete Tücher bey ihrer Entkleidung ihnen darreichte / sich desto besser abzutrocknen /auch bequeme Läger-Stätte anwieß. Uber dieser Trocknung konte Tannenberg gleichwol sich nicht enthalten zu fragen: Ob es denn an gegenwärtigem Orte nicht geregnet hätte? Wie nun der Wurtzelmann mit nein antwortete; erkundigte sich Tannenberg weiter: Ob sie aber das schreckliche Wetter nicht gehöret? Der Alte verneinte diß gleichfalls. Diesemnach Lichtenstein heraus fuhr: So sind wir in Warheit zu letzte von dem Gespenste nichts weniger verbländet /als anfangs geäffet worden. Ich meine deine trieffenden Kleider und deine nasse Glieder / versetzte Marbod / solten dir die Warheit [1124] des Gewitkers sattsam bezeugen / ungeachtet der zwischen diesem und jenem Orte stehende Berg desselbten Empfindligkeit diesen guten Leuten entzogen hat. Tannenberg fiel ein: Er hielte zwar das Gewitter für allzuwahr; aber weil es nicht so weit gereichet / noch die grausamen Doñerschläge in einer so geringsten Ferne wären gehöret worden / mehr für ein Werck des Gespenstes /als natürlichen Ursachen. Marbod antwortete: wer hat dich den Aberglauben überredet: daß die Gespenste oder Geister Regen / Schlossen / Blitz und Donner schaffen / also der Göttlichen Allmacht Eingriff thun /oder sich ihr vergleichen können. Tannenberg warff ein: weil man von denen Sitonen / und denen um das Gebürge Sevo wohnenden Nord-Völckern für unzweifelbare Gewißheit glaubte: daß sie denen um die Rubeische Nord-Spitze schiffenden Leuten in dreyerley Knoten dreyerley Arten von Winde verkaufften; daß die Einwohner der Cycladischen Eylande durch gewisse Opffer die kühlen Lüffte in Hunds-Tagen erregten; daß die Zauberer durch ihre Künste / worbey sie zusammen gemischtes Mehl / Honig / Menschen-Schweiß und Gans-Blut in die Lufft sprengen / übrige Dürre mit Regen abkühlen; ja durch einen in den Lucernischen See bey den Helvetiern geworffenen Stein Wetter erreget würden; traute er denen Geistern / welche zweiffelsfrey von denen Geheimnüssen der Natur mehr Wissenschafft hätten / als die Menschen / so viel mehr die Krafft zu / mit der Göttlichen Zulassung sich durch solche Würckungen zu erlustigen. Der Wurtzelmann lachte hierüber; weßwegen Marbod ihm alle ihre Ebentheuer erzehlte / und sein Gutachten hierüber zu eröffnen beständig anhielt. Dieser sagte hierauff: Gegenwärtiges Gebürge wäre von Gespenstern mehr beschrien; als er selbst glauben könte. Daß zwischen so viel hohen Bergen / an welchen die Sonnen-Strahlen sich hin und wieder stiessen / aus so viel gewässerten Thälern häuffige Ausdampffungen empor stiegen / und daraus oft Gewitter entstünden / wäre der Vernunfft gemäß / und also kein Gemächte der Gespenster. So pflegten sich auch mehrmals mehr /als fleischichte Menschen in Geister zu verstellen /und mit Einfältigen ihre Kurtzweil zu treiben. Wiewol er nicht umstünde: daß zuweilen die Geister auch allhier mit gewissen Erscheinungen ihr Spiel hätten /und wäre in seiner Jugend ihm wol ehe einer erschienen / der in einem Augenblicke einen Wurtzelmann /im andern einen Jäger / im dritten einen Fischer für gebildet hätte. Insonderheit pflegten diese Berg-Geister die Fremdlinge zu äffen; niemahls aber hätten sie seines Wissens iemanden einen empfindlichen Schaden zugefügt. Marbod und beyde Ritter überfiel hierüber der Schlaff / und sie erwachten nicht ehe / als biß die Sonne mit ihren Strahlen sie in dem Gemache begrüssete. Der Wurtzelmann führte sie hierauf in seine Kräuter-Kammer / zeigte ihnen wol tausenderley Arten / und darunter viel seltzamer nur auf diesem Gebürge wachsender Kräuter; und erklärte ihnen mit einer annehmlichen Bescheidenheit ihre wundersame Würckungen. Hierauf brachte er sie auch für eine fest verschlossene Höle; bey derer Eröffnung sie für Schrecken zurück prellten / weil der erste Anblick ihnen viel tausend in einander gewickelte Nattern und Schlangen zeigte. Der gute Alte aber versicherte sie: daß sie ausser Gefahr wären / gieng hierauff mitten in dieses grausame Loch / und laß daraus allerhand Arten abscheulicher Würmer; zergliederte selbte / und zeigte seinen Gästen augenscheinlich / was er ihnen den Abend vorher versprochen hatte; erzehlte zugleich / wie er aus den gifftigsten Molchen / und anderm Gewürme für köstliche Salben / Saltz / Staub / und andere bewehrte Artzneyen bereitete. Unter [1125] welchem Gespräche sie denn in eine Küche kamen; da auf etlichen Heerden über dem Feuer viel gläserne Kolben standen / in welchen er aus Thieren / Würmern / Kräutern /Ertzt und Steinen den Geist und die beste Krafft zu ziehen wuste. Zuletzt auch mit den herrlichsten Artzneyen sie reichlich betheilte; Bey dem nun nahe herbey gebrachten Mittage aber das alte Weib ihnen zu ihrer grossen Verwunderung / Forellen / Eschen /Grundeln / und Haselhüner fürsetzte; ja ihnen anlag: daß sie selbigen Tag; weil doch allem Ansehen nach sie eine ferne Reise hinter sich gelegt haben müsten /bey ihnen ausruhen / und / ob sie zwar sie für keine Leute gemeinen Standes urtheilte / doch mit ihrer armen Rauch-Hütte für lieb nehmen möchten. Weil nun der Alte ihr beystimmte / sich auch erbot auf den Morgen sie biß unter das Gebürge zu denen zwey warmen Brunnen zu begleiten; und ihnen / wie die Marsinger das Feyer der Frea jährlich zu begehen pflegten / zeigen wolte; hatten sie zwar Bedencken diesen treuherzigen Leuten beschwerlich zu seyn; iedoch schien es ihnen eine noch grössere Unhöfligkeit zu seyn / ihren Wolthätern was abzuschlagen / was zu ihrem Wolgefallen und selbsteigner Gemächligkeit gereichte / und zwar deßhalben sonder weniger Bedencken; weil diese guten Leute nicht einst nach ihrem Zustande / und nach dem Absehen ihrer Reise zu fragen sich unterwinden wolten.

Mit anbrechendem Tage machten sie sich auf / und gab dieser Stein- alte Greiß einen so hurtigen Wegweiser ab: daß sie in zwey Stunden ein etwa zwey Meilen lang und breites / rings um mit einem Krantze Baum-reicher Berge umgebenes / in der Mitte aber mit wol hundert fruchtbaren Hügeln (welche aber gegen denen Riesenbergen Maulwurffs-Hauffen schienen) gleichsam beseeltes Thal erreichten / und darmit nichts minder ihr Hertz erlustigten / als die Augen weideten. Unter Weges erzehlte der Wurtzelmann auf Lichtensteins Begehren: was das angedeutete jährliche Feyer eigentlich wäre? Sie als Deutsche würden wol wissen: daß die Deutschen zwar aus den Lastern /wie er von andern Völckern hörte / keine Sitten machten / weniger ein Lachen darein gäben; für das abscheulichste aber würde die Unkeuschheit / insonderheit bey denen Marsingern gehalten. Daher es bey ihnen die ärgste Schande wäre für dem zwantzigsten Jahre einem Weibe beygethan seyn; ja es würde die Vermischung den Männern für dem dreyßigsten / den Jungfrauen für dem zwanzigsten Jahre gar nicht erlaubt. Die Gesetze hätte Frea eines Marsingischen Hertzogs Tochter / welche hernach Wodan / oder der Deutsche Hercules geheyrathet / gestifftet / wormit die Heyrathenden vorher recht erstarren / und unter einem so tapffern Volcke wegen Unzeit durch die Liebes-Wercke erschöpffter Leibes-Kräfften keine ohnmächtige Zwerge / sondern kräfftige Leute gezeuget würden. Auch hätte sie denen Ehbrecherinnen diese Straffe gesetzt: daß ihr Mann nach abgeschnittenen Haaren sie aus dem Hause stiesse / und biß über die Gräntze desselbigen Fleckens ohne einige Erbarmnüs und verstatteten Einhalt der Obrigkeit biß aufs Blut peitschte. Hierentgegen diesen Lastern so viel leichter fürzukommen / hätte sie gezwungene Heyrathen verdammet / und allen auch noch unter ihrer Eltern Gewalt begrieffenen Kindern eine unverschränckte Wahl ihrer Ehgatten erlaubet; sonderlich weil hier zu Lande Jungfrauen nur einmahl heyratheten / und nichts minder keine Wittib wäre: die nach einem andern Ehmanne seuffzete / als einiger Mann / der selbte seines Ehbettes würdigte. Wenn nun die Töchter das bestimmte Alter erreichten / würden sie auf eben selbigen Tag des Jahres (an dem man dieser klugen Gesetzgeberin Gedächtnüs mit vielen Lobsprüchen heraus striche /sie aber nicht nach der Ausländer Meinung für eine[1126] Liebes-Göttin anbetete) von ihren Befreundeten an einen gewissen Ort; und zwar die in diesem Thale zu denen zwey warmen Brunnen gebracht; dahin sich ihre Liebhaber auch einfindeten / beyde also die freye Wahl ihrer Heyrathen vollzügen.

Wie sie nun zwischen die zwey Bäche kamen / welche die zwey warmen Brunnen gleichsam wie zwey Armen umschlüssen; fanden sie Ufer und Wiesen ziemlich angefüllet; und darunter eine ansehnliche Anzahl wunderschöner Jungfrauen; derer Wahl gleichsam nunmehr um ihre inbrünstigen Liebhaber solte das Loß werffen. Die Menge derselben machte: daß König Marbod und die zwey Ritter sie nur überhin betrachteten. Sie sahen aber endlich eine Jungfrau durch die Zackenbach waten; welche in einem Augenblicke alle ihre Augen gleichsam bezauberte. Denn ihr Mund war dem höchsten Zinober / ihre Wangen denen noch von Thau trieffenden / und noch halb zugeschlossenen Rosen / die braunen Augen zweyen blitzenden Sternen / der Hals / uñ der mehr als halb nackte Leib dem gefallenen Schnee zu vergleichen. Die Brüste waren der Landes-Art nach gantz bloß /und ein nicht ungleiches Abbild des nahen Schnee-Gebürges / wenn dessen Gipfel so wol / als jene / mit so Purpurrothen Beeren gekrönet / mit einer so vollkommenen Rundte erhöhet / und stets mit einem lebhafften Atheme nichts minder beseelet / als aufgeschwellet würde. Mit denen braunlichten Haaren /welche zwar hundertfach gekringelt waren / aber biß an die Kniekehlen reichten / spielte der anmuthige Westwind um die Schultern. Auf dem Haupte trug sie einen Rosen-Krantz / am Halse hieng ein Bogen / an der Seite ein Köcher; in der einen Hand hatte sie eine Sichel / in der andern eine Spindel. Von dem Gurthe biß an die Knie war sie zwar mit einer zarten Leinwand verhüllet; selbte aber mit so viel Blumen bedeckt: daß sie kaum zu erkiesen war. Ihr folgten auf dem Fuße zwölff der wunderschönsten Frauen; welche sie geraden Weges zu dem warmen Brunnen leiteten; und zu baden nöthigten. Da sie denn entweder von der Wärmde das Wassers / oder aus Schamröthe für so viel Zuschauern sich noch annehmlicher färbte; insonderheit aber stachen ihre Lippen alle Corallen und Purpur-Muscheln weg; und die Zuschauer stunden in Kummer: daß sie von übrigem Geblüte zerplatzen würden. Marbod konte sich nicht länger enthalten zu seuffzen / und gegen seine Gefärthen heraus zu fahren: Warlich; ich weiß nicht: Ob sie diese Halb-Göttin in diesem Quelle verunreinigen / oder das Wasser durch ihre Schönheit mehr ausklären oder anzünden wollen? Wie nun sie im Bade wenig Zeit zubrachte / also begleiteten sie ihre Führerinnen auff die nechste Wiese an die Bach / da sie denn um sie sitzende einen Kreiß machten / und folgendes Lied ihr zusungen:


Liebstes Kind / der Sommer glühet /

Da des reiffen Alters Safft /

Knospen reiner Jungfrauschafft

Auffzuschlüssen ist bemühet /

Blüth' und Kindheit ist vorbey /

Nunmehr lerne: was es sey

Ohne was wir Unding wären /

Und ein Brach-Feld sonder Eeren.


Itzt wird Einfalt weggeleget;

Fühl'stu ein süß Etwas nicht?

Das um diese Zeit uns sticht /

Und sich im Geäder reget.

Diß ist' s Honig dieser Welt /

Das sie labet und erhält;

Ja geliebt und liebend werden

Ist der Zucker auf der Erden.


Rosen speisen Schlang' und Bienen;

Liebe Jugend und die Zeit

Die bestimmt zur Fruchtbarkeit;

Nur daß Ros' und Liebe dienen

Dort zu Gifft und Raserey /

Hier zu Honig und Artzney;

Ja es ist dem Lieben eigen

Mehl- und Zucker-Thau zu zeigen.


[1127]

Gleichwol lang so Lieb als Zierde

Zum Veraltern gleichfalls nicht.

Schönheit ist ein schwindend Licht.

Wohnt in Runtzeln gleich Begierde /

Klebt ihr doch Verschmähung an.

Denn sie brennt / und steckt nicht an;

Sie gebiehrt nicht bey viel Wieben /

Und erfriert bey Glut und Lieben.


Aber dieser Kern der Jahre

Ist gleich recht zu dem Gebrauch.

Drum erkiese dir nun auch

Eine nicht verleg'ne Waare /

Welche lieb ist und verliebt /

Und nicht todte Küsse giebt.

Denn nichts süssers ist zu finden

Als zwey Seelen auf zwei Münden.


Küsse' sind der Liebe Knoten /

Ang- und Aegeln / die sich müh'n

Unsre Seel' in sich zu ziehn.

Doch beseel'n sie auch die Todten.

Und der Liebe Pein schafft Lust /

Ja es soll'n / wenn deine Brust

Gleich wird keine Seele tragen /

Doch in dir zwei Hertzen schlagen.


Diese singende Frauen hätten allem Ansehen nach dieser aller Zuschauer Augen und Hertz raubenden Jungfrauen noch beweglicher die Liebe eingelobt; wenn sich nicht eine wol aufgeputzte Gesellschafft allerhand junger Mannschafft mit einem anmuthigen Gethöne diesem Kreiße genähert / und dardurch so wol das Stillschweigen der Frauen / als noch mehrern Zulauf des Polckes verursacht hätte. Dieser Aufzug war in unterschiedene Hauffen zertheilet / welche nach der Reye ihrer Ankunfft die Frauen rings umher besetzten. Im ersten waren eitel Weber / welche mit der schönsten Leinwand gekleidet / mit Tannen-Kräntzen aufgeputzt waren; und von dem glättesten Ahorn-Holtze flaserne Wurfften und Weber-Bäume trugen. Der alleransehnlichste unter ihnen drang sich in den Kreiß der Frauen / kniete für der Jungfrau nieder / legte Wurffte und Weber-Baum ihr zu Füssen /und fieng nach aller Anwesenden tieffem Stillschweigen folgender Weise zu singen an:


Verschmähe / Göttin / doch mein lodernd Hertze nicht /

Da Land und Stadt Lob meiner Kunst-Hand giebet;

Da iede Frau ist in mein Werck verliebet /

Und mir steckt zu / was sie ihr selbst am Leib' abbricht

Da was mein Weberbaum gewehret /

Die Welt unmöglich schier entbehret.


Es ist ja die Natur selbst eine Weberin /

Sie webt's Gestirn' in schwartzen Flor der Nächte /

Das Blumwerck ist auch ihrer Hand Gemächte /

Das sie auf den Damast der Wiesen streuet hin.

Ja daß du athmest / und ich lebe /

Ist des Verhängnüßes Gewehe.


Das Glücke schiebt bald Gold / bald schwartze Fädem' ein

Doch eh man's meint / trennt es des Todes Schere.

Steht nun kein Tag dir nicht für die Gewehre /

Wie mag dein Schönheits-Garn denn sonder Webe seyn?

In deiner Hand steh'ts: Tod und Leben /

Gelück und Unfall mir zu weben.


Nicht zweiffle: daß die Lieb' auch selbst ein Weber sey

Sie hat aus dem Gespinste der Gedancken

Dein Bild gewürckt in meiner Seele Schrancken /

Das keine Zeit vertilgt / kein Unfall reißt entzwey.

Wie magstu mir zu Pein und Leiden /

Denn selbst dein eigen Bild zerschneiden?


Der Gold-Drat deiner Haar' hat wol mein Hertz umweht /

Doch lacht es andrer Liebe Spinnen-Weben.

Soll meine Seel' hier gleich den Geist aufgeben;

So ist's ihr Trost: daß sie viel edler sich begräbt

Als Würmer / die nur Seide spinnen /

Ein köstlich Grab-Maal zu gewinnen.


Gewiß der Geist / der uns den Lebens-Fadem dreht /

Kan nichts als Gold und guld'ne Zeit mir weben /

Wo deine Gunst hierzu den Flachs wird gehen.

Ja wo sie Göttin mich zu lieben nicht verschmeht /

So wird mein Wurcken und ihr Schlüssen

Ein Webe zieh'n mit Händ und Füssen.


Die mit Rosen gekräntzte Jungfrau blieb so unbewegt gegen dieses Lied / als der Stein / auf dem sie saß. Daher der schönste unter den Fischern; welche alle von Wasser-Lilgen und andern in Sümpffen wachsenden Blumen Kräntze auff dem Haupte / um den mitlern Leib geflochtene Senden-Kleider / um den Hals Muscheln / auf der Achsel einen Hamen mit Fischen hatten / herfür trat; und nach gleichmäßigem Niederknien die unbarmhertzige um ihre Liebe mit folgenden Reymen anflehete:


[1128]

Wo Liebe / wie man sagt / gebohrn ist aus der Fluth

So kam kein Mensch kein Vorrecht nicht ersinnen /

Nah / Göttin / dich inbrünst'ger lieb gewinnen.

Es zeigts der nahe Brunn: daß Wasser quillt aus Glut;

Wie vielmahl fühl' ich selbst beysamen

In Gliedern Eyß / im Hertzen Flammen?


Es wäre mir noch nicht / was Liebe sey / bekandt.

Hätt' ich in denen Silber-klaren Flüssen

Die Fische nicht einander sehen küssen;

Die Sternen der Forelln sind nichts als Liebes-Brand;

Der Aal läßt's Wasser / sucht das Grüne /

Daß er sich seiner Brunst bediene.


So sorge / Göttin / nun nicht: daß mein Lieben Eyß /

Mein Brand sey kalt; und daß in nassen Armen /

Unmöglich oder schwer sey zu erwarmen.

Ein Quell steckt Fackeln an / Fluth macht auch Kiesel heiß;

Sonst würde Venus nicht begehren.

Sich selbst in einen Fisch zu kehren.


Weil Schiff und Fisch' und Fluß selbst unter'n Sternen stehn /

Der Sand hier Gold' / und Wasser Silber gleichet /

Mein Fischer-Zeug auch keinem fremden weichet;

Und hier kein Wallfisch-Fang mich heißt zu Grunde gehn;

So würdige doch diese Flüsse

Der Wohnung / und mich deiner Küsse.


Wächst hier gleich kein Corall / so sind doch Perlen dar.

Dein Hals und Mund kan beydes selbst beschämen /

Die Brust das Meer auch mit Rubin besämen.

In wenn du auf die Fluth ausbreiten wirst dein Haar /

So wird iedweder Fisch verlangen

Sich in das edle Garn zu fangen.


Wie? wilstu kalt wie Fluth / mehr stumm als Fische seyn?

Dein Ohr in Felß / dein Hertz in Marmel schlüssen?

So werd' ich zwar in eine Bach zerflüssen;

Doch wird dein Antlitz auch sich traurig wölcken ein /

Und seine Sonnen / die itzt glühen /

Die werden nichts als Wasser ziehen.


Nach dem die von allen so hoch verehrte Göttin gleichfalls kein Zeichen thät / trat aus dem Hauffen der Schmiede einer herfür; welcher an Farbe und Länge zwar einem Cyclopen gleichte; alleine seine Gebehrdung gab genung zu verstehen: daß sein Aufzug mehr angenommen / als natürlich war. Er hatte wie alle seine Geferthen einen Krantz von Eisen-Kraute auf; in der Hand einen Hammer; welchen er mit gleichmäßiger Ehrerbietung für der Jungfrauen niederlegte / und seine Liebes-Brunst auff folgende Art ausathmete:


Beseeltes Marmel-Bild / aus dem die Anmuth lacht /

Entsetze dich nicht für mir schwartzem Mohren

Ich bin berähmt / nicht aber schwartz gebohren.

Verliebt sich doch der Tag auch in die finstre Nacht.

Des Himmels Glantz macht selbst aus Liebe

Der Finsternüß den Mittag trübe.


Die Sternen buhln der Nacht / ziehn ihr ihr Goldstück an /

Fliehn für der Sonn' / um mit den Finsternüßen /

Alleine sich zu sättigen und küssen.

Wie sonder Dunckelheit kein Demant schön seyn kan /

Also vergnügt der Welt ihr Hertze

An Flecken sich und an der Schwärtze.


Sind deine Augen doch selbst Sonnen voller Nacht;

Und weil in Kohl- und andern schwartzen Dingen

Nur Zunder steckt die Glut in Schwung zu bringen /

So hat ein lahmer Schmied so viel zu wege bracht:

Daß er in den schneeweissen Armen

Der Liebes-Göttin mag erwarmen.


Bin ich nun gleich kein Schwau / so hinck' ich nicht / wie er.

Nur weiß ich auch: daß gegen Liebes-Brünste

Der Schmiede Glut kalt Wasser sey und Dünste.

Und meine Flammen sind von Rauch und Falschheit leer.

Schmeltz-Oeff' und eines Hecla Höle

Sind nicht so heiß / als meine Seele.


Ein einig Strahl von dir schmeltzt Eltzt / zermalmet Stahl.

Mein Hertze muß die Amboß-Last vertragen;

Nur daß es wird viel grimmiger geschlagen;

Denn deine Blicke sind nur Blitz und Donner-Strahl.

Dein Licht verbländet mein Gesichte

Ein lebhafft Strahl macht mich zu nichte.


Die Eße meiner Brust brennt Lichter-Leh' und kracht:

Weil sie allzeit zwey Blase-Bälg' erhellen /

So offt an dir die Brüste sich auffschwellen;

Und meiner Seuffzer Wind die Flamme lebend macht.

Ja ich muß noch zu Asche werden

Wo du nicht abhilffft den Beschwerden.


So kühle / Göttin / doch mitleidend meinen Brand /

Sey härter nicht / als schmeltzend Ertzt und Eisen

So wird es sich in kurtzer Zeit erweisen:

Daß auch Ergetzligkeit sey Flammen anverwand:

Daß Lieb' und Glut nicht nur verzehren

Und brennen / sondern auch gebehren.


Wiewol nun diese Jungfrau / welche mit ihren Rosen den Frühling auf den Wangen / mit ihren kräfftigen Strahlen den Sommer in Augen / mit ihren anmuthigen Aepffeln den Herbst auf der Brust fürbildete / mit ihrer unbeweglichen Kälte den Winter im Hertzen zu unterhalten schien / ließ sich doch der erste unter [1129] den Gärtnern nicht abwendig machen für ihr sein Hertz auszuschütten. Er hatte einen Krantz von hundertblätterichten Rosen; sein Kleid über den gantzen Leib war nichts / als eitel durch einander vermischte Blumen. Auf der lincken Seite beym Hertzen war allein ein Kreiß eitel schwartz-rother Nelcken /auf der rechten ein Kreiß voll Lilgen; zweiffelsfrey um mit jenen seine hefftige / mit diesen seine reine Liebe zu entwerffen. An dem Arme hatte er einen Korb voll Hyacinthen; welche er nebst etlichen durch diese Blume getödtete Schlangen kniende für der Jungfrau ausschüttete; und vielleicht dardurch auf die Uberwindung aller Verleumder und seiner Neben-Buhler zielte; endlich folgende Reymen mit vielen Seuffzern absang:


Wenn in der gantzen Welt die Liebe wäre kalt /

So würde sie in Gärten feurig bleiben;

Mir Brand und Blut auf tausend Pflantzen schreiben;

Das Wachsthum sey ihr Werck und Feuer die Gestalt.

Wie soll ich nun verliebt nicht lechsen

Bey so viel liebenden Gewächsen?


Die Erd' ist selbst verliebt in Himmel; denn sie schmückt

Mit Gold' ihr Haar / die Bäume mit Korallen /

Das Blumwerck mit Rubin / ihm zugefallen.

Auch liebt der Himmel sie / der als ein Argos schickt

Aus tausend Augen Anmuths-Strahlen /

Sie zu befruchten und zu mahlen.


Der Scharlach auf der Ros / und Bisam auf Jesmin /

Ist theils der Brand / theils eine Krafft der Liebe /

Wenn nicht ihr Geist die Sonnen-Wende triebe;

So würde sie so nicht der Welt ihr Auge ziehn.

Der Eppich hält die Myrth umgeben /

Die Ulm umhalset sich mit Reben.


Die Blumen sollen meist verliebter Leichen seyn;

Worauff man theils kan lesen ihre Nahmen;

Ja ihr Geruch ist nichts als Liebes-Saamen;

Wie soll ihr Balsam nicht mein Hertze nehmen ein?

Wie soll ich / Sonn' und Ros' auff Erden

Von dir nicht reg' und lodernd werden?


Weil aber du auch selbst ein Liebes-Garten bist /

In welchem Brüste / Lippen / Stirne Wangen

Mit Schnee-Balln / Anemon- und Tulpen prangen;

Den Athem Hyacinth / Acanth den Schweiß ansüßt /

So werden ja an dir auch hafften

Verliebter Stengel Eigenschafften.


Sind ohne Liebligkeit die Gärte Wüsteney?

Ist sonder Hold die Schönheit wild Gewächse /

So fühl' es doch / wenn ich so sehnlich lechse /

Und dencke: daß die Lieb' ein herrlich Pfropff-Reiß sey;

Das auch auff wilden Stämm- und Zweigen /

Granaten-Aepffel weiß zu zeigen.


Alleine diese Seuffzer verrauchten wie die vorigen vergebens in Wind; weßwegen aus der Reye der Schäfer der vollkommenste herfür trat; und mit einer annehmlichen Höfligkeit seinen zierlich geschnützten /und mit allerhand Geblüme umflochtenen Hirten-Stab / ingleichen seinen Krantz von Hyacinthen / der seine weißgerolleten Haare bedeckte / und ein auf dem Arme herbey getragenes Lamm zu den Füssen der unbarmhertzigen Jungfrauen legte; und nach dem sie ihm mit einem annehmlichern Blicke / als keinem vorher / begegnet war; seine Liebes-Gedancken durch mehr Seuffzer / als folgende Zeilen vernehmen ließ:


Es soll die Liebe jung in Hürden worden seyn;

Die erste Welt rühmt nichts als Schäfferinnen.

Wenn Heucheley sucht hohen Stand und Zinnen /

Kehrt reine Liebe nur in Schäffer-Hütten ein /

Mit dieser dich nun zu bedienen /

Bin auch ich Schäfer hier erschienen.


Die Wolle meiner Heerd' ist weisser zwar als Schnee

Doch nicht so rein / als mein verliebtes Hertze.

Geschminckte Gunst zerschmeltzt wie Eyß im Mertze /

Vergeht wie Rauch durch Wind / und Trüb-Sand in der See.

Alleine meine Brunst wird glühen /

Weil meine Brust kan Athem ziehen.


Die Einfalt ist das Saltz; Auffrichtigkeit der Kern

Der Liebe / die soll Gegen-Lieb' erwecken.

So scheue nun nicht uns're Püsch' und Hecken /

Wo nichts als Unschuld wohnt / da scheint kein Unglücks-Stern /

Wo Sumpff und Laster nicht zu spüren /

Kan dich kein Irrwisch nicht verführen.


Du Engel kanst den Wald in Lustgefilde kehrn /

Dein fruchtbar Fuß den Sand mit Kräutern decken.

Ja welches Schaf wird deine Weide schmecken /

Wird für die Wolle Gold / und Seiden uns gewehrn;

So daß auch Götter dieser Erden

Nach unser Trifft verlangen werden.


[1130]

Die Welt hat eine Perl' / und eine Sonn' an dir;

So soltestu nun zwar in Purpur-Schalen /

Ja nur an dem Saphirnen Himmel pralen;

Allein die Sonne schlafft auch neben Ochs' und Stier;

Und die beperlten Muscheln schämen /

Sich nicht in Sand und Schilff zu sämen.


Du wirst mein liebstes Schaf / und ich dein Hirte seyn;

Ich werde dich mit Milch und Honig pflegen;

Den Mund dir auf / die Hand dir unterlegen /

Die Schaare kommt zwar offt / doch bleibt der Nutz gemein /

Und alle Müh dich zu vergnügen

Wird nur auff meinen Hüfften liegen.


Bey währendem Singen streichelte sie anfangs das Lamm mit den Händen / hernach hob sie es gar auff die Schoos. Sie färbte und entfärbte mehrmahls das Antlitz; die Brüste schwelleten sich zum öfftern von tieffem Athemholen auf; ja man konte genau wahrnehmen: wie ihr Hertze schneller / als vorhin zu schlagen anfieng / und ihr Gemüthe mit neuen Regungen beunruhigt ward. Unterdessen verwendete sie doch kein Auge von dem knienden Schäfer; aus welchen nunmehr auch eine Anzahl milder Thränen herfür brach; gleich als wenn sie selbte vollkommen denen Steinen ähnlich machen wolte; aus welchen so wol Wasser herfür zu quellen; als man daraus Feuer zu schlagen pfleget. Sie aber nunmehr den mit ihren Zähren kühlen wolte / den sie vorher mit den Strahlen angesteckt hatte. So bald aber dieser Schäffer sein Lied endigte /und gleichsam zwischen Furcht und Hoffnung sein Todes- oder Lebens-Urthel erwartete; hob sie mit einer gleichsam Seele und Marck durchdringenden Stimme zu singen an:


Weil Spinnen auch Gewebe ziehen /

Weil ieder Fischer Arglist braucht /

Jedwedes Feuer schwärtzt und raucht /

Dorn und Napel in Gärten blühen;

Weil Unschuld nur wohnt Schaffen bey /

Erkies' ich mir die Schäfferey.


Hiermit faste sie mit beyden Händen des knienden Schäffers Haupt / küste ihn auff die Stirne; stand auf /er grieff den für ihr liegenden Schäffer-Stab; und nöthigte den Schäfer sich auch wieder auf die Beine zu machen; welcher schier unbeweglich worden war /weil er seine Glückseligkeit nicht begreiffen konte; und die Zunge nicht mehr zu rühren vermochte /indem nichts minder ungemeine Freude / als übermäßige Bestürtzung dieses bewegliche Glied zu hemmen vermag. Die anwesenden Schäfer umgaben diese zwey Neulinge in der Liebe; erfüllten die Lufft mit einem unglaublichen Freuden-Geschrey / unzehlbaren Lobsprüchen beyder Verliebten / und inbrünstigen Glückwünschungen. Ja welches denen Zuschauern am wunderlichsten fürkam; verwandelten die Neben-Buhler ihre vorige Liebe in Gewogenheit gegen den verliebten Schäffer; und an statt der vermutheten Eyversucht / urtheilten sie ihn alleine würdig diese Perle des Landes zu besizzen. Sie versicherten ihn: daß ihr Hertz durch übermäßige Liebe bereit in todte Asche verkehrt worden / also selbtes keiner fernern Flamme fähig wäre. Zwischen diesem allgemeinen Frolocken ward von vier schneeweißen Pferden ein in Gestalt einer rundten Muschel gefertigter Wagen herzu geführet; auff welchen sich die Verliebten setzten. Diesem folgten noch viel andere mit Laub und Blumen über und über bewundene Wagen; welche die Frauen und alle Neben-Buhler aufnahmen / und gegen einem kaum zweytausend Schritte davon auf einem gähen Felsen liegenden Schlosse fortbrachten. Marbod und seine zwey Ritter hatten bey diesem Gedränge den guten Wurtzel-Mann verlohren; und / weil sie nicht begreiffen konten: wie in diesem Lande von Leuten so niedriger Ankunfft so höfliche und geschickte Bezeugungen ausgeübt / und so prächtige Aufzüge erschwungen werden könten; ersuchten sie einen / den sie für einen Edlen des Landes ansahen / um die Auslegung. Dieser bezeigte gegen sie als Fremdlinge grosse Freundligkeit; und vermeldete: daß bey den Marsingern / und [1131] zwar an dem nahen Boberflusse die deutsche Tichter-Kunst ihren Uhrsprung genommen hätte / also durchgehends alldar gemein / und im höchsten Schwunge / diese Schäferin eines Marfingischen Fürsten Leidholds Tochter; der Schäfer aber ein tapfferer Ritter wäre / welchem dieses annehmliche Thal eigenthümlich gehörte / und der auf dem nechsten Berg-Schlosse wohnte. Weil es nun was ungemeines: daß diese vollkommene Fürstin einen Ritter zu ehlichen entschlossen hätte / er aber den Nahmen eines Schaffes / und ein Schaf in seinem Schilde führte; hätten sie durch diese Vermummung ihnen nicht allein eine Lust machen / sondern auch auf dem jährlichen Feyer der Frea die freye Willkühr dieser etwas ungleichen Heyrath so viel mehr ans Licht bringen wollen. Es wäre diesem Ritter aber seiner Verdienste und Tugend halber diß Glücke wol zu gönnen; wie sie folgenden Tag selbst würden erfahren; wenn sie bey ihm übernachten; und / weil er sie doch auch für Ritters-Leute ansehe / so denn nebst ihm zu denen bey den Marsingern auf den Hochzeiten zu üben gewöhnlichen Ritterspielen erscheinen wolten. Diese Höfligkeit war diesen Fremden ein gefundener Handel; weßwegen sie ungefähr eine Meile weit in sein an dem Bober-Flusse gelegenes Hauß geführet / und daselbst wol bewirthet wurden. Dieser Ritter meldete: er hiesse Vannius / sey von Uhrsprung ein Quade / und wäre wegen gewisser Unglücks-Fälle in der Bojen Land kommen. Alleine es hätten ihn viel von den Bojen ihm angethane Verdrüßligkeiten verursacht / seinen Fuß und Wehnung über das nechste Gebürge zu den Marsingern zu setzen. Weil er nun als ein Fremdling in diesem Lande so viel Gewogenheit genossen; hätte er sich in dieser annehmlichen Gegend säßhafft gemacht; und verbinde ihn die Art dieses Landes allen Fremdlingen möglichste Dienste zu leisten. Marbod ergrieff diese Gelegenheit zu seinem Vortheil; und vermeldete: wie sie Hermundurische Ritters-Leute wären / und ihre Ebentheuer zu versuchen zu den Bojen kommen / von diesen aber nicht nur durch Uberfall ihres besten Geräthes beraubet / sondern auch sich über die Berge zu machen genöthigt worden wären. Vannius erzehlte ihnen ferner: daß die Länder der Marsinger und Burier / welche der Jader-Fluß unterscheidet / und ein Theil der Semnoner zwischen der Warte und dem Jader unter viel Fürsten zertheilet wäre; welche aber alle vom Könige Stipa / der diese Länder / wie auch die Lygier / Peuciner / Veneder /und Estier beherrschet hätte / herstammeten; zeither aber durch viel innerliche Kriege sich nicht alleine sehr geschwächet / sondern auch die Gewalt über die letztern Völcker in fremde Hände hätte kommen lassen. Auff den Morgen versahe Vannius den König Marbod und seine zwey Ritter mit Pferden / Zeug /und der ihnen abgehenden Rüstung / wie nichts minder ieden mit einem geschickten Schild-Knaben. Sie kamen zeitlich in die Schrancken / welche unter dem Schlosse auff einer Wiesen an einer annehmlichen Bach ausgesteckt / und bereit mit etlichen hundert Rittern umsätzt waren. Darunter waren drey Marsingische / zwey Burische / und so viel Fürsten der Semnoner. Es war eine Lust zu sehen; wie ieder in allerhand Arthen der Ritter-Spiele seine Tapfferkeit und Geschickligkeit bezeugte. Die Sonne stand ihnen schon über dem Wirbel; als abgeblasen / und Friedrichen einen Fürsten der Marsinger der Preiß im Kopffrennen; dem Bräutigam im Ringen / einem Marsingischen Ritter Nostitz in Ubung des Wurff Spiesses /Marboden aber im Lantzen-brechen / Promnitzen einem Ritter der Burier im Pfeilschüssen / Erdmannen einem Fürsten der Semnoner im Wettelauffen / dem Ritter Vannius im [1132] Springen zuerkennt ward. Die Preiße waren etliche schöne Pferde / etliche Rüstungen /schöne Bogen und Pfeile; und iedem ward von Hedwigen / (also hieß des Ritter Schaffes Braut) ein zierlicher Krantz auffgesetzt. Wie nun Marbod mit freyem Anlitze für der schönen Hedwig erschien / seinen Preiß zu empfangen / erkennte ihn zu allem Unglücke Erdmann der Semnonische Fürst; welcher unter des enthaupteten Fürsten Britton Heere tausend Reuter geführet hatte. Marbod hatte nur mit gebührender Ehrerbietigkeit sich nach empfangenem Krantze umgewendet; als Erdmann zu seinem Nachbar sagte: dieses wäre Marbod. Der Ritter versetzte: wie diß möglich wäre: daß ein solcher König sich allein in ein so fremdes Land mit nicht geringer Gefahr wagen solte? Erdmann aber blieb beständig: Er kennte ihn allzu eigen; und weil verlautete: daß Gottwald mit den Bojen wieder ihn einen Auffstand erregt hätte; wäre möglich: daß er über das Gebürge sich gerettet hätte. So muß man denn / sagte Promnitz / diesen Fürsten- Mörder / und welcher gantz Deutschland in Verwirrung gesetzt / beym Kopffe nehmen / und an ihm eine Rache ausüben; welche durch ihre Grausamkeit allen so übelgesinnten Unterthanen ein Schrecken einjage. Die Sache gehet alle Fürsten an; und ist einem ieden daran gelegen zu verhüten: daß der / welcher gehorsamen soll / nicht verstehen lerne: daß er seinem Gebieter könne zu Kopffe wachsen. Nostitz fiel ein: Ritter Schaf dörffte es nicht wol aufnehmen; oder zum minsten es für kein gutes Zeichen halten: daß er in seinem Hochzeit-Feyer solte in Gefangenschafft verfallen. Promnitz meldete hierauff: wir müssen es gleichwol dem Bräutigam nicht verschweigen; und zum minsten auf diesen Wütterich acht haben: daß wir uns seiner in der Nähe bemächtigen. Vannius hörte dieses Gespräche mit an; und nach dem er ein wenig nachgedacht / ließ er seinen Preiß im Stiche / folgte dem Marbod; und sagte im Vorbeyreiten zu ihm: Folge mir / Marbod / oder du bist verlohren. So bald Vannius nun aus den Schrancken kommen war / gab er seinem Pferde die Sporen; und rennte / so sehr er nur konte /Westwerts dem nechsten Walde zu. König Marbod /der aus des Vannius wenigen Worten seine grosse Gefahr genungsam ermessen konte / gab dem auff der Seite haltenden Lichtenstein und Tannenberg einen Winck / und folgte dem Vannius; welcher in dem Walde ihm seine Erkäntnüs; und daß er unzweiffelbar verfolgt werden würde / umständlich entdeckte. Sintemahl alle Semnonische und Marsingische Fürsten dem Fürsten Britton mit naher Bluts-Freundschafft verwandt wären. Weil er ihm nun Anlaß gegeben /diese Ritter-Spiele zu besuchen / und also in diese Gefahr zu verfallen; wolte er lieber sein Leben einbüssen / als den übeln Nachklang haben: daß er eine Ursache seines Verterbens wäre. Wiewol nun König Marbod nach möglichster Dancksagung für so unverdiente Treue und Wolthat ihn bereden wolte / daß er zurück bleiben / ihm und den Seinigen nicht unausleschlichen Haß zuziehen solte; wolte sich doch Vannius nicht halten lassen; weil ihnen die Wege unbekandt wären / sie also nicht allein desto ehe ereilet werden / sondern auch bey denen Semnonern in neue Gefahr verfallen möchten. Diesemnach führte sie Vannius über viel Berge und durch dicke Wälder selbigen Tag noch biß an die Kweiß-Bach / welche die Marsinger und Semnoner unterscheidet. Sie wolten daselbst gleich absteigen und ein wenig verblasen; als sie hinter sich ein Geräusche von Pferden vernahmen. Diesemnach sie zu ihren Waffen grieffen; und auch alsofort von zehen Gewaffneten angefallen wurden.[1133] Wiewol nun ieder schier gegen drey zu fechten hatte; thaten sie doch so männlichen Wiederstand: daß in weniger Zeit drey von ihren Verfolgern von Pferden fielen. Marbod aber / dem am grimmigsten zugesetzt ward / verlohr hierüber sein Pferd / und muste eine gute Weile sich gegen zwey alleine zu Fusse wehren /wiewol er zu seinem Vortheil einen dicken Tannenbaum an Rücken bekam. Weil aber Lichtenstein und Tannenberg zweyen abermahls das Licht ausleschten /kriegte Vannius Lufft dem Marbod wieder auf ein feindliches Pferd zu helffen; wiewol jener darüber einen Hau in lincken Arm / und einen Stich in die rechte Seite bekam. Aber der ergrimmte Marbod rächte alsbald seinen getreuen Vannius / und durchrennte mit seiner Lantze seinen Beleidiger; welches Zettritz /ein Marsingischer Edelmann und der Führer dieses Hauffens war. Weil denn die übrigen vier von ihren empfangenen Wunden schwach zu werden empfunden; wendeten sie sich um und verliessen die vier Verfolgten. Ob nun wol Vannius etliche mahl von seiner Verletzung in Ohnmacht fiel / so erquickte ihn doch Marbod / verband ihm auch seine Wunden mit denen vom alten Wurtzelmanne empfangenen köstlichen Artzneyen; und weil er nicht zu bewegen war zurück zu bleiben / oder nur daselbst zu übernachten; ritten sie / nach dem die Pferde kaum eine Stunde verblasen hatten / die gantze Nacht fort; kamen auch den dritten Tag über die Elbe in das Hermundurische Gebiete.

König Marbod wolte in seinem eigenen Lande sich nicht zu erkennen geben / biß er nach Calegia kam; und durch seine unvermuthete Ankunfft die Seinigen erfreuete / seine Wiedrigen erschreckte / und die zweiffelhafften Gemüther im Gehorsam erhielt. Denn weil aus dem Lande der Bojen sein Tod für allzugewiß verlautete; hatten die mit ihrem Gemüthe noch an dem Geschlechte des Brittons hangende Hermundurer den beym Cheruskischen Hertzoge Segimer sich auf haltenden Fürsten Jubil durch schnelle Posten dieser Enderung verständigt / und ins Land beruffen. Welcher denn auch in der Eil zweytausend Cherusker an sich gezogen und Vertröstung hatte: daß die Sicambrer / Tencterer und Usipeter ihm mit gesamter Hand zu Hülffe kommen wolten / welche dem Marcus Lollius den Adler der fünfften Legion abgenommen / etliche tausend Römer und noch so viel Gallier erschlagen / und also den Kayser selbst in Gallien zu kommen verursacht / aber doch als gegen dieser Macht zu schwach nach erlangter reichen Beute mit den Römern Friede gemacht hatten. Marbod ließ seine glückliche Entkommung bald in alle seine Länder ausbreiten / er aber selbst rückte an der Saale gegen das Melibokische Gebürge dem Fürsten Jubill mit zehntausend Mann entgegen / um diesen Auffstand in der ersten Flamme zu dämpffen. Weil nun Jubils Vortrab geschlagen / er selbst zurück in den Semanischen Wald getrieben / die Cheruskische Hülffe durch den Krieg mit den Catten / der Beystand der Sicambrer /Tencterer / und Usipeter durch des Römischen Kaysers treuliche Abmahnungen zurück gehalten ward; über diß hernach des Claudius Drusus Einfälle das gantze Nieder-Deutschland zwischen dem Rheine und der Elbe in Krieg verwickelte / kriegte König Marbod nicht allein Lufft seine vorigen Länder völlig zu beruhigen; sondern auch wieder die Bojen auff Rache zu sinnen.

Die Bojen hatten nach Marbods Niederlage unter dem Gothonischen Fürsten Gottwald / welcher sich eine zeitlang an des Bojischen Königs Critasir Hofe aufgehalten hatte / alle Marckmänner und Hermundurer aus ihren Gräntzen getrieben / ja der Alemännischen Fürstin Vocione ein Bündnüs angetragen / und ihr Vertröstung gethan / derselbten zu allen Landschafften zu verhelffen / welche nach König Ariovists vermeintem Tode Vermöge einer mit dem Hermundurischen Hause auff den Fall [1134] nicht hinterlassener Söhne auffgezeichneten Erbverbrüderung dem Hertzoge Britton zugefallen / nunmehr an Marbod / der an solchem Geschlechts-Vergleiche weder Recht noch Theil hatte / durch Gewalt gediegen waren. Marbod ward hierüber nicht wenig bekümmert; weil die Alemannische Fürstin Vocione mit denen streitbaren Catten feste verknüpfft war / und also ihm nicht nur dieser grosse Schwall der Völcker leicht auf einmahl hätte über den Hals fallen / sondern auch die Marckmänner und Sedusier / welche ohne diß nach der ersten Alemannischen Herrschafft seuffzeten / von ihm abtrinnig machen können. Diesemnach schrieb Marbod eine weitläufftige Erzehlung alles dessen / was ihm mit ihrem Vater dem in ihren Gedancken zwar längst / in der Warheit aber erst für weniger Zeit gestorbenen Ariovist begegnet wäre / an die Fürstin Vocione / ließ selbte beyde Ritter Lichtenstein und Tañenberg unterschreiben / und mit einem kräfftigen Eyde desselbten Warheit betheuern. Zu mehrer Bestärckung schloß er einen güldenen Ring / den Ariovist allezeit an seinem kleinen Finger getragen / Marbod aber seiner Leiche zum Gedächtnüß abgezogen hatte / bey / schickte den Lichtenstein darmit zu Vocionen; mit dem Versprechen: daß er Ariovisten zu Liebe ihr alle väterliche Länder wieder abtreten wolte; da sie ihm zu Uberwindung der Bojen würde behülflich seyn. Vocione laß diese Geschichte ihres Vaters mit höchster Verwunderung / erkennte derselben Warheit aus Marbods und seiner zweyen Gefärthen hoher Betheuerung / insonderheit aber aus dem ihr mehr als allzukenntlichen Ringe / netzte also dieses Schreiben mit vielen Wehmuths-Thränen. Wiewol ihr nun das ehrsüchtige Gemüthe des Marbods bekandt / seine ungemeine Freygebigkeit anfangs verdächtig war /wuste doch Lichtenstein alle Bedencken so vernünfftig abzulehnen: daß sie die Bojische Gesandschafft unverrichteter Sachen beurlaubte / Lichtenstein aber alles erhielt / was er verlangte.

Marbod sammlete hierauf nicht allein zwey mächtige Kriegs-Heere; sondern bot durch die Vertröstung: daß er die Meyneydischen Bojen mit Strumpff und Stiel vertilgen / ihre fetten Aecker aber seinen Krieges-Leuten eintheilen wolte / fast alle seine Völcker auff. Die Fürstin Vocione schickte ihren Vetter / welchen sie auff ihren Todes-Fall zum Alemannischen Herzoge bestimmt hatte / mit zehntausend außerlesenen Alemännern und Herudern dem Könige Marbod wieder die Bojen zu Hülffe. Dieser brach an drey Orten in ihr Land. Dem Marbod selbst zohe der tapffere Gothonische Fürst Gottwald; welchem der Bojen König Critasir wegen seiner grossen Dienste inzwischen seine einige Tochter vermählt hatte / entgegen; und setzte sich beym Eger-Strome an einem vortheilhaften Orte feste: daß ihm fast nicht möglich beyzukommen war. Vannius aber / welchem Marbod seiner Treu und Tapfferkeit halber den lincken Flügel vertraut hatte / nahm hinter den Bojen einen Paß ein; wordurch er ihnen alle Lebens-Mittel abschnitt / und sie zu Liefferung einer Schlacht nöthigte. Beyde Heere wurden gegen einander auffs klügste gestellt; die Schlacht so grausam / die Feinde gegen einander so verbittert: daß bey Entfallung der Hände und Waffen / sie mit den Zähnen einander beleidigten. Diese Grausamkeit währete von der Sonnen Aufgange biß zwey Stunden für der Nacht / ehe einiges Horn der Schlachtordnung zu wancken anfieng. Marbod und Gottwald kamen selbst an einander / und verlohr ieder drey Pferde unter dem Leibe. Endlich brach Vannius zum ersten durch / und trennte der Bojen rechten Flügel; ein Marckmännischer Ritter Bercka verwundete den Fürsten Gottwald in der rechten Seite so sehr: daß er aus dem Treffen zurück weichen muste. Hierüber gerieth das gantze Bojische Heer in die Flucht; [1135] und blieben diesen Tag zwantzig tausend Bojen / und darunter der Kern des Bojischen Adels auf dem Platze; zehntausend wurden gefangen; welche Marbod folgenden Tag auf etlicher Kriegs-Obersten Einrathen: daß denen / welche ihren Eyd gebrochen / nunmehr billich die Hälse zu brechen wären / alle hätte abschlachten lassen; wenn nicht Lichtenstein ihn der Ariovistischen Lehren erinnert; Vannius ihm auch eingehalten hätte: daß kein stärckerer Pfeiler neugegründeter Reiche / als die Erbarmung eines Fürsten; und die Erhaltung eines überwundenen Feindes ein ewiges Beyspiel seiner Großmüthigkeit wäre. Wiewol nun die erstern einwarffen: es wäre den meineydigen Bojen nicht mehr zu trauen / noch einem Fürsten durch den Ruhm der Gnade Gefahr auff den Hals zu ziehen; ließ sie Marbod doch leben; die Todten aber beerdigen. Den dritten Tag rückte er ferner ins Land /und bekam die Zeitung: daß seine zwey andere Heere unter dem Nariskischen Gebürge die ihnen begegnenden Bojen gleicher Gestalt zurück getrieben / die Alemänner und Heruder auch bereit die Stadt Casurgis belägert hätten; sein ander Feld-Hauptmann Lobkowitz schon an dem Mulden-Strome ober halb der Stadt Boviasmum stünde; allwo König Critasir seine eusserste Kräfften des Reichs / die Hülffs-Völcker der Semnoner versammlet hätte / und in ein paar Tagen dreyßig tausend Sarmater erwartete / welche über das Carpatische Gebürge / und oberhalb des Flusses Pathißus über die Donau gesetzt hatten / und mit denen Pannoniern und Norichern denen Römern in Histrien eingefallen / endlich nach abgedrungenem Frieden vom Cajus Lucius unter dem Inn diß an die Donau getrieben / und bey dieser Noth von Bojen zu Hülffe gezogen worden wären. Marbod eilte deßwegen Tag und Nacht fort / in Meynung dieser Verstärckung zuvor zu kommen. Allein weil die Muldau sehr angelauffen war / und also das Fuß-Volck in Mangel der Schiffe nicht übersetzen konte / war die Vereinbarung der Bojen / Semnoner / Sarmater / ja auch zehntausend Bastarner / welche des hingerichteten Brittons Wittib bey dem Könige ihrem Bruder ausgebeten hatte / unmöglich zu verhindern. Weil nun Critasir so vieler fremden Hülffs-Völcker erste Hitze nicht wolte verrauchen / noch auch seinem Lande eine solche Last lange auf dem Halse lassen / führte er durch die Stadt Boviasmum auf den nahe darbey gelegenen Berg hundert und zwantzig tausend über / und stellte sie in Schlacht-Ordnung. Marbod aber / der sein ander Heer unter dem Lobkowitz erwartete / blieb in seinem Läger / und ließ die Bojen darum vergebens schwermen. Den dritten Tag näherte sich Marbods anderes Heer / welches er aber hinter einem Walde verdeckt stehen / von seiner Reuterey etliche mit Fleiß gefangen nehmen / und den Bojen weiß machen ließ: daß sein Heer Noth an Lebens-Mitteln liedte / und er daher in weniger Zeit erhungern / oder zurück ziehen /oder schlagen müste. König Critasir stellte deßhalben folgenden Morgen sein Heer abermahls für Marbods Läger in Schlacht-Ordnung; wiewol er um selbtes dem Scheine nach viel kleiner zu machen / ein grosses Theil in der Stadt behielt / und ein Theil hinter dem Berge stehen ließ. Marbod führte nunmehr seines auch ins Feld / und ward zwey Stunden in gleicher Wage gefochten; weßwegen Critasir seinen Hinterhalt auff beyden Seiten anrücken / Marbod aber mit allem Fleiße seinen lincken Flügel Fuß für Fuß zurücke weichen ließ; wormit die Bojen sich von der Stadt Boviasmum entferneten. Hierauff brach Lobkowitz mit der Helffte seines verborgenen Heeres durch den Wald herfür / und setzte sich harte für die Pforte der Stadt / den Bojen den Rückweg abzuschneiden. Mit der andern Helffte des versteckten Heeres aber stellte sich der Marckmännische Ritter Thurn an den [1136] lincken Flügel biß an den Moldau-Strom; also: daß die Bojen schier auf allen Seiten entweder von den Marckmännern / oder von dem reissenden Flusse umringt waren. Die Schlacht begonte nun allererst grausamer als niemahls; nach dreyen Stunden aber gaben die Sarmaten / welchen Vannius mit dem schweren reisigen Zeuge in diesem Gedränge überlegen war / die Flucht; und weil sonst keine Ausflucht zu finden /setzten sie mit ihren leichten Pferden über die Muldau; wiewol derer etliche hundert vom Strome verschlungen wurden. Critasir mühte sich zwar bey dieser Verwirrung durch die Hauffen des Lobkowitzes zu brechen; und Fürst Gottwald / der doch kaum wegen seiner in der ersten Schlacht empfangenen Wunden auff dem Pferde sitzen konte; that mit sechstausend Mañ theils Kriegs-Knechten / theils Bürgern einen verzweiffelten Ausfall auf ihn / um ihrem Könige Lufft / und den Weg an die Stadt offen zu machen. Alleine der Ritter Bercka kam mit seiner Reuterey dem Lobkowitz zu Hülffe; kriegte den für Grim schäumenden / und verzweiffelt-fechtenden Fürsten Gottwald gefangen; und trieb die übrigen wieder in die Stadt. Inzwischen kam Marbod dem Könige Critasir so nahe: daß er ihn umarmende mit sich vom Pferde rieß. Um diese beyde Könige drängten sich nun beyde Völcker wie Bien-Schwärme / und blieben von beyden Theilen etliche hundert der streitbarsten Ritters-Leute. Endlich aber wurden die Bojen übermannet / König Critasir mit sechs tausend Bojischen Edelleuten / und zwantzig tausend andern Bojen; Wittekind ein Fürst der Semnoner / welcher halb-todt unter den Leichen aufgelesen ward / mit fünffhundert edlen Semnonern; und dreytausend andern; in gleichen fünff tausend Bastarnen gefangen; dreytausend Bojische Reuter entrannen noch über den Fluß / und kamen in die Stadt. Alles andere Volck hatte die Schärffe der Marckmännischen Schwerdter / oder die Tieffe des Stromes gefressen; wiewol Marbod auf seiner Seiten auch über zehn tausend Mann eingebüst hatte. Marbod legte den Gewinn dieser Schlacht gegen sein Volck für ein Göttliches Zuerkäntnüß der Bojischen Herrschafft aus / als wordurch das ewige Verhängnüs die Streitigkeiten der Könige zu entscheiden / und die Reiche der Welt zu verändern pflegte. Insonderheit aber meinte er mit dem gefangenen Könige Critasir das völlige Hefft der Bojischen Herrschafft in seine Hände bekommen zu haben; weil Fürsten freylich die Seele in dem Leibe ihres Reiches sind; und so wol ein Volck / als ein Bienen-Schwarm nach Verlust seines Königs verlohren geht. Daher die Thebaner / als sie ihren Pelopidas gegen Alemandern / den König zu Pheres eingebüst hatten / sich für überwunden / Artaxerxes aber / als Cyrus gegen ihn blieben war / sich für den Sieger ausruffen ließ / ungeachtet dieser das Feld verlohren / jene es behauptet hatten. Massen denn auch König Critasirs Bestrickung die Bojen in solche Verwirrung setzte: daß sie den Marbod ohne einigen Wiederstand auf etlichen erlangten Nachen und in der Eyl gefertigten Flössen zwölff tausend Mann über die Muldau setzen / und auf der andern Seite die Stadt Boviasmum sperren liessen. Weil nun diese keine genungsame Besatzung / insonderheit kein Oberhaupt hatte; die Königin nicht mehr um Reich und Freyheit / sondern allein um ihres Gemahles Leben bekümmert war; er gab sie sich und die Stadt auf Marbods Gnade; welcher noch selbige Nacht zwey Thore mit zehntausend Mann besetzte. Folgenden Tag hielt Marbod durch die Stadt auf das Königliche Schloß einen prächtigen Einzug. Auf den Strassen lagen nicht nur die Bürger / sondern so gar Weiber und Kinder auf den Knien durch ihre Demuth des Uberwinders Rache zu besänfftigen. Nach dem Marbod nun den Vannius und Bercka mit dreyßig tausend Mann die [1137] flüchtigen Sarmaten zu verfolgen befehlicht hatte; ließ er den König der Bojen für sich erfordern; welcher nun gebunden für dem Stule seinen Feind kniebeugend verehren muste; darauf er noch den Tag zuvor so viel tausenden Befehl ertheilet hatte; zu einem denck würdigen Beyspiele: daß zwischen der höchsten Ehren-Staffel und tieffstem Kniebeugen nur ein Schritt / zwischen Lorbeern und Cypressen nur ein Hand umwenden / zwischen Kron und Fessel offt nur ein Sonnen-Untergang den Unterschied mache. Marbod fragte Critasirn: Was die Bojen und ihn bewogen wieder ihren einmahl beliebten Fürsten den Auffstand zu machen? Dieser antwortete: jene die Liebe der Freyheit / mich meines Volckes. Marbod fragte ferner: wie er nun beyde gehandelt wissen wolte? Critasir antwortete: Mit dem Volcke / wie es der Ruhm eines so grossen Siegers erfordert; mit mir /wie du gehandelt seyn woltest / wenn dich heute das wanckelhaffte Glücke in meine Stelle versetzt hätte. Marbod befahl nach einem langen Stillschweigen die Königin herbey zu führen; welche ihre vorige Pracht in schlechte Trauer-Kleider verhüllet hatte; und / weil das Hertzeleid ihrer schweren Zunge das Reden verbot / ihre Thränen an statt der Worte brauchte. Sie sanck für dem Marbod in halbe Ohnmacht nieder; endlich erholete sie sich gleichwol / und fieng an: Ob sie zwar das Verhängnüs alles Vermögens entsetzet hätte / bliebe doch auch denen Elendesten das Bitten übrig. Dieses wolte sie nicht für sich selbst verschwenden / sondern für ihren Gemahl und Tochter angewehren. Sie selbst entschüttete sich nicht allein aller Würde / welche nach erlangtem Besitzthume bey weitem nicht so viel wiege / als ihr die anfängliche Begierde hiervon träumen liesse / sondern auch des Lebens; welches ohne diß eine Uberlast der Unglückseligen wäre. Jedoch würde er zuversichtlich behertzigen: daß ein Mensch durch nichts / als Verzeihung sich GOtt ähnlich; auch nichts mehr als Gnade einen Fürsten berühmt / und seine Herrschafft unüberwindlich machte; und daher auch Marbod seine Sieges-Gesetze nach seinem Ruhme und der Uberwundenen Mögligkeit mäßigen würde; weil es schwerer wäre anbefohlene Dinge thun; als befehlen / was man gethan haben wolte. Wiewol nun der Hochmuth mit dem Glücke sich für längst in Marbods Hertze eingespielt hatte; Menschen auch zwar ihre ersten gerathenen Streiche mit vernünfftiger Gemüthsmäßigung aufnehmen / zuletzt aber Vernunfft und Empfindligkeit von übermäßigem Wachsthume verdrückt wird; redete doch die Königin so nachdrücklich: daß dem Marbod die Augen über giengen / und er ihr antwortete: Seine Waffen hätte er wieder kein Frauen-Zimmer gezückt; und also solte weder ihr noch ihrem Geschlechte einig Leid begegnen. Wiewol nun Critasir und die Bojen ihm sein Licht auszuleschen weder Arglist noch Anstalt gesparet; ob wol Meineyd durch kein Band der Wolthaten zu fesseln wäre; ja die / welche darmit betheilt würden / für eine Beleidigung annehmen / wenn etwas übrig bliebe / das sie noch hätten beko en können; und endlich untreue Gemüther nichts minder / als unreine Leiber durch zu gute Pflegung nur mehr versehrt würden; wolte er doch ihrer Fürbitte so viel enträumen: daß alle Bojen Leben und Freyheit behalten / das gantze Land aber den Marckmännern räumen / und ihnen einen Sitz entweder über der Weichsel oder der Donau suchen solten. Weil nun einem Schiffbruch-leidenden auch die ihn aufnehmende Scheuterungs-Klippe für einen Hafen dienet; und der zu allem leicht zu bereden ist / der sich so gar seines Lebens schon verziehen hat / nahm nicht nur die Königin /sondern Critasir selbst diese Erklärung für eine grosse Gnade mit tieffer Dancksagung an; wiewol nichts schwerer ist / als seinem Vaterlande auf ewig gute Nacht sagen; dessen Liebe viel ihrem Leben vorgezogen. [1138] Folgenden Tag kam die Botschafft: daß die Alemänner sich auch schon der Stadt Casurgis / und vieler Bergschlösser bemächtiget / den dritten Tag: daß Vannius und Bercka die entflohenen Sarmaten in einem Walde umringet hätten; Weßwegen Marbod noch zehntausend Mann dahin schickte; welche denn die Sarmaten dahin brachten: daß sie die Waffen weg-und sich der Willkühr des Siegers unterwerffen musten. Den zehenden Tag war auf einem grossen Platze in der Stadt eine Schaubühne / und darauf ein Königlicher Stul bereitet. Nach dem der Platz mit zehntausend Marckmännern besetzt war; kam König Marbod mit allen Grossen auffs prächtigste dahin / und besaß selbten. Diesem folgte König Critasir; welcher drey der vornehmsten Bojen ihm die Königliche Kron /den Zepter und das Reichs-Schwerd fürtragen ließ /und alles mit tieffer Ehrerbietung nach eydlicher Abschwerung allen an dieses Land habenden Rechtes dem Könige Marbod überliefferte. Diesem folgten die Priester; welche denen Marckmännischen Eubagen alles Opffer-Geräthe / die zum Gottesdienste gehörigen Bücher / und ein überaus grosses Geweihe von einem Elend-Thiere; welches der erste Bojische König an dem Orte / wo die Stadt Boviasmum stehet /geschlagen / und als ein Schutz-Bild des Bojischen Reiches aufzuheben befohlen haben soll / überliefferten. Endlich kam ein Ausschuß von der Bojischen Ritterschafft; welche den Bojischen Reichs-Schild /und die Abgeordnete von Städten / die derselben Schlüssel dem Marbod zu den Füssen legten; und dieses Land nicht ferner zu betreten eydlich angelobeten. Folgenden Tag geschach der Auffbruch der Bojen; und zohe von allen Enden alles / was Beine hatte /gegen dem Donau-Strom; allwo sie bey der Vereinbarung des Flusses Inn an zweyen Orten über die Donau setzten / und daselbst von Marckmännern ein Theil ihrer Waffen zu ihrer Beschirmung wieder bekamen; also daselbst die zwey Städte Bojodur und Passau bauten; hernach aber vollends über den Inn setzten /und die alten Vindelicher verdrangen; welche aber von der Alemännischen Fürstin Vocione in die von den Marckmännern ihr nunmehr eingeräumte / aber aller Einwohner entblösten Landschafften willig angenommen wurden. Marbod hingegen theilte seinen Völckern das gantze Land aus; gab ihnen die gefangenen Sarmaten zu Leibeigenen / welche des Feldbaues pflegten / vergrösserte die Stadt Boviasmum / und nennte sie nunmehr Marbod-Stadt. Inzwischen aber rückte er mit seiner gantzen Heeres-Krafft theils an-theils auff der Elbe mit einer grossen Menge Nachen denen zum Kriege schlecht bereiteten Semnonern auf den Halß; schlug selbte zweymahl aus dem Felde / eroberte die Stadt Budorigum / und bekam in selbter den Fürsten mit allen den Seinen gefangen; also: daß dieses gantze Volck den Marbod für seinen König annahm; und zwar mit so viel mehr Belieben / weil es zeither fast unauffhörlich mit beschwerlichen Kriegen bald von denen Hermunduren / bald von denen Longobarden / bald von denen Marsingern und Buriern (welche Völcker alle streitbare Schwaben sind) abgemattet worden war / und also sie durch die dem Marbod überreichte Krone ihnen selbst gleichsam den Krantz der Ruhe auffsetzten / und dieser zu Rom als eine Göttin verehrten Mutter der Vergnügung einen Tempel zu bauen meinten. Sintemahl doch unaufhörliche Unruh beschwerlicher / als die Dienstbarkeit ist; und weil ein Besitzer grosser Heerden die Kuh nicht so offt melcken / die Schafe nicht so viel mahl scheren darff / also eines weit und ferne gebietenden Königs Herrschafft nicht so sehr und offte die Unterthanen drücken / hingegẽ sie mächtiger schützen kan / die Semnoner nunmehr unter einem so mächtigen Könige viel gemächliger zu leben hofften; Worbey denn Marbod zugleich einen [1139] klugen Staats-Mann abgab; in dem er dem Semnonischen Adel grössere Freyheiten enträumte; wolwissende: daß wenn man die Köpffe abschneiden will / die Glieder gestreichelt und eingeschläfft werden müssen. Eben zur selbten Zeit hatten die Lygier und Burgundier wieder die Burier und Marsinger einen blutigen Krieg angehoben. Die Verbitterung war zwischen ihnen so viel grösser / weil sie einander verwand / und allesamt Scherben eines für Zeiten grossen Reiches waren; Die Lygier aber alle Gefangenen ihrem bey den Naharvalen in einem Heyne verehrten Gotte gewiedmet hatten; in welchem Falle nicht nur die Feinde / sondern so gar auch die Pferde müssen abgeschlachtet werden. Der Vorwand war: daß die Lygier von denen an dem obersten Jader-Flusse gelegenen Osen einem dahin eingesessenen Pañonischen Volcke die Marsinger keine jährliche Schatzung mehr erheben lassen; diese aber solche den Lygiern nicht enthängen wolten. Marbod schickte deßhalben den daselbst bekandten Vannius zu den Marsingern und Buriern / und bot ihnen so viel Hülffs-Völcker an / als sie verlangten. Dieser brachte es durch seine kluge Handlung so weit: daß alle Marsingische und Burische Fürsten; welche nach vieljähriger Zwietracht nichts minder der zertheilten Ober-Herrschafft / als der blutigen Kriege überdrüßig waren / den König Marbod für ihren Schutz-Herrn annahmen; und ihre Länder gleichsam dem Bojischen Reiche einverleibten. Hierauff vereinbarten Marbod und alle diese Fürsten ihre Waffen / trieben die Lygier und Burgundier nicht allein zurücke / sondern fielen auch mit dreyen mächtigen Heeren bey den Burgundiern / Lygiern und Logionen ein; welche alle die Länder an der lincken Seite der Weichsel bewohnen; und noch ferner in die Arier / Helvekoner / Manimer / Elysier / und Naharvaler eingetheilet werden. Diese Völcker liefferten zwar unter dem Aschenburgischen Gebürge dem Könige Marbod mit grosser Hertzhafftigkeit eine Schlacht; weil sie aber nur unordentlich zu scharmützeln / Marbods Völcker aber nach Römischer Kriegs-Art mit geschlossenen Hauffen allenthalben durchzubrechen gewohnt waren; zohen jene den Kürtzern / und blieben zwey Fürsten der Lygier mit acht tausend Kriegs-Leuten auf der Wallstatt. Worauf sie sich in ihre Wälder verkrochen / ihre eigene Dörffer anzündeten / dem Feinde die Lebens-Mittel abzuschneiden / und nur durch vielfältige Einfälle ihren Feind ermüdeten. Weil nun die Lygier durch keine Kriegs-List aus ihrem Vortheil zu locken waren; rieth Vannius mit der grösten Macht bey den Naharvalen einzudringen / weil alle diese Völcker mit denen angräntzenden Peucinen bey der Stadt Carrodun in einem hochheiligen Heyne zwey Jünglinge /wie die Griechen den Castor und Pollux Göttlich verehrten; welches der gemeinen Meinung nach zwey vergötterte Fürsten der Marsinger und Lygier gewest /und zwar in einer Schlacht von den einbrechenden Scythen erschlagen / gleichwol aber diese bey ihrem blutigen Siege von jenen derogestalt geschwächet worden seyn sollen: daß sie mit Furcht und Schrecken sich wieder über den Fluß Tanais geflüchtet / und zur Beute nichts / als viel Säcke abgeschnittener Ohren zurücke gebracht; hingegen wol hundert tausend Menschen im Stiche gelassen hätten. Gleichwol aber würden diese heiligen Helden in keinem Bildnüsse verehret. Der Priester dieses Heiligthums verrichtete die Opffer nach Art der Assyrischen Venus-Priester in Weibes-Kleidern; welche dieser zweyen Fürsten Mutter getragen haben soll / und zugleich alldar verehret wird. Weil dieser Heyn nun ihr gröstes Heiligthum ist; kein Ding aber auf der Welt ehe als Aberglauben menschliche Gemüther zu verzweifelten Entschlüssungen bringet; würden diese Völcker bey für genommener Ausrottung dieses Heyns zweiffelsfrey [1140] ihr eusserstes thun / solches zu verwehren. Marbod wolte zwar in die Verunehrung dieses Heiligthums nicht stimmen; weil die Entweihung des fremden / ja auch so gar des gantz falschen Gottesdienstes / als welcher ja besser / als gar keiner wäre / mehrmahls von Gott schrecklich wäre bestrafft worden; so ließ er doch allenthalben die Bauern des Landes feste machen / vorgebende diesen an der Weichsel gelegenen Heyn mit Strumpff und Stiel auszurotten; derer aber ein gutes Theil wieder mit Fleiß entkommen: wormit diß Vorhaben allenthalben ruchbar würde. Es ist unglaublich / wie diß Geschrey so geschwinde alle Wüsteneyen durchdrungen / und wie es die Lygier so geschwinde nach Carrodun gezogen. Unter allen diesen verbitterten Völckern waren am grausamsten die Arier anzusehen / derer Augen für Rache glüheten / die Riesen-Leiber mit abscheulichen Merckmahlen blutig bezeichnet / und alle mit kohlschwartzen Schilden versehen waren. Sie erkieseten zu ihrem Angrieffe ihrer Gewonheit nach die traurige Nacht / und begleiteten ihn mit einem erbärmlichen Geheule. Wiewol nun Marbod sein Heer auffs vortheilhaffteste gestellt; ein geübtes Kriegs-Heer an Kriegs-Wissenschaft und den Waffen ja vom Orte / der Lufft und dem aufgehenden Mohnden für den Lygiern einen grossen Vortheil hatte; so begonte doch unterschiedene mahl seine Schlacht-Ordnung zu mancken. Denn die Lygier kämpfften mehr / als menschlich / und gichtiger / als wilde oder gifftige Thiere; lehrten also den Marbod: daß wie der heleidigte Gottesdienst die grimmigsten Gemüths-Entschlüssungen nach sich zeucht; die Verzweifelung auch die feigesten behertzt macht; also der gröste Fehler / und die ärgste Gefahr sey im ersten einem Volcke ans Hertze greiffen; und mit einem verzweiffelten Feinde treffen. Das Morden und Blutstürtzen war so grausam; das Geheule der Streitenden / und das Winseln der Sterbenden so erbärmlich: daß der Monde sich anfangs gantz blutroth färbte; gleich als selbter zugleich von so viel verspritztem Blute befleckt würde / hernach aber sich mit einer dicken Wolcken verhüllte / gleichsam seine Augen für so viel traurigen Todesverstellungen zu verschlüssen /theils für so viel Wehklagen seine mitleidende Ohren zu verstopffen. König Marbod selbst gerieth zwischen einen Hauffen rasender Arier: welche zwölff seiner um sich habender Marckmäñischer Ritter in Stücken hieben; und wäre es um ihn gethan gewest; wenn nicht Vannius / Thurn und Posadof ein Burischer Ritter mit etlichen Reisigen ihm zu Hülffe kommen wäre; und dem zu Fusse fechtenden Marbod wieder zu Pferde geholffen; ja Vannius / weil ihm der Schild zerspalten war / mit seinem Arme / einen auf den Marbod von dem Fürsten der schwartzen Arier / Siebenhertz geneñt / geführten heftigen Streich aufgefangen hätte; worüber Vannius denn selbst ohnmächtig zu Bodem sanck. Endlich entsetzte ihn völlig Kunrad ein Fürst der Marsinger mit fünffhundert Edelleuten; darunter einer dem Fürsten Siebenhertz anfangs seine Bären-Haut mit einem grossen gelben Horne vom Kopfe rieß; hernach ihm selbten gar zerspaltete; weßwegen ihm König Marbod das gelbe Horn nicht nur zu seinem Schilde / sondern auch zu seinem Geschlechts-Nahmen zu führen verlieh. Ein ander Marsinger begegnete dem herzudringenden Fürsten der Naharvaler dergestalt: daß er ihm mit seinem über den Kopff abhängenden Bären-Tatzen den halben Schild abhieb; hernach ihm einen Pfeil recht durch den Mund zum Nacken heraus schoß; welchem Marbod die Bären-Klauen im Schilde zu führen / und den Nahmen Pfeil gab. Hierüber begonte es zu tagen / und die Sterne zu erblassen; zugleich auch der Vortheil der Lygier zu verschwinden / und der Marckmänner zuzunehmen; Gleich als wenn das Göttliche Verhängnüs diesen Völckern den Tag / jenen die Nacht zum Obsiege eingetheilt hätte. Den Lygiern war mit Hinfallung ihres Fürsten / und Zertrennung der Arier auch guten Theils das [1141] Hertze entfallen; die Marckmänner konten sich besser besehen; und also fielen der Ritter Bercka / Schaf / und Promnitz auff beyden Seiten denen wie eine Mauer noch unbeweglich-stehenden Helvekenen und Elysiern mit ihrem Reisigen-Zeuge ein: daß alle Lygier gegen den Mittag in offenbare Flucht geriethen; wiewol mehr als die Helffte Fuß für Fuß fechtende auf dem Platze todt blieb; der vierdte Theil und darunter sieben Fürsten gefangen wurden / und kaum ein vierdtes Theil in die Länder entran. Also überwältigte Marbod / wiewol mit Verlust / zwölff tausend streitbarer Krieges-Leute die Lygier / Logionen / und Burgundier / welche sich biß auf diesen Tag gerühmt hatten: daß kein Feind noch gegen ihre gleichsam höllische Gesichter stehen können; sondern sie mit ihrem blossen Anblicke schon den halben / mit ihren Schwerdtern allezeit den völligen Sieg erlanget hätten. Vannius ward mit Marbods höchster Bekümmernüs für todt von der Wallstatt auffgehoben; endlich aber durch Erquickungen wieder zum Athmen / und endlich durch Aderlassen; weil das Geblüte wegen verhinderter Umkreissung das Hertze erstecken wolte / zu Kräfften gebracht. König Marbod rückte noch selbigen Tag für die an der Weichsel auff einem Berge liegende Festung Carrodun; darinnen die Hertzogin der Naharvaler Hermegild des Logobardischen Fürsten Tochter selbst ihr Eh-Herr in der Schlacht erschlagen; ihre zwey Söhne aber gefangen waren. Weil nun der Ort feste; ließ Marbod selbten mit Bedräuung: daß er bey verweigerter Aufgabe der Fürstin Söhne um Carrodun zu tode schleiffen / und den Hunden fürwerffen wolte / auffordern. Die Fürstin ließ anfangs dem Marbod zur Antwort wissen: der Hunde Magen wäre ein edler Grab ihrer Söhne / als todter Marmel. Und als er einen Knecht in der Tracht eines ihrer Söhne um die Stadt schlieffen ließ; schickte sie ihm einen Korb voll Rosen heraus / und ließ ihm entbieten: Er möchte doch darmit ihres Sohnes Leiche bestreuen lassen / um zu schauen: Ob die Naharvalischen Blumen so kräfftig / als die Trojanischen wären / wormit Venus Hectors Leiche für Zerreissung der Hunde beschirmet haben solte. Endlich ersuchte sie den Marbod: er möchte auff gutes Vertrauen mit ihr selbst die Bedingungen der Ubergabe zu schlüssen belieben; und sich dem eussersten Thurme nähern; darauff sie bey Fürstlichen treuen Worten alleine erscheinen wolte. Marbod / welcher diese Fürstin ihrer Großmütigkeit halber sehr hatte rühmen hören / kam /ungeachtet alles Wiederrathens / an denselben Thurn; da er deñ von ihr allein die Bitte vernahm: er möchte sie mit der Leiche ihres Eh-Herrn beschencken. Marbod sagte: Sie solte diß und alle Höfligkeit bey Ubergebung der Stadt erlangen. Sie aber antwortete lachende: Es wäre eine grosse Thorheit die Todten mit Lebenden verwechseln; in dem ein Feind zwar diesen Schaden / jenen aber kein Haar mehr krümmen könte. Marbod fuhr fort: So wolte er denn ihre Söhne in ihrem Gesichte abschlachten lassen. Sie lachte abermahls / entblöste ihren Untertheil des Leibes / und sagte: Siehe Marbod: daß die Werckstadt mehrer Söhne hier noch gantz unverletzt sey. Marbod wendete schamroth das Pferd um / kehrte spornstreichs zurück; und befahl mit allen Kräfften die Belägerung zu befördern. Wiewol nun die Mauerbrecher wegen der Höhe nicht zu brauchen waren; so drangen die Marckmänner doch durch Untergrabung in die Stadt. Die Fürstin zohe sich hierauf mit dem Kriegs-Volcke in das Schloß; und ließ unter die Eroberer dreyhundert wilde Schweine loß; mit welchen sie ihnen genung zu thun machte / und inzwischen alles ihr Volck sicher in das Schloß brachte. Aber diese wilden Thiere wurden auch bald gefället; und hiervon zehen Rittern der Nahme Schweinitz zugeeignet; folgends von dem Ritter Thurn / der ihm die seines [1142] wegen gleichmäßiger Ersteigung erlangten Nahmens Ehre ausbat / das Schloß übermeistert. Ja ob sich wol die Fürstin der Naharvaler / wie Asdrubals Gemahlin zu Carthago /aus dem Fenster in Graben stürtzte; brach sie doch nur einen Schenckel; ward also wieder ihren Willen aufgehoben und geheilet. Wormit aber der kluge Marbod nicht so wol der Naharvaler Mauern / als ihre Hertzen eroberte / ließ er mit unglaublicher Mühe auff dem Bojischen Gebürge tausend der grösten Lier-Bäume ausheben / und selbte rings um der Naharvaler heiligen Heyn setzen. Denn er wuste wol: daß das Schiff eines Reiches nicht feste stehen könte / wenn es nicht der eingesenckte Ancker der wahren / oder wenigstens der angenommenen Gottesfurcht hielte. Alleine diß war nicht so wol ein Geschencke Marbods /als der Naharvaler selbst; welche unsäglich viel Schweiß nicht so wol der daselbst angebeteten Gottheit / als Marbods Ehrsucht und Heucheley opfferten. Diesemnach denn die Andacht und Freygebigkeit /wie auch alle dieselben Opffer / welche Fürsten für erwürgte Menschen von dem ausgepreßten Schweiß und Blute der Uberwundenen GOtt zu bringen pflegen / keine geringere Flecken an sich kleben haben / als das von der Phryne in den Grichischen Tempel gewiedmete goldene Bild / welches Crates gar recht ein Sieges-Zeichen der Grichischen Unmäßigkeit hieß. König Marbod aber hatte kaum diß Werck vollbracht; als er Nachricht bekam: daß die zwischen den Brunnen der Oder und der Weichsel wohnenden Gothinen; derer Sprache anzeiget: daß sie von den Galliern ihren Uhrsprung haben / auf Verleitung der Lygier nicht nur im Anzuge wären; sondern auch der Cheruskische über die Quaden zwischen der Donau / dem Bojischen- und Mohnden-Gebürge gesetzte Stadthalter /mächtige Krieges-Rüstungen machte; und weil ohne diß der Cheruskische Feldherr Segimer seinen Feind den Fürsten Jubil bey sich hielte / und den Marckmännern wenig hold wäre / solche nicht unbillich gegen ihm angesehen zu seyn schiene. Diesemnach schickte er den Vannius mit zwölff tausend Kriegs- Leuten den Gothinen entgegen; welcher sich in einen Wald versteckte / die darein sonder einige Furcht und Vorsicht rückende Feinde auf allen Seiten überfiel und mit ihrem Fürsten auffs Haupt erlegte; hierauf ein Theil seines Volckes in der erschlagenen Gothinen Röcke verkleidete / und den Ritter Oppersdorff darmit gegen die bey dem Brunnen der Oder gelegene Stadt Parienna schickte / und selbte unter dem Scheine: daß sie darein von dem Hertzoge zur Besatzung geschickt würden / ohne Wiederstand eroberte. Vannius selbst durchstreiffte das gantze Land / und bemächtigte sich etlicher festen Plätze. Inzwischen demüthigten sich die übrigen Lygier / Logionen und Burgundier unter die Siegs-Hand des mit den dreyen Herren ihnen im Hertzen stehenden Königs Marbod; leisteten gegen Bestetigung ihrer alten Rechte ihm den Eyd der Treue; und versicherten ihn im Wercke zu bezeugen: daß zwischen Sieger und Besiegten niemahls die Verträuligkeit fester klebte / als wenn sie vorher aufs eusserste ihre Kräfften gegen einander geprüfet hätten. König Marbod schlug eine grosse Anzahl derer / die in diesem Kriege sich tapffer gehalten hatten; und darunter Seidlitzen / Gerßdorffen / Pritwitzen / Stoschen / Rohren / Zedlitzen / Schmoltzen / Kitlitzen / Bocken / Hauwitzen / Pogrellen / Retschin / Hund / Tschammer / Abschatz / Röder / Schöneych / Schindel / Mülheim / Dier / Braun / Gafron / Ratzbar / Heyde /Logau / Strachwitz / Borschnitz / Waldau / Leftwitz /Hocke / Studnitz / Baruth / Niemitz / Nimptschen /und noch viel andere Marsinger und Marckmänner zu Rittern; ließ durch seine Kriegs-Obersten sich aller vortheilhafften Plätze / besonders an der Weichsel gegen die Sarmater auffs beste versichern / er aber rückte [1143] mit einem mächtigen Heere in der Gothiner Gebiete / darinnen er zu völliger Uberwindung dieser ohne diß zur Dienstbarkeit geneigten / und theils den Sarmaten / theils den Quaden Zinßgebender Völcker wenig zu thun fand; weil Vannius das meiste schwere gethan / den Ruhm aber alleine für seinen König ausgehoben hatte. Marbod rühmte diese ungemeine Dienste des Vannius / und fragte: welcher Gestalt er sie gegen ihm durch Danckbarkeit ausgegleicht wünschte. Vannius fieng hierüber an zu seuffzen; meldende: sein Wunsch übersteige die Bescheidenheit eines schlechten Dieners; wiewol nicht das Vermögen eines so grossen Königes; und daher wolte er lieber seinen Begierden / als seiner verbindlichen Erniedrigung etwas abbrechen; weil doch die Sache so groß wäre; die er ihm nicht zuzumuthen traute / wenn er schon zehnmahl so viel Verdienste für sich anzuziehen hätte. Marbod aber antwortete: Er hätte dem Vannius nicht nur viel Siege / sondern auch etliche mahl das Leben zu dancken; also solte er es kühnlich begehren; wormit er sein eigen Gemüthe erleichterte / ihn / den König aber einer so grossen Schuld entladete. Vannius eröffnete hierauf: Er wäre aus dem edlen Geschlechte des Fürsten Tuder / des berühmten Königes der Quaden. Vom Verhängnüsse rührte her: daß die Cherusker die Ober-Herrschafft an sich gerissen hätten; die Quaden aber durch die häuffig in ihr Land geführte Schwaben gleichsam wären zu Knechten gemacht worden. Sein Vater hätte zwar bey dem langen Bürgerlichen Kriege sich mehrmahls bemüht die unter dem Joche lechsenden Quaden in ihre alte Freyheit zu sezzen; und er selbst sich zweymahl ins geheim hinein gewagt; alleine beyder Anschläge wären allemahl durch seltzame Zufälle zu Wasser worden. Wenn ihm mm König Marbod ein Theil seines Krieges-Volckes verleihen wolte / wäre er entschlossen anitzt / da die Cherusker anderwerts alle Hände voll zu thun / den Drusus auf dem Nacken hätten durch der Marckmänner Siege die Macht der Cherusker auch von den Quaden gantz abgeschnitten wären / sein Heil in Eroberung seines väterlichen Reiches zu versuchen. Er hätte bereit etliche verträuliche Quaden an sich gezogen; die ihm die schlechte Verfassung der Cherusker /die Abneigung / welche die bedrängten Quaden von ihnen hätten / eröffnet / und zu einem leichten Obsiege grosse Hoffnung machten. König Marbod umarmte den Vannius / hieß ihn seinen Bruder / bot ihm alle Kriegs-Macht / ja sich selbst zum Gefärthen an /wenn nicht Vannius selbst seinem Anschlage dienlicher / seiner Tapfferkeit rühmlicher hielte: daß er nur alleine in das Gebiete der Quaden / als ihr rechtmäßiger König / einbräche. Vannius drang hierauf mit dreissig tausend Mann über das von vielem Eisen-Bergwerck berühmte Monden-Gebürge / in welchem die Gothiner / als Leibeigene / den Quaden arbeiten müssen. Der Wiederstand war schlecht / weil er seine Feinde durch eine Kriegs-List auf einen andern Ort verleitet hatte. Er nahm die am Marus-Strome unter dem Gebürge in einer fruchtbaren Fläche gelegene Stadt Eburan zwar mit Sturm ein / ließ aber keinem Quaden weder an Leibe noch Gütern das geringste Leid anthun / sondern sich für einen Enckel des Fürsten Tuder / für einen König der Quaden ausblasen /welcher mit seiner Kriegs-Macht nicht sie zu beschädigen / sondern aus der Cheruskischen Dienstbarkeit zu retten dahin kommen wäre. Er tödtete alle Cherusker / und setzte lauter Quaden in die Aempter. Marbod ließ daselbst sich auch erklären: daß er an die Quaden keinen Anspruch / sondern ihrem rechtmäßigen Fürsten nur diese Hülffs-Völcker verliehen hätte /die er alsobald wieder abfordern würde; wenn er die Quaden zu ihrer Freyheit gebracht. Vannius / weil er vernahm: daß der Feind bey Eburodun eine Macht versa lete; wolte keine Zeit verspielen / rückte also in zwey [1144] Tagen dahin; inzwischen breitete sich der Ruff von des Vannius Fürhaben durch das gantze Land aus; also: daß nach dem der Ritter Zierotin mit seinem Vortrabe sechstausend Cherusker und Schwaben geschlagen hatte; die bey Eburodun versammleten Quaden auf Anstifften eines von Eburum dahin vom Vannius geschickten Edelmanns Choltitz / die Cheruskischen Befehlhaber verliessen / und zum Vannius übergiengen; Die Cherusker und Schwaben aber theils in die Stadt und nahe darbey auf einem Felsen liegende Festung sich verstecken musten. Gleichwol entschloß sich Vannius mit der Helffte seines Heeres selbte zu belägern; mit der andern Helffte aber fortzurücken / und die Versamlung der zertheilten Feinde zu hindern. Die Ritter Losenstein / Würben / Schlick /Traun und Polheim waren die Kriegshäupter der Belägerer / Hardeck / Rothal / Schlawata / und Windisch-Grätz der Belägerten. Wie hartnäckicht sie nun gleich diese Stadt und Schloß vertheidigten / so giengen doch alle Nacht viel Quaden zu den Marckmännern über / alldar sie auffs freundlichste aufgenommen wurden / hingegen den Belägerern alle Heimligkeiten entdeckten. Dahero denn / weil diese durch einen unterirrdischen Gang fünff hundert Mann in die Stadt spielten / die Quadischen Einwohner auch selbst wieder die Besazzung die Waffen ergrieffen / die Stadt leicht stürmender Hand erobert / Schlawata und Windisch-Grätz selbst tödtlich verwundet wurden. Vannius aber rückte sonder einigen Wiederstand biß nach Medoslamium fort / allwo Segesthes oder Sieg-Ast der Caßuarier Hertzog als Oberster Stadthalter des Feldherrn Segimers / vom Flusse Narus / als dem damahls eussersten Ende des Quadischen Reiches / alle Macht versamlet hatte. Die Quaden aber verliessen ihn eben so wol grossen Theils; also: daß Vannius sonder grossen Verlust den Feind aus dem Felde schlug / den Segesthes selbst gefangen bekam; die Städte Medoslamium und Celemantia an dem Flusse Teja ihm die Schlüssel entgegen schickten; die Schwaben auch selbst sich dem Vannius ergaben; die früchtigen Cherusker aber nirgends hin / als nach Carnunt an der Donau zu entkommen wusten; welche mächtige Stadt sich unter der Römer Schutz freywillig begeben hatte; als Tiberius mit Hülffe der Skordisker so tieff bey denen Pannoniern eingebrochen war. Weßwegen der Römische Land-Pfleger zu dem Vannius schickte / und ihn bedreulich aus dem Quadrischen Gebiete / weßwegen die Römer mit den Cheruskern in Bündnüs stünden / zu weichen ermahnen ließ; welchem Vannius / nach eingeholetem Rathe des Königs Marbod / antwortete: Die Römer hätten ihm in seinem väterlichen Reiche so wenig / als er ihnen zu Rom Gesetze fürzuschreiben / und er hätte an dem Könige Marbod einen mächtigern Bundsgenossen /als die Cherusker an den Römern. Weil nun die Römer zu Carnunt zwar einen Fuß / aber keinen Nachdruck hatten / unterdeß aber die Feindschafft zwischen dem Segimer und Drusus ruchbar ward; machte sich Vannius zum völligen Oberhaupte der Quaden / und bestieg mit grossem Frolocken den Stul des grossen Königes Tuder.

Also hat das Verhängnüs gleichsam sein Spiel mit Veränderung der Herrschafften; und ergetzet sich an Erhebung eines untergedrückten / und an Abstürtzung eines empor gestiegenen Geschlechtes / welches aber mit der Zeit nach dem Beyspiele eines sich umwenden den Rades wieder in die Höhe steigt; und lassen sich alle der Herrschafft gewohnte Stämme schwerer / als Dornen ausrotten. Denn wenn selbte gleich aus bitterstem Hasse des Volckes verstossen / auch sie mit grosser Blutstürtzung vertilgt werden / bleibt doch noch ins gemein ein verborgener Käum übrig / welchen das Volck hernach so begierig wieder pfleget /als es vorher seinen Stamm beschädigt hatte / entweder weil es sich durch Erkiesung neuer Herren selten verbessert sieht; oder weil die [1145] Zeit so wohl die Gramschafft / als unreiffe Früchte versüsset; auch gehabte und künfftige Fürsten uns allezeit besser / als die gegenwärtigen zu seyn düncken.

Vannius war kaum fertig / als er vom Könige Marbod Nachricht erhielt: daß Drusus mit grosser Kriegs-Macht über den Rhein gesetzt / und wieder die Sicambrer und Catten bereit ziemlichen Vortheil erlangt hätte. Weil nun die Länder zwischen der Saale und Elbe der meisten Kriegs-Macht entblöst / einem so listigen Feinde aber nicht zu trauen wäre; Gleichwol aber er aus den Lygiern sein Heer nicht so bald daselbst hinziehen könte; ersuchte er ihn mit seinen entpehrlichen Völckern geraden Weges durch das Bojische Reich zu Beschirmung der Hermundurischen Gräntzen zu eilen. Vannius stellte bey den Quaden alles in gute Sicherheit / und kam mit zwantzig tausend Marckmännern und Quaden an die Sale. Weil er nun vernahm: daß Drusus seinen Zug recht gegen die Hermundurer einrichtete / verständigte er es den König Marbod / der mit seinem Heere bereit biß zu den Semnonern kommen war. Dieser eilte Tag und Nacht / und stieß den Tag vorher / ehe man des Drusus Vortrab ausspürte / bey dem Hermundurischen Saltz-See zum Vannius. Weil nun Drusus ihnen nicht gewachsen war / gab er gute Worte / beschenkte beyde Könige / machte mit ihnen Freundschafft und Bindnüs / und richtete seinen Weg gegen die Cherusker; allwo er aber den Ruhm seiner vorigen Siege und zugleich sein Leben einbüste.

Weil nun Augustus den dem Drusus angethanen Spott zu rächen / den Tiberius Nero abermahls mit Kriegs-Macht über den Rhein / den Sentius Saturninus aber in Pannonien schickte / jener zwar hin und wieder streiffte / aber nichts hauptsächliches ausrichtete / noch ein Haupt-Treffen wagen wolte / und also so gut er konte Frieden machte; wiewol ihn der Kayser deßwegen an statt des Drusus zum Sohne annahm / und ihm die Würde eines Feld-Herrn zueignete / dieser aber nach etlichen wieder die von den Quaden nunmehr Hülff-loß gelassene Pannonier erlangten Vortheilen zum Land-Vogte in dem von den Römern besessenen Deutschlande gemacht ward; kriegte König Marbod Lufft und Gelegenheit sich der übrigen zwischen der Weichsel und Elbe gelegenen Völckern vollends zu bemächtigen.

Es war der auf beyden Seiten der Weichsel und an dem Schwäbischen Ost-Meere gelegenen Gothaner /Estier und Lemovier Hertzog Arnold / des Mauritanischen Königs Bojud Schwester-Sohn. Denn sein Vater Ehrenfried / als damahls ein abgefundener Herr / hatte mit denen Africanischen Kauf-Schiffen / welche nach Wisbye auf Gothland handeln / und wegen des Agsteins offt an dem Estischen See-Ufer anlenden / sich in Mauritanien übersetzen lassen; und in dem Treffen zwischen des Kaysers Julius und des Pompejus Kriegs-Heeren sich nicht nur sehr ritterlich bezeiget / sondern auch dem alten Könige Bojud das Leben erhalten; weßwegen er ihm seine Tochter vermählet /und die Stadt Lix / des Anteischen Riesen alte Wohnung / an dem Flusse Lixus / nebst einer sehr fruchtbaren Landschafft eingeräumet hatte / in welcher so grosse Weinstöcke und Trauben wachsen: daß die ersten zwey Männer nicht umarmen können; die Weinbeeren aber Hüner-Eyern gleichen. Nach seines ältesten Bruders Tode aber erkiesete er doch für diesem Lustgarten sein raues Vaterland; zeugte daselbst mit ihr unterschiedene Kinder / und ließ zum Erben seiner Fürstenthümer oberwehnten Hertzog Arnold. Wie nun inzwischen König Bogud den unglücklichen Zug in Hispanien dem Antonius zu Liebe thät; daselbst geschlagen / und hernach / als die Tingitaner von ihm ab / Bochus und die Römer ihn mit grosser Macht überfielen / sein gantzes Reich dem Sohne zu theile; ja er[1146] endlich selbst vom Agrippa bey Methon erschlagen ward; nahm Micipsa Bogudes Sohn mit etlichen edlen Mohren zu seiner Schwester über das Meer in Deutschland seine Zuflucht. Dieser als ein so naher Freund und geschickter Herr / ward nicht nur von seiner Schwester Elißa / sondern auch von ihrem Sohne dem herrschenden Fürsten Arnold auffs freundlichste empfangen / und aufs beste unterhalten. Dieser Arnold hatte des Sidinischẽ Herzogs Tochter Gertrud zur Ehe / eine Fürstin von unvergleichlicher Schönheit. Weil nun seine Liebe gegen ihr übermäßig war /konte sie nichts / als eine ungearthete Tochter gebähren / nemlich die Eyversucht; also: daß / ob sie zwar sonst alles hatte / was ihr Hertz verlangte / sie den noch meist in der Einsamkeit / gleich als in einem Kercker leben muste. Gleichwol aber erlaubte er ihr wieder seine Gewonheit seinen Vetter Micipsa mit allen Ergetzligkeiten zu unterhalten. Es war kein Jahr seiner Anwesenheit vorbey; als Gertrud auf einmahl eine schneeweisse Tochter / und einen braunen Sohn gebahr. Die Freude der glücklichen Geburt verwandelte sich / so bald Gertrud dieses Mohren-Kind anblickte / in ein solches Hertzeleid / welchem die überstandenen Geburts-Schmertzen nicht zu vergleichen waren / und sie würde es mit hundert mahl so viel Wehen gerne in ihren mütterlichen Leib wieder verschlossen haben / als selbter es an das Tagelicht gebracht hatte. Sie stürtzte anfangs eine See voll Thränen / und ihre Augen nicht minder Wasser / als ihr Leib Blut von sich. Dieses Weinen verwandelte sich in Seuffzer / hernach in ein Recheln / und endlich in eine kalte Ohnmacht. Ihre Gehülffen hatten mit Kühlen und reiben eine Stunde zu thun / ehe man wieder ein Leben an ihr sah. Wie sie sich nun endlich wieder erholete / fragte Hertzog Arnolds Mutter nach der Ursache ihrer so plötzlichen Veränderung. Gertrud zeigte auf den für ihr liegenden schwartzen Sohn; gleich als wenn diß dem schwartzen Tode ähnliche Kind ihr eine genungsame Ursache ihrer Todes-Angst andeutete. Elißa sagte hierauf: bin ich doch selbst / und keines der Kinder in Africa weisser / als dieses. Gertrud seuffzete / und rieff allein mit verbrochenen Worten: Ach! Arnold! Arnold! Elißa merckte nunmehr: daß sie wegen ihres Eyversüchtigen Ehherrns in Beysorge stünde; samt sie bey ihm in Verdacht einer mit dem Micipsa zugehaltenen Liebe verfallen würde. Dahero ermahnte sie sie / ihr keinen Kummer zu machen; ihrer beyder nahe Bluts-Freundschafft / ihre Tugend und Treue wären genungsame Vorredner und Zeugnüsse ihrer Unschuld. Arnold wäre selbst der Mutter nach aus Mohrischem Geschlechte; da man denn Beyspiele hätte: daß die Art und Aehnligkeit der Groß-Eltern sich erst an Kindes-Kindern herfür thäte. Zu dem wäre die blosse Einbildung schwangerer Mütter eine seltzame Mahlerin und Bildschnitzerin. Eine Mohrische Königin hätte sich an einem weissen Marmel-Bilde Andromedens versehen: daß sie eine weisse Tochter gebohren. Eine Fürstin der Estier hätte wegen eines ihr nachdrücklich eingebildeten Bäres / den sie auff der Jagt erlegt / einen gantz rauchen Sohn zur Welt bracht. Ja es stimmten alle Naturkündiger überein: daß der Weiber hefftige Einbildung in der ehlichen Beywohnung durch die kräfftige Würckung der Seele sich auch in die eusserliche Bildung der empfangenden Frucht auszulassen mächtig; und dannenhero nichts verdächtiges wäre: daß diß ihr Kind nach dem Micipsa und andern um sich habenden Mohren wäre gebildet worden. Gertrud / nach dem sie durch einen hochbetheuerlichen Eyd bekräfftigt hatte: daß diß braune Kind Arnolds Sohn wäre; antwortete Elißen: Aller Verdacht liesse sich mit vernünfftigen Gründen ablehnen; was aber die blinde Eyversucht mit ihrem stinckenden Atheme einmahl schwärtzte /könte die vollkommenste Unschuld mit keiner Lauge noch [1147] Seiffe wieder rein waschen. Denn dieses Laster speisete sich nichts minder mit des Ehweibes Flecken; als die Kefer mit Mist und Unflat. Ja es wäre gearthet / wie gewisse Feigen / welche durch Zeugung eines besondern Gewürmes allererst sich reiff und vollkommen machten; und die Eyversucht meinte so denn den Purpur der Tugend anzuhaben; wenn es ein unschuldiges Weib mit dem Geschmeiße des Ehbruchs für der Welt besudelt und verdächtig gemacht hätte. Der argwöhnische Arnold hätte sie sonder einigen Anlaß wie ein hundert äugichter Argos bewachet; nunmehr würde bey so scheinbarem Grunde sie kein Ding auff der Welt von Verdammung des Ehbruchs entschütten können; und sie wolte durch selbsthändige Verspritzung ihres Blutes seiner Rache selbst gerne den Dienst des Nachrichters verrichten; sie solten nur ein Mittel er sinnen ihre Unschuld und guten Nahmen bey der Nachwelt zu erhalten. Elißen / und denen anwesenden drey andern edlen Frauen fielen für Mitleiden so viel Thränen aus den Augen: daß sie das berähmte Kind hätten daraus baden können / wenn nur ihr Saltz eine genungsam scharffe Lauge abgäbe natürliche Flecken des Leibes wie der Seele abzuwaschen. Weil aber diß vergebens war / machten sie nach reiffer Berathung einen Schluß dem Hertzoge nur die Geburt der weißen Tochter zu eröffnen / den schwartzen Sohn aber zu vertuschen / und anderwerts erziehen zu lassen; darzu denn Leitholde die Hofmeisterin eine Sidinische Edel-Frau schon Gelegenheit zu finden versprach. Diesen Schluß eröffneten sie der Fürstin Gertrud; bey welcher nunmehr die Ehren- und Mutter-Liebe einen innerlichen Krieg anfieng; indem jene zu der Entfernung ihres Kindes stimmte / diese aber sie nicht wolte geschehen lassen; weil über die besorgten fremden Zufälle in Deutschland auch unter Fürsten nicht nur ungewöhnlich ist / sondern für eine auch so gar wilden Thieren ungemeine Unart gehalten wird; wenn eine Mutter ihr Kind nicht mit eigenen Brüsten nähret; sondern sie Mägden als Seug-Ammen hingiebet. Daher / als Leitholde das Kind aus der Wiege nahm und forttragen wolte; fieng die Fürstin Gertrud überlaut an zu ruffen: haltet und last mir mein Kind ungeraubet; weil ich mich lieber selbst / als diß mein anderes Mich / das beste Theil meines Leibes und die einige Freude meiner Seele verlieren will. Unterstehet ihr euch das Gesetze der Natur zu verletzen / und das unzertrennliche Band des Gemüthes und der Liebe /welches Eltern und Kinder vereinbart / zu zerschneiden? Meinet ihr: daß eine Mutter ihr zartes Kind aus den Augen lassen könne / ohne daß sie es nicht zugleich aus dem Hertzen verliere? Sintemahl der Zunder der Mutter-Liebe durch die holden Anblicke ihrer Augen vermehret wird; also nothwendig durch ihre Entfernung verleschen muß. Was ists vor ein Unterscheid: Ob ich meines Kindes als eines Todten / oder als eines verstossenen vergesse? würde mein Sohn mich künfftig des Mutter-Nahmens zu würdigen Ursache / oder mich zu lieben Anlaß haben / weil ich ihm die Gelegenheit mich zu kennen / und die Empfindligkeit nach mir zu verlangen verstricke? die ersten Käumen der angebohrnen Zuneigung erstecke /wenn ich seinem Gesichte mein Antlitz / seinen Ohren die lockende Mutter-Stimme / seinem Fühlen die hertzlichen Küsse / seinem Geschmacke die süsse Mutter-Milch entziehe; und also keiner seiner Sinnen den innerlichen Funcken der Kinder-Liebe auffblasen kan; als an welcher die Einbild- und Angewöhnung fast mehr / als die Natur Theil hat. Daher lasset ehe meinen Eh-Herrn mich tödten / als daß ich eine Kinder-Mörderin werde. Denn es ist besser tod seyn / und das Kind nicht lieben können / als leben / und es nicht lieben wollen. Die [1148] Fürstin Elißa redete ihr ein: Es wäre verantwortlicher beyde / als eines / beym Leben erhalten; auch die nothwendige Entfernung eines Kindes nichts weniger als ein Todschlag zu nennen. Wie viel Kinder verlieren ihre Mütter bald nach- oder auch für der Geburt; müsten also nicht nur fremder Frauen / sondern zuweiln gar wilder Thiere Brüste saugen. Und ich / versetzte Gertrud / soll meine Brüste meinem Kinde entziehen / welche die barmhertzigen Wölffe und Bären Menschen verleihen? Keine andere Noth kan Mütter dieser ihrer Pflicht erlassen / als der Tod / welcher freylich alle Verbindligkeit nicht nur gegen Menschen / sondern gar gegen GOtt aufhebt. Sintemahl unsere Leichen weder iemanden dienen /noch GOtt verehren können. Ausser dieser Hindernüs aber ist die nur eine halbe Mutter / welche zwar gebieret / aber nicht säuget. Denn mit was für Gewissen kan sie sich weigern mit ihrer Milch zu unterhalten /was sie lebendig für sich und nach ihrer Nahrung lächeln siehet; Da sie nur das unsichtbare mit ihrem Blute in ihren Eingeweiden speisete / ehe sie noch wuste: Ob es ein Kind oder eine Mißgeburt seyn würde. O ihr grausamen Halb-Mütter! meinet ihr: daß die Natur euch die Brüste nur zu Aepfeln der Wollust / zu Lock-Vögeln der Geilheit / zu unfruchtbarer Zierde der Brust habe wachsen lassen / nicht vielmehr aber zu heiligen Lebens-Brunnen / zu Wunderquellen / für das noch ohnmächtige menschlichte Geschlechte erschaffen habe? Meinet ihr: daß es keine der Natur angefügte Gewaltthat / und weil es kein Wild thut /ein mehr als viehisches Beginnen sey / wenn ihr mit Binden und anderem abscheulichen Zwange die Röhren dieser Milch-Quelle verstopffet / die mütterlichen Adern austrocknet / und um nur schön und unverfallen zu bleiben / das Geblüte mit Gefahr des Lebens entweder erstecket / oder auf einen Abweg zwinget? Ist es ein grosser Unterscheid: Ob ihr in euren Brüsten / oder in eurem Leibe die Fruchtbarkeit hindert /ob ihr dort den Unterhalt / oder hier den Anfang eines Kindes tödtet / und mit abscheulichen Künsten die empfangene Frucht / weil sie noch unter der grossen Künstlerin der Natur Händen und in der Arbeit ist /abtreibet / wormit euer glatter Bauch nur nicht runtzlicht und abhängend werde / und ihr keine Geburts-Schmertzen fühlet? Elißa brach ein: Sie möchte ihr so schwere Gedancken über dem nicht machen /was nicht nur die Erhaltung ihres Lebens / sondern auch ihrer Ehre unvermeidlich erforderte; ja was die gütige Natur mehrmahls selbst zu thun keine Abscheu hätte; wenn sie entweder die Milch in Brüsten versäugen / oder einigen keine zur Säugung nöthige Wartzen wachsen liesse. Die gäntzliche Entziehung / nicht aber die Verwechselung der Frauen-Milch wäre unverantwortlich; und ihrem Sohne nichts daran gelegen: Ob ihn seine eigene / oder eine andere Mutter tränckte; ja ihm vielleicht dienlicher: daß er anderwerts alleine einer gantzen Amme / als hier einer halben Mutter genüsse; Gertrud aber ihre mütterliche Freygebigkeit so viel reichlicher gegen ihre Tochter mit Darreichung beyder vollen Brüste ausüben könte; welche für beyde Zwillinge eine zu sparsame Speise-Meisterin abgeben dörffte. Nein / nein / antwortete Gertrud. Darum hat die Natur nicht eine / sondern zwey Brüste wachsen lassen: daß eine Mutter mehr /als ein Kind säugen köñe. Und die / welche Kräften gehabt hat / in Mutterleibe mehr / als eines mit ihrem Blute zu speisen / darff an ausko entlichem Milch-Vorrathe nicht zweifeln; wo sie die reichliche Versorgerin die Natur nicht zu einer kargen Stieff-Mutter machen will. Da sie nun mich mit dem Reichthume zweyer Kinder / mit der Fruchtbarkeit zweyer von Milch strutzender Brüste begabet hat / welche durch ihr Stechen ihre Begierde meine [1149] Leibes-Früchte zu nähren eröffnen; wie mag man meine Grausamkeit mit dem Mangel unfruchtbarer Weiber entschuldigen? Vergebens müht ihr euch auch mir eines durch diesen Traum aufzubinden: daß die Natur für Kinder zwar die Nahrung / aber nicht so genau ihrer Mütter erfordere. Warum geben diese falsche Ausleger der natürlichen Geheimnüße nicht auch für: es liege nichts daran / in wessen Leibe / oder aus wessen Saamen Kinder zusammen geronnen sind? Sintemahl ja dieser von den Lebens-Geistern in den Brüsten weißgeläuterte Safft eben das Blut ist / welches das Kind in der Mutter genehret hat; welches die weise Heb-Amme und Kinder-Wärterin die Natur / so bald sie das Kind in Mutterleibe vollkommen gemacht hat / mit unbegreiflicher Kunst in geheimen Röhren in das oberste Theil der Mutter empor zeucht; und zu der Gebohrnen anständigem Brod und Weine bereitet. Ist es aber nicht wahr: daß nicht alle Speisen allen schmecken / oder gesund sind? daß die Natur für einem Geträncke diesem einen Eckel / jenem darzu eine Lüsternheit eingepflantzt hat? habt ihr nie gesehen / wie neugebohrne Kinder ins gemein an fremden Brüsten nicht saugen wollen? Glaubet ihr nicht: daß wie die Krafft des Elterlichen Saamens in den Kindern die Aehnligkeit des Leibes und Gemüthes verursache; also die Mutter-Milch ihm ihre Eigenschafften einflösse. Machet doch die getrunckene Schaf-Milch den Ziegen weichere Haare / und Ziegen-Milch bey den Schafen härtere Wolle. Der Safft der Erde / welcher der Bäume und Pflantzen Milch ist / machet in Trauben / in Granat-Aepffeln / und andern Früchten einen so grossen Unterscheid: daß niemand glauben würde / beydes sey aus einerley Weinstöcken / Gesäme und Stauden entsprossen. Warum soll nicht auch die Milch einer unedlen / einer an Leibe oder Gemüthe ungesunden Amme / denen herrlichẽ Eigenschafften eines edlen Kindes Abbruch thun? Wisset ihr wol eine vernünfftigere Ursache / warum mehrmahls Fürstliche Kinder ihren Helden-Vätern / ihren tugendhafften Müttern / mit keiner Ader ähnlich sind / auffzufinden; Als daß man selbte einer furchtsamen Ausländerin /einer geilen Magd / einer ungeneußigen Amme zur Säugung übergeben? Leitholde hörete dieser aus mütterlicher Liebe heraus stossenden Ungedult mit so viel mehr Gedult zu; weil sie wuste: daß sich undienliche Quellen und hefftige Regungen nicht verstopffen liessen / sondern man sie auf die Seite leiten müste. Daher hielt sie ihr / nach dem sie selbst zu reden aufhörte / anfangs ein: daß sie an ihrem Sohne keine grausamere Unbarmhertzigkeit / als durch ihren verlangten Tod verüben könte; ja / wenn sie seine Entfernung hinderte / würde sie ihren Ehgemahl zum Vater-Mörder ihres Kindes machen; weil die Eyversucht ihm dessen Hinrichtung als eine gerechte Rache / und eine ruhmbare Vertilgung einer unächten Mißgeburt fürbilden würde. Was könte aber schrecklicher seyn /als seines Kindes Scharffrichterin werden / und sein Ehgemahl in abscheuliche Laster stürtzen. Die Gesetze der Natur wären wol heilig; aber dem göttlichen Verhängnüße / welches offt davon Absätze machte /folgen / noch heiliger. Die für ihren Sohn bestimmte Amme wäre ihre eigene Tochter / welche / wie auch ihr Ehmann / Gertruden so wol von Gemüthe / als Geblüte bekandt wäre; also dieser junge Fürst aus ihren Brüsten hoffentlich nichts / was nach einer Magd oder Untugend rüche / saugen würde. Als Gertrud diesen Vorschlag vernahm / seuffzete sie / und gab sich endlich in der Anwesenden Willen / iedoch legte sie vorher ihren Sohn an beyde Brüste / und badete selbten mit mehr Thränen-Saltze / als er Milch aus dem reichen Vorrathe ihrer Brüste tranck; wormit sie zum minsten durch diese erstere Nahrung ihrer Mutter-Pflicht etlicher massen ein Genügen thäte. Hierauff muste [1150] nur / wiewol mit eusserster Schwermuth und einer halben Ohnmacht / die Natur der Vernunfft weichen / und Gertrud sich der süssen Umarmung ihres Sohnes entschlagen / um das Kleinod ihrer Unschuld und guten Nahmens zu behalten / ja ihr Kind lieber selbst verlieren / und Leitholden zur Entfernung überreichen / als selbten durch Behaltung zu gäntzlichem Verluste in Gefahr setzen. Die gemachte Anstalt ward so klüglich eingerichtet: daß weder der Hertzog noch einig ander Mensch von diesem Mohren-Kinde was erfuhr; welches denn / als es die Fürstin mit tausend Küssen gesegnet hatte / bey oberwehnter Sidinischen Edel-Frauen / die Dehnhofen einen tapffern Ritter zur Eh hatte / unter dem Scheine: daß es ein von seinem in Hispanien unter denen Celtiberiern angesessenem Bruder überschickter Knabe wäre / rühmlich und vielleicht besser / als in seines Vaters Fürstlichem Hofe aufferzogen ward. Deñ beym Hofe-Leben kirret die Wollust der schädliche Lock-Vogel mit ihren anmuthigen Beeren auch die besten Gemüther in das Garn des Verterbens; und die Heucheley vermummet mit ihrer Larve alle Laster: daß sie für Tugenden gelten /und verschwistert gleichsam Himmel und Erde / Sternen und Koth mit einander: daß ein junger Fürst zuweilen selbst nicht weiß: Ob er auf dem Scheide-Wege dieses irrsamen Lebens den guten oder irrigen Pfad erkieset habe. Da doch bey einem jungen Fürsten / welcher künfftig soll ein untadelhafftes Muster aller Unterthanen seyn / diß / was ihm zur Nahrung seiner Seele / zur Stärckung seines Gemüthes beygebracht wird / sorgfältiger / als die Leiblichen Speisen ihrer Gesundheit und Schädligkeit halber zu untersuchen sind. Daher / und weil die Natur ehe in ihren Würckungen irren / als ein Fürst bessere Unterthanen machen kan / denn er selbst ist / dieselben ärger thun und mehr Böses stifften / die eines jungen Herrn bösen Neigungen den Zaum lassen / als welche einen gemeinen Brunn oder Röhr-Kasten vergifften. Weil nun so wol Kinder / als Pflantzen mehr nach der Beschaffenheit ihrer Pflegung / als nach dem Einflüsse der Geburts-Sternen arthen; gerieth dieser junge Fürst unter der Auffsicht eines von keiner übermäßigen Liebe nicht verbländeten Auffsehers / zwischen dem Staube der Reñebahn / uñ unter der heilsamen Last der schweißichten Waffen so wol: daß dieser Ritter ihn im achzehenden Jahre in die Ferne zu schicken und daselbst sein Glücke zu suchen für rathsam hielt. Ja ich weiß nicht: ob es durch eine besondere Krafft der Elterlichen Zeugung / oder durch ein besonder Gelübde seiner Mutter geschahe: daß in diesem Knaben sich die Schwärtze in braun / die braune Farbe in gelbe; diese endlich in weiße nach und nach verwandelte; und kein Mensch ihn mehr für einen Ausländer angesehen haben würde. Wie nun der Sidinische Edelmann ihn rittermäßig ausgerüstet / seines künfftigen Verhaltens wegen väterlich verwarnigt; dieser auch mit Ausdrückung aller Kindlichen Demuth Abschied genommen hatte; eröffnete ihm dieser Ritter zu guter letzte: Er wäre sein Vater nicht / wie er ihm einbildete; sondern ein grösserer / als er fast wünschen möchte; gleichwol aber hielte er es ihm noch zur Zeit zu eröffnen nicht allerdings rathsam. Inzwischen wäre ihm darmit genung gesagt: daß er nichts Unfürstliches fürnehmen solte; wo er seinen Stand zu beflecken eine Abscheu trüge. Die in dem Meere von den gesaltzenen Wellen wol abgespielte Korallen behalten nach ihrer Absonderung von der mütterlichen Wurtzel ihre beständige Farbe; ja überkommen allererst eine gleichsam felsene Härte. Nicht anders ergieng es mit diesem jungen Gothonischen Fürsten; welcher bey den Bojen durch seine Tapferkeit anfangs einen hohen Ruhm der Tugend / hernach gar die Königliche Tochter Hedwig erwarb; endlich aber mit dem Falle seines Schwähers auch gleichsam wieder in seine erste Niedrigkeit [1151] verfiel. Denn diß eben war Fürst Gottwald /König Critasirs Eydam; welcher nach Eroberung der Stadt Boviasmum sich heimlich aus dem Staube machte / um sich mit den Bojen nicht der vom Marbod erzwungenen schimpflichen Eydes-Leist- und Auswanderung zu unterwerffen.

Gottwald kehrte also mit seinem Sidinischen Pflege-Vater zurücke / welcher bey dem Marsinger Hertzoge Bolcko wol auffgenommen ward / und daselbst die Nachricht von des Gothonischen Fürsten Arnolds Tode / und daß selbige Völcker seiner Tochter Marmeline die Herrschafft zugeeignet hätten / erfuhr / und weil der Ritter Dehnhoff dem Fürsten Gottwald seinen wahrhafften Uhrsprung mit allen Umständen eröffnete; machte er sich mit diesem Ritter und folgends seiner Pflege-Mutter nach der Gothonischen an dem Munde der Weichsel liegenden Haupt-Stadt Godonium auf. Der Ritter kam zu seiner Schweher der Fürstlichen Hofmeisterin / eröffnete ihr nichts minder alle Zufälle des Fürsten Gottwalds / als seine Anwesenheit in der Stadt; welche ihn denn ferner zu der Fürstlichen Wittib leitete / um mit einander fernere Anstalt zu berathen; weil der Tochter Vermöge Hertzog Arnolds Verordnung bereit die völlige Herrschafft übergeben / und nebst der Mutter die zwey Obersten Räthe ihr biß zur Vermählung an die Seite gesetzt waren. Diese hielt für rathsam ihrer Tochter der Fürstin Marmeline alsofort das gantze Werck zu eröffnen / und ihr Schwesterlich Hertze dem Fürsten Gottwald zum besten zu gewinnen; ehe solches durch Einblasung der Reichs-Räthe mit der Herrschsucht vergället würde. Diese kam und hörte ihrer Mutter Erzehlung mit mehrmahliger Veränderung ihrer Gemüths-Regungen an; verbarg aber selbte auffs möglichste. Beym Schlusse meldete sie: sie wäre begierig ihren Bruder bald zu sehen und zu umarmen; bestimme auch eine gewisse Abends-Stunde zu dessen Bewerckstelligung. Hertzog Gottwald ward auf besti te Zeit durch einen Garten in der Hertzogin Gemach geleitet / und nichts minder von seiner Schwester / als Mutter / mit denen allerempfindlichsten Liebes-Bezeigungen bewillkommet; iedoch / weil noch nicht alles nach Nothdurft unterbaut / nach denen Höflingen es offenbar zu machen thulich war; ward er mit seinen Pflege-Eltern wieder durch den Garten aus dem Schlosse gelassen. Gottwald wuste seine Vergnügung über so gewünschtem Anfange nicht zu begreiffen; und meinte schon dem Glücke in der Schoß zu sitzen; als er unversehens von einem Hauffen gewaffneter Leute umringt / und mit mördlichen Gewehren angetastet; also nebst dem Sidinischen Ritter sich zur Gegenwehre zu stellen gezwungen ward. Alleine beyde würden hier von einer solchen Menge bald aufgeopfert worden seyn / wenn nicht die alte Hertzogin in ihrem Zimmer das Getümmel gehöret; und ihr gleichsam das Hertze ein Unglück ihres Sohnes wahrgesagt / und endlich die Sidinische Frau an der Garten-Thüre durch hartes Anschlagen und heftig Mordgeschrey sie noch mehr ermuntert hätte. Daher sie mit der Hofmeisterin und einem Edel-Knaben / der mit einer Fackel ihnen vorleuchtete / durch den Garten selbtem zueilte / und den alten Ritter bereit auf dem Bodeme halbtod ausgestreckt / den Fürsten Gottwald aber an einer Wand angelehnet / gleichsam im Blute gebadet / und mit ohnmächtigen Armen die Streiche versetzende antraff. Sie lieff halb blind zwischen die Degen / verhinderte also seine endliche Ermordung /und erfuhr: daß sie auf Befehl ihres Kriegs-Obersten diese Leute angetastet hätten / und sie aufzureiben befehlicht wären. Die Hertzogin / welche hierüber nachdencklichen Argwohn schöpffte; verdiß selbten gleichwol in dem Eyver / und sagte dem Hauptmanns: Er müste an denen Personen geirret haben. Denn diß wären ihre Angehörigen / [1152] die sie auch hiermit in ihren Schutz nehme; also solte er sich auf die Haupt-Wache zurücke ziehen. Sie aber nahm den halb-todten Gottwald / und die für Hertzeleid ihr die Haare aus dem Kopffe reissende Frau bey der Hand / leitete sie auf das Schloß / ließ den Ritter ihr auch nachtragen. Die Stadt und der gantze Hof ward hierüber wache / nur in Marmelinens Zimmer war alles Maus-stille; welches der Hertzogin Argwohn vermehrte; die für allen Dingen nur um Verbindung ihres verwundeten Sohnes bekümmert war. Nach der ohne einigen Schlaff hingebrachten Nacht fügte sie sich in Marmelinens Gemach / erzehlte ihr thränende den Verlauff / den ihr diese gantz fremde machte / und nach etlichen Wortwechselungen anfieng: Ob sie auch genungsam versichert wäre: daß dieser ihr wahrhaffter Sohn wäre? Sintemahl er ihrer ersten Beschreibung nach / keinem Mohren mit einiger Ader ähnlich wäre. Die Hertzogin antwortete: Sie hätte zu melden vergessen: daß er nach und nach die ohne diß nur aus einer Einbildung bekommene braune Farbe verlohren hätte. Marmeline versetzte lachende: Ihrer Meinung nach vermöchte die Zeit so wenig / als Wasser einen Mohren weiß zu bleichen. Die angebohrnen kleinsten Maale wären durch keine Kunst zu vertreiben; also besorglich: daß dieser Sidiner sein eigenes Kind untergesteckt hätte. Die Hertzogin verstand nunmehr allzu deutlich: daß in ihrer Tochter Seele die Ehrsucht der natürlichen Zuneigung den Rang abgelauffen hätte / und die Süßigkeit des einmahl geschmeckten Reichs-Apffels einen Eckel erwecke / auch für denen durch das Geblüte ein gepflantzten Annehmligkeiten; Gleichwol aber wolte sie ihre Tochter durch augenscheinlichen Beweiß zu vernünfftigerer Entschlüssung bringen; mit Vermeldung: daß ihr Sohn an dem lincken Fuße sechs Zehen und auf der Brust wie sein Vater Arnold und sie selbst eine Bären-Klaue gehabt hätte; würde sich diß Merckmahl nicht finden; wolte sie ihm als einem Verräther bey seiner verdienten Abschlachtung selbst das Licht halten. Alleine die Aehnligkeit seines Gesichtes / in dem er seinem Vater gleichsam aus den Augen geschnitten wäre / vergewisserte sie schon der unzweifelbaren Warheit. Uber diesen Worten trat der oberste Reichs-Rath Leuterthal / der ohne diß in Verdacht war: daß er seinem Sohne Marmelinen zu vermählen im Schilde führte / aus dem iñersten Zimmer herfür / setzte der Hertzogin mit harten Worten zu; und schalt die für Verräther des Vaterlandes / die die gegenwärtige Ruhe und Verfassung der Gothonischen Herrschafft durch Einpfropfung eines fremden Reises stören wolten. Die Hertzogin begegnete ihm mit gleichmäßiger Hefftigkeit; und warff ihm für: daß er aus Ehrsucht seine Nachko en auf dem Fürstlichen Stule zu sehen ihre Tochter zu Vergessung aller Mutter- und Schwester-Liebe verleitet; und der vorigen Nacht Meuchelmord angestifftet hätte. Wie hitzig nun gleich dieser Abschied war; so kläglich hieng sich die Hertzogin an die andern dem vorigen wiedrig-gesinnten Reichs-Räthe; brachte auch zu wege; daß sie die Landstände zu Entscheidung dieses wichtigen Rechts-Streits verschrieben; inzwischen die Hertzogin und Fürst Gottwald mit einer genungsamen Leibwache wieder fernere Gewalt beschirmet wurden. Die Hertzogin saan auff Rechtfertigung ihres Sohnes /Marmeline uñ ihr Anhang aber auf listige Unterdrückung ihrer Mutter und des Bruders. So ungleich sind die Menschen geartet! wer eines Löwen / einer Schlange Eigenschafft weiß; weiß sie des gantzen Geschlechtes. Denn alle Tiger sind gri ig / alle Füchse listig; alle Schafe gedultig / alle Tauben einfältig /alle Adler behertzt. Aber wer einen Menschen von Grund aus aus geholt / keñet nur einẽ; wo anders das menschliche Herze durch einiges Bleymaaß zuergründẽ ist. Nichts aber verstellt den Menschẽ ärger / als Ehrsucht. Die Funcken kindlicher Liebe werden nicht nur von dem Rauche der Herrschenssucht erstecket /sondern [1153] so gar das Gedächtnüs einer Mutter und eines Bruders wird in dem Stande einer gebietenden Fürstin begraben. Gleichwol bewegte die Hertzogin durch Vorstellung dreyer bey der Geburt gewesenen Zeugen / durch den Augenschein der sechs Zeen und der Bären-Klau; und durch ihre vernünfftige Ausführung der gegen ihrer Tochter Marmeline tragender und mehrmals im Wercke bezeigter Mutter-Liebe den Reichs-Tag / ungeachtet aller Einwürffe so weit: daß sie Gottwalden für Arnolds rechtmäßigen Sohn / und weil so wol ihre vorige Herrschens-Anstalt / als der väterliche letzte Wille auf Irrthum bestünde / zum Erben der halben Erbschafft erklärten. Der Reichs- Rath Leuterthal meinte über diesem Ausspruche von Sinnen zu kommen; verleitete Marmelinen zu den eussersten Entschlüssungen; und versuchte durch das Recht des Degens für seinen Sohn zu behaupten / was das Urthel Marmelinen abgesprochen hatte. Nichts desto weniger machte er ihm durch den Schlüssel aller unmöglichen Dinge / nehmlich Geschencke / einen so grossen Anhang: daß er den Fürsten Gottwald mit Gewalt aus seinem Erbtheile zu vertreiben vermeinte. Die Tapfferkeit aber dieses wieder genesenen Fürsten machte mit Zertrennung der aufgebrachten Macht alle schädliche Anschläge zuschanden; und bewegte den Reichs-Rath dahin: daß sie Marmelinen ihres Erbtheils / den Leuterthal aber des Lebens / der Ehre und Gutes verlustig erkennten. Diese verzweiffelten aber /welche gerne Leibeigne seyn wolten / wenn nur Gottwald nicht ihr Herr wäre / nahmen nach anderwerts umsonst gesuchter Hülffe zu dem mächtigen / und dem Fürsten Gottwald ohne diß auffsätzigen Könige Marbod ihre Zuflucht; und umfaste die an Gestalt wunderschöne; im Gemüthe aber nicht wenig verstellte Fürstin Marmeline in der Stadt Carrodun nicht so geschwinde mit den Armen seine Knie / als sie mit ihren ersten Blicken sein Hertz umfässelte. Nichts hatte einen bessern Schein / als dieser von einem verdächtigen Ausländer verstossenen Fürstin hülffreiche Hand zu leisten; dem Könige Marbod war auch nichts leichter / als durch den Sieg einer solchen Halb-Göttin Hertze zu gewinnen / nichts anständiger / als zwey so ansehnliche Hertzogthümer zum Braut-Schatze zu überkommen. Diesemnach drang er mit einer so mächtigen Kriegs-Macht bey denen Gothonen ein: daß ob wol Leuterthal bey Marbods ausbrechender Liebe seine Hofnung und seines Sohnes Heyrath zu Wasser werden sahe / und er deßwegen zum Gottwald übergieng / der Sidiner Hertzog auch mit aller Macht denen Gothonen zu Hülffe kam / dennoch diese kleine Sand-Hügel von Marbods grosser Macht überströmet wurden / und nicht nur die Gothonen / sondern auch ihre Gehülffen die Sidinier unter Marbods Herrschafft ihre Achseln beugen / Hertzog Gottwald aber nunmehr zum andern mahl nicht minder dem Verhängnüsse / als dem Marbod / welcher gleichsam Sieg und Glücke an der Schnure führte / aus dem Wege treten muste. Marbod hielt zu Godonium mit der Fürstin Marmelinen ein prächtiges Beylager; und weil die schon für mehr als hundert Jahren von dem Rheine in Sarmatien gewanderten Estier / die Rugier /Nuitnoner / Schwardonen / Eudosen und Variner sich von einem so grossen Meere einer gleichmäßigen Uberschwemmung besorgten / erkieseten sie freywillig den König Marbod zum Schutz-Herrn. Zumahl diese deutschen Völcker ohne diß mehr / als andere der Unterthänigkeit gewohnt waren; ob sie sich zwar bey dieser ihrer Demüthigung niemals ihrer Freyheit gäntzlich enteusserten.

Weil König Marbod ihm derogestalt fast alles /was zwischen der Elbe und Weichsel unterthänig gemacht hatte / brauchte der Kayser August sich dieser Zwietracht abermahls zu seinem Vortheil und zur Rache wegen des erlegten [1154] Drusus; schickte daher den Tiberius mit einem noch stärckern Krieges-Heere durch Gallien wieder die Deutschen. Sentius Saturninus überfiel die Caninefaten / die Nachtbarn der Bataver so unverhofft: daß sie sich nit einst recht zur Gegenwehre stellen konten. Ob nun zwar Tiberius mit einer gewissen Art flügender Brücken / welche von küpffernen Schiffen eilfertig zusammen geschoben wurden / auch über den Rhein und Lahnstrom denen Attuariern oder Francken / wie auch den Bructerern über den Hals kam; begegneten sie ihm doch zwar mit geringer Macht / aber unerschrockenen Hertzhafftigkeit; ja Stirum / ein Ritter der Bructerer / drang durch die Römischen Schaaren mit seinen Reisigen so weit durch: daß er dem Tiberius selbst den Schild zerspaltete / ihn an Arm verwundete / und mit einem Streiche unfehlbar getödtet hätte / weñ nicht ein Römischer Hauptmann darzwischen gesprungen / und mit Auffangung des Todes jenem ein Schirm des Lebens worden wäre. Diese Völcker setzten auch noch ferner alles eusserste dran; in Hoffnung: es würde Hertzog Segimer mit seinen Cheruskern / und die Longobarden ihnen versprochener massen zu Hülffe kommen. Welches auch unzweiffelbar erfolgt wäre / wenn nicht der Tod diesen tapfferen Fürsten für der Zeit aus dem Wege geräumt hätte; und zwar nicht sonder Argwohn einigen ihm entweder aus Anstiftung der Römer oder König Marbods beygebrachten Gifftes. Wiewol ins gemein aller Fürsten Todes-Fälle nicht der gemeinen Zerbrechligkeit / sondern gewaltsamen Ursachen zugeschrieben werden. Ob nun gleich bey der Fürsten Lebzeiten an ihrem Wolstande gantze Völcker / an ihren Unfällen meist nur die eigenen Anverwandten Theil haben; so traff doch Segimers Absterben gantz Deutschland; welches als ein ohne Haupt zerrütteter Leib bey nahe sich selbst durch Zwietracht in gäntzlichen Untergang weltzte. Insonderheit aber blieben diß mahl die behertzten Bructerer bloß stehen; ja sie wurden mit denen ihnen noch von dem Fürsten Ingviomer zu Hülffe gebrachten Cheruskern sich über die Weser zu machen gezwungen; dem Tiberius aber Lufft gemacht sich der Festung Segodun und Cattenburg an der Eder zu bemächtigen. Worüber dem Sentius ein Siegs-Gepränge verstattet; dem Tiberius aber der Nahme eines Deutschen Feldherrn zugeeignet ward. Folgendes Jahr kam Tiberius wieder in Deutschland; brachte dem Fürsten der Caßuarier und Dulgibiner Segesthes / mit Vertröstung ihm zu der Feldhauptmanschafft über die zwischen dem Rheine und der Elbe gelegenen Deutschen zu verhelffen / auf seine Seite / bemeisterte sich des Lipp-Stromes und der Festung Alison. Weil ihm nun der streitbare Hertzog der Chautzen Ganasch am Wege zu stehen schien / wieß er dem Tiberius den Weg / und brach den Römern die Bahn dieses feste Land zu überwältigen. Also dienet auch die todte Asche des Vaterlandes dem Feuer der Ehrsucht zur Nahrung und Zunder; und der Grundstein des Eigen-Nutzes ist ins gemein ein Fallbret des gemeinen. Jedoch vergnügte sich Tiberius noch nicht an der Ehre: daß die Chautzen für seinem Stule musten fußfällig werden; sondern er segelte mit vierhundert Schiffen über das deutsche Meer an den Mund der Elbe; des Vorsatzes / die in aller Welt wegen ihrer Tapfferkeit beruffenen Longobarden zu demüthigen; welche aus Skandinavien sich an der rechten Seiten der Elbe zwischen der Havel und der Oder niedergelassen / zeither denen mächtigsten Nachbarn / wie wenig ihrer gleich gewest / mit ihrem Degen die Wage gehalten / und noch zuletzte dem gantz Deutschland gleichsam überschwemmenden Marbod die Spitze geboten hatten. Tiberius drang mit einem absondern Heere durch das Chautzische Gebiete; und eroberte die Stadt Fabiran an der Weser / setzte unterhalb Lauenburg an das [1155] lincke Ufer der Elbe seine Völcker aus den Schiffen / und vereinbarte beyde Heere; zohe hierauff an dem Strome auffwerts biß an das Gedachtnüs-Maal / das Drusus daselbst auffgerichtet hatte. Der großmüthige Hertzog der Longobarden Wilhelm zündete die über der Elbe habende Dörffer selbst an / und zohe alles Volck auf die rechte Seite / um den Römern die Uberfarth zu verwehren. Deßwegen schickte er auch denen Angeln tausend Longobarden zu desto sicherer Besetzung der Stadt Lauenburg zu Hülfe / welche in den Elbe-Strom eine grosse Menge breit-ästichter Eich-Bäume warffen: daß die Römer mit ihren Schiffen nicht weiter den Strom hinauf fahren konten. Weil nun der von Rom neu angekommene Hertzog der Cherusker mit unumstößlichen Gründen den Auffschub des von den Longobarden gebetenen Beystandes entschuldigte / Hertzog Wilhelm aber ihm leicht ein bilden konte: daß Marbod die Römer zwar zu Freunden / nicht aber zu Nachbarn verlangte; in dem klugen Fürsten kein ärgerer Dorn in Augen seyn kan / als das übermäßige Wachsthum seines Nachbars; schickte er einen Fürsten der Ascanier an Marbod / machte mit ihm ein Bündnüs zu ihrer beyder Vertheidigung wieder ihre künfftige Feinde. Weßwegen Marbod denen Longobarden zwantzig tausend Mann zu Hülffe sendete. Ehe diese aber noch ankamen / trieben die Longobarden die Römer / welche auf Nachen und Flössen über die Elbe setzen wolten / dreymahl zurücke. Wie nun Tiberius bey diesen blutigen Treffen viel seiner tapffersten Kriegs-Obersten einbüste; und nunmehr die Tugend der Longobarden grösser befand / als der Ruff von ihnen war; Hertzog Wilhelm auch dem Tiberius durch gewisse Gefangenen etliche Säcke Haare / die sie ihren langen Bärten zum Zeichen der vielen erschlagenen Römer hatten abscheren lassen überschickte; nach dem Vermöge eines theuern Gelübdes bey diesem Volcke kein Scheer-Messer einen Mann berühren darf / der nicht vorher drey Feinde erschlagen; über diß er die Ankunfft der Marckmännischen Völcker vernahm; trug er den Longobarden Frieden /iedoch unter harten Bedingungen an; insonderheit: daß sie Marbods Bündnüs abbrechen / den Römischen Feinden keinen Beystand leisten / ihnen hingegen mit sechstausend Mann ohne Kriegs-Sold dienen / und deßwegen Hertzog Wilhelm seinen Sohn / und zwölff edle Longobarden nach Rom zur Geißel schicken solte. Wilhelm lachte zu diesem Fürtrage; sagte aber / er wolte einen seiner Edlen selbst deßwegen zum Tiberius schicken. Auf dessen Befehl setzte sich Pudlitz / ein siebentzigjähriger Ritter in einen Nachen / ließ sich über den Fluß zum Tiberius führen / und betrachtete ihn eine halbe Stunde mit unverwendetem Gesichte / aber ohne Fürbringung eines einigen Wortes; also: daß Tiberius endlich aus Unwillen ihn fragte: Ob er nichts wegen seines Fürsten anzubringen hätte? Pudlitz hat hierauff ihm zu erlauben / des Tiberius Hand anzurühren; die er ihm in Meinung: daß er sie zu küssen verlangte / darreckte. Pudlitz nahm selbte / und fieng nach Beschauung derselben / und der daran sich befindenden Narbe an: Mein Fürst hat aus deinem Friedens-Vorschlage geurtheilt: Du müssest ein GOtt seyn / und mich die Warheit zu erkundigen herüber geschickt. So sehe ich aber aus dieser Narbe: daß deine Glieder nicht weniger / als unsere verletzt werden können. Daher ihr Römer gar billich eurer Kayser Vergötterung biß nach Verbrennung ihrer Leiber auffschiebet; da sie nicht mehr können versehret werden. Bey dieser Beschaffenheit wirstu uns Longobarden verzeihen: daß wir von dir / als einem Menschen / keine uns unanständige Gesetze annehmen. Tiberius biß für Gri sich in die Zunge und Leffzen: daß sie bluteten / ließ den Ritter von sich / und auffs neue mit aller Macht über die Elbe setzen. Die Longobarden aber begegneten ihn mit ihren kleinen [1156] Hauffen / weil die Römer wol zwölffmahl stärcker waren / mit unbeschreiblicher Tapfferkeit. Endlich kamen zu allem Glücke Marbods Hülffs-Völcker an; also: daß die Römer / welche schon an zwey Orten festen Fuß auf dem Ufer gesetzt hatten / über Hals und Kopff in Strom zurücke weichen und etliche tausend den Deutschen Schwerdtern /und nicht weniger dem Flusse zum Versöhn-Opffer hinterlassen musten.

Weil nun wiedrige Zufälle denen Glückseligen am empfindlichsten sind; hätte der so vieler Siege gewohnte Tiberius mögen von Siñen ko en. Diesemnach entschloß er / sich an Marbod zu rächen; besetzte also die von ihm eroberten Plätze / zohe mit dem gantzen Heere an der Elbe gegen die Hermundurer hinauf / in willens dieses dem Marbod vielleicht nicht allzu holde Volck / unter dem Scheine für gebildeter Freyheit / vom Marbod abwendig zu machen. Er schickte aber vorher an ihn nach Marbods-Stadt eine Gesandschafft; welche wegen der den Longobarden geschickter Hülffe Vergnügung fordern solte; um bey derselben Verweigerung die Ursache seines Krieges desto scheinbarer zu rechtfertigen. Marbod aber antwortete: Er wäre der Römer Freund / wolte es auch bleiben / so lange sie ihm keine Feindschafft abnöthigten. Sein den Longobarden geleisteter Beystand aber wäre darfür nicht aufzunehmen; weil das Bündnüs mit diesem Volcke ihn darzu verbunden; er aber solches mit ihnen aufgerichtet hätte; ehe ihm träumen können: daß die Römer mit den Longobarden brechen solten; zumal ihm keine Beleidigung bekant wäre. Meinte nun Tiberius sich an ihn zu reiben / und an Marckmäñern zum Ritter zu werden / müste er es geschehen lassen; und gielte ihm gleich: Ob er den Degen solte ausziehen / oder in der Scheide stecken lassen. Auf den ersten Fall müsten sie gegen einander versuchen: Ob Tiberius die Elbe und den Herzinischen Wald ehe bemeistern / oder er nach seiner Vorfahren Beyspiel über die Alpen in Italien / dahin er von seiner Gräntze nur zweyhundert tausend Schritte hätte / einbrechen würde. Marbod zohe hierauf in der Eyl sein Krieges-Heer zusammen / stellte es bey seiner Hauptstadt in Schlacht-Ordnung / zeigte also siebentzig tausend Fußknechte / und vierzehntausend Reuter des Tiberius Gesandten; mit Ermahnung: Sie solten ihm sagen / was er geredet / und sie gesehen hätten; Er wolte folgenden Tag ihnen mit seinen Marckmännern folgen / und an der Saale mit dem Tiberius entweder wie mit seinem Bruder Drusus freundlich reden; oder versuchen / welche Schwerdter unter beyden die schärffsten wären. Als Tiberius nicht nur diese Entschlüssung Marbods vernahm; sondern auch diß seine folgende Botschafft bestätigte / zohe er wie ein kluger Schiffer / der bey aufgehendem Gestirne des Orions die Segel fallen läst / oder ins Land setzt / lindere Seiten auf; weil er mit gegenwärtigem Heere den Marckmännern und Longobarden nichts abzujagen getraute; gab also den Gesandten gute Worte / stellte sich an / als wenn er mit Marbods für geschütztem Bündnüsse allerdings zu frieden wäre; zohe / allen Argwohn des Einbruchs zu verhüten /sein Heer zurücke / und vertheilte es in die Länder der Chautzen und Cherusker unter der Aufsicht des Sentius Saturninus; welchem er befahl den Catten und andern deutschen Völckern wol auf die Schantze zu sehen / und auf künfftiges Jahr zu einem mächtigen Feldzuge sich ins geheim zu rüstẽ. Er selbst eilte nach Rom / und bemühte sich den Kayser zu bereden: daß er für allen Dingen den Hertzog Herrmañ / als einen nichts minder schlauen als verwegenen Feind / mit seinen hartnäckichten Cheruskern übern Hauffen werffen müste. Saturnin hingegen redete der Treue der Cherusker das Wort / und stellte dem Kayser für Augen: daß Marbod ein den Römern nunmehr selbst zu fürchten nöthiges Reich auffgerichtet / die Longobarden [1157] und andere feindliche Völcker in seinen Schutz genommen hätte. Alle Römische Flüchtlinge findeten bey ihm ihren Auffenthalt. Er hätte auch nicht minder das Hertze / als Kräften den Römern einen gewaltigen Streich zu versetzen; welches er zweiffelsfrey schon längst gewagt hätte / wenn er nicht vorher gantz Deutschland zu bemeistern im Schilde führte. Erreichte er darinnen nun sein Ziel /möchten für einem so grossen Haupte die Römer nur Gallien und Pannonien räumen / und für den Deutschen die Alpen / als Vormauern Italiens / besetzen. Alles dieses aber wäre zu unvermögend gewest des mächtigen Tiberius Vorschlägen das Gewichte zu halten; wenn nicht eine mit der Fürstin Thusnelde sich ereignende Begebnüs beym Tiberius einen absondern Haß gegen den König Marbod erreget / und ihn auff Saturnins Meinung gebracht hätte. Hiermit erlangte er: daß ihn Kayser August mit sechs frischen Legionen verstärckte; welche er im Früh-Jahre gegen der Donau führte / in willens daselbst einzubrechen. Saturninus solte auf der andern Seite mit fünff Legionen / und dreyßig tausend meist Gallischen Hülffs-Völckern bey den Catten den Durchzug erlangen / sich durch den Hercinischen Wald hauen / und in das Hertze der Marckmänner / nemlich in das den Bojen abgenommene Land einbrechen. König Marbod feyerte inzwischen auch nicht; vereinbarte Rathschläge und Kriegs-Macht mit der Quaden Könige Vannius; und solte dieser gegen der Donau / er selbst gegen der Saale und Elbe den Römern die Spitze bieten. Ja er stellte sich wol selbst an / bald als wenn er in das Cheruskische / bald in das Norische / bald in das Pannonische Gebiete einfallen wolte; um der Römer Macht zu zertheilen. Insonderheit aber mühte er sich durch kostbare Bothschafften die Pannonier / Noricher / Thracier / Illyrier / Dalmatier wieder die Römer in Harnisch zu bringen; weil ein Fürst doch keinen klügern Streich thun kan; als wenn er seinem Feinde einen andern in die Haare schicket; und mit dem nicht leichte anbindet; dessen Stärcke man durch keinen Versuch nicht gemässen / hernach aber der einmahl überwundene nur ein zitterndes / die Sieger aber zwey feurige Hertzen haben. Dieser Streich glückte dem Marbod so wol: daß / als Tiberius mit seiner Krieges-Macht schon zu Carmunt an der Donau / Saturnin nahe an der Saale zum Einbruche fertig stand; beyden die unvermuthete Zeitung kam: daß hinter ihnen die Dalmatier und Pannonier / in Hoffnung / Marbod würde vorwerts den Römern genung zu schaffen geben / wieder die Römer auffgestanden wären / achthundert tausend bewehrte Leute auf den Beinen hätten / und zum Theil gar auf das aller Kriegs-Macht entblöste Italien einzudringen Anstalt machten. Diese Zeitung verrückte dem Tiberius alle seine Zirckel; Saturninus muste zurück / um nur die Deutschen zwischen dem Rheine und der Weser im Zaume zu halten / Tiberius aber nicht allein / sondern Germanicus und der junge Drusus wurden gezwungen aus allen Ecken die eussersten Kräfften wieder diese schwermenden Völcker / für denen man schon zu Rom erzitterte / zusammen zu ziehen / und anzuführen. Kayser August selbst muste den König Marbod mit einer prächtigen Botschafft und herrlichen Geschencken besänfftigen. Also muß die Staats-Klugheit / welche zuweilen mit trotzigen Riesen-Schritten gegen einem hergetreten /die Achseln einziehen / und mit Kniebeugen den Rücken kehren.

Die Dalmatier und Pannonier / welche nicht verstunden: daß man schlauer Fürsten Worte offt wie Träume nach dem Wiederspiele verstehen und auslegen müsse / sahen sich über Hoffen zwar in Krieg eingewickelt / aber von Marbod verlassen oder betrogen; welcher den Pfad des Krieges selbst nicht erkiesete / den er ihnen doch für so heilsam angewiesen hatte; und [1158] den auff ihn gezückten Streich in ihre Achseln abgleiten ließ. Ob nun zwar der Fürsten Bündnüße kein ander Hefft / als ihren Vortheil haben / so schiene doch auch diß beym Marbod viel zu schwach zu seyn. Denn ob wol der Dalmatische Krieg lange währte / und es mehrmahls das Ansehen gewann; als wenn es um die Römer gethan wäre; war doch Marbod nicht zu bewegen / sich darein einzumischen. Alleine die wenigsten wusten: daß eine geheime Liebes-Ursache den König Marbod im Zaume hielt / die weiter sehenden aber urtheilten: daß Marbod / welcher alle seine Länder durch Recht der Waffen erobert /und daher zum Zaume seiner Völcker mehr die Furcht / als Liebe brauchte / sich nunmehr in sich selbst mehr zu befestigen; und so viel ungleich-geartete Völcker unter einander selbst zur Verträuligkeit / gegen sich zum Gehorsam zu verbinden nöthig hätte / sich ohne Noth in eusserliche Kriege nicht einflechten und zwar nicht mit demselben Feinde anbinden könte; an dem zeither alle andere Völcker ihnen den Kopff zerstossen hätten. Also sind nur des Pöfels Anschläge allezeit hitzig / auf Blut und grosse Eroberungen gerichtet; ein kluger Fürst aber weiß durch sanfftere Entschlüssungen an sich zu halten; und ein Verständiger dem Volcke zu Athen wahrzusagen: daß sie in ihrem unzeitigen Kriege in Cilicien nach einem Schatten schnappen / und das unschätzbare Wesen ihres Wolstandes einbüssen würden. Daher ließ Marbod sich weder das Urthel des Pöfels / noch die versprochenen güldenen Berge der Dalmatier und Pannonier irre machen; sondern sorgte nur sich feste in Sattel zu setzen; weil doch fremde Herrschafft / wie gut sie an sich selbst ist / dennoch allen Völckern beschwerlich fällt; und der grossen Uberwinder Siegs-Gepränge meist ihrem Geschlechte zu einer Blut-Banck dienet /und den Nachkommen nur durch ihre Begräbnüs-Maale bekandt werden; ausser wo die Gewalt des Adels über Hand genommen hat; und dieser theils zu Erhaltung der Gleichheit unter sich selbst / theils die Unterdrückung der Freyheit zu verhüten selbst fremde und noch darzu meist ohnmächtige Fürsten erwehlet. Die Art der bezwungenen Völcker ist ins gemein ungleich; derer Sitten sich nicht so / wie die Kleider /leicht verändern lassen. Jene werden ihnen mehr von der Beschaffenheit des Hi els / ja aus Mutterleibe angebohren / und mit der Milch eingeflöst / als durch Gesetze und Gewonheit beygebracht. Etliche Völcker sind zur Dienstbarkeit gebohren; daher / wenn selbte in freyen Stand gesetzt werden wollen / geräthet es so übel; als mit jungen Weinstöcken / welche man bejahrten Bäumen an die Seite setzt; und deßwegen neben einem so unanständigen Bräutigam verdorren; dahin gegen sie bey jungen Pflantzen wol gerathen. Etlichen hingegen ist die Freyheit so eigen / und sie unter das Joch der Dienstbarkeit so schwer / als die Schweffel-Dünste in Felsen und Ertzt einzusperren; welche mit so viel mehr Ungestüm ihre Behältnüß zersprengen / als sie feste verriegelt sind. Etliche können weder eine unumschränckte Freyheit / noch eine Knechtische Dienstbarkeit vertragen; dörffen daher wie gewisse Pferde bald der Spiß-Ruthe / bald einer Streichelung. Diesemnach befließ sich der schlaue Marbod iedem Volcke einen besondern Zaum anzulegen / und durchgehends Gesetze / Sitten und Herrschens-Art in altem Stande zu lassen; denen Freyern mit Höfligkeit; denen Niedrigern / (welche schwer zu erobern / leicht aber im Gehorsam zu halten sind) mit Ernste zu begegnen / nirgends aber neue Titel zu brauchen; sondern allenthalben der alten Hertzoge Anstalten zu behalten; Niemanden vorige Begnadigungen zu entziehen; seine eigene Gebehrden derogestalt zu mässigen: daß seine Schärffe der Liebe / seine Leitseligkeit der Hoheit keinen Abbruch that. Zu denen Aemptern erhob er mehr langsame / ruhige /und mittelmäßige; als allzugeistige und hitzige [1159] Gemüther; welche erstere sich mehr des Volckes / als Völcker sich ihrer Eigenschafften angewöhnen; welche die Laster nachdrücklicher verbieten / als unbarmhertzig straffen / durch keine Neuerung schädliche Enderung einführen / und denen Vorfahren mehr Klugheit als ihnen selbst zutrauen; die letzteren aber ihre Anstalten nichts minder durch einen zu hefftigen Anfang / als durch unachtsamen Verfolg verterben / ja durch allzugenaues Ausecken und Schärffe den Zustand eines Reiches nur schärticht machen / und mit unzeitigen Mitteln die Kranckheiten mehr rege machen / als ihnen abhelffen; in dem ein Staats-kluger zwar alles ergründen / nicht aber alles ausüben soll. Er theilte zwar seine Landes-Leute die Marckmänner durch alle andere eroberten Länder aus / und eignete ihnen die Aempter / welche mehr Nachdruck als Ansehens haben / zu; aber sie musten vorher sich in derselbigen Länder fürnehmsten Adel verheyrathen; und derogestalt ihnen ehe die Gewogenheit / als die Einheimschafft der Völcker zu wege bringen. Er ließ alleine das von den Bojen eroberte Land der Marckmänner mit Weinstöcken und andern fruchtbaren Bäumen erbauen / gab auch nur denen Marckmännern die Freyheit Handlung zu treiben mit Ausländern; wormit die andern Länder gleichsam an die Marckmänner unvermeidlich verknüpfft würden; und so wenig ihrer Handels-Leute / als Gewächse entbähren könten. Er machte mit denen kleinern Nachbarn / welche theils von Römern / theils Sarmatern / theils Catten besorgten verschlungen zu werden; hingegen ihre Ohnmacht keinen Schatten einiger Gefahr über ihn fallen ließ / zu ihrem Vortheil feste Bündnüße; hingegen ließ er die ihm wegen erster Macht / und von etlichen hundert Jahren angewohnter Herrschafft verdächtige Cherusker mit Fleiß unter der Römischen Presse schmachten. Er baute zwar wenig / aber überaus starcke Festungen / besonders an Flüsse und Gräntzen / und neben grosse Städte; wormit er sich so wol der Unterthanen / als wieder die Feinde versicherte / auch diesen bey feindlichem Einfall eine nahe Sicherheit verschaffte; und gleichwol die Länder nicht mit übermäßiger Verpflegungs-Last ungedultig machen dorffte. Insonderheit aber legte er dem Adel der überwundenen Völcker unter dem Scheine einer grossen Wolthat einen unvermerckten Kapzaum an; in dem er selbten niemahls zu Feldzügen aufbot; sondern bey freygelassener Pflegung der Wirthschafften die Ubung der Waffen vergessen ließ; und ausser der Marckmännischen Ritters-Leute sich nur des geworbenen Kriegsvolckes bediente. Wiewol Marbod selbst dem Eubagischen Gottesdienste beypflichtete; und denselbten in Schwung zu bringen durch öffentlicher Lehre scharffsinniger und tugendhaffter Priester / wie auch durch Beförderung seiner Glaubensgenossen zu Würden und Aemptern sich eusserst bemühte; so ließ er selbten doch niemand mit Gewalt auffnöthigen; weil es ihm nicht nur eine Grausamkeit schien einem ein Bekäntnüs des Mundes aufdringen / welchem das Hertze wiederspricht / und sein Urtheil als thöricht alsofort verdammen; welches ihm von denen / die ihn am meisten geliebt / nehmlich den Eltern von Kind auf eingepflantzt / und also von denen / welche durch Verfolgung / Raub / Gefängnüs und Marter ihren Haß gegen ihn an Tag geben / ihm aus dem Gemüthe zu reissen unvernünfftig und unmöglich ist / sondern beschirmte sie auch wieder unzeitiger Eyverer Bedrängungen; nach dem er diese einmahl als Unterthanen angeno en; kein Mensch aber / der aus der natürlichen Freyheit sich irgendswo in bürgerlichen Stand begiebt / zugleich sein Recht aufgiebt etwas nicht zu glauben; was ihm der Warheit nicht ähnlich zu seyn scheinet. Ja er ließ den Barden und Druyden den öffentlichen Gottesdienst / wiewol mit diesen Umschränckungen zu: daß sie nicht den Eubagischen lästern [1160] oder verdammen / noch auch die Eubagen auf ihren Glauben zu bringen sich bey Straffe der Aufrührer und Frieden-Störer unterstehen dorfften; Ja weil keine Herrschens-Art lange ohne Aufruhr und bürgerliche Kriege seyn kan; wenn der Obrigkeit nicht von ihren Unterthanen die Gewalt des rechten und irrigen Gottesdienstes; so fern selbter nur zu keinem Gewissenszwang mißgebraucht wird / zu unterscheiden und nach ihrem Urtheil die Reichsverfassung einzurichten enthangen wird; so musten alle Druyden in seinem Gebiete sich eydlich verbinden: daß sie auf ihr in Britannien sonst habendes Oberhaupt kein Absehen haben / sondern alleine den König Marbod für den /welcher nach Belieben den eusserlichen Gottesdienst ordnen könte / erkennen; insonderheit aber / als eine aufrührische Lehre / mit den Barden abschweren musten: daß Unterthanen zu Beschirmung ihres öffentlichen Gottesdienstes wieder ihren Fürsten Beschirm-oder Beleidigungsweise die Waffen ergreiffen könten. Auf diese Art hat König Marbod fast biß auf gegenwärtige Zeit mit friedsamen Rathschlägen seine Reichs-Sorgen fortgetrieben. Auf der andern Seite Deutschlands / ob wol die Römer mit allen ihren Kräfften in den Pannonischen und Dalmatischen Krieg eingeflochten gewest; haben sie doch theils durch starcke Besatzungen an dem Rheine / der Weser und Lippe / theils auch durch die vernünfftige Bescheidenheit des Sentius Saturninus / insonderheit: daß er die Cherusker unter dem Fürsten Herrmann gegen einem erträglichen Beyschube gewisser Hülffs-Völcker fast ihrer alten Freyheit genüssen lassen / die Deutschen zwischen dem Rheine und der Weser derogestalt gefässelt: daß die Uberwundenen sich nicht getrauet die Römische Bürde abzuwerffen / und also die Sicherheit des erträglichen Zustandes / der Gefahr und Ungewißheit gäntzlicher Freyheit für gezogen; sonderlich / weil die noch meist freyeren Catten und Alemänner wenig Anzeigung spüren liessen / wegen ihrer Nachbarn bedrängten Freyheit die eigene auff die Spitze zu setzen. Es würde vielleicht auch noch allem Ansehen nach geraume Zeit bey diesem Zustande blieben seyn; weil durch Sanfftmuth auch die Löwen kirre und zahm gemacht werden; wenn nicht der boßhaffte Quintilius Varus auf dem vernünftigen Saturnin gefolgt wäre / und diese Länder mit Raub und Grausamkeit erfüllt / also die Deutschen Fürsten / welche in der Freyheit gebohren; itzt aber Knechte werden solten / und die nach Art der Thiere dem Saturnin / als einem Hirten ohne Wiederspenstigkeit gefolgt hatten /nunmehr aber dem blutgierigen Varus als einem Metzger die Stirne zu bieten / und zu einer so behertzten Entschlüssung bewegt hätte; weil doch die Freyheit das einige Kleinod ist / das mit eigenem Blute und seiner Kinder Leichen erkaufft zu werden verdienet.

Fürst Malovend wolte nunmehr auch umständlich erzehlen; wie Hertzog Herrmann die Deutschen Fürsten so klüglich unter einen Hut gebracht; Melo der Sicambrer Hertzog so großmüthig den ersten Aufstand wieder die Römer gemacht / und jenen Gelegenheit verschafft hätte / unterm Scheine der Hülffs-Völ cker ihre Waffen zu versammlen; Adgandester aber erinnerte: daß es ohne diß schon spät in die Nacht /die Taffeln bereit mit Speisen besetzt wären. Daher sie sich mit einander in den Speise-Saal verfügten; und nach vollendeter Taffel und anmuthigen Gesprächen zur Ruh verfügten.

Mit anbrechendem Tage zohe Adgandester zu dem Feldherrn auf eines zwey Meilen von Deutschburg gelegenes Lust-Hauß / da er mit vielen Fürsten übernachtete / um den auf solchen Tag bestimmten Einzug zu dem Fürstlichen Beylager einzurichten; Die Königin Erato / Solonine und andere Frauenzimmer / wie auch Hertzog Zeno / Rhemetalces / Malovend und andere fügten sich gegen Mittag in ein Eckzimmer des eussersten Schlosses / um darbey Zuschauer [1161] abzugeben / ohne welche alle solche Gepränge kaltsinnig und unnütze sind.

Sie hatten sich mit der Frühmahlzeit kaum vergnüget / die Sonne stand gleich in der Mitte des zwar früh-wölckichten / nunmehr aber einem blau-hellen Tuche gantz ähnlichen Himmels / und mühte mit ihren güldenen Strahlen sich diesen prächtigen Einzug; derogleichen vielleicht viel Zeit in Deutschland nicht gesehen worden war / noch herrlicher zu machen; als sich der Vortrab dem Burg-Thor näherte; der in tausend leichten Reutern bestand / welche alle sehr lange gerade empor gehaltene Lantzen / und daran oben rothe und blaue Fähnlein führten / mit welchen die anmuthige Lufft auch ihr Lust-Spiel hatte. Alle diese begrüsten oberwehnte Fürstlichen Zuschauer mit Neigung ihrer Lantzen; die für iedem Hauffen vorreitende Trompeter und Heerpaucker aber mit ihrem kriegrischen Gethöne. Diesen folgten tausend Cheruskische Fußknechte; welche mit ihren grossen und meist entblösten Leibern halbe Riesen abbildeten; und nichts minder mit ihren ungeheuren Streitkolben / als sauersehenden Antlitzern denen Zuschauern gleichsam ein Schrecken einjagten; ungeachtet sie dißmahl ihre denen Feinden unverträgliche Anblicke mit einer gezwungenen Freundligkeit zu miltern sich bemüheten; ob schon die für ihnen hergehenden Kru hörner auch bey diesem Freuden-Feyer sie zur Rache wieder die Feinde aufzumuntern schienen. Massen sie denn auch ihre Narben von denen empfangenen Wunden mit allerhand Farben und Merckmahlen / als Kennzeichen ihrer Tapferkeit / bemercket hatten. Hierauff liessen sich hundert kohlschwartze Mohren auf schneeweissen Pferden sehen / welche meist in dem Römischen Läger waren gefangen worden. Um ihre Stirnen hatten sie weiß silberne Bünde; um den Halß Halßbänder von Kugeln aus Perlen-Mutter / um den mitlern Leib Serische Schürtzen / an der Seiten einen güldenen Köcher / über der Achsel bunde Bogen / in der rechten Hand einen Pfeil drey Ellen lang. Auf der Ferse folgten den Mohren fünfhundert Cimbern und Svionen; welche alle schneeweiße gekrausete Haare hatten / und mit weißen Bären-Häuten bedeckt waren / aber auf kohlschwartzen Pferden ritten. Hinter ihnen kam eine herrlich aufgeputzte Cimbrische Fürstin; welche des Catten Hertzog Arpus Gemahlin mit sich gebracht / auf einem Wagen / der auf Art eines Nachen gemacht / die Räder auch gantz verborgen waren / und von zwey flüchtigen Renn-Thieren gezogen ward. Sie begleiteten in sechs andern solchen Wagen Cimbrische streitbare Frauen; welche alle als Amazonen unter den Kriegs-Leuten aufziehen wolten; und daher sich auch mit Waffen auffs beste ausgerüstet hatten. Nach diesen erschienen fünfhundert Catten mit Luchs- und so viel Sicambrer mit Wolffs-Fellen bedeckt / die alle im mitlern Finger einen stählernen Ring / in der Hand zwey hackichte Spiesse / an der Seite breite Schwerdter trugen. Und hierauff folgten tausend Cheruskische Reisigen / alle mit gläntzenden Pantzern bekleidet; die für sich dicke viereckichte unter dem rechten Arme feste gemachte Pantzer-stecher / und in Fäusten spitzige Wurff-Spiesse führten. Diese wurden abgelöset / von zweyhundert nackten Ringern / derer Leiber über und über von eingeschmiertem Oele gliessen /und von dreyhundert Fechtern / welche wie jene mit allerhand seltzamen Stellungen / also diese mit dem Gefechte ihrer Schlacht-Schwerdter den Zuschauern Kurtzweil machten; wie denn auch dreyhundert Quaden zu Pferde mit ihrer Sarmatischen Tracht / und Geschwindigkeit bald auf / bald von Pferden zu springen / und dreyßig der seltzamsten mit Gold und silbernen Decken belegten Hand-Pferde ihre Augen mercklich an sich gezogen hätten; wenn nicht die Cheruskische /und ein Theil der Sicamber- und Cattischen Ritterschafft; die sich von der Römischen Beute [1162] über die gewöhnliche deutsche Art mit prächtigen Kleidern /schimmernden Waffen / Goldgestückten Pferde-Decken auffs herrlichste ausgeputzt hatten / und / um alle Vorzugs-Streitigkeiten zu vermeiden / in einer doch nicht unanständlichen Unordnung auff ihren hochmüthigen Pferden sich herfür gethan / und die geringeren Sterne verdüstert hätte. Aber auch diese wurden von dem schönen und großmüthigen Feldherrn wie von einer Sonne überstrahlet / welchen in einem von Golde und Edelgesteinen leuchtenden Harnische und über den Rücken abhängenden Purpur-Mantel / nichts minder mit einem köstlichen und Perlen-reichen Lorber-Krantze ein Tiger-fleckichter und mit den Füssen die Erde gleichsam zertretender Hengst herein trug. Auf einer Seiten ritt Hertzog Arpus / auf der andern Flavius; hernach Melo / Catumer / Adgandester /und andere deutsche Fürsten. Als nun diese mit ihren wol aufgeputzten und lange Hacken tragenden Leibwachten zu Fusse / und fünffhundert Reutern mit schwerer Rüstung vorbey waren; liessen sich vier sehr breit und lange mit allerhand Blumwerck und Laube künstlich besteckte und gleichsam einen Lust-Garten abbildende Wagen sehen / und darauf ein anmuthiges Gethöne von allerhand Sängern und Seitenspielen hören. Wie nun diß das Gehöre auf voriges Rauschen der Gewaffneten durch eine liebliche Abwechselung vergnügte; also erstarrten aller Zuschauer Augen über fünffhundert edlen Jungfrauen / die auf ihren über und über mit vielfärbichten Bändern gleichsam bestreuten Zeltern daher ritten; und alle mit Entblössung der lincken Brüste / behelmeten Häuptern / güldenen Köchern / Bogen und Pfeilen / als streitbare Amazonen herein drabten. Nach diesen kam ein mit vier weißen Pferden bespañter Wagen; von welchem vier und zwantzig wie Liebes-Götter ausgerüstete Edelknaben theils ihre vergüldete Pfeile in die Lufft schossen /theils den Weg mit vielfärbichten Blumen bestreuten; theils mit güldenen Rauchfässern durch glimmenden Weyrauch / und mit Verspritzung wolrüchender Wasser die Lufft einbalsamten. Aller Augen aber erstarrten / und alle Seelen wurden beweget von dem Anschauen der nunmehr erscheinenden Fürstin Thusnelde. Sie saß auf einem gantz übergüldeten / wie eine Muschel gestaltetem Wagen; gleich als wenn eine so unvergleichliche Perle kein ander Behältnüs / als ihre Muschel würdigte. Hinten stand ein edler Mohren-Knabe / wie ein geflügelter Liebes-Gott ausgerüstet /der über ihr Haupt einen grünen Sonnen-Schirm hielt; für ihr aber saß ein schneeweißer; der ihr mit einem Pusche roth / blau / gelbe und weiße Strauß-Federn Lufft zufachte. Das ihren Leib deckende güldene Pantzer-Hemde; die Lantze in der rechten Hand / der mit einem Adler gekrönte neben ihr stehende Helm /der für ihr liegende / und zu einem Spiegel dienende Schild / der Bogen und mit Pfeilen erfüllte Köcher bildete an ihr eine erschreckliche Krieges-Göttin; ihre Blitz und Anmuth sämende Augen; ihre Wangen /welche alle Rosen mit Purper / ihre Lippen / die alle Nelcken mit Zinober / ihre Brüste / welche alle Lilgen mit Milch zu betheilen einen Uberfluß hatten; Schnee und Flammen / Türckis und Alabaster mit einander vermählten; und mit iedem eingezogenen Atheme durch ihre Bewegung hundert Seelen entseelten / stellten an ihr eine Mutter oder Tochter der selbst-ständigen Liebe für; hätten also die Zuschauer zweiffelhafft gemacht / für welche sie sie verehren solten; wenn nicht die fürgegangene Schlacht ihr / als einer siegenden Pallas / den auff dem Haupte mit viel tausend Diamanten strahlenden Lorber-Krantz aufgesetzt; Die Uberwindung des in sie verliebten Herrmanns aber ihr / als einer Schönheits- und Liebes-Göttin / den güldenen Apffel zugesprochen / und also in einem menschlichen Leibe so viel Vollkommenheiten [1163] vereinbart hätten / die andere Völcker zu Betheilung zweyer Göttiñen genung geschätzt haben. Diesen güldenen Muschel-Wagen zohen zwey überaus grosse Elefanten; derer Ohren / vorragende Zähne und Rüssel gantz übergüldet; die Rücken aber mit Thürmen belegt waren; auf welchen etliche Mohren sie mit einem geringen Eisen leiteten; etliche Liebes-Götter auch Blumen streuten / Balsam spritzten / und mit Pfeilen spielten. Hinter dieser wunderwürdigen Braut folgten auff etlichen mit schneeweissen Pferden bespannten Sieges-Wagen das Fürstliche Frauen-Zimmer; unter welchen Erdmuth des Cattischen Hertzogs Arpus Gemahlin bey der Fürstin Thusnelda die Mutter-Stelle vertrat; derselben Tochter Catta aber ihrer Schönheit halber allen andern / ausser der unvergleichlichen Thusnelde Kampff anzubieten vermochte. Den Beschluß dieses Einzuges machten fünfhundert mit Bären-Häuten bedeckte Cherusker zu Fusse / und so viel schwergerüstete Reuter. In der Stadt Deutschburg konte für tausenderley Frolocken und glückwünschendem Zuruffen niemand sein eigen Wort vernehmen; und ward hiermit zwar die sinckende / mit der prächtigen Mahlzeit aber Mitternacht herzu bracht. Ja ob wol die / welche diese glückliche Verbindung hauptsächlich angieng; endlich ihre Ruhe suchten; störte doch diese ungemeine Freude die gantze Nacht durch den Schlaff der ihr Glücke gleichsam nicht begreiffenden Cherusker; welche weißlich behertzigten: daß die Welt nicht so sehr an Vereinbarung heilsamer Gestirne / als Unterthanen an dem Wolstande und glücklicher Vermählung ihrer Fürsten Theil haben.

Inhalt des Achten Buches
Inhalt
Des Achten Buches.

Die Zeit eine Meisterin aller Dinge / ihre eigene aber die Tugend und die Liebe / welche letztern beyde Hertzog Herrmanns und Thusneldens Hochzeit-Feyer verherrlichen. Die Aloe Staude gebiehret gleichsam wunderbar- und sichtbarer Weise einen ungewöhnlich-langen Stengel / und wird zu bevorstehender Vermählung vor ein gewisses Glücks-Zeichen gehalten. Prächtiger Ein- und Aufzug nach dem Deutschburgischen Hayn und Taufanischen Tempel. Der Deutschen sonderbahre Vermählungs-Gebräuche. Hertzog Herrmanns der Thusnelde überreichter Braut-Schatz; Dieser dabey bezeigte Ehrerbietigkeit und Mitgifft. Beyder Andacht Opfer- und Vermählung. Neu-entspringender Brunn über diesem heiligen Hochzeit-Feyer nebst seiner Bedeutung. Liebes-Feuer dem natürlichen durch allerhand an denen Pfeilern des Tausanischen Tempels auff Herrman zielende Ehren-Getichte vergliechen. Der Thusnelden aber alle vom Wasser hergenommene und dem weiblichen Geschlecht eigentlich zukommende Denck- und Sinnbilder. Abbildung der zweyen Unholdin des menschlichen Lebens des Hasses und Neides / und der schädlichen Mißgeburten der ehlichen Liebe der Eyversucht und Unfruchtbarkeit nebst ihrer Einäscherung. Die längst vor tod gehaltene [1164] Mutter Hertzog Herrmanns Asblaste stellet sich im Tempel in Gestalt und wunderbahrer Gebehrdung einer Alironischen Wahrsagerin ein /wird aber endlich mit tausendfältiger Freude erkennet. Die mit allem Uberfluß und Pracht zubereitete Fürstliche Hochzeits-Taffeln. Thusneldens Begleitung in ihr herrlich Schlaff-Gemach. Der neu-verheyratheten Deutschen und anderer Völcker hierbey sich ereignende wiedrige Gewonheit. Adgandesters Erzehlung über Hertzog Herrmanns ausgestandene Ebentheuer biß zu seiner erlangten gegenwärtigen Glückseligkeit. Kinder die sicherste Vormauer eines herrschenden Haußes / deren Mängel hingegen so wol bey Unterthanen als Nachbarn verächtlich. Des Feldherrn Segimers mit Asblasten siebenjährige Unfruchtbarkeit schläget der gemeinen Wolfarth halber eine willkührliche Ehscheidung vor: Dieser durch viel seltzame Ebentheuer aus Persien wieder erfolgte Zurückkehr in Deutschland. Ihr kurtz hierauff verspürter Ehe-Segen durch einen nachdencklichen Traum gleich der Olympia angedeutet. Hertzog Herrmanns und des Fürsten Flavius Geburt und Aufferziehung. Der erstere in seiner Kindheit gleich dem Romulus von einer Bährin geraubet / von ihren Brüsten genähret / endlich vom Segimer wieder errettet. Seine schöne Leibes-Gestalt und Anmuth /was solche bey grimmigen Thieren ausgerichtet. Tugend die einige Schönheit des Gemüths und das rühmlichste Eigenthum der Fürsten. Seine frühzeitige Tapfferkeit und Gefangenschafft nebst Asblasten und seinem Bruder Flavius durch des Drusus Hinterlist. Uber welcher herrlichen Beute sich Kayser August dermassen vergnügt: daß er sich in Asblasten verliebt / den Fürst Herrmann und Flavius aber ihrem Stande zukommende Bedienung verschaffet / dafern die Gefangenschafft auch einigen Anstrich und Gold Firnis scheinbarer Freyheit annimt. Die Gräfin von der Lippe verführet des Adgandesters Erzehlung: wie August besonders Livia durch Erhebung des lustigen Campaniens und Vernichtung des kalten Deutschlands die schwermüthige Asblaste zu besänfftigen / ja durch vielfältig ersonnene Liebes Vorstellungen ihre Keuschheit mit dem August ihren eigenen Gemahl zu bestricken suchet / so aber von dieser mit den herrlichsten Vernunffts- und Tugend-Gründen abgelehnet werden. Unglück das eigentliche Element der Tugend; eine Prüff- und Reinigung der Seele wie der Schmeltz-Ofen des Goldes. Tugend wird zwischen Rosen und Bisam stinckend; zwischen Dornen /Schweiß und Staube aber ewig erhalten. Der Menschen Vollkommenheiten gleichen den mängelhafften Diamanten und fleckichten Sternen. Schönheit der Seele in was sie bestehe? Nicht von Schmincke und falschem Anstriche / sondern von dem Blute der Hertzhafften / den Thränen der Gedultigen und Asche der beständigen. Terentia mahlet der Asblaste gleichfalls die Liebe als das zärteste Schoß Kind der Seele vor / so die Anmuth zur rechten / Ungemach aber zur Stieff-Mutter habe. Die keusche Liebe wohnet mit den reinen Perlen in einer Muschel / pfropffet sich als die herrlichste Schnathe auff den Stamm der Tugend / ja sie bleibet ihre Krone und Mittel Punct. Liviens Art ihrem eigenen Gemahl Kebs-Weiber zuzuführen / und dardurch ihre Herrschafft über ihn zu befestigen. Asblaste erzehlet ihren Nothstand der Gräfin von der Lippe / wird folgenden Tag zu der in der Ziegen-Insel vom Kayser angestellten Lustbarkeit und dem sogenannten Götter-Looß gezogen. Dieser vornehmen Gesellschafft unter gewisser Götter und Göttinnen Nahmen herrlicher und überirrdischer Auffzug. Des den Jupiter vorbildenden [1165] Drusus ausgerichtete Götter-Mahl / und darauff erfolgter Satyrischer geiler Aufzug. Der in einen Bock sich verwandelnde Mercur giebt der keuschen Asblaste entgegen die unkeusche Livia Gelegenheit ihr reiffes und tugendhafftes Urtheil anzubringen. Mecenas grosses Lob wegen seiner ungemeinen Klugheit. Bey dem Gastmahle und Vorstellung der Juno unter Terentien erlanget des Tiberius und der Julia Liebe ihre Vollkommenheit und Vermählung. Asblaste aber wird nicht ohne sonderbaren Vorbedacht dem den Apollo vorbildenden August zugesellet / dessen Liebes-Gebehrden sie sich mit aller Ehrerbietigen Ausflucht / und Scheltung der ihr entgegen gesetzten Amazonischen Herrschafft zu entziehen bemühet. Des Neptunus und seiner Amphitrite Auffzug endiget sich mit eines Tritons auf die Liebe des Kaysers gegen Asblasten singendem Getichte. Liviens Bewirthung auf dem Vorwerg Ceres. Die durch viel dabey vorgehende schändliche Vorstellungen auffs höchste geärgerte und in eine finstere Neben-Höhle sich verborgene Asblaste vom Augustus aufgesuchet und mit den grösten Liebkoß- und Versprechungen angefochten. Ihre hertzhaffte Verfechtung und Gegenwürffe mit Verdammung der schnöden und des Kaysers Ruhm verdüsternden Geilheit / werden durch des Höhlen-Felses unvermuthende Berstung gleichsam vom Himmel gehandhabet / August aber an seinem geilen Vorsatz gehindert. Der Königin Erato und Adgandesters Urtheil über des Kaysers Augustus Tugenden und Laster. Augustus Aberglauben über gewisse den Blitz abzulehnen bewährte Mittel. Asblaste wird auf das Lust-Hauß des Apollo genöthiget /dabey aber nicht wie vorigen Tag an ihrer Keuschheit gekräncket / sondern auf dem Lust-Hause Vesta ihr und der ihrigen heiliges Feuer anzuzünden / und die Höhle mit einem nachdencklichen Poroiens Glückseligkeit abbildendem Getichte zu überschreiten veranlasset. Bey dem neundten Aufzuge kämpffet Jupiter und Mars der erste von der Juno / der letzte von der Venus vergesellschafftet um die der Stadt Rom am meisten bezeigte Wolthaten / dabey der Kriegs-GOtt den Preiß und Siegs-Krantz davon trägt. Der zehnde Aufzug stellet die Venus mit unterschiedenen Bildungen / die darunter spielende Antonia aber ihre unzüchtige Gemüths-Regungen für; Den eilfften Auffzug hat die nackend badende Diane oder Julia mit allen ersinnlichen Jägereyen. Der letzte aber wird durch sieben Irr-Sternen mit einem über die Kostbarkeit ihres gefertigten Ertzts entstandenem Kampffe geendiget /darinnen Saturn ihm die des Goldes zueignet / und durch einen Tantz den Unterscheid der eisernen / silbernen und güldenen Zeit abbildet. Asblaste von Livien dem Kayser hinterlistiger Weise in die Hände gespielet; dieser darüber bezeigte Eyver / Schwermuth und verzweiffelte Stürtzung ins Meer. Ihre wunderbare Errett- und Bestürtzung über ihrer beyder Söhne plötzlichem Abschiede. Fürst Herrmann errettet den in die See über Bort fallenden Kayser; Flavius aber ihm vor einem hauenden Schweine das Leben / dardurch sie sich beyde zu seinen Schoß-Kindern / bey den edelsten Römern aber zu den grösten Freunden machen. Fürst Herrmanns Scharffsinnigkeit und vernünfftige Vorsorge über Auffsetzung der beyden Bilder der Eintracht und des Friedens bringet den Deutschen seinen Landes-Leuten deren Früchte zu wege /welche der ehrgeitzige Drusus zu sein und des Römischen Kriegs-Heers eigenem Untergange störet. Fürst Herrmann wird zwischen Livien und Terentien über beyder Gestalt und Schönheit [1166] ein Schieds-Richter zu seyn genöthiget. Sein vorsichtiges Urtheil. Uberfluß ein Abbruch der Seltzamkeit / nicht aber der Köstligkeit. Scharffsinnigkeit nur für eine Geburt der Stadt Rom zu halten. Mecenas Hauß ein Auffenthalt aller vortrefflichen Köpffe; Sein Leben ein Beyspiel menschlicher Vergnügungen genennet. Fürst Herrmann des Mecenas Schoß-Kind; des letztern Lehre von der Stoisch- und wahren Welt-Weißheit / welcher letzteren Zweck nicht die Folterung / sondern die Ruhe des Gemüths / und die Freudigkeit eines ungefässelten Geistes. Der wollüstigen Terentien Liebkosungen fangen bey dem tugendhafften Mecenas keinen Zunder. Keuschheit ohne Versuchung mehr vor eine Schlaffsucht oder Unempfindligkeit als Tugend zu halten. Anfechtung dagegen der Tugend Siegs-Krantz. Wollust auff Scytisch zu befechten / und durch die Flucht zu besiegen. Der Römer erfolgte grosse Niederlage nebst dem Tode des Drusus verursachet zu Rom grosses Schrecken / beym Augustus aber Kleinmuth und bey nahe Verzweiffelung. Drusus wird verbrennet / und seine Asche von den beyden deutschen Fürsten Herrmann und Flavius ins Kayserliche Begräbnüs getragen. August mäßiget diesen beyden zu Liebe des Drusus allzu heuchlerische den Deutschen zu Hohn ersonnene Lob-Reden und in Marmel gegrabene Uberschrifften / ingleichen der Deutschen insonderheit der Cherusker blutige Abschlachtungen bey den Römischen Schau- und Kampff-Spielen. Der tapffere Herrmann muß zwischen dem August und seinem Vater Segimer der Stein zum Friedens-Grunde seyn. Weñ und aus was Ursachen der Monat August seinen Nahmen bekommen? Terentien abermahlig dem Fürst Herrmann gelegte Liebes-Stricke den Unschuldigen gefährlich / ihr selbst aber wegen des an ihr verübten Selbst-Mords tödtlich. Eyversucht eine aus Liebe und Haß vermischte Mißgeburt. Einerley Gefahr den Fürsten ans Hertze und an ihren Zepter zu greiffen. Terentiens blutiger Tod ziehet des Mecenas nach sich. Sein letzter Wille und Erbschafft. Beyder Grabschrifften. Fürst Herrmanns neuer Glücks-Stern beym Kayser. Seine Würde bey dem Heiligthum der Eintracht; Geschickligkeit auf den Schau-Plätzen nebst seinen andern Heldenmäßigen Tugenden. Des Kaysers Enckeln zum Beyspiele vorgestellet. Dieser beyder allzufrühzeitige Ehrsucht bringet den Tiberius von Rom. Des Schwimmens Nutzbarkeit und dessen gröste Liebhaber Augustus und Agrippa. Dieser kommt im Kampff mit einem grossen Crocodill in Lebens Gefahr / vom Fürst Herrmann aber mit hertzhaffter Erlegung dieses grimmigen Thiers errettet. Augustus darüber geschöpffte Freude setzet den Fürst Herrmann seiner Leibwache vor. Laster bey hohen Personen um so viel heßlicher. Juliens Tiberius Gemahlin Wollüste und Uppigkeiten entzünden sie durch zauberische Kuppeley zu unziemlicher Liebe gegen den Julius des Marcus Antonius Sohn. Der Herrschafft und Schönheit Schwefel kan in dem Feuer der Ehrsucht und Liebe stählerne Hertzen zerschmeltzen / die klügsten Köpffe einnehmen und verwirren. Wollust den Fliegen verglichen. Des Antonius und Julia abgeredete Liebes-Wercke lauffen durch zufällige Verwechselung der ebenmäßig in unrechtmäßiger Liebe zusammen haltenden Lepidus und Serviliens verkehrt ab / und dienet aller Buhlschafft zum Beyspiel: daß blosse Einbildung fremdes Wasser zu Zucker mache. Ehrsucht die Sonne der Gemüths-Begierden verdüstert alle andere Regungen. Gefährliche Verrätherey wieder den Kayser [1167] vom Fürst Herrmann hintertrieben. Der Julia zauberische und vergebliche Liebes-Räncke gegen den Fürst Herrmann verändern sich in gifftigen Haß. Der berühmte und von der Julia bestochene Sternseher Thrasyllus deutet dem Kayser aus den Gestirnen und andern wiedrigen Begebnüssen ein grosses vom Fürst Herrmann besorgendes Unglück zu; Alle diese ihm gelegte Fallstricke aber schlagen zu seinem Tugend- und Ehren-Ruhm / und zu seiner Feinde eigenem Verterb und Blut-Urtheil aus. Des verrätherischen Antonius und Lepidus schimpflicher Tod. Juliens und Serviliens Gefangenschafft. Kayser August macht wieder den Parthischen König Phraaten den ihm bestimmten Nachfolger des Reichs den Cajus zum Feldherrn / den Marcus Lollius und Fürst Herrmann zu seinen Gefärthen. Lollius stifftet zwischen dem Cajus und Tiberius Feindschafft / bemühet sich diesen auch beym Kayser zu vergällen / nach dem er den Cajus wieder Fürst Herrmañs vernünfftiges Einrathen am Phraat zu einem unglücklichen Treffen verleitet. Eines Kriegs Obristen Ansehen in was es bestehe? Fürst Herrmann wetzet durch einen listigen Uberfall der Parthen des Cajus Scharte aus /bringet dardurch den Römern einen vortheilhafften Friede / dem Fürst Artavasdes aber die Armenische Crone zu wege; Fürst Herrmann seiner erwiesenen Tapfferkeit halber vom König Phraates selbst herrlich beschencket / Lollius seiner Verrätherey wegen angegeben und hingerichtet. Sein hinterlassenes und erschundenes grosses Vermögen. Aller Geruch nach Verrätherey macht den guten Nahmen stinckend. Neuer Friedens-Bruch zwischen dem Cajus und denen Parthen. Fürst Herrmanns Rache über des Cajus Meuchelmörderische Verwundung zu Rom nebst seinen andern grossen Verdiensten hochgepriesen. Des Augustus herrliches Urtheil von ihm setzet ihn beym eyversichtigen Tiberius in Haß und Verfolgung. Fürst Herrmanns durch die Sternseher vorgesagtes Ansehen und Glück bey der Welt. Segesthes Würde bey den Deutschen / und wie er einer Römerin seiner Sentia zu Liebe nebst seinem Vaterlande gleichsam seine Kinder den Römern zu Geißeln übergeben / worunter die unvergleichliche und gantz Rom verdüsternde Schönheit der Thusnelde den vollkommensten Fürst Herrmann bestricket. Verliebte gleichen denen um die Flamme irrenden Motten / und Zwergs-Liebe kan über Nacht zur Riesin werden. Thusnelde wird bey einem offentlichen Heiligthume vor die vergötterte Helena gehalten / und vom Fürst Herrmann in einer mit ihr geführten Wortwechselung auffs höchste gepriesen. Schönheit eine Mutter der Liebe und eine Beherrscherin der Götter und Menschen. Schönheit des Leibes so wenig ohne ein edles Gemüthe / als ein Zirckel ohne Mittelpunct. Der Tugend gefährlichster Stand in den Hülsen eines schönen Leibes. Der Thusnelde Mißfallen an dem blutigen Kampffe und Abschlachtung der Deutschen. Des Germanicus Rechtfertigung vom Fürst Herrmann wiederleget / und vom August selbst gebilliget. Thusnelde und Fürst Herrmann beseuffzen Deutschlands bedrängten Zustand. Ritter-Spiele dem Castor und Pollux zu Ehren gehalten / Fürst Herrmanns und Thusneldens dabey angebrachte Kunst-Schüsse eine Anzeigung ihrer nähern Gemüths-Vereinigung. Unempfindligkeit nur gefrorner Hertzen; die Bewegung aber einer zarten Seele Eigenschafft. Thusnelde giebet sich dem Fürst Herrmann nebst ihres Vaters Segesthes Untreu zu erkennen / und verständiget ihn mit höchster Bescheidenheit der [1168] eingelauffenen Todes-Post Segimers seines Vaters des deutschen Feldherrns. Ihrer beyder Berathschlagung über Fürst Herrmanns Reichsfolge. Wolthaten gleichen denen ihre Blätter verlierenden Rosen. Die Besiegung eines ehrsichtigen und liebreitzenden Weibes schwerer als eines gantzen Kriegs-Heeres. Alle Unterfangungen in Centner-Sachen müssen ein Loth Verwegenheit haben / und theils Rathschläge /wie einige Früchte / nicht völlig reiff werden. Fürst Herrmanns und Thußneldens Gespräche durch Livien gestöret. Fürst Herrmann wird vom Ingviomer durch ein Schreiben der verdächtigen Todes-Art des tapffern Segimers / und des verwirrten Cheruskischen Zustandes verständiget. Pflicht der Fürsten Treu und Glauben zu halten / wenn auch Niedrigen über die Schnur zu hauen übersehen wird. Fürst Herrmann überkommt auf einen Tag durch die vom Kayser erlangte Freyheit seiner nach ihm seuffzenden Länder Herrschafft und das Versprechnüs der Seelen-Beherrscherin Thußnelde. Dieser unvergleichliche Schönheit erweckt beym Tiberius Liebe und Eyversucht / beym Segesthes aber Vergessenheit seiner gegebenen Treu und Glauben. Staats-Gesetze aller Anverwandschafft /die Vergrösserung des Geschlechts allem andern Absehen vorzuziehen. Thußneldens Standhafftigkeit beym Fürst Herrmann mit Vorstellung der schändlichen Laster des Tiberius. Dessen gifftige Nachstellungen auf Fürst Herrmans Person durch Thußneldens Warnigung und dem gütigen Verhängnüs hintertrieben. Liviens Zauber-Mittel die Thußnelde zu gewinnen. Des Tiberius Meuchelmörderischer Anfall vom tapffern Herrmann / und der vor Thußnelden bereitete zauberische Liebestranck durch ihre Vorsicht abgelehnet. Solcher Liebesträncke schädliche Würckung. Fürst Herrmann berichtet dem Kayser des Tiberius mörderischen Anfall / und beurlaubet sich zugleich von ihm und der Stadt Rom. Des Kaysers rechtmäßiger Eyver über den Tiberius und Rache gegen die übrigen Mörder. Liviens durch den bestochenen Sternseher Thrasillus beym Segesthes ausgeübte List. Segesthes und Thußnelde wird unvermuthet und unerkennet durch den Fürst Herrmann aus der Seeräuber Händen errettet / und mit tausend Freuden empfangen. Ihre Bewirthung von einem zwischen eitel Felsen in einem verborgenen Wunder-Gebäue wohnenden alten Greisen oder Priester. Dieser Dädalischen Wohnung Beschreibung und Herrligkeit. Wolthaten bezahlt zu nehmen / eben so thöricht / als den Preiß des Goldes durch Einmischung geringerer Schlacken zu vergeringern. Tiberius wird beym August ausgesohnet und wieder die Chautzen gesendet. Fürst Herrmanns und seiner Thußnelde prächtig- und freudiger Einzug in Deutschburg. Was die Glücks-Sterne den Schiff-Leuten / diß sind Fürsten ihren Unterthanen. Jede Neuigkeit ein Licht / welches vieler Augen an sich ziehet und verbländet. Fürst Herrmanns vorsichtige Einrichtung seiner Herrschafft auff Krieg und Friedens-Zeiten. Der alten Deutschen Jugend erste Zierrathen /Schild und Spieß. Eines löblichen Fürsten gehörige Eigenschafften. Ihre vornehmste Tugend: Die Vernunfft in allen Dingen zur Wegweisern haben. Das Ansehen bey einer Herrschafft / was der Mittelpunct bey einer gerade stehenden Seule. Rühmlicher / sich nach Art eines Schwantz-Sterns mit herrlichem Glantze einäschern / als eine todte Kohle in der Erde unverweßlich zu bleiben. Gerechtigkeit durch aller Welt Schätze zu bezahlen. Belohnungen sollen allemahl nach dem schweren / die Züchtigungen [1169] aber nach dem leichten Gewichte ausgetheilet werden. Ungedult eine Mutter schädlicher Mißgeburten / Hoffnung eine Uberwinderin selbst des Verhängnüßes. Politische Ursachen: warum das Hertze des Menschen nicht auf der rechten / sondern lincken Seite des Menschens seinen Sitz habe? Hertzog Herrmann wird von seinen bedrängten Nachbarn wieder die Römer um Hülffe angesucht / und ihm seiner Vorfahren Feldhauptmannschafft angetragen. Fürsten ob und wenn ihnen erlaubet ein ander Gesichte zu zeigen / als ihr Hertze ist? der Purpur-Rock eines Fürsten soll den Sternen gleichen und also ohne Flecken des Betruges seyn. Argwohn der Warheit gröster Todfeind / und wem sie gleiche? In Staats-Sachen geben auch Zwergs-Bäume einen Riesen-Schatten hoher Cedern von sich. Das von der Natur in die Brust verborgene Hertz lehret die Verschwiegenheit / und die Verbergung eines Anschlags machet in Kleinigkeiten die Kräffte ansehnlich / die Mäßigkeit unbegreiflich / und sich selbst zum Wunderwercke. Zerfallene Freundschafft einem zerstückten Spiegel oder Edelgesteine; Ein versöhnter Feind aber einem heut gläntzenden / morgen rostenden Ertz-Geschirre ähnlich. Hertzog Herrmanns Gesandschafft an den König Marbod / dessen mit dem Tiberius getroffener Anstand heisset den Gesandten andere Seiten auffziehen. Höfligkeit die gewisseste Angel edler Gemüther und eine Bezauberin der Unhold. Hertzog Herrmanns und des Römischen Saturnins Freundschafft. Beyde finden auff dem Blocks-Berge bey nächtlich angestellter Jagt den mit einer zauberischen Wahrsagerin über des Tiberius künfftiges Glück sich besprechenden Sentius. Seine Rechtfertigung und letzt erkennter Fehler. Der Fürstin Thußnelde Auffenthalt bey der Cattischen Herzogin. Des Fürsten Arpus Gemahlin verursachet dem entfernten Herzog Herrmañ allerhand Gemüths-Krän ckungen. Thußnelde befindet sich mit der Fürstin Erdmuth unter ihrem Frauenzimmer unerkannt in dem Hermundurischen warmen Brunnen / allwo der dahin kommende König Marbod sich in ihre Schönheit verliebet. Schönheit verbländet mit ihrem Glantze wie die Sonne / und tödtet mit ihrer Lebhafftigkeit wie das Feuer. Der Augen besondere Nahmen und Verrichtungen. Polycrates Glücks-Ring wird auff eine gantz wunderbare Art Thußnelden zu Theil. Der Liebe und Furcht Würckungen in Marbods Gemüthe wegen Thußnelden. Marbods angestellte Jagt / seine Lebens-Gefahr durch Thußneldens Tapfferkeit abgewendet. Marbods verliebte Ansprache gegen Thußnelden bey einem in selbiger Einöde sich befindlichem Brunnen. Thußnelde stellet ihm mit vielen Vernunffts-Gründen entgegen: Daß ein König vor andern seiner Regungen Meister; Sie aber ihres Gelübdes ewiger Keuschheit unverbrüchlich eindenck seyn müste. Marbods abgeschlagene Liebe in Grimm und Raserey verwandelt durch einen Schlangenstich bestraffet. Furcht das gröste Leibzeichen aller Gemüthsregungen. Thußnelde wird in ihrem Jäger-Aufzuge von ihrem erzürnten Vater dem Segesthes / als Römischen Gesandten zum Marbod / unvermuthet angetroffen / in Verwahrung genommen / und wegen ihrer Flucht von Rom zu höchstem Leidwesen der Cattischen Hertzogin / scharff unterhalten. Der darüber um Hülffe angeflehete Marbod schützet zu seines eigenen Absehens Befestigung des Segesthes väterliche Gewalt / und die denen Gesandten durch das allgemeine Völcker-Recht zu statten kommende Freyheit. Die Cattische Hertzogin aber andere entgegen gesetzte Gründe [1170] vor. Thußnelde kömmt auf gewisse Bedingung wieder in dieser Fürstin Verwahrung. Des Marbods mit dem Segesthes gehaltene geheime Unterredung über der Römer an ihm dem Segesthes zeither verübten Falschheit; mit Erhebung seines hohen Geschlechts und Würdigkeit der ihm gebührenden Feldherrschafft. Boßheit und Klugheit die zwey Bots Leute der gantzen Welt. Augen und Gebehrden Verräther der Seelen. Heucheley der Staats-Klugheit gröste Tugend. In der Elbe ein ungewöhnlich grosser Stier gefangen /und in dessen Leibe durch Marbods künstlichen Betrug ein goldener Ring mit einer nachdencklichen Uberschrifft gefunden. Ob und was von dergleichen Deutungen zukünfftiger Dinge zu halten? Marbod verfolgt beym Segesthes keine List als ein göttlich Verhängnüs / und dringt auff Thußneldens Vermählung. Die unter so viel vermeinten klugen verständigste Thußnelde eröffnet ihrem Vater des Marbods Betrug wie und woher; auch jenes durch den Natterstich schon einst empfundene göttliche Rache / erkläret sich dabey lieber zu sterben / als den Hertzog Herrmann zu vergessen. Allzugenaue Scharffsichtigkeit in überirrdischen Dingen Blindheit. Unglaube das betrüglichste Fallbret. Das unvermeidliche Verhängnüs die weiseste Richtschnur. Ehre und Leben erheischet das letztere vor die Tugend zu verschwenden. Staats-Klugheit achtet Heyrathen vor Vermählungen der Bürger / Bündnüsse aber / der Fürsten. Allzugrosse Schärffe eine Gebährerin der Verzweiffelung; Gelindigkeit eine Zermalmerin der härtesten Steinfelsen. Das weibliche Geschlecht und Feuer erfordert einerley Behutsamkeit / weil beydes Rauch und Licht heget. Thußnelde verschmähet Marbods und seiner Fürsten ihr zu den Füssen gelegte Königs-Kronen und Fürsten-Hüte / mit Erkiesung eines einsamen Kerckers und des darinnen rein behaltenen köstlichen Schatzes ihrer Gewissens Ruh. Thußnelde wird in Verhafft /die Cattische Hertzogin aber aus dem Reiche geschafft. Dabey die Gräfin von der Lippe ihre Erzehlung endiget / Fürst Adgandester aber befolget. Wie der zu Mayntz angelangte Tiberius Thußnelden seine vermeinte Braut beym Marbod mit Glimpf / beym Segesthes aber mit Dräuen gesuchet. Marbods abschlägliche Antwort und Kriegs-Verfassung. Des furchtsamen Segesthes beym Varus gesuchter Schutz. Der hierüber bekümmerte Hertzog Herrmann errettet durch eines ihn auffweckenden Geistes oder Gesichts Hülffe und Wegweisung wieder sein eigenes Dencken seine höchst verlangte Thußnelde nicht so wol aus dem Gefängnüs / als aus den Wellen eines wütenden Stroms. Das allsehende Auge der Göttlichen Versehung / wie es von Menschen anzusehen? Fürst Herrmanns und Thußneldens Zurückkehr nach der Hauptstadt Matium zu Hertzog Arpus Gemahlin Erdmuth /auf welcher Reise sie Siegimers des Segesthes Brudern Braut Rhamis des Cattischen Hertzogs Ukrumers Tochter gantz wunderbarer Weise aus den feindlich-und Räuberischen in ihres Bräutigams des Siegimers Hände lieffern. Segesthes Hertzog Herrmanns und Thußneldens unvermuthete Zusammenkunfft verursachet abermahl gefährliche Ebentheuer und ein blutiges Fechten / nach welchem der heftig verwundete Hertzog Herrmann nebst Thußnelden mit schimpflichen Ketten gebunden / Siegimer aber von seinem Bruder Segesthes vor Feind erkläret wird. Wie vielerley Absehen des Menschen / so vielerley Abgötter hat er. Segesthes und Tiberius boßhafftes Verhalten gegen den Hertzog Herrmann wird durch Marbods und Vannius[1171] würcklichen Uberfall und zu Erhaltung der Cheruskischen Freundschafft hinterzogen. Den aller Orten bedrängten Römern soll die unschuldige Thußnelde zum Opffer / dem mächtigen Feinde Marbod aber zur Besänfftigung und zur Ausbeute dienen. Tiberius wird gezwungen denen Märckmännern und Quaden einen schimpflichen Jahrs-Sold zu versprechen. Vermählungen zwischen zwistigen Häuptern die Ehrenpforten aus dem Irr-Garten eines entsprungenen Kriegs zu kommen. Im Zanck-Apffel der Schönheit / selten Kerne zu finden / woraus die Oelzweige des Friedens wachsen. Weibliches Geschlecht eine Gebährerin der Zwietracht in Ländern / wie der Zwillinge im Kind-Bette. Segesthes gifftiger Anschlag wird durch seiner Gemahlin Sentia und seines Sohnes Siegismunds Gefangenschafft von den Cheruskern hintertrieben / und hernach mit Hertzog Herrmannen ausgewechselt. Dessen Tapfferkeit windet mit seinen wenigen Cheruskern und des darzu kommenden vom Marbod vertriebenen Hertzog Jubils Hülffe denen viel stärckern Marckmännern seine gefangene Thußnelde nach einem harten und blutigen Gefechte nicht allein aus den Händen / sondern bekommt auch die der Thußnelde entgegen kommende Königliche Tochter als eine Gefangene vom Hertzog Jubill zum Geschencke. Hertzog Herrmann wird über sorgfältiger Suchung seiner auf dem Gabretischen Gebürge versteckten Thußnelde durch ein wundergrosses Weibsbild oder die Schutz-Göttin solchen Gebürges von einem zwischen den Felsen herfür springenden gifftigen Wasser ab / und zu einem gesunden geführet / auch vor den Erhalter der Deutschen Freyheit gepriesen. Der Cherusker vom Gespenste selbst gerathene Abzug wird eines der Casuarier und Cherusker Feindschafft schmertzlich beweinenden alten Ritters / und durch dessen Veranlassung Hertzog Herrmann seiner in der Marckmänner Hände wieder verfallenen Thußnelde bey nahe theilhafftig. Thußneldens neue Lebens-Gefahr in einem vom Fürst Herrmann belägerten Schlosse auf Segesthes ihres Vaters Befehl bey eusserstem Nothfall von der Festung und felsichten Klippen abgestürtzet zu werden. Das Urtheil / wie recht oder unrecht es sey / ein Werck der Obern / Gehorsam aber die Ehre der Unterthanen. Aus der abgestürtzten und vom Hertzog Herrmann an einem Krachsteine lebendig gefundenen Thußnelden zu schlüssen: daß Fürsten gantz andere oder besondere Schutz Geister und Erhaltungs-Gestirne; Aus Hertzog Herrmanns aber dabey bezeigten hertzlichem Mitleiden: daß die Augen der Helden nicht weniger in sich Wasser der Empfindligkeit / als Felsen Quellen haben müssen. Die Laster haben nach ihrer Vollbringung die Art des in der Lufft erst schwer werden den Stein-Saltzes an sich. Aus dem rechten Gebrauch aller dreyen Zeiten ist das eigentliche Leben zu schlüssen. Thußneldens Erbarmung über die sie abstürtzenden gefangenen Marckmänner. Segesthes von Sicher- und Trunckenheit den Cheruskern den Rückweg abzuschneiden geschlagenes Lager vom Hertzog Herrmann und Jubill überfallen / zerstreuet und meist abgeschlachtet / selbst Segesthes gefangen / Stadt und Schloß Henneberg nebst allen mit dem Tiberius und Varus über seinen Untergang gewechselten Brieffen erobert. Hertzog Herrmann entlediget den Segesthes seiner Thußnelden zu Liebe der Ketten und Bande /führet ihm der Römer Betrug und sein zeitheriges übles Beginnen zu Gemüthe / mit Versprechnüs seiner Freyheit und seines Gebietes / welches er mit aller ersinnlichsten Dancknehm- und Bereuung seiner Fehler / Erhebung des Hertzog [1172] Herrmanns freymüthig erkennet / auch das Feld bey Henneberg dieses Sieges halber / mit dem Nahmen Herrmanns Feld verewigen läst. Dieser Fürstlichen Gesellschafft Ankunfft zu Marpurg beym Hertzog Arpus verursachet wegen des Cheruskisch- und Casuarischen Hauses Vereinbarung grosse Freude; des Sicambrischen Hertzogs Melo überbrachte traurige Zeitung aber wegen seiner vom Q. Varus geraubten Tochter ein allgemeines Hertzeleid und Verbitterung gegen die Römer. Alle Güter sind wieder zu erlangen / der Verlust der Keuschheit allein ist unersetzlich / und der Ehre unwiederbringlich. Hertzog Herrmanns / Arpus und Melo Berathschlagung über des Varus Rache und Erhaltung der Deutschen Freyheit. Der Verdacht der betrieglichste Wegweiser zu bereuenswürdigen Entschlüssungen. Segesthes abermahlige Verrätherey. Das Gewissen der Göttlichen Rache Gerichts-Anwald. Varus wird durch der Deutschen Fürsten Zusammenkunfft zu Alison in gutes Vertrauen; Hertzog Herrmann aber zu sein und der übrigen Römer bald erfolgenden Schrecken zum Feldherrn Deutschlands gesetzet. Der Fürstin Thußnelde Helden-Tugenden begleiten eitel Wunderwercke / wie das Ende der Erzehlung vor dißmahl den Adgandester und übrige Hohen zu einer herrlichen Mahlzeit und allerhand Schertz-Spielen.

Das Aachte Buch
Das Aachte Buch.

Die Zeit hat eine Botmäßigkeit über alle Dinge. Sie bedecket güldene Haare mit Schimmel; Rosen-Wangen mit Thon / Purper-Lippen mit Bleyweiß. Sie nützet Marmel mit Regen / Ertzt mit Feuer und Feilen ab; Sie zersprenget mit denen verschlossenen Winden die rauesten Felsen / und verkehret die Sternen in Asche. Sie leschet allem das Licht aus; ihr aber niemand. Nur alleine die Tugend machet sich durch unsterblichen Nach-Ruhm der Zeit zur Meisterin; und Liebe verwirret ihre Sand-Uhr. Denn sie machet bey erlangtem Genüß einen Tag zum Augenblicke; und ihr ungedultiges Verlangen eine Nacht zum Jahre. Diese letztere Würckung verursachte: daß das wenige übrige der Finsternüs / welches doch noch darzu guten theils der Schlaff verkürtzt hatte; dem großmüthigen Feldherrn Herrmañ und der verliebten Thußnelden fürkam; Als wenn die Gegenfüßler das Rad und den Lauff der Sonnen gehemmet hätte. Diesemnach denn beyde so wol als der gantze Hof der schläffrigen Morgenröthe zuvor kamen; um sich zu dem Vermählungs-Feyer fertig zu machen. Zumahl ohne diß schon ein Barde den Abend zuvor an das Burg-Thor nachfolgende Reymen angehefftet hatte:


Komm Sonne / Brunn des Lichts / zu unsern Hochzeit-Freuden!

Bring' uns den güldnen Tag; und gieb nicht nach: daß wir

Und unser Fackeln-Glantz kommt deinen Stralen fůr!

Was hemmet deinen Lauff? kanstu / O Riese / leiden:

Daß Zwerg-Gestirne dir so Preiß als Lust abschneiden?

Weil der gestirnte Bär / der faule Schwan und Stier /

Der blaße Mohnde sich aus Eyversucht von dir

Nicht lassen dringen weg / den Tag die Nächte neiden?


Treib so viel schneller um dein Rad / O Angelstern /

Als du's zu langsam triebst zu Liebe Jupitern /

Wie er Aleiden zeigt'. Erzwinge biß Verlangen

O Sonne / weil die Nacht zu schlecht ist fůr diß Fest /

Weil Herrmann eben diß / was Jupiter gewest /

Und einen Hercules Thußnelde soll empfangen.


[1173] Es hatte der Feldherr aber sich noch nicht gar angelegt; Als Fürst Adgandester ins Zimmer trat / und ihm anmeldete: daß der Oberste Gärtner auffs emsigste anhielt: es möchte doch der Hertzog wegen einer anschauens-würdigen Seltzamkeit sich mit allen Grossen sonder einige Zeitverlierung in Garten verfügen. Wiewol nun der eingelassene Gärtner die Sache nicht deutlich entdecken wolte; weil aber seine Gebehrden genungsam zu verstehen gaben: daß es was sonderliches / und nichts unangenehmes wäre; erklärte sich der Feldherr: daß er ihm auf dem Fusse folgen wolte; ließ auch in Eyl die andern Fürsten in Garten ersuchen / er aber forderte selbst seine andere Seele Thußnelden ab. Der Gärtner leitete die hohen Häupter / und den sich eindringenden Hof zu einer grossen Aloe-Staude; welche die Königin in Hibernien dem Feldherrn überschickt / sie aber aus den Glücks-Inseln bekommen hatte. Diese seltzame und schwangere Staude traffen sie als eine ängstige Gebährerin an; Denn sie trieb einen dicken Stengel mit solcher Gewalt empor: daß die Augen sichtbar sein Wachsthum wahrnehmen konten. In zweyen Stunden war er wol drey Ellen-Bogen hoch worden; und es schossen zugleich eine ziemliche Anzahl wolrüchender Blumen herfür; also: daß alle Anschauer nichts minder hierüber Ergötzligkeit schöpfften / als sich verwunderten; ja sie hätten dieser gebährenden Staude noch länger zugesehen; weñ nicht die Verliebten ihr innerlicher Magnet anders wohin gezogen; die Priester auch selbst: daß es Zeit wäre / erinnert hätten. Inzwischen legte iederman die Geburt dieses edlen Gewächses für ein herrliches Glücks-Zeichen der zwey Verlobten aus / und wünschte: daß sie noch in ihrem Leben so viel edle Nachkommen zehlen möchten; Als sie an der Aloe Blumen sähen.

Unter diesen Wahrsagungen und Glücks-Wünschen schickten sich alle zu der Farth in den Deutschburgischen Heyn. Sämtliche bey dem Einzuge sich gewiesene Scharen hatten auff beyden Seiten der dahin gehenden Strasse sich in Ordnung gestellt. Zum ersten giengen die Barden; welche mit ihrem Lustgethöne und Lobgesängen die Lufft erfülleten. Diesem folgte ein mit grünen Zweigen so zierlich geflochtener Wagen: daß die darinnen zum Opfer verwahrte Tauben und Sperlinge gleich wie in einem Gebauer bestrickt waren; diesem eine Menge Opffer-Knechte /welche in eine auf einer Schleiffe geführten Kohlen-Glut Wacholder-Beeren häuffig auffstreuten Hierauf kamen abermahl fünffhundert außerlesene Jungfrauen; die mit ausgestreuten Blumen gleicher Gestalt den Weg bähneten; und nach ihnen die Fürstliche Braut auff ihrer güldenen Muschel; welche dißmahl vier geweihete schneeweisse Pferde zohen; von denen vorhin sonst noch nichts gezogen worden. Die schönste Thußnelde war dißmahl aller Waffen beraubet; trug auf dem Haupte einen mit Perlen umflochtenen Rosen-Krantz. Ihr gantzes Kleid war aus weisser Seide / und mit ihrem gantzen Leibe kein Schmuck anderer Farbe zu finden; entweder die Reinigkeit ihrer Jungferschafft abzubilden; oder durch den Schnee ihrer weissen Haut auch die zarteste Seide zu beschämen. Hierauf liessen sich abermahls eine Menge Barden nichts minder annehmlich hören / als sehen; Die Opffer-Knechte führten ein schneeweißes Pferd / das gleichfalls weder Zaum noch Sattel gefühlt hatte / bey den Meenen. Wiewol diß nun die gantze Nacht unauffhörlich gesprungen hatte; also: daß es vom Schweiße gleichsam troff; so ließ es sich doch nunmehr zu seiner Abschlachtung wie ein gedultiges Lamm leiten; und welches noch mehr die Auslegung künfftigen Glückes beglaubigte / schritt diß gewiedmete Pferd iedesmahls mit dem rechten Schenckel über die an dreyen Orten nach Gewonheit quer über den Weg gelegte Lantzen. Hingegen [1174] thät das Tigerscheckichte Pferd / auf welchem der Feldherr zwischen dem Hertzog Arpus und Flavius daher ritt /so viel mehr Sätze und Lufft-Springe. Welchen denn alle andere Fürsten zu Pferde nichts weniger / als die Königin Erato / die Hertzogin der Catten / ihre Tochter / und viel andere Fürsten begleiteten.

Bey dem Eingange des heiligen Heynes standen zwölff Priester in schneeweißen Kleidern / mit Lorbern bekräntzet; in den Händen hatten sie vergüldete Sicheln / und Eisenkraut. Nach dem sie beyde Verlobte mit einem Segen bewillkommt / und das geweihte Kraut ihnen auf das Haupt gestreuet hatten /der Feldherr auch von seinem Pferde / Thußnelde von ihrem Wagen gestiegen war; giengen sie für ihnen her / biß zu dem Tanfanischen Tempel. Daselbst blieben sie stehen; und wurden in einem Kreiße von denen sie begleitenden Fürsten umgeben. Auff Seiten der Fürstlichen Braut vertrat an statt des abwesenden Segesthes Hertzog Arpus die Vater- und Erdmuth seine Gemahlin / als Thußneldens nahe Base / die Mutter-Stelle. Ein alter Priester kam hierauff / und erkundigte sich: Ob die Einwilligung der Verlobten / und die sonst darzu nöthigen Heyrathsbedingungen ihre Richtigkeit hätten? Deñ ob zwar das Recht der Völcker der Eltern Willen zu der Kinder Verehligung mehr zum Wolstande / als Wesen ihrer Eh erfordert; heischen selbten doch die ehrbaren Deutschen als eine unentpehrliche Nothwendigkeit; wiewol die einmahl den Kindern gegebene Einwilligung hernach keine Reue verstattet. Diesemnach denn Hertzog Arpus dem Priester antwortete: Segesthes hätte bey der Aufopfferung der Römischen Gefangenen in Anwesenheit vieler Priester und aller gegenwärtigen Fürsten / Hertzog Herrmanns und Thußneldens Heyrath gut gesprochen. Weßwegen ihr Bruder Fürst Sigismund selbst sich zum Opffer-Feuer näherte / in eine Feuer-Sorge eine Schauffel voll glüende Kohlen schüttete / auff einen Teller aber Brod und Saltz legte / und diß dem Hertzog Arpus reichte / und selbtes an statt des Vatern Thußnelden zum Merckmale: daß sie nun einen eigenen Tisch und Heerd hegen möchte / einhändigte.

Wie nun dieser Priester sich hiermit allerdings vergnügt zu seyn erklärte; ließ der Feldherr ein Joch zusammen gespannter weissen Ochsen / und ein schneeweisses Pferd mit Sattel und Zeug / eine Lantze /einen Schild und ein Schwerd herbringen; welches er nach der streitbaren Deutschen Art der Fürstin Thußnelde zum Braut-Schatze überliefferte. Sintemahl dieses Volck weiblichen Schmuck und zärtliche Geschäncke bey ihren Vermählungen viel zu verächtlich hält; sondern sich durch obige raue Gaben mit einander vereinbart / und hiermit klärer / als die Grichen und Römer / die der Bräute Haar mit einer Lantze zu zertheilen pflegten / andeutete: daß beyde Ehleute im Frieden / Arbeits- im Kriege Kampffs-Gefärthen seyn würden. Die freudige Thußnelde nahm diese Geschäncke mit einer anmuthigen Ehrerbietung an /und vermeldete: Sie übernehme mit dieser Freygebigkeit ihres Gebieters und Eh-Herrn Herrschafft über sich; zum Kennzeichen des kräfftigsten Seelen-Bandes / und des geheimen Heiligthums / in welchem die Göttliche Liebe durch das reine Feuer keuschverlobter Hertzen verehret würde. Sie würde an dem grossen Fürsten Herrmann seine Tugenden ihr zu einem Spiegel ihres Lebens dienen lassen / und um seinen Befehlen durch Gehorsam fürzukommen sich bemühen seinen Willen ihm an den Augen anzusehen. Sie wolte bey Glück und Unglück alle seine Zufälle für die ihrigen schätzen; und bey der Ruhe mit ihm den Pflug halten; bey der Gefahr mit ihm den Harnisch anziehen / und diese Waffen für ihn / und das Vaterland brauchen. Sie hätte ihr fürgenommen mit ihm tugendhafft zu leben / [1175] und rühmlich zu sterben; wormit ihren Kindern an ihrem Fürstlichen Erbtheile nichts abgienge; ihrem Geschlechte nichts verkleinerliches zuwüchse; sondern / was ihren Schnuren ehrlich / und ihren Enckeln ein erfreuliches Gedächtnüs und Beyspiel seyn würde. Wiewol es nun bey denen Deutschen nicht nöthig ist: daß die Braut ihrem Bräutigam eine Mitgift zubringe / so beschänckte sie ihn doch auch mit einem schönen Pferde und einem mit Edelgesteinen versetzten Schwerdte; welches beydes sie in der Schlacht einem Römischen Obersten abgenommen hatte. Hiermit wurden die zum Opffer bestimmten Thiere herzu gebracht / von den Opffer-Knechten mit dem aus der heiligen Höle flüssendem Wasser abgewaschen; Die Adern und Eingeweide sorgfältig durchsucht; und alles auf eitel Gutes deutend befunden; endlich von der krachenden Flamme auf denen aus Rasen zusammen gesetzten Altären verbrennet; welche die zwey Verlobten selbst durch Anlegung vielen Wacholder-Holtzes / und durch darein gegossenen Wein und Oel mehr lebhafft und verzehrend machten. Denn die Andacht schämet sich nicht bey Verehrung des Fürsten aller Fürsten auch den niedrigsten Dienst zu vertreten. Als alles dieses vollbracht / ward der Feldherr und Thußnelde von den Priestern zu der heiligen Höle geführet; da sie denn der oberste Priester Libys beym Eingange aus dem geweihten Brunnen besprengte; hernach sie nieder zu knien / ihr Gebete zu verrichten / und endlich ihre Hände in einander zu schrencken erinnerte. Diese band er mit einem von einem Sterbe-Kittel gemachten Bande zusammen; Gleich als wenn die ehliche Liebe auch mit dem Tode nicht verrauchen solte. Hierauff gürtete er Thußnelden ihren Gürtel loß; nahm ihr den Krantz ab / und gab jenen dem Feldherrn in die Hände / diesen aber setzte sie ihm auf das Haupt; Gleich als wenn er ihm hiemit die Gewalt über ihren Englischen Leib zueignete / und die reinen Blüthen ihrer keuschen Jungfrauschafft zu genüssen erlaubte. Nach dem Libys auch auff seinem Antlitze für sie zwey inbrünstig gebetet hatte; segnete er sie /goß eine Schale voll wolrüchendes Wassers über ihre Scheiteln / und wünschte: daß sie so viel Kinder und Kindes-Kinder zehlen möchten; als er aus selbigem Geschirre Tropffen giesse. Uber diesen Worten erhob sich ein neues Wasser-Geräusche / welches sich ie länger ie mehr vergrösserte; und endlich brach dem alten Quelle gegen über zwischen denen Steinfelsen ein neuer Brunn herfür / welcher eines Armes dicke empor sprützte. Alle Anwesenden / und selbst Libys wurden hierüber Wunders voll. Denn ob zwar zuweilen nach sich ereignenden Erdbeben / welche die Felsen zerspalten / oder die Adern anderwärtiger Quelle verrücken / oder auch / wenn Wälder ausgerottet / und dardurch die sonst in die Wurtzeln gezogene Feuchtigkeit im Erdboden versammlet wird / neue Brunnen entspringen; wie sich fürnehmlich auf dem Gebürge Hämus ereignet / als Cassander die Deutschen darauff belägerte; so wäre doch hier keine dieser Ursachen verhanden / und es so viel nachdencklicher: daß dieses neue Quell eben über diesem heiligen Hochzeit-Feyer herfür bräche. Ob auch wol sonst die ungewöhnliche Ergüssung der Brunnen ein Vorbote bevorstehenden Mißwachses seyn soll; so wahrsagte doch der Priester Libys denen Fürstlichen Verlobten; daß so lange dieses neue Quell nicht versäugen würde; ihre Nachkommen und Geschlechte wachsen und blühen müsten. Nach vielen von dem Volcke ausgelassenem Frolocken wurden sie endlich in den Tanfanischen Tempel geführet; darinnen die Barden an zwölff steinernen Pfeilern so viel Sinnbilder dem Feldherrn zu Ehren / und zu Ausdrückung seiner hefftigen Liebe / aufgerichtet; alle Erfindungen aber vom Feuer genommen hatten; theils / weil Hertzog Herrmann in Fürstlichen Entschlüssungen allezeit [1176] eine Eigenschafft des Feuers erforderte; theils weil die Liebe keinem Dinge besser / als den Flammen zu vergleichen /oder auch wahrhafftig das edelste Feuer aufgethaner Gemüther ist. Sie hatten darinnen vornehmlich die Hefftigkeit / die Reinigkeit / und die fruchtlose Hindernüs seiner keuschen Liebe gegen die unvergleichliche Thußnelde fürzubilden sich bemühet; und war an dem ersten Pfeiler ein in der hellesten Flamme unversehrter Salamander zu sehen; darunter aber zu lesen:


Der Liebe Glut / die sonst zu Aschen alles brenn't /

Ist Speis' und Labsal mir / ja selbst mein Element.


Am andern Pfeiler zermalmete ein unterirrdisches /aber mit Krachen hervor brechendes Feuer / Felsen und Gebürge / mit der Unterschrifft:


Das Feuer läßt sich nicht verriegeln Ertzt und Stein /

Und Liebe schmeltzet Stahl / bricht Berg' und Klippen ein.


Am dritten mühte sich der Blitz / und ein Schwerd /wiewol umsonst ein rasendes Feuer zu vertilgen; darunter geschrieben stand:


Mein Vorsatz bleibet stehn fůr Feind und Donner-Keilen;

Denn Blitz und Eisen kan nicht Lieb' und Glut zertheilen.


Der vierdte Pfeiler stellte eine helleuchtende Flamme für; welche die Wolcken eines dicken Rauches zertrennte; und folgende Worte darbey verzeichnet hatte:


Kein Rauch verbirgt die Glut / kein Dunst die Liebe nicht.

Ja selbst die Finsternůs vergrössert beyder Licht.


Vom fünfften Pfeiler erfüllte der auf glüenden Kohlen zerschmeltzende Weyrauch mit seinem durchdringenden Geruche den gantzen Tempel / und folgende Zeilen legten es aus:


Die Tugend ohne Lieb' ist Weyrauch ohne Glut.

Denn beydes kriegt erst Krafft / wenn man's ins Feuer thut.


Am sechsten Pfeiler stand eine flammende Feuer-Eße; in welcher ein starckes Eisen halb seinen alten Rost zeigte / halb aber glüend und gläntzend; und nach beygesetzten Worten zu verstehen war:


Ein keusch-verliebter Geist ist wie ein glůend Eisen.

Denn dieses darff nicht Rost / noch jener Unflat speisen.


Bey dem siebenden Pfeiler stand eine lodernde Fackel / an der das Wachs noch dazu von den Sonnen-Stralen zerschmeltzt; ward / mit folgender Ausdeutung:


Mich schmeltzt ein zweyfach Brand / mich tilgt kein eintzel Schmertz /

Halb zeugt ihn meine Sonn' in Augen / halb mein Hertz.


Der achte Pfeiler war ein Behältnüs eines von Flammen krachenden Holtz-Stosses / welcher zwar eine Leiche zu Staube verbrennt hatte / einem vom Giffte blau aufgeschwelletem Hertzen aber nichts anzuhaben vermochte. Darunter war verzeichnet:


Welch Hertze nicht die Glut des Liebens åschert ein /

Das muß befleckt mit Gifft / von Unhold schwanger seyn.


Am neundten Pfeiler war ein Hauffen glüender /und von dem darauf gespritzten Wasser rauchender Steine zu sehen / folgende Worte aber zu lesen:


Wer Flut auff heisse Stein' / Haß auff Verliebte spritzet;

Der glaube: daß er nur mehr ihren Brand erhitzet.


Der zehnde Pfeiler stellte einen Berg voll Asche /zwischen welchem doch hin und wieder die Flammen herfür schossen / und diese Beyschrifft für:


Kein Feuer leschet aus / das einig Zunder nähr't;

Die Liebe glimmt / ist sie in Asche gleich verzehrt.


Am eilfften Pfeiler versengten sich die Motten an einem hellen Lichte; folgende Reymen aber drückten nichts minder des Feldherrn / als dieser verbrennenden Würmer Entschlüssung aus:


[1177]

Ich mag kein ander Grab / wil alle Quaal ausstehn;

Denn Lieb' und Flamme sind ja allzu wunder-schön.


Bey dem zwölfften Pfeiler ward eine Glut von denen darein blasenden Winden auffgefacht / und derogestalt ausgelegt:


So Wind als Mißgunst muß zu Blase-Bälgen dienen;

Wenn sie die Lieb' und Glut zu tilgen sich erkůhnen.


Auff der andern Seite des Tempels hatten die Barden an denen zwölff übrigen Pfeilern mit eitel aus dem Wasser genommenen Dingen / und zwar entweder / weil das weibliche Geschlechte dem Mohnden /als der Mutter aller Feuchtigkeit / untergeben wird; oder / weil sie durch diesen wässerichten Spiegel /durch die Perlen- und Purper-Schnecken / durch die Korallen-Zancken und andere Wunderwercke des Meeres nichts minder die Schönheit / als die keusche und beständige Liebe der Fürstin Thußnelde andeuten wolten / dieselbten in eben so viel Siñenbildern entworffen. An dem ersten Pfeiler lag eine eröffnete Muschel an dem Meer-Strande / in die sich der Thau zu Zeugung der Perlen einflöste; welche die Perle dieser Welt die wunderschöne Thußnelde derogestalt auff dem aus dem Göttlichen Verhängnüße kommenden Uhrsprung ihrer Liebe also auslegte:


Die Perl' in Muscheln gleicht der Lieb' in meinem Hert zen.

Zeugt jene Morgen-Thau / fleußt die von Himmels- Kertzen.


Am andern Pfeiler standen eben solche zu der Empfängnüs der Perlen sich eröffnende Muscheln; derer Geburt aber durch den darein schimmernden Blitz zernichtet ward; darunter aber drückte das viel mildere Feuer der Liebe folgende Reymen aus:


Der Blitz stör't die Geburt der Perlen; Flamm' und Glut

Des Liebens aber ist auch zårt'sten Perlen gut.


Am dritten Pfeiler war eine Menge befruchteter Perlen zu sehen; in derer aller Schoß aber mehr nicht /als eine Perle zu sehen war; sintemahl eine Muschel mehr nicht / als eine solche Tochter zu empfangen fähig ist. Welches Thußnelde derogestalt ihr zueignete:


Die Purpur-Schnecke zeugt nur eine Perl' allein.

So schleust mein Hertz' ein Hertz auch eines Herrmanns ein.


Am vierdten Pfeiler mühte sich die Sonne mit ihren kräfftigen Feuer-Stralen eine zugeschlossene Muschel zu eröffnen; ohne welcher Würckung sich keine sonst auffthut; wordurch die edle Thußnelde die Würdigkeit ihres Liebhabers mit diesen Worten erhob:


Die Muschel läßt sich nur durch kräfft'ge Wärmd' auffschlůssen;

Und meine Sonne kan mich Perle nur genůssen.


Der fünffte Pfeiler stellte ein stürmendes Meer für Augen / welches mit seinen Wellen die Perlen-Muscheln sonder einige Beschädigung von allem Unflate sauber abspielte / mit der Beyschrifft:


Des Meeres trůber Schaum thut Perlen Schmach und Neid

Der zarten Seelen-Frucht der Liebe gar kein Leid.


Am sechsten Pfeiler war eine Murene / die sich die verbitterten Meer-Fluten an den Klippen zu zerschmettern vergebens bemühten; als welcher Fisch harte Schläge / nicht aber gelinde auszustehen vermag; wormit Thußnelde die fruchtlose Bemühung des gewaltsamen Marbods derogestalt zu verlachen schien:


Kein Schlag / ein linder Streich kan die Murenen zwingen;

Und Liebe läßt sich nicht durch Zwang zu wege bringen.


Am siebenden Pfeiler sahe man / wie ein Korallen-Gewächse / so weit es das Meer-Wasser benetzte /einer weichen Pflantze gleichte / so weit es aber die Lufft trocknete / sich versteinerte. Wormit die Fürstin Thußnelde durch einen Gegensatz die Erweichung ihres Hertzens derogestalt zu entschuldigen meinte:


Die Zeit verkehr't Korall aus einem Kraut' in Stein;

Die Lieb' ein Hertz in Wachs / das marmeln schien zu seyn.


[1178] Welcher Entschuldigung denn der achte Pfeiler abermahls durch eine von dem Himmels-Thau getränckte Muschel und dieser Unterschrifft zu Hülffe kam:


Nichts / als der Himmel weiß die Muscheln zu besämen;

Ein keusches Hertze nur die Tugend anzunehmen.


Dieses bekräfftigte an dem neundten Pfeiler eine sterbende Purpur-Schnecke; welche mit ihrer Königlichen Farbe das Meer-Wasser / als ihr Begräbnüs /noch herrlicher anröthete / und die darunter stehende Auslegung:


Die Purper-Schnecke macht ihr Grab auch sterbend roth;

Nichts minder herrlich ist der Keuschheit reiner Tod.


Die gar wol mögliche Vereinbarung der Keuschheit und Liebe erhärtete am zehenden Pfeiler eine nichts minder mit ihrem Purper / als ihrer Perle prangende Schnecke; welche für die Fürstliche Braut hiermit eine Vorrednerin abgab:


Wie Perl und Schnecken-Blut verschwistert sind zusammen;

So ist der Keuschheit-Schnee vermischt mit meinem Flammen.


Der eilffte Pfeiler entwarff mit einem in der See brennenden Stern-Fische die Beständigkeit ihrer Liebe für sie redende:


Lescht ein gantz Meer nicht aus der Sternen-Fische Glut;

So tilget meine Lieb' auch weder Eyß noch Flut.


Endlich versicherte der zwölfte Pfeiler durch eine gleich aus dem Meere gerissene / und sich allererst röthende Korallen-staude ihren Bräutigam: daß ihre Liebe auch mit dem Tode nicht verleschen würde /nebst diesen zweyen Zeilen:


Wenn man's Korall bricht ab / so wird es erst recht roth /

Rechtschaffne Liebe glůht / wenn schon ein Theil ist todt.


Uber diß hatten die Barden die zwey Unholden des menschlichen Lebens Haß und Neid / als welche beyde Vermählten geraume Zeit grausam verfolget /und die zwey schädlichen Mißgeburten der ehlichen Liebe / nehmlich die Eyversucht und Unfruchtbarkeit ausgestossen und mit allerhand wolrüchenden Wassern und Qelen zusammen gebackenen Kohlen an die vier Theile des Tempels in menschlicher Lebens-Grösse auffgestellt / diese vier Bilder aber über und über mit glänzendem Agstein zierlich bekleibet: daß sie einen hellen Gold-Glantz unter so viel Fackeln von sich warffen. Gegen Ost stand das Bild des Hasses auff einem grossen Stiere / welcher Fluß- und Strom-Fisch alle andere hasset / und die er nur überwältigen kan verschlinget. Das Bild selbst sahe einer von Zorne aufgeblasenen aus den Augen und dem Munde schäumenden Kriegs-Göttin ähnlich; in der rechten Hand hatte sie eine brennende Fackel. Der auffgesperrte Wolff war mit Wolffs-Zähnen / die Finger mit Tiger-Klauen ausgerüstet; auf der Brust waren Scorpionen gebildet; welche / wenn sie mit den ausgestreckten Scheren was umarmen / mit dem giftigen Schwantze verwunden. Auff dem Kopffe hatte es einen von Schlangen geflochtenen Krantz; die fornen und hinten einen Kopff haben / gleich als wenn der Haß sich nicht vergnügte / vorwerts mit seinen Bissen / sondern auch hinterwerts mit seiner Verläumdung zu beleidigen. So bald der Feldherr und die Fürstin Thußnelda bey diesem Bilde vorüber gieng / fielen von der brennenden Fackel dieser Kohlen-Seule etliche Funcken auff den Kopff / die alsbald den Schlangen-Krantz / folgends den Kopf / endlich das gantze Bild glüend machten; welches so lange einen annehmlichen Würtz-Geruch von sich gab / biß es nach und nach in Asche verfiel. Die zwey Verliebten lasen zu ihrer grossen Vergnügung an dem steinernen Fusse diese der Tugend und dem Feldherrn zu Ehren eingegrabene Siegs-Zeilen:


Wie Kiesel / die man schlågt / nur geben Glantz und Licht /

Wie ieder Lorbeer-Baum so Blitz als Winter lacht /

Die Glut das Gold / der Wind die Fackeln heller macht /

Der Palm-Baum und Acanth von keiner Last zerbricht /

[1179]

Wie keine Fäulnüs nie das Pfauen-Fleisch ansicht /

Kein Wurm die Ceder frißt / der Sturm die Glut auffacht /

Der kleine Sternen-Beer nie untergeht zu Nacht;

So schad'stu / th \rchter Haß / der edlen Tugend nicht.


Fürst Herrmanns Glůck und Ruhm lehrt itzt mit Schaden dich:

Wer Schlang- und Nesseln drückt / empfinde Brand und Stich /

Der Wellen Zorn vergeh' auff Felsen nur in Schaum /

Man reibe mit Verlust sich an den Eichen-Baum /

Es äschre sich der Blitz / der Schwantz-Gestirne Schein

Nichts minder / als der Haß / durch eignen Zunder ein.


Das andere Bild des Neides stand gegen Mittag; weil der Neid nichts minder der Tugend / als der Schatten der Sonne anhänget; und zwar mit iedem Fuße auff einer Schlange; entweder weil jene Unholdin gegen dem Glücke sich nichts minder als dieser Wurm gegen die Sonnen-Strahlen auflehnet; oder weil sich die neidische Juno mit zwey Schlangen den verhasten Hercules noch in der Wiege aufzureiben bemühet hat. Das Bild selbst war ein Abriß eines alten abgemagerten und schwindsüchtigen Weibes; Weil dieses Laster bey anderer Menschen Wachsthume nicht anders abzunehmen / als die Zwiebeln bey zunehmendem Mohnden auszutrocknen pflegen. Es fielen selbtem die runtzlichten Augenlieder zu; weil die Bekümmerung um fremden Wolstand diesen Molch niemahls ausschlaffen läst / oder bey fremden Glücks-Sterne keinen Stern zu haben vermeinet / und von anderm Lichte verbländet wird. Die von Gifft blaue Zunge reckte es wie die zu stechen gerüstete Nattern herfür; Die Lippen waren blaß / und von dem Eßige der Mißgunst zerbeitzt; weil dieses Ungeheuer niemahls als über anderm Schaden zu lachen pflegt. Es speyete einen Hauffen Galle von sich; weil dieses Seelen-Geschwüre auch Zucker und Honig darein zu verwandeln pflegt. Die Brust war voller Narben; weil der Neid sein eigener Hencker / das Hertze seine eigene Folter-Banck ist. Auf dem Kopffe hatte es einen Krantz von Aegeln / welche ihm sein eigen Blut aussaugten. In der einen Hand eine Peitsche von Nattern; derer Köpffe sich aber in das Fleisch der Armen tieff eingefressen hatten; in der andern eine Wachtel; weil jenes Ungeheuer nichts weniger über fremder Tugend / als dieser Vogel über dem Silber-Kreiße des aufgehenden Mohnden seuffzet. Unter dem Arme hatte es ein Horn des Uberflußes / darinnen aber eitel Aschen-und Holtz-Aepfel / Schleen / Koloquinthen und andere bittere Früchte enthalten waren; Denn Eßig ist der Zucker / und Unflat der niedlichste Unterhalt des Neides / welcher sich an dem bösen ergötzet; über dem guten sich zu tode grämet. So bald die zwey sich diesem Kohlen-Bilde näherten / ward es von einem künstlich bereiteten Blitze angezündet; welches denn als ein der Fürsten Thußnelde Keuschheit und Beständigkeit gewiedmetes Opffer durch einen durchdringenden Ambra-Rauch sich glüende verzehrte; worüber beyde die an dem steinern Fuße eingeetzten Reymen mit höchster Ergetzligkeit lasen:


Spey' ans itzt Galle / Gifft und Eyter / blaßer Neid!

Denn ob dein Athem zwar Kraut / Laub und Graß verheeret /

Zibeth in Hůtten-Rauch / die Lilg' in Wolffs-Milch kehret /

Aus Honig Wermuth saugt / auff Rosen Kr \ten spey't;

So thut dein Geiffern doch der Keuschheit minder Leid /

Als wenn ein bellend Hund den vollen Mohnd' anfähret.

Ja wie der Sonnen-Glantz der Nebel Dunst verzehret /

So tilgt auch deinen Dampff Thußneldens Sittsamkeit.


Der Erde Schatten reicht zu h \hern Sternen nicht /

Schwärtzt er den Mohnden gleich. Ein Hercules zerbricht

Die Schlangen / die auf ihn die Mißgunst růstet aus.

Das Blut verzehrt durch Rost das Mord-begier'ge Schwerdt /

Das Feuer Einens Bauch / das biß zum Himmel fährt;

So wird durch eignen Brand der Neid auch Asch' und Grauß.


Gegen Westen stand das Bild der Eyversucht; gleich als wenn durch sie die Liebe täglich ihren Untergang hätte. Es stund auf einem Basilißken; weil dieses gifftige Thier seine Nebenbuhler nicht so wohl mit Feuer und Schwerdt zu tödten / als mit denen Augen zu erstechen gesinnet ist; wormit es gleichwol eine Aehnligkeit ihrer Stieff-Mutter / nemlich der Liebe behalte; als welche gleichfalls durch die [1180] Pforten der Augen / ob sie schon von denen sich Verliebenden nicht gesehen wird / eindringet; mit ihrem annehmlichen Lichte das Gesichte verbländet / und mit ihren lebhafften Strahlen die Seelen tödtet. Dieses Bild stellte vorwerts ein heßliches / hinten ein schönes Weibesbild für; weil dieser Wurm so wol auf Rosen /als schlechtem Mah kreucht; ja die hiervon beschmeißte Schönheit sich allezeit ungestalter hält als ihre Neben-Buhlerin. Uber den gantzen Leib war es mit eitel auffgesperrten Augen besäet; weil Eyversüchtige weder Tag noch Nacht ruhen können / und Scharffsichtigkeit nichts minder als das übermäßige Licht der Sonnenstrahlen ihre Augen verblendet: daß sie einen nichtigen Schatten für ein wahrhafftiges Wesen ansehen. Um das Haupt war an statt des Krantzes ein Pomerantzen-Zweig mit anhangenden Früchten geflochten; Auff der Scheitel aber war ein Drache; gleich als wenn dieser eyvernde Wurm nichts minder seine Buhlschafft / als der in den Hesperischen Gärten die güldenen Aepffel bewachen müste. In der rechten Hand führte die Eyversucht eine mit Dornen umwundene Fackel / derogleichen einige Völcker bey denen Vermählungen zu brauchen pflegen /um so viel den Stachel als Brand beyder Gemüths-Regungen abzubilden. Auff der lincken Hand saß ein Geyer; welcher aber mit seinem Schnabel in dieses Bildes Brust einhackte / und sich gleichsam mit dieses andern Tityons Leber speisete. Bey währender wolrüchenden Verglimmung dieses Ungeheuers lasen die Fürsten nachfolgende Auslegung:


Weg / mit der Eyversucht! Sie ist des Todes Bild /

Ein Zaum der reinen Lieb' / ein Kind der důstern Nacht

Ein Dunst / der Augen blind- die Sonne finster macht /

Ein Wurm / der seinen Koth in Ros' und Purper hůll't /

Gifft / das aus Nectar fleußt / doch aus der Höle quillt /

Durch das aus Berg-Kristall uns wird der Tod zubracht

Ein Hencker seiner Hold / ein Wahnwitz / wo Verdacht

Mehr als ein Argos sieht / mehr als die Keuschheit gilt.


Fleuch! weil die Liebe ja schon ohne deine Pein

Kan eine Folter-Banck und eine Hölle seyn;

Du aber årger noch / als H \ll und Folter bist.

Doch weil hier himmlisch Oel die Liebes Ampeln nåhrt;

So můht ihr Flammen euch: daß ihr diß Thier verzehrt

Zu lehrn: daß Eyversucht sich selbst quält / wůrgt und frißt.


Gegen Mitternacht saß das Bild der Unfruchtbarkeit auf einem Maul-Esel. Diese hatte schlaffe abhängende Geiß-Brüste / einen fetten Wanst / und einen kriplichten Rücken. In der Hand hatte es eine Sichel; wormit entweder auf die grausame vom Saturn an seinem Vater verübte Verstimmelung der Geburts-Glieder / als welche auch diesem Bilde gäntzlich ermangelten; oder weil der Ysop die Garten-Müntz und unterschiedene andere Kräuter nicht ohne ihre Verwesung vom Eisen berühret werden. In der andern Hand hatte es eine Schale mit Wein / und eine darinnen getödtete Meer-Barbe / welch Geträncke die Weiber unfruchtbar macht / und deßwegen Asinius Celer zum minsten deßhalben einen um acht tausend Groschen zu theuer gekaufft hat. Um das Haupt hatte es einen Krantz von Sadelbaum / Hirzenzung / Farren-Kraut /Raute / und andern die Fruchtbarkeit hindernden Kräutern. Uber die Achsel hieng eine Wieder-Haut; als welchen Thieres getrunckenes Wasser gleicher Gestalt Unfruchtbarkeit verursacht; ungeachtet die gantze Natur geschwängert wird / wenn die Sonne in das Zeichen des himmlischen Wieders tritt. So lange nun das Bild der Eyversucht glüete; so geschwinde ward die Seule der Unfruchtbarkeit verzehret. Deñ so bald die zwey Fürstlichen Vermählten selbtem gegen über kamen; ward es von einem unterirrdischen Feuer angezündet / und durch einen schnellen Brand theils in Asche / theils in einen wolrüchenden Weyrauch-Rauch / der den gantzen Tempel wie eine Wolcke überzoh / verwandelt; Gleich als wenn die Eyversucht lange Zeit vertilget seyn / die Unfruchtbarkeit aber[1181] ohne Zeit-Verlierung aus dem Wege geräumet werden solte. Der steinerne Fuß blieb allein unversehrt / und zeigete denen Anwesenden folgende Grabe-Schrifft der Unfruchtbarkeit:


Der Liebe Mißgeburt / die Mutter herber Pein /

Die Wehen ohne Kind / und Affter-Bůrden kriegt /

Das Stieff-Kind der Natur / der Ståmme Wurmstich liegt

Durch eine heil'ge Glut allhier geäschert ein.

Denn kein gebrechlich Zwerg kan diesen Tag entweihn /

Da sich ein Hercules zu einer G \ttin fůgt /

Die ja die Liebe selbst auff ihren Brůsten wiegt /

Und aus den Augen streut nur fruchtbarn Sonnenschein.


Verwirff / Thußnelde / nun nicht diesen schlechten Rauch /

Vergnügt sich doch der Mohnd' an gelben Kůhen auch

Besämt ihr Silber-Horn gleich Himmel / Erd und Meer.

Glůck zu! ich sehe schon befruchtet Herrmanns Hauß.

Denn die Unfruchtbarkeit wird hier getilget aus /

Es kommt aus ihrer Asch' ein junger Fenix her.


Nach dem nun beyde Fürstliche Vermählte an diesen Gedancken und Entwürffen der Barden Augen und Gemüthe vergnüget; wurden sie auff zwey hocherhabene Stüle geleitet. Sie hatten sich aber bey währendem anmuthigen Gethöne der von denen Barden angesti ten Lobgesänge kaum niedergelassen / als sich eine Cimbrische Wahrsagerin ihnen gegen über stellte. Ihr um den Leib mit einem Ertztenen Gürtel zusammen gezogenen Kleider waren eben so wol / als ihre flügenden Haare wegen Alters schneeweiß; die Flüsse mit den Armen aber gantz nackt. Dieser Art Weiber haben ihren Nahmen von ihrer Uhrheberin Alironia / pflegen die gefangenen Feinde abzuschlachten / in den Schlachten auf ausgespannten Häuten mit gewissen Klöppeln ein Geräusche zu machen / und so wol aus denen Eingeweiden der geschlachteten Thiere / als andern Zufällen künfftige Begebenheiten zu verkündigen. Diese Wahrsagerin hatte in der Hand eine aus Ertzt gegossene Kugel; welche sie in das mitten im Tempel brennende Hochzeit-Feuer warff / und so heiß werden ließ: daß sie bey nahe glüete / und die Opffer-Knechte mit eisernen Zangen aus denen glüenden Kohlen scharren musten. Sie aber nahm diese Kugel und warf sie so geschwinde aus einer blaßen Hand in die ander: daß selbte von der Hitze unversehrt blieben. Hiermit wendete sie sich zugleich etliche hundert mahl auf der Ferse ihres lincken Fußes in einen Kreiß herum; mit höchster Verwunderung der Zuschauer: daß ihr Haupt weder kringlicht ward /noch sie zu Bodem fiel. Am seltzamsten aber war: daß sie endlich die Augen im Kopffe verdrehte / und gleichsam als entzückt sich gebehrdende / mit einer durchdringenden und schwirrenden Stimme aber zu singen anfieng:


Nehm't eines neuen Quelles Lauff /

Der Aloe vor nie geseh'ne Blüthen /

Ihr Deutschen / fůr kein Wunder auff!

Wenn alle Bäum' und Standen sich bemůhten

Fůr Schleen Wein / fůr schlechten Mah Jasmin /

Fůr Aepffel Gold / fůr Laub Schmaragd / fůr Obst Rubin /

Fůr Blumen Perl'n und Diamant zu bringen;

Wår' alles dieses Wachsthums Pracht

Ein Schatten gegen's Licht / und eine düst're Nacht.


Weil eine einz'le Frucht allein /

Die über's Jahr uns wird Thußneld' ablegen /

Mehr Wunder ist / und ein viel reicher Segen

Als Perlen / Gold / Jasmin / Schmaragd und Wein.

Aus keinem Brunnen quillt auch so viel Wasser her /

Als Herrmann Wolthat wird auffs Vaterland ausströmen /

Kan doch ein Bůrger auch des Volckes Heilbrunn seyn

Gutthåt'ge Fůrsten aber sind ein unersch \pflich Meer.


Nach dem alle diese und andere zu der Einweihung der Fürstlichen Vermählten gehörige Verrichtungen vorbey waren; die Priester auch in dem Tempel auff dem grossen Altare; welches mit sieben und siebenzig aus Jungfrauen-Wachse bereiteten Kertzen umsetzt stand / ihre von angezündetem Weyrauch und Agsteine bereitete Opffer verbracht hatten / erhoben sich die Vermählten von ihren Stülen; und giengen in Begleitung der andern Fürsten aus dem Tempel; an dessen Pforte sie der Priester Libys mit abermaliger Besprengung aus dem geweihten Brunnen / und mit tausend Glücks-Wünschen gesegnete.

[1182] Der Feldherr aber hatte kaum den ersten Fuß von den Pfosten des Tempels gesetzt / als oberwehnte Alironische Wahrsagerin sich durch das Volck durchdrang; von ihrem Antlitze einen Strom Thränen abschüssen ließ / dem Hertzog Herrmann mit beyden Armen um den Hals fiel und ihn küssete. Wie sie denn hierauff Thußnelden gleicher Gestalt umhalsete /und mit hundert Küssen ihre ungemeine Gewogenheit versiegelte. Nicht nur alle Umstehenden; sondern der Feldherr selbst verwunderten sich über dieser Begebung / und wusten selbte nicht auszulegen; weil diese Wahrsagerinnen sonst ewige Keuschheit gelobet haben; und von dem blossen Anrühren eines Mannes befleckt zu werden glauben. Diesem Kummer aber abzuhelffen fieng die Wahrsagerin an: Erlauchteste Liebhaber; nehmet meine Liebes-Zeichen für keinen Vorwitz oder Frevel auf; Mißgönnet an euerer heutigen Glückseligkeit derselben nicht ein Theil; die nach euch sie am nechsten angehet. Denn / liebster Herrmann / schäme dich nicht an diesem Stamm- und Geburts-Maale (hiermit entblöste sie ihre Schulter / und zeigte ihm darauf eine feurige Rose) mich für die Tochter des Surena / und für deine nunmehr wieder glückselige Mutter zu erkennen. Der Feldherr erstarrte für Verwunderung; und wuste nicht: ob er die Erscheinung seiner vorlängst todt geglaubten Mutter für eine wahrhaffte Begebenheit; oder für einen Traum /oder wol gar für ein Gespenste halten solte. Er erholete sich aber alsbald durch die kräfftige Auffwallung seines kindlichen Geblütes; und umarmete sie mit nicht geringer Gemüths-Vergnügung / als er vorher von denen mütterlichen Armen genossen hatte. Die holdselige Thußnelde feyerte auch nicht durch die empfindlichsten Liebes-Bezeugungen der tugendhafften Asblasten verstehen zu geben: daß sie nichts minder / als Hertzog Herrmann Gott für die Wiederschenckung einer so heiligen Mutter zu dancken Ursache hätte. Wiewol nun übermäßige Freude nichts minder als Schrecken der Beredsamkeit ein Gebieß anlegt; so unterhielten sich doch diese drey Personen mit abgewechselten Merckmalen ihrer innersten Zuneigungen eine gute Stunde / ehe die andern Fürsten die gleichsam von den Todten zurück gekommene / und wegen so vieler Jahre Abwesenheit nunmehr schier unkentliche Fürstin Asblasten zu bewillkommen Raum und Zeit fanden. Hierauff nahm sie die Cattische Hertzogin mit grosser Ehrerbietung auff ihren Wagen / und kamen sie sämtlich in voriger Ordnung / ausser: daß der Feldherr sich zu der Fürstin Thußnelden auff ihren goldenen Wagen gesetzt hatte /wieder nach Deutschburg; wo die Strassen die Menge des frolockenden Volckes zu begreiffen viel zu enge waren. Auff der Burg waren hundert Taffeln bereitet für die Ritterschafft / die Kriegsbeamptete / und andere; welche theils ihre Pflicht / theils die Sorgfalt zu diesem Beylager gezogen hatte / zu bewirthen. Uber diese war in einem grossen und hohen Saale in Gestalt einer Sichel oder eines wachsenden Mohnden eine Taffel für hundert Fürstliche Personen angerichtet. Die meisten Wildbahnen Deutschlandes hatten darzu das köstlichste Geflügel und ander Wildpret; die Flüsse und die Ost-See die schmackhafftesten Fische gezinset; Die gröste Verwunderung aber erweckte insonderheit bey denen ausländischen Fürsten: daß einem ieden Gaste / nicht nur wie in denen so berühmten Mahlen etlicher Römischer Bürgermeister gantze wilde Schweine und Hirschen; Grosse Schüsseln voll Fasanen / Gerstlinge / Brachvögel / Murenen / und andern leckerhafften Speisen; wornach die üppigen Römer die Zähne zu lecken pflegten; sondern gantze gebratene Ochsen / Elende und Bären in solchem Uberflusse auffgetragen wurden: daß weil alles Innländische Trachten waren / sie nicht so wol des Cheruskischen Hertzogs [1183] Pracht / als die Güte des reichen Deutschlandes rühmen musten. Zum Geträncke ward zwar ein aus Gersten und Hopffen gekochtes Bier / ein aus Honig und Baumfrüchten abgejohrner Meth; aber auch allerhand theils in Gallien / theils Pannonien / theils so gar in den Glücks-Eylanden gewachsener / von denen Friesen eingeführter Wein auffgesetzt; und zum Theil aus Hörnern der Auer-Ochsen / theils aus irrdenen Geschirren / welche aus einer bey denen Marsingern unter dem Gebürge auff zwey gähen Hügeln gegrabenen und der Lemnischen gleichgeschätzten Erde gefertiget werden / auf Gesundheit der Vermählten freudig herum getruncken. Hierunter wurden nun zwar vermenget etliche aus Berg-Kristallen künstlich geschnittene; unterschiedene Murrhinische oder von denen Serern gebackene; viel güldene mit kostbaren Edelgesteinen / oder herrlich geetzte / wie nichts minder aus gantzen Jaspissen und Agathen ausgehölete Trinckgeschirre / mit welchen der Kayser und andere Grosse entweder den deutschen Feld-Herrn beschencket; oder die Deutschen unter dem Geräthe des Quintilius Varus / von welchem gantz Asien erschöpfft worden war / zur Beute bekommen hatte. Wiewol nun diesen Geschirren bey denen Römern theils ihre Seltzamkeit / theils die Zerbrechligkeit einen unschätzbaren Werth beygelegt / und das Gold bereits zu dem geringsten Beysatze gemacht hatte; so wurden diese doch denen Einländischen irrdenen gar nicht fürgezogen; sondern selbte meist nur zum Andencken derer vom Feldherrn bey den Römern ausgeübten Helden-Thaten / theils des letztern grossen Sieges wieder den Varus aufgesetzt; und zwar diese Fürstliche Taffel von eitel adelichen Jungfrauen bedienet; welche aber / ob sie zwar nach der Landes-Art grösten theils nackt / und ihrer Schönheit halber aller anderer Völcker Töchtern vorzuziehen waren / bey denen tugendhafften Deutschen /derer gute Sitten mehr / als anderwerts scharffe Gesetze Gutes stiffteten / keine streitbare Regungen verursachten. Sintemahl doch keine gewissere Unschuld zu finden ist; als wo man von gewissen Lastern keine Wissenschafft hat. Denn derselben Bekandtschafft klebt schon ein so süchtiger Kitzel an: daß ihrer viel nicht so wol aus Begierde sich zu vergnügen / als aus Vorwitze fremder Gebrechen Geschmack zu erkundigen / sich in den tieffsten Schlam abscheulicher Boßheiten stürtzen; und durch angenommene böse Gewonheit auch aus der Bitterkeit beschwerlicher Sünden eine verzuckerte Ergetzligkeit schöpffen. Zu geschweigen: daß die gemeine Entblössung auch derselben weiblichen Gliedmassen; welche doch die Natur gleichsam zu einer Rüst-Kammer der Liebe erkieset hat / mehr eine Ursache des Eckels / als einen Zunder der Begierden abgiebt. Sintemal unsere verwehnte Zuneigung diese seltzame Art an sich hat: daß sie den sich selbst anbietenden Uberfluß verschmähet; an einer sich weigernden Vergnügligkeit aber sich nicht ersättigen kan; also: daß der verliebte Jupiter so gar in Ertzt zerschmiltzt / um der verschlossenen Danae zu genüssen.


Nach der um Mitternacht auffgehobenen Taffel ward die Fürstin Thußnelde von hundert edlen Jungfrauen in das Hertzogliche Schlaff-Gemach geleitet; sie aber vorher unter allerhand zierlichen Täntzen ihres Krantzes beraubet / und hernach gleichsam in die Hände der Cattischen Hertzogin und anderer anwesenden Fürstinnen überlieffert; darauff in ein von lauter Eysvogel-Federn gefülletes / mit Gold und Seiden herrlich aufgeputztes Bette begleitet; und endlich dem über seinem Liebes-Siege nichts weniger als über dem erschlagenẽ Varus freudigen Herrmañ Raum gemacht / der allervollkommensten Früchte zu genüssen; welche iemahls die Tugend von so reiner Keuschheit [1184] und unvergleichlichen Leibes- und Gemüths-Schönheit eingeerndet hat.

Wie nun Lycurgus denen Spartanern ein Gesetze gab: daß neue Eh-Leute eine Zeit lang fast immer Tag und Nacht bey anderer Gesellschafft zubringen / und ihre heimliche Ergötzligkeiten schier nur stehlen musten; Also ist hingegen bey denen Deutschen Beylagern die Gewonheit: daß die Fürstlichen Vermählten sich den andern Tag nicht öffentlich zeigen; sondern sich in ihren Zi ern einsam aufhalten; inzwischen aber ihren Gästen die freye Willkühr ihrer Ergötzligkeiten überlassen. Diese Zeit meinte nun die Königin Erato nicht nützlicher anzulegen; als daß sie bey der Cattischen Hertzogin Erdmuth für sich und andere gefangene Fürsten eine Ersuchung ausbitten ließ. Weil nun diese mit der allerhöchsten Höfligkeit solche Ehre annahm / Fürst Adgandester und die Gräfin von der Lippe aber befehlicht waren / diese zwey grosse Frauen mit aller ersinnlichen Bedienung zu unterhalten /fanden sich nach dem Hertzoge Zeno Rhemetalces /Malovend / Flavius / Salonine auch diese bey noch ziemlich frühen Morgen dahin. Bey welcher auch Ismene / die Cattische Fräulein Catta / und die den Abend zuvor nach Deutschburg angekommene Fürstin Adelgunda des Herzogs Ganasch Tochter angetroffen wurden. Nach vielfältigen gegen einander erwiesenen Liebes-Bezeigungen fiel die Königin Erato bald auff die Glückseligkeit der zweyen Fürstlichen Vermählten; lag auch der Gräfin von der Lippe an /ihr vertrösteter massen beyder Liebes-Geschichte zu entwerffen / um ihre Freude so viel mehr vollkommener zu machen. Hertzog Arpus sahe der Gräfin ihre fürhabende Entschuldigung an der Stirne an; und meldete: daß diese nicht ihre vollkommene Vergnügung erlangen könte; wenn nicht Fürst Adgandester die vorhergehenden und ihm am besten bekannte Ebentheuer des Feldherrn voran setzte. Hertzog Zeno nahm sich dessen alsbald an; und erinnerte Adgandestern seiner deßwegen gethanen Vertröstung. Daher dieser sich hiervon nicht loß zu würcken vermochte; sondern ohne einige Zeitverlierung folgende Erzehlung anfieng; wievol mit dieser höflichen Bedingung: daß seine Willfährigkeit für keinen Vorwitz / seine Fehler für keine Unvollkommenheit eines so grossen Fürsten aufgenommen; sondern viel mehr seine Gebrechen mit der Pflicht seines Gehorsams entschuldiget werden möchten.

Der Feldherr Segimer / fieng Adgandester an / saß mit seiner unvergleichlichen Asblaste sieben Jahr in der Eh / ehe sie einmahl schwanger ward. Welche Unfruchtbarkeit nicht allein beyden Ehleuten / sondern auch dem Volcke empfindlich zu Hertzen gieng. Insonderheit aber erwog diese kluge Fürstin: daß Kinder die sicherste Vormauer eines herrschenden Hauses sind; derselben Mangel aber den tapffersten Fürsten so wol bey seinen Unterthanen als Nachbarn verächtlich mache; jenen Anlaß gebe sich nach einem neuen Haupte für der Zeit umzusehen; diesen aber die auf dem Falle stehende Herrschafft mit List oder Gewalt an sich zu bringen. Ja Gifft und Verrätherey im Hertzen kochende Staats-Diener werden von ihren ehrsüchtigen Rathsschlägen durch nichts mehr zurücke gehalten; Als wenn ihres Fürsten Hauß mit vielen Söhnen befestiget ist. Diesen Kummer hielt Asblaste dem Feldherrn Segimer für; und bemühte sich von ihm die Einwilligung ihrer Ehscheidung zu erbitten; weil sie / ihrem Bedüncken nach / nichts großmüthigers ausüben konte; als wenn sie der gemeinen Wolfarth wegen sich ihrer grösten Vergnügung enteusserte. Weßwegen auch / welchen ihre Tugend bekandt war / und der Sache recht nachdachten / urtheilten: daß Asblastens heimlich fürgenommene Rückkehrung in Persien nicht so wol aus Eyversucht gegen die Alemannische Hertzogin Vocione; als um Segimern[1185] durch ihre wolgemeinte Entbrechung eine fruchtbare Gemahlin zuzuschantzen geschehen wäre. Nach dem aber Segimer das Glücke hatte durch hundert seltzame Ebentheuer Asblasten wieder in Deutschland zu bringen; schüttete der durch so viel hertzhafft überstandenes Ubel gleichsam versöhnete Himmel seinen Segen über sie. Denn nach dem ihr geträumet hatte; sie würde von einem Löwen beschlaffen / und sie sich erwachende unvermuthet in denen Armen ihres Eh-Herrn fand; welcher ohne ihre Wahrnehmung des Nachts aus dem Läger nach Hause kommen war; fühlte sie sich kurtz darauff schwanger. Und nach dem Segimer in Wahrheit ein Löwen-Hertz in seiner Brust führte; hatte dieser Traum mit dem Wesen mehr Aehnligkeit / als da die Mutter des grossen Alexanders und des Africanischen Scipio wie nichts weniger des Aristomenes bey den Messeniern / des Aristodamas bey den Sicyoniern von Drachen und Schlangen geschwängert zu seyn ihnen einbildeten. Am nachdencklichsten aber hatte dieser Traum die Großmüthigkeit unsers deutschen Löwen / nehmlich des nach neun Mohnden glücklich gebohrnen Fürsten Herrmanns angedeutet. Wie nun in vielen ruhmwürdigen Stücken wir selbten ohne einige Heucheley dem grossen Alexander mit Rechte vergleichen; also scheinet dem Traume Asblastens diß / was dem Philippus geträumet / sehr nahe zu kommen; Da er nehmlich im Schlaffe seiner Gemahlin Olympia Leib mit einem Siegel-Ringe / in welchen ein Löw gegraben war /verwahren gesehen. Wie aber in der Nacht / da Alexander gebohren ward / der Ephesische Tempel zum Schrecken und Trauren gantz Asiens weg brennte; Also schloß August an dem Tage / da unser Herrmann auff die Welt kam / zur Freude der gantzen Welt zu Rom den Tempel des Janus das erste mahl zu; welchen für ihm nur Numa / und der Bürgermeister Manlius Torquatus bey zweymahl erlangtem Frieden zuzusperren das Glücke gehabt hatten. Segimer traff in selbigem Tage einen Frieden; und sein Feld-Hauptmann erlangte nichts minder als Philippus durch den Parmenio wieder die Illyrier einen herrlichen Sieg. Kurtz hierauff ward das durch Zwietracht gleichsam biß auf den Kern und Wurtzel zerspaltete Deutschland wieder vereinbart. Zwey Jahr hernach gebahr Asblaste zu unbeschreiblicher Freude der Cherusker den Fürsten Flavius. Welche zwey Fürsten denn von der Wiegen an nach Art der streitbaren Deutschen zu denen Waffen angewöhnet / im Bogenspannen und Schwingung der Lantzen geübet; Gleichwol aber auch von einem Priester in der Römischen und Grichischen Sprache / denen Geheimnüssen der Natur; sonderlich aber in der Sitten-Lehre / im Feldmessen / und von dem obersten Reichs-Rathe in der Staats-Klugheit sorgfältigst unterrichtet wurden.

Ein grosser Geist thut sich nichts minder / als eine in der ersten Sprossen schon brennende Nessel durch Tapfferkeit zeitlich herfür / und gleichet sich dem Feigen-Baume / dessen Blüten die Früchte selbst sind. Also soll Hercules in seiner Wiege schon durch Zerreissung zweyer Schlangen seinen Helden-Geist erwiesen; Die Bienen mit Ablegung ihres gesammleten Honigs in die Lippen des Göttlichen Plato seine übermenschliche Weißheit angezeiget haben. Nichts minder ließ unser Herrmann in seiner zartesten Kindheit etliche Strahlen seiner Tugenden von sich blicken. Als seine Mutter Asblaste sich einsmahls auff der Jagt verirrte / und zwey Nächte aussen blieb; war der Durst kein genügliches Zwangs-Mittel ihn zu bewegen: daß er an einer fremden Brust gesogen hätte; sondern er erkiesete für anderer Milch gemeines Wasser. Da auch Segimer und Asblaste einsmahls auf der Jagt in dem Barcenischen Walde waren; kam ungefähr eine grausame Bärin zu der einen Jagt-Hütte; zerfleischete [1186] drey der behertzesten Jäger / trieb die übrigen Auffseher über den jungen Herrmann in die Flucht / trug ihn aber selbst in ihre felsichte Höle sonder die geringste Beleidigung; und versahe ihn gleichsam wie die berühmte Wölffin den Romulus mit ihrer Nahrung; biß die Bärin endlich von denen ihr auff die Spur kommenden Jägern und dem Segimer selbst erlegt / dieses Kind aber aus einer so gefährlichen A e Klauen errettet ward. Als er nur vier Jahr hinter sich gelegt hatte; und mit denen ihm zugeordneten Edel-Knaben spielte / rieß in dem Burghofe ein Tiger-Thier loß; welches zwey Knaben tödtete; als es aber an den Herrmann kam / liebkosete es ihm; gleich als wenn die Tugend nicht nur die Gemüther der Menschen zu gewinnen; sondern auch die grimmigsten Thiere zu zähmen mächtig wäre. Im Ringen / reiten / fechten /wettelauffen / und andern Waffen-Ubungen that er es allen seinen Gefärthen zuvor; also: daß auff der Rennebahn nichts minder Herrmann / als Cyrus in der Hirten-Höle für einen Fürsten wäre geachtet worden; wenn schon iemand seine Ankunfft nicht gewüst hätte. Fürnehmlich musten alle an Geschwindigkeit ihm ausweichen; gleich als wenn die Bewegung der Glieder der feurigen Regung seines Gemüthes ein Zeugnüs ablegen müste. Er stach zwar mit Schönheit des Leibes alle andere weg; er hielt selbte aber als einen dem Frauen-Zimmer zugeeigneten Schatz verächtlich / und ließ sich mehrmahls heraus: daß die Tugend die einige Schönheit des Gemüthes; und das rühmlichste Eigenthum der Fürsten wäre. Seine Reden waren seiner Ankunfft gemäß / seinem Alter aber überlegen. Sein Thun kam den Jahren zuvor; und die / welche andern ein Beyspiel abgaben / schämten sich nicht in des jungen Herrmanns Fußstapffen zu treten. Ja als er noch nicht einmahl zeitig zum Kämpffen war; wieß er in etlichen Begebenheiten sich schon reiff zum siegen. Er mühte sich niemanden / als denen edelsten und vollkommensten Gefärthen in seinem Beginnen vorzukommen; ja er eiverte mit seinen eigenen Ahnen; wenn er von ihnen was ruhmwürdiges erzehlen hörte; und mit seinem Vater / weñ er einen Sieg erwarb. Er empfand es gegen die Reichs-Räthe: daß sie Segimern es wiederriethen ihn nicht mit ins Läger und in die Schlachten zu nehmen; als er gleich nur zwölf Jahr alt war. Er war gegen iederman freudig / gegen wolverdiente freygebig; gegen demüthige mitleidig; gegen die Feinde eiffrig; und nichts minder den eigenen / als der ausländischen Reiche Zustand zu erkundigen begierig. Er gieng ins sechzehende Jahr; als die Fürstin Asblaste mit ihm und seinem Bruder Flavius in einem nur eine halbe Meile von hier entlegenem Lust-Hause von des Drusus Reuterey überfallen ward. Keine hundert bewehrte Männer waren zur Gegenwehr gegen vier tausend Römer verhanden. Denn kein Mensch hatte sich eines so unverhofften Feindes versehen. Gleichwol munterte dieser junge Held nicht allein mit Worten / sondern mit seinem Beyspiele die wenigen Cherusker zur Gegenwehre auf; ja er erlegte mit seinem Bogen und einem Wurff-Spieße drey Römer; wolte sich auch / ungeachtet ihm die Klinge am Degen gesprungen war / keinem gemeinen Römer / die ihn umringten / gefangen geben; biß des Bürgermeisters Cneus Cornelius Sohn / der als Haupt die gantze Römische Reuterey führte / selbst herzu drang und dem Fürsten Herrmann den Degen abheischte; nach dem kurtz vorher Junius Silanus den auch auffs eusserste sich beschirmenden vierzehnjährigen Flavius mit der Fürstin Asblaste gefangen genommen hatte. Also erwarb dieser junge Held schon in so wenigen Jahren einen Ruhm von viel künfftigen / und wormit seine Tapfferkeit viel zeitlicher vorsichtig würde / fieng das Glücke desto geschwinder an ihm ein Bein unterzuschlagen.

[1187] Drusus kam mit der gefangenen Fürstin Asblaste /dem jungen Herrmann und Flavius in Italien. Weil aber Kayser August sich gleich auf der dem Minervischen Vorgebürge gegen über liegenden Ziegen-Insel aufhielt / um in dieser anmuthigen und durch das Gebürge für allen rauen Winden verwahrten Gegend die anderwerts raue Winter-Zeit hinzubringen; reisete Drusus Rom fürbey biß nach Minturne / allwo er sich zu Schiffe setzte / und auff das Ziegen-Eyland überführen ließ. Er fand den Kayser eben an dem See-Strande in höchster Gemüths-Vergnügung. Denn als er fünff Tage vorher dahin kommen war; hatte eine alte Stein-Eiche an ihren dürren und zum Bodem abgesenckten Aesten gantz frische Blätter bekommen. Welches dem Kayser so sehr erfreulich war: daß er dieses Eyland von der Stadt Neapolis gegen Abtretung des Eylandes Aenaria eintauschte. Dißmahl befand er sich unter dem Gebürge gegen denen Sirenen-Inseln; und ließ die ungeheuren Gebeine zweyer in einer Höle gefundener Riesen ausgraben. Die Uberbringung dieser dreyer Fürstlichen Gefangenen aber /worvon Drusus um seine Ankunfft desto herrlicher zu machen / nichts geschrieben hatte; stach alle vorige Vergnügungen weg. Denn über diß: daß er durch diese Geißeln das Fürstliche Cheruskische Hauß zur Römischen Dienstbarkeit zu fässeln vermeinte; deuchtete ihn an der Fürstin Asblaste wegen ihrer unvergleichlichen Schönheit mehr eine Göttin / als einen sterblichen Menschen zu sehen. Ja ihre Anmuth / die sie gegen Livien bezeigte; als Drusus Asblasten ihr /den Herrmann und Flavius aber dem Kayser überliefferte; und die Bitte: daß der Kayser sie und ihre Kinder lieber in das nahe Meer wolte stürtzen / als nach Rom zum Siegs-Gepränge möchte führen lassen; bezauberte Augusten dergestalt: daß er nicht nur ihr zu nicht geringem Unvergnügen des Ehrsüchtigen Drusus sie ihrer Bitte gewährete; sondern sich selbst in sie inniglich verliebte. Er ordnete diesemnach Asblasten nebst ihrem ohne diß mitgebrachtem Frauen-Zimmer etliche andere Römische Dienerinnen / dem Herrmann und Flavius auch ihrem Stande anständige Aufwärter zu; und mühte sich auf alle Wege ihnen die Verdrüßligkeit der allezeit verhasten Gefangenschafft zu verzuckern. Denn die Gegitter der Kercker / wenn sie gleich gemahlt oder gar von Golde sind / bleiben allezeit heßlich. Ich solte / sagte Adgandester / hier die der Fürstin Asblaste begegnete seltzame Ebentheuer umständlich erzehlen; aber köstliche Wasser werden am besten aus ihrem Quelle getruncken; Die Geschichte aber von denen am wahrhafftesten vernommen / welche ihre Augen zu Zeugen ihrer selbst angemerckten Begebenheiten anziehen können. Diesemnach wird die Gräfin von der Lippe nicht nur so erlauchte Zuhörer / sondern mich selbst am höchsten verbinden; wenn sie durch die Blumen ihrer Beredsamkeit meine raue Erzehlung aufzuputzen sich mein Ansuchen bewegen lassen wird.

Die Gräfin von der Lippe färbte sich hierüber; und versetzte: Sie wüste wol: daß Fürst Adgandester seiner Vollkommenheit durch ihre Gebrechen einen mehrern Glantz beyzusetzen vorhätte; Gleichwol aber wolte sie / um die hochansehnliche Versamlung nicht aufzuhalten / seinem Befehle lieber gehorsamen; als ihre Fehler / und zugleich die Warheit denckwürdiger Begebenheiten verhüllen. August / sagte sie / mühte sich mit seinen gegen Asblasten bezeigten Verehrungen die Liebligkeit des von keinem Winter wissenden Campaniens zu überwinden. Er unterhielt sie mit den köstlichsten Speisen / mit freundlichsten Gesprächen /mit der freudigsten Gesellschafft; worunter die alle Menschen zu vergnügen mächtige Terentia das beste that. Ja Livia selbst befließ sich der mehrmahls einsamen und schwermüthigen Asblaste ihre traurige Gedancken zu benehmen; und hierzu sich der Beschaffenheit des Ortes zu bedienen / als welches [1188] der Römer Urtheil nach gegen dem rauen Deutschlande mehr für einen Himmel / als ein Theil des Erdbodens zu halten wäre. Wie sie nun den dritten Tag nach ihrer Ankunft an dem Meerstrande mit einander herum spatzierten; und von dem bey Surent gegen über liegendem Milch-Gebürge sie ein linder Ost-Wind abkühlete; fragte Livia Asblasten: Ob um diese Jahres-Zeit / da die Sonne in dem Zeichen der kalten Fische wäre / bey denen Cheruskern auch so sanffte Lüffte spielten? Ob die Bäume niemahls den lebhafften Schmaragd ihrer stets frischen Blätter einbüsten? Ob die Felder so viel Weitzen; die Hügel so süssen Wein; die Wälder so viel Oel und Granaten-Aepffel trügen? Asblaste antwortete Livien nach einem tieffen Seuffzer: Sie wüste dieser Gegend an sich selbst keinen Mangel auszustellen; Gleichwol aber glaubte sie: daß das von Liebligkeit und Fruchtbarkeit schwi ende Persien es Campanien wo nicht zuvor thäte; zum minsten selbtem gleich wäre. Nichts desto weniger hätte sie in dem für so rau geachtetem Deutschlande mehr Vergnügung / und zwar zur gri igsten Winters-Zeit / als in den Susischen Lust-Gärten bey dem Rosenreichen Frühlinge gefunden. Denn wie die Sonne unter einerley Striche nach Beschaffenheit des Bodens und der gelegenen Gebürge an einem Orte alles annehmlich befruchtete / an dem andern alles versengte / und gleichsam tödtlich wäre; also erquickte auch die Herrligkeit eines Ortes / und die vollkommenste Ergetzligkeit nur etliche / nicht alle Gemüther; sondern erfreute wie das Seitenspiel nur die Freudigen / und betrübte die Betrübten. Der Geruch der Jasminen / der Pomerantz-Blüten / und Arabiens Balsam stincke einen Gefangenen an; hingegen wäre der Soñenschein einer vergnügten Liebe so kräfftig: daß die Lufft unter der schneeichten Nordspitze nichts anders als Liebligkeit von sich hauchte / nichts geringers als Balsam von sich tröpfelte. Wenn sie aber / versetzte Livia / in diesem Eylande das Ziel ihrer Liebe gegenwärtig hätte; wolte sie noch nicht Deutschland hierum vertauschen? Denn die Liebe wäre ja keine Feindin der Anmuth / sondern diese vielmehr jener Amme. Sie wäre eine Tochter der Schönheit / eine Schwester der Liebligkeit / und eine Mutter der Ergetzung. Dahero die kluge Vorwelt ihr den GOtt des süssen Weines und die erquickende Ceres zu Unterhaltung ihres Zunders zugeeignet hatte; als ohne derer kräfftige Nahrung sie nicht nur bald lau würde / sondern gar erkaltete. Wie die blühende Jugend diesen sechsten Sinn besser / als das eysichte Alter unterhielte; also schiene ein annehmliches Land auch der Liebe anständiger zu seyn / als die unfruchtbaren Hecken der mitternächtigen Schnee-Gebürge. In diesen könte die Liebe ihren Flug nicht so rüstig verrichten; da Wind / Schnee und Frost ihre Flügel unbereglich machte. In diesem Eylande aber wäre das Jahr schier immer in seinem Sommer / die Sonne in ihrem Mittage. Daher auch die Liebe / welche ein zartes und nacktes Kind wäre / allhier ihrem Thun einen kräfftigern Nachdruck gebe /die Hertzen auch einen tauglichern Zunder ihre süsse Glut zu fangen in sich hätten. Diesemnach möchte ihr Asblaste doch alldar wol seyn lassen; wo die Lufft von dem gütigen Himmel derogestalt eingebisamt wäre: daß sie die Betrübten freudig; und die kältesten Hertzen verliebt machte. Das Verhängnüs beraubte zuweilen die Menschen eines Schatzes; wormit es selbten hernach einem vollko ener zuschantzen könne. Ihrer viel blieben nur deßwegen unglückselig; weil sie mit einer allzugrossen Hartnäckigkeit ihrem Verluste nachsähen; hingegen für dem ihnen neuauffgehenden Glücks-Sterne die Augen zudrückten. Kluge Liebe aber liesse diß endlich fahren; was das Verhängnüs ihm selbst aus den Händen windete / und unmöglich wieder zu erlangen wäre; umarmte aber die ihr mit lachendem Munde begegnende Gelegenheit neuer Vergnügung. Die tieffsinnige [1189] Asblaste hörte Livien nicht ohne Unvergnügen an. Denn ob sie zwar nicht zu ergründen wuste / wohin eigentlich ihr Absehen war; verstand sie doch deutlich genung: daß sie die Liebe ihres Eh-Herrn aus ihrem Hertzen zu tilgen anzielte. Gleichwol aber muste Asblaste diese lasterhaffte Versuchung verschmertzen und nicht mercken lassen; wiewol ihr hierdurch so harte ans Hertze gegriffen ward: daß sie die Rosen ihrer Keuschheit für noch empfindlichern Antastungen zu befreyen sich gleichsam mit folgenden Dornen einer solchen Antwort bewaffnen muste. Es gäbe nichts minder unterschiedene Arten der Liebe / als zweyerley Geschlechte der Thiere. Die weibische und wollüstige könte ihr keine raue Lufft lassen unter die Augen gehen. Sie liesse bey dem geringsten Ungewitter ehe / als die flüchtige Tulipane ihre Blätter fallen. Denn sie hätte in sich so wenig Oel der Tugend / als diese Blume Geruch; und beyde vergnügten nichts / als das einige Auge. Wenn sie nicht auf Rosen gienge / oder die Sonne ihr schiene / verfiele sie in Ohnmacht oder Verzweiffelung. Sie träte mit ihren verzärtelten Gliedern lieber in Unflat stinckender Laster / als auff den steinichten Weg der Treue und Ehre. Die Liebe der Weisen aber wäre männlichen Geschlechtes und kriegerischer Art. Tugend und Ehre wären ihre unzertrennliche Gefärthen. Verfolgung und Versuchung thäten ihr wenigern Abbruch; als die schäumenden Wellen den Korallen-Zincken. Ihre Flammen wären unausleschlich wie das Gestirne / und ewiger / als das die Vestalischen Jungfrauen verwahrten / und des alldar von ferne rauchenden Vesuvius. Die Winde / welche sich selbtes mühten auszublasen / machten ihren unverzehrlichen Zunder nur mehr lebhafft. Ja das Unglück prüfete nichts minder und reinigte diesen Schatz der Seele / als der Schmeltz-Ofen das Gold. Sie saugete aus der Wermuth ihrer Verdrüßligkeit eine Hertzstärckung; und ihr eigener Unfall dienete ihr zur Bewehrung ihrer Tugend / und zu Vergrösserung ihres Ruhms. Ja ihre einsame Schwermuth gäbe ihr ein bessers Labsal ab / als manche vielleicht in den Armen ihrer Liebhaber genüsset. Livie antwortete: Meine liebste Asblaste; sie suchet ihr Vergnügen in der Einbildung; und eine Glückseligkeit aus den Träumen. Ja sie erkühnte sich zu urtheilen: daß wie ihr Deutschland an statt der Trauben saure Schleen trüge; also auch ihr Gemüthe verwehnt zu seyn schiene die Galle der ängstigen Einsamkeit für den Zucker der süssesten Beywohnung zu erkiesen. Die Beständigkeit der ersten Liebe verdiente allerdinges ihr Lob; aber man müste aus ihr keinen Abgott; weniger sie ihm zur Henckerin machen; am wenigsten sich mit ihrem Schatten armen / und das neu-aufgehende Licht der Glückseligkeit mit ihrer Larve verhüllen. Meinet sie wol: daß sie den Tiberius Nero weniger / als Asblaste ihren Segimer geliebt? hielte sie ihr aber für übel: daß sie mit dem Kayser für einen Stern eine Sonne erkieset? Ja unverfälschte Gegen-Liebe findete sich selbst darein; und schaffete dem Auffnehmen ihres Geliebten keine Hindernüs. Diesemnach sie deñ ihr Nero mit lachendem Munde / und vergnügtem Hertzen dem Kayser selbst eingeantwortet hätte / um so wol ihm eine Staffel des Glücks / als ihr der Vergnügung zu bauen. Sie dencke diesem nach / wertheste Asblaste; und lasse ihr unter denen Vergnügten dieses Eylandes wol seyn. Sintemahl sie die Kayserin mehr für ihre Schwester / als eine Gefangene hält. Mit diesen Worten schloß Livie; als der Kayser mit Terentien ihnen an der Krümme eines Felsens begegnete; welcher denn alsofort erkundigte: mit was Livia eine so holdselige /wiewol betrübte Gästin unterhielte / und ihrem Bekümmernüsse abzuhelffen suchte. Livia antwortete: Die Fürstin Asblaste schöpfte Vergnügung aus der Schwermuth; und hielte für seliger den Rücken / [1190] als das lachende Antlitz des Glückes zu sehen. Also besorgte sie: daß ihre freudige Unterhaltung ihr mehr zu wieder / als vergnüglich fallen dörffte. Asblaste versetzte: Sie wäre der Kayserin für so viel unverdiente Gnade nichts minder / als dem Kayser selbst verbunden; würde daher durch deren Ausschlagung sich derselben nicht unwürdig; noch auch mehr unglückselig machen. Und ob sie zwar noch in denen Gedancken wäre: daß Liebe und Tugend beym Unglück weder ihr Wesen noch ihre Vergnügung einbüsten; verdammte doch diese Meynung nicht eine anständige Ergetzligkeit; wiewol ihr beyde beym Wolergehen in gefährlicherm Zustande zu seyn schienen; als bey schmertzhafften Begebnüssen; welche sie von Kind auff derogestalt abgehärtet hätten: daß ihr Hertze als ein Amboß auch die schweresten Ha erschläge des Unglücks kaum mehr fühlte. Weil nun die Gewonheit so gar die Eigenschafften der Natur zu verändern vermöchte; wäre sich so viel weniger zu verwundern: daß eine Betrübte sich in ihr eigenes Leid verliebte / und aus ihren Thränen Wollust schöpffte. Terentia begegnete Asblasten mit einer besondern Freundligkeit; meldende: Sie hätte ihr zwar als eine Meinung der Stoischen Weltweisen fürtragen lassen: Das Unglück wäre das eigentliche Element der Tugend / wie das Feuer der Salamandren. Wind und Hagel wäre ihre Frühlings-Lust; Donner und Ungewitter ihr Sommer; ja wäre die Verfolgung nicht die rechte Mutter der Tugend / so wäre sie zum minsten ihre Amme und Pflege-Mutter. Alleine sie hätte in der Schule ihres Mecenas gleichwol begrieffen: daß zwar die Tugend von einigen allzusauersehend und abscheulich / mit Fässeln an Arm und Beinen / mit trieffenden Augen / zerritzten Wangen / kahlen Schläfen / und hertzklopffenden Brüsten gemahlt würde. Der gütige Himmel aber hätte sie nicht in brennende Nesseln verdammet; sondern sie könte ohne Versehrung auf Rosen und Seide schlaffen; ja bey grossem Glücke mehr / als ein Unglücke ihre Standhafftigkeit bewähren. In alle Wege /antwortete Asblaste / hat die Tugend mit der Glückseligkeit keine ewige Ehscheidung vor. Sie sitzet auf Königs-Stülen und Helffenbein; sie ist umhüllet mit Purper und Perlen; und hat wie die Gestirne so viel kräfftigere Würckungen / ie höher sie erhoben steht. Aber eben darum / weil die arglistige Glückseligkeit ihr als eine Meuchelmörderin nachstellt / sie als eine Kuplerin zu Falle zu bringen trachtet; und die / welche im Unglücke keinen Fehltritt gethan; beym Wolergehen verterbet werden; stehet die Tugend also denn an der gefährlichsten Spitze. Hingegen wird sie bey Wiederwärtigkeit / wie die Rosen in Nesseln; wie die Leichen in bitteren Myrrhen und Aloe für der Fäulnüs bewahret. Ja sie ist dißfalls dem Wasser zu vergleichen; welches durch stete Bewegung gut behalten /durch stille stehen madig / und stinckend wird. Denn die Tugend ist kein Ding zum Ansehen / und für die Faulheit; sondern eine lebhaffte Würckung / zum Kampffe und Siegen geneigt. Weßwegen sie bey denen Deutschen allezeit gewaffnet; zwischen denen Dornen und auf gähen Stein-Klüfften fürgebildet wird. Ihre Wohnung ist von zerschmetterten Schiffen; vom Grause der Königreiche; und von Felsen bereitet / die der Blitz eingeäschert hat. Daher wie die Klugheit eines Steuermannes anders nicht / als bey krachenden Winden / bey schäumenden Wellen / und donnernden Wolcken; die Güte eines Artztes bey Zerschmetterung der Glieder / beym Krebse und kalten Brande; eines Kriegsmanns in blutigen Treffen / nicht auf dem Tantzbodem bewähret wird; also sieget die Tugend auch unter Schweiß und Staube; und erwirbet ihre Siegs-Kräntze nur mit verspritztem Blute und trieffenden Wunden. Mir ist noch niemahls eine geschminckte nach Zibeth und Ambra rüchende [1191] Tugend auf dem Schau-Platze der Ehren zu Gesichte kommen; und ich habe noch niemanden einen Siegs-Krantz errennen gesehen; der auff dem Haupte einen Rosen-Krantz / in der Hand einen Sonnen-Schirm / am Gürtel einen Spiegel / und an Füssen eingebisamte Schuh getragen. Die Vollkommenheiten der Menschen sind ohne diß keine Diamanten ohne Mängel / keine Sternen ohne Flecken. Diesemnach hat sie eben so wol /als jene das Unglück zur Feile / und als diese das Feuer des Trübsals zur Reinigung von nöthen. Auch die Gebrechen des Leibes lassen sich selten mit Rosen-Zucker und Jasmin-Oele heilen; man müste die Wunden mit Eßig auswaschen / die Blutstürtzungen mit glüenden Eisen stillen / die vom Krebse angefressene Glieder mit Sägen abstossen. Wie viel weniger läst sichs mit verzärtelndem Liebkosen dem fressenden Wurme der Wollust begegnen. Und die Schönheit der Seele bestehet nicht in Spanischem Anstriche und bereiteter Zinober-Schmincke; sondern in einer Reinigungs-Salbe / welche von zusammen gemischtem Blute der Hertzhafften / denen Thränen der Gedultigen / und der Asche der Beständigen zubereitet wird. Terentia hörte der eifrigen Fürstin Asblaste mit Lust zu; warff ihr aber ein: Sie begehrte dißmahl der gemächlichen Tugend nicht das Wort zu reden; noch der durch Ungemach abgehärteten den Vorzug strittig zu machen. Alleine mit der Liebe schiene es eine andere Beschaffenheit zu haben. Denn diese wäre das zärteste Schoos-Kind der Seele; welches durch Anmuth gebohren würde; und daher bey rauem Ungewitter unzweiffelbar vergehen müste. Alles Absehen zielte auf die Ergötzligkeit; und daher stünde das Ungemach ihr so wenig zu einem Bräutigam / als ein raues Schnecken-Hauß der Perle zu einer Geburts-Stadt an; welche nur in Purper-Muscheln geboren seyn wolte. Asblaste begegnete Terentien mit nicht geringerer Freundligkeit: Sie liesse ihr die Vergleichung der Liebe mit den Perlen allerdinges gefallen. Aber auch diese würden zwischen dem bittern Saltze der grimmigen Wellen gezeuget. Die Edelgesteine würden aus heßlichen Stein-Klüfften / das Gold aus den finstersten Schachten der Ertz-Gruben gezogen; und durch Feuer und Stahl in sein Wesen versetzt. Ja die Liebe hätte nicht nur alle andere Tugenden zu ihren Gespielen; sondern sie selbst stünde als eine herrliche Schnate auff dem edlen Stamm der Tugend eingepfropfft / sie selbst wäre die Krone oder der Mittel-Punct der Tugend; und also zwischen diesen unzertrennlichen Ehgatten kein Unterscheid zu machen; Da man nicht eine Hirnße für eine Biene / und einen stinckenden Wiedehopff für einen Paradis-Vogel verkauffen wolte. Die Liebe der großmüthigen Panthee würde mit ihrem Atheme verraucht seyn; wenn sie nicht lieber auff der Leiche ihres Eh-Herrn des Ruhms würdig gebliebnen Abradates erblichen / als des siegenden Persers Begierden ersättigen wollen. Die Liebe der keuschen Camme würde keinen Schatten einigen Gedächtnüßes haben; wenn sie nicht die Fackel einer Unholdin / und das Geschoß des Todes ihr zugeeignet; und mit dem Blut-Opffer des geilen Sinorix den Geist ihres treuen Ehgatten Sinnates versöhnet hätte. Und in Wahrheit / der Himmel könte ihre zum Segimer tragende Liebe mit keinem herrlichern Ehren-Krantze schmücken; als wenn sie die Lilgen der Keuschheit mit dem Blute ihrer unausleschlichen Treue bepurpern könte.

Diese nachdrückliche Erklärung machte alle Anwesenden stumm / Asblasten etwas mehr entgegen zu setzen. An statt aber: daß des Kaysers angeglommene Liebe / als ein verzweiffeltes Ding hätte verleschen sollen; ward sie hierdurch noch viel hefftiger entzündet. Denn diese Gemüths-Regung hat die Art der glüenden Steine; die das Wasser in mehr Dampff und[1192] Hitze verwandeln / wormit man sie ausleschen will. Weßwegen die vorsichtige Asblaste am Kayser ein und andere bedenckliche Veränderung wahrnahm /und Liviens Anmuthungen ausser Zweiffel auf ihn gedeutet hätte; wenn anders der Warheit ähnlich gewest wäre: daß eine Eh-Frau ihrem Eh-Manne selbst Kebs-Weiber zukoppeln solte. Wiewol wir hernach umständlich erfuhren: daß August sein voriges Eh-Weib Scribonien aus keiner andern Ursache; als weil sie ihren Nebenbuhlerinnen nicht die Obmäßigkeit enthängen wolte / an dem Tage / da sie ihm doch eine Tochter gebahr / verstossen / Livia aber ihn dardurch gleichsam bezaubert hatte: daß sie nicht nur mit keiner eiverte; sondern die schönsten Frauen und Jungfrauen selbst in sein Bette führte; ja nicht anders als der berühmte Magde-Krämer Thoranius alle vorher fingernackt entkleidete Kebs-Weiber genau prüsete: Ob sie Augusten zu vergnügen auch fähig seyn würden? Gleichwol / als Asblaste zu mir / fuhr die Gräfin von der Lippe fort / in ihr Zimmer kam; fiel sie mir thränende um den Halß / und fieng an: Wir sind leider verlohren! und denen Sirenischen Schiffsbruch-Klippen viel näher; als uns der Augenschein jene dort in dem Meere herfür zeiget! Denn die Liebkosungen der Livia sind ein tödtendes Zauber-Lied; welches nach verlohrner Freyheit auch meine Ehre in den Abgrund stürtzen will. Sie erzehlte mir hierauff alle Unterredungen / welche ich ihr aber noch zum besten ausdeutete.

Folgenden Morgen kam Livia zeitlich ins Zimmer /und nahm Asblasten mit in das Gemach des Kaysers; welcher der bey ihm versa leten fürnehmen Gesellschafft fürtrug: daß er die auff dieser Ziegen-Insel gelegene zwölff Vorwerge denen zwölff obersten Göttern gewiedmet hätte; und also solten sie looßen / was für eine göttliche Person ieder seiner Gäste fürzustellen / und also nicht nur iedes Vorwerg nach eines gewissen Gottes Nahmen zu nennen / sondern auch eine ihm anständige Ergötzligkeit anzustellen hätte. Der Kayser grieff zum ersten / und zohe das Zeichen des Apollo / Tiberius des Saturn / Drusus Jupiters / Metänas des Mercur / Lucius des Mars / und Cajus des Neptun; Livia der Ceres / Asblaste der Vesta / Julia Dianens / Terentia der Juno / Antonia der Venus / und endlich Pola / Agrippens Schwester / Minervens herfür. Noch selbigen Tag fuhren sie durch das gantze Eyland / und muste iedes ein Lust-Hauß so wol seinem Gotte / als zu seiner vorhabenden Lust erkiesen. Der Kayser aber bestellte seine zwey Freygelassenen Diomedes und Euceladus: daß sie alle Nothdurfft auff Befehl dieser vergötterten Menschen überflüßig herbey schaffen musten. Die prächtigen Kleider und alles / was zu ihrem Auffzuge gehörte / waren ohne diß im Vorrathe dar. Den ersten Tag geschahe der Zug auf das dem Jupiter zugeeignete Vorwerg. Mecenas als der Mercur und der Bothe der Götter fuhr auf einem gantz goldenen Wagen voran / welchen drey weiße Wieder zohen / derer Hörner und Füsse vergüldet /die Köpffe mit Burtzel-Kraut bekräntzet waren. Am Hintertheile des Wagens gläntzte der gestirnte Krebs. Sein Kleid war vorwerts gläntzend Silberstück; am Rücken Eisenfarbicht; weil er bald zu denen himmlischen bald höllischen Göttern abgefertigt wird. Die Füsse und Schläffe waren geflügelt; um seinen Herold-Stab flochten sich zwey einträchtige Schlangen. Neben ihm saß ein Hahn / an dem Arme hieng eine güldene Kette; wormit er der Menschen Ohren anfässelt / und wohin er wil leitet; er aber spielte auff der von ihm erfundenen Leyer. Hierauff folgte Drusus als ein Jupiter in flammendes Goldstücke gekleidet. In der rechten Hand führte er den Blitz; an dem lincken Arme den Argis-Schild mit dem darum gespannten Ziegenfelle. Der Wagen war ziervergoldet [1193] / und schimmerte nichts minder / als das Kleid und Krone mit Diamanten. Hinten war der gestirnte Löw daran gebildet. Er ward von zwey weissen Bären geführet; als welche Jupitern auch sollen gesäuget haben. Zu seinen Füssen saß ein starcker Adler. Nach diesem ließ sich Terentia in Gestalt der Juno in einem blauen Silberstücke mit einer von Schmaragden strahlenden Krone / und einem derogestalt versetzten Königs-Stabe sehen. Auf der Seiten saß ein Pfau und eine Ganß; zu ihren Füssen stand ein güldener Krug mit allerhand Reichthümern erfüllet. Ihren mit güldenen Sternen bestreuten blauen Wagen / daran der gestirnte Wassermann geetzt war / zohen zwey weisse Kühe; als in welche sie sich in der Flucht für den Riesen verwandelt haben soll. Die vierdte war Pola dißmahl die Göttin Minerva / mit einem güldenen Helm und Harnische bedeckt. In der rechten Hand führte sie eine Lantze / in dem lincken Arme einen Spiegel glatten aus einem Stücke Berg-Kristallen geschliffenen Schild. Auff der Brust war der Nattrichte Gorgons-Schild zu sehen. Hinter ihr saß eine Nacht-Eule. Der mit grünen Oel-Zweigen umwundene / und mit eitel goldenen Drachen geetzte helffenbeinerne Wagen ward ebenfalls von zwey künstlich bereiteten Drachen gezogen; welche Pola mit denen Füssen leicht und unvermerckt bewegen konte. Das Hintertheil des Wagens gläntzte mit dem gestirnten Wieder. Hierauff erschien Cajus / und bildete in einem blauen von silbernen Schupen überdeckten Kleide; mit schwartz-nassen Haaren / grossen blauen Augen / einer silbernen Dreyzancks-Gabel den Neptun ab. Er fuhr auff einem in Gestalt einer Muschel / und mit eitel Purper-Muscheln / Perlen / Perlen-Mutter und Corallen überdecktem / auch mit denen gestirnten Fischen gläntzenden Wagen; welchen hinten zwey Wasser-Pferde; zuförderst zwey Meer-Kälber unterstützten. Diesen zohen zwey blauschimmlichte und von Wasser trieffende Pferde. Entweder weil seine Mutter Rhea statt seiner dem Saturn ein Pferde-Fülligen zu verschlingen gegeben; oder weil Neptun zum ersten die Bändigung und den Gebrauch der Pferde gelehrt; oder auch / weil er in Pferdes-Gestalt die Ceres geschwängert haben soll. Diesem Wasser-Gotte folgte in Gestalt der Ceres die Kayserin Livia. Sie hatte einen grünen mit Gold und silbernen Blumen bestreuten Atlas an. Um den Leib einen mit drey hundert und sechzig edlen Steinen besetzten Gürtel / derer ieder einer andern Art war; Die Zahl aber auff die Abtheilung der Erd-Kugel zielte. Ihr Krantz war nur aus Myrten-Blättern / Narcissen / Mah- und Safran-Blumen geflochten / aber mit den kostbarsten Schmaragden umwunden. In der lincken Hand hatte sie ein Gebund Aeren / in der rechten eine brennende Fackel; gleich als wenn sie noch ihre Proserpina zu suchen ausreisete. Der Wagen war ein auff vier verdeckten Rädern stehender / mit allerhand Garten-Gewächsen aufgeputzter Garten; welchen dem Ansehen nach zwey grosse Schlangen zohen. An den Pforten war die gestirnte Jungfrau köstlich gemahlt. Diesemnach folgte in der Mitten der Kayser selbst als das Ebenbild des Apollo oder der Sonne. Sein Haupt und Mantel blitzte gleichfalls; weil man nichts als Rubinen zu sehen bekam. Seine Haare waren mit güldenen Heimen oder schreyenden Heuschrecken vermenget. Der an der Seite hängende Köcher / und der über der Achsel liegende Bogen ward allein mit schütternden Diamanten; der von den grossen Hiacynthen-Blumen und Lorber-Blättern geflochtene Krantz aber mit gleichmäßigen Edelsteinen bedeckt. Er saß auff einem güldenen Dreyfuße / und spielte auff der Laute. Der Wagen stand hinten auf zwey güldenen Greiffen / vorwerts aber lag er auf einem sich bückenden Schwane; in seinem Spiegel schimmerten [1194] die gestirnten Zwillinge / und er ward von vier schneeweissen Pferden gezogen. Dem Kayser folgte unmittelbar die schöne Asblaste in Gestalt der feurigen Vesta; welche Vertretung sie ihr für ein von dem Glücke zugeschicktes Glück auffnahm; weil diese Göttin eine Auffseherin der Keuschheit und Jungfrauschafft seyn soll. Sie hatte einen Rock an mit eitel gläntzenden Edelsteinen besetzt; welche gleichsam rechte Feuer Strahlen von sich warffen. Auff der Scheitel trug sie einen Krantz von weissen Blumen. Insonderheit zierte sie ein Stirn-Band von Rubinen /welche das selbst-ständige Feuer zu seyn schienen. Für ihren Füssen als einer Gebieterin der Winde lag eine runde Kessel-Paucke. Der Wagen bildete ein Altar / für welches rings herum ein aus Zimmet /Weyrauch und Agstein gemachtes Feuer erhellete / die Lufft mit köstlichem Geruch erfüllte / und also Asblaste gleichsam mitten im Feuer zu sitzen schien. Hinten war der gestirnte Steinbock eingeetzt; und ward alles diß von zwey gezähmten Löwen geführt. Asblasten folgte der in den Mars vermummte Lucius. Sein Kleid war ein blancker und ziervergoldeter Harnisch. Auf dem Haupte hatte er einen Krantz von gemeinem Grase; welches von Menschen-Blute am meisten wachsen soll. In der einen Hand einen Spieß / in der andern eine Fackel. Auff der einen Schulter saß ihm ein Specht / auff der andern ein Geyer / um ihn herum lag allerhand Kriegs-Zeug. Er fuhr auf einem gesichelten Streit-Wagen / welchen vier Wölffe zohen; hinten aber der gestirnte Scorpion zierte. Hierauff erschien in dem Bilde der keuschen Diana die geile Julia. Ihr Kleid war grünes Silberstück. Auff der Stirne hatte sie an statt des Krantzes einen halben Mohnden; welcher von denen köstlichsten Opalen über und über besetzt war. An der Achsel hieng ein mit Schmaragden besetzter Bogen; an der Seite ein gleichmäßiger Köcher voller Pfeile; Um den Leib einen Gürtel mit Opalen besetzt; In der rechten Hand führte sie einen Jäger-Spieß; Sie aber auff einem güldenen Wagen / daran der gestirnte Schütze seine Pfeile abschoß / zwey weisse Hirschen. Hinter dieser unkeuschen Diana kam Antonia in Gestalt der Venus. Ihr Kleid war purpern / und darauff das Gerichte des Paris mit Perlen gestückt. Um ihren Hals hatte sie ein Halsband von Perlen in der Grösse der Hasel-Nüsse. Der auff das Haupt gesetzte Rosen- und Myrten-Krantz starrte nichts weniger als die Purper-Muschel /darauf sie saß von Perlen. Sie war mit einem güldenen Bogen / Köcher und Pfeilen ausgerüstet. In der einen Hand hatte sie eine weisse Wachs-Fackel / in der andern einen güldenen Apffel. Für ihr gab ein güldenes Geschirr einen wolrüchenden Rauch von sich. Hinter ihr stand ein Liebes-Gott mit einem Sonnen-Schirme; vorwerts fachete ihr einer mit Pfauen-Federn Lufft zu. Ihr Wagen war wie eine Purper-Muschel bereitet; daran hinten der gestirnte Ochse gebildet stand. Sie bewegte ihn durch künstliche Gewichte gleichfalls mit den Füssen: daß es schien; als wenn ihn die angespannten Schwanen fortzügen. An statt des sonst in die Zahl dieser zwölff Götter gehörigen Vulcans ward der sauersehende Saturn aus einem sich hernach ereignendem Absehen; oder durch den Gegensatz seiner Heßligkeit die ihm vorgehenden Zierrathen desto annehmlicher zu machen / auffgeführet; das Loß hatte den sauersehenden Tiberius gleichsam durch eine weise Erkiesung hierzu bestimmet; hier aber der Venus unmittelbar beygesellet; entweder weil auff ihre Uppigkeit meist traurige Bestürtzungen folgen; oder weil sie aus denen dem Saturn vom Jupiter abgeschnittenen und ins Meer gefallenen Geburts-Gliedern soll gezeuget worden seyn. Er war gebildet wie ein blasser und Eys-grauer Alter; in der einen Hand hatte er eine Sichel; welcher Erfinder er gewesen; in der andern eine gekringelte [1195] sich in den Schwantz beissende Schlange; weil sein Gestirne im Himmel zurücke laufft; oder er die sich selbst auffressende Zeit andeutet. Sein Kleid war bleyfarbicht; auff dem Haupte hatte er einen tunckeln mit Napell bekräntzten Helm. Der Wagen war theils mit Schnee angefüllt / theils mit Eys überzogen; theils mit Fleder-Mäusen / Kröten / und Spinnen gemahlet. Hinten war die gestirnte Wage zu sehen; dieser aber ward von zwey langsamen Eseln gezogen.

Der freudige Drusus / als Jupiter / gab seinen Gefärthen in der mit gläntzenden Wolcken umzohenen Höhe eines grossen Saales ein kostbares Götter-Mahl; und ließ sie zwölff edle Knaben / und so viel vierzehnjährichte edle Mägdlein alle fingernackt bedienen. Jene nennte er Brüder des Ganymedes / diese Schwestern der Hebe. Nach der zwischen dem Gethöne der lieblichsten Seiten-Spiele vollbrachten Mahlzeit / bey welcher ein linder Balsam-Regen seine Gäste fort für fort anfeuchtete / und den gantzen Saal mit wol hunderterley Geruch wechselsweise anfüllete / stellte er ihnen auff dem daran gelegenen mit eitel fruchtbaren Bäumen bewachsenem Hügel einen Auffzug von zwantzig Satyren und so viel Schäfferinnen auf; weil Jupitern diese gesäugt; in einen Satyr aber sich selbst verwandelt hat. Diese brachten die Amaltheische Ziege mit vergüldeten Hörnern / und Amaranthen-Kräntzen als ein besonder Heiligthum aufgeführet; und bey ihrem künstlichen / aber geilen Tantze kam diese abgerichtete Säuge-Ziege des Jupiters allezeit mitten im Kreiße zu stehen. Hierzu wurden alle Buhler-Geschichte des Jupiters gesungen / und zuletzt alle Thiere in Reyen bracht; in welche sich der verliebte Jupiter iemahls verstellt haben soll. Diese Kurtzweilen waren der Anfang / wordurch man der keuschen Asblaste die Römischen Uppigkeiten angewehnen wolte.

Folgenden Tag verrückten sie auf das Vorwerg des Mercur. Mecenas richtete in einem Lust-Garten auf einer Bühne / welche mit denen kostbarsten Persischen Tapezereyen / und künstlichsten Mahlwercken bekleidet; in diesem aber die Verspritzung der aus der Juno Brüsten gesogenen Milch / die Einschläffung des Argos und alle andere Thaten des Mercur gewebt oder gebildet waren / eine kostbare Mahlzeit aus. Ja weil dem Mercur nebst Milch und Honig die Zungen gewiedmet sind / gab er in der ersten Tracht vier und zwantzig Schüsseln voller Zungen; von allerhand Thieren und Fischen. Am höchsten aber wurde geschätzt eine in der Mitte stehende güldene Schüssel /welche mit Phönicopter / Papegoyen-Zungen so hoch angefüllt war: daß sie eine Spitz-Seule machten. Nach dem Mahl ließ er / als ein Erfinder der Fecht-Schulen / allerhand Streit- und Kampff-Ubungen sehen; in welchen fürnehmlich der sieghaffte Streit des Mercur mit zwölff Liebes-Göttern / und wie er sich wegen Penelopens in einen Bock verwandelte / fürgestellet ward. Welch letztes Getichte ihr die Fürstin Asblaste artlich gegen Livien nütze machte; in dem sie ihr bey Einlobung fürgestellter Geilheiten einhielt: Weil die Götter / wenn sie sich durch Wollüste verleiten liessen / in Böcke verwandelt würden; wäre kein Unthier so heßlich; das einem unzüchtigen Menschen gleichte. Ja sie stellte es auch so klüglich an: daß unter dem Getümmel der Fechtenden ein Deutscher dem auf dem Schau-Platz vorher / und hernach zu der Götter Taffel geführtem Bocke diese in Rinde gegrabene Reymen anhieng:


Die einem Milch zutrinckt / und nichts als Blut gewehrt /

Die / den sie lachet an / verwundet und verzehrt /

Die uns mit Zucker lockt / mit güldnen Körnern streut /

Und dem / der kommt / von Stahl Hals-Eisen leget an /

Die Datteln kehrt in Gifft / das Seelen tödten kan /

Diß ist der Basilisk' und Bock / die Uppigkeit.


[1196] Unterdessen verdiente Mecenas das Lob: daß alle seine Erfindungen tieffsinnig / alle Anstalten prächtig / alle Uberschrifften nachdencklich waren. Denn an diesem Liebhaber guter Künste hiengen so viel geschickte Köpffe; welche die Welt mit ihrer Geschickligkeit hätten betheilen können. Weßwegen sie dem Mecenas ins gemein nachrühmten: Er wäre ein Maulbeer-Baum / von dessen Blättern sich viel Seiden-Würmer sättigten. In dem Vorwerge der Juno gab Terentia oben auff dem Lust-Hause unter freyem Himmel ihr Gast-Mahl; weil diese Göttin keine Einschlüssung duldet; und daher ihre Tempel auch kein Dach haben. Sie hatte aber gleichwol von eitel Pfauen-Schwäntzen so artliche Sonnenschirme gemacht / welche theils die Strahlen auffhielten / theils von schönen Knaben gezogen wurden / und denen Gästen Lufft zufachten. Sie stellte ihnen auch das der Juno zu Ehren in Elis aufgebrachte Wettelauffen an; Da nehmlich zu erste zwölff siebenjährige Mägdlein um einen gantz güldenen Apffel / hernach dreyzehn zehnjährige um eine Schnure grossen Perlen / drittens vierzehn zwölffjährichte um einen köstlichen Ring; gleich als wenn sie durch diß Merckmahl der Frauen nunmehr fähig erkläret würden die Dienstbarkeit der Einsamkeit zu verlassen; Vierdtens vierzehn funfzehnjährichte Jungfrauen um der Juno selbst eigenes mit Edelgesteinen versetztes Bild nach dem Ziele lieffen. Sintemahl Juno sich von so vielen ordentlich hat bedienen lassen. Endlich erkiesete Terentia auch sechzehn Frauen; darunter die sechs Göttinnen sich selbst verfügten / und mit den übrigen nach einer mit Diamanten reichgezierten Lilgen-Krone um die Wette rennen musten. Unter denen die hurtige Asblaste den Preiß erwarb. An eben diesem Tage brach die zwischen dem Tiberius und der Julia vom Kayser beschlossene Heyrath aus. Denn nach dem die Juno die Vorsteherin der Hochzeiten ist / musten bey ihren Spielen alle ihnen einen Ehgatten zueignen lassen. Dahero als Terentia auff Anstifftung Liviens die verwittibte Julia dem Tiberius überliefferte; und Tiberius schertzweise fragte: Ob die keusche Diana und der gramhaffte Saturn nun auch zur Vermählung taugten? antwortete der Kayser: Der Pöfel heyrathet nach seiner Zuneigung; Fürsten und Götter aber zu ihrem Vortheile. Daher wollen wir heute aus dem Schertze Ernst; und aus dem Spiele eine Hochzeit machen. Ließ also Terentien in einer güldenen Schachtel den Heyrath-Brieff herbringen; welchen Tiberius und Julia derogestalt ohne Bedencken unterschreiben muste. Die Priester waren auch bald zur Stelle; welche mit ihrer Einsegnung und Opffern dieser zweyer Eh vollkommen machten; ehe sie selbst wusten: daß sie Verlobte wären. Zwischen dieser wahrhafften Vermählung ward gleichwol die Kurtzweil nicht vergessen; und die feurige Vesta dem brennenden Apollo / nehmlich Asblaste Augusten zugesellt. Bey welcher Gelegenheit der Kayser nicht vergaß gegen dieser deutschen Fürstin die Flammen seiner verliebten Seele mit vielen Seuffzern / liebreitzenden Gebehrden / und nachdrücklichen Worten auszuschütten; ja so gar Asblasten zu versichern: daß seine mit ihr angezielte Vermählung ihm ernstlicher / als des Tiberius wäre; er auch sie über die Ehren-Staffel aller hocherhabenen Liebhaberinnen zu versetzen gedächte. Welches alles aber die schlaue Asblaste für ein Spielwerck auffnahm; und / ob sie zwar des Kaysers Absehen mehr als zu viel verstand / ließ sie sich doch nichts mercken. Sintemal sie diesem mächtigen Buhler mit Ungestüm zu begegnen nicht für rathsam hielt / sondern alles mit dem Schatten der blossen Kurtzweil verhüllte; in Augustens Versuchungen ein Lachen gab; und als Terentia [1197] zuletzt in einem grossen Saale das auffgehenckte Bild der Juno mit zweyen an den Füssen hängenden Ambossen; hingegen des Jupiters aufgethröntes Bild fürstellete / und die anwesenden Götter an einer güldenen Kette diesen Jupiter vom Himmel zu ziehen veranlaste / für dißmahl Gelegenheit sich seiner zu entbrechen bekam. Den vierdten Tag ergetzte Pola diese Götter-Gesellschafft auff dem Vorwerge Minervens. Sie ließ die Taffel in einem wunderschönen Garten unter eitel Oel-Bäumen / derer Blätter sie hatte die Helffte vergülden lassen /anrichten. Die Speisen wurden alle zu siebenen aufgetragenen; und keine ohne Oel und köstlichen Balsam zugerichtet. Die höchste Vergnügung aber brachte den Zuschauern ein künstlicher Streit siebenmahl sieben auff Amazonisch gerüsteter Frauen-Zi er; welche mit so viel Mohren sich zu Pferde und Fuße herum schlugen; und endlich ihren Krieg in einen künstlichen Pferde-Tantz verwandelten. August / der sich zu Asblasten ans Ende eines Spatzierganges niedergelassen hatte / setzte ihr abermahls mit seinen Versuchungen zu; rühmte die Glückseligkeit der Amazonen; welche mit ihrer Liebe niemahls iemanden die Herrschafft über sich eingeräumt / noch die Freyheit sich an neuen Sternen zu erquicken begeben hätten. Asblaste hingegen schalt ihre ungezähmte und dem weiblichen Geschlechte unanständige Herrschenssucht; als welches ohne den Glantz ihrer Männer so wenig / als der Mohnde ohne die Strahlen der Sonne Licht hätten. Sie schalt ihre Verwechselung der Liebhaber / als eine blosse Geilheit; und daß die reine Liebe so wenig zweyerley Ziel / als der Magnet ein anders Ende / als die Nordspitze erkiesen; noch die Sonnenwende einem andern Gestirne / als der Sonne nachsehen könte.

Den fünfften Tag fuhren sie auf das Lust-Hauß des Neptun; welches denen Sirenen-Inseln gegen über auf einem rings umher vom Meere umströmten Stein-Felsen lag. Der als ein Wasser-Gott auffziehende Cajus fuhr dieses mahl voran; und nach dem er mit seinem Dreyzanck-Stabe ins Wasser geschlagen hatte /kamen hinter denen Klippen eine Menge Tritonen und Wasser-Götter herfür / und dem Neptun entgegen geschwummen. Als er noch einmal ins Meer schlug /ließ sich seine Gemahlin Amphitrite sehen. Sie fuhr auff einer grossen Purper-Muschel; welche auswendig / so weit sie das Wasser nicht deckte / mit Schilffe /Mooß und Korallen-Zincken bewachsen war; und von zweyen abgerichteten Delfinen gezogen ward. Ihr folgten zwölff güldene Nachen mit purpernen Segeln /und silbernen Rudern; auf derer iedem zwey Wasser-Nymphen die Schiffarth bestellten. So bald diese ans Ufer sich näherten / neigte sich Amphitrite gegen denen zwölff Göttern; Die Delfinen wendeten sich gleich um; die Nymfen aber nöthigten die Götter in ihre Nachen und führten sie zwischen dem Gethöne der umher schwimmenden Tritonen auff den Steinfelß; da sie denn allererst Amphitrite bewillkommte. Weil sie noch am Ufer standen / erschien Glaucus / und hatte wol dreyhundert theils mit Netzen / theils Angeln / theils Wurff-Spiessen ausgerüstete Fischer hinter sich; welche in einem Augenblicke durch allerley Arten nicht nur eine grosse Menge /sondern auch die seltzamsten und sonst in diesem Meere nicht zu fangen gewöhnliche Fische denen Zuschauern für ihre Füsse liefferten; also: daß diß mehr einer Zauberey als einem Fischfange ähnlich war. Es hatte aber Cajus allhier zwischen der Ziegen-Insel und diesem Felsen das kaum zwölff Schuh tieffe Meer mit Netzen genau besetzen / und in dieses Gefängnüs alle anderwerts hergebrachte Fische einsperren lassen. Die Taffel war oben auff der Spitze des Felsen / und also mitten im Meer gehalten; und zwar nichts / als was aus dem [1198] Meere kommt / aber die aller niedlichsten Speisen auffgesetzt. Bey währender Mahlzeit liessen die um den Fels schwermenden Sirenen sich mit denen lieblichsten Seitenspielen und Gesängen hören. Nach vollbrachter Taffel fügten sie sich an ein ander Ufer; da sie denn in dem Meere zweyhundert künstliche Schwimmer in Gestalt der Tritonen gegen einander zu einem Kampffe fertig fanden. Das wunderwürdigste war: daß als Neptun auff einer Muschel zwischen sie in die Mitte fuhr / und seinen Dreyzancks-Stab in das Meer stach; alsofort an selbigem Orte ein kleiner Felß durch Kunst herfür kam; auff welchem sich ein gantz silberner Triton zeigte; welcher in ein Streit-Horn bließ / und denen gegen einander gerüsteten das Zeichen zum Kampffe gab. Dieser ward mit der vollkommensten Ordnung / und mit den seltzamsten Abwechselungen bewerckstelliget / endlich aber / als die untergedrückten Besiegten nicht anders als wie Endten aus dem Wasser wieder empor kamen; und der silberne Triton auff einer Leyer zum Zeichen des Friedens zu spielen anfieng / dieser Streit eben falls in einen Wasser-Tantz verkehret. Nach dieser Lust ward in einem grossen Wasser-Kefichte ein aus Egypten überbrachter Krocodil und ein Wasser-Pferd loß gelassen; auff welche dreyhundert auf schnellen Nachen ankommende Fischer mit eisernen Hacken und Wurff-Spiessen loß giengen; iedoch ehe sie ihre Thiere erlegten / vor etliche Gefärthen dem Rachen des seine Todten vorher beweinenden Krocodils aufopffern musten. Hierüber rückte die Nacht herbey /der Himmel ward voller Sternen / das stille Meer ein kristallener Spiegel; also: daß durch den Gegenschein der Himmel eine blaue See / die See ein gestirnter Himmel zu seyn schien. Amphitrite nöthigte die versammleten Götter auch auff ihren Wiesen einige Ergötzung zu genüssen. Wie denn auff zusammen gefügten Schiffen ein schwimmendes / und mit allen nur ersinnlichen See-Kräutern / Muscheln / Schnecken /Korallen / Agstein bedecktes Eyland ans Ufer stieß /und die eingeladenen Gäste auffnahm. Sie setzte mehr nicht als eine grosse und zwey kleinere Schüsseln aus Perlen-Mutter auff; in der grossen lagen zweytausend Sorten außerlesener Fische / in der einen kleinen nichts als Milch von Murenen; in der andern lauter Scarus-Lebern; welche ihrer Köstligkeit halber Jupiters Gehirne genennt wurden. Bey dieser Ergetzligkeit ward noch die Farth des Ulysses / und der sich ins Meer stürtzenden Sirenen fürgebildet. Zuletzt aber diese schwimmende Insel in so viel Theile zerrissen: daß nur zwey und zwey Stüle auff einem Nachen beysammen stehen blieben. Worbey es Livia abermahls so meisterlich angegeben hatte: daß der Kayser und Asblaste beysammen; und in der Einsamkeit des Meeres schier allein zurücke blieben. Ein einiger auff einem in Gestalt eines Delphins künstlich gefertigtem Nachen sitzender Triton schwermte um sie her / und sang gegen Asblasten die in nachfolgenden Reymen ausgedrückte Gedancken des Kaysers:


Wenn Venus und ihr Kind auff Purper-Muscheln fährt

In einen Tag die důstre Nacht /

In's Ruder feinen Pfeil / Scarlat in's Segel kehrt /

Den Wind mit seinen Flůgeln macht;

Wenn Meer und Flut Safier und Perlen scheinen /

Wenn Klipp' und Strand gleicht schönsten Edelsteinen;

So geht doch dieser Aufzug hier

Der Liebes-Götter Schiffarth für.


Der Westwind seuffz't / das Meer steckt sich in Liebes-Glut /

Von dieser neuen G \ttin an.

Die Morgenröthe fleucht / nach dem ihr Haar die Flut

Viel herrlicher vergůlden kan.

Ihr Hals läßt Perl'n / ihr Rosen-Mund Korallen /

Ihr Athem Musch auff Doris Wiesen fallen;

Sie wandelt's Meer in's Himmelreich;

Denn sie ist selbst der Sonne gleich.


Durch ihren süssen Reitz wird ieder Fisch verliebt.

Die Muschel fůgt zur Muschel sich;

Man sieht: wie ein Delfin dem andern Küsse giebt;

Und dieses Feuer quäl't auch mich.

[1199]

Mein Hertze schmiltz / die Seel' ist voller Flammen;

Doch statt't mein Pulß / mein Blut gefriert zusammen;

Weil meiner Göttin Hertz ein Stein /

Ihr Geist ein Tiger schelgt zu seyn.


Sie ist ein tauder Feiß / ein unempfindlich Stahl.

Die Brust ein todtes Marmel-Grab.

Sie schertzt mit meinem Ach / und lacht zu meiner Quaal

Die zwar ist Glut / doch nicht nimmt ab.

Ihr Augen sind recht zwey gestirnte Bären /

Die Marck und Bein zerfleischen und verzehren;

Ja meine Seele wird selbst wund /

Nur zu bepurpern ihren Mund.


Der Nord-Stern zeucht an sich so sehr nicht den Magnet /

Als ihr schön Antlitz meinen Geist.

Doch weiß ich: daß kein Schnee der Glut so wiedersteht /

Als mir ihr Hertz mit Haß umeys't.

Und so ist sie ein feurig Schnee-Gefilde /

Ein auswerts zames Thier / inwendig wilde:

Daß ich nicht recht zu urtheil'n weiß:

Ob sie sey Feuer / oder Eys.


Ihr Sternen / die ihr hier im Meer' in Fisch' euch kehrt /

Wie Fische sonst Gestirne sind;

Sagt wahr mir: Ob ich soll durch Liebe seyn verzehrt /

Und ob mein Brand verraucht in Wind?

Wie? oder ob auff ihren Lilgen-Brüsten /

Der Himmel mir noch wird mein Leben fristen?

Denn Lieben / und geliebt nicht seyn /

Ist auff der Welt die Höllen-Pein.


Diese und mehr andere verliebte Reymen sang dieser einsame Triton; dessen Abgesang aber allezeit von einer Menge ihm von ferne folgender Meer-Götter wiederholet ward; biß der an die unbewegliche und für diesen Sirenen-Liedern die Ohren des Gemüths zustopffende Asblaste mit eiffrigsten Liebes-Versuchungen setzende August endlich um Mitternacht wieder an den Felsen angetrieben / und von funffzig Nereiden / welche alle silberne Kleider / grüne Haare /und brennende Ampeln in Gestalt leuchtender Fische in Händen hatten; und so wol Asblasten / als den Kayser auf das Lust-Hauß in ihr Zimmer begleiteten.

Den sechsten Tag wurden die gesamten Götter mit eben so prächtigem Auffzuge als bey der Einholung auff die Ziegen-Insel angesetzt; und auf das in einer fruchtbaren Fläche liegende Vorwerg der Ceres geführet. Das Lust-Hauß wär ein von eitel Blumen und Erdgewächsen zusammen geflochtenes Gebäue. Die erste Tracht waren eitel Obst und Feigen; als welche Ceres zum ersten gepflantzt haben soll. Alle Fisch-und Fleisch-Gerichte waren in zierlich gebildeten weitzenen Teig eingeschlagen; welche nichts minder als das Zuckerwerck eitel Feld- und Garten-Früchte fürstelleten. Unter dem köstlichen Weine gieng auch Milch / Meth und Aepffel-Tranck herum / als der Ceres gewiedmetes Geträncke. Bey währender Taffel hielten zwantzig edle Frauen alle mit Kräntzen aus Weitzen-Aeren / mit Hörnern des Uberflusses versehen / und brennenden Wachs-Fackeln als Bäuerinnen angekleidete / und so viel mit Eppich und Wein-Laub gekräntzte auch gleichsam wütende Bacchen einen Reyen dieser Göttin zu Ehren. Nach der Mahlzeit brachte Livia ein Bretspiel auff die Taffel; da sie denn um in allen Stücken sich der Ceres zu vergleichen /welcher Rampsintus aus Egypten ein gülden Handtuch abgewonnen / gegen alle andere vergötterte mit allem Fleisse ein schätzbares Kleinod verspielte. Gegen Abend führte sie sie zu einem von dem Vorwerge nicht weit entfernten Berge / und in eine grosse über und über mit marmelnen Klippen gewölbte Höle; sie trug auff ihrem Haupte nichts minder als obige viertzig Bäuerinnen und Bacchen ein heiliges Buch / welches ihrer Andeutung nach zu dem Elevsinischen Feyer von nöthen wäre. Diese Höle gleichte einem prächtigen Tempel / hatte auch um sich herum noch zwölff kleine in Felsen gehauene Hölen; woriñen anfangs etliche tausend weiße Wachs-Kertzen leuchteten. So bald aber der Ceres etliche Schein-Opffer von denen Erstlingen der Land-Früchte gelieffert waren / leschten die Lichter biß auff etliche wenige aus. Da denn die anwesenden Frauen sich theils nach dem Beyspiele der geilen Baubo; welche durch die[1200] schändliche Verstellung des weiblichen Geschlechtes die sonst trostlose Ceres zu Elevsis erfreuet haben soll / entblösseten / theils das abscheuliche Bild des Mutinus; in welches bey den unzüchtigen Römern die Bräute für ihrer Vermählung künftiger Fruchtbarkeit wegen gesetzt werden; herum zur Schaue trugen. Die keusche Asblaste entsetzte sich über dem ersten Anblicke dieses schandbaren Aufzugs; und suchte die Einsamkeit der finstersten Neben-Höle / um auch nicht durch die Augen ihre reine Seele zu besudeln. Gleichwol waren die Ohren verdrüßliche Bothen der in so finsterer Verwirrung fürgehender Uppigkeit; welche nicht unbillich in diese höllische Grufft verdammt war; weil sie das Tage-Licht zu genüssen nicht verdiente. Alleine die tugendhaffte Asblaste blieb in ihrer gesuchten Einsamkeit nicht unbeleidigt. Denn das an ihrer Stirne vergessene Band von gläntzenden Edelsteinen ward ihr endlich zum Verräther /und dem nach ihr lechsenden August zum Wegweiser. Welcher denn anfangs mit allem ersinnlichen Liebkosen / und den grösten Versprechungen an ihre Keuschheit setzte; fürnemlich aber die wieder der Fürstin Asblaste ausgelassene Verschmähung so heßliche Laster darmit zu beschönen vermeinte: daß die Götter bey dem Elevsinischen Feyer denen Gebrechen der Menschen und so schönen Sünden durch die Finger sehen; welche ohne diß mehr / als denen vollkommensten Leuten anhängende Schwachheiten zu übersehen / denn als Laster zu bestraffen wären. Asblaste aber setzte ihm mit einer ernsthafften Hefftigkeit entgegen: Gott wäre allezeit und allenthalben ein keuscher Geist; und ein gerechter Rächer der Mißhandlungen; kein grösser Kirchen-Raub aber wäre / als wenn man einem Gottesdienste diß Heiligthum nähme; und mit der Andacht die schändlichsten Laster überfirnste. Tugenden wären so reine Perlen / welche keinen schlimmen Beysatz der Geilheit vertrügen. Sie vermählten sich niemahls / als mit ihres gleichen. Ja wenn nur eine wurmstichig würde; so würden sie alle anbrüchig. Daher sollte der Kayser seinen bey der Welt erworbenen Ruhm; noch auch ihre Seele mit diesem Schandflecke nicht besudeln; sondern vielmehr feste glauben: daß ein so kaltsinniger Gottesdienst dem Gewissen hernach den Schweiß heraus triebe /und der beleidigte GOtt seine Rache zwar anstehen liesse / aber niemahls vergässe. Ja wenn auch weder GOtt / noch Straffe des Bösen wären; solte der Kayser sich dieser Schmach entschlagen. Denn alle andere Laster hätten an sich was männliches; Dieses aber wäre durchaus weibisch / oder vielmehr gar viehisch. Allein weil die Begierden nicht nur die menschliche Vernunfft bethören; sondern auch die allen Thieren gemeine Sinnen rauben; predigte Asblaste einem Tauben. Ja weil die Begierde bey leicht genoßbaren Dingen verrauchet; gegen denen aber / die schwer zu erlangen sind / auffs befftigste sich entzündet; gerieth August in Raserey: daß er Asblasten zu küssen unterfieng. Welches Asblasten so sehr aufbrachte: daß sie Augusten von sich stieß; und ihm unter Augen sagte: das Glücke hätte ihm zwar über ihr Leben / der Himmel ihm aber keines Weges über ihre Keuschheit eine Botmäßigkeit eingeräumt. Daher möchte er nur lieber ihr einen gewaltsamen Tod verordnen; als durch solche Zumuthungen das innerste ihrer Seele tödten / und die köstlichste Uberbleibung ihres Besitzthums /nehmlich die Ehre rauben. August / welcher ungewohnt war: daß ihm einiger Mensch etwas abschlüge / weniger ihm seine Meinung so hertzhafft und mit einer tugendhafften Entrüstung unter Augen sagte; erstarrte über dieser Begegnung; und lernte nunmehr: daß die Lilgen der Keuschheit keine bloß in der Schneefarbe bestehende Blume ohne Waffen / sondern vielmehr eine Rose wäre; welche zwar verschämt / aber auch mit Dornen ausgerüstet stünde; und ob zwar ihre Feinde sie meist nur [1201] mit Blumen-Peitschen antasteten; dennoch ihre Anfechtung gefährlicher / als Feuer und Eisen; und derogestalt ihr Sieg auch so viel herrlicher / als derer wäre / welche sich mit ihrem und des Feindes Blute bespritzten. Wie denn Asblaste mit ihrer Schamhafftigkeit dißmahls den beschämte; welchem das gröste Theil der Welt zu Gebote stand. Sintemahl er nicht nur für ihrer Hertzhafftigkeit gantz verwirrt und verzweiffelt ward; sondern auch / weil etliche Stücke Felsen von dem Gewölbe dieser Grufft herunter fielen; alle dem Eingange dieser Höle zudrangen; und nach dem sie das böse Gewissen ihrer Ubelthaten schon verdammete / mit Beben und Zittern den Verfolg ihrer Uppigkeiten abbrachen. Die Königin Erato brach der Gräfin von der Lippe hierüber ein; vermeldende: Sie könte sich über des Kaysers August unziemlichem Beginnen nicht genüglich verwundern; und wüste sie bey so gestalten Sachen nicht; wie ein so lasterhaffter Fürst in der Welt einen so grossen Ruhm der Tugend erworben hätte. Adgandester nahm sich der Gräfin an / und antwortete: hätten doch unter gemeinen Leuten ihrer viel das Glücke berühmt zu seyn / nicht aber das Verdienst. Wie viel schwerer wäre es in die verschlossenen Zimmer und unmöglich in die Hertzen der alles unter dem Scheine der Tugend und dem Vorwand des gemeinen Besten verdeckenden Fürsten zu schauen. Zugeschweigen: daß auch die /welche sonst in Erforschung anderer Fehler Luchs-Augen hätten; solche gegen die Fürsten wie Maulwürffe zuzuschlüssen; ja die Heuchler gar ihre schwärtzesten Gemüths-Flecken in die reinesten Vollkommenheiten zu verwandeln pflegten. August hätte allerdinges so / wie ins gemein die neuen Fürsten /sich meisterlich mit dem Scheine beholffen; und der Stadt Rom einen blauen Dunst für die Augen; und aus denen Orten / wo sich etwas denckwürdiges mit ihm begeben / Heiligthümer gemacht; gleich als weñ er den Göttern in der Schoß sässe / die Tugend aber in ihm ihren eigenthümlichen Sitz hätte. Uber welcher Scheinheiligkeit der Fürsten man sich so viel weniger zu verwundern hätte; nach dem ihre Sinnenbilder die Berge mit gleichmäßiger Heucheley behafftet wären; Derer viel sich eusserlich in Schnee kleideten / inwendig Schwefel und Flamme verdeckten. Also wiese man bey Velitre Augustens geringe Geburts-Stelle / in einem zwar schlechten Gewölbe; welches man aber nicht anders / als den heiligsten Tempel mit keuschem Leibe und mit grosser Ehrerbietung betreten dörffte; auch die Einfältigen überredete: daß die Geister darinnen so wenig / als in andern Heiligthümern einigen Entkleideten vertrüge; ja ein neuer und unvorsichtiger Bewohner selbigen Ortes des Nachts von einer über natürlichen Gewalt halb todt wäre heraus geworffen worden. Alleine Augustens Thun hätte in eitel Scheinheiligkeit / und sein Leben nicht nur in einer unersättlichen Unzucht / sondern in einem Kreiße der ärgsten Laster bestanden. Zum Merckmahle seiner Grausamkeit diente: daß er des überwundenen Brutus Kopff unter die Seule des Kaysers Julius werffen / aus denen Gefangenen Vater und Sohn ums Leben kämpffen; und denen Fußfälligen den Trost gelassen: Sie würde ihr Begräbnüs in denen Magen der Raubvögel finden. Er hätte aller Götter gespottet / nach zerscheiterter Schiff-Flotte des Neptunus Bild von seinem Sitze gerissen und sich verlauten lassen: er wolte auch wieder dieses Meer-Gottes Willen dem Pompejus den Sieg zur See abzwingen. Wiewol er auch zwar aus angeno ener Demuth ihm zu Rom keinen Tempel zu bauen verstatten wollen; hätte er doch solches in andern Ländern / und allenthalben mit dem Beysatze der Stadt Rom / als einer ihm vermählten Göttin; wie auch: daß alle Stände zu Rom jährlich in die Grube des Curtius für seine Wolfarth ein [1202] grosses Geld opffern; etliche Städte von dem Tage seiner Dahinkunfft die Jahrs-Rechnung anfangen; und in letzten Willen die Erlebung seiner Herrschafft für ein Glücke der güldenen Zeit anziehen mögen / erlaubet; wie nichts minder viel silberne Bilder der Götter eigennützig verschmeltzet; und aus ebenmäßigem Geitze eine ziemliche Anzahl Bürger ins Elend verjagt hätte / um sich nur ihrer Corinthischen Gefässe zu bemächtigen. Die Zagheit hätte er fast in ieden Schlachten / sein böses Gewissen aber bey allen Gewittern spüren lassen; und sich zu solcher Zeit in die tieffsten Hölen versteckt / auch mit der Haut eines Meer-Kalbes /oder mit Feigen bedecket / aus gleichmäßigem Aberglauben: daß sie die Beleidigung des Blitzes abwendeten. Am allermeisten aber wäre seine Unzucht unersättlich gewest; weßwegen er von denen fremden Völckern / mit welchen er Frieden oder Bündnüße gemacht / auff eine neue Art ihr schönstes Frauen-Zimmer zu Geißeln erkieset; aus denen zwantzigen / welche zu Vestalischen Jungfrauen fürgestellet wurden /die heßlichste dem Heiligthume / die schönste seinem Bette geeignet / die zärtesten Kinder der edlen Geschlechte unter dem Scheine sie mit seinen Enckeln zu erziehen zu seinem Mißbrauche an sich gezogen; die noch nicht reiffe Claudia / und die schwangere Livia aus toller Brunst unzeitig geheyrathet; vielmahl unter dem Vorwand der Unpäßligkeit in Mecenas Hause geschlaffen; und schier aller schönen Weiber in Rom durch Dräuen oder Geschencke genoßbar gemacht hätte.

Die Gräfin von der Lippe stimmte Adgandestern bey / mit Versicherung: daß die geringsten Laster vom August wären ans Tagelicht kommen; von denen aber die Fürstin Asblaste nebst ihr auf der Ziegen-Insel alleine so viel wahrgenommen hätte: daß / wenn sie daran gedächte / ihr noch die Haare zu Berge stünden; und sie sich damahls mit einander berathen /durch selbst eigenen Tod / wenn es durch die Flucht unmöglich wäre / sich dieses zwar eusserlich güldenen / inwendig aber vom Unflate der Laster stinckenden Gefängnüßes zu entbrechen. Wiewol sie diesen Anschlag möglichst verstellen / und Asblaste sich selbige Nacht in ihre angewiesene Zimmer; auff den Morgen aber mit auffs Lust-Hauß des Apollo verfügen müssen. Dieses schimmerte von Gold und Edelgesteinen / und war rings umher dreyfach mit Wacholder-Bäumen umgeben; wie denn auch alle Gänge des wunderwürdigen Gartens darmit besetzt / alle Wacholder-Beeren aber mit unsäglicher Arbeit vergüldet warẽ. Wie durch die Seltzamkeit der Speisen gleichsam die Erde / die Lufft und das Meer erschöpfft war; also schimmerten auch alle Gerichte; insonderheit die zu Schau-Essen aus Wachs gemachten Bilder von Golde. Bey und nach der Mahlzeit erlustigte er seine Gäste mit allen Arten der Olympischen Spiele; bey welchen er zwölff Lorber-Kronen mit Golde und Diamanten reichlich ausgeputzt zum Preiß auffsetzte. Diese Götter selbst erlustigten sich mit einem Bogenschüssen nach einem hin und wieder durch künstliches Räderwerck lauffenden Drachen; zum Gedächtnüße des Pithonischen / welchen Apollo erlegt haben soll. Welchen Tag es denn so züchtig und ansehnlich hergieng: daß es schien: es wären diese Menschen / so den Tag vorher Vieh gewest / nunmehr in wahre Götter verwandelt worden.

Nach dem die Reye nun an die Fürstin Asblaste /als eine wahrhafftig keusche Vesta kam; verfügten sie sich alle des Morgens zu dem auf einem lustigen Berge liegenden / und recht in die rundte gebauten Lust-Hause der Vesta; welcher / weil durch sie der Geist der Erde fürgestellet wird / auch die Tempel rundt gebauet wurden. Es war mit eitel Bäumen oder Stauden umsetzt / welche feuerrothe Blumen und Früchte trugen. Inwendig waren eitel [1203] feurige Mahlwercke aufgestürtzt; insonderheit wie die des Servilius Tullus Haupt umgebende Flamme ihm die Römische Krone / die brennenden Lantzen den Römern den Sieg wieder die Sabiner / der opffernden Lavinia das Feuer die Emporklimmung ihres Geschlechtes wahrgesaget; die dem grossen Alexander auf den Hals dringenden Indianer erschrecket; den die Stadt Syracusa belägernden Nicias seine Feuerwercke beschirmet / und der vom Demetrius angezündete Wald die Spartaner gerochen; endlich wie unterschiedene Deutsche Frauen-Zimmer nicht anders / als die Priesterinnen der Persischen Diana durch unversehrende Betretung glüender Kohlen / und Betastung feuriger Brände ihre Keuschheit bewehret hatten. Die Taffel hatte sie in einer tunckeln Höle / theils wegen der übermäßigen Mittags-Hitze; theils: daß sie den Nutzen ihres heiligen Feuers angewehren könte / bestellet. Denn sie ließ ihr / wie Vestalische Jungfrauen /aufgeputztes / und zu Bedienung dieser Götter bestelltes Frauen-Zimmer in einem einwerts geschliffenem Stahl- oder Breñ-Spiegel / darinnen sich die Sonnen-Strahlen zusammen in einen Mittelpunct zwängten / eine gleichsam himmlische Flamme anstecken. Diese zündete das mitten in der Höle auffgesetzte /und aus eitel wolrüchendem Talcke und eingeamberten Wachs bereitete Bild der Porcia an /und erleuchtete durch das sie verzehrende Licht die Höle. Die auff allen Fall eben so hertzhafft / als Porcia zu sterben entschlossene Fürstin Asblaste hatte nicht ohne Nachdencken an den Fuß dieses brennenden Bildes schreiben lassen:


Hier brennet Porcia; doch ist ihr Brand ein Licht

Unglücklichen den Tod / die Ruhms-Bahn uns zu zeigen /

Wenn unser Geist sich soll fůr Glůck und Siegern neigen;

Wenn jenen thör'chte Gunst gönnt Gifft und Messer nicht;

Weil dem / der sterben will / kein Mittel nie gebricht.

Auch jagt ein glüend Brand nur Schrecken ein den Feigen.

Die Thränen / die hier falln / die Seuffzer / die hier steigen /

Sind Wehmuth / die mehr als Porcien anficht.


Die Kohlen / die sie schlingt / gebehrn ihr keine Pein.

Denn ihrer Liebe Glut / ihr sehnliches Verlangen

Des todten Vaters Geist / den Eh-Herrn zu umfangen

Ist heisser / als kein Brand um Schmeltz und Ertzt kan seyn.

So plagt und t \dtet nun der / der den Tod uns wehret.

Die aber lebt / die sich in Asche so verkehret.


Die Taffel verlängerte sich mit allem Fleiße biß in den sinckenden Abend; Da denn Asblaste einen Aufzug hundert Indianischer Frauen fürstellte; welche in einem künstlichen Tantze einen Holtzstoß aufbauten /selbten mit allerhand wolrüchenden Zunder anfüllten; darauff sich endlich ihre ziemlich lebhafft gebildete Königin setzte / welche zwischen denen krachenden Flammen ihren Leib dem Geiste ihres verstorbenen Ehgemahls aufopfferte. Welches Trauerspiel so artlich eingerichtet war: daß die meisten Zuschauer diese Verbrennung für die rechte Warheit aufnahmen. An dem lodernden Holtz-Stosse stiegen auch allerhand Lust-Feuer mit nachdencklichen Bildungen empor; welche sich endlich in einen feurigen Regen verwandelten; und das an einem erhobenen Orte aufgestellte Bild der Semele anzündeten; daß es hernach in Asche zerfiel / zu einer denckwürdigen Erinnerung: wie gefährlich es sey sich in der Liebe allzuhoch zu versteigen.

Lucius führte den neundten Tag sie auff das Lust-Hauß des Kriegs-Gottes; welches zwischen eitel rauen und unfruchtbaren Klippen lag. Seine Zierrathen bestunden in eitel Stürme / Brand und Schlachten abbildenden Gemählden. Die Taffel war auffs köstlichste bestellt / aber ohne Brod / vielleicht / weil nichts minder der feurige Kriegs-Stern / als der Krieg selbst die Saaten / ja gleichsam Laub und Graß versenget. Nach der Taffel erlustigte er seine Gäste mit einem künstlichen Roß-Tantze; darinnen Jupiter und Mars mit einander stritten; welcher unter ihnen zu der Hoheit der Stadt Rom am meisten beygetragen hätte. Jupiter hatte auff seiner Seite zwantzig Cretensische [1204] Schützen / Mars so viel Thracier mit Wurff-Spiessen. Dem Jupiter kam Juno mit zwölff Amazonen / dem Mars Venus mit so viel Liebes-Göttern zu Hülffe. Welche alle sich zwar kämpffende wunderseltzam durch einander vermischten / gleichwol aber in solchem Handgemenge allezeit eine richtige Ordnung / und eine den Seiten-Spielen gemäße Bewegung schauen liessen. Darzwischen wurden iedes Gottes Thaten wechselsweise heraus gestrichen / und insonderheit vom Jupiter gerühmet: daß er selbst das Capitolium zu seinem Sitze erwehlet / das vom Ariovist dem Mars wieder Rom gethane Gelübde unterbrochen / von der Juno: daß sie endlich zu Einäscherung ihrer eigenen Stadt Carthago Rom zu Liebe geholffen; vom Mars: daß er den ersten Stiffter Romulus selbst gezeuget; seine Wölffin ihm mit der Milch einen streitbaren Geist eingeflöst; von der Venus: daß sie den Eneas wieder die gehäßige Juno in Schutz genommen / ihr vorgehender Stern ihm in Italien den Weg gewiesen / von ihm den Julius gebohren; und eine Mutter des Julischen Geschlechtes wäre; welches Rom allererst zu der höchsten Macht und Glantze empor gehoben hätte. Der Kriegs-Gott erlangte endlich den Preiß /nemlich einen mit Diamanten umwundenen Grase-Krantz / den ihm / als er gleich in der Mitte der Kämpffenden zu halten kam / der aus der Höhe herab fahrende Geist der Stadt Rom auffsetzte.

Den zehenden Tag gieng der Zug auffs Lust-Hauß der Venus / welches an Lust allen andern den Preiß wegnahm. Denn es lag an der See in einem Myrten-Walde; darinnen mehr / als zwantzig Quellen aus den Klippen entsprangen / und mit ihren rauschenden Bächen nichts minder die Ohren / als Augen vergnügte. Unter diesen Klippen waren ihrer zwey einander gegen über; aus daher einem Eyskaltes / aus dem andern warmes Wasser in zwey neben einander stehenden und zum Baden geschickte Alabaster-Schalen spritzten. An der kalten war das Getichte des zur Blume werdenden Narcisses künstlich gebildet; und in den marmelnen Fuß eingegraben:


Narciß / der seinen Durst allhier zu leschen meinte /

Gerieth in sich verliebt durch dieses Quell in Glut;

Durch Kält' und Brand in's Grab. Alleine diese Flut

Die ihm zum Sterben halff / doch bald den Tod beweinte /

Bezeugt / wie sehr sie ihn des Lebens schätzet werth:

Weil sie die Blumen netzt / in die er ward verkehrt.


Massen denn an der Bach / in welche sich dieses Quell ausschüttete / viel tausend Narcissen wuchsen. An der Alabaster-Schale / in welche das warme Wasser fiel / stand das Getichte / wie Venus dem vom wilden Schweine angetasteten Adonis zu Hülffe eilet; den Fuß aber an den Dornen ritzet / und damit die weissen Rosen röthet. Am Fusse war in rothem Marmel zu lesen:


Diß Quell war vormahls Eyß /

Und iede Rose weiß /

Als Venus aber sie bespritzte durch ihr Blut /

Ward diese Purpur / jene Glut.


Die aus der Schale abschüssenden Bäche machten gleichsam ein kleines Eyland / ehe sie sich mit einander vereinbarten / welches mit eitel in voller Blüte stehenden Rosen-Sträuchen besätzt war; gleich als wenn an diesem Orte aller Jahrs-Zeiten Annehmligkeit stets mit einander verbunden wären. Mitten aber /wo sie zusammen ranen / stand ein Marmel-Bild; da die fünff Sinnen die in einer Muschel schlaffende Venus auf den Achseln trugen; und aus allen Oefnungen theils warmes / theils kaltes Wasser spritzten. Um den Fluß war eingegraben:


Das Rauschen dieser Bach liebkos't den zarten Ohren /

Durch ihr schön Silber wird iedwedes Aug' ergetzt /

Und der Geruch erquickt von Blumen die sie netzt.

Wem nicht ihr Wasser schmeckt / hat den Geschmack verloren.

Wer Wärmd' und Kůhlung sucht / der fühlt hier Glut und Eys.

Und so vergnügt die Bach vollkömmlich alle Sinnen.

Allein in dem besteht ihr allergröster Preiß:

Daß wir vergänglichen sie ewig sehen rinnen.


[1205] Diese gantze Gegend war auch von Rosen derogestalt angefüllt: daß derselben Geruch vieler Häupter einnahm. Das Lust-Hauß war mit denen künstlichsten Gemählden ausgezieret / in welchen ihre Geschichte abgebildet; die Speisen aus allen ersinnlichen Dingen / welche eine fühlende oder wachsende Seele haben /aufs köstlichste bereitet / und mit Blumen gezieret waren. Die erste Tracht bestand aus eitel Granat-Aepfeln / weil Venus sie in Cypern zum ersten gepflantzt haben soll. Auf der gantzen Taffel aber ward kein Wein gefunden; weil Antonia nicht die irrdische /sondern die himmlische Venus fürbilden wolte / welche die Weisen für ein Kind des Himmels ohne Mutter / und eine Feindin der Wollust / für ein Bild der Göttlichen Schönheit / eine Anreitzer in der Seele zur Liebe Gottes und der Tugend halten; und welcher Feyer auch zu Athen ohne Wein begangen werden müssen. Uber diß stellte sie in einem künstlichen Schauspiele die gewaffnete Venus; wie sie alle ihr zusätzende schädliche Gemüths-Regungen; und den himmlischen Liebes-Gott; wie er die fleischlichen Wollüste unter dem Bilde des ihn anfallenden halb- viehischen Pan überwand / so zierlich für: daß auch die / welche sich auff eine andere Uppigkeit verspitzt hatten / dennoch ihre Vergnügung fanden; biß in dem dritten Aufzuge des Schauspiels die vorhin mit eitel Sternen bekleidete Venus sich in ein Trauer-Gewand hüllete; und einem ieden nach der Reinigkeit seiner Liebe ein gnädiges / oder nach seiner Geilheit ein grimmiges Todtes-Urthel schrieb / ja so gar ihre Seelen theils in Ergetzligkeit / theils in Pein versetzte. Sintemahl diese Göttin nicht nur für eine Vorsteherin der Geburt / sondern auch des Todes und der Geister gehalten wird; weßwegen Canachus ihr Bildnüs aus reinesten Gold und Helffenbeine fertigte / das auf dem Haupte die Himmels-Kugel / in der rechten Hand einen Granat-Apffel / in der lincken ein schläffrichtes Mah-Haupt trug. Alleine zuletzte besudelte die sonst ihrer Keuschheit wegen berühmte Antonia das vorhergehende Gute mit einem schlimmen Beysatze / in dem sie das Gerichte des Paris zwischen der Juno / Pallas /und Venus in einem Tantze zwar wegen ihrer gäntzlichen Entblössung und unzüchtigen Stellungen höchst ärgerlich / iedoch so künstlich fürbilden ließ: daß iede Person ihre Meinung mit stummen Gebehrden so deutlich ausdrückte / als sie mit ihrer Rede schwerlich besser zu thun vermocht hätte.

Den eilfften Tag verfügten sie sich auff das in einem annehmlichen Forst liegende Vorwerg der Dianen; welcher keuschen Göttin Stelle Julia wenig keusch vertrat. Das aus eitel grünem Marmel und Wacholder-Holtze gebaute Lust-Hauß war mit denen köstlichsten Gemählden ausgezieret; welche der Kayser theils aus dem zweyhundert Jahr für der Trojanischen Einäscherung von denen Zazynthern aufgeführten / und vom Annibal verschontem Tempel / theils aus dem Auldischen eben so altem Heiligthume Dianens dahin hatte bringen lassen. Fürnehmlich war würdig zuschauen das Gemählde der sich aus den Netzen windenden Britomartis / des Timarete / des Nicons Tochter / der Dyctynnischen Dianen nachgemacht haben soll / und der Aufzug der geschwängerten Gespielen / welche die Diana zu versöhnen in ihren Körben allerhand Opffer in ihren Tempel trugen / und ihre Gürtel darein auffhiengen; ferner das vom Apelles gemachte Bild der Taurischen Diana / welche in der rechten Hand einen Pardel / in der lincken einen Löwen hielt; um sich aber herum viel aufgeopfferte Fremdlinge hatte. Am allerhöchsten aber ward geschätzt eine Taffel; darauff die Pellenische Diana alle Menschen / welche sie ansahen / wahnwitzig; alle von ihren Augen bestrahlte Bäume aber unfruchtbar machte / und der Früchte beraubte. Unter dem Lusthause stand [1206] ein künstlicher Spring-Brunn aus Corinthischem Ertzt und Marmel; in welchem die vom verliebten Fluße Alfeus verfolgte Diana sich und ihre Gespielen mit Kothe bekleibet; und also ihm entrinnet. Die Speisen waren eitel Wildpret; und von so vieler Art: daß es schien: es hätte das gantze Römische Reich alle Seltzamkeiten seiner Wälder und Gebürge dahin versammlet; und in denen Schau-Essen waren nicht nur alle nur ersinnliche Thiere / sondern alle Geschichte / die man von der Diana oder berühmten Jägern erzehlet / abgebildet. Nach der Taffel führte Julia ihre Gäste mitten in den Forst; da sie / nach dem die Jäger alter Gewonheit nach die falsche Diana um Erlaubnüs zu jagen angeflehet / und den ersten gehetzten Hasen / entweder weil ihr Fleisch schön machen / oder sie für andern Thieren ein groß Hertze haben sollen / der Liebe zu opffern fortgeschickt hatten / zum ersten in einer umgarnten Stallung mehr /als tausend Hasen / worvon aber die jungen alsbald abgesondert / und der Diana zu Liebe loß gelassen wurden; theils die Hunde erwürgen / theils ihre Gäste mit Pfeilen erlegen ließ. Hierauff kamen in die Stallung dreyhundert Füchse; welche von denen Jägern eine gute Zeit in die Lufft geprellt / und hernach allererst zu tode gehetzt wurden. Diesen folgten hundert Wölffe; welche mit so vielen Hunden einen blutigen Zweykampff hielten. Zweyhundert Rehe / die alle von der Götter Pfeilen fielen; ferner / hundert wilde Schweine; die von grossen Britannischen und Thracischen Hunden erlegt wurden. Endlich traten in die Stallung funffzig Hirsche mit grossen Geweihen /derer keines unter dreyzehn Enden hatte; wovon die meisten gleicher Gestalt der Zuschauer Pfeile fälleten / etliche aber dennoch über die höchsten Garne setzten. Nach dieser Erlustigung führte Julia die Versamlung in den nahe dabey gelegenen Thier-Garten; in welchen der Kayser alles dieses Wild aus Africa und Hispanien hatte bringen lassen. Da denn in einem gemauerten Kampff-Platze anfangs drey Luchse gegẽ drey Tiger; zuletzt ein wilder Ochse gegen einen Löwen kämpffen; die Uberwinder aber gleichwol mit Pfeilen getödtet wurden. Endlich verlohr sich Julia von der Gesellschafft / und ließ den Mercur ihre Gäste in ein lustiges Thal leiten; da sie denn auf einem mit fruchtbaren Bäumen überschatteten Felsen die Julia mit zwölff andern Frauenzimmern in Gestalt der badenden Diana fingernackt antraffen. Kurtz darauf hörten sie ein Gethöne der Jäger-Hörner / und Gebelle der Hunde. Worauff sich denn ein wolausgeputzter Jäger sehen ließ / und biß an diß Bad eine Hindin verfolgte. So bald aber Julia und ihre Gespielen ihn mit ihrem Wasser bespritzten / kriegte dieser armselige Acteon zu aller Zuschauer Erstaunung grosse Geweihe auff den Kopff. Worauff ihn seine eigene Hunde anfielen und in Stücke zerrissen. Niemand wuste zu sagen / wie es zugieng; und ich selbst als eine Zuschauerin weiß nicht zu errathen: Ob es Verblendung oder Zauberey gewesen sey. Wiewol nun diese Tage August die Fürstin Asblaste auffs freundlichste unterhielt; also: daß Terentia gegen sie eiffersüchtig zu werden begonte; blieb er doch iederzeit in den Schrancken einer solchen Bescheidenheit: daß Asblaste nunmehr durch die einmahl geschehene hefftige Bewehrung ihrer Keuschheit Augustens unziemliche Begierden überwunden / und sich in völlige Sicherheit gesetzt zu haben vermeinte. Weßwegen sie mit desto wenigern Sorgen sich den zwölfften Tag mit denen andern Göttern zu dem Vorwerge des Saturn verfügte; als bey dessen gramhafftigen Eigenschafft sie so viel weniger Liebes-Versuchungen vermuthete; der Kayser auch auff des Römischen Rathes bewegliche Bitte den folgenden Tag nach Rom auffbrechen wolte.

Der sonst dem sauersehenden Saturn ziemlich [1207] ähnliche Tiberius bewillkommte seine Gäste mit einer ungemeinen Freundligkeit / und zwar auf einem so annehmlichen Lust-Hause; welches zwar mit allerhand Sinnenbildern erfüllet war; in welchem seine selzamen Geschichte auf die Zeit und andere natürliche Dinge verständlich ausgelegt standen / sonst aber nichts unannehmliches in sich hatte. Er speisete zwar gar kein Fleisch; weil es unter der Herrschafft des Saturns nicht soll zuläßlich gewesen seyn; aber alle andere köstliche Gewächse unter der Sonnen waren hier beysammen; ja von denen säuerlichen Granat-Aepfeln wurden gleichsam gantze Berge aufgethürmet; und die Säder in Speisen waren mit denen köstlichsten Säfften alle säuerlich zugerichtet. Weil der bitter und sauere Geschmack diesem Gotte allein zukommen soll. Das Geträncke war der herrlichste Wein übers Meer auf den fernen Glücks-Inseln geholet; welchen er die Thränen des Saturn nennte; weil diesen Nahmen sonst das bittere Meer selbst führet. Nach der Taffel zeigte Tiberius / aus Andeutung: daß die Drachen und Schlangen dem Saturn gewiedmet sind / in einem gemauerten Gebäue die funffzig Ellen lange Schlange /welche der Kayser aus Africa dahin hatte bringen lassen / und hernach zu Rom im öffentlichen Schauplatze zu grosser Verwunderung des Volckes gewiesen ward. Und zwar auf diesen Eylande unter einer Menge von mehr als tausend kleinern Schlangen und Nattern / die der grossen / als ihrer erkiesten Königin / ich weiß nicht / durch was für Kunst eine güldene Krone auffsetzten. Hierauf stellte Tiberius in einem grossen Saale ein Schau-Spiel für: da auff einem in Gestalt einer Himmels-Kugel gefertigten Schauplatze die sieben Irrsternen mit einander stritten; welche unter ihnen das köstlichste Ertzt bereitete. Saturn stritt für die Nutzbarkeit seines Bleyes / Jupiter für die Zierde seines Zienes / Mars für die Nothwendigkeit seines Eisens / die Sonne für die Unversehrligkeit des Goldes; Mercur für die heilsame und durchdringende Krafft des Quecksilbers / Venus für die Pracht des Kupffers / der Mohnde für die Herrligkeit des Silbers / und führte ieder allerhand Ursachen seines Vorzugs an. Nach dem nun die übrigen Götter für das Gold den Ausschlag gaben / und erwehnten: wie alle andere Arten des Ertztes durch die Krafft der Sonne und des Feuers sich mühten die Vollkommenheit des Goldes zu erreichen; wie Jupiter sich selbst in Gold verwandelt / Mars seine Waffen / Mercur seinen Stab /Venus ihren Wagen / Diana ihre Hörner mit Golde ausputzten; machte Saturn der Sonne die Zeugung des Goldes strittig; und meinte selbte für sich zu behaupten; weil unter seiner Herrschafft unstrittig die rechte goldene Zeit gewest wäre. Da denn nach einem langen Streite der Ausschlag dieses Streits dahinaus fiel: daß die Sonne in den Bergen; der einfältige Saturn aber in den Hertzen der Menschen das köstliche Gold-Ertzt zeugte. Hierauf ward in einem Tantze die Zentner-Last der eisernen; die Beschwerligkeit der silbernen /und die Herrligkeit der güldenen Zeit; in welcher alles gemein gewest ist; das Meine und Deine keinen Krieg erregt; auch die Felder ohne Arbeit Früchte gebracht haben / fürgestellet. Worbey die vier und zwantzig Stunden die Götter singende beweglich anfleheten die güldene Zeit und die Gemeinschafft aller Sachen wieder einzuführen; das Ertzt des Goldes aber / welches ein schädliches Terpentin-Oel in sich stecken hätte /daran die Seelen der Menschen / wie die Vogel an dem Leime kleben blieben / aus der Welt verbannen möchten. Sintemahl damahls / als man von keinem Golde gewüst hätte / die rechte güldene Zeit gewest wäre.

Alldieweil aber August abermahls Schreiben empfieng: daß der König und Priester des Bacchus in Thracien Vologeses einen mächtigen Krieg erregt hätte / muste er sich der Gesellschafft [1208] entziehen; gab auch in Anwesenheit der Fürstin Asblaste Livien zu vernehmen: daß er die gantze Nacht mit nöthigen Anstalten der Reichs-Geschäffte zubringen würde. Worvon Livia Anlaß nahm Asblasten zu ersuchen: daß sie solche Nacht bey ihr im Zimmer schlaffen möchte. Asblaste gab ihren Willen unschwer darein; weil Livia ihr bey diesem Zustande befehlen konte / sie auch nichts böses argwohnte. Sie schlieff kaum drey Schritte von Livien gantz sicher; biß sie nach Mitternacht erwachte und gewahr ward: daß ihr iemand die Brüste betastete. Worüber sie einen so hefftigen Gall anfieng zu schreyen: daß ich und Liviens Frauen-Zimmer im Vorgemache darüber erwachten. August und endlich Livia selbst suchten Asblasten zu besänfftigen / und sie zur Liebe zu bewegen. Nach dem aber Asblaste aus dem Bette sprang / den Nacht-Rock über sich warff / den liebkosenden August mit Gewalt von sich stieß / und ihn einen Ehbrecher / Livien aber eine Kuplerin ihres eigenen Ehmanns schalt; fieng Livia /um übele Nachrede zu verhüten / an / Augusten zu entschuldigen: daß / weil sie sonst in dem der Asblaste aus Höfligkeit eingeräumten Bette zu schlaffen pflegte; wäre August irre gegangen / hätte also für die eingebildete Livia Asblasten angerühret. Diese aber war durch nichts zu bereden in selbigem Zimmer vollends zu übernachten / sondern sie kam mit zitternden Gliedern ins Vorgemach / und fiel ohnmächtig auf mein Bette: daß ich länger als eine Stunde an ihr zu reiben und zu kühlen hatte; ehe sie wieder ein wenig zu Kräfften kam. Mit diesem aber / (sagte die Gräfin von der Lippe /) gieng meine Angst allererst an; denn sie wolte für Unmuth: daß sie von Augusten so geile Betastungen gelitten hatte / ihr das Messer in die Brüste stossen / vorgebende: daß kein ander Wasser / als Blut / ihre Flecken abwaschen könte. Ich wand ihr aber mit genauer Noth das Messer aus / und hielt ihr beweglich ein: wie kein Leib / sondern nur die Seele durch den Werckzeug boßhaffter Einwilligung von Lastern besudelt zu werden fähig; der Selbstmord aber eine Wiederspenstigkeit gegen das Verhängnüs /welche das ihm anvertraute Leben nichts minder / als ein unbändiges Last-Thier seine aufgelegte Bürde halsstarrig von sich wirfft / eine Mißgeburt der Kleinmuth; und ein thörichtes Werck eines verletzten Gewissens wäre. Weßwegen Tarquinius und andere Obrigkeiten solche Leichen hätten lassen an die zu Bestraffung der Knechte aufgerichtete Creutze nageln. Asblaste aber versetzte mit: dieses hätte seine Weise; wenn ein tugendhafft Gemüthe mehr keine Anfügung Schimpfes und Schande zu besorgen hätte. Sie aber sähe ihre Ehre in der höchsten Gefahr für dem nach ihr wiegernden August. Und hiermit / als es kaum zu tagen begunnte / erhob sie sich unversehens aus dem Gemache / und lieff gantz verzweiffelt einem abschüßigen Felsen zu. Ob ich ihr nun zwar gleichsam schon auf der Fersen war; sprang sie doch von dar in das Meer. Die Göttliche Versehung aber schickte es so wundersam: daß die Fischer auf dreyen Nachen gleichen ihren Netzen zohen; und / als Asblaste ins Wasser fiel / in Meinung: daß ein grosser Fisch aus dem Netze springen wolte / die Netze zusammen zohen /also statt des Fisches die wunderschöne Asblaste aus dem Wasser zohen. Mein zwischen ihrem Geräusche vorhin nicht wahr geno enes Wehklagen kam den Fischern nun auch zu Ohren; daher sie mit ihrem seltzamen Fange so viel mehr ans Ufer eilten; und mir meine verlohrne Asblaste / der ich mich Lebenslang schon verziehen hatte / wieder überantworteten. Sie war mehr einer Leiche / als einem lebendigen Menschen gleich; und schoß ihr das Wasser häuffig aus Mund / Nase und Ohren. Gleichwol aber kam sie nach ein par Stunden durch meine und zweyer anderer Frauen-Zimmer Hülffsleistung wieder zu sich: [1209] nach dem wir sie ins Vorwerg an einen bequemen Ort gebracht hatten. August / als er diese Begebenheit erfahren / war nicht minder beschämt / als erschrocken. Daher er in höchster Eil zu Schiffe nach Minturne forteilte / und Befehl hinterließ / Asblastens auffs beste zu pflegen. Ihre zwey Söhne / Herrmañ und Flavius / welche der Kayser nebst dem jungen / aber sehr plumpen Agrippa und andern edlen Römern mit allerhand Kurtzweil hatte unterhalten / und die in dem Misenischen Seebusem liegende Seeplätze besehen lassen / musten so eilfertig mit nach Rom: daß sie ihrer Frau Mutter kaum die Hände zu küssen Zeit hatten. Worüber Asblaste abermahls so wehmüthig ward: daß sie nach ihrem Abschiede aus gefaster Einbildung sie ni ermehr wieder zu sehen / Sprache und Seele verlor / und in etlichen Tagen kaum aus dem Bette und wiederum zu Gesprächen gebracht werden konte. Wir blieben wol zwey Monate auf diesem Eylande; da ich denn noch genungsam an Asblasten zu trösten /und ihr einzuhalten hatte: daß der Himmel sie nicht ungefähr bey ihrer verzweiffelsten Entschlüssung aus dem Rachen des Meeres errettet; sondern zu noch etwas sonderbarem vorenthalten hätte; daher solte sie durch ihre Ungedult GOtt nicht beleidigen; und das ihr bestimmte Heil nicht mit Füssen von sich stossen. Alleine dieses Eylandes Lust-Garten war nunmehr Asblasten so sehr zu wieder / als die Insel Ithaca den Hasen / Creta und der Berg Olympus den Wölffen /Africa den Hirschen. Die wolrüchenden Kräuter stancken sie an; und für denen heilsamsten Früchten eckelte ihr. Daher sie an den Kayser eine demüthige Bittschrifft abgehen ließ: daß er zu ihrem Gefängnüße ihr unter einem kühlern Himmelsstriche einen andern Ort ausstecken möchte / weil sie so heisser Lufft entwohnet wäre. Welches denn auch so viel fruchtete: daß der Kayser verordnete uns auf das zwischen Corsica und Etrurien liegende Eyland Caprasia / so gleichfalls von den wilden Ziegen den Nahmen hat /zu führen. Wir hatten diß schon im Gesichte; als ein hefftiger Sud-Ost-Wind uns bey selbter vorbey trieb /und sich hernach in einen sechstagichten Sturm verwandelte / endlich unser Schiff nicht ferne von dem Munde des Flusses Iberus an einem Felsen zerschmetterte; also: daß ich mit genauer Noth auf einem Stücke Brete ans Ufer schwamm / und nach etlichen nicht erzehlenswürdigen Ebentheuern unser Deutschland wieder erreichte; biß auf den gestrigen Tag feste glaubende: daß die Fürstin Asblaste ihr Begräbnüs in dem Iberischen Meere gefunden hätte.

Fürst Adgandester lösete nunmehr die Gräfin von der Lippe in ihrer Erzehlung ab; mit der Vertröstung: es würde die tugendhaffte Asblaste ihnen die Uberbleibung ihrer Schiffarth und seltzamen Leben-Lauffs nicht mißgönnen; er müste nunmehr seinem Versprechen nach sich zu dem mit dem Kayser nach Rom gediegenen Fürsten Herrmann und Flavius wenden. Herrmann hatte das Glücke noch auf der Reise nach Rom des Kaysers Gewogenheit zu erwerben. Denn als er bey Minturne aus dem Schiffe gieng / von der aus selbtem aus Land angeworffenen schmalen Brücke mit den Füssen abgliet / und ins Wasser fiel; alle anwesende Römer aber hierüber einander nur für Schrecken ansahen / sprang der von Kind auf des Schwimmens gewohnte Fürst Herrman behertzt ins Wasser / erwischte den untersinckenden Kayser beym Arme / und brachte ihn aus augenscheinlicher Lebens-Gefahr glücklich ans Land. Der errettete August umarmete diesen jungen Fürsten / nennte ihn seinen Sohn; und versicherte ihn: daß er und sein gantzes Geschlechte dieser unvergeßlichen Wolthat genüssen solten. Dessen erste Frucht er und sein Bruder Flavius daran genaß: daß sie bey des Drusus Siegs-Gepränge wegen der [1210] in Deutschland geführter Kriege nicht als Gefangene mit eingeführet wurden; sondern mit dem Kayser den Tag vorher in Begleitung des jungen Agrippa und des Germanicus zu Rom einzogen. Nach dem auch Drusus kurtz hierauff an statt des Stadtvogts des Kaysers Geburts-Tag in der Stadt Rom mit allerhand Schau-Spielen und Jagten feyerte; der Kayser aber darbey das Unglück hatte: daß ihm an einem hauenden Schweine das Eisen brach / der neben ihm stehende Ausgeber Diomedes auch aus Furcht hinter den Kayser sprang; war der junge und zarte Flavius so behertzt: daß er mit seinem kleinen Eisen deñ schaumenden Hauer begegnete / und dem in Gefahr stehenden Kayser so lange Lufft machte / biß zwey Britannische Tocken diß wilde Thier anfasten / und August ihm ein ander Eisen durchs Hertze trieb. Wordurch Flavius die vorige Gnade des Kaysers nicht allein befestigte / und dem zaghafften Diomedes das Leben erbat / sondern diese zwey Fürsten erwarben durch ihre Ehrerbietung Liviens; durch ihre lebhaffte Freundligkeit aller edlen Römer Gewogenheit. Der Kayser ließ sie auch in der Gesellschafft des jungen Agrippa und Germanicus so wol in der Grichischen Sprache und der Welt-Weißheit / als in allen Ritter-Spielen und Kriegs-Ubungen fleißig unterweisen; wiewol beyde junge deutsche Fürsten / fürnemlich Herrmann in denen erstern einen guten Grund in Deutschland gelegt hatten; in denen letztern aber schon den Meister spielte; und es im Ringen / Rennen / Fechten / Schüssen / Spießwerffen den meisten jungen Römern zuvor that / also: daß der auf die Schenckel schwache Germanicus / welchen die Römer gleichsam für ein Wunderwerck zeigten; nicht nur an Schönheit / Geschickligkeit und Kräfften des Leibes ihm ohne Wiederrede nachgeben muste; sondern in der Beredsamkeit / in Fertigung Grichischer Getichte und denen Ritter-Spielen mit ihm eifferte; heyde also zu Erlangung der Vollkommenheit gegen einander angeflammet wurden. Im Schwimmen that es dem Fürsten Herrmann und Flavius kein Mensch in Rom gleich. Denn sie schwammen zu aller Verwunderung in voller Rüstung über die Tiber; beglaubigten also die Getichte des schwimmenden Cocles / daran die Römer biß auff selbigen Tag selbst gezweiffelt hatten; und verursachten: daß der Vorsteher der Stadt Rom Mecenas zur Ubung des Römischen Adels eine grosse mit Marmel umsetzte Schwemme mit vielen Unkosten erbaute / welche aus eitel warmen Brunnen angelassen ward. Wordurch der sonst zwar wegen Stärcke des Leibes wilde / aber träge / tollkühne und keiner guten Künste erfahrne Agrippa gleichwohl einen Trieb bekam sich derogestalt auffs Schwimmen zu legen: daß er sich meist auff den See-Küsten auffhielt / und den Nahmen des Neptun an sich nahm. So sehr sich nun Agrippa mit seinen knechtischen Sitten beym Kayser verhast machte; und den Glantz seines Vaters verdüsterte; also von ihm wahrhafft zu sagen war: der alte Agrippa sey aus Staube ein Stern / der junge aus einem Stern Staub worden; so beliebt ward von Tage zu Tage mehr und mehr Fürst Herrmann; also: daß der Kayser ihn fast täglich um sich hatte / ihn ausserhalb der Stadt Rom in den Lust-Häusern bey seiner Taffel speisen ließ; ihm nicht allein ein Wort frey zu reden enthieng / sondern auch auf seine Vorbitte viel Römer und Ausländer ihres Wunsches gewehrte. Daher als August den Drusus wieder in Deutschland schickte / ja er auch selbst / um dem deutschen Kriege desto näher zu seyn / sich in das Lugdunische Gallien zu reisen fertig machte / und er aus den ihm vom Rathe und Volcke zu Rom zu Giessung seiner Bilder geschenckte Gold und Silber / des gemeinen Heils der Eintracht und des Friedens Seulen fertigen / und diese nebst das Siegs-Bild auff dem zum Gedächtnüße des Kaysers [1211] Julius erbauten Rathhause aufsetzen ließ; Fürst Herrmann zu Augusten anfieng: Er wüste einen viel herrlichern Ort / wo die Bilder der Eintracht und des Friedens stehen solten. Als nun der Kayser fragte: wo denn? Antwortete Herrmann: das erste auf dem Vogesischen Gebürge / das andere auf dem Blocksberge; und solten das erste die zur Zwietracht so geneigten Catten / das andere aber die ohne Ursache wieder die Cherusker streitenden Römer daselbst auffthürmen. Augusten gefiel diese freymüthige Erinnerung so wohl: daß er dem Fürsten Herrmann nicht allein erlaubte an seinen Vater den Hertzog Segimer zu schreiben / und des Kaysers Neigung zum Frieden zu berichten; sondern er befahl auch dem Drusus mit den Deutschen / insonderheit denen Cheruskern einen billichen Vergleich zu treffen. Aber der Ehrgeitz des Drusus und die Verachtung seines Feindes schlug des Kaysers Befehl in den Wind; welche Thorheit aber er mit Verlust des Römischen Kriegs-Heeres und seines Lebens büßen muste. Unterdessen bemeisterte Fürst Herrmann mit seiner Gestalt und Anmuth die Gemüther zu Rom; darunter auch der edelsten Frauen; also: daß nach dem Livia dem Tiberius zu Ehren wegen besiegter Dalmater dem Römischen Frauen-Zimmer ein köstlich Mahl ausrichtete / und sie mit der wegen des Kaysers Liebe hochmüthigen Terentia in einen Wort-Streit verfiel; welche unter ihnen die schönste wäre; erkieseten sie ihn / als in ihren Augen den Schönsten hierüber zum Richter. Wiewol nun der verschmitzte Fürst Herrmann sich dieses Urthels durchaus nicht unterfangen wolte; nebst andren höflichen Entschuldigungen vorschützende: daß der Hochmuth über Götter Reckt zu sprechen iederzeit mit dem Tode des Richters wäre abgebüsset worden; so lagen ihm doch Livia und Terentia / ja das gantze anwesende Frauen-Zimmer auffs beweglichste um seinen Ausspruch an; ihn versichernde: daß wie ihr Zwist ohne diß mehr eine Kurtzweil / als ein ernsthaffter Streit wäre; die geringste Empfindligkeit ihm daraus erwachsen könte; weil sie sich selbst wol bescheideten: daß in Urtheilung über die Gestalt man ins gemein die Meinungen nach der Anzahl der Richter zehlte / und die / welche gleich unter ihnen das Recht verliere / an ihrem Ansehen schlechten Verlust leiden würde. Sintemahl der Purper nichts minder dem Maah / als der Rose gemein; die Schönheit auch eine Blume wäre; welche zuweilen übel rüche / und aus einem schlechten Erd-Reiche wüchse; ja weñ sie auch einen untadelhafften Grund hätte; dennoch nur für die Rinde /die Tugend aber alleine für die rechte Frucht eines Baumes zu achten wäre. Dannenher man offtmahls für einer übermäßigen Schönheit / wie für einem andere Gestirne wegstechenden Schwantz-Sterne mehr zu erschrecken / als sich in selbte zu verlieben hätte. Fürst Herrmann / als er die Unmögligkeit sahe sich loß zu würcken; bat mit tieffer Ehrerbietung: Sie möchten seinen Gehorsam für keinen Vorwitz / seinen Fehler für kein vorsetzlich Verbrechen ausdeuten; ihn aber vor keinen solchen Richter annehmen; von dessen Urthel man sich nicht an einen höhern ziehen könte. Hierauff fieng er an: Terentia hätte den schönsten Mund; Livia die vollkommensten Brüste. Alles Frauen-Zimmer konte hierüber sich des Lachens nicht enthalten; und die Geurtheilten nahmen seinen Ausspruch für eine Vorrückung ihrer Fehler auf; weil der Augenschein das unstrittige Gegenspiel wieß; indem an Terentiens Schönheit niemand nichts; als daß sie einen zu weiten Mund; und an Livien: daß sie zu schlaffe Brüste hätte / ausstellte. Wie ihn nun deßwegen Terentia rechtfertigte; versetzte Fürst Herrmann: Es wäre kein Richter zwar die Ursachen seines Ausspruchs zu eröffnen schuldig; er scheute sich aber nicht seine Meinung [1212] dennoch zu behaupten. Terentia drang alsobald darauff selbte nicht zu verschweigen. Worauff Fürst Herrmann anfieng: Wenn Terentiens Lippen nicht von Honig trieffen; würden die in dem Munde des beredten Mecenas wohnenden Musen darauff nicht ihre annehmliche Sättigung finden. Weil nun Terentia ihm so bald nichts entgegen zu setzen wuste; fragte Livia nach dem Grunde ihres empfangenen Urtheils. Herrmann begegnete ihr: Selbter stünde auff denen ihr nechsthin von dem Römischen Rathe auff gesetzten Porphyr- und Alabaster-Seulen geschrieben. Nach deme ihr aber Livia solchen fremde machte; fuhr er fort: Sind denn die Brüste einer so fruchtbaren Mutter / welcher zwey Söhne ihr das Recht dreyer Kinder zueigneten / nicht denenselben vorzuziehen / die mit Noth ein einiges Kind zu säugen gehabt? So wol Livia / als Terentia waren mit dieser Auslegung vergnügt / und alle Anwesenden musten nichts minder die Vorsicht dieses jungen Herrn niemanden zu beleidigen / als seine scharffsinnige Auswindung aus dem ihm gestellten Garne rühmen. Die freudige Julia versuchte an ihm noch alleine ihr Heil; und fragte: was denn Herrmann ihrer Gestalt für einen Mangel auszustellen wüste? worauff Fürst Herrmann augenblicks antwortete: Ihren Augen. Julia / welche mit ihren kohlschwartzen Augen gleichsam zwey lebhaffte Sternen beschämte; versetzte: worinnen denn ihr Gebrechen bestünde? welcher Herrmann alsofort begegnete: weil sie um die von ihnen getödtete Seelen sich hätten müssen in die Trauer kleiden. Julia erlangte hiermit ihre vollkommene Abfertigung; Terentia aber hatte inzwischen auf einen Einwurff gedacht; und fieng gegen den Herrmann an: Ihre Brüste wären darum: daß sie nur ein Kind gestillet hätten / so wenig verächtlich / als die Perlen-Muscheln; welche sich auch nur einer eintzelen Geburt rühmen könten; Nichts minder gienge der Purper-Schnecke an ihrer Köstligkeit nichts ab; ob ihre Fruchtbarkeit gleich nur in einem Tropffen bestünde. Fürst Herrmann versetzte: der Uberfluß thäte zwar wol der Seltzamkeit; woran sich die Mißgünstigen vergnügten / nicht aber der Köstligkeit / welche nichts minder schön / als nutzbar wäre / Abbruch; sonst würde Terentia die gütige Natur schelten / und die Muscheln ihrer schönen Augen; in welchen die Wehmuth so viel hundert Thranen-Perlen zeigte / ihre lebhafften Brüste / welche über und über mit Perlen beschüttet wären; ihre Blut-rothen Lippen / welche von dem überflüßigen Purper gleichsam auffspringen wolten / verächtlich halten müssen. Terentia ward hierüber stumm / und alles Römische Frauen-Zimmer über diesem jungen Fürsten nichts minder verwundernd / als vergnügt; sonderlich / weil sie die Höfligkeit und Scharffsinnigkeit nur für eine Geburt der Stadt Rom hielten; und in Gedancken waren: daß selbte so wenig das Alpen-Gebürge / als der Fenix die sändichten Wüsteneyen Arabiens überflügen könten. Insonderheit warff Terentia auff diesen Fürsten ein Auge; und sie empfand in ihrem Hertzen anfangs eine gewisse Ergetzligkeit /wenn sie ihn nur zu Gesichte bekam; hernach ein Verlangen seinen Ritter-Spielen und Kriegs-Ubungen zuzuschauen / noch mehr aber in seiner Gesellschafft zu seyn / und sich mit ihm in Gespräche einzulassen; insonderheit als August im Lugdunischen Gallien war. Hierdurch kam er auch beym Mecenas in verträuliche Kundschaft; dessen Hauß ohne diß ein Auffenthalt aller fürtreflichen Köpfe / nichts minder / als sein Leben ein Beyspiel der menschlichen Vergnügung war. Bey dem Fürsten Herrmann aber unternahm er sich gar einer sorgfältigen Unterweisung; und / wormit er ihm / als einem Fürsten [1213] die Weltweißheit so vielmehr verzuckerte; benahm er ihm alsbald anfangs den Irrthum des Pöfels und der Stoischen Weisen; Welche diese añehmliche Gefärthin als eine sauersehende Unholdin abbilden / uñ ihr nichts / als Strang und Messer in die Hand geben. Er zohe ihr diese abscheuliche Larve vom Antlitze / und lehrte ihn: daß weil der Zweck der unverfälschten Weltweißheit in der Rube des Gemüthes / und in der Freudigkeit eines ungefässelten Geistes bestünde; müste man aus allen an sich selbst auch verdrüßlichen Dingen eben so Wollust schöpffen; als man mit sauern Granat-Aepffeln die allzusüssen Speisen annehmlich machte. Diesemnach wäre es ein lächerlicher Aberwitz / wenn Zeno diese edle Göttin in eine Henckerin / und ihre Liebhaber in Ruder-Knechte verwandelte; ihre Taffel in Sand und Koth deckte / und nur Wasser und Gritze zur Kost auffsetzte. Wenn er ihr ein verschimmeltes Faß zum Zimmer einräumte; und nur Sack-Leinwand zum Kleide verlaubte / wenn er ihr eine schlammichte Tasche zum Behältnüß alles Vorraths anhienge; und einen knörnrichten Stab zum gantzen Beyschube ihrer Reisen mit gäbe; Gleich / als wenn die Göttliche Versehung nicht alle Geschäncke der Natur dem Menschen zum Gebrauche geeignet hätte: daß also diese hartnäckichte Bettlerin die Natur und das Glücke /wenn sie ihre milde Hand und Gaben mit Füssen von sich stiesse / zu trotzen sich nicht scheuete / und zwischen ihrem zerrissenen Mantel mehr Hoffart fürbleckte; als der zu gelegener Zeit sich seiner Gemächligkeit bedienende / im Fall der Noth aber sich auch mit Wasser und Brodt vergnügende Epicur unter seinem Goldenstücke und Scharlach-Mantel verborgen hätte. Die Weißheit wäre nichts minder / als die Natur eine Magd und Befehlhaberin Gottes; also könte weder ihr Zweck / noch ihre Anleitung einander zu wieder seyn. Hätte jene nun eine Güte in der Heßligkeit gefunden /würde sie gewiß eitel flennende Mäuler / hängende Wangen / krüplichte Rücken / und hinckende Hüfften / ja an statt der Trauben und Pomerantzen nur Schleen und Holtz-Aepffel haben wachsen lassen. Warum solte denn die Weißheit ihre Kräfften zu solchen Erfindungen anwenden / wie sie ihren Zucker vergällen möchte? Warum solte sie von den Rosen-Sträuchen ihre Purper-Blumen vertilgen; und nur der Dornen warten? Da sie doch GOtt dem Menschen als ein überirrdisches Geschäncke verliehen hätte: daß sie als eine Erfinderin vieler Künste und Werckzeuge die Gebrechen der Natur ersetzen; und als eine Meisterin des Lebens / eine Herrscherin der Gemüths-Regungen ihre Schwäche in Vollkommenheit versetzen solte. Ich weiß wohl / liebster Herrmann / fuhr Mecenas fort: daß die / welche in eitel Haaren von Wichtel-Zöpffen / mit rauchen Antlitzen wilder Männer / in Lumpen voller Unflat daher gehen / die reinlichte Weltweißheit eben so für ein verzärteltes Lustweib / als den Mecenas für einen Weichling schelten; aber ich bin versichert: daß jene bey ihrer Fähigkeit viel mehr Maaß zu halten; und / ob sie zwar nicht wilde und mörderisch aussiehet / doch hertzhafft zu seyn; als Mecenas sich so wol auf dem Rasen / und in Haare /als auf Marmel und in Seide seine Vergnügung zu suchen wisse. Denn in Warheit: Die / welche auf Sammet und Purper sitzen / empfinden am allerersten die Folterbanck; und die Spitzen des stachlichten Glückes. Jener Sauertöpffe Unschuld und Hertzhafftigkeit bestehet in einem unzeitigen Urthel / und einer ungedultigen Verzweiffelung; in dem sie auff fremde Fehler alle Flüche ausschütten / selbst aber lange Zeit das dräuende Gesichte des Unglücks nicht vertragen können; sondern durch Eigen-Mord wieder sich selbst wüten; Dahingegen der sittsame Epicur aus fremden und so gar seines Ehgenossen Lastern ein Oel der Tugend [1214] zeucht / und ein kräncklichtes Leben dem Sterben; ja den Auffenthalt in einem glüenden Ochsen einem unzeitigen / wiewohl Ehrsüchtigen Begräbnüsse fürzeucht. Daß der vergnügte Mecenas bey seinem unauffhörlichen Feber gesunder Vernunfft ist; und bey seinem nahe drey Jahr entpehrten Schlaffe doch die Ruhe seines Gemüthes nie verlohren hat; Dieses ist die unverfälschte Weißheit / welcher sich die Fürsten nicht schämen dörffen / und von der auch die Niedrigen ihre Vergnügung haben. Bey dieser kan der reiche Licin / und der arme Fabricius / der wollebende Apicius / und der mäßige Tubero nach Unterscheid der Zeit zu rechte kommen; und nichts minder der übermäßigen Wollust abbrechen; als die zu scharffe Bitterkeit der Zufälle verzuckern. Mit diesen Lehren unterhielt Mecenas den Fürsten Herrmann; und bestärckte selbte durch sein eigenes Beyspiel; in welchem er ihm seinen vollkommenen Lebens-Lauff abmahlete /und viel ihm / auch so gar mit seiner zänckischen und üppigen Terentia begegnete Zufälle / wiewol unter verblümten Nahmen erleuterte; und Anleitung gab: wie ein Weiser hierzu lachen könte; wenn ein Thörichter darüber wolte aus der Haut fahren. Wie er durch diese Unempfindligkeit des Kaysers Gunst; die Obsicht über gantz Rom erworben; bey dem Römischen Adel die Beneidung seines Auffnehmens verhütet; Augusten mehrmahls von den hitzigsten Entschlüssungen / ja von Niederlegung der Römischen Herrschafft / die ihm theils Agrippa / theils die Verdrüßligkeit der grossen Bemühung und öfftere Unpäßligkeit vergällete / zurück gehalten hätte. Nebst diesen Sitten-Lehren brachte er dem Fürsten Herrmann unter ihren Kurtzweilen / oder / wenn sie mit einander in denen Lust-Gärten die Zeit vertrieben / allerhand Künste / nemlich geschwinder Rechnung /einen von ihm selbst erfundenen Handgrieff so geschwinde zu schreiben / als einer redete; die Feld- und Wasser-Mässung ohne gewöhnlichen Werckzeug /und noch mehr andere Wissenschafften gleichsam spielende bey; also: daß dieser nicht nur unter die vollkommenste Unterweisung / welche nicht nach dem Staube roch / noch im Schatten der Einsamen /sondern in dem Lichte der erfahrnen Weisen begriffen ward / gerieth; sondern beym Mecenas gleichsam das Kind im Hause war. Wiewol ihm nun Terentia mehrmahls / theils durch ihre üppige Lebens-Art ärgerlich fiel / theils durch ihre Liebkosungen diesem jungen Fürsten offt die Neigung zu einer solchen Wollust /welche keine Aufwärterin der Tugend ist / beybringen wolte; waren doch die derselben wiedrige Sitten in seinem Hertzen so tieff eingewurtzelt: daß sie auch die empfindlichsten Versuchungen heraus zu reissen viel zu unvermögend waren. Denn ob zwar die angenommene Tugend nach Art des mit schlechter Erde mehrmahls vermengten Ertztes einen schlimmen Beysatz verträgt; so ist doch die Krafft der angebohrnen und durch die Sitten des Landes angewöhnten Tugend so starck: daß sie / wie das Oel / keinen schlechten Beysatz oder Feuchtigkeit mit ihr vermischen läst; sondern ihre köstliche Fettigkeit auch in den grösten Tieffen der Laster allezeit oben schwimmt. Uber diß stand des Fürsten Herrmanns Tugend in des Mecenas Hause und Terentiens Gemeinschafft gleichsam wie das Gold in dem Schmeltz-Ofen ihre richtige Prüfung aus. Sintemahl es unter eitel tugendhafften / und wo man zu sündigen weder Anlaß noch Gelegenheit hat /tugendhafft seyn eine so schlechte Kunst ist / als bey stiller See und gutem Winde einen Schiffer abgeben. Einer / den sein Blut nicht reitzet / ist mehr frostig; und den keine Schönheit locket / mehr eingeschlaffen / als keusch. Daher verdienet nur der / welchem sein frisches Alter / sein kräfftiger Leib / sein liebkosendes Glücke / das Vermögen seine Uppigkeit auszuüben geben / und welchem schöne Terentien Körner [1215] der Wollust fürstreuen / den Ruhm der Mässigkeit / wie ein Kriegs-Mann der Tapfferkeit / der durch ihm zusetzendes Feuer und Eisen sich hertzhafft durchgeschlagen hat. Salonine brach ein: So höre ich wol: Fürst Adgandester pflichte dem neuen Weltweisen bey; welcher unlängst keine nicht in Versuchung geführte Tugend darfür wolte gelten lassen; und daher daß Behältnüß der Vestalischen Jungfrauen für einen knechtischen Kercker der Seele / und die Einsamkeit für ein Fuß-Eisen der Tugend verdammte; hingegen seine Schüler in offentliche Huren-Häuser zu Anschauung der schändlichen Geilheiten führte; denen entblösten Weibern ihre Brüste betastete / und darbey sich einer kaltsinnigen Unempfindligkeit rühmte / um seinen Nachfolgern theils die Heßligkeit der Laster für Augen zu stellen / theils sie anzugewöhnen / wie sie die Versuchungen der Wollüste auch / wenn sie mit allen ihren Waffen ansätzten / mit unverwendetem Gesicht überstehen solten. Daher er auch Ulyssen für kein Bild der Tugend gelten ließ / weil selbter der Wollust keinen Streich auszuhalten / noch die liebreitzenden Sirenen anzuhören sich getrauet / sondern die Ohren verstopfft / und für seinem Feinde entlauffen wäre. Alleine diese Weißheit wolte nicht den Stich halten. Denn dieser Lehrer führte seine Schüler zwar leicht auff diese gefährliche Syrten; aber sie wieder heraus zu bringen war kein Rath; und wurden bey nahe alle Nachfolger des wollüstigen Aristippus. Seiner Schwester / welche hundert schöne Mägdlein in täglicher Gemeinschafft junger Edelleute zu Keuschheits-Märterern machen wolte / gieng es nicht besser. Denn ehe das Jahr vorbey war / giengen ihrer neun und neuntzig schweren Leibes. Adgandester antwortete: Er stimmte mit niemanden weniger / als mit dieses aberwitzigen Affter-weisen thörichter Meinung überein. Sintemahl ihm die menschliche Schwachheit / die angebohrne Neigung zum Bösen / und die Unvollkommenheit der Tugenden allzuwol bekandt wäre. In Anfechtungen müste freylich wol die Keuschheit eben so wol / als andere Tugenden den Siegs-Krantz verdienen. In die Stricke der Wollust aber selbst vorsätzlich rennen / wäre eben so närrisch / als wenn ein Schiffer mit auffgespannten Segeln in den Charybdischen Strudel rennen / und darmit seine Wissenschafft prüfen wolte. Sonderlich liesse es zwar sich allen andern Lastern die Stirne bieten / und selbte / wie Hercules die Ungeheuer / auffsuchen; für der Wollust aber wäre am rathsamsten Scythisch zu fechten; welche auff der Flucht mit ihren Pfeilen dem Feinde den grösten Abbruch thun. Mit dem Neide möchte man / wie Alcides mit dem Anthäus ringen /die Wollust aber müste man ihm nicht lassen zu nahe auf den Hals kommen / sondern sie wie Apollo die Gifft-hauchende Schlange Python von weitem erlegen.

Also machte es Fürst Herrmann; der in allem zugleich ein Lehrmeister seines jüngern Brudern Flavius; und bey seiner Gefangenschafft so vergnügt war: daß er bey nahe seines Vaterlandes darüber vergessen hätte; wenn selbtes ihm durch die Zeitungen von des Drusus Kriege nicht mehrmahls wäre ins Gedächtnüß gerückt / und deßwegen eine kindliche Sorgfalt in seinem Gemüthe erweckt worden. Denn ob ihm zwar sein kluger Lehrmeister mit gutem Grunde beybracht hatte: daß der Kampff wieder das Verhängnüß eine unfruchtbare Riesen-Stürmung des Himmels wäre; und wer schon unglückselig seyn solte / von der Last der vorsichtigsten Hülffs-Mittel erdrückt würde; ja seinen Aertzten unter den Händen vergienge; so kan sich doch ein großmüthig Hertz dieser zärtlichen Empfindligkeit und der Bekümmernüß für sein so süsses Vaterland unmöglich entschlagen; als dessen Liebe unserer Eltern / ja unsere eigene niederschlägt. Seine Sorge verfiel aber gleicher Gestalt nach und nach; [1216] weil / wie in unglücklichen Begebenheiten zu geschehen pflegt / anfangs durch zweiffelhaffte Zeitungen / endlich durch vergebene Vermäntelungen die Niederlage der Römer / und des Drusus Tod zu Rom ruchbar; und / ungeachtet der ausgesprengten Siege /gantz Italien in grosses Schrecken versetzt; ja August so bestürtzt ward: daß er alles Einredens ungeachtet /sich der Herrschafft begab; und es den Rath nicht geringe Müh kostete / solche ihm gleichsam wieder Willen wieder aufzudringen. Wiewol nun des Volckes zum Drusus getragene Neigung bey seinem Verluste eine nicht geringe Verbitterung verursachte / und daher Mecenas dem Fürsten Herrmann und Flavius rieth: daß sie sich bey Drusus Verbrennung auf dem Platze des Kriegs-Gottes nicht solten schauen lassen; so hieß sie doch August und Livia bey beweglicher Ablegung ihres Mitleidens nebst ihnen daher erscheinen. Und / weil sie ihn mit dem Nahmen des deutschen Drusus beehrten; so liessen sie ihnen auch gefallen: daß Herrmann und Flavius / als zwey deutsche Fürsten / die in einen gantz güldenen Todten-Topff zusammen gelesene Asche des Drusus in das Kayserliche Begräbnüs trugen. Ja / als über des Kaysers und Tiberius Lobrede der Römische Rath ihm auf der Appischen Strasse einen marmelnen Siegs-Bogen aufrichten / und in einer Uberschrifft eingraben ließ: Drusus hätte Deutschland überwunden; der großmüthige Herrmann aber darüber als einer ungegründeten Heucheley lachte; und wie Drusus nicht die Helfte Deutschlands gesehen hätte / deutsch heraus meldete /befahl der Kayser die Uberschrifft zu mäßigen; und über seine Siegs-Zeichen einzugraben: Von denen in etlichen Schlachten geschlagenen Deutschen. Sintemahl der damahlige Zustand all zu klar an Tag legte / wie weit es fehlte: daß die Deutschen im Kriege vom Drusus wären überwunden worden. Nach dem auch die Bürgermeister bey denen dem Drusus zu Ehren angestellten Spielen viel Deutsche auff Leib und Leben gegen einander zu fechten zwingen wolten; vermittelte es August dem Herrmann und Flavius zu Liebe dahin: daß nicht nur hierzu kein Cherusker / ja auch kein edler Deutscher / welcher nicht mit denen auch edlen Römern sich freywillig dem Kayser zu Liebe in Kampff-Platz verfügten / gezwungen ward; sondern auch hinführo jährlich mehr nicht / als zweymahl derogleichen Schau-Spiele gehalten / und zum meisten nur sechzig paar Fechter aufgestellt werden solten. Dahingegen vorher monatlich / ja zuweilen hundert und zwantzig Tage nach einander solches geschehen / und wohl zehen tausend Fechter auff einmahl denen blutgierigen Augen zur Kurtzweil aufgeopffert; ja so gar von denen / die nicht eben so reich /noch auch Raths-Herren / vielmehr aber nur Freygelassene waren / wieder das vom Cicero gemachte Gesetze / solche grimmige Ergetzungen angestellet wurden.


Alldieweil auch August ohne Schande und Verkleinerung der Römischen Hoheit den letzten dem Drusus versetzten Streich so schlechter Dinges nicht verschmertzen konte; oder vielmehr den Deutschen den Einfall in Gallien verwehren muste / schickte er zwar den Tiberius an Rhein; er ließ aber durch Livien dem Fürsten Herrmann an die Hand geben: daß er um der streitbaren Cherusker Gemüther zu besänfftigen an seinen Vater Hertzog Segimern umständlich schreiben solte: wie ehrlich und Fürstlich er und sein Bruder zu Rom gehalten würden; und wenn nur August von ihm einige Friedens-Zuneigung verspürte; sie von Rom erlassen zu werden sichere Ventröstung hätten. War also Herrmann abermahls der nützliche Werckzeug: daß selbiges mahl die Kriegs-Flamme zwischen diesen beyden Völckern nicht allzusehr zu Schwunge kam; sondern daß vielmehr [1217] ein Stein zu dem Friedens-Grunde mit den Cheruskern gelegt ward. Uber welcher Friedens-Hoffnung Tiberius zum andern mal die Bürgermeister-Würde und den Nahmen eines Römischen Feldherren erwarb; dem August aber zu Ehren der Monat / in welchem er das erste mahl Bürgermeister worden war / seinen Nahmen bekam.

Als Herrmann nun derogestalt gleichsam dem Kayser und dem Glücke in der Sches saß; zohe das Verhängnüs an dem Himmel eine trübe Wolcke zusammen; welche allen seinen Wolständ hätte einäschern können; wenn nicht seine Unschuld ihren Schlag auf ein ander Haupt gewendet hätte. Die geile Terentia hatte mit ihrem Zauber Liede dem wunderschönen Herrmann lange Zeit in Ohren gelegen; mit ihren hefftigen Liebesreitzungen aber bey ihm nichts als höflichen Schertz erworben. Weil sie nun nicht begreiffen konte: daß dieser junge Fürst / dem Liebe und Anmuth aus den Augen sah / und zwar in denselben Jahren: da das aufjährende Geblüte gleichsam auch gefrorne Menschen aufthauet / aus blossem Triebe der Tugend gegen ihren Liebreitz / welcher auch den Kayser bezaubert hatte / so unempfindlich seyn könte; vermochten ihre Gedancken ihr nichts so seltzames fürbilden; in welchem sie nicht die Ursache seiner Kaltsinnigkeit er grübeln wolte. Wenn ihr einkam: daß er sie als allzu alt / oder nicht schön genung / verschmähete / wolte sie bey nahe von Sinnen kommen. Denn keiner verdammten Seele Pein kan die / welche eine verschmähete Frau erduldet / übertreffen. Wenn ihr aber wieder das so vortheilhaffte Urthel einfiel /welches Fürst Herrmann mehrmahls für sie gefällt hatte; liebkosete sie wieder ihrer süssen Hoffnung /und raffte / wie zuvor / alle Waffen des Liebreitzes ihn zu fässeln / also itzt alle scharffsinnige Gedancken zusammen hinter das Geheimnüs seines Hertzens zu kommen. Wie sie nun einmahl auf des Mecenas Tiburtinischem Vorwerge der Meyen-Lust genaßen; und sie des Morgens früh vor Auffgang der Sonnen sich auff dem über die marmelnen Gewölber gepflantzten und meist mit ausländischen Gewächsen besetzten Lustgarten ergieng; hörte sie in dem Thale gegen den Fluß Anio eine annehmliche Stimme; welcher sie sich gemächlich näherte; sonderlich / als ihr selbte ie mehr und mehr bekandt fürkam / und sie endlich für des Fürsten Herrmanns erkennte; welcher aus einem Grichischen Schau-Spiele in der Person des auff der Helena Raub sinenden / und mit ihm selbst streitenden Paris gleich nachfolgende Reymen sang:


Der Sporn der Liebe reitzet mich /

Allein mich hemmt der Zaum der Ehren.

Sie meiden ist mein Hertzens-Stich /

Sie lieben / Seel' und Freund versehren.


Ja / wie soll ich und ein solch Weib

Vermengen Lieb' und Hertz zusammen /

Die tåglich ihren schnöden Leib

Aufopffert eines andern Flammen?


Denn / liebt sie gleich nur einen Herrn

Von hoher Würd' und vielen Gaben;

So mag ich doch auch Jupitern

Selbst nicht zum Neben-Buhler haben.


Fürst Herrmann hätte Zweiffels-frey weiter gesungen; wenn er nicht durch einen aus der Tieffe des Hertzens geholeten Seuffzer von Terentien wäre gestöret worden. Denn diß für Liebe brennende Weib meinte nun die Auslegung des ihr zeither verborgenen Räthsels aus dem Munde des allzu verschlossenen Herrmanns gehört zu haben; dessen Gedancken sie aus einer süssen Uberredung antichtete: daß er mit dem Kayser eyferte / und Terentien entweder gar nicht / oder nicht halb besitzen wolte. Sie bereuete aber alsobald den Vorwitz ihres unzeitigen Seuffzers / oder vielmehr das Unvermögen: daß sie mit ihren Gemüths-Bewegungen so gar nicht hinter dem Berge halten könte; sonderlich / als sie diese in ihren Ohren mehr als [1218] himmlische Stimme gäntzlich verstummen hörte. Gleichwol wolte sie sich nicht ferner bloß geben; verbarg sich also zwischen zwey Palm-Bäume / und enteusserte sich des Gartens: daß Herrmann weder ihr weiter gewar ward; noch wem er diesen Seuffzer zueignen solte / sich groß bekümmerte; am allerwenigsten aber dißmahl auf Terentien dachte. Sie hingegen saan nach / wie sie dem Fürsten Herrmann ihre gegen dem Kayser zeither bezeigte Gewogenheit auffs kaltsinnigste / ihre Liebe aber gegen ihm auffs feurigste entwerffen möchte. Weil sie nun auff alle seine Tritte Kundschafft legte / und folgenden Tag nach bereit untergegangenen Sonne erfuhr: daß er seinen gewöhnlichen Lustgang erkieset hätte / versteckte sie sich in ein an dem Flusse Anio liegendes Gepüsche; bey welchem Herrmann nothwendig vorbey gehen muste; fieng daselbst an den Brand ihrer Seele auszurauchen; und hierdurch nicht so wol ihr / als ihm den Stein seiner Schwermuth vom Hertzen zu weltzen. Zu allem Unglücke aber traff sichs: daß August den Mecenas selbigen Abend überfallen / und wegen Erweiterung der Römischen Stadt-Mauern mit ihm Unterredung pflegen wolte. Wormit er ihm aber so viel unvermutheter auf den Hals käme; hatte er seinen gantzen Aufzug hinter dem nechsten Lustwege zurück gelassen / und mit der einigen Livia diesen bekandten Lustgang erkieset; auf welchem er dem Fürsten Herrmann zuvor kam / und die einsame Terentia ihm eben gleich folgende Reymen mit vielen hertzbrechenden Seuffzern entgegen schicken hörte:


Verschmähstu / sch \nster Fůrst der Welt /

Die Seele / die sich dir zum Weyhrauch zůndet an?

Die einem Kayser zwar zum Schein ist beygethan /

Doch dich fůr ihren Abgott hålt;

Die zwar umarmet den August /

Dich aber schleust in Seel' und Brust.


Halt deiner Eyversucht doch ein:

Daß ich das Wunder-Qvell der Garamanten bin;

Daß wenn der Schatten fållt der Mitternacht dahin /

Pflegt heiß / deß Mittags kalt zu seyn.

Der R \mer Sonne bin ich Eys /

Dir / kaltes Nord-Kind / brenned heiß.


Du aber gleichst dem Brunne dich /

Der Fackeln zůndet an / wenn sie verloschen sind /

Und brennende lescht aus. Dein Liebes-Schwefel rinnt

In mein kalt Hertz / und peinigt mich.

Berührt dich aber meine Glut /

So bistu Schnee / gefrorne Flut.


Der Kayser / welcher sich von Terentien tausend vergeisterter Küsse zum Willkommen versehen hatte /erstarrte über dieser verächtlichen Verschmähung. Livia hingegt nahm durch das Gesträuche den an dem Flusse herab ko enden Herrmañ wahr. Welche Begebenheit ihm Terentiens Gesang noch mehr auslegte; ob selbter zwar seiner Klarheit nicht bedorffte. August kehrte hiermit auf dem Fuße um; und fuhr also fort ohne Beschreitung des Mecenatischen Vorwergs auff das Lust-Haus / welches des gefangenen Königs Syphax Wohnstatt gewest war. Fürst Herrmann aber /der den Kayser ebenfalls erblickt hatte / lenckte sich mit allem Fleiß von dem durch das Gepüsche gehenden geraden Wege ins Vorwerg / theils dem Kayser durch vorwitzige Ausspürung seiner einsamen Belustigung nicht verdrüßlich zu seyn / theils dem Mecenas von seiner Ankunfft Wind zu geben. Mecenas machte alsbald möglichste Anstalt zu des Kaysers würdiger Empfangung; etliche Leibeigne berichteten auch: daß sie seine Senffte und Wagen in der Nähe gesehen hätten. Alleine nach vielem Warten war kein Kayser zu sehen; und nach eingeholter Kundschafft /er mit seinem gantzen Auffzuge verschwunden. Mecenas verfiel hierüber in allerhand seltzame Gedancken; insonderheit / da er von der Einkehr in das einsame Lust-Haus des Syphar gewisse Nachricht erhielt. Am allermeisten ahnete Terentien nichts gutes / als sie verstand: daß August und Livia an dem Fluße Anio wären gesehen worden; allwo sie ihr Hertze so frey ausgeschüttet hatte. Es war ungefähr Mitternacht; als Lucinius ein Freygelassener [1219] vom Kayser ankam / und den Fürsten Herrmann abforderte. Dieser traff den Kayser an Gebährden und Gesichte so verstellt an /als er ihn vor niemahls gesehen hatte. Denn / weil Eyversucht nichts anders / als eine aus Liebe und Haß vermischte Mißgeburt / ja ein rechter Centaurus ist; kan ihre Begegnung nicht ohne Ungebährdung / und sonder Ausschüttung Feuer und Gifftes geschehen. Welche Entrüstung beym August so viel hefftiger war; weil Fürsten eben so empfindlich sind / wenn man ihnen ans Hertze rühret / als wenn man ihnen an den Zepter greifft; ja auch die Eyversucht gegen eine heimliche Buhlschafft so viel hefftiger / als gegen sein eigen Ehweib ist; so viel jene Liebe diese an Hefftigkeit übertrifft. Daher wie sie vorher dem so holdseligen Gestirne des Bäres ähnlich gewesen / also hatte nach ihrem Abfalle sie sich in die Grausamkeit eines Wald-Bäres verwandelt; Gleichwol aber hatte die Gegenwart des beliebten Herrmanns noch so viel Nachdruck: daß der Kayser nichts thätliches entschloß /sondern diesen Fürsten beschwur / ihm die Warheit nicht zu verschweigen; was zwischen ihm und Terentien / welche ihre Untreu bereit mit ihrem eigenen Munde verrathen hätte / für vertrauliche Gemeinschafft gepflogen worden wäre. Fürst Herrmann antwortete mit unverändertem Antlitze: Er hätte sich der Wolthaten des Mecenas gebrauchet; und Terentien mit derselben Ehrerbietung begegnet / die eines so edlen Römers Frau / und eines so grossen Fürsten Freundin verdiente. August versetzte: seine Unschuld dörffte keiner Vertheidigung; aber Terentiens Verbrechen eine unverfälschte Entdeckung. Herrmann begegnete dem Kayser abermahls unerschrocken: Terentia hätte gegen ihn mehr Gewogenheit bezeuget / und ihm mehr Liebes gethan / als er sich würdig schätzte; ob sie aber was unverantwortliches darunter angezielet / wäre er ein allzu unverständiger Ausleger; zumahl er niemahls wahrgenommen: daß Terentia auch einem Knechte ein sauer Auge gegeben / vielmehr aber auch dem gemeinen Pöfel mit aller Höfligkeit begegnet hätte. August ward hierüber so verwirret: daß er zu keiner gewissen Entschlüssung kommen konte. Endlich fieng er zum Herrmann an: So solte er denn seine Auslegung für keinen Traum halten: daß Terentia unter dem Zucker ihrer Freundligkeit nichts anders / als sein Hertze mit Galle / Herrmanns mit Giffte anzufüllen bemüht gewest wäre. So bald nun der Kayser dem Fürsten Herrmann Urlaub gegeben / befahl er seinem Geheim-Schreiber Thallo an den Mecenas diesen Befehl zu fertigen: daß er die Ehbrecherin Terentien für aller Menschen Augen verbergen / dem Thallo aber alle in ihrem Zimmer befindliche Schrifften abfolgen lassen solte. Weil nun des Kaysers liebster freygelassener Proculus / der auch selbst mit zu Tibur gewest war; aus Augustens Rückkehr und Gebährden was grosses besorgte; bestach er den Thallo mit fünffhundert Groschen: daß er ihm den Auffsatz des Kayserlichen Befehls eröffnete. Proculus erschrack hierüber auffs hefftigste; und weil er ihm übel bewust war; reñte er selbigen Augenblick Spornstreichs voran Terentien zu warnigen. Sie hatte aber die gantze Nacht keinen Schlaff in ihre Augen bracht; und auf den Morgen / weil ihr gleichsam die Welt zu enge /und die herrlichen Lustgärte eine abscheuliche Wüsteney waren / sich in das raue Thal an dem Flusse Anio verstecket; also: daß der ängstige Proculus sie kaum in etlichen Stunden auffinden konte. Er traff sie auff der Erde gantz erstarrt an; und er selbst bebte wie ein Aspen-Laub; also: daß beyde einander ohn einig Wort schon ihr Bekümmernüs entdeckten. Endlich erzehlte Proculus des Kaysers ertheilten Befehl / welcher genung zu verstehen gäbe: daß er hinter ein groß Geheimnüs müste kommen seyn. Itzt aber liedte es die Zeit nicht Weh zu klagen; sondern sie solte ohne [1220] Versäumung einigen Augenblicks ihre geheime Schreiben ins Feuer werffen / oder sonst aus dem Wege räumen. Er wolte inzwischen in selbiger Einöde ihres Befehles erwarten. Terentia eilte zwar ins Vorwerg; wie sie aber bey dem mittelsten Spring-Brunnen die Marmel-Stuffen hinauf stieg / begegnete ihr der auf der andern Stiege gegen über empor steigende freygelassene Euceladus mit noch sechs Untergebenen; welcher Angesichts mit dem Mecenas auffs Kaysers Befehl reden wolte. Terentia nahm sich eines freudigen Gesichts an / mit Vertröstung: daß sie ihn beym Mecenas gleich anmelden wolte. Weil ihr nun diese Auffseher so geschwinde auff den Hals kommen waren: daß sie unmöglich alle geheime Schreiben zusammen lesen und verbergen konte; sie auch bey ihrem Ehmanne ihr keinen fremden Ankläger wolte zuvor kommen lassen; weil doch des lasterhafftesten Menschen eigenes Bekäntnüß gleichsam allen andern das Maul stopfft; so gieng sie in des Mecenas Zimmer / schloß selbtes hinter ihr zu; und fiel bey seinem Bette für ihm auf die Erde nieder / redete ihn hierauff mit starrenden Augen also an: Mecenas / ich habe mich leider! genug befleckt; und dich zu sehr beleidiget! Meine Geilheit ist Ursache: daß das uhralte Königliche Geschlechte der Hetrurischen Lucumoner mit dir erleschen muß. Meine Eigensinnigkeit hat dich gezwungen / fast täglich eine neue Ehberedung mit mir auffzurichten. Meine unzeitige Bruder-Liebe gegen den aufrührischen Murena hat deinen Ruhm bey dem Kayser vergeringert; Mein Vorwitz aus dem anfänglichen Wesen deines Ansehens einen blossen Schatten /meine Uppigkeit dich zum Gelächter des Pöfels gemacht. Nach dem ich aber mit meiner Unsauberkeit die unvergleichliche Tugend des Fürsten Herrmanns zu besudeln mich gelüsten lassen; habe ich die Götter so sehr beleidigt: daß sie alle meine Anschläge haben zu Rauche / mein Gewissen zum Hencker / den geneigten Kayser zu meinem Tod-Feinde werden lassen. Weil ich nun mit nichts anderm meine Seele reinigen; deine Beleidigung vergnügen / Augusten versöhnen /und Herrmanns Unschuld ein Zeugnüs ablegen kan; als durch Verspritzung dieses schuldigen Blutes; so vergnüget euch alle mit dem / was zwar ein Behältnüs der edlen Seele / aber der verzweiffelten geringstes Wasser und eine verdrüßliche Uberlast ist; Gleichwol aber derogestalt zuweilen so nützlich angewehret wird: daß ihrer viel / denen man im Leben selbtes nicht gegönnet hat / nach dem Tode zu leben verlangt worden. Uber diesen letzten Worten stach sie ihr den versteckten Dolch biß ans Hefft in die Brust; und weil Mecenas herzu sprang / ihr auch den Dolch heraus zoh; war er von ihrem Blute derogestalt bespritzet: daß / als er die Thüre öffnete / Euceladus sich hierüber entsetzte / und ihn selbst auff den Tod für ver wundet hielt. Mecenas aber erkennte für grosser Gemüths-Verwirrung diesen Freygelassenen nicht einmahl; sondern rieff allein: daß iederman der sterbenden Terentia zu Hülffe kommen solte. Das Gemach ward zwar voll Volckes / aber Terentia hatte ihren Geist schon ausgeblasen. Worüber denn unter denen Freygelassenen und Mägden ein solches Heulen und Wehklagen entstand: daß es dem versteckten Proculus zu Ohren kam; und verursachte: daß er sich ohne Nachdencken des ihm daraus erwachsenden Verdachts in das Vorwerg und in das Zimmer / wo Terentia todt lag / verfügte. Als dieser den Euceladus bey der Leichen stehen sahe / und von ihm seiner Einbildung nach (weil ein böses Gewissen den Schuldigen auch aus einem Schatten einen Ankläger macht /) scharff angesehen ward / bildete er ihm nicht anders ein; als daß Terentia von des Euceladus Hand ermordet; und dieser ihn in Hafft zu nehmen gesinnet wäre. Daher er grieff er den blutigen Dolch / und schnitt ihm damit in einem Augenblicke zu aller Anwesenden Verwunderung die Gurgel [1221] ab. Der bestürtzte Mecenas aber sanck hierüber in Ohnmacht auff das mit beyder Blute bespritzte Bette; also: daß Enceladus einen seiner Gefehrten an Kayser abfertigte / und selbten so wol des gantzen Verlauffs verständigte / als neuen Befehl verlangte. August ward hierüber nicht wenig bestürtzt; muthmaste / das Geheimnüs seines Befehls wüste verrathen worden seyn; Proculus aber an Terentiens Verbrechen Theil gehabt haben. Diesemnach setzte er den Thallo / als welcher allein hierum wuste / zur Rede; brachte ihn auch durch angedreute Marter zum Bekäntnüße: daß er dem Proculus davon gesagt hätte / weil der Kayser ihm vorhin grössere Geheimnüsse zu vertrauen pflegen. Worüber August sich derogestalt entrüstete: daß er dem Thallo Arme und Beine zu zerschmettern / und des Proculus Leiche in Fluß Anio zu werffen befahl. Weil aber Terentia bereit tod war; und entweder seine alte Liebe aufwallete / also sich in Mitleiden verwandelte; oder weil er besorgte: daß aus Terentiens Schrifften etwan eine mit dem Proculus gepflogene und ihm selbst verkleinerliche Verträuligkeit ans Licht kommen möchte / kam er selbst zum Mecenas ihn zu trösten; beredete ihn auch unter dem Vorwand: es möchten einige zwischen ihm und Terentien gewechselte Schreiben bey seiner Unpäßligkeit vom Gesinde verrückt werden: daß er alle Brieffe in dem Vor-Saale / und zwar in des Kaysers selbsteigener Anwesenheit verbrennen ließ. Mecenas schöpffte bey des Kaysers Ankunfft zwar etwas Lufft; es hatte aber keinen Bestand; sondern die Kranckheit nahm von Tage zu Tage überhand: daß er selbst sein bevorstehendes Ende leicht wahrnahm /deßwegen seinen letzten Willen fertigte / und darinnen den einigen August zum Erben einsetzte / etlichen guten Freunden aber nur etwas weniges vermachte /worunter Fürst Herrmann mit aller seiner Rüstung und Pferden / Horatius aber mit seinen Büchern /unter welchen sich des Maro selbsthändige Eneis befand / die er zu Brundustum verbrennen wollen; Mecenas aber in ein güldenes Kästlein auffgehoben hatte / bedacht war. Weil es ja um dieses Tichters herrliches Werck nichts minder / als um das von ihm beschriebene Troja schade gewest wäre: daß es hätte sollen eingeäschert werden. Acht Tage hernach starb er zu grossem Betrübnüs des Kaysers und aller Gelehrten in den Armen des Horatius; welcher aber diesen Tod derogestalt empfindlich betrauerte: daß er dem neundten Tag nach ihm gleichfalls sein Leben beschloß; und nicht minder den Kayser zum Erben hinterließ. Aller dreyer Leichen Asche ward auf dem eussersten Esqvilischen Berge in das vom Mecenas selbst aus Marmel köstlich gebaute Grab gesetzet; und zwar des Mecenas Asche in einem Geschirre von Berg-Kristallen durch zwölff berühmte Tichter / des Horatius aber in einem Kruge von Corinthischem Ertzte durch neun edle in so viel Musen verkleidete Jungfrauen; und alle drey mit sinnreichen Grabeschrifften verehret. Es hatte aber in einer Nacht ein unbekandter Erfinder an ihr Grab folgende Zeilen eingraben lassen:


Die lebend nicht war werth / Mecenas Weib zu seyn

Verdient durch ihren Tod: daß sie in einem Grabe

Vermischt mit seiner Asch' an ihm die Ruhstatt habe.

So ist es Schade nun fůr ihn: daß ihn der Stein

So bald; fůr sie: daß er so langsam sie bedecket;

Weil in dem Leben sein' / im Tod' ihr Bestes stecket.


Fürst Herrmann setzte durch seine ruhmbare Bezeugung gegen Terentiens Anmuthungen ihm beym Kayser einen neuen Glücksstein ins Bret; also: daß er bey allen wichtigen Sachen ihm etwas zu vertreten anvertraute; welches für ein Kennzeichen der Kayserlichen Genade / und ein Aufnehmen seines Ruhmes zu achten war. Als August das Heiligthum der Eintracht einweihen / seinen und des Drusus Nahmen nicht allein über die Pforten schreiben / sondern auch ihrer beyden Bilder / wiewol [1222] nach dem Vorbilde des Jupiters und Apollo darein setzen ließ / hatte Fürst Herrmann die Ehre das Bild der Eintracht zu tragen /gleich als wenn August durch ihn die Deutschen und Römer vereinbaren wolte. Wie auch Livien und des Kaysers Mutter ein Tempel gewiedmet ward; überliefferte er Livien vom Kayser / als obersten Priester / die güldene Taffel / in welche die Ordnung des ihnen besti ten Gottesdienstes geschrieben stand. Ingleichen als Tiberius auffs neue wieder die Deutschen aufziehen / August Gallien in Ruhe zu erhalten dahin folgen muste; Cajus und Piso aber für des Kaysers glückliche Rückkunfft kostbare Schau-Spiele anstellten; und in selbten alle Völcker die Heldenthaten ihres Hercules auf den Schau-Platz brachten; ließ Herrmañ in einem Kampfe zu Fuße in Gestalt des deutschen Hercules für allen andern seine Geschickligkeit sehen. Ja der Kayser stellte die zwey deutschen Fürsten den Herrmann und Flavius seinen zweyen aus dem Geschirre schlagenden Enckeln dem Cajus und Lucius mehrmahls zum lobwürdigen Beyspiele der Sittsamkeit und Tugenden für. Sintemahl das Gute vom Schädlichen selten durch eigene Klugheit / mehrmahls aber aus anderer Beyspiele / und dem Ausschlage der Sachen unterschieden wird. Zugeschweigen: daß er dem Herrmann Anlaß gab / diese zwey freche Jünglinge / darunter der jüngste für den ältesten / im offentlichen Schauplatze das Bürgermeister-Amt zu begehren sich erkühnete; in ihrer Gesellschafft zur Bescheidenheit anzuweisen. Alleine ihre Unart war weder durch des Kaysers Sorgfalt; und daß er den Cajus zum Priester machte / in den Rath zu kommen /bey denen Raths-Herren zu sitzen und zu speisen erlaubte; noch durch des Fürsten Herrmanns Vorbild zu verändern. Sintemahl / wenn das menschliche Gemüthe schon einmahl verwildert ist / selbtes schwerer / als ein mit denen ungeheuersten Hecken verwachsenes Feld zu rechte gebracht werden kan. Ja ihre Verwegenheit stieg so hoch: daß Tiberius / (welchen der Kayser zum Römischen Zunfftmeister / und zum Feldherrn in Armenien erklärte / um durch dieses Ansehen des Cajus und Lucius Vermessenheit zu steuern /) es länger nicht zu Rom auszustehen getraute; sondern nach dem Beyspiele des Agrippa nach Rhodus zoh; welcher auch dem Marcellus als einer neuaufgehenden Sonne nach Mytilene / um selbtem in Erlangung der höhern Würden nicht am Wege zu stehen /noch / wenn er ihm etwas zuvor thäte / ihn zu verdüstern auswiche. Und vermochten weder Liviens Thränen / noch daß August im Rathe von ihm verlassen zu werden beklagte / den Tiberius in Rom zu erhalten /als welcher von ihnen Verlaub der Einsamkeit durch viertägichte Enteusserung der Speise erpreste. Nichts desto weniger wuste Herrmañ sich in allem seinem Beginnen derogestalt zu mäßigen: daß er keinen Fuß breit von der Tugend absetzte; durch seine Bescheidenheit aber nebst dem Flavius noch die Zuneigung des Caius und Lucius behielt.

Mitler Zeit als der verreisete Tiberius theils in Armenien den Tigranes zum Könige einsetzte; theils auf dem Eylande Rhodus der Weltweißheit oblag; schien das Glücke die dem Fürsten Herrmann zugethane Gewogenheit der Menschen zu beneiden. Denn nach dem der Kayser den Flaminischen Renne-Platz anwässerte / und um das wegen verminderter Austheilung des Getreydes unwillige Volck mit Schau-Spielen zu gewinnen / sechs und dreyßig Krocodilen durch aller hand Arten des Kampffes hinzurichten fürstellen ließ; wolte der halb wahnsinnige Agrippa / als ein eingebildeter Wasser-Gott / darbey seine Tapfferkeit und Geschickligkeit für andern Römern / welche diese Thiere nur durch Wurff-Spieße / und eingesenckte Angelhacken hinzurichten bemüht waren / schauen lassen. Diesen seinen Enckel Agrippa hatte August in seiner Kindheit noch nebst andern Ubungen im Schwien unterweisen lassen. Deñ wie er selbst ein fürtreflicher Schwi er [1223] war / also hielt er diese Kunst nichts minder / als Solon / der die Atheniensische Jugend durch ein Gesetze zu der Erlernung verband / für eine hochnöthige und nützliche Sache; und zwar auch selbst den Fürsten. Denn ob diese zwar nicht Perlen fischen / noch wie zur Zeit des Xerxes Scylias aus dem Schwimmen Schau-Spiele machen dörffen; so können sie doch leicht in eine Noth verfallen / aus welcher nichts / als diese Geschickligkeit ihr Leben retten kan. Dahingegen wegen dieser Unwissenheit in der Schlacht bey Salamine so viel Persische Fürsten; und als Himilco Meßina einnahm / so viel edle Sicilier ertrincken / und der grosse Alexander bey Risa über seine Ungeschickligkeit sich beweglich beklagen musten; der geharnschte Cocles aber in der Tiber /und Kayser Julius im Meere bey Alexandria mit ihrem Schwimmen nichts minder einen unsterblichen Ruhm erworben / als ihre Wolfarth erhalten. Agrippa / der sonst fast zu allem ungeschickt war / hatte doch aus des Fürsten Herrmanns Anleitung darinnen ziemlich viel begrieffen; daher machte er nicht alleine ein Handwerck / sondern suchte auch Ehre daraus. Es ward einer der grösten Krocodiln in den mit Wasser hochangespannten Renneplatz gelassen / als der in ein leichtes weisses seidenes Gewand gekleidete Agrippa aus einem eröffneten Eingange in diß Wasser sprang /und in einer Hand mit einer Sichel / in der andern mit einem Spieße diesem gri igen Thiere entgegen schwam. August / als ein Zuschauer dieser Lust /konte sich nicht enthalten bey dieser Gefahr mit Worten und Geberden alle Anwesenden um Rettung seines bereit in dem Rachen des Todes steckenden Enckels anzuflehen. Zumahl dieses grausame Thier den Agrippa zeitlich in die Flucht brachte. Die Angelhacken waren bereit verbraucht; die Pfeile fielen auf den Rücken vergebens; und es wäre um Agrippen sonder Zweiffel gethan gewest; wenn sich nicht Fürst Herrmann ins Wasser gestürtzt / den Krocodil anfangs mit seinem Degen geneckt / und Agrippen zu verlassen verleitet; hernach aber diesem Spieß und Sichel ausgerissen / und das ergrimmte Thier behertzt angegriffen hätte. Dieses schoß zwar wie ein Blitz auff ihn zu; aber er wiech schwimmende mit unglaublicher Geschwindigkeit nicht allein auf die Seite; sondern versätzte ihm auch mit der Sichel zwey tieffe Wunden in Bauch; ehe es sich umwenden konte. Als diß aber mit noch grösserem Grimme geschah; wendete sich Herrmann abermahls; und brachte dem Krocodile zwey noch tieffere Wunden bey; also: daß sich das gantze Wasser darvon röthete / und diß Ungeheuer nunmehr alle seine Bewegungs-Krafft zu verlieren schien. Wie ihm nun Herrmann den letzten Streich beyzubringen bemüht war / machte ihn das Geschrey des Volckes aufsichtig: daß ein ander entweder aus Unvorsichtigkeit der Bewahrer / oder auch durch Arglist ausgelassener Krocodil so nahe ihm entgegen schoß: daß er keine Zeit hatte ihm auszuweichen / sondern er den in der Hand habenden Wurffspieß ihm in den aufgesperrten Rachen schieben muste. Dieser Bissen hielt seinen Feind so lange auff: daß Herrmann die Seite des Crocodils erreichte; und weil selbter über dem Spiesse käuete / ihm durch drey Schnitte Zorn und Leben benahm; also zwischen dem Zuruffe des frolockenden Volckes unversehrt seinen erstern Sitz erreichte. Fürst Herrmann hätte den Kayser durch Eroberung eines Königreichs ihm nicht so sehr / als durch Errettung des albern Agrippa verbinden können. Denn es ist sich nicht über die Blindheit der Eltern zu verwundern: daß sie die Gebrechen ihrer Kinder nicht selten für anständige Maale ansehen; welche / wie das gläserne Schmeltz dem Golde / eine mehrere Zierde beysetzen. Sintemahl ihre thu e Affen-Liebe sie zuweilen in dem Schlamme der Wollüste erstecket; oder zwischen den Flammen der angereitzten Begierden der Ehrsucht [1224] aufopffert. Diesemnach ward Fürst Herrmann zu einem obersten Hauptmanne der Kayserlichen Leibwache erkieset / und solche höchste vor bey einem bestandene Würde diesem Helden zu Liebe nunmehr zertheilet. Hingegen aber / weil Agrippa seine verwegene That damit entschuldigte: daß Kayser Julius auch Rathsherren öffentlich hätte Fechter /und Königliche Kinder Täntzer abgeben lassen; ward durch ein Gesetze allen Rathsherren das öffentliche Fechten verboten.

Höret aber / wie der Puls des Glückes so wunderlich schlägt; und wie seine beste Bewegung mehrmahls ein Vorbote der gefährlichsten Kranckheit /also sich in selbtes zu richten so viel schwerer ist; weil es die Unbeständigkeit eines Weibes und die Leichtsinnigkeit der Jugend an sich hat. Die vom Tiberius verlassene Julia meinte hierdurch nunmehr die Freyheit erlangt zu haben ihre Laster auf öffentliche Schaubühne zu bringen; und aus ihren Heßligkeiten noch Ruhm und Ehre zu suchen. Gleich als wenn die Gemüths-Flecken hohe Standes-Personen eben so /wie die Nacht die Sternen lichter machte; Da doch in Sammet ein Schandfleck viel heßlicher stehet / als in einem halb-wöllenem Schäfer-Rocke. Sie erkühnte sich auf öffentlichen Plätzen mit verächtlicher Gesell schafft verschwenderische Gast-Mahle / und üppige Nacht-Täntze zu hegen; ja die schandbarsten Gesellschafften der Stadt Rom an sich zu ziehen. Wiewol nun die Wollust ins gemein derogestalt gearthet ist: daß sie wie eine Fliege in einerley Garten so begierig auff stinckende Blumen und Unflat / als die Biene auff wolrüchenden Klee fällt / so gelüstet sie doch auch nicht selten nach Art der Spinnen aus den edelsten Gewächsen Gifft zu saugen. Nach dieser Art warff Julia ein Auge auf des berühmten Marcus Antonius / und der grimmigen Fulvia Sohn Julius / welcher vom August nach seines Vaters Tode seiner Eltern gröstes Vermögen erhalten / auch durch einen an des Kaysers Geburts-Tage gehaltenen prächtigen Pferde-Streit / durch Anstellung einer seltzamen Jagt / und ein dem gantzen Rathe ausgerichtet köstliches Gast-Mahl seine Gewogenheit befestigt / ja endlich gar die Bürgermeister-Würde erlangt hatte. Diesen zu gewinnen brauchte sie ihre zauberische Kuplerin Phebe eine Freygelassene; die anfangs mit vielen Thränen das Elend der schönen Julia bejammerte / und des Kaysers gegen seine Tochter verübte Unbarmhertzigkeit verda te: daß er sie nach dem sauersehenden Agrippa dem gramhafften Tiberius verheyrathet / und hierdurch ihr nicht nur alle Lust / sondern auch die Hoffnung des ihr beym Mangel der Söhne nach des Vaters Tode von Rechtswegen zuständigen Kayserthums entzogen hätte. Wie sie nun den Julius Antonius für diesen Beschwerden die Ohren nicht verstopffen sah; fiel sie auff die Grausamkeit und das Unrecht; welches August an dem grossen Antonius verübt hätte; durch dessen Beystand er doch wieder den Brutus und Caßius obgesiegt hätte. Er solte die ihm angestammte Großmüthigkeit seines Vaters / den Löwen-Muth seiner Mutter der streitbaren Fulvia durch keine Furcht in seinem Gemüthe erstecken lassen; sondern durch eine hertzhaffte Entschlüssung das hohe Geschlechte der Antonier auf die fürlängst verdiente Staffel der Oberherrschafft versetzen / durch den Genüß der vollko ensten Julia sich beglückseligen; und bey dieser guten Gelegenheit / da ihm des Kaysers Tochter beyde Armen reichte / da Marcellus / Agrippa und Mecenas todt / der junge Agrippa wahnsiñig / Cajus und Lucius zwey rohe Buben / und Tiberius dem gantzen menschlichen Geschlechte verhast wäre / seine Scheitel auf einmahl mit Rosen und Lorbern kräntzen. Herrschafft und Schönheit hat in sich einen so kräftigen Schwefel / welcher in dem Feuer der Ehrsucht und Liebe stählerne Hertzen zerschmeltzet / die klügstẽ Köpfe einni et und verwirret. Also ward Julius Antonius durch die schmeichlerische Phebe gefangẽ /[1225] durch die in allen Arten des Liebreitzes den Meister spielende Julia aber derogestalt bezaubert; dz er keinen Tag ließ vorbey gehen; in welchem er nicht in den Mecenatischen Garten Juliens Geilheit seine Leibes-Kräfften aufopfferte; allen seinen Witz aber dahin verwendete; wie er sich und Julien zur Römischen Herrschafft empor heben möchte; als die sich öffentlich gegen ihm heraus ließ: Sie wünschte die Glückseligkeit Tulliens zu geniessen; und sie scheute sich nicht mir trockenen Augen über ihres Vaters blutige Leiche die bestürtzten Pferde zu jagen; wenn sie nur den Julius Antonius zugleich als ihren Ehmann und Kayser grüssen könte. Zwischen diesen Berathschlagungen fiel das der Flora zu Ehren gehaltene Feyer ein; da denn Julius Antonius aus dem Tempel unterschiedene vornehme Römer / und sein Ehweib Servilia Julien und ander edles Frauen-Zimmer mit sich in die Servilischen Gärte zur Mahlzeit nahm. Weil nun an diesem Tage fast iederman der Ehrbarkeit den Zaum schiessen ließ / und die Laster gleichsam keine Schande waren; gleich als wenn gewisse Zeit eben so wol das Böse gut / als unreiffe Früchte reiff zu machen mächtig wäre; bediente diese Gesellschafft sich unter diesem Scheine nicht geringer Freyheit. Julius Antonius redete mit Julien ab: daß sie bey einbrechender Nacht in dem Eck-Zimmer des eussersten Lusthauses ihrer gewohnten Lust sich bedienen wolten. Dieser kam auff bestimmte Zeit in das Lust-Hauß; ward daselbst an der Stiegen von der vermeinten Julia mit der empfindlichsten Umarmung und vielen Küssen bewillkommt / und empor in ein Zimmer geführt; da sie denn eine gute Stunde mit einander ihre Lust büßeten; iedoch weil sie in dem nechsten Zimmer darbey Leute vermerckten / kein Wort mit einander wechselten. Zuletzt / als sie beyde gesättiget zu seyn vermeinten / und Julius Antonius vom Bette auffstund; fieng die vermeinte Julia an: Mein allerliebster Schatz / Lepidus; wenn und wo werde ich dein mit so vieler Vergnügung wieder genüssen? Julius Antonius erkennte nunmehr an ihrer Stimme: daß diß nicht Julia / sondern sein eigenes Ehweib Servilia war; welche nichts minder / als er / in ihrer Liebe betrogen worden. Er schwieg eine gute Weile stille; in dem er wegen selbst eigener Gemüths-Verwirrung nicht wuste / was er entschlüssen solte. Er verstand zwar ihre Untreu und Verständnüs mit dem Lepidus / welcher des berühmten Lepidus mit des Brutus Schwester erzeugter Sohn / und nebst dem Fürsten Herrmann oberster Hauptmann der Kayserlichen Leib-Wache war. Aber er traute sich doch an Servilien diß nicht zu verdammen noch zu straffen; was er durch eigenes Beginnen billigte. Nach vielem Nachdencken antwortete er: Du bist betrogen Servilia; du hast keinen Lepidus / sondern deinen Antonius umarmet; und deine heutige Vergnügung hat dich gelehret: daß die blosse Einbildung fremdes Wasser zu Zucker mache. Servilia / welcher ihr Gewissen sagte: daß ein Ehweib keuscher / als ihr Mann zu seyn verbunden wäre / bebte und zitterte für Furcht und Schrecken; und sahe immer / wenn Antonius ihr seinen Degen durch den Leib treiben würde. Er aber fuhrt fort:. Ich verzeihe dir / Servilia / nicht nur zum Zeugnüs meiner Liebe dein Verbrechen; sondern erlaube dir auch: daß / weil du dir am Lepidus was angenehmers ersehen zu haben meinest; daß du ohne Scheu meiner deine Vergnügung bey ihm suchen magst; iedoch mit dem Bedinge: daß du mich euch beyde in eurer Liebe beysammen betreten lässest; nicht: daß ich ihm deßwegen einiges Unheil zufügen wolle; sondern: daß ich ihn hierdurch mir zu einem wichtigen Anschlage verbinden könne. Servilia fiel dem Antonius zu Fusse / danckte für seine Begnadigung; und versprach seinem Befehl treulich nachzukommen. Inzwischen war Julia durch eine irrsame Verwechselung in die [1226] Armen des Lepidus verfallen; und nach dem sie gleicher Gestalt in der Stille sich mit einander in dem Neben-Zimmer abgemattet / lernten sie auch allererst einander kennen. Lepidus erschrack so sehr in diesem / als Servilia im andern Zimmer: daß er mit Julien so weit sich vergangen; und auf allen Fall mit dem Grimme des Kaysers und des Tiberius seinen Untergang ihm auf den Hals gezogen hatte. Die nichts minder schlaue als unzüchtige Julia aber redete den Lepidus an: Glaube: daß zwar du in deiner Liebe geirret habest; ich aber bin heute meines fürlängst begehrten Zweckes durch deinen Irrthum gewehret worden. Lasse dir diesen Fehler nicht mißfällig seyn / welcher dir und mir einen Grundstein zu besserem Glücke abgeben / ja nicht nur den Genüß einer von so viel andern angebeteten Schönheiten zueignen; sondern dich auch in die Würde deines vom August arglistig gestürtzten Vaters versetzen; also Gelegenheit an die Hand geben kan / das unter das Bild des Julius schimpflich geworffene Haupt deines Oheims / des unvergleichlichen Brutus / über die Ehren-Maale beyder Kayser zu erhöhen. Der von Brunst noch rauchende / und wieder den Kayser im Hertzen noch immer Rache und Galle kochende Lepidus wuste / seinem Bedüncken nach /sein Glücke nicht zu begreiffen; verschwur sich also in allem Julien auf ihr blosses Wincken zu Gebote zu stehen. Nach diesen seltzamen Begebenheiten schieden alle bey später Nacht von sammen; und verfolgte Antonius bey Julien / Lepidus bey Servilien und Julien ihre einmahl angesponnene Liebe. Servilia sahe den Antonius von aller Eyversucht entfernet / ja er selbst gab ihr mehrmahls Gelegenheit an die Hand sich mit dem Lepidus zu vergnügen. Also ist die Ehrsucht die Sonne der Gemüths-Begierden / welche mit ihrem Feuer alle andere verdüstert / und alle vorige Regungen / wie das Koloquinten-Kraut alle Kräuter tödtet. Diesemnach bestellte sie den Lepidus auff eine gewisse Zeit in den Servilischen Garten; gab dem Antonius aber Wind und Schlüssel: daß er beyde beysammen in einem warmen Bade daselbst betrat. Antonius gebehrdete sich anfangs / als wenn er von Rache glüete / und das Qvell mit beyder Blute mehr wärmen wolte; als aber der nackte / und aller Waffen entblöste Lepidus sich gegen ihm auffs tieffste demüthigte; sich auch erbot für das ihm geschenckte Leben mit eben der Pflicht / als ein freygelassener verbunden zu bleiben / mäßigte er seinen ohne diß nur zum Schein angenommenen Grimm; und schwur endlich dem Antonius zu seiner angezielten Herrschafft über die Römer auch mit Darsetzung seines Blutes beförderlich zu seyn. Welches Lepidus so viel leichter entschloß; weil er Julien eben diß so theuer angelobt hatte. Inmittelst war diß eine ungemeine Begebnüs: daß Lepidus aus einem Nebenbuhler des Antonius vertrauter ward; als welchem durch die seltzame Würckung der Rache die Wermuth süsse schmeckte / die ärgste Beschimpffung unempfindlich fiel / da er nur Hoffnung hatte seinem doch so wohlthätigen Feinde so weh zu thun.

Durch das Band dieser Laster ward endlich eine vollkommene Verschwerung wieder Augusten und sein gantzes Hauß zu wege gebracht; Zumahl es denen Zusammenverschwornen am Anfange nicht fehlete. Sie hätten auch durch Hinrichtung des Kaysers solche bewerckstelligt / wenn nicht Fürst Herrmann /welcher fünfftausend Mann von der Leibwache meist Deutsche / und darunter tausend Batavische Reuter unter seiner Obsicht / und den Ruhm einer unveränderlichen Treue hatte / sie geschreckt und zurück gehalten hätte. Julia / welche den Antonius und Lepidus durch Unzucht in ihr Garn bracht; stellte dem Fürsten Herrmann auf vielfältige Art ein Fallbret; aber er stopffte die Ohren für diesem geilen Weibe sorgfältiger / [1227] als die Schlange für dem Beschwerer zu; also: daß sie nunmehr auf eine andere Arglist ihr Absehen gründen muste. Phebe suchte alle ihre Künste herfür; darunter die Liebesträncke und Zaubereyen nicht die geringsten waren; allein keine schlug bey diesem Fürsten an; und sahe die Boßheit in vergebener Bestürmung seiner Tugend als eines unversehrlichen Felsens sich nicht wenig beschämet. Durch öffentliche Gewalt ihn anzutasten verbot die in Händen habende Macht der Leibwache; und seine unvergleichliche Tapfferkeit; allen Verläumdungen aber war seine so vielmahl bewehrte Unschuld und fein grosses Gemüthe überlegen. Unter diesen zweiffelhafften Berathschlagungen fiel Julien der Sternseher Thrasyllus ein / der dem Tiberius die Vermählung mit Julien wiederrathen; sonst aber wegen seiner mehrmahls eingetroffenen Wahrsagungen sich in gantz Rom in grosses Ansehen versetzt hatte. Diesen zu gewinnen brauchte sie abermahls die arglistige Phebe; welche ihn anfangs unter dem Schein eines ihr von Julien zugeeigneten grossen Braut-Schatzes zur Liebe verleitete; hernach ihn beredete: daß wenn er durch seine Weißheit den verdächtigen Ausländer Herrmann aus des Kaysers Gnade werffen könte; würde er bey der ihm ungnädigen Julia sich nicht nur wieder einlieben; sondern auch grosse Belohnung zu gewarten haben. Thrasyllus versprach Pheben möglichst zu willfahren; iedoch bat er zu dessen kluger Einrichtung einige Bedenck-Zeit; weil er hierinnen gleichwol nicht ohne allen Grund verfahren / und seinen gantzen Ruhm auf einmahl in die Schantze setzen wolte. Nach etlichen Tagen meldete Thrasyllus: daß dem Kayser den zehenden Tag eine grosse Gefahr fürstünde. Weßwegen die Verschwornen schlüßig wurden ihren wieder den Kayser fürhabenden Entschlüssungen durch den Einfluß der Gestirne ein Gewichte beyzulegen; und also selbigen Tag ihm das Licht auszuleschen; sie könten gleich dem Fürsten Herrmann ein Bein unterschlagen oder nicht. Folgenden Tag aber ereignete sich dieser Zufall: daß in dem Kayserlichen Thier-Hause ein aus Deutschland gebrachter Bär loß rieß / und die drey grösten Adler erwürgte. Thrasyllus legte auff Befehl des Kaysers diß auff den Fürsten Herrmann derogestalt aus: daß der / welchen der Kayser so sorgfältig unterhielt / mit der Zeit den Römern die empfindlichsten Streiche versetzen würde. Wiewol nun Lepidus bey dieser Auslegung Augusten rieth: daß er diesen nachdencklichen Zufall nicht schlechter Dings in Wind schlagen solte / gab doch der Kayser ein Lachen darein. Inzwischen beredete Phebe einen Illyrischen Kriegs-Knecht; welcher unter des Fürsten Herrmanns Jägern bedient / und in eine Freygelassene Juliens verliebt war / durch Versprechung grosser Gnaden und der gewünschten Heyrath dahin: daß als auf besti ten Tag August in dem berühmten Lorber-Walde an dem Tyrrhenischen Meer / wo Eneas ausgestiegen seyn soll / gejagt hatte / und in einem schlechten Jäger-Hause übernachtete / erwehnter Illyrier sich durch die Wache unter dem Scheine den Kayserlichen Jäger-Zeug zur Anrichtung zu holen durchspielte; und biß an das Kayserliche Schlaff-Gemach kam. Zu allem Glücke aber ward der gleich die Wache untersuchende Fürst Herrmann gewahr: wie daselbst der Illyrier sein Jäger-Messer zückte / und recht gegen des noch schlaffenden Kaysers Bette sich wendete. Diesemnach sprang er herzu / fiel dem Illyrier in die Armen; und hielt den auff den Kayser gezückten Streich zurücke. Worüber er zwar in Hafft genommen / August erwecket; der Jäger-Knecht um die Uhrheber solcher Mordstifftung gütlich und scharff befraget /aber durch keine Pein nichts aus ihm gebracht ward; weil Phebe ihm vorher viel ausgepresten Maah-Safft eingegeben hatte / in Meynung ihn dadurch auff allen Fall des mißrathenden Mordes zu tödten; worvon er[1228] aber wegen seiner vermögenden Lebens-Kräfften nur wahnsinnig ward; also: daß er auf der Folter hundert Flüche wieder den Kayser / und so viel Lobsprüche für Pheben / und die Freygelassene / in die er verliebt war / ausstieß; und darüber seinen Geist verlohr. Lepidus und Fürst Herrmann waren beyde bey dieser Marter; jener um denen Verschwornen Nachricht zu geben; dieser um die wahrhafften Anstiffter zu erforschen; und sich selbst alles Verdachts zu entschütten; weil dieser Illyrier in seinen Diensten gewest war. Weil nun Fürst Herrmann von des Illyriers Buhlschafft wuste; und er in seinem Wahnwitze so viel von Pheben redete; rieth er beyde zu erfordern. Jene bekennte: daß Phebe im Nahmen Juliens ihr für drey Tagen nicht nur die zeither schwer gemachte Eh verwilliget; sondern auch eine ansehnliche Mitgifft versprochen hätte. Phebe ward hierüber befragt / leugnete es aber; ungeachtet es ihr jene beständig unter die Augen sagte. Worüber sie beyde abgesondert in Hafft kamen. Lepidus gerieth hierbey in halbe Verzweiffelung; also: daß er ihr im Gefängnüße Gifft beyzubringen entschloß. Alleine Phebe hatte sich selbige Nacht schon erhenckt; iedoch einen demüthigen Brieff an den Kayser zu lieffern einem deutschen Kriegs-Knechte / der den Kercker verwachte / vorher eingehändiget; in welchem sie die gantze Verrätherey ent deckte. Dem Kayser kam diß anfangs unglaublich vor; gleichwol ließ er sich alsbald durch eitel Deutsche / Juliens / Serviliens / des Lepidus und Antonius versichern; und ihr Geräthe versiegeln; bey dessen Untersuchung noch viel grausamere Dinge heraus kamen / als Phebe getichtet hatte. August zwar hierüber so bestürtzt: daß er ihm selbst keinen Rath nicht wuste; sich gute Zeit nicht sehen ließ; ja mehrmahls lieber Phebens als Juliens Vater zu seyn wünschte; und rund heraus bekennte: daß wie er für den Lebenden / also Rom bey der Nachwelt sich ewig seiner unverschämten Tochter würde schämen müssen; also dem Römischen Rathe die gantze Sache übergab; welcher den Lepidus und Antonius zum Tode; Servilien zu ewigem Gefängnüße verdammte; auch über Julien zwar dem Kayser zu urtheilen heimgaben; iedoch als dieser seine Tochter in einem Sacke ersäuffen lassen wolte / ihr das Leben erbaten; und daß sie also auf das Eyland Pandataria verwiesen / ihr aller Wein und herrliche Kost / wie auch aller Männer Gemeinschafft / wenn es August nicht absonderlich erlaubte /abgeschnitten / auch endlich vom Kayser die Ehe mit dem Tiberius zertrennet ward; welcher gleichwol Augusten ersuchte ihr die von ihm empfangenen Geschäncke zu lassen. Das Todes-Urthel ward am Antonius und Lepidus vollzogen / ihre Leiber mit Hacken in die Tiber geschleppt; viel andere mit Landes-Ver weisung / Ruthen und Gefängnüße gestrafft; hingegen Fürst Herrmann seiner aus denen auffgefundenen Schreiben und Bekäntnüssen erscheinenden Keuschheit und Treue halber vom Kayser umarmet; für einen Bürger / Freund / Ritter und Raths-Herrn der Stadt Rom erkläret.

Hierüber verfiel der Kayser mit dem Parthischen Könige Phraaten wegen Armeniens in Zwietracht; worzu er den zu seinem Nachfolger bestimmten Cajus als obersten Feld-Herrn erkiesete; und ihm zu seinem geheimsten Staats-Rathe den Mecenas Lollius; zu einem Kriegs-Obersten aber den Fürsten Herrmann mit fünfftausend Deutschen zugesellte; wiewol ohne diesen auch nichts wichtiges entschlossen werden solte. Der Kayser aber / welcher nach Art der Groß-Väter seine Enckel mehr / als seine eigene Kinder oder sich selbst liebte / opfferte in allen Tempeln zu Rom / und ruffte die Götter an: daß sie ihn mit der Gewogenheit des Pompejus / mit der [1229] Kühnheit Alexanders / und mit seinem Glücke begleiten möchten. Cajus segelte mit der ihm anvertrauten Kriegs-Macht gegen Syrien / stieg aber auf dem Eylande Samus aus / allwo ihn der von Rhodus ihm zuvorkommende Tiberius auffs höflichste bewillkommte / und mit einem gantz vergüldeten Renn-Schiffe / welches mit eitel in der Schiffarth berühmten Rhodiern besetzt war / mit hundert Fässern des besten Rhodischen Weines / mit etlichen Geschirren köstlichen Balsams / frühzeitiger Feigen / und dem unvergleichlichen Hundes-Gemählde des Protogenes / weßwegen Demetrius die Stadt Rhodis nicht mit Feuer zur Ubergabe zwingen wollen / beschenckte. Worüber zwar anfangs wiederum Cajus dem Tiberius so viel Ehrerbietung / als kaum einem Obern gehöret / erwieß; hernach aber auff des Lollius Vergällung und Einredung: daß Tiberius alleine ihn in der Nachfolge des Kayserthums abzustechen durch seine tückischen Künste anzielte / ihm kaum das Gesichte gönnte. Ehe aber diese Veränderung erfolgte / hielt Cajus allerhand verschwenderische Gastmahle / füllte sie mit Weine übermäßig an / und erwieß sich durchgehends mehr einen Bacchus als einen Feldherrn. Hingegen richtete Tiberius dem gesammten Kriegs-Volcke eine auskommentliche Mahlzeit aus; beschenckte den grösten biß zum kleinsten; tranck denen Kriegs-Obersten des Kaysers und Cajus Gesundheit zu; und erinnerte dieselben Hauptleute / welche durch seine Beförderung so hoch ko en waren /des gedrückten Tiberius nicht gar zu vergessen. Welches alles Lollius dahin auslegte: daß Tiberius das Kriegs-Volck dem Cajus abwendig; ihm selbst geneigt machen / und sie nichts minder zu einer gäntzlichen Neuerung der gegenwärtigen Herrschafft / als zum Auffstande wieder den Cajus bewegen wolte. Aus solcher Verhetzung hätte der unbändige Cajus sich am Tiberius gar vergrieffen; wenn nicht Fürst Herrmann seine hitzige Entschlüssungen gemäßigt /der schlaue Tiberius auch durch ungewöhnliche Demüthigung ihn besänfftiget hätte. Gleichwol schied Cajus ohne von ihm geno enen Abschied weg; und Lollius bemühte sich den Tiberius beym Kayser auffslärgste zu vergällen; also: daß er um sich alles Verdachtes zu entschütten selbst einen Aufmercker aller seiner Worte und Wercke verlangte; die gewöhnlichen Pferderennen und Kriegs-Ubungen unterließ; des Römischen Adels Gepränge ablegte / und die Tracht der Griechischen Weltweisen annahm. Ja Tiberius war des Cajus Schos-Kindern so verächtlich: daß ein junger Hauptmann von freyen Stücken sich gegen dem trunckenen Cajus erbot / sonder einiges Bedencken auff seinen Befehl zurück zu schiffen / und ihm des Tiberius Kopff zu lieffern. Welchen Meuchelmord Cajus verhangen hätte; wenn er nicht abermals vom Fürsten Herrmann durch bescheidene Einredung beruhiget worden wäre. Cajus erreichte hierauff Syrien / dariñen Lollius mit Fleiß das Kriegs-Volck über die Zeit aufhielt / um die Einwohner nach seinem Belieben zu schätzen; ja er führte selbtes nicht allein durch allerhand ungebähnte Umwege / wormit er die verschonte / welche ihn bestochen hatten; sondern er hinderte auch den zu Entsetzung der Stadt Artaxata voran gezogenen Censorin auff alle ersiñliche Weise an seinem Vorhaben. Endlich kam Cajus mit dem Römischen Heere gleichwol an den Phrat; traff auch den Phraates mit seinem Persischen Lager daselbst an. Wiewol nun die Persier viel stärcker als die Römer waren; auch beyde Ufer ein flaches Feld an der Seite hatten / da die Parthische Reuterey sich völlig ausbreiten konte / und derogestalt Fürst Herrmann nebst allen Römischen Kriegs-Obersten daselbst den Feind anzugreiffen wiederriethen; so erhielt doch des vom Phraates durch viel Gold und Edelgesteine bestochenen Lollius Meynung die Uberwage bey dem verwegenen Cajus; theils weil Lollius [1230] durch Heucheley sich seines Gemüthes völlig bemächtigt hatte; theils weil der Jugend die hitzigsten Rathschläge am anständigsten sind. Also musten dißmahl die Klugheit der unzeitigen Verwegenheit / und treuer Rathgeber heilsame Meynung den schlimsten Verräthereyen ausweichen. Das Römische Heer muste / ehe es von der beschwerlichen Reise verblasen konte / auf den Morgen nicht so wol wieder die Parthen / als den strengen Phrat kämpffen; worüber aber viel von dem Flusse verschlungen; und die / welche gleich das andere Ufer erreichten / von dem Feinde erschlagen wurden. Fürst Herrmann setzte zwar mit fünffhundert Batavischen Reutern auf dem festen Lande Fuß; aber / weil die Römischen Legionen mit ihrer schweren Rüstung ihn unmöglich entsetzen konten / muste er dem mit zwölff tausend Parthischen Edel-Leuten andringenden Könige Phraates nur dißmahl die Ehre der Oberhand lassen; und nach dem alle Bataver von so viel tausend Pfeilen / er auch selbst durch die Hand und den dicken Schenckel verwundet war / sich zurück ziehen. Gleichwol hörte Cajus und Lollius nicht auff das Kriegs-Volck gleich einer Heerde Schafe wieder den Strom und die über solcher Thorheit lachenden Parther anzutreiben. Als auch Fürst Herrmann die Unmögligkeit dem Cajus augenscheinlich fürstellte / und so tapfere Kriegs-Leute zu schonen erinnerte; kriegte er zur Antwort: Die vorhergehende Nacht wären zu Rom mehr junge Kriegs-Leute gezeugt worden; als ihrer diesen Tag darauff gehen würden. Endlich muste bey sinckender Nacht nur Cajus zum Abzuge blasen /den Parthen nicht allein den ohne sonderbahre Müh erworbenen Sieg mit Schimpff und Schaden überlassen; und noch darzu vertragen: daß ihm Phraates durch einen gefangenen Römer zurück entbieten ließ: Er wolte auf den Morgen ihm selbst eine Brücke von den erschlagenen Römern bauen helffen / wenn ihn die Lust sich mit den Parthen zu berüchen nicht vergangen wäre. So verwegen Cajus anfangs gewest; so verzagt war er nach diesem Verluste; besorgende: daß er nicht glückseliger / als Craßus und Antonius aus den Klauen der Parthen entrinnen würde. Also ist die Verachtung seines Feindes schon der halbe Verlust des Sieges; wie derselbe seine Kräfften zweyfach vergrössert / der zwar die Vollkommenheit seinem Gemüthe beylegt; niemahls aber sie ihm in seine Einbildung kommen läst. Den Fürsten Herrmann kränckte diese Niederlage in der Seele. Denn ob er zwar daran keine Schuld trug / sondern vielmehr diesen Tag den Ruhm eines unvergleichlichen Löwen-Muths erworben hatte; wuste er doch wohl: daß wenn ein Kriegs-Oberster drey Spannen seinem Feinde weichen muß /er zwölff Pfund von seinem Ansehen einbüße; und in verlohrnen Schlachten die tapfferen von den Furchtsamen selten unterschieden werden. Diesemnach besetzte er selbige Nacht den Strom nicht so wol wieder besorglichen Einfall der Parthen; als daß der ihm bereit vielfach verdächtige Lollius den Parthen seinen Anschlag nicht verrathen möchte / zum Theil mit Römischen Kriegs-Leuten / meist aber nur mit dem gemeinen Droß; und ließ um die Menge der dahin gestellten Bewahrer so viel mehr zu beglaubigen viel Wachfeuer anzünden. Er aber nahm alle Deutschen und den Kern von den Römischen Legionen / führte selbte in aller Stille eine gute Meilweges Strom-auff; da ihm denn ein erkauffter Armenier einen Furth durch den Phrat zeigte: daß die Reuter / derer ieder einen Fuß-Knecht auffs Pferd nahm / ehe der Feind das geringste merckte / überkam; das übrige Fuß-Volck / dem etliche Fahnen Reuterey in der Mitte die Gewalt des Stromes auffhielten; auch noch für Tage das andere Ufer erreichte; und in dem daselbst püschichten Felde noch mit einem Graben und Brust-Wehre verbaute. Mit anbrechendem Tage machte Cajus auffs neue Anstalt /als [1231] ob er wieder durch den Phrat setzen wolte. Wie nun die Parthen sich daselbst gegen ihn stellten; gieng Fürst Herrmann mit der deutschen Reysigen Zeuge ihnen in Rücken; erlegte derer zwar mehr nicht / als tausend Mann vom Hinterhalte; jagte aber dem Phraates ein solches Schrecken ein; sonderlich als er vernahm: daß die Römer sich schon auff der lincken Seite des Phrats verschantzt hatten: daß er den Römern Friedens-Handlung antrug; und noch selbigen Tag solchen auf einem mitten im Phrat gelegenen Eylande mit dem Cajus durch beyderseitige Erkiesung des Fürsten Artavasdes zum Könige in Armenien abredete. Beyde Phraates und Cajus bekräfftigten ihre neue Freundschafft durch herrliche Gast-Mahle; jener beschenckte auch den Fürsten Herrmann seiner erwiesenen Tapfferkeit halber; und weil er hörte; daß er des berühmten Surena Enckel / also von Ankunfft ein halber Parthe wäre / mit zwölff Arabischen Pferden /einer mit Diamanten reich versetzten Sebel / und einem mit Türkißen prangendem Köcher und Bogen. Lollius ließ hierüber / und wegen der dem Fürsten Hermann sonst mehr bezeigten Höfligkeit einiges Unvergnügen blicken; welches den trunckenen Phraates derogestalt verdroß: daß er ihn einen Verräther schalt / und dem Cajus alle vom Lollius erhaltene Nachrichten einliefferte. Weßwegen Cajus den Lollius zwar durch Gift hinrichten; dieser aber seinen Erben einen in diesem Feldzuge zusa en gescharreten Schatz von unglaublichem Werthe verließ; also: daß nach der Zeit seine Enckelin Lollia Paulina des Kaysers Cajus Buhlschafft auf einem mittelmäßigen Verlobungs-Mahle mit Perlen und Schmaragden alle Kleider und Glieder gleichsam verhüllete; und über eine Tonne Goldes an Edelgesteinen am Leibetrug.

Dieser Friede ward aber bald durch die Armenier selbst zernichtet; welche den Artarasdes der Königlichen Würde entsetzten / den Gotartzes an seine Stelle erhoben / und den Censorin mit dem meisten Theile zweyer Legionen erlegten. Cajus rückte hierüber zwar in Armenien / brach aber wieder des Fürsten Herrmanns Rath zugleich mit den Parthen; und suchte durch Bestechung des Persischen Stadthalters Donnes sich der vorhin dem Phraates abgetretenen Stadt Artagera zu bemeistern; ungeachtet ihm Fürst Herrmann einhielt: daß böse Wercke selten wol von statten giengen; und alles diß / was nach Verrätherey rüche / den guten Nahmen stinckend machte. Massen denn auch Cajus darüber gefärhlich vom Donnes verwundet ward; Fürst Herrmann aber mit seinen Deutschen diesen arglistigen Meuchel-Mörder in einem Berg- Schlosse besetzte / und dergestalt beängstigte: daß er in seinem eigenen Degen fallende sich zugleich auff einen brennenden Holtzstoß von einem Thurme stürtzte / und also die Thorheit begieng: daß er zeitlicher starb / als das Verhängnüs ihm bestimmt hatte; wormit er nicht längsamer sterben müste. Dem Fürsten Herrmann lag inzwischen bey der Unfähigkeit des verwundeten Cajus die gantze Krieges-Sorge auf dem Halse; da er denn theils durch seine und der Batavischen Reuterey Tapfferkeit den Parthen in vielen Scharmützeln nicht geringẽ Abbruch that; theils durch seine Klugheit zwischen ihnen und denen Armeniern allerhand Saamen des Mißtrauens und der Zwietracht ausstreute / insonderheit aber sich sehr wol der aus etlicher Gefangenẽ erprestem Bekäntnüße / wie in Persien wieder den Phraates ein mächtiger Auffstand sich ereignet hätte / bediente; in dem er bey solcher im Parthischen Läger erwachsenden Bestürtzung selbten unverzüglich auf den Halsrückte; und dem Phraates einen vortheilhafften Frieden abzwang / Krafft dessen er in die Entsetzung des Gotartzes willigen / und den Ariobarzanes zum Könige in Armenien belieben muste. Also ist die Geschwindigkeit im Kriege meist die Mutter des Glückes; und die [1232] haben insgemein grosse Thaten gethan / die nichts auff den folgenden Morgen verschoben haben. Die unabtrennliche Gefärthin grossen Glücks die Heucheley eignete diesen glücklichen Streich zwar dem nunmehr halb-wahnsinnigen Cajus zu; überredeten ihn auch gar: Er solte nicht ehe nach Rom kehren / biß er das Ziel des grossen Alexanders erreicht hätte. Aber alle vernünfftige Römer und der Kayser selbst musten hierinnen die Ehre diesem deutschen Fürsten lassen / und seine Tapfferkeit mit einer güldenen Krone belohnen. Ja daß dem Fürsten Herrmann nicht ein öffentliches Siegs-Gepränge erlaubt ward; stand ihm nicht der Abgang seines Verdienstes / sondern alleine die Beschaffenheit seines Vaterlandes / als einem Fremden im Wege / derer keiner noch zu Rom solches gehalten hätte. Jedoch ward er bey seiner Wiederkehr nach Rom mit so grossem Frolocken des Volckes / als einiger Sieger für ihm / und mit nicht geringerer Freude /als Tiberius vorher angenommen; ja aus diesem wieder die Parthen erhaltenen Sieg des Fürsten Herrmanns Königlicher Uhrsprung und das Recht solcher Hoheit zu genüssen bey Deutschen und Römern bekräfftiget. Sintemahl die Sibyllinischen Wahrsagungs-Bücher ausdrücklich vermochten: daß die Parthen von niemanden / als einem Könige überwunden werden könten. Also ist der Nachruhm von der Tugend so schwer / als der Schatten vom Lichte zu scheiden; und wenn schon die unvernünfftigen Griechen sich den schlauen Ulysses bethörẽ lassen: daß sie ihm den von des Hectors Blute gefärbten Schild des Achilles zu sprechen; so wirfft selbten doch das gerechte Verhängnüs durch Schifbruch und tobende Wellen auf das dem Ufer des Meeres gebaute Grab des hierzu besseres Recht habenden Ajax. So weit sich nun Hertzog Herrmanns Ruhm in der Welt ausbreitete / so sehr wuchs sein Ansehen zu Rom und die Gewogenheit des Kaysers gegen ihm im Hertzen; der / als er den Tiberius zum Sohne annahm; weil Lucius zu Maßilien / Cajus in Syrien gestorben war / sich zu grossem Nachdencken verlauten ließ: Wolte GOtt! Herrmann wäre ein Römer; ich wolte meinen Nachfolger nicht in meiner Freundschafft / sondern unter dem Volcke suchen.

Unterdessen zohe er doch hernach den Fürsten Herrmann zu denen wichtigen Rathsschlägen / und versicherte ihn: daß die Cheruskische Herrschafft durch Hülffe seiner Waffen in alten Stand; und so wol er Herrmann / als sein Vater Hertzog Segimer; da er anders nur denen Römischen Feinden nicht selbst anhängen wolte / in die Würde seiner Vor-Eltern versetzt werden solte. Alleine dieser Glantz seiner Tugend beginnte nun auch den neidischen Tiberius in die Augen zu stechen; und des Kaysers Gunst sein argwöhnisches Hertze gegen den Fürsten Herrmann zu vergällen. Seine Mißgunst verwandelte sich endlich in eine Tod-Feindschafft / als der Kayser über der Verrätherey des Cornelius Cinna nebst Livien und dem Tiberius nicht nur auch den Fürsten Herrmann zu Rathe nahm / sondern wie Tiberius seiner angebohrnen Grausamkeit nach den Cinna mit allen Verschwornen durch die grausamste Pein hinzurichten; Herrmann aber Livien beyfallende sie alle ungestrafft zu lassen einrieth / August der letztern Meynung so weit beyfiel: daß er den Cinna gar zum Bürgermeister machte. Massen denn Tiberius von selbiger Stunde an diesen Fürsten zu stürtzen alle Kunst seiner Arglist herfür suchte. Also ist diß / was gegen einem ein Magnet der Gewogenheit gewest / bey einem andern eine Ursache der ärgsten Gramschafft; welche Tiberius mit so viel mehrerm Rechte gegen den Fürsten Herrmann auszuüben vermeinte; weil er sich für dem Tiberius nicht nach Gewonheit der Knechtischen Römer demüthigte; als welche ihn nichts minder schon für den künfftigen [1233] Fürsten ansahen / als er diese Würde fürlängst in der Hoffnung verschlungen hatte. Sintemahl bereit in seiner Kindheit ihm vom Sternseher Scribonius gewahrsagt worden war: Er solte herrschen / wiewol ohne Königliche Zierrathen. Gleicher Gestalt hatte ihn dessen der Sternseher Thrasyllus versichert; welcher so gar von dem ihn aus Rhodus abzuholen kommendem / aber noch entferntem Schiffe zu sagen gewust hatte: daß es ihm fröliche Zeitung brächte. Dannenher weder auff seiner noch auf der Römer Seiten nichts / was zu Vermehrung seiner Hoheit einigerley Weise dienen konte / unterlassen; und er solchem nach als ein neuaufgehendes Gestirne / ja mehr als ein halber Kayser von iederman angebetet ward.

Zu des Tiberius Hasse gegen den Fürsten Herrmann kam zuletzt auch die Eyversucht; eine Unholdin / welche Laub und Graß zu versengen; die heilsamsten Kräuter zu vergifften; und wie der Neid bey fremdem Feuer zu erfrieren / also diese bey fremdem Schnee zu schwitzen gewohnt ist. Denn es war ein aus dem Cheruskischen Geblüte entsprossener Fürst in Deutschland der Chaßuarier und Dulgibiner Hertzog Nahmens Segesthes; ein Herr fürtreflicher Gestalt /grossen Gemüthes / und hauptsächlichen Verstandes. Weßwegen er nicht nur von dem Feldherrn Segimer zum Groß-Stadthalter über die Quaden; sondern auch in den Kriegen mit den Catten und Römern mehrmals zum Feldhauptmann bestellet worden war; und nicht geringe Merckmaale seiner Klugheit und Tapfferkeit erwiesen; ja nach dem Hertzog Segimer in dem vom Marbod nicht bemeisterten Deutschlande das gröste Ansehen hatte. Dieser hatte zu seiner ersten Gemahlin des Cimbrischen Königs Frotho Tochter; mit welcher er zwey Kinder / nemlich den Fürsten Siegesmund /und die wunderschöne Thußnelda / von welcher Vollkommenheiten ich nichts weiter erzehlen darff / erzeuget hatte. So lange diese Ehe tauerte / war weder Unglück noch die grossen Versprechungen der Römer mächtig Segesthens Gemüthe eines Nagels breit von der Liebe seines Vaterlandes abwendig zu machen /zu einem unvergeßlichen Merckmahle: daß der Wanckelmuth so wenig des weiblichen Geschlechtes / als die Beständigkeit des männlichen Eigenthum sey. Als es aber in Deutschland theils wegen der vom Könige Marbod; theils von den Römern erhobener Kriege so sehr durch einander gieng / und Fürst Segesthes zu Verhütung des eussersten Untergangs der zwischen dem Rheine und der Elbe gelegenen / und gleichsam von einem Ost- und West-Winde zugleich bestürmten Länder mit dem Römischen Land-Vogte Sentius Saturninus eine Zusammenkunfft beliebte; dieser aber jenen mit den allerersiñlichsten Höfligkeiten unterhielt / und insonderheit ihn durch seine drey überaus schönen Töchter auff alle Weise bedienen ließ; verliebte sich Hertzog Segesthes in die Mitlere derogestalt: daß er beym Saturnin um sie warb; und noch für seinem Abschiede selbte ihm vermählen ließ. Dieser neue Brand ersteckte in Segesthens Hertze schier alle Liebe des Vaterlandes; und ward er durch seine Gemahlin Sentia nichts weniger aus einem Deutschen in einen Römer; als Antonius durch Cleopatren aus einem Römer in einen Egyptier verwandelt. Der Kayser / um sich dieses Vortheils zu bedienen / nahm Sentien für seine Tochter an; beschenckte sie mit einem ansehnlichen Braut-Schatze; ließ ihn durch den Saturnin in seinen beyden Hertzogthümern der Chaßuarier und Dulgibiner befestigen / und der dem Cheruskischen Hause zukommenden / beym Fürsten Segimer aber durch so viel Unglücks-Fälle nicht wenig verfallenen Feld-Hauptmannschafft nebst mehr andern güldenen Bergen versichern. Massen denn auch dem Sentius Saturninus nicht so wol wegen einiger grossen über die Deutschen erlangten Siege [1234] / als weil er durch diese Heyrath ihnen nicht verächtliche Fässel angelegt hätte / ein Siegs-Gepränge verstattet ward. Hierdurch ward August auffs neue veranlast den Tiberius in Deutschland zu schicken; und nach Segesthens gegebenen Anschlägen die Caninefaten /Attuarier und Bructerer; als welche nunmehr den von dem Willen seines Ehweibes hängenden Segesthes wenig gutes zutrauten / und sich seiner entschlugen /zu überfallen. Inzwischen kam Saturnin nicht allein nach Rom; sondern brachte auch Segesthens zwey Kinder den Fürsten Siegesmund und die Fräulein Thußnelda zwar unter dem Scheine das wunderwürdige Rom zu beschauen / und mit dem Kayser die angefangene Freundschafft mehr zu bestärcken; aber eigentlich darum mit dahin: daß sie gleichsam als Geissel daselbst verbleiben / und Segesthen alle Gedancken von den Römern abzusetzen benehmen solten. August empfing beyde mit ungewöhnlicher Freundligkeit / gantz Rom aber die Fürstin Thußnelda mit grosser Verwunderung; wiewol weder sie / noch ihr Bruder von iemanden / ausser dem Kayser und Livien gekennet ward. Denn Segesthes wolte bey den Deutschen den Nahmen nicht haben: daß er so gut Römisch wäre; und seine Treue den Römern durch seine eigene Kinder verpfändete. Inzwischen vergnügte diese vorwitzige Stadt sich daran: daß ihrer Schönheit gleichen zu Rom noch nie gesehen worden war. Und die / welche zeither mit einander um den Vorzug der Gestalt gestritten hatten; hülleten wie die Gestirne für der aufgehenden Sonne nichts minder ihren Glantz /als Zwist ein. Uber diß ward ihre Schönheit mit einer so lebhafften Freundligkeit beseelet: daß die Anschauer ihr alsofort gewogen zu seyn genöthigt wurden; iedoch nicht zu urtheilen wusten: welchem Geschencke der Natur sie an ihr den Preiß des Vorzuges beylegen solten. Fürst Herrmann aber ward bey dem ersten Anblicke gleichsam ausser sich selbst entzückt. Denn ihm hatte die Nacht vorher nachdencklich getraumet: wie das Bild der Capitolinischen Venus in dem in voller Flamme stehendem Tempel sich mit beyden Armen um seinen Hals schrenckte / und er selbte aus solchem Feuer errettete; wofür sie ihm einen Schmaragd-Ring / in welchem zwey Löwen mit einander kämpfften / einhändigte. Diese Fürstin aber sahe nicht alleine dem ihm zuvor kommendem Bilde so vollkommentlich ähnlich; als wenn es aus Thußneldens Gesichte geschnitten wäre; sondern zu seiner grösten Verwunderung trug sie auch eben derogleichen Ring an ihrem Finger; also: daß er hierunter was sonderliches ihm angedeutet zu seyn unschwer ermessen / und daher nicht ohne ihm selbst angethanen Zwang bey Bewillkommung dieser unbekandten Landsmannin seine Gemüths-Regungen verdecken konte. Ja er muste sich für der Zeit und gleichsam nicht ohne Abbruch seiner wiewol angebohrner Höfligkeit ihrer Gemeinschafft entziehen; um seine Blösse nicht alsobald zu zeigen. Alleine er änderte hiermit zwar den Ort / aber nicht seine Kranckheit. Thußnelde kam ihm wol aus den Augen; nicht aber aus dem Gemüthe; ob schon ihr Bild in dieses sich bereit so eigen eingepregt hatte: daß es solches nicht anders / als ein Spiegel dem Gesichte unaufhörlich fürhielt. Denn die Unruhe seines Gemüthes ließ ihm weder einigen Schlaff zu; noch seine Gedancken auf etwas anders zu werffen. Er quälete sich hierüber derogestalt: daß er sich nicht traute nach Hofe / oder unter andere Gesellschafft zu kommen; sondern unter fürgeschützter Kranckheit drey Tage sich in seiner Einsamkeit mit seinen eigenen Gesprächen vergnügen muste. Er entrüstete sich mehrmahls über sich selbst: daß / da er vorhin über so viel fremde Liebes-Regungen den Meister gespielet hatte / nunmehr ein Knecht seiner eigenen werden; und das durch so viel Müh aufgethürmte Bild seiner Freyheit durch einen einigen Strahl eines [1235] annehmlichen Augenblicks eingeäschert sehen muste. Welch Erkäntnüs seiner eingebüsten Freyheit denn nach langem Kampffe seiner Seele eine gantz andere Bewegung in ihm gebahr; nehmlich ein Verlangen nach derselben Sonne / die sein Hertze mit so empfindlichem Feuer angesteckt hatte. Denn die Verliebten sind dißfalls anders nicht / als die Motten gearthet; welche sich von der schönen Flamme ziehen lassen / ob sie ihnen gleich schon die Helffte der Flügel versenget haben. Dem vierdten Tag wagte sich Fürst Herrmann wieder nach Hofe; da er denn diesen seinen Abgott seinem Bedüncken nach noch viel schöner / als das erste mahl / an Liviens Taffel antraff; und gleichsam mit seinen erstarrenden Augen an ihrem himmlischen Antlitze kleben blieb; also fast noch mehr / als vorhin seine Schwachheit mercklich gemacht hätte. Denn ob zwar sonst die Verwunderung eine Gefärthin der Neuigkeit ist; und sich durch öfftere Gemeinschafft nach und nach verlieret; so ist es doch viel anders mit der Liebe beschaffen; welche von Tag zu Tage wächset; und aus einem Funcken ein grosser Brand / aus einem Zwerge in weniger Zeit ein unüberwindlicher Riese wird; weil ihre Scharffsinnigkeit iedesmahl was neues erforschet / das einen neuen Zunder der Zuneigung abgeben kan. Die Begierde um diese Fürstin zu seyn wuchs in weniger Zeit so sehr: daß Fürst Herrmann sich überredete: er würde nicht leben können; wenn er nicht täglich durch einen Anblick dieser Göttin lebendig gemacht würde. Und wie er anfangs glaubte: daß die Natur durch sie ein in der Welt noch nie gesehenes Muster der Vollkommenheit; oder eine Schönheit / welche auch der alle irrdische Schrancken übersteigenden Einbildung genung thun könte / ausgearbeitet hätte; also gab er ihm nunmehr selbst nach: daß seine Liebe die Regungen aller Menschen überstiege. Als er hernach unterschiedene mahl ihrer annehmlichen Gespräche bey Livien und andern Frauen-Zimmer genaß; welches wegen allzu überirrdischer Schönheit sie zu beneiden für eine Beleidigung der Götter; ihrer Anwesenheit zu genüssen für ungemeines Glücke hielt; ward er offtmahls so entkräfftet: daß er durch allerhand Vorwand sich derselben entbrechen muste; ohne welche er nicht zu leben getraute; und wegen welcher er mehrmahls zweiffelhafft war: Ob das Verhängnüs ihn durch sie beym Leben zu erhalten oder zu tödten bemüht wäre / biß er nach und nach lernte: daß die Verliebten gleichsam an den Scheide-Weg des Lebens und Sterbens versetzt sind; und diß / was an ihnen lebet / so wenig ein rechtes Leben / als diß / was sie tödtet / ein wahrhaffter Tod sey. Worbey ihm diß nicht die geringste Pein verursachte: daß er durch keine Sorgfalt zu erfahren vermochte: wer die wäre; die sich so geschwinde der Botmäßigkeit über seine Seele angemast hatte. Deñ ob er zwar bey denen; welche Saturnin mit aus Deutschland gebracht hatte; so viel / wiewol auch nur wegen ihrer selbsteigenen Unwissenheit / muthmaßlich ergrübelte; auch aus der ihr von dem Kayser und Livien geschehenden Begegnung unschwer schlüssen konte: daß sie eine deutsche Fürstin hoher Ankunfft seyn müste; ward hierdurch doch das wenigste seines Zweiffel-Knotens aufgelöset. Hingegen heuchelte er zuweilen seiner Einbildung; wenn er sich bedüncken ließ: daß diese Fürstin ihn mit einem annehmlichern Anblicke / als andere Anwesenden betheilt hätte. Alleine diese süsse Gedancken verschwunden bald wieder als ein Traum; wenn er entweder wahrnahm: daß die unvergleichliche Freundligkeit dieser Göttin nicht anders / als die wolthätige Sonne eben so wol auff das geringste Graß / als die höchsten Cedern ihren Einfluß hatte; oder er bey Erwegung ihrer hervor leuchtenden Tugenden sich bescheidete: daß man auch die reineste Zuneigung eines Frauen-Zimmers ihm nicht ohne gäntzliche [1236] Verkleinerung ihres Ansehens einbilden kan; weil man die eigene Liebe zwar für eine untadelhaffte Würckung der vollkommensten Seelen; fremde aber allezeit für eine kleine Schwachheit hält. Alldieweil aber die Veränderung gleichsam ihre tägliche Kurtzweil mit der Liebe hat / verwandelte sich seine Sorge wieder in eine neue Hoffnung; da doch kein Liebhaber leicht darauff fussen soll; nach dem zwar die Abwechselung der Liebe gewiß / ihre Hoffnung aber sehr zweiffelhafft ist. Gleichwol aber heuchelte seiner Hoffnung eine gewisse bey der Einweihung eines Tempels sich zutragende Begebnüs. Diesen baueten die zwey Brüder Germanicus und der junge Tiberius Nero ihrem verstorbenen Vater Drusus zu Ehren auf; eigneten aber ihn dem Castor und Pollux zu. Der Kayser / Livia und alle Grossen / wie ingleichen die Fürstin Thußnelda fügten sich mit grosser Pracht in diß neue Heiligthum / und bemeisterte diese des Römischen Volckes Augen und Hertzen derogestalt: daß / als die Bilder des Castors und Pollux mit ihren umflammeten Häuptern auf zwey Opffer-Tische gehoben worden; selbtes dem obersten Priester zurieff: Er solte ihrer Schwester der schönen Helena nicht vergessen; welche nichts minder / als ihre Brüder unter die Sternen wären versetzt worden; und sich in der Gestalt dieser Deutschen oder vielmehr himmlischen Fürstin schauen liesse. Thußnelde ward hierüber beschämt; ersuchte daher den Fürsten Herrmann ihr mit einem Zeugnüße beyzuspringen: daß in Deutschland das Frauen-Zimmer ins gemein ihre geringe Gestalt übertreffe; und man ihr also ihre Gebrechen nicht durch übermäßiges Lob fürrücken möchte. Fürst Herrmann begegnete ihr mit tieffster Ehrerbietung; sie versichernde: daß sie über ihn das Recht einer vollkommenen Botmäßigkeit besässe; er aber nicht über seine Augen / welche weder in Deutschland / noch sonst in der Welt eine ihr nur biß an die Helffte kommende Schönheit gesehen hätten: daß sie ihr fürlängst seiner Seele gefälletes Urthel wiederruffen solten; noch auch über ihre Zunge: daß sie dem etwas unvernünfftig abbreche / dessen Vollkommenheit seine Gedancken nicht zu begreiffen vermöchten. Diesemnach er denn dem Urthel der Römer; mit welchen das sonst zwistige Deutschland dißfalls zweiffelsfrey einstimmete / unnachbleiblich beypflichten müste; wenn er nicht einer Göttin ihres gleichen für anständiger hielte: daß ihr lebhafftes Bild in das Heiligthum eines tugendhafften Hertzens; als ein Ertztener Nachguß in ein marmelnes Hauß versetzt würde. Thußnelde färbte sich hierüber und versetzte ihm lächelnde: Sie hätte zwar bey ihm als ihrem Landsmanne und einem so vollkommenen Fürsten Hülffe und Beystand zu finden gehoffet; sie müste aber ihre Vermessenheit nunmehr selbst erkennen /weil sie sich von Anfang bescheiden sollen: daß auch die Deutschen / wenn sie zu Rom wären / der Römer Meynungen / wenn schon irrig / beypflichten müsten. Herrmann antwortete: Er wolte in andern Dingen der Römer Wort nicht reden; hierinnen aber wäre kein Irrthum zu vermuthen; sondern vielmehr / weil iedes Volck das andere übertreffen wolte / etlicher Römer unpartheyisches Urthel gantz Deutschlands Meynung fürzuziehen; als welches an dem Ruhme ihrer Vollkommenheit Theil hätte. Ja er wäre versichert: daß wenn sie mit ihrem Ebenbilde gleich als wie das Ebenbild der Sonne der gantzen Welt ihr schönes Antlitz zeigen könte; ihres nichts weniger / als jenes allenthalben würde verehret werden; und Xerxes /welcher die Schwester des Castors aus so viel ausgelesenen Crotoniatischen Jungfrauen kaum zusammen setzen können / würde nach der schönen Thußnelda[1237] so viel Helenen mahlen können; als die Natur sie mit vollkommenen Gliedern beschenckt hätte. Thußnelda brach diesen Lobsprüchen ein; als welche die am ungernesten hören / die sie am meisten verdienen; und um den Fürsten Herrmann auf was anders zu bringen /sagte sie: Es wäre zwar zu enthengen: daß die eusserliche Gestalt noch der Farben und des Pinsels werth wären; als welche meist in übelrüchender Erde und blossem Schatten eben so wie die Schönheit des eitelen Leibes bestünden; aber die Verehrung der Sonnen dem Brunnen des Lichts und der Seele der Welt ließe sich einem so vergänglichen Gespenste / als die Schönheit wäre / ohne jener Entweichung nicht zueignen. Fürst Herrmañ fragte alsofort: ob sie nicht die Schönheit für ein besonder Geschencke Gottes hielte; oder nicht glaubte: daß diß / was dem Gestirne so ähnlich wäre / seinen Uhrsprung vom Himmel / und eine nicht geringere Würckung als die obern Lichter in denen Hertzen der Menschen hätte? Phryne hätte durch Entblössung ihrer schönen Brüste das schon abgefaste Verdammungs-Urthel von sich abgelehnt; nach dem des Hyperides Beredsamkeit die Schärffe der Richter zu erweichen viel zu ohnmächtig geschienen. Die Schönheit wäre eine Mutter der mächtigsten Königin der Welt / nemlich der Liebe; welche Götter und Menschen beherrschte. Sie wäre ein so kräfftiges Gestirne / welches die trüben Zorn-Wolcken der grimmigsten Feinde ausklärte; auffs Finsternüs der Unglückseligen mehrmahls einen lebhafften Freuden-Blick würffe / und denen Verzweiffelten aus ihrem Schiffbruche einen Genesungs-Weg zeigete; ja auch diß / was seinem eigenen Wesen nach entweder unangenehm oder heßlich wäre / mit einer Anmuth betheilete; also: daß Traurigkeit und Zorn in einem schönen Antlitze lieblich aussähe; daß die Thränen den schönsten Perlen / die wäßrichten Augen einem mit Regenbogen gefärbtem Gewölcke gleichte. Ja die Kranckheiten selbst sehen auf wolgebildeten Wangen; und der grausame Tod auf einem zierlichen Munde anmuthiger / als sonst aus. Das Unglück werffe seinen Schatten nach denen Schönen / wo nicht mit minderer Tunckelheit; iedoch mit geringerer Hartnäckigkeit. Die Wolcken der Rache und des Hasses / welche alles andere zermalmen / schertzten und spielten nur mit denen / welche den Zierrath des gestirnten Himmels in den Augen / der geblümten Erde auff allen Gliedern /und ein grosses Theil menschlichen Verhängnüßes in ihren Händen trügen. O des unglückseligen Gestirnes! O der vergänglichen Neben-Sonne! fieng Thußnelde seuffzende an. Denn in Wahrheit / wo die eitele Gestalt einen Platz unter den Sternen / oder den Blumen verdienet; weiß ich ihr keinen würdigern einzuräumen / als den die schädlichen Schwantz-Gestirne im Himmel / oder gifftiges Napel in Gärten hat. Sintemal die Schönheit wie jene; ie lichter sie brennen / nicht nur sich selbst; sondern gantze Städte und Länder einäschert; und nicht selten die reinesten Seelen vergifftet /also ein Vermögen ist / welches seinen eigenen Besitzer unglückselig; die aber / welche ein Auge drauff haben / unruhig macht; ja vielen sich aus einem Abgotte in einen Hencker verwandelt. Denn ihre Tochter die Liebe kehret zwar mit Jasmin in der Hand / mit Rosen auf dem Haupte in die zarten Seelen ein; hernach aber wütet sie mit Feuer und Schwerdt in ihrer eigenen Behausung. Dessen bewährtes Beyspiel die einige Helena seyn kan / in welche mich ein allzugütiges Urthel des Volckes verwandeln wil. Fürst Herrmann wolte zum Nachtheil der Schönheit / die er an Thußnelden anbetete / nichts verkleinerliches verhängen; setzte also ihr entgegen: Man eignete nicht selten denen heilsamsten Sternen den aus sumpfichten Erdreiche herrührenden Hagel und Ungewitter; denen gesündesten Kräutern aber von einem verterbten Leibe /oder aus Mißbrauche [1238] verursachte Würckung / und der Schönheit mit eben dem Unrechte / als der Sonne einen schädlichen Schatten zu; den der gifftige Eiben-Baum von sich würffe. Eine vollkommene Seele vertrüge nicht ein Behältnüs heßlicher Glieder; ja es könte nach vieler Weisen Urthel so wenig ein Zirckel ohne Mittelpunct / als ein wolgestalter Leib ohne ein gutes Gemüthe seyn. Dannenhero ins gemein niemand grosser Verrichtungen fähig zu seyn geachtet würde /als den die Natur auch mit eusserlicher Zierde zu begaben gewürdigt hätte. Fürnehmlich wäre diß ein unschätzbares Eigenthum der Fürsten; als wordurch die Natur gleichsam ihnen die Botmäßigkeit über andere bestetigte; welche sie durchs blosse Glücke erlanget hätten. Die Schönheit des Gebietenden verzuckerte gleichsam die Bitterkeit der beschwerlichen Herrschafft / sie erleichterte den Achseln ihre Last; also: daß das gemeine Volck / welches als ein Thier / das seine Vernunfft meist in den eusserlichen Sinnen hat /so viel williger gehorsamte; und dem das Hertze zueignete / der einmahl seine Augen gewonnen hätte. Weßwegen derselben Völcker Gewohnheit nicht allerdings zu verwerffen wäre / die den Wolgestaltesten zu ihrem Könige; und die Schönste zu seiner Gemahlin erwehleten. Die Fürstin Thußnelde versetzte abermahls: In ihren Augen wäre die Schönheit des Gemüthes alleine schön; des Leibes aber ein vergänglicher Wind / und eine mit Seiffe vermischte Wasser-Blase. Sie beliebte zwar ins gemein vielen / aber darum eben wäre ihre Bewahrung so viel gefährlicher. Wiewol auch zuweilen die gütige Natur eine schöne Seele mit einem zierlichen Leibe wie den Balsam-Geruch der Rosen / und Krafft der Granat-Aepffel mit Purper umhüllete; wäre doch diß ein blosser Zufall; und es steckte vielmahl in ungestalten Gliedern die tugendhaffteste Seele / wie die weisseste Perle in der höckrichten Muschel; der helleste Diamant in der rauesten Schale / das edelste Gold in der schwärtzesten Schlacke. Ja die Tugend selbst hätte keinen gefährlichern Stand / als in den Hülsen eines schönen Leibes. Die Anfechtungen des Glückes liessen zuweilen nach / und hätten ihre Ruh-Stunde; der Schönheit aber ein Bein unterzuschlagen / suchte die Wollust unaufhörlich Gelegenheit; alle ihre annehmliche Blicke würden ihr selbst zum Fallbrete; und ihre Liebhaber zu ärgsten Tod-Feinden. Keine Unschuld diente ihr zum Schilde; keine Hertzhafftigkeit wäre genung sich aller Versehrungen zu erwehren; und die keusche Lucretia so wenig / als die geile Lais unversehrlich. Fürst Herrmann hätte hierwieder noch gerne ferner der Schönheit das Wort geredet; wenn nicht die Einsegnung des Tempels sich geendiget; und August dem Herrmann / Livia Thußnelden ihr auf der Seite gehaltenes Gespräche zu unterbrechen durch ihren genommnen Abschied aus dem Tempel Anlaß gegeben hätte. Gegen Abend selbigen Tages ward in dem grossen Schauplatze zu Ehren des Castors ein Riesen-Tantz von zwantzig geharnischten Jünglingen / und dem Pollux zum Gedächtnüße ein Kampff mit Streit-Kolben / an welchen bleyerne Kugeln hiengen / gehalten; weil Pollux dieses Gefechte erfunden / Griechenland aber den Castor mit einem Tantze auf den Dreyschlag verehret haben soll. Wiewol nun dazumahl noch so gemein nicht war: daß Erlauchtes Frauenzimmer und Raths-Herren denen Fechtern zuschauten / so ließ doch August seinen Enckeln zu Liebe dieses mahl alle Grossen beydes Geschlechtes einladen; iedoch die Fechter nicht nackt / sondern köstlich / wiewol leichte angekleidet im Schau-Platze erscheinen. Weil aber um selbige Zeit der vorhin gantz helle Himmel sich in Regenwetter verwandelte / fand die Fürstin Thußnelda über der Pforte des Eingangs in dem Schauplatze / der sie zu ihrem Sitze leitete / [1239] durch eine unbekandte Hand mit Saffran in deutscher Sprache angeschrieben:


Der gantze Tag ist sch \n / die Lufft glåntzt wie Safier;

Nun du Thußnelde kommst / und's Schau-Spiel hat begonnen;

Umw \lckt die Sonne sich. Warum? sie weichet dir

Und schåmet sich zu stehn bey einer sch \nen Sonnen.


Wie aber Thußnelde an diesem schlechtes Vergnügen fand / und deßwegen diese Uberschrifft alsbald abzuthun anbefahl; also sahe sie nicht ohne innerste Gemüths-Kränckung / wie nicht allein unter denen in denen Antlitzen mit Zinober und Berg-blau seltzam gemahlten Fechtern so viel tapffere Deutschen zu diesem blutigen Kampffe genöthiget; sondern auch /wenn sie dem zornigen Pöfel nicht grausam genung auf einander raseten / auffs schimpfflichste geschmähet / und nach ihrer Athem-losen Abmattung mit einem Geträncke aus Lauge zu ihrem nur längerem Elende erquicket wurden. Worüber sie für Unwillen in ihrem Sitze die blauseidenen mit Golde durchwürckten Fürhänge; wormit Germanicus und Tiberius alle Gestüle des Adels hatte versehen lassen / fürzoh. Welches der nicht ferne davon sitzende Fürst Herrmann genau wahrnahm; und daher ihm Gelegenheit suchte bey dem Gast-Mahle / welches noch selbige Nacht Germanicus und Tiberius allen Grossen ausrichtete /gegen dem erstern und zwar der anwesenden Fürstin Thußnelde zu Liebe zu erwehnen: Es wäre eine allzugrosse Strengigkeit: daß die Römer ihre Gefangenen /und insonderheit aus denen streitbarsten Völckern /welche der Kayser selbst zu seiner Leib-Wache brauchte / zu selbsteigener Hinrichtung nöthigten. Germanicus antwortete: Es wäre ihm leid: daß aus dem / was er seinen Vorfahren in seinem Schau-Spiele nur nachgethan hätte / zu iemandens Unvergnügen gereichen solte. Er meinte aber: daß diese bey den Römern hergebrachte Gewonheit sich allerdings mit dem gemeinen Rechte der Völcker vertheidigen liesse; welches nicht nur die streitbaren / sondern alle Feinde ohne Unterscheid des Alters und Geschlechtes / ja auch die / denen man gleich nicht im ersten Eyver der Schlacht das Licht ausgelescht hat / zu tödten verstattete. Sintemahl bey diesen letzten der Tod nur verschoben / das Leben aber keines Weges geschenckt würde. Welches nicht nur das Beyspiel aller Völcker; der vom Pyrrhus abgeschlachtete Priamus / die auf dem Grabe Achillens geopfferte Polyxena / die von denen aus Corcyra getödteten Epidamnier / die vom Hannibal auff einmahl hingerichteten Römer / sondern auch die eigenen Sitten der Deutschen und Scythen erhärteten / da sie ihre Götter mit dem Blute der Gefangenen versöhneten. Fürst Herrmann versetzte: Er wiederspreche die Gewalt über das Leben und den Tod der Gefangenen nicht; aber die sich selbst / wiewol nur auf Gnade und Ungnade / und also sonder einige Bedingung Ergebenden zu tödten / oder auch die mit Zwang Gefangenen zu selbst eigener Auffreibung anzustrengen wäre beydes eine Härtigkeit / die in sich kein Maß hätte / und die Feinde zu verzweiffelter Verbitterung veranlaste. Denn ob zwar die ersten ihren Willen der Willkühr des Uberwinders unterwürffen; also: daß nichts beschwerliches wieder ihr Belieben ihnen zu begegnen schiene; so würde doch allezeit stillschweigend ausgedungen / was der Bedrängte nur auf den Fall der eussersten Wiedersätzligkeit verlieren könte / nehmlich das Leben. Ja / da einem Knechte Unrecht geschehe; wenn der Herr ihn mit unerträglicher Last bebürdete / mit unmenschlichen Straffen ausäderte; da kein Herr ohne richterliches Erkäntnüs seinen Leibeigenen tödten / oder denen wilden Thieren fürwerffen dörffte / und sich über ihn des Eigenthums verlustig machte / der ihm die Lebens-Mittel oder die Artzney entzöge / oder selbten auch gleich auf das Eyland des Esculapius ausladen liesse; wie viel mehr Unbarmhertzigkeit wäre es sich gegen die Ergebenen [1240] grausamer bezeigen; die auff die Gnade des Siegers ihre übrige Wolfarth gebaut hätten; und den mit den Klauen zerfleischen / der unter unsern Flügeln Schirm zu finden getrauet hätte. Weßwegen die / welche sich nicht überwinden könten / denen Ergebenden weniger als das Leben zu nehmen / die angebotene Ergebung denen Feinden auszuschlagen / und sie ihnen zu bedeuten schuldig wären: daß sie nach der Schärffe des Kriegs-Rechts das eusserste thun / und hinwieder erwarten solten. Sintemahl es zwar Rechtens ist / aus seines Feindes weggeworffenen Degen / für ihn Fessel /nicht aber Hencker-Beile schmieden zu lassen. Und wäre daher Scipio nichts minder wegen seiner Gerechtigkeit / als sonst wegen seiner Tapfferkeit zu rühmen: daß er von denen biß auffs eusserste verstockten Numantiern keinen zu tödten begehret / welche nicht selbst sich eigen beliebig hingerichtet hätten. Ja bey denen meisten Völckern wäre auch die Dienstbarkeit der sich selbst ergebenden viel leidlicher / als der Gefangenen. Die sonder einige ihre Einwilligung Gefangenen müsten freylich zwar dem Sieger den Nacken gedultig hinrecken; daher er es den Römern nicht für übel hielte: daß sie auf ihren Siegs-Geprängen sich an so viel sterbenden Feinden erlustigten; daß aber sich Freunde und Bunds-Genossen selbst unter einander aufreiben müsten / hiesse der Natur einen Zwang anthun / und die Menschen sich in ein wildes Pantherthier verwandeln. Germanicus bezohe sich zwar auf das Beyspiel des von den Römern getödteten Pometischen Fürstens / der vom Sylla erschlagener Samniter / der vom Julius niedergehauener Numidier. Uber diß / sagte er / wäre der denen Fechtern aufgedrungene Zwang nichts so abscheuliches; weil die zwey vertrautesten Freunde Juba und Petrejus auff diese Art einander selbst von der Uberlast des beschwerlichen Lebens geholffen hätten. Ja weil ihrer so viel durch eigenhändigen Tod sich aus der Dienstbarkeit versetzten / hätte ein Gefangener kein Bedencken zu tragen / auch diß gegen seinen Bruder auszuüben /was er gegen sich selbst zu thun nicht für grausam hielte. Fürst Herrmann aber bezohe sich auf viel mildere Sitten / derer bey den Römern für überaus grausam beschriener Völcker / und daß die über sich selbst habende Gewalt sich nicht gleich über andere ausdehnen liesse. Insonderheit aber wüste er nicht: wordurch es die Deutschen verschuldet hätten: daß sie mehr als andere zu so grimmigem Gefechte angestrenget würden? Es würden gewiß hierdurch dieselben /welche mit so fester Treue für das Römische Volck die Waffen geführet / sehr stutzig; die aber / welche aus eingewurtzeltem Mißtrauen ihnen noch die Spitze bietetẽ / mehr verbittert gemacht werden. Der kluge August hörte dieser Wortwechselung mit Fleiß zu /unterbrach aber selbte mit folgender Erklärung: daß mit seinem Wissen kein sich gutwillig Ergebender einen Fechter abzugeben / noch auch andere Gefangenen mehr / als einmahl den Kampff auszustehen gezwungen / sondern sodeñ bey nahe in völlige Freyheit gesetzet würden. Da auch hiewieder / insonderheit: daß man die tapffern Deutschen für andern hierinnen anspannete / etwas gehandelt worden wäre; wolte er solchem Mißbrauche zu so vieler verdienter Helden Vergnügung vollkömmlich abhelffen.

Diese Empfindligkeit des Fürsten Herrmanns vergnügte Thußnelden so sehr: daß sie noch selbige Nacht / als Germanicus und Tiberius zu denen auf den dritten Tag bestimmten Rennen die sämtlichen Gäste einlud / ihn unter dem Scheine der Landsmannschafft zu ihren Gefärthen erkiesete. Denn weil Pollux und Helena aus einem / Castor und Clytemnestra aus einem andern Ey / welches Leda gebohren / entsprossen seyn solten; pflegten in denen dem Castor und Pollux zu Ehren gehaltenen Ritter-Spielen allezeit die Helffte Frauen-Zimmer untermengt zu werden. Thußnelda [1241] nam folgenden Tag unter dem Vorwand sich über ihrem Aufzuge mit einander zu bereden Gelegenheit / dem Fürsten Herrmañ ihr Wolgefallen über dem / was er für die tapferen Deutschen den Tag vorher geredet hatte / zu bezeugen. Worüber sie denn durch die diesem Volcke angebohrne Verträuligkeit beyderseits ferner veranlast wurden / über die Bedrängungen Deutschlands anfangs zu seuffzen / hernach aber ihren innerlichen Unwillen gegen die herrschsüchtigen Römer auszulassen; ja ihr Unglück zu beklagen: daß sie das Verhängnüs in solchen Stand und an einen solchen Ort versetzt hätte; da sie ihren Feinden noch heucheln / und ihre Dienstbarkeit rühmen müsten. Endlich ließ Thußnelda aus dem innersten ihres Hertzen einen tieffen Seuffzer aus / und beschloß ihre Unterredung mit diesen Worten: Wolte GOtt! Unsere deutsche Freyheit hätte sonst keine Feinde / als die Ausländer, so würde ich mir über ihrer Gefaht kein graues Haar wachsen lassen. Aber leider! wir säugen den uns fressenden Krebs mit unsern eigenen Brüsten / und wormit ein deutscher Fürst dem andern könne zu Kopffe wachsen / schämet er sich nicht ein Fußschemmel der Fremden zu werden. Fürst Herrmann wolte für dißmahl Thußnelden nicht ferner in Pulß fühlen; um durch frühzeitige Sorgfalt ihr nicht Ursach zu Verschlüssung ihres Gemüthes zu geben; sondern redete allein ihrer beyder künfftigen Aufzug derogestalt mit ihr ab: daß sie wie die zwey Halb-Götter der Naharvaler / Alcis genennt / welche ohne diß die Römer für den Castor und Pollux auslegten / auf der Rennebahn erscheinen wolten. Auf dieser war zu dem einen Ziele auffgestellt das Bild des Lynceus; welcher den Castor getödtet / aber von dem Pollux wieder durch eine ihm auf den Hals gestürtzte Marmel-Seule erlegt worden. Das andere Ziel war das Bild des vom Pollux in einem Gefechte erschlagenen Anycus. Das dritte Ziel war der vom Blitz in Asche verkehrte Idas; als er den Pollux antasten wollen. Nach dem ersten Ziele ward in vollem Rennen mit dem Bogen / nach dem andern mit einem Wurff-Spiesse geschossen; nach dem dritten aber mit einer Lantze gerennet. Alle sassen auf schneeweißen Pferden; weil Castor und Pollux in einer Schlacht unter dem Aulus Postumius wieder die Latiner auff solcher Art Pferden für die Römer sollen gefochten; an solche ihre Pferde zu Rom beym Heiligthume der Vesta gebadet und den Sieg zum ersten angekündiget haben. Derogleichen Beystand und Ankündigung ihnen denn auch in dem Macedonischen Kriege wieder den König Perses nachgerühmet wird. Die Fürstin Thußnelda gläntzte für allen andern in ihrem Himmel-blauen mit eingewürckten güldenen Sternen schimmernden Kleidern; gleich als wenn eine solche Göttin nicht geringer als mit etwas himmlischem bekleidet seyn könte; aber vielmehr mit ihrer unvergleichlichen Schönheit und Lebhafftigkeit / mit welcher letztern sie nichts minder alle Römische Edelleute / als mit der ersten alles Frauen-Zimmer übertraff. In dem Rennen erwieß sie: wie diß ihr leichtestes Handwerck wäre. Fürst Herrmann und alle andere thäten ihr Bestes; um sich nicht so wol der aufgesetzten herrlichen Preisse / als der daraus erwachsenden Ehre fähig zu machen. Germanicus gewan den Preiß in der Lantze / Herrmann im Wurff-Spiesse; Thußnelde aber hatte dem Lynceus ins rechte Auge / welches zum innersten Hertz-Zwecke ausgesetzt war / einen mit folgenden Worten umschriebenen Pfeil zugeschossen:


Dem Lynceus in das Aug'. Es lehre dieser Schuß:

Daß Kunst der Tugend Magd / das Glück' ihr Knecht seyn muß.


Zu aller Anschauer höchster Verwunderung aber steckte des Fürsten Herrmanns Pfeil gerade auf Thußneldens Pfeile / und stand daran mit güldenen Buchstaben geetzt:


[1242]

Nichts seltzam's: daß ein Pfeil den Pfeil trifft nicht so fern'.

Erzielt doch der Magnet den weitern Angelstern.


Denn die Gewonheit der Persen: da nemlich alle Pfeile der in Krieg ziehenden für dem Angesichte des Königs auf gewisse Art bezeichnet wurden; war bey denen Römern nunmehr auch / insonderheit bey derogleichen Lust-Spielen eingeführet; wormit ein ieder den seinigen von Fremden unterscheiden konte. Die über dieses Rennen gesetzte Richter verwunderten sich nicht wenig über diese Begebnüs / sonderlich /da die an denen zwey Pfeilen befindliche Schrifft klar genung erhärtete: daß beyde Schüsse nicht ungefähr /sondern aus rechter Kunst und Vorsatz geschehen waren; Gleichwol aber waren sie über der Zueigung des Preisses nicht wenig zweiffelhafft; ja dardurch am allermeisten verwirret: daß so wol Thußnelde / als Herrmann mit Anführung vieler dienenden Ursachen sich des Preißes enteusserten. Diesemnach sie denn nach selbst eigener Berathung des Kaysers beyde veranlasten mit einander durch ein neues Bogenschüssen zu gleichen. Viel tausend begierige Augen waren gleichsam an das Ziel angehefftet; da denn die Fürstin in ihrem Vorrennen dem Lynceus recht durch das lincke Auge / Fürst Herrmann aber recht durchs Hertze schoß; aus welchem ein derogestalt bezeichneter Pfeil gezogen ward:


Mein Pfeil fehlt zwar den Zweck / doch trifft er / was ich wil.

Denn Aug' und Hertz hat offt ein unterschieden Ziel.


Jedermann verwunderte sich abermahls über beyde so künstliche Schüsse; und zohe sie des Asterius Meisterstücke für; welcher in der Schlacht dem Könige Philippus Vermöge der daran befindlichen Schrifft einen ins Auge bestimmten Pfeil gleichfalls glücklich anbrachte. Weil aber die Augen einmahl zum Hertzzwecke ausgesetzt waren / und die Fürstin Thußnelde diesen Lynceus auf beyden Augen blind gemacht hatte / ward ihr im Pfeil-Schüssen der Preiß zugesprochen / und unter dem Zuruffen des Römischen Volckes von Livien überreichet. Hierbey aber nahm die kluge Thußnelda genungsam wahr: wie Fürst Herrmann ihr nicht nur mit Fleiße diesen Preiß zugelassen / sondern auch dardurch seine absondere Zuneigung mehr und mehr gegen sie bestärcket hatte. Weil nun die Unempfindligkeit nur gefrorner Hertzen / die Bewegung einer zarten Seele Eigenschafft ist /und ihr Zunder Feuer zu fangen nur einen Funcken darff / spielte sich in Thußneldens Hertze nach und nach eine solche Gemüths-Regung / von der sie selbst nicht wuste: ob ihr der Nahme der Gewogenheit / oder der Liebe anstünde. Denn diese zwey Bewegungen gräntzen so genau und nahe an einander: daß ihre Eigenthums-Herren sie selbst so lange Zeit nicht zu unterscheiden wissen; wo anders ein Mensch sich über die Gemüths-Regungen / und nicht vielmehr diese über ihn sich einer Herrschafft zu rühmen hat. Man nehme sie nur für eines oder das andern an / so würckte sie keine geringe Merckmaale ihrer Zuneigung. Denn als der gantze Hof mit dem Kayser zu Lanuvium sich aufhielt / und sie aus Deutschland Schreiben und Nachricht erhielt: daß Tiberius biß über die Weser gesetzt / denen Cheruskern nicht geringen Abbruch gethan / zum grösten Unglücke Deutschlands aber der großmüthige Feldherr Segimer Todes verblichen wäre; meinte die treuhertzige Thußnelda allerdings unverantwortlich zu seyn diese Nachricht dem Fürsten Herrmann / als welchem hieran so viel gelegen wäre / zu verschweigen; zumahl sie besorgte: daß doch August Segimers Todes-Fall für ihm so viel möglich verborgen halten würde. Dahero wie der Kayser und Livia nach erhaltener Post aus Deutschland Rath hielten / veranlaste Thußnelda in Gesellschafft nur zweyer aus ihrem Frauen-Zimmer den Fürsten Herrmañ mit ihr den eingefallenen Schau Platz der alten Lateinischen Könige und Evanders Burg [1243] zu beschauen. Wie sie nun dahin kam / fieng sie mit wäßrichten Augen an: Großmüthiger Herrmann und liebster Vetter; ich muß mich bald anfangs dieses Titels gebrauchen; wormit er theils so viel weniger über meiner Verträuligkeit sich wundere; theils meiner Auffrichtigkeit so viel mehr Glauben gebe. Ich bin Segesthens Tochter; den das Verhängnüs Saturnins Tochter Sentia zu heyrathen / diese aber ihn verleitet hat / mich zu einer Römischen Geißel zu machen. Wolte aber GOtt! ich hätte mit ihr nur eine Stieff-Mutter; Deutschland an ihm keinen Stieff-Vater bekommen! Alleine leider sich erfahre: daß wenn das Verhängnüs iemanden zu verterben beschlossen hat /läst es ihn anfangs von Vernunfft oder gar von Sinnen kommen. Denn Segesthes; welcher für die Freyheit Deutschlandes so viel mahl sein Leben gewagt; so viel Blut verspritzet / lässet nunmehr allem Ansehen nach die Hand sincken / und hilfft sein Vaterland selbst denen Römern dienstbar machen; gleich als wenn er mit der Zeit nicht auch würde einen Knecht der Römer abgeben müssen. Unsere schlauen Feinde verleiten ihn mit Vertröstung der Deutschen Feld-Hauptmannschafft; da er doch erwegen solte / mit was Unrecht solche dem Fürsten Herrmann entzogen; und wie August Segesthen hieran nichts / als den Schatten enträumen; das Hefft aber über das einmahl überwundene Deutschland keinem andern aushändigen werde. Er lege nicht übel aus / vertrauter Herrmann / meine freymüthige Hertzens-Ausschüttung. Denn die Liebe des Vaterlandes überwiegt die / welche man den Eltern schuldig ist. Ja zu bezeugen: daß ich seinem Rechte mehr / als dem Wachsthume meines Geschlechtes wol wolle; so werde ich gezwungen ihm die traurige Zeitung zu bringen: daß der einige Pfeiler der Deutschen Freyheit / nehmlich sein Vater der hochverdiente Feldherr Segimer verfallen und todt sey. Ich weiß wol: daß das Trauren einem frischen Schmertze allerdings nicht unanständig sey; aber das Heil des Vaterlandes / die Erhaltung seines Volcks /und die Hoheit seines Standes erfordern dißmahl von ihm trockene Augen / reiffen Rath / und eine hertzhaffte Entschlüssung. Ich bin ohne diß versichert: daß diesen Verlust sein Geblüte zwar nicht gar unempfindlich / seyn grosses Gemüthe aber nicht weibisch aufnehmen; weniger seine Klugheit es gäntzlich in Wind schlagen; sondern die Sorge dem Vaterlande zu helffen das kräfftigste Hülffs-Mittel wieder dieses Betrübnüs seyn werde. Hertzog Herrmann hörte Thußnelden mit unverwendeten Augen / und unverändertem Antlitze an; so lange sie redete. Als sie aber beschloß; fiel er auff das eine Knie / umarmete Thußneldens / die diß zu verwehren vergebens sich bemühte; und fieng an: Ich würde den Tod meines Vaters nachdrücklicher zu betrauren haben; wenn das gütige Verhängnüs diesen Verlust nicht durch das Geschäncke einer so vollkommenen Freundin ergäntzt /und Deutschland mit einer so grossen Schutz-Göttin versorgt hätte. Die Noth und der Befehl derselben; in welcher Hand das Verhängnüs mein Glück und Unglück vertrauet hat / erfordert freylich / mein Bekümmernüs nicht für eine todte Leiche / sondern für die Erhaltung des kranckenden Vaterlandes anzugewehren. Aber die übermäßigen Wolthaten der Fürstin Thußnelda verbinden mich so wol als Deutschland /nicht alle Kräfften dorthin und zu seinem eigenen Besten; sondern zum minsten die Helfte zu einem unvergeßlichen Danck-Maale gegen sie als unsern Schutz-Stern anzuwenden; dessen holden Anblick das scheiternde Vaterland nichts minder / als ich kluger Wegweisung bedürfftig bin. Thußnelde / welche ohne diß diese nachdenckliche Demüthigung nicht gerne [1244] ihr /wiewol der Treue und Verschwiegenheit halber genungsam geprüfftes Frauen-Zimmer sehen lassen wolte / nöthigte den Fürsten zum Wiederauffstehen; und kamen sie hierüber in Berathschlagung: Ob Fürst Herrmann heimlich; oder mit Vorbewust und Einwilligung in Deutschland reisen solte? Dieses letztere hielt Herrmann für rathsamer; weil der ihm für so viel treue Dienste verbundene August ihn mehrmahls versichert hätte: daß er auff Segimers Todes-Fall ihm nicht nur zur Herrschafft der väterlichen Lande / sondern gar zu allen Vor-Elterlichen Würden behülflich seyn wolte. Diß aber wiederrieth Thußnelda beständig. Denn / sagte sie / weil die Wolthaten zeitlicher ihr Andencken / als die Rosen ihre Blätter verlieren; die Staatssucht auch mit keiner Tugend grössere Unverträgligkeit hat / als mit der Danckbarkeit; dörffte die Hoffnung auff Augustens grosse Vertröstungen ein schlechtes Gebäue aufführen. Zumahl der Kayser weder sein selbst / noch sein Versprechen zu erfüllen mehr mächtig wäre; nach dem die ihn in Händen habende Livia und Tiberius eben diß und ein mehrers Segesthen mit vielen Betheuerungen versprochen hätten; dessen sie beyde zugleich unmöglich habhafft seyn könten. Diesemnach wäre es nichts minder in diesem Falle rathsam / als durchgehends eine grosse Klugheit sich eines solchen Herrn entbrechen / der sich durch Vergeltung von Wolthaten nicht entbinden kan. Denn diese würden zwar iederzeit gerne angenommen / der Wolthäter aber nicht gerne für Augen gesehen; ja wenn einem seine Schwäche vollends die Hoffnung treue Dienste auszugleichen benehme / verwandelte sich das erste Erkäntnüs in eine Abscheu; und weil die Verbindligkeit nicht auszuleschen wäre /trachtete man gar den Gläubiger zu vertilgen. Wenn aber auch August so wol den Vorsatz als das Vermögen hätte dem Fürsten Herrmann wol zu thun; würde doch der vom Segesthes neu entworffene Vorschlag die Chautzen zu bemeistern dem Kayser die Hände binden; und für diesen zur Dienstbarkeit geneigten Fürsten etwas auffzuheben / mit dessen Schatten August immer fort seine Hoffnung speisen; ihn selbst aber an der Angel führen könne. Worüber ihr / wenn sie daran gedächte / das Hertze in tausend Stücke zerspringen möchte; auch nichts anders glaubte: denn das die Stieff-Mutter Sentia ihren Vater bezaubert /oder wenigstens verbländet hätte. Herrmann befließ sich der bestürtzten Thußnelde zu Liebe auff allerley Weise die Schuld von Segesthen auff seine Gemahlin zu schieben / und zu behaupten: daß es leichter wäre gegen ein gewaffnetes Heer / als ein liebreitzendes /und zugleich Ehrsüchtiges Weib bestehen. Denn ihre Herrschafft bemächtigte sich ihrer eigenen Gebieter; und dehnete ihre Gewalt über alle Schrancken der Leibeigenschafft aus. Sie verwechselte den Genüß ihres Leibes mit der Botmäßigkeit über seine Seele; sie vergällte das Hertz gegen seine Kinder; sie verhärtete sein Gemüthe wieder seine eigene Wolfarth; und weil die grössesten Riesen für ihrer Schwäche erliegen müsten / wenn sie schon alle ihre Vernunfft und Kräfften zusammen fasten; wäre sie keinem Dinge besser / als dem kleinen Fische zu vergleichen / der ein mit vollem Segel durch Schaum und Wellen streichendes Schiff / wie der Kapzaum ein schäumendes Pferd hemmete und anhielte. Hierauf gab er bescheidentlich nach: daß Thußneldens Rath auff unumstoßliche Seulen gegründet; und es in Geheim von Rom sich zu machen sicherer wäre; wiewol August deßhalben eine Ursache vom Zaune zu brechen / und Gelegenheit ihn für Feind zu erklären nehmen könte. Allein es läge ihm ein ander Stein auff dem Hertzen;[1245] der seiner Reise am Wege läge / den er aber auf die Seite zu räumen sich nicht überwünden könte. Thußnelden war dieser tunckele Einwurff zwar etwas nachdencklich; iedoch hatte sie ihre Unterredung schon so vertiefft: daß sie nicht vorbey konte nach diesem Hindernüße zu fragen. Herrmann färbte sich hierüber / und antwortete nach einem kurtzen Stillschweigen und Seuffzer: Vollkommenste Thußnelda /mein blosses Stillschweigen ist schon Redner genung meine Schmertzens / iedoch begreifft es in dem / daß ich nichts sage / bey weitem nicht alles / was meine Seele in ihr empfindet. Thußnelda stellte sich; als wenn sie seine Meynung gar nicht verstünde / und antwortete: Es wäre unschwer zu ermessen: daß das Schweigen keinen richtigen Abdruck der Gedancken abgeben könte; nach dem so gar die Sprache ein unvollkommenes Nachgemählde des Gemüthes wäre. Sie glaubte wol: daß nichts schlechtes seine Entschlüssung hemmete; alleine solchen Helden müsten auch Klippen aus dem Wege treten. Alle Unterfangungen in Zentner-Sachen dörfften ein Loth Vermässenheit; und die Rathschläge wären zuweilen denselben Gewächsen gleich zu halten / die man nicht müste lassen reiff werden. Denn wie diese mit ihrer Säuerkeit den angenehmsten Geschmack machten; also schlügen frühe und unreiffe Schlüsse offt glückseliger aus / als die man gleichsam durch allzusorgfältige Ausbrütung verärgerte. Hertzog Herrmann fieng hierauff mit einem freudigen Gesichte an: Er würde sich niemahls unterwunden haben ihr mit eröffneter Hindernüs seine innerliche Wunden zu entdecken; wenn sie nicht der Vermässenheit selbst das Wort geredet; und ihm dardurch zwar seine Beschwerde nicht zu erleichtern; iedoch seiner innerlichen Glut durch diese Ausrauchung ein wenig Lufft zu machen Anlaß gegeben hätte. Sein Anliegen wäre dieses grosse: daß er von einer so vollkommenen Fürstin so viel; an ihm selbst aber so wenig Vergnügen findete; welches hingegen ihr einiges Belieben an ihm geben könte. Gleichwol aber hielte er diese seine Regung ihm mehr für eine Ehre / als für ein Leiden; weil er dardurch den Ruhm erlangte: daß er fähig wäre nichts minder eine so grosse Pein auszustehen; als nichts anders / denn die gröste Vollkommenheit lieb zu gewinnen. Thußnelde röthete über diesen letzten Worten ihre ohne diß denen frischen Morgen-Rosen gleiche Wangen / und versetzte ihm lächelnde: Sie wüste gar wol ihre Gebrechen / und die Art so höflicher Fürsten; welche meistentheils ihrer gemeinsten Verbindligkeit den Nahmen einer so hefftigen Liebesregung gäben; in Meynung: daß das Frauen-Zimmer sich nichts minder / als einfältige Kinder an den Schalen der Sachen zu belustigen pflegte. Sie nehme es inzwischen entweder für einen Schertz auf; oder vergnügte sich mit der blossen Wolgewogenheit eines so vollkommenen Fürsten. Herrmann versetzte: Es wäre nichts minder eine Art der empfindlichsten Grausamkeit einen Krancken überreden: daß er gesund sey; und das hefftigste Feuer der Liebe einen zu Wasser machen wollen; als eine Verdoppelung der Pein; wenn man diese gewaltsame Glut in der Höle des Hertzens zu erstecken trachtete. Mit dem letztern hätte er sich zeither fast zu tode gequälet; daher hoffte er: ihre Gütigkeit würde nicht verhängen: daß die Entdeckung seiner inbrünstigsten Liebe ihm nur deßwegen den Lebens-Athem erhalten hätte; wormit er durch ihre Unbarmhertzigkeit in eusserste Verzweifelung versetzt würde. Ihm wäre nicht unbekandt: daß die Liebe nichts minder als Epheu ohne einige Wartung das gröste Wachsthum erlangte; ja daß sie eben so durch Verachtung wie glüende Steine durch angespritztes Wasser mehr erhitzet würden; aber seine Liebe überstiege ohne diß die Grösse aller andern / und seine Seele wäre geschickter eingeäschert / als mehr angezündet zu werden. [1246] Dem Himmel würde zwar zugetrauet: daß er durch Donner und Blitz der Erde Fruchtbarkeit beförderte; aber vielfältig mahl mehr nützete ein sanffter Regen. Also würde sie an seinem durch ihren gütigen Anblick angezündeten und nach und nach verglimmenden Hertzen ein süsser Opffer genüssen; als wenn sie durch ihre unbarmhertzige Strahlen selbtes auff einmahl in Grauß und Staub verwandelte. Die leutselige Fürstin begegnete ihm hingegen: wenn sie nicht wüste: daß die Härtigkeit kein nothwendiges Kennzeichen eines züchtigen Gemüthes wäre; sondern sich auch ohne Befleckung der Ehre eine unerlaubte Anmuthung mit Glimpff ablehnen liesse; würde sie schier gezwungen werden ihn mit einer ernstern Gebehrdung anzuweisen: daß er derselben nichts abheischen solte / was sie zu erlauben selbst nicht berechtiget wäre. Aber sie wolte zum minsten ihre Gelindigkeit dardurch erweisen: daß sie ihm selbst so viel Zeit enträumte; seine Entschlüssung zu überlegen; als seine Regung sich wieder zu bestillen von nöthen / er aber die Ehre hätte ohne fremde Hülffe genesen zu seyn. Deñ Zeit und Abwesenheit wären nicht nur die aufjährenden Bewegungen der Jugend zu dämpffen; sondern auch tieff eingewurtzelte Entschlüssungen zu vertilgen mächtig. Ich gestehe es / antwortete Herrmann: daß die Kühnheit meiner Liebe keiner Entschuldigung; ihre Hefftigkeit aber keiner Verschwindung fähig / und weder die Zeit /noch einige andere Kräfften selbte zu tilgen geschickt sind. Denn wie die von dem Schweiße der Morgenröthe empfangene Perle so feste verwahret ist: daß selbte ohne Zerdrümmerung der Muschel / und Tödtung ihrer Mutter ihr nicht kan entfremdet werden; also wird das in meinem Hertzen so fest verschlossene Bild Thußneldens der unschätzbaren Perle dieser Welt ohne gäntzliche Zernichtung meines Wesens mir nimmermehr geraubt / ja die selbtes verwahrende Flamme meiner Liebe durch den von ihrer Grausamkeit mir zuwachsenden Tod selbst nicht ausgelescht werden. Diese Worte brachte der tapffere Herrmann mit so durchdringender Gebehrdung für: daß Thußnelden die Augen übergiengen; und sie sich kaum erholen konte ihm wiewol mit halbverbrochenen Worten zu sagen: Lebe Herrmann / dem Vaterlande und derselben zu Liebe; welche dir mehr als gewogen seyn würde; wenn sie ihr selbst iemanden zu lieben gebieten könte. Hertzog Herrmann / welcher sich ehe von Thußnelden eines Todes-Urthels / als einer so holdseligen Erklärung versehen hätte / wuste für Freuden kein Wort aufzubringen / sondern senckte sich nieder ihre Knie zu umfangen. Thußnelde aber reichte ihm solche Erniedrigung gleichsam zu verwehren ihre Hand / die er als ein sicheres Pfand nicht nur ihrer Gewogenheit / sondern wahrhafften Liebe mit der höchsten Empfindligkeit küssete / biß sie selbte zurück zu ziehen genöthiget ward; weil eine ihres Frauen-Zimmers sich ihnen näherte / und Bericht brachte: daß der Kayser den Rath geendiget / und Livia nach ihr gefragt hätte. Welche denn Thußnelden nicht ohne Nachdencken etliche Tage nicht von ihrer Seiten ließ; also: daß Hertzog Herrmann keine Gelegenheit zu finden vermochte / den letzten Schluß seiner Reise verträulich abzureden.

Inzwischen kam ein deutscher Edelmann zum Hertzog Herrmann / der sich unter die vom Segesthes nach Rom gehende Gesandschafft verstecket hatte; und brachte ihm vom Fürsten Ingviomer Schreiben des Innhalts: Daß Tiberius etliche mahl mit den Deutschen sonder einigen Vortheil geschlagen; ja der Ritter Stirum ihn bey nahe selbst erlegt hätte. Hertzog Segimer wäre auch bereit fertig gewest denen Bructerern zu Hülffe zu kommen. Dieses zu hintertreiben hätte Tiberius die seinem Sohne zu Rom wiederfahrende Wolthaten mit vertrösteter Freylaß- und Versprechung [1247] güldener Berge heraus gestriechen; iedoch nichts zu erhalten vermocht; sondern nur von Segimern zur Antwort bekommen: daß er lieber seinen Sohn in Band und Eisen / als sein Vaterland dienstbar wissen; auch ehe sterben / als sein Land von der Gnade eines Ausländers besitzen wolte. Zuletzt hätte Tiberius in einem Schreiben ihm noch angeboten: daß / wenn er nur ruhig bleiben / und denen Caninefaten und Attuariern keine Hülffe leisten wolte; der Kayser ihm wieder die Quaden unter seine Botmäßigkeit lieffern / und den Vannius seines Reiches entsetzen wolte. Uber Erbrechung dieses Schreibens wäre Hertzog Segimer augenblicklich über einen Hauffen gefallen / hätte im gantzen Leibe eine übernatürliche Hitze bekommen; also: daß sein Verstand alsofort wäre verwirret / und nach dreyen Stunden / ungeachtet aller Artzney-Mittel / sein Helden-Geist aus dem Gefängnüsse des sterblichen Leibes zu grossem Betrübnüs gantz Deutschlands befreyet worden. Daher man nicht anders schlüssen könte / denn daß dieser Brieff mit einem flügenden und überaus hefftigen Giffte müsse seyn angestäubt gewest. Er hätte zwar inzwischen /als nechster Anverwandter / statt seiner bey den Cheruskern ein und andere gute Anstalt machen / und denen bedrängten Deutschen mit zehen tausend Cheruskern Beystand leisten wollen; allein dem erstern hätten sich etliche herrschsüchtige Köpffe entgegen gesetzt / die grosse Macht des Tiberius aber die Bructerer und Cherusker über die Weser zu weichen; wie auch Segodun und die Cattenburg zu verlassen. Also stünden nun die Cherusker in höchster Bekümmernüs und Verwirrung; wüsten sich auch auff keinen andern Ancker / als alleine auf ihn / als ihre noch einige Hoffnung / zu verlassen. Hertzog Herrmann ward über solcher Todes-Art seines Volckes und dem Nothstande seines Volckes so wehmüthig: daß ihm etliche Thränen auf Ingviomers Brieff fielen. Sintemahl doch auch die Helden nicht Hertzen aus Ertzt /und Augen aus Diamant haben. Vom Kayser Urlaub zu nehmen / schiene nach der zwischen den Römern und Cheruskern auffs neue entstandener Feindschafft so viel mehr gefährlich; ins geheim zu entweichen wäre nicht allein ein undanckbares Mißtrauen / sondern schiene auch seinem Treu und Glauben abbrüchig zu seyn; welches die redlichen Deutschen ihrem Leben weit vorsetzten. Weil nun Hertzog Herrmann bald anfangs / als er gefangen einbracht ward / dem Kayser sein Wort: ohne seinen Willen nirgendshin zu entweichen / gegeben / August aber den Fürsten Herrmann dessen nie ausdrücklich erlassen hatte; standen ihm diese erhebliche Bedencken allerdinges im Wege seinen Vortheil zu ersehen; und sich aus des Kaysers Gewalt zu ziehen. Denn ob wol denen festgesetzten Gefangenen das Recht der Flucht in alle Wege zustehet; leidet doch diß einen Absatz; wenn ein Gefangener mit nichts gewaltsamen / sondern allein mit seinem Angelöbnüs zu bleiben beschrenckt wird. Ob nun wol Hertzog Herrmanns gantzer Zustand samt seiner Gefangenschafft durch seine in Armenien geleistete Kriegs-Dienste / und seine zu Rom erworbene Würden verändert zu seyn schien / hielt er doch die Hoheit der Fürsten an ihr selbst für unveränderlich; und ihr Wort so hoch: daß desselbten Beobachtung keinen spitzfindigen Absatz vertrüge; und ein Fürst Treu und Glauben zu halten verbunden sey; wo gleich einem Niedrigen über die Schnure zu hauen übersehen werden könte. Denn wenn Treue und Auffrichtigkeit gleich in der gantzen Welt verschwinde; solte sie doch in den Hertzen eines Fürsten ihre Wohnstatt behalten. Diese Bedencken hielt er auffs neue seiner geliebten Thußnelde für / welche denn entweder ihrer Wichtigkeit halber / oder weil das in ihren Hertzen sich ie länger ie mehr vergrössernde Liebes-Feuer an seiner annehmlichen Anwesenheit [1248] abzukühlen verlangte / ihre erstere Meynung verließ und seiner Gedancken ward: daß er noch zu Rom bleiben / und seinem Vetter Ingviomer inzwischen die Beobachtung seiner Länder anvertrauen solte. Wie denn auch der Kayser ihm nach etlichen Tagen selbst den Tod seines Vaters vermeldete; und andeutete: Er möchte zu Rom bleiben / biß Tiberius zurück käme / und er den wahren Zustand Deutschlands vernähme / also deßhalben mit ihm ein sicheres Abkommen treffen könte.

Hertzog Herrmann theilte bey dieser Beschaffenheit gleichsam sein Hertze; in dem die eine Helffte sich an der Gewogenheit Thußneldens erquickte / die andere aber sich über dem Nothstande seiner Unterthanen schier zu Tode grämete. Hierüber kam Tiberius und Segesthes nach Rom; bey welchem letztern sich Hertzog Herrmann durch seine unvergleichliche Leibes-und Gemüths-Gaben; insonderheit aber durch die Erklärung: daß er bey so verwirrtem Zustande Deutschlands Segesthen / als einem Fürsten des Cheruskischen Hauses / die Feldhauptmannschafft für allen Fremden von Hertzen gönnte / derogestalt einliebte: daß er ihm nicht nur versprach beym Kayser sein Wort aufs beste zu reden / und die Herrschafft über seine väterliche Länder zu wege zu bringen; sondern auch hernach / als August Segesthen noch zuvor kam / und vermerckte: wie er den um ihn so sehr verdienten Hertzog Herrmann allerdings zum Besitzer der Cheruskischen Länder wissen wolte / ihm seine Tochter Thußnelda zu mehrer Befestigung ihrer alten Freundschafft zu vermählen antrug. Und dieses zwar geschahe eben selbigen Tag / als August ihm andeutete: daß er mit Segesthen zu Beherrschung seines Erbtheils nunmehr in Deutschland verreisen möchte; und / wenn er denen Feinden der Römer keinen Beystand leistete / als er von ihm sich keines Weges versähe; wäre Sentius Saturnin noch befehlicht ihm wieder alle Cheruskische Feinde hülffbar zu seyn. Hertzog Herrmann / wie groß sein Gemüthe gleich war / vermochte diese zweyfache Glückseligkeit kaum zu begreiffen; Sintemahl er Thußneldens Besitzthum weit höher / als die Beherrschung der gantzen Welt schätzte. Thußnelda ward ebenfalls von Segesthen über der angezielten Heyrath vernommen; welche denn dem Willen ihres Vaters zu gehorsamen ohne einige Bedingung sich erklärte; weil sie hierdurch nichts minder die höchste Vergnügligkeit der Welt; und wornach ihre Seele zeither in geheim geseuffzet hatte / zu überkommen hoffte.

Alleine / wie ins gemein eine grosse Windstille ein Vorbothe eines grossen Ungewitters ist; also ward der diese zwey Verliebten anblickende Soñenschein bald in eine schwartze Betrübnüs-Wolcke verwandelt. Gleich als wenn das Verhängnüs auch denen tugendhafftesten Gemüthern nicht zutraute: daß selbte nicht bey ununterbrochener Glückseligkeit solten in Wollüste versenckt / und wie der zärteste Alabaster von so vielen Thau-Tropffen anlachender Anmuth flüßig gemacht werden; oder weil es vor hatte durch den Vorschmack so vieler Bitterkeiten die letztere Añehmligkeit so viel mehr zu verzuckern. Tiberius kriegte in dem Tempel der Venus / welchen Pompejus über seinen Schauplatz gebauet hatte / die schöne Fürstin Thußnelda das erste mahl zu Gesichte. Dieser Anblick verwirrte anfangs seine Augen: daß sie nicht zu unterscheiden wusten: ob sie einen Menschen /oder die Göttin solchen Heiligthums erkieseten; bald hierauf aber nahm er sein Gemüthe derogestalt ein: daß er sich für geendigtem Opffer entfernen / Livien aber bekennen muste: daß er ausser Thußnelden kein Frauenzimmer nimmermehr seines Beyschlaffs / weniger seiner Liebe / am wenigsten seines Ehbettes würdigen wolte. Von welcher Heftigkeit der Liebe Tiberius so gar erkranckte / sonderlich / als sich mit ihr die Eyversucht vereinbarte / und Tiberius durch seine Kundschaffter die Heimligkeit erforschte: daß Thußnelda [1249] schon dem Fürsten Herrmann ihr Hertze geeignet hatte. Daher Livia genöthigt ward ihm hierinnen hülffbare Hand zu leisten; ungeachtet sie alles ausländische Frauen-Zimmer für ihren allbereit zum Kayserthume bestimmten Sohn viel zu geringe / oder doch ihrem Absehen nicht vorträglich / ja den Kayser solcher Heyrath selbst wiedrig schätzte. Nach dem sie nun durch viel kräftige Vertröstungen seiner erstern Schwachheit mercklich abgeholffen hatte; beredete sie mit dem Tiberius: daß er beym Fürsten Segesthes /Livia bey Thußnelden ohne einigen Umschweiff sein Wort anbringen solte; in Meynung: daß beyde dieses ungemeine Glücke mit beyden Händen umarmen würden. Weil ihren Gedancken nach der Pöfel nur nach Liebe / Fürsten aber nach ihrem Vortheil heyratheten. Tiberius richtete durch seinen ersten Vortrag bey dem Ehrsüchtigen Segesthes so viel aus: daß er ihm zu willfahren sich allerdings verknipffte / wenn er anders sich seines dem Hertzog Herrmann bereit gegebenen Jaworts mit Ehren entbrechen könte. Dieses war der einige Rügel / welcher nicht so bald aus dem Hertzen dieses von seiner Geburts-Art sonst ziemlich entfernten Deutschen wegschüben zu lassen möglich schien. Sintemahl doch die veränderten Gemüther nichts minder / als die in fremde Länder versetzten Gewächse noch allezeit etwas von der Eigenschafft ihres Uhrsprungs behalten müsten. Alleine Segesthens hochmüthige Gemahlin Sentia war nicht nur Meisterin über ihres Ehmanns Hertz; sondern auch über die Natur; brachte es also unter dem Schein: daß Vermöge der Römischen Gesetze / denen er sich in der Stadt Rom allerdings bequemen müste / auch würcklich vollzogene Vermählungen aus geringern Ursachen aufflößlich / die Staats-Gesetze auch aller Verwandschafft; die Vergrösserung seines Geschlechtes allem andern Absehen überlegen wären; so weit: daß Segesthes den dritten Tag seine Tochter dem Tiberius zu verloben versprach. Viel anders aber lieff es auf Liviens Seiten ab. Denn Thußnelde setzte ihrer Heyraths-Werbung entgegen: daß des Tiberius wie anderer so grosser Leute Liebe ins gemein Schertz oder Versuchung wäre; und sie ihr von ihm so viel weniger Zuneigung einzubilden hätte; weil die liebreitzende Julia ihn zu vergnügen viel zu kalt gewest wäre; nach ihrer Ehtrennung aber er ein Gelübde kein Weib mehr zu heyrathen gethan hätte. Diesemnach sie sich denn für seine Gemahlin zu geringe / für sein Kebsweib zu vornehm schätzte. Als aber Livia mit grossen Betheuerungen sie seiner ehlichen Liebe versicherte; schützte sie für: daß ihrer beyder Vermählung ihrem Geschlechte nachtheilig / dem Tiberius aber noch schädlicher seyn würde. Denn ihrerseits würde diese Verknipffung ihrem Vater / welchen ohne diß seine Sentia allen Deutschen verdächtig machte / den ärgsten Haß ihres Vaterlandes auff den Halß ziehen; Tiberius aber nichts minder als Antonius durch Cleopatrens Heyrath sich der Römischen Herrschafft verlustig machen. Sintemahl die Römer nichts unleidlicher / als fremden Frauenzimmers Hoheit in Rom vertragen könten. Livia bemühte sich zwar eusserst ihr diese Bedencken auszureden / und einzuhalten: wie Kayser Julius mit der Königin Cleopatra und Eunöe so verträulich gelebt / August des König Cotisons Tochter zu heyrathen für gehabt hätte; insonderheit aber nunmehr des Römischen Kayserthums Verfassung so feste gesetzt wäre: daß kein Mensch das Hertze hätte des Kaysers Liebe oder anderes Thun zu rechtfertigen. Alleine Thußnelda sagte Livien rund heraus: daß sie dem Fürsten Herrmann bereit verlobt wäre; und also in ihrer Gewalt nicht stünde auch dem grösten Herrscher der Welt mit dem zu betheilen / was sie schon diesem Helden mit ihres Vaters Willen zugeeignet hätte. Hiermit muste Livia für dißmahl abziehen. Wie [1250] sie aber vom Tiberius erfuhr: daß Segesthes schon auf einen andern Weg und seine Seite gebracht war; meinte sie den vorhin vergebens angetasteten Baum der Beständigkeit durch noch einen kräfftigen Hieb /wordurch viel Heldinnen geworben worden / zu fällen; und Thußnelden durch fürgestellte Veränderung des väterlichen Willens / welcher allezeit den Kindern am heilsamsten zu rathen pflegte; durch fürgebildete zuläßliche Bereuung übereilter Verlöbnüsse / und die ihr hierdurch zuwachsende höchste Würde der Welt /nach welcher so viel tausend Seelen lächseten / zu gewinnen. Alleine die tugendhaffte Thußnelde nahm alle diese Lockungen für dieselbigen Sonnen-Strahlen an; welche / um den Himmel mit den schwärtzesten Wolcken zu verstellen / die unsaubersten Dünste empor ziehen; blieb also wie ein unbeweglicher Fels aus ihrer ersten Entschlüssung stehen. Wormit auch Livia und Tiberius ihnen so viel weniger Hoffnung machen / und sie mit weitern Versuchungen nicht quälen möchten; beschloß sie ihre Beantwortung mit diesen nachdrücklichen Worten: daß kein menschlicher Witz / keine Gewalt der Welt / ja das Verhängnüs selbst nicht durch was anders / als den Tod ihr und Hertzog Herrmanns Bündnüs zu zerreissen mächtig wäre. Als diese Wellen an Thußneldens so fest geanckerter Liebe nun auch zerscheitert wurden; wolte Segesthes mit dem Nachdrucke seiner väterlichen und mit denen hefftigsten Bedreuungen ausgerüsteter Gewalt durchbrechen. Thußnelda aber / nach dem sie mit tieffster Demuth und kindlicher Ehrerbietung das steinerne Hertze ihres unerbittlichen Vaters nicht zu erweichen vermochte; rührte ihm durch Fürstellung der denselbten zuhängenden Göttlichen Rache / welche das einmahl feste Band der heiligen Eh aus irrdischem Absehen zerreissen; und der unglückseligen Heyrathen; welche man durch Zwang verknüpffte / sein Gewissen; ihm vorbildende: daß diese zwar ein zusammen gedrungener / aber die Gemüther keines vereinbarender Knoten; oder vielmehr eine Sonnen-Finsternüs der Seele wären; da zwar die zwey grossen Welt-Lichter auff einem Puncte zusammen gehefftet schienen / in Warheit aber von einander nicht nur weit entfernet stünden; sondern auch der Glantz des allerschönsten Welt-Auges durch solche Vermählung entkräfftet und gleichsam verlescht würde. Als aber der glüende Stein des unbarmhertzigen Vater-Hertzens durch die Thränen dieser ängstigen Tochter noch immer mehr entzündet ward / und Segesthes Thußnelden auf den Fall fernerer Weigerung Laub und Graß versagte; fiel sie endlich mit halb-verzweiffelnder Wehmuth ihm zu Fuße; erzehlte / so viel ihre Jungfräuliche Schamhafftigkeit zuließ / die dem Segesthes vielleicht fremden Laster des Tiberius. Insonderheit / wie er in der Schwälgerey und Unzucht gantz ersoffen wäre / bey dem bekandten und von dem August selbst aller Ehren entsetzten Huren-Wirthe Sestius Gallius etliche Jahre zubracht / sich bey Tische von eitel nackten und unkeuschen Weibern bedienen lassen; seine Gemächer mit den schandbarsten Bildern und Büchern /seine Lustgärte und Hölen mit den ärgerlichsten Säulen angefüllet; und / nach dem ihn endlich seine unersättliche Geilheit auf unnatürliche Lüste verleitet / ihn alles Frauenzimmer angestuncken; also Segesthes zu erwegen habe: Ob sie diesem garstigen Unflate ihre reine Seele ohne eusserste Entsetzung wiedmen könte. Wie Segesthes aber dennoch unbeweglich blieb / zohe sie einen unter ihrem Rocke verborgenen Dolch herfür / reichte selbten dem Segesthes / und beschwur ihn bey der Liebe / welche die Natur in die Hertzen der Elterlichen Seelen pflantzete: Er möchte mit diesem Stahle ihr lieber den Drat des Lebens / als das Verlobungs-Band des Fürsten Herrmanns zerkerben; Weil sie doch mit keinem andern leben könte / sondern mit seinem Verluste ohne / diß [1251] Athem und Seele einbüssen müste. Segesthes ward hierdurch derogestalt gerühret; sonderlich / als er sie gantz erblassen und halb todt zur Erden sincken sahe: daß er sonder einiges Wort sich aus dem Zimmer entbrach / und in den Vorgemache ihrem Frauenzimmer befahl Thußneldens wahrzunehmen. Diese blieb bey nahe zwey Stunden /ungeachtet aller gebrauchten Erquickungen / in dieser Unempfindligkeit; und zwar vielleicht zu Erleichterung ihres übermäßigen Schmertzens. Denn die Ohnmacht hindert mehrmahls: daß man die Galle des Unglücks nicht allerdinges schmecket; und erhält die bißweilen im Leben / die sonst bey völligem Erkäntnüs ihres Elends verschmachten / oder für übriger Bestürtzung Verstand und Vernunfft verlieren würden. Wie sie sich nun gleich ein wenig erholte; ward sie doch von einer solchen Schwachheit und Hertzklopffen bedrängt: daß sie bettlägerig bleiben muste. Und der Kummer: daß ihre andere Seele Hertzog Herrmann von diesem Unfalle zu seiner Beunruhigung nicht Wind bekommen möchte; ließ ihren Augen nicht den wenigsten Schlaff zu. Wiewol ihr nun alle Glieder bebten / und sie fast keinen Finger nach ihrem Verlangen rühren konte; so gab ihr doch / als sie vernahm: daß Tiberius folgenden Tag Liviens Geburts-Tag mit einem prächtigen Gastmahle feyern wolte /und seinen verhasten Neben-Buhler den Hertzog Herrmann gleichfalls eingeladen hatte / die Sorge für sein Heil so viel Kräfften; daß sie ihm schrieb: Weil sie aus wichtigen Ursachen den Tiberius für seinen Todfeind-hielte; möchte er bey seiner Taffel; worvon er sich freylich ohne seine Haß zu verärgern nicht entbrechen könte / seines Lebens wol wahrnehmen. Herrmañ kam also mit der ihm vorgesetzte Behutsamkeit zum Tiberius / rührte keine Speise an / worvon nicht der Kayser und Livia vorher gessen hatten; ließ ihm Wasser und Wein seine Deutschen einschencken. Tiberius nahm dieses wahr; und hatte es Noth: daß die ser Meister in Verstellungen seine Empfindligkeit nicht mercken ließ. Bey der letzten Tracht ward eine Schüssel voll der allerschönsten Pomerantzen-Aepffel / welche der Land Vogt in Egypten Livien als eine besondere Seltzamkeit geschickt hatte / aufgetragen; Dahero Tiberius selbte selbst vorlegte. Unter diesen war eine / welche keine Blätter mehr am Stiele hatte / mit dem ärgsten Giffte angemacht. Aus sonderbahrer Fürsehung Gottes waren noch einem andern Apfel die Blätter abgefallen; den Fürst Herrmann zu allem Glücke überkam / und ohne Schaden auf des Tiberius Erinnerung verzehrte; der ihm bestimmte vergifftete aber kam in die Hände Otacillens; welche anfangs eine freche Freygelassene und des Tiberius Buhlschafft gewest; nunmehr aber dem edlen Cäsonius Priscus vermählt war; den er hernach zu seinem Wollust-Meister machte. Also ist es bey Hofe kein Wunder: daß stinckende Fliegen mit einem Fluge sich von dem Misthauffen des Pöfels biß an die Fürstlichen Taffeln erheben. Ja es waren zu Rom nunmehro die Laster so hoch ans Bret ko en: daß man sich nicht schämte durch Aemter und Bestallungen ihrem Wachsthume Vorschub zu thun. Otacilla aber hatte den Apfel kaum gekostet; als eine übermäßige Hitze ihren gantzen Leib entzündete; und sonder einig ander Wort / als: ich bin vergifftet! niedersanck; hierauff in einem Augenblicke Eys-kalt und zugleich Stein-todt ward. Alle Anwesenden erstarreten und verstummten; Und weil sie den wegen aller Boßheit verdächtigen Tiberius nicht anzuschauen getraueten / sahen sie selbst einander gleichsam fragende an: ob sie bey einer solchen Gifft-Taffel sich länger auffhalten solten? August selbst veränderte sich hierüber nicht wenig; als welchem zwar des Tiberius Mordstücke nicht unbekandt waren; iedoch nicht begreiffen konte: warum er diß bey ihm so beliebte Weib hinrichten solte? Livia hingegen maßte [1252] sich dieses Dings ängstig an / ließ Otacillen alsbald in das Neben-Gemach tragen; und verfügte: daß die Aertzte ihr möglichst beyspringen solten; wiewol wegen besorglicher Gifft-Zeichen ihrem eigenen Ehmanne sie zu beschauen nicht erlaubt; sondern sie noch selbigen Abend von einem vertrauten Weibe in die Todten-Tracht gekleidet / und den dritten Tag verbrennet / die Aertzte aber / die sie gleich nicht gesehen hatten / gezwungen wurden / zu bestätigen: daß sie am Schlage gestorben wäre. Der bey so viel Boßheit abgehärtete Tiberius veränderte hierüber weder Antlitz noch Gebehrden. Denn die Laster kamen ihm damahls nach vollbrachter That nicht grösser / als vorher für. Hertzog Herrmañ / ob er wol aus Thußneldens Schreiben ihm die Rechnung machte: daß dieser auff seinen Hals angezielte Streich auff einen fremden Nacken abgeglitten wäre / hielt doch für das beste Mittel solchen Nachstellungen zu entkommen / wenn er keinen Argwohn von sich blicken ließe. Daher / als alle andere ihrer Bezeugung halber bekümmert waren / unterhielt er den Tiberius mit gantz unnachdencklichen Gesprächen. Weil aber Tiberius in allen Dingen / fürnehmlich aber in kühnen Unterfangungen für nöthig hielt das Eisen zu schmieden / weil es noch warm war; liebkosete er diesem in seinen Gedancken schon tausend mahl ermordeten Fürsten so sehr / als iemahls; wiewol er auf wiederholete Warnigung Thußneldens auff fürsichtiger Hute stand; ja als endlich Thußnelde aus besorgter Gefahr dem Hertzog Herrmann des Tiberius Heyraths-Werbung zu seiner höchsten Bestürtzung eröffnete / und er ihrer ihm unauffhörlich anliegender Bitte sich von Rom in Sicherheit zu begeben Folge zu leisten beschloß; bezeugte er gleichwol gegen dem Tiberius eine ungemeine Verträuligkeit; um seine Entfernung so viel sicherer einzurichten; suchte ihn also öffterer /als vormahls beim; worüber er zum andern mahl im Lebens-Gefahr verfiel. Denn es hatte Tiberius eine vom Tacfarinas aus Numidien ihm geschickte und gekirrte Schlange gleichsam zu seinem Schoß-Kinde oder Spiel-Vogel / die mit ihm aus einer Schüssel aß /in einem Bette lag; und auch Fremden sonder die geringste Beschädigung sich um den Hals und andere Glieder wand; also: daß Hertzog Herrmann auch mehrmahls mit diesem so wol gewöhnten Thiere Kurtzweil getrieben hatte. Eine in Wahrheit ungemeine Gemeinschafft! nicht so wol wegen des zwischen Menschen und Schlangen befindlichen Unterschieds; als weil Tiberius ein viel gifftiger Hertze / als dieser Wurm Zähne hatte. Wie nun Hertzog Herrmann auff sein Ansuchen von der Rennebahn mit dem Tiberius nach Hause ritt / um etliche neuangeko ene Africanische Pferde zu beschauen; hatte Tiberius bestellt ihm anzudeuten: daß iemand wegen des Kaysers mit ihm reden wolte; also er den Fürsten Herrmann alleine im Zimmer / die Thiere eines Neben-Gemachs aber mit Fleiß offen / und eine daselbst verwahrte Schlange heraus ließ; die den auch bey Ersehung des gifftigen Wurmes gantz sicheren Fürsten Herrmann; welcher in Meynung: es wäre die gekirrte / ihr noch die Hand reckte / grimmig anfiel / und in den Arm bieß. Worüber er selbte alsofort von sich schleuderte /und mit dem Fuße ihr den Kopff zerquetschte: daß sie nach langer Windung des halb-lebenden Schwantzes todt blieb; Gleich als wenn dieser Held auch in Erwürgung der Schlangen dem Hercules gleich werden müste. Hertzog Herrmann aber / als er seine Wunde aufschwellen sahe / gieng alsbald aus dem Zimmer /und befahl denen Auffwärtern alsofort einen Wund-Artzt herbey zu schaffen. Zu seinem Glücke aber war unter des Tiberius Knechten ein Marser / welches um den Fucinischen See in Italien wohnende Volck von der Circe Sohne entsprossen seyn / und eben so wohl /als die Ophiogenes am Hellespont / und die Psyllen in Africa eine Tugend das Gifft auszusaugen haben soll; Dieser [1253] unwissende: daß die Schlange durch Verwundung dieses Fürsten dem Tiberius einen so grossen Dienst gethan hätte / sog ihm das Gifft alsbald aus; also: daß Hertzog Herrmann zwar hierdurch genesete / ihm auch deßwegen die Freyheit bey seinem Herrn ausbat; dieser aber seine Wolthat bald mit dem Tode büssete; in dem Tiberius ihn folgende Nacht in die Tiber werffen ließ. Inzwischen hatte Livia dem Kayser des Tiberius Liebe entdecket / und um seine Einwilligung sich beworben. Als dieser aber ihr zu verstehen gab: Tiberius wäre bey solchen Jahren und in dem Stande: daß er der Göttin Rom zu freyen und sie durch keine fremde Kebs-Weiber eyversüchtig / sondern vielmehr durch Erkiesung einer angenehmen Priesterin sie ihm geneigt zu machen bedacht seyn solte / und derogestalt auf Heyrathung einer Römerin anzielte; verfügte er sich in den Tempel der Capitolinischen Juno; und thät ein hochbetheuerliches Gelübde: daß er nimmermehr keine andere / als Thußnelden ehlichen wolte. Welches Livia dem Kayser abermahls fürtrug; und unter dem Fürwand: daß das Kayserliche Haus / welches ohne diß auf so wenigen Augen beruhete / allerdings von nöthen hätte: daß es durch anderwertige Verheyrathung des Tiberius befestigt würde; weil doch kein Kriegs-Heer / keine Freunde so feste Schutz-Wehren eines Hauses und Reiches wären; als eine gute Anzahl Kinder. Wie nun August hierüber nachzudencken sich erklärte; also bestürtzte Livien und den Tiberius Segesthens Erzehlung überaus / was Thußnelde für verzweiffelte Erklärung von sich gegeben hätte. Nichts desto weniger entschloß sich Livia Thußnelden mit Liebes-Träncken zu gewinnen / und Tiberius verschwor sich den Fürsten Herrmañ durch Meuchel-Mord aus dem Wege zu räumen. Diese zwey hatten nun mit der innersten Hertzens-Kränckung /fürnehmlich aber Herrmann / welchem nicht so wol seine Gefahr / als Thusneldens unauffhörliches Bitten endlich zu solcher Entschlüssung brachte / Abschied /und zum scheinbaren Vorwand seiner Reise die Gelegenheit wahrgeno en die auf des Kaysers Befehl aus Egypten nach Ostia zu Schiffe überbrachte hundert Ellen hohe marmelne Spitz-Seule zu beschauen / welche König Psammirtaus zu Hieropolis aufgerichtet hatte / August aber hernach auf dem grossen Renne-Platze zu Rom auffsetzen ließ. Als nun Hertzog Herrmann nach Ostia kam / diß neue steinerne Wunder betrachtet hatte / und unter dem Scheine das alte Merckmaal / wo das die Mutter der Götter von Peßinunt überbringende und gestrandete Schiff von der einigen Vestalischen Jungfrauen Claudia mit ihrem Gürtel loßgezogen worden war / zu beschauen / ihm ein fremdes Schiff zu dingen sich gegen dem lincken versäudeten Munde der Tyber mit nur zweyen deutschen Dienern verfügte; folgten ihm in einem Nachen zwölff wolgerüstete Kriegs-Leute / welche / so bald sie nach ihm ans Ufer ausstiegen / den Fürsten Herrmañ meuchelmörderisch antasteten. Diesen aber begegnete er /wiewol ohne gehörige Rüstung nebst seinen treuen Deutschen mit unerschrockenem Helden-Muthe; durchstach auch bald beym ersten Anfall ihre zwey Anführer. Inzwischen hatten seine Getreuen auch dreyen das Licht ausgelescht / worüber die übrigen sieben entweder aus beywohnender / oder bey Ausübung böser Stücke auch die Verwegensten befallender Zagheit die Flucht nach ihrem Nachen nahmen. Gleichwol aber erwischte Hertzog Herrmann noch einen; und weil er unter denen fünff Todten einen für des Tiberius Freygelassenen erkennte / dräute er dem zuletzt Gefangenen den Tod / wo er nicht die Anstifftung dieses Meuchelmords ihm auffrichtig bekennen würde / davon er ohne diß schon Wind hätte / und aus dem für seinen Füssen liegende Anführer unschwer den Uhrsprung ermessen könte. Dieser bekennte alsofort: [1254] daß Tiberius sie zu dieser bösen That mit Dräuen und Versprechungen angestifftet hätte. Worauff er ihm denn dieses Bekäntnüs in einem nahe darbey gelegenen Fischer-Hause schrifftlich ausfertigen muste; und damit sein Leben errettete. Hertzog Herrmann war froh über diesem glücklichen Ausschlage; insonderheit da der erforderte Wund-Artzt seiner zweyen Getreuen empfangene Wunden von keiner Gefährligkeit zu seyn befand; er aber hierdurch eine so wichtige Ursache erlangte beym Kayser zu entschuldigen: daß er wegen eines so mächtigen Feindes / als Tiberius wäre / und der / vermöge beygelegten Bekäntnüsses /ihm so verrätherisch nachstellte / nicht wieder nach Rom zu kehren getrauet hätte. Sintemahl die Unschuld selbst unter den Händen ihrer Feinde eine Verbrecherin würde; eines für Gefahr gewarnigten Sicherheit aber ein Sterbens-würdiges Laster wäre. Hierbey sagte er dem Kayser Danck für so viel Gnade und Wolthaten; ihn versichernde: daß / so viel seine Ehre und die Freyheit Deutschlands vertragen würde / er ein Freund Augustens und der Römer zu bleiben gedächte. So bald Hertzog Herrmann dieses Schreiben bestellt / setzte er sich mit den Seinen in ein nach Maßilien gleich abgehendes Jagt-Schiff. Inzwischen suchte Livia Thußnelden in ihrer anhaltenden Leibes-oder vielmehr wegen Entfernung Hertzog Herrmanns sich vergrössernden Gemüths-Kranckheit heim; bezeugte gegen ihr das empfindlichste Mitleiden. Und weil sie sonderlich über Hertz-Klopffen klagte / gab sie einer Cheruskischen Edel-Frauen / welche Thußnelda bey sich hatte / ein Gläßlein voll nach Ambra rüchenden Wassers; welches sie noch von dem berühmten Artzte Musa bekommen hätte / und Thußnelden wol zuschlagen würde. Diese treuhertzige Frau aber; welcher Liviens Liebeswerbung nicht unbewust war / war so sorgfältig: daß sie Thußnelden keine Speise noch Artzney beybrachte / die sie nicht vorher an ihr selbst versucht hatte. Als sie nun auch von Liviens Ambra-Wasser nur drey Tropffen in einem Löffel Wein gebraucht hatte / ward sie im Haupte derogestalt verwirret: daß sie dem Tiberius in den vom August der Chalcidischen Minerva gewiedmeten Tempel nachlieff / und im Angesichte des Kaysers und Liviens dem Tiberius um den Hals fiel / ihm wie eine Klette anhieng / ihn küssete / und mit Noth von ihm loß zu machen und auf die Seite zu bringen war. Nicht nur Livia / welche leicht den Uhrsprung dieser Wahnsinnigkeit errathen konte; sondern auch Tiberius / welcher um das von einer berühmten Zauberin bereitete Wasser gute Wissenschafft hatte; sintemahl er darzu einen Pusch seiner Haare und das abgeschnittene von Nägeln hatte geben müssen / erschracken über diesem Zufalle derogestalt: daß der Kayser beyder Veränderung deutlich warnahm / und muthmaste: daß diß eine Würckung eines vielleicht für Thußnelden bereiteten Liebes-Tranckes wäre. Wie er denn auch hernach von Thußnelden / die hierüber nicht nur eusserst bestürtzt / sondern wegen ihres gefährlichen Zustandes halb verzweiffelt ward / erfuhr: daß die Streithorstin / also hieß die Frau / nach Gebrauch dieses Wassers so wahnsinnig worden wäre. Welches Livien und den Tiberius bey herfür blickendem Argwohne des Kaysers so ferne verhitterte: daß jene von Thußnelden mit empfindlichen Worten ihr Wasser zurück fordern; dieser aber die Streithorstin als ein unzüchtiges Weib anklagen; und in seinem Hause / wie hernach in gantz Rom / die gewöhnlichen Empfang- und Gesegnungs-Küsse verbietẽ ließ. Der Kayser schlug sich noch mit seinen Gedancken; was er wegen des für Liebe halb unsinnigen Tiberius entschlüssen solte; als ihm des Herrmanns Schreiben wegen des vom Tiberius angestiffteten Meuchel-Mords zukam; das ihn denn derogestalt entrüstete: daß er den zu Ostia gefangenen im Meere zu ersäuffen / [1255] die übrigen Rottgesellen aufzusuchen; und dem Tiberius befahl: daß er noch für Abende aus Rom / und biß auff fernere Verfügung sich nach Capua begeben solte. Thußnelde kriegte noch selbigen Tag hiervon Wind / und würckte diese ihre erfreuliche Zeitung mehr / als alle bißherige Artzneyen / in dem sie des andern Tages schon so viel Kräfften hatte sich aus dem Bette zu machen. Wormit auch der Kayser theils Thusnelden aus fernerer Gefahr zu setzen / und dardurch bey denen Deutschen in keinen übeln Nachklang verfallen; theils auch des Tiberius mit ihr wieder sein anders Absehen angezielte Heyrath unterbrechen möchte; ertheilte er dem Fürsten Segesthes den dritten Tag seine Abfertigung; uñ befahl ihm unter dem Scheine seines Erlaubnüßes: daß er nach nunmehr genugsam bewehrter Treue gegẽ die Römer seine Tochter Thusnelde wieder mit in Deutschland nehmen möchte. Livia / welche von dem Abschied nehmenden Tiberius noch auffs flehentlichste ersucht worden war / ihn Thusneldens durch alle eusserste Mittel fähig zu machen; erschrack hierüber so sehr /als wenn es um den Verlust ihrer eigenen Buhlschafft zu thun wäre. Denn es giebt so thörichte Mütter / welche die Regungen ihrer Söhne zweyfach in ihrem Hertzen fühlen / und wieder die Natur sich in ihr eigen Geschlechte verlieben. Weil sie sich nun nicht unterwinden dorffte dem hierinnen verdrüßlichen Kayser einiges Wort einzureden / bey Thusnelden aber nichts fruchtbarliches auszurichten getraute /dachte sie auffs wenigste einen Nagel in diesem Entwurffe zu befestigen / und durch Segesthens Verbindligkeit des Tiberius Liebe und Hoffnung in gantzen zu erhalten. Nach dem sie nun den Segesthes schon so weit ausgenommen hatte: daß er durch nichts leichter / als durch den ihm fürgehaltenen Schatten der Ehre zu bländen wäre / stifftete sie den berühmten Sternseher Thrasyllus an / Segesthen wahrzusagen: daß er durch Hülffe des Tiberius der Deutschen Feldherr /Thusnelde aber eine Römische Kayserin und Mutter vieler nachfolgenden Kayser werden würde. Weil nun dieses Chaldeers Worte bey nahe höher / als des Apollo Wahrsagungen gehalten wurden; insonderheit aber Tiberius ihm umständlich erzehlt hatte: wie alle seine Andeutungen auf ein Haar eingetroffen / er selbst zu Rhodus / als er ihn wollen ins Meer stürtzen / sein ihm zuhängendes Unglücke aus den Sternen wahrgenommen; ja ihm bey Ersehung eines von ferne segelnden Schiffes angedeutet hatte: daß selbtes ihm die von Livien zu wege gebrachte Erlaubnüs wieder nach Rom zu kehren mitbrächte; so nahm Segesthes auch dieses betrüglichen Sternsehers erkaufften Worte für einen unveränderlichen Schluß des Verhängnüßes auff. Sintemahl wol klügere hierinnen geirret / und nicht gewüst haben: daß die dem Nothzwange der Gestirne beypflichtende und daraus wahrsagende Weißheit / als eine Närrin ins Krancken-Haus zu verdammen / und mit eitel Niese-Wurtz zu speisen sey; ja sich das menschliche Gemüthe ist sein eingebildetes Glücke derogestalt verliebet: daß es auch an sich selbst ungläubliche Sachen nicht nur für möglich /sondern für eine schon in Händen habende Gewißheit annimmt. Massen denn Segesthes durch seines Ehweibs Sentia ehrsüchtige Rathgebungen / und das Thrasyllus Wahrsagung in seiner Hoffnung derogestalt verhärtet ward: daß hernach weder Thusneldens Thränen / noch Hertzog Herrmanns Wachsthum in Segesthens Hertzen des Tiberius Heyrath / noch Deutschlands auf den Herrmann fallende Wahl ihm die Hoffnung seines Vaterlands Haupt zu werden /benehmen konte. Gleichwol nahm Segesthes und Thusnelde auff des Kaysers eigene Erinnerung den zehenden Tag nach Hertzog Herrmanns Abreise zu Rom Abschied; und segelte von Ostia mit gutem Winde geraden Weges auf Gallien zu; allwo Segesthes in den Rhodan einzulauffen / [1256] und so ferner nach Deutschland zu reisen für hatte. Sie kriegten den vierdten Tag bey aufgehender Sonne allbereit das Vorgebürge von dem Eylande Ilva ins Gesichte; als sie zugleich zwey Schiffe recht auff sich und zwar von beyden Seiten zusegeln sahen; welches dem Segesthes verdächtig fürkam / und er deßwegen mit seinen Leuten sich auff allen Fall zur Gegenwehr rüstete. Demnach aber der Wind gerade Ost war / rieth der Steuer-Mañ nach Corsica in den Fluß Tavola / an welchem Marius die Stadt Nicäa mit Römischem Volcke besetzt hätte /einzulauffen; Weil es sonst in diesem wilden Eylande gefährlich wäre; ja vermuthlich diese zwey Raub-schiffe Corsen auf hätten. Die Schiff-Leute thaten ihr bestes / sonderlich / als sie die zwey andern Schiffe /ungeachtet des veränderten Lauffs / ihnen folgen / und alle Segel aufspannen sahen. Alleine diese waren so wol besegelt / und in zweyen Stunden dem Segesthes so nahe: daß die Schiffer Nicäa zu erreichen nicht getrauten; sondern gerade an dem Corsischen Ufer / wo das berühmte Schutz-Altar zu sehen ist / zu stranden riethen. Diß billigte die Fürstin; weil sie aus einer gleichsam heimlichen Eingebung / oder in Ansehung dieses Altars daselbst aus der Gefahr zu entrinnen hoffte. Die Räuber ereilten sie dennoch zwey Stunden für Abends drey Meilen vom Lande / und setzten auff beyden Seiten ihnen hefftig zu; also: daß ob zwar Segesthes auf einer / und die gerüstete Thußnelda auff der andern Seiten durch ihre und der ihrigen tapffere Gegenwehre die Enterung hinderten; sie dennoch von denen so häuffigen Pfeilen fast alle verwundet wurden. Endlich erreichten sie bey dem Schutz-Altare in der daselbst sich ins Meer ausgüssenden Bach das Land. Allein die dieser Gegend besser kundige Räuber setzten auff Corsica so geschwinde Fuß / als die Flüchtigen; ungeachtet diese jene mit dem hinterlassenen Schiffe und der darinn befindlichen Beute zu sättigen gedachten. Diesemnach sich denn der Schiffs-Streit nunmehr in eine Feld-Schlacht verwandelte; Wiewol Segesthens Theil hier alsobald den kürtzern gezogen haben würde; in dem der Räuber über hundert; ihr Gegentheil aber nicht dreyßig streitbare Männer / das übrige ohnmächtige Weiber waren; wenn nicht anfangs diese an einem Felsen den Rücken frey gehabt / hernach aus dieser sich gleichsam zu ihrer Errettung zerspaltenden Stein-Klippe einen unvermutheten Entsatz bekommen hätten; und zwar zu der Zeit: als schon über zwölff Mann erlegt waren / die hertzhaffte und von Blut trieffende Thußnelde zwar noch Hertzens genung / aber keinen Athem; Segesthes auch sich gantz verblutet und entkräfftet hatte. Als die Noth derogestalt recht an Mann kommen war / drang ein in einem güldenen Harnische gerüsteter Held mit noch zwantzig streitbaren Kriegs-Leuten aus dem Munde einer Hölen herfür; welcher denen Bedrängten nicht nur Lufft machte / und den auff den Segesthes von dem obersten Räuber gezückten Streich aufffieng; sondern auch die ebenfalls abgematteten Räuber so hertzhafft anfiel: daß sich der Streit alsofort / ungeachtet der ungleichen Zahl / in ein gleiches Gefechte /bald darauff aber / weil schon dreyßig der kühnesten Räuber ins Graß gebissen hatten / ihrer seits in die schimpflichste Flucht auff ihre Schiffe verwandelte; und derogestalt nicht nur Segesthes mit seinem überbliebenen Volcke / sondern auch das Schiff / darauff das zurück gebliebene Frauen-Zimmer bey nahe für Angst Seele und Geist verloren hatte / errettet wurden. Es war allbereit ziemlich dunckel / als dieser Kampff sich endigte / und also die Personen schwerlich zuerkennen. Gleichwol aber waren die gläntzenden Waffen Thußnelden; weil Segesthes inzwischen für Mattigkeit zur Erde gesuncken war / ein genungsames[1257] Kennzeichen das Haupt dieser ihnen gleichsam vom Himmel gefallener Helffer zu erkiesen. Diesemnach sie denn sich ihm näherte / und nach abgezogenem Helme ihm mit der tieffsten Ehrerbietung nicht so wol als einem Erretter / als einem Schutz-Gotte für solche Erlösung danckte; iedoch zugleich als ein Unglück entschuldigte: daß sie demselben die ihr anständige Demüthigung nicht erzeigte / welchen sie wegen so seltzamer Erscheinung und so unvergleichlicher Tapfferkeit nicht wol für einen Menschen halten dörffte. Dieser hingegen verkleinerte seinen geringen Dienst /den er in Verjagung der Räuber ihnen geleistet hatte; als welche Menschen schon wegen der in ihrem Hertzen steckenden Boßheit auch die derselben anklebende Zagheit im Busen trügen. Uber diß hätte er ihnen vielleicht mehr / als sie ihm zu dancken; indem er durch ihre Hülfe von diesem gefährlichen Raub-Ufer; an welchem sein von Ostia abgelauffenes Schiff für sieben Tagen gestrandet hätte; an einen sichern Ort zu entrinnen hoffte. Thußnelde hörte dieser annehmlichen und ihr in etwas kentbaren Stimme sorgfältig zu; diese letztere Erzehlung aber lösete ihr vollends das Rätzel auff; und weil sie diesen ihren Schutz-Gott für den wahrhafften Hertzog Herrmann erkennte / fiel sie ohne einige fernere Antwort ihm mit beyden Armen ihn küssende / und sein Gesichte mit tausend Freuden-Thränen netzende um den Hals. Dieser / weil er ihm der Fürstin Thußnelde Reise von Rom nicht träumen lassen; noch sie aus der angenommenen männlichen Sprache erkennen konte / stand wie ein unbewegliches Marmel-Bild; und wuste ihm diese zwischen Helden ungewöhnliche Liebkosungen nicht auszulegen; biß Thußnelda endlich selbst anfieng: hastu denn / mein liebster Herrmann / zwischen diesen rauen Felsen ihre unempfindliche Unart angenommen: daß du von deiner geliebten Thußnelde die wenigste Regung nicht empfindest. Herrmann / der sich gleichsam von einem Meere der grösten Glückseligkeit überschwemmt befand; wuste ihr mit nichts anders / als eben so viel Küssen seine Freude auszudrücken; und hätten sie hierüber bey nahe Segesthens gantz vergessen; wenn nicht ein Chaßuarischer Edelmann kommen / und Thußnelden / wo sie ihn hintragen solten / befragt hätte. Thußnelde näherte sich hierauff mit dem Fürsten zum Segesthes; und weil ihm bereit die beschwerlichen Waffen abgenommen waren; wolte sie ihn wieder lassen zu Schiffe bringen. Hertzog Herrmann aber rieth das Schiff nur mit genungsamer Mannschafft zu besetzen / er wolte für den Segesthes / sie / und ihr Frauenzimmer schon einen bequemern Aufenthalt anweisen. Hiermit befahl er etliche Kühn-Höltzer anzuzünden; führte sie also durch den Steinfelß vermittelst einer engen Höle in ein aus eitel Klippen gehauenes und wol abgetheiltes Gebäue; welches nur von dem innern und zwar kugel-rundten Hofe in die Zimmer Licht bekam / auswendig aber um und um von denen abschüßigsten Bergen / welche auch die Gemsen nicht beklettern kunten / umgeben /und derogestalt für allen sterblichen Augen / welche nicht durch diesen Eingang gar hinein kamen / verborgen ward. In dieser gleichsam andern Welt wurden sie von einem alten Greiß empfangen / der nicht nur dem mit steten Ohnmachten befallenen Segesthes /sondern auch allen andern dahin gebrachten Verwundeten mit sehr heilsamen Wund-Kräutern zu Hülffe kam. Welche Sorge denn die halbe Nacht zurücke legte. Auff den Morgen befand sich Segesthes nach einem sanfftem Schlaffe um ein gut Theil besser; ward auch theils erfreuet / theils verwirret; als er seine zwar auch an unterschiedenen Orten des Leibes verbundene / aber bey guten Kräfften sich befindende Tochter nebst dem Fürsten Herrmann und dem alten Greiße zu ihm ins Zimmer kommen sahe. Nach dem diese nun ihre Ehrerbietung abgelegt / berichtete[1258] Thußnelda Segesthen: daß Herrmann ihr gestriger Erlöser / dieser Alte aber ihr gutthätiger Bewirther wäre. Segesthen giengen die Augen über / und sein Hertze ward hierdurch derogestalt bewegt: daß er gegen den Fürsten Herrmann von freyen Stücken anhob: Er würde nunmehr gewahr: daß es höchste Unvernunfft wäre ihm fürsetzen durch menschliches Absehen des Verhängnüsses Ziel zu verrücken. Diesemnach er zwar seinen Fehler nicht umstehen könte: daß er mit denen Gedancken seine Tochter dem Tiberius zu vermählen / schwanger gegangen wäre. Nach dem aber er und seine Tochter nunmehr ihm Leben und Freyheit zu dancken genöthiget würden; wolte er dem durch das Mittel obliegender Vergeltung ihn leitendem Himmel gehorsamen; und also seine unwiederruffliche Einwilligung zu seiner und Thußneldens Heyrath hiermit ertheilen; diesem fremden Wolthäter aber inzwischen sich zu einem zwar dieser Orten unvermögenden doch danckbaren Schuldner verbinden. Wie nun Herrmann und Thußnelde dieser annehmlichsten Erklärung halber Segesthens Hand mit tieffster Demüthigung küsten; also verband dieser Alte Segesthen und den andern Krancken abermahls ihre Wunden; brachte es auch dahin: daß Segesthes den dritten Tag sich in den im Mittel dieses Wunder-Gebäues befindlichen Garten um frische Lufft zu schöpffen bringen ließ; darinnen beyde Verliebte mit denen süssesten Unterredungen / theils unter sich selbst / theils mit ihrem eyßgrauen Wirthe ihnen die Zeit verkürtzten. Welcher in Anwesenheit des sorgfältigen Segesthens erwehnte: daß er des an dem Ufer des Meeres stehenden Schutz-Altares gewiedmeter Priester wäre / und in dieser Einsamkeit theils wegen der diesem Orte zugeeigneter Heiligkeit / theils wegen seiner Armuth in diesem sonst gefährlichen Orte zwar sorgfältig lebte; weil er nur von denen auf dem Gebürge erkletterten Wurtzeln sich unterhielte; iedoch zwischen diesem Mangel der höchsten Vergnügung genüsse. Sintemahl man doch in dieser Welt auch bey dem scheinbarsten Wolstande sich mehr in wenigerm Elende / als in vollkommener Glückseligkeit auffenthielte. Beydes so wol das Altar / als dieses verborgene Gebäue wäre ein Gemächte des Dädalus. Denn nach dem er / wie beym Minos in Creta / nach erbautem Irrgarten; also bey dem Könige Cocalus in Sicilien nach viel verfertigten Kunst-Stücken in Ungnade verfallen; hätte er sich von Agrigent in dieses damals noch unbewohnte / und ziemliche Jahre hernach allererst von einer Ligurischen Hirtin Corsa durch Anleitung eines überschwimmenden Ochsen ausgespürte und besetzte Eyland geflüchtet; und der Nachwelt zum Gedächtnüs /dem Cocalus aber zu Hohne dieses Gebäue ausgehauen; als welches nicht nur an Festigkeit das von ihm bey der Stadt Camikum in Sicilien erbaute Schloß übeträffe; in dem ein einiger Mann mit Herablassung eines leicht wieder durch gewisse Kunst-Räder in dem engen Eingange aufheblichen Felsens aller Welt Gewalt auffhalten könte; sondern an Liebligkeit der kalten und warmen Brunnen / die in dem Garten in wunderwürdige Marmel Kessel eingefast waren / wie nichts minder der edlen Garten-Früchte den Sicilischen Bau wegstäche. Insonderheit war nicht allein denckwürdig zu schauen / sondern kam auch denen Kranckenden überaus zu statten / die in einem Felß vom Dädalus gehauene Schweiß-Höle; in welcher sich noch viel gesündere warme aus der Erden empor steigende Dünste versamleten; und denen darinnen Schwitzenden die geschwächten Lebens-Geister erquickten; als welche in dem Selimutischen Gebiete Siciliens sich in die vom Dädalus vorher bereitete Höle versamletẽ / und einen allzustarck rüchenden Schweffel mit sich führten. Endlich zeigte er ihnen auch ein Thür-Gerüste zu einem unterirrdischen Gange / [1259] welcher zwey Meilen lang biß zu dem See der Diana ausgetragen hätte / von der Zeit aber als einem Scharffrichter nichts minder über die Felsen /als andere Herrligkeiten durch ein Erdbeben wäre verfället worden. Weil nun Dädalus an diesem Orte nicht nur sein Leben ruhig verführet / sondern auch beschlossen; (worbey er ihnen denn das vom Dädalus ihm selbst gebaute Grabmaal zeigte) hätte er vorher dem Schutz-Gotte dieses Eylandes das am Ufer des Meeres in Stein gehauene Altar erbauet; welches die Einwohner so hoch / als die Trojaner das vom Himmel gefallene Bild der Minerva / und die Stadt Pesinunt das eben so überkommene Bild Cybelens hielten; er auch von ihnen deßwegen dahin zum Priester bestellt wäre / und iederman festiglich gläubte: daß kein Mensch in diesem Gebäue sich einiger Feindseligkeit unterfangen könte. Hertzog Herrmann lächelte über diesem letztern; und sagte unvermerckt zu Thußnelden: Wenn er an Segesthens so erfreuliche Erklärung gedächte / müste er mit diesem Priester und den Corsen schier eines Glaubens werden. Derogestalt brachten sie mit höchster Vergnügung / weil sie in ihrem Schiffe alle Nothdurfft und Erfrischungen bey der Hand hatten / biß in den siebenden Tag zu; da sie denn nach empfangenen Segen von diesem guthertzigen Priester Abschied nahmen; welchem sie aber vergebens einige Geschencke einnöthigten / und von ihm zur Antwort kriegten: daß Wolthaten bezahlt zu nehmen eben so thöricht wäre / als den Preiß des Geldes durch Einmischung geringer Schlacken zu vergeringern. Hierauff setzten sie mit einem sanfften Sud-Ostwinde ihre Reise zwischen dem Eylande Capraria und dem heiligen Vorgebürge / als der eussersten Nord-Spitze vor Corsica nach Gallien ohne einigen fernern Anstoß fort.

Sie kamen den siebenden Tag durch des Marius aus dem Rhodan ins Meer gemachten Graben in der Stadt / die von dem daselbst erbauten Tempel der Ephesischen Diana den Nahmen führt / glücklich an; stiegen im Hafen aus / und reiseten zu Lande durch Gallien gerade auf Mayntz zu; da sie denn von denen Römischen Stadthaltern / als welchen nicht unbewust war: wie hoch Segesthes beym August angesehen wäre / allenthalben wol unterhalten wurden. Wie sie nach Mayntz kamen / erhielt Hertzog Herrmann / welcher zwar durch Gallien unkentbar gereist / nunmehr aber vom Segesthes seinem Schweher-Vater entdeckt worden war / von diesem daselbst hin den Tag vorher angekommenen Sentius Saturnin die Nachricht: daß der Kayser ihn befehlicht hätte / ihm nicht alleine zum Besitz seiner väterlichen Länder beförderlich zu seyn; sondern auch mit ihm hinfort verträuliche Nachbarschafft zu pflegen. Wie sehr diß nun diesen Fürsten vergnügte / so bekümmert erfuhr er den Tag hernach aus einem vertrauten Schreiben: daß Tiberius durch Livien beym Kayser ausgesöhnt / er auch bereit in Deutschland zu kommen unterweges wäre / und in zehen Tagen erwartet würde. Weßwegen Saturnin vom August Befehl erhielt / alle Kriegs-Völcker in Gallien zusammen zu ziehen; wormit der mit Segesthen wieder die Chautzen abgeredete Feldzug so viel früher bewerckstelliget / und diese streitbaren Völcker unvermuthet überfallen werden möchten. Bey welcher Beschaffenheit er nicht für rathsam hielt seinen Tod-Feind Tiberius zu Mayntz zu erwarten; sondern er eilte unter einem wichtigen Vorgeben nach Hause /nehmlich: daß er seine ohne Haupt gleichsam in der Irre gehende Cherusker von aller Verleitung benachbarter Völcker zurück hielte. Daher ihn denn nicht allein Saturnin mit einer ansehnlichen Reuterey biß auff seine Landes-Gräntze begleiten ließ; sondern die Fürstin Thußnelde kriegte auch Verlaub nit denen Chaßuariern nach Teckelnburg / als [1260] dem Hertzoglichen Sitze abzureisen. Segesthes alleine blieb zurücke / um mit dem Tiberius den bevorstehenden Feldzug abzureden.

Inzwischen kam Hertzog Herrmann zwar in wenig Tagen auff seine Gräntzen; aber das auch den Wind an Geschwindigkeit übertreffende Geschrey war ihm schon zuvor kommen; und hatte seinen Vetter Ingviomer den tapfern Fürsten der Bructerer / als seinen bißher gewesenen Stadthalter mit einer ansehnlichen Anzahl des Cheruskischen Adels ermuntert / ihm biß an den Eder-Strom entgegen zu ziehen. Auf der Gräntze aber begegnete ihm bey nahe das halbe Land; weil sein blosser Nahme auch dieselben / welche bey denen verwirrten Zeiten für Bekümmernüs gantz verzagt oder gar todt gewest waren / gleichsam auffs neue lebhafft machte. Sintemahl nicht nur Unterthanen ihnen von einem neuen Fürsten eben so grosse Hoffnung machen / als die Schiff-Leute von einem glücklichen Gestirne; ja sie bilden ihnen von dieser neuaufgehenden Sonnen ein: daß er besser als der abgelebte Fürst seyn werde / wie gut er es gleich gemacht hat; sondern die in der Fremde ausgeübten Helden-Thaten hatten auch zu so grosser Hoffnung einen bewehrten Grund gelegt. Also ward er zwischen dem Gedränge des frolockenden Volckes nach Deutschburg begleitet; gleich als wenn er die entfremdete Glückseligkeit Deutschlands wieder nach Hause brächte. Ja keine Cheruskische Seele lebte / welche nicht zeither diesen tapffern Fürsten zu haben / nunmehr aber lange zu behalten seuffzeten. Jedoch war diß bey Herfürbrechung eines so wunderwürdigen Fürstens nicht zu verwundern. Sintemahl iede Neuigkeit ein Licht ist / welches vieler Augen an sich zeucht und sie verbländet. Denn weil der Mensch für sich selbst sterblich / die Sterbligkeit aber abscheulich ist / kriegt er für allen veralternden / was sich zum Untergange neigt / ein Grauen / und hengt sich an das / was von seiner frischen Geburt zu wachsen anfängt. Weil nun der erste Ansprung entweder der Irrweg oder die rechte Bahn des gantzen Lebens / fürnehmlich aber der Anfang im Herrschen denen gefährlichsten Fehltritten unterworffen ist; raffte Hertzog Herrmann alle Gemüths-Kräfften zusammen in seinem Thun die rechte Maaß zu halten / und auf kein falsches Ziel abzukommen. Wie er nun die Geschichte voriger Zeiten / insonderheit aber die Deutschen im Kopffe hatte; also erforschte er für allen Dingen von Ingviomern den gegenwärtigen Zustand seines Landes / die Neigungen des Adels / das Vermögen des Volckes / die Bündnüße und Kräfften der Nachbarn / um aus dieser beyder mehrmahligen Erfolg / nicht aber aus einer einzelen Begebenheit und einem blinden Glücks-Falle von allen künfftigen Fällen vernünfftig zu urtheilen. So bald er ihm hatte huldigen lassen; beehrte er die alten Bunds-Genossen des Cheruskischen Hauses mit Gesandschafften / fürnehmlich aber trug er denen Catten / welche ins gemein denen Cheruskern über Achsel gewest waren / seine Freundschafft für / und legte ihnen für Augen: daß nichts als dieser Völcker Mißhelligkeit fremder Macht in Deutschland Thür und Thor aufgesperret hätte. Er beschenckte die treuen Diener seines Vaters; bekräfftigte seiner Vorfahren Gesetze / und erfreute wolverdiente mit Freyheiten. Er entschlug sich mit fleißigster Auffsicht aller Neuigkeiten; ob zwar sonst neue Fürsten ins gemein für alber halten in die Fußstapffen voriger Herrscher zu treten; ob sie schon ihre eigene Eltern gewest. Gleichwol aber vergnügte er sich nicht mit den Siegs-Fahnen seiner rühmlichen Ahnen; sondern wie er ihm ehe zu sterben fürsetzte / als etwas ihrer Tugend unähnliches und ihrem Ruhme verkleinerliches zu beginnen; also hielt er ihr gelassenes Ziel für seinen Ansprung / [1261] und mühte sich ihnen es bevor zu thun. Wiewol auch ohne diß von Alters her der Deutschen schönster Purper-Rock / Schild und Spieß der Jugend erste Zierrathen waren; sie auch nichts minder als die Celtiberier ein tapfferes Pferd höher als ihr eigenes Blut hielten; so brachte doch Hertzog Herrmann über diß auf; daß der Adel zu Hochzeiten und allen andern Freuden-Versamlungen gerüstet erschien / um hierdurch nicht allein der einreissenden Kleider-Pracht (die selten für Frost und Hitze dienet / den Feind nicht verwundet; aber ihn wol zum Angrieffe und Beute reitzet) zu steuern / sondern auch ieden zu Handthierung der Waffen zu gewöhnen. Er höhnte die sich eines Wagens bedienenden Männer; und also lernte ein ieder reiten. Kein Feyer ließ er ohne Kriegs-Ubungen vollbringen / und hiermit ward das Gefechte eines iedweden Cheruskers Handwerck. Ins Läger dorffte man keine niedliche Speise bringen / die harten nicht einst kosten / kein ungewaffnetes Weib sich darinnen blicken lassen. Dem Heere ließ er keine Wagen / ausser die das grosse Geschütz führten / nachziehen; sondern ieder Kriegs-Mann muste sein unentpehrliches Geräthe und Kost tragen. Alle andere Spiele und Kurtzweilen verwandelte er in Waffen-Ubung; alle seine Geschencke und Gaben waren entweder schöne Pferde / oder blinckende Waffen; Und sein gantzes Gebiete im Frieden kriegerisch; welcher sonst die Waffen verrostern / und die frischesten Gemüther welck werden läst. Er befestigte den Gottesdienst durch das Beyspiel seiner eigenen Frömmigkeit; und vertraute mehr auf Göttlichen Beystand; als auf den zerbrechlichen Fürsten-Stab. Er war bey seinem sechs und zwantzig-jährigen Alter ein vollkommener Meister über seine Gemüths-Regungen; wolwissende: daß wer ein Fürst über andere seyn will / es müsse vorher über sich seyn; welches letztere schwerer ist / als das erste; weil dieses nur ein Sieg eusserlicher Stärcke / jenes aber der Vernunfft über das Gemüthe; und ein Thun von grösserer Wichtigkeit ist. Sintemahl die Schwachheit unzeitiger Gemüthsregungen einen Fürsten um sein gantzes Vermögen bringt /das in seinem einigen Ansehen besteht. Alle Sachen betrachtete er in ihrem wahrhafte Wesen / nicht aber in ihren bländenden Schatten. Kein Zorn bemächtigte sich seiner Vernunfft / keine Mißgunst seines Hertzens; und daher sagte er in lachendem Muthe denen Fehlenden die Warheit; und denen / die was rühmliches ausübten / gab er noch einen Sporn sich in grösseres Ansehen zu bringen. Er beschämte die Verleumdungen durch Verachtung und tapffere Thaten; wiewol er in allem Thun so behutsam verfuhr: daß selbtes nicht zweyerley / und also eine böse Auslegung vertrug. Denn Fürsten werden nicht nur eigene /sondern auch so gar fremde Fehler wie dem Mohnden Finsternüsse; welche doch nicht sein eigener / sondern des Mohnden Schatten sind / zugeeignet / ja auff ein Haar und einen Augenblick nachgerechnet. Hingegen wendete er alles Vermögen an / den Nahmen eines guten Landes-Fürsten zu bekommen. Kein Schlaff war ihm zu süsse / keine Lufft zu rau / keine Kälte zu strenge / keine Hitze beschwerlich die Reichs-Geschäffte zu verschieben; wenn es gleich ohne Verminderung seiner Gesundheit und ohne Gefahr seines Lebens nicht auszurichten war. Denn er hielt ihm anständiger sich nach Art eines Schwantz Gestirns mit herrlichem Glantze einzuäschern; als eine todte Kohle in der Erde unverweßlich zu bleiben. Gleicher Gestalt verdeckte er auffs sorgfältigste die Blössen seiner Staats-Diener / und die Schwäche seines Reiches; weil ihm unverborgen war: daß wie der Mittel-Punct bey einer gerade stehenden Seule; also das eusserliche Ansehen bey grossen Herrschafften die einige Ursache ihres so festen Standes sey; Herentgegen ein schon seitwerts sich neigendes Riesen-Bild auch mit einem Finger; [1262] und das gröste Kayserthum / wenn es schon einmahl ihm hat die Brüste betasten / und ein Fürst ihm in die Karte sehen lassen / von einem mittelmäßigen Feinde über einen Hauffen geworffen werden könne. Er straffte grosse Verbrechen an wenigen /übersahe die kleinen an vielen. Er hielt seinen Gewalthabern / als denen Armen seiner Macht / kräfftigen Schutz; und räumte die / welche sich an seinem Vater vergrieffen hatten / aus dem Wege. Als er einem Edelmanne / welcher mit Hertzog Segimers Feinden heimlich zugehalten hatte / den Kopff wolte abschlagen lassen / und seine Geschlechts-Freunde solches im Kercker zu vollziehen baten / antwortete er ihnen: der Gerechtigkeit würde nicht ihr Recht gethan; wenn es an einem unrechten Ort geschehe; und ein für ihres verdammten Mannes Leben ein ansehnliches Stücke Geld anbietende Frau bescheidete er: Die Gerechtigkeit liesse sich durch aller Welt Schätze nicht bezahlen; dahero stünde es auch ihm nicht zu sie zu verkauffen. Nichts desto weniger überwog seine Gnade iederzeit die Schärffe der Richter; und die Belohnungen theilte er nach dem schweren; die Züchtigungen nach dem leichten Gewichte aus. Er ließ der Zeit nicht nur seinen Lauff; und bückte sich denen Verfolgungen des Glücks bescheidentlich aus; nach dem die Ungedult eine Mutter schädlicher Mißgeburten; die Hoffnung eine Uberwinderin so gar des Verhängnüsses ist; sondern er behielt bey Glück und Unglück einerley Gesichte; und die Vollkommenheit seines Gemüthes nicht anders / als ein Löwe in iedem Stücke eines zerbrochenen Spiegels das Bild seines gantzen Leibes. Also: daß der sonst so unerschrockene Fürst Ingviomer sich selbst offt / und insonderheit eines mahls / als Quintilius Varus die Deutschen so ins Gedrange brachte / auch Segesthes ihm die verlobte Fürstin Thußnelde zu vermählen rund abschlug / darüber verwunderte; und auff seine Befragung: Ob ihm denn Deutschlands Unterdrückung und seiner Braut Verlust nicht zu Hertzen gienge? Vom Hertzog Herrmann zur Antwort bekam: die Natur hätte dem Menschen ein Hertze in die lincke / keines in die rechte Seite gesetzt; weñ sie beym Wolstande keines bedörfften /beym Unglücke aber ihre Hertzhafftigkeit bezeugen solten. Ja seine Großmüthigkeit wuste aus ieder Noth eine Tugend / seine Klugheit aus dem Verlust einen Vortheil zu machen / und seine Erfahrenheit mit iedem / ja auch mit wiederwärtigem Winde zu schiffen; und bey zweyen unvermeidlichen Ubeln nach dem Beyspiel eines lieber auff einer Sand-Banck strandenden / als auff einer Klippe zu scheutern gehenden Schiffers das erleidlichste zu erkiesen.

Wie es nun viel zu weitläufftig fallen würde alle absondere Fälle zu vernehmen / darinnen unser Herrmann alles dieses angewehrete; also läst sich doch nicht verschweigen / wie er bey dem Römischen Feldzuge wieder die Chautzen und Longobarden nicht nur sein Gemüthe bey sich ereignenden Gelegenheit seine Herrschafft zu vergrössern gemäßiget / sondern auch seinen Unwillen zu verstellen / und sich unzeitigen Mitleidens zu enteussern gewust habe. Tiberius / Saturnin und Segesthes drangen Deutschlande biß ins iñerste Hertze; bemeisterten nicht nur die denen Cheruskern so wehrte Chauzen / sondern legten auch so gar der Elbe empfindlichere Fessel / als Xerxes dem Meere an. Die Cherusker fühlten alle Tage mit Einlauffung einer traurigen Zeitung über die andere in ihrem Gemüthe einen Donnerstrahl; also lagen sie ihrem Hertzoge Tag und Nacht mit Thränen an / ihren alten und lieben Freunden in ihrer eussersten Noth beyzuspringen. Herrmann aber stillte sie darmit: Man wäre einem Schiffbruch-leidenden Freunde nicht seine Hand zu reichen verbunden / wenn man allem Ansehen nach selbst von ihm in Abgrund gezogen werden solte. Seine Hülffe würde auff [1263] Seiten der Chautzen wegen der allzugrossen Macht der Römer umsonst /und der Cherusker Untergang seyn. Die eigene Liebe gienge fremder für; und ein Fürst solte lieber seine Nachbarn / als seine Unterthanen weinen sehen. Ja seine Hülffe dörffte denen Chauzen noch darzu mehr schädlich als vorträglich fallen; weil sie sich hierauff verlassen und alles auf die Spitze setzen / die vom Tiberius aber ihnen noch angetragene leidliche Friedens-Vorschläge ausschlagen möchten. Welches letztere er dem Fürsten Ganasch treuhertzig gerathen /sich auch zum Vermitler angeboten hätte; ungeachtet er wüste: daß nichts gefährlicher sey / als auch auf Ansuchen oder aus Pflicht einem Rath geben; weil dessen Güte nach dem ungewissen Ausgange geurtheilt / und alle schlimme Zufälle dem klügsten Rathgeber zugemässen würden. Hierbey setzten ihm nicht nur die Chauzen / sondern auch die Bructerer / Chamaver / Angrivarier uñ Friesen mit dieser empfindlichen Versuchung zu: daß sie ihm über sich die deutsche Feldhauptmannschafft eigenbeweglich antrugen; und einhielten: Er könte ohne Verkleinerung seines Hauses / ohne übeln Nachklang bey der Nachwelt diese von seinen Vor-Eltern so viel hundert Jahr erhaltene Würde nicht aus den Händen lassen / und sie dem wanckelmüthigen Segesthes / oder vielmehr seinem herrschsüchtigen Weibe / eines schlechten Römischen Edelmanns Tochter / und zwar zu ewiger Schande aller deutschen Fürsten / von den Römern zu enträumen verstatten. Hertzog Herrmann seuffzete zwar über diesen an sich selbst allzuwahren Bewegungs-Gründen; sahe auch wol: daß der Ruhm seiner Tapfferkeit in Gefahr und Zweiffel gerathen würde. Sintemahl der wenig Wesens von der Tugend machen könte / der nicht viel nacht der Ehre fragte. Gleichwol aber ließ er sich weder die übele Nachrede hitziger Köpffe; nach den Schatten ohnmächtiger Vertröstungen zu einem unzeitigen Eyver bewegen / sondern hielt für verantwortlicher ein Theil von seinem grossen Namen / als sein gantzes Reich einzubüssen. Welches letztere besorglich war / weil die grosse Macht der Römer / wie in einem halben Zirckel die Cherusker schon durch Besetzung der Cattenburg /der Festung Segodun / Alison / und Fabiram umzingelt hielten / und alle Tage an unterschiedenen Orten in seine durch so lange Kriege an Vorrath und Mannschafft ausgesogene Länder einbrechen konten / auff der Catten Hülffe sich nicht zu verlassen / Marbod auch selbst am Rücken zu fürchten war. Dahero er denn seinen eigenen hierzu geneigten Räthen einhielt: Einem gemeinen Manne gienge es hin / wenn er auch nach was unmöglichem strebte; Ein Fürst aber solte sich nicht einst in was gefährliches verlieben. Der meisten Reiche Untergang rührte daher: daß ihrer Fürsten übermäßige Ehrsucht nicht die Umschreckung ihrer Macht / und das Gewichte des von ihnen verlangten Dinges überleget hätten. Den hefftigsten Streit aber in Hertzog Herrmanns Gemüthe erregte: daß die Römer nach überwundenen Chautzen nunmehr auch die Angeln und Longobarden / derer Nahmen sie kaum gehöret / also keine Beleidigung zur Ursache des Krieges anzuziehen hatten / mit aller Macht angrieffen; also denen Cheruskern in Rücken kamen / und mit Behauptung der Elbe sie vollends gar umschlossen. Wie nichts minder: daß der durch diesen glückseligen Streich und Unterdrückung des ihm verhasten Fürsten Ganasch hochmüthige / oder durch seiner Gemahlin Sentia Liebkosen / und des Tiberius grosses Versprechen gantz umgewendete Segesthes dem Fürsten Herrmann Thußnelden zu vermählen rund abschlug; Sie auch dem Tiberius würcklich übergeben hätte / wenn sie nicht auff unsers Hertzogs Warnigung sich zu der Cattischen Hertzogin geflüchtet hätte. Nicht nur die Cherusker / sondern auch die Angeln und Longobarden stellten [1264] beym erstern dem Fürsten Herrmann der Römer Herrschensucht /und die aus ihrer Uberwündung auch denen Cheruskern unzweiffelbar zuwachsende Dienstbarkeit vor Augen; als welche von Römern sich keiner andern Gnade / als am letzten gefressen zu werden / versehen möchten. So viel augenscheinliche Beyspiele: daß nach dem die Fürsten mit den Römern stets einzelicht gefochten / die halbe Welt unters Joch verfallen wäre / solten doch denen Cheruskern die Augen aufthun /daß sie mit ihnẽ wieder aller Feind in Gemeinschafft der rechtmäßigen Gegenwehre träten. Aber auch dieses war nicht genung: daß Hertzog Herrmann seinen Vorsatz sich vorher in sich selbst zu befestigen / ehe er mit den Römern bräche / geändert / oder seine Furcht und Abneigung von den Römern hätte mercken lassen. Sintemahl er vernünfftig vorher sahe: daß König Marbod / welcher gegen die Cheruskische Macht mehr keine Eyversucht zu fassen Ursache hatte / die Longobarden unmöglich Hülff-loß / und die Römer über der Elbe festen Fuß setzen lassen könte. Uber diß erwog er: wie das sonst so beschwerliche Unglück diese tröstliche Eigenschafft habe: daß es nichts minder viel Mitleider / als der verfinsterte Mohnde viel Anschauer habe; also gar: daß zuweilen die / welche einen bey seinem scheinenden Glücks-Stern gar zur Eule gehabt haben; ihn bey seinem Nothstande als einen edlen Fenix bejammern. Mit welcher unnützen Gewogenheit das veränderliche Glücke gleichsam die Scharte seines verterblichen Hasses auswetzen wolte. Wiewol zuweilen einige mehr aus edler / als kluger Entschlüssung sich auf die Seite der Unglücklichen schlügen; und den Dorn in ihre Hand stächen / den sie ihrem Nachbar aus der Zehe gezogen hätten. Wormit er theils seiner Räthe frühzeitige Anschläge ablehnte; theils die Longobardischen Gesandten vergnügte / auch durch Betheuerung seiner Gewogenheit ihre Freundschafft erhielt /und sie selbst zum Erkäntnüs brachte: daß sein Zustand nicht vertrüge / sich in ihre Gefährligkeit zu vertieffen. Hingegen erhielt er hierdurch des Kaysers Gewogenheit; und hemmte darmit dem neidischen Tiberius den Ziegel; welcher nach der Gelegenheit sich an ihn zu reiben begieriger / als ein Fisch nach der Lufft schnapte. Welche Vorsicht denn die Sicherheit seiner Herrschafft ohne die minste Verkleinerung seiner Auffrichtigkeit unterbaute. Denn ob wol der köstliche Purper-Rock eines Fürsten ohne einigen Fleck des Betruges seyn soll; und kein Sonnen-Staub einiger Untugend so klein seyn kan / welchen man nicht so reinen Gestirnen ansehe; als Fürsten seyn sollen; so ist doch ihnen unverwehret; daß sie denenselben /welche sie in ein Unglücks-Garn arglistig zu verwickeln trachten / ein ander Gesichte weisen / als ihr Hertze ist; oder vernünfftig verbergen / was sie im Schilde führen. Sintemahl ein kluger Herrscher zwar sich mit keiner Lügen behelffen soll; aber für einem ieden sein Hertz auszuschütten nicht schuldig; und einen Betrüger mit seinem eigenen Netze zu fangen wol berechtiget ist. Alle diese Klugheit bekleidete Hertzog Herrmann mit einer angenommenen Einfalt; gleich als wenn er des Tiberius gefährliche Anschläge / und die denen Cheruskern hieraus erwachsende Gefahr nicht ergründete. Wenn ihm auch schon ein und ander selbte fürzustellen vermeinte / fertigte er selbten darmit ab: daß nichts weiter das Ziel der Wahrheit verfehlte / als Argwohn. Dieser bildete ihm ins gemein unzeitig ein: daß die gantze Welt sich wieder ihn rüstete / nicht anders als die Schiffenden vermeinten; alle Gebürge lieffen von ihnen zurücke. In Staats-Sachen gäben auch Zwerg-Bäume einen Riesen-Schatten hoher Cedern von sich; sonderlich / wenn die Sonne eines Reiches auff- oder zu Golde gienge; welchen die allzusorgfältigen meist für dem wahrhafften Wesen [1265] umarmten. Nichts desto weniger machte dieser kluge Fürst allenthalben solche Anstalt auff den Gräntzen / als wenn er sich täglich eines feindlichen Einfalls zu versehen hätte; und in seinem Gebiete Kriegsverfassungen; gleich als ob er einen mächtigen Feind zu überziehen im Wercke begrieffen wäre; also: daß er derogestalt vorher nicht anders / als ein zum Kampfe bestimmter Auer-Ochse / welcher seine Hörner an harten Bäumen versuchet / seine Kräfften prüfete; weil doch allererst in der Noth aus dem Steigereiff etwas wagen mehr einem Fechter / als Fürsten zukommt; wegen seines Fürhabens aber anfangs die Nachbarn / hernach sein Volck / endlich seine eigene Staats-Diener sich in ihrer Einbildung betrogen schauten; und sein Absehen weniger / als wo eine sich durch die Dornen windende Schlange endlich mit dem Kopfe durchfahren würde / vorsehen konten. Welche Klugheit so viel weniger zu tadeln ist; weil die Natur darmit: daß sie unser Hertze so tieff in das verborgene unser Brust versteckt / uns selbst darzu Anweisung gethan hat. Deßwegen haben nicht nur die klugen Römer der Göttin der Rathschläge ein Altar unter die Erde gebaut / sondern die Bienen / wenn man sie in durchsichtige Bienstöcke setzet / überziehen vorher derselben Glaß / ehe sie ihre andere Arbeit anfangen. Ihre heilsame Würckung machet auch wahr: daß sodenn / wenn man mehr nicht als die Helffte seines Thuns zeiget / die andere Helfte aber verbirgt und zum Stichblate behält / eine solche Helffte mehr / als das gantze unsers Vorhabens sey; wenn man sich nemlich mit selbtem auff einmahl bloß giebt. Fürnehmlich aber veursachte diß zurücke halten bey iederman grosses Nachdencken; weil Hertzog Herrmann sich vorher durch so viel behertzte Entschlüssungen sehen lassen; und die / welche ihn recht kennten / diß für keine zweiffelhaffte Zagheit ausdeuten konten. Denn durch Zeigung seiner Fähigkeit; durch Verbergung seines Anschlages machet man eine Kleinigkeit seiner Kräfften ansehnlich; eine Mäßigkeit unbegreiflich und sich selbst zum Wunderwercke. Ja die Thorheit selbst verliert ihre Schande und den Nahmen einer Mißgeburt; wenn sie nur nicht ans Tagelicht kommt. So vorsichtig er nun seine Heimligkeiten verbarg; so meisterlich wuste er durch das Bleymaaß seiner Scharffsichtigkeit die Tieffen fremder Gemüther /und zwar auch des versteckten Tiberius zu ergründen; also: daß die Römischen Adler nirgendshin kamen; wo sie Herrmann nicht in Gedancken schon gute Zeit vorher hatte flügen sehen. Dieser arglistige Römer machte ihm zwar wieder die Larve einer absondern zum Fürsten Herrmann tragender Freundschafft für die Augen; und um selbten in den Krieg wieder die Longobarden und endlich den König Marbod einzuflechten / versprach er ihm allen Beystand zu Erlangung der deutschen Feld-Herrschafft. Aber diesen blauen Dunst vertilgete der kluge Herrmann mit einem andern Nebel. Denn ob er wol wuste: daß eine einmahl zerfallene Freundschafft einem zerstückten und zu ergäntzen unmöglichem Edelgesteine; ein versöhnter Feind auch einem heute gläntzenden / morgen rosternden Ertzt-Geschirre / oder einem ausgemahlnen und bald wieder wäßrichten Moraste ähnlich; ja gleichsam des menschlichen Gemüthes Eigenschafft wäre / dem Beleidigten gram zu seyn; so reichte er doch dem Tiberius beyde Armen seiner Freundschafft durch scheinbare Vertröstungen und öfftere Beschenckungen. Wiewol sich sein Hertze von Tag zu Tage /besonders wegen des ihm zum andern mahl abspenstig gemachten Segesthes von ihm abneigte; und er für nichts mehr / als dem Greuel aller Tugenden / und mit dem Tod-Feinde seines Vaterlandes Bindnüs zu machen Abscheu trug. Unterdessen verhüllete Hertzog Herrmann seine innere Entschlüssung so künstlich: daß Tiberius alle Tage sich des würcklichen Beystandes versahe; [1266] und gleichwol nach vieler Monathe Auffziehung sich über keine muthwillige Aeffung beklagen konte. Hingegen brachte Herrmann durch seine sich noch i er vergrössernde Kriegs-Anstalt denen Longobarden so viel zeitlicher den Beystand des Königs Marbod zu wege; ob er schon unter der Hand den Longobardischen Hertzog Wilhelm nachmahls versicherte: daß er sich von den Cheruskern ehe der Hülffe / als eines Wiedrigen zu versehen hätte. Sintemahl Marbod ihm die Rechnung machte: daß das eingebildete Bindnüs der Römer und Cherusker nicht so wol auf die Longobarden / als Marckmänner das Absehen hätte. Also gelten und würcken alle Sachen nicht nach der Eigenschafft ihres Wesens / sondern nach dem Schatten ihres bländenden Ansehens. Dahero auch ins gemein nicht nur albere / sondern auch scharffsichtige sich an der Schale der Dinge vergnügen; und die wenigsten derselben den Kern erkennen lernen. Wie nun Herrmann hierdurch bewehrte: daß eine nach Beschaffenheit der Zeit gebehrdete Stirne nichts minder / als die Klugheit im Gehirne und die Unerschrockenheit im Hertzen nöthig sey; also wolte er hernach zeigen: daß bey sich ereignender Gelegenheit was fruchtbares zu stifften / seine Entschlüssung keines Hebers / seine Tapfferkeit keines Spornes von nöthen hätte. Denn nach dem die Römer bey der Zusammenrinnung der Havel und Elbe von denen Longobarden und Marckmännern den unglücklichen Streich bekamen; und Tiberius theils wegen verzweiffelter Uberkunfft über die Elbe in dem Longobardischen Gebiete / theils sich anderwerts an denen Marckmännern zu rächen an dem Strome hinauf biß zu denen Hermundurern zohe; und nun zwischen diesen beyden Völckern ein beständiger Krieg vermuthet war; schickte Hertzog Herrmann an König Marbod eine Gesandschafft um mit ihm wieder die Römer ein Bündnüs zuschlüssen. Den Tag aber / als der Gesandte nach Marbods-Stadt kam / verglich sich Marbod mit dem Tiberius; daher jener mit seiner Botschafft hinter dem Berge halten / und seinen Verrichtungen einen andern Firnis anstreichen muste. Nichts desto weniger schöpffte der schlaue Tiberius einen nicht geringen Argwohn hieraus; daher er sein Kriegs-Heer unter dem Sentius Saturnin grossen Theils bey den Chauzen / Bructerern / und auff die Cheruskischen Gräntzen verlegte; um diesen streitbaren Völckern die Flügel zu verschneiden; wormit sie sich nicht über die Römischen Adler empor schwingen möchten. Alleine der vorsichtige Herrmann fand durch seine angebohrne Anmuth ein Hefft sich aus dieser Schwerigkeit zu reissen. Denn wie es für viel höher zu schätzen ist aller Gewogenheit / als vieler Ruhm zu erlangen; die Höfligkeit aber die gewisseste Angel edler Gemüther / ja gleichsam eine Bezauberung der Unhold ist; also wuste Hertzog Herrmann hiermit gegen den tapffern Saturnin den Meister zu spielen / und sich seines Gemüthes durch freundliche Bewillkommung und allerhand Ehrenbezeigungen zu bemächtigen. Worzu ihm denn Saturnins vom Herrmann bereits vorher geschöpffte Meynung leicht die Bahn brach; weil doch die / welche man schon hoch schätzt / leicht die Staffel beliebt zu werden erreichen können. Wiewol dieses letztere nicht so wol von unserm eigenen Beginnen / als von einem gewissen Einflusse des Gestirnes / das etlichen eine Magnetische Krafft anderer Hertzen an sich zu ziehen einflösset /den Uhrsprung hat; oder zum minsten seine Vollkommenheit erreicht. Durch dieses Band ward Saturnin so gefässelt: daß er ohne den Hertzog Herrmann schier nicht seyn konte; sondern von der Festung Alison mehrmahls nach Deutschburg kam / um seiner annehmlichen Gesellschafft zu genüssen; allwo er theils mit allerhand Ritter Spielen / theils Jagten und andern Kurtzweilen höchstvergnüglich unterhalten ward. Wie nun Saturnin [1267] dem Tiberius aus einer angebohrnen Abneigung / oder wegen seiner Laster von Hertzen gram war; und er deßwegen denen Deutschen / welchen Tiberius zu Kopffe wachsen wolte / so viel möglich /beym Kayser die Stange hielt; also ward Saturnin durch einen besondern Zufall in seinem Fürnehmen gestärcket. Denn als ihm Hertzog Herrmann auf dem Blocks-Berge eine Jagt bestellt hatte / und sie um Mitternacht schon aus ihrem Nacht-Lager aufwaren desto zeitlicher in die Stallung zu kommen / traffen sie noch für anbrechendem Tage auff einer gähen Klippe ein Wahrsager-Weib an / welche von eitel besondern Kräutern einen Kreiß um sich gemacht; inwendig aber selbten mit eitel dinnem Sande bedeckt hatte. Für dem Kreiße kniete ein Kriegs-Mann in Römischer Tracht / welcher die Wahrsagerin um seine zu Rom verlassene Buhlschafft / und etliche andere künftige Zufälle; endlich um das Glücke des Kaysers / des Tiberius und Saturnins befragte. Die Wahrsagerin /welcher die Haare gantz ungekä t um den Kopf flohen / und welche einen weiten weißen uñ nirgendswo gegürteten oder zugeschlingten Gürtel an hatte / und sich an einen mitten im Kreiße stehenden Wacholder-Baum lehnte; fieng an etwas unvernehmliches zu murmeln; darnach setzte sie den lincken Fuß in ein mit Wasser gefülltes küpffernes Becken; wusch denselben / und trocknete ihn an ein weiß Gewand; nahm den aus Eisen-Kraute geflochtenen Krantz vom Haupte /hieng denselben über sich an einen Wacholder-Ast; und nach dem sie den lincken Arm samt der lincken Brust entblöst hatte / schlug sie mit einer Tamarinden-Ruthe sieben mahl an die Wacholder-Aeste: daß die daran hangenden reiffen Beeren häuffig herunter fielen. Diese nahm sie niederkniende / betrachtete eine iede darvon gegen dem durch die Bäume scheinenden Mohnden auffs genaueste; hernach setzte sie von diesen Beeren in den Sand eine Schrifft zusammen; welche sie mit vielen zwerch über einander gelegten Weiden-Zweigen unterscheidete. Zuletzt machte sie den von Kräutern gemachten Zauber-Kreiß auff / und nach dem sie die Tamarinden-Ruthe zerbrochen / die Kräuter aber in das küpfferne Becken zusammen gelesen hatte / rieff sie: Ließ dein und anderer Verhängnüs; und hiermit sprang sie in das dickeste Gepüsche. Weil aber in einem Augenblicke ein so hefftiger Sturm-Wind entstand; welcher die stärcksten Bäume mit ihren Wurtzeln auszureissen dräute; fieng Saturnin / welcher mit dem Hertzog Herrmañ hinter einer zwießlichen Tanne dieser Gauckeley zugesehen hatte /lachende an: Dieser Einfältige wird nun wol schwerer seine Wahrsagung zusammen lesen; als welche für Zeiten aus denen mit einem Buchstaben bezeichneten / und von der Sibylle ausgestreuten Blättern muste erkieset werden. Nichts desto weniger sahen sie: daß dieser Mensch ihm einen kyhnenen Spaan anzündete /und der Wahrsagerin Beeren-Schrifft mit Fleiß untersuchte. Daher sie sich dem Orte näherten / dem über Zusammenreymung der Wahrsagung fast aller eusserlichen Sinnen beraubten Römer zusahen / und ihn endlich folgende Reymen zusammen flicken hörten:


Nach dreyen Jahren wird dein Absehn treffen ein /

Wenn Gifft den Lebens-Drat dem Kayser wird verkürtzen.

So denn wird auch Tiber das Haupt der R \mer seyn /

Der von Tarpejens Felß den Saturnin wird stůrtzen.


Saturnin / welcher diese letzten Worte nicht ohne Bestürtzung vernahm / fuhr aus einem ihn überlauffenden Eyver diesen sorgfältigen Rathfrager mit hefftigen Worten an: welch böser Geist verleitet dich über des Kaysers Leben und Hauß die Zauberer zu fragen? Weist du nicht: daß du Leben und Vermögen hierdurch verschertzet hast? Dieser / als er sich umkehrte / und den ihm allzuwol bekandten Römischen Feld-Hauptmann Sentius vor sich sahe / erstarrte [1268] wie ein Scheit / oder als ein von dem Blitz entseelter Leich nam. Endlich erholete er sich ein wenig; und nach dem er dem Saturnin zu Fuße gefallen / bat er nur um sein Leben; welches er nach dem Kriegs-Rechte; weil er als ein Hauptmann über hundert Kriegs-Knechte ohne seiner Befehlhaber Bewilligung diß fürgenommen / verlohren zu haben bekennte. Ausser dem aber meinte er genungsam entschuldigt zu seyn; weil Tiberius selbst ihm nicht diese Wahrsagerin (welche für kurtzer Zeit in Rom gewest wäre / und dem Augustus etliche Wahrsagungen in seinen Arm eingeschnitten hätte) um sein und des Kaysers Begebnüsse zu befragen befohlen hätte. Diesen Fragen hätte er aus Vorwitz seiner Buhlschafft / und aus sonderbahrer Verbindligkeit des Saturnins künfftiges Glück zu vernehmen beygesetzt. Denn er wäre Scribonius; welcher unter dem Saturnin zum ersten den Kriegs-Gürtel umgemacht / auch von ihm itzige Staffel erlangt / auff des Kaysers Befehl aber von dieser berühmten Wahrsagerin / welche mit denen tieffsinnigsten Druyden in verträulicher Gemeinschafft lebte / und ungeachtet der ihr vom Kayser und Livien zu Rom verordneten herrlichen Verpflegung / doch dieses wegen vieler zu der Wahrsagung bewehrter Kräuter berühmte Gebürge mit denen Liebligkeiten Italiens nicht hätte verwechseln wollen / so gar unterschiedene Geheimnüße / die ihm die Chaldeer nicht zu eröffnen gewüßt / erlernet hätte. Saturnin antwortete ihm: Es solte zwar für diß mahl seinem Verbrechen die Straffe nachgesehen seyn; er solte sich aber forthin entweder dieses Aberglaubens / oder des Krieges enteussern. Er kam hierauff zwar mit dem Hertzog Herrmann in die Stallung /und die Jagt gieng mit Erlegung vieler Bären und wilder Schweine glücklich ab; aber Saturnin war allezeit in tieffen Gedancken; ob ihm schon Hertzog Herrmann durch vorgebildete Eitelkeit der Zauberey alle Traurigkeit auszureden sich eusserst bearbeitete. Ja es wurtzelte in dem Gemüthe des Saturnins ein unversöhnlicher Haß wieder den Tiberius hingegen eine nicht geringe Gewogenheit gegen die von ihm gedrückte Deutschen ein. Weil doch das menschliche Gemüthe dem schwerlich hold bleiben kan / von dem es seinen Untergang zu besorgen hat; und die neu-angesponnene Feindschafft die ältere nicht nur verdüstert / sondern auch verursacht: daß man sich auff dieser ihre Seite schlägt. Diesemnach denn die Chautzen und andere gleichsam gefässelte Deutschen vom Saturnin nicht als Uberwundene / sondern als Bunds-Genossen gehalten; und des Tiberius wieder die Cherusker zu Rom angesponnene Anschläge durch Saturnins Vorschrifften zu Wasser gemacht wurden. Nachdem auch Saturnin die Römischen Waffen von Deutschland unmöglich gar abhalten konte; brachte er es doch beym Kayser so weit: daß selbte von dem Fürsten Herrmann abgelehnt / und gegen den über die Römische Hoheit einen allzugrossen Schatten abwerffenden Marbod zu gebrauchen bestimmt wurden.

Die Fürstin Thußnelda lebte inzwischen bey der Cattischen Hertzogin des Fürsten Arpus Gemahlin so verborgen: daß Segesthes und Tiberius das wenigste von ihrem Auffenthalt erfahren konten. Gleichwol aber unterhielt sie den Fürsten Herrmann mit ihrer holdseligen Brieff-Wechselung. Und ob wol dieser die zwischen ihnen beschlossene und vom Segesthes zweymahl beliebte Heyrath zu vollziehen bey Thußnelden beweglich anhielt; so machte doch diese fromme Heldin wegen besorgten väterlichen Unwillens allerhand Schwerigkeit / und Hertzog Arpus /welcher durch Thußneldens Vermittelung mit dem Cheruskischen Hertzoge verträuliche Freundschafft aufrichtete / wiederrieth solches noch zur [1269] Zeit deßhalben: daß der für toller Brunst gleichsam wütende Tiberius so viel ehe gegen die Cherusker in Harnisch gebracht / und Saturnin seinem Eydam Segesthes zu Liebe das bißherige gute Verständnüs mit dem Fürsten Herrmann abzubrechen verursacht werden dörffte. Weil nun Thußnelda bey den Catten in sicherer Verwahrung wäre / solte er der Zeit / welche alle Dinge doch endlich zu ihrer reiffen Vollkommenheit brächte / noch ein wenig nachsehen. Die Cherusker und Catten stünden zwar wieder in ziemlicher Verfassung / um auf allen Fall den Römern die Spitze zu bieten / und August selbst wiederstrebte des Tiberius ungesunder Liebe. Allein die / welche mit dem Lichte der Vernunfft / und nach der Richtschnur der Klugheit einen gewissen Zweck zu erreichen gedächten / vertiefften sich nicht ausser eusserste Noth in die gefährlichen Strudel ungewisser Zufälle. Von den Klippen guter Hoffnung liesse sichs zwar leicht biß an das Ufer des glückseligen Eylandes sehen; aber es wäre zwischen beyden Enden eine tieffe Klufft befestigt. Diesemnach wäre es besser dem Glücke die Gelegenheit benehmen mit uns nach seinem Belieben zu spielen / als desselbten mit so viel Gefahr Meister werden. Das Verhängnüs / welches ihr heiliges Band der Ehe augenscheinlich selbst gestifftet hätte / würde schon der Gelegenheit diesen Nothzwang auffbürden: daß sie beyden Verlobten selbst die Hand reichen müste / um sie in den Hafen ihrer verlangten Vergnügung zu ziehen. Also muste nur Hertzog Herrmann sich mit Gedult fassen / ungeachtet er seiner Liebsten Abwesenheit so lange Zeit nicht ohne die hefftigste Gemüths-Kränckung vertragen konte. Alleine das Glücke mühte sich entweder dem großmüthigen Herrmann noch ein Bein unterzuschlagen / oder das Verhängnüs wolte seine Treue noch besser prüfen. Daher die für dem Tiberius versteckte Fürstin Thußnelda aus ihrer Verdüsterung einem andern unter Augen leuchtete / um vielleicht dem Fürsten Herrmann zu beglücken: daß er die zwey grösten Häupter Europens zu Neben-Buhlern gehabt / auch beyden den Preiß abgerennt hätte. Diese Begebnüs aber / sagte Adgandester / kan diese Erlauchte Versamlung nicht unverfälschter / als aus dem Munde der Cattischen Hertzogin vernehmen; als welche nicht nur eine gegenwärtige Zuschauerin; sondern eine wahrhaffte Schutz-Göttin unser Hertzoglichen Braut abgegeben hätte. Diese aber lehnte die Erzehlung von sich höflich ab; weil sie selbst mit in die Geschichte eingeflochten wäre / und sich ehe dieser Gesellschafft zu entbrechen Ursache hätte; wenn ihre Begierde derselben auffzuwarten sie nicht zurücke hielte. Es könte aber die sich ohne diß in der Schuld befindende Gräfin von der Lippe alle so wol vergnügen / als sie vertreten; weil sie von allem die genaueste Wissenschafft hätte. Einer solchen Fürstin Anmuthen war der Gräfin ein genungsamer Befehl; und daher fieng sie ohne Umschweiff die verlangte Erzehlung derogestalt an:

Es sind wenig Jahre: daß König Marbod auff einer Jagt an der Bojischen und Hermundurischen Gräntze ein siedend heißes Quell / welches mitten aus einer kalten sich kurtz darauff in den Enger-Fluß stürtzenden Bach seinen Uhrsprung nimmt / bey Verfolgung eines daraus auffgejagten und von dem heissen Wasser rauchenden wilden Schweines erforschet hatte. Weil man nun solches für ein heilsames Mittel wieder viel Kranckheiten erkennet / also daselbst für Inn- und Ausländer zu bequemem Auffenthalt etliche zierliche Häuser erbauet / und diesen Ort mit grossen Freyheiten begabet hatte; riethen dero Aertzte auch der gefährlich erkranckenden und hier anwesenden Fürstin Erdmuth: daß sie sich dieses warmen Bades gebrauchen solte. Eine Thußnelden / wiewol aus blosser Gemüths-Kranckheit zustossende Schwachheit; und daß Erdmuth vorerwehnte [1270] Cattische Hertzogin gleichsam ohne die annehmliche Thußnelde nicht leben konte; verursachten: daß diese jener Reise-Gefärthin war; Wiewol sie / um so viel unbekandter zu bleiben / nur die Stelle einer adelichen Jungfrau bekleidete. König Marbod / so bald er von der Dahinkunfft einer so grossen Fürstin Nachricht erhielt; ließ selbte mit allerhand Nothdurfft und Erfrischungen versorgen. Der Ritter / welcher diß überbrachte / wuste seinem Könige den grossen Helden-Geist und die Klugheit dieser Fürstin / wie auch die Schönheit ihres Frauenzimmers nicht genungsam zu rühmen; Daher er unter dem Vorwand einer Jagt mit wenig Edelleuten unbekandter Weise in diesen warmen Brunnen kam. Und weil die Fürstin mit dem andern Frauenzimmer in einem rund gewölbten Saale badete / worinnen ein von weissem Marmel gemachtes Behältnüs durch verborgene Röhren das vorhin eine gantze Nacht abgekühlte Wasser in sich bekam /nach selbiger Landes-Art aber dieser Platz dem Vorwitz aller dahin kommenden unverschlossen stand /kriegte Marbod diß / was er verlangte / unschwer zu Gesichte. Aber so leicht die Rose zwischen andern Blumen / ein Diamant unter andern Edelgesteinen /der Mohnde bey andern Sternen zu erkiesen ist; so geschwinde fiel dem Könige für andern die unvergleichliche Gestalt Thußneldens ins Gesichte; oder die Liebe kroch vielmehr durch diese zwey Pforten ihm in das innerste seiner Seele. Der Schnee ihrer zarten Glieder steckte in diesen nicht so wol von unter-irrdischem Schwefel / als von ihren lodernden Anmuths-Strahlen erhitztem Wasser Marbods Hertze mit unausleschlichen Flammen an. Sein Gemüthe beklagte: daß sein Leib allzu wenig Augen hätte sich durch Anschauen einer mehr / als irrdischen Schönheit zu ersättigen. Je mehr er aber sie anschauete; so viel mehr ward sein Verstand verfinstert / und sein Geist entseelet. Denn die Schönen verbländen mit ihrem Glantze wie die Sonne / und tödten mit ihrer Lebhafftigkeit /wie das Feuer. Ja Marbod war in einem Augenblicke schier gantz ausser sich. Denn seine Seele hatte ihr eine andere Wohnstatt nehmlich den herrlichen Tempel dieser himmlischen Fürstin erwehlet; und es schiene von seinem Leben nichts / als die Empfindligkeit grössester Schmertzen übrig geblieben zu seyn. Weil er nun seine eigene Ohnmacht an sich erkennte; war er willens / sich nicht / wie er wol anfangs ihm fürgesetzt hatte / erkennen zu geben; sondern zu Verhütung seiner Schwachheit sich wieder zu entfernen. Aber Thußneldens Anmuth zohe seine Augen mit unsichtbaren Ketten nachdrücklicher / als der Nordische Angel-Stern die Magnet-Nadel an sich. Daher er nach Art derselben Weltweisen / welche nur um die Sonne anzuschauen gebohren zu seyn vermeinten / sein Gesichte nie von ihr verwendete / auch von dar zu scheiden sich nicht überwinden konte / biß die Zeichen zum Ausbaden durch eine Glocke gegeben / und alle Zuschauer zu entweichen genöthiget wurden. Unter wehrender Ankleidung des Frauenzimmers erholte sich Marbod gleichwol so viel: daß er unter dem Nahmen eines vom Könige um ihre Gesundheit zu vernehmen abgeschickten Marckmännischen Ritters bey dem Herausgehen der Hertzogin den Saum des Rockes / ihrem Frauen-Zimmer aber die Hand zu küssen Erlaubnüs bat. Es wäre aber diese Vermessenheit dem Könige bald übel gerathen; weil er bey Anrührung Thußneldens schneeweißer Hand gantz erstarrete; also daß er mit genauer Noth / iedoch nicht ohne Anmerckung seiner Veränderung / so wol seiner Gefärthen / als der Hertzogin denen folgenden Fräulein die ausgebetene Ehrerbietung bezeigen konte. Weßwegen auch die Fürstin Erdmuth bald darauf mit Thußnelden / als sie an der Bach auf einer Wiesen sich ergiengen /schertzte; und ihr / wie sie eine Marckmännische Land-Frau so bald [1271] werden könte / lächelnde vorhielt. Marbod war kaum in seinen Königlichen Sitz ankommen; als er seine vierzehnjährichte wunderschöne Tochter Adelmund / derer Mutter die berühmte Gothonische Fürstin Marmeline vor zwey Jahren gestorben war / in den warmen Brunnen die Hertzogin Erdmuth annehmlich zu unterhalten abfertigte. Diese kam mit einem prächtigen Aufzuge daselbst an / und erzeigte der Hertzogin nicht allein alle ersinnliche Höffligkeiten / sondern beschenckte sie und das gesamte Frauenzimmer mit vielen Köstligkeiten / insonderheit aber mit Perlen / Diamanten und Granaten /welche in den Bojischen Wässern und Gebürgen gefunden werden. Nach dem auch diß Bad der Hertzogin sehr wol zuschlug / und sie sich bey ziemlichen Kräfften befand; lud die Fürstin Adelmund die Hertzogin und ihr Frauenzimmer in einen eine Meile von dar gelegenen Königlichen Garten / welcher wegen der köstlichen Spring-Brunnen / der seltzamen Gewächse / der fruchtbaren Bäume / der lustigen Gegend und des mit vielerley Wild erfüllten Thier-Gartens für den herrlichsten in Deutschland gehalten ward. Insonderheit waren um selbige Gegend so viel Fasanen zu schauen: daß sie mit dem Flusse Phasis um den Vorzug zu kämpffen schien. Als diese Versamlung des Frauenzimmers in der verträulichsten Erlustigung sich befand / und in einer von eitel Muscheln und Korallen besetzten Höle bey dem hin- und wiederspritzenden Wasser wegen damahliger Mittags-Hitze sich abkühlete / kam ein Edelmann / und deutete der Hertzogin an: daß König Marbod schon im Garten wäre. Sie war auch kaum aus der Höle durch einen überlaubten Gang zu einem marmelnen Spring-Brunnen kommen / als der König in prächtiger Tracht mit vielen Grossen seines Hofes ihr begegnete; und sie und alle ihr Frauenzimmer auffs höflichste bewillkommte. Diese aber wurden auffs höchste bestürtzt /als sie nunmehr wahrnahmen: daß der sie für etlichen Tagen im warmen Brunnen heimsuchende Edelmann eben der König Marbod selbst gewesen wäre. Weßwegen denn die Hertzogin nichts minder sich / als die Ihrigen entschuldigte: daß sie aus Irrthum ihm nicht mit gehöriger Ehrerbietung begegnet wären. Marbod versetzte: es könte eine so vollkommene Fürstin mit ihrer so außerlesenen Gesellschafft gegen niemanden sich einigerley Weise gebehrden: daß sich nicht auch ein König darmit zu vergnügen hätte. Mit welchen annehmlichen Wortwechselungen sie denn einander biß zu der an der Seite des rauschenden Wassers unter einem goldgestückten Persischen Zelt zubereiteten Taffel unterhielten. Bey welcher Thußnelde alsbald wahrnahm: daß Marbod ein besonders Auge auff sie hatte; indem er bey seiner angemasten Freude doch allezeit eine Schwermuth mercken ließ; und wenn er mit Thußnelden nur etliche Worte wechselte / oder sie nur ansahe / iedesmahl seine Farbe veränderte. Denn weil das Feuer der Liebe an Geschwindigkeit den Blitz übertrifft / die Seele aber gleichsam im Blute schwimmet / kan diese schier keine Bewegung ohne seine Aufwallung empfinden. Gleichwol unterhielt Marbod Thußnelden am allermeisten mit Gesprächen; und vergnügte sich gleichsam: daß seine Veränderung ie mehr und mehr die Verwirrung seines Gemüthes an Tag gäbe / und sein Antlitz der erste Vorredner seiner Liebes-Werbung würde. Hiermit hatte Thußnelde über der Taffel bey solchen Anmerckungen so tieff in das Hertze Marbods gesehen / als wenn die Natur ihm ein Fenster an die Brust gesetzt hätte. Denn die / welche ihre eigene Liebe schon prüfen gelernet / verstehen leicht auch fremder Verliebten stumme Sprache; und ihre Augen geben nicht weniger rechte Fern-Gläser ab / welche so gar die verborgensten Gedancken erkiesen; sie selbst als das allergeistreichste Theil des Menschen / [1272] in welchem die Seele wohnet / die Jäger unser Begierden / die deutlichsten Dolmetscher unsers Hertzens / die Mahler unser Gedancken / die Mäckler unser Liebe / ja gleichsam unsere Gebieter / alle andere Theile des Menschen aber nur ihre Dienstboten sind. Dieses Urthel ihrer Scharffsichtigkeit ward dardurch so viel mehr bestärcket: daß König Marbod /als Thußnelde aus Höfligkeit einem Edelmanne die Giß-Kanne aus der Hand nahm / und ihm das Hand-Wasser reichen wolte / einen unschätzbaren Ring mit einem Sardonich in das Giß-Becken Thußnelden zum Geschencke fallen ließ; welchen der Samische König Polycrates um eine Scharte in sein übermäßig und daher so viel mehr verdächtiges Glücke zu machen /ins Meer geworffen / ein Fisch aber ihm wieder in seine Küche; hernach August aus den Schätzen Cleopatrens nach Rom gebracht / und in das Heiligthum der Eintracht gewiedmet; letztens aber dem Könige Marbod / als ein Zeichen seiner Freundschafft zum Geschencke überschickt hatte. Thußnelde konte aus Höfligkeit diese grosse Gabe nicht verschmähen; iedoch / weil sie aller Welt Schätze mit einem andern /als ihrem Herrmann / in verbindliche Eintracht zu treten allzu verächtlich hielt; erweckte ihr diese verdächtige Freygebigkeit eine nicht geringe Unruh des Gemüthes; welche auff die Nacht noch mehr vergrössert ward / als sie vernahm: daß Marbod um ihren Uhrsprung und Zustand die Hertzogin Erdmuth so genau befraget; wiewol eine ihr annehmliche Antwort erhalten hatte: daß sie eines Cattischen Grafen Tochter wäre / und bereit das Gelübde ewiger Keuschheit geleistet hätte / zu dessen Kennzeichen sie denn nach Art der derogestalt verlobten Jungfrauen einen Ring im Finger trüge; in dessen Rubin zwey ackernde Fliegen / als Merckmaale unversehrlicher Jungfrauschafft gegraben wären. Weil aber alle Kühlungen der Liebe nur ihr Feuer vergrössern / ward König Marbod von zweyen Gemüths-Regungen / nehmlich der Liebe und Furcht / nicht nur beunruhigt / sondern gepeinigt; also: daß er bey nahe die gantze Nacht kein Auge zu zuthun vermochte. Denn jene scheinet zwar ein aus dem Himmel eines schönen Antlitzes gezeugeter Engel zu seyn; aber Furcht und Zweiffel wegen des ungewissen Genüßes verwandelt sich in dem Hertzen des Liebenden in eine höllische Unholdin. Nach langer Abmergelung und veränderter Berathung; wie er Thußneldens Gewogenheit gewinnen / und das bey den Deutschen so heilige Gelübde der Keuschheit zernichten möchte / fiel er endlich in einen Schlaff / oder vielmehr in eine halbe Ohnmacht; die von einer vollkommenen nur dardurch entschieden war: daß er noch durch allerhand ängstige Träume gequälet / und endlich mit Schrecken erwecket ward. Weil er nun den Tag vorher schon die Cattische Hertzogin auff eine Jagt eingeladen hatte; die Sonne aber bereit die Spitzen des blauen Gebürges bestrahlte / muste er seine träumende Unruh nur mit der wachenden verändern /und zu solcher Lust sich anschicken. Die Fürstin Adelmund hatte sich als eine Diana darzu gerüstet; und solcher Gestalt sich auszuputzen dem Cattischen Frauen Zimmer Pferde / Waffen und ander Geräthe herbey schaffen lassen. Marbod hatte Thußnelden den Tag vorher nur als ein Frauen-Zimmer verwundernd angesehen; diesen aber sahe er sie zu Pferde als eine streitbare Heldin. Er hatte sie als eine Halb-Göttin verehret; nunmehr aber ward er gezwungen sie als eine völlige anzubeten. Denn sie saß als eine lebhaffte Amazone zu Pferde; im Rennen und Schüssen that sie es allen Rittern zuvor; und erlegte zweymahl so viel Wild / als iemand anders. Denn kein Hirsch war [1273] ihr zu geschwinde; kein Bär zu grausam / und kein Luchs zu erschrecklich. König Marbod thät auch im Jagen sein eusserstes / um seine Tapfferkeit sehen zu lassen; und sich derselbigen Jägerin zu bemächtigen; welche mit ihren Pfeilen diese Wildnüs am Wilde arm machte; durch ihre Schönheit und Anmuth aber sie mit unschätzbaren Blumen bereicherte; welche auf ihren Lippen und Wangen viel beständiger / als in dem Rosen- und Lilgen-Monate blühen. Thußnelde setzte nach Erlegung eines Thieres alsofort dem andern nach; Marbod aber verlohr niemahls die Spur dieser wunderwürdigen Hindin; welche nichts minder die Vollkommenheit derselben / welche Hercules dem Euristheus liefferte / übertraff; als er von einem grösseren Wütterich / nehmlich der Liebe zu derselben Einholung angereitzet ward; und meinte so viel Steine in ihr Liebes-Bret eingesetzt zu haben; so viel wilde Thiere er in ihrem Angesichte erlegte. Weil er aber stets nur ein Auge auf diese / das andere aber auf Thußnelden hatte; als nach welcher seine eigene Seele auff die Jagt zoh; versahe es Marbod bey Verfolgung eines Bären: daß er mit dem Pferde stürtzte; und von diesem wegen seiner Verletzung so viel mehr verbitterten Thiere auffs grimmigste überfallen; von der Fürstin Thußnelde aber / welche einen Wurff-Spieß selbtem mitten durchs Hertze jagte / zu grossem Glücke entsetzet; und hierauff auf ein ander Pferd gebracht ward. Marbod / welcher sich hierdurch ihr das Leben zu dancken verpflichtet erkennte / hätte ihr gern ein verdientes Danck-Opffer erstattet / oder vielmehr Gelegenheit gehabt / ihr die Wunden seines Hertzens zu entdecken; aber diese flüchtige Daphne wolte auch dieser grossen Sonne Deutschlands nicht Stand halten; sondern sie rennte in die düstersten Hecken; also: daß sie Marbod bey nahe zwey Stunden vergebens suchte. Wie er nun für Mattigkeit lächste /und sein Pferd für Müdigkeit sich kaum bewegen konte / leitete ihn das Wiegern eines Pferdes auf eine Pfad; welcher ihn kurtz darauff zu eben dem aus einem rauen Felsen springenden Quell leitete; darauff Thußnelde saß / und ihren Durst mit diesem kristallenen Wasser leschte. Marbod kriegte mit ihrem ersten Anblicke gleichsam ein neues Leben; sprang also vom Pferde / umarmete sich bückende ihre Knie; und redete sie alsofort an: Warum fleuchstu so sehr für mir / du Gebieterin meiner Seele? hast du für Marboden grössere Abscheu / als für dieser traurigen Einöde? Wilstu dich aber für Licht und Sonne verstecken / so mustu / Sonne des Erd-Kreißes / dich von dir selbst zu entfernen den Anfang machen. Bistu von der Hitze des Mittags gezwungen deine anklebende Zunge mit dieser Eyß-kalten Flut abzukühlen; so überlege / was eine verliebte Seele für Pein erdulde; und erquicke sie aus Erbarmnüs nur mit einer Hand voll deiner holdseligen Gewogenheit. Glaube: daß der Blitz deiner Augen mein loderndes Hertze nicht anders / als die Glut die um selbte schwermende Mücken schon eingeäschert habe; wenn aber du vom Balsam deiner Gegen-Liebe nur wenig Tropffen in diese Asche fallen läst; wird es als ein neuer Fenix daraus lebhaffter / als vor gezeuget werden. Vollkommene Göttin! sey nicht einsamer / als diese Wildnüs; noch unbarmhertziger / als diese Felsen; in dem jene meine Gesellschafft so willig verträget; diese aber uns beyde nicht erdürsten lassen. Sorge nicht: daß meine Liebe die Flüchtigkeit dieser Bach / sondern die Aehnligkeit des ewigen Feuers habe. Ich habe vor dir nur eine /wiewol dir nicht vergleichliche Fürstin lieb gewonnen; und es hat meine Flamme nichts / als der Todt ausleschen können; der ihr zwar das Tacht der erblichenen Marmeline entzogen hat; Gleichwol aber lebet ihr Gedächtnüs in meinem ihr gewiedmeten Gemüthe; und unserer beyder Geister vergessen nicht auch noch so viel reiner [1274] sich mit einander zu umarmen. Wie viel mehr hastu dich / du Ausbund aller Vergnügungen /einer unausleschlichen Liebe zu versichern; weil deine Tugenden täglich mehr Oel in die brennende Ampel meines Hertzens / als die Adern dieses Gebürges Wasser in diß Quell zu flössen haben. Weil dir nun die Natur eine Botmäßigkeit über alle Augen / deine Tugend über die Seele Marbods verliehen hat; so verschmehe nicht die dir vom Verhängnüße heut angebotene Herrschafft über die streitbaren Marckmänner /und die Völcker des halben Deutschlands. Da dir aber auch diß zu verschmählich ist / so habe doch zum minsten Mitleiden mit dem für Liebe vergehenden Marbod / und glaube: daß der Siegs-Preiß des Grimmes nur an der Menge der Todten / der Liebe aber an Vielheit der Genesenden bestehe. Marbod drückte diese Worte mit einer solchen beweglichen Art aus: daß man das Leiden seiner Seele an seinem Antlitze klar genung abgebildet sah. Thußnelden war iedes liebkosende Wort ein neuer Donner-Keil; sie setzte ihm aber mit einer mehr ernst als freundlichen Gebehrdung diese Antwort entgegen: Wenn es in meiner Gewalt stünde einen so grossen König zu lieben /würde meine Verweigerung billich den Titel des Wahnwitzes verdienen. Denn wie könte mein Wille mit Vernunfft dem wiederspenstig seyn / dessen Tapfferkeit so viel Völcker übermeistert / und dessen Tugend der Flüchtigkeit des Glückes einen Stillstand zu bieten gewust hat? Wie möchte ich Albere so viel Kronen verschmähen; für welche so viel Menschen ihre Kinder / ihr Blut / ja ihre eigene Seele aufopffern? Aber so hat den Platz meiner Scheitel schon ein ander Krantz / und die Höle meines Hertzens schon eine andere Gottheit eingenommen; also: daß ich mich selbst; weil ich mein Eigenthum nicht mehr bin / niemanden ferner vergeben kan. Diesemnach überwünde / großmächtiger Marbod / hierinnen nunmehr auch dich / nach dem du ausser dir nichts mehr zu überwältigen hast. Denn sein selbst mächtig seyn / ist das gröste Kayserthum; mit der Unmögligkeit aber einen Krieg anfangen / heisset alle vorige Siegs-Kräntze mit Füssen treten. Erwege: daß die ersten Regungen unsers Gemüthes nur Versuchungen / die hefftigsten auch am unbeständigsten sind. In dreyen Tagen wird die auffwallende Hitze deiner Begierden sich abkühlen / und deine Klugheit dir einhalten; wie unbedachtsam der grosse Marbod eine schlechte Edel zu seiner Gemahlin erkieset habe; und wie ungedultig die streitbaren Marckmänner eine fremde Dirne zu ihrer Königin leiden können. Du selbst wirst wahrnehmen / wie unsere blinden Regungen uns mehrmahls verleiten: daß wir in unser eigen Unglück auff der Post rennen /und über Auszimmerung unsers eigenen Fallbrets schwitzen. Da du dich aber selbst überwindest / wird dieser herrliche Sieg noch mit zwey andern begleitet seyn. Denn nicht nur ich / sondern auch die Tugend /der ich mich vermählet habe; werden deßwegen deine Schuldner ersterben / und an statt der bald faulenden Rosen / auf deine Scheitel einen Krantz von Palmen und Lorbern winden müssen. König Marbod hörte diese Ablehnung mit nicht geringer Bewegung / als ein Verbrecher sein Todes-Urthel an. Weil er aber vermeinte: daß Thußnelden nichts / als ihr Gelübde der Keuschheit am Wege stünde; setzte er diesem entgegen: das Gelübde der ewigen Jungfrauschafft thäte der Natur selbst Gewalt an; und der Vorsatz nicht zu lieben stünde so wenig in unser Gewalt; als die Eigenschafft des Brennens von dem Feuer abzusondern. Unmögligkeiten aber könten so wenig in Gelübden /als in andern Verbindnüßen uns einen Nothzwang aufhalsen. Da aber ja diese Gelübden einige Krafft hätten; würden selbte doch sodenn ausleschen; wenn das Verhängnüs uns selbst einen andern Weg leitete;[1275] oder uns die Natur selbst ungeschickt machte selbigem länger Folge zu leisten. Zu geschweigen: daß /weil das Verhängnüß in seinem Lauffe gantz unveränderlich / in seiner Strengigkeit unerbittlich wäre; so wenig durch Gelübde / als durch die Opfferung weißer Lä er-Köpffe diß / was der Himmel schon über uns beschlossen / abgelehnet werden könte. Machte sie ihr aber noch ihres Gelübdes halber ein Gewissen; wäre er erböthig statt ihrer fünff hundert andere Jungfrauen ewiger Keuschheit zu wiedmen / und also der von ihr verehrten Gottheit die Pflicht mit Wucher zu erstatten. An welcher Vertretung sie so viel weniger zu zweiffeln hätte; weil er als zugleich oberster Priester der Marckmänner das Band aller Gelübde aufzulösen befugt wäre. Thußnelda hörte diesen von dem Rauche der Begierden gantz verbländeten Vortrag mit nicht mindern Unwillen / als Aergernüs an; daher sie ihm nicht ohne Hefftigkeit begegnete: Wenn GOtt unerbittlich; unser Unglücke gantz unablehnlich wäre; müste man nicht nur die Gelübde / sondern alle Gottesfurcht aus der Welt verbannen. Des Verhängnüsses Schlüsse hätten nichts minder ihre Beschrenckung /als die Handlungen der sterblichen Menschen; und es hielte GOtt mehrmahls die zum Schlagen schon gezückte Hand zurücke; weñ die Boßheiten sich durch Andacht für ihm demüthigten. Da aber auch der Ausschlag der Dinge bereit für unser Geburt von dem Verhängnüße unveränderlich besti t wäre; rührte doch auch unser Gebet und Gelübde von seinem Zwange her; als ein uñachbleiblicher Werckzeug / der den Ausschlag dieser Fürsehung verbesserte; uñ also denẽ Lasterhaften ein schli es / denen Fro en ein gutes Urthel zu wege brächte. Das Gelübde der Keuschheit könte auch nur denen unnatürlich vorkommen / welche wie das wilde Vieh ihren Begierden keinen Kapzaum der Vernunfft anzulegen wüsten; und gleichsam als gantz andere Geschöpffe von tugendhafften Gemüthern so weit / als unvernünfftige Thiere vom menschlichen Geschlechte entfernet wären. Denn zwischen GOtt und einer durch Gelübde ihm verlobten Seele geschehe eine genauere Vermählung / als durch irrdische Heyraths-schlüsse zwischen zwey Ehleuten. Daher hätte in der Andacht die Vertretung durch fremde so wenig / als im Eh-Bette statt; und würden nicht nur seine fünffhundert / sondern hundert tausend genöthigte Jungfrauen bey GOtt nichts minder für Wechsel-Bälge / als sie für eine Abtrünnige und Eydbrüchige gehalten / ihr Verbündnüs aber von keinem fremden Priester / sondern nur von der Gottheit / der sie sich verlobt hätte / auffgelöset werden. König Marbod setzte hierauf abermahls mit allen ersinnlichsten Liebkosungen / und halb-verzweiffelten Bezeugungen an Thußnelden; aber sie lehnte sie mit einer hertzhafften Großmüthigkeit ab; beschloß auch ihre Abmahnung mit diesen Worten: Ihre Seele würde sich ehe dem Gespenste / welches auch die hertzhafftesten nicht mit unverwendeten Augen ansehen könten / als dem Marbod sich vermählen; und in seiner Gewalt möchte es vielleicht wol bestehen / einmahl ihr todtes Gerippe / nimmermehr aber ihren beseelten Leib zu umarmen. Marbod wütete nun nicht mehr nur für Liebe / sondern er schäumte für Verzweiffelung und Grimm. Denn wie Liebe und Glücke ins gemein einen so starcken Trieb haben: daß sie alle Pfosten der Vernunfft aus ihren Angeln zu heben mächtig sind; also ist insonderheit die Liebe gekrönter Häupter sehr unleidlich / und die Zärtligkeit ihrer zu überwinden gewohnten Hertzen kan unschwer auffs empfindlichste verwundet werden. Daher er seinen Degen entblöste; die gantz ungewaffnete Thußnelda aber /welche alle ihre Pfeile und Wurffspieße verschossen /den Degen auch im Gestrittig verlohren hatte / einen tödtlichen Streich zu empfangen vermeinte / und daher auf allen Fall solchen mit dem leeren Bogen so viel möglich zu versetzen gedachte. Alleine Marbod fieng an um sie einen Kreiß zu scharren; [1276] aus welchem sie ohne Enderung ihrer harten Erklärung nicht ohne Spott zu ko en bedräuet ward. Er hatte diesen Kreiß aber noch nicht halb vollendet; als eine Natter unversehens empor sprang / und den König in die Hand stach: daß er darüber den Degen fallen ließ. Thußnelde / welche wol wuste: daß aus der Noth eine Tugend / und aus einem blossen Zufalle ein Bewehrung seiner Meinung / oder gar ein Wunderwerck zu machen die gröste Klugheit wäre; machte ihr diese Begebnüs also fort nütze / und fieng an: Siehestu wol / Marbod; daß die Götter das ihnen angethane Unrecht selbst rächen; wenn Menschen solches nicht thun wollen oder können. Weil aber Marbod hierüber nicht nur erstummete / sondern als wenn er von der Hand GOttes gerühret wäre / erstarrete; war Thußnelde um ihres Beleidigers Genesung bekümmert. Wie sie denn ein denen Nattern schier gleich gebildetes Kraut abropffte / solches mit einem Steine zerklitschte / und dem Marbod aufband; weil sie von der Artzney zwar keine eigentliche / iedoch so viel Wissenschafft hatte: daß die Natur unterschiedenen Kräutern eusserliche Merckmaale / worzu sie dienende Artzneyen sind / eingepreget / und deswegen das für die Schlangen-Bisse dienende Schlangen-Kraut /den Schlangen die dem Miltze heilsame Kapern gleich gebildet; und das dem brennenden Krebse abhelffende Erd-Beeren-Kraut mit einem absondern Feuer und Röthe bezeichnet habe. Marbod ließ diese Verbindung zwar geschehen / seine zitternden Glieder aber waren mit Schrecken / und sein Antlitz mit Schamröthe angefüllet; welche Farbe hier nicht die frohe Morgenröthe der aufgehenden / sondern die traurige Abendröthe der verfallenen Tugend-Sonne war; daher er auch sonder Abschied und Verlierung einigen Wortes sich zu Pferde setzte / und spornstreichs in das dickste Gepüsche verbarg; gleich als wenn er noch von tausend Nattern vefolgt würde. Denn die Furcht hat das gröste Leibzeichen unter allen Gemüthsregungen; sie ist zwar die glaubhaffteste / aber auch die schli ste Rathgeberin ihres Gemüthes / und die ärgste Verbländerin der Augen; Denn sie siehet / was gar nicht ist; sie machet aus nichts etwas / und aus einer Ameiße einen Krocodil. Der Fürstin Thußnelde hingegen war ein grosser Stein vom Hertzen geweltzet. Denn weil sie Marbods plötzliche Veränderung für eine Würckung des Aberglaubens hielt / nichts aber mehr / als dieser / die Gemüther der Menschen umkehren kan; glaubte sie: daß Marbods so lichten Loh brennende Liebe schon wieder zu Wasser wordẽ wäre. Weßwegẽ sie sich noch einmal aus dem frischen Quell erquickte / und sonder einiges Bedencken wieder zu der Cattischen Hertzogin zu kehren gedachte. Sie ritt einen kurtzen Weg durchs Gehöltze / als sie auf eine gedrückte Strasse gerieth / und bald darauf ein Geräusche gegen ihr ankommender Reuterey vernahm; welcher sie auszuweichen nicht für nöthig achtete / weit sie die Ankommenden für Marbods Jäger hielt. Sie ward aber kurtz darauf / iedoch so spat: daß sie nicht mehr ausweichen konte / der Römischen Tracht gewahr; mit welcher die meisten bekleidet waren. Nach dem sie iedoch auch Deutsche darunter erblickte / und in Marbods Gebiete sich von den Römern keiner Gewalt-That versah / ritte sie getrost auff sie zu. Sie war etwan drey Schritte von ihnen entfernet; als der im ersten Gliede zwischen zweyen Römern reitende Deutsche sie mit diesen harten Worten anfuhr: Finde ich dich in dieser Wüsteney / du Ungehorsame? Fasset alsofort die Boßhaffte: daß sie ihrem Vater nicht mehr entfliehen könne. Diese Worte waren Thußnelden kein so harter Donnerschlag / als das zornige Antlitz ihres ergrimmten Vaters; als aus welchem sie alsofort den Segesthes erkennte. Sintemahl dieser in Gesandtschafft des Kaysers Augustus nebst dem Cajus Silus /welcher in Ober-Deutschland [1277] über das Römische Kriegs-Volck gesetzt war / und dem Stertinius zum Könige Marbod reisete / diesen entweder wegen des auf ihn angezielten Krieges sicher zu machen; oder /weil Tiberius dem Kayser auffs beweglichste anlag die Cherusker vollkommen zu unterdrücken / sich der Marckmänner: daß sie jenen nicht zu Hülffe kämen /zu versichern. Weßwegen es auch Tiberius nunmehr dahin brachte: daß der dem Hertzog Herrmañ allzu geneigte Saturnin nach Rom beruffen / und Quintilius Varus an seine Stelle zum Landvogte gesetzt ward. Die zwar überaus bestürtzte Thußnelde war gleichwol so hurtig: daß / ehe sie iemand von den Reisigen anrühren konte / sie aus dem Sattel auf die Erde sprang; und für dem Segesthes auf die Knie fallende ihn auffs beweglichste anflehete. Er möchte sein väterliches Hertz gegen der nicht versteinern / welche kindliche Liebe und Gehorsam in ihrem Hertzen unversehrt behalten / auch niemahls was ihren Geschlechte verkleinerliches begangen hätte. Segesthes antwortete ihr mit nicht freundlicher Gebehrdung: Du solst / sichere dich / mir als Richter / nicht als Vater Rechenschafft thun. Aber welch Unglück führet dich in dieser Tracht hieher? Welchem Thußnelde versetzte: Sie hätte sich auf der vom Könige Marbod angestellten Jagt verritten. Segesthes stutzte; und hielt gleichwol so viel an sich: daß er in so vieler Personen Anwesenheit um ihre Begebnüße nicht fragte; sondern sie zu Pferde sitzen /und von den Reisigen beobachten hieß. Silius aber fieng an: Sie müsten aber gleichwol erfahren; weil Marbod dar zu seyn gesagt würde / wo er zu finden wäre. Thußnelde berichtete ihn: daß der König aller Vermuthung nach sich auch verritten / und dem Verlaß nach auf einem Lust-Hause; welches über eine Meile / ihrem Muthmassen nach / von dar nicht entfernet wäre / übernachten solte. Unter diesem Gespräche kamen sie an einen Quer-Weg; da sie denn ein grosses Gethöne von Jagt-Hörnern vernahmen; welches sich nach und nach näherte. Es kam auch alsofort ein Jäger voran gehauen / um wegen des darbey sich befindenden Marbods zu fragen; wer die Ankommenden wären. Diese schickten alsbald einen Edelmann mit dem Jäger zurück um dem Könige ihre ohne diß schon vorher vergewisserte Ankunfft an zu zeigen /und seine Anverweisung zu vernehmen. Dieser brachte alsofort zurücke: Sie möchten verziehen / der König wolte sie alldar empfangen / und mit sich auf ein nicht weit entferntes Lust-Hauß nehmen. Diß erfolgte / wiewol mit abermahls nicht geringer Gemüths-Veränderung Marbods; als er mitten in diesem Hauffen die allererst verlassene Thußnelde gleichsam als eine Gefangene führen sahe. Daher er sich unmöglich enthalten konte zu fragen: Wie seine schöne Jägerin unter sie verfallen wäre? Segesthes / weil er entweder darfür hielt: daß Marbod Thußnelden schon kennte / oder ihre Beschaffenheit bey so viel sie keñenden Römern unmöglich verholen blieben wäre /ja er sich auch sonst ihr nicht anmassen könte / antwortete: Er hätte mit Wiedererlangung dieser seiner Tochter ein seltzamer Wild / als vielleicht der König nicht gefangen; weil er sie für halb verlohren / oder auch gar für tod gehalten. Marbod wolte durch fernere Nachfrage nicht unzeitigen Vorwitz begehen / sondern saan den gantzen Weg nach: warum Thußnelde von ihrem Vater so lange abwesend gewest seyn / und dieser sie aller Anzeigung nach so unfreundlich halten müste? Nach dem er aber nichts beständiges ergrübeln konte / kamen sie in den Garten / worinnen Marbod Segesthen / den Silius und Stertinius mit ihren Leuten nach Würden bewirthete. Segesthes nahm Thußnelden selbst zu sich / verschloß sich alsbald mit ihr in dem innersten Zimmer / und befahl ihr mit entblöstem Degen: Sie solte alle Umstände und Ursachen ihrer Flucht bey Verlust ihres Lebens andeuten.[1278] Thußnelde fiel Segesthen abermahl zu Fuße; und fieng an: die Ursache wäre ihm allzuwol bewust; in dem es eben dieselbe wäre / weßwegen sie lieber ihr Leben aufopffern / als dem lasterhafften Tiberius ihre schon dem Fürsten Herrmann verlobte Seele wiedmen wolte. Ihre Zuflucht wäre ihre nechste Base die Cattische Hertzogin Erdmuth gewest; welche sie mit in warmen Brunnen / und vollends in diesen Garten bracht / auch zeither bey ihr die mütterliche Auffsicht vertreten hätte. Diese würde ihrer Wahrheit selbst mündliches Zeugnüs geben; weil sie in einem andern Lust-Hause eben dieses Gartens sich auffhielte. Segesthes antwortete ihr kein Wort; verschloß sie aber im innersten Gemache; weil er zu der Taffel abgefordert ward. Inzwischen verfügte sich Marbod nach kurtzer Bewillkommung der Gesandten geraden Weges zu der Cattischen Hertzogin um von ihr Thußneldens Heimligkeiten auszulocken. Denn so viel die Kälte des Erschrecknüßes bey ihm nach und nach laulichter ward; so sehr fieng die Liebe in ihm wieder an zu glimmen. Er beklagte sich alsbald: daß die Hertzogin Thußneldens Stand / als einer Tochter von so hohem Fürstlichen Hause / verschwiegen / und dardurch verursacht hätte ihr nicht die gehörige. Ehrerbietung zu erzeigen. Die Hertzogin Erdmuth antwortete: Marbods Höfligkeit hätte der Niedrigsten ihres Frauen-Zimmers so viel Ehre angethan: daß eine Fürstin darmit wol vergnügt seyn könte. Aber sie mochte wol vernehmen: wer Thußnelden zu einer Fürstin erkläret hätte? Marbod versetzte: Ob sie ihr denn mißgönnte: daß Thußnelde des Chaßuarischen Hertzogs Segesthes Tochter wäre? der Erdmuth schoß hierüber das Blat; gleichwol fragte sie: wer dem Könige deßhalben Versicherung gethan hätte? Marbod antwortete: daß Thußnelde Segesthens Tochter sey /habe ich aus seinem Munde; doch könte er nicht verschweigen: daß sie nichts minder seine Gefangene /als sein Kind sey. Was Segesthes? fieng Erdmuth an; wo ist der? und welch Unstern hat ihm seine tugendhaffte Tochter seiner strengen und unrechtmäßigen Gewalt eingehändigt? Marbod fieng an: Sie kan den Segesthes selbst hier im Garten finden und rechtfertigen. Aber wie mag sie die väterliche Gewalt ungerechter Strengigkeit beschuldigen? Erdmuth sahe sich so weit eingeflochten: daß sie nicht zurück konte; zu dem meinte sie durch diese Eröffnung der Freyheit Thußneldens vielleicht ein Thor aufzuthun; daher sie getrost heraus sagte: Weil die Ehe die allerverbindlichste Freundschafft / auch mehr eine Vereinbarung der Seelen / als der Leiber seyn solte; ja nichts ungeschickter zu seyn schiene / als nach eines andern Gemüthe und Neigungen lieben sollen / so kaum Herren erlaubet ihre leibeigenen Knechte dieser Freyheit zu entsetzen; wie viel weniger könte Segesthes entschuldigen: daß er seine Tochter wieder ihr vorher genehm gehabtes Gelübde den gramhafften Tiberius zu heyrathen zwingen wolte? Marbod stutzte abermahls über seinem so mächtigen Neben-Buhler; und / weil er durch das Gelübde Thußneldens eine gelobte Keuschheit angedeutet zu seyn vermeinte / wolte er der Hertzogin mit mehrern Ausforschungen nicht beschwerlich seyn; noch / weil er mit sich selbst noch nicht eines war / sich ferner heraus lassen / sondern gab seiner Tochter Adelmund mit / die Fürstin Erdmuth zu unterhalten. Er aber konte hierauf die gantze Nacht kein Auge zuthun. Denn eines Theils quälten ihn die seiner Liebe am Wege stehenden schier unüberwindlichen Schwerigkeiten; andern Theils aber kitzelte er sich mit der Hoffnung: daß er vielleicht Thußneldens Hertze gewinnen k \nte / weñ er sie dem Tiberius aus den Zähnen rückte. Gleichwol bedachte der schlaue Marbod wol: daß die Einbildung mit dem Verlangen sich ins gemein vermählte; und seinem Vermögen mehr Kräffte zueignete / als sie wesentlich wären; [1279] daher ihre Tochter die Hoffnung als eine grosse Verfälscherin der Wahrheit von der Keuschheit wol müste gemäßiget werden. Diese aber schien zu ihrer Ausübung Zeit zu bedürffen. Denn durch dieser ihre langsamen Umschweiffe ko t ein Vorsichtiger zu dem Mittel-Puncte einer erwünschten Gelegenheit; und auff dem langsamen Maul-Esel der Gedult weiter / als mit dem Renn-Thiere einer gähen Entschlüssung. Diesemnach er denn auff den Morgen die Gesandten bedeuten ließ: weil er nur auf eine zweytagichte Lust in diesen Garten kommen wäre; wolte er sie in seinem Königlichen Sitze hören; und noch selbigen Tag dahin aufbrechen; sie aber könten nach ihrer guten Gemächligkeit vor- oder nach reisen. Er verschaffte auch: daß auff ihren Befehl allerhand Vorgespan und Vorschub bey der Hand seyn / sie auch unter Weges wol unterhalten werden solten. Als die Cattische Herzogin den so schleunigen Aufbruch vernahm / verlangte sie beym Segesthes vorhero eine Unterredung. Dieser entschuldigte es auffs höflichste durch den Vorwand: Er wäre itzt nicht so wol als ein Hertzog der Chaßuarier / sondern als ein Gesandter des Kaysers dar; also müste er wegen der zwischen den Römern und Catten schwebender Mißhelligkeiten auch den Schatten aller verdächtigen Gemeinschafft von sich entfernen. Erdmuth verbieß diese schimpfliche Abweisung / und ersuchte ihn um der unter ihrem Schirm dahin gebrachten Fürstin Thußnelde Ausfolgung. Segesthes ließ ihr hönisch zu entbieten: Wie viel ihre angemaste Gewalt für der väterlichen einen Vorzug / und ob die Catten auch in dem Gebiete der Marckmänner zu befehlen hätten? Die um Thußnelden und den Hertzog Herrmann bekümmerte Hertzogin nahm zum Könige Marbod hiermit ihre Zuflucht; und weil er ihr und ihrer gantzen Gesellschafft nicht nur ein sicher Geleite ertheilet / sondern auch vollkommenen Schutz in seinen Ländern versprochen hätte; möchte er die vom Segesthes eigenmächtig geschehene Entwehrung Thußneldens durch dieser ihrer so werthen Base Befreyung wieder ergäntzen. Marbod hingegen schützte hierwieder für: Alles / was in der Gesandten Häuser käme / oder seine Zuflucht dahin nehme / wäre nichts minder / als sie selbst und ihre Gefärthen heilig und unversehrlich; also: daß auch die ärgsten Missethäter mit Gewalt aus solcher Verwahrung nicht gezogen werden könten; in dem ieder Gesandte seines Fürsten Antlitz / sein Hauß seines Königs Hof fürbildete; und durch die einmahl beliebte Annehmung der Botschaft ausser dem Gerichts-zwange desselben Fürsten / zu dem die Gesandtschafft käme / gleichsam durch eine still schweigende Handlung Vermöge des Völcker-Rechts gezogen würde. Ja wenn er auch kein Gesandter wäre / könte mit Fug kein Mensch ihm seine eigene Tochter entwehren; als über welcher Leben und Todt nichts minder die Deutschen / als die Perser und Römer unverschrenckte Gewalt / und in ihren Häusern das peinliche Recht zu hegen Macht hätten. Insonderheit aber wären die Väter bey denen Ebreern und andern Völckern der Kinder Gelübde zu zernichten befugt. Hingegen hätte die Fürstin Erdmuth zu seiner flüchtigen Tochter keinen rechtmäßigen Anspruch; sondern sie zielte nur sie demselben in die Hände zu spielen; welchen er zu seinem Eydame nimmermehr belieben; sondern ihr vielmehr die Kehle selbsthändig abschneiden würde. Die Cattische Herzogin führte hierwieder zwar aus: daß Thußnelde weder eine Gefärthin der Gesandtschafft wäre / noch sich dahin geflüchtet hätte; wiewol auch derselben Häuser sonder ausdrücklicher Abrede keine Freystädte den Flüchtigen abgeben könten. Segestes hätte durch Gewalt-That Thußneldens sich bemächtigt; daher könte sie auch mit Gewalt ihm genommen werden. Denn der sonst unversehrlichen Gesandten Thätligkeit könte man durch Beschütz- und [1280] Abnehmung des Raubes gar wol begegnen / ja sie gestalten Sachen und anderer Völcker Beyspiele nach gar tödten. Segesthens angeführtes absondere Vater-Recht gienge eine eintzele Person an / und käme wieder das allgemeine Recht der Fürsten und Völcker in kein Ansehen. Wiewol jenes auch wieder Thußnelden / die bereit zu ihrem Verstande / und fürlängst ausser seinem Hause und Brodte kommen wäre / so genau nicht ausgeübet / noch ihr einiger Heyraths-Zwang aufgedrungen werden könte / sonderlich / weil Thußnelde niemanden in Segesthens Hauß eindringe / dieser auch ihr Gelübde gebilliget; Marbod aber noch für Annehmung der Römischen Botschafft ihr und darunter Thußnelden Schirm und Sicherheit versprochen hätte. Beydes hörte König Marbod zwar ausführlich an; aber bey der über Thußneldens Zustande erwachsenden Berathschlagung hatte er seine eigene Vergnügung zum vornehmsten Absehen. Weil nun Segesthes sich bereit so weit heraus gelassen hatte: daß Thußnelde sich einem ihm unbeliebigen Eydame zu vermählen vorhätte / hielt er das von der Hertzogin Erdmuth angegebene Gelübde der Keuschheit nichts minder / als die schon verrathene Standes-Niedrigkeit für einen blauen Dunst; führte derohalben den Fürsten Segesthes in einen annehmlichen Spatziergang; hielt ihm ein die Wichtigkeit der von der Cattischen Hertzogin angezogener Gründe; und wie er Vermöge seines ihr ertheilten sichern Geleites auf allen Fall sie in den ersten Stand zu setzen gezwungen werden würde. Weil er aber ihm / als einem so grossen Fürsten nicht gerne weh thun / noch der Römischen Gesandschafft bey vorhabender neuen Bündnüs einigen Argwohn seiner Abneigung verursachen wolte; traute er es bey der Hertzogin zu vermitteln / hielt es auch der Billigkeit zu seyn: daß Thußnelde seiner Verwahrung biß zu Ausmachung des Haupt-Streites überlassen würde. Er gebe ihm hiermit sein Königliches Wort: daß er Thußnelden keinem / welchen Segesthes zum Eydame verschmehte / ausfolgen lassen wolte. Segesthes / nach dem er etliche mahl im Garten nachsinnende auf- und abgegangen war / erklärte sich Marbods Vorschlag anzunehmen; und als er durch seine Tochter Adelgund eben diß der Cattischen Hertzogin vortragen ließ; erhielt sie gleicher Gestalt ihre Genehmhabung; weil sie Thußnelden nirgends /als in der Gewalt ihres Vaters unsicherer zu seyn schätzte. Marbod ward über dieser fast unvermutheten Einwilligung höchst vergnügt; nahm also die hierzu nicht unwillige Thußnelde in seine Gewehr / und in seiner Begleitung auff ein an dem Fluße Caßurgis bey Marbods-Stadt auf einem steilen Felsen liegendes Schloß; welchem nicht nur die Römische Gesandschafft / sondern auch die Cattische Hertzogin folgte. Segesthes trug bey der Verhör im Nahmen des Kaysers dem Könige ein Bündnüs zu Beschirmung ihrer Länder wieder alle künfftige Feinde an; und fieng darbey an: daß Marbod kein grösser Merckmaal seiner zu den Römern tragender Neigung an Tag geben könte; als wenn er ihm als ein einem Römischen Bunds-Genossen seine Tochter / und hierdurch zugleich dem Tiberius seine Braut ausfolgen liesse. Marbod verordnete etliche seiner Räthe mit der Botschafft hierüber ausführlich zu handeln. Inzwischen reitzte er nichts desto weniger die Pannonier und Dalmatier mit Versicherung seiner Hülffe zum Aufstande wieder die Römer an. Die Fürstin Thußnelde ließ er inzwischen auffs herrlichste in der Gesellschafft seiner Tochter Adelgund bedienen; und gegen Segesthen bezeigte er eine absondere Gewogenheit. Nach dem er ihm eine feste Einbildung seiner Freundschafft nach und nach eingepregt hatte; nahm Marbod Segesthen einsmahls nach der Abend-Mahlzeit / als er ihn in gar guter Laune [1281] und von dem Weine so viel freyern Gemüthes zu seyn vermeinte / bey der Hand / führte ihn an ein Fenster des Schlosses / daraus man bey nahe das halbe Königreich der vertriebenen Bojen übersehen konte. Hierauff lobete er Segesthens hohe Ankunfft / seine unvergeltbare Freundschafft / die er den Römern geleistet hätte; und daß er ihm für sie ein neues Bündnüs zu wege zu bringen so sehr angelegen seyn liesse. Alleine ihn bedünckten schon seine Wolthaten grösser zu seyn / als sie ihm vom Kayser vergolten werden könten. Wenn man aber diese so hoch brächte / würden sie ins gemein mit Haß belohnet /oder gar als Laster verdammet. Diese schädliche Würckung wäre den Römern nichts seltzames / als welche mehrmahls ihre eigene Erhalter ins Elend gejagt / oder gar von Felsen gestürtzt hätten. Oder /wenn sie es am besten meinten / zahlten sie ihre grösten Gläubiger mit einem Eich- oder Lorber-Zweige; mit einem gemahlten Rocke / oder einem beinernen Stabe. Denn in ihren Schatz-Cammern wäre diß ihr gröstes Haupt-Gut: daß sie einer Hand voll Rauch einen unschätzbaren Werth zueigneten. Fürnehmlich aber schienen sie es mit dem Segesthes derogestalt zu spielen; welchem sie die deutsche Feld-Herrschafft mit so grossen Betheuerungen versprochen / mit so leichtem Undanck hinterhalten; ja den ihm so abholden Herrmann zeither gleichsam auff den Händen getragen / und dem Segesthes zum Gegen-Gewichte gemacht hätten. Er hingegen könte den Quadischen König Vannius zu einem Beyspiel seines danckbaren Gemüthes der gantzen Welt fürstellen. Sie wären beyde Deutschen; diesen aber möchte man mehr Gutes zutrauen / wenn man mit ihnen kriegte / als den Römern / wenn man schon ihr Bunds-Genosse wäre. Weil der Römer Freundschafft nun so verdächtig /ihre Treue so ungewiß / und ihr Absehn so veränderlich wäre; stünde er billich an sich durch Bündnüße mit dem Kayser / sonderlich aber mit dem gefährlichen Tiberius zu vertieffen; er würde auch bereit den Silius und Stertinius gar schlecht abgefertigt haben; weñ er nicht Segesthen / als einem deutschen Fürsten / bessere Begegnung / als den Römern / die vorhin ihr feindselig Gemüthe gegen die Marckmänner hätten blicken lassen / schuldig wäre. Diesemnach wäre er zwar geneigt mit den Römern in Ruhe / nicht aber ihnen durch Bindnüs verbunden zu leben; welches letztere er mit dem Segesthes und seinen deutschen Bunds-Genossen auffs festeste zu schlüssen erböthig wäre; ihn versichernde / daß er sein Haupt nicht sanffte legen wolte / biß Segesthes in dem übrigen Deutschlande zum Feldherrn erkoren; und dardurch ihr Vaterland in Eintracht / und ausser der Ausländer Gefahr / sein Fürstliches Hauß aber in den alten Glantz versetzet seyn würde. Segesthes solte hierbey vernünfftig unterscheiden: daß man von guten Worten sich nicht sättige; denn sie bestünden in einem blossen Athem; und von Höfligkeit nicht lebte; denn sie wäre ein zierlicher Betrug. Mit dem scheinbarsten Lichte bländete man das Geflügel / welches man berücken wolte. Daher wäre es zwar böse einem nicht gute Worte geben; wenn schon die Wercke nicht böse wären; aber es wäre viel ärger: daß gegen ihn die Römer keine böse Worte ausliessen; ihm aber auch nichts gutes thäten. Das beste hingegen wären rechtschaffene Wercke / wenn man nicht viel Werckes oder Großsprechens davon machte. Dieses letztere versicherte er ihn auf Deutschen Treu und Glauben; und hiermit tranck er Segesthen eine Kristallen-Schale mit Weine zu; diese Betheuerung beysetzende: daß er in diesem Glase ihm sein halbes Hertze und seine vollkommene Freundschafft überliefferte. Segesthes / dem diese Gemüths-Ausschüttung dienliches Wasser auff seine Mühle war / hörte den König mit grosser Vergnügung / und nahm sie an mit aller Ehrerbietung; ja mit einer erfreuten [1282] Umarmung. Er bekennte: daß die Römer ihn zeither freylich mit Winde gespeiset und mit leeren Vertröstungen geäffet hätten. Ja seine durch den Wein so viel mehr begeisterte Treuhertzigkeit ließ sich deutlich heraus: daß er den Römern selbst eine geraume Zeit nicht allerdings getraut hätte; und kein grösseres Glücke ihm zuwachsen könte; als wenn er sich auf die Achsel eines so mächtigen deutschen Fürsten lehnen / also den gefährlichen Rohrstab ausländischer Macht nicht mehr zu seiner Stütze wieder die ihm gehäßigen Cherusker / als derer Hertzoge er seine wiederspenstige Tochter Thußnelde ein für alle mahl nicht vermählen könte / brauchen dörffte. Er hätte diese dem Tiberius wol verlobet; aber nicht nur Thußnelde hassete ihn ärger / als Spinnen; und der Kayser selbst bezeigte über des Tiberius Fürhaben nicht schlechten Unwillen. Hiermit wäre auch alles diß / was man ihm zu Rom versprochen / stecken blieben. Gleichwol aber wäre die Macht der Römer so groß: daß man ihre Feindschafft zu verhüten alles eusserste thun müste. Diesemnach er zwar dem Könige Marbod hiermit die Hand reichte alles das / was er verlangte / einzugehen. Nach dem aber Boßheit und Klugheit die zwey Bots-Leute der gantzen Welt wären / erinnerte sie diese jener Fallstricken behutsam fürzubeugen. Insonderheit hätten sie nöthig auch ihre Gedancken in ihrem Hertzen so enge zu verschlüssen: daß zu sagen kein Schweiß-Loch offen bliebe / wordurch sie eusserlich herfür dringen könten. Augen und Gebehrden wären Verräther der Seele; Silius und Stertinius aber verschlagene Auskundschaffter der Gedancken. Daher müsten sie am wenigsten mercken lassen / was sie am sehnlichsten verlangten. Und es möchten die Sitten-Lehrer die Heucheley für ein Laster schelten / wie sie wolten; so wäre sie doch der Staats-Klugheit eine grosse Tugend; und dieselbte Lufft / wormit die Fürstliche Gewalt sich nicht anders / als ein Kameleon nährete. Hierbey liessen sie es beyde dißmahl beruhen; nur: daß sie noch unterschiedene Schalen einander zutrancken / und dardurch ihre Verträuligkeit bestärckten. Marbod ward insonderheit hoch vergnüget: daß er Segesthen nicht nur / wen Thußnelda zu heyrathen verlangte / heraus gelocket; sondern auch über sein Hertz einen ziemlichen Vortheil erlangt hatte. Folgenden Morgen aber / als Marbod bey Segesthen im Zimmer war / sagte man dem Könige an: daß in der Elbe ein Stier ungewöhnlicher Grösse gefangen / und selbter des Nachts in einem Netze auff dem Flusse Cassurgis biß an die steinerne Brücke geflöst worden wäre. Diese Seltzamkeit gab ihm Anlaß nicht allein Segesthen / den Silius und Stertinius dahin zu leiten; sondern er ließ auch seine Tochter Adelgund die Fürstin Erdmuth und Thußnelden dahin führen. Der aus dem Wasser gezogene Fisch übertraff an Grösse aller Einbildung; denn er war neun Ellen lang. Marbod befahl hierauf dieses neue Wunder auffzuhauen; bey dessen Erfolg denn ein güldener Arm-Ring in dem Bauche des Stiers gefunden ward. Jedermann ward hierüber sorgfältiger als die Einwohner auf dem Eylande Chios / nach dem die Fischer einen güldenen vom Vulcan gemachten Dreyfuß aus dem Meere zohen. Marbod alleine stellte sich anfangs bekümmert / und vermeldete: Nach dem er der Fürstin Thußnelde des Polycrates Ring verehret /schiene das Glück durch Erstattung eines andern eben so gefährlich / als mit dem Polycrates zu spielen; welchem der König in Egypten bey der auf gleichmäßige Art geschehenden Wieder-Erlangung seines in die See geworffenen Ringes den Untergang allzuwahr gewahrsagt hätte. Segesthes hingegen nahm den Ring in die Hand / und nach dem er selbten auffs genaueste betrachtet hatte; fand er auf dem eingefasten grossen Rubine das Bojische Wapen / nehmlich einen aufgelehnten Löwen / und [1283] des ersten Bojischen Königs Siegfests Nahmen; um den Ring inwendig ins Gold aber folgende Worte in der Gallier Sprache eingegraben: Wenn die Elbe dieses von dem sterbenden Siegfest ihr gewiedmetes Opffer dem ersten Könige der Marckmänner wieder geben wird; beschencket ihn die Emß mit einer zweyfach-verlobten Braut; das Verhängnüs aber mit einer glückseligen Mutter / mehr als hundert tapferer Reichsfolger. Jederman hörte mit grosser Verwunderung Segesthens aus dem Ringe gelesene Worte; Marbod selbst stellte sich als ungläubig an; biß er solche gleichfalls gelesen; und ward dieser Ring allen Grossen / ja auch der Fürstin Erdmuth und Thußnelde gegeben diese wunderwürdige Wahrsagung anzuschauen; welche die einige war / die diese für einen künstlichen Betrug des Marbods hielt; und als die unzehlbare Menge der zugelauffenen Marckmänner hierüber jauchzete / auch zu Freuden-Feuern und andern Lustbezeigungen allerhand Anstalt machten / in grosse Schwermuth verfiel; weil sie sich nun auffs neue eines gefährlichen Liebes-Sturmes besorgte. Marbod und seine grossen Gäste kamen hierauf wieder auffs Schloß; uñ wormit er dieses Ringes ebentheuerliche Wahrsagung so viel mehr bestärckte / ließ er aus seinem Schatze einen andern Ring herbey bringen; welchen der letzte Bojische König ebenfalls aus einem in dem Flusse Caßurgis gefangenem Fische geschnitten hatte. Derselbe Ring hatte eben so wol König Siegfests Wapen / Nahmen und diese Worte in sich: Als die Bojen hier festen Fuß setzten; empfieng der Fluß dieses Geschencke; giebt es auch nicht ehe als bey ihrer vorstehenden Entfernung wieder. Die Anwesenden wurden hierüber noch mehr verwundernd; weil dieses letzten Ringes Wahrheit allbereit durch die Austreibung der Bojen bestetigt ward. Silius fürnehmlich konte beyde Ringe nicht genungsam betrachten; und vermeldete: daß er nunmehr der Lycier Gewonheit von den Fischen künfftige Dinge zu erforschen nicht unbilligen könte; und in seiner Meynung so viel mehr bestärcket würde: Es hätten die von der Eitelkeit gereinigten Gemüther der Menschen eine Krafft noch weit entfernete Zufälle vorher zu sehen. Ja er hielte den zu Capua etliche Monat für des Kaysers Julius Ermordung gefundenen Grabestein des Capys; darauff sein Tod bey Ausgrabung seiner Gebeine bestimmet war / nicht für eine Erfindung des Brutus oder Caßius. Hierauff ward der Tag mit einem prächtigen Mahle und allen ersinnlichen Luftbezeigungen hingebracht; ja folgende Nacht sahe man viel Meilen im Umkreiße die Berge mit spielenden Lust-Flammen gekrönet. Der Tag war kaum angebrochen / als die anwesenden Reichs-Stände den König Marbod durch zwölff Gesandten um Beschleunigung der vom Verhängnüße gleichsam anbefohlenen Heyrath anfleheten. Worauf er sich deñ zum Segesthes verfügte / ihn des gefundenen Ringes erinnerte / ihm auch vorstellte: wie dessen Wahrsagung augenscheinlich auf seine und seiner an der Emß gebohrnen Tochter Heyrath zielte. Wormit auch kein Mensch an dieser Auslegung zweiffelte: hätte das gütige Verhängnüs es so wunderlich geschickt: daß Segesthes selbst zum ersten diesen Göttlichen Befehl zu Gesichte bekommen / und ihm andeuten müssen. Beyder Hertze hätte ihnen schon bey der vorgestrigen Verträuligkeit gesagt; und ihre Gemüther durch einen geheimen Magnetzug dahin geleitet; wohin sie das Verhängnüs nunmehr mit dem Finger wiese. Weil nun kein kräfftiger Siegel ihrer Freundschafft / als die Vermählung seiner Tochter seyn könte; Gott auch [1284] solche zu einem Grund-Steine des Glückes für sein Königreich / und zu einer Wurtzel seines Königlichen Stammes bestimmt hätte / versehe er sich: daß Segesthes ihm mit geneigter Hand das Kleinod überreichen würde; Welches der Himmel schon zu seinem Eigenthume außersehen hätte. Segesthes gab seine Willfährigkeit ehe mit seinen Augen / als mit der Zunge dem Marbod zu verstehen. Denn sein Ehrgeitz / welcher ihm / als einem Anherrn so viel Marckmännische Könige als Enckel fürbildete; und der bey ihm eingewurtzelte Aberglauben wegen des Ringes hatte sein Gemüthe so verfinstert: daß er kaum an Hertzog Herrmanns zu Thußnelden habendes Recht / noch an sein dem Tiberius gethanes Versprechen / am wenigsten aber an die von beyden bevorstehende Gefahr gedachte. Diesemnach er denn dem Könige also fort Thußnelden sonder einige Bedingung versprach; und auf Marbods Gutbefinden seiner Tochter Einwilligung / jener aber durch den Silius vom Kayser / oder vielmehr dem Tiberius die Begebung seines Anspruchs an Thußnelden zu wege zu bringen übernahm. Segesthes gieng also in das Zimmer Thußneldens / berührte anfangs überhin diß / was mit ihr wegen Ehlichung des Tiberius für gegangen wäre. Hernach fuhr er fort: Es entschuldigte das Verhängnüs selbst ihre Wiederspenstigkeit; in dem diß gestern ihn und sie an den König Marbod verwiesen; welcher mit samt seinen Reichs-Ständen diesen Morgen schon um ihre Heyrath geworben hätten. Das Glücke mit einem so mächtigen Könige vermählet /und eine Beherrscherin so vieler Völcker zu seyn /überstiege schier seinen Wunsch / und vermuthlich ihre selbsteigene Hoffnung; also zweiffelte er nicht: daß sie mit beyden Händen annehmen würde / was zehn ihres gleichen zu vergnügen genung wäre. Nicht so wol er / als der Himmel wäre der vermählende Vater; und die Göttliche Versehung führte sie zum Könige Marbod ins Braut-Bette. Dem Verhängnüße wiederstreben wäre vergebene Arbeit; weil es den mit den Haaren nachzüge / welcher ihm nicht freywillig folgte; und daher in seine anleitende Fußstapffen zu treten / die höchste Klugheit. Thußnelde fiel Segesthen mit thränenden Augen zu Fuße; danckte ihm für seine wolgemeinte Vorsorge; und daß er die dem Verhängnüsse selbst wiedrige Heyrath des Tiberius nunmehr erkennte / auch ihre Entschuldigung mehr für kein Laster hielte. Aber auch Marbods könte GOtt nicht gefällig seyn: weil dardurch die nichts minder vom Segesthes als ihr dem Hertzog Herrmann so betheuerlich gelobte Ehe zerrissen werden wolte. Der aus dem Fische geschnittene Ring wäre ein Betrug des Marbods / und kein Wunder-Zeichen des Verhängnüßes; mit dessen Lichte die Finsternüs seines boßhafften Gemüthes erleuchten wollen / ärger wäre / als die Boßheit selbst. Denn es wunderte sie nur / wie niemand aus so viel klugen Leuten die Falschheit der Gallischen Schrifft / wie sie / wahrgenommen hätte; nach dem die Bojen zu Zeiten König Siegfests nicht die itzige Sprache der Gallier; sondern der Celten; auch nicht glatte / wie im Ringe / sondern gebrochene Buchstaben gebraucht hätten. Daher flehete sie ihn wegen des heiligen Verhängnüßes / welches den ihr Gewalt zu thun vorhabenden Marbod schon durch einen Natterbieß abgewiesen hätte / demüthigst an: er möchte sie dieser einmahl zu belieben unmöglichen Heyrath überheben. Segesthes veränderte hierüber unterschiedene mahl Farbe und Gebehrden; begegnete ihr daher mit ziemlicher Hefftigkeit: Sie solte ihr den thummen Wahn mit der unvernünfftigen Liebe des Herrmanns nur als einen eitelen Traum aus den Augen streichen; und in Auslegung des Wunder-Ringes sich nicht klüger / als so viel scharffsichtige [1285] Leute zu seyn; oder: daß das Verhängnüs nicht solche Wunderdeutungen in eine mehr leßbare Schreib-Art den Menschen zum besten verwandeln könte / bedüncken lassen. Allzu genaue Scharffsichtigkeit in überirrdischen Dingen würde zur Blindheit / und Unglaube zum Fall-Brete. Denn weil das Verhängnüs allezeit seine verborgene / das Glücke seine absondere Ursache hätte / müste man sich nicht zu sehr auff das Absehen der Vernunfft / und die Klugheit scheinbarer Rathschläge stämmen. Das Verhängnüs wäre die weiseste Richtschnur; und das Glücke die vorsichtigste Wegweiserin unsers Thuns; die wo man weder vor / noch hinter sich gewüst / durch Felß und Wellen eine Ausflucht eröffnete. Dahingegen unsere Anschläge querwegs lieffen / und die gewissesten Dinge krebsgängig würden; weil jene die Vermessenheit menschlicher Rathschläge auffs grausamste zu straffen ihr für Ehre / und das Verhängnüs der wachsamsten Sorgfalt überlegen zu seyn für ihre Eigenschafft hielte. Diese Strengigkeit solte Thußnelde / da sie ihr Glück und die väterliche Gewogenheit nicht mit Füssen von sich stossen wolte / wol erwegen; und an dem Könige Marbod behertzigen: daß in der Welt niemand so elende wäre / der nicht am Himmel seinen Glücks-Stern stehen hätte: am Herrmann aber: daß die Thorheit selbten offt verkennte; oder die Hartnäckigkeit mehrmahls das regnende Sieben-Gestirne mit der heiteren Venus verwechselte; oder gar einen Irrwisch für einen Leit-Stern erkiesete. Weil nun einen blinden auff seinem Irrwege zu lassen eben so unverantwortlich als eigene Thorheit wäre; müste er / als Vater /end- und ernstlich befehlen ihr Gemüthe zum Gehorsam; und ihr Vorhaben zu der nur wenig Tage auffschieblichen Hochzeit zubereiten. Die biß in die innerste Seele bestürtzte und halb-verzweiffelte Thußnelde antwortete Segesthen nun nicht mehr mit voriger Demuth; weil das Gewölcke ihrer Bestürtzung das Licht ihrer Vernunfft mercklich vertunckelte: Ich bin schon bereitet zu sterben; meine Lebens-Zeit aber ist mir viel zu enge: daß ich mich einen Königs-Mörder zu ehlichen geschickt machen könte. Ich wil sterben; ehe ich eine Eydbrüchige gegen den tugendhafftesten Hertzog der Cherusker; und eine Magd eines Wütterichs seyn wil. Ich wil sterben / und mit meinen von aller andern Schuld reinen Händen nur wieder mich Grausamkeit üben lassen / wormit ich sie zu keinem Werckzeuge der Untreue brauchen dörffe. Seiner Freyheit sich enteussern ist viehisch; sie ihm aber nehmen lassen / knechtisch. Wer sich des Lebens halber zum Sclaven machen läst; versteht nicht: daß die Dienstbarkeit ein todtes Wimmern / kein Leben sey. Wer nicht für Ruhm schätzt sein Leben zu verschwenden um die Tugend nicht einzubüssen; hat weder Ehre noch Leben in sich. Daher werde ich ehe aufhören Segesthens Tochter / als Hertzog Herrmanns Braut und Liebste zu seyn. Mich vergnüget schon: daß es rühmlicher ist eines solchen Heldens Gemahlin zu werden würdig / als es würcklich seyn; ja / daß es besser ist durch den Tod seine Braut zu seyn aufhören; als durch Ehlichung eines andern sich unwürdig machen im Leben seine Braut zu seyn. Segesthes ward über diesen letzten Worten so erbittert: daß er den Degen zückte / und Thußneldens Vater zu seyn vergessen hätte; wenn nicht die aus dem Neben-Gemache hervortretende Fürstin Erdmuth ihm in die Armen gefallen / und durch ihre Leitseligkeit diese trübe Wolcke zertrieben hätte. Gleichwol rieß er sich voller Zorn aus dem Zimmer; und erwartete mit Ungedult Marbods in dem Seinigen; welcher endlich kam und erzehlte: daß Silius an des Kaysers Genehmhabung der zwischen ihm und Thußnelden angezielten Eh nicht zweiffelte; weil er bald anfangs des Tiberius Heyraths-Werbung zu wieder gewest wäre; und die Staats-Klugheit für rathsamer hielte mit seinem Unvergnügen [1286] ein vortheilhafftig Bindnüs erlangen; als mit seiner Ergetzligkeit ihm einen mächtigen Feind erwecken. Heyrathen wären Vermählungen der Bürger / Bündnüße aber der Fürsten. Stertinius hingegen / als ein Schoß-Kind des Tiberius / hätte hierüber viel Schwerigkeiten erreget / und dieses Werck sehr weit geworffen. Nichts desto weniger hätte er ihm rund ausgesaget: daß / weil Thußnelde dem Tiberius niemahls ihr Wort gegeben / hätte er kein Recht / weniger aber ein solches zu ihr / wie der Vater und das Verhängnüs; ja seine eigene Königliche Macht und der würckliche Besitz Thußneldens ihm zueignete. Also müste er geschehen lassen / was Tiberius für Empfindligkeit zu Rom hierüber schöpffen möchte; wie hingegen dieser ihm nicht wehren könte; was er in seinem Gebiete für gut befindete. Jedoch wolte er nicht gerne mit den Römern zerfallen; weil doch die Freundschafft zwischen denselben am beständigsten wäre / die ihre Kräfften noch nie gegen einander versucht hätten. Segesthes hingegen erschreckte den Marbod überaus; als er ihm Thußneldens beharrliche Wiedersetzligkeit / und den Vorsatz ehe zu sterben /als den Hertzog Herrmann zu lassen eröffnete; und zugleich einrieth selbter durch enge Bestrickung sich so viel mehr zu versichern / und durch Schärfe andere Gedancken in Kopff zu bringen. Sintemahl doch der Zwang das beste Versicherungs-Mittel wäre; und ein zweiffelhaffter Zweck ehe durch eusserste Entschlüssung / als mitlere Rathschläge erreichet würde. König Marbod aber / welcher behertzigte: daß allzu grosse Schärffe nur eine Gebährerin der Verzweiffelung /und eine Stieff-Mutter der Liebe sey / wolte sich so bald hierzu nicht entschlüssen / sondern setzte Segesthens Meynung entgegen: daß ihre Wiedersetzligkeit zwar dem Hertzog Herrmann und seinen Verleitungen / Thußnelden aber selbst eben so wenig beyzumässen sey / als der Salbey die Tödligkeit / welcher heilsame Blätter die Kröte vergifftet hat. Und weil der Eigenschafft der Liebe nichts mehr / als die Würckungen des Hasses / nehmlich Gewalt und Grausamkeit zu wieder; die unzerbrechlichen Felsen / welche Hammer und Feuer nicht nachgeben / vom linden Regen ausgewaschen / und durch ein hanfenes Seil abgenützt werden; traute er ihm durch gelinde Mittel mehr / als durch Hefftigkeit auszurichten. Denn das weibliche Geschlechte wäre nicht nur so schön; sondern entzündete auch das männliche wie das Feuer; ja es vermöchte Länder und Städte einzuäschern; Daher müste man auch mit selbtem so behutsam / als mit der Flamme umgehen. Es hätte nichts minder Rauch als Licht; dieses leuchtete denen Behutsamen / jener aber schlüge denen Unvorsichtigen in die Augen / und preste ihnen Thränen aus. Jenen wäre Glut und Liebe eine lebhaffte Wärmde / diesen eine tödtende Einäscherung. Massen denn auch König Marbod die Anstalt machte: daß folgenden Tag fünff und zwantzig Ritter im Namen der Marckmänner und anderer zwischen der Elbe und Weichsel ihm gehorchender Völcker Thußnelden eine Königliche Krone und vier und zwantzig Fürsten-Hüte zu ihren Füssen legten / sie anflehende: daß sie ihre Frau und Beherrscherin zu werden solche nicht verschmähen möchte. Thußnelde hörte diese Gesandschafft zwar mit bestürtztem Gemüthe / und sahe diese Geschencke mit einem verächtlichen Auge an; beantwortete sie aber mit einem freundlichen Munde: Sie wäre nicht aus der Lehre derselben gramhafften Weltweisen; welche Kron und Zepter als ein verdammliches Ding von sich stiessen /und in einem geflickten Bettlers-Mantel oder Wein-Fasse ihre Ehrsüchtige Demuth versteckten; sondern sie schätzte die Ehre so vielen Völckern fürzustehen für eine danckwürdige Gabe des Verhängnüßes / ja für eine halbe Vergötterung; weil Fürsten gleichsam ein Mittel-Ding zwischen GOtt und den [1287] Menschen wären / und mehr / als viel tausend Niedrige Gutes stifften könten. Aber die Ruhe des Gewissens wäre ein so köstlicher Schatz: daß alles Kronen-Gold der Welt gegen ihr Bley / und alle Edel-Gesteine für Bohnen zu halten wären. Jenen Schatz aber müste sie wegstossen / wenn sie diesen aufhiebe; Da doch jener Verlust auch dem Feinde nicht zu gönnen wäre; diesen aber viel verschmehet hätten / die ihn gleich mit Rechte zu besitzen vermocht. Sie wüste wol: daß einige das Unrecht für ein der Herrschafft nicht unanständiges Ding und so gar Meineyd für zuläßlich hielten. Alleine diß hiesse GOtt spotten / die Gerechtigkeit zur Eule machen; und den Diebstahl eines Stockes verdammen; eines Königs-Stabes aber billichen. Daher solten sie ihr verzeihen: daß sie ihnen und diesem Gepränge den Rücken kehren müste. Denn sie wäre entschlossen ihr Antlitz ehe dem Tode / als dem Könige Marbod und seiner Krone zu zuwenden. Mit welchen Worten sie auch sich in ihr innerstes Zimmer zurück zoh. Kurtz darauff kam die Fürstin Adelgund und setzte Thußnelden mit allen ersinnlichsten Liebkosungen zu: daß sie die Mutter-Stelle so wol über sie / als so viel sie anbetende Länder zu führen sich erbitten lassen möchte. Thußnelde hingegen verzuckerte ihr Nein einer wunderwürdigen Anmuth: und schloß: Sie könte auff diese Art ihre Mutter nicht seyn; sonder vorher ihre Selbst-Mörderin zu werden. Sintemahl die / welche der Tugend sich enteusserten /nicht lebendig / sondern nur umgehende Leichen wären; und Hertzog Hermann / in dem sie mehr / als in ihr selbst lebte / nicht würde können ihre Untreue vernehmen und unentseelet bleiben. Seiner Tochter Adelgund folgte König Marbod auf dem Fusse / und drückte seine Liebe mit so grossen Versprechungen aus: daß aller anderen Frauen-Zimmer Hertzen / ausser Thußneldens / hierdurch hätten können bewegt werden; welche aber ihm mit der höchsten Bescheidenheit das unauflößliche Band zwischen ihr und dem Cheruskischen Hertzoge / und die Ermessung seiner besorglichen Empfindligkeit aus Marbods eigener Liebes-Hefftigkeit einhielt; und nach dem sie wahrnahm: daß Marbods großmüthiges Hertze ehe mit vernünfftigen / als eussersten Entschlüssungen zu lencken wäre; heuchelte sie ihm mit diesem Schlusse /über welchen er ihr nichts ferners zumuthen solte: Wenn sie nicht den Fürsten Herrmann liebte / wolte sie keinen andern als Marboden heyrathen. Als nun aber etliche Tage nach einander diese und viel andere Zusetzungen von ihr nicht anders / als die Wellen von einem unbeweglichen Felsen zurück prellten; machte sich der ergrimmte Segesthes mit dem letzten Sturm an sie; und nach dem er in hundert beschwornen Dräuungen ihr Laub und Graß versagt hatte; schloß er: Du hast nunmehr die Wahl / entweder in einem Königlichen Bette zu schlaffen / oder im stinckenden Kercker zu verfaulen. Thußnelden flossen anfangs die Thränen als eine Bach aus den Augen; gleich als wenn die / welche der Uhrsprung ihrer Liebe gewest /nunmehr ein Spring-Brunn ihrer Schmertzen seyn solten. Hernach aber versiegen sie auff einmahl; entweder weil ihr Hertzeleid schon alles Wasser in ihr erschöpfft hatte / oder der trockene Schmertz hefftiger als der nasse ist; in dem durch seine Ubermaaß sich diese trübe Flut nicht anders als etliche andere Wasser zu versteinern pflegte. Endlich fieng sie nach etlichen tieffen Seuffzern bey Segesthens Beschlusse diese durch stetes Hertz-Klopffen mehrmahls unterbrochene Worte an: Ich erkiese mir nicht allein den Kercker und den Tod / sondern dancke auch darfür als eine väterliche Mitgifft. Denn ein tuhendhafft Gemüthe läst ihm lieber die Uberbleibung seines Lebens abstricken / welche ohne diß ungewiß / und ins gemein nicht gar lang ist; als daß es durch ein schimpfliches Leben das [1288] gröste Theil seines hinterlegten verunehren solte. Und es ist viel ärger / um den Tod zu vermeiden / also leben: daß man des Lebens nicht würdig ist; als dem Tode selbst in die Armen rennen /wenn man nur den Ruhm verläst: daß man länger zu leben würdig gewest wäre. Sintemahl ohne diß das Glücke beneidet / die Lebenden gescholten werden; die Unglücklichen aber Mitleiden / die Todten Ehren-Seulen erlangen. Segesthes ward hierüber mehr / als vorher niemals entrüstet; uñ nach dem er seinen Degen halb ausgezogen / iedoch bald wieder stürmerisch in die Scheide gestossen hatte; brach er noch derogestalt aus: Du solst deine Hartnäckigkeit ärger /als du dir träumen läst / büssen. Denn wer seiner Gefahr spottet / dessen spottet sie bald wieder. Hiermit entbrach er sich mit höchster Ungedult aus dem Zimmer / und lag dem Könige Marbod an / ihm selbst zum besten die Cattische Hertzogin aus seinem Reiche / seine ungehorsame Tochter aber in ein strenges Gefängnüs zu schaffen. Beydes ward auch derogestalt in wenigen Tagen vollstreckt; in dem die Hertzogin Erdmuth biß an die Saale geführet / Thußnelde aber in ein unter dem Sudetischen Gebürge auf einem hohen Stein-Felsen gelegenes Schloß gantz einsam eingesperret ward. Von diesem / meldete die Gräfin von der Lippe / habe ich umständlichen Bericht geben können. Weil ich nun das Glücke hatte mit Thußnelden / wiewol nicht an einem Orte / eine Gefangene abzugeben; Die Unwissenheit aber bey niemanden vermuthlicher und verantwortlicher / als bey Eingekerckerten ist / als wird Fürst Adgandester den Verfolg so viel glaubhaffter nachtragen können. Dieser fand sich alsofort darein / und fieng an: Ehe Thußnelde noch so feste verschlossen ward / kam Tiberius nach Meyntz / Stertinius aber verständigte ihn alles / was sich mit ihr begeben hatte. Worauff Tiberius vom Könige Marbod zwar die Abfolgung seiner Braut höflich suchte; Segesthen aber einen nachdencklichen Dräu-Brieff schrieb; und im Fall er ihm nicht zum Besitz seiner Tochter verhülffe / ihm rund heraus sagte: daß er ihn nicht allein des geschenckten Landes zwischen dem Meyn / der Saale / und dem Brunnen der Weser an dem Gabretischen Gebürge /sondern auch seines an der Emß ererbten Hertzogthums entsetzen wolte. Segesthes / wie eiffrig er vor für König Marbods Heyrath gearbeitet / so bestürtzt war er itzt. Denn die hefftigsten Bewegungen der Begierden sind doch ein unfehlbares Kennzeichen der grösten Gemüths-Ohnmacht. Daher er entweder aus Furcht / oder wenigstens zum Scheine beym Marbod anhielt dem Stertinius und Silius / welcher nunmehr aus gleichmäßiger Furcht für den Tiberius reden muste / die ohne diß zu seiner Liebe allem Ansehen nach unbewegliche Thußnelde folgen zu lassen. Marbod aber antwortete ihnen ins gesamt: daß ein König /der ihm liesse den Purper seines Ansehens / und seine Braut abtrotzen / seine Schwäche zeigte / und Anlaß gäbe / ihn auch vollends seines Reichs / ja seines Lebens zu berauben. Sintemahl die Antastung seines Zepters nur die angenommene Hoheit eines Fürstens /ohne die ihrer so viel hundert tausend vergnügt lebten / die Bekränckung aber seines Hertzens ihn als einen Menschen beleidigte / welchen er nicht ausziehen könte. Weil er nun Thußnelden fahren zu lassen nicht verantwortlich / Stertinius aber anderer Gestalt etwas bündiges zu schlüssen nicht für thulich hielt / musten Segesthes / Silius und Stertinius nach etlicher Monate vergeblicher Handlung nur unverrichteter Sachen Abschied nehmen; wiewol Segesthes dem Tiberius nicht traute / sondern unter einem scheinbaren Vorwand seinen Weg durch das Land der Hermundurer zum Quintilius Varus einrichtete / um ihm selbten bey so verwirrtem Zustande zum Freunde zu machen. König Marbod / der bey solcher Beschaffenheit den Krieg mit den Römern für Augen sah / und nach der Richt-Schnur der Staats-Klugheit wol [1289] verstund lincks und recht zu seyn / auch mit zweyen Antlitzen vor und hinter sich zu sehen / kehrte nunmehr seine Deichsel gantz anderwerts hin; schloß noch selbigen Tag mit denen heimlich anwesenden Gesandten der Pannonier und Dalmatier das verlangte Bündnüs; und bewegte den Quaden-König Vannius zu einer ansehnlichen Kriegs-Bereitschafft. Hingegen schlieff Tiberius auch nicht / sondern stellte sich so wol selbst / als durch den Sentius Saturnin und Silius in gute Verfassung. Welche überaus grosse Krieges-Rüstung der Römer dem Quintilius Varus so viel mehr Gelegenheit gab die Cherusker / Bructerer / Sicambrer / Catten und andere Völcker zwischen dem Rhein und der Elbe auffs eusserste zu drücken. Sintemahl sie sich theils für der grossen Römischen Macht nicht rücken dorfften; theils ihre Ungedult verschmertzen musten / um dieses wieder den Marbod auffziehende Gewitter nicht ihnen auf den Hals zu ziehen. Insonderheit aber beseuffzete Hertzog Herrmann / dem die Fürstin Erdmuth Thußneldens Gefahr und Gefängnüs umständlich berichtet hatte / sein und seines Vaterlandes Nothstand. Wie er nun einst des Nachts diesen schwermüthigen Gedancken nachhieng / kam ein langer weisser Geist bey hellem Monden-Schein für sein Bette; ergrieff ihn bey der Hand / und redete ihn mit diesen gantz verständlichen Worten an: Es ist Zeit /Herrmann / daß du deiner ertrinckenden Thußnelde zu Hülffe kommst. Herrmann / der ohne diß etliche Stunden gantz wache war / und diß für keinen Traum annehmen konte; antwortete ohne Bedencken: Ich wils thun; stand auch von Stund an auff; nahm drey der bewehrtesten Ritter zu sich; und ritt mit selbten in Jäger-Tracht noch für Tage fort; nach dem er mich mit wenigen Worten zu seinem Stadthalter verordnete /und beredete: daß er in unauffschieblichen Reichs-Geschäfften den Hertzog Ingviomer ins geheim / und ohne des Quintilius Varus Vorbewust heimsuchen müste. Er lenckte aber bald gegen der Saale / allwo er sich und seine Gefärthen wie Marckmänner auskleidete. Keiner unter diesen wuste / wohin sein Anschlag wäre / ja Herrmann selbst nicht; in dem Vertrauen: daß weil der Himmel sein Auffwecker gewest wäre /würde er auch sein Wegweiser seyn. Zumahl ihm die Cattische Hertzogin zwar: daß Thußnelde auf einem Berg-Schlosse gefangen sässe / nicht aber den eigentlichen Ort zu wissen gemacht hatte. Herrmann setzte seinen Weg gleichwol durch das Gebiete der Hermundurer gegen Marbod-Stadt / allwo er etwas gewisses zu vernehmen hoffte / getrost fort. Also kam er an der Elbe nahe an das Sudetische Gebürge; und ob zwar in einem dicken Walde ihn ein erschreckliches Donner-Wetter überfiel / ließ er sich doch an der Reise nichts auffhalten. Denn ihm ahnte etwas ungemeines / und sein Hertz sagte ihm ein absonderes Ebentheuer wahr. Nach des gantzen Tages verdrüßlicher Reise brachte sie der Weg gerade an den Elbe-Strom; da sie denn theils der Mangel eines Abweges / theils die sie nunmehr überfallende stockfinstere Nacht an diesem Ufer zu bleiben nöthigte. Der offtere Blitz zeigte ihnen zwar auff der andern Seite des Flusses etwas Strom-auff ein hohes Gebäue; aber in Mangel der Schiffe konten sie dahin nicht gelangen; sondern die breiten Aeste etlicher dicken Bäume musten ihnen für ein Dach dienen. Das Gewitter schien fast gar verzogen zu seyn / als ein erschrecklicher Schlag / darvon nicht nur sie / sondern der Erd-Boden erbebte / in vorerwähntes hohe Gebäue in Gestalt einer langen Feuer-Seule einschlug; worauff denn alsofort der Himmel sich ausklärte / und der Mohnde ihrem Augenmaße nach über die Erde empor kam. Herrmann befahl hierauf seinen Gefärthen etwan einen andern Weg / oder eine Hütte zur Ubernachtung zu suchen. Wie er nun derogestalt gantz alleine an der Elbe [1290] saß / sahe er von ferne einen kleinen Nachen den Strom herab fahren; in Meynung: daß etwan seine Ritter einen Schiff-Mann zur Ubersetzung errufft hätten. Alleine / wie dieser Nachen kaum eines Bogen-Schusses von ihm war / stieß er so harte an einen entweder unter dem Wasser verborgenen Baum oder Felß / daß er sich umkehrte; und an statt: daß alles für seinen Augen verschwand / ihm nur ein einiger Gall ins Gehöre; und der ihm vorhin erschienene Geist ins Gesichte fiel; ihm zuruffende: Es ist Zeit / Herrmann / zu helffen. Dieser warff augenblicks seinen Rock von sich /sprang in den Fluß / und schwam gerade mitten in Strom; darinnen er denn also fort etwas / das selbter herab trieb / zu Gesichte bekam; also sich mit demselben armte / und ans Ufer brachte. Er hatte noch ein Stücke zu schwimmen / als seine drey Ritter mit etlichen in einer nicht ferne von der gefundenen Kohl-Hütte angezündeten Kyn-Höltzern zurück kamen /und ihres aus dem Wasser mit einem Menschen steigenden Hertzogs Zufall nicht begreiffen konten. Herrmann / welcher bereit wahr genommen hatte: daß seine Beute zwar ein Weibes-Bild / aber ohne Regung war / ließ ihm dieses alsofort beleuchten; Er sanck aber bey dem ersten Anblicke für todt zu Bodem. Wiewol diß nun die Ritter auffs empfindlichste erschreckte / vergassen sie doch nicht ihre Vorsorge den Hertzog zu kühlen / dieses allem Ansehen nach geringe Frauen-Zimmer zu reiben; und sie auffzuheben /wormit ihr das eingetrunckene Wasser zum Halse heraus schüssen konte. Welches letztere denn zu athmen anfieng / ehe Hertzog Herrmann sich wieder besinnen konte. So bald diß aber geschach; waren seine erste /wiewol verbrochene Worte: Ist sie todt? Wie sie ihn aber versicherten: daß sie an ihr Leben verspürten; kam er wieder so weit zu Kräfften: daß / nach dem er das zwar Lufft-schöpffende / aber noch mehr todt als lebende Frauen-Zimmer mit einem tieffen Seuffzer geküst hatte / sie ihn zu Pferde setzen und gegen der Kohlen-Hütte leiten konten; dahin denn auch ihrer zwey die aus dem Wasser gezogene mit unter sich gekehrtem Antlitze trugen; und beyde mit etlichen von dem Kohl-Weibe über den glüenden Kohlen gewärmten Tüchern rieben. Hertzog Herrmanns Hertze wallete inzwischen so tief zwischen Furcht und Hoffnung: daß er mehr einem träumenden / als wachenden gleich war; biß das Frauen-Bild nach und nach ein und anderes Glied zu regen / und die Augen zu öffnen begonte. Diesemnach denn Hertzog Herrmann sie kniend umarmte und anredete; Wilstu / meine Sonne / mich Todten nicht mit deinen Strahlen lebendig machen? Sie sahe ihn hierauff zwar mit starren Augen / aber sonder einige andere Bewegung an. Wie nun Herrmann mehrmahls nichts minder seine Liebe / als Mitleiden auffs kläglichste ihr vorhielt; holete sie einen tieffen Seuffzer / und bewegte die Lippen. Endlich fieng sie /wiewol sehr unverständlich an: Leb ich? und nach einer guten Weile: Ich Elende! wil mich auch der Tod nicht haben: daß mich nur das Leben mehr martern könne; welches doch ich nicht haben mag? Dem Hertzog Herrmann schossen die Thränen häuffig über die Wangen / und er antwortete ihr: Lebe / lebe mein Leben: daß ich nicht sterbe; du aber mich liebest! Sie hingegen machte hierüber eine grausame Gebehrdung / sagende: Liebe! Liebe! besser sterben und nicht lieben / als leben / und deine Höllen-Pein fühlen! Herrmann küste inzwischen ihr die Hand; welche sie aber weg zoh / und anfieng: Hilff Gott! leb ich noch unter der Henckerey derer / die unter dem Schein der Liebe meine Tod-Feinde sind? Und eine Weile darauff: Also leben / ist kein Leben; sondern nur nicht auffhören zu sterben. Worauff sie noch etliche verwirrte Worte heraus ließ / und zu schlaffen anfieng. Daher denn die Ritter dem Hertzoge riethen: daß / da er [1291] diesem Frauen-Zimmer das Leben und was gutes gönte / müste er ihr und ihm selbst die Ruhe gönnen. Welchem er denn derogestalt nachkam; wiewol sein und ihr Schlaff öffters Merckmaale ihrer Unruh von sich gab. Er enteusserte sich des Schlaffes mit dem tagenden Morgen. Daher er denn von dieser wol zwey Stunden nach der Sonnen Auffgange Schlafenden kein Auge verwendete / und / so viel mahl sie Athem holete / gleichsam eine neue Krafft bekam / ja sich sie zu umarmen aus Beysorge den Schlaff ihr zu stören kaum enthalten konte. Endlich erwachte sie; und sahe nunmehr bey gesundem Verstande den Fürsten Herrmann vor ihrem Gesichte. Träumet mir? fieng sie an / und hob sich von ihrem armseligen Bette des guthertzigen Kohl-Weibes auff. Keines Weges / meine Seele / meine hi lische Thußnelde / versetzte Herrmann; und umarmte sie mit einer unbegreiflichen Hertzens-Freude. Ist es glaublich: daß ich lebe / und zugleich dich / mein Leben /hier finde? fuhr sie fort; welcher er antwortete: daß sie an beyden nicht zu zweiffeln / sondern GOtt für ihre Erhaltung zu dancken / auch zu glauben hätte: daß er itzt allererst mit ihrer Wiederersetzung wieder zu leben anfienge; weil er durch die Sorge für sie täglich mehr / als zehnmahl wäre entseelet worden. Sintemahl eine verliebte Seele / wenn sie nicht weiß / was seine Geliebte leidet / eben diß / ja ein mehrers deßhalben ausstehe; weil sie es nicht weiß; nach dem die Furcht alles Böse vergrösserte / wie es die Hoffnung verkleinerte. Mit diesen liebkosenden Wortwechselungen brachten sie wol eine halbe Stunde zu / ehe eines das andere / wie sie zusammen kommen wären / zu fragen vermochte. Endlich machte die ihre Freude kaum begreiffende Thußnelde hierinnen den Anfang; welcher denn Herrmann auffs kürtzeste erzehlte: wie ein guter Geist ihn an die Elbe geführet / und sie aus dem Wasser zu erretten geleitet hätte. Worauff sie auff ihre Knie zur Erden sanck / und der Göttlichen Versehung / der himmlischen Beschirmerin für diß Wunderwerck ihrer Erlösung inbrünstig danckte. Sie hingegen berichtete: daß König Marbod nach vergebens geschehener Liebes-Werbung sie in ein an der Elbe gelegenes Schloß eingesperret; das Wetter aber in den Thurm eingeschlagen; und weil sie zu allem Glücke sich in einem Neben-Zi er befunden / ihre Ohren nur etwas betäubet / ihre Bewahrer aber getödtet / die Thüren des Gefängnüsses eröffnet / ja ihr eigentliches Wohngemach nebst etlichen andern gantz eingeäschert hätte. Dieser Gelegenheit und Uglücks hätte sie sich zu ihrem Vortheil bedienet; und weil die übrigen Einwohner des Schlosses für Schrecken gleichsam in starrende Seulen wären verwandelt worden; hätte sie sich über den Grauß der eingeworffenen Gebäue herab gearbeitet / und an dem Ufer einen Fischer-Kahn gefunden / mit welchem sie sich über den Fluß zu setzen bemühet; weil sie aber wegen Unerfahrenheit im Schiffen das Ruder eingebüsset / hätte sie der Strom mitgenommen / und so viel sie sich erinnerte / den Kahn über und über gedrehet; also: daß / was sich ferner mit ihr begeben / das wenigste zu sagen; wol aber ihr Leben GOtt und dem / welchem sie es ohne diß als ein Opffer fürlängst gewiedmet / zu dancken hätte. Hertzog Herrmann muste bey dieser Erzehlung die unbegreifliche Vorsorge Gottes nicht allein durch eine innerliche Andacht verehren; sondern er brach auch / seine Augen gegen den Himmel wendende / in diese Worte heraus: Du allsehendes Auge der Göttlichen Versehung! wie deutlich zeigestu doch in deinen Schickungen: daß du uns Menschen für dein angenehmes Eigenthum hältest; und / um diß nicht zu verlieren / keinen Blick von uns verwendest Warlich /deine Gestalt ist voller Ohren; denn du hörest auch das ohnmächtige Winseln derer in unterirrdische Kercker versteckter Elenden; dein Antlitz hat [1292] nicht nur /wie das von den Griechen gemachte Bild des Jupiters drey Augen / welche Himmel / Erde und Hölle durchdringen / das verborgene / gegenwärtige und künfftige erkiesen; sondern es ist ein mehr als hundertäugichter Argos; ja alles voller Augen; denn du siehest auch in stockfinsterer Nacht unsere Gefahr; und kein Haar kan ohne deine Vorsehung von unser Scheitel fallẽ. Dein Hertze flösset uns mit mehr Brüsten / als eine Isis gehabt / die süsse Mutter-Milch deiner unerschöpflichen Gütigkeit ein; wormit iederman sich an dem Uberflusse deiner Wolthaten sättigen könne. Wer wil nun / ausser ein Unmensch / zweiffeln: daß du unser Glück und Unglück nach dem Gewichte deiner Gerechtigkeit abgemässen / ja uns noch eine Zugabe deiner Barmhertzigkeit beygeleget hast / ehe wir von dir gemacht worden; und uns daher für kein so geringschätzig Ding bey dir zu halten haben / daß dir nur einen Augenblick unser Andencken entfallen könte? Sintemahl aus gegenwärtigem Falle augenscheinlich erhellet: daß die Göttliche Weißheit auch dieselben Dinge / welche die allerverwirresten Zufälle zu seyn scheinen / nehmlich die Ergiessungen der Regen / den Blitz der donnernden Wolcken / Gewitter / Schiffbruch und Erdbeben auff seinem Finger abwiege; wormit selbte als Werckzeuge nicht nur seines Zornes / sondern auch Erbarmens den für gesetzten Zweck erreichen / unsere Kercker erbrechen / und unsere Fessel zerschmettern. Darum last uns nur auch GOtt; welchem kein irrdischer Werckmeister an Fleiß und Klugheit es zuvor thut / über uns und die Zeit die Auffsicht und Eintheilung anheim stellen; und des uns anvertrauten Pfundes behutsam wahrnehmen! Böses und Gutes rinnet aus diesem einigen Brunnen; darum last es uns auch mit einerley Gesichte annehmen; und versichert leben: daß uns niemahls nichts Böses denn zu unserm Besten begegne! Hierauff berathschlagten sie; wie sie nun ihre Rück-Reise sicher anstellen solten; nach dem zwar allem Ansehen nach iederman Thußnelden für todt und unter dem Grause des mehrentheils eingeäscherten Schlosses begraben zu seyn erachten würde; Gleichwol aber in dem Gebiete des so wachsamen Marbods sich lange auffzuhalten nicht sicher / und keine Behutsamkeit genung; ja diese zuweilen die erste Verrätherin eines Geheimnüßes wäre. Diesemnach sie denn von dem einfältig- und guthertzigen Kohl-Manne nach einer danckbaren Beschenckung Abschied nahmen / sich aber so lange verbargen / biß ein Ritter in dem nechsten Dorffe ein geringes Kleid und Pferd erkauffte / und dahin brachte; welches einer unter ihnen an statt seines / das er Thußnelden zur Verkleidung geben muste / gebrauchte. Nach dem auch auff der Cheruskischen Gräntze Varus viel Römisches Kriegs-Volck zusammen führte / das Saturnin wieder den Marbod führen solte /Thußnelde auch noch zur Zeit ihre Vermählung nicht für thulich; und beym Hertzog Herrmann sich aufzuhalten für bedencklich hielt; richteten sie ihren Weg gegen der Catten Haupt-Stadt Mattium ein; allwo Hertzog Arpus mit seiner Gemahlin Erdmuth Hoff hielt; theils mit diesem Hertzoge noch mehr Verträuligkeit bey so gefährlichem Zustande Deutschlands /da Varus ihrer Freyheit vollends das Messer an die Gurgel setzte / zu stifften; theils Thußnelden wieder in die treuen Hände dieser tapfferen Fürstin zu überantworten. Sie kamen in dreyen Tage-Reisen aus dem Gebiete des Königs Marbod sonder den geringsten Anstoß; ungeachtet das Geschrey ihnen schon zuvor kommen war: daß die vom Marbod gefänglich gehaltene Thußnelde in einem vom Donner eingeäscherten Schlosse verfallen; Marbod aber hierdurch fast in Verzweiffelung [1293] versetzt worden wäre; in dem ihn theils die Hefftigkeit seiner Liebe / theils sein über so strenger Verfahrung ängstiges Gewissen beunruhigte. Als sie aber schon über die Cattische Gräntze in einen Wald kamen / hörten sie ein erbärmliches Geschrey und ein Geräusche von Pferden sich ihnen ie mehr und mehr nähern; weßwegen sie sich ein wenig aus dem Wege in ein Gepüsche setzten. Nach dem sie aber wahrnahmen: daß von neun Reutern ein Frauen-Zimmer von schöner Gestalt und nicht geringem Ansehen / wiewol mit zerstreuten Haaren und zerrissenen Kleidern gewaltsam fortgeschleppet ward; war Thußnelde die erste / die diesen Räubern die unanständige Beute abzunehmen erinnerte; wormit sie und Hertzog Herrmann nebst denen drey Rittern solche also fort ansprengten; und ehe sie ihrer recht gewahr wurden / fünff Räuber entweder tödteten oder aus dem Sattel hoben; die vier übrigen aber auf die Flucht und ihre Beute zu verlassen nöthigten. Diß Frauen-Zimmer / welches sie für ihr vom Himmel zugeschickte Schutz-Geister hielt / wuste nicht Worte genung zu finden für ihre Erlösung zu dancken; berichtete hiernebst mit zitternden und erblaßten Lippen: Sie wäre Rhamis des Cattischen Hertzogs Ukrumer Tochter / und eine Braut des Dulgibinischen Fürsten Segimers / des Segesthes Brudern. Diesem zugeführet zu werden wäre sie auf dem Wege begrieffen gewest; aber von einem Schwarm mehr als fünffhundert meist Römisch gekleideter Kriegs-Leute überfallen; und an diesen Ort geschlept worden / unwissende wie das Gefechte mit ihren viel schwächern Begleitern abgelauffen seyn würde. Hertzog Herrmann und Thußnelde bezeugten gegen dieser Fürstin ein absonderes Mitleiden; und versprachen sie in ihrer Gesellschafft ihrem Herrn Vater in der Stadt Bicurg / dahin sie ohne diß der Weg trüge / zuzubringen. Hertzog Herrmann aber bedreute mit gezücktem Degen zwey der noch lebenden Räuber zu entdecken / wer sie wären; und auff wessen Befehl sie diesen Raub begangen hätten? Der eine war so verstockt: daß er ihm lieber das Schwerdt in Därmen umwenden ließ; als ihm einiges Wort abzubringen war; der andere aber sagte umständlich heraus: daß Quintilius Varus / der sich in diese Fürstin verliebt hätte; als er in seinem Durchzuge vom Fürsten Ukrumer aufs herrlichste wäre bewirthet worden /von ihrer Abholung Kundschafft erlanget / und sechshundert Reisigen ihr auffzulauern / und sie ihm zu entführen befehlicht hätte. Hertzog Herrmann bieß über dieses Römers Frevel-That die Zähne zusammen; und schwur / die Deutschen entweder dieses Jochs zu entbürden / oder das Leben nicht zu haben; zwang auch diesen Räuber ihm zu folgen. Sie ritten etwan eine halbe Meile fort / und kamen auff ein blanckes Feld; wurden aber alsofort dreyer Hauffen gegen sie ankommenden Kriegs-Volcks gewahr; für welchem sie sich zwar wieder in den Wald zu verstecken vermeinten; weil aber ihre Pferde von der starcken Reise abgemattet waren / wurden sie bey Zeite eingeholet und umringt. Gleichwol aber zohen jene wenige von Leder; und ermahnte sie Hertzog Herrmann mit dem Degen ihnen einen Weg und Ausflucht zu eröffnen. Es gab aber ein Ritter / der den Vordrab führte /und die Fürstin Rhamis erkennte / ihnen ein Zeichen des Friedens; weil sie keine Feinde wären. Hierauff näherte sich auff dieses Ritters Nachricht alsofort der Führer des erstern Hauffen; sprang vom Pferde um die Fürstin Rhamis zu empfangen; welcher denn hiermit für den Hertzog Segimer / der seiner Braut entgegen kam / erkennet ward. Als dieser mit der Fürstin Rhamis sich unterhielt / kam der andere und dritte Hauffen auch darzu; dessen Führer denn alsofort Hertzog Herrmann und Thußnelde für Segesthen erkennte; welcher mit tausend Caßuariern gegen dem Meyne gieng / um das von dem [1294] Tiberius an dem Fluße Werre geschenckte / oder als ein ihm vielmehr durch Erbgangs-Recht zu gefallene Stücke Landes bey bevorstehendem Römisch- und Marckmännischen Kriege in bessere Verwahrung zu nehmen / und bey dieser Gelegenheit seinen Bruder Segimer begleitete. Es ist unschwer zu ermässen / was diese Zusammenkunfft beyden für Gemüthsänderung gegeben; welche sich so viel mehr vermehrte; als Segesthes sie beyde starr ansahe / bald erblaste / bald sich wieder färbte; endlich zum Segimer anfieng: Mein Bruder / wenn ich nicht vom Könige Marbod eigenhändige Nachricht hätte: daß meine Tochter vom Blitz erschlagen wäre; solte ich mir einbilden hier so unverhofft mein Kind / als du deine Braut zu finden. Thußnelde dieses hörende /drehte sich mit dem Pferde um / und gab dem Pferde die Sporne sich zu flüchten. Segesthes wolte ihr folgen; Hertzog Herrmann aber wiedersetzte sich ihm mit gewaffneter Hand; aber es waren in einem Augenblicke wol zwantzig Schwerdter über dem Cheruskischen Hertzoge und seinen ihm beystehenden Rittern. Die Fürstin Rhamis dieses schende / fieng erbärmlich an zu wehklagen / und den Hertzog Segimer zu beschweren: Er möchte diese tapffere Ritter / welche sie für einer Stunde aus den Händen der grausamsten Räuber errettet hätten / nicht so undanckbar aufopffern lassen. Segimer ritt also darzwischen / und mahnete seinen Bruder von solcher Gewalt-That ab. Segesthes aber antwortete: Kennestu nicht den Räuber meiner Tochter Herrmann? Dieser versetzte: O du undanckbarer Guckuck; ist das der Lohn: daß ich dir zweymahl das Leben errettet / und deine tugendhaffte Tochter noch für wenig Tagen aus dem Rachen des Todes gerissen habe? Dessen ungeachtet; fuhr Segesthes nicht nur selbst in seiner Gewalt-That fort; sondern befahl auch seinem gantzen Hauffen sich des Cheruskischen Hertzogs als seines Tod-Feindes zu bemächtigen. Segimer ward hierüber nicht wenig erbittert; und setzte sich dem Segesthes selbst entgegen / also: daß beyde Hauffen mit darüber in ein blutiges Gefechte geriethen; und sich allerseits sonder eigentliche Erkiesung: wer Feind oder Freund wäre / einander erwürgten. Massen denn / ungeachtet die Fürstin Rhamis / wie auch die zurückkommende Thußnelde / und zwar um so viel mehr von denen Chaßuariern erkennt zu werden / mit entblösten Brüsten sich zwischen die Streitenden einmischten / und nach dem Beyspiel der Sabinischen Frauen beyder Zorn und Blutstürtzung zu unterbrechen bemühten; nahm doch ihre Verbitterung keine Kühlung an; weil Segesthes die Seinigen auf den Hertzog Herrmann bedreulich anfrischte / Segimer aber den Erlöser seiner Braut Hülff-loß zu lassen für die schimpflichste Kleinmüthigkeit hielt. Also fochten Hertzog Herrmann und Segimer zwar als zwey Löwen; aber nach dem der letzte in den rechten Arm verwundet ward: daß er den Degen nicht mehr brauchen konte / dem ersten sein Pferd getödtet / ihm auch wol sieben Wunden angebracht wurden / über diß Segesthens Hauffen wol dreymahl des Segimers überlegen war / wurden die drey Cheruskischen / und nicht wenig Dulgibinische Ritter erlegt / die wenigen übrigen in die Flucht bracht; und Hertzog Herrmann blieb ohnmächtig auf dem Platze liegen. Worüber Thußnelde sich über ihn streckende ein so klägliches Geschrey anfieng: daß es alle Menschen / ausser den Segesthes; ja einen Stein zum Erbarmnüs hätte bewegen mögen. Ob nun wol Segimer und Rhamis dem Segesthes mit harten Worten seiner verübten Grausamkeit halber zusetzten / Thußnelde auch ihrem Vater das Gewissen rührte und einhielt: Wie Hertzog Herrmann sie aus der Elbe und dem Tode errettet hätte; ließ er sich doch das minste bewegen; sondern /weil die unvernünftigen Gemüths-Regungen ihre eigene Blindheit für fremde Flecken / und Schielenden[1295] auch die vollkommensten Spiegel für schlimm halten / schüttete er wieder den Hertzog Herrmann und Thußnelden allerhand hefftige Schelt-Worte aus; ja als Herrmann sich ein wenig nur erholet / ließ er Ketten bringen / sie beyde darmit belegen / und auff einem Wagen wegführen; seinem Bruder meldende: Er möchte ihm seine Braut / welche nichts minder /als Thußnelde bey ihrer wolgemeinten Scheidung etliche / wiewol nicht gefährliche Wunden bekommen hatte / heim / oder / wohin es ihn bedünckte / führen. Denn nach dem er sich seines Feindes angemast hätte / verlangte er seiner Gemeinschafft nicht mehr / Segesthes kam hierauff mit seinen Gefangenen nach Henneberg / allwo er dem Fürsten Herrmann / welcher seiner Meynung nach ihm allein an Erlangung der obersten Feldherrschafft im Wege stand / allem Vermuthen nach das Licht ausgelescht hätte / weil doch die Feindschafft den Tod des Verhaßten für den Hafen seiner Sicherheit / und der Ehrgeitz die Einäscherung seiner Neben-Sonne für seinen Leit-Stern hält / weñ er nicht ein Schreiben vom Tiberius daselbst gefunden hätte / welcher zu Damasia in Rhetien sich auffhielt / und an der Donau und Lech Anstalt zum Kriege wieder den Marbod machte. Darinnen beschwerte er sich über den Segesthes: daß er seine ihm versprochene Tochter einem Feinde der Römer verlobet / hierdurch nicht allein zu ihrem so grausamen Tode und Kränckung seines Gemüthes / sondern auch dem Kayser zu grossem Mißtrauen Ursach gegeben hätte. Diesemnach solte er diese Scharte nunmehr durch einen ansehnlichen Vorschub an Vorrath und Hülffs-Völckern auswetzen; und sich derogestalt sehen lassen: daß der Kayser ihn für einen Freund oder Feind zu unterscheiden / und wegen der deutschen Feldherrschafft auff sein oder des Fürsten Herrmanns Wageschale das Gewichte zu legen wüste. Dieses Schreiben hatte bey Segesthen einen solchen Nachdruck: daß er auff einmahl alle Hoffnungs-Ancker verlohr; welche er auff die Grösse des Marbods gegründet hatte. In dem der listige Tiberius Segesthens Schwäche fürlängst hatte kennen lernen: daß es ihm nehmlich um die Würde der Feldherrschafft zuthun wäre; und kein unter das Eyß verschlossener Fisch so sehr nach der Lufft / als er nach diesem Winde schnappte. Denn in Wahrheit die Kunst sich eines fremden Willen zu bemächtigen beruhet bloß allein an dem Erkäntnüße; mit was für einer Handhabe ein Mensch zu fassen sey; und daß man ihn an dem Seile zu sich leite / daran er selbst gerne gehet. Sintemahl doch keine Sache ohne Hefft / kein Mensch ohne eine besondere Neigung ist; in dem einer die Ehre /der ander den Eigennutz / der dritte die Wollust zu seinem Abgötte hat; ja zuweilen das niedrigste Absehen etlicher Leute erster Bewegungs-Zirckel ist / und der / welcher diesen trifft / den Schlüssel zu der verschlossenstẽ Menschen Hertzen / und die Botmäßigkeit über ihren Willen in seinen Händen hat. Bey so gestalten Sachen schrieb Segesthes an Tiberius: daß ihn keine besondere Gewogenheit zum Marbod; sondern theils seine Ohnmacht ihm Thußnelden aus den Händen zu winden / theils sein Absehen den Römern auch mit Enteusserung seines Kindes ein vortheilhafftiges Bündnüs zu wege zu bringen / ihm seine Tochter zu verloben gezwungen hätte. Es schiene aber der Himmel selbst an diesem Zwange keinen Gefallen zu haben; weil er mit Donner und Blitz die vermeintlich todte Thußnelde aus ihrem Gefängnüße gerissen / und seinen Feind den Fürsten Herrmann zu einem Werckzeuge selbte seiner väterlichen Gewalt einzulieffern gebraucht hätte. Also wäre er nunmehr nicht allein willig und mächtig diese zwey zu des Tiberius Liebe und Rache auszuantworten; und in dem Marckmännischen Kriege sich nicht als einen Bundsgenossen / sondern als einen Römischen [1296] Bürger zu bezeigen. So sehr diß Schreiben den Tiberius vergnügte.; so sehr bestürtzte ihn eben selbigen Tag die einkommende Nachricht: daß der Quaden König Vannius mit achtzig tausend Mann über die Donau gesetzt / und Carnunt zu belägern vor hätte; Marbod aber mit einem mächtigern Heere gegen die Vindelicher / und mit einem andern sein Feldhauptmann Bercka gegen den Meyn und Rhein im Anzuge wäre. Denn dieser kluge und streitbare Fürst nahm den Verlust seiner Thußnelde zwar nicht / wie etliche / die aus der Unempfindligkeit Ehre suchen; noch wie ein Weichling /dessen Thränen niemahls verseigen / weibisch an; sondern er suchte die Linderung seines Schmertzens in dem Geräusche der Waffen; und nach dem Beyspiele jenes Römers / der eben den Tag in den Rath kam / als sein einiger Sohn gestorben war / seinen Trost in den Armen und in der Schos des gemeinen Wesens zu holen. Tiberius / welcher bereit ein Schreiben gefertigt / und dariñen dem Segesthes befohlẽ hatte / dem Hertzog Herrmann durch Gifft aus den Wege zu räumen / ward durch diese Zeitung gezwungen eine gantz andere Farth zu erkiesen; wormit er hierdurch nicht die Cherusker denen Caßuariern oder gar den Römern auff den Hals hetzte. Diesemnach er den Silius zum Segesthes schickte / zwischen ihm und dem Hertzog Herrmann einen Vergleich zu treffen /und durch des letztern Freyheit die Cherusker zu verknipffen: daß sie nicht denen Marckmännern beypflichteten / noch den Segesthes an der versprochenen Hülffs-Leistung hinderten. Gleichwol aber traute er weder einem noch dem andern Deutschen; sondern befahl: daß sechtzig tausend Gallier da und dort in Deutschland zu Besetzung der Festungen am Rhein /am Meyn und an der Weser rücken solten; wormit er die alten Besatzungen leichten und gegen den Marbod ins Feld führen könte. Als Tiberius derogestalt mit seiner Zurüstung alle Hände voll zu thun hatte; ward er durch eine aus Istria einlauffende Zeitung: daß nach denen von dar gegen die Donau abgeführten Legionen gantz Illyricum wieder die Römer die Waffen ergriffen hätte / überaus erschrecket; und wenig Tage hernach dardurch fast gantz entseelet: daß alle zwischen der Teiße und Euxinischen und Adriatischen Meere gelegene / und mit dem Könige Marbod verbundene Völcker wieder die Römer auffgestanden / und bereit über achtmahl hundert tausend Männer im Anzuge wären / theils denen in Pannonien und Deutschland stehenden Römern in Rücken zu gehen / theils in das Hertze Italiens einzubrechen. Diese Gefahr wuchs täglich mit allen neu-ankommenden Berichten; und der Kayser selbst schrieb von Rom: Es schiene: daß sich Himmel und Erde wieder die Römer verschworen / Rom auch nach der Schlacht bey Canna nie in gefährlicherm Stande gesteckt hätte. Der schlaue Tiberius sahe wol: daß die Römischen Kräffte so vielen Feinden die Stirne zu bieten zu ohnmächtig / die Bunds-Genossen auch entweder zu schwach wären; oder auch gar auff zwey Achseln trügen; ja ins gemein das Gute nicht so leicht theilhafftig / als das Böse anfällig sey / also er sein Heil dißmahl aus seinen Feinden / wie kluge Aertzte die Genesung des Krancken aus Giffte suchen müste. War also seine gröste Sorge den grossen Stein der Marckmänner von sich abzuwältzen; und durch Zertrennung der Feinde ihrer aller Meister zu werden. Den König Marbod nun zu versöhnẽ / war kein besser Mittel zu erdencken / als Thußnelde. Dieser aber sich selbst zu berauben schiene ihme empfindlicher zu seyn / als das Herz aus seinem Leibe reissen lassen. Gleichwol überwog die Ehrsucht in seiner Seele die Regung der Liebe / und er entschloß sich in dieser eussersten Noth ihm lieber[1297] weh zu thun / als mit dem Verluste seiner Hoheit auch diß / was er itzt zu erhalten vermeinte / einzubüssen. Diesemnach schrieb er an Marbod / wiewol mit mehrmahls erstarrender Hand / diese Erklärung: der Kayser habe die mit dem Marbod auffgerichtete Freundschafft iederzeit so sorgfältig zu erhalten getrachtet: daß er auch allen Schatten einigen Mißtrauens aus dem Wege geräumet. Weil er nun dessen seiner seits vergewissert wäre; könte er dem gemeinen Ruff nicht glauben: daß König Marbod mit den Römern den Frieden zu brechen; und denen Eydbrüchigen Pañoniern beyzustehen vorhaben solte; derer Aufruhr er mit dreyssig Legionen zu züchtigen befehlicht wäre. Der blinde Lermen der schwürigen Illyrier würde schwerlich einen so klugen Fürsten / als Marbod wäre / unter die Fahnen so weiblicher Völcker wieder die Stadt Rom verleiten / welcher die Götter schon in ihrer Kindheit sich so geneigt erwiesen: daß sie selbte mit Ketten gefangener Könige an statt der Windeln beschencket. So ungestüme Schwermungen der Völcker wären mehr schreckliche / als gefährliche Zufälle nach Art der Mutter-Kranckheit; und hätte ein kluger Herrscher diese nicht so sehr / als dieselben Schwachheiten zu fürchten / die wie die Schwindsucht uns in der Stille erschliechen und tödteten. Daher hätte das Römische Volck zwar mit der Vielheit ihrer Feinde stets sein Glücke sich vergrössern sehen; aber es hätte sich iederzeit mehr an der Anzahl ihrer Freunde / als an der Menge seiner Siege vergnüget. Seine Freundschafft hätten sie auch so viel fester gehalten; weil der Kayser ihn schon / als er noch nicht in solchem Stande gewest / darmit betheilet; und / als hernach ihm fast niemand wol gewolt / sein Bundsgenosse geblieben wäre. Die Ferne seiner / und der Uberfluß der Römischen Länder könten ihn auch leicht versichern: daß Rom auff nichts seines Eigenthums ein Auge /sondern stets geglaubt habe: man könne wol zu viel Unterthanen / aber niemahls genung Freunde haben. Zumahl Marbod selbst wüste: daß der Kayser die Gräntzen des Reiches einzuziehen / und nicht über den Phrat und Rhein / weniger über die Elbe zu erweitern geneigt wäre / auch die Mäßigung des Cato /der die Macedonier nach überwundenem Perseus für freye Leute erkennet / stets gerühmet hätte. Er / Tiberius / wolte auch nicht gerne durch sein Fürhaben von Rom ein wiedriges zu glauben eine Ursache / weniger zwischen ihm und dem Kayser ein Stein des Anstosses seyn; und wäre ihm leid: daß Stertinius bey der Bündnüs-Handlung nicht gewüst hätte; wie viel höher er das gute Vernehmen mit einem Bundsgenossen /als die Vergnügung seiner Begierden schätzte. Es schiene ihm aber des Stertinius damahliges Bedencken nunmehr zum Ruhme seiner Freundschafft auszuschlagen. Denn damahls würde er ihm Thusnelden nicht so wol überlassen / als sich einer schon verlohrnen Sache verziehen haben; weil sie Marbod bereit in Händen gehabt. Nunmehr aber wolte er ihm sein Recht auff sie abtreten / nach dem es in seiner Gewalt stünde derselben selbst zu genüssen. Denn ihm müste zur Nachricht dienen: daß / um das Unvernehmen zwischen den Römern und Marckmännern zu verhindern / die Todten lebendig werden müsten. Massen er denn seine Thußnelde nunmehr aus den Händen ihres Vaters / oder vielmehr seinen eigenen abholen lassen könte; da er seine Freundschafft und der Römer Bündnüs durch diß Siegel zu befestigen für nöthig hielte. Ja wenn Marbod zugleich den in seiner Hand habenden König Vannius zu frieden spräche / wormit dieser benachbarte Krieg nicht zwischen den Kayser und Marbod einen neuen Zanck-Apffel würffe / und er am Ister die Ubersetzung der Sarmater verhinderte /verspräche er denen Marckmannund [1298] Quadischen Gräntz-Völckern jährlich zwey tausend Pfund Silber als einen Sold zu geben. In diesen sauern Apffel muste Tiberius beissen; weil die Grösse der Gefahr keine süssere Artzney vertrug. Wiewol dieser vom Tiberius gemachte schlimme Anfang denen Römern hernach fast ein unauffhörliches Joch aufhalsete / denen Deutschen und andern Königen den Frieden durch eine jährliche Schätzung / welcher man den schönen Namender Geschencke gab / abzukauffen. Und ob zwar die Römer sonst nicht gewohnt waren so linde Seiten auffzuziehen; verstand doch Tiberius allzuwol: daß die Klugheit keine Sclavin der alten Art / und ein nicht geringer Aberglaube sey; weñ man die Fußstapffen der Vorfahren anbetet / und ausser selbten nirgendswohin ohne Versinckung zu treten vermeinet; und daß es ein Aberwitz sey lieber auff der gebähnten Strasse des Zweckes fehlen / als auff einer neuen denselben erreichen. Nichts minder hielt er sein / wiewol sonder einige vorragende Furcht geschehendes Nachgeben eben so wenig für einen Verlust / als die Einziehung der Segel beym Ungewitter; massen denn mehrmahls sein Sprichwort war: daß man von seinem Ansehen nicht so leicht etwas einbüße / wenn man nur seinen Zweck erreiche; und daß die Uberwindung durch Geschickligkeit der Stärcke keinen Abbruch thue / weniger ein Merckmahl der Schwäche sey. Marbod hatte zu allem Glücke von Thußneldens Entkommung und Leben noch keine Wissenschafft. Daher ihm des Tiberius Erbieten nicht nur als ein Traum / sondern / ungeachtet der an Marbod abgeschickte Paterculus diß eusserst betheuerte / als eine Erfindung seine Kriegs-Macht auffzuhalten fürkam; biß den vierdten Tag darauf Segesthes ihn versicherte: daß Thußnelde nicht nur lebte; sondern / nach dem Tiberius sich alles Anspruchs auff sie verziehe / trüge er selbte dem Marbod / als ein Band der Eintracht /zwischen zwey so mächtigen Völckern / und als einen güldenen Apffel des Friedens von neuem an. Sintemahl doch zwischen hohen Häuptern die Zwistigkeiten durch nichts mit grösser Ehre / als durch Vermählungen beygelegt würden; in dem diese in Wahrheit rechte Ehren-Pforten wären aus dem Irrgarten eines entsponnenen Krieges zu kommen; den man ohne Schaden offt nicht länger führen / und gleichwol ohne Verkleinerung nicht abbrechen könte. Marbod / ob er wol einen grossen Vortheil sahe den Römern Abbruch zu thun; so erwog er doch: daß so viel mächtige Völcker an ihnen den Kopff zerstossen hätten; und es gleichsam einerley zu seyn schiene wieder Rom oder das Verhängnüs sich auflehnen; und daß er in seinem neuen Reiche unzehlbare heimliche Feinde zu verwahren hätte. Insonderheit aber hatte die Tugend und Schönheit Thußneldens eine solche Würckungs-Krafft über ihn erlanget: daß die Hoffnung ihres Besitzthums bey ihm alles andere Absehen wie die Sonne einen Nebel zu Bodem schlug. Denn diese Fürstin ist in Warheit ein merckwürdiges Beyspiel: daß der Himmel gewissen Personen eine verborgene Ober-Herrschafft über alle andere Menschen einräumet; also: daß man in ihnen gleichsam eine überirrdische Botmäßigkeit / welche mit einem Winck alle andere Gesetze unterbricht / erkennen / und denselben / man weiß selbst nicht warum / als Königen von Natur gehorsamen / und als für Löwen sich demüthigen muß. Welcher Zwang am Marbod so viel mehr wunderns werth war; weil weder seine Liebkosungen / noch Segesthens Strengigkeit über Thußneldens Abneigung eines Haares breit Vortheil hatte erlangen können. Sintemahl die Hoffnung ein so unschätzbares Gut zu erlangen eine solche Süßigkeit in sich hat: daß sie ihr auch die Unmögligkeit zu überwünden träumen läst /und hiermit im Wercke bestetigt: daß die Hoffnung ein Traum der Wachenden / und die Wollust der unglückseligen [1299] sey. Bey so gestalten Sachen hielt er mit seinem Kriegs-Heere bey Kintzen an der Donau stille; schrieb auch an den König Vannius und den Feldhauptmann Bercka nicht weiter fortzurücken; an Tiberius aber: daß er an die Römer sich zu nöthigen nicht verlangte; wenn sie aber was mit ihm zu versuchen gedächten / nichts ausschlüge. Sein Absehen wäre auch kein anders gewest / als mit seinen Kriegs-Heeren die eussersten Spitzen seiner Länder zu bedecken; weil an so viel Orten allerhand trübe Kriegs Wolcken auffzuziehen geschienen; mitten in seinem Lande aber seines Feindes zu erwarten so viel wäre; als ihm selbst schon halb verlohren geben. Nach dem aber Tiberius ihn der Römischen Freundschafft versicherte /seine eigene auch durch Abtretung der Fürstin Thußnelde bekräfftigte / nehme er das letzte zu Danck / das erstere nebst dem versprochenen Solde für die Quaden (denn seine eigene Kriegs-Leute zu zahlen dörffte er keines fremden Beyschubs /) für eine Verneuerung des alten Bundes an; welcher von ihm so heilig / als unversehrlich gehalten / und darmit bezeugt werden solte: daß seine Herrschafft keiner Erweiterung / sein Ehrgeitz keinen fremden Zunder von nöthen hätte. Also ward die gefährliche Kriegs-Flamme zwischen dem Könige Marbod und den Römern /welche nunmehr alle ihre Kräfften wieder die den Marbod / als Uhrhebern ihres Aufstandes / verfluchenden Pannonier und Dalmatier anwehreten / durch die Vollkommenheit eines Frauen-Zimmers in der ersten Geburt getödtet; und zwar mit so viel mehrerm Wunder; weil in dem Zanck-Apffel der Schönheit sonst selten Kerne stecken / woraus die Oelzweige des Friedens wachsen; und das weibliche Geschlechte so offt Zwietracht in Ländern / als Zwillinge im Kind- Bette gebiehret. Als Tiberius und Marbod nun so friedliche Handlung pflegten / bemühte sich auch Silius den Fürsten Segesthes mit dem Hertzoge Herrmañ zu vereinbaren; und diesen in Freyheit zu setzen. Alleine Segesthes erzeigte sich hierrinnen so hartnäckicht: daß kein Einreden etwas verfieng; weil er die dem Herrmann angethane Beleidigung selbst für so groß erkennte: daß er sie ihm sein Lebtage nicht verzeihen weniger vergessen könte. Also ist die Boßheit im Anspinnen der Laster blind / wenn sie selbte aber ausgemacht hat / taub; in dem sie keinen vernünfftigen Rathschlägen / sondern alleine der Anklage ihres Gewissens / welches ihr von nichts / als Rache predigt / Gehöre giebt. Nach dem auch Silius auf Dräuungen verfiel; kam Segesthes auff diese eusserste Entschlüssung: daß er den Hertzog Herrmann heimlich hinrichten / und mit ihm den Stein des Anstosses aus dem Wege räumen wolte. Denn die Grausamkeit hält ins gemein für sicherer / sein Verbrechen durch ein noch grösseres / als durch Tugend auszuwetzen; weil ein Laster mit dem andern eine Verwandschafft /mit der Tugend aber eine ewige Zwietracht hat. Zu welchem Ende er auch bereit dem Wund-Artzte ein vergifftetes Pflaster eingeantwortet hätte um solches dem Cheruskischen Hertzoge aufzulegẽ; welches aber dieser aus Verdacht zuvor einem Hunde aufband / und nach erkundigtem Giffte wegwarff; weil er ein Werckzeug so eines schändlichen Meuchel-Mords zu seyn Abscheu trug. Hierüber lieff Segesthen die Nachricht ein: daß nicht nur die Cherusker und Catten / die vom Hertzoge Segimer und der Fürstin Rhamis seine Gefängnüs erfahren hatten / in das Gebiete der Caßuarier eingefallen wären / und sich der fürnehmsten Oerter bemächtiget / sondern auch Segesthens Gemahlin Sentia und seinen Sohn Siegesmund gefangen bekommen / und um hierdurch Herrmanns Freyheit zu erwerben dem Hertzoge Ingviomer eingelieffert hätten. Wordurch Segesthes allererst gezwungen ward durch den Silius die Auswechselung des Hertzog Herrmanns abzuhandeln; welcher gegen [1300] den Silius / weil Segesthes selbst aus Schamröthe über seiner Beleidigung vom Fürsten Herrmann sich zu beurlauben Bedencken trug / sich erklärte: er wüste zwar: daß Segesthes ihn auffs ärgste anzufeinden nicht ablassen würde; weil es der Beleidiger Eigenschafft wäre den Beleidigten gram zu seyn / und der unverdiente Haß der hefftigste wäre; er wolte aber aus Liebe des Vaterlandes nicht nur alle Rache / sondern alles Unrecht vergessen / und ein Beyspiel seyn: daß nicht alle den hassen / welchen sie vorher fürchten müssen. Sintemahl er für eine Pflicht grosser Gemüther hielte nicht allein denen guten / und Freunden / so lange sie diß sind / wol zu thun; sondern auch den Bösen und Feinden / damit sie es zu seyn auffhören.

Hertzog Herrmann war kaum aus seinem Gefängnüße zu Henneberg erlediget / und von fünffhundert Cheruskischen Edelleuten / welche hingegen Segesthens Gemahlin und Sohn eben so viel Caßuariern an dem Fulde-Strome aushändigten / angenommen / als zwey tausend Marckmännische Edelleute zu Henneberg ankamen die Fürstin Thußnelde abermahls dem Könige Marbod zuzuführen; Worvon Hertzog Herrmann in seinem ersten Nachtläger durch einen Cattischen Edelmann Nachricht bekam. Worüber er so bekümmert ward: daß er seine Freyheit mehr für Verlust / als für Gewinn schätzte. Er trug seinen Kummer seinen Cheruskern vor; welche zwar diese Fürstin aus der Marckmäñer Händen zu reissen ihr Leben und Blut feil boten; aber die kaum erlangte Freyheit ihres Hertzogs auffs neue in so augenscheinliche Gefahr zu setzen beym Vaterlande für unverantwortlich hielten; sonderlich weil Herrmann mit anbrechendem Tage Kundschafft bekam: daß noch zweytausend Caßuarier Thußnelden biß an den Fichtelberg / den Vater vier berühmter Flüsse / begleiten soltẽ / alwo der Ritter Bercka mit zehntausend Marckmännern sie zu bewillkommen fertig stünde / und der Aufbruch den andern Tag geschehen solte. Hertzog Herrmañ hingegen sagte: Er müste gestehen: daß mit so kleiner Macht der zehnmahl grössern eine Beute abzuschlagen nicht ohne Gefahr zu seyn schiene. Alleine / alle Gefährligkeiten auffs Gewichte legen wäre nur eine Klugheit der Verzagten; und also sein Vorsatz zu sterben / oder die zu erobern / ohne welche sein Leben ihm ohne diß eitel Verdruß seyn würde. Hiermit bewarb er sich um etliche Schützen / die des Gabretischen Gebürges Gelegenheit wol wusten / und ihn mit seinem Volcke durch allerhand bedeckte Wege gegen Sud-Ost dahin leiteten / wo allem Vermuthen nach die Marckmänner mit Thußnelden ihren Rückweg nehmen würden. Nach zweyen Tagen theilte er seine Cherusker in zwey Theil / er selbst stellte sich an einen verdeckten Ort nahe an einen durch den Meyn gehenden Furth /wodurch eines ihm in die Hände fallenden Marckmannes Berichte nach / folgenden Tag zur rechten Hand des Flusses Thußnelde folgen solte. Daher er daselbst ausruhete / und auf denen Tannen-Gipffeln fleißige Schild-Wache halten ließ. Den andern Hauffen setzte er unter dem Grafen von Lingen über den Strom zur lincken Hand. Den dritten Tag zwey Stunden nach der Sonnen Aufgange kam vom Lingen /Roßwurm / ein Cheruskischer Ritter mit verhengtem Zügel zum Hertzoge Herrmann / ihn berichtende: daß eine viertel Meilweges von seinem Stande er ein Schlagen zwischen etlichen tausend Mann wahrnehme; Und hätten zwey seiner auf Marckmännische Art gekleidete Reuter / die er auf Kundschaft sich selbten nähern lassen / für gewiß berichtet: daß sie darunter Cherusker erkeñt hätten. Herrmann ließ ihm alsofort befehlen: daß er den Ritter Gnesebeck mit hundert Pferden dahin gehen und die Gewißheit erforschen lassen solte. Er hatte aber kaum diesen abgefertiget; als seine Wache ihm von einer Tanne die Nachricht gab; [1301] die Marckmänner wären mit drey starcken Hauffen keine Viertelstunde mehr entfernet; und folgeten diesen etliche bedeckte Wagen. Daher Herrmann sich nicht allein mit den Seinigen rüstete / sondern auch den Graff Lingen mit Zurückziehung des Ritters Gnesebeck wol auff der Hute zu seyn warnigen ließ. Der Hertzog blieb hinter einem püschichten Hügel gantz stille stehen / biß der dritte Hauffen an den Furt kam / und er den Vordrab mit seinen Cheruskern über dem Meyne schon ins Gefechte kommen hörte. Hiermit fiel er dem dritten Hauffen so unversehens in Rücken: daß das letzte Glied sich ehe durch die Cheruskischen Lantzen durchbohret fühlte / ehe die Marckmänner ihren Feind zu Gesichte kriegten. Der Feldhauptmann Bercka / der diesen von sechs hundert Marckmännischen Edelleuten bestehenden Hauffen selbst führte / und mit einem Theile schon in dem Flusse war / wolte sich zwar schwencken; aber so wol die Enge des Furths / als die Höhe des Ufers verhinderte es; und gab denen Cheruskern Zeit inzwischen mit der andern Helffte dieses Hauffens fertig zu werden; in dem der Blitz der Cheruskischen Schwerdter / und fürnehmlich des einen Löwen abbildenden Herrmanns sie bald von Anfang in Unordnung brachte / und theils sie seiner Liebe und Rache abschlachtete / theils sie auch über Hals und Kopff in den Strom trieb. Wie nun wegen Vortheilhafftigkeit dieses Ortes Herrmann sich denen Marckmännern / ob schon der mitlere Hauffe gleichfalls zurück kommen war / genungsam gewachsen sahe / schickte er unter dem Ritter Maltzan hundert Cherusker / um sich der Wagen /und darinnen Thußneldens zu versichern; durch welche funffzig darbeystehende Caßuarische Ritter nach einem kurtzen Gefechte in die Flucht gebracht / und darmit Thußnelde in Freyheit gesetzt ward. Sie sprang mit tausend Freuden aus dem Wagen / als sie das siegende Theil für Cherusker erkennte. Wie diese ihr aber gar Hertzog Herrmanns Gegenwart andeuteten /wuste sie weder ihr Glücke / noch die seltzamen Schickungen des Verhängnüßes zu begreiffen; hielt also ihre Erlösung nicht so wol für eine wahrhaffte Begebnüs / als für eine süsse Einbildung eines Träumenden. Ihre Freude aber ward ihr nach wenig Augenblicken versaltzen / als sie mehr / als tausend Cassuarier spornstreichs gegen die hundert Cherusker und sie / anrennen sah. Daher Ritter Mettich sie im Nahmen seines Hertzogs beschwur: Sie möchte ohne Zeitverlierung; weil sie sich um einen vortheilhafftern Stand zu bekommen gleichfalls zurück ziehen müsten; in dem Walde auff dem Berge dieses für sie allein geschehenden Streites auswarten. Welchem sie denn mit Ergreiffung eines auff der Erde liegenden Helms und Schwerdtes eines erlegten Caßuariers Folge zu leisten gezwungen ward. Inzwischen traffen nicht nur die Caßuarier auf die sich zwischen das Gehöltze zurück gezogenen Cherusker; sondern der Feldhauptmann Bercka / der seinen Kopff ohne Thußnelden nicht nach Hause zu bringen getraute /hatte mit fünfhundert Marckmännern an einem andern Orte über den Strom zurücke gesetzt; und gieng dem Hertzog Herrmann / welcher an dem ersten Furthe gegen die von dem Ritter Sternberg durch den Fluß halb verzweiffelt angeführten Marckmänner alle Hände voll zu thun hatte / in die Seite; und weil der Graff von Lingen mit seinen anderthalb hundert Cheruskern dem gantzen ersten Hauffen begegnen muste /nach dem Gnesebeck für der Zurückruffung schon mit dem fremden Feinde verwickelt war / gieng an allen Orten das blutigste und hartnäckichste Treffen an. Wiewol nun die an allen dreyen Orten mehr als achtfach schwächern Cherusker den Abgang durch ihre Tapfferkeit zu ersetzen sich mühten / der großmüthige Herrmann auch den streitbaren Bercka zu Bodem rennte und tödtete; ward er doch vom Ritter Kinßke /[1302] einem ansehnlichen und tapffern Marckmännischen Soldaten / so hefftig in den Nacken verwundet: daß er von häuffiger Verblutung kaum die Kräfften auff dem Pferde zu bleiben / und sich gegen die ihn anfallenden zu beschirmen behielt. Wenig Cherusker waren auch /die nicht drey oder mehr Wunden bekommen hatten; Bodendorff / Bardeleben / Meysenburg / Spiegel /Kampen / Mingerode / Heym / Reden / Buren / Bodenhausen / Zwydorn / Hermßdorff / und über sechzig andere hatten schon auch ihren Helden-Geist / wiewol nach Aufopfferung wol siebenmahl so vieler Feinde ausgeblasen. Die übrigen Cherusker waren so im Gedrange: daß sie schienen verlohren zu seyn; als dem Grafen von Lingen Gnesebeck mit fünffhundert Cheruskern zu Hülffe / wie auch ein ander unbekandter Ritter mit tausend Hermundurern an den Meyn-Furth kam / und dem Ritter Sternberg in Rücken gieng; also dem in der eussersten Noth steckenden Herrmann auf der einen Seite Lufft machte. Wenige Zeit darnach schwemmeten andere fünffhundert Cherusker oberhalb / und so viel Hermundurer unterhalb über den Meyn / wormit sich das Blat an allen Orten wendete /indem nicht nur der rings herum besetzte Malzan erlöset / die Caßuarier auch in die Flucht getrieben; sondern die Marckmänner von dem Hertzog Herrmann /dem Führer der Hermundurer / und dem Grafen von Lingen an dem Flusse in die Mitte eingeschlossen /und biß auf wenig sich in das Gebürge Flüchtende und dreyhundert Gefangene niedergemacht wurden. Als nun alles vorbey / Hertzog Herrmann aber / ob ihm diese Hülffe vom Himmel gefallen wäre / bekümmert war / sonderlich / weil die Hermundurer ja des Königs Marbod Unterthanen waren / kam ihr Führer /nahm den Helm mit sonderbarer Ehrerbietung gegen den Cheruskischen Hertzog vom Haupte; welchen er denn für den vertriebenen Fürsten der Hermundurer Jubil erkennte / und als seinen vertrauten Freund und Nothhelffer vertraulich umarmte; wordurch ihm deñ ein genungsames Licht aufgesteckt ward. Sintemahl ihm gar wol bewust war: daß dieser vom Marbod seines Landes entsetzte Fürst / bey der zwischen den Marckmännern und Römern sich entspinnender Zwietracht / zwey tausend vertriebene Hermundurer / nebst tausend freywilligen Cheruskern zusammen gezogen /und dem Tiberius wieder den Marbod beyzustehen sich biß an die Donau gezogen hatten. Worauf nunmehr Jubil erzehlte: daß als er nach dem zwischen dem Tiberius und Marbod gemachten Vergleiche seinen Weg wieder in Nieder-Deutschland hätte nehmen wollen; er nicht nur diesen Tag das Glücke gehabt gegen den Hertzog Herrmann die unvergeltbare Wolthat seiner Aufnehmung / nach dem sonst die Unglückseligen keine Freunde oder Bekandten zu haben pflegten / durch einen geringen Beystand zu vergelten; sondern auch seinem Tod-Feinde sein werthestes Kleinod abzunehmen / und darbey ein paar tausend Marckmännern das Licht auszuleschen; welches beydes ihm zu zeigen er den Hertzog Herrmann über den Meyn auff die über und über mit Leichen bedeckte Wallstatt führte / und daselbst ihm die von tausend Hermundurern und Cheruskern verwahrte Fürstin Adelgund des Marbods Tochter / als eine Gefangene zeigte; auch den Ritter Gnesebeck wegen seiner Tapfferkeit rühmete. Hertzog Herrmann / welcher auff Maltzans Bericht inzwischen seine Thußnelde wieder aus dem Walde zu suchen Befehl ertheilt hatte / erzeigte der Fürstin Adelgund alle Höfligkeit / und ein Mitleiden über ihrem Unglücke; welches sie nach Vernehmung / wer er wäre / mit einer besondern Anmuth / und ohne das geringste Merckmahl einiger Furcht oder Schreckens annahm / auch auff Befragen ihm Nachricht gab: daß sie Marbod mit drey tausend Marckmännern der Fürstin Thußnelde biß an den[1303] Meyn entgegen geschickt / von denen Hermundurern aber / welche sie anfangs für den Auffzug Thußneldens angesehen hätten / angefallen und geschlagen / sie aber gefangen worden wäre. Der Streit hätte fast zwey Stunden an gleicher Wage gehangen; es wären aber zuletzt hundert Cherusker den Marckmännern aus dem Walde so unvermuthet in Rücken gefallen: daß diese hierüber in Schrecken und bald darauf in die Flucht gerathen. Sie wüste zwar nicht /wer der feindlichen Hermundurer Heerführer wäre; sie getröstete sich aber durch eines so grossen Fürsten Vorbitte ein gnädiger Auge / als anfangs von ihm zu erlangen; und daß man sie als eine Fürstliche Gefangene halten würde; weil doch auch im Kriege das Frauen-Zimmer / wo nicht einen Vortheil zu haben /doch ein Mitleiden zu erbitten verdiente. Hertzog Herrmann ersuchte hierauf den Fürsten Jubil: daß er seine Gefangene wol unterhalten lassen möchte; weil es nicht nur ihre Tugend werth zu seyn schiene / sondern auch Thußnelde die von ihr genossene Freundschafft bey ihrer Gefangenschafft hoch gerühmet hätte. Jubil erklärte sich darauff: Er hätte zwar seinen Tod-Feind und Vater-Mörder Marbod so sehr zu hassen Ursache: daß er auch in seiner Tochter Blute die Hände zu waschen sich berechtigt hielte: und diß im ersten Eyver auszuüben nicht ungeneigt gewest wäre; weil die wieder seinen Oberherrn ausgeübte Verrätherey auch auf die Kinder das Rach-Schwerdt abweltzte; alleine seines so grossen Wolthäters Begehren vermöchte bey ihm alle Empfindligkeit auch gegen den Marbod selbst auszutilgen. Sintemahl die / welche die Rache der Göttlichen Gerechtigkeit heimstellten /ihrer Feinde Unglück auf Wucher anstehen liessen; in dem ihr mißbrauchtes Mord-Eisen so sehr / aber gerechter nach des Mörders / als dieser vorher nach fremdem Blute gedürstet hätte. Wiewol es auch das Ansehen zu haben schiene: daß er durch dieses herrliche Pfand seiner einigen Tochter dem Marbod ein Theil seines abgedrungenen Landes abtrotzen könte; so wäre doch auf diese Hoffnung wenig zu anckern; weil die Begierde zu herrschen auch die hefftigste Kinder-Liebe ersteckte. Diesemnach er denn Adelgunden nicht besser anzugewehren wüste / als wenn sie der Cheruskische Hertzog von ihm für ein Geschäncke anzunehmen würdigen wolte. Hertzog Herrmañ nahm diß zu Danck an; und nach dem sie allerseits zurücke über den Meyn gesetzt / die Fürstin Thußnelde aber noch nicht gefunden hatten / ließ ihm Herrmann seine Wunden verbinden / und nicht erwehren: daß er / wiewol schon bey anbrechender Nacht selbst ins Gebürge ritt; und als er nicht weiter reiten konte / an den Klippen hinauff kletterte / nach dessen Beyspiele das Gabretische Gebürge mit unzehlbaren Fackeln und dem Geschrey der Cherusker erfüllet ward; welche weder die Stille und Finsternüs der Nacht / noch die verborgenen Hölen der Berge die so sehr gewünschte Thußnelde wolten verstecken lassen. Hertzog Herrmann hatte mit dem Steigen und Ruffen sich so abgemattet: daß er einem von ferne rauschenden Wasser / um sich darmit zu erquicken / sich nähern muste; wie ihn denn ein unversehens gefundener Fußsteig zu einer von lauter in einander geflochtenen Wurtzeln derer darüber stehenden Bäume artlich gemachten Höle leitete / in welcher aus einem gespaltenen Felsen zwey sytarcke Quelle herfür schossen. Wie nun Herrmann sich zu dem einen bückte daraus zu trincken / ward er mit dem einen Arme gewaltsam zurück gezogen; massen er denn auch sich umwendende ein alle menschliche Grösse übersteigendes Weibes-Bild hinter sich an den Stein-Felß angelehnet zu Gesichte bekam. Herrmann entsetzte sich zwar; iedoch erholte er sich bald wieder / und fragte: warum ihm zu trincken verwehret würde? Diese antwortete: weil der / welcher vom Verhängnüße zum Erlöser des schon halb dienstbaren Deutschlandes erkieset [1304] ist / mit diesem gifftigen Wasser sich nicht beschädigen solte. Er könte sich aber sicher aus dem andern gesunden Brunnen erquicken. Herrmann folgte dieser Anweisung; und nach dem er drey starcke Trincke gethan /weil dieses Quell ihn etwas kräfftigers / als gemeines Wasser zu haben bedeuchtete / fragte er: wer sie wäre? und woher sie ihn für einen Erhalter der deutschen Freyheit erkennete? Sie meldete hierauf: Ich bin der Schutz-Geist des Gabretischen Gebürges; und so gut ich weiß: daß du der Cherusker Hertzog bist; der du hier deine verlohrne Braut suchest / so wenig ist mir auch das erste verborgen; und du wirst meine Wahrsagung auch bey dem Tanfanischen Tempel in Felsen eingeschrieben finden. Kehre um / und säume dich nicht / wo du deine geraubte wieder zu haben verlangest. Nach diesen Worten verschwand diß Gespenste für Herrmanns Augen; welchem die Haare hierüber zu Berge giengen; Gleichwol machte er sich mit seinem brennenden Kyne zurücke / und erreichte mit anbrechendem Tage das inzwischen vom Fürsten Jubil geschlagene Läger. Er ließ aber alsofort ein Zeichen denen in dem Walde umbirrenden Cheruskern geben sich wieder einzufinden; und erzehlte dem Fürsten der Hermundurer zu seiner nichts minder grossen Freude / als Verwunderung sein seltzames Ebentheuer. Jubil selbst rieth: daß sie der so denckwürdigen Anleitung des Verhängnüßes / welches auch die blinden durch die gefährlichsten Strudel und die verführischen Irrwege gerade zu leitete / folgen / und mit denen schon in Bereitschafft stehenden Völckern forteilen solten. Nach dem sie nun ihren Kriegs-Obersten den Nachzug anbefohlen / giengen beyde Hertzoge mit zweytausend außerlesenen Kriegs-Leuten voran; als sie aber etwan fünff Meilweges hinter sich gelegt /ereilte der Vordrab einen Hauffen Flüchtiger aber meist gefährlich verwundeter Cassuarier / unter denselben war ein eyßgrauer alter Ritter / der zwar für die Hertzoge gebracht ward / aber für übermäßigen Thränen kein Wort aufzubringen wuste. Nach dem ihm aber Hertzog Herrmann überaus gnädig zusprach /und daß er zwar nicht als ein Gefangener / sondern seinem Ritterstande gemäß verhalten werden solte /vertröstete; fieng er an: Sein eigen Unglück wäre sein geringster Kummer; in dem er unter denen itzt zwistigen Hertzogen nicht wüste / wen er ihm zu seinem Herrn auslesen solte; weil er von väterlicher Ankunfft zwar Ketteler ein Chassuarier / von der mütterlichẽ ein Cherusker; ja diese zwey hohen Häuser nicht nur aus einer Wurtzel entsprossen; sondern iederzeit auch mit einander höchst verträulich gewest wären. Nach dem er aber zwischen ihnen itzt eine solche Verbitterung verspürte / und Segesthes seine Tochter lieber den Feinden Deutschlands / oder gar der Höllen aufzuopffern / als einem so tapfferem Fürsten wie der Cheruskische wäre / zu vermählen gedächte; diese Zwietracht aber nichts anders / als eine Mutter beyderseitigen Untergangs seyn könte; wolte er mit seinen Thränen ihm vorher die Augen ausbeitzen: daß sie an denen bereit schon vorgesehenen Trauer-Fällen nicht mehr Hertzeleid anschauen müsten. Hertzog Herrmañ lobte seine wolgemeinte Empfindligkeit; bemühte sich aber ihm die so traurige Einbildung durch Vertröstung: daß Hertzog Herrmañ mit Segesthen alle Augenblicke ihre Zwistigkeit brüderlich beylegen wolte / auszureden. Dieser gute Alte seufzete / wendete die Augen gegen den Hi el / und fieng an: Wolte Gott! dieses erfolgte also. Und wenn Hertzog Herrmañ diese Meynung hat / wünsche ich: daß er Segesthens Tochter ehe ereile / ehe sie ihrem Vater wieder in die Hände ko t! Hertzog Herrmann fuhr fort meldende: Er solte an dem erstern keinen Zweifel tragen /wegen des letztern aber ihnen klärere Nachricht geben. Der Ritter antwortete: Ich habe gesagt / was ich weiß; ihr habt die gebähnte Strasse für euch / darauf man Thußnelden nach [1305] Heñeberg wieder gefangen führt; und beja ere ich am meisten: daß ich so unglückselig gewesen mich ihrer in dem Gabretischen Walde zu bemächtigen / nach dem bereit drey gewafnete Cassuarier von ihrer Hand gefallen waren. Beyde Hertzoge verfolgten Spornstreichs ihre Reise; erreichten aber allererst gegen Abend etwan dreyhundert Cassuarier / welche iedoch keinen Stand hielten / sondern sich auff die Flucht begaben; also: daß die berittensten Cherusker kaum zwey Cassuarier einholeten; welchen mit genauer Noth auszupressen war: daß die Fürstin Thußnelde ungefähr eine halbe Meilweges voran wäre / und daselbst / weil sie wegen Schwachheit nicht ferner zu bringen; die Pferde auch auffs eusserste abgemattet wären / auf einen festen Berg Schlosse übernachten; sich auch die flüchtigẽ Cassuarier daselbst wieder zusa en ziehen würden. Hertzog Herrmañ wolte bey solcher Bewandnüs seine müden Cherusker nicht einst verblasen lassen / aus Beysorge, die zu letzt geflüchteten würden seinen Anzug verrathen / und Thußnelden weiter zu führen veranlassen. Weßwegen auch die / welche noch am besten beritten waren / um dieser besorglichen Entrinnung vorzubeugen voran hauen musten; welche denn zu allem Glücke auch gerade dahin gelangten / als die Cassuarier mit Thußnelden den Schloßberg herab kamen; nach erlangter Kundschafft aber: daß die Cherusker schon unten im Thale stünden / sich wieder hinein zohen. Wiewol nun beyde Hertzoge dieses Schloß rings um auffs beste besetzten; konten sie doch nicht hindern: daß nicht Segesthes / welcher nur fünff Meilweges davon Hof hielt / noch selbige Nacht hiervon Nachricht erlangte. Folgenden Tag kamen vollends die Hermundurer und Cherusker an. Daher die Hertzoge sich zu einer rechten Belägerung mit Umschantzung des Lägers und Fertigung des Sturmzeuges rüsteten; zumahl folgenden Tag die Kundschafft einlieff: daß Segesthes alles / was Waffen tragen könte / in seinem Gebiete aufbieten ließ. Wiewol nun das Schloß nur einen einigen in eitel Felsen gehauenen Weg hatte / brachten doch die Cherusker den fünfften Tag zwey Sturm-Balcken an; mit welchen sie / ungeachtet die über tausend darinnen belägerten Cassuarier mit ausgeworffenem Feuer / Steinen und Pfeilen ernste Gegenwehr thaten / zwey Thürme in Tag und Nacht derogestalt zerschmetterten: daß sie über einen Hauffen fielen / und mit ihrem Grause die Gräben fülleten; also zum Stürmen einen bequemen Zugang machten. Welches denn auch erfolgt wäre /wenn nicht die Cassuarier ein Zeichen des Friedens ausgesteckt hätten. Worauf auch alsofort drey edle Cassuarier Prabeck / Voße und Amelunx zum Hertzog Herrmann heraus kamen / an statt der verhofften Ergebung aber ihm Segesthens eigene Hand vorlegten / darinnen er dem obersten Befehlhaber im Schlosse Aschenbruch bey Verlust seines Kopffes und Ehren befahl / sich auffs eusserste zu wehren / und des Entsatzes ihn unfehlbar versicherte. Im Fall aber es so weit käme: daß er an längerer Erhaltung der Festung zweifelte; solte er Thußnelden / als einen Brand / der schon so viel Feuer angezündet hätte / und noch gantz Deutschland einäschern würde / ausleschen / und ehe von den Klippen herab stürtzen / als lebendig in Herrmanns Hände lieffern. Hertzog Herrmann hielt durch diese Abgeschickten dem Schloß Obersten zwar ein: was für unmenschliche Grausamkeit Segesthens Befehl in sich begrieffe; und daß auch ein Knecht in solchen Befehlen / die den Gesetzen der Natur wiederstrebten / seinem Herrn zu gehorsamen nicht schuldig wäre. Dieser aber ließ den Hertzog zur Antwort wissen: Es stünde keinem Untergebenen zu sich so verständig bedüncken zu lassen: daß man über seines Fürsten Verordnung: ob selbte recht oder unrecht wäre / urtheilen könte. Denn das Urtheil wäre ein Werck des Obern; der Gehorsam aber die Ehre der Unterthanen. [1306] Und da ein Schiff-Hauptmann sein Schiff ehe in Brand zu stecken / und sich selbst ehe aufzuopffern / als ein Raub des Feindes zu werden verbunden werden könte; wie viel mehr wäre er schuldig die hinzurichten / derer Leben und Tod ohne diß in der Willkühr seines Gebieters stünde. Nach dem dieser nun von seinen Gedancken nicht zu bringen war / wie beweglich ihm man gleich einhielt: daß die Ausliefferung Thußneldens / mit welcher man sich sonder Ergebung des Schlosses bestillen wolte / nicht nur eine ruhmwürdige Erbarmung über diese tugendhaffte Fürstin wäre; die als eine Rose auff ihrem mütterlichen Stengel von so schmertzhafften Dornen zerstochen würde / und davon entfernet zu werden wol verdiente / sondern auch der gemeinen Ruhe Deutschlandes vorträglich / wiedrigen Falls aber die Festung eine blutige Grabestatt der Belägerten seyn würde; schlug Hertzog Jubil für: Er möchte Thußnelden ihm ausfolgen lassen / welches er wegen des nur gegen den Fürsten Herrmann empfangenen Verbots ohne Verantwortung eingehen könte / zumahl er ihm angelobte / Thußnelden nicht dem Cheruskischen Hertzoge / sondern dem Fürsten Segimer Segesthens eigenem Bruder auszuantworten. Aber ebenfalls vergebens; in dem er antwortete: dieser Vorschlag wäre ihm / als einem Kriegs-Manne zu spitzsinnig; Daher Herrmann aus Eyver diesem hartnäckichten die ärgste Marter / und einen solchen Tod / den er fühlen würde / andräuen / und aus einer ihn überlauffenden hernach selbst bereuetẽ Hitze seine in voller Bereitschafft stehende Cherusker an beyden Orten anlauffen ließ; ihm einbildende: daß die hartnäckichte Erklärung dieses Cassuariers mehr Trotz / als Ernst wäre; in dem die /derer Großmüthigkeit auf der Zunge schwebte / selten viel davon im Hertzen hätten / und die Redner meist Künstler in Worten / nicht in den Wercken wären. Die Cherusker und hierauf die Hermundurer stürmten so erhitzt: daß ungeachtet der tapfern Gegenwehr nach zweyen Stunden die Cherusker auf dem Thore / die Hermundurer auf der innersten Schloß-Mauer ihre Fahnen auffsteckten. Aber diese Siegs-Zeichen verwandelten sich dem Hertzog Herrmann / welcher nahe bey der eingestossenen Mauer sein Volck zum Sturme anleitete / Augenblicks in klägliche Trauer-Binden. Denn er sahe aus einem Thurme ein Frauenzimmer herab stürtzen / welches er für kein anders / als seine Thußnelde halten; und daß selbte über die gähen Felsen in tausend Stücke sich zerschmettern müste /muthmassen konte. Dieses Schrecken verbitterte ihn so sehr: daß er seinen Hinterhalten vollends nachdringen / und befehlen ließ: die Cherusker solten keine Seele von den Mördern seiner liebsten Thußnelde leben lassen. Er selbst aber eilte mit etwan hundert Mann gegen die Klippen / worüber Thußneldens Abstürtzung geschehen war. Wie nun aber im Grunde nichts von ihr zu spüren / kletterte er mit der Seinigen und der verhandenen Sturm-Leitern Hülffe an den Felsen hinauff biß an den Thurm / da er denn zu seiner höchsten Verwunderung Thußnelden schier an der mitlern Höhe des über hundert Ellen hohen Thurmes gleichsam klebende fand; in dem sie mit ihrem von der Lufft auffgefacheten Rocke an einem spitzigen Felsen hängen blieben / mit den Händen eine aus den Steinen ragende Baum-Wurtzel im herab fallen ergrieffen / und nicht sonder augenscheinlichen Beystand Gottes sich so lange daselbst angehalten / also dardurch bewehret hatte: daß Fürsten gantz absondere Schutz Geister / und in sich einen ungemeinen Einfluß von auch Fürstlichen Sternen zu ihrer mehrmahls unglaublichen Erhaltung haben müsten. Hertzog Herrmann ließ alsbald zwey Leitern / weil keine allein zu dieser Höhe langte / zusammen binden; und nach dem der abschüßige Felß keine sichere Aufsetzung der Leitern verstattete / selbte mit Stricken unten umfassen / und die Cherusker auf der Seite [1307] gleichsam schwebende halten. Er selbst aber stieg oder flog vielmehr die Leiter hinauff / und hob Thußnelden darauf /welcher Hände schon gantz verschwartzt / und kaum wenig Augenblicke sich mehr zu erhalten geschickt waren. An statt der nunmehr entbundenen Hände / erstarrten alle ihre Glieder / als sie ihren liebsten Hertzog Herrmann für sich sah / und ihn abermahls für ihren Erlöser erkennete. Ja auch ihre Zunge war unbeweglich; nur die Augen zeigten ihre Lebhafftigkeit mit denen daraus fallenden Thränen an. Hertzog Herrmann selbst konte entweder für Mitleiden / oder für Freuden sich derselben nicht mäßigen; und gab darmit an Tag: daß die Augen der Helden nichts weniger in sich Wasser der Empfindligkeit / als Felsen Quelle haben. So bald sie nun beyde von dieser gleichsam in der Lufft hängenden Leiter auf die feste Erde sich begeben hatten / umarmete der gleichsam auffs neue lebendige Herrmañ seine Thußnelde / welche ihn aber erinnerte: daß selbige Zeit unauffschieblichere Dinge zu erörtern hätte. Wie dieser nun: worinnen solche bestünden / fragte; antwortete sie: daß er in dem eroberten Schlosse der besorglichen Blutstürtzung ein Ende machte. Denn ob zwar die Belägerten ihn beleidiget hätten / bäte sie doch zu erwegen: daß diese Beleidigung ein Gehorsam gegen ihren Fürsten; und sie alle ihre Landes-Leute wären. Hertzog Herrmann eilte hiermit geraden Weges in das von Blut allenthalben besprützte Schloß; welchem denn Thußnelde selbst auff der Fersen folgte / und durch ihre Vorbitte zu wege brachte: daß der Hertzog niemanden mehr zu tödten / alsofort ein Kriegs-Zeichen geben ließ. Wie nun bey nahe die Helffte noch gefangen ward; also brachten Böltzig und Tecke / zwey Cherusker den Schloß-Hauptmann Aschenburg in Band und Eisen für den Hertzog dem sie den auff sich selbst gezückten Degen ausgewunden / und um ihn zu einer grössern Pein aufzuheben zu sterben verwehret hatten. Dieser fiel gantz verzweiffelt für dem Hertzog Herrmañ und Thußnelden nieder; entweder / weil er itzt allererst seine bey ihrer Herabstürtzung ausgeübte Grausamkeit erwog; indem alle Laster nach ihrer Vollbringung nach Art des in die Lufft kommenden Stein-Saltzes vielmahl schwerer im Gewichte werden; oder / weil er nicht zu begreiffen wuste: wie diese mit seiner eigenen Hand herab gestürtzte Fürstin nicht nur unzerschmettert / sondern lebendig / ja gantz gesund seyn könte. Er konte zwar für Schrecken kein Wort auffbringen; aber seine zitternde Glieder redeten sie deutlich genung um Erbarmnüs an; biß seine stammelnde Zunge endlich eine Bitte um keinen langsamen Tod halb zerbrochen ausschüttete; ja sich selbst so vielmehr verdammete; weil ihm Hertzog Herrmann in Rom wegen eines Kriegs-Verbrechens das Leben geschenckt; Er auch diesen Ausschlag leicht hätte vermuthen können; weil die Gerechtigkeit der Waffen auf Seiten der grösten Tapfferkeit der Welt mit diesem Uberwünder gestanden wäre. Hertzog Herrmann antwortete ihm mit einer ernsthafften Gebehrdung: wer das vergangene vergist / das gegenwärtige nicht wahrnimmt / das künfftige verachtet / ist des Lebens nicht werth. Denn der weiß nur zu leben / der aller dreyer Zeiten-Genüß durch Erinnerung geschehener / durch tugendhaffte Anwehrung gegenwärtiger / und kluge Vorsehung künfftiger Dinge nicht verabsäumet. Der aber verdient nicht einst die Ruhe des Todes zu genüssen / der der Unschuld Leben bitterer macht / als der Tod an sich selbst ist. Und daher solstu nicht leben / noch auch sterben; sondern die Wermuth von beyden auff einmahl schmecken. Die mitleidende Thußnelde sagte zwar kein Wort / ihr einiger Anblick aber war ein so beredsames Stillschweigen / und hatte in sich eine so lebhaffte Vorbitte: daß er ihr die Willkühr über sein Leben und Tod enträumete. Welche denn hierauff sich erklärte: Sie wolte ihm die völlige Freyheit schencken; [1308] weil sie ohne diß dem das Leben zu nehmen nicht befugt wäre / das er vom Hertzog Herrmann / als dem Gebieter ihrer Seele / schon einmal zum Geschencke bekommen hätte. Dieser schon halb-todte ward hierdurch auffs neue beseelet / Herrmann aber veranlasset: daß er alle Gefangene von Stund an frey / seine wenige Todten aber herrlich beerdigen / und der Verwundeten in dieser besetzten Festung wol pflegen ließ. Den dritten Tag darauff erhielt Herrmann und Jubil die Nachricht: daß Segesthes sich mit zehntausend Galliern verstärckt / und bey Henneberg ein Läger geschlagen / auch an der Werra und der Fulde ihnen alle Pässe verhauen und besetzt hätte. Wenig Stunden darauff fand sich ein Römischer Edelmann beym Hertzog Herrmann mit Schreiben aus Meyntz vom Quintilius Varus ein; darinnen er ihn versicherte: daß der Kayser die vorhabende Heyrath Marbods und Thußneldens nicht / wol aber Hinderung dieses verdächtigen Beginnens und die Demüthigung des undanckbaren Segesthes billigte / derowegen er auff den Nothfall dem Fürsten Herrmann hülffbar beyzuspringen nicht vergessen würde. Herrmann / ob er wol dieser Verträuligkeit des schlimmen Varus wenig zutraute / fertigte doch diesen Römer mit Geschäncken und mit vielem Wort-Gepränge seiner Verbindligkeit halber gegen den Kayser und Varus ab. Denn solche Anstellung ist ein ehrbarer Betrug der Fürsten wieder die Betrüger; und also nicht nur zuläßlich / sondern nöthig. Dieser war kaum abgefertigt / als beyde Hertzoge den Segesthes des Nachts zu überfallen schlüßig wurden; und mit dem sinckenden Abend ihre Völcker in möglichster Stille gegen Henneberg fortrücken liessen. Denn ob sie zwar sich dreymahl schwächer / als den Feind wusten / trauten sie doch ihrer Tapfferkeit in allem so viel zu: daß sie an nichts einiges Mißtrauen hatten; zumahl ihr voriger Sieg ihrem Volcke so viel mehr Hoffnung / den Feind aber verzagt gemacht hatte / und selbter also ein Werckzeug mehrer Siege zu seyn tauglich schien. Die Cherusker und Hermundurer kamen guter drey Stunden für Tage harte an das Läger / in welchem sich schier keine Mauß nicht rührte; hingegen sahen sie das Schloß in Henneberg von unzehlbaren Lichtern und Fackeln gleichsam lodern; und die hellen Krumb-Hörner erfülleten die Lufft mit einem unauffhörlichen bey denen Gesundheit-Trincken gewöhnlichen Gethöne. Weil nun dieses das wenigere Geräusche verdrückte / ließ Herrmann etliche Cherusker an die Wagenburg kriechen; welche alsofort zwey in so tieffen Schlaff und Trunckenheit versenckte Gallier zum Herrmann schlepten: daß sie nach vielem Rütteln kaum zu erwecken waren. Diese bekennten: daß zwey Fürsten der Gallier nebst den fürnehmsten Kriegs-Obersten beym Hertzog Segesthes zu Gaste / die den Abend vorher mit vieler Kost und Geträncke beschenckten Gallier auch grossen theils truncken wären. Die Hertzoge theilten ihr Kriegs-Volck sonder einige Zeit-Verlierung in vier Theil; mit zweyen ward ins Läger gebrochen / die schlaffenden Wachen niedergehauen / die Wagenburg eröffnet / ehe sich schier ein Mensch in dem Läger rührte / weniger zu den Waffen grieff. Man schlachtete die Gallier gleichsam wie das unvernünfftige und angebundene Vieh ab; biß Hertzog Jubil an das Lager der Chassuarier kam; welche alsofort die Waffen ergrieffen / und denen Hermundurern die Stirne boten. Hierüber ward auch Lermen in Henneberg / und Segesthes nebst seinen von dem Truncke erhitzten Gästen wolten durch das nechste Thor mit dreytausend darinnen liegenden Chassuariern heraus brechen / und denen die Lufft mit erbärmlichem Mord-Geschrey erfüllenden Galliern /welche nun hin und wieder zu der Gegenwehre sich anstelleten / zu Hülffe kommen. Aber Hertzog Herrmann hatte bald im Anfange seines Einbruchs dieses Thor mit [1309] dem dritten Theile der Hermundurer versetzt; also: daß Segesthes eine Stunde lang vergebens heraus zu kommen sich mühte / als inzwischen die Cherusker die Gallier abschlachteten / Jubil aber die Cassuarier im Läger in Verwirrung / hernach in die Flucht brachte. Bey anbrechendem Tage brach Segesthes durch das andere Thor mit zweytausend Mann heraus; aber Hertzog Herrmann setzte ihm nicht allein seinen Hinterhalt entgegen; sondern / weil die Gallier ohne diß schon meistentheils aufgeopffert waren / und der Ritter Stirum mit sechshundert Cheruskern und einer daselbst gemachten Wagenburg das andere Thor genungsam einschloß / gieng er mit fünffhundert Pferden gleichfalls dem Segesthes entgegen; welcher von Wein und Rache erhitzet mehr verzweiffelt / als tapffer fochte / auch bey Erblickung Hertzog Herrmanns gegen ihn sich so weit herfür zückte: daß nach dem dieser seinen Wurffspieß behutsam versetzt / und ihm das Pferd durch einen Schwerdtstreich in Hals getödtet hatte / Segesthes / ungeachtet der Cassuarier ruhmwürdiger Gegenwehr / vom Ritter Bodenstein gefangen; und hierauff die Cassuarier in die Flucht gebracht wurden. Wie nun diese in die Stadt sich flüchteten / Hertzog Herrmann aber mit seinen Cheruskern sich mit ihnen so vermengte: daß es unmöglich war für dieser eindringenden Gewalt das Thor zu sperren; also drang Hertzog Jubil nach gantz überwundenem Lager mit seinen Hermundurern zum andern Thore mit einer gleichmäßigen Tapfferkeit in die Stadt; welche denn nunmehr für denen Uberwündern mit Wegwerffung der Waffen sich demüthigte. Und ob wol das Schloß sich noch zu einer Gegenwehr rüstete; ergab es sich doch folgenden Tag bey verspürtem Ernste des Sturmes als ein solches Glied / welches nach Verlust des Hauptes zwar noch einige Regung / aber keine Geschickligkeit zu vernünfftigen Anstalten hat. In dem Schlosse wurden die zwey Fürsten der Gallier gefangen / und in Segesthens Geheim-Schrancke ein Schreiben des Tiberius und Varus gefunden / derer ersteres dem Segesthes die heimliche oder gewaltsame Hinrichtung Hertzog Herrmanns / und anderer ihm am liechten stehender deutschen Fürsten / mit hochbetheuerlicher Versicherung der deutschen Feldherrschafft auftrug; das andere aber Segesthen wieder den Herrmann mit vielen Schmehungen auffrischte; und daß über die bereit zu seinen Diensten geschickten Gallier ihm auff den Nothfall noch mehr Hülffe zukommen solte. Hertzog Herrmann / welcher Segesthens Abneigung endlich durch die Ubermaaß seiner Wolthaten zu gewinnen vermeinte / und durch seine Beleidigung nicht seine hertzliebste Thußnelde /durch diese aber sein eigen Hertz beleidigen wolte; ließ ihm nicht nur die von etlichen verbitterten Cheruskern und Hermundurern umgelegte Ketten und Fessel abnehmen / und ihn Fürstlich bedienen; sondern auch durch den Fürsten Jubil ihm die augenscheinliche Wiederstrebung des Verhängnüßes in anderwärtiger Verheyrathung seiner Tochter / aus des Tiberius Schreiben seine Mord-Lust; aus den zweyen Brieffen des Varus aber / dieses auf beyden Achseln tragenden Verräthers Arglist und Vorsatz / die Deutschen an einander zu hetzen / für Augen stellen. Die verheissene Hülffe zu der deutschen Feldherrschafft wäre dem Hertzog Herrmann so betheuerlich / als Segesthen versprochen; und ein Angel-Hacken / an welchem alle beyde ersticken solten. Der Römer Absehen wäre: daß die Cassuarier und Cherusker / als zwey gegen einander stürtzende Felsen einander zermalmen / und ihrer einfältigen Bunds-Genossen Hände die gebratenen Kastanien aus den glüenden Kohlen scharren / den Kern aber ihnen zu essen geben solten. Dieses möchte er doch nun einmahl behertzigen; des Cheruskischen Helden auffsteigende Glücks-Sonne durch ferner verweigerte Vermählung [1310] und andere Wiedersetzligkeiten nicht verdüstern; als welcher erbötig wäre ihm nicht nur seine Freyheit und alles abgenommene wieder zu erstatten / sondern auch alle Beleidigung mit dem Schwamme ewiger Vergessenheit auszuleschen. Segesthes / welcher vom Hertzog Herrmañ die grausamste Ausübung der Rache wieder sich besorgt hatte / ward durch die erstere Entbindung zwar etlicher massen aus dem Kummer gesetzt; wiewol die Erkäntnüs seiner Schuld ihm immer im Gedächtnüße /und daher die Beysorge der Straffe noch auff dem Hertzen lag; durch diß letztere Anbieten aber so beschämet: daß er antwortete: Er wäre in wenig Tagen von dem großmüthigen Herrmann zweymahl überwunden worden; aber dieser letztere Sieg übertreffe alle seine vorhergehende. Deñ jene Siege erstreckten sich nur über die eussernchen Glieder; seine Begnadigung aber über sein des Segesthens Gemüthe / ja über sich selbst. Seine Beleidigung überwiege das Gewichte aller Verzeihung; Herrmanns Güte aber übermeisterte auch die Unversohnligkeit selbst. Nichts schlimmers und gefährlichers wäre / als zu dem Bösen einen Zug / und für dem Guten einen Eckel haben; Gleichwol aber hätte er / doch wüste er nicht aus was für Verblendung oder Zauberey / so sehr in der schädlichen Freundschafft der Römer sein Unglück / als die Mücken in dem Feuer ihren Tod gesucht. Ja es hätte an dem Fürsten Herrmann nichts so tugendhafftes geleuchtet; welches er nicht für einen verführischen Irrwisch angesehen. Nunmehr aber erweichte ihm die Leitseligkeit dieses wolthätigen Uberwinders sein eisernes Hertze; und seine Klugheit zündete ihm durch die Gegeneinanderhaltung der Römischen Mord-Schreiben ein soches Licht an: daß er von nun an ihre Gemeinschafft verdammen / und ihre Freundschafft abschweren müste. Wenn ihn Hertzog Herrmann nunmehr würdigte für seinen Schweher anzunehmen / wolte er sich bemühen sein Diener zu seyn. Wenn er ihn aber so gar mit dem Abgewonnenen beschencken wolte würde er ihm hingegen die Herrschafft über sein Gemüthe einräumen. Diese durch den Fürsten Jubil überbrachte Erklärung verursachte bey dem Cheruskischen Hertzoge und Thußnelden eine solche Vergnügung: daß sie bald darauf Segesthen im Zimmer heimsuchten / und die /welche allererst mehr als eine Tod-Feindschafft gegen einander ausgeübt hatten / einander brüderlich umarmten. Ja Segesthes selbst verordnete: daß das Feld bey Henneberg zu einem unausleschlichen Gedächtnüsse der von Hertzog Herrmann darauff ausgeübten Heldenthaten den Nahmen Herrmannsfeld ewig führen solte. Einen so grossen Vorzug hat die Tugend für den Lastern: daß jener ihre eigene Feinde Lorber-Kräntze auffzusetzen; diese aber auch von denen / die sie gleich lieben / verdammt werden müssen. Die Verträuligkeit zwischen diesen Neuversöhnten vermehrte sich alle Tage / und Segesthes selbst veranlaste den Cheruskischen Hertzog: daß er bey denen verwirrten und also alles Gepränge leicht entpehrenden Zeiten sein Beylager alsbald zu Henneberg vollziehen solte. Alleine Thußnelde selbst hielt um desselbten Auffschub beweglich an; weil sie vorher ein gewisses Gelübde in dem Tanfanischen Heiligthume abzugelten hätte. Wiewol nun Hertzog Herrmann sie gerne eines andern beredet hätte / ihr auch die unvermutheten Umschlagungen der Gelegenheit / welche man keinmahl aus den Händen lassen solte / und die veränderliche Beschaffenheit der Gemüther mit dieser Erinnerung einhielt: daß wer seine Genesung auff andere Zeit verschiebt / zur Zeit der Noth derselben ins gemein entpehren müsse; lehnte sie doch solches mit ihrer gelobten Andacht bescheidentlich ab; und bewehrete: daß man nichts gewinne / wenn man schon etwas zu seinen Händen brächte; nichts aber verliere /was man der Hand Gottes auffzuheben [1311] gebe. Bey einmüthiger Beliebung nun: daß die Heyrath zu Deutschburg vollzogen werden solte / nahmen Herrmann / Segesthes / Jubil und Thußnelde nach wenig Tagen ihren Weg nach Marpurg zum Hertzoge Arpus; weil Herrmann mit den Catten das wieder die Römer lange im Schilde geführte Bündnüs auf festern Fuß zu setzen / Thußnelde aber ihre andere Mutter die Hertzogin Erdmuth nunmehr zu ihrer Ausstattung zu erbitten vor hatte. Sie kamen daselbst glücklich an / und ihre Bewillkommung war dem Vergnügen gemäß / welches die Cattische Fürstin über der Versohnung des Cheruskischen und Chassuarischen Hertzogs schöpfften. Den Tag darnach fand sich auch der streitbare Hertzog der Sicambrer Melo nur mit zwölff Edelleuten auff der Post zu Marpurg ein. Sein erster Anblick zeugte alsofort eine Verwirrung der Gedancken / und die Schwermuth bey einer so annehmlichen Zusammenkunfft ein nicht geringes Anliegen seines Hertzens an. Gleichwol wolte er am ersten Abende seiner Ankunfft die freudige Gesellschafft mit seinem Wehklagen nicht irre machen. Des Morgens aber sehr früh ließ er Ansuchung thun: daß Hertzog Arpus in seinem geheimsten Zimmer Verhör geben / den Cheruskischen Hertzog aber darzu erbitten möchte. Bey dessen Erfolg muste Hertzog Melo ihm etliche mal die Thränen abtrocknen / ehe er nachfolgende Worte nicht ohne Stammeln heraus bringen konte: Verstattet mir / ihr zwey nur noch übrigen Pfeiler unsers Deutschlands: daß ich für euch mein Hertzeleid ausschütte; welches zwar keiner Hülffe; aber durch euer Mitleiden vielleicht einer Erleichterung fähig ist. Denn ist gleich mein Unglück so groß: daß ich es nicht ohne Schamröthe entdecken kan; so tilget doch die rechte Begierde der Rache alles Bedencken meine eigene Schande zu sagen. Mein Hauß ist verunehret; mein Geschlechte beschimpfft; Deutschlands Ehrbarkeit zu Bodem getreten; und meine Tochter geschändet. Quintilius Varus / den ich auff seiner von Meyntz nach der Festung Alison für genommenen Reise auff einem meiner Lusthäuser als einen Freund bewirthet; hat mit gewaffneter Hand mein Kind aus den Armen ihrer Mutter geraubet; nach dem er ihrer Keuschheit vorher mit den schändlichsten Zumuthungen fruchtloß zugesetzt. Ich habe bey meiner Gegenwehr diese drey Wunden davon getragen. Wolte GOtt aber: daß mir das Leben nicht übrig blieben wäre / um nichts von meiner Tochter Unehre / und der Schmach meines Stammes zuwissen! Alle andere Güter und Tugenden sind wieder zu erlangen; der Verlust aber der Keuschheit ist unersetzlich / und der Ehre unwiederbringlich. Die blosse Anrührung der Ehre ist so empfindlich: daß auch die / welche gleich keine mehr in ihrer Seele beherbergen / doch keine Ehren-Verletzung vertragen wollen. Weil die gedultige Verschmertzung eines angethanen Unrechts ein Kennzeichen ist: daß man solche Schmach verdient habe. Nun denn die Verletzungen unsers guten Nahmens unvergeblich; eines Fürsten Beschimpffungen allen Fürsten gemein sind; so traue ich / ihr Helden / euch unzweiffelbar zu: daß ihr nicht weniger Rächer dieser Schandthat seyn werdet /als ich weiß: daß ihr redliche Deutschen seyd. Auch Unterthanen werden ihrer Eyds-Pflicht loß: daß sie solche Laster an ihren Herren bestraffen können; wie viel weniger werdet ihr / denen die Freyheit angebohren / diesem Ehrenschänder es ungerochen hingehen lassen / der nichts minder euren Hälsen das Joch der Dienstbarkeit auffzudringen für Ruhm / als unsere Frauenzimmer zu besudeln für Kurtzweil hält. Die versehrte aber gerochene Keuschheit hat Rom aus einer Magd zu einer Freyin gemacht; wie viel mehr vermag eure Rache durch des Varus Blut die Flecken meiner geschwächten Tochter / und euer Freyheit abzuwaschen. [1312] Leidet aber ja das Verhängnüs unseres bedrängten Zustandes nicht: daß ihr euch so wol meiner / als des Vaterlandes anmasset; so wil ich alleine mich rächen / oder sterben. Denn die Rache oder der Tod ist allein die Seiffe solcher Brandmahle. Alles beydes gereichet mir zum Vortheil / es schlage mein Vorsatz gleich aus wie er wolle; weil die verunehrten Todten aller Schamröthe; die lebenden Ubelthäter aber selten eines unblutigen Todes entfreyet sind. Diese Rede trug Hertzog Melo mit einer so beweglichen Art für: daß beyden andern Hertzogen die Augen übergiengen; und beyder Gemüther nichts minder zur Rache gegen den Varus / als zum Mitleiden gegen den Melo bewegt wurden. Hertzog Herrmann / nach dem er den Hertzog Arpus um Verzeihung gebeten: daß er seiner Erklärung mit einer nöthigen Erinnerung zuvor käme; fieng hierauff an: Die Beschimpffung des Sicambrischen Hauses züge er so sehr auff sich und das Cheruskische / als Melo auf sich und das Seinige; weil beyde mehr als durch hundert Vermählungen so in einander verflochten wären: daß er sie für einerley Stammbaum hielte. Das Hertzeleid des Fürsten Melo wäre so viel mehr zu empfinden; als Deutschland zu seiner bißherigen Unterdrückung wäre unempfindlich gewest. Sein Schmertz verdiente ein allgemeines Mitleiden; gleichwol schöpffte er noch einigen Trost daraus; weil er sähe: daß nicht alle Deutschen schon gar todt wären. Deñ ein grosser Schmertz wäre noch besser / als gar keine Empfindligkeit; weil diese der schon Entseelten Eigenschafft / jener aber gleichwol noch ein Merckmal des Lebens wäre. Bey so gestalten Sachen schiene dem Vaterlande gut zu seyn: daß die Wunde ihnen einst ins Fleisch / und der Schmertz zur Seele gienge. Im Fall aber auch dieser die Deutschen nicht aus ihrer Schlaffsucht zu reissen vermöchte; solten sie aus diesen dreyen Schreiben des Tiberius und Varus die Boßheit und Mord-Lust der Römer; und die beschlossene Austilgung aller Fürstlichen Häuser; also die Rache nicht nur wieder den Varus / sondern die Ausrottung aller Römer in Deutschland lernen; und die / welche vorhin ein Vorbild der Freyheit und Tapfferkeit andern Völckern gewest / nunmehr ein Beyspiel von denen der Dienstbarkeit doch gewohnten Pannoniern und Dalmatiern nehmen; welche das Römische Joch nicht nur abzustreiffen Gut und Blut rühmlich verschwendeten; sondern auch den Deutschen gleichsam den Dorn aus den Füssen gezogen; und sich der geringen Uberbleibung der meist in weibischen Galliern bestehender Römischen Macht zu entschütten eine in hundert Jahren kaum wiederkommende Gelegenheit an die Hand gegeben hätten. Er hätte bey sich nunmehr schon den Schluß gemacht mit den Römern zu brechen; nach dem der Auffstand der Gothonen und Sidiner / den andern Feind der deutschen Freyheit / nehmlich den König Marbod gleichfalls anderwerts beschäfftigte. Zwar schiene das Werck freylich nicht ohne Schwerigkeit zu seyn / weil Deutschland noch sechs Legionen / auch über anderthalb hundert tausend Gallier und andere Ausländer auf dem Halse hätte; aber es wäre erträglicher einmahl untergehen; als täglich auf dem Scheide-Wege des Heiles und des Unterganges schweben. Jedoch sehe er keine solche Gefahr / welche ihnen alle Hoffnung des Obsieges abstrickte. Um sich selbst hätte er den wenigsten Kummer. Deñ / weñ er die Römer erlegt /hätte ihm Deutschland sein Leben zu dancken; würde er aber selbst erdrückt / so bliebe es ihm doch für seinen Tod verpflichtet. Das letztere wäre der ärgste Ausschlag seines Vorsatzes / aber nicht der geringste seines Ruhmes. Wer nicht vorher zu sterbẽ entschlossen wäre / würde einen Wütterich zu tödten sich nicht entschlüssen. Zu dem stünde einem Helden ohne diß nicht an aus blosser Gnade seines Feindes zu [1313] leben /wie die Deutschen zeither fast unter den Römern gelebt hätten. Also wäre sein unveränderlicher Vorsatz /entweder in der Freyheit zu leben / oder für dieselbe zu sterben. Hertzog Arpus hörte mit einer großmüthigen Aufwallung seines Gemüthes Herrmanns Vortrag; und nach dem er die fürgelegten Schreiben / in derer einem ihm absonderlich sein Todes-Urthel gefällt war / durchlesen hatte / erklärte er sich dahin: Varus hätte den Melo biß in die Seele beleidiget; ihm aber nach dem Leben getrachtet: keines wäre gelinder / als mit seinem Tode zu rächen. Alle redliche Deutschen würden bey ihnen stehen / welche verstünden: daß wer einmahl der Tugend gram würde / sich an mitlern Lastern nicht sättigte; und daß das Mord-Eisen der Wütteriche nur durstiger nach mehrerm Blute würde. Denn so ruchlose Leute hegten diesen Aberglauben: daß die auffs höchste gewachsenen Laster zu Tugenden / wie die ihres gleichen verschlingende Schlangen zu Drachen würden. Weil nun derogestalt dem Vaterlande das Wasser in den Mund / ihnen selbst biß über die Scheitel gienge / wären mittelmäßige Entschlůssungen der Römer Gewalt zu steuern unvermögende Bemůhungen / oder vielmehr ohnmächtige Wehen der vergehenden Freyheit. Wenn die Tugend ihr selbst durch gewisse Maaßgebung ein Gebieß anlegte /müste sie allerdings darhinten bleiben; und die Boßheit / welche weder Maaß noch Ziel kennte / lieffe ihr allezeit das Vortheil ab. Dahero jene ihr Gutes ins gemein böse / diese aber ihr Böses wol ausübte. Also stimmte er in alle Wege dahin: daß man die Römische Macht / als die deutsche Gifft-Wurtzel / mit Strumpff und Stiel ausrotten solte; und er stünde für seine Catten: daß sie beyde Schärffen ihrer Schwerdter für die gemeine Freyheit brauchen würden. Sie alle müsten Deutschland für ihre Mutter; aber Deutschland könte niemanden wol für seinen Sohn erkennen / wenn sie es in diesem Nothstande versincken / und in dem Schlamme der Römischen Uppigkeiten ersticken liessen. Man schätzte für keine Schande an seiner Liebes-Kranckheit vergehen; warum hätte man denn Bedencken mit dem sterbenden Vaterlande umzukommen? Wer nicht für rühmlich schätzte das Leben einzubüssen / um die Ehre zu behalten / hätte weder Ehre noch Leben in sich. Hingegen würde Deutschland durch ihre Regung einen neuen Geist / und sie durch die Abscheu für so grausamen Lastern des Varus überflüßigen Beystand bekommen. Wolte ihnen aber auch gleich das Vaterland / so wolten sie doch nicht dem Vaterlande entfallen. Hätte er nicht zu verhindern vermocht: daß die Römer in Deutschland den Fuß gesetzt / so wolte er doch sich bearbeiten: daß ihr Glücke darinnen nicht berasete. Was der Römer Herrschenssucht in Deutschland eingenommen / hätte ihnen ihre Zwietracht eingeräumt; und also klebte ihrem Besitzthume ein zweyfacher Fleck / denen Deutschen aber die gröste Schande an. Und derogestalt würde er vom Melo und Herrmann durch ihren hertzhafften Schluß nicht so wol zu einem gefährlichen / als ruhmwürdigen Wercke beruffen. Wiewol eine unvermeidliche Nothwehr keine bedenckliche Uberlegungen der Gefahr vertrüge. Er erinnerte allein bey diesem Fürhaben: daß sie ihren Schluß ohne Säumnüs ins Werck richten solten. Denn die Uberlegung eines Dinges habe wol Zeit / der Schluß aber unsäumbarer Ausführung von nöthen. Viel Heimligkeiten kämen ohne einigen Wortes Auslassung aus. Denn die Muthmassung wäre ein schärfferer Ausholer / als die Zunge ein Verräther. Weil nun vorher gesehene Streiche meist nichts / als die Lufft verletzten /ein mißrathender Anschlag aber nur warnigte; rieth er: daß man wie ein Blitz loßbrechen / und durch eine behertzte Geschwindigkeit die bißherige Versäumung des Vaterlandes einbringen solte. Also brachte dieser[1314] Fürsten einmüthige Meynung ehe / als man sichs hätte einbilden können / dieses Bündnüs zu wege: daß sie den Quintilius Varus mit allen Römern aufopffern /und Deutschland in den alten Stand voriger Freyheit versetzen wolten. Hierauff kam in Berathschlagung: wie dieses wichtige Werck klüglich auszuüben; und ob dem Segesthes und Jubil hiervon etwas zu eröffnen wäre? Nach unterschiedener Uberlegung ein- und anderer Bedencken fiel endlich der Schluß dahin: Hertzog Herrmann und Arpus solten gegen dem Varus grössere Verträuligkeit / als iemahls vorher bezeugen; Hertzog Melo aber an den Kayser eine Beschwerde wegen seiner geraubten Tochter abschicken / aber zugleich die Waffen unter dem Vorwand: nur gegen dem Quintilius Varus sein Unrecht zu rächen / wieder die Römer ergreiffen. Hertzog Herrmann und Arpus wolten inzwischen zum Scheine aus ihren Großelterlichen Zwistigkeiten einen Dorn herfür suchen; und ihre gegen einander geschehende Kriegs-Rüstung über der allgemeinen Feinde Köpffe ausbrechen lassen. Segesthen aber hiervon etwas zu entdecken / hielten sie insgesamt für bedencklich; weil seine Gemahlin Sentia in dem Verdachte wäre: daß sie Segesthen durch Zauberey bestricket / und nichts minder zu einem Sclaven der Römer / als einem Tod-Feinde des Cheruskischen Hertzogs gemacht hätte. Welche Abneigung ihn nur itzt die Noth verbergen hiesse / ein einiger Anblick der Sentia aber sein Gemüthe gegen den Hertzog Herrmann mehr / als der Zauber-Kopff Medusens versteinern würde. Dem Hertzoge Jubil wäre dieses Geheimnüs zwar sicher genung zu vertrauen; aber es wäre noch Zeit genung darzu; wenn sie dem Wercke näher / als itzt seyn würden. Sintemal solche Verbindungen gefährlicher in ihrer Anspinnung / als in derselben Ausübung wären. Und ein groß Werck würde mit weniger Gefahr ausgemacht; welches nichts minder wenigen bewust; als nicht in viel Umstände verwickelt wäre. Mit diesem Verlaß reisete Melo den andern Tag von Marpurg wieder ab; und ob wol niemand sonst sein Anliegen erforschet hatte; diente doch zu einer ziemlich mercklichen Auslegung seiner Ankunfft: daß Varus zwar seine Tochter mit Gewalt geraubet / selbte aber noch ehe / als er sie mißbrauchen können / ihren gewaltsamen Führer mit einem verborgenen Messer getödtet; und weil sie aus so vieler Römer Händen unmöglich anders entrinnen können / sich in den Siege-Strom gestürtzt hätte. Insonderheit steckte dem argwöhnischen Segesthes diese Nachricht ein grosses Licht auff; welcher sich sonst in des Hertzogs Melo eilfertiger Ankunfft / und so uhrplötzliche Abscheidung nicht zu richten wuste. Wie nun alle Geheimnüße verdächtig sind; also hielt es Segesthes ihm verkleinerlich: daß weder Melo noch Arpus gegen ihn was entdeckten. Hierzu kam: daß Hertzog Herrmann und Jubil auch gleichsam über Hals und Kopff von Marpurg auffbrachen; und Segesthens Reise / welcher seine Gemahlin Sentia nach Marpurg verschrieben hatte / nicht erwarten wolten. Welches Segesthen in einen so grossen Argwohn setzte / oder zum minsten ihm von Sentien hernach eingeredet ward: daß man nicht nur die Römer / sondern auch ihn aus dem Wege zu räumen für hätte. Also ist der Verdacht der betrüglichste Wegweiser zu bereuens würdigen Entschlüssungen; und die Furcht Gewalt zu leiden mehrmahls eine Ursache einem andern Gewalt anzuthun. Denn ob wol Herrmann und Arpus ein Unvernehmen gegen einander bezeugten / hielt es doch Segesthes und Sentia wegen vorgängiger Verträuligkeit für ein blosses Spiegelfechten. Diesemnach er denn seinen Weg gerade nach Alison zum Quintilius Varus richtete; und ihm seine Muthmassungen Haar-klein entdeckte. Wenig Tage darauff kriegte Varus Zeitung: daß Hertzog Melo mit [1315] seinen Sicambrern alle in seinem Gebiete befindliche Römer erwürget / die Gallier über den Rhein gejagt / auch in der bey dem Altare der Ubier aufgerichteten Festung eine Legion belägert hätte. Wie nun Varus hierüber nicht wenig bestürtzt ward / sonderlich / weil der Göttlichen Rache Gerichts-Anwald nehmlich das Gewissen ihn überzeugte: daß er durch seine Boßheit dem Melo diese feindliche Antastung abgenöthigt /die deutschen Fürsten ins gesamt durch seine Hoffart /den Adel durch Beschimpffung / die Bürger durch unerträgliche Schatzung / alle aber durch die Schärffe neuer mehr spitzfinniger / als gerechter Gesetze / den Ackers-Mann durch knechtische Arbeit / besonders in Suchung der Ertzt-Gruben ihm gehäßig gemacht hatte; also ward er noch kleinmüthiger; als er die so starcke Zurüstung der Cherusker und Catten vernahm. Weßwegen er in aller Eil die hin und wieder zertheilten Gallier an sich zoh; und nichts minder den Hertzog Herrmann / Ingviomer / Jubil und etliche andere Fürsten zu sich nach Alison erbat. Hertzog Herrmann stand zwar mit Ingviomern und dem Jubil lange im Bedencken: ob sie dem Varus trauen solten; sonderlich weil der von der Römischen Grausamkeit so sehr gedrückte Hertzog der Chautzen Ganasch / mit welchem Hertzog Herrmann eine heimliche Unterredung hielt / ihnen ihre Erscheinung so sehr mißrieth; ja als sie seiner Abwehrung nicht folgen wolten; sie mit diesen Worten gesegnete: Es wäre rathsamer eine Hand ohne Herrschungs-Stab / als einen Nacken ohne Kopff haben. Alleine / weil kein Mensch vom Segesthes etwas Böses muthmaste; sie auch von des Varus Furcht über der Sicambrer Auflehnung sichere Nachricht; durch ihre Enteusserung aber den Römern die Freundschafft aufzukündigen / oder dem Varus böses Nachdencken zu verursachen anstunden; weil sie theils ihre Kriegs-Verfassung noch nicht in einem solchen Stande hatten: daß die Römische und Gallische Macht nicht der Cherusker uñ Bructerer Meister zu werden vermocht hätte; andern theils auch von grossen Siegen des Tiberius und Germanicus wieder die Pannonier und Dalmatier Zeitung einlieff; hielt es Herrmann für rathsamer sich beym Varus einzufinden / und ihm dardurch nicht nur einen blauen Dunst seiner Treue wegen für zumahlen; sondern auch die Heimligkeit seines wieder den Melo führenden Anschlags zu ergründen. Also kam Herrmann zu nichts minderer Verwunderung des Segesthes als des Varus in Alison unvermuthet an / und wurde vom Varus mit ungewohnter Freundschafft bewillkommt; welcher nicht so klüglich den Firnß der Heucheley / als Hertzog Hermann den Schatten seines Mißtrauens zu verdecken wuste. Weil nun der / welcher mit Betruge Wucher treiben wil / seine Waare im Tunckeln feilhaben / sich auch selbst nicht zu erkennen geben muß /ausser dem aber ihm selbst viel nicht eingebildetes Ubel auf den Hals zeucht; so gewann Varus hiervon nichts bessers / als daß er dem Fürsten Herrmañ in seinem wieder ihn gefasten Argwohne eines ungemeinen Betruges befestigte; hingegen aber durch seine so freye Einfindung gantz irre gemacht ward: Ob er dem Cheruskischen Hertzoge etwas böses zutrauen / und Segesthens Warnigung Glauben zustellen / oder auch an einem Unschuldigen sich vergreiffen solte. Also klebt Laster und Tugend so übel / als vermischtes Ertzt und Thon an einander; und daher ist es eine gerechte Straffe: daß denen Boßhafften auch die angenommene Tugend / welche durch ihren Mißbrauch entweihet wird / zum Verräther und Verterb gereiche. Noch mehr verdächtiger war dem Hertzog Herrmann: daß Varus und Segesthes etliche mahl des Nachts geheim zusa en kamen; und jener ihnen keinen richtigen Vortrag thun wolte / biß auch Hertzog Ingviomer / Jubil / Ganasch und etliche andere zu Alison ankämen. Nach dem aber von [1316] diesen allerhand Entschuldigungen und Vertröstungen ihrer Hülffe wieder den Melo einlieffen / lag Segesthes dem Varus auffs beweglichste an: daß er diesen Vogel nicht aus dem Garne lassen / sondern ihn / den Malovend und den Segesthes selbst zum Scheine gefangen setzen / und derogestalt durch des Cheruskischen Hertzogs Hinrichtung den Auffwieglern das Haupt abschneiden; und denen noch zweiffelhafften ein Schrecken einjagen solte. Alleine Varus war hierzu nicht zu bereden /und ihm also dißmahl selbst unähnlich; entweder /weil er durch seine angeno ene Freundligkeit noch Ingviomern / ohne welchen Fuchß er nichts gefangen zu haben für gab / ins Netze zu locken ihm einbildete; oder / weil er durch seine Grausamkeit sich zu einem Scheusal der gantzen Welt zu machen / und gantz Deutschland vollends wieder sich in Harnisch zu jagen Bedencken / oder auch an Herrmanns Beschuldigung Zweiffel trug. Welche letztere Barmhertzigkeit denn dem Hertzoge Herrmann / welcher so wol sein /als Ingviomers halben wieder den Melo Hülffe zu schicken versprach / das Leben erhielt / dem Varus aber verkürtzte; in dem er nicht verstand: daß der Glimpff eines Wütterichs ihm selbst die gefährlichste Grausamkeit / und auff den Fuß seiner abscheulichen Laster eine Tugend-Seule zu bauen eben so thöricht sey / als auff einen stinckenden Misthauffen ein güldenes Sonnen-Bild zu setzen. Sintemahl in Warheit kein schlüpffriger Weg ist / als auff den Gräntzen der Tugend und der Boßheit wandeln; und in dem einen nicht warm / in dem andern nicht kalt seyn. Also entrann Hertzog Herrmann nicht allein aus diesen Fallstricken des unbeständigen Segesthes / sondern er machte auch den Varus noch mehr sicher: daß er seine Kriegs-Rüstung wieder die Römer bewerckstelligen konte. Ja er wiegte ihn vollends gar in Schlaff / als er den Varus um Vermittelung derer zwischen ihm und dem Arpus erwachsenden Streitigkeiten / oder auch Segesthen zu einem Schieds-Richter zu vermögen ersuchte; wormit er so viel sicherer seine Waffen mit den Römischen gegen den Melo vereinbaren könte; also Hertzog Ganasch hernach selbst Herzog Herrmanns Kühnheit loben und bekennen muste: daß derselbe nicht irrete / wer mit seinem vermeinten Irrthume den rechten Zweck treffe. Massen denn Varus sich zwischen beyde Hertzoge legte / und biß Segesthes bey ihrer Zusa enkunft die Vereinbarung untersucht hätte / einen Stillstand der Waffen zu wege brachte. Die Zusa enkunft ward bey dem Tanfanischen Tempel besti et / wormit dieser heilige Ort ihre Gemüther so viel mehr gewinnen möchte. Segesthes selbst drang auf Beschleunigung dieses Wercks /nicht so wol / daß es ihm ums Hertze war die Zwistigen zu vereinbaren / als die Warheit ihrer Uneinigkeit / und die Geheimnüsse ihrer Gemüther auszuholen. Er kam mit zweytausend Chassuariern in den Deutschburgischen Heyn / um auf allen Fall sich dieser Kriegs-Macht zu seinem Vortheil zu bedienẽ. Er ward aber nicht wenig bestürtzet / als er recht zwischen die Cheruskische und Cattische Macht verfiel / welche iederseits über zwantzig tausend Mann starck war / und also die Anzahl gewöhnlicher Friedenshändler / oder auch der vom Varus begehrten Hülffs Völcker weit übertraff. Noch mehr bekümmert war ihm: daß er die Cherusker und Catten in grösserer Verträuligkeit mit einander leben sahe; als sonst Völcker / welche nur den Grimm ihrer feindlichen Waffen wenige Zeit ruhen zu lassen beliebẽ / gewohnt sind. Weil er nun von dieser grossen Macht unter dem Schein der Ehren gantz umschlossen ward / muste er nur sein Mißtrauen / so gut er konte / verbergen; sonderlich als Hertzog Herrmañ und Arpus einander wie Brüder umarmten; uñ folgenden Tag Hertzog Ingviomer mit zehentausend Bructerern / Herzog Ganasch mit zwölfftausend Chauzen / Hertzog Jubil mit sechstausend Hermundurern / ja Segesthens eigener Bruder Segimer und sein Sohn Siegesmund mit achttausend[1317] Angrivariern / Tubanten und Chamavern sich einfanden. Gleichwol aber gab er dem Quintilius Varus die unvermerckte Nachricht: daß die Kräfften des halben Deutschlands unter dem Fürwand der verlangten Hülffs-Völcker wieder den Melo / und der Cattischen Friedens-Handlung alldar versammlet wären; und wenn Varus nicht alle seine Kräfften zusa en / das Lager auch gar von Alison in Zeiten zurück züge; würde schwerlich von den Römern ein Gebein davon kommen. Als nun Quintilius Varus diesem Rache zu folgen Tag und Nacht bemüht war; musterten die deutschen Fürsten ihre Kriegs-völcker / verrichteten in der Tanfanischen Höle ihren Gottesdienst; erwehlten den Hertzog Herrmann zum Obersten Feld-Herrn Deutschlands; und versetzten hernach den Römern einen so gewaltigen Streich / als denen Anwesenden überflüßig bekandt / dem Feinde schrecklich / allen Helden aber / und insonderheit der hertzhafften Thußnelde / welche bey erfahrner rühmlicher Entschlüssung der Deutschen nicht zu Marpurg die Hände in die Schoß legen wolte; sondern ins geheim sich mit Waffen versahe und unter die Cattischen Edelleute vermengte / zu unverwelckendem Ehren-Ruhme dienlich ist. Massen sie denn mit ihren Thaten nicht nur ein Beyspiel allen Helden; sondern auch nach der Schlacht gegen ihren Bräutigam durch die Entschuldigung ihrer übernommenen Gefahr / allen edlen Frauen diese heilsame Lehre gab: Ein Kebsweib wäre eine Geferthin zu Tische und Bette / eine Braut oder Ehfrau aber alles Glücks und Unglücks; Also iederman bey Anschauung dieser Heldin sie für einen Ausbund ihres Geschlechtes / und ein Vorbild der künfftigen Zeiten erkennen müste. Denn in Warheit /wie alle Sachen / welche sich der Eigenschafft ihrer Natur enteussern / und zum Bösen sich abneigen zu Ungeheuern / wenn sie aber zum Guten sich schwingen / zu Wunderwercken werden; Also sind die wollüstigen Männer iederzeit weibischer / als die Weiber / die behertzten Frauen aber männlicher / als die Männer und Werckzeuge des Verhängnüsses gewest /wenn es etwas der menschlichen Vernunfft unbegreifliches auszuüben vorgehabt hat.

Mit diesem Lobspruche beschloß Fürst Adgandester zu der sämtlichen Zuhörer grösten Vergnügung seine Erzehlung. Der übrige Abend ward mit einer herrlichen Mahlzeit und allerhand Schertz-Spielen auffs annehmlichste hingelegt.

Inhalt des Neunten Buches
Inhalt
Des Neunten Buches.

Einbildung die sinnreichste Mahlerin bey denen Schlaffend- und Träumenden. Hertzog Herrmanns und Thußneldens Ankunfft in das Tanfanische Heiligthum / beyder Verehligung / Andacht und Opffer. Thußneldens absonderes Gelübte. Der übrigen Fürstlichen Versa lung Nachkunfft und Freuden-volle Empfahung. Asblastens und Erato Gedancken über diesem und andern der Schamhafftigkeit gewiedmeten Heiligthümern und Gebräuchen. Röthe allen andern Farben vorgängig / insonderheit der Tugend Leibfarbe. Die Flammen der Keuschheit noch so hellscheinend in denen Hochzeits-Fackeln / als in denen noch unvereinbarten Liebes-Sternen. Hertzog Herrmanns angestelltes herrliche Mahl / die Rückkehr nach Deutschburg. Asblastens [1318] Erzehlung ihrer erlittenen Ebentheuer und Schiffbruch. Ihre wunderbahre Errettung durch eine ihre Schiffbruchs-Klippe vorbey-schiffende Cimbrische Fürstin. Ihre Ankunfft bey der uhralten Stadt Gades und berühmtem Tempel des Hercules. Dieser beyder Vertrauligkeit veranlasset diese Cimbrische Fürstin Tirchanis ihren Ursprung /ihre abgelegte Königliche Würde / ihre Ankunfft nach Rom / die Antretung des Vestalischen Heiligthums zu eröffnen / ingleichen: wie lange sie solchem beygewohnet / auch was vor Verdruß sie über dieser abergläubisch- und scheinheiligen Lebens-Art geschöpffet / biß sie endlich aus Anstifftung der Livia daraus gestoßen / mit harter Straffe / bey Ausschlagung des Käysers Buhlschafft / bedräuet / letzt doch durch ihres Bruders Königs Frotto Gesandtschafft erlassen / und nachgehends auf diesem ihrem Schiffe in der Rückreise von Asblasten angetroffen worden. Asblastens Gegen-Erzehlung. Ihre Ankunfft im Cimbrischen Gebiethe. Königs Frotto freudige Bewillkommung / und wie diese wegen ihres mit Gifft getödteten Segimers in euserstes Betrübnüß verwandelt worden. Frotto Gemahlin durch Zauberey zum Ehbruch verleitet. Die Zauberin zum Feuer verdammt. Die Königin dem Cimbrischen Fürsten als seine Buhlschafft zu heyrathen vom Könige zugelassen. Königs Frotto Liebe gegen Asblasten stehet das mit seiner Schwester Tirchanis gelobte Alironische Heiligthum am Wege. Dieses Heiligthums Beschaffenheit / und Lehre. Die irrdischen Geschöpffe herrliche und offenbahre Beweißthümer einer unbegreifflichen Gottheit. Asblaste / Tirchanis und die oberste Priesterin suchen des Königs Liebe durch alle auf Andacht und Vermählung der Seele mit GOtt / auch auf die Wohlfarth seines Reichs gegründete Mittel abzulehnen. Weißheit nicht minder der Sitz der weiblichen als männlichen Seelen. Asblaste findet ihre fernere Gemüths-Vergnügung in Lehre und Unterricht der Alironischen Frauen; König Frotto aber die seinige durch Ehligung Alvildens einer Sitonischen Fürstin. Pythagorische Lehre die andere Staffel des Alironischen Heiligthums. Die Vernunfft im Menschen unruhiger / als der natürliche Trieb in andern Thieren. Die Alironische Weißheit mit keiner übrigen Strengigkeit des Leibes noch des Gemüths angefesselt. Die Würckungen des Mißbrauchs von ihrer Art und Eigenschafft vernünfftig abzusondern / wie den Rauch vom Feuer zu saubern. Scharffsinniger Wortwechsel zwischen Asblasten und Erato über die menschliche Gemüths-Regungen. Thußneldens Vernunffts-Beylage. Die Ruhe des Gemüths der eintzige Ancker der Glückseligkeit. Keine Tiefsinnigkeit das Buch der Natur seiner unzehlbaren Geheimnüße halber zu ergrübeln / noch das Gemüthe der Menschen als ein Meer voller Krümmen und Strudel zu ergründen fähig. Dritte Schule der Alironischen eitel Geheimnüße von GOtt und seinem Wesen in sich haltenden Weißheit in Asblasten durch ein Siegel angelobter Verschwiegenheit verschlossen. Wahrsagerey auf was Grund solche bestehe? Und wie solche durch Asblastens erlernte Weißheit der Deutschen herrliche Siege gegen die Römer nebst ihrer Tochter Thußneldens und Hertzog Herrmanns Vermählung zuvor bedeutet. Hertzog Herrmann wird wegen des an Thußnelden erlangten hohen Preißes zum Zweykampf gefordert. Des Deutschburgischen Schauplatzes Beschreibung. Künstlicher und die Fürstin Thußnelde durchgehends vor bildender herrlicher Aufzug. Beyder des Tiberius und Hertzog Herrmanns gegen einander vorgebildete Verfassung [1319] zum Kampfe. Ihr hitziges Treffen. Hertzog Herrmann neiget den eroberten Römischen Adler vor Thußnelden / und die darzwischen kommende Gerechtigkeit machet dem Streit ein Ende. Der besiegte Tiberius oder der ihn abbildende Cattische Hertzog Arpus und Hertzog Herrmann sein Sieger nebst denen übrigen deutschen Speisen unter gewissen nach Art der sieben Irrsterne künstlich eingetheilten und mit allen ersinnlichen Ergötzligkeiten zubereiteten Zelten. Der üppigen Römer dabey vorgestellte Schwelgerey. Gesundheits-Trüncke schon bey den Römern gebräuchlich. Hertzog Herrmann wird vom Scythisch-Parthisch- und Indianischen Könige unter Fürst Catumers / Ganasch und Jubills Person durch gewisse Herolden entweder ihnen seine Thußnelde abzutreten / oder seinen Untergang zu erwarten / bedrohende ausgefordert. Sein ihnen statt der Antwort gegebenes hertzhaffte Zeichen bringet seine Feinde in Harnisch und auf den darzu erkiesten Kampfplatz. Scythischer Aufzug wird durch das Bild der eindringenden Tapferkeit; der Persisch und Indianische aber durch der Göttin Juno als Vorsteherin der Hochzeit-Feste in Lust- und Freuden-Spiele verwandelt / und dem siegenden Herrmann von Thußneldens Bilde ein von der Tapferkeit bereiteter Sternen-Krantz aufgesetzet. Indien als eine Königin aller Edelgesteine auf einem weißen Elephanten reitende abgebildet. Elephanten-Tantz. Der Perlen Eigenschafft und Schätzbarkeit / dieser und der Liebe Aehnligkeit. Kampf zwischen denen Elementen ums Vorrecht in Zeugung des herrlichen Geschöpfs der Perlen. Indiens Abzug und Lob-Gedichte für Thußnelden. Der vier Jahrszeiten sinnreiche Vorstellungen. Diese nebst denen vier Theilen der Welt hegen um die Blumen-Göttin allerhand sehenswürdige Rennen und Täntze. Blumenstreit um ihre Königliche Würde. Der Blumen Eigenthum in einem Tage ein Kind und ein altes Weib zu seyn. Tauerhafft- und bald vergehender Blumen Zwietracht. Männ- und weiblicher Blumen Unterscheid. Bundter Blumen Anstrich. Der Blumen-Göttin gesuchte Vereinbarung / und das von der Sonnen / als aller Blumen Vater / von denen übrigen sechs Irrsternen vergesellschafftet / der Rose auf gantz verwundernde Art zuerkenntes Urtheil und aller wiedersinnigen Blumen Beyfall / so sich gleichsam ihrer Königin selbst aufopffern / die Irrsterne aber sie in ihre Zahl versetzen. Die von denen tantzenden Irrsternen erhöhete Blumen-Königin die Rose verehret Thußneldens Bild mit ihrem Sternen-Siegs-Krantze und einem sinnreichen Gedichte. Hertzog Jubills Indianische Bewirthung. Antiopens der Königin der Amazonen und Candaces der Mohren dabey vorgestellte Eiffersucht gegen Thußnelden wegen ihres unvergleichlichen Hertzog Herrmanns. Deutschlands Aufzug mit seinen zwölff Flüssen durch die Natur und Kunst zu Hertzog Herrmanns Ruhm gehandhabet. Der Morgenröthe annehmliche Abbildung. Der Königin Candaces unter der Fürstin Ißmene in Gestalt der Sonnen oder einer Feuer-Göttin nebst andern Sonnentöchtern; Ingleichen der Amazonischen Königin Antiope unter der Fürstin Adelgunde in Gestalt der Göttin Juno; Thußneldens aber unter der Göttin Thetys samt andern vielen Göttinnen vorgestellter Aufzug und Kampf auf Elementarische künstliche Art. Die fünff Sinnen veruneinigen sich über ihrem der Liebe zu Ehren gesungenem Gedichte. Thußneldens glückliches Rennen; der eifersichtigen Ißmene / wie auch der alle vier Jahrzeiten an ihr abbildenden Cattischen Fürstin [1320] und der Chaucischen Adelmunde als Lufft-Göttin gleichmäßige Befolgung. Der Liebes-Göttin ausgetheilte Preiße / und ihre dabey vorgekehrte sonderbare Klugheit. Der Silenen Feyer. Der Barden über Hertzog Herrmann und dessen Verewigung aufgerichteter Säule mit Deutschland der Natur und Kunst angetretener Kampf. Ehren-Maale sollen Merckmaale lobwürdiger Thaten nicht ihre Ausgleichung seyn. Der Kunst gröste Vergnügung. Der Ehren- und Gedächtnis-Maale durch Ehrsucht und Heucheley eingerissener Mißbrauch; dieser unvermeidlicher Wurmstich und Zermalmung. Der auf Tugend gegründeten Unverweßligkeit und rühmliche Nachfolge. Eitelkeit der Ehrsucht ohnmächtige Mährerin. Der Alten insonderheit der Römer verehrte Schutzbilder / und daher genommene Frey-Städte. Der Barden Gedichte und Gesänge der ihrigen Helden Ruhm / und zugleich auch durch ihren rühmlichen Beysatz den Hertzog Herrmann und seine Ehren-Säule zu verewigen. Die Vermählung des Himmels und der Erden machet den Beschluß des Deutschburgischen Hochzeit-Feyers.

Das Neundte Buch
Das Neundte Buch.

Der gantze Cheruskische Hof hatte die letztern Tage mit solcher Vergnügung hingelegt: daß niemand weder durch Seiten-Spiele / noch durch unterlegtes Lättich-Kraut ihm die Süssigkeit des Schlaffes dorffte zu wege bringen. Weil nun die Ubermaße der Freude oder der Traurigkeit über die eusserlichen Sinnen eine grosse Botmäßigkeit hat / diese aber die innerlichen rege machen; war kein Wunder: daß die denen Innwohnern des Eylandes Thule / welche ihre Wohnungen von eitel Gerippen der Wallfische bauen / alle Nacht von Schiffbruche und Meer-Wundern; also denen Cheruskern von eitel Täntzen / Hochzeit-Fackeln / Siegs- und Freuden-Feuern träumte. Denn wie der Wille des Menschen der allerglücklichste Gebieter ist / also: daß ihm im Augenblicke alle Glieder mit fertigster Ausrichtung seiner Befehle gehorsamen / ja selbtem gleichsam zuvor kommen; so ist die Einbildung die sinnreichste Mahlerin / welche denen Schlaffenden die Bilder der Wachenden / mehrmals eigentlicher / und mit einem grössern Aufputz fürstellet / als sie wesentlich gewest; ja eine Schöpfferin neuer in der Welt nie gesehener Dinge / offt auch eine Wahrsagerin der zukünfftigen; wenn die Träumenden gleich nicht den Stein / der wegen seiner Aehnligkeit den Nahmen des Ammon-Hornes bekommen / ihnen unters Haupt gelegt haben. Diesemnach war sich nicht zuverwundern: daß das Frauen-Zimmer im Traume tantzte / die edlen Ritter-Spiele übten / das gemeine Volck sich mit Gastereyen und anderer Kurtzweil erlustigte.

Fürnehmlich aber hatten die vorhergehenden Erzehlungen des Fürsten Adgandesters und der Gräfin von der Lippe der Fürstlichen Versamlung Hertzog Herrmanns und der Fürstin Thußnelde Zufälle so feste ins Gehirne gedrückt: daß die Träume solche Begebnüsse ieder Person mit allerhand Verstellungen wie in einem Zauber-Spiegel auffs neue fürbildeten. Diese nächtliche Erinnerungen / und die Begierde der Neuigkeit / welche auch sich so gar des Himmels bemächtigt: daß er sich mit Gebehrung neuer Sternen belustigt / erweckte [1321] gar früh in ihnen ein unmäßiges Verlangen von der Fürstin Asblaste vollends zu vernehmen / wie sie aus dem Schiffbruche in das Cimbrische Heiligthum / und von dar nach Deutschburg gleich so zu rechter Zeit kommen wäre. Alleine / es war diese drey Tage kein Mittel an sie zu kommen / weil sie Tag und Nacht in der Tanfanischen Höle mit Beten zubrachte; auch ausser dem Genüß etlicher Kräuter und des daselbst herfür quellenden Wassers keine Speise zu sich nahm. Diesemnach sie denn mit allerhand andern annehmlichen Ergetzligkeiten die Zeit einander vertreiben musten; biß Hertzog Herrmañ und Thußnelde den vierdten Tag mit der Morgenröthe sich schon herfür machten / und mit einer kleinen Begleitung zu dem Tanfanischen Heiligthume verfügten. Denn es trugen ihnen nur drey Edel-Knaben / und zwey Jungfrauen fünff Fackeln für; welche ungleiche Zahl so wol deßwegen: daß sie nicht in zwey gleiche Theile zertrennet werden kan / als die ungleiche Gewalt der Vermählten anzudeuten; bey denen Hochzeiten für heilig gehalten wird. Hertzog Herrmañ und Thußnelde sassen beysa en zwar auf einem in Gestalt einer Muschel zierlich vergüldetem Wagen; an statt köstlicher Tapezereyen aber waren ihnen nur gemeine Lamm-Felle untergelegt. Die wurden für dem Altare auch auff die Erde gebreitet: daß die neuen Ehleute bey ihrer Andacht und Opfferung darauff treten und knien konten. Denn auf diese Art pflegten nicht nur bey denen Deutschen / sondern auch bey andern Nord-Völckern die allerfestesten Bündnüsse bestetigt zu werden. Thußnelde hatte ihr Haupt und Antlitz mit einem Safran-färbichten Tuche verhüllet zum Zeichen ihrer Schamhafftigkeit / und des ihrem Eh-Herrn verpflichteten Gehorsams. Hingegen prangete der Feldherr mit einem Krantze frischer und nur bald aufgeschossener Rosen gleich als mit einem Sieges-Zeichen wegen eroberter Jungfrauschafft. Dieses Altar war von uhralter Zeit her der Schamhafftigkeit geeignet; und opfferten niemand / als die neuen Ehleute einmahl nach dem Beylager darauff. So bald das Brenn Holtz darauff von den Priester-Knechten zu rechte / und die Opffer-Thiere darauff gelegt waren; kam die heilige Asblaste eilfertig aus der Höle gerennet; und zündete mit einer in der Hand habenden Wachs-Fackel beydes an; meldende: daß ihr / als einer Mutter / nicht nur die Hochzeit-Fackeln fürzutragen; sondern auch als einer Priesterin die Opffer zu verrichten zukäme. Welches die anwesenden Priester / die sie wegen ihrer Heiligkeit auffs demüthigste verehrten / gerne geschehen liessen. Nach dem alles verbrennt war / Asblaste auch aus der Asche alles Gutes wahrsagte / stand Thußnelde auf / raffte vom Altare dreymahl mit ihren zusammen gehölten Händen die noch heisse Asche /streute sie auf den Rasen / trat mit beyden nackten Füssen darauf / und rieff: Verhängnüs! wo du wieder meinen Wunsch die Reye des Todes mir nach meinem Gemahle bestimmet hast; und ich mit seiner Todten-Asche nicht die Meinige / wie diese allhier mit meinen Füssen vermische; so lasse mich die Lufft keinen gesunden Athem schöpffen; und die Erde gönne meinen Gebeinen keine ruhige Grabstatt! Gönne mir und Deutschlande die Glückseligkeit: daß dieses uns ein Grabmahl der Liebhaber auffrichte / wie Tarent Orestillen und dem Plautius; welcher auff seines Ehweibes Leiche entseelet und verbrennnet worden. Könte ich aber diese Ubermaße des Glückes erbitten: daß ich durch meinen Tod meinem Herrmanne / wie Alcestis durch ihren dem Admetus / und Gracchus seiner Cornelien / verlängern könte; wüste ich die Freude meiner Seele nicht zu begreiffen. Der Feldherr umarmte nach diesem Gelübde seine Thußnelde. Der Priester Libys aber kam / und nach dem Asblaste ihr das Tuch und Schleyer vom Gesichte weggezogen /sätzte er ihr den aus gewissen mit purperfärbichten[1322] Blumen prangenden Disteln gemachten Krantz der Keuschheit aufs Haupt / und besprengte beyde mit dem aus dem heiligen Brunnen geschöpfften Wasser.

Die Königin Erato / die Fürstin Erdmuth / Catta /Adelmund / Ismene / Salonine / die Gräfin von der Lippe und ander Frauen-Zimmer kamen gleich über dieser Bekräntzung bey dem Heiligthume an; und weil hiermit Thußneldens Andacht sich endigte / empfiengen sie sich mit einander auffs holdseligste. Nach geschehener annehmlichen Umarmung bat Erato ihren Vorwitz nicht zu verargen; wenn sie fragte: was dieses für ein Altar / und für eine Gewonheit alldar zu opffern wäre? Die heilige Asblaste kam denen andern mit ihrer Antwort zuvor / und meldete: dieses Altar wäre von der züchtigen Vorwelt der Schamhafftigkeit gewiedmet worden; darauff dieselbigen ihre Opffer liefferten / welche auch in dem Eh-Bette die Keuschheit unversehrt zu behalten gedächten. Erato versetzte: Sie hätte zu Athen ein gleichmäßiges Altar der Schamhafftigkeit / und zu Sparta ein gleichmäßig-heiliges Bild / welches Icarius seiner verschämten Penelope zu Liebe aufgerichtet hätte / gesehen; es dörfften aber daselbst nur Jünglinge und Jungfrauen ihre Andacht verrichten; welcher Absehen dahin zielte: daß die Götter sie nicht in etwas verfallen lassen wolten /worüber sie Ursach hätten schamroth zu werden. Weßwegen auch die Verehlichten / oder die / welche der Wollust schon einmahl den Zügel verhangen hätten; daselbst ausgeschlossen blieben. Asblaste antwortete: Ich höre wol: daß die Griechen die Schamhafftigkeit für eine scheltbare Gemüths-Regung und eine Schwester der Furcht daselbst halten; welche bey Erinnerung eines Verbrechens das Gelübte nicht anders / als ein Sturm das Meer erreget; und in alle Glieder des Leibes mit einer langsamen Hitze sich ausschüttet / dem Hertzen aber eine kalte Beysorge einiger ihm bevorstehender Schande zuzeucht. Diese Schwachheit des Gemüthes / ob sie zwar ein gutes Zeichen eines verletzten Gewissens und ein Kennzeichen ist: daß der Zunder der Tugend im Hertzen noch nicht gar verglommen / sondern noch allerdinges rege sey; ist doch keines Altares nicht werth; und zwar auch / wenn solche Schamröthe gleich nicht von einer ihm übel / bewusten Schuld / sondern von einer angebohrnen Flüchtigkeit des Geblütes herrührt; welches sich bey ieder neuen Begebenheit / wie das Meer bey dem Vollmonden / reget / und seine Schrancken überschreitet. Denn es ist nichts seltzames: daß diese Schwachheit durch blosse Einbildung einem auch nicht lasterhafften Menschen nicht anders / als Träume oder Zauber-Laternen aus nichts / oder einem blossen Schatten Gespenster und Riesen mache; und ohne Ursache auff schädliche Abwege der Kleinmuth leite; und die / welche solche nicht durch eine hertzhaffte Unbewegligkeit zu überwünden wissen / mehrmahls in augenscheinlichen Untergang zu rennen veranlasse. Es ist wahr / sagte Erato; ich erinnere mich: daß die an des Calippus / Antipater an des Demetrius / Hercules des grossen Alexanders Sohn an des Polysperchon Tafel ihr Leben eingebüsset; weil sie ihr Mißtrauen blicken zu lassen / und sich von solchen Blut-Mahlzeiten zu entschuldigen geschämet. Ja es mangelt nicht an Beyspielen: daß ihrer viel ehe einem was zu versagen / als dardurch in Sünde und Schande sich zu stürtzen gescheuet haben. Weßwegen auch ich / woher in Deutschland die Schamhafftigkeit in einer bessern Art / und in grösserm Ansehen seyn könne /nicht zu begreiffen weiß. Die Fürstin Asblaste lächelte; und fieng an: Ich weiß wol: daß etliche Gewächse in gewissen Ländern gifftig / in andern zum Essen und unschädlichem Gebrauche dienlich sind; aber die Gebrechen der Natur und die Schwachheiten des Gemüthes werden unter dem gütigsten Himmels-Striche zu keiner [1323] Vollkommenheit und Tugend. Daher wir Deutschen auch nicht vorerwehnte Schamhaftigkeit werth achten; welche ich mit Rechte entweder die Abend-Röthe der untergegangenen Tugend / oder das Feuer eines ungesunden Menschen nennen kan; sondern alleine dieselbe / welche der regen Tugend / wie die Morgen-Röthe der aufgehenden Sonne Vorläufferin ist; welche über allem / was gleich nichts unreines in sich kleben hat / eine so zarte Empfindligkeit hat: daß sie mit ihrem Purper auch den geringsten Schatten erleuchtet / der ihrer Tugend einige Düsternheit zuzuziehen scheinet. Ich verstehe die züchtige Hoffmeisterin aller Gemüths-Regungen; insonderheit der Liebe und Begierde; welche zuweilen bey ihrer Hefftigkeit das Gesichte verlieren / und bey übermäßiger Verfolgung der Annehmligkeit in unsaubere Pfützen treten; und also wol von dieser Gebieterin im Zaume gehalten zu werden nöthig haben. Diese ist eine Geferthin der Hertzhafftigkeit; welche ehe für Erhaltung der Ehre zu sterben; als um das Leben zu retten was schimpfliches zu beginnen einräthet. Ihre Röthe hat zwar in dem Antlitze die Farbe des Feuers; das Hertz aber empfindet davon keinen Brand oder Unruh. Denn ihre Bewegung ist eine Lebhafftigkeit der Tugend /welche mit diesem Purper ihrer Vollkommenheit noch eine schönere Farbe anstreichet; und alle Unsauberkeit / die um sie zu beflecken ihr etwan zu nahe kommen wil / beschämet; also: daß sie billich eine Blüte der Schönheit / eine Blume des Leibes / ein Schatten der Seele / der sichtbare Glantz oder die Farbe der Tugend / eine natürliche Schmincke keuschen Frauenzimmers genennet / und bey diesem Altare verehret zu werden verdienet. Die tugendhaffte Erato fand sich unschwer in den Unterscheid der Schande und Schamhafftigkeit; und setzte bey: Asblastens Unterricht bewegte sie zu glauben: daß die Tugend nichts minder /als die Natur in die Röthe verliebt / und mit dieser Farbe / als einem Zeichen der Vollkommenheit / sich auszuputzen geneigt wäre. Sintemahl die edelsten Gestirne mit diesem Feuer sich für denen blässeren herfür zückten. Die Sonne schmückte nichts minder ihre Wiege / als ihre Bahre mit Purper. Die Wolcken mahlten sich mit Zinober / wenn sie am schönsten seyn wolten; und der Himmel verwandelte nichts minder als das Meer seinen Saphirnen Spiegel in Rubin. Das lebhaffteste der natürlichen Dinge das Feuer / das Marck der Erde und der Kern des Ertztes das Gold wären / wenn sie am reinsten / auch am röthesten. Der Ausbund der Blumen die Rose; und der Stauden der Granaten-Baum striechen ihre Blätter und Aepffel mit Scharlach an / um durch diese Königs-Farbe ihre Hoheit abzubilden. Und nach dem nicht allein die keuschesten Thiere auch die schönsten wären / sondern auch so wol die Tapfferkeit / als die Liebe ihre Wangen mit eben diesem Purper bedeckte. Dahingegen die Furcht und der ängstige Neid sich mit der blassen Todten-Farbe verstellete; so könte sie leicht gedencken: daß die reine Lilge der Tugenden die Keuschheit eben so wol / als selbige Blume mit dieser Golde ihre Lebhafftigkeit zu krönen verlange; und sie so wenig / als die edelsten Gewächse ohne Schamröthe sich gerne schauen lasse. Dieses aber begriffe sie noch nicht / warum die Verehlichten / nicht aber die Jungfrauen bey diesem Altare ihre Andacht haben dörfften; und jene / nicht diese / den Krantz der Schamhafftigkeit erlangten? Ist deñ die Keuschheit nicht das eigenthümliche Kleinod der Jungfrauschafft? Dörffen die reinen Bienen / welche nichts von Lust oder Liebreitz wissen / nicht aus den Rosen der Schamhafftigkeit den Honig ihrer Vergnügung saugen? Sind die in der Muschel noch verschlossenen Perlen nicht so rein / als die / welche der Vorwitz von ihrer Mutter gerissen / und die Eitelkeit durchlöchert hat? Ist das in denen Nestern sich gattende Geflügel[1324] schöner / als der Paradies-Vogel / welcher um sich nicht zu beflecken / niemahls die Erde berühret / und so wol als der einsame Fenix seine ewige Jungfrauschafft in der reinesten Lufft unversehrlich erhält? Verdienet der / welcher sich niemahls iemanden hat überwinden lassen / mehr einen Siegs-Krantz als der /welcher einen ihm hat zum Meister werden lassen? Oder ist es schwerer in dem Genüß der Liebe Maaß zu halten / als sich derselben gar enteussern? Asblaste fiel der Königin Erato ein: Es ist in alle wege die keusche Jungfrauschafft ein Stern ohne Flecken / und weil sie nicht nur Netze aus Gold und Seide der Wollust und Heucheley; sondern mehrmahls die Stricke des Todes / und die Ketten der Schande zu überwinden hat / ist sie würdig herrlichere Siegs-Kräntze zu tragen / als die / welche nur eusserliche Feinde geschlagen haben. Verdienet die Tapfferkeit Lorber-Blätter / so ist diese unverwelcklicher Amaranthen werth. Alleine / nach dem iede Tugend selbst eine gewisse Liebe / ja diese die Krone und Vollkommenheit aller Tugenden ist; bleibet unlaugbar: daß auch die Keuschheit mit ihr nichts minder / als Schnee und Feuer sich auff denen Rosen füglich vermählen lasse; sondern auch jener Reinigkeit von den Flammen der Liebe einen herrlichen Glantz bekomme. Solte die Glut der Hochzeit-Fackeln einen schwärtzenden Dampff von sich rauchen; würde man die Natur selbst für eine Feindin der Keuschheit erklären; weil sie das Band der Liebe zum einigen Mittel erkieset hat ihre sonst vergänglichen Geschöpffe zu verewigen. Diesemnach ist ausser allem Zweiffel: daß zwey keusche Seelen nichts minder ohne Befleckung einander lieben / als zwey reine Sternen ohne Verfinsterung einander anscheinen köñen. Ja weil die Vereinbarungs-Macht der Liebe dem / was sie liebet / alle ihre Eigenschafften mittheilet; müsten die zwey Vereinbarten durch ihren Gegenschein den Glantz der Schönheit eben so wie die Sonne mit ihren Strahlen das Licht der andern Sonnen vergrössern. Und benimmet diß der Reinigkeit nichts: daß die Verehlichten von ihrer Liebe so viel Früchte der Vergnügung einerndten. Denn die Ergetzligkeit kan mit der Tugend eine so unschädliche Gemeinschafft / als die Süßigkeit mit dem Thaue haben. Ja die Tugend selbst / ob ihre Rinde zwar herber / als Schleen schmeckt / ist im Kerne süsser als Zucker-Rohr; der liebliche Geschmack der Wollust aber verwandelt sich in die bitterste Wermuth. Diese Vergnügung nun / weil sie einen so grossen Hang zur Ubermaaß hat / und leichter als die reissenden Flüsse über ihr Ufer schläget / eignet der sie in Schrancken haltenden Tugend eine so viel herrlichere Güte zu. Nach dem auch die einmahl geschmeckten Süßigkeiten vergessen / und statt selbter sich mit denen bittern Thränen einer gelobten Einsamkeit speisen / vielen ein großmüthiger Werck zu seyn scheinet / als das weibliche Geschlechte auszuüben fähig ist; schätzte ich diese / welche sich und so viel empfindliche Regungen durch Verzeihung der andern Eh überwünden / und dardurch erhärten: daß sie nicht so wol die Eh /als ihren Ehmann lieben / eines absonderen Krantzes der Keuschheit würdig. Diesen erlangen / und zwar bey andern Völckern / die Wittiben so denn allererst; wenn sie nach ihres Eh-Manns Tode eine gute Zeit ihre Prüfung ausgestanden / und ihr schweres Gelübde würcklich bewehret haben. Alldieweil aber in Deutschland ohne diß nicht bräuchlich ist aus den Lastern ein Gelächter / und aus Unehre Sitten zu machen; sondern man vielmehr bey uns nur von Heyrathen der Jungfrauen höret / die mit ihrem Eh-Manne einen Leib erkiesen / ihm aber ihre gantze Seele und Leben wiedmen; so verdienet auch das Gelübde derer / die gleich nur das erste mahl aus ihrem Eh-Bette schreiten / einen so festen Glauben: daß man ihnen diesen Keuschheits-Krantz / welcher [1325] nicht ohne Ursache von Disteln geflochten ist / auffzusetzen kein Bedencken hat. Erato / und alles andere Frauen-Zimmer hätten Asblasten gern länger zugehöret / wenn nicht der Feldherr sie ins gesamt zu dem in einem köstlichen Gezelt bereiteten Früh-Mahle hätte beruffen lassen / welches mit denen allervergnüglichsten Unterredungen / wormit sie Thußnelden öffters die von Asblasten so sehr vertheidigte Schamröthe heraus trieben / vollbracht ward.

Hierauff kehrten sie insgesamt wieder nach Deutschburg. Denn Hertzog Herrmann hatte verlassen noch selbigen Tag Krieges-Rath zu halten; in dem dieser ruhmwürdigste Liebhaber auch zu der Zeit / da die Regungen bey solcher Neuigkeit pflegen am hefftigsten zu seyn; sein Gemüthe und die Zeit derogestalt vernünfftig abtheilte: daß weder die Liebe Thußneldens / noch des gemeinen Wesens sich über einige Ungleichheit zu beschweren Ursach hatte. Wiewol nun der Feldherr seiner Mutter Asblasten eine absondere Senffte bestellet hatte; brachte doch die Königin Erato und das andere Frauenzimmer durch ihre Bitte zu wege: daß sie in ihrer Gesellschafft zurücke fuhr; und sich ihre niemanden sonst bekandte Ebentheuer zu eröffnen bewegen ließ. Diesemnach sie denn mit einer besondern Anmuth anfieng: Die Göttliche Versehung / welche die Unwissenden für den blinden Abgott des Glückes halten / lachet aus ihrer verborgenen Ewigkeit der irrdischen Anschläge / wenn sie als die einige Königin aller Mittel-Ursachen / und als eine Schiedes-Richterin aller Begebenheiten den Glücks-Topff der Menschen nach ihrem Wolgefallen durch einander rühret; und ob sie gleich unserm alberen Vorsatze zuweilen den Zügel schüssen / doch uns zuletzt auf ein gantz anders Ziel abkommen läst / als wir das Absehen haben / und die ersten Begebenheiten gezeuget hatten. Dieses habe ich sonderlich damahls erfahren / als ich statt des Eylandes Caprasia an das Iberische Ufer getrieben / und durch einen Schiffbruch aus der Dienstbarkeit der Römer erlöset ward. Denn da unser Schiff an einem hohen weit über das Meer hervorragenden Felsen zerschmettert ward /und in kleine darvon schwimmenden Stücke zerbrach / derer eines der Gräfin von der Lippe zu einem Kahne gedienet / erwischte ich in der Angst eine Wurtzel des an solchen Felsen gewachsenen Kräutichts / durch welcher und der mich hebenden Wellen Hülffe ich auff der Klippe feste zu stehen kam / und mich endlich biß auf dessen Gipffel empor arbeitete. Es war sonst keine Seele um mich. Die barmhertzigen Wellen hatten mich zwar leben lassen; weil aber dieser unfruchtbare Felß mir weder Speise noch Geträncke zu reichen vermochte / schiene mir der Tod nicht geschenckt / sondern nur zu einer mehrern Verbitterung geborgt zu seyn. Nichts desto weniger verzweiffelte ich nicht gar an der Errettung. Denn diese Kleinmuth ist ein gewisses Zeichen der Unwissenheit: daß in der Welt nichts ungefähr geschehe; und daß das Verhängnüs noch Vorsorge für uns trage; weñ wir schon den letzten Athem auszuhauchen scheinen. Zwey Tage lebte ich in dieser Einsamkeit; der raue Felß speisete mich mit wenigen Wurtzeln / beschattete mich durch einen Uberhang für der Sonnen-Hitze; der Himmel aber tränckte mich des Nachts mit kräfftigem Thaue / und einmahl auch mit einem sanfften Regen. Den dritten Tag aber striech ein Segel so nahe bey dieser Klippe vorbey: daß mein Wincken konte erkieset werden; welches denn bey denen Schiffenden ein solches Mitleiden mich durch einen Nachen abholen zulassen erweckte. Ich wuste der Göttlichen Barmhertzigkeit für diese wundersame Errettung nicht genungsam zu dancken; insonderheit als ich auf dem Schiffe eitel Deutsche antraff / und von ihnen um so viel freundlicher bewillko t ward; weil ich ihnen in ihrer Sprache zu antworten wuste. Die Gebieterin dieses Schiffes war [1326] ein in einem schneeweißen leinen Kittel gekleidetes Frauenzimmer; welche alsbald eine solche Gewogenheit auf mich warff: daß ich bey ihr in ihrem Gemache mich aufhalten / und an ihrer Seite schlaffen muste. Diese wuchs noch mehr / als ich sie versicherte: daß ich eine deutsche Fürstin wäre; und /nach dem ich in Gallien zu schiffen vermeinet / an diesem Felsen Schiffbruch gelitten hätte. Diesemnach sie mir denn ihre sonderbare Freude zu verstehen gab; weil sie / welche ebenfalls von Rom absegelnde durch das Ungewitter auf diese Küste getrieben / und das beschädigte Schiff auszubessern wäre genöthigt worden / hierdurch das Glück erlangte mich in Deutschland zu führen; da sie mich denn / wohin ich nur verlangte / sicher lieffern wolte; weil sie noch zur Zeit vernünfftig zurück stünde meine Beschaffenheit vorwitzig auszuforschen. Diese Bescheidenheit nahm ich nichts minder für ein Merckmahl ihrer Klugheit / als ihre Gütigkeit für eine Würckung seltzamer Tugenden an. Ihre Geberden bildeten auch eine absondere Frömmigkeit; und / daß sie stets den halben Tag und die halbe Nacht sich in ein kleines Gemach einsperrete /dariñen sie auf dem Antlitze liegende betete / eine ungemeine Gottesfurcht ab; Ja ihr übriges Gespräche war meistentheils nur von der Göttlichen Liebe und der süssen Ergetzligkeit einer andächtigen Seele. Denn ihrer Lehre nach / wären alle andere Erquickungen gifftig und vergänglich; alle andere Regungen kalt und unrein. Gottes Liebe aber hätte nichts unreines oder irrdisches an sich; Sie wäre eitel Geist und Licht / gegen welcher die Sternen fleckicht und die Sonne finster wäre. Sie erleuchtete die Seelen; und erwärmte die Hertzen. Ihre Flamme gäbe keinen Rauch von sich; ihr Feuer machte seine Liebe niemahls schamroth. Kein Unglück der Welt vermöchte die Freude ihres Gemüthes zu vermindern; und das abscheulichste Gespenste der Tod könte ihr kein Schrecken einjagen / wenn er ihm schon die grausamste Larve fürmachte. Wenn ihre Andacht GOtt ein einig Körnlein Weyrauch anzündete / wäre sie vergnügter /als die ohnmächtigen Welt-Götter; wenn ihnen der heuchelnde Aberglaube tausend Ochsen opfferte. Wiewol auch das Schiff mit einem Uberfluße köstlicher Speisen und Erquickungen erfüllet war / und sie mich reichlich versorgen ließ; mässigte sie doch ihren Unterhalt so sehr: daß sie nur einmahl des Tages und zwar das geringste speisete; Ihre Demuth hätte auch die ihr zustehende Herrschafft über dieses Schiff zweiffelhafft gemacht; wenn nicht alle andere sie mit tieffer Ehrerbietung für ihre Frau erkennet hätten. Von ihrem Volcke erfuhr ich zwar: daß sie eine Cimbrische Fürstin wäre; ein mehrers aber auszugrübeln verbot mir ihre eigene Mäßigung: daß sie nicht / wer ich wäre / zu fragen sich erkühnete. Wir hatten schon zehn Tage gesegelt / und waren biß an die Gaditanische Meer-Enge gediegen; allwo wir einem Römischen Gesandten zu Liebe / der auf diesem Schiffe mit zum Cimbrischen Könige Frothe reisete / anlenden musten; wormit dieser dem Hercules auff seiner Seule oder dem Berge Calpe opffern konte. Die Gebieterin des Schiffes und ich stiegen gleichfalls ans Land / um uns durch die Land-Lufft zu erfrischen / und die von denen Tyriern gebaute uhralte Stadt Gades zu beschauen. Wir kamen alldar in den Tempel des Hercules / und wormit wir den heiligen Bruñ / welcher bey dem durch die Fluth wachsenden Meere ab bey der Eppe aber zunimmt / so viel besser betrachten möchten / hielten wir uns daselbst zwey Tage auf. Wie wir nun zusammen diese wundersame Abwechselung betrachteten / konte ich mich / ich weiß nicht / aus was für einer verborgenen Regung / nicht enthalten / in diese Worte auszubrechen: Wer wolte nicht gegen GOtt durch inbrünstige Andacht entzündet werden /nach dem er mit einer solchen Ubermaß seine Güte /als den Anfang seiner Liebe / und [1327] einen thätigen Geist / der die gantze Welt beseelet / in die Sternen / aus diesen in die Erde / von dar in die Thiere und Pflantzen / ja in Bäche und Brunnen ausgeust / und derogestalt Gottes väterliche Vorsorge von dem Menschen biß zum Kefer / von der Sonne biß zu Quendel sich erstreckt? Diese hat nicht minder auf die Tropffen des Thaues / und den Uhrsprung der Brunnen / als auf die unbegreifliche Bewegung des Meeres acht. Die Hand / welche entweder die Sonnen- oder die gantze Erd-Kugel alle Tage so schnell herum treibet / oder umwendet; ist eben so wol um den Schaum der See / und die Adern der Quelle bekümmert. Das Auge / welches weiter als alle Lichter des Himmels siehet; zehlet und unterscheidet die Federn des Geflügels: daß keine der andern gleiche ist; ja es beobachtet und gestaltet die Borsten der Schweine und Igel also: daß kein Geschöpffe so klein / kein Ding so geringe ist; welches nicht ein Röhr abgebe den Strom der Göttlichen Liebe allenthalben einzuflössen; und den Reichthum seiner Güte auszuleeren. Die Cimbrische Fürstin schöpffte über diesen unvollkommenen Gedancken eine solche Vergnügung: daß sie mich noch auf der Schwelle des Tempels (weil darinnen alle Neigungen GOtt abgestolen werden / die man ausser ihm iemanden anders zueignet) umarmte / mit dem Nahmen ihrer Schwester beehrte / und an das Ufer des Meeres führende alle Heimligkeiten ihres Hertzens derogestalt ausschüttete: Es wäre Unvernunfft entweder denselben Zustand wissen wollen; die durch ihre überirrdische Weißheit alles diß / was ich durch so vieler Jahre Fleiß kaum gelernet / überstiege; oder derselben mich zu entdecken anstehen; die so tieff in die Geheimnüsse Gottes und der Natur siehet. Diesemnach wisse sie / wer sie auch ist: daß ich Tirchanis des Cimbrischen Königs Friedlevs Tochter / des berühmten Bojorichs Enckelin sey. Meines Vaters Siege wieder die meisten Nord-Völcker sind der Welt so bekant: daß sie keiner Erzehlung bedörffen / und was ich / nach dem mein Vater mir zum Erbtheile zwey Königreiche zugeeignet / für Heldenthaten ausgeübet / werden alle die rühmen müssen / welche die Unterdrückung der Völcker / die Auffopfferung vieler tausend Feinde für Tugend / das weibliche Geschlechte aber der Hertzhafftigkeit und der Herrschens Kunst fähig achten. Die Reichs-Stände schöpften über meinen Siegen eine solche Vergnügung: daß sie meinten den Grund-Stein ihres Wolstandes zu verrücken; wenn die Herrschafft auf andere Schultern nach mir verfallen solte; als welche aus meinen Hüften kommen wären. Diese Einbildung verleitete sie so weit: daß sie mir ihrer Gebieterin ein Gesetze der Eh aufzudringen vermeinten. Also gebieret auch das Gute zuweilen etwas arges / wie die Sonne gifftige Würmer und Kräuter. Nach dem nun die /welche einmahl aus den Schrancken des Gehorsams geschritten / keinen Zaum mehr leiden / sondern ihr Verbrechen durch ein grösseres zu verkleinern vermeinen; so schritten meine Unterthanen nunmehr so weit: daß sie mir so gar / wem ich mich vermählen solte / fürschrieben. Dieser war zwar ein Fürst von hoher Ankunfft / und aus dem Alemannischen Stamme / auch ein Held von grosser Tapfferkeit und ungemeiner Hoffnung. Aber / weil mich der Himmel entweder zur Einsamkeit bestimmet hatte; oder der Zwang ein abgesagter Feind der Liebe ist; gewann ich nicht allein wieder diesen einen ungemeinen Haß /sondern auch für dem Heyrathen eine gäntzliche Abscheu. Ja ich zohe mir an statt: daß ich die Rathschläge dieses vielköpfichten Thieres leicht zu verwirren /und den Sturm des unsinnigen Volckes durch leichte Mittel / wie das schäumende Meer durch einen linden Regen zu besänfften vermocht hätte / die Kühnheit des Volckes als eine meiner Hoheit zuwachsende Verkleinerung so tieff zu Hertzen: daß ich selbst meiner Herrschafft und Würde gram ward. Denn [1328] weil das Ansehen die Seele des Gebietens / ein verächtlicher Herrscher aber mehr eine todte Leiche / als ein Fürst ist; meinte ich wegen dieser Zumuthungen meinem Reiche schon abgestorben / und denen Unterthanen vorzustehen allzu ohnmächtig zu seyn. Daher ich / ungeachtet alles Einredens / und vieler hierüber vergossener Thränen / den festen Schluß machte Thron und Zepter abzutreten / und die Einsamkeit der Alironischen Frauen zu erkiesen. Viel weise Leute haben die Ausschlagung einer angetragenen Königs-Würde für eine fast unüberwindliche Anfechtung / und die solcher Enteusserung mächtig wären / für Riesen von einem grossen Hertzen / und einem gesunden Kopffe gehalten; welche ohne Verblendung der Vernunfft /und ohne Verwirrung des Gemüthes einen solchen empfindlichen Dampff überhin gehen liessen. Aber diese Versuchung reichet der nicht das Wasser; welche bey angezielter Vonsichstossung der höchsten Würde / nach welcher sonst alle Seelen seuffzen / ein edles Gemüthe anficht. Ich aber kan sonder eitelen Ruhm wol sagen: daß ich meinen Königs-Krantz mit weniger Gemüths-Veränderung / als einen Püschel verwelckter Rosen von mir geworffen / und die Meinigen / denen es zweiffels-frey mehr um ihre / als meine Erniedrigung leid war / gescholten habe; wie sie den Grund und den seichten Schein meiner Entschlüssung nicht zu unterscheiden wüsten; und für rathsamer hielten an geschmacken Speisen sich zu tode / als durch eckelhaffte Rhabarber gesund essen. Wiewol ich nun die herrlichste Gelegenheit hatte in meinem verlassenen Reiche dem Alironischen Gottesdienste beyzupflichten; traute ich mir doch nicht zu den Glantz der verlohrnen Hoheit ohne Aergernüs täglich für Augen zu haben; sondern entschloß mich zu denen in dem Belgischen Gallien an dem Fluße Sabis und der Maaß eingesessenen Cimbern / oder nunmehr so genennten Aduatichern zu begeben. Daselbst ward ich zwar von meinen alten Lands-Leuten freundlich angenommen / und höflich unterhalten; ich selbst aber weiß nicht eigentlich zu sagen / durch was für einen Zug ich mich in die Entfernung von meinem sonst so geliebten Vaterlande noch immer mehr verliebte. Gleichwol aber halff hierzu der Aduatischen Wahrsagerinnen selbsteigene Anleitung; welche nicht nur mir am heilsamsten / sondern ihnen ins gesamt am rühmlichsten zu seyn vermeinten / wenn ich mich zu Rom / als in dem Gesichte der gantzen Welt in ihre Einsamkeit einsperrete; gleich als wenn der Gottesfurcht noch eiteles Gepränge anständig; und derselben / welche für Purper einen leinenen Kittel zu erkiesen besti t hätte / das vorwitzige Auffsehen des unvernünfftigen Pöfels etwas dienlich wäre. Nichts desto weniger waren diese kluge Frauen bey mir in so grossem Ansehen: daß ich alle ihre Worte für Göttliche Offenbahrungen / und ihren Rath für überirrdische Leitung annahm. Ich kam also nach Rom / und zwar zu der Zeit / wenn die Sonne in Wider tritt / und da die Vestalischen Jungfrauen das ewige Feuer aus denen in einem Wasser-Becken zusammen schüssenden Sonnen-Strahlen anzuzünden pflegen. Unter denen Vestalischen Priesterinnen war die andere in der Würde die Cimbrische; welche über die Alironische Jungfrauen die Aufsicht hat / und für alle Ausländer die Andacht verrichtet. Diese waren vom Marius zu dem Vestalischen Heiligthume gelassen worden. Denn ob wol nach seiner den Cimbern versetzten Niederlage ihr Frauenzimmer; weil ihm in das Vestalische Heiligthum sich einzuschlüssen verweigert ward; nach einer hertzhafften und verzweiffelten Gegenwehr sich / aus Beysorge verunehret zu werden / fast alle eigenhändig tödteten; hatte doch Marius bey Durchbrechung der Cimbrischen Wagenburg das Glücke die wunderschöne Tochter des Königs Bojorichs Hiarnen / welche so sehr von [1329] denen Römern in denen Armen verwundet war: daß sie ihren Vorsatz sich zu tödten nicht ausüben konte / nebst etwan noch dreyßig andern Cimbrischen Frauen-Zimmern gefangen zu bekommen. Von diesen wurden zwölff Jungfrauen durchs Looß erkieset um des Marius geopfferter Tochter Calphurnia zu Ehren lebendig verbrennt zu werden. Weil nun dieses die sterbens-würdige Hiarne nicht traff / stach sie einer unter den zwölffen unversehens das Messer in die Brust / um statt ihrer das Glücke der Verbrennung zu genüssen. Aber als der sie über dieser That rechtfertigende Marius zu Gesichte bekam / ward fein Hertze gegen sie feuriger /als der von ihm angezündete Holtzstoß. Ob sie nun zwar um verbrennet zu werden / dem Marius tausend Thränen opfferte / ja sich nach Erkiesung einer andern Jungfrau mit Gewalt in die Flammen stürtzen wolte /ließ es doch Marius verwehren / sie sorgfältig verwahren / und auf sein an dem Misenischen Strande habendes schöne Vorwerg führen. So bald nun Marius zu Rom sein Siegs-Gepränge gehalten / und den Nahmen des dritten Römischen Uhrhebers bekommen / ja die Ehre: daß ihm das Römische Volck eben so /wie den Göttern opfferte / erworben hatte / kam er auf sein Vorwerg seiner hefftigen Liebes-Flamme ein Vergnügen zu schaffen. Er eröffnete seine Zuneigung Hiarnen; welche aber / nach dem Marius an Julien schon eine Eh-Frau hatte / und sie selbst eine Braut eines Cimbrischen Fürsten war; ja wie sie vorher in Gallien in den feurigen Holtzstoß / also sich nunmehr in das benachbarte Meer zu stürtzen mühte / nach dem Marius durch ihre Seuffzer und Thränen seine Liebe nicht ausleschen lassen wolte. Alleine nach Hiarnens so verzweiffelter Entschlüssung entbrennte des Marius Seele nur noch immer hefftiger gegen sie. Denn es ist kein kräfftiger Zunder der Liebe / als der Schnee der Keuschheit in der / die man liebet. Aber an der tugendhafften Hiarne richteten alle seine Lock-und Dräuungen eben so wenig / als das sich auffschwellende Meer an dem weichen Ufer-Sande aus. Wiewol er endlich was grausamers entschlossen hätte / wenn nicht des Marius berühmte Wahrsagerin Martha dahin kommen wäre / und dem Marius angedeutet hätte: daß / im Fall er Hiarnen und die andern Cimbrischen Frauenzimmer zu Rom in den Tempel der Vesta liefferte / würde er aus Göttlichem Verhängnüsse durch einen Cimber sein sonst unfehlbar verspieltes Leben erhalten; wiedrigen Falls aber sich in frühzeitigen Tod und grausamstes Unglück stürtzen. Wordurch er denn bewogen ward / sie alle sämtlich in dem Vestalischen Heiligthume mit auskommentlichen Stifftungen / und Erbauung eines absonderen Altares /darauf sie ihr ewiges Feuer gleichsam zur Nachartung der unausleschlichen Gestirne unterhielten / zu versehen. Wie sie nun von denen Vestalischen Jungfrauen wegen ihrer so theuer bewehrten Keuschheit für Schwestern billich aufgenommen wurden; also erwarben sie hernach des Römischen Volckes allgemeine Gewogenheit / nach dem sie bey der sieghafften Rückkunfft des verjagten / und wieder den Adel unmenschlich-wütenden Marius vielen Edlen das Leben erbaten; als welcher der heiligen Hiarne nichts abzuschlagen getraute; nicht so wol / weil die Jungfrauen dieses Heiligthums die schon verdammten Missethäter / denen sie bey ihrer Ausführung ungefähr begegnen / vom Tode erretten; Dahingegen die / welche ihre Senffte anrühren / das Leben verwürcken; als weil der Martha Wahrsagung ihm so genau eingetroffen; und der ihn zu ermorden geschickte Cimber den Degen weggeworffen hatte. Ja es brachten diese Jungfrauen durch ihre ungemeine Tugenden so viel zu wege: daß hernach fort für fort von denen Cimbern derogleichen der Keuschheit sich wiedmendes Frauenzimmer ausgebeten / und zu Rom unterhalten ward. [1330] Bey so gestalten Sachen ward ich / fuhr die im Nahmen der Fürstin Tirchanis redende Asblaste fort / als eine Königin daselbst wie ein Wunderwerck angenommen. August selbst zohe mir entgegen / verehrte mich als eine Halb-Göttin / vergrösserte mir zu Liebe die Einkommen der Vestalischen Jungfrauen / versetzte diesen Gottesdienst aus dem alten schlechten nach der Gestalt der Erd-Kugel rundgebauten Tempel des Numa / in sein eigenes darzu eingeweihetes Hauß /zierte es mit Marmel / Gold und Edelgesteinen aus /verstattete ihnen / wie vogtbaren Haußmüttern im siebenden Jahre ihres Alters schon einen letzten Willen zu machen / eignete selbten die Freyheiten zu / welche die haben / die drey Kinder gebohren / ja er gelobte unter seinen Basen die erste die beste / die das hierzu erforderte Alter erreichen würde / in eben diß Heiligthum zu wiedmen. Ich fand mich eine ziemliche Zeit darinnen überaus vergnügt / und in einer erwünschten Gemüths-Ruh. Nach dem aber meine Schwestern mir die rechten Heimligkeiten ihres Gottesdienstes entdeckten; ward ich gewahr: daß auch die Cimbrischen Jungfrauen von der Reinigkeit unsers Vaterlandes weit abgewiechen / und ihr Glaube mit denen Griechischen Getichten / mit denen Persischen und Römischen Aberglauben vermischt war; in dem sie wieder unsere / und ihre alte Gewonheit ein Bild der Vesta /welches in der lincken Hand eine Fackel / in der rechten eine Opffer-Schüssel hielt / und vor sich eine Drommel stehen hatte / auf das Altar gesetzt hatten; und solches nicht etwan als ein Bild der Göttlichen Eigenschafften / sondern als einen wesentlichen GOtt verehrten; ja aus iedem Geschöpffe schier einen absondern GOtt machten. Weil nun diß den ersten Grund-Stein des Cimbrischen Glaubens / nehmlich die Einigkeit Gottes über einen Hauffen zu werffen schien / und mir über diß einfiel: daß die keuschen Frauen / welche schon einmahl geheyrathet hatten /wieder die Gewonheit der Cimbern und Griechen zu Bedienung der Vesta unfähig seyn solten; hingegen sie nach dreyßig-jähriger Bedienung der Vesta sich des geweiheten Lebens gar entbrechen möchten; übrigens aber die heiligen Jungfrauen bey allzu zartem /und ihre Fähigkeit zu prüfen nicht fähigem Alter (in dem keine unter sechs noch über zehen Jahr ihres Alters dazu kam) erkieset / und nicht nur / wenn sie kranck wurden / sich aus dem Heiligthume begeben /sondern auch / ausser ihrem Beschluß / mit beyderley Geschlechte Gemeinschafft haben / ja denen Fechtern und Schauspielern zusehen; die Männer auch zwar darinnen nicht übernachten / aber täglich aus- und eingehen dorfften / also ihre Keuschheit und Reinigkeit mehrmahls nicht wenig befleckt ward / und als ein unnützer Aberglaube übrig blieb: daß sie nur schneeweiße Kleider tragen / sich alles Blumwercks und Balsams enteussern / ihnen auch die Haare abschneiden lassen musten. Diesemnach fieng ich an unser Priesterin über ein- und anderm meine Bedencken zu eröffnen / und aus denen ältesten Büchern meinen Gegen-Satz zu behaupten. Welches eine Weile zwar zwischen uns verborgen blieb; aber die von meinen Meynungen ziemlich eingenommene Priesterin verschnapte sich gegen der Römischen Auffseherin Occia; welche diese dem Kayser / als zugleich oberstem Priester nicht verschweigen dorffte. Dieses bewegte ihn: daß er alsbald / ausser wenigen Sibyllinischen Büchern / alle andere / und zwar derer über zweytausend zu aller unser empfindlichem Leidwesen öffentlich verbrennen / jene aber noch darzu in zwey güldene Schachteln verschlüssen / und in den Fuß des Palatinischen Apollo verstecken ließ. Wiewol nun die Römische Priesterin Occia dieses darmit abzulehnen meinte: daß ein kluger Fürst die Glaubens-Zwistigkeiten in der ersten Blüte dämpffen müste; weil hierinnen die Neuigkeit nichts minder die Gemüther / als ein neuer Stern die Augen an sich lockte / aber [1331] auch verbländete; die denen Jungfrauen enträumte Freyheit aber darmit entschuldigte: daß ein verborgenes Licht nicht besser als die Finsternüs; und die Tugend / welche durch ihr Beyspiel bey andern keinen Nutzen schafft / ein besessener Schatz; nichts weniger die Enteusserung der Laster aus Mangel der Gelegenheit zu sündigen keine Tugend; diß aber die rechte Vollkommenheit wäre; wenn man mitten unter denen wollüstigen Lockvögeln seine Ohren zu verstopffen; ja den Schwefel der Begierden / wie die mit gewissen Kräutern verwahrte Hände das glüende Eisen ohne Beschädigung betasten könte; so schien mir doch das erstere eine Erfindung der eyversüchtigen Staats-Klugheit / und eine vorsätzliche Unterdrückung der Wahrheit zu seyn / welche keinem alten Irrthume aus dem Wege zu treten schuldig; die andere Meynung aber war mir deßhalben verwerflich: daß die Tugend in ihr selbst ihren Preiß besitze / und nicht von nöthen habe offentlich zur Schaue getragen zu werden / um den unwürdigen Zuruff des Pöfels zu erwerben. Und ob wol viel ihre Schätze für wenig achten / wenn nicht auch andere darum Wissenschafft tragen; so wird doch noch weniger / ja nichts daraus / wenn man sich durch derselben Feilbietung gar darum bringt. Insonderheit da die Keuschheit eine so zarte Farbe /welcher auch die Lufft schadet / an sich hat / und ein so reiner Spiegel ist: daß er von den blossen Augen derer / die eine garstige Seele haben / befleckt wird; also sie sich für der Besudelung eben so wenig hüten kan / als es unmöglich ist bey angesteckter Lufft durch den Athem kein Gifft an sich ziehen. Welches denn durch die traurige Erfahrung wiederlegt ward /da in weniger Zeit drey Vestalische Jungfrauen / und zwar von Leuten / die beym August höchst am Brete warẽ / geschändet wurden; zu einer allspäten Warnigung: daß es mehr zu als menschlich sey nicht sündigen / wo man gar wol kan; gleich wie es mehr als viehisch ist / den Vorsatz haben sich zu vergehen / wo gleich das Vermögen ermangelt. Diesemnach es in alle Wege rathsamer / die besorglichen Laster zu verhüten / als die begangenen zu straffen. Denn jenes ist nicht nur eine Bewahrung der Tugend / sondern auch eine Hülffe der Schwachheit; dieses aber macht der Verbrechen nicht weniger; denn auch eine gestraffte Boßheit öffnet mehrmahls denen Ungearteten die Augen zu liederlicher Nachfolge; insonderheit wenn das Laster etwas ungemein; oder die Gewalt des Ubelthäters dem gemeinen Rechts-Zwange überlegen ist. Zumahl viel ihnen einbilden: daß ihre Grösse in der Freyheit boßhafftig zu seyn bestehe. Bey solcher Beschaffenheit kriegte ich / sagte Tirchanis / ein Mißtrauen gegen die gesamte Vestalische Versamlung /und einen Eckel für Rom / zuletzt aber gar eine Abscheu; als Livie uns in die Servilischen Gärte mit sich nahm / darinnen Tiberius dem Kayser zu Ehren allerhand üppige Spiele mit Fürstellung heßlich-gebildeter Wald-Götter und geiler Nymphen fürstellete; ja Livia in dem Tempel der Vesta / wenn andere am andächtigsten waren / des Naso geile Liebes-Schrifften laß; und als ich einsmahls solches wahrnehmende darüber einige Entsezzung mercken ließ / nicht nur lachte /sondern noch darzu folgenden heiligen Tag mir das von der Elephantis gefertigte Schand-Buch zu lesen gab; über dessen bey der erstern Eröffnung mir in die Augen fallenden Stellung ich so beschämt und verbittert ward; daß ich es in das Vestalische Feuer warff; und hierdurch nicht alleine Liviens Gramschafft auf mich lud / sondern alle Vestalische Jungfrauen wieder mich erregte / als welche hierdurch ihr heiliges Feuer verunreiniget zu seyn vermeinten. Diese / oder vielmehr die hinter ihnen steckende Livia / brachte es so weit: daß die sonst denen / welche das Feuer ausleschen liessen / ausgesetzte Ruthen-Züchtigung für mein Verbrechen für zu wenig erkeñt / und ich aus dem Heiligthume gar verstossen / in [1332] des Mecenas Thurm / wiewol mit höflicher Bedienung / eingesperret ward. Daselbst erkühnete sich Livia mich noch ärger zu versuchen / in dem sie nach vorher durch andere geschehenen Aufmutzung meines Verbrechens /und darauf gesetzter schimpflichen Straffe / mir als eine Thorheit auslegte: daß ich durch einsame Einschlüssung meiner Jugend und Schönheit der Natur selbst Gewalt angethan hätte; daher solche so übelen Ausschlag erlangete. Also wäre der beste Rath durch die Liebe nichts minder die Natur / als den Kayser zu vergnügen; mich aber von der Schuld und dem Gefängnüße ledig zu machen; ja von mehrer Schmach und Pein zu befreyen; nach dem die strengen Gesätze meinem Verbrechen die Vergrabung in eine Höle / darinnen ich bey wenigem Brodte / Oele und Lichte verschmachten müste / aussetzten. Ich erstarrte über dieser unverschämten Kuplerin / in welcher die Ehrsucht nicht nur alle Funcken der Tugend / sondern auch den Brand der Eyversucht ausgelescht hatte; gab ihr aber eine solche Antwort: daß sie zum andern mahl mir derogleichen Vortrag zu thun sich nicht erkühnte; sondern vielmehr glaubte: es würde ihr leichter fallen dem Vestalischen Feuer die Krafft des Breñens zu benehmẽ / als mein Hertze durch schandbare Geilheit anzustecken. Livia / welche aus Aufputzung der Laster gleichsam ein Handwerck machte / und / wie man nach der Kunst üppig seyn solte / gewisse Richtschnuren an die Hand gab / wagte sich nach der Zeit gar nicht mich ferner anzufechten; aber ich erlangte gleichwol nicht meine Freyheit. Inzwischen erfuhr mein Bruder König Frotho den Nothstand meines Gefängnüßes; schickte also an Augusten eine ansehnliche Botschafft / welche meine Befreyung in der Güte abhandeln / oder mit Andräuung der Cimbrischen Waffen / für welchen Rom wol ehe sich erschüttert hätte / zu wege bringen solte. August / welcher wol verstand / was die Cimbrische Macht / wenn selbte denen Cheruskern / Catten und Chautzen beyfiele /denen Römern für Abbruch thun könte; hätte gerne mich der Hafft / sich aber eines neuen Feindes erlediget; alleine die Geistligkeit / welche ohne ihre absondere Vergnügung die Tirchanis nicht wolten unangefertigt lassen / und welcher August sich so gerade entgegen zu setzen Bedencken trug / machte meine Loßgebung überaus schwer. Zuletzt schlug der Kayser zu einem Lösegelde den vergüldeten Tiegel für; welchen die Cimbern aus denen zusammen geschmeltzten Römischen Waffen / als von ihnen der Bürgermeister Cäpio und Manlius auffs Haupt erlegt worden / gegossen / und als ein ewiges Merckmahl des Sieges nach Hause geschickt hatten / an sich selbst aber ein Kessel war / welcher über zwantzig Eymer hielt. Alleine mein Bruder weigerte sich beständig dieses herrliche Merckmahl der Cimbrischen Tapfferkeit ausfolgen zu lassen; sonderlich / weil die Cimbrischen Priester der abgeschlachteten Gefangenen Blut darein aufzufangen pflegten / und also diesen Tiegel nicht allein als ein bereits Gott gewiedmetes Gefässe für unenteusserlich / sondern auch so gar für ein Schutz-Bild des Cimbrischen Reiches / und für so heilig wie den grossen Scythischen Kessel von sechshundert Eymern hielten / den ihr König Arimantes aus so viel Pfeilen /als ihm Kriegs-Leute folgten / zusammen geschmeltzt / und am Flusse Hippanis zum Göttlichen Beschirmungs-Zeichen eingeweihet hatte. Worbey sie denn scheinbar anführten: daß August durch diß Anmuthen nicht so wol der Römer Schande abzuwischen / als die Cimbern der Göttlichen Beschirmung zu berauben anzielten. Sintemahl die Römer auff solche Schutz-Bilder so gar biß zum Aberglauben grosse Thürme bauten. Dahero sie auch von dem in dem innersten Heiligthume der Vesta verwahrten Pallas-Bilde / welches in der rechten Hand einen Spieß / in der andern einen Rocken hatte / vom [1333] Himmel gefallen seyn / und das Dardanus nach Troja / Eneas aber in Italien gebracht haben soll / glaubten: daß solches von niemanden / ausser denen Vestalischen Jungfrauen / ohne Beschädigung gesehen werden könte / und deßhalben in einem Fasse verdeckt gehalten würde. Sintemahl der oberste Priester Metellus / als er selbtes aus dem Brande gerettet hätte / nicht so wol von der ihn versehrenden Flamme / als dem Ansehen dieses Schirm-Bildes sein Gesichte verlohren; und wegen seiner geheimen Krafft das Römische Reich / so lange es zu Rom behalten blieben / keines Untergangs sich zu besorgen hätte. Bey solcher Beschaffenheit würde er bey Entfremdung dieses Siegels nicht verantwortlicher thun / als die geile Scylla / die ihrem Vater sein geweihtes Haar / mit welchem sein Reich zugleich unversehrlich bleiben solte / abschnitt / und seinem Feinde einliefferte / um nur seine Hold zu erwerben. Die Priesterin Alironia aber war so aufrichtig: daß sie meinem Bruder den von solchem Schutz-Tiegel eingebildeten Aberglauben ausredete / und behauptete: es wären alles diß / was von derogleichen Schirmbildern geglaubt würde / blosse Getichte / und Larven / darmit man den alberen Pöfel blendete. Denn wer könte glauben: daß die unaufhaltbare Gewalt des Verhängnüßes sich an einen Stein / oder Stücke Ertzt / das der Bildhauer nach seiner Willkühr ausgeetzt hat /und der Gewalt des Feuers / der Verzehrung der Lufft / der Abnützung des Wassers unterworffen ist / angebunden / und sich gleichsam zu einem Sclaven / welcher ein Klotz an dem Fuße geschlept / gemacht haben solte. Da aber auch diesem Bilde eine solche geheime Krafft eingepflantzt wäre; würden die Römer solches eben so wol den Cimbern / als Diomedes das Pallas-Bild dem Eneas wieder zu geben / durch das Verhängnüs gezwungen werden. Denn dessen Lauff wäre so wenig durch irrdische Zufälle; als der Gestirne durch thörichte Beschwerungen; wie ihnen die wahnsinnigen zuweilen träumen liessen / aufzuhalten. Wiewol nun einige riethen: daß König Frotho nach dem selbsteigenen Beyspiele der Römer / welche nach dem Schilde (der zu des Königs Numa Zeiten vom Himmel gefallen seyn solte) viel andere machen liessen / einen andern nachgegossenen Tiegel nach Rom schicken möchte / so weigerte er doch diesen Einschlag beständig / meldende: daß einem Fürsten so wenig der Betrug / als der Sonne eine Larve anständig wäre. Wormit er aber durch diß kostbare Lösegeld für mich seine geliebte Schwester nicht etwas von dem Cimbrischen Ansehen vergeben möchte / brachte er es durch Unterhandlung so weit: daß der Kayser hingegen den vom Marius wegen überwundener Cimbern aufgerichteten Siegs-Bogen einreissen / die aufgehenckten Waffen dem Frotho zurück geben; und aus denen Marmelsteinen eine Brücke über den Fluß Nar bauen ließ. Auf diese Art bin ich dem Römischen Gefängnüsse entkommen; und nehme nun auf diesem Schiffe meinen Rückweg in mein geliebtes Vaterland; mit der unveränderlichen Entschlüssung: daß ich daselbst mich auf mein Lebetage zu dem Alironischen Frauenzimmer einsperren wolle.

Diese treuhertzige Erzehlung der Tirchanis / sagte Asblaste / vergnügte mich nicht allein über die massen / sondern sie erweckte in mir nichts minder eine sonderbare Ehrerbietung / als eine hertzliche Zuneigung zu einer so tugendhafften Fürstin; also: daß ich für ihr das minste meiner Begebnüsse zu verbergen für ein unverantwortliches Mißtrauen hielt / und hier durch ihre vollkommene Gewogenheit erwarb. Wiewol wir nun auf dieser Reise / wegen des mehrmahls wiedrigen Windes / der uns zu Gades drey Wochen aufhielt / und wegen öffteren Sturmes / der uns so gar auf das Eyland Thule trieb / auf dem unser Schiff verfror / acht Monat zubrachten; verkürtzte mir doch der Königin Tirchanis Anmuth die Zeit / und versüssete[1334] mir alle Verdrüßligkeiten. Endlich kamen wir an dem Cimbrischen Vorgebürge an / und wurden vom Könige Frotho / nebst dem Römischen Gesandten Lucius Arnutius / welcher vom Kayser kostbare Geschencke überbrachte / um selbten von denen andern Deutschen abzuziehen / auffs freundlichste angenommen; mir auch / als er meinen Stand vernahm / alle Fürstliche Bedienung verschaffet. Sintemahl das Cheruskische und Cimbrische Hauß vielfältig durch Heyrathen und andere Bündnüße an einander verknüpfft war. Wiewol ich nun nach meinem Segimer hertzlich seuffzete / wolte mich doch König Frotho nicht von sich lassen; in dem es dazumahl in Deutschland / besonders in dem Chauzischen und Cheruskischen Gebiete bund über Ecke gieng. Gleichwol ließ er den Feld-Herrn Segimern durch den Ritter Buchwald wissen: daß ich bey ihm mit seiner Schwester glücklich ankommen wäre. Dieser mein Eh-Herr drückte in einem Schreiben seine übermäßige Freude über meine Erlösung und seine Begierde mich zu sehen auffs beweglichste aus; iedoch wiederrieth er selbst meine Anheimkunft. Nach dem ich nun drey Monat nach unserer Umarmung geseuffzet hatte / kriegte ich die traurige Nachricht: daß Segimer durch Römisches Gifft sein Leben; Deutschland aber an ihm den Beschirmer seiner Freyheit eingebüst hätte. Dieses war ein solcher Donnerschlag in meiner Seele; welcher mein gantzes Wesen einzuäschern vermocht hätte / wenn ich nicht von dem Unglücke geraume Zeit wäre abgehärtet / und von der Tirchanis / welche sich nun in das Alironische Heiligthum eingeschlossen hatte / zu großmüthiger Gedult aufgemuntert worden. Denn ob zwar einige in dem Wahn stecken: daß wie die Biene an niedrigem Rosen-Gepüsche und an denen sich zur Erde bückenden Blumen erquickte / aus diesen ihre Seele / und den reinen Geist des Gestirnes / nehmlich den süssen Thau saugte / und die Spitzen der Cedern den Adlern und andern Raub-Vögeln einräumte; also die Liebe vollkommener in den Schäfer-Hütten / als in Königlichen Schlössern befindlich / und die Hoheit der Fürsten für sie allzu aufgeblasen wäre; So weiß ich doch gewiß: daß die Vereinbarung des Hertzens mit des Segimers / als worinnen alleine das eigentliche Wesen und die Süßigkeit der Liebe bestehet; ein so festes Verbindnüs / als iemahls ein menschliches Hertze zu beschlüssen fähig ist / gewesen sey; und daß der Tod diese Kette in mir zu zergliedern niemahls vermocht habe; in dem ich / wenn es möglich wäre / seine Seele eben so in einen andern Leib zu güssen / als sich das Bild eines geliebten Leibes in die Taffel unsers Gemüthes eingepreget / auch noch die erblaste Leiche meines Segimers zu beseelen / und mich in sein Grab zu verscharren begierig wäre. Wie ich denn auch keine Ursache finde / oder begreiffen kan; warum diese mächtige Gemüths-Regung / welche aller Grösse der Welt überlegen ist / sich nicht auch des Glücks bemeistern / und die Hertzen der Herrschenden vollkommentlich zu besitzen mächtig seyn solte? Dieser meiner Betrübnüs folgte auf dem Fuße ein den König Frotho auffs eusserste bestürtzender Zufall; in dem seine Gemahlin / welcher Königlichen Uhrsprung ich billich verschweige / mit einem der fürnehmsten Cimbrischen Fürsten im Ehbruche begrieffen ward. Je ungemeiner nun dieses Laster bey den Deutschen ist / und ie mehr Frotho sie geliebt hatte; ie hefftiger war seine Verbitterung; als welche in einem Augenblicke die Geister seiner so heissen Liebe ersteckte. Denn die Rache der Beleidigten hat eine viel hefftigere Regung / als die Liebe; nach dem das Geblüte in den Puls-Adern viel thätiger / als in andern ist. Daher er sie den Richtern / sie nach der Schärffe ihres Rechtes anzusehen übergab; welche sie auch beyde verdammten; den Fürsten zwar: daß ein Stein ihm an Hals gehenckt / und er ins Meer gestürtzt; der Königin aber die [1335] Haare abgeschnitten / und aus dem Lande gepeitscht werden solte. Der Tag war schon zu Ausübung des Urthels bestimmt / als ein Fennisches Weib für dem Richter-Stule erschien; und daß diese zwey Unschuldigen nicht mit so grausamer Straffe belegt werden möchte / fußfällig anhielt. Die Richter fragten: aus was für Grunde ein Ehbruch vertheidigt /und die / welche ihr Laster selbst zugestünden / für unschuldig erkennt werden möchten? In alle Wege antwortete diese Feñin / wo nicht der willkührliche Vorsatz / sondern ein unvermeidlicher Nothzwang der Uhrheber des Verbrechens wäre. Denn die Noth gäbe das grausamste Gesetze unter allen ab / und züge nach sich eine Botmäßigkeit; welche alle andere Gesetze zermalmete / und alle Gerechtigkeit in Unrecht verkehrte. Die Richter forschten ferner von ihr: Was für eine Noth denen Ehbrechern ihre Missethat aufgehalset hätte? Diese meine Zauber-Gärthe / antwortete sie; welche nicht nur die Hertzen / sondern den Schnee und das Eyß der eussersten Nord-Spitze entzünden kan. Die Richter erschracken für so frechem Bekäntnüsse; und wusten nicht: Ob sie diß Weib für wahnsinnig; oder ihre Rede für wahrhafft halten solten; fragten aber: wie sie ihre Zauberey bewerckstelligt; und was sie hierzu bewegt hätte? Sie zohe hierauf zwey Wachsbilder heraus; derer das eine der Königin; das andere dem Cimbrischen Fürsten gantz gleich sahe. Diese / sagte sie / habe ich durch gewisse Kräuter und meine Kunst derogestalt zubereitet: daß wenn ich selbte mit meinem Schwefel überziehe /selbte brennend mache / und gewisse Segen darzu spreche / alle Einflüsse der Gestirne / alle Regungen der Keuschheit viel zu ohnmächtig sind die von mir in ihren Seelen entzündete Brunst / welche mit ihrem auffsteigenden Rauche alle Vernunfft zu Bodem schlägt / zu dämpffen. Diese meine Hand würcket auch in den Häuptern der Weisen: daß sie das heßlichste Laster für einen Ausbund der Tugend annehmen; sie erleuchtet mit der Finsternüs des Abgrunds die Unzucht: daß sie wie der des Nachts leuchtende Wurm für ein himmlisches Licht angesehen wird. Massen diese Zauberin denn auch alsofort solches bewerckstelligte / und zu wege brachte: daß die auf der Seite stehende Verdammten / welche vorher gantz ausser sich / und als todte Marmel-Bilder unbewegt gestanden / auf einander wie ein Blitz zurennten / und einander umhalseten. Die Richter alle erzitterten über dieser Zauberey; sie aber fuhr fort und sagte: Wisset aber auch die Ursache dieses meines Beginnes; und daß diese Liebes-Flamme aus dem feurigen Rachen der Rache angezündet worden sey. Denn nach dem Frotho in dem Kriege wieder die Slaven meinen Bräutigam den Fürsten des Eylandes Latris gefangen bekommen / selbten aber tödten lassen / und mich also meiner Liebe beraubet / habe ich durch keine andere Vergeltung mich zu sättigen gewüst / als daß ich ihm seine tugendhaffte Gemahlin / als den Zweck seiner einigen Vergnügung / hinweg nähme. Ich habe meiner Fürstlichen Würde mich enteussert; ich bin ein Lehrling der allerschli sten Zauberin worden; ich habe durch verborgene Ungedult mir mein Hertz abgenaget / nur die Süßigkeit der Rache zu genüssen. Ja / weil ich wol gewüst: daß dräuende sich vergnügen ihre Zunge an statt des Rach-Schwerdts zu gebrauchen /und der durch den Mund an ausrauchende Zorn die Glieder krafftloß lasse / die Beleidigung mit Worten auch eine fruchtlose Boßheit / in der That aber sich rächen eine Helden-Eigenschafft sey / habe ich schon zehen Jahr bey den Cimbern als eine Dienst-Magd zubracht / nur daß ich der Königin und dieses Fürsten Haar / als den Werckzeug meiner Zauberey / zur Rache erlangte; welche mir biß auff diese Stunde kein Mensch angemerckt hat / nimmermehr auch würde ergründet haben / weñ ich zugleich die Barmhertzigkeit gegen die Tugend [1336] ausgezogen; oder nicht für rühmlicher geachtet hätte den mir bevorstehenden schmählichsten Tod zu leiden / als der durch mich verleiteten Unschuld zu Grabe zu leuchten. Die Richter erstarrten über diesem freymüthigem Bekäntnüße / liessen die Zauberin feste machen / und brachten diese Begebnüße dem König Frotho umständlich bey. Alleine dieser hielt des Fennischen Weibes Beginnen für ein Spiegelfechten / oder eine angestellte Sache; nach dem die Zauberey über die der Göttlichen Herrschafft unterworffene Seelen / die Zeichen und Segnungen über das Wesen und die Neigung der Menschen keine Gewalt hätten. Die Liebe würde entweder durch eine Göttliche Regung unmittelbar im Hertzen / oder durch eine kluge Wahl im Haupte gezeugte; also: daß weder die Zauberey noch die Hölle selbst / als die Mutter der Zerrüttung / welche beyde mit unauflößlichen Ketten in den Abgrund eingekerckert wären / solche zu gebehren vermöchte. Die Liebe hätte so gar aus den Sternen als ein hi lischer Balsam ihren Uhrsprung; ihr Geist wäre rein / ihre Bewegung unverwirret; Die Zauberey aber eine Mutter der Rasenden und Mondsüchtigen. Diesemnach denn / da in einem Dinge / gewiß in Zauberey der Unglaube für die Spann-Ader menschlicher Klugheit seyn müste. Die Richter hingegen stellten dem Könige Frotho beweglich vor Augen: Die Flamme keuscher Liebe wäre freylich wol ein zu schönes Kind für die Zauberey /welche als eine Tochter der Hölle nichts als Mohren gebähren könte. Die bösen Geister vermöchten eben so wenig der Seele eine so reine Regung / als die aus Schacht und Thälern aufsteigenden Nebel der Welt ein Licht anzuzünden; weniger könten so grausame Gespenster einen so holden Engel / als die Liebe wäre / gebähren; Die Unholden wären viel zu ohnmächtig ihre von dem Abgrunde ausgespeite Kohlen in ein Gestirne / und ihren gifftigen Tugend-Haß in das Ebenbild der unbefleckten Zuneigung verwandeln. Alleine die Mißgeburt der Unzucht wäre allerdinges ein Brut der Höllischen Unholden; und ob zwar Cirze aus den Menschen keine reine Schwanen / keine unbefleckte Fenixe oder Adler zu machen gewüst; hätte sie doch Ulyssens Geferthen in Schweine / Wölffe und Hunde verwandelt. Diese Neigung wäre der Kern des gifftigsten Hasses / und eine rechte Nattern-Buhlschafft / die mit ihrer Umarmung mehr / als Tiger und hauende Schweine mit ihren Klauen und Zähnen zerfleischte / und mit ihren Liebes-Blicken grimmiger /als Basilisken tödtete. Diese verteuffelte Wissenschafft gebrauchte sich nicht nur seltzamer Kräuter /die den Verstand in Wahnwitz / das Geblüte in eine lodernde Glut verkehrten; ja nicht selten durch solche Liebes-Artzneyen den Menschen gar das Licht ausleschten / wie Lucilia ihren eigenen Ehmann Lucretz /Callisthenes den Lucullus hierdurch aufgerieben; sondern sie übte auch durch Zeichen und fremde Worte zweiffelsfrey mit Zuthat eines Höllischen Geistes solche Greuel aus / für welchen die Vernunfft erstarren /und der Himmel verschwartzen müste; wie sie an dieser Zauberin mit Augen gesehen; und die Persische Kriegs-Flotte für Zeiten vom Nectabis erschrecklich erfahren hätte. Ja die Zauberin selbst erbot sich durch grössere Wunder die Warheit ihres bekennten Lasters zu erhärten. Sie wunderte sich: daß man die so viel tausend mahl bewehrte Kräfften der Zauberey in Zweiffel züge; Da man doch zu Bysantz eine Ertztene Schlange / und in Tripolis einen mit Scorpionen bezeichneten Stein allen gifftigen Thieren in selbige Städte / des Hercules Bild in die Häuser schädlichen Dingen den Eingang verwehren sehe. Da doch gewisse Wurtzeln Gemsen und Hirsche feste machten /[1337] etliche Kräuter oder Worte Drachen einschläfften /und Schlangen zertheilten / gewisse Steine Nester der Vögel für allem Ungeziefer versicherten. Nun aber wäre ja der Mensch ein Begrieff der gantzen Welt. Wie solte er denn nicht mehr Kräfte in sich haben als etliche Kräuter und Steine / oder gar als die gegen ihm unedlen Gestirne? Daher sie allzuwol wüste / und überflüßig bezeugen könte: daß alle Geschöpffe einer wol aufgeräumten Seele gehorsamen müsten. Hierdurch / sagte die Hertzogin Asblaste / ward endlich König Frotho bewegt: daß er sein Gemüthe besänfftigte; und / als die Zauberin bey der ihr zuerkennten Verbrennung auf ihrem Bekäntnüße standhafft verharrete / gab er nach: daß dieser Cimbrische Fürst die Königin nicht nur heyrathen / sondern sie auch in seinem Gebiete die erblichen Güter ruhig besitzen möchten. Die Beruhigung dieser Schuldigen /die ihre so übel angefangene Liebe durch ein tugendhafftes Leben verbesserten / zohe die Unruh der Unschuld nach sich; weil König Frotho / ich weiß nicht aus was für Triebe / ein Auge auf mich warff; und mich zur Eh verlangte. Allein ich hatte mich schon zu der Tirchanis in das Alironische Heiligthum verlobet; welches ein mit hohen Mauern verschlossenes Gebäue an dem Strande der Nord-See war; darein ausser den König kein Mann niemahls / auch kein Weibs-Bild ohne Vorbewust der obersten Priesterin / die alle Schlüssel selbst verwahrte / setzen darff. Gleichwol werden hierein auch die / welche gleich einmahl verehlicht gewest / angenommen; und die / welche ihr Leben darinnen nicht zu beschlüssen vermeinen / werden wieder Willen nicht darein eingekerckert. Wiewol die Ausziehenden die Helffte ihres Vermögens / welches sonst gar dem Heiligthume zuwächst / zurück lassen müssen. Ihre Tracht ist durchgehends / wie ihr sie an mir sehet; ihre Speise auskommentlich / aber sonder Uberfluß; welcher aber niemand genüssen darff / ehe er seines Thuns / und was er selbigen Tag gutes begrieffen / Rechenschafft gegeben habe; wiewol anfangs ein Jahr lang die Neukömmlinge mit einem strengen Stillschweigen beschrenckt sind. Ausser dem wird unter Adel und Unadel in dieser Versamlung kein Unterscheid gemacht / noch ein Vorzug beobachtet. Denn weil alle sich für Mägde Gottes er kennen; und alle ihr Thun nach den Gesetzen der Natur einrichten / machen sie auf den Stand / als eine Erfindung des Bürgerlichen Lebens / kein Absehen; und gehorsamen mehrmahls Fürstinnen eines Gärtners Tochter; wormit sie sich dem Himmel ähnlich machen / der sein Saphirenes Antlitz eben so schön daselbst entdecket / wo er nur Sand und Disteln / als wo er Gold und Edelgesteine zeuget; oder der Soñe / welche nichts minder die in der Milch-Strasse verborgenen /als denen berühmten Irrsternen ihr Licht mittheilet. Ihre Weißheit ist / wie das Gebäue / in drey Theile unterschieden; dem ersten drey / dem andern fünff Jahre / dem letztern die übrige gantze Lebensfrist zugeeignet. Worinnen sie von der Art der Vestalischen Jungfrauen zu Rom abweichẽ / welche zehn Jahr lernen / zehn Jahr opffern / zehn Jahr lehren / und hernach ihres Gelübdes loß sind. Im erstern Theile werden nur die Geheimnüße der Natur gelehret / iedoch zu keinem andern Ende / als die Wahrheit eines Göttlichen Wesens / und seine allerweiseste Fürsehung /als den Grundstein aller Weißheiten daraus zu begreiffen. Alldieweil sie ihr Unvermögen willig gestehen: daß sie noch weniger Gott in ihm selbst durch ihre blinde Vernunfft / als das Wesen der Sonne in derselben gerader Anschauung mit den blöden Augen / welche bey übrigem Lichte weniger als bey keinem sehen / erkennen; am allermeisten aber die Weißheit Gottes in den engen Kreiß unsers Hauptes einschrencken können. Diesemnach sie denn / wie ich den ersten Tag aus ihrem Unterrichte erlernet habe / festiglich glauben: daß [1338] die gantze Welt in GOtt / und GOtt in der Welt / ja wie die Seele in dem Theile befindlich /alles ihm / und er allem gegenwärtig / seinem Leibe nach nirgends an- seinem unbegreifflichen Wesen nach nirgends abwesend / und um ihn etlicher massen zu erkennen / nicht nur die Welt sein Buch / die Sonne sein Spiegel / der Mensch sein Ebenbild; sondern auch unwiedersprechlich sey: daß keine Ameiße oder Schnecke auf der Erde krieche / welche nicht eben so wol als der ungeheure Wallfisch / kein Ysop an der Wand wachse / der nicht sowie die Ceder / ja keine verächtliche Fledermauß und kein Käfer herum schwerme / der nichts minder / als Strauße und Paradieß-Vögel ein solches Bild sey / darinnen man ein gewisses Kennzeichen / und gleichsam im Staube die Fußstapffen eines obersten Herrschers und Erhalters zwar nicht in seinem Verstande begrieffe; aber doch durch Verwunderung / welche allein der Mäß-Stab aller unbegreiflicher Dinge ist / wahrnähme. Ja die täglich abwechselnde Finsternüs sey ein helles Licht und Merckmahl des zwar unsichtbaren / aber sich in Geschöpffen / und so gar an Spinnen-Weben und Schnecken-Häusern offenbarenden Gottes; welcher erstern Gewebe so künstlich ist: daß die Natur denen Spinnen hierzu sechs biß acht Augen hat geben müssen; die letzteren aber eine solche Baukunst in sich haben: daß sie aller Werckmeister Erfind- und Abtheilungen übertreffen. Die Raupen wären ein Wunderwerck der Augen / die Bienen des Geschmacks /die Nachtigal des Gehöres / Ambra des Geruches / die Spinne des Fühlens / die Ameiße der Klugheit; alle aber Beweißthümer einer unbegreiflichen Gottheit. Also hätte ihm Heraclitus gantz falsch eingebildet /daß sich Gott mit Fleiß zu verstecken suchte. Wie denn er in sich selbst seine unausmäßliche Wohnung /und weder den Himmel zu seinem Stule / noch die Erde zu seinem Fußschemmel gedürfft; sondern die Welt alleine zu seinem Erkäntnüße geschaffen / hierzu aber nichts / als den Saamen seines einigen Befehl-Wortes gebraucht / und unter so unzehlbar-wiedrigen Dingen eine wunderwürdige Ubereinstimmung gemacht hätte: daß die Welt die vollkommenste Harffe genennt zu werden verdiente. Seine Ewigkeit bildete er in denen irrdischen Gewächsen für; welche unbeschadet ihrer Vergängligkeit / dennoch durch derselben Fortpflantzung sich verewigten. Seine Grösse durch das kleinste Gesäme / in dem in einer einigen Eichel das gantze Wesen einer Eiche / einer Himmel-hohen Ceder / in einem kaum sichtbaren Körnlein /die Krafft des süssen Weinstocks / und in einem schlechten Kerne die Pracht der Granatäpffel-Bäume /derer Blüte niemahls ohne Purper / die Frucht niemahls ohne Krone wäre; in einer ungestalten Zwiebel die alle andere Schönheit beschämenden Blumen / für denen alle Farben und Mahlwercke erblasten / ungeachtet sie verborgen steckten / ihrer Feuchtigkeit halber in einem Tage zugleich neugebohrne Kinder und alte Weiber wären. Die unaufhörliche Bewegung der Gestirne stellte seine niemahls ruhende Würckung; des Meeres vergebliche Bemühung sich über seine Gräntzen zu ergiessen / seine allmächtige Herrschafft; welcher auch die tauben Wellen / und die blinden Winde gehorsamen müssen; Die Sonne seine unerschöpfliche Freygebigkeit durch die Abwechselung der Jahres-Zeiten / des Tages und der Nacht / als der zwey so ungleichen Zwillinge der Zeit das Reichthum seiner wolthätigen Güte; Das allen Dingen / ja denen wächsernen Bienhäusern zugeeignete und wolanständige Maaß seine überschwengliche Weißheit / allen /welche nur nicht blind zu seyn sich bemühen / für Augen; als welche an der Runde eines Apffels und Auges keine geringere Kunst / als an der eben so gedrechselten Welt und Sonne; an der ordentlichen Abtheil- und unvergleichlichen Färbung der Muscheln /[1339] derer eusserliche Schale so wundersam / als des Zimmet-Baumes ist / an dem Mahlwercke des Pfauen-Schwantzes / des Tauben-Halfes / und der Papegoyen-Flügel kein schlechter Wunder / als an der Ausspannung des mit so viel Golde durchstückten Himmels /an Stellung der niemahls fehlenden Sonnen-Uhr / an Ausmässung der Regen-Bogen beweiset; und erhärtet: daß er in denen kleinsten Dingen nicht kleiner / als in den Grossen / ja / wenn man es durch das Vergrösserungs-Glaß klugen Nachdenckens eigentlich betrachtet / noch grösser sey. Sintemahl in Wahrheit die Zusammendringung aller Sinnen in dem kaum sichtbaren Leibe der so spitzige und gleichwol zum Blutsaugen ausgehölete Stachel einer Mücke / die Geschwindigkeit einer Flüge / und das Gemächte einer Biene / das Nest einer Wiedehopffe mehr Wunders / als der Lauff eines Krocodils / die Stärcke eines Elefanten / und die Bemühung eines Kamels / ja der beseelte Käfer etwas edlers als die alles beseelende aber unbeseelte Sonne in sich hat.

So viel hatte ich nur begrieffen / und bey mir hernach wol hundertmahl überleget; als König Frotho in unser Heiligthum kam / und mir seinen Vorsatz mich zu ehlichen vortrug; alleine der Vorschmack dieser heiligen Weißheit hatte mich bereit mit einer solchen Süßigkeit überschüttet: daß mir alle andere Vergnügungen wie bittere Wermuth schmeckte. Sie zohe mein Gemüthe kräfftiger als der mitternächtige Angel-Stern die Magnet-Nadel an sich; also: daß es sich auch die Sonne Königlicher Würden nicht auf die Seite ziehen ließ. Diesemnach ich denn sein Begehren darmit ablehnete: daß in Deutschland eine Frau ohne eusserste Schande nicht zum andern mahl heyrathen könte. Sintemahl eine keusche Seele nicht so wol den Ehstand / als den Ehmann lieb gewinnen könte. Frotho aber setzte mir entgegen: daß diß Gesetze nicht nur dem Rechte fast aller Völcker / sondern auch den Sitten der meisten Deutschen wiederstrebte. Insonderheit aber hätten die Cimbern diese raue Gewonheit der Heruler nie gebilliget / weil sie der Natur selbst Gewalt anthäte. Alle Dinge weltzten sich gleichsam wie ein Rad herum / und wechselten nicht nur die Jahrs-Zeiten / sondern auch die Sitten nach einander ab. Den deutschen Fürsten wäre unverwehret / nach des Ariovistens Beyspiele auff einmahl zwey Weiber zu haben; wie möchte sie ihr denn selbst diesen grausamen Zwang aufhalsen / nach ihres Ehherrns mit dem Tode erloschener Liebe ihre Seele einer neuen Flamme abzustehlen? Als nun meine Entschuldigung nicht verfieng; schüttete ich mein iñerstes Hertze gegen ihm aus: daß ich ausser der Betrachtung Gottes / nirgends keine Ruhe meines durch so viel Unglücks-Fälle zu Bodem gedrückten / auch zu keinen irrdischen Erquickungen mehr tauglichen Gemüthes findete / also mit derselben Störung mich unglücklich / ihn unvergnügt machen würde. Alleine der / ich weiß nicht / aus was für einem Triebe / mir allzuwol zugethane König Frotho bemühete sich mich durch aller hand Liebkosungen zu gewinnen / mir einhaltende: daß die Natur mich viel zu zart für eine so strenge Lebens-Art geschaffen hätte; und daß / wenn ich als eine treue Landes-Mutter denen Unterthanen fürstünde /GOtt ein so angenehmer Dienst / als durch ein erwehltes Priesterthum geleistet würde. Die Natur hätte den Menschen zur Gemeinschafft; insonderheit aber das Frauenzimmer zu Fortpflantzung beyder Geschlechts / das Verhängnüs Fürsten zu Beherrschung der Völcker / und Ausübung anderer Tugenden / dardurch sie nichts minder / als durch tieffsinniges Nachdencken die Gewogenheit des Himmels erlangten; andere aber / und fürnehmlich das mäñliche Geschlechte zu Ubung der Weißheit und Beobachtung des Gottesdienstes erkieset; wiewol die Andacht auch mit der Hoheit / der Ehstand mit dem Gottesdienste / ja gar mit dem Priesterthume eine [1340] Verträgligkeit / und keine gäntzliche Enteusserung der Welt / oder eine so strenge Lebens-art von nöthen hätten. Die denen Fürsten gleichsam eigenthümliche Großmüthigkeit vermöchte über Glück und Tod zu gebieten. Mir fielen über dieser zwar vernünfftigen Zusetzung für Wehmuth die Thränen aus den Augen. Die oberste Priesterin aber nahm sich mein an; und setzte dem Könige entgegen: Die Andacht wäre eine Vermählung der Seele mit GOtt / und eine Vergötterung der Menschen. Warum solte sie deñ Fürsten verschmählich / oder denen zarten zu rau seyn? Adler / keine Kefer wären dem Jupiter gewiedmet. Der Weyrauch / nicht geringes Baumharzt würde bey den Opfern angezündet. Weñ Helfenbein und Alabaster unter die Hand des Bildhauers /das zärteste Ertzt das Gold in den Guß des Künstlers /das weiche Gespinste des Seiden-Wurmes auf die Werffte des Webers käme / würde das vollko enste Gemächte daraus; warum solten nur raue Felsen zu heiligen Bildern ausgehauen werden; oder ein zartes Geschöpffe nicht den Zwang unser Gesetze / wie der Marmel die Feile / und das Gold die Glut ausstehen? was die wenigsten Hülsen eines irrdischen Talgs an sich hätte / wäre desto geschickter zu denen Durchwürckungen des Geistes. Dieser selbst hätte nicht seinen Sitz in den harten Knochen / noch in denen starrenden Spann-Adern; sondern in dem weichsten und zärtesten Theile des Menschen / nehmlich in dem Gehirne. Andere Tugenden verdienten zwar ihren Preiß; und die / welche Fürsten machten /hätten einen grössern Glantz / als die Gottesfurcht; aber alle wären ohne diese eine Bländung / ohne Geist und Bestand; die Tapfferkeit ohne Andacht ein hitziger Trieb eines grimmigen Thieres / die Klugheit ein verführerisches Irrlicht / die Anmuth halb Mensch und halb Schlange. Die Gottesfurcht wäre die Zunge in der Wage der Gerechtigkeit / sie hielte der Großmüthigkeit den Rücken: daß sie weder die sanfften Lüffte des Glückes zu hoch empor hübe / noch das Elend zu Bodem trete; Sie schwinge die Seele so hoch: daß sie ihres mit dem Leibe und seinen fleischlichen Reitzungen gepflogenen Bündnüsses vergässe; Die ansehnlichste Würckung aber hätte sie wieder den Tod / den alle Klugheit und Tugend selten für den Auflöser der irrdischen Banden / sondern ins gemein für den Scheusal alles lebenden / für das Schrecken der Natur / und die Abscheu der Hertzhafftigkeit / die Andacht aber alleine für einen Pförtner des Himmels anschaute. Denn sie lehrte bey dem Antritte der unendlichen Ewigkeit: daß der Zirckel der Zeit in vergänglichen Augenblicken bestünde; und das längste Leben nach der Spanne auszumessen / die wahrhaffte Ruhe und Lust der Seele aber erst nach Ablegung der Sterbligkeit zu finden wäre. Die Gottesfurcht wäre endlich die von dem Himmel henckende Kette; die ein Reich so befestigte: daß alle Kräfften der Welt es nicht versehren könten. Diesemnach möchte der König versichert leben: daß der Fürstin Asblaste Vermählung ihm zwar einige Vergnügung / ihre Andacht aber dem Cimbrischen Reiche eine beständige Schutz-Seule abgeben würde; für welch letzteres er als ein Fürst und Werckzeug Gottes / durch welchen seine erste Bewegungs-Krafft ein ziemlich Stücke der Welt bewegte / mehr als für sich selbst Sorge zu tragen hätte. Diese Zuredung hatte in des Königs Frotho Gemüthe einen solchen Nachdruck: daß er sich erklärte meine heilige Einsamkeit nicht mehr zu stören; noch der Wolfarth seines Reiches einigen Abbruch zu thun. Seine Schwester Tirchanis aber war mit ihm noch nicht allerdinges / wie ich / vergnüget; sondern hielt ihr für unverantwortlich / dem weiblichen Geschlechte für nachtheilig: daß er die Weißheit nicht für sie so wol / als für die Männer gewiedmet zu seyn meinte. Sie bescheidete sich wol: daß diese für ihnen mehr Stärcke und weniger Feuchtigkeit von der Natur bekommen [1341] hätte; aber die männlichen Seelen hätten für den weiblichen keinen Vorzug. Diese allein / als der Sitz des Nachsinnens und der Tugend / hätten eigentlich nur mit der Weißheit zu schaffen. Jene wären nicht mit mehrerm Geiste geflügelt; diesen klebte nicht mehr Erde und Schlacke an; beyde rührten von einem Uhrsprung her. Ihre Feuchtigkeit hinderte ihr Geschlechte an nichts / ja sie wäre als ein denen Wissenschafften zu Einpregung der Bilder in das Gedächtnüs dienender Talg vielmehr beförderlich. Der Mohnde wäre so schön und nutzbar als die feurigen Gestirne / wiewol auch die feurigsten und die Sonne selbst guten theils aus einem flüssenden Wesen / und nichts minder / als die Erdkugel aus einem Meere bestünden. Ihr wäre zwar nicht unbekandt: daß man sie beschuldigte: sie flatterten mit ihren Gedancken allzu leicht und veränderlich; aber der Männer ihre wären auch an keinen Nagel gehefftet; und den tieffsinnigen Wissenschafften dienten mehr die Adlers-Flügel / als Schildkröten-Füsse. Ja da sie auch in ein- oder dem andern einigen Gebrechen hätten / thäte ihnen die Weißheit / als welche der Vernunfft zu Hülffe kommt / die Finsternüße des Geistes erleuchtet / und die Gemüther vollkommen macht / so viel mehr von nöthen. Uber diß dörffte man zu derselben Weißheit / welche eine Wegweiserin des Lebens / und eine Mutter der Tugend ist / weder die Tieffsinnigkeit hohen Verstandes / noch das Vermögen ausbündiger Gliedmassen. Man träffe sie mehrmahls in Vollkommenheit bey der Einfalt / und in einem kriplichten Leibe an. Denn sie vertrüge sich mit beyderley Glücke / und gäbe den beyden Geschlechten so nöthigen Unterricht / wie gute Begebungen ohne Schwindel; und schlimme Zufälle wären sonder Ohnmacht zu vertragen. Sie hätte zu ihrem Zwecke das mangelhaffte zu verbessern / die Unvergnügten glückselig zu machen; und durch Dämpffung hefftiger Regungen den Menschen vom Pöfel so weit zu entfernen / als er an sich selbst vom Vieh unterschieden zu seyn scheinet. König Frotho begegnete seiner Schwester mit einer besondern Höfligkeit; und entschuldigte: daß er dem Frauenzimmer ihre Fähigkeit die Weißheit zu begreiffen / und den ihm daraus qvellenden Nutzen strittig gemacht; sondern nur: daß sie nicht wie die Männer sich darinnen zu vertieffen verbunden wären; verließ uns also beyde in unser annehmlichen Einsamkeit / fand auch wie ich in der Unterweisung der Alironischen Frauen / also er durch Ehlichung Alvildens einer Sitonischen Fürstin seine gewünschte Vergnügung.

Ich muste in dieser Schule die natürlichen Dinge zu erforschen drey Jahr zubringen; aber die Anmuth der Gesellschafft und die Lehrart / welche einem alles gleichsam spielende beybrachte / verkürtzte mir sie so sehr: daß sie mir weniger / als drey Monate schienen; Denn ob ich zwar vorher mich auch auf diese Geheimnüße gelegt hatte; ward ich doch nunmehr inne: daß meine Lehrmeister mir zwar viel gutes unter die Hände gegeben / aber nicht recht ausgearbeitet hatten; und war zwischen beyden ein solcher Unterscheid /wie zwischen dem Marmel / den die Werck-Leute aus seinen Adern hauen / und dem / der bereit durch die Hand des Bildhauers gegangen. Allhier ward nichts gewiesen oder iemand dessen überredet; was man nicht aus den Eigenschafften der Dinge her nahm; und dessen man gleichsam mit seinen fühlenden Händen und sehenden Augen überwiesen ward. Welches bey denen Lehrlingen nicht nur mehr Beyfall erweckte /sondern auch in ihrem Thun mehr Nachdruck hatte. Denn die / welche ihre vermeinte Weißheit nur hinter das Alterthum und ihrer Vor-Eltern Meinung verbergen / sind wenig besser als die jenigen Priester / die sich in die holen Bilder ihrer Götter versteckten / um den Wahn ihrer Wahrsagungen so viel glaubhaffter zu machen.

Nach dieser Zeit kam ich zu der andern Staffel / [1342] da der Mensch nach des Pythagoras Lehre sich täglich bey hellem Tage im Spiegel besehen / das ist / sich selbst muste kennen und überwünden / also diß / was uns die Natur an die Hand giebt / nütze machen lernen. Denn ob wol die Welt nur eine Wohnung ist /alle Menschen darinnen einerley Haußhaltung führen /und die Göttliche Versehung als eine um sie bekümmerte Mutter für einen ieden Menschen absonderlich so sehr / als wenn er das gantze Geschlechte wäre /bekümmert ist / sie auch alle in gleicher Vollkommenheit wünschet / und ihre Seele von dem irrdischen / wie die Sonne die Dünste aus den Sümpffen hervor zeucht; so sind doch hingegen die Neigungen der Menschen böse / und wie alle schwere Dinge den Mittel-Punct der Erde zu erreichen so begierig: daß sich derselben zu enteussern schier unmöglich ist. Hieraus erwächset eine Wiedersetzligkeit gegen die himmlischen Leitungen. Und wenn die Tugend sich durch die engen Pforten in die Seele einlagern wil; findet sie wie in einem feindlichen Lande ihr alles auffsätzig zu seyn. Wenn nun die unaustreiblichen Reitzungen der Natur mit einer lasterhafften Gewonheit sich verschwistert / zeucht der Mensch eben so den Menschen / als die Schlange ihre Haut / iedoch mit dieser Ungleichheit aus: daß diese ihre eusserliche Gestalt verändert / die innerliche behält / Menschen aber die eusserliche behalten / die innerliche verlieren; und seinem Wesen nach zum unvernünfftigen Thiere werden. Ja diese scheinen dißfalls schier für den Menschen einen Vorzug zu haben. Denn sie thun nichts übels / als worzu sie die Eigenschafften ihres Geschlechtes bewegen / und hat fast iede Art Thiere nur einerley ihnen eingepflantzte Tücke. Den Menschen aber verleiten nicht nur seine eben so viehische Regungen; sondern der Mißbrauch seiner Vernunfft; es geschehe gleich aus Irrthum oder aus Vorsatz / halset ihm so gar unmenschliche Wercke auf. Welche Anmerckung denn den Vellejus zu Rom auf diesen ärgerlichen Wahn brachte: daß er wieder den Cotta behaupten wolte: wenn die Götter einen Menschen verfolgen wolten / könten sie ihm nichts schädlichers /als die Vernunfft zueignen. Sintemahl die Fehler des Verstandes Lehrmeister des Willens / und seiner Vergehungen wären; und keiner weniger sündigte / als der am wenigsten verstünde. Ob ich nun zwar diese Ketzerey verdamme; bleibt doch wahr: daß der natürliche Trieb in Thieren keinen so innerlichen Krieg /als wie die Vernunfft im Menschen mit seinen Regungen zu führen hat. Denn diese mühen sich eiffriger unsere Seele von dem Sitze der Vernunfft zu stürtzen; als iemahls die Riesen Jupitern aus dem Himmel zu jagen gemeinet. Sie verbländen die Vernunfft: daß sie so wenig den Glantz der Tugend / als blindgebohrne die Schönheit der Sonne / und den Mittag für Mitternacht erkiesen. Worüber die Göttliche Barmhertzigkeit / welche selbst gerne die Annehmung ihrer ausgegossenen Wolthaten zu Danck annähme / wehmüthig seuffzen und bejammern muß: daß wenig die Milch ihres Heiles aus ihren gleichsam strutzenden Mutter-Brüsten saugen; sondern die meisten sich lieber aus den Pfützen der Wollust / und der Galle ihrer bösen Gemüths-Regungen sättigen wollen. Diese nun zu bemeistern habe ich in dieser Gemeinschafft die herrlichsten / wiewol glimpflichsten Mittel gefunden. Denn ob wol die Wahrheit / Weißheit und Tugend nur einerley Wesen und Eigenschafft hat / so ist sie doch nicht gezwungen stets einerley Gesichte zu zeigen /und in einem härenen Kleide aufzuziehen. Viel Gemüther sind in dieser Lehre wie etliche Krancken /welche den Artzt nicht sehen können; und alle Kräuter für bittere Rhabarber halten / ehe sie sie noch gekostet haben. Zugeschweigen: daß die Tugend an ihr selbst wie der anfangs aus dem Meere kommende [1343] und noch weiche Ambra uns ärger / als ein Aaß anstincket / ob schon mit der Zeit dieser alles süsse Rauchwerck Arabiens im Geruche / jene alle Wollüste der Welt an Süßigkeit übertrifft. Diesemnach denn die Alironische Anweiserinnen / welche allzuwol verstehen: daß heilsam und bitter nicht einerley sey / und die Wermuth viel eine andere Würckung / als Gifft habe / alle ihre heilsame Artzneyen / besonders anfangs mit wolrüchendem Bisam und Zucker anmachen; und die Tugend zwar nicht als ein geiles Kebs-Weib / doch auch nicht als eine Betlerin; sondern mit einem anständigen Schmucke / und ohne Knechtische Fessel fürstellen. Bey diesem Grunde verschmehen sie dieselben Mißgeburten der Weisen / welche den Betler-Stab und die Tasche für ihr Eigenthum halten / und gleichwol unter ihren zerrissenen Lumpen mehr Ehrsucht / als andere unter Goldstücke und Purper verbergen; welche ihren Begierden den Zügel schüssen lassen / und dennoch Liebe / Freude / Haß / Furcht und andere Gemüths-Regungen als abscheuliche Ungeheuer verdammen; Gleich als wenn diese die Vernunfft verfinsterten /den Leib schwächten / und den Menschen öffter / als Feber und Wassersucht tödteten. Viel glimpflicher aber urtheilte der Alironien Weißheit hiervon; welche weder den Leib mit übriger Strengigkeit quälet / noch das Gemüthe in Eisen schleust. Denn sie gönnet der Natur ihre Ergetzligkeit / wie den heilsamen Kräutern ihre Zierde und Geruch; sie enthenget dem Gemüthe seine Erleichterung / und machet den Menschen durch Beraubung aller Zuneigungen zu keinem todten Klotze oder Steine. Die Königin Erato fiel Asblasten / als selbte ohne diß etwas Athem schöpffte / mit diesem höflichen Einwurffe ein: Ich kan nicht leugnen: daß ich zum Theil ein Lehrling der Stoischen Weltweisen gewest sey / welche diese Regungen für Kranckheiten des Gemüths halten / und / weil auch die schlechtern Schwachheiten eben so wenig aufhören ein Ubel / als das kleinere Ungeziefer schädlich zu seyn / dünckt mich also thulicher zu seyn / selbte gar zu vertilgen /nicht aber mit selbten so sanffte / als mit denen Feuchtigkeiten des Leibes / welche eben so wol als das Geblüte ein Oel des Lebens sind / umzugehen. Asblaste antwortete: Es wären zwar gewisse Kranckheiten / welche mehr der Gesundheit zu statten kämen / als ihr schadeten / nichts minder als das gifftige Gestirne des höchsten Irrsternes in der Welt viel heilsames würckte. Gleichwol wolte sie ihr und ihren Lehrern recht geben; wenn ihr Grund: daß alle Neigungen Kranckheiten wären / nicht auf schlüpfrigem Grunde bestünde; Sie wären aber diß weder nach ihrem Uhrsprunge / noch nach ihrem Wesen. Denn die Natur wäre gegen ihr liebstes Kind den Menschen eine viel zu gütige Mutter: daß sie ihm eitel Kranckheiten der Seele solle eingepflantzt haben. Ihre Eigenschafft würde nur zufälliger Weise verterbet / und wie der süsseste Wein in schärffsten Eßig verwandelt. Denn wer wolte glauben: daß sie so viel ärger / als die Galle der Drachen; die Gifftbläßlein der Nattern / als Napel und andere zwar zum Theil schädliche / iedoch auch sehr nutzbare Dinge wären. Diese Neigungen stiffteten mehrmahls tausend Ubel / frässen gantze Städte / äscherten die halbe Welt ein. Dieses aber wären Würckungen ihres Mißbrauchs / nicht ihrer Natur. Die Sonne das Hertze der Welt / welche alles lebhafft macht / würde derogestalt eben so verdammlich / und mit den Mohren zu verfluchen seyn / weil sie / mit ihrer Hitze eben so wol Kröten / als Schwanen beseelte; nichts minder die heilsamen / als die Schwantz-Sterne erleuchtete; und mit eben der Wärmbde / welche Oel und Granat-Aepffel zeuget /Ungeheuer heckete. Das so nützliche Feuer / daß das Ertzt gleichsam zum andern mahl gebieret / das unvollkommene auskochet / und die andere Sonne der meisten [1344] Handwercker ist; würde widriger Meinung nach in der gantzen Welt auszuleschen seyn / weil es alles verzehret / dessen man es Meister werden läßt. Das Meer und der Wind / weil sie Länder überschwemmen / Bäume ausreissen / und Schiffbruch verursachen / würden müssen / ungeachtet jenes Perlen / Purper und Korallen gebieret / den Erdbodem befeuchtet / die Sternen säuget / dieser die Lufft reinigt / die Fruchtbarkeit und die so nützliche Schiffahrt befördert / aus der Welt verbannet werden. Dannenhero müste man nur den Rauch von dem Feuer der Gemüths-Regungen saubern / und mit diesen Neigungen so behutsam / wie die Aertzte mit den Feuchtigkeiten des Leibes umbgehen / als welche zwar zu reinigen / aber nicht gar auszutrocknen wären; Oder man müste selbte / wie die Haare und Nägel beschneiden /nicht aber gar verterben. Die Königin Erato warf hierwider ein: Sie könte unter diesen Regungen / und denen Kranckheiten des Gemüthes noch zur Zeit keinen Unterscheid finden; als daß jene geschwinder verrauchten / diese aber / als schon tief eingewurtzelt /hartnäckichter wären. Massen denn auch jene sich in diese mit der Zeit eben so leicht / als die Seiden-Würmer in Molcken-Diebe verwandelten. Die Maale würden mit uns so wol gebohren / als die Neigungen; gleichwol aber blieben sie Ungestaltnüsse / und wäre eines so schwer als das andere zu vertreiben. Der Natur gönnete man ihren Preiß; aber es hätten mehrmals weisse Mütter heßliche Mohren-Kinder. Die Wurtzel schädlicher Regungen könte nicht besser seyn / als ihre gifftigen Früchte. Weil nun diese Gespenster zu herrschen / nicht zu dienen gewohnt wären / wüchsen sie der Vernunfft zu Kopffe / welche doch das Auge der Seele / die Magnet-Nadel des Lebens / der Mäßstab der Tugend und der Ancker der Glückseeligkeit wäre. Wie die so genennte Kranckheit die Rose ihren Eintritt mit einer annehmlichen Purper-Farbe beschönte / also endigte sich diese Kranckheit eben so wol / als die anfangs in Gestalt einer Morgenröthe der Tugend sich zeigenden Regungen mit unsäglichen Schmertzen. Diesemnach müste man sie in der ersten Blüte tödten / und als das schädlichste Unkraut ausrotten. Denn wenn nur ein Käum übrig bliebe / nähme es unversehens überhand / und ersteckte in uns den Saamen des guten. Alle Laster wären anfangs Zwerge / hernach Riesen. Sie stellten sich erstlich verschämt und mäßig; die Gewohnheit aber vertilgte bald ihre Schamröthe / und mit der Zeit zerlechsete ihr Umschranck. Die Grausamkeit erlustigte / wie die Wütteriche zu Athen sich anfangs an dem Blute eines Betrügers / hernach der unschuldigsten Weltweisen. Der Geitz verliebte sich anfangs in sein / hernach in seines Nachbars Gut. Ja diese anfangs verächtliche Schwachheiten fräßen ins geheim / wie der Krebs umb sich; Und der Allerweiseste wüste diese einmahl zu Kräfften gekommene Ungeheuer / welche den Menschen in heßlichere Thiere als Circe verwandelte /nicht zu bändigen. Sie würffen ihn aus dem Sattel /wenn er ihnen nur ein wenig den Zügel verhienge. Die Vernunfft wäre viel zu schwach sie zurücke zu halten. Denn sie wären eben so wol / als die wilden Thiere gegen ihre Beredungen taub. Sie würden wie die gekirrten Tiger / wenn man sichs am wenigsten versehe /wieder rasend; und dahero verließen sie niemals ihre böse Eigenschafft gar / durch eine die Tugend allein gut und vollkommen machende Mäßigung. Denn was böse von Natur wäre / hätte weder Maas noch Ziel. Das Feber / wie gelinde es wäre / das Haupt-Weh / ob es schon nur den halben Kopff einnehme / bliebe nichts desto weniger eine Kranckheit eben so wie die Schwachheiten des Gemüthes / nemlich die in etwas gemäßigten Regungen. Ja wer beyde nicht gar auszutilgen wüste / verstünde noch weniger selbte aufs rechte Gewichte zu legen. Asblaste hörte [1345] sie wol aus /fieng aber hierauf an: Meine liebste Erato / ihre Weisen kommen mir für / wie jener neue Gärtner / welcher / als er im Frühlinge seine Nachbarn ihre Weinberge behauen / ihre Bäume beschnöteln sahe / solches durch derselben gäntzliche Ausrottung noch zu verbessern vermeinte. Aber warumb schleiffen die Steinschneider von denen rauen Diamanten nicht alle Flecken weg? Lassen sie nicht mehrmals einer unreinen Ader Uberbleibung daran; ehe sie diesen köstlichen Stein gar zermalmen? Oder warumb zöpfet sie nicht vielmehr das Blut gar aus ihren Adern; wenn seine übermäßige Hitze Feber- und Seiten-Weh erreget; sondern nur den Uberfluß? Warumb schneiden die Sitten-Lehrer nicht der Keuschheit zu gefallen /wie die Elevsinischen Priester ihnen nicht gar die Geburts-Glieder ab? Warumb haben die Aertzte so gar aus Lämmern und Kälbern den Mangel unsers Geblütes zu erstatten durch eine in silbernen Röhren geschehende Eingießung erfunden? So gut und nöthig nun in dem Leibe das Blut ist; so gut und unentpehrlich sind auch in dem Gemüthe die Regungen; welche ohne dis mit dem Geblüte so sehr vermählet sind: daß sie selbtes wie der Monde das Meer bewegen / und darinnen ihre Siegs-Fahn anstecken /wenn Liebe / Zorn / Scham und Freude selbtes mit Gewalt ins Antlitz treibt; die Furcht es aber dem Hertzen zu Hülffe rufft. Die Regungen haben zwar keine vollkommene Güte / wie die Tugend; eben so wenig /als die andern Glieder dem Hertzen zu vergleichen sind. Sie haben aber ein so nöthig Ampt / als Hände und Füsse; und sind offtmahls so nützlich / als die Uberströmung des Nil und Nigers. Denn sie machen alle Kräfften der Vernunfft rege und lebhafft; also: daß die Menschen ohne die Gemüths-Regungen ein marmelnes Volck; und nicht viel lebhaffter / als die aus der Welt nach Rom versammleten Bilder; Unsere Seele aber ohne sie eine Fürstin ohne Befehlhaber und Diener seyn würde; welche aber weit über die Glieder und Sinnen gesätzt sind / und diesen zu gebieten haben: daß beym Verlangen des Guten / bey Abwendung des Bösen / das Gehöre und das Gesichte solche ausspüren / die euserlichen Glieder allenthalben handlangen müsten / weñ der verwegene Zorn auf die Feinde und Laster einen Ausfall thut / oder die Furcht die Pforten verschleußt; die von dem Verlangen und der Hoffnung wieder eröfnet werden; wormit Liebe und Freude in das Gemüthe ihren Einzug halte; in welchen letztern Regungen der Genüß der Tugend bestehet / als die in sich selbst ihre frohe Vergnügung findet / und in sich inbrünstiger / als ein Bräutigam in der ersten Hochzeit-Nacht in seine Braut verliebt ist. Diese Tugend hat selbst ihre Abfälle / wie die Sonne ihre Finsternüsse / die Freygebigkeit verfällt in Verschwendung / die Tapferkeit wird verwegen; ja die meisten Laster sind die Mißgeburten der lebhafftesten Tugenden. Solten diese destwegen verwerflich seyn? Solten die Tugenden destwegen durch die Vernunfft nicht in den Schrancken ihrer Mittel-Bahn erhalten werden können? Wir können ins gemein etwas nicht; weil wir uns desselbten Unmögligkeit frühzeitig einbilden? Nach dem wir uns in unsere Schwachheiten verlieben / reden wir ihnen das Wort; und wormit wir uns derselben nicht entschütten können / entschuldigen wir sie. Denn wie keine Kranckheit gefunden wird / für welche die Natur nicht habe eine Artzney wachsen lassen; also ist kein Gemüths-Gebrechen /welchen zu überwünden sie uns nicht Kräfften genung gegeben hätte. Die tugendhaffte Thußnelde brach allhier mit einer ehrerbietigen Bescheidenheit derogestalt ein: Sie wäre zwar in der Weißheit [1346] so seichte beschlagen: daß ihr das stillschweigende Zuhören anständiger wäre / als durch vorwitzige Einmischung in diesen Zwist ihre Unwissenheit zu verrathen. Gleich wol aber hielte sie / ihrer Einfalt nach / nicht für so schwer beyde streitende Meinungen dardurch zu vereinbaren; wenn man die Regungen für Mittel-Dinge annehme / welche an sich selbst weder böse noch gut / sondern dem veränderlichen Thiere Cameleon zu vergleichen wären / welches auf den Kräutern grün /auf Scharlach roth / in der Lufft blau aussehe; ja alle Farben seines Behältnüsses in einem Augenblicke annehme. Denn eben diese Gewalt einer geschwinden Verwandelung schiene der Wille über solche Regungen zu haben; welcher ihnen nichts minder die Eigenschafft der Tugend und des Lasters / als ein Bildhauer seinem Marmel ein Gesichte einer Eule / als einer Helena einpregen könte. Daher weñ auch diese Regungen für sich selbst / und nicht allererst nach der bösen oder guten Anleitung des menschlichen Willens für böse oder gut geurtheilt werden solten; würde man auch nicht alleine dis / was uns wider unsern Willen träumet / loben oder schelten / sondern auch die Wölffe und Raub-Vögel aufhencken / die Löwen mit Lorbern / die Turtel-Tauben mit Rosen / die für ihren Weiser kämpfende Bienen mit Eichen-Laube kräntzen müßen. Die Königin Erato würde ihr hierinnen vielleicht so viel mehr Beyfall geben; weil sie zu Rom einmahl von einem Nachfolger des Zeno gehört zu haben sich erinnerte: daß sie alle euserliche Güter der Gestalt / der Stärcke / des Vermögens / für ebenmäßige Mittel-Dinge und für einen Werckzeug nichts minder der Tugend als Laster / und also weder für herrlich / noch für scheltbar hielten. Zwischen diesen Gütern / und denen innerlichen Regungen aber wäre /ihrer guten oder bösen Anwehrung nach / kein Unterscheid / sondern selbten machte allein der Gebrauch und der Mißbrauch. Sie wären beyde eine ungefärbte Wolle / welche Tinte und Schnecken-Blut an sich zu ziehen fähig wären; also: daß der Zorn eben so wol eine Scene der Tugend / einen Wetzstein der Tapfferkeit / als ein Fallbret der Grausamkeit; die Begierde einen Zunder der Wolthätigkeit / und ein tödtend Gifft der Wollust / die Furcht einen Leitstern der Klugheit /und ein Irrlicht der Zagheit abgäben / ja die Regungen ins gesampt den Lastern und Tugenden zu Waffen dieneten. Die weise Fürstin Asblaste hingegen würde diesen Regungen schwerlich einen Ehren-Stul in dem Reiche der Vernunfft einzuräumen verlangen / weil sie ihren Sitz und Herrschafft nur in den euserlichen Sinnen hätten; und daher auch den stummen Thieren gemein wären; welche doch so wenig von der Vernunfft erblickten / als die unter uns wohnenden und uns die Füsse zukehrenden Menschen von unserm Mittags-Lichte. Sie hätten für sich selbst weniger Licht als der Monde; wenn sie aber ja einigen Glantz bekämen / müsten sie es der Vernunfft / wie die andern Sternen der mittheilenden Sonne dancken; und ihre eigene Blindheit ließe sich den ersten den besten Leiter dahin führen / wohin er nur wolte. Alleine die Königin Erato antwortete: Thußneldens Meinung wäre zwar mäßiger als Asblastens / aber ihr Zeno würde sie noch schwerlich zur Vermittelung annehmen. Denn die euserlichen Güter hätten in sich selbst keinen so wilden Trieb als die Regungen; welche für sich selbst nicht nur blinde Führer / sondern auch schädliche Knechte der Vernunfft wären / die ihr nur zum Scheine gehorsamten: daß sie mit Gelegenheit über sie herrschen möchten. Sie wären geartet wie die Ströme / welche so viel grimmiger raseten / je enger man sie in ihren Ufern vertämmete: daß sie nicht überschlagen [1347] solten. Daher wäre es entweder eine grosse Unvollkommenheit / oder ein gefährlicher Zustand der Tugend; wenn sie diese unter sich selbst unverträgliche Regungen zu ihren Gehülffen annehmen müste. Sintemal ja die Furcht nicht mit dem Zorne /der Haß mit der Begierde / das Schrecken mit der Freude in stetem Kriege zu Felde läge. Die Vernunfft und die Tugend jagte sie zwar selbst gegen einander in Harnisch; umb ihre gewaltsame Herrschafft zu vertilgen. Sie brauchte sie / wie die Indianer Löwen und Tiger / nemlich mit selbten anderes Wild zu fangen. Und wenn sie eine gegen der andern auf die Wag-Schale legte / machte sie dardurch ein gleiches Gewichte; aber sie schämte sich gleichwol einige unter ihnen zu ihrer Beschirmerin aufzunehmen. Die Tapferkeit könte ohne Zorn überwinden und siegen; ja sie müste sich dieser Hitze entbrechen; wo sie sich nicht selbst stürtzen wolte. Denn der Zorn machte an den besten Fechtern Blößen; welche vorher die Kunst verdeckte. Und die stärcksten Riesen-Völcker wären mehrmals von denen Schwächsten überwältiget / oder auch der bereit erworbene Sieg ihnen aus den Händen gewunden worden / wenn sie sich aus Zorn übereilet hätten. Denn dieser wäre der rechte Nemeische Löwe / der Brut der sich ergießenden Galle / welchen alle tödten müsten; die mit dem Hercules den Ruhm grosser Helden erwerben wolten. Die Vernunfft wäre in sich schon so rege / die Tugend in ihr selbst so vollkommen: daß sie keine Spieß-Rute der Begierde zum Wolthun anfrischen / kein Kapzaum der Furcht von einiger Vergehung zurück halten dörffte. Die Regungen dienten freylich wol zu Waffen den Lastern / aber nicht der Maaß-liebenden Tugend. Denn man könte sie nicht / wie Schwerdt und Schild / seinem Belieben nach ergreiffen und weglegen. Die Vernunfft hingegen wäre ihr überflüßig genung zu nöthiger Beschirmung; welche allezeit in einem bliebe und tauerhafft wäre. Dahingegen der Zorn entweder wie die Drachen-Zähne unersättlich rasete; oder wie die Bienen nach der ersten Verwundung den Stachel verliere. Und mit einem Worte: der natürliche Trieb dieser Regungen neigte sich zum bösen / wie die Schwerde zum Bodem / wenn nicht die Vernunfft sie mit Gewalt zu was gutem nöthigte. Das Wesen aller Regungen bestünde entweder in einer Ubermaaß oder in einem Mangel; und hielten selbte niemahls das rechte Gewichte; also: daß die Vernunfft alle Augenblicke genung zu thun hätte auf ihrer Wag-Schale diese Ungleichheit zu verbessern. Alleine jene Güte wäre kein Gold ohne Schlacke / und diese Ausgleichung bliebe doch immer etwas höckricht. Viel ein wenigers meinte die Fürstin Asblaste von ihrer Meinung fallen zu lassen. Daher führte sie an: Die Regungen verdienten zwar nicht den Sitz und den Ruhm der über alle Hoheit erhabenen Tugend; aber man müste sie zu keinem Fußschemmel machen. Sie wären zwar keine Geburt der edelsten Krafft in der menschlichen Seele / die über die lebende der Gewächse und die fühlende der Thiere noch etwas göttliches / nemlich die Vernunfft in sich begrieffe; aber sie wären keine Mißgeburt eines nur irrdischen Vermögens; also keines weges zu enträumen: daß sie bloß in denen euserlichen Sinnen ihren Sitz und Ursprung hätten. Die stummen Thiere fühlten (der Stoischen Weisen Meinung nach) in sich zwar einen blinden Trieb; denen Menschen aber käme Zorn / Liebe / Furcht und dergleichen nur eigentlich zu; und dis / was jene diesen nachzuthun schienen /wäre nur für einen Schatten zu halten. Weil nun aber diese mit keiner Vernunfft betheilet wären / gleichwol aber Krafft solcher nur unvollkommenen [1348] Neigungen nichts minder merckliche Nachahmungen vernünfftiger Schlüsse von sich blicken ließen / in dem sie bald nach der Geburt die gifftigen Kräuter von den gesunden auszuschälen; den Schatten ihrer Feinde zu fliehen; die Bienen so ordentlich eingetheilte Gemächer /die Spinnen so künstliche Netze / die Papegoyen so vorsichtige Nester zu bauen wüsten; ja die Hunde durch ihre bewehrte Treue Masanißens Leibwache zu werden; die Störche durch Anfachselung ihrer schwachen Eltern den Ruhm des danckbaren Eneas; die Tauben durch ihre betrübte Einsamkeit das Lob einer Artemisie verdienten; so könte man so viel weniger denen natürlichen Regungen / welche doch in diesen Thieren nur unvollkommen seyn solten / ihren Preiß gar absprechen. Das Haupt wäre freylich wol das Schloß der Vernunfft / und der Sitz der Klugheit; aber das Hertze / darinnen alle Regungen walleten / hätte gleichwol auch kein geringes Theil an rühmlichen Entschlüßungen. Unser Leben würde ein rechtes Eben-Bild des todten Meeres abgeben / und wie dis sonder Bewegung und Fische / also jenes ohne einiges Thun und Nutzen seyn / wenn uns die Gemüths-Regungen nicht von der erbärmlichen Schlaffsucht aufmunterten; ja das betrübte Leben uns verzuckerten; welches sonst eine unaufhörliche Betrachtung unsers Elendes seyn würde. Führte man doch eines Uberwünders herrlich aufgeputztes Pferd mit in dem Siegs-Gepränge auf; man behienge ein aus einer See-Schlacht rückkehrendes Siegs-Schiff mit köstlichen Tapeten; man stürtzte die Waffen der Helden in Tempeln auf; da doch diese nur Werckzeuge der Siegenden gewest wären. Warumb solte man denn die so edlen Regungen des Gemüthes; welche in sich selbst eine mehrere Lebhafftigkeit / mit der Vernunfft und Tugend auch eine nähere Verwandnüs hätten / so gar unter die Banck stossen? Zwar wäre nicht zu läugnen: daß selbte einen Menschen nichts minder in einen Affen zu verstellen / als in ihm einen Löwen vorzubilden vermöchten; sie wären aber des so heilsamen Mittelmaaßes und einer klugen Abtheilung allerdings fähig / und also ihrer Eigenschafft nach zur Vollkommenheit geschickter als zum Gebrechen. Die Natur brächte selten und keinmal vorsetzlich / sondern durch frembden Zufall und Hindernüs / oder Unvermögen / Kriepel und Zwerge ans Licht; was für Lust solte sie denn haben mit denen Regungen allezeit Mißgeburten des Gemüthes zu gebehren? Zu was Ende solte sie für den Leib so sorgfältig / für die Seele so unachtsam / oder vielmehr grausam seyn? da doch jener nur die Herberge / diese die Herrscherin in dem Menschen wäre. Die Tugend hätte zwar in sich ihre Lebhafftigkeit und Vollkommenheit / wie die Sonne; aber beyde müsten etwas haben außer sich / in welchem sie ihre Würckungen auslassen könten; wo man sie nicht zu einer unbeseelten Seule sonder Armen und Füsse zu einer müßigen Fliegen-Fängerin machen; oder ihre Würckung nur in Träume und Einbildungen verwandeln wolte. Denn GOtt alleine wäre ein Kreiß der Vollkommenheit; welcher in sich alles begrieffe / und alles dessen / was außer ihm / ohne Abgang entpehren könte. Diesemnach die Vernunfft eben so sehr die theils zu hefftigen / theils zu todten Neigungen des Willens zu Erreichung des in der Tugend allein befindlichen Mittelpuncts / als der Leib eine gewisse Abtheilung der Schwerde und Leichtigkeit / desselben Gesundheit eine richtige Vermischung der Wärmbde und Kälte / die Welt theils Feuer und Lufft / theils Erde und Wasser / und die Jahres-Zeit nichts minder hitzigen Sonnen-Schein / als kühlende Regen / Winde und Schnee zu Erlangung ihres rechten Maasses bedörfften. Ja diese Neigungen liessen nicht [1349] nur in sich die Vernunfft würcken / sondern sie selbst legten mit Hand an das Werck / und beförderten die Geburt der Tugend / nichts minder / als die andern Gestirne nebst der Sonne / die Fruchtbarkeit der Erde. Sie eigneten denen Tugenden einen herrlichen Nachdruck / wie das Haus des gestirnten Löwen /oder der Hundsstern / der Sonnen-Hitze eine mehrere Krafft zu. Sintemal die Tugendẽ so wenig / als die Sternẽ alle einerley Grösse oder Glantz hätten; und ihr Mittel-Maaß eben so wenig verhinderte: daß eine Tugend die andere absteche; als daß unter zweyen Diamanten einer Grösse dieser von jenem verdüstert würde. Aus diesem Ursprunge rührten die ungemeinen Helden-Thaten / weil die Begierde der Ehren die Unmögligkeit gleichsam bemeistern lehrte; und die Eiversucht über frembden Gedächtnüß-Säulen auch in gefrornen Gemüthern den Schwefel der Großmüthigkeit brennend machte. Die Liebe wäre nicht nur ein Leit-Stern der Weißheit / sondern eine Erfinderin vieler Wissenschaften. Die Begierde und Hoffnung habe die Einöden bewohnet / die Meere wegbar / die Winde zahm / alle Arbeit leichte / die Erde fruchtbar /die Welt schön / das Leben behäglich gemacht. Der Zorn und die Furcht dienten der Tugend für eine Leibwache / ohne welche sie iedermann zur Eule machen /und als einen Bovist oder Erd-Schwa mit Füssen treten würde. Ja wenn sie sich aller dieser natürlichen Waffen und Kräffte enteuserte / wäre der Mensch ein helffenbeinern Bild ohne Fühlt / die Tugend aber bey nahe selbst eine Ohnmacht der Seele / und eine Entfallung aller innerlichen Gemüths-Kräfften. Mit einem Worte: Diese Neigungen wären wilde Stämme / welche für sich selbst dienliche iedoch etwas rauhe und herbe Früchte trügen. Wenn aber die Vernunfft auf selbte die Zweige der Tugend pfropfte; würden die Früchte mehr / als hundertfach verbessert. Endlich diente zu Behauptung ihrer Meynung dieser unwiderlegliche Satz: daß Gott / welches doch die unbegreiffliche Grund-Säule / und der Mittel-Punct der Natur /auf welcher alles erschaffene ruhete / ja alles in sich selbst in höchster Vollkommenheit / und derogestalt wie auser aller Veränderungen / also auch ohne unsere Gemüths-Regungen wäre / dennoch durch seine / allgemeine Macht alle Wercke unserer Neigungen / wiewohl sonder die mindeste Bewegung auszuüben sich nicht enteuserte / wenn er die Frommen mit den Fittigen seiner Barmhertzigkeit deckte / über den Fehltritten der Irrenden Mitleiden hätte / für die ihn liebenden Wache hielte / denen Schlangen das Gifft / dem Feuer die Gewalt zu brennen benähme / den Winden einen Zaum / und den Wellen ein Gebiß anlegte; und wenn für seiner gegen die Bösen ausbrechenden Rache /und der in den Wolcken krachenden Donner-Stimme die Zedern sich splitterten / die Gebürge rauchten /die Erde bebte / und die Felsen sich zermalmeten.

Diese Rede beseelte sie mit so beweglicher Geberdung / und die ihr aus den Augen blickende Andacht gab ihren Gründen einen so wichtigen Nachdruck: daß niemand unter der Versa lung ihr einiges Wort mehr entgegen zu setzen sich erkühnte. Die das Ebentheuer ihrer Dahinkunft zu erfahren höchst-begierige Thußnelde aber gab durch ihre Nachfrage / wie viel Jahre sie in dieser andern Schule hätte aushalten müssen? gleichwohl zum Verfolg ihrer Erzehlung Anlaß. Diesemnach denn Asblaste aufs freundlichste nachtrug: Man hätte in derselben zwar nur die einige Kunst der Mässigung zu begreiffen / und nichts zu lernen / als daß man die schrecklichen Dinge nicht fürchtete / in die annehmlichen sich nicht zu sehr verliebte / und also zwischen einer wilden Unart und der Verzärtelung das rechte Mittel treffe; als wordurch ein Mensch mit sich selbst einen vollkommenen Friede stiftete / und die Ruhe des Gemüthes den einigen Ancker der Glückseligkeit [1350] befestigte. Gleichwohl würde für fünf Jahren hier niemand erlassen und loßgesagt. Daher sie denn auch so viel Zeit darinnen angewehret / wiewohl sie bekennen müste: daß der vollkommenste Mensch sein Lebtage über Erlernung dieser einigen Tugend genung zu thun hätte / welche so sehr viel in sich begrieffe / und ein so weites Gebiete als die Klugheit hätte; denn ob sie zwar eigentlich von andern Tugenden noch unterschieden / dennoch gleichsam aller übrigen Seele wäre. Sintemal wie keine Tieffsinnigkeit das Buch der Natur seiner unzehlbaren Geheimnüsse halber auszugrübeln vermöchte; also wäre das Gemüthe des Menschen ein Meer voller Krümmen / Klippen / Sandbäncke und Strudeln: daß kein Weiser noch darüber eine richtige See-Karte gefertiget; kein Bleymaß seine Tieffen er gründet / kein Mensch mit dem Kompasse seiner Klugheit alle Verirr- oder Vergehungen zu vermeiden vermocht hätte.

Dieser meiner Unvollkommenheit ungeachtet / fuhr die weise Asblaste fort / versetzte man mich wider meinen Willen in die dritte Schule; darinnen einem die tieffsten Geheimnüsse entdecket werdẽ; theils wie Gott / welcher doch aus der Natur nur unvollkommen und als ein Schatten erkennet wird / sich selbst viel heller offenbaret habe; theils wie der Mensch zur Wissenschafft künftiger Dinge gelangen könne. Von beyden etwas gemein zu machen wird der Anwesenden hohe Bescheidenheit nichts verlangen / welche wohl wissen: daß mir und meines gleichen die Lippen durch ein Siegel angelobter Verschwiegenheit verschlossen sind; welche man unsers Heiligthums Verfassungen so viel weniger verargen kan / weil auch die Natur ihr bestes Ertzt in die Tieffen der Berge /ihre Perlen in den Abgrund des Meeres verbirgt / und der Himmel seine wenigste Sternen / Gott aber selbst sich niemals sehen läst. So haben auch die Egyptier von denen Göttlichen Geheimnüssen in einer ungemeinen Sprache / oder nur durch Rätzel geredet. Sie haben zu derselben Verbergung eine absondere Schrifft aus seltzam-gestellten Vögeln / Schlangen und andern Thieren erfunden / und darmit ihre kostbare Tempel und Spitz-Säulen bemahlet / hierdurch aber mehr des Volckes gespottet / als die Einfalt unterwiesen; wie sie denn auch solches selbst zu bedeuten für ihre Heiligthümer das unauslegliche Wunder-Bild setzen; welches vorwerts einen Löwen / übrigens einen Menschen mit Greiffen-Flügeln und Adlers-Klauen fürbildete; und über ihre Isis schrieben: daß kein Sterblicher ihr den Schleyer noch nicht aufgedeckt hätte. Eben so haben die Griechẽ diese Geheimnüsse hinter den Schatten der Getichte versteckt; Pythagoras nur die Schalen seiner Wissenschafftẽ denẽ Lehrlingẽ fürgeworffen / den Kern für sich behalten /Orpheus diese Weißheit mit dem Klange seiner Seiten verhüllet / und von denen / welchen er was offenbaret / einen Eyd solches mit ins Grab zu nehmen abgeheischen. Plato hat in seinen Gesprächen durch Verblümungen seine Gedancken verwirrt; daß sie weniger zu verstehen sind / als wenn er sie auff tausend von den Winden durch einander gewehete Blätter verzeichnet hätte. Aristoteles lehrte bey fest verschlossener Thüre / und bedeckte alle Schlüsse gleich als wie mit einem Nebel. Ja alle Weisen / weñ sie von dem Göttlichen Erkentnüß ihre Gedancken eröffnen sollen / machẽ es / wie derselbe Meerfisch / der / wenn er die Nachstellung einigen Netzes mercket / mit einer von sich gelassenen Tinte das Wasser trübet. Was für Wunder wird nicht von denen Wahrsagungen der Sibyllen zu Rom gemacht / in welche niemand / als der oberste Priester sehen darff? Wie viel hat eine kluge Frau für den Augen des Numa verbrennet; und der Käyser August nach der Zeit sie schier gar aus den Händen der Welt gerissen? Ich versichere sie aber: daß alles dis /was in diesen Blättern / und in den [1351] Steinen der Egyptier / als den Büchern der ersten Welt / aufgeschrieben stehet / nur Hülsen sind gegen dem / was die Alironischen Frauen in denen bürckenen Rinden aufgezeichnet bey sich verwahren / und von einer Jüdin bekommen haben. Welche Geheimnüsse zu entdecken so gefährlich ist: daß Theopompus wahnsinnig / Theodectes blind worden; als er sie in Griechischer Sprache Frembden kund zu machen sich erkühnet. Was der künfftigen Dinge Vorbewust anreichet / weiß ich zwar wol: daß einige selbten als einen bloßen Traum der Thoren / oder als einen Betrug der Arglistigen schlechter dings verwerffen. Ich habe zu Rom auch gehört: daß Cato sich verwundert habe: wie zwey Wahrsager einander ohne Lachen auf der Straße begegnen könten; weil beyde wol verstünden; wie ihr gantzes Ampt nichts anders wäre / als die gantze Welt zu Narren haben. Ich vertheidige auch nicht die Telchinen auf Rhodus; welchen ihre redende Marmel-Bilder weissagten; die Dactyler auf Creta / welche aus Schmiedung des Eisens künfftig Ding zu wissen vermeinten / noch die Thuscanischen Vogel-Aufseher /die aus frembder Leber mehr / als aus eigenem Gehirne verstehen wolten. Wer wolte aber glauben: daß die Natur so viel Thiere mit der Wissenschafft künfftigen Gewitters / bevorstehender Todes- und anderer Zufälle begabt / den Menschen aber nur dis / was ihm für den Füssen liegt / wissen zu lassen gewürdigt haben solte? Zwar ist allerdings irrig: daß einige die traurigen Feuchtigkeiten / andere die von der Sonne aus der Erde gezogene Dünste / ihrer viel eine feste Einbildung / oder das Eingeben der Geister zur Mutter der Wahrsagungen machen; und ich halte bey unsern Deutschen ebenfals für eine zauberische Bländung /wenn ein ungeheures Gespenste durch einen Löwen-Adler- und Nacht-Eulen-Kopff wahrsagte; als wenn anderwerts ein aus Ertzt gegossenes Bild auf alle Fragen bescheidentlich geantwortet hätte. Alleine es hätte der Mensch in sich Funcken eines himmlischen Wesens / von welchen nicht zu verwundern ist: daß derselben weise Anwehrung ihm auch ein Licht der künfftigen Zeit anstecken kan; nach dem Steine und Kräuter wegen des Einflusses aus den Sternen in sich auch so seltzame Würckungen haben. Wiewol der wahre Ursprung dieser Wissenschafft in der Einflößung des Verhängnüsses so wie des Thaues in dem fruchtbaren Kreisse des Monden steckt; und nicht jedermann sich dieser Gabe fähig machen kan; also die Alten gar tiefsinnig geurtheilet haben: daß die Wissenschafft künfftiger Dinge nur eine Eigenschafft der Weisen / und eine königliche Verrichtung sey. Wie unwürdig ich nun mich hierzu bekenne; so hat doch der barmhertzige Erbarmer dieses allen mich so ferne damit betheilet: daß ich nicht nur der Deutschen herrlichen Sieg gegen die Römer; sondern auch die Vermählung meines Sohnes mit der vollkommensten Fürstin der Welt für geraumer Zeit vorgesehen; und meinen Gespielen eröfnet habe. Hiermit zohe sie eine ertztene Taffel ziemlicher Größe unter ihrem Gewand herfür; in welche so wol ihre itzt erwähnte / als bereit für einem Jahre in dem Alironischen Heiligthume entdeckte Wahrsagung / als auch / wie Hertzog Herrmann noch viel gefährliche Kriege / Thußnelde mit ihrem Sohne / den sie nach neun Monden gebähren würde / die Gefangenschafft der Römer zu überstehen; jedoch alle ihre Betrübnüsse einen gewünschten Ausschlag zu erwarten hätten / tief eingeetzt stand. Diese Taffel übergab sie Thußnelden / und zugleich ein versiegeltes Buch / mit der Versicherung: daß alle ihre künfftige Zufälle darinnen haarklein verzeichnet wären. Dieses solte sie zu ihrem Gedächtnüsse aufheben; jedoch solches [1352] nirgends / als in der Stadt Artaxata zu öffnen ihr angeloben. Sintemal Gott iedem Menschen zwar die Klugheit auf das künftige zu sehen /nicht aber desselbten Vorbewust anzuvertrauen für rathsam geachtet hat; weil die guten Zufälle ihn allzu vermässen und sicher; die schlimmen aber allzu kleinmüthig machen dörften. Thußnelde nahm dieses seltzame Geschencke / wiewohl mit ein wenig Veränderung über denen ihr angedeuteten Begebnüssen / auss demüthigste an; und die Versa lung danckte mit grosser Ehrerbietung dieser weisen Fürstin für die Entdeckung ihrer so denckwürdigen Begebnüsse. Die übrige Zeit des Tages ward mit frölichern Gesprächen / und einem prächtigen Abend-Mahle in des Feldherrn Lusthause hingelegt.

Es war schon etliche Stunden in die Nacht; als diese ansehnliche Versa lung aus dem grossen Speise-Saale sich erhob. Wie nun ein iedes über einen breiten Gang sich in sein Zimmer verfügen wolte; öffnete sich das Burg-Thor mit grossem Geräusche; und das Licht vieler sich nähernden Fackeln erfüllte den gantzen Hof; beydes aber verursachte: daß die sä tliche Fürstliche Personen sich an das Gelender lehneten / diese Neuigkeit zu vernehmen. Diesen zeigten sich alsofort eine Anzahl gantz glatt geschorner Leibeigenen / derer ieder eine brennende Wachs-Kertze fürtrug. Diesen folgten zu Pferde etliche zwantzig theils Römisch / theils Scythisch / theils Morisch / und auf andere Art gekleidete und zu Pferde sitzende Frembdlinge; welche theils in Kru -Hörner von Auer Ochsen / oder aus Ertzt gegossen / bliessen; theils auf von gedrechseltem Holtze und mit Ochsen-Leder überzogene Paucken schlugen. Hierauf erschien auf einem zierlichen zweyrädrichten Wagen / den vier neben einander gespannte Pferde zohen / ein Herold / dessen Ampt und Meynung seine Merckmale also gleich entdeckten. Denn er hatte den mit zwey einander ansehenden Schlangen umbwundenen Stab / als das Friedens-Zeichen in der lincken; den Spieß aber in der schon zum Wurff gezückten Hand; über diß war sein Haupt mit keinem Blumen-Krantze bedeckt; sondern mit einem blutfärbichten Wollen-Tuche umbwunden. So bald dieser in die Mitte des Hofes kam / hielten nichts minder die Bläser und Paucker / als der Wagen stille; der Herold aber fieng an: Der Kern der Ritter aus den streitbarsten Völckern der Welt ist durch das Geschrey: daß ein deutscher Fürst die vollkommenste alles Frauenzimmers ihm zu vermählen sich erkühnt hätte; nach Deutschburg betagt / ich aber befehlicht worden / dich / Herrmann / Hertzog der Cherusker /und alle Deutschen / die dich einer solchen Fürstin würdig achten / auf morgen in den Kampfplatz zu fordern; da du entweder dem Uberwinder Thußnelden abtreten / oder durch deine Tugend die Würdigkeit sie zu besitzen erhärten sollst. Als er dreymal diese Worte wiederholet hatte / warff er seinen Spieß mit einer solchen Heftigkeit von sich: daß er in der Mauer stecken blieb. Er aber drehete mit seinem Aufzuge sich umb / und kehrte auf der Burg zurücke / der gantze Hof aber zur Ruhe.

Die Morgen-Röthe färbte mit ihren Blicken kaum die Wolcken und die oberste Spitze des Blocks-Berges; als man für der Burg und in allen Strassen schon durch allerhand Gethöne das Zeichen zu den Ritter-Spielen geben hörte. Der Schau-Platz war nicht allzu weit von dem Fürstlichen Schlosse auf einem flachen Felde zwischen einem annehmlichen Lust-Walde /und an einer rauschenden Bach / wormit man den innern Platz anwässern konte / erbauet. Diesen hatte Fürst Adgandester / welcher zu Rom nicht nur die Bau-Kunst / sondern auch die Römische Art der Schau- und Ritter-Spiele vollkommentlich begrieffen; nach dem Muster dessen / welches Käyser Julius auf dem Mars-Felde zu Rom aus Holtze erbaut hatte /nach dem [1353] das erstere des Curio vorher mit Erschlagung vieler tausend Menschen eingefallen war. Jedoch hatte Adgandester nach der Anleitung des steinernen Schau-Platzes den Statilius Taurus aus Tiburtinischen Werckstücken dem Käyser August zu Ehren aufgeführt / viel in seinem verbessert; insonderheit: daß es nicht kreiß-sondern zu mehrer Bequemligkeit der Zuschauer Ey-rund / auch von eitel zwey- und drey-grieffigen Eichbäumen / also viel fester als des Julius erbaut war. Sonst hatte es die Höhe wie dieses /und stiegen von denen innersten und fürnehmsten Sitzen / welche gegen dem Platze mit zierlichem Drate verwahrt / und in gemächliche Zimmer eingetheilt waren / dreissig um und um gehende Reyen Bäncke herauswerts empor / wormit auch die letztern alles unverhindert sehen konten. Diese konten funfzig tausend Menschen ohne Gedränge beherbergen. Der Schau-Platz hatte an denen zwey breiten Seiten zwey weite Thore gegen einander über / aber wohl zwölff Stiegen. Zu unterste waren Hölen / und darinnen viel wilde Thiere / welche man durch eiserne Fall-Gegitter aus und einlassen konte. Darüber waren gewisse Gemächer / welche sich auf den mitlern mit Sande bestreuten Platz heraus drehen; und durch derselben Zusammenfügung dem Schau-Platze die Gestalten eines Waldes / eines Feldes / einer Wiesen und andere geben; oder auch den Platz gar beströmen / und nicht nur mit Fischen und Wasser-Thieren / sondern auch mit Schiffen anfüllen kontẽ. Ja der innere gleiche Platz hatte in sich gewisse Hölen / welche zur Zeit alles / was sich darauf befand / in einem Augenblicke in sich zu verschlingen / und über sich wieder eine Fläche zuzuschlüssen / oder auch aus sich Feuer und Flammen auszuspeyen geschickt waren. Uber diß waren auch hin und wieder kleine Spring-Brunnen gemacht; welche durch verborgene Röhre zwar nicht wie zu Rom Balsam und zerlassenen Saffran; aber wohl frisches Brunn-Wasser theils zu Erfrischung des Schau-Platzes / theils zu Erquickung der durstigen Ringer und Zuschauer hervor sprützten. Wiewohl bey diesem Hochzeit-Feyer der sonst denen allzu üppigen Zärtligkeiten nicht holde Feldherr dem Fürsten Adgandester erlaubt hatte: daß durch gewisse Röhren von wohlrüchendem Rosen-Wasser ein sanfter Regen über den gantzen Schau-Platz abtröpfeln möchte. Die Fenster waren gleichfalls mit bund-seidenen Vorhängen für die Sonne beschattet; worzu die Beute aus dem Römischen Lager einen überflüssigen Vorrath herbey geschafft hatte.

Das Gethöne machte den Hof / die Stadt und die gantze Gegend nicht allein rege / sondern füllte in weniger Zeit den Schau-Platz derogestalt mit Zuschauern an: daß in selbtem kein Apfel zur Erde hätte fallen können; alle Treppen besetzt wurden / und ihrer gleichwohl noch viel keinen Raum fanden. Als die Grossen des Hofes ihre Sitze kaum eingenommen hatten / öffnete sich in dem untern Schau-Platze ein Thor; daraus kam auf einem blauen mit Sternen bestreueten Wagen das Geschrey in eine helle Posaune blasende / gefahren. Diesem folgten hundert Herolden mit allerhand Seitenspielen; und hierauf ein auf vier gantz niedrige Räder gesetzter viereckichter Grund-Fuß mit einem Absatze / darauf die Hoffnung in einem blauen mit grünenden Oel-Zweigen bestreuten Rocke stand / mit der lincken Hand sich auf einen Ancker lehnete / in der rechten eine Lilge / auf dem Haupte auch einen Krantz von solchen der Hoffnung gewiedmeten Blumen und Blüthen als Vorbothen künftiger Früchte hatte / und von vier Luchsen / welche mit ihrer Scharffsichtigkeit denen Hoffenden nicht unehnlich sind / fortgezogen ward. Hierauf brachten vier schwartze Pferde einen sechsrädrichten Wagen geführt / auf welcher die Beständigkeit in einem mit unausleschlichen Sternen geblümten [1354] Rocke saß; und für ihr eine Seule ziemlicher Grösse liegen hatte. Nach diesem erschien auf einem vergoldeten von vier weissen Pferden gezogenen Wagen der Sieg / in der Hand einen Oel-Zweig / auf dem Haupte einen Lorber-Krantz haltend; Auf der rechten Achsel saß ein Habicht / auf der lincken eine Nacht-Eule; für ihr lag eine güldene Krone. Zuletzt erschien ein grosser länglicht-rundter von zwey Löwen gezogener Wagen; darauf standen die Tapfferkeit / die Gedult / die Gerechtigkeit mit der Keuschheit / und trugen ein goldenes Bild der Fürstin Thußnelde auf den Armen. Dieser Aufzug machte in dem Platze einen länglichten Kreiß; die Säiten-Spieler aber vertheilten sich in die ihnen zugeeignete Sitze. Wie nun diese mit ihrem anmuthigen Klange voriges Kriegs-Gethöne ablöseten /kamen aus vier Hölen acht ungeheure an lange Ketten mit einem Fusse geschmiedete Cyclopen herfür; welche gegen der Hoffnung sich bis zur Erde neigten; hernach einen seltzamen Riesen-Tantz anfiengen; darinnen sie das Schwirren ihrer Fessel nach dem Klange der Säiten artlich bequemeten; und nach dem die Hoffnung mit einem einigen Streiche sie alle / als sie für ihr niederknieten / ihrer Ketten erledigte / namen sie immer zwey und zwey wechsels-weise auf die Armen; und hieben nach einem ziemlichen Herumbtantzen sie auf einen in dem untersten Gestüle gesetzten Stul empor. Zuletzt faßten sie den Fuß-Bodem /darauf die Hoffnung gestanden hatte / und sätzten ihn mit ungemeiner Geschickligkeit recht in dem Mittel des Schauplatzesfeste. Als diese Riesen in einem Augenblicke sich verlohren / weltzte sich die auf dem Wagen der Beständigkeit liegende Seule herab / richtete sich von sich selbst auf; und nach dem sie umb den befestigten Bodem-Fuß einmal herumb kommen war / wurden die zwölf in dem innersten Schauplatze stehenden Seulen / auf denen die Bilder der zwölf Cheruskischen Feld-Herrn standen / rege; stellten auch durch eine künstliche Verwirrung / in welcher die erstere Seule bey jedem Schlusse stets in die Mitte kam / den allerzierlichsten Tantz für. Endlich armten sich diese Bilder mit der Seule / hoben sie auf den Bodem-Fuß der Hoffnung / und fügte sich jedes wieder an seine erste Stelle; allwo sich ihre vorige Geschickligkeit wieder in unregsame Höltzer verwandelte. Diese aber löseten ab sechs von den Spitzen des Schauplatzes herab schüßende Adler; welche anfangs umb den Wagen des Sieges fliegende zierliche Kreisse machten / hernach umb die aufgerichtete Seule gegen einander einen annehmlichen Lust-Kampff hielten; Zuletzt aber alle ins gesampt die auf dem Wagen des Sieges stehende Krone empor hoben / und nach dem sie mit selbter den gantzen Schauplatz umbflogen / sie auf die erhobene Seule feste sätzten. Endlich kamen zwölf geflügelte Winde aus der Höhe in den Schauplatz / welche nach dem bald linden / bald stärckerem Gethöne der Säiten-Spiele und Krumm-Hörner aufs zierlichste durch einander tantzten / und so wol mit ihrer Bewegung / als dem Geräusche der Flügel die Eigenschafften der Winde artlich fürstellten; zuletzt das Bild der Fürstin Thußnelde aus den Händen der vier Tugenden empfiengen / mit selbtem empor flohen / und es auf die gekrönte Seule sätzten. Wormit denn so wol diese Winde / als alles andere von diesem Aufzuge / außer der Seule / im Augenblicke mit einem grossen Geräusche verschwand.

Alsofort öfnete sich das eine grosse Thor des Schauplatzes; durch welches der des Abends vorher in der Burg geweste Herold herein fuhr. Diesen folgten fünf Geschwader Römisch gekleidete Reiter / jede dreißig Pferde starck / allesampt Deutsche von Adel mit so viel Führern; welche alle von tapffern Thaten berühmte Ritter waren; nemlich Löwenrod /Kranchsfeld / Lobdiburg / Hohenwart / Spiegelberg /[1355] Eisenburg / Daun / Gleißberg / Dorgau / Woldenburg / Kolditz / Hatzfeld / Brauneck / Hardeck / Mühlberg / Flevsheim / Schlieben / Streithorst / Landsberg /Binau / Wolffskehl / Kronberg / Hirschhorn / Waltenstein / Stübenberg / Hohenack / Stöffel / Biberstein /Freudenberg und Glachau; ihr Oberster aber war der Graf zu Steinfurt. Sie hatten alle kohlschwartze Pferde mit gelben Sitz-Decken an statt der Sättel; die Führer aber weisse mit blauen. Alle waren gleichsam in schopfichte von Leder gemachte Pantzer eingenehet. An der Seite hatten sie einen langen Degen / in der rechten Hand einen langen Spieß / einen Bogen auf dem Rücken / in dem Köcher drey Pfeile; auf dem Haupte einen Helm / und darauff blau und gelbe Strauß-Federn eines Ellenbogens hoch / welches diese Reiter so viel ansehnlicher machte. Dieser Reiterey folgten zehn Fahnen zu Fusse / iedes vierhundert und zwantzig Mann starck; diese bestanden an drey Geschwadern leichten Knechten / welche mit einem kurtzen Spanischen Degẽ an der rechtẽ Seite / 7. Wurff-Spiessen / und einem rundten von Leder überzogenen drey Fuß langen Schilde gerüstet waren; an so viel jungen starcken Picken-Trägern / wie nichts minder so vielen mit grossen zweyschneidenden Schwerdtern / wie auch vier Fuß lang- und drittehalb breiten Schilden gewaffneten Männern; und sechzig alten grauen Kriegs-Leuten; welche nebst ihren Degen mit dreyzanckichten Spiessen zum Hinterhalt ausgerüstet waren. Das erste Fahn hatte den güldenen Adler / das andere einen Minotaurus / das dritte eine Welt-Kugel / das vierdte einen Drachen / das fünfte ein Schwein /das sechste eine Schlange / das siebende einen Wolff /das achte einen Elefanten / das neunte einen Sphynx /das zehnde einen Wieder zum Kriegs-Zeichẽ; und in diese bey den Römern hochheilige Merckmale war auf einer Seite des Käysers August / auf der andern Seite des Tiberius Nahmen mit Golde gemahlet; sie auch selbst mit Perlen und Edelgesteinen behenckt. Die Fähnriche waren alle mit Löwen-Häuten überdeckt. Für dem ersten Fahne ritt in Käyserlichem Schmucke unter dem Nahmen des Tiberius der Catten Hertzog Arpus. Alle diese Kriegsleute waren deutsche Ritter oder Edelleute. Die vier Obersten waren Hertzog Melo / Siegemer / Catumer / und Siegesmund / Segesthens Sohn. Uber den güldenen Adler war gesetzt der Graf von der Marck. Die dreissig Hauptleute waren die Grafen von Ebersberg / Winßenburg / Abenspurg / Hohenwarth / Castell / Rheineck /Schwartzburg / Beuchlingen / Stolberg / Leißneck /Orlemund / Retz / Phirdt / Sonnenburg / Helffenstein / Leiningen / Hanau / Löwenstein / Mondfurth /Hirßberg / Zimbern / Scheiern / Lechsmund / Urach /Kyburg / Veringen / Kalb / Pfauenburg / Sarwerden und Acheln. Gleicher gestalt waren alle sechzig älteste Kriegsleute des erstern Fahnes Ritter; und zwar unter selbten Breuberg / Burcksdorff / Rodemach /Rolingen / Schellenberg / Ratzenhaus / Zetlitz / Hohenburg / Bickenbach / Ehenheym / Nostitz / Erbach /Grunbach / Hohenhewen / Wolfartshausen / Radenburg / Schönberg / Falckstein / Seidlitz. Ihre Waffen waren alle vergüldet / und ihre Kleider Purper-roth und weiß. Nach diesen Fuß-Völckern kamen abermals fünf Geschwader Reiterey; eben so wie die ersten gewaffnet / aber mit stählernen Pantzer-Hembden und vergüldeten Helmen; darauf Regenbogenfärbichte Strauß-Federn flatterten / ausgerüstet. Sie waren alle Deutsche von Adel / ihre dreissig Führer Ritter / nemlich Brandiß / Hohenstauffen / Kwerfurth / Malzan /Eynenberg / Thrunberg / Neuenburg / Firneberg /Arnstein / Thöring / Gerßdorff / Waldensteyn / Arburg / Rode / Rothal / Greiffenklau / Schweinitz / Kobern / Weißbach / Stosch / Birckenfels / Borschnitz /Malditz / Kitlitz / Katzau / Mörsberg / Neuhaus /Seeburg / Franckenberg und Daun. Ihr Oberster war ein Graf von Nassau. Der ersten [1356] Reiterey Kriegs-Zeichen war ein Kranch / der andern ein Schwan: jenen beobachtete der Graf von Ortenburg / diesen der Graf von der Lippe. Dieses gantze Kriegs-Volck zohe umb die aufgerichtete Seule / und neigte seine Waffen für dem Bilde Thußneldens. Hernach stellte es sich in die Breite nach der Länge des Schauplatzes in Schlacht-Ordnung; also: daß auf jeder Seite fünf Geschwader Reiterey das Fuß-Volck bedeckte. Von diesem aber wurden die Piquen-Träger in zehn Hauffen abgetheilt; und in das erste / die eben so starcken und derogestalt abgetheilten Schwerdt-Fechter in das andere Treffen; und endlich der Kern der sechs-hundert erfahrnen Kriegs-Helden in Hinterhalt gestellet; für denen in der Mitte Tiberius und bey ihm der güldene Adler sich befand. Die zwölf-hundert Mann des leichten Fuß-Volckes aber wurden für alle drey Ordnungen zum ersten Anfalle eingetheilet.

Diese Römische Macht war kaum in ihren Stand kommen; als das andere grosse Thor mit Gewalt aufgieng / und über hundert halbnackte Deutschen / welche mit ihrem Blasen in eitel Auer-Ochsen-Hörner ein erschreckliches Gethöne erregten / voran in den Schauplatz traten. Sie waren aber nur Vorboten hundert und funfzig deutscher in fünf Geschwader vertheilter Reiter / alle mit Luchs-Augen bedeckte / mit einem höltzernen Schilde / kurtzem Schwerdte / Lantzen und Wurff-Spießen gewaffnete deutsche Edel-Leute. Ihre dreißig Führer waren die Grafen von Andechs / Hoye / Arnsberg / Bentheim / Gretsch / Mansfeld / Schwartzburg / Ufheim / Rethel / Stirum / Weissenfels / Gleichen / Rochlitz / Hohen-Zollern / Stolberg / Eberstein; und die Ritter Rappelstein / Epstein / Ellersbach / Rüxingen / Freyberg / Hohberg / Thennesberg / Giech / Warnsdorf / Braun-Eltz / Mühlheim / Bebran / Altenstein. Ihr Oberster war Hertzog Ganasch; Ihr Fahn oder Kriegs-Zeichen war ein wilder Eber. Alle diese Führer waren mit Bären-Häuten; der Hertzog aber mit einer Löwen-Haut bedecket. Die Reiterey hatte eitel braune Pferde; die Führer aber Blauschi el. Hierauf folgten zehn Fahnen Fuß-Volck zu hundert und zwantzig Mann. Sie waren fast wie die Römer gewafnet; ihre Rüstung aber waren eitel Wolfs-Häute / und schmale / flache / aus Rinde oder Wieten geflochtene Schilde in Mannes-Länge. Das fürnehmste Kriegs-Zeichen / welches der Graf von Hanau führte / war ein Pferd / das andere ein Bär /das dritte ein Luchs / das vierdte ein Tiger-Thier / das fünffte ein Habicht / das sechste eine Eule / das siebende ein wilder Mann / das achte ein Löw / das neundte ein Biber / das zehnde ein Wallfisch. Alle waren deutsche Ritter oder Edelleute. Ihre dreißig Hauptleute / der Graf von Ascanien / Egmont / Horn /Zweybrücken / Henneberg / Barby / Werthheim / Hohenloh / Fürstenberg / Catten Ellenbogen / Waldeck /Veldentz / Lützelstein / Spanheim / Schaumberg /Wasserburg / Burghausen / Diffalden / Lechsmund /Stalberg / Vochburg / Kyburg / Scherding / Stöfling /Weissenhorn / Dornberg / Freyburg / Thassel / Teckelnburg und Senisheim. Alle diese hatten umb sich Löwen-Häute / und auf dem Haupte an statt des Helmes einen Kopff eines grausamen Thieres aus Ertzte gebildet. Uber dis waren zu Unter-Befehlhabern bestellet der Ritter Waringrode / Schaff / Hahnburg /Plessau / Schlieben / Gerau / Tauttenberg / Promnitz /Wildenfels / Warberg / Reibnitz / Weinsberg /Schwerin / Schönach / Logau / Ehrenfels / Sack / Bickenbach / Riet-Esel / Rabenstein / Kammerau / Nothafft / Stössel / Seckendorff / Rothenhahn / Ichtritz /Biberstein / Mühlheim / Lestwitz / Eisenburg / Bodman / Buchwald / Tschirnhauß / Rainer / Littwitz /Breitenstein / Hagen / Schelking / Frauenstein / Künring / Braun / Welward / [1357] Ingelheim / Zelcking / Fürwangen / Waldau / Best / Lierheym / Pritwitz / Rosenberg / Schweinichen / Gelhorn / Ringenberg /Bock / Allendorff / Unruh / Eltershofen / Haubitz /Schellendorff und Schwanberg. Diese waren bekleidet mit Bären-Häuten. Der Feldherr aber war Hertzog Herrmann mit einer Löwen-Haut und Keule wie Hercules ausgerüstet. Seine vier Obersten waren Hertzog Flavius / Henrich ein Hertzog der Marsinger / Woldemar ein Fürst der Cimbern / und Leithold ein Graf von Habspurg; welche sich alle mit Panther-Häuten bedeckt; und mit Löwen-Köpffen an statt der Helme verwahrt hatten. Hierauf beschlossen endlich den Einzug fünf Geschwader Reiterey / alle mit Tiger-Häuten bedeckt; welche alle von Adel; ihre dreißig Führer aber die Grafen zu Cleve / Salm / Solms / Nellenburg / Bucheg / Salgans / Fürwangen / Weissenwolff /Hardeck / Forchtenstein / Haynburg / Lichtenstein /Windischgrätz / Sternberg / Moßburg; und die Ritter Wassener / Brederode / Nesselrode / Walsee / Falckenstein / Krenckingen / Zinzendorff / Leipe / Mutschelnitz / Eschenbach / Rohr / Planitz / Quad / Marwitz / Bernstein waren. Ihr Oberster war der Hermundurer Hertzog Jubil; welcher ebenfals mit einer Löwen-Haut bedeckt / und wie Hertzog Ganasch gerüstet war. Die zwey Kriegs-Zeichen der Reiterey waren ein Reiger / und ein Eis-Vogel; jenen beobachtete der Graf von Ravensberg / diesen der von Berg. Alle diese Kriegs-Leute neigten ebenmäßig ihre Waffen für Thußneldens Bildnüsse; und stellten in gleicher Abtheilung sich gegen die Römer in Schlacht-Ordnung; jedoch nicht nach der gemeinen Art viereckicht; sondern beyde standen wie zwey halbe Monden / theils wegen der Rundte / theils wegen der Enge des Schauplatzes gegen einander.

Hierauf verwandelte sich das bisherige Geräusche in eine Stille; da denn der Tiberius sich vier Ritter auf einem Schilde durch die Kriegs-Schaaren tragen ließ /und zur Tapfferkeit ermahnte / welche mit einem hellen Kriegs-Geschrey und Aufhebung ihrer gewafneten Hände ihn dessen versicherten. Der Feldherr Herrmann aber redete sein Volck von einem in der Eyl von Rasen aufgeworffenen Hügel an; welches durch Zusammen-Stoßung ihrer Schilde und Emporschwingung der Waffen seine behertzte Einwilligung zu verstehen gab.

Wie nun alsofort hierauf beyderseits durch das grausame Gethöne der Krumhörner / und durch Aufsteckung eines rothen Tuches das Zeichen zur Schlacht auf der Römer Seite das Glücke / auf der Deutschen / die Tugend zum Worte gegeben ward; so fieng das Treffen an beyden Hörnern der Reiterey an. Erstlich traffen fünff Ritter / als Führer eines an der Spitze stehenden Geschwaders / und hernach ihr Geschwader von fünf und zwantzig Edel-Leuten gegen einander mit Pfeilen. So bald sie sich auf die Seite zurück geschwenckt hatten; löseten sie allerseits zehn Führer mit zweyen Schachweise darhinter stehenden Geschwadern ab; und als auch diese sich zurück schwenckten; rückten die vier Obersten der Reiterey mit drey Geschwadern und ihren funfzehn Führern herfür; traf also Hertzog Ganasch itzt und allemal auf den Grafen von Steinfurth; und Hertzog Jubil auf den Grafen von Nassau. Nach der Zurückschwenckung dieser dreyen Geschwader / sätzten sich allenthalben alle sechs Hauffen neben einander; und giengen hierauf insgesampt auf einander spornstreichs loß. Bey ihrer Zurückschwenckung aber sätzten sie sich spitzig zu und schachweise hinter einander / wie sie von anfangs gestanden hatten. Bey welcher Vermengung nicht allein aus dem Unterscheide der Pferde und der Kleidung die gute Ordnung aller auf einander so genau treffender Glieder / sondern auch nicht ohne Verwunderung [1358] zu sehen war; wie in eines jeden kämpffenden Schilde zwey Pfeile steckten / und also /weil niemand gefehlet hatte / keiner auf dem Bodem gefallen war. Maßen denn auch alle Pfeile und Wurff-Spieße mit dessen Wappen / der sie brauchte / gezeichnet waren; wormit die Fehlenden hernach erkennet werden möchten. Unterdessen traf auch das Fuß-Volck; jedoch weil in diesem nicht jedermann / wie sonst der Kriegs-Brauch erfordert / für voll drey Schuh weit Platz umb sich hatte / nur nach und nach auf einander. Anfangs fielen zehn Hauffen leichtgerüsteter Kriegs-Leute / jeder viertzig Mann starck / einander mit leichten Wurff-Spießen an / welche ebenfals alle mit den Schilden aufgefangen wurden. Diese sätzten sich bey ihrer Zurückweichung in die Lücken zwischen die Piquen-Träger; die unterdeß gegen einander rückten; und mit ihren Lantzen einander zu durchbohren / oder die Ordnung zu durchbrechen trachteten. Wie sich denn auch ereignete: daß auf deutscher Seiten von dem Fahne des Luchses in die Römische Welt-Kugel / vom Tiger in Drachen / vom wilden Mañe in Wolff / und vom Löwen in Elefant / hingegen von Römischer Seiten vom Minotaur in den deutschen Bär / vom Schweine in Habicht / von der Schlange in die Nacht-Eule eingebrochen ward; die mittelsten Haupt-Fahnen des Pferdes und Adlers; ingleichen die eusersten des Bibers / gegen den Sphynx / und des Wallfisches gegen den Wieder /blieben aber in geschlossener Ordnung gegen einander stehen. Diesemnach denn die zwischen dem Luchs und wilden Manne stehenden leichten Schützen dem Habichte / die zwischen dem Pferde und Tiger dem Bären / die zwischen dem Löwen und dem Tiger der Nacht-Eule; hingegen auf Römischer Seite die zwischen dem Adler und der Sau der Welt-Kugel / zwischen dem Minotaur und der Schlange dem Drachen /zwischen dem Sphynx und der Sau dem Wolffe / zwischen der Schlange und dem Wieder dem nothleidenden Elefanten mit ihren Wurff-Spießen zu Hülffe eilen musten. Welches beyderseits mit einer so geschickten Geschwindigkeit geschach: daß sich alle Hauffen nicht nur ordentlich zusammen schlossen /sondern es rückten auch diese Piquen-Träger mit einer zierlichen Art zurücke / und die Schwerdt-Führer durch die leere Plätze neben ihnen herfür. Inzwischen gerieth die Reiterey mit voriger Abwechselung: daß anfangs fünf Führer mit einem Geschwader / hernach zehn mit zweyen / ferner der Oberste selbst und funfzehn Führer mit dreyen; endlich alle sechs in die Breite gesätzten Geschwader auf einander traffen. Das erste Treffen geschahe mit einem langen Wurff-Pfeile; darunter abermals nicht ein einiger fehlete; sondern jeder Schild einen Pfeil in sich stecken hatte. Das gesampte Treffen aber mit langen Lantzen; welche durch das erschreckliche Knacken und die Emporflügung der abspringenden Spitzen / nach dem gleichsam in einem Augenblicke dreyhundert und sechzig auf einmal gebrochen wurden / denen furchtsamen Zuschauern ein Schrecken / denen Behertzten aber eine ungemeine Lust erweckte. Worbey denn dis wundernswerth war: daß keiner unter den Streitenden aus dem bloß von gleichen Decken gemachten Sitze kam; nur allein verwundete Hertzog Ganasch des Grafen von Steinfurth / Graf Bentheim des Ritters Hohenwarts / hingegen Wolffskehl des Ritters Freybergs /und in dem andern Horne der Graf von Salm des von Hohenstauffen / und Wassenar des Rothals / hingegen Querfurt des Grafen von Solms Pferd so sehr: daß sie bey dem folgenden Treffen andere aus ihren Bey-Pferden erkiesen musten. Kolditz / Brauneck / Biberstein /Greiffenklau und Seeburg wurden auf Römischer /Arnsberg / Stirum / Rohr und Planitz auf deutscher Seiten / jedoch ohne Gefahr und Hindernüs fernerer Kriegs-Ubung verwundet / [1359] wundet. Eben so scharf gieng es bey dem Fuß-Volcke her. Denn die mit grossen Schwerdtern gerüsteten Helden liessen zwar die ihnen zugeordnete vierhundert leichte Schützen mit ihren Wurff-Spießen ihren Feind eben so wie anfangs reitzen. Wie diese sich aber zwischen ihre in drey Glieder geordnete zehn Hauffen sätzten / grieffen die ersten Glieder / und also zusammen vierhundert Mann einander mit denen Schwerdtern so grausam an: daß es schien: es würde der gröste Theil auf dem Schauplatze erblassen. Als auch die ersten Glieder abgemattet / traten die andern / und folgends die dritten mit einer ordentlichen Abwechselung an die erste Stelle. Die zwey Obersten Melo und Catumer auf Römischer / Flavius und Woldemar auf Deutscher Seiten / fochten auch selbst so scharf gegen einander; als wenn es um ihre Herrschafft zu thun wäre; welchen denn die beyderseits gegen einander stehenden zehn Hauptleute nichts nachgaben; Worüber der Graf von Abensberg /Stolberg / Löwenstein / Kyburg und Acheln jenseits /und disseits die Grafen von Barby / Ellenbogen /Burghausen / nebst vielen Rittern beyderseits ziemlich verwundet wurden; ungeachtet die Schwerdter mit Fleiß zu diesen bloßen Kriegs-Ubungen stumpff gemacht wurden. Gleichwol blieben aller Ortes die Glieder feste geschlossen / und alle zehn Hauffen in unversehrter Ordnung. Durch dieses Schwerdt-Gefechte ward die Reiterey an beyden Hörnern nun auch gleichsam aufgefrischt: daß sie zu ihren Degen grief; und erstlich das eine in der Spitze stehende / hernach die zwey andern / ferner die drey letzten / und endlich alle sechs Geschwader mit ihren Obersten und Führern in ein heftiges Gefechte verfielen. Gleicher gestalt rückten die Feldherren und die vier Obersten /nemlich Hertzog Segimer und Siegesmund Römischer / und der Marsinger und Cimbern Hertzog Deutscher Seiten / wie auch zwantzig Gräfliche Hauptleute mit dem Kerne der sechshundert erfahrner Kriegs-Helden an die Spitze. Es scheinet unglaublich zu seyn: daß in einer Kriegs-Ergetzung solcher Ernst und Heftigkeit sonder grosses Blut Bad angewehret werden könne; als diese in zehn Hauffen abgetheilte Ritter anfangs mit ihren dreyzanckichten und viereckichten Spiessen / hernach mit ihren Degen bezeugten. Wie es denn auch ohne gefährliche Beschädigung nicht abgegangen wäre / wenn die Geschickligkeit dieses Helden-Ausbundes solches nicht klüglich zu verhüten gewüst hätte; Wiewol es ohne Verwundung mehr als zwantzig streitender Ritter nicht abgieng. Insonderheit aber zohen der Feldherr Hertzog Herrmann und Hertzog Arpus aller Zuschauer Augen auf sich; Zumal jener mit seiner einigen Keule allen Waffen gewachsen war / und sich derogestalt im Wercke als der rechte Hercules der Deutschen fürstellte. Als alle Glieder der Reiterey / allwo Hertzog Jubil und Graf Nassau wie zwey erzürnte Adler einander antasteten / wie auch des Fuß-Volcks getroffen hatten / schwenckten sie sich alle; und sätzte sich beyderseits das Kriegs-Volck in eine gantz neue Ordnung; nemlich die Reiterey machte auf jeder Seite ein eintziges Geschwader; diesen standen einwerts an der Seite der leichten Schützen an jedem Orte sechshundert; ferner hinein zwey so starcke Hauffen Piquen-Träger / hernach eben so viel mit Schwerdtern Gerüstete / und endlich mitten gleichsam im Hertzen der Kern der Kriegs-Leute / und zwischen selbten die zwey Feldherrn und die Haupt-Fahnen /das Pferd und der Adler; also: daß dieser Ordnung nach alle und jede Hauffen auf einmahl gegen einander treffen konten. Welches denn auch mit so unglaublicher Vollkommenheit geschach: daß alle vorige Treffen gegen diesem allgemeinen nur Kurtzweil gewesen zu seyn schien; und wusten die Augen der Zuschauer sich kaum mit sich selbst zu vergleichen /wo sie am ersten oder meisten hinschauen [1360] solten. Denn aller Armen und Waffen regten sich. Es geschahen so viel Einbrüche und Begegnungẽ; gleichwol aber blieb alles in wol erkenntlicher Ordnung. Endlich brach Hertzog Herrmann mit seinen Rittern entweder durch überlegene Tugend / oder aus höflicher Ehrerbietung des Hertzog Arpus und seiner Ritter so weit ein: daß er den Römischen Adler ergrief /und selbten gegen Thußneldens Bilde neigte. Worüber sich aber ein neues Gethöne von denen lieblichsten Säiten-Spielen an statt der rauen vorher schreyenden Hörner hören ließ; wormit die Gerechtigkeit auf einem güldenen von vier weissen Pferden gezogenen Wagen mitten zwischen die Streitenden gerennet kam / und hierdurch einen unvermutheten Stillestand der Waffen machte. Sie war gantz anders als sonst ins gemein ausgerüstet. Denn sie hatte auf dem Haupte eine Nacht-Eule das Bild der Weißheit. Sintemahl die Gerechtigkeit in dem Gemüthe der Menschen nichts anders als die Weißheit ist. An statt des Schwerdtes /oder des mit Ruthen umwundenen Richtbeiles / welches nichts minder der Gerechtigkeit / als der Bürgermeister zu Rom Kennzeichen zu seyn pfleget / hatte sie einen mit Schlangen umwundenen Herold-Stab /als das Merckmaal der Eintracht; weil die Gerechtigkeit in den Häusern oder in bürgerlichen Dingen nichts als die Eintracht / und mit dem Schwerdte mehr einer grausamen Atropos / als einer so holden Tugend ähnlich ist; oder auch / weil die gegen einander gestellte Schlangen nicht nur den Friede / nemlich die Gerechtigkeit des gemeinen Wesens und der Herrschafften; sondern auch das Dräuen gegen die Widerspenstigen fürbildet. Westhalben denn auch auf ihrer Schoos ein Horn des Uberflusses lag. Uberdis hatte sie neben der gemeinen Wage in der lincken Hand einen ertztenen weiten Ring das Zeichen der Versehung / als welche im Himmel ebenfals nichts anders als die Gerechtigkeit ist. Also stellte sie sich recht gegen die Römische aufs neue geschlossene Schlacht-Ordnung / und fieng mit einer scharffen doch annehmlichen Sti e folgender Weise an zu singen:


Ihr R \mer steckt die Waffen ein;

Tiber laß deinen Zorn verschwinden;

Wer Deutschland meint zu ůberwinden /

Weiß nicht: daß Donau und der Rhein

Der R \m'schen Siege Gråntz-Maal seyn.


Bist du Tiber ein Herr der Welt;

So werde nicht ein Knecht des Neides /

Ein Stiffter deines eignen Leides.

Weil / wenn der Mißgunst was gefållt /

Sie ihr nur Mångel selbst ausstellt.


Mein Urthel ist fůrlångst gefållt /

Fůrst Herrmann sey nur werth Thußneldens /

Und sie so eines grossen Heldens.

Wer nun was anders m \glich hålt /

Glåubt kein Verhängnůs in der Welt.


Eh wird der Sternen Bär den Fuß

Von Mitternacht nach Sud verrůcken /

Eh dir dein Vorsatz wird gelůcken;

Weil aller Welt Macht doch den Schluß

Des Himmels übernehmen muß.


So bald dieser Gesang geendiget war / fieng das gantze Römische Heer gleichsam durch ein Feld-Geschrey an zu ruffen: Niemand ist Thußneldens würdiger als Herrmann. Worauf selbtes denn auch unter dem Gethöne der Krumhörner in guter Ordnung aus dem Schauplatze abzoh; alle Römisch gekleidete aber gegen dem an der Spitze der Deutschen zu Pferde haltenden Feldherrn ihre Waffen und Kriegs-Zeichen neigten. Kurtz hierauf aber erschien ein Herold in den Schauplatz / welcher im Nahmen des fürgebildeten Tiberius den Feldherrn mit seinem Kriegs-Volcke und den gantzen Hof unter seine Zelten zu Gaste einlud; weil er als ein Frembdling sie bequemer nicht zu bewirthen wüste. Wohin beyde / und fürnemlich das Fürstliche Frauen-Zimmer zu Wagen mit grösserem Gepränge / als vorige Tage folgten; [1361] weil Hertzog Arpus dieses mal durch sein Beyspiel die Eitelkeit der Römischen Verschwendung fürzubilden / oder vielmehr durchzuziehen gemeint war. Auf einer an einer rauschenden Bach gelegenen / und mit einem Lust-Walde umbgebenen grossen Wiese waren einen Kreiß herumb fünfhundert denen Römern abgenommene Zelten aufgespannet / in welchen so viel Tafeln mit Speisen auf Römische Weise für das Kriegs-Volck zubereitet waren. In der Mitte aber sahe man auf einem lustigen Hügel sieben Zelten ausgespannet; welche Quintilius Varus noch mit aus Syrien gebracht / und ihnen nach Römischer Art / welche ihre Speise-Säle nicht nur nach gewissen Göttern nenneten / sondern auch selbten eine gewisse Anzahl und Kostbarkeit der Speisen zueigneten / die Nahmen der sieben Irrsterne nach ihrer eigenen Beschaffenheit gar füglich beygelegt hatte. Alle waren aus Persischem Gewebe. Und zwar anfangs zeigte sich das Zelt des Saturn aus Viol-blauer Seide gewebet / und darein eitel Stein-Böcke aus Silber gewürcket. In diesem stand die ey-rundte Taffel mit eitel seltzamen Fischen bedeckt; vielleicht / weil das Meer aus des Saturnus Thränen entsprungen seyn soll. Diese waren so künstlich gesotten: daß sie ebẽ die Farbe / welche sie lebendig haben / behalten hatten. Darunter waren etliche grosse Barben: nicht so wol: daß dieser in Deutschland allzu gemeine Fisch eine sonderbare Seltzamkeit / sondern vielmehr eine Verhönung der Römer seyn solte; bey denen mehrmals einer fünf- auch acht-tausend Groschen gegolten / und also ein Fisch den Preiß etlicher Fischer übertroffen hatte. Hierunter waren auch zugerichtete Kameel-Fersen / des Apicius Lecker-Bißlein /und gantze Schüsseln voll Murenen-Milch; welcher Fisch an unterschiedenen Orten Deutschlands / und sonderlich in dem Gebiete der Burier gefangen wird. Auch mangelten hierbey nicht die gar aus dem Carpatischen Meere mehrmals nach Rom verschriebene Skarus-Lebern; welcher alleine unter allen Fischen käuet / und denen Felsen die Kräuter abfrißt; von den Römern auch seiner Niedligkeit halber für den König der Fische gehalten / ja gar das Gehirne des Jupiters genennt wird. Die Taffel war überdis aus allerhand von Zucker und Wachs künstlich gearbeiteten und fast alle Arten der Fische abbildenden Schau-Essen besätzt; unter denen in der Mitte fürnemlich als ein grosses Wunderwerck der Wallfisch zu sehen war; welcher die für ihm in Lebens-Größe angebundene Andromeda zu verschlingen vergebens dräute; auf der Taffel aber darzu diente: daß er aus seinen Naselöchern in zwey bleyerne Kessel wolrüchendes Wasser sprützte. In dem Taffel-Zeug waren allerhand Arten Fische; in die Teppichte aber alle Getichte vom Saturnus gewürcket. Die Trinck-Geschirre / Schüsseln und andere Gefäße waren alle Porcellanen / die bey den Seren aus einer zarten Erde gemacht werden / Pompejus aber aus dem Mithridatischen Kriege zum ersten nach Rom gebracht hat. Das andere dem Jupiter gewiedmete Zelt war aus weisser Seide gewebt / und mit güldenen Adlern / die innern Teppichte aber mit Löwen durchwürckt. Die dreyeckichte Taffel ward mit eitel köstlichen Speisen von Flügelwerck angefüllt /unter welchen zwey grosse Schüsseln gleichsam zwey Berge Fasanen in sich hatten; welche die Römer zwar aus Colchis holeten / und meist nur an grossen Feyern und ihren Geburts-Tagen verspeiseten / die Deutschen aber in ihren eigenen Püschen fiengen. Unter der grossen Menge vieler köstlichen Speisen waren auch viel Zucker-Bilder / welche alle die Geschichte des Adlers fürbildeten; wie selbter nemlich die zu opffern gewiedmete Helena / und die Valeria Luperca errettete /dem Jupiter den Blitz / und den Ganimedes zuführete / dem Tarquinius Priscus den Hut aufsätzte / in Liviens Schoß eine weisse Henne warf / [1362] und dem Augustus das geraubte Brod wieder in die Hände gab. Insonderheit aber hackte ein durch Kunst bewegter Adler dem Prometheus unaufhörlich in die Leber; woraus der köstliche Baum-Balsam tröpfelte / und alle Zelten mit dem süssesten Geruche anfüllte. Ein ander über der Taffel schwebender Adler spritzte aus dem Schnabel weissen Wein in zwey tieffe Jaspis-Schalen. Die Taffel-Geschirre waren alle aus Jaspis; die Trinck-Geschirre aber mit Schmaragden / Saphiren und Hiacynthen besätzt. Das dritte nach dem Mars genennte Zelt war aus Feuer-farbichter Seide / und darinnen von Gold gewürckte Wieder. Die Speisen auf der achteckichten Taffel waren meist von Raub-Thieren bereitet; unter denen war eine Menge bey den Römern so hochgeschätzter / in Deutschland aber gemeiner Trappen / und eine grosse Schüssel voll Zungen von denen Phönicopter-Vögeln. Zu Schau-Gerichten standen drey ausgestopfte und Eisen verschlingende Straussen auf der Taffel. In der Mitte war der brennende Berg Etna aufgesätzt / welcher eitel Zimmet in sich verzehrte / und also auch die Lufft darmit erfüllte. Uber dis waren auch des Mars und der Venus Liebe / des Vulcanus Netze / und viel andere Gestalten mit grossen Zucker-Bildern fürgestellt. Auf der einen Seite der Taffel stand die Römische Wölffin nebst zweyen unter ihr liegenden Kindern aus Stein gehauen; welche in einen marmelnen Kessel mit vier Strömen unaufhörlich Milch ausströmete; Auf der andern Seite spritzte ein Einhorn durch sein Horn rothen Wein in eine marmelne Schale aus. Die Taffel-Geschirre waren die köstlichsten Samnitischen Gefäße; die Trinck-Geschirre mit Amethisten und Diamanten versätzt. Das vierdte der Venus geeignete Zelt war aus Rosen-farbener Seide und Golde gewürcket / und durch und durch mit güldenen Rosen / Narzissen und Lilgen / der Bodem mit eitel Saffran / die Taffel mit allerhand umb diese Jahres-Zeit ungewöhnlicher Blumen bestreuet / sonst aber mit eitel Früchten / als Granaten- und Serischen Aepfeln / Indianischen Nüssen / Cyprischen Feigen / Cretischen Weintrauben /Africanischen Datteln Melonen und andern seltzamen Erfrischungen bedecket. Zwischen diesen aber standen zwölf zuckerne Liebes-Knaben / welche mit ihren ausgestreckten Händen in Schüsseln aus Topatz / mit Ambra / und dem Kraute Satyrion / wie auch Bibergeilen vermischtes Pfauen- und Straussen-Gehirne /eingemachte Granaten-Zitron- und Pomerantz-Blüten denen Gästen zureichten / und gleichsam einnöthigten. Denn diese Göttin / als eine absondere Liebhaberin der Blüten und Blumen / soll mit dieser wunderschönen Geschöpfe Augen-Vergnügung sich nicht gesättiget sondern selbte zum Genüße des Mundes in einem zuckernen Begräbnüsse aufzuheben / oder ihre Seele durchs Feuer in hertzerquickende Thränen zu zerflößen gelehret haben. In der Mitte stand ein grosses ertztenes Bild der Natur / welches aus der einen Brust Narben- und Jasmin-Wasser / aus der andern Palmen-Wein in zwey Onyx-Schalen sprüzte. In diesem Zelt war auch des Varus alabasterne mit köstlichen Salben und Balsam gefüllte Wanne zu sehen /dariñen er sich zu waschen oder gar zu baden pflegte. Außer dem war alles Tafel-Geschirre aus Agstein. Des fünfften Zeltes Bodem war aus blauer Seide / darein aus vielfärbicht anderer eitel auf Bäumen spielende Papegoyen gewebt waren. Auf der viereckichten Tafel waren meist aus gesunden Früchten gepreßte Säffte; aus seltzamen Gewächsen und Würtzen vereinbarte Torten / eingemachte Wurtzeln und Backwerck aufgesätzt; vielleicht weil Mercur nichts minder der Artzney / als der Handlung fürstehet. Diese Gerüchte aber warẽ mit unterschiedenen aus Wachse /Helffenbein uñ Marmel gemachtẽ falschen Speisen /wie auch dem Tiburtinischen Kiesel-Zucker vermischet / umb die geitzigen Gäste schertzweise zu äffen. Auf der einen Ecke der Taffel stand sein grosses silbernes Bild / die Zunge heraus reckende; welches [1363] in der einen Hand eine silberne Schüssel aus Lasursteine mit eitel Fisch- und Vogel-Zungen / in der andern mit Papegoyen / Staaren / Aglastern / Nachtigaln / Lerchen und dergleichen zu reden / oder künstlich zu singen gewohnten Vögeln den Gästen zureichte; umb hierdurch die Römer und fürnemlich den verschwenderischen Esopus anzustechen; welcher in einer Schüssel derogleichen für sechs-hundert-tausend Sesterstier erkauffte Vögel seinen lüsternen Gästen auftrug / wormit sie gleichsam etwas / was dem Menschen nahe käme / kosten möchten. An der andern Eckestand ein ander Bild des Mercur / welches in der rechten Hand seine ihm zugeeignete Schlaff-Gerthe /in der andern eine Agathene Schale mit ausgepreßtem Mahsaffte hielt. Auf der drittẽ Ecke stand sein Bild aus Silber in Gestalt eines Hirtẽ / welcher aus einem Kruge in eine Schale einẽ Safft ausgoß; der dem Ansehẽ nach Milch / in Warheit aber ein köstlicher Griechischer Wein war. An der vierdten Ecke stand gleicher gestalt ein silberner Mercur / in der rechten Hand eine Schüssel voll gesunder Kräuter; in der andern ein Gefäße heissen Wassers haltende / welches aus einem Indianischen Kraute gekocht und zur Gesundheit gebraucht wird. Die Tisch-Geschirre waren aus eitel Helffenbein gedrehet. Das sechste Zelt war auswendig aus grüner / inwendig aus weisser Seide gewebet /und beyderseits mit silbernen Narcissen bestreuet. Auf der Spitze des Zeltes gläntzete ein halber Monde. Die Taffel hatte gleicher weise eine solche Monden-Gestalt. Alle Taffel- und Trinck-Geschirre waren aus vollkommenen Berg-Kristallen; Die Speisen allerhand Arten von Britannischen Austern / Schnecken / Krebsen / Wasser-Schnepfen und anderm Geflügel / und zwar in solchem Uberflusse: daß nach der Weise der Römischen Uppigkeit die bloßen Hintertheile zu Sättigung vieler Gäste einen Uberfluß abgaben; Auch waren allhier Biber und andere Thiere / die theils auf der Erde / theils im Wasser leben. Nichts minder allerhand Arten Piltze und Schwämme; welche die Römischen Leckermäuler unter die geschmacktesten Köstligkeiten rechneten; und Tiberius den Asellius Sabinus damit für ein Gespräche ansehnlich beschenckte; dariñen die Piltze mit denen Austern /Drusseln / und denen Vögeln / welche nichts als Feigen und Weinbeeren essen / umb den Vorzug kämpften. Diese stachen ferner ab viel gläserne Schalen mit eingemachten Wurtzeln und köstlichen Kräutern. Gleicher gestalt sahe man aus Zucker allerhand dem Mohnden gewiedmete Thiere / als Katzen / Gänse /Reiger und derogleichen mit eingemischet. In der Mitte stand ein grosses aus Perlen-Mutter künstlich gearbeitetes Bild der dreyfachen Hecate; welche auf dem einen Haupte einen halben Monden hatten; aus dessen zwey Enden ein annehmlicher Weyrauch- und Ambra-Rauch empor stieg / und das gantze Zelt überwölckte. In der rechten Hand hielt sie eine See-Muschel voller Perlen / in der andern eine Schale mit Eßig / die Gäste gleichsam einladende: daß sie nach Cleopatrens und des wollüstigen Clodius Esopus Beyspiele jene Hi els- und Monden-Frucht durch die im Essige befindlichen Würmer zerbeitzen / und ihren üppigen Gaumen darmit vergnügen solten. Das andere Haupt der Hecate bildete einen Hirsch für; weil sie auf der Erde eine Vorsteherin der Jagt / wie im Himmel eine Mutter der Feuchtigkeit; und unter der Erde eine Beherrscherin der Geister seyn soll. Aus denen obersten Enden der Geweihe sprützte ein wolrüchendes Wasser / welches sich aber in der Lufft in einen linden Regen zertheilte. In der einen Hand hatte sie eine wolrüchende Fackel von weissem Agsteine / in der andern ein viereckicht gespitztes Stücke Stein-Saltz / als ein Merckmaal der Fruchtbarkeit / welches in höchster Vollko enheit nicht ferne von Carrodun gegraben wird. Hecatens drittes Haupt bildete einen Hunds-Kopff ab; in beyden Händen hatte sie zwey Schalen mit gantz güldenen Brodten. Das siebende recht in die Mitte der andern sechs geschlossene [1364] Zelt war aus eitel Golde gewürckt; und mit einem regenbogichten Streiffen durchzogen / in welchem als dem gestirnten Thier-Kreiß die zwölf hi lischen Zeichen aus Golde gestückt zu sehen warẽ. Oben auf der Spitze des Zeltes leuchtete eine güldene Kugel mit Rubinen versätzt. Die Taffel war kugel-rund; alle Geschirre feines Gold; und alle niedliche in denen andern Zelten verteilte Speisen nichts minder als für Zeiten in Mohren-Land auf der den Nahmen eines Sonnen-Tisches verdienenden Wiese hier zusammen vereinbart / und das seltzame Wildpret in den weissesten Teig / welcher selbigen Thiere Gestalt fürbildete / eingebacken; gleich als wenn sonder Zuthat der Sonne kein ander Gestirne etwas zu zeugen vermöchte. Unter diesen stand eine hochaufgethürnte Schüssel von eitel denen noch lebendigen Hähnen abgeschnittenen Kämmen /mit Pfauen- und Nachtigal-Zungen / Phönicopter-Gehirne / Rebhüner-Eyern / Papegoy- und Fasan-Köpfen / Kramß-Vögel-Gehirne / Meer-Barben-Bärten angefüllet. Nachdem aber dieser Überfluß auf einem Taffel-Blate keinen Raum fand / waren derer drey / iedes eines Ellenbogens höher über einander gethürmet. Unter diesen seltzamen Speisen waren fürnemlich die aus Zucker bereitete zwölff hi lische Zeichen würdig zu betrachten. Auf der Mitte des obersten Blates war ein güldener Fenix; welcher in einem Zimmet-Feuer sich nicht so sehr einäscherte / als mit seinem durch etliche kleine Lufft-Löcher ausschmeltzenden Balsam die Flamme lebhafft / die Lufft aber wohlrüchend machte. Umb die Taffel herumb standen zwölff silbern-vergüldete Thiere / nemlich ein Löwe / ein Pferd / ein Ochse / ein Wieder / ein Adler / ein Schwan / ein Hahn / ein Pfau / eine Heydechse / eine Feuer-Schlange / ein Meer-Schwein / und ein Gold-grüner Kefer; welche in zwölff güldene Schalen so viel Arten Weine sprützten. Wormit aber nichts von der Römischen Verschwendung vergessen / oder auch des Antonius Küche beschämet würde / standen auf einer absondern Taffel in viereckichten Schüsseln zwölff gebratene wilde Schweine / welche alle über sechs Centner wogen. Ja wormit man allhier des verschwenderischen Caranus in Macedonien berühmtes Hochzeit-Mahl nicht wegstäche / waren sie alle mit Reb- und Hasel-Hünern / wilden Tauben / Austern / Kälber-Milch und Sartellen gefüllt. So war auch unter den deutschen Helden keiner bey dieser Taffel / welcher nicht auserhalb der Netze ein wildes Schwein gefället hatte: welches alle die verübt haben musten / so in Macedonien mit zu einer solchen Taffel gelassen werden wolten. Zwischen diesen 7. Zelten waren die annehmlichsten Seiten-Spiele verstecket / welche die darinnen nach Römischer Gewohnheit bewirthete Fürstliche Versa lung zu voller Belustigung ermunterten. In dem Zelte des Saturnus waren zwölff Wald-Götter / des Jupiters / zwölff schöne Jünglinge / des Mars / zwölff Cyclopen / der Venus / zwölff nackte Jungfrauen / des Mercur / zwölff Affen / des Monden / zwölff Wassermänner / der Sonnen / zwölff Götter die Gäste zu bedienen bemüht / und wormit die Abwechselung sie so viel mehr vergnügte / leiteten sie sie aus einem Zelte in das ander. Massen denn in allen Zelten kein Trinc k-Geschirre verhanden war / woraus die Fürsten oder der Adel nicht des Feldherrn oder Thußneldens Gesundheit tranckẽ. Deñ ob zwar hier alles auf Römisch hergieng; so hatte doch diese den Griechen und Deutschen von uhralter Zeit gemeine Gewohnheit: daß sie ihren Göttern und Helden bey den Gastmahlen grosse Schalen mit Weine opferten / auch bey den Römern fürlängst Bürger-Recht gewonnen / und ist nach dem Siege des Fabius und Marius zu Rom keine Mahlzeit gehalten worden; da sie nicht auf Gesundheit dieser ihrer Erlöser grosse Becher ausgeleeret. Ja der Römische Rath hat bey ieder Mahlzeit des Käyser August Gesundheit zu trincken den Römern durch ein offentlich [1365] Gesetze aufgebürdet. Uber diß ist nicht zu vergessen: daß bey des Saturnus Zelte zwölff Gefangene / aber hier deutsch-gerüstete nackte Römer / als welche bey ihren Gastmahlen die Deutschen hierzu gleichfalls zwangen / biß aufs Blut fechten musten. Bey dem Zelte des Jupiters aber stellte Amalthea und Melissa nebst noch vierzehn Schäferinnen und einer Ziege / welcher Hörner vergüldet waren / in einem zierlichen Tantze mit der blossen Geberdung die Auferziehung des Jupiters so deutlich für / als wenn sie redeten. Sintemal diese Kunst mit den Händen allerhand Schauspiele vorzustellen zwar schon alt / auch vom Socrates und Plato gebilliget; aber neulich durch des Käysers Augustus Schauspiel-Meister den Pylades und Bathyllus aufs höchste gebracht war. Für dem Zelte des Mars ward ein Mohren-Tantz / wie ihn selbte für angehenden Schlachten zu halten pflegen / wie nichts minder ein Waffen-Tantz / wie selbten die Curetes in Creta erdacht haben sollen / von vier Cyclopen und zwölff geharnschten Zwergen geheget; darinnen sie den Streit des Ulysses und seiner Gefärthen mit dem Polyphemus aufs deutlichste fürstellten; und die Riesen mit ihren flennichten Antlitzen und grausamen Geberdungen / die Zwerge aber mit ihrer Behendigkeit / da sie denen Cyclopen bald zwischen den Beinen durchkrochen / bald auf den Achseln und den Köpfen sassen; auch mit Aneinanderstossung ihrer silbernen Schilde und Waffen ein annehmliches Gethöne machten / die Zuschauer zu öffterem Gelächter und Ergetzung bewegten. Hinter dem Zelte der Venus sangen die sieben Musen in einem Schauspiele die Liebe des Cupido und der Psyche; und regte iede ein absonderes Seitenspiel darzu. Für dem Zelte des Mercur ward durch künstliche Seil-Täntzer / welche auf gantz dinnen und unsichtbaren Fädemen sich durch die Lufft bewegten / der Flug des Dedalus / und die Abstürtzung des Icarus fürgebildet. Und hierauf der Tantz des Theseus von zwölff Knaben / welche die seltzamen Gänge des Cretischen Irr-Gartens andeuteten / fürgestellt. Für dem Zelte des Monden sahe man das Bad Dianens / die Verwandel- und Zerreissung des Acteons in einem Tantze / darinnen auch die Hunde / wie bey den Indianern die Elefanten / bey den Sybariten die Pferde zu tantzen abgerichtet waren /aufgeführt wurden. Endlich bildeten bey dem Zelte der Sonnen des Atlas sieben Töchter die gestirnten Plejades den Lauff der sieben Irr-Sterrnen ab; welcher Bewegung zur Erfindung des Tantzens den ersten Anlaß gegeben haben soll. Celäno war wie der bleyfarbichte Saturn; Sterope wie der helle Jupiter / Merope wie der feurige Mars / Alcyone wie die strahlende Venus / Maja wie der blasse Mercur / Taygete wie der liebliche Monde / und Electra wie die freudige Sonne ausgerüstet. Hierzu leuchteten grosse angezündete Wachs-Seulen; die Zelten aber wurden mit Ampeln erhellet; darinnen ein balsamichtes Oel brennte. Mit welchem Gastmahle denn der übrige Tag und die halbe Nacht durchgebracht / auch iedem Fürsten von sechs Wald-Göttinnen / iedem Fürstlichen Frauenzimmer von sechs Satyren mit grossen silbernen Leuchtern nach der Burg vorgeleuchtet / und von eben so vielen allerhand köstliche Geschirre mit denen kräfftigsten Säfften und Erfrischungen / als ein Geschencke iedem in sein Zimmer getragen / alle andere Speisen aber vollends unter das Kriegs-Volck vertheilet wurden. Welches alles bey dem deutschen Adel nicht kleine Verwunderung erweckte / zumal bey dem der nicht zu Rom vorher die unmässige Pracht und Verschwendung / (die bey diesem vorhin etliche hundert Jahr lang so mässigem Volcke erst nach Uberwindung des Antonius bey Actium mit Gewalt eingerissen war /) gesehen hatte.

Folgenden Morgen / als es beginnte zu tagen; kamen auf einmal drey Herolden in das Fürstliche Schloß. Der erste war ein Scythe oder Sarmatier. Er saß auf einem leichten [1366] Wagen / war mit einem gelben seidenen Unter-Kleide / und einem blauen Ober-Rocke belegt; welcher nichts minder / als seine Haupt-Decke mit einer gewissen Art weicher / und für den Wind guter Mäuse- oder Marder-Felle gefüttert waren. Sein auf der fördersten Spitze des Wagens sitzender Knecht jagte für ihm vier flüchtige Walachen her; welche Art der verschnittenen Pferde die Scythen zum ersten erfunden haben. Er führte eine blancke Sebel in der Hand. Für ihm ritten etliche Scythische mit Köcher und Bogen gerüstete Scythen. Sein Anbringen begehrete: daß Hertzog Herrmann dem Scythischen Könige Thußnelden abtreten / oder solche diesen Tag mit den Waffen behaupten / vorher aber erwegen solte: daß die Scythen unüberwindlich; von keiner euserlichen Gewalt noch bemächtigt worden wären. Hingegen hätten sie den König Darius / und des grossen Alexanders Feldhauptmann Zopyrion aufs Haupt erlegt / ihn selbst erschrecket / und Käyser August sich mit ihnen zu verbinden bemühet. Ihr König hätte auf eines geopferten Ochsen ausgebreiteter Haut bey entblöster heiligen Sebel geschworen: daß er denen Uberwundenen nach ihrer Landes-Art die Nasen abschneiden / und die Haut mit sa t den Haaren von den Köpfen abschinden wolte. Er pflegte kein Pferd zu beschreiten / welches nicht täglich fünff und zwantzig deutsche Meilen lauffen / und derogestalt zehn Tage austauern könte. Also würde Herrmann durch keine Flüchtigkeit seinen Händen entrinnen. Wenn sich aber Herrmann entschlüsse / ihm Thußnelden gutwillig abzutreten; wolte er selbte mit ihm auf Scythische Weise gemein haben. Auser dieser Erklärung wartete er mit seinen Pfeilen ihm auf den Dienst / welche alle in zusammen verfaultem Nattern-Gifte und Menschen-Blute eingetaucht / und dahero im Augenblicke tödtlich wären. Diesem Herolde folgte ein ander auf einem Parthischen Zelter / welcher mit seinen geschwinden und sanften Schritten gleichsam herein drabte. Sein Haar war ihm über die Achseln lang ausgebreitet / das Haupt mit einem vielfärbichten Bunde bedeckt. Er war mit einem weiten geblümten Rocke bekleidet. Mit der Hand streckte er einen lichten loh brennenden Topf empor. Sein im Nahmen des Parthischen Königs geschehender Vortrag war vorigen Innhalts; seine Dräuung aber: daß er bey nicht erfolgter Gewehrung diesen Feuer-Topf würde in das Wasser werffen / die Uberwundenen aber bey dem güldenen Dreyfusse vom Könige ein scharffes Urthel / entweder: daß ihnen über den gantzen Leib die Haut abgezogen werden / oder sie in einem verschlossenen Nachen verfaulen solten / erwarten müssen. Hierauf erschien in den Schloß-Hof auf einem mit Gold-Stück überdecktem Elefanten ein Indianischer Herold / in einem dinnen schneeweissen seidenen Rocke. Die kurtzkrausen Haare umbhüllete ein mit goldenen Fädemen durchwürcktes Tuch. An den Ohren hiengen perlene Ohrgehencke. Das Antlitz war mit allerhand Farben geschmückt; die Armen mit güldenen Ringen gezieret; an denen Fingern aber hatte er Nägel wie Adlers-Klauen; als welche viel Indianer ihr Lebtage nicht abzuschneiden gewohnt sind. In der rechten Hand führte er einen Pfeil dreyer Ellenbogen lang. Für diesem Herolde giengen her etliche halbnackte Indianer / welche / als sie die gleich aufgehende Sonne erblickten / selbte mit einem zierlichen Tantze verehreten. Des Herolds Anbringen war: daß der König in Indien durch Thußneldens Schönheits-Ruhm gereitzet das heilige Ganges-Wasser zu trincken sich entschlagen hätte / und in der Nähe sich befindete. Er trüge dem Fürsten Herrmann an gegen sie einen weissen Elefanten zu verwechseln; welcher kostbarer / als kein Königreich wäre. Das Geschencke eines gemeinen Elefanten wäre in Indien so hoch geschätzt: daß die keuscheste Jungfrau dafür ihre Jungfrauschaft aufzuopfern sich nicht weigerte / und dieser theure Verlust ihr [1367] die minste Unehre nicht zuzüge. Uber diß gelobte er die unvergleichliche Thußnelde der Indianischen Weißheit fähig zu machen; da doch sonst ihr Gesetze das gantze weibliche Geschlechte als unwürdig davon ausschlüsse. Da aber Hertzog Herrmann dis weigerte / würde er mit Leuten zu thun bekommen / welche nichts minder an Tapferkeit / als an Alter und Grösse des Leibes die ersten Menschen der Welt wären. Ihre Pfeile durchbohrten alle lederne Schilde / stählerne Harnische / und ertztene Pantzer. Diese wüsten sie durch einen Ring in die Ferne zu schüssen / und auf einen Nagel zu treffen. An statt der verlangten Antwort ließ Hertzog Herrmann einen scharffen Spieß von der obersten Bühne gegen die Herolden in den Schloß-Hof werffen / und durch die Kru -Hörner Lermen blasen. Worauf der Scythische Herold mit seiner Sebel einen Spaan aus dem Thore hieb / der Parthische seinen Feuer-Topf in die an dem Schlosse vorbey flüssende Bach warff; der Indianische seinen Pfeil hoch in die Lufft schleuderte.

Wenige Zeit hernach zohen die drey ausfordernden Könige mit grossem Gepränge in den mittler zeit mit viel tausend Menschen angefüllten Schau-Platz ein. Der Scythische Aufzug hatte zwar nichts von Gold oder Silber an sich. Denn diß Ertzt-hassen sie überaus; weil es die Schädligkeit des Eisens hundertfach /seinen Nutzen aber nicht zur Helffte an sich hat. Gleichwohl aber gieng dem Ansehn dieses Königs nichts ab; welchen Fürst Catumer fürstellte. Am ersten kamen drey Wagen; darauf eitel lederne Paucken lagen / und mit meßingenen Schlägeln von unbärthichten Junglingẽ mit weiß-gekraußten Haaren geschlagen wurden. Ihre Kleider waren auch alle aus weissem Hermelinen Rauchwercke; die Mützen aber von schwartzen Füchsen. Hierauf ritten zweyhundert Sarmater / in mardernen Peltzen / mit Sebeln / Bogen und Pfeilen ausgerüstet. Jeglicher aber führte auf ieder Seite ein Bey-Pferd. Diesen folgten so viel in Luchsen-Häute gekleidete Scythen / derer ieder drey Pferde nebst dem / welches er ritt / an der Hand führte. Nach diesen kam ein von sechs weissen Pferden bespannter / mit allerhand Laubwerck besteckter und von zwölff Auer-Ochsen gezogener Wagen. Auf diesem lag ein überaus groß entblöstes Schwerdt / als ein Kennzeichen der Gottheit bey den Scythen. Umb den Wagen herumb giengen ein und zwantzig Priester in Hermelinen Peltzen; derer Häupter mit Laub-Kräntzen umbgeben waren. Hierauf folgte der König in einem langen zobelnen Rocke. Dieser führte auf ieder Seite drey Hand-Pferde / und zwar eitel Stutten / weil sie diese in Krieg am geschicksten halten / neben sich; darunter das eine grauäpflicht / das andere Perlenweiß / das dritte hoch-goldfärbicht / das vierdte schneeweiß mit blauen Flecken / das fünfte Tiegerfärbicht; das siebende / worauf er ritt / Flügen-trappicht; allen aber das Zeichen des Fasans / umb ihr Vaterland anzudeuten / eingebrennet war. Nach dem Könige folgten zwantzig Scythische Fürsten / eben so wie der König mit Zobeln bekleidet / nur / daß sie alle schwartzfüchsene Mützen auf / und nur fünf Pferde neben sich hatten. Diese waren die Grafen von Düllingen / Stalberg / Dachau / Ka / Wasserburg /Wittin / Dieffalden / Lechsmund / Hohenbogen /Reneck / Phirdt / Falckstein / Lützelstein / Stöfling /Leißneck / Rochlitz / Teckelnburg / Winßenburg /Staden und Brenn. Aller dieser Pferde Zeuge / insonderheit des Königs waren mit grossen Scythischen Schmaragden reichlich besetzt; welche die Bactrianische / Egyptische und alle andre der Welt bey weitem wegstechen. Hierauf ward auf einem mit zwölff Elend-Thieren bespannten Wagen das Bild des Hercules / und seines Sohnes Scytha / von dem diese Völcker entsprungen seyn sollen / geführet; und folgten ferner hundert mit weissen Bären-Häuten bedeckte und vier Pferde neben sich führende Edelleute. Endlich beschlossen [1368] hundert in wilde Katzen gleichsam eingenehete / und mit zwey Bey-Pferden gerüstete Sarmater diesen Aufzug. Der Scythen K \nig stellte sich alsofort in eine vorwerts zugespitzte / rückwerts aber sich immer mehr und mehr ausbreitende Schlachtordnung. Unterdessen hielt Hertzog Herrmann durch das gegenüber stehende Thor des Schau-Platzes einen fast gleichmässigen Aufzug; nur: daß die Deutschen ihre Haare zusammen gebunden / keinen andern Schmuck / als Agstein; und nur Luchsen-Bären-Wolff- und Fuchs-Häute zu Kleidern hatten; weil der Feldherr die uhralte Art der Deutschen fürstellen / nicht aber die falsche Meynung / als wenn sie von Scythen entsprossen wären / behaupten wolte. Nach beyderseits gleichgestellter Schlacht-Ordnung /für welcher der Scythen König und Hertzog Herrmann an der Spitze hielten; neigte jener sich für dem in der Mitte des Schau-Platzes stehenden Bilde der Fürstin Thußnelda. Auf beyden Seiten ward ein blutfärbichter Rock / als ein Zeichen des Kampfes auf einen langen Spieß aufgesteckt / und es hatten beyde Theile schon die Pfeile auf ihre gespannte Bogen gelegt; als das Quer-Thor des Schau-Platzes sich mit einem grossen Sturme öffnete; welcher zugleich die von vielen schon abgeschossenen Pfeile auf die Seite schleuderte. Durch das aufgeschlagene Thor kam ein mit Sternen über und über bemahlter aber an den Rädern gantz gefrorner Siegs-Wagen gefahren / welchen vier schneeweisse Bären zohen; die der von eitel Eyß und Schnee raschelnde Nordwind leitete. Auff dem Wagen aber saß das Nord-Kind die Tapferkeit nicht anders als die gewaffnete Pallas / oder vielmehr als Perseus /wie er gegen die Gorgonen gezogen / ausgerüstet / in dem sie mit einem krystallenen Schilde und Helme /derogleichen Minerva dem Perseus geschenckt haben soll / gewaffnet war. Diese begleiteten auch noch sechs andere Winde; welche aus künstlich bereiteten Blase-Bälgen in dem Schau-Platze einen empfindlichen Wind erregten; alle aber sich eilfertig zwischen die Deutschen und Scythen eindrangen / und ihren fürgesetzten Kampf hinderten. Die Tapferkeit aber bestillte alsofort die rauschenden Winde mit einem Wincke / und fieng mit einer durchdringenden Stimme folgende Reymen an zu singen:


Wer hat euch diesen Wahn / Einfåltige / bracht bey:

Ihr die ihr nicht so wohl in Norden Nachbarn seyd /

Als Brüder von Geblůt' / und in der Tapfferkeit;

Daß Fried' ein Kind der Furcht und Krieg der Tugend sey /

Meynt ihr: weil Mitternacht der Erden Ausbund ist /

Das h \chste Theil der Welt / die meisten Sternen zehlt /

Ja weil ein zweyfach Bår dem Himmel sich vermåhlt:

Daß ihr auff euch nur selbst die Waffen schärffen müßt.

Nein sicher! zwar der Streit erhålt so Stårck und Preiß

Als wie der Wind die Glut / und Sturm das bittre Meer.

Doch kämpfft nie mit ihm selbst mein zweygestirnter Bår;

Der kalte Nord-Wind weht nach Sud sein hartes Eyß.

Ein Luchs spielt mit dem Luchs / auch wenn er grimmig scheint.

Der Wolff hegt mit dem Wolff ein nur anmuthig Spiel.

Diß Beyspiel lehr' euch nun / was mein Gesetze wil.

Schertzt unter euch / und seyd den Mittags-Låndern feind.

Der Himmel hat das Reich der Welt für Mitternacht /

Fůr der Cherusker Held Thußnelden längst bestimm't;

Ich dem / der ůber Jud' und Persen heute klimm't /

Der sieben Sternen Krantz zum Lohne zugedacht.


Mit dem Beschlusse dieses Gesanges fuhr die Tapferkeit harte unter das Bild der Fürstin Thußnelda /und legte in ihre ausgestreckte Hand einen das Sieben-Gestirne künstlich abbildenden Krantz. Das vorhin zum Kampfe anreitzende Pauckenschlagen verwandelte sich in ein annehmliches Gethöne; der angezielte Streit in das Sarmatische Ritter-Spiel, welches nichts minder bey allen Völckern / als zu Rom für das allerannehmlichste gehalten ward. Thußneldens Seule blieb das Ziel des von denen Deutschen und Scythen bald die Quere bald die Länge geschehenden Rennens. Den Anfang machten die / welche nur mit drey Pferden versehen waren; welche für erreichtem Zwecke mit einer artlichen Geschwindigkeit alle Pferde bespringen / und doch fädem-gleiche neben oberwehntem Bildnüsse anhalten musten. Den Preiß unter diesen etlichen hundert Rennern erhielt der Ritter von Reißen; welcher war ein mit Agstein versetzter Bogen. Hierauf [1369] kamen zu rennen die vier Pferde führende und überspringende Ritter: worunter der Graf von Ascanien einen mit Agstein versetzten Köcher und Bogen zum Dancke bekam. Auf diese erwiesen die fünff Pferde im Rennen führende Ritter solche Geschwindigkeit: daß iedermann glaubte: Sie hätten durch ihr fünfffaches Uberspringen der Pferde in einem so kurtzen Ziele aller grössern Geschickligkeit den Vortheil abgerennet / insonderheit der Graf zu Düringen; welcher ein mit Agstein geziertes Schwerdt zum Preiße erhielt. Aber aller Augen wurden schier verblendet; als die zwantzig Deutschen und so viel Scythische Grafen mit ihren sechs Pferden solches noch allen vorhergehenden im Rennen und Springen zuvor thäten; und darmit den Ruhm erhielten: daß sie dem Könige Teutobach / den die Römer destwegen für ein Wunderwerck gehalten / gleich kommen wären. Insonderheit frolockte der gantze Schauplatz über dem darunter rennenden Fürsten der Wenden /welchem die Cattische Hertzogin einen mit Scythischen Schmaragden versetzten Köcher / Bogen und Schwerdt selbsthändig überlieferte. Jedermann verlangte nun zu vernehmen: Ob es möglich wäre: daß der auf Deutscher Seiten zurückbliebene Feldherr /und auf Scythischer / Fürst Catumer / an statt so vieler vollkommener Renner und Springer alleine den Schauplatz vergnügen könten. Alleine dieser ward bald gewahr: daß er zu wenig Augen für zwey so ausbündige Helden hatte. Anfangs erschienen beyde nur auf einem Pferde; Herrmann bildete den Morgen-Catumer den Abend-Stern für. Jeder aber sprang bey währendem Rennen siebenmal vom Pferde / und so viel mal wieder darauf; das erste mal auf der lincken /das andere auf der rechten Seite des Pferdes / das drittemal mit beyden / das vierdte mal mit einer / das fünfte mal ohne Gebrauch einiger Hand über den Rücken / das sechste und siebende mal / iedoch auf unterschiedene Art / über den Kopf des Pferdes in Sattel; also: daß alle Zuschauer hierüber erstarreten. Hierauff setzten sie sich in Gestalt des Monden auf einen mit zwey weissen Pferden bespannten Wagen; darmit sie durch ein überaus künstliches Kreiß-Rennen und auf der Stelle geschehendes Umbdrehen umb Thußneldens Seule den Schauplatz auffs neue gleichsam bezauberten. Sie erschienen aber bald darauf wie der Pluto gerüstet / auf einem mit drey kohlschwartzen Pferden jagendem Wagen; mit welchem Rennen sie fast an statt der Proserpina das Bild Thußneldens zu rauben vorhätten. Nach diesem vollbrachten Rennen kam ieder nicht anders / als ein Blitz auf einem mit vier goldgelben Pferden rennenden Wagen durch den Schauplatz gejagt; von welchem sie sich mehrmals wie ein Phaethon abstürtzten; gleichwohl aber so genau die Gelegenheit ihren Sitz wieder zu erlangen beobachteten: daß sie weder den Ansprung versäumten / noch auch die Pferde in vollen Bügen hemmeten. Nach diesem erschien Hertzog Herrmann wie Castor / Fürst Catumer wie Pollux mit fünf rennenden Pferden auf den Schauplatz / welche sie für dem Ziele nicht alleine nach der Reye / wie vorige Ritter / sondern mit Uberhopfung eines / zweyer und dreyer besprangen. Welches alles so viel wunderwürdiger war; weil dieses Numidische Pferde waren / und weder Zaum noch Sattel hatten; gleichwohl aber sich mit blossen Worten und andern Andeutungen so leichte regieren liessen. Als diß Rennen vollendet war / erschienen sie wie der Bellerophon geflügelt mit sechs Pferden; welche sie nicht nur in vollem Lauffe übersprangen; sondern auch sechs Pfeile von ihrem Bogen in die Lufft schossen; und zuletzt denen Pferden gleichlauffende das Ziel / wie in denen Olympischen Spielen bräuchlich war / zu Fusse erreichten. Endlich erschienen sie in ihrer ersten Deutschen und Scythischen Tracht mit sieben Pferden / weil kein Mensch aus dem Alterthum [1370] sich ihnen mit derogleichen Rennen und Uberspringung so vieler Pferde / wie sie mit grossem Frolocken des gantzen Schauplatzes wunderwürdig verrichteten / zu vergleichen hätte. Dannenhero Hertzog Herrmann von der Cattischen Hertzogin / Catumer von Thußneldẽ mit einem Krantze von Oel-Zweigen nach Art der Sieger in den Olympischen Spielen beschencket ward.

Das Jauchzen des glückwünschenden Volckes ward durch ein neues Gethöne allerhand kriegerischer Hörner und Paucken gestillet; welche durch das eine Thor in den Schauplatz einzohen. Hierauf folgte ein vergüldeter Wagen mit zwey weissen Pferden; darauf ein silberner Opfer-Tisch stand / worauf das ewige Feuer brennte. Hinter demselben saß ein weiß-gekleideter Priester / mit einem aus goldfärbichten Sonnen-Blumen gewundenem / und denen Persischen Weisen zugeeignetem Krantze auf dem Haupt / in den über der Stirne der Nahmẽ Gottes mit Golde genehet war. Auf der Brust hieng ihm eine rundte Schale von Kristall / in die das aus Rubin gemachte Bild der Sonnen geschlossen war / welches der Persische König auf die Spitze seines Zeltes zum Zeichen stellen läßt: daß er mit seinem Heere aufbrechen wolle. In der einen Hand trug er einen Oel-Zweig / in der andern ein gülden Rauch-Faß / mit glüenden Kohlen und Weyrauch angefüllt. Umb den Wagen ritten auf schneeweissen Pferden sieben Persische Weisen alle mit Myrten- und Lorber-Ruthen in der Hand. Diesen folgten hundert Parther zu Pferde mit versilberten Lantzen / vergüldeten Bogen und Pfeilen; diesen folgte aber das Pferd der Sonnen / von Farbe schneeweiß / von ungemeiner Grösse und Schönheit. Uberdiß war es mit einer goldgestückten Decke belegt; der Zeug war mit Türckissen versetzt. Die es führten / waren in weisse Seide gekleidet / und hatten güldene Spißgärten. Hierauf ritten dreyhundert fünf und sechzig noch unbärthichte Persische Edelleute auf gelben Pferden in purperfarbenen und mit Golde durchwebten Röcken. Nach diesem kamen zwey Maul-Esel mit purpernen Decken /und trugen in einem güldenen Gefässe das so genannte goldene Wasser / welches der König trinckt / und kein ander Mensch / ja seine eigene Kinder nicht kosten dörffen. Hierauf erschienen zwantzig Persische Herren / die Anverwandten des Königs genennt / welche nicht nur mit güldenen Pantzern über und über bedeckt waren / und eitel mit Edelgesteinen versetzte Waffen hatten; sondern ihre Pferde waren auch gantz und gar überpantzert; ihr Hals und Armen auch mit köstlichen Kleinodien als Königlichen Geschencken /auser denen kein Perser einige tragen darff / gezieret. Diesen folgte der König (welchen allhier Fürst Ganasch bekleidete) auf einem Perlen-farbenen Hengste /dessen Gang nach der Persischen Pferde angebohrner Art schnell / prächtig und doch sanfte / der Zeug mit grossen Rubinen besetzt / die Huf-Eisen oder der Hufschlag Gold waren. Des Königs Unter-Kleid war halb purpern / halb schneeweiß. Der Ober-Rock war Goldstück / und in selbten mit Edelgesteinen Habichte gestickt / welche mit den Schnäbeln an einander setzten. Auf dem Haupte hatte er einen blau- und weissen Bund / an dem über die Stirne ein Pusch Reiger-Federn stand / welche ein unschätzbares Kleinod von Rubinen zusammen schloß. Oben auf dem Wirbel stand das Bild des Cyrus aus wohlrüchendem Labycus Hartzte; das der Myrrhe gleich / aber ein viel köstlicher Gewürtze ist. Den Leib umbschloß ein güldener mit Diamanten gläntzender Gürtel; daran sein gleichmässiges Schwerdt hieng / dessen Scheide mit denen grösten Perlen bedeckt war. Umb den König her giengen vier und zwantzig in Goldstück gekleidete Knaben; welche auf weissen Schilden die großsprecherischen Nahmen des Persischen Königs trugen; indem er darauf der grosse [1371] König / ein König der Könige; ein Bruder der Sonne und des Monden / ein Anverwandter der Gestirne; ein Sohn des Feuers / ein Herr der Welt geheissen ward. Nach dem Könige folgten abermals zwantzig gantz geharnschte Persische Fürsten; und hierauf eine Menge Kamele mit Senften / darinnen das Königliche Frauenzimmer eingesperret war. Und endlich beschlossen hundert in blauen Damast gekleidete / und wie die erstern gerüsteten Perser diesen Aufzug; welche / nachdem die Deutschen und Scythen sich inzwischen auf die breite Nord-Seite des Schauplatzes gesetzt hatten / sich auff das West-Theil der Sud-Seiten den Deutschen gleich gegen über in Schlacht-Ordnung stellten; ieder Perser aber vorher in einen für dem Könige stehenden Korb einen mit seinem Nahmen gezeichneten Pfeil warff; welches dieses Volck für allen Treffen zu thun pflegte / umb hernach von denen gebliebenen Gewißheit zu haben. Unterdessen kam zu dem vierdten Thore eine Anzahl Indianischer Heerpäucker; und derer / welche in ein gewisses Rohr bliessen. Hierauf ritten hundert in weisse baumwollene Leinwand biß auf die Füsse gekleidete Indianer. Die Häupter waren mit bundten seidenen Tüchern umbhüllet; an den Ohren hiengen helffenbeinerne Kugeln. Sintemal die Ohrgehencke nichts minder / als bey den Griechen / wie bey den Römern die güldenen Ringe an Fingern / und die kleinen Monden auf den Schuhen ein Merckmal des Adels sind. Etliche hatten Schuh aus Baum-Rinden /etliche aus weissem wiewohl mit andern Farben geputzten Leder mit hohen Absätzen. Auf dem Rücken führten sie in einem güldenen Köcher Pfeile aus Indischem Schilffe eines Mannes lang; auf der Seite einen zierlichen Bogen / den sie mit den Füssen spannen /und darmit durch Stahl und Eisen schüssen. Diesen folgte ein güldener mit zwey einhörnrichten Thieren gezogener Wagen / auf welchem das Riesen-Bild des von ihnen verehrten Hercules zu sehen war. Hierauf ritten in den Schauplatz hundert eben so ausgerüstete Indianer / nur daß ihr Gewand weisse mit Golde durchzogene Seide / die Ohrgehencke Edelgesteine waren / und sie noch darzu perlene Halsbänder umbhatten. Diesen folgte ein von Tiegern gezogener Wagen mit dem Bilde des Bacchus / welcher ihnen die ersten Friedens- und Kriegs-Gesetze gegeben / sie Wein und Städte zu bauen gelehret haben soll. Und hierauf abermals eine noch reicher mit Gold gekleidete Reiterey von hundert Pferden. Nach diesem erschien ein weisser Elefant von ungemeiner Grösse mit Goldstücke bedeckt; welchem seine vergüldete Speise-Gefässe fürgetragen wurden. Diesem folgten zwantzig Indianische Fürsten in Goldstücke / darein allerhand seltzame Vögel gewebt waren / derer Haupt /Hals und Waffen von Edelgesteinen schimmerten; und auf diese der König (welchen hier Fürst Jubil vertrat) auf einem grossen gethürmten mit Golde gantz überdeckten Elefanten; dessen Kleid Purper / in selbten aber eitel güldene Drachen gestückt; die Hauptbinden über und über mit grossen Perlen / die Waffen mit Diamanten bedeckt waren. Hinter ihm stand ein Weib / welche ihm die Haare kämmete. Der Thurm /in dem er saß / war mit frembden Zweigen umbflochten / und in selbte redende Papegoyen und andere singende Vögel angebunden. Umb den Elefanten rings herumb giengen zwantzig Mohren-Knaben mit silbernen Rauch-Fässern / welche von Aloe / Casi / Arom und Weyrauche loderten. Nach dem Könige erschienen abermals zwantzig köstlich-aufgeputzte Fürsten; nach diesen fünf Elefanten / welche Wechsels-weise bey ihrem Herrn die Wache zu halten abgerichtet waren; und endlich zwey hundert gerüstete edle Indianer; die alle neben denen Persen sich gegen die Scythen in [1372] Schlacht-Ordnung sätzten. So bald nun mit den Paucken und Krumhörnern das Zeichen zur Schlacht gegeben ward / grief ein jeder zu seinem Bogen; also: daß durch die Pfeile / welche die Scythen und Parthen meist nicht schnur gerade auf den Feind /sondern empor in die Lufft schüssen / umb durch den Herunter-Fall selbten zu beleidigen / der gantze Schauplatz erfüllet ward / und hierdurch unzehlbar viel verwundet wären worden / wenn nicht bey diesem Schatten-Streite alle Spitzen der Pfeile mit Fleiß wären verbrochen oder stumpff gemacht gewest. Hierauf sätzten sie mit Schwerdtern und Wunder-Spießen an einander; und wusten sich die Hauffen so artlich zu schwencken: daß die Deutschen und Scythen einmal mit den Persen / das andermal wechsels-weise mit den Indianern zu treffen kamen. Der Unterscheid der Kleidungen / und die gute Ordnung / wie i er ein geschlossenes Glied auf das andere traf / gab dem Schauplatze eine ungemeine Vergnügung. Insonderheit ließen sich die vier Heerführer tapfer schauen; und war insonderheit eine Lust; wie bald Hertzog Herrmann / bald Catumer gegen des Fürsten Jubils Elefanten fochte / und selbten bald mit brennenden Fackeln schüchtern / Jubil aber mit Maulbeer Saffte wider hertzhafft machte / und seine sich klüglich wendenden Feinde verfolgte. Mit dem Hertzog Ganasch brach jeder auch drey Lantzen; also: daß / wer mit seiner Tapfer- und Geschickligkeit dem andern etwas zuvor thät / schwerlich zu unterscheiden war.

Als nun alle Glieder dreymal mit einander getroffen / ließ die Abgöttin Juno und Vorsteherin der Hochzeiten auf einem güldenen mit Pfauen bespannten Wagen in einer lichten Wolcken sich mitten auf den Schauplatz / und nöthigte also die zu einem neuen Kampfe sich rüstende Hauffen auf ihrem Stande festen Fuß zu halten. Uber der Juno saß auf einem Regenbogen Iris / und für ihr die Geister beyder Angelsternen; und sieben mit gestirnten Kleidern bedeckte Jungfrauen; welche alle durch Harffen und andere Säiten-Spiele gleichsam die süsse Ubereinstimmung der himmlischen Gestirne; welche die Egyptier ohne dis durch eine siebenseitichte Leyer / die Griechen durch so viel Pfeiffen des Paris fürgebildet haben / ausdrückten. In dis annehmliche Gethöne sang Juno mit einer lebhafften Bewegung und durchdringenden Anmuth folgende Reimen:


Welch Unstern regt die Helden dieser Welt

Durch Menschen-Blut mein Feyer zu einweihen!

Wer weiß nicht: daß bey meinem holden Freyen

Die Hochzeit-Lust durch Zwytracht wird vergällt.


Das Blut / wormit mein Hymen mich beschenckt /

Der Braute Schatz / die Blůte der Jungfrauen /

Mag nur allein mein friedsam Auge schauen:

So werd' ich nun durch euren Streit gekrånckt.


Ich bin vergnůgt mit einer Gans und Kuh.

Ja / welcher mir wil opfernde gefallen /

Muß ůber dis hinwegthun ihre Gallen;

Und sich bey mir durch Eintracht liebeln zu.


Wer aber scheut nicht Herrmanns blitzend Schwerdt?

Wer spiegelt sich nicht an Ixions Straffen?

Der Lust gewinnt Thußnelden beyzuschlaffen /

Die GOtt und ich dem Herrmann hat beschert.


Dis todte Bild dient durch sein rege-seyn

Des Himmels Schluß / und wem der Krantz gehöre

Der Tapferkeit / euch Frembdlingen zur Lehre;

Wenn' s Hermanns Haupt mit Sternen hůllet ein.


Uber diesen Worten bewegte sich die in der Mitte des Schauplatzes stehende Seule / und das Bild Thußneldens näherte sich dem an der einen Ecken haltenden Feldherrn / und sätzte ihm den von der Tapferkeit empfangenen Sternen-Krantz auf. Hierauf sang Juno weiter:


Doch / lächs't in euch der Kriegs-Geist noch nach Blut /

So laßt es hier Luchs / Bår und Pferd vergießen.

Denn Menschen solln der sůssen Ruh genůssen /

Krieg aber ist des Viehes Art und Gut.


Nach vollendetem Gesange hob sich Juno in ihrer Wolcke wieder empor; alle Fürsten [1373] und Kriegs-Helden aber neigten ihre Waffen gegen dem gekräntzten Herrmann. Jedes Oberhaupt zohe auch seine Kriegs-Schaaren aufs engste zusammen / also daß in der Mitte des Schauplatzes ein grosser leerer Raum übrig blieb; welchen alsobald eine Menge herfür kommender Wald-Männer mit eisernen gegütterten Netzen umbspannten. In diesen Umbkreiß ließen die Indianer einen Elefant / welcher vorher für seinem Könige die Knie beugte / und ein Thier mit einem Nasen-Horne; die Perser ein Pferd und einen Tiger / die Scythen einen weissen Bär und Auer-Ochsen / die Deutschen einen Luchs und einen Wolff zusammen. Anfangs tastete der Bär den Elefanten / der Ochse das Pferd / der Luchs den Tiger / der Wolff das einhörnrichte Thier an; und wehrete dieser Kampff eine gute halbe Stunde sonder ein oder des andern Thieres Vortheil. Als aber fast alle verwundet waren / vergassen diese Thiere ihre angewohnte Gemeinschafft; und verwechselten also ihre Feinde nach ihrer angebohrnen Eigenschafft / indem das Horn-Thier den Elefanten antastete / sein Horn an einem Stein wetzte / um darmit des Elefanten weichen Bauch aufzuritzen / hingegen aber dieser jenes zu Bodem zu rennen; der Tiger das Pferd zu beleidigen / der Bär den Ochsen zu zerreissen / und der Luchs des Wolffes Meister zu werden bemüht war. Jedes Volck / welches diesen Streit für eines bürgerlichen Krieges Andeutung annam / bemühte sich diese Thiere mit Stangen / Fackeln und andern Erfindungen von einander zu bringen / worauf denn der Luchs an den Elefanten gerieth / und ihn in seine Schnautze so hefftig verwundete: daß er die Netze über einen Hauffen rennte / also aus den Schrancken floh / und seinen Wunden die bekandte Aloe-Artzney einflößete. Der Wolff verwundete das Pferd so sehr an der Gurgel: daß es todt zu Bodem fiel. Hingegen tödtete das Horn-Thier den Auer-Ochsen; und der Bär kratzte dem Tiger die Augen aus. Nach diesem Siege geriethen die verwundeten Uberwinder allererst an einander; alleine der Luchs ward durch seine Geschwindigkeit endlich des Horn-Thieres / und der Wolff durch seine Arglist zu grosser Verwunderung aller Zuschauer des Bäres Meister. Welchen Sieg sie mit grossem Frolocken / und durch ein in die hole Hand geschehendes Pfeiffen annahmen.

So bald die erlegten Thiere und die Garne von denen Wald-Männern auf die Seite geräumet waren /sätzte sich Hertzog Jubil mit seinem gantzen Indianischen Heere in die Mitte in einen rundten Kreiß; darinnen gleichsam in einem Augenblicke ein viereckicht Gerüste aufgerichtet / und auf jeder Seite ein grosses Seil von dem Bodem daran ausgespannet ward. In diesen Kreiß kam Indien als eine mit eitel Edelgesteinen gekrönte Königin auf dem weissen Elefanten geritten. In der Hand hatte sie eine Muschel / darinnen eine überaus grosse Perle lag; welche bis zweyhundert Gersten-Körner wog / und also billich für eine Königin dieser edlen Gewächse zu achten war / sonderlich da es für kein Getichte zu achten: daß die Perlen oder vielmehr ihre Muscheln und Schnecken nichts minder als die Bienen ihre Könige und Fürsten haben / welche sich aus den Händen und Hamen der Perlen-Fischer meisterlich auszuwinden wissen; mit ihrem Fange aber aller andern nach sich ziehen sollen. Des Elefanten Decke war gleichfals mit Perlen gestückt /und er selbst hatte zwey grosse und wie eine Birne länglichte Perlen an den Ohren hencken. Dieser stieg auf einem ausgedehnten Seile gleichsam tantzende auf den Schauplatz. Ihm folgten zwölf Mohrische Liebes-Götter; welche alle im lincken Arme zierlich-geflochtene Körbe / und darinnen Perlen-Muscheln / in der rechten Hand brennende Wachs-Fackeln / und daran hängende Schilde mit denen zwölf himmlischen Zeichen und beygesätzten güldenen [1374] Buchstaben hatten. An denen vier Ecken des Gerüstes thaten sich des Ganges / Indus / und zweyer anderer Flüsse Bilder herfür; welche nebst Regung zweyer absonderer Säitenspiele zum Preisse der Perlen und der Liebe folgende Reimen sangen:


Wenn der Gestirne Krafft /

Der besten Kräuter Safft /

Der Sonn' ihr Oel / der Glantz der Edelsteine /

Der Berge Marck / des Balsams Eigenschafft /

Des Monden Than / der Glantz von Helffenbeine /

Der Blumen Geist / des Meeres Reichthum sich

Vereinbart gleich in einen Kreiß /

Behåltst du / Perle / doch den Preiß /

Es reicht kein Schatz des Himmels nicht an dich.


Måßt der Natur nicht bey:

Daß sie zu sparsam sey /

Weil keine Muschel Zwillinge gebieret.

Ein edles Kind ist schåtzbarer als drey.

Und dieses / was die Purper-Schnecken zieret /

Ist zwar ein Schatz / doch nur ein Tropfen Blut.

Ja aus der Perlen Rundt' erhellt:

Es habe Himmel / Meer und Welt

In einer Perl umbschräncket all ihr Gut.


Die Liebe mag allein

Der Perle Nachbild seyn.

Denn man schåtzt sie im Himmel und auf Erden,

Die Sch \nheit pregt in sie ihr Bildnůs ein.

Sie läßt in sich auch nur ein Kind jung werden;

Und sch \pfft keinmal an Neben-Sonnen Lust.

Kurtz wie die enserliche Welt

Die Perle für ihr Kleinod hålt /

So ist die Lieb' auch's Kleinod in der Brust.


Zu diesem Singen und Säitenspielen hegten die zwölf Liebes-Götter einen annehmlichen Tantz mit künstlichen Abwechselungen. Bey dem Schlusse eines jeden Satzes sätzten ihrer sechs auf einer Seite in einem halben Kreisse mit ihren an denen Schilden stehenden Buchstaben das Wort: Indien; auf der andern Seite das Wort: Perlen zusammen.

Bey dessen Schlusse kam in den Schrancken ein ander Elefant; dessen Rücken mit einem Silberstücke bedeckt / und mit einer Muschel bethürmt war; darinnen die Göttin Thetys oder das Meer saß; und zwölf in Silberschupfichte Röcke nach Art der Syrenen gekleideten Wasser Nymphen sie rings umbher begleiteten. Diese rührten alle grosse mit Säiten bezogene Muscheln; worvon der Elefant mit seiner Thetys zu tantzen / und gegen dem weissen die Knie zu beugen anfieng; endlich auch auf dem einen grossen Seile hinauf und wieder zurück tantzte. Diese Wasser-Göttinnen löseten die vier Flüsse mit ihren Säitenspielen ab / worüber jene einen zierlichen Tantz anfiengen /in dem die Thetys mit ihrem Elefanten wunderwürdige Wendungen fürstellte / und zugleich in ihrer Muschel folgende Reimen darzu sang:


Kommt! kråntzet mit Corall mein Haar /

Schmückt Hals und Brust mit perlenen Geschmeiden;

Die Hand mit Palmen / und den Leib mit Seiden;

Gewehrt mir Weyrauch aufs Altar;

Nach dem das Meer allein ist herrlich / reich und groß /

Ja Feuer / Erd und Lufft gestehn:

Es sey in ihnen nichts so schön /

Als Perl' und Liebe sind die T \chter meiner Schoß.

Die beyd' in mir zwar haben ihre Wiege

Doch auf der Erd' / im Himmel ihre Siege.


Nach diesem vollendeten Tantze kam ein ander mit grünem Silberstücke bedeckter Elefant in den Schrancken. Auf dem Rücken saß unter einer Fichten-Laube die gethürmte Cybele / oder die Erde. Umb sie herum giengen zwölf junge Verschnittene / derer sechs /Körbe mit Blumen / die andern mit Früchten trugen. Bey einem anmuthigen Flöten-Gethöne / machte die Erde dem Meer nachfolgender Weise die Geburt der Perlen streitig:


Wenn die Natur das Wasser nicht

Durch's Röhr der Berg' / und meiner Adern triebe /

Wenn nicht mein Geist ins Meeres-Fluthen bliebe /

So wår' es Schaum / dem Seel' und Krofft gebricht.

Das Auge sieht's / es fühlt es jede Hand:

Daß Perl' und Muschel zwar die Nåsse liebe;

Doch beyder Talg ist ein geleutert Sand.

Der Schnecke Fleisch / das Erd' ist / und von Erden /

Empfångt die Perl' / ist ihre Mutter-Schooß.

Und was dort wächst / Corall / Ambr' / Agstein / Mooß /

Das muß gesåugt aus meinen Wurtzeln werden.


[1375] Cybele tantzte mit ihrem Elefanten hierüber auf der Leine hinauf und wieder zurücke; die Verschnittenen aber unter sich. Bey welchem Tantze sie mit einer wunderwürdigen Geschwindigkeit aus eitel Blumen /wie selbte bey jeder Jahres-Zeit zu finden sind / die Bilder des Frühlings / des Sommers / des Herbstes und des Winters zusammen flochten / und der Cybele überreichten.

Hierauf öfnete sich der Schrancken einem Elefanten / dessen Rücken mit einem Regenbogen-färbichten Goldstücke bedeckt / und mit einem von allerhand köstlichen Federn überschatteten Königs-Stule belegt war; den die Juno oder die Lufft mit einem Krantze von Perlen und Opalen / welcher Stein fast alle Farben im Widerscheine zeiget / und am nechsten der Perle kommt / besaß. Umb den Elefanten spielten zwölf Straussen; vorher aber sechs Westwinde mit den lieblichsten Säitenspielen; worzu der Elefant bald auf der Leine / bald unter denen Straussen tantzte /die Lufft aber ihr Vorrecht in Zeugung der Perlen derogestalt singende behaupten wolte:


Die Perlen schmůckt der Glantz der Regenbogen /

Auch zeigt ihr Gold / Schmaragd / Rubin / Saphir /

Und was sie sonst aus meiner Brust gesogen /

Ihr Zeug sey himmlisch / ihre Pracht von mir.

Wenn nach dem Meer-Saltz' itzt die durst'gen Schnecken lechsen /

Fl \ß' ich den Thau den geilen Muscheln ein;

Bepurper ihn durch's braunen Morgenschein /

Da schwängern sie sich mit so himmlischen Gewåchsen.

Ja / daß von meinem Thau / vom Monden růhr' ihr Wesen /

Wird durch die Krafft des Eßiges bewehrt /

Der sie zerbeitzt / in ersten Thau verkehrt.

Auch schwinden / die man låßt bey's Monden Abfall lesen.

So bleibt nun wahr: die Muschel-T \chter sind

Ein Brutt der Lufft / und der Gestirne Kind.


Endlich kam auch der vierdte mit Feuer-roth von Goldstück belegte Elefant in den Schrancken. Auf seinem Rücken saß das Feuer / oder die Göttin Vesta /eine thönerne und lichten loh brennende Ampel in der rechten Hand / eine Drommel in der lincken haltende. Diesen begleiteten zwölf ungeheure Cyclopen mit brennenden Fackeln; derer drey auf einem Amboße mit grossen Hämmern ein artliches Gethöne machten; die andern neun aber nach solchem Dreyschlage mit ihrem Elefanten einen seltzamen Fechter-Tantz hielten / in welchem der gebländete gegen die andern / und diese gegen ihn mit den Fackeln stritten; und das wunderlichste war: daß weder der bald auf der Leine /bald zwischen diesen einäugichten Riesen tantzende Elefant von so vielem Feuer scheue gemacht; noch bey so vielen Streichen und Wendungen einige Fackel ausgelescht ward. Zwischen der mittelsten Erholung dieses Tantzes eignete ihr Vesta durch folgenden Gesang für andern die Geburt der Perlen zu:


Das Feuer ist der Geist der Welt /

Der alles schwångert / wärmt / erhält.

Die Härtigkeit / die blitzend-lichten Strahlen /

Die Krafft das Hertz von Gifft zu machen frey /

Bewehrn: daß Glut der Perlen Ursprung sey.

Die Erd' ist Schnee / die Lufft ist Frost / das Wasser Eiß /

Die Welt ein hol' und totter-loses Ey /

Die Muschel todt und leer / macht sie die Glut nicht heiß.

Denn Feuer såmt den Glantz in die Opalen /

Blut in's Geäder / Purper in die Schnecken /

Oel in's Gestirn' / auch Safft in Stand' und Hecken /

In Berge Gold / die Perl' in Muschel-Schalen /

In Brůste Milch / die Lieb' in Seel' und Blut:

Ja Lieben selbst ist meine reinste Glut.


Bey dem Ende dieses Riesen- und Elefanten-Tantzes / fieng das auf dem weissen Elefanten sintzende Indien an / selbten durch einen kleinen Mohren mit einem silbernen Griffel wie ein Pferd herumb zu werffen; wie denn dieses Thier schier mehr wegen seiner lehrsamen Sittsamkeit / als wegen seiner Kräffte wunderwürdig ist. Hierauf tantzte er nach denen sanfften Säitenspielen eben so sanffte. Indien aber sang Thußnelden zu Ruhme nachfolgendes Getichte:


Der grünen See schneeweisses Kind /

In dem die Schätze der Natur /

Der Allmacht GOttes grosse Spur

Verwunderns-werth zu schauen sind /

[1376]

Verdient zwar alles Lob / doch muß gestanden werden:

Daß / was die Perl' im Meer / Thußnelde sey auf Erden.


Verläumbdung / die die Perlen zwar

Fůr krancker Schnecken Drůsen hält /

Und der die Sonn' auch nicht gefållt /

Weiß gleichwol nichts zu nehmen wahr /

Was Deutschlands Perle sey fůr Mangel auszusetzen /

Die Welt sie nicht zu zahln / die Tugend nicht zu schätzen.


Des rothen Meeres Perlen sind

Offt hole Blasen / blaß und todt /

Die Sonne macht sie gelb' und roth;

Allein an Deutschlands Perle find't

Der frembden Völcker Neid / die Scharfsicht kein Gebrechen /

Kein Unstern / Nebel / Sturm weiß ihren Preiß zu schwächen.


Giebt's Edelsteine sonder Fleck' /

Ist manche Perlen-Muschel gleich

Voll Purper / hundert Perlen reich /

So sticht sie doch Thußnelde weg /

An der von Schnecken-Blut die Lippen und die Wangen /

Hals / Antlitz / Brůste / Schooß mit tausend Perlen prangen.


Wiewol nun Purper / Perle / Stern

Thußneldens Sch \nheit giebet nach;

So übersteigt doch hundertfach

Die Schalen / ihres Geistes Kern.

Denn ihre Tugend ist ihr Schatz / der Leib die H \le /

Die Muschel die Gestalt / die Perle selbst die Seele.


Nach diesem Liede tantzten die vier Elefanten auf denen vier Leinen; und der hüpfende weisse Elefant beugte die Knie / so offte Thußneldens Nahme geneñet ward. Zwischen jedem Gesetze aber hegten die zwölf schwartzen Liebes-Götter / die zwölf Sirenen /die zwölf Verschnittenen / die zwölf Straussen / und zwölf Cyclopen zwar nach einerley Säitenspiele / aber gantz unterschiedene Täntze. Worauf Indien seinen Abzug hielt / die Cyclopen auch alles Gerüste im Schrancken eilends auf die Seite räumten.

Hierauf erschien in den Schrancken der Herold des Frühlings / und der Vater des Blumwercks der sanffte Westwind. Wegen Reinigung der Lufft hatte er seiner Gewohnheit nach ein weiß seidenes Gewand an; auf dem Haupte einen Blumen-Krantz; an dem Arme einen Korb; darauf er umb sich allerhand Gesäme streuete / und für sich einen alabasternen Krug / woraus er einen hellen Regen von wolrüchendem Thaue herumb sprengte; wie sonst in denen Blumen-Feyern auch bräuchlich war. Diesem traten vier und zwantzig in grünem Damast auf Persich gekleidete Gärtner nach. Jeder hatte von einer besondern Art einen Pusch Blumen auf dem Bunde / in der einen Hand ein Garten-Messer; in der andern einen Blumen-tragenden Baum. Nemlich ihrer drey Persische Bäume mit fast Rosen-färbichten Blüten; drey Gemsen-Bäume mit gelben Blumen / ihrer drey Myrten-Bäume mit weissen / ihrer drey Lorber-Bäume mit grünlichten / drey Oelbäume mit grünlicht-gelben / drey Holder-Bäume mit weiß-gelben / drey Egyptische Dornsträuche mit theils grün / theils gelben / theils blassen / drey Africanische Stauden mit purpernen / und endlich ihrer drey Indisches Gepüsche mit roth-weissen Saffran-Blumen. Mitten in dem Schauplatze machten sie einen Kreiß; fiengen darauf einen zierlichen Bauer-Tantz an; dadurch sie mit Einsteckung ihrer Bäume in die Erde allerhand Blumenstücke bildeten / und darein sie den Westwind allezeit einschlossen. Hernach ihrer sechs und sechs die vier Jahrs-Zeiten mit ihrem Blumwercke in menschlicher Gestalt abbildeten; derer ein Theil den Mund mit rothen Nelcken / die Wangen mit leibfarbenen Anemonen / die Augen mit tunckelen Waid-Hyacinthen / das Haar mit Genisten-Blumen /die Kleider mit Sammet- und andern Blumen / andere anders fürstelleten; und diese Bildnüsse an die Ende der Schrancken sätzten. Nach dem nun alle Winde Vorläuffer der Götter zu seyn pflegen / wartete der Schauplatz mit Verlangen auf den Verfolg dieses Aufzugs. Massen denn auch der Frühling in Gestalt eines hurtigen Jünglings auf einem mit vier Rehen bespannten Wagen; daran die drey himmlischen Zeichen des Wieders / des Stieres und der Zwillinge zu sehen /ihre Sternen aber / [1377] wie eitel güldene Blumen gemahlet waren. Der Frühling hatte ein grase-grün Kleid an /welches wie das Haupt mit hunderterley aus Seide gestückten Frühlings-Blumen bedeckt war. Für diesem Wagen zeigten sich fünf und zwantzig weibliche /hinter dem Wagen aber eben so viel männliche Frühlings-Blumen; welche / wie aller folgenden Jahres-Zeiten / durch eine ihrem Nahmen / oder ihrer Farbe /Ursprunge / oder andern Eigenschafften anverwandte Person aufgeführet wurden. Im ersten Gliede erschienen fünf schneeweisse wie Najaden / oder Göttinnen der Bäche unten blau oben weiß gekleidet / die weisse Heroldin der Sonne Levcothea bildete die Heroldin des Frühlings / die fruchtbare Antope die Kinder-zeugende Schlüssel-Blume / die in den Narciß verliebte Echo die mit ihm an Farbe und Geruch kämpfende Meyen-Blume / oder Springauf / die mit ihren Sternen Krantze geschmückte Ariadne die Stern-Rose / Artemisia die weisse Beyfuß-Blume ab / in die sie verwandelt worden. Im andern Gliede der wie Napeen oder Wiesen-Nymfen unten grün-oben in Gold gekleideten gelben führte Venus die aus ihren Thränen entsprossene Anemone / Asterie die wie sie leuchtende Feld-Zwiebel / die Eyer-legende Leda die Gänse- die Chryfeis die ihr ähnliche Mooß- die geile Pasiphäe die reitzende Schooß-Wurtz-Blume auf. Das dritte Glied der rothen war die Oreaden oder Berg-Nymfen unten blau oben roth ausgeputzt. Die sich gleichsam von den Flammen speisende Thais prangte mit der Purper-Lilge von Susis / Juno mit der Blume des sie schwängernden Kuckucks. Smilax stellte mit der Winde-Blume ihre Verwandelung für; die flammende Aglaope die Zinober / und die von Golde geschwängerte Danae das hohe Gold der Maaßblume für. Im vierdten Gliede kamen die nach Art der unten grün oben blau gekleideten Nereiden oder Meer-Göttinnen gleichsam traurig herein die in eine Schilfblume verwandelte Syrnix mit ihrer blauen Schwerdt-Lilge /Aglaja mit ihrer Aglay / die in eine Kuh verwandelte Jo mit ihrer süssen Speise der Feilge / die wirthliche Penelope mit ihrer Küchen-Schelle / die für ihren Ehmann zu sterben begierige Alceste mit ihrer Maß-Liebe. Das fünffte Glied der scheckichten Frühlings-Blumen war nach Art der Dryaden oder Wald-Göttinnen mit bund geblümtem Damast vielerley Farben angethan. Die bald weinend bald lachende Andromache bildete die zugleich freudig- und traurigen Farben der Tulipane / die über der Schatten-Umarmung ihres todten Ehmanns sterbende Laodamia die brennende Liebe / die von ihres ermordeten Bruders Absyrtus Blute besprützte Chalciope die fleckichte Anemone von Chalcedon / die in Gold und Seide stückende Omphale / die von der Natur gewürckte Würffel-Blume / und die eitel mit Purper gekrönte Aepfel-bewachende Hesperethusa die Königs-Krone ab. Dem Frühlings-Wagen folgten im ersten Gliede der / wie tantzende Satyren in weiß-raucher Kleidung aufziehender weissen Frühlings-Blumen der sich bückende Narciß / und der den Schnee beschämende Hyacinth /jener mit der Blume / darein ihn seine eigene / dieser mit der / darein seine Leiche des Apollo Liebe verwandelt. Der weisse Brennus mit seinem ihm gleichen Schwerdte / der zerrissene Absyrtus mit seinem Ruhrkraute / und Tityus mit dem Leberklee / gleich als wenn er seiner vom Geyer unendlich gefressenen Leber darmit wieder zu Hülffe kommen wolte. Im andern Gliede der gelben / zeigte sich in Gestalt der hörnrichten Sylvanen oder Wald-Götter in grün-gelber Tracht Atlas mit dem Himmel-Schlüssel / gleich als wenn er die Macht hätte selbten zu öfnen / Bacchus mit dem ihm gewiedmeten Narciß-Stengel / Agamemnon mit seinem Königs-Spieße / Phaeton mit dem ihm an statt des Zepters zugeeigneten Sonnen-Stengel / [1378] und der wegen seiner Vogel / in die seine Gefärthen verwandelt worden / nicht weniger als wegen seiner Tapferkeit berühmte Diomedes mit dem gelb-blühenden Vogel-Neste. Das dritte Glied der rothen Frühlings-Blumen stellten fünf Feuer-roth ausgeputzte Priaper oder Garten-Götter für; unter diesen aber Crocus den Frühlings-Saffran / als die andere Beschaffenheit seines Wesens / und ein nebst seinen Gefärthen in Frosch verkehrter Lycier den Frosch-Stengel / der verliebte Acontius den Frauen-Handschuch / der bey Felsen und Bergen so unglückliche Athamas den Berg-Sanickel / und der durch ein Schwerdt nichts minder geheilete als verwundete Telephus das Blumen-Schwerdt. Im vierdten Gliede stellte in Gestalt Himmel-blau aufziehender Silenen der dem Apollo so angenehme Knabe Cyparissus das blaue Cypreß-Kraut / Adonis das der Liebe dienende Knaben-Kraut / der hundert Armen habende Briareus den nicht ärmeren und den blauen Himmel beschämenden Hyacinth / der geschundene Marsyas den Güntzel / Perseus das Sperben-Kraut; gleich als wenn dis alles weich machen solte / was er durch seinen Medusen-Schild in Stein verwandelt hat. Endlich erschienen im fünfften Gliede wie scheckichte Faunen der funfzig Söhne habende Danaus mit dem eben so Blumen-reichen Purper-Hyacinth / der verschlaffene Alectryon mit seinem ihn gleichsam aufweckenden Hahnen-Fusse; der geile Satyrus Corax mit dem scheckichten Satyrion / der Riese Titan mit seinem Sonnen-Auge / und der sorgfältige Sternen-Vater Astreus mit dem bundten Stern-Kraute.

Nach diesem Aufzuge erschien mit nicht geringerem Gepränge der Sommer. Sein Haupt war mit einem aus Weitzen-Eeren und Sommer-Blumen geflochtenen Krantze gezieret. Das Kleid war purperfärbicht. Am Wagen war der himmlische Krebs / der Löw und Astrea mit geblümten Sternen zu sehen. Den Wagen zohen zwey gantz zahme Löwen. Sintemal in den Blumen-Feyern keine grimmige Thiere gebraucht werden. Für dem Wagen prangten eben so viel weibliche Sommer-Blumen in obiger Nymfen-Tracht. Im ersten Gliede der weissen hatte die schneeweisse Liriope billich den Vorzug mit der glaubhaffter aus ihrer /als der neidischen Juno Milch gewachsenen Lilge. Sie begleitete Galathea mit ihrer gethürmten Milch-Glocke / die in einen Bär verwandelte Calisto mit der Bärenklau / Daphne mit der Lorber-blättrichten Harmel Raute / die schwartz-äugichte Phryne mit der Venus Augenbraue; als welcher Anadyomenisches und Gnidisches Bild nach jener Gestalt gefertigt worden. Im andern Gliede der gelben trug die Mutter der Aertzte Coronis die heilsame Moly-Blume / Vesta die feurige Gold-Lilge / die in einen Hund verwandelte Hecuba die Hunds-Nelcke. Die schwache Beroe stützte sich nut der als Gold-blühenden Stabwurtz / und die mit Kräutern geschäfftige Medea hatte die böse Blume. Das dritte Glied der rothen Sommer-Blumen bestand an der unersättlichen Aegiale mit der brennenden Nelcke / an der zur Flamme werdenden Psyche mit der Feuer-Lilge / an der zarten Mandane mit der Sammet- / an der blutigen Iphigenia mit der Scharlach-Blume / an der Erfinderin des Ackerbaues Polymnia mit ihrer Korn-Rose. Im vierdten Gliede der blauen folgte Ceres mit der Korn- die schwartze Caßiopea und Andromeda / mit der ihr gleichenden Boragen- Blume und Glocke / die traurige Minthe / zu der sie worden / und die Mutter der Musen Mnemosyne mit der Blume: Vergiß mein nicht. Im fünfften Gliede der scheckichten prangete die Susische Königin Sisygambis mit der Susianischen Schwerdt-Lilge / Iris mit der Regenbogen-färbichten Lischblume / die zur Spinne werdende Arachne mit der bundten [1379] Spinnenwebe / die Papegoyen-Königin Pandea des Indischen Hercules Tochter mit den blühenden Papegoy-Federn / Camille mit der Blume ihres Nahmens und letzten Wesens. Dem So er-Wagen folgten in obiger Bock- und Ziegen-Tracht eben so viel mäñliche Sommer-Blumen /und zwar im ersten weissen Gliede der schwartze Schlüssel-Gott Pluto mit der ihn desto besser abstechenden weissen Schlüssel-Blume. Sein fast ungewöhnlicher Gefärthe war Aristeus des Apollo und der Cyrene Sohn / welcher wegen des von ihm erfundenen Honigs das Bienen-Kraut erkieset hatte. Neben ihm war Neptun mit weissem Klee / weil er mit dessen Süßigkeit vielleicht die Bienen-Mutter Melissa zu mehrerm Beyschlaffe locken wolte; die Mauer und der Schirm der Stadt Troja Hector mit dem Königs-Spieße. Endlich der / Himmelstürmende Tiphon mit Hochmuth. Im andern Gliede der gelben befand sich der Sohn der Morgenröthe Memnon mit dem Sonnen-Wirbel; Orion mit dem heilsamen Scorpion-Schwantze / vielleicht: daß Diane ihn durch dis gifftige Thier nicht noch einmal tödten könne / Castor mit seinem Biber-Kraute / der Schiffer Aug-Apfel Pollux mit seinem güldenen Bacillen-Kraute oder Meer-Sterne / und Tithonus mit dem Blumen-Kraute: je länger je lieber; durch welches er die Morgenröthe bezaubert: daß sie ihn in seinem runtzlichten Alter so sehr als in seiner glatten Jugend lieben müssen. Das dritte Glied der purperfärbichten hielt der Urheber des Persischen Reiches Cyrus mit dem Pers- oder Scythischen Bunde / der scharffe Minos mit dem Bley-Kraute / der sich in einen Ochsen verwandelnde Jupiter mit dem Rind-Auge / der seine für ihn sterbende Alcestis mit täglichen Grabe-Liedern verehrende Admetus mit Ehren-Preisse / und der die Lufft einbisamende Zephyrus mit seinem blühenden Berg-Balsam. Im vierdten Gliede der blauen ließ sich der Kern der Grichischen Helden / Achilles mit Rittersporn / der lahme Silenus mit seinem Geißblatte / Corydon mit dem Augen-Troste der Schäfer / nemlich dem Quendel; der dem Hercules beliebte Hylas mit dem ihm / als dem Vorsteher des Badens / gewiedmeten Bade-Kraute / nemlich dem Lavendel / und der schwartze Cepheus mit dem Mohren-Kraute sehen. Im fünfften Gliede der scheckichten hatte ihm Alcidamas den Tauben-Fuß / darein seine Tochter verwandelt worden / der versorgende Triptolemus die Hauß-Wurtz / Morpheus den schläfrigen Mah / Vulcan das einen Zepter abbildende Erdspin nen-Kraut / weil er den ersten dem Jupiter so künstlich gemacht: daß die Cheroneer ihn göttlich verehret haben; und endlich der kriegerische Troilus das Schild-Kraut.

Hierauf erschien die Göttin der Blumen selbst in einem kleinen sich bewegenden Lust-Garten / darinnen die Gänge mit Inngrün und niemals verdorrendem Winden-Kraute umwunden / die Bethe mit allerhand Blumen besätzt waren. Gleicher Gestalt war ihr Rock aus tausenderley Blumwerck zusammen gestücket; auf dem Haupte aber trug sie einen Krantz von niemals verwelckenden Amaranthen. Bey diesem währenden Blumen-Aufzuge sang sie selbst mit einer durchdringenden Stimme:


Ich bin die Blumen-K \nigin /

Die Welt- und Himmels-Gårtnerin.

Denn Berg' und Thal / Gebůrg' und Wiesen fången

Die edlen Blumen nicht allein.

Sie wachsen in Kristall und Stein /

Sie lassen sich in Ertzt und Muscheln zeugen.


Die Flůsse / Seen und das Meer

Sind nicht von Klee und Feilgen leer /

Ja Vorwitz hat so wol die Pracht

Ansteinenen geblüm't / und Rosen aus Kristallen /

Als die sich in der Lufft versteinernden Korallen

Aus Thetys Schooß ans Licht gebracht.


[1380]

So ist's auch nur ein Alb-Bild im Gehirne:

Daß einig Stern ein Bär sey oder Stier.

Der Erd-Ball stellt ja einen Garten fůr

Durch meiner Blumen irrdische Gestirne.

Der Himmel aber ist ein Garten / seine Sternen

Sind Blumen. Der neun hellen Sternen Glantz

War vor der Zeit der Ariadne Krantz.


So mögt ihr euch fůr mir schamröthig nur entfernen /

Ihr G \ttinnen der andern Jahres-Zeit;

Weil Ceres nur allein im Sommer Korn abmeiht /

Pomone nur den Herbst ausziert mit Obst-Gerichten /

Der Himmel auch nur prangt mit Blumen / nicht mit Frůchten.

Hingegen ist mein Schmuck des gantzen Jahres Kleid /

Den nicht der Reiff des Herbstes kan entfårben /

Der Sommer nicht versengen und verterben /

Des Winters Frost nicht tilgt / der alles sonst verschneit.


Kein Kraut / kein Baum bringt seine Frucht herfůr /

Die nicht vorher mit Blůth' und Blumen pralen.

Der Pomerantzen Purper-reiche Schalen

Sind doch beschämt durch ihrer Blůthe Zier.

Die Nuß giebt nach der Blume der Muscaten;

Und der Geschmack der Aepfel von Granaten

Weicht ihrer Blůth an Farben und Geruch.

Das fette Feld ist ein Schmaragden-Tuch /

Eh' als man kan einerndten reiffe Saaten.

Mein Blumwerck hegt so gar wie Trauben Wein und Most /

Dient Menschen zur Artzney / und Bienen zu der Kost.


Ja meiner Blumen Purper giebt

Der Lieb' ein Wohn-Haus ab / der Wollust eine Wiege.

Jedweder Stengel ist ein Merckmal ihrer Siege.

Denn alle Blumen sind verliebt /

Ihr gut Geruch ist ihrer Seele Sehnen /

Die Farb' ihr Brand / der Thau die Liebes-Thråuen.


Auf diese Blumen-Göttin folgte der Herbst in einer etwas ältern Gestalt. Er war gelbe gekleidet. Unter dem Arme hatte er zwar ein Horn des Uberflusses mit vielerley Baum-Früchten; aber es war eben so wohl mit Herbst-Blumen umbflochten / als sein Haupt darmit bekräntzet. An dem Wagen war die Wage / der Scorpion und der Schütze mit gestirnten Blumen gebildet / und selbten zohen zwey weisse Kühe mit vergüldeten Hörnern.

Für dem Wagen hielten gleicher gestalt fünff und zwantzig weibliche / und nach ihm so viel männliche Herbst-Blumen in ebenmässiger Nymphen- und Satyren-Tracht ihren Aufzug. Im ersten Gliede der weissen leuchtete die Königin und Göttin der Syrier Atargatis mit ihrer Damascenischen Musch-Blume herfür. Ihr both aber Tamyris mit der Serischen Mogorin / und beyden die bittere Myrrha mit der ihr nahe verwandten Socotrinischen Aloe beyden Kampf an. Diese begleitete Briseis mit der Schaf-Garbe / als einer ihrem liebsten Achilles angehörigen Blume; und die in eine Pappel verwandelte Phaetusa mit der Pappel-Blume. Im andern Gliede der gelben pralete Helena mit der nach ihr genennten und aus ihren Thränen entsprossenen Aland-Blume / weil sie durch selbte den Griechen und Trojanern die Vergessenheit alles ausgestandenen Ubels eingeflösset. Dido mit ihrer Africanischen Sammet-Blume / die sich ins Wasser stürtzende Ino mit der daraus entsprossenen Serischen Wasser-Lilge; die von der Sonne geschwängerte Königs-Tochter zu Babylon Levcothoe mit der Sonnen-Krone / und Lampetie mit der ihrer Mutter der Sonne gewiedmeten Rhein-Blume. Das dritte Glied prangte mit eitel Purper / und zwar das Auge der Dianischen Gespielen Opis mit dem Auge der Blumen / nemlich der Indianischen Nelcke; die in einen Wein-Stock verwandelte Staphyle mit der Wald-Rebe / die zum Felsen gewordene Aglauros mit der Stein-Nelcke / Dryope mit der Blumen- und fruchtreichen Staude / darein sie verkehrt worden / nemlich der Colocasia oder Egyptischen Bonen-Blume. Proserpina mit der unschätzbaren Peonie / mit welcher Peon ihren vom Hercules verwundeten Ehmann Pluto geheilet hat. Im vierdten Gliede der blauen erschien die durch den Blitz gebehrende Semele mit der Flamme Jupiters; Semiramis mit ihrer Rose von Jericho / die versteinerte Niobe mit ihrer blauen Stein-Wirbel-Blume / die über ihrem Rocken sitzende Alcithoe mit ihrer Lein-Blume; welche diese Liebe [1381] nicht vergessen kan / ungeachtet sie darüber zur Fleder-Maus / und ihr Gespinste zu Weinreben worden. Für allen andern aber gläntzte die von dem Preiße nichts minder / als ihre Blume den Nahmen führende Clymene mit der preißwürdigen Jucca. Im fünften Gliede der scheckichten führte die verliebte Clytie diß / worzu sie worden war / nehmlich die sehnsüchtige Sonnen-Wende; die nasse Cymodoce die Feld-Rose / darein der von ihr erzogene Adonis verwandelt worden; Melissa ihre den Bienen so angenehme Melissen-Blume; die bald über bald unter der Erde scheinende Hecate / die Tag und Nacht auf ihren Blättern habende Indische Nelcke; über alle andere aber ragte die rennende Atalanta mit ihrer Atlantischen Aloe das Haupt gegen dem Himmel; welche alle Blumen an Höhe und Geschwindigkeit des Gewächses übertrifft. Unter den männlichen hatte in dem Gliede der weissen Jason mit dem Jasmin / welchen er nebst dem güldenen Wieder als ein seltzames Kleinod mit aus Colchis gebracht / nebst ihm sein scharffsichtiger Reise-Gefärthe Lynceus mit Augen-Troste; der Fischer Glaucus mit seinem vergötternden Ibisch; der geitzige Myrtillus mit dem Silber-Eneas mit dem Asch-Kraute / dardurch jener sein / dieser seines Vaterlandes Unglück ihm indenck machte. Im andern Gliede der gelben hatte der sich in einen Brunn verwandelnde Acis sich mit den Brunnen-Blumen / nemlich Narcissen / Phryxus sich mit dem vom güldenen Wieder gefärbten Berg-Saffran / der von der Morgen-Röthe geliebte Cephalus mit dem Hauptstärckenden Gold-Jasmin aus Morgenland / der Bären-Hütter Arcas mit Bären- und Midas mit Heidnischem Wund-Kraute oder der güldenen Rutte ausgeputzt. Im dritten Gliede der purpernen zeigte sich Sardanapal mit dem Serischen Blumen-Könige /gleich als wenn diese Blume ihn des König-Tittels würdig machen solte. Porus wieß sein Indianisch Blumen-Rohr / der Schiffer Argus seinen Colchischen Herbst-Stengel / Calanus das Indische Bilsen-Kraut /Cissus den Cilicischen Epheu / darein er verwandelt worden. Das vierdte blaue Glied bestand am Philoctetes mit dem kräfftigen Flecken-Kraute / wormit des Vulcanus Priester ihn von dem bey des Smyntheischen Apollo Altare empfangenen Schlangen-Stiche heileten; Priamus tröstete mit dem erfreuenden Kraute Nepenthes / damit er ihm alle Betrübnüsse verzuckert; Geryon nach dem ihm vom Hercules abgenommenen Ochsen mit der in seinem Gebiete wachsenden Ochsen-Zunge; Amphion hatte das vom Mercur empfangene Bingel-Kraut / durch dessen Hülffe er nach verlohrnen funfzig Kindern seine verzweifelnde Niobe noch einmal fruchtbar machen wolte. Endlich prangte der Geist des Indischen-Flusses Tubero mit seinem aus knollichter Wurtzel wachsenden Hyacinth-Stengel. Das letzte Glied der männlichen Herbst-Blumen beschloß der wegen verrathener Proserpina in eine Nacht-Eule verwandelte Ascalaphus mit Nacht-Schatten / der zur Schlange wordene Cadmus mit seinem Drachen- und Schlangen- / Eupator mit seinem erfundenen Hanff-Pyramus mit dem von seinem Blute befleckten Wiesen-Kraute. Zuletzt ließ sich Ajax mit dem Herbst-Hyacinth; worauf sein Nahme gewachsen / sehen / und meynte darmit für allen Sterblichen so wohl als die Blume für andern einen Vorzug zu haben.

Endlich erschien in den Schrancken der graubärthichte Winter / dessen Krantz aus Winter-grün / das Kleid aus Buchsbaume zusammen gewunden war. Am Wagen standen mit gestirnten Blumen der Steinbock / der Wassermann und die Fische gebildet; ihn zohen zwey beschneyete Renn-Thiere. Vor und hinter dem Wagen zohen gleichfalls in obiger Kleidung funfzig Blumen auf / welche [1382] entweder das gantze Jahr durch / oder nur im Winter blühen und grünen. Im ersten Gliede der weiblichen weissen erschien die vom Jupiter in einen veilgen-farbichten Ochsen verwandelte Isis mit der weissen Hornungs-Veilge / die ihr gleich-gestallte Europa mit der Kalb-Lischblume / die vom Schnee den Nahmen führende Chione mit den Schnee-Tropfen; die schnee-weisse Levcoja mit der ihren Nahmen führenden frühen Zeitlose; Deianira mit der ihrem geliebten Achilles gewiedmeten Edelgarb. Im andern Gliede ließ sich die gelbe Xantho mit der gelben Hornungs- die unverwundliche Cönis mit der Drat-Blume / Scyalle mit der Meer-Zwiebel / darein sie verkehrt worden / Euphrosyne des Eteocles Tochter mit der Garten-Zypresse /darein sie verwandelt worden; die Königin des Taurischen Chersonesus Hecate / die Erfinderin der giftigen Kräuter mit der giftigen Nelcke aus Indien sehen. Das dritte Glied der rothen führte Candace mit der Strauß-Feder / die wäßrichte Arethusa mit der Erd-Aepfel-Blume; die nicht-weniger brennende / als schöne Cleopatra mit der Scharlach-Nessel; die zu Anschauung der Gestirne gleichsam geborne Aglaonice mit der der Soñe folgenden Ringel- und Arsinoe mit ihrer aller Fäulnüß und Gifft widerstehenden Kreutz-Blume; dardurch ihr Bruder so wol für den Würmern ihre Leiche verwahret / als durch das Magnetische Gewölbe ihr eisernes Bild im Alexandrinischen Tempel schwebend in die Lufft gezogen hat. Im vierdten Gliede der blauen gab Thysbe mit der von ihrem Blute besudelten frühen Mertz- die aus der Höllen herfürkommende Eurydice mit der in blauer Trauer gehenden Hornungs-Blume; die sich und ihren sie besteckenden Vater durchstechende Cyane mit der schwartz-blauen Früh-Veilge; die ihr gleichende Lucretia mit der Degen-Blume ihre Bestürtzung in Tag. Die den Jupiter mit Ziegen-Milch und Honig auferziehende Amalthea hatte die Geiß-Blume. Das fünfte Glied der scheckichten bestand an der blättrichten Phillodoce mit der Blumen-reichen Zaum-Glocke / an der ihres Hauses Unglück webenden Philomela mit der Spinn-Blume; an der die Menschen in Löwe /Bären und Tiger verwandelnden Circe / mit der fleckichten Tiger-Blume. Die bestürtzte Progne und Procris weiseten die mit ihrem Blute betröfelte frühe Mertz- und Hornungs-Blume. Unter den männlichen führte das weisse Glied das Schoß-Kind der Venus Paris mit dem Frauen Haare; der für Liebe gegen die silberne Argyra zerflüssende Silemnus mit dem Silber-Blate; der zu ewigem Froste vergebens gewiedmete / und durch eigene Hand erblassende Atys mit dem Winter-Hyacinth; der schöne aber unglückliche Astyanax mit dem Winter-Narciß; der Hirte Theodamas mit der Hirten-Tasche oder dem Blut-Kraute /damit er seinen vom Hercules empfangenen Wunden das Blut zu stillen bemühet ist. Im andern Gliede der gelben erschien Icarius mit seinem Trauben-Hyacinth / mit dem er sich statt des vom Bacchus empfangenen Wein-Stocks vergnügen muste / weil er sich dessen so schädlich mißgebraucht / Lycaon mit seinem Wolffs-Stengel / Nisus mit dem Winter-Saffran umb die ihm zum Verterben von seiner Tochter Scylla abgeschnittenen Haare zu ersetzen; der frühzeitige Herrscher Icarus mit dem gelben Winter-Narciß / und der von seinen gelben Haaren berühmte Menelaus mit Wintergelbe. Im dritten Gliede trug der weise Pherecydes den niemals verwelckenden Amaranth oder Tausendschön; dardurch dieser erste Lehrer dieses Geheimnüsses in Griechenland die Unsterbligkeit der Seelen vorbildete. Machaon den gesunden Bathengel / [1383] der weise Jäger und Schütze Chiron mit dem Niese-Kraute / damit er seine Pfeile anzumachen pflegte; der Hunds-Stern Sirius mit dem Hunds-Zahne / und Acteon mit dem gelben Winterlichen Hahnen-Fusse. Das vierdte Glied der blauen bestand am Archimedes /welcher als der Haupt-Künstler in Spiegeln ihm den Frauen-Spiegel zugeeignet hatte. Der vom Löwen zerrissene Jäger-Knabe Hyas hatte ihm den Winter-Hyacinth; der vom Rauche den Nahmen führende ungeheure Sohn der Erde Typheus den Erd-Rauch / Zevxes den Garten-Scharlach / und wegen des ihm gewiedmeten Hahnes Esculapius den blauen Winter-Hahnen-Fuß. Endlich kamen die bundten Winter-Blumen auch ans Licht / und zeigte sich der gütige Chrysanthes mit dem güldenen Klee / Alcydes seiner geliebten Omphale zu Liebe mit dem nach ihr genennten Nabel-Kraute / Hyrius mit dem Harn-Kraute zum Gedächtnüsse seines aus der Götter Garne gezeugten Sohnes Orion / Cinyras der Myrrha Ehmann mit dem Mastich-Kraute / und sein das köstliche Balsam-Geschirre zerbrechende Knabe Amaracus mit dem Winter-Majoran / darein er aus Bestürtzung verwandelt wor den. Alle vorerwehnte Personen hatten von denen ihnen zugeeigneten Blumen auf dem Haupte und umb beyde Armen Kräntze / welche entweder natürlich oder von Seide waren.

So bald die Blumen-Göttin ihren Gesang geendigt hatten / fiengen auf einem zwölffeckichten Thurme /welcher nach dem vom Andronicus zu Athen erbautem gemacht zu seyn schien / und an ieder Seite eines Windes Bildnüß hatte; die West- und Mitternacht-Winde / derer jene ein Lufft- diese ein Wasser-farbenes Drey-Eck in der Hand führten / mit Paucken und einer Art Posaunen ein kriegerisches Gethöne an /welche denen Hispanischen Narcissen gantz ähnlich waren / die über ihre sechs ausgebreitete Blätter einen langen holen Hals hervor streckten; gleich als wenn die Werckzeuge / wordurch die Ohren vergnügt werden solten / nach denen die Augen so sehr erfreuenden Blumen gebildet werden müsten. Nach diesen hielten die vier Theile der Welt umb die Blumen-Göttin herumb ein sehenswürdiges Rennen / worinnen die Rehe / die Löwen / die Kühe und Renn-Thiere sich in denen schnellen Umbwendungen und Ringel-Drehungen nicht anders als zugerittene Pferde herumb werffen liessen. Endlich setzten sie sich harte an die Blumen-Göttin an / und zwar der Frühling gegen Morgen / der Sommer gegen Mittag / der Herbst gegen Abend / der Winter gegen Mitternacht. Nach welcher Ordnung sich nunmehr die Blumen der vier Zeiten ausbreiteten. Der auf vorerwehnten Thurmes Spitze stehende Triton wendete sich hiermit gleichfalls umb gegen die Mittags- und Ost-Winde; derer jene ein feuriges / diese ein grase-grünes Drey-Eck zum Zeichen hatten /beyde zusammen aber liebliche Seitenspiele anstimmeten. Hierzu fiengen an allen vier Enden die Blumen einen lustigen Tantz an / in welchem die weiblichen Blumen sich mit denen männlichen bald vermengten /bald wieder absonderten / und zwar so künstlich: daß man iedesmals ihre genau beobachtete Ordnung nach ihren fünferley Farben unterscheiden konte. Beym Ende ieden Satzes stellten sich die männlichen und weiblichen absonderlich; und kam iedesmals in das Mittel eine andere Blume / umb welche die andern Blumen ihrer Farbe einen Kreiß machten / und sich gegen ihr als ihrer Fürstin neigten. Die anderfärbichten Blumen aber bildeten mit ihrer artlichen Stellung die Gestalt der so denn in der Mitte [1384] stehenden Blume ab. Diese Abwechselung geschahe fünf und zwantzig mal / also: daß einer ieden Blume unter denen zweyhunderten diese Verehrung wiederfuhr. Nach diesem Beschlusse fieng die Blumen-Göttin an dieses Innhalts zu singen: Weil die vierfüssigen Thiere den Löwen / die Vogel den Adler / die Sternen die Sonne /die Bienen den Weisel / die Bäume den Oel- oder Granat-Apfel-Baum für ihren König erkennten; und die Blumen ihre Lüsternheit hiernach in dem Tantze an Tag gegeben hätten / wäre ihr Vorsatz ihnen allen ein gleichmässiges Ober-Haupt zu erkiesen. Dieser Vortrag erregte unter den Blumen einen allgemeinen Ehrgeitz solche Würde zu erlangen. Als diese nun unter einander herumb irreten / redete der Frühling singende denen Seinigen das Wort / und führte an: Seine Blumen hätten das Recht der Erstgeburt; der Lentz wäre der eigentliche Vater der Blumen. Sie verdienten so wohl ihrer Schönheit / als Anzahl halber den Vorzug. Denn er hätte allein so vielerley Arten Narcissen / Hyacinthen und Anemonen / als die andern Jahres-Zeiten gar mit einander Blumen. Seine Zeit wäre auch an ihr selbst der Anfang der Welt / die Jugend des Jahres / der Bräutigam der Liebe / und eine rechte Mutter der Wollust. Der Sommer hingegen meynte zu behaupten: Die Frühlings-Blumen wären nur ein Vortrab und Trabanten der recht schönen Sommer-Blumen; ja unzeitige Früh-Geburten des noch unvollkommenen und sich von der Kranckheit des Winters kaum ein wenig erholenden Jahres. Jene wären auch als Töchter einer ohnmächtigen Mutter allzu vergänglich; und flüchtiger als die Calingischen Weiber in Indien; welche zwar im fünften Jahre schwanger würden / aber das achte nicht überlebten. Denn der Frühlings-Blumen Alter erstreckte sich selten über einen Tag. Ja die schönsten unter ihnen hättẽ entweder wie die Tulipen keinen / oder einen schwachen Geruch. Da hingegen die Sommerblumen länger tauerten / und mit ihren Farben nicht nur die Augen bezauberten / sondern mit ihrem Geruche die Lüffte einbisamten. Alle andere Jahres-Zeiten wären zu frostig diese Wunder-Gewächse vollkommen auszukochen. Westwegen in dem hitzigen Cyrene die Blumen besser / als nirgends anders wo rüchen; hingegen selbte in dem wäßrichten Egypten meist Miß-Geburthen ohne Geruch wären. Der Herbst widersprach beyden / und führte an: Er wäre der Vater der Vollkommenheit; die schönsten Blumen rasteten nichts minder / als die vollkommensten Thiere lange in der Schoß ihrer Mutter. Seine ergetzten nicht nur wie die eitelen Frühlings- und Sommer-Blumen das Gesichte; vergnügten den Geruch mit ihrem Bisame; sondern sie sättigten auch mit ihrer Speise / und gäben durch ihre Krafft heilsame Artzneyen ab. Mit einem Worte: Alle andere gefielen meist nur dem Vorwitze / oder dienten bloß zur Wollust / seine aber zum Nutzen. Endlich meynte der Winter niemanden etwas bevor zu geben; sintemal seine mitten aus dem Schnee herfür wachsende Blumen gegen alle andere Wunderwercke wären. Andere Blumen erlangten ihre Zierden aus der Güte des Himmels; die Winter-Blumen aber aus ihrer eigenen Wurtzel Fürtreffligkeit; also: daß Sturm /Schnee und Eiß / welche andere Blumen in einen Augenblicke zernichteten; seiner Blumen Geburt nicht hindern / weniger ihrer Zierde schaden könten. Wie nun diese und andere Gegen-Sätze die strittigen Jahres-Zeiten nicht vereinbaren konten; rennten sie von einander / und rufften ihren Blumen zu: daß sie die Waffen ergreiffen solten. Zum ersten traff der Frühling und Herbst gegen einander; da denn jener auf [1385] diesen / als sie neben einander vorbey jagten / mit Karten-Disteln / dieser auf jenen aber mit Granat- und andern Aepfeln warff. Ihre Blumen traffen auch von Gliede zu Gliede auf einander / und zwar warff iede Blume mit einem Püschel Blumen auf seinen Feind /welche alle ihrer Farbe waren / nemlich die weissen mit weissen / die rothen mit rothen und so fort. Sie verwechselten aber ihre Glieder derogestalt: daß allemal zweyerley Farben Blumen gegen einander fochten / und also durch solche Vermischung so wohl der Blumen an sich selbst / als ihrer unschädlichen Kugeln / die Augen sich überaus erlustigten. Auf gleiche Weise traten nun auch bald der Sommer und Winter gegen einander. Des Sommers Geschoß waren Schwämme / des Winters die so genanten Schnee-Ball-Blumen. Und folgten beyder Zeiten Blumwerck mit gleichmässigem Gefechte. Wie sich nun iedes Theil nach einander herumb schwang / fielen der Frühling und Sommer / der Herbst und Winter / das dritte mal der Frühling und Winter / der Sommer und Herbst mit denen nachfolgenden Blumen einander an. Diesen Kampf aber unterbrach die Blumen-Göttin mit ihrem nichts minder lieblichen Gesange / als anmuthigem Antlitze; darinnen sie denen Jahres-Zeiten zu verstehen gab: daß ehe einer ieden Zeit Blumen mit fremden umb den Vorzug kämpften; sie unter sich selbst einen König erwehlen solten. Diese Anweisung erregte unter denen Blumen einen vierfachen bürgerlichen Krieg; indem keine Zeit-Blume so klein oder niedrig war; die ihr durch eine ehrsüchtige Heucheley nicht wie der Schnee-König für dem Adler ein Vor-Recht zueignete. Unter denen Frühlings-Blumen trug das Haupt überaus empor die zweyfache Anemone. Die Chalcedonische rühmte sich: Sie wäre aus dem Schnecken-Blute des Adon; die blassere: Sie wäre von denen Thränen-Perlen der Venus entsprossen; sie prangte nicht nur mit dem Königlichen Purper / sondern mit allen andern hohen Farben. Sie beschämte mit ihren Spiegeln die Pfauen-Schwäntze; ja man hätte ihr auch fürlängst den Königlichen Titul beygelegt. Vom linden West-Wind wäre sie für seine Braut erkieset worden / dem sie nur die Liebe thäte: daß sie bey seiner Ankunft sich öffnete / sonst aber als ein Bild der Keuschheit sich verschlossen hielte. Andere Blumen wären auch nur Kinder einer einigen Jahres-Zeit / sie aber blühete nach dem Unterschiede ihrer eingesetzten Zwiebel im Frühlinge / im Sommer / im Herbst / ja gar im Winter. Der Anemone both der Narciß-Stengel männlich die Stirne / anführende: Er wäre aus dem schönsten Jünglinge der Welt in eine nicht heßlichere Blume verwandelt. Wie er in der ersten Gestalt aus einem eyß-kalten Brunnen eine übermässige Flamme der Selbst-Liebe geschöpft hätte /also könte kein Auge seinen belebten Schnee anschauen / das nicht gegen ihn entzündet würde. Die Natur hätte ihn nicht ohne Ursache mit einem so ausgestreckten Kamel-Halse begabet; wormit er die andern Blumen gleichsam als seine Unterthanen übersehen könte. Er zählte / wie fast alle andere / seine Blumen nicht einzelich; sondern er hätte auch solche Stengel / welcher iede der neun Musen mit einer Narcisse beschencken könte. Diesem widersetzte sich aufs eifrigste die Tulipane mit dem Einhalte: Andere Blumen möchten sich mit einer ertichteten Tobten-Farbe seltzamer Verwandlungen schmücken; sie hätte die künstlichste Mahlerin die Natur mit mehr als zweyhunderterley Farben ausgeputzt / also: daß weder das Gold der Sterne / der Saphier des Himmels / der Schmaragd der Erde / die Perlen [1386] des Meeres / die Rubinen der Schnecken / noch alle andere Farben durch ihre Vermischungen gegen ihr zulangten; zumal sie noch alle Jahr neue Farben / wie Africa neue Wunder gebehre; sie hätte auch nichts an ihr / was nicht etwas göttliches wäre / auser die Sterbligkeit. Wiewohl es der meisten Blumen Eigenschafft wäre in einem Tage ein Kind und ein altes Weib seyn; oder wenn sie lange tauerten / lägen sie heute in der Wiege / morgen kriegten sie Runtzeln / übermorgen würden sie zu Leichen. Der männliche Hyacinth lächelte hierüber / und warff ein: Ihn wunderte: daß der Narciß / dessen Wesen in nichts / als im Wasser bestünde / massen diß vorher seine Mörderin gewest wäre / und noch immer seine Amme abgäbe / oder auch die Tulipane mit ihren vergänglichen Farben ihrer Hoffart eine Farbe anstreichen wolte; da sie doch selbte nicht übers andere Jahr ohne Hülffe der Kunst unverändert zu behalten wüßte; sondern endlich alle Vermischung in eine Bauer-Röthe oder Gelbe-Sucht abschüsse. Sie wäre ein lebloses Gewächse. Denn eine Blume ohne Geruch gleichte einem Leibe ohne Seele. Bey trübem Himmel liesse sie den Muth / bey nassem Wetter das Haupt sincken / bey der Hitze die geistlosen Blätter fallen. Der Hyacinth hingegen prangte fast mit allerhand Farben / aber beständig. Er wiese sich auf einem Bäthe wie Scharlach / auf dem andern wie Perlen. Bald bildete er mit seiner Ascher-Farbe einen die Asche beseelenden Fenix / bald mit seinẽ Berg-blau als ein Archimedes den Himmel / mit seiner Röthe die Wangen der Liebe / mit Vielheit seiner Blumen eine fruchtbare Kinder-Mutter / mit seinem Geruche das gantze wohlrüchende Arabien / und eine schier verschwenderische Wohlthäterin ab. Die Phönicier hätten von seiner Farbe das Muster genommen aus Schnecken-Blute den Königlichen Purper zu färben; die Agathyrsen und die Periegeten in Indien rühmten sich die schönsten Leute in der Welt zu seyn / weil ihr Haar denen unvergleichlichen Hyacinthen gleichte. Seine Gemeinschafft mit der Sonne bestätige: daß sie ihn aus einem ihr lieben Knaben in eine so holde Pflantze verwandelt habe; ja die klaren Buchstaben mit Königlichem Blute auf seinen Blättern: daß er nichts minder ein König der Blumen / als eine Geburt des verwundeten Ajax sey. Die Königs-Krone warff sich hierauf für eine Königin auf; sintemal diese Würde ihr nicht allein die Höhe ihres Stengels / der Purper ihres Kleides / das Gold seiner inwendigẽ 6. Zepter / sondern die gantze Welt durch den zugeeignetẽ Nahmẽ der Königlichen Krone zuerkennte. Welcher Eigenschafft sie auch darmit abbildete: daß sie in iedem Blate zwey perlene Hügel hätte / woraus sie bey Regen- und hellem Wetter stets süsse Tropfen abthränete; zu einem nachdencklichen Merckmale: daß die Kronen auch Quellen der Thränen wären. Alle Hecken erkennten den Egyptischen Dorn-Strauch für ihren König / weil ihre Blätter sich von der Zeit an wie Königs-Kräntze zusammen wickelten; da die über dem Tode des Tithonus bestürtzten Mohren ihre Kräntze auf selbigen Strauch geworffen hätten. War umb wolte man denn ihr die Ehre mißgönnen / wormit sie der Himmel beschenckt / die Natur ausgeschmückt hätte? Aber der güldene Sonnen-Stengel meynte nichts minder unter dem Geblüme / als das grosse Welt-Auge unter den Sternen die Ober-Stelle zu verdienen; der Königs-Krone aber / welche nach Knobloch und Böcken stincke / keinen Fuß breit zu enträumen. Denn wäre sie eine Krone; so wäre er ein Zepter; welches ein eigentlicher Merckmal der Herrschafft als jene wäre. Jupiter und Apollo bedienten sich dessen selbst im Himmel; und Agamemnon wäre von den Göttern selbst damit beschencket worden. Das Sonnen-Auge [1387] wolte nichts minder allen vorgehen. Denn die Soñe wäre das Auge der Welt; seine Blume aber ihrer Schönheit halber gleichsam die Sonne / und also ein rechter Spiegel der Blumen / wie das Auge der Natur. Allein diesen Riesen bot die Zwergin die Meyen-Blume Kampf an; und meldete: Sie suchten ihre Hoheit nur aus der Schale ihres prächtigen Nahmens zu behaupten; sie aber aus ihrem fürtreflichen Wesen. Denn sie wäre die rechte Thal-Lilge / und so voll Geist: daß wie an der Nachtigall mehr Gesang als Vogel / also an ihm mehr Geruch als Blume wäre. Dahero sie nichts minder wegen ihrer vereinbarten Tugend / welche die Lebens-Geister der Ohnmächtigen selbst wieder beseelete / ja die Leiche des Eßigs in heilsame Stärckung verwandelte / allen grössern Blumen als eine Dattel einem Kirbse / und der Paradis-Vogel einem Trappen vorgezogen zu werden verdiente.

Unter denen Sommer-Blumen erhob sich keine geringere Zwytracht. Die Lilge rühmte sich eine Königin aller Blumen; weil sie aus der Milch der Götter-Königin / nemlich der cypersüchtigen Juno entsprossen; ihr Stengel der höchste / ihre Farbe die vollkommenste / ihr Geruch kräfftiger als Balsam / ihre Thräne ihr selbst eigener Saame; ihre Blätter voll Oel und Salbe / ihre Krafft eine nützliche Artzney / ihr Safft ein Ursprung des Honigs; und sie inwendig mit Golde gekrönet / und an statt der Dornen mit Anmuth gewafnet wäre. Die sich für eine Lilge rühmende Meyblume wäre gegen ihr ein kaum sichtbarer Kriepel / und noch dazu unfruchtbar. Denn seine Blumen hätten keinen Saamen / und stürben durch ihre Verwelckung nicht nur ihr / sondern gar der Nachwelt ab. Daher diese pucklichte Zwergin mit ihrem gebückten Halse sich gar billich für ihr in düstere Thäler verkrieche. So feind die Bienen dem Oele sind / so entrüstet stellte sich auch das Bienen-Kraut gegen die ölichte Lilge. Es führte für sich an: daß es das Labsal der keuschen und gerechten Bienen / und der Brunnquell des Honigs wäre; wormit die heilige Priesterin der grossen Göttin Jupitern auferzogen / den Sterblichen den Zucker des himmlischen Nectars zugefrömet / ihnen ein Mittel das Leben zu verlängern / und ihre Leichen für der Fäulnüs zu verwahren / ja sich von Sünden und Traurigkeit rein zu bewaschen geschencket hätte. Seine Blume und Kraut wäre ein Tod der Traurigkeit /eine Uberwinderin des Gifftes / und eine Aertztin aller Frauen-Kranckheiten. Die Susianische Schwerdt-Lilge rückte dieser hingegen für: Wie das Honig ein Bild des Todes wäre; also wäre auch an seiner Blume nichts lebhaftes. Sie hingegen wäre auf Erden / wie der Regenbogen im Himmel ein Begrief aller schönen Farben / ein Wunder der Augen / und eine Königin der Blumen / wie ihr Vaterland Persien / anderer Länder. Alleine sie ward von der Nelcke verhönet uñ ermahnet: Sie möchte sich mit ihrer wäßrichten Eitelkeit für ihrem Feuer nur unter das Wasser des Flusses Euleus verkriechẽ / und aus ihres Vaterlandes breñenden Hartztbruñen mehr Feuer an sich ziehen. Deñ der Nelcken starcker Würtz-Geruch wäre ein selbstständiger Geschmack der Indianischẽ Nägel. Alle Farben der Welt müsten ihr zum Pinsel dienen /dadurch er sich öfter / als Proteus verkleiden könte. Und wie kein Apelles mit seinem Pinsel ihre Schönheit ausdrücken könte / also wäre sie der rechte Mahler der Gärte. Beyden widersprach ins Antlitz das Knaben-Kraut: die vielen Farben der Nelcken wäre eine gemeine Kleider-Verwechselung; das Knaben-Kraut aber bildete auf seinen vielen Blättern die Gestalten allerhand Thiore / ja der Männer und Weiber mit einer wundersamen Röthe ab. Seine Kräfften überstiegen das Vermögen aller andern Pflantzen. Denn sie zündeten in denen eyskalten Adern den Zunder der Liebe an; und machten [1388] gleichsam die todten Steine rege und lebhafft. Dahero sie die Liebe nicht nur auf der Welt den Blumen; sondern auch allen Einflüssen der Gestirne vorzüge. Alleine die gelbe Molyblume rühmte sich ein Kind des Mercur / und eine Uberwinderin aller Zauber-Künste zu seyn; welche auch den Monden aus dem Himmel zu ziehen / und die Sonne zu beflecken vermöchte. Durch sie hätte Mercur Ulyssen von allen Zauber-Künsten der Circe befreyet / und also wären ihre Kräfften so wenig mit Golde zu bezahlen / als ihre Farbe des edelsten Ertztes Glantze was nachgäbe. Für dieser aber meinte noch zu gehen die Peonie; welche ihr aber vielmehr mit dem Nahmen der Königs-Blume heuchelte / und sich rühmte: daß sie nichts minder wegen Vielheit der Blätter / und ihrer Scharlach-Röthe eine Königin / als eine Tochter schattichter Berge / und eine Mutter der Gesundheit wäre. Daher die Artzney-Kunst nicht weniger von ihr / als ihrem Bruder dem eben diesen Nahmen führenden Steine / der die Weiber fruchtbar machte / und die Geburt erleichterte / einen Titel geborgt hätte. Hierwider aber sätzte sich der Sonnen-Wirbel; als welchem ein unbenehmliches Vorrecht geben solte: daß er durch eine verborgene Zuneigung eine richtige Sonnen-Uhr / und eine beseelte Leiche der verliebten Clytie abgäbe; also auch bey wölckichtem Himmel niemals sein Ziel der güldenen Sonne fehlen könte; des Nachts aber aus einer traurigen Sehnsucht die Blume gantz zusammen züge. Er hätte die Eigenschafft den gifftigen Schlangen und Scorpionen zu widerstehen / und die Ameissen zu tödten. Uber dis stritten für seinen Obsieg die niemals verwelckenden Blätter; da fast alle andere früh in der Wiege liegende Blumen / des Abends schon in Sarch kämen. Da aber die Verwandschafft einiges Vorrecht geben könte / hätte er einen verschwisterten Stein /der von der Natur mit blutigen Sternen besämt wäre /der der Sonne einen Spiegel abgäbe / ihre Finsternüsse zeigte / im Wasser ihre Strahlen erhöhete / und den Zauberern zur Unsichtbarkeit diente. Allein auch diesem wolte sich das Stern-Kraut fürzücken / weil selbtes auch die Finsternüs der Nacht zu bemeistern / und dardurch dem Gestirne gleich zu werden wüste. Endlich warf sich auch die Blume der welschen Bärenklau für eine Königin auf; und rühmte ihre Schönheit daher: daß die fürtreflichsten Bildhauer ihre zierlichen Blätter in die köstlichsten Marmel- und Ertzt-Seulen einätzten.

Nichts minder gieng der Krieg unter den Herbst-Blumen an. Denn die Damascenische Musch-Blume meinte: daß ihre Farbe ein Ebenbild der Keuschheit /ihr Geruch aber der Kern des wolrüchenden Musches wäre. Die Griechische Aloe rühmte nichts minder ihre Gestalt / als den bittern Safft ihrer Wurtzel wegen seiner heilsamen Artzney-Krafft / und daß er durch unversehrliche Erhaltung der Leichen die Vergängligkeit entkräfftete. Der Jasmin hingegen rühmte sich Krafft seines Geruches eine Seele der Entseelten; Krafft seiner unzählbaren Blumen gleichsam ein Briareus zu seyn; welcher mit hundert Armen seine Schönheiten ausbreitete. Allein diese vergeringerte die Mogorin-Blume / welche sich für eine Einbisamerin gantz Indiens hielt / und den Jasmin / der Gestalt nach / zwar für ihren Bruder erkennte / mit einer Blume aber ein gantz Hauß anzufüllen / und also tausend Jasminen wegzustechen vermeinte. Die preißwürdige Jucca erkennte den Jasmin und die Mogorin zwar für ihr Geschwister / aber sie hätte das Recht der Erst-Geburt /und die Kräffte einer Blumen-Riesin. Denn sie triebe ihren Stengel drey Füsse hoch / und der Vorrath ihrer wolrüchenden Blumen machte sie zu der reichsten unter allen Herbst-Blumen. Ihre öfftere Fruchtbarkeit aber züge sie der nur einmal gebährenden Atlantischen Aloe für. [1389] Allein diese hierdurch angestochene Riesin reckte über alle Blumen ihr Haupt empor / und meinte den königlichen Krantz keiner andern zu gönnen. Sintemal sie / bey der zwar langsamen / aber es reichlich-einbringenden Geburt ihres Blumen-Stengels / an geschwindem Wachsthum die Zedern übereilte / und an Menge der wolrüchenden Blumen es allen in der Welt zuvor thäte / ja ihre Kinder zu hunderten zehlte. Gegen dieser aber lehnte sich der grosse Hyacinth mit den knollichten Wurtzeln auf / und stellte ihr zum Gebrechen aus: daß sie alsdenn erst Blumen brächte / wenn sie ein funfzig- oder hundert-jährig altes Weib würde; also ihren wolthätigen Pflantzer ins gemein mit vergebener Hoffnung speisete / und meist ehe ihn sterben ließe / ehe sie schwanger würde; ja mit ihrer ersten Geburt auch alsofort untergienge und verdorrete. Sie hingegen trüge alle Herbste nicht viel weniger Blumen / als die Aloe; also: daß ihr mit Gewalt und schier sichtbar emporstossender Stengel den Nahmen eines gantzen Blumen-Gartens verdiente. Seiner BlumẽGeruch überträffen dẽ der Aloe und der Jasminen. Er vergleichte sich der kräfftigsten Pomerantz-Blüte / ja wenn die untergehende Soñe andern Gewächsen fast allen ihren Geist entzüge / vergrösserten seine Blumen ihre Balsam-Krafft / umb die gleichsam ohnmächtige Welt die Nacht über zu erquicken. Nach diesem stellte sich auch der Saffran zur Schaue; anziehende: daß mit seinen güldenen Haaren die Liebes-Göttin ihre untermengte; seine güldene Eeren noch die Fruchtbarkeit der güldenen Zeit abbildeten / und die Welt in ihn noch so verliebt wäre / als jemahls das Epheu gewesen. Er hätte die Krafft die Trunckenheit / ja die grausamen Krokodile zu vertreiben; die Ehre die Schauplätze einzubisamen; und die niedlichsten Speisen anzuwürtzen; die Wunden zu heilen / oder auch gar der Traurigkeit abzuhelffen. Westwegen nichts minder die Eumenides / als Ceres den Saffran ihnen zu einem Heiligthume zugeeignet hätten. Dem Saffran fiel die Aland-Blume in die Haare / und zohe an: Sie wäre der schönsten Frauen in der Welt schönste Geburt / und milterte nicht nur die Traurigkeit / sondern sie vergrübe alles Leid in das Nichts der Vergessenheit. Aber alle diese wolte die Sonnen-Krone verdringen; welche ins gemein sechs und zwantzig / offt auch gar viertzig Schuch hoch ihr Haupt empor thürmete / und also nicht nur alle Blumen in gebückter Demuth unter sich sähe /sondern auch hohen Bäumen zu Kopfe wüchse. Diese ungeheure Blume verhöhnete das Sonnen-Auge; weil sie eine Schale ohne Kern; hingegen dis ein Kern ohne Schale / ja ein recht heilsames Marck der kräfftigsten Artzneyen wäre. Westwegen diese Blume die Minerva ihren vom Tempel gefallenen Pericles im Traume als sein einiges Genesungs-Mittel gewiesen; die Königin Artemisia auch als ein Labsal ihres Traurens für allen andern Blumen verehret hätte. Gegen dieser streckte auch ihr zehn Füsse hohes Haupt die Egyptische Colocasia herfür / rühmte nicht nur die Grösse ihrer Blätter / und ihre mit einer süssen Frucht trächtige Häupter oder Kelche / welche nach abgezinseten Bohnen Trinck-Geschirre abgäben; sondern auch ihre süsse Zwiebeln / welche nichts minder zu einem kräfftigen Liebes-Zunder / als einer köstlichen Speise dienten; und sie daher als ein Wunderwerck /ja als eine die Glückseeligkeit gleichsam mit sich führende Pflantze in den Römischen Gärten sorgfältig unterhalten würde. Endlich beruffte sich der Serische Blumen-König auf seine unvergleichliche Schönheit /für welcher Glantze alle weisse Blumen schamroth würden / alle gefärbte wie die Sternen für der Morgenröthe erblaßten. Er gründete sich auf das für ihn schon gefällete Urthel der klugen / und allein zwey Augen habenden Serer; welchem kein ander ein-äugichtes Volck [1390] widersprechen könte. Der Colchische Herbst-Stengel brach ein: Seine Lands-Leute die Thibier wären scharfsichtiger als die Serer; denn sie hätten Zwey-Aepfel in Augen; diese aber erkennten ihn für den Fürsten aller Blumen. Denn weil er mit allen Farben in der Welt prangte / könte man in seiner Anwesenheit aller andern entpehren. Das Haar der Venus aber wolte noch schöner und kräfftiger seyn. Denn das Haar wäre der Löwen und Menschen schönster Schmuck / ein Kennzeichen der edlen Freyheit; ja die Strahlen der Gestirne wären nichts anders als ihre Haare / und seine Blume der Strahl der Blumen.

Zuletzt war der stürmische Winter in keiner friedsamern Beschaffenheit. Denn die Erd-Aepfel-Blume oder der Nabel der Erde machte sich so krauß / als seine fleckichten Blätter gekräuselt sind. Insonderheit striech diese Blume ihre Würckung wider Gifft und Schlangen / und die unschätzbare Erleichterung der menschlichen Geburten heraus. Diesem begegnete das Nabel-Kraut: Es würden zwar die schönsten Geschöpfe mit dem Nahmen des Nabels oder der Augen betheilt. Die wunderlichsten Steine hieße man Augen / und die seltzamsten Muscheln Nabel der Nymphen. Seine Blätter aber wären der Nabel der Venus / und die Blumen Augen der Liebe. Ja über viel andere heilsame Kräfften diente es zu Liebes-Träncken. Hingegen rühmete die Wolffs-Wurtzel sich viel grösserer Kräffte; als welche zwar von dem Schaume des Cerberus entsprungen wäre / und die Panther-Thiere tödtete; im Menschen aber entseelte sie das verhandene Gifft / und ihr bloßes Anrühren wäre der Tod der Scorpionen. Ubrigens erinnerte ihre gifftige Eigenschafft die Menschen: daß / weil unter deren schönsten Blumen doch Schlangen verborgen lägen / sie niemals die Vorsicht außer Augen setzen / und den Mißbrauch ihnen gefallen lassen solten. Die blaue Hornungs-Feilge fuhr mit einer empfindlichen Ungedult heraus: Unterstehet ihr gifftigen Spinnen euch wol nicht nur unter so nützliche Bienen zu mischen /sondern gar ihnen zu Kopfe zu wachsen? Hebet euch von hier ihr Unholden! entfärbet eure geschminckte Antlitze für der nichts minder heilsamen als schönen Feilge; welche mit ihrer Farbe dem Himmel / mit ihrem Geruche dem Zimmet am nechsten kommet; welcher Saame nicht nur die Scorpionen tödtet / sondern hunderterley Kranckheiten abhilfft. Aber auch dieser meinte der Winter-Hyacinth die Oberstelle nicht zu enträumen / dessen Feuer mit nicht geringerm Wunder mitten aus dem Schnee / als siedende Quellen aus kältesten Bächen herfür brächen; und den frostigen Winter in einen annehmlichen Lentz verwandelten. Die frühe Zeit-lose gebrauchte für sich fast eben die Gründe; und daß sie wesentlich die Schönheit aller Farben in sich hätte; wormit der Schatten der Sonne und die Unwahrheit des wölckichten Himmels nemlich der Regenbogen die Augen bländete. Alleine der Majoran behauptete: daß nicht die Farbe / sondern die kräfftigen Eigenschafften der Blumen den Königs-Krantz verdienten. Raupen und Wespen hätten die Farben der Regenbogen / die Roßkäfer des Goldes /das gifftige Napel des Purpers. Solten destwegen diese Geschwüre der Erde / diese Mißgeburten der Natur einen besondern Vorzug verdienen? Er wäre zwar nicht die schönste Blume / aber so viel kräfftiger; ja er hätte alleine die herrliche Eigenschafft des Indischen Gewürtzes: daß sein bloßer Safft ein unverterbliches Oel und Salbe abgäbe. Endlich wunderte sich der Amaranth: daß noch nicht alle Blumen sich für ihm / als einem unsterblichen Wunderwercke unter denen vergänglichen Gewächsen bücketen. Er wäre so lebhafft: daß er nicht nur wie etliche Bäume im Winter grünete / sondern auch nach seiner Abbrechung /ja nach [1391] seiner Abdörrung Merckmaale seiner Unsterbligkeit behielte; und daher wäre er allein des lebenswürdigen Achilles Grab zu begräntzen gewürdigt worden. Die Blumen-Göttin hätte ihm den Nahmen Tausendschön zugeeignet und also ihm das Besitzthum tausendfacher Schönheit zugesprochen. Schönheit aber wäre nichts minder das erste Kleinod der Blumen / als der Zunder der Liebe; und mehrmahls in der Welt eine Werberin und Braut königlicher Würde gewest. Diesemnach seine niemals verwelckende Gestalt derselben ihn unzweifelbar versicherte. Und könte niemand als die Eitelkeit einer flüchtigen Blume den Königs-Krantz aufsetzen.

Dieser letzten Meinung fielen alle dieselbigen Blumen bey / welche das gantze Jahr wo nicht blüheten /doch an ihren Stengeln ihre grünen Blätter behielten; in Hoffnung: daß wegen ihrer wenigen Anzahl jede so viel ehe zur Königs-Würde kommen / oder nach der Königin doch eine ansehnliche Fürsten-Stelle erlangen würde. Alleine die grosse Menge der vergänglichen Blumen umbringte jene wenigen durch einen zierlichen Kreiß-Tantz; dardurch sie nach und nach /wie künstlich sie sich auszuwinden vermeinten / je mehr und mehr ins Gedrange gebracht wurden. Dieselben / welcher Alter nach der Länge eines Tages abgemässen ist / hielten denen andern singende ein: Sie verstünden so wenig was das beste in den Blumen /als der Kern in der Wollust wäre. Die Länge der Zeit müste zwar vielen Dingen zur Vollkommenheit / und vielen Gewächsen / daß sie reiff würden / dienen. Alleine das Alter beraubte die meisten Sachen ihrer Güte / und vergeringerte auch die besten. Die von denen alten Zimmet-Bäumen abgebrochene Casia reichte der von jüngern geschälten Zimmet-Rinde nicht das Wasser. Die Runtzeln wären nicht nur Frembden / sondern auch den Runtzlichten selbst verhaßt. Wie möchte denn die veralternden Blumen ein annehmliches Augen-Ziel abgeben; welche gerne sterben wolten / wenn sie sich nur wie die Flüchtigen verjüngen könten. Das Marck der Vollkommenheit wäre die Vergnügung ohne Sättigung. Denn allzu langer Genüß auch der niedlichsten Süßigkeit verursacht einen Eckel. Was aber einem / wenn es am besten schmeckt / aus den Zähnen gerissen wird / verlieret niemals seinen Geschmack; und die vergängliche Wolust veraltert nicht / sondern das Verlangen mehrer Genüßung verzuckerte so viel mehr dis / was denen bitter geschienen / die das erste mal nicht wären satt worden. Diese Vergängligkeit wäre so gar die Würtze der Liebes-Wercke / welche doch der Ausbruch aller Wollüste seyn solten. Die Natur hätte durch ihre Sparsamkeit so gar dem Golde / als dem Marcke der Erden / den Diamanten als den edelsten der Edelgesteine ihre Köstligkeit erhalten müssen. Nicht anders erhielte die Flüchtigkeit den vollkommensten Wunder-Blumen ihr Ansehen / welche man so wenig / als Nesseln einigen Anblicks würdigen würde / wenn sie ein gantz Jahr lang blüheten. Uberdis hätten die unverwelckenden Blumen-Stengel auch keine andere /als nur eine grüne Zierde / welches ohne dis die todte Erd-Farbe / hingegen die gelben / weissen / rothen und blauen Sternen- und Himmels-Farben der Vergängligkeit und Abwechselung / besonders im Geblüme am meisten unterworffen wäre.

Als der Amaranth sich und seine Gespielen derogestalt übermannet sahe; muste er durch Fürwerffung eines neuen Zanck-Apfels sich aus dem Gedränge /und seine Feinde in Trennung zu bringen trachten. Daher er den Hyacinth / den Jasmin / und Saffran verhöhnete: daß sie mit so viel weiblichen Blumen wider ihn und ihr eigenes Geschlechte in Bündnüs getreten wären; Die Weiber aber so wenig unter den Blumen /als unter den Thieren der Herrschafft fähig wären. Dieser Einwurff erregte [1392] bey denen sämtlichen Blumen eine neue Trennung. Sintemal die weiblichen aller vier Jahres-Zeiten sich durch einen zierlichen Tantz von denen Männlichen in einen Kreiß versammleten; und der Blumen-Göttin singende fürstellten; wie der Amaranth sie und die Liebes-Göttin beschimpft / und die Rache einer gäntzlichen Austilgung verdient hätte. Die männlichen Blumen aber namen sich des Amaranthes an / und hiermit kam es zu einem neuen Blumen-Kriege. Sintemal beyde abermals sich nach dem Unterscheide ihrer Farben in eine Schlacht-Ordnung stellten / und von Gliede zu Gliede mit ihren Blumen-Kugeln einander antasteten. Die vier Jahres-Zeiten wurden bestürtzt / als sie ihre eigene Blumẽ mit einander in Feindschafft verfallen sahen; rennten also umb die Schrancken herumb ein Mittel zu finden; wie jede Zeit die Ihrigen wieder in einen Hauffen brächte. Aber die allzu grosse Vermengung zernichtete alle Bemühung. Diesemnach denn umb diese Zertrennung zu stören der Frühling rief: daß aus denen bundten Blumen ein König zu erkiesen wäre. Diesem folgte der Sommer / und vertröstete dessen die Purperfarbenen / der Herbst die gelben / und der Winter die weissen. Durch diesen Anschlag wurden aus zwey streitenden Theilen ihrer fünff. Denn die übergangenen blauen sammleten sich in der Mitte auch zusammen; und beschwerten sich gegen dem Himmel über grosses Unrecht solcher Verächtligkeit; als welcher die Saphieren-Farbe zu seiner Zierde erkieset hätte. Sie klagten bey der Sonne / welche nicht nur darmit die Wolcken färbte / und ihren Hyacinth in eine blaue Blume verwandelt hätte / ja auf tunckelen Dingen am kräfftigsten die Macht ihrer Strahlen ausübte; sondern auch denselben ihre geheime Weissagungen eröfnete /welche mit Saphieren sie verehreten. Sie rufften die Menschen zum Beystande an; sintemal je mehr etwas von weisser Farbe in sich hätte die Strahlen des Gesichtes zerstreuete / und die Augen verdüsterte / ihre schwärtzlichte Farbe aber die Augen-Strahlen zu einer genauen Betrachtung zusammen züge / und das Gesichte stärckte. Aber alle andere Farben rieffen: die Mohren-Blumen wären keines Königreichs / sondern vielmehr einer traurigen Bahre werth; weil ihre Schwärtze mit der Farbe der Nacht und des Todes eine so nahe Verwandschafft hätte. Die blauen Blumen seuffzeten gegen dem Himmel / und flecheten ihn an: daß weil der Winter keiner blauen Veilgen / der Frühling keiner Mertz- und Lischblumen / der Herbst keines Jasmins / keiner Sonnenwirbel / und keine Jahres-Zeit noch die Erde der Hyacinthen werth wäre /möchte selbter sie nicht mehr so niedrig wachsen lassen / sondern sie mit edlen Saphieren zwischen die gestirnten Blumen des Ariadnischen Krantzes versätzen. Zumahl nichts minder unterschiedliche Arten der irrdischen Hyacinthen / als der Saphiere schon mit güldenen Sternen bestreuet wären. Die weissen Blumen hingegen gründeten sich auf die allgemeine Verdammung der blauen; und meinten aus dem Grunde solchen Urthels bereit das Recht gewonnen zu haben. Sintemal die weisse Farbe alleine den Nahmen einer Farbe verdiente. Denn sie wäre alleine das Licht /alles andere Schatten. Sie wäre der einige Ursprung aller Farben. Aus dreyen Theilen ihres Lichtes / und einer Helffte des Schattens käme die grüne; aus zwey weissen / und einem schwartzen Theile entspringe die gelbe / aus anderthalb Theilen des Lichts und einem der Finsternüs rührte die Purper- / aus einem weissen / und anderthalb finstern Theilen mischte sich die Himmel-blaue / aus drey Theilen der Schwärtze / und einem Theile des Lichtes die Feilgen-Farbe zusammen. Je mehr nun etwas dem Schatten näher käme / je geringer wäre es; das von allem Finstern entfernte aber wäre die Vollkommenheit. [1393] Dahero sich der frohe Tag / und die reinen Gestirne in die weisse Farbe des Lichtes gekleidet hätten. Und in denen weissen Blumen gläntzete die Milch ihrer unbefleckten Mutter der Blumen-Göttin; welche ihr Belieben an so reiner Farbe dardurch bezeigte: daß auch die tunckelsten Pflantzen anfangs an der Wurtzel oder Zwiebel weiß ausschlügen / hernach grünlicht-gelbe würden / oder ferner in mehr schattichte Farben sich verstellten. Die gelben Blumen widersprachen die Vollkommenheit der weissen. Denn sie hätten nicht einst das Wesen einer Farbe / sondern ihr Licht wäre nur eine blancke Tafel / darauf die Natur / als die künstlichste Mahlerin / mit ihrem Pinsel ihre Schönheiten streichen solte. Diese hätte in allen ihren Geheimnüssen nichts kräfftigers als den Schwefel / welchem aller Farben Unterscheid zuzuschreiben wäre. Für sich selbst aber behielt er die gelbe Farbe / als die erste und vollkommenste / und eignete sie denen herrlichsten Geschöpffen / in der Erde dem Golde / im Himmel der Sonne zu. Daß alle weisse Käume der Pflantzen sich meist anders färbten / wäre ein unverneinliches Merckmaal ihrer Unvollko enheit; Weil die kluge Mutter der Natur ja ihre Früh-Geburten mit nichts vollkommenerm / als ihre zeitige Kinder ausputzen würde. Was im Lentzen weiß blühete / im Sommer grünete / färbte der reiffe Herbst ins gemein gelbe. Ja keine Narcisse oder andere weisse Blume wäre fast zu finden / die nicht in ihrer Mitte zu ihrem Aufputze etwas zu ihrem Schmucke entlehnte; und wie die Danae ihr Gold in ihre Schoos regnen ließe. Die rothen Blumen gaben denen gelben zwar nach: daß ihr Gold die Blüte der Schönheit fürstellte; allein der Purper der Röthe wäre der königliche Glantz aller Farben; worüber weder die Natur noch die Kunst mit ihrer Mahlerey zu steigen wüste. Durch diese prangte das Meer mit seinen Korallen und Purper-Schnecken; die Erde mit ihren Rubinen; die Lufft mit ihrer Morgen- und Abend-Röthe; ja die schönsten unter den Sternen wären die röthesten. Wenn Kunst und Feuer das Ertzt zerflößete /und auf seine höchste Staffel brächte / nähme es nach vielen Verwandlungen die Gestalt eines rothen Löwen an. Eben dieses würckten sie in den Blumen. Die weisse Schönheit der Narcissen wüste ihre innerliche Freude nicht vollkommen auszudrücken / und ihre Anschauer annehmlich genung anzulachen / wenn nicht ihre Milch sich mit ihrem Schnecken-Blute vermählte / oder mit einer verschämten Röthe ihre Unschuld beschirmete. Die gelben Blumen aber besäßen den lebhafften Zinober mit Armuth; den die Natur mit verschwenderischer Hand über sie ausgestreuet / und sie durch diese eigenthümliche Farbe der Liebe aller Welt beliebt / ja gegen ihrer Flamme das Feuer gleichsam blaß und todt gemacht hätte. Endlich striechen die bundten Blumen ihre Fürtrefligkeit heraus; in denen die Natur mehr herrliche Vermischungen machte / als die reichsten Sprachen nicht zu neñen / keine Seidenstücker nachzuwebẽ / kein Apelles nachzumahlen / ja weder Erde noch Meer gnungsam und so hohe Farben her zu geben wüsten. Fürnemlich aber wäre an ihnen die Verschwisterung der weissen und rothen Farbe mehr wunderns werth / als daß der Wasser-Gott Proteus sich auch habe in Feuer verwandeln können. Denn jede Farbe für sich wäre nur Stückwerck; die Vollkommenheit aber müste hier und anderwerts alles in sich begreiffen. Aus diesem Absehen hätte die Natur die Wiesen mit so vielfärbichten Blumen / die Bäume mit unterschiedenen Blüten / Blättern und Früchten / die Vögel mit so seltzamen Federn / die Hälse der Tauben / die Schwäntze der Pfauen / und die Flügel der Fasanen mit so vermengten Spiegeln /den Regenbogen mit allen [1394] Farben begabt / ja die Gestirne selbst nicht einander gleiche gemacht. Dieser Würde halber hätten etlicher V \lcker Gesätze niemanden / als den Priestern / weil sie göttliche Stellen verträten / scheckichte Kleider zu tragen erlaubet. Und alle kräfftige Blumen nehmen entweder zugleich / oder nach und nach unterschiedene Farben an. Nach diesem annehmlich-gesungenem Wort-Streite geriethen sie wieder zu einem neuen Blumen-Gefechte; indem anfangs der blaue Hauffe von denen gesammten vier andern angegrieffen / und aus seiner Mitte getrieben ward. Diese behaupteten die weissen Blumen; sahen sich aber alsofort von denen vier mißgünstigen andern angefeindet; also daß hierauf die gelben / hernach die rothen / endlich die bundten das Mittel einnahmen; als inzwischen dieses Glücks-Wechsels halber die weissen und gelben gegen die blauen und rothen ein Bündnüs machten. Bey welcher Zwytracht die bundten zwar gewonnen Spiel zu haben vermeinten; aber sie blieben ein Anstoß aller beyder Theile zu einer nachdencklichen Erinnerung: daß der / welcher keinem Theile beypflichtet / von oben den Staub / von unten den Rauch aufnehmen müsse.

Alle fünf Hauffen waren nunmehr / wiewol Glieder-weise zusammen vermischet; als die Blumen-Göttin sie herzu rennende von sammen trennete / und ihnen singende den Irrthum benaam; da sie den Vorzug der Blume allein an ihrer Farbe zu bestehen vermeinten. Die Farben hätten nichts minder in Blumen /als im Menschen ihre veränderliche Eitelkeit. Jene entfärbte der Winter / wie diese das Alter; jener Blätter kriegten nichts minder Runtzeln / als dieser Wangen. Ja die Aeffin der Natur / die Kunst / wüste gleich einer zaubernden Circe den Schnee der Blumen in Scharlach / das Gold in Zinober / in Schmaragd / und alle andere Farben zu verwandeln. Die dürren Tannzappen kehrten schneeweisse Blumen-Kinder in Mohren / der Rauten-Safft machte sie grün / die Kornblume blau / weñ sie nebst Eßig und Saltze in ihre Schaf-Tingung gemengt würde. Eine Blume strieche der andern eine Farbe an; das Haar des Saffrans könte durch daraus gemachte Netzung die Lilgen bepurpern; hingegen der Schwefel die fast brennenden blaß machen; ihre Zwiebeln wären fast so geschickt alle Farben / als das Wachs jede Gestalt anzunehmen / und die Schwämme die Feuchtigkeiten einzutrincken. Ja die Kunst erkühnte sich einem Blumen-Stengel gantz anders gefärbte Blumen-Zweige nicht anders / als einem einäugichten Arimasper mehr Augen einzusetzen /und selbten zu vieräugichten Mohren / wo nicht gar zu einem hundert-äugichten Argos zu machen. Daher kleidete sich die Anemone bald weiß / bald roth / bald blau / bald Pfirschken-blütig aus. Die Nelcken prangten mit so viel Farben / als der Himmel mit Sternen. Die Hyacinthen wären nicht verliebter in blau als in weiß. Die Lilgen und Tulipanen spielten mit einer Farbe / wie mit der andern. Diesemnach müste fast jede Blume wider sich selbst in Krieg ziehen. Bey solcher Bewandnüs / und da zumal die Schmincke den Blumen so gemein / als dem Frauen-Zimmer wäre /sey der Blumen Preiß nicht auf ein beyfällig und veränderlich Ding der bloßen Farbe / sondern auf ihr gantzes Wesen zu sätzen / also zugleich auf den Geruch / auf die Vielheit der Blätter und ihre innerliche Krafft zu sehen. Wer aber alle Schätzbarkeit der unbeständigen Farbe zueignete / handelte so unvernünfftig / als welcher der so wol garstig-als langsamen Schnecken zerbrechliche Häuser dem Golde /und das Flosern-Holtz dem Silber fürzüge; welches nur desthalben für kostbar geachtet würde; weil das unglückliche Wachsthum einen Baum in so viel Knoten verdreht hätte. Dieser Vortrag sätzte die Blumen in die euserste Verwirrung. Denn weil an einem [1395] Orte die wolrüchenden / am andern die vollblättrigen / am dritten die heilsamen sich zusammen schlagen wolten; ihrer viel aber mit ihnen selbst nicht eins waren / zu welchem Hauffen sie gehöreten; schwermten sie wie die Bienen auf einer Klee-reichen Wiese durch einander. Wiewol die Rache die meisten nunmehr ihre Kräntze zu Waffen zu ergreiffen nöthigte / nach dem sie bereit ihre Schürtzen ausgeleeret hatten. Welches die Blumen-Göttin veranlaßte / ihnen einen neuen Einhalt zu thun: der Geruch alleine wäre auch zu wenig zu Entscheidung ihres streitigen Vorzugs. Denn dieser wäre der Veränderung der Jahres-Zeiten unterworffen / im Winter und gegen Mitternacht schwächer als im Sommer / oder in denen Morgen-Ländern. Die Menschen / welche der Blumen zu genüßen auch allein würdig wären / hätten unter allen Thieren ihres feuchten Gehirnes halber den schwächsten Geruch. Ihr Urthel wäre auch so unterschieden: daß einige lieber Knoblauch / als Musch rüchen. Perlen / Diamanten / ja das edle Gold und viel andere Dinge hätten keinen Geruch; dis aber benähme nichts ihrer Würde und Schätzbarkeit. Die den Blumen so holde Bienen könten weder Zibeth noch Ambra vertragen; ja wenn eine diesen Geruch mit in ihr Behältnüs brächte / strafften es die andern als ein Laster an ihr. Uber dis wüste die Kunst auch durch Einbalsamung des Tingers / oder durch Einwässerung des Blumen-Gesämes / ihnen den angebohrnen Geruch gäntzlich zu benehmen; der widrig-rüchenden Ringel Blume die Anmuth des Musches / denen Nelcken durch gewisse Bebisamung ihrer Wurtzel den Geruch des Zibeths einzupfropffen; ja die Sammet-Blume durch die Nachbarschafft einer stinckenden Staude /welche gleichsam das Gifft magnetisch an sich zeucht / ihres Gestanckes zu befreyẽ. Nichts minder verstünde sie durch Versetzung bey gewisser Monden-Zeit / durch Abbrechung übriger Blüte-Knospen /durch gewisse Ting- und Anfeuchtung aus holen Nelcken volle / und aus schlechten Anemonen vielblättrige; ja durch Windung der Zwiebeln aus glatten krause Blumen zu machen. Uber dis unterwindete sie sich durch warme Anfeuchtung und sorgbare Verwahrung der Blumen-Gefäße für Frost und Winde sie für der Zeit zu gebehren; oder auch durch Versetz- oder Vertieffung der Zwiebeln / und oftere Annetz- oder Verbrechung der Knospen ihre Geburt zu verlängern /also Frühling und Herbst / Sommer- und Winter durch einander zu mischen; und die flüchtigsten Mertz-Blumen gleichsam das gantze Jahr in unsterbliche Amaranthen zu verwandeln. Ja es wäre / wiewol ohne Beschämung der Natur / nicht zu verschweigen: daß die Kunst aus dem Saltze eingeäscherter Blumen durch eine daraus bereitete Lauge und vermöge eines linden Feuers durch die in einem gläsernen Gefäße verursachte Jährung / hernach geschehende Vermischung mit reiner Erde die todten Leichen der verbreñten Blumen wieder lebend gemacht / und derogestalt aus ihrer Asche ohne neuen Saamen junge Blumen-Fenixe gezeuget habe.

Bey Vernehmung dieses Wunders erstarreten alle Blumen wie die steinerne Niobe; also: daß sie nicht nur ihres Kampfes / sondern ihrer selbst vergaßen. Sie wurden aber bald durch ein allersüssestes Gethöne wieder beseelet. Deñ es kam die Soñe auf einem güldenen und mit unzehlbaren Blumen bestreuten von vier weissen Pferdẽ gezogenen Wagẽ in die Schrancken gefahren. Die Pferde waren nichts minder / als die Soñe selbst mit Blumen gekräntzet. Für dem Wagen giengen die sieben Plejaden / welche den Boden mit wolrüchenden Wassern netzten. Auf der Spitze des Wagens saß Ariadne / welche den Weg mit Blumen bestreute. Auf beyden Seiten des Wagens zohen die übrigen sechs Irr-Sternen her. [1396] Der Monde spielte auf einer Viole / Mercur auf einer Flöte /Venus auf einer Laute / Mars auf Zimbeln / Jupiter auf einer Harffe / Saturn auf einer Schalmey / die Sonne selbst auf einer Leyer; wiewohl hiervon ein über-irrdischer Klang erreget ward / welcher die hi lische Zusammenstimmung abbildete. Die sich wieder in erste Ordnung stellenden Blume verehrten die Sonne als ihren Vater mit gebogenen Knien; sie aber deutete ihnen an: daß sie kommen wäre ihnen einen anständigen König zu geben. Worauf Mercur ein grosses Kristallen-Gefässe in Gestalt einer See-Muschel in die Mitten setzte; darein iede Blume ihren Pusch; die Sternen ihre beste Schätze zu bringen befehlicht wurden. Saturn goß aus einer Muschel Perlen und Meer-Saltz; weil das Meer keine Thränen seyn sollen; Jupiter eine Schale Nectar / Mars ein Glas voll Schnecken-Blut / Mercur / als der Hirten- und Handels-Gott / einen Topf voll Milch / und ein Fäßlein allerhand Gewürtze / die Venus eine Flasche voll des kräfftigsten mit ihrem Blute gefärbten Balsams / der Monde ein Horn voll Morgen-Thau über das versa lete Blumwerck. Die Sonne verdoppelte hierüber ihre lebhafte Krafft alles zu beseelen so nachdrücklich: daß aus diesem Gefässe / ich weiß nicht ob vielleicht durch Zauberey ein annehmlicher Strauch mit allerhand Arten Rosen hervor wuchs. Alle anwesende Sternen aber erstarreten / und hiengen ihre vorhin stoltzẽ Häupter traurig zur Erden. Die Sonne alleine ward gleichsam von einem zweifachen Geiste gereget / und fieng an in ihre-vollstimmige Leyer nachfolgende Reymen zu singen:


Diß ist die K \nigin der Blumen und Gewächse /

Des Himmels Braut / ein Schatz der Welt / ein Sternen-Kind;

Nach der die Liebe seufzt / ich Sonne selber lechse;

Weil ihre Krone Gold / die Blåtter Sammet sind /

Ihr Stiel und Fuß Schmaragd / ihr Glantz Rubin beschämet /

Dem Safte Zucker weicht / der Farbe Schnecken-Blut /

Weil ihr Geruch die Lufft mit Balsame besåmet /

Wenn der beliebte West ihr tausend Hold anthut.

Fůhrn Hyacinthen gleich des Ajax Helden-Nahmen;

So ist die Schönheit selbst auf Rosen abgemahlt.

Ist gleich der Juno Milch der Lilgen edler Saamen /

So denckt: daß hier das Blut der Liebes-G \ttin prählt.

Was die Gesch \pfe sonst nur einzelweis' empfangen /

Mit allem dem macht die Natur die Rose sch \n.

Sie selber schåmet sich / und r \thet ihre Wangen /

Weil sie fůr ihr beschåmt sieht alle Blumen stehn.

Kurtz! sie ist ein Begrieff der sch \nen Welt / ein Spiegel

Der Anmuth / und der Lieb' ihr wahres Ebenbild.

Der Dorn ist ihr Geschoß / die Blåtter sind die Flůgel /

Zur Fackel dient ihr Glantz / das Laubwerck ist ihr Schild

Sie muß zwar selbten Tag / da sie gebohrn / erblassen /

Allein ich Sonne selbst verschwind iedweden Tag.

So wil der Himmel auch sie nicht vergrauen lassen /

Weil er kein altes Weib zur Buhlschafft haben mag.

Der Monde tråncket sie mit Thau / sie säugt die Bienen /

Die ihren edlen Safft in sůssen Honig kehrn.

Ja ihres Purpers muß sich ieder Mund bedienen /

Wenn ein nicht-todter Kuß ist nöthig zu gewehrn.

Der Morgen selbst muß sich mit eitel Rosen fårben /

Wenn er der Herold ist des Auges dieser Welt.

Auch muß der gůldne Tag in ihrem Purper sterben /

Wenn mir die Abend-R \th' ein falsch Begräbnůß hålt.

Ich Sonne werde selbst nie angebetet werden /

Wenn sich mein Antlitz nicht in Rosen hůllet ein.

Ja wie die Rose wird die Sonne seyn auf Erden;

So muß der Sonne Rad des Himmels Rose seyn.

Und daß der Erd-Kreiß recht m \g' unser Bůndnüß wissen /

Wie Sonn' und Rose sind einander zugethan /

Soll'n Rosen solcher Art in Morgenland aufschüssen /

Die / wie der Tag / schneeweiß den Morgen fangen an /

Die / wie das Mittags-Licht / so denn mit Feuer brennen /

Des Abends / wie die Nacht / kohlschwartz im Trauren gehn.

Wer nun die Sonne wil für's Sternen-Haupt erkennen /

Der muß den Königs-Krantz auch Rosen zugestehn.

Was aber wird das Lob der Rose viel gesungen?

Kein Ruhm gleicht ihrem Werth / sie selbst ist schon ihr Preiß.

Die Red' ist ihr Geruch / die Blåtter sind die Zungen;

Dardurch sie sich allein recht auszustreichen weiß.


Bey diesem Singen rührte die Sonne mit ihrem Königs-Stabe den Rosen-Stab an; worauf alsofort eine Anzahl schneeweisser Rosen herfür blüheten; welche sich hernach in eine hohe Leib- endlich in eine schwartz-tunckele Purper-Farbe verwandelten. Gleich als wenn auch dieser Wunder-Blume Kindheit sich an ihrer Mutter-Milch ergetzte / ihre Vollkommenheit aber sich denen menschlichen Lippen ähnlich / und daher desto [1397] beliebter machen; endlich durch ihr purpernes Begräbnüß doch die Hoheit ihrer Königlichen Würde behaupten wolte. Alle vorhin beschämte Blumen fielen als geringer Pöfel für diesem edlen Rosen-Proteus gleichsam in Ohnmacht; und die Gestirne verwendeten kein Auge von dieser Wunder-Blume; welche derogestalt mehr vornehmere Buhler / als für Zeiten die schöne Helena hatte. Denn ob zwar die Wärmde bey Durchkochung des wäßrichten Saftes in dem Obste / in Trauben / und im Kohle nach und nach ebenfalls die ersten Farben verändert; die schweflichte Tingung auch eine Ursache vielfältiger Blumen ist; das Kraut der dreyfachen Polen auch täglich dreymal seine Farbe verwandelt; so kan doch der ersten langsame und kaum wahrnehmliche der letztern kaum sichtbare Veränderung dieser schnellen Umfärbung der Sinischen Rosen nicht vergliechen werden. Es erholete sich zwar aus einer Eiversucht dieselbe Tulipane / welche ihre schneeweisse Kleidung behält / so lange sie die Mutter-Milch aus den Brüsten der Erde zu ihrer Sättigung aussaugt; wenn sie aber durch Ubermasse truncken / zugleich schamroth wird. Diese meynte ihrer Verwandelung halber dieser Rose nichts nachzugeben; und erinnerte die andern Blumen nicht zu vergessen: daß auch die geringste unter ihnen ein Wunderwerck wäre. Alle Neuigkeit legte mittelmässigen Dingen einen hohen Werth bey; die köstlichsten aber würden nicht geachtet / wenn sie gemein wären. Also püchte man in Arabien mit dem Weyrauch die Schiffe; den man anderwerts nur Körner-weise in die heiligen Opfer-Feuer streuete. Hingegen trete man in Deutschland Sauer-Ampf und Holderbäume mit Füssen / die die Indianer mit grosser Sorgfalt in ihren Gärten zeugeten. Die Sonne selbst und der Frühling würde nicht halb so schön zu seyn scheinen / wenn es mehr als eine Sonne gäbe / und der Frühling das gantze Jahr durch blühete. Also bäte sie nach dem Werthe ihrer Tugend; die fremde Blume nicht nach ihrer unnützen Seltzamkeit zu urtheilen; und die Rose für eine falsche Neben-Sonne zu halten / welcher Schönheit nicht so wohl in einem selbständigen Wesen / sondern nur in einem bey- und baufälligen Dinge bestünde /und daher auch so geschwinde als eine Wasser-Galle verginge / oder in ihrem Aufgange schon zugleich ihren Untergang erreichte. Nichts minder that sich die Indianische Narcisse herfür / welche mit mehr Häuptern als die Lernische Wasser-Schlange prangete; und sich so viel lebhaffter als diese zu seyn rühmete. Sintemal des Hercules Keulen ihr keine Furcht einjagten /sondern ihre Blumen Häupter noch unterstützten; sie auch nicht / wie jene / von der Hitze entseelet würde; sondern sich nur für dem Froste als dem gemeinen Todten-Gräber der Blumen zu verwahren hätte. Wenn sie aber auch schon ihre Blätter einbüssete / vergrösserten sich doch ihre dreyeckichten Häupter / und ihre Stänglichen breiteten sich in einen zierlichen Sternen-Kreiß aus; also daß ihre / als der schönsten Blume Leiche / nichts geringers / als ein Gestirne /und nichts weniger / als die in Himmel erhobene Lernische Wasser-Schlange werden könte. Welche wesentliche Verwandelung wunderwürdiger wäre; als der blossen Farbe leicht abschüssender Camelion. Der wohlrüchende Jesmin / als er wahrnahm: daß diese Sinische Rosen keinen Geruch hätten / schalt sie für eine nur den Augen liebkosende Schmincke; und meynte ihr Ansehn zweifelhaft zu machen; weil der Geruch der scheinbarste Nutzen einer Blume wäre /und durch selbten das Gehirne gestärckt würde / westwegen ein Weltweiser die nicht unbillich verlacht zu haben schiene: welche Blumen auf dem Haupte trügen. Hingegen vermöchte auch nach des Jasmins Verwesung seine Asche Wasser / Lufft und Menschen einzubisamen. Die Lilge tadelte an den Rosen ihre Dornen; und rühmte an ihr selbst die alle Baum-Wolle / [1398] und das Gespinste der Seiden-Würmer übertreffende Zärtligkeit. Alleine alle andere Blumen redeten der Rose ihr Wort; und schalten diese drey Zwerge: daß sie dieser Riesin der Blumen / ja der Sonne selbst / als ihrem Blumen-Vater / sich Krieg anzukündigen wagten; dessen Urthel nach die Rosẽ nicht nur Sternen / sondern Sonnen des Erdreichs wären; und /weil sie an der Soñe selbst ihr wahres Ebenbild im Himmel hätten / nicht allererst unter die geringeren Nacht-Gestirne versetzt zu werden verlangten; auch wo nicht alle / doch die meisten Blumen mit ihrem Geruche / ja gar Weyrauch / Ambra und Musch wegstächen. Den Abgang aber des Geruchs der Sinischẽ Rose ersetzte reichlich ihre Stärcke und Tauerhaftigkeit; indem sie auf keinem schwachen Stengel aus einer ungestalten Zwiebel nicht einzelich / sondern auf einem rechten Baume in der Menge wüchse; und nach Art der den Winter und Frost verhöhnenden Damascener-Rose schier das gantze Jahr durch / biß die Sonne selbst im Winter einen Stillestand hält / blühete; ja zu noch grösserer Verwunderung auch / wenn sie schon von ihrem mütterlichen Stiele abgebrochen wäre; doch in einem angewässerten Gefässe nach dem Auf-Fort- und Untergange der Sonne eben so richtig ihre Farben verwandelt; als die verliebte Sonnenwende ihr Haupt diesem ihrem Buhler nachwendet; gleich als wenn sie gegen dem Anaxagoras behaupten wolte: daß die Blumen nichts minder als die Menschen umb das grosse Welt-Auge nur anzuschauen gebohren wären. Sintemal sie auch allein mit dem Sonnen-Lichte den Geist / und von ihrer Wärmde die Seele bekämen. Die Dornen der Rosen aber wären theils ihre Waffen / welche den Vorwitz abhielte: daß er ein so hi lisch Geschöpfe nicht verunehrte / theils Anreitzungen der Augen umb diese Königin desto genauer zu betrachten / weil sich die Hände sonder Verwundung ihnen schwerlich nähern dörften. Dieses allgemeine Urthel nöthigte nunmehr auch die obige widersinnige Blumen: daß sie ihre Ehrsucht in einen ehrerbietigen Beyfall verkehreten; und würden sie die Rose mit mehrern Ruhm-Sprüchen verehret haben / wenn sie nicht wahrgenommen hätten: daß ihre Blätter eitel Zungen abbildeten; gleich als wenn sie nur selbst /keine andere Zunge aber sie anständiger zu rühmen fähig wären. Zumal über diß ihr sich in die Lüffte zertheilender Geruch ein annehmlicher Ausruff und Ausbreitung ihres Lobes; ihre Purper-Farbe nichts minder eine Erinnerung der schamhaften Verschwiegenheit /als ein Kennzeichen ihres Königreichs ist.

Diesemnach denn die Blumen abermals um den neugebohrnen Rosen-Strauch einen zierlichen Tantz hegten / aller ihrer Feindseligkeit vergassen; also: daß der sonst alle benachbarte Blumen / insonderheit die Anemonen versäugende Hahnen-Fuß / und die aus Ehr-Geitz schier keine Gemeinschafft vertragende Tulipanen sich mit allen andern friedlich gatteten / beym Anfange und Beschlusse iedes Reyen für der neuen Blumen-Königin demüthig bückten / und ihre vorhin abgenommene Kräntze zum Zeichen des Friedens wieder aufs Haupt setzten; endlich aber selbte / als ein ihnen unanständiges Kennzeichen des Sieges zerrissen / und die zerstreuten Blumen davon ihrer Königin opferten.

Bey diesem währenden Tantze rührete die Sonne mit ihrem kräfftigen Griffel abermals den Rosen-Strauch an; worvon er sich denn nach und nach in ein den Geist der Rose fürbildendes Frauenzimmer verwandelte; gleich als wenn hierdurch die Scharte ausgewetzt werden solte; daß die für der verliebten Sonne fliehende Dafne zu einem Lorberbaume worden. Die vor die Geschwindigkeit des Windes gleichsam übereilende Blumen blieben wie steinerne Bilder stehen; nicht zwar für Verwunderung über der Verwandelung; sintemal sie aus ihrem [1399] eigenen Ursprunge wohl wusten: daß die Sonne als die Seele der Welt / der Brunn des Lebens / der Vater der Fruchtbarkeit / der Fürst der Natur / das Hertze des Himmels / der Geist des Erdreichs / ein Gott der Geburt nicht nur aus Schlamme allerhand Gewürme / aus dem Gesäme alle Pflantzen machte; sondern auch als der rechte Prometheus der Uhrheber menschlicher Zeugung wäre; aber wohl über der unvergleichlichen Schönheit dieses neuen Bildes; welches mit den krausen Haaren die durcheinander geflochtenen Blätter der Rose / mit dem Antlitze und denen Augen zugleich ihre Rundte und Liebreitz / mit den Lippen / Wangen und Spitzen der Brüste ihre Purper-Farbe / mit ihrem Atheme den Geruch / ja in allen Gliedern etwas von der anmuthigen Eigenschafft ihrer mütterlichen Blume abbildete. Diese Verwunderung erwieß allhier ein merckwürdig Beyspiel: daß sie stärcker wäre als der Mutter-Schmertz / welche die Kinderlose Niobe in einen Thränen-rinnenden Steinfels verkehret hat; als die Furcht; wordurch die vom Pan gejagte Syrinx zum Schilff-Rohre / und des Alpheus Buhlschafft Arethusa zu einem Brunnen worden; als das Schrecken / welches alle / die der Medusen Schlangen-Haar ansahen /in Steine verwandelte; als die Liebe / durch die Alpheus in einen Fluß zerran; als die Eiversucht / die die Callisto zum Bären machte; als die Mißgunst / die die Seiden-Weberin Arachne zur Spinne werden ließ; ja als die Zauberey / wordurch Circe die Menschen in wildes Vieh verstellte. Denn die Lilge fieng an allen Gliedern an so weich / als geronnene Milch zu werden. Aus ihren Brüsten sprützte / und von Fingern und Zeen troff Milch; endlich zerran ihr gantzer Leib in diese süsse Feuchtigkeit / woraus sie anfangs entsprossen war. Die Narcisse ließ auch helle Tropfen von ihren Wangen abschüssen / welche man anfangs für Mitleidungs-Thränen über ihre Schwester der Lilge hielt; sie zerfloß aber hernach gantz und gar in Wasser / als den ersten Ursprung der Verwandelung. Aus dem Munde der Melisse kamen anfangs / wie weiland aus dem Zucker-Munde des noch in Windeln liegenden Plato Bienen geflogen; welches anfangs darfür aufgenommen war / als wenn sie von ihren süssen Lippen Honig geholet hätten. Hernach aber fiengen alle euserste Glieder an diese Thierlein zu gebehren / biß endlich der gantze Leib in einen Bienen-Schwarm verflog. Gleich darauf ward die Acanthus-oder Bärenklau-Blume wie Wachs weich / fieng an vom Oele zu trieffen / gleich als wenn sie mit diesem denen Bienen so widrigen Safte das aus Melissen entsprossene Gewürme tödten / und ihr zu vorigem Wesen verhelffen wolte. Alleine sie zerfloß endlich in eitel Oel. Der Jasmin fiel zugleich ohnmächtig zur Erde; denn sein Leib ward zu einem Nebel / welcher sich hernach wie ein dinner Rauch in eitel Geruch zertheilte. Der Nelcke Antlitz fieng an wie ein Stern /hernach wie der Blitz zu schimmern / endlich ihr gantzer Leib lichten Loh zu brennen; und also ihr gantzes Wesen zu einer sich verzehrenden Flamme zu werden. Gleicher gestalt zerfloß der Klee in Honig /die Königs-Krone in Thränen / die Anemone in Blut /die Thal-Lilge in Thau / das Frauen-Haar in Wein /vielleicht weil dieser für der Venus Milch gehalten wird; die Feilge in Zucker / der Hyacinth in eine Himmel-Farbe / die Tulipane verschwand in einen Wind /die Schwerdt-Lilge ward zu einem Regen-Bogen / der Tausendschön zu einem Sterne / und mit einem Worte: alle in Gestalt der frischesten Jünglinge und der schönsten Jungfrauen in dem Schau-Platze erschienenen Blumen verrauchten oder wurden zu Wasser. Die sechs der Sonnen aufwartende Irr-Gestirne wusten nicht: ob sie sich über Verschwindung so vieler Blumen / welche ihr ein Glantze wohl ehe Kampf angeboten hatten / erfreuen / oder über dem Siegs-Gepränge der Rose betrüben solten. [1400] Nachdem aber die Sonne sie mit unverwendeten Augen fort für fort ansahe / und dardurch seine Zuneigung mehr / als niemals blicken ließ / musten sie sich auch nur gegen diesem Welt-Gestirne zu geziemender Ehrerbietung bequämen; und also die schönsten aus denẽ ihnen zugeeigneten Sternen (wie denn ieder eines oder des andern Irr-Sternes Eigenschafft zugethan ist) zu einem Krantze erkiesen; welchen sie der Rosen-Königin aufsetzten / gleich als wenn der Himmel durch diesen Danck erwiedern müste: daß selbter vorher eine nicht schlechte Zierrath von Ariadnens Krantze erlanget hat. Dieses aber war noch nicht genung. Denn die Sonne selbst erklärte sie an statt ihrer Mutter der Erde für den achten Irr-Stern / und die andern sechs musten sie in einem annehmlichẽ Reyen für ihre Schwester annehmen. Worzu die Sonne ihre Leyer rührte / die anmuthigen Lüfte / und der West-Wind aber folgende Reymen sangen:


O Liebe! die du auf Damast

Und Perlen stets geruhet hast /

Weist du: daß du auf Stein gelegen / und an Ketten?

Die Ros' ist Perl und Purper gleich /

Doch keine Seide nicht so weich;

So lasse dir hinfort doch nur auf Rosen betten.


Du güldner Himmels-Garten du /

Schleuß dein saphieren Fenster zu /

Daß dich der Erden-Ball mit Rosen nicht beschämet /

Wo nicht; so ändere dein Haus /

Treib alle deine Sternen aus:

Daß statt der Sternen es mit Rosen sey besämet.


Läßt doch der Sonne güldner Schein /

Die schöne Daphne / Daphne seyn /

Sie låchst / wie Phaeton / für zweyfach-heissen Flammen.

Wo nun das Untertheil der Welt

Die Rose nur vor sich behält /

Schmeltzt Ros' und Stern / die Erd' und's Himmelreich zusa en.


Die Rose aber leitete diesen Tantz nach und nach biß zu dem Bilde der Fürstin Thußnelde; welche sie mit tiefferer Demuth / als vorhin die Sonne / verehrete / ihren sternenen Siegskrantz vom Haupte nam / und mit denen andern sie umbkreissenden Sternen zu singen anfieng:


Nicht glaube: daß mein Königs-Krantz

Verdüst're deinen Himmels-Glantz /

O Sonne der Natur / der Rosen Königs-Blume

Denn ich weiß wohl: daß dir gehört /

Wormit mich Erd' und Himmel ehrt;

Des Schattens Preiß gereicht dem Lichte ja zu Ruhme.


An dir / Thußnelde / lebt kein Glied /

Was nicht den Blumen ähnlich sieht /

Die Lilge gleicht der Brust / der Hyacinth den Augen /

Der Hals sticht die Narcissen hin /

Der Athem tödtet den Jasmin /

Und aus den Haaren wolln die Bienen Honig saugen.


Zwar alles diß ficht mich nicht an;

Weil keine sich mir gleichen kan;

Wohl aber: daß man auch von dir kan Rosen lesen.

Ja meines Blumwercks Eitelkeit

Weicht deinen edlen Rosen weit /

Weil meine bald vergehn / und deine / nicht verwesen.


Auf deiner Wangen Wiege sind

Die Rosen ein noch saugend Kind /

Und auf den Brüsten stehn wie Knospen sie zu schauen;

Worvon der Kelch zwar ist durchritzt /

Die Blätter aber zugespitzt /

Wie / wenn die Morgen-Roth' auf sie läst Perlen thauen.


Nehmt aber aller Sterne Glut /

Der Rosen Kern / der Muscheln Blut /

Ihr werdet gleichwohl nichts den Lippen gleiches färben.

Denn auf dem Munde gläntzt allein

Der Rosen voller Mittags-Schein /

Die auf der Brust nur blühn / auf andern Gliedern sterben.


Bey dem Schlusse hoben die sechs tantzenden Irrsternen die Rose empor; welche den ihr vorher gewiedmeten Sternen-Krantz dem Bilde Thußneldens aufsetzte. Worüber auf allen Seiten des Schau-Platzes sich ein so durchdringendes Freuden-Gethöne erhob: daß der Erdbodem bebete / und kein Ohr mehr sein Ampt verrichten konte. Hierüber endigte sich nun auch dieser Tag; aber nicht seine Freude; weil die vom Hertzog Jubil diesen Abend überkommene Bewirthung / darbey er den gantzen Hof auf Indianisch bedienen ließ / sich biß nach Mitternacht erstreckte.

Alle Fürstliche Personen sassen noch über der Taffel beysammen; als zwölff schneeweisse Mägdchen mit weissen Wachs-Fackeln in den [1401] Speise-Saal kamen / und sich durch die Menge der Aufwartenden durchdrangen / zugleich aber einer ihnen folgenden Amazonischen Heldin Raum machten; welche mit einem durch Freundligkeit vermischten Ernste Thußnelden derogestalt anredete: Antiope der unüberwindlichen Amazonen Königin wäre durch das vom Hertzog Herrmann die Welt durchflügende Geschrey wie Alcibiades in die Odatis / (ob dieser gleich seine Buhlschafft nur im Traume / jener gar nicht gesehen /) verliebet worden. Dieses unruhige Feuer hätte sie mit unausleschlicher Begierde entzündet / diesen deutschen Hercules / als ihre Uhr-Ahn-Frau die Fürstin Thalestris den grossen Alexander zu umbarmen. Zu dem Ende wäre sie mit dreyhundert Heldinnen einen viel weitern Weg in der Nähe ankommen. Sie hätte an der Gewehrung weniger / als an dem morgenden Aufgange der Sonne gezweifelt; weil sie wüste: daß die Deutschen ihres Geblütes wären / und so wohl als die Sarmaten iederzeit so sehnlich nach der Amazonen Heyrath geseufzet hätten. Gleichwohl hätte sie seine anderwertige Vermählung mit der heftigsten Gemüths-Regung vernommen. Nachdem aber die Sonne das Licht allen andern Gestirnen ausleschte; und sie sich erinnerte: daß der streitbare Theseus wegen seiner liebern Aegle Ariadnen / wegen Antiopens (welcher sie nichts minder an Geblüte / als im Nahmen gleich wäre /) des Ajax Mutter Periböa / und andere Buhlschafften verstossen hätte; hoffte sie: es würde Thußnelde nunmehr ihr eigenbeweglich so wohl Bette als Würde einräumen; wo sie sich nicht vom Hertzog Herrmann verschmähet / oder von Antiopen durchs Recht der Waffen verdrungen wissen wolte. Als diese Amazonin nun von Thußnelden kein Wort / sondern von dem sä tlichen Frauenzimmer nur ein höfliches Lachen zur Antwort erhielt; schoß sie einen Pfeil durch einen Ring in die Decke / und warff einen Püschel-voll brauner Feilgen auf die Taffel; welch letzteres dahin ausgelegt ward: daß Antiope so wohl von Eiversucht gegen Thußnelden / als von Liebe gegen den Feldherren brennete; das erstere aber: daß sie mit ihren Waffen ein Loch durch Thußneldens Heyrath zu machen gedächte.

Dieses Fede-Weib war kaum aus dem Gemache; als zwölff umbs Haupt mit seidenen Binden geputzte / am Leibe mit Zinober gemahlte Mohren-Knaben mit so viel von wohlrüchendem Zunder unterhaltenen Ampeln erschienen. Diesen folgte eine Mohrin / wel che an der Unter-Lippe einen messenen Ring hengen /in der rechten Hand einen güldenen Apfel / in der lincken eine rauche Kästen-Nuß hatte. Uber den Rücken hieng ihr ein Bogen vier Ellenbogen lang / an der Seite ein Köcher mit vergüldeten Pfeilen. Diese redete / nachdem alle durch ihr Stillschweigen ihren Vortrag zu vernehmen bezeigten / sie derogestalt an: Die Mohren-Königin Candace hätte nach dem Beyspiele ihrer Vorfahren in der Welt den vollkommensten Fürsten aufzusuchen ihr fürgesetzt / welcher würdig wäre nichts minder dem Mohrenlande eine künftige Beherrscherin / als einer so vollkommenen Heldin in der Liebe Vergnügung zu geben; weil ihre Landes-Gesetze dem männlichen Geschlechte den Königlichen Stul / den Königinnen eine beständige Eh verschrenckten. Der weltkündige Ruhm des Fürstens Herrmann hätte sie desthalben wie ein Magnet in Deutschland gezogen; mit dem Vorsatze nichts minder von ihm das Glücke zu genüssen: daß ein so vollkommener Held sie schwängern / als mit Kriegshülffe ihr unter die Armẽ greiffen würde. Sintemal sie entweder zu sterben / oder ihrer Mutter vom Petronius erlittene Niederlage gegen die Römer zu rächen ein Gelübde gethan hätte. Sie vernehme aber bestürtzt die Rauigkeit der deutschen Sitten; welche die Männer zu Knechten eines einigen Weibes machten; ja das andere mal zu heyrathen verschrenckten. [1402] Wordurch sie selbst der Natur Gewalt anthäten; welche darumb so viel mehr des weiblichen Geschlechtes liesse geboren werden: daß ein Mann sich mit mehrern betheilen könte. Vielleicht aber wären diß nur Gesetze für den Pöfel / nicht für Fürsten. Diesen Unterschied hätten die zwey Käyser zu Rom gehalten; indem Julius aller Weiber Mann gewest wäre; August aber ihm so gar eines andern schwangeres Weib geheyrathet hätte. Insonderheit aber vermöchte die Schönheit des Mohrischen Frauenzimmers alle Gesetze aufzulösen / und durch ihre Kohlen die kältesten Seelen anzuzünden. Dannenhero hätte Antonius gegen der braunen Cleopatra / und Julius gegen der schwartzen Tochter des Königs Bogudes alle weisse Weiber zu Rom verschmähet. Uber diß stünde einem so streitbaren Fürsten nicht an iemanden anders / als die fürtrefflichste Heldin zu lieben. Ein Ninus könte nur eine Semiramis umbarmen; kein Adler aber gatte sich mit einer Taube. Aus eben dieser Ursache hätte der Libysche König Antäus seine behertzte Tochter Alceis / Danaus alle seine funfzig /Oenomaus seine einige Tochter Hippodamia / Pisander seine Schwester als einen Preiß dem tapfersten Helden aufgesetzt. Also würde nun auch Hertzog Herrmanns Braut Schande halber mit ihr umb den Fürsten Herrmann kämpfen / oder sich ihres Anspruchs an ihn / wo nicht gar verzeihen / doch mit ihr seine Liebe theilen müssen. Mit diesen Worten warff sie den Granat-Apfel und die Kästen-Nuß / jenes als ein Friedens- / diß als ein Krieges-Zeichen auf die Taffel; mit der Erinnerung: daß die / welche hierbey einigen Zuspruch hätte / eines / oder das andere erkiesen solte. Worauf Thußnelde zum letztern grieff / die Mohrin aber dreuenden Abschied nam.

Folgenden Tag ward bey noch währender Finsternüß der Schau-Platz schon wieder angefüllet; wiewohl der in einen silbernen Rock gekleidete Monde auf einem helffenbeinernen Wagen / welcher von einem weissen und einem schwartzen Pferde gezogen ward / erschien / und theils mit seinem auf dem Haupte brennenden Horne / theils mit einem feurigen Spiegel den Schau-Platz so sehr erhellete; daß es schien: es hätten die Thessalischen Zauber-Weiber durch diesen Wunder-Spiegel den Monden vom Himmel auf die Erde gezogen; zumal dieser fort für fort umb den gantzen Schau-Platz herumb kreissete. Ihm folgete auf einem vergüldeten Wagen in Gestalt einer ansehnlichẽ Königin Deutschland. Diesen zohen vier schneeweisse Pferde. Ihre gelben Haare waren hinten in einen Knoten zusammen gebunden / und das Haupt mit einem Lorber-Krantze bedecket. Zu ihren Füssen lagen zerbrochene Fessel und Ketten. Sie begleiteten zwölff mit Schilff und Mooß bekleidete Flüsse; welche umb sie herumb mitten in dem Schau-Platze stehen blieben. Bald darauf erschien die Natur auf einem Wagen; welcher ein vollkommenes Ey / dieses aber die Welt abbildete. Denn wie die Natur an sich selbst nichts anders / als die Werckmeisterin Gottes ist /also ist die Welt sein Schatten. Den Wagen zohen ein weisser und ein falber Hirsch / als zwey Bilder der flüchtigen / und in Tag und Nacht getheilten Zeit. Die Natur saß auf einem grün-geblümten Stule. Auf dem Haupte hatte sie einen Sternen-Krantz / ein Himmel-blaues Ober-Kleid und einen Meer-grünen Rock an; in der Hand eine grüne Rutte an statt des Königs-Stabes. Ihr Busem war gantz bloß; weil diese gütige Mutter die Weißheit durch den beweglichsten Liebreitz locket ihre Schönheit und Schätze zu erforschen und zu genüssen. Aus der einen helffenbeinernen Brust sprützte sie gleichsam als aus einem unerschöpflichen Liebes-Brunnen Milch / aus der andern Oel; die Füsse aber troffen vom Wasser / alles als ein gütigstes Geschencke der von ihr ernähreten Welt. Auf dem einen Rade des Wagens stand das Feuer /[1403] auf dem andern die Lufft / auf dem dritten die Erde /auf dem vierdten das Wasser. Der Natur kam durch das andere Thor die Kunst entgegen / auf einer vergüldeten grossen Schild-Krote aus Metall; welche durch ein Uhrwerck getrieben ward: daß sie sich schneller / als eine Lebende dahin bewegte; wohin es die Kunst mit ihrem andeutenden Fusse verlangte. Die Kunst bildete eine junge Dirne ab / mit aufgekrauseten Haaren / einem geschminckten und mit ausgeschnittenen Fliegen und Gewürme bekleibten Antlitze. Das Haupt und der Hals strahlete mit vielerley nachgemachten Perlen und Edelgesteinen. Auf den Rock waren die Gestirne nach ihrer wesentlichen Beschaffenheit gestickt. Sie saß auf einem aus Helffenbein gedrehtem Dreyfusse. In der Hand hatte sie einen holen Mäß-Stab; den sie nicht allein zu einem Circkel / sondern auch zu einem Fern-Glase brauchen konte. Ihr folgte ein zierlich ausgeschnitzter Wagen mit zwey Maul-Eseln. Selbten hielten hinten das Bild der Liebe und des Mercur; welchen beyden das Alterthum die Erfindung fast aller Künste zugeeignet hat. Auf dem Wagen lag allerhand Handwercks-Zeug. Auf der Seite giengen drey ungeheure Riesen mit Beilen und Hämmern. Als die Natur auf einer / die Kunst auf der andern Seiten sich Deutschlande näherten / fiengen die zwölff Flüsse mit eitel irrdenen Gefässen an ein liebliches Wasser-Gethöne zu machen; Deutschland aber mit freudiger Geberdung sie folgender Gestalt anzusingen:


Ihr Mütter aller Wunderwercke /

Bau't mir zu Lieb' ein Ehren-Maal /

Dem Helden / dessen Riesen-Stärcke

Wie Glas zermalmt der Römer Stahl /

Der Fessel kan wie Wachs zerwinden /

Wormit Rom Deutschland meynt zu binden.


Natur / zu was für einem Ende

Gebierst du Ertzt und Marmel-Stein?

Als daß der Kunst geschickte Hände

Der Heiden Bilder etzen drein.

Wer etwas schlechters draus läst machen /

Verunehrt nur so edle Sachen.


Nichts werthers aber ist zu hauen

In Helffenbein / Gold und Porphir /

Als Herrmann seiner Feinde Grauen /

Des Himmels Schoß-Kind / Deutschlands Zier;

Der durch die Tapferkeit in Norden

Mehr als ein Hercules ist worden.


Deutschland hatte noch nicht gar ausgesungen; als die Natur mit ihrer Rutte auf die Erde schlug. Bald hierauf erhob sich daselbst ein kleiner Hügel; welcher anfangs nur einem Maulwurffs-Hauffen zu gleichen war / hernach aber zu einer zwölff Ellen-hohen Stein-Klippe ward. Also daß die allezeit zugleich schwangere und gebehrende Natur / die für Zeiten auch Delos / Rhodus und andere Eylande aus dem Meere herfür gestossen haben soll / allhier einen neuen Berg zu gebehren schien. So bald aber diß Wachsthum aufhörete; hoben die drey Riesen die Kunst mit ihrer Schild-Krote empor; welche mit ihrem Mäß-Stabe diese Klippe abmaaß / und / was daran zu arbeiten wäre /die Riesen anwieß. Diese machten sich alsofort mit ihrem Werckzeuge an diese Klippe / welche diesen starcken / und über so embsiger Arbeit schwitzenden Riesen wie weiches Holtz nachgab; und in kurtzer Zeit stellte dieser vorhin raue Stein ein geschicktes Marmel-Bild Hertzog Herrmanns für. Am wunderwürdigsten war hierbey / daß die Cyclopen mit ihrem Hauen und Feilen ein so wohl abgetheiltes Geräusche machten / nach dem die zwölff Flüsse-tantzen konten. Deutschland bezeugte hierüber seine nicht geringe Vergnügung / und sang abermals zu seiner zwölff Flüsse Wasser-Gethöne:


Zwar Winde / Zeit und Wolcken stůrmen

Zu åschern falsche Bilder ein /

Die Heucheley pflegt aufzuthürmen.

Dis Bild wird aber ewig seyn.

Denn Seulen können nicht vergehen /

Die auf der Tugend Fusse siehen.


Die drey Cyclopen / und die vier von dem Wagen der Natur abspringenden Geister des Feuers / der Lufft /der Erde und des Wassers mischten sich hierauf unter die zwölff Flüsse; und hegten zusammen umb diese Herrmanns-Seule einen artlichen Tantz; darinnen sie beym Schlusse [1404] ieden Satzes / wiewohl allemal verändert / Hertzog Herrmanns Nahmen durch ihre Stellungen abbildeten. Nach dessen Endigung rückte Deutschland / die Natur und Kunst mit ihrem Aufzuge an ein Ende des Schau-Platzes enge zusammen; der Monde aber zoh / weil es nun völlig tagte / vom Schau-Platze wieder ab.

Zu denen eröffneten Thoren sahe nun der gleichsam in der Geburt stehende Tag hinein. Es kam auch alsofort der für Furcht gleichsam erblaßte Morgen-Stern auf einem weissen Pferde hinein gerennet; welch Pförtner des Tages aber nicht Stand hielt / sondern geraden Weges zum andern Thore hinaus eilete. Hierauf folgte die Morgen-Röthe auf einem rothgüldenen und von zwey geflügelten weissen Pferden gezogenem Wagen. Die Räder und Pferde waren so naß: daß sie troffen; gleich als wenn sie allererst in dem Meere wären abgespielet worden. Diese rauchten gleichsam und schäumeten schier Feuer aus gegen die vorhergehende in eine Wolcke eingehüllete / und mit einer schwartzen / iedoch mit Stralen besämeten Haube bedeckte Nacht. Die Morgen-Röthe hatte ein weiß silbern Gewand an / umb die Stirne einen güldenẽ und purpernen Schleyer / einen erhobenen Leib / gleich als wenn sie allezeit mit dem Tage schwanger gienge. Auf der Schoß lag ein hell-gläntzender Spiegel; gleich als wenn sie der Welt sich aufs neue zu beschauen das Gesichte wieder gäbe. Auf dem Haupte trug sie einen Rosen-Krantz; sintemal sie den Garten des Himmels gleichsam mit eitel solchem Geblüme bestreuet. Hinter ihrem Haupte gläntzete eine güldene Sonne; weil sie / wo nicht die Tochter / doch der Schatten dieses Gestirnes ist. An der Spitze des Wagens aber erblaßten und flohen zugleich für ihr her der gemahlte Monde und andere Sternen. Ihr Mund lachte für Purper / aus ihren Augen fielen häuffig Thränen / womit sie täglich ihren vom Achilles getödteten Sohn Memnon beweinet. Mit jenem mahlet sie; mit ihren Perlen aber bethauet und erfrischet sie sie; und mit beyden scheint sie zu erinnern: daß alle Lust ein weinendes Lachen / ja die fruchtbaren Thränen nützlicher / als Schimmer und Freude sind. Uber diß stand zu ihren Füssen auf der rechten Seiten ein alabasterner Krug /auf der lincken ein zierlich geflochtener Korb / jener ein Geschencke der Thetys / dieser der Blumen-Göttin. Aus dem Kruge schüttete sie mit einẽ Sprengewedel wohlrüchendes Wasser / aus dem Korbe Blumẽ aus. Harte für dem Wagẽ giengen der nasse Sud-Wind / der spielende West- und der beschneyete Nord Wind / als ihre drey mit dem Astreus erzeugete Söhne; der Ost-Wind aber folgte dem Wagen als ein Diener nach. Bey ihr auf dem Wagen aber saß als ein schöner Jüngling ihr geliebter Orion / von dem sie schierkein Auge verwendete. Ihres Sohnes Memnons schwartz-steinerne Seule aber stand auff der Spitze des Förder-Wagens hoch erhöhet; hatte in der Hand eine Harffe / auf dem Haupt einen Vogel / darein er bey seiner Verbrennung soll verwandelt worden seyn. Von dem Bilde der Sonne gieng ein sichtbarer Feuer-Strahl auf Memnons Mund / wovon er den allersüssesten Laut / gleich als dieser Stein wahrhaftig auf der Harffe spielte / von sich gab. Nach diesem Aufzuge der Morgen-Röthe folgten vier gethürmte Elefanten mit Gold-Stück bedeckt. Die Thürme waren mit Mohren-Jungfrauen angefüllt; welche mit denen annehmlichsten Seiten-Spielen die Lufft erfülleten. Worunter fürnemlich eine vollstimmige Leyer als ein der Sonne eigentlich zugehörendes Seiten-Spiel zu hören war; weil sie mit ihrer Bewegung in der Welt einen so süssen Laut machen soll / und desthalben für den Vater der Musen / der Himmel für die Leyer Gottes / und die Welt für eine Harffe der Sonne gehalten wird. Hierauff ritt auff einem feuer-farbichten Pferde Zirolane eine Marsingische Fürstin / welche die Tochter der[1405] Sonnen Pasiphae in einem Regenbogen-färbichten Kleide fürstellete. Auf dem Haupte hatte sie eine mit Opalen gläntzende Krone von Golde. Nach ihr ritten fünf und siebenzig edle Jungfrauen alle wie Mohrinnen / und der Pasiphae / außer der Krone / gleich gekleidet. Alle waren auch mit güldenen Köchern /Bogen / Pfeilen / Schwerdtern und Wurff-Spießen ausgerüstet. Pasiphaen trugen auf der Seite sechs Mohren-Knaben die Waffen. Mitten in diesem Geschwader führte die Gräfin von Salms auf einer Stange zum Kriegs-Zeichen einen Ochsen mit einem Menschen-Kopffe oder Minotaurus. Hierauf kam auf einem gleichfals feuerfärbichten Hengste Leitholde eine Fürstin der Chauzen; welche hier die andere Tochter der Sonne Phaetusen abbildete. Ihr goldgestückter Purper-Rock sahe wie eitel Feuer-Flammen aus. Ihre Krone brennte von eitel Rubinen. Ihre Waffen trugen gleichfals sechs Mohren-Knaben; und nach ihr ritten fünf und siebzig gleich gekleidete edle Jungfrauen. Ihr Krieges-Zeichen war ein schwartzer Papel-Baum / darein die über ihren Bruder so sehr betrübte Phaetusa soll verwandelt worden seyn. Hierauf folgte ein mit vier feuer-färbichten Pferden gezogener güldener Wagen; auf welchem das Bild des Feuers in Gestalt eines Löwen / mit einem menschlichen Antlitzes / und grossen gewundenen Wieder-Hörnern / welcher mit den Klauen eines Ochsen Hörner faßte / zu sehen war. Für diesem stand ein Mohren-Priester / welcher in eine güldene Schale unaufhörlich Zimmet warf / der sich von sich selbst anzündete. Auf jeder Seite des Sonnen-Wagens giengen zwey von so viel Mohren-Knaben geleitete Elefanten; derer jeder zwey Mohren einen steinernen Kessel fürtrug; aus welchem die Elefanten mit ihrem Schnabel Wasser an sich zohen / sich darmit wuschen und besprützten; hernach sich gleichsam aus einer angebohrnen Andacht für dem Bilde der Sonne neigten; gegen selbtem ehrerbietig den Schnabel ausstreckten /und etliche abgebrochene Zweige selbtem auf den Wagen lieferten. Nach denen Elefanten wurden vier der Sonne gewiedmete Pferde mit güldenen Zäumen und Decken von vier Mohrinnen geführet. Worauf die Fürstin Ismene unter dem Nahmen der Königin Candare auf einem für Edelgesteinen schütternden Pferde in Gestalt der Sonne oder einer Feuer-Göttin erschien; und zwar noch schwärtzer / als alles andere Mohrische Frauenzimmer. Sintemal die Schwärtze ein Fürbild der Sonne ist / wegen ihrer Eigenschafft: daß sie die Menschen schwärtzet. Sie hatte einen Rubinenen Krantz in Gestalt der sich zuspitzenden Sonnen-Strahlen auf; ein güldenes Gewand an. An der Achsel hieng ein güldener Bogen. An der Seite ein mit Rubinen versetzter Köcher mit güldenen Pfeilen. Umb sie giengen zwölf weisse / und zwölf schwartze Knaben /welche die vier und zwantzig Stunden des Tages und der Nacht abbildeten / und zugleich Waffen-Träger dieser Königin abgaben. Diese führete der für eitel Golde schimmernde Mittag. Hierauf erschien des Hertzogs der Catten Arpus Tochter Catta / auf einem weissen Pferde die Sonnen-Tochter Lampetie darstellende. Ihr Kleid war Silberstück; ihr Krantz von eitel Perlen. Nebst sechs ihr die Waffen tragenden Knaben folgten ihr fünf und siebentzig weiß gekleidete Mohren-Jungfrauen. Ihr Kriegs-Zeichen war ein Löwe. Zuletzt kam mit eben so viel schwartzen Jungfrauen und gleichmäßigem Aufzuge Melinde eine Gräfin von Waldeck als die vierdte Sonnen-Tochter Circe in einem gold-gelben Kleide / und mit einem Krantze von gelb-rothen Hyacinthen-Steinen. In der Hand hatte sie eine Gärthe in Gestalt einer Natter. Ihr Kriegs-Zeichen war ein Drache. Als dieser Mohren-Aufzug beschlossen war / kam ein von sechs weissen Kühen gezogener sechs-rädrichter silberner Wagen in Schauplatz. Auf selbtem saß in einem Regenbogen-färbichten [1406] Rocke Iris / nebst noch dreyzehn so gekleideten und der Juno gewiedmeten Jungfrauen. Iris hatte einen Krantz von Perlen / die andern von Weitzen-Eeren auf; welche Juno für ihre Blumen hält. Jede rührte ein absonder Säitenspiel. Dem Wagen folgten vier Centauren; welche von vier Winden an silbernen Ketten als Gefangene geführt wurden. Hierauf ritt auf einem Perlen-farbenen Hengste eine Gräfin von Stirum in Gestalt der Amazonischen Hippodamia; und nach ihr fünf und siebenzig schneeweisse alle in Silber gekleidete Amazonen; deren lincke Brust gantz /der rechte Schenckel bis übers Knie entblößet / das Haar in die Lufft ausgestreuet / jede mit silbernen Bogen / Pfeilen und Wurf-Spießen ausgerüstet; Hippodamia über dis von sechs weissen Knaben bedienet war. Auf einer versilberten Stange führten sie zum Kriegs-Zeichen eine der Juno gewiedmete Gans. Den andern von fünf und siebenzig lichte-gelbe bekleideten Amazonen bestehenden Hauffen führte eine Gräfin von Hohenloh; welche die Widersacherin des Hercules Menalippe mit einem Krantze von eitel Milch-weissen / gleichwol aber durchsichtigen Monden-oder Spiegel-Steinen fürbildete. Ihr Krieges-Zeichen war ein der Juno heiliger Pfau. Auf diesen Hauffen erschien ein silberner von vier weissen Ochsen gezogener Wagen. Auf demselben stand das Bild der Lufft /wie die von vielen Brüsten strutzende Isis; welche auf dem Haupte einen halben Mohnden / in der Hand ein Thau-Gefäße hatte. Für ihr stand Callirrhöe eine Priesterin der Juno / und schlachtete ihr ein weisses Schaf ab. Umb den Wagen giengen acht Winde; nach ihnen der Tag. Hierauf erschien auf einer Perlen-farbenen Stutte die andere Cattische Fürstin Adelmunde / als allhier die Amazonin Antiope / oder vielmehr die Göttin Juno wie eine Amazone ausgerüstet. Ihr Kleid war Silberstück mit güldenen Lilgen; das Haupt mit einer Perlen-reichen Krone bedeckt. Auf ihrem silbernen Schilde war ein Kuckuck geetzt / als in welchen Vogel sich Jupiter ihr zu Liebe verwandelt haben soll. Um diese Königin giengen die zwölff in Perlen-farbenen Damast gekleidete himmlische Zeichen mit weissen Fackeln gerüstet; und wurden von dem in Purpur gekleideten Abende / als welcher allen Gestirnen ihr Licht anzündet / aufgeführet. Nach ihr aber zohe eine Gräfin von Teckelnburg unter dem Nahmen Hippolitens des Theseus Buhlschafft mit einem Krantze von Berillen und einer zum Kriegs-Zeichen erwehlten Kuhe. Endlich eine in Sardonich-Farbe gekleidete /und mit solchen Steinen gekräntzte Gräfin von Horn /unter der Gestalt der hertzhafften Orythie nebst einem Horne des Uberflusses / und zwar jede mit fünf und siebenzig alle in Silber oder weiß gekleideten Amazonen / und jede mit sechs Knaben auf. Alle dieser Amazonen Pferde waren Perlen-weiß.

Zu dem andern Thore hingegen kamen vier durch geheime Gewichte bewegte Meerschweine in den Schauplatz; welche den auf der Laute lieblich spielenden Arion auf dem Rücken trugen. Umb ihn herumb sassen vier Tritonen / die bald auf weit schallenden Hörnern / bald auf so viel mit Seiten bezogenen Muscheln ihm wechselsweise einstimmeten. Nach diesen wurden vier ansehnliche und mit perlenen Decken belegte Pferde / als welche Neptun zum ersten soll ans Licht gebracht / oder der Thetys auf die Hochzeit geschencket haben / von vier Tritonen geführet. Hierauf erschien / wie alle folgende Meer-Heldinnen / auf einem Meer-blauen Pferde eine Gräfin von Reineck unter dem Nahmen der Meer-Tochter Clytie; welche wie ihre fünf und siebenzig nachfolgende Gespielen auf Amazonische Art mit einem himmelblauen Kleide / und einem Korallen-Krantze bedeckt war. Zum Kriegs-Zeichen führte eine Gräfin von Henneberg auf einer Meer-grünen Stange das [1407] Bild ihrer geliebten Sonne. Hierauf folgte in einem himmel-blauen Rocke / und mit einem Krantze von Saphieren eine Ascanische Fürstin Theudelinde / in Gestalt der andern Meer-Tochter Asiens; und nach ihr fünf und siebenzig gleiche Gefärthinnen. Die Gräfin von Andechs führte derer Kriegs-Zeichen eine Feuer-Seule; entweder weil Thetys aus Abneigung gegen den Peleus sich in eine Flamme verwandelt / oder Asiens Sohn Prometheus das Feuer vom Himmel gestohlen haben soll. Nach diesen ward das Bild des Wassers aus Marmelsteine /welches unter dem Arme aus einem weiten Gefäße eine Bach ausschüttete / auf einem von zwey Wallfischen gezogenem Wagen geführet. Ein schwartz-gekleideter Priester saß auf einem abgeschlachteten wilden Schweine / und opferte von selbtem eine Schale Blut nach der andern denen Wasser-Göttern. Hierauf erschien die Göttin Thetys / oder die unbefleckte Fürstin Thußnelde / als eine deutsche Amazone selbst in einem gewässerten Perlen-farbenen Kleide / welches nichts minder als ihre Krone mit Perlen bedeckt war. Sie war / wie alle andere / auf Amazonisch gerüstet; nur / daß sie in der Hand einen silbernen Dreyzancks-Stab führte. Umb sie herumb giengen vier und zwantzig von der kohlschwartzen Mitternacht gekleidete Nereides; sintemahl zu dieser Zeit die Sonne im Meere schlaffen oder sich baden soll. Dieser Königin folgte ihre Tochter Fleione der Plejaden Mutter mit einem ebenfals Perlen-farbenen Rocke / und einem Krantze von Meer-grünen Berillen; welche Stelle eine Fürstin der Wenden vertrat. Nach dieser kamen ihre Töchter die sieben Plejades nebst noch acht und sechzig weiß gekleideten See-Göttinnen; zu ihrem Merckmaal führte eine Gräfin von Thurn den Sternen-Bär. Zuletzt erschien eine Gräfin von Holland in Gestalt der Meer-Tochter Ephyre in einem grün- und blau-vermengtem Rocke / mit einem Krantze von Türckissen. Nicht anders waren ihre fünf und siebenzig Nachfolgerinnen gekleidet. Ihre zum Kriegs-Zeichen erwehlte zwey güldenen Stern-Fische führte eine Gräfin von Spiegelberg.

Den vierdten Aufzug fieng ein in den Schauplatz gleichsam kriechender Berg an / auf dem die neun mit Rosen gekräntzten Musen / als des Himmels und der Erde Töchter / mit ihren gewöhnlichen Säitenspielen aller Zuschauer Ohren und Augen an sich zohen. Diesem Berge folgten vier von so viel Mägdlein geführte Löwen / als die der Götter-Mutter Cybele gewiedmeten Thiere. Nach ihr ritt auf einem schwartzen / aber mit einem Rosen-farbenem Tuche bedecktem Pferde eine Gräfin von Rheinfeld / als die Blumen-Göttin / in einem Rosen-farbenem Rocke mit Rosen und Chrysolithen gekräntzt. Neben ihr giengen sechs Blumen ausstreuende Knaben. Ihre fünf und siebenzig nachfolgende Frauenzimmer waren alle eben so gekleidet /und mit Bogen / Pfeilen und Zweyzancks-Stäben gewaffnet. Ihr Krieges-Zeichen eine Rose führte eine Gräfin von Fürstenberg. Dieser folgte die in gelben Atlas gekleidete / und mit einem aus Agstein gebildeten und mit Weitzen-Eeren umbflochtenen Eeren-Krantze gezierete Ceres / eine Fürstin der Sicambrer. Sie bedienten sechs mit Eeren gekräntzete und mit Sicheln gewaffnete Mohren-Knaben. Ihre fünf und siebenzig Gefärthinnen waren wie die Ceres gekleidet /und wie sie mit Bogen und Sicheln gerüstet / ihre schwartzen Pferde mit gelben Decken geputzt. Das Kriegs-Zeichen eines Mah-Hauptes führte eine Gräfin von Wertheim. Nach diesem kam ein von zwey Schlangen gezogener Wagen / darauf das Bild der Erde in Gestalt eines schwartzen großbrüstigen schwangern / und mit Thürmen gekrönten / ein Horn des Uberflusses in einer / und eine Fackel in der andern Hand habenden Weibes saß; für [1408] ihr aber eine Dro el stand. Sintemal diese urälteste Göttin als eine allgemeine Mutter / als ein Thurm Jupiters / als ein Tempel der Welt / und als ein Becher der Helden /wie der Himmel für den Vater verehret zu werden pfleget. Für diesem Bilde kniete ein Priester mit einer Schale voll Milch / und einer Schüssel voll Honig. Diesem Wagen folgte die Nacht / als eine Tochter der Erde und Mutter der Fruchtbarkeit mit zwölf Gärtnern / und nach ihr riett die in grünen Damast gekleidete /und mit einem schmaragdenen Krantze und herrlichen Waffen prangende Fürstin Rhamis / des dritten Cattischen Hertzog Ukrumers Tochter. Sie bedienten die zwölf Monate / unter denen der Ceres gewiedmete August den Vorzug / und den prächtigsten Krantz auf / alle aber den mit Perlen und Rosen prangenden Morgen zu ihrem Führer hatten. Hierauf erschien eine Gräfin von Mannsfeld / als die Obst- und Wein-Göttin / in einem grün-röthlichten Kleide / mit einem aus Granat-Aepfeln und Weintrauben geflochtenen / aber zugleich mit vielerley Edelgesteinen geschmückten Krantze. Die Decken der schwartzen Pferde waren gleichfals bund. Fünf und siebenzig gleichgekleidete Frauen begleiteten sie / und eine Gräfin von Stolberg trug zu ihrem Zeichen einen Granat-Apfel. Endlich rückte vollends die Göttin des Ertztes in einem silbernen Rocke mit einer güldenen Krone / mit stählernen Waffen / einem küpfernem Schilde / und bleyernen Schuen herfür. Diese Stelle bekleidete eine Gräfin von der Marck. Sie bedienten sieben Berg-Geister / derer jeder seines absonderen Ertztes Eigenschafft in Tracht und Waffen zeigte. Fünf und siebenzig Gespielen waren außer der Krone gleicher Gestalt ausgeputzt /und eine Gräfin von Berg führte einen siebenspitzichten Stern als ihr Kriegs-Zeichen. Aller dieser schwartze Pferde waren mit güldenen Teppichten bedeckt.

Diese vier Göttinnen stellten ihr streitbares Frauenzimmer / und zwar jede das Ihrige in vier Hauffen; ihre Wagen zusammen in die Mitte unter die Seule des Feldherrn; ihre Thiere und Dienstbothen aber zwischen die Schlacht-Ordnung; also: daß die wäßrichte Thetys oder Thußnelde gegen der feurigen Sonne oder der Ismene / gegen Clytie Pasiphaen / gegen Asien Phaetusen / zwischen diesen aber der Thetys vier Pferde / gegen der Sonne vier Elefanten / vier und zwantzig Nercides gegen so viel Stunden; ferner Pleione gegen Lampetien / und endlich Ephyre gegen Cyrcen zu stehen kam. Auf der andern Helffte des Schauplatzes bot die annemliche Rhamis / oder Cattische Fürstin der hoffärtigen Juno oder holdseeligen Adelmunde; die Blumen-Göttin Hippodamia / die Getreide-Göttin der Menalippe / zwischen innen der Erde vier Löwen denen vier Centauren als vom Ixion eingebildeten Söhnen der Juno / die Nacht mit zwölff Gärtnern dem Tage und seinen zwölff Winden / die zwölff Monate denen zwölff geharnischten Amazonen; ferner die Obst-Göttin der Hippolite / und die Ertzt-Göttin der Orythie die Stirne. Das Feuer munterte seine Pferde durch Fackeln / welche von denen Waffen-Trägern der ihrer vier Heerführerinnen geschwungen wurden / die Lufft die Ihrigen durch einen hurtigen Tantz / das Wasser durch ein Gethöne der Krummhörner / die Erde durch Verhaltung allerhand bundter Tücher auf. Die 4. Göttinnen und ihre 16. Heerführerinnen tasteten einander zum ersten mit Pfeilen an; hernach traf ihr streitbares bey jedem Hauffen in fünf Glieder jedes von funfzehn Häuptern gestelltes Frauenzimmer von Gliede zu Gliede tapfer auf einander. Worbey die fürtrefliche Ordnung aus der Sonnen Feuer-färbichten Füchsen / des Wassers blaue Schimmeln / der Lufft Perlen-farbenen und der Erde kohlschwartzen Pferden; wie auch aus jeden Geschwaders [1409] absonderlichen Decken / und denen Kleidungen der Streitenden wunderns-werth; und schier eines jeden Frauenzimmers aus allen zwölf hunderten durch ein besonder Merckmaal zu erkiesen war. Gleicher Gestalt führten ihre Leiter die Pferde gegen die Elefanten / und die Löwen gegen die Centauren. Derer erste mit ihren Schnauzen / die andere mit ihrem Huff / die dritten mit ihren Klauen / die vierdten mit ihren Bogen; die Nacht gegen den mit Blitze gerüsteten Mittag mit einem Rauch-Kopffe / der Abend gegen den mit einer Fackel gewaffneten Morgen; die Wasser-Nymphen aber mit Dreyzancks-Stäben gegen die mit Sensen ihnen begegnenden Stunden / die zwölff himmlischen Zeichen gegen die zwölff Monate kämpfften / welche letztern mit denselben Waffen versehen waren / die derselbe Gott führet / dem ein jeder Monat zugeeignet ist. Nach zweymaligem Pfeil-Treffen giengen die Wasser-Kämpferinnen gegen die mit Wurff-Spießen sich beschirmenden Feuer-Heldinnen mit Dreyzancks-Stäben / die der Erde gegen die mit Lantzen versehenen Lufft-Amazonen mit zweyzanckichten Gabeln hertzhafft loß; also: daß wenn nicht alle diese Gewehre mit Fleiß stumpff gemacht worden wären / schwerlich eine unbeschädigt würde geblieben seyn.

Bey diesem dritten Treffen schwenckten sich alle vier Heere so künstlich herumb: daß sonder die geringste Verwirrung die Erde gegen dem Feuer / und das Wasser gegen der Lufft / nicht ohne geheime Andeutung zu stehen kam. Deñ / ob zwar alle vier Elemente einander auf gewisse Art verwand sind / und sich mit einander vereinbaren / so verbinden sich doch Erde und Meer durch die gemeine Eigenschafft ihrer Kälte / und eine diesen zweyen allein anständige Vermischung / das Feuer und die Lufft durch ihre Wärmbde / und daß sie beyde einander völlig durchdringen / am festesten zusammen. Welche zwey letztere auch schier nur durch ihre geschwindere oder längsamere Bewegungs-Art von einander unterschieden sind. Muß also nur die Lufft durch Hülffe ihrer Feuchtigkeit das Wasser und das Feuer / hingegen die Erde durch ihre Trockenheit das Feuer / als welchem sie allen Zunder reichet / und das Wasser durch eine sanffte Vermittelung mit einander versöhnen. Derogestalt waren diese Bundsgenossen ihre Widrige auf eine neue Art anzugreiffen im Wercke schon begrieffen; als das eine Thor des Schauplatzes sich mit grossem Schüttern eröffnete / und der schwartze Vulcan mit sechs einäugichten Cyclopen einhinckte. Er schwenckte als der Gott des Feuers eine hellodernde Fackel umb sich; als welche er auf den Götter-Hochzeiten fürzutragen bestellt ist. Vier ihm als dem Erfinder der Ertztgießung und Schmiede-Arbeit folgende Cyclopen trugen allerhand küpferne Platten / ertztene Kugeln / Schleuder-Tische / eiserne Bälle / meßingene Rincken / Bley-Gewichte / Schleudern / und allen andern in denen Olympischen Spielen gebräuchlichen Vorrath nach. Polyphemus der stärckste unter ihnen war mit dem schönen aus Ertzt gegossenem Hunde beladen / den Vulcan nach dem Muster des dem Jupiter verehrten ausgeetzt / und seiner Venus geschenckt hatte. Nach diesem ungestallten Riesen folgte der Liebe Waffen-Träger Bacchus mit seinen pfeiffenden Silenen und tantzenden Bacchen / welche den Erdbodem mit Ulmen-Zweigen peitschten; gleich als wenn sie hierdurch abermals neue Wein- Honig- und Milch-Brunnen erwecken wolten. Hierauf erschienen die drey singenden Holdinnen / derer Gestalt sich der Schönheit / die Stimme der süssen Ubereinstimmung des Himmels gleichte / die Rosen streuenden und wolrüchendes Wasser aussprengenden Hände aber den Erdboden beblümten und die Lufft einbisamten. Nach diesem kam auf dem einer Perlen-Muschel gleichen und [1410] von zweyen Schwanen gezogenem Wagen die Göttin der Liebe in einem blauen mit güldenen Rosen oder vielmehr Sternen bestreuten Rocke. Die Schläfe waren mit Rosen / der Hauptwirbel mit einer perlenen Krone bedeckt / der Hals mit Perlen / der Leib mit einem Gürtel von köstlichsten Edelgesteinen / die Seite mit einem schmaragdenen Köcher / der Arm mit einem güldenen Bogen geschmückt. Zu ihren Füssen lag der geharnschte Kriegs-Gott gebunden. Gegen über saß ein annehmlicher Liebes-Gott; dessen Leib gleichsam die Milch / seine Wangen die Rosen / der Mund Zinober wegstach. Sein lichtes Haar war noch mit Gold-Staube bestreuet; also: daß sein Haupt mit so viel Sonnen-Strahlen bekleidet zu seyn schien / als auf selbtem Haare zu sehen waren; welche sich einem wellichten Gold-Drate gleichten. Er hatte zwey Köcher einen mit güldenen- den andern mit bloyernen Pfeilen erfüllet. Seine Flügel waren zwey Pfauen-Schwäntzen ähnlich / in dem alle Federn voller Frauen-Augen hiengen / seine purperne Schürtze aber unzehlbare Hertzen beschloß. Dieser hielt seiner Mutter einen grossen kristallenen Spiegel vor; womit sie /weil in der Welt nichts schöners zu finden / sie sich nur über ihrer eigenen Vollkommenheit vergnügen möchte. Für dem Wagen giengen noch funfzehn andere geflügelte Liebes-Götter; derer ein jeder einen kostbaren Siegs-Preiß trug. Umb den Wagen lieffen die fünf Sinnen / welche einen Lobgesang der Liebe sangen / hierüber aber unter einander selbst in Zwist geriethen / welch Sinn die Liebe zu erwecken oder zu unterhalten das meiste beytrüge. Diesen Kampff drückten sie mit ihrer süssen Kehle und folgende Wechsel-Reimen aus:

Das Gehöre.

Die Halsfrau aller Seel'n / der Hertzen Henckerin /

Die Mutter der Natur / der Ursprung aller Sachen /

Die Heb-Amm' aller Lust / der Götter K \nigin

Die Liebe / die die Welt kan lieb- und lebhafft machen /

Braucht alle Sinnen zwar zum Werckzeug ihrer Macht;

Allein die Lieb' ist selbst durch mich zur Welt gebracht.


Mein helffenbeinern Ohr ist ihre Mutter-Schoos /

Die Muschel / in der sie soll worden seyn empfangen.

Hier wird die Liebe jung / hier wächst sie starck und groß;

Denn das Geh \re zeugt begieriges Verlangen;

Eh Alcibiades noch die Medontis sieht /

Würckt schon ihr Ruhm so viel: daß er für Liebe glüht.


Besänfftigt Orpheus nicht das Vieh durch Säitenspiel?

Die Schlang' entgifftet sich / und starret als beschworen /

Die Tiger werden kirr / und kurtzweiln / wie er wil /

Ja Felsen / Winde / Wald und Kräuter kriegen Ohren;

Er preßt das Thränen-Saltz den Höllen-Geistern ab /

Macht: daß Proserpina sein Weib ihm wieder gab.


Die süsse Kützelung der Ohren hat die Krafft:

Daß man Gehöre giebt halb-schlängichten Sirenen /

Und sich in Abgrund stůrtzt / wenn es ihr Lock-Lied schafft.

Denn ihre Stimmen sind die Zauberey der Schönen.

Der Hamen / der allzeit schlingt tausend Seelen ein /

Wenn Liebreitz und Gestalt vergebne Jäger seyn.


Die edlen Ohren sind zwey Pforten süsser Brunst /

Die allzeit offen stehn die Lieb' in's Hertz zu lassen;

Sie sind zwey Labyrinth' / aus denen keine Kunst

Sich weiß zu wickeln aus / die sie schon einmal fassen.

Sie sind der Anmuth Röhr / und das Gehör' ein Sinn /

Der Marmel fühlend macht / und Unmuth schläget hin.

Das Gesichte.

Verkreuch Gehöre dich / du brauchst nur Unterschlief.

Des Leibes Schönheit ist vereinbart ins Gesichte /

Die Augen aber sind des Antlitzes Begrief.

Die Lebens-Geister sind vermählt mit ihrem Lichte;

Sind also mehr / als sonst kein ander Glied / geschickt:

Daß Seel' und Hertz durch sie den regen Trieb ausdrůckt.


Sie sind ein Sommer-Glantz der alles Ding entdeckt /

Ja sie sind selbst das Hauß der Seel' / ein Sitz der Hertzen /

Ein Spiegel der uns zeigt / was in Gedancken steckt

Fůr heimliche Begierd' und angenehme Schmertzen.

Ihr stumm Gespråche giebt glaubhaffter zu verstehn

Den Wunsch als Worte / die meist nicht von Hertzen gehn.


Die Liebe wird gezeugt in Augen / in der Brust

Geträncket / in der Seel' ernehret und erzogen.

In Augen kåumt und wächst der Liebe meiste Lust /

Dar wird / wo sonst der Mund nur Milch saugt / Blut gesogen;

Wenn Lippen kaum einmal aus Kůssen Honig ziehn /

Trinckt's Auge tausendmal viel Nectar aus Rubin.


Die sch \nen Augen sind dem Sonnen-Brunnen gleich /

Die Thränen in dem Tag' / und Glutt zur Nacht gebehren.

Wenn anfangs sie das Hertz mitleidend machen weich /

Hernach eys-kalte Seeln durch heissen Brand verzehren.

[1411]

Es ist ihr Mitler-Ampt zu machen einen Schluß:

Daß Hertz und Liebe sich zusammen schmeltzen muß.


Die Blicke sind der Pfeil / die Augen das Geschoß /

Die Augenbrauen sind der Köcher und der Bogen.

Der Himmel mache sich mit einer Sonne groß /

Es hat mein Paradis zwey Sonnen auferzogen.

Der Liebe Richt-Stul ist den Augen heimgestellt;

Denn jene liebt und lobt / was diesen wolgefällt.

Der Geschmack.

Was rühmt ihr Augen euch? die Lieb' ist ja stockblind

Ihr fangt zu leben an zum letzten / sterbt am ersten.

Die Lieb' ist im Gesicht' ein noch ohnmåchtig Kind /

Und euer Brutt pflegt offt für der Geburt zu bersten.

Ihr lechst für eitel Durst / genüßt kein Labsal nicht;

Speist euch mit leeren Schal'n / hegt ein nur zehrend Licht.


Ich aber bin allein der Liebe Koch und Kost.

Bin ich die Mutter nicht / so bleib' ich doch die Amme.

Der Augen Strahlen sind für mir nur hitzig Frost;

Der Liebe Zunder kommt durch mich erst recht zur Flamme.

Sie labt und speiset sich durch meinen Uberfluß /

Die Schüssel ist der Mund / ihr Himmel-Brod ein Kuß.


Dis ist der Götter Lust / des Paradieses Frucht /

An der man sich kan matt / nie überdrüßig essen,

Der Zucker / den die Bien' aus Kräutern saugt und sucht /

Und den der Inde läßt aus Palmen-Frůchten pressen /

Ist Wermuth gegen dem / den ein begeisiert Kuß

Aus Rosen-Lippen saugt / und andern geben muß.


Jedoch vermischen sich zwey Münd' und Zungen nicht

So brünstig als zwey Seel'n durch einen Kuß zusammen;

Denn Küssen ist allein der Seelen ihr Gericht' /

Als die sich hier vermähln durch ihre süsse Flammen.

Es schleußt ein enger Mund zwey gantze Seelen ein /

Und zweyer Leben scheint ein einig Kuß zu seyn.


Wiewol die Lippen nicht nur Liebes-Tasseln sind.

An Brüsten saugt nicht nur ein Kind / Verliebte laben

Sich an der Milch / die nie verrinnet / nur gerinnt.

Sie sind Gebürg' aus Schnee / die an den Gipfeln haben

Zwey Erdbeern süsser Art wie Honig / roth wie Blut;

Zwey Aepfel voller Safft / zwey Berge voller Glut.

Der Geruch.

Wahr ists: daß Lieb' aus Mund und Brust ihr Labsal nimmt /

Die Sternen können nichts vom Himmel süssers thauen /

Als was hier auf der Milch / dort auf den Rosen schwimmt.

Ein alabastern Leib / ein Antlitz sch \ner Frauen

Ist ein recht Sonnen-Tisch / der nie wird aufgezehrt /

Ein Kelch der Seelen tränckt / der Geist- und Götter nehrt.


Allein /wem eckelt nicht bey reichstem Uberfluß?

Für ungewürtzter Kost und stinckenden Gerüchten?

Mein Balsam aber ist der alles machen muß /

Das Oel der Liebes-Glut / das Saltz in ihren Früchten.

Er ist der Küsse Geist; weil nichts beliebt seyn kan /

Was uns nach Leichen schmeckt und als ein Grab rücht an.


Die Rose wůrde nicht der Liebe Blume seyn /

Ihr Purper must' umbsonst auf ihrem Stiel' erbleichen /

Wenn sie nicht balsamte Zibeth und Amber ein.

Dis machet: daß sich ihr darf keine Blume gleichen;

Da Tulipanen doch ihr gehn an Farben für;

Und auf den Nelcken brennt mehr Feuer / als auf ihr.


Wie nun der Blumen-Röth' ist ihrer Liebe Brand /

Der Thau ihr Trähnen-Saltz / so ist ihr süsses Rüchen

Die Sehnsucht / die die Pein der Blumen macht bekand;

In die die Seelen sind der Liebenden gewiechen.

Ja Venus hätte nie verliebt sich in Adon /

Wär'er gewesen nicht der Myrrhen-Staude Sohn.


Sie hat den Westwind auch zum Vordrab ihr erkiest /

Weil seine Lippen nichts als Würtzen athmen sollen.

Nach dem doch der Geruch der Götter Mahlzeit ist /

Die Aloe / nicht Vieh zu Opffern haben wollen.

Der Liebe Sitz / das Hertz / stärckt sich durch mich allein.

Wie soll nicht der Geruch zur Liebe dienlich seyn?

Das Fühlen.

Ihr seyd der Liebe Magd' und Werckzeug ins gesamt /

Das Hören dienet ihr zu einem Harffenschläger /

Und der Geschmack vertritt des Speisemeisters Ampt /

Das Auge dolmetscht ihr / und ist ihr Botschaffts-Träger /

Auch steckt ihr der Geruch / als Priester Weyrauch an /

Doch send ihr Sinnen mir nichts minder unterthan.


Das Auge siehet nur / die Zunge schmeckt allein /

Die Nase reucht / das Ohr hat einig das Gehöre;

Mein Fühlen aber nimmt die Glieder sämtlich ein /

Und eure Wollust fleußt durch meine Zucker-Röhre.

Mit einem Wort: ich bin des Liebens einig Ziel /

Ihr Wagen / ihr Geschoß / ihr Zucker und ihr Kiel.


Ich bin der Wollust Meer und aller Sinnen Grund /

Die gegen mir allein für Bäche sind zu schätzen /

Die schlechte Kitzelung in Augen / Ohr und Mund

Macht durstig / niemals satt / wie mein vergnügt Ergetzen.

Bey dem kein ander Sinn mehr seiner Lust geneust /

Ja auch die Seele selbst wie schmeltzend Wachs zerfleust.


Wie offt armt Aug' und Ohr nur mit Gespensten sich /

Sieht Irrwisch' an für Stern' / und Schatten für recht Wesen

Die Hoffnung speiset sie / Vergnügung aber mich;

Ihr Sehnen schafft Verdruß / mein' Ohnmacht ist genesen.

In Austern / die kein Sinn / als nur mein Fühlen rührt /

Wird doch der Liebe Geist durch meine Krafft gespůrt.


Ist auch die Lieb' ein Brand und eine Seelen-Glut /

So ist die Liebe nichts als ein empfindlich Fühlen /

Das Liebenden bald weh / bald wol und süsse thut.

Auch läßt ihr Brand durch nichts sich / als durchs Fühlen kühlen.

So sollt ihr Sinnen denn der Warheit wollig bey:

Daß ich der Wollust Kern / der Seelen Balsam sey.


[1412] Der gantze Schau-Platz ward durch diß Singen gleichsam in unbewegliche Steine verwandelt. Insonderheit standen die Cyclopen / als wenn sie wie Atlas zu Bergen werden wolten. Nach dem Beschlusse ihres Wort-Streites löseten sie die drey Holdinnen mit ihren Seiten-Spielen ab; nach welchen die 5. Sinnen einen Tantz hegten / die Cyclopen mit einer nach den Seiten-Spielen geschehenden Bewegung sich ihrer Last für der Herrmanns-Seule entbürdeten; die Liebes-Götter aber ihre Preiße für der Liebes-Göttin niederlegten. Hernach aber mischten sich die 5. Cyclopen und die 15. Liebes-Götter in den Tantz der 5. Sinnen; darinnen sie ein zierliches Gefechte mit Pfeilen und andern Gewehren fürstellten. Zu iedem Sinne schlugen sich ein Cyclope und drey Liebes-Götter; und traffen nebst ihnen in fünff Hauffen / und zwar jene mit grossen Hämmern / diese mit Blumen-Peitschen auf einander. Bald verwandelte sich auch der Tantz in ein Ringen / bald in ein Ball-Spiel / bald in ein Wette-Lauffen. Zuletzt theilte die Liebes-Göttin einem Cyclopen / der in den Hammer-Schlägen das Beste gethan hatte / eine Schale mit Weine / einem im Ringen sich wohl haltenden Liebes-Gotte ein alabastern Gefässe mit Oele / darmit sich die Ringer einzusalben pflegten; dem besten Ballen-Spieler einen güldenen Apfel / dem geschwindesten Läuffer ein paar güldene Schuch-Monden; dem Fühlen ein güldenes Hertze aus. Sintemal das Hertz / als der Brunn der Wärmde /auch der Ursprung aller Sinnen ist. Hierauf fuhr die Liebe in Begleitung ihres gantzen Aufzuges in einem Kreisse sanfft umb die Herrmanns-Seule herumb; und sang in die Seiten-Spiele der Holdinnen die vier zum neuen Kampfe fertigen vier Hauffen des gewaffneten Frauenzimmers folgender Gestalt an:


Welch Irrwisch falscher Liebes-Brunst

Verleitet euch / ihr Töchter der Natur?

Der Eiversucht verbländend Dunst

Verführt euch auf der Zwytracht arge Spur.

Nicht meine süsse Glut / nicht mein unschuldig Trieb

Macht: daß ihr allzumal habt einen Fürsten lieb.


Zwar Herrmanns Tugend ist wohl werth:

Daß iede Frau in ihn verliebet sey.

Wer aber fremdes Gut begehrt /

Reißt der Natur und Liebe Band entzwey

Und diese legt sich selbst mit dem Verhängnüß ein /

Die für Thußnelden sich müht Herrmanns Braut in seyn.


Die Lilgen-Brust / der Rosen-Mund /

Der Haare Gold / der Augen schön Saphier /

Sind Schalen / nicht der Sch \nheit Grund

Sind Wunder / doch nur's schlechste Theil an ihr.

Denn Schönheit macht sie zwar zur irrd'schen K \nigin /

Die Tugend aber setzt sie zu den Göttern hin.


Wo euer Eiversucht und Leid

Sich aber nicht läßt ohne Kampf abkühln;

So wißt ihr: daß der Liebe Streit

In Lust besteh und frohen Kurtzweil-Spieln.

In diesen laßt euch sehn / und thut's Thußnelden gleich /

So wird ein Herrmann auch vermählet werden euch.


Nach diesem Gesange gab die Liebes-Göttin dem Vulcan einen Winck / worauf er durch seine Cyclopen bey dem Bilde Hertzog Herrmanns zwey ertztene oben zugespitzte / darunter aber ein rundtes Loch habende Seulen aufrichteten; denen Liebes-Göttern aber einen siebenfachen mit denen Merckmalen der Irr-Sterne bezeichneten / mit einem silbernen Hacken an eine purperfarbene Schnure gehenckten Ring / dergleichen der weise Indianer Jarcha zum ersten künstlich gemacht / denen sieben Göttern gewiedmet / und durch Krafft solcher Ringe sein Leben auf hundert und dreissig Jahr erstreckt haben soll. Mit diesen kletterten sie an denen aufgerichteten Seulen hinauf / und knüpften die Schnure mit iedem Ende an eine Seule an. Die Cyclopen trugen an dem Eingang der gegen die zwey Seulen gemachten Renne-Bahn eine grosse Menge messingener Kugeln / und rundter in der Mitte löchrichter Ertzt-Platten. Wormit auch dieses Frauenzimmer so vielmehr diese Kampf-Art zu belieben aufgemuntert werden möchte / namen die [1413] Cyclopen einen rundten und dicken Ertzt-Teller / den ein mittelmässiger Mann kaum erheben konte / und stritten mit einander / wer solchen am höchsten in die Lufft werffen könte. Bey welchem Spiele Hyacinthus soll umbkommen seyn. Die Liebes-Götter aber waffneten ihre Armen und Achseln mit küpfernen Platten; und fochten mit höltzernen an einem Riemen hangenden Kugeln / nach Art der Olympischen Gürtel-Kämpfer /mit grosser Geschickligkeit gegen einander; indem sie alle Streiche entweder durch geschwinde Auswendungen abzulehnen / oder sie mit ihrem Leibe / so fern er geharnischt war / wie nichts minder öffters mit einem begegnenden Gegen-Streiche aufzufangen wusten. In welcher Krieges-Art zu Sparte nicht nur die Knaben /sondern auch die Mägdchen sorgfältig geübet wurden; und ist selbte auf den Olympischen Spielen in so grosses Ansehen kommen; weil hierinnen Neptun der Bebrycier streitbaren König Amycus getödtet haben soll. Als diese Riesen und Knaben den Schau-Platz mit ihren Spielen unterhielten / rüstete sich das Frauenzimmer zu ihren Ritter-Spielen. Wie nun die kriegerischen Trompeten / Kru -Hörner und Paucken das Zeichen zum Rennen gaben; rückte die Liebe / als die Richterin über diese Spiele / mit ihrem Wagen nicht ferne von dem erkieseten Ziele; die Holdinnen aber namen ihre helffenbeinerne Schreibe-Taffeln zur Hand / umb nach dem Erkentnüsse der Liebe alle Treffen genau aufzuzeichnen. Den Anfang machte vom Feuer Pasiphae mit ihren fünf und siebentzig Gefärthinnen; und zwar so glücklich: daß sie mit der Lantze den Ring abnam / mit der einen ertztenen Kugel durch das Loch der einen Seule / und den rundten Ertzt-Teller so recht in die Lufft warff: daß er mit seiner mittelsten Höle recht in die Spitze der andern Seule zu fallen kam; also daß ihr mehr nicht / als der eine Kugel-Wurff mißrieth. Dieser folgte von Seiten des Wassers Clytia; ferner von Seiten der Lufft Hippodamia / und von Seiten der Erde die Blumen-Göttin mit ihren Hauffen. Nach diesem ersten Rennen ward von Seiten der Lufft / und zwar von der Amazonin Menalippe der Anfang gemacht; dieser folgte vom Wasser Asien /von der Erde die Getreyde-Göttin / vom Feuer Phaetusa mit ihren vier Geschwadern; wiewohl aller Bewegung dem schnellen Feuer zu vergleichen war. Alle Zuschauer aber mühten sich gleichsam alle ihre Glieder in Augen zu verwandeln; als die Wasser-Göttin Thußnelde / oder vielmehr die unschätzbare Perle der Welt / und das Meer aller zusammen flüssenden Vollkommenheiten in die Renne-Bahn kam. Sie schwenckte beym Anritt die Lantze freudig umbs Haupt /warff sie in vollem Rennen in die Lufft / und fieng sie mit der annehmlichsten Geschickligkeit; nam auch darmit den Ring zierlich ab / und legte selbten der Liebe gleichsam als ein demüthiges Opfer für den ihr verliehenen herrlichen Liebes-Sieg zun Füssen. Hierauf warff sie im andern Rennen beyde Kugeln durch die Seulen: daß keine irgendswo in der engen Durchfarth anstieß; die Ertzt-Platte auch mit der höchsten Vollkommenheit in die Spitze der Seule / als in das hierzu besti te Ziel. Worüber der gantze Schauplatz in ein Frolocken- und Freuden-Geschrey sich ausließ; biß die Feuer-Göttin / oder die gleichsam für Eiver-Sucht über dem dem Wasser schon zugesprochenen Siege entzündete Fürstin Ismene aller Augen auf sich zoh / und hiermit gleichsam ihre Zungen fässelte. Diese in den Augen mit Strahlen der Sonnen / auf dem Munde mit Feuer-Flammen gerüstete / und in der Bewegung den Blitz fürbildende Heldin that es in allen Rennen Thußnelden nach; und weil sie alle Zwecke in Vollkommenheit erzielte / erwarb sie gleicher gestalt des gantzen Schau-Platzes [1414] Zuruff. Weil aber die Augen ins gemein alle Neuigkeiten zu Wunderwercken machen; fielen alle Kräfften der Sinnen durchs Gesichte auf die die Erde fürbildende Fürstin der Catten; welche auf den Wangen den Frühling / in den Augen den Sommer / mit den Brüsten den Herbst / und auf allen Gliedern durch ihren Schnee den Winter / in ihrem Rennen aber die Geschwindigkeit des Windes fürstellete / und durch Erreichung aller vier Ziele ihren Vorgängerinnen nichts zuvor gab; also von der Zuschauer Zungen nichts minder gepriesen /als von ihren Händen mit Blumen beworffen ward. Die auf die Rennebahn als die Lufft-Göttin sprengende Cattische Fürstin Adelmunde stillete alles Geräusche wie ein durchdringender Donner-Strahl. Sintemal sie als eine Königin der Götter / als eine Vorsteherin der Hochzeiten / eine Fürstin der Schätze für allen andern des Vorzugs sich berechtigt hielt. Wie sie nun in den Augen die Vollkommenheit des Saphiers / auf dem Munde des Rubins / in den Haaren des Goldes /und sonst allenthalben ihrer annehmlichen Thau-Töchter zeigete; also war ihre Bewegung auch der stürmenden Lufft gleich / welche / wenn sie schon am stillsten zu seyn scheinet / doch keinen Augenblick unbeweglich ist. Diese erlangte nun auch in allen Reimen ihren Vorsatz / und hiermit keine geringere Lob-Sprüche als die drey vorrennende Fürstinnen. Nach dieser vier Häupter Abzuge traff die Reye den Anfang zu machen die Erde. Daher die Obst-Göttin alles denen vier geschienenen Sonnen nachzuthun bemüht war / gleich als wenn der güldene Apfel in diesem Liebes-Streite zu ihren Händen wieder kommen solte / den die Zanck-Sucht in dem Kampfe der Schönheit von ihr erborget hatte. Ihr folgte aus dem feurigen Frauenzimmer so schnell als ein vom Himmel fallender Stern Lampetia / aus der Lufft die Amazonin Hippolite / und von der Erde Pleione mit ihren zugeeigneten Hauffen. Den letzten Aufzug führte von Seiten des Feuers Circe / welcher wunderwürdige Bezeigungen einer Zauberin nicht unähnlich schienen. Von Seiten der Lufft folgte die geschickte Orythia / vom Wasser die annehmliche Ephyre; und endlich machte die nichts minder vom euserlichen Schimmer / als tapferer Thätligkeit herfür leuchtende Ertzt-Göttin mit ihrem Geschwader diesem Ritterspiele ein Ende. Hiermit aber fieng sich bey den Zuschauern die Sorgfalt an: wem bey so vollkommenen und dem Augenscheine nach so viel gleichen Rennen die Preiße würden zuerkennet werden. Die Holdinnen bezauberten mit ihren linden Seitenspielen gleichsam aufs neue alle Ohren des Schau-Platzes; dämpften aber dardurch am wenigsten die Befehle der Liebes-Göttin. Denn nachdem diese sich genau in denen gegen einander wohl überein treffenden Vermercken unterrichtet hatte; fieng sie von den medrigsten Siegen an die Preiße auszutheilen. Wiewohl nun wenige mehr als zwey Fehler begangen hatten; ward doch unter diesen zweyen aus dem Wasser-Hauffen die Gräfin von Spiegelberg beruffen / und empfieng aus der Hand der Liebe einen Rubin-Ring. Ein Liebes-Knabe rieff: Diese Siegerin hat in dem Ringe den mittelsten Kreiß der Sonne / und mit der Ertz-Platte vollkommen eingetroffen. Hiermit kam die Ordnung alsbald zu denen / die nur in einem gefehlet. Denn aus dem Feuer-Hauffen kriegte ein Fräulein von Hirschfeld einen Saphier-Ring; weil sie im Ringe den vierdten Kreiß des Jupiters getroffen / und nur mit einer Kugel gefehlt hatte. Drittens empfieng die Gräfin von Andechs eine Perlen-Schnure; weil sie der vorigen gleich; aber im Ringe den dritten Kreiß der Venus mit der Lantze getroffen hatte. Vierdtens empfieng die Gräfin [1415] von Teckelnburg einen Ring umb und umb mit Schmaragden versetzt; weil sie nur mit dem ertztenen Teller gefehlet / und im Ringe den andern Kreiß des Mars erreicht hatte. Fünftens gab die Liebe der Gräfin von Rheinfeld eine Diamant-Rose: weil von ihr statt der einen fehlenden Kugel der Ring in dem mittelsten Sonnen-Kreisse weggenommen war. Hiermit traff die Reye schon die / welche in allem getroffen hatten; also empfieng sechstens die Gräfin von Waldeck ein paar perlene Arm-Bänder; weil ihre Lantze nur in den eusersten Monden-Kreiß des Ringes gelückt war. Der siebende Preiß war ein Schmuck von Opalen / für die Gräfin von der Marck; der achte ein Halsband von Schmaragden für die Gräfin von Horn; der neundte ein Rubinen-Halsband für die Chauzische Fürstin Leitholde; der zehnde ein Diamanten Halsband für die Gräfin von Hohenloh; der eilffte ein mit allerhand Edelgesteinen versetzter Gürtel für die Gräfin von Mansfeld; der zwölffte ein mit Türckissen versetzter Köcher und Bogen für die Fräulein von Fürstenberg; weil die ersten drey in den fünften Kreiß des Mercur /die letzten in den vierdten des Jupiters getroffen hatten. Der dreyzehnde Preiß war ein von Rubinen gleichsam brennendes Hertze für die andere Cattische Fürstin Adelmunde / die biß in den driten der Venus geeigneten Kreiß des Ringes kommen war. Den vierzehnden Preiß / nemlich einen mit Rubinen versetzten Krantz aus Oelzweigen kriegte nach Art der Olympischen Uberwinder die Cattische Fürstin Rhamis; und einen solchen mit Diamanten gezierten Krantz das Ascanische Fräulein Theudelinde? Weil nun aber die Fürstin Ismene und die Hertzogin Thußnelde mit unvergleichlicher Vollkommenheit in allen Rennen getroffen hatten; gleichwohl aber nur noch ein einiger Sieges-Preiß / nemlich eine perlene Krone übrig war; war iedermann begierig zu sehen / welcher selbte zuerkennet werden würde; nachdem sie nicht zu begreiffen wusten; welche unter ihnen ohne Unrecht könte übergangen werden. Dahero die meisten muthmasten: daß beyde durch ein neues Rennen mit einander würden gleichen müssen. Alleine die Liebes-Göttin machte diesem Kummer bald ein Ende; und rieff: Die Tugenden und der Sieg dieser zwey Heldinnen wären einander so gleich; als sonst das Feuer und Wasser einander zuwider wäre. Ihre Vollkommenheit wäre so groß: daß keine der andern durch neuen Versuch einen Vortheil abrennen; vielmehr aber einer ieden Höfligkeit durch mit Fleiß angenommene Fehler der andern etwas würde zuvor geben; in Wercke aber /wie vor in Tapferkeit / also letztens in der Demuth den Obsieg behaupten wollen. Gleichwohl aber gehörete diese Perlen-Krone Ismenen; und (hiermit nam die Liebe ihre eigene Krone vom Haupte) diese andere der unvergleichlichen Thußnelde. Nichts / was im Schau-Platze einigen Athem hatte / brauchte selbten zu was anderm / als zu Vergrösserung des Freuden-Geschreyes. Thußnelde rennte nach empfangener Sieges-Krone zu der erhobenen Herrmanns-Seule / und setzte sie durch Hülffe ihrer Lantze selbter aufs Haupt; gleich als wenn die / welche schon einem andern einmal ihr Hertze zugeeignet hatte / nichts mehr für sich selbst zu erwerben fähig wäre. Diese Freygebigkeit war bey den Helden eine neue Gemüths-Vergnügung / dem Schau-Platze aber eine Ursache nicht nur ihre frohlockende Glücks-Wünsche zu wiederholen; sondern auch allerhand neue Kampf-Spiele anzufangen.

Die Silenen ergetzten sich / wie auf den Feyern des Wein-Gottes bey den Griechen bräuchlich war / auf einem von Wein gefüllten / und euserlich mit Oel geschmierten ledernen Sacke; auf welchen bald einer bald der andere sprang; [1416] dieser aber / der von denen andern nicht bald von einem so glatten Kampf-Platze herab gerissen werden konte / für den Sieger erkennet / und mit einem mit Wein gefüllten Bockleder beschenckt ward. Die Winde steckten ihnen ein Ziel von hundert fünf und zwantzig Schritten aus / wornach sie nach der Stiftung des Hercules / in einem Atheme mit einander die Wette rennten. Worinnen sie so embsig waren / gleich als ihr Vater Eolus ihnen seine Herrschafft / wie für Zeiten Endymion sein Reich dem Uberwinder in dieser Ubung zwischen seinen Söhnen aufgesetzt hätte. Einen andern / wiewohl bald vor sich / bald rückwerts / bald in einen Kreiß gehenden Lauff hielten die der Sonnen Wagen bedienende vier und zwantzig Stunden; welche hier gleichsam die Beschuldigung ihrer Langsamkeit ablehnten / aber wohl den Ruhm ihrer weichen Füsse behielten; weil ihre Fußstappen kaum im Sande zu sehen waren. Die vier Centauren der Lufft rennten mit denen dem Wasser zugeeigneten Pferden die Wette; und zwar mit so embsiger Bemühung / gleich als wenn jene die Scharte ihres Verlustes gegen den Hercules und die Lapithen auswetzen / diese aber es denen Epirischen und Niseischen Pferden zuvor thun solten / die Alcibiaden und Heracliten so offt zum Sieger gemacht hatten. Die Cyclopen legten auf ihr Haupt einen schweren Ertzt-Teller / an ieden Arm hiengen sie einen messingenẽ Rincken / in iede Hand namen sie eine stählerne Kugel / und umb die Schien-Beine machten sie küpferne Platten feste; tantzten aber damit so leichte / als wenn sie keine Last auf sich hätten. Die zwölff Wasser-Nymphen fochten gegen einander mit ihren Dreyzancks-Stäben; hernach warffen sie diese Gewehre weg / rungen also zusammen / und endlich weltzten sie sich mit einander auf der Erden herumb; biß die mit weissen Wachs-Fackeln sie antastenden Liebes-Götter sie sich zu vereinbaren / und mit denen ergriffenen Dreyzancks-Stäben / aus derer Spitzen sie häuffig Wasser spritzten / und damit die Fackeln ausleschten / zu vertheidigen zwang. Die Mägdchen / welche die der Erde geeignete Löwen führten / setzten sich darauf / und rennten damit die Wette. Denen zwölff hi lischen Zeichen setzte die Sonne einen güldenen Bogen zum Preiße auff; den der haben solte / welcher mit einem Pfeile am gerädesten / mit dem andern am höchsten / mit dem dritten am geschwindesten schüssen würde. Der Tag und die Nacht stritten gleichfalls gegen einander / indem sie anfangs nur dieselbige Ringens-Art gegen einander angewehrten; da kein ander Glied als nur die Finger einander berühren dörffen; hernach Wechselsweise auf eine hohe Ertzt-Platte traten / und einander davon herab zu stossen / oder einander einen in der Hand feste gehaltenen Apfel auszuwinden bemüht waren. In welchen beyden Ubungen Milo so berühmt gewest ist. Die Monathe fochten anfangs mit länglichtrundten Ertzt-Rincken zusammen / hernach wurffen sie mit den Lantzen theils nach einem Ziele / theils in die Höhe in die Wette.


Bey diesen Lust-Spielen erhob sich umb die Herrmanns-Seule allem Ansehen nach ein ernster Krieg. Denn es brachten zwölff mit Lorberkräntzẽ gezierte Barden eine Menge mit Grabescheiten / Hämmern und Aexten versehene Leute in Schau-Platz / und wiesen selbte an die Herrmanns-Seule zu untergraben und zu zernichten. Die hiefür eivernde und von der Kunst zu derselben Aufrichtung gebrauchte Riesen kamen als ein Blitz herzu / und bothen denen / die die Hand daran legen wolten / die Stange. Deutschland /die Natur und die Kunst näherten sich alsofort auch; und rechtfertigte Deutschland alsofort die Barden: ob sie alleine ihre ungeartete Miß-Geburten [1417] wären; welche mit so schändlichem Undancke des umbs gantze Vaterland so hoch-verdienten Heldens Ehren-Maale vertilgen wolte? Der Elteste unter den Barden antwortete: Sie wären nichts minder Freunde der Helden / als Feinde der Vergessenheit / ja eines ihrer fürnehmsten Absehen / wohl-verdienter Leute Gedächtnüß mit der Ewigkeit zu vermählẽ; und den Schimmel der Jahre von allem ruhmwürdigen abzuwischen. Wie die Natur bey der Trophonischen Höle neben dem Brunn der Vergessenheit das Gedächtnüß-Quell gesetzt hätte /dessen getrunckenes Wasser denen alles wieder indenck machte / was sie durch jenes aus der Acht gelassen hätten; also hätte das sorgfältige Gedächtnüß sie und ihres gleichen der Tugend zum besten verordnet: daß sie der Nachwelt unversehrt verwahren solten / was die Zeit nicht nur aus dem Gesichte / sondern auch aus dem Andencken der Welt zu rauben bemühet wäre. Da aber ja sie nicht allemal der Eitelkeit auf den Hals zu treten vermöchten; bliebe es doch allemal darbey: daß ein Ding erstlich sein Ansehn / hernach sein Wesen / und zum letzten allererst den Nahmen und den Ruhm / als den von ihren Blättern trieffenden Balsam verliere. In Erwegung dessen König Archelaus denen Tichtern unter dem Nahmen der Musen Schau- und Kampf-Spiele zugeeignet; der grosse Alexander auch selbte feyerlich begangen / und des Homerus Getichte in dem edelsten Schatz-Kästlein des Darius verwahrt hätte. Deutschland versetzte: Ihre Anstalt wäre seinen Reden nicht gemäß; nachdem sie an die Gedächtnüß-Seule die Hand anlegten / ehe Zeit und Zufall den geringsten Staub daran zu versehren gemeynt wäre; da doch Herrmann nicht nur eine Seule auff Erden; sondern so gar Ehren-Maale im Himmel verdiente. Der Barde begegnete Deutschlande hierauf: Das letztere nehmen wir mit beyden Händen an; das erstere aber verwerffen wir als ein zu unwürdiges Denckmal; da ein schlechter Stein / den der Regen abwäscht / die Lufft abnützt / und die Feile zermalmet /der Nachdruck eines so grossen Fürsten seyn soll. Die Natur meynte sich hierdurch gerühret zu seyn; gleich als wenn ihr wie für Zeiten zu Athen dem Phidias /welcher Minervens Bild nicht aus Helffenbein / sondern Marmel gemacht / fürgerückt würde / samb sie allzu schlechten Talg hierzu hergegeben hätte. Dahero sie den Barden anfiel: Sie hätte so viel Wunder und Geheimnüsse in die Steine / als in Ertzt gesämt; welches vom Roste gefressen / von der Flamme verschmeltzt / und nichts minder als jene von der Vergängligkeit verzehret würde. Ja sie hätte in Marmel und Agath mehrmals mit eigener Hand ausgewürckt; was die Kunst ihr allererst im Ertzte nachmachen müssen. Auf dem Lande Paris wäre in einem Marmel-Bruche ein von sich selbst gewachser Silen / und Lorber-Baum / auf Chio eines Wald-Gottes-Kopf /bey Syracuse Fische ausgegraben worden. In des Pyrrhus Edelgesteine wären Apollo mit den neun Musen; in vielen andern Gestirne / Gebürge / Landschafften /und allerhand Thiere als ihr eigenes Gemächte zu sehen. Bey so gestalten Sachen wären die Steine / als die Wunder-Taffeln der Natur / als zu geringschätzig nicht zu verwerffen. Uber diß käme kein Nach-Bild dem wahren Bilde gleich / wenn der Zeug gleich noch so gut wäre. Der Monde das Ebenbild der Sonne wäre viel geringer. Hätten doch die Götter sich vergnügt: daß anfangs ihre Bilder aus Thone gebacken / aus Eichen / Zedern / und wenns aufs höchste kommen / aus Zypressen / oder Zitron-Holtze wären geschnützt /[1418] und an statt eines schimmernden Firnßes mit Hartzt überzogen worden. Das für ein Wunderwerck der Welt gepriesene Bild des Olympischen Jupiters wäre zwar zum Theil aus Gold und Helffenbein / aber grossen Theils aus Kreide gewest. Ja wormit Agathocles erhärten möchte: daß der geringe Ursprung ein herrliches Ding nicht verächtlich machen könte; hätte er aus seinen Nacht-Geschirren die Bilder seiner Götter güssen / und in die Tempel setzen lassen. Der allzu grosse Werth der Ehren-Maale diente mehrmahls zu ihrer desto geschwindern Verterbung. Das erste Bild aus Golde wäre der Göttin Anaitis aufgesetzet worden; aber als ihre andere Seulen unversehret blieben /hätten jenes des Antonius Kriegs-Knechte zerdrümmert; derer einer zu Bononien noch gegen den Käyser August ein Gespötte damit getrieben; und daß er von der Anaitis Schienbeine ihm eine Mahlzeit ausrichtete / sich zu schertzen erkühnt hätte. Der Barde versätzte: Er stellte der marmelnen Herrmanns-Seule nicht den zu geringen Zeug zum Mängel aus; weil weder Gold noch Edelgesteine Götter und Helden abzubilden würdig wären; und dieser Bescheidenheit nicht nur mit was schlechterm vorlieb nehme / sondern sie auch allzu grosse Kostbarkeiten verschmäheten; und wie August die ihm gewiedmete Silber-Bilder wieder umbgießen liessen. Denn Ehren-Maale solten ein Merckmaal lobwürdiger Thaten / nicht ihre Ausgleichung seyn. Ja er beschiede sich: daß keiner Stadt / keines Reiches Schätze zu Belohnung ihrer Helden zulangen würden / wenn ihre Seulen alle aus Golde / und ihre Sieges-Kräntze aus eitel Perlen seyn solten. Das Armuth wäre hierinnen der Römischen Klugheit Lehrmeisterin gewest / und habe sie unterwiesen mit dem Hammer der Ehre in der Lufft Müntze zu pregen; welche gültiger als Silber gewest / und darzu ihr beym höchsten Unvermögen niemals Schrott und Korn gefehlet hätte. Sintemal sie mit ein paar Eichen- oder Lorber-Zweigen; mit Ertheilung eines Zunahmen / mit Bezeichnung eines Geschlechts-Schildes / mit einer geringen Seule ihre Erhalter zu ihrem grossen Vergnügen bezahlet; derer Wolthaten mit allem Vermögen des Volckes nicht auszugleichen gewest wäre. Wordurch sie gleichsam Gold und Silber in die Schachte niedriger und zu allem feilstehende Seelen verdammt; hingegen das gemeine Wesen mit einem minder erschöpfften Vorrathe versehen hätten; als die Gold-Gruben der Araber und Dalmatier wären. Alleine der Wind behielte seinen Werth und die Lufft ihre Schätzbarkeit nur so lange; als man sie nicht zu gemein machte. Wohin aber wäre es in der Welt nicht mit den Ehren-Seulen kommen? Zu Rhodis sollen ihr nur drey und siebenzig tausend / zu Athen und Corinth aber vielmehr gewest / und das schlechte Städtlein Volsinium wegen ihres Reichthums von zwey-tausend Seulen eingenommen worden seyn. Rom wäre nicht nur ein Auffenthalt unzehlbarer Menschen; sondern auch steinerner Völcker. Wer in einem Olympischen Spiele gesiegt hätte / wäre darmit verehrt / und er über die eingebrochene Mauer seines Vaterlandes mit so prächtigem Siegs-Gepränge eingeholet worden; als wenn er Griechenland von einem neuen Xerxes befreyet hätte. Der kaum halbweise Gorgias / und die Hure Phryne hätten ihnen selbst zwey Bilder aus dichtem Golde im Delphischen Tempel / und der kleine Tichter Actius im Hause der Musen ihm eine Riesen-Seule aufgesätzt. Es vergienge sich hierinnen nicht nur eigner Dünckel / und der Vorwitz der Künstler /welche bey Ausarbeitung derogleichen Bilder mehr ihre Geschickligkeit sehen lassen / als würdig angewehren [1419] wolten; sondern auch frembdes Urthel; indem der Pöfel mehrmals auf die Tugend das Messer wetzte; und den Lasterhafften Ehren-Maale aufthürmete /oder nach dem Beyspiele der Ephesier durch offentlichen Ausruff den ruhmwürdigen Hermodor und alle ehrliche Bürger aus der Stadt verbannte. Zu Athen hätte nicht allein die Hure Leena ein / sondern der unwürdige Demetrius Phalereus so viel Seulen erlanget /als Tage im Jahre wären. Welchen unzeitigen Uberfluß derselben Urheber doch selbst bald verdammet; und daraus Nacht-Scherben machen / oder zum minsten sie mit Kothe überziehen lassen. Die Kunst fühlte sich hierdurch angegrieffen / versätzte also: Sie liesse dem Eigendünckel und der Ehrsucht ihre Vertheidigung; ihre eigene aber bestünde darinnen: daß sie über die Verdienste der Helden nicht zu urtheilen /sondern dis / was man ihr angäbe / nur ohne Tadel auszumachen hätte. Da man aber sonst keine andere Bilder als der Leena und des Demetrius zu tadeln wüste / würde sie wenig scheltbares gearbeitet haben. Sintemal jene bis auf den Tod die grausamste Peinigung ausgestanden / ehe sie des Harmodius für die Freyheit des Vaterlandes vorhabende Anschläge verrathen wollen. Demetrius aber habe seine Seulen / wo nicht vorher / doch hernach verdienet; als er aus Egypten noch das ihn verweisende Athen beschencket. Wegen der gegenwärtigen Herrmanns-Seule aber würde sie Deutschland als ihre Anweiserin vertreten müssen; niemand aber hierbey ihr einige Eitelkeit beymessen können. Die Kunst vergnügte sich an der Ehre ihres Gehorsams; und finde man an den wenigsten Seulen den Nahmen des Werckmeisters. Der einige Theodor / der den Samischen Irrgarten mit mehr als tausend Seulen gebauet / hätte nur in eine einige sein Bild / jedoch so klein und so wenig sichtbar gegossen: daß ihn und den beygefügten Wagen mit vier Pferden eine einige Fliege hätte bedecken können. Deutschland nam alsbald das Wort von ihr / und hielt den Barden ein: Es wäre zwar wahr: daß Ehrsucht und Heucheley die Gedächtnüs-Seulen zu gemein machte; daß es eine Thorheit wäre sich selbst oder Unwürdige damit beehren; und daß so denn diese unzeitige Hoffart zeitlich in Rauch vergienge. Alleine der Uberfluß benehme eines Dinges innerlicher Güte nichts; und der Mißbrauch könte dem nützlichen Gebrauche keinen Abbruch thun. Denn sonst würde man auch die Sonne zu schelten haben: daß sie so offt schiene / und nichts minder Frösche und Kefer / als Menschen beseelte. Unverdiente Ehren-Maale kriegten bald den Wurmstich / wenn sie gleich mit Zeder-Oel überfirnßet wären; der Blitz zermalmete sie; ob sie schon Lorber-Kräntze überschatteten; und das durchs Feuer unversehrliche Gold würde unschwer zu Asche verbrennt. Wo sie aber die Tugend zum Fusse hätten; überstünden sie alles Ungewitter der Zeit und des Neides. Xerxes hätte die ersten und einfältigen Seulen des verdienten Harmodius / und Aristogitons als ein seltzamer Schatz in Persien geführet; und der grosse Alexander selbte als ein Heiligthum nach Athen zurücke geschickt. Die fast bäurischen Gemächte des ersten Roms; die zu Pferde sitzende Clelia aus schlechtem Steine wären noch zu Rom in grösserm Ansehn; als der seiner Kunst wegen unschätzbare ertztene Hund in dem Heiligthume der Juno / und das Wunder-Bild des mit sampt seinen Kindern von einer Schlange-umbwundenen Laocoons; und die nur drey Füsse hohen Bilder des Romulus und Numa würden mehr verehrt / als der viertzig Ellen hohe Hercules zu Tarent / der dreißig Fuß hohe Apollo zu Rom / die siebentzig Ellenbogen [1420] hohe Sonnen-Seule zu Rhodis / und das aus dem Medischen Berge gemachte Bild der Semiramis. Also wäre die Eitelkeit der Ehrsucht nicht bald eine Vermehrerin des Ehren-Ruhms. Die Natur hingegen billigte selbst das Gedächtnüs der Ehren-Maale / wenn sie nicht nur selbst mehrmahls eine Bildhauerin; ja nichts minder als jener Grieche /der sich mit des Praxiteles Venus vermählen wolte; und Junius Pisciculus / der eine marmelne Thespias umbarmete / eine Liebhaberin der Kunst-Bilder abgebe; wenn sie dem auf derselben Häuptern gewachsenem Kraute die Krafft dem Haupt-Weh abzuhelffen zueignete. Nichts weniger hielte das Verhängnüs gleichsam absonderlich die Hand über wolverdienten Gedächtnüs-Seulen; welche so gar die grimmigsten Feinde zu beschädigen sich allezeit gescheuet hätten. Mummius hätte aus dem brennenden Corinth der Griechischen Helden Bilder / und Lucullus der Pontischen Könige aus dem Verterben errettet. Diomedes wäre durch eine Kranckheit gezwungen worden / dem Eneas das Trojanische Schutz-Bild wieder zu geben. Cambyses hätte zwar die von denen Sonnen-Strahlen laute Memnons-Seule eröffnet; als er aber darinnen keinen Werckzeug solchen Gethönes gefunden / selbte wie andere Egyptische Seltzamkeiten zu zerdrümmern nicht das Hertze gehabt. Den Käyser August hätte ein Traum so lange gequälet / bis er den Ephesiern ihren vom Myron gemachten Apollo wieder gegeben / den ihnen Anton genommen hatte. Wenn auch schon die Ehrsucht einem Helden-Bilde den Kopff abgebrochen / und eines unwürdigen Wütterichs darauf gesätzt hätte; wäre doch dieser niemals lange stehen; des ersten Ruhm aber unversehrt /und die Seule sein Eigenthum geblieben. GOtt hätte diese mehrmals zu Merckmaalen seiner Straffe gebraucht; und selbte wie der Bildhauer Agoracritus seine marmelne Venus in das Bild der Rache verwandelt. Käyser Cajus / der des Pompejus blutiges Haupt mit Freuden-Thränen benetzet / wäre todt und blutig unter die Seule des Pompejus gefallen. Hingegen habe sie der Himmel offt aus einer geheimẽ Neigung zu Schutz-Bildern der Menschen und Reiche erkieset. Von den Römern wären selbte mehrmals als gewisse Gräntz-Maale / welche ihre Feinde unmöglich überschreiten könten / wider die Deutschen und andere Völcker eingegraben worden. Aus diesem Glauben hätte Cajus Cestius allezeit ein gewisses Bild mit in die Schlacht genommen / und des grossen Alexanders Zelt wäre von eitel Bildern unterstützt gewest; derer zwey die Römer hernach für das Heiligthum des rächenden Kriegs-Gottes gesätzt hätten. Uber dis wären durch solche heilige Schutz Seulen denen Feinden die Durchfarth der Sicilischen Meer-Enge / dem Berge Etna mit Feuer ausspeyen Schaden zuthun / den Störchen die Stadt Byzantz zu beunruhigen verwehret; und durch das aufgerichtete Bild des Charons die Pest gestillet worden. Zu geschweigen: daß das Bild des Apollo zu Buma drey Tag und Nächte wegen des von den Römern wider die Griechen erhobenen Krieges /und die Juno zu Lamirium wegen bevorstehender Pest jämmerlich geweinet hätten. Welche Eigenschafften vermuthlich Anlaß gegeben: daß die Bilder der Fürsten zu Freystädten wären erkieset worden. Wenn aber auch schon die Welt von den Ehren-Seulen keinen so seltzamen / sondern nur diesen allgemeinen Vortheil zu hoffen hätte: daß sie die Nachkommen zu tapfferer Nachartung auffrischen / und die glimmende Tugend recht in Brand bringen / wäre doch ihr Nutzen unschätzbar; und fürnemlich in [1421] Deutschland kein so grosser Mißbrauch zubesorgen; als wo diese Ehren-Maale noch neu / oder zum minsten ungemein wären. Der Barde antwortete: Er hätte auf die wunderlichen Würckungen der Seulen schlechtes Absehen; als welche entweder betrüglichen Aberglauben zum Grunde hätten / oder doch eben so wol / als die Reden und Weissagungen der stummen Steine von Zauberey herrührten. Sintemal: daß die Wahrsagungen der Dreyfüsse und anderer beredsamen Seulen von denen in selbte aufsteigenden Dünsten der Erde herrühren solten / ein eiteler Wahn etlicher Weltweisen wäre. Gleiche Bewandnüs hätte es mit ihrer Krafft Regen zu verschaffen. Dieses aber wäre freylich wol der eigentliche Zweck aller Gedächtnüs-Maale: daß sie nicht alleine derer verstorbenen Thaten verewigen / sondern fürnemlich die Lebenden wol anweisen solten. Außer diesem wären sie abscheuliche Gräber der Lebenden /und ihr Andencken ein unnöthiger Götzen-Dienst. Beydes aber zu würcken / nemlich die Verdienste der Todten wider die Vergessenheit zu schützen / und die Nachkommen in ihren Fuß-Pfad zu leiten / wären der Barden geistige Lieder geschickter / als die todten Steine; oder auch das so genennte Sterck-Kraut; von welchem der Aberglaube tichtete: daß wer darmit sich besalbte / der Menschen Gunst und einen Ruhms-vollen Nahmen erlangte. Diese drückten zum höchsten die Aehnligkeit des Leibes; jene aber auch die Eigenschafften der Seelen aus. Und es möchte Euphranor wie er wolte seinen gemachten Paris heraus streichen: daß er in selbtem zugleich als ein Richter der Götter /als ein Liebhaber Helenẽns / und als ein Erleger Achillens wäre gebildet gewest. Es möchte ihm das Volck zu Chio einbilden: daß das Antlitz ihrer marmelnen Diana sich denen in Tempel kommenden traurig / denen hinausgehenden freudig zeige. Es möchte die Kunst sich bereden: daß sie ihre Marmel lebhafft /ihr Ertzt lachend machen / und mit Helffenbeine die Gemüths-Regungen ausdrücken könte; so wäre doch dis gegen der Seelen ihrer Gesänge ein bloßer Schatten. Welches der Künstler Demetrius wol verstanden; daher er sein Minerven-Bild derogestalt gegossen hätte: daß die Drachen des Gorgons-Kopffes auf ihrem Schilde zu den darbey gespielten Säitenspiele stets einen annehmlichen Widerschall gegeben; also sein Kunst-Bild sich hätte mit der Anmuth des Gethönes behelffen; und die schwartze Memnons-Seule zu Thebe von denen Strahlen der Sonne / als der allersüssesten Leyer des Himmels / den annehmlichen Klang entlehnen müssen. Deutschland brach bey diesen Worten ein: Sie nehme für bekandt an: daß die Säitenspiele zur Vollkommenheit der Ehren-Bilder Beytrag thäten. Weil nun die Tichter-Kunst die Seele der Säitenspiele wäre; und die Barden so wenig für verächtlich hielten ihre Lobgesänge auf Baum-Rinden / als die Sibyllen ihre Weissagungen auf Palmen-Blätter zu schreiben; so solten sie den Marmel dieser Herrmanns-Seule nicht geringer / als das leicht verfaulende Laub und Rinde schätzen / und derogestalt den Ruhm ihres Helden in diesem harten Steine unausleschlich / diese Seule aber durch ihre unvergängliche Getichte auch nach ihrer Einäscherung ewig machen. Sie wäre erbötig nach dem Beyspiele Achillens / für den besten Tichter einen güldenen Dreyfuß zum Preiß aufzusetzen. Sintemal freylich nachgegeben werden müste: daß die herrlichsten Seulen ohne Zuthat einer gelehrten Hand stumme und unerkenntliche Götzen wären; und wie die Spitz-Seulen in Egypten weder ihre Uhrheber noch ihr Absehen zu eröfnen wüsten. Die Kunst bot sich mit ihren Riesen [1422] zu einer willigen Handlangerin an; und daß sie / was die Barden dem Feldherrn zu Liebe singen würden; sie alsbald an die Herrmanns-Seule einetzen wolte. Die Barden ins gesampt ließen ihnen diese annehmliche Vermittelung gefallen / und fieng der Elteste unter ihnen an nachfolgende Reimen zu singen; welche auf der Kunst Verordnung die Riesen zugleich an die eine Taffel des die Herrmanns-Seule haltenden Fusses eingruben:


Gleicht nicht Andromede / bestürtztes Deutschland / dir?

Hat nicht der Eltern Schuld dir Fessel angeschraubet?

Zwar ist kein Wallfisch dar / dem man dich würffe für /

Doch liefert man dich Rom / das alle Freyheit raubet /

Der Wölfin / welcher sich gleicht kein gefräßig Thier.

Hätt'stu wol / Vaterland / für wenig Zeit geglaubet /

Als du in Dienstbarkeit vergiengest neben mir /

Dir würde frey zu gehn so zeitlich seyn erlaubet?


Schreib deinem Herrmann dis / dem neuen Perseus zu

Der deine Ketten bricht / das grimme Thier versehret /

Ja der sich gar vermählt. Thußneldens Beyspiel lehret

Dich aber / was nunmehr sey nöthig: daß man ihn.

Sie opffert ihm sein Hertz für die Erlösungs-Gůte.

So zünd` auch zu ihm an ein danckbares Gemüthe.


Die sämptlichen Barden löseten ihren Vorsteher ab / betasteten auf allen Seiten die Herrmanns-Seule /und sangen hierzu folgende Worte:


Soll dieser weiß' und harte Marmelstein

Das Ebenbild des grossen Herrmanns seyn?

Der von so zarter Lieb' und hertzlichem Erbarmen /

Das er für's Vaterland stets trägt /

Und von den Feinden die er schlägt /

Hat ein Wachs-weiches Hertz / und von Blut fette Armen?

Jedoch er und Thußnelde scheinen

Gleichwol zu gleichen diesen Steinen.

Denn beyder Treue kommt an Farbe / beyder Hertze

An Härte weissem Marmel bey.

Heg't jene keinen Fleck / so weicht dis keinem Schmertze;

Daß er und sie ein Bild / ja dieses Bildes sey.


Die Riesen waren mit Einetzung dieser Lobsprüche so fertig: daß sie bey nahe denen singenden Barden zuvor kamen; also nach vorigem Schlusse auf die dritte Seite des marmelnen Fusses sich verfügten / und durch Ansetzung des stählernen Grieffels den alten Barden fortzusingen nöthigten:


Der Helden Geist ist Stahl / ihr Hertz aus Diamant /

Wenn es mit Männern kampfft; alleine Wachs / bey Frauen.

Denn Adler lieben zwar nur Adler / Pfaue Pfauen /

Doch Alexandern zwingt der geilen Thais Brand /

Die Spindel Omphalens entweiht Alcidens Hand /

Achilles / wenn er lieb't / kriegt für dem Krieg' ein Grauen /

Anton stirbt als ein Weib in einer Mohrin Klauen /

Ja auch der Götter Lieb' ist Wahnwitz anverwand.


Fürst Herrmann aber liebt mit grosser Tapfferkeit;

Denn er vermählet ihm Minerven mit Thußnelden /

Sie ihr den Hercules mit Deutschlands grossem Helden;

Und zwischen beyden ist kaum einig Unterscheid.

Man weiß nicht / wer sey Mars / wenn sie die Waffen üben;

Nicht / wer die Liebe sey / wenn sie einander lieben.


Dieser Vorgesang / und die noch übrige leere Taffel an der vierdten Seite verband die Barden zu folgendem Nachgesange:


Die Marmel bilden sonst die Leiber nur allein;

Der aber zeichnet nicht nur Herrmanns schön Gesichte

Er ist ein recht Entwurff der seltzamen Geschichte;

Denn wie Feil' / Hammer / Art / macht herrlich diesen Stein /

So scheinet Haß und Neid der Werckzeug auch zu seyn /

Der Herrmanns Thun betheilt mit einem sch \nen Lichte.

Des Unglücks Bley-Hand legt zur Tugend mehr Gewichte /

Und die Verleumbdung giebt der Unschuld hellern Schein.


Was aber ist's: daß man Marmel Helden etzet?

Weil Hercules den Fuß auf Neid und Sterne setzet /

Kan Herrmanns Seule nicht auf Erden bleiben stehn.

Jedoch sie stehet schon im Himmel reiner Hertzen.

Der Neid selbst opffert ihr / die Mißgunst brennt ihr Kertzen /

Ja das Verhängnüs wil sie über sich erhöhn.


Die Barden hätten mit ihrem Singen / und die Riesen mit ihrem Etzen beschlossen; wenn nicht Deutschland beyden den gantz blancken Schild in dem lincken Arme des marmelnen Herrmanns gewiesen; und beyde solchen nicht leer zu lassen erinnert hätte. Dannenher denn diese nach dem Gesange aller Barden nachfolgende Worte darein gruben:


[1423]

Der Pallas heilig Schild sey Alexanders Ruhm.

Sey seines Heeres Schirm / dem Feind' ein Donner-Knall;

Des grossen Herrmanns Brust ist Deutschlands Schild und Wall.

Das beste Schutz-Bild ist der Tugend Heiligthum;

Erzt aber nur ein Garn / das eine Spinne spinnt /

Wenn Hertzen nicht der Schild / und Männer Mauern sind.


Dieser Gesang war nur beschlossen; als der gantze Schauplatz mit einem neuen Geräusche rege / und von vielem kriegrischen Gethöne erfüllet ward. Denn die das Feuer anzeigende Fürstin Ismene stellte mit ihren vier gewaffneten Hauffen in einem zierlichen Fackel-Tantze die Spiele des Prometheus für; darinnen sie bald die Fackeln unaufhörlich umbs Haupt schwenckten / und darmit in einem zweyfachen doch durch einander gehenden Schlangen-Kreisse herumb rennten; bald die Fackeln gerade hinter sich hielten / und doch sonder derselben Verleschung nach einem gewissen Ziele die Wette rennten / bald die brennenden Fackeln einander wechselsweise in einem sanfften Tantze zuwarffen. Einen gleichmäßigen Fackel-Tantz hielt zu Fusse der Tag mit denen vier und zwantzig Stunden; darinnen bey jedem geendigten Satze wie oben Ismene als eine Sonne; also hier der Tag in der Mitte des Kreisses seinen Stand bekam. Nach diesem fieng die das Wasser abbildende Thußnelde einen Waffen-Tantz an / dergleichen nach überwundenen Titanen die Göttin Minerva / oder vielmehr der Thetys Sohn Achilles erfunden / und sein Sohn Pyrrhus bey seines Vaters Grabe mit grosser Pracht gehalten haben soll. Die Nacht mit denen Wasser-Nymphen hegte eben diesen Tantz zu Fusse; darinnen die Tantzenden mit ihren Degen allerhand zierliche Streiche gegen einander machten; ihre Lantzen bald einander zu / bald auch in die Lufft wurffen / und wieder fiengen. Die Lufft oder die Fürstin Adelmunde mit ihrem Hauffen stellte zu Pferde die zwölff Winde / und die zwölff himmlischen Zeichen / zu Fusse aber den Tantz der Cureten / und darinnen die Auferziehung des Jupiters für; wormit sie sonderlich durch an einander geschehende Schlagung der Waffen so wol ihre Geschickligkeit zeigten; als mit den Säitenspielen ein gleichstimmiges Gethöne machten. Bald darauf stellte die Cattische Fürstin in einem künstlichen Wald-Götter-Tantze das Wette-Rennen der Atalanta mit dem Hippomenes vor; darinnen sie mit Granat-Aepffeln artlich spieleten; durch derer Vorwurff Hippomenes Atalanten aufgehalten; und sie ihm selbst zur Braut gewonnen haben soll. Endlich ward von allen Häuptern und Hauffen insgesampt durch einen allen Begierden der Augen zuvor kommenden Tantz die Vermählung des Himmels und der Erde fürgestellet / und dardurch zum Beschlusse des Deutschburgischen Hochzeit-Feyers angedeutet: daß wolbedächtige Heyrathen grosser Fürsten die Gestirne gleichsam mit der Unterwelt verknüpffen; die Menschen durch ihre Andacht dem Himmel beliebt / ihn aber zu Ausschüttung tausenderley Seegens geneigt machten. Die Holdinnen machten durch ein Braut-Lied nicht alleine diesen grossen Tantz annehmlicher / sondern legten zugleich auch darmit desselben seltzame Wendund Bildungen aus; ob schon die Kunst in einem stummen Tantze durch blosse Gebehrden alle Geschichte verständlich auszudrücken / welche Telestes in Griechenland erfunden haben soll / nicht nur durch den Pylades aus Cilicien / und den Bathyll von Alexandria nach Rom gebracht; sondern wie bey denen andern Völckern /also auch in Deutschland ziemlich gemein worden war. Wiewol die Deutschen selbst diese Täntze als allzu weibisch selten hegten / sondern sie nur denen Ausländern erlaubten. Denn ihre eigene Spiele waren alle [1424] kriegrisch; und ihr fürnehmster Tantz bestund darinnen: daß nackte Jünglinge zwischen blossen Degen und Spissen sich ohne Verletzung mit vielen geschwinden Springen und Wendungen herum dreheten. Durch öfftere Ubung ward hieraus eine Kunst /aus der Kunst eine annehmliche Zierligkeit. Der Preiß solcher verwegenen Wollust aber war nichts anders /als die Vergnügung der Zuschauer. Das in folgenden Reymen bestehende Braut-Lied der Holdinnen ward mit einer unvergleichlichen Liebligkeit abgesungen; und wurden nach desselbtem höherm oder niedrigerm / langsamern oder geschwinderm Thone alle Glieder derer Täntze beweget.


Kein Ding ist in der Welt so klein /

Auch nichts so kalt in Meer und Flüssen /
Das nicht der Liebe sey befliessen.
Der Wallfisch fühlt so heisse Pein /
Wenn er die Flutten sprützt empor /
Die in ihm von der Lieb' entflammt und siedend werden.
Das stumme Meer-Schwein sagt mit ängstigen Gebehrden
Dem andern Meer-Schwein in ein Ohr:
Es sey verliebt nicht nur in seines gleichen.
Es zingelt nach Arions Seiten-Spiel;
Springt aus der See wenn er nicht kommen wil /
Muß es gleich auff dem Ufer bald erbleichen.
Es führt den Knaben / den es liebt /
Weil er ihm täglich Speise giebt /
Durch die beschäumte See; und zwingt sich zu erblassen /
Weil es den Hermias im Meer ertrincken lassen.
Die Aspe bebt / die Esche seuffzt für Liebe /
Und das verliebte Eppich-Kraut
Umarmt den Mandel-Baum als Braut /
Die Eiche knackt gerührt vom innern Triebe /
Der Weinstock hals't sich mit den Ulmen-Zweigen /
Der Nelcke Brand / der Rose Purper-Blut /
Des Safrans Röth' ist eitel Liebes-Glut /
Der Ambra / den Jasmin von sich läßt steigen /
Ist seiner Seelen-Seuffzer Geist.
Das Wasser / das von Lilgen fleußt /
Sind Liebes-Thränen zwar / doch auch der Lilge Saamen.
Der Feilgen lebender Saphier
Stellt Eyfersucht und Liebe für;
Der Hyacinth prangt gar mit seines Liebsten Nahmen.
Ja in die Marmel-Adern hat
Die gütige Natur ihr Liebes-Oel geflösset /
[1425] Durch das er sich so schön färbt / bildet und vergrösset.
Den Stahl und den Magnet vereinbaret ihr Drat.
Der Erde Marck das Gold kan nicht seyn leer von Flammen /
Sonst flößte Jupiter sich Danaen nicht ein /
Es knüpffte sie mit ihm kein regnend Gold zusammen.
Kurtz alle Regung der Natur
Ist eine wahre Liebes-Uhr.
So ist die Liebe nun von so viel mehrern Stärcke /
Je grösser der Natur Geschöpffe sind und Wercke.

Was ist nun herrlicher als dieser Erden-Kreiß?
Was ist der grossen Himmels-Kugel gleiche /
Der Sternen Burg / der Götter Königreiche?
Sie zwey sind aber stets von Liebe glüend-heiß.
Kein Blick vergeht: daß sie von süssen Flammen
Nicht flüssen gleichsam schmeltzende zusammen.
Der Himmel ist der Mann / die Erd' ist Braut und Weib
Sein Saamen ist die Glut /
Ihr Saame Saltz und Flut /
Und ihre schwang're Schoß ein stets gebehrend Leib.
Der grosse GOtt / der Himmel blickt am Tage
Mit einem Auge sie so stet und brünstig an /
Als kaum ein Poliphem des Acis Braut thun kan.
Der Donner-Knall ist seine Liebes-Klage;
Plagt aber ihn die Sehnsucht in der Nacht /
Liebäugelt er / und giebt mit tausend Sternen
Mehr als ein Argos auf sie acht;
Läßt auch sonst nirgendhin sich keinen Blick entfernen.
Die Erd' hingegen ist bemüht /
Die Wiesen mit Schmaragd / die Ufer mit Korallen /
Die Wälder mit Saphier / die Berge mit Kristallen /
Zu schmincken: daß sie nur dem Himmel schön aussieht.
Die Schoß prangt mit Rubin / ihr Haar beblümet Gold /
Ja ihrer edlen Rosen Glantz /
Beschämet Ariadnens Krantz /
Sie schickt die Dünst' empor als Zeichen ihrer Hold;
Und wenn die Berge Glut ausspeyen /
Geräth ihr Liebes-Brand in wilde Rasereyen.
Dis ist's Geheimnüs und der Kern /
Das in den Schalen steckt geträumter Götter-Liebe.
Denn in dem Himmel steht kein Stern
Den nicht die Unter-Welt zeucht zu so süssem Triebe.
[1426] Die Sterne regnen Gold / Zien / Kupfer / Silber / Bley /
Die Schoß der Danae sind die Gebürg' auf Erden /
Die von der Krafft des Himmels schwanger werden.
Wenn Jupiter als Stier Europen schläffet bey /
Wenn er als Schwan der Leda sich beqvemet /
Wird die Vermehrungs-Krafft gesämet
Vom Himmel tausend Thieren ein.
Giebt Jupiter denn seiner Thetys Küsse /
So schwängern sich vom Himmel Meer und Flüsse;
So Fisch als Muschel fühlt gesämet sich zu seyn.

Wenn aber er den Ganymed umschräncket
Als Adler / ihn in Himmel nimmt /
Zum Nectar-Schencken ihn bestimmt /
Wird das Gestirn' erqvickt / des Himmels Mund geträncket
Von Feuchtigkeiten / die das Meer
Dem durst'gen Bräutigam zum Labsal giebet her.

Ja alle Regungen der Himmels-Harffe sind
Der Liebe Seitenspiel / ihr Werck und ihre Gaben.
Weil die Gestirne doch sonst keine Seele haben /
Als dieses holde Anmuths-Kind /
Das auch die Sternen schwanger macht /
Dadurch manch neuer Stern wird an das Licht gebracht.
Der Lieb' ist auch allein zu mässen bey:
Daß Erd' und Himmel nicht unfruchtbar Frost stets decket.
Sie hat gelegt des Himmels grosses Ey /
Aus welchem die Natur itzt alle Sachen hecket.

Der Sterne Würckungen sind die unsichtbarn Ketten /
Der Venus Gürtel / der die Welt
Zusammen knipfft / und in der Eintracht hält.
Denn wenn nicht Erd und Stern so lieb einander hätten /
Verlangte der Magnet in Nord so sehnlich nicht
Des Angel-Sternes Licht.
Die Wider siehet man die Lager anders machen /
So bald die Sonn in Wider steigt.
So Mensch / als Staude scheut den Sternen-Schwantz des Drachen;
Wenn sich der beisse Hunds-Stern zeigt /
So beten ihn Cyrenens Ziegel an /
Den sonst die Unglücks-Vögel fliehen /
Und gegen dem kein Guckuck singen kan.
[1427] Sieht man den Mandel-Baum nicht auch beym Froste blühen /
Wenn nur der Adler geht mit seinen Sternen auff?
Der Oel- und Ulmen-Baum verkehret seine Blätter /
Wenn in den Krebs die Sonne nimmt den Lauff.
Wird Schneck' und Auster nicht bey vollem Mohnden fetter?
Die Kräuter kriegen mehrern Safft;
Die Zwiebel schwindet nur; das Meer wird aufgeschwellet
Von des vermehrten Mohnden Krafft;
Des Mohnden-Steines Wunder stellet
Des Mohnden Lauff / Gestalt und Wachsthum fürs Gesichte.
Der ist des Kefers Uhr / sein Speichel ist der Thau /
Das Silber sein Metall / ja er des Meeres Frau /
Und ieder Regen strömt aus seinem feuchten Lichte;
Das / wenn sein Schein ist voll / die Nacht
Im Winter warm / im Sommer kühler macht.
Hierinnen steckt die Brunst der Erd' und Sternen Amme;
Die / wenn sie Ertzt in den Gebürgen zeigt /
Zu dem Endymion ins Latmus Höle steigt /
Und sich vermählt mit's reichen Pluto Flamme.
Wenn aber sie in Sternen-Wider tritt /
Den Pflantzen theil't des Thaues Perlen mit /
Wird der versteckte Pan im Wider-Fell umarmet.
Auch ist kein ander Irrstern nicht /
Der nicht von irrd'scher Liebes-Brunst erwarmet.
Die Lung' erqvickt des Hermes Licht /
Kweck Silber / Affen / Bien' / und Frösche sind sein Brut.
Die holde Venus zeugt Ertzt / Ambra / Schwane / Pfauen /
Stärckt was zur Zeugung dient durch ihre milde Glut.
Mars / der zwar Galle nährt / läßt sich doch fruchtbar schauen /
Wann Pardel / Wolff und Bok / Napell / Magnet und Stahl
Ihr Feuer von so heissem Sterne kriegen.
Ja es gebiehrt des Kinder-Fressers Strahl
Bley / Maulwurff / Eulen / Gifft / Hauff / Wiedehopff und Fliegen.
Dem sich ein Monat nicht vermählet;
Das Jahr bringt keinen Tag / auch keine Nacht herfür /
Es ist ein Stern zur Würckung ihm erwehlet.

Doch alle diese Liebes-Brunst
Ist kaltes Wasser / Wind und Dunst
Für der verliebten Sonnen Flammen /
[1428] Denn die ist's Himmels Hertz' / der Geist der gantzen Welt /
Die Seele der Natur / der Liebe Brunn und Amme /
Die sich uhrsprünglich nur in Hertz' und Seel' aufhält.
Die Sternen sind unfruchtbar / ohne Schein /
Wenn nicht die Sonn' in sie so Licht / als Saamen flösset.
Sie machet: daß die Zahl der Sterne sich vergrösset /
Weil mehrmahls Drach' und Schwan mit neuen trächtig seyn.
Von ihrer Schwängerung gebiehrt
Die Erde Gold / das Meer Korall / die Bäume Früchte.
Die Welt ist aber todt / und die Natur gefriert /
Wo nur der kalte Bär mit dem geborgten Lichte
Bescheint die düstre Mitternacht /
Wenn's holde Sonnen-Rad die Sud-Welt schwanger macht;
Und durch ihr Licht der Isis Bild / die Erde
Befruchtet: daß sie Milch aus tausend Brüsten spritzt;
Daß ihre Mutter-Schoß Wein / Oel und Balsam schwitzt.
Jedoch zeigt diese Braut durch ihr verliebt Gebehrde
Wie angenehm ihr Bräutigam ihr sey.
Sie mühet sich sein Bild / der Sonne Liebes-Strahlen
Auf edlen Stein- und Blumen abzumahlen.
Die Sonne rennt so schleunig nicht vorbey /
Es folgt ihr die in sie verliebte Sonnen-Wende.
Sinckt denn die Sonn' in Meer und Nacht /
Verkehrn in Thränen-Thau sich aller Kräuter Brände.
Die Rose / die der Welt ihr Auge stets anlacht /
Schleußt ihre Blätter zu / entpurpert ihre Wangen /
Hängt zu der Erd ihr traurig Haupt /
Sie hüllt sich in die Nacht für lüsternem Verlangen /
Weil sie des Liebsten ist beraubt.
Wenn aber nur der Tag vermählet Erd' und Sonne /
So schöpfft Natur und Werck Erqvickung / Lust und Wonne.

Alleine Deutschland noch vielmehr /
Nun seine zwey Gestirne sich vermählen.
Man wird die güldne Zeit von diesem Tag' an zehlen /
Der Nachwelt Wolstand rechnen her /
Da Herrmanns und Thußneldens keusche Flammen
Uns neigen zu des milden Himmels hold /
Der Erde Fruchtbarkeit / der edlen Freyheit Gold /
Und hundert tausend Seeln vereinbaren zusammen.
[1429] So segne die Verhängnüs-Hand
Nun euer festes Liebes-Band /
Die schon für tausend Jahrn in die Gestirne schrieb:
Die Heyrath würde's Glück' aus Vaterland vermählen /
Es würden euren Stamm auch niemals Zweige fehlen /
Weil Erd' und Himmel würd' einander haben lieb.

Ende des Ersten Theils.

Anderer Theil

Uber den andern Theil des Arminius
Uber den andern Theil des Arminius.
Der Weißheit Muster-Platz / das witzige Athen /
Ließ einst Minervens Ruhm im Tempel aufzusetzen /
Befehl an den Alcmen und Phidias ergehn:
Sie solten beyderseits ihr Bild in Marmel ätzen.
Die Arbeit ward vollbracht. Die Urthel lieffen ein.
Und endlich ward der Preiß dem ersten zugesprochen;
Weil jede Linie weit schärffer ausgestochen:
Ja auch die Stellung schien von mehr'rer Kunst zu seyn.
So sieht man Menschen offt mit Maulwurffs-Augen schauen /
Was sie / wie Luchsen / doch sich zu eraründen trauen.
Doch wie ein Seiden-Wurm in Raupen sich verkehrt;
So muste man gar bald ein ander Urthel fällen;
Nachdem dem Phidias sein Bitten ward gewehrt /
Und man die Bilder ließ auf hohe Säulen stellen.
Denn nunmehr machte sich der Fehler offenbahr /
Und ließ die kluge Welt aus allen Gliedern lesen:
Daß des Alcmenes Witz im Maaße blind gewesen /
Und Phidias sein Werck von beß'rer Theilung war.
So gar kan Wissenschafft / wie Silber von der Erden /
Durch Eil' und Unverstand offt überwogen werden.
Wer der gelehrten Welt in ihren Tempel gehn
Und eine Gleichung will mit Bild- und Büchern machen /
Wird lernen: daß wir noch nicht anders / als Athen /
Durch frühes Urthel offt das beste Werck verlachen.
Denn wem ist wohl der Streit der Federn nicht bekandt?
Wer weiß nicht / wie sich Wesp' und Honigseim verbinden?
Die grösten Fliegen sind bey Marzipan zu finden;
Die schönste Stirne wird von warmer Lufft verbrant;
So wird der besten Schrifft / nachdem sie nur gebohren /
Auch die Verläumbdung bald zum Schatten auserkohren.
Der weise Plato ward vom Schüler schon verlacht;
Der güldne Cicero vom Crispus umbgetrieben.
Polybius wird noch in Schulen offt veracht;
Da keiner doch so treu von Deutschen hat geschrieben.
Scioppius verwirfft den klugen Tacitus;
Weil er der Laster Brunn im Nero nicht verschwiegen:
Ja Strabo suchet schon im Metrodorus Lügen /
Und hat an Mängeln doch selbst einen Uberfluß.
So artig wissen wir durch Urthel uns're Flecken /
Wie Parden ihre Haut im Laube / zu verstecken.
Ein eintz'ger Kopff gebiehrt offt tausendfachen Streit /
Gleichwie ein Finsternüß im Meere tausend Wellen.
Drumb schilt Riccobonus der Römer Liebligkeit /
Weil ihre Federn nicht nach seiner Zunge qvellen;
Und meynt: daß Plinius viel Worte nur geschmiert /
Der Tacitus zu rauh / und Flor zu kurtz geschrieben;
Sveton und Spartian die Sprache schlecht getrieben /
Und endlich Marcellin zu harte Reden führt' /
Als ob der Sonnen Licht die Strahlung von den Sternen /
Rom aber Römisch noch von Kindern solte lernen.
Der Alten Possen-Spiel trifft auch die neue Welt /
Nur daß Person und Platz im Spiele sich verkehren.
Des Cominäus Ruhm / den Gallien erhält /
Sucht Mejer / wie der Blitz die Cedern / zu verzehren.
Sleidanus Arbeit wird von vielen schlecht geschätzt /
Und hat / wie Strada / schon ihr Urthels-Recht erlitten.
Wie hatte den Thuan Baptista nicht verschnitten?
Wie ward dem Lipsius die Feder nicht gewetzt?
Und was will Cromer nicht vor Fehler andern zeigen /
Die doch bey Dutzenden aus seinen Schrifften steigen?
Das macht / die meisten sind vor grossem Eyfer blind /
Und führen Gall und Zorn im Kopffe wie Sardellen:
Drumb kan ihr Urthel / das von Wermuth fast zerrinnt /
Wie Qvitten / nicht zugleich mit Muscateller qvellen.
Den andern mangelt gar zuweilen der Verstand /
So wie den Krebsen Blut und wilden Bäumen Feigen.
Ja wenn ihr Geist sich soll im Alterthume zeigen /
So ist den Aermsten offt das Jota kaum bekand;
Und dennoch soll ihr Ruhm nach tausend klugen Griechen /
Und ihre Feder / wie Cardanus Athem / riechen.
Doch rechte Weißheit bleibt so wenig unterdrückt;
Als Pyrrhus edles Hertz im Feuer kan verbrennen.
Denn Sterne werden doch durch Glaß und Kunst erblickt;
Und Purpur lernet man bey reinem Purpur kennen:
So steigt der Bücher Glantz auch endlich Himmel-an /
Wenn ihre Schrifften sich auf höhe Säulen stellen.
Das ist: wenn Witz und Fleiß das Urthel drüber fällen /
Und der Gelehrten Spruch dem Pöfel dargethan:
Wie wenig den Bodin ein Sergius erreichen /
Und sich Pallavicin kan einem Svavis gleichen.
Die Arbeit Lohensteins hat beydes schon erlebt /
Eh noch ihr Wesen recht zu leben angefangen.
Denn vielen ist der Ruhm / der ihren Geist erhebt /
Nicht anders als der Senff in Nasen aufgegangen;
Viel haben ihren Mosch mit Schierling überstreut /
Und nur wie Araber den Balsam angerochen;
Biß Recht und Klugheit ihr die Palmen zugesprochen /
Und endlich wahr gemacht: daß Eyfersucht und Neid /
Wie Dünste durch die Glut der Sonnen auf der Erden /
Durch Schrifften / zwar erregt / doch auch gebrochen werden.
Jetzt tritt der andre Theil in die gelehrte Welt /
Sich an dem Ehren-Preiß des ersten zu ergötzen /
Und will den Blumen-Tantz / den jener vorgestellt /
Durch einen Wunder-Streit von Bäumen hier ersetzen.
Vielleicht zum Zeugnüsse: daß Rosen und Jasmin /
Doch am Geruche noch dem Myrrhen-Saffte weichen;
Chineser-Aepffel mehr als Lilgen Anmuth reichen /
Und Bücher insgemein mit grosser Arbeit blühn /
Im schließen aber so wie reiffende Morellen /
Auch von sich selber offt mit süssem Zucker qvellen.
Und warlich allzu recht. Denn dorten blitzt der Krieg
Und läßt der Deutschen Reich in Flammen fast zerfließen:
Hier schleußt Arminius den Frieden-vollen Sieg /
Und hat das Vaterland der Römer Macht entrissen.
Das erste haben schon die Barbern ausgedacht;
Hier aber werden viel die klugen Lehren finden:
Daß / wer den Frieden will auf blosses Eisen gründen /
Ihn wie Oliven-Safft in Bley / zunichte macht /
Und Fürsten rühmlicher mit schlauen Krokodilen /
Durch Weichen und Verstand / als scharffe Waffen / spielen.
Wo aber heb' ich an / den ungemeinen Geist
Des Edlen Lohensteins nach Würden auszudrücken?
Der / was in andern man nur Glieder-weise preißt /
Hier voller Wunder läßt aus einem Buche blicken.
Denn auch Gelehrte sind mit ihrer Phantasey /
Wie Affen offtermahls mit Honig / nicht zu füllen.
Drumb mißt Mirandula der Grobheit tausend Grillen /
Und Anaxagoras dem Monde Berge bey:
Er aber war bemüht / wie Bienen / zu ergründen /
Wie man viel Blumen soll in einen Teig verbinden.
Der Menschen erstes Licht ist Himmel und Natur /
Wie Schwefel-Werck und Saltz das Leben dieser Erden.
Ein unvernünfftig Thier muß witzig durch die Spur /
Die Seele durch Vernunfft zu einem Engel werden.
Wer sieht nicht was sein Fleiß vor Proben abgelegt?
Wie er das kluge Wachs der Alten umbgegossen /
Den Geist des Socrates vom neuen aufgeschlossen /
Den weisen Seneca Thußnelden eingepregt /
Und endlich durch sein Licht im Schreiben mehr erwiesen;
Als man an dem Petrarch' und Loredan gepriesen.
Die Staats-Kunst / die nechst Gott des Scepters Auge seyn /
Und Fürsten / wie den Leib der Schatten soll bedecken /
Schleußt er weit lustiger in Liebes-Zucker ein;
Als sie Savedra weiß in Bilder zu verstecken.
Der tieffe Gracian legt seinen Ferdinand /
Wie eher sich August / vor seinem Herrmann nieder:
Uns aber scheint der Glantz der alten Zeiten wieder;
Weil wir des Letzten Bild in Leopold erkandt /
Und uns ein Lohenstein in alten Finsternüssen /
Die Sonne dieser Zeit so artig abgerissen.
Doch Staats-Gedancken sind in Fürsten Kinder-Art.
Denn beyde pflegen sich beym Feuer zu verbrennen;
So lange sich ihr Witz nicht mit Erfahrung paart /
Und sie ihr Ungelück aus frembder Angst erkennen.
Drumb laufft sein Eyfer auch in die vergangne Welt /
Und forscht: woher der Brunn der Deutschen sey entsprungen;
Wie weit der Marobod den Degen hat geschwungen /
Und das Verhängnüß Rom die Grentzen ausgestellt;
Doch so / daß mehrentheils gleich wie in Purpur-Schnecken /
Die Perlen neuer Zeit in alten Schalen stecken.
Diß Ernst-erfüllte Werck mischt sein geübter Geist /
Wie Köche kostbar Fleisch mit süssen Mandel-Kuchen;
Wenn er die Eigenschafft der Dinge besser weis't /
Als Schott- und Lemnius mit vieler Arbeit suchen;
Bald auch den Gottesdienst der alten Welt betracht
Und seine Fehler weiß im Grunde vorzustellen:
Zu zeigen / daß auch Most den Magen kan vergällen /
Der beste Bisem offt wie Knobloch Eckel macht /
Und Lehren / wenn wir sie zu viel und häuffig brauchen /
Wie falscher Weyrauch offt ohn alle Glut verrauchen.
Ich weiß nicht / ob ich auch noch von der Poesie
Der Feder Lohensteins soll ihren Ruhm erheben?
Denn Verse kosten so wie Blumen grosse Müh /
Da beyde mit der Zeit doch keine Früchte geben.
Und hat auf Erden gleich ein Constantin regiert /
Der nur in seinen Rath Poeten aufgenommen;
So sind doch hundert schon in seine Stelle kommen /
Die dieser Köpffe Gold mit Flecken angeschmiert /
Und eher Gips und Kalck und stumme Marmel-Götzen /
Als einen Sanazar / auf ihre Schrancken setzen.
Diß aber weiß ich wohl: daß diese kluge Schrifft
So / wie Erasmus Werck / aus krancker Hand entsprossen.
Wenn nun ein Plautus ihm noch Ehren-Maale stifft /
Weil ihm bey Mühlen offt das beste Spiel geflossen;
Ein Magius sich rühmt / daß er ein grosses Buch /
Wie Campanella / gar in Fesseln hat geschrieben;
So fordert ja der Geist / der diesen Kiel getrieben /
Zur Tinte Ceder-Safft / zur Tafel Purpur-Tuch;
Weil unser Lohenstein / bey Kranckheit und bey Sorgen /
Ihm offters auch die Zeit zum Schreiben muste borgen.
Drumb splittert / wie ihr wolt / ihr Tichter kluger Welt /
Und macht durch Urthel euch zu grossen Bücher-Riesen!
Diß / was eu'r Unverstand an dieser Schrifft vergällt /
Hat / eh ihr sie gesehn / schon der Verstand gepriesen.
Ein Buch geht wie der Wein nicht allen lieblich ein;
Weil viel wie Käfer sich am Kothe nur ergötzen:
Die Klugheit nur allein kan hohe Seelen schätzen
Und beym Arminius wird diß stets richtig seyn:
Man wird die Sonne schon ein ewig Feuer nennen /
Obgleich ein Blinder sie nicht kan davor erkennen.

Dieses schrieb dem Seel. Herrn

Verfasser zu Ehren


Benjamin Neukirch.

Inhalt des Ersten Buches
[1] Inhalt
Des Ersten Buches

Deutschland schöpfet aus Hertzog Herrmanns Vergnügung seine eigene / aus der wieder erlangten Freyheit allgemeine Eintracht und Vorsichtigkeit wider ihre verdächtigen Feinde die Römer; ihre Herrschens-Sucht und Staats-Griffe bey Kriegs- und Friedens-Zeiten. Deutsche Freyheit wem sie gleiche? Der Feldherr Herrmann verkauffet dem Käyser August für einen[1] blauen Dunst des vorgeschlagenen Friedens einen nicht ungleichen Nebel. Schwerigkeit zu Ubersteigung des Alpen-Gebürges. Ursache der vom Käyser denen Galliern verminderten Schatzung und verliehenen Römischen Bürger-Rechts. Marbod kommet wegen seiner mit dem Ingviomer gehaltenen geheimen Rathschläge beym Käyser in Verdacht / das erschöpfte und erschreckte Rom aber zu verzweifelten Entschlüssungen wider die Deutschen. Des Käysers verkehrtes Glücks-Spiel durch keine menschliche Vorsichtigkeit zu ändern. Unter den kriegerischẽ Anstaltẽ schleichet auch die Liebe mit ein / und die Deutschẽ bauen gleich den Samiern in dem Tempel der Pallas der Liebe ein Altar auf. Wett-Streit: ob das Hertz oder die Liebe im Menschen zuleben anfange? Im Menschen überwinden anderer Beyspiele die Leitung der Vernunfft. Freude die alleroffenhertzigste unter denen Gemüths-Regungen. Aehnligkeit und Gemeinschafft so wohl der Seele als des Leibes / das vornehmste Quell und Meklerin der Liebe. Hertzog Flavius Liebe gegen die Königin Erato / Jubils gegen Leitholden /Catumers gegen Adelgunde / Siegmunds gegen Zirolanen / Malovends gegen die Cattische Fürstin Catta. Gegen-Liebe nicht allemal die Tochter der Liebe. Liebe pflegt ihren Brand in eines andern Kühlung /und ihre Erleichterung / gleich wie Kranckheiten / in der Entdeckung zu suchen. Augen und Geberden des Hertzens deutliche Verräther. Der Liebe und des Feuers gleiche Beschaffenheit. Träume offt mehr ein Brutt der Tages-Gedancken / als Göttliche Offenbarungen. Sein Unglück vor Freunden und Feinden verbergen /damit jene sich nicht betrüben / diese aber sich nicht kitzeln können / das gröste Glück. Verschwiegenheit die Spann-Ader der Klugheit; aber gegen geprüfeten Freunden was geheimes verhalten / eine Beleidigung. Liebe junger Leute das gröste Ungeheuer. Thußneldens Geburts-Fest und die dabey vorgestellte Aufzüge geben dem Flavius Gelegenheit seine Liebe der Königin Erato zu offenbaren / und sie auf alle ersiñliche Weise zur Gegen-Liebe zu bewegẽ. Liebe der Unmögligkeit gewiedmet säet nichts als Unvergnügen / und erndtet an statt der verlangten Gegen-Liebe nur Unlust und Verzweifelung. Der Liebe Geburt / Kindheit und Auferziehung. Der Königin Erato bescheidentliche Ablehnung. Aller Wohlthaten Kern die Liebe; ihre Herrschafft über Leib und Seele. Furcht der betrüglichste Mahler in seinen Bildungen. Der Liebe Ehren- und Schand-Titul. Des Flavius und Ißmenens seiner Schwester Besprechung über der Heimligkeit ihrer unterschiedenen Liebe. Eigenschafft der Liebenden aus einem Pfund einen Centner / aus zweifelhaften Dingen eine Unmögligkeit zu machen. Schönheit hat die Natur zur Mutter / und die gantze Welt zur Anbeterin. Die Natur in Bildung aller Geschöpfe freygebig / beym Menschen verschwenderisch / so wohl in Unterscheidung der Seelen / als Antlitzer. Aehnligkeit der Ursprung einer wahrhaften Liebe. Vollkommene Schönheiten gleich der Sonne allen schön. Die erste Empfängüß der Liebe so wohl die kräfftigste / als reinste / die allerempfindlichste Vergnügung ihre Erst-Geburt. Die Liebe der Hoffnung Hertz-Blat. Des Neides und der Mißgunst Früchte. Der Anverwandten Liebe Uhrsprung das Geblüte / der übrig-verliebten die Sternen. Des Eigen-Nutzes und Herrschens-Sucht schädlicher Gifft. Je grösser die Liebe / ie grösser der Haß auf jenes Verlust. Der Königin Erato geheimer Ku er dem Fürst Zeno des Flavius an sie gemuthete [2] Liebes-Anfechtung zu verschweigen; Ismenens Hoffnung des Zeno Bewogenheit zu gewinnen. Rhemetalces Erzehlung in Thusneldens Zimmer in Anwesenheit der übrig erlauchten Gesellschafft von denen Verwickelungen Thraciens und seine dabey gehabte Zufälle. Thraciens Fruchtbarkeit /der Inwohner Beschaffenheit und des Adels Merckmahle. Thracien des Kriegs-Gottes Vaterland. Seine übrigen Götter / Tempel / Gottesdienst und freyen Künste; Seine Grösse / Ursprung und auf einander folgende Könige. Der Thracier Ausbreitung in Asien. Sesostres Siege fast über die halbe Welt; Seine in Thracien am Berge Rhodipe aufgerichtete marmelne Säule und Egyptische Uberschrifft. Der Thracier und übrigen Heidnischen Völcker Beschneidungs- und Lebens-Art. Ihre Verfallung unter die Odrysen; Ihr neu-aufgerichtetes Reich zwischen dem Flusse Hebrus und Pontus / Strymon und dem Pangäischen Gebürge / dessen beherrschende Könige. Harpalice errettet ihren gefangenen Vater Lycurgus durch einen herrlichen Sieg von den Geten / und wird über dem Euxinischen Meer über die Amazonische Herrschafft ihrer Hertzhafftigkeit halber zur Königin erwehlet / ihr Bruder aber auf den Väterlichen Stuhl gesetzet. Seine Nachfolger. Des Cotischen Reichs nachtheiliger Nahme; Seine Uppig- und Grausamkeit. Thracien wird endlich seinen Söhnen zum Zanck / dem Macedonischen Könige Philipp aber zum Reichs-Apfel. Der Leib eines Reichs nicht weniger als des Menschen allerhand Zufällen unterworffen. Aberglaube der Thracier macht den Alexander unüberwindlich /ihre tapfere Gegenwehr aber letzt zu Staube. Dessen Nachfolger in Thracien Lysimachus; Seine Helden-Thaten und Vorbedeutung seiner Herrschafft. Seine Gefangenschafft und wieder erlangte Freyheit. Seiner Gemahlin Arsinöe Meuchel-Mord an seinem zum Reich bestimmten Sohne Agathocles wegen verweigerter Blut-Schande. Seines zweyten Sohnes Abfall zum Seleucus; Sein blutiger Tod und fernere Reichsfolge der übrigen Thracischen Könige als rechtmäßigen Vorfahren sein des Rhemetalces. Seines Vaterlands mehrere Zufälle / dieser Völcker mit den Geten und Tribalen wegen Gleichheit der Sitten getroffene Vereinbarung; Ihr Sieg in der Schlacht bey Uscana wider die Römer. Perseus und des bey ihm als Geißel sich befindenden Königlichen Cotyschen Sohnes Gefangenschafft. Seine nebst der übrig gefangenen Thracier durch Gesandschafft nach Rom wieder erlangte Freyheit. Des Thracischen Königs Cotys fernere Nachfolger. Seiner Schwester wegen Verlust ihres Bräutigams ausgeübte Grausamkeit wider die Römer. Des Mithridates mit den Thraciern unglücklich-aufgerichtetes Bündnis. Die Römischen Waffen durch Bürgerliche Zwietracht von Thracien abgezogen / durch die genossene Friedens-Ruh dagegen die Welt-Weißheit eingeführet. Thracien des ins Elend verjagten Cicero Auffenthalt / und die vom Philiscus bekommene Propheceyung. Der Fürsten Bothmäßigkeit die Vernunfft. Cæsars gesuchte Feindschafft bey den Thraciern und Galatern; Sein blutiger Tod; Brutus und Caßius Beschirmer der edlen Freyheit. Der Stadt Rom dreyköpfichte Beherrschung und Zwietracht. Thraciens Unglücks-Stern. Sadals Beherrschung. Seine Unempfindligkeit in der Liebe mit ungemeiner Eifersucht vergesellschafftet. Der Thracier grosses Feyr und Tempel des Bachus zu Oresta. Des [3] obersten Priesters Würde die nechste beym Könige. Eines unempfindlichen helffenbeinernen Bildes hohe Anwehrung beym Könige Cotys verursachet beym Königlichen Sohne grosse Empfindlichkeit / und hiedurch eine Zerdrümmerung aller zeither im Tempel angebeteten Alabastenen. Apamens des Königs Deldo Tochter überirrdische Schönheit und Holdseeligkeit erwecket bey dem von Liebe sonst Eis-kalten Sadal empfindliche Liebes-Flammen / und ein darüber geführtes sinnreiches Wechsel-Gespräche. Der Liebe und Heucheley Aehnligkeit auf gewisse Maas. Thracien der reinen Liebe Vaterland und Gewonheit der Weiber sich mit ihren verstorbenen Männern auf dem Holtzstoß zu verbrennen. Bekümmernis und Sorgfalt bestürmet Sadals in Liebe verwickeltes Gemüthe. Sein mit Apamen zu Oresta begangenes Beylager. Eifersucht macht ihm seinen eigenen Schatten zum Nebenbuhler / setzet den gantzen Königlichen Hof insonderheit Apamen in höchste Bestürtzung / Sadaln selbst aber in mancherley verwirrete Abwechselungen. Der keuschen Apame ihrem Gemahl gewillfahrte Erzehlung: wie der Dacier König Decebal und der Quaden Hertzog Holderich vergeblich umb Sie geworben / dieser auch von jenem ihrentwegen meuchelmörderischer Weise umbs Leben kommen / erwecket aufs neue Gall und Gifft in Sadals eifersüchtigem Gemüthe. Apamens letzt-ausgebrochene Ungedult und verzweiffelte Entschlüßung. Eifersucht der gifftigste Wurm der Seele den Todten selbst aufsätzig. Apamens Flucht in der Dianen Tempel und Vorsatz sich dieser Göttin auf ewig einzuweihen ziehet Sadaln eine hefftige Ohnmacht / diese dem Vater Cotys aber den Tod zu. Des Erstern hierauf erfolgte Raserey und Gelübde den Tempel der Diane und des Bachus zu stürmen. Wunderbare und höchst-verbindliche Verschwerungs-Art über den Geilen gewisser Thiere. Des Bacchus Tempel bey den Thraciern vor die wesentliche Wohnung GOttes gehalten. Die Art und Weise ihrer Opfferung und dardurch gesuchte Heiligkeit nebst Abwaschung des Volcks Sünde. Der Apame durch einen Pfeil dem Könige Sadal ihrem Sie belägernden Gemahl abgeschossener Abschieds- und Absage-Brieff / auch ihre darauf erfolgte Abstürtzung von einer Höhe eines Thurmes. Sadals hieraus entstandene Entseelung und allzu späte Bereuung seines Beginnens. Aberglaube eine Verbländerin der Augen und der Vernunfft /ingleichen eine Aufwieglerin wider den König Sadal. Des Pöfels Witz nicht im Gehirne sondern in der Stärcke ihrer Armen. Sadals Flucht von Oresta. Cotys seines Bruders Krönung und Vereinbarung der Königlich- und Priesterlichen Insel. Dessen löbliche Herrschafft und der unvergleichlichen Apame von ihm aufgerichtetes herrliche Grabmal. Sadals gesuchte Hülffe beym Römischen Kayser und Marcus Antonius. Des Cotys beym Brutus und Caßius. Beyder Schlacht und zweiffelhaffter Sieg nicht minder wegen der Römischen Freyheit und deren Beherrschung als der Krone Thraciens. Des Caßius ihm selbst aus Irrthum zugezogener Tod. Des Brutus sonderbare Kriegs- des Antonius Staats-List durch das von Elis nach Oresta gebrachte Wunderbild des Bacchus; die ihm gethane Opfer- und Einweihung dardurch den Cotys auf andere Gedancken zu bringen. Zwey Adler deuten dem Brutus den Tod und mit ihm Rom die Dienstbarkeit an. Seine letzten dem Hercules abgelehnte hertzhafften Worte. Sadals und seines Bruders Cotys Uneinigkeit der herrschenssichtigen [4] Römer Vortheil. Antonius Wollüste. Sadals Tod und letzter Wille. Cotys Gesandschafft und Ansuchen zu Rom wird durch des Pompejus Sieg wider die Römer befördert / gantz Thracien ihm unterwürffig / und er zu einem Bunds-Genossen der Römer gemacht. Sein Tod und unmündige Söhne nebst ihrer Bevormündung. Angesponnener Bürger-Krieg zwischen dem Kayser Octavius und Antonius Thracien gefährlich. Des Kaysers Siege und des wollüstigen Antonius offtmalige Niederlagen durch die liebkosende Cleopatra und der Seinigen Abfall befördert. Des Antonius Flucht in Egypten. Des Rhemetalces und Dellius höfliche Bewillkommung beym Kayser. Dessen angefangener Hochmuth und Göttliche Verehrung ziehet denen benachbarten Völckern allerhand Unheil zu. Der Dacier und Bastarnen Bündnis wider die Römer. Des Römischen Feld-Hauptmanns Craßus Betrug wider des Bastarnischen Königs Deldo Gesandschafft und seine eigene Person. Des jüngern Rhemetalces allzu frühzeitige Herrschafft Thracien nachtheilig. Verstand und Erfahrenheit schwacher Greise / nicht junge und starcke Knochen / der Reiche Pfeiler. Des Craßus unumbschrenckte Krieges- und Sieges-Macht / am meisten aber die Liebe des Vaterlandes nöthiget den verlebten Vetter Rhemetalces sich der Reichs-Sorge wieder anzumaßen. Augustus willkührliche Reichstheilung verursachet theils Liebe / theils Mißgunst /Rhemetalces Tod dem Reiche gleich der untergehenden Sonne / eine abermalige Verfinsterung. Der Dacier / Pannonier und Dalmatier Aufstand wider Rom. Andacht oder vielmehr Aberglaube die Grundfeste des Beßischen Königs und obersten Bacchus-Priesters Vologesens / das Thracische Reich zu behaupten /den Rhemetalces vom Throne zu stürtzen / den Rhascuperis aber zum grausamsten Schlacht-Opfer zu machen. Seine des Vologeses bey denen bezauberten Thraciern verlangte Heiligkeit und Vergötterung. Des Kaysers Staats-kluge Verweigerung seinen Kopff auf das grosse Bild pes Bacchus am Gebürge Rhodope setzen zu lassen. Vologeses untergehende / Rhemetalces hingegen wieder aufgehende Glücks-Sonne kurtz hierauf in einen neuen und plötzlichen Unstern verwandelt. Sein Tod und Nachko linge; dieser ihre Danckbarkeit und Vorschub gegen Rom und dessen Heerführer den Tiberius und Germanicus zu Erlangung ihrer Pannonischen Siege. Rhemetalces Schwermuth über dem Fortgange seiner dem leiblichen Vater Rhascuperis oder vielmehr seiner lasterhafften Stief-Mutter Ada zum Nachtheil gereichenden Erzehlung. Der Scythen Grausamkeit und Abschlachtung ihrer verlebten Eltern. Laster und Unglück in gewissen Stämmen erblich. Tugenden der Weiber der gemeinen Wolfahrt so nütze / als die der Männer; ihre Laster aber unvergleichlich schädlicher. Der Königin Erato und Hertzog Jubils beygefügte sinnreiche Gedancken über das Männ- und Weibliche Geschlecht / ihren Vorzug / Tugenden und Laster. Verstand und Hertzhafftigkeit die Maus- und Spañ-Ader der Seele. Das Hauptwesen die Abbildung eines grössern Staats und Grund-Säule der gemeinen Wolfahrt. Die gute Art und das Wolgerathen der Kinder nicht so wol den Vätern als Müttern / wie das Gold den köstlichsten Ertz-Adern zuzueignen. Der lasterhafften Ada Ankunfft und Haß gegen edle und tugendhaffte Gemüther mit Erhebung des leichtsinnigen Pöfels. Allzu geschwinde Erhöhung ein [5] Bländnis der Vernunfft / wie übermäßiges Licht des Gesichts. Gleichheit die Grundfeste des Ehebettes. Thracien wie andere benachbarte Länder von denen Asiatischen Wollüsten durch die Ada angestecket; Ihr neu-eingeführter schändliche Gottesdienst und Verschwendung in Speise / Kleider und anderer fast unersinnlichen Pracht. Unzehlbare Arten der von Ada gebrauchten Schmincken; die durch deren Gebrauch erlangte Schönheit / ob solche zuläßlich? Einbalsamirung den Morgenländern gewöhnlich und den Leibes-Kräfften dienlich. Schamröthe das Saltz und die Morgenröthe der aufgehenden Tugend; Ihr zu Athen aufgerichtetes Altar und göttliche Verehrung. Der Deutschen Schmincke und Anstrich rein Brunn- und Tau-Wasser. Auch wesentliche Schönheit außer ihrer rechten Anwehrung ein böses Gut / und schädlicher als Schmincke nach Art der von Gold und buntesten Farben gläntzenden gifftigsten Thiere. Schönheiten / Blumen und Balsam einerley Urtheil unterworffen. Wie mancherley Völcker / so mancherley Völcker / so mancherley Sitten und Lebens-Ge bräuche. Blöße bey einigen Völckern ein Kennzeichen der Unschamhafftigkeit / bey andern ein Zügel der Begierden / ja der tieffsten Andacht. Der Geilheit und Nacht-Eulen einerley Eigenschafft verborgene Hölen und Finsternis zu suchen. Die Liebe vergnügt weder eine geschleierte Vesta noch eine nackte Venus / weder zu viel / noch zu sparsame Wollust. Schmincke und Farbe eine betriegliche Mahlerin der Heßligkeit und Larve der Schönheit. Ihre Schätzbarkeit von schlechtem und unbeständigem Werth. Unterschiedene Milch- und Blut-Bäder / worzu und von wem sie gebrauchet? Der Hoheit Irrthum über die Schädligkeit der Laster. Neuigkeit niemals ohne freundliche Stirne und köstlichen Geschmack. Ehrsüchtige Herrschafft dem immer-wachsenden Crocodil gleiche. Der Ada gifftige Anschläge wider die Königin Parysatis durch einen besondern Zufall wieder wendet. Parysatis verlieret das Kleinod der Ehre beym Rhascuporis und das bey ihr noch schätzbarere am Halse in währendem Beyschlaff durch die listige Ada. Beyder hieraus erfolgte verzweiffelte Entschlüßungen. Geilheit und verschlagen seyn der Parysatis und Ada vermögend den klügsten König Rhemetalces zu hintergehen / und der vorhin vertrautesten Eriphylen auf unerhörte Grausamkeit das Lebens-Licht auszuleschen / also an dieser Laster durch Laster zu straffen; dagegen aber auch vermittelst beyder wachsenden Boßheit Laster durch Laster aufs genaueste zu verbinden. Parysatis schändliche Hinrichtung durch die Ada und den König befördert; Ihre vom Fluß Hebrus ausgeworffene und an ihrem unter anderm Vorwand des Todes gehaltenen Begräbnis-Tage ans Licht kommende Leiche erwecket wieder den deshalben verdächtigen König ihren Gemahl Haß und Aufruhr / mit Verweigerung seiner im Tempel des Bachus gesuchten Frey- und Sicherheit. Die Hinrichtung des Königs und Verfolgung des Königlichen Printzens Cotys durch die herrschens-sichtige Ada und ihren deswegen geliebkosten Gemahl den Rhascuporis zu wider des jüngern Rhemetalces bewerckstelliget. Herrschens-Sucht von aller Blut-Freundschafft und Barmhertzigkeit entfernet. Rathschläge einerley Verhängnis mit den Gesichtern / daß die Schönen allein gefallen. Der boßhafften Ada gifftige und meuchelmörderische Nachstell- und Verläumbdungen gegen den frommen Rhemetalces ihren Stief-Sohn durch dessen Tugend und Unschuld wunderbarer Weise zernichtet. Rhemetalces von seines [6] Vaters des Rhascuporis siegenden Feinde Cotys aus dem Gefängnis erlöset / mit halb Thracien / Rhascuporis aber durch dieses seines Sohnes Vorbitte mit einem unverhofften Frieden beschencket. Rhemetalces schlüßet seine bisherige Erzehlung mit seiner neuen Bewillkommung zu Rom und Zurückkehr in des Varus den Deutschen bald darauf zur Beute gediegenes Lager. Rhemetalces / des Flavius und Zeno mit der Königin Erato und Ismene geführte Liebes-Rätzel. Geschwinde Liebe gleich allen schweflicht-verloderndensten Dingen die vergänglichste. Flavius suchet den Zeno bey der Königin Erato in Verdacht / sich aber ans Bret zu bringen. Seine deswegen lauffende Gefahr. Der Königin Erato Gesellschafft mit dem Flavius dem Fürst Zeno argwöhnisch und unerträglich. Ismenens aus eigener Liebe entsponnene und zu der Königin Erato Verachtung versuchte Besänfftigung. Aehnligkeit und Gleichheit der beständigste Brunn der Liebe / Ungleichheit aber ihr Wechselbalg. Fürst Zeno und Ismene in ihrem Gespräch verstöret / und von Saloninen verrathen. Der wahren Tugend Eigenschafft. Thusnelde suchet über Saloninens ausführlichem Bericht die in höchster Bestürtz- und Verzweiffelung sich befindende Königin Erato zur Vernunfft; der Feldherr aber seine in den Fürst Zeno verliebte Schwester zu einer Staats-Heyrath an den Cattischen Hertzog Catumer zu bringen. Ismenens hefftiger Widerstand. Wie viel Afftergestirne und Irrlichter in der Welt; So viel unachte Ursachen der Liebe. Hertzog Jubils Versprechnis die Cattische Hertzogin zu heyrathen gebiehret in der Liebe Ismenens mit dem Fürst Zeno eine neue Schwerigkeit. Schönheit / ob sie ein selbstständiges oder nur in der bloßen Einbildung bestehendes Wesen / und ob solche den Göttern des Glücks und Reichthums vorzuziehen? Ergötzligkeit der Liebe Unter- das Glück ihr Deck-Bette / und die Würde ihr Haupt-Küßen. Staats-Klugheit der meisten Heyrathen Kupplerin / und wie weit hierinnen der Zügel zu enthengen? Der vom Feldherrn zwischen dem Fürsten Catumer und seiner Schwester Ismenen gemachter Heyraths-Schluß erwecket beym Adgandester seiner dem Cheruskischen Hause geleisteten Treue halber Verdruß und Eifersucht. Von Fürsten und ihren Höfen auch im verborgensten zu urtheilen gefährlich. Der Römer Anzug eine Verhinderung dieser Vermählung. Thusneldens Geburts-Tag und Feyer allen Hohen des Hofes eine Gelegenheit durch Tapferkeit Ehre / bey ihren Buhlschafften aber Bewogenheit und Mißgunst zu erwerben. Zirolanens Kaltsinnigkeit gegen den sie hefftig-liebenden Fürst Siegemund / Bewogenheit aber gegen den Rhemetalces. Hertzog Hermanns Feldzug und Abschied von seiner schwangern Thusnelde sehr schmertzlich. Unterschiedener Völcker mancherley Gottesdienst / Heilige und Priesterthum / aus was vor Geschlechtern dieses erwehlet? Sinn-reiche Vorstell- und Abbildung der Jahrs-Zeiten. Der Weißheit edler Schatz durch keine Geburt fortgepflantzet / sondern durch Mühe und Fleiß erwerblich /auch keinem gewissen Geschlecht eigenthümlich. Des Pöfels Einfalt und Unverstand vor eine Staats-Klugheit und Befestigung eines Reichs zu halten. Der alten Deutschen Gottesdienst. Der Haare Hochschätzbarkeit und Heiligthum bey den Alten. Des Flachses und Leinwand / der Webekunst und Stückwercks gestiegener Werth / Herrligkeit und Vaterland. Der Bräute bey den Römern besondere Mitgifft durch einen angelegten Rocken und [7] Spindel. Der von Catta in Hertzog Jubils Liebe beeinträchtigten Fürstin Leitholdes zur Hertha Gottesdienst Einweih- und Opferung. Ihre Erhebung der himmlischen / mit Verwerffung aller eiteln vergänglichen Liebe. Der Schaafe und Rind-Viehs mancherley Land-Art und Nutzbarkeit. Des Ackerbaues grosses Lob. Der siebenden Zahl Geheimnis und Heiligkeit wie in andern Verrichtungen / also auch beym Opfer-Gebrauch. Des geheiligten Opfer-Feuers Krafft und dabey mit unterlauffender Aberglaube. In unvernünfftige Thiere wüten sündhafft und straffbar. Der Opfer-Thiere erforderte Art und Beschaffenheit. Des Saltzes Hochschätzbarkeit / dessen vielfältig herrlich- und heiliger Gebrauch. Wahrsagende Brunnen-Gedancken. Schlangen sprechen auf gantz sinnreiche Art durch ihre Zusammenflechtung der Königin Erato den Zeno ab / und diesen dagegen Ismenen zu. Eines Einsiedlers nachdenckliche Reden von Beschaffenheit des Elementarischen Himmels /der grossen und kleinen Welt / als einer wolgesti ten Harffe des Allerhöchsten / und aus was vor gleichstimmigen Saiten ein jedes bestehe? Thusnelde / Ismene / Erato und das übrige Fürstliche Frauen-Zimmer des Hofes befindet nachgehends in der Gegend und bey der Lehre dieses Einsiedlers: daß die Gemüths-Vergnügung wie der Thau des Himmels nicht auf den Misthauffen der Städte / sondern in der unschuldigen Einsamkeit zu suchen sey.

Erstes Buch
Erstes Buch.

Deutschland genaaß nunmehr so wohl der edlen Siegs-Frucht / nemlich der Freyheit / als der grosse Feldherr Herrmann der süssesten Liebe. Denn ob zwar die Deutschen zeither von den Römern nur wie die Löwen eingesperrt gewest waren / für denen sich ihr Hütter mehr / als sie für ihm sich fürchten; so war doch der Römer Bekümmernüß ihnen keine Ergetzligkeit; von der sie nun auf einmal gleichsam überschwemmt waren. Jedoch sättigten sie sich nicht an dem Genüß dieses unschätzbaren Gutes / sondern sie betheilten sich auch mit ihres Feldherrn Vergnügung; gleich als wenn Deutschland nur von dem reinen Feuer seiner Liebe seine Freude / wie nach dem verjagten Xerxes Griechenland nur in der heiligen Ampel zu Delphos seine Opfer-Kertzen anzünden müste. Also war niemand / der nicht seine Gemahlin bald schwanger zu seyn wüntschte / oder aus Verlangen schon zu seyn glaubte; umb Herrmanns Haus bald mit einem künftigen Nachfolger unterstützt / und das Vaterland künftiger Zwytracht entübrigt zu schauen. Denn dieses Helden Verdienste drückten numehr alle Regungen des Neides zu Bodem / und die Ehrsucht muste seiner Tugend theils aus einer großmüthigen Zuneigung / theils aus Scham-Röthe den Vorsitz enträumen. Hierdurch blieb das gute Verständnüß der deutschen Fürsten auf festem Fusse; und es schien: daß dieses streitbare Volck zum minsten der Eintracht / als der Schutz-Göttin aller Völcker / wo nicht einen so herrlichen Tempel / als die Römer gethan hatten /[8] doch aus so eifriger Andacht ein Heiligthum bauen wolten; weil / allem Ansehen nach / das unschätzbare Geschencke Göttlicher Versehung / nemlich ein beständiger Friede so uhrplötzlich nicht zu hoffen war. Denn / ob zwar durch die Niederlage des Varus der Römer Bothmässigkeit innerhalb des Rhein-Stroms fast gäntzlich erloschen war; so hielten sie doch diesen Fluß durch etliche Festungen noch gleichsam angefässelt; also Deutschland in Argwohne: daß die Römische Rachgier ihre Galle und des Käysers Herrschsucht ihr Gifft bey erholeten Kräfften und überkommener Gelegenheit bald wieder auf die Deutschen ausschütten würde. Sintemal sie aus hundert Beyspielen schon gelernet hatten: daß die Abtretung eines vortheilhaften Ortes wider die Grund-Gesetze der Stadt Rom lieffe; ihre Niederlegung der Waffen auch nur ein Spiegelfechten wäre; indem die Römer sich des Friedes und Krieges wie zweyer Müntzen gebrauchten; nachdem Zeit und Zufälle eine für der andern zu ihrem Vortheile gangbar machte; gleich als wenn grosser Reiche Anliegen auf der Wage der Gerechtigkeit nicht Raum hätten / und der Käyser Willkühr alles gewaltsame zuläßlich machte. Daher sich Hertzog Herrmann keines aufrichtigen Vergleichs zu versehen hatte / ungeachtet er wohl verstand: daß das abgemergelte Deutschland nicht weniger der Erhohlung / als ein Krancker des Schlafes von nöthen hätte; sondern vielmehr glaubte: daß die deutsche Freyheit denen beym Hellespont auf des Protesilaus Grabe wachsenden Bäumen gleich wäre / welche alsofort biß an die hernach wieder ausschlagende Wurtzel verdorren / wenn sie so hoch gewachsen sind: daß man von denselben das gegen über liegende Ilium erblicken kan. Wie viel mehr hätten also die Deutschen Ursache die nicht über dem Meere / sondern nur über dem Rheine liegenden und noch unzerstörten Blockhäuser der Römer als ihre Schiffbruch-Klippen anzuschauen. Bey welcher Bewandniß denn auch die vereinbarten Fürsten sich des nach dem Ubischen Altare entkommenen Asprenas Schreibẽ nichts irre machen liessen; darinnen er einen Vorschlag des Friedens that / und den Feldherrn versicherte: daß der Käyser des lasterhaften Varus Verfahren verda te / und sein verzweifelter Selbstmord ihn nur einer empfindlichern Straffe entrissen hätte. Wormit sie ihm aber für seinen blauen Dunst einen Nebel verkaufften / schrieb der Feldherr dem Asprenas zu: Er erwartete vom August den Vorschlag des ihm zwar nicht nöthigen / doch allzeit annehmlichen Friedens. Seine Neigung hierzu hätte er bereit durch die Freylassung der gefangenen Königin Erato / des Fürsten Zeno und Malovends an Tag gegeben / und er besiegelte sie hiermit abermals durch Zurücksendung hundert Römischer Befehlshaber. Durch diese Antwort verbarg Herrmann nicht nur sein Absehen die Römer von dem Rheine zu entfernen; sondern er drückte den Deutschen auch diese gute Meynung ins Hertz: daß er durch Verlängerung des Krieges seine Bothmässigkeit über die Deutschen zu vergrössern nicht gemeynt wäre. Unterdessen machte doch der Käyser ihm diese Erklärung zu Rom gewaltig nütze. Denn / ob er zwar seiner Scharffsichtigkeit nach allzu wohl verstand: daß Hertzog Herrmann nicht weniger des Sieges sich zu gebrauchen / als zu siegen wuste; und daß so wohl der mit Gewalt einbrechende Winter den Verfolg des Krieges he te; als Herrmann in Deutschland noch viel Berge der Hindernüsse zu übersteigen hätte; so erleichterte er doch sich und gantz Rom dieses Kummers: daß die Gallier denen bereit über den Rhein streiffenden Sicambern beyfallen / den durch so ungewöhnlichen Sieg der gantzen Welt beruffenen Herrmann für ihr Haupt erkiesen; er aber in die Fußstapfen seiner hitzigen Vorfahren über die Alpen zu steigen / und derselben Glantz zu verneuern trachten würde. Sintemal freylich die Durchdringung [9] dieses Gebürges bey den Nord-Völckern eben so hoch als bey den Griechen des Jasons Reise nach Colchis / des Bacchus in Indien / und des Hercules biß nach Calpe und Abila gehalten ward. Weswegen August / als er nur ein wenig sich von der ersten Bestürtzung erholet hatte / die Verminderung der Schatzung in Gallien / das mehr als fünf tausend Galliern verliehene Römische Bürger-Recht /zum ersten Mittel angewehrte dieses leichtsinnige Volck im Gehorsam zu behalten. Ob nun zwar derogestalt das erste Schrecken vorbey war; so empfand doch der Käyser allererst nach und nach die Heftigkeit der von den Deutschen empfangenen Wunde. Denn der mit reichen Geschencken zu gewinnen versuchte Marbod gab dem Käyserlichen Botschaffter Sextus Apulejus zwar den ihm zugeschickten Kopf des Varus wieder / sonst aber zweifelhafte Antwort. Uber diß berichtete Apulejus nach Rom: daß dieser mächtige König mit dem Hertzoge Ingviomer nichts minder geheime Rathschläge / als offentliche Verträuligkeit unterhielte; ja die Marckmänner ihren Haß gegen die Römer / und die Begierde sie zu bekriegen offentlich an Tag gäben. Die Gallier versicherten den Käyser zwar ihrer Treue; aber dieses mehr aus Rache gegen die Deutschen / welche ihnen mit dem Varus derogestalt zur Ader gelassen hatten: daß iedes edle Haus etliche Todten zu betrauren hatte; als aus Zuneigung gegen die Römer. Weswegen sie auch die Unmögligkeit fürschützten die Römischen Festungen am Rheine und die Uberbleibung des Asprenas mit neuen Hülffs-Völckern zu verstärcken. Die übrigen Gräntz-Völcker begonten gleichfalls mehr der Römer Freundschafft zu erhalten / als sich für ihren Waffen zu fürchten; etliche Uberwundene auch gar die alte Schatzung zu weigern / und die des Gehorsams erinnerten Pannonier zu dräuen. Jedoch wäre die Schwachheit der äusersten Glieder noch zu verschmertzen gewest / wenn nicht Rom die Ohnmacht selbst im Hertzen gefühlt hätte. Denn es forderte die Vorsicht wegen noch immer besorglichen Einbruchs der Deutschen in Italien / oder zum minsten das Ansehn des Römischen Reichs die durch dreyer und mehr Legionen Niederlage aufgehobene Schande wieder auszuleschen. Sintemal wie mächtig diß gleich war / bestand doch seine Grösse mehr am Ruffe / als an der Tugend / seine Stärcke mehr am Ruhme voriger Siege / als an Waffen. Diese Scharte aber konte durch keinen Dunst / sondern allein durch den Nachdruck einer anständigen Rache ausgewetzt werden. Wie nun der Käyser den hierzu nöthigen Werckzeug /nemlich ein frisches Heer zu werben / und bey dessen schläfriger Fortstellung die junge Mannschafft zu zehlen befahl; befand man Rom und Italien durch die Deutschen und Pannonischen Kriege über alle Einbildung erschöpft; die noch zum Kriege tüchtigen auch durch den letzten Streich der Deutschẽ so erschreckt: daß weder die Erhöhung des Kriegs-Solds / noch andere Vertröstungen sie Dienste zu nehmen bewegte. Ja als alle nach der Cannischen und Cimbrischen Niederlage hervor gesuchten Mittel nichts verfingen; die Vermögenden sich aus Italien flüchteten / die Geworbenen durchgingen / ließ August alle nicht über fünf und dreissig Jahr alte Mannschafft zehlen / die wider die Deutschen zu kriegen sich weigernde looßen / und allemal den Zehnden seines Vermögens und der Ehre verlustig erkennen. Als aber auch hierdurch den Römern die Furcht für den Deutschen nicht aus dem Hertzen zu bringen war / ließ er vielen wie Flüchtigen zur Ader lassen / nach empfangenen Ruthen-Streichen die Hände / ja denen / welche von der Deutschen Tapferkeit was erzehlten / die Köpfe mit dem Beile abhauen. Worbey es aber noch nicht bewendete / sondern sein Argwohn: daß die in Rom noch befindlichen Deutschen und Gallier der Zunder dieses Unheils wären / verleitete ihn über die Schrancken [10] seines gewohnten / und klug er Fürsten anständiges Glimpfes. Denn da er anfangs nur die aus Vorwitz oder der Handlung halber zu Rom befindlichen Deutschen aus der Stadt zu weichen befehlicht hatte / schaffte er nicht nur diese aus Italien / und die unbewehrten Gallier aus Rom; sondern auch die / welche aus beyden Völckern sich unter seiner Leibwache befanden / und durch nicht gemeine Dienste in dem Dalmatischen Kriege ihre Treue bewehrt hatten / wurden auf unwirthbare Eylande des Egeischen Meeres verschickt; gleich als wenn diese das Schrecken der Welt die Stadt Rom zu empören im Schilde führten; oder das gantze Reich zu zerrütten mächtig wären. Wiewohl es allerdings nicht ohne war: daß die Edlen / weil sie ihnen viel neue und / was die Athenienser von sich rühmten / gleichsam aus ihnen selbst entsprossene Leute in Besetzung der Ehren-Aempter fürziehen sahen / das gemeine Volck aber / welches August durch Brodt und Schauspiele auff seine Seite gebracht hatte / nach Entziehung dieser auf gewisse Tage vorher besti ter Kurtzweilen / ihre Abneigung gegen dem ohne diß veralternden Käyser deutlich blicken liessen. Weil nun vorige Zeit alles Wasser auf Augustens Glücks-Mühle geleitet hatte; war diese unvermuthete Veränderung / fürnemlich aber der augenscheinliche Abfall seines Ansehens ihm so viel empfindlicher. Die Welt hatte ihn über dreissig Jahr als einen Gott verehret; nunmehr aber sahe ihn Rom nicht nur für einen Menschen / sondern für einen Unglücklichen an. Er selbst erkeñte an sich seine Schwäche; und ward gewahr: daß er zwar in seinem Zimmer das Bild / nicht aber das güldene Glücke selbst / noch viel weniger aber die güldenen Waffen / damit es zu bestreiten wäre / besässe; sondern / daß diese grosse Göttin der Welt / wenn sie in einer Hand gleich einem das Horn des Uberflusses zeigte; doch die andere voller Vogel-Leim zu Bestrickung unserer Gemüther /auf dem Haupte eine Kugel / zum Zeichen seiner Unbeständigkeit hätte; und also alle die / welche es wie eine gefangene an der Schnure zu führen vermeyntẽ /dardurch bethöret würden. Ja er fing an die ihm bißher so geneigten Götter für verdächtig zu halten / als wenn sie durch ihn der Welt ein Beyspiel eines aufs höchste geschlagenen / aber desto tieffer fallenden Balles zum Gelächter fürstellen wolten. Also rechnen die Menschen nichts minder dem Göttlichen Verhängnüsse ihre Fehler / als die Finsternüsse dem unerschöpflichen Brunnen des Lichts / nemlich der Sonne zu / und wenn sie den ersten kaum sichtbaren Brutt des Unglücks verachten / dem ihnen zu Kopfe wachsenden aber noch heucheln; heisset es: Menschliche Klugheit könne den ihm zuhängenden Untergang nicht verhüten.

In Deutschland war der Feldherr umb die gemeine Wolfarth / aber ohne wenigern Kummer sorgfältig. Denn der tapfere Hertzog der Sicambern nahm über sich unterm -Arpus aber der Catten Hertzog oberhalb des Berges Rhetico mit einem Ausschusse des Kriegsvolcks den Römern an dem Rheine die Uberfarth zu verwehren; wormit das Heer den Winter durch / als bey welcher Zeit das Gesetze der Natur zwischen den Streitenden einen Stillestand macht / desto sicherer ausruhen / und aufs Früh-Jahr den Sieg so viel rüstiger verfolgen könte. Denn streitbaren Völckern dienet die Ruh / wie den weibischen eine stete Abhärtung zum Wetzsteine der Tapferkeit. Unter diesen kriegerischen Anstalten der Klugheit / machte sich auch die Liebe geschäftig / und brachte es so weit; daß es schien: Die Deutschen wären eben so geneigt als die Samier in dem Tempel der Pallas der Liebe einen Altar aufzubauen. Denn wie der Cheruskische Hof dißmal ein rechtes Heiligthum der Tugend abbildete; also hatten entweder der Himmel durch einen gütigen Einfluß ihn mit vielen Zuneigungen überschüttet /oder des Fürsten [11] Herrmanns und Thußneldens Hochzeit-Fackeln in alle zarte Hertzen etliche Funcken dieser süssen Empfindligkeit gestreuet / welcher eben so leicht als Schwefel-fangender Zunder ohne diß mit der Mutter-Milch in unsere Adern geflösset wird; und es gleichsam zweifelhaft bleibt: Ob das Hertze oder die Liebe im Menschen zu leben anfange. Denn da eine faule Taube die andern anfäulet; da der Cameleon desselben Dinges Farbe annimt / dem er sich nähert /das der Natur widrige Gift / die herbesten und andere ansteckende Gemüths-Regungen / Zorn / Haß und Traurigkeit anfällig sind; wer wolte zweifeln: daß das Band der Natur / die allerannehmlichste / ja Steine und Stahl durchdringende Regung / welcher Verlangen und Hoffnung vor-Wollust und Freude nach-tre ten / nemlich die Liebe andere mit ihrem geistigen Atheme nicht anstecken könne? Zumal die meisten Menschen durchgehends mehr nach anderer Beyspiele / als nach Leitung der Vernunfft leben. Hierzu war das mit so viel Lust-Spielen und Kurtzweilen begangene Feyer des Hertzoglichen Beylagers kommen; da iedes in des andern Hertzen eine Freude anzuzünden bemühet war; und daher die Geheimnüsse seiner Seele zu entdecken / oder eines andern auszunehmen Gelegenheit bekam. Denn wie die Freude die alleroffenhertzigste unter denen Gemüths-Regungen ist; also hat sie auch die Eigenschafft selbte weich zu machen: daß man darein / wie in ein zartes Wachs / leicht etwas bilden kan. Die Vertrauung aber eines Geheimnüsses ist schon mehrmals eine halbe Freundschafft / und diese die Schwester der Liebe. Hierauf fällt es der öfftern Gemeinschafft nicht schwer: daß sie durch ihre ehrerbietige Bezeugung / durch vernünftige Schlüsse /durch treuherzige Verbindligkeiten ein wolgestaltes Bild in des andern Hertz einpregt. Denn die Augen nehmen solches nicht nur wie in einem Spiegel an /und tragen es zum Hertzen; sondern alle Sinnen lassen sich hierbey zu Gehülffen brauchen. Die Aehnligkeit so wohl der Seele als des Leibes ist zwar das fürnehmste Quell der Liebe. Denn ohne diese kan so wenig / als des ungleich geeckten Sonnen-Staubes /oder anderer sich nicht zusammen-fügender Dinge Vereinbarung geschehen. Gleichwohl aber muß diese durch die Gemeinschafft angewehrt / und aus ihrer Verborgenheit zu Marckte gebracht werdẽ. Denn wie sehr die Palmbäume gleich einander zu umbarmen /die Wein-Stöcke Ulmen-Bäume zu umbwinden geneigt sind; strecken doch jene weder ihre Aeste / noch diese ihre Reben in die Ferne aus; sondern sie müssen die Näherung wie gleich-gesiñte Gemüther die Gemeinschaft zur Meklerin habẽ. Denn durch diese gibt sich die Seele in Augen und auf dem Munde bloß; sie läst sich durch Gespräche und Seufzer aus / sie trägt den Brand aus einem Hertzen ins andere / und thut mehrmals diß Wunder: daß die / welche man für kälter als Marmel angesehen / heftiger als Schwefel zu lodern anfangen. Insonderheit fängt dieser innerliche Zunder leicht Feuer / wenn solche Gemeinschaft einen Zug zur Tugend in sich hat / ja sie diese gar zum Ziele ihrer Unterredungen erwehlet. Sintemal hieraus die allersüsseste Wollust erwächst / und wie der blaue Magnet aus Mohrenland seines gleichen so viel fester an sich zeucht; hingegen das unwürdige Eisen von sich stöst; also hat die Tugend auch einen mächtigern Zug zu eines andern Tugend. Dahingegen die ohne ihren Trieb rege Neigung des Pöfels sich zwar mit etwas geringem / wie der gemeine Magnet-Stein mit schlechtem Eisen vergnügt / aber zwischen dieser ungleichen Vermählung auch nur eine ohnmächtige Verbindung geschiehet.


Bey dieser Beschaffenheit darff es keiner übermässigẽ Verwunderung: daß gleichsam auf einmal sich in so vielen Hertzen eine nachdrückliche [12] Liebe anspan. Sintemal des Feldherrn Bruder / Hertzog Flavius / gegen die Königin Erato / der Fürst der Hermundurer Jubil gegen das Ascanische Fräulein Leitholde /der Cattische Hertzog Catumer gegen die Chaucische Fürstin Adelgunde / der Chassuarier Fürst Siegemund in das Marsingische Fräulein Zirolane / und der gefangene Fürst der Marsen / Malovend gegen die Cattische Fürstin Catta mehr als eine seichte Liebe in ihren Hertzen hatten einwurtzeln lassen. Wiewol nun die Liebe die Gegenliebe ins gemein zu ihrer Tochter hat; weil sie entweder aus einer verborgenen Würckung der Natur oder aus einer dem Menschen angebohrnen Hoffart nur dis / was ihr gleichet / lieb gewinnt; so gar: daß die Mohren die von uns mit Kreide und Zinober gebildete Liebe mit Kohlen abmahlen; ja die Affen / wenn sie mit dem Pinsel umbgehen könten /von ihr ehe in einer Meer-Katze als in Frauen-Gestalt einen Riß machen würden; so war doch dis eine seltzame Verwickelung der Liebe: daß alles dieses Frauen-Zimmer zwar keine unempfindliche Seelen / noch steinerne Hertzen in ihrem Busen beherbergte; gleichwol aber keine eine Neigung zu demselben empfand /der sie liebte. Denn die Königin Erato war ein völliges Eigenthum des Fürsten Zeno / und also war sie selbst nicht mächtig den Hertzog Flavius auch nur mit dem wenigsten ihres Genüsses zu beseeligen. Wie wenig Erato nun dem Flavius zu enträumen gedachte; so grosse Hoffnung machte ihr die Fürstin Ismene in der Geheim-Kammer ihres Hertzens den Fürsten Zeno gar zu besitzen. Die lebhaffte Fürstin Catta war eine stumme Anbeterin Hertzog Siegemunds / und Adelmunde Catumers. Die Ascanische Fürstin Leitholde widmete sich dem Fürsten Jubil / er aber hatte so wol als Rhemetalces auf das Marsingische Fräulein Zirolane sein Auge gerichtet; und wünschten beyde nur von so einer angenehmen Gebieterin in Besitz und unter ihre Botmäßigkeit geno en zu werden. Welche seltzame Verwechselung der Gemüther entweder aus einem absonderen Absehen des Verhängnüsses / oder aus einer Eyversucht des Gelückes herzurinnen schien / welches allem Fürhaben einen Spaan einzuhauen bemühet ist; das sonder sein Gutachten / oder mehr aus freyer Wahl als nach seiner blinden Leitung angehoben wird.


Weil die neugebohrne Liebe nun entweder aus einer kindischen Schamhafftigkeit / oder aus einer Beysorge zu verunglücken sich so sehr in ihre Gedancken / als die Eule in die Finsternüs verstecket; blieben zwar alle diese Regungen etliche Zeit verborgen. Endlich aber bricht doch dieses Feuer eben so wol als das irrdische herfür / wenn es durch seine Vergrösserung Lufft kriegt / und den ersten Rauch zertheilet. Daher denn die Königin Erato am ersten des Flavius Liebe wahrnam; weil sie entweder die Erfahrung schon zu der scharfsichtigsten Prüferin der Hertzen gemacht / oder weil diese Glut in dem Hertzen so sehr überhand genommen hatte: daß er sie nicht länger bergen konte / oder auch wolte. Denn weil die Eröfnung der Liebe eben so wol als der Kranckheiten eine Erleichterung macht / und sie zwar in ihrem eigenen Hertzen ihren Brand fühlet / oder aus einem andern ihre Kühlung hoffen muß; zeiget sie endlich mit Fleiß ihre Blösse. Des Flavius ersten Liebes-Merckmahl war: daß wie die Röthe seine Wangen in eine Blässe /also seine angebohrne Freudigkeit in trauriges Nachdencken verfiel. Er entschlug sich aller vorher beliebten Gemeinschafft / und suchte sein Vergnügen in Einsamkeit. Jedoch ließ er keine Gelegenheit vorbey sich der Erato zu nähern / wo es ohne übrige Zuschauer geschehen konte. Wiewol so denn seine Seuftzer seine beste Beredsamkeit [13] waren. Sie mißtraute zwar eine gute Zeit ihrem Argwohne; weil sie meinte: daß Flavius an sie als eine Frembde / und welche bereit schon durch ihr Verlöbnüs des Zeno Eigenthum worden wäre / so schwer einen Anspruch /als von ihr einige Hofnung machen könte. Nach dem aber des Flavius Augen und Gebehrden täglich seines Hertzens deutlichere Verräther wurden; nöthigten sie ihr nur einen gäntzlichen Glauben auf; und beschiede sie sich: daß wie das Feuer in verschlossenen Engen /also die Liebe / wo ihr die Unmögligkeit einen Riegel fürschübe / am mächtigsten; und nach frembdem Gute am lüsternsten wäre. Bey so bekümmertem Zustande wuste ihre Klugheit keine heilsamere Vorsicht fürzukehren / umb weder den Flavius durch ihre Kaltsinnigkeit zu beleidigen / noch ihren geliebten Zeno eifersüchtig zu machen / als daß sich ihre Augen einer Blindheit / ihr Hertz einer Unempfindlichkeit annam. Dis aber war keine bessere Kühlung / als das Feuer mit Oel / den Kalck mit Wasser leschen wollen. Denn Flavius gerieth hierüber in so offenbare Flamme: daß die getreue Salonine augenscheinlich sahe / was Flavius verbergen und Erato vorstellen wolte. Diese Scharfsichtigkeit aber versetzte ihr Haupt in so grosse Verwirrung / als ihr Gemüthe in Bekümmernüs. Denn ihre Zuneigung machte ihr ihr eigenes Leid hundertmal erträglicher / als dis / was ihrer vollkommenen Königin zu thun nur von ferne dräuete. Ihre Erfahrung hatte sie schon allzu schichtern gemacht: daß sie meinte; es könte so wenig ein Wetter aufziehen ohne die Königin Erato zu fehlen / als ein Schwantz-Stern erscheinen ohne was übels zu bedeuten. Wie sich nun Flavius nicht allein je länger je mehr bloß gab / sondern Salonine auch von Zertrennung des Fürsten Zeno und der Königin Erato einen nachdencklichen Traum hatte / konte sie ihre Ausspürung nicht länger auf dem Hertzen behalten; sondern sie eröfnete noch selbigen Morgen der Erato ihren Traum und ihre Gedancken. Diese seufzete und fieng an: Es ist nicht Noth mein Unglück mir aus Ungewißheit der Träume wahrzusagen / welche öfter ein Brutt unserer Tages-Gedancken als Göttliche Offenbarungen sind. Meine Augen haben vielleicht ehe / als ihre / meine vertrauteste Salonine / diesen Unstern erkieset. Weil es aber ein Glück ist / sein Unglück verbergen / wormit die Feinde sich nicht darüber kitzeln / Freunde aber betrüben; habe ich weder ihre Gemüths-Ruhe mit diesem Hertzens-Kummer zu stören / noch meinen getreuesten Zeno durch diese Todten-Post zu entseelen für verantwortlich geschätzt. Salonine antwortete: Die Verhölung ihres Kummers wäre freylich wol mehr für eine Würckung ihrer zarten Seele / als für ein Mißtrauen zu halten; welches unter denen / die man noch nicht recht ausgenommen / zwar mit Rechte die Spann-Ader der Klugheit genennet würde; weil die meisten Menschen schienen aus dem Wunder-See in Mohren-Land getruncken zu haben / dessen Wasser einen nöthigte alles zu sagen / was ihm auf dem Hertzen läge. Und der geschwätzige Widerschall diente zu einem fürsichtigen Lehrmeister: daß die Einsamkeit selbst nicht ohne Verräther wäre. Alleine gegen geprüfete Freunde was geheimes verhalten / gereichte zu ihrer Beleidigung. Und insonderheit geschehe hierdurch nicht allein ihrem getreuesten Zeno Unrecht; sintemal die Liebe deshalben nacket gemahlet würde / weil Liebende für einander nichts verhölen solten; sondern sie würde auch beyder Gefahr und Ubel vergrössern /wenn sie dessen Wachsthume nicht durch die klugen Rathschläge des weisen Zeno zuvor käme. Denn der Feldherr Herrmann wäre zwar ein gerechter / und Flavius ein tugendhafter Fürst; aber allem Ansehen nach ein feuriger Herr; und hefftige Liebe junger [14] Leute ein solch Ungeheuer: daß sie nicht nur frembde / sondern eigene Häuser in Brand steckt / die Taffel seiner besten Freunde mit Gifte / und das Bette der Unschuld mit Blute besudelte. Sie wäre die Schlange / welche die Kinder ihres wolthätigen Wirthes ersteckte. Der Feldherr wäre des Flavius Bruder; zu dessen Verwirrungen er gleichsam aus Verbindligkeit des Geblütes ein Auge zudrücken müste; Sie alle aber Gefangene /welche mit der Helfte der Gerechtigkeit sich zu vergnügen hätten. Erato setzte zwar entgegen: Es gäbe gewisse Geheimnüsse / welche sich ohne Versehrung der verbindlichsten Freundschafft verschweigen liessen / ja welche man ohne sich selbst einer hertzlichen Liebe unwürdig zu machen / und sonder des Geliebten Versehrung ihm nicht entdecken könte. Aber Salonine begegnete ihr: der Artzt möchte zwar dem Krancken / aber nicht der Krancke dem Artzte seinen gefährlichen Zustand verhölen; also auch Erato nicht dem Fürsten Zeno / als durch dessen kluge Leitung sie alleine genesen könte. Ob nun zwar Erato Saloninens Einhalt für recht und heilsamlich muste gelten lassen / konte sie doch übers Hertze nicht bringen: daß sie entweder selbst dem Fürsten Zeno sich eröfnete / oder Saloninen es zu erlauben / sich hätte entschlüssen können. Hingegen hatte Flavius bey ihm nunmehr einen festen Schluß gemacht: daß nach dem sich Erato zu seinen Blicken blind / zu seinen Seufzern taub anstellete / und seine stumme Sprache nicht verstehen wolte / nunmehr gar seine Zunge zu lösen. Die Gelegenheit hierzu spielte sich ihm wenige Tage hernach selbst in die Hand. Denn als der Feldherr Thusneldens Geburts-Fest feyerte / traf das Loß die Königin Erato und den Flavius: daß diese in einem Tantze / darinnen allerhand Völcker aufgeführet wurden / Gefährten wurden / und er einen Mohr / sie eine Mohrin fürstellen musten. Wie sie nun des Abends bey vielen Windlichtern zusammen auf einem mit Schnee-weissen Pferden gezogenem Wagen ihren Aufzug hielten; fieng Flavius nach einem tief-geholeten Seufzer die Königin liebreitzend anschauende an: Wolte GOtt! unvergleichliche Erato: daß ich mit mei ner heute angenommenen Mohren-Gestalt auch so viel Augen bekommen hätte / als die an dem Meere wohnenden Mohren haben sollen / oder denen man so wol ihres scharffen Gesichtes als des geraden Pfeilschüssens halber ihrer wol vier zueignet. Denn so würde ich ihre überirrdische Schönheit anzuschauen würdiger seyn / gegen welcher ich meine blöde Augen aufzuheben beynahe mich nicht erkühnen darf. Erato röthete sich anfangs / versetzte aber mit einer lächelnden Anmuth: Sie sehe wol: daß der Zinober / mit dem sie sich nach Mohrischer Art angestrichen hätte / ihr den Werth einer wahren Zierde zueignete / und ihre sonst verächtliche Flecken verdüsterte: daß bey diesem Spiele ein so vollkommener Fürst ihrer Gestalt halber mit ihr zu schertzen sie nicht zu verächtlich hielte. Flavius holete noch einen tieffern Seufzer und fieng an: Ach unbarmhertzige Erato! wil sie nunmehr auch die grausame Pein meiner unausleschlichen Liebe zu einem Gelächter machen; nach dem sie zeither für meinen Seufzern wie eine Natter die Ohren verstopfft / und ihre Augen meine feurigen Anblicke wie ein unempfindlicher Spiegel zurück gestossen haben? Glaubet sie: daß die Liebe mein Gesichte so sehr verbländet / als meine Seele verwundet habe: daß es ihre angebohrne Schönheit für einer sie verstellenden Schmincke nicht unterscheiden könne? Meinet sie: daß der / welcher umb sein höchstes Glück und Unglück bekümmert ist / was nicht-ernsthaftes aussprechen könne? Erato sahe wol / wie tief des Flavius Liebe schon eingewurzelt seyn müsse / und sie befand selbte so beweglich von ihm ausgedrückt: daß ihre hieraus erwachsende [15] Bekümmernüs nicht verhindern konte in ihrem Hertzen seines unfruchtbaren Brandes halber ein empfindliches Mitleiden zu zeigen; wormit sie ihm denn auch derogestalt begegnete: Nicht nur die Prüfung ihrer eigenen Unwürdigkeit; sondern des Fürsten Flavius sie übertreffende Vollkommenheiten nöthigten sie nochmals ihre erstere Meinung zu behalten. Denn wie möchte sie als eine braune Armenierin oder Halb-Mohrin / als eine gefangene Nachtbarin der wilden / und deswegen für einäugicht gescholtenen Arimaspen von einem solchen Fürsten ihr einige Zuneigung träumen lassen / dessen Leibes- und Gemüths-Gaben gegen einander umb den Vorzug stritten / und welcher die umb ihn werbenden Schönheiten des grossen Roms verschmähet hätte? Wie könte sie mit ihrem Glauben sich so weit verirren: daß seine Tugend ein Auge auf die werffen solte / welche über sich mehr keine Gewalt hätte; sondern des Fürsten Zeno unverwendliches Eigenthum wäre? Grausamste Erato! brach Flavius heraus. Trauet sie gegen ihrer eingepflantzten Gütigkeit ihr strenges Urtheil zu verantworten / welches mich ehe zum Tode verda t / eh ich gehöret bin? hält sie mich für eine giftige Schlange / weil ich nach der allersüssesten Milch ihrer Anmuth so lüstern bin? hält sie nicht allein die ihr von der gütigen Natur geschenckte Zierathen mit höchstem Undancke verächtlich / sondern verkleinert sie auch nach den allgemeinen Ruhm ihrer Lands-Leute: daß die grösten Schönheiten der Welt zwischen dem Euxin- und Caspischen Meere wohnen? Verschmäht sie das Opfer meiner brennenden Seele / ehe ich sie umb einen Funcken einer andern Gunst angefleht habe / als daß sie leiden möge / geliebt zu werden? Ist die allgemeine Sonne der Hertzen nemlich die Liebe in Asien eine solche Dienst-Magd: daß sie einen Menschen lieb haben muß / umb alle andere zu hassen? so wird man den warmen Morgen-Ländern verkleinerlich ausstellen müssen: daß das himmlische Feuer daselbst zwar schöner-gefärbte Vögel und Steine / wie auch wolrüchendere Pflantzen; in denen frostigen Nord-Ländern aber eine wärmere und schönere Liebe nehre? Schönste Erato! ach so vergönne sie mir doch zum minsten so lange / als Wier Africaner seyn sollen: daß ich sie als meine Sonne mit allen Mohren anbeten möge! Sintemal ja der Hunds-Stern / welch Gestirne doch das heisseste im Aufgehen / das kühleste beym Untergange ist / sich im Anfange der kühlen Hundes-Tags-Lüfte nach Einführung des Aristeus gantze Völcker mit Opfern verehren läßt. Wie? oder wil sie die holdseelige Hertzens-Wenderin die Liebe in ihrem Hertzen zu einer Unholdin machen; welche den mit Hagel und Blitz bezahlet / der ihr sich selbst statt des Weyrauchs entzündet? Unbarmhertzige Erato! ach so gebrauche sie sich ihres an der Seiten hängenden Bogens / der im Köcher steckenden Pfeile / und lesche meiner Liebe mit meinem Leben mein Licht aus / weil sie noch die angeno ene Mohren-Farbe des Todes in ihrem Antlitze hat / und ehe sie die Aehnligkeit des Himmels mit ihrer angebohrnen Schönheit wieder schauen läßt? Flavius redete dis mit einer so verzweiffelten Gebehrdung: daß Erato darüber wehmüthig war / und anfieng: Es ist Erbarmnüs / nicht Grausamkeit einem bald anfangs den Weg verbeugen: daß er nicht vergebens / oder in sein Unglück rennt / so wol / als wenn man der Motte wehret: daß sie ihr nicht im Lichte die Flügel versengt. Der aber thut ihm selbst nicht weniger Weh / als andern Leid /der seine Liebe der Unmöglichkeit wiedmet. Er säet nichts als sein Unvergnügen / und erndtet an statt der verlangten Gegen-Liebe nur Haß und Unlust ein! O Himmel! ruffte Flavius / kündigt mir die Göttliche Erato offentlich ihren Haß an? Wil sie mich darumb /daß ich sie mehr / als mich selbst liebe / auf einmal erwürgen! Wil sie mir [16] sie zu lieben verwehren; wenn ich gleich keine Gegen-Liebe von ihr verlange? Erato antwortete: Mein lieber Flavius; die Liebe verlanget so sehr eine Gegen-Liebe / als der ziehende Magnet eine Neigung des Eisens; und hat die Liebe für dem /was sie hasset / eine so grosse Abscheu / als der sonst zur Vereinbarung so geneigte Magnet für dem Diamant / und der Diamant für dem Magnet. Diesemnach muß Flavius entweder in seinem Hertzen was anders /als Liebe herbergen; oder er muß zugleich wieder geliebt zu seyn verlangen. Ich verlange sie allerdings /versetzte Flavius; Ich seufze darnach / wie ein erstickender nach der Lufft. Weil sie mich aber darmit zu begnadigen für unwürdig schätzt; muß ich mich mit was geringerm / nemlich mit der Erlaubnüs sie zu lieben / wie ein Schif-bruch-leidender mit einem Brete des zerschmetternden Schiffes vergnügen lassen. Erato fiel ein: Es ist kein Vergnügen / sondern vielmehr eine unerträglichere Pein. Lieben und nicht geliebet werden; als dürsten / und keines Getränckes genüssen. Daher machet der / welcher ohne Hofnung liebet / sein Gemüthe zu einer ewigen Unruh; seine Seele gebieret eitel Wehen / und endlich leschet sein Feuer entweder wie eine Lampe nach verzehrtem Oele aus / oder suchet seine Kühlung in dem Meere der Verzweifelung. Es ist wahr / sagte Flavius; Es ist nichts unglückseeligers als eine einsame Liebe / die keine Gegen-Liebe zur Gespielin hat. Ich weiß: daß der Mutter der Liebe / als ihr Kind bey bester Pflegung alle Farben verlohr und gantz vermagerte / von einem Wahrsager-Geist gerathen ward: sie solte noch ein Kind seines gleichen gebähren. Auf welchen Erfolg denn die Liebe bald fleischicht ward; es wuchsen ihm nur nicht die Gebeine / sondern auch das Hertze und die Flügel; ja eine einige Stunde dieser Gesellschafft thät bey ihm hernach mehr / als vorhin lange Pflegung der Mutter / und die Liebkosung der Amme. Aber ich tröste mich: daß nichts mächtiger sey Gegen-Liebe zu zeigen als die Liebe. Diese ist die kräfftigste / aber auch die unschuldigste Zauberin; welche steinerne Hertzen erweichen / und Eys-kalte Seelen entzünden kan. Denn alle Gemüths-Regungen sind anfällig / am meisten aber die Liebe. Sintemal ihr zarter und feuriger Geist / welcher aus dem Hertzen entspringet / und dasselbte durch die Augen / den Mund und Gebehrden ausschüttet / seine durchdringende Kräfften augenblicklich in geneigte / mit der Zeit aber auch in widrige Hertzen einsencket / und darinnen seines Gleichen gebiehret. Erato begegnete ihm: Mich erbarmet sein / Flavius: daß er sich mit vergebener Hofnung mehr hungrig macht / als speiset; und daß er von der Zeit / welche geschickter ist die Liebe einzuschläffen / als zu erwecken / eine andere Hülffe erwartet; als daß seine entweder aus Uberdrusse verrauchen / oder aus endlich erkieseter Unmögligkeit sich selbst der Vernunfft unterwerffen / wo nicht gar aus Anstifftung der Rache sich in bittern Haß gegen meine unverenderliche Unempfindlichkeit verwandeln wird. Flavius brach ein: Ach ungerechteste Erato! Mit was für Fug eignet sie meinem Hertzen eine Veränderung zu / welche mit ihrem gleichsam eine ewige Ehscheidung haben soll? Warlich / ich lasse mich weder eines noch das andere so leicht bereden. Die härtesten Marmel werden auch durch die weichen Tropfen des Regens abgenützt; was weiches aber zu versteinern fordert Feuer und Arbeit. Daher wird sie zwar meine für Liebe schmeltzende Seele nimmermehr durch eine widrige Regung sich versteinern sehen; aber ich traue wol zu wege zu bringen: daß ihr harter Vorsatz in Gewogenheit zerrinnen wird / nach dem sie zumal schon ihrem Bruder / nemlich dem Erbarmnüsse im Hertzen einen Platz eingeräumt zu haben bekennet. Thun einem doch die Augen wehe vom öftern Anschauen[17] rother und trieffender Augen. Wie soll ich mir nicht die Hofnung machen: daß die aus meinem brennenden Hertzen mit Gewalt gestossene Regungen thätig seyn / und mit der Zeit ihrer zarten Seele eine solche Empfindligkeit eindrücken werden / wie sie sie mit aus ihrem Ursprunge gebracht haben? Es ist ja unmöglich einen / der nicht was weniger / als ein Mensch ist /seinen Wolthäter nicht zu lieben. Sintemal auch die wildesten Löwen eine zu zarte Seele haben den zu hassen / der ihnen einen Dorn aus dem Fusse gezogen hat. Und die gifftigen Schlangen würden dieselbe aus ihrer Gemeinschafft verbannen / welche den stäche /der sie mit Milche gespeiset hat. Aller Wolthaten Kern und Ursprung aber ist die Liebe; ja sie selbst die gröste oder auch die einige rechte Wolthat. Denn alle Wolthaten / auf welche nicht das Bild der Liebe gepreget ist / sind falsche Müntzen / und haben zu ihrem Schrot und Korn Eigen-Nutz oder Ruhmsucht. Aber ach! zu was für einer Vermessenheit verleitet mich die Heftigkeit meiner Liebe: daß ich das unwürdige Opfer meiner Seele meiner überirrdischen Erato /wie die Menschen ins gemein magere Ochsen und stinckende Böcke / die sie auf Altären verbrennen /den Göttern für eine Wolthat einnöthigen wil? Was schreibe ich meiner unwürdigen Liebe für Würckung und Verdienste zu: daß sie in ihrer himmlischen Seele den Saamen einer Gegen-Liebe zu streuen fähig seyn solle? Alleine schlagen doch die geringsten Kiesel Feuer aus dem viel köstlichern Stahle. Lässet sich doch das Cyprische Ertzt mit geringem Glase vermischen; und GOtt nimmet eines ohnmächtigen Sklaven gebettelten Weyrauch so gerne als eines Fürsten Hecatomben auf. So verschmähe sie mich doch nicht so gar / vollkommenste Erato. Sintemal mich meine Liebe ihr zu nichts mehrerm als einem Leibeigenen aufdringet. Denn die Geburt oder das Kauf-Geld verknüpfft keinen Knecht seinem Herren / das Völcker-Recht die Unterthanen seinem Fürsten nicht so sehr / als die Liebe den Liebhaber der Geliebten. Die Liebe hat über jenen eine grössere Bothmäßigkeit /als Fürst und Herr über die Ihrigen haben / ja eine nicht viel kleinere als GOtt über die Menschen. Denn weil die Liebe eine freywillige Dienstbarkeit ist / erstrecket sich die Herrschafft nicht nur über den Leib /sondern auch über die Seele; und ihr Gehorsam ist nichts weniger als ein gezwungener Wille. Flavius hätte die Hefftigkeit seiner Liebe noch nachdrücklicher ausgedrückt; wenn ihm nicht die Ankunfft in die Fürstliche Burg ein Stillschweigen aufgelegt hätte. Der Eintritt in den Saal / und die Anwesenheit so vieler Aufschauer / insonderheit aber des Fürsten Zeno nöthigte den Flavius alle Empfindligkeit zu verstellen / und nichts weniger mercken zu lassen / als worvon sein Hertze voll war. Nach dem sich aber nichts schwerer als Feuer und Liebe verbergen läßt / würde sich Flavius / nach dem er seiner Liebe schon einmal Lufft gemacht hatte / zweifelsfrey dismal genungsam bloß gegeben haben / wenn nicht ohne dis bey dem übernommenen Mohren-Tantze auch frembder Gebehrden und Neigungen sich anzumaßen gleichsam seines Amptes gewest wäre. Wiewol er ihm hierinnen selbst mißtraute / oder ihn sein Gewissen vielmehr sorgfältig machte; also: daß er fast allezeit ein Auge auf den Fürsten Zeno hatte / umb bey selbtem auszuspüren: ob er sich bey ihm nicht schon in Verdacht gesetzt / oder seinen Eintrag gar verrathen hätte. Wie wol nun Furcht der betrüglichste Mahler ist / und die seltzamste Bildungen macht / und wie die Gelbesüchtigen alle andere Farben für gelbe / also mißträuliche andere für mißträulich ansehen; so fand doch Flavius am Zeno nichts bedenckliches. Denn dieser seiner getreuen Erato allzu wol versicherte Fürst dachte auf nichts anders / als wie er nebst der ihm durchs [18] [21]Loß Seele gezeiget haben. Allein ie grösser sie worden / ie behutsamer muß ich sie verwahren: daß sie sich nicht in ein abscheuliches Ungeheuer verwandelt / welches wie der Pasiphae Geburt mit gezinseten Menschen unterhalten werden muß. Ich muß ihr die Flügel verschneiden: daß sie sich nicht in einen Raub-Vogel verwandelt / welcher fremdes Opfer-Fleisch raubet /und mit der daran klebenden Kohle sein Nest anzündet. Einfältige Ismene / antwortete Flavius: Wilst du in der Liebe so behutsam oder vielmehr furchtsam seyn / so verfährest du wider ihre Eigenschafft / welche sonst auch die verzagtesten keck macht; und hast dich wenigen Glückes zu getrösten / das eine Gefertin der Verwegenen ist. Wilst du so gewissenhaftig seyn /und dich nach keinem fremden Gute umbsehen / oder nichts lieben / was ein ander schon für dir geliebet hat / so wirff nur deine Augen auf nichts schönes / und verzeihe dich bey Zeiten alles Liebens-würdigen. Denn der Schönheit folget die Liebe auf dem Fusse /wie die Sonne der Morgen-Röthe. Es hat keine Gottheit in der Welt keinen so grossen Beyfall / und keine allgemeine Anbetung / wie die Schönheit. Diesen innerlichen Zug gewöhnen uns weder unsere Mütter noch unsere Ammen an; sondern die schöne Natur drücket uns mit ihrer eignen Hand und mit ihrem Pinsel das Bild der Schönheit in unsern Geist; welches hernach unser Gemüthe gegen die ihm fürkommenden Schönheiten so kräfftig / als die geheime Verwandnüß die Magnet-Nadel gegen den beliebten Angel-Stern zeucht. Daher sperren die Kinder nicht so zeitlich die Augen auf / als sie zugleich über dem Lichte / über gläntzendem Golde und schön gemahlten Dingen ihre Vergnügung zeigen. Ihren Zorn besänftiget man mit Singen und Saiten-Spielen / und ehe sie sich noch auf den Gebrauch ihrer Sinnen verstehen / ergötzet sich schon ihr Augen-Maaß an wohl abgetheilten Sachen. Die Pfauen prangen aus dieser eingepflantzten Liebe der Schönheit mit ihren ausgebreiteten Schwäntzen /und mit Beschauung ihrer güldenen Augen /Papegoyen und Tauben mit Aufblehung ihres schimmernden Halses / Löwen und Pferde mit Erschütterung ihrer Locken und Meynen / Fasanen und Birck-Hahne so wohl mit Bespiegelung ihrer Purper-Augen / als Panther und Tiger mit Betrachtung ihrer Flecken. Ja keines unter den Thieren / denen man die Vernunfft ins gemein abspricht / ist / welches nicht mit seiner Schönheit andere zu locken sich bemühet / und durch anderer Zierde gelockt wird. Aus was für einem Irrthume wil sie denn ihrer Liebe ein so verächtliches Ziel stecken / worauf niemand anders kein Auge hat; und daher von Schönheit aufs weiteste entfernet seyn muß? Ißmene begegnete ihm: Ich bescheide mich zwar: daß alle Menschen von Natur zur Schönheit einen Zug haben; und daß / wie die Lasterhaften der Tugend / also auch die heßlichen der Schönheit hold seyn müssen. Aber alle Menschen lieben nicht einerley Schönheit / sondern dieser eine so / jener eine anders gestaltete. Diesemnach denn die weise Natur zwar in vielerley Bildung der Blumen / der Bäume /der Steine überaus freygebig / aber in allem dem gegen Bildung menschlicher Antlitzer sparsam / und in diesem letztern durch gemachte unzehlbare Unterschiede gleichsam verschwenderisch gewest ist. Denn ob zwar die Rosen auf einerley Strauche / die Lilgen auf einem Stengel / die von der Vermischung am weitesten entfernten Sterne weder an Grösse noch Farbe einander gleichen; so ist doch zwischen ihnen ein unerkenntlicher Unterscheid / als zwischen Stell- und Bildungen der Menschen; also: daß unter hundert tausend schönen Antlitzen / ja unter dreissig Geschwistern und Zwillingen nicht eines dem andern vollkommen ähnlich seyn wird. Welches die gütige Natur nicht aus einer blossen Kurtzweil / oder aus einem so ungefährlichen Einfalle / wie Mahler und Bildhauer zu thun pflegen / [21] sondern aus diesem weisesten Absehen gethan hat: daß ein ieder Mensch diß / was seiner Neigung am anständigsten ist / und also was besonderes aus ihrem reichen Uberflusse so vieler Unterschiede erkiesen könne. Denn es hat nicht weniger unterschiedene Seelen / als Antlitze; und in jenen eben so weit von einander entfernte Schönheiten / als in diesen. Daher / wie die heissen und leichten Sonnen-Stäube gegen dem Behältnüsse des Feuers / die kalten und schweren gegen der Erde / die wäßrichten gegen dem Meere sich ziehen / und mit einander vereinbaren; also auch die Seelen ihnen eine ähnliche Schönheit aussuchen. Denn die Aehnligkeit ist der einige Ursprung einer wahrhaften Liebe; also: daß wenn die Spiegel Seelen hätten / sie unvermeidlich dieselben inbrünstig lieb gewinnen müsten / welche sich in ihnen bespiegeln; und wenn die Gewässer / darein die Gestirne sich durch einen Wiederschein abbilden / ein Hertz hätten / würden sie eben so gegen einander so verliebt werden müssen / wie die menschlichen Seelen / wenn sie in einem ihnẽ ähnlichen Gegen-Satze sich gleichsam bespiegeln. Weil nun aber kein Spiegel mehr als ein Bild auf einmal annehmen und abbilden kan; leitet uns die Vernunft zu solchen Spiegeln / darein die uns zuvor gekommene Liebe nicht schon ein ander Bild eingedrückt hat. Und also muß ich / wie schwer michs auch ankö t / meine Neigung gegen dem Fürsten Zeno als unvernünftig verwerffen / weil sie mein Bild ohne Vertilgung dessen / das die Königin Erato schon in sein Hertze gepregt hat / nicht daselbst eindrücken kan. Flavius versetzte: Es ist wahr: daß nicht allen Menschen einerley Schönheit anständig / und daß wegen gewisser Unähnligkeit uns offt eine viel andere vergnügende Gestalt höchst zuwider sey; und nichts minder eine Heßligkeit zu seyn / als manchen der süsseste Honig unannehmlicher als bittere Wermuth zu schmecken pflege. Alleine unsere Neigung ist entweder so denn wie die schwitzenden oder beraucherten Spiegel beschaffen / welche entweder gar kein Bild / oder doch solches gantz verfälscht /und nur als einen betrüglichen Schatten anzunehmen /also auch eine göttliche Schönheit nicht zu prüfen fähig sind; oder diese absondere Zuneigungen sind auch nur für mittelmässige Schönheiten / wie die nur in gewisse Geschöpfe flüssende Würckungen für die kleineren Gestirne gewiedmet. Wie die Sonne aber durchgehends in allen Sachen der Welt würcket / und von allen Völckern / in derer Köpfen es aufgeräumt ist / hochgeschätzt wird: also müssen auch die über das gemeine Maaß steigende Schönheiten von allen /oder zum minsten von sehr vielen geliebet werden. Diese sind Mittelpuncte in dem Leben / wie die Sonne / der scharffsichtigsten Weltweisen Lehre nach in der Welt; also müssen sich umb sie unzehlbare Striche aus dem fernen Umbkreisse zusammen ziehen. Diesemnach man sich denn nur mit einer halben Schönheit oder mit einer gemeinen Unvollko enheit vergnügen muß; wenn man keiner fremden Liebe Eintrag thun wil. Wenn du aber / liebste Schwester / einen Zeno / wie ich eine Erato zu lieben das Hertze hast; müssen wir uns so wenig als hurtige Wetteläuffer eines andern Vorsprung / irre machen; noch den Rauch einer fremden Flamme unsere Liebe erstecken lassen. Ißmene antwortete: Es ist meine Meynung nie gewest unserer Liebe alsbald Fässel anzulegen / wenn ein ander nebst uns nach einerley Ziele rennt; welches freylich eben so wohl als die Renne-Bahn der Ehre mehr als einem offen stehen muß. Aber diß halte ich für verunantwortlich: daß wir beyde dem Fürsten Zeno und Erato / welche beyde das Ziel ihrer Liebe in erlangter unverwechselten Gegen-Liebe erreicht haben / ihnen den Siegs-Krantz strittig machen / ja das heilige Band ihrer festen Verknipfung [22] zerrissen / und unsere Süssigkeiten ihnen in Galle verwandeln wollen. Flavius seufzete / und fing an: Meine Vernunfft gibet sich deinem Einhalte zwar gefangen / aber nicht meine Liebe. Denn diese billiget: daß wie für einem grössern Lichte das kleinere sich verliere / also einer heftigern Liebe die mässigere aus dem Wege treten müsse. Diese machet sich und Ißmenens Liebe selbst zu zwey Riesen; des Fürsten Zeno und der Erato gegen einander tragende Neigung aber zu niedrigen Zwergen / und rechtfertiget hierdurch die Reue der vom Zeno absetzenden / und den Flavius liebenden Erato. Ja sie verurtheilt den Zeno: daß er ohne undanckbare Hartneckigkeit die eifrige Liebe der unvergleichlichen Ißmene nicht verschmähen könne. Also ist unserer beyder Liebe nicht gemeynt dem Zeno und der Erato ihre Liebe zu verbittern / sondern durch eine anständigere Umbtauschung zu verzuckern / unserer aber / die wir als Geschwister einander nicht lieben dörffen / ein Geschicke zu geben. Wir heucheln /sagte Ißmene / unsern Fehlern / und wir betrügen uns mit unsern Träumen; wenn wir uns einbilden: daß wir durch Störung fremder Liebe denen Liebenden kein Unrecht anthun; und daß eine so tieff eingewurtzelte Gewogenheit sich ohne grosse Empfindligkeit ausrotten lasse. Diesemnach ich denn mich ein für allemal nicht überwindẽ kan / den Fürsten Zeno meine Liebe merckẽ zu lassen. Denn / weil ich ihn mehr / als mich selbst liebe / ist mir unmöglich ihm weh zu thun /welches geschehe / wenn ich durch Ausbrechung meiner Liebe seine Erato beleidigte; als in welcher er mehr / als in sich selbst leiden würde. Flavius antwortete: Ich sehe wohl / liebste Schwester / daß du weniger / als ein Kind in der Liebe bist; und daß du dich lieber dein Lebenlang / als deine Buhlschafft drey Tage bekümmern wilst. Weist du nicht: daß wie die Liebe das höchste Gut des Menschen / also ihre Widersetzligkeit eine Kranckheit des Gemüthes sey /welche nicht ohne bittere Rhabarbar geheilet werden kan? Du verstehest noch nicht die kräfftigste Würtze der Liebe / welche doch deine dem Zeno zugethane Seele im Wercke empfindet. Diese aber bestehet darinnen / wenn man sich eines schon von iemanden anders besessenen Hertzen bemächtigt. Denn es ist nicht so schwer in eine zarte und noch freye Seele den Eingang gewinnen / als eine schon darinnen befestigte Liebe heraus treiben. Im erstern Thun siegt nur die Liebe / im letztern aber erlanget die Liebe und die Ehre zugleich einen zweyfachen Siegs-Krantz. Diesemnach ich nur offenhertzig gestehe: daß die Königin Erato vielleicht eben so wenig als Julia zu Rom mich zu fesseln mächtig gewest wäre / wenn ihre gegen den Zeno tragende Liebe nicht meinen Ehrgeitz gereitzet hätte den Zeno aus ihrem Hertzen zu bannen. Mich aber deuchtet / versetzte Ißmene / daß meine Liebe gegen den Zeno viel heftiger seyn würde / wenn ich an seinem Hertzen eine glatte Taffel aus Jungfern-Wachse gefunden / und das Glücke gehabt hätte mein Bild zum ersten darein zu drücken. Sintemal doch die erste Empfängnüß der Liebe eben so wohl die kräfftigste als die reineste ist / und die allerempfindlichste Vergnügung zu ihrer Erst-Geburt hat. Bey solcher Beschaffenheit würde meine Liebe weder so verzagt /noch die Zunge so ohnmächtig seyn: daß ich selbte nicht dem / welchen ich liebe / entdecken solte. So aber tödtet seine der Erato gewiedmete Liebe meiner das Hertz-Blat / nemlich die Hoffnung: daß mich Zeno iemals seiner Liebe würdigen werde. Du kennest dich / fiel Flavius ein / so wenig selbst / als die seltzamen Eigenschafften der Liebe. Und weil du ohne Hoffnung / wie du dich irrig überredest / lieben kanst; wünschte ich dich eine Zeitlang in der Schule gewisser Aberwitzigen / welche die am heftigsten lieben /von denen sie verachtet oder gar gehaßt wurden; und so bald ihre Buhlschaft zur Gegen-Liebe bewegt /ihnen eben so sehr / als lüsterne Ehmänner ihrer Frauen aus Uberdruß [23] gram werden. Denn ob wohl dieser verliebter Thoren Zuneigung eine Miß-Geburt der Liebe ist; so würde doch ihr Irrthum deinen ändern /wie das bereitete Gift dem Gifte abhelffen / nemlich dich unterrichten: daß die Liebe niemals die Verzweifelung zur Gefertin haben solle; weil / ihrer Meynung nach / die Liebe so gar ohne Gegen-Liebe vergnügt /ja in grösser Vollkommenheit seyn könne. Ich halte diß letztere / versetzte Ißmene / für keinen Irrthum /sondern für unverwerffliche Wahrheit. Sintemal der /welcher ohne Hoffnung der Gegen-Liebe liebet / eben so wohl / als der / welcher ohne Absehen einigen Gegen-Geschenckes freygebig ist / großmüthiger und edler handelt / als die / welche durch Liebs- und Wohlthaten-Angeln nur wuchern. Die Freundschafft ist eine verwechselte Verknipfung zweyer Hertzen /wie zweyer mit den Aesten einander umbarmenden Palm-Bäume; ein Gesang zweyer mit einander eintreffenden Stimmen / und ihr Wesen hat mit der Einsamkeit keine Verträgligkeit. Viel anders aber ist es mit der Liebe beschaffen. Denn ihre Bewegung ist eben so einseitig / als einer den unempfindlichen Angel-Stern mit höchster Unruh suchenden Magnet-Nadel /als des sich umb einen fremden Baum windenden Epheu / und der den Hunds-Stern mit starren Augen anschauenden Ziegen in Mohren-Land. Denn die Liebe an ihr selbst hat ihr Absehen nur auf die Schönheit und Würde dessen / woran sie sich hängt; und ist unbekümmert: Ob das geliebte Augen habe seinen Liebhaber zu schauen / oder eine empfindliche Seele seine Regung zu fühlen und zu vergelten. Daher sich Praxiteles nicht in sein helffenbeinernes Bild / Xerxes einen Maaßholderbaum / ein ander in desselben todten Schatten zu verlieben mässigen können. Diesemnach die Begierde geliebt zu werden / nicht so wol eine Würckung reiner Liebe / als der Gewinnsucht ist. Würde also ich meiner Liebe mehr Abbruch / als wohl thun / wen ich selbte mit der eitelen Einbildung vom Zeno wieder geliebt zu werden verfälschte / und durch meine Eröffnung ihn nicht weniger beunruhigte / als seine Erato beleidigte. Flavius brach ein: Was wirst du / liebe Schwester / aus der holdseligen Liebe noch für eine abscheuliche Unholdin machen? Lässest du den Wahnwitz etlicher sich an nichts liebens-würdigem Wesen vergaffender Thoren für eine wahrhafte Liebe verkauffen? Kanst du dich selbst bereden: daß diß / was nicht zu lieben fähig / doch zu lieben würdig sey? Enträumest du der Freundschafft über der Liebe den Vorsitz und den Vortheil nöthiger Gegen-Erkäntnüß? Weist du nicht: daß die Freundschaft nur eine halbe Liebe / und ihr Fuß / ja gegen ihrem Brande kalt Wasser / die Liebe aber die vollkommenste Freundschafft sey; und so wenig ohne das Oel der Gegen-Liebe / als das Feuer ohne Zunder tauern könne? Die Verzweifelung an der Gegen-Liebe ist der schwartze Rauch / welcher bey anglimmender Liebe sie gleichsam selbst zu erstecken bemühet ist. Er verschwindet aber in weniger Zeit / wenn die Flamme zu Kräfften kommt. Daher glaube nur: daß wenn deine unerfahrne Liebe gleich noch mit der äusersten Verzweifelung des Zeno zu genüssen behaftet wäre / sich doch diese grausame Anfechtung nach und nach in einen erträglichern Zweifel / und endlich / ie öffter du ihn anschauen wirst / in eine liebkosende Hoffnung ausklären werde. Denn die blosse Gegenwart der Geliebten hat eine Beredsamkeit ohne Kunst uns etwas zu bereden / und eine heilsame Zauberey an sich uns die Unmögligkeit leichte zu machen. So bald du nun diese erste Schwerigkeit in der Liebe / nemlich das eigene Mißtrauen überwunden haben wirst; so bald wird die Lüsternheit deiner Begierde dich auch die Süssigkeit fremden Gutes schmecken lassen. Denn /da dem Neide der Nachbarn Kühe grössere Euter zu haben scheinen; da die Mißgunst fremdes Wasser für Honig hält; so muß die viel gütigere Liebe aus den[24] Rosen fremder Schönheit etwas saugen / gegen welchem aller Zucker und andere irrdische Süssigkeiten bitteres Meer-Wasser sind.

Uber diesen Worten traten Thußnelde / Erato /Catta / Adelmunde / Leitholde / und Zirolane / mit dem Fürsten Jubil / Catumer / Zeno / Rhemetalces /Malovend und Siegemund ins Zimmer / und unterbrachen dieser beyden Verliebten Gespräche. Niemand war unter ihnen / welche nicht dem Flavius / insonderheit aber Ißmenen ihre Gemüths-Unruhe ansahe. Daher auch der freudige Zeno Anlaß nahm / sich Schertz-weise gegen sie heraus zu lassen: Wenn die Liebe der Geschwister in Deutschland / wie in Egypten und Persien / zuläßlich wäre / würde er aus ihrer Beschaffenheit nicht anders urtheilen können; als daß sie beyde aus der tieffsten Selbst-Gelassenheit erwecket worden wären. Flavius versetzte: Er wüste von keinem Gesetze bey den Deutschen; welches denen der Natur / und daher auch der brüderlichen Liebe zuwider wäre. Aber wohl einer solchen / antwortete Zeno / welche die Seelen in solche Verzückung setzet / als wir an dem Fürsten Flavius und Ißmenen gefunden zu haben uns bedüncken lassen. Denn die Neigung der Geschwister ist mehr eine Art der Freundschafft als der Liebe / und hat nicht so heftige Regungen als diese. Die Königin Erato / welche zwar nicht Ißmenens / aber wol des Flavius geheimẽ Kummer wuste / und nunmehr über des Fürstẽ Zeno scharffsichtiger Ergründung seiner Kranckheit empfindlich ward / färbte ihre Wangen mit einer annehmlichen Scham-Röthe; also: daß es nicht nur Flavius /sondern selbst Zeno inne ward. Weil dieser aber nichts weniger / als daß Erato der Stein des Anstossens wäre / argwohnete / schlug er es ausser acht; Flavius aber ward durch ihre Veränderung so verwirret: daß er kein Wort aufzubringen getraute; und also Ißmene / wie sehr sie sich auch in ihren Gedancken verwickelt hatte / vom Flavius das Wort zu nehmen gezwungen ward / und dem Zeno begegnete: Sie würde sich schuldig geben: daß sie ihre zwey Brüder nicht hertzlich liebte / wenn sie die Liebe der Geschwister auf eine so niedrige Staffel setzen / und zu einer Zwergin machen liesse; da doch die Liebe des Geblütes das Vorrecht der Erst-Geburt hätte. Denn sie würde in uns gebohren / ehe als wir selbst; sie regte sich mit der ersten Bewegung des Hertzens in Mutter-Leibe / und die Natur vermählte ihre Glut mit dem er sten und reinesten Blute unsers Leibes; also daß es was unmenschliches zu seyn schiene; wenn derer Gemüther von einander entfernet lebten / die aus einerley Adern entsprossen wären / und unter einem Hertzen gelegen hätten. Erato meynte es nicht nur ihrer Schuldigkeit zu seyn gegen Ißmenen ihren Zeno zu vertreten / sondern auch durch ihre Einmischung ihre Veränderung zu verstellen; begegnete daher Ißmenen: Es wäre wohl wahr: daß die Gewogenheit der Anverwandten älter wäre / und ihren Ursprung aus dem Geblüte hätte; aber die eigentliche Liebe entsprüsse aus den Sternen / und erlangte ihre Stärcke von der Vernunfft. Das Verhängnüß / nicht eigenbewegliche Wahl verlobte die Hertzen zusammen / und die wahrhaften Ehen würden im Himmel geschlossen. Diesen Leitungen folgte hernach die Vernunft / und befestigte ein Band / welches hernach auch der Tod nicht gäntzlich versehren könte; Denn das Feuer der Liebe stiege so denn den Todten in die kalte Grufft nach / und wenn sie ihren Geliebten nicht mehr umbarmen könte / labete sie sich mit seiner Asche / ergetzte sich mit seinem Schatten / und besprachte sich mit seinem Geiste. Keine so lange tauernde oder so heftige Würckungen hätte man iemals von der Liebe der Geschwister erfahren / welche ins gemein unter den Kindern heiß / in den mittlern Jahren lau / und bey reiffem Alter eißkalt wäre; [25] oder sich wohl gar in Gifft und Galle verwandelte / wenn das Zanck-Eisen des Eigen-Nutzes oder der Herrschens-Sucht darzwischen käme. Denn diese zwey Lock-Vögel wären die selbstständigen Circen / welche nicht nur Geschwister in Tod-Feinde / sondern Eltern und Kinder in Schlangen verwandelten; also: daß auch diese / wenn sie gleich nicht so gar aus der Art schlügen / der Eltern Tod / als welcher sie zu Erben machte / für eine grössere Wohlthat hielten / als ihre Zeugung / dardurch sie doch ihr Wesen bekommen hätten. Ißmene versetzte: Es wäre kein Wunder: daß / wenn die Liebe des Geblütes vergällt würde / sie sich in einen so schädlichen Wurm verwandelte. Alleine diß wäre vielmehr eine Behauptung ihres Nachdrucks / als ihre Verkleinerung. Denn wer sehr liebte / wenn er liebte / haßte auch / wenn er haßte / so viel mehr. Und könte man sonder Zweifel so viel von der Geschwister / als anderer Liebe herrührende Ebentheuer auf den Schau-Platz stellen; auch vielleicht eines einigen unter dem grossen Pompejus dienenden deutschen Kriegs-Knechts Beyspiel vielen andern entgegen setzen; welcher ihm selbst auf seines dem Sertorius dienenden / und von ihm in der Schlacht unwissentlich getödteten Bruders Holtz-Stosse aus Reue den Degen ins Hertz gestossen / und durch sein Begräbnüß- Feuer die verdüsterte Flamme seiner brüderlichen Liebe erleuchtet hätte. Wenn man aber auch gleich aus den Würckungen des Mißbrauchs von einer Sache urtheilen wolte / würde schwerlich in der Welt ein Land / oder unter dem Himmel ein Fürstliches Haus seyn / welches unmässige Brunst nie in Brand gesteckt / oder gar eingeäschert hätte. Rhemetalces fing an: Beyde Meynungen wären so reich von traurigen Beyspielen: daß wenn aus derselben Vielheit geurtheilet werden solte /weder Ißmene noch Erato so bald ihr Recht ausführen / noch einiger Richter den Schlüssel zu einem unpartheyischen Urthel finden würde. Sein einiges Vaterland Thracien rauchte noch so wohl von ein als dem andern Brande / und das grosse Gebürge Rhodope zeugte nicht Flüsse genung das Blut abzuwaschen / was die vergällete Liebe darinnen verspritzt hätte. Die Hertzogin Thußnelde brauchte sich hierbey der bequemen Gelegenheit den Rhemetalces zu erinnern: daß er ihnen nichts von den Verwickelungen Thraciens und von seinen Zufällen zu verschweigen versprochen hätte. Rhemetalces erkennte seine Schuld /und weil selbiger Tag ohne diß sich zu Ende neigte; bat er ihm nur Zeit und Ort zu bestimmen / wo er einer so annehmlichen Gesellschafft Befehl zu befolgen beglückt seyn möchte. Sie beliebten alle folgenden Morgen und Thußneldens Gemach / schieden also diesen Abend / und zwar theils nicht ohne empfindliche Gemüths-Regungen von sammen. Denn Erato war bekümmert über ihrer unvorsichtigen Röthe: daß nicht Zeno etwas ungleiches daraus ärgwohnen möchte; weil sie wohl wuste: wie heftig er sie liebte / und wie wenig daher ein Hertz von der Eifersucht entfernet seyn könte. Sie berathschlagte mit ihr die gantze Nacht: Ob sie nicht dem Zeno ihre vom Flavius habende Anfechtung entdecken / und dardurch künftig besorglichem Verdachte vorbeugen möchte; zumal Flavius allem Ansehen nach seine Begierden nicht mehr bergen könte / und sich gegen dem Zeno allzu zeitlich bloßgeben würde. Allein der Ort / wo sie sich aufhielten / nemlich der Cheruskische Hof / und das Ansehn des Flavius / als des ersten Fürsten vom Geblüte / nebst der Beysorge: daß die ausbrechende Liebe des Flavius beym Zeno eine grosse Eifer-Sucht und daher allerhand gefährliche Entschlüssungen verursachen dörfften / riethen der Erato biß auf den äusersten Nothfall reinen Mund zu halten. In Ismenen fing ein kleiner Zunder der Hoffnung / [26] entweder aus des Flavius Zuredung / oder weil ihr Zeno holdseliger als für diesem fürkommen war / anzuglimmen / also: daß sie sich schon mit einer verborgenen Liebe nicht mehr zu vergnügen / sondern sich nach des Zeno Gewogenheit zu sehnen anfing. Sie war daher auf den Morgen am ersten in Thußneldens Gemache; wiewohl ihr alle andere fast auf dem Fusse folgten.

Rhemetalces umb die Zeit zu gewinnen / und der begierigen Ohren zu vergnügen / derer stu er Mund ihn nichts minder als alle auf ihn gewendete Augen darumb anredeten / fing diesemnach ohne fernern Eingang an: Mein Vaterland Thraciẽ ist zwar nicht das fruchtbarste / aber nebst Deutschland das volckreichste in der Welt. Die Arbeitsamkeit der Einwohner aber ersetzt die Mängel der Natur / welche mit ihrem Uberfluß die Leute eben so wohl träge als weibisch macht. Daher tragen ihre mit Laube bedeckten Aecker guten Weitzen und Reiß / die Hügel männlichen Wein; damit schon in der Trojanischen Belägerung die Griechen versorgt worden; und wird der Maronische Wein noch ietzt zu Rom für ein köstliches Geträncke gehalten. Auf dem Berge Pangäus und bey Philippis hat es Gold- und Silber-Gruben / aus welchen der Macedonische König Philipp grosse Schätze gezogen. Meine Landesleute haben gelbe Haut / blaue Augen / tragen / wie die Deutschen / auf dem Wirbel einen langen Pusch Haare / mahlen ihre Antlitze und Glieder mit gewissen Denckzeichen / als Merckmalen des Adels. Sie sind ein abgehärtetes Volck / welche denen weichen Asiern und Griechen deshalben wilde heissen. Sie beweinen wegen des mühseligen Lebens der Menschen Geburt / und frolocken über ihrem Tode / als einem Ende des Elends. Die Dienstbarkeit ist ihnen unerträglicher als das Sterben; daher die Gefangenen auch mit ihren Zähnen sich die Fessel zu zerbeissen mühen. Sie lieben den Trunck / welchen sie an den Wein-mangelnden Orthen aus Gerste kochen / sind von Natur streitbar / tragen aus Fuchs-Häuten Helme auf den Köpfen / halten für ehrlicher von der Beute als vom Verdienste zu leben. Westwegen auch nur der Pöfel den Acker bauet / die Waffen aber sind iederzeit des Adels fürnehmstes Handwerck und Zeit-Vertreib gewesen; also: daß sie es darinnen denen Welt-bezwingenden Macedoniern zuvor gethan. Massen sich denn einige mit dem Kriege gantz vermählen / und niemals zu heyrathen verloben. Weswegen Thracien nicht ohne Grund fürs Vaterland des Kriegs-Gottes gehalten wird. Diesen Gott / wie auch den Bacchus / den Mercur / den Plistor / Dianen und Bellonen verehren sie mit so grosser Andacht: daß andere Völcker sie offt deshalben angestochen; gleich als wolten sie den Heiligen die Füsse abbeissen. Sie opfern daher der Bellona auch Menschen / und / wenn es blitzet / erfüllen sie die Lufft mit ihren Pfeilen /nicht in Meynung Gott zu beleidigen / sondern damit anzudeuten: daß ihre Waffen seinen an der Seite zu stehen bereit wären. Nebst diesen hat der aus Phönicien in Griechenland einsitzende Cadmus auf dem Eylande Thasus zum ersten festen Fuß gesetzet / und dem Egyptischen Hercules einen Tempel gebaut; in dem Pangeischen Gebürge Thraciens auch das erste Ertzt gegraben und geschmeltzet. Die Tichter und andere freyen Künste nebst den Saiten-Spielen haben in Thracien ehe / als in Griechenland Bürger-Recht gewonnen. Denn Orpheus / Musäus / Thamyris und Eumolpus sind von dar gebürtig. Das Reich der Thracier ist fürzeiten nach den Indiern auch das gröste gewest. Sintemal sich dessen Gräntze von dem Aegeischen Meere an umb die Euxinische See biß an den Fluß Tanais erstreckt / und die Mysier / Dacier und Geten unter sich begriffen hat. Zu geschweigen: daß sie ihre Waffen fast in die gantze [27] Welt ausgebreitet / in Asien / Bithynien / Carien und ein Theil Armeniens eingenommen / und die Einwohner des Cimbrischen Chersonesus für ihnen von einem Meer zum andern eine Mauer zu führen genöthigt hätte. Wie nun die Hausväter die ersten kleinen Fürsten gewest / und aus Vergrösser- oder Vereinbarung der Haus-Genossenschaften die ersten Herrschaften entsprossen sind; also sind in dem grossen Thracien anfangs unterschiedene Fürstenthümer aufkommen. Der älteste König der Thracier war Thrax / Titans und der Nymphen Traca Sohn; von welcher dieses vorhin Perca / Aria / Odrysa / Crostona und Scython genennte Land auch den ietzigen Nahmen bekommen hat; sein Nachfolger sein Sohn Aenus / der nach seinem Nahmen am Flusse Absynthus eine Stadt baute / welche die Griechen hernach aus dreyen Städten bevolckten. Nach ihm ward König Thuras oder Thereus / der so genennte Thracische Mars berühmt; dessen Unterthanen nichts minder wegen ihres Gottes-Dienstes / als er wegen seiner Tapferkeit bey den Ausländern hoch angesehen waren. Er erweiterte sein Reich biß in Daulis oder Phocis in Griechenland. Weswegen der Berg Othrys und viel andere zu Macedonien und Thessalien gehörige Oerter von den alten Welt-Beschreibern in Thracien gerechnet werden. Daher ruffte ihn auch der König zu Athen Pandion wider den Thebanischẽ König Labdacus zu Hülffe / welcher für seinen treuen Beystand vom Pandion seine Tochter Progne zur Gemahlin erhielt. Weil er aber ihre Schwester Philomela schwächte / und noch darzu ihre Zunge verstimmelte /gab die rachgierige Progne im Feyer des Bacchus ihm seinen eigenen Sohn Itys zu essen; worüber er ihm zu Megare selbst vom Leben halff. Nach ihm bekam seine Herrschafft Pyreneus / welcher die vom Parnassus auf den Helicon reisenden Musen beherbergt / sie aber zu nothzüchtigen fürgehabt; und als er die Flüchtigen zu verfolgen gemeynet / aus einem Fenster den Hals gebrochen haben soll. Diesem folgte König Astreus oder Strymon / und kurtz darauf sein Sohn Boreas / welcher des Königs zu Athen Erechteus Tochter Orithia raubte / und mit ihr drey Söhne / nemlich den Zetes und Calais / welche mit dem Jason in Colchis reiseten und vom Hercules erschlagen wurden / wie auch den Hämus zeigte / der in dem bergichten Thracien ein neues Reich stiftete / und dem grossen Gebürge den Nahmen gab. Des Boreas Tochter Cleopatra heyrathete in Thracien Agenors Sohn den Phineus / der in Thracien an dem Euxinischen Meere und dem Flusse Salmydeßus ein Reich aufrichtete; weil er aber des Phrixus Kindern die Seefahrt nach Colchis wieß /vom Neptun gebländet; hernach vom Hercules getödtet ward. Des Boreas andere Tochter Chione ward vom Neptun schwanger / und gebahr den König in Daulis Eumolpus. Dieser heyrathete in Mohrenland des Benthesiceles Tochter / hernach lebte er in Thracien beym Könige Tegyrius / und vermählte seinen Sohn Ismarus mit seiner Tochter. Weil aber so wohl dieser als Tegyrius ohne Kinder starb / ward Eumolxus König in Thracien / und kam den Elevsiniern wider den König zu Athen Erechteus / iedoch zu seinem grossen Unglücke zu Hülffe. Denn nachdem dieser auf Anleitung der Wahrsager seine mit des Thebanischẽ Königs Praxithea Tochter gezeugtẽ Tochter Proserpina den Göttern opferte / schlug er die Elevsinier aufs Haupt / und ihren Heerführer Immardus des Eumolpus und der Deira Sohn todt. Sein ander Sohn Ceryx war der Sta herr der Cerycher in Griechenland / und der gelehrte Musäus ein Schüler des in Thracien gebohrnen Orpheus / dessen Haupt nach seinem Tode noch zu Lesbos soll gewahrsaget haben. Nach dem Tereus kamẽ in Thracien unterschiedene Königreiche empor. In der Gegend umb Byzanz herrschete Ejoneus; nach ihm kam Rhesus / Strymons und Euterpens Sohn; welchem Hector seine sich gegẽ ihn auflehnende Nachbarn bändigen halff. Als er [28] aber hingegen für den Priamus unter Troja ein Läger aufschlug /ward er des Nachts in seinem Zelt vom Diomedes und Ulyßes unversehns beschlichen und erwürget. Seine Schwester Rhodope war des Königs Hämus Gemahlin / und die Benennerin des Rhodopeischen Gebürges. Umb den Bisthonischen und Iswarischen See Diomedes / der seine Stutten mit Menschen-Fleische unterhielt / aber vom Hercules getödtet / und von ihm die Stadt Abdera gebauet ward. Nach ihm machte sich Imbrasius zum Thracischen Könige über die Ciconen. Dieser ließ sein Reich seinem Sohne Pirous; welcher bey Troja wider die Griechen kämpfte / der aber daselbst vom Thoas / wie sein ihn zu rächen sich mühender Sohn Rhigmus vom Achilles erlegt ward. Umb den Fluß Erginus und Panysus Sarpedon; welcher am Euxinischen Meere eine mächtige Stadt baute; Umb den Fluß Hebrus König Poltys / bey welchem so wol die Griechen / als Priamus durch seinen Sohn Paris umb Hülffe anhielten. Aber dieser friedsame Fürst versagte sie beyden / und mühete sich / wiewol vergebens / den Paris zu Wiedererstattung der geraubten Helena zu bewegen / für welche er ihm die Freyheit zwey der schönsten Frauen in Thracien auszulesen antrug. Im Thracischen Chersonesus stiffteten Eusorus und Polymnestor zwey Herrschafften. Beyde schickten den Trojanern wider die Grichen Hülffe. Dieser aber bißte seinen Sohn Arcamas durch die Faust des Ajax ein. Jener heyrathete zwar des Priamus Tochter Ilione; Als aber Troja übergieng / schlachtete er den zu ihm geflüchteten Polydorus des Priamus Sohn / und warf die Leiche ins Meer / umb der mitgebrachten Schätze habhafft zu werden. Die rachgierige Hecuba aber stach ihm hernach die Augen aus; nach dem er selbst vorher seinen Sohn Driphylus unvorsichtig getödtet hatte. Zur Zeit des Tereus / oder bald darnach herrschte zwischen dem Flusse Nessus und Zygactes umb den Pierischen See-Busem König Tharops / und nach ihm sein Sohn Oeagrus des Orpheus Vater / welcher die Weißheit und Wissenschafft von GOtt aus Egypten in Grichenland geholet / und darmit die denen Wäldern / Felsen und wilden Thieren ähnliche Menschen gleichsam rege gemacht hat. Des Orpheus Söhne waren Ores / von welchem Homerus im achten Gliede entsprossen / und Musäus ein Prister der Ceres zu Athen / der den Hercules eingeweihet hat; sein Enckel Methon / der die nach seinem Nahmen genennte Stadt in Thracien erbauet. Als Thirsippus zu Athen /Salomon über die Juden / und Hiram über die Phönicier herrschte; setzten die Thracier nach dem Beyspiele der Joner / in Asien / bemeisterten und besämeten selbtes fast über und über. Hingegen überschwemmete wenig Jahre darnach Sethosis oder Sesostris mit seinen Egyptiern die halbe Welt; und darunter auch Thracien bis an den Ister / Colchis und Scythien bis an Tanais. Massen in Thracien noch auf dem Berge Rhodope beym Ursprunge des Flusses Melas eine marmelne Säule mit einem männlichen Geburts-Gliede zu sehen / und daran in Egyptischer Schrifft zu sehen ist: Der König und Herr aller Herren eroberte dis Land mit seinen Waffen. Diese Säule haben die Thracier aber mehr zu Verhöhnung der Egyptischen Hoffart / als dem Sesostris zu Ehren stehen lassen. Sintemal er von den Thraciern umbsetzt /sein Heer in grossen Mangel der Lebens-Mittel gebracht / und seinen Rückweg umb viel Gold und Silber zu erkauffen genothdränget ward. Jedoch wohnet unter dem Berge Rhodope gegen Nord noch das Volck der Hodomanthier; welche entweder wie die Colchier von den Egyptiern entsprossen sind / oder zum minsten ihren Gottesdienst [29] und Sitten behalten haben. Denn diese beschneiden alles / was männlich ist / noch heute zu Tage mit einem steinernen Messer; wie die Egyptier dis von den Juden / von jenen aber viel andere Völcker / nemlich die Mohren / Araber /Colchier und Syrier gelernet haben. Jedoch ist unter ihnen dieser Unterschied: daß die Juden ihre Kinder den achten Tag / die Egyptier im vierzehnden; die Mohren / welche damit auch der Mägdlein nicht schonen / im dreyzehnden Jahre beschneiden. Diese Völcker halten die Unbeschnittenen für unrein / würdigen sie daher nicht ihrer Gemeinschafft / weniger ihrer Heyrath. Ja sie brauchen nicht einst ihre Hauß- und Küchel-Geschirre; essen auch kein Fleisch / das mit einem frembden Messer geschlachtet worden. Dahero Pythagoras umb der Egyptier Lehren zu vernehmen sich beschneiden zu lassen gezwungen gewest. Ungeachtet diese die Beschneidung nur vom Saturnus der Reinligkeit / die Araber ihrer sonderbaren Leibes-Beschaffenheit halber eingeführet zu seyn vermeinen. Dahingegen die Juden ein Göttliches Geheimnüs daraus machen. Vorerwehnte sich beschneidende Thracier hatten anfangs ihre eigene Könige; hernach aber kamen sie unter die Odrysen. Ihr letzter König war Polles der Athenienser treuer Bunds-Genosse in dem Peloponnesischen Kriege. Gleicher gestalt richtete Doloneus zwischen dem Flusse Hebrus und Pontus /und der nichts minder schöne als reiche Isanthes über die Corbyzer / Dryas aber zwischen dem Flusse Strymon und dem Pangäischen Gebürge ein Reich auf. Diesem folgte Lycurgus / welcher aber wegen Entweihung des Trieterischen Feyers vom Bacchus rasend gemacht ward: daß er seinen Sohn Dryas / in Meinung / er hiebe einen Zweig ab / enthauptete. Weswegen die Edoner ihn auf das Pangäische Gebürge führten / und mit Pferden zerrissen / die Seinigen aber kreutzigten. Nach diesem ward die Herrschafft dem Tharops anvertraut; und nach seinem Tode des aus Sicilien verwiesenen Orions Sohne Hippologus. Nach ihm herrschete sein Sohn Dryas / und leistete im Thebanischen Kriege dem Eteocles tapferen Beystand. Weil er aber darinnen den Parthenopeus erlegte / ward er von Dianen mit Pfeilen getödtet. Ihm folgte sein Sohn Lycurgus / welcher nach langer und glücklichen Herrschafft im Alter mit den Geten in Krieg verfiel /und von ihnen gefangen ward. Aber seine tapfere Tochter Harpalice thät ein Gelübde / ihre Haare nicht ehe zu flechten / bis sie ihren Vater erlöset hätte. Welches sie denn auch mit versa leter Macht heldenmäßig ausrichtete / die Geten aufs Haupt erlegte / und über dem Ister den Vater aus dem Gefängnüsse holete. Weil sie aber in selbigem Kriege etliche Amazonen gefangen bekam / und von ihnen die Verfassung ihrer Weiber-Herrschafft vernam / segelte sie mit ihnen über das Euxinische Meer in ihr Land / und ward daselbst ihrer Hertzhaftigkeit halber zur Königin erwehlet. Ihre Schwester Phyllis aber war so viel unglücklicher. Denn nach dem sie Demophoon geschwängert / und sich nach Athen geflüchtet hatte /erhenckte sie sich selbst. Ihr Bruder Ancöus betrat nach dem Tode des Lycurgus den Thracischen Stuhl /und baute die Stadt Samos. Nach ihm ward Pittacus König; welcher aber von seinem Ehweibe Braurone und des Goaxes Kindern ermordet ward. Als derogestalt der Edoner Herrschafft in Thracien abnam / und sich theils die Athenienser / theils die Spartaner darein theilten / wuchs hingegen das Reich der Odrysen in Thracien so viel mehr. Sebalces brachte dieses Volck zum ersten in grosses Ansehen / kam aber in des Xerxes Zuge wider die Griechen umb; welches der Bisalthe- und Cestronischen Thracier-König derogestalt schmertzete: daß er seinen wider sein Verbot unter dem Xerxes [30] wider die Griechen kämpfenden Söhne die Augen ausstechen ließ / als er vom Berge Rhodope / und sie aus dem Kriege nach Hause kamen. Des Sibalces Nachfolger war sein Sohn der streitbare Tereus / welcher den Müssiggang so sehr haßte: daß er in selbtem sich nicht besser als seine Stall-Buben zu seyn bedüncken ließ. Sein Reich erweiterte er so sehr: daß man darinnen von der Stadt Abdera bis an den Ister in die Breite eylf / und von Byzantz bis an die Gräntze des Flusses Strymon dreyzehn Tage zu reisen hatte. Die Stadt Athen hielt er für nicht weniger Glück als Ehre durch den Nymphodor wider ihn ein Bündnüs aufzurichten. Tereus ließ sein Reich seinem ältesten Sohne Sitalces / dieser erwischte beym Hellespont der Spartaner an den König in Persien besti te Gesandten / und schickte sie nach Athen zur Bestraffung. Mit dem verjagten Könige der Scythen Scyles / weil er mit ihm des Bacchus Orgia andächtig feyerte / machte er vertrauliche Freundschafft / und wechselte bey dem Scythischen Könige Octamasades seiner Schwester-Sohne den Scyles gegen seinen zu den Scythen geflohenen Bruder Spardocus aus. Wider die Pöoner / den Macedonischen König Perdiccas / und die Chalcidenser ergrief er für den verjagten Amyntas die Waffen / nam Idomene /Gortyna / Atalanta / und viel andere Orte ein / und machte / nach dem ihn die Athenienser alleine baden liessen / einen ehrlichen Frieden; welcher mit einer Heyrath des Seuthes und Stratonicen des Perdiccas Tochter besiegelt ward. Hingegen rächete er sich an den undanckbaren Atheniensern / und half dem Spartanischen Feld-Hauptmanne Brasidas die zwischen dem Flusse Strymon gelegene / aber aus Athen bevolckte Stadt Amphipolis einnehmen. Zuletzt aber wendete sich das Blat seines ermüdeten Glückes. Denn er büßte gegen die bekriegten Triballen heßlich ein; ward gefangen / und grämete sich darüber zu tode. Vorerwehnter Seuthes folgte in der Herrschafft seinem Vetter / welcher das Reich zwischen seine zwey Söhne Medocus und Mösades / aber auch hiermit die Ruhe der Länder theilte. Dieser machte mit dem Alcibiades vertrauliche Freundschafft / ward aber von seinen eigenen Unterthanen denen Thysen / Melandeptern und Tanipsaren ins Elend verjagt / darinnen er aus Gramschafft seinen Geist aufgab. Sein mit ihm wenig mitleidender Bruder Medocus erzohe gleichwol seinen Sohn Seuthes / und half ihm zu einem Heere sein Väterlich Reich wieder zu erobern. Worzu ihm denn das mit dem Xenophon eingegangene Bündnüs nicht wenig beförderlich war; und nach dem Heraclides zwischen beyde Uneinigkeit sämte /sich mit dem Spartanischen Heerführer Thimbro wider die Persen verband / die den Seestrand des Chersonesus aber beunruhigenden Athenienser auch aus dem Aegeischen Meere schlug. Zuletzt aber brauchte dieser Kuckuck seine Waffen wider den wolthätigen Medocus; wiewol sie beyde vom Thrasybul verglichen wurden. Gleichwol ward er von seinem Volcke zum andern mal verjagt / aber durch Hülffe des Atheniensischen Feld-Hauptmanns Iphicratens wieder darein eingesetzt. Dem Medocus und Seuthes folgte im gantzen Reiche des erstern Sohn Cotys /welchen zwar die Stadt Athen mit ihrem Bürger-Rechte und güldenen Kronen beschenckten; die Wolluste aber zu einem Weibe / ja wahnwitzig machten. Denn er durchreisete gantz Thracien / richtete an allen lustigen Orten verschwenderische Gast-Mahle aus /machte mit der Minerva Hochzeit / und erstach etliche edle Thracier / welche ihm nicht heucheln wolten: Sam sie diese Göttin nicht auf ihn wartende im Ehbette gesehn hätten; also daß er mit Rechte des Corinthischen Abgotts Nahmen Cotys führte / welcher von den Huren als [31] ihr Schutz-Gott daselbst verehret wird. Er wütete wider alle treue Rathgeber / und seiner Gemahlin des Iphicrates Tochter schnitt er mit eigener Hand vom Geburts-Gliede an bis zur Gurgel entzwey. Für einen ihm geschenckten Panther gab er einen Löwen; und der Stadt Athen Wolthaten vergalt er mit einem feindlichen Einfalle. Er ward aber vom Timotheus geschlagen und umb zwölfhundert Talent gestrafft. Er erholete sich aber hernach wieder / verjagte seinen Schweher-Vater Iphicrates / erlegte den abtrünnigen Miltocythis / nam den heiligen-Berg ein /bekam darauf einen grossen Schatz der Stadt Athen; zwang den Perinthiern viel Geld ab / und jagte die Grichen aus dem Chersonesus. Endlich ward er vom Python und Heraclides / derer Vater er getödtet hatte /erstochen. Also behielt mein Vaterland auch unter diesem weibischen Könige seine Freyheit und Ansehen / bis seiner drey Söhne brüderliche Zwytracht selbtem ehe / als die betrügliche Herschsucht des Königs in Macedonien Philips Fässel der Dienstbarkeit anlegte / welche / als dieser in Grichenland den Meister spielte / sich mit einander zwisteten. Denn ob zwar Cotys den jüngsten Sohn Cersobleptes noch bey Lebzeiten zum Könige erklärt hatte / machten doch die zwey ältesten Brüder Berisades und Amadocus ihm sein Erb-Recht strittig; zwangen ihm nicht allein eine gleiche Theilung / sondern auch Athen die Abtretung des Chersonesus / außer der einigen Stadt Cardia / ab. Berisades starb kurtz darauf ohne letzten Willen / und ließ Thracien seinen zweyen Söhnen Sitalces und Teres / wie auch denen zweyen Brüdern Amadocus und Cersobleptes zum Zanck / Philippen aber zum Reichs-Apfel. Denn als jene sich über dem Erb-Rechte schlugen / Teres auch seinen Bruder ermordete / überfiel dieser die reiche und mächtige Stadt Olynthus / welche sich dem Thracischen Reiche arglistig entzogen hatte. Amadocus und Cersobleptes erfreuten sich über der Belägerung der abtrünnigen Olynthier; denn ihre Rachgier verbländete sie: daß sie nicht das ihnen blühende Unglück sahen / und daß Philip in Thracien einen festen Fuß setzte / wahrnamen. Ja als die mit Golde bestochene Olynthischen Befehlhaber Lasthenes und Euthycrates Philippen die Stadt verräthrisch übergaben / waren Amadocus und Cersobleptes so blind: daß sie den weltbekanten Rauber frembder Länder zu ihrem Schieds-Richter berufften; gleich als wenn Philips Gemüthe in Thracien seine Herrschsucht / wie die Schlangen in Cypern ihr Gifft verlieren würde; oder die streitbaren Thracier / ungeachtet ihre Zwytracht ihnen die Spann-Adern zerschnitten hatte / sich für der Macedonischen Macht nichts zu fürchten hätten. Philip erwischte mit höchster Begierde den Hand-Grif dieser Gelegenheit / setzte den Tempel des Apollo auf dem Eylande Zerinthus / wo der Fluß Hebrus mit zwey Armen ins Meer fällt /zum Richt-Platze. Und nach dem er beyde Könige mit einander verhört hatte / fällte er dis unvermuthete Urthel: Beyde Streitenden hätten den Grund ihrer Klage erwiesen / nemlich: daß weder einer noch der ander die Thracische Krone zu tragen fähig / sondern weil ihr Vater Cotys die Illyrier und Pœonier wieder ihn ohn Ursach verhetzet hätte / er dis Unrecht nunmehr zu rächen / und Thracien zu behaupten berechtigt sey. Amadocus und Cersobleptes steckten hierüber die Köpfe zusammen / und verglichen sich in einem Augenblicke / aber zu spät mit einander. Denn als sie ausdem Tempel gehen wolten / war Amadocus von dem Macedonischen Kriegs-Volcke in Hafft gezogen /welches sich nicht allein dieses Eylandes / sondern auch des Stentoridischen Hafens und der Stadt Stryma bemächtigt hatte. Von dar überschwe te er gantz Thracien; und weil es zwar Armen sich zu wehren /aber kein Haupt die Streiche anzugewehren hatte /brachte er das [32] vom Amadocus auf der West-Seite des Flusses Agrianes besessene Theil mit Waffen / meist aber mit Gelde unter seine Bothmäßigkeit. Der von den Priestern im Tempel versteckte und in geistlicher Tracht nach Samos geflüchtete Cersobleptes fuhr wol in Eyl in Chersonesus nach Coelos über / und sa lete daselbst und umb das Bebrycische Meer ein Heer zusammen. Aber König Philip drang ihm selbst mit einem mächtigern Heere auf den Hals / bestach seine Heerführer / machte die Thracier durch Versprechung güldener Berge / insonderheit: daß er den in seinem Heere mit-kriegenden Amadocus ins gantze Reich einsetzen wolte / von ihm abspenstig / und nach dem er ihn dreymal aus dem Felde geschlagen / kriegte er ihn zu Cissa selbst durch Verrätherey seiner eigenen Leute gefangen. Hierauf ergab sich ihm gantz Thracien bis an den Fluß Panysus und das für unüberwindlich gehaltene Schloß Bizya; wie auch die Stadt Salmydessus. Damit er auch seine Herrschafft so viel mehr versicherte / leschte er beyden Amadoken und Cersobleptes / ja mit ihnen dem gantzen Königlichen Hause durch Gift das Licht aus. Also gleichet der Leib eines Regiments dem des Menschen; und sind beyde einerley Schwachheiten und Zufällen unterworffen. Beyde haben nach ihrer schwachen Geburt ein hoffärtiges Wachsthum / und werden im Augenblicke über Hals und Kopf ins Verderben gestürtzt. Ein Theil des Adels zohe sich unter des Cersobleptes noch entkommenden zweyen Söhnen Seuthes und Ariopharnes / wie auch ihrer Schwester Mecrida Ehmanne dem Fürsten Charidemus in das Hänische Gebürge / und erwehlten ihnen die Stadt Sarpedonia zu seinem Sitze / und den aus altem Königlichen Geblüte der Thracier entsprossenen König der Geten Dromichetes zum Schutzherrn. Nichts weniger both auch die Stadt Byzantz mit Hülffe der Athenienser dem Philippus die Stirne; also / daß er die Gelegenheit dem Getischen Könige Atheas die wider die Istrianer verlangte Hülffe zu schicken mit beyden Händen ergrif / wormit er nur unter einem ehrlichen Vorwande die verzweiffelte Belägerung aufheben konte. Nach dem auch König Philip starb / und so wol Attalus als Amyntas in Macedonien wider Alexander ihre Hörner spreußten / begunten / wie alle überwundene Völcker / also auch die Thracier zu wancken. Denn Philip / oder vielmehr seine Gemahlin Olympias hatte sie harte mit genommen / also nicht beobachtet: daß das Besitzthum neuer Länder mit Wolthaten zu befestigen sey / wormit sich die Uberwältigten selbst mit über dem Siege zu erfreuen haben. Aber der zwantzigjährige Alexander / dessen Glücke so wenig ein Ziel / als die Begierden ein Maß hatten / bethörte mit seiner Geschwindigkeit alle kluge Rathschläge / und mit seiner Tapferkeit alle feindliche Anstalten. Er fieng den Amyntas mit seinem eigenen Netze / den Attalus rieb er durch den Hecateus auf / drang sich Grichen-Lande zum obersten Feldherrn wider die Persen auf / und kam von Amphipolis an dem Flusse Strymon denen freyen Thraciern auf dem Hänischen Gebürge in zehn Tagen wie ein unversehener Blitz auf den Hals. Sie zohen sich zwar auf einer Höhe in einem mit Wagen umbgebenen Lager zusammen; und als das Macedonische Heer selbte bestieg / liessen sie eine grosse Menge Sichel-Wagen gegen selbtes herab lauffen. Aber Alexander hatte seine Kriegs-Leute schon abgerichtet /wie sie theils durch Zertheilung der Glieder / theils durch Unterschiebung der Schilde die Beschädigung ablehnen solten. Wie dieses nach Wunsch gerieth; also brachte Alexander unter der Bedeckung der Bogenschützen seine in acht tausend edlen Macedoniern bestehende Phalanx / welche man für unzertrennlich hielt / auf den Gipfel des Berges / und darmit auch die viel schlechter bewehrten Thracier in die Flucht. Ob dieser [33] nun zwar mehr nicht als funfzehnhundert im Stiche blieben / die andern durch bekandte Wege entrannen / so kriegte doch Alexander eine Pforte des Hönischen Gebürges ein / und viel tausend Weiber und Kinder gefangen. Diese dienten ihm hernach zu Schlüsseln unterschiedener Festungen / und zu Zwangs-Mitteln: daß die über dem Hämus an dem Flusse Pnigus / Ciabrus / Escamus und Zyras wohnenden Thracier sich seiner Gewalt untergeben musten. Wiewol die Warheit zu bekennen / hierzu mehr der Thracier Aberglauben / als Alexanders Waffen beförderlich waren. Denn die Pristerin zu Delphis hatte /wiewol aus Unwillen / ihn für unüberwindlich erkläret; und / als er in den dem Bacchus gewiedmeten heiligen Heyn kam / und auf sein Altar Wein opferte; stieg eine Flamme höher / als der darbey stehende Tempel war / ja bis in die Wolcken empor; und bey den Odrysen am Berge Libethrus / fieng in Alexanders Gegenwart des daselbst gebohrnen Orpheus zypressenes Bild heftig an zu schwitzen. Welches erstere Aristander auf Alexanders Himmel-hohen Ruhm /das letztere aber die Thracischen Wahrsager dahin auslegten: daß seine Siege zu beschreiben gelehrte Leute mehr als zu viel würden schwitzen müssen. Hierauf kriegte er mit dem Triballer-Könige Syrmus /und den Geten zu schaffen / kehrte aber nach vernommener Botschafft der Deutschen mit schlechtem Vergnügen in Thracien; laß daselbst die Fürsten und den Kern des Adels / welche in seiner Abwesenheit etwan das Hertz haben möchten / sich in Freyheit zu setzen /unter dem Vorwand der Ehren aus / und bestellte selbte unter sein Heer / wormit er Persien zu bezwingen sich allenthalben verlauten ließ. Massen auch diese / besonders der tapfere Agathon / Sitalces und Eudämon ihm nicht nur ein Pfand unverrückter Treue / sondern auch wahrhaffte Werckzeuge seiner Siege in Persien und Indien abgaben. Gleichwol versuchte Memmo ein Thracischer Fürst sein Vaterland dem Macedonischen Joche zu entziehen; ward aber vom Macedonischen Stadthalter Antipater erlegt. Hingegen versetzten die Thracier / als Alexander durch Africa in Hispanien zu dringen im Schilde führte / seinem Thracischen Stadthalter Zopyrion einen unverwindlichen Streich. Denn als dieser den Getischen König Dromichetes angrif / vereinbarten Seuthes / Ariophernes / und Charidemus mit ihm die Waffen / und rieben ihn mit seinem gantzen Heere auf.

Nach dem Tode des grossen Alexanders ward bey der Zergliederung seines Reiches dem Lysimachus als dem streitbarsten das streitbare Thracien mit denen Ländern zwischen dem Ister zugetheilt. Dieser war aus Macedonien kürtig / des edlen Agathocles Sohn; und von Kind- auf nichts minder in der Welt-Weißheit / als in Waffen geübt / und daher unter Alexanders Leibwache gezogen / hernach zu einem grossen Feld-Hauptmanne gemacht worden. Weil er aber nicht nur die weisen Lehren des mit einem Hunde in ein Keficht geschlossenen Callisthenes hörete / sondern auch seinen Schmertzen mit Gifte abhalf / ließ ihn der zornige Alexander einem Löwen fürwerffen. Alleine dieser Unfall diente seiner Tugend nur zu einer Staffel. Denn er grif dem Löwen in den Rachen / riß ihm die Zunge aus / und tödtete ihn. Alexander hielt ihn hierauf zweymal so werth; also: daß er selbst in Indien / da er ihn beym Absteigen vom Pferde ungefehr mit der Lanze an der Stirne verwundet hatte / seine Krone aufs Haupt setzte / umb die Verbindung der Wunde dadurch zu befestigen; und ihm seine Königliche Hoheit wahrzusagen. Seine Herrschafft befestigte er durch die Heyrath der Fürstin Mecrida des letzten Thracischen Königs Cersobleptes Tochter / des Fürsten Charidemus Wittiben. Sein Reich war ein Schauplatz grosser Thaten und Zufälle. Denn ob wol [34] die Odrysen unter dem Fürsten Seuthes für ihre alte Freyheit die Waffen ergreiffen / und mit zwölf-tausend Reutern und zwantzig-tausend Fuß-Knechten den Lysimachus aus Thracien zu jagen vermeinten / so both er ihnen doch mit weniger Macht so hertzhaft die Stirne: daß kein Theil sich des Sieges zu rühmen hatte; das andere mal aber büßte Seuthes bey der Stadt Aenum fast sein gantz Heer ein / und muste sich zum Antigonus flüchten. Hierauf meinte Lysimachus die Geten / und die unter ihrem Schutze lebende Thracier vollends unters Joch zu bringẽ / ward aber zwischen dem Ister und dem Flusse Escamus bey der Stadt Appiaria vom Könige Dromichetes umbringet / geschlagen / und nebst seinem zehn-jährigen Sohne Agathocles gefangen. Nach dem dieser aber dem Lysimachus durch gezeigtes Armuth der Geten seine thörichte Herrschsucht verwiesen hatte / ließ er ihn loß; hingegen vermählte Lysimachus dem Dromichetes seine Tochter Lysimache / und trat seinem Schwester-Sohne Seuthes Thracien vom Flusse Melas und Agrianes an bis an das Euxinische Meer ab. Lysimachus setzte hierauf in Asien / und erhielt so wol daselbst wieder den Antigonus / als den König Pyrrhus in Epirus grosse Siege / ja nach einer vom Demetrius erlittenen Niederlage erholte er sich wider / und nam gantz Macedonien ein. Hingegen aber verlohr er seinen zum Nachfolger besti ten Sohn Agathocles / welchen seine andere Gemahlin Arsinoe durch Gift hinrichtete / weil er sich mit ihr Blut-Schande zu begehen weigerte. Sein eigener Sohn Alexander flohe zum Selevcus / und sein Schatz-Meister Phileterus gab allen Vorrath mit der Stadt Pergamus in seine Hände. Als dis nun Lysimachus rächen wolte / ward er in Asien nach tapferer Gegenwehr in einer verzweifelten Schlacht im vier und siebenzigsten Jahre seines Alters / und nach dem er schon funfzehn Kinder verlohren hatte / vom Maloccon getödtet, Alexander / nach dem er seinen Vater Lysimachus bey Cardia begraben hatte / maßte sich Thraciens an / und ließ seiner Stief-Mutter Arsinoe mit ihren dreyen Söhnen des Lysimachus Macedonien zum Erbtheile. Wie aber Arsinoe von ihrem sie heyrathende Bruder Ptolomeus nach Ermordung ihrer Söhne in Samothracien verstossen ward; also jagte des Seuthes Bruder und Erbe Artophernes / welcher des Königes Dromichetes mit der Lysimache gezeugte Tochter geheyrathet hatte / Alexandern in Phrygien / und behauptete mit Hülffe der Geten gantz Thracien. Er schiffte mit zwantzig-tausend Reitern / und zwey- und zwantzigtausenden zu Fusse / auch über das Euxinische Meer in Bosphorus / und leistete dem Eumelus wider seine Brüder Satyrus und Prytanis Hülffe. Ob er nun zwar anfangs vom Satyrus geschlagen und mit dem Eumelus belägert ward / so kam doch Satyrus bey der Belägerung durch eine Wunde am Arme / und Prytanis in Gärten zu Panticapeum umb / und Eumelus ward durch der Thracier Tapferkeit König über das gantze Bosphorische Reich. Von diesem Artophernes sind seit der Zeit alle Thracische Könige entsprossen; also daß ich mich des mächtigen Tereus / des streitbaren Lysimachus und des hertzhafften Dromichetes Enckel rühmen kan. Aus was für gefährlichen Fall-Stricken meine Vorfahren sich drey-hundert Jahr auswickeln müssen / würde zu hören so verdrüßlich / als zu erzehlen beschwerlich seyn. Die erste Schwäche der Thracier rührte daher: daß Abrupolis zwischen dem Flusse Conipsatus und Zycactes eine absondere Herrschafft der Sapeer aufrichtete. Hernach kriegte des Ariophernes Sohn mit den Macedoniern / sein Nachfolger aber mit denen unter dem Könige Comontor durch Macedonien in Thracien einbrechenden Deutschen zu schaffen / welche die Geten und Triballen aus dem Felde schlugen / und zu ihrer Befriedigung ein zwischen dem [35] Flusse Scönus und Hebrus unter dem Berge Rhodope gelegenes Stücke Landes bekamen. Jedoch schickten sich beyder Völcker Sitten wol zusammen / sie lebten mit einander in guter Vertrauligkeit / und standen in allen Zufällen für einen Mann; kamen also zu solchem Ansehn: daß kein Nachtbar sich an sie zu reiben unterstand. Als aber die Römer nach dem überwundenen Könige Philip ihre Herschsucht blicken liessen; und daß es ihnen nicht üm Grichenlands Freyheit zu thun wäre / indem sie in denen Thracischen See-Orten einnisten wolten / fielen sie mit Philippen wider die Römer in Macedonien ein. Ungeachtet nun sein Sohn Perseus in der Sapeer Gebiete einfiel / und den mit den Römern im Bündnüs stehenden / und etliche mal in Macedonien streiffenden Abrupolis verjagte / nam sich doch dessen der Odrysen König Seuthes der dritte / welche denen Sapeern stets über Achsel waren / nicht an / sondern als die Sapeischen Gesandten zu Rom mit dem Rathe ein ihm verdächtiges Bündnüs geschlossen / und mit einem zimlichen Stücke Geldes beschenckt wurden /machte er eines mit dem Könige Perseus. Als auch die Römer aufs neue in Macedonien einfielen / schickte König Seuthes anfangs über die unter dem Antiphilus bestellten drey-tausend Thraciern / ihm noch andere drey-tausend / und endlich kam sein Sohn Cotys vollends mit zwey-tausend Thracischen Edel-Leuten dem Perseus zu Hülffe; welche gegen die Römer stets den ersten Angrif thäten / an der Spitze fochten / und in der Schlacht bey Uscana / darinnen Cotys den lincken Flügel führte / sechs-tausend Römer erschlugen. Die Römer würden auch in diesem Kriege wenig Seide gesponnen haben / wenn nicht des Acrupolis Sohn Atesbis mit des König Evmenes Heerführer Corragus auf der Römer Anstifften in des Cotys Gebiete eingefallen wären / die Landschafft Marene eingenommen /und den König Cotys zu Beschirmung seines eigenen Landes abgezogen hätten. Wiewol Perseus bey härtester Winters-Zeit / da die Römer über die beschneyten Gebürge Thessaliens in Macedonien nicht einbrechen konten / dem Cotys in Thracien zu Hülffe kam / und beyde so wol den Acrupolis und Corragius in Asien jagten / als die von Römern bestochene Dardaner demüthigten / wie auch den Fürsten Cephalus in Epirus den Römern abspenstig machten. Sie hätten nebst den deutschen Thraciern sonder Zweifel den Perseus bey seinem Reiche erhalten / wenn er es nicht durch seine Thorheit / Geitz und Zagheit selbst verlohren hätte. Jedoch trauten sich die Römer nicht nach eroberten Macedonien denen Thraciern zu nahe zu kommen. Denn ob wol mit dem gefangenen Perseus der bey ihm als Geissel befindlicher Sohn des Königs Cotys mit nach Rom geführt / und zu Carseoli verwahrt worden ward; so ließ doch der Römische Rath des Cotys Gesandschafft nicht nur seinen Sohn Bitis / sondern alle gefangene Thracier ohne Lösegeld loß. Jenen schickte er durch drey Römische Gesandten selbst dem Cotys zu; jeder Thracier aber ward mit zwey-tausend Schillingen beschenckt. Dem Cotys folgte sein Sohn Diegylis / welcher seinem Eydame Prusias wider den Pergamenischen König Attalus beystand / aber gefangen ward. Hierauf rieb sich zwar Marcus Cosconius an die Thracier und fiel in ihr Land / der Römische Rath aber gebot ihm bald selbst einen Stillestand. Sothymus wolte dis nicht ungerochen lassen / beunruhigte dahero nebst denen Scordischkischen Deutschen Macedonien und Epirus mit unaufhörlichen Einfällen. Portius Cato meinte zwar den Thraciern bis ins Hertze ihres Reiches zu gehen / büßte aber darüber fast sein gantz Heer ein; und weil in selbigem Kriege des Königes streitbare Schwester Numelisinthis ihren Bräutigam einbüßte / sie etliche Thäter mitten von sammen segen / etlichen ihre eigene Kinder gebraten[36] zur Speise fürsetzen ließ. Didius und Livius Drusus wetzten gleichwol durch etliche vortheilhafftige Treffen die Scharte ein wenig wieder aus; westwegen dem ersten ein Siegs-Gepränge verstattet / dem andern viel Ehrenbezeigungen geleistet wurden. Alleine Sothymus versetzte den Römern bald eben so viel; drang bis in das innerste Macedonien / und erlegte den ihm begegnenden Cajus Sentius mit dem grösten Theile seines Heeres. Wordurch denn Macedonien etliche Jahr nach einander den Thraciern zu täglicher Beute geöfnet ward. Als aber Mithridates Eupator alle Bürger in Asien erschlug / und fast umb das gantze Euxinische Meer den Meister spielte / kamen die Thracier recht zwischen Thür und Angel; indem sie nicht wusten: ob sie für seiner oder der Römischen Macht sich nunmehr fürzusehen hätten. Mithridates aber kam selbst in Thracien / und beredete sie durch sein gewafnetes Bitten / wie auch durch der mit ihm schon verbundener Scythen und Sarmater Dreuen sich für ihn gegen die Römer zu erklären / und diese durch stete Einfälle zu beunruhigen. Ja der tapfere Thracische Fürst der Bessen Arcathias drang bis an den Fluß Peneus durch / in Meinung den Sylla davon abzuziehen; Und des Königs Bruder Dromichetes nam Amphipolis stürmender Hand ein / spielte in gantz Macedonien den Meister / drang in Epirus / eroberte die Stadt Dordona; und weil die Pristerinnen / welche man Tauben hieß / dem Dromichetes nicht wahrsagen wolten /oder mehr konten / zündeten sie den Tempel zum dritten mal an / und hieben in dem Walde darumb viel dem Jupiter und der Pallas gewiedmete Eichbäume umb. Als auch Athen vom Sylla hart bedrängt ward /drangen Taxiles und Dromichetes mit hundert-tausend Thraciern und Geten zu Fusse / zehn-tausend Reitern und neunzig Sichel-Wagen in Attica / und belägerten die zwischen dem Daulischen und Locrischen Gebürge liegende Stadt Elatea; wordurch Sylla zwar von der Belägerung abgezogen / alleine Taxiles durch der Römer List und des Mithridatischen Feld-Hauptmañs Archelaus Unvorsichtigkeit / oder vielmehr gar durch seine Verrätherey geschlagen wurde. Sintemal dieser Archelaus wider des Taxiles und des Aristions Rath das Heer mit Fleiß zwischen enge Klüffte führte / da sie weder Reiterey noch Sichel-Wagen brauchen konten / und endlich gar zu den Römern meyneidig übergieng. Nach dem aber Mithridates mit dem Sylla nicht zum völligen Friedens-Schlusse kommen konte / und bey des / den Sylla ablösenden Bürgermeisters Flaccus Ankunfft der Römer Anstalten zimlich verwirrt wurden / fiel Taxiles und Dromichetes aufs neue in Macedonien; also daß Sylla selbst aus Asien den Thraciern zu steuern dahin seine Macht führen muste. Taxiles und Dromichetes wichen zwar in Thracien zurücke / und Sylla folgte ihnen in die Landschafft Medea; nach dem sie sich aber mit etlichen tausend Odrysen und Deutschen verstärckten / muste Sylla über den Fluß Ganga und Strymon wieder in Macedonien weichen. Worauf es denn bald mit dem Mithridates und ihnen zum Frieden kam. Weil aber Murena ohne Ursache den vom Sylla beliebten Frieden brach /und der aus dem Bosphorischen Reiche sieghaft zurück kommende Mithridates gegen die Römer die Nothwehre ergreiffen muste / meinten die Thracier: Sie könten als Friedens-Genossen mit Ehren nicht zu Hause bleiben / durchstreifften also gantz Macedonien. Dolabella nöthigte sie zwar sich wieder über den Fluß Strymon zu ziehen / und hielt destwegen ein Siegs-Gepränge; der nach ihm kommende Appius Claudius aber bediente sich der zwischen denen Odrysen / Edonen und Thracischen Deutschen erwachsenden [37] Uneinigkeit / und schlug etliche mal die allein gelassenen Thracier in Mädica / drang auch über den Berg Rhodope biß an die Stadt Brendica; worvon die Römer ein eiteles Geschrey machten / sam Appius biß zu denen noch wol zehn Tage-Reisen entfernten Sarmatern kommen wäre. Die Trausier und Agathyrser aber jagten ihn so wohl als den Piso / welchen des Odrysischen Königs Sothymus Sohn und Reichsfolger Cotys der dritte verhetzte: daß er den zu ihm auf guten Glauben kommenden Thracischen Könige in Bestica Rabocentus den Kopf abschlagen ließ / mit grossem Verluste über Hals und Kopf wieder übers Gebürge /und die Odrysen vollends gar aus Thracien. Der dem Appius in Macedonien nachfolgende Landvogt Scribonius Curio wolte zwar diesen Schimpff rächen /aber / weil die unter dem Appius geschlagenen Römer die Gebürge und die Grausamkeit der rauhen Thracier nicht arg genung abmahlen konten / dorfte er es mit funfzig Legionen nicht wagen. Daher schloß er seine Rache über die Dardaner / welche Nordwerts unter dem Berge Scodrus und Hämus liegen / auszuschütten. Als aber sein Kriegsvolck vernahm: daß die Dardaner vom Ursprunge Thracier wären; stutzte es / ja die eine Legion weigerte bey Dyrrhachium ihm gar den Gehorsam fortzurücken; also: daß er selbige unter die vier andern unterstecken muste / mit denen er biß an den Fluß Moschius kam / und hiermit seinen Ehren ein Genügen gethan zu haben vermeynte. Denn weil die Thracier inzwischen gantz Macedonien mit ihren Streiff-Rotten erfüllten / muste er dem Brande seines eigenen Hauses zulauffen. Worauf denn Mithridates nicht nur mit den Thraciern / sondern auch mit den Bastarnen wider die Römer ein Bündnüß schloß / und diesen / als den zwey streitbarsten Völckern zweyfachen Kriegs-Sold reichte / und durch ihre Tapferkeit den Cotta mit seinem Heere aufs Haupt erlegte. Als Mithridates in Asien alle äuserste Mittel versuchte /die vom Lucullus belägerte Stadt Cycicum zu entsetzen / fiel Curio unversehens in Dardanien ein / scharrte daselbst viel Geldes zusammen / ließ denen Edlen die Hände abhauen / und etliche tausend Ergebene unmenschlicher Weise abschlachten. Von dar rückte er in Mösiẽ über den Fluß Margis biß an den Ister und den darein flüssenden Strom Ciabrus. Worvon die Römer abermals aussprengten: daß Curio biß an das Ende des Isters und des nie betretenen Daciens kommen wäre. Kurtz darnach / als Mithridaten alles Fürnehmen in Asien krebsgängig ward / traff auch Thracien sein Unstern. Denn Marcus Lucullus ging durch der Dantheleten Landschafft an dem Flusse Hebrus mit einer grossen Macht herunter biß zur Stadt Oresta. Von dar wendete er sich am Flusse Tearus hinauf / drang über den Berg Hämus / und durch das niedrige Mösien / bey Arubium über den Ister biß an den Fluß Tyras / welchen die Römer aber / wie des grossen Alexanders Kriegsleute den Fluß Jaxertes /für den Fluß Tanais / und seinen daran hangenden See für die Meotische Pfütze ansahen; gleich als wenn über dem Tanais mehr keine Menschen wohnten / und also niemand mehr zu überwinden wäre. Alleine dieser Einbruch war mehr eine Durch-Reise / als Uberwindung der Thracischen Völcker; und verursachte gegen die Römer eine solche Verbitterung: daß die diß erfahrenden Thracier / welche der flüchtige Mithridates in Asien im Stiche gelassen / Lucullus aber in Römische Dienste gezogen hatte / in Armenien vom Marcus Fabius abfielen / wider diesen dem verfolgten Mithridates einen herrlichen Sieg erstritten; ihn in der Stadt Cabira belagerten / ja den Römern den Krieg nunmehr so sauer machten: daß sie dem Lucullus ferner zu folgen weigerten. Ob nun wohl Pompejus / oder vielmehr das wider ihn kriegende Verhängnüß Mithridaten in [38] Scythien verjagte / so trugen ihm doch die Thracier ihr Land zu einem Sammel-Platze an / und daß sie mit ihm in Italien einbrechen wolten. Ja als er ihm endlich verzweifelnd selbst das Leben nahm / hielten es doch die Thracier ihnen noch nicht für anständig sich für den Römern zu demüthigen. Cajus Antonius ward zwar geschickt /nachdem für dem Pompejus das gantze Euxinische Meer zitterte / Thracien zu bändigen; aber er verlohr unter dem Berge Cercina und Orbelus drey Feldschlachten / und muste mit Schaden und Schande in Macedonien weichen. Nach dieser Zeit blieb Thracien / weil das Römische Reich sich selbst in Zwytracht und in bürgerlichen Krieg verwickelte / unter dem dritten Cotys eine geraume Zeit unangefochten; und weil der Friede die Zeit der Weißheit ist / wurden die wilden Sitten und kriegerische Neigungen der Thracier durch ihren berühmten Weltweisen Dionysius /den dahin kommenden Apollonius / Tyrius und Philiscus gemiltert / und auf Königliche Kosten der Adel in der Weltweißheit unterrichtet. Ja der von Rom verwiesene Cicero kam selbst nach Zerinth in Thracien zum Philiscus / und erholete sich bey seinem Elende von ihm heilsamen Trostes. Wiewohl Philiscus ihm zugleich wahrsagte: daß / wenn er sich wieder nach Rom locken liesse / ihm sein Haupt abgeschlagen /und auf dem Marckte iedermanne zum Gespötte fürgelegt werden würde. Ja Thracien stieg damals in so grosses Ansehen: daß als Cäsar nach überwundenem Gallien mit seinem Heere wider den Pompejus gegen Rom im Anzuge war / die edelsten Römer sich dahin ihrer Sicherheit halber flüchteten. Diese brachten durch Vergällung des ehrsüchtigen Cäsars es auch beym Thracischen Könige Sadal / welchem sein Vater Cotys noch bey seinen Lebzeiten halb Thracien übergab / so weit: daß als er den Pompejus bey Dyrrhachium gleichsam belagerte / Macedonien und Thessalien durchstreiffte / er dem Pompejus Lufft zu machen für die Römische Freyheit mit einem mächtigen Heere in Macedonien einfiel / und bey dem Flusse Erigon Cäsars Feldhauptmann Cassius Longinus mit seinem Heere auffs Haupt erlegte; den Domitius Calvinus aber in Thessalien zu weichen nöthigte; also: daß nachdem Cäsar auch bey Uberfallung der Stadt Dyrrhachium gewaltig den Kürtzern zog / er ziemlich ins Gedrange kam / und gleichfalls in Thessalien weichen muste. Zu allem Unglück aber ließ Pompejus die Ungeduld seiner Kriegsleute seine kluge Rathschläge Cäsarn durch Abschneidung der Lebens-Mittel abzumergeln / und durch Aufzüge seinen Eifer stumpf zu machen / verterben / also sich verleiten: daß er wider seinen / ja wider der ihn durch viel unglückliche Zeichen warnenden Götter Willen in den Philippischen Feldern alles auf die Spitze einer Schlacht setzte / und seiner sonst gewohnten Klugheit nach nicht behertzigte: daß wer den meisten Stimmen sich unterwirfft /sich zum Knechte des Volckes mache / da ein Fürst doch keine Bothmässigkeit als die der Vernunfft über sich erkennen soll. Pompejus thät zwar sein bestes /Sadal der Thracier / und Dejotar der Galater König wehrten auch ihren Mann / und hielten mit ihrer Reiterey das Pompejische Heer lange Zeit im Stande; aber endlich warff mehr das Verhängnüß als Cäsars Waffen alle Anstalt über einen Hauffen. Als nun gleich alles in der Flucht war / hielten doch Sadal und Dejotar Stand; also: daß sie beyde umbringt und gefangen wurden. Aber Cäsar lobte ihre Tapferkeit und Freundschafft gegen dem Pompejus; und weil er die Thracier und Galater nicht gerne zu Feinden haben wolte / ließ er beyde mit allen Gefangenen und beygefügten Geschencken loß. Diese Großmüthigkeit Cäsars verband beyde Könige: daß sie ihm wider den Bosphorischen König Pharnaces / Mithridatens Sohn ansehliche Hülffe schickten. Wie nun Cäsar hierauf vom Marcus [39] Brutus und Cajus Cassius erstochen ward / Antonius / Lepidus und Octavius aber sich mit einander verknipften / Cäsars Tod zu rächen; hingegen der Römische Rath dem Marcus Brutus Macedonien / dem Cassius Syrien / dem Sextus Pompejus die Schiff-Flotte in Sicilien anvertraute; bald aber sich mit des Octavius Ankunfft nach Rom das Blat wendete / und allen Mördern des Julius Laub und Gras versagt ward / und doch der von Rom verjagte Adel zum Brutus und Cassius seine Zuflucht nahm; bemeisterte Cassius Syrien und Asien; zwang Dolabellen sich in Laodicea selbst zu tödten; Brutus aber nahm den Cajus Antonius gefangen / brachte Epirus und gantz Griechenland in seine Gewalt; und als ein Beschirmer der Freyheit verdiente er: daß zu Athen sein und des Cassius aus Ertzt gegossene Bilder zwischen die Säulen des Harmodius und Aristogitons gesetzt wurden; und der Galater König Dejotar / wie auch Cotys der vierdte / welchen die Wessen wider seinen Bruder Sadal zum Könige neulich erwehlet hatten / mit ihm in Bündnüß trat. Dieser unbedachtsame König Sadal fing anfangs mit sich selbst / hernach mit seinem Bruder einen muthwilligen Krieg an / und öffnete nicht allein die Thracischen Pforten den Ausländern / welche die Natur mit so viel steilen Bergen und tieffen Strömen verriegelt / und des Volckes Hertzhaftigkeit verwahret hatte; sondern er zündete auch das erste Feuer des Unglücks an / welches hernach gleichsam gantz Thracien eingeäschert / da doch diß Land so lange Zeit durch die Klugheit voriger Könige für dem Einbruche des grossen Mithridates und der Uberschwemmung der zu Zerdrümmerung der grösten Reiche versehener Römer erhalten worden war.

Dieser Sadal war des Königs Cotys ältester Sohn /ein wohlgestalter und nicht nur in Ritter-Spielen fertiger / sondern auch ein hertzhafter und verschmitzter Fürst. Sein Bruder Cotys der vierdte / war zwar nicht so schön und hurtig; aber er hatte zur Ruh und Weltweißheit / darinnen ihn Dionysius und Philiscus unterwiesen / einen sonderbaren Zug. Dahingegen jener hierfür eine Abscheu trug / und wenn dieser seinen Lehrmeistern zuhörte / auf der Renebahn / oder auf der Jagt sich ergetzte. Nach dem Unterscheide dieser Gemüther setzte Cotys seinem Sohn Sadal noch bey Lebzeiten die Thracische Krone auf; seinen Bruder Cotys aber erklärte er zum obersten Priester des Bacchus. Welche Würde nach dem Könige die erste ist; indem diesem Priester alle Fürsten des Geblütes weichen; seine Einkünfte aber ein Drittel der Königlichen übersteigen. Des Cotys Geblüte und Gemüthe war dergestalt dem Könige Sadal recht brüderlich zugethan / und von aller Mißgunst entfernet; die väterliche Liebe des ältern Cotys aber sann Tag und Nacht nach / des Sadals Glückseligkeit durch eine anständige Heyrath vollkommen zu machen. Sintemal ihm nichts mehr / als diese Chimere im Kopfe steckte /noch bey Lebzeiten auf viel Jahre hinaus seine Reichsfolger zu schauen / und sein Geschlechte zu verewigen. Sadal hingegen hatte zu nichts wenigerm einen Zug als zur Liebe / und nichts schien ihm abgeschmackter zu seyn / als sich verheyrathen. Diese Abscheu aber rührte von nichts anderm / als von einer angebornen Eifer-Sucht her; welche sonst eine Miß-Geburt der Liebe ist; hier aber im Hertzen König Sadals die Empfängnüß der Liebe ja aller andern Gewogenheit hinderte / und gleichsam gantz unfruchtbar machte. Denn ob er gleich hertzhafft / freygebig / klug und geschickt war; so war er doch aller ausser ihm sich befindenden Hertzhaftigkeit / Freygebigkeit /Klugheit und Geschickligkeit gram / wenn gleich selbte ihm zum besten angewehret wurden; gleich als wenn diß / was an ihm Tugend wäre / in andern Gemüthern eben so wohl als der Safft der Blumen auf der Zunge der Kröten zu Gifte würde. Dieser gewaltsame Trieb aber war [40] bey ihm in nichts heftiger / als in der Liebe; also: daß weder die Herrschsucht der ihn weder Egyptischen Königin Cleopatra / das fürnehme Geblüte des Bosphorischẽ Königs Pharnaces Tochter / die alte Verwandnüß des Denthelischẽ Königs Sitas Schwester / das feste Bindnüß und die Schönheit des Getischen Königs Roles Baase / welche König Cotysalle seinem Sohne fürschlug / zu heyrathen bewegen konte / sondern er seinem Vater rund heraus bekennte. Alle Verbindligkeit wäre ihm unerträgliche Pein. Keine heßliche könte er lieben / aus einer natürlichen Abscheu. Keine Schöne wolte er / umb nicht zugleich von der Eifersucht eines Ehmannes und Liebhabers gequälet zu werden. Ohne Liebe aber eine zu heyrathen gäbe zwar die Staats-Klugheit / aber nicht seine Großmüthigkeit zu. Cotys hielt diese Widerwertigkeit lange für einen Wahn / welchen Zeit und Vernunfft wie der Wind den Rauch zertheilen würde. Er sahe selbte aber nach und nach zu einer unauflößlichen Hartnäckigkeit werden; also: daß da er anfangs noch bey Hofe die Gemeinschafft schönen Frauenzimmers vertragen konte / und doch gegen die / darein sich andere verliebten / ehrerbietig war; hernach ihre Anwesenheit vermied / und wo sie unvermeidlich war / augenscheinlichẽ Verdruß spüren ließ. Aber alles diß bestürtzte seinen Vater nicht so sehr / als diese Begebnüß. Am Tage / da gantz Thracien das Feyer des Bacchus beging / war der gantze Königliche Hof im Tempel des Bacchus zu Oresta; welche Stadt vom Orestes den Nahmen bekommen / der daselbst vom baden im Hebrus soll seiner Unsinnigkeit loß worden seyn. In demselben standen drey alabasterne Bilder des Bacchus / der Ceres / und mitten inne der Venus /mit der Uberschrifft an dem Fusse: Ohne süssen Wein und Brodt / ist die Liebe kalt und todt. Diese Bilder waren ein Meister-Stücke des Phidias /und bey Einäscherung der Stadt Corinth noch nach Athen gerettet / vom Mithridates aber seiner Kostbarkeit halber nach Panticapeum geschickt / endlich aber vom Pharnaces aus einem Gelübde in diesen Tempel verehrt worden. Sadal hatte seinem Bedüncken nach niemals was vollkommenes angeschaut; also daß er sich daran nicht satt sehen / noch sich über der Kunst genungsam verwundern konte. Er ging diesen Bildern zu Liebe fast täglich in Tempel; und wuste allemal etwas neues / insonderheit aber an der Venus zu rühmen. Er ließ auch aus dichtem Golde einen Leuchter /wie des Callimachus zu Athen ist / dafür aufhencken /alle Tage den Bodem darumb dreymal mit frischen Blumen bestreuen / und Weyrauch anzünden. Ja wenn er nicht vorher eine Stunde lang seine Augen an diesen Steinen geweidet hatte / war er zu allem Thun verdrossen / und sein Unvergnügen sahe ihm aus den Augen. Hingegen erzeigte er sich in Anschauung derselben über seine Eigenschaft freudig; er vergab daselbst unterschiedene Reichs-Aempter; und dreyen /die das Leben verwürgt hatten; und auf etlicher Höflinge schlaue Anstiftung dieser Venus halber umb Gnade baten / erließ er alle Straffe. Mit einem Worte: König Sadal war in diese Bilder allem Ansehen nach heftiger / als Pigmalion in seines verliebt. Das Volck /welches einen heftigern Trieb hat ihren Fürsten durch Nachaffung zu heucheln / als den Göttern mit Andacht zu dienen / drang sich desthalben Tag und Nacht in Tempel / ja die Entferneten reiseten von den äusersten Gräntzen Thraciens diesen Bildern zu gefallen nach Oresta / und richteten eine grosse Wallfarth daselbst an. Allein diese sonst so beliebte Heucheley verursachte dem eifersüchtigen Sadal eine ungemeine Gramschafft; als dessen Gemüthe fremder Vergnügung so neidig war: daß er auch gar den Sonnenschein ihm allein zugeeignet hätte. Daher that er ihm durch unterlassene Besuchung der Bilder nicht allein selber weh; sondern hielt auch bey [41] seinem Bruder Cotys / als obersten Priester an: Er möchte den Tempel des Bacchus nur wie den zu Athen des Jahres nur einmal öffnen lassen. Als aber Cotys solches als unverantwortlich entschuldigte; weil die Andacht zu Gott so wenig als die Anschauung des Himmels keinen Augenblick ohne Sünde verwehret werden könte; saan er auf Mittel und Wege diese allgemeine Vergnügung zu stören. Wenig Tage darnach brachte ein berühmter Bildhauer etliche Bilder nach Oresta / und darunter eine helffenbeinerne Venus / welche zu Pella in dem Gemache der Königin Olympia gestanden hatte / zu verkauffen. Diese Venus both er umb tausend Talent. Der Statthalter zu Oresta lachte darüber /und sagte: Wer für ein ausgedrechseltes Stücke Elefanten-Zahn eines Elefanten schwer Silber geben wolte? Der verschmitzte Bildhauer versetzte: Niemand / als ein großmüthiger König in Thracien. Welches den König Cotys so vergnügte: daß er ihm so viel / als er gefordert hatte / zu zahlen befahl. König Sadal befand sich über dieser Vergnügung seines Vaters aufs höchste unvergnügt; fing daher an: Wenn diß Helffenbein für tausend Talent nicht zu theuer wäre; schätzte er die alabasterne Venus in dem Tempel des Bacchus für den in Silber verwandelten Berg Rhodope zu wohlfeil. Cotys ward hierüber empfindlich / und fing an: Ich habe mich an diesem Bilde nicht überkaufft / weil mir es die Wissenschafft beybracht hat: daß Sadal etwas in der Welt / nemlich einen Stein zu lieben fähig sey / und daß er hoffentlich an diesem zu lernen anfangen werde mit dem Frauenzimmer keine ewige Ehscheidung zu hegen. Sadaln ging dieser Stich durch die Seele; und ob er sich gleich mässigte dem Vater zu antworten / verfügte er sich doch noch selbigen Abend in Tempel / und schlug mit einem eisernen Hammer die alabasterne Venus in Stücken. Nicht besser hätte er es der Ceres und dem Bacchus mitgespielet / wenn nicht die Tempel-Knechte herzu kommen / solchen Verterb verwehret / ja den König Sadal gar als einen Verunehrer des Heiligthums aus dem Tempel zu weichen gezwungen hätten. König Cotys ward hierüber nicht so wohl wegen entweiheten Heiligthums / als wegen seines Sohnes Unart / welcher doch kurtz vorher durch seine wider den Longinus und Calvinus erhaltene Siege so grosse Hoffnung von sich hatte blicken lassen / aufs äuserste bekümmert / iedoch seine väterliche Liebe so heiß: daß sie diese / wiewohl auch sein väterlich Ansehn rührende Hartnäckigkeit verdeyete. Zumal da Cotys durch die Krönung seinen Sohn ihm nichts minder schrecklich / als gehässig gemacht / und sich seiner Gewalt in Schrancken zu halten begeben hatte. Denn in dem Sadal König war / erkeñte er mehr niemanden über sich. Weil er aber nur das halbe Reich hatte /war er unvergnügt / und desto begieriger darnach. Also muste der Vater mehr auf Besänftigung / als Bändigung seines Gemütes sinnen; dessen ihm die völlige Herrschafft vorbehaltendes Leben ihm beschwerlicher / als die Kleinigkeit seines Reiches war. Diß ereignete sich gleich dazumal / da Brutus die Städte Xanthus / Patara und Myrä einnahm / und gantz Lycien bezwang; also sich in Asiẽ und Griechenland in höchstes Ansehẽ / Thracien auch in nicht geringe Furcht eines Uberfalls versetzte. Die Könige der Mösischẽ Getẽ und Bastarnen Roles und Deldo sperrten gegen des ihnen wenig geneigten Brutus Glücke gleichfalls die Augen auf / und beliebten in der Stadt Appiaria zwischen dem Ister und Escamus eine Zusammenkunft / schlossen auch nach dreyer Tage Unterredung für ihre gemeine Sicherheit gegen alle sich herfür thuende Feinde ein Schutz-Bindnüß. Mit dem Könige Deldo war seine Gemahlin Gertha und seine Tochter Apame mit nach Appiaria kommen / umb ihre Schwerster die Getische Königin Morava und ihre Tochter Deiphyle heimzusuchen. Diese zwey schönen Königinnen waren wie ein Ey dem andern ähnlich; ihre Töchter konten auch durch die [42] gantze Welt für halbe Wunderwercke der Schönheit gelten. Als diese beyde aber bey einander gesehen wurden /stach die unvergleichliche Apame Deiphylen eben so /wie der umb diese Zeit zwier-gefärbte Tyrische Purper / den alten Feilgen-blauen / und den Tarentinischen rothen weg. König Cotys kriegte diese Bastarnische Fürstin in der Königin Morava Zimmer so bald nicht zu Gesichte; als sein Hertze an statt seines Sohnes die allerempfindlichste Regung empfand. Denn ungeachtet die greise Zeit bey diesem Greisen schon alles andere Feuer ausgelescht hatte; war doch das Feuer seiner väterlichen Zuneigung in seinem Hertzen so thätig: daß es aus einer kräfftigen Einbildung in sich auch die Liebe empfand / darmit er seines Sohnes Seele angesteckt zu seyn wüntschte. Daher konte er sich nicht mässigen noch selbigen Abend seinem Sohne von ihr Meldung zu thun / und ihn zwar derogestalt zu versichern: daß wenn Apame nicht sein Hertz zu rühren mächtig wäre / würde er sein Lebtage einen Grund-Stein der Unbewegligkeit abzugeben geschickt seyn. König Sadal fragte seinen Vater unverwendeten Fusses: Ob er Apamen ihrer Schönheit halber so hoch schätzte? In alle wege / antwortete Cotys. Denn alle vorhin von ihm gesehene Schönheiten wären gegen Apamen nur ein Schatten. Wenn die Göttin der Liebe allzu sehr beschäftigt wäre / oder müde würde / könte sie Apamen zu ihrer Gehülffin oder Vertreterin erkiesen die gantze Welt verliebt zu machen. Wenn des Aegiensischen Jupiters Priesterthum so wohl der schönsten Jungfrau zu vergeben wäre / als es den allerschönsten Gaben anvertrauet werden muß / würde sie es für allen Lebendẽ behaupten. Ja / wer Apamen einmal gesehen / solte ihm / wie Democritus / selbst die Augen ausstechen / wormit sie nach ihr nicht mit Anschauung etwas geringerns beleidiget würden. So werde ich sie / versetzte Sadal /so viel weniger zu lieben / oder auch nur zu schauen mich überwinden können. Cotys erblaßte / und fing an: Was denn in ihm so unbegreiffliche Entschlüssungen erregte? Nichts anders / sagte Sadal; als daß ich /wenn ich sie einmal schaue / mir mißtraue: daß ich mich sie zu lieben enthalten könne; da doch mein Gemüthe für unerträglich hält / etwas zu lieben / darein andere verliebt seyn können. Cotys begegnete ihm mit abermals veränderter Farbe: Bist du denn nicht mein /sondern der Nacht Sohn: daß du eben so für der Schönheit / als die Finsternüß für der Sonne fleuchst? Also überwinde dich doch / sie zu sehen / wo du dich anders von ihr gesehen zu werden würdig schätzest. Denn wie unhold du dich gleich der Schönheit zu seyn anstellest / so bin ich doch mehr bekümmert: ob du ihr gefallen werdest / als daß sie dein gantz Gemüthe umbkehren / und dir süssere Gedanckẽ eindrücken werde. Beyde redeten derogestalt verwirret mit einander; als König Roles in des Cotys Zimmer trat; und so wohl ihn als den Fürsten Sadal auf einen Spatzier-Saal leitete / umb aus selbtem einen Kampf zwischen Bären / Ochsen / Luchsen / Wölffen und Hunden zuzuschauen. Alles Königliche Frauenzimmer war da selbst zugegen; also daß Sadal nichts minder die Fürstin Apame / als andere mit geziemender Höfligkeit unterhalten muste. Ja weil Cotys die Königin Morave / Roles die Königin Gartha / Deldo die Fürstin Deiphyle nebst sich in die absondern Fenster zohen /ward Sadal gleichsam gezwungen Apamen für sich zu erwehlen. Jedoch dorffte es mehr keines so grossen Zwanges. Denn Sadal war durch den ersten Anblick schon so weit gewonnen: daß seine Gramschafft sich verlohr; und hatte keine Virtel-Stunde nebst ihr dem Thier-Kampfe zugesehen; als sein Hertze schon ein viel unruhiger Kampf-Platz ward; indem die Liebe darinnen seine Hartneckigkeit eifriger / als die wilden Thiere einander zu bestreiten bemüht waren. Es traff sich auch gleich: daß zum ersten gleichsam zu einer besondern Andeutung drey zahmere Thiere drey wildere / nemlich ein Ochse einen Bären / ein Hund einen Luchs / und ein Pferd [43] einen Wolf überwand; hernach sich aber meistentheils das Widerspiel ereignete. Inzwischen konte sich Sadal nicht erwehren: daß seine Gedancken sich miteinander überworffen; ob er nicht / weñ Apame aufhörte so gar schön zu seyn / so deñ sie zu liebẽ schlüssen und umb sie werben solte. Kurtz darauf fühlte er sich eine gewisse / aber ihm gantz fremde Bewegung in sein Hertz einspielen; welche nach einer verworrenen durcheinander-Gehung sich in ein Verlangen Apamen zu gefallen verwandelte. Alleine Apamens holdselige Gespräche dämpften noch für Ende des Kampfes und selbigen Tages alle noch übrige Dünste seiner gehabten seltzamen Meynungen: daß er Apamen / wenn es ihr auch möglich wäre / noch schöner zu werden für liebens-würdig erkennte. Er eröffnete es noch selbigen Abend seinem Vater Cotys; welcher aber seine Veränderung schon beym Thier-Kampfe angemerckt hatte. Denn ob zwar des Frauenzimmers höfliche Bedienung zum Wesen eines wackeren Edelmannes gehöret / und daher so wohl von einer ungerührten Seele / als von einem brennenden Hertzen herrühren kan / wissen doch vernünftige Aufschauer Höfligkeit von Liebe leicht zu unterscheiden. Bey dieser Anmerckung war niemand froher als Cotys über so heilsamer Erleuchtung seines bißher in der Liebe gleichsam aberwitzigen Sohnes. Daher rieth er ihm: Es wäre nunmehr weder Zeit noch Gelegenheit zu versäumen / sondern das Eisen zu schmieden / weil es warm wäre. Denn ihre Reichs-Geschäffte vertrügen kein langes Abseyn aus Thracien. Apame aber wäre eine solche Perle /welche sich nicht von ferne / oder durch iemand andern fischen liesse / noch auch lange ungefischt bleiben würde. Denn er hätte die gewisse Nachricht: daß der König in Scythien / der der Dacier / und der Roxolanẽ umb sie zu überkommen alle Mögligkeit versuchten. Sadal ließ selbigen Abend ihm alles gefallen; nachdem er sich aber selbst die gantze Nacht schmertzlich beunruhigt / gab er auf den Morgen seinem Vater zu verstehen: Es wäre ihm unmöglich sich zu einer Heyrath mit Apamẽ zu entschlüssen. Als Cotys nun die Ursache eines so geschwindẽ Zurücksprunges wissen wolte / fuhr Sadal heraus: Ich kan Apamẽ unmöglich heyrathen. Denn ich liebe sie zu sehr. Cotys konte sich des Lachens nicht enthalten /und fing an: Du wilst dich nicht verheyrathen aus Liebe? ich aber habe mein Lebtage nicht anders geglaubt: Man könne sich vernünftig nicht verheyrathen ohne Liebe / und zwar nicht ohne eine sehr heftige. Denn ob ich wohl weiß: daß Fürsten ins gemein aus Staats-Ursachen wie Blinde / eine nie gesehene Waare kauffen müssen; so wil ich doch keinem meiner Kinder iemals rathen / aus der Heyrath ein Gewerbe zu machen / und ihm die Dienstbarkeit aufzubürden: daß es was lieben müsse / was der Liebe nicht werth sey. Ja ich halte die Eh ohne Liebe nicht nur für einen Tag ohne Sonne / sondern für ein wahrhaftes Grab der Lebendigen. Nach einem langen Unterrichte brachte Cotys seinen Sohn wieder auf den rechten Weg / und zu der Entschlüssung / Apamen zu heyrathen. Er kam daher selbigen Tag mit nichts minder festem Vorsatze / als freudiger Gebehrdung zur Königlichen Taffel; welche auf einem kleinen Eylande des Isters gehalten /und mit einer Wasser-Jagt beschlossen ward; in welcher Roles über tausend Hirsche durch den Ister schwemmen / Apame aber anmercken ließ: daß ihre Hände nicht weniger mit dem Bogen / als ihre Augen mit den Blicken das Wild zu fällen verstünden. Wie grausam sie nun gegen diese Hirschen war / so annehmlich bezeigte sie sich gegẽ dem Könige Sadal; also: daß seine Hoffnung ihm schon einen gewünschten Ausschlag wahrsagte. In dieser verharrete er biß auf den Abend; da König Roles in einem Garten Sybariten das Getichte vom Orpheus und von Eurydicen nach neun Leyern tantzen ließ. Diese drückten des Orpheus Leid über der Eurydice Tod / seinen lieblichen Lobgesang der Götter in der Hölle des bittere Thränen vergiessenden Pluto und der Proserpina Mitleiden / der Eurydice Freude über [44] Erblickung ihres Orpheus /beyder zurückkehrenden Liebes-Umbarmungen / der zurück sehenden Eurydice Verschwindung / des darüber erstaunenden Orpheus Verzweifelung / den Gri des Bacchus gegen den Orpheus / weil er ihn nicht in der Hölle besungen / das Rasen der den Orpheus zerreissenden Bacchen; Die Zusammenlesung seiner Glieder von den holdseeligen Musen durch ihre blosse Gebehrden so eigentlich aus: daß niemand ohne Empfindligkeit zuschauen konte. Zwischen jedem der neun Abtheilungen sangen etliche der Cybele gewiedmete verschnittene Priester / welche Orpheus zum ersten aus Egypten in Thracien gebracht hat / und so viel Lydische Sängerinnen / welche nach des Andramytys oder des Gyges erster Erfindung ebenfals verschnitten waren / mit einer überirrdischen Liebligkeit die durch solch Getichte angedeutete Sitten-Lehre. Am Ende beschlossen sie mit diesen beyden Sätzen:


Die Lieb' ist mehr als Zucker-süß' /

Ein Lebens-Saltz / der Menschen Honig-seim /

Der Geister Kost / ja gar der Götter Leim /

Und ein selbst-ständig Paradiß /

Ein Himmel in der Unter-Welt.

Doch muß sie offt auch mit dem Tode ringen /

Wenns dem Verhängnüsse gefällt /

Zur Hölle fahrn und Todte wieder bringen.


Die Lieb' ist stärcker als der Tod /

Denn sie hält auf kein Grab und Leichen-Stein.

Sie duldet mehr / als Höll- und Sterbens-Pein /

Und schöpft Vergnügung aus der Noth.

Sie drücket Leichen an die Brust /

Die Grufft weiß ihr ein Eh-Bett' abzugeben;

Ja Schmertz und Ach ist ihre Lust

Ein treuer Tod ihr süsser als das Leben.


Nach dem Beschlusse des Tantzes und des Singens fieng Apame lächelnde an: Es gehöret eine noch vollkommenere Liebligkeit / als diese gewest / darzu: daß sich die / welche nie geliebt haben / bereden lassen sollen: die Bitterkeit der Liebe sey süsse / und der Tod vergnüglicher / als das Leben. König Sadal / in dessen Hertze nichts tieffer / als die Eyversucht eingewurtzelt war / wolte die Gelegenheit nicht versäumen Apamen zu fragen: Ob sie denn noch keinen Vorschmack von der so süssen Liebe geschmäckt hätte? Apame antwortete: Niemals gar keinen; sondern ihre Bande haben mich allezeit allzu rau zu seyn bedeuchtet; und glaube auch noch: daß der / welcher sich von ihr fässeln läßt / vorher müsse verblendet werden /wormit er derer sie begleitenden Beschwerligkeiten nicht gewahr werde. Aber meine Lehrmeister / versetzte Sadal / haben mich unterrichtet: daß die Liebe den Menschen allererst sehend / ja auch lebend machte. So haben / fieng Apame an / die Sänger wol recht: daß der Tod süsser als das Leben sey; und ich werde von nun an dem Wahne beyfallen: daß die Blinden sich in ruhigerm Zustande befinden / als die Sehenden. Aber / sagte Sadal / hat denn Apame keinen von denen ins Gesichte bekommen / die sie angebetet haben? Ich bin keine Göttin / begegnete ihm Apame; daher habe ich mir auch nie eingebildet: daß mich jemand anbetete. Hat mich aber ja jemand geliebt / so habe ich von diesem Feuer noch keine Wärmbde verspürt. Wiewol ich von Art schwer zu bereden bin: daß mich jemand liebe. Niemand in der Welt hat mehr Ursache / sagte Sadal / in diesem Stücke leichtgläubiger zu seyn / als Apame. Denn außer ihr ist kein Mensch würdiger geliebt zu werden / als sie. Daher kan ich ihren Zweifel keiner andern Ursache zuschreiben: als daß sie keinen Unterscheid wahrnehmen kan / weil sie so viel Liebhaber / als Anschauer hat. Apame brach ein: Ich verstehe mich auf den Schertz besser / als auf die Liebe. Wie dem aber sey / so habe ich weder in meinem / noch in einem frembden Pulße einige Veränderung wahrgenommen. Ist es aber möglich / sagte Sadal: daß man geliebt werde / und in sich gantz unveränderlich bleibe? Apame antwortete: Mein Gemüthe ist noch nie verrückt worden / und bin ich nach Apiaria kommen / ohne daß mir jemand gefallen /oder ich gewüst habe / was Liebe sey. Diese Worte ließ sie mit [45] einer solchen Anmuth heraus: daß sich Sadal beredete: Apame hätte ihn allein aus allen /welche ihr nicht gefallen / deutlich ausgeschlossen; da sie ihre Unempfindligkeit nur bis zu ihrer Ankunfft nach Appiaria eingeschrenckt. Daher fieng er nach einem tieffen Seufzer an: Wolte GOtt! daß Apame denn gelehrter / und Sadal glücklicher aus Appiaria reisen möchte. Apame färbte sich hierbey ein wenig und fieng an: Ich wünsche beydes von Hertzen / aber nur keine andere Wissenschaft / als die mich eben so wol nicht unglücklich macht. Ist es denn eine Unglückseeligkeit / fragte Sadal / wenn die Götter ihre Priester / und die Schönen ihre Leibeigenen kennen lernen? Apame antwortete: denen allwissenden Göttern ist dis eine leichte / Menschen aber eine schwere Erkäntnüs. Denn Liebe und Heucheley sind einander auf den Lippen so ähnlich / als das Attische und Colchische Honig an der Farbe; da doch jenes das süsseste und gesündeste in der Welt / dieses das bitterste ist / und das Haupt verwirret. Ja vieler Liebe ist gefährlicher / als ihr Thracisches Honig bey Heraclea /welches die schwartzen Chamelion in Gift verwandelte. Sadal versetzte: Es ist mir lieb / und ein besonder Vortheil: daß ich ein Thracier bin. Denn diese hält die gantze Welt zur Heucheley allzu ungeschickt. Ja auf dem Erd-Kreise ist die Liebe schwerlich so rein und so kräftig anzutreffen / als in Thracien / da die Weiber sich insgemein mit ihren Männern auf einem Holtzstosse verbrennen. Massen die Heyrathung vieler Ehfrauen meist nur darumb abkommen / weil bey dem Tode der Männer die Richter-Stühle von denen sich umb die Ehre der Mitverbrennung zanckenden Weibern allzu sehr beunruhiget wurden. Apame / welcher eine offenhertzige Redligkeit gleichsam aus den Augen sah / antwortete: Sie schätzte ihn zwar als einen Thracier gar hoch / und höher als jemanden /den sie von Gewogenheit je etwas reden gehört; aber sie könte sich nicht zwingen zu glauben: daß Sadal sie liebte; und wenn sie schon in ihr jemahls gegen ihm einige Neigung fühlte / wurde sie selbter doch keine Lufft lassen / bis sie seiner Liebe vorher gewisser versichert wäre. Mit diesen Worten wendete sie sich gegen der Fürstin Deiphyle; und nach dem sie eine Weile mit einander geschertzt / nam die gantze Versa lung von einander Abschied. Sadal wuste nunmehr seine Vergnügung nicht mehr zu begreiffen; weil er Apamens letzten Worte für nichts geringers /als eine Liebes-Erklärung aufnahm / und daher ihm in seinem eigenen Hertzen nichts als Sieges-Bogen aufrichtete; weil er Apamens nie gerührtes Hertze bewegt / und sie aus der Bothmäßigkeit über sich selbst gesetzt hätte. Er genoß in diesem Anfange seiner Liebe mehr Süßigkeit / als er ihm von ihrem völligen Genüße eingebildet hatte. Bald aber überfiel ihn die bitterste Bekümmernüs: ob er auch die mißträuliche Apame würde bereden können: daß er sie warhafftig /und zwar so sehr liebte / als sie geliebt zu werden verdiente. Dieser folgte wie beym Sturme eine Welle auf die ander die Sorgfalt: ob auch Apamens Liebe tauerhaft seyn würde / wenn er schon sie seiner / und er sich ihrer Liebe versichern würde. Diese Abwechselungen der Gedancken jagten ihn aus einem Zimmer in das andere; ohne daß er selbst wuste / was ihn leitete oder vertriebe. Denn wenn nichts die Ungedult beruhigen kan / soll es die Verenderung eben / wie die Umbwendung im Bette thun / wenn man nicht schlaffen kan. König Cotys kam gleich darzu / als er sich mit diesen Gedancken überwarf; und mühte sich ihm seine Grillen auszureden / mit der Versicherung: daß er beym Könige Deldo schon einen grossen Stein zu seiner Heyrath gelegt hätte; und er von einer so tugendhaften Fürstin sich keiner solchen Leichtsinnigkeit zu befahren hätte. Sadal aber fiel ein: Gleichwol aber vermindert die Eh alle Liebe; und die / welche anfangs zerschmeltzen wil / geräth hernach in mehr Gefahr [46] zu erfrieren / als zu verbrennen. Daher kan es geschehen: daß Apame mich entweder gar nicht / oder nur zum Scheine und aus Zwange / einen andern aber ins geheim / und so viel inbrünstiger liebe. Diese Eyversucht nam auch so fern überhand: daß sie in Sadaln bey nahe alle Liebe ersteckte / und er für rathsamer hielt ohne Apamen unglücklich / als mit ihr ungeliebt zu leben. Daher entschloß er nicht allein von fernerer Liebes-Werbung abzustehen / sondern auch Apamen seine Gemüths-Veränderung zu verstehen zu geben. Aber die einige Wieder-Ersehung dieser unvergleichlichen Schönheit / und des Königs Cotys Einhalt / welcher inmittelst beym Könige Deldo und seiner Gemahlin Gartha die völlige Heyraths-Verwilligung zu wege gebracht hatte / versetzte Sadals Liebe nicht nur in alten Stand; sondern er fieng Apamen auch nunmehr auf eine solche Weise an zu lieben / als der Ehstand und die Würde einer so ungemeinen Buhlschafft erforderte. Mit einem Worte: Sadal und Apame wurden zu grossen Freuden beyder Königlichen Häuser in Appiaria mit einander verlobt / und das Beylager zu Oresta mit anständigem / jedoch kurtzem Gepränge vollzogen. Denn kostbare Feyer / Täntze und Gastmahle sind Mißgeburten der Verschwendung / wenn sie länger währen als der Rauch von Speisen / und der Nachklang von Säiten-Spielen. Sadal erndtete daselbst die süssesten Früchte der Liebe von seiner Apame mit solcher Vergnügung ein: daß er allen andern Verliebten der Welt einen Vorsprung abgerennt zu haben vermeinte. Ich weiß aber nicht / was für ein Unstern / oder ob Sadals böser Geist schon die dritte Nacht des Beylagers seine thörichte Eyversucht durch einen geringen Zufall wieder lebend machte. Denn als er selbige Nacht bey mittelmäßigem Monden-Scheine aus seinem in Apamens Schlaf-Gemach eintrat / kam ihm für / als wenn eine andere Person sich ihrem Bette näherte. Welches ihn alsofort in solchen Wahnwitz versetzte: daß er zurück in sein Zimmer gieng / und sich mit einem Dolche gefaßt machte seinem eingebildeten Nebenbuhler das Licht auszuleschen. Als Sadal wieder kam und sich Apamens Bette näherte / deuchtete ihn: Er sähe seinen Feind nunmehr die letzten Tritte zu Apamens Lagerstatt thun. Daher sprang er gantz verzweiffelt mit den Worten: du must sterben! und mit einem gezückten Stosse auf das Bette zu; ward aber zu seiner eusersten Verwirrung gewahr: daß sein eigener Schatten vom Monden sein geträumter Mit-Buhler war. Apame aber / welche von solchem Geschrey aus einem halben Schlaffe auffuhr / fieng einen lauten Gall anzuruffen /grief aus Schrecken zugleich augenblicks auf der Seite nach der seidenen Schnure / und zohe den Schüblich für der das Zimmer zu erleuchten bestimmten Ampel weg. Apame sahe hiermit Sadaln mit einem blinckenden Dolche für ihr stehen / welches sie in eine solche Verwirrung setzte: daß sie ihrer selbst vergaß /und gleichsam zu einer erstarrenden Seule ward. Inzwischen kam die von beydem Geschrey erweckte Hofemeisterin ins Zimmer / und fand beyde in so seltzamer Stellung. Daher sie ihr nur das Hertz faßte Sadaln in die Armen zu fallen / und zu fragen: Was für eine Raserey ihn die unschuldige Königin zu ermorden verleitete? Sadal war über seinem Aberwitze so beschämt und verwirret: daß er kein Wort zu antworten /weniger sein Mißtrauen mit einigem Irrthume zu bekleiden geschickt war; sondern er warf den Dolch gantz erbost zu Bodem: daß er darinnen stecken blieb / und gieng gantz verzweifelt zurück in sein Schlaf-Gemach. Inzwischen kam Apame wieder zu ihr selbst; und weil sie aus Sadals verstocktem Stillschweigen ihr von ihrem Gemahl nichts anders / als eine vorgehabte Ermordung einbilden konte / riß sie sich aus dem Bette und Zimmer / als einem unsicheren Orte / und verfügte sich unverwendeten Fusses zu der [47] Königin Gartha ihrer Mutter. Diese weckte also fort den König Deldo. Hiermit ward der gantze Hof wache / und fielen alle / wiewol ihrer wenig die Ursache wusten / aus der bisherigen Freude in eine plötzliche Ohnmacht; Niemand aber fast in grössere / als König Cotys / welchem seines Sohnes seltzame Gemüths-Regungen fast alleine bekandt waren. Daher verfügte er sich auch geraden Fusses in sein Zimmer /traf aber seinen Sohn daselbst in der Gestalt eines unsinnigen Menschen an / welcher mit dem Kopfe wider die Wand lief / und keinem Einreden seines Vaters Gehör gab. Sein Bruder Cotys kam endlich auch darzu / und mühte sich / wiewol ohne Frucht / Sadaln zu besänfftigen. Daher opferte er für ihn dem Bacchus / welcher der Urheber und Stiller der Raserey seyn soll / hundert Böcke. Und / weil er eine Bezauberung besorgte / hing er ihm das Bild eines geilen Satyrus /und einen viereckichten Stein / darauf das Haupt des Mercur geetzt war / als vermeinte Genesungs-Mittel an. Inzwischen bemühte sich König Cotys Apamen auszureden: daß sein Sohn ihr einiges Leid zu thun vorgehabt hätte. Sintemal sein verwirrtes Gemüthe seine Bekümmernüs über ihrem Argwohne genungsam an Tag gäbe. Maßen sich denn auch diese tugendhafte Fürstin erbitten ließ / in Sadals Zimmer zu kommen; welcher sich denn augenblicks zu ihren Füssen niederwarf / und daselbst in eine völlige Ohnmacht sanck. Apamens Hertze ward hierüber so wehmüthig: daß sie nunmehr selbst zu zweifeln anfieng: Ob Sadal sie zu beleidigen vorgehabt hätte. Daher sie ihn denn selbst reiben und kühlen half / und als er sich erholete / sich auch in den Armen seiner getreuen Apamen befand / schossen ihm die Thränen aus den Augen. Ob er nun zwar kein Wort redete / gab er doch genungsame Merckmahle an den Tag; wie hertzlich er über Betrübung seiner Gemahlin bestürtzt /und sie zu versöhnen begierig sey. Die Aertzte hielten für rathsam ihn zu Bette und zur Ruh zu bringen; welche denn auch erfolgte. Folgenden Tages verfügte sich König Cotys zu Sadaln; und weil er sein Gemüthe zimlich beruhigt fand / fragte er ihn umb die wahre Beschaffenheit seines Beginnens. Sadal / nach dem er eine Weile stille geschwiegen / erzehlte seinem Vater den wahren Verlauf; welcher ihn denn mit Thränen bat: Er möchte doch das Gift der Liebe / die Henckerin der Seelen die verdammte Eyversucht auf sein Lebtage aus dem Gemüthe verbannen; welche die reinesten Lilgen der Unschuld mit Kröten-Geröcke begeiferte / und die wärmesten Ehbette mit kaltem Blute besudelte. Für dieses mal solte er sich zu frieden geben. Denn er hätte es bey Apamen schon meist gut gemacht / und er wüste schon eine glaubhafte Erfindung ihr vollends allen Verdacht zu benehmen. Hiermit verfügte er sich zu Apamen / und meldete: Es hätte ein Traum Sadaln die Vergewaltigung Apamens so nachdrücklich fürgebildet: daß er sie zu retten /und den Nothschänder zu tödten aufgestanden / bey seinem erkennten Irrthume / und seiner Gemahlin darüber gefaßter Empfindligkeit aber gantz außer sich gesetzt worden wäre. Diesemnach ersuchte er sie die Verleitung eines Traumes für keinen bösen Vorsatz /noch seinen wolgemeinten Irrthum für kein so grausames Laster aufzunehmen. Nicht nur Apame / sondern auch König Deldo und Gartha wurden hierdurch vergnügt / die Liebe zwischen beyden Ehleuten ergäntzet / und das Beylager mit tausend Freuden-Zeichen vollendet. Deldo und Gartha reiseten hierauf in Bostarnien; Apame ward von Tage zu Tage schöner und vollkommener / und hiermit Sadals Liebe immer grösser / also: daß sie auch ihre geziemende Maaß überwuchs. Wie nun alle Ubermaaße / auch der Tugenden / wenig gutes stifftet / insonderheit aber sie die Liebe entweder zeitlich erschöpft / oder versaltzet; also verleitete sie Sadaln [48] dahin: daß er Apamen in Ohren lag: Sie möchte doch ihm erzehlen; wer alles umb ihre Liebe sich beworben hätte; wormit er aus anderer Schifbruch seine unbegreifliche Glückseeligkeit die unschätzbare Apame zu besitzen noch mehr bereichern / und aus anderer Verzweifelung so viel mehr Freude schöpfen möchte. Die treuhertzige Apame hielt es für ein Verbrechen dem etwas zu verbergen /dem sie sich selbst zugeeignet hätte; sondern vielmehr für Verbindligkeit alles zu ihres Ehgemahls Vergnügung beyzutragen. Sie erzehlte ihm also: wie der König der Roxolanen / und der der Scythen nur durch Bothschafften umb sie geworben / ihr Vater Deldo aber aus gewissen Staats-Bedencken / wormit selbige Nachbarn mit der Zeit nicht einen Erb-Anspruch an die Bastarnische Krone machen möchten / solche Werbung bald abgelehnt hätte. Der Dacier König Decebal / und Holderich ein Hertzog der Quaden aber wären selbst an ihres Vatern Hof kommen; und hätte jener durch grosse Pracht und Verschwendung seiner Reichthümer / welche er aus den Dacischen Gold-Silber- und Kupfer-Bergwercken überflüßig züge; dieser aber durch seine Tugenden ihre Liebe und des Königs Deldo Einwilligung zu wege zu bringen sich bemühet. Weil nun Decebal ihm eingebildet hätte: daß Holderich vom Deldo und der Königin ein geneigter Auge bekäme; hätte er einen festen Schluß gemacht ihn aus dem Wege zu räumen. Weil aber Decebal sein Vorhaben durch unbedachtsames Dreuen verrathen; wäre Holderich deshalben gewahrschauet; und Decebaln durch Holderichs Vorsicht alle Anstalten krebsgängig gemacht worden. Endlich wären sie beyde in der Königlichen Burg mit Waffen an einander kommen / und Holderich unversehens verwundet worden; welches ihr Vater so übel aufgenommen: daß Decebal noch selbigen Abend hätte die Stadt räumen /und sich in dreyen Tagen aus den Bastarnischen Gräntzen über den Fluß Tyras begeben müssen. Holderich hätte seiner gefährlichen Wunde halber einen Monat daselbst aushalten müssen / und sich beym Könige Deldo durch sein Wolverhalten und Klugheit so beliebt gemacht: daß / ob sie zwar jederzeit eine grosse Abneigung für dem Heyrathen bezeugt / sie besorglich von ihren Eltern an den Fürsten Holderich wäre verlobt worden / wenn nicht der Königliche Rath mehr auf meine unter der Hand geschehende Unterbauung / als aus Beysorge mit den Daciern und denen bereit feindlichen Roxolanern auf einmal in den Krieg zu verfallen / die Heyrath beständig widerrathen hätte. Holderich wäre zwar betrübt / aber mit höchster Bescheidenheit aus Bastarnien geschieden /und hätte kein ander Merckmahl seiner Unvergnügung hinterlassen / als diese mit einem Diamant in eine Glaßscheibe seines Zimmers geschriebene Reimen:


Weil / was ich so verlangt / mir hier nicht werden kan

So steht mir auch nicht dis / was mich verlanget / an.

Drumb wil ich nun nicht mehr / was niemals wird geschehen.

Wer weiß: ob Glück und Zeit / die uns meist widrig sind /

Mir aus Unmögligkeit nicht etwas möglichs spinn't /

Weil wir auch Flüchtigen den Schatten folgen sehen.


Gleichwol aber verunglückte Holderich unter weges. Denn als er über das Carpatische Gebürge zurück reisete / ward er auf Anstifften Decebals von etlichen hundert auf ihn wegelauernden Daciern jämmerlich ermordet. König Sadal verhörete keinen Umbstand /ja kein Wort aus dieser Erzehlung / sein argwöhnisches Gemüthe aber zohe aus dem / was seiner Liebe zur Speise gereichen solte / das Gifft seiner gewohnten Eyversucht. Denn diese einmal eingewurtzelte Seuche läßt sich schwerer / als Dornen aus fetten Aeckern ausrotten; und weñ sie schon gantz ausgetilget zu seyn geschienen / kommet sie / wie denen beschwornen Schlangen ihr Gifft wieder. Er entbrach sich Apamens mit einer scheinbaren Schwermuth /und in der erkieseten Einsamkeit ließ er seinem Argwohne den [49] den Zügel völlig schießen. Ist es / dachte er bey sich selbst nicht genung gesagt: daß Apame den Fürsten Holderich geliebt habe; wenn sie von ihm rühmet: Er habe durch seine Tugenden sich umb ihre Liebe beworben. Hat sie ihn aber gleich nicht geliebt; so bezeugt sie doch hierdurch / wie hoch sie ihn / und vielmehr höher als mich geschätzt habe. Was wil ich aber an ihrer Liebe zweifeln / da doch sonder Zweifel niemand / als sie ihn für Decebals Nachstellungen gewarnet hat? Wäre Holderich nicht allenthalben liebes Kind gewest; warumb hätte Decebal bey Sonnenscheine ihm den Platz alleine einräumen müssen? Warum hat man ihn so lange Zeit aufs freundlichste bewirthet? Wie hätte Holderich sich beym Deldo beliebt machen können / sonder daß er seiner Tochter /die dieser Vater so übermäßig liebet / auch lieb gewesen sey? Hätte er wol ohne ihre Liebe übers Hertz bringen können ihr einen unbeliebten Bräutigam aufzudringen? Was hätte Apame für Ursache gehabt ohne grosse Zuneigung seine in Glaß gekratzte Reimen ihr so feste ins Gedächtnüs zu pregen / und vielleicht noch tieffer ins Hertz einzugraben? Hätte nicht die Wehmuth über der Erzehlung seines Todes ihr sichtbarlich aus den Augen gesehen? So gar deutlich hätte sie mit eigenen Worten und Gebehrden ihre Liebe verrathen / und wer wüßte: wie viel sie aus Beysorge der Eyversucht ihm noch verschwiegen hätte. Denn hielten doch die verliebten Buhlschafften gegen ihre Liebhaber hinter dem Berge. Wie solte er denn glauben: daß Apame gegen ihrem Eyver-süchtigen Ehmanne alles rein heraus gebeichtet haben solte. Also wäre ihre fürgebildete Abscheu für der Heyrath nichts anders / als ein blauer Dunst / den Apame ihm für die Augen zu machen vermeint / sondern sie in Holderich verliebt gewest / und er mit nichts wenigerm / als den Erstlingen ihrer Liebe beseeligt worden. Mit diesen Gedancken schlug sich nicht allein Sadal / als flüchtigen Einbildungen / sondern der Verdacht drückte sie ihm auch als eine unzweifelbare Warheit ins Gemüthe ein. Des Tages war er mit ihm selbst unruhig / des Nachts sonder Schlaf. Und weil er sich nicht traute Apamen ohne Verstellung sein selbst zu schauen / ritt er ins Gebürge auf die Bären-Jagt. Aber er hatte viel grimmigere Thiere in seinem Hertzen zu jagen. Nach einer vierzehn-tägichten Abwesenheit sehnete er sich endlich Apamen wieder zu sehen; aber nicht / weil die Eyversucht in ihm verraucht wäre / sondern weil er mehr Geheimnüs von ihr auszukundschafften begierig war. Bey seiner Rückkunfft konte er seine Kaltsinnigkeit / weniger aber die Unruhe seines Gemüthes gegen ihr verstellen. Er gieng sonder Redung einigen Wortes wol hundert mal im Zimmer auf und nieder. Bald seufzete / bald schnaubete er /bald wand er die Hände / also: daß Apame hierüber in nicht geringe Bestürtzung fiel. Endlich fiel er für ihr auf die Knie / und bat mit Thränen: Sie möchte ihm doch Haar-klein alles erzehlen / was sich mit Holderichen in Bastarnien zugetragen hätte. Die nichts weniger als einige Eyversucht vermuthende Apame brachte den halben Tag mit einer neuen Erzehlung zu. Wenn sie nun was der Liebe widriges fürbrachte / hielt er es für eine künstliche Erfindung; wenn sie was vortheilhaftiges für Holderichen sagte / meinte er: sie verschwiege das beste. Mit diesen abgenöthigten Erzehlungen marterte er Apamen etliche Monat / ohne daß diese ihn zu vergnügen begierige Fürstin die wenigste Ungedult empfand; ob sie zwar endlich die sich vergebens verbergende Eyversucht aus den Fenstern seines Hertzens herfür gucken sah. Sein Hertze war inzwischen ein Schauplatz / darinnen die Eyversucht alle ihre Grausamkeiten ausübte / und die höllischen Unholden selbst zu Henckern brauchte. Sein Kopf war ein Irrgarten / aus dem sich nicht einer seiner[50] zwistigen Gedancken auszuwickeln wuste. Er thät viel Nächte kein Auge zu / und der Argwohn schrie ihm unaufhörlich in die Ohren: Apame hätte seine Liebe betrogen durch den falschen Vorwand: Sie hätte für ihm keinen andern geliebt. Weil sie nun nicht mehr die wäre / für die er sie angesehen / wäre sie nun nicht mehr seiner Anbetung werth. Daher wolte er sie aus seinem Hertzen und aus seinem Bette verbannen. Diesen Schluß hatte die Eyversucht so bald nicht gemacht; als die Liebe wieder in seinem Hertzen aufwallete / welche dieser verzagten Unholdin so wol die gebietende Schönheit als Unschuld unter Augen stellte; welche ihm selbst den unschätzbaren Verlust einer unvergleichlichen Schönheit und die Ungerechtigkeit eine so tugendhaffte Fürstin aus einem eitelen Wahn zu verdammen fürbildete. Bald aber kochte die Eyversucht wieder empor / welche mit ihrem schweflichten Atheme Apamens aus Lilgen und Rosen vermengete Gestalt vergiftete / mit ihrer Kohle ihre reinsten Tugenden schwärtzte / mit ihrem Hütten-Rauche seine Vernunfft verdüsterte / und mit ihrer Galle alle Süßigkeiten seiner Liebe versäuerte. Jedoch hielt dis Gespenste auch nicht immer stand / entweder weil sie der aufsteigenden Liebe nicht gewachsen zu seyn schien / oder weil sie nach einigem Nachlasse durch Verneuerung ihrer Wunden die Schmertzen so viel empfindlicher machen wolte. Also wechselten diese zwey heftigsten Gemüths-Regungen mit einander ab /und drückte eine die andere in Sadals Hertze / wie auf dem stürmenden Meere eine Welle die andere unter sich. Nach dem Unterscheide nun: daß die Liebe oder die Eyversucht die Oberhand behielt / war seine Gebehrdung und das Gespräche mit Apamen beschaffen; welche sich aber mit einer wunder-würdigen Sanftmuth seine heftige Regungen zu beruhigen / mit ihren vernünftigen Schutz-Reden seinen Verdacht zu zernichten / und mit dem holdseeligsten Liebreitze seine laue Zuneigung rege zu machen bemühet war. Nach dem aber die ohnmächtigen Schnecken nach öfterer Beunruhigung auch ihre Hörner zeigen; und übermäßige Gedult zu letzt für eines Verbrechens Zugeständnüs angenommen wird / war es endlich / als der sein selbst nicht mehr mächtige Sadal mit Ausgießung seiner bittern Galle es Apamen allzu braun machte /weder ihrem zarten Hertzen mehr erträglich / noch auch ihrer Ehre mehr anständig / ihre Empfindligkeit zu verbergen. Daher fieng sie / wie sie nun Sadals Unmuth lange genung verschmertzt hatte / mit einer etwas ernsterer Anstellung an: Mein Herr / ich sehe wol: daß weder meine Unschuld mich seines Argwohns zu entübrigen / noch meine bisherige Gedult seine seltzame Einbildung ihm zu benehmen vermocht habe. Er grämet sich mit einem Verdacht ohne Grund; Mich aber beleidigt er durch unverschuldetes Unrecht. Ich habe bisher aus Liebe geschwiegen / nun aber zwinget mich meine Ehre zu reden / als welche auf den Nothfall ich auch mit meinem Blute wider alle Verläumbdung zu vertheidigen entschlossen bin. Ich weiß mich gerecht / und die unsere Nieren-prüfenden Götter: daß ich keinen Holderich mein Lebtage / sondern nur den einigen Sadal geliebt habe / und noch liebe. Diesemnach kan meine Unschuld die Eyversucht nicht länger an ihr nagen lassen / noch meine Liebe für ihren Quäler vertragen / welchen sie für ihren Abgott verehret. Sein Argwohn hat seine Liebe allem Ansehn nach schon ausgelescht. Denn der erste Funcken der Eyversucht / ist der letzte der Liebe. Er kan unmöglich lieben / was er für lasterhaft hält. Meine Liebe kan zwar sich nimmermehr einäschern: aber doch endlich gezwungen werden / sich an einen solchen Ort zu versetzen / wo sie von frembdem [51] Rauche ungeschwärtzt bleibe. So sehr ich mich betrübe /so sehr erbarmet mich seiner; wenn ich den klugen Sadal so schwachmüthig schaue: daß er mit einem todten Menschen eyvert; mit einem / welcher eh gestorben / eh ich gewüst habe / was Liebe sey / und mit einer / bey welcher des verstorbenen Gedächtnüs-Schatten längst verschwunden wäre / wenn er es mir nicht selbst wieder erfrischt hätte. König Sadal antwortete ihr: Ach! Apame / wolte GOtt! es hätte kein Holderich / und zwar kein so holdreicher und tugendhafter jemahls gelebt; wie du ihn mir so lebhaft abgebildet hast. Ich bin eyversüchtig; es istwahr; aber nicht ohne Ursache. Denn wie ist es möglich: daß eine so tugendhafte Apame zu einem so tugendhaften Helden nicht eben den Zug / als der Magnet zum Eisen gehabt haben solle? Holderich ist todt; aber der Tod leschet so wenig der Eyversucht als der Liebe das Licht aus. Diese seufzet nach den Verstorbenen / sie bespracht sich mit ihren Geistern / sie halset sich mit ihrem Schatten. Jene erschüttert sich für den Todten; sie wird erschreckt von ihren Gespenstern; und verriegelt sich in ihren Gräbern. Wolte diesemnach GOtt! Holderich lebte! denn sodenn könte ich bey meinem Ehstande vergewissert seyn: daß mich Apame mehr als ihn liebte; Nun er aber todt / habe ich Ursache zu zweiffeln: ob sie ihn nicht für mir geheyrathet hätte. Bey solcher Ungewißheit kan ich nicht glücklich /noch meine Liebe vergnügt seyn. Apame versetzte: Wenn ich Holderichen geliebt hätte / was hätte mich denn bewogen selbst seine den Eltern beliebige Heyrath zu hintertreiben. Sadal begegnete ihr: Zweifelsfrey / weil sein darzwischen kommender Tod verhindert: daß ihre Liebe nicht so groß wachsen könte / als sie zur Ehe nöthig schien. Ich glaube es wol / und sehe es gut genung: daß mich Apame mehr als Holderichen / ja inbrünstiger als keine andere Frau ihren Ehmann liebt. Aber was hilft mich die Grösse ihrer Liebe / wenn ich nicht ihre Liebe einig und allein genossen habe. Wie wenig sie gleich Holderichen geliebt haben mag; so ist doch dardurch meine gantze Vergnügung zerrüttet; und die Sonne meines Glückes ist beschämt durch eine wiewol nur wäßrichte und verblichene Neben-Sonne. Apame seufzete nur / aber Sadal fuhr fort: Ich bekenne es Apame. Apame ist zwar an ihr selbst mehr / als sie für meiner Heyrath war; aber in meinen Augen ist sie nun viel weniger. Denn ich habe sie vorhin stets für eine Gebieterin über die Liebe angesehen / und die aus mir allererst das Erkäntnüs der Liebe geschöpft hätte. Daher ist meine Liebe nicht nur glücklich / sondern auch sieghaft gewest. Nunmehr aber reisset der todte Holderich ihr auf einmal den eingebildeten Siegs-Krantz vom Haupte / oder hat selbten vielmehr bald mit sich in das Grab genommen / und pranget darmit auf seinem faulenden Hirnschädel. Allein Apame / wo meine Liebe nicht auch das erstere vollends einbüssen soll; so offenbare sie mir doch vom Holderich vollends /was sie vielleicht noch vergessen / oder mit Fleiß verschwiegen hat. Vielleicht werden seine Verdienste und ihre Aufrichtigkeit meiner Verzweifelung noch eine Erleichterung schaffen. Apame brach ein: Ich habe von Holderichen der gantzen Welt nichts zu verschweigen gehabt / und ich weiß von ihm mehr nicht zu erzehlen / als daß ich ihn nicht geliebt habe. Hätte ich ihn geliebt; so hätte er es verdienet / und ich damit so wenig Laster begangen gehabt / als daß ich nunmehr Sadaln liebe. Diese Worte giengen Sadaln so tief zu Hertzen: daß er anfieng: O süsseste Erquickung! Allerliebste Apame. Aber ach! überrede mich doch dis so beständig: daß ich nimmermehr daran zweifele. [52] Verzeihe mir: daß ich dich ohne Schuld so peinige; und eigne mir durch diesen Glauben das Vermögen zu dich so / wie anfangs / zu lieben; ohne welches mein Leben eine unaufhörliche Qval und ein langer Tod seyn wird. Apame umbarmete und küssete ihren Ehgemahl mit einer so durchdringenden Anmuth: daß er zu glauben gezwungen ward: es könte dis aus keiner jemals getheilt-gewesener Liebe herrühren; und weil sie aufs neue betheuerte: Sie hätte ihr Lebtage niemanden als Sadaln geliebt / ward sein Gemüthe zimlich beruhigt. Er war kaum wieder alleine /da er auf sich selbst aufs ärgste verdrüßlich ward: daß er Apamen so vielmal an Holderichen zu gedencken gezwungen hatte. Bald darauf war ihm Apamens Betheuerung desthalben verdächtig: daß sie von seinem Thune so viel im Gedächtnüsse behalten hätte; welches von Leuten / auf die man nicht ein Auge hätte /zu geschehen ungewöhnlich wäre. Seine Vernunfft mühete sich zwar diesen neu-aufsteigenden Nebel des Argwohns unter sich zu drücken; aber die Eyversucht hatte schon ihre Bothmäßigkeit über ihn derogestalt befestigt: daß es zwar in seinem Wunsche / aber nicht mehr in seiner Gewalt stand vernünftig zu seyn. Bey solcher neuen Verwirrung spaan er bey Apamen sein altes Garn an; und als sie ihn ihrer und sein selbst doch einmal zu schonen mit vielen Thränen beschwur / ihn auch mit einer nichts minder annehmlichen / als durchdringenden Anmuth ersuchte: Er möchte doch die / welche ihm / und er ihr vorher die Schlüssel seines Hertzens eingeräumt hätte / itzt nicht schimpflich zur Thüre hinaus stossen; entschuldigte er seine Eyversucht / als eine Würckung seiner gegen ihr tragenden übermäßigen Liebe; welche sich mit der ihrigen so sehr vereinbart wünschte: daß sie keinem Frembdem einigen Keym / ja nicht einst die Schalen davon gönnete. Apame aber versetzte: Kleine Sorgfalten liessen sich darmit wol entschuldigen / oder beschönen; aber ein so langer und heftiger Argwohn könte aus nichts besserm / als aus einem vergällten Hertzen herrühren. Als wolte sie ihn nun zum letzten mal mit Thränen und bey der ihr geschwornen Liebe angefleht haben: Er möchte entweder ihrem Leben oder ihrem Kummer ein Ende machen; wo sie nicht selbst für sich vorzusorgen genöthigt seyn solte. Diese letzten Worte giengen Sadaln tieffer zu Hertzen / als keine vorher / sonderlich / da sie mit thränenden Augen zugleich aus dem Zimmer gieng. Daher beschloß er bey sich ehe alles euserste auszustehen / als durch fernere Erwehnung Holderichs / Apamen zu anderer Entschlüssung zu nöthigen. Alleine Sadal hatte sich durch seinen Verdacht derogestalt bezaubert: daß er nach Art der Basilisken Apamen nicht ohne sie mit dem Gifte seiner ausgelassenen Eyversucht zu beleidigen nicht sehen konte. Wie er nun wenig Tage darnach in dem Königlichen Lust-Garten an dem Flusse Hebrus sich unvernünfftiger / als jemals vorher bezeugte; und ihre Gedult nunmehr gantz ermüdet war; fieng sie an: Es ist beschwerlicher alle Tage ein Schlacht-Opfer der Eyversucht / als einmal des Todes seyn. Ich wil sterben! Sintemal der Tod nur ein dem Leibe dräuender Schwantz- / aber ein Leitstern der Seele; das Leben ein Irrlicht des Gemüthes / und eine Finsternüs der Vernunfft ist. Ich wil sterben! weil mein Leben Sadaln nur verdächtig / mir beschwerlich ist / und mit meinem Tode nichts minder mein Unvermögen straffen / meinem Ehgemahle seinen Irrthum zu benehmen / als meine Unschuld besiegeln. Hiermit sprang sie unversehens in den Fluß Hebrus. Zu allem Glücke aber war er daselbst [53] nicht allein seichte / sondern sie blieb auch mit dem Ermel an einem Eiben-Baume hencken; gleich als wenn dieser sonst mit seinem Schatten tödtende Baum die tugendhafte Apame zu erhalten begierig wäre. Daher denn Sadal anfangs aus allen Kräfften zu schreyen anfing; hernach aber Apamen selbst nachsprang / und sie aus dem Wasser zoh. Alle im Garten befindliche Höflinge / ja auch der ungefehr dahin kommende König Cotys lieffen diesem Geschrey zu / und fanden die halb-todte Apame viel Wasser aus Nase und Munde geben / Sadaln aber für Verzweifelung die Hände winden. Cotys / welcher glaubte: Apame wäre ungefähr ins Wasser gefallen /Sadal aber darüber so bestürtzt / befahl Apamen alsbald ins Zimmer zu tragen / und aufs beste zu pflegen / seinen bekümmerten Sohn aber tröstete er damit: daß es mit der noch lebenden Apame keine Noth haben würde. Sadal aber / nachdem er sich von den Anwesenden in einen schattichten Spatzier-Gang entfernet / antwortete: Je mehr sie lebet / ie mehr habe ich Ursache zu sterben / weil sie mich als ihren Todschläger nicht mehr wird für ihren Augen leiden können; ich aber als ihr Mörder meine Augen stets für ihr werde niederschlagen müssen. Cotys erschrack hierüber aufs heftigste / und fragte: ob ers glauben solte: daß sein Sohn seiner unschätzbaren Gemahlin Gewalt angethan hätte? Sadal fing an: Ach! leider allzu viel! Denn meine thörichte Eifersucht ist mit Apamen zeither grausamer als die rasenden Bacchen mit dem Orpheus in dieser Gegend umbgegangen / und hat sie den Wirbeln des Flusses Hebrus aufopfern wollen. Hierauf erzehlte er seinem Vater alles / was zeither zwischen ihm und Apamen vorgegangen war. Worbey er solche Wehmuth bezeugte: daß es schien: er hätte gerne sein Hertz aus der Brust gerissen / und darmit sich so wohl seiner innerlichen Pein / als seines Lasters entledigt. Daher Cotys für dißmal gegen einem ohne diß halb-verzweifelten mehr Gelindigkeit / als sein Verbrechen verdiente / fürkehren / und zu Beruhigung seines Gemüthes helffen muste. Als aber Apame sich erholet / und Sadal besänftiget war; führte er Sadaln in Apamens Zimmer / und fing an in ihrer Gegenwart ihm nicht als einem Reichs-Genossen /sondern als ein Vater seinem Sohne Einhalt zu thun; wie er den Göttern für das Geschencke einer Gemahlin / in welcher Schönheit und Tugend umbs Vorrecht kämpften / nie genung dancken / auch ihre Treue und Liebe mit der vollkommensten Gegenliebe nicht nach Verdienst vergelten könte. Wie die Eifersucht der giftigste Wurm der Seele wäre / welcher nicht nur wie die Raupen an den heilsamsten Baum-Blüthen / also sie an der reinesten Tugend nagte; und wie die Fliegen mit ihrem Kothe die reineste Unschuld beschmeißte; sondern wie die beherbergte Nattern ihren Wirth am unbarmhertzigsten peinigte. Sie verbländete die Vernunft; sie zerfleischte ihr eigenes Eingeweide /und stäche ihr das Mord-Eisen / wie jener verbitterte Römer / durch ihren eigenen Leib / nur ihren auf dem Halse habenden oder offt nur geträumten Feind zu beschädigen. Sie vergällte ihre allersüsseste Vergnügung / und verwandelte die inbrünstigste Liebe des treuesten Ehegatten in bitteren Haß. Denn die mit süsser Kost gespeiseten Nattern würden die giftigsten /und die Gramschafft die unversöhnlichste / welche vorher die Mich der Liebe geträncket hätte. Nachdem sich aber weder Apamens Tugend noch Liebe nach der gemeinen Richtschnur mässen liesse / hätte er zu ihr das feste Vertrauen: Sie würde alle Beleidigung gerne verschmertzen / wenn sie für künftiger sich versichert wissen würde. Apame / welcher das Wasser des Hebrus gleichsam alle Galle ausgelescht / und ihre Liebe aufs neue angezündet [54] hatte / gab ihren Beyfall nur mit heissen Thränen / und mit hertzlicher Umbarmung des Königs Sadals zu verstehen; welcher für ihr abermal auf die Knie fiel / und so wohl umb Vergebung seiner Beleidigung bat / als die Eifer-Sucht als seinen Tod-Feind zu meyden angelobte. Apame hob ihn auf / küßte ihn / und fing an: Der Mensch hätte über geschehene Dinge keine andere Bothmässigkeit; sie aber keinen andern Grundstein ihrer Wohlfarth / als die Vergessenheit. Würde Sadal so leicht an keinen ihm unbekandten Todten / als sie an das empfundene Leid gedencken / würde sie weder was zu beweinen / noch er zu bereuen haben. Ja sie könte nicht glauben: daß ihr Gemahl ihre Seele durch die höllische Eifer-Sucht so peinigen würde / wenn entweder seine Begierden / oder die Liebe selbst nicht blind wäre / daß sie ihre Hertzens-Angst sehen und zugleich fühlen könte. Hiermit ward Sadals Eifersucht auf eine Zeitlang wieder gedämpft / aber ihr Saame käumte doch in seinem Hertzen; gleich als wenn er so wenig ohne Argwohn / als die Spinnen ohne Gift leben könte. Die Furcht / sich Apamens gar zu berauben / verdrückte eine Zeitlang ihre Auslassung / wie der Frost die Regung der Schlangen; biß er endlich die sich täglich vermehrende Galle in seinem Hertzen nicht länger beherbergen konte; sondern seinen Vater Cotys rechtfertigte: Ob er denn nicht bey Unterhandlung seiner Heyrath zu Appiaria was von Apamens gegen dem Quadischen Fürsten tragender Zuneigung nichts gewisses erfahren hätte. Der hierüber unwillige Cotys antwortete ihm: Ich sehe wohl: daß deine Eifersucht gegen einem Todten dich nicht ehe vergehen wird / als biß du mit einem Lebenden zu eifern wirst Ursache haben. Hiermit ließ er Sadaln verwirret stehen; und weil er mit Apamen ein hertzliches Mitleiden hatte / suchte er durch die annehmlichste Unterhaltung ihr Sadals verdrüßliche Widerwertigkeit etlicher massen erträglich zu machen; welche ihrem Ehherren / ob schon seine Eifersucht nunmehr stu worden war / mehr denn zu viel ansahe: daß sein Gemüthe so ruhig nicht wäre / als er sich anstellte. Sadal nahm seines Vaters Beginnen für eine mit Fleiß angenommene Liebes-Anstellung an / durch welche er seiner Dräuung nach ihn gegen sich eifersüchtig machen wolte. Diesemnach kam er zu Apamen / als Cotys etliche Stunden mit ihr in einem Lusthause gespielet hatte / und fragte: Ob sie seines Vaters Vorschlag seine Eifersucht von Grund aus zu heilen billigte? Apame antwortete: Wolte GOtt! daß er ein so heilsames Mittel erfunden hätte; so wolte sie ihn über den Evesistratus und alle Aertzte der Welt erheben. Sadal versetzte: weil sie seinem Vorhaben so wohl einzustimmen wüste / könte ihr sein Anschlag nicht unbekandt seyn. Weil aber die Eifersucht gegen Lebende ein viel grimmiger Thier seyn solte / als die gegen Todte; bäthe er: Sie möchte ihn durch jene nicht unglücklicher machen / als er bey dieser gewest wäre. Apame betheuerte: Sie wüste hiervon das wenigste /und verstünde daher nichts weniger / als wohin seine Rede zielete. Sadal fing an: O ihr Götter! Ist denn ihre freundliche Gemeinschafft mit dem Könige Cotys nicht eine abgeredete Geberdung mich gegen ihm eifersüchtig zu machen? Apame antwortete: Gott behüte mich für diesen Gedancken! Ich habe von seiner Eifersucht mehr denn zu viel gelidten / da ich doch darzu keine Ursache gegeben; und ich solte nun mit Fleiß sie in ihm lebend zu machen mich anstellen. Weil es auch wider die Vernunft laufft mit seinem eigenen Vater zu eifern / kan ich mich nicht bereden lassen: daß er von ihm und mir dergleichen gemuthmaßt habe. Sadal hob an: So ist es denn wahr: daß Cotys nichts mit ihr abgeredet habe / und daß sie sich nicht mit Fleiß angestellet haben / mich eifersüchtig zu machen? [55] Mir zum minsten / sagte Apame / hat es nie geträumet. O unbarmhertziger Himmel! fing Sadal an zu ruffen. Hast du mich denn mit Fleiß zu dem unglückseligsten Liebhaber ausersehen? Muß denn auch mein eigener Vater in dem Hertzen meiner Gemahlin mehr Raum als ich finden? Hat Apame keinen andern als ihn mit ihrer Liebe zu betheilen gewüst / damit sie die väterliche Liebe und die eifersüchtige Rache in meiner Seele zu einem unversöhnlichen Kampfe aneinander hetze? Wolte GOtt! Holderich lebte / liebte /und würde geliebt; damit ich mit ihm / nicht mit meinem Vater eifern dörffte! Apame erblaßte über Sadals unvernünftiger Verstellung / und redete ihn an: Ich weiß nicht / was ich dencken / oder von meines Ehgemahls Verstellung urtheilen soll? Ich habe leider! wohl erfahren: daß die Eifersucht die Unschuld am grimmigsten verfolge / und sich an Entseelte reibe. Diß aber ist vielleicht noch unerhört: daß sie ihr eigenes Geblüte anhauche / und durch den Vater gleichsam mit sich selbst eifere. Nein! nein! Ich lasse mich diß nicht überreden: Es stecket ein ander Geheimnüß hierunter verborgen / wo es nicht nur soll ein Vorwand seyn seine Eifersucht mit dem Holderich nur wieder auf den Teppicht zu bringen. Sadal antwortete: Ich wil mich zwar mühen zu glauben: daß Apame meinen Vater nicht liebe; aber ich werde mir nicht ausreden lassen: daß er sie nicht liebe. Wo ich nun auch das erste nicht vollends für gewiß halten soll; so flehe ich sie umb unserer beyder Heiles willen wehmüthigst an / gegen meinem Vater sich anders als zeither zu geberden / und mich nicht vollends verzweifelnd zu machen. Apame versetzte: Nun sehe ich: daß Sadal entweder aller Vernunfft beraubt / oder mich biß in Tod zu kräncken vorhabens sey. Er hat vorher geeifert mit einem der Liebe unfähigen Todten / den ich auch im Leben nie geliebt; nun eifert er mit einem / dessen Liebe die Natur selbst einen Riegel fürgeschoben hat. Hält er seinen Vater für unnatürlicher / als den trunckenen Cyanippus / mich aber für boßhafter / als die im finstern geschwächte Cyane; welche ihren Vater mit den Haaren zum Rach-Opfer für das Altar des erzürnten Apollo schleppte? Mein Sadal / hat er noch einen Funcken Vernunfft / oder einer ehrlichen Liebe in seinem Hertzen; so höre er auf / mich also zu peinigen. Ich bin seine Gemahlin /nicht seine Sclavin; Cotys sein Vater / und nicht sein Nebenbuhler. Sadal begegnete ihr: Warlich: Cotys hat Apamen ehe gesehen und geliebet / als Sadal. Er hat /ehe sie Sadaln zu Gesichte kommen / alle Schönheiten gegen Apamen als geringe Schatten verschmähet /und geurtheilet: Wer Apamen gesehen / möchte ihm lassen die Augen ausstechen: daß sie nach ihr nichts unvollkommenes sehen. Welches sicher rauchende Reden oder vielmehr Entzuckungen eines lichter lohbrennenden Liebhabers sind. Ihre ihm bezeigte Freundligkeit hat auch etwas mehr an sich; als die einem Schwäher gebührende Ehrerbietung von einer Schnur heischet. Ich traue Apamen zwar keine Schwachheit / noch eine Veränderung ihrer mir gewiedmeten Liebe zu; Ich weiß auch allzu wohl: daß sie den König Cotys nicht liebet. Aber mein Hertz ist einmal so zart: daß es in dem Ihrigen so wenig die geringste fremde Regung / als mein Auge einen Sonnen-Staub vertragen kan. Ich schätze Apamen so hoch und höher / als die Aegienser ihr Bild des Heiles / welches niemand / als desselben Priester sehen darff. Apame ist meine einige Göttin; ich weiß von keinem andern Heile als von ihr / drumb wil ich auch alleine ihr Priester seyn. Apame ward hierüber biß in Tod betrübt /und hob an: Dieser Stich gehet mir und zugleich seinem Vater durchs Hertze. Grausamer Sohn / unbarmhertziger Gemahl! Ich sehe wohl: daß seine Gemüths-Kranckheit unheilbar / [56] und meine Verwundung tödtlich sey. Jedoch ich wil mein Unrecht gerne leiden; wenn ich nur dadurch zuwege bringen könte: daß mit seiner erst gegen mir angenommenen Liebe nicht zugleich die ihm von Natur eingepflantzte verschwinden möchte. Denn wie ich wohl versichert bin: daß dieser tugendhafte Fürst mich nicht in der Meynung: daß er mich wie die jenigen Africaner bezaubern wollen / die mit ihren Ruhm-Sprüchen schöne Bäume / fette Saaten / hurtige Pferde / annehmliche Kinder / feistes Vieh verderben / gelobt habe: Also ist es ein nicht geringes Laster nur gedencken: daß er seinem über alle Maaß geliebtem Sohne in seiner Vergnügung einigen Eintrag zu thun gemeynet habe. Hiermit ging Apame mit bethränten Wangen aus dem Zimmer / verschloß sich in ihr Schlaf-Gemach / warff sich auf ein Bette /und brachte etliche Tage und Nächte in der unruhigsten Einsamkeit zu; sonder daß sie einen einigen Menschen ausser einer mit sich aus Bastarnien gebrachten Edel-Frauen vor sich / sondern alle mit vorgeschützter Unpäßligkeit / welche denn auch sie wie insgemein alle Gemüths-Kranckheiten begleitete / abweisen ließ. Derogestalt konte auch selbst Cotys nicht vorkommen; ja als dieser endlich nach mehrmals verweigerter Einlassung unwillig ward / schrieb sie ihm einen Zettel dieses Innhalts: Sie wäre ihm / als ihrem grösten Wohlthäter nach ihrem Vater am meisten verbunden; aber sie würde ihm so denn mehr als ihrem Vater verpflichtet werden / wenn er seinen Augen sie nimmermehr zu sehen gebieten würde. Denn diesem hätte sie nur das Leben / auf den letztern Fall aber dem Könige Cotys die Erhaltung ihres guten Nahmens zu dancken. Cotys laß diesen Zettel wohl zehnmal / wuste aber diesem Rätzel keine Auslegung zu finden. Daher zeigte er selbten seinem Sohne Sadal /und verlangte von ihm so wohl die Auslegung / als die Ursache der von Apamen so sorgfältig angemaaßten Einsamkeit. Sadal erstaunete hierüber / und wolte zwar von der Ursache nichts wissen; aber sein Vater kennte ihn allzu wohl: daß er ihm nicht die Verschlüssung seines Gemüthes angemerckt haben solte. Daher nahm er ihm für alles äuserste zu versuchen: daß er mit Apamen sprechen möchte. Weil er nun in ihr Zimmer keinen Schlüssel finden konte / kurtz darauf auch erfuhr: daß Apame umb Mitternacht in einer tunckeln Mägde-Tracht in den Tempel der Diana sich geflüchtet hätte / war über der empfangenen Zuschrifft so viel bekümmerter; und Sadal / als er es erfuhr /wolte gar von Sinnen kommen. Daher ließ er zwar durch die Priesterin Apamen aufs beweglichste ersuchen: Sie möchte sich wieder in der Königlichen Burg einfinden / und sich mehr keiner Verdrüßligkeiten von ihm besorgen. Aber Apame ließ ihm keine andere Antwort wissen / als daß sie entschlossen wäre sich aus Andacht Dianen auf ihr Lebtage einzuweihen /umb ihrem liebsten Ehgemahl mehr keine Gemüths-Unruh zu verursachen. Dem Könige Cotys aber ließ sie sagen: Sie könte ihn ohne Störung ihrer Andacht und seiner väterlichen Andacht nicht mehr sehen. Als nun beyde durch der Priesterin öftere Bothschafft nichts mehrers ausrichteten / wolte so wohl Cotys als Sadal selbst mit ihr sprechen. Der Eingang des Tempels aber ward ihnen so wohl als allen weltlichen Männern verwehret; und Apame nicht zu erbitten: daß sie sich aus der Sicherheit des Tempels begeben hätte. Nachdem aber Sadal sie bey ihrer geschwornen Treue / und mit verzweifelter Bedräuung sich selbst hinzurichten beschwur: Sie möchte sich ihn nur noch einmal sehen lassen; willigte sie endlich darein: daß sie in dem Vor-Gemache des Tempels durch das ertztene Gegitter hören / und von ihm den letzten Abschied nehmen wolte. Cotys konte diß aber nicht erbitten /ungeachtet er durch seinen Sohn Cotys / welcher [57] allein als oberster Priester die Schlüssel zum Heiligthum hatte / darumb die eifrigste Ansuchung that. Welches ihm das Geheimnüß so viel verdächtiger /ihn aber es zu erforschen desto begieriger machte. Sadal kam also auf besti te Zeit dahin mit erblaßtem Antlitze / starrenden Augen / und zitternden Gliedern; also daß er kaum mit halbgebrochenen Worten seine Bitte für den Kercker dieser Einsamkeit die Burg und sein Ehbette zu erkiesen fürtragen konte. Er küssete hierbey das Gegitter / wo Apame die Hand hingelegt hatte / seine eigene Augen mühte er sich gleichsam in einer See-voll Thränen zu ersäuffen; ja er geberdete sich so erbärmlich: daß Apamens Hertz wehmüthig /und ihre Augen wäßricht wurden; ob sie ihr gleich eine harte Unempfindligkeit zu zeigen ihr feste fürgenommen hatte. Sie fing aber an: Liebster Sadal; glaube: daß du der einige Mensch seyst / den ich iemals geliebet habe; und daß ich keinen mehr nach dir lieben werde; nachdem ich leider! zu spat gelernet: Man könne keinen Mann lieben ohne unglücklich zu seyn. Gleichwohl aber werde ich dich noch so lange lieben /als ich lebe; wenn du gegen mich gleich noch unvernünftiger oder auch grausamer gewesen wärest. Hätte ich auch nicht erfahren: daß du ungeneßlich / und dein eigener Vater deiner Eifersucht zu entfliehen unfähig wäre; würde ich noch alles vergangene vergessen /und so wenig mich dein als meines Lebens entschlagen. So aber weiß ich: daß der / welcher sich und mich zu quälen nicht hat aufhören können / über dem / was nie was gewest ist; auch sich über etwas noch viel mehr quälen werde / was niemals seyn wird /nemlich: daß ich iemand andern liebe. Denn wer kan ausser Verdacht bleiben / wenn man den Vater in Argwohn zeucht? Glaube mir: daß dein und kein Schmertz grösser seyn kan / als der meinige; indem ich mich von dem trennen muß / den ich allein und über alles liebe. Denn deine Liebe kan meiner nicht die Wage halten / weil ihre Eifersucht den Kern / und Argwohn die Schwerde benommen hat. Als ich dich heyrathete / meynte ich: Ich könte ohnmöglich ohne dich leben; nunmehr aber hat Zeit und Vernunfft mich gelehret: daß es mit dir zu leben eine Schande / und dein Tod sey. Daher habe ich dieses Heiligthum mehr dir zu Liebe als mir zum besten erkieset. Erkiese dir nach den Thracischen Gesetzen eine andere Gemahlin; welche / wenn sie nach meinem Wuntsche wäre /dich so sehr / als mich diese Einsamkeit vergnügen werde. Glaube / Sadal: daß ich dein nimmermehr vergessen / wohl aber die Götter täglich anruffen werde: daß sie dir so wohl von nun an mein Gedächtnüß aus dem Sinne / als die Wurtzel der Eiversucht aus dem Hertzen nehmen wollen. Bey diesen letzten Worten bückte sie sich / küssete Sadals an das Gegitter gelehnete Hand / zohe sich damit zurücke / und ließ sich gar nicht mehr sehen. Sadal / nach dem er etliche mal Apamens Nahmen vergebens geruffen / fiel ohnmächtig zu Bodem. König Cotys / welchen der nichts wenigers als eine gegen den Vater gefaßte Eiversucht am Sadal vermuthende Hoher-Priester in einem Neben-Gemache / derer in dem Vorhofe des Tempels wohnenden Dianischen Priester nebst sich verborgen hatte / hätte bey Anhörung eines so bösen Verdachts für Ungeduld bersten mögen / wäre auch / wenn ihn der Priester nicht zurück gehalten / sonder Zweifel auf Sadaln gewaltsam loß gebrochen. Als er ihn aber für todt zu Bodem fallen sah / und vom Schlage gerührt zu seyn meynte / brach die väterliche Liebe sein Hertze: daß er heraus sprang / und über den am Boden liegenden Sadal fiel / auf dieser vermeynten Leiche aber selbst eine wahrhafte ward. Denn als der jüngere Cotys aus Bestürtzung umb Hülffe ruffte / und etliche Priester Vater und Sohn rieben und kühlten / brachten sie zwar [58] König Sadaln wieder zu rechte und zu sich selbst / Cotys aber ward stein-todt befunden. Also tödtet sich der Mensch mit seinen eigenen Waffen. Unser Leib trägt uns mehr zu Grabe / als er uns beherbergt; ja unser eigen Grab wird in uns täglich mehr lebendig. Sadal / ob er gleich wegen Apamens gantz ausser sich selbst / und sein Hertze schier zu einem nichts mehr fühlenden Steine worden war; ward doch durch eine gantz neue Empfindligkeit gerühret / sein Haupt aber nichts minder verwirret / als er seinen Vater todt für seinen Füssen liegen sah. Nach einem langen Stillschweigen und starrem Anschauen fragte er: Wie sein Vater dahin kommen / und welcher Gestalt er gestorben wäre? Der auf Sadaln so wohl seines Vaters als Apamens wegen erzürnte Bruder fuhr im Eifer heraus: Seine väterliche Liebe hat ihn hieher gebracht / und seines Sohnes gegen ihn geschöpfte Eiversucht hat ihn getödtet. O ihr Götter! fing Sadal an; bin ich einer so abscheulichen Missethat schuldig? Denn es kan kein ärger Verbrechen seyn / als den des Lebens berauben / dem man sein eigenes zu dancken hat. Aber wie und von wem hat es mein Vater erfahren: daß ich seinetwegen mit Apamen geeifert habe? Aus Apamens eigenem Munde / versetzte der Priester Cotys. Sadal ward hierüber gleichsam wütend / und fing an: Untreue Apame! ist es nicht genung gewest: daß du dich mir geraubet? Hast du auch mir meines Vaters Hold und Segen / und ihm sein Leben nehmen müssen. Unbarmhertzige Apame! Deine Grausamkeit gewinnet der Lays ab / weil diese in dem Tempel der Venus nur mit Opferung etlicher eiversüchtiger Weiber / du aber mit deines Ehgemahls leiblichem Vater deine Rache ausgeübet hast. Cotys aber versicherte ihn in Meynung ihn zu besänftigen: daß Apame von der Anwesenheit des ihrem Gespräche zuhörenden Königs Cotys nichts gewüst; also die minste Schuld hätte. So hat ihn niemand als du / sagte Sadal / allhier verbergen / und dieses Unheil stiften können. Hiermit grief er nach dem Degen / und that nach seinem Bruder einen heftigen Stoß / der ihm aber aussprang / und sich in innern Tempel rettete. Sadal hingegen wütete und tobte / leschte auch etlichen seiner Trabanten /die ihm zum ersten in Wurff kamen / das Licht aus. Weil nun ihm sich ferner niemand zu nähern traute /muste endlich die alte Königin Sadals Mutter dahin kommen / und mehr ihren rasenden Sohn zu beruhigen / als ihren todten Ehherren zu beweinen bedacht seyn. Diese brachte Sadaln zwar in die Burg / aber nicht zur Ruh. Denn er wolte Apamen wieder / und seinen Bruder todt haben. Er hätte auch noch selbige Nacht den Tempel erbrechen lassen; weñ nicht seine Mutter ihm die aus Entweihung des Heiligthums besorgliche Gefahr für Augen gestellt / und Apamen auf bessere Gedancken zu bringen versprochen hätte. Sie verfügte sich mit diesem Vorsatze auch bald folgenden Morgen in Tempel; alleine die alle äuserste Versuchungen besorgende Apame hatte ihr schon vorhergehende Nacht / weil zumal der zu der Einweihung nur verstattete Jenner folgenden Tag sich endigte /von der ältesten Priesterin die Haare abschneiden /einen weissen Rock anziehen / und aus dem eys-kalten Wasser des in Thracien heiligen Flusses Hebrus /weil kein warmes Wasser zu Einsegnungen taug /baden lassen; und sie umbarmte gleich auf dem Altare der Dianen Bild / welches vom Praxiteles eben wie das bey Anticyra gemacht war / und in der rechten Hand eine Fackel / auf dem Rücken einen Bogen / auf der lincken Seite einen Hund hatte / mit welchem sie der oberste Priester Cotys als mit einem neuen Ehgemahl verlobte; als die Königin in Tempel trat. Dieser Anblick beschied die Königin alsbald für sich [59] selbst: daß ihre Bemühung vergebens seyn würde. Denn ob zwar in dem Heiligthume Dianens zu Aegira und in unterschiedenen andern die eingeweyheten Jungfrauen eben so / als wie die Priesterinnen des Neptun in Calaurea heyrathen mögen; ja zu Athen selten eine Jungfrau heyrathet / welche nicht vorher Dianen geweihet worden; so ist doch dis in dieser Orestischen Diane Tempel nicht verstattet. Sintemal darinnen die Priesterinnen eben so / wie in dem Arcadischen Tempel der Hymnischen Diana / und in dem Achäischen Heiligthume der Erde / Frauen seyn müssen / welche nur einmal geheyrathet haben / und nach der Zeit Lebenslang der Keuschheit ergeben seyn müssen. Die Königin erschrack hierüber aufs heftigste / und ob sie wohl wuste: daß sie nur ihre Worte verlieren würde / brachte sie ihr und Sadals Anliegen doch bey Apamen und denen Priesterinnen für / stellte ihnen auch die besorgliche Gewaltthat des verzweifelten Sadals für Augen. Aber Apame hatte taube Ohren / und der hohe Priester Cotys fertigte seine Mutter selbst mit fürgeschützter unmöglichen Widerruffung des Gelübdes ab. Also kam die Königin traurig zurücke / welcher Sadal mit äuserster Ungeduld wartete / und mit Ungestüm ihrer Verrichtung Ausschlag abfragte. Sie verblümte zwar selbte so gut sie konte / und meynte mit Hülffe der die Flammen der Liebe und Rache verdampfenden Zeit ihren Sohn zu glimpflicher Entschlüssung zu bringen. Aber seine Raserey nahm mehr zu als ab / und muste sie ihm nur endlich die wahre Beschaffenheit der verlobten Apame bekennen. Sadal ward hierüber aufs neue gantz unsinnig; nahm daher seine Leibwache und Getreuesten / verfügte sich für den Tempel der Diana / baute daselbst ein Altar von Rasen auf / ließ hundert Katzen dahin bringen / selbte entmannen und ausschneiden / schwur auch über ihren Geilen: Würden die Priesterinnen nicht Apamen ihres Gelübden entlassen / und ihm /dem sie das erste Gelübde gethan hätte / vorenthalten / wolte er Apamen mit Gewalt nehmen / von allen andern kein Gebeine davon kommen lassen / den Tempel einäschern / und die hundert eingesaltzene Katzen gleichsam zu Hohne der Diana selbsthin begraben; weil sie sich bey ihrer Flucht für dem Typhon in eine Katze verwandelt haben soll / und daher auch in Katzen-Gestalt / wie Pan und Bacchus als ein Bock / Jupiter als ein Wider / Mercur als ein Hund / Apollo als ein Habicht / Vulcan als ein Ochse / Latona als eine Maus / Mars und Venus als Fische von den Egyptiern verehret werden. Diese seltzame Verschwerungs-Art jagte denen Geistlichen kein geringes Schrecken ein /weil sie die älteste und verbindlichste ist. Massen schon Tindareus / als er Helenens wegen von unzehlbaren Buhlern nicht weniger bedräut als gebeten ward / in aller Anwesenheit über eines ausgeschnittenen Pferdes Geilen sich verschwor das Unrecht gegen die mit ihrem Blute zu rächen / welche seiner Tochter künftige Hochzeit zu stören sich würden gelüsten lassen. Diese Priesterinnen hielten anfangs Sadaln bescheidentlich ein: daß die Entweihung Apamens nicht in ihrer / des Heiligthums zwar in des Königes Gewalt stünde; aber er solte bedencken: daß ihre Diana / welche den in ihrẽ Hymnischen Tempel Arcadiens eine Priesterin schwächenden Aristocrates mit seinem gantzen Stamme ausgerottet / und von dem Hause des Cypselus die Arcadische Herrschafft weggenommen hätte / in Thracien noch so mächtig zur Rache wäre. Alleine Sadal verstopfte seine Ohren wie eine Schlange / und sahe weniger als ein Maulwurf. Denn Zorn und Brunst haben [60] zwar viel Feuer /aber wenig Licht. Sie entzünden beyde zwar die Augen / aber nur umb sie zu verbländen / und die aus ihnen schüssenden Strahlen stecken wol schädliche Feuers-Brünste an / aber sie verfinstern die Vernunft /und äschern ihre eigene Wolfahrt ein. Nicht anders gieng es Sadaln; welcher nunmehr den Tempel zu erbrechen befahl / und zu dessen Anzündung mehr als tausend lodernde Fackeln fertig hatte. Als die oberste Pristerin die Gewalt sah / öfnete sie selbst den Tempel und trat an den Eingang / fiel für dem mit einer brennenden Fackel voran rennenden König nieder /und bat: Er möchte der Götter und seiner schonen /wenn die Pristerinnen es nicht verdienten. Sein Grimm würde auch ohne einige Frucht seyn; denn er möchte glaubhafte Frauen alle Winckel des Tempels durchsuchen lassen / so würde er Apamen nicht mehr finden. Sadal nam diesen Vorschlag an; und als Apame nirgends zu finden war / fragte er: wo sie denn hinkommen wäre? Nach dem der Diana gewiedmeten Frauen mehr keine ungeweihete Schwelle betreten /oder sich mit andern Leuten gemein machen dörfften. Die Priesterin / welche bey Verlust ihres Lebens nicht wissentlich lügen darf / sagte endlich / als er mit einem Dräuen darauf drang / die Warheit: Der hohe Priester Cotys hätte Apamen aus befürchteter Gewalt ihrer Sicherheit halber nebst zweyen Priesteriñen /wiewol sie schwer daran kommen wäre / mit sich in den grossen Tempel des Bacchus genommen. Sadal ward hierüber wütender als niemals vorher. Denn die ihn wieder befallende Eyversucht stellte ihm nunmehr seinen Bruder nicht als einen heiligen Priester / sondern als einen Neben-Buhler für. Sie beredete ihn: daß Apame nicht aus Andacht / sondern umb die Begierden des hohen Priesters zu vergnügen sich hätte einweihen / und sich mit ihm in Tempel versperren lassen. Daher war er nicht abwendig zu machen Apamen mit Gewalt / es koste was es koste / aus dem Tempel des Bacchus zu holen / und gegen seinen Bruder Rache zu üben; ungeachtet ihm die unversehrliche Heiligkeit / und die Festigkeit desselbten nebst dem Ubel / was aus Bestürmung dieses Heiligthums erwachsen könte / beweglich fürgehalten ward. Denn dieser zwey Stadien im Umbkreise habender Tempel liegt an einem vortheilhaften Orte / nemlich an der Spitze / wo der Fluß Hebrus und Taxus zusammen fliessen / ist mit drey steinernen Mauern und vielen Thürmen umbgeben / mit drey-hundert Priestern /fünf-hundert Bacchen / tausend Opfer-Knechten / und so viel Tempel-Hüttern bewohnet; auch als eine der besten Thracischen Festungen mit einem vollen Zeughause versorget. Er hat mehr nicht als gegen Morgen über den Fluß Hebrus einen Eingang auf einer langen Brücke durch drey Ertztene Thore. Seine gröste Festigkeit aber bestehet darinnen: daß die Thracier diesen Tempel für eine wesentliche Wohnung GOttes /und für den heiligsten Ort der Welt halten. Das innerste Heiligthum des Tempels / in welchem das aus Gold gegossene Bild des Bacchus mit ringlicht-gekrauseten Haaren und einem Reben-Krantze umbs Haupt in einem goldgestückten Bette liegt / und darein nur der hohe Priester im Frühlinge bey dem grossen Feyer mit eines geopferten Bockes Blute eingehen darf / soll Orpheus / oder anderer Meinung nach /Narcäus des Bacchus und Physcoa Sohn / welche zwey diesem Gotte zum ersten in Europa geopfert /noch gebauet haben. Bey selbigem Feyer bestreicht der hohe Priester mit dem hinein getragenen Blute des Bacchus Lippen / hernach bringt er es um Mitternacht in einer verschlossenen Kiste heraus in das mitlere Heiligthum / darein die Priester und der König nur kommen / tauchet [61] selbtes in eine ertztene Wanne / in das von tausend geopferten Böcken darein gegossene Blut / hernach tragen die aus dem fürnehmsten Adel erkieseten / mit gewissen aus Wein-Blättern / Epheu und Weitzen-Aeren geflochtenen Kräntzen geputzte /und / weil sie für der Wolle / als etwas Viehischem /für der Seide / als einem Wurm-Gespinste Abscheu tragen / in weisse Leinwand gekleidete Prister baar-füßig diese Kiste in das euserste Heiligthum zu dem Volcke / welches mit dem davon trieffenden Blute sich beschmieret / und dadurch sich seiner Sünden zu befreyen vermeinet. Von dar steigen die Priester damit in den Fluß Hebrus / und waschen darinnen die blutige Kiste und das verborgene Bild ab. Das Volck aber wathet in solchen Strom umb durch sein hierdurch geheiligtes Wasser ebenfals gereinigt zu werden. Diese heilige Kiste mit dem Bilde des Bacchus soll bey Zerstörung der Stadt Troja dem Eurypylus zu theile / er auch bey Anschauung des eröfneten Bacchus rasend /hernach von ihm nach Aroe in Achaien gebracht / und hiermit das wegen der vom Melanippus im Tempel der Triclarischen Diana geschändeten Pristerin Comätho eingeführte blutige Menschen-Opfer abgethan worden seyn. Dieses Bild aber hat hernach König Sothymus aus Griechenland nach Oresta bracht. Uber dis befindet sich in diesem Orestischen Tempel das uhr-alte Wahrsager-Bild des Bacchus / welches wegen vieler / und insonderheit der denen Libethriern ertheilte Weissagung hochberühmt ist: daß nemlich /wenn die Sonne die vergrabenen Gebeine des Orpheus bescheinen würde / ihrer Stadt von einer Sau der Untergang zuhienge / welches hernach durch Ergießung einer so genennten Bach erfolgte. Alleine weder diese Heiligthümer / noch des Volckes Schwierigkeit vermochten Sadaln abzuhalten: daß er nicht mit seiner Kriegs-Macht diesen Tempel belägerte. Massen er deñ denen ihm Einredenden begegnete: Seiner Gemahlin Einweihung wäre entweder ein Getichte / oder eine blosse Scheinheiligkeit / und ein Firns / damit ihre und seines Bruders geheime Zuhaltung beschönet würde. Durch diese hätte er den Tempel entweihet / sonderlich / weil Cotys vorhin schon vermählet / als ein Priester aber noch eine Frau / am wenigsten welche nicht mehr Jungfrau / zu heyrathen; ja nicht einst seine eigene Gemahlin im Beschlusse des Tempels zu erkennen berechtigt wäre. Daher solten alle treue und andächtige Unterthanen ihm diesen ärgerlichen Greuel abthun / und mit des unheiligen Cotys Blute den besudelten Tempel reinigen helffen. So schwartze Tinte der Verläumbdung brauchet Brunst und Rache wider die Tugend und Unschuld. Denn weil diese jenen durch ihren Kapzaum weh thun / wollen jene sich an diesen wieder rächen / und an ihrer blutigen Aufopferung erholen. Apame und Cotys baten zwar und führten für ihre Beschirmung unwiederlegliche Gründe / und das der wegen Verletzung der Bittenden versunckenen Stadt Helice / wie auch anderer desthalben von den gerechten Göttern ernstlich bestrafter Unbarmhertzigen Beyspiele an; aber beym Gethöne der Waffen höret man kein ander Gesätze / als daß der Mächtigere / welcher bey seinem grösten Unrechte allezeit recht behält / dem Schwächern fürschreibt. Wie nun bey Sadaln nichts glimpfliches verfieng / sondern der König sich zum Sturme bereitete / stieg Cotys mit der Kiste des verschlossenen Bacchus-Bildes auf die Zinnen des Thurmes /dräuete selbte zu eröfnen / und durch Zeigung solchen Gottes alle Stürmende / ja den König selbst / wie den Eurypylus rasend zu machen. Diese Dräuung machte das Krieges-Volck wol stutzig; Sadaln aber nur verbitterter / dessen Vernunft seine ungezähmte Begierden / oder die zornigen Götter vielleicht selbst verwirret hatten. [62] Daher säuffte er seine Kriegs-Leute mit dem stärcksten Weine voll / welcher so wol das Gemüthe als die Augen blendet / und machte alles auf nechst-folgenden Tag zum Sturme fertig. Apamen stieg dieses tief zu Hertzen; ja die Seele blutete ihr /als sie das bevorstehende Blut-Bad vor Augen sahe /und dessen unschuldige Verursacherin seyn solte. Daher verfügte sie sich für das in dem Vorhofe stehende Altar der Sotirischen Diana; und nach dem sie für selbtem das meiste Theil der Nacht auf ihrem Antlitze mit Andacht zugebracht hatte / verfügte sie sich /als es tagte / da der Sturm gleich angehen solte / auf einen hohen aber wegen seiner Zerstossung von den Belägerten schon verlassenen Thurm der eusersten Mauer / schoß von selbtem einen Pfeil mit einem darein gesteckten Briefe gegen die Belägerer / hernach stieß sie ihr selbst einen Dolch in die Brust / und stürtzte sich über die Zinnen auf die von den Sturm-Böcken herabgestossene Steine: daß fast alle Glieder zerschmettert wurden / und so Gehirne als Blut an selbten kleben blieb. In dem Tempel ward dieses Trauer-Falls kein Mensch / von außen aber etliche tausend Thracier / ja der den Sturm anordnende König selbst gewahr / welchem zwar alsbald selbst nichts gutes ahnte / von dem ihm gebrachten Pfeile den Brief loß machte / und darinnen mit Schrecken und ihm zu Berge stehenden Haaren folgende Worte laaß: Ich wundere mich nicht / Sadal: daß du mir / als ich noch deine Gemahlin war / das Hertz auffrassest / da du nunmehr wie Typhon den Göttern selbst Krieg anbeutest. Ich bin eine geweihete der Diana; also habe ich aufgehöret deine Ehfrau / ja du mein Liebhaber zu seyn. Denn deine Waffen sind Werckzeuge des Todes / nicht der Liebe. Warumb eiferst du denn? Was hast du für Anlaß oder Vortheil davon: daß du meine dir bewuste Unschuld / und deines Bruders Mitleiden über mein Elend der gantzen Welt für Untreu und Blutschande verkauffst? Alleine Brunst und Eyversucht haben keine andere Zunge / als welche von Gifte der Verläumbdung / und von Galle der Lästerung treufft. Ihre Zähne nagen so wol an anderer guten Nahmen / als an ihrer Tugend; und gebähren wie die Bisse toller Hunde in den Wunden stinckende Würmer. Ihr Feuer ist mit keinen Thränen / wie das Naphta mit keinem Wasser / sondern nur wie der Blitz mit Milche / also der kalte Brand der Eyversucht nur mit Blute zu leschen. Ist es dir nun darumb zu thun gewest / warumb hat man mir denn vorhin zu sterben verwehret? Warumb wilst du etliche tausend derer /mit denen du nicht eyverst / allhier auf die Schlacht-Banck liefern? Die erzürntesten Götter sättigen sich mit eines Menschen Opferung; und / als die Callirhoe durch verschmähete Liebe des Priesters Coresus den Bacchus unversöhnlich beleidigt hatte / forderte er mehr nicht / als die Hand-voll ihres Blutes. Ja Bacchus hätte sich an des sich für sie aus Liebe tödtenden Coresus-Opfer vergnüget / wenn nicht Callirhoe selbst aus Erbarmnüs mit einem so treuen Liebhaber zu sterben erwehlt hätte. Du aber verlangst die Nahrung deiner Begierden nicht nur an meinen / sondern deines unschuldigen Bruders / ja aus so vieler tausend Menschen Adern zu saugen? Kanst du nun wol grausamere Gramschafft wider mich ausüben / Sadal / als daß du mir das Leben so sauer / meinen Tod aber Thracien so empfindlich / mein Gedächtnüs der Welt so verhaßt machst? Gleichwol aber wil ich zum letzten mal deinen und viel tausend Augen zeigen: daß dein Verdacht ein Wahn / deine Liebe ein Irrwisch gewesen; daß ich im Leben dich allein geliebt habe /und dir zu Liebe gerne sterbe / und derogestalt im Lieben ein Phönix gewest / im willigen Tode ein Schwan sey. Sadal laß kein Wort dieses Briefes ohne Hertzklopfen; die letztern ihn ihres Todes versichernden [63] aber warffen ihn als ein Donnerschlag zu Bodem. Als er mit grosser Müh durch kräfftige Mittel wieder Verstand und Sprache bekam / hatte sich aller vorige Grimm in die erbärmlichste Wehmuth verwandelt. Er bejammerte mit Thränen und verbrochenen Worten bald den unersetzlichen Verlust Apamens / bald seine Grausamkeit / am meisten aber die Zärtligkeit ihrer Liebe / welche sein Verbrechen an ihrem eigenen Leibe gestrafft hätte. Daher befahl er auch gegen dem Tempel ein weisses Friedens-Zeichen aufzustecken; und als man dergleichen auf einem Thurme desselbten erkiesete / erhob sich König Sadal an den Ort / wohin sich ein Frauen-Zimmer abgestürtzt hatte. Wie er nun / daß es Apame wahrhaftig wäre / erkiesete / fiel er über ihren zerschmetterten Leib / und ward darüber durch Ohnmacht so unempfindlich / als Apamens Leiche. Länger als eine Stunde sahe man an ihm kein Leben / und als es endlich nach vielen Bemühungen wieder kam / zohe er ihr den noch zwischen den Brüsten steckenden Dolch heraus / und hätte / wenn nicht die Seinigen bald den Arm erwischt und zurück gehalten / selbten ihm eben so tief ins Hertz gestochen. Hernach umbarmte und küßte er unaufhörlich nicht nur diese seine entseelte Gemahlin; sondern leckte auch ihr verspritztes Blut von den Steinen auf / bis er aufs neue in Ohnmacht sanck. Daher man so wol ihn in die Burg zu tragen / als der Königin Leiche aufzuheben und zu verwahren nöthig befand. Uber dieser Begebnüs ward der Prister Cotys / und die im Tempel allererst mit grossem Leidwesen Apamens erbärmliches Ende gewahr. Daher schickte Cotys an seinen Bruder Sadal / ließ sein Mitleiden über Apamens Tod beweglichst fürtragen / seine Unschuld verführen und umb Brüderliche Vereinbarung Ansuchung thun. Aber einmal vergälleter Gemüther Eßig-Geschmack läst sich durch keinen Zucker der Besänfftigung süsse machen; Und es soll eine eben so kluge Erfindung sich von eigener Vergehung weiß zu breñen seyn /weñ man seine Schuld einem andern aufschultert / als eine Rechtfertigung des Zornes / wenn man ihn nicht bald fahren läßt. Daher schalt er ihn / den Urheber alles Unheils / und einen Mörder seiner ihm entführten Gemahlin; ließ auch ihm mit Bedräuung euserster Zwangs-Mittel die Aufsperrung des Tempels anbefehlen / auch bey erfolgter Verweigerung eine Blut-Fahn aufstecken / und noch selbigen Tag einen Sturm anlauffen; welcher aber von den einigen Bacchen mit grosser Hertzhaftigkeit und Verlust des Königlichen Kriegs-Volckes abgeschlagen ward. Denn diese Weiber waren theils durch den ihnen beygebrachten unreinen Maah-Safft / theils durch ihre gegen Sadaln gefaßte Verbitterung gleichsam außer sich gesetzt / und so wütende / als da sie mit dem Bacchus wider die Argiver gefochten / oder da sie den Pentheus zerrissen. Weil nun nichts so sehr als Aberglaube Augen und Vernunfft zu blenden vermag / überredeten sich die Thracier selbst: Bacchus hätte diese rasenden Weiber begeistert / und sie mit einer mehr als Menschlichen Hertzhaftigkeit ausgerüstet. Ja / weil die Furcht leichtgläubig ist / und ihr selbst Feinde ertichtet / wolten einige den Gott Bacchus selbst mit seinen in Gemsen-Häute gekleideten Silenen auf der Mauer flechtende gesehen haben. Daher konte Sadal weder durch Bitte noch Dräuen sein Kriegs-Volck zum andern Sturme bereden; die Bürgerschafft in Oresta ward auch schwürig / und die allereifrigsten Verehrer des Bacchus die Beßischen Thracier machten einen öffentlichen Aufstand / überfielen und erwürgten den Königlichen Stadthalter in Philippopolis / und kamen mit einer starcken Heeres-Krafft gegen Oresta angezogen / schlugen auch ihr Läger zwischen dem Flusse Hebrus und Artiscus. Sadal / welcher den Funcken dieses Bürgerlichen Krieges durch einen geschwinden [64] Uberfall hätte ausleschen können / ließ durch Verachtung oder Fahrläßigkeit ihn zu einem grossen Feuer werden. Denn da es anfangs leichte gewest wäre die anfangs schwachen Bessen mit zehn-tausend Kriegs-Leuten / die Sadal in Oresta leicht entbehren konte / zu erdrücken / ließ selbte sich verschantzen und auf zwantzig-tausend verstärcken; in der süssen Einbildung: es würde dieses Land-Volck in Mangel des Soldes und erfahrner Heerführer sich so geschwinde wieder verlauffen / als es sich zusammen gerottet hätte. Da ihm doch seine Räthe vernünftig einhielten: daß man in denselben Fällen / wo es umb Erwerbung oder Verlust der Herrschafft zu thun wäre / insonderheit bey Aufwickelungen / keine Augenblicke verspielen müste / und hernach ewige Reue zu haben. In denen zu ihrer Vollkommenheit gediegenen Sachen könte man etwas der Zeit heimstellen / und auf ihre Veralterung oder Verschwindung warten. Wenn man aber zu wachsen anfangenden Sachen Lufft liesse / wüchsen sie einem unter den Händen /und wäre zwischen ihrem Anfange und vollkommener Grösse ein kaum unterscheidlicher Unterschied; hingegen aber die Geschwindigkeit das heilsamste Mittel / die Zeit aber ein ärgerer Feind / als der Feind selbst. Denn der Strom eines Ubels liesse sich bey seinem Ursprunge überschreiten / oder wenigstens durchwaten; dessen Tieffe und Breite hernach grossen Schiffen und Schiffern zu schaffen machte. Insonderheit aber müste man mit dem gemeinen Volcke / wenn es sich empörte / nicht lange Worte wechseln / sondern ehe darauf schlagen als dräuen. Denn der Pöfel hält mehr von hurtigen Armen / als vielem Gehirne / läßt sich also eher zu was zwingen als bereden. Hingegen spielte Cotys und die Bessen es durch fürgebildete Andacht so künstlich: daß mehr als die Helffte des Kriegs-Volckes von Sadaln / als einem Verächter der Götter theils zu dem Cotys / theils zu den Bessen abfielen; welche diesen für ihren König im Lager ausruffen liessen. Sadal kam hierüber derogestalt ins Gedrange: daß er nicht nur die Belägerung des Tempels aufheben / sondern sich in aller Stille des Nachts auf zwantzig Schiffen den Fluß Hebrus hinab nach Zernis flüchten muste. Cotys ließ ihm in Oresta die Königliche Krone aufsetzen / und vermählte derogestalt durch eine besondere Staats-Klugkeit Purper und Infel mit einander. Sein erstes Werck war: daß er theils Sadaln zu beschämen / theils des Volckes Gewogenheit zu erwerben die Schatzungen minderte / Sadals Fehler durch eigene Tugend und Klugheit / welches die beste Mängel-Ausstellung ist / verbesserte / und der höchst-beliebten Königin Apame zu Ehren neben den Tempel des Bacchus an dem Orte ihrer Entleibung aus Marmel ein köstliches Grabmahl aufrichtete / und ihren eingebalsamten Leib in einen ertztenen Sarch mit daran geetzten Worten verwahrte: Das Behältnüs der Uberbleibung von Apamen der schönsten Frau / der keuschesten Ehgattin / der vernünftigsten Königin / der reinesten Priesterin; welche die Verläumbdung vergebens heßlich / die Eyversucht geil / der Kummer verwirrt / und zwar ihr Ehmann unglücklich / die Tugend aber zur Göttin gemacht hat.

Dieses trug sich zu / als Cajus Norbanus und Decidius Saxa / des Antonius Feldhauptleute Macedonien bemeisterten. Weil nun Sadal mit eigenen Kräfften nicht getraute seinen Bruder Cotys und die Bessen zu demüthigen / hieng er sich an Norban und Saxa / öfnete selbten die Pforten Thraciens über den Fluß Strymon und Ganga / mit versprechen: daß er nach überwältigten Aufrührern mit [65] gantzer Macht dem Käyser beystehen wolte. Aber Brutus und Cassius kamen nach überwundenen Lyciern beyden ehe / als sie sichs hatten träumen lassen / über das Jonische Meer in Macedonien / und auf des Cotys Ermahnen in Thracien. Norban und Saxa hatten zwar die Stadt Philippi und das Gebürge Symbolum zu einem Vortheil / aber der zum Brutus stossende Cotys führte ihn durch die Crenidische Berg-Enge dem Norban und Saxa über den Hals / welche nach zimlichem Verluste das Gebürge räumen und bey Philippi in einem befestigten Läger nicht wenig Noth leiden musten; dahingegen Brutus und Cassius vom Meere Zufuhre genung hatten. Marcus Antonius und der zu Dyrrhachium erkranckende Käyser / wie auch König Sadal kamen hierauf ins Norbanische Läger / mit höchster Begierde zu schlagen / ehe Sextus Pompejus aus Sicilien dem Brutus zu Hülffe käme. Der kluge Brutus und Cassius kamen und wolten ihre Feinde durch Langsamkeit und Abschneidung der Lebens-Mittel überwinden; aber ihr nach Eigenschafft des Pöfels hitziges / und den Asiatischen Siegen hochmüthige Kriegs-Volck war nicht zu bändigen. Denn dieses bildet ihme eine Gleichheit ein / wo sie nicht ist; wo sie aber ist / übersiehet es sie umb nur seiner Vermessenheit den Zügel schüssen zu lassen. Sintemal die Hofnung eines guten Ausschlags meist die Beysorge eines widrigen überwiegt. Wolten nun Cassius und Brutus ihr Volck nicht selbst kleinmüthig machen / oder gar zum Aufstande bringen / musten sie nur durch Erwehlung einer Schlacht das ungewisse Ubel für dem gewissen erkiesen. Niemals ist schärffer als allhier gefochten worden; denn es war abermals die Freyheit und die Herrschafft des Römischen Volckes / wie auch zwischen dem Cotys und Sadal die Thracische Krone zum Siegs-Preise aufgesetzt. Cassius und Amyntas der Galater König wurden mit dem lincken Flügel vom Antonius und Sadal; Käyser Octavius aber vom Brutus und Cotys in die Flucht getrieben / ja ihr gantzes Läger erobert / jedoch wegen des grossen Staubes weder vom Cassius des Brutus / noch vom Käyser des Antonius Sieg wahrgeno en / sondern alles für verlohren geschätzt. Darinnen aber war der sich auf einen Berg flüchtende Cassius unglücklichen: daß er / als Brutus mit seinem siegenden Flügel zurücke kam / er ihn für den verfolgenden Feind ansah / und sich / da er zu leben am meisten Ursach hatte / sich den Pindarus seinen Freygelassenen tödten ließ / damit er von keines edlen Römers Hand sterben dörfte. Brutus bezohe hierauf des auf dem Thracischen Eylande Thasus begrabenen Cassius Läger; und märgelte durch nächtliche Lermen / darinnen er seine Kriegs-Leute auf allerhand Arten in höllische Geister und Gespenster verkleidete / das an Gelde und Lebens-Mitteln nothleidende Heer des Octavius und Antonius nicht wenig ab. Endlich schwellete er auch durch einen langen Tam den Fluß Zygactes / und überschwemmete darmit das halbe Lager; also daß Sadal aus Verdruß / und weil die Bessen in sein Bistonien eingefallen waren /das seinige zu beschützen darvon zoh. Weil nun des Brutus See-Hauptmann Statius die dem Käyser von Brundusium zu Hülffe kommende Schiffe gleichfals geschlagen und verbrennt hatten; und derogestalt Antonius und Octavius gleichsam im Sacke waren /namen beyde zur Arglist ihre Zuflucht; brachten auch durch einige deutsche Uberläuffer und grosse Versprechungen den Amyntas König Dejotars Feld-Hauptmann mit seinen Galatern auf ihre Seite; den König Cotys aber durch ein ausgesprengtes Geschrey / es hätte Sadal Oresta belägert / dahin: daß er mit dem Kerne seines Volckes nach Hause zoh / und nur seinen Heerführer Rhascuporis mit zehn-tausend Thraciern beym Brutus ließ. Den allerklügsten Streich aber begieng Antonius darmit: [66] daß er das vom Praxiteles gemachte Wunder-Bild des Bacchus von Elis /allwo bey dessen Feyer drey leere ins Heiligthum gesetzte Lagen Wein über Nacht von sich selbst gefüllt werden solten / in Thracien bringen / und mit grossem Gepränge in den Tempel zu Oresta liefern ließ; aus dem Lager aber selbst zu dem nicht fern davon zwischen dem Flusse Ganga und dem Prasischen See liegenden Grabe des Bacchus walfarthete / darauf hundert Böcke opferte / und sich selbst dem Bacchus einweihete. Denn durch diese Scheinheiligkeit brachte er die eifrigen Bessen / und durch geheime Bestätigung der neuen Herrschafft den Cotys auf seine Seite: daß er seinem hinterlassenen Heerführer Rhascuporis befahl vom Brutus zum Antonius zu stossen. Bey diesem Erfolg ward Brutus aus Beysorge: es möchten vollends alle seine Hülfs-Völcker überlauffen / abermals zur Schlacht gezwungen. Zwey über beyde Läger fliegende Adler deuteten in ihrem vorspielenden Kampf schon dem Brutus die Niederlage an; welcher zwar nichts vergaß / was ein kluger und hertzhafter Feldherr zu thun hat / aber sein Unstern war seiner Tugend / und das Verhängnüs seinem guten Absehen überlegen; welches öfterer als die Sonne krebsgängig ward. Denn nach langer Gegenwehr verspielte Brutus die Schlacht und Rom die Freyheit. Er leschte ihm mit seinem wider die Dienstbarkeit gebrauchten Degen selbst das Licht aus; weil diesem letzten Römer kein freyer Bürger mehr einiges vortragen dorfte. Seine letzte Rede waren des Hercules Worte: O unglückliche Tugend! da du nichts als ein Nahme / ja eine Dienst-Magd des Glückes bist; warumb habe ich dich als ein herrliches Wesen so werth gehalten? Seinen Leib ließ Antonius begraben; sein abgeschnittenes Haupt aber / welches zu Rom ein Schau-Gerichte abgeben solte / ward bey entstehendem Ungewitter ins Meer geworffen; gleich als wenn der Himmel auch die Leiche dieses Freyheits-Beschirmers keiner knechtischen Beschimpfung unterworffen wissen / Erde und Meer aber sich mit seinen Uberbleibungen betheilen wolte. Hiermit aber ward Thracien nicht beruhigt /sondern beyde Brüder Sadal und Cotys geriethen aufs neue einander in die Haare; also: daß die Römer in diesem trüben Wasser so leicht als König Philip Thracien hätten fischen können / wenn nicht Octavius wider den Sextus Pompejus / Lucius Antonius und die Kriegerische Fulvia seine Heerspitzen zu führen / Antonius aber / nach dem er in Egypten und zu Athen unter dem angeno enen Nahmen des Bacchus in Wollüsten gleichsam zerflossen war / dem in Parthische Krieges-Dienste getretenen / gantz Syrien / Phönicien und Asien bis an Hellespont einnehmendem Labienus zu begegnen wären genöthiget worden. Hierüber aber starb Sadal ohne Kinder; und weil er nicht besser seinen Bruder Cotys von der Reichsfolge auszuschlüssen vermochte / vermachte er Thracien dem Römischen Volcke. Deñ nach dem er Apamens auf eine so klägliche Weise beraubt ward / fieng die Liebe mit allem Frauen-Zi er an ihm gleichsam anzustincken / oder die ihm angebohrne Abscheu für diesem Geschlechte / welche durch die gantz ungemeine Schönheit Apamens gemildert worden war /that sich vielmehr wie das Gift in denen aus Spiß-Glase gemachten Artzneyen endlich wieder herfür; also daß sein übriges Leben vollends in einer ernsthaften und traurigen Einsamkeit verschwand. Cotys aber wolte seine Ausschlüssung nicht glauben / noch den Römern einig Erbrecht enthengen / sondern wendete alle sein Vermögen an Thracien durch Güte oder Ernst zu behaupten. Weil aber alle Welt für Rom zitterte / und fast jedermann an seinen sieben Bergen den Kopf zerstossen hatte / schickte er eine ansehliche Botschafft mit reichen Geschencken nach Rom / und ersuchte den Rath: Er möchte ihm in dem ihm von Gott und Rechtswegen gehörigen Thracien keinen Eintrag thun. Denn ob zwar dis ein Erblich- kein Wahl-Reich wäre / so wären [67] doch auch die von anderm Eigenthume einzeler Dinge durchgehends sehr unterschieden / und wäre kein Reich jemals in der Welt gewest / da nicht dessen vollmächtigste Könige gewisser maßen / sonderlich aber in derselben Vereuserung gebundene Hände gehabt hätte. Das gemeine Völcker-Recht eignete den Söhnen für den Töchtern /den Eltern für den jüngern / und den Bluts-Verwandten für Frembden Zepter und Kronen zu. Denn alle die / welche vom ersten Könige den Ursprung hätten /und seines Geblütes wären / hätten schon ein unbenehmliches Recht in Groß-Elterlichem Reiche. Sonderlich aber wäre dis von Alters her in Thracien Herkommens gewest; ja sein Vater Cotys hätte selbst seinen ältern Bruder Sadal ihm vorgezogen. Allein die nunmehr unersättlichen Römer / welche alles für Verlust hielten / was nicht in ihre Klauen fiel / hatten hierzu keine Ohren / sondern wendeten für Sadals letzten Willen ein: der erste Cotys hätte seinen jüngsten Sohn Cersobleptes für denen zwey älteren zum Thracischen Reichs-Erben gemacht / und er selbst Cotys durch angemaßte Herrschafft über die Bessen schon das Recht Thracien zu theilen gebilligt. Die Königreiche wären insgemein der unverschrenckten Gewalt ihrer Könige / nach Willkühr damit zu gebahren / unterworffen. Aepallus der Locrer König / hätte den frembden Hyllus / der Scythen König Atheas den Macedonischen Philip / Pyrrhus seinen unechten Sohn Mobossus / und Micipsa seines Bruders unechten Sohn Jugurtha / Ptolomeus Appion das Römische Volck in Cyrene / und Nicomedes in Bithynien zum Erben gemacht. Fürnemlich aber wäre in Grichenland die Theilung der Herrschafft von uralter Zeit üblich gewest. Zethus und Amphion hätten das Thebische /Pandions Kinder Attica / und Perseus Söhne das Argivische Reich unter einander getheilet. Wo aber die Theilung eines Reiches / oder die Ubergehung des ältesten Sohnes statt hätte; da stünde auch die Verwendung auf einen Frembden in des Königs Gewalt. Die Thracischen Gesandten setzten zwar ihre Grund-Gesätze und Gewonheiten entgegen / Kraft welcher niemals einiger frembder Reichs-Folger von denen freyen Thraciern beliebt / sondern vielmehr das Erb-Recht durch viel Reichs-Schlüsse auf des Setalces Nachkommen eingeschrenckt worden wäre; Allein / es hätte dis alles nichts verfangen / wenn nicht eben damals Sextus Pompejus des Käysers Kriegs-Flotte geschlagen / dieser sich desthalben für einen Meer-Gott ausgegeben / die Thracier auch sich gutwillig dem Cotys unterworffen / und mit dem Pompejus in Bindnüs zu treten gedräuet hätten. Diese Zufälle aber machten: daß der Römische Rath lindere Säiten aufziehen / und wie der Fisch Acipenser ihren Schuppen und Fluß-Federn entgegen schwi en / also den Cotys für gantz Thraciens rechtmäßigen König und einen Bunds-Genossen erkenneten. Diese Erkäntnüs war auch überaus nützlich angelegt. Denn Titius und Furnius bekamen durch Hülffe der Thracier in Phrygien den flüchtigen Sextus Pompejus gefangen / der Käyser bändigte durch ihren Beystand die Japydes / und bekriegte aus blosser Herrschsucht die Pannonier. Hierüber starb auch König Cotys / und verließ zwey unmündige Söhne / den Rhemetalces meinẽ Groß-Vater / und den Rhasciporis / seiner Gemahlin Bruder / Rhemetalces aber zu ihrem Vormünden. Dieser nichts minder treue als kluge Fürst stand so wol seinen Oheimen als Thracien wie ein Vater für / wuste auch / als Valerius Messala die Pannonier / Antonius Armenien bekriegte / den Mantel so vorsichtig nach dem Winde zu hengen; daß Thracien irgendswo weder in Feindschafft noch in Krieg eingeflochten ward. Als aber zwischen dem Antonius und dem Octavius sich der Bürger-Krieg entspaan / jener auch nicht allein alle Länder umb Thracien in seiner Gewalt hatte / und Antonius mit seiner gantzẽ Asiatischen Macht ihm an dem [68] Flusse Strymon auf den Hals kam / sondern auch dieser auf der Epirischen Küste das gröste Theil seiner Schiff-Flotte durch Sturm einbüßte / muste er /wie schwer es auch ihn ankam / sich nur zum Antonius schlagen. Weil nun der Käyser sein Kriegsheer in Epirus unter dem Ceraunischen Gebürge aussetzte /Corcyra und Nicopolis einnahm; ja weil der Mund der Ambracischen See durch die Stadt Actium zugesperret war / aus dem Jonischen Meere etliche Kriegs-Schiffe über Land auf mit Oele geglätteten Ochsen-Häuten in den Ambracischen Meer-Busem ziehen ließ / und derogestalt den grossen Tempel des Apollo Actium mit des Antonius Lager und Schiffs-Flotte gleichsam belägerte / eilte Antonius mit Rhemetalcen dem Paphlagonischen Könige Philadelphus / und der steinichten Araber Könige Jamblichus nach Actium. Ungeachtet nun diese / wie auch Cneus Domitius /Quintus Posthumius / und andere Raths-Herren dem Antonius einhielten: In bürgerlichen Kriegen / da die Verleitung so leichte wäre / und die Untreue wie der Krebs umb sich frässe / wäre nichts schädlicher / als durch Langsamkeit seinen Kriegs-Ruhm verlieren /den Seinigen das Hertze nehmen / und den Feinden es machen; war doch Antonius nicht zu bereden den Eifer seines Kriegsvolcks durch eine Schlacht nützlich anzugewehren / sondern er ließ ihre Hitze verrauchen; die Last-Schiffe ihm für der Nase wegnehmen /unter dem Vorwand: Er müste des Dellius und Amyntas aus Thracien und Macedonien mit den geworbenen Völckern erwarten. Bey dieser Schlafsucht spielte der muntere Käyser allenthalben den Meister. Agrippa überfiel die Stadt und das Eyland Levcas / und eroberte es mit vielen Schiffen / wie auch die zwey Patreischen Eylande / und selbst die Stadt Corinth / nach dem aus der See geschlagenen Asidius. Domitius ward nebst allen andern Grossen hierüber sehr verdrüßlich / insonderheit da Marcus Titius und Statilius Taurus ihm und des Antonius Reiterey bey anbefohlener Veränderung seines Lägers einen heftigen Streich versetzten; und zwar / weil Cleopatra nicht verstatten wolte ihn mit wenigem Fußvolck zu entsetzen. Daher kam er zum Antonius / legte für ihm den Stab nieder /und entäuserte sich seiner Kriegs-Aempter / mit Vermeldung: Er könte weder mit Ehren noch Gewissen da länger dienen / wo Weiber den Kriegs-Schaaren männlich zu gebieten hätten; hingegen die Männer selbst weniger als Weiber thäten / und man wohl geschlagen werden / aber nicht siegen dörfte. Denn ein Fürst / welcher seinẽ Feldhauptmanne Befehl ertheilte ohne Lieferung einer Schlacht sein Land zu beschützen / gäbe ihm wol die Gewalt zu verspielẽ / aber nichts zu gewinnen. Antonius / welcher ietzt mehr Freunde dorffte / als er ihrer hatte / fuhr den Domitius / nach Art wollüstiger Leute / an denen nichts als die Worte männlich sind / hart an / und schalt so wohl seine Vermessenheit gegen Cleopatren zu reden / als sein Versehen in dem letzten Treffen. Jamblichus /aber / und Philadelphus / welche mit tausend Arabern und zwey tausend Paphlagoniern darbey gewest waren / vertheidigten so wohl den Domitius als sich. Worüber ein so grosses Unvernehmen entstand / daß es kaum vom Rhemetalces beygelegt werden konte. Jedoch wurden hierdurch die Wunden mehr verhüllet als geheilet. Denn Domitius und Philadelphus gingen noch selbige Nacht zum Käyser über. Diese Begebnüß verwandelte des Antonius Furcht in Grausamkeit / seine Sicherheit in Vermessenheit / durch welche zwey Pforten der Untergang geraden Fusses uns über den Hals kommet. Denn als die Araber des Nachts sattelten / in Meynung früh einen Ausfall auf des Käysers Streiff-Rotten zu thun / ließ Antonius aus Argwohn / Jamblichus wolte sich auch zum Octavius schlagen / ihn in Hafft ziehen; seine Schrifften durchsuchen / und weil [69] aus etlichen mit dem Domitius und andern Römern gewechselten Schreiben sein Unvergnügen über Cleopatren zu ersehen war / ihn über einer eingebildeten Verrätherey so strenge fragen: daß er in der Peinigung verschmachtete. Seine zwey See- Hauptleute Soßius und Tarcondimotus aber befehlichte Antonius in Abwesenheit des Agrippa / den Tauresius die den Ambracischen Mund besetzende Schiffe des Käysers zu überfallen. Der für Tage fallende dicke Nebel schien dem Anschlage des Soßius selbst die Hand zu bieten; war aber eine Verhüllung seines Untergangs. Denn er verfiel mit seinen Schiffen in die gantze Flotte des ungefähr aus Griechenland zurück kommenden Agrippa / verspielte also in einer blutigen Schlacht die meisten Schiffe / und so wohl als Tarcondimotus sein Leben. Zu Lande gieng es dem Antonius nicht glücklicher. Denn ein Theil seiner Reiterey ward abermals vom Octavius geschlagen. Daher er ferner auf der Nord-Seite des Ambraischen Meer-Busens ihm ein Läger entgegen zu setzen / noch zu Lande zu schlagen getrauete / sondern nach Cleopatrens Rathe Volck und Vorrathe zu Schiffe brachte /und unter dem Spiegel-fechten einer See-Schlacht in Egypten zu fliehen schlüssig ward. Rhemetalcen und seiner Thracischen Reiterey wolte es übel ein ihre muthigen Pferde mit höltzernen zu verwechseln. Wie aber Dellius ihn hochbetheuerlich versicherte: daß Antonius nicht zu fechten / sondern zu entfliehen gemeynt wäre; verließ Rhemetalces und die Thracier mit dem Dellius und vielen Römern den Antonius / und gingen zum Octavius über / welcher sie aufs freundlichste aufnahm / und den dritten Tag darauf für dem Munde des Ambraischen See-Busens des Antonius ungeheure Riesen-Schiffe mit seiner ausgebreiteten Schiff-Flotte behertzt angrieff; und weil die fliehende Cleopatra den Antonius / Antonius seine tapfer fechtende Flotte zu unzeitiger Flucht verleitete / selbte meist mit Feuer verderbte. Rhemetalces erhielt durch diese zu rechter Zeit geschehene Entschlüssung nicht nur seinen beyden Oheimen Rhemetalces und Rhascuporis gantz Thracien / sondern auch etliche ihm vom Antonius im Egeischen Meere geschenckte Eylande; dahingegen Philopator des Tarcondomotus Sohn / und Lycomedes ihre Landschafften in Cappadocien dem Medeus abtreten / fast alle Städte Griechenlandes die Milch ihres Vermögens hergeben / Asien bluten / und vieler Römer Köpfe über die Klinge springen musten. Der Käyser ließ sich nunmehr als Haupt des Römischen Reichs Augustus nennen / auch nach erobertem Egypten nicht nur dem Käyser Julius zu Ephesus und Nicea / sondern ihm selbst zu Pergamus und Nicomedia Tempel bauen / und sich als einen Gott verehren. Dieser Hochmuth gebahr im Augustus eine unausleschliche Rachgier. Daher meynte er: es würde sein Ansehen einen mercklichen Abbruch leiden; wenn er sich nicht auch an den Daciern rächete / welche sich des Antonius Seite zu halten im vorigen Kriege erkläret hatten. Ungeachtet der Käyser durch schlechte Abweisung ihrer Gesandten selbst hierzu Anlaß gegeben / ihre innerliche Unruhe ihm auch wenigen Schaden zu thun verstattet hatte / und Rhemetalces / welcher den nichts minder als das Feuer umb sich fressenden Krieg von seiner Nachbarschafft abzuhalten für das Ampt eines vorsichtigen Herrschers / die aus dem Gebürge Rodope entsprossene Dacier auch für seine Landsleute hielt / durch Vorbitte den August zu versöhnen suchte. Die Römer kriegten in einem Einfalle tausend Dacier gefangen / welche nach Rom geschickt / und nicht nur bey Einweyhung des vom Statilius Taurus gebauten grossen Schauplatzes / sondern auch bey der Rathsherren Gastmahlen mit denen auch gefangenen Schwaben andern zu Lust umb ihr Leben kämpfen musten. Welches bey den Daciern eine [70] hitzige Verbitterung / beym Rhemetalces auch keine geringe Empfindligkeit verursachte / sonderlich da der aus Asien nach gemachtem Vergleiche mit den Parthen zurück kommende August auf dem Eylande Lemnos dem Rhemetalces bey der Taffel unter Augen sagte: Er liebte zwar die Verrätherey / aber die nicht / welche den Antonius verrathen hätten. Welchen Stich Rhemetalces dazumal zwar hatte verschmertzen müssen / aber nach Eigenschafft der nicht leicht vergeßlichen Beleidigungen nie aus seinem Gedächtnüsse kommen war. Hierzu kam noch: daß August der Dantheletischen Thracier König / welche vorher die Odrysischen Könige allezeit für ihre Oberhäupter erkennet hatten / von aller Obmässigkeit befreyete. Weil nun Rhemetalces sich zu schwach befand / mit der Römischen Macht öffentlich anzubinden; aber wohl wuste: daß durch einen frembden Arm sich zu rächen ein lustiges und sicheres Feuerwerck sey; stiftete er ins geheim den König der Bastarnen Deldo an: daß er mit den Daciern wider die Römer ein Bündnüß machte. Diese bemeisterten auch in einer geschwinden Eyl die ihnen verdächtigen Dardaner und Triballer; drangen hierauf über den Berg Hämus in die Landschafft Sardica / und in der Dantheleter Gebiete. Ihr blinder König Sitas wolte den Gebrechen seines Gesichtes mit seiner Tapferkeit ersetzen / ließ seinem Feinde entbieten: Er wäre kein Schwein / das mit seinem Auge auch die Seele verliere / sondern ein Mensch /der sein Hertz in der lincken Brust hätte; zohe auch denen Daciern selbst entgegen / ließ sein Pferd auf ieder Seite in einem langen Zügel von zwey Rittern leiten / und traff gegen den Feind mit wunder-würdiger Hertzhaftigkeit. Alleine der dazu kommende König Deldo warff mit seinen streitbaren Bastarnen bald der Dantheleter Schlacht-Ordnung über Hauffen / also: daß Sitas das Feld und das gröste Theil seines Reiches räumen muste. Er ersuchte hierauf zwar Rhemetalcen umb Hülffe; nachdem dieser aber sie ihm /als einem von Thraciern nunmehr abgeschnittenen Gliede versagte / nahm er seine Zuflucht zu den Römern. Der Landvogt in Macedonien Crassus war froh über dieser Gelegenheit einen neuen Krieg anzufangen / zohe also alle Römische Macht aus Griechenland und Illyrien zusammen / und führte sie nicht nur wider die Dacier und Bastarnen; sondern bestach auch den König / der zwischen dem Flusse Tyras und dem Ister am Euxinischen Meere wohnender Geten: daß sie in Bastarnien einen Einfall thäten. Deldo ward hierdurch gezwungen ein Theil seines Heeres nach Hause zu schicken / und wegen grosser Macht der Römer mit den Daciern zurück über den Hämus zu weichen. Crassus und Sitas folgten denen sich vom Deldo trennenden Daciern; welche durch allzu unzeitige Hitze den Feind nicht in ihr Land kommen lassen wolten / auf dem Fusse / schlugen sie an dem Flusse Margis in die Flucht / und eroberten etliche Städte. Deldo aber setzte sich mit seinen Bastarnen an dem Strome Cyadrus / schickte an den Crassus eine Botschafft / umb die Ursache seiner Feindseligkeit zu erkundigen; weil er die Römer nie beleidigt hätte. Der schlaue Crassus beschied die Gesandten aufs höflichste / versicherte sie der Römischen Freundschafft /säuffte sie mit Cretischem Weine voll: und holete hiermit die Verfassung des Bastarnischen Heeres / die Beschaffenheit des Lägers und alle andere Geheimnüsse aus. Hernach stellte er sich / als wenn er zu Bestätigung des neuen Bindnüsses den König Deldo selbst in seinem Läger mit mehr nicht als 1000. Pferden besuchẽ wolte; ließ aber sein gantzes Heer ihm unvermerckt folgen. Derogestalt kam er nur 2. Meil weges von dem zwischẽ dem Flusse Ciabrus und Tamentes geschlagenẽ Läger in einem Walde an. Der Wein / welcher nichts minder ein Vater der Unachtsamkeit und Bezauberer der Sinnen / als ein verrätherischer [71] Spiegel der Seele ist / muste die Botschaffter abermals einschläfen / biß sein gantzes Heer ihm im Rücken stund. Auf ertheilte Nachricht: daß Crassus mit den Bastarnischen Gesandten Friede gemacht /und mit dem Deldo selbst das Bündnüß zu vollziehen in der Nähe wäre / kam Deldo / welcher mit der Dacier seiner Bundsgenossen unvorsichtiges Verfahren nicht zu frieden / also mit den Römern sich zu vergleichen geneigt war / dem Crassus mit fünf hundert Edelleuten entgegen. Allein er erfuhr mit seinem Verderb allzu spät: daß weil Treu und Glauben eine allzu seltzame Waare in der Welt / und ein Gelächter der Ehrsucht ist / allzu leichter Glaube eine Schwester der Sicherheit / eine Tochter der Thorheit / und eine Mutter des Untergangs sey. Denn er ward von der an zweyen Enden aus dem Walde herfürbrechenden Römern unversehens umbringt / und nach unglaublicher Gegenwehr und empfangenen neun Wunden / welche ihn doch nicht hinderten / auch über seine Kräfften den Crassus selbst anzusprengen / von ihm durchrennet: daß er todt zur Erden fiel. Das Bastarnische Heer eilte zwar seinem Könige zu Hülffe; aber / wie es in uhrplötzlichen Fällen und bey mangelndem Haupte zu geschehen pfleget / in grosser Unordnung; wiewohl es dem in geschlossener Schlacht-Ordnung ihnen begegnenden Römischẽ Heere noch genung zu schaffen machte / auch des Deldo Leiche dem Feinde abschlug. In die Länge aber konte doch ihre Verbitterung nicht den Mangel einer gleichen Macht und die Kräfften ihrer ungefütterten Pferde vertreten; sondern sie musten endlich das Feld und das Läger räumen / über den Fluß Ciadrus schwimmen / und sich in einem Walde verhauen. Weil aber die Römer bey damaliger Dürde den kihnichten Wald auf allen Enden anzündeten / wurden sie gezwungen so gut sie konten / meist aber gegen dem Ister zu flüchten / und weil die Stadt Cebrum zu enge war / überzusetzen. Crassus und Sitas nahmen zwar mit Hülffe des in Nieder-Mäsien herrschenden Getischen Königs Roles Cebrum mit Sturm ein / wagten sich aber nicht über den Ister und Aluta; als zwischen welchen beyden Flüssen sich die Bastarnen verschantzten / und mit Daciern verstärckten. Crassus ward durch diesen Sieg hochmüthig /und verheerete nicht allein Mäsien biß an den Fluß Escamus mit Feuer und Schwerdt / sondern in seiner Rückkehr nach Macedonien übeten so wohl die Danthelater als die Römer gegen die Thracier allerhand Grausamkeiten aus. Der junge Rhemetalces hatte diß Unrecht zu verdeyen einen zu blöden Magen und zu viel Galle. Daher raffte er in Eil ein ziemliches Heer zusammen / besetzte den Strom Artiseus und Hebrus /ließ das Landvolck die Wälder und Pässe des Hämischen Gebürges verhauen / und fügte den Römern und Danthelaten durch Frost und Hunger ohne Schwerdt-Streich mehr als durch eine gewonnene Feld-Schlacht Schaden zu / und brachte Crassus und Sitas durch die Serdische Landschaft nicht das dritte Thil ihres Heeres zurücke. Dieser Verlust veranlaßte die Bastarnen zu einer heftigen Rache / den Crassus aber zu Verschmertzung der von den den Thraciern ihm zugefügten Beleidigung. Sintemal jene mit einem frischen Heere die Danthelater überfielen / und zwischen dem Fluß Borgus biß an das Gebürge Orbelus alles mit ihren Schwerdtern und Fackelnabmeyetẽ. Aber ihre Vermessenheit war nichts minder die Ursache ihres Verlustes / als vorher ihres Krieges. Denn Crassus kam in aller Stille über den Berg Cercina denen zerstreueten Bastarnen über den Hals / also daß / indem sie einzelich fochten / alle überwunden / und über den Hämus getrieben wurden. Hierauf zohe Crassus auch gegen die Thracier die Larve vom Gesichte; und weil die Merden und Serden zwischen den Flüssen Borgus und Suemus ihm bey seinem Rückzuge den meisten Abbruch gethan hatten / übte er durch einen schnellen Uberfall die erste / [72] und durch Abschneidung der Hände die grausamste Rache gegen die Gefangenen aus. Rhemetalces trat umb diese Zeit mit Ablegung der Vormündschafft seinem achzehnjährigen Vetter die Herrschafft ab / zu grossem Nachtheile gantz Thraciens / und zur Nachricht: daß nicht junge und starcke Knochen / sondern Verstand und Erfahrung schwacher Greise Pfeiler der Reiche sind. Der junge König Rhymetalces war hitziger als behertzt; und daher verschantzte er sich nur an dem Flusse Artiscus / und ließ die Römer die grosse Landschafft Brennica unverhindert überwältigen. Die in der Stadt Bessapara und Opyzum wohnenden Odrysen hielten es nicht nur für Recht / sondern für eine Klugheit ihren sie verlassenden König bey Zeite zu verlassen / zohen ihm also ungewaffnet mit vielen aus den Tempeln genommenen Bildern des Bacchus / darunter auch in solcher Gestalt August und Crassus auf zweyen güldenen Wagen geführet ward / entgegen / und öffneten den Römern Thür und Angel. Dieser Gehorsam oder vielmehr die sich an nichts mehr als an Aberglauben sättigende Ehrsucht machte: daß Crassus alle Odrysen nicht allein verschonete / sondern auch die vorzeiten von den Bessen abgedrungene Landschafft / zwischen dem Hebrus und dem Berge Pangäus / nach überwundenen Bessen ihrer Bothmässigkeit wieder unterwarf. Crassus wäre noch tieffer in Thracien eingebrochen /wenn nicht der dißfalls schlaue Rhymetalces den König der zwischen dem Flusse Alluta und Ararus wohnenden Geten Dapyx wider des niedrigen Mäsiens König Roles aufgewickelt / und dieser den Crassus zu Hülffe in Mäsien beruffen hätte. Denn Dapyx spielte in Mäsien mit seinen Geten und ihm beystehenden Bastarnen den Meister / eroberten Teclitum / Dorostorum und Axiopelis; also daß / wenn Dapyx so wohl sich / als seine Feinde zu überwinden gewüßt hätte / es den Römern und Mäsiern würde schwer gefallen seyn / ihm diese Riegel des unbändigen Isters aus den Händen zu winden. So aber rückte der kühne Dapyx aus allem Vortheil dem Crassus und Roles biß nach Dausdava entgegen; gleich als wenn es im Zweykampfe eine Schande wäre / wenn man sich dem Feinde nicht selbst bloß gäbe. Alleine er ward aufs Haupt geschlagen / und er selbst mit seinem Bruder in ein festes Berg-Schloß sich zu flüchten gezwungen. Crassus belägerte diß alsofort / und ward durch Verrätherey des Getischen Schloßhauptmanns eines Griechen den dritten Tag eingelassen. Worüber der in dem innerstẽ Thurme sich noch wehrende Dapyx / nachdem ihm länger der grossen Macht zu widerstehẽ unmöglich war / sich mit den edelsten Geten selbs aufrieb. Seinẽ Bruder aber bekam Crassus noch gefangen / setzte bey Marisca über den Ister; und weil fast das gantze Land seinen Reichthum in die zwischẽ dem Flusse Ararus und Ister liegende Festung Ceira geflüchtet hatte / diese aber für so unüberwindlich gehalten ward: daß sie tichteten: es hätten die für den Göttern flüchtigẽ Titanen sich selbstdahin gerettet / hungerte er sie durch abschneidung aller Lebens-Mittel aus; und fand bey abgezwungener Ergebung einen unglaublichen Schatz darinnen. Hierbey beruhete aber Crassus nicht / sondern setzte über den Fluß Ararus in das sich biß an den Fluß Gerasus erstreckende Gebiete des Getischen Königs Zyraxes /und belagerte die am Ister und dem Flusse Naparis liegende Stadt Genucla / weil darinnen die dem Cajus Antonius von den Bastarnen abgenommenen Adler verwahret waren. Weil nun Zyraxes umb von den Bastarnen und Scythen Hülffe an sich zu ziehen über den Fluß Naparis gewichen war / ging Genucla endlich nach Abschlagung vieler Stürme mit Gewalt über. Rhymetalces brachte inzwischen zwar ein gutes Theil seines verlohrnen Landes wieder unter sich / und die von den Römern biß aufs Marck ausgesogene Mysier standen auf seine Anfrischung wieder sie auf / gewaanen aber nichts mehr / als daß der Feind seiner eigenen Landsleute Roles und Sitas sie unterdrückten /[73] und aus Dienst-Bothen gar zu Sclaven machten. Der Geld- und ehrsüchtige Crassus aber setzte bey Arubium über den Ister / und bekriegte die zwischen dem Flusse Porata und Tiras liegenden Artacier / aus keiner andern Ursache; als weil sie mit ihren Nachbarn sich zu einer gemeinen Gegenwehr rüsteten / und Crassus den Ruhm haben wolte: daß er seine Siege über den Ister am Euxinischen Meer ausgebreitet hätte. Die Artacier aber machten ihm mehr / als er ihm hatte träumen lassen / zu schaffen / wiewohl sie wegen etlicher im ersten Einfalle gefangener Fürsten mit ihm einen Vergleich machten / und ihm jährlich drey tausend Ochsen zu zinsen versprachen. Welches Crassus so viel leichter beliebte / weil die Bastarnen mit einer grossen Macht über den Fluß Tyras setzten /König Zyraxes auch Genucla wieder belagerte / und in des König Roles Gebiete in Nieder-Mäsien eingefallen war / also Crassus zurück / und ihm wieder seinen Rücken befreyen muste. Rhymetalces ward bey diesen Veränderungen gleichwohl so klug: daß er das über Thracien aufziehende Wetter von ferne erblickte; und sich an dem blutigen Beyspiele des Comagenischen Antiochus / den der Käyser zu Rom wegen Ermordung eines von seinem Bruder nach Rom geschickten Gesandten mit dem Beile richten / Galatien aber des Amyntas Kindern nehmen / und mit Lycaonien einem Römischen Landvogte unmittelbar unterwerffen ließ / spiegelte. Er berieff daher seinen alten Vetter Rhemetalces aus der erwehlten Einsamkeit des Eylandes Scio wieder nach Hofe. Ob nun zwar Rhemetalces sich anfangs entschuldigte / und diese nachdenckliche Antwort gab: Tugend und Weißheit dörfften des Königlichen Purpers nicht / noch sich schämen nackt zu gehen; denn sie hätten keine Scham zu verdecken: so überwand ihn doch die Liebe seines Vaterlandes / der König unterwarff sich auch gäntzlich seinem klugen Rathe / welche Demüthigung die rühmlichste Herrschafft und die gröste Klugheit der Unerfahrnen ist. Rhemetalces schickte dem Crassus alsofort Königliche Geschencke / wormit sich so gar die zornigen Götter versöhnen lassen; und weil August mit dem Römischen Rathe die Verwaltung der Länder getheilet hatte / dieser aber dem Marcus Lollius Macedonien und Mäsien untergab / bewilligte er diesen mit nicht weniger Freygebigkeit; dem Käyser August aber baute er gar einen Tempel auf den höchsten Gipfel des Berges Rhodope / und setzte sein Bild aus Golde darein. Kurtz hernach kam August selbst in Griechenland; und weil er sein Reich zu erweitern nicht / sondern vielmehr einer süssen Ruh zu genüssen für rathsam hielt; also des Jamblichus Sohne Arabien / dem jungen Tarcondimotus Cilicien / dem Herodes vier Städte in Syrien / dem jungen Mithridates Comagene schenckte; reisete Rhemetalces und König Rhymetalces auch aufs Eyland Samos dem Käyser aufzuwarten / brachten es auch durch den Sextus Pacurius / der dem August sich zum ersten eingeweyhet /und ihm den ersten Weyrauch (welches nach der Zeit alle aufs Rathhaus kommende Rathsherren thun musten) angezündet / deßhalben auch bey ihm einen guten Stein im Brete hatte / so weit: daß der Käyser Rhymetalcen vor sich ließ und begnadigte; und nachdem er seinem hoch-geschätzten Agrippa von Thracien den am Hellespont gelegenen Chersonesus abzutreten willigte / Rhymetalcen alles / was ihm Crassus abgenommen / wieder zu geben befahl. Diesem Befehle aber widersetzten sich die Dantheleten und Bessen / welche für höchstes Unrecht aufnahmen das ohne Schuld zu verlieren / was sie durch ihre den Römern erwiesene Treue bey den Mäsischen Kriegen mit ihrem Blute theuer erworben hattẽ. Als sie aber des Käysers Ausspruch / so wenig als den ihm gewiedmeten Berg Rhodope nicht bewegen konten / und sie der Pannonier und Noricher Einfall in Histria / der Hispanier und Dalmatier [74] Aufstand gegen die Römer vernahmen / machten sie mit den Skordiskiern / Sarmatern und Bastarnen einen Bund. Die zwey letztern fielen in Mäsiẽ / die erstern mit den Dantheletẽ in Macedoniẽ / die Bessen in Rhymetalcens Gebiete mit ansehlichen Kriegs-Machten ein. Alleine Cajus Lucius trieb die Bastarnen und Sarmater mit ziemlichem Verluste über den Ister / Marcus Lollius und Rhymetalces aber erlegten die Dantheleten und Beßen aufs Haupt; und hiermit kriegte Rhymetalces zu rechter Zeit alles Verlohrne wieder. Denn kurtz hernach erlidt Lollius von den Deutschen eine grosse Niederlage / und die Rhetier brachen in Italien ein; also / daß wenn die ersten Feuer nicht schon wären gedämpft gewest / es mit Leschung so vieler schwer würde hergegangen sey. Gleichwohl aber kam der unter der Asche glimmende Kriegs-Zunder mit des alten Rhemetalces Tode bald wieder zur Flamme. Denn der Untergang der Sonne ist nicht mehr eine Ursache der Nacht / als eines Fürsten Tod der Finsternüß in einem Reiche. Die gleichsam nunmehr gefesseltẽ Dacier / Pannonier und Dalmatier waren so ungewohnt auser der Freyheit / als ein Fisch ausser Wasser zu leben; daher spreißten sie abermals ihre Federn / und schärften ihre Sebeln wider die Römischen Landvögte / oder vielmehr schärffste Hals-Herren. Dieses machte dem Könige der Bessen und obersten Priester des Bacchus Vologeses ein Hertze sich gantz Thraciens zu bemächtigen. Solches glücklich ins Werck zu richten gab die Neigung der abergläubischẽ Thracier ihm das Seil der Andacht an die Hand; wormit ein Mensch ein gantzes Volck wie ein Fischer einẽ ungeheuren Wallfisch zum Ufer ziehen kan / als welcher für drey Jahren selbst in Deutschland aus dem Meere auf eine Chaucische Sandbanck gestrandet haben solte. Vologeses ließ diesemnach in Thracien durch allerhand ausgeschickte Priester des Bacchus den König Rhymetalces als einen Abgötter / welcher lebende und sterbliche Menschen anbetete / allenthalben unter dem Scheine eines Mitleidens verläumbden. Als dieser Verdacht nicht wenig Wurtzel gefaßt hatte / zohe er ein ziemliches Heer von Bessen und Sialeten zusammen / ließ selbtes in einem alten noch vom Eumolpus gebauten Tempel einweyhen / einem ieden an statt des sonst denen neugeworbenen Kriegsleuten an die Armen zu prägen gewohnten Kriegs-Zeichens das Bild des Bacchus mit einem glüenden Eisen auf die Stirne brennen / und sie schweren: daß sie entweder hertzhafft sterben / oder den abgöttischen Tempel des Käysers auf dem Berge Rhodope einäschern wolten. Rhymetalces schickte seinen jüngern Bruder Rhascuperis mit einem mächtigen Heere denen nach allerhand Seitenspielen meist in Gestalt der Bacchen und Silenen tantzenden und ein güldenes Bild des Bacchus fürtragenden Beßen entgegen. Diesem aber begegnete ein mit Epheu und Reben-Blättern gekräntzter Herold auf einem Esel / und deutete den Thraciern an: daß Vologeses nicht als ein gewaffneter Fürst / sondern als ein friedliebender Priester des Bacchus im Anzuge wäre / den Thraciern kein Leid zu thun / sondern sie von der aufgedrungenen Abgötterey auf dem Berge Rhodope zu erretten. Nach dieser heiligen Verrichtung wolte er wieder nach Hause kehren / und solte durch seinen Zug keinem Menschen kein Haar gekrümmet / kein Vieh versehret / keine Erndte verterbet / die sich aber zu ihm aus Andacht schlagenden eben so wohl / als die Beßen und Sialeten eingeweyhet werden. Dieser Fürtrag hatte bey den Thraciern mehr Nachdruck / als hundert tausend geschlieffene Schwerdter. Denn als sich das güldene Bild des Bacchus mit etlichen hundert umb selbtes rauchernden Priestern näherte / warff beynahe das gantze Heer das Gewehre weg / fiel für selbtem mit grosser Demüthigung auf die Knie / und stellte sich freywillig unter die Kriegs-Fahnen des Vologeses; in derer iedem eine Geschichte des Bacchus gemahlet war. Rhascuperis mit seiner Bastarnischen Leibwache mühte sich zwar [75] den Thraciern diese abergläubische Untreue auszureden / und als die Güte nichts halff /mit dem Degen in der Hand sie in Ordnung zu enthalten; allein er ward von diesen gleichsam unsinnigen Leuten selbst umbringet / die Bastarnen erschlagen /Rhascuperis selbst gefangen / gebunden / und wie ein Opfer-Kalb Vologesen zu Füssen gelegt. Dieser rückte mit seinem sich unterweges noch immer vergrössernden Schwarme biß an den Fluß Taxus unverhindert fort / daselbst begegnete ihm zwar König Rhymetalces mit einem andern Heere / welches ihn aber so schändlich / als das erste seinen Bruder verließ; also daß er mit Noth sich in den vom Agrippa nunmehr wieder an Käyser gefallenen Chersonesus flüchten konte. Vologeses eilte hierauf dem Gipfel des Berges Rhodope zu / ließ selbten mit vielem Unflate entweyhen und anzünden; das rasende Volck / welches weder in Liebe noch Hasse Maaß zu halten weiß / streute die Asche und den Staub von den zermalmten Steinen in den Fluß Scönus / weil der Hebrus viel zu heilig darzu war. Hierauf richtete Vologeses auf solcher vorher mit vielem geweyhten Wasser aus dem Flusse Hebrus abgespületen Spitze das Bild des gehörnten Bacchus in einer abscheulichen Bock-Gestalt auf / gleich als wenn die Götter was weniger als Menschen wären / und daher Jupiter als ein Ochse / Neptun als ein Pferd / oder zum minsten wie dieser Bachus / und Astarte als ein halber Gems oder Fisch gebildet werden müste; und also diese Bilder / wenn sie sich regten / und einem ohngefähr begegneten / nicht unbillich für Ungeheuer angesehen werden würden. Kein Weib / welche nicht für eine Abgötterin gehalten werden wolte / durffte sich entäusern für dem Bilde des Bacchus / wie bey dem Aleischen Bacchus in Arcadien von den Priestern mit Ruthen gezüchtigt zu werden / die Männer aber mit Messern ihre Armen zu zerkerben / oder sich gar zu entmannen. Gleich als wenn die gütigen Götter grimmiger als die blut-begierigsten Unmenschen wären. Sintemal zwar die ärgsten Wüttriche Menschen zerfleischen / und zu unnatürlicher Wollust verstimmeln / sich aber selbst zu zerfleischen oder auszuschneiden nicht zwingen / die grausame Mord-Lust aber übte Vologeses an dem gefangenen Rhascuperis aus. Denn er ließ selbten auf einem Altare lebendig verbrennen / und die Asche in die Lufft streuen / mit Vermeldung: daß der rothköpfichte Rhascuperis ein so angenehmes Opfer des Bacchus seyn würde / als für Zeiten die dem Typhon mit den rothen Haaren ähnliche Menschen / welche die Egyptier in eben selbigem / nemlich dem ersten Hunds-Tage dem Osiris / ehe solche Blut-Opfer Amasis abgeschafft / geliefert hätten. Wormit auch Rhascuperis diese Grausamkeit so viel empfindlicher fühlen / oder Vologeses ihr einen desto mehr gläntzenden Firnüß der Andacht anstreichen möchte / nahm er vorher den Rhascuperis an Kindesstatt an / umb gleichsam dem Saturn gleich zu werden / der zum allerersten seinen einigen Sohn dem Himmel / seinem Vater umb Hunger und Pest abzuwenden geopfert haben soll. Die dem Bacchus Eingeweyheten musten hernach umb das Bild als Unsinnige schwermen; gleich als wenn die Raserey zuweilen die Stelle der heiligsten Andacht vertreten / und eine Ursache der gemeinen Wohlfarth abgeben könte. Vologeses ließ dem todten Bilde des Bacchus hernach eine Taffel decken /und gantze gebratene Ochsen / Hirsche / Rehe / Gemsen; ja 1000. Fuder Wein fürsetzen / und bey lichtem Sonnenscheine unter freyem Himmel etliche tausend Wachs-Kertzen anzünden / gleich als wenn dieser Gott ein verhungerter Vielfraß / ein unersättlicher Säuffer und ein blinder Maulwurff wäre / dem die Sonne noch viel zu finster schiene. Uber diß verordnete Vologeses diesem Bilde nicht allein hundert Priester / sondern auch drey hundert Knechte / welche diesem gleichsam tauben Gotte die Nahmen und das Begehren der daselbst anbetenden in die Ohren schrien /[76] und als einem Unwissenden berichteten: Welche Zeit es wäre. Ja hundert geweyhete Weiber wurden bestellt diesen unempfindlichen Stein täglich zu bürsten / zu putzen / zu bekräntzen / ihm den Spiegel fürzuhalten /und mit hunderterley Gauckelwercke nicht nur des abergläubischen Pöfels / sondern der Götter selbst zu spotten. Nach dieser siebentägichten Thorheit / welche doch die Thracier gantz bezauberte: daß sie Vologesen nicht nur für einen Heiligen / sondern für einen Halb-Gott hielten / setzte er über den Hebrus / an dem Flusse Melas traf er abermals auf den schier von allen Thraciern verlassenen König Rhymetalces / und zwang ihn gar in Chersonesus zu weichen. Die Römer / welche den Nachdruck des nichts weniger als die Pest anfälligen Aberglaubens wol wusten / und besorgten / es dörfte diese Seuche auch Asien und Griechenland anstecken / schicktẽ Rhymetalcen den Pamphylischen Land-Vogt Lucius Piso mit dreyen Legionen zu Hülffe. Er schiffte zu Lysimachia sein Heer aus / und zohe gerade wider den bey Cypsella stehen den Vologeses. Weil aber keine Verzweifelung einen Feind so hartneckicht macht / als der Aberglaube /ließ Rhymetalces und Piso den obersten Priester des Bacchus zu Oresta / welchen Sitz des Reiches und des Heiligthums Vologeses zu erobern unvorsichtig außer Acht gelassen hatte / des Vologeses neuen / und als einem dem alten abbrüchigen Gottesdienst verdammen / ihn selbst in den Bann thun / und als einen Verfluchten Vogel-frey erklären; denen aber / welche auf den nechst-bevorstehenden ersten Frühlings-Tag / als das berühmte grosse Feyer des Bacchus nur die Schwellen des Orestischen Tempels küssen würden /ward die Abtilgung alles ihres Irrthums versprochen. Durch diesen klugen Streich wurden fast alle Odrysen vom Vologeses abgezogen / und blieb mit seinen Bessen alleine stehen. Daher setzte er bey der Stadt Zernis über Hals und Kopf über den Hebrus / und so fort über den Berg Rhodope. Piso folgte den Bessen auf dem Fusse. Weil aber theils die Vortheilhaftigkeit des Gebürges / theils die eingebildete Heiligkeit des Ortes sie zu behertzter Gegenwehr anfrischte / bißte Rhemetalces und Piso in ihrem Angriffe fünf-tausend Thracier / so viel Asiatische Völcker und über tausend Römer ein. Dieser Sieg hätte dem Aberglauben abermals ein groß Gewichte beygelegt / und entweder Vologesens Kräfften zur Gegenwehr verstärcket / oder ihm zum minsten einen noch vortheilhaftigen Frieden zu wege gebracht / wenn nicht Vologeses aus Beysorge: es möchten ihm im Gebürge die Lebens-Mittel gebrechen / und von Odrysen der Rückweg an dem Flusse Taxus verlegt werden / an sich selbst und seinem Glücke am ersten verzweifelt wäre. So aber verfolgte er seinen Sieg nicht allein gar nicht / sondern er eilte gleich einem Flüchtigen nach der Stadt Brendica. Rhymetalces und Piso folgten ihm auf das Gebürge Rhodope / und wolte jener auf das grosse Bild des Bacchus den Kopf des Käysers setzen / auch seinen Tempel wieder erbauen lassen; dieser aber kriegte vom August Befehl solches zu hindern; entweder weil er das neue Staats-Geheimnüs von Vergötterung der Römischen Käyser nicht allzu gemein zu machen /oder sein Bild in Gefahr noch einer Verunehrung des Bacchus Bild ohne neue Beunruhigung der abergläubigen Thracier zu zermalmen nicht getraute; Gleichwol aber durch selbtes dem Volcke kein Gedächtnüs-Maal ihres Aufstandes / und daß es seinem Könige überlegen sey / oder auch gar als eine Schutz-Seule der Freyheit in aller Augen stehen zu lassen / für gut befand / ließ er selbtes abnehmen / und für den Tempel des Bacchus nach Oresta setzen / den Grund aber ins geheim untergraben: daß sie bey hellem Mittage gleichsam von sich selbst von dem hohen Fusse abstürtzte / und das Volck beredet ward / gleich als wenn die daselbst wohnende Gottheit ein solch mißbrauchtes Bild nicht leiden wolte. Unterdessen [77] aber gieng Piso und Rhymetalces selbst den Bessen und Vologesen auf den Hals / schlug selbten aus dem Felde / und eroberte theils mit Zwange / theils durch gütige Ergebung das gantze Bessische Gebiete. Vologeses aber / welcher in keinem Heiligthume eine sichere Freystatt zu finden getraute / versteckte sich mit seinen Vertrautesten im Pangäischen Gebürge in verborgene Hölen. Also erlangte Rhymetalces sein Königreich wieder; Piso aber die Ehre des Sieges und ein Siegs-Gepränge. Alleine diese Freude verschwand Rhymetalcen schier ehe als ein Traum. Denn wenig Tage hernach stürtzte er auf der Jagt mit dem Pferde /starb und verließ zwey Söhne / Rhymetalcen und Rhascuporis meinen Vater / jenem die Krone / diesem das oberste Priesterthum. Rhymetalces / weil er den Römern die Wieder-Erlangung seines Königreichs zu dancken hatte / erwieß sich auch als derselben treusten Bunds-Genossen. Denn als Bato Dysidiatus die Dalmatier und Pannonier wieder die Römer in Harnisch brachte / Syrmium belägerte / an dem Jonischen Meere alles / bis an Apollonia unter seine Gewalt brachte / den Messalinus aus dem Felde schlug / und nunmehr gar in Italien einzubrechen dräute / setzte Rhymetalces mit seinen Thraciern über die Sau / jagte den Bato von Syrmium weg / ereilte ihn am Flusse Bacuntius unter dem Almischen Gebürge / welches er gleichsam zu seinem Krieges-Schlosse erkieset hatte /und versetzte so wol ihm als seinem Bund-Genossen dem Breucischen Bato einen gewaltigen Streich; an welchem der Mysische Land-Vogt Severus ihm nicht wenig den Kopf zerstieß. Als auch Severus gegen die einfallenden Mösier und Sarmater gegen dem güldenen Berge eilen muste / und die Dalmatier in Macedonien einbrachen / begegnete ihnen König Rhymetalces und sein Bruder Rhascuporis / schlugen sie aufs Haupt; also daß die wenige Uberbleibung sich in die Stein-Klippen des Berges Scardus und Ardius verkriechen musten. Ja die Thracischen Waffen waren unwidersprechlich die fürnehmsten Werckzeuge des Tiberius und Germanicus zu Erlangung der Pannonischen Siege. Fürnemlich aber kan ich sonder eitelen Ruhm dis / was ich bey meiner ersten Kriegs-Ubung daselbst mit meinen Augen gesehen / wol sagen: daß sonder meines Vaters Rhascuporis Zuthat weder Tiberius die Festung Anderium / noch auch Germanicus das Schloß Arduba erobert / und dem weit aussehenden Kriege so geschwinde ein Loch gemacht haben würde. Wolte Gott! aber / Rhascuporis hätte so wol sich und die Begierden seiner Gemahlin / als geharnischte Feinde zu überwinden gewüst! Alleine meine Zunge fänget mir an zu stammeln / indem ich so viel verkleinerliches von meinem Vater erzehlen soll / dem ich mein gantzes Wesen / und also mehr als keinem Menschen in der Welt zu dancken habe; also daß kein Vater so lasterhafft seyn kan / dessen Leben oder Ehre anzutasten ein Sohn herechtiget ist. Daher ich besorgen muß / wenn ich hier nicht meine Erzehlung abbräche / diese tugendhafte Versammlung würde mich und meine Thracier unter die Triballen und Scythen rechen / welche ihre Eltern zu opfern für Andacht / und im Alter sie zu erwürgen für Barmhertzigkeit halten. Rhemetalces stockte / und niemand wolte ihn auch bereden / die Schande seines eigenen Hauses zu entdecken. Nach einer kurtzen Erholung aber / fieng Rhemetalces wieder an: Ich erinnere mich: daß der Vater-Mörder Saturn als ein Schutz-Gott der Warheit angebetet werde; weiß also nicht: ob ich hieraus ohne Laster diesen Schluß machen darf: die Liebe der Warheit solle auch der Kindlichen überlegen seyn. Fürnemlich aber kan ich mich schwerlich bereden: daß in Deutschland / wie in der gantzen Welt / mein Vater schwärtzer abgemahlt sey / als er wahrhafftig ist. Daher ich mehr für meiner [78] kindlichen Liebe Pflicht /als für derselben Versehrung halte / wenn ich ans Licht bringe: daß der ihm zugeschriebene Schandfleck nur ein von seiner Gemahlin auf ihn fallender Schatten sey. König Rhymetalces heyrathete noch bey Lebzeiten seines Vaters Rhymetalces / des Parthischen Königes Phraatens mit Jotapen erzeugete Tochter Parysatis / eine Fürstin / in welcher die Tugenden und Laster mit einander umb die Oberhand kämpften /zeugte auch mit ihr einen Sohn Cotys / welcher Fürst mit Warheit von seinen Eltern alle Tugenden / aber kein Laster geerbet hat. Mein Vater Rhascuporis ehlichte anfangs des Getischen Königs Zyraxes mit der Kwadischen Fürstin Vannia erzeugete Tochter Roxana / meine Mutter. Als diese aber kurtz nach meiner Geburt entseelet ward / vermählte er sich nach dreyen Jahren mit der Fürstin Ada / des Comagenischen Königes Antiochus Tochter / dessen unglückseeligen Vater der Käyser August zu Rom enthaupten ließ. Wer in Zweiffel zu ziehen vermeinet: daß Laster und Unglück in gewissen Stämmen erblich sind / findet an dieser boßhaftigen Ada / an diesem Unglücks-Sterne /als vielmehr an dieser Unholdin Thraciens ein allzu sichtbares Beyspiel. Gleichwol aber wird die Nachwelt kaum glauben / daß das mit einander selbst-streitende Gifft aller widrigen Laster in dem engen Hertzen der ungeheuren Ada Raum gehabt / und sich noch darzu mit einander wol vertragen habe. Sintemal alle diese sich der Herrschenssucht zu Mägden gewiedmet hatten / und ihr als einer vollmächtig-gebietenden Königin auf einen Winck gehorsameten. Ich erschrecke /wenn ich an dieses Stief-Kind der Natur / und an sie /nicht so wol meine / als meines Vaterlandes Stief-Mutter gedencke; ja gantz Thracien hat ihrentwegen nunmehr glauben lernen: daß die Tugenden der Weiber der gemeinen Wolfahrt so nütze / als die der Männer / ihre Laster aber unvergleichlich schädlicher sind. Die Königin Erato fiel unter dem Vorwand: daß der beredte Rhemetalces nöthig hätte ein wenig zu verblasen / ihm ein: Das Weibliche Geschlechte wäre ins gemein so vergällt in der Welt: daß ein Scythisches Volck auch den blossen Nahmen eines Weibes für garstig hielte / und destwegen im Reden sich einer umbschweiffenden Beschreibung brauchte: daß viel Syrier von keinem Weiblichen Vieh / als einem giftigen Dinge nicht einmal das Fleisch essen wolten / ja einige gar die Weiber nicht für Menschen hielten /und jener beym Sturme und nöthiger Erleichterung des Schiffes sein Weib als das beschwerlichste Ding ins Meer zu werffen entschlossen war. Dis wäre auch nicht nur eine unbedachtsame Lästerung des albern Pöfels; sondern der so weise Democritus hielte sie für ein Monden-Thier / welches so vielen Veränderungen und Schwachheiten im Leibe und Gemüthe / als dieses Gestirne unterworffen wäre / ungeachtet es den Glantz der Sonne im Gesichte hätte. Ein ander Weiser nennte sie eine Schatz-Kammer alles Bösen / und ein Zeughauß aller Laster / mit welcher Jupiter die Welt wegen des vom Prometheus gestohlnen Feuers bestrafft hätte. Daher dörfte sie sich nicht unterstehen /denen Lastern ihres Geschlechtes das Wort zu reden: daß sie weniger schädlich als der Männer wären; sonderlich / wenn sie die Augen nur ein wenig in der Welt herumb schweiffen liesse / und gewahr würde: daß ein geiles Weib Troja eingeäschert; in der einigen Stadt Corinth gantz Griechenland beflecket / Persepolis angezündet / Egypten dienstbar gemacht hätte; ja kein Königreich wäre / welches nicht über eine Helena zu seufzen / und mit seinen Thränen die glüenden Brände des Vaterlandes auszuleschen hätte. Ihre Bescheidenheit aber / und das Erkäntnüs ihrer eigenẽ Schwachheiten nöthigte sie gleichsam dem ersten zu widersprechen: daß der Weiber Tugend so viel als die der [79] Männer zum gemeinen Wesen beytragen solle; es wäre denn in einem gantz verkehrten Reiche / wie der alten Egyptier und der Gelonen in Meden gewesen ist; da die Männer in Häusern spaanen / neheten / würckten / sich schminckten / badeten / und in so viel Wollüsten / als Oel und Balsam schwammen / die Weiber aber das Feld baueten / Gerichte hegten / und Krieg führten / oder in Mohrenlande / da die Weiber von undencklicher Zeit Zepter und Krone getragen haben. Nach dem aber in der gantzen Welt / wo die Ordnung der Natur nicht verdrehet stünde / die Männer das Haupt / dieses aber alleine des Gehirnes benöthigt wären / Armen / Hände und Füsse aber an der Ehre des Gehorsams sich zu vergnügen hätten / könte selbst kein vernünftiges Weib die grössere Nothwendigkeit und Nutzbarkeit der Männlichen Tugend widersprechen / welche nicht einen Bots-Knecht / und einen gemeinen Soldaten klüger als den Steuermann und den Heerführer achten wolte; da doch die Staats-Klugen ein Landvoll mit einem weisen Vorsteher versorgte Blödsinnige einem Reiche / wo ein Thore Weltweisen zu gebieten hatte / und eine von einem Löwen geführtes Heer Hirschen / und einem Heere Löwen / das ein Hirsch führete / weit fürzügen. Wenn Weiber mit ihren Tugenden den Gipfel erreichten /und ihr eigen Geschlechte überstiegen hätten / schaffen sie selten außer dem Gefängnüsse ihres Zimmers /in welche Einsamkeit die meisten versperrt wären /mit ihrer versitzenden oder gar erstickenden Tugend kaum so viel gutes / als eine grosse Fackel in einer engen Höle / als Ampeln in einem wüsten Tempel /und die Sud-Gestirne / welche von niemanden gesehen würden / ihre Würckung auch nur auf dem gefrornen Meere oder in unbekandten Wüsteneyen hätten. Die Tugend des Männlichen Geschlechtes hingegen gleichete sich der Sonne / welche durch alle Kreise der Königlichen Palläste / der Heiligthümer / der Raths-Häuser / der Richter-Stüle / und der gemeinen Häuser ihren Gang hätte / allen Ständen nützete / und also als ein allgemeines Gut das einzele der Weiblichen Tugend / wie das grosse Auge der Welt die Sternen der sechsten Grösse verdüsterte. Uberdis wäre die Tugend kein Werck der blossen Einbildung und eines tieffen Nachdenckens / sondern ihr Wesen bestünde in der Thätligkeit / also wäre nicht wenig an der Güte des benötigten Werckzeuges gelegen. Denn eine Ameiße hätte zwar eine grössere Fertigkeit als ein Ochse / eine Biene mehr Witz als ein Kameel / und mehr Hertze als ein Pferd; Gleichwol aber machte die Stärcke diese Thiere zum gemeinen Nutzen viel geschickter / als die Geschickten. Weil nun das Weibliche Geschlechte ins gemein zarter Glieder / schwachen Verstandes / veränderlichen Gemüthes und furchtsamen Hertzens / die Männer aber starck / klug / gesetzt /hertzhaft und thätig wären / würde es eine Vermässenheit seyn / wenn ihr Zwerg-Geschlechte sich gegen diese Riesen zu mäßen unterstünde. In welchem Absehen denn der kluge Gesetz-Geber zu Sparta Lycurgus zwar für die Männer viel heilsame Richtschnuren geschrieben / die gleichsam unnützen Weiber ihrem eigenen Willen überlassen hätte. Hertzog Jubil begegnete ihr: Er nehme zwar der Königin Einwurff für eine bescheidene Demuth auf / sie würde aber bey Zeite zu sorgen haben: daß es ihr Geschlechte für keine Verachtung ausdeutete; welches noch nie völlig dem Männlichen das Vorrecht enträumet hätte. Unter den Menschen wären die Frauen schöner / und bey den meisten Völckern in grösserm Ansehen. Niemand wäre so bäurisch / der nicht einer Frauen Ehrerbietigkeit bezeigte; Und zu Rom dörfte kein Mann / als neben seinem Eheweibe zu Wagen fahren. Unter den wilden Thieren wären die meisten Weiblichen sorgfältiger und zahmer als die Männlichen. Daher hätte[80] Solon in seinen Gesätzen auf eines Wolffes eingebrachten Kopf fünf / auf einer Wölffin nur einen Schilling zum Preiß ausgesetzt. Unter denen Pflantzen waren meist die Weiblichen die kräfftigsten / die Früchte der Männlichen Zitron-Bäume die herbesten /die süssesten aber Weiblich. Am wenigsten aber wäre die Tugend mehr eines als des andern Geschlechtes Eigenthum. Denn diese wäre ein Schatz der Seele /welche als ein Geist vom Unterschiede des Geschlechts nichts wüste. Daher entzüge mehr die Gewonheit als das Recht dem Weiblichen die Bothmäßigkeit in der Welt / wie den Weiblichen Thieren den Stand in den Tempeln der Cybele. Denn / wenn wegen ein oder der andern Herrscherin Fehler alle verwerflich seyn solten / würden eben so wol die so oft irrenden Männer sich des Gebietens enteusern müssen. Viel gekrönte Frauen hätten es grossen Königen zuvor gethan; und es wäre schwerlich ein Volck das nicht seine Heldinnen und Amazonen aufzuführen hätte; und nicht nur das kurtze Griechenland / sondern die gantze Welt hielten die Weißheit für eine anständige Gemahlin des Weiblichen Geschlechtes. Sintemal nicht die breiten Achseln der Träger / die starcken Armen der Fechter / die abgehärteten Füsse der Läuffer / sondern Verstand und Hertzhaftigkeit die Maus und Spann-Ader der Seele / und die Werckzeuge der Tugend wären. Jedes Haußwesen bildete einen kleinen Staat ab / und aus derselben Vielheit bestünden alle Grosse. Jener gute Verfassung wäre die Grund-Seule der gemeinen Wolfahrt; in selbten aber müsten die Hauß-Mütter / sonderlich bey Erziehung der Kinder / bey Bändigung der Dienstbothen das beste thun. Also arbeiteten die Frauen die knörnrichten Höltzer und rauen Steine zu tauglichen Bildern aufs Rathhauß / und in die Tempel aus. Zu geschweigen; daß den Kindern mehr die Eigenschafften ihrer klugen oder albern Mütter / als ihrer Väter angeboren werden; und hat man selten einen klugen Sohn eines scharfsinnigen Vaters / und einer thörichten Mutter / aber viel kluge Söhne kluger Mütter / und alberer Väter gesehen. Denn wären gleich die Väter die erste Ursache ihrer Kinder / wie die Sonne der Pflantzen / so wären doch die Mütter wie die Erde / die nechsten und kräftigsten. Von dieser letzten rührte her: daß in Arabien Weyrauch / in Syrien Balsam / auf Zocotera Aloe / in Dacien Gold / in Indien Perlen / Edelgesteine und Gewürtze / anderwerts aber dürre Heyde / Schleen /Eisen und Bley wüchse. Die Tugenden und Laster der Mütter aber würden in den Adern den Kindern eingepflantzt / und mit der Mutter-Milch eingeflößt. Ohne diese wäre der Lehrmeister Bemühung verlohrne Arbeit. Denn der Thon würde auch unter eines Phidias Hand nicht zu Marmel / und das Eisen ins Praxiteles Werckstadt nicht zu Golde. Dis Marck der Erde käme aus den köstlichsten Ertz-Adern / und tapfere Leute aus Mutter-Leibe. Ja ein Funcken eingepflantzten Mutter-Witzes wäre ein nützlicher Licht des Lebens /als viel scheinbare Wissenschafften der Schulen / welche oft so viel Irrthum / als grosse Brände Rauch an sich haben. Wenn aber auch die Auferziehung zur Tugend was helffen könte / müsten die Mütter hierbey das beste thun / und ihre Kinder wie die Bären ihrem ungestalten Brutte mit ihrer leckenden Zunge allererst eine Gestalt geben. Ihre Anmuth hätte an sich eine lockende Eigenschafft / welche kräftiger würckte / als die gewaltsame Antreibung der ernsthafften Väter. Nichts weniger hätten kluge Frauen ihrer Männer Hertzen in Händen / und die / welche allen andern zu gebieten hätten / schämten sich nicht denen weisen Erinnerungen ihrer Gemahlinnen Folge zu leisten. Derogestalt wären sie gleichsam die erste / wiewol unsichtbare Bewegung in dem Rade des gemeinen Wesens; [81] Und Käyser August würde mehr als einmal über die Schnure gehauen haben / wenn ihn nicht mehrmals die verschmitzte Livia in Schrancken gehalten hätte. Rhemetalces brach ein: Hertzog Jubil redete mit so guten Gründen der Weiblichen Tugend das Wort: daß aus der Eingeschafft der widrigen Dinge ihre Laster durch das gröste Gift des gemeinen Heiles seyn /und dem Drachen-Gestirne gleichen müste / dessen Schwantz alles gute verschlimmerte / der Kopf alles böse vergrösserte. Mein Erbarmens-würdiges Thracien hat leider! dis an dem schädlichen Schwantz-Sterne der Fürstin Ada mit unverwindlichem Schaden erfahren. Ihre Mutter war eines Bildhauers Tochter zu Ephesus gewest / und hatte ihrer Tochter Ada alle Schwachheiten des Pöfels in der Geburt / denen ohne dis weichen Comagenern aber durch ihre Lebens-Art alle Laster der wollüstigen Lydier mitgetheilet. Insonderheit aber führte sie zu Samosata die vom Lydischen Könige Andramytas eingeführte Verstimmelung der Weiber ein / und besetzte fast alle Aempter des Hofes mit Verschnittenen. Sie zohe die gemeinsten Leute aus einer angebornen Neigung zu der Niedrigkeit / wie die aufgehende Soñe die Feuchtigkeiten der Sümpfe hoch empor / und drückte den Comagenischen Adel als einen ihren neuen Glantz verdüsternden Nebel zu Bodem. Ihre schnelle Erhöhung blendete ihre Vernunfft / wie übermäßiges Licht das Gesichte; also daß sie ihre ungewohnte Würde nicht begreiffen / weniger ihre sich aufblähende Gemüths-Regungen mäßigen konte; sondern ihren Ehherren zu eitel eusersten und daher gefährlichen Entschlüßungen verleitete. Alles dieses lief auf Comagenens Unglück /und auf des Antiochus Untergang aus; zu einer merckwürdigen Warnigung: daß wie die Granat-Aepfel-Bäume keine Früchte ohne Kronen / also Königliche Ehbette keine andere Gemahlinnen als Fürstinnen vertragen sollen; und daß edles Geblüte mit dem des Pöfels sich so schwer als Oel und Wasser vermischen lasse. Alleine ihre viel ärgere Tochter Ada spiegelte sich weder an dem blutigen Tode ihres Vaters; noch an der Verfluchung ihrer Lasterhaften Mutter. Mit ihr segelten gleichsam alle Asiatische Wollüste und Verschwendungen in das noch unschuldige Thracien. Denn ob zwar das benachbarte Griechenland darinnen lange vorher derogestalt zerfloß: daß die Persen aus unersättlicher Begierde ihre überdrüßige Wollüste mit neuen zu verzuckern über den Hellespont setzten / die Etolier auch durch Verschwendungen arm / die Macedonier gar in Persien darmit angesteckt worden waren / hatten doch die alten Sitten der Thracier sich bis dahin eben so wenig / als der strenge Rhodan mit dem Wasser des Lemannischen Sees vermischen lassen. Ihr Frauen-Zimmer bestand meist in verschnittenen Weibern / aus Lydien / oder welche unter dem Vorwand ihrer zu der Göttin Anaitis tragender Andacht ihre Jungfrauschafft an Nagel gehenckt hatten. Ada ließ sich auch meist mit entmannten Knaben bedienen; wartete auch nur des Syrischen Gottesdienstes ab; darzu sie hundert Priester mitbrachte / und am Flusse Hebrus unter dem Berge Rhodope der Anaitis ein Heiligthum bauete. Die Thracier schöpften hierüber einen so viel grössern Unwillen / weil sie eine Gemahlin des obersten Priesters war / dessen Ampt erforderte die Einführung frembden und neuen Gottesdienstes zu verhindern. Sie strich dieser Andacht aber durch Erkiesung des lustigsten Ortes in Thracien /durch Erbauung der kostbarsten Lust-Gärte / warmer Bäder und Schau-Plätze / oder vielmehr der Wollust durch einen scheinheiligen Gottesdienst eine so schöne Farbe an: daß die ernsten Thracier / welche anfangs alles dis anstanck / durch Gewonheit selbte vertrugen / hernach selbst mitmachten / und diese Verderbnüsse [82] des Menschlichen Leibes und Gemüthes endlich eifriger liebten / als sie sie anfangs gehaßt hatten. Männer und Weiber badeten daselbst des Tages nackt; und des Nachts sassen sie in den Schauplätzen vermischt unter einander; gleich als wenn die daselbst wohnende Gottheit sich der Schamhaftigkeit schämte / und den zwischen dem Männ- und Weiblichen Geschlechte gemachten Unterschied aufgehoben hätte. Die Fürstin Ada gieng täglich / ihr Frauen-Zimmer aber in Feyertagen in gantz seidenen Kleidern; da vorhin die Thracischen Königinnen nur halbseidene Zeuge mit leinenen Bödemen getragen hatten. Und überdis muste der Kern dieses aus Persien / oder von den Seren gebrachten Wurm-Gespinstes nach der Tyrier Erfindung zweymal aus Schnecken-Blute gefärbt /und / weil dis in gleichem Gewichte gegen Golde abgewogen und bezahlet wird / theils die Unterthanen ihren Schweiß / theils die im Alterthume gestiffteten und sorgfältig gesammleten Kirchen-Güter darzu verschwendet werden. Denn ob zwar die in Indien und Persien auf den Maulbeer-Bäumen spinnenden Seiden-Würmer für einiger Zeit auch auf das Eyland Co gebracht worden sind / und nunmehr auch in Griechenland ihre Seide / welche unsere Vorfahren irrig für Baumwolle gehalten / gewebt wird; so war doch dieser Zeug der Ada gar zu geringe / weil er einheimisch und zu wolfeil war / sondern sie bestellte diese Zeuge alle / und zwar nur geblümte / und in die gantze Landschafften und Geschichte künstlich mit der Nadel genehet waren / durch Arabische Kaufleute von Rhagis und Babylon denen zweyen Parthischen Haupt-Städten. Wenn sich Ada aber offentlich sehen ließ / schlepte sie den mit dichten güldenen Blumen gestickten Purpur / als ein geringes Unterkleid auf der Erde und im Staube herumb; ihre von güldenen Fädemen hocherhaben-gestickte Ober-Kleider aber starreten von Diamanten und Rubinen; also daß ein einiges Kleid dieser Priesterin so viel und mehr kostete / als vor Zeiten aller Thracier. Dazumal unsere Könige eben so wol als die Römischen Frauen selten mehr als sechs Untzen eingewürcktes Gold in einem Kleide /und zwar nur in dem Haupt-Schleyer / oder im Leibstücke des Rockes / oder auch nur auf den Aufschlägen der Mäntel / und an den Säumen der Röcke trugen. Ja unsere sparsame Könige unterhielten auch gewisse Goldschlager / welche auf eine anderwerts gantz unbekandte Art das Silber wie das Gold zu Fädemen machten / und dardurch in verschwenderischen Augen zwar eine ansehliche / aber in Ausgaben eine wenig kostbare Pracht zeigeten. Endlich kriegte auch Ada über Seide / Purpur / Gold und Edelgesteinen /als über allenthalben bekandten Sachen einen Uberdruß. Daher ließ sie ihr aus dem grossen Morgenländischen Meere die härichten Perlen-Muscheln bringen / welche die Indianer Berberi und des Meeres Blumen heissen; daraus ließ sie die goldgelbe Wolle / welcher Farbe weder Schnecken-Blut noch andere Kunst beykommt / der Zärtligkeit aber das Gewehe der Spinnen und Seiden-Würmer nicht gleichet / zusammen kommen / und vermischte selbte nicht nur mit ihren Haarlocken / sondern ließ auch Tücher davon würcken /und das Werck davon an statt des Cedern-Maaßes und Baumwolle in ihren Ampeln als Tachter verbrennen. An statt des Zeither aus gedörtem und im Flüß-Wasser lange abgewaschenem Baum-Mooße oder aus gefeiltem Helffenbeine gebrauchten Haar-Staubes /stäubete die Fürstin Ada ihr nach dem Beyspiele der Persischen Könige mit Narden-Wasser und Myrrhen-Oele angefeuchtetes / wie auch nach Phrygischer Art mit heissen Eisen gekräuseltes Haar mit gemahlenem Golde ein. Ihren Hals / Haupt und Armen berührte kein ander Schmuck / als Kugel-rundte / Bonen-grosse / und das edelste Wasser habende Perlen. Ihre Brüste trug sie alleseit gantz bloß / und ihre Unter-Röcke waren von so dünnem seidenen Flore: daß sie mit diesem [83] mehr gewebten Winde als Kleide weniger / als eine Ehbrecherin ihrem Buhlen im Bette verdeckte. Ihr Futterwerck zu den Winter-Kleidern war nichts anders / als von der eusersten Nord-Spitze hergebrachte Zobeln und Hermelin / welches noch darzu mit flüssendem Golde / welches sie auch zu ihrer Tinte brauchte / und damit auf gepurperten Pergament schrieb / an den Spitzen vergüldet. Ihre blauen Trauer-Kleider aber waren mit eitel aus Lasur-Steine oder aufgelösetem Silber gemachter Farbe gemahlet. Ihre Zimmer ließ sie am Bodeme mit Sardischen Teppichten / an Seiden mit Goldstück bekleiden / die Decken mit Helffenbein austäffeln / durch welche aus unsichtbaren silbernen Röhren die aus Rosen / Jesmin und Musch bereiteten Salben abtröpfelten / oder vielmehr verrauchten. In die Ampeln in ihrem Zi er und in ihre eine Stunde für der Abend-Mahlzeit allzeit gebrauchte Bäder goß sie den allein bey Jericho in zwey Königlichen Gärten sparsam wachsenden Balsam / welchen man zu des grossen Alexanders Zeiten zwar gegen zweymal so schweres Silber verkauffte / die Uppigkeit aber nunmehr dem Golde gleich gemacht / und bey nahe gar vertilget hat. Sie tranck kein Wasser /als welches aus einem Brunnen bey Samosata hergebracht ward / und keinen Wein als Chalybonischen von Damaseus / umb sich nur den Persischen Königen zu vergleichen / welche nur eben diesen Wein /und aus siebzig ihnen alleine gewiedmeten Bruñen-Wasser trancken; ungeachtet der edle Wein von Jessa / Chius / Thasus und Levcas / wie auch der nach Veilgen und Hyacinthen schmeckende Saprische Reben-Safft jenen weit übertraf / aber / weil er näher und wolfeyler / dieser Verschwenderin verächtlich war. Ihrer Taffel muste das Sicanische Meer die Fische /Colchis das Geflügel / Syrien und Athen die Salben /Thessalien die Salaten / Böotien die Aale / Sicilien Käse / Cipern Senf / Miletus die Brunn-Kresse / Samothracien Zwiebeln / ja fast jedes Land was besonderes herschaffen. Alle Speisen ließ sie mit wolrüchendem Ambra und brennenden Gewürtzen / als einem rechten Zunder der Geilheit anmachen: und nicht nur mit Casia oder der gemeinen Zimmetrinde /welche doch von Phönicischen Kaufleuten gegen Silber abgewogen wird / sondern mit denen zweymal so kräftig- und theuren Sprossen der jungen Zi et-Stauden bestreuen / welche für weniger Zeit noch in diesen Landen nie gesehen / oder in Königlichen Schatz-Kammern als eine sonderbare Seltzamkeit aufgehoben wurden / welche die Vögel entweder aus unbekandten Morgenländischen Eylanden in Arabien brächten /oder die Indianer von denen daraus auf fast Himmel-hohe Bäume bereiteten Nestern der Phönix- oder Zi et-Vögel mit bleyernen Pfeilen abschüssen müsten / wie die Gewinnsüchtigen Phönicier dis der einfältigen Welt Zeither angebunden haben. Ihre eigene Gerichte ließ sie / wie die Sabeer in ihrem Lande / mit eitel Weyrauch-Holtze braten. Bey der Mahlzeit ließ sie sich von zwölf verschnittenen Edel-Knaben / welche Wechsels-weise in die annehmlichsten Säiten-Spiele sangen / ihren Gemahl den Fürsten Rhascuporis aber meist mit zwölf nackten Jungfrauen bedienen. Ada fuhr auch auf keinem andern / als im Feuer vergüldeten / oder Helffenbeinernen Wagen / welche nach Art der Siegs-Wagen gemacht / und von Perlen-farbenen Pferden gezogen wurden. Sie gieng niemals in die Lufft / als unter einem über ihrem Haupte getragenen Sonnen-Schirme. Im Winter schlief sie auf seidenen mit Eis-Vogel-Federn gefüllten Damasten / im Sommer nach Art der Sybariten auf Rosen-Blättern; und ich glaube: daß sie mehrmals wie Sminderides über Rückenweh geklagt haben werde / wenn sich etwan ein Rosen-Blat gerunzelt / oder ihrer etliche sich zusa en werden gefaltet haben. Alle ein Geräusche machende Handwercker musten von ihrem Pallaste weit entfernet seyn. Ja sie litt keinen Hahn in der Nähe / damit er sie nicht mit seiner unzeitigen Wachsamkeit im [84] Schlaffe störte. Weil sie aber nicht allzu schön / desthalben aber es zu seyn so viel begieriger war / verschrieb sie ihr aus Persien von Cyrene / von Rom und aus der halben Welt nicht nur allerhand Schmincken / sondern auch besondere Meister dazu; welche die berühmten Balsa acher Plangon / Peron und Dinias für einfältige Leute hielten / und die aus Myrabolanen / heydnischem Wundkraute / Amomum / Zimmet / Hagäpfeln / Paradiß-Körnern / Narden /Myrrhen / Gummi / Indischem Balsam / Saffran und andern Köstligkeiten gemachte Salben noch kostbar verbesserten. Ich bin auch versichert: daß Alexander so viel Sorten köstlicher Balsame nicht in dem berühmten Schreine des Königes Darius gefunden habe / als ihrer Ada in ihrem Schrein verwahrte. Jedes Glied hatte seine absonderlich ihm zugeeignete. Mit der Egyptischen Salbe aus dem Kraute der so genannten Frauen-Handschuch balsamte sie die Füsse und Schienbeine; mit der Cyprischen aus wilden Wein-Trauben die Schuh / mit der Lydischen aus Quendel die Knie / mit Sidonischer aus Brunn-Kresse die Armen / mit der Cyzikischen aus blauen Lilgen den Bauch / mit der Phaselischen aus Cyrenischen Rosen die Brüste / mit der Cilicischen aus Saffran den Rücken / mit der Rhodischen aus Narden den Hals / mit der Phönicischen aus Myrrhen den Mund / mit der Coischen aus Quitten-Blüthe die Wangen / mit der Adramytischen aus Amaranthen die Haare und Augenbrauen / mit der Sardianischen aus Haupt-stärckenden Gewürtzen die Stirne und Schläfe ein; wenn sie vorher sich mit gepreßtem Saffte aus dem Bären-Klau-Kraute über den gantzen Leib eingeschmieret /und selbten darmit weiß gemacht hatte. Hernach machte sie ihre Zähne durch ein gewisses mit Scheide-Wasser geträncktes Wachs weiß / röthete ihre Lippen allererst mit der Syrischen Röthe-Wurtzel / oder mit einer aus der rothen Wurtzel der stinckenden Hunds-Zunge gemachten Schmincke; gleich als wenn eines so gemahlten Weibes Athem darmit vergiftet werden müste; die Wangen aber färbte sie aus einer von rothem Meer-Schilffe und Egyptischen Dornen bereiteten Salbe; zuweilen auch mit dem Blute gewisser aus Indien gebrachter und zerquetschter Würme; und das Wachsthum der Augenbrauen zwang sie mit einem aus Spiß-Glase geraucheten Russe rund herumb in die Höhe / und die unnützen Haare beitzte sie mit Salamander-Speichel weg. Sie ließ sich täglich etliche mal mit zerkäueten Indischen Nelcken anhauchen / umb ihre graue Augen zu schwärtzen; und wormit sie nicht wäßricht würden / aaß sie / wie die Albanischen Weiber / welche die schönsten Augen in der Welt haben / in den Speisen kein Körnlein / und also weniger Saltz als die Priester der Isis / sondern brauchte an dessen Stelle zerstossene Kohlen. Denn wie sehr sie gleich durch niedliche Speisen verwehnet war / wolte sie doch liebreicherm Geschmacke / als ihrer Gestalt etwas abbrechen. Besonders da die Runtzeln sich zwar mit dem Schnee der Schminck-Balsam ausgleichen / trieffende Augen aber nicht ausklären lassen; ein frisches Antlitz aber mit todten Augen sich übel paaren läst. Die schmalen Hüfften vergrösserte sie mit untergebundenen Kissen; die rothen Augen-Wimpern bräunte sie; die Wartzen an Brüsten überpurperte / die Nägel vergüldete / die Haare bestäubte sie; Ja es würde iemanden schwer gefallen seyn / irgendswo eine Nadel-Spitze anzusetzen / wo sie nicht gemahlet war. Also machte sie Erde und Meer / ja schier alle Länder der Welt zu Abgöttern /ihren Leib aber zum Götzen / welchen sie täglich salben und mahlen musten. Sie hatte ihre aus der Fremde verschriebene Schönheit in Büchsen verschlossen /und den Früling mit seinen Rosen und Lilgen bey allen Jahrs-Zeiten in ihrem Schrancken; und gleichwohl niemals ihr eigenes Antlitz; so daß / ob wohl der gleichsam bezauberte Rhascuporis nur seine Ada anbetete / und nicht mehr Wittiber [85] ward / er dennoch täglich ein ander Weib heyrathete / und ein neues Weib küßte. Weil die Wollust aber unersättlich /gleichwohl aber einerley Uppigkeiten bald überdrüssig ward / erfand sie eine neue Art in gantzen alabasternen Wannen voller Balsams / bald kalt / bald warm zu baden; da sie vorhin nur die Wände der Badstuben damit bespritzt hatte; nunmehr aber in einem Bade zwölftehalb hundert Pfund Balsam / und dardurch auf einmal eine halbe Tonne Goldes verschwendete. So sorgfältig war meine Stiefmutter um ihre äuserliche Gestalt aufzuputzen / nur daß sie ihr zu Verstellung ihrer besudelten Seele so vielmehr behülfflich seyn solte. Die Fürstin Adelmunde fiel hier lächelnde ein: Wenn Hertzog Rhemetalces die Kunst sich schöner zu bilden nicht so sehr verda te / hätte er durch seine umbständliche Erzehlung ihr und allem nicht schönen Frauen-Zimmer einen so guten Lehrmeister die Gebrechen der Gestalt zu ersetzen abgegeben / als die Fürstin Ada selbst schwerlich unter ihren Wollust-Meistern am Hofe gehabt hätte. So aber würde sie genöthigt / lieber ungestalt und ohne Schandfleck zu bleiben / als schöner und ihre selbsteigene Verfälscherin zu werden. Inzwischen wäre kein geringes Merckmal einer grossen Fähigkeit: daß ein so schöner Fürst / als Rhemetalces wäre / und welcher zu seiner Vollkommenheit keines Aufputzes bedörffte / in einer ihm so verhaßten Kunst so viel Geheimnüsse begriffen und behalten hätte. Rhemetalces fühlte diesen Stich wohl; nahm sich aber der wenigsten Empfindligkeit an; sondern versetzte: Er wüntschte: daß er so wenig von dieser verächtlichen Wissenschafft gelernet / als sonst Gutes von seiner Stiefmutter genossen hätte. So aber hätte sie bald nach ihrer Heyrath durch ihre ihm erwiesene Heuchelung das Hertze seines Vaters gestohlen / ihn im Frauenzimmer auf weibische Art erzogen und gefirnset / und durch ihre Verzärtelung ihn mit allem Fleisse zu einem untüchtigen Fürsten zu machen / und dardurch ihren Kindern so viel mehr den Weg zur Nachfolge zu bähnen sich bearbeitet. Ich würde auch ausser Zweifel noch weibischer /als der entmannte Ninyas / als der Sammet-scherende Sardanapal / und das Weib Androcotus in Phrygien worden seyn / wenn mich nicht ein glücklicher Unstern dieser zauberischen Mahlerin hold und zugleich dem Verderben entrissen hätte; welche mir zwar täglich die Wangen mit Zinober überfirnßte / aber mein innerstes in was heßlichers / als in Vieh zu verstellen dachte. Erato brach allhier ein: Ich verfluche das letztere / und erkläre mich für eine offene Feindin der Laster; gleichwohl aber werde ich wegen des ersten genöthigt mein Vaterland und alle Morgenländer zu vertheidigen / welche durchgehends sich der Balsame /Salbe und Schmincke gebrauchen. Ich kan mich leichte bescheiden: daß weder Adelmunde noch Rhemetalces die der Gesundheit halben geschehende Salbung ohne diß nicht verwerffen werde. Sintemal wie im Sommer die Bäder / also im Winter die Einbalsamung die Müdigkeit ausziehe / das Oel so wohl die Glieder erwärme und gezüge mache / auch so wohl den Leib als die Farben / oder der Firnß das Holtz für Fäule und Würmern erhalte / der Saffran die Haut und das Fleisch stärcke; wie nicht minder die Salben die Aufdämpfungen des Weines ins Haupt / verhindern; die Feuchtigkeiten aber austrocknen. Westwegen die Persen / Syrier und Griechen auf ihren Gastmahlen ihrer Gäste Häupter zu bekräntzen und einzusalben pflegen. Gleicher gestalt ist die Einölung den tapfern Ringern in den Kampff-Plätzen dienlich / und in andern Fällen nöthig; westwegen der weise Socrates gewisse Einbalsamungen wie die Kleider nur den Weibern /andere aber auch den Männern anständig hält / und diese ist in dem noch so mässigen Rom unter den Tarquiniern nicht verwerfflich gewest. Ja gewisse täglich die gesündeste unter den Speisen / nemlich Honig-essende / [86] und den Leib äuserlich einölende Leute sind 2. biß 300. Jahr alt worden. Allein ich bin auch der Meynung: daß dem Frauenzimmer durch Balsame und andere Schmincken ihre Schönheit zu erhalten / oder ihren Abgang zu ersetzen eben so wenig / als den Männern durch stete Ubung / oder auch durch Artzneyen dem Abgang der Stärcke zu wehrẽ / weniger für ein Laster zu rechnẽ sey. Sintemal die Gestalt unserm Geschlechte diß / was den Männern die Stärcke ist. Und darumb hat die Natur / welche sonst das männliche aller Thiere viel schöner als das weibliche bildet /bloß und allein unter den Menschen das Frauenzimmer an Schönheit weit über die Männer gesetzt. Diese nichts minder weise als gütige Mutter erkennet selbst die Kunst für ihre Schwester / und brauchet sich unzehlbare mal ihres Pinsels / wenn sie die grauen Wolcken mit dem Purper der Morgen- und Abend-Röthe und dem Golde der Sonnen-Strahlen mahlet; den wäßrichten Regenbogen mit fast allen Edelgesteinen versetzet / den blassen Monden mit einem lichten Hofe sichtbar macht; ja dem grossen Auge der Welt / welches sonst alle Dinge sichtbar macht / sich aber selbst eigentlich schauen zu lassen viel zu eiversüchtig ist; und dem gestirnten Himmel in dem Spiegel des blauen Meeres durch den Gegenschein sein Ebenbild zeiget / und derogestalt dem Wasser eine falsche Schönheit zueignet. Uber diß ist die Natur an sich selbst nicht nur in der Gestalt / sondern auch in der Seele /und in ihren andern Wercken eine Bäuerin / und darff zu ihrer Vollkommenheit die Hand des Künstlers. Der Verstand muß nichts weniger / als rauhe Diamanten geschlieffen / das Gedächtnüß so wohl als die Glieder zur Hurtigkeit geübt; ja Tugend und Wissenschafften so wohl ins Gemüthe / als süsse Früchte auf wilde Stämme gepfropfet werden. Man beni t den Stauden die unnützen Räuber; man schabet von Bäumen die Knörner und heßliche Rinde; man zwingt die Stämme zum geraden Wachsthume; durch Einflössung gewisser Säfte die Tulipanen-Zwiebeln: daß sie schönere Blumen tragen. Die Löwen machen durch Schütterung ihrer Mähnen; die Pfauen durch Ausbreitung ihres spieglichten Schwantzes; die Tauben und Fasanen durch Spreissung ihrer gläntzenden Hälse sich ansehlicher. Die Adler verjüngen / die Füchse hären sich; die Schlangen und Heydechsen ziehen ihnen ihre alte runtzlichte Haut ab / umb mit einer schönern zu gläntzen. Was hat denn das Frauenzimmer / welches ohne diß den eckelen Männern niemals schön genung ist / verschuldet; daß es seiner Gestalt nicht mit einem Beysatze / wie der Künstler so gar auch dem edelsten Ertzte mit einem doch nur aus Glase bestehenden Schmeltze helffen darff? Das Völcker-Recht / weil es die meisten / und zwar nicht nur die Morgen- sondern auch die West-Sud- und Nordländer / ja auch die Männer selbst thun / steht so viel mehr auf mein und meines Geschlechtes Seite; die Africanischen Araber mahlen ihren gantzen Leib mit himmel-blauer / die Egyptier und die Einwohner der Glücks-Inseln ihre Glieder mit gelber / die in dem Atlantischen Eylande ihre Antlitzer mit Purper-Farbe; die Mesagetischen Mohren mit Röthe / die Britannier mit Weid; und die Indier färben auch mit steter Käuung eines gewissen Krautes ihre Zähne roth / ja schmincken so gar ihre Bärte. Die Dacischen Weiber lassen ihnen zur Zierde allerhand Bildungen in die Haut hacken. Die in Gallien kleiben schwartzseidene Fliegen auf ihre Wangen und Stirne umb ihre schnee-weisse Haut so viel scheinbarer zu zeigen; ja für etlichen hundert Jahren haben schon die Thracischen Frauen so wohl ihre Leiber gemahlet / die Augbrauen geschwärtzet / als ihre Glieder mit Spangen und Gürteln geschmückt. Ist die Schmincke der Antlitzer verwerfflich; warumb nicht auch der Edel-Gesteine [87] und Perlen-Schmuck? welcher doch mit der Gestalt selbst sich nicht wie jene verschwistert. Ist der Balsam und das Einsalben verbothen / warumb nicht auch das Wasser und waschen? sintemal beydes einerley Zweck anzielet. Ist es unrecht die Haut weich und klar zu machen / und die Antlitzer schmincken / warum kleidet sich die Welt in weiche Wolle und Seyde; und in die gefärbten Tücher? Sintemal die Cretische Farbe / ja der Purpur selbst nichts bessers als eine Schmincke des Meeres /Bleyweiß und Zinober aber der Erde ist. Stehet der annehmliche Geruch dem Frauenzimmer nicht an /warumb hat ihn GOtt den Blumen / den Gewürtzen und andern Gewächsen / den Panthern und Zibeth-Katzen eingepflantzet? Ist die Schönheit an ihr selbst ein Geschencke der Götter / ein Schatz der Natur / ein Band der Liebe; warumb verwirfft man denn ihre Handlangerin die Kunst / und ihr Kraut und Loth die Schmincken? Ist die Schönheit nun unscheltbar; was hat es denn zu bedeuten / ob sie ein Kind der Natur /oder der Kunst / ob sie angebohren / oder ein Meister-Stücke gelehrter Hände sey? Ist es unverwehrt mit den Kleidern abzuwechseln / und tadelt niemand die Sonne: daß sie keinen unaufhörlichen Tag macht /sondern nach der Nacht ihn wieder gebiehret; warumb soll es denn die verschwundene Schönheit nicht wieder zu ergäntzen verstattet seyn? Ist die gemachte Gestalt aber auch gleich keine Wahrheit / so ist sie zum minsten ein schönes Getichte. Sind die Getichte der Venunfft nun nicht schlechter dings zu verwerffen /sondern mehrmals heilsame Gemächte der weisesten Leute; warumb sollen denn die des Leibes so gar verwerfflich seyn? die Römer balsamen in Feyertagen ihre staubichte Sieges-Zeichen die Adler ein. Die Parther legen ihren Pferden güldene Halsbänder umb /und Goldstücke auf. Man vergüldet denen zum Opfer besti ten Ochsen die Hörner / kräntzet die Stiere mit Rosen. Die Mohren mahlen nicht nur ihre Könige /die Römer ihre Sieger / und beyde ihre Götter mit Zinober; und die Cyrenischen Priester baden / salben und zieren das Bild ihres Ammons / wie die Römer ihre Bräute; wegen welcher die Göttin Juno selbst sich nicht schämet den Nahmen einer Salberin zu führen; oder auch sich selbst ihrem lüsternen Jupiter zu Liebe anzustreichen. Venus hatte dem willigen Phaon an statt des Schiffer-Lohns eine Schachtelvoll köstlicher Schmincke verehret / durch die er der schönste Mensch in Lesbos worden / und nicht nur die gelehrte Sappho / sondern alles Frauenzimmer gegen ihn in Liebe entzündet worden wäre. Wie soll denn beym Frauenzimmer ein so grosses Laster seyn / was die Götter selbst thun / oder befördern? und wormit die Natur selbst mehrmals im Menschen spielet? Weil das Verhängnüß so unbarmhertzig / die angebohrne Schönheit so flüchtig ist / Zeit und Männer aber so ungerecht mit ihr handeln / indem jene das weibliche Geschlecht ehe als das männliche veraltern läßt /diese aber wohl an eine gewesene Schönheit dencken /sie aber nicht lieben / ja auch gar der noch in frischer Blüthe stehenden überdrüssig werden. Daher es wegen der Männer eine fast unvermeidliche Nothwendigkeit / wider die Zeit aber eine unverantwortliche Rache zu seyn scheinet / wenn man dem Antlitze seine Jugend / der Gestalt ihre Kindheit / durch eine kluge Erfindung wieder gibt; ja nicht ohne Wunderwerck den Raub dreissig und mehrer Jahre gleichsam in einem Augenblicke gut machet. Oder wie der Sonnen-Vogel sich selbst / also eine Frau ihre veralterte Schönheit aus ihrer Asche wieder ans Licht bringt. Daher nur zu wüntschen wäre: daß die Salben / welche die Kranckheit eines sechzig-jährigen Alters im Ansehen heilen / solchen auch in den Adern und Beinen abzuhelffen kräfftig wären. Die Natur [88] selber weiset uns hierinnen den Weg / und führet uns die Hand. Der Rosen-Strauch ersetzet alle Morgẽ den Abgang seiner schönen Blumẽ / weil ihr Alter mit dem Tage einerley Länge hat. Der Monde und die meisten Sternen prangen nur mit dem von der Sonne geborgten Lichte. Ja die Sonne selbst mahlet sich wie das sich schminckende Frauenzimmer alle Tage im Meere /und in Wolcken. Ja auch im Menschen verwandelt die Natur für sich selbst mehr als einmal die Heßligkeit in Schönheit. Des Königs Aristons Gemahlin war anfangs die greulichste Jungfrau / hernach die schönste Frau in Sparta; so gar / daß dieser erste Verwürffling hernach Helenen an die Seite gesetzt / und diese Veränderung für ein Göttliches Wunder gehalten ward /besonders da ihre Amme sie in ihrer Kindheit alle Morgen in Helenens Tempel getragen / und die Göttin umb eine bessere Gestalt angefleht hätte. Und zu Rom hat man mich versichert: daß die wunder-schöne Schwester des Germanicus Livia in jüngern Jahren beynahe die heßlichste in Rom gewesen / und Drusus destwegen schwer an ihre Heyrath kommen sey. Ja die Tugend selbst gebrauchet sich einer gewissen Schmincke / nemlich der Scham-Röthe / welche die Weisen gar billich die Farbe / das Saltz und die Morgen-Röthe der aufgehenden Tugend nennen / weil sie nur aus einem keuschen Hertzen ins Antlitz steigt /und daher kein ander Thier als der Mensch damit gefärbt wird. Diese Schmincke nennet Menander die Scham-Röthe gar die gröste Göttin; und so wohl Athen als der weise Epimenides baute ihr ein Altar; Plato aber rieth den Eltern: daß sie ihren Kindern mehr dieses edlen Purpurs / als Goldes zur Mitgift mitzugeben beflissen seyn solten. Die lebhafte Hertzhaftigkeit färbet eben so wohl das Antlitz der Helden; daher bitte ich für die Sitten meines Vaterlandes und für mich / die ich mich sonst auch selbst meiner selbsteigenen Verfälschung werde schuldig geben müssen / von so viel anwesenden Schönheiten ein gütiger Urtheil. Die Fürstin Adelmunde fühlte und färbte sich über der Königin Erato Worten und Bekentnüsse; gleich als wolte sie durch diese untadelhafte Schmincke ihre unvorsichtige Verachtung der andern entschuldigen. Weil sie aber ohne Heucheley und eigene Schande ihr voriges Wort nicht zurücke nehmen konte / fing sie an; Die Königin Erato wäre ein so vollkommenes Meister-Stücke der Natur: daß weder Balsam noch Farben / noch ihre eigene Hände was Werckes darbey haben dörfften. Ihre Gestalt wäre so edel; daß aller Beysatz nichts anders als seine Geringschätzigkeit gegen ihrer unvergleichlichen Schönheit an Tag geben könte: und daß kein Gemählde / ausser dem heßlichen / dem gemahlten Dinge gleich werde. Liehe die Schmincke auch gleich den Greulichen eine Schönheit / so wäre es doch nur ein scheinbarer Schatten davon / welcher nur von ferne / nicht in der Nähe sein Ansehen behielte; sie machte die Gemahlten aber nicht schön; sondern diese verkriechen sich nur hinter ihr neues Antlitz. Daher glaubte sie vielmehr: Die Königin hätte durch ihre Rede nicht so wohl die Schmincke zu loben / als die Krafft ihrer Beredsamkeit zu zeigen angezielt / welche allerdinges selbst die Heßligkeit / wenn sie ihr eine Farbe anstreichen wolte / annehmlich zu machen mächtig wäre. Wenn aber auch gleich Erato iemals sich einiger Schmincke gebraucht hätte / könte es aus keinem Absehen / sich mit einer geborgten Schönheit ansehlicher zu machen / oder darüber das Urthel frembder Augen zu betrügen / sondern nur aus Gewohnheit ihrer Landes-Art / oder aus einem zuläßlichen Vorwitze und zum Zeit-Vertreibe geschehen seyn; vielleicht zu versuchen: ob es möglich sey: daß einem der Betrug besser als die Wahrheit anstehe / oder ob es mehr Kunst dörffte ein redendes und vernünftiges / als ein todtes Bild [89] zu machen / ja man zugleich Werck und Werckmeister / Mahler / gemahltes und Gemählde seyn könte? Welchem Beginnen ihre Einfalt / da man in Deutschland von keiner andern Schmincke / als reinem Brunn- oder Thau-Wasser wüßte / einige Verfälschung beyzumässen nie gemeynt gewest wäre / noch ihr Urthel es zum Laster zu machen vermöchte. Sintemal eine tugendhafte Frau auf gewisse Art so wohl der Schmincken / als ein ehrlicher Mann sich falscher Müntze / unschuldig gebrauchen könte. Denn auch die wesentliche Schönheit wäre ausser ihrer rechten Anwehrung ein böses Gut / und schädlicher als keine Schmincke. Die Nattern gläntzten mit Gold und himmel-blau / denen zwey annehmlichsten Farben der Welt / und die giftigste Wolffs-Milch blühete schöner / als die heilsamsten Kräuter. Und die seltzamsten Schönheiten hätten in der Welt den grösten Schaden gethan; welche / wenn sie Tugend und Keuschheit nicht zum Grunde hätten / nichts bessers / als eine betrügliche Schmincke; ja auch in ihrer Unschuld offt wie die sonst so heilsame Gestirne der Monde schädlich wären / in dem beyde zu gewisser Zeit durch ihre Strahlen eine unzehlbare Menge Narren und Krancke machten. Uber diß wäre das schöne nicht so wohl schön; als was einem ieden gefiele. Die flachnäsichten Weiber wären bey den Mohren / die gemahlten auf dem Atlantischen Eylande / die fettesten in Egypten die schönsten. In Africa und auf der Insel Thule würde die höchste Schwärtze der schneeweissen Farbe weit fürgezogen. In welchem Ansehen denn bey Corinth / in Arcadien / und in der Stadt Thespia der schwartzen Venus Tempel wären gebauet worden. Also gienge es den Schönheiten wie den Blumen und Balsamen. Was einem stincke / rüche dem andern wohl; ja die blosse Veränderung des Ortes machte mehrmals was annehmlich / was anderwerts Eckel verursachte. In des Cicero Grabe könte man die köstlichen Saffran-Salben nicht vertragen; hingegen rüchen daselbst dieselben wohl / die den beschwerlichen Geruch der Erde hätten. Daher rechtfertigte eine eingewurtzelte Meynung / und die Sitten eines Volckes alles / was Frembden gleich häßlich oder ärgerlich vorkäme; wenn es nur an sich selbst nicht lasterhafft wäre. Massen denn hiermit das Armenische Frauenzimmer / so wohl ihre Schmincken / als das Deutsche ihre Blösse entschuldigen könte; in dem in vielen Landschaften das meiste noch finger-nackt / das reichste aber in leinenen Kitteln / iedoch mit blossen Brüsten und Armen aufzüge / und unter den Männern in Flüssen ungescheut badete. Hertzog Flavius brach ein: Ich entschütte zwar auch die schönste Erato alles Fehlers / und glaube: daß eine solche Vollkommenheit von Schmincke wohl verstellet / aber nicht gezieret werden könne. Alleine darinnen thut die Fürstin Adelmunde ihrem Vaterlande zu weh / daß sie die Gewohnheit nackt zu gehen mit der Mahlerey lebender Menschen vergleichet. Diese stellt nicht ohne Vermässenheit der Natur durch unzeitige Verbesserung Mängel aus; sie lescht die Merckmale der Zeit aus /wenn sie die nicht ohne Ursache mit dem Alter sich findenden Runtzeln verschmiert / und die mit Ehrerbietigkeit zu verehren würdigen grauen Haare vertunckelt. Die Blösse aber zeigt die Geschöpfe der Natur in ihrem unverfälschten Wesen / ohne Schmincke und beschwerliches Gepränge. Diese wäre der ersten Menschen unschuldiges / und noch der meisten Völcker Kleid; welches etlicher Meynung nach / in kalten Ländern zwar die Noth / mit Bär- und andern Häuten / in warmen aber mehr die Hoffart / als die Erbarkeit mit Seide und Wolle verwechselt hat. Denn die Erfahrung erhärtet: daß die Haut des Menschen sich so wohl als das Leder wilder Thiere wider Hitze und Frost abhärten läßt; ja die von Kind- auf angewöhnte [90] Blösse der Gesund- und Tauerhaftigkeit mehr vorträg- als schädlich sey. Daher nach einer blutigen Schlacht zwischen den Persen und Egyptiern jener Hirnschädel gantz mürbe / dieser aber stein-harte befunden worden / weil die Persen mit blossen / die Egyptier mit bedeckten Häuptern zu gehen gewohnt sind. Zu geschweigen: daß zu denen Spartanischen Kämpfen / und den Olympischen Schau-Spielen / alle / die einen Preiß zu erlangen meynten / mit ihren Lehrmeistern nackt in den Schrancken erscheinen musten. In dem Eylande Chius ringen jährlich die Knaben und Mägdlein nackt mit einander. Ja bey vielen Völckern kan der Gottes-Dienst nicht ohne gewisse Entblössung verrichtet werden. In den Tempel der Vesta müssen die Frauen / und wenn man dem Jupiter umb Verleihung Regens opfert / muß gantz Rom baarfüssig gehen. In dem Elevsinischen Feyer werden die verborgensten Heimligkeiten entblösset / und in Indien glauben die nacktẽ Weisen: daß Gott von Angekleidetẽ nicht andächtig verehret werden könne. Ich weiß wohl: daß die Entblössung ins gemein für ein Kennzeichen unverschämter Seelen / und für einen Zunder der Geilheit beruffen wird; ich bin auch nicht der Meynung: daß die einmal eingeführten Kleidungen an solchen Orten ohne Aergernüß abgeschafft werden können; wiewohl die sonst so strengen und ernsthaften Spartaner ohn einiges Bedencken ihre Jungfrauen frembden Gästen entblöst zeigeten. Allein mein eigenes Vaterland / darinnen mein Geschlechte dem weiblichen / und diß jenem alle Tage gantz nackt ohne geile Regungen für den Augen herumb geht /und man selten von einigem Ehbruche hört / welch Laster doch in dem grösten Theile der Welt nunmehr den Nahmen einer lebhaften Höfligkeit führt / ist Beweises genung: daß ein nacktes Weib ehe Eckel als Begierden verursacht; und die gäntzliche Blösse ein sicheres Genesungs-Mittel unkeuscher Begierden ist. Denn die Blösse ist entweder an ihr selbst heßlich /oder sie hat zum minsten die Schamhaftigkeit zu ihrer Gefärthin; westwegen die Geilheit gleichsam ihrer Eigenschafft nach eben so wohl als die Nacht-Eule Hölen und Finsternüß sucht. Ein überschwemmender Strom lescht nicht den Durst / sondern ersäuffet / und die sich selbst feilbittende Ubermaaß der Wollust hat den wenigsten Zug. Denn wir sind geneigt nach nichts mehr / als nach der Unmögligkeit zu seufzen / und das erlangte / oder uns zum Genuß aufgetragene zu verschmähen; ja wenn es schon Wein und Himmel-Brodt ist / verwandelt es sich auf der Lippe in Wasser und Bitterkeit. Daß diß auch nicht nur mein und der gefrornen Deutschen Glaube / sondern auch der hitzigsten Eigenschafft sey / habe ich zu Rom bey einem Gastmahle des Sestius Gallus erfahren. Die Zimmer waren mit den geilesten Gemählden / die Taffel mit reitzenden Speisen und mit keinem Geschirre besetzt /welches nicht einen Ehbruch in die Augen warff. In die Seitenspiele wurden die üppigsten Lieder gesungen; und zur Taffel bediente die Gäste eitel nacktes Frauenzimmer; gleich als wenn die Schwelgerey an ihr selbst allzu wenigen Trieb hätte. Gleichwohl aber ward der Meister der Wollust Tiberius dieser nackten Dirnen so bald als ich überdrüssig / und muste Gallus den lüsternen Tiberius mit andern Weibern vergnügen / welche weder alles weisten / noch verbargen. Denn ein gantz nacktes Weib gleicht einer Biene / welche mit dem ersten Stiche ihren Stachel eingebüßt hat. Hingegen ist die Liebe nach nichts lüsterner / als was nicht gar / doch grösten theils für den begierigen Augen verhölet wird. Und der wollüstige Tiberius pflegte zu sagen: Ihn vergnügte weder eine geschleyerte Vesta / noch eine nackte Venus. Denn jene weiste der Wollust zu wenig / diese zu viel. Eine nackende Kehle schärffet ihren Hunger / [91] den ein nackter Bauch übermässig sättigt; und man hat mehr Beyspiele: daß einen ein nackter Fuß / als ein gantzes Gemach voll nackend badender Weiber verliebt gemacht habe. Denn weil die Einbildung alles vergrössert / das Gesichte verkleinert; lassen sich unsichtbare Dinge leichter zum Abgotte machen; und was das Auge noch nie in seinem engen Kreisse beschlossen / gar schwer aus dem Hertzen verbannen; so gar: daß auch selbst die Sonne / umb ihr Ansehen zu behalten / sich des Jahres unter die Erde und hinter die Wolcken mehr verbirgt / als zeiget / und über diß mit ihren Strahlen verhindert: daß man ihre feurige Berge und Seen nicht eigentlich schauen kan. Rhemetalces fiel dem Flavius bey / und meldete: daß seine Stiefmutter Ada / welche mit Rechte der Wollust oberste Priesterin seyn könte /bey ihren unkeuschẽ Gastmahlẽ endlich selbst die Aufwartung nackter Dirnẽ abgestellt hätte / weil sie dardurch weniger gewürcket / als ihre Einbildung ihr anfangs Vertröstung gemacht hatte. Denn die Blösse ist ein Verräther der Ungeschickligkeit / und aller Mahle / welche so wohl den schönsten Frauen / als die Flecken den grösten Gestirnen ankleben; also daß offt für die Serischen Könige / welche aus einem thörichten Aberglauben kein Weib mit einem Mahle heyrathen dörffen / in seinem das Römische Reich an Weite übersteigenden Gebiete / kaum eine soll aufgefunden werden können. Die Schminckung herentgegen ist so viel schädlicher gegen der Entblössung / als die Heucheley gegen dem Neide. Denn wie dieser die trockne Wahrheit sagt / jene die Laster zu Tugenden macht; also hält diese schädliche Mahlerey der Heßligkeit eine Larve der Schönheit für und läst sie ihre abgöttische Liebhaber als eine Gottheit anbethen. Sie stielet dem Altar die Jahre / wenn sie ein funfzig-jähriges Weib als eine zwantzig-jährige Dirne aufstellt; also daß sie des Nachts nach abgewaschener Farbe ihre selbsteigene Groß-Mutter seyn könte; folgenden Tag aber wieder ein kaum etliche Stunden altes Antlitz zu zeigen hat. Auf solche Art macht sie die Zähne der Zeit / welche doch Eisen und Kiesel zermalmen /stumpf. Weder Kälte noch Hitze weiß ihre Rosen und Lilgen bleich zu machen; weil der Pinsel alle Morgen erstattet / was der vergangene Tag verzehret hat / und sie den Verlust ihrer jungen Jahre aus einem alabasternen Nabbe wieder herfür sucht; ja die Unmögligkeit / nemlich in einem Jahre das greise Alter und die blühende Jugend zu vermählen überwindet. Sie macht ihr eigenes Antlitz zu einer Leiche / welches sie in den Gestanck der todten Farben vergräbet. Denn so tieffsinnig gleich der geschminckten Anmuth ist; kan sie doch für nichts bessers / als für eine scheinbare und tägliche Beerdigung der Verblichenen Schönheit gehalten werden. Ja die / welche an solcher Färberey Belieben trägt / macht die Annehmligkeit das kostbare Geschencke der Natur unter einer falschen Waare im Kramladen feil; gleich als wenn blaue Lippen /bleiche Wangen und ein gelber Hals sich durch den sonst den Todten zum ersten gewiedmeten Balsam so wohl lebhafft machen / als die Leichen für Fäulnüß erhalten / und durch Artzney ein Feber vertreiben liesse; oder die Schönheit ein Gemächte heßlicher Hände seyn könte. Gleichwol aber dringet sie diß ihr eigenes Geschöpfe nicht nur ihren Anschauern / sondern ihr selbst zum Abgotte auf / wenn sie ihr bey ihrer Bespiegelung so sehr gefällt / und auf einmal Buhler und Buhlschafft abgiebt. Kein Vermögen wird durch einige Verschwendung von iemanden liederlicher weggeworffen / als von Weibern / derer begierige Schönheit noch gestern in einer Krause steckte / die alle Tage ihnen ein neu Gesichte kauffen / und zahlen müssen. Sie vereinbaren ihre alte Jahre mit der Jugend / und mit einem dem Alter sonst so verhaßten[92] Laster der Jugend / nemlich der Verschwendung. Denn keine Schmincke ist einem alten Weibe zu theuer / die gerne jung zu seyn schiene / wie geschwinde gleich dieses Mahlwerck abgehet. Kostbare Kleider währen noch etzliche Zeit / Perlen und Edelgesteine verläßt man den Erben; Salben aber verrauchen augenblicks in die Lufft / sind ein todtes Wesen; haben auch wenig andere Güte an sich; als daß sie der Verschwender nicht alleine / ja / weil der durchziehende Geruch bald unempfindlich wird / am wenigsten geneußt; keine Mißgunst aber ihren besten Genüß seinen Nachbarn entziehen kan. Dahero Lycurgus die so kostbaren und leicht entpehrlichen Balsam-Krämer als verschmitzte Diebe / und Vertreiber guter Sitten aus Sparta / Licius Craßus und Lucius Julius Cäsar sie aus Rom zu jagen erhebliche Ursache gehabt haben; wiewol meinem Bedüncken nach / alle Verjagte gegen meiner verschwenderischen Stief-Mutter Kinder gewesen sind / welche einem Syrier sechs Talent für das Geheimnüs aus Wallsisch-Saamen und Bohnen-Wasser eine das Antlitz verzärtelnde Salbe zu machen gab / und oft eine Schachtel-voll Schmincke mit zweymal so viel wiegendem Golde bezahlte /ja selbst gestand / oder sich vielmehr selbst rühmte; daß sie durch ihre Balsame Jährlich mehr / als gantz Assyrien und Africa ihrer Göttin der Lufft opferte /und zu ihren Schmincken mehr / als ihr Gemahl des Bacchus oberster Priester zu allen Opfern / und der König Rhymetalces zu Besoldung seiner starcken Leibwache verwendete. Salonine fieng an: Es ist glaublich / und traute ich mir selbst diese Ausgabe zimlich hoch zu bringen / nach dem ich einer Frauen Rechnung gesehen / welche bey fünf-hundert trächtige Eselinnen Jahr aus / Jahr ein unterhielt; daß sie sich täglich in ihrer Milch badete / weil sie die Haut weiß und gezüge machte. Flavius fiel ein: diese Ausgabe gienge noch hin; dis aber wäre eine verfluchte Verschwendung: daß die Käyserin Livia aus Deutschland / Gallien und Pannonien etliche tausend säugende Frauen auffangen / und nach Rom bringen / diese aber aus den Brüsten die ihren Kindern geraubte Mutter-milch in silberne Wañen spritzen lassen / daraus sie sich / in Meinung: diese Milch würde weisser / als Esels-Milch machen / mit andern unzüchtigen Römerinnen hernach gebadet hätte. Rhemetalces fiel ein: Es ist dis keine Römische Erfindung / sondern die Fürstin Ada brachte dieses Milch-Bad / als was altes /aus Comagene / und zwar noch mit dieser Verbesserung mit: daß kein ihre Milch zinsendes Weib über fünf und zwantzig Jahr alt seyn dorfte / alle aber weisse Haare haben musten. Hertzog Zeno fieng hierüber laut anzulachen / und sagte Rhemetalcen ins Ohr: Ich weiß wol: daß die alten Griechen aber irrig gegläubt: es hätten die hitzigen Mohren und Indianer wie schwartze Nägel / also auch schwartze Zeugungs-Krafft. Sintemal sie nicht nachgedacht: daß diese ein Schaum / aller Schaum aber weiß sey / noch auch an den Mohren die allerweissesten Zähne wahrgenommen haben. Dis aber habe ich noch nicht gehöret: daß außer der Fürstin Ada jemand der schwartzhärichten Weiber Milch für schwärtzer / als der weißköpfichten gehalten hat. Rhemetalces versetzte gegen dem Zeno: Unsere Bäuerinnen rühmen vielmehr die Milch der schwärtzesten Kühe für die weisseste; und fuhr fort: Meine Stief-Mutter Ada aber bereitete nach der Zeit ein abscheuliches Purper-Bad. Deñ als ihr erstgebohrnes Kind zwey Jahr alt ward / ließ es die gerechte Göttliche Rache in eine heftige Kranckheit fallen /welches etliche Aertzte für den Aufsatz hielten; Uberdis schlug noch die hinfallende Sucht zu / umb vielleicht dieses wollüstige Weib zu prüfen: ob es so wenig Mütterliches / als Menschliches an sich habe. Alle Artzneyen wurden ohne Frucht angewehrt / und daher wolte Ada verzweifeln; riß ihr also [93] die Haare aus dem Kopfe / lief mit dem Kopfe wider die Wände / und vergaß zu grossem Wunder auch so gar sich zu schmincken; also daß vielleicht Rhascuporis dismal das erstemal das kleine Licht ihres Antlitzes zu sehen bekam / weil er vorher nur seine schöne Laterne gesehen / und an seiner Gemahlin niemals vorher zweymal einerley Mund geküßt hatte. Daher nam Ada zu allerhand abergläubischen und zauberischen Mitteln ihre Zuflucht. Alle Jäger und Förster in Thracien wurden befehlicht eine abgescheelete Haut von einer sprencklichten Heydechse / als ein unfehlbares Genesungs-Mittel zu verschaffen; weil aber dieses schlaue Thier solche Haut / nachdem es sie abgeworffen hat / eben so bald / als die Stutten das mit dem Füllin gebohrne Stücke giftigen Fleisches verschlingen soll / war keine nirgends zu finden. Endlich rieth ein Artzt: Man solte von einem zum Tode verdammten dem Kinde Menschen-Blut / oder von daraus gebrennten Geist einflössen. Ein Comagenischer Verschnittener aber meinte: Es wäre rathsamer: daß es im Blute junger Knaben gebadet würde. Ob nun zwar ihrer viel diese grausame Artzney widerriethen / muste doch der Fürstin Ada Befehl / welche ihrer Vergnügung halber alle Thracier geschlachtet hätte / vollzogen / etliche hundert Kinder-Räuber ausgeschickt / welche etliche hundert Kinder denen bestürtzten Müttern aus ihrer Schoos und von den Brüsten raubten / hernach ihnen die Adern schlugen; und derogestalt zwar die meisten jämmerlich umbs Leben brachten / dem darinnen gebadeten Sohne der Ada aber seines dardurch nicht erhalten konten. Wolte GOtt aber! daß dieser unglückliche Gebrauch der Blut-Bäder ihr eine Abscheu für mehrern gemacht hätte / oder daß dis das gröste gewest wäre. So aber fieng ihre Grausamkeit / die gemeine Schwester der Wollüste / als ein Kind an den Kindern an; daß sie bey ihrer Mannbarkeit hernach in Abschlachtung der Männer so viel besser fortkäme. Maßen sie denn leider! gantz Thracien mit einem so rothen Meere überschwemmet hat: daß es noch nicht heraus schwimmen kan. Es wäre genung gewest: daß sie nicht nur den Thracischen Hof / in welchem viel Wollüste noch nicht Bürgerrecht gewonnen hatten /oder doch noch mit der Einfalt in Verträgligkeit lebten / sondern auch das ernste Thracien mit tausenderley neuen Uppigkeiten ansteckte. Denn weil das Volck ihm für Ehre schätzt ein Affe seines Fürsten zu seyn / thut es ihm seine Ungebehrden begierig nach; weil es irrig glaubt: daß der Diamant dem Gifte; und hoher Stand den Lastern seine Schädligkeit benehme. Die Neuigkeit strich ihnen eine so schöne Farbe / als Ada ihren Wangen an; also daß sie die Tugend / wie der aus Kupfer gemachte Gläntz-Firnis das Gold beschämete; und die einfältigen Thracier sich über ihrem Verterben ergetzten / auch nunmehr allererst / wie die zur Zeit des vom Jupiter entthröneten Saturns lebten /den Anfang der doch gleich verschwindenden güldenen Zeit erlebt zu haben vermeinten. Denn weil alle Veränderung beliebt ist / haben alle neue Dinge eine ansehliche Stirne / und einen köstlichen Geschmack. Die Früh-Aepfel schmecken / die Winter-Rosen rüchen am süssesten / und den verwehnten Nasen der Araber reucht ihr herrlicher Weyrauch / Myrrhen /und Aloe nicht so wol / als dem schlechten Syrischen Gummi / den sie in Bockhäuten verbrennen / und darmit einen fast unerträglichen Gestanck erregen. Bey welcher Bewandnüs sich nicht zu verwundern ist: daß die guten Thracier auch ihnen die mit einer sonderbaren Leutseeligkeit und Freygebigkeit vermuten Laster von der Priesterin Ada aufdringen liessen; welche nicht selten den Tugenden so ähnlich sind: daß Socrates beyder Unterscheidung für den Kern der Weißheit gepriesen hat. Im Fall aber die Wissenschaft der Laster den Namen [94] einer Weißheit verdienet; ist für meiner Stief-Mutter kein Weltweiser in der Welt gewest. Denn sie hatte durch ihre Scharfsinnigkeit und Ubung alle ihre Geheimnüsse durchkrochen; Ihre Eigenschaften und Kräften wuste sie vom höchsten zum kleinsten / wie Salomon aller Gewächse von der Ceder an /bis zu dem an der Wand wachsenden Mooße auf einen Nagel. Der Ehrsüchtigen Herrschsucht / welche wie der Krocodil niemals zu wachsen aufhört / räumte sie als einer Königin eine unverschrenckte Bothmäßigkeit über ihr Gemüthe ein; also / daß die andern Laster dieser als schlechte Mägde blinden Gehorsam leisten musten / und von ihr als Leibeigene an der Kette geführt wurden. Diesemnach demüthigte sie ihre im Hertzen steckende Hoffart zu deren demüthigsten Ehrerbietungen anfangs gegen ihren Gemahl Rhascuporis / hernach gegen dem Könige Rhymetalces / und der Königin Parysatis. Als sie aller dieser Gewogenheit erworben / trachtete sie nunmehr über sie und gantz Thracien den Meister zu spielen. Denn sie meinte durch ihre Heucheley der Tugend schon so ferne zu Kopfe gewachsen zu seyn: daß sie ohne Argwohn böses thun könte. Sie stand lange Zeit im Zweifel: ob sie ihre Herrschafft auf Rhemetalcen / oder den Rhascuporis gründen / und also diesem oder jenem das Licht ausleschen solte. Darinnen aber ward sie bald mit ihr selbst eines: daß auf beyde Fälle Parysatis gestürtzt; und weil zu diesem Gewebe viel Fädeme abzuspinnen seyn / keine Zeit / als der theuerste Verlust versäumet werden müste. Gifft schien ihrer Mord-Lust das geschwindeste und sicherste Mittel zu seyn. Daher ließ sie durch einen Comagenischen Verschnittenen der Königin Sattel-Knopf auf ihrem Zelter vergifften / darauf sie mit dem Könige auf die Jagt ritt. Weil aber selbter mit einer seidenen Decke belegt ward / Parysatis auch ihre Handschuch nicht auszoh /und den Sattel-Knopf mit blosser Haut nicht berührte / ward dieser Anschlag krebsgängig. Dieser Verschnittene bereitete hierauf ein paar Handschuch; aber Ada hielt diese Art zu gemein; und / weil sie so wol mit Einbisamung umbzugehen wuste / allzu verdächtig. Wenig Tage hernach fiel das Feyer des Taygetischen Bacchus ein / an welchem alleine die Priesterinnen den Gottesdienst verrichten / und kein Mann / ja der hohe Priester selbst nicht in Tempel kommen darf. Weil nun den Lastern nichts / als die Andacht einen scheinbaren Firnüs anstreicht / ward sie schlüßig /den gesegneten Wein zu vergifften / welcher auf diesem Feyer des Bacchus denen Opfernden in Crystallene Schalen aus einer zimlichen Menge silberner Krüge / derer jeder zwölf Schalen füllt / eingeschencket wird. Zu diesem Ende ließ sie darunter einen silbernen Krug mit einem Unterschiede fertigen; also /daß man daraus nach Belieben und ohne einige Vermischung zweyerley Wein einschencken konte. Sie selbst / als oberste Priesterin hatte dieses Ampt zu verrichten / und konte also darmit nach Belieben verfahren / sonder / daß einem andern Menschen das mindeste hiervon vertraut werden dorffte. Sie selbst goß eigenhändig den vergiffteten und andern Wein in den Krug / und setzte ihn an den gewöhnlichen Ort neben das Altar. Als Ada aber mit Anzündung des Opfers und Beschauung der Eingeweide beschäfftiget war / sprang eine glüende Kohle vom Brand-Altar auf den Tisch / neben den gesegneten Wein. Weil nun das den Tisch bedeckende seidene Tuch zu glimmen anfieng / gieng ohne Anmerckung der Ada eine Priesterin dahin den Brand zu leschen; und damit verwechselte sie den ersten silbernen Krug; also daß Ada nach dem Opfer der Königin Parysatis und allen andern grossen Frauen des Hofes vom guten Weine in die dazu bereitete Schalen einschenckte. Die andern Krüge verschenckten die übrigen Priesterinnen / und traf das Unglück selbst [95] sechs Comagenische Dirnen aus der Ada Frauen-Zimmer; welche / weil das mit Fleiß zu langsamer Würckung bereitete Gifft erst auf die folgende Nacht zu würcken anfieng / folgenden Morgen todt im Bette gefunden wurden. Ada erschrack nicht so wol über dieser ihrer Getreuen erbärmlicher Hinrichtung / als sie dieser unbegreifliche Irrthum verdroß. Denn die Boßheit ist so wol der Freundschafft /als des Mitleidens unfähig / und die Narben ihres oft verletzten Gewissens waren mit einem solchen Knorpel überwachsen: daß sie so wenig im Hertzen Fühle /als in ihrem Gesichte Schamröthe hatte. Ob sie nun zwar in ihrem Frauen-Zimmer eine mit Napel und anderm Gifte auferzogene Dirne hatte / welche wie jene giftige Indianerin bey nahe dem grossen Alexander gethan / ihr zu Dienste schon etliche Höflinge mit ihrem Atheme getödtet hatte / so ließ sich doch dis der Königin schwer anbringen / und Ada selbst hielt nicht für rathsam ein zweymal fehlendes Mittel das drittemal zu versuchen. Ihre Laster aber / daraus sie fürlängst ein Handwerck gemacht hatte / gaben ihr viel ein schlimmers ein; als wordurch sie nicht nur das Leben und die Ehre der Königin Parysatis / sondern auch ihres eigenen Gemahles Rhascuporis auf die Spitze setzte / und noch darzu in ihrer Seele die heftigste der Weiblichen Regungen / nemlich die Eyversucht tödten muste; welche doch allen Menschen /ja so gar auch unvernünftigen Thieren angebohren ist / und die eyversüchtigen Hirschen so quälet: daß ihnen davon Würmer in ihren Geweyhen wachsen. Es war in der Königin Frauen-Zimmer eine edle Albanierin / welche ihrer Schönheit halber gleichsam ein Begrif aller Vollkommenheiten genennet werden konte. Denn sie hatte schneeweisse Haut / Zähne und Nägel /schwartz-braune Augen und Augenbrauen / rothe Lippen / Wangen und Haut unter den Nägeln / lange krause Haare / Hände und einen gestreckten Leib /einen kurtzen Bauch / erhobene Backen / niedrige Zähne und Ohren; eine breite Stirne und Schultern; einen engen Mund / und aufgelauffene Lefzen / die Augenbrauen von einander unterschieden; länglicht rundte Finger / eine dünne Nase / einen kleinen Kopf /Füsse / und kleine rundte Brüste. Dieser seltzamen Gestalt halber war sie am gantzen Hofe hoch gesehen; insonderheit aber hatte sie das Hertze der Königin Parysatis gewoñen: daß sie nichts ohne sie thät / sondern alle ihre Geheimnüsse gleichsam in Verwahrung hatte. Weil nun der Priesterin Ada zu ihrem Anschlage an derselben Wissenschafft nicht wenig gelegen war / und sie durch keinen geschicktern Werckzeug /als Eriphylen die Königin zu leiten getraute / bewarb sie sich durch Geschencke und Liebkosungen aufs eyfrigste umb Eriphylens Freundschafft; nam sie dardurch auch so ein: daß sie von Hofe täglich in Tempel / und daraus zur Ada kam. Beyder Verträuligkeit ward mit der Zeit so groß / als sie kaum zwischen Schwestern hätte seyn können. Bey dieser Gelegenheit warf Rhascuporis auf Eriphylen ein Auge / und Ada selbst / welche ihre Schönheit und Gemüths-Gaben nie genung gegen ihrem Gemahl herauszustreichen wuste / trug selbst embsigst Holtz zu diesem Feuer; welches endlich so sehr zu Schwunge kam: daß Rhascuporis unterschiedene mal mit allen Versuchungen /damit ein Weiblich Hertze überwunden werden kan /an sie setzte; welche aber entweder aus Furcht für seiner Gemahlin Ada / oder weil sie ihre Wolthäterin durch diese Untreue zu beleidigen für ein zu grosses Laster hielt / auf solch Eis nicht trauen wolte / sondern dis Anmuthen endlich der Ada selbst entdeckte /und umb Erlaubnüs sich ihres Hofes zu entschlagen anhielt. Eriphyle / an statt / daß sie von der Ada einen grossen Danck und Ruhm erwartete / ward von ihr mit einem Gelächter bewillko t. Sie schalt ihr Bedencken eine Alberkeit / [96] und ihre Weigerung einen Hochmuth / weil sie nicht nur sich der Süßigkeiten der Liebe beraubte / sondern auch einem zu gebieten Macht habenden Fürsten so billiges Verlangen abschlüge. Ohne den Geschmack der Wollust wäre alle Empfindligkeit des Menschen stumpf / im Frauen-Zimmer aber gar todt; welche in allem andern den Männern nachgäben / in dieser Ergötzligkeit aber alleine überlegen wären. Diesemnach wäre die nicht recht bey Sinnen / die der Zeit / der Gelegenheit / und dieses Vortheils sich nicht bediente. Wenn aber ja die Beliebung der Liebe eine Thorheit seyn solte / wäre es die geringste. Denn man wäre darmit nur ihm selbst nicht klug / gleichwol aber nicht gram / worinnen die gröste Thorheit bestünde; Andern aber klug seyn /wäre schon eine auskommentliche Weißheit. Uberdis verhinge das Glücke uber uns auch in der Liebe so seltzame Tage und Zufälle / aus denen die Tugend sich selbst nicht auszuflüchten wüste. Unter diesen aber wären dis die wichtigsten: wenn Fürsten über uns was gebäthen. Denn weil diese über unsere Güter / Ehre und Leben / Gewalt / und aller Dinge oberstes Eigenthum hätten / gehörete ihnen auch der Gebrauch unsers Leibes. Königlich Geblüte hätte Verwand- und Eigenschafft mit dem der Purpur-Schnecken / welche wol färbten / aber nicht fleckten. Westwegen ihnen was versagen keine Keuschheit / sondern ein Frost der Seele / ja gar ein Laster wäre. Daher / im Fall Eriphyle sie liebte / und ihre gegen sie Zeither betheuerte Neigung nicht das Ansehen einer Heucheley bekommen / sondern den Strich der Treue und die Farbe unverfälschter Freundschafft halber halten solte / müste sie dem Rhascuporis keinmal mehr ungehorsam seyn; hierdurch aber ihre gegen Eriphylen tragende Gewogenheit nicht für geringer schätzen / als welche Cato dem Hortensius durch Abtretung seiner Martia bezeuget hätte. Eryphile hörte dieser Fürstin mit so grosser Befrembdung zu: daß sie für Verwunderung hätte zum Steine werden mögen. Sie sahe sie mit einem langen Stillschweigen starr an / umb aus ihren Gebehrden die Auslegung ihrer unbegreiflichen Worte zu nehmen. Denn sie könte ihr nichts wenigers einbilden; als daß sie nicht nur zu ihres Gemahls frembder Liebe eine Auge zudrücken / sondern seine selbst-eigene Kuplerin seyn solte. Daher bildete sie ihr festiglich ein: Ada wolte nur ihr Gemüthe ausholen / und ihre Treue prüfen; antwortete sie ihr also: Sie möchte ihr nichts zumuthen / wordurch sie zugleich ihre Keuschheit als Wolthäterin beleidigte. Je höher der Stand und die Sterne / je sichtbarer wären die Laster und Flecken. Ja kein Gestirne schwärtzte mehr / als die Sonne / das wahre Ebenbild der Fürsten. Daher sänckten die vom Thaue trächtigen Muscheln nach ihrer Empfängnüs sich in die Tieffe des Meeres bis auf den Grund / womit ihre Perlen nicht von den Sonnen-Strahlen fleckicht würden. Diese keusche Muscheln wären die edelsten Lehrmeisterinnen keuscher Seelen / wie sie für den Sonnen dieser Welt sich anstellen / und sich die ins gemein in bittern Haß ausschlagende Hold auf keinen Irrweg solten verleiten lassen. Alleine Ada wuste Eriphylen die Wollust so zu verzuckern: daß sie ihr selbte für das Saltz des Lebens / und für eine solche Süßigkeit einredete / ohne welcher Genüß jeder vergehender Tag dem Leben abgestohlen würde. Die von ihr besorgte Eyversucht redete sie durch viel Betheuerungen und vorgebildete Schuldigkeit der Ehfrauen aus / welche ihre Männer nicht nur mit ihrem eigenen Leibe / sondern auch mit frembden Schönheiten zu vergnügen; ja ihnen zu Liebe alle Verdrüßligkeit gefallen zu lassen / und aus dem selbst-ständigen Eckel wie die Bienen aus herben Kräutern süssen Honig saugen solten. Denn ein Weib solte von keiner andern Wollust wissen / als die ihr Mañ [97] genüsse. Daher müste sie dem Fürsten Rhascuporis / oder vielmehr ihr selbst die Ergötzligkeit nicht entziehen / welche ihr durch das Röhr ihres Gemahls in das empfindlichste ihrer Seele flössen würde; wo sie nicht anders durch thörichte Hartneckigkeit das Glücke mit Füssen von sich stossen / des Fürsten Rache / und ihre Ungenade mit den Haaren zu sich ziehen wolte. Mit einem Worte: Eriphyle ward überredet oder gezwungen in des Rhascuporis Willen zu kommen; Und weil die Wollüste denen am süssesten schmecken / denen zum ersten am meisten dafür geeckelt hat; ja frembdes Wasser meist besser / als eigener Wein schmeckt; verknüpfte die Liebe beyde so feste zusammen: daß eines ohne das ander nicht länger zu leben getraute. Weil nun die anfangs behutsamen Laster endlich sicher / und damit unvorsichtig werden /merckte der gantze Hof dieses Geheimnüs / nur allein Ada war mit sehenden Augen blind. Sie liebkosete dem Rhascuporis mehr als jemals vorher / und wormit sie gleichwol seine anderwerts hin gewiedmete Kräften nicht auf ihren Acker leitete / nam sie sich eines Gelübdes an / ein gantz Jahr lang des Thesmophorischen Gottesdienstes abzuwarten; welche Andacht nur von Frauen / die sich ihrer Männer enteuserten / wie die Elevsinische von derogestalt lebenden Männern vollzogen werden konte. Sie schlief desthalben auch mehrentheils im Tempel der Ceres auf gewissen Kräutern / welche der Geilheit widerstehen / und zur Keuschheit dienlich seyn sollen. Hingegen ließ sie bey allen Mahlzeiten dem Rhascuporis und Eriphylen in Pasteten Fleisch von denen Egyptischen und dem Crocodil ähnlichen Heydechsen mit unterhacken / und die daraus gezogene Krafft mit dem schmeckenden Weine aus Chius vermischen / welche allen andern Zunder der Geilheit übertreffen soll. Wenn auch Eriphyle ihre Begierden mit dem Rhascuporis abgekühlet hatte / empfieng sie Ada mit höchster Freude und Freundligkeit / umbarmete / halsete und küßte sie; und danckte ihr für die ihrem Gemahl geschaffte Vergnügung. Sie nöthigte Eriphylen in ihr Bette / nennte sie ihre Buhlschafft / und brachte sie durch ihre Liebkosungen so weit: daß sie ihr allemal die gepflogenen Geilheiten umbständlich erzehlen muste. Darüber schöpfte Ada / ihrem Vorgeben nach / mehr Ergötzligkeit / als Eriphyle in der eigenen Wollust. Denn sagte sie: dein Leib alleine hat des Rhascuporis genossen / ich aber genüsse sein in der Seele durch eine kräftige Einbildung; und du selbst wirst empfinden: daß die Wollust ein flüchtiger Schatten sey / wenn sie nicht vorher durch den Vorschmack des Verlangens /hernach durch süsses Andencken des genossenen tauerhafft gemacht; und ihr empfangenes Himmelbrod nach dem Genüsse durch Einbildung gleichsam gekäuet / und in Safft und Blut des Gemüthes verwandelt wird. Die Natur lehret uns selbst diesen geistigen Gebrauch der Wollüste / wenn sie sie uns in Träumen oft kräftiger eindrucket / und mit häuffigerm Uberflusse überschüttet / als wenn wir uns wesentlich mit ihr begatten. Derogestalt brachten Ada und Eriphyle mit ihren unkeuschen Erzehlungen manche gantze Nächte und halbe Tage zu; und ihre geile Betastungen waren gleichsam die Nachgemählde oder der Widerschall der vorher begangenen Ehbrüche; nur daß Eriphyle beym Rhascuporis sich selbst / bey der Ada den Rhascuporis fürstellte; welche jener noch täglich neu ausgedachte Arten der Geilheiten an die Hand zu geben sich befließ. Atalanta hingegen der Ada Hofemeisterin hätte für Ungedult zerbersten mögen / als sie Eriphylen zur Gemahlin / die Fürstin Ada aber zu einem unempfindlichen Steine werden sahe. Denn weil eine aus dem Bette verstossene Frau ins gemein vorher schon aus dem Hertzen verbannet ist / hernach auch das Haus räumen muß / stellte [98] ihr Atalanta mit der Fürstin Ada Untergange schon ihren eigenen Schiffbruch für Augen. Bey diesem Unmuthe erkühnte sie sich die Ada zu fragen: ob sie bezaubert wäre: daß sie Eriphylen ihre ärgste Feindin / den Raubvogel ihrer Ehre / die Vergällerin ihrer Vergnügung noch auf den Händen trüge; und durch ihre mehr / als knechtische Gedult einer Ehbrecherin den Weg zur Herrschafft / ihr selbst aber zum Grabe bähnte? Ada antwortete ihr lächelnde: Ich sehe wol / Atalanta / daß du dem Fürsten Rhascuporis grämer bist / als jene Atalanta dem Arcadischen wilden Schweine / welches sie mit eigener Faust erlegte. Ich weiß aber nicht: ob du mir damit mehr wol / als übel wilst. Du bildest dir ein: Rhascuporis liebe Eriphylen. Vielleicht ist es eine blosse Einbildung. Die Eyversucht siehet mehr als wahr ist; wie die Liebe weniger. Sie hat Mißtrauen gegen die im Zimmer schleichenden Mäuse; und wünschet: daß alles aus ihr / ja die Flöhe selbst verschnitten wären. Sie machet die Tapezereyen zu ihren Neben-Buhlern / und glaubet: daß ihr Ehmann sich in die darein gestickte Bilder verliebt habe. Daher ihr auch eine marmelne Diana / wie keusch und kalt sie ist / den Schlaff verstöret / wenn er sie den Tag vorher eigen angesehen hat. Atalanta fieng hierüber anzuruffen: Ihr Götter! hat die sonst so scharfsinnige Ada alleine Maulwurfs-Augen: daß sie nicht sehe / was gantz Thracien mit Händen greifft? daß sie nicht glaubt / was der Pöfel auf den Gassen singt / und woraus der üppige Hof ein Gelächter macht? Meinet sie: daß wenn Eriphyle mit dem Fürsten Rhascuporis auf die Jagt fährt / und Ada zu Hause nähet / sie mehr mit den Hunden das Wild / als mit ihren Begierden ihren Wunsch verfolgen? Glaubt sie Einfältige: daß /wenn sie vom Morgen bis in die Nacht sich in die Einsamkeit eines Lusthauses versperren / sie einander in der Welt-Weißheit unterrichten? Einfältige! die Gelegenheit unterrichtet unwissende Kinder / verführet die Unschuldigsten auf den gebähnten Weg der schlüpfrigen Wollüste; und die Einsamkeit / welche sonst keinen andern Gefärthen verträgt / halset und küsset sich mit der Liebe / als einer behäglichen Einsiedlerin. Sie ist eine so gefährliche Gefärthin: daß ihr die Natur selbst mißtrauet / und in Mutter-Leibe die Zwillinge ungleichen Geschlechtes von einander absondert. Ada versetzte: Ich sehe wol / Atalanta: du habest dich mit deinem Argwohne so vermählt: daß du die Warheit selbst für ein Kebs-Weib halten würdest. Denn die Eyversucht ist nicht weniger hartneckicht /als leichtgläubig. Ihre umb das Haupt hängende Schlangen zischen ihr unaufhörlich neue Mähre in die Ohren / und Argwohn ins Hertze. Sie schäumen ihr Gifft auf die reinesten Lilgen / und Galle in die ruhigsten Gemüther. Sie beissen mit ihren Zähnen die festesten Bänder der Hertzen entzwey / und zertrennen den unzertrennlichen Ehstand. Die Eyversucht schwärtzet mit dem Rauche ihrer höllischen Fackel den guten Nahmen / und vertunckelt die vollkommenste Tugend. Ihre Flamme ängstigt den Leib mit einem nie aufhörenden hitzigen Feber / und das süsseste Leben verwandelt sie in einen Brand der verzweifelnden Unholden. Ihr blutiges Schwerdt sencket sie in ihre eigene oder dessen Eingeweide / den sie vor am eifrigsten geliebt hat; braucht es aber hernach zum Spiegel seines abscheulichen Lasters; besiehet darinnen die Wunden ihres Hertzens / und die Flecken ihrer Seele. Ja sein falscher Widerschein stellet ihr den gestrigen Abgott heute als ihren Hencker / du aber meinen Rhascuporis als meinen Feind für / welchen ich nicht ohne Grund als meinen Gemahl und Liebhaber verehre. Nein! nein! Atalanta / störe nicht die Ruhe meines Gemüthes / und vergälle nicht die Süßigkeit meines Ehstandes mit der entweder unnöthigen oder unnützen [99] Eyversucht; welche nicht in meiner zarten Seele / sondern nur in einem unmenschlichen Hertzen / wie das den grossen Alexander tödtende Gifft in Pferde-Huf beherbergt werden kan. Hilf Himmel! rief Atalanta. Hat die scharfsinnige und empfindliche Fürstin Ada nun nicht nur das Gesichte /sondern auch die Fühle verlohren; welch letzter Sinn doch allen Thieren gemein ist / und dem kleinsten Gewürme nicht fehlet? Hältest du für keinen Verlust: daß Eriphyle den Kern der Liebe vom Rhascuporis einerndtet / dir aber leere Hülsen läßt? Schätzest du für keinen Verlust der Ehre: daß dein Gemahl dich als eine Unwürdige einer Magd nachsetzt; der Pöfel aber als auf eine Verschmähte mit den Fingern weist? Ada begegnete ihr: du selbst steckst in einem grossen Irrthume / Atalanta / wenn du meinest: daß eine Gemahlin der Geilheit halber / nicht wegen Fortpflantzung der Geschlechter geheyrathet werde; und daß unsere Ehre des Pöfels oder eines andern Willkühr unterworffen sey. Frembde Laster können uns wol weh thun / aber nicht unehrlich machen; wie man aus eines andern Tugend wol Freude / aber keinen Ruhm schöpfen kan. Atalanta brach ein: Die grossen Gestirne werden zwar auch wahrhafftig nicht verfinstert; gleichwol aber verstellet der Schatten der Erde den Monden / und die Dazwischen-Tretung des Monden die Sonne in unsern Augen. Die Verläumbdung halset einem nur ertichtete / nicht wahre Laster auf; Gleichwol aber wird diese als eine Beschimpfung mit Rechte geanthet / und mit Eyver gerochen. Ist das Beginnen des Rhascuporis und Eriphylens nun nicht mehr /als eine wörtliche Verunehrung? Man gäb es aber nach: daß ein Ehbrecher seiner Gemahlin keinen Schandfleck anbrenne; was kan ihrer Seele mehr Unlust / als eine solche Verachtung / und ihrem Leben mehr Bitterkeit / als die Verzückung einer geilen Dirne / verursachen? Ada antwortete; Meine liebe Atalanta; du hast eine empfindlichere Fühle / als die Spinnen; und stehst in denen Gedancken: daß die aus einem vergällten Hertzen entspringende Regungen /wie das aus unreiffen und bitteren Oliven gepreßte Oel / die besten / die linden Entschlüßungen aber wie die reiffen Oliven die schli sten sind. Weist du aber nicht: daß die: Verhölung der Wunden keine geringe Weißheit / und die Verdrückung empfangenen Unrechts die klügste Rache sey! Bildest du dir ein: daß den Männern die Keuschheit so sehr / als den Weibern obliege? Wer hat ihnen dis Gesetze geschrieben? Erlaubet ihnen nicht das Recht der meisten Völcker die zahl ihrer Ehfrauen nach ihrer Willkühr / oder zum minsten nach ihrem Vermögen zu bestimmen? Ihres Amtes ist es vielmehr klug und behertzt / unsers aber keusch und verschämt zu seyn. Die Natur selbst und der gemeine Wolstand verbindet uns hierzu: daß wir durch unsere Geilheit nicht unsern Ehgatten frembde Eyer auszubriten unterlegen / oder die Väterliche Gewalt zweifelhaftig / und die nöthige Erziehung der Kinder kaltsinnig machen. Derer keines aber ereignet sich / wenn schon ein Mann über die Schnure hauet. Was würdest du mir / Atalanta / einzuhalten haben / wenn ich des Persischen Königes Gemahlin wäre. Was würde ich gegen meine vier-hundert / neun und neunzig Neben-Buhlerinnen fürzunehmen haben; da ich mit der einigen Eriphyle so scharf eyfern soll? welche beym Rhascuporis zwar wol einen Stein im Brete haben mag / mich aber doch / als ihre Frau /und als ihre Fürstin verehret; und wo nicht im Bette /doch in der Würde die erste bleiben läßt. Derogestalt bin ich glücklicher / als keine Königin in Asien; und ich selbst bescheide mich: daß eine Frau nicht nur ihren Leib / sondern auch ihren Willen / ja ihre eigene [100] Wolfahrt zu Vergnügung ihres Mannes aufzuopfern schuldig sey. Ich glaube / sagte Atalanta: daß sie bereit auf der Schippe stehe. Sintemal sich Eriphyle nicht an der Herrschafft über des Rhascuporis Hertze vergnügen / sondern auch Insel und Priesterthum an sich reissen wird. Maßen Rhascuporis / welchen sie an dem güldenen Seile der Liebe / als einen Tantz-Bär leitet / ihrer Lüsternheit nichts zu versagen mächtig ist. Ich weiß nicht / was ich dencken / weniger was ich sagen soll: daß sie so embsig ist Eriphylen ihr Glücke / ihr selbst aber die Grufft zu bauen? Bildet sie ihr ein: daß man die von uns empor gehobene Menschen wie die erhöheten Thürme nach Belieben wieder erniedrigen könne? Meinet sie nicht: daß wenn einer nicht gar ein todter Klotz ist / ihm selbst noch mehr empor zu klimmen die Hülffe gabe; und also die / welche wir groß / jedoch kleiner als uns zu machen vorhaben / unsere Grösse unvermerckt übersteigen; ja uns / wie der Rauch das ihm gebährende Feuer erstecken? denn / weil weder die Welt ein endliches Ziel /noch die Begierden einen richtigen Maas-Stab haben; sind die Menschen durchgehends unersättlich; und das erreichte Ziel wird zum Mittel weiter hinaus zu sehen. Dahero scheinet dem / der nichts hat / ein kleines Eigenthum viel; nach dem er aber etwas erlangt /viel ein weniges; ja endlich alles nicht genung zu seyn. Ada lachte und antwortete: Ich bin dir verbunden / Atalanta; daß du so sehr für mich sorgest / und zum Zeichen deiner gegen mich tragenden Liebe / so bekümmerst für mich eiferst. Alleine lasse dich diese Larven der Einbildungen auf keinen Irrweg leiten /welche ihnen Furcht und Eyversucht träumen lassen /oder fürs Gesichte mahlen / wormit sie mit etwas /wie der in die Hölle kommende Eneas mit Gespensten zu fechten haben. Kanst du nicht begreiffen: daß eine zu ihres Ehmannes Fehlern ein Auge zudrückende Frau nach und nach selbst das Hefft und die Herrschafft über ihn behaupte; so betrachte Livien; welche durch diese Gedult dem Käyser August mit mehrerm Nachdruck / als er der Welt gebeut. Denn niemand ist demüthiger / und zur Dienstbarkeit geneigter / als der ihm übel bewust ist. Gleichwol aber / sagte Atalanta /hasset man niemanden mehr / als den man beleidiget hat. Ada setzte entgegen: welch Ehmann meinet: daß er mit Umbarmung frembder Buhlschafften seine Frau beleidige? Ist es aber auch gleich eine Beleidigung /so ist sie von keiner so grossen Wichtigkeit: daß sie des Beleidigers Hertze noch darzu so vergällen solte. Hingegen thut der ehlichen Liebe nichts mehr Abbruch / als eine tägliche Beywohnung. Die Abwechselung aber ist das Saltz der Liebe / und die Mutter der Wollust. Diesemnach denn die von den heftigen Begierden beunruhigte Magnet-Nadel der Liebe / nach einer langen Umbwallung doch endlich wieder auf dem Nord-Striche gegen seiner Gemahlin / als dem rechten Angel-Sterne stille stehen bleibt / und ein Mann nach langer Enthaltung oder Abwesenheit seine Frau so viel inbrünstiger lieb gewinnt. Welchen Vortheil die eyversüchtigen Weiber nicht zu hoffen haben / die aus ihrem Hertzen gegen ihn nichts als Galle /und von ihrer Zunge nur Wermuth ausschütten; welche allen seinen Tritten auf der Ferße argwöhnisch nachschleichen / und ihre verdrüßliche Seele mit seiner ausgespürten Untreue begierig speisen. Warlich /diese Thörichten giessen Gifft in ihre Wunden / und beleidigen sich selbst mehr / als sie von ihren Ehmännern beleidiget werden. Am wenigsten schaffen sie ihnen durch ihre Mißgunst einigen Vortheil / dardurch sie nur ihrer Ehmänner Lust verstören; sind also wie die Hirschen / welche ihr abgeworffenes rechtes Gewey verscharren; und wie [101] die Heydechsen / die ihre abgestreiffte Haut verschlingen / nur daß beyde den Menschen nicht zur Artzney dienen sollen. Ist also die Eyversucht durchgehends eine unnütze Schwachheit /bey den Weibern aber eine gäntzliche Ohnmacht. Der Männer Empfindligkeit / welche ihrer Weiber Vergebung noch mit Blute zu rächen Kräffte haben / scheinet noch etlicher massen zu entschuldigen zu seyn; ungeachtet die grösten Helden hierinnen sich selbst überwunden / und König Philipp an Olympien / Ptolomäus an Cleopatren / Agamemnon an Clytemnestern / Menelaus an Helenen / Minos an Pasiphaen /Theseus an der Psädra ihre Untreue nicht gerochen /sondern sie fremder oder ihrer eigenen Rache überlassen. Was soll denn ein ohnmächtiges Weib gegen einen stärckern / auch weniger Verbrechenden für Rache ausüben? Die verbitterte Medea hat den durch ihre blinde Eiversucht erregten Brand mit vielen Thränen ausgelescht; und durch Ermordung ihrer Kinder ihr weher / als dem Jason gethan. Nichts ist daher der Tugend gemässer / dem Gemüthe vorträglicher / dem Leben sicherer / als leiden und schweigen. Sintemal die Juno selbst keine andere Frucht ihrer unmässigen Eiversucht eingeerndtet / als daß Jupiter im Leben die irrdischen Buhlschafften einer Göttin vorgezogen /nach dem Tode aber unter die Sternen gesetzt. Gleichwohl aber / versetzte Atalanta / blieb Juno bey solchem Ansehen: daß Jupiter nur ins geheim fremde Liebe stehlen dorfte; ja Europen in einen Ochsen / die Calisto in einẽ Bär verst ellete. Allhier aber hat Eriphyle schon alle Scham / und Rhascuporis so gar die Larve seiner zu ihr tragenden Liebe abgelegt; und die Gewohnheit dem Ehbruche alle Heßligkeit des Lasters abgewischt. Daher habe ich mir fürgesetzt meiner Fürstin Unrecht entweder mit meinem oder Eriphylens Blute abzuwaschen / oder durch Gifft ihr und ihrer tollen Brunst das Licht auszuleschen. Ich beschwere dich / Atalanta / sagte Ada mit ernsthafter Geberdung / daß du dich Eriphylen / welcher ich darumb / daß sie den Rhascuporis liebt / nicht gram seyn kan / nicht versehrest / wo du mich nicht selbst versehren / und meinen unversöhnlichen Zorn dir auf den Hals ziehen wilst. Atalanta erstaunete über diesen Worten; ihre Augen wurden wäßricht; und sie gieng mit Seufzen aus der unempfindlichen Ada Zimmer. Diesem Gespräche hatte hinter den Tapeten Andronice / eine aus der Ada Frauenzimmer zugehöret / welche ins geheim Eriphylen / als einer neuaufgehenden Sonne / mehr / als ihrer eigenen Fürstin zugethan war / und daher wie alles / also auch diß Eriphylen verkundschaftete. Eriphyle schöpfte hierüber gegen die Atalanta eine Tod-Feindschafft; und ehe drey Tage hin waren / erkaltete Atalanta durch beygebrachtes Gifft. Ungeachtet nun Eriphyle der Fürstin Ada mehr als vorhin Pflaumen striech; und / weil sie diß Gespräche so viel sicherer machte / ihrer Geilheit vollends den Zügel schüssen ließ / gieng doch Ada Atalantens Fall tieff zu Hertzen / und Gemüthe; also: daß sie nunmehr gleichsam stets mit dem Bleymaasse in der Hand verfuhr / und den Zweck ihres Anschlages zu beschleunigen fürnahm. Wie nun Eriphyle abermals bey der Ada im Bette ihre mit dem Rhascuporis verübte Geilheiten abmahlete; fing endlich Ada an: Eriphyle / dieses alles sind wol Kennzeichen deiner gegen dem Rhascuporis tragenden Liebe; aber noch lange keine solche: daß du ihn so sehr / als ich liebest. Eriphyle fragte: Was sie denn ihrer Liebe für Vollkommenheit beyzusetzen für nöthig hielte? Diese /antwortete Ada: daß du den Rhascuporis / wie ich /mehr als dich selbst liebest? Ich glaube / sagte Eriphyle: daß meine Liebe schon auf diese Staffel gestiegen sey. Wolan / versetzte Ada: so bewähre diß mit einer solchen Würckligkeit / [102] als ich zeither es bewehret habe. Eriphyle versetzte: Ich wil deine Prüfung auch mit Aufopferung meines Blutes für meinen geliebten Rhascuporis bestätigen. Es ist diß noch zu wenig / fing Ada an. Eriphyle hingegen: Was hat denn ein Weib wichtigers / wormit sie ihre Liebe besiegeln könne? Ada sagte: Die Uberwindung ihrer eigenen Liebe / welche stärcker als der Tod ist. Eriphyle fragte: Wormit soll ich sie denn überwinden? Ada gab zur Antwort: Damit / daß du dich des Genusses deiner Liebe entäuserst; wormit Rhuscuporis aus seiner Liebe noch mehr Vergnügung schöpfe. Eriphyle /welche meynte: daß Ada wieder nach des Rhascuporis Umbarmung seufzete / erklärte sich: Ich muß mich bescheiden: daß ich / als ein düsteres Nacht-Gestirne /und als der Fürstin unwürdige Vertreterin ihr / als der Sonne zu weichen schuldig bin. Du irrest / fing Ada an / wo du dir einbildest: daß meine Begierden deiner Liebe einigen Eintrag zu thun verlangen. Rhascuporis seufzet nach mir nicht; und wenn ich die ihm angenehmere Eriphyle verdringen wolte / liebte ich ihn nicht / oder mich mehr als ihn. Ich und du aber kennen die allzu wohl / nach welcher seine Seele lechset /und in deinen Händen beruhet / ihn durch dieselbe zu beglückseligen. Eriphyle bat: Ada möchte ihr nicht nur diß Rätzel auflösen / sondern ihr nur befehlen. Denn die Ehre des Gehorsams wäre ihr gröster Vorzug. Ada nam das Wort von ihr / und fing an: Ich bin vergnügt / Eriphyle. Liefere diesemnach die Königm Parysatis in Rhascuporis Armen. Die Königin? fragte Eriphyle. Keine andere / antwortete Ada; weil Rhascuporis sonst keine lieb hat. Eriphyle fuhr fort: Woher weiß sie denn diß letzte Geheimnüß? Daher /versetzte Ada: daß sie eine Königin ist; alle grosse Frauen aber schön / und alle Fürsten kluge Leute sind. Eriphyle machte hierüber / als einem allzu weit gesuchten Schlusse Schwerigkeit; zweifels frey / weil sie bey Uberlegung fremden Glückes ihr eigenes mit in die Rathschläge einwickelte. Aber Ada fuhr fort: Einfältige Eriphyle! Meynest du: daß die Schönheit die einige Mutter der Liebe sey? Ist es doch noch lange nicht ausgemacht / worinnen die Schönheit bestehet. Denn wie nicht allen Menschen alle Speisen schmecken; also gefällt auch die Venus selbst nicht allen. Wie viel Köpfe / so viel Sinnen; wieviel Augen / so viel Schönheiten. Gantze Völcker zancken sich hierüber. Die Griechen halten es mit den fleischichten / und welche voll Saftes sind / wie Helena war; die Phrygier mit den schlancken und zarten; westwegen sie ihr Frauenzimmer in Harnische einschraubten / ja ihnen nicht satt zu essen / und offt Essig zu trincken gaben. Dahingegen die Nordlichen Völcker ein mageres Weib für ein lebendiges Bild einer todten Venus halten / und ihre Liebhaber dem Corinthischẽ Fürsten Periander vergleichẽ / welcher seines Weibes Leiche beywohnte. Jupiter liebte Alimenẽ / weil sie eine Riesen-Grösse; Artaxerxes Aspasien / weil sie weisse Haare hatte; Perseus Andromeden / weil sie schwartzbraun; Tyndarus Leden / weil sie schneeweiß war; Achilles ward von der Chryseis schwartzen Augen entzündet; Pallas prangte mit ihren blauen /und Juno mit grossen Ochsen-Augen. Du bist bräunlicht / wie die berühmte Cleopatra war; Parysatis aber gibt der Mylchernen Cydippe nichts nach. Ins gemein aber fällt die Liebe der Wechsel-begierigen Männer von einer Farbe auf die andere. Was mag aber für ein besserer Liebes-Zunder seyn / als die Königliche Würde? Aegisthus versahe sich so sehr nicht an der schönen Helena / als an ihrer Schwester der Königin Clytemnestra / welche eine grössere Frau war / aber an Gestalt jener nicht das Wasser reichte. Denn der Purper wirfft einen so annehmlichen Wiederschein auf die blasse Lippen / gelbe Wangen / und todte Augen: daß sie wie Regenbogen den [103] beständigen Glantz der Edelgesteine beschämen. Oder der Vorwitz bildet ihm mit den Persiern ein: daß der Brunn / woraus der König trinckt / besser als andere in der Welt sind. Uber diß ist Parysatis so schön: daß wenn sie auch keine Fürstin wäre / geliebt zu werden verdiente. Diesemnach du mich durch kein ander Wunderwerck überreden wirst: daß du den Fürsten Rhaseuporis liebest / wo du nicht machst / daß er von der Parysatis geliebt werde. Eriphyle fiel ein: Wenn ich nun gleich versichert wäre: daß Rhaseuporis nach der Parysatis seufzete; durch was für eine Zauberey werde ich ihr eben das Verlangen nach ihm einpflantzen? Ada versetzte: Durch keine andere / als wordurch du dich dem Rhaseuporis zu einem Abgotte / und der Parysatis zur geheimen Siegel-Verwahrerin ihres Hertzens gemacht hast; welche letztere Wissenschafft dir schon für sich selbst an die Hand geben wird / durch was für eine Pforte du den Fürsten Rhascuporis in das innerste Gemach ihrer Seele einleiten sollst. Denn Parysatis ist zu schön und zu lebhafft: daß ich glauben solte: Es hätte niemand als ihr Gemahl Rhymetalces an ihr Theil gehabt. Mit einem Worte: Rühme der Parysatis des Rhascuporis Thätigkeit; dem Rhascuporis der Parysatis Anmuth; so wirst du befinden: daß beyde ehe und fester / als Eisen und Magnet an einander kleben werden. Eriphyle befand sich nunmehr durch diß Garn derogestalt bestrickt; daß sie nichts anders thun / als versprechen muste / bey beyden das beste zu thun; und weil sie dadurch ihr den Fürsten Rhascuporis so viel mehr zu verbinden meynte / von der Parysatis aber / als einer Königin / welche durch den Rhaseuporis nicht grösser werden konte / sich keiner gäntzlichen Verdringung zu besorgen hatte / ließ sie ihr die Kupplerey zwischen dem Rhascuporis und Parysatis mit Ernst angelegen seyn. Es dorffte an beyden Orten so wenig Müh / als Schwefel in Brand zu bringen. Eriphyle wuste umb alle geheime Buhlschaften der lüsternen Parysatis / und diß einige Versprechen: Sie würde an dem lebhaften Rhascuporis befinden: daß sie vorher nur bey Leichen gelegen / war schon genung / sie in voller Flamme zu sehen. Rhascuporis war gleichfalls von Eriphylen so eingenommen: daß er nach der Parysatis / wie ein dürstender Hirsch nach frischer Kühlung lechsete. Mit diesen Neigungen brachte Eriphyle beyde auf einem Lusthause des Rhascuporis zusammen / allwo sie biß auf den späten Abend den Tag dergestalt hinlegten: daß sie sich so vergnügt / als Hercules und Omphale mit einander gelebt zu haben rühmeten. Eriphyle brachte der Ada auf unverwendetem Fusse die Zeitung hiervon / und ward desthalben von ihr mit so vielen Liebkosungen / als niemals vorher bewillko t; also veranlaßt den Rhascuporis und die Parysatis noch immer mehr zu Abspinnung ihres Liebes-Rockens aufzumuntern. Parysatis ward durch ihr öffteres Laster eben so kirre / als Eriphyle; sintemal sie nicht nur in dem Pallaste / darinnen Ada zugleich wohnte / zum Rhascuporis sich einfand / sondern so gar in Anwesenheit Eriphylens mit ihm zuhielt. Diese Nachricht gab der Ada an die Hand / Eriphylen weiß zu machen: Sie wäre aufs äuserste lüstern die Parysatis unvermerckt in Rhascuporis Armen zu sehen. Eriphyle faßte hierüber zwar einigen Argwohn; als aber Ada hoch betheuerte: Sie könte ohne den Genüß dieser Vergnügung ihr Gemüthe nicht besänftigen / und sie wolte lieber über die zwey Verliebten Rosen streuen / als ihrer Liebe den geringsten Eintrag thun / händigte ihr Eriphyle zu des Rhascuporis Gemache den Schlüssel ein; neben welchem sie mit einander verschlossen lagen. Ada ging mit höchst-verwirrtem Gemüthe / aber mit einem aufgeräumten Antlitze dahin. Sie ward aber durch wenige Eröffnung der für der Thür des Schlaf-Gemachs hängenden Tapeten gewahr: daß [104] beyde beysammen liegende in einen tieffen Schlaf verfallen waren. Diß machte sie so keck / daß sie selbst ins Schlaff-Gemach ging / und die nackte Parysatis von der Scheitel biß auf die Fuß-Sohle aufs genaueste betrachtete. Diese Betrachtung schwellte in ihrem Hertzen die zeither verblümte Eiversucht mit siedendem Zorn und Rache so hoch empor: daß sie ihren bey sich habenden Dolch zückte / und selbten der Parysatis zwischen die Brüste zu stossen aufhob. Die sich in einem Augenblicke erholende Vernunft aber machte ihren Schluß zweifelhafft; und nachdem sie erwoge: daß sie durch diesen Eiver ihr gantzes Glück verspielen / und auf einen Streich ihre so empfindliche Anstalt des so wichtigen Anschlages zernichten würde / schlug sie diese hitzige Aufdampfungen vollends gantz zu Bodem. Gleichwohl aber schnitt sie der Parysatis ein am Halse hängendes Hertze von Diamant ab / welches mit güldenen Sternen besämt / für ein unschätzbares Kleinod gehalten / und von Rhymetalcen der Parysatis verehret worden war. Mit dieser Beute /welche sie ihr wohl zu Nutze zu machen im Schilde führte / vergnügte sich Ada dißmal an statt des ihr abwendig gemachten Gemahls. Parysatis erwachte nicht so bald / als sie den Verlust ihres Hertzens wahrnahm; welchen sie so viel mehr empfand / weil ihr geträumet hätte: man schnitte ihr das Hertze aus dem Leibe; und weil die hierumb befragte Eriphyle weder von diesem Kleinode was wissen wolte / noch den der Ada verlaubten Eintritt bekennen dorffte. Parysatis hätte gern dieses kostbaren Kleinodes vergessen /wenn sie nur ihren Gemahl desthalben zu bestillen ein Mittel gewüst hätte. Sie gab etlichen Künstlern / welche nach Erfindung der Indianer / aus gefärbtem Cristall falsche Edelgesteine nachzumachen wusten / derogleichen Hertz an / weil kein so grosser Diamant irgendswo zu erfragen war. Aber die Kunst litt gegen der Natur hierinnen Schiffbruch / weil die güldenen Sternen darein nicht gebracht werdẽ konten. Als sich Parysatis etliche Tage darüber gegrämet / und den Verlust zu verhölen kranck gemacht hatte / kam Ada sie heim zu suchen. Wie sie nun gantz einsam beysammen waren / bückte sich Ada mit Fleiß unter einem andern Scheine über der Parysatis Bette / damit das zwischẽ ihrẽ Brüsten hängende Hertze von Diamant hervor / und der Parysatis ins Gesichte fiel. Diese fing Augenblicks an zu ruffen: Hilf Himmel! Liebste Schwester / wie ist mein Kleinod in ihre Hände verfallẽ? Ada lächelte / und nahm diese Ansprache für einẽ blossen Schertz an / mit Vermeldung: daß diß unmöglich das ihrige seyn könte. Parysatis aber ließ sich es nicht ausreden / und betheuerte: daß kein gleiches in der Welt zu finden wäre. Nachdem aber Ada eben so wenig sich eines andern bereden lassen wolte / fragte Parysatis: Ob sie denn das gegenwärtige lange Zeit besessen / und woher sie es überkommen hätte? Hierauf brach Ada herfür: Es kan der Königin unmöglich seyn; denn ich habe es für 5. Tagẽ einer in meines Gemahls Armen schlafenden Ehebrecherin in vom Halse geno en. Parysatis konte über diesen Worten die sichtbare Merckmale ihrer heftigen Bestürtzung nicht verhölen; Ada aber fuhr fort: Dieselbe / welche sich zum Eigenthume dieses diamantenen Hertzens mit Rechte ziehen wil / muß mir einen Finger breit unter dem Nabel ein braunes Maal in Gestalt eines Käfers zeigen. Parysatis erblaßte und verstummete über dieser Nachricht. Denn sie glaubte nunmehr: daß Ada ein selbstäugichter Zeuge ihres Verbrechens gewesen sey. Wormit aber Ada sie so viel mehr verwirrte / redete sie ferner: Ich mag aber mit meiner Schande nicht wuchern. Denn sonst würde ich eine Huren-Wirthin fürstellen. Ich bin hieher kommen dem Könige dieses kündbare Kleinod zu überliefern / und die ausgeforschte Ehebrecherin zu bestraffen. Parysatis sprang hierüber aus dem Bette / und eilte einem Schreibe-Tische zu; daraus sie ein [105] gewisses Glaß nahm / und den darinn verwahrten Safft austrincken wolte. Aber Ada muthmaßte nicht unbillich: daß es Gifft wäre; daher schlug sie es ihr mit Fleiß in Stücke. Als Parysatis diese verzweifelte Hoffnung zu Wasser worden / und auf dem Bodem schwimmen sah / fiel sie für der Ada nieder / und bat mit gleichsam rechelnder Stimme: Sie möchte selbst an ihr mit Versprützung ihres Blutes Rache ausüben / nur aber nicht durch Angebung ihres Lasters beym Könige ein Blut-Urtheil / beym Volcke aber eine ewige Verfluchung ihr auf den Hals ziehen. Auf diese trockene Bitte folgte ein rechter Platz-Regen unzehlbarer ihr aus den Augen schüssender Thränen / mit welchen Parysatis die Ada bey dem Haupte des Rhastuporis / bey der ihm ewig gelobter Treur / bey der von den Thracischen und Comagenischen Göttern erwarteter Erbarmnuß beschwor: Sie möchte selbst / nicht durch den König an ihr Rache ausüben; aber der Anspinnerin dieses Unglücks der boßhaften Eriphyle die verdiente Straffe nicht schencken. Ada hörte sie wohl aus / sahe sie mit unverwendeten aber grimmigen Augen an / ließ sie also unbeantwortet eine ziemliche Zeit am Creutze stehen / und für ihren Füssen liegen. Endlich öffnete sie ihren Mund / und fieng an: Du hältest mich für grausamer / als ein Weib seyn soll. Meynest du / daß / da ich von deiner Geilheit besudelt bin / ich mich nun vollends mit deinem Blute beflecken solle? Trauest du mir die Mässigung nicht zu: daß ich meine Rache über die mir angefügte Beleidigung nicht ausstrecken werde? Mit einem Worte: Es ist kein gerechter Gesetze / als das des Pythagoras: du must aus dem Vergeltungs-Becher des Rhadamanthus trincken /nemlich leiden / was du einem andern gethan hast. Erkiese dir demnach nur kurtz eines aus beyden / entweder den König zu meinem Richter / oder zu meinem Liebhaber. Die mehr todte als lebendige Parysatis hätte gerne noch mehr gewilliget / wenn Ada nur mehr gefordert hätte. Daher erklärte sie sich in ihren Willen auf alle Weise zu kommen: Ada möchte ihr nur selbst das Mittel ihren Wunsch zu erlangen an die Hand geben. Ada sagte: Eine geheime Einräumung deiner Lagerstatt kan uns beyde versöhnen / und so wohl zu mein als deiner Vergnügung helffen; weil ich auf solchen Fall dir alle mein Recht auf den Rhascuporis abtrete. Durch diese Vermittelung verwandelte sich dieser geilen Weiber Zwist in grosse Verträuligkeit. Paryfatis legte ihre angenommene Kranckheit ab / und räumte noch selbige Nacht der Fürstin Ada ihr Bette ein. Sie aber schlief oder wachte vielmehr aus Kummer des Ausschlages im Neben-Gemache. Kaum eine Stunde darnach kam der König / und ward von dieser Priesterin nicht so wohl des Bacchus / als der Liebe mit offenen Armen empfangen. Beyde opferten einander / was die Wollust in ihrem Köcher vermag / und zwar mit solcher Vergnügung des Königs: daß er bey seinem nach Mitternacht genommenen Abschiede seiner vermeynten Gemahlin nachrühmte: Sie hätte sich diese Nacht nicht als ein Weib / sondern männlich gehalten. Ada war ebenfalls vergnügter / als sie noch zur Zeit sagen dorfte / sonderlich weil ihre Wollust damit für der des Rhascuporis gewürtzt war: daß sie wissendlich einen fremden Buhler / und zwar den König genossen hatte. Auf diese Art wurden drey Nächte nach einander verbracht / ohn daß Rhymetalces ihme träumen ließ: daß er so vielmal eine fremde Frau umbarmet hatte. Gleichwohl aber ward er gegen seiner Gemahlin lüsterner / als iemals vorher; also daß die Süssigkeit wahrhaftig in fremdem Wasser /und nicht nur in der Einbildung stecket. Parysatis genaaß desthalben noch des Tages unterschiedene mal die Straalen ihrer Sonne / welche sie einem andern Nacht-Lichte abtreten muste. Weil aber diese Wenigkeit für sie kein Auskommen war / sehnte sie sich auch des Nachts so warm / als Ada zu [106] schlafen / und daher diese folgende Nacht beym Rhascuporis zu vertreten. Welches denn auch durch die Verwechselung dieser beyden unzüchtigen Weiber so glücklich bewerckstelliget ward: daß man folgende Nacht zu gleichmässigem Betruge erkiesete. Eriphyle kriegte noch selbige Nacht dieser Verwechselung halber von der Parysatis geheimster Kammer-Jungfrau Wind. Weil sie nun die für ihr geschehene Verhölung dieses Geheimnüsses für eine Verschmähung / oder zum wenigsten für ein Mißtrauen gegen ihr aufnahm / sich auch durch die Königin Parysatis schier gantz verdrungen sah / da sie doch aus einer süssen Einbildung den Rhascuporis gleichsam für ihr Eigenthum hielt /schöpfte sie gegen ihr eine grössere Eiversucht / als wenn sie selbst seine Gemahlin gewest wäre. Aus dieser Regung fand sie Gelegenheit dem Könige über der Taffel einen versiegelten Zettel unter den Teller zu spielen / darauf geschrieben war: Parysatis hätte vorhergehende gantze Nacht in den Armen des oberstẽ Priesters des Bacchus geschlafẽ / würde auch folgende Nacht keinẽ andern umbarmẽ. Rhymetalces fand diese Schrifft bey Weggebung des ersten Tellers / eröffnete und laß sie mit der heftigsten Veränderung seines Gemüthes; also: daß Parysatis ihm an der Stirne lesen konte; es müste was grosses / und zwar / weil er seiner Gewohnheit nach / ihr nichts davon entdeckte / etwas sie selbst-angehendes seyn. Denn ein böses Gewissen ist niemals von Furcht und Argwohn entfernet. Diese waren Ursache: daß die schlaue Parysatis der hierzu nicht gar willigen Ada ihre Stelle und Lager-Statt folgende Nacht nicht vertreten lassen /sondern den vermuthlich gewarnigten König selbst erwarten wolte. Rhymetalces / welcher sich den gantzen Tag mit allerhand seltzamen Gedancken geschlagen hatte; und / weil er seiner Einbildung nach / vorige Nacht seine Gemahlin in seinen eigenen Armen gehabt / wuste das Rätzel des Zettels nicht auszulegen. Jedoch meynte er / folgende Nacht solte dem vorhergehenden düsternen Tage ein Licht aufstecken. Diesemnach kam er umb Mitternacht / und zwar mit brennendem Lichte für der Königin Bette / welche bey ihrer Wachsamkeit und erblicktem Lichte nunmehr an der Wahrheit dessen / was sie geargwohnt hatte /nicht mehr zweifelte / sich also feste schlafend anstellte. Nachdem Rhymetalces sie wohl und eigentlich betrachtet / leschte er das Licht aus / erweckte die Königin / und lag / biß es lichter Tag war / bey ihr. Beym aufstehen küßte er sie so heftig auf die Lippen: daß das Blut heraus gieng; sagte hierauf: Sihest du /Parysatis / ich habe geschworen / du soltest mir das angethane Unrecht mit deinem Blute bezahlen. Hiermit gab er ihr den empfangenen Zettel zu lesen / und ließ sie allein. Parysatis wuste nicht: ob sie sich über der Verrathung ihres Ehbruchs mehr bekümmern / als über ihrem glücklichen Betruge mehr erfreuen solte. Sie nahm ihr aber nicht Zeit sich völlig anzukleiden /sondern folgte dem Könige auf dem Fusse in sein Gemach / und wuste die Farbe der Unschuld / nemlich ein freudig Gesichte so meisterlich anzunehmen: daß Rhymetalces sie aus blosser Anschauung ihres Antlizes aller Laster frey gesprochen hätte. Weil aber Parysatis wohl wuste: daß auch der allerunscheinbarste Argwohn so schwer aus einem Gemüthe / als Dörner aus Aeckern zu rotten sind / sagte sie zum Könige: Es befremdete sie: daß Rhynetalces aus etwas / welches sie für keine Verlärmdung / sondern einen tiefsinnigen Schertz hielte / gegen ihr den wenigsten Verdacht schöpfen / weniger es mit ihrem Blute zu rächen sich entschlüssen mögen. Sintemal in beyden der Zettel wahr redete / nach dem wahrhaftig / und nach den alten Grund-Gesetzen der Odrysen niemand anders /als der König in Thracien / der alleroberste Priester des Bacchus wäre / ein ander aber nur sein Ampt verwaltete. Rhymetalces ließ sich durch diese verschmitzte [107] Auslegung verleiten / der Parysatis gäntzlich beyzusti en / ja sich zu erklärẽ: Er müste gestehen: daß er ohne Ursache eiversüchtig gewest wäre; er wolte es aber einmal nicht seyn / wenn er Ursache dazu haben würde. Parysatis lächelte / und fing an: Sie nehme diese Erklärung für bekant an / und wolte sie ihn prüfen: ob sein Gedächtnüß nichts vergessen /und sein Gemüthe was verschmertzen könte. Hierauf fuhr sie zur Ada in Tempel des Bacchus / erzehlte ihr ihre Begebnüß / und wieß ihm den gefährlichen Zettel. Ehe ihn aber Ada noch sahe / urtheilte sie: Diß könte keine andere Seele / als Eriphyle verrathen haben; hernach erkennte sie selbten auch alsofort für ihre eigene Handschrifft / und damit sprach sie ihr zugleich das Leben ab. Parysatis wolte wider diesen Schluß noch einige Schwerigkeiten machen; aber Ada fing an: Wil sie noch der das Wort reden / welche nicht mich / sondern sie und meinen Gemahl beleidiget hat? Soll die leben / welche ihr Netze des Todes gestellet hat? Ein vertrautes Geheimniß entdecken ist schon ein sterbens-würdiges Laster; weil der / der solches anni t / sich unsern Freund erkläret; und uns unter diesem heiligen Mantel zuverterben sucht. Keine andere Züchtigung würde auch Erilphylen bessern. Denn wer schon einmal gegen seinen Fürsten die schuldige Ehrerbietigkeit verliert / kan nicht aufhören sie gar zu stürtzen. Denn die Boßheit ist anfangs blind / hernachtaub / läst sich also in ihrem Rennen nicht aufhalten. Ihre Gebäue sind betrügliche Irrgärte. Der Eingang ist leicht / der Ausgang aber gar nicht zu finden. Dieses aber ist der Verräther verdienter Lohn: daß sie in dem Gedränge ihrer Fallgatter selbst ersticken / und ehe sich / als andere betrügen. Sie lasse daher Eriphylen verrecken. Denn sie wird es doch nimmermehr mit der Königin gut meynen; weil sie unmöglich glauben kan: daß es die beleidigte Parysatis mit ihr iemals gut meynen könne. Wo man aber beleidigt worden / und daher sich mehr keiner Freundschafft zu getrösten hat / weiß die Klugheit von keinem andern Hülffs-Mittel / als einer ungesäumten Rache / wo uns unsere Feinde nicht in unserm Untergange / wie vorher mit ihrer Beleidigung sollen zuvor kommen. Mit dem Atheme dieser Worte leschte Ada vollends die noch übrigen Liebes-Funcken in dem Hertzen der Parysatis aus / mit welcher Eriphyle vorher einerley Zunge in zweyen Münden / und eine Seele unter vier Brüsten beherbergt hatten. Ihr Todes-Urtheil ward mit beyder Eyden versiegelt; und wormit die Zeit nicht etwan die feurigsten Gemüths-Regungen laulich machte / den nechstfolgenden Tag derogestalt vollzogen. Die Königin kam sonder einige Begleitung / und mit abgenommenen Flocken für der Ada Pallast / und ersuchte sie umb eine kurtze Begleitung an dem Flusse Hebrus frische Lufft zu schöpfen. Ada hatte kurtz vorher Eriphylen unter einem andern Vorwand zu sich gelocket; also fiel das Looß auf sie eine Gefertin mit abzugeben. Ada und Parysatis liebkoseten ihr wie vorhin / oder auch mehr; zanckten sich auch mit einander: Ob Eriphyle der Natur / oder dem Glücke mehr zu dancken hätte. Nach zweyen Stunden kamen sie auf ein Lusthaus des Rhascuporis. Die Einsamkeit schien in selbtem selbst zu wohnen; gleichwohl aber fanden sie eine aufs köstlichste bereitete / und mit den kräfftigsten Erfrischungen versehene Taffel. Sie bedienten sich unter einander selbst /und zwar so verträulich: daß niemand fremdes unter diesen dreyen die Königin hätte heraus zu lesen gewüßt. Als sie derogestalt sich gleichsam mit vielen Kurtzweilen in Freude ausschütteten / öffnete sich die Thür des Nebenzi ers / daraus drey vermute Unholden mit grausamer Ungeberdung herfür sprangen. Die erste trug einen Topf / die andere drey Zettel / die dritte ein blosses Messer. [108] Diese letztere sagte: Sie wären Bothen und zugleich Scharfrichter der Götter; welche eine unter ihnen zum blutigen Sühn-Opfer verlangten. Also solten sie looßen / welche das Verhängnüs entweder zum Leben oder Tode bestimmt hätte. Eriphyle bezeugte sich unter alten am hertzhaftesten / weil sie diese Begebnüs für eine zur Kurtzweil angesehene Anstellung hielt; dahingegen Parysatis und Ada für angeno ener Furcht bebten. Hierauf drang die den Loßtopf haltende Unholdin / darein die andere ihre Zettel geworffen hatte / mit Ungestüm auf die Herausnehmung. Parysatis und Ada griffen zum ersten / Eriphyle mit Lachen am letzten. Als sie aber ihren Zettel aufmachte / und gewahr ward: daß es eben derselbe war / den sie dem Könige den Tag vorher geschrieben hatte / erstarrete sie wie ein Scheit. Sehet ihrs! fieng die andere Unholdin an: daß die Götter niemanden straffen / den nicht vorher sein Gewissen verdammt hat. Verrätherische Eriphyle / du must sterben! Kennst du mich nicht? Ich bin der Geist der durch dein Blut erblichenen Atalanta. Hiermit riß sie ihrer abscheulichen Gespielin das Messer aus; gleich als wenn sie ihr die Kehle abschneiden wolte; fieng aber an: Nein / nein / Eriphyle! dis wäre viel ein zu leichter Tod für eine Magd / welche zwey Fürstliche Bette besudelt; einer Königin und obersten Priesterin nicht nur zu Kopfe gewachsen / sondern auch ihren Tod mord-begierig bestimmet hat. Hiermit fielen alle drey Unholdinnen die verzweiffelnde wie wütende Tyger an / rissen ihr alle Kleider / ja auch das Hembde vom Halse / banden ihre Hände und Füsse / und stachen mit spitzigen Pfriemern in ihre Armen und Beine alle Worte / die sie dem Könige Rhymetalces zugeschrieben hatte. Eriphyle stieß gegen sie anfangs die grausamsten Flüche aus; die Schmertzen aber überwanden ihre Ungedult: daß sie wehmüthigst zu bitten anfieng / umb nur schleunig abgeschlachtet zu werden. Alleine sie bekam diesen leidigen Trost zur Antwort: diese Kitzelung würde sich bald in Ernst verwandeln. Nach vollendeter blutigen Schrifft reichte die Unholdin der Ada das Messer mit dem Befehle: Sie solte die Henckerin ihrer Seele nunmehr an ihren Gliedern henckern. Ada verwandelte hierüber ihre gantze Gestalt / welche bis dahin mehr / als die Unholdin vermummt gewesen war. Denn sie ergrif das Messer mit freudiger Gebehrdung: die Mord-Lust aber guckte ihr aus den Augen herfür. Hierauf schnitt sie der bey nunmehr entdeckter Verstellung rasenden Eriphyle mit diesen beygesetzten Worten die Brüste ab: Gebet mehr Lockvögel den Fürsten / und dem Rhascuporis ein Haupt-Küssen ab! darnach spaltete sie der Verzweiffelten das Brustbein von sammen / grief mit dem Arme hinein / und riß ihr das zitternde Hertz heraus / welches ihr Parysatis /ehe sie noch die Augen schloß / auf der Ada Veranlassung um das Maul schlug. Ada schnitt ihr so denn vollends den Kopf ab / und wolte ihr Fleisch nach dem Beyspiele des grimmigen Diomedes den Pferden zu fressen geben / aus ihrem Hirnschädel aber ein Trinck-Geschirre machen; aber Parysatis beredete sie noch: daß ihre zerfleischte Leiche in den unter selbigem Zimmer flüssenden Hebrus geworffen ward. Dieses von der Ada angestiftete und von der Parysatis gebilligte Laster war ein neuer Leim dieser zweyer boßhafften Weiber Gemüther an einander zu verknüpfen; also / daß wo der Lasterhafften verträuliche Zusammenstimmung den Nahmen einer Freundschafft verdienet / den Alten kein Irrthum aufgebürdet werden kan: daß Freundschafft und Betrug Schwestern / und einer schwartzen Mutter / nemlich der Nacht Kinder sind. Ja / weil Parysatis und Ada nunmehr ein eydliches Bündnüs mit einander aufrichteten: daß jede ihren Gemahl der andern / wie Menedemus dem Asclepiades [109] sein Ehweib ohne Eintrag abtreten und zu genüssen verstatten wolte / gewaan es schier den Schein: daß wie mehrmals ein wildes Kraut heilsamer / als viel kostare Balsame sind; also die auf Laster gebaute Freundschafft auf festerm Fusse stünde / als die auf Tugend gegründete. Sintemal ins gemein die als Demant-festverknüpften Verbindnüsse der Gemüther an dem Felsen eines kleinen Eigen-Nutzes zu scheitern gehen; und zwar niemand der Cyrenischen Welt-weisen Lehre: daß ein kluger Mann nur sein / oder zum wenigsten sein bester Freund seyn solle / lobet /jedermann aber doch nach selbter lebet. Hingegen lebten Parysatis und Ada in ihren Ehbetten / wie Polistratus und Hippoclides in getheilten Gütern ohne Zwytracht / und ohne Beschwerde: daß ihre Freundin ihres Eigenthums mehr / als sie selbst genüsse. Dieser Männer-Tausch gieng aufs neue wol siebenmal glücklich von statten; sonder daß Rhymetalces das wenigste hiervon argwohnete. Alleine Ada ward nunmehr selbst überdrüßig mit dem Könige derogestalt länger der blinden Kuh zu spielen. Denn / wenn die Geilheit zum höchsten Gipfel kommt / schmeckt ihr die Wollust nicht mehr süsse; wenn nicht andere von ihren Lastern wissen; gleich als wenn ihr bester Geschmack in einem frembden Munde bestünde / oder man auch durch Laster sich berühmt machen könte. Oder es war vielmehr der ehrsüchtigen Ada mehr umb die Königliche Herrschafft / als umb die Wollust zu thun. Daher ward sie / nach dem sie sich selbst lange mit ihren Gedancken geschlagen hatte / schlüßig: daß sie sich dem Könige / wenn er in der grösten Brunst seyn würde / zu erkennen geben wolte. Sie bewerckstelligte solches auch folgende Nacht / und zwar zu einer solchen Zeit / und bey dergleichen Begebnüs / da der König sich zum Knechte seiner Begierden gemacht /und sich seiner Vernunfft zu gebrauchen keine Gewalt hatte. Gleichwol kam ihm dis Ebentheuer seines Bruders Gemahlin in seinen Armen zu finden / so befrembdet für: daß er es anfangs mehr für einen Traum / als eine Warheit hielt. Die nunmehr unverbrochene und ihm allzu kentliche Sprache aber benam ihm bey Zeiten allen Zweifel. Er fragte: Wer sie denn in dis sein Bette geleitet hätte? Weil sie aber mit ihren Geheimnüssen noch hinter dem Berge zu halten für nöthig hielt / antwortete sie: die Liebe der Leitstern aller zarten Seelen. Und weil Rhymetalces hierüber gleichsam unbeweglich war / raffte sie alle ihre Kräfften zusammen / ihn durch schmeichelnde Liebkosungen / geile Küsse und andere Reitzungen zu beseelen. Menschliche Hertzen haben einen heftigern Zug zur Wollust / als das Eisen zum Magnet-Steine; also war es dem Könige eben so wenig möglich / sich aus den Armen der schönen und liebreitzenden Ada / als einem Bezauberten aus dem Kreiße einer gleichsam Himmel und Erde versteinernden Circe loßzumachen. Er tranck also aus dem ihm gleichsam eingenöthigten Becher der Wollust so lange / als seine Kräften zulangten / und so begierig / gleich als wenn es einerley wäre / in dem Meere einer solchen Schönheit Schifbruch leiden / und in den Hafen der Vergnügung einlauffen. Die einmal geschmeckte Wollust angelte Rhymetalcen an die geile Ada so feste an: daß er ihrer beyder Verlaß nach die folgende Nacht nicht erwarten konte / sondern den Tag ohne sie gleichsam nicht zu überleben getraute / und in ihrer Abwesenheit so wenig lebhafft / als der Monde ohne Genüßung der Sonnen-Strahlen lichte zu seyn schien. Er berief sie daher gegen den Mittag in den Lust-Garten / darinnen diese Meisterin in der Liebe ihm vollends das Hertze aus seiner Brust stahl; und es zu ihrem Sclaven machte. Denn das Licht zeigte nunmehr allererst ihm den reichen Vorrath ihrer Schönheiten; welche vorher das Tuch der Finsternüs verdeckt hatte / und bewährte[110] damit: daß der Tag mehr als die Nacht der reiffen Liebe Herbst / und das Fühlen zwar der zärteste Sinn der Wollust / das Gesichte aber die warhaffte Mutter der Liebe sey. Rhymetalces war hierdurch derogestalt außer sich gesetzt: daß er sich nicht einst weiter bekümmerte / wie Ada vorige Nacht seiner Gemahlin Bette in Besitz bekommen hätte; bis er nun durch Geilheit sich erschöpft befand / und beym Abschiede zweifelhaft ward: was für Zeit und Ort er seiner neuen Buhlschafft zu ihrer Wieder-Ersehung bestimmen solte. Ada merckte dis; und weil sie das noch glüende Eisen der Liebe zu schmieden nicht zu versäumen rathsam hielt / fieng sie an: Er hätte sich vor seiner Gemahlin Parysatis nicht zu scheuen. Denn weil sie niemanden weniger / als ihn liebte / hegte sie in ihrem Hertzen nicht nur keine Eyversucht / sondern sie bewürbe sich selbst umb frembde Buhlschafften für den König / wormit sie inzwischen Lufft hätte / anderwerts ihre Begierden zu kühlen. Hiermit zohe sie der Königin Schmaragdenes Hertze herfür / mit Bericht: daß es Parysatis bey ihrer ausgespürten Zuneigung gegen dem Könige ihr zu tragen eingehändigt / ja sie selbst in ihr Bette geleitet hätte / umb mit diesem auch im tunckeln spielenden Kennzeichen bey finsterer Nacht desto glaubhaffter in Rhymetalces Augen und Bette ihre Stelle zu vertreten. Daher möchte er nur folgende Nacht ihr sicher beywohnen. Sintemal keine Parysatis in ihrem Zimmer / noch in dem Königlichen Schlosse zu finden / sondern beym tagenden Morgen zu schauen seyn würde / wie sie nach gebüßter Lust durch eben diesen Lust-Garten / und die verborgene Stiege sich heimlich in ihr Zimmer spielen würde. Rhymetalces erstarrte wie ein Scheit über dieser Nachricht; denn Zorn / Eyversucht und Liebe überwarffen sich in seinem Hertzen mit einander so hefftig: daß es keinem Gliede mit dem Blute seine Bewegung zutheilen konten / außer das Feuer der Rache sahe ihm aus den Augen. Nach einer guten Weile fragte er: ob er allem erzehlten Glauben geben solte? Ada antwortete: Er würde alles mit seinen Augen sehen / wenn er folgenden Abend durch das Schlüssel-Loch in der Ada Schlaf-Gemach zu schauen; für Tage aber in dem Lust-Hause den von der kleinern Garten-Thüre gegen dem Frauenzimmer führenden Gang zu beobachten ihm nicht wolte beschwerlich seyn lassen. Rhymetalces verließ es mit ihr dieser Anleitung nachzukommen; Ada hingegen veranlaßte folgenden Abend die Parysatis zu dem gewohnten Männer-Wechsel; hielt sie aber in ihrem Schlaf-Gemache mit allerhand Schertz-Reden auf; insonderheit aber gab sie Anlaß zu einem Wort-Streite: welche unter ihnen diese Nacht vergnügter hinlegen würde? da denn Parysatis / nach dem sie der entkleideten Ada selbst die Vorhänge am Bette wegzoh / und sie küssende gesegnet hatte / zu allem Unglücke lachende diese Worte ausstieß; Sie hätte mit der Ada ein Mitleiden: daß sie die Nacht einen älteren und abgematteten Mann wärmen solte / da sie / Parysatis / mit einem jüngern und kräfftigern angezündet zu werden hoffte. Rhymetalces sahe und hörete allem dem mit der eusersten Gemüths-Verbitterung zu; hätte sich auch schwerlich enthalten ins Zimmer einzubrechen / und an Parysatis sich zu rächen / wenn er sich von so heftigen Regungen nicht gantz entkräftet gefühlt; die Parysatis auch mit ihrem letzten Worte aus dem Schlaf-Gemache fortgeeilet hätte. Gleichwol aber schloß er das Zimmer alsofort auf / und zeigte sich der Ada mit allen Ungebehrden / die ein Zorniger jemals haben kan. Denn die Rachgier machte sein Geblüte kochend / seine Sinnen verwirrt / sein Gemüthe verdüstert. Die Adern strotzten für aufgeschwollenem Blute; das Hertze schlug ihm wie eine sich übereilende Uhr; ja der Tod selbst sahe ihm aus den Augen; also daß Ada [111] selbst sich über seiner Gestalt nicht wenig entsetzte /bis seine Zunge ihr die Auslegung machte: daß seine Hände zu eigenen Henckern der Parysatis werden solten. Ada freute sich hierauf mehr über dieser Entschlüssung / als sie solche bekümmerte. Denn ob sie wol eben dis / was Parysatis verbrach / beredete sie doch ihre Eigen-Liebe: daß dis / was an dieser ein Laster / an ihr ein Werck eines aufgeweckten Geistes wäre. Ja ihr unverschämter Mund lobte des Königes Vorsatz der Rache / welche ihrer Glückseeligkeit auch selbst den Tod einweihet / und aus anderer Einäscherung ihre Vergnügung baut. Daß aber Rhymetalces selbst an seine Gemahlin Hand anlegen solte / widerrieth sie ihm nicht so wol aus Abscheu für solcher Grausamkeit / als daß sie besorgte: die den Tod für Augen sehende Parysatis dörfte von ihr / ihrem Gemahl und der ermordeten Eriphyle alle Geheimnüsse entdecken / und durch ihre Liebe und Anschläge einen Strich machen. Welchem Rathe sich denn auch Rhymetalces unterwarf / und durch zwey vermute Stummen sie bey ihrer frühen Rückkehr im Garten hinrichten zu lassen schlüßig ward; Inzwischen aber das Feuer seines Grimmes in die Flammen der Wollüste mit der geilen Ada verscharrte. Als er bis nach Mitternacht sich mehr geschwächt als gesättiget hatte / ertheilte er den Stummen den Befehl / und legte sich selbst in ein Fenster sich an dem besti ten Trauer-Spiele zu belustigen; Ada aber wolte selbst eine spielende Person dabey seyn. Daher zohe sie dem Könige seinen Dolch von der Sejten weg / verbarg sich hinter einen Myrten-Gang; und als die beym tagenden Morgen in den Garten zurück kommende Parysatis bald beym Eingange von zweyen Stummen angefallen / zu Boden gerissen / und mit zweyen Stichen verwundet ward / sprang die grausame Ada mit dem blossen Dolche herzu / und stach selbten bis ans Hefft der Parysatis zwischen die Brüste / mit beygesetzten Worten: Kennst du mich auch / ehbrecherische Parysatis? Ich bin Ada / oder vielmehr die selbst-ständige Eyversucht / welche sich schwerer ohne Menschen-Blut versohnen / als der Diamant mit Bocks-Blute weich machen läßt. Die sterbende Parysatis bließ mit ihrer Seele noch nicht ihre verbitterte Rache aus / sondern fuhr mit ihrem Munde gegen der sie tödtenden Hand /und biß mit ihren giftigen Zähnen bey nahe ein Glied vom kleinen Finger hinweg. Worauf ihr die verbitterte Ada noch einen Stich in den mit Fleiß entblösten Bauch unter den Nabel versetzte / die Stummen aber die noch athmende Leiche in den / den Garten anströmenden Hebrus warffen. Nach vollbrachtem Morde befahl Rhymetalces auf der Ada Anstifftung etlichen von der Leibwache diese zwey stummen Werckzeuge seiner Grausamkeit gleichfalls ins Wasser zu stürtzen / umb diese Mord-That so viel gewisser zu vertuschen. Rhymetalces sprengte hierauf in Oresta aus: Parysatis wäre am Schlage gestorben; machte ihr ein prächtig Begräbnüs / und befahl ihr ein kostbares Grabmahl zu bauen. Aber der Fluß Hebrus achtete sich viel zu heilig / neben dem Haupte des Orpheus eines so geilen Weibes stinckende Leiche zu beherbergen / oder das an ihr verübte Laster zu verdrücken. Daher warf er sie eine Meile unterhalb der Stadt bey einer dem Hyettus zum Gedächtnüs-aufgerichteten Marmel-Seule ans Ufer / welcher in Griechenland zum ersten den Ehbruch mit dem Tode bestrafft haben soll. Die einfältigen Fischer brachten diese allzu kentliche Leiche eben an ihrem Begräbnüs-Tage nach Oresta; und zeigten sie dem auf dem grossen Platze für dem Tempel des Bacchus versammleten Volcke; welches dem Könige offentlich anmuthere / die Morder der Königin zu erforschen und zu straffen. Weil aber Rhymetalces widersprach: daß es der Königin Leiche wäre / und die Fischer [112] ins Gefängnüs zu werffen befahl; machte ihr Argwohn ihn selbst zum Weiber-Mörder; welcher Verdacht für eine ungezweifelte Warheit angenommen ward; als sie die Königliche Baare mit Gewalt öfneten / statt der Leiche nur etliche Stücke Bley darinnen fanden / und den aus der Parysatis Brüsten gezogenen Dolch aus dem darauf geetzten Zeichen des Kriegs-Gotts für den Königlichen erkennten. Hierüber erwuchs ein offentlicher Aufstand / welcher weder durch Einredung der König lich-Gesiñten noch durch der gewafneten. Leibwache Dräuung zu stillen war / sondern wenn das Volck an einem Orte sich besänfftigte / am andern desto ungestümer zu wüten ansieng; also daß Rhymetalces mit genauer Noth durch Hülffe seiner Leiche in Tempel des Bacchus entrann. Denn die Menge ist gleich einer rasenden See / welche die Winde der Unvergnügligkeit / der Furcht und Rache mit tausend Wellen beunruhigen / derer immer eine sich erhebet / wenn die andere sich leget. Niemals aber ist der Pöfel verwegener / als wenn er sich gefürchtet sieht. Daher dräuten sie dem Rhymetalces offentlich den Tod / und seinen Kindern die gäntzliche Ausrottung. Der Parysatis Leiche aber liessen sie aufs köstlichste einbalsamen / und setzten diesen stinckenden Laster- und Maden-Sack mit unbeschreiblichem Wehklagen in der Königlichen Grufft bey. Inzwischen hatte Ada umb dem Rhascuporis der Königin Tod ein wenig zu verbergen sich folgende Nacht unter dem Scheine der Parysatis in sein Bette gespielet; und weil des Rhascuporis Einbildung / durch welche er mit seiner eigenen Gemahlin Ehbruch trieb / seine Brunst schärfte / Ada aber übers Jahr ihres Ehherrens nicht genossen hatte / fand sie wider die gemeine Gewonheit in ihrem eigenen Bette mehr Vergnügung / als im Königlichen; also daß die Geilheit in ihrem Hertzen nunmehr für ihren Rhascuporis gegen die für den Rhymetalces fechtende Ehrsucht zu kämpfen anfieng. Hingegen war über der ausbrechenden Ermordung der Parysatis niemand mehr ergrimmet / als Rhascuporis; also: daß er seinem Bruder dem Rhymetalces sagen ließ: Er möchte seine Sicherheit anderwerts suchen; denn der Tempel des Bacchus wäre keine Freystadt eines Weiber-Mörders. Als aber Rhymetalces die Unmögligkeit sahe dem empörten Volcke die Tödtung der Parysatis auszureden / und daher sich dardurch zu vertheidigen suchte: daß sie wegen Ehbruchs seine Liebe und ihr Leben verlohren hätte; bildete ihm der sich schuldig-wissende Rhascuporis ein: Rhymetalces hätte seine mit der Parysatis gepflogene Buhlschaft ergründet /und würde ihn als den Ehbrecher angeben. Hierüber gerieth er in die euserste Bestürtzung; ließ auch den Rhymetalces mit Gewalt aus dem Tempel ziehen /und in ein einsames Zimmer einsperren; ungeachtet der König sich auf die Unversehrligkeit seiner Königlichen Hoheit und des Tempels bezohe / welcher grössere Freyheiten als der Alleischen Minerva Tempel im Peloponesus / und das Heiligthum der Phliasischen Hebe hätte / darinnen doch Vater- und Mutter-Mörder unversehrt blieben wären. Wie nun Ada sich das Blat derogestalt wenden sah / sie auch Rhymetalcens schon überdrüßig worden war / hielt sie es nunmehr auch für rathsam mit des Königes Glücke ihre Liebe zu verändern. Sie kam daher zum Rhascuporis aufs üppigste angeputzt / redete ihn dieses Inhalts an: Es ist nunmehr Zeit Rhascuporis deine Liebe unschuldig / und deinen Stand grösser zu machen. Du hast Ursache deine Ada wieder ins Bette zu nehmen / welche dich niemals aus ihrem Hertzen gelassen / ja sich übers Jahr aller Wollust enteusert hat /nur daß du genung mit der Parysatis deine Lust büssen möchtest. Meine übermäßige Liebe hat mir die Bitterkeiten der Eyversucht versüßet / aber auch deinem Irrthum abgeholffen / welcher deiner Gemahlin[113] Anmuth für unschmackbares Wasser / der Parysatis Geilheit aber für Hi el-Brod und Nectar einlobte. Du selbst hast dich überzeuget / als du die letzte Nacht mich statt der eingebildeten aber schon todten Parysatis umbarmetest / und mir gestandest: sie hätte dich niemals vergnügter aus ihren Armen gelassen. Würdige desthalben nun auch wieder im Wercke dieselbe deiner Liebe / die du unwissende für würdig erkläret hast / und geneuß meiner reinen Flammen / welche wie die der Parysatis / dich mit keinem Rauche eines Lasters schwärtzen / an welcher der Himmel seine Rache ausgeübt hat / umb mich glückseelig / dich aber unschuldig und grösser zu machen. Rhascuporis fiel seiner scheinheiligen Ada umb den Hals / küssete und benetzte sie mit vielen Thränen / bath sie demüthigst umb Verzeihung seines Verbrechens / und gelobte sie hinfort als seine eigene Sonne zu lieben und zu verehren. Ada ward hierüber hertzlich erfreuet /und fuhr fort: Meine Gedult hat meine Treue zwar hoffentlich genung bewehret; ich wil sie aber noch mit Eröfnung eines wichtigen Geheimnüsses besiegeln. Rhymetalces hat mir selbst Anlaß gegeben / und ich wil dir im Garten den mit Blut bespritzten Ort zeigen / wo er die aus deinem Bette zurück kommende Parysatis eigenhändig ermordet hat; weil ihm ihre mit dir gepflogene Liebe verrathen worden. Auf eben selbiger Stelle schwur er dir den Tod / und mir die Ehe / da ich durch dis mir zugestellte Gifft an dir seine und meine Schande rächen wolte. Ich erstaunete für so grausamen Anmuthen; und verdammete in meinem Hertzen eine Krone / meine dir geschworne Treue aber hindan zu setzen. Weil aber Rhymetalcens Gemüthe unversöhnlich / sein Gelübde unwiderruflich war / zwang mich die Liebe den Todes-Befehl zum Scheine zu übernehmen / nur / daß er dir nicht durch andere Werckzeuge das Licht ausleschen liesse. Ich habe mich nun drey Tage gequälet: ob ich durch Offenbarung so grausamen Schlusses zwey Brüder zu Tod-Feinden machen solte. Nach dem ich aber kein ander Mittel zu deiner Sicherheit aufzufinden gewüst / muß ich nur entdecken / was ich ohne Meineyd und ohne Beförderung deines und meines Untergangs nicht verschweigen kan. Hier ist das Gifft / das ich aus seiner Hand mit Schrecken annehmen müssen. Urtheile /wohin es zu verbrauchen ist? und was dich gegenwärtiger Zustand vortheilhafftig entschlüßen heist. Der aufs neue bezauberte Rhascuporis erinnerte sich nicht: daß die Waffen der Weiber Arglist / ihre Siege Betrügereyen wären; nam also alles für ungezweifelte Warheit auf; und weil seine dem Rhymetalces durch Schändung seiner Gemahlin angefügte Beleidigung sein Gemüthe schon von Brüderlicher Liebe abwendig gemacht hatte / gab seine nunmehr angezündete Rachgier so viel leichter diesen Ausschlag: daß Rhymetalces durch sein eigenes Gifft sterben / und das Rache verlangende Volck damit versöhnet werden solte. Ada zohe hierüber die Achseln ein / mit Vermelden: Sie wünschte wol ein linderes Mittel sich außer Gefahr zu setzen; aber Rhymetalces hätte das Band der Brüderlichen Liebe schon selbst zerrissen. Das Recht der Natur und Völcker billigte einem jeden auzuthun / was er vor einem andern besti t hätte. Ihnen und Thracien wäre nun nicht anders als mit Rhymetalcens Tode zu rathen. In einem solchen Absehen hätte der tapfere Timoleon ihm kein Gewissen gemacht / seines herrschsüchtigen Bruders Tod durch seine Rathschläge zu befördern. Die tugendhaffte Aretophile zu Tyrene hätte es für einen herrlichen Sieg geachtet / als sie Leandern zu Hinrichtung seines Bruders Nicarates ihres eigenen Ehmannes beredet. Diesemnach hätte sie kein Bedencken sein Urthel an Rhymetalcen selbst zu vollziehen. Wormit sich Ada aber zu einem rechten Sinnbilde der Untreue machte / [114] verfügte sie sich selbst zum Rhymetalces / welcher aus besorgtem Gifte anderthalb Tage keine Speise zu sich nehmen wolte / verfluchte die gegen ihn verübte Unbarmhertzigkeit seines Bruders / vertröstete ihn ihm aus dem Gefängnüsse und den Händen des rasenden Volckes zu helffen; und versicherte ihn: daß er sich in den Speisen / welche sie selbst mit genüssen wolte /keines Argen zu besorgen hätte. Sie hatte aber wie Parysatis des Xerxes Tochter des Darius Gemahlin zu Hinrichtung der ihrem Sohne vermählten Stagira / die eine Seite ihres Messers vergiften lassen / mit welchem sie die aufgetragenen Vögel und Früchte zertheilte / und die vergiftete Helffte dem Könige vorlegte; durch solche Zertheil- und Mitspeisung aber so viel leichter ihn seinen Tod zu essen verleitete. Nach dem sie ihm nun genung zum sterben eingegeben zu haben vermeinte / ließ sie Rhymetalcen nebst einem Gefärthen / der ihn auf den Hebrus nach Zernis in Sicherheit bringen solte / über die Zinnen des Tempels in einen Nachen; welcher aber unferne davon von des aufrührischen Volckes auf solche Aufsicht mit Fleiß bestellter Wache angehalten / und der erkennte König von dem rasenden Pöfel erschlagen ward / ehe er noch aus Würckung des Giftes erfuhr: daß sich Ada aus einer Buhlschafft in eine vergiftende Schlange velwandelt hätte. Dieser Tod kam nicht so geschwinde der Ada zu Ohren / als sie ihren Gemahl erinnerte; es wäre nunmehro Zeit nebst der Insel Kron und Zepter zu umbfassen / ohne welche alle Würde Stückwerck /alles Glücke Eitelkeit wäre. Gemeine Leute könten alle Tage / Fürsten aber nur bey grossen Veränderungen sich mit ihrer Fähigkeit sehen lassen. In keines Fürsten Macht stünde es zwar / alles thun; aber gar nichts wichtiges ausrichten / wäre eines Fürsten ärgster Schandfleck. Der todte Rhymetalces hätte seinem Sohne Cotys selbst dardurch das Erbrecht zum Thracischen Reiche abgesprochen / da er seine Mutter Parysatis als eine Ehbrecherin getödtet hätte. Daher wäre Rhascuporis nicht nur berechtiget sich für den König ausruffen zu lassen / sondern auch den jungen Cotys als ein Opfer der gemeinen Ruh abzuschlachten. Ob nun zwar Rhascuporis hierüber anstand / und den Fürsten Cotys als ein Huren-Kind zu verstossen hunderterley Bedencken hatte; so wuste doch Ada ihrer Herrschsucht / und Einrathung unter dem Scheine des uhralten Thracischen Erbrechtes eine schöne Farbe einzustreichen; als welches eben so wol als in Numidien und Arabien des verstorbenen Königs Bruder für seinen jüngern Söhnen zum Reichs-Erben angenommen hätte; weil einem Reiche vorzustehen kein Werck der schlipfrigen Jugend / sondern des erfahrnen Alters wäre. Hiermit gewaan Ada nicht nur das Gemüthe des seinem eigenen Aufnehmen leicht beyfallenden Rhascuporis / sondern sie spielte es auch durch Bestechung der Grossen / und durch Bethörung des Volckes / welches nach seinem Augenmaaße nicht mit dem Verstande urtheilt / und daher jede Scheinbarkeit sich blenden läßt / dahin: daß Rhascuporis zu Oresta für den König in Thracien ausgeruffen ward. Ich / sagte Fürst Rhemetalces / kam eben selbigen Tag aus dem Pannonischen Kriege / da ich den Römern zum besten fünf-tausend Thracier geführt hatte /nach Oresta; jedoch bekümmerte mich meines Vaters Rhascuporis Königliche Würde / und die Thracische Veränderung mehr / als die Ehrsucht mich darüber zu erfreuen verleiten konte. Denn ich hatte in Pannonien mit dem Fürsten Cotys eine grössere Freundschafft gemacht / als so nahe Bluts-Freundschafft auch unter gemeinen Leuten stifften / oder die Begierde zu herrschen sonst unter Fürsten vertragen kan. Uberdis kam mir das übermäßige Glücke so verdächtig für / als meiner lasterhafften Stiefmutter Liebkosungen / damit sie nichts minder [115] mich / als das Volck zu bethören trachtete / und meinen Vater Rhascuporis aufs neue gantz bezaubert hatte. Diese Ursachen bewegten mich meinen Vater mit Bescheidenheit die Gefahr seiner gefaßten Entschlüßung für Augen zu stellen; weil doch die letztere Art der Thracischen Reichsfolge für den Fürsten Cotys / das veränderliche Volck aber selten auf seiner ersten Wahl feste / ja es nicht in der einigen Stadt Oresta / sondern in des gantzen Reichs Erklärung bestünde / wer zur Herrschafft das beste Recht hätte. Cotys wäre ein Herr von grossen Tugenden / und grösserer Hoffnung. Die mächtigen Römer würden ihm mit Hülffe nicht entfallen sein Väterlich Reich zu behaupten / derer Freundschafft er durch seine Tapferkeit im Pannonischen Kriege nichts minder verdient / als erworben hätte. Diesemnach könte Rhascuporis nichts großmüthigers noch sicherers entschlüßen / als wenn er dem in Pannonien abwesenden Fürsten Cotys die Helffte des mehrmals getheilt-gewesten Thraciens antrüge / welches auch nach seiner Zerspaltung den meisten benachbarten Königreichen überlegen seyn / und den edlen Cotys ihm aufs höchste verknüpfen würde. Mittelmäßige Reiche wären ins gemein tauerhaffter / als allzu grosse. Jene würden durch gewohnte Wachsamkeit ihrer das wenige zu bestreiten mächtiger Fürsten erhalten; diese durch Sicherheit ihrer Häupter / durch den Neid ihrer Nachbarn / durch die Uppigkeit ihrer Einwohner zu Grunde gerichtet. Die Römer würden das zertheilte Thracien nicht mehr mit so schälen Augen / als Zeither das vereinbarte anschauen; ja der Himmel selbst ein geneigterer Beschirmer eines gerechten / als eines gewaltigen Reiches / seyn. Durch diese Einredung brachte ich meinen Vater so weit: daß er meine Meinung billigte / und zu vollstrecken im Werck begriffen war. Aber die unersättliche Ada warf auf einmal alles über einen Hauffen / indem sie für eine Thorheit eines furchtsamen Hertzens schalt; wenn es sich mit einem halben Reiche vergnügte / das es gantz besitzen könte. Kreiße und Cronen hätten nur einen Mittelpunct. Der Himmel vertrüge nur eine Sonne / Thracien nur einen König; und ein zweyköpfichtes Reich wäre eine so ungeschickte Mißgeburt / als ein so viel-köpfichter Mensch. Fürsten wären dieses Nahmens nicht werth / welche ihr Gebiethe zu vermindern ihnen träumen liessen / nicht aber ihre Gewalt zu vergrössern alle euserste Kräfften angewehreten. Denn ein nicht mehr steigendes Reich sincke wie ein empor geschossener Pfeil augenblicks zu Bodem; und die Römische Herrschsucht / welcher der noch vereinbarte Thracische Reichs-Apfel zu verschlingen zu groß gewest / würde alsofort seine Stücke ohne weniger Müh / als König Philipp verdrückt haben / als Thracien zwischen dem Cersobleptes / Berisades und Amadocus wäre zertheilt worden. Des Rhascuporis Ahnen hätten durch ihre Klugheit und Tugend die Thracier unter einen Hut gebracht; also solte er durch ihre Zergliederung sich nicht unwürdig machen ihr Enckel /der Thracier König / und der behertzten Ada Ehmann zu seyn. Auf diese Art verleitete Ada nicht alleine meinen Vater / sondern sie faßte auch gegen mir wegen meines widrigen Einrathens eine mehr als Stiefmütterliche Todfeindschafft; wiewol sie selbte mit mehr als Mütterlichen Gebehrdungen verhüllete. Rhascuporis nam die allerheftigsten Entschlüßungen wider die ihn nicht anbetenden Thracier für / verbannte den Cotys als einen durch Ehbruch unwürdig-eingepfropfften Zweig in den Königlichen Sta -Baum. Mit einem Worte: die Ehrsucht und Grausamkeit der Ada brachte nichts so schlimmes auf die Bahn / was Rhascuporis nicht billigte; ich und andere aber riethen nichts so gutes / was nicht beyde verwarffen; [116] entweder weil eines geilen Weibes Worte / wie der Nil-Fall die benachbarten Mohren derogestalt betäuben / daß sie nichts bessers hören können; oder weil ihm Rhascuporis nicht die Gedult nahm das Quell-Wasser guter Rathschläge aus dem tieffen Brunnen der Wahrheit herauf zu schöpfen / sondern sich den aus dem Munde der falschen Ada über das Wehr der heftigsten Begierden abschüssenden Strom /wohin sie wolten / fortreissen ließ. Wiewohl es ein gemeiner Fehler auch uneingenommener Fürsten ist /kühne und ruhmsichtige Fürschläge nützlichen vorzuziehen. Denn Rathschläge haben einerley Verhängnüß mit den Gesichtern: daß die schönen allein gefallen. Rhascuporis fussete auch so viel mehr auf der Ada Vorschläge / weil die Agrianes / Agathyrsen / ja fast alle Odrysische Landschafften ihn mit Frolocken für ihren König ausrufften; nicht so wohl: daß sie ihn für dem Cotys liebten / als weil das Volck nach Art der schwärmenden Bienen auf ieder Hecke / die ihnen zum ersten fürko t / ihren Sitz und Beruhigung sucht. Unterdessen kochte Ada wider mich unter dem freundlichsten Anblicke eitel Gift und Galle / theils weil sie sich durch meine Redligkeit beleidigt zu seyn glaubte; theils weil sie ihren mit dem Rhascuporis gezeugten Sohn Taxiles schon zum Erben eines Reichs bestimmete / dessen sie selbst noch nicht mächtig war. Ich hatte bey meinen neunzehn Jahren gleichwohl gelernet der Stiefmütter Liebe verdächtig zu halten / und die Verwarnigung Hegesipylens einer in der Königin Frauenzimmer sich befindendẽ edlen Thracierin erhielt mich an einem Abende am Leben / weil sie mir bey einem Tantze nur diß ins Ohr sagte: Wie schade ist es für einen solchen Fürsten / daß er in seinem Hertzen nicht so viel Argwohn / als Tugend hat! Wie jammert es mich: daß er heute mit einer Comagenischen Dirne sich zu Tode tantzen soll. Als ich mich kaum Hegesipylens entledigt hatte / kam die Königin mit ihrer gewohnten Liebkosung; und lobte mir eine ihrer Comagenischen Jungfrauẽ als ein Meisterstücke der Natur / und als ein Kleinod / welches sie alleine für mich verschrieben / und zu meiner Vergnügung biß auf selbige Nacht aufgehoben hätte. Der mir von Hegesipylen ins Ohr gesetzte Floh erinnerte mich: daß man bey so süssen Lockliedern den gefährlichen Schiff-Bruchs-Klippen am nechsten sey / und den zermalmenden Blitz über der Scheitel habe / wenn falsche Hertzen so schön Wetter machen. Diesemnach vergalt ich zwar meiner Stiefmutter Freundligkeit mit grosser Ehrerbietung; ich stellte mich aber bald darauf kranck / und zohe mich in mein Zimmer zurücke. Früh / als ich in Tempel gieng / drückte mir ein fremder Knabe einen Zettel in die Hand / und gab mir mit selbtem die Nachricht: daß die neue Comagenerin von giftigen Speisen von langer Zeit durchwürcket / und mit ihrem Atheme / ja mit der Wärmbde ihrer Hand andere zu tödten mächtig wäre. Ich erschrack über so grausamen Erfindungen / und weil ich weder meines Lebens sicher war / noch meines Vaters Befehl nach /wider den zu Philippopolis angekommenen Fürsten Cotys ins Feld zu ziehen Lust hatte / ward ich schlüssig von Oresta weg / und nach Athen zu ziehen / umb dem über Thracien aufziehenden Ungewitter auszuweichen. Meinen Schluß zu beschleunigen nöthigte mich eine neue und abscheuliche Anfechtung der Stiefmutter / welche mir eben das grausame Laster /was Phödra dem Hippolytus zuzumuthen sich nicht entröthete. Ich erstaunete hierüber anfangs als ein Stein; weil ich aber für eine halbe Genehmhab- und Anleitung zu mehren Versuchungen hielt / über einer so schändlichen Versuchung keine Empfindligkeit zeigen / schlug ich auf das Heft meines Degens / und sagte der Ada unter Augen: Diß kalte Eisen solte ihre Brunst kühlen / wenn sie mich mehr auf solche Art zu versuchen sich gelüsten lassen würde. Die schlaue Ada lachte [117] hierzu / und machte von meiner Tugend grosse Lob-Sprüche; weil ich auch einen wider die Erbarkeit lauffenden Schertz / dardurch sie mein Gemüthe hätte prüfen wollen / nicht vertragen könte. Weil ich aber so wohl das scheinheilige als rachgierige Hertze meiner Stiefmutter allzu wohl kennte /machte ich mich noch selbigen Abend / aber zu meinem Unglücke aus der Stadt. Denn den Morgen darauf lieff ein Brieff an mich vom Fürsten Cotys von Philippopolis ein; darinnen er mich meiner alten Freundschafft / und seines zu der Thracischen Krone habenden Erb-Rechtes beweglich erinnerte / der von den Römern ihm versprochenen Hülffe sein Reich zu erobern versicherte / die daraus Thracien auf den Hals wachsende Dienstbarkeit für Augen stellte / und mich bey allen Thracischen Göttern beschwur: daß ich meinen Vater von seinem Beginnen ableiten / hierfür aber das zwischen dem Berge Hämus / Gamaides / dem Fluß Agrianes und dem Euxinischen Meere liegendes Thracien versprechen / für mich aber die Landschaften Sardica und Usdicesica haben solte. Weil ich nicht zu finden war / und bey Hofe alles durch der Ada Hände gehen muste / ehe es an den König kam /gerieth dieser Brief auch zur Ada. Das Königliche Thracische Siegel war ihr Argwohns genung selbtem zu öffnen / und der Innhalt ein erfreuliches Wesen /woraus diese Spinne mich zu tödten Gifft saugen konte. Sie verdrückte diesen Brief / biß sie vorher meiner Entweichung gewiß war / und durch ihre Werckzeuge dem Rhascuporis gegen mich allerhand Verdacht hatte einpregen lassen / worzu ihnen meine von Kind auf mit dem Fürsten Cotys gepflogene Verträuligkeit / und die Widerrathung seiner gäntzlichen Verstossung genungsamen Zunder darreichte. Hierauf zoh Ada allererst des Cotys Brief herfür / woraus alle Räthe / welche Ada an ihrem Seile führte / mir ein mit dem Cotys gemachtes geheimes Bündnüß aufdrangen / meine Entfernung aber für eine Flucht zum Cotys auslegten / also meinen Vater bewegten: daß er nicht nur alle Heimligkeiten meines Zimmers durchsuchen /sondern auch meine hinterlassene Bediente in Kercker werffen / peinlich über mein Vorhaben befragen / mir aber auf allen Strassen nachsetzen / ja denen / welche mich zu nöthiger Hafft anzeigen würden / zehn Taleut zur Vergeltung durch offentliche Herolden versprechen ließ. Olorus ein Odrysischer Ritter / welchem ich alleine meine Abreise vertraut hatte / kriegte davon bey Hofe zeitlich Wind / kam mir nach / und ereilte mich bey der Stadt Zernis mit der Verwarnigung keinen Augenblick mich aufzuhalten / biß ich in das Römische Gebiete des Chersonesus entkommen wäre. Ob ich nun zwar selbst bey meiner Bestrickung keine andere Rechnung als des Todes zu machen hatte / so ward ich doch schlüssig zurück nach Oresta zu kehren / um lieber zu sterbẽ / als durch meine Flucht mich einer Verrätherey gegen meinen Vater verdächtig zu machen. Olorus widerrieth es mir aufs äuserste und mit Thränẽ / weil Ada ohn mein Blut unversöhnlich /mein Untergang ihr so vorträglich wäre / und ich mich bescheiden könte: daß eines verbitterten Vaters Haß sich so viel mehr vergrösserte / als sein Blut näher käme. Denn ie mehr eine Gemüths-Bewegung unnatürlich wäre / ie heftiger rasete sie. Frembde Feindschafft wäre ein-der Brüder zweyfach; der Eltern aber hätte so wenig / als ihre Liebe / einen Maaß-Stab. Die Zeit / und meine fürgesetzte Lebens-Art zu Athen würde mich von allen Beschmutzungen der Lästerer weiß brennen; und da es mit des Rhascuporis Beginnen einen besorglich übeln Ausschlag gewinnen solte / mir des Cotys Gewogenheit meines Vaters Güter und Würden unversehrt behalten. Dessen ungeachtet blieb ich aus einer gewissen Hartnäckigkeit / oder aus einem besondern Triebe des Verhängnüsses auf meinem Kopfe / spielte mich auch [118] mit dem Olorus durch das Agathyrsische Gebiete so verborgen in Oresta an: daß meiner kein Mensch gewahr ward / als biß ich in das Königliche Schloß einritt; und meinem auf der Rennebahn befindlichen Vater unerschrockẽ unter Augen trat. Alle Anwesenden erschracken für mir; zweifels-frey / weil ieder zu meinem Verterben einen Stein getragen hatte; am meisten aber der König /welcher mich alsofort / woher ich käme / und was ich verlangte / rechtfertigte. Ich antwortete / iedoch mit kindlicher Demut und Ehrerbietung: Ich stellte mich eigenbeweglich ein / umb den auf mich gesetzten Preiß der 10. Talent selbst zu verdienen / und über die Verläumder / welche mich einer Verrätherey beschuldigt hätten / Rache zu fordern. Rhascuporis stutzte hierüber / und befahl: daß ich ihm auf dem Fusse in sein Zimmer folgen solte. Daselbst forschte er von mir: Was ich für heimliche Briefwechselung mit dem feindlichen Cotys unterhielte? Aus was Absehn ich mich ohne sein Erlaubniß des Hofes entbrochen / und wohin ich mein Absehen gerichtet hätte? Ich entschuldigte das letztere so gut ich konte / weil ich die mir geschehene Nachstellung / ohne die treue Hegesipyla in Gefahr zu stürtzen nicht erweisen konte. Das erstere verneinte ich schlechter Dinges; als mir aber mein Vater des Cotys Brief fürhielt / betheuerte ich: daß ich von selbtem nichts wüste; es auch in meiner Gewalt nicht gestanden hätte dem Cotys sein schreiben zu verwehren / welches zwar einige bedenckliche Anmuthungen in sich begriffe / aber weder von einem mir zuschreiblichen Anlasse / noch von meiner Genehmhabung einig Wort in sich hielte. Mit einem Worte: Ich vertheidigte meine Unschuld derogestalt; daß dem Rhascuporis dadurch der Dorn seines Verdachtes aus dem Fusse gezogen zu seyn schien / und er mir allein befahl / bey Verlust meines Halses aus Oresta nicht zu weichen. Die diß bald erfahrende Ada wolte über dieser unvermutheten Gelindigkeit meines Vaters für Ungeduld von Sinnen kommen; und weil sie ihren Anschlag gegen mich zu Wasser werden sah / ward ihre Verbitterung gegen mich so viel feuriger. Sintemal der Haß ohne diß die Eigenschafft des Weines in sich hat: ie älter / ie stärcker. Weil sie aber das vergällte Hertze des Rhascuporis so geschwinde seine natürliche Eigenschaft wieder bekommen sah / getraute sie nicht ohne neue Beschuldigungs-Gründe ihn aufs neue gegen mich zu verhetzen; sondern verbarg vielmehr gegen ihm ihren Groll mit einer äuserlichen Freude: daß ich allen Verdacht so vernünftig abzulehnen gewüst hätte; bat auch selbst mir nach Belieben aus Oresta zu reisen die völlige Freyheit aus. Unterdessen schmiedete sie unter meinem Nahmen eine Antwort auf des Cotys Brief / des Innhalts: Ich wäre schon auf dem Wege gewest / über das Egeische Meer in Macedonien / von dar mich zum Cotys zu verfügẽ /und ihm allerhand heilsame Anschläge zu Eroberung seines väterlichen Reiches zu geben; von welchem ich ohne diß kein Theil / sondern alles mein von der Ada geborner Hab-Bruder Taxiles zu erwarten hätte. Weil aber inzwischen des Cotys Brief aufgefangen / und er umb der Bestrickung zu entkommen / nach Oresta wieder zu kehren genöthigt worden wäre / darinnen als ein halber Gefangener gehalten würde / und als ein Verdächtiger wenig zu seinem Vortheil thun / weniger meinen Vater zum verlangten Vergleiche bewegen könte; dörffte er seiner gerechten Sache mehr kein Bedencken tragen sich der Römischen Macht zu bedienen. Mein Rath wäre / Cotys solte das Feuer in der Asche suchen / und in der Haupt-Stadt Oresta die Urheberin alles Ubels Ada erdrücken; welche den Rhascuporis zu so ehrsüchtigen Entschlüssungen verleitet hätte. Wenn er diesem das Leben mit dem Priester-Ampte zu lassen / mir aber das meinem Vater angebothene Theil von Thracien abzutreten verspräche /wolte ich unterdeß selbst nicht alleine die verfluchte[119] Ada den höllischen Göttern aufzuopfern / sondern auch so denn dem Cotys die Pforten der Haupt-Stadt durch Hülffe seiner vertrauten Freunde zu öffnen bemüht seyn. Diesen ihren eigenen Aufsatz ließ Ada einen ihrer geheimen Schreiber / der alle Hände nachmahlen konte / abschreiben / und schickte selbten durch einen wohl abgerichteten Griechen dem Cotys /welchem dieser schlaue Bothe noch ein und ander scheinbares mündlich beyzusetzen / und vom Cotys folgende Antwort an mich auszulocken wuste: Es hätte Sylvanus der Römische Feldhauptmann nach überwundenen Breuzen / und dem aus Pannonien verjagten Bato / mit der gantzen Römischen Macht ihm beyzuspringen angebothen / die Hoffnung aber / es würde sich Rhascuporis durch mich zum Vergleiche bewegen lassen / hätte ihn fremde Hülffe ins Hertze Thraciens zu führen noch zurücke gehalten. Nachdem er aber von mir des Rhascuporis Hartnäckigkeit / der Ada Verhetzung / und noch täglich wachsende Herrschsucht vernähme / würde er genöthigt / wie schwer er daran käme / alle äuserste Mittel zu brauchen / die unter dem Berge Skodrus fertig stehende Römer zu beruffen / und seinem Rathe nach gerade für Oresta zu rücken. Könte ich unterdessen der schlauen Ada vom Brodte helffen / würde ich beyder Glücke auf viel festern Fuß setzen; wiewol diese Unholdin für der gantzen Welt ein Schauspiel grausamer Rache fürzustellen verdiente. Ich solte inzwischen mein wohl wahrnehmen / in Oresta mir ein Ansehen zu machen bemüht / und nach seinem Obsiege wegen des über dem Flusse Agrianes gelegenen Thraciens versichert seyn. Inzwischen bestellte sie bey der Uberfahrt des Flusses Pontus zwey Odrysen / welche sich bey seiner Rückkehr zu diesem Griechen gesellten /ihn erschlugen / und den ihm abgenommenen Brief des Cotys dem Rhascuporis als eine wichtige dem Feinde abgeschlagene Beute überbrachten. Rhascuporis ward über dem Innhalte äuserst bestürtzt / zeigte ihn alsofort seiner Gemahlin / und wolte mich Augenblicks in Hafft nehmen lassen. Die schlaue Ada aber /die durch diß Netze mich noch nicht genung zu überweisen getraute / machte hierwider allerhand Schwerigkeit; insonderheit ob diß auch eigentlich des Cotys /oder ein untergesteckter Brief; oder vielmehr gar des arglistigen Cotys Erfindung wäre / zwischen Vater und Sohn Zwytracht zu stiften / und mir dem gemeinen Wesen zu Schaden ein Bein unterzuschlagen. Daher solte er sich nichts mercken lassen / sondern die Wahrheit oder Falschheit der Verrätherey nach und nach daraus erkiesen: Ob Cotys des Sylvanus Völcker an sich / und gegen Oresta ziehen / ich aber was wider die Ada anspinnen würde / darauf sie ein genaues Auge haben wolte. Inzwischen ward dieser Brief gegen des Cotys ersten / und andere seine Handschrifften gehalten / und so wohl Siegel als Schrifft für richtig erkennet. Nach wenigen Wochen kam die Nachricht ein: daß Sylvanus mit seinem Pannonischen Heere aus Dardanien über das Hämische Gebürge gesetzt hätte / und an dem Flusse Suemus herab käme. Drey Tage darnach ließ der Landvogt zu Bessapara den Rhascuporis wissen: daß das Römische Heer gerade gegen selbige Stadt / Cotys aber mit seinem Kriegsvolcke an der rechten Seite des Hebrus herab züge; also jenes vermuthlich auf Bessapara / dieses auf Brisica angesehen wäre. Aber fünf Tage darauf brachten alle Posten: Die Feinde liessen alle Städte auf der Seite liegen / und giengen gerade auff die Haupt-Stadt loß. Wordurch des Cotys Brief wahr gemacht / Rhascuporis / dessen Heer bey Cille ein Lager geschlagen hatte / solches über Hals und Köpf theils an den Fluß Pontus / theils an Strom Artiscus zu rücken befehlichte / mich aber als einen der Verrätherey genungsam überwiesenen ins Gefängnüß werffen /und meine Zimmer aufs neue genau untersuchen [120] zu lassen / mit der Ada schlüssig ward. Zu allem Unglücke kam ich zu meinem Vater / und both mich an in seinem Heere wider seine Feinde / als ein gemeiner Kriegs-Knecht zu dienen / wenn er mir was höhers zu vertrauen Bedencken trüge. Denn ich könte ohne Schande die Hände nicht in die Schoß legen / wenn es umb des Vaters Krone / und Thraciens Freyheit zu thun wäre. Denn ob er zwar nicht leugnete: daß er des Cotys Freund gewest wäre / so müste ich doch das Band der Freundschafft mit ihm zerbrechen; nachdem er Thracien so muthwillig den Römern in die Hände spielte / und lieber ihr Sclave als seines Vetters Freund seyn wolte. Rhascuporis nahm diesen Vortrag für nichts bessers / als für eine Ausübung meiner mit dem Cotys abgeredeten Verrätherey auf / gab mir also einen grausamen Blick / und fuhr mich mit diesen schrecklichen Worten an: Verräther! wagst du dich noch deinem Vater unter Augen zu treten / dessen Untergang du sorgfältiger / als keiner seiner Tod-Feinde sucht! Ich verstu te für Schrecken; er aber gab ein Zeichen: daß ein Hauptmann von der Galatischen Leibwache ins Gemach trat / und den Degen von mir zu geben befahl. Wie schmertzhaft mir es fiel / mir auch der erste Eifer selbten zu zücken rieth / widerlegte doch mein ferneres Nachdencken diese unnütze Ubereilung / weil ich durch solche Widersetzligkeit nur meine Unschuld zu verdächtigen schien. Daher legte ich den Degen zu meines Vaters Füssen / kniete nieder / und öffnete die Brust mit den Worten: Nicht nur den Degen / welchen ich für meines Vaters Wolfarth und Thraciens Freyheit gewiedmet habe / sondern auch diß Hertze liefere ich dir / Rhascuporis. Oeffne es mit dieser Klinge; so wirst du darinnen nichts als Liebe meines Vaters / und meiner Mutter /nemlich des Vaterlandes; ja in meinem gantzen Leibe keine falsche Ader finden. Rhascuporis warff für Ungeduld mir des Cotys Brief für die Füsse und fing an: Unverschämter! magst du so Sonnen-klare Zeugnüsse widersprechen? Ich überlaß den Brief nicht ohne höchste Verwirrung und fing an: Cotys hat entweder diß gar nicht / oder als ein Unwahrhafter geschrieben / oder ist durch einen auf meinen Schlag gemachten Brief fälschlich verleitet worden. Er ist dein Feind /also vermuthlich auch deiner Söhne / und daher wider mich kein tüchtiger Zeuge. Das Recht wird es geben /antwortete Rhascuporis; und befahl mich in einem Gefängnüsse aufs schärffste zu verwachen. Unterdessen hatte man meine Zimmer erbrochen; und ließ Ada alle Schrifften und Kleinigkeiten aufs genaueste untersuchen. Weil nun etliche meiner Knechte Aertzte waren / welche mir für dem von meiner Stiefmutter besorgten Gifte zu verwahren nach des Königs Mithridates Erfindung ein bewährtes Gegen-Gift bereiteten; fand man in ihren Werckstätten eine ziemliche Anzahl theils eingesperrter Nattern und Schlangen; theils ihres zum jähren eingelegten Fleisches. So bald Ada diß erfuhr / überredete sie den Rhascuporis: daß ich diese giftige Waare zu nichts anderm / als ihm und ihr zu vergeben im Vorrathe gehalten hätte. Alle meine Knechte wurden desthalben in die garstigsten Kercker angepflöckt / und zu was Ende sie Gift bereitet hätten / aufs schärffste befragt. Ob sie nun zwar einstimmig aussagten: daß sie daraus Artzney / kein Gift bereitet hätten / ja keines bereiten könten; weil die Nattern weder in Zähnen / noch in dem Schwantze / noch in der Galle / sondern nur in zweyen die Zähne bedeckenden / und bey ihrem Bisse sich öffnenden Bläslein ein gelbes Gift beherbergten / wormit man aber niemandẽ vergebẽ könte / sondern weil es nur in offenen Wundẽ bey Vermischung mit dem Blute vergiftete / in grosser Menge ohne Schaden in Leib verbraucht / ja der von Nattern gestochener Thiere Fleisch / so wol als ihr eigenes sicher verspeiset / der Wein / darinnẽ die Nattern [121] ersäufft / getruncken / und ihr Gift aus den Wunden von iedermann so wohl als von den Psyllen ausgesogen werden könte: so ward doch ihr wahrhaffter Bericht als eine unglaubliche Falschheit verworffen / und etliche biß auf den Tod gepeinigt / weil sie wider mich nichts verfängliches bekennen wolten oder konten. Dessen ungeachtet wagte sich kein Mensch der Ada zu widersprechen: daß ich nicht ein Gifft-Kocher wäre. Die noch übrigen kaum athmenden Knechte wurden zu einer neuen Quaal aufgehoben und erquicket. Des Cotys Schreiben ward im peinlichen Hals-Gerichte überlegt / und die meisten Richter von der Ada bestochen oder durch Dräuen gezwungen mich des Halses verlustig zu erkennen. Es war Ort und Zeit schon besti t mich auf einer Schaubühne als einen Verräther abzuthun: als einer meiner Knechte / welchen ich viel tausend Edlen in der Welt vorzuziehen habe / durch eine nachdenckliche Erfindung die Vollziehung meines Todes-Urtheils hemmete. Denn als er noch einmal über der Gifft-Bereitung in die scharffe Frage gezogen ward /bekennte er: es wäre wahr: daß ich der Ada von einem Meer-Hafen Gifft beybracht hätte. Dieses aber hätte weder er noch andere Knechte bereitet / sondern Cotys mir zugeschickt. Diß aber hätte diese seltzame Eigenschafft: daß es dem / der es empfangen / nicht ehe schadete / als biß der Meer-Hase getödtet würde. Weil nun es der Königin noch nichts geschadet hätte /müste Cotys diesen Fisch noch unversehrt aufhalten. Uber dieser Aussage hielt der Knecht drey grausame Züge / und das Brennen mit Schwefel beständig aus /verursachte also: daß Ada in Beysorge / es würde Cotys nach meiner vernommenen Hinrichtung den Meer-Hasen / und hiermit auch sie alsobald tödten /nunmehr meinen so eivrig verlangten Tod wider Willen hinterziehen mußte; und derogestalt der Eiver ihrer in ihrem Hertzen kochenden Rache mich eben so wenig / als der siedende Traan von den Wallfischen die darein gesteckten Hände zu verbrennen Gewalt hatte. Unterdessen gieng schier keine Stunde vorbey: daß nicht Rhascuporis und Ada mit bösen Zeitungẽ erschreckt ward. Denn die mächtigẽ Städte Brisica und Zerius schickten dem Cotys die Schlüssel viel Meilen entgegen; die gantze Landschafft Rhodope zwischen den Flüssen Hebrus und Arzus liessen ihn für ihren rechtmässigen König ausruffen; und was von dar an / biß an den Fluß Strymon zwischen dem Egeischen Meere und dem Gebürge Rhodope liegt / fing gleicher gestalt an zu wancken. Die Bürgerschafft in Oresta selbst schöpfte über der wollüstigen Ada Mord-Stifftungen und meiner Gefängnüß Unwillen; also daß Rhascuporis sich nicht aus seinem Sitze zum Heere dem Feinde den Kopf zu bieten wagen durfte; ja endlich als Sylvan über den Fluß Artiscus drang /und es sich alles zum Aufstande in Oresta ansehen ließ / beyde Heere biß an diese Haupt-Stadt zurück ziehen muste. Cotys aber fiel mit seiner Reiterey in den Nachzug ein / erlegte etliche tausend / und kam so nahe: daß Ada seine Siegs-Fahnen von dem Tempel des Bacchus erkiesen konte. Sie erfuhr nunmehr: daß das Kriegs-Looß zwar von ehrsüchtigen Menschen geworffen werde / aber selten nach ihrer Einbildung / und stets nach der Maaßgebung des unerforschlichen Verhängnüsses falle. Weil nun einer sicheren Hoffart die Furcht / und der Untreue das Mißtrauen auf dem Fusse folgt; Rhascuporis auch seinen in Verwerffung meines Rathes begangenen Irrthum bereuete; gerieth Ada in höchstes Schrecken und Verwirrung. Sie schöpfte Argwohn gegen den Rhascuporis; als wenn er sie als die Uhrheberin alles Unglücks über Achsel anschauete. Ja weil ihr Gewissen ihr nichts gutes wahrsagte / ward sie gegen sich selbst falsch / gegen ihre Meynungen mißträulich / und erwehlte auch das nicht / dem sie ohne Verdacht trauen dorffte. Weil [122] Bessapara und Cille sich vollends auch ergaben / vieth sie in allen andern Festungen die treusten Befehlhaber zu verändern / wordurch entweder Heuchler aus Bret kamen / oder auch die Redlichen dem Rhascuporis und der Ada nichts gutes zuzutrauen / und also sich auf allen Fall nach einem andern Schutz-Gotte umbzusehen gleichsam gezwungen wurden. Also ist das Mißtrauen offt ein Fußeisen der Klugheit / in welches der Leger so bald tritt / als der /dem es geleget wird. Die am Flusse Taxus nahe bey Oresta gelegene Stadt Zerva gieng darmit verlohren; und die dardurch fast aller Zufuhr beraubte Haupt-Stadt ward schwierig / und zwang den Rhascuporis einen gefährlichen Streich zu wagen; weil das Volck wegen abgehender Lebens-Mittel und ihres Königs Kleinmüthigkeit schon mit dem Cotys ein heimlich Verständnüß machte. Er fiel daher umb Mitternacht das an beyden Seitẽ des Taxus geschlagene Läger des Cotys an / und schikte zugleich in möglicher Stille 30. gerüstete Schiffe dẽ Fluß Hebrus hinab / welche die Schiffbrücke anzündẽ / und darmit den Römern /welchen er zugleich an dreyen Orten blinden Lermen machte / die Gelegenheit dem Cotys zu Hülffe zu kommen abschneiden solten. Der Anfang gieng glücklich von statten; die Brücke gerieth fast ehe in Brand /als man einen Feind merckte. Rhascuporis drang mit den Odrysen über des Cotys Wall / hieb die Wache nieder; und weil die Römer ihre eigene Posten beobachten musten / gerieth des Cotys gantzes Läger in Verwirrung. Cotys selbst ward verwundet / als er sein Volck in Ordnung zu stellen bemüht war. Nachdem aber Sylvan gewahr ward: daß die gegen ihn gemachte Lermen Wolcken ohne Blitz waren / und aus der angezündeten Schiffbrücke leicht urtheilte: daß diß Ungewitter auf den Cotys allein gemüntzt war / befahl er einer Legion Römern / und der Macedonischen Reiterey auf der oberhalb Oresta gebauten Brücke und mit denen verhandenen Nachen über den Hebrus dem Cotys zu Hülffe zu eilen. Alleine die Brücke gieng von dem Gedränge / oder weil etliche erkauffte Schiffleute die Ancker-Tauen zerschnitten hatten / bald anfangs von sammen. Weil nun Rhascuporis schon im gantzen Lager den Meister spielte / war es weder möglich noch rathsam den nothleidenden Cotys mit Nachen zu entsetzen. Diesemnach machte er aus der Noth eine Tugend / fiel mit seinem gantzen Heere an unterschiedenen Orten Oresta stürmender Hand an; und weil sich niemand dessen versehen / auch wenig Mannschafft in der Stadt blieben war / eroberten die Römer das auf der lincken Seiten des Flusses Hebrus liegende Theil der Stadt / und das darinnen gelegene Königliche Schloß / darinnen ich eingekerckert war. Ada kam mit genauer Noth über die Brücke / in den festen Tempel des Bacchus; und der hiervon benachrichtigte Rhascuporis muste die Verfolgung seines Sieges mit Unwillen verlassen / umb der in Gefahr stehenden Stadt zuzulauffen. Cotys kam hierdurch aus äuserster Noth wieder zurechte / folgenden Morgen in Oresta zum Sylvan / und zu mir selbst ins Gefängnüß / umbarmte mich daselbst voller Freuden / und bezeugte darmit: daß die Veränderung unsers beyderseitigen Glückes die Aufrichtigkeit seiner Freundschaft zu verändern zwar über die meisten Menschen / aber nicht über sein Gemüthe Gewalt hätte. Also erlangte ich von meines Vaters Feinde die völlige Freyheit; Rhascuporis und Ada aber kamen mit dem andern Theile der Stadt immer mehr ins Gedrange / und ich in gröste Bekümmernüs / weil ich den Untergang meines Vaters und Vaterlandes mit geschlossenen Händen zuschauen muste / Cotys und Sylvan bemeisterten sich durch Hülffe der Bürgerschafft in einem nächtlichen Uberfalle vollends der andern Helffte der Stadt; und weil der Tempel des Bacchus [123] fast für unüberwindlich gehalten ward / brachten sie allerhand wundersame Werckzeuge herbey solchen einzuäschern. Unter andern gab sich ein Gallier mit einem stählernen vierdtehalb Schuch breiten Brenn-Spiegel an /welcher mit denen zurück-prellenden Sonnen-Strahlen funfzehn Schritte weit das grüneste Holtz im Augenblicke anzündete / in weniger Zeit Eisen und Ertzt zerschmeltzte / die härtesten Marmel wie Kalcksteine zersprengte; und / wenn man des Nachtes ein schlichtes Licht darfür setzte / an dem Orte / wohin der Widerstrahl fiel / auf zweyhundert und mehr Schritte weit alles gelesen werden konte. Mit diesem erforschten Cotys und Sylvan nicht allein alles / was des Nachtes zur Gegenwehr an der Festung für Anstalt gemacht ward / sondern sie beschlossen auch durch die gesteigerten Sonnen-Strahlen diesen alten und unschätzbaren Tempel zu zernichten. Die Noth machte mich verwegen meinen Kummer mir vom Hertzen zu weltzen / und den Cotys von diesen eusersten Entschlüssungen durch diesen Einhalt abwendig zu machen: Er hätte zwar genungsame Ursache den Rhascuporis bis auf den Tod zu verfolgen / und das Recht des Krieges rechtfertigte die grimmigsten Entschlüssungen; beraubte auch die Heiligthümer ihrer Freyheit. Aber nicht alles zuläßliche wäre löblich / noch alles euserste sicher. Die Hartneckigkeit des Rhascuporis / die Furcht der verzweifelten Ada / und der Aberglaube des den Tempel beschützenden Krieges-Volckes würde noch viel Ströme Thracischen Blutes kosten; welches die Römer Zeither gefürchtet hätten /Sylvan aber mit gröster Vergnügung durch diesen Bürger-Krieg so liederlich verschwendet sehe; und unter dem Schatten seiner Hülffs-Flügel der Römischen Adler herrschsüchtige Klauen versteckte / welche Thraciens so wenig / als anderer dienstbaren Nachbarn schonen würde. Jemehr Cotys Thracier erlegte; je weniger würden ihm zu gehorsamen / und er seinen Feinden künfftig entgegen zu setzen haben. Unsere Siege hätten die Eigenschafften der Artzneyen / welche mit den Kranckheiten auch allezeit etwas von unsern Lebens-Kräfften wegnähmen. Ja in Schlachten und Stürmen blieben die am ersten / derer Tugend sich für andern hervorzückte. Das Kriegs-Glücke veränderte sich fast mit jedem Morgen / wie Cotys bey des Rhascuporis glücklichem Ausfalle schon erfahren hätte / welchem noch das Nordliche Thracien beständig anhienge / und bey der Stadt Cabyla für ihn ein mächtiges Heer versammlete. Ein einiger Zufall wäre fähig die beste Verfassung zu verrücken / und ein Fehler einem Fürsten den Ruhm und die Frucht aller tapferer Thaten zu rauben. Kein Thracischer Fürst hätte noch an den Tempel des Bacchus Hand angeleget / von welchem nicht gantz Thracien sein Gemüthe abgewendet / er aber ihm die schwere Hand Göttlicher Rache auf den Hals gezogen hätte. Das Mittelmaaß einer mit gutem Willen behaupteter Herrschafft wäre auch beständiger / als eine erzwungene Bothmäßigkeit über die halbe Welt; Rhascuporis aber nunmehr in solchem Zustande: daß er keine ihm nachtheilige Bedingungen ausschlagen würde / nach dem ihn vorher der Sonnenschein des Glückes so verbländet hätte: daß er auch die vortheilhaften verworffen. Cotys hörte mich nicht allein mit Gedult / sondern nach einem tiefsinnigen Stillschweigen fieng er an: Rhascuporis hätte es weder umb ihn verdienet / noch auch wäre er in solcher Verfassung: daß er ihm einen Fuß-breit Erde von Thracien zu lassen Ursach hätte. Seine mit mir gemachte Freundschafft aber verbinde ihn mit mir das Reich zu theilen / als mit welchem er fürlängst das Hertz getheilet hätte. Wenn ich nun mit dem zwischen dem Flusse Artiscus und dem Euxinischen Meere gelegenen / und von dem [124] Gebürge Rhodope abgetheilten Thracien vorlieb nehme / würde er mit der übrigen Helffte vergnügter leben / als ohne meine Beruhigung mit dem gantzen. Ich ward beschämt über dieser großmüthigen Freygebigkeit des Fürsten Cotys; daher ich seine Knie mit geziemender Ehrerbietung umbfaßte; und mit dem dritten Theile seines Königlichen Geschenckes vergnügt zu seyn mich erklärte / wenn mir meinen Vater damit zu bestillen freye Hand gelassen würde. Cotys antwortete: das Geschenckte wäre mein völliges Eigenthum / und also wäre meine Gewalt darüber zwar keiner Umbschrenckung unterworffen / aber dis dingte er ihm aus / und dis müste Rhascuporis verschreiben: daß nach seinem Tode an dem Erbe Thraciens niemand als ich theil haben solte. Denn der boßhafften Ada Kinder wären nicht werth über die Thracier zu gebieten; weil die Laster in diesem Weibe am höchsten kommen / solche Untugend aber eine erbliche Kranckheit wäre / welche sich mit dem Geblüte fortpflantzte. Nach dem es mir nun nicht anständig war / der Freygebigkeit Ziel und Maas fürzuschreiben / das Thracische Recht der Erstgeburt mir auch ohne dis die Reichsfolge alleine zueignete / überdis es Ada umb mich nicht verdienet hatte / mich ihren Kindern zu Liebe wider die Väterlichen Gesätze und des Cotys Willen zu setzen / ließ ich mir alles gefallen. Dieser that dem Rhascuporis die mir verwilligte Abtretung des Ost-Nördlichen Thraciens / ich aber ihm meine freywillige Enteuserung schrifftlich zu wissen. Der damit abgeschickte Ritter erklärte hierbey des Cotys angehenckte Bedingung / und redete bey meinem Vater für mich mehr / als ich verdient hatte. Rhascuporis / der sich eines so vorträglichen Vergleichs nie weniger versehen hatte / nam es nicht nur mit beyden Händen an / sondern auch die ehrsüchtige Ada / der die Ausschlüßung ihrer Kinder ein Hertzens-Stich war / muste in einen sauern Apfel beissen / und des Cotys angetragenen Frieden durchgehends billigen. Sylvan ward von beyden Thracischen Königen theils durch ihre geschwinde Eintracht / theils durch reiche Geschencke gewonnen: daß er nicht allein diese Reichs-Theilung ihm gefallen ließ / und nach derselben würcklichen Vollziehung mit dem Römischen Heere zurück in Dardanien rückte / sondern auch darüber des Käysers Augustus Genehmhabung zu wege brachte; weil man durch diese Theilung die Kräfften der Thracier mehr / als durch einen zehn-jährigen Krieg geschwächt zu seyn glaubte. Derogestalt ward die Ruhe zwar in Thracien / aber nicht in meinem und der Ada Gemüthe befestiget. Denn ungeachtet sie mir zu dancken hatte: daß sie eine Königin blieb / so erregte doch die unverdäuliche Ausschlüßung ihrer Kinder von der Herrschafft in ihrem Hertzen eitel Galle /und ich war der verdrüßlichste Dorn in ihren Augen. Ob sie nun zwar diese Unhold so viel mehr zu verdrücken Ursach hatte / weil mein Vater nach meiner geprüften Treue gegen mir mehr Zuneigung / als jemals vorher blicken ließ; so war doch ihre Verbitterung so groß: daß sie sich durch keine Larve verdecken ließ; und mich daher alle Wolwollende warnigten: Ich möchte der Freundligkeit ihres verbitterten Hertzen nicht trauen / sondern mich vorschauen: daß nach dem ich dem Sturme entgangen / mich nicht einiger Nachregen ersäuffen möge. Denn ein unglücklicher Ausschlag arger Rathschläge machte die Bösen wol arglistiger / aber nicht gütiger. Weil es nun theils meine Sicherheit / theils mein guter Nahme erforderte: daß ich zu Hause nicht im Müßiggange verläge / und ich meiner schlauen Stiefmutter halber für nöthig befand der Römer Gewogenheit durch fernere Kriegs-Dienste zu erhalten; darzu mir des Bato in Dalmatien geschehener neue Einfall und der daraus erwachsende Krieg Anlaß gab; weil dieser unruhige Kopf ohne dis nicht so wol der Pannonier [125] Freyheit zu beschirmen /als durch Raubereyen sich zu bereichern im Schilde führte. Diesemnach reisete ich mit fünf-hundert Thracischen Edelleuten von Oresta weg / und ward in Dalmatien vom Germanicus desto freundlicher bewillkommt / weil die Römer etliche Tage vorher in der Stadt Rhetium durch einen arglistigen Brand etliche tausend Mann eingebißt hatten. Diese Scharte auszuwetzen rückte Germanicus für Seretium / eroberte selbtes mit Gewalt / und ließ alles / was Waffen tragen konte / über die Klinge springen. Weil aber die Dalmatier hierdurch mehr verbittert / als gedemüthiget wurden / schickte der Käyser den Tiberius mit einem mächtigen Heere in Dalmatien; welches dieser in drey Theil absonderte / eines dem Silan / das ander dem Lepidus anvertraute; mit dem dritten aber den Bato allenthalben verfolgte / und ihn endlich zwischen dem Flusse Jader und Tillurus in dem Berg-Schlosse Anderium einschloß / und dis so wol / als Germanicus Arduba einnahm; den Bato aber sich zu ergeben nöthigte / und damit diesem Kriege ein Ende machte. Weil nun Germanicus meiner geleisteten Kriegs-Dienste halber eine sonderbare Gewogenheit auf mich warf / zohe ich mit selbtem nach Rom / und genaaß vom Käyser / bey dem er mir gut in Worten war / allerhand Gnaden-Bezeigungen. Die Kriegs-Lust aber / die ich in Dalmatien durch Ausübung etlicher glücklichen Streiche gewonnen / versaltzte mir die Wollüste des Römischen Hofes / und die zwischen den Deutschen und Thraciern befundene Gleichheit der Sprache und Sitten; wie auch ihre in Dalmatien ausgeübte Helden-Thaten machten mich lüstern das edle Deutschland zu besuchen. Der Käyser selbst gab mir Schreiben an Varus mit / und befahl ihm mir alle Beförderung zu verschaffen. Ich kam in das deutsche Läger allererst den Abend für der grossen Niederlage / welches folgende Nacht durch Segesthens Schreiben in gröste Verwirrung gerieth / bey welcher mir denn Varus ein grösser Kriegs-Ampt anvertraute / als ich / wie der Ausschlag gewiesen / zu verwalten geschickt gewest. Jedoch darf ich mich ein Uberwundener zu seyn nicht schämen; nach dem ich in so edler Uberwinder Hände gefallen / welche mir nunmehr eivriger durch ihre wolthätige Gütigkeit / als vorher durch Tapferkeit überlegen zu seyn bemühet sind. Daher ich aus dieser Begebnüs gelernet habe: daß die blinden Menschen zwar offt in ihr eigenes Unglück auf der Post rennen; das gütige Verhängnüs aber so leicht / als man eine Hand umbdrehet / das argste zum besten wende.

Alle anwesenden Zuhörer bezeigten über des Fürsten Rhemetalcens Erzehlung eine sonderbare Vergnügung. Sein Ansehn wuchs auch in aller Augen; nicht allein / weil sie ihn hierdurch für den anwartenden Erb-Fürsten des halben Thraciens / sondern auch für ein Muster eines nicht minder tugendhafften als streitbaren Heldens erkenneten. Die weise Thusnelda konte sich auch nicht enthalten ihn durch diesen Lobspruch zu beehren: Sie lernte nunmehr aus Rhemetalcens und des Hercules Beyspiele: daß junge Fürsten besser unter den giftigen Schlangen einer gehäßigen Stiefals in den liebkosenden Armen einer verhetschelnden rechten Mutter geriethen. Rhemetalces begegnete ihr mit tieffer Ehrerbietung / und versetzte: wenn die Tugend einer so strengen Auferziehung von nöthen hätte / wäre sich nicht zu verwundern: warumb das Verhängnüs sie so geschwinde ihrer Mutter beraubet / und durch die Künste ihrer Stiefmutter Sentia ihr auch Segesthen zum Stiefvater gemacht hätte. Die meiste Empfindligkeit aber regte sich in dem Hertzen der Marsingischen Fürstin Zirolane; welche Zeither Rhemetalcen und den umb ihre Gewogenheit sich bewerbenden Fürsten Siegemund mit gantz gleichem Auge angesehen / und dardurch beyde so zweifelhaft[126] gemacht hatte: daß ihm keiner für dem andern das geringste Vorrecht einbilden konte. Nunmehr aber schlug die Wage in Zirolanens Hertze gegen Rhemetalcen umb ein gutes Theil über / wiewol sie dis Geheimnüs noch aufs möglichste zu verbergen bemüht war. Die Hertzogin Thußnelda hatte in ihrem Vorgemache eine köstliche Taffel bereiten lassen / bey welcher sie ihre Gäste mit denen niedlichsten Speisen /mehr aber mit ihrer Holdseligkeit bis in die sinckende Nacht annehmlichst bewirthete. Bey dieser Mahlzeit hatte Thusnelde umb wegen des Vorsitzes alle Schwerigkeit zu verhüten bey einer rundten Taffel eine bundte Reye zu machen Anlaß gegeben; da denn Zeno mehr ungefehr / als aus Vorbedacht die Fürstin Ismene zu seiner Gefärthin erwehlet hatte. Ismene /welche aus ihres Bruders Flavius Zuredung unvermerckt viel behertzter worden war / auch nach Gewohnheit der Verliebten aus dieser Erkiesung ihr vielleicht eine Rechnung machte / daran Zeno nie gedacht hatte / unterließ nicht ihn mit annehmlichen Bezeugungen und Gesprächen zu unterhalten. Die Höfligkeit war ihm schon Gesetzes genung sich zu bemühen: daß er dieser Freundligkeit nicht unannehmlicher begegnete. Welches in Ismenens Hertze einen noch grössern Zunder der Hofnung anzündete / und nicht nur so viel muthiger / sondern auch unvorsichtiger machte die Blöße ihrer Neigung zu zeigen; also daß die scharfsichtige Erato bey zeiten in den unruhigen Augen Ismenens die Bewegung ihrer Seele lesen konte. Dieses würckte in ihr anfangs nur einen Vorwitz / welcher stets auf Ismenens Thun ein Auge hatte / und sich an ihrem Feuer belustigte. Nach dem sich aber / ihrem Bedüncken nach / Zeno durch Ismenens Lebhaftigkeit reger machen ließ / und was mehr / als unpartheyische Begegnungen gegen sie bezeugte /fühlte sie in ihrem Gemüthe eine kleine Schwachheit aufwallen; als wenn nicht nur Ismene ihrer Liebe unrechtmäßigen Eintrag thäte; sondern auch Zeno mehr enträumte / als ihrer beyder Liebe erlaubte. Flavius /welcher nebst der Königin Erato den Sitz zu haben sich sorgfältig bemühet hatte / war so übersüchtig nicht; daß nach dem er Ismenens Gedancken vorher wuste / und also über ihre Regungen sichere Auslegung machen konte / nicht auch einen Blick in der Erato Hertz that. Denn die Eyversucht / wenn sie gleich noch in Windeln liegt / ist sichtbarer / als die schon zimlich-erwachsene Liebe. Weil dis nun Wasser auf seine Mühle war / hielt er für rathsam den Strom des Argwohns auf alle Weise zu vergrössern. Daher kritzelte er mit dem Messer auf den Teller: die Augen sind unverdächtigere Dolmetscher der Seelen /als die Zunge. Hierüber leschte eine auf der Taffel stehende Wachskertze von sich selbst aus / welches einige für ein Unglücks-Zeichen auslegten / die kluge Thußnelde aber gab ein Lachen drein / und urtheilte vernünftig: daß das übel bereitete Wachs nicht klüger als ein künftiger Dinge unwissender Wachs-Zieher seyn könne. Hingegen machte ihm Flavius dis gegen der Königin Erato wol nütze. Deñ nach dem er der erste war / der das ausleschende Licht ergrif / von der Taffel warf / und ein anders ihm von einem Edelmanne gereichtes an die Stelle setzte; fieng er gegen der Königin an: Wolte GOtt! Jedermann sehe sein Licht verleschen; und bekümmerte sich bey zeiten umb ein anders. Erato fühlte sich / und versetzte: Weil man von einem andern nicht versichert ist: daß es besser brennen werde / ist es rathsamer das glimmende wieder zu erfrischen / als wegzuwerffen. Seine Erholung ist so denn desto angenehmer. Deñ auch das Tage-Licht würde unsern Augen nicht so liebkosen /wenn es unaufhörlich schiene / und nicht alle Abende in der Nacht stürbe. Flavius antwortete: Es ist klug geurtheilt. Deñ keine Anmuth ist beständig / welche von gar [127] keiner Umbwechselung weiß. Die beständige Tauerung der besten Dinge verursacht endlich Eckel; ja nichts ist / als wir selbst / dessen wir nicht überdrüßig werden. Hingegen klebt der Umbwechselung eine solche Süßigkeit an; daß sie weder die Untermischung nicht allerdings guter Zufälle / noch auch die Eintauschung Meßings für Gold herbe machen kan. Erato begegnete ihm: die Anmuth der Umbwechselung ist eben so wol als die Umbwechselung vergänglich. Die aber / welche aus der Beständigkeit gesogen wird /bleibet wie die unbeweglichen Angelsternen / allezeit unverrücket. Uberdis ist die Umbwechselung nur eine Ergötzligkeit des Leibes; wie die Veränderung eine Eigenschafft irrdischer Dinge. Weil die Seele des Menschen aber himmlischer Art ist / soll ihr Beginnen so beständig seyn / als ihr Wesen unveränderlich ist. Flavius lächelte und versetzte: Was ist der Umwechselung mehr als der Himmel unterworffen? ja diese ist so gar die Ursache der irrdischen Veränderungen. Der Tag- und Nacht- / der Sommer- und Winter-Wechsel rühret von der Unbeständigkeit der zwey grossen Gestirne her. Zu dem besteht das Wesen unser Seele in unaufhörlichem Nachdencken / wie des Leibes in seiner Ausdehnung. Wie nun dieser niemals seine würckliche Grösse ablegt; also muß die Seele auch unaufhörlich was dencken; also / daß wenn sie sich auch der Gedancken entschlagen wil / eben damit etwas dencket. Dieses Nachdencken aber ist eine niemals stillstehende Unruh / welche stets einen neuen Gegensatz / mit dem sie sich weltze / wie das Feuer einen neuen Zunder verlanget; und also / weil man nicht immer einerley dencket / in nichts / als an der Veränderung / sein Vergnügen findet. Erato versetzte: die Veränderung des Himmels und einer wolgesetzten Seele bestünde in der vollkommensten Ordnung / und zielte auf eine gleichstimmige Beständigkeit; und liesse sich eines so wenig als das andere in seinem vorgesetzten Lauffe aufhalten oder irre machen. Die Sonne und der Monde hätten den gestirnten Thier-Kreiß / die Vernunfft aber die Tugend zu ihrer Rennebahn; derer Schrancken keines überschritte. Wie diese Gestirne niemals an einigen Ort fortrückten; indem sie nicht vorhin ihren Stand gehabt; also wolte ein gutes Gemüthe auch beständig dis / was es einmal vernünfftig gewolt. Denn einerley wollen und nicht wollen /wäre der Kern der Weißheit; weil einem nichts / als was gutes / allemal gefallen könte. Wenn einen aber entweder der gemeine Irrthum / oder eine durch frembde Verführung begangene Schwachheit auf einen Abweg verleitet hätte / ist die andere Staffel der Weißheit seine Diechsel / nach der Wegweisung des gestirnten Bäres / wieder dahin wenden / wovon man unvorsichtig abgelenckt hat / und insonderheit alle Neuigkeit so viel mehr verdächtig halten / als sie durch ihre Scheinbarkeit einen zu verblenden geschickt ist. Unterschiedene der Beysitzenden nahmen zwar unter denen hin und wieder verwechselten Reden dieses Gespräches wahr / aber es war allen außer dem Flavius und der Königin verborgene Rätzel. Jedoch ergieng es hierinnen dieser vorsichtigen Fürstin wie denen schon erleuchteten Cörpern / welche / wenn sie das zweyte Licht bestrahlt / nicht nur davon nicht heller / sondern düsterer werden. Denn nach dem Erato mit ihren Augen schon genungsames Licht aus Ismenens Blicken von ihrem Feuer bekommen hatte / Flavius aber durch seine Auslegung ihr es noch heller an Tag legen wolte / ward ihr Verstand darüber so verblendet: daß sie sich nicht ohne merkliche Veränderung aus seinem Gespräche ausflechten konte / und darzu noch folgende Nacht kein Auge zuthat; weil sie bey dieser heilsamen Finsternüs auch das geheimste in ihres Zeno Hertze zu erkiesen sorgfältig war. Denn ungeachtet sie wol so klug war: daß [128] sie des verliebten Flavius Ausdeutungen für verdächtig halten solte; so redete doch ihm ihr eigenes Auge das Wort / welches dem Zeno gar zu viel gegen Ismenen bezeugter Liebkosungen zuschrieb; durch welches falsche Licht sich denn ihr anfangs geringer Argwohn in eine Eyversucht zu verwandeln begonte; da sie doch ihrer hohen Vernunfft nach / wol zu unterscheiden gehabt hatte: daß zwar durch Anfühlung eines Blinden sich der Farben Unterscheid nicht aber von schlechter Anmerckung euserlichen Gebehrden die Farbe des Gemüthes prüfen lasse. Deñ dort kriegt ein Ding die Farbe /nach dem es liegt / oder nach dem seine eusersten Theile mit einander vereinbaret sind; die Gestalt des Hertzens aber müssen auch die Vorsichtigen im Grunde suchen. Wiewol man hierüber nicht so viel Wercks oder Wunderns zu machen hat. Denn die kleinste Schwachheit ist die Handhabe einer grössern; und die einmal verterbte Vernunfft urtheilet schlimmer / als die Unvernunfft selber. Folgenden Tag ward der auf alle Tritte der Königin Erato gleichsam acht habende Flavius innen; daß sie in dem Lust-Garten gantz einsam herumb gieng. Daher er diese Gelegenheit nicht versäumen wolte seine Liebes-Werbung mit allem Eyver zu verfolgen; verfügte sich also zu ihr unter dem Scheine einer zufälligen Begegnung. Sintemal er entweder aus Beysorge: daß seine öftere Uberlauffung ihr verdrüßlich fallen möchte; oder / weil auch die heftigste Liebe in Gegenwart dessen / was sie verehret / blöde wird / nicht den Schein einer versetzlichen Nachgehung von sich geben wolte. Nach ihrer höflichsten Begrüßung gab ihre Einsamkeit / und die ihr aus den Augen sehende Bekümmernüs ihm genungsamen Anlaß ihr an den Puls ihres Hertzens zu fühlen: ob sie gegen dem Fürsten Zeno den Abend vorher /seinem Bedüncken nach / einige Eyversucht geschöpft hätte. Daher fragte er: ob ihre Traurigkeit von ihrer allzu grossen / oder des Zeno allzu kalt-sinniger Liebe den Ursprung nehme? Erato antwortete: Weil sie ihre Unvollkommenheit bescheidete: daß Hertzog Flavius sie nicht so sehr lieben könte; die Treue des Fürsten Zeno aber sie versicherte: daß er sie mehr liebte / als sie verdiente; dörfte sie weder wegen eines / als des andern Ursach bekümmert seyn. Der Hi el müste zuweilen wölckicht / und das freudigste Gemüthe traurig seyn. Flavius versetzte: dieses aber könte so wenig als jenes ohne euserliche Ursache erfolgen. Erato hingegen: die Einsamkeit wäre vielen Menschen wie dem wilden Schweine und der Amsel angebohren / und diese gebe ihnen so viel Vergnügung / als andern die auserlesenste Gemeinschafft. Unter diese möchte sie sich auch rechnen / weil sie zwar mit ihren Gedancken sich zu schlagen einen Zug / aber weder eine Laute zu Ermunterung ihres schläfrigen Gemüthes / noch eines Schwammes ihre Thränen abzuwischen von nöthen hätte. Flavius fiel ein: die so lange getauerte Flamme der gegen den Fürsten Zeno gehegeten Liebe diente ihm gleichwol zu einer glaubhafften Nachricht: daß ihre Seele nicht / nach des weisen Hippons Meinung einer so wäßrichten Eigenschafft sey. Erato antwortete: Ich wünschte wol selbst nicht unter derselben Zahl zu seyn / welche anderer Lust zum Saamen ihrer Verdrüßligkeit angewehren. Denn diese sind wenig besser / als die / welche niemals als über anderer Unglück lachen. Allein ich habe mich bereden lassen: daß die Liebe mit der Einsamkeit in gutem Verständnüsse stehe; ja die zu einer mäßigen Traurigkeit geneigten Gemüther ihre beste Herberge sey. Sintemal diese zwar wie das kalte Eisen die Glut längsamer fangen / aber auch / wenn sie einmal glüend worden /so viel länger behalten. Dahingegen alle schweftlichte Dinge geschwinde brennen / aber zeitlich verlodern. Flavius fiel ein: Ihm wäre leid: daß eine so vollkommene Fürstin den Absatz von der Eigenschafft ihres[129] Geschlechtes / nemlich von der Unbeständigkeit / für einen Vortheil hielte; da doch in der Eigenschafft jedes Dinges seine Vollkommenheit steckte / und eine Frau / welche ihr Hertze an einen Nagel so feste hienge / sich zugleich der güldenen Freyheit enteuserte /welche ohne freybehaltene neue Wahl zu Wasser würde. Ihre Wolfahrt und Vergnügung müste bey einem solchen Vorsatze eben so wol Schiffbruch leiden / als alles in der Welt zu drümmern gehen würde /wenn nicht der Himmel / dessen vollständiges Nach-Gemächte / und seiner Schönheiten Begrif Erato wäre / in einer steten Unbeständigkeit sich herumb weltzte. Welchen Vortheil Fürst Zeno allem Ansehn nach besser wahrnehme; ungeachtet er gestehen müste: daß da er an der Königin eine ihres Gleichen nicht habende Sonne anzubeten das Glücke gehabt / er sich nach keinem andern Sterne umbzusehen Ursach hätte. Erato erblaßte über diesen Worten. Denn alles Geblüte eilte dem hierdurch verwundeten Hertzen zu Hülffe; welches nicht anders als die Unruh in einer Uhr zu klopfen anfieng. Nach einer mit Noth erzwungenen Erholung fieng Erato an: Ach! Flavius. Was für eine Grausamkeit übt er wider mich Unschuldige durch Beleidigung meines Zeno aus? Nach was für einem Gestirne mag sich der umbsehen / dessen Seele ich in meinem Hertzen besitze? Was für eine Sonne Deutschlandes wil meine Liebe und Glücke auf einmal verdüstern / da es sonsten der Sonnen Eigenschafft ist / alles zu erleuchten? Flavius holete alle Kräfften zusammen seinem erkühneten Vorhaben den letzten Nachdruck zu geben / und fieng an: Fragt sie noch / schönste Königin / dessen vergewissert zu seyn / worinnen sie ihre eigene Augen zu Zeugen hat. Warlich / Erato: Ich würde meine eigene Schwester / als eine Vermessene verdammen: daß sie sich erkühnet ihre Neben-Sonne und Mit-Buhlerin zu werden /wenn nicht mein Heyl an ihres so unzertrennlich verknüpft wäre. Fürwar / ich müste gestehen: daß kein Mensch jemals inbrünstiger / als Ismene den Fürsten Zeno geliebt hätte; wenn nicht gegen meiner der unschätzbaren Erato gewiedmeten Liebe alle andere Flammen kalt Wasser wären. Sie verzeihe diesemnach ihrem Zeno: daß er von einer so heissen Glut glimmend wird; und sie verschmähe nicht das Opfer meiner bey nahe schon eingeäscherten Seele. Erato seufzete / und brach in die Worte heraus: Ach! Flavius /so du mich liebest / warumb tödtest du mich? Beunruhige dich doch selbst nicht mit unfruchtbarer Liebe derselben / welche deiner Zuneigung doch immer entgegen zu seyn durch ihre unauflößliche Treue gezwungen ist. Flavius antwortete: Es bestehet in meiner Gewalt so wenig sie nicht zu lieben / als mich zu überreden: daß das Schöne zu verschmähen / das Gute zu hassen sey. Ihre gedräute Widerstrebung vermag mich auch weder verzagt noch kälter zu machen /sondern sie hebet meine Liebe wie die drückende Last die Palmen noch mehr empor. Aber / unschätzbare Königin / wer hat dem Weiblichen Geschlechte die Unauflößligkeit ihres Gelübdes zum Gesätze aufgehalset / wenn die Männer sich des Ihrigen loßmachen? Erato fragte mit einer Heftigkeit: wer kan den Fürsten Zeno mit Grunde dieser Untreue überführen? Flavius versetzte: Ist es nicht genung: daß ihn Ismene liebet /und daß er es ihm gefallen läßt? Ist es ihr zu wenig: daß er in ihrer Gegenwart durch seine Liebkosungen Ismenens Feuer mehr anzündet? daß er nicht nur aus ihrer Gestalt / sondern aus allem ihrem Thun Wunder macht? Warlich / Erato; was in den Augen mächtig ist / Verwunderung zu gebähren / ist viel mächtiger im Hertzen Begierden anzuzünden. Die Königin erstarrete über diesen Worten / und fieng an zu sincken; also: daß Flavius gezwungen ward sie zu fussen und zu halten / bis sie von der ihr zuhängenden [130] Ohnmacht sich ein wenig erholete. Hierauf fieng sie an: es ist genung für dismal gelitten. Gönne mir / Flavius: daß ich die Bitterkeit unsers Gespräches in der mich nun allein erquickenden Einsamkeit verzuckern möge. Laß uns aber so ehrerbietig gegen uns selbst seyn: daß unser Geist nichts in seine Gedancken fasse / dessen er sich hernach schämen / oder es bereuen müsse. Mit diesen Worten wendete sie sich von ihm weg in einen Quergang / und ließ den Flavius zweifelhaft: ob er bey dieser Gelegenheit etwas zu Vergnügung seiner Liebe gebaut / oder an der seines Neben-Buhlers eingerissen hätte. Die gröste Würckung aber hatte diese Zusammenkunfft beiden unwissende in der Seele des Fürsten Zeno. Denn dieser war eine Stunde vorher in Garten kommen / und hatte durch einen mit Wund- Weiden bewachsenen Gang der Königin und des Flavius Unterredung zugeschaut. Die Entfernung hatte ihm ihre Gebehrdungen viel anders fürgebildet / als sie in Warheit / fürnemlich an der tugendsamen Königin gewest waren. Welches so viel weniger zu verwundern; weil wir in unserer Weite auch den reinsten Sternen Flecken anzusehen uns bedüncken lassen. Fürnemlich aber hatte die sich in die heftigste Liebe am ersten einzuspielen gewohnte Eyversucht ihn die vom Flavius geschehene Umbfassung der Erato als ein so unfehlbares Kennzeichen ihrer beyder Liebe fürgebildet: daß er sich auf einmal mit allen Gedancken überschüttet befand / welche die Verzweifelung einem an die Hand geben kan. Denn das siedend-heiß gewesene Wasser / und übermäßige Liebe wird kälter als vorher / und gefrieret am stärcksten. Bald war er willens den Flavius mit dem Degen anzutasten. Aber die Beysorge den Feldherrn zu beleidigen / und den gantzen Hof wieder sich in Harnisch zu bringen / hielt ihn von dieser Ubereilung zurücke. Bald warf er eine Gramschafft auf sich selbst; bald regte ihn eine Rachgier gegen die Königin Erato; bald aber schlug ihr ihm vorkommendes Bild in der Vorstellung ihrer angebohrnen Tugend und unversehrlichen Treue alle diese Aufdampfungen zu Bodem. Aber / ich weiß nicht / was für ein Unstern es schickte: daß Erato so nahe bey dem den Fürsten Zeno deckenden Gesträuche vorbey gieng / ihn gleichsam berührte / und was entweder ihre Verwirrung oder des Zeno Einbildung ihrem Gesichte für eine verdächtige Gebehrdung eindrückte / worvon er gantz außer sich selbst gesetzet ward. Denn er bildete ihm ein: Erato übersehe ihn mit Fleiß / und kützelte sich noch in Gedancken über der Verschmähung seiner alten / und dem Vorzuge ihrer neuen Liebe. So eitel ist unser Urthel / und so verführerisch unsere Gedancken / wenn man mehr seinen Augen als seiner Vernunfft folgt. Seine Ungedult schüttete anfangs diese Worte heraus: Thörichter! hast du deine Wolfahrt auf ein Weib / auf das Vorbild der Unbeständigkeit geanckert? Hast du nicht noch als ein Kind gelernt: daß ihr Geschlechte nicht länger treu bleiben könne / als bis es Gelegenheit kriegt / aus der Untreue Vortheil zu ziehen? Einfältiger! hast du dir traumen lassen: daß Erato alleine den Wanckelmuth der Weiber abgelegt / oder Zeno einen Vorzug über alle Männer / nemlich von ihnen nicht hinters Licht geführet zu werden / habe. Mit so heftiger Regung er nun derogestalt heraus fuhr / so ohnmächtig ward hernach seine Zunge; viel verzweifelter aber sein Gemüthe. Welche Raserey so viel verwunderlicher war / weil seine Liebe Zeither die Vernunfft zu ihrer Richtschnur und die Tugend zu ihrem Leitsterne gehabt hatte. Denn blinde und geile Liebe fasset zwar auf so schlüpfrigem Trübsande: daß ein kaltsinniger Blick / eine geringe Verstellung einem Strick und Messer in die Hand giebt. Ein übel-verstandenes Wort räthet einem solchen Liebhaber in allen heilsamen [131] Kräutern den Tod / und in einem ungleichen Tritte ein Laster zu suchen. Zweyer verdrüßlichen Zeilen halber setzt er mehr / als mancher für Kron und Zepter in die Schantze. Aber allhier vergaß der kluge und behertzte Zeno seiner selbst / und ward ihm selbst unähnlicher als kein Frembder; also: daß er für Verdruß zu leben seinen Degen zückte / und nichts minder ihm selbst das Licht / als seiner vorher so süssen Liebe den nunmehr rauchichten Zunder abzuleschen vorhatte. Ismene kam diesen Augenblick gleich eben in den Gang / darinnen die Eyversucht diesen tapfern Fürsten so erbärmlich verstellte / und zwar zu einem lehrsamen Beyspiele: daß die Göttliche Versehung umb uns unseres unvollkommenen Stückwercks zu erinnern /unsere Kräfften der Seelen zwar ohnmächtig werden /aber nicht vergehen lasse. Ismene fiel dem verzweifelnden Zeno che in die Armen / ehe er gewahr ward: daß ein Mensch umb ihn wäre. Ist es möglich: daß ein durch so viel widrige Zufälle geprüfter Fürst in solchen Wahnwitz verfalle? Lässet sich ein durch so viel Hammerschläge des Unglücks abgehärtetes Hertze durch eine so schlechte Versuchung mirbe machen? Lohnet es für die Müh umb einen ersetzlichen Verlust dis zu verschwenden / was man nur einmal verlieren kan? Weiß Zeno nicht: daß wer an sich selbst die Hand legt / dem Verhängnüsse Gewalt anthue / und /da die Flucht aus uns angeschmiedeten Ketten ein halsbrüchiges Laster ist / die gewaltsame Entreissung aus denen so sanfften Banden unsers Leibes was ärgers als viehisch sey? Denn kein Thier ist so thu /daß es in seine eigene Eingeweide rase. Bedencke Zeno dich selbst / und was du deiner Tugend für Abbruch / deiner Ehre für Schande anthust. Enteusere dich dieser Zagheit / und behertzige: daß wie die Hofnung eine Mutter der Tapferkeit / also die Verzweifelung eine Tochter der Furcht sey / welche einem Helden niemals in Gedancken / weniger ins Hertze kommen soll. Bildet ihm Zeno ein: er könne ohne die Erato nicht leben? Wie wäre es: wenn sie niemals wäre gebohren / oder nie wäre gekeñt worden? Traut er keiner andern Liebe das Vermögen ihr zu vergnügen zu? Diese Gedancken sind ein partheyisches Urthel eines sich übereilenden Richters / und eine allzu vermessene Verwerffung vieler reiner Flammen zarter Seelen. Zeno sahe hierüber Ismenen mit unverwendeten Augen an; gleichwol starrete seine gezückte Hand hierüber nicht weniger / als seine krafftlose Zunge. Ismene aber riß ihm den Degen aus der Hand / und fuhr fort: Zeno / wilst du gegen dir ja unbarmhertzig seyn /so sey doch gegen der nicht so grausam / die dich anbetet. Mißgönne deiner Erato nicht: daß sie mein Bruder liebet / weil der Himmel dir ihren Verlust mit seiner Schwester erstattet. Hält Ismenens Schönheit der Erato nicht das Gewichte; so wird ihre unaufhörliche Treue den Abgang dergestalt zweyfältig ausgleichen. Ismene drückte diese Rede mit einer so durchdringenden Anmuth aus: daß sie dem Fürsten Zeno nicht nur das Hertze rührte; sondern seinen Geist gleichsam aus ihm verzückte. Er sahe sie eine Weile starr an / und hernach sagte er: Ach! Ismene / warumb mißgönnest du mir mit dem allen Menschen ja bestimmeten Tode nicht die Ruhe meiner Seele? Warumb mühest du dich mir den Ruhm zu rauben: daß meine unausleschliche Liebe gegen der undanckbaren Erato auch in meiner Todten-Asche glimmend blieben sey? Warumb lässest du mich nicht meine Treue mit meinem Blute besiegeln / und hiermit der unbeständigen Erato eine Schamröthe anzustreichen? Ismene antwortete: Ist es Vernunfft oder Wahnwitz frembde Verbrechen am seinem Leibe straffen? Und bildet ihm Zeno ein /aus einer Ohnmacht des Gemüthes Ruhm zu erjagen? Der Verdruß zu leben ist die gröste unter den Schwachheiten / [132] und für Kummer sterben keine Großmüthigkeit / keine Artzney des Ubels / sondern eine kleinmüthige Zärtligkeit / und weich-hertzige Ungedult / der Kinder Thorheit zu vergleichen / welche sich an der Erden herumb weltzen / und ihr Antlitz zerkratzen / wenn man ihnen die Tocken ni t. Zeno kan nicht den Verlust eines Weibes verschmertzen /und bemühet sich sein eigenes Leben zu verschwenden. Ist dis nicht eben so viel / als sich ins Feuer stürtzen / umb nicht zu berauchen / und in Degen zu lauffen / umb sich in keinen Dorn zu stechen? Hat Zeno noch nicht gelernet: daß ein Helden-Geist nicht nur gewaltsamen Dräuungen / sondern auch schleichenden Anfechtungen die Stirne bieten müsse? Ich weiß wol: daß wie der Porphier / welcher weder dem Hammer noch dem Eisen nachgiebt / vom Regen durchfressen wird; also ihrer viel gegen dem Krachen der Waffen und des Donners kein Auge verwenden /ein empfangenes Unrecht nicht verdeyen / und einen Verlust nicht verbeissen können / sonder sich selbst in die Erde zu scharren. Diese aber scheuen sich so sehr nicht für dem Tode / als daß sie seine geschwinde Unempfindligkeit lieben; sie hassen nicht ihr Leben / sondern nur seine wenige Beschwerligkeit / und sind den thörichten Schiff-fahrenden gleich /welche sich selbst im Meere ersäuffen: daß sie die verdrüßlichen Stöße der Welle nicht vertragen dörffen; gleich als wenn sie durch ihren Verlust dem widrigen Glücke / oder dem Verhängnüsse keinen geringen Abbruch thäten. Eine nicht bessere Zärtligkeit ist auch das Fürhaben des sonst so tapferen Fürsten Zeno. Denn diese gehet nicht nur auf Blumen und Seide; sie handthieret nicht nur Perlen und Balsam; sondern sie greifft aus unleidlicher Ungedult auch in die schärfsten Klingen; sie verschlinget mit Sophonisben Gifft / mit der Porcia glüende Kohlen / und verbrennet sich mit dem üppigen Sardanapal in seinem lodernden Pallaste / und mit der verliebten Dido auf dem Holtzstosse. Zu dieses ungeduldigen Weibes Affen machet sich Zeno; wenn er wegen der ihn verschmähenden Erato stirbet. Das Gesätze der Natur und der Vernunfft befiehlet uns nach der Tugend nichts mehr / als unser Leben zu lieben / als ein von GOtt uns zu treuer Sorgfalt anvertrautes Gut / darüber wir Rechenschafft zu geben schuldig sind. Hieraus folget nun: daß wir nichts mehr als den Tod nach den Lastern zu fürchten / und solches wider Kranckheit /Hunger / Verzweifelung und Feinde aufs euserste zu vertheidigen haben. Dem köstlichen Kleinode des Lebens aber setzet Zeno ein schönes Antlitz eines veränderlichen Weibes für. Ja er thut seiner Ehre Abbruch /umb nur die Eitelkeit einer beständigen Liebe zu besitzen. Denn es bringet so wenig Ruhm als Nutzen einen Wetterhahn für seinen Angelstern erkiesen? Opfert man doch keiner Gottheit einen Wider / zu der wir uns keiner Gewogenheit und Hülffe versehen; und Zeno wil sich selbst einer Frauen abschlachten / welche Augen und Hertze von ihm abgewendet hat. Er zwinget sich sein eigen Feind zu werden / nur daß er derselben Freund sterbe / welche vielleicht seine Freundschafft umb einen Apffel verkaufft. Warlich /Zeno / es ist nichts liebens werth / was nicht wieder liebet; und es ist keine Untreue / sondern Klugheit sich nach dem nicht sehnen / was uns selbst den Rücken drehet: Zeno versetzte: die Untreue fänget bey mir an / wenn ich an der Königin Erato Liebe zu zweifeln anfange. Der Verdacht / weil er mehr auf den euserlichen Schein / als auf den Grund siehet / ist insgemein ein ungerechter Richter / und ein gefährlicher Verleiter. Gesetzt aber / meine Erato hätte einen Fadem an ihrer Liebe zerrissen / so ist doch eine so tief eingewurtzelte Liebe leichtlich wieder ergäntzet / wenn sie gleich gar verfallen zu seyn scheinet. [133] Eine vom Frauenzimmer empfangene Beleidigung / welche die Rache sonst in Stein oder Stahl / als unvergeßlich aufzeichnete / wird nur in Staub geschrieben / und mit einem liebreichen Seufzer verwehet. Ja die Liebe wird nach der Wieder-Vereinigung stärcker wie ein wolgeheilter Beinbruch. Ihre Gestalt ist so kräfftig: daß sie vorgegangene Fehler und Schwachheiten zu was gutem macht / wo nicht in ihrem Wesen / doch in des Liebenden Einbildung. Ismene brach ein: Einfältiger Zeno / machest du Schwerigkeit diß zu glauben / was dir deine Augen fürhalten / und Erato dir selbst mit Fleiß zu verstehen gibt? Frage meinen Bruder Flavius / wie weit es mit seiner Liebe kommen sey; und urtheile: ob der Erato Verschwiegenheit / ob ihre Geberdung / ob ihre Vertragung seiner Liebe mit der deinigen eine Verträgligkeit habe? Ist die Liebe nicht eine Vereinbarung zweyer Hertzen / die Verhölung aber eines Geheimnüsses nicht ein Werck des Mißtrauens /und ein Kennzeichen der Trennung? Mißverständnüsse lassen sich unter Verliebten ja noch wohl aus dem Wege räumen; aber die durch fremde Liebe verfälschte Treue sich so wenig als ein zerbrochener Spiegel wieder ergäntzen. Dieser bildet so denn alles viel kleiner und unvollkommener ab; und ein treuer Liebhaber sihet so denn zwischen sich selbst und dem geliebten einen mercklichen Unterschied. Denn Treue und Untreue sind einander so sehr / als Tauben und Schlangen unähnlich. Die Aehnligkeit aber zwischen dem Liebenden und dem Geliebten ist der wahrhafte Brunn / und der beständige Brunn der Liebe. Aus dieser Ursache lieben nicht nur die Mohren so sehr ihre versengte / als die Nordländer ihre schnee-weisse Buhlschaften / sondern die wilden Schweine / die gebeissigen Dachsen / die giftigen Molche haben zu ihres gleichen keinen schwächern Zug / als die zahmen Pfauen / die friedsamen Schafe / und die holden Turtel-Tauben. Eine Gold- und Ertzt-Ader suchet die ander / und durchbohret zu dem Ende die Felsen. Der Epheu kreucht wie weit auf der Erden hin / biß er einen Baum mit einer ihm anständigen Rinde antrifft /daran er sich empor winde; und die Palmbäume strecken ihre Aeste und Armen nach ihres gleichen aus /ihre Blüthen werden auch nicht zu Datteln / wenn sie nicht mit dem männlichen Palmbaum vereinbaret /oder die männlichen Blüthen in ihren Stock eingespündet werden. Eine solche Aehnligkeit aber finde ich in der Gestalt / in den Sitten / und in dem Geiste des unvergleichlichen Zeno / als ich sie noch in keinem Manne gefunden habe / oder meine Tage finden werde. Mich dünckt: ich sehe in seinem Antlitze das meinige / wie in einem Spiegel. Seine Geberden scheinen mir meiner / und meine Bewegungen seiner Nach-Gemächte zu seyn. Was er und ich thue / ist gleichsam nach einerley Richtschnur abgemässen. Was er vertheidiget / lobet und recht spricht; hat mein Hertze schon vorher gebilliget / und was er verdammet / längst zuvor verworffen. Mit einem Worte: Meine Seele hänget an seiner / wie das Eisen am Magnete / und mein Wille leistet seiner Neigung genauere Folge / als die Sonnen-Wende der Sonne. Hierüber stutzte und erblaßte sie / fuhr aber nach einem kurtzen Stillschweigen weiter fort: Ich habe mich dir / Zeno / so bloß gegeben: daß du das innerste meiner Seelen wohl sehen kanst. Weil du hingegen dich aber so gar gegen mich verschleust / verräthet mir dein Stillschweigen deine Empfindligkeit. Alleine desthalben werde ich dich nicht aufhören zu lieben. Denn wenn du dich oder deine Hindernüsse nicht überwinden kanst mich zu lieben / begehre ich nicht einst von dir geliebt zu werden / sondern nur dein Erlaubnüß: daß ich dich lieben möge / dein Gehöre meiner Seufzer / und an statt meiner Heilung dein Mitleiden. Zeno ließ hierüber aufs neue keine ungemeine Verwirrung blicken; fieng endlich aber an: Ach! Ismene / [134] Ismene! du bezauberst mich mit deinen Augen /und bethörest mich durch deine Liebkosungẽ. Du schüttest dein Hertze so aufrichtig gegẽ mich aus: daß ich mich von einer aufrichtigen tugendhaften Fürstin geliebt zu werden unwürdig machte / wenn ich an der Redligkeit deiner unschuldigen Zuneigung im geringsten zweifelte. Du mahlest meine Aehnligkeit so eigentlich ab: daß ich blind wäre / wenn ich nicht an dir sähe / was du an mir gefunden hast. Die Bothmässigkeit aber / welche dir die Natur oder das Verhängnüß über mich eingeräumet hat / zwinget mir dis Bekäntnüß ab: daß an meinem Hertzen niemand als Ismene Theil haben würde / wenn es nicht der Erato Eigenthum wäre. Ismene konte über dieser Erklärung ihre Freude nicht verdrücken; daher fuhr sie heraus: O glückselige Ismene; O wohlthätiger Zeno! Ich bin vergnügt: daß du mich deiner Liebe würdig erklärest /soltest du mich auch nimmermehr lieben. Aber / wie ist es möglich / uns gegen dem der Liebe zu enthalten / den wir der Liebe werth achten? Diß letztere ist ja das Saltz / der Kern und der Zunder der Liebe. Und wie ist es möglich / daß Zeno / an dem meine Seele fester / als eine Klette anklebt / sich meiner Liebe gäntzlich entschlagen könne. Denn diese ist ein gemeiner Geist zweyer Seelen / und nichts minder das festeste als das köstliche Gummi der Welt; welches unser weiches Hertze eben so wohl mit einem unempfindlichen / als die Schnecke mit dem harten Schnecken-Hause / den Kalck mit dem kalten Marmel vereinbaret und gleichsam zusammen schmeltzt. Alleine / unschätzbarer Zeno; ich würde dich nicht vollkommen lieben / wenn ich dir weh / und deiner Liebe Eintrag thäte. Ich bin vergnügt / wenn du mich nur mit einer Brosame deiner Liebe betheilest! Meine Unwürdigkeit ist mir allzu wohl bewust: daß ich dir alleine mich mit dem vollen Maasse deiner Liebe zu überschütten anmuthen solte. Ich würde gegen dir das Laster des Geitzes / gegen der Königin Erato des Neides / du aber gegen mich die Schwachheit einer Verschwendung begehen. Liebe / und geneuß deiner Erato / wenn du dich mit einem Theile ihrer / wie ich mich mit einem Strahle deiner Liebe sättige / vergnügen kanst. Denn ich weiche dieser Fürstin gerne an dem Verdienste geliebt zu werden / rühme mich aber eines Vorzugs an Heftigkeit der Liebe. Gleichwohl aber schätze ich einen Funcken deiner Liebe für eine völlige Ausgleichung meiner unbegreifflichen Flamme. Zeno fühlte in seinem Hertzen schier über iedem Worte seine Schwachheit sich vergrössern / und / wiewohl er sich zwingen wolte nicht ferner / als bißher geschehen / bloß zu geben; verriethen doch seine Seufzer und Blicke seine Neigungẽ. Gleichwohl aber warff er Ismenen ein: Berede mich nicht / schlaue Ismene: daß deine so heftige Liebe von mir ein so weniges verlange; noch auch / daß die Liebe ohne ihren Untergang sich theilen lasse. Sie ist ein Feuer der Seelen / und daher unersättlich. Die Vereinbarung ist ihr Thun; die Einigkeit ihr Zweck; und daher die zertheilte Liebe ein Wechselbalg; diß aber alleine die vollkommene / wenn die liebende und die geliebte Seele zwey Helften eines gantzen abgeben. Ismene versetzte: Also läst es sich von Dingen gemeiner Art wohl urtheilen. Aber Zeno ist so wenig nach einem solchen Mäß-Stabe / als die Sonne nach Spannen auszumässen. Diese als das Vorbild der vollkommensten / und der Brunn der grösten Liebe ist keinmal müssig / und steht keinen Augenblick stille unzehlbare Dinge mit ihrer Gewogenheit zu betheilen. Sie flösset den Sternen ihr Licht / der Erde die Wärmbde / den Gewächsen ihre Kräfften ein. Wie nun dieser keines dem andern seine Vergnügung mißgönnt / noch die Sättigung des einen dem andern zum Abbruche gereichet; also werde ich der Erato Werthhaltung nicht beneiden /und mit weniger Liebe des Fürsten Zeno vor lieb nehmen; ohne welche Vergnügung ich ihn nicht für diß /was er ist / nemlich für meine [135] Sonne erkennen würde. Ach! Ismene / fuhr Zeno heraus / auf was leitest du mich für eine Schiffbruchs-Klippe / an der meine beständige Treue zu scheitern gehen soll. Du verlangest einen Funcken meiner Liebe; weil du wohl weist: daß nicht mehr zu dem grösten Feuer / und zu Anzündung der halben Welt von nöthen sey. Der Natter-Stich in die kleinere Zehe / vergiftet den gantzen Leib biß zur Scheitel; und durch das Auge sämet ein einiger Blick den Brand der Liebe biß ins Hertze. Du kennst dich selbst mehr denn allzu gut / und weist wohl: daß wer deine Vollkommenheiten zu lieben anfängt / seiner Liebe weder Maaß noch Ziel / auch keine Neben-Sonne dir an die Seite zu setzen wisse. Ach! Ismene /sey gegen der unglücklichen Erato nicht so grausam! Mässige den mir aufgebürdeten Zwang; und wenn du mir ja nicht erlauben wilst / sie länger zu lieben / so nöthige mich doch nicht / ihr gram zu werden. Zeno und Ismene waren in ihrem Gespräche derogestalt vertieft / oder vielmehr gegen einander verzückt: daß sie Saloninens nicht einst gewahr wurden / welche wenig Schritte davon an der durch den Garten rauschenden Bach bey ihrer Ersehung stehen blieb / und nicht eins von des Zeno letzten Worten / welche ihr in ihren Ohren ein rechter Donnerschlag waren / verhörete. Sie wolte destwegen ihren Fuß zurücke setzen; es begegneten ihr aber an dem nechsten Quer-Gange die Hertzogin Thußnelda / die Fürstin Catta / Adelmunde / Zirolane und Leitholde mit dem Hertzog Flavius / Jubil / Rhemetalces / Melo und Sigismund; welche sie in ihre Gesellschafft zohen / und durch ihre Unterredung den Fürsten Zeno und Ismene mehr an dem Verfolg ihres Gesprächs / als ihres Liebs-Kummers störete. Sie kamen dieser Erlauchten Gesellschaft entgegen / und verstellten mit ihren Antlitzern zwar / so viel möglich / ihre Gedancken. Weil sich aber heftige Gemüths-Regungen so schwer vermummen / als grosse Maale des Antlitzes überfirnsen lassen / sahen alle ihnen ihre Verstellung an / und gaben sie beyden solches auch Schertzweise zu verstehen. Niemand aber sahe in das Geheim-Buch ihrer Gedancken tieffer / als Flavius; welcher daher ihm Gelegenheit aussah Ismenen auf die Seite zu ziehen / und umb den Zustand ihrer Liebe zu fragen. Ismene antwortete: Sie hätte diesen Morgen erfahren: daß das Glück in der Liebe mit der Verwegenheit in vertrauter Freundschafft stehe. Denn sie glaubte beym Fürsten Zeno nunmehr einen guten Stein im Brete und in seinem Hertzen nicht viel weniger / als Erato Theil zu haben. Flavius schöpfte hieraus / und aus darauf folgender Erzehlung nicht weniger Trost als Hoffnung / und liebkosete nach Art aller Verliebten seiner Begierde: daß so viel Ismene feurige Kohlen der Liebe in dem Hertzen des Zeno ausgelescht hätte; so viel todte ihm zum besten im Hertzen der Erato angezündet werden würden. Thußnelde nahm die Bewegung des Flavius und Ißmenens wahr; und weil ihre Scharffsichtigkeit bereit ein wenig in des Flavius geguckt hatte / nahm sie ihr Gelegenheit mit ihm alleine zu reden / und seine Heimligkeit auszuholen. Es dorffte aber hierinnen keines Bleymasses. Denn weil Flavius von Natur offenhertzig war / und Ursache zu glauben hatte: daß kein Mensch besser als die bey der Königin Erato so hoch angesehene Thußnelde ihm bey ihr besser in Worten seyn könte / gestand er nicht allein seine Liebe / sondern ersuchte auch Thußnelden ihm zu Erlangung seines Zweckes behülfflich zu seyn. Thußnelde aber schlug ihm sein Verlangen schlechter dings ab; weil sie die Störung anderer Liebe für ein mit der Tugend unvorträgliches Beginnen; sich aber als einen Werckzeug darzu brauchen zu lassen für ein unverantwortliches Laster hielt. Flavius erschrack über dieser hertzhaftẽ Erklärung / und wormit er seinẽ Fehler eine Farbe anstrieche / versetzte er: Zwischen Freunde und Verliebte Zwytracht und Haß säen / wäre / auch [136] seiner Meynung nach / ein verda liches. Verbrechen; aber das Recht sich selbst am meisten zu lieben rechtfertigte die Bemühung einem andern in der Liebe den Vortheil abzurennen. Thußnelde antwortete: Solch Beginnen gienge nur hin / wenn die Liebe zu keiner Verbindligkeit kommen wäre. Weil sie aber so wohl als Flavius die Königin Erato mit dem Fürsten Zeno so unauflößlich verknipft wüßte / wäre alles darwider gemachte Vorhaben etwas ärgers / als die dadurch gesuchte Untreue / welche zuweilen aus Irrthum und Mißverstande herrührte / meist aber durch frembde Veläumbd- und Verleitung verursacht würde. Ja weil die Liebe ein hi lischer Einfluß / wie der Haß ein höllischer Dampf wäre / stürmete solche Störung gleichsam selbst das Verhängnüß. Flavius erblaßte hierüber / fiel aber ein: Er getröstete sich von Thußnelden eines gütigern Urtheils; wenn sie glauben könte: daß Zeno mehr Ismenen als die Erato liebte /und also dieser / nicht er das Verbündnüß zerrissen hätte. Thußnelde fragte: Ob sie sich auf diesen Bericht sicher verlassen möchte? An statt der Antwort wendete sich Flavius gegen der nur wenige Schritte hinter ihnen folgenden Ismenen / und redete sie an: Ist es nicht wahr / liebste Schwester: daß sie den Fürsten Zeno und er sie liebe? Ismene färbte sich über dieser unvermutheten Rechtfertigung; und ob es wohl der Liebe Eigenschafft ist: daß sie leichter sich ins Hertze spielet / als vom Munde gehet / so sahe Ismene doch weder Ausflucht noch Vortheil in Verhölung ihrer Liebe; sondern sagte: Sie könte sich nicht schämẽ zu gestehẽ / was sie sich nicht geschämet zu thun. Es wäre wahr: Sie liebte den Fürsten Zeno. Wäre diß an ihr ein Fehler; so würde er der Verzeihung oder des Mitleidens würdig seyn. Denn die Liebe wäre die gemeinste Schwachheit der edelsten Gemüther; ihre aber so viel leichter zu entschuldigen / weil sie zeither mit so viel Verliebten hätte umbgehen müssen / die Liebe aber / wenn sie schon nicht auf uns zielte / uns doch anfeuerte und anfällig wäre. Uber diß liebte sie nichts als was eine so kluge Hertzogin sonder Zweifel für Liebens werth erkennen würde. Daß Fürst Zeno aber sie wieder liebte / hätte sie mehr zu wünschen / als sich mit Vermessenheit zu rühmen. Gleichwohl aber hätte sie zu ihm nicht weniger Hoffnung / als ein gutes Hertze. Denn diese wäre das Hertzblat der Liebe / ohne welches sie selbst bald verdorren müste. Flavius nahm das Wort alsofort von Ismenen / und sagte gegen Thußnelden: Ismenens Bekäntnüß wäre die beste Schutz-Rede seiner Liebe / und daher könte eine so liebreiche Fürstin einen / der ihrer Hülffe so benöthiget wäre / sich schwerlich überwinden / seiner Bitte zu entfallen. Thußnelde antwortete: Ich habe von der Beständigkeit so viel Gutes genossen: daß ich mich von ihr einer gerechten Rache besorgte; wenn ich sie im Hertzen der Erato von ihrem Fusse zu stossen mich bearbeitete. Denn da Fürst Zeno von ihr abgesetzt hat / verdienet die beständige Liebe der Erato als eine hertzhafte Märterin einen desto herrlichern Sieges-Krantz. Sintemal die Liebe eines wieder-liebenden mehr ein Wucher-Gewerbe / einen Todten noch lieben eine vollkommene Tugend / einen Ungetreuen aber treu bleiben noch was köstlichers als Liebe und Tugend ist. Flavius rieff hierüber: O der unglücklichen Köstligkeit! Mich bedünckt: es verwandele sich die Beständigkeit in eine Hartnäckigkeit / wenn sie sich von dem nicht trennen läst / was sie haßt / oder hassens werth ist. Ist die Liebe eine Tugend / so kan sie der Klugheit nicht entrathen / welche Untreue als ein Laster zu lieben nicht verstattet. Ja es ist eine Unbarmhertzigkeit gegen sich selbst / wenn man seiner Seele die Anbethung eines so unwürdigen Abgotts aufdringet. Wer also liebt / ist aus einer eiteln Ruhmsucht ihm selbst gram / ein Verschwender seiner Liebe / und den Thörichten zu vergleichen / die all ihr Feuer dem Nachbar mittheilen / und für sich nichts als die Asche behalten. Thußnelde [137] antwortete: Wenn das höchste Gut des Menschen in der Gemächligkeit und kitzelnden Wollust bestünde / würden wir sehr alber thun / wenn wir nicht auch andere Flacken aufstecktẽ / wenn unsere Freunde ihr Gemüthe ändern. So aber bestehet es in der Tugend / welche so selten ohne Beschwerligkeit / als die Rose ohne Dornen zu sehen ist. Denn das Glücke zeuget eben so wohl als die Natur mehr Heyde / als Jasmin; und die stachlichten Kasten-Nüsse sind gemeiner als Datteln. Die Tugend hat insgemein Schweiß und Mühe zu ihrem Wegweiser / Verdrüßligkeit zu ihrer Gefärthin /Haß und Neid zu ihren Nachtretern; daher muß die Geduld die Mässigung / und die Beständigkeit sie auf ihrem Fusse und in Ansehn erhalten. Diese liebet niemals die Untreue / ungeachtet sie dem Untreuen hold bleibt; und wie die Sanftmuth die wildesten Thiere kirret / eine heftige Liebe auch steinerne Hertzen erweichet / also leitet die unabsetzliche Treue mehrmals die irrenden auf den Weg / und machet das ausgeloschene Feuer der alten Liebe wieder rege. Also würde ich dieser Tugend zu nahe treten / und ihre gute Würckungen hindern / wenn ich bey der Königin Erato das Wasser ihrer Gewogenheit auff eine andere Mühle / als dem vielleicht bald wieder zu bessern Gedancken kommenden Zeno zuleiten solte. Flavius versetzte: Ach! allzu gerechte Thußnelde! die Liebe verträgt keine so strenge Richter / und stehet es denn der Freundschafft nicht zu einen kleinen Abweg von der Strasse der Tugend machen. Der grosse Weltweise Chilo hat diß ja für eine Schuldigkeit eines Freundes gehalten / und umb seinem Vertrauten zu helffen einem andern selbst einen schädlichen Rath mitgetheilet. Thußnelde begegnete ihm: Diß mag ein Irrthum des Chilo / aber keine Lehre eines Weisen gewesen seyn / welchen Fehler er auch auf seinem Tod-Bette bereuet hat. Denn der wenigste Absatz ausser den Gräntzen der Tugend ist ein Tritt in das Gebiete der Laster; welches die Freundschafft so wenig zuläßlich machen / als die Sonne den Mohren weiß bleichen kan. Daher der streitbare Pericles einem seiner ihm etwas ungleiches zumuthenden Freunde weiser als Chilo antwortete: Freunden müste man zwar willfahren / aber den Göttern damit nicht zu nahe kommen. Flavius ward hierüber nicht wenig bekümmert. Daher er denn mit einer sonderbaren Bewegligkeit Thußnelden ersuchte: Sie möchte doch mit seiner Liebe ein Mitleiden haben / und wo nicht ihm / doch der hierunter zugleich leidenden Ismene zu Liebe hierinnen kein widriges Gestirne abgeben; wenn sie ja ihren Einfluß zu ihrer Vergnügung zu geben Bedencken trüge. Thußnelde erklärte sich: Es könten ihr keine zwey grössere Freuden begegnen / als wenn Flavius mit des Fürsten Zeno Willen die Königin Erato eigenthümlich besitzen solte. Ob aber der Feldherr Ismenen erlauben würde einen Ausländer / der von seinem Ursprunge selbst nichts gewisses zu sagen wüste / zu lieben / wäre eine ihr Urtheil übersteigende Wichtigkeit. Hiermit wendete sie sich zu der andern Gesellschafft; verfügte sich aber noch selbigen Tag in der Königin Erato Zimmer / in Meynung die Geheimnüsse dieser neuen Liebes-Verwechselungen vollends auszuspüren. Sie traff aber die Königin Erato in so einem erbärmlichen Zustande an: daß sie gezwungen ward ihren Vorwitz in ein hertzliches Mileiden zu verwandeln. Denn Salonine hatte über des Zeno gegen der Ismene herausgelassenen Worten mehr Eiversucht gefangen / als wenn sie seine selbsteigene Buhlschafft gewest wäre. Weil nun diese Gemüths Regung nichts mässiges räthet / hatte sich Salonine übereilet / und nicht nur ihrer Königin alles Haar-klein erzehlet / sondern über des Zeno Treu alle Empfindligkeit eines zarten Hertzen ausgeschüttet.[138] Massen es denn an sich selbst wenig Kunst brauchte den Fürsten Zeno als den undanckbarsten Menschen in der Welt abzumahlen / weil er so leicht eine Fürstin in die Schantze schlagen / an welcher Natur und Tugend ein Meisterstücke auszuarbeiten keinen Fleiß gesparet / und die ihm zu Liebe Zepter und Krone mit Füssen von sich gestossen hatte. Diesemnach es denn wenig wunderns bedurffte: daß Erato ihr Antlitz gleichsam in Thränen badete / die Hände wand / über dem Kopfe schlug / ihr die Haare ausrauffte / und ein trauriges Ebenbild einer verzweifelnden fürstellte. Salonine erkennte aber zu spat ihre Ubereilung; indem man zarten Seelen so heftige Zufälle nach und nach /und wie kluge Aertzte ihre bittere Säffte nur Tropfen-weise beybringen / und die Pillen entweder überzuckern oder vergülden muß / wenn man beyde nicht tödten wil. Aber ihr Erkäntnüß war nun zu spat / und sie zu schwach dem von ihr verursachten Ubel abzuhelffen. Daher sie die Hertzogin Thußnelde so bald nicht ins Zimmer treten sah / als sie selbte als eine vom Himmel geschickte Helfferin mit ihrem stummen Munde / aber ihr Elend deutlich genung ausdrückenden Augen umb Beystand anflehete. Erato befand sich bey Thußneldens Eintritte noch in der ärgsten Verstellung / und in einer Unfähigkeit ein kluges Wort fürzubringen. Das Ansehen dieser Hertzogin würckte gleichwohl in der Königin ein Erkäntnüß ihrer Ungeberdung / und ihr holder Anblick besänftigte die stürmerische Unruh ihres Gemüthes so weit: daß sie ihr wölckichtes Antlitz etwas auszuklären / und ihren äuserlichen Unmuth zu verstellen bedacht war. Ihre wieder zu reden beginnende Zunge wuste gleichwohl nichts hertzhafters auszusprechen / als: Sie hätte alle Bitterkeiten des Lebens geschmeckt zu haben vermeynt; nunmehr aber fühlte sie etwas / gegen welchem alle vorige Galle und Wermuth für Süssigkeit zu halten wäre. Sie würde von einem solchen Schmertz gequälet / den kein Mensch / ausser ihr /niemals gefühlt hätte. Denn sie hätte mit dem Zeno die höchste Glückseligkeit der Welt zu besitzen gemeynt; also müste sie mit seinem Verluste / und zwar seiner so herben Entbrechung sich auch für die Unglückseligste aller Sterblichen achten. Die mitleidende Hertzogin Thußnelde ward hierüber zwar wehmüthig / weil sie aber wohl verstand: daß so gewaltsame Gemüths-Regungen eben so wohl als heftige Leibes-Kranckheiten mit scharffen Artzneyen geheilet werden müsten / redete mit einem ernsthaften Antlitze sie an: Sie hätte die Königin für eine großmüthige Heldin zeither verehret; sie sähe sich aber betrogen /und sie als eines der weichhertzigsten Weiber an. Hätte ihre Vernunfft / ja ihre Erfahrung sie noch nicht gelehrt: daß man so wenig in der Liebe als im Leben vollkommen und immer glückselig seyn könte? Im Himmel gäbe es mehr fest-stehende als irrende Sternen; in der Welt aber mehr veränderliche als standhafte Gemüther. Daher müste man wider Falschheit und Untreue sein Hertz / wie ein kluger Schiffer wider den umbschlagenden Wind seinen Mast befestigen. Wenn das Glücke ihr noch nie seine schlüpfrigen Füsse /und seine Flüchtigkeit gewiesen hätte / wäre ihr ihre Unwissenheit und Einbildung so sehr nicht zu verargen: daß es bey keinem Menschen festen Fuß setzte. So aber hätte sie / Saloninens Erzehlung nach / so wohl die Tücken des Glückes zu Artaxata / als die Bitterkeiten der Liebe zu Sinope genungsam geprüfet. Sie möchte sich erinnern / was sie zu Athen in dem Tempel des guten Glückes der Hoffnung / als einer Abhelfferin alles Unheils für ein Gelübde gethan hätte; welches sie nun [139] entweder bräche / oder diese ihre Abgöttin für eine Betrügerin halten müste. Wäre ihr entfallen / was sie unter dem Gordinischen Gebürge mit Saloninen über der dem Fürsten Zeno zu Liebe geschehenen Verstossung der Armenischen Krone für Süssigkeit geschmeckt; und wie sie Saloninens Zweifel mit der im Phrixischen Tempel empfangenen Weissagung so hertzhafft abgelehnet hätte? Was für Kleinmüthigkeit wäre es nun an dem glücklichen Ausschlage des Verhängnüsses zu zweifeln / welches in allen ihr ertheilten Wahrsagungen so eigentlich eingetroffen hätte? Ja wenn auch alle Hoffnung ihren Zeno zu erhalten verschwunden wäre / stünde einer solchen Heldin derogleichen Geberdung nicht an. Denn da wir in gewissen Fällen unser eigenes Leben zu verspielen für Gewinn achten müsten / stünde niemanden zu / der Vernunfft und Hertzhaftigkeit hätte /sich mit dem Verluste einigen andern Dinges sich selbst durch Kleinmuth zu verlieren. Erato hörete Thußnelden mit Geduld zu / und nach unterschiedenen Seufzern fing sie ein: Ich erkenne meine Schwachheit / leider! so wohl als mein Unglück; aber es steht in meiner Gewalt so wenig klug als glücklich zu seyn. Unterdessen tröst ich mich: daß meine Unvernunfft ein Zeugnüß meiner unverfälschten Liebe ist. Wenn mich nicht so wohl Zeno / als mein Glücke verliesse / oder mich nicht sein Vorsatz / sondern ein Zufall seiner beraubte / traute ich alle seine Stösse /und alle Verfolgungen des Verhängnüsses auszutauern; so aber werde ich durch seinen Verlust nicht nur verunglückt / sondern durch seine Untreue / als eine seiner nicht würdige Liebhaberin beschimpfet. Thußnelde begegnete ihr: Es ist das letztere freylich wohl schmertzhafter. Alleine / wenn Zeno schon an ihr derogestalt mißhandelte / würde ihr doch so wenig verkleinerliches / als den Mohren die Schuld beyzumessen seyn: daß sie von der Sonne geschwärtzt werden. Tugend hat nicht nur mit dem blitzenden Himmel / mit der lebenden Erde und dem liederlichen Glücke /sondern auch mit den Lastern und Fehlern der Menschen zu kämpfen. Und wir müssen bey Verläumdung unserer Neider / bey Verachtung des Pöfels uns mit unserer Unschuld und des Verhängnüsses Schickung trösten: daß es zwar bey uns steht tugendhaft zu seyn / derogleichen Meynung aber von uns zu haben nicht allen aufdringen können. Wir machen uns aber in solchen Fällen niemals mehr verdächtig / als durch Ungeduld; und beschämen Neid und Verachtung durch nichts besser / als wie verfinsterte Gestirne durch richtige Verfolgung unserer Bahn. Ja die / welche uns zu beflecken gemeynet / verehren uns hernach so viel mehr beym Erkäntnüsse ihres Irrthums; und die mehrmals für verloschen gehaltene Liebe ko t hernach /wie die Wolcken und Nebel zertreibende Sonne / mit desto hellerm Lichte wieder herfür. Erato antwortete: Ich erkenne zu Danck: daß die vollkommenste Liebhaberin der Welt aus Mitleiden mich von der Irre-Bahn auf den rechten Weg leiten wil. Aber die Barmhertzigkeit einen mit leerer Hoffnung zu speisen hat mehr Grausamkeit in sich / als einen / der erhungern soll / mit dem nährenden Geruche fürgesetzter Gerichte aufhalten. Gleichwol aber ist der Himmel gegen mir noch viel grausamer. Denn er bekrieget mich durch die Liebe eines andern / welchen ich lieben müste / wenn ich den Zeno nie geliebt hätte / und mein Gemüthe so wanckelmüthig als Zeno wäre. O ihr Götter! wie unbarmhertzig handelt ihr gegen mich durch Verlängerung meines Lebens / oder vielmehr ihr grausamen Menschen / die ihr mich an der Freyheit zu sterben hindert! nur damit ich entweder über der Untreue des Fürsten Zeno unaufhörlich seufzen /oder durch [140] eines andern Liebe seine Veränderung rechtfertigen müsse. Die tiefsinnige Fürstin Thußnelda fühlte an den letzten Worten so wol ihre Liebes-Schwäche gegen den Flavius / als die Aertzte die Kranckheiten an dem Pulße. Weil sie nun aus diesem Feuer allerhand Rauch besorgte / wünschte sie bey zeiten solches in der Königin Hertzen zu dämpfen. Daher sie zwar nichts wenigers / als ihre und des Flavius Liebe ausgespürt zu haben anstellte; gleichwol aber ihr einhielt: es wäre freylich nichts unglücklichers / als wenn wir durch unsern nachfolgenden Fehler eines andern vorgehendes Laster rein brennten; zur Störung unserer Gemüths-Ruh aber nichts schädlicher / als eine zweifelhafte Theilung unsers Hertzens. Denn eine Seele vertrüge so wenig zweyerley Liebe / als ein Kreiß zwey Mittelpuncte / und die Welt zwey Sonnen. Daher müsten die / welche ruhig und glücklich seyn wolten / ihrer Liebe enge Schrancken setzen / und die Augen für neuen Reitzungen niederschlagen. Sintemal eine zertheilte Liebe die Lebens-Geister zerstückte / und ihr eigenes Hertze durch tausenderley Quaal zerfleische. Weil die Liebe uns mit dem Geliebten vereinbarte / fühlte man alle Wunden und Kranckheiten wormit diese befallen würden. Und derogestalt wäre mehrmals unsere empfindliche Seele auf eine Zeit der Hitze und Kälte / dem Donner / und dem Schifbruche auf der See / der Heucheley und der Verläumbdung unterworffen. Ja man stürbe nicht selten stückweise / und würde mit dem Untergange dessen / was uns lieb ist / bald dar bald dort ein Theil unsers Hertzens mit begraben. Welch Leben denn eine stete Folter-Banck / ja ein täglicher Tod wäre / dessen unerträgliche Marter die Königin vernünftig aus ihrer itzigen Empfindligkeit zu schöpfen hätte / die sie aus dem besorgten Verluste des von ihr einig-geliebten Zeno schöpfte. Nach diesen und etlichen andern sanffteren Einredungen nam Thußnelda von der Erato Urlaub / in Meinung: daß der Königin Gemüthe zu seiner Beruhigung wie getrübtes Wasser zu seiner Ausklärung mehr Zeit als Arbeit vonnöthen hätte. Salonine aber / welche Thußnelden allzu wol verstand / aber alle Hofnung verlohren hatte den Fürsten Zeno von Ismenen abwendig zu machen / und die mit der Königin abgebrochene Treue zu ergäntzen /liebkosete der Königin neuen Neigung derogestalt: bey vieler Dinge Besitzthume ließe sich eines ohne sonderbare Empfindligkeit einbissen / aber der Verlust dessen / was man nur allein hat / wäre auch dem allerhertzhaftesten unverschmertzlich. Worinnen ihr Erato itzt ein trauriges Beyspiel abgebe. Also wüste sie nicht: ob es mehr Schwachheit als Klugheit wäre sein Hertz einem alleine zum Leibeigenen machen. Wer seinen Schatz an unterschiedene Orte vergrübe /oder seine Waaren auf viel Schiffe vertheilte / den könte weder Arglist noch Ungewitter auf einmal arm machen. Am allerwenigsten aber könte sie in der Liebe und andern Dingẽ wol oder klug gethan rühmen / wenn man seine erste Einbildung ihm zum Götzen machte / und seinem freyen Willen den unveränderlichen Vorsatz oder vielmehr die Dienstbarkeit / selbten durch keine neue Wahl zu verbessern / aufdringe. Deñ weil Wesen und Schein / Liebe und Heucheley von sammen schwerer als gute und falsche Edelgesteine von einander zu unterscheiden wären / wäre nichts gemeiners / als in der vorsichtigsten Wahl dennoch fehlen; ja die Menschen verwandelten sich eben so greulich als die Seiden-Würmer in geflügelte Raupen / und würden niemanden unähnlicher / als ihnen selbst. Durch diesen und anderen Einhalt ward Erato so verwirret und zweifelhafft: daß sie weder einigen Trost zu schöpfen / noch was gewisses zu entschlüssen vermochte / sondern als ein Ruder-loses [141] Schif von den Wellen ihrer eigenen und anderer Regungen bald dar bald dorthin verschlagen ward.

In nicht viel besserem Zustande befand sich Ismene / weil sie der Hertzogin Thußnelde letztern Worte auf der Seite gar genau gefaßt hatte / welche ihrer / gegen einen unbekandten Ausländer geschöpften Neigung wenig geneigt zu seyn schienen. Sie beschwerte sich in ihren Gedancken: daß Flavius Thußnelden ihre Liebe entdeckt; noch viel grössere Schuld aber gab sie ihr selbst: daß sie aus übermäßiger Verträuligkeit sich gegen ihre Schwägerin so bloß gegeben hatte. Denn ob es zwar nicht thulich wäre / seinen Freunden alle sein Anliegen verschweigen; so wäre es doch noch viel gefährlicher für ihnen niemals etwas geheim halten. Auf diesen vorspielenden Blitz aber folgete wenig Tage darnach ein viel grausamer Donner-Wetter. Denn weil Hertzog Herrmann ihm nichts mehr angelegen seyn ließ / als die Wurtzel der zwischen den Cheruskern und Catten eingewurtzelten Feindschafft mit Strumpf und Stiel auszurotten / die neue Eintracht aber / und mit dieser die Wolfarth Deutschlandes durch alle nur ersinnliche Verbindnüsse zu befestigen; hatte der Feldherr durch den obersten Priester Libys die Heyrath seiner Schwester Ismene mit dem Fürsten Catumer / und des Hermundurischen Fürsten Jubils mit der Fürstin Catta / und des Caßuarischen Fürsten Siegmunds mit der Chaucischen Fürstin Adelmunde dem Hertzoge Arpus und Ganasch fürschlagen lassen. Das in Deutschland ungemeine Ansehen des Priesterthums und die Klugheit des frommen Libys hatte es beym Hertzoge Arpus auch schon beyder Heyrathen Einwilligung zu wege gebracht; und wegen Hertzog Jubils bey dem Hertzog Ganasch einen guten Grund gelegt. Der Feldherr ward über dieser glücklichen Handlung aufs höchste erfreuet / aber / als er diesen Schluß durch seine Gemahlin Thußnelde Ismenen fürzutragen begehrte / über ihrer Nachricht von Ismenens gegen den Fürsten Zeno angeglommener Liebe aufs höchste bekümmert. Nichts desto weniger ließ er sich dis an seinem Vorhaben nichts hindern / sondern entschloß vielmehr bey ihm feste mit seinem Ansehen durchzudringen / und dahero seiner Schwester Ismenen selbst den Vortrag zu thun. Er kam daher den nechstfolgenden Morgen selbst in ihr Gemach; machte daselbst in seinem Fürtrage von dem Lobe ihrer Tugenden und Schönheit / von seiner für sie tragenden Sorge den Eingang; lenckte hernach auf den Wolstand des gemeinen Wesens ab / worzu das Weibliche Geschlechte eben so wol als das Männliche / Werkzeuge abzugeben verbunden wären. Diese ihre Pflicht hätte Ismene durch freywillige Erkiesung der Waffen in der Schlacht mit dem Varus bewehret / und es durch ihre Tapferkeit vielen Helden zuvor gethan. Daher zweifelte er an nichts weniger / als an ihrem guten Verfolg ihres so herrlichen Anfangs. Gleichwol aber hätte seine Brüderliche Gewogenheit ihm angelegen / zwar durch einer so holdreichen Schwester Verehlichung dem Vaterlande eine Wolthat / jedoch ihr dardurch kein Unvergnügen zu schaffen. Die meisten Fürstinnen wären dem unglücklichen Verhängnüsse unterworffen: daß sie ihres Standes / oder gewisser Staats-Ursachen halber sich müsten niegesehenen Fürsten / und derogestalt oft Kriepeln und Mißgeburten verloben lassen. Aber ihm solte leid seyn über Ismenen eine so grausame Bothmäßigkeit zu üben. Eines seiner Augen hätte zwar auf Deutschlandes Heil / das andere aber auf Ismenens Vergnügung sein unverrücktes Absehen gerichtet / und er ihr daher einen solchen Bräutigam ausgesonnen / der am Stande ihr gleich; dessen gute Bildung ihr für Augen / [142] ja sie seiner Tapferkeit eine Zuschauerin gewest wäre. Dieses aber wäre Catumer der Catten Erb-Fürst / ein Herr /an dem die Natur nichts vergessen / und der Neid nichts zu tadeln hätte. Ismenens Hertze fieng an über dem ersten einer Verlobung erwehnenden Worte so sehr / als einer / der über sein Leben und Tod ein ungewisses Urthel anhöret / zu beben; jedoch verstellte sie ihre Verwirrung bis auf den letzten Schluß / welcher als ein Donnerschlag alle zu ihrer Vermummung gemachte Anstalt über einen Hauffen warf. Alle Bemühungen sich zu erholen waren zu schwach ihre Gemüths-Regungen zu verdrücken / und der Feldherr laaß ihre Entschuldigung zeitlicher an ihrer Stirne /als ihre Zunge mächtig war solche fürzubringen. Sie rühmte seine Brüderliche Liebe / bedanckte sich für die Väterliche Vorsorge; strich die Vollkommenheit des Fürsten Catumers heraus / und wünschte das geringste Werckzeug bey Beförderung gemeiner Sicherheit zu seyn. Hierauf aber wendete sie das Blat / und weil sie nicht zweifelte: Thußnelde würde dem Feldherrn die in ihrem Hertzen angeglommene Liebe entdeckt haben; ja diesen neuen Heyraths-Fürschlag für ein von der Thußnelde an die Hand gegebenes Mittel hielt / dem Zeno im Lichten zu stehen / und ihrer Liebe den Riegel fürzuschieben / getraute sie nicht sich auf eine Abneigung vom Heyrathen zu beziehen /sondern sie gründete sich auf die bey den Deutschen gewohnte Freyheit / welche denen Fürstlichen Fräulein so wol / als gemeinen Jungfrauen ihren Bräutigam nach ihrer Willkühr zu erwehlen erlaubte. Daher versehe sie sich zu einem so gütigen und gerechten Bruder / er würde sie / welche durch keine Missethat des gemeinen Rechtes verlustig gemacht / nach der Neigung ihres Hertzens / und nach Eingebung des Himmels sie sich verehlichen lassen. Der Feldherr antwortete: Der Pöfel möchte nach dem blinden Triebe ihrer ersten Regungen / Fürsten aber nach Gesätzen der Staats-Klugheit heyrathen. Weil man dem Vaterlande mehr als sich selbst gebohren wäre / drückte die gemeine Wolfahrt alle andere Absehn unter sich. Daher müsten Fürsten ihnen den lüsternen Zahn / in der Liebe nur ihre Vergnügung zu suchen / ausschlagen / und gedencken: daß diese Beschwerligkeit durch ihr hohes Ansehen und durch die so süsse Herrschafft über gantze Völcker reichlich ersetzt würde. Wer in allem nach Belieben zu thun ungebundene Hände hätte / könte unschwer in der Liebe eine mäßige Dienstbarkeit vertragen. Dieses Gesätze erstreckte sich so weit als die Herrschafften / und daher auch über Deutschland / welchem sie als eine treue Tochter des Vaterlandes nicht zu wider leben könte / sondern ihre Neigungen für seine Wolfahrt desto williger aufopfern würde / weil sie ja in der Schlacht schon ihr Blut dafür zu versprützen den Anfang gemacht hätte. Ismene fiel ein: sie erinnerte sich keines Beyspiels: daß im Cheruskischen Hause einige Fürsten ihren Töchtern / weniger Brüder ihren Schwestern aus diesem Grunde Männer aufgezwungen hätten. Von andern der Dienstbarkeit gewohnten Völckern liesse sich auf die Deutschen / welche so wenig ohne Freyheit als Athem leben könten / keinen Schluß machen; und würde dieser denen Jungfrauen unerträgliches Joch aufhalsen / wenn die / welche nur einmal ihr Lebtage heyrathen dörffen / in ihrer einigen Vermählung kein Wahlrecht hätten. Sintemal der Zwang einen wider Willen zu ehlichen grausamer als das Verbot gar nicht zu heyrathen wäre. Der Feldherr begegnete ihr: Er könte diese Meinung gelten lassen /wenn eine Fürstin zu unanständiger Vermählung gezwungen würde; wie in Sarmatien / da man Königliche Töchter keinem Fürsten / umb allen Anspruch an das Reich zu verhüten / sondern nur wenigen Geist habenden Dienern vermählte; oder sie / wie Käyser August [143] seine dem Antonius vertraute Schwester Octavia nur zu seines Feindes Fallbrete / oder gar nach ihnen angekünstelter Unfruchtbarkeit sie zu Vertilgung anderer Fürstlicher Häuser mißbrauchte. So aber hätte er durch Erwehlung des tapferen Fürsten Catumers Ismenens Vergnügung nichts abgebrochen; indem niemand / der nicht von einer andern Einbildung schon eingenommen wäre / ihn als nicht Liebens werth verachten könte. Ismene fiel ein: sie wäre zu wenig diesem vollkommenen Fürsten Mängel auszustellen; aber dis wäre doch wahr: daß er aus dem Cattischen Hause wäre / dieses aber mit den Cheruskern eine ewige und so heftige Feindschafft gehegt hätte: daß man glaubte: beyder Geblüte liesse sich so schwer / als Hartzt und Wasser mit einander vermischen. Wie solte sie nun mit einem Catten eine unzertrennliche Gemeinschaft des Leibes und des Gemüthes eingehen? oder deutscher zu sagen / ihn so werth achten / als wenn es keinen Mann mehr in der Welt hätte / und mit ihm nicht nur sein gegenwärtig und künftiges Glücke übernehmen / sondern auch seine Neigungen und Begierden in mich saugen. Werde ich so deñ / wenn das Wetter und der Catten Freundschaft umbschlagen wird / auch mit Catumern wider meine Cherusker eine Todfeindschafft hegen /und wie die dem Theseus vermählte Hippolyte wider die ihr verschwisterten Amazonen die Waffen führen müssen? denn die Erfahrung hätte bewehret: daß die Zusammenheyrathung zweyer widriger Geschlechter den dardurch auszuleschen vermeinten Groll wie die in das brennende Naphta der Susianischen Brunnen gegossene Fluth das Feuer nur rasender mache. Würde meinem hertzliebsten Bruder so denn nicht mit mir das Hertz bluten / wenn er mich sodenn zum Steine des Anstossens so wol der Cherusker und Catten gesetzt / und zwischen Thür und Angel eingekle t sehen würde? Sintemal der Ehstand ohne dis mehr Dörner als Blumen trägt / und mehr Trauer- als Feyertage zehlet / derer jede Stunde uns eben so wol zweymal so lang wird / als jede Dornspitze zwey Wunden sticht / weil man so wol seine eigene als seines Ehmanns Schmertzen fühlet. Würde ich sodenn nicht unbillich lebenslang über die / welche mich in ein so strenges Gefängnüs verdammt hätten / zu seufzen Ursach haben? Sintemal der / welcher sein Geblüte einem Feinde vermählt / unverantwortlicher als Lucius Valerius handelt; der seinen ärgsten Feind Cornelius Balbus zum Erben einsetzte / weil todtes Reichthum ja keine Fühle wie Menschen haben. Den Feldherrn bissen diese letzten Worte zwar im Hertzen; weil er aber wol wuste: daß wie das reinste Wasser von dem darein fallenden Regen Blasen macht / also auch die besten Gemüther / wenn sie einmal in Verwirrung gerathen / sich leicht zur Unbedachtsamkeit verleiten lassen / und daß man mit Sturme in der Liebe mehr einreisse als baue / verschmertzte sie; und begegnete Ismenen: Die zwischen den Cheruskern und Catten eine Zeitlang gewehrte Zwytracht wäre keine Mißgeburt giftiger Hertzen / sondern eine von beyder Völcker Tugend angezündete Flamme gewest. Denn sie hätten nicht umb schnöden Raub oder aus Haß und Begierden das andere zu unterdrücken / sondern umb den Vorzug der Tapferkeit gefochten / und als zwey Feuersteine sich an einander geprüfet. Die Ehre aber wäre von so hohem Werthe: daß nichts als sie solche Irrthümer zu entschuldigen vermöchte. Denn ein herrlicher Nachruhm wäre das höchste unter allen Glückseeligkeiten / ja der Mensch hätte außer ihm nichts bessers GOtt danckbarlich abzugewehren. Sein Glantz erleuchtete das Finsternüs der schon verschimmelten Zeiten / und sehe in das unbegreifliche Ende der Nachwelt hinaus. Ja die dem menschlichen Hertzen eingepflantzte Begierde nach dem Tode unvergessen zu seyn / wäre ein herrliches Zeugnüs [144] für die Unsterbligkeit ihrer Seelen; ohne welcher Vorschmack sie sich nimmermehr so eivrig umb ein gutes Gedächtnüs bewerben würden. Westwegen die Serer ihren Todten allererst so viel Ehren-Titel zueignen /die alten Griechen aber dem Saturn und der Ehre Bilder mit entblösten Häuptern aufgerichtet / und beyden als zweyen keiner Verfinsterung unterwürffigen Gottheiten geopfert haben. Bey welcher Bewandnüs denn die Catten und Cherusker einander höher als kein ander Volck geschätzt / niemals aber einige Abscheu sich mit einander zu vermählen gehabt hätten. Hingegen aber wäre ungewiß: was Zeno für ein Landsmann / oder aus was für einem Geschlechte er wäre; welchen weder er / noch einiger ander deutscher Fürst sich mit dem Cheruskischen Geblüte würde vermischen lassen. Sintemal Ismene wol wüste: daß das Cheruskische niemals als mit uralten Fürsten sich verknüpft / und so wenig Enckel ohne Hertzogs-Hüte /als der Granat-Aepfel-Baum Aepfel ohne Kronen hätte. Und da Zeno sich für sich selbst nicht genungsam als einen Fürsten aufführen könte / würde Ismenens Vermählung ihn zu keinem nicht machen. Denn die Deutschen hielten es weder mit den Lyciern / wo ein Weib den Mann adelte; noch auch mit den Seren /und Parthen / wo eines Handwercksmannes Tochter durch edle Heyrath edel und zur Fürstin würde; eine einem Unedlen verlobte Fürstin aber nicht einst unter den niedrigen Adel ihre Stelle hätte. Daher möchte Ismene nur bey zeite ihre süße Gedancken aus dem Siñe schlagen / wo sie ihr anders einige vom Zeno hätte träumen lassen. Mit diesen Worten grief der Feldher Ismenen aus Hertze / und tastete zugleich ihren Augapfel an / also: daß die milden Thränen ihr häuffig über die Wangen schossen / ihr klopfendes Hertz aber sich gleichsam aus ihrer Brust zu arbeiten suchte. Denn es geht der Liebe wie den Strömen / welche /wenn man ihren Lauff mit Währen oder Schleussen aufschwellet / sich über Ufer und Tämme ergießen. Sie antwortete / jedoch mit zitternder Sprache: sie könte nicht leugnen: daß ich / oder vielmehr das Verhängnüs mein Hertze dem Zeno zugewendet habe. Denn meine Zuneigung / welche vorher niemals einigen kleinen Vorschmack der Liebe genossen / ward gleichsam in einem Augenblicke wie eine vom Gebürge abstürtzende Bach so heftig dahin getrieben: daß ich alle meine Widersetzligkeit auf einmal übern Hauffen geworffen sahe. Die Liebe hat mich ehe bemeistert / als angesprengt / welcher man nicht wie der Schleichenden widerstehen kan. Denn sie raubet uns uns selbst / und entwafnet so wol unsere Vernunft /als Tapferkeit. Ich wil nicht widersprechen: daß ich geirrt und gefehlet. Aber so viel grosse Beyspiele unsers Hauses reden doch für mich: daß Lieben ein Irrthum der Klugen und eine Schwachheit der Hertzhaftesten sey. Ich habe nicht nur die mir itzt gemachte /sondern auch die der Erato halber entgegen stehende Schwerigkeit gesehen. Denn weil er von dieser allein geliebt zu werden verlangte / schien kein Mittel übrig zu seyn / seine Liebe zu erwerben / als wenn man ihn nicht liebte. Allein die letztere Schwerigkeit hat die erste / und diese jene wie ein Nebel den andern verzehret. Denn weil sein Ursprung ungewiß / und sein Fürsten-Stand zweifelhaftig ist / kützelte sich meine Liebe so vielmehr mit ihrer vollkommenen Reinigkeit: daß sie den Zeno selbst / nicht seinen Stand und Glücke liebte. Weil aber eine so mächtige Königin des grossen Armeniens den Zeno nicht nur liebte /sondern ihm zu Liebe ihr Königreich weggeworffen hatte / war mir unglaublich: daß Erato was geringers als einen Fürsten lieben solte. Sein Fürstliches Ansehen / seine so wol an Hof als zum Kriege nöthige Tugenden redeten für ihn / und verdammten meinen daran habendẽ Zweifel als die schwärtzeste Verläumbdung. Und was machte mir ferner [145] am Wege stehen / da der kluge Herrmann ihn als einen Fürsten verehrte / und unterschiedene Hertzoge ihm gar die Oberstelle einräumten. Der Feldherr setzte ihr entge gen: ich würde wider die Gesätze eines höflichen Wirthes gesündigt haben / wenn ich den / welchen ich für einen angenehmen Gast aufgenommen / seines Standes halber gerechtfertiget / oder ihm die von andern zugestandene Ehre strittig gemacht hätte. Bey Vermählung aber würde es eine schädliche Unvorsichtigkeit seyn / wenn man ohne vorhergehende Ergründung der Ankunft auf oft betrügliche Muthmassung den Grund einer so hochwichtigen Verbindung bauen wolte. Des Zeno Tugenden wolte ich lieber einen Ehren-Krantz aufsetzen / als ein Blat von seinem verdienten Ruhme abbrechen. Alleine wie das so edle und mächtige Feuer nur unnütze Asche und greuliche Kohlen / das die Erde an Grösse übertreffende Meer nur Fichten einer Ellen lang / ein tapfer Fürst aber einen untüchtigen Sohn zeuget; also ist hingegen Unedlen so wenig der Weg zur Tugend / als den Schnee-Königen dem Adler gleiche in die Höhe zu fliegen verwehret. Daher läßt sich Tugend und Adel nicht stets an eine Schnure fädemen. Seine Gestalt hat auch freylich zwar das Ansehn eines Helden; aber euserlicher Schein ist ein betrüglicher. Führer unsers Urthels und unser Begierden. Vollkommener Liebe Eigenschafft ist auch freylich die Person nicht ihre Anhänglinge werth halten; und Fürsten haben hierinnen kein besonder Recht. Eine Fürstliche Braut bringet in Deutschland eben so wol als eine gemeine ihrem Gemahl ein Joch Ochsen / ein gesatteltes Pferd / und eine volle Rüstung zu / umb anzudeuten: daß sie beym Friede in der Arbeit / im Kriege in der Gefahr /und wenn er aller seiner Hoheit entsetzt würde / auch hinter dem Pfluge seine treue Gefärthin bleiben wolle. Destwegen aber ist eine Fürstin nicht befugt sich in einem Ackersmanne zu vergaffen / und aus dem Pöfel ihre Vergnügung zu holen. Wenn man schon Wein /Balsam / Honig / Gu i / oder andere köstliche Saffte in die Muscheln tröpfet / wird doch keine Perle daraus / sondern der vom Himmel fallende Thau / nach welchem die Schnecken als nach ihrem Ehmanne dürsten / ist der allein sie schwängernde Saamen dieser theuern Muschel-Töchter. Also ist Tugend und Geschickligkeit in Deutschland zu Fortpflantzung hoher Geschlechter nicht genung / sondern sie müssen mit Fürstlichem Geblüte vermischt seyn. Wie / nach der Egyptier Lehre / von einem sterblichen Manne und einer unsterblichen Frauen nichts gezeuget werden kan / also zeugt bey den Deutschen kein Unedler mit einer Fürstin nicht einst einen Edelmann. Stand und Tugend aber ist im Fürsten Catumer / welcher sich vom Tuiscon her ausführen / und allen Helden der Welt die Wage halten könte / vollkommen vereinbaret. Da ihm nun gleich Zeno in beyden gleich käme /hat doch Ismene als eine deutsche Fürstin Catumern den Vorzug zu enträumen / weil er ein Deutscher /und der anwartende Erbherr über alle Catten ist / welche ihre siegreiche Waffen bis an die Seulen Hercules / und über den Phrat ausgebreitet / und von denen die bezwungenen Feinde zu sagen pflegen: daß die unsterblichen Götter für ihnen nicht stehen könten. Daher würde Ismene / wenn sie der Sache nur recht nachdächte / und nicht ihren ersten Irrthum ihr selbst zu einem Götzen aufnöthigte / zweifelsfrey wenig Bedencken haben zum Fürsten Catumer zu greiffen. Wie die meisten Stauden im Anfange am stärcksten schieben; also hat zwar auch die erste Liebe den heftigsten Trieb; unterdessen sind doch so wol dort die Zweige /als hier die Regungen an sich selbst am schwächsten; hernach aber härten sie sich alle Stunden / und vergrössern sich über Nacht. Daher solte sie dieser Schwachheit beyzeite begegnen. Denn die Eichen /welche [146] gleichsam natürlich-wachsende Colossen vorbildeten / liessen sich anfangs wie weidene Ruthen beugen. Uber die zuletzte sich in Meere verwandelnde und zu übersehen unmögliche Flüsse könte man bey ihrem Quell mit gleichen Füssen springen. Die Löwen wären bey ihrer Geburt so ungewafnet als die Hasen /und die Elephanten nicht stärcker als junge Rehe. Nicht anders ist es mit unser Liebe und andern Regungen beschaffen. Ihr Ursprung rühret wie der Wolcken-Brüche von Tropfen her; ein Funcken und ein kaum sichtbares Saam-Korn ist eben so wol als gantze Städte fressender Flammen / und hoher Cedern Saame ein Tropfen; sie werden aber hernach zu Strömen und unleschbaren Bränden. Sie haben anfangs weder Zähne noch Klauen / welche weder Kette noch Kesicht bändigen / kein Mohnsafft der Klugheit einschläffern / keine Beredsamkeit bezaubern kan. Man meint sodenn der Unmögligkeit Gewalt anzuthun /und die Vernunfft zu trotzen. Man rennt sodenn gantz verblendet in sein eigen Verterben / und unsere Neigungen halten sich sodenn wie Eppich an den umbwundenen Stock unauflößlich an / wenn selbter gleich faul und wurmstichig ist / und uns mit ihm unser Fall für Augen schwebt. Ismene seufzete hierüber / und fieng an: Ach! es ist mit mir schon so weit kommen! meine Liebe hat niemals die Kleinigkeit eines Sandkorns / sondern mit ihrer Geburt wie die Gebürge von Erschaffung der Welt an einerley Grösse gehabt; und sie kan so wenig als unser Berg Melibocus mehr wachsen. Was für Unehre würde mir auch nicht zuwachsen / wenn man Ismenen nachredete: daß sie mit ihren Worten / wie die Lufft mit den Blättern spielte? daß ihr Gemüthe wie die Echidnischen Eylande bey Winde hin und her schwermen? daß sie nach so hohen Betheuerungen durch ihre Untreue den vollkommensten Fürsten Zeno so liederlich hinters Licht geführet /und durch ihre Wanckelmuth sich aller hertzlichen Liebe unfähig gemacht hätte? der Feldherr brach ein: diese Gedancken wären alles Kitzelungen der Neuigkeit; welche ihr selbst-geschriebenes Lob an der Stirne trägt / und nicht nur mittelmäßigen Dingen / sondern auch Africanischen Mißgeburten eine falsche Schönheit eindrücket / und stählerne Spinnenweben für fester als Hanfene Schif-Tauen hält. Sie fühle nur was behertzter an ihre Ketten / und entschlage sich eine Zeitlang des Zeno / sie untersuche den Grund meiner bewehrten Einrathung / und gebe den Ausschlag ihrer Entschlüßung nach dem / was ihr aus ein oder der andern Heyrath für gutes oder böses erwachsen kan; so wird sie gewahr werden: daß die Fessel ihr von sich selbst vom Halse fallen werden. Die geschwinden Lieben sind ohne dis nicht so tauerhaft als die langsamen. Die bald Feuer-fangende Spreu verlodert in einem Augenblicke / das kalte Eisen aber wird schwer / bleibt aber lange glüend. Dieses ist der heilsamste Weg sich auch aus einem Felsen-Kerker durchzuarbeiten. Sie erwege dieses nicht nur überhin und einmal / sondern oft und mit gutem Bedacht. Höhlen doch die weder Härte noch Bestand habenden Regentropfen den unter allen Steinen allein im Schmeltz-Ofen nicht zerflüssenden Marmel aus; der beseelte Staub der fühlenden Natur / nemlich die Ameissen lassen auf den dem Stahle widerstrebenden Klippen eine Spur / worüber sie offtmals nach ihrer Nahrung auslauffen. Wie soll nicht die tiefste Einbildung einem vernünftigen Vorsatze nachgeben? Nach erkenntem Irrthume aber ihn verlassen / ist die andere Staffel der Klugheit / an seiner Meinung aber / wie der vielfüßichte Meer-Fisch an den mooßichten Klippen kleben / eine scheltbare Hartneckigkeit; und eine der Gelbesucht gleiche Kranckheit? welche unsere Augen bethöret: daß ihnen alle anders-gefärbte Dinge gelbe seyn müssen. [147] Schämet sich doch das Vorbild der Beständigkeit / und die Richtschnur der allerordentlichsten Dinge nicht ihren Lauf zu verändern /und zuweilen gleichsam zu wancken. Und was wil Ismene viel Wercks über Veränderung einer unbedachten Liebe zu machen? Die Schwäche ihres Geschlechtes entschuldiget ihre Schwachheit. Sintemal die gantze Welt weiß: daß das Frauenzimmer die Sonne in Augen / den Monden im Hertzen hat. Ismene erblaßte hierüber / und versetzte: Ich bin von Kind-auf bemüht gewest / mich dieser Weibischen Gebrechligkeit zu entbrechen / und den Diamantstein mir zu meinem Sinnbilde erkieset / umb mich beyzeiten beständiger Entschlüßungen anzugewöhnen. Diese wird Fürst Catumer zweifelsfrey selbst höher halten / als ein Gemüthe / das wie ein vom Winde geregtes Rohr hin und her fähret. Ich kan mich nicht wol bereden: daß Catumer zu einer Seele grossen Zug haben soll / die von einer andern Liebe schon eingenommen ist / welche aus dem eingenommenen Hertzen schwerer als der Geruch aus einem mit Balsam durchzogenen Gefäße zu bringen ist. Der Feldherr brach ein: Liebe Schwester; sie mache ihr das Werck so schwer / als sie wil; so heischt die Wolfahrt Deutschland: daß es geschehe. Der Schluß ist mit dem Hertzog Arpus gemacht /welcher ohne Zerrüttung der allgemeinen Eintracht /und ohne meinen eusersten Schimpf nicht zernichtet werden kan. Mit einem Worte: sie muß sich des Zeno entschlagen / Catumern / in dessen Liebe sie vergebliche Zweifels-Knoten sucht / heyrathen / wo sie meine liebe Schwester / eine treue Tochter des Vaterlandes seyn / den Haß der Cherusker und Catten / und den Fluch der Nachwelt vermeiden wil. Mit diesen Worten gieng der Feldherr mit Bezeigung eines nicht gemeinen Unmuths aus dem Zimmer / und ließ Ismenen in einer solchen Verwirrung / welche ihr das Kentnüs ihrer selbst benam / und sie anfangs in Raserey und halbe Verzweifelug / hernach aber in die tiefste Traurigkeit versetzte. Als Ismene nun lange in der verschlossensten Einsamkeit ihrem Kummer nachgehangen / und durch desselbten Verschweigung / an statt /daß sie ihn wie das verschlossene Feuer zu erstecken vermeinte / nur mehr erreitzet hatte / brachte doch endlich die mit ihr in höchster Verträuligkeit lebende Gräfin von Bentheim / mit Versprechen die Helffte ihres Betrübnüsses auf sich zu laden / ja mit ihrem Leben ihre Beruhigung zu kauffen: daß ihr Ismene nicht nur ihrer Traurigkeit Ursache / sondern auch alle verzweifelte Entschlüssungen offenbarte / die sie im Schilde führte / und zu vollziehẽ nun gleichsam auf dem Sprunge war. Die Gräfin erkennte sich zwar viel zu ohnmächtig / dis / was die Grossen für gantz Deutschlandes Wolfahrt beschlossen hatten / zu hindern; jedoch muste sie nach Gewonheit erfahrner Aertzte Ismenen ihre Kranckheit geringer machen /als sie war; aber / weil Ismene an der Genesung selbst gäntzlich verzweifelte / ihr scheinbare Hülfs-Mittel fürschlagen. Darunter waren die fürnehmsten diese: Hertzog Jubil wäre in die Ascanische Fürstin Leitholde / Catumer in die Chaucische Fürstin Adelmunde /Malovend in die Catta / Sigismund in Zirolanen verliebt; diese dem entdeckten Schlusse schnurstracks zu widerlauffende Lieben müste man nicht nur unterhalten / sondern durch Beytragung alles nur ersinnlichen Zunders mehr anzustecken bemüht seyn. Hierdurch würde Ismene so viel Gehülffen / als Verliebte wären / beko en / die aus Hintertreibung dieses gewaltsamen Schlusses eine gemeine Sache machen müsten. Die Vollziehung dieses Werckes deuchtete sie auch so schwer nicht zu seyn / weil der Liebe nichts so sehr als Zwang zuwider wäre. Sintemal die sich nach einander so sehr sehnendẽ [148] Seelen entweder selbst aus einem Gestirne entsprossen / oder zum wenigsten die Liebe nichts anders als ein Feuer zweyer Hertzen wäre / welche von den regen Funcken eines Sternes angezündet würden / sich also nicht so leichte von kaltsinnigem Absehen der Staats-Klugheit ausleschen liesse. Ismene hörete der Gräfin Vorschläge mit mehr Begierde als Hoffnung an; warff also ein: Es wäre wohl wahr: daß die natürliche Zuneigung zweyer Seelen die kräfftigste und dauerhaftigste Ursache der Liebe / am meisten aber der Ihrigen wäre. Denn / als ihr Zeno das erste mal wäre ins Auge gefallen / hätte sie gegen ihm einen solchen Zug im Hertzen gefühlet / welchem zu widerstehen sie weder Kräffte noch Vorsatz hätte. Ob sie nun zwar die Lehre und eingebildete Wissenschafft / welche die Menschen der grausamen Bothmässigkeit des Gestirnes unterwirfft / für eine Verläumderin der unschuldigen Sternen / und für eine Betrügerin hielte / welche mit ihrer genauesten Rechnung falsche Schlüsse machte / und zu Verdunkelung ihrer Irrthümer und lügenhaften Wahrsagungen das Licht des Himmels mißbrauchte; so wüste sie doch freylich keine andere Ursache ihrer Regung zu ersinnen / als den Einfluß des Himmels / als welcher in alle Wege der einige Uhrheber aller wahrhaften Vereinbarungen und Ubereinstimmungen wäre. Wie sie denn auch glaubte: daß Gott den Erd-Kreiß in die Rundte eines Eyes desthalben vereinbaret hätte /damit der sie rings umbher beschlüssende Himmel sie nicht nur mit seinen Einflüssen vollkommen durchwürcken / sondern er auch als ein Feind leerer und zertrennter Dinge mit seinen einträchtigen Bewegungen alles / und derogestalt auch gewisse Seelen eben so wohl als Magnet und Eisen und gewisse Gewächse miteinander verknüpfte. Allein es gäbe so viel unächte Ursachen der Liebe / als After-Gestirne und Irr-Lichter in der Welt / welche die Vernunfft verblendeten / das Geblüte entzündeten / und ohne Kräuter oder Gegensprechen die Seelen bezauberten. Unter diesen stellte die Staats-Klugheit und die Herrschsucht zwey gefährliche Circen für / welche erstere aus ihrem Hertzen auch diß / was das Verhängnüß durch die Würckungen des Gestirnes darein gedrückt hätten / auszuleschen bemüht wäre. Die andere aber wäre eben so vermessen als mächtig. Sie erfüllte das Haupt mit kohlschwartzen Dünsten / wischte in den Gemüthern die reinesten Bilder aus / setzte darein falsche Gemählde / und lobete denen Verliebten die schwärtzeste Untreue für einen Streich der tiefsinnigen Klugheit ein. Und da der Hof ja kein Himmel wäre / an welchem unbewegliche Glücks-Sternen stünden / solte ihr die Gräfin doch nicht einbilden: daß der bewegliche Liebes-Stern bey Hofe angenagelt wäre. Die Gräfin von Bentheim aber mühte sich Ismenen alle diese Schwerigkeiten nicht nur auszureden /sondern / weil sie denen Fürsten Jubil / Catumer /Malovend und Siegesmund etwas bessers als eine so fladdernde und seichte Liebe zutraute / both sie sich selbst zum Werkzeuge an zu Ismenens besten zu arbeitẽ. Sie fand auch unschwer Gelegenheit an den ihr ohne diß nicht frembden Hertzog Jubil zu kommen; es fiel ihr auch so viel weniger schwer / ihn auf die gegen der Ascanischen Fürstin geschöpfte Liebe zu leiten; weil er vorher sie mehrmals umb ihm bey Leitholden gut in Worten zu seyn ersucht hatte. Aber die Gräfin hatte ihm die Rechnung ohne den Wirth gemacht / und ihr Anschlag hatte bereit die Uberfahrt versäumt; weil Hertzog Jubil schon dem Priester Libys und folgends dem Feldherrn selbst die Cattische Hertzogin zu heyrathen Mund und Hand gegeben hatte. Wie die Gräfin nun an diese Seite rührte / hörte sie vom Fürsten Jubil diesen unvermutheten Klang: Das Verhängnüß hat uns genöthigt andere Flacken aufzustecken / und der veränderte Wind unsere Segel auf eine [149] andere Seite zu schwencken. Ich bin ein Bräutigam mit der Cattischen Fürstin / und also ist mir verwehrt länger ein Liebhaber der schönen Leitholde zu seyn. Die Gräfin erschrack über dieser Nachricht; iedoch hielt sie für rathsam es für einen Schertz aufzunehmen / und zu melden: Sie glaubte nicht: daß Hertzog Jubil veränderlicher als das Bild der Unbeständigkeit nemlich der Monde seyn würde / weil seit der Zeit sein Gesichte unvermindert gebliebẽ wäre /seit daß er noch von seiner heftigẽ Liebe gegen Leitholden gesagt hätte. Es ist wahr / antwortete Jubil /ich habe sie inniglich geliebt / und ich werde ihr ni ermehr gram werden; weil ich aber nunmehr die Fürstin Catta über alles andere lieben muß / Leitholde aber mehr als eine zertheilte Liebe verdienet / werde ich gezwungen einen Schritt zurück zu thun / umb dieser holdreichen Fürstin Vergnügung nicht im Lichte zu stehen. Hilff Himmel! fing die Gräfin an zu ruffen. Soll ichs für Ernst aufnehmen: daß der tapfere Hertzog der Hermundurer der Ascanischen Fürstin solch Unrecht anfüge? Ist es glaublich: daß er das seiner Wanckelmuth halber fast von iedermann verfluchte Glücke noch an Unbeständigkeit überlauffen wil? Sintemal seit der Zeit seiner noch lodernden Liebe das Glücke weder Leitholden was abgenommen / noch dem Hertzoge Jubil was zugesetzt hat. Höret auf ihr Sterblichen / das Glücke weder durch den süssen Geruch des ihm angezündeten Weyrauchs aufzuhalten /noch seinen Lauff zu hemmen / ihm Steine der Verläumbdung in Weg zu werffen. Denn / wenn auch Fürsten mit ihrer Liebe derogestalt zu spielen für verantwortlich halten / mag man der männlichen Treue die dem Glücke abgeknipfte Flügel anhefften / und sie auf ihre bewegliche Tugend stellen. Hertzog Jubil begegnete der Gräfin: Jede Gemüths-Veränderung verdienet so wenig den Nahmen der Untreue / als die Abwechselung des Gewitters den Fluch der Ackersleute. Nach den Maaßgebungen der Vernunfft die Farbe ändern ist mehr ein Werck der Klugheit / als der Leichtsinnigkeit; und die Fähigkeit der Verwandelung ist in natürlichen Dingen meist ein Merckmal ihrer Vollkommenheit. Die weisse Farbe / welche Himmel und Gestirne ihnen als die fürtrefflichste zueignen / wormit das Meer in seinen Perlen / die Erde in ihren schönsten Blumen prangt / ist allein geschickt alle andere Farben anzunehmen. Das unentbehrliche Wasser kan allein mit dem Geschmacke aller Gewächse und Würtzen angemacht werden; ja nichts ist veränderlicher / als das Antlitz des Himmels; und nichts weniger hartnäckicht / als ein aufgeräumter Geist. Die Gräfin brach ein: Ich bin zu wenig alle Veränderung schlechter dings zu schelten / sonderlich in der Liebe /welche ohne Veränderung der Gemüther nicht gebohren werden kan. Ja ich lobe vielmehr die Veränderung / wenn sie erhebliche Ursache zum Grunde / und nicht heftige Ubereilung / sondern behutsame Langsamkeit zu ihrem Wegweiser hat. Was aber hat denn der Hertzog für erhebliche Ursache Leitholden zu verstossen /und die Fürstin Catta zu erwehlen? Ich erinnere mich seiner Betheuerungen: daß Leitholde die schönste Fürstin der Welt wäre. Da nun in der Schönheit die Vollkommenheit der Natur und der Kunst bestehet; und beyde umb diesen Zweck zu finden sich mühen und schwitzen; da die Schönheit der Ursprung der Liebe ist / bin ich begierig zu vernehmen: Ob entweder Leitholde ihr schön Antlitz verlohren / oder die Schönheit an ihr selbst / wie die Trachten ein ander Maaß bekommen / und daher die gestern ungestaltere Catta heute schöner als Leitholde worden sey? Hertzog Jubil fing an: Es ist diß letztere nichts ungemeines noch wunderns werth: daß unsere Augen von einerley Gestalt zweyerley Urtheil fällen; sintemal auch so gar die Sonne uns einmal schöner zu seyn deuchtet / als das andere mal; und dem weisen Anaxagoras ko t der sonst iedermann weiß scheinende Schnee[150] schwartz / und einem andern die leichte Lufft so schwer als die Erde für. Ja kein Ding in der Welt scheinet mehr in der blossen Einbildung zu bestehen /als die Schönheit. Denn da sie ein gewisses Wesen hat / kan / was in Mohrenland schön ist / in Deutschland nicht heßlich seyn. So aber ist fast kein Volck mit dem andern hierüber einerley Meynung. Wo die Sonne den Einwohnern auf den Wirbel scheinet / und sie schwärtzet / sind die schönsten / welche den Kohlen am ähnlichsten sind / und bey der schneeichten Nord-Spitze für höllische Geister würden angesehen werden. Gleich als wenn der der Sonnen nechste Welt-Strich ein Aufenthalt rauchichter Gespenster /und kein Antlitz / das dem Eben-Holtze nachgäbe /liebens-werth wäre. Ja sie wissen von keiner andern Schmincke / als dem sie noch mehr schwärtzenden Oele / darmit sie ihre Leiber einschmieren umb die Kohlen und Tinte zu beschämen. In Hispanien wird die Oliven-Farbe / in Egypten die dem alten Helffenbein gleichende Aehnligkeit / in Persien die Schwartzbräunligkeit für das schönste gehalten. Unsere Deutschen aber halten in der Haut eben die Wahl / die man im Mehle und Perlen hält / nemlich die weissesten für die besten. Bey denen Seren sind kleine Füsse und kleine Nasen / bey denen Indianern die breiten / bey den Griechen die länglichten Antlitze / in Persien die dicken / in Europa die schmalen Augenbrauen / in Africa groß aufgeschwollene Lippen / in Egypten grosse Brüste / bey den Galliern und Albaniern blaue / bey den Asiaten schwartze / bey den Scythen kleine Augen / sonst aber ins gemein grosse Augen die vollkommensten Schönheiten; ja es hat ein abergläubischer Verführer ihm aus der grossen Augen eingebildeter Vollkommenheit träumen lassen: daß die Einwohner des Himmels und der Gestirne mit grössern Augen / als die Straussen-Eyer wären / prangeten. Im Mohrenlande sind die weissen / auf dem Eylande Jamboli die schwärtzesten / in dem güldenen Chersonesus die rothen Zähne / welche man durch Käuung des Bethel-Krautes mit Fleiß also färbte / die beliebtesten. Gleich als wolten sie mit den Pferden eine gemeine Schönheit besitzen / derer Zähne in der Jugend gelbe sind / im Alter weiß werden. Ja über dem Flusse Ganges läßt ihm das Frauenzimmer entweder die Zähne vergolden / oder die vier fördersten gar ausbrechen / und entweder göldene oder diamantene hinein setzen. Alleine die unterschiedenen Völcker sind nicht nur / sondern wir Deutschen selbst gantz widriger Meynung. Hertzog Herrmann hält die weisse und blau-äugichte Thußnelda / sein eigener Bruder Flavius nunmehr die braune und schwartz-äugichte Erato für die schönste der Welt. Das Frauenzimmer in Italien mühet sich seine Haare mit Lauge und Kräutern gelbe zu beitzen; das Römische bezahlet die röthlichen Haare der Deutschen umb so viel wiegendes Gold / umb mit dieser frembden Zierrath die kahlen Schläfe oder die Raben-Haare zu verdecken; die Syrischen streuen sie zu dem Ende mit Gold-die Gallier mit weissem Mooß-Staube ein; umb der ehrwürdigen Alten greise Haare noch bey frischen Jahren zu tragen; gleich als wenn die Zeit das beschwerliche Alter dem menschlichen Geschlechte nicht zeitlich genung über den Hals brächte. Andere schwüren / die Kasten-braunen Haare wären die schönsten. Zu Rom hält man dem Käyser zu Liebe die zusammen-gehenden und keine Mittelscheidung habenden Augenbrauen für was sonderbares. Dahero könte mir die Gräfin auch schwerlich so gar übel auslegen / wenn meine Einbildung die braune Catta der schneeweissen Leitholde vorzüge; wiewohl ich die Schönheit dieser Fürstin noch so hoch / als einen Stern ohne Fleck halte; ungeachtet auch diese mehrmals den Blumen ähnlich ist / welche eine purper-und güldene Gestalt haben / aber heßlich nach dem Bocke stincken. Welch [151] Unrecht thut ein so kluger Fürst / versetzte die Gräfin / der unschätzbaren Schönheit an: daß er sie kein wesentliches Gut / sondern für einen geringen Schatten der Gedancken / und für einen blinden Abgott thörichter Einbildung hält; daß ein Hertzog von so hohem Stamme dieser edlen Fürstin einen so unwürdigen / nemlich einen den eitelen Träumen und Gespenstern eigenen Ursprung zueignet. Denn ob sie zwar eine Beherrscherin über unsere Gedancken / und also über unsere im dencken eigentlich bestehende Seele ist; ob sie gleich unsere Hertzen reget und entzündet; hat sie doch eben so wohl / als die alles irrdische durchdringende Gestirne / ausser unserer Einbildung ihr Wesen uñ Grundfeste. Die Einbildung blendet ja zuweilen wohl unsere Augen / und tastet unser Gemüthe an; sie stellt durch Hülffe der Finsternüß und der Ferne uns einen Irrwisch für einen Stern für; aber wenig Zeit uñ Licht entladet uns bald solches Irrthums; die Schönheit aber hat eine so kräfftige und beständige Würckung in unsern Augen und Seelen / als die Sonne in der Welt. Allen andern Sinnen hat die Natur einen wahrhaften und wesentlichen Gegen-Satz geschaffen; warumb solte denn der geistigste unter allen / nemlich das Sehen sich allein mit Träumen und Gespenstern ergetzen / und mit einem eingebildeten Undinge armen? So zweifele ich auch: daß der scharffsichtige Hertzog Jubil die abscheuliche Heßligkeit auch nur für ein geträumtes Nichts / und für einen eitelen Wahn halten werde / wenn die Vorwelt Thorsiten nicht für so wol gemacht / als Achillen / den Esopus Alcibiaden gantz ungleiche / die einäugichten Cyclopen der weissen Galathea / die rauchen und Bock-füssichten Wald-Götter und halb-pferdichten Centauren für Miß-Geburten der Natur gegen der unvergleichlichen Helena angesehen hat. Da nun die Häßligkeit einen wesentlichen Grund hat / warumb soll die Schönheit ein Diamant mit einer falschen Folge seyn? Warlich! Gott /welcher der Bruñ der Schönheit / ja die vollkommenste Schönheit ist / dessen Schatten und Nach-Gemählde alle andere Schönheiten sind / würde in unsere Hertzen keine so lebhafte und allgemeine Regung /der Schönheit aber keinen so kräfftigen Zug uns an sich zu locken eingepflantzt haben; ja wir müsten alle mit sehenden Augen blind seyn / wenn diese eine so geringe Schein-Waare wäre. Eintzele Menschen können fehlen / nicht alle; die weltweisen Lehrer sind irrigen Lehren unterworffen / nicht die Natur. Das Erkäntnüß der Schönheit aber lernen wir in keinen Schulen / aus keinen Büchern / sondern es wird unsern Augen und Hertzen angebohren. Die Kinder / so bald sie die Augen aufthun / greiffen nach Gold und Edelgesteinen / und werffen greuliche Tocken weg. Das unterschiedene Urtheil oder die Wahl der Menschen kan dem Wesen der Schönheit auch das minste benehmen. Jedes Volck hat seine gewisse Eigenschaften / wie seine besondere und den Nachbarn unverständliche Sprache. Giebt es doch Menschen / welche Eicheln essen / und Granat-Aepfel verschmähen /denen eine stinckende Muschel oder faule Auster besser als Fasanen und eingeamberte Gallerten schmeckt. Ja der Uberfluß macht: daß uns heute für der gestern seltzamen Speise eckelt / nach der wir die Finger leckten. Wie viel leben ihrer noch heute / welche des Marsyas Schilff-Pfeiffe für des Apollo Leyer den Preiß geben würden. Jener Schäfer hielt Verona für schöner / als Rom. Unsere Küh- und Ziegen-Hirten auf dem Berge Melibocus leben vergnügter als die Edlen am Käyserlichen Hofe. Wie wenig wissen eine vom Apelles oder einem Pfuscher gemahlte Taffel zu unterscheiden / und Zevxes muß aus Verdruß seinem Lehrlinge Miccius anbefehlen seine weibliche Hippocentaur einzuhüllen / weil alle Anschauer sich nur über der neuen Erfindung / nicht einer aus tausenden aber sich über der Kunst des Gemähldes verwunderten. [152] Ja der Aberglaube hat sich in die Häßligkeit so sehr vergafft: daß er dem Göttlichen Wesen Hüllen rauher Steine / und Baumrinden umbgegeben / und seinen alle Sternen beschämenden Glantz unter Schalen / Haar und Hörner wilder Thiere verstecket hat. Dieser Irrthum aber giebt dem Fürsten Jubil keinen Vorwand / weniger einigen Schirm / welcher die Schönheit allzu wol kennet / weil sie mit ihm selbst eine so nahe Verwandnüs hat; und dessen scharffes Auge nicht nur die Fürstin Leitholde für der Catta zu unterscheiden / sondern aus allen Schönheiten der Welt die vollkommenste auszulesen weiß. Daher lasse ich mich nicht bereden: daß Jubil an der Fürstin Catta was schöners als an der mit so grosser Vorsicht erkieseten Leitholde finde. Da sein Vortrag nicht mehr meine Versuch- als seine Entschlüssung ist / muß ein ander Geheimnüs darunter verborgen seyn. Denn ich kenne den Fürsten Jubil so wol / als Leitholden. Sein Gemüthe ist so gesetzt / seine Treue stehet auf so festem Fusse: daß beydes kein leichter Wind wanckend machen kan. Seine Vernunft / welche sonst die Liebenden am ersten verlieren / verstehet allzu wol: daß einem Helden-Gemüthe die Unbeständigkeit so unanständig ist / als nach der gemeinen Meinung / die Bewegung der Erdkugel natürlich. Argwohn und Mißtrauen kan auch hier nicht die erste Bewegungs-Ursache seyn. Deñ diese werden nur in kalten und wenig Liebe hegenden Hertzen / wie die Donnerkeile in der dritten Gegend der kältesten Lufft gezeugt. Ihr Hertze nähret mehr Tugend als Geblüte / ihre Seele hegt eine so zarte Empfindligkeit: daß sie durch nichts unanständiges / weniger durch einige Beleidigung sich seiner Liebe unwehrt gemacht haben kan. Woher rührt denn nun seine Veränderung? Mit was wil er ihr einen so unerträglichen Verlust erstatten / ohne welche Ergäntzung Hertzog Jubil nicht wenig von seiner Ruh und Ruhme einbißen muß. Mit diesen Worten rührte die Gräfin ihm so sehr das Hertze: daß er etliche der tiefsten Seufzer nicht verschlucken konte / und nach einem gezwungenen Stillschweigen heraus brach: Ach! warumb rühret sie so unbarmhertzig meine von sich selbst schon blutende Wunden an? Warumb versaltzet sie mir meine neue Glückseeligkeit mit einer solchen Schärffe: daß ich mich sehnen muß unglücklich zu seyn? Es ist wahr: daß Leitholde umb die Erde zu bereichern dem Himmel gleichsam alle Schönheit wie Prometheus das Feuer entwendet hat. Aber ach! ist ihr unverborgen: daß das Verhängnüs keine schwächere Bothmäßigkeit über unsere Liebe / als über unser Glück habe? Weiß sie nicht: daß das Gute das erste / die Schönheit aber erst das andere Augen-Ziel der Liebe / dis aber das beste unserer Güter sey /was uns am anständigsten ist. In der Zusammenschickung bestehet die Seele eines jeden Gutes; nicht an seiner besondern Köstligkeit. Die Natur treibt den Stahl nicht in die Gold-Adern; der Mah wächst auf keinem Rosenstocke / keine Mispel auf Dattel-Bäumen; ungeachtet diese viel edlere Quellen sind / als jene vonnöthen habẽ. Sondern die Vereinbarung heischt eine gleiche Verwandschafft. Das Wasser vermenget sich am leichtsten mit dem Wasser / das Feuer mit Feuer / und der nach des Epicurus Meinung alle Dinge ausmachende Sonnenstaub vereinbaret sich nur mit seines Gleichen / der Rundte mit dem Rundten; der Höckrichte mit dem Höckrichten. Ja wie jeder Kreiß nur einen einigen Mittelpunct hat / also hat jeder Sinn und ihre Seele in ihrer Regung auch ihre umschränckte Gräntzen. Das schärfste Gehöre / der beste Geschmack ist gegen die seltzamsten Schönheiten unempfindlich / auf welche die Augen als ein Blitz fallen. Also muß ich leider! Nur gedencken: daß mein Hertz entweder keine würdige Ader hat / worein die unvergleichliche Fürstin Leitholde ihre Liebe einflössen dörffe; [153] oder daß mein Unstern des Glückes mich nunmehr in einen solchen Kreiß verdrungen habe / darein auch ihre kräftigste Einflüsse kein Vermögen zu würcken haben. Die Gräfin antwortete: der Fürst verwirret mich mehr durch diese unverständliche Rätzel / als er meine Unwissenheit unterrichtet /und meinen Kummer erleichtert. Zeit und Abwesenheit sind ja wol mächtig eine laue oder seichte-gewürtzelte Liebe nach und nach verrauchen zu lassen; aber das Verhängnüs hat über die in unserm Gemüthe wohnende Göttligkeit weniger Gewalt eine lodernde Neigung / als die umb die brennenden Berge schäumenden Meer-Wellen das unterirrdische Feuer auszuleschen. Niemand hat auch über den Hertzog Jubil einige Bothmäßigkeit außer GOtt; dessen Regung seine erste Liebe selbst angezündet hat. Diesemnach auch ihm schwerlich ein einig ander Gut / als Leitholdens Schönheit anständiger seyn kan; welche / nach dem sie ihn einmal schon so beweglich gezogen hat / eben so wenig als der Magnet seinen allezeit dauernden Zug zum Angelsterne ablegen kan. Ist die Güte die Frucht der Dinge / so ist die Schönheit zum minsten die Blüte davon; und derogestalt Güte und Schönheit zwey Liebens-würdige Geschwister und Töchter der Natur von einerley Adel. Ja die Schönheit hat noch mehr Licht / Pracht und Thätigkeit als die Güte; welche den Liebhabern nicht so geschwinde unter Augen leuchtet / sondern oft aus den besten Sachen / wie heilsame Kerne aus harten Schalen / mit Kunst oder Gewalt hervor gesucht werden muß. Sie hat desthalben auch so viel mehr und andächtigere Verehrer. Der innerlichen Güte zündet nur die Hand der Weisen /der Schönheit aber das gantze menschliche Geschlechte Weyrauch an. Man betet sie so wol in den Hölen der Einsiedler / als in Königlichen Pallästen an; der karge Reiche macht sich nicht nur ihr zu Liebe zum Verschwender; sondern es ist auch niemand so arm / der ihr nicht gerne sein euserstes / nemlich die Seele wiedme. Weil nun Hertzog Jubil der unvergleichlichen Fürstin Leitholde die Güte der Schönheit / die Freyheit seiner niemanden zu Gebote stehenden Willkühr zugesteht / möchte ich ja gerne die Hindernüs ergründen / welche das / was Natur und Himmel billiget / ungeschickt / oder unanständig machen kan; welches ich für unmöglicher halte / als dem Feuer seine Leichtigkeit / dem Bleye seine Schwerde zu benehmen. Grausame Rechtfertigerin! versetzte Hertzog Jubil. Ihre Scharfsichtigkeit verwandelt sich in einen Wütterich / wenn sie den / den sie fallen sieht / noch durch abgezwungenes Bekäntnüs seiner Schwachheit eine Schamröthe abjagt. Ich gebe mich gefangen: daß ich die Fürstin Leitholde zu verlassen weder Recht noch Hertze genung habe. Aber wie der mehr als ein Mensch ist / dessen Hertze nicht seinen Augen Beyfall giebt / bey Erblickung der Schönheit; also ist der nichts weniger als ein Fürst / dessen vernünftiges Hertze nicht die sich vergehenden Augen zurück halten kan. Sie erwege: daß ich des Bojischen Königs /des grösten Fürsten in Deutschland Sohn / nunmehr aber bey nahe ein Herr ohne Land bin. Fürsten aber sonder Herrschafft sind was weniger als Leiber ohne Seele. Denn diese würdiget das Mitleiden auch frembder Leute der Beerdigung / jener aber spottet der Feind / die Nachbarn treten ihnen auf den Fuß / und der Pöfel spielet mit ihnen / wie die Hasen mit todten Löwen. Trauet nun wol Leilholde bey einem so ohnmächtigen Fürsten ihre Vergnügung zu finden; sintemal doch die Liebe der Fürsten nirgends als in einem Purpur-Bette sanfter Ruh genüßen kan. Denn diese verlanget zwar die Ergetzligkeit zum Unter- / aber das Glücke zum Deckbette / und die Würde zum Hauptküssen. Kan mir bey solcher Beschaffenheit jemand vernünftiges verargen / wenn ich nach Eigenschafft des schwachen Epheu an dem Cattischen Stammbaume einen Pfeiler [154] zu meiner Emporkli ung suche /ohne welchen mächtigen Hauses Beystand ich mir nimmermehr träumen lassen darf die Bojische Krone auf meinem Haupte / den Vater-Mörder Marbod unter meinen Füssen zu schauen. Die Gräfin brach ein: So höre ich wol: Hertzog Jubil liebe nicht so wol die vollkommene Fürstin Leitholde / als seinen Vortheil; welcher Abgott freylich die meisten Hertzen zu seinen Anbetern hat / und fast aus allen Händen der Welt angezündeten Weyrauch kriegt. Alleine die wahre und unverfälschte Liebe ist viel zu hochmüthig: daß sie für einem so niedrigen Absehen sich groß zu machen ihre Knie beugen solte / und sie würde sich lieber in Koth treten lassen / als sich mit dieser eitelen Abgötterey besudeln. Ihre einmal erkiesete Buhlschafft ist ihr Schatz und ihr Königreich; Eine tugendhaffte Seele gilt bey ihr mehr als alle güldene Berge der Welt / und das Besitzthum eines treuen Hertzens vergnüget sie mehr / als hundert Kronen auf dem Haupte. Dieses hält die Liebe für ihre Ehre und ihre Wollust /welcher sie die gantze Welt / und ihr eigenes Blut willig aufopfert; ja dem Tode lieber in die Armen rennt / als das Geliebte aus seinem Hertzen läßt. Hertzog Jubil versetzte: Ach! ich Unglücklicher! gleichet man meine Liebe falschem Golde / welches nicht den Stich hält? Machet man meine Liebe zu einer Larve /welche auswendig nur scheinbaren Firns der Heucheley / aber keinen Grund der Treue habe? Meine liebe Gräfin; sie spannet den Bogen der Liebe zu hoch. Sie wil auf der Erden keine Menschen / sondern Götter /kein irrdisches Feuer / sondern eitel reine Glut der Sternen haben. Sie glaube mir aber: daß ob wol die aus Liebe geschehene Verachtung der Zepter mehr ein süßes Getichte der Vorwelt ist / als einige wahrhaffte Beyspiel hat / ich doch meine Ehrsucht zu überwinden und umb Leitholden zu besitzen mich eines Königreiches zu enteusern mächtig seyn würde. Alleine das Gedächtnüs meines enthaupteten Vaters / ein einiger auf den Ertz-Mörder Marbod fallender Blick / der Glantz seines unmäßigen Glückes schläget in meinem Hertzen wie ein Donnerstrahl alle andere aufsteigende Gemüths-Regungen zu Bodem. Der Geist meines erblichenen Vaters schwebet mir Tag und Nacht für Augen / und ruffet mir unaufhörlich in die Ohren: daß GOtt / welcher doch die Rache als ein für die Menschen allzu süsses Ding ihm alleine vorbehalten hätte / mir durch die Finger zu sehen erbötig wäre / ja an Marbods gerechter Straffe selbst Lust schöpfen würde / wenn ich mich auch der geringsten Wieder-Vergeltung anzumaßen so viel Hertze / als Recht hätte. Sie wundere sich aber nicht über diesem Gesichte. Hat doch ein jeder Tropfen unschuldig-vergossenen Blutes eine Zunge / welche umb Rache ein so grosses Geschrey hält: daß es von der Erde durch die Wolcken /wie der Donner aus den Wolcken bis zur Erde dringt. Umb die Rache ermordeter Fürsten aber ist der Himmel selbst derogestalt bekümmert: daß er die von den Mördern verwürckte Straffe auf derselben Häupter abweltzet; welche es zu rächen vermögen / aber vergessen. Dieser Kummer ist die Ursache meiner gezwungenen Entschlüßung / welcher mir so lange das Hertz fressen wird / so lange ich dem Fürsten-Mörder seines nicht gefressen sehe. Weil ich aber weiß: daß die guthertzige Fürstin Leitholde mich auf eine andere als gemeine Art liebet / die Gräfin aber mehr Verstand besitzet / als ihr Geschlechte sonst zu haben gewohnet ist oder nöthig hat; beruhet es in ihrer Hand der Ascanischen Fürstin Gemüthe nicht nur zu besänften / sondern auch mir bey ihr die eigenbewegliche Billigung meiner neuen Liebe zuwege zu bringen / und mich / wo nicht in ihrer Liebe / doch in ihrer Freundschafft zu erhalten. Die Gräfin lächelte / und begegnete ihm: Ich höre wol / weil die Staats-Klugheit an keine Gesätze der Gerechtigkeit gebunden zu seyn meinet / daß Hertzog Jubil bey [155] Ersehung seines Vortheils sie eben so wenig mit einigem Bande der Liebe fässeln zu lassen gedulden wil. Mir ist leider! auch allzu wol bewust / und das Fürstliche Frauenzimmer / welches hieriñen viel unglücklicher als der Pöfel ist / hat es mit bitteren Thränen zu beweinen Ursache: daß die Staats-Klugheit der meisten Heyrathen Kuplerin / aber auch die Verfälscherin der reinesten Liebe / und das giftigste Scheidewasser der verknüpftesten Hertzen sey. Weil aber der Hi el nichts minder der Urheber keuscher Flammen / als ein Behaltnüs der unausleschlichen Lichter ist; machet er insgemein durch solche Staats-Streiche als durch eine falsche Rechnung einen Strich. Das Verhängnüs /welches ihm durch irrdischẽ Vorsichtigkeit sein Absehen nicht absehen / weniger hindern lassen wil / verblendet der allerweisesten Rathschläge / schläget durch die unvermuthesten Zufälle unseren gewissesten Anschlägen ein Bein unter / solte es auch gleich den ordentlichen Lauff der Natur umbzudrehen gezwungen werden. Alleine / wenn auch gleich die Göttliche Versehung niemals in unsere Beginnen die Hand einschlüge / meinet Hertzog Jubil durch Heyrathung der Fürstin Catta sich gewiß versichert: daß die Catten ihm zu Liebe den Degen wider den mächtigen König Marbod / für welchem Rom selber zittert / zücken werden? Weiß er nicht: daß die von der Staats-Klugheit ausgeheckte Liebe Schlangen-Eyer heckt / welche zwar die Farbe der Tauben-Eyer / inwendig aber giftige Würmer haben. Ihre Liebes-Früchte sind wie die Aepfel von Sodom euserlich Gold und Purper / inwendig aber stinckende Asche. Sie sind auswendig mit Zucker übergläsete Pomerantzen / ihr Safft aber ist Gifft und Galle. Ich bin nicht gäntzlich in Abrede: daß die Staats-Heyrathen dem gemeinen Wesen zum besten etlicher maßen Mittel sind mit Ehren aus einem unanständigen Kriege zu kommen / und einen Frieden zu versiegeln; daß kluge Gemahlinnen die Eyversucht oder Krieges-Lust ihres Gemahls gegen ihr Väterliches Haus zu sänftigen vermögen / daß sie unter sich mit einander wolverstehenden Geschlechtern ein desto kräfftigers Freundschaffts-Band abgeben. Maßen denn die oftere Hin- und Wieder-Verehligung das Cheruskische und Cimbrische Haus etliche hundert Jahr so feste mit einander vereiniget hat: daß keine Staats-Räncke der Nachbarn sie jemals zu trennen versucht / weniger vermocht haben. Allein es ist auf ihren scheinbaren Grund auch in diesen Absehen wenig beständiges / am wenigsten aber auf die Tauer was sicheres zu bauen. Denn wenn das Feuer der Rache / der Ehrsucht / des Eigennutzes / des Mißtrauens den geringsten Zunder sich anzuglimmen erreichet / zerschmeltzet der Grund nemlich die vermeinte Liebe wie das vorhin geladene Wagen-tragende Eiß von der Sonne und den warmen Dünsten der Erde im Mertzen. Solche Heyrathen leschen die alten Neigungen in den Hertzen der Herrscher nicht aus / sondern sie überfirnßen sie nur; gleich als wenn sie ein Vorrecht hätten aus ehlicher Liebe ihrem Gutbedüncken eine Gramschafft zu machen. Der Hertzog sehe sich ein wenig in unser Nachbarschafft umb / oder in die Vorwelt zurücke. Hat nicht der Vasconer- und der Varduler König durch Ehlichung der Cantabrischen Fürstin und dem darbey auf dem Pyreneischen Gebürge beschwornen Frieden nicht nur seinen alten Haß und Herrschsucht vermäntelt / sondern auch wegen ihrer Erstgeburt / auf etliche Landschafften / welche den Nahmen des Europeischen Indiens verdienen /oder in Hofnung: daß der einige männliche Erbe nicht lebhaft seyn würde / auf alle seine Reiche ein Erb-Recht zu erlangen angezielet; gleichwol aber durch Erkiesung anderer Cammer-Mägde / und Entführung frembder Ehweiber seinem eigenen Antlitze die Larve abgezogen / und durch Entmummung sich verrathen: daß Arglist [156] und Herrsucht unter dem Schein der Liebe seine Heyrath beschlossen habe? Der Sitoner Hertzog hätte mit Verlobung seiner Schwester der Svioner König sicher gemacht: daß seine und seiner Bunds- Genossen Krieges-Rüstung nicht wider ihn und zu Ergäntzung des alten Verlustes angesehen wären. Der glückseeligen Eylande Beherrscher hat zwar dem Hibernischen Könige seine aber vorher unfruchtbar gemachte Tochter vermählet; damit ihre Kinder mit der Zeit an sein Königreich keinen Anspruch machen könten. Ja ein Gothischer König legte lieber seine Gemahlin einem seiner Edelleute bey / als er die Schande seines Unvermögens die Welt wissen / seiner Schwester Söhne aber seine Herrschaft überkommen lassen wolte. Zu geschweigen: daß solche seichte Staats-Liebe nicht nur so bald als ein nie recht angezündetes Licht von einem kleinen Winde ausgeweht / sondern in Verdruß / Eyversucht und bittern Haß verwandelt wird. Uberdis zeiget GOtt selbst meistentheils durch verhängte Unfruchtbarkeit sein Mißfallen an solchen Blendungen der Liebe; wie der Sarmatische König Cimaris / und der auf den glücklichen Eylanden Rodipe unglücklich erfahren / derer jener seines verstorbenen / dieser aber seines noch lebenden Bruders Gemahlin aus solchen Staats-Gründen ihm vermählte. Am allerwenigsten aber hat ein unglücklicher Fürst sich auf seines Schwehers oder Schwagers Hülffe zu verlassen. Deñ ein Unglücklicher hat keine Freunde /und die Barmhertzigkeit ist ein grosser Gebrechen eines Fürsten. Dessen Hertzogs Jubils Vater König Britton ihm selbst ein trauriges Beyspiel gäbe / für den seiner Gemahlin Bruder nie ein Pferd gesattelt /sondern dem Bojischen Untergange als einem über Meer brennendem Feuer zugeschaut / sein Sohn aber dem Hertzog Jubil selbst in seinem Lande den Auffenthalt verweigert hätte / umb mit dem erschrecklichen Marbod nicht zu zerfallen. Hertzog Jubiln rieß nunmehr die Gedult aus / der Gräfin länger zuzuhören / zweifelsfrey weil sie ihm gar zu nahe an das empfindlichste seines Hertzens kam. Er fieng dahero seufzende an: Höret auf mich zu quälen / und mein ohne dis unruhiges Hertze in einen innerlichen Krieg zu versetzen. Es ist wahr: daß die Staats-Heyrathen nicht allezeit gerathen und ihres Zwecks fehlen. Alleine wie viel tausend andere mißlingen auch / und zerflüssen in nichts wie ausgegossenes Wasser / welches die allerheftigste Liebe zusammen geschmeltzet hat. Die Sonne selbst ist nicht ohne Flecken / und gebieret nicht nur Würmer auf Erden / Geschmeiße in der Lufft/ Kröten in den Wolcken / sondern auch Schwantz-Sterne im Himmel. Der für der Saate von der Spreu gereinigte Weitzen wächst doch niemals ohne Spreu; und die Liebe / ja die Gestirne selbst haben ihren Rauch wie ander Feuer. Die nechste Bluts-Freundschafft ist zuweilen ein Zunder der Todfeindschafft / und kein Haß brennet grausamer / als welcher von den gedämpften Kohlen der Liebe sich ansteckt. Solte man destwegen dieses heilige Band der Natur als unnütze oder gar als schädlich schelten. Eben so wenig sind die Ehen zu verdammen / welche mehr die Liebe des Volckes / welches der Fürsten fürnehmste Gemahlin ist / als die bloße Selbst-Liebe geschlossen. Die Dienstbarkeit meiner weyland herrschenden Bojen gehet mir zu Hertzen / und ich wäre nicht würdig ihres Geblütes / weniger ihr Fürst zu seyn / wenn ich einiges Mittel sie in vorige Freyheit und Ansehen zu setzen / oder sie nebst denẽ Hermundurern vollends von ihrer gäntzlichen Ausrottung zu erretten vernachläßigt. Deñ wer schon / wie Marbod / so viel Menschen-Blut gekostet / dürstet nach mehrerm so lange / bis ihm sein eigenes entgeht. Es sey aber mit den Staats-Heyrathen beschaffen wie es wolle / so ist meine Verlobung mit der Cattischen Fürstin eine schon geschehene Sache / darzu man alles gute reden soll / weil nur künftige Dinge der [157] Berathung unterworffen sind; Leitholde selbst Vernunfft genung zu meiner Schwachheit ein Auge zuzudrücken / und Hertzhaftigkeit sich selbst zu überwinden. Sie versichere diese himmlische Seele auch: daß weil ich nicht so glückseelig seyn kan / sie als meine Gemahlin zu lieben / ich sie nimmermehr als meinen Abgott zu verehren unterlassen werde. Hertzog Jubil wendete sich / und gieng hiermit von der Gräfin weg / wormit sie der aus seinen Augen schüßenden Wehmuths-Thränen nicht gewahr werden möchte. Die Gräfin aber / ehe sie der Fürstin Leitholde ihre Verrichtung beybrachte / verfügte sich zum Fürsten Adgandester /und erzehlte ihm den zwischen dem Fürsten Catumer und Ismenen vom Feldherrn gemachten Heyraths-Schluß; weil sie wol wuste: daß Adgandester auf die Fürstin Ismene fürlängst ein Auge gehabt hatte. Wie behutsam sonst dieser Fürst hinter dem Berge zu halten / und sein Gemüthe zu verschlüßen wuste / so verrieth er doch seine heftige Regungen durch eine solche Ungebehrdung: daß die Gräfin meinte: er solte von Sinnen kommen. Die Gräfin erschrack hierüber nicht wenig / und bereute ihre unbedachtsame Entdeckung dieser beschlossenen Eh / welche sie itzt erst für ein grosses Geheimnüs zu halten anfieng / nach dem Adgandester / den man wegen grosser Verträuligkeit insgemein des Feldherrn Unterhemde hieß / hiervon noch nichts wuste. Daher bemühte sie sich ihn zu besänftigen / und ihm einzuhalten / sie wunderte sich: daß ein so kluger Fürst in seiner Seele eine andere Frau als die Vernunft gebieten liesse. Sie sähe nunmehr / daß die Fürstin Ismene desselbten Abgott wäre / welchen zeither seiner rühmlichen Thaten halber gantz Deutschland für einen Abgott gehalten hätte. Am seltzamsten aber wäre ihr: daß Adgandester sein Hertze von der Liebe einer so ohnmächtigen Regung aufschwellen liesse / welcher Feuer selten Asche machte / und ihre Verletzung niemals bis aufs Leben dringte. Diese Regung stünde niemanden übler an / als einem so grossen Staatsmanne / der von keiner andern Buhlschafft als seiner Ehre wissen / und seine Gedancken nur mit der gemeinen Wolfahrt vermählen solte. Sie irret / antwortete Adgandester / wenn sie meine Ungedult einer thörichten Liebe zuschreibet; welche ihrer Blindheit halber gar recht mit verbundenen Augen gemahlet wird. Ich eyvere umb Ismenen so wenig ihrer Schönheit halber / als jene neidischen Buhler / welche ihre Buhlschafft in Stücke zerrissen / und unter einander theilten. Meine Ehre / welches sie selbst für mein fürnehmstes Augenmerck hält / ist durch anderwärtige Verlobung Ismenens beleidiget; die ich nicht mehr als eine Tochter des Feldherrn Segimers / und als eine Schwester des grossen Feldherrn zu lieben / als Herrmann sie mir zu vermählen Ursache hat. Denn weiß sie jemanden in Deutschland / dem meine grosse Dienste unbewust sind? Habe ich nicht den angebohrnen Haß meines Hauses gleichsam mit meiner ersten aus Mutterleibe gebrachten Haut abgelegt; und durch meine Treue mich mehr / als wenn ich darinnen gebohren wäre / in das Cheruskische eingepfropfft? Wie viel mal habe ich mein Leben für Herrmanns in die Schantze gesetzt / welcher ohne mich weder dis / noch die Feldhauptmannschafft / noch Thusnelden besitzen würde. Aber / einfältiger Adgandester / hast du bey Verspritzung deines Blutes / bey Verschwendung so vielen Schweisses / bey Feilbietung deines Lebens nie daran gedacht: daß kleine Wolthaten Freunde / grosse aber Feinde machen? daß kein strafbarer Laster sey /als einen mit seinen Verdiensten bebürden / und keine giftigere Todfeindschafft als derer / welche sich empfangener und unvergoltener Wolthaten schämen müssen? Hast du noch nicht gelernet: daß wie die neidischen Spinnen die etwas bessers spinnenden Seiden-Würmer tödten / also die schli sten Hofheuchler die getreuesten [158] Werckzeuge des gemeinen Heiles durch ihre Vergällung schwartz und verhaßt machen? Unglücklicher Adgandester! kanst du dir nunmehr was anders / als deine gäntzliche Verstossung vorbilden /nachdem Ismene einem Fürsten versprochen wird /welcher an Geblüte nicht besser / an Verdiensten gegen den Feldherrn viel geringer / als du / und an aufrichtiger Freundschafft gegen die Cherusker noch wenig oder gar nicht geprüfet ist? Sintemal die Gnade der Fürsten niemals als im Abgrunde / zu sincken /ihr einmal gefaßter Haß aber nur mit des verhaßten Tode zu wachsen aufhöret; ja auch wohl gegen die unschuldigen Kinder / oder die unempfindlichẽ Leichen ausgeübet wird. Der Gräfin von Bentheim ward bey dieser Raserey ie länger / ie bänger / setzte daher ihm entgegẽ: Es wäre diese Heyrath ihr wohl so sehr /als vielleicht Adgandestern zuwider / weil sie so wohl die Neigungen Ismenens selbst / als der Ascanische Fürstin Leitholde beleidigte. Aber darumb könte sie weder Bäume ausreissen / noch dem Feldherren so grosses Unrecht / weniger so schlimme Meynung beymässen. Dieser kluge und großmüthige Fürst suchte sonder Zweifel durch solche Heyrath der Cherusker und Catten alten Haß zu ersäuffen / und Deutschlande die hochnöthige Eintracht zu erwerben. Sein Gemüthe wäre viel zu edel / und sein Hertze viel zu aufrichtig: daß er Adgandestern / welcher vielleicht ihn nie umb Ismenen angesprochen hätte / zu beleidigen / weniger seine Ungunst und Undanckbarkeit anzudeuten gemeynt seyn solte. Adgandester fiel ihr in die Rede: Bin ich denn nicht so wohl ein Cattischer Fürst als Catumer? also ich eben so wohl ein taugliches Werckzeug zwischen den Catten und Cheruskern Verträuligkeit zu stifften? Sind meine Verdienste nicht zulänglich den Abgang hundert Dörffer auszugleichen / mit derer Besitzthume mir allein Catumer überlegen ist? Hat mein so vieljähriger dem Feldherrn geleisteter Gehorsam / meine Bemühung ihm und seinẽ Hause alles zu Liebe zu thun / was ich ihnen an den Augen angesehen / meine gegen Ismenen offtmals heraus gelassene Zuneigung nicht die Stelle einer bescheidenen Werbung zu vertreten / und dem scharffsichtigen Feldherren nicht an die Hand zu geben vermocht; daß ich ihn nur zu dem Ende nicht umb seine Schwester anspräche / wormit ihre mir geschehende Vermählung nicht das Ansehen eines eigenbeweglichen und unerbettelten Geschenckes einbüssete. Die Gräfin begegnete ihm: Mein lieber Adgandester / ist er so lange bey Hofe gewest / und ein so grosser Staats-Mann worden / hat aber wegen allzu grosser Gewogenheit seines Fürsten / und seines ihn überschüttenden Glückes nicht gelernet: daß grosse Herrscher keiner Verbindligkeit unterworffen / die Zahlung ihrer Schulden aber eine freywillige Begnadigung seyn solle? Sie wollen umb verdienten Sold / wie viel mehr aber umb so grosse Dinge / welche Diener ihnen zu Eydamen oder Schwägern machten / nicht anders als Götter umb den Thau / Regen und Einfluß des Gestirnes gebeten seyn. Sintemal sie ihnen ohne dis für verkleinerlich halten: daß sie iemanden anders als gekrönte oder solche Häupter / welche niemanden als Gott und den Degen für ihre Oberherren erkieseten / zu Verwandten haben sollen; gleich als wenn zwischen der Könige und anderm edeln Geblüte kein geringerer Unterschied / als zwischen dem Jüdischen Holtz-Balsam /und unserm Kiefer-Hartzte wäre. Ich kan / sagte Adgandester / mir von des Feldherren Meynung keine bessere Rechnung machen. Alleine meine gutwillige Erniedrigung ihm zu dienen hat er mit Billigkeit nicht für eine Enteuserung meines Standes anzunehmen /sondern sich vielmehr zu erinnern: daß ich ein so guter Fürst als Hertzog Herrmann bin / ungeachtet er ein grösserer Herr / iedoch nicht so mächtig als Käyser August [159] ist; der ihm nicht für verkleinerlich geschätzt hat / seine einige Tochter Julia seinem Diener dem unedlen Agrippa / seine Enckelin Vipsania dem Asinius Gallus zu vermählen / und zwar eigenbeweglich anzubieten. Die Gräfin brach ein: Wo dencket er hin / Adgandester? oder auf was für einen gefährlichen Strudel läßt er sich den Sturm seiner Gemüths-Regungen verwerffen? Es ist zwar sonst Vorwitz oder vielmehr Vermessenheit / bey mir aber eine hertzliche Wohlmeynung: daß ein unverständiges Weib einem so klugen Fürsten ein Licht anzünden / oder selbten vom Irrwege zu rechte weisen soll. Aber er dencke nach: ob nicht diese Wände und Pfosten Ohren das geheimste zuhören / und Zungen dem Fürsten alles zu verrathen haben? Unsere Einsamkeit und mein Schweigen ist nicht genung: daß der Feldherr morgen nicht wisse / was wir hier so offenhertzig reden. Denn ich glaube: Fürsten haben gewisse Geister zu ihren Diensten / welche nicht nur unsere Reden / sondern auch unsere Gedancken ausspüren / und ihnen zutragen. Daher muß ein kluger bey Hofe mehr dencken /als sagen / ja viel mehr thun als gedencken; Denn die trockene Wahrheit ist hier und in allen Höfen ein halsbrüchiges Laster; daher stiehlt sie sich nur mit Noth zuweilen durch die Fenster in Fürstliche Zimmer; ja ich glaube: daß ihr in manches Fürsten-Zim mer in funfzig Jahren nicht einmal der Eintritt erlaubt wird. Er verhülle daher lieber seine Verdienste / als er sie durch Herausstreichung verächtlich / sich aber verhaßt macht. Weiß er nicht: daß die Deutschẽ ohne diß nichts für heiliger halten / als ihre tapfere Thaten ihrem Fürsten zuschreiben. Er versuche: ob ein Fadem in dem Gewebe dieser nur von der Staats-Klugheit zusammen gesponnenen Heyrathen durch seinen Witz zu zerreissen / und also durch Auffädemung des gantzen Gewürckes so wol er und Ismene /als die sich nach dem Fürsten Jubil sehnende Leitholde zu vergnügen sey. Adgandesters Heftigkeit fieng hierauf sich nach und nach abzukühlen / und daher fragte er: ob er sich darauf zu verlassen hätte: daß der Ismene die Heyrath mit dem Fürsten Catumer zuwider wäre? Die Gräfin versicherte ihn: er hätte an nichts wenigerm zu zweifeln. Denn sie haßte Catumern /weil sie den Fürsten Zeno inniglich liebte. Was würde ich denn gebessert seyn / antwortete Adgandester /wenn ich schon ihre Heyrath mit Catumern stöhrte /und sie einem Ausländer zu Theile werden solte? Die Gräfin lächelte darüber / sich wundernde: daß da er ihm die erste Schwerigkeit zu überwinden getraute /er sich des Zeno halber Kummer machte / welcher ihm kaum Ismenen zu heyrathen träumen lassen dörffte / weil die Königin Erato an ihn nicht nur einen vorrächtlichen Anspruch hätte / sondern auch das gemeine Wesen Deutschlandes ihm tausend Steine des Hindernüsses in Weg zu werffen an die Hand geben würden. Adgandester ward hiermit gewahr: daß das schwächere Geschlecht in Künsten und Verwickelungen der Liebe es den Männern bey weitem zuvor thäte / und daher saan er Tag und Nacht die Heyrath zwischen Catumern und Ismenen zu stören; ließ auch Ismenen durch die Gräfin vertrösten: daß er aus Mitleiden über ihrer Bedrängung sie nicht hülff-loß lassen wolte / wenn sie nur so viel Muth als Ursache ihres Bruders Zwange sich zu widersetzen hätte. Sintemal nichts unüberwindlichers / als die Liebe wäre / und die nicht zu lieben wüsten / welche über ihrem Vorsatze hielten / und sich einen Bruder in denen unmittelbar ans Hertze gehenden Dingen zu widersprechen schämten / worinnen auch einem Vater der Zwang nicht anstünde. Ihm selbst spielte sich eine gewüntschte Gelegenheit an die Hand Catumers und Ismenens Heyrath aufzuschieben. Der Verzug war das erste Pflaster für gefährliches Ubel. Denn es lieffen gewisse Nachrichten ein: daß nachdem der Käyser alle nur aufzubringen mögliche Macht zusammen gerafft hätte / Germanicus schon [160] mit einer ziemlichen Macht zu Divodurum an der Mosel mit dreyen Legionen ankommen wäre / daselbst der Gallier Hülffs-Völcker sa lete / Tiberius aber mit einer grössern Macht durch Noricum folgte. Weil nun die Umbstände muthmassen liessen: daß die Römer in der Catten Gebiete den Einbruch versuchen würden / fiel es dem Fürsten Adgandester nicht schwer im Kriegs-Rathe es dahin zu bringen: daß Hertzog Melo an den Rhein gegen der Ubier Altare / Catumer zu seinen Catten gegen Meyntz voran eilen / und den Berg Taunus bewahren solte / biß der Feldherr und Hertzog Arpus mit der grössern Macht folgten. Der Feldherr hätte zwar gerne die Vermåhlung seiner Schwester und Catumers vollzogen / aber er fand allenthalben so viel Schwerigkeiten: daß Hertzog Arpus selbst die Verschiebung billigte. Ismene schätzte sich durch seine Reise so sehr beglücket: daß sie ihre Freude mit genauer Noth bey seinem Abschiede verbergen konte. Leitholde hingegen war durch der Gräfin von Bentheim erzehlten schlechten Verrichtung beym Hertzoge Jubil mit Bekümmernüß so angefüllet: daß sie Tag und Nacht durch unaufhörliche Thränen ihr geängstigtes Hertz erleichtern muste. Alle Trost-Worte der Gräfin fielen in taube Ohren / und an statt / daß sonst der Schmertz mit der Zeit abni t / wuchs er in ihrer Seelen alle Stunden sichtbar / und näherte sich ie länger ie mehr der Verzweifelung. In etlichen Tag und Nächten schlief / daß und redete sie nichts; ausser diese verbrochenen Worte: Untreuer Jubil! fielen ihr zuweilen von der Zunge. Ungeachtet sie auch ihren Unwillen über der Gräfin steter Anwesenheit mercken ließ / schätzte doch diese mitleidende Frau für unverantwortlich von dieser Fürstin einigen Fuß zu versetzen / sondern wolte lieber mit ihrer Gegenwart verdrüßlich / als mit ihrer Gefahr nach ihrem Willen leben. Sie ließ von denen Fürstinnen / welche sie ersuchen wolten / niemanden für sich / entweder umb keine Zuschauer ihrer Schwachheiten zu haben / oder weil alle Tröstungen ihr Leid mehr verbitterten. Endlich kam sie gar von Sinnen: daß sie die seltzamsten Reden ausschüttete / und wie sie vor stets geweinet hatte / nunmehr unaufhörlich lachte / und sie gleichsam aus einem Heraclitus in einen Democritus verwandelt zu seyn schien. Wie wenig Kräfften sie gleich übrig hatte / entkräftete sie sich doch noch mehr durch eine stete Bewegung / biß sie endlich in einen tieffen Schlaf oder vielmehr Ohnmacht fiel. Nach 12. Stunden kam sie wieder zu sich / und nachdem sie die für ihrem Bette sitzende und sich in Thränen badende Gräfin mit starren Augen eine gute Weile angesehen hatte / fieng sie an: Vertrauteste Freundin / Gott Lob! Ich bin von meiner Kranckheit und Liebe genesen. Sie sage dem Fürsten Jubil: Ich erlasse ihn alles Anspruches / wormit er desto gewissenhafter die Catta ehlichen / ich aber einer grössern Glückseligkeit genüssen könne / die ich oder sonst iemals eine Frau in dem vergnüglichen Eh-Bette hätte finden mögen. Die Gräfin schätzte sich neugebohren; sonderlich da sie selbst die vorhin verschmäheten Artzneyen zu ihrer Stärckung / als auch die Besuchung des vorhin abgewiesenen Frauenzimmers verlangte. Als sie aber wieder zu Kräfften kommen / verlohr sie sich des Nachts mit einer einigen sie bedienenden Jungfrauen aus dem Zimmer und der Burg: daß kein Mensch durch die vom Feldherrn anbefohlene sorgfältigste Nachforschung ihr auf die Spur kommen konte / und daher die meisten ihren Tod muthmasseten.

Gieng es nun in dem Hertzen der Königin Erato /Ismenens / und Leitholdens trübe her / so schien in des Cassuarischen Fürsten Siegemunds Hertze nicht die Sonne; welches nunmehr einer stürmenden See vollkommenes Ebenbild war. Denn so lange die Asianische Fürstin Zirolane Rhemetalcen kein geneigter Auge als ihm zeigte / wie sie denn so wohl die[161] Freundligkeit ohne diß zu ihrer steten Gespielin / als die Klugheit zu ihrer Leiterin hatte; behielt Siegemund die Eiversucht gegen seinen Mitbuhler noch in seinem Hertzen verborgen / und unter dem Zügel der Vernunft. Es hatte aber Zirolane bald von Anfang eine mehrere Empfindligkeit gegen Rhemetalcen / als Siegemunden geschöpft / ungeachtet des letztern nahen Verwandschafft mit der Hertzogin Thußnelde und andere wichtige Bedencken sie ihr Urtheil zu eröffnen über ein Virtel-Jahr zurück gehalten hatte. Dieses lockte endlich Fürst Siegemund mit seiner Heftigkeit wider sich selbst heraus. Denn als der Hertzogin Thußnelde Geburts-Tag mit einem Turnier gefeyert ward / und iedes Frauenzimmer ihr einen gewissen Ritter ihr zu Ehren und mit Führung ihres Sinnebildes zu stechen erkiesete / bey Zirolanen aber Rhemetalces und Siegemund eivrig anhielten / entschloß sie sich keinen unter beyden zu wehlen / umb zwischen beyde Fürsten keinen Zanck-Apfel zu werffen. Rhemetalces gab sich mit Zirolanens Erklärung: daß kein ander Ritter unter ihrem Schirm in die Schrancken erscheinen solte / zufrieden / und ihr diese schertzhaffte Antwort: Er müste ihm nur seine Lüsternheit umb seinen Gehorsam zu zeigen / vergehen lassen / und sich trösten: daß man auch dem zahmen Viehe / welches man doch mästen wolte / das Geträncke entzüge / das alle Thiere doch am beschwerlichsten entrathen könten. Siegemund aber bezeugte über Zirolanens Verweigerung eine ziemliche Ungedult; welche ihm Zirolane mit dieser nachdenklichen Frage verwieß: Ob er nicht wüste: daß Donner-Schläge die Empfängnüß der Perlen-Muscheln hinderte / oder gar verursachten: daß die trächtigen gar ihre edle Frucht verschütteten? Ob nun zwar Fürst Siegemund wohl verstand / daß Zirolane ihm damit so viel sagte / er würde durch Sturm wenig seine Liebe befördern / erkühnte er sich doch auf besti te Zeit mit einem Schilde / darein der Marsingischen Fürsten uhraltes Sinne- Bild / nemlich drey gekrönte Getreyde-Eeren gemahlt waren / in dem Schrancken zu erscheinen. Diese Eeren führet das Marsingische Haus zum Gedächtnüsse: weil desselbten Uhrheber sich um die Sarmatier bey einer grossen Hungers-Noth durch freygebige Vorschüssung seines reichen Vorrathes für 900. oder gar 1000. Jahren so wohl verdient: daß sie ihm die Königliche Krone aufgesetzt haben. Zirolane ward über dem ersten Anblicke dieser sonst bey ihrem Geschlechte so hoch-geschätzten Eeren so verdrüßlich: daß / weil sie ihr leicht an Fingern ausrechnen könte: es würde sich niemand als der ungeduldige Siegemund dieses Keñzeichens zu mißbrauchen unterstanden haben / und Rhemetalces sie einer dem Fürsten Siegemund geheimen Erlaubnüß halber in Verdacht ziehen würde / sie aufstand von der Schaubühne weg zu gehen. Bey ihrer Umbwendung aber überreichte ihr ein unbekandter Edel-Knabe einen Zettel des Innhalts: Weil ein Ritter das Fürstliche Marsingische Sinnebild ihr zu Trotze mißbrauchte / nöthigte ihn seine diesem Hause verbindliche Pflicht gegen ihn das ihr angefügte Unrecht offentlich zu rächen. Wormit nun Zirolane den zu erkiesen wůste / welcher sich zu ihrem Dienste gewiedmet hätte / schickte er ihr den Abriß seines Schildes / welcher ihn nicht so wohl als ein einiger geneigter Strahl von ihren schönen Augen wider aller Welt Tapferkeit vertheidigen würde. Zirolane hüllete das beygelegte Blat auf / und befand zu ihrer höchsten Verwunderung darauf ein Gemählde / welches auf dem Meere eine aufgähnende Purper-Muschel / über welche der Blitz hinfuhr / fürbildete / mit der Bey-Schrifft: Viel Geschrey / wenig Wolle; groß Gethöne / kleine Perlen. Weil nun Zirolane sich erinnerte: daß sie dieses Gleichnüß in keines Menschen Anwesenheit dem Fürsten Siegemund eingehalten[162] hatte; veränderte sie ihre erste Muthmassung / und bildete ihr numehr festiglich ein: daß Rhemetalces sich der gekrönten Eeren brauchte / Siegemund aber der Ubersender dieses Gemähldes und Zettels wäre. Hierinnen ward sie so viel mehr bestärckt / als sie noch einen Blick in die Schrancken that / und das Pferd / worauf der vermeynte Rhemetalces saß / mit zweyen Buchstaben K. und S. welche die Griechen an alle gute Pferde zu brennen pflegen / bezeichnet / umb die gekrönten Eeren aber noch diese Uberschrifft beygesetzt sahe: Verwegenheit krönt auch die schlechten Eeren. Weil sie dem sonst so bescheidenen Rhemetalces nichts weniger als diese Vermessenheit zugetrauet / ihr Hertze aber schon von ihm einen ziemlichen Zunder gefaßt hatte / ward es mit so vielerley Gedancken / als die aus Indien kommende Opalen Farben in sich haben / erfüllet; also daß sie so wenig mit sich des Bleibens oder Weggehens halber einen Schluß zu machen wuste / als man sagen kan / welche Farbe in erwehntem Edel Gesteine den Vorzug habe. Bey diesem währenden Zweifel näherte sich Thußnelde Zirolanen / und zohe sie mit der Hand zu sich / mit Bitte: Sie möchte ihr doch bey ihrem Freuden-Tage nichts mißfällig seyn lassen. Wordurch Zirolane zwar zu verharren gezwungen / iedoch aufs neue verwirret / und in Argwohn gesetzt ward: Ob nicht Thußneldens Bruder mit ihrer Einwilligung mit den Marsingischen Eeren seinen Schild gezieret hätte. Welch Blat ihrer Muthmassung sich aber bald wieder wendete / als der Ritter mit der offenen Perlen-Muschel in die Schrancken ritt / und Thußnelde nicht nur seinen Aufzug für andern rühmte / sondern er auch nach deutscher Helden-Art eine wilde Schweinshaut über den Rücken herat hencken hatte. Die Hertzogin Thußnelde gab diesen Tag mit einem weissen Tuche /welche die Deutschen durch die Bleiche weisser / als die Griechen durch Mah-Safft zu bereiten wissen /wie zu Rom auch die Stadt-Vögte / das Zeichen zum Treffen; welches alle Augenblicke den Augen die vollkommensten Schauspiele der Tapferkeit und Geschickligkeit fürstellte. Sintemal alle Ritter diesen Freuden-Tag Ehre / ihrer viel auch bey ihren Buhlschafften Gewogenheit zu erwerben das äuserste ihrer Kräfften angewehreten. Hertzog Flavius / Jubil / Zeno / Marcomir / Malovend / und der Feldherr selbst verrichteten gleichsam eitel Wunderwercke / und speiseten darmit / als mit den höchsten Vergnügungen die Liebe der ihnen zugethanen Seelen; wiewohl / weil darunter ihrer etliche gleichsam zertheilte Hertzen /und darinnen verborgenes Feuer hatten / Furcht / Eiversucht und Mißgunst ihre Galle mit in so süsse Gerüchte einmischten. Zirolane schlug inzwischen sich so sehr mit ihren eignen Gedancken / als die kämpfenden Ritter einander mit ihren Waffen; als sie aber den Ritter mit der Perle gegen den mit den gekrönten Eeren ausser der ihn treffenden Ordnung herfür rennen sahe / fieng allererst ihr zitterndes Hertze an zu schlagen. Beyde Ritter brachen drey Lantzen mit einander / sonder daß einer sich im Sattel beugte / oder mit einem Fusse im Steigereiffen wanckte. Ob nun wohl hiermit die Zahl der Rennen erfüllt war / und beyde ihren Ehren ein Genügen gethan hatten / so schätzte doch beyder Eiversucht ihr für Schande ohn einen erlangten mercklichen Vortheil über den andern die Schrancken zu verlassen. Insonderheit aber war der verliebte Siegemund sehr verbittert weil er aus Zirolanens gegen ihn gebrauchten Worten feste glaubte: Sie hätte seinem Widersacher / welchen er ungezweifelt für Rhemetalcen hielt / sich der vom Blitz eröffneten Perle auf dem Schilde zu bedienen / und dardurch ihm seine Heftigkeit zu verweisen angestiftet. Sie riessen daher die vierdte Lantze ihren Waffenträgern aus den Händen / und rennten nicht anders [163] als zwey umbs Leben kämpfende Tod-Feinde gegen einander. Weil aber der Zorn ein übeler Rathgeber / und insgemein ein Vater der Fehler ist / versahe es der sonst keinem Ritter im Turnier was bevor gebende Ritter mit den gekrönten Aeren: daß der mit der Perle ihm die Lantze recht auf die Brust anbrachte / und umb seinen gäntzlichen Fall zu verhüten / des Pferdes Hals zu umbarmen nöthigte. Zirolane röthete sich über diesem Schimpfe; und weil sie ihr einbildete: daß ihr und dem Marsingischen Hause aus so unglücklicher Vertheidigung ihrer Eeren eine Verkleinerung zuwüchse /fieng sie zu dem anwesenden Frauenzimmer an: Es möchte dieser Ritter seyn wer er wolte / so erkennte sie ihn nicht für ihren Ritter; Sie würde sich auch bald anfangs aus den Schrancken weg begeben haben /weil sie gesehen: daß einer ohne ihren Willen sich des Marsingischen Wappens gebrauchte; wenn nicht die Hertzogin Thußnelda als ihre vollmächtige Gebieterin ihr zu bleiben Befehl ertheilt hätte. Unter diesem Gespräche hatte der Ritter mit den Eeren schon eine andere Lantze erwischt / und den mit der Muschel sich zu wehren gezwungen. Es lieff aber diß Rennen nicht viel glücklicher aus / indem jener zwar diesen so wohl faßte: daß er einen Steige-Bügel verlohr; diesem aber von jenem der Helm gar vom Kopfe gerennt / und er daher für den Fürsten Siegemund erkennet ward / welcher für Verdruß hierüber über die Schrancken sprengte. Thußnelde und Zirolane wurden auf einmal von so unterschiedenen Gemüths-Regungen hierüber befallen: daß sie sie nicht zu unterscheiden / weniger zu dämpfen wusten. Thußnelde fürnemlich war beschämet ihres Bruders wegen / nicht so wohl / weil er im Lantzenbrechen durch seine unvergnügte Heftigkeit den Kürtzern gezogen; als weil sie nicht wuste: wer sein sich ebenfalls bald aus dem Kampf-Platze entfernender Obsieger wäre; und daß er wider Zirolanens Willen ihr Sinnebild gebraucht / aber so unglücklich vertheidigt hätte. Zirolane sahe Thußnelden ihre Bekümmernüß an den Augen an; und weil sie nicht gerne sich oder Rhemetalcen aus ihrer Gewogenheit gesetzt wissen wolte / sagte sie zu ihr: Fürst Siegemund wäre sicher nicht aus Mangel seiner Geschickligkeit / sondern aus einer Straffe des Himmels verunglückt; weil er für ihre Unvollkommenheit die Lantze zu führen wider ihren Willen sich eingedrungen hätte. Thußnelde antwortete: Meines Bruders Schande soll seine geringste Straffe seyn / und ungeachtet der Himmel zu des andern Ritters Tapferkeit und seinem Unfalle geholffen haben mag / soll er desthalben doch der Straffe der Menschen nicht entgehen. Zirolane zeigte hierüber nicht wenig Bestürtzung / meldende: Wo der Himmel sich einmischte / hätte der Menschen Recht ein Ende. Zu dem könte sich niemand als sie durch den Fürsten Siegmund beleidigt halten / also käme auch nur ihr die Rache zu; welche sie schon vergeben hätte. Thußnelde antwortete: Sie hätte Theil an Zirolanens Beleidigung / und auch Frembde wären berechtiget / den Verbrecher zu Vergnügung des Beleidigten anzustrengen. Sie wolte aber ihren Bruder sich selbst zu straffen auflegen / welches er so viel weniger würde verweigern können / weil es andern ihre Beleidigung verzeihen zwar eine Tugend; seinen eigenen Fehlern aber heucheln eine Grausamkeit wäre. Zirolane begegnete ihr: Wenn Thußnelde eine so strenge Richterin seyn wolte / müste sie ihr als einer Schwester das Befugnüß zu urtheilen strittig machen; besonders / da es eine neue Beleidigung des Beleidigtẽ wäre / wenn man ihm einen Nothzwang der Rache aufdringen wolte. Die Straffe aber / welche der Beleidiger sich selbst unterwürffe / könte sie so viel weniger billigẽ; weil edle Gemüther andern zwar viel / ihnen selbst aber wenig oder nichts vergäben / und niemanden härter / als sich selbst bestrafften. Thußnelde fiel ein: Seine eigene Bestraffung soll zwar kleiner als sein Verbrechen / ihm aber gleichwohl genungsam [164] empfindlich seyn; denn er soll sich nicht erkühnen weder Zirolanen noch mir mehr unter Augen zu ko en. Zirolane versetzte: So wenig sie vom Richter-Ampte verstünde / deuchtete sie dis eine viel zu große Straffe für das ärgste Laster / wie viel mehr also für eine so kleine Schwachheit zu seyn? Ihre Augen wären kaum würdig so fürtrefliche Fürsten zu schauen; also nicht fähig: daß die Entfernung von ihnen den Nahmen einer Straffe verdienen solte. Thußneldens Antlitz aber schätzte sie nicht nur für so schön / sondern auch für so gütig / als der Himmel wäre; und also würde sie ihre Vorbitte so viel gelten lassen: daß sie einem so werthen Bruder dis nicht entzüge / was der Himmel denen lasterhaftesten Menschen / ja den wildesten Thieren nicht verhüllete; wo sie anders nicht besorgen solte: daß sie selbst Theil an Thußneldens Ungnade hätte / und also ihre Vorbitte keiner Erhörung werth wäre. Hiermit und durch andere Höfligkeiten überwand sie endlich Thußnelden: daß Fürst Siegemund / ungeachtet sie seine Vergehung in der Seele schmertzte / keine andere Straffe /als welche Zirolane selbst aussetzen würde / leiden solte. Siegemund schämte und scheute sich einen Monat-lang wieder nach Hofe zu kommen / bis er durch seine vertraute Freunde von Zirolanens /Thußneldens und des Feldherrn Regungen / und was diese seine Glücks-Sternen ihm für ein Gesichte zeugen möchten / Nachricht bekam. Unterdessen ließ Rhemetalces sich nichts wenigers als seines wider den Fürsten Siegemund erlangten Vortheils mercken; maßen er denn auch sich so verborgen von dem Kampf-Platze entfernet hatte: daß außer Zirolanen und dem Fürsten Siegemund selbst niemand zu muthmaßen wuste / wer der Ritter mit der Perlen-Muschel gewest wäre. Ja gegen Zirolanen selbst machte es ihm Rhemetalces anfangs gantz frembde / bis sie ihn bey der Aufrichtigkeit seiner Liebe beschwur ihr umbständlich die Warheit / und wie er durch die Nachricht einer sie bedienenden Jungfrau das Gleichnüs von der Muschel erfahren hätte / zu erzehlen. Hiermit setzte Rhemetalces bey Zirolanen einen so guten Stein ins Bret des Glückes / oder vielmehr eine Angel an ihr Hertze: daß sie nicht mehr ihre Gewogenheit gegen ihn versteckte / sondern ihm umb seine Hofnung zu stärcken die Schwäche ihrer Seelen ihn durch allerhand holdseelige Bezeugungen zeigete. Fürst Siegemund hingegen kam zwar wieder nach Hofe; aber er kriegte von Thußnelden / da er sich nicht ihrer von Zirolanen wieder erbetenen Gewogenheit wieder verlustig machen wolte / zweyerley Gesätze / nemlich sich der Straffe / welche die beleidigte Zirolane ihm auflegen würde / ohne einige Ausflucht zu unterwerffen /und / da er gleich den seine Vermessenheit straffenden Ritter mit der Perlen-Muschel wüste / oder erführe /sich gegen ihn einige Rache zu üben nicht gelüsten lassen solte. Siegemund muste nur klein zugeben / die Achseln einziehen / und Zirolanen selbst umb seine Bestraffung demüthig anflehen. Diese wuste mit den freundlichsten Worten ihm sein Verbrechen so lebhaft abzumahlen / und so empfindlich ins Hertze zu reden: daß er nach der gemeinen Eigenschafft aller Fehlenden / nunmehr allererst die Größe seiner Schuld zu erkennen bekennte. Zur Straffe aber deutete sie ihm an: daß einige Liebe gegen sie ihm nicht ins Hertze / und kein Wort hiervon zu gedencken ihm auf die Zunge ko en lassen solte. Siegemund fieng hierauf an überlaut zu ruffen: Grausamste Fürstin! unbarmhertzige Zirolane! warumb spricht sie mir nicht lieber das Leben ab / als dis / was mir lieber und süsser als tausend Leben ist? warumb hinterhält sie mir das Todes-Urthel / da sie doch durch diesen Ausspruch mich durch lange Quaal zu tödten vorhat? Ich befinde mich beschwert durch dis Urthel / und beziehe mich hiermit an einen andern Richter. Zirolane fragte: wen er denn anders zum Richter [165] haben wolte? ob seine Schwester Thußnelde? weder eine noch die andere / antwortete er; denn es scheinet: daß ihr beyde mit einander umb den Vorzug in der Grausamkeit kämpfet. Ich begehre keinen andern Richter über mich / als welche Gewalt über alle Welt zu urtheilen haben / nemlich die Liebe oder den Tod. Dieser oder jene müssen durch Zirolanens Mund reden / wo ich mich nicht über höchstes Unrecht beklagen soll. Meine Verdammung zum Tode aber wird mir süsse seyn / weil ihre holdseelige Lippen auch die Bitterkeiten des Todes zu verzuckern vermögen. Ja ich werde mit Freuden und glückseelig sterben / wenn Zirolane sich erbarmet mich mit eigenen Händen zu tödten. Mit diesen Worten sanck er nieder auf ein Knie / reichte Zirolanen seinen entblösten Degen / und fuhr fort: Mit diesem Eisen übe sie an mir aus ihre Rache / wo sie nicht ewig die unbarmhertzige Zirolane heissen soll. Zirolane erkennte nun allererst die Heftigkeit seiner Liebe / sahe ihn als mit einem etwas mitleidentlichern Hertzen an / und sagte: Weder Liebe noch Tod kan hier über ihn urtheilen. Denn die erste ist nicht in meinem Hertzen / der letztere nicht in meiner Gewalt / das Lebẽ und die Glückseeligkeit beruhet wol in seinẽ eigenen Händen. Wolte Gott! erwiederte er / es verhielte sich also / so würde ich zu sterben nicht Noth haben / und wo nicht glückselig seyn / doch glückseelig zu werden nicht verzweifeln dörffen. Denn wäre keine Liebe in Zirolanens Hertzen / und hätte der vom Verhängnüsse zu meinem Untergange ausgerüstete Ritter so wenig Perlen in dem Schatz-Kasten ihrer zarten Seele / als in seiner leeren Muschel / so könte ich noch der Zeit und dem Himmel vertrauen: daß ich nicht ewig aus ihrem Hertzen verbannet seyn / sondern mein erbärmlicher Zustand sie zu Mitleiden bewegen / und meine feurige Liebe das ihre Seele umbgebende Eiß zerschmeltzen würde. Zirolane antwortete: Mein lieber Siegemund /er ist unbarmhertziger und kälter gegen sich selbst /als er mir beymißt. Er selbst ist der Ursprung seiner Unvergnügung / und brauchet mich nur zum Steine seines vorsetzlichen Anstossens. Daher gehet es mir nicht besser als der Soñe / welcher man Finsternüsse antichtet / umb den Irrthum unsers Gesichtes zu entschuldigen. Es ist nicht nur verlohrne Müh / sondern eben so grosse Thorheit irgendswo Liebe / da sie nicht ist / als unserer Ost-See Perlen / und in Africanischen Lachen oder in Indien von des Meleagẽrs Hännen geweinten Agstein suchen. Daher schlage er beyzeiten ihm aus dem Sinne / was er / seinem eigenen Geständnüsse nach / nicht zu hoffen hat. Das Hertze ist zwar das Behältnüs unserer Neigungen / aber nicht die Richtschnur unseres Fürhabens. Unter allen Thieren stehet es dem Menschen allein auf der lincken Seiten / umb uns zu erinnern: daß wir seine Leitungen allemal für verdächtig halten / und seinem Reitze nicht so blind folgen sollen. Fürst Siegesmund seufzete /und fieng an: Ach! es lässet sich in dieser Schule leichter lehren als lernen; und durchgehends leichter gebieten / als gehorsamen. Der menschliche Wille ist keinem Zwange unterworffen / sondern vielmehr ein Beherrscher unsers Thuns / als welcher frey und zur Bothmäßigkeit gebohren ist. Mit der Milch unserer verliebten Mütter wird uns der Saamen der Liebe eingeflößt / und die Sternen selbst pflantzen uns einen kräftigen Zug zu gewissen / und uns ähnlichen Schönheiten ein. Daher ist es so wenig möglich: daß eine edle Seele nicht liebe / als daß das Feuer nicht brenne / oder der Magnet kein Eisen ziehe. Zirolane begegnete ihm: Es ist dis die alte Art unsern Schwachheiten zu heucheln / und unsern Irrthümern Pflaumen zu streichen. Der Wille ist allerdings ein Gebieter so wol im obern als niedrigerm Rathe der Seele; aber destwegen doch so blind: daß er in seinem eigenen Hause sich verirret / und wenn die Vernunfft ihm nicht vorgehet / und Vorsicht ihn bey der Hand [166] leitet / stolpert er über seine eigene Füsse; Er stürtzet über Hals und Kopf ins Verterben / er verwundet sich mit seinem eigenen Messer / weñ man ihm nicht das schädliche aus der Hand ni t und die Klugheit ihm zum guten den Weg weist. Die Natur freylich hat wie allen Thieren /also dem Menschen die Liebe eingepflantzt / weil sie ohne sie vergehen würde; aber niemanden hat sie an einen gewissen Menschen angepflöckt. Der Magnet zeucht nicht nur der Chalyber / sondern alles Eisen /und unsere deutsche Eichen und Buchen geben eben so wol / als die Syrischen Cedern und die Arabischen Gummi-Sträuche einen Zunder dem Feuer ab. Fürst Siegesmund fiel ein: Ach! leider! nun erfahre ich: daß Zirolane noch von keiner Anfechtung der Liebe versucht worden sey / weil sie die Liebe für eine Flamme hält / welche sich an jedem Zunder sättige / und nicht Balsam und Weyrauch zu seinem Opfer und Vergnügung verlange. Wie zwar alle Sternen die Erde fruchtbar zu machen geneigt sind / jeder aber absonderlich einen gewissen Einfluß in dis oder jenes Gewächse hat; also reget die Liebe wol durchgehends ein Geschlechte zum andern / alleine jeder Mensch hat doch nur eine Seele / wie der Magnet nur einen Angelstern / zu welcher ihn entweder die Gestirne oder sein Verhängnüs am kräftigsten zeucht. Dieser Zug wird uns schon bey unser Geburt / oder bey unser Empfängnüs eingeflößt / und unserer Seele das Bild eingepräget /welches der Himmel zu unserer Liebe besti et / und selbtem eine mit uns habende Aehnligkeit eingedrückt hat. Welches Band keiner Welt Macht / keine Hindernüs der Mißgunst / keine hartnäckichte Widersetzligkeit; ja unser eigener Wille oder das Verhängnüs selbst nicht zerreissen kan. Zirolane lächelte / und sagte: Es ist dis: daß die Gestirne und die durch sie eingedrückte Aehnligkeit des Leibes und Gemüthes unsere Verknüpfungen verursachen solten / ein alter aber verführischer Aberglauben. Denn wie ko t es: daß die schwartzen meist weisse / weisse aber meist schwartze lieben? Wie viel traurige sind ihrer wäßrichten Eigenschafft / wie viel feurige ihrer Galle und Farbe gram / hingegen jene den freudigen / diese denen eingeschlaffenen hold? die alten Greise spielen am liebsten mit den Kindern. Die Hunde sind den verhaßten Wölffen ähnlicher / als den Schaafen / die sie aus einer sondern Neigung beschirmen. Der gläntzende Stahl hat mit tunckelm Magnet- die Spreu mit dem Agsteine die wenigste Gleichheit und doch eine so nahe Verwandschafft. Uberdis finde ich zwischen uns beyden weder in der Gestalt noch in Regungen keine solche Gleichheit; oder da meine Augen auch gleich selbte zu erkiesen allzu übersichtig wären / müste ich doch in mir gegen ihm einen Gegen-Zug finden /wenn uns die Kräften der Gestirne zu einander versehen hätten. Grausame Zirolane! fieng Fürst Siegemund an zu ruffen: Hat es nicht Riesen gegeben / die den Himmel gestürmet? Giebt es nicht Mohren / die die Sonne verfluchen? Was ist sich zu verwundern: daß Menschen dem Reitze der Natur und den Leitungen der Gestirne widerstreben? Fühlet gleich sie noch nicht ihren Trieb; so wird doch der in ihr Blut eingeflößte Saamen noch rege werden / wenn sie ihn nicht mit Gewalt selbst ersteckt? In den Kieselsteinen stecket wol Feuer / es muß aber durch Schläge des Stahles / und die Gegen-Liebe durch Liebe heraus gebracht werden. Warlich! Zirolane; sie thut dem Himmel Unrecht / wenn sie ihm die Ehre entzeucht: daß einige wahre Liebe in unlern Seelen glimme / welche nicht von ihm herabgethauet sey. Alle die den Ursprung aus der Erden bekommt / hat die Schwerde der Kaltsinnigkeit an sich / und ist mit dem Hütten-Rauche des Geitzes / oder mit dem Dampfe der Ehrsucht besudelt. Das einige Beyspiel der Fürstin Odatis / des Scythischen Königs Omartis Tochter / welcher nicht geschwinder ein Traum [167] des Fürsten Zariadres Bildnüs in die Augen / als das Siegel der Liebe in ihr Hertz drückte / Alcibiadens gegen der nie gesehenen Medontis von Abydus nur von ihrem Ruhm entzündete Flamme kan ihr allein wahr machen: daß es weder in unser Wahl noch Gewalt stehe die / zu welcher uns der Himmel versehen / nicht zu lieben. Und ob zwar der Liebenden Aehnligkeit nicht so leicht oder bald allen Augen sichtbar ist; so thut sie sich doch mit der Zeit / welche allen Dingen ihre Farbe und Gestalt zu verändern vermag / herfür; und ist in der Welt nichts gemeiners / als das man hernach mit eivrigster Brunst umbarmet / worfür man anfangs die gröste Abscheu gehabt hat. Zirolane brach ein: Wer auf diese Aenderung hoffet / bauet Schlösser in die Lufft / und anckert auf Trübsand. Glücket es einem / so gehen hingegen tausend Absehen zu scheutern / welche irgendswo Gegen-Liebe erzwingen wollen. Deñ dieser Zwang ist vielmehr dem Verhängnüsse zu wider / welches durch die Sternen uns so wol die Ab- als Zuneigungen einflösset. Darumb / wo ich glauben soll: daß er mich jemals geliebt habe / so bestätige er es durch dis Merckmal: daß er mir von der Liebe nichts mehr sagt. Mein Urtheil füget ihm weder was unrechtes / noch verkleinerliches an. Denn ich weiß wol: daß Fürst Siegemund Liebens-werth ist / und es ihm an tausend Liebhaberiñen nicht fehlen kan. Alleine er kan diesen Zoll so wenig von mir / als alles Frauenzimmer solchen von ihm mit Rechte fordern / wenn er nicht über die gantze Welt die Bothmäßigkeit seiner Liebes-Regung erstrecken wil. Die Tentyriten hassen die Krokodile und stellen selbten als Todfeinde nach / welchen die Cinbiten in Egypten Göttliche Ehre anthun. Für dem Hunds-Steine / welchen bey seinem Aufgange die Africanischen Ziegen mit unverwendeten Augen anbeten / schäumen die Meere / erzittern die Seen / vertrocknen die Gewächse / und jären die Weine; wie soll ich denn nicht recht haben / mein Hertze für ihm zuzuschlüssen ungeachtet er würdig ist: daß ihm tausend andere offen stehen. Mit einem Worte: Fürst Siegemund muß mir nichts mehr von seiner Liebe sagen /oder ich werde mich in eine Verfassung setzen müssen: daß er mir hinfort gar nichts mehr sagen könne. Mit diesen Worten wendete sie sich umb / in willens sich von ihm zu entfernen; Fürst Siegemund aber erwischte ihren Arm / und fieng an: Grausame Zirolane / wil sie mich nun auch aus ihren Augen verbanen /nachdem sie mich aus ihrem Hertzen verstossen hat? Ich wil ihrem Befehl gehorsamen / und meiner Zunge Gewalt anthun: daß sie ihr nichts mehr von meiner Liebe sagen soll. Mit diesem theuern Zungen-Opfer /wormit sich auch die erzürnten Götter versöhnen lassen / wird sich hoffentlich auch Zirolane vergnügen; und über seine Mögligkeit ihm nicht die Vertilgung seiner Liebe im Hertzen aufdringen; welche er so wenig / als der Sonne ihr Licht ausleschen könte. Zirolane sahe ihn mitleidig an / und antwortete: Ich wil mich auf eine kurtze Zeit mit seinem Stillschweigen /da er solchem treulich nachkommt / vergnügen; weil ich wol weiß: daß Feuer und Liebe durch nichts bessers als ihre Einzwängung zu dämpfen sind; und daß sein Stillschweigen ihn in kurtzer Zeit als des Pythagoras Schüler weise machen werde. Siegemund versetzte: Ich weiß nicht Worte genung zu finden / für diese Milterung ihres Urthels zu dancken / gütigste Zirolane. Aber meiner Seele durch Seufzer Lufft zu machen wird mir ja unverwehrt seyn? In keinerley Weise / begegnete ihm Zirolane. Denn in Seufzern maßet sich der Athem und die Augen des Amptes der Zungen an / und also sind sie eine durchdringendere Sprache als die Rede / wormit er mich mehr als mit diesen beleidigen würde. Mit diesen Worten verließ sie den Fürsten Siegemund; welcher aber ihr diese Worte nachseufzete: Ach unbarmhertziger [168] Ausspruch! welcher einem auch sein Unglück zu beseufzen verwehret! Weil er nun Rhemetalcen in völliger Gnade bey Zirolanen sah / traute er ihm nicht so lange bey Hofe zu leben: daß er des Feldherrn bevorstehenden Aufbruch erwartet hätte / sondern reisete zum Herzoge Arpus / umb im Kriege sein unfriedsames Gemüthe zu beruhigen; gleich als wenn die stürmerischen Waffen die Liebes-Regungen wie das Ungewitter Epp und Fluth des Meeres aufzuheben mächtig wären. Jedoch war nicht nur Fürst Siegesmund und andere / welchen das Glück die Ferßen kehrte / und die Liebe über Achsel ansah / unruhig / sondern auch die / welche von beyden auf den Händen getragen wurden / fühlten in sich ihre Regungen.

Also giebet es auf der Welt so wenig Glückseeligkeiten ohne Beschwerde / als in den Gebürgen Gold-Adern ohne Erde / und im Himmel Sternen ohne Flecken. Die Sonne selbst / welche doch alles lebend macht / ist mit ihren annehmlichen Strahlen denen nahe an dem mittelsten Gürtel der Erd-Kugel liegenden Sud-Ländern mehrmals nicht wenig beschwerlich. Nicht anders gieng es der Hertzogin Thußnelde / welche sich zu unermäßlichen Freuden Deutschlandes schon schwanger befand. Sie selbst legte GOtt alle Tage für diesen Seegen ein hundert-faches Danck-Opfer ab; und ihr Verlangen wuste ihren Wunsch nicht höher zu schwingen; als eine Wurtzel zu seyn /aus welcher der Cheruskische Stamm sich in mehr als tausend Aeste ausbreiten möchte. Gleichwol aber war dieser so glückliche Zustand ihr desthalben beschwerlich: daß er ein Hindernüs seyn solte / ihren Gemahl /indem sie mehr / als in sich selbst lebte / an den Rhein und in den Krieg zu begleiten. Dieser versäumte keinen Augenblick in Zurüstung seines Heeres /weil im Kriege der Vorsprung bey nahe ein halber Sieg ist; Thußnelde aber ihr das Trauerbild des bevorstehenden Abschiedes für den Augen zu haben. Ihre Vernunfft und Bescheidenheit hielten sie zwar zurücke: daß sie wider ihre vom Feldherrn gut befundene Zurückbleibung das wenigste einwarf / gleichwol aber verschwendete sie insgeheim unzehlbare Thränen und Seufzer: daß ihr verwehret würde eine Gefärthin seiner Müh und Gefahr / und eine Zuschauerin seines Glückes und Unglückes zu seyn; also beym Aufbruche die edlen und andere gemeinen Weiber Glückseeligkeit preiste / welche ihre streitbaren Männer zu begleiten für ihr den Vorzug hatten. Gleichwol begleitete sie / und das meiste Fürstliche Frauenzimmer den Feldherrn und andere Hertzoge über die Lippe bis zu denen dreyen Paderbrunnen / welche auf der Stelle einen zimlich starcken Fluß machen; und wie der Brunn Arethusa zu Syracusa für eine Geburt des Flusses Alpheus / also diese für drey Kinder eines zwey Meilen davon sich unter die Erde verkriechenden Flusses gehalten werden. Allhier verrichteten alle Fürsten ihre Andacht; wolwissende: daß der Sieg mehr ein Göttliches Geschencke / als ein Werck der Tapferkeit sey. Die Hertzogin Thußnelde beschenckte beym Abschiede jeden Fürsten mit einem gerüsteten Pferde. Sie aber blieb mit der Königin Erato / der Fürstin Ismene / Catta / Zirolane und andern alldar in steter An dachts-Ubung. Am fünften Tage darnach trat die Sonne in Widder; da denn die Deutschen den Anfang des Jahres machen / welchen sie wegen Verjüngung der Natur mit besserem Rechte auf den Eintritt des Frühlings / als die Egyptier und Grichen auf die Zeit der in den Krebs tretenden Sonne / und die Römer zehn Tage nach dem kürtzesten Tage verlegt haben. Denn in diesem ersten Tage des Jahres / an welchem auch die Egyptier dem Osiris / die Griechen der Sonne prächtig opferten / wolte sie nicht nur GOtt für den Seegen ihres Ehstandes nach Gewohnheit der schwangern Frauen ein gelobtes Opfer abliefern / sondern muste auch alter [169] Gewohnheit nach als Cheruskische Hertzogin die Stelle der obersten Priesterin vertreten. Sintemal diese drey Brunnen mit dem darumb gehegten Eich- und Fichten-Walde das grösseste Heiligthum der Hertha ist. Es ist aber allhier weder Tempel noch ander Gebäu zu schauen / gleich als wenn der Ort für menschliche Wercke viel zu heilig wäre /ungeachtet sich allhier unter einer obersten Priesterin /hundert Priesterinnen / und noch viel andere edle Frauen und Jungfrauen aufhalten / und in Hölen eines nicht weit entferneten Berges wohnen / aus reichen Stifftungen der Vorwelt aber ihren wol auskommentlichen Auffenthalt haben. Die Fürstinnen suchten die oberste Priesterin nach abgewartetem Gottesdienste täglich zweymal in ihrer Höle heim / und schöpften in dieser Einsamkeit ihre absondere Vergnügung; Wie denn keine war / die nicht eine Erleichterung ihres Kummers fühlte. Maßen denn die Heiligthümer nothwendiger Weise von der Andacht eine heilsame Lufft und Krafft bekommen müssen / weil durch grosse Ubelthaten gewisse Oerter vergifftet / und der Bodem mit Vergiessung unschuldigen Blutes befleckt wird. Zu solcher Vergnügung aber half sehr viel die Leitseelig- und Bescheidenheit der obersten Priesterin /welche eine Gräfin von Schwalenberg war / und die Frauen von Buren / Desenberg / und Borrentrick zu ihren fürnehmen Vertreterinnen meist bey sich hatte. Die Königin Erato war als eine frembde bey denen annehmlichen Gesprächen die sorgfältigste ein und andere Geheimnüsse und Ursachen der Gebräuche zu erforschen; wiewol sie anfangs in Erwegung: daß man in denen den Gottesdienst angehenden Sachen ins gemein nicht gern alles eröfnet / im Fragen gar furchtsam; aber die Höfligkeit der Priesterinnen machte sie bald kecker. Ihre erste Frage war: warumb die Priesterinnen in so finstern Hölen wohneten / und sich nicht gemächlicher Häuser bedienten / da sie ihren Gottesdienst unter freyem Himmel zu verrichten kein Bedencken trügen? die oberste Priesterin antwortete: Sie wunderte sich über ihre Befrembdung; weil sie ja in Asien und Griechenland würde gesehen haben / wie viel schlechtere Hölen daselbst Tempel oder Wohnungen ihren Göttern abgeben. Ich / sagte sie / habe selbst oberhalb der Stadt Themisonium in einer grossen gewässerten Höle des Hercules / Apollo und Mercur Bilder andächtig verehren gesehen; weil diese die Jonier wider die Galater beschirmt haben sollen. Am Flusse Lethe beten die Magneten in einer überaus grossen Höle den Apollo an / welcher die von den höchsten Klippen stürtzende Menschen unbeschädigt erhalten / und ihnen Kräffte die grösten Bäume auf der Achsel zu tragen geben soll. Unter dem Parnassus ist die berühmte Corycische Höle des Pan / in Phrygien die Höle Steunos der grossen Mutter / welche wir Hertha nennen / hochgeschätztes Heiligthum. Ja in dem Tängrischen Vorgebürge ist des Neptun Tempel mit Fleiß als eine Höle gebauet. Warumb solten denn diese unsere meist von der Natur in die heiligen Felsen gebaute Hölen / welche der Menschen erste Häuser gewest / und eben so wol als die Gräber zu Gotteshäusern taugen / uns nicht gut genung seyn? GOtt hat unserer himmlischen Seele zu grossem Nachdencken den stinckenden Maden-Sack des Leibes zum Hause eingeräumt / umb uns das Geheimnüs zu entdecken: daß unsere irrdische und vermoderte Leiber in den Himmel zu erhöhen und mit der Seele / welche sie nach Art der die Dünste der Erden in Wolcken verwandelnden Sonne sie an sich ziehen wird / zu vereinbaren keine Unmögligkeit sey; warumb sollen denn diese hole Klippen / welche von einer Gottheit erfüllet und bewohnet sind / unsern schnöden Leibern nicht zur Wohnstatt taugen / und mit ihrer Finsternüs unsere Geister erinnern: daß sie über der Sonnen ein viel helleres Licht durch himmlische Gedancken [170] suchen sollen. Diese tiefsinnigen Worte redete sie mit einer so feurigen Regung: daß Erato selbiges mal keine Erklärung darüber zu bitten sich wagte. Bey folgender Zusammenkunfft aber fieng sie ehrerbietig an: Ich habe von dem Priester Libys gelernt: daß die Deutschen nur ein einiges unsichtbares Göttliches Wesen anbeteten; nechsthin aber habe ich allhier verstanden: daß diese Hölen von einer absonderen Gottheit bewohnt würden / und daß die allhier verehrte Hertha eben dieselbe Gottheit sey / welche in Phrygien die grosse Mutter hiesse. Die Priesterin antwortete lächelnde: Es kan beydes ohne Widersprechung gar wol beysammen stehen. Denn unsere Hertha der Phrygier grosse Mutter Cybele / Berecynthia / der Römer Maja / der Thracier Bendis / der Samothracier Axieron / der Galier Dis / der Scythen Apia / der Colchier Phasiana / der Cimmerier Cimmeris / der Syrier Biblia / Derceto und Adargatis / der Lydier Rhea / ist nichts anders als die Erde / wie es dieser Völcker mit einander übereinstimmende Abbildung und andere Lehren genungsam erhärten. Sintemal sie an ihr die unterirrdischen und mehrmals bebenden Hölen durch eine Drommel / die Gebürge und Städte durch ein gethürmtes Haupt den durch den Ackerbau fruchtbar werdenden Bodem durch einen von zahmen Löwen gezogenen Wagen / der Saaten und Viehzucht durch einen Püschel Eeren / und einen Hirtenstab / wie auch durch einen an eine Fichte angebundenen Wider und Ochsen / ihr Blumwerck durch mit Feilgen gezierte Zweige ihr Gespinste durch das mit Wolle umbwundene Bild des Attis ihrer Feuchtigkeit einen Becher /ihre Unbewegligkeit durch gewisse Sitze umb sie her / und durch eine Wage / ihre einträchtige Vereinbarung durch Pfeiffen und Heerhörner / ihr in sich nehrendes Feuer durch Fackeln / ihre Ertzgruben durch klingende Zimbeln abbilden / und weil aus der Erde alles entspringet / sie nicht nur für eine Mutter aller Dinge / sondern so gar ihrer andern Götter anbeten /insonderheit aber die Gallier eben so wol / als die Athenienser sich aus der Erde gewachsen zu seyn rühmen. Ihren Gottesdienst aber haben die Griechen von unsern Nord-Völckern durch die der Diana beliebte Jungfrau Opis nach Delos beko en / von dar er sich schier weiter in die gantze Welt ausgebreitet / weil jeder Mensch zur Erde als einer Nährerin aller Thiere / einer Mutter aller Reichthümer einen Zug hatte / und daher die klügsten Weltweisen fürs erste Element / für die älteste Göttin / und des Himmels Ehweib erkennte; wiewol anfangs und auch noch bey vielen Völckern / insonderheit aber bey den Syrern unter dem Nahmen Adargatis / bey den Egyptiern unter der Isis die gantze Natur verehret. Hernach aber dieser Gottesdienst in die Verehrung des Feuers / welchem die Persen fürnemlich beygefallen / und des Wassers /den die Egyptier angenommen / zerspaltet ward. Hierbey aber hat es der hinter einen blinden Eyver der Gottesfurcht sich zu verstecken gewohnte Aberglaube nicht bewenden lassen; sondern er hat den Bäumen /den Wässern / den Bergen / den Aepfeln / der Saate /der Erndte / dem Futter / den Steinen / ja so gar den Baum-Raubern / dem Miste und den Schlachten absondere Gottheiten zuzueignen sich nicht geschämet /gleich als der allwissende und allmächtige GOtt allen besondern Dingen vorzustehen entweder zu unachtsam oder zu ohnmächtig wäre. Zu geschweigen: daß endlich nicht etwan die diesen Dingen fürstehenden Gottheiten und Schutz-Geister / sondern so gar die todten Dinge selbst / als der Berg Carmelus / der Stein Elagabalus / die Stadt Rom für Götter angebetet worden. Alleine wir Deutschen sind nicht nur von diesem gantz unvernünftigen / sondern auch von dem gemeinen Irrthume fast aller Völcker befreyet: daß Himmel und Erde von zweyerley / zugeschweigen die Theile der Erde von absonderlichen [171] Gottheiten beseelet würden. Es ist ein GOtt / ein allgemeiner durchdringender Geist / welcher in die gantze Welt / jedoch in jedes Theil auf besondere Weise einfleußt; also: daß der Himmel gleichsam eine Männliche / die Erde eine weibliche Würckung bekommt / welche erstere wir Tanfana / die andere Hertha heissen. Woraus andere Völcker / theils durch Mißverstand ihren Irrthum gesogen / theils uns zu Unrechte beschuldigt haben: daß wir den Vulcan und den Mercur / unter welchem letzten Nahmen auch die Samothracier der Erde opfern / anbeteten. Welcher Aberglaube uns so viel weniger zuzutrauen ist; weil wir nicht einst derselben Weltweisen Meinung für vernünftig gelten lassen /welche die Welt / und die Erde für ein grosses Thier halten / welches für Erscheinung neuer Schwantz Gestirne erschrecke; über der schönen Gestalt des Hi els sich erfreue / schwitze / weine und heule. Sintemal wir uns leicht bescheiden können: daß es wider die gesunde Vernunfft lauffe das anzubeten / was wir mit Füssen treten / mit unsern Pflugschaaren verwahren / und unserm Unflate besudeln. Denn ob die Erde zwar unser Ursprung und unsere Säugamme ist / so vergöttern wir doch nicht unsere Eltern; und wenn die Erde gleich auch ein beseeltes Thier wäre / so ist doch der Mensch das edelste und herrlichste Theil der Welt / ja ihr wunderwürdiger Begrief / gleichwol aber höret er nicht auf selbst denen Ameißen ähnlicher / als Göttern zu seyn. Erato hörete der Priesterin mit Begierde zu / und pflichtete dem Glauben der Deutschen als dem Vernünftigsten je länger je mehr nicht weniger im Hertzen als mit dem Munde bey; freuete sich also auf das den nechsten Morgen vorstehende Feyer der Hertha / welches zu Ehren des die Erde durch den Einfluß der Sterne befruchtenden GOttes gehalten wird.

Die hundert Priesterinnen hatten sich bald nach Mitternacht in einem Lerchen-Baum-Walde versa let; welcher für so heilig gehalten wird: daß / wer einen Baum darinnen umbhaut / das Leben verwürgt hat; vermuthlich / weil die einmal abgehauenen Lerchen-Bäume und Fichten nicht / wie andere Bäume wieder auswachsen / und die Fichten auch bey andern Völckern der grossen Mutter gewiedmet sind. Die Frau von Buren / welche dem zwischen denen dreyen Brunnen versa leten Fürstlichen Frauenzimmer als eine Auslegerin des Feyers zugegeben war / gab hiervon die Ursache: daß die edelste Art der Fichten /nemlich der Lerchen-Baum / der in Deutschland die Stelle der Zedern vertritt / in sich so viel Oel / worvon doch alle andere Bäume verderbt würden / nehrte; sie auch keine andere Baum-Art in sich pfropfen oder einäugen liesse / und wenn der schädliche Nord-Wind wehete / Thränen vergieße / gleichwol aber den gantzen Winter durch sein Laub unversehret behielte /von keinem Wurme gefressen würde; also zugleich ein Bild der Fruchtbarkeit / der Einfalt / der Andacht und Unsterbligkeit wäre. Die Priesterinnen kamen mit aufgehender Sonne in vier Theile abgetheilet / denen Brunnen zu. Im ersten Hauffen waren eitel Jungfrauen / unter der Aufsicht der Fräulein von Riet-Beck. Sie waren alle mit roth-weissen langen Röcken angethan /ein weisser Flor bedeckte ihr Antlitz / ihre unaufgebundenen Haare waren von Salben gantz feuchte; das Haupt mit Fichten-Kräntzen bedeckt; sie spielten theils mit ertztenen Zimbeln / theils auf ledernen Drommeln / theils auf Pfeiffen von Buchs-Baum Holtze; umb damit gleichsam der Erde Fruchtbarkeit in Zeugung des Ertztes / der Thiere und der Bäume zu preisen. Etliche unter ihnen aber trugen an Stangen ein von Blumen künstlich zusa en gesetzet / und Augẽ / Nase / Stirne / Wangen / Mund / Knie / Brüste und andere Glieder artlich abbildendes Frauenzimmer.[172] Die vorwitzige Erato fieng an: Ich sehe in diesem Aufzuge eine grosse Gleichheit mit dem Feyer / welches in Phrygien die Priester der Rhea / Cybele oder Berecynthia Curetes an dem Flusse Gallus jährlich begehen; aber auch grossen Unterschied. Die Curetes weinen und heulen / diesen lächelnden Jungfrauen aber siehet mit der Anmuth auch die Freude aus den Augen. Jene schnitten ihnen nach Art der Traurenden die Haare glatt ab / schlügen ihre Armen und verwundeten den Leib / weil sie diese Göttin mit nichts besser als Menschen-Blute zu versöhnen glaubtẽ. Dieser Ungeberdung aber wolte sie sich von so holden Jungfrauen nicht versehen. Die Frau von Burẽ antwortete: Die Königin möchte ihr hierüber keinen Kummer machẽ; sie würde bald sehen: daß diese Priesterinnen über der Göttlichen Güte / welche vermittelst der fruchtbaren Erde die Menschen genüssen / sich so weniger Traurigkeit anmassen würden / als sie darzu Ursach hätten; am wenigsten würden sie / wie die Curetes / rasend werden. Die Priesterinnen näherten sich inzwischen denen Brunnen / tauchten ihr Blumen-Bild darein / wuschen ihre Augen / Hände und Füsse daraus / hernach streueten sie eine Menge Blumen auf den Bodem / steckten das Bild in die Erde / und hegten einen zierlichen Tantz darumb; worzu immer die Helffte Wechsels-weise diese Reymen darzu sang:


Sch \nster Lentz / des Jahres Kindheit /

Vater der Ergetzligkeit /

Edler Ausbund bester Zeit /

Dessen Auge steckt voll Blindheit /

Wer auf dich nicht wohl gibt acht /

Wenn sich die Natur verjůnget /

Hertha Blůth' und Blumen bringet /

Der Mohnde Perlen weint / das Feld Schmaragden lacht.


Der hat ein gefroren Hertze /

In den Adern Schnee und Eiß /

Der von keiner Regung weiß /

Wenn die grosse Sonnen-Hertze

Mit dem Wider sich vermählt

Wenn der Himmel mit der Erden

Bråutigam verlangt zu werden.

Das Meer zum Spiegel ihm / die Welt zur Braut erwehlt.


Wer nicht ietzt Gott sehen lernet /

Muß ein Unmensch und ein Stein /

Gott ihm selbst ein Unding seyn.

Denn weil Gott zwar nicht entfernet /

Aber uns unsichtbar ist /

Weil er muß sein Bild fůrstellen /

Hat den Frůhling zu Apellen /

Zum Pimsel ihm das Licht / die Welt zur Mapp' erließ.


Erato fieng hierüber an: Ich sehe wohl: daß in Deutschland nicht nur das Waschen / sondern auch das Tantzen / welches Theseus beym Delischen Altare zu ersten angestellt hat / ein Theil des Gottes-Dienstes sey; aber was diß Blumen-Bild andeute / verstehe ich noch nicht / sintemal ich bereit so viel gelernet habe: daß in Deutschland die Römische Blumen-Göttin nicht verehret / weniger ihr üppiges Feyer begangen werde / an welchem die geilesten Weiber gleichsam alle Scham so schändlich aufopfern: daß sie einmal / als Cato darzu kam / in dieses tugendhaften Mannes Augen das Feyer zu halten sich nicht erkühnen wolten. Es ist wahr: antwortete die Priesterin; wir wissen von der unkeuschen Flora / welche zu Rom durch Bescheidung ihres mit dem Leibe erworbenen Wuchers sich zur Göttin gemacht / nichts; wohl aber von der Göttlichen Regung / und der dem Erdbodem eingepflantzten Fähigkeit zu des Menschen Ergetzung Speise und Artzney das gantze Jahr durch / fürnemlich aber im Frühling tausenderley schöne und heilsame Blumen zu gebähren. Dieser zu Ehren flechten die Priesterinnen / welche noch die Blume unversehrter Jungfrauschafft besitzen / dieses Bild zusammen /aber nicht die zu mahlen unmögliche Gottheit / sondern den Blumen-reichen Frühling abzubilden. Unter diesem Gespräche näherten sich der Priesterinnen an der Hauffen; welcher grün und gelbe bekleidet / ihr aufgeflochtenes Haar mit Kräntzen aus Getreyde-Eeren und Mah-Häuptern beschattet war. In der [173] rechten Hand trugen sie Sicheln / in der lincken brennende Wachs-Fackeln. Sie trugen ein aus Erd- und Acker-Früchten gemachtes Bild gleichfalls in der Mitte. So bald sie Erato von ferne erblickte / fieng sie an: Ich kan mir aus vorigem Aufzuge leicht die Rechnung machen: daß diese Priesterinnen den Sommer fürbildeñ wollen; weil ich der Ceres gewiedmeten Eeren /den Mah / die Sichel und Fackeln erblicke. Es ist wohl wahr: versetzte die Frau von Buren; aber wir wissen von der Göttin Ceres nichts / ausser daß unser Sommer eben so wohl der Zeit und Erde / als jene des Saturn und Ops Tochter ist. Und wie diese Proserpinen zur Tochter gehabt haben soll; also ist die Erde auch die milde Mutter alles Ertztes / des Schwefels /des Quecksilbers / der edlen Steine und aller Berg wercks-Früchte. Ihre Eeren und Sicheln bedeuten die fruchtbaren Saaten / ihre Fackeln das unterirrdische Feuer / welches andere Völcker unter dem Nahmen der irrdischen Venus / der Vesta / der Proserpina /und des Pluto verehren / der Mah auf der Erde Verschwisterung mit dem Wasser / und ihre nöthige Kühlung; westwegen Parmenides auch die Erde für das erste und höchste Kalte / Thales aber es gar für den Ursprung aller Dinge gehalten hat. Unterdessen näherte sich dieser andere Hauffen der Priesterinnen mit allerhand vermischten Seiten-Spielen. Diesen führte die Hertzogin Thußnelde in der Tracht der obersten Priesterin. Nemlich sie hatte einen mit Golde / Silber und Purper durchwürckten Unter-Rock an / welchen ein grasegrüner zur Helffte bedeckte. Sie trug über ihren ausgebreiteten Haaren eine von Edelgesteinen /Perlen / Corallen reich-versetzte Krone; die doch aber mit Weitzen-Eeren durchflochten war; gleich als diß Geschencke Gottes jenen Schätzen zu vergleichen / an Nutzbarkeit aber weit fürzuziehen wäre. In der Hand trug sie ein Rauch-Faß mit glimmenden Wacholder-Beeren / und einen Weitzen-Püschel. Erato hatte Thußnelden so geschwinde nicht ersehen / als sie voller Verwunderung anfieng: Ob denn in Deutschland vermählte Frauen Priesterinnen abgeben könten? Die Priesterin antwortete: Weil die Deutschen die Liebe für ein hi lisches Feuer / welches die Thiere wie die Wärmbde der Sonnen die gantze Erde fruchtbar machte / und die ehliche Beywohnung für ein Gesätze Gottes hielten / welcher die Natur ihre Ewigkeit zu dancken hätte / westwegen so viel Völcker auch die Liebe für die älteste Gottheit anbetheten / hielten sie für abergläubisch verehlichte von der Priesterlichen Würde zu verstossen. Denn ob sie wol die Jungfrauschafft für ein heiliges Gelübde hielten / so fern selbtes nicht gleichsam der Natur Gewalt anthäte; ihnen auch nicht unbewust wäre: daß in Böotien dem Thespischen Hercules / zu Rom der Vesta / in Asien der Taurischen Diana niemand anders als Jungfrauen /welche ewige Keuschheit gelobten / zu dienen fähig wären: ja daß der Pythische Apollo der Stadt Temessa ihm jährlich durch Opferung der schönsten Jungfrau wegen eines erschlagenen Gefärthens des Ulysses zu versöhnen / wie auch der Delphische Apollo im Messenischen Kriege ihm aus dem Aepyditischen Geschlechte eine Jungfrau abzuschlachten anbefohlen; über diß Pausanias wegen der ermordeten Cleonice bey den Göttern sich dieses Jungfrauen-Mords halber durch kein Mittel nicht aussöhnen können; so wäre doch die Verheyrathung keines weges für eine Besudelung zu halten. Massen denn für des Devcalions Sünd-Fluth kein Mensch ewige Jungfrauschafft gelobt. Die Griechen zu Athen und Delphis ihn ewiges Feuer durch Frauen / welche sich nur hernach des Ehstandes entschlagẽ wollen / verwahret / die Egyptier auch nur ihren Priestern mehr als ein Ehweib verwehret / die Juden aber den Ihrigen eine Jungfrau zu heyrathen mit meist allen andern Völckern verstattet hätten. Warumb solte nun [174] dem weiblichen Geschlechte übel anstehen / was dem männlichen unverwehrt ist. Zumal jenes ehe als dieses die Regung dieses Feuers fühlte. Welches die Römer endlich zu erlaubẽ gezwungen hat: daß sie nach 30. Jahren des abgewarteten Gottes-Dienstes denen Vestalischen Jungfrauen die Freyheit zu heyrathen verstattet. Zu geschweigen: daß etliche Völcker die Gelobungen der Keuschheit für einen Greuel / den Verlust der Jungfrauschaften aber für ein heiliges Thun gehalten / und daher die Phönicier / die Angilen in Africa / ja ihre eigene Armenier ihre Bräute die erste Nacht in Tempeln ihren Priestern geliefert. Die an dem Ufer des Cyprischen Meeres sich feil bietenden Jungfrauen aber ihren schnöden Gewinn theils zum Heyrath-Gute / theils zu heiligen Opfern der Venus angewendet hätten. Wie die Deutschen aber die Geilheit nicht nur aus ihren Heiligthümern / sondern auch aus ihren Eh-Betten verbanneten / und daher das bey ihnen ungemeine Laster des Ehbruchs mit Abschneidung der Haare und Staupen-Schlägen / oder auch gar mit Strick und Feuer strafften / ja nicht einst den Frauen zweymal zu heyrathen erlaubten; also wäre bey ihnen die keusche Liebe nichts unheiliges. Sie machten daraus zwar nicht / wie die Athenienser / einen Traum / oder eine blosse Ergetzligkeit der Gedancken / und eine Feindin des weiblichen Geschlechtes; also gar: daß die ehliche Beywohnung nicht einst ihr Werck seyn solte; alleine sie spielten sie mit dem Zeno für eine Mutter der Freyheit / der Freundschafft und Eintracht; und für eine Gehülffin gemeiner Wohlfarth. Dahero / wenn die Liebe eine Gottheit zu seyn verdiente / ihr Bild zu Athen nicht unbillich in den Eingang der Academia gesetzt / und nebst Minerven so wohl alldar / als durchgehends bey Schlüssung der Bindnüsse / bey den Spartanern für bevorstehender Schlacht verehret worden wäre. Die Thebaner hätten gleichfalls aus einer nachdencklichen Andacht eitel Liebende und Geliebte zu ihren fürnehmensten und heilig-gehaltenen Kriegs-Hauffen erkieset / und die Cretenser /wenn sie gleich treffen sollen / die schönsten Bürger ausgelesen die Liebe umb Sieg anzuruffen. Die Königin Erato nahm der Priesterin Ausführung für vernünftig und begründet an / unterdessen näherte sich auch dieser Hauffe der Priesterinnen / und badeten ihr Bild des Sommers in der Bach / welche aus allen dreyen Brunnen daselbst zusammen laufft; gleich als wenn die Brunnen-Bilder der Jungfrauschafft / Flüsse aber der Frauen / und jene zwar beliebter / diese aber nützlicher wären; oder weil der in dem Sommer gleichsam alle Köstligkeiten der andern Jahres-Zeiten vereinbaret wären. Hierauf hegten die Priesterinnen umb das in einen fruchtbaren Acker gepflantzte Sommer-Bild einen zierlichen Tantz / worzu iedes mal die Helffte der ruhenden folgende Reymen sang:


Beliebter Sommer / Kern der Zeit /

Des Jahres kråfft'ge Mannbarkeit /

Ausgeber der Natur / des Uberflusses Horn /

Wer sonder Opfer Danck / und Rauchwerck / Weitz und Korn

Von wenig Saaten håuffig erndtet ein /

Der muß von Weyrauch arm / und kalt von Andacht seyn.


Dein grosses Reichthum übertrifft

Vernunfft und alle Rechnungs-Schrifft /

Kein K \nig hat zu zahln / was nur der Sperling frißt.

Wie daß denn nur der Mensch undanckbar Gott vergißt?

Den stummes Vieh zu Gottes Preiß erweckt /

Dem Hülf' und Spreu so gut als uns das Mund-Mehl schmeckt.


Dafern die Zeit soll gülden seyn /

Und alle Schåtze schlüssen ein /

So bist du / Sommer / mehr und güldener als Gold.

Die Erde fůhlt in dir erst recht des Himmels hold /

Und da der Winter ist ein Bild der Nacht /

So hegt die Sommers-Zeit des Mittags Nutz und Pracht.


Mittler Zeit folgte der dritte von der Gräfin von Schwalenberg geführte Hauffen der verwittibten Priesterinnen. Sie waren alle mit gelblicht-fahlen den dürren Blättern gleichenden Ober- und blauen Unter-Röcken bekleidet. Ihre Haare waren in zwey Köpfe zusammen [175] geflochten; das Haupt mit Oel-Zweigen und Wein-Beer-Laube bekräntzet; welches die Frau von Buren dahin auslegte: daß so wohl die Wein-Reben / welche sich auf keinen andern Baum pfropfen liessen / als die Oel-Bäume Sinnen-Bilder der fruchtbaren Keuschheit wären. Daher auch in Cilicien diese Bäume nur von Knaben gepflegt würden; und in Griechenland müsten alle / die sie warteten / oder die Frucht abnähmen / wie diese Priesterinnen bey ihrer Einweihung schweren: daß sie niemals jemanden anders / als ihren Ehegatten beygewohnt haben. Sintemal so denn die Oelbäume viel besser wüchsen / und mehr trügen. Sie trugen in den Armen ein mit Wein-Trauben / Oliven und allerhand Obste gefüllten Korb / und pfieffen auf eitel Kru -Hörnern / vielleicht weil sonst der Gott des Weines mit einem gehörnten Ochsen-Kopfe aufgeführet wird / und so wohl die Deutschen als andere Völcker aus Ochsen-Hörnern zu trincken pflegen. Auf einer Stange ward das von eitel Herbst-Früchten artlich zusammen gemachtes Bild des Herbstes getragen; welches ungeachtet sonst der Herbst schon das sich abneigende Alter / oder den Abend fürbildet; dennoch auf der einen Seite einen barthichten Jüngling / auf der andern Seiten ein fruchtbares Weib fürstellte / wie die Griechen auch ihren Wein-Gott mahlen. Nachdem diese Priesterinnen das Herbst-Bild im andern Brunnen gewaschen hatten / stellten sie solches gleichfalls in die Mitte /und hielten theils nach dem Gethöne ihrer Kru -Hörner / theils nach dem Gesange folgender Reimen einen nicht ungeschickten Tantz darumb:


Schatzreicher Herbst / des Jahres Speisemeister /

In dem iedweder Stern was gutes auf uns thaut /

Du machst die Erde voll / den Himmel feister;

Du schaffst: daß die Natur / die in dem Frůling Braut /

Im Sommer Mutter wird / im Winter gar versåugt /

Sich als Verschwenderin uns zeigt.


So Stand' als Kraut bringt ietzt Gesäm' und Früchte /

Jedweder Winckel scheint ein Sonnen-Tisch zu seyn.

Das Wasser zins't die niedlichsten Gerichte /

Dazu die leere Lufft scheint Flůgel-Werck zu schnei'n /

Die Wålder sind nun auch von Thieren so erfůllt /

Als wandelte sichs Laub in Wild.


Wenn auch der Herbst sonst keine Gewächse håtte

So wäre mehr als viel der sůsse Trauben-Safft;

Weil er die Milch der Alten ist / das Fette

Der Erd' / das Oel und Marck der Welt / der Schwachen Krafft;

Durch den Gott Mensch und Vieh hat unterscheiden wolln /

Ja den wir ihm selbst opfern solln.


Die Königin Erato nahm bey diesem Tantze allererst wahr: daß die sä tliche Priesterinnen weisse Holtz-Schuh trugen / alle Schlingen der Kleider aufgelöset waren / ihre Röcke allerhand färbichte Säume und bundte Streiffen / ihre Führerinnen aber auch mit eingewürckte Gold-Fädeme hatten. Dahero fieng Erato an: Sie wüste wohl: daß auch der Egyptier / der Griechen und anderer Völcker Priester keine lederne Schuh / am wenigsten von verrecktem Vieh tragen dörfften / sondern entweder weisse von Papier oder Holtze anziehen / und sich enger gebundener Kleider enthalten / beym Gottes-Dienste die Schuh auflösen oder gar ausziehen müsten. Sie möchte aber wohl wissen: Ob die Zierath der vielfärbichten Streiffen /derer fast keine mit der andern überein treffe / sonst aber alles so gleiche wäre / was sonderliches bedeutete? Die Frau von Buren antwortete: Es zeigten diese Streiffen nichts anders / als wie bey den Römern die Monden auf den Schuhen / und die güldenen Ringe /bey den Scythen die grünen Hüte / bey denen Daciern die Reiger-Federn / bey den Persen die zweyfachen Stiefeln / bey denen Arcadiern / welche älter als der Monde seyn wolten / das Kleinod auf der Brust / und die helffenbeinernen Schuh-Schnellen / bey den Egyptiern die Geyer- oder Habichts-Flügel ihre Adeliche Ankunfft nicht aber wie die Hauben das Priesterthum ins gemein / [176] der leinene Schleyer das Priesterthum der Isis an. Denn weil der Adel fast nirgends in der Welt so hoch als in Deutschland und Gallien geachtet ware / so gar daß die Unedlen / welche gleich frey und nicht Knechte wären / gleichsam für Leibeigen geachtet / in keinen Fürsten-Rath gezogen würden / ohne Verlust ihrer Würde / ja gar kaum ohne Gefahr ihres Lebens mit einer unedlen sich verheyrathen dörfften /trügen die Edlen in Deutschland auch gewisse Kennzeichen ihres Standes; und daher auch diese Priesterinnen; wiewohl weil kein Unedler in Deutschland das Priesterthum erlangen könte / sie derogleichen Merckmaals nicht bedörfften. Die Königin Erato brach ein: Sie wäre unwürdig edel zu seyn / wenn sie den bey den Deutschen gewohnten Vorzug des Adels nicht billigte. Denn weil der Edlen Vorfahren Tugend der Nachwelt lange Zeit hernach zu statten käme / wäre diese auch wohl-verdienter Leute Nachkommen Ehrerbietung / und nichts minder die abwesende als gegenwärtige Tugend hoch zu schätzen schuldig. Dahero gäben die Verdienste der Voreltern ihren Kindern eben so wohl / als die Sonne düstern Thälern ein gewisses Licht. Ja die Tugend selbst kriegt von dem Adel wie die Diamanten von den Folgen einen gewissen Glantz / welche sonst vielleicht unter dem Schatten eines niedrigen Ursprungs wäre verdunckelt / wo nicht gar als eine ohnmächtige Bemühung ersteckt bliebẽ. Westwegen auch auf denen Olympischẽ Spielẽ denen Gewinnern / derer Ahnen schon vorher daselbst gesiegt hätten / herrlichere Preise ausgetheilet würdẽ. Kein Volck lebte unter der Soñe / das nicht zwischẽ Adel und Pöfel einẽ grossen Unterschied machte; etliches machte wohl gar in ihrem Lande achtzehnerley Stände und Würden. Ja die Araber untersuchten so gar die berühmten Geschlechter ihrer Pferde / und zahlten offt eines von schlechtem Ansehen theurer als hundert andere. Die über dem Caspischen Meer wohnenden Scythen hielten die aus einem gewissen Stamme gezeugten Pferde / welche viel Tage von wenig Handvolln Heu lebten / und nie beschlagen werden dörfften / so werth: daß sie für einen Kirchen-Raub hielten / wenn iemand eines davon einem frembden verkauffte. Das Ertzt würde / nachdem es aus diesem oder jenem Gebürge kommen / und die Kräuter nach ihrem Vaterlande hochgehalten. Diesemnach wäre es nicht weniger vernünftig als recht: daß in Deutschland die Fürsten nur aus dem Adel erwehlt / und nur alte Ritters-Leute zu Grafen und Gefärthen der Hertzoge und unter ihre Leibwache gezogen würden. Der Unedlen gäntzliche Ausschlüssung aber von denen geistlichen Würden und dem Priesterthume schiene ein allzu strenges Recht zu seyn. Denn wenn die Menschen ihren allerältesten Ursprung untersuchten / wären sie Kinder eines Vaters / und aus einer Mutter Leibe entsprossen. Gott forderte seinen Dienst nicht nur von Fürsten oder Edlen / sondern von dem gantzen Geschlechte; und jene wären gegen seiner überschwenglichen Grösse so wohl als Leibeigene kleiner als Sonnen-Staub / und seine Knechte. Daher könte in Gottes Augen zwischen beyden schwerlich ein Unterscheid seyn; sonderlich da er denen geringsten Sclaven-Kindern eben so wohl als Fürstlichen eine vernünftige Seele / und damit die Fähigkeit ihm andächtig zu dienen gegeben hätte. Westwegen auch der vom Wahrsager-Geiste für den weisesten gerühmte Socrates / ungeachtet sein Vater ein Steinbrecher / die Mutter eine Heb-Amme gewest / und tausend seines Gleichen die Weltweißheit ihnen gleichsam eigen gemacht; welche eine nöthige Staffel zum Erkäntnüsse Gottes / und ein Zunder / ja ein Leit-Stern heiliger Andacht wäre. Aus welcher Ursache die Egyptier / bey denen doch die Priesterliche Würde höher als nirgends [177] anders in der Welt geschätzt würde / niemanden aus ihren Landes-Einwohnern hierzu für zu geringe achteten. Die Priesterin lächelte / und versetzte: Kein Mensch wäre freylich wohl in der Welt so groß: daß er gegen dem unermäßlichen Gotte / wie ein Sand-Korn gegen der Sonne zu vergleichen wäre. Und weil alle den Ameissen ähnlicher / als Gotte wären; müste die Vergötterung der Sterblichen ein desto abscheulicher Greuel in seinen Augen seyn. Alleine Gott erniedrigte sich unbeschadet seiner Grösse durch seine Güte und Liebe zu dem Menschen so tieff: daß er seine Nieren prüfete / seine Haare zehlete / der Frommen Nahmen gleichsam zum steten Andencken in seine Hand zeichnete /ja sie als sein Ebenbild oder als seinen Aug Apfel werth hielte. Da er nun über diß gewisse Thiere zu seinen Opfern erkiesete / andere als unrein verwürffe /und derogestalt zwischen dem tummen Vieh bey seinem Gottes-Dienste Unterschied gehalten wissen wolte; warumb solte er nicht vielmehr aus denen ihm dienenden Menschen einen für den andern zu erwehlen belieben? Wolte er ihm fette Ochsen / nicht magere Kühe geopfert wissen; warumb solte er nicht auch den Kern eines Volckes zu seinen Priestern verlangen? Alle Völcker trügen Abscheu einen verschnittenen oder verstimmelten zum Priester zu dulden. Daher hätte Antigonus dem Hircan die Ohren abgeschnitten / umb ihn zum Jüdischen Priesterthum unfähig zu machen. Ungeachtet Metellus im Brande des Vestalischen Priesterthums über Rettung des Palladium die Augen einbüßte / und Marcus Sergius durch seine grossen Dienste schwach worden war / musten doch beyde das Priesterthum ablegen. Warumb solten denn nicht die Hefen des Pöfels von der Klarheit heiliger Würden ausgemustert werden? Die Andacht und der Gottes-Dienst wären zwar aller Menschen Schuldigkeit; das Priesterthum aber nicht iedermanns Thun /und gleichsam was von der Vernunft unbegreiffliches; also daß die Geten ihren Priester und den Berg ihres Heiligthums für einen Gott hielten. Bey unterschiedenen Völckern wäre diß auf ein einiges Geschlechte gewiedmet; bey den Römern aber könten wegen der hohen Gewalt der Priester / welche das Volck gleichsam an dem Finger leiteten / ihrer nicht zwey aus einem Gechlechte zu einerley Priesterthume erkieset /aus denen Edlen aber nur vom Volcke die / welche schon geweyhet / darzu benennet werden. Ja die Weltweißheit zu lernen wäre bey den Sarmatern dem Pöfel verwehret; weil die Wissenschafft die Folge eines blinden Gehorsams hinderte / und Unterthanen / welche mehr als ihre Gebieter verstehen / diesem schwerlich zu Gebote stehen könten. Die Egyptischen Priester hätten auch zwar ihre Landesleute / welche sie alle für die ältesten und edelsten Menschen gehalten /aber schwerlich einen ihrem Urthel nach unedlen Ausländer zu Lernung ihrer geheimen Weißheit / weniger zum Priesterthum gelassen. Daher hätte der von ihnen doch beschnitene Pythagoras zwar einen Vorschmack von ihrer Weißheit / aber nichts weniger als ihr Priesterthum; und der göttliche Plato kaum die Schalen von den Geheimnüssen der Jüdischen Priester überkommen. Ja die Egyptischen Priester hätten aufs sorgfältigste sich von dem Thun des Pöfels abgesondert /und durch die entäuserte Essung der Zwiebeln nichts anders als daß sie andere Leute nicht so gut als sich hielten / zu verstehen gegeben / weil die Zwiebel wider aller andern Gewächse Eigenschaft ihre Feuchtigkeit mit dem wachsenden Monden verminderte /mit dem abnehmenden vermehrte. Was wunderte man sich aber über der Deutschen heilige Verfassung? Hätten doch in Epirus die Hirten der der Sonne gewiedmeten Schafe an dem Flusse Oricus aus den edelsten Geschlechtern seyn müssen. Nachdem auch die Königin Erato der Deutschen Gewohnheit billigte: daß [178] sie ihre Fürsten und Herrscher nur aus dem Adel erkieseten; könte ihr ja so viel weniger bedencklich fallen: daß das Priesterthum nur Edlen offen stünde. Sintemal ja bey den meisten Völckern die Priesterliche Würde mit der Königlichen Hoheit entweder unzertrennlich verknüpft wäre / oder die Könige nur aus den Priestern erwehlet würden. Also wären alle Könige in Egypten Priester gewest / und daher hätten sie auch nur eben so viel Wein trincken dörffen / als den Priestern das Maaß gesetzt war. Die Mohren wehleten allezeit einen ihrer Priester zum Könige; und die Spartaner hätten den Zepter mit des Jupiters Priesterthume vereinbaret. Nichts minder wären zu Rom so wohl die sieben Könige / als ietzt die Käyser oberste Priester gewesen / ja als gleich mit dem stoltzen Tarquinius die Königliche Herrschafft ausgetilget worden / hätte doch der hohe Priester den Nahmen eines Königes des Gottesdienstes behalten. Bey den Thraciern und Cappadociern aber müste der hohe Priester aus Königlichẽ Geblüte seyn / wie er auch der nechste nach ihm an Ansehẽ und Gewalt wäre. Wie nun der Gottes-Dienst in den Händen des Pöfels gleichsam verächtlich würde; hingegen durch die Hoheit der Priester mehr Ansehen bekäme; weil man ins gemein mehr auf den Werckmeister als aufs Werk sähe; also erforderte auch die gemeine Wolfarth: daß in Deutschland nur Edle zum Priesterthum kämẽ / weil allhier eben so wohl der Adel und junge Fürsten ihren Priester / als in Persien ihre Weltweisen / in Indien die Brachmanen zu ihren Lehrmeistern hätten. Sintemal die / welche in sich selbst keine edle Regungen hätten / sondern bey der Niedrigkeit ihres Standes niedrige Gedancken hegten / auch nichts bessers als ihren Lehrlingen einflössen könten. Daher hätten Leonidas mit seinen niedrigen Schwachheiten auch das edelste Gemüthe des grossen Alexanders angesteckt /und hätten sie ihm sein Lebtage angehangen / auch zwischen seinen grossen Tugenden für geblickt / die ihm theils angebohren / theils hernach vom Aristoteles des Heldens Machaons und Asclepiadens Enckel beybracht worden. Welchen letztern Alexander selbst seinem Vater Philipp fürzoh / weil dieser ihn durch seine Zeugung vom Himmel auf die Erde gebracht /jener aber durch seine Lehren ihm den Weg von der Erde in Himmel zu steigen gewiesen hätte. Nichts minder hätte Achilles umb ein so grosser Held zu werden einen unsterblichen Götter-Sohn den Chiron zu seinem Lehrmeister haben müssen. Der Adel wäre auch nicht so willig einem gemeinen Manne / als einem seines Gleichen Folge zu leisten; und machten sie es jenem offt nicht viel besser / als Hercules seinem Unterweiser Linus / den er mit seiner ihm auf den Kopf geschlagenen Harffe getödtet. Insonderheit wüste der des gezwungenen Gehorsams gewohnte Pöfel über edle Gemüther die Schärffe ihres Zwanges selten zu mässigen / da doch diese meistentheils durch Lindigkeit leichter geführet / wie das in starcker Glut harte haltende Gold durch ein mässiges Stroh-Feuer zerschmeltzt würde; und daher nachdencklich getichtet wäre: daß Chiron durch Honig und Aepfel Achillem gleichsam an einem Fadem geleitet hätte. Endlich liessen sich in Deutschland keine Unedlen weder zu solchen Lehrmeistern noch zu Priestern erkiesen /weil allein der Adel und Fürsten der Weißheit und guten Künsten obläge; der Pöfel aber zu Handwercken gewiedmet wäre / also weder schreiben noch lesen könte; ob es schon in Deutschland nicht wie in Thracien für Schande gehalten würde / wenn ein- oder ander beydes verstünde. Die Königin Erato fiel ein: Das erste wäre die ruhmwürdigste Gewohnheit; weil doch auch der Fürsten Kinder die Klugheit nicht mit auf die Welt brächten; derselben aber so viel / als hundert tausend andere [179] Menschen bedörffen. Das andere aber scheinet mir eine der grösten Grausamkeiten zu seyn: daß die Unedlen nichts von dem grösten Geschencke Gottes nemlich der Weltweißheit / lernen /andere nichts lehren / und im Gottesdienst gleichsam mit blinden Augen sich behelffen soltẽ. Ist diß nicht so viel / als ihre Seelen in ein Land verbannen / darinnen die Sonne nie aufgeht? Sintemal ausser der Sonne / nichts in der Welt von sich selbst und seinem Ursprunge nach erleuchtet ist / und des Menschen Gemüthe blinder als der Maul-Wurff in Augen gebohren wird / und durch fleissige Unterweisung kaum einen wenigen Schimmer / niemals aber ein vollkommenes Licht erlanget. Westwegen die Griechen der Göttin der Weißheit gar nachdencklich die nur im finstern stehende Nacht-Eule zugeeignet haben. Socrates hat wegen menschlicher Unwissenheit an ihm selbst gezweifelt: ob er ein Mensch oder ander Thier wäre; und Plato ist der Meynung gewest: die Eigenschafft unser Seele liesse sich so wenig / als der stets mit Wellen und Schupfen bedeckte Meer-Gott Glaucus / eigentlich betrachten und sehen. Wenn aber ja die Unterweisung uns ein Stückwerck der für die uneingefleischten Geister vorenthaltenen Wahrheit und Weißheit beyzubringen vermag / wie daran niemand mit Vernunft zweifeln kan / heißt es bey so gestalter Verschlüssung derselben nicht der Natur Gewalt anthun: daß der in die Seelen der Unedlen geflößte Saamen der Weißheit unter dem Schimmel aufgedrungener Unwissenheit ersticken müsse? Oder ist diese Aufhalsung der Unwissenheit nicht gar für einen Todschlag zu halten / wo anders wahr ist: daß die Unwissenden ehe / als sie sterben / todt sind / die Weisen aber / wenn sie gleich gestorben / doch leben? Denn da in andern Ländern so viel gemeine Mütter / so viel Socrates / Demosthenes und Euripides für die höchste Staffel der Klugen /so viel Hostilier und Agathoclen zum Zepter / so viel Perpennen zu Feldherren / so viel nützliche Catonen fürs Rath-Haus gebohren; wer wolte zweifeln: daß unter dem deutschen Pöfel eitel unfruchtbare Mütter /oder die Tugend nur eine unabtrennliche Gefärthin des Adels wäre? Die Priesterin versetzte: Meines Ortes wüntschte ich: daß wie alle Deutschen weiß /also auch weise wären. Ich wil es auch nicht leugnen: daß es einen Schein der Strengigkeit habe / weñ man unserm Pöfel so wohl die Thüre zur Weißheit / als zum Priesterthume verschleust; da doch jene wahrhaftig das Saltz des Lebens / und das Gesichte der Seele ist. Alleine über diß / daß es vielen / welche diesen Schatz zu finden vermeynen / wie denselben gehet /welche statt Goldes Kohlen ausgraben; das ist / sich in eine kohl-schwartze Finsternüß vertieffen; haben viel Weise der Unwissenheit mehr Lobes als der Weißheit zugeeignet. Heraclitus meynte: Viel Künste und Wissenschafften schwächten nur einen gutes Verstand. Hippon nennte sie Eitelkeiten; Anaxarchus hielt sie vor so schädlich als nützlich. Zu geschweigen: daß einige gar die Weltweißheit für eine Erfindung der höllischen Geister halten. Wie ich nun zwar das erstere für Irrthum / das letztere für Verläumbdung halte / und selbst der Weißheit meine meisten Tage des Lebens gewiedmet habe; also vermöge meines Gelübdes ihr Wort reden muß; so kan ich doch denselben Staats-Klugen vieler Völcker nicht gäntzlich ablegen / welche Künste und Wissenschafften dem Pöfel für so wenig / als die Luchs-Augen den Maulwürffen anständig / und dem Mercur / der bald ein gütig / bald ein schädlich Gestirne abgibt / nicht unähnlich / oder sie doch zum wenigsten an Fürsten für Gold / beym Adel für Silber / am [180] Pöfel für Bley /oder oft gar giftiges Spißglaß halten. Denn wie die Blindheit eine Mutter der Folge / und der Gehorsam eine Tochter der Einfalt ist; also erwecket die Wissenschafft vieler Dinge im Menschen hohe Gedancken; und meinen Unterthanen: es geschehe ihnen Weh und Unrecht / wenn sie einem / der weniger / oder kaum so viel als einer unter ihnen verstehet / zu Gebote stehen sollen. Sie erkiesen sodenn unschwer alle Fehler ihrer Führer / und wissen auch klugen Fürsten ihre Mängel auszustellen. In welchem Absehen die Natur nur denen zur Herrschafft erkieseten Adlern ein so scharffes Gesichte und das Vermögen in die Sonne zu sehen gegeben hat. Daher kein besser Mittel ist Unterthanen im Zaum zu halten / als sie reich / nicht allzu scharfsichtig werden lassen. Der blosse Unverstand /woher der Sonne und des Monden Verfinsterung rühre / hätte mehrmals gantze aufrührische Heere besänftigt. Ohne diese Unwissenheit ist der Pöfel nicht geschickt: daß man selbtem den zur beständigen Treue so nöthigen Aberglauben beybringe; welches doch der sicherste Kapzaum beweglicher und verwegener Gemüther ist. Daher jederzeit die Wissenschafft sich frembder Thorheit vortheilhafftig zu bedienen für keine gemeine Klugheit gehalten worden. Welches Streiches die Fürsten in Deutschland so viel mehr von nöthen haben / so viel die Deutschen streitbarer und der Dienstbarkeit ungewohnter als andere Völcker sind; also: daß wenn nicht des Pöfels Einfalt eine Regungen mäßigte / und die Priester den Fürsten an der Hand stünden / sie schwerlich zu bändigen seyn würden / nachdem sie jenen ohne dis mehr als diesen zu gehorsamen gewohnet sind. Wiewol in etlichen Ländern Deutschlandes / wo insonderheit der Druyden Gottesdienst verfallen ist / die Unedlen auch schon so weit durchgedrungen: daß man sie so wol zu Erlernung der Weltweißheit / als zu der Würde des Priesterthums lassen muß. Die Königin Erato begegnete ihr: Ich kan endlich wol nachgeben: daß einfältige Unterthanen leichter zu beherrschen sind; ich weiß auch wol: daß viel kluge Gebieter sie durch Aberglauben nach ihrem Gefallen gleichsam wie an einem Seile geleitet haben; dis aber scheint mir noch unverantwortlich zu seyn: daß man aus irrdischem Absehen dem gemeinen Volcke die wahre Erkäntnüs GOttes vorenthält / und zu einem vergänglichen Vortheile selbtes gleichsam mit Fleiß zum Aberglauben verleitet; da doch der Mensch nur zu dem Ende von der Natur mit dem Kleinode der Vernunfft begabet worden: daß er die Warheit zu ergründen / und GOtt zu erkennen sich bemühen solle. Die Priesterin konte hierüber ihre Empfindligkeit so sehr nicht verbergen: daß sie nicht etlicher maßen aus ihrem Gesicht hervor geblickt hätte / sie setzte aber der Königin mit der leutseeligsten Bescheidenheit entgegen: Es könte kein grösser Laster erdacht werden / als GOtt / der die Warheit selbst wäre / mit Fleiß fälschlich abbilden /und statt des wahren Gottesdienstes das Volck zu Aberglauben verleiten. Dieser Betrug hätte zwar in der Welt bey nahe den Nahmen einer Klugheit bekommen / und viel Völcker würden damit hinters Licht geführet / wo man einen Gottesdienst einführte /nicht wie er GOtt gefällig / sondern den Herrschern vorträglich ist. Diese Arglist aber ist von den Deutschen weit entfernet / welche nicht nur den einigen und wahren GOtt / so viel es ihnen die Kräfften der Natur und sein Spiegel die Natur verstattet / zu erkennen / sondern auch diese Erkäntnüs dem gemeinen Volcke nach dem Beyspiele der Terdulen in Hispanien / des Linus in Griechenland / und des uralten Lehrers Zoroasters durch öftere Fürsagung gewisser Reime mitzutheilen bemühet sind. Maßen denn unserer Barden Beredsamkeit keinen andern Zweck für sich hat / als GOtt nach Mögligkeit zu offenbahren /und die Tugend zu rühmen; also: daß ob wir uns wol[181] bescheiden: unser Verstand und Einbildung könne so wenig GOttes Unbegreifligkeit / als die Zeit seine Ewigkeit / kein Geitz seine Weißheit / keine Tugend seine Güte / kein Werck seine Allmacht abmäßen /dennoch GOtt unserm gemeinen Volcke bekandter /als vielleicht anderer Völcker Weltweisen ist. Denn diese Reimen begreiffen in sich gar deutlich die Lehre von dem einigen / ewigen / gerechten und gütigen GOtt / von der Unsterbligkeit der Seelen / und daß desthalben die Tugend zu üben / die Laster zu meiden / für jenes nach dem Tode Belohnung / für dieses unendliche Straffe zugewarten wäre. Diesemnach denn unsern Priester nicht so wol aus Mißgunst oder aus Vorsatz andere in Irrthum zu leiten / als daß es besser ist das Erkäntnüs GOttes im Gedächtnüsse / denn auf der Rinde oder Leder zu haben / nichts hiervon aufschreiben; außer dem aber mit der meisten Völcker Priestern nicht darfür halten: daß die Andacht schon den Gebrechen der Unwissenheit ersetze / und das einem unbekandten GOtte gewiedmete blinde Gebete kräftig genung sey; sondern sie lehren vielmehr: daß ob zwar die blosse Erkäntnüs GOttes ohne Andacht keine Vereinbarung mit GOtte mache / selbte dennoch ein heilig und nöthiges Ding / die Unwissenheit aber eine schnöde und unheilige Finsternüs sey. Ja es würde der ärgste Greuel bey uns seyn / wenn man von GOtt was falsches dem gemeinen Wesen zum besten jemanden was überreden wolte. Sintemal GOtt vielmehr abergläubische Anschläge krebsgängig / und die ihn durch Abgötterey verunehrenden Reiche zu nichte macht; der wahre Gottesdienst aber ein viel fester Band zwischen Fürsten und Unterthanen seyn muß /als der Aberglaube; wo anders das Wesen länger / als ein betrüglicher Firnis Farbe hält. Destwegen aber ist es nicht der Nothdurfft: daß zwischen Priestern und gemeinem Volcke kein Unterscheid seyn dörffe; oder daß in den Geheimnüssen des Gottesdienstes dieses so viel als jene wissen müsten. Denn wie GOtt das einfältigste Wesen ist / also vergnügt er sich auch an einer andächtigen Einfalt der Menschen; ungeachtet er von denen ihm sich Lebenslang wiedmenden Priestern als Lehrern mit eben dem Rechte ein tägliches Nachsinnen / und derogestalt ein mehrer Erkäntnüs / als von der Sonne mehr Glantz denn von denen Sternen der Milch-Strasse erfordert. Nach dem auch unterschiedene Dinge so tiefsinnig sind: daß nicht alle Köpfe solche zu begreiffen fähig sind / oder Zeit haben / weil bey den Deutschen zwar nicht wie bey denẽ Brachmañen zu Anhörung dieser Weißheit sieben und dreißig doch wie bey den Galliern zwantzig Jahr erfordert werden; überdis solche Geheimnüsse vom ungelehrten Pöfel in ärgerlichen Mißverstand gedeutet werden können / ohne welcher Wissenschafft selbter doch das Heil seiner Seele wahrnehmen kan; ist es mehr Klugheit als Sünde / am wenigsten aber was ungewöhnliches solche Geheimnüsse dem gemeinen Volcke zu verhölen. Denn die Egyptier schreiben zwar ihre Lehren des Gottesdienstes aber mit einer niemanden als den Priestern verständliche Bilder-Schrifft auf / daher sie auch zu Andeutung ihrer Rätzel für ihre Tempel einen Sphynx setzen. Die Syrier halten den Gottesdienst der Syrischen Göttin / die Römer den des Saturnus so geheim: daß man in den innersten Heiligthümern / und auf den fürnehmsten Festen nichts davon ergründet. Die / welche der grossen Mutter in Griechenland beym Orpheus / oder bey den Brachmannen in Indien sich einweihen lassen /müssen die Eröfnung des geringsten Geheimnüsses abschweren. Ja Plato nöthigte seinem Timäus / Pythagoras seinen Schülern in der Weltweißheit einen Eyd der Verschwiegenheit ab. Welches wir Deutschen doch so schlechter dinges nicht billigen / noch der Griechen Vorhaben loben können / da sie allen Gottesdienst hinter Larven der Getichte versteckt; [182] und weil der thumme Pöfel solch. Schalen für den Kern annimt / die Andacht in eine abscheuliche Abgötterey verwandelt haben. Hingegen bey unser Deutschen Einfalt die Anbetung des einigen GOttes gantz unversehret blieben ist / und wir mit den spitzigen Atheniensern keinem unbekandten Gotte Altare zu bauen /noch mit den andern Griechen unsere Andacht unter dreißig-tausend falsche Götter zu vertheilen haben. Die Königin hatte diesem eivrigen Gespräche der Priesterin etwas ferner entgegen zu setzen so wenig Hertze / als Zeit. Denn endlich näherte sich denen Brunnen auch der vierdte Hauffen der Priesterinnen /welcher so langsam fortrückte / als wenn alles an ihnen gefroren wäre. Sie waren alle in schneeweissen leinenen Zeug gekleidet / welchen auch andere Völcker als den geschicktesten zur Priesterlichen Kleidung brauchen. Sie hatten alle die Haare theils in zierliche Knoten empor gebunden / theils mit heissen Haar-Nadeln aufgekrauset / und mit blauen Feilgen bekräntzet. In den lincken Händen trugen sie ertztene Rauch-Fässer mit glüenden Kohlen / darein sie nach und nach Agstein streueten; in den rechten eine eiserne Hacke / und einen güldenen Pfeil. Das Bild /das sie trugen / war von allerhand Arten Ertztes zu sammen gesetzet. Die Frau von Buren machte darüber die Auslegung: daß hierdurch die Wolthaten / welche GOtt auch im Winter vermittelst der Erde zuwürffe /bedeutet würden. Sintemal / wenn gleich sodenn die Natur gantz unfruchtbar / oder gleichsam gar todt zu seyn schiene / sie dennoch in der unterirrdischen Hölen und Adern Gold / Silber / Kupfer / Zinn / Eisen / Bley und Quecksilber kochte. Desthalben wird sie anderwerts unter dem Nahmen des Pluto / der Pandora und Proserpina verehret / mit welcher Rampsinitus aus Egypten in der Hölle auf dem Bretspiele gespielet / und ein güldenes Handtuch zurück gebracht haben soll. In diesen Hauffen befinden sich eitel Jungfrauen / welche ewige Jungfrauschafft geloben; welches so wol Feuer / als ihr getragenes Ertzt andeutet. Sintemal aus dem Feuer so wenig / als aus der Jungfrauschafft gebohren werden kan; und ob wol das Ertzt nach etlicher Meinung lebet / und in ein anders verwandelt werden kan / so zeuget es doch eben so wenig als die Steine aus sich nichts mehrers seines gleichen; sondern seine Eltern sind Schwefel und Quecksilber / ungeachtet man ihr von einer Frauen in Gallien / aber fast unglaublich erzehlet: daß ihre zwey Diamanten etliche Junge geheckt hätten. Aus diesem Absehen haben vielleicht auch die Phrygischen Priester der Berecynthia nicht nur ewige Keuschheit geloben / sondern sich auch mit einem scharffen Samischen Steine gar entmannen lassen müssen. Bey diesem Unterrichte näherten sich die Priesterinnen / welche ein Fräulein von Dalberg führte. Nach dem sie ihr Bild des Winters aus dem dritten Brunnen gebadet hatten / hegten sie umb selbtes nach ertztenen Hörnern einen zierlichen Tantz mit solcher Geschwindigkeit: daß es schien / sie wolten es denen dem Winter geeigneten Winden zuvorthun; darzu sie denn wechselsweise folgende Reymen absangen:


Du n \th'ge Ruh der Zeit / des Jahres Alterthum /

Beliebter Winter dir gebůhrt so vielmehr Ruhm /

Als dich der Himmel blickt fůr andern Jahres-Zeiten

Mit mehr- und hellern Augen an.

Wir můssen Kråntze dir fůr andern zubereiten /

Denn unsre kalte Keuschheit kan

Nicht sanfter als auf Eise liegen /

Und nur der Schnee ihr Bild die Jungfrauschafft vergnůgen.


Jedoch bist du gleichwol nicht ohne Nutz und Frucht /

Weil die Natur in dir sich zu erholen sucht;

Der Himmel sich kůhlt ab / die Erde sich durchwässert.

Die matten Pflantzen ruhen aus;

Gesåm' und Zwiebelwerck durchs liegen sich verbessert.

Die Welt wůrd' ohne dich in Graus

In Asch' und Důrfftigkeit gerathen /


Rhein / Elbe / Belt und Meer verfeigen / sieden / braten.

[183]

Schlåfft auch gleich die Natur / und ruht der Geist der Welt /

In diesem was die Erd' in ihren Schalen hält /

So ist sie thåtig doch im innersten Geåder.

Die unterirrd'sche Feuers-Glut

Kocht Schwefel / Saltz und Ertzt / und heitzt die warmen Båder /

Fl \ßt Brunnen ein des Meeres Fluht /

In Bauch der Berge Gold und Eisen /

Damit die Ehrsucht raas't / die Geitzigen sich speisen.


Die Königin Erato / welche anfangs dieser Priesterinnen in Knoten gebundene gekrausete / und doch noch so weit über die Schulter abhängende Haare für falsche gehalten hatte / nam nunmehr wahr: daß sie ihre eigene wären. Daher sie sich nicht sattsam darüber verwundern konte / und betheuerte: daß sie in keinem Lande bey einzelen Menschen so schöne Haare gesehen / als die Deutschen durchgehends hätten. Sie fragte daher: durch was für Kunst sie sie so wachsend machten / und ihnen die weisse Farbe erhielten? Ismene antwortete ihr: das deutsche Frauenzimmer hätte solche Haare von Natur / und hielt es für Schande andern zu gefallen solche durch einige Kunst zu schminckẽ. Die Männer aber färbten ihre Haare roth / und machten sie mit Seiffe und Lauge wie die Pferde-Haare harte / nicht der Zierde halber / sondern daß sie in Schlachten dem Blute ähnlich / und mit ihren in die Höhe stehenden Haar-Püschen den Feinden desto schrecklicher fürkämen. Diese dörffen auch nicht eher ihnen einiges Haar abnehmen lassen / bis sie einen Feind erlegt; und die Helden sind gewohnet ihr Haar zu verloben / bis sie eine Schlacht gewonnen / da sie sodenn allererst der Schere und dem Scher-Messer solches wieder unterwerffen. Sonst aber pflegt bey den Deutschen weder das männliche noch weibliche Geschlechte sein Haar aus Andacht abzuschneiden /wie die Griechen und Römer es ihren Göttern zu wiedmen pflegen; sondern es muß vielmehr nach Einweihung der Priester und Priesterinnen solches gantz unversehrt verbleiben solches aufs sorgfältigste unterhalten / und an heiligen Feyern / sonderlich aber an gegenwärtigen zierlich aufgeputzt werden. Erato fiel ein: Es kommet diese Gewohnheit mit den Asiatischen Völckern / den Griechen und Römern gantz überein / wo allenthalben das Bild der Vesta und ihre Priester gekrausete / von Salben und Balsame aber wolrüchende Haare trügen; ja zu Rom wäre unter denen sieben Geheimnüssen / welche selbige Stadt unüberwindlich machen solten / die Haar-Nadel der Vesta das fürnehmste / die vier Pferde aus Thon das andere; welchen folgte der Vejenter Asche / des Orestes Zepter / das Trojanische Palladium und die Ancilischen Schilde. Die Priesterin fieng hierüber an: Es hätte dieser Aufputz der Haare seine geheime Bedeutung / und würde der Ka und das Kraus-Eisen so wenig von den Priesterinnen / als andern keuschen Frauen zur eitelen Uppigkeit mißgebraucht. Der Gottesdienst hegte keine Unversöhnligkeit mit dem Gepränge; und da fast alle Völcker ihre Tempel und Altäre bekräntzten / mit Gold und Edelgesteinen zieraten; ja der grosse Schöpfer das Gewölbe und den Fußbodem seines grossen Tempels der Welt / nemlich Himmel und Erde so schön mit Sternen und Blumen gestickt hätte / trüge GOtt auch an denen Zierathen der Priester kein Mißfallen / wenn nur das Hertze einfältig und demüthig wäre. Die Haare aber an den Priesterinnen bildeten eben so wol als an den Bildern der Vesta die schönen Bäume / Blumẽ und Gewächse der Erden ab / welche warhaftig auch nichts anders / als ihre wunderschönen Haarlocken wären; westwegen man auch die schönen Haare der Hyacinthen-Blumen zu vergleichen pflegte.

Nach vollbrachtem Tantze näherten sich von denen vier Enden der Welt alle Priesterinnen denen Brunnen; unter denen etliche aus weißgeflochtenen Körben vier weiß-gezogene Tücher nahmen / und sie auf so viel zwischen den Brunnen gedeckte Taffeln deckten. In denselben [184] waren in vier anmuthigen Landschafften die vier Jahres-Zeiten so künstlich und sichtbar gewürckt: daß es der Königin Erato also fort nicht ohne Erregung einer Verwunderung in die Augen fiel. Sie sahe den Zeug anfangs für Seide / die Arbeit aber für was gar frembdes an / und fragte: woher dieses seltzame Gewand gebracht würde? die Fürstin Zirolane antwortete lächelnde: Ihr einfältiges Vaterland wäre der Ursprung dieser Leinwand. Erato war entweder beschämet über ihrem Irrthume / oder nam Zirolanens Antwort für Schertz auf; fragte daher: ob denn bey den Marsingern auch Seiden-Würmer / wie in Griechenland gehegt / oder die in Indien von ihnen gesponnene und hernach von den Bäumen abgeke ete Seide / welche erst unter dem Käyser Julius nach Rom kommen wäre / dahin gebracht und gewebet würde? Zirolane antwortete: wir wissen so wenig als andere von Seiden-Würmern und Seiden-Webung; wiewol das anfangs von den Seren in Indien / von Indien in Persien / hernach auf das Eyland Co / worauf Pamphile das Gespinste der Seiden-Würmer zum ersten aufgewunden / gezwirnet und gewürcket hat / folgends in Griechenland und Italien gebrachte Seiden-Gespinste dem Rheine und der Donau so nahe gebracht worden ist: daß / nach dem in Gallien und Pannonien solches schon gemein worden / unser Himmel sonder Zweifel auch diese unvernünftige aber künstliche Spinner vertragen würde. Erato brach ein: Ich wil endlich wol glauben: daß dieser Taffel-Zeug nicht wie der Serische gantz / aber wol / wie man in Griechenland und zu Rom nur noch hat / halbseiden sey / und die Werfte zwar von köstlicher Indischer Baum- oder der herrlichen Wolle aus Caramannien / welche die Schaafe im Früh-Jahre von sich selbst fahren lassen / der Eintrag aber Seide seyn werde. Zirolane versicherte die Königin: daß kein Fadem Seide noch Wolle / sondern nichts als Flachs bey diesem Gemächte wäre / welcher durchgehends in Deutschland / fürnemlich aber in grosser Vollkommenheit aus dem bey den Aestiern und Sciren geholeten Leine wüchse / in dem Sudetischen Gebürge wunderklein gesponnen / und also gewebet würde. Die Marsinger versorgten darmit nicht allein gantz Deutschland; daß sie weder der theuern Seide / von der jede Untze acht güldene Müntzen kostete / und für weniger Zeit noch zu Rom nur edlen Weibern zu tragen erlaubt gewest wäre / noch der rauchen Baum- oder andern theuern Wolle bedörffte. Die Königin Erato ward hierüber so begierig: daß sie alle Scheue geweihete Sachen anzurühren vergaß / sondern sich der einen Taffel näherte / und das Tuch darauf sorgfältig besahe und betastete. Es ist wahr / fieng sie hierauf an. Diese Leinwand ist zur edelsten Wolle zu glatt / und beschämet alles wöllene Gewand / das gleich aufs beste gepresset ist / und ob zwar nicht so weich / aber so gläntzend als Seiden-Zeug. Ich muß auch gestehen: daß / was ich vorhin Leinenes und zwar von dem besten Tarraconischen Flachse gemacht gesehen / gegẽ diesem Hanffen nichts zu seyn scheinet; ungeachtet mit dieser Hispanischen Leinwand sich die Indischen Könige kleiden / und sie der Seide fürziehen. Wiewol auch die Egyptier sich rühmen: daß ihr gegen Arabien an einem Stengel wachsende Flachs / worvon alle Kleider ihrer Priester gewebt werden / der weisseste und weicheste in der Welt sey /die Indier aber ihre Baumwolle die sie von einem Baume sa len / der im Stamme der Pappel / in Blättern der Weide ähnlich ist / ablesen / wie auch ihren von sich selbst wachsenden und von Oele trieffenden /die Achaier aber ihren bey Elis gepflantzten und vormals gegen gleichwichtiges Gold zu verwechseln gewohnten Flachs über alle andere heraus streichen / so kan ich doch nicht leugnen: daß dieser deutsche Leinen-Zeug alle diese gelbe Gewächse / ja den Schnee selbst übertreffe. Und weil die weisse Farbe zu Opfern / Königlichen [185] Gastmahlen / Bedienungen und Schauspielen gewiedmet ist / zu allem dem gebraucht zu werden verdiene; wiewol ich hiermit meinem Vaterlande und Meden / welche fast gantz Asien mit Schafen und Wolle versorgen / nichts vergeben wil; und auch nicht weiß: warumb die von dem unschuldigsten Thiere genommene Wolle zu geistlichen Kleidern unheilig / auch in Tempel und Grabstädte zu bringen unwürdiger als Flachs seyn solle / dazumal Phryxus seinen Widder dem Jupiter zu wiedmen /kein Volck Lämmer zu opfern / auch etliche Götter selbst Schäfer abzugeben kein Bedencken gehabt hätten. Alleine / wie dem allem ist / bin ich begierig das Gewächse dieses Flachses wegen seiner so wunderschönen Farbe zu sehen. Zirolane fiel ein: Sie würde kein Merckmal einer solchen Weisse daran finden. Denn der Stengel wäre gantz grün / die Blume Himmel-blau. So werden sie den Flachs gewiß / sagte Erato / durch den Heraclischen Mah so weiß machen. In keinerley Weise / versetzte Zirolane; sondern /nach dem die euserste Schale abgebrochen / das Werg davon abgehechelt / und das roh-gesponnene Garn gewebt worden / hat die Sonne nebst unserm Bober-Neiß- und Loh-Wasser die Eigenschafft die Leinwand so weiß / als der Schnee ist / zu bleichen. Erato brach ein / weil die Leinwand allererst / nicht aber das Garn für der Webung gebleicht würde / könte sie kaum begreiffen / wie gleichwol dieser Zeug so dichte wäre /und käme ihr desthalben so viel weniger unglaublich für: daß Ajax und andere Helden schon im Trojanischen Kriege / wie auch die Athenienser / bey denen doch alle Männer sonst wöllene Kleider trugen / Leinwandtene mit Saltz und Essig so feste zusammen gezwungene Brust-Harnische gehabt / und noch hätten /welche die schärfsten Waffen und spitzigstẽ Zähne wilder Thiere aufhielten. Jedoch wäre der in dem heissesten Indien und auf den Carystischen Stein-Klippen wachsende und im Feuer unversehrliche Flachs noch wunderwürdiger / daraus denen Indischen Königen ihre Sterbe-Kittel umb die Holtz- von der Leibes- Asche zu unterscheiden / und die Tachte in die ein Jahr-lang brennende Lampe des Callimachus zu Athen gemacht würden. Zirolane versetzte: Der Deutschen Garn wäre zwar kein das Feuer verlachendes noch den Preiß der Edelgesteine übersteigendes Wunderwerck; es würde auch nicht wie das auf dem Eylande Amorgos wachsende Gespinnste mit Schnecken-Blute gefärbt; es wäre aber fester / als das Egyptische und Indische / und gleichwol das feinste und viel dünner als beyde. Erato begegnete ihr: dis letztere schiene ihr zweifelhafft; weil von dem Egyptischen Garne ins gemein anderthalb-hundert Fädeme durch einen Finger-Ring giengen; ja das in dem Rhodischen Tempel Minervens aufgehobene Wamst des Königs Amasis wäre von so dünem Garne gemacht / daß jeder Fadem von dreyhundert fünf und sechzig Fädemen zusammen gezwirnet wäre. Zirolane lächelte / und fieng an: dis gerühmte Garn würde bey ihren Marsingern nicht wol für Mittel-Garn gelten / als wo von dem kleinsten ein vier-tausend acht-hundert Fädeme haltendes Stücke durch einen Finger-Ring gezogen werden kan. Die Königin Erato verstummte / und wuste nichts zu antworten / als daß die Fürstin Ismene Zirolanens warhaffte Erzehlung zu bestätigen / und sie von allem Argwohne der Ubergrösserung zu befreyen veranlaßt ward. Erato entschuldigte ihr Stillschweigen: daß es aus Verwunderung / nicht aber aus einigem Zweifel herrührte. Aber / sagte sie / was für zarte Finger spinnen denn solche die Spinnenweben selbst übertreffende Fädeme? Denn ich glaube nicht: daß die Erfinderin des Spinnens Arachne so dünne habe spinnen können. Zirolane antwortete: Unser Garn wird nicht nur von kaum kriechenden Kindern / welche die Lust und Kunst zu spinnen gleichsam mit aus Mutter-Leibe bringen / [186] und Weibern / welche sauber Leinwand für die schönste Kleidung halten / sondern auch von graubärtichten Männern und ihren rauesten Händen gesponnen. Denn was sich nur im Sudetischen Gebürge reget / ist gleichsam eine Spinne oder ein Flachs-Wurm / und daher auch das Spinnen dem Männlichen Geschlechte keine Schande ist / und in Deutschland nicht nur wie zu Rom den Bräuten ein angelegter Rocken mit der Spindel mitgegeben wird; sondern ihr gröstes Gut / und meistes Thun bestehet bey den Marsingern im Gespinnste. Ja auch das Adeliche und Fürstliche Frauenzimmer schämet sich nicht an dem Rocken zu lecken. Erato fiel ein: Es hat sich niemand einer so nützlichen Arbeit zu schämen / und habe ich mich zu Rom über nichts mehr verwundert / als daß an einem Orte / wo Glück und Uberfluß alle gute Sitten verterbet hat / und schier alle Bemühung den Wollüsten gewiedmet wird / das Spinnen gleichwol noch bey dem vornehmen Frauenzimmer so gemein ist /und / weil sie Ehre hieraus suchen / solcher Arbeit in dem sichtbarsten Orte des Hauses / nemlich im Vor-Saale obliegen; und die Pfosten mit gespoñener Wolle behängen. Ja ich habe die Käyserin Livia selbst vielmal spiñen sehen; und August hat nicht nur seine Tochter uñ Enckelinen zum Spinnen fleissig angehalten / sondern auch selten ein ander Kleid getragen /als was seine Gemahlin / Schwester oder Tochter gewebet. Zirolane versetzte: So dörffen meine Lands-Leute sich so viel weniger ihres Spinnens und Webens schämen / zumalen der unglaubliche Nutzen dem Lande diese Arbeitsamkeit reichlich belohnet. Sintemal die Marsinger ihr gesponnenes Garn nicht nur in unsäglicher Menge denen Batavern / Morinern und Atrebatern zum Weben zuschicken; sondern der Carthaginenser Schiffe haben auch die Marsingische Leinwand / wie auch die wollüstigen Phöacer zu Ulyssens Zeiten schon vermuthlich aus Deutschland geholet; weil die Leinwand in Griechenland jederzeit sehr seltzam gewest ist. Itzt aber verführen solche die Cimbrern / Friesen und Britannier hauffenweise übers Meer in Africa / Indien und in die Atlantischen Eylande; ohne welche die Einwohner dieser heissen Länder meist nackt gehen müsten. Daher der Marsinger Gebiete / ungeachtet es von der See weit entfernet ist /die gröste Handlung in Deutschland hegt / und schwerlich Egypten oder einig ander Land in der Welt so viel Gespinnste ausgiebt. Erato fiel ein: Es ist nichts würdiger übers Meer verführet zu werden / als Leinwand / als welche denen Schiffen ihre Flügel / ja gleichsam die Seele giebt / und ein Ende der Welt mit einander verbindet. Zirolane versetzte: Es verdienet die Leinwand / ungeachtet der Flachs nicht wie die Baumwolle von sich selbst wächst / oder wie die Seide von Würmern gesponnen wird / sondern gesäet werden / und mit unglaublicher Arbeit wol zwölfmal durch die Hände gehen muß / wol diesen Preiß; und können wir Deutschen leichter der Serer Seide / welche die Leiber mehr zu zeigen als zu bedecken fähig /und zur Kleidung anfangs nur von Weibern mißbraucht worden / nun aber auch die Männer damit zu verstellen verschwendet wird / und der Indier Baumwolle / als sie unsers Gespinnstes entbehren. Daher unsere Vor-Eltern mit denen Pictonen diese heilsame Gewohnheit aufs genaueste beobachteten: daß niemand / ja auch der Adel und die Fürsten kein außerhalb Deutschland gemachtes Gewand tragen dorffte. Sonst aber vertreibt Gallien mehr grobes Segel-Tuch als Deutschland / weil unsere Leinwand nicht weniger als Cleopatrens Purpur-Gewand zu Segeln allzu köstlich ist. Erato konte inzwischen sich an dem Taffel-Zeuge nicht satt sehen / und hob endlich an: der Zeug hierzu ist gewiß köstlich / und weiß ich nicht: ob nicht die Frauen aus dem Geschlechte der Serraner zu Rom / ihr Geliebde nichts leinenes zu tragen / bey Anschauung dieses [187] Gespinnstes gebrochen haben würde / aber ich weiß nicht: ob ich nicht die Arbeit daran noch für viel köstlicher halten soll? denn ob zwar das Würcken eine der ältesten Künste ist / also: daß viel Völcker / insonderheit aber die Indier / Assyrier und Phrygier darinnen umbs Alterthum streiten /die Lydier auch die Erfindung ihrer Arachne / die Pamphylier des Latous auf das Eyland Co gezogener Tochter zueignen; diese Weberey auch hernach zu Babylon / Salamis / Sumum / und in Griechenland hoch kommen / und theils einander mit der Dichtigkeit /theils mit der Zärtligkeit zu überwinden trachten / und jene gleichsam Drat / diese einen durchsichtigen Wind gewebet zu haben scheinen; so habe ich doch mein Lebtage nichts gewürcktes mit so vollkommenen Bildern gesehen. Die nichts minder berühmte Weberin als Königin Tanaquil hat zwar durch den ihrem Eßeherrn Servius Tullius gewürckten Rock /weil er gewässert gewest / ein Meisterstücke gemacht zu haben vermeinet; also daß er auch hernach im Heiligthume des Glückes aufgehoben worden. Aber was ist das wenig künstliche von der blossen Einsprengung und der schweren Presse herrührendes Wässern gegen diesem gezogenen? Die Babylonier weben zwar in weisse seidene und Baum wollene Tücher gewisse Streiffen von Purper und Golde. Alleine / wie dis letztere wegen seiner rauen Härte die Gewebe mehr unbrauchbar als zierlich macht; also ist beydes wol kostbar nicht künstlich; und das scheckichte Webewerck der Griechen / da die Werffte weiß / der Eintrag grün oder roth ist / nicht viel besser; das künstlichste / das ich zu Rom gesehen / ist gewesen / theils ein würflicht-gewürckter / theils ein gleichsam mit Palmen-Blättern bestreuter Zeug / welch letztere auch dem Capitolinischen Jupiter seiner Seltzamkeit halber zum Mantel gewiedmet worden / und von Römischen Bürgermeistern bey Antretung ihrer Würde getragen wird. Daselbst wieß man mir zwar auch einen mit güldenen Sternen besäeten Purper-Rock / welchen beym ersten Punischen Kriege die Sieger angezogen haben sollen. So viel aber sein Alterthum urtheilen ließ / waren die Blumen gestickt / nicht gewebt; diese Webung aber soll zu Alexandria aufko en seyn. Aber was ist jene Einfalt / wie auch die rauche Sammet-Arbeit gegen dieser / wo die Weberey der Mahlerey es gleiche thut / oder ihr mit diesem Schnee gar eine Röthe abjagt. Denn ob ich wol weiß: daß die Helden für Troja schon Kleider / darauf allerhand Zierathen gemahlt gewest / getragen haben / welche erfunden zu haben sich die Egyptier rühmen / diese Art auch noch nicht für langer Zeit zu Rom in hohem Werth / und der Siegs-prangenden Bürgermeister zu Rom Ehren-Röcke in Persien aber der Grossen Sommer-Kleider gewesen; so ist doch dieser Grief auf Leinwand zu mahlen so gemein als das Mahlwerck in nasse Kalck-Mauer / und endlich so gering-schätzig worden: daß zu Syracusa und Rom nur Huren gemahlte Kleider tragen / da doch die grossen Bürgermeister Marcus Flavius Flaccus / und Titus Papirius in den Heiligthümern des Vertumnus und Consus damit abgemahlt stehen. Den Augen kan auch wol nichts schöners fürkommen / als die der Tyrier Erfindung nach aus Schnecken-Blute zweymal gefärbten und die braunen Rosen abstechenden Seiden-Zeuge / für welchen der Feilgen-blaue und Pappeln-rothe Purper gleichsam Ascher-farbicht und bleich aussieht. Und das aus zerquetschten Würmern gemachte Karmesin beschämet mit seiner vollen Blut-Farbe gleichsam den vollkommensten Purper; aber allen solchen giebt die Farbe /hier aber im Deutschen gezogenen die blosse Hand des Künstlers ihren Glantz und Mahlwerck. Das vollkommenste und diesem deutschen Webewercke am nechsten kommende ist die von den Phrygiern erfundene [188] Seyden- und vom Attalus erdachte Gold-Stückerey / da die Nadel mit Abbildung aller Dinge es dem Pinsel sich mühet vorzuthun; und daher mit Rechte den Ruhm des Nadel-Mahlwercks verdienet. Die Babylonier und letztlich die Gallier haben es auch so hoch gebracht: daß sie Webe- und Stückwerck mit einander vermählet / und diß / was in kleinen theils gewebt / theils gestückt worden / mit der Nadel zu sammen nehen / und darmit die künstlichsten Tapeten zusa en setzen. Aber alles diß ist eine leicht begreiffliche Arbeit der menschlichen Hände / in diesem gezogenen aber steckt eine mir gantz unbegreiffliche Kunst; wie mit der Weber-Schütze der Eintrag durch die Werffte so wunderseltzam durch einander geflochten werden könne: daß es so eigentlich und sichtbar alle Bilder zeiget / ungeachtet ein Fadem so weiß als der andere ist. Denn ob ich wohl weiß: daß die Egyptier die alte Art zu würcken / da nemlich die stehenden Weber den Eintrag aufwerts in die Werffte gebracht / und mit einem Eisen einzuschlagen pflegteñ /umb ein grosses verbessert und die Griechen gelehrt haben sitzende unter sich den Einschlag einzuschieben / mit dem Kamme einzuschlagen / mit den Füssen die Schemmel des Weber-Stuhls zu treten / und darmit die Helffte der Fädeme in der Werffte Wechsels-weise halb hinauf / halb herunter zu rücken / so scheinet doch alles diß nur zu diesem gezogenen oder vielmehr gemahltem ein schlechter Anfang und unvollkommenes Kinderwerck zu seyn. Zirolane antwortete: Ich bin wohl keine Weberin / aber eine Liebhaberin der Weber-Kunst. So wenig ich aber hiervon verstehe / ko t die Egyptische Art zu weben unser deutschen am nechsten; es mangelt aber daran noch viel gutes. Denn über diß / daß unsere Weber gerade vor sich weg würcken / und mit dem beweglichen Weber- Kamme das Gewebe dichte an einander schlagen /müssen die Fädeme der Werffte von fast unzehlbaren Zotten gefaßt / und nach der Reye von denen auf der Seite des Weber-Stules stehenden Gehülffen gezogen werden / wormit aus Unterscheidung solcher Fädeme das Gewebe die verlangte Bildung überkomme. Diese Kunst aber wäre mehr sichtbar / wenn nach der nicht ungemeinen Landes Art der Grund weiß / die Bildungen aber blau gewürcket würden. Erato hörete diß alles mit grosser Vergnügung / und weil sie derogleichen Webe-Werck zu sehen höchlich wünschte / fragte sie: Ob nicht auch bey den Cheruskern derogleichen Weber-Stüle befindlich wären? Ismene nahm das Wort / und antwortete: Sie wolte ihr zwar zu Deutschburg etliche zeigen / aber sie kämen gar nicht an die Geschickligkeit der Marsingischen. Zirolane brach ein: Ich kan dißfalls meinem Vaterlande sein Lob wohl nicht abstricken; iedoch muß ich bekennen: daß die Bataver in Weben den Marsingern überlegen sind / und aus unserm gesponnenen Garne so schöne Arbeit fertigen: daß wir selbst den Grund kaum für unser Gemächte erkennen. Unter diesem Gespräche endigten sich sämbtliche Täntze / und alle vier Hauffen näherten sich den drey Brunnen / allwo die oberste Priesterin die andern alle daraus mit einem Sprengwedel bespritzte. Hierauf hülleten sie alle ihre Häupter in ein weisses Gewand ein / schlugen mit ihren Händen auf die Brüste / dreheten sich dreymal linckwerts auf einer Stelle herumb / küsseten ihre rechte Hände /und warffen damit ihre Küsse gleichsam dem Himmel zu. Endlich fielen sie auf die Erde mit ihren Antlitzern / und beteten mit einer solchen Unbewegligkeit /gleich als wenn eitel todte Leichen alldar lägen. Erato fieng an: Ich sehe wohl: daß die Deutschen im Bethen sich eben wie die Persier / Armenier und Römer bezeigen / auch auf gleiche Art Küsse werffen / im Bethen ihre Häupter einhüllen / und sich herumb drehen / nur daß diß bey diesen Völckern rechtwerts geschihet / weil auch die Umbwendung [189] des Himmels von der lincken zur rechten Hand geschihet. Ismene / weil die Frau von Buren sich nun auch unter die betenden vermengt hatte; meynte / es geschehe bey den Galliern und Deutschen linckwerts aus einer andächtigen Demuth / weil bey ihnen die lincke für die Unter- in Asien aber für die Ober-Stelle gehalten; ja die Seite des aufgehenden Morgens ins gemein die lincke genennet würde / auch wenn man gegen Mittage der Sonne das Antlitz zukehrte / die lincke Seite der Welt wahrhaftig wäre. Diese Wendung geschehe nun freylich zwar der vermeynten Umbwendung des Himmels entgegen; aber vielleicht aus dem Absehen: daß der Menschen Wendung zu Gott nichts irrdisches an sich haben solte. Uber diß wären auch bey allen Völckern die Eingänge in die Tempel / und die Bilder ihrer Götter gegen Morgen gerichtet. Wäre aber die Meynung des Leucippus und Philolaus wahr: daß der Himmel stünde / die Erde sich bewegte / so wäre die linckwerts geschehende Bewegung auch der natürlichen gemässer. Die Verhüllung der Häupter aber beym Gottes-Dienste ist in Deutschland so viel merckwürdiger / weil die Deutschen nicht nur zu Hause und in Städten / wie die Einwohner wärmerer Länder / sondern auch auf den Reisen baarhäuptig Sonne und Kälte vertragen / und von Kind- auf durch Entblössung und Baden im kalten Wasser darzu gewöhnet werden. Sonst halte ich diese Verhüllung auch für eine Ehrerbietung gegen Gott; daher auch die Serer / wenn sie mit ihrem Könige reden / eine helffenbeinerne Taffel für den Mund halten / wormit nicht etwan ihr Athem sie anhauche. Bey den Römern begraben die Söhne ihre Väter auch mit verhülletẽ Häuptern / und allen Göttern opfern sie also / ausser dẽ Saturn und der Ehre mit entblößten Häuptern /vielleicht weil die Zeit alles eröffnet / die Ehre sich aber nicht verhüllen lässet. Diese Art aber hat bey gegenwärtigem Heiligthume fürnehmlich dahin sein Absehen: daß die Natur oder die Hertha eine rechte Hülle Gottes ist; worunter Gott zwar zu suchen / niemals aber vollkommen zu finden ist; und daher die Egyptier gar nachdencklich ihrer Isis die Uberschrifft gemacht haben: daß kein Mensch noch nie ihren Schleyer aufgedeckt hätte. Sonst aber verhüllten sich die Betenden gar billich bey aller Andacht / wormit sie vom Anblicke irrdischer Dinge nicht gestöret würden; und weil Gott sich denen / die ihn verehreten /näherte / welchen unsere Augen weniger als die Sonne anzuschauen vermöchten. Erato war überaus vergnügt mit dieser Auslegung / und betheuerte: daß sie in Deutschland viel Geheimnüsse ihres Armenischen Gottes-Dienstes hätte verstehen lernen. Sie erinnerte sich hierbey auch: daß die das Feuer anbetenden Persen bey ihrer Andacht den Mund mit einem Tuche fest verbinden / und diß zwar zu dem Ende: daß ihr heiliges Gebete sich nicht mit der gemeinen Lufft verunreinigte. Alleine weil die Lufft an ihr selbst unbefleckt wäre / und ohne ihre Gegenwart nicht einst die Zunge gerührt werden könte / hielte sie es mit der Deutschen vernünftigern Auslegung; sie möchte auch gerne gründlich vernehmen / wohin die Werffung der Küsse eigentlich zielte / welche in Syrien und Asien eben so nicht nur den Bildern der Götter / sondern auch den Königen / derer Hände und Füsse nur die Grossen küßten / zugeworffen würden; wie denn auch zu Rom sich selten iemand unterstünde an den Bildern der Götter einige Hand oder Fuß / sondern nur das Altar /die Pfosten der Tempel oder den Saum an denen heiligen Kleidern anzurühren; meist aber iedermann seine geküßte Hand gegen dem Bilde empor hebt / oder an das Kien hält / und den Zeiger an den Daumen anlegt. Die Frauen aber pflegen gar mit ihren Haaren die Opfer-Tische und die Füß-Bödeme der Heiligthümer zu fegen. Ismene antwortete: Sie wäre zwar keine Priesterin / und hätte in so hohen Dingen [190] wenigen Verstand / sie hielte aber darfür: daß / weil Gott der menschlichen Seele ein geheimes Feuer durch Erkäntnüß der Wahrheit und Liebe des Guten zu Gott empor zu klimmen eingepflantzt hat / die Schwerde aber unsers Leibes und die Eitelkeit der irrdischen Regungen sie an der Erden angepflöcket / die Andächtigen mit diesen flügenden Küssen ihre Begierde sich Gott zu nähern ausdrücken wollen. Erato sahe Ismenen hierüber starr an / und nach einem kurtzen Stillschweigen betheuerte sie: es könte kein Priester darüber eine tieffsinnigere Auslegung machen; und bestätigte sie hierinnen die von ihrem Platonischen Lehrmeister beygebrachte Meynung: daß Gott so viel Seelen als Sterne geschaffen und mit einander von Anfang vermählet hätte. Nachdem sie aber durch das Haus des Monden den Krebs / nemlich die irrdische Pforte herunter gefahren / hätten sie doch güldene Flügel oder den Trieb sich wieder mit ihren Sternen zu vereinbaren behalten / dahin sie auch nach abgelegten sterblichen Leibern durch das Haus am höchsten stehenden Irr-Sternes des Saturnus / nemlich den Steinbock als die hi lische Pforte der Götter empor flügen; wie wohl sie auch noch im Leben durch eine vierfache Entzückung und Andacht sich mit Gotte gleichsam vereinbaren könten. Bey Beschlüssung dieser Worte sahen sie sieben aufs herrlichste geputzte Frauenzimmer an der Bach herauf kommen; welche ungefehr dreissig Schritte von denen Fürstinnen entfernet stehen blieben. Die Fürstin Catta war am ersten gewahr: daß die erste unter ihnen die verlohrne Ascanische Fürstin Leitholde wäre; vielleicht weil sie / als welche an statt Leitholdens den Hertzog Jubil heyrathen solte / am meisten auf diese / an ihre Neben-Buhlerin ein Auge zu werffen Ursache hatte. Catta empfand mit ihrer ersten Erblickung eine so heftige Regung: daß sie als ein weisses Tuch erblaßte. Inzwischen fragte die Königin Erato: was diese sieben für Frauenzimmer wären / und zu welchem Ende sie dahin erschienen? Wie nun Ismene meldete: Sie würden vermuthlich sich zu neuen Priesterinnen einweyhen lassen; weil solches nur diesen einigen Tag des Jahres geschehen könte; veränderte die Fürstin Catta abermals ihr Antlitz: daß selbtes gleichsam aus einer weissen Narcisse in eine feuer-rothe Rose verwandelt ward. Die mit ihr verträulichste Adelgunde die Chaucische Fürstin fragte alsofort nach der Ursache dieser abwechselnden Farbe / welcher Catta kein Wort antwortete / sondern nur mit dem Finger auf Leitholden zeigte. Diese Anweisung machte sie alsobald Adelmunden / Adelmunde aber der gantzen Versa lung kentbar; welche denn diese verlohrne Halb-Göttin wieder zu schauen sich derogestalt erfreute: daß sie Augenblicks auf sie gerade zulieffen. Die schwermüthige Catta folgte allein mit etwas längsamern Schritten / weil sie nicht unbillich von Leitholden / als der sie in der Liebe durch versprochene Heyrathung des Fürsten Jubils so grossen Eintrag gethan hatte / ein scheles Auge besorgte. Ungeachtet die Fürstinnen nun gleich kaum drey Schritte von Leitholden entfernet waren / blieb sie doch mit ihren sechs Gefärthiñen als eine steinerne Säule unbewegt stehen; und als sie gleich Erato umbarmen wolte / gab sie mit der Hand ein Zeichen der Entfernung / wiech auch selbst etliche Tritte zurücke. Zirolane hob hierüber an: Ob sie denn denselben / welche über ihrer Wiederfindung so hertzliche Freude empfindeten / das Glücke einer verträulichen Bewillkommung mißgönnete? Leitholde aber schlug die Augen zu Bodem / und als Ismene ihr ferner zuredete: Sie möchte doch die / welche an ihrem Wohlstande und Bekümmernüsse Theil hätten / mit ihrer Unempfindligkeit nicht tödten / schossen ihr die Thränen häuffig aus den Augen. Endlich als bald diese / [191] bald eine andere ihre Zuneigung aufs beweglichste ausdrückte / fieng Leitholde an: Wenn ihr mich liebtet / würdet ihr mich nicht zwingen mein heiliges Stillschweigen zu brechen; welches ich schon so lange in einer der nechsten Höle bewahret habe. Aber meine Thränen haben mich schon überwiesen /und euch verrathen: daß ich mehr Schwachheiten an mir habe / als dieser Ort / und der heutige Tag von mir erfordert / welcher der letzte meiner Eitelkeiten /und der erste meiner Vergnügung seyn soll. Zirolane fragte hierauf: Ob sie denn entschlossen wäre sich der Hertha Gottes-Dienste zu verloben. Leitholde antwortete: Ihre Seele hätte sich der Keuschheit und diesem Gottes-Dienste schon zu Deutschburg gewiedmet; hier wolte sie nur dessen offentliche Erklärung thun. Ismene fiel ein: Sie gestünde: daß Leitholdens Liebes-Versuchungen wohl die bitterste Empfindligkeit zu erregen mächtig wären; aber ihre eigenen wären nicht süsser; iedoch wüsten Zeit und Gedult offt der Wermuth selbst ihren herben Geschmack zu benehmen /also man zu solchen beschwerlichen Entschlüssungen nicht zu eilen hätte. Leitholde begegnete ihr: Derselben könte nichts mehr beschwerlich seyn / welche sich schon überwunden hätte dasselbe aus ihrem Hertzen zu reissen / was sie mehr als sich selbst geliebt /und ohne welches sie zu leben nicht getraut hätte. Sonderlich aber würde ihr zu Linderung ihres Schmertzens dienen / wenn sie schon noch einigen Zug irrdischer Liebe fühlen könte: daß ihr geliebter Jubil einer so vollkommenen Fürstin / als Catta wäre /zu Theile werden solte; welcher sie zu desto mehrer Vergnügung wünschte: daß weder sie Leitholde iemals mehr an Jubil / noch Jubil an Leitholden dencken möchte. Catta ward hierüber so verwirret: daß sie nicht wuste: ob sie Leitholden für ihre Enteuserung dancksagen / oder ihren gethanen Eintrag entschuldigen solte. Endlich erholete sie sich und fieng an: Dafern ihre mit dem Fürsten Jubil gethane Verbindung zu Leitholdens Beleidigung gereichte; hätte sie daran nicht mehr Schuld / als die unvernünftige Sonnenwende / wenn selbte diesem Gestirne nachsähe. Sintemal ihr bey der Vorsorge ihrer Eltern nichts als der Gehorsam anständig gewest wäre. Diesemnach wäre ihr leid: daß durch diß ihr aufgehende Licht Leitholden einiger Schatten der Unvergnügung befallen solte. Leitholde versetzte: Ich habe mich gegen Catten mehr Ursache zu bedancken / als zu beklagen; weil Catta eine Ursache ist: daß in mir die irrdische Liebe erloschen / die hi lische aber glimmend worden ist. Denn ob zwar unsere Seele den Zunder dieses heilsamen Feuers mit in den Leib bringt; ja die irrdische / iedoch keusche Liebe / wie andere Güter der Welt / uns reitzen solte zu der hi lischen / weil alle diese Dinge etwas oder zum minsten einen Schatten von dem höchsten Gute an sich hätten; so geben doch diese leider! mehr Fessel als Flügel ab; und gebrauchen wir uns der zarten Zuneigungen unserer Seele / wie die trägen und unvernünftigen Reise-Leute der zu Anzeigung des Weges an die Strassen gesetzter Bäume; nemlich sie lieben mehr den Weg als die Ruh / sie schlafen unter ihrem Schatten ein / verspielen den Tag und die Gelegenheit ihr Ziel / nemlich Gott zu erreichen. Hernach verirren wir uns in den Finsternüssen der Wollüste / fielen uns in dem Schlamme der Laster / biß uns die Mitternacht des Todes überfällt / und wir unsere Seele in äuserstes Verterben stürtzen. Ismene antwortete: Da reine Liebe eine Tugend / die erstgebohrne Tochter der Natur / ja die Erhalterin der Welt ist; wie mag sie denn so gefährlich oder verterblich seyn? Leitholde begegnete ihr: Die Liebe ist freylich an ihr selbst gut / und nützlich /aber [192] wie das überständige Obst faul wird / also vertirbt sie / wenn man ihr mehr einräumet / als ihr gebühret. Diß aber geschicht / wenn man das höchste und ewige Gut nicht von dem vergänglichen unterscheidet / und diesem das Hertze wiedmet / welches doch alleine jenem zuständig ist; da doch diese nicht mehr als die Helffte der äuserlichen Sinnen und Glieder einnehmen dörffen / wenn der Mensch ein heiliger Tempel Gottes seyn soll; welcher das höchste Gut /und so wohl sein eigener Umbkreiß als sein Mittel-Punct ist. Wir haben aber leider zu bejammern: daß in dem Menschen nicht so wohl die Vernunfft / als in unbeseelten Dingen ihre Eigenschafft kan. Denn alle Wasser in der Welt / von was für unterschiedener Farbe / Gewichte / Geschmack und Kräfften sie gleich seyn / haben ihren Hang zu dem obersten Wasser /nehmlich zum Meere / welches einerley Farbe und Geschmack hat / von so viel Flüssen nie grösser / von Versorgung so unzehlbarer Brunnen nie kleiner wird /und niemals unbeweglich steht. Alle heilsame Brunnen entbehren gern den Ruhm ihrer Tugenden / halten die marmelnen Röhre / die Schalen aus Jaspis und die ertztenen Wasser-Künste / darein sie zu tausend Vergnügungen der Augen und des Mundes geleitet werden / für ihre hoffärtige Gefängnüsse und prächtige Grab-Mahle. Alle irrdische Dinge haben einen Zug zur Erde / und ie näher sie ihr kommen / einen so viel heftigern; also: daß sie lieber in einem Abgrunde verächtlich liegen und mit Füssen getreten / als in der ihnen verhaßten Höhle ansehliche Zierrathen / Corinthische Säulen und prächtige Siegs-Bogen seyn wollen. Alle feurige und geistige Dinge schwingen sich gegen dem Himmel als dem Ursprunge der Wärmbde und des Lichts / ja nichts nicht ist in dem fast unbegreifflichen Umbschweiffe der Natur / was nicht zu seinem Anfange / woher es entsprossen ist / zu gelangen sich eifrigst bearbeite. Denn in diesem ist eines ieden Dinges Vollkommenheit / der Mensch alleine klebet an den Mittel-Dingen / welche nur Bilder /Spiegel oder Rätzel des höchsten' Gutes sind / denen diß doch gleichsam eine Stimme und einen Reitz eingepflantzt / uns zu Gotte zu ruffen und zu locken. Die Sternen / das Meer / die Erde / und alle Wunder-würdige Geschöpfe sind nur Buchstaben / durch welcher nachdenckliche Zusammensetzung wir das grosse Wort / nehmlich Gott selbst lesen können. Dieser ist das grosse Meer aller Wesen / der Abgrund alles Guten / der allein die Grösse unsers unersättlichen Hertzens erfüllen / alle Kräfften unser Liebe erschöpfen soll und kan; welche / wenn sie ausser ihm auch sich mit dem vollkommensten in der Welt zu vermählẽ vermeynet / nur gläntzenden Staub / verleschende Lufft-Sternen / betrügliche Schatten umbarmet / sich mit dem bitteren Wasser labet / und an statt der allersüssesten Quellen aus schlammichten Pfützen trinckt. Die Königin Erato fiel ein: Allerliebste Leitholde /niemand ist unter uns / der nicht ihrer heiligen Meynung beypflichte: daß das höchste Gut über alles andere zu lieben / die Geilheit aber nicht des Nahmens der Liebe würdig / sondern vielmehr ein bitterer Haß seiner selbst / und eine Besudelung anderer sey. Alleine wir halten die reine Liebe zweyer keuschen Seelen für einen Strahl der göttlichen Liebe / und das höchste Gut für ihren Ursprung. Denn da Gott dem Himmel die Zuneigung gegen die Erde / der Sonne gegen den Monden und andere von ihm erleuchtete Sterne; den Trieb eines Thieres / ja eines Gewächses zu dem andern eingepflantzet hat / wer wolte gläuben / daß die keuschen Flammen unserer Seelen von was bösem herrühren / oder einer tugendhaften [193] Frauen unanständig seyn? Hätte Socrates auch seinen Phödrus von keiner andern als dieser Liebe unterrichtet / würde er so wenig sein Antlitz mit dem Mantel zu verhüllen /als wir uns zu verschleyern Ursach gehabt haben. Knüpfet aber Gott zwey Hertzen zusa en / wer wil sich unterstehen sie durch ein ander Absehen zu trennen? Es ist mir / antwortete Leitholde / nie in Sinn kommen keusche Liebe zu lästern. Sie rühret freylich von Gott her / der die Liebe selbst ist; ja sie ist ein Vorbild der Göttlichen; und daher hat jene auch keine Unverträgligkeit mit dieser. Alleine wie alle Tugenden in den Menschen Unvollkommenheiten sind; also ist es auch mit der reinesten Liebe beschaffen. Sie hat ihre Schwachheiten / wie alles irrdische Feuer seinen Rauch. Ungeduld und Eiversucht hencken sich an unsere Gemüther fester / als die Kletten an unsere Kleider an; also daß wir öffter von unser Liebe schamroth als vergnügt gemacht werden. Denn die Heucheley verkleidet sich in den Purper-Rock der vollkommensten Liebe uns zu betrügen. Das Glücke hat sein Spiel mit nichts mehr / als mit der redlichsten Liebe uns zu ängstigen; ja alle Laster der Welt schütten über sie ihre neidische Pfeile / und ihr vergällendes Gifft aus uns zu verterben. Diesen Klippen aber bin ich / Gott Lob / nunmehr entronnen. Ich bin meiner aus meinen eigenen Gedancken entsponnener Liebe durch einen höhern Trieb erledigt. Sintemal diß / was die Liebe zerreissen soll / stärcker seyn muß / als was sie gestifftet. Meine neue Liebe hat die erste wie ein Adler so fern überstiegen / als der Himmel über der Erde ist. Ich habe Gott / als die allein liebens-würdige Perle gefunden / dessen Werth zwar die wollüstigen Misthäne dieser Welt nicht kennen / gegen welcher die sie kennenden aber alle andere Vergnügung der Welt für Bohnen und kalt Wasser achten. Ich werde umb Gott allein zu lieben / mein Lebtage keinen Mann mehr lieben. Gehabt euch diesemnach wohl; und wo ihr glücklich zu lieben vermeynet / so verlobet euren Leib keinem Manne / der euch nicht erlaubet eure Seele ewig und einig Gott zu vermählen. Denn der beleidiget Gott fast weniger / der ihm gar nicht dienet / als welcher ihm einen Neben-Buhler an die Seite setzt. Mit diesen Worten kehreten Leitholde und ihre Gespielen / welche alle von hohem Geschlechte waren /denen Fürstinnen den Rücken / und näherten sich denen gleich vom Beten aufgestandenen Priesterinnen. Weil alle sieben Jungfrauen waren / wurden sie auch von den Jungfräulichen Priesterinnen mit Küssen bewillko t / hernach entkleidet / und dreymal in das flüssende Wasser eingetaucht. Erato fieng an: Ich sehe wohl: daß das Waschen und Baden eben so wohl in Deutschland als bey andern Völckern zur Einweyhung gehöre. Sintemal weder die Egyptier noch die Griechen iemanden der Isis oder Ceres einweyhen /den sie nicht vor im Nilus oder Ilissus-Wasser wohl gesaubert haben. Ja auch nach der Einweyhung baden sich die Egyptischen Priester täglich drey mal / wenn sie aufstehen / für dem Früh-Mahl / und ehe sie zu Bette gehen. Die Jüdischen Priester waschen gleichfalls alle mal / wenn sie in Tempel gehen / aus einem grossen ertztenen Meere Hände und Füsse; ja kein Jude isset iemals ungewaschen; und die Egyptier meynen durch Besprengung ihres Weyh-Wassers gantze Häuser und Städte von ihren Meineyden und Verbrechen zu reinigen. Die Frau von Buren / welche sich wieder dem Fürstlichen Frauenzimmer zugesellt hatte / sagte: Sie wüste zwar über ander Völcker Gottes-Dienst nicht Auslegungen [194] zu machen; sie aber schrieben bey ihrem Waschen dem Wasser eben so wenig /als dem Blute der Opfer die Krafft zu: daß durch Benetzung der Leiber die Flecken der Seelen abgewaschen würden. Sondern sie zielten vielmehr darmit auf eine Anweisung: daß sie diesem Gottes-Dienste sich verlobten / ihre Seelen mit Abthuung aller Laster reinigen solten / und auf ein ander grosses Geheimnüß /welches zu entdecken ihr nicht erlaubt wäre. Unterdessen wurden die gebadeten sieben Jungfrauen abgetrocknet / und befraget: Welcher Zeit Heiligthume sie sich verloben wolten. Weil sie aber alle ewige Keuschheit erkiesen / und also den Winter-Orden betreten wolten / ward ihnen angedeutet; Es lieffe diß wider die Gewohnheit und die Gesetze des Gottes-Dienstes / und müsten ihrer zum wenigsten drey sich dem Frülinge eignen / da nach fünff Jahren iede nach Belieben heyrathen mag. Weil aber alle sieben hartnäckicht auf ihrem kalten Vorsatze beruheten / wurden ihnen in einem irrdenen Topfe sieben mit Wolle überwundene Höltzlein fürgehalten / durch die sie looßen musten / wohin eine oder die andere eingeweyhet werden würde. In dem / als diese die Wolle abwunden / sagte Erato: Ich sehe wohl / diese Looß-Höltzer sind denen gantz ähnlich / welche bey Rom zu Präneste in dem Tempel des Glückes gezeiget werden / und aus einem Kiesel-Steine / den Numerius Suffucius zerseeget / gesprungen seyn sollen; daselbst auch als ein grosses Heiligthum in einer Küste von Oel-Baum-Holtze verwahret werden / aus dessen Stamme bey ihrer Hervorkunfft soll Honig geronnen seyn. Inzwischen ereignete sich: daß die Fürstin Leitholde / wie auch die Wachtendongin und Willichin dem Frülinge; die Fräulein von Steinfurth / Ponborck / Borholt und Lembeck aber dem Winter eingeweyhet werden solten. Welch ersteres die Fürstlichen Zuschauer so sehr erfreute / als alle drey darüber betrübt zu werden schienen. Hierauf wurden sie alle sieben nach eines ieden Ordens-Art angekleidet, wiewohl sie nicht ehe zu denen würcklichen Priester-Diensten gelassen werden / als biß eine von den hundert Priesterinnen abgehet. Erato fragte bey währender Ankleidung: Ob sie diese Kleider so lange / als die der Ceres Verlobten trügen / nemlich / biß sie gantz zerschliessen und zum längern Gebrauch untüchtig wären? Die Priesterin antwortete: In keinerley Weise / sondern wir wechseln alle Virtel Jahr unsere Kleider ab. Denn wie wäre verantwortlich dem so reichen Geber alles Guten in zerlöcherten Bettlers-Kleidern dienen? In kargen Hertzen / welche den Gottes-Dienst so wohlfeil haben / und darzu wenig oder nichts verwenden wollen / kan wenig Andacht seyn. Dahero denen /welche nicht knechtisch gesinnet sind / nichts zu kostbar seyn kan für den Schöpfer der Welt / und den König aller Könige. Nach der Ankleidung rühreten die neuen Priesterinnen mit dem Spieß-Finger eine gute Weile beyde Augen an. Erato fragte alsofort: Ob nicht diß / wie bey andern Völckern ihren Eyd-Schwur bedeutete? Ja / sagte die Frau von Buren /und sie geben damit zu verstehen: daß sie ihr Priesterthum für ihren Aug-Apfel halten / und lieber dieses als jenes versehren wollen. So bald diese Einweihung vollbracht war / blieben die vier obersten Priesterinnen alleine bey denen vier Taffeln stehen / da denn die des Frülings sich gegen Morgen / des Sommers gegen Mittag / des Herbstes gegen Abend / des Winters gegen Nord wendete. Die sieben neu-eingeweyheten aber wurden befehlicht Rasen auszustechen / woraus etliche [195] der Priesterinnen vier Altäre bauten / die andern aber alle Nothdurfft zum Opfer herbey schafften / und den Vorrath auf die Taffeln legten. So bald die Altäre zweyer Ellen hoch gefertigt waren / ward aus iedem Brunnen ein Kessel voll Wasser geschöpft; wormit iede oberste Priesterin ihr Altar an statt des Weines / weil doch jenes dessen Mutter ist / besprengete. Beym Frülinge aber ward darzu noch Milch /beym Sommer Oel / beym Herbste Wein / darunter gemischt. Hernach wurden alle Altäre / an statt des Weyrauchs mit denen bey allen Jahres-Zeiten reiffen Wacholder-Beeren berauchert / auch mit Gersten /welche die Menschen nach den Eicheln am ersten gespeiset haben sollen / und Saltze / als dem Kennzeichen der Fruchtbarkeit und Freundschafft überstreuet. Die höchste Priesterin Thußnelde aber brauchte zum ersten auch Agt-Stein und Weyrauch / den man bey den Deutschen häuffig in Ameissen-Nestern findet /und zum letzten Weitzen. Nach diesem ward auf des Frülings Altare Graß und Blumwerck / auf des Sommers unausgedroschen Getreide und Brodt / auf des Herbstes Obst und Trauben / auf des Winters Eicheln / Tannen-Zapfen / wie auch Kiefern-Fichten- und Lerchen-Bäumen grünes Laub verbrennet. Erato hob hierbey an: Diese geschickte Eintheilung der Opfer vergnügte sie mehr / als daß die Egyptier alle Tage der Sonnen früh Hartz / zu Mittage Myrrhen / des Abends einen Talg aus Weine / Honig / Trauben /Galgen-Hartz / Myrrhen / Steinbreche / Rhodis-Holtz / Bintzen / Wacholdern / Zimmet und ander Gewürtze opfern; die Juden aber bey ihrem Gottes-Dienste durch Myrrhen des Wassers / durch den Onyx-Stein der Erde / durch Gummi der Lufft / durch Weyrauch des Feuers Wohlthaten fürbilden. Hierauf fragte sie: ob diese Altäre / wie des fürtrefflichen Jupiters zu Athen mit keinem Blute bespritzt werden dörffte? Denn sie wüste wohl: daß die Opferung solcher Gewächse die allerältste wäre / die Griechen auch glaubten: daß erst Hyperbius den ersten Widder / Prometheus den ersten Ochsen geopfert hätte; nachdem aber die Erde eine Mutter und Erhalterin aller Thiere wäre / die Blut-Opferung auch der gantzen Welt / und wie sie beym Tansanischen Tempel gesehen hätte / auch den Deutschen gemein wäre / meynte sie der Schuldigkeit zu seyn bey diesem Feyer solches nicht gar zu sparen. Die Priesterin lächelte / und antwortete: In Opfern karg seyn ist nur eine Grausamkeit gegen sich selbst / weil sie Artzneyen unser krancken Seelen /und Brunnen Göttlichen Segens sind. Dahero der /wer dem Besitzer aller Reichthümer etwas gibt / nicht gegen Gott / sondern gegen sich selbst Freygebigkeit übt. Es möchte die Königin aber nur kleine Geduld haben; so würde sie schauen: daß die Deutschen nicht allein das Fette vom Lande für sich behielten; die Erstlinge der Jahres-Früchte wären mehr Abzahlungen voriger Gelübde und Vor-Bothen der Danckbarkeit als völlige Opfer. Sie hatte auch kaum ausgeredet / als etliche der Priesterinnen in gewisse Hörner bliessen; worauff denn aus den nechsten Wäldern eine grosse Menge Ochsen / Kühe / Schafe / Ziegen / und auch unterschiedene Bären herfür gesprungen kamen. Erato wunderte sich hierüber und meldete: Diese Hörner hätten einen kräfftigern Zug / als vielleicht des Orpheus Leyer gehabt haben möchte; fragte auch hierbey: woher gleichsam in einem Augen-Blicke diese viererley Art Thiere / und zwar darunter die [196] so verträglichen Bären herkämen? die Priesterin antwortete: Es würden diese Thiere in der ringsumb gelegenen heiligen Gegend unterhalten / und dörffte selbte niemand melcken / noch bescheren / noch zur Arbeit brauchen / noch auf andere Arten beschweren; welche / weil sie ihr reichliches Auskommen hätten / und gantz kirre würden / diesen Hörnern so viel begieriger zulieffen; weil man sie auch darmit des Winters zu ihrer Fütterung beruffte. Erato versetzte: Ich erinnere mich: daß auf eben diesen Schlag die Araber gantze Heerden heiliger Camele / Ziegen und Schaffe unterhalten. Die Phäacer nähreten auch der Sonne / und die Persen am Euphrates der Diana gewiedmete Ochsen; und ich selbst habe in Italien noch die wilde Zucht von den Stutten gesehen / welche Käyser Julius bey Durchsetzung des Flusses Rubico dem Geiste selbigen Stromes gelobte. Alleine / weil ich in Deutschland so viel Kleider von Wolfs-Häuten gesehen / also diese in grosser Menge sich allhier befinden müssen /vermuthlich aber in diese heilige Heynen weder Schütze noch Jäger kommen darf / wie sind so viel Schafe und Widder für diesen ihren Todfeinden sicher? Sintemal die Wölffe nicht nur mit den Schafen ihren Hunger stillen / sondern aus einem eingewurtzelten Hasse gantze Heerden erwürgen; und destwegen die Schafe für keinem Elephant oder Löwen sich so sehr als für einem Wolffe erschüttern. Es ist wahr /sagte die Priesterin / und die Deutschen Wölffe sind den Schafen so gram / wo nicht grämer als in Asien. Wir haben auch befunden: daß bey Vereinbarung der Wolfs-Häute und Schaf-Felle diese die Haare fahren lassen / die aus diesen gemachte Drommeln gegen jenen zerbersten: daß die aus der Schafe Därmern gemachten Säiten / neben den Wolfs-Säiten zerspringen; daß die Felle der von Wölffen erbissenen Schafe Läuse hecken / welche denen sich damit bekleidenden Feber und Hertzklopffen verursachen. Aber diese heilige Gegend ist von der Göttlichen Versehung so beschirmet: daß entweder kein Wolf sie beschreitet /oder doch diesen Thieren kein Leid thut / und sich /als wenn er keinen Hunger hätte / gleichsam in ein Lamm verwandelt. Welches der Königin Erato so viel glaubhaffter war / weil auch die Bären unter den andern Thieren anmuthig spieleten; von denẽ man sonst glaubt: daß sie durch keine Kunst kirre gemacht werden könten. Sie erwehnte aber hierbey: daß in der Stadt Copto Isischem Tempel die grösten Scorpionen gleichfals unschädlich wären / und die Egyptischen Weiber über selbten baarfüßig ohne einigen Stich am Bodeme hergiengen / und zu Hierapolis in dem Vorhofe des Tempels irreten Pferde / Adler / Bären und Löwen zahm und unschädlich durch einander. Diese Opfer-Thiere eileten auch eigen beweglich in das flüssende Wasser und badeten sich darinnen / gleich als sie durch diese Reinigung sich selbst zu ihrer Opferung bereiten wolten. Ob ihrer viel nun zwar schon bleyerne Siegel / als Kennzeichen vorhergegangener Prüfung am Halse hängen hatten: daß sie in allem vollkommen wären / von Rauden / Geschwüren / geschlitzten Zungen / versehrten Ohren / Blindheit / gespitzten Schwäntzen und andern Gebrechen allerdinges befreyet wären; so verfügten sich doch acht Priesterinnen unter diese wol abgewaschene Thiere / welche jedes Stücke noch von der Fuß-Sole an bis zur Scheitel genauest betrachteten. Welches alles / nach der Priesterin Auslegung / dahin zielete: daß GOtt von allem das beste gehörete / und der verflucht wäre / der diesem allgemeinen Vater die Hülsen liefern /ihm aber die Spreu vorbehalten wolte. Nach dem nun nirgends einiger Mangel zu finden war / faßten die Priesterinnen des Frühlings sich mit einem Widder /des Sommers mit einem Ochsen / der niemals gezogen hatte / des Herbstes mit einem [197] Bocke / des Winters mit einem Bäre. Erato fieng hierüber an: Ich finde hier eine grosse Gleichheit mit dem Griechischen Gottesdienste bey denen eben diese ersten drey Thiere / und zwar an dem Jahres-Tage / da sie aller Götter Feyer begehen / das vollkommenste Opfer machen. Ich möchte aber wol die Ursachen der Wahl und Unterscheidung bey diesem Gottesdienste vernehmen? denn ob wol dis die gemeinsten Opfer-Thiere aller Völcker sind / also gar: daß ob schon zu Memphis Ochsen / zu Thebe Widder / zu Mendes Böcke für Götter verehret würden / sie doch an gewissen Orten Egyptens geschlachtet wurden; so hab ich doch allhier in solchen Geheimnüssen viel nachdenckliche Erklärungen bekommen. Gehöret der Widder vielleicht dem Frühlinge zu / weil dieser beginnt / wenn die Sonne ins Zeichen des gestirnten Widders tritt; welches die Egyptier anbeten / und destwegen ins gemein keine Schafe zu schlachten verstatten / wie auch die Schäfer als unreine Menschen hassen. Zirolane fiel ein: Ich verstehe mich zwar auf kein Geheimnüs; wenn aber meine Muthmaßung mich nicht verführet / haben unsere Priesterinnen mit ihren Widder-Opfern wol kein Absehen auf den gestirnten Widder gehabt / welcher so wol als des Phryxus seiner mit der güldenen Wolle ein bloßes Getichte ist / sondern weil sie GOtt für alle Gaben der Natur hiemit dancken wollen / lassen sie den Frühling vielleicht ihm desthalben den Widder opfern / weil umb diese Zeit die erste Wolle den Schafen und Lämmern abgenommen wird; die eine der grösten Reichthümer Deutschlandes ist / und bey den Marsingern / insonderheit aber bey den benachbarten Buriern so zart und köstlich fällt: daß ihre Zärtligkeit der Baumwolle nichts nachgiebt / ihre weisse Farbe aber in den Augen eben so wol / als der weisseste Schnee / das Licht und die Schwanen auf roth absticht / darvon viel die Seide beschämende Zeuge und Tücher gefertiget / und so gar in Asien verführet werden / also ich nicht weiß: ob sie der Milesischen was nachgäbe. Erato antwortete: bey so gestalten Sachen haben die Deutschen mehr Ursache den Widder unter die heiligen Opfer-Thiere zu zehlen / als die Cyrener den Ammonischen / die Colchier aber den güldenen Widder mit dem Phryxus anzubeten; und nicht nur nach Gewohnheit der Mörgenländer die Wolleschaar / als die warhafte Erndte des Frühlings /als ein grosses Feyer mit Gastereyen und Täntzen zu begehen; sondern auch die Erstlinge ihrer Schafe nicht zu schären / und der Wolle / wie des Geträides GOtt zu wiedmen. Alleine wird in Deutschland die Wolle den Schafen nach der neu-erfundenen Art abgeschoren / oder wie für Zeiten / und noch in Italien bräuchlich ist / ihnen ausgeraufft / wo man sie drey Tage vorher hungern läßt / daß sie Wolle desto leichter gehen lassen? oder werffen sie wie die Caramannischen Schafe die Wolle von sich selbst ab? Zirolane antwortete: In unserm Lande ist von undencklicher Zeit nach Griechischer Weise die Wolle nicht ausgeraufft / sondern mit der Schäre abgenommen worden. Maßen denn /weil sie sehr feste steht / das letztere gegen dis unschuldige auch dem Menschen so geneigte und nützliche Thier eine strenge Grausamkeit seyn / auch wegen Vielheit der Schafe / welche mit ihren Heerden gleichsam unsere Hügel / wie ihre Haare der Menschen Leiber bekleiden / es mit dem Ausrauffen allzu langsam hergehen würde. Erato fiel ein: das Schaf ist bey nahe das fruchtbarste aller Thiere / und wird schwerlich in der Welt ein anders in mehrer Menge befindlich seyn. Daher unglaublich zu seyn scheinet / aber doch wahr ist: daß zu Jerusalem von Juden in eines Tages zweyen Abend-Stunden oft über drittehalb-hundert-tausend Oster-Lämmer geschlachtet werden / da doch in Syrien die Schafe nicht wie in Illyrien Zwillinge / weniger wie in Indien drey oder vier Lämmer werffen. Zirolane antwortete: Unsere Schafe bringen [198] zwar selten zwey Lämmer / weil sie aber nur anderthalb-hundert Tage trächtig gehen / oftmals des Jahres zweymal / sonderlich wo sie eine hohe und trockene Huttung haben. Erato bestätigte: daß dis in Lybien / Magnesien / Mesopotamien / und Italien gleichfals geschehe. Alleine /warumb soll in Deutschland die Trockenheit eine Ursache ihrer Fruchtbarkeit seyn / da doch in Asien der Morgenthau und das nasse Graß im Sommer / und in Indien der abregnende Honig oder Zucker so dienlich ist? Zirolane versetzte: In den heissen Ländern kan die Nässe ihnen freylich nicht schädlich seyn / wie in unserm kühlen und regenhafften Deutschlande; wo die Berge und sandichten Felder die besten Trifften sind /darauf sie nicht allein wol stehen / sondern auch die zärteste Wolle bringen / hingegẽ auf fetten Wiesen sie leicht verhütet werden; ja viel niedrige Gegenden nicht über drey Jahr einerley Schafe auswintern. Daher auch die Marsinger von ihren Nachbarn den Logionen das aus der Erden gegrabene Stein-Saltz in grosser Menge holen / und ihre Schafe damit von allen wäßrichten Kranckheiten befreyen; wie auch ihre Schaf-Milch geschmacker machen; welche ohne dis die süsseste ist / ungeachtet die Ziegen-Milch narhaffter / die Küh-Milch aber gesünder seyn soll. Jedoch macht man in Deutschland nicht wie in andern Ländern / von Schaf-Milch viel Butter / weil die Küh uns damit reichlich versorgen / aber eine grosse Menge Käse / welche keinen in der Welt nachgeben. Unter diesem Gespräche brachten die Priesterinnen einen drey-jährigen Widder / in welchem Alter sie bey vollkommensten Kräften seyn sollen / geführet / welcher nicht nur einer gantzen Heerde Führer / sondern auch ein Fürbild des Ammons / und des grossen Alexanders abzugeben verdient hätte. Er gieng mit vollen Springen der Frühlings-Priesterin zu / welche ihm beyde Hände auf den Kopf legte / welches nicht alleine der Thiere Freylassung aus der herrschafftlichen Gewalt und die GOtt geschehende Zueignung / sondern auch die Aufbürdung menschlicher Sünden bedeutet. Wie sie denn auch den bey den Egyptiern gewohnten Fluch über ihn aussprach: Alles Böse der Opfernden und gantz Deutschlandes müsse dir auf deinen Kopf kommen! Hierauf scharreten die neu-geweihten Jungfrauen unter das Altar ein Loch / in welches sie den vorher mit vielen Blumen bekräntzten Widder stieß / mit beygesetzten Worten: Alles unser Unheil fahre mit dir in den Abgrund. Worauf denn der Widder lebendig in der Grubẽ verscharret ward. Erato fieng hierüber an: Ich sehe hier eine neue Art der Hertha zu opfern / indem dieser mit frembder Schuld befleckter Widder den Tod einer entweihten Vestalischen Jungfrau ausstehen muß. Denn ob zwar andere Völcker der Proserpina und andern unterirrdischen Göttern auch nicht auf Altären / sondern in Gruben schwartze Opfer bringen; so werden doch selbte geschlachtet und verbrennet / nicht aber vergraben. Die Priesterin antwortete: Unterdessen ko t unser Opfer der Erden Eigenschafft am nechsten / welche das allgemeine Begräbnüs aller Dinge ist; und so gar die Leichen heilig macht / und ihr daher für unbeerdigten Leibern Abscheu habt / und nicht glaubt: daß der höllische Fährmann sie überführen dörffe. Alleine unsere Beerdigung des lebendigen Widders verhüllet ein grösser Geheimnüs / nemlich: daß in denen begrabenen Leichen nicht alles Leben erloschen sey. Erato hätte gerne mehr Auslegung hierüber gehabt; aber die Priesterin erinnerte sie auf nachfolgendes Sommer-Opfer acht zu haben. Dieses war ein junger starcker Ochse von grossen Hörnern und harten Klauen; welchem sich kaum der Europen entführende Jupiter /weniger der Widder / den Epicurus streitende Cotta zu vergleichen unterstanden hatte. Nach dem die Priesterinnen ihn genau betrachtet hatten: ob er auch ein[199] ander Haar als rothe an seinem Leibe hatte / bekräntzten sie ihn mit Weitzen-Eeren / Blumen / Kräutern /Obste / Reben und allerhand andern Früchten. Erato fragte hierbey: ob denn denen Deutschen eben so wol als den Egyptiern zu ihrem Opfer kein Ochse taugte /der ein weiß oder schwarz Haar hätte? und woher das käme / weil sie schwerlich wie diese es wegen des Tiphons thäten / der roth gewesen seyn soll? denn weil sie wüste: daß auch die Römer dem Hunds-Sterne einem rothen Hund / die Juden eine Feuerrothe Kuh nicht allein opferten / sondern sie auch in einem zweyfach roth-gefärbten Tuche verbrenneten / müste die rothe Farbe wol auf was sonderliches zielen? zumal ja sonst die rothen Haare für die unvollkommensten / und welche am geschwindesten grauen / gehalten / und die roth-härichten Leute von den Egyptiern verlachet werden. Jedoch wüste sie nicht zu begreifen / warumb GOtt mit der rothen Farbe versöhnet werden könte / welche das Geblüte entzündete / und daher die Ochsen und Numidischen Hüner zu Zorne bewegte. Die Priesterin sagte: die Einfältigen meynen: man opfere rothe Ochsen nur darumb / weil die rothe Farbe dem Rindvieh am gemeinsten ist; allein wir halten die rothe Farbe nicht unbillicher für die schönste und vollkommenste / als die weisse für die erste und reineste; also weil GOtt das beste gehöret / diese zwey für die geschickste zum Gottesdienste. Denn unsere Lehrmeisterin die Natur zeiget uns ja selbst: daß die vollko ensten Sternen / Blumen / Gewächse / ja der Wagen unserer Seele das Blut selbst roth sey. Unter diesem Gespräche gieng der Ochse drabende und mit grossem Brüllen dem Altare zu / welches /weil die Ochsen nach der Weide / die Kühe nach den Kälbern blecken / für gar gut / und dahin ausgelegt ward: daß den Ochsen selbst nach der Aufopferung verlangte. Erato wunderte sich hierüber / und meldete: wo es wahr wäre: daß jemals eine Kuh / welche nach den Stutten die geilesten Thiere seyn sollen / eines brüllenden Ochsen liebreitzendes Brüllen dreißig Stadien weit gehöret habe / würde auch dieser mit seinem Sterbe-Liede so weit gehöret werden müssen. Alleine dis verstünde sie nicht / warumb dieses Ochsen Hörner nicht nur mit So er- sondern auch mit Frühling-und Herbst-Gewächsen gezieret würden? die Priesterin antwortete: weil dieses Thier ein rechtes Horn des Uberflusses / und daher auch das vollkommenste Opfer ist. Dahero / ob schon auch andere Völcker der Sonnen Pferde / dem Krieges-Gotte Wölffe / dem Priapus Esel / der Diana Hirschen / der Ceres Schweine / der Hecate Hunde / dem Esculapius einen Hahn opfern / so ist doch ein Ochse allen euern Göttern angenehm; und eurem Jupiter taug kein ander Thier / als der Ochse zum Opfer. Es ist wahr / sagte Erato; und die Smyrner schlachten ihrem Bubrastis auch nur Ochsen. Die Egyptier verehren zu Heliopolis in gestalt des güldenen Ochsen Mnevis den Osiris oder die Sonne / des Apis den Monden. Sie bildeten auch die Isis mit Ochsen-Hörnern / weil Mercurius ihr einen Helm von einem Ochsen-Kopfe aufgesetzt / und bey den Griechen die Jo / bey den Phöniciern die Göttin Astarte gleichfals einen Ochsen-Kopf zum Wapen ihres Reiches erkieset / und solchen auf ihrem Haupte durch die gantze Welt getragen haben soll. Dahero bey den Egyptiern auch die Ochsen / nicht aber die Küh / die gemeinsten und grösten Opfer sind. Die Priesterin versetzte: Alles dis rühret ohne Zweiffel von der grossen Nutzbarkeit des Rindviehes her. Deñ dieses ist der fürnehmste Werckzeug des nie genung gerühmtẽ Ackerbaues / umb dessen Erfindung Ceres /Triptolemus / Osiris / Buzyges / Bacchus / Abides der Terteßier König streiten; wir Deutschen aber die Spannung der Ochsen für den Pflug unserm Man als dem ersten Ackermanne zuschreiben. Daher auch in Deutschland sich Königinnen nicht geschämet haben /[200] Ackers-Leute von der Pflug-Schaare zu holen und zu heyrathen; und der Ackerbau ist bey uns eine anständige Beschäfftigung des Adels / welcher sich doch mit der sonst so nützlichen Handlung zu beflecken vermeinet. Ohne die Ochsen aber würden die Edlen selbst ihre Hände an dem Grabscheite roh reiben /und jedermann mehr Eicheln als Brodt / und dis gleichwol nicht unbeschwitzet essen müssen. Diesemnach denn für Zeiten / fürnemlich zu Athen und bey den Phrygiern es kein geringer Verbrechen war einen ackernden Ochsen / als einen Bürger zu tödten. Erato fiel ein: Aus diesem Absehen enthalten sich so wol die meisten Indianer und Africaner / als für Zeiten Pythagoras von Rindviehe zu essen; ja die Phönicier und Egyptier werden ehe mit Menschen / als Rindfleische ihren Hunger stillen. Die Priesterin sagte: Am Anfange der Welt hätte man sich alles Fleisches enthalten; nach dem man aber erst in der eisernen Zeit bey Erlegung der wilden und schädlichen Thiere Fleisch zu essen angefangen; wäre die menschliche Grausamkeit vollends auch den zahmen und nützlichen Thieren an Haut und Haare kommen; und hätte man nunmehro kein Bedencken die uns kleidenden Schafe / den uns bewachenden Hahn / und die uns säugenden Ziegen /und den ackernden Ochsen zu verzehren / dessen Arbeitsamkeit das Pferd seinen Haber und Gerste / der Hund seinen Unterhalt / die Vogel ihre Körner / der Mensch seine Speise zu dancken hätte / und dessen man weniger als der nie auf die Schlachtbanck kommenden Elephanten / Kamele und Pferde entbehren könte. Sintemal der Ochse fast aller andern Thiere Ampt vertreten muß; wie denn ehe von den Phöniciern die Rollwagen mit den eisernen Zancken / von Arabern die Waltzen / von andern die Flegel erfunden wurden / muste das Rindvieh auch die Körner aus den Eeren treten. Erato meldete: daß dis noch in Asien und bey den Scythen geschehe; welche ihre bewegliche Häuser auch von Ochsen fortziehen liessen. Ja Cybelen / welche nebst dem Bacchus die Ochsen zum ersten für die Wagen gespannt hätte / wäre es mit Ochsen in Rom einzufahren nicht verschmählich gewest. In Indien aber dienten sie gar zur Reiterey an statt der Pferde / und wäre die Ochsen-Post daselbst nicht nur die gemeinste / sondern auch die geschwindeste; Wie denn auch nicht nur des Bacchus Schoß-Kind Ampelus / sondern auch Hercules auf einem Ochsen geritten hätte. Die Priesterin fiel ein: Bey uns Deutschen sind die Ochsen zwar nicht so geschwinde / aber im Ziehen thun sie es in zähen Aeckern am Pfluge / und auf abschüssigen Bergen an Wagen den Pferden zuvor. Von der Küh-Milch / daraus wir Käse / und zeitlicher als die Griechen Butter gemacht haben / schöpfen wir unsere halbe Nahrung / ihr Fleisch ist schon auf Agamemnons und Nestors Taffel eine niedliche Speise gewest ihre Hörner dienen uns so wol zum Kriegs- und Freuden-Gethöne / als zu Trinck-Geschirren; mit ihrem Miste und Huf tinget man die magern Aecker und Weinberge / ihre Häute kleiden uns; und es ist eben so wenig am Rindvieh als an den Schafen etwas / was nicht seinen absondern Nutzen hat. Diesemnach sich nicht zu verwundern ist: daß für Zeiten Neleus nach des Iphiclus Ochsen so lüstern gewest; daß Euristheus dem Hercules aufgelegt hat des Geryons Ochsen aus Hispanien zu entführen / und daß Eryx sein Reich gegen des Hercules Ochsen zum Preiße des Kampfs aufgesetzt / und Iphidamas seinem Eydame hundert Ochsen zum Braut-Schatze mitgegeben habe. Massen denn auch in den Jüdischen Gesätzen ein Dieb gestohlene Sachen nur zweyfach / ein entwendetes Schaf vierfach / ein Rind aber fünffach wieder zu geben verdammet; in der Egyptischen Bilderschrifft aber Ochsen der Erde und der Speise Sinnenbild ist. Westwegen auch in den Träumen des Apis und Archelaus die fetten [201] Kühe reiche / die magern Kühe und Ochsen / welche die Eeren fressen /hungrige Jahre viel deutlicher / als die neun von dem Drachen der Zeit gefressenen Sperlinge so viel Jahre der Trojanischen Belägerung und die zwölf gegen dem Romulus auffliegende Geyer so viel hundert Jahre des Römischen Glückes und Wachsthums bedeutet haben. Dahero sich so viel weniger zu verwundern: daß man vermittelst eines solchen Thieres / mit dem gleichsam unser Wol- und Ubelstand verknüpft ist / GOtt zu versöhnen / und Menschen zu verbinden gewohnet ist. Massen denn die beleidigten Scythen sich auf einen gebratenen Ochsen setzen / und die vorübergehenden durch Austheilung eines davon geschnittenen Stücke Fleisches zu ihrer Hülffe und Rache als durch einen Eydschwur gleichsam unabschläglich verbinden / und wie die Römer mit einer geschlachteten Sau ihre Frieden bestetigen / also bey den Molossen unter Beschwerung der Bindnüsse ein Ochse in kleine Stücke zerhacket; gleich als wenn kein heiliger Zeuge als dis Thier darzu gezogen werden könte. Erato lobte diese Gewohnheit und versicherte: daß wie Agamemnon sein dem Achilles gethanes Versprechen darmit versichert hätte: daß er mit blutigem Degen zwischen einem zum Opfer zerhauenen Ochsen durchgegangen wäre / also auch die Juden mit ihren neuen Bunds-Genossen bey Bestetigung ihres Bundes zwischen einem zertheilten Ochsen / die Böotier und Macedonier aber bey Musterung ihrer Heere zwischen einem zerstückten Hunde durchzugehen pflegten. Auf diese Weise hätte Diomedes und Ulysses den mit dem Antenor gemachten Vertrag befestigt / Chalcas das Griechische Heer zwischen einem zerhauenen Schweine / Xerxes das Persische zwischen dem zerfleischten Sohne des Pytheus durchgeführt / und jener es von der Pest / dieser vom Ausreissen befreyet. Zwischen diesem Gespräche kam dieser starcke Ochse für das Altar / so bald ihn nun die hohe Priesterin Thußnelde mit dem Wasser aus dem fürnehmsten Brunnen besprengte / fiel er mit den Vörder-Füssen auf die Knie nieder / gleich als wenn er in ihr oder in diesem Wasser eine Göttliche Krafft verspürte / und sich selbst willig zur Abschlachtung darstellte. Thußnelde legte ihm hierauf die Hand auf den Kopf / und sagte darzu: dein Kopf trage unsere Missethaten / dein Blut wasche unsere Seelen-Flecken ab / dein Fleisch gebe GOtt einen süssen Geruch ab; unsere Andacht aber vermische sich mit der Flamme /und opfere GOtt mehr unsere Hertzen / als das Feuer dieses Rind. Sie hatte kaum diese Worte ausgeredet /als eine junge Priesterin mit einem grossen Messer in einem Augenblicke dem Ochsen durch einen Streich die Gurgel und den halben Hals abschnitt / etliche andere aber in irrdene Gefäße das Blut auffiengen / andere inzwischen auf das Altar einen grossen Holtzstoß legten. Thußnelde tauchte sieben mal in das Blut ihren rechten Spieß-Finger / bestrich darmit die Ecken des Altares / hernach goß sie sieben Schalen in den Fuß des Altares / und sieben in die Brunnen. Als Erato dis gewahr ward / fieng sie an: Ich sehe wol: daß die siebende Zahl in Deutschland so heilig / als in Italien / Griechenland und Asien sey; allwo man diese Zahl / wie auch den siebenden Tag dem Apollo gewiedmet hat. Wie denn auch des Apollo Leyer eben so wol / als die Pfeiffe des Pan sieben Röhre gehabt haben soll; gleich als wenn der Lauf der Sterne / und die Verbindung der gantzen Natur in dieser Zahl bestünde. Ich weiß auch: daß die Egyptier die Wochen in sieben Tage getheilet / sie denen sieben Irrsternen zugeeignet haben; daß sie für jedem grossen Feyer sich sieben Tage aller Thiere enthalten; daß sie in ihrer Reinigung bey Verehrung der Isis das Haupt sieben mal ins Meer-Wasser eintauchen / im Feyer des Osiris eine Kuh sieben mal umb den Tempel führen /und vom Osiris erzehlen: daß sein gefundener Leib sieben Ellen [202] lang gewesen sein solle. Bey den Inden habe ich gleichfals angemerckt: daß den siebenden Tag und das siebende Jahr Menschẽ und Vieh von aller Arbeit ruhen; daß sie ihr Altar sieben mal mit Oel / und mit Blute ansprengen; daß sie ihre Priester in sieben Tagen einweihen / daß die einen Knaben gebährenden Weiber / und welche einen Todten anrühren / wie auch die Aussätzig- gewesenen / sieben Tage für unrein gehalten / und bey ihrer Reinigung sieben mal abgewaschen / von ihnen insgemein sieben Ochsen / sieben Widder / Lämmer und Ziegen geopfert / die für unrein gehaltene Erde / und die entweihten Altäre sieben mal versöhnet werden / sieben Priester den grösten Gottesdienst verrichten / sieben mal des Tages beten / die Weiber sich sieben Tage reinigen / daß der Juden Leibeigene das siebende Jahr frey lassen. Nicht weniger ist mir verborgen: daß Pythagoras die siebende Zahl der Pallas und Jungfrauschafft zugeeignet habe / weil sie weder in zwey Zahlen getheilet / noch aus ihrer Verdoppelung eine Zahl gemacht werden kan / unter der zehnden / welche das erste Ende aller Ziffern und Zahlen ist. Die Brachmannen tragen sieben Ringe / die Griechen und Armenier verehrten die siebende Zahl als ein grosses Geheimnüs / jene haben sieben Lautbuchstaben /geben für dem siebenden Tage keinem Kinde den Nahmen / sie erkieseten zu Zerstörung der Stadt Thebe sieben Heerführer / man zehlet sieben Weise und so viel Wunderwercke der Welt / das sieben-bergichte Rom feyerte alle Jahr das Fest der sieben Berge. Daselbst hält man in der grossen Rennebahn sieben Rennen / und nicht nur zu Rom / sondern fast in der ganzen Welt würde beym Gottesdienste stets auf die siebende Zahl gesehen. Daher dieses nicht so wol aus einer zufälligen Ubereinstimmung der Völcker / als aus der Natur / oder von GOtt selbst herrühren müste. Die Priesterin bestätigte dis letztere / und sagte: die Einigkeit wäre die Wurtzel aller Zahlen /weder gleiche noch ungleich / männlich und weiblich; ihr selbst eigener Anfang und Ende / und die Vollkommenheit selbst; welche zwar nicht zehlbar ist / in sich aber unermäßliche Zahlen begreiffet / und aus sich gebieret. Denn GOtt wäre eines / und ausser aller Zahl. Unter den Zahlen aber wäre die siebende ihrem eigenen Wesen nach die vollkommenste; weil sie aus sieben Einessen / oder aus einer Eines und einer Sechs zusammen gesetzt / welche letztere alleine zugleich halbiret und gedrittelt werden kan. Die siebende Zahl begreift in sich die erste Zahl die zwey / welche des aus der Göttlichen Einigkeit hergeflossenen edelsten Geschöpfes / nemlich des aus Seel und Leibe bestehenden Menschens Bild ist / und die Fünfe /unter welcher Zahl der höchste GOtt sein aus ihm gezeugtes Ebenbild / die Seele der Welt aller andern Seelen Ursprung / die hi lischen und endlich die irrdischen Dinge begriffen sind: Endlich bestehet die siebende Zahl aus einer drey und viere / derer jene ungleiche der Zahlen Mann und Vater / diese gleiche das Weib und die Mutter der Zahlen ist. Jene ist das erste ungleiche / diese das erste gleiche Maaß / nemlich ein drey- und viereck abbildet. Alle Flächen müssen zum minsten drey / alle gantze Cörper zum wenigsten vier Ecken haben. Alle diese haben drey Mäß-Ruthen /nemlich die Länge / die Breite und Tieffe / und haben in sich viererley Ende / nemlich den Punct / den Strich / die Auswendigkeit / und die Dichtigkeit. Uberdis ist das Drey-Eck ein unerschöpfliches Geheimnüs; sintemal es drey Einigkeiten unzertrennlich mit einander verbindet: daß sie nicht halbiret werden können; Und gleichwol bleibet das Drey-Eck eine solche Einigkeit: daß / man schneide gleich von selbtem weg / was man wolle / so bleibt doch ein Drey-Eck übrig. Dahero so wohl das Drey-Eck als die gedritte Zahl / ein geheimes Mahlwerck GOttes und der Ewigkeit ist. Die Viere aber ist die erste theilbare Zahl / durch welche GOtt / der [203] alles aus nichts erschaffen / die gantze Natur und die widrigsten Dinge / nemlich Erde / Lufft / Feuer / Wasser / welche aber nur zwischen sich drey Räume und Entfernungen machen / durch eine wunderwürdige Mäßigung ihrer Eigenschafften mit einander verknüpft hat. Ja Pythagoras hat die vierdte Zahl auch für ein geheimes Bild / und für die Vollkommenheit unser Seele gehalten / also bey demselben jedesmals geschworen / der unser Seele die vierdte Zahl zueignete. Wiewol die Seele auch ein aus dem Verstande / aus dem Muth oder der Hertzhaftigkeit und der Begierligkeit bestehendes Drey-Eck ist. Diesemnach die siebende Zahl der Knoten oder das Band aller Dinge / und die Fülle aller Vollkommenheiten gerühmet wird; also die Natur als eine weise Mutter nicht ungefehr / sondern aus gutem Wolbedacht so vielmal mit dieser Zahl beschäfftiget ist. Der Seele der Welt Ursprung soll in sieben Enden begrieffen seyn; so wol das gestirnte Kreutz als die Sieben-Gestirne bestehet an sieben Sternen; und der sieben irrenden Sternen Lauf ist die Richtschnur der gantzen Welt. Der Monde durchlaufft in viermal sieben Tagen / welche Zahl aus eines / zwey / drey / vier / fünf /sechs / sieben zusammen getragen ist / den gantzen gestirnten Thier-Kreiß. In den ersten sieben Tagen macht sein neues Licht sich zu einer Sichel / und laufft aus Mitternacht von dem Striche des Steinbocks bis ans Mittel der Sonnenbahn und des Hi els / in den andern siebenen zu einer Kugel / und rennt bis an den Krebs und das euserste Mittags-Ziel; In den dritten vermindert er sich zu einem halben Kreiße / und wendet sich wieder bis an den mittelsten Sonnen-Zirckel; in den letzten siebenen verschwindet es gar / und gedeyet damit wieder in sein euserstes Nord Ziel. Und in dieser Frist der acht und zwantzig Tage leidet der Monde siebenerley Veränderungen / kriegt auch so vielerley Gestalten. Nach welcher Richtschnur denn auch die Katzen als Monden-Thiere sieben mal gebähren / und zwar das erste mal sieben / das andere sechs / das dritte fünf / das vierdte vier / das fünfte drey / das sechste zwey / und das siebende mal ein junges / und also so viel Kätzlein / als der Monde Tage hat / gebähren sollen. Nichts minder bindet sich das Hertze der Welt die Sonne an diese Zahl. Denn nach dem kürtzten Tage hält sie im Anfange des siebenden Monden den Zügel an / und kehret nach ihrem Stillestande zurücke. Nach dem längsten Tage bleibt sie im Anfange des siebenden Monden wieder stehen; und in gleicher Frist macht sie zweymal des Jahres Tag und Nacht gleiche. Die Erde nähret in sich siebenerley Ertzt / die Mahlerey sieben Farben / die gelehrte Welt sieben freye Künste / und die Singe-Kunst sieben Gethöne. Das grosse unbändige Meer hält gleichfals diese Zahl zu seinem Zaume / in dem es in sieben Tagen unterschiedener Beschaffenheit des Monden durch Regung des in seinem Saltze steckenden Feuers / als einer zur Bewegung geneigten Seele wächset / und abni t; Und auf selbtem brüten die Eißvogel im Winter auch sieben Tage. Insonderheit aber hat die kleine Welt der Mensch mit dieser Zahl eine vielfache Verwandschafft / und füraus seine Zeugung. Sintemal der sieben Stunden in der Mutter bleibende Saamen sich befestiget: daß er gar bleibt. Im siebenden Tage wird er mit einem dünnen Häutlein überzogen. Ja alle sieben Tage kriegt die Frucht eine merckliche Verbesserung / und im siebenden Monat ihre Vollkommenheit; also daß sie von kräftigen Müttern auch in dieser Zeit ans Tagelicht gebohren wird. Nach der Geburt fällt den Kindern im siebenden Tage die Nabelschnure ab; nach zweymal sieben Tagen sehen sie ins Tagelicht / nach siebenmal sieben Tagen wenden sie die Augen auf alles sichtbare. Nach sieben Monaten wachsen ihnen die ersten Zähne / nach[204] zweymal sieben Monaten sitzen sie beständig / nach dreymal siebenen reden / und nach viermal siebenen gehen sie sicher / nach fünfmal siebenen eckelt ihnen für der Mutter-Milch. Im siebenden Jahre fallen den Kindern die Zähne aus; im vierzehenden Jahre reget sich die Zeugungs- und Geburts-Krafft / im dreymal siebenden hat der Mensch ausgewachsen / und die Männer werden bärticht. Im viermal siebenden Jahre kriegen sie ihre völlige Kräfften des Leibes / in denen sieben folgenden des Gemüthes / in dem siebenmal siebenden geht das gesetzte Alter an / und stehet der Mensch gleichsam sieben Jahre stille / im achtmal siebenden aber fängt er an unvermerckt / im neunmal siebenden mercklich abzunehmen / das zehnmal siebende Jahr aber ist das Ende des menschlichen Lebens. Uberdis wächst der Mensch ordentlich sieben Füsse hoch. Er hat sieben edle Glieder / nemlich die Zunge / das Hertze / die Lunge / die Leber / den Miltz und zwey Nieren; und sieben andere der Speise dienende / nemlich die Gurgel / den Magen / der Bauch /die Blase / und drey vornehme Därme / ferner sieben seine Grösse ausmachende Theile / nemlich Beine /Marck / Blut-Puls-Spann-Adern / Fleisch und Haut; und seiner euserlichen Stücke sind ebenfals sieben /der Kopf / die Brust / zwey Hände / zwey Füsse und die Scham; ja jeder Arm und Bein bestehet aus sieben Theilen; und in dem Kopfe sind zwey Nasen- / zwey Ohren- / zwey Augen-Löcher / und das siebende ist der Mund; der Leib aber hat auch eben so viel Bewegungen / nemlich Wachsthum / Abnehmen / Erhöh-Erniedrigung / Wendung auf die rechte und auf die linke Seite / und endlich die Herumbdrehung. Endlich ist sein gantzes Wesen aus sieben Dingen zusammen verbunden / der Leib aus vier Elementen / die Seele aus Verstande / Gedächtnüsse und dem Willen. Diesemnach keines Verwunderns darf: daß alle Völcker diese vollkommenste Zahl für ein Geheimnüs und Heiligthum halten / auch im Gottesdienste solche für alles und jedes / was wir unserm Schöpfer schuldig sind / angewehren. Unter diesem Gespräche hatten die Opfer-Mägde den Ochsen aufgehauen / und das Gedärme daraus genommen; die Priesterinnen aber selbten unzerstückt auf den Holtzstoß geschoben. Hierauf verfügte sich die hohe Priesterin Thußnelde selbst in eine zwischen denen dreyen Brunnen gelegene Höle /und brachte in einer Ampel Feuer heraus / darmit sie den Holtzstoß auf dem Altare anzündete. Erato fragte hierüber: was dis für ein heiliges Feuer wäre? ob es vielleicht vom Himmel gefallen / wie das / welches bey den Juden so viel mal die Opfer angezündet hätte; und welches sie hernach so viel lange Jahre / bis sie nach Babylon gefänglich weggeführet / behalten /auch mitler Zeit in einem Brunnen verborgen hätten /und noch zu Anzündung ihrer Opfer brauchten? die Priesterin antwortete: Ihr Feuer wäre zwar nicht vom Himmel gefallen / sondern ein unterirrdisches / welches in einem Feuer-Brunnen angezündet / und mehr als tausend Jahr daselbst aufgehoben worden; jedoch /wie alle unterirrdische Feuer dem himmlischen zu vergleichen; sein Ursprung auch viel gewisser wäre / als welches irgendswo vom Himmel gefallen seyn solte. Erato versetzte: Sie tadelte das unterirrdische Feuer nicht; aber an dem wäre gleichfals nicht zu zweifeln: daß das Hi lische der Juden und anderer Opfer angezündet hätte. Die Persen und Brachmannen betheuerten: daß es auch bey ihnen geschehen; dahero diese es so wol / als die Vestalischen Jungfrauen zu Rom / wie auch die Frauen zu Delphis und Athen / sorgfältigst unterhielten / jene aber / als die Seele aller Dinge /und die Scythen als den Ursprung der Welt anbeteten. Dem Perseus wäre gleichfals in Persien / dem Selevcus in Macedonien auf seinem väterlichen Altare /und zu Rom des Cicero Ehfrau von sich selbst angezündet worden. Nicht [205] anders fienge auch in Sicilien auf dem Vulcanischen Hügel das Reben-Holtz / und in der Salentinischen Stadt Egnatia / bey den Lydiern in der Stadt Cäsarea und Hypapis das Opfer von sich selbst anzubrennen. Emylia hätte durch das von sich selbst wieder anglimmende Feuer ihre Unschuld bewehret: daß sie es nicht aus Nachlässigkeit verleschen lassen / und zu dem Ende hätte Numa dem anzündenden Jupiter ein Altar gebauet. Die Priesterin fiel ein: Sie wolte den Göttlichen Einfluß in anderer Völcker aus Andacht gelieferte Opfer nicht widersprechen; aber das dieses Rind mit Haut und Haar verzehrende Feuer würde dem Ihrigen auch ein unfehlbares Zeugnüß geben: daß ihr Opfer dem einigen Gotte einen süssen Geruch abgeben müste; weil dieser Brand keinen Gestanck erregte / ungeachtet nichts wohlrüchendes darein kommen wäre; und auch im heissesten Sommer auf das Opfer-Fleisch keine Fliege oder Mücke sässe. Die Königin Erato begegnete ihr: Es wäre dieses wohl merckwürdig; iedoch geschehe beydes auch in dem Jüdischen Tempel. Die Einwohner der Stadt Accaron hingegen verehrten in Gestalt einer Fliege den Gott Baalzebahim / die Arcadier den Miagrus / die zu Cyrene den Achor / daß nur ihre Opfer von Fliegen unbeschmeisset blieben. Hercules hätte zu Olympia deshalben selbst dem Fliegen vertreibenden Jupiter einen Ochsen geschlachtet / und daher käme zu Rom in des Hercules Heiligthum noch weder Fliege noch Hund. Und die Egyptier / welche wegen ihrer aus dem Schlamme des Nilus hervor kommender unzehlbarer Fliegen das gröste Ubel mit einer Fliege abbilden; mahlen auf Veranlassung einer Göttlichen Wahrsagung an alle ihre Tempel und Spitz-Säulen eine Fliege zu Vertreibung dieses Geschmeisses. Die Trachinier aber ruffen den Hercules umb Ausrottung der Heuschrecken / die Erythreer umb Vertilgung der Regen-Würmer / die Griechen den Smintheischen Apollo umb Verjagung der Mäuse an. Und die von diesen Thieren geplagten Phönicier hätten für Zeiten ihren Göttern güldene Mäuse / wie die in Freyheit gediegenen Leibeigenen und Knechte den Haus-Göttern eine Kette / die aus dem Schiffbruch entronnenen der Isis oder dem Neptun eine Taffel / die Fechter dem Hercules ihre Waffen gewiedmet. Hierüber verbrennte dieser Ochse geschwinder / als sich iemand frembdes hätte einbilden können / und kein Mensch ward des wenigen übeln Geruchs gewahr / ungeachtet keine wolrüchende Sachen ins Feuer kommen waren / wormit sonst die Lüffte gereiniget / und die heiligen Oerter ihre Götter zu bewirthen geschickt gemacht werden. Thußnelde lag inzwischen mit ausgebreiteten Armen betende auf der Erden / und versteckte gleich sam ihr Antlitz in die von dem Altare fallende Opfer-Asche. Als sie sich aber aufrichtete / stunden ihr die Andachts-Zehren noch auf den Wangen / und ihr feuriger Eiver Gott zu dienen sahe ihr aus den lebhaften Augen. Daher auch Erato anfieng: Warlich diese Fürstin ist zugleich eine demütige und hertzhafte Beterin; und ziehe ich diese ihre Bezeugungen weit den Egyptischen für / welche aus vermeynter Demuth dreymal die Finsternüß anruffen / ehe sie den verborgenen Gott anbethen / und aus Eiver sich im Beten in Götter verwandelt zu werden sich einbilden / also ihren Göttern altes Ubel andräuen / die Serer aber ihre Götzen gar geisseln / da sie ihnen nicht helfen würden. Nach vollbrachtem Sommer-Opfer ergrieffen etliche dem Herbste gewiedmete Frauen den großbärthichten der Heerde Ziegen hochmüthig-vorgehenden und gleichsam seine männliche Ober-Herrschafft übenden Bock; bekräntzten seine Hörner mit Trauben / Obste und Herbst-Blumen; streichelten ihn bey dem Barte / und leiteten selbten für das dritte Altar. Die Königin Erato lächelte hierüber / und fieng an: Dieser Bock hat einen so [206] ansehnlichen Gang: daß ich mich nun nicht mehr wundere / warumb die Morgenländer den grossen Alexander / und Cybele ihren geliebten Knaben Atys oder Athud einen Ziegen-Bock geheissen habe. Ich sehe ihn auch für so starck an: daß er besser / als die langöhrichten Wald-Ziegen in Egypten und Arabien / wie auch auff den Circensischen Spielen zu Rom den Knaben zum reiten dienen / auch Zügel und Zaum ihm besser anstehen / er sonder Zweifel auch gegen Feind so behertzt / als jener Sibarinische Bock gegen den unzüchtigen Hirten Crathin aus gerechter Eiversucht Rache ausüben würde. Diese Priesterinnen aber thun diesem Bock so schön und schöner als die geilen Weiber der Stadt Mendes / wo sie an statt des heßlichen Priapus Ziegen und Böcke / wie an statt der Diana eine Katze und für den Anubis einen Hund anbeten / und mit ihnen Nothzucht treiben; weil in diesen dafür Abscheu habenden Thieren die Natur unschuldiger als im Menschen die Vernunfft ist. Wenn ich auch in Deutschland nicht schon was bessers gelernt hätte / dörffte ich leicht in den Irrthum fallen: daß sie diesen Bock wie die Cyrener und Thebaner an statt des Ammons und Jupiters / oder wie die Arcadier an statt des Pans verehrten. Allein was haben die Deutschen für ein Absehen: daß sie insonderheit zum Herbst-Opfer Ziegen oder Böcke brauchen? Geschicht es vielleicht ihnen zur Straffe / oder weil sie in Gärten und Weinbergen grössern Schaden thun / als das aufgehende Ziegen-Gestirne den Reben? Weswegen sie auch die Griechen dem Bacchus opfern. Die Priesterin antwortete: Andacht und Opfer solten mit Rache und Straffe keines weges vermählet seyn. Erato versetzte: Eine gerechte Rache aber ist Gott kein Greuel / zumal da er dem Menschen über alle Thiere eine Herrschafft eingeräumt hätte; also daß er sie nicht nur zu seinem Nutzen verbrauchen / sondern auch bestraffen kan. Dahero die Juden sich berechtiget halten / die stossenden Ochsen zu steinigen / die Römer jährlich eine Anzahl Hunde zwischen der Jugend und des Summanus Heiligthume zu creutzigen / weil sie bey Ersteigung des Capitols nie gebollen. Ja Draco hat in seinen Gesetzen so gar über die verwundenden Waffen Urthel und Recht zu hegen anbefohlen / in dem Düpolischen und Buphonischen Feyer werden die Schwerdter verda t / welche einen Ochsen umbgebracht / und die Thasier liessen des Fechters Theagenes Bild ins Meer werffen / weil er einen Menschen erschlagen hatte. Diesemnach auch die Egyptier glauben: daß nur die Thiere / welche der Menschen wandernde Seelen aufnehmen / keines weges aber die / welche zum opfern taugen / Gott angenehm sind. Aus welchem Absehen sie auch nur die für abscheulich gehaltenen rothen Ochsen opfern / und ihre verfluchten Köpfe in Nil werffen. Die Priesterin begegnete ihr: Unsre Gewalt über ein Thier rechtfertiget nicht unser Opfer / welches wir nur zum Werckzeuge und Wagen unsers Hertzens brauchen sollen / und welches wir Gott täglich zuzuschicken schuldig sind. Wie mag sich aber unser Hertz mit einem straffbaren Thiere gatten? oder wie kan Gott das Thier angenehm seyn / welches wir seines Verbrechens halber hassen / oder für einen Greuel halten / zumal der ein sündiger Geitzhals ist /wer nicht dem freygebigen Gotte das allerliebste liefert. Erato bekennete: daß die Priesterin recht / und der Deutschen Gottes-Dienst guten Grund hätte. Und schiene das von Gott den Juden gegebene Gesetze dahin zu zielen: daß sie bey Lebens-Straffe von den Thieren kein Unschlitt und Blut essen / sondem dieser Kern Gott geopfert werden solte. Die Priesterin fiel ein: Weil die Ziegen und Böcke bey uns auch unser die nützlichsten Thiere gerechnet werden / halten wir auch für unsere Schuldigkeit selbte nicht Gott vorzuenthalten. Denn über diß / daß ihr Fleisch guten [207] Geschmacks ist / halten es die Aertzte auch fürs gesündeste / weil es trocken und leichte zu verdeyen / dünnes Geblüte macht / auch die warmen und trockenen Leibes-Kräfften stärcket. Erato pflichtete ihr bey und meldete: daß diß Fleisch auch zu Rom und in Griechenland unter die Lecker-Bißlein gezehlet / ja von denen verwehnten Mäulern die trächtigen Ziegen lebendig aufgeschnitten / und mit dieser unzeitigen Frucht Milch und Blut begierig eingeschluckt würde. Die Priesterin versetzte: Diß wäre nicht nur eine verschwenderische Grausamkeit / da man den Ursprung des Lebens zum Grabe machte / sondern es wäre auch der Gesundheit abbrüchig; indem die säugenden Böcklein mehr milchicht sind / als durch kräfftiges Blut ein vollkommenes Fleisch bekommen. Erato pflichtete der Priesterin in beyden bey / meldende: daß hierauf sonder Zweifel das Jüdische und Arabische Gesetze sein Absehen hätte; krafft dessen sie keine saugende Ziege essen / oder selbte in der Milch ihrer Mutter kochẽ / also diß / was des Lebenden Nahrung gewest / zu des Todten Würtze verbrauchen dörfften. Bey eben diesen Völckern wäre auch eine Abscheu auf die Thiere unmenschlich zu wütten. Dahero sie auch in einem Tage nicht die Kuh und ihr Kalb / das Schaf und ihr La / die alte und junge Ziege schlachten / noch alle Vögel eines Nestes mit ihrer Mutter tödten dörfften. Zu Athen wäre es auch straffbar /einen lebenden Widder abziehen / Thiere mit glüenden Eisen tödten: daß sie mirbe Fleisch kriegten /Kranchen und andern Vogel besserer Mastung halber die Augen ausstechen / und den Säuen auf den Bauch springen: daß sie zur Unzeit ferckeln. Die Priesterin kam hierauf wieder in ihre Erzehlung / und rühmte die Ziegen-Milch als die gesündeste und nahrhafteste nach der Frauen-Milch / weil die Ziegen meist trocknende Kräuter und Blätter ässen. Nach ihr käme allererst die Esels- denn die zu fette Schaf- und endlich die Kuh-Milch; also daß wie der Ochse zum ackern / das Pferd zum reiten / der Hund zum wachen / das Schaf zur Kleidung / also die Ziege der Milch halber geschaffen zu seyn schiene. Erato fiel ihr bey / und sagte: daß die Amaltheische Ziege ihrer guten und mit Honig vermischten Milch halber / damit Jupiter auf Creta / wie Esculapius mit Hunds-Milch soll ernähret worden seyn / unter die Gestirne kommen wäre; ihrer viel in Morgenland pflegten auch deswegen nach eingesa leten Früchten mit Ziegen-Milch ihre Bäume /Aecker und Wiesen anzufeuchten: daß sie folgendes Jahr desto fruchtbarer seyn mögen. Uber diese Milch aber schafftẽ in Sudländern die Ziegẽ und Böcke noch einen andern grossen Nutzen. Denn weil sie in Phrygien / Cilicien / Lycien und Africa sehr lange Haare hätten / ja in Morgenland wenig von den menschlichen zu unterscheiden wären / würcken die Araber nicht nur ihre Hüten / die Armenier Zeuge und Kleider / die Assyrier Tapeten / welche denen seidenen wenig nachgäben / daraus / sondern die Jüdischen Weiber näheten und stickten damit / ja das Frauenzimmer trüge sie auf ihrem Haupte wie krause Haarlocken. Die Frau von Buren fügte bey: daß die Ziegen auch den Menschẽ durch Zeigung unterschiedener heilsamer Kräuter genutzt hätten / und noch jährlich ihnen durch Anschauung der Sonne nicht so wohl den Aufgang des Hundssternes andeutete / als die Menschen anwiese ihr Auge allezeit gegen der unerschaffenẽ Sonne zu wendẽ. Unter diesem Gespräche stand der zum Opfer besti te Bock / so lange die auf dem Rückẽ liegende und die Augen starr gegen den Hi el haltende Priesterin betete / als ein La stehen. Hierauf stand sie auf / legte dem Bock ein blut-rothes Tuch auf den Kopf / band selbtes an / und sprach; Alle unsere Missethaten kommen auf deinen Kopf /und unser Unglücke breche mit dir den Hals. Als sie ihn nun gegen Mitternacht wendete / lief er aus allen Kräfften den Hügeln zu. Erato fieng an: [208] Ich finde mit gröster Verwunderung allhier der Juden / Araber und Egyptier Opfers-Art / welche ihren eben so verfluchten Bock Azazel einem bösen Geiste (wo anders dieses Wort nicht den Nahmen eines Berges / oder des verbannten Bockes selbst bedeutet) zu senden; nachdem sie ihm mit einer roth-tuchenen Zunge / welche sie auch an die Pfosten der Tempel hingen / und wenn sie weißlicht ward / ihre Sünden getilgt zu seyn gläubten / alles Ubel auf den Kopf gelegt haben. Westwegen die Egyptier auch von einigen Thieres Kopfe zu essen für ärgsten Greuel achten. Die Priesterin versetzte: Es könte wohl seyn: daß zwischen anderer Völcker und der Deutschen Opfer-Bocke sich einige Gleichheit ereignete; sie hätte sich auch unterrichten lassen: daß die Römer nicht nur die wohlthätigen /sondern auch die Böses zurück ziehenden Götter /worunter sie den Mercur / Apollo und Hercules rechneten / anzubeten pflegten; daß die Griechen den guten Jupiter / und den Schaden abwendenden Pluto /die Chaldeer die gütigen und schädlichen Irr-Sterne /die Egyptier den geneigten Osiris / und den bösen Typhon / die Persier den gläntzenden Oromazes / und den schwartzẽ Areimanius verehrten; alleine sie könte sich kaum bereden lassen: daß Leute / welche einen Funcken vom Lichte gesunder Vernunfft in sich hätten / der Finsternüß dienen / und eine fromme Seele einem bösen Geiste opfern solte. Dahero sie denn diesen Bericht allezeit als einen Mißverstand des Jüdischen Gottes-Dienstes und für eine irrige Auslegung des Pöfels gehalten hätte. Erato fiel ein: Ich wil niemanden einer so abscheulichen Abgötterey verdammen / und werden freylich wohl in Geheimnüssen Hülsen für Kern verkaufft. Ich erinnere mich auch: daß die Egyptier in einem gewissen Feyer den Typhon aufs ärgste schimpfen / und den ihm an der Farbe ähnlichen Esel für ein unreines und teuffelisches Thier halten. Ich werde auch ein anders zu muthmassen daher veranlasset: daß die Jonier den güldenen und ins gemein heilig genennten Meer-Fisch den Meer-Göttern / die Milesier einen Ochsen dem Jupiter / die Brachmaner allerhand gefangene Vögel durch Freylassung ihren Göttern zu wiedmen / die Indianer durch Einsalbung und Bekräntzung der Elephanten Gott zu verehren meynen; und als Epimenides Athen von der Pest befreyen wolte / ließ er eine Menge schwartze und weisse Schafe auf den Richt-Platz treiben / und hernach hingehen / wo sie hin wolten. Bey den Juden opfern auch die vom Aussatze gereinigten einen lebendigen Vogel / den andern aber tauchen sie in des geschlachteten Blut und in flüssendes Wasser /lassen ihn aber hernach in die freye Lufft flügen. Endlich pflegen auch die Griechen Kranckheiten und alles böse zu den Wald-Ziegẽ zu verbannen. Alleine / weil ich von der hohen Priesterin einen Fluch gehöret habe: daß dieser Bock mit allem Ubel den Hals brechen soll / verleitet mich mein Vorwitz zu fragen: Ob diesem Bocke iemand einiges Leid anthue; wie bey den Juden / da ein Mann den Bock Azazel in die Arabische Wüsten begleitet / und nachdem er ein Theil seiner an die Hörner gebundenen rothen Zunge an Fels feste gemacht / ihn in Abgrund herab stürtzt; wiewohl einige auch diese Zerschmetterung dem Winde zueignen. Die Priesterin antwortete: Ihrem Bocke dörffte als einem schon in die Freyheit gelassenen und Gott gewiedmeten Thiere kein Mensch bey Lebens-Straffe nichts in Weg legen / wiewohl noch niemand wäre gefunden worden / der sich rühmen könte: daß er einen solchen Bock iemals wieder zu Gesichte bekommen hätte.

So bald dieser Bock aus dem Gesichte kam / faßten sich etliche zur ewigen Jungfrauschafft verlobte Priesterinnen mit dem grösten und schwärtzesten Bären /kräntzten selbten mit Epheu und andern Herbst-Blumen. Erato [209] lächelte und sagte: Ich sehe wohl / die deutschen Priesterinnen zieren ihre Bären eben so /wie Bacchus seine in Panter-Thiere verwandelte Ammen geputzt hat. Alleine was haben diese sanftmüthige und schneeweisse Jungfrauen mit diesem grausamen und schwartzen Thiere für Gemeinschafft? Ismene antwortete: Unser Nordliches Deutschland hat so wenig an weissen Bären / als weissen Raben Mangel / und würde solche hier zu sehen kein solch Wunderwerck seyn / als da zur Zeit des Königs Arcesilaus sich ein weisser Rabe schauen ließ. Alleine man hält in Deutschland die schwartze Farbe so wenig als in Africa für unwerth / sonderlich die / welche die Raben-Farbe / die Gagaten und der schwartze Sammet gläntzend ist. Westwegen nicht nur die Laodiceischen Schafe / und ihre kohlschwartze aber weiche Wolle denen Milesischen mit ihren schneeweissen Fellen fürgezogen werden / sondern die schwartze Augen und Raben-Haare sind auch eine grosse Zierde des Frauenzimmers; dahero sie auch ihre Haare mit den Eyern / dem Blute und Gehirne der Raben sorgfältig schwärtzen. Die Königin Erato färbte sich / und bath: Man möchtẽ lieber ihrer Unwissenheit durch Unterricht rathen / als durch Herausstreichung tadelhafter Dinge ihr Mängel ausstellen. Sie wüste zwar: daß in Asien und Griechenland dem Winter schwartze Thiere geopfert würden / sie wüste aber die Ursache nicht / ausser daß Empedocles gelehret: die Schwärtze und Kälte bestünde in einerley Wesen. Sintemal die Schwärtze mit dem Winter keine Gleichheit hätte / da die Erde mit der weissen Wolle des Schnees als mit einem Pflaum-federnen Bette für der schädlichen Kälte bekleidet / und mit diesen leichten Flügeln des Himmels bedeckt wird. Die Priesterin fiel ein: Wir nehmen für den wäßrichten Winter einen schwartzen Bär zum Opfer / weil die Nässe auch die weißlichte Leinwand schwärtzlicht macht / und die tieffsten Wasser selbst schwartz zu seyn scheinen; insonderheit aber weil die die Schweiß-Löcher verstopfende Nässe die Schwärtze / das Feuer aber / daß etwas weiß zu scheinet / verursacht. Daher viel daran zweifeln: Ob der die Augen verblendende Schnee weiß /sondern vielmehr / wie er in Armenien roth aussihet /oder in dem Eylande Thule / gar schwartz sey. Alleine die Bären sind vielmehr als ein lebendes Bild des Winters zu diesen Opfern besti t. Sintemal die Natur gleichsam / wie der / ungeachtet seiner grossen und dichten Haare allerfrostigste Bär ruhet / welcher vier Monat in einer Höle steckt / und von seinem die übrige Jahres-Zeit allzu fett gemästetem Leibe zehret /und mit seiner Abmagerung allererst seine Kräfften wieder kriegt. Wiewohl seine Augen von so langer Verschliessung derogestalt verdüstert sind: daß sie nach Honige ausgehen / wormit die sie stechenden Bienen ihnen mit dem Blute ihre Beschwerligkeit abzöpfen. Uber diß ist der Bär dem Schweine am ähnlichsten / welches sonst bey den meisten Völckern unter die vier Opfer-Thiere / weil es ohne diß lebende nichts / sondern nur todt zur Speise nütze / und sehr nährend ist / gerechnet; ja weil es durch das Wielen seines Rissels den Acker-Bau gelehret haben soll /von den Egyptiern gar göttlich verehret wird. Erato fiel ein: Werden aber nicht die Bären für unreine Thiere gehalten? Ich weiß wohl / antwortete die Priesterin: daß die Morgenländer ins gemein alle als unrein verwerffen / die nicht gespaltene Klauen haben /und nicht wiederkäuen / wie auch alle Fische ohne Schuppen / und alle Fliegen / wiewohl diese die meisten Araber für rein halten; alleine wir finden deshalben keinen Grund in der Natur unserer Lehrmeisterin / welche alles rein und gut geschaffen hat. Zu dem[210] haben nicht nur die Juden für ihrem blossen Nahmen /sondern auch die Araber / Mohren und Indianer für den Schweinen und ihrem Fleische eine grosse Abscheu / vielleicht / weil sie sich stets im Kothe verunreinigen / Unflat essen / und die an ihnen säugenden Kinder aussätzig werden sollen. Erato brach ein: Die mitternächtigen Deutschen haben vielleicht auch darumb so viel mehr Ursache Bären zu opfern / weil beyde gestirnte Bären bey ihrem Angel-Sterne stehen /und daß dieses die Löwen und Panter-Thiere an Grausamkeit und Arglist übertreffende Thier so viel mehr ausgerottet werde. Die Priesterin gab zur Antwort: Im Himmel und im Monden wären so wenig Thiere / als auf der Erde Sternen; und wenn man Gott was geben wolte / müste man nicht anzielen die Natur zu erschöpfen / oder gantze Geschlechter der Thiere / welche Gott alle zu was gutem geschaffen hat / zu vertilgen. Die Natur hätte den Schlangen an ihr Zahn-Fleisch Gifft / den Wolff-Zähnen die Raub-Sucht /das Brillen den Löwen / welche die Nomaden und andere Africanische Völcker zu Verlassung ihrer Länder gezwungen / und mit ihrem stinckenden Atheme die nur angerochene Speise vergiften / gleichsam eine zauberische Krafft alle Thiere damit zu betäuben /und ihnen ihre Bewegligkeit zu benehmen eingepflantzt; ihre ohne Marck und Hölung sich befindende Beine so harte gemacht: daß man daraus wie aus Kieseln Feuer schlagen kan; ihre Zungen lechsen nach Blute / ihre Eisen-harte Zähne zermalmen Gebeine; ihre Klauen zerkneten das Fleisch; und ihre Seele hungert nach ausgerissenen Hertzen. Der Egyptischen Schlangen Gifft tödtet in vier Stunden; ihm kan ohne Abschneidung des gebissenen Gliedes nicht begegnet / ja sie selbst nicht einst von Zauberern beschworen werden; gleichwohl aber verehren die Römer die Wölfin als eine Nährerin ihres Uhrhebers; die Griechen wiedmen sie dem Krieges-Gotte. Die Egyptier zu Thebe beten den Apollo in Gestalt eines zu Nacht sehenden Wolfes an. Die Löwen sind in Phrygien der Cybele geheiligt / und der Nil betet Schlangen / der Ganges Crocodile an. Warumb sollen denn unsere Bären nicht zu opfern taugẽ? welche ein so wohlschmeckendes Fleisch zum essen haben / derer nach Art der Finger zertheilte Vörder-Klauen unter die niedlichsten Speisen gerechnet werden. Denn ob zwar die Bären sehr grausam / auch die grösten Ochsen anfallen und zerreissen; so geschicht doch diß nur bey gröstem Hunger / welcher sie auch ihre eigene Klauen abzulecken zwinget / oder wenn man ihnen ihre Jungen geraubet / welche sie inbrünstiger als andere Thiere zu lieben Ursache haben / weil ihre Zunge sie aus der After-Geburt / darein sie gantz eingewachsen seyn / mit vielem Lecken und Müh abtrennen muß. Unter diesem Gespräche hatte die hohe Priesterin ihr Gebete vollendet / nach welchem sie Schwefel und Saltz in eine Schale voll Wassers mischte / und solches dem Bären in Hals goß. Ich sehe wohl / sagte Erato: daß Schwefel und Saltz hier auch zu den Opfern und zu Reinigungen wie bey den Griechen gebraucht werden; und soll jener gewiß ein Kennzeichen feuriger Andacht / dieses der Freundschafft seyn /welche man beym Gottes-Dienste mit Gotte zu machen vermeynet; westwegen man auch diese besten Würtze der Speisen für was Göttliches rühmet; und wie die Egyptischen Priester den Euripides und andere Krancken mit saltzichtem Meer-Wasser gesund gemacht; also wird diß auch in Asien bey allen Feyern zu Weyh-Wasser unserer Seelen-Gebrechen darmit abzuwaschen verbrauchet. Und Aristides hat zu Bekräfftigung des von den Griechen der Stadt Athen geleistetẽ Eides glüende Eisen ins Meer geworffen. Die[211] Priesterin gestand: daß auch sie bey ihrem Opfer auf ein und das ander erzehlte ihr Absehn setzten. Sintemal die Deutschen nicht nur das Saltz für eines der grösten Göttlichen Geschencke achten / welches aller / insonderheit aber der in Deutschland so sehr gemeinen Milch-Speise den rechten Geschmack / allen Kräutern und Gewächsen / allen heilsamen Hirsch-und Einhörnern ihre Krafft / ja allen Geschöpfen ihre beständige Tauerung giebet / Fleisch / Fische und Leichen für der Fäule verwahret / sondern auch die Berge / Flüsse / Brunnen und Seen / woraus Saltz gegraben / oder geschöpft / wie auch die Eich-Bäume und Haseln / daraus bey uns Saltz gebrennet wird /für heilig halten / und daß GOtt daselbst den Betenden viel näher sey / auch ihr Begehren unzweifelbar erhöre. Westwegen umb die bey der Sale sich befindende Saltz-See zwischen den Hermunduren und Catten oft die blutigsten Kriege entstanden wären. Erato fiel ein: Es lohnet wol vor die Müh / wo das Saltz sparsam ist / darumb zu streiten / weil diese Würtze aller Würtzen im menschlichen Leben unentbehrlich; und ungeachtet es nur an unfruchtbaren Orten wächset / doch die Ursache aller Fruchtbarkeit / und daher in der gantzen Welt hochgehalten ist; insonderheit aber bey den Egyptiern / wo sie mit ihrem Rothen ihre Leichen für der Verwesung verwahren; und in Italien / da sie ihr Tarentinisches Meer-Saltz für das weisseste und süsseste rühmen / und destwegen die Saltz-Göttin Salacia für des Neptun Gemahlin / welche das saltzichte Meer in Ebb und Flutt bewegte / verehren. Die Priesterin begegnete ihr: wenn die Deutschen nicht gar wol wüstẽ: daß nicht mehr als ein Gott Geber alles Guten wäre / würden sie mehr als einiges andere Volck der Saltz-Göttin zu dienen Ursache haben; sintemal sie zwischen der Elbe und Weser in der Chauzen / wie auch in der Cherusker Gebiete / und bey den Hermunduren an der Sale / nichts minder im Noricum an fetten und fruchtbaren Orten auskommentliche Saltz-Seen und Brunnen / bey den Logionen aber köstlichere Saltz-Bergwercke als die Cyrener / und die Indianer auf dem Dromenischen Gebürge haben /welches doch mehr als alles Gold und Perlen dem Könige eintragen soll. Sintemal bey uns das klärste Kristallen-Saltz unerschöpflich gehauen / und in die halbe Welt verführet wird; welchem die Natur noch diese Wolthat beygesetzt hat: daß es in der Tieffe gantz leichte ist / und ohne grosse Müh herauf gezogen wird / in der Lufft aber allererst seine Ertzt-glei che Schwerde beko t / und so wol dem Menschẽ zur Speise / als dem Rind- und Schaf-Vieh zur Fruchtbarkeit / Fettigkeit / mehrerm Milchgeben / und zur Zärtligkeit der Wolle dienet. Uberdis giebet das deutsche Meer so wol Oel zum Saltzsieden / als das Hispanische / welches zu Einsaltzung der Häringe / die in unserm Nord-Meer in so unbegreiflicher Menge gefangen werden: daß es scheinet: es habe sich die Helffte des Meer-Wassers in diese Fische verwandelt / wormit nicht nur Deutschland / sondern gantz Europa und zum Theil Africa von unsern See-Fahrern versorget wird. Westwegen bey den Taxandern das Begräbnüs dessen / der diese hochnützliche Einsaltzung erfunden / mit grosser Ehrerbietung gewiesen wird. Unser zu den Opfern gebrauchtes Saltz aber bedeutet das Saltz unserer Gemüther / und zielet auf die tiefsinnige Andacht / wormit wir den Göttlichen Geheimnüssen nachdencken sollen. Unterdessen hatte die Priesterin das Gebete vollendet / nach welchem sie ihm noch drey Schalen voll gesaltzen und geschwefelten Wassers über den Kopf goß mit beygesetzten Worten: Mit dir werde ersäuffet all unser Ubel und Unglück! Hierauf namen etliche Priesteriñen den Bär und stürtzten ihn ins Wasser / welcher denn zu aller Verwunderung alsbald untersanck; da doch sonst dieses Thier so wol schwimmen kan. Hierauf wuschen alle Priesterinnen /welche die [212] Versöhnungs-Opfer nach dem empfangenen Fluche angerühret hatten / ihre Kleider aus den Brunnen. Erato fieng hierüber an: diese Reinigung ist in alle Wege nöthig / weil diese Thiere so viel frembde Flecken übernehmen müssen; und kommen die Deutschen disfalls andern Völckern gleich; aber ist etwas besonders: daß der Widder der Erde / der Ochse dem Feuer / der Bock der freyen Lufft / der Bär dem Wasser zu theile wird. Die Priesterin fiel ein: dis ist die Art unsrer Opferung / nicht aber unser Ziel. Denn wir halten den Empedocles / der die Elemente für Götter gehalten / und die / welche sie entweder deutlich / oder unter einer andern Schale anbeten / für Abgötter. Sonst aber wird nur mit diesen jährigen Versöhnungs-Opfern derogestalt verfahren. Denn von allen andern wird nur das Fette / die Nieren / ein Theil der Leber / darmit die Galle bedeckt ist / und das Därm-Netze / auf den Altaren / der Kopf / die Füsse und Eingeweide auf einem ungeweiheten Holtzstosse verbrennt / die Brust und das rechte Vörder-Viertel gebraten / und von denen Priesterinnen verspeiset /alles übrige Armen und Frembden ausgetheilet. Die Königin Erato fieng an: die Armenier und Persen theilen von den Opfer-Thieren alles aus / weil sie meynen: daß GOtt sich mit dem Opfer ihres Lebens völlig vergnüge. Auf dem Altare verbrennen sie alleine das Därm-Netze / als aus welchem sie so wol als Römer und Griechen denen Opfernden ihr künftig Glücke wahrzusagen wissen. Die Juden / Araber und Syrier aber verbrennen in gewissen Opfern von Widdern und Schafen nur das Unschlitt und die Schwäntze / welche aber so groß und feiste sind: daß sie bey Byzanz zehn / im kleinern Asien zwölf / in Africa sechzehn / in Arabien dreißig bis vierzig / in Egypten achtzig / ja bis anderthalb-hundert Pfund wiegen / und also mehr / als anderwerts ein gantzer Schöps austragen / indem die vorsichtige Natur die übrige Fettigkeit / welche die Schafe sonst erstecken würde / in ihre ein- bis drey-Ellen-lange Schwäntze treibet / denen sie auch kleine Rollwagen / wormit sie sie nicht auf der Erde wund reiben / anbinden / und bey ihrer Zusammenlassung den Schafen auf den Rücken binden oder gar abschneiden müssen. Massen sie denn auch denen Lebenden das Fett öfters ausschneiden / und die Haut an den Schwäntzen wieder zusammen nähen. In Indien aber giebt es gar Schafe / welche auf der Brust / auf jeder Achsel und Hüffte / wie auch auf dem Rücken und hinten einen / also sieben Schwäntze haben / für derer Fettigkeit sie mehrmals nicht gehen können. Die Priesterin sagte: Bey dieser Beschaffenheit ist nichts würdiger von solchen Schafen zu opfern / als die Schwäntze / wie bey uns die Nieren / welche das fetteste an unsern Schafen / die Schafe die fettesten unter den Thieren sind. Inzwischen maßte sich eine jede Priesterin eines absondern Opfers an / wurden also durch Hülffe der vielen Opfer-Mägde in weniger Zeit hundert Widder / so viel Böcke / funfzig Ochsen und fünf und zwantzig Bären abgethan. Wiewol dieser Gottesdienst sich nahe bis an den Abend erstreckte. Nach dessen Vollendung wurden das Fürstliche Frauen-Zimmer von der hohen Priesterin dieses Tages /nemlich Thußnelden in einer saubern Höle herrlich gespeiset / und die halbe Nacht in vergnügter Ergetzligkeit zugebracht; worbey denn Erato ihre Schwermuth mit allerhand Schertz-Reden klüglich zu verstellen wuste / und gegen Thußnelden die grosse Freyheit der Hohen-Priesterin bey dem Heiligthume der Hertha rühmte: daß sie bey dem deutschen Feldherrn zu schlaffen berechtiget wäre. Weil nun Thußnelde ein Gelübde gethan hatte: daß sie bis zu ihres Herrmanns Rückkunfft nichts anderm als täglicher Andacht obliegen wolte / ihre Entfernung aber denen andern Fürstinnen so beschwerlich / als der finstern Welt die Abwesenheit der Sonne fürkam / verliebten sie sich nach und nach in die annehmliche [213] Einsamkeit dieses Ortes: daß sie gantzer zwey Monate alldar zubrachten / und wo nicht gar ihres Kummers vergaßen / doch selbten einander möglichst erleichterten. Zumal der Cheruskische Hof zu Deutschburg ohne dis fast öde /und der Stadthalter Adgandester nur zugegen / Hertzog Flavius und Malovend aber mit dem Fürsten Zeno und Rhemetalces gegen Norden Deutschland zu beschauen verreiset waren.

Nach oberwehnter Zeit erwehnte die eine Priesterin in ihrem Gespräche: daß nur sechs Meilen von dar gegen Mittage bey dem Nordlichen Ursprunge des Dymel-Flusses ein Ort wäre / wo die Deutschen ihrer künftigen Begebnüsse unfehlbare Gewißheit zu erfahren vermeinten. Die allen Menschen angebohrne / insonderheit aber denen Verliebten anklebende Begierde bevorstehendes Glücke vorzusehen verursachte: daß Erato und Ismene / wiewol unter dem Vorwand den daselbst sich befindenden heiligen Brunn zu beschauen fast täglich Thußnelden in Ohren lagen eine Reise dahin zu thun / welches sie denn auch im Heu-Monate willigte; weil ohne dis daselbst im längsten Tage des Jahres auch gewisse Andachten gehalten werden. Sie kamen daselbst glücklich an; und nach deme sie nahe darbey auf einem Schlosse des Ritters Waldeck übernachtet hatten / kamen sie des Morgens der Sonne zuvor den heiligen Brunn zu beschauen /welcher auf der Spitze eines Stein-Felsens nicht ohne Verwunderung zu schauen / auch wegen seines hellen und gesunden Wassers nicht genungsam zu rühmen ist. Daher auch keine war / welche nicht mit Ehrerbietung daraus schöpfte / davon tranck / und etwas besonders daran zu rühmen wuste. Erato erwehnte insonderheit: daß dieser Bruñ eben so aussehe / wie der wahre Bruñ des Nilus in dem Africanischen Monden- Gebürge beschrieben würde. Sintemal sein Wasser auch so süsse / sein Grund so tief / sein Ablauf unter dem Berge seyn solte / und destwegen die Erhöhung des Wassers in beyden so viel verwunderlicher wäre. Der Einsiedler / welcher diesen Brunn in Aufsicht hatte / und zugleich Priester und Wahrsager war /hörte alle diese Lobsprüche an / brach aber endlich in diese Worte heraus: das edelste dieses Brunnens ist: daß man aus seinem unaufhörlichen Quelle / und nimmermehr versäugenden Ablauffe die Ewigkeit des Göttlichen Wesens / aus seinem so süssen und reichen Strome aber die wolthätige Hand des grossen Schöpfers erkennen kan. Mehr andere nachdenckliche Reden führte er von dem Brunnen / dadurch er bey allen Fürstinnen das Ansehen eines weisen und frommen Mannes erhielt / und keine das Hertz hatte ihn umb einig künftiges Ding zu fragen. Den andern Morgen aber fügte sich Erato zu dem Brunnen / und traf den Einsiedler gleich an / als er unten am Felsen aus seiner Höle herfür kroch. Nach seiner Begrüssung und andern Freundschaffts-Bezeigungen folgte sie ihm auf den Fels / muste aber seinem Waschen und Beten über eine gute Stunde zuschauen. Nach diesem redete er sie selbst in Griechischer Sprache an / und fragte: was sie schon wieder auch so zeitlich / und zwar alleine an diesem heiligen Orte verlangte? Sie antwortete ihm: das Glücke hätte Zeither so seltzam mit ihr gespielet: daß sie nicht etwan aus Vorwitz /sondern zu künftiger Richtschnur ihres Lebens nöthig zu wissen hätte / was vom Göttlichen Verhängnüsse ihr ferner bestimmet wäre. Weil nun dieser heilige Ort denen Sterblichen einen Blick in das Geheimnüß künftiger Begebnüsse zeigen solte / bäte sie ihn: er möchte ihr und ihrem bekümmerten Zustande mit gutem Rathe nicht entfallen. Der Einsiedler antwortete: Er wäre ein Knecht der daselbst wohnenden Gottheit / und ein Diener aller Bekümmerten. Er wolte ihrem Verlangen auch ohne Verzug willfahren / wenn sie sich zu der nöthigen Vorbereitschafft verstehen wolte. Erato erklärte sich ihm in allem zu gehorsamen. Hierauf [214] führte er sie unter den Fels in eine Höle / darinnen aus drey Steinritzen so viel Quelle eines Armes dicke in eine von der Natur ausgehölete Tieffe spritzte. Der Einsiedler wusch sich daraus / und wieß sie dahin an: daß sie bis zu seiner Wiederkunfft sich darinnen baden müste. Erato war bereit solches zu vollstrecken / fragte aber vorher: ob dis ein solcher Quell / wie der Bruñ Cassotis in Phocis wäre / worvon die heiligen Frauen die Gabe der Wahrsagung bekämen? und ob sie nach diesem Bade selbst die Wissenschaft künftiger Dinge erlangen würde / wie dieselbigen / welche sich auf der Gräntze Lyciens in dem Bruñen badeten / der dem Thyrxeischen Apollo gewiedmet wäre? Der Einsiedler lächelte / und sagte: Er wäre zwar der Griechischen Sprache / aber nicht der Griechischen Wahrsagerey kundig. Erato traute sich nicht mehr etwas zu fragen / sondern näherte sich dem Wasser seinen Befehl zu vollziehen / prellte aber im Augenblicke zurück / weil sie alle Ritze der Stein-Felsen von Schlangen und Nattern angefüllet befand. Als der Einsiedler dis gewahr ward / versicherte er sie: daß alle diese Thiere so wenig Gift / als er selbst hätte / und sie ihr weniger als dis gesunde Wasser schaden würden. Erato bat: Er möchte die Ubereilung ihrer Furcht für kein vorsetzliches Mißtrauen annehmen. Sintemal sie sich wol zu erinnern wüste: daß die Weisen eine Bothmäßigkeit über die Schlangen hätten / und nicht nur Orpheus das Zischen der Drachen zu stillen / das Gift der Nattern auszuleschen / und seine gestochene Eurydice gleichsam wieder aus der Hölle zu erlösen gewüst hätte; sondern daß auch die Psyllen mit ihren Lippen / die Marser mit ihrer Zunge / die Theßalier mit ihren Liedern / die Colchier mit ihrer Hand / die Chaldeer mit ihren Zeichen / die Africaner mit ihrem Schlangen-Holtze / die Araber mit Steinen /darauf giftige Thiere gebildet wären / Schlangen /Molche und Scorpionen aus ihren Löchern herfür zu ziehen / selbte zu Ausspeyung ihres Giftes in einen Kreiß zu dringen / mitten vonsammen zu sprengen /auch die Vergifteten für allem Schaden zu bewahren wüsten. Nach dem sie aber diesen heiligen Ort von so viel Schlangen besessen sehe / würde ihre Landes-Art hoffentlich ihre vorwitzige Frage entschuldigen: ob diese kriechende Thiere in Deutschland etwas zu der Wissenschafft künftiger Dinge beytrügen. Der Einsiedler fragte: In welchem Land sind denn die Schlangen klüger / als die Menschen? Erato versetzte: fast allenthalben / wo man auch denen Vögeln dis zueignete. Daher wüsten nicht nur die Römer zu erzehlen: daß eine sieben Kreiße machende Natter dem Eneas die Jahre seiner Herumbirrung / eine von dem untersten Altare springende Schlange dem Sylla einen herrlichen Sieg wider die Samniter / zwey andere dem Tiberius Grachus durch Anbeissung seiner Opfer den Untergang gewahrsaget hätte: sondern man glaubte auch in Asien ins gemein: daß wenn sich einem Reisenden ein Krocodil zeigte / oder eine Natter über den Weg lieffe / solches Hindernüs und Unglück bedeutete. Fürnemlich aber glaubten die Indier: daß wer eines Drachen Hertze oder Leber ässe / der Vögel Wahrsagungen verstünde / welches auch Democritus von dem Fleische gewisser Vögel gelehret / aus derer Blute Schlangen wachsen sollen; Und Melampus soll eben diesen Verstand bekommen haben / nach dem sein Gehöre durch Beleckung seiner Ohren von Schlangen wäre geschärfft worden. Nichts minder soll der aus des Cadmus Schlangen-Zähnen gezeugte Ophion auf sieben denen Irrsternen zugeeigneten Taffeln alle künftige Geschichte verzeichnet / des Priamus Kinder Helenus und Cassandra von denen im Tempel des Thymbreischen Apollo ihre Sinnen-saubernden Schlagen die Wahrsagerkunst überkommen haben. Massen denn auch die Griechen den Wahrsager-Gott in Gestalt einer Schlange verehren. Der Einsiedler lächelte /und [215] fieng an: die Natur hätte den Menschen wol unterrichtet durch Vernunfft allem Gifte der Schlangen /wie der Stärcke der Elephanten / und dem Grimme der Panther zu steuern / den Schlangen aber keinen Verstand den Menschen zu lehren / oder die Wissenschaft künftiger Dinge gegeben; welche nicht einst aus denen himmlischen Lichtern / weniger von diesen Würmern zu holen wäre; wiewol das geringste Ungeziefer GOttes Allmacht zu preisen / und die Sterblichen zu dem allmächtigen Schöpfer zu leiten genung wäre; welcher ihm diese Vorsehung allein vorbehalten hätte / und das künftige nicht anders als das gegenwärtige in einem Spiegel sähe / jedoch Menschẽ /Vögel / Schlangen / Sterne / Feuer / Wasser / Bäume /Blätter / Steine und alle unbeseelte Dinge zu Werckzeugen brauchte / dis / was in der Geheim-Kammer seiner Allwissenheit verborgen läge / uns bisweilen zu entdecken. Dieses niemals fehlenden Wahrsagers Güte / nicht aber den Schlangen / nicht dem Wasser /auch ihm selbst nicht würde sie zu dancken habẽ / da ihrem Zweifel ein Licht würde aufgesteckt werden. Erato unterstand sich nicht mehr ein Wort zu sprechen / zumal der Einsiedler auch aus der Höle gieng /sie aber entkleidete sich und stieg behertzt in das Wasser / umb welches eine unglaubliche Menge Schlangen und Nattern / gleich als wenn sie von einem Zauberer beschworen / und zu ihrer Bewachung bestellt wären / einen Krantz flochten. Kurtz hierauf vermischten sie ihr Zischen mit dem Geräusche der Quelle / gleich als wenn jene für die Lufft /diese für das Wasser stritten / welches unter beyden das annehmlichste Gethöne machen könte, Erato hörte dieser beliebten Zusa enstimmung mit solcher Vergnügung zu: daß sie ihr soviel Ohren wünschte /als Argos Augen gehabt haben soll. Ja das Zischen dieser Schlangen bezauberte mehr als jemals einige Sirene thun kan / die Königin Erato: daß sie in einen tieffen Schlaf sanck. Wie sie erwachte / sahe sie die Schlangen zu ihrer grösten Erstaunung in einer gantz andern Stellung / und als sie ihre neue Verflechtungen genau betrachtete; bildeten die in einander verwickelten Schlangen in Griechischer Sprache gar deutlich diese Worte für: Liebe den Flavius. Erato schalt bey sich selbst ihre Augen als Betrüger / bildete ihr auch nichts fester ein / denn daß ihr träumte. Nach dem ihren Augen aber alle Sinnen das Wort redeten / kam sie auf die Gedancken: dieser Einsiedler wäre von Ismenen unterrichtet ihr und ihrer gegen dem Zeno gefaßter Liebe zu Liebe der Königin durch solche Zusammenschwerung der Schlangen eines anzubinden. Als sie sich aber eine gute Weile mit diesen Gedancken geschlagen hatte / fuhren die bisher stummen Schlangen mit einem fast süsserem Zischen wie Pfeile von sammen / und flochten aus sich selbst diese neue lebendige Schrifft zusammen: Die Natur verbeut dir des Zeno Liebe, Erato hätte bey Lesung dessen für Verwunderung mögen in einen Stein verwandelt werden; und hielt sich nun selbst mehr als die Schlangen bezaubert. Wie tiefsinnig sie gleich nun dem Verstande dieser Worte nachdachte / konte sie doch zu ihrer Auflösung keinen Schlüssel finden / und sich nur bescheiden: daß Wahrsagungen als Rätzel der Göttlichen Versehung so lange unerforschlich bleiben / bis der kräftige Finger der Zeit daran das Siegel abbricht. Unter diesen Gedancken schläfften die ihr Gethöne wieder verneuernden Schlangen sie zum andern mal so lange ein / bis sie durch den Ruff ihres Nahmens aus dem Schlaffe erweckt ward / und sie sodenn alle Schlangen / ja allen ihren Schatten verschwunden sah; hierüber aber in ein Schrecken gerieth: daß sie nicht nur aus dem Bade / sondern nach Erraffung ihrer Kleider nackt und trieffend aus der Höle sprang. Sie zohe sich eilfertig an / und sahe: daß die Sonne bey nahe schon das Mittel des Hi els [216] erreicht hatte. Sie saße ein Weile unten an der rauschenden Bach / und verlohr über Betrachtung des ihr begegneten Ebentheuers gleichsam alle Sinnen / würde auch noch viel länger daselbst unbeweglich blieben seyn / wenn nicht ein durch das Gepüsche dringender Hirsch sein Geweihe an dem nechsten Felsen geweltzet / und durch dessen Geruch etliche Schlangen aus den Ritzen gelockt hätte: welche die Königin in ein neues Schrecken versetzte; bis sie sah: daß der Hirsch die gröste davon erwischte / zerbiß / verschlang / und darauf einen guten Trunck aus der Bach that. Ob ihr nun zwar dis frembde fürkam / weil in den heissen Ländern die Hirsche nach verschlungenen Schlangen langsam / und bis ihr sie sonst tödtendes Gift verraucht sey / trincken; so erinnerte sie sich doch: daß nach des Einsiedlers Berichte die Schlangen umb diesen Fels kein Gifft hätten. Wordurch ihr Gemüthe denn auch etlicher maßen beruhiget / und sie von ihren wahrsagenden Schlangen das beste zu hoffen verursacht ward. Daher faßte sie ihr ein Hertze auf den Fels zu steigen / und sich nach dem Einsiedler umbzusehen / von deme sie eine Auslegung ihres Gesichtes zu erbitten meinte. Als sie nahe auf dem Gipfel war / hörte sie Menschen reden / welches sie denn bewegte das Gepüsche mit den Händen von einander zu drücken / und sich nach ihnen umbzuschauen. Sie erblickte zum ersten den Einsiedler und bald darnach Ismenen / welche ihr beyde den Rücken / ihre Antlitzer aber dem Brunnen zu kehrten. Diese beyde waren auch mit einander in solcher Embsigkeit begrieffen: daß die Königin sich nicht scheute durch das Gestrittig sich ihnen noch umb ein gutes Theil zu nähern /umb ihre Wortwechselung desto eigentlicher zu verstehen; da sie denn den Einsiedler derogestalt reden hörete: Weil sie weder von dem / den sie liebte / noch von dem / den sie heyrathen solte / einiges Haar /Brief oder ander Geschencke bey sich hätte / solte sie zwey gleiche Stücke Rinde von den nechsten Buchen schneiden / und auf jeden eines oder des andern Nahmen schreiben / hernach solche in Brunn werffen / so würde sich unverlängt ereignen / welchen unter beyden ihr das Verhängnüs besti et hätte. Ismene leistete dieser Anweisung in allem ohne Verzug willigste Folge. Sie hatte aber kaum beyde Rinden in den Bruñ geworffen / als die eine mit Gewalt wieder heraus gestossen / und über dreißig Schritte weit vom Brunnen geworffen ward. Ismene fragte umb diese Bedeutung; der Einsiedler aber antwortete: daß dis / was der Brunn in sich behielte / vom Verhängnüsse beliebt /das von sich gestossene aber verworffen würde. Diese Antwort gab Ismenens Füssen gleichsam Flügel die verworffene Rinde aufzusuchen. Sie hatte solche aber kaum in die Hand kriegt / als ihr vorhin trauriges Antlitz sich wie der gewölckte Hi el ausklärte / und sie laut zu ruffen anfieng: GOtt Lob! mein Wunsch ist gewähret / Catumer verstossen / Zeno erwehlet. Welche Worte denn die Königin Erato abermals fast außer ihr selbst setzten; Gleichwol aber erholte sie sich wieder / und zwar meist aus Begierde die Schrift auf der Rinde zu sehen. Also trat sie wenige Schritte herfür / Ismenen aber gerade unter die Augen / und rechtfertigte sie: was das Verhängnüs auf ihren Zeno ihr für ein Ausspruchs-Recht einräumete? Ismene /welche sich niemandens weniger als der Königin alldar versehen hatte / röthete sich hierüber / und trat etliche Tritte zurücke; Sie faßte aber bald wieder ein Hertze / und sagte: Sie begehrte die Eyversucht gegen Menschen nicht zu schelten; aber welche man wider die Göttliche Versehung ausüben wolte / wäre verda lich oder zum wenigsten fruchtloß. Hiermit zeigte ihr Ismene die mit dem Nahmen des Fürsten Catumer bezeichnete Rinde / welche so leichte war: daß sie durch keine menschliche Stärcke hätte vom Brunnen so weit geworffen werden können. Erato sahe sie mit starren Augen an / und erstummete; hernach rief sie:[217] O ihr Götter! warumb verknüpfft ihr zarte Seelen so feste mit einander: daß ihr sie hernach mit desto schmertzlicher Empfindligkeit von einander trennet? Unglückliche Erato! hast du in einer so weiten Ferne deinen Zeno wieder funden: daß du nicht nur ihn /sondern auch die Hofnung ihn zu besitzen auf einmal verlieren müssest? Alleine / wo stehet geschrieben: daß ich meiner andern Seele des Fürsten Zeno vergessen soll? Sind die Schlüsse des Verhängnüsses deutlicher in diesem Brunnen / als in den gestirnten Ziffern des Himmels zu lesen? Wer hat das Wasser zu einer geheimen Schreibe-Taffel Gottes gemacht / in welches kein Mensch etwas aufzeichnen kan? Die eivrige Erato wäre noch weiter in ihrer Ungeduld fortgefahren / wenn der Einsiedler nicht mit ernsthafter Gebehrdung eingebrochen wäre: Hüte dich! wer du auch seyn magst / die diesen Brunn begeisternde Gottheit zu lästern. Deine heutige Reden lassen mich muthmassen: daß du dem Griechischen Gottesdienste beypflichtest. Ist dir aber unbekant: daß in dem Spartanischen Gebiete nicht weit von des Esculapius Altären eine kleine See sey / darein an dem Feyer der Jo die Betenden Brodte zu werffen pflegen? Werden von selbigem Wasser nicht eben so wol die Opfer der Erhörten behalten / derer aber ausgespeyet / welchen GOtt ihren Wunsch nicht gewehren wil? Gehet es nicht eben so mit dem in den Becher des brennenden Etna geworffenem Golde / Silber und anderem Opfer her? Was aber mag das Griechische Wasser / das Sicilische Feuer /die Opfer-Asche / Lorbeer-Blätter / und andere todte Dinge für eine geschicktere Eigenschaft zur Wahrsagung / als unsere Quellen haben? Sti et aber die dir von den Schlangen gegebene Wahrsagung nicht mit der Andeutung dieses Brunnen überein? Verdienen aber die deutschen Schlangen nicht so viel Glauben /als die in heissern Ländern / weil diese giftiger / und /wenn sie entweder mit Staube ihre Ohren verstopfen /oder wieder singen / dem Beschwerer selbst tödtlich /unsere aber lauter und unschuldig sind? Erato erkennete ihre Ubereilung / und bat: seine Sanftmuth möchte die Schwachheit eines verliebten Weibes nicht für eine vorsetzliche Verachtung dieses Heiligthums auslegen. Irrthümer wären niemanden ehe als ihrem Geschlechte zu verzeihen / und die Liebe entschuldigte auch die Vergehungen kluger Männer. Die ihr widerfahrne Schlangen-Wahrsagung wäre so viel Wunders / und so klar gewest: daß in der Welt nichts darmit zu vergleichen wäre. Ismene ward begierig dis zu vernehmen; und nach dem sie den ihrer Liebe gethanen Eintrag aufs beste entschuldigt hatte / beschwur sie sie bey ihrer Freundschafft / sie wolte ihr hiervon nichts verhölen / und durch die von diesem heiligen Manne erwehnte Ubereinstimmung beyder Wahrsagungen ihrem Unverstande ein heller Licht anstecken. Erato war geneigt ihr zu willfahren / der Einsiedler aber kam ihr mit einer umbständlichen Erzehlung zuvor / umb beyden darzuthun: daß ihm nichts / was gleich in seiner Abwesenheit daselbst geschehe / unwissend wäre. Erato bestätigte alles zu Ismenens unbegreiflicher Entsetz- / aber auch zu nicht geringerer Vergnügung; welche denn ihren Vorwitz nicht hemmen konte den Priester zu fragen: ob das mit den rauschenden Quellen so wol einsti ende Gethöne ein angebohrnes Zischen solcher Schlangen / oder ein göttlicher Klang wäre? Der Einsiedler fieng an: Mich jammert eurer Einfalt. Glaubt ihr nicht daß wenn eure verwöhnte Ohren von aller Unsauberkeit gereiniget wären / euch das verdrüßliche Brüllen der Löwen /das Bläcken der Küh / das Meckern der Ziegen / das Heulen der Wölffe / das Gruntzen der Schweine / das Wiegern der Pferde / das Bellen der Hunde / das Spinnen der Katzen / das Schwirren der Heuschrecken so lieblich als das Schlagen der Nachtigall / das Singen der Menschen / und so [218] süsse / als das erwehnte Zischen der einschläfenden Schlangen fürkommen würde? In welchem Verstande deñ auch für keine Falschheit zu halten ist: daß die Schwanen annehmliche Grabe-Lieder singen. Kan euch auch unbekandt seyn: daß die aufschwellendẽ Bruñen / die rauschenden Bäche einẽ süssen und einschläffendẽ Klang von sich gebẽ? Habt ihr nicht gehöret: daß ein Fuchs in Cilicien nach dem Schwalle der Flöten tantze und sich aufschwelle? daß ein Fluß in Arabien wie eine Laute spiele; und in Hispanien ein vom Winde geregter Strom den annehmlichsten Klang von sich gebe? Ist nicht eben eine so liebliche Bach in Phrygien / welche zu tichten Anlaß gegeben hat; Daß der in solch Wasser verwandelte Marsyas noch immer seine Thorheit besinge? Ja die Erfindungen der Menschen wissen in ihren Lust-Gärten das Gethöne der Vögel und Säiten-Spiele nachzumachẽ. Wisset überdis ihr nicht: daß das grosse Gebäue der Welt nichts anders / als eine wolgesti te Harffe des grössesten GOttes sey? Daher auch die Egyptier ihrem Osiris / die Griechen ihrem Apollo eine Leyer mit sieben Säiten / und ihrem Pan eine Pfeiffe mit sieben Röhren zueignen? Da nun alle Thiere / ja das verächtliche Gewürme Theile dieser Säiten sind / wie dis zu erweisen die künstliche Weberey der Spinnen / die unvergleichliche Baukunst der Bienen überflüßig erhärtet; ist sich nicht zu verwundern: daß diese frembde Fürstin in ihrer heiligen Selbst-Gelassenheit an dem Zischen der heilsamen Schlangen eine so grosse Ergötzligkeit wahrgenommen habe. Sintemal nichts so geringes auf der Erden kreucht / was nicht eben so wol mit dem süssen Gethöne des Himmels / wie in der Singe-Kunst jeder niedriger Thon mit dem / welcher acht Staffeln höher ist / und wie in der Rechen-Kunst die Eines mit der Zehne überein ko t; so gar: daß der Roß-Kefer den Rind- oder Esels-Mist nicht anders als mit dem Neu-Monden zusammen kugeln / und in einem Monden-Jahre von sieben mal sieben Tagen in einen jungen Kefer ausbrüten kan. Aus welchem Absehen denn die alten Sternseher fast alle Thiere / und insonderheit die Drachen / die Erd- und Wasser-Schlangen unter die Gestirne versetzt; die Griechen aber die Geheimnüs unter ihre Getichte versteckt haben. Wie aber soll eines Thieres Schall aufgeräumten Ohren nicht annehmlich klingen / da der grosse Schöpfer der Welt /welcher der Natur nichts wider-stimmiges eingepflantzt hat / den Schnabel der Vögel / die Rachen und Mäuler der Thiere / ja das stumme Athemholen der Fische eben so wol als die Zunge des Menschen zu seinem Lobe gestimmet hat. Erato schöpfte über diesen Worten nicht nur ungemeine Vergnügung /sondern auch eine Lüsternheit was mehrers von der allgemeinen Einstimmung der Welt zu vernehmen; bat ihn daher: Er möchte ihr das Geheimnüß von der Harffe der Welt / und von ihren sieben Säiten etwas klärer entwerffen: daß ihre Einfalt was nützliches hiervon fassen könte. Der Einsiedler antwortete: Weil der Mensch umb dis zu verstehen von GOtt eine vernünftige Seele bekommen hätte / ja selbst eine der fürnehmsten Säiten wäre / könte er mit Gewissen ihr dis Verlangen nicht abschlagen / wo sie ihm anders so viel Gedult ihn zu hören geben wolte / als er versichert wäre: daß sie seine Lehre mit der Warheit übereinstimmig befinden würden. Denn in der Welt wäre kein verstimmter und abscheulicher Gethöne / als Lügen. Ismene und Erato versprachen ihm zugleich alles / was er verlangte; Daher er denn ohne fernern Verzug anfieng: Die eitelen Griechen tichten: des Apollo Leyer habe destwegen sieben Säiten gehabt; weil bey seiner Geburt die Schwanen siebenmal umb das Eyland Delos geflogen wären; und des Pan Pfeiffe sieben Röhren / weil er aus der verfolgten Syrinx so viel Stengel Schilf-Rohr gewachsen seyn soll. [219] Allein es sind dis entweder ertichtete Eitelkeiten / oder allzu unverständliche Versteckungen der Warheit. Dis aber ist vielmehr der Vernunft gemäß; daß der Himmel /das Feuer / die Lufft / die Erde / das Wasser / die Pflantzen / die Thiere und der Mensch die sieben einstimmigen Säiten in der grossen Harffe der Welt / das Gewichte / das Maas / und die Zahl aber die drey Bogen seyn / wordurch GOtt die Seele der Welt / welcher so wol mit dem grossen Alles seiner unzehlbaren Geschöpfe / als mit sich selbst allezeit einstimmig ist / in diesem so das annehmliche Gethöne erreget / und allen Säiten den Geist der Eintracht einflöße. Der Himmel fürnemlich ist gleichsam der Ursprung / das Muster und die Richtschnur aller vollkommenen Zusa ensti ungen / darinnen die sieben Kreiße der Irrsternen absonderlich sieben Säiten der hi lischen Leyer / jeder Stern aber eine singende Zunge abzugeben scheinet. Welches anzudeuten denn die Leyer selbst unter die Gestirne erhoben / von den alten Weisen aber nachdencklich gelehret worden ist: daß im Himmel nichts sey / was nicht seine Stimme künstlich erheben könne. Dieses aber geschiehet nicht nur in der wolabgetheilten Grösse und in dem unterschiedenen Stande eines jeden Sternes; wie solche zu der Ferne seines Standes / und zu seiner Würckung erfodert wird / also nicht zu fragen ist: daß die Sonne das Hertze der Welt / welche die andern Sternen erleuchtet / und die gantze Natur erwärmet / der gröste ist /und in der Mitte der unholde Saturn am fernesten /und der wäßrichte Monde am niedrigsten stehe. Dieser ist von der Erde einer Staffel weit entfernet. Der Mercur steht über dem Monden / wie auch die Venus über dem Mercur eine halbe / die Sonne darüber anderthalbe / Mars über der Sonne eine / Jupiter über dem Mars / und Saturn über dem Jupiter / wie auch der höchste Gipfel des Himmels jedes eine halbe Staffel weit; also daß es vom Gipfel bis zur Erde sechs /und also so viel Staffeln weit ist / als ihrer die Singekunst in sich hat. Die Entfernung jedes Irrsternes von der Erde aber stimmet überaus artlich mit ihrer Grösse ein; also: daß die kleinsten die nechsten sind; und je grösser ein jeder / je weiter er von uns stehet / und also die Nähe der Kleinigkeit in ihren Würckungen hilft / und die Ferne die allzuheftigen Einflüsse der grösten Gestirne miltert. Nichts minder machet die Bewegung der Gestirne den Himmel zu einer gleichsam aus Ertzt gegossenen und klingenden Kugel; darinnen jedes zwar seinen absonderen Lauf hat / aber doch wie die zusammen-gestimmten Röhre einer sie ben-fachen Pfeiffe mit allen einträglich übereinkommt; also daß / obgleich die Irrsterne gantz widrig lauffen / sie doch auf gewisse Zeit sich mit einander vereinbaren; also: daß der in dreißig Jahren allererst den Thier-Kreiß durchlauffende Saturn / die in einem Jahre durchreñende Sonne / ja den in viermal sieben Tagen auskommenden Monden nicht versäumet; daß zwischen dem frostigen Saturn und feurigen Mars der gütige Jupiter / zwischen der trockenen Venus und dem nassen Monden der linde Mercur eine Mäßigung / und sogar eine Zusammenstimmung widriger Gethöne macht. Eben so sind die zwölf Zeichen des gestirnten Thier-Kreißes durch ihre Eigenschafften als durch Knoten an einander verknüpft. Dem feurig und trockenen Widder stimmet der kalte Ochse mit seiner Trockenheit / dem trockenen Ochsen die warmen Zwillinge / den zugleich nassen Zwillingen der kalte und nasse Krebs ein. Eine solche vierthönichte Zusammenstimmung machen in gleicher Ordnung der Löwe / die Jungfrau / die Wage / der Scorpion / und die dritte nicht anders der Schütze / der Steinbock /der Wassermañ und die Fische; daß also durchgebends das fünfte Zeichen dem vorhergehendẽ /wie im Singen der achte Thon dem ersten gantz gleichsti ig ist. Welche Eintracht deñ [220] auch durch der Gestirne kräfftige Würckung biß in die innerste Schoß der Erde / und in den Abgrund des Meeres sich erstrecket / und weder Thier / Fisch oder Gewächse ist / welches nicht einen ihm gleichstimmigen Stern im Himmel habe. Absonderlich stimmet die Sonne mit dem Löwen / als ihrem Hause wohl zusammen / und sie kriegt in selbtem zweyfache Kräfften / wie der Monde im Krebse / Saturn im Wassermanne und Steinbocke / Jupiter in Fischen und Schützen / Mars im Widder und Scorpion / Venus im Wassermanne und Stier / Mercur in der Jungfrau und Wage. Gleiche Zusammenstimmung finden wir in Elementen / ungeachtet dem Feuer nichts mehr als das Wasser widrig zu seyn / auch Lufft und Erde keine Verträgligkeit mit einander zu haben scheinet. Denn weil das Feuer 2. mal so diñe als die Lufft / 3. mal so leichte / und noch einmal so scharff als das Wasser; diß aber zweymal so scharff / dreymal so dinne / und viermal so leichte als die Erde ist; machen ihre unterschiedene Eigenschaften auch die Zusammenstimmung des allerwidrigsten. Dem scharffen / dinnen und beweglichen Feuer ko t die stumpfe Lufft / weil sie dinne und beweglich ist / bey. Das dicke Wasser verträgt sich mit der Lufft / weil es stumpf und beweglich / und die unbewegliche Erde mit dem Wasser / weil sie wie jene stumpf und dicke ist; also zwischen Feuer und Erde /Lufft und Wasser einen Mittel-Thon ihm macht / und die Lufft so weit vom Feuer / als das Wasser von der Lufft / und die Erde vom Wasser seinen Klang erniedrigt. Das Wasser hat zur sondern Eigenschafft die Nässe; mit der Kälte aber stimmet sie der Erde / die von Natur allezeit kalte Erde mit ihrer Trockenheit aber dem Feuer ein. Das allzeit trockene Feuer vereinbart sich durch die Wärmbde der Lufft / und die Lufft durch die Nässe dem Wasser. Alleine / wie schlecht würde die grosse Harffe der Welt zusa enstimmen /wenn die Elemente nur mit einander / nicht aber auch mit dem Himmel überein stimmen solten. Die Erde hat nichts / was denen Gestirnen abgeht / und diese alles / was die Erde. Im Monden finden unsere Fern-Gläser die grossen Gebürge des Taurus / des Imaus /und Paropamisus; ja die Feuer-speyenden Berge Etna und Hecla / den Nil / den Ganges / Rhein und andere Flüsse / unterschiedene Meere mit Epp und Flutt /Regen / Thau und Schnee; ja unsere vernünftigste Weltweisen Thiere und Menschen. Woraus wir gleichsam zu schlüssen genöthigt werden: daß es in der Sonne und andern edlern Sternen nicht schlechter beschaffen seyn könne. Diese Ubereinstimmung ereignet sich auch in allen vermischten Dingen / derer keines in der Lufft / auf der Erde und im Meere befindlich ist / welches nicht Feuer / Lufft / Erde und Wasser zusammen in Eintracht bringe / ungeachtet etliche Gewächse hitzige / andere kältende Würckungen haben. Aus dieser Einstimmung fleust: daß alle Flüsse dem Meere zueilen / daraus sie ihren Ursprung haben; daß die Dünste sich in die Lufft ziehen und den geneigten Sternen nähern; daß die Glut allezeit gegen dem Himmel kli t; daß so viel Thiere und tausend Gewächse einen heimlichen Zug zu den Sternen haben; daß der Löwe sich für dem Hahne fürchtet /weil die Sonne in diesen einen stärckern Einfluß / als in jenen hat; daß die Sonnen-Wende der Sonne den gantzen Tag nachziehet; daß der Lotus-Baum seine des Nachts zugeschlossene Blätter mit der aufgehenden Sonnen aufhüllt / am Mittage völlig ausbreitet /mit dem Abende nach und nach zuschleust. Ja wir finden in den Eingeweiden der Erde alle hi lische Irr-Sterne. Das Silber ko t dem Monden / das Quecksilber dem Mercur / das Kupfer der Venus / das Eisen dem Mars / das Zinn dem Jupiter / das Bley dem Saturn bey / und kein Thier geht / schwi t oder kreucht auf der Erde und im Meere / das nicht einem dieser Gestirne beystimme. [221] Nicht geringer ist die Zusammenstimmung der irrdischen Dinge unter einander selbst. Die Ulmen spielen mit den Wein-Stöcken / das Wind-Kraut mit den Dornen / Epheu mit Eichen und Buchen; die Einhörner verlieben sich Jungfrauen; ja die Drachẽ selbst haben mehrmals beym Frauenzimmer Gift und Wildnüß abgeleget. Ja weil der Stahl vom Magnet / die Spreu vom Agsteine / die Mutte vom Lichte sich ziehen läßt / ist es kein Wunder: daß alle empfindliche Seelẽ von Saitenspielẽ einen Zug fühlen / und ein süsses Gethöne der saugendẽ Kinder andere Milch sey: daß die Vögel durch die Pfeiffe sich ins Garn / die Fische sich ins Netze / die Meer Schweine durch die Harffe ans Ufer und vom Amphion zu Schiffe / die Nordischen Schwanen in die Kefichte / die Hirschen durch Menschen-Stimme in die gestellten Garne locken lassen. Die wilden Elefanten in Indien lassen sich durch Seiten-Spiele bändigen / und die hartneckichten Camele nehmen darbey ihre Bürde willig auf. Ja wie ein Steinfels bey Megara /worauf bey Erbauung der Thebischen Mauern des Apollo Laute gelegen / soll bey seiner Anrührung ein süsses Gethöne von sich gegeben haben; also haben mich etliche Griechen versichert: daß die Eylande an dem Lydischen Ufer sich beym Klange der Flöten ins Meer entfernen. Gewiß aber ist: daß auch die stumme Spinne darmit: daß sie ihr Gewebe in sechs dreyeckichte Felder abtheilet / uns die Erfindung nach iedem Drey-Eck ein wohl abgetheiltes Seiten-Spiel zu fertigen an die Hand gäbe: welches wunder-würdig zusammen stimmen muß / wenn man es nach der Spinnweben Muster mit zehn Seiten beschnürte. Zu geschweigen: daß Pythagoras von dem Dreyschlage dreyer gegen einander wohl abgetheilter Hämmer die Seitenspiele zu stimmen gelernet haben soll. Die Königin Erato konte ihre über dieses Einsidels Rede geschöpfte Vergnügung länger nicht verbergen; sondern betheuerte: daß seine Erzehlung mehr ihr Gemüthe /als das süsse Zischen der Schlangen ihre Ohren belustigt hätte / sie könte auch nicht glauben: daß die von den Sonnen-Strahlen klingend-werdende Säule des Memnons in Egypten ein annehmlicher Gethöne von sich gäbe. Der Einsiedler versetzte: Er wolte ihre Höfligkeit für keine Heucheley aufnehmen / wenn sie glaubte: daß keine vollkommenere Harffe in der Welt / als der Mensch wäre. Erato antwortete: Sie hätte daran niemals gezweifelt / weil sie gewust: daß gegen der Menschen-Stimme aller andern Thiere Thon ein Geheule / und alle Seiten-Spiele ein todtes Wesen wären / welche von jener allen Verstand als die Seele der Liebligkeit bekommen müsten. Die Natur hätte zu dem Munde / als dem Aufenthalte der Seele / der Pforte der Worte / dem Brunn der Beredsamkeit / der Wahrsagerin der Gedancken / der Mutter der süssesten Menschen-Stimme alle Kunst und Weißheit angewehret / des Mundes Gestalt und Würde nichts abzubrechen. Alle Glieder wären schier zu Gehülffen der Stimme geschaffen. Die Lungen dienten ihr zu Blasebälgen / die hole Brust und der Hals zu Röhren den nöthigen Wind in den Mund zu leiten. Aus dem Gehirne giengen viel Spann-Adern zu Bewegung dahin / und das Haupt feuchtete den Mund nothwẽdig dazu an. Im Munde allein stünden die Zunge / der Gaumen / die Zähne / die Lippen / das Zäpplein / die Kehle und viele andere nöthige Werckzeuge der Stimme zu Diensten. Ihre Würde hätte sie ins Haupt / als in den Königlichen Sitz des Gemüthes erhöhet / dessen Dolmetscherin sie ist; wormit sie die Geheimnüsse der Vernunft und die Schlüsse des Willens mit einer so viel mehr durchdringenden Liebligkeit kund mache. Der Einsiedler fiel ein: Diß alles wäre wohl wahr: der Mund stellte eine süsse Flöte / an der die Lufft-Röhre das Rohr / die Zunge die spielenden [222] Finger abgeben; die Zunge aber eine beseelte Laute für /welcher Seiten die Zähne wären. Mit dieser hätte Orpheus Bäume und Felsen rege gemacht / Mercur die wilden Leute gebändigt; dahero diesem auch die Zunge gewiedmet wäre / in Egypten aber sie / nebst vier Zähnen ein Sinn-Bild der Singe-Kunst und Seiten-Spiele abgäbe. Alleine hierinnen bestünde doch nicht der Grund seines vorigen Schlusses. Denn ob zwar eine singende Menschen-Stimme durch Marck und Beine zu dringen; Felsen rege / Geister unbeweglich / und Sterbende gleichsam wieder lebend zu machen vermöchte; so wäre doch was viel grössers / welches den auch stummen Menschen zum Werckzeuge der allersüssesten Zusammenstimmung machte. Ismene fieng an: Weil wir alle Menschen / und also solche Werckzeuge sind / wolle er uns durch seine tieffsinnige Auslegung doch so glücklich machen: daß wir uns / und unsere Glückseligkeit kennen lernen. Der Einsiedler begegnete ihr: Wisset ihr denn nicht / holdselige Kinder: daß der Mensch Gottes vollkommenstes Geschöpfe / ein Begrieff aller Wunderwercke / eine kleine Welt sey? da nun die grosse Welt eine vollkommene Harffe / der grosse Gott ihr Stimmer ist; wie soll die kleine nicht der grossen / als das Muster dem Wercke zusagen? Sintemal in der grossen Welt nichts so groß oder klein ist / was nicht auch die kleine in sich hat; ja die kleine / als das einige Ebenbild Gottes / begreifft in sich etwas edles / was der grossen mangelt. Der niemals ruhenden Sonne stimmet das stets schlagende Hertze bey; welches in so viel Stunden / als jene Tag und Nacht macht / in den Adern durch den gantzen Leib das Geblüte herumb treibet /alle Glieder beseelet / und durch seine Bewegung nicht nur die Augenblicke / sondern Stunden / Tage und Jahre abmißt; also das Hertze in der verborgensten Einsamkeit einem genauen Aufmercker zu einer unfehlbaren Uhr dienen kan. Der Monde ko t dem Gehirne bey / welches wie jener die Unter-Welt durch sein silbernes Thau-Horn / also dieses alle Glieder durch seinen Einfluß bethauet. Der Miltz zeucht wie der Saturn / die Galle wie der Mars alles schädliche aus dem Leibe an sich. Die Lunge hat in ihm die Verrichtung des Mercur / die Nieren der Venus / die Leber des Jupiters. Die Augen haben die Gleichheit und das Ampt der festen Gestirne / wo sie nicht zu weilen durch ihre kräftige Regungen es gar der Sonne zuvor thun. Mit dem Feuer stimmet das Gesichte / mit dem Gehöre die Lufft / mit dem Fühlen die Erde / mit dem Geschmacke das Wasser / mit dem Geruche beydes überein. Was ist den Alpen / dem Taurus und unserm Hartz-Gebürge ähnlicher als der Rückgrad / den Felsen gleicher als die Gebeine? In unserm Geblüte /Eingeweiden und Feuchtigkeiten stecket nicht nur Saltz / Schwefel und Queck-Silber / sondern alles Ertztes Eigenschaften / und wir zeugen in uns so wohl Steine als die Berge. Unser Fleisch und Glieder kriegen nicht anders von den Lebens-Geistern als die Bäume von der Krafft der geistigen Erde Nahrung und Wachsthum. Die Kräuter und Blumen sind nichts anders als Haare der Felder; unsere Adern aber selbstständige Flüsse und Quelle. Unsere Thränen und der Schweiß gleichen dem Thau und dem Regen / unser Lachen dem Blitze / unser Dräuen dem Donner /unser Seufzen und Athemholen dem Winde / unser Zittern dem Erdbeben. Unsere anmuthige Kindheit bildet den schönen Früling / unsere feurige Jugend den hitzigen Sommer / unser mannbares Alter den fruchtbaren Herbst / unser ohnmächtiges Alter den kalten Winter ab; ja unser Tod begegnet nicht nur Sternen / Felsen / Städten / Eylanden und Ländern /welche vom Meere oder Erdbeben verschlungen [223] werden / sondern ist eine kräfftige Wahrsagung: daß die grosse Welt so wenig als die kleine ewig seyn werde. Erato fiel ein: Ich lerne aus dieser Auslegung nun allererst meiner Lehrmeister Unterweisung recht verstehen: daß es einen Ober- und untern Himmel / und zweyerley Sternen gebe; daß in dem Menschen der Saamen aller Dinge verborgen liege / und in diesem kurtzen Begriffe mehr / als in allem Umbkreisse der Natur / ja der Mensch gegen andere Geschöpfe ein Gott / und allein ihm zu gefallen die Welt erschaffen sey. Der Einsiedler antwortete: Mit dieser Umbschrenckung kan man den Menschen für ein so grosses Wesen gelten lassen / welcher sonst aber gegen Gott weniger als ein Sonnen-Staub zu rechnen ist. Worbey ich denn selbst nachgebe: daß auch der menschliche Leib einiger massen mit Gott eine wiewohl entfernte Vergleichung vertrage. Denn wie Gott ein alles begreiffender und unbegreifflicher / die Welt aber ein Unermeßlicher Kreiß ist / also bildet nicht nur das menschliche Haupt eine Kugel / sondern auch der sich ausbreitende Leib einen Kreiß ab / darinnen der Nabel / oder vielmehr das Ende des Leibes der Mittel-Punct ist. Uber diß gibt der menschliche Leib ein vollkommenes Vier-Eck ab / wenn seine vier Striche von dem äusersten Ende der Finger gezogen werden / dessen Mittel-Punct das Ende der Zwisel ist. Erato erforschte an ihrem eigenen Leibe alsofort beyde Abmässungen / und erwehnte: daß Pythagoras durchs Vier-Eck den einigen und ewigen Gott abgebildet hätte; die Egyptier aber alle Geheimnüsse der Irr-Sternen in viereckichte Siegel versteckten / und die Thracier nicht / wie alle andere Völcker biß auf zehn /sondern nur biß auf vier erstreckten. Der Einsieder lobte so wohl der Königin Sorgfalt / als ihren Beysatz / versicherte auch beyde Fürstinnen: daß im Menschen alle ordentliche Bildungen der Mäß-Kunst zu finden wären. Dahero wenn man vom Ende des Rückgrades umb den ausgestreckten Menschen einen Kreiß machte / die Spitzen der Hände / der Füsse und des Hauptes an solchen rührten / würde man an ihm das vollkommenste Fünf-Eck / und von denen beyden Fußsolen biß zum Nabel ein richtiges Dreyeck / an denen ausgestreckten Beinen und Armen aber ein gleichseitiges Viereck finden. An denen empor gestreckten Armen ko t der Ellebogen der Scheitel in Niedersenckung der Armen das äuserste der Finger dem Knie schnurgleiche / und im ersten Falle ist der Nabel / im andern das Ende der Zwiesel ein richtiger Mittel-Punct. Nichts minder haben auch die Glieder gegen einander eine so geschickte Abtheilung: daß die Mäß-Künstler von Ausspannung der Armen die Klaffter / oder eine Menschen-Länge / von dem Ellbogen die Elle / von der Fuß-Länge den Schuch / oder halbe / von der Spanne das Drittel der Elle / ja alle Maasse genommen; ja nach des menschlichen Leibes Stellung die vollkommensten Säulen / Fenster / Thüren / Bogen / Häuser und Tempel abgetheilet / wie folgende Bildhauer nach des Polyclatius Muster alle ihre Bilder abgemässen haben. Erato fiel ein: Bey so richtigem Maaße erkenne ich meinen Irrthum in der unnöthigen Verwunderung über drey nach Artaxata kommender Mahler / derer einer an dem Nagel meines Daumens / der andere an dem äusersten Gliede meiner kleinen Zeh / der dritte von einem Auge biß zum andern das Maaß nahm / und ieder mich nach meiner richtigen Grösse abbildete. Noch viel weniger aber ist für unbegreifflich zu halten: daß Pythagoras aus einem Schritte des Hercules / Phidias aus einem Kreile seines Löwen / Timantes aus eines den Daumen des Polyphemus mässenden Zwerges Stellung des Riesens Grösse ausrechnen konte. Der Einsiedler versetzte: Es ist so leichte aus einem Gliede aller Grösse zu [224] urtheilen / als viel kleine Zahlen in eine grosse zusammen zu setzen. Denn der Nagel der Zähen und Hände ist die Helffte des gantzen Gliedes. Das grosse Glied des Daumens ist so groß / als der Mund aufgesperret werden kan / und so weit die unterste Lippe vom Ende des Kines entfernet ist. Das kleineste Glied des Daumens aber reicht von der Höhe der untersten Lippe biß an die Nase an. Das gröste Glied des Zeigers ist so lang als die Stirne hoch ist. Seine zwey kleinesten Vörder-Glieder mit dem Nabel haben die Länge der Nase. Das erste und gröste Glied des Mittel-Fingers reichet von der Nase biß in die Tieffe des Kines / das mittelste biß zum Ende der Unter-Lippe / das dritte vom Munde biß zur Nase. Die Länge des Spieß-Fingers ist die Helffte der Hand / biß zum Gelencke des Armes / die gantze Hand aber hat die Länge des Antlitzes. Dieses aber hat drey gleiche Längen / derer nemlich eine von der obersten Stirne biß zun Augen /die andere biß zun Lippen / die dritte biß unter das Kinn sich erstrecket. So weit es vom Kine biß zur Brust ist / so breit ist der Hals. Die Entfernung des Kines von dem Wirbel / beträgt den Umbkreiß des Halses / und die Helffte des Gürtels. Die Gurgel steht so weit vom Kine / als die Nase von der Mitte der Augen-Brauen; und die Weite der Nase vom Kine stimmet mit der Ferne des Knotens im Halse mit dem Ende desselbten überein. Die Breite der Augen-Höle von oben her bis unten zu / die Vorragung der Nase /und die Länge der kleinen Furche zwischen der Nase und dem Munde haben einerley Maaß. Wie die Weite des Mundes / die Höhe der Stirne / die Länge der Nase / der Ohren / des Daumens / und der Raum unter der Nase / bis zum Kine auch ein gleiches. Von der oberen Einbiegung der Nase biß zu den eusersten Winckeln der Augen ist es so weit / als von diesen zun Ohren. Beyde Augen-Brauen tragen den Kreiß der Augen / der halbe Umbkreiß des Ohres aber die Weite des Mundes / die Weiten der Nase die Länge des Auges aus. Zwischen dem Wirbel und Kine sind die Augen / zwischen dem Wirbel und Knien der Nabel / zwischen der Nase und dem Brust-Beine der Knoten am Halse der Mittel-Punct. Die Fläche der Hand ist so breit als das Fuß-Bret. Die Entfernung der ausgestreckten Hände / und die von einander Spannung der Füsse ko t der gantzen / die Rundte des Leibes unter den Achseln der halben Länge des Menschen bey. Der Mittel-Punct auf der Brust biß zum Wirbel / wie auch die Zwisel biß zum Knie / und das Knie biß zum Knöchel / nichts minder die Breite der Achseln / und die Länge vom Ellebogen biß zum eusersten Mittel-Finger sind ein Mäß-Stab des vierdten Theiles an der menschlichen Länge. Die Weite von einer Wartze biß zur andern / und von Wartzen biß zum Munde / oder zum Nabel kommen genau mit einander ein / und betragen das siebende Theil der menschlichen Länge. Von dem Wirbel ist es so weit als von der Achsel zum Ellebogen / und der Mensch achtmal so lang. Die Breite der Brust und der Umbkreiß des Hauptes tragen das fünfte Theil der Länge aus. Die Därme sind sieben mal so lang als der Mensch. Alle einzele Glieder / als die Nase / der Mund und der Nabel stehen gleichfalls in der Mitte; alle zweyfache aber auf der Seite / iedoch damit alles wohl zusammen stimme / gerade gegen einander über. Diese und hundert andere zusammen-stimmende Abmässungen menschlicher Glieder muste der Einsiedler Ismenen und der Erato so langsam erzehlẽ / auch theils wiederholen: daß sie derselben Wahrheit an einander durch ihre Ausmässung erforschen konten. Wie nun an beyden alles auf ein Haar eintraff / ruffte Ismene mit hellem Munde: O der wunderwürdigen Mäßkunst! O des unvergleichlichẽ Werckmeisters! welcher in Erschaffung der kleinen Welt so groß / wo nicht grösser / als in dem [225] Baue der grossen ist! Alleine trifft diß Maaß so eigentlich auch in Männern / und allen Menschen ein? Der Einsiedel antwortete: In allen / welche ausgewachsen / und keine Krüpel durch Zufälle / oder durch Irrthum der Natur / worzu Fälle und Versehungen der Mütter mehrmals Ursache geben / worden sind. Denn also kan das Maaß ihrer Glieder so wenig als ein krummes Richtscheid / ein wanckender Circkel / oder eine ungleiche Wage eintreffen. Wie denn auch in neugebohrnen Kindern / als noch unvollkommenen Geschöpfen das Maaß / insonderheit des Hauptes eben so wenig / als das Gewichte des Blutes und der Feuchtigkeiten in krancken Leibern fehlet. Massen denn in einem gesunden recht-gebildeten Menschen acht Theile Blut / halb so viel Wasser / zwey Theil Galle / und nur ein Theil schwartz und schwermüthig Geblüte seyn soll. Wie nun diese wohl-abgetheilte Vermischung die Ursache der Gesundheit und einer lebhaften Farbe ist; also bestehet in dem rechten Stande und der gehörigen Grösse der Glieder die Schönheit. Die vollkommenste Schönheit aber ist in der Seele zu suchen; welche nicht nur mit dem Leibe eine wunder-würdige Zusammenstimmung / wie der Himmel mit der Erde hat /sondern auch nach des Plato Meynung aus lauter zusammen klingenden aber wesentlichen Zahlen bestehet; oder gar nach Anaxanders und des Aristoxenus Meynung eine sich selbst rege machende Zahl ist. Wie nun die Harffe des Leibes von der Gleichheit der Glieder gestimmet wird; also machen die Kräffte und Würckungen die Flöte der Seele rege / welche durch die Vernunft / durch die Begierde / und Empfindligkeit / als durch drey Röhre ihren Klang eröffnet; denen als ihren Gebieterinnen die Glieder des Leibes als fertige Handlanger auf was wenigers als einen Winck gehorsamst zu Gebothe stehen. Diese Zusammenstimmung hat die Seele auch mit den Gestirnen /aus welchen sie / vieler Meynung nach / ohne diß sollen entsprossen seyn / und in selbte aus ihren sterbenden Leibern wieder empor flügen. Ihre gewächsige Krafft ko t dem Monden / ihre Einbildung dem Mercur / ihre Begierligkeit der Venus / ihre Lebhaftigkeit der Sonne / ihr Trieb oder Eiver dem Mars / ihre Behägligkeit dem Jupiter / ihre Fähigkeit alles anzunehmen dem Saturn / ihr Wille aber dem ersten Bewe gungs-Grunde bey. Die Königin Erato fiel ein: Ich erinnere mich bey dieser weisen Auslegung meiner Lehrmeister Unterweisung: daß die Seele im Leibe eben diß / was der Fuhrmann im Wagen / der Steuermann im Schiffe / nach des Anaxagoras und des Milesischen Thales Meynung / der regende Verstand / oder die Bewegungs-Krafft des Leibes / nach Alcmäons Urthel / hi lischer Eigenschafft / nach des Ephesischen Heraclitus Lehre ein Funcken vom Wesen der Sterne / nach des Pontischen ein Licht sey. Hingegen aber hat mich mehrmals irre gemacht / wie bey vorhergesetztẽ Meynungen bestehen könne: daß unser Democritus die Seele für ein aus eitel Sonnen-Staube bestehendes Wesen / Archelaus für eine Regung solcher unsichtbarẽ Kleinigkeiten / Diogenes sie für eine reine Lufft / Hippon für ein aus Wasser / Xenophanes für ein aus Wasser und Erde / Parmenides für ein aus Feuer und Erde / Empedocles für ein aus allen Elementen / Epicurus für ein aus Feuer und Geiste bestehendes Ding / Hipparchus sie für die Krafft des Feuers / Asclepiades für ein von allen Sinnen bewegtes Fleisch / Critolaus für den besten Auszug aus allen Dingen gehalten habe. Der Einsiedler lächelte hierüber / und sagte: Alles dieses wären Irrthümer alberer Weisen. Dahero nicht nur die Egyptier / welche die Seele für eine die Leiber [226] regende Krafft hielten / sondern auch Pythagoras und Hippocrates diese Meynung als eitel verwürffen / und die Seele als ein Kind Gottes / und für einen durch den gantzen Leib ausgegossenen Geist verehrt hätten. Wie denn auch die Seele ein wahrhafter Geist / und ein Bild des grossen Schöpfers wäre. Obige Irrthümer aber haben ihren Ursprung aus der Neigung und Zusammenstimmung der Seele mit dem Leibe her / welche Eigenschafft sie mit ihrem Wesen vermengen. Denn die Erde hat etlicher massen eine Verwandnüß mit ihrer Empfindligkeit / das Wasser mit ihrer Einbildungs-Krafft / das Feuer mit ihrer Bewegung / die Lufft mit ihrer Vernunfft / der Himmel aber mit ihrem Verstande. Ob wir beseelte Menschen nun zwar uns selbst / nicht weniger den grossen Gott die Seele aller Seelen kennen /und mehr wissen / was die Seele nicht sey / als was sie ist; so ist doch der der weiseste unter allen Menschen / der aus der Eigenbewegligkeit der Seele / und aus dem / daß sie nicht gezeugt wird / und ein Ebenbild des ewigen Gottes sey / ihre Unsterbligkeit erkennet / und sie mehr zu einer mit dem heiligen Schöpfer / als mit dem fleckichten Leibe einstimmenden Harffe machet.

Der eingeschlichene Abend nöthigte die Königin Erato und die Fürstin Ismene nach abgelegtem Dancke für so heilsame Unterrichtung von diesem guthertzigen Einsiedler Abschied zu nehmen / und auf das Waldeckische Schloß zu kehren; allwo die Hertzogin Thußnelde und das andere Frauen-Zimmer sich über beyder heimliche Entfernung nicht wenig bekümmert hatten. Wie nun Erato und Ismene sich die erste halbe Nacht / und hernach unzehlbare mal über der seltzamen Wahrsagung mit einander besprachten / und ihre Liebes-Regungen allerhand seltzame Anstösse erlitten; also brachten sie es durch ihre Lob-Sprüche dahin: daß die Hertzogin Thußnelde biß zu Ende des Heu-Monats in selbiger Gegend sich aufhielt / und mehrmals mit allen Fürstinnen den Einsiedler heimsuchte / die übrige Zeit aber mit Beschauung der Gebürge / Bruñen / Flüsse / und andern nur ersinnlichen Ergetzligkeiten kürtzte; und mehrmals bekennete: Sie hätte in dieser annehmlichen Gegend allererst gelernet: daß die Vergnügung des Gemüthes / wie der Thau des Himmels nicht von denen Mist-Hauffen der Städte / sondern von den Kräutern der Felder zu sammlen / ja eine solche Einsamkeit nicht nur zu seiner eigenen Genüssung und zur Betrachtung Gottes am geschicksten / sondern auch der Lebens-Art Gottes am ähnlichsten wäre.

Inhalt des Andern Buches
[227] Inhalt
Des Andern Buches.

Des Krieges Eigenschafft. Das Abnehmen des Römischen Reichs; Augustens kluge Bezeigung deßwegen. Des Feldherrn Mißtrauen gegen den Marbod. Zusammenziehung der deutschen Völcker. Germanicus schlägt eine Brücke über den Rhein. Tiberius setzt mit einer grossen Macht bey Meyntz über die Schif-Brücke. Der Deutschen Gegenverfassung. Tiberius büsset ein; läßt gegen der Catten Läger streiffen. Der Graf von Solms gehet auf sie loß / vertreibt sie nebst dem Ritter Isenburg. Herrmann und Arpus berathschlagen sich dem Feinde nachzusetzen. Tiberius redet seinem furchtsamen Heere ein Hertz ein. Catumers und Marcomirs Sieg gegen die Römer und Gallier. Der Feldherr ziehet dem Tiberius immer nach. Sextus Apulejus / Arbogast und Cotys fallen ein Theil des Deutschen Heeres an. Jubil / Ravensberg und Waldeck setzen sich zur Wehre. Asprenas entsetzt die Römer. Scharffes Gefechte der Deutschen mit den Römern / darinnen jeder des andern Meister werden wil. Nassau schlägt den Gallischen Fürsten Arbogast mit einem Streitkolben zu Bodem / und hierdurch auch die sämtliche Gallier in die Flucht. Asprenas Tapferkeit / und kluge Aenderung der Schlacht-Ordnung. Des Feldherrn gleichmäßige Bezeigung. Giebt genaue Achtung auf des Tiberius Thun. Des Tiberius Krieges-List; und wie er den deutschen Feldherrn verführet hat. Scharffes Treffen. Siegesmund hebt einen Römischen Heerführer aus dem Sattel; welcher aber für seinen Vater Segesthes erkennet; und vom Graf Bentheim auf die Seite gebracht wird. Diephold bleibt im Treffen / Zulenstein aber wird Hauptmann. Tiberius /nach dem er beym Feldherrn umb einen Stillstand zu Beerdigung der Todten angehalten / geht des Nachts durch / und befestigt zwischen dem Rhein und Mäyne ein neues Lager. Arpus erobert die Festung Bingen mit Sturm. Des Germanicus gleichmäßiger unglücklicher Zug gegen den Melo / und seine Sicambrer /Bructerer / und Tencterer. Ganasch und Graf Delmenhorst treffen auf die Römer und treiben durch Hülffe des Ritters Arenberg und Schauenburg sie wieder in den Siege-Strom. Ganasches Zurede gegen seine Chauzen und Friesen daselbst. Germanicus läßt auf sieben aufgerichteten Altären dem Sieg-Strome opfern. Plancus sucht sich des Schlosses am Ubischen Sieben-Gebürge zu bemächtigen; welches aber Ritter Metternich hertzhaft vertheidigt. Willich und Wachtendonck thun hierbey männliche Gegenwehr. Hertzog Franck mit dem Ritter Wassenar entsetzen solches /und jagen die Römer heraus. Camillus / Cepio / und Terentius bleiben todt; Plancus aber wird gefangen. Des Hertzogs Franck und Germanicus scharffes Treffen bey dem Siege-Strome. Sulpitius Galba legt hierbey sein Schul-Recht rühmlich ab. Melo ko t dem tapffern Ganasch zu Hülffe. Der Graf von Spiegelberg hält sich gegen den Cajus Centronius / und Schauenburg gegen den Mennius tapffer. Ganasch wird ohnmächtig in die Festung [228] Siegesburg geführt; dessen Stelle der Graf von Oldenburg rühmlich vertritt. Delmenhorst und Tecklenburg werden gefährlich verwundet. Des Melo Rede zu den Sicambrern und Tencterern; greiffet nach diesem den Lucius Apronius mit der Römischen Reiterey an; läßt die Grafen Lingen und Ravensperg in die erste Legion einbrechen. Cajus Narbonus widerstehet ihnen zwar tapfer; wird aber von ihnen in die Flucht geschlagen. Germanicus wird von den Tencterern geschlagen; Melo zerspaltet dem Marcus Sylla den Kopf. Stirum und Steinfurt halten sich tapfer. Melo fodert den Germanicus auf einen Zweykampf vergeblich aus. Bentheim und Rytberg fechten tapfer; und wird endlich Germanicus genöthiget / wieder über den Siege-Strom zu setzen; welchem über der Römer Nothstande die Augen übergehen. Hertzog Franck ko t zwar blutig / aber sieghaft zu seinem Vater Melo / erzehlet ihm unterschiedlicher deutschen Ritter tapferes Verhalten. Melo lässet ihnen zum Andencken das am Berge Rhetico eroberte Schloß Löwenberg nennen. Daselbst entstehet auf dem Juhonischen Theile in der Nacht ein Feuer aus der Erden. Dessen gute und böse Auslegungen. Wird zu Verbrennung der gebliebenen Leichen gebraucht. Melo streiffet ober- und unterhalb des Ubischen Altares auf die Römer. Besucht den an sieben und zwantzig Wunden kranck-liegenden Ganasch. Ihr wehmüthiges Gespräch von der allgemeinen Wolfahrt. Melo rückt vor das Römische Lager / läßt den Germanicus durch einen Herold ausfordern; dieser aber hält nicht rathsam an selbigen als einem unglücklichen Tage zu schlagen. Hält durch eine kluge Rede der Römer allzu hitziges Verfahren zurück. Zündet das Läger an / und ziehet sich mit seinem Heer über den Rhein. Melo setzet mit seinem Sohne Franck ihnen eilends nach /schlagen unterhalb Rigomach den Römischen Vortrab in die Flucht. Germanicus schlägt zwischen den Armen der Erpe und des Rheines unter Novesium ein neues Läger; und folgends auch ein anderes bey Gelduba. Melo erobert Aschenburg. Daselbst richten die Griechischen Weltweisen dem Hertzog Melo und andern deutschen Helden zu Ehren Sieges-Bogen auf. Melo höret der Griechen Welt-Weißheit in ihrer Schule zu. Lobspruch der Weißheit. Der Druyden Haß gegen die Griechischen Weltweisen. Machen rechtlichen Anspruch auf den Minervischen Tempel /und verlangen vom Melo die Abtretung desselben /ziehen auch eine alte alldar gestandene Eiche zum Beweiß an. Timon der Griechische Weltweise wiederspricht dem obersten Priester Erdmeyer deßwegen /weiset ihm die angezogene Eiche an einem andern Orte; daran eine nachdenckliche Schrifft gefunden wird / worüber allesamt bestürtzt werden. Melo läßt sie mit einem Schrancken verwahren. Fernere Wortwechselung wegen dieser Eiche und des Eigenthums. Divitiachs eines Britannischen Druys / und Timons Wort-Streit vom Zweifel der Einbildung und der Warheit; wie auch / ob jemand glauben könne / daß kein GOtt sey. Die Druyden begehren / daß die Griechen mit ihrer den Fürsten und dem Wolstande Deutschlands schädlichen Lehre möchten austilget werden; die Geheimnüsse des Gottesdienstes müsten nicht jedermann gemein gemacht werden. Timon aber vertheidigt sich rühmlich gegen den Druyden / und erweiset / daß ihnen mehr Laster und falsche Lehre beygeleget würde / als sie in Warheit glaubeten / lobet zugleich GOtt und die Weißheit / dieselbe solle jedermann lernen. Melo aber vereinbaret sie allerseits /entscheidet ihre Zwistigkeiten klüglich / und zeigt dabey an / wie schädlich der Zwang zu [229] einem Gottesdienste sey / und ermahnet sie zum Glimpf und Eintracht. Melo lässet hierauf Novesium berennen. Bentheim erobert Duromach / Steinfurt / Buring. Melo lasset Hülfs-Völcker in die Festung / damit sich in kurtzem Mangel an Lebens-Mitteln ereignen soll. Stertinius hält vergeblich umb Vergleich an; Ermahnet hierauf durch eine tapfere Rede die Seinigen sich außer der Festung durch den Feind zu schlagen. Die Deutschen empfangen sie übel. Mörs und Gladebeck begegnen dem Plancus tapfer. Plancus sprengt mit etlichen Römern in die Erpe / geräth aber erst dem Ritter Galen in die Hände. Stertinius und der Graf von Bentheim kommen an einander. Melo ko t dem nothleidenden Bentheim / dieser aber / als Melo von denen von Norbanus dem Stertinius zu Hülffe gebrachten Römern und Galliern umbringt und verwundet wird /dem Melo wieder zu Hülffe; welcher des Norbanus Sohn den Kopff zerspaltet. Stertinius und Norbanus müssen das Feld räumen / und den Deutschen die Festung Novesium lassen. Graf Bentheim erobert Tolpia; Stirum Tiberiach; Willich Belgica mit allem Lande zwischen dem Rheine / und der Rohr / bis ans Ubische Altar. Germanicus ziehet mit seinem Heere dem Tiberius auf seinen Befehl entgegen; Vereinbahren ihre beyde Heere und schlagen ihr Lager bey Bingen an der Nave. Der Feldherr Herrmann aber setzt sich mit dem deutschen Heere zwischen Bingen und dem Altare des Bacchus; Beobachtet fleißig des Tiberius Vorhaben. Der Römer starcker Ausfall aus dem Altare des Bacchus auf den Arpus. Werden aber von dem Grafen Hanau / Wißbaden und Weilgrief tapfer empfangen / dem Trebatius der Rückweg zum Thore abgeschnitten / und er darüber getödtet. Worauf der Graf von Solm und hernach die übrigen Deutschen hinein dringen / und die Stadt erobern; Caponius der Römische Befehlhaber selbst wird getödtet. Herrmann und Arpus setzen über den Rhein / fodern den Tiberius zur Schlacht aus. Germanicus wil schlagen; Tiberius aber widerräth es. Beyde ziehen sich zurück. Die Deutschen finden unter vielen Römischen Waffen auch des Drusus silbernen Schild / worauf sein Sieges-Zeichen an der Elbe gesetzt ist; welcher in den Tanfanischen Tempel nebst andern Waffen geschickt wird. In der eroberten Festung wird viel Wein gefunden / welcher insonderheit den Catten sehr wol schmeckt. Etliche Catten und Cherusker gerathen im Trumke an einander. Arpus befiehlt dis schädliche Geträncke auszuschütten. Der Hohepriester des Bacchus bittet den Feldherrn und Arpus das abgöttische Heiligthum des Bacchus zu zerstören; Giebt sich vor des Vanglonischen Hertzog Ehrenfrieds Sohn zu erkennen / und klaget über der Römer Abgötterey / und daß August in Gestalt des Bacchus daselbst göttlich verehret würde. Beschreibung des vom Drusus gebauten Bacchus-Tempels; seltzame steinerne Schlangen mit dem Nahmen Deutschlands. Des Arpus Verachtung / und des Feldherrn Lobspruch des Weines; dessen Nutz und Schädligkeit. Der Hohepriester giebt ihnen beyden eine Schale voll Wein zu kosten. Ihr Gespräch von allerhand Weinen; Weil der Wein beyden gut schmeckt / trincken sie Gesundheiten / und Arpus wird anders Sinnes / daß er den Weinstock nicht auszurotten begehret. Ferneres Gespräch von allerhand Mischung und Gebrauch der Weine / auch Brunnen / derer Wasser nach Wein schmecken. Des Priesters [230] Erzehlung von des Drusus Weinbau in Deutschland; Und wie er an des Käysers Geburts-Tage dem Rheinweine zu Ehren ein prächtiges Feyer angestellet / und einen schönen Aufzug gehalten. Darinnen anfangs der Geist aller Dinge / der Natur / der Pflantzen / der Berggewächse / hernach Flora und Pomona / nach diesem zwantzig Länder aufgeführet werden / welche vor sechzig darinnen wachsende berühmte Bäume ihr Lob heraus streichen / und allerseits umb den Vorzug / welchem Baum wol der Sieges-Krantz aufgesetzet werden solle / kämpfen; da denn endlich der Weinstock den Preiß behält; und ihm unter einem Lust-Tantze der Sieges-Krantz aufgesetzet wird. Weil aber alle mit einander streitende zwantzig Länder Wein bauen / bekommen sie einen neuen Zwist / welchem Weinstock unter ihnen der Sieges-Krantz gebühret. Jedes Land führet das Vorrecht seines Weinstocks an. Die Natur aber spricht das Urthel: daß unter den Bäumen der Weinstock / unter den Ländern aber Deutschlands Rheinwein den höchsten Preiß verdiene. Worauf alle Länder und Bäume wie der einen Tantz hegen. Tiberius sinnet einen Zanck-Apfel unter die deutschen Fürsten zu werffen; fängt es zwischen den Catten und Sicambrern an. Herrmann und Arpus nehmen die Belägerung Meyntz für / und verlangen / daß Melo die Belägerung des Ubischen Altares indessen aufheben / und zu ihnen stossen solle; welches er aber zu thun nicht rathsam hält /weßwegen ihr Argwohn mehr zunimmet. Die Deutschen bieten dem Tiberius eine Schlacht an. Beyde stellen ihr Heer in Schlacht-Ordnung / kommen aber nur durch Scharmützel an einander. Siegesmund und Jubil behalten zwey vortheilhafte Hügel. Melo befiehlt seinem Sohn Franck ihm zu Hülffe zu kommen /welcher im Bedencken stehet: ob er seines Vaters Befehl befolgen / oder zuvor des Feldherrn und Arpus vorhabenden Schlacht beywohnen solle. Der Feldherr macht ihm / als er sich von ihnen abziehet / Kummer hierüber; Arpus aber leget ihm solches als eine schimpfliche Feigheit aus. Der Feldherr befiehlet dem Hertzog Jubil die Oberaufsicht des rechten Flügels; und beredet den Franck bey ihnen Stand zu halten. Ingleichen besänftigt er den Arpus. Die Römer fallen unterm Germanicus das deutsche Lager an. Fürst Catumer / Franck und Jubil verwehren der Gallier Vorbruch / und thun dem anfallenden Tiberius tapfern Widerstand; ziehen sich aber klüglich zurücke. Germanicus stürmet das deutsche Lager an dreyen Orten; Marcomir vertheidigt solches aufs beste / und verwehret den völligen Einbruch. Fürst Siegesmund / Graf Schwartzenburg entsetzen ihn / und halten mit dem Cäcina ein scharffes Gefechte. Graf Barby aber bringt dem Marcomir Hülffs-Völcker ins Lager / worauf die Römer weichen müssen. Siegesmund trifft auf der andern Seite des Lagers auf die gegen den Grafen Stolberg stürmenden Gallier / Pannonier und Hispanier. Germanicus läßt auf eingezogene Nachricht / daß viel Deutsche gegen das Läger anzügen / vom Sturme abblasen. Und geräth in Argwohn / als ob Tiberius die Deutschen / ihm eines zu versetzen / mit Fleiß angestellet habe. Beyde Römische Feldherren ziehen sich gegen Meyntz / ingleichen auch die Deutschen; welche daselbst ihr Läger anzünden / und ihr gantzes Heer zu Bingen ankommt. Tiberius findet zu Meyntz des König Marbods Gesandten / den Ritter Stahrenberg / welcher vom Deutschen Feldherrn und Arpus Gleits-Briefe [231] nach Bingen zu kommen / verlanget. Der Gesandte wird prächtig empfangen. Und nimmet bey allen deutschen Fürsten außer dem Hertzog Jubil Verhör. Begehret daß Segesthes freygelassen / und ein Frieden geschlossen / sein König aber als ein Mitler angenommen werden möchte. Der Deutschen Neigung zum Frieden. Siegesmund widerräthet den ihnen verdächtigen Marbod zum Mittler anzunehmen. Arpus gibt ihm mit wichtigen Ursachen Beyfall. Jubil aber ist widriger Meynung. Arpus setzet zwar ihm mehrere Ursachen entgegen; alle aber fallen dem Jubil bey des Gesandten Vorschläge zu hören. Daher der Feldherr so wohl des Marbods / als des Alemannischen Hertzog Ariovistens Gesandten mit gewünschter Antwort abfertigt. Welche dem Tiberius hiervon Bericht geben; hernach mit Cäcinen dem Römischen und andern Gesandten zu Bingen einen Stillstand der Waffen fürschlagen. Die deutschen Fürsten schicken gleichfalls umb der Römischen Hoheit nichts zu vergeben / ihre Gesandten nach Meyntz. Melo und Ganasches Gesandten wollen wegen der verdächtigen Friedens-Handlung nicht in den Stillestand willigen; wird also solcher zu grosser Verwirrung des Cäcina abgeschlagen. Dieser versucht durch Geld und andere Mittel mehr Mißtrauen unter die Deutschen zu säen. Des Tiberius listige Ehren-Bezeigung gegen die Gesandten; der Deutschen Unwillen / und des Feldherrn Ausschlag darüber. Hertzog Ariovistes Gesandter Graf Oettingen hält beyden Theilen wegen des unnöthigen Streits umb den Vorsitz / Tittel / und Tritten / vernünfftig ein / umb nicht so viel Zeit und Unkosten darüber zu verschwenden. Jubil schickt an statt des Schönbergs / den Ritter Reussen zum Gesandten nach Meyntz. Tiberius erklärt sich auf des Germanicus Zureden / allen Deutschen Gesandten gleichmässige Ehre zu bezeigen; und begehret hierauf durch des Marbodischen Gesandten Vortrag die Wieder-Einräumung aller am Rheine / dem Gebürge Taunus und der Lippe gelegenen Plätze; hingegen verlangen die Deutschen durch den Alemannischen Gesandten / das gantze Belgische Gallien biß an die Seene / weil die Einwohner alle deutscher Ankunfft wären. Beyde Theile wollen von den ersten Vorschlägen nicht weichen. Des Marbodischen Gesandten bewegliches Zureden im deutschen Fürsten-Rathe. Der Deutschen Stillschweigen hierüber; der Feldherr aber verspricht solchem nachzusinnen; bittet den Stahrenberg die Römer zu billichen Vorschlägen zu bereden; welches er auch redlich thut. Beyder Theile Erklärung. Melo erobert inzwischen das Ubische Altar. Thußnelde gebiehret bey dem Altar des Bacchus einen Sohn / Freudens-Bezeigungen hierüber. Der neugebohrne Sohn wird dreymal in den Rhein-Strom getaucht. Cäcina forschet bey dem Druys nach dessen Ursache; welcher ihm solche Bedeutung erkläret / und was die Seele sey / beschreibet. Der Feldherr ladet alle Gesandten und Botschafter zu einem Danckmahl wegen der Geburt seines Sohnes / und läßt selbigem den Nahmen Thumelich geben. Hundert Druyden schneiden solchen in Eichen. Bedeutung dessen. Der Cherusker Freude. Herrmann richtet seinẽ Kriegsheere deshalben ein Gast-Mahl aus. Der Barden sinnreiche Getichte / und Sinn-Sprüche. Wie viel einem Fürsten an Kindern gelegen sey. Diese Geburt ist auch dem Feldherrn zur Friedens-Handlung vorträglich; indem der hartnäckichte Tiberius sich erkläret / alles verlohrne am Rhein / ausser das Ubische und des Bacchus [232] Altar /zu vergessen; welche zwey Festungen aber des Feldherrn und Melo Gesandten nicht abtreten wollen. Arpus dringet auch auf die Einräumung der Stadt Meyntz. Tiberius hat darzu taube Ohren. Doch wird Bedenck-Zeit gegeben. Der beyden Mittler Gesandten dräuen so denn sich zu dem willigen Theil zu schlagen / und den widersetzenden zu einem Frieden zu zwingen. Des Feldherrn schöne Antwort hierauf. Melo und Ganasch bleiben bey ihrem Vorsatze nichts wieder zu geben / und wollen sich an des Marbods und Ariovistes Gesandtẽ Dräuungen nicht kehren. Arpus / Jubil / Siegesmund / Marcomir / und anderer Fürsten Gegen-Ursachen / daß man in allen Verträgen etwas nachlassen müste; und ob es auch der Müh lohnete / noch ferner einen ungewissen Krieg umb diese Festungen zu führen. Der Feldherr aber wil in die Abtretung des Bacchus Altar / weil es seines Sohnes Geburts-Stadt / noch auch Melo in des Ubischen Altars willigen. Hertzog Ingviomer ko t nach Bingen / stattet dem Feldherrn und andern deutschen Fürsten im Fürsten-Rath von seiner Gesandschafft an dem Marbodischen Hofe ausführliche Nachricht ab / und zeiget an / wie falsch Marbod gegen die Deutschen handele / und es mit den Römern gehalten; wie er ihm deswegen zugeredet; Marbod aber dennoch ihm zu Calegia in Gegenwart des Römischen Gesandten Servilius / sein mächtiges Kriegsheer gegen die deutschen Bunds-Genossen gezeiget / wobey der Alemannische Gesandte Graf von Hohenloh 20000. Mann bereit stehende Hülffs-Völcker angebothen; wie Ingviomer dem Marbod / bey hierbey aufgestossenem Hasen / einen unglücklichen Ausgang gewahrsagt /Servilius drüber gelacht; ihr Gespräche von dergleichen Zufällen. Zwey Adler hätten in der Lufft über dem Heere grimmig mit einander gestritten / worbey der über sich sehende Servilius über einen Stock gestürtzt. Hierauf sey ein Storch geflogen kommen / da sie denn vom Kampfe abgelassen. Ingviomer hätte abermals dem Marbod solches als Unglücks-Zeichen ausgedeutet / welcher endlich davon bewegt worden /daß er sein Heer ins alte Läger rucken lassen; auch dem Ingviomer zu seinen deutschen Bunds-Genossen zu reisen erlaubet. Die Fürsten dancken vor seine Gesandschafft. Melo räthet den Krieg wider den Marbod / Ariovisten und die Römer fortzusetzen / welchem aber Jubil widerspricht. Weil nun die andern Fürsten ihm beypflichten / werden sie schlüssig die zwey Festungen den Römern abzutreten; worüber Melo ungeduldig wird. Beyde Theile suchen ihr Recht zu behaupten. Der Feldherr bemühet sich den Melo zu besänftigen / und in die Zeit zu schicken; der aber voller Verdruß mit Zerbrechung dreyer Pfeile / gleichsam ihnen das Bündnüß aufkündigt / und aus der Versa lung gehet. Arpus räthet zwar bald Friede zu schlüssen / der Feldherr aber ist widriger Meynung; worauf endlich der Friede mit gewissen Bedingungen geschlossen / dem Marbod / Ariovisten / und dem deutschen Heere kund gethan wird. Allen Volckes / auch des deutschen Frauenzimmers Frolocken und Vergnügung darüber. Einige davon bieten sich zu Geiseln an. Die deutschen Fürsten lassen den Frieden durch den beredsamen Grafen Hanau dem Melo verkündigen; und ihn zu Abtretung des Ubischen Altars / gegen tausend Pfund Silbers ermahnen. Melo stellet sich hierüber ungeduldig / und wil das Silber nicht annehmen. Der Friede aber wird auf einem kleinen Eylande im Rhein ordentlich vollzogen. Streit / in was vor einer Sprache [233] und auf was vor Papier die Friedens-Bedingungen geschrieben werden sollen. Endlich werden zwey helffenbeinerne Taffeln und die Griechische Sprache darzu beliebet. Eine ertztene Säule wird zum Gedächtnüß mit einer darein geetzten Schrifft aufgerichtet / und hierauf von beyden Theilen der Friede beschworen / auch die Römischen Gesandten nach deutscher Art bewirthet.

Anderes Buch
Anderes Buch.

Des Menschen Glieder stecken so voller Schwachheiten / und sein Verstand so voller Irrthümer / als die Lufft Sonnen-Staubes. Ja wir lernen in unser Kindheit mit Fallen gehen / und die Irrthümer sind ins gemein unsere Wegweiser. Meistentheils aber gebieret ein Irrthum den andern / wie eine Eule nichts bessers als Eulen; sonderlich / wenn man bald im Anfange einer falschen Spure folget / und die Hartneckigkeit noch darzu das Urthel unser Vernunfft verbländet; oder wo das Werck an sich selbst von solcher Beschaffenheit ist; da man auch / wenn man schon seine Fehler sihet / solche nicht verbessern kan. Diese Eigenschafft aber hat fürnemlich der Krieg; in welchem es einmal zu sündigen fast unverwindlich / zweymal aber ins gemein die Ursache eines gäntzlichen Unterganges ist. Also hatte der sonst so kluge Käyser August durch seine traurige Ungeberdung und unvorsichtige an Taggebung der grossen Niederlage in Deutschland mehr gesündigt / als Varus / der die Gemüther der Deutschen nicht genungsam geprüfet / sondern dadurch: daß er sie wie Knechte handthierẽ wollẽ / zu freyen Herren und Uberwindern gemacht hatte. Denn weil die Römische Macht weniger als ein Brunn erschöpflich war / August für weniger Zeit in Rom viertzig hundert und drey und sechzig tausend Bürger gezehlet / auch fünff und zwantzig Legionen auf den Beinen hatte; konte der vierdtehalb Legionen Verlust in Deutschland dieses unermäßliche Reich wenig erschüttern. Des Käysers unvorsichtiges Schrecken aber machte die Römer / und diese den Schaden zehnmal so groß / als er war; also daß wenn die dienstbaren Völcker nicht schon ihres Joches unter dem Scheine des süssen Friedens gewohnt wären; in etlichen hundert Jahren keine bessere Gelegenhẽit gewesen wäre die Römische Beherrschung der Welt über einen Hauffen zu werffen / als nach des Quintilius Varus Niederlage; mit welchen allen Römern schier das Hertze entfallen war. Es halff aber dem Käyser das Glücke / und er den Römern wieder zu rechte. Denn weil / ungeachtet dieser grossen Erschütterung / kein ander Volck das Hertze hatte sich nur zu regen; erholete sich August / und lernte theils von seinem steten Vorbilde dem grossen Alexander / welcher denen Ausschwätzern der vom Spitamenes erlittenen Niederlage den Tod dräute / theils von den Galliern / welche durch ein scharffes Gesetze keine böse Zeitung iemanden anders / als der Obrigkeit kund zu machen gefässelt waren / seinen Verlust vergeringern / weil es zu spät war ihn zu verhüllen. Uber diß erleichterte er fast allen Ländern ihre Schatzung / setzte die ihnen beschwerlichen Landvögte ab / schalt die Grausamkeit des Varus / und sagte endlich offentlich: Die Deutschen hätten recht gethan: daß sie sich eines solchen Unmenschen [234] entlastet hätten. Ja er würde deshalben mit ihnen keinen Krieg führen; wenn sie nicht selbst durch ihren Einfall in Gallien die alten Römischen Gräntze und Verträge versehreten. Am allermeisten aber liebkosete er den Galliern / welche zum Aufstande und neuen Kriegen geneigt / und als Nachbarn von den Deutschen ihrer erlangten Freyheit halber beschämt waren. Weil aber der Pöfel vorhin unter dem Adel grössere Beschwerde / als ietzt unter den Römern erduldet hatte; der Gallische Adel aber grösten theils vertilget / der übrige zu Römischen Bürgern gemacht / oder durch andere Würden eingeschläft war / blieb etlicher Sehnsucht nach der Freyheit als eine unzeitige Frucht noch für der Geburt. Tiberius und Germanicus rafften mit grosser Sorgfalt alle anderwerts entbehrliche Macht zusammen / und zwar mit desto grösserm Fortgange / weil alle Länder gleichsam es in Zuschickung der Hülffs-Völcker und Krieges-Kosten einander fürzuthun bemüht waren. Aber alle diese Macht verursachte bey dem Feldherrn und andern Deutschen Fürsten nicht so viel Kummer /als das Mißtrauen gegen den König Marbod / welchem August noch niemals so sehr als ietzt geheuchelt / ihn auch nicht nach Römischer Art durch eitele Schatten eines Krantzes und helffenbeinernen Stules /sondern mit Abtretung der gantzen Pannonischen Schatzung gewonnen hatte: daß er nicht nur des Quintilius Varus Kopf dem Käyser schickte / sondern auch den Hertzog Ingviomer mit tausenderley Erfindungen aufhielt / sonder daß er des Marbods Feind- oder Freundschafft versichert war. Diese Nachricht von Boviasmũ / und der Alemannischen Hertzogin Vocione Botschaft an den Fürsten Arpus: daß sie die Berührung ihres Landes für eine Feindschafft auslegen /und mit den Römern das angetragene Bindnüß zu schlüssen verursachen würde / machte denen vereinbarten Fürsten Deutschlandes kein geringes Nachdencken / und verrückte dem Feldherrn mercklich den Compaß. Denn die Kriegs-Klugheit zwang sie an der Saale zehn tausend Catten / zwischen der Ocker und Elbe aber zwölf tausend Cherusker stehen zu lassen /umb die Gräntzen gegen unversehene Einfälle zu bewahren. Ehe nun der Feldherr Herrmann sein gantzes Heer an der Fulde zusammen zoh / kriegte er vom Hertzog Melo Nachricht: daß Germanicus bey dem Ubischen Altare ankommen wäre / und daselbst eine Brücke über den Rhein schlüge / welchen drey Legionen an der Mosel folgten / auch über viertzig tausend andere Hülffs-Völcker aus Gallien folgten. Ob nun zwar die Bructerer und Tencterer unterhalb des Sieg-Stromes den Rhein / er aber oberhalb besetzt / und dem Altare gegen über auf dem Berge Rhetico die sieben Spitzen befestigt hätte / und er noch mit vier und zwantzig tausend Sicambern in einem befestigten Läger stünde / so besorgte er doch alleine dieser grossen Macht nicht gewachsen zu seyn. Hertzog Arpus aber vergewisserte den Feldherren durch Schreiben und etliche gefangene Römer / Gallier und Griechen /welche alle mit einander einsti ten: daß Tiberius mit vier Legionen und sechtzig tausend Hülff-Völckern auf einer zu Meyntz geschlagenen Schiffbrücke übersetzte. Der Feldherr schickte hierauf den Hertzog Ganasch mit zehn tausend Chauzen / und den Hertzog Jubil mit so viel tausend Cheruskern und Hermundurern dem Melo zu Hülffe; er aber verfolgte seinen Zug gegen den Tiberius mit dreissig tausend Cheruskern. Inzwischen hatte Hertzog Arpus der beym Zusammen-Flusse des Rheins und der Lauter vom Drusus gebauten Festung gegen über eine starcke Schantze auf einen Fels / und den Fürsten Marcomir mit fünf tausend Angrivariern und Dulgibinen darein gelegt /zwischen dem Einflusse der Mosel und des Sieg-Stromes der Römischen Festung Rigomach [235] gegen über stand Hertzog Catumer mit zwölff tausend Catten und Sicambern. Arpus aber selbst stand mit zwantzig tausend Catten bey Dietz an der Lahne / und ließ den Fürsten Siegemund mit seiner Reiterey dem Tiberius öffters Lermen machen / und was von dem Groß seines Heeres sich abtrennte / niederhauen oder gefangen nehmen. Weil er nun in wenig Tagen über fünf hundert Römer / und zwey tausend Gallier einbüßte /stellte er in möglichster Geheim eine gantze Legion in ein Gehöltze / und ließ tausend Gallier / fünf hundert Africaner / und drey hundert Thracier gegen der Catten Läger streiffen / auf welche der Graf von Solms der Hauptmann über des Fürsten Siegmunds Leibwache mit tausend Pferden loß gieng. Weil nun ohne diß hundert Africaner nicht zehn deutschen Reitern gewachsen sind / und in des Käysers Julius Africanischem Kriege dieser 30. bey Adrumet 2000. Mohren geschlagen haben / die Gallier auch eben so wenig gegen der Deutschen Heftigkeit bestehen / und sie noch darzu befehlicht waren nicht lange Stand zu halten / sondern durch ihr Weichen sie in das Gehöltz zu locken; wurden sie in einer halben Stunde zertrennet /und aus dem Felde gejagt. Die deutsche Reiterey lag den Flüchtigen biß ans Gehöltze in Eisen / und fiel alles durch die Schärffe ihrer Degen / was sie nur erreichten. Der deutsche Vortrab unter dem Ritter Isenburg hatte sich auch schon in das Gehöltze vertiefft /als der Graf von Solms hinter dem Gehöltze eine grosse Menge Vögel aufflügen sah / welche ihm Argwohn eines versteckten Hinterhalts erweckten. Diesemnach ließ er alsbald ein Zeichen geben: daß sich Isenburg zurücke zohe; welchem er / wiewohl mit Unwillen / gehorsamte; nach seiner Wendung aber als bald gewahr ward: daß auf beyden Seiten Römer herfür brachen / und ihm den Weg verlegen wolten / die flüchtigen Thracier sich auch auf dem Fusse wendeten. Weil aber er noch nicht in das rechte gedrange Holtz gerathen war / sondern sich mit der Reiterey schwencken konte / ihn auch der Graf von Veilstein mit drey hundert Reitern entsetzte: daß er sich durchschlug / ehe das Gehöltze verhauen ward / kam er ohne Verlust eines einigen Mannes / ausser daß neun mit Pfeilen verwundet waren / aus dieser Falle / sie sä tlich aber mit tausend abgehauenen Schädeln in das Cattische Läger / gleich als der Feldherr sein Heer mit des Arpus vereinbarte. Die Cherusker nahmen diesen kleinen Sieg für eine unfehlbare Wahrsagung eines grössern an / und gaben mit Zusammenschlagung ihrer Waffen / und einem heisern Feld-Geschrey ihre grosse Begierde sie gegen den Feind zu führen genungsam zu verstehen. Beyde Herrmann und Arpus hielten für rathsam sich der ersten Hitze ihrer Heere zu gebrauchen / sonderlich / weil die zwey Ströme zu ihrer Zufuhr habenden Römer sie leichter in die Länge austauern könten. Daher führte sie selbte gerade gegen dem am Meyne geschlagenen Römischen Läger zu / und liessen dem Tiberius nicht alleine ihren Vorsatz zu schlagen durch zwey loßgelassene Gefangene wissen / sondern Arpus ertheilte auch Catumern Befehl: daß er Gelegenheit über den Rhein zu kommen /und so wohl den Römern die Zufuhr abzuschneiden /als den Galliern und Trevirern Lermen zu machen trachten solte. Das Cheruskische und Cattische Heer rückte biß auf eine Virtel-Meile dem Römischen Läger ins Gesichte / sonder daß sich iemand darinnen rührte. Denn der schlaue Tiberius / welcher sich der Gegensetzung einer so grossen deutschen Macht nicht versehen hatte; traute mit seinem furchtsamen Heere mit denen vom vorigẽ Siege noch allzu muthigẽ Heer / ungeachtet er an Mannschaft stärcker war / ohne grossen Vortheil nicht anzubindẽ / und nichts minder seinen bißherigen [236] Ruhm / als gantz Gallien in Gefahr eines Streiches zu setzen. Denn ob er zwar aus seinem Heere alle Krieges-Leute / welche noch aus des Varus Niederlage entkommen waren / klüglich abgesondert hatte; so sahe doch dieser scharfsichtige Feldherr allen an der Stirne an: daß den meisten die bloße Erzehlung ein Schrecken ins Hertz gejagt hätte. Daher er denn denen / welche für andern hertzhaft zu seyn scheinen wolten / einhielt: Allzu hitzigen Kriegs-Leuten / welche allenthalben mit dem Kopfe durch die Mauern dringen wolten / gienge es wie den Bienen /welche mit ihrem Stiche zwar ihren Feinden weh thäten / aber durch Verlierung ihres Stachels sich selbst entwafneten. Ob nun zwar Hertzog Herrmann des Tiberius Vorhaben ergründete / stellte er doch einen gantzen halben Tag das deutsche Heer gegen die Römer in Schlacht-Ordnung / umb den Deutschen nicht allein desto mehr Hertze zu machen / sondern ihnen auch der Römer Furchtsamkeit einzubilden. Weil sich nun drey Tage nach einander kein Mensch aus dem Lager hervor that / rennten die Deutschen bis unter den Wall / schossen ihre Pfeile ins Lager / und endlich mutheten sie gar an den Feldherren: man solte das Lager stürmen / welcher ihnen aber einhielt: daß Kriegs-Knechten der Gehorsam und das Fechten /denen Hertzogen aber das Gebieten und Rathgeben alleine zukäme. Wenig Tage darnach kriegte Arpus Nachricht: daß sein Sohn Catumer oberhalb des Lahn-Stromes mit sechs-tausend Mann über den Rhein gesetzt / tausend Römer und vier-tausend Gallier erlegt / zwey-hundert mit Lebens-Mitteln nach der Ubier Altare wollende Kamele / und sechs-hundert Maul-Esel erobert; Marcomir aber zwey-tausend nach Meyntz mit Vorrath ziehende Gallier geschlagen /Reiß / Meel und Getreide aber ins Wasser geschüttet hätte. Weil nun eben damals der Feldherr von etlichen über den Meyn schwemmenden Reitern Nachricht bekam: daß Tiberius sein Läger mit einer Legion und zwölf-tausend Hülfs-Völckern besetzt gelassen / und mit einer grossen Macht am Meyn-Strome hinauf gegen das Gabretische Gebürge züge / ward beschlossen: daß Arpus mit den Catten das Läger beschlüssen / der Feldherr aber den Tiberius beobachten solte. Hertzog Herrmañ setzte in einer Nacht zwey Meil weges oberhalb dem Läger so unvermerckt über den Meyn: daß es die Römer nicht ehe / als da er schon sich eines vortheilhaften Ortes bemächtiget / und alle darinnen liegende Römer gefangen genommen hatte /zu wissen bekamen. Tiberius ließ sich an seinem Zuge dis nichts irren / sondern erregte vielmehr einen Ruf: daß unter dem Gabretischen Gebürge zwantzig-tausend Marckmänner / und halb so viel Alemänner zu ihm stossen würden. Als sich aber der Feldherr ihm bis auf eine halbe Tage-Reise näherte / gieng er des Nachts stillschweigend über den Meyn / und auf dessen Nordseite wieder zurücke. Ob nun zwar der Feldherr es durch seine vorangehende Reiterey folgenden Tag gewahr ward / brachte er doch bey nahe einen gantzen Tag mit Ubersetzung seines Heeres zu. So bald aber Tiberius dis erfuhr / gieng er folgende Nacht in gleichmäßiger Stille wieder über den Fluß zurücke. Weil nun der Feldherr muthmaßte: Tiberius suchte dadurch Lufft sich wieder herab ins Römische Läger zu ziehen; besonders da er vom Fürsten Ingviomer aus Boviasmum Nachricht erhielt: Marbod wolte sich in den Krieg nicht mischen / entschloß er gleichfals über den Meyn ihm zu folgen. Das gröste Theil des deutschen Heeres war schon wieder auf der Sud-Seite; als Sextus Apulejus mit dem meisten Theile der Römischen Reiterey / Arbogast mit zehn-tau send Galliern und Cotys mit zwey-tausend Thraciern das übrige Theil des deutschen Heeres anfiel. Ob nun zwar Hertzog Jubil / der den Nachzug führte / den Grafen von Ravensberg mit einem Theile der deutschen Reiterey der [237] Römischen / der Graf von Waldeck mit einem andern Theile den Galliern und Thraciern entgegen setzte; welche denn auch / ungeachtet sie mehr als viermal übermannet waren / ihnen hertzhafft begegneten; Jubil auch das übrige Fuß-Volck umbwendete / und zwischen die Flügel der Reiterey hervor rücken ließ; so kam doch in einer halben Stunde der tapfere Asprenas mit einer gantzen Legion Römer und zwantzig-tausend frembden Fuß-Völckern dazu. Wie nun Jubil ungeachtet der klugen Anstalt und großmüthiger Gegenwehr durch eine so grosse Macht nicht wenig ins Gedrange kam / also ward der auf andern Seite haltende Feldherr / welchem seine Kundschafter die geschehene Ubersetzung des Tiberius hochbetheuerlich versicherten / nicht wenig irre gemacht: ob er stehen bleiben / oder wieder über den Strom setzen solte; ungeachtet sich von Ferne noch mehr anziehende Völcker sehen liessen. Alldieweil ihm aber die Treue seiner Kundschaft gar zu wol bekant war / hielt er diesen Angrief nur für einen Streich des schlauen Tiberius / welcher ihm vielleicht bald selbst über den Hals kommen würde. Diesemnach wolte er weder den dis verlangenden Fürsten Siegesmund mit der übrigen Reiterey über den Meyn zurück kehren lassen / noch auch selbst übergehen; sondern ließ allein den Grafen von Nassau zwey-tausend Reiter oberhalb des Gefechtes überschwe en / und sechs-tausend Mañ Fuß-Völcker theils auf Holtz-Flößen / und einer aus Fässern zusammen-gemachten Brücke / theils auch schwimmende übersetzen; Er aber selbst stellte das gröste Theil seines Heeres von dem Flusse abwerts in Schlacht-Ordnung. Jubil und Asprenas suchten alle Kriegs-Künste / die fechtende aber alle Kräfften gegen einander herfür des andern Meister zu werden. Apulejus / Arbogast und Cotys fochten gleichsam nebst dem Siege für den Ruhm dreyer Völcker / welches dem andern es würde zuvor thun; welche rühmlichẽ Eiversucht der beste Wetzstein der Tugend ist. Ravensberg und Waldeck aber eiverten mit einander so sehr / als jemand / wer am ersten den Feind trennen würde; Ja alle Cherusker meinten nicht nur allen Nutzen / sondern auch die Ehre des wider den Varus erlangten Sieges zu verlieren / wenn sie ihrem Feinde einen Fuß-breit Erde entraumten. Der schwächern Deutschen Tapferkeit kam auch der vom Feldherrn klüglich ausgesehene Ort zum Vortheil; weil sich der Meyn daselbst wie eine Sichel einbog / und die Deutschen auf beiden Seiten vom Flusse bedeckt waren / und nur den Feind für der Stirne hatten. Inzwischen kam der Graf Nassau mit seinen Reitern nach geringem Widerstande etlicher Gallischen Hauffen über / und fiel nach dieser Zertrennung den Arbogast als ein Sturmwind auf der Seiten an. Dieser that zwar sein bestes / ward auch von fünf-hundert im Hinterhalte stehenden Thraciern redlich entsetzt; aber / weil Nassau ihm gleichsam für dẽ ärgsten Schimpf hielt: daß die meist unter Römischen Hauptleuten und Obersten fechtende Gallier den Deutschen so lange die Spitze böten / setzte er ihm für entweder durchzubrechen / oder diese Schmach mit seinem Blute abzuwaschen. Ein fester Vorsatz hat niemals mehr Nachdruck als im Kampfe. Deñ wie die Furcht aus nichts etwas / aus wenig viel macht; also scheinen einem hertzhaften Helden tausend blancke Degen nur ein Schimmer aus einem blinckenden Becken zu seyn. Mit dieser Einbildung drang Nassau mit zwey-hundert auserlesenen Edelleuten so tief in der Gallier Glieder / bis er mit dem ihm behertzt-begegnenden Arbogast / der durch sein Zureden und Beyspiel seine Trevirer / Heduer / und Sequaner noch gleichsam beseelt hatte / Hand für Hand anbinden konte. Das Glücke half auch allhier / seiner Gewohnheit nach / des Nassaues Verwegenheit. Deñ er brachte ihm mit einem Streit-Kolben einen so harten Streich auf das Haupt an: daß er gantz betäubt zu Bodem fiel / und im [238] Gedränge von Pferden zertreten ward. Dieser Schlag fällte / wie der letzte Hau einer Wald-Axt eine gantze Eiche mit tausend Aesten /nicht nur den Führer Arbogast / sondern die gantze Gallische Reiterey / welcher Ravensberg auch vorwerts hertzhaft auf den Hals gieng. Die Gallier verlohren mit ihrem Fürsten das Hertze; ohne dieses aber ist alles entseelet; also wurden sie vollends leicht zertrennt / in die Flucht bracht / und der lincke Flügel des Römischen Fuß-Volckes entblöset; welchem ohne dis das durch die übersetzenden sechs-tausend Cherusker sich verstärckenden Deutsche nunmehro genung zu schaffen machte. Nichts desto weniger hielten diese / weil es alte wolgeübte Römer waren / und Asprenas die auf der rechten Seite stehenden Spißträger dahin stellte / und tausend theils Römische / theils Pannonische Reiter dahin ordnete. Als aber auch dis noch nicht den Stich / und den lincken Flügel beysammen halten wolte / veränderte er mit einer unbegreiflichen Geschwindigkeit die vorhin viereckichte Schlacht-Ordnung in eine länglichte / wormit die übrige Reiterey die schmalen Seiten beyder Flügel desto besser decken konte. Uberdis kamen durch diese Wendung die nach Römischer Art in die Mitte und zum Hinterhalte gestellten tapfersten Soldaten und die freywilligen Kriegs-Leute nunmehro an die Stirne /wormit die beym Ausreissen der Gallischen Reiterey erschrockenen durch jener Beyspiel wieder Lufft und Muth schöpften. Dieser Streich gelang dem Asprenas so wol: daß sein Heer eine gute Stunde lang unzertrennt stehen blieb. Hertzog Jubiln schmertzte diese Hartnäckigkeit mehr / als keinen Menschen / und ob wol der Feldherr ihm noch tausend Dulgibinische Reiter antragen ließ / danckte er doch darfür / als für eine unnöthige Hülffe; besonders da die deutsche Reiterey wegen der auf den Seiten der neuen Römischen Schlacht-Ordnung stehender Hecken und Berge nicht recht zum Gefechte Raum hätte. Diese Hindernüs auf die Seite zu räumen brauchte er sich des vom Hertzog Herrmann in der Varischen Schlacht gelernten Kunststückes; nemlich: Er ließ beyde Flügel durch engere Zusammentretung der in Gliedern stehenden Fuß-Knechte eine so breite Strasse mitten durch die Schlacht-Ordnung öfnen: daß viertzig Pferde neben einander darzwischen reiten konten. Durch diese Lücke drang anfangs der Graf Waldeck mit fünf-hundert Cheruskischen Edelleuten dem Römischen Fuß-Volcke und dem Apulejus im rechten / und nach ihm der Graf von Lingen / mit eben so vielen dem Lucius Apronius im lincken Flügel auf den Hals. Wie tapfer sich nun die Römer wehrten / und Asprenas durch Hervorziehung der Spießträger der Reiterey begegnete / so konte doch dis ohne Verwirrung nicht geschehen. Weil auch in den ersten Gliedern der Kern des Römischen Kriegs-Volcks drauf gieng / und nunmehr die neugeworbenen / oder gar Gallier an die Lücke treten musten / Jubil aber nunmehr erst seine besten Leute herfür zoh; schlug des Asprenas kluge Anstalt zu seinem Schaden aus. Denn nach dem sein Kern der besten Leute drauf gegangen war / die Schlacht-Ordnung aber nur einmal zu wancken anfieng / gerieth das gantze Heer auf einmal in Verwirrung und ins Weichen. Asprenas hätte verzweifeln mögen: daß / da er nach des Varus Niederlage die Römer doch bey Ehren und bey Behauptung des Rhein-Stromes erhalten / er dis Jahr ein Werckzeug ihrer ersten Niederlage seyn solte. Gleichwol verlohr er mit seinem Glücke weder den Muth / noch den Verstand. Befahl also: das ohne dis weichende Fuß-Volck solte nach und nach sich gegen die nechsten Berge ziehen / umb von der Deutschen Reiterey nicht umbringt zu werden. Er selbst nam auf sich mit der Römischen und Thracischen Reiterey die weichenden so viel möglich zu decken; worüber er aber so sehr ins Gedrange kam: daß nach dem ihm der Ritter [239] Schomberg das Pferd getödtet hatte / er zu Bodem fiel / und zum Hertzog Jubil gefangen gebracht ward. Inzwischen / als sich disseits das Blat der Römer wendete / kriegte der Feldherr Nachricht: daß der Tiberius mit seinem gantzen Heere keine halbe Meile von dar entfernet wäre; und gerade auf ihn loßgienge. Daher er denn seine Deutschen zu hertzhafter Begegnung mehr aus Gewohnheit / als aus Noth ermahnete / welche über ihre vorige Begierde zu fechten durch den bereit erlangten Vortheil des Hertzogs Jubil wider den Asprenas noch mehr eivrig gemacht wurdẽ / und Zeither ihren Lands-Leuten die Ehre des Kampfs mißgegönnet hatten. Bald hierauf ward dem Feldherrn angedeutet: daß man auf der Höhe des nechsten Berges etliche hundert mit Kriegs-Volcke beladene Schiffe auf dem Meyne herab treiben; hingegen aber des Tiberius Heer auf einer Höhe stille stehen / und in eine breite Schlacht-Ordnung stellen sähe. Der Feldherr ritt augenblicks dahin / und befand den Tiberius so vortheilhaftig stehen: daß er ohne Verwegenheit an selbigem Orte nicht anzugreiffen wäre. Alle Schiffe aber ladeten ihr Volck auf dem rechten Ufer aus / und sahe man etliche tausend Reiterey / welche von des Tiberius Heere über den Meyn gesetzt hatte / dem flüchtigen Heere des Asprenas zu Hülffe eilen. Weil nun die Römer hierdurch einen grossen Vortheil hatten / der Feldherr aber im Gesichte des Tiberius und in solcher Eyl mehr Deutschen überzusetzen nicht wagen wolte / schickte er dem Hertzoge Jubil Befehl zu / die Flüchtigen nicht mehr zu verfolgen / sondern sich in den ersten vortheilhaften Ort an die Flößen und Brücken zurück zu ziehen. Dieses verrichtete Hertzog Jubil so viel leichter; weil die neuankommende Römische Macht sich an der Ehre vergnügte: daß sie die Helffte des flüchtigen Heeres / sintemal über zehn-tausend darvon auf der Wallstadt todt / und zwey-tausend Gefangene zurück blieben / retteten; und weil es ohne dis schon Abend war / mit ihnen zurück zohen. Folgenden Morgen brachten die Deutschen Kundschaffter Nachricht: daß die Römer auf beyden Seiten sich verschantzten /und ob wol die Deutsche Reiterey auf beyden Seiten bis an den angefangenen Wall streiften / kam doch niemand heraus / weil es Tiberius bey Lebens-Straffe verboten hatte; drey Tage nach einander blieben die Römer in diesem Stande / Hertzog Herrmann aber in Bemühung durch stetes Ausstreiffen dem Feinde alle Zufuhr abzuschneiden. Den vierdten Morgen aber sahe man auf der Nord-Seite ein starckes Heer Strom-abwerts zurücke ziehen / und zwar darinnen eigentlich alle drey güldene Adler gläntzen. Jedermann glaubte: es wären alle drey Römische Legionen / und also das gantze Heer; besonders weil die Kundschaffter berichteten: daß in des Tiberius Läger alle grosse Gezelte des Feldherrn und der Obersten abgenommen / wenig Kriegs-Zeichen aber nur noch aufgerichtet wären. Der Feldherr konte sich schwerlich bereden lassen: daß er auf dieser Seiten / wo der Catten gröste Macht stünde / zurücke gehen / und sich gleichsam zwischen Thür und Angel stecken solte. Daher ertheilte er Befehl: daß etliche hundert der leichtesten Reiter sich nähern /und insonderheit: ob wahrhaftig die Römischen Legionen dabey wären / erkundigen solten. Denn ob zwar Hertzog Herrmann wol wuste: wie hoch und heilig bey den Römern die güldenen Adler gehalten / in Feyern eingebalsamt / bey selbten Eyde geleistet / von Ubelthätern für ihre Zuflucht erkieset / ja so gar angebetet / und anderer Götter Bildern vorgestellet würden; so war ihm doch auch nicht unbekandt: daß Tiberius die Götter für Undinge / den Gottesdienst aber zu nichts / als die Leute damit zu betrügen dienlich hielt. Nach dem aber die Reiterey einstimmig berichtete: daß alles Römisch-gekleidetes Volck / und nicht halb so viel Gallier darbey wären; muste er nur dem gemeinen Irrthume beyfallen / und umb [240] dem Tiberius auf dem Fusse zu folgen / sein Heer übersetzen. Es war nur noch ein Drittel zurück; und die Deutsche Reiterey unter dem Fürsten Siegesmund hieng sich schon auf des Feldherrn Befehl an den Römischen Nachzug / als diesem angedeutet ward: daß auf der Sud-Seite Tiberius mit allen dreyen Legionen auf die noch über dem Strome stehende Deutschen loßgienge. Hertzog Hermann / welcher nicht wuste / auf welcher Seite eigentlich die rechten Legionen stünden / ward hierüber nicht so sehr verwirret als beschämet: daß Tiberius durch diese Krieges-List ihm eines angebunden hatte. Der Nachdruck des Anfalls und etliche gefangene Gallier aber vergewisserte ihn allzu bald: daß Tiberius auf der Sud-Seite beym Anfalle wäre. Jubil und andere Krieges-Obersten riethen: der Feldherr solte das zurück-gebliebene Fuß-Volck vollends herüber ziehen / und die solches beschirmende Reiterey endlich durchschwemmen lassen. Hertzog Herrmann aber weigerte darein zu willigen / weil dis einen Schein einer schimpflichen Flucht abbildete / auch ohne Verlust etlicher tausend Deutschen nicht geschehen könte. Maßen er denn dem Hertzog Jubil ein Theil des Heeres zu Uberwindung der in Römische Kleider versteckten Gallier anvertraute; allen andern aber über den Meyn zu setzen / und den Römern die Stirne zu bieten anbefahl. Er selbst sprengte mit dem Pferde in den Meyn / und gab darmit nicht nur seinen hundert Rittern / sondern der gantzen Reiterey Anlaß ihm zu folgen; ungeachtet die Römer gegen über am Ufer in voller Schlacht-Ordnung hielten. Alleine auch das deutsche des Schwimmens gewohnte und ohne dis halbnackt streitende Fuß-Volck ließ sich / weil die Faß-Brücke zu schmal / der Flößen zu wenig und zu langsam waren / sich weder den Strom noch den Feind abschrecken: daß sie nicht ihre Waffen und Geräthe auf den Rücken banden / und überschwa en. Was inmittelst der Fürst von Ascanien und der Graf von Waldeck bey der Reiterey / der Graf von Witgenstein und Diepholt bey dem Fuß-Volcke ausstehen musten / ist kaum glaublich; weil Tiberius / in Meinung alles im ersten Anlauffe über einen Hauffen zu werffen / nicht nach sonst gewohnter Art der Römer die Hülfs-Völcker / sondern die Römischen Legionen mit ihrer zugehörigen Reiterey voran führte; mit den Thraciern / Galliern / Pannoniern / Cretischen und Valearischen Schützen aber das Ufer besetzte / um der Deutschen Uberkunfft zu verwehren. Weil aber so wol die Noth / indem sie wegen des am Rücken habenden Meyns nicht weichen konten / als die Tugend den Deutschen eine schier unmenschliche Gegenwehr aufbürdete; worbey ihre Führer Löwen fürbildeten /schlug des Tiberius vernünftiger Anschlag gleichfals wider ihn aus. Denn Hertzog Herrman setzte anfangs mit seiner Leibwache / worvon alleine der Ritter Kwast von einem durchs Hertz fahrenden Pfeile im Strome umbkam / gegen die Thracier am Ufer festen Fuß. Wiewol sie nun viel tausend Pfeile und Wurf-Spiße bewillkommten / machten doch die Ritter über ihren Feldherrn mit ihren zusammen gesetzten Schilden gleichsam ein Gewölbe: daß sie wenig schaden konten. Unterdessen kam auch Fürst Siegemund mit hundert Cheruskischen Edelleuten ans Land / und in einer halben Stunde standen über vier-tausend deutsche Reiter gegen die den Fluß bewahrenden Feinde im Gefechte; ja der Feldherr / nach dem er am Rücken dem Fuß-Volcke auszusetzen Raum gemacht hatte /drang mit tausend Pferden durch mehr als acht-tausend Thracier und Pannonier den Fürsten von Ascanien zu entsetzen / welchem der mannhaffte Cäcina mit fünf-tausend meist freywilligen Edelleuten / als dem Kerne der Römischen Reiterey / überlegen war. Der Feldherr kam gleich zu rechte / als die Noth an Mann kommen war. Denn drey-hundert deutsche Edelleute hatten [241] für ihr Vaterland schon den Geist ausgeblasen / und unter denen übrigen zwölf-hunderten war keiner / der nicht siebenmal getroffen / und zum wenigsten drey Wunden hatte. Gleichwol kriegten diese schon in ziemliche Verwirrung gerathene Ritters-Leute durch des Feldherrn Ankunfft eine neue Seele / ja mehr Kräfften und Muth / als sie anfangs gehabt hatten. Daher denn Cäcina / wie weh es ihm auch thät / in weniger Zeit wol hundert Ellen breit Erde verspielte; welche am Rücken denen überschwemmenden Deutschen einen sichern Furth machte. Siegesmund auf der andern Seite entsetzte den von Feinden rings umbher eingeschlossenen Waldeck zwar mit heldenmäßiger Tapferkeit; aber mit einem besondern Ebentheuer. Denn nach dem die Deutschen auch daselbst Lufft kriegten / einer ihrer Heerführer aber mit seinem Hauffen / da alle andere wiechen /keinen Fußbreit Erde entraumen wolte / machte er sich selbst an ihn / hob ihn auch nach hartneckichter Gegenwehr aus dem Sattel. Dieser wäre in dem Gedränge von den Pferden tausendmal zertreten worden /wenn nicht sein Unglück des ihm von einem Pferde abgetretenen Helmes das Leben erhalten hätte. Denn Siegesmund erkennte ihn für seinen Vater Segesthes; welchen das Verhängnüs gleichsam dazu besti t hatte: daß weil er wider sein Vaterland den Degen führte / von niemanden als seinen Kindern überwunden werden solte. Siegesmund ward für Erstaunung hierüber gleichsam zum Steine / hernach wendete er sein Pferd auf die Seite / umb weder sich noch seinen Vater durch sein Erkäntnüs mehr zu beschämen. Der Graf von Bentheim erkennte gleichfals Segesthen /ließ ihn also aufheben und auf die Seite bringen. Mitlerzeit kriegte das deutsche Fuß-Volck gleicher gestalt Verstärckung / Lufft / und statt des getödteten Grafen Diepholt / an dem Ritter Zulenstein einen neuen Hauptmañ. Hertzog Jubil aber hatte auf der andern Seite die verkleideten Gallier / welche Tiberius ohne dis unter dem prächtigen Scheine der Römischen Kleider und falschen Adler gleichsam nur auf die Schlacht-Banck dahin geschickt hatte / zertrennet /zwey vergüldete Adler erobert / also: daß der lincke Flügel in völlige Flucht gerieth. Des Tiberius Hertze kochte inzwischen nichts als Galle / als so viel andere Blut ausliessen; gleichwol aber verstand er es rathsamer zu seyn seiner Rache was abzubrechen / als das gantze Römische Heer in Gefahr zu setzen / welches er für Augen sahe / wenn er die völlige Uberkunfft des deutschen Heeres erwartet hätte. Daher schickte er anfangs alles schwere Krieges-Geräthe fort; hernach ließ er bey den Legionen die zum Zeichen des Kampfes auf drey lange Spiße ausgesteckte Purpur-Röcke abnehmen / und vom Treffen abblasen. Die übrige Römische und anderer Völcker Reiterey muste inzwischen an die Lücke treten / bis das Fuß-Volck ein gut Stücke voran hatte / und Strom-abwerts einen Berg erreichte. Diesem folgte sofort auch die Reiterey; welche die Deutschen zwar verfolgen / der Feldherr aber es nicht erlauben wolte. Denn ob zwar nicht über tausend Deutschen / der Feinde aber auf dieser Seiten über fünf-tausend blieben waren; so hatten doch jene viel Verwundete / und waren wegen des beschwerlichen Hin- und Ubersetzens mehr als diese abgemattet. Jubil ward hierüber auch völliger Meister des Feldes. Denn als die Gallier die Römer auf die Höhe weichen sahen / warffen sie die Waffen nieder. Die übrige Reiterey flohe in die Püsche / alles Fuß-Volck aber unterwarf sich der Gnade des Uberwinders. Ob nun wol Tiberius sich abermals zu verschantzen anfieng / und / nach des in Epirus überwundenen Philippus Erfindung / beym Feldherrn umb einen Stillestand zu Beerdigung der Todten anhielt / welcher ihm auch auf einen Tag bewilligt ward / so gieng er doch noch selbige Nacht durch / und fanden die Deutschen auf den Morgen im Römischen [242] Läger zwar eine grosse Anzahl Zelten / verwundete Pferde / zerbrochen Kriegs-Geräthe / aber keinen Menschen / als unnütze Stallbuben / Pfeiffer und Pauckenschläger / welche des Nachts die Wach-Feuer unterhalten / und die Aufzüge der Wachten geblasen hatten. Bey dieser Vergewisserung brach der Feldherr stracks auf / befehlichte auch nicht allein den Fürsten Jubil auf der rechten Seite des Meyns / wie er auf der lincken / dem Tiberius zu folgen / sondern erinnerte auch den Hertzog Arpus durch einen Edelmann dem Tiberius unten den Weg zu verlegen. Wiewol nun beyde diesem treulich nachlebten; so kam doch Tiberius / weil die Furcht schnellere Flügel als der Sieg hat / allen zuvor; wie er deñ auch aus dem festen erstẽ Läger / darinnen sie wegen der Catten stetigen Streiffens ohne dis schon Noth litten /alles Kriegs-Volck an sich zoh / und im eusersten Winckel zwischen dem Rhein und Meyne / Meyntz gegen über ein neues Läger befestigte. Weil nun diesem auf keine Weise beyzukommen war / ward der Feldherr mit dem Hertzog Arpus schlüssig gegen Ingelheim eine Brücke über den Rhein zu schlagen /welches sie denn auch in zwölf Tagen bewerckstelligten; und hierdurch den Tiberius aus Beysorge: es möchte Germanicus von ihm abgeschnitten werden /nach Meyntz überzugehen nöthigte. Zumal / da Marcomir bis unter Trier streifte / und halb Gallien unruhig machte. So bald die Cherusker und Catten über den Rhein waren / machte sich Hertzog Arpus mit seinen Catten für die von den Römern an den Rhein und die Nave gelegte Festung Bingen / eroberte selbte auch den fünften Tag mit Sturm.

Mitler-Zeit war es dem Germanicus beym Ubischen Altare mit seinen drey Legionen / und viertzig-tausend Hülffs-Völckern nicht viel glücklicher gegangen. Denn ob er zwar bey selbiger Festung eine so feste Brücke als zu Meyntz über den Rhein hatte / so fand er doch von den Sicambern / Tencterern und Juhonen / welche sämtlich dem Hertzog Melo gehorsamten /alle Pässe derogestalt besetzt: daß seine klügste Anstalten durchzubrechen mißriethen / und darüber etliche tausend Gallier / derer Blut von den Römern ohne dis für geringes Wasser geachtet ward / ins Graß bissen. Germanicus sammlete hierauf alles / was von Schiffen nur zu bekommen war / ließ die Mosel herab viel Holtz-Flößen bringen / setzte darauf sein meistes Fuß-Volck / ließ ein Theil seiner Reiterey von der rechten Seiten des Rheins aus dem Lager zurück auf die lincke Seite gehen / mit ausgebreitetem Ruffe: daß er mit seiner gantzen Macht unterhalb des Sieg-Stromes landen wolte. Zu dessen mehrer Beglaubigung er denn des Nachts zwei-hundert mit Galliern und unnützem Gesinde besetzte Schiffe in Römischer Tracht abfahren / etliche gefangene Deutschen auch mit Fleiß entrinnen ließ / welche dem Hertzog Melo hiervon Nachricht gäben. Dieser ward hierdurch auch zwar verleitet: daß er seinem Sohne Franck die Verwahrung des sieben-gipflichten Berges Rhetico / dem Hertzoge Ganasch des Siege-Stromes anvertraute; er selbst aber mit der meisten Sicambrischen Macht den Rhein hinab zoh / und die ober und unter der Wupper stehenden Bructerer / Usipeter und Tencterer ihrer Schantze wol wahrzunehmen warnigen ließ. So bald Germanicus hiervon Nachricht erhielt / führte er des Nachts alles hinüber gezogene Volck ohne Klang und Spiel wieder ins Läger über die mit Mist und weichen Tüchern bedeckte Brücke / ließ Menschen und Vieh wol pflegen / und zwey Stunden für Tage führte er durch alle drey Pforten das gantze Heer bis auf eine kleine Besatzung aus dem Läger / gerade dem Sieg-Strome zu. Eine Stunde vorher aber hatte Germanicus unter dem Munatius Plancus zwey-tausend auserlesene mit leichten Leuten und anderm Sturm-Zeuge versehene Römer zur Haupt-Pforte ausgelassen / welche von etlichen des Gebürges kündigen Ubiern geführet[243] wurden; und eines der sieben vom Melo bewahrter Schlösser überrumpeln solten; weil von selbtem alle Anschläge der Römer übersehen wurden / und dardurch auch der sichere Einbruch in der Sicambrer Land verhindert ward. Die Abrede war: daß Plancus in möglichster Stille das Gebürge ersteigen / aber nicht ehe stürmen solte / bis Germanicus ihm durch angezündete Fackeln seinen Angrief am Sieg-Strome wissend machen würde. Alles dis gieng wol von statten; und wurden die Chauzen der Römer ehe nicht gewahr / als bis schon zwey-tausend Römische Reiter mit so vielen auf die Pferde genommenen Fuß-Knechten durchgeschwe t; das Fuß-Volck aber eine grosse Menge Flößen in Fluß gebracht hatten. Hertzog Ganasch / welcher seinen Stand an dem gefährlichsten Orte nemlich an dem vom Sieg-Flusse bis ans Gebürge gemachten / und mit dicken höltzernen Pfälen besetztem Land-Graben hatte / war eine Meilweges davon entfernet / aber gleich in Besuchung der Wachen beschäftigt. Die von ferne blinckenden Fackeln aber waren ihm alsbald so verdächtig; daß er Lermen blasen / und sein gantzes Volck zu den Waffen greiffen ließ. Unterdessen traf der mit fünf-tausend Chaucen und Chamavern an dem Sieg-Strome stehende Graf von Delmenhost mit denen am ersten zusammen gerafften tausend Reitern auf die übergesetzten Römer / und zwar wegen bewuster Gelegenheit des Ortes mit solchem Vortheil: daß / wenn nicht zugleich tausend Römische Fuß-Knechte über / und ihn in Rücken kommen wären / Die Römische Reiterey mit Gewalt in Strom getrieben worden wäre. Nach dem aber der Ritter Arenberg mit tausenden zu Fuß / und Schauenburg mit fünf-hundert Chauzischen Edelleuten zu Hülffe kam / trieben sie die Römer wieder über Hals und Kopf in den Fluß. Unterdessen aber hatte Mennius am Strome weiter hinauf mit tausend Römischen / und drey-tausend Dalmatischen Reitern / Cajus Cetronius auch schon mit der Helffte der ersten Legion festen Fuß gesetzt / nach dem der Graf von Spiegelberg mit fünf-hundert Pferden / und der Graf von Tecklenburg mit tausend Fuß-Knechte eine Stunde lang die Ländung hertzhafft verwehret hatten. Hiermit wäre alles bund über Ecke gegangen / wenn nicht der vom Hertzog Ganasch mit tausend Pferden zuvorangeschickte Graf von Oldenburg den Deutschen zu Hülffe kommen wäre; und dem Mennius hertzhaft begegnet hätte. Alleine auch alle diese Gegenwehre wäre bey nunmehr hellem Tage ein unnützes Spiegelfechten gewest / weil der Sieg-Strom über eine Viertel-Meile lang / durch eingeworffene Bäume / Flößen / bebrettete Nachen wegbar gemacht worden war / wenn nicht Hertzog Ganasch endlich selbst mit acht-tausend Chauzen und Friesen zu Hülffe kommen wäre / und den Deutschen unter andern auch dardurch ein Hertz zugesprochen hätte: daß dieser Strom der Anlaß ihrer wieder erlangten Freyheit wäre / und den Römern alldar weder Stern noch Glücke begegnen könte; weil der vom Varus beleidigten und in dem Flusse ertrunckenen Sicambrischen Fürstin Geist wider die Römer selbst kämpfte. Welche Zuredung er gleich brauchte / als etliche auf verborgene Pflöcke ko ende Nachen umbschlugen und die Feinde ersäufften. Weil nun der Aberglaube auch die Weichhertzigen hartnäckicht macht / war kein Wunder: daß diese hertzhafte Deutschen durch solche Einbildung /und ohne dis geschöpfte Verbitterung gleichsam gegen die verhaßten Römer raseten. Sie schwammen theils selbst in Fluß / stürtzten die feindlichen Schiffe umb; und wenn ihnen die Hände abgehackt wurden /hielten sie sich an selbte mit den Zähnen an. Germanicus hingegen brauchte sich auf der andern Seite nicht nur seiner Kriegs-Wissenschafft und Hertzhaftigkeit /[244] sondern ebenfals der Andacht zu Erlangung seines Zweckes. Denn er ließ sieben Altare an diesen Fluß /wie Agrippa ans Meer / aufrichten / dem Sieg-Strome opfern / das Fleisch in sein Wasser werffen / und seinen Schutz-Geist durch Gelobung eines Tempels in Rom ausruffen. Ob nun zwar beyderseits alles möglichste versucht / die Verwundeten getröstet / die Furchtsamen durch anderer Beyspiele aufgemuntert /die Tapfern durch Lob / wie die Pferde durch Zuspruch zu ungemeinen Thaten aufgemuntert wurden /beyde Feldherren auch hinten und vorne waren; blieb doch das Gefechte über eine Stunde in gleicher Wage stehen / weil den Römern die grosse Macht / den Deutschen der Strom und die hin- und wieder gesetzten Sturm-Pfäle einen Vortheil machten. Inzwischen hatte sich Plancus an das fürnehmste Schloß des Ubischen Sieben-Gebürges so heimlich geschlichen: daß die Schildwache der Römer nicht ehe gewahr ward /bis daß der über die Mauer gestiegene Römische Hauptmañ Camillus ihm den Degen durch den Leib stach. Ein einiger Schall dieses Sterbenden ermunterte gleichwol die nechste Schildwache: daß sie Lermen rief / und die Wache daselbst nach den Waffen zu greiffen nöthigte. Weil aber allbereit an dem ersten Orte des Angriefs über anderthalb-hundert Römer die Mauer erstiegen / andere über dis wol funfzig Leitern hin und wieder angelegt hatten / und dort und dar festen Fuß zu setzen anfiengen / also die Besatzung nicht wuste / wo sie dem Feuer am ersten zulauffen solten / entstand unter den Deutschen aus Beysorge einer Verrätherey keine geringe Verwirrung. Gleichwol beseelte der Ritter Metternich die Erschrockenen mit freudiger Aufmunterung / und theilte sein ihm anvertrautes Krieges-Volck bis auf ein zum Hinterhalte nöthiges Drittel in der Festung so vorsichtig zur Gegenwehr aus: daß kein eines Angriefs fähiger Ort unbesetzt blieb. Unterdessen aber bemächtigte sich Camillus eines grossen rundtẽ Thurms / von welchem er das dritte Theil der Mauern durch zweyhundert hinaufgebrachte Römische Bogenschützen bestreichen ließ; also daß für denen Pfeilen die Deutschen inwendig bey nunmehr anbrechendem Tage keinen sichern Stand behalten / die Römer aber inwendig auf selbiger Seiten desto sicherer stürmen konten. Metternich sahe nunmehr wol / wo die Noth am grösten war; gleichwol aber war es schwer selbter zu rathen; weil alle daselbst hingeschickte Deutschen den Römischen Schützen gleichsam nur zum Ziele fürgestellet wurden. Weil aber schon über fünf-hundert Römer auf den Mauern waren / muste zu Erhaltung der Festung kein Blut gesparet seyn; welches bey derselben Ubergehung ohne dis desto schimpflicher verlohren gieng; und Metternich wünschte nichts weniger / als nach Verlust seiner ihm anvertrauten Festung / welche jedem Befehlhaber fester / als sein Ehweib angetraut seyn soll / sein Leben zu behalten. Er befahl diesemnach: daß die Helfte seiner zum Hinterhalte verbliebenen Deutschen sich mit etlichen Schütten Stroh und Reisig-Gebündern armen / und von selbten unter der eroberten Mauer gleichsam einen Ta aufrichten solten; als inzwischen der Ritter Willich auf einem / und Wachtendonck auf dem andern Thurm männliche Gegenwehr thäten; daß die Römer nicht ferner dringen /und sich der innersten Schloß-Mauer befestigen konten. Weil sowol das Stroh als Reisicht denen Deutschen gleichsam wider die feindlichen Pfeile zu Schilden diente / wurden so gar Weiber und Buben keck hierbey hülfbare Hand zu reichen; also: daß in einer geschwinden Eyl ein unglaublich groß und langer Hauffen zusammen getragen / auch das zwar ohne dis kühnichte Holtz mit vielem Pech untermischet ward. Diesen Stoß ließ der Ritter Metternich auf einmal an vielen Orten anzünden; nöthigte also den Feind durch Hitze und Rauch die eroberte Stadt-Mauer zu verlassen / und sich theils zum [245] Camillus auf den platten Thurm zu retten / theils über die Mauern zurück zu steigen; wiewohl bey diesem Gedränge ihrer viel herab stürtzten; und nicht weniger im Rauche erstickten. Inzwischẽ aber hatte der Anführer Plancus selbst auf der andern Seite / wo der Fels am abschüssigsten war / und die Deutschen ihnen von keinem Feinde träumen liessen / durch eine künstliche Art Leitern /welche nicht unter- / sondern Seitwerts ihren Fuß und Stand hatten / sich eines andern Thurmes bemächtigt /welcher in den innersten Schloß-Hof gieng / und fast alle innere Brustwehren überhöhete; also daß auch viel hertzhafte sich schon für verloren hielten / und Metternich selbst mit seinen übrigen Kriegsleuten dieser Noth zulauffen / und sich unten in den Thurm wagen muste / die Römer aus dieser schädlichen Uberhöhung zu treiben. Es war Schade: daß in der Finsternüß dieses Thurmes so viel tapfere Thaten beyder Theile verdüstert bleiben solten; welche würdig waren von der gantzen Welt gesehen zu werden. Denn die Römer drangen auf beyden Stiegen herab um den Schloß-Hof zu erobern / die Deutschen aber hinauf die Römer herab zu stürtzen. Nachdem aber diese mit noch tausend Römern und so viel Galliern aus dem Läger verstärcket wurden / und Metternich mit einem Steine heftig verwundet ward: daß er für todt weggetragen ward; wie nicht weniger nach ausleschendem Feuer / das aus Mangel mehrern Strohes und Holtzes nicht länger unterhalten werden konte; die Römer die verlassene Mauer aufs neue erstiegen / wäre es umb diese Festung gethan gewest / wenn nicht Hertzog Franck / welcher nach mässigem Tages-Schlafe alle Nächte wache war / und bald diese / bald jene Post selbst verwahrte / am allerersten die Schwenckung der Fackeln in dem vierdten Schlosse wahrgenommen /und aus klugem Mißtrauen mit Aussteckung vieler Pech-Kräntze von den Thürmen auf dem gantzen Sieben-Gebürge Lermen gemacht / auch alsbald zwey tausend Deutschen zusammen gebracht / und nach ausgespürtem Angriffe der Haupt-Festung selbter damit zugeeilet hätte. Er kam gleich dahin / als die Noth am grösten war / oder vielmehr denen Bestürmten das Wasser schon biß in Mund gieng; wiewohl der Ritter Willich noch männlich des Metternichs Stelle vertrat / und sich bescheidete: daß bey eingebildetem Siege auch die Feigen / bey verzweifelten Zufällen aber die Helden nicht ihre Hand sincken liessen. Hertzog Franckens erste Sorge bey so gefährlichem Zustande war / denen Bestürmten seine hülffbare Gegenwart mit Schwenckung der deutschen Kriegs-Zeichen auf einem dem Schlosse gegen über liegenden Felsen / und durch etliche auf Gallisch verkleidete Kundschafter wissend zu machen. Hernach theilte er sein Volck in zwey Theil / gab eines dem Ritter Waßenar / das andere behielt er für sich / und kletterte jener auf der Ost- / er selbst aber auf der gefährlichsten West-Seite gegen dem Rheine das Gebürge hinauf. Des Hertzogs erste Arbeit und Glücke war: daß er fünf hundert zu Abwendung aller sich etwan nähernden Hülffe vorbehaltene Römer / wiewohl an einem vortheilhaften Orte angrieff / nach hertzhafter Gegenwehre von ihrer Höhe herab trieb / und über Hals und Kopf den Berg hinab jagte. Waßenar kam auf der andern Seite den Stürmenden / und nichts als Sieg und Palmen ruffenden Römern auf den Hals /welche nunmehr schon den gantzen Vorhof erobert hatten / und über Aufsprengung der innersten Schloß-Pforten bemühet waren. Als er nun eine ziemliche Anzahl Sturm-Leitern zu Bodem gerissen hatte / drang er in den Vorhof mit dem Kerne seines Volckes hinein /zwang auch die Römer der Pforten-Stürmung zu vergessen / und dem ihnen auf den Rücken und die Haube sitzenden Feinde zu begegnen. Worüber das Stürmen sich in eine blutige Schlacht verwandelte. Herzog Franck aber brauchte sich der Römischen[246] Sturm-Leitern zu seinem grossen Vortheil / und ließ den Ritter Kallenfels den vom Camillus eroberten Thurm stürmen; er selbst aber stieg mit zwantzig auserlesenen Rittern selbst in die bedrängte innerste Festung hinein / worinnen auch die weichhertzigsten Bestürmten wegen so unvermutheter Hülffe nunmehr zwey Hertzen / und die abgemattesten vier Hände zu bekommen schienen. Ihr einiger Hertzog deuchtete sie mehr / als tausend Feinde zu seyn / und also kriegte der Kampf in kurtzer Zeit ein gantz ander Gesichte. Denn die Römer kriegten nunmehr auf allen Seiten Feinde vor- und rückwerts; kamen also / weil zwar die Klugheit für und hinter sich sehen / die Tapferkeit aber sich nur vorwerts beschirmen kan / zwischen Thür und Angel / ihre fürnehmsten Hauptleute Camillus / Cepin / Terentius und andere blieben todt; daß also die übrigen sechs hundert Kriegesleute / darunter aber kaum einer verwundet war / mit ihren Häuptern auch das Hertze verlohren / und mit Wegwerffung der Waffen des Siegers Gnade sich unterwarffen. Plancus der Oberste selbst muste in diesen sauern Apfel beissen / weil die Deutschen ihm mit Zerdrümerung seiner künstlichen Leitern / den Rückweg vom erstiegenen Thurme abgeschnitten hatten; wiewohl die nebst ihm darauf besetzten Römer den Plancus kaum bereden konten: daß er sich nicht über die Zinnen und Felsen herab stürtzte. Der sieghafte Hertzog Franck wolte gegen diesem hertzhaften Römer erweisen: daß die Deutschen zwar streitbar / aber nicht wilde Menschen wären; ließ dem Plancus melden: daß er von einem so edlen Gefangenen den Degen selbst empfangen wolte. Welche höfliche Erklärung und darauff folgende freundliche Bezeigungen denn des Plancus ziemlich verstörtes Gemüthe / weil von seinen viertausend auserlesenen Kriegsleuten kaum drey hundert ins Läger entkommen / der Deutschen aber mehr nicht als vier hundert todt blieben / und hundert sehr gefährlich verwundet waren / ein wenig beruhigte. Alleine Hertzog Franckens feuriges Gemüthe war mit diesem heiligen Siege so wenig als eine grosse Flamme mit wenigem Zunder vergnügt. Weil er nun Nachricht bekam: daß Hertzog Ganasch eine Meil weges davon an dem Sieg- und Acker-Strome mit dem Germanicus einen harten Stand hatte / ließ er ihn nicht allein alsbald seinen Sieg wissen / sondern auch versichern: daß er ihm durch einen Anfall in der Römer Rücken bald Lufft machen wolte. So bald er auch dem Ritter Willich die Verwahrung des Gebürges / die Vertheilung der Gefangenen / und andere nöthige Anstalten anvertraut hatte / nahm er alles nur entbehrliche Kriegs-Volck mit sich vom Gebürge herab / unter welchem er seinem anfangs ertheilten Befehle gemäß / schon den Grafen von Sem mit zwölff hundert Reitern / und den Grafen von Wied mit zwey tausend aus dem Gebürge zusammen gezogenen Fuß-Knechten fertig stehen fand; also er bey nahe mit 5000. Mann dem Germanicus recht in Rücken gieng. Franck gebrauchte sich hierbey mehrer Hörner-Bläser / als nach seiner Mann schafft bräuchlich war / umb dem Feinde einen desto blauern Dunst für die Augen zu machen. Er selbst thät mit der Helfte der Reiterey auf der lincken / der Graf von Sem auf der rechten Seite den ersten Angrieff; und in der Mitte führten der Graf von Wied und Sleiden / wie auch der Ritter Wachtendong das Fuß-Volck an. Dieses traff auf die gantze zehnde Legion des Sextus Apulejus / welche Germanicus als den Kern seinẽs gantzen Krieges-Heeres zum Hinterhalte gestellt hatte. Hertzog Franck aber traff auf ein Theil des Germanicus Leibwache zu Rosse / und zwar mit einem solchen Nachdrucke: daß sie biß an den Sieg-Strom / wo Germanicus nunmehr den Meister spielte / und schon mit zehn tausend Mann übergesetzt hatte / zurück wiechen. Dieser einige glückliche[247] Streich / weil er unvermuthet war / und das hinterwerts sich erregende Kriegs-Geschrey machte unter dem gantzen Römischen Heere kein ungemeines Schrecken / und hemmete auf einmal so wohl vorige Hurtigkeit als die Begierde über den Strom zu kommen. Dem klugen Germanicus selbst ward hiermit auf einmal sein Spiel verrückt; weil er nicht wohl begreiffen konte: woher ihm ein Feind in Rücken käme? sonderlich da er für zwey Stunden vom Plancus vergewissert worden war: daß Camillus auf einem / er selbst auf dem andern Thurme der bestẽ Berg-Festung die Römischẽ Kriegs-Zeichen aufgesteckt / und die völlige Eroberung schon gleichsam in Händen hätte. Alleine es brachte ihm ein aus dem Römischen Läger spornstreichs herzurennender Römer mit dieser schlechten Zeitung die Erleuterung seines Kummers: daß Plancus vom Hertzog Franck überfallen / und mit allen vier tausenden Römern und Galliern erschlagen worden wäre. Germanicus / welcher wohl wuste: daß ein Feldherr allezeit einen Kopf voller Gehirnes / aber offt ohne Zunge haben solte / sagte kein Wort; als daß dieser traurige Bothe keiner Seele kein Wort hiervon melden solte; setzte gleich wohl aber voller Unmuth über den Sieg-Strom zurück / umb die wahre Beschaffenheit des neuen Anfalls selbst so viel gewisser zu erkundigen. Ob sein Gemüthe nun zwar bey Verwandelung der Zufälle allezeit unverrückt / und sein Verstand aufgeräumt blieb / konte er sich doch nicht enthalten / den ersten ihm begegnenden Römer von seiner flüchtigen Leibwache zu durchstechen / und bald darauf dem sie führenden Hirtius anzudeuten: daß er sie alle durchs Joch treiben wolte / wo sie die Scharte einer so schändlichen Flucht nicht bald auswetzen würden. Germanicus befand die zehnde Legion gegen das deutsche Fuß-Volck und des Grafen von Sem Reiterey in einem hitzigen Gefechte / weil auf beyden Theilen so wohl die Obersten als Gemeinen ihr Ampt männlich vertraten / und keines dem andern einen Fußbreit Erde weichen wolte. Insonderheit sahe Germanicus mit Lust den sechzehnjährigen Sulpitius Galba sein erstes Schul-Recht ablegen / ungeachtet er noch nicht im Capitolium zu Rom den bürgerlichen Manns-Rock angelegt hatte. Daher ihm auch Germanicus zuruffte: Er solte also fortfahren / so würde er mit der Zeit ein grosser Feldherr / und ein mächtiger Herrscher / als sein Anherr Minos / werden. Hertzog Franck aber war inzwischen unter zwey tausend theils Gallische / theils Pannonische Reiter eingebrochen /welche er nunmehr in völlige Unordnung bracht hatte. Daher ließ Germanicus tausend der besten Römischen Reiter gegen dem Hertzog Franck herfür rücken; und weil er hierdurch alles in gute Ordnung versetzt /sonst aber mehr keinen Vorbruch einigen Feindes sahe / kehrete er umb gegen dem Sieg-Strome seinen daselbst erhaltenen Vortheil mit einem völligen Siege auszumachen. Alleine weil der Zustand daselbst auch gantz verdrehet war / seufzete er in Erwegung: daß man das Glücke auch wenige Augenblicke nicht in der Schnure führte / und keine grössere Verfälscherin künftiger Dinge als die Hoffnung wäre. Denn als des Hertzogs Melo an tausend Tencterischen Reitern bestehender Vortrab unter dem Grafen von Isenburg an den in Rhein fallenden Wipper-Fluß kam / fand er daselbst im Rheine eingesäufftes Schiff / aus welchem etliche zwantzig Gallier und fünf Römer ans deutsche Ufer geschwommen waren. Diese nahm Isenburg als bald absonderlich scharff für / und brachte von ihnen durch scharffe Bedräuung diß einmüthige Bekäntnüß heraus: daß ihr des Nachts an einem im Strome liegenden Baum gestossenes Schiff eines von denen zweyhunderten wäre / welche Germanicus nach der vom Drusus zwischen dem Rheine und der Erpe gebauten Festung Novesium geschickt hätte. Isenburg forschte alsofort genau: Ob denn Germanicus nicht selbst auf den Schiffen [248] wäre? Alleine sie verneinten es; gleichwohl aber wäre im Ubischen Läger die Rede gegangen: daß er auf der Westlichen Land-Seite mit der Reiterey und grösten Macht folgen würde. Auf fernere Nachfrage: was für Volck auf den Schiffen gewest wäre; sagten die Römer zwantzig / die Gallier aber nur sechs tausend Mann aus. Daher er die Widersprechenden einander unter Augen stellte; und hiermit die Römer übersti te; welche denn auch nur gestehen musten: daß es kaum sechs tausend Kriegesleute / darunter aber nur fünff hundert Römer / das übrige nur unbewehrtes Gesindlein gewest wäre. Der Graf von Isenburg schickte hundert Tencterische Reiter mit diesen unter sie vertheilten Gefangenen / und zwar auf zehn unterschiedenen Wegen Augenblicks in höchster Eil zurücke / umb dem Hertzog Melo von allem ausführliche Nachricht zu ertheilen. Der Ritter Borckeloh traff den Hertzog mit dem gantzen Heere nur eine Meile zurück an: welcher alsobald aus allen Umbständen urtheilte: daß ihm der schlaue Tiberius eines angebunden hätte. Diesemnach ließ er allein den Grafen von Mörß mit fünf hundert Usipetischen Reitern und drey tausend Fuß-Knechten dem Grafen von Isenburg folgen / welcher mit der halben Macht an der Wipper / der Graf von Mörß aber zwischen dem Rheine und dem Düssel-Strome den Feind beobachten solte. Sein übriges gantzes Heer aber muste auf dem Fusse umbkehren; und weil ihm nichts guts ahnete /gieng er mit sechs tausend am besten berittenen Sicambern und Tencterern vor an / erhielt auch in einer halben Stunde von des Germanicus Anfalle / bald darauf von Stürmung des Berges Rhetico / und ie näher er kam / von dem heissen Bade des Hertzogen Ganasch und seiner Chautzen ie gefährlichere Nachrichten. Die Noth gab denen Deutschen so wohl als die Sporne den Pferden gleichsam Flügel: daß Melo in vier Stunden / ungeachtet des rauen Weges / an den Sieg-Strom kam / als die Noth recht an Mann kommen war. Denn nachdem der Graf von Spiegelberg sechs Stunden lang mit unglaublicher Tapferkeit den Cajus Centronius / der Graf von Schauenburg den Mennius aufgehalten hatte; ward dieser endlich /nachdem er über zwantzig Wunden bekommen / ohnmächtig aus der Schlacht geführet; jener aber von den Römern umbringt; und weil sein siebendes Pferd mit ihm fiel / fast mit unzehlbaren Wunden getödtet. Der Graf von Teckelnburg / welcher zeither Wunderwercke gethan hatte / ward hierdurch gezwungen mit seinem Fuß-Volcke sich von dem freyen Strome an einen brüchichten Pusch zu ziehen / umb von der Römischen Reiterey nicht zertreten zu werden. Hiermit kriegte Germanicus Lufft an diesem Orte wohl mit zehn tausend Kriegsleuten über dem Sieg-Strom festen Fuß / und sie darmit in eine richtige Schlacht-Ordnung zu stellen. Hertzog Ganasch / welcher als ein vollkommener Feldherr nirgends beständig blieb /sondern stets für seinen Stand erwehlte / wo die Gefahr am grösten war / auch darüber schon drey blutige Ehren-Maale beko en / und 4. Pferde eingebüßt hatte / verlohr hierdurch zwar ein Stücke des Ufers / aber nichts von seinem Muthe und Vorsicht. Er gebrauchte sich gegen diesen starcken Feind des gegen über liegenden Sumpfes zum Vortheil; und stellte auf der einen festen Seite dem Germanicus den Grafen von Delmenhorst mit der Chauzischen und Chamavischen Reiterey / und den Ritter Arenberg mit zwey tausend noch zum Hinterhalte verbliebenen Bructerern zu Fusse / auf der andern Seite aber sich selbst mit tausend Chauzischen Reitern entgegen; welchem ein junger Graf Nassau mit tausend Chauzen zu Fusse treulich an der Hand stand. Graf Günther von Oldenburg und der von Teckelnburg musten inzwischen oben und unten mit den Bructerern / Marsen und Friesen den Strom [249] vertheidigen. Ob nun gleich die Römer denen nunmehr über acht Stunden von unaufhörlichem Fechten abgematteten Deutschen mit steter Abwechselung frischen Volckes auf alle ersinnliche Art zusetzten / und einem Manne zehn und mehr entgegen zu stellen hatten / fochten doch die Deutschen so hartnäckicht / als wenn keiner unter ihnen bey empfangenden Wunden eine Fühle / ieder aber einen geschwornen Tod-Feind für sich hätte. Die Römer beseelte des geistigen Germanicus Anführung; welchem sie zu Liebe auch in den offenen Rachen des Todes begierig gerennet wären / und die ungezweifelte Einbildung des Sieges. Die Deutschen aber hielt die Liebe des Vaterlandes / die Furcht für der durch einen so bitteren Vorschmack schon gekosteten Dienstbarkeit / und der sonst ins gemein zur Trennung Anlaß gebende Unterschied der Völcker als eine Kette beysammen. Denn ieder Sicambrer / Bructerer / Friese /Chauce / Chamaver bildete ihm ein: daß es / wenn er flüchtig würde / umb die Ehre seines gantzen Volckes geschehẽ wäre. Alleine / endlich muß auch Stahl springen / Ertzt schmeltzen / Palmen liegen und Felsen zerbersten. Hertzog Ganasch / welcher gleichsam in alle Lücken trat / kriegte so viel Wunden: daß er sich mit Noth mehr auf dem Pferde erhalten konte; daher führte ihn ein Theil seiner hundert zur Leibwache erkieseten Ritter / wiewohl in steten Ohnmachten der Festung Siegsburg zu. Graf Dietrich von Oldenburg der Führer seiner Leibwache aber verwechselte vorher mit dem gleichsam im Blute schwimmenden Hertzoge Ganasch Helm und Schild / und vertrat mit einer so grossen Hertzhaftigkeit / gleich als wenn er zu seinem eigenen nun auch dieses grossen Helden Fürsten-Hertze in seine Brust bekommen hätte / des Hertzogs Stelle: daß wenig Deutsche / und kein Feind des Fürsten Ganasch Ohnmacht und Abzug gewahr wurden. Ob nun wohl diese Lücke ergäntzt war /sprang doch durch des Grafen von Delmenhorst Tod ein ander / und durch des von Teckelnburg gefährliche Verwundung das dritte Glied dieser festen Verfassungs-Kette; also: daß dort die Chaucen uñ Chamaven schon in Unordnung geriethen; hier aber Censorinus mit drey tausend Römern einen neuen Stand über dem Sieg-Strome erhielt. Alles wäre nunmehr sonder Zweifel bund über Ecke gegangen / wenn nicht im Rücken des Römischen Heeres sich ein neues Krieges-Geräusche erregt / und den Germanicus / welcher mit seiner Gegenwart gleichsam als eine irrdische Sonne alle Römer lebhafft machte / daselbsthin gezogen hätte. Nichts desto weniger verärgerte sich der Deutschen Zustand immer mehr. Die keckesten Helden von der Chaucischen und Friesischen Ritterschafft waren todt oder durch Verwundung zum Fechten unfähig gemacht; die übrigen entkräfftete die Müdigkeit; also daß sie mehr aus Verzweifelung als Hoffnung was tüchtiges mehr zu verrichten Stand hielten. Bey diesem betrübten Ungewitter gieng denen zum Sterben schon gantz versteckten Deutschen durch die Ankunfft des Hertzogs Melo unvermuthet eine Sonne auf. Er erkündigte sich in Eil von etlichen Deutschen umb die Beschaffenheit des Nothstandes; und weil die vor Müdigkeit Schläge-bäuchenden Pferde ohne diß etliche Augenblicke verblasen musten /redete er die Seinigen an: Ihr ehrlichen und tapfern Sicambrer und Tencterer! nunmehr habt ihr Gelegenheit euch an eurem Tod-Feinde dem Tiberius zu rächen: daß er euch in seinem Uberfalle arglistig hintergangen / ein gutes Theil eurer Brüder des süssen Vaterlandes beraubet; und aus Mißgunst eurer Tapferkeit sie über den Rhein in Gallien geschleppt hat / gleich als wenn selbiger Himmel eben so streitbare Völcker weibisch / als der Africanische weisse Menschen schwartz zu machen fähig wäre. Zwar Tiberius selbst ist nicht hier / aber sein angenommener Sohn Germanicus. Glaubt aber: daß eigene Beschädigungen denen Vätern nur auf dem verletzten Gliede weh thun / die Wunden der[250] Kinder aber durch Marck und Bein gehen. Hingegen erinnert euch eurer Väter Bindnüsse und Tugend; welche dem Käyser Julius mehrmals heiß gemacht / und euerer eigenen; die ihr bey Aufreibung des Marens Lollius und anderer Römischen Kriegs-Obersten schon so viel mal bewehrt habt. Ihr edlen Tencterer /die ihr auf den Pferden erzogen / und euer Lebtage mehr auff Sätteln / als anderwerts gesessen seyd / zeiget nunmehr den hochmüthigen Römern / daß wie Catten und Sicambrer zu Fusse: also die Tencterer zu Rosse es allen Völckern in der Welt zuvor thun. Machet das wölffische Rom mit der Eitelkeit seines Frolockens durch eure heutige Thaten zu schanden / welches bey des Tiberius Siegs-Gepränge mit diesem Getichte heuchelte: Julius hätte zwar die Sicambrer /Usipeter und Tencterer gezüchtiget / Tiberius aber das gantze Volck der Sicambrer mit seiner gantzen Wurtzel ausgehauen / die Usipeter zu Leibeigenen / die Tencterer zu Zins-Bauern gemacht. Allein es ist hier nicht nur umb Ruhm und Rache / sondern wie es euch der Augenschein weiset / umb eure Wohlfarth / ja umb etwas zu thun / was ihr dieser billich noch vorzieht / nemlich umb die Freyheit. Ihr streitet nicht nur umb diese nothleidende Bunds-Genossen / sondern für euch selbst / eure Ehgatten und Kinder; welche ihr als Zeugen eures Wohlverhaltens auff den nechsten Hügeln euch mit greulichem Geschrey nichts minder zu ihrẽ Erbarmnüß / als zu hertzhaffter Schlacht aufmuntern höret. Die Niederlage des Varus dienet euch zu einem unverwerfflichen Zeugnüsse: daß an der Römischen Unüberwindligkeit nicht so viel Wesen als Geschrey / dieses aber ein allzu stumpfes Gewehre gegen behertzte Deutschen sey. Die wenigen Chaucen und die Handvoll Friesen haben des Germanicus gantzer Macht 8. gantzer Stunden die Stange gebothen; wie soll denn diese nach ihrer Abmergelung euch und denen euch auf der Ferse folgenden Kriegsvölckern die Wage halten? Germanicus ist seiner Tapferkeit halber zwar berühmt; aber er hat hier nicht mit Pañoniern / sondern mit Deutschẽ zu thun / mit derer Kräfften er sich noch nicht geeichtet hat. Zu dem ist er mehr nicht als ein Mensch / gegen den das veränderliche Glücke in Dalmatien geliebäugelt / sich aber mit ihm nie vermählt hat. Den heutigen Tag könnet ihr der Römischen Ehrsucht ein Ziel / Deutschlande eine Gräntze über den Rhein / und eurem Nachruhme über alle Ende der Erden und Zeit ausstecken. Wenn wir aber auch schon zu allem dem uns keine Hoffnung zu machen kämen / so stehen wir schon hier / und die Noth ist bereit an den Mann kommen. Darumb bitte ich euch / umb der Liebe eures Vaterlands halber / bezeuget euch in der That als Männer. Gehe du / Graf von Stirum / mit 1000. Tencterern / und treib den Censorin über den Strom. Du / Graf Steinfurth / beobachte mit so viel Usipetern den Strom / wo wegen unser Schwäche noch nirgends einige Gefahr sich ereignen möchte. Dencket / wie ihr den von euren Ahnen auf euch gestammeten Ruhm mit des Volckes Freyheit auch auff die Nachkommen fortpflantzet. Der Tod scheuet sich für denen / die ihn verachten / er tritt keinem Behertzten auf die Zehen / sondern nur den Furchtsamen in die Fersen. Ich wil den Germanicus heute über den Sieg-Strom treiben / solte ihm gleich meine Leiche zum Steige dienen. Und ich werde mit iedem vergnügt seyn / der heute mich ihm zum Beyspiele der Tapferkeit / oder zur Rechtfertigung seiner Zagheit erkiesen wird. Wiewol die Pferde noch alle von Schweiß raucheten / ward den Deutschen doch des Hertzogs Melo Rede / entweder aus Begierde der Rache / oder den Nothleidenden zu helffen zu lang; oder sie nahmen solche für ein ihnen verkleinerliches Mißtrauen auf; gleich als wenn sie für sich selbsten nicht Hertze genung zu fechten / und Hoffnung zu überwinden hätten. Daher hatte Melo noch das letzte Wort auf der Zunge / als der Graf von Stirum und Steinfurth spornstreichs [251] an ihre besti ten Orte rennten. Melo aber eilte mit seinen vier tausend Reitern /welches alles Sicambrische und Tencterische Ritter oder Edelleute waren / dem härtesten Stande zu; wo der Graf von Oldenburg mehr keinen Athem / wenig Blut / ja nicht einen unverwundeten Soldaten / gleichwohl aber noch das Hertze hatte zwölff tausend Römern durch Hülffe des vortheilhaften Ortes die Stirne zu bieten. Als Melo nun an dem war: daß er treffen solte / sahe er selbst seinen Schild / und darauff das zum Andencken seiner eingebüsseten Tochter erwehlte Sinnen-Bild eines wütenden Löwen an / welcher einen Bär entfleischte / der ihm seine Jungen entführt hatte / umb dardurch gleichsam seine Rach-Waffen zu schärffen. Er band selbst mit dem Lucius Apronius /der die Römische Reiterey führte / an; und ließ den Grafen von Lingen und Ravensberg mit zwey tausend Pferden in die erste Legion einbrechen. Weil nun Melo in seinem Kampfe an der Geschwindigkeit den Blitz / an Stärcke einen rechten Löwen abbildete /und so wohl Sicambrer als Tencterer ihr äuserstes /und ihrem großmüthigen Führer alles nachthaten / ereignete sich alsbald: daß diß / was Fürsten eigenhändig ausführen / alleine den Nahmen eines rechten Krieges verdiene / der Feld-Obersten Thaten aber nur Kurtzweil und Schatten des Krieges seyn; und daß unter jenen hundert Edelleute mehr / als unter diesen tausend umb Sold dienende Kriegsleute ausrichten. Derogestalt warffen sie in weniger Zeit die Römische Reiterey über einen Hauffen. Ravensberg und Lingen hatten inzwischen in einen sauern Apfel zu beissen. Denn Cajus Narbonus stellte an die Spitzen beyder Hörner / wo seine Legion alleine angegriffen werden konte / die auserlesensten und ältesten Kriegs-Knechte / und zwar die Glieder achtfach / und die Mannschafft so dichte an einander: daß es schien / als ob man wegen der vereinbarten Schilde acht eiserne Mauern / und wegen vorragender Spiesse einen stählernen Igel zu stürmen hätte. Nichts desto weniger trennten beyde Helden diese geharnschte Schlacht Ordnung. Die müden und lechsenden Chautzen und Friesen schöpften hiermit wieder Athem / und da sie vorher lange nur die Streiche abzuwenden getrachtet /schlugen sie ietzt wieder auf die Feinde frisch loß. Germanicus kam gleich zurücke / und fand die Reiterey in der Flucht / das Fuß-Volck verwirret: und vom Censorin kriegte er gleichfalls Nachricht: Die Tencterische Reiterey sätzte ihm so harte zu: daß wo man ihn nicht mit genungsamer Reiterey entsetzte /würde er mit grossem Verlust über den Strom zurücke weichen müssen. Wie nun Germanicus diesem tausend Thracische und noch einmal so viel Gallische Reiterey zuordnete; also setzte er selbst seine aus lauter edlen Römern bestehende Leibwache und die Reiterey der siebenden Legion dem Hertzoge Melo / als den Kern seines Volckes entgegen: Die Tencterer aber bewehrten durch ihre unglaubliche Geschwindigkeit /und zugleich bley-schweren Nachdruck / als zwey selten vereinbarte Eigenschafften im Kämpfen: daß ihre Feinde nur unter den Römern / die Tencterer aber in der gantzen Welt der Kern streitbarer Reiter wären; und weder die Parthen noch Thessalier / welche letztere doch das Gefechte zu Pferde erfunden haben sollen / ihnen das Wasser reichten. Massen es denn nicht nur einer mit zwey Römern gern annahm / sondern auch ihnen übermässig gewachsen war. Uber diß brauchte sich der erfahrne Melo hier dieses Vortheils: daß er zwischen 3. Reiter allezeit einen Chamaver oder Friesen zu Fusse einspickte / welche von unten zu den Römischen Pferden oder Reitern gleichsam unvermerckt die kurtzen Degen in Leib stiessen / oder sie mit den Schenckeln von Pferden riessen. Daher denn auch diese Römische Reiterey bey Zeite ins Gedrange kam; und ihrẽ Führer Marcus Sylla vom starcken Hertzoge Melo selbst der [252] Kopf durch ein Schlacht-Schwerdt zerspaltet ward. Mit dem Kopfe dieses ihres Hauptes entfiel den Römern gleichfals das Hertz / sonderlich da Stirum und Steinfurt auch als zwey Mauer-Böcke die erste Legion derogestalt durchlöcherte: daß der verwundete Norban / ungeachtet des ihm nach und nach entsetzenden frischen Fuß-Volckes selbte schwerlich mehr beysa en erhalten konte. Hertzog Melo fieng nach Erlegung des Sylla in seinen holen Schild grausam an zu schreyen: daß die Erde bebte; welchem alle Deutschen es nachthäten /und dardurch denen Römern gleichsam andräuten: daß itzt allererst die Schlacht recht angehen solte. Als Melo auch den Germanicus von ferne aus seinem Purpur-Rocke / und dreyen einer Ellen langen und schnee-weissen Strauß-Federn erblickte / welche er nach Art des grossen Alexanders führte / ruffte er in Lateinischer Sprache überlaut: Wo denn der Römische Feldherr wäre? Ob er kein Hertz hätte mit ihm alleine anzubinden? oder ob es bey den Römern eine Ehre oder Tugend wäre hinter dem letzten Gliede /und außer aller Gefahr des Geschosses zu stehen? Der nicht allzu weit entfernte Germanicus hörte diese Ausforderung nicht ohne Gemüths-Kränckung / aber es war ihm nun nicht so wol umb ferneres Kämpffen /als umb eine ehrliche Zurückziehung zu thun. Denn nach dem er den Hertzog Melo aus seinem aus dem Helme und im Schilde befindlichen rothen Löwen erkennte / war ihm seine so geschwinde Rückkunfft bald sehr bedencklich. Uberdis hatten etliche Usipeter unter dem Graf Steinfurth über den Sieg-Strom gesetzt / umb die eigentliche Beschaffenheit des auf der andern Seite noch immer währenden Gefechtes zu erforschen / von denen aber zwey gefangen / und dem Germanicus zugebracht wurden. Als diese nun aufrichtig heraus sagten: daß das gantze Krieges-Heer des Melo in vollem Anzuge wäre / auch allem Vermuthen nach nicht mehr weit entfernet seyn könte. Die Warheit dieser Aussage bekräftigte die Nachricht etlicher auf überaus hohe Pappeln gestiegener Römer; welche über die nechsten Hügel etliche Geschwader Reiter anziehen sahen / und aus dem von den Thälern aufsteigenden Staube eines grossen Volckes Annäherung besorgten. Wormit nun Germanicus / ohne die Seinigen kleinmüthig zu machen / oder gar in die Schande einer offenbaren Flucht einzufallen / sein über dem Sieg-Strome stehendes / und bey Ankunfft mehrer Deutschen sonder Zweifel gar verlohrnes Volck desto füglicher zurück ziehen möchte / ließ er die gantze siebende Legion weiter gegen den Rhein hinab / alle Thracier / Gallier / Pannonier und andere Hülfs-Völcker weiter hinauf rücken / und allenthalben scheinbare Anstalt zum Ubersetzen machen; also: daß so wol Graf Steinfurt / als die Thracischen und Juhonischen Kriegs-Obersten vom Melo Hülffe begehrten. Wie nun dieser den Grafen von Ravensberg und den Ritter Homberg mit zwölf-hundert Tencterern und Sicambern an beyde Orte abfertigte / und die erste Legion hierdurch nicht wenig Luft kriegte / zohe Norbanus das Fuß-Volck möglichst zusammen / und wich anfangs Fuß für Fuß gegen den Strom zu rücke. Aber Melo merckte alsofort das feindliche Absehen / setzte also mit mehrer Heftigkeit als jemals in des Germanicus Leibwache / und nöthigte sie in die Glieder der weichenden ersten Legion einzudringen. Hierzu kam der Graf von Bentheim mit drey tausend Sicambrischen / und der Ritter Rytberg mit tausend Tencterischen Reitern an. Dieser schlug sich zum Grafen Stirum / und jagten mit einander den Censorin mit denen ihm zukommenden Thraciern und Galliern über Hals und Kopf in den Strom / darinnen aber die Helfte ersof / nach dem ohne dis ihrer über zwey-tau send durch der Chauzen und Tencterer Schwerdter gefallen waren. Bentheim aber fiel die erste ohne dis schon verwirrte [253] Legion an / welche hierüber in offentliche Flucht gerieth / und jedermann sich nur über den Fluß zu retten bemüht war. Welches alles der am Ufer mit blanckem Degen aber voller Unmuth haltende Germanicus nicht verwehren konte / sondern dem Unglücke und den furchtsamen Römern nur ihren Lauff lassen / und nach dem er sonst bey der schmalen Schif- und Flössen-Brücke von dem Gedränge der Flüchtigen / welche keine Augen / und daher auch gegen ihre Oberherren wenig Ehrerbietung haben / erdrückt / oder ins Wasser gestossen worden wäre / nur sich auch zurücke ziehen; so bald nur der güldene Adler gerettet war; ob wol das Pferd / der Wolf / der Minotaurus / der Elefant / und viel andere Römische /wie auch anderer frembder Hülfs-Völcker Kriegs-Zeichen im Stiche blieben. Wie großmüthig Germanicus gleich war / und wie vernünftig er sonst hinter dem Berge zu halten wuste; so ward er doch über so schädlicher Mißlingung seines so gewiß eingebildeten Anschlages derogestalt ungeduldig: daß er die auf seinen Befehl abgenommene und ihm eingehändigte Blut-Fahn in den Siege-Strom warf / mit beygesetzten Worten: Wie mögen wir Römer an dem Strome einigen Stern und Glück haben / dessen Schutz-Götter Varus mit so schwartzem Laster unversöhnlich ge macht hat! Uber welchem Eyver sich so viel weniger zu wundern / weil das Glücke / welches in Kriegen und Schlachten oft auch der Tugend zu Kopfe wächst / gleichsam dem Germanicus Zeither in allem Fürnehmen zum Tantze gespielet hatte. Denen des Sieges gewohnten Helden aber füget der Krebsgang des Glückes / wie die Sonne / wenn sie in Krebs tritt / denen Schlangen die empfindlichste Pein an. Ja die Augen giengen dem großmüthigen Germanicus über / als am Ufer auf einer Höhe die Römer von Sicambern / Tencterern / insonderheit aber von denen Chauzen / welche unbeleidigt die friedlichsten und vergnüglichsten /nach ihrer Reitzung aber die grimmigsten und verbittersten Leute in der Welt sind / wie das Vieh abschlachten / und die dem Feinde entronnenen meist in dem Sieg-Strome ersauffen sah / welcher sich theils von dem aus dem Gebürge abschüssenden Regen-Wasser / theils von vielen Leichen / Flößen und Bäumen seit dem Morgen einer Ellen hoch aufgeschwellt hatte; die Brücken und andere zur ordentlichen Uberkunfft tüchtige Wege aber zerbrochen wurden. Also sind der Helden Hertzen ebenfals fleischern /und ihre Augen wäßricht / daß sie zerflüssen können. Ja hartes Ertzt und fester Marmel stehen / wenn sie am kältesten sind / voller Tropfen. Bey diesem Nothstande erwieß sich Germanicus nichts desto weniger als einen klugen Feldherrn. Denn / weil das Sicambrische Heer sich i er je mehr verstärckte / und nunmehr auch das Fuß-Volck ankam / besätzte er den Strand nach Nothdurfft / und ließ anfangs allen schweren Kriegs-Zeug / hernach die Verwundeten mit grosser Sorgfalt ins Läger bringen. Hernach ließ er die Legionen / und darunter auch die Zehnde / ungeachtet sie den viel schwächern Hertzog Franck etwas gegen das Gebürge zu weichen gezwungen hatte / Fuß für Fuß sich zu rücke ziehen. Worauf denn auch die Hülfs-Völcker zu Fusse / und endlich die Reiterey folgte. Ob nun wol Hertzog Melo nicht für rathsam hielt /dem Germanicus seinen Fehler nachzuthun / nemlich den einen Strom für sich habenden Feind in seinem Vortheil anzugreiffen; so waren doch unter den Deutschen nicht wenig Wagehälse / welche entweder aus Begierde der Beute / oder aus Verbitterung überschwemmeten / und hin und wieder sich an den weichenden Feind hiengen. Nach dem aber Melo gewisse Kundschafft erhielt; daß Germanicus sich wahrhaftig in sein Läger einschlüße / ließ er alsbald die Brücken über den Strom ergäntzen; besetzte selbst / und beritt mit zwey-tausend auserlesenen Pferden noch selbigen Abend den Sieg-Strom bis an den Rhein. [254] Unterwegens aber stieß ihm sein Sohn Hertzeg Franck mit fünf-hundert Pferden auf. Melo entsetzte sich anfangs / weil seine Kleider gleichsam aus dem Blute gezogen waren; Aber Franck sprang hurtig vom Pferde / und des Vatern Steigbügel küssende / sagte: Er trieffe nur vom Blute seiner Feinde / welche ihm nur an dreyen Orten mit kleinen Schrammen zur Ader gelassen hätten. Wormit ihm mehr ein Dienst / als Schaden gethan wäre; weil er wie alle Deutschen ohne dis zu viel Blut / und es wie ihre in heissern Ländern wohnenden Feinde zu versprützen keine Furcht hätte. Melo lächelte / umbarmte und rühmte ihn: daß er ihn von nun an allererst recht für seinen Sohn und würdigen Nachfolger erkennte. Unterweges erzehlte Franck seinem Vater / wie tapfer sich Willich in der Festung / der Graf von Wied / und Sleiden / Sem / Wachtendonck /und andere Ritter in dem Gefechte der zehnden Legion gehalten / wie sie durch dieses den Chauzen / Friesen und Juhonen Luft gemacht; und als die Römische Macht allzu starck auf sie gedrungen / Sem mit seiner Reiterey das Fuß-Volck so thätig bedeckt / der Graf von Wied auch / als er seinen Zweck erreicht / und des Hertzogs Melo Ankunfft verstanden / sich / umb vom Römischen Heere nicht umbringet zu werden /gegen das Gebürge vorsichtig und ohne Verlust zurück gezogen hätte. Von sich selbst meldete er kein Wort / gleich als hätte er nichts dabey gethan; oder weil er es für genung hielt: daß er es nur gethan hatte. Diese bescheidene Verschwiegenheit war aber dem Hertzog Melo ein desto grösserer Reitz von andern hernach Hertzog Franckens Thaten Haar-klein auszuforschen. Wie er denn auch seinem Sohne und andern tapfern Helden zum Denckmale das erhaltene Schloß des Berges Rhetico Löwenberg nennen ließ. Denn er wuste wol: daß wie das Blut die Nahrung aller röthlichen; der Spann-Adern Safft aller weißlichten Theile am Menschen / also alleine solche Denckmale Zunder der Tugend / und Tachte der Tapferkeit seyn. Noch selbigen Abend war Hertzog Melo umb Verbind- und Pflegung der Verwundeten eivrigst bemühet / etliche der Fürnehmsten suchte er noch selbst heim / insonderheit die Chauzen und Friesen / welche für der Sicambrer Gebiete nicht als Hülfs-Völcker / sondern wie für eigenen Heerd und Altäre gefochten hatten. Folgenden Morgen hatte Melo schon zu Verbrennung der gebliebenen Deutschen / derer nicht für voll drey-tausend waren / etliche bekräntzte Holtzstösse aufrichten lassen. Es entstand aber auf dem Theile des Berges Rhetico / welches denen Juhonen zuständig /die Nacht vorher aus der Erde ein so heftiges Feuer /welches mit keinem Wasser auszuleschen war. Das gemeine Volck legte dis wie die Schwantz-Gestirne für eine Unglücks-Fackel; die Juhonischen Priester für was sonderlich gutes aus. Deñ die Fla en wären insgemein Wahrsagungen der Freuden / wie Ergießungen des Wassers der Traurigkeit. Also hätte die Glut der opfernden Livia den Glantz ihres Geschlechtes / dem Servius Tullus die Königliche Hoheit / den Römern einen herrlichen Sieg wider die Sabiner angekündigt. Die gegenwärtige Fla e aber hielten sie eigentlich für ein heiliges Feuer / welches die gütige Erde zu Einäscherung der fürs Vaterland so rühmlich erblichenen Leichen hervor brächte; welche für zu gemeine Glut allzu köstlich wären / wormit ihre Seelen desto geschwinder sich durch die Flügel einer kräftigen Fla e den Sternen vereinbaren könten. Weil nun niemand denen Priestern zu widersprechen sich unterstand / wurden alle deutsche vorhin gekräntzte Leichen / insonderheit aber die des Grafen von Spiegelberg und Delmenhorst / wie auch anderer auf dem Bette der Ehren erblichene und in rothe Tücher eingehüllete Leichen dahingeführet und verbrennt / und zu jedermanns grosser Verwunderung mit diesem Todten-Opfer das seltzame Feuer ausgelescht. Die Asche aber ward als ein Heiligthum in irrdenen Gefäßen in der so rühmlich verstorbenen [255] Vaterland geschickt /und an dem Orte / wo das hitzigste Treffen gewest war / ließ Hertzog Melo zum Gedächtnüsse einen grossen Hauffen von grossen Steinen sa len; wiewol die Deutschen weder in Begräbnüssen / noch Siegen sich mit eitelem Gepränge verstellen. Denn ob sie wol so wilde nicht sind: daß sie nicht die Marmel-Seulen für gläntzende Gedächtnüsse der rühmlich-Verstorbenen halten solten; so meinen sie doch: daß diese Ehren-Maale insgemein denen Lebenden zu Begräbnüssen der Tugend werden. Denn die feigen oder nachläßigen Kinder heucheln insgemein ihrem Müßiggange mit dem Schweisse ihrer Ahnen / und bilden ihnen ein: diese hätten eine solche reiche Erndte der Ehren nicht nur für sich / sondern auch für ihre Nachkommen eingesammlet: daß sie an Ansehen niemals einigen Mangel leiden könten. Alle auf beyden Wallstädten befindliche Leichen der Feinde wurden gezehlet / welche nach dem Merckmale der Kleider fünf-tausend Römer und neun-tausend Gallier / Thracier und andere Hülfs-Völcker austrugen; wiewol zum wenigsten auch ein Drittel dieser Zahl im Sieg-Strome schwamen; darein Melo vollends alle feindliche Leichen / auf welche Art in den allerältesten Zeiten die Verstorbenen bestattet wurden / werffen ließ / umb seiner in diesem Strome gebliebenen Tochter keuschem Geiste ein Opfer von zweymal sieben-tausend Menschen abzuliefern. Die allergröste Bekümmernüs aber hatte Melo umb den Hertzog Ganasch / an welchem die Wund-Aertzte sieben und zwantzig Wunden / darunter ihrer drey sehr gefährlich schienen / zu verbinden hatten; wiewol sie noch nicht alle Hofnung der Genesung fallen liessen /weil sie alle frisch und von scharffem Stahle gestochen oder gehauen / also desto heilbarer waren. Nichts destoweniger wolten sie weder den Hertzog Melo / noch sonst einigem Menschen erlauben ihn zu besuchen / wormit durch keine Regung des Gemüthes auch das Geblüte geregt / und dardurch einig Wund-Feber verursacht würde. Ob nun zwar die Sicambrer /Tencterer und Usipeter / als derer nicht die Helffte mit beym Treffen gewest / also hurtig und gleichsam aus einer Eyversucht gegen die Chauzen / Friesen und Juhonen / welche die Ehre und das Glücke gehabt / ihre Tapferkeit anzugewehren / zu schlagen begierig waren / also bis unter den Wall des Lägers rennten und die Römer ausforderten / hielt doch Germanicus die Pforten feste verschlossen. Melo ließ dis / umb das Kriegs-Volck desto behertzter zu machen / nicht allein gerne geschehen; sondern hätte auch gerne sein Heer für das Läger in Schlacht-Ordnung gestellet / uñ damit den Germanicus zum Treffen ausgefordert; wenn er nicht besorgt hätte: daß der hochverdiente Hertzog Ganasch es für verkleinerlich empfinden möchte: daß Melo über einem so wichtigen Dinge sich nicht vorher mit ihm berathen hätte. Wormit aber gleichwol der Deutschen Waffen nicht verrosteten /ließ er eine Meileweges unter der Römischen Festung Rigomach ober und unter dem Ubischen Altare über den Rhein setzen / und daselbst in der Eyl zur sichern Bedeckung etlicher tausend Kriegs-Leute eine eilfertige Versätzung von grossen höltzernen Pfälen und einen Graben machen. In die oberste setzte der Graf Löwenberg mit tausend Tencterern und so viel Juhonen / die unterste der von Lulsdorf mit zwey-tausend Sicambern zu Pferde über / welche unaufhörlich bis in die Erpe unter die Mauern der von den Ubiern dem Tiberius zu Ehren also genennten Stadt Tiberiach und Tolpia / ja bis an die Rohr gegen die Stadt Marcomach streiften / und alles / was aus Gallien dem Ubischen Altare zugeführet ward / wegnamen. Den siebenden Tag ließ Hertzog Ganasch auch wider Willen der Aertzte / welche bey diesem und gewissen andern Tagen eine in der Natur gar nicht gegründete Sorgfalt oder vielmehr Eitelkeit haben / den Hertzog Melo selbst zu sich erbitten / welcher denn jenen mit einer so hertzlichen Zuneigung umbarmte: [256] daß er ihn zugleich mit Thränen netzte / als unverfälschten Kennzeichen seiner Wehmuth über des Chauzischen Hertzogs Unpäßligkeit und seiner hertzlichen Zuneigung. Er danckte ihm für die heldenmäßige Beschirmung seiner Länder / welche alleine den Ganasch bey der Nachwelt zu verewigen / die hertzhaften Chauzen und Friesen an beyden Enden der Welt berühmt zu machen / er und Deutschland aber nimmermehr abzuschulden fähig waren. Hertzog Ganasch antwortete: Er hätte nichts als die Pflicht eines redlichen Deutschen für das allgemeine Vaterland abgestattet. Er und seine Chauzen hätten ihr Blut durch solche Verspritzung viel köstlicher gemacht / als da es in seinen Adern gewesen. Ja das Hertze / welches mit jedem Schlage einen ziemlichen Strom des in der Leber gekochten Blutes von sich stieße / und selbtes in einer steten und der Auf- und Abschwellung des Meeres gleichen Bewegung durch den gantzen Leib herumb triebe / lehrte durch diese Ausschüttung: daß alle edle Gemüther für die gemeine Erhaltung ihr Blut auszuschütten nicht karg seyn solten. Daher wäre das Geblüte nicht nur der Wagen der Seele / sondern auch der gemeinen Wolfahrt. Er wolte nunmehr gerne sterben / nach dem er ein kleiner Werckzeug eines so herrlichen Sieges wider aller Welt Feinde gewest wäre. Nun wäre ihm nichts mehr leid / als daß nicht nur er / sondern fast alle seine Chauzen mit ihren Wunden und Schwachheiten / nicht aber mit den Römern zu kämpfen hätten. Denn nichts gienge aufrichtigen Gemüthern mehr zu Hertzen / als wenn sie ihren Freunden nicht nur nichts nütze / sondern noch überlästig wären. Hülffe ihm aber GOtt wieder auf; wolte er die Uberbleibung seines Blutes denen Römischen Blut-Aegeln zu ihrem Verterben vollends gerne aufopfern / und es weder gegen andere Feinde verrauchen / noch im Müßiggange verfaulen lassen. Inzwischen aber möchte doch Melo seinen Sieg verfolgen / und über die noch Waffen zu tragen fähigen Chauzen und Friesen nach eigener Willkühr gebahren. Er hätte gerne mehr geredet / wenn es die Aertzte nicht verwehret hätten / welche dem mit wehmütiger Ehrenbezeigung Abschied nehmenden Melo berichteten: daß weil die Hirnschale bis auf das innere Dinne das Gehirne einhüllende Häutlein durchhauen wäre / er ohne desselben Erschütterung und daraus erwachsende Gefahr nicht viel reden dörfte. Seine grosse Bläße rührte von der vielen Blutstürtzung und nachgehends daher: daß das in den Hölen der Hirnschale befindliche Gefäser der kleinen Adern sich von den gewaltsamen Streichen gantz verstopft hätte; aus derer Eröfnung das Antlitz allein seine Röthe schöpfte. Unter diesen Aertzten war einer / der einẽ schon für vierzehn Tagen derogestalt von seinen Wunden verschwollenen Edelmann heilete / daß ihm durch den Mund nur einen einigen Tropfen Nahrung beyzubringen unmöglich war. Dieser führte den sorgfältigen Fürsten Melo in das Gemach dieses Krancken / und flößte ihm durch ein silbernes Röhrlein einen nährenden Safft in die auf gewisse Art gebundene und geritzte Ader / mit Betheuerung: daß er von dieser seltzamen Speise schon so viel Tage lebte; er ihn auch / bis sich die Schwulst gesetzt haben würde / durch dis Mittel so wol zu erhalten getraute / als er ihm in den Adern ebener maßen die Artzney beybrächte. Nach Mitternacht ließ Melo sehr früh seine gantze Macht gegen des Germanicus Läger rücken; also daß sie bey anbrechendem Tage schon in dem Gesichte des Feindes stand. Weil sich aber niemand darinnen rührte / schickte der Hertzog einen Heerold an die Pforte / welcher hinein ruffte: Weil die Römer zu keinem Ende irgendswohin kämen / als Blutstürtzungen auszuüben / und frembdes Gut ihnen zuzueignen / gäbe es nunmehr Gelegenheit beydes ohne Müh auszurichten. Hertzog Melo hätte sich zu dem Ende genähert / wormit er den [257] Römern die beschwerliche Müh über den Strom zu setzen ersparte. Germanicus aber hielt keines Weges für rathsam sein Heer / bey welchem von vorigem Verluste die Kleinmuth noch nicht verraucht war / denen von vorigem Siege hertzhafteren Deutschen entgegen zu stellen / befahl also über den Wall dem Herolde zuzuruffen: Er solte zurücke kehren / oder man würde ihm Füsse machen / seinem Hertzoge aber sagen: die Römer pflegten zu schlagen / wenn ihr Feldherr nicht ihr Feind solches für gut ansähe. Unterdessen war Germanicus / welcher wol wuste: daß das Kriegs-Glücke mehr am Ansehn / als an Kräfften der Waffen hienge / nicht wenig bekümmert. Denn ob zwar ein Feldherr umb desto behutsamer zu verfahren / allezeit das schlimste besorgen soll / so ist doch nichts schädlichers / als wenn er seine Furcht mercken / oder seine Schwäche sehen läst. Wie er nun durchgehends zufällige Sachen ihm wol zu nütze zu machen wuste; also diente ihm dismal zu Verhüllung seiner Furcht sehr wol: daß dis eben der zu Rom als schwartz angemerckte Tag war / an welchem die Römer bey dem Flusse Allia aufs Haupt erleget worden waren. Auf welche Erinnerung denn alle eine Abscheu das geringste zu beginnen bekamen / und des vorsichtigen Germanicus Gemüthsmäßigung nicht genung zu rühmen wusten. Sintemal die Römer diesen Tag / als an welchem eben so wol die drey-hundert Fabier in Hetrurien umbkommen / für unglücklicher hielten / als da Rom selbst vom Brennus eingenommen ward. Melo führte gegen Mittage sein Heer zwar ab / es gieng aber von der Zeit keine Stunde vorbey / da nicht die Deutschen bis unter den Wall streifften / und den Römern als Lagerhüttern / in Löchern steckenden Dachsen / furchtsamẽ Maulwürffen mit den schimpflichsten Worten zurufften; also daß die Römer so wol hierüber / als weil der Graf Löwenburg und Lulsdorff / welche Melo diese Tage noch mit vier-tausend Sicambern verstärckt hatte / auf der Gallier Seite täglich viel Wagen plünderten / Römer und Gallier gefangen namen /Tiberiach des Nachts überfallen und verbrennt hatten / ungeduldig wurden / Germanicus aber der Reiterey einige Ausfälle verlauben / und dardurch seinen grössern Kummer verhüllen muste. Sintemal er selbige Nacht aus des Tiberius eigenem Schreiben den ihm von den Deutschen versetzten Streich und des Tiberius Zurückweichung erfahren hatte. Als aber Melo die Römer sich wieder regen sah / stellte er den vierdten Tag sich abermal gegen das Lager in Schlacht-Ordnung; Germanicus befahl auch: daß sein gantzes Heer sich wafnen solte. An statt aber / daß dis die Eröfnung der Pforten / und das Zeichen der Schlacht erwartete / muste es sich auf dem Platze des Lägers umb des Germanicus sein Zelt stellen; welcher selbtem einhielt: Die unzeitige Begierde zu fechten wäre so wol in einem Kriegs-Volcke / als übermäßiger Durst im Menschen eine Anzeigung der Kranckheit; ihre gegenwärtige Lüsternheit aber ihm gar eine Wahrsagung grossen Unglücks. Denn es träffe sich allemal: daß ihre Haut sie am meisten juckte / wenn das Verhängnüs alle böse Sternen wider sie gerüstet hätte. Gegenwärtiger wäre abermals eben der Unglücks-Tag / an dem die vom Brennus geschlagenen Römer sich in den zwischen der Tiber und der Salarischen Strasse gelegenen Heyn hätten flüchten müssen. Die Aertzte und Schif-Leute unterscheideten mit grosser Sorgfalt / jene wenn sie Artzney eingeben /diese / wenn sie die Ancker aufheben / die Seegel ausspannen. Solte nun ein Feldherr nicht die Zeiten prüfen / sondern alles blind hinein wagen / da an ihm doch das allgemeine Heil hienge? die klugen Egyptier hätten dis Geheimnüs zu erst ergründet: daß nicht alle Tage gleich wären. Von ihnen hätten die Griechen ihre widrige Tage kennen gelernt / und zu Rom nehme man im ersten und neundten Tage des Monats auch nicht geringe Sachen [258] gerne für. Uberdis führten auch gewisse Oerter den Unstern / wie unterschiedene Kräuter giftige Eigenschafften / und das Drachen-Gestirne schädliche Einflüsse mit sich; so gar: daß des grossen Alexanders Tod gleichsam an einem gewissen Ort angenagelt worden. Dem in Italien allezeit siegenden Hannibal wäre das den Scipionen jedesmals glückliche Lybien allezeit sein Fall-Brett / und der Fluß Libyssus zu seinem Begräbnüsse versehen gewest. Keine andere Beschaffenheit hätte es mit dem nahen Siege-Strome. An diesem hätte sich des Quintilius Varus Niederlage angesponnen. An diesem hätte ihm das Verhängnüs ein so saueres Gesichte / als nirgends gemacht / also daß er ihm mehr als der Fluß Trebia und Aufidus verdächtig wäre. Und welch Römer wolte ihm bey dem Strome noch viel Glücke wahrsagen / der für die Deutschen den Nahmen des Sieges mit sich führte? Die Nahmen der Oerter hätten so wol / als die der Menschen geheime Bedeutungen in sich. Wie Tantalus und Pentheus jederzeit bey den Griechen für unglücklich gehalten / und vom Cinna an / alle Julier / die Cajus geheissen / erschlagen worden; also würde dem Acherusischen Wasser so wol in Bithynien und Epirius für einen Strich gehalten / wo der Tod mehr Bothmäßigkeit als anderwerts hätte / als es in Italien nach der Götter Weissagung des Moloßischen Königs Alexanders Sterbens-Ziel seyn müssen. Dahero Plato und Pythagoras der Meinung gewest wären: daß die höchste Weißheit von Anfang allen Dingen einen mit ihrer innerlichen Eigenschafft übereinstimmenden Nahmen gegeben hätte. Fürnemlich fussete selbst das Römische Kriegs-Volck hierauf /welches bey derselben Auskiesung genau Acht hätte; daß der zum ersten in die Rolle gebrachte Soldat einen auf was gutes deutenden Nahmen führte. Diesemnach wäre er entschlossen / mit dem Orte auch ihrer aller Glück zu verändern; und sie solten nur gleich ihr Krieges-Geräthe aufbinden / und geraden Weges über die Ubische Brücke ihren Zug nehmen. Wie denn auch die zehnde Legion schon damit fertig stand / und auf unverwendetem Fusse sich zu dem Heiligthume wendete / wo ihr güldener Adler verwahret war / selbten heraus nam / und darmit über den Rhein rückte. Alle andere folgten gleichergestalt dem Befehle des Germanicus / und ließ er des Abends allererst das verlassene Lager anzünden. Alleine Melo hatte bald nach Mittages aus dem Schlosse Wolckenberg / daraus etliche ihnen die Augen mit gewisser Salbe schärffende Juhoner das Läger und die Ubische Brücke genau übersehen konten / von dem Abzuge der Römer Wind kriegt / also dem Hertzog Franck befohlen / oberhalb des Berges Rhetico mit aller Macht bey Tag und Nacht überzusetzen. Denn weil er vom Feldherrn Herrmann Nachricht erhielt: daß Tiberius gleichergestalt den Kürtzern gezogen hätte / muthmassete er / und zwar nicht ausser Grunde: daß Germanicus mit dem Tiberius sein Heer vereinbaren wolte. Melo folgte auch seinem Sohne noch selbigen Abend über den Rhein / nach dem er vorher an dem Sieg-Strome und dem Sieben-Gebürge gute Anstalt gemacht / wie auch an den Grafen von Isenburg Nachricht von der Römer Rückzuge gegeben hatte. Folgenden Morgen standen unterhalb Rigomach schon sieben-tausend Reiter und zwölf-tausend Fuß-Knechte über dem Rheine. Mit dem Tage zeigte sich von drey-tausend wolberittenen Galliern des Germanicus Vordrab / welchem der hinter einem Berge verdeckte Löwenburg mit fünf-hundert Tencterern in die Seite fiel / der Graf von Sem aber mit fünf-hundert Juhonen die Stirne bot. Ob nun wol die fördersten Gallier zur Gegenwehr schritten / so waren doch die letztern bey vernommenem Geschrey durch kein Ermahnen ihrer Haupt-Leute zu erhalten: daß sie / wie ins gemein bey denẽ in ihrem Zuge unversehens angegrieffenen Heeren zu geschehen pfleget / als die fernesten von der Gefahr ihre Ordnung treñten / und ihr Heil in der Flucht suchten. Sie [259] sahen sich auch nicht ehe umb / als bis ihnen zwey-tausend Thracier in Weg kamen / denen sie die Post von einem hinter dem Berge stehenden grossen Heere der Deutschen brachten / und solches fernerweit an Germanicus wissen liessen; weil dieser ihm nicht wol einbilden konte /hielte er es für eine alles vermehrende Einbildung der Furcht / welche aber dismal zufälliger Weise die Warheit berichtete. Er gab daher auf diese Nachricht zur Antwort: die Deutschen hätten ja keine Flügel. Die flüchtigen und zum theil verwundeten. Gallier bestätigten es aber nicht allein / sondern die auf die nechste Höhe sich ziehende Thracier liessen den Germanicus wissen: daß der Deutschen Reiter / welche die Gallier geschlagen / zwar über tausend zu seyn nicht schienen; man sähe aber an selbiger Höhe an einer Bach ein grosses Heer in Bereitschafft stehen; welches noch immer mit mehrerm vom Rheine kommendem Volcke verstärkt würde. Als Germanicus dessen vergewissert ward / wendete er seinen Zug gerade umb / und ließ zwey-tausend Thracier / noch so viel Pannonier / und tausend Römer zu Pferde wechselsweise den Nachzug halten; welchen aber die drey Tage / als das Römische Heer bis nach Novesium an die Erpe ankam / die deutsche Reiterey unaufhörlich in Eisen lag / und keinen geringen Abbruch that. Germanicus schlug sein Lager zwischen den Armen der Erpe und des Rheines unter der vom Drusus gebauten Festung Novesium; welchem Hertzog Melo mit seinem gantzen Heere bis an selbigen Fluß folgte. Nach dem aber die Römer daselbst eine Brücke zu schlagen anfiengen / und bey den Usipetern einzufallen dräuten / ließ Hertzog Melo den Fürsten Franck mit zwölftausend Mann übersetzen / und mit dem Grafen von Isenburg / zu welchem Ingviomers Sohn Bojocal mit acht-tausend Bructerern gestossen war / sich vereinbaren. Germanicus welcher entweder über den Rhein zu setzen sich nicht getraute / oder auch nur die Deutschen dardurch zu verführen /und seinem eigenen Heere einen blauen Dunst für die Augen zu machen vorhatte / ließ über der Brücke schläfrig arbeiten / ehe sichs aber einiger Mensch versahe / in der Nacht die Brücke zerreißen / die Schiffe mit Fuß-Volcke beladen / und Strom-ab zu der vom Drusus gleichfals erbauten Festung Gelduba führen. Maßen denn auch Norbanus zu Lande mit der ersten Legion / Apronius mit tausend Reitern / wie auch fast alle Gallier und Pannonier nach Gelduba folgten. Germanicus hingegen hielt sich in und umb Novesium mit dem besten Theile seines Heeres gantz enge und eingeschlossen beysa en; also daß / nach dem Melo erfuhr: daß die Römer zu Gelduba nicht allein eivrig an der Brücke bauten / sondern auch gegen über in der Usipeter Gebiete eine Schantze aufgeworffen /und ein Lager ausgesteckt hätten / er in Meinung /Germanicus stünde mit seiner gantzen Macht bey Gelduba / eilends über die Erpe setzte und auf Gelduba zueilete. So bald Germanicus von Aschenburg Nachricht erhielt: daß Melo daselbst vorbey wäre / brach er von Stund an zu Novesium mit zweyen Legionen /und allen bey sich behaltenen Hülfs-Völckern auf /und zohe gerade gegen der Mosel zu umb den ziem lich ins Gedrange gebrachten Tiberius zu entsetzen. Melo erfuhr dis allererst den dritten Tag; und weil er den Germanicus nicht einzuholen getraute / Norbanus aber sein Volck in Gelduba / und die von eitel daselbst gegrabenen Steinen für sieben und zwantzig Jahren gebaute Haupt-Festung des Drusus / welche das alte Läger geneñet ward / vertheilt hatte / hielt er ihm für nichts anständiger / als den Rhein von seinen Fesseln zu erledigen. Diesemnach schickte er seinen Sohn dem Fürsten Franck mit zwölf-tausend auserlesenen Sicambrern / Tencterern / Bructerern und Juhonen zu Rosse auf der Ost-Seite des Rheines denen Cheruskern und Catten zu Hülffe. Sechs-tausend ließ er zwischen der Mosel und Maas in Gallien streiffen; er aber selbst rückte für die von Römern befestigte Stadt Aschenburg. [260] Dieser setzte er auch mit solchem Ernste zu: daß die Belägerten sich den dritten Tag der Willkühr des Uberwinders unterwarffen. Melo schickte die darinnen bekommenen fünf hundert Römer als Kriegs-Gefangene nach Siegodunum; denen Galliern aber gab er nach abgelegtem Eydẽ: daß sie nicht mehr gegen die Deutschen fechten wolten / die Freyheit. Die Einwohner empfingen den Hertzog Melo mit vielen Freuden-Zeichen und unterschiedenen Sieges-Bogen; entweder weil sie der Römischen Dienstbarkeit überdrüssig waren; oder weil iedermann den Siegern die Hände unterlegt / und gegen Uberwundene eine Gramschaft zeiget. Niemand aber hatte sich in Aschenburg besser angegrieffen / als die Griechischen Weltweisen / welche in einer prächtigen Ehren-Pforte so wohl ihre Tieffsinnigkeit als Freygebigkeit sehen liessen. Auf der rechten Seite dieser Pforte stand das freudige Deutschland / trat die Römischen Adler / und die mit Stecken umbwundene Beile der Bürgermeister mit Füssen; auff der andern Seite das gefesselte und seufzende Gallien. Uber Deutschland war Hertzog Melo in Gestalt des Hercules gebildet / welcher den auf dem Caucasus angenagelten Prometheus loß machte. Uber Gallien lag der ungeheure Tityus / welchem an statt des Geyers / ein fressender Adler die Leber zerfleischte. Zu oberste stand Griechenland /und hielt in der rechten Hand des Feldherrn Herrmanns / in der lincken des Hertzogs Melo Bilder; über jenem stand mit güldenen Buchstaben der Nahme Harmodius / über dem andern Aristogiton geschrieben / welche zwey Befreyer ihres Vaterlandes zu Athen die prächtigen Ehren-Säulen verdient hatten. Für ihrem Tempel stand ein marmelner Spring-Brunnen; aus diesem hatten sie den Neptun weggenommen / und das Bild des Rheines darein gesetzt / dessen Hörner zwey mit allerhand Früchten gefüllte Hörner des Uberflusses waren. Aus seinem Kruge aber floß Wein; aus den Händen troff Oel / aus den Füssen Honig. Darunter war zu lesen:


Laß / edler Rhein / dein Bett ietzt voller Perlen flüssen

Dem Melo zu gefalln / der deine Sclaverey

Und funfzig Fessel dir wohlthätig reißt entzwey!

Wirff dem zwey-hörnricht Haupt zu seinen Sieges-Füssen

Die zwar von Segen thaun / doch nichts vom Treten wissen.

Du weist ja: daß wer ihm gehorsamet / so frey /

Als welcher der Vernunft und Gotte folget / sey;

Und deine Schatzung wirst du tausendfach genüssen.


Vergieß der Dienstbarkeit! Verlust wird zum Gelücke /

Nun Melo / was verlohrn / mit Wucher bringt zurücke;

Denn anders könt' er ja dein Hercules nicht seyn.

Drumb krantzt dem Haupt zweyfach ein Horn von Amaltheen;

Die Hände schwitzen Oel / das Honig treusst von Zehen /

Und statt des Wassers strömt aus deinem Kruge Wein.


Die Tugend hat keine annehmlichere Speise als die Ehre; ja diese ist der wahrhafte Zunder jener Flamme; hingegen verfällt mit Verachtung der Ehren-Preiße auch die Tugend. Dahero die Römer die / welche Siegs-Gepränge verdient hatten / und sich selbte zu halten weigerten / als Leute / welche den Untergang der Tapferkeit suchten / aus der Stadt verwiesen. Aus dieser Ursache ließ ihm der großmüthige Melo der Griechen Liebkosung wohl gefallen. Daher er denn ihnen allerhand Gewogenheiten bezeugte / also auch ihren der beschirmenden Minerva gebauten Tempel /wie auch das darinnen aus Marmel aufgerichtete Altar des Laertes und Ulysses zu beschauen würdigte / und einen gantzen Morgen in ihrer Schule die Weißheit lehren hörte. Denn weil dieser Fürst in seiner Jugend in Griechenland die Weißheit gehöret hatte / steckte mit derselben Saamen auch die Liebe derselben in seinem Gemüthe. Daher er auch zu seinem Sinnebilde einen Pfeil führtet / dessen Eisen ohne Feder so wenig flügen und verletzen / als die Hertzhaftigkeit mit den Waffen ohne Verstand und Wissenschafft glücklich kriegen kan. Denn wo die Weißheit nicht das Gemüthe waffnet / sind [261] Helm und Harnisch nur eine beschwerliche Bürde furchtsamer Glieder / Schwerdt und Spieß aber so denn Waffen ohne Mann. Daher der grosse Alexander des Homerus Ilias mehr in seinem Hertzen / als in der güldenen Küste des Darius verwahrte / des Käysers Julius Feder des Nachtes höchst vergnügt aufschrieb / was er des Tages hertzhafft verrichtet / und der letzte der Römer Marcus Brutus den Tag für der Pharsalischen Schlacht sich nicht über derselben zweifelhaftem Ausschlage beunruhigte / sondern / was er für die Freyheit seines Vaterlandes zu thun hätte / aus dem Polybius sich Rathes erholete. Die Druyden aber / welche in Deutschland alleine das Ansehen der Weisen haben wolten /schöpften aus des Melo Gewogenheit über ihre gegen alle andere Weltweise tragende Abneigung wider diese Griechen einen heftigen Eiver. Denn die Weltweisen / welche am meisten von Mässigung der Gemüths-Regungen zu sagen wissen / sind unter einander ins gemein am meisten den Schwachheitẽ des Neides und Hasses unterworffen; ja ihre Verbitterung hat wie die der erboosten Tauben weder Maaß noch Ziel. Westwegẽ die Griechen vielleicht ihre Pallas mit Schild / Helm und Spieße ausgerüstet hatten. Aus keinem andern Triebe verlangten die Druyden vom Melo die Abtretung des Minervischen Tempels. Sie bekleideten die Gerechtigkeit ihres Verlangens damit: daß für Alters an selbigem Orte eine verjährte Eiche gestanden hätte. Denn diese beten die Druyden zwar nicht wie etliche Völcker an; sie weyhen aber selbte als heilig ein / und halten darfür: daß nichts eingeweyhtes weder durch Handlungen noch durch hundertjährige Verjährung ihnen entftembdet werden könte. Nun wäre es zwar etliche hundert Jahr: daß einige Griechische Weltweisen / welche in ihrem Vaterlande kaum Gestirne der sechsten Grösse gewest / in Deutschland kommen wären; und durch diesen Schein sich eingeliebt hätten: daß die Griechen und Deutschen eines Herkommens wären. Welches sie nicht nur mit der vielfältigen Ubereinstimmung ihrer beyder / wie auch der benachbarten Phrygischen und Thracischen Sprachen; sondern auch der am Rheine / am Mayn / und an der Elbe befindlichen Städte / welche von dem Phrygischen Flusse Ascanius / oder dem Griechischen Eylande Ascania den Nahmen hätten /zu bescheinigen bemühet. Ihrer Verwandschafft hätten sie fernerweit bey diesem Zufalle eine ziemliche Farbe angestriechen / als für funfzig Jahren an der Rhötischen Gräntze ein alter Stein / welchen sie vielleicht auch wohl selbst mochten verfälscht / und dahin versenckt haben / ausgegraben worden / auf welchem die Griechischen Buchstaben LAERTES eingeetzt standen. Hierzu wäre gekommen: daß die aus Britannien in Deutschland reisenden Druyden berichtet hätten: es wäre in Caledonien am Meer-Strande / und in Lusitanien / wo der Fluß Tagus sich mit dem Meere vermählte / ein mit des Ulysses Nahmen bezeichnetes Altar zu sehen. Diß hätte denen beym Wachen träumenden und zum tichten gleichsam gebohrnen Griechen zu einem unfehlbaren Schlusse dienen müssen: daß der so viel Jahre umbirrende Ulysses unmöglich nur das enge Mittel-Meer durchschweiffet / sondern auch im grossen Welt-Meere in Lusitanien / Britannien und Deutschland angelendet; die Ascanischen Gedächtnüß-Mahle gestiftet / und seines Vaters Nahmen in erwehnten Stein gegraben haben müßte. Die guthertzigen und denen Frembden ohne diß geneigten Deutschen hätten sich dis unschwer bereden / und die schlauen Griechen aus einem blossen Gunst-Rechte bey ihnen unvermerckt einnisten lassen; also daß sie sich bey Zeite aus Gästen zu Bürgern gemacht hätten. Gleichwohl aber wäre es noch nicht funfzig Jahr: daß sie in dieser Stadt Aschenburg zum ersten mal geherbergt. Nachdem sie aber Drusus befestigt / und die Druyden von ihrem Heiligthume / [262] Tiberius aus Rom und Aschenburg getrieben / wäre dieser geweyhete Platz den Griechischen Weltweisen eingeräumet / die heilige Eiche umbgehauen / der ietzige Götzen-Tempel darauf erbauet / und umb so wohl Deutsche / als Gallier durch ihre After-Weißheit weibisch zu machen / die Jugend zu unterweisen erlaubet worden. Bey so gestalten Sachen wären sie Druyden in ihr nun wieder erwachendes Recht und Eigenthum einzusetzen; und nicht alleine dem alten deutschen Hertzoge Ascenas seine zuständige Gedächtnüß-Maale zuzueignen; sondern auch die der Deutschen Freyheit und Gottesfurcht abbrüchige Unterweisung abzustellen; oder vielmehr sie als ein schädliches Unkraut und verdächtige Brutt der feindlichen Römer und wollüstigen Griechen mit Strumpf und Stiel auszurotten. Hertzog Melo hörte die Druyden wohl aus / lobte ihren für die Freyheit und Gottes-Dienst ausgelassenen Eiver; und versicherte sie so wohl in ein als der andern Beschwerde gerechter Ausrichtung. Weil er aber ein Fürst wäre / dessen Richter-Ampt erforderte allen Beklagten ein Ohr vorzubehalten; wolte er sie in beyden Stücken vernehmen / und den Rechten gemäß urthei len. Er führte sie daher unverwendeten Fusses in den Tempel der Minerva / wohin die Druyden in Hoffnung bald in der Griechen Heiligthum eingesetzt zu werden / mit so grosser Begierde folgten / als sie sonst für allem frembden Gottes-Dienste Abscheu haben. Hertzog Melo fragte daselbst die Griechen alsofort umb das Recht ihres Besitzthums / umb die Beschaffenheit ihrer Lehre und Gottes-Dienstes. Diese brachten eine alte Rinde her / darauf das Siegel der Ubischen Fürsten hing; die Schrifft aber den Druyden ein Stücke von dem Arduennischen Walde und den Griechischen Weisen das Eigenthum dieses Platzes in Aschenburg zueignete. Die Druyden stutzten hierüber / und nachdem sie diese Rinde-Schrifft lange Zeit betrachtet /fuhr der oberste Druys Erdmeyer heraus: Was Gott einmal gewiedmet wäre / stünde in keines weltlichen Fürsten Gewalt ihm zu enteusern. Als Timon ihnen ihr Heiligthum ansprechen hörte / fieng er an: Er und seine Gefärthen wären Nachfolger des weisen Pyrrhon / dessen Bild er zugleich an einem Pfeiler über dem Sitze des lehrenden Priesters mit den Fingern zeigte. Dieser hätte zum ersten Lehr-Satze ihnen hinterlassen: daß weil die Getichte so offt sich der Stirne der Wahrheit / als die fallenden Lufft-Brände des Sternen-Glantzes bediente / solten sie ohne genungsamen Beweiß an allem zweifeln. Erdmeyer brach ein: ob sie leugneten: daß an diesem Orte eine heilige Eiche gestanden hätte. Timon versetzte: Er wäre schon funfzig Jahr zu Aschenburg / hätte aber daselbst keine gesehen / weniger wüste er von derselben Heiligkeit / und am wenigsten: daß die Druyden zu diesem Orte iemals einig Recht gehabt. Erdmeyer beruhete auf seiner Eiche / und verlangte vom Melo: daß er den Tempel durchgraben lassen möchte / umb zu schauen: ob nicht die noch befindlichen Wurtzeln einen Beweiß der alldar gestandenen und von den Druyden umgehauenen Eiche abgeben würden. Timon begegnete ihm: Diß würde ein Bewiß ohne Nachdruck eines kräfftigẽ Schlusses seyn. Sintemal ihm zwar unverborgẽ wäre: daß die Druyden den Eichen ein besonder Heiligthum zueigneten / vielleicht weil sie aus diesen Bäumen wie die Athenienser aus der Erde entsprossen seyn wollen / oder weil dieser Baum seine Eicheln den Menschen zur ersten Speise geliefert hat; diß aber würde ihnen schwerlich einiger Fürst enträumen: daß alle Eichen mit ihrem Grunde der Druyden Eigenthum wäre. Bey denen Römern und Griechen wäre die Fichte der Cybele / der Lorber-Baum dem Apollo / der Epheu dem Bacchus / die Pappel dem Hercules / der Oel-Baum Minerven / der Myrten-Baum der Venus /die Eiche Jupitern gewiedmet. Desthalben aber maßten ihnen die Priester dieser Gottheit weder über alle solche Bäume / noch [263] auff das sie säugende Erdreich einiges Recht zu. Ja auch von denen heiligen Eichen der Dodone mißgönneten sie nicht die anfangs den Menschen gewiesene Frucht wilden Schweinen zur Sättigung. Denn Gott wäre gegen die Menschen so freygebig: daß er sich mit der Wieder-Gabe des hundersten Theiles von seinen Geschencken vergnügte. Westwegen die an Andacht schwerlich einigem Volcke weichenden Griechen ausser dem Dodonischen keinen gantzen Wald / sondern nur einzele Bäume eingeweyhet. Wenn aber auch schon eine einzele Eiche da gestanden hätte / müsten sie darumb die Griechen versehret haben? Wüsten die Druyden nicht: daß alle Eicheln tragenden Bäume nach zwey hundert jährigem Alter am Gipfel zu verdorren anfiengen / zu einer Lehre der Demuth: daß die auffs höchste gestiegenen Dinge dem Untergange am nechsten wären? Zu Athen wäre der heilige Oel-Baum auff der Cecrops-Burg / in Epirus der Dodone Stein-Eiche / auff Delos ein Palm-Baum / in Syrien ein Lorber-Baum / bey Caphya in Arcadien des Menelaus Ahorn-Baum / und auf Samos der Junonische Keusch-Baum / zu Rom der Feigen-Baum / unter welchem noch Romulus und Remus gelegen haben sollen / ihres wunder würdigen Alterthums für unvergänglich gehalten worden. Aber der meisten Verdorrung hätte die Menschen dieses Aberglaubens erledigt; und denen noch stehenden hienge eben so wohl / als der edelsten Pflantze dem Menschen die Vergängligkeit zu. Dieser ihre Flügel schwingen sich biß unter die von der Einäscherung nicht befreyten Gestirne / als vielmehr auch über die Stein-Eichen / derer Festigkeit das Eisen verlachte /und über die Indianischen Bäume / welche man gleich mit keinen Pfeilen überschüssen könte. Die Bäume hätten so wohl / als alle andere Dinge ein gewisses ihnen vom Verhängnüsse gestecktes Ziel; wider welches die von den Druyden angegebene Eiche schwerlich einen Frey-Brief gehabt haben würde. Wormit aber die Griechen ausser allem Verdacht kämen: daß sie frembde Güter ungewissenhaftig besässen / und den Druyden ihr Heiligthum vorbehielten; wiewohl der zu ihrem Gottes-Dienste bebaute Ort für keine Entweyhung / oder eine unverantwortliche Entfrembdung heiliger Oerter gescholten werden könte; wolte er ihre Unschuld / wenn sie ihm folgen wolten / augenscheinlich fürstellen. Hiermit führte Timon den Hertzog mit den Druyden aus dem Tempel durch den Garten zu einer alten verdorreten Eiche /welche kaum von fünf Männern umbklafftert werden konte. Welcher Baum ein rechter Riese / andere Eichen aber gegen ihm nur Zwerge oder keine Elle in der Länge übertreffende Meer-Eichen zu seyn schienen / und also sein Schafft für den Asiatischen Baum nicht zu klein gewest wäre / unter dessẽ Zweige sich ein gantz Heer hätte lagern können. Dieses / sagte Timon wider die Druyden / ist sonder Zweifel eure alte Eiche; welche wir euch / wenn euch mit einem so dürren Heiligthume gedienet ist / willig abtreten wollen; ungeachtet ihr für selbtem vorhin eine Abscheu bekommen / und diesen Stock ärger / als den schwartzen Hagedorn und andere mit schwartzen Beeren trächtig stehenden Unglücks-Bäume geflohen habt. Die Druyden waren hierüber gantz verstummet; endlich erholete sich Erdmeyer / und fragte: Woher er diß sein Fürgeben behaupten wolte? Timon antwortete: Dieser Baum kan zwar nicht / wie der Mast-Baum auff dem Schiffe Argos reden; weniger wie die Dodonischen Eichen wahrsagen; gleichwol aber würde sie seiner Warheit und der Griechẽ Unschuld Zeuge seyn. Im Thracischen Chersonesus würden die umb des Protesilaus Grab gepflantzten Eichen für grosse Wunderwercke gehalten / weil sie so denn verdorreten / wenn sie so hoch gewachsen: daß man von ihrem Gipfel das zerstörte Ilium sehen konte; welche aber hernach wieder grünend empor [264] wuchsen. Alleine diese Eiche wäre ein noch viel grösseres Wunderwerck / welche bey der in Ohnmacht sinckenden deutschen Freyheit verdorret wäre / und bey ihrer Wieder-Genesung auffs neue zu grünen anfinge. Hiermit führte er die Anwesenden auff die andere Seite des Eichbaums / weisete ihnen einen aus dieser Eiche heraus getriebenen gantz grünen Zweig / und darunter diese eingeschnittene und ziemlich verwachsene Worte:


Die Palme mag ihr Lob mit ihrer Hold ausstreichen:

Daß sie die Nachbarin als Mann und Weib hat lieb;

In meiner Rinde steckt kein kalter Liebes-Trieb;

Ja Ulm' und Wein-Stock muß selbst meiner Neigung weichen.

Denn / als der edle Rhein die Segel muste streichen /

Fůr Cäsarn / der zu erst sich an die Deutschen rieb /

Und zu dem Brucken-Bau viel tausend Stämm' abhieb /

Fieng ich zu sterben an mit den verwandten Eichen.


Mein Haupt ward kahl / das doch den Himmel schien zu tragen /

Fůr dem die Ceder schier ein niedrig Buchsbaum war.

Doch wird mein gantzer Sta verlieren Safft und Haar /

Wenn Rom wird übern Rhein zwey freche Brücken schlagen.

Flieht also / Druyden! doch tröst' euch: daß der Rhein /

Wenn ich mich wieder werd' erholen / frey wird seyn.


Es ist kaum glaublich: was diese Schrifft und Wahrsagung für unterschiedene Gemüths-Regungen erweckte. Die Druyden waren beschämet über der unwiderleglichen Vertheidigung der Griechen. Sie starreten fast unbeweglicher als diese unbeblätterte Eiche; und verwendeten fast kein Auge von ihrem jungen Zweige / und dieser Schrifft; derer unverfälschte Wahrheit ihnen so klar unter die Augen leuchtete: daß sie selbte mit dem geringsten nicht zu verdächtigen wusten. Hertzog Melo hingegen / welcher ohne diß den Eubagen zugethan / und den Druyden über Achsel war / schöpfte so grosse Vergnügung aus dieser Wahrsagung / und dem Wunder Zeichen des neu-ausgeschlagenen Zweiges: daß seine Augen sich weder an einem noch dem andern ersättigen konten. Sintemal er nicht allein für unschätzbares Glücke hielt: daß er wider die Römische Bedrängung den ersten Degen gezückt hatte; sondern auch diese schon zum Theil bewehrte Weissagung ihn in der Hoffnung den Rhein und Deutschland in völlige Freyheit zu versetzen bestärckte. Er befahl desthalben diesen Baum mit einem absondern Schrancken zu versehen / ordnete ihm einen eigenen Gärtner zur Wartung zu / und gab denen Griechen dieser Anweisung halber ein ungemein geneigtes Auge. Die Druyden hingegen kochten im Hertzen eitel Galle gegen die Griechen; zohen also diese Eiche für einen Beweiß ihres über diese Gegend habendes Eigenthum / und den frischen Zweig zugleich für ein Zeichen ihres wieder erwachenden Rechtes an. Timon aber setzte ihnen entgegen: Ihr von denen Ubischen Fürsten erhaltener Zueignungs-Brief wäre älter als die Verdorrung dieser Eiche / und die Entweyhung der Druyden; Für welchen beyden die Griechen schon diesen Platz ruhig besessen hätten. Welches ihnen abermals die in ihrem Garten stehenden / und mehr als hundert jährige wilde Oel-Bäume zeugen müßten / welche wegen der mit den Eichen hegenden Feindschafft von den Druyden in ihrem Gebiete nirgends geduldet würden. Die Eichen hätten zwar diß Recht: daß man die abfallenden Eicheln in des Nachbars Grund und Bodem auflesen möchte; aber sie wären zu schwach dem Nachbar sein Eigenthum mit Gewalt zu entziehen; sonst würde diese Eiche dem siegenden Hertzoge Melo die gantze Stadt Aschenburg ansprechen. Hierüber fuhr Divitiach ein Britannischer Druys heraus: Es wäre dem / wie ihm wolte / so wären doch die Griechen mit ihrer schäd-und ärgerlichen Weißheit in der Nähe der heiligen Druyden nicht zu dulden; welche wie der mißgünstige Epheu denen benachbarten Bäumen allen Safft entzüge: daß sie wie diese unglückliche Eiche verdorren müsten. Ja die Griechen hättẽ zu keinem andern Ende so viel wilde Oel-Bäume so nahe ihrer heiligen Eiche gepflantzt / als ihre gegen die Druyden hegende Tod-Feindschafft darmit fürzubilden. Timon antwortete ohne [265] die geringste Entrüstung: Die Griechen wüsten von keiner Feindschafft; diese Reden aber kündigten wohl von den Druyden einen Krieg an / dazu sie niemals Anlaß gegeben hätten. Hätten sie ihrer Weißheit einigen Mangel auszustellen; möchte diß mit Glimpf und Bescheidenheit geschehen. Denn Weltweise solten mit einander nicht anders als die Wolcken kämpfen; welche / wenn sie auf einander stiessen / Glantz und Licht gebieren. Eine solche Art der Zwistung diente so wohl ein- als dem andern Theile zu Erleuchtung der Irrthümer / und ihre die Wahrheit suchende Unschuld verdiente: daß so wohl der Uberwundene /als der Uberwinder einen Lorber-Krantz trüge. Wenn aber die Weisen nicht die Wahrheit zum einigen Augen-Zwecke / und die Bescheidenheit zu ihrer Mäß-Ruthe hätten; sondern sich mit den ersten Gedancken / als einem unzertrennlichen Ehweibe vermählten / und aus dieser Einbildung mehr ihren hitzigen Gemüths-Regungen / als der Vernunffte folgten; könte nichts als eine Hartnäckigkeit und Irrthum daraus erwachsen; und dieser Streit verwandelt sich so denn in eine selbstständige Verneuerung der verdammten Schauspiele / darinnen Menschen mit wilden Thieren zu kämpfen gezwungen wurden. Ihres Ortes wäre die Hartnäckigkeit ihr gröster Greuel. Sintemal ihr grosser Lehrer Pyrrhon die Ruhe des Gemüthes für das höchste Gut gehalten hätte; welches in diesen zweyen Stücken bestünde: daß der Wille nichts böses unter dem Scheine des Guten / der Verstand aber nichts falsches für Wahrheit ihm aufdringen liesse. Weil aber die Wahrheit / nach des weisen Democritus Ausspruche / in einem tieffen Brunnen verborgen läge / solten sie bey so grosser Ungewißheit und vielen Bländungen sich in ihrem Urtheil nicht übereilen / sondern wie scheinbar gleich etwas bekleidet würde / allezeit daran ein kluges Mißtrauen haben. Welcher Zweifel denn ihnen zu annehmlichster Befriedigung diente / weil sie bey allen ihren Zweifeln doch vergewissert wären: daß ihr Verstand sich keiner Unwahrheit zum Leibeigenen gemacht hätte. Divitiach brach ein: Eben darumb / weil sie an allem zweifeltẽ / diente die den Nahmẽ der Weißheit zu Unrecht führende Thorheit des Pyrrhon nur zu Verwirrung der Welt / und zu Beunruhigung des Verstandes / welcher zwischen dem Unterschiede der Meynungen / wie die Fleder-Mäuse auch bey hellem Tage doch im finstern flatterten. Uber diß wäre ihr Zweifel eben so wohl als Pyrrhon / welcher nicht einst einem geladenen Wagen / einẽ wütenden Hunde und kollerndẽ Pferde hätte aus dem Wege weichẽ wollẽ / mit der Hartnäckigkeit so verschwistert: daß sie auch das für keine Gewißheit gelten liessen / dessen sie doch ihre sehende Augen / ihre fühlende Hände und andere Sinnen überwiesen. Timon antwortete: Des Pyrrhons Beschuldigung wäre eine falsche Auflage seiner Verläumbder. Denn wer wolte glauben: daß ein so rasender Mensch / welcher dem Unglücke keinen Schritt aus dem Wege wieche / wie Pyrrhon neuntzig Jahr alt worden / und biß zu den Weisen in Persien und denen nackten Lehrern in Indien / ohne Verlust des Lebens gereiset seyn solte. Wer wolte nicht die Klugen zu Athen bey solchem seinem Aberwitze für ebẽ so thöricht als ihn halten / da die ersten ihn mit ihrem Bürger-Rechte beehret / die andern ihn zum obersten Priester erwehlet / seine Nachkommen aber ihn der Sonne vergliechen haben? Unsere Weißheit aber /weil sie zu ihrem Grunde die Erkäntnüß ihrer selbsteigenen Schwachheit hat; und mit dem weisen Cleobulus ihre Unwissenheit in allen Dingen erkennet / verdienet hoffentlich von denen / die aus ihrer Einbildung einen Abgott der Wahrheit machen / nicht das Schelt-Wort der Thorheit. Niemand wird hoffentlich die Demuth des Arcesilaus verdammen: daß er aus besorglichem Irrthume von schweren Dingen weder was gewisses schlüssẽ noch schreibẽ noch auch die Hoffart der Academischen Weltweisen billigen wolte; welche ihre Schlüsse der gantzen Welt aus einer gewaltsamẽ [266] Botmässigkeit für ein selbstständiges Licht der unveränderlichẽ Wahrheit aufdringen wollen. Nachdem wir nun so wohl diese Hartnäckigkeit / als des Carneades und Clitomachus Meynung / welche die Wahrheit für ein gantz unbegreifflich Ding haltẽ /verwerffen / geschiehet uns zu viel / weñ wir darum hartnäckicht gescholten werden / weil wir nicht alsofort für unfehlbare Wahrheit aufnehmen / was uns die Blindheit oder Lüsternheit der äuserlichen Sinnen bereden wil. Denn eben diese sind die allerschli sten Verfälscher der Wahrheit / und den gemahlten Gläsern gleich / welche uns ein Ding nicht nach seiner Beschaffenheit / sondern nach ihrer falschen Farbe fürstellen. Der Uberfluß des Guten verursacht bey ihnen Eckel; die frembde Seltzamkeit und die gemeine Einbildung gibet auch der Bitterkeit einen Honig Geschmack. Also gehet es durchgehends den Menschen wie den Arabern / welche von dem süssen Geruche des häuffigen Weyrauchs und Myrrhen kranck werden / und durch Anzündung des aus Syrien geholten stinckenden Gummi ihrem Eckel und Ohnmacht abhelffen müssen. Ihr Urthel ist verterbt / wie der an der Mutter-Kranckheit liegenden Weiber / welche der annehmlichste Zibeth tödtet / und stinckender Bibergeil gesund macht. Ist unser Geschmack nicht lüstern nach gesaltzenen und ungesunden Speisen / welche weder einer unverwehnten Zunge einen guten Geschmack /noch dem Magen einige kräfftige Nahrung geben; wenn selbte nur über Meer oder aus der neuen Welt kommen sind; so gar: daß wir auch fremde Vogel-Nester und Erd-Geschwüre für niedliche Gerichte; Eiter und Drüsen unbekandter Ziegen für den Kern des kräfftigsten Geruches verzehren. Ihrer viel haben über dem geringsten Kitzel eine empfindlichere Fühle / als die Schlangen / da andere hingegen sich in den Schmertzen erquicken / und so gar aus denen zur Geilheit dienenden Ruthen-Streichẽ ihre Wollust schöpfen. Die Indischen Diamanten machet nur die Einbildung schöner als der Deutschen Agstein ist; da doch dieser eine Krafft zu ziehen / jener den ziehenden Magnet zu entkräfften / sonst aber so wenig Tugend als ein gemeiner Kieselstein an sich hat. In den Augen der Mohren ist die Schwärtze / wie bey denen schnee-weissen Deutschen die weisse ihre Königs-Farbe; so gar: daß die Bilder ihrer Götter nur aus schwartzem Marmel und dem die Härte der Steine beschämenden und wider das Gifft kräftigem Eben-Holtze / dessen jährlich zu dem Ende auch die Persen 300. Last zinsen musten / gemacht werden dörffen; ja diesem seiner gläntzenden Schwärtze halber zuschreiben: daß es den Augen dienlich / wie der Schnee schädlich sey; und destwegen daraus eine Augen-Artzney bereiten. Jedoch liesse sich diese Einbildung der Mohren / und die Schönheit der Schwärtze noch besser entschuldigen / als der Aberwitz der Verliebten / welche mehrmals einen Frosch für eine Diana ansehen; und mit einem grossen Weltweisen dieser Zeit sich an schielenden Augen am meisten ergetzen. Keinem geringern Betruge ist das Gehöre unterworffen. Sintemal die Griechen und Deutschen sich mit einander schwerlich vereinbaren werden: ob dieser ihre Kru hörner / oder jener Seitenspiele annehmlicher sind. Divitiach fiel ein: Wir wissen wohl: daß die äuserlichen Sinnen so wol ihre Gebrechen / als die Eingeweide ihre Kranckheiten haben. Aber / wo diese ihr unverfälschtes Zeugnüß ablegen / ist es eine grosse Thorheit mit dem Anaxagoras zweifeln: ob der Schnee nicht mehr schwartz als weiß sey / und alles Honig / wie das in Corsica / mehr bitter als süsse sey. Noch viel ärger aber ist: wo die Vernunfft selbst /welche der Leitstern des Menschen seyn soll / sich durch allerhand Zweifel selbst so verwickelt: daß sie nirgends das Ende findet. Denn die / welche keinen vernünftigen Gründẽ Beyfall geben / gleichen denen /die den Schwindel im Kopfe haben / derer Gehirne schluttert / und unter dem / was zu glauben oder zu verwerffen sey / sich mit sich selbst niemals vergleichen / also sich weniger einer Gemüths-Ruh als die einander zerschlagendẽ [267] Wellen einer Eintracht rühmen können. Wolke Gott! versetzte Timon / daß entweder die Wahrheit kentlicher oder unser Verstand erleuchteter wäre sie von ihnen zu unter scheidẽ. So aber beschämet offtmals die Scheinheiligkeit die Andacht / die Larve der Tugend sie selbst; wie mancher Firniß das Gold / und gekünstelt Glaß rechte Edelgesteine. Der Glanz der Warheit wird oft von den Irrlichtern einer allgemeinen Meinung verdüstert / und des Pöfels Irrthum thut der Weißheit den grösten Abbruch; welche ihre Unwissenheit und Unvollkommenheit so viel mehr erkennen lernet / als selbte sich der Vollkommenheit nähert. Dahero niemand weniger als ein Unverständiger / und niemand mehr / als ein Weiser zu zweifeln findet; und sich bescheidet: daß ihn nichts minder das Auge des Gemüthes in Erkiesung des guten und warhafften / als das Gesichte an Unterscheidung der Farben / und an Mäßung der Dinge betrügen kan. Einerley Zeug hat so vielerley Farben / als man selbigen wenden kan. Einem Gelbsüchtigen siehet alles gelbe aus; und ein Einfältiger wird sich schwerlich bereden lassen: daß er die unbegreifliche Größe der Sonne nicht überklafftern / die Helffte des Monden nicht überspannen / und iedweden aller andern Sterne mit dem Daumen bedecken solte. Diesemnach jeder / der sich nur selbst kennet / und seine Zwerg-Größe nicht nach seinem ihn beym Untergange der Sonne oft mehr als fünfmal übertreffenden Schatten abmißt: sich für sich selbst bescheidet: daß er des Zweifels / als eines Probiersteines der Warheit unentpehrlich von nöthen habe. Denn dieser ko t allen irrigen Einbildungen zuvor / welche sonst den Menschen insgemein übereilen: daß er sodenn nicht so wol die verborgene Warheit zu finden / als seine irrige Einbildung der Warheit ähnlich zu machen nachsinnet. Der Zweifel untersuchet alle Meinungen / und machet endlich aus allen zusammen einen der Warheit gemäßen Schluß; wie Zevxes aus denen fünf schönsten Frauen zu Crotton ein vollkommenes Gemählde der schönsten Helena. Die vermessene Einbildung hingegen überredet sich zwar: daß ihre Meinung so wenig mit Irrthümern / als die Sonne den Finsternüssen der Nacht unterworffen sey. Sie macht aus ihren Gedancken Gesätze / und hält jedermañ für wahnsinnig und gottlose / der sich selbten nicht durch einen blinden Gehorsam unterwirfft. Wenn man aber alles genau untersucht und prüfet / hat ihre Einbildung so wenig einen Sonnen-Staub von der Warheit / als ein Spiegel das Wesen der Sachen in sich / die man darinnen siehet. Oder da ja ihre Sätze nicht von aller Warheit leer sind / ist sie darinnen so sparsam / als das Gold in Steinen / welche alle / außer den Kalcksteinen / was weniges von diesem Marcke der Erden in sich haben. Alleine diesen sparsamen Schatz findet die Einbildung nur ungefehr / wie der über seinem Unvermögen verdrüßliche Mahler Nialces durch den Wurff seines von vielen Farben angefüllten Schwa es den Jäscht eines schäumenden Pferdes ausdrückte / welchen sein Pinsel vorher nicht vergnüglich zuwege bringen konte. Divitiach röthete sich hierüber; weil er der Druyden Weißheit / welcher Schlüsse von jedermann für die selbstständige Warheit angenommen werden soltẽ / angestochen / und für eitele Einbildungen gescholten zu seyn glaubte. Diesemnach fieng er an: Es wäre freylich eine der grösten Thorheiten bis /was einem zum ersten einfällt / sonder Untersuchung der Sache für die unfehlbare Warheit erkiesen. Die Prüfung müste vorher gehen / das Urthel folgen / und dis hernach mit Hertzhaftigkeit wider alle widrige Meinungen vertheidigt werden. Auf diese Art hätten die alten Druyden verfahren / und daher ihnen eine so festgesetzte Weißheit verlassen: daß niemand daran zweiffeln könte / wer sich nicht klüger / als das Alterthum / und scharfsichtiger / als tausend graue Häupter heiliger Priester achten wolte. Zwar weil die vollkommene Warheit nirgends / als im Himmel gefunden würde / und die Alten ihr desthalben [268] als einer grossen Göttin geopfert hätten / wären die Druyden so vermessen nicht: daß sie eine Weißheit ohne den geringsten Beysatz einigen Irrthums zu besitzen / und sie daher über die nicht ohne Flecken sich befindenden Gestirne zu erheben vermeinten. Weil nun der Irrthum gleichsam des menschlichen Geschlechtes Abstattung oder Leibgedinge ist / halten wir es nach dem Beyspiel eurer Griechen / welche bey ihren Schiffahrten sich lieber nach dem kenntlichen grossen Bäre richten / und die Fahrt finden / als mit den Phöniciern den oft verschwindenden Angelstern suchen und irre fahren wolten / für besser und nützlicher einen der Warheit ähnlichen Irrthum / als ein unächtes Kind ehrlich zu machen / und die Warheit zu erklären / als bey allzu scharffer Suchung der Warheit immer irren / und bey stetem Zweifel in Ungewißheit leben. Denn was thun die anders / welche alle Gewißheit leugnen / denn daß sie die Warheit der Welt / wie Prometheus das Feuer dem Himmel stehlen? Sie zancken sich mit sich selbst: ob es einige Warheit gäbe? ob sie für sich selbst etwas wesentliches / oder nur eine Ubereinstimmung mit unserm Verstande sey? Ob sie in den Dingen selbst / oder nur in unserm Gehirne stecke? Ob nicht der Mensch nur einen Trieb sie zu suchen / oder taugliche Werckzeuge sie zu begreiffen habe? Sie werffen die Verfassung aller Herrschafften über einen Hauffen. Sintemal sie ungewiß sind: Ob die Gesätze heilsam oder böse? ob der Obrigkeit zu gehorsamen /oder sie nicht vielmehr zu vertilgen? Ob der Tugend oder den Lastern beyzupflichten? Sie stehen mit dem disfals thörichten Socrates im Kummer: Ob sie selbst Menschen / oder nicht vielmehr ein abscheulicher Thier sind / als der Riese Typhon beschrieben wird? Sie zweifeln: ob sie eine Seele haben? Wie sollen sie denn ihrer Unsterbligkeit vergewissert / und ihre Leichen von den Aeßern des Viehes zu unterscheiden fähig seyn? Ja sie stossen durch den Zweifel: ob ein GOtt sey / GOtt selbst vom Stule / jagen alle Gottesfurcht aus der Welt. Dem Timon lief über diesen Worten die Galle über. Daher er dem fortredenden Druys einbrach: dis sind Lästerungen wider die Weltweisen; welche man zwar die Zweifelnden heißt / die aber weder an dem Wesen der Warheit / noch an der Güte der Tugend / am wenigsten an Unsterbligkeit der Seelen und an GOtt / welcher die Warheit selbst / alle andere Dinge / ja die Sonne selbst nur sein Schatten ist / gezweifelt haben. Sie zweifelten ja wol über den meisten Dingen; aber eben dieser Zweifel hielte diesen nothwendigen Schluß in sich: daß / wenn dis nicht wahr wäre / das gerade Widerspiel gewiß wahr seyn müste. Nach dem sie nun durch ihr zweifeln nichts anders als die Warheit suchten / warumb verläumbdete man sie denn: daß sie an ihr zweifelten /oder gar sie aus der Welt verbannten? Sie legten ihrer Vermessenheit einen Zaum an / wenn sie etwas nicht für die unfehlbare Warheit zu erklären anstünden; sie weigerten sich aber niemals dem / was der Vernunfft und Warheit ähnlich / beyzupflichten. Sie mühten sich aufs eivrigste tugendhaft zu seyn / wie ihrer ersten Vorgänger des Empedocles / Democritus / der sieben weisen Griechen und anderer Beyspiele für sie redeten; wie solten sie denn der Tugend abzulegen ihnen träumen lassen? Es haßte niemand in der Welt die Hartneckigkeit mehr als sie; und die Einfältigsten machten von ihrer Einbildung mehr Wesens / als sie von ihren Warheits-Aehnligkeiten / welche doch aber den Lügen und Lastern Spinnenfeind wären; Wie solten sie denn den heilsamen Gesätzen widerstreben? und / da sie keiner Einbildung Sclaven seyn wolten /den Gehorsam rechtmäßiger Obrigkeit durch die scheltbarste Hartneckigkeit entziehen / wie dieselbige Weisen / welche ihrer Meinung nach nicht irren können; Und / wie des Diogenes Nachfolger niemanden in der Welt als ihre Einbildung für ihr Haupt [269] erkennen? Diese Hoffart aber hätte ihren Ursprung aus dem Abgrunde der gröbsten Unwissenheit / welche noch keinen rechten Blick in das unerschöpfliche Licht der Weißheit gethan / noch die unverfälschte Tugend nackt und ohne Schmincke erkennet hätte. Nach dem aber Lügen und Laster als zwey unverschämte Kebs-Weiber ihnen die Larve der Ehfrauen / nemlich der Warheit und Tugend so scheinbar für zumachen wissen / ist dis alleine das zweifelhafteste / was warhaftig Tugend oder Laster sey? Ich wil mich auf keine abscheuliche Vergehungen ungearteter Völcker beziehen / welche gleichsam des Lichtes der Vernunfft / und des Rechtes der Natur beraubt / und also auch nur für Vieh zu achten sind. Alleine sind nicht auch wolgesittete Leute hierinnen zwistiger Meinung. Wie etliche Völcker der lincken / andere der rechten Hand die Oberstelle zueignen; also heißt die Friedfertigkeit bey den Bithyniern eine Tugend / bey den Deutschen eine Narrheit. Wie das Saltz zwar fast der gantzen Welt die beste Würtze ist / den Albaniern aber / und den Einwohnern etlicher Atlantischen Eylande allen Geschmack versaltzet; also ist es bey den Griechen rühmlich sich auf den Schauplätzen wol halten: zu Sparta den edelsten Frauen zuläßlich fürs Geld eine Gaucklerin abzugeben / bey den Römern aber schimpflich / bey den Deutschen ein Greuel. In gewissen Ländern ist es eine Zierde lange Nägel wie Adlers-Klauen / und in Sarmatien narbichte Gesichter haben. Diesen sind die Römer nicht ungleich / welche / frembde Länder mit ihren Klauen an sich reissen /Tapferkeit; und gantze Völcker aushauen / Helden-Thaten heissen. In Persien lassen die Gesätze zu Mutter und Schwester heyrathen / bey uns ist es ärgste Blutschande. Der sonst so tugendhafte Alcibiades hielt den Ehbruch für eine Geschickligkeit eines Edelmannes; und Käyser August für Staats-Klugheit. Der wegen seiner Einbildung allezeit arme Geitz hat fast durch die gantze Welt beym Pöfel / der Ehrgeitz beym Adel / die Herrschsucht bey Fürsten / die Scheinheiligkeit bey Geistlichen den Nahmen und die Stelle der ersten Tugend bekommen. Mit einem Worte: nunmehr lässet sich auf dem Schauplatze der Welt das Laster in keiner andern Tracht / als in dem Rocke der Tugend sehen. Ja ich stehe in Zweifel: ob sich ihrer nicht mehr / wie Herostratus / durch Laster / als durch Tugenden in der Welt berühmt gemacht / und die eitele Unsterbligkeit des Nachruhms / welche in dem Gedächtnüsse der Lebenden bestehen soll / erworben haben. Mit dieser Einbildung aber hat bey uns die Unsterbligkeit der Seelen / welche uns für allen andern Dingen der Welt der Warheit am ähnlichsten scheinet / keine Verwandschafft. Denn weil unserem Geiste die Begierde viel zu wissen / wie dem Magen der Hunger nach Speise eingepflantzet ist; unser Zweifel aber uns die Unvollkommenheit unserer Weißheit für Augen stellet / ist der Vernunfft nichts glaublicher: als das unsere Seele mit denen sterblichen Gliedern ihre Unvollkommenheit ablegen / und sie sodenn wie ein aus dem Keficht gelassener Vogel sich in Ergründung der Warheit höher zu schwingen fähig seyn werde. Aus diesem Grunde hat Anaxarchus einer unserer fürnehmsten Weisen / als er im Mörsel zerstossen ward / dem Cyprischen Wütterich Nicocreon unter Augen gesagt: Stoß immer hin! denn du zerstößt nicht Anaxarchen / sondern nur seine Hülsen. Wer mag uns nun bey solcher Beschaffenheit antichten: daß wir gar keine Seele glaubten? da doch uns der zu so viel Weißheit dienende Zweifel uns nichts glaubhafters / als die Seele macht; ja uns mehr versichert: daß wir eine Seele / als einen Leib haben. Denn dieses bereden uns nur die sich selbst nicht sehenden / und oft durchs Blaster spielenden Augen. Weil aber der Seele Wesen im Nachdencken bestehet / ein Zweifelnder aber mehr als ein Leichtgläubiger nachdenckt / können wir über nichts zweifeln / ohne daß wir eine Seele zu haben gestehen. Daher etliche unserer zweifelnden [270] Seelen für der Warheit gemäß halten: daß nur der Mensch / nicht aber wilde Thiere /welche nichts aus eigner Regung / sondern wie die an einem Drate hängende Spiel-Tocken / oder wie der Zeiger an einer Uhr alles thun / am wenigsten aber die Pflantzen eine Seele haben. Das aller abscheulichste aber ist: daß uns beygemessen wird: wir zweifelten: ob ein GOtt sey? da wir doch nirgendshin unsere Augen werffen können / wo uns nicht etwas die Gegenwart der Allmacht und Weißheit Gottes einrede. Der geringste Kefer / die giftigste Spinne / der heßlichste Wurm / die längsamste Schnecke / ja die todten Steine schreyen uns in die Ohren: daß GOtt in grossen Geschöpfen zwar groß / aber nicht kleiner in den kleinsten / und in dem unsichtbaren am aller sichtbarsten sey. Ja wenn ich niemals einen GOtt geglaubt hätte / würde mich diese todte und nunmehr gleichsam wieder lebend-werdende Eiche überweisen: daß weil in aller Menschen Kräfften nicht stehet ein einiges Eichblat zu machen / etwas höhers sey / welches so wol uns / als die gantze Natur beseele. Welche überschwengliche Allmacht und Weißheit Gottes ihrer viel so verblendet hat: daß sie nicht nur einen Gott geglaubt / sondern ihrer dreißig tausend gelichtet haben. Diesemnach wir / unserer Gewohnheit nach /vielmehr Ursach zu zweifeln haben: Ob jemand ein solch Unmensch seyn könne: daß er keinen Gott glaube; wenn er es schon sagte. Sintemal uns dieses Licht von GOtt bey unser Geburt so geschwinde ins Hertze / als der Glantz des Tages uns in die Augen fällt. Unter denen glücklichen Eylanden ist zwar eines gewest; da die Einwohner nichts vom Feuer gewüst; aber auch in den Cimmerischen Finsternüssen ist dis Licht aufgegangen / und den Menschen ins Hertz geschrieben: daß ein GOtt / und eine göttliche Versehung in der Welt sey / welche alles rege / und sie in ihrem düsternen Zweifel erleuchte. Sintemal ihnen nicht glaublich schiene: daß die Seele den Leib / oder ein Leib den andern bewegte; sondern daß GOtt vielmehr die erste Bewegungs-Ursache / alle andere den Schein der Bewegung habende Dinge todte Werckzeuge oder der Anlaß dazu seyn. Ja nicht nur die Vernunfft der Menschen / sondern der Unverstand der Thiere muß dieser Meinung beypflichten. Weñ man nur die Sprache unvernünftiger Thiere verstünde /würde man aus ihrem Blöcken / Wiegern und Geschrey / ja aus dem Gerüsel der Pflantzen ein deutliches Bekäntnüs Gottes vernehmen. Ja wenn die Thiere mahlen könten / würden sie unvermuthlich GOtt auf eine Art fürbilden. Dahingegen die eitelen Menschen ihn meist nach ihrer tummen Neigung fürstellen. Dannenhero bey den streitbaren Spartanern alle Götter gewafnet / bey den handelndẽ Phöniciern mit Rechnungs-Tafeln gemahlet waren. Wie mag man denn uns eine Blindheit zutrauen / welcher nicht einst die unvernünftigen Thiere unterwürffig sind. Wenn aber wir in einer so düsternen und unmenschlichen Einbildung steckten; warumb hätten wir nach dem Beyspiele Ulyssens der beschirmenden Minerva /nemlich der göttlichen Weißheit dem Brunnen der ewigen Wahrheit diesen Tempel gebaut? Warumb opferten unsere Hände ihr täglich so viel Weyrauch /und die Hertzen so viel Andacht? Divitiach ward hierüber nicht wenig verwirret / wuste also der Griechen Lehre keinen Haupt-Mangel mehr auszustellen. Jedoch sagte er: Es wäre niemals ein Aberglaube jung worden / der nicht in ein Westerhembde der Unschuld wäre eingehüllt gewest. Hätten die abergläubigen Griechen gleich nicht Katzen / Hunde und Kefer / und andere unreine Thiere wie die Egyptier zu ihren Schutz-Göttern erkieset / so wären doch ihre Götter so viel unreiner / als die Flecken der Seele / die der Leiber an Heßligkeit übertreffen. Maßen denn ihr Neptun umb mit der Ceres Blut-Schande zu treiben sich in ein Pferd / Jupiter seines Ehbruchs und unnatürlicher Geilheit halber in Bock und Ochsen verwandelt [271] haben soll. Ja der letzte Macedonische König Philip hat so gar der Gottlosigkeit / ein ander der Ungerechtigkeit / und die die Frömsten seyn wollen /allem dem / was sie nähret / Altäre aufgebauet. Wer wolte sich nun bereden lassen / daß dieser Griechen Gottesdienst nicht mit Vielheit der Götter / und andern ärgerlichen Aberglauben besudelt sey? Ihre dem Laertes und Ulysses zugeeignete Weißheit verriethe sie: daß sie ein anders zum Scheine vorwendeten / ein anders glaubten und lehrten. Diesemnach erforderte die Wolfarth Deutschlandes diesen frembden und verdächtigen Gottesdienst als ein schädliches Unkraut beyzeite auszurotten / da dis nicht die mit so grosser Müh kaum zusammen gewachsene Einnacht der Deutschen durch sein schädlich Gifft zertrennen solte. Sintemal die Eintracht des Gottesdienstes gleichsam das Geblüte der Unterthanen / wie ein sauerer Nab die Milch zusammen gerinnend macht; aller Unterschied aber des Gottes-Dienstes / welcher gleich in der vernünfftigsten Verfassung stünde / einem Reiche eben so wol / als der Unterschied des Maaßes und Gewichtes schädlich wäre. Denn nach dem die menschlichen Gemüther so selten / als die Antlitzer mit einander übereinstimmen / zertheilten sie auch ihre Andacht; und dünckete einen dis heilig / was der ander als einen Greuel verfluchete. Daher denn die Unterthanen / welche als Glieder eines Leibes von einer Seele der Eintracht geregt werden sollen / zu bürgerlichen Kriegen und Aufruhr wider ihre was anders glaubende Fürsten / die Fürsten aber unter einander leicht zur Todfeindschafft verleitet würden. Ja weil in der Welt nichts fruchtbarers als Irrthum wäre / der zur Neuigkeit geneigte Pöfel aber / welchem man die Freyheit in Glaubens-Sachen ließe / unbändiger als die wilden Stutten würde; vermehrte sich der Unterschied des Gottesdienstes in weniger Zeit in so viel Arten / als es Köpfe gäbe. Dieser Brutt aber gebiere hernach wie die vom Cadmus geseete Drachen-Zähne eitel sich selbst aufreibende Zwistigkeiten und Empörung. Denn wie könte man einem Haupte willig und mit gutem Hertzen gehorsamen / welches man für so ungehirnt / oder gar für einen Kalbskopf hielte / welches für sich selbst nicht eine warhafte Andacht zu erkiesen verstünde. Ja jeder unvergnügter Edelmann hätte Gelegenheit sich an seinem Fürsten zu rächen / wenn er den neuen Gottesdienst annehme / und sich zum Haupte der neuen Rotten machte. Weil die Uneinigkeit nun eines Landes Todten-Bret / Fürsten hingegen Priester der Warheit und Eintracht / ja auf Erden GOttes Ebenbilder und Stadthalter wären / läge ihrem Ampte und Gewissen ob / für die auf der Einigkeit des Glaubens gegründeten Ruhe des Reiches / und für die göttliche Ehre und ihre Hoheit gegen dieselben zu eyvern / welche ihnen aus Heft der Herrschafft grieffen / wenn sie der Fürsten Gewalt über ihr Volck so weit einschrenckten: daß sie nur über der Unterthanen Leiber; Gott aber allein über der Menschen Seelen zu gebieten hätten. Gleich als wenn die den Herrschern schuldige Liebe und Treue nicht vielmehr ein Opfer des Gemüthes / als ein euserliches Werck der Glieder wäre. Diesemnach thäte ein Fürst seinem Gewissen Zwang / seinem Reiche Unrecht an / wenn er allen Gewissen die Freyheit / und hiermit den Unterthanen die Willkühr zu gehorsamen oder widerspenstig zu seyn ließe. Niemand aber wäre hierinnen vermessener als die Griechen; welche den Schwan und den Raben zu keiner andern Andeutung dem Apollo gewiedmet zu seyn glaubten: als daß GOtt nicht weniger an widriger Verehrung / als die Natur am Wechsel des Tages und der Nacht Belieben trüge. Zwar bescheideten sich die Druyden: daß die freyen Deutschen auch im Gewissen eine mehrere Freyheit / als andere dienstbare Völcker von nöthen hätten. Alleine sie selbst hätten dieser Freyheit durch Billigung der Druyden / Barden und Eubagen schon [272] selbst ein Ziel gesteckt. Und könte er nimmermehr glauben: daß die letztere nicht eben so wol / als die erstern dem Griechischen Aberglauben und Vielheit der Götter / welche ihrer aller Gottesdienst zernichtete / die Stirne bitten solte. Hertzog Melo selbst würde unschwer befinden: daß durch diesen Eintrag die gantze Verfassung der Deutschen Herrschens-Art umbgestossen / und sie nicht allein zu Knechten abscheulicher Irrthümer / sondern zu Leibeigenen derselben Völcker gemacht werden würden /welche den Saamen dieser Zwytracht mit Fleiß an den Rheinstrom ausgestreuet hätten. Denn derselbe Fürst /welcher seines Nachbars Unterthanen seinen Gottesdienst beybringet / hätte an selbigen schon mehr Eigenthum / als ihr eigener Gebieter. Wenn aber auch der Griechen Weißheit alles Irrthums befreyet wäre; so machten doch sie selbst durch Mißbrauch selbte eben so schädlich / als aus des Menschen Leibe das ärgste Gifft wider ihn selbst bereitet wird. Dis geschehe aber damit: daß sie die Geheimnüsse ihrer Weißheit auch dem geringsten Pöfel und Weibern gemein machten. Massen denn die / welche nur zwey oder dreymal in der Schule der Griechen gewest wären /unter der Larve der Weißheit und Andacht ihrer Arbeit und Dienste vergäßen / die Bauern den Pflug verliessen / die Kriegs-Knechte ihre Waffen weglegten /die Weiber mehr Zeit über Glaubens-Streitigkeiten /als über dem Spinnen und nähen zubrächten / alle aber ihren Vorwitz zu einer grossen Heiligkeit machten. Da doch die Natur durch die sparsame Austheilung der Edelgesteine / durch das seltzame Wachsthum der Balsam-Stauden / durch die nur wenigen Muschel-Schnecken kaum Tropffen-weise geschehende Einflößung der Purpur-Farbe unsere Lehrmeisterin wäre: daß die unschätzbaren Perlen der Weißheit /und die Geheimnüsse des Gottesdienstes nicht wie schlecht Wasser auszuschütten / noch dieselbigen Thiere / für welche die Eicheln wachsen / mit Granat-Aepfeln zu mästen sind. Diesemnach lehrten sie Druyden beydes nur Fürsten und den hohen Adel /welche über andere gebieten sollen / und daher für den Gehorchenden ihres Verstandes halben mehr Ansehn haben müsten. Wie denn noch zur Zeit in Deutschland schier niemand außer denen Fürsten und Edlen zu grossem Vortheil des gemeinen Wesens und zum Schirme der Unschuld freyen Künsten oblege / ja die meisten weder schreiben noch lesen könten. Nicht anders machten es die Scythischen Priester / welche nur ihren König unterrichteten / und die Bücher ihres Gottesdienstes in einer frembden Sprache / wie die Egyptier in einer verborgenen Bilderschrifft aufgezeichnet / und durch dis kluge Mittel für dem gemeinen Volcke verborgen hätten. Würden doch weltlicher Fürsten Geheimnüsse dem Volcke verborgen / weil sie ihm nur unauflößliche Rätzel / und ihr Verstand tieffer Rathschläge heilsames Absehen zu ergründen viel zu seichte wäre. Wie solte sich denn der Pöfel schicken die Geheimnüsse des unbekandten GOttes zu verstehen? dahero denn dieser sich billich mit dem wenigen Vorschmacke oder der Blüte zu vergnügen hätte / weil der Kern und die Muscaten-Nuß des geheimen Gottesdienstes für ihn allzu starck wäre. Zumal Gott ohne dis ein weniges von der Heiligkeit für ein angenehmer Opfer aufnehme / als viel Erleuchtung. Timon setzte dem Divitiach mit einer freudigen Hertzhaftigkeit entgegen: Er könte so wenig eines jeden Griechen Meinung vertheidigen / als die Druyden selbst aller Deutschen Gottesdienst billichtẽ. In allen Ländern wären fromme und gottlose Leute / wie auf allen Wiesen giftige und gesunde Kräuter wüchsen. Uberdis wäre auch unleugbar: daß oft gantzen Völckern entweder falsche oder einen gantz andern Verstand habende Meinungen angetichtet würden. Zu Rom wäre niemand / der nicht glaubte: daß die Deutschen den Mercur für ihren höchsten Gott / nach ihm[273] aber auch den Hercules / Mars / die Isis anbeteten /wie auch ihren Urheber den Tuiscon und etliche verstorbene Weiber zu Göttern gemacht hätten; da doch er von den Deutschen bey seiner langen Anwesenheit zu Aschenburg ein viel bessers gelernet hätte. Nicht besser gienge es itzt ihnen. Denn ungeachtet sie des Laertes und Ulyssens Nahmen in ihrem Tempel stehen hätten / wären doch dis nur Gedächtnüsse wolverdienter Helden / und so wenig / als der Deutschen Lobgesänge von ihrem Tuiscon und Hercules Vergötterungen. Aller vernünftigen Griechen Glaube wäre jederzeit gewest: daß wie ein Kreiß nur einen Mittelpunct / die Welt nur eine Sonne / also das grosse All nur einen einigen GOtt habe. Sein Wesen wäre unendlich. Daher könte man ihm durch keine Abbildung eine Gestalt geben; Und hätte destwegen Iphitus / Lycurgus und andere GOtt einige Seule aufzurichten verboten. GOtt wäre der Ursprung aller Dinge. Wie es keine Pflantze gäbe / welche nicht eine Wurtzel in der Erde hätte; also wäre in der gantzen Welt nichts / was nicht GOtt seinen Anfang und Wesen dancken müste. Daher könte durch menschliche Vernunfft seine Tieffe nicht ergründet werden. Er wäre der Brunn alles guten; und daher die ärgste Gotteslästerung ihm einiges Laster zuzudencken. Dieses wäre ihre den Deutschen gar nicht widrige Lehre / welche die Druyden schwerlich tadeln / noch weniger aber der gerechte Melo verdammen / oder sie dieser Warheit halber verjagen würde. Denn sie wäre nichts neues / sondern der Griechen und Deutschen ältester Gottesdienst. Westwegen sie auch die Eubagen schon für geraumer Zeit in ihre Gemeinschafft aufgenommen / sie also der diesen versicherten Freyheit zu genüssen hätten. Weñ aber auch die Druyden alleine eine Weißheit ohne Irrthum / und einen Gottesdienst ohne Aberglauben / die Griechen aber in beyden Flecken hätten; könten sie doch schwerlich glauben: daß der wahre Gottesdienst das allgemeine Band der Freundligkeit auflösete; welche auch die sich für ihr demüthigende Hunde streichelte. Am wenigsten aber wären sie / Griechen / so sehr zu hassen; weil sie ihres Zweifels halber sich niemals mit einigem Irrthume so feste verlobten: daß sie bey Erweisung eines bessern keine Ehscheidung verhiengen. Wie dem allem aber tröstete sie gegen alle Feindschafften: daß sie mit ihrer Demuth bey dem in Gnaden zu stehen vermeinten / in welchem kein Schatten oder Wechsel der Veränderung wäre. Wenn aber dis so wol im Wercke / als in den Augen der Druyden ein so strafbares Laster wäre: daß sie aus ihrem Gottesdienste kein Geheimnüs machten / und mit der Lehre ihrer Weißheit jedermañ ohne Unter schied betheilten; müsten sie vorher die Sonne verklagen: daß sie so wol niedrige Stauden und kriechende Würmer / als gestreckte Zedern und die Wolcken überfliegende Adler beschiene; oder gar mit GOtt das Recht ausführen: daß er eines Bildhauers oder einer Hebamme Sohn besseres Vermögen die Weißheit zu begreiffen gäbe / als weniger Könige und Römischer Bürgermeister Kinder haben. Welches der gerechte GOtt nimmermehr also schicken würde / wenn Niedrigkeit eine Hindernüs zur Weißheit / und Schwachheit zur Tugend zu klimmen abgeben solte. So aber schickte es die selbstständige Weißheit: daß der kleinste Zwerg aus dem tiefsten Thale die Sterne so gut /als ein Riese auf dem höchsten Berge sehen könte. Und GOtt trüge ein Belieben seine Weißheit durch die allergröste Ungleichheit in seiner Wahl groß zu machen. Nach dem nun Gott die Sonne unserer Seelen wäre / müsten nicht nur die Fürstlichen und Edlen /sondern alle ihre Gemüths-Augen gegen diesem unbegreiflichen Lichte empor heben. Zumal bey dem grossen GOtt der irrdische Unterschied des Adels und Pöfels gar nichts; und in seinen Augen der gröste König ein so kleiner Zwerg / als der geringste Bettler wäre. Die Anschauung GOttes aber könte von denen /welche von Gott [274] gar nichts wüsten / nicht geschehen. Denn weltliche Gemüther urtheilten von heiligen Dingen nach ihren fleischlichen Neigungen; und unerleuchteter Verstand wolte den unermäßlichen GOtt nach dem Fusse seiner thörichten Vernunft ausspannen. Gäntzliche Unwissenheit und ernstliche Andacht könte so wenig / als Blindheit und Liebe in einem Hertzen herbergen. Gottes heilige Tempel duldeten diese Kinder der Finsternüs nicht / wie das Eyland Creta keine Nachteulen. Denn Weißheit ohne Andacht ist eine Ohnmacht der Lebenden / und der Gottesdienst ohne Weißheit eine Andacht der Todten. GOtt selbst ist die selbständige Weißheit / ja der Brunn aller Weißheit; wie soll er denn von denen / die gar keinen Strahl hiervon haben / würdig verehret werden? Sintemal uns nichts dem Viehe ähnlicher macht /als die Unwissenheit. Daher die Weißheit billich vom Socrates fürs höchste Gut gerühmet wird. Wer die besitzet / siehet zweymal so viel als ein ander / ja GOtt selbst / welcher doch unsichtbar ist. Westwegen ein einiger Tag eines Weisen schätzbarer ist / als ein hundert-jähriges Alter eines Unwissenden. Wie mögen nun die Druyden ohne Grausamkeit den meisten Menschen die Geheimnüsse ihres Gottesdienstes verbergen? Meinet ihr vielleicht: daß die Blinden wie der Wahrsager Tiresias tieffer / als die Sehenden in das Geheimbuch des göttlichen Verhängnüsses blicken können? Oder bildet ihr euch mit dem sich selbst zu dem Ende des Gesichts beraubenden Democritus ein: daß die Blinden die weltliche / die Unwissenden aber die göttliche Weißheit zu begreiffen fähiger seyn? Nein / nein! GOtt ist das Licht / ja der Brunn alles Lichtes; woraus die Sterne ihren Schein / unsere Seelen ihre Erleuchtung schöpfen. Warumb sollen wir denn andern / die nicht weniger Menschen / als wir sind / dis vorenthalten / was wir selbst als ein göttlich Geschencke aus Gnaden genüssen? GOtt ist ein so groß Licht / daß die Sonne nur seinen Schatten abgiebt; wie soll ihm denn mit der Finsternüs einer blinden Andacht gedienet seyn? Zumal / da auch der Allererleuchtesten Andacht nur dem Morgen-Lichte gleichet / das noch immer mit Düsternheit und der sich zu weichen wehrenden Nacht kämpfet. Daß ich aber schlüsse; so schauet / ihr Druyden / nur die Sonne das Sinnebild Gottes an. Diese erleuchtet die finstersten Thäler; sie giebet mit ihren Strahlen denen kohlschwärtzesten Sachen einen Glantz; daß nur nichts finsteres sie durch seinen traurigen Anblick beleidige. Ja es ist kein Fleck in der Erd-Kugel / auf welchen die Sonne das Jahr über weniger / als auf den andern scheine; ungeachtet die Länge der Tage und Nächte nach dem Unterschiede der Oerter so wenig übereinstimmet. Unter dem Mittel des gestirnten Thier-Kreißes behält Tag und Nacht immer eine mittelmäßige Länge. Unter denen Eis-kalten Angelsternen aber folgt auf eine halb-jährige Nacht ein halb-jähriger Tag. Wie solte denn GOtt belieben; daß ein Mensch für dem andern in seiner Erkäntnüs ein Vorrecht haben / und also einer sein rechter Sohn / der ander sein Stiefkind seyn solte? Lasset / ihr Druyden /eure heilige Eichen eure Richtschnur seyn; welcher Heiligthume ihr nichts abbrüchig zu seyn glaubt: daß sie unreine Thiere mit ihrer Frucht speisen. Warumb soll denn eure Weißheit für gemeine aber doch viel edlere Leute zu köstlich seyn? Dencket und glaubet nur: daß niemand in Gottes Augen grösser / als der in seinen eigenen der kleinste ist. Hertzog Melo hörte dieser Griechẽ Vertheidigung so viel lieber / als ihm angenehm war: daß sie sich mit den Eubagen vereinbaret hatte. Massen er denn diese Vereinbarung mit den Eubagen auch zum Grunde seiner Entscheidung brauchte: daß nach dem sie dieser Gottesdienste beypflichteten / selbter ihnen nicht könte abgestellt / weniger sie selbst von dem Ihrigen verstossen werdẽ. Wormit aber niemand von denen Griechẽ eine ärgerliche Einbildung schöpfen möchte / solten sie an die Stirne ihres Tempels schreiben [275] Es ist nur ein GOtt /wie eine Sonne / beyder Wolthaten aber unzehlbar. Der Mensch ist ein Mittelding zwischen GOtt und andern Thieren; diesen gleichet der wollüstige Leib / jenem die unsterbliche Seele. Hierauf redete Melo die Druyden an: Er wünschte: daß die Verträgligkeit der Griechen und Eubagen / auch den Druyden und Barden zum Beyspiele der Nachfolge dienen möchte / alle ihre Streitigkeiten beyzulegen /und den einigen Gott mit einerley Andacht zu verehren. Seine Eubagen hätten den Druyden fürlängst Vergleich angeboten; und die Barden würden vermuthlich hierzu ebenfals zu bewegen seyn. Viel weise Leute /welche in den Grund ihrer Zwistigkeiten gesehen /hätten geurtheilet: daß die meisten aus einem irrigen Verstande gegentheiliger Meinung herrührten; und der Eyver nach und nach diesem und jenem etwas beygelegt hätte / woran sie nie gedacht; ja welches ein Theil sowol als das andere verda te. Etliche Sätze befestigte auch nichts anders als Geitz und Ehrsucht. Es wäre zu bejammern: daß der Gottesdienst eine Larve dieser zwey höllischen Ungeheuer seyn müste. Sintemal gewisse Dinge von etlichen Priestern ersonnen wären /welche nur desthalben für die unfehlbare Warheit geglaubt werden müsten; weil sie die Einfältigen zu Einwiedemung ihrer besten Gründe / und die Erbschafften den Kindern zu entziehen / und den Geistlichen zuzueignen verleiteten. Gleich als wenn wir einen solchen Gott / wie die Bilder der ihre Hände zu Annehmung der Geschäncke ausstreckenden Götter wären / verehrten / welcher von uns für seine Priester mehr Gaben verlangte / als er selbst austheilte; Oder /als wenn es eine Sünde wäre Gott umbsonst zu verehren / keine aber die Gottheit feil haben und verkauffen. Andere sähen zwar ihre Irrthümer; weil diese aber schon einmal sich in den unversehrlichen Purper der Warheit eingehüllt / die Priester aber bey dem Volck das Ansehen behaupten wolten: daß sie so wenig in ihrem Urthel als die Sonne in ihrem Lauffe irren könten / heuchelten sie ihren Fehlern; und meinten: daß wie eine alte kupferne Müntze einer neuen güldenen; also ein alter Irrthum der jüngern Warheit fürzuziehen wäre. Dis wären sonder Zweifel die fürnehmsten Brunnen der Unverträgligkeit zwischen den Eubagen /Barden und Druyden; welche leider! den Nahmen eines heiligen Eivers führte / wenn sie sich in eine unversöhnliche Hartnäckigkeit und grausame Todfeindschafft verwandelte. Wenn man diese verstopfte /nemlich die wahrhafften Meinungen jeden Theiles von denen / welche etwan dieser oder jener Druys oder Eubage für sich alleine ohne der andern Beyfall gehabt / untersuchte / der Priesterschafft auskommentlichen Unterhalt aussetzte / und allen ferneren Zuwachs durch scharffe Reichs-Satzungen abstellte / glaubte er festiglich: daß durch glimpfliche und kluge Schieds-Richter oder Vermittler / welche aber nicht Geistliche / sondern Weltliche seyn müssen / der Druyden / Barden und Eubagen Streitigkeiten zu unaussprechlichem Nutzen des gemeinnen Wesens noch wol würden gehoben werden können. Divitiach antwortete: Sie hätten jederzeit die Einigkeit des Gottesdienstes für den festesten Pfeiler eines Reiches; derselben Trennung aber für das Fallbret aller Herrschafften gehalten. Westwegen die zwar im Gottesdienste; aber nicht in der Staats-Klugheit irrenden Römer ihnen die Ausrottung des Egyptischen und Jüdischen Gottesdienstes so sehr angelegen seyn liessen. Die Druyden hätten Zeither eben so wol alle ihre Kräfften angespannet die Barden und Eubagen auf den rechten Weg zubringen /und den Druyden einzuverleiben. Wenn sie sich aber mit diesen letztern in gleiche Ungewißheit setzen lassen / und einen Vergleich treffen solten / da jedes Theil etwas von seinen Meinungen [276] fallen lassen müste / würden sie der befestigten Warheit gleichsam ein Auge ausstechen; welche doch eben / wie Gott /gantz rein verbleiben solte. Zu dessen Erinnerung hiengen die Römer ihren Kindern ein güldenes Hertz an / die Egyptischen Priester trügen einen Saphier auf der Brust / beydes als Kennzeichen der so wenig versehrlichen Wahrheit / als das Gold durchs Feuer vermindert / oder des Saphiers Himmel-Farbe befleckt werden könte. Denn der geringste Beysatz eines Irrthums machte den Gottes-Dienst schon zur Unwahrheit; wie ein ein einiger Natter-Stich in die kleine Zehe das gantze Geblüte des Leibes vergiftete. Daher hätte auch der weiseste unter den Griechen Pythagoras seinen Schülern diese Lehre gegeben: Sie solten niemals im Reden sich von der Sonne / nemlich von der Wahrheit abwenden. Denn diese hätte er nicht nur /weil sie die Finsternüsse der Irrthümer vertriebe; sondern auch / weil die Wahrheit nur einerley wäre / der Sonne verglichen. Diese Einigkeit würden die Druyden zertrennen / wenn sie eines Nagels breit von dem / dessen sie allzu gewiß versichert wären / abwiechen / und ihren gantzen Gottes-Dienst verunreinigen /oder ihre Wahrheit bey dem Volcke verdächtig machen / wenn sie die Eubagen und Barden würdigten mit ihnen über einem Vergleiche zu handeln. Diesemnach wäre es einem gemeinen Wesen nicht so schädlich / Leute / oder vielmehr Stöcke / die keinen Gott glaubten / als die / derer Irrthümer mit der Wahrheit vermischt / mit der Scheinheiligkeit überfirnßet sind /zu dulden. Denn jene pflegten ihrer offenbaren Thorheit halber keinen Vernünftigen zum Abfall / diese aber mit ihrer angenehmen Neuigkeit die Tieffsinnigsten / welche den Zweifel an allen Dingen für höchste Weißheit halten / zu ihrem Beyfall zu bewegen. Melo fiel ein: Ihm gefiele sehr wohl: daß die Druyden das Gleichnüß zwischen dem Golde und der Wahrheit billichten. Wäre es nun aber nicht wahr: daß das Gold nicht allein vom Betruge mancherley Beysatz lidte / sondern auch in seinen Adern unrein wüchse / und beym Schmeltzen viel Schaum und Schlacke von sich würffe? Destwegen hätte die Natur gewisse Steine wachsen lassen / durch welche man das reine Gold von dem falschen unterschiede. Dieser Prüfung müßten die Druyden ihre Wahrheit unterwerffen; weil sie in ihrer eigenen Sache so wenig als ein Goldschmied über seine Arbeit Richter seyn könten. Ja die Sonne würde zuweilen von einer Neben-Sonne so beschämet: daß man diese für das wahrhafte Auge der Welt / jene für einen Betrug der Lufft und der Wolcken ansehe. Hätte nun der Druyden Gottes-Dienst einen so gewissen Grund / würden sie desselbten Wahrheit für unverdächtigen Richtern zu vertheidigen / denen Barden und Eubagen aber ihre Irrthümer aus dem Grunde zu zeigen so viel weniger Bedencken haben. Denn seine Meynungen nur als eine unfehlbare Wahrheit heraus streichen / alle widrige aber schlechter-dinges verwerffen / wäre eben so viel gesagt; als daß man alleine sehend / alle andere aber blind wären. Und wenn ieder auff seiner Meynung hartnäckicht beruhete / würde nimmermehr kein Irrthum aus der Welt verbannet werden. Die Scharffsichtigsten büßten in dieser Einbildung ihr Urtheil ein / wie die sonst mit den allerschärffsten Augen sehenden Crocodile im Wasser gar nichts erkiesen könten. Uber diß wäre es mit der Wahrheit und Weißheit so beschaffen: daß wenn sie am Anfange gleich in höchster Vollkommenheit wäre / sie doch mit der Zeit wie die höchsten Farben ohne Empfindligkeit abschüsse. Und wie es im Himmel eben so wohl Flecken und Dünste gäbe; also scheueten sich Irrthum und Aberglaube nicht nach und nach an den reinsten Gottes-Dienst anzukleiben. Die Spinnen überwebten / und die Vogel befleckten so wohl heilige / als irrdische Bilder. Daher hätten die Pergamener umb diese zu vertreiben / und die unschätzbaren Bilder des Apelles sauber zu [277] erhalten in ihrem Tempel eine Basilisken-Haut aufhencken müssen. Alleine die Wahrheit von Irrthümern unverfälscht zu behalten wäre etwas übermenschliches / weil das Irren allzu menschlich / sonderlich im Gottes-Dienste wäre. Denn man saugte die alten Irrthümer gleichsam mit der Mutter-Milch ein; also daß sie von uns schier so lange unabsonderlich / als wir unser erstes Geblüte in Adern behielten. Die Zeiten hätten hierauf auch ein grösser Gewichte / als die wichtigsten Grundfesten der Wahrheit. Jedermann lieffe denen gemeinen Irrthümern / wie alle süssen Wasser dem bittern Meere zu. Wenn man aber auch einem reinen Gottes Dienste beyzupflichten das Vermögen oder das Glücke hätte; wären wir darbey so unglückselig: daß entweder unser übermässiger Eiver selbtem wie die Prillen der Grösse was abergläubisches beysetzten / oder die geistliche Schwindsucht / nemlich unsere Unachtsamkeit der Andacht / und dardurch auch dem Gottes-Dienste das beste entzüge. Nachdem nun unser Gewissen einen ieden seiner Unvollkommenheit / und die eigene Prüfung seiner Schwäche überzeugte / also: daß der reinste Gottes-Dienst nur derselbe wäre / welcher die wenigsten Flecken / wie der klärste Wein nur etwas Lager / und der vollkommenste Granat-Apfel / der wenig faule Kerne hätte; warumb wolten wir uns schämen den uns viel heßlicher verstellenden Unflath der Seele abzuthun / von dem wir mit so grosser Sorgfalt den Leib saubern? Wir irrten meist nur aus Unwissenheit oder aus Ubereilung / und am meisten aus anderer Verleitung. Diesemnach verdiente die darauf folgende Erkäntmiß den Nahmen der Klugheit /und die es verbessernde Reue den Ruhm der Tapferkeit. Wer aber sich vorsetzlich der Wahrheit entäuserte / und wissentlich seinen Irrthum umbarmte / handelte nichts klüger / als wenn eine Mutter ihr wahrhaftes Kind gegen einen Wechselbalg / weil dieser einmal an ihren Brüsten gesogen / eintauschen wolte. Einer / der des Weges fehlte / wird ohne Zurückkehrung nimmermehr zu rechte kommen. Ein Artzt müste nach Veränderung der Kranckheit seine Artzneyen verwechseln. Wäre also die Veränderung ins bessere keine Leichtsinnigkeit / sondern durch selbte übte die Beständigkeit vielmehr ihre Kräfften / wie ein den Wind andeutender Wetterhahn / durch seine Umbwendung / und die Magnet-Nadel durch ihre Bewegung gegen dem Angel-Stern ihr Ampt aus. Jedoch wäre freylich diese Verbesserung nicht mit Sturme /sondern mit kluger Vorsicht / und gleichsam ohne Empfindung des Pöfels / welcher aus Hartnäckigkeit keinen Fußbreit hinter sich weichen für höchste Tugend behertzter Leute hielte / zu bewerckstelligen. Worzu leicht ein Mittel aufzufinden seyn würde /wenn die Druyden nur die Liebe zu gemeiner Eintracht nicht aus den Augen setzten; und durch Erkäntnüß ihrer selbst glauben lernten: daß sie Menschen wären und irren könten. Sintemal ja Irrthümer unsere erste Lehrmeister sind / wenn wir mit Fallen gehen lernen. Und bey tugendhafften Gemüthern erwachsen aus anderer Verbrechen heilsame Gesätze und fürtreffliche Beyspiele. Ja unsere Fehler nutzen zuweilen uns mehr / als unsere Vollkommenheiten. Denn jene unterrichten uns / und geben uns ein Licht ab in andern Finsternüssen / wie ein Schatten in dem andern /oder in Gemählden; diese aber verleiteten uns zum Hochmuth und eiteler Einbildung; ja zu der Thorheit: daß wir unsere schwartzen Laster überkreiden / die Lügen vertheidigen; alleine endlich von der durchdringenden Wahrheit zu Schanden gemacht werden; weil doch endlich der Rost des vergoldeten Eisens /und der Greuel des Aberglaubens hervor stäche. Dessen aber verriethe sich durch nichts mehr / als durch unmenschliche Grausamkeit / welche einen Irrenden[278] zum Feuer verda te / und einem Gottes Verleugner liebkosete; gleich als wenn wohl ein Gran / aber kein Pfund Giftes schädlich seyn könte. Zwar wüste er wohl der alten Deutschen Meynung: daß Gott seiner empfangenen Beleidigung selbst eigener Richter wäre. Alleine warumb verfolgten denn die Menschen die / welche Gott aus Unwissenheit nicht anständig verehrten / mit Feuer und Schwerdt? Diß wären keine Mittel der Lehrer den Irrendẽ auf den rechtẽ Weg zu helffen / sondern Erfindungen der Scharffrichter die Welt wüste und öde zu machen. In Meynungen von Gott machte der Zwang den Aberglauben nicht besser / die Gemüther aber wohl hartnäckichter. Daher müste Klugheit / Glimpf und Zeit das beste thun / und bescheidentlicher Unterricht / nicht aber eine gewaltsame Aufdringung alter / iedoch verdächtiger Meynungen ein Wegweiser der Wahrheit seyn / welche wie das Feuer durch linde Schläge nicht zur Zermalmung aus den Hertzen und Kiesel-Steinen hervor gebracht würde. Mit diesen Worten wendete sich Hertzog Melo nicht ohne Andeutung einigen Verdrusses von den Druyden weg / kehrte mit den Griechen in ihren Tempel / und ließ den Druyden entbieten: Weil die Griechen mit keinem Scheine des Rechtens ihres Eigenthums entsetzt werden / die Druyden aber mit den Eubagen ihrem eigenen Vorgeben nach keine Verträgligkeit unterhalten könten; hielte er es auch nicht für rathsam die Druyden den Griechen zu Nachbarn auffzudringen.

Hierauf wendete Hertzog Melo sich wieder zu sei nen Krieges-Sorgen; und weil er in Aschenburg allerhand gute Verfassung machte / ließ er Novesium berennen / wie auch durch ein Theil seines Heeres beyde Römische Schlösser zwischen Novesium und dem Altare der Ubier Durnomach und Burung belägern. Das erstere eroberte der Graf von Bentheim mit Sturm /das andere Steinfurt durch Vergleich. Für Novesium aber fand Melo mehr zu thun / als er ihm eingebildet hatte. Sintemal diese Festung mit zweyfachen Mauern rings herumb mit dem Erp-Strome und einem Arm des Rheines mit zwey tausend Römern und vier tausend Galliern versehen war. Dieser aber mit den Sturm-Böcken desto besser beyzukommen / fieng Melo an die Erpe oberhalb Novesium / wie für Zeiten Semiramis und Alexander den Euphrates von Babylon abzustechen / und sie in einem neuen Graben in Rhein zu leiten. Der Befehlhaber der Stadt Stertinius sahe: daß ihm hiermit ans Hertz gegrieffen würde / that auf die zu dieser Arbeit gezwungenen Ubier einen starcken Anfall; aber der zu ihrer Beschirmung mit sechs hundert Reitern in Bereitschafft stehende Graf von Bröck empfing die Ausfallenden so unfreundlich: daß vierhundert / theils Römer / theils Gallier todt blieben / und zwey hundert gefangen wurden; welche dem Hertzog Melo einstimmig berichteten: daß in der Festung die Lebens-Mittel gebrächen. Folgende Nacht ward im Lager Lermen; weil von Jülich und Coriovalla sich drey tausend Römer und Gallier zusammen gezogen hatten / und sich in die Festung durchzuschlagen bemüheten. Die Sicambrer waren zwar wache /und begegneten ihnen behertzt; nachdem aber Hertzog Melo erkundigt hatte: daß sie auf den Pferden kein Mehl oder Getreide bey sich führten / befahl er den Seinigen dem Feinde Lufft zu machen / und sie in Novesium einzulassen. Durch diese Uberfüllung brachte er zuwege: daß sich in wenig Tagen darinnen Mangel und kurtz darauf Hunger ereignete. Stertinius berichtete seine Noth zwar durch etliche Ubier nach Gelduba / und das Ubische Altar; alleine weil unten Aschenburg / oben Durnomach eingenommen / war es keine Mögligkeit einige Lebens-Mittel durchzubringen. Stertinius selbst theilte das [279] Brodt nach dem Gewichte aus / und vertröstete die Belagerten eines Entsatzes. Aber endlich hatte der Magen kein Gehöre; und die leeren Mäuler / besonders der zärtlichen Gallier fülleten sich mit ungeduldigen Worten: Es wäre nicht Tapferkeit / sondern Wahnwitz wider die Natur Krieg zu führen; also solte man dem Fürsten Melo die Stadt auf ehrliche Bedingungen übergeben. Wie schwer diß den hertzhaften Stertinius ankam / zwang ihn doch die Noth und sein eigen Volck in einen sauren Apfel zu beissen / und beym Feinde einen freyen Abzug zu verlangen. Alleine Melo / welcher alle Nacht von überlauffenden Galliern der Belagerten Nothstand erfuhr / lachte darzu / und sagte den Gesandten: Es wäre von keiner andern Bedingung zu hören / denn daß Römer und Gallier sich der Deutschen Treue / und des Uberwinders Willkühr unterwürffen. Die Gesandten baten umb die Auslegung dieses Vortrags; welchen Melo antwortete: Diese hätte ihr eigener Manius denen Etoliern schon gemacht / als er sie sich der Römer Treue und Glauben zu unterwerffen gezwungen. Hiermit ließ er Ketten und Beile für ihre Füsse werffen / und sagte: In seinem Gefallen stünde es: ob er eines oder das andere gegen die Ergebenen brauchen wolte. Dieses aber sagte er ihnen vorher: daß er alle Deutschen / und darunter auch die Ubier und Menapier / welche wider ihr Vaterland den Degen gezückt / als Verräther und Uberläuffer an Bäume aufhenckẽ / die aber / welche aus Zagheit von dem deutschen Heere entronnen / und sich in die Stadt versteckt / nach Deutschlands Straff-Gesetzen erstecken lassen also jenes Lasters Unglückseligkeit der gantzen Welt zeigen / dieser Unwürdigkeit aber für Sonne und Menschen verbergen wolte. Die Römischen Gesandten kehrten mit Bestürtzung zurück / und setzten gantz Novesium in Verzweifelung. Insonderheit verungeberdeten sich die Ubier /Menapier / Eburoner und Gallier mit Winseln / Haar ausrauffen / und so weibischen Wehklagen / gleich als wenn sie mit Fleiß von Sinnen zu kommen sich müheten. Denn weil diese Gallier fast alle Belgen waren /diese aber von den Deutschen entsprossen / und die fetten Aecker Galliens bezogen hatten / besorgten sie sich durchgehends einer so grimmigen Hinrichtung. Der schlaue Stertinius stärckte sie in dieser Einbildung / umb dieselben durch Verzweifelung zu hertzhaftem Gefechte zu bewegen / welche von Geburts-Art nicht dazu geneigt waren. Denn die Verzweifelung zeucht in feigen Hertzen wie der Zucker und andere süsse Speisen im Magen alle Säure an sich; also daß der Verlust aller Hoffnung zu entrinnen eine Hoffnung zu siegen gebieret; und es solche Kleinmüthigen offt wackeren Leuten zuvor thun. Wie nun aller Vorrath aufgezehret war / ließ Stertinius durch einen angestellten Uberläuffer dem Melo beybringen: daß die Belägerten noch unter der Erde einen ziemlichen Vorrath an verstecktem Mehl und Getreyde gefunden hätten. Des Abends aber / nachdem die letzten Brosamen vollends aufgezehret waren / befahl er / alles was fechten konte / zu erscheinen. Diesen trug er mit einer solchen Freudigkeit / als wenn er zu einem Siegs-Gepränge ziehen solte / für: Sie wüsten das grausame Anmuthen des hochmüthigen Melo / er aber: daß redliche Leute lieber ehrlich stürben / als schimpflich lebten. Der Hochmuth eines Feindes wäre ein gewisser Vorbothe des Untergangs; in euserster Noth aber Verzweifelung die schärffste Tugend / und ein Wetzstein entweder zu siegen / oder doch mit seiner Leiche den unversöhnlichen Feind zu erdrücken. Diesemnach hätten mehrmals die klügsten Helden ihrem im Sacke gehabten Feinde zu entrinnen Lufft gemacht; der kluge Camillus denen über die Tiber zurück zu kehren verlangenden Deutschen freywillig Schiffe und Lebens-Mittel herbey geschafft / der Käyser Julius denen umringten aber hertzhafft fechtenden [280] Deutschen / wie Agesilaus den Thebanern seine Kriegs-Hauffen /König Antigonus in Macedonien denen belägerten und ausfallenden Etoliern den Wall zu ihrer Flucht eröffnet / Themistocles dem geschlagenen Xerxes nicht allein die über die Meer-Enge geschlagene Brücke zu zerreissen verbothen / sondern ihn auch noch ins geheim der Flucht halber warnigen lassen. Ja die Deutschen selbst hätten zum Sprich-Worte: Verzweifelten Feinden solte man eine güldene Brücke bauen. Hierwider aber verstiesse Melo zweifels-frey aus gütiger Schickung der Götter ihm zu Schaden / ihnen aber zur Wohlfarth und Ruhme. Denn das Verhängnüß hätte die Eigenschafft durch solche Umbwege die Hoffärtigen in / die in ihren Schrancken stehenden aber aus dem Verterben zu führen. Als der Macedonische Philipp denen belägerten Bürgern in Abydus und ihren Rhodischen Hülffs-Völckern nicht mit allem / was sie tragen könten / den freyen Abzug hätte enträumen /sondern sich schlechterdings zu ergeben haben wollen / wäre diß Begehren für eine so unerträgliche Grausamkeit aufgenommen worden: daß sie sich nach verrichtetem Gottes-Dienste bey noch brennenden Opfern durch einen ihnen von beyden Geschlechtes Priestern vorgesungenem abscheulichen Eyde zusammen verschworen hätten / sich mit denen zu dem Ende freygelassenen Knechten biß auff den letzten Bluts-Tropfen zu wehren. Wenn sich aber die Macedonier der innersten Mauer bemächtigen würden / solten funfzig der ältesten Bürger das im Tempel der Diana versa lete Frauenzimmer und Kinder / die auff dem Marckte in einen Holtz-Stoß zusammen getragene Kostbarkeiten verbrennen / alles Gold und Silber in einem Rhodischen Schiffe im Meere versencken. Solte er nun seinen Römern und Galliern nicht zutrauen: daß sie so kecke Entschlüssungen als die Phrygischen Weichlinge in ihrem Busen trügen? Ein Gelächter des Feindes seyn wäre bitterer / als kein Tod; ein behertzter Vorsatz und scharffer Degen aber ein Werckzeug alle Gordische Knoten des härtesten Nothstandes aufzülösen. Durch diß Mittel hätten sich die verzweifelten Phocenser wider die Thessalier / die Acarnaner wider die Etolier erhalten / als schon alles Hoffen der Erhaltung verschwunden gewest. Sie aber hätten noch Hoffnung und Kräfften übrig / wo sie sich ihr langsam und zweifelhaftes Berathen nicht durch den Hunger entkräfften liessen. Ihrer wären bey nahe acht tausend / also noch einmal so viel als der Griechen / welche bey der Thermophylischen Berg-Enge den mit seinem unzehlbaren Heere das Meer und Griechenland bedeckenden Xerxes geschlagen hätten. Die übermässige Vielheit des Kriegsvolckes wäre so wohl dem Darius eine Ursache des Verlustes / als die Wenigkeit Alexandern ein Vortheil zu Gewinnung der ersten Schlacht in dem Cilicischen Gebürge gewest. Mit einem Worte: Ein behertzter Kriegsmann zehlte nicht die Feinde / sondern dächte nur / ie mehr ihrer wären /ie herrlicher würde sein Sieg seyn. Diesen würden sie wider den Melo / wie die in dem Tarentinischen Schlosse belägerten Römer unter dem tapfern Velius wider den hochmüthigen Asdrubal unfehlbar erlangen / wo sie ihm so getrost folgen / als er sie umb Mitternacht unverzagt auf die schläfrigen und sicheren Feinde anführen würde. Hierauff ließ er dem Kriegsvolcke so wohl zu ihrer / als ihrer Pferde Stärckung den noch übrigen Wein austheilen; und nach dessen Verzehrung an 2. Pforten durch das Geschrey der unnützẽ Stallbuben Lermen machen; zu der gegẽ Jülich gelegenẽ Pforte aber fiel Plancus mit einer / und Stertinius mit der andern Helffte der Velägerten zu dem gegen Gelduba tragenden Thore aus. Die Römer hatten an beyden Orten wider die sonst übliche Gewohnheit den Vor- die Ubier und Menapier den Nachzug; die Gallier aber blieben in der Mitten. Plancus [281] warff die erste Wache in einem Augenblicke über Hauffen; in der andern aber fand er den ersten ernsten Widerstand. Denn der daselbst die Wache haltende Ritter Schwartzstein brachte bey dem allerersten Getümmel seine zwey hundert Sicambrer ins Gewehre. Diese aber würden bald den Kürtzern gezogen haben / wenn nicht ein Graben und die Schlag-Bäume den Feind aufgehalten hätten; wiewohl Plancus / der diese Hindernüsse voran gesehen hatte / durch die untermischten Fuß-Knechte bald den Graben füllen / sich der Brücke bemächtigen / und die Schlag-Bäume mit Wald-Aexten zerhauen ließ. Hierüber lidt diese andere Wache Noth; weil der an so vielen Orten gemachte Lermen die Belägerer irre machte / und niemand wuste / wo er der Gefahr am ersten zulauffen solte; niemand auch ihm einen Ausfall der gantzen Besatzung einbildete /biß eine Stunde hernach in Novesium an etlichen Orten Feuer aufgieng. 200. Mann fanden sich ja nach und nach aus den Lauffgräben zu erwehnter Wache; aber was solte diese Handvoll Volckes gegen die 4000. die Plancus führte / ausrichten? Dahero denn /als der Ritter Schwartzstein todt bleb / sie sich über einen Quer-Graben auff die Seite zu ziehen genöthiget wurden. Plancus meynte: er würde nun mit freygelassenem Ziegel das deutsche Läger durchbrechen können; alleine Graf Stirum / der für diesem Thore oberster Befehlhaber war / both ihm mit zwey hundert Tencterischen Reitern / und sieben hundert Sicambrern zu Fusse hertzhafft die Stirne. Als nun Plancus /weil in Deutschland die Sommer-Nächte doch stets einen wenigen Schimmer des Tages behalten / sich diesen Hauffen nach und nach verstärcken sah / und er eine starcke Reiterey gegen ihm andraben hörte / ließ er die Gallier als geringe Schlacht-Schafe gegen dem Stirum herfür rücken. Die Ubier und Menapier stellte er gegen die ankommende Juhonische Reiterey / welche der Graf von Sem anführte; er aber lenckte mit seinẽ Römern auff die rechte Seiten / gegen die Erpe aus; die Ubier / Menapier und Gallier wurden bey Zeite umbringen; und / nachdem das in der Stadt gleich aufgehende Feuer denen Deutschen zum besten leuchtete / auffs hefftigste bedrängt. Die Gallier suchten zwar durch Wegwerffung ihrer Waffen Gnade; weil aber die Ubier und Menapier durch ihr hartnäckicht Gefechte und Anzündung der Stadt die Tencterer / Sicambrer und Juhonen auffs ärgste verbitterten /wurden sie / biß auff wenig Gefangene / die als Todte zwischen die Leichen fielen / und erst folgenden Morgen für lebendig zu seyn erschienen / gleichsam in die Pfanne gehauen. Dem zu entkommen vermeynenden Plancus begegnete der Graf von Mörs mit sechs hundert Pferden / und der Ritter Gladebeck mit tausenden zu Fusse. Nach einem verzweifelten Widerstande einer Virtel-Stunde verlohr Plancus alle Hoffnung da selbst durchzubrechen / weil sein Hauffen verwirrt /fast alle Römer verwundet waren / und noch eine frische deutsche Hülffe gegen ihn anstach. Daher wendete er sein Pferd / und sprengte ungeachtet des daselbst hohen Ufers in den Erpe-Strom / welchem etwan funfzig der am besten berittenen Römer folgten. Alleine sie kamen vom Strudel in Wirbel. Denn ein fünftes Theil von ihnen ertranck / Plancus aber mit den übrigen rennte dem daselbst mit drey hundert Bructerern in Bereitschafft stehenden Ritter Galen in die Hände; welchem er theils auff Zuredung seiner Gefärthen / theils weil sein Kampf mehr wilder Thiere Raserey / als vernünftiger Gegenwehr ähnlich geschienen hatte / sich nur als einen Gefangenen ergeben muste. Derogestalt hatte auff dieser Seite kein einiger der Belägerten das Glücke ein Bothe dieses unglücklichen Ausfalls zu seyn; wiewohl [282] Plancus hernach gegen etliche edle Deutschen / die zu Veteran gefangen sassen / ausgewechselt ward. Auf der andern Seite zeigte sich das Kriegs-Glücke dem Stertinius zwar etwas geneigter / gegen die Seinigen aber behielt es ebenfalls seine gemeine Eigenschafft einer Stief-Mutter. Denn er überfiel die euserste deutsche Wache zwar so glücklich / als Plancus; und ein des deutschen Lagers kundiger Ubier führte ihn durch den trockenen Graben der abgestochenen Erpe so glücklich auf der Seite weg: daß er die andere Haupt-Wache vorbey gieng / und vermittelst etlicher mit sich genommener leichten Brücken ohne grosse Mühe über die Graben und den Wall fast unvermerckt ins Lager drang. Hier hätte er sonder allen Zweifel den Meister gespielet und durchgebrochen; weil die Deutschen nirgends weniger / als an diesem festen Orte sich eines Feindes versehen hatten / sondern von hier vielmehr denen andern Lermens-Plätzen auf gegebene Zeichen zueilten. Ja Melo selbst / welcher nahe hierbey mit dreyen Edelleuten die Rundte verrichtete / wäre bey einem Haare dem Stertinius in die Hände gefallen. Alleine zu allem Glücke / oder vielmehr absonderer Schickung des Verhängnüsses hatte der Graf von Bentheim noch für Mitternacht sein ihm vertrautes Theil des Lägers umbgangen / und von ferne / seiner Einbildung nach / Feuer-Zeichen gesehen; wiewohl er mit sich selbst nicht eins war: ob er es nicht für Irr-Lichter oder fallende Lufft-Sternen halten solte. Nachdem aber im Kriege auch Eitelkeiten und Dünste nicht ausser Augen zu setzen sind / machte dieser vorsichtige Kriegs-Hauptmann alsofort Anstalt: daß auff allen Fall über die nöthigen Wachen fünf hundert Tencterische Reiter und tausend Sicambrer zu Fusse in Bereitschafft stehen musten. Das sich kurtz darauff regende Geräusche vergrösserte seinen Argwohn und Fürsorge; also / daß er schon zu Pferde saß / als an dem gegen dem Rheine gehenden Wasser-Thore sich mit Trompeten und Paucken ein grosses Getümmel erhob. Ob es sich nun auch mit vielem Geschrey vergrösserte / wuste er doch als ein erfahrner Kriegs-Hauptmann allzu gut: daß wie die seichtesten über die Steine schüssenden Berg-Bäche am sehrsten rauschten / die tieffsten Ströme aber gantz stille Wirbel dreheten; also in Ausfällen grosses Getümmel eine Anzeigung eines blinden Lermens / und wo es am stillesten / die Gefahr am grösten wäre. Daher blieb er kaum drey hundert Schritte von dem Orte / wo Stertinius einbrach / stille stehen; alleine in diesem Irrthume: daß die Belägerten sich nicht durch das Läger heraus / sondern neu-ankommende Hülffs-Völcker /welche ihre Ankunfft durch vorhergesehenes Feuer der Stadt zu wissen gemacht hätten / sich hinein zu schlagen vor hätten. Westwegen er umb den euserlichen Anfall abzuschlagen stehen blieb / und sich einer grössern Noth vorbehielt; sonderlich weil die deutschen Vorwachen gegen dem Rhein-Thore noch feste standen. Das an mehrern Orten beginnende Geschrey machte ihm allerhand Nachdencken / hinderte ihn auch zugleich: daß er des Feindes nicht ehe gewahr ward / als biß einer von denen den Hertzog Melo begleitenden Edelleuten durch ein gewisses Feuer-Zeichen und hefftiges Lermen-Geschrey die nahe Anwesenheit des Feindes andeutete. Stertinius eilte hierauff selbst diesem nahen Feuer zu; also: daß Melo kaum Lufft hatte sich auff das beygeführte Pferd zu setzen /und darmit über einen Graben zu sprengen. Die drey Sicambrer wurden zu Bodem gerennt und ertreten; Stertinius hätte auch über den [283] Graben gefolgt / wenn nicht der Ubische Verräther ihn gewarnigt: daß gegen selbiger Seite des Melo Haupt-Lager und die stärckste Verfassung wäre; der hierüber auch herfür rückende Graf Bentheim nunmehro auf die Gallier seitwerts gestossen wäre. Diesem muste Stertinius den Kopf bieten / weil des Ubiers Andeutung nach / nirgends anders wo möglich durchzubrechen wäre. Der hierüber erwachsende Streit war überaus grausam; weil es dem Bentheim umb Erhaltung seines grossen Krieges-Ruhms / dem Stertinius umb eben dis / und umb sein eußerstes Heyl zu thun war. Weil aber die Ubier und Menapier gantz verzweifelt auf einer / die Römer auf der andern Seiten die Sicambrer angrieffen / und der Graf Bentheim sein Krieges-Volck gegen drey Seiten zur Gegenwehr stellen muste; fieng er an / ungeachtet seiner mehr als männlichen Tapferkeit / Noth zu leiden. Es kam ihm aber Hertzog Melo / der in der Eyl seine hundert zur Leibwache erkiesete Ritter / und fünf-hundert andere Reiter zusa en gerafft hatte / zu Hülffe. Wiewol allererst / als Stertinius schon mit seinen Römern durchgebrochen war / und mit der Wache auf der über den neuen Erpe-Strom gelegten Brücke anband. Allhier gieng es aufs neue heiß her. Denn der Ritter Waßenar vertheidigte selbte mit vier-hundert Friesen / als mit so viel Löwen. Inzwischen badeten die Gallier / Ubier und Menapier unter den Schwerdtern des Hertzogs Melo und Bentheims in ihrem eigenen Blute; welches aber den nunmehr nur zu entrinnen bemüheten Stertinius wenig anfochte. Dieses gelang ihm auch; weil das nunmehr aus der Stadt leuchtende Feuer ihm einen breiten Furth durch die Erpe /dem Melo aber der Römer Flucht zeigte. So bald dieser nun Befehl ertheilt hatte: daß das Sicambrische Fuß-Volck der allem Ansehn nach verlassenen und brennenden Stadt zueilen solte / setzte er mit sieben-hundert Reitern dem Stertinius spornstreichs nach /welchen die sonst so geschwinden Flügel der Flucht dem begierigen Melo nicht entführen konten / ungeachtet die tunckele Nacht sie noch mit ihrem Schatten zu verbergen dachte. Er brachte den Stertinius an einer starcken gegen den Rhein lauffenden Bach zu stande; weil die schmale Brücke eine geschwinde Uberkunfft hinderte. Ob nun zwar Stertinius aus Noth sich allhier mit den Römern gegen den Melo setzte /thäten sie doch schlechte Gegenwehr / weil sie nicht weniger Flucht im Hertzen / als Wunden auf dem Rücken trugen; also jeder mehr über die Brücke zu entrinnen / als dem Feinde Abbruch zu thun bedacht war. Bey diesem Nothstande wendete sich unvermuthet das Blat; und sahe sich Melo gleichsam in einem Augenblicke anfangs von etlichen Hauffen Galliern angesprengt / hernach auch von den Römern umbringet. Denn Norbanus hatte zu Veterau aus Gallien vier-tausend Römer / und noch so viel Gallier zusammen gezogen; mit welchen er gleich auf dem Wege war sich vermittelst der Nacht durchs Läger zu schlagen / und einen ansehnlichen Vorrath in Novesium zu bringen. Diese kamen nun dem Stertinius gleich zu rechter Zeit / und hätten sie durch Bestrickung des Sicambrischen Hertzogs bey nahe mehr gewonnen / als ihre Langsamkeit an der verlassenen Stadt Novesium verlohren hatte. Wie sehr nun gleich Melo im Gedrangen war; so freudig gebehrdete er sich doch / und machte mit kräftigem Zusprechen: daß wenig Flüchtige insgemein viel neu-ankommende Hülffs-Völcker /wie ein gerade fortschüssender Strom alle seitwerts in ihn fallende Bäche mit Gewalt fortrissen / mehr aber durch seine streitbare Faust den Seinen ein Hertze. So lange er mit den Galliern zu thun hatte / war das Gefechte nur Kurtzweil; als die Römische Reiterey darzu kam / ward es Ernst; als aber vollends die halbe Legion Fuß-Volck gegen ihn andrang / kam [284] die Noth an Mann; und fielen von seiner Leibwache der Ritter Wachtendonck / Knesebeck / Burg / Friesen / Beuningen / Steinbach / und von denen andern nebst dem Ritter Brefurth wol funfzig Edelleute. Melo kriegte selbst eine Wunde in lincken Arm; daraus er aber einen Schertz machte / und sagte: dis Aderlassen würde sein aufwallendes Hertze der bißherigen Bedrängnüs befreyen. Massen er denn auch mit dem ersten darauf folgenden Streiche des Norbanus Sohne /der ihm mit Gewalt auf den Hals drang / den Kopf zerspaltete. Welche Rache zwar die Feinde verbitterte / aber zugleich derogestalt schreckte: daß sich keiner seinem Degen zu nähern getraute. Hierüber begunte es zu tagen; aber umb die Sicambrer ward es von dem Gedränge der Feinde immer finsterer. Das Licht und das Geräusche der Waffen diente nunmehr dem Grafen von Bentheim zum Wegweiser / welcher nach abgekühlter erstern Hitze der Gallier / Ubier und Menapier / ihre Abfertigung dem Grafen von Steinfurt überließ / und mit tausend Tencterern zu Pferde seinem Fürsten zu folgen seiner Schuldigkeit hielt. Diese Ankunfft veränderte alsbald das Gesichte des Streites. Deñ / ob zwar der Feind / welcher gleich auch sein übriges Fuß-Volck über etliche in der Eyl gemachte Brücken disseits des Wassers gebracht hatte / mehr als achtmal stärcker war; kriegten sie doch mit diesen hurtigen Deutschen alle Hände voll zu thun / weil sie durch ihre unglaubliche Geschwindigkeit in diesem flachen Felde bald vor / bald hinterwerts / bald auf der Seiten einfielen. Weil nun Stertinius ihm leicht sie Rechnung machen konte: daß das gantze deutsche Läger ihnen bald auf den Hals kommen würde / rieth er dem Norbanus das Fuß-Volck nur beyzeite wieder zurück über das Wasser zu ziehen; und den nechsten Weg nach Gelduba zu erkiesen. Dieses ward auch grossen Theils bewerckstelligt / ehe der Graf Stirum mit zwey-tausend Pferden darzu kam; welchem / nach nunmehr völlig gedämpften Belägerten und eroberter Stadt / mehr Reiterey und Fuß-Volck bey verlautetem Gefechte mit den Römern folgte. Gleichwol hatte Stertinius alle Hände voll zu thun / und alle seine Krieges-Künste herfür zu suchen: daß er nur an diesem doch so vortheilhaften Orte die Deutschen mit der Reiterey so lange aufhielt / bis das Römische und Gallische Fuß-Volck / wiewol mit Hinterlassung zwey-hundert Wagen / tausend mit allerhand Vorrathe beladener Esel sich in den nechsten Wald zurücke zohe. Worauf er denn mit der Reiterey spornstreichs folgte; von welcher die Deutschen gleichwol über sechs hundert abschnitten / und entweder über die Klinge springen liessen / oder gefangen namen. Norbanus und Stertinius dachten nunmehr nur an ihre Entkommung; dahero verhieben sie den Deutschen alle Eingänge und Wege; worzu ihnen denn nicht wenig dienlich war: daß ein grosses Theil der Deutschen das Geräthe des Römischen Heeres plünderte /und dem Feinde nicht / ehe er sich verhauen hatte /auf den Hals gieng. Also entran Stertinius und Norban / wiewol mit Verluste der Stadt Novesium und wol zehntausend Römer / Ubier und Gallier. Melo aber kehrte mit zweyfachem Siege zurück in das bey nahe halb abgebrennte / nunmehr aber durch treue Sorgfalt der Sicambrischen Kriegs-Obersten von dem Fuß-Volcke geleschte Novesium; dessen Befestigung so gut befunden ward: daß wenn der Hunger nicht seine Pforten eröfnet / die Eroberung viel Kessel Menschen-Blutes gekostet haben würde. Alleine dieser Sieg schläffte den wachsamen Melo nicht ein /sondern er brauchte ihn zu einem Werckzeuge vieler andern. Er zertheilte sein Heer / und schickte den Grafen von Bentheim für Tolpia / den Stirum für Tiberiach / den Ritter Willich für Belgica; welche Oerter denn mit allem Lande zwischen dem Rheine und der Rohr bis an das Ubische Altar ohne sonderbaren Verlust übergiengen. [285] Denn die siegenden Deutschen fochten mit zweyfachen Hertzen / die erschrockenen Römer aber nur mit laßen Händen / und die gezwungenen Gallier noch darzu mit Unwillen. Welch glücklicher Lauff der Waffen denn den Fürsten Melo bewegte zu Belägerung des Ubischen Altares als der Römischen Haupt-Festung / Anstalt zu machen.

Mitler-Zeit hatte Germanicus mit seinen zweyen Legionen ohne einige Hindernüs die Festung Antonach erreicht; welche er / ob schon Käyser Julius bey Bauung seiner Brücke über den Rhein daselbst eine feste Schantze gelegt / Drusus aber hernach den Ort ansehlich verstärckt hatte / wegen besorgenden Angriefs der über den Rhein täglich streiffenden Juhonen besser zu befestigen befohlen. Als er aber nur einen Tag ausgeruhet / eilte er über den Fluß Abrinca / und gieng bey Coblentz über die Mosel. Daselbst erfuhr er: daß Hertzog Arpus nach erobertem Bingen mit seinen Catten für das Altar des Bacchus gerückt war. Ob er nun zwar anfangs willens war geraden Weges über Ambiatin / Bontobrige und Vesavia seinen Zug zu nehmen umb des Bacchus Altar zu entsetzen; So kriegte er doch vom Tiberius aus Meynz Befehl: daß weil diese wolbesetzte Festung so bald nicht Noth haben würde / er umb keinen gefährlichen Streich zu wagen an der Mosel gegen Neumagen herauf rücken / und sein Heer mit ihm zu vereinbaren trachten solte. Germanicus folgte diesem / und lenckte den dritten Tag von der Mosel ab nach Taberna; wo er weder Augen noch Mund an dem herrlichen und Wasser-reichen Brunne sättigen konte. Von dar gieng er bey Dumnus über die Nave / richtete seinen Zug gerade gegen Bingen / und sprengte aus: daß er Bingen belägern / hiermit auch zugleich den Feldherrn Herrmann vom Arpus abschneiden wolte. Dis Geschrey verursachte: daß der Feldherr den Hertzog Marcomir mit zehn-tausend Cheruskern und Dulgibinen; Arpus aber den Fürsten Catumer mit acht-tausend Catten an die Nave zu Versicherung dieses Stromes und der Festung aus seinem Lager abschickte. Germanicus wendete sich unvermuthet / und gieng /wo die Glan in die Nave fällt / wieder über den Fluß. Tiberius war selbige Nacht in aller Stille von Meynz am Rheine hinauf in das Vangionische Gebiete bis zur Stadt Bontonich gerückt / von dar er dem sich ihm nähernden Germanicus entgegen zoh. Der den Tiberius genau beobachtende Feldherr Herrmann brach zwar / so bald er dis erfuhr / aus seinem Lager bey Ingelsheim auf / umb die Vereinbarung beyder Römischen Heere zu verhindern; Weil sie ihm aber umb eine Stunde zuvor kommen waren / zohe er sich zurücke gegen Bingen / und beyde Hertzoge Marcomir und Catumern mit ihren Völckern an sich. Tiberius und Germanicus schlugen ihr Läger gleichfals an der Nave / und giengen bald auf eine / bald auf die andere Seite; bald stellten sie sich auch / als weñ sie zu Meynz wieder über den Rhein setzen wolten. Nach dem aber der vorsichtige Feldherr nicht zu verführen war: daß sie zwischen Bingen und dem Altare des Bacchus am Rheine festen Fuß gesetzt / und die Catten von den Cheruskern abgeschnitten hätten. Tiberius auch von etlichen Gefangenen erfuhr: daß des Bacchus Altar gantz untergraben / und nunmehr in euserster Gefahr wäre / entschloß er sich das Cattische Läger anzugreiffen; weil er ohne Verlust seines bisherigen Krieges-Ruhmes diese Festung gleichsam in sei nem Angesichte nicht könte lassen verlohren gehen. Diese Entschlüssung war nichts / was die Grösse seiner Macht überstieg. Denn ob zwar die Catten vier und zwantzig / die Cherusker mit ihren Hülffs-Völckern fünf und dreißig tausend Mañ starck waren; so brachten doch Tiberius und Germanicus sechs Legionen zusammen; und ihre zwar ziemlich verschmoltzene Hülffs-Völcker belieffen sich noch über dreißig-tausend. [286] Der Feldherr Herrmann / so bald er erfuhr / daß das Römische Heer über die Nave gegangen war / hatte sich zwischen Bingen und dem Altare des Bacchus gesetzt; also daß er in ein paar Stunden dorthin und hieher seine Macht bringen konte. Wie er nun des Tiberius Vorhaben jedesmal so klüglich ausspürte: daß wo Tiberius hindachte / Herrmann gleich / als wenn er ihm ins Geheimbuch seiner Gedancken gesehen hätte / schon da stand; also fand Tiberius auch dismal eine viertel Meile von dem belägerten Altare des Bacchus an einem vortheilhafften Orte den Feldherrn mit seinem Heere für sich. Ob ihm nun wol der Weg derogestalt verhauen war / so richtete er doch durch seine Näherung so viel aus: daß die Belägerten / welche schon mit dem Hertzoge Arpus über der Ergebung zu handeln anfiengen / sich nun mehr hartnäckichter bezeigten / und folgende Nacht /als Tiberius an einem / Germanicus am andern Orte gegen der Stadt durchzubrechen trachete / aus zweyen Thoren einen starcken Ausfall thäten. Wie nun aber der Feldherr aller Orten wachsam war / und beyder Römischen Feldherren Einbrüche klüglich verhinderte; also hatte der Catten Hertzog / welcher aus abgebrochener Handlung ihm einen Ausfall festiglich eingebildet / auf der Seite beyder Thore drey-tausend auserlesene und Römisch-gekleidete Catten unter dem Grafen von Solm und Dietz meist in Gräben und gemachte Hölen verstecket; auch selbte befehlicht hatte / bey dem Ausfalle sich nicht zu rühren / bis sie ihren Vortheil ersähen sich eines Thores zu bemächtigen. Er schickte bey hellem Tage auch achttausend Catten dem Feldherrn zu Hülffe / umb denen Belägerten zum Ausfalle desto mehr Anlaß zu geben. Als das Geräusche von den euserlichen Anfällen denen Belägerten zu Ohren kam / fiel Trebatius zu einen / Lucius Acilius zu dem andern Thore heraus. Die Cattischen Vorwachen verliessen auf des Hertzog Arpus Befehl ihren Stand; die andere und dritte Wache setzte sich zwar zur Gegenwehr / aber mehr zum Scheine als ernsthafft. Uberdis rieffen die Catten einander zu: Jedermann solte fliehen / wohin er wüste / weil Germanicus durch das Cheruskische Heer und über den Wall des Cattischen Lagers durchgebrochen / also muthmaßlich alles verlohren wäre. Welch Geschrey der hierzu bestellte Graf von Beilstein durch angestelltes Getü el meisterlich zu bestärken wuste. Hierdurch wurden die Römer zu einer unvorsichtigen Entfernung von den Thoren der Festung verleitet. Denn das an einem gleichsam in die Armen rennende Glücke bländet nicht alleine der Klugheit linckes Auge / über welches das Mißtrauen die Aufsicht hat; sondern es ist auch ein gefährlicher Stein des Anstossens / über welchem nicht nur viel hertzhaffte Kriegs-Obersten gestolpert / sondern auch grosse Helden den Hals gebrochen haben. Also begegnete es hier so wol dem Trebatius / als Acilius. Denn der erste verfiel in die Hände des Grafen von Hanau / welcher ihm mit sechs-tausend Catten auf beyden Seiten wie ein Blitz über den Hals fiel. Dem Acilius both der Graf von Wißbaden mit drey-tausend Catten die Stirne; und der Graf von Weil grief ihn zugleich mit zwey tausenden auf der Seite an. Beyde merckten zwar alsbald ihre Vergehung / und mühten sich durch einen Krebsgang wieder zu rechte zu ko en. Alleine die Catten hiengen wie die Kletten an den Römern; daß sie keinen Fuß ohne Kostbarkeit ihres Blutes fortsetzen konten. Ja der Graf von Hanau schnitt dem Trebatius gar den Rückweg ab: daß er ungeachtet seiner eusersten Bemühung sein Thor nicht wieder erlangen konte. Ob er nun zwar selbst getödtet ward / und alle seine Krieges-Leute entweder ins Gras oder in die Ketten beissen musten; so war er doch darinnen glückseelig: daß das Thor / wordurch er ausgefallen / beyzeite gesperrt / und von der zurück gelassenẽ [287] Besatzung wider den anfallenden Grafen von Dietz männlich vertheidiget und glücklich verhalten ward. Acilius hatte hingegen zwar mehr Lufft und Gelegenheit zu weichen; alleine der Graf von Solm vermischte seine funfzehnhundert verkleidete Catten so geschickt und zu rechter Zeit unter die weichenden Römer: daß er mit ihnen in die Stadt drang; die Wache niederhieb / die Fall-Gatter /Schlag-Bäume und Aufzüge der Brücken zernichtete /und alleine wider die ihm auf den Hals dringende gantze Besatzung diese Pforte so lange behauptete /bis ihn der Graf von Weil und Wißbaden entsetzte; endlich der Graf von Catten-Ellenbogen mit tausend Cattischen Reitern hinein drang / und alles / was ihm begegnete / zu Bodem rennete. Der Oberste der Römer / Coponius / thät zwar alles / was ihm anfangs Muth und Klugheit / und zuletzt die Verzweifelung an die Hand gab; nemlich: Er zündete die Stadt bey dem eroberten Thore an. Alleine die Deutschen hatten schon auch das andere Thor aufgehauen / und der Graf Dietz sich desselben Meister gemacht; daher der Graf von Gleichen auch mit fünfhundert Pferden hinein drang. Hiermit gieng es nur an ein Erwürgen der Römer / welche nach Entseelung des Coponius und anderer fürnehmsten Befehlhaber die Waffen wegwarffen / und sich in die Keller und Winckel verkrochen; bis sie der Morgen doch in die Hände der Uberwinder lieferte. Der Römer blieben über drey-tausend todt / und funfzehn-hundert wurden gefangen; das Feuer auch zeitlich gelescht: daß nicht über zwölf Häuser verbrennten. Hertzog Arpus machte nicht alleine dem Feldherrn die Eroberung alsbald zu wissen / sondern kam auch mit etlich tausend Catten ihm zu Hülffe / welche aber die im Vortheil stehenden Cherusker nicht von nöthen hatten / sondern den Römern allenthalben genungsam gewachsen waren. Das Geschrey von Eroberung der Festung breitete sich alsbald durch das deutsche Heer aus: daß es auch dem Tiberius zu Ohren kam / und von dem aufgehenden Feuer bestätigt ward. Daher Tiberius nur abblasen ließ / und sich in sein Lager zurück zoh. Folgenden Tag / als der Feldherr Herrmann und Arpus die eroberte Festung besahen / kriegten sie die Nachricht: daß der junge Sicambrische Hertzog Francke mit zehn-tausend auserlesenen Reitern nur eine Meile von dar stünde / und / wo er dem Feinde Abbruch thun könte / vom Feldherrn Nachricht verlangte. Beyde Hertzoge waren leicht eines diese ansehnliche Hülffe an sich zu ziehen. Daher sie auch alsofort Anstalt machten diese Reiterey über den Rhein zu setzen; welche aber grösten theils aus Begierde zu fechten über den Rhein schwemmeten. Sintemal die Tencterer den für keinen Reiter halten / der nicht seine Geschickligkeit so wol selbst schwimmende / als zu Pferde über diesen Fluß zu setzen bewiesen hat. Als inzwischen der sonst so verschlossene Tiberius seinen Unwillen über diesem grossen Verluste nicht bergen /noch auch in drey Tagen weder mit sich / noch dem Germanicus sich vergleichen konte / was er mit seinem so mächtigen Heere fürnehmen solte. Den vierdten Tag aber gerieth er in keine geringe Bestürtzung; als noch für aufgehender Sonne der Feldherr und Arpus in der nechsten Fläche ihr Heer gegen dem Römischen Lager in Schlacht-Ordnung stellten / und den Tiberius durch einen Herold zur Schlacht ausfordern liessen. Des Germanicus Meinung war: Sechs Römische Legionen könten gegen der gantzen Welt Kräfften ohne euserste Schande zu schlagen sich nicht enteusern. Aber Tiberius / welcher die deutsche Reiterey für unüberwindlich hielt / war auf keine Weise zu bewegen einen solchen Hauptstreich zu wagen; von dessen widrigem Ausschlage der Verlust gantz Galliens hieng; der Gewin aber mehr nicht / als die Wieder-Eroberung etlicher verlohrnen Festungen eintragen könte. Uberdis wäre bey denen / welche allererst einen glücklichen Streich gethan / [288] zwar die Klugheit in Ab- / die Tapferkeit aber im Aufnehmen; die Unglücklichen aber / wie hertzhaft sie gleich wären /kämpften nur mit mißträulichem Gemüthe und langsamen Armen. Also musten nur die Deutschen unverrichteter Sachen abziehen; wiewol ihre Heerführer hier nicht so viel / als durch eine halbe Schlacht gewonnen zu haben meinten. Denn Volck und Geld sind zwar die Spann-Adern / der erlangte gute Ruff aber die Seele des Krieges; und eine Faust derer / welche den Ruhm des Sieges vor sich haben / ist dreyen andern überlegen. Dieses Ansehn der Deutschen Waffen ward dardurch so viel mehr vergrössert: daß Germanicus noch selbige Nacht mit einem Theile des Römischen Heeres aufbrach / und das alte Läger an der Nave besetzte / Tiberius aber durch seine Nachfolge gleichsam bestätigte: daß er den Deutschen nicht gewachsen wäre. Diesen hingegen hatte die grosse Beute / und fürnemlich die in der Festung gefundenen köstlichen Waffen ein grosses Hertze gemacht. Denn ob zwar die Deutschen gleichsam zu den Waffen gebohren sind / und so gar auch nicht ungewafnet zu Tische sitzen / so treiben sie doch aus einer eingebildeten Heiligkeit weder ihre Eisen-noch Gold- und Silber-Bergwercke. Nach dem nun die Römer bey Lebens-Straffe verbothen / denen Deutschen weder Stahl noch Eisen zuzuführen; hatten sie Mangel an scharffen Degen. Ihre Spiße waren meist höltzern und nur mit wenigem Eifen zugespitzt; Ihre Helme und Schilde waren aus rohem Leder der Ochsen / Bären und Wölffe / wie der Mohren aus Elephanten-Haut. Die Heerführer alleine hatten eiserne Pantzer-Hembde /Schilde und Helme / welche zuweilen mit Agsteine zierlich überlegt waren; die Römer also so viel in Waffen für den Deutschen / als diese an Kräfften für den Römern Vortheil. Unter andern funden sie einen silbernen Schild / auf welchem Drusus und sein Sieges-Zeichen an der Elbe geetzt war / für welchem selbiger Fluß kniende seinen Wasser-Krug ausschüttete. Diesen hätten die deutschen Krieges-Knechte aus Eyver zerschmettert / wenn nicht der Graf Mannsfeld darzu kommen wäre / und ihnen eingehalten hätte: daß diese ruhmsichtige Eitelkeit / wenn der Feldherr diesen Schild in den Tanfanischen Tempel aufhencken würde / den Römern schimpflicher seyn müste / als der kostbare Schild des Asdrubals / den ihm Quintus Martius abgerissen / und im Capitolinischen Heiligthume noch ein Gedächtnüs seiner großsprecherischen Schwäche fürbildete. Mit diesem wurden noch eine ziemliche Anzahl der kostbarsten Schilde ausgelesen /und vom Feldherrn in Tanfanischen Tempel geschicket. Denn es waren derer so viel / und zwar auf so seltzame Art ausgeetzet: daß Ulysses allhier seinen mit dem Meerschweine / Lycurgus seinen mit dem Dreyzancks-Stabe / Lysander mit dem Drachen / Alcibiades mit dem dem Blitz umbarmenden Cupido /jener Spartaner seinen mit der Fliege / Achilles seinen mit den Ackers-Leuten und Schnittern nicht gemisset hätte. Nebst diesem ward in der Festung eine unglaubliche Menge Weines befunden / weil die Römer an diesem Orte eine rechte Wein-Niederlage gemacht hatten / und selbten von dar nach Rom führten. Ja Käyser August selbst / welcher Zeither den in Campanien an dem steinichten Sinnesanischen Ufer wachsenden Setinischen Wein für seinen Mund erkieset hatte / tranck nunmehr keinen andern / als Rheinwein. Dieses edlen Getränckes genaaßen die Deutschen und sonderlich die Catten so viel begieriger / weil bey ihnen so wol / als für Zeiten bey den Nerviern ein halsbrüchiges Verbrechen war Wein ins Land / bey denen Carthaginensern ins Lager zu bringen; und daher viel Catten allhier zum ersten mal dieses edle Geträncke kosteten; alle Neuigkeit aber so angenehm ist: daß sie dem Wasser den Geschmack des Weines /dem Weine aber eines himmlischen Getränckes zueignet. Die Unwissenheit: [289] daß die Süßigkeit des Weines mit Hörnern und Klauen vermählet wäre; Westwegen auch die Griechen den Bacchus in der Gestalt eines wilden Ochsen und Panterthieres abgebildet / brachte die meist Milch und Wasser trinckenden Cherusker und Catten dahin: daß ihre alte Schwierigkeit zum jähren / ihre Zwytracht aber zum Hand-Gemenge kam; wordurch drey Cherusker und zwey Catten todt blieben / und beyderseits noch wol zwantzig verwundet wurden. Der ernsthafte Hertzog Arpus / welchem dieses Unvernehmen am ersten zu Ohren kam / meinte seiner Schuldigkeit zu seyn / umb grösserm Ubel bey zeiten vorzukommen / desselbten Wurtzel auszurotten. Diesemnach ertheilte er Befehl allen noch in der Festung befindlichen Wein auszuschütten / und die an dem Rheine gelegenen Weinberge zu vertilgen. Dieser Befehl ward nicht allein in den gemeinen Häusern vollzogen / sondern die Catten kamen auch zu dem Ende in das Heiligthum des Bacchus / unter welchem in gewölbten Kellern die edelsten Weine für den Käyserlichen Hof verwahret waren. Weil aber so wol die Priester / als die vom Hertzog Arpus nach der Eroberung dahin bestellte Wache solches zu öfnen weigerten; stürmeten es die Catten; und wäre der Handel zu einer Blutstürtzung ausgeschlagen / wenn nicht der Feldherr Herrmann und Hertzog Arpus gleich auf dem Wege gewest wären des Bacchus Altar zu beschauen /und dis Mißverständnüs unterbrochen hätten. Bey der Pforte des Vorhofes begegnete ihnen der Hohepriester in seinem prächtigsten Aufzuge / und bewillkommte sie mit grosser Ehrerbietung. Er war ein so schön gebildeter Jüngling / als jemals Bacchus mag abgemahlet worden seyn. Er hatte auf dem Haupte einen Krantz von Epheu-Eichen-Tannen- und Eiben-Laube; auf der Stirne zwey Ochsen-Hörner / in der Hand einen mit Reben-Blättern und Epheu umbwundenen Spieß. Diesen legte er beiden mit höchster Ehrerbietung empfangenen Hertzogen zu Füssen / und bat: Sie möchten doch ihren Grimm und Rache an diesem abgöttischen Heiligthume ausüben / hingegen gütige Schutz-Götter über das heilsamste Geschencke Gottes seyn / ohne welches ihm kein angenehmes Opfer geliefert werden könte. Herrmann und Melo sahen einander verwundernde an; weil sie nicht begriffen konten / warumb dieser Priester selbst dis Heiligthum für abgöttisch schalt / und desselben Zerstörung verlangte. Ehe sie aber noch fragten / nam er seinen Krantz selbst vom Haupte / und zerrieß ihn in kleine Stücke /seine Luchs- und Tieger-Haut warf er zu Bodem / und die Lantze trat er mit Füssen entzwey; welches doch alles dem Bacchus gewiedmete Dinge waren. Hierauf fieng er an: Wundert euch nicht / grosse Erlöser des Vaterlandes / über meinem Vorhaben. Ich bin eben so wol / als ihr / ein Deutscher / und zwar des Vangionischen Hertzog Ehrenfrieds Sohn; welcher der Römischen Dienstbarkeit feinder / als kein ander Deutscher ist; weil ich auch meine Seele zu einer Magd ihrer Abgötterey habe müssen mißbrauchen lassen. Es war leider! mit den Deutschen am Rhein-Strome so weit kommen / daß ihre Fürsten sich umb Römische Dienste als grosse Würden bewerben / und umb nur an unsern Feinden gütige Halsherren zu haben / sich zu Priestern / nicht nur ihrer ertichteten Götter / sondern auch eines sterblichen Menschens müssen gebrauchen lassen. Die Römer selbst verehren zwar ihre Gebieter nur göttlich / wenn sie todt sind / und nicht mehr sterben können. Die überwundenen Völcker aber müssen denen Römischen Land-Vögten Tempel und Altäre bauen / und die Welt den noch lebenden August anbeten / nach welchem verlebten Greise doch der Tod mit beyden Armen greifft. Nicht nur die Gallier / sondern sechzig Völcker / müssen ihm in dem Lugdunischen Tempel opfern / und seinen ihm daselbst aufgerichteten sechzig Bildern Weyrauch anzünden / und selbige[290] mit Balsam einsalben. Die Hispanier beten ihn im Tarragonischen / die Asiaten in dem Pergamischen /die Bithynier im Nicomedischen Tempel an. Ja die Indianer in der Limyricischen Landschafft am Ganges sind auch so alber: daß sie dem Käyser daselbst einen Tempel gebauet haben. Dieses Altar ist zwar dem Nahmen nach ein Heiligthum des Bacchus / in Warheit aber wird August allhier angebetet; als dessen warhaftes Bild hier durch den Bacchus für Augen gestellet wird. Maßen sie selbst solche Aehnligkeit deutlich wahrnehmen würden. Alle diese Abgötterey hat August selbst gebilligt / und zum theil von den Ländern verlangt; da er doch zu Rom ihm nicht einmal ein silbernes Bild aufzusetzen verstatten wollen / sondern die gegossenen zerschmeltzet hat. Gleich als wenn die Römer gegen andere Völcker Götter / oder diese gegen den Römern nicht Menschen wären. Diesemnach erfreue ich mich: daß ich durch die Hülffe zweyer Helden / welche GOtt Deutschlande zu rechten Schutz-Göttern zugeschickt / meiner Knechtschafft erledigt werde / und mit diesem mich verunehrendem Krantze die Bande der schändlichsten Heucheley zerreissen kan. Der Feldherr und Arpus schöpften nicht geringe Vergnügung über der Erklärung dieses hurtigen Fürsten; welcher auf fernere Befragung erzehlte: als Drusus zum ersten mal mit den Catten und Sicambrern angebunden hätte / wäre sein Vater von der gantzen Römischen Macht überschwemmet / und ihn / ungeachtet er noch nicht drey Jahr alt gewest / mit nach Rom zur Geissel zu geben gezwungen worden. Daselbst hätte er das vermeinte Glück gehabt: daß er der Käyserin Livia Gewogenheit erworben / und / nach dem er mehrmals so hertzlich nach seinem Vaterlande geseufzet / noch nicht für voll vor zweyen Jahren mit der Würde dieses Priesterthums begabt worden; welches ihm aber / so bald er nur die deutsche Lufft gerochen / und von ihrer Freyheit gehöret / der ärgste Greuel geschienen; ungeachtet er von der zartesten Kindheit an zu der niedrigsten Knechtschaft wäre gewöhnet worden. Hertzog Arpus fieng an: Den Deutschen ist die Freyheit so angebohren: daß sie zu keiner Dienstbarkeit gewöhnet / wie etliche Thiere ihr Lebtage durch keine Liebkosung gekirret werden könten. Unter diesem Gespräche giengen sie zusa en durch einen das auf einem Hügel liegende Heiligthum ringsher umbschlüssenden Wein- Garten. Sie kamen gleich zum Tempel / als der Sonnen-Schatten den Punct des Mittags anzeigte. Daher fieng der Priester an: Es ist merckwürdig: daß diese zwey Schutz-Götter Deutschlands gleich die Schwelle dieses Heiligthums zu der Zeit beschreiten / da sonst kein Mensch in selbtes gehen darf / weil die Götter am Mittage sich in die Tempel herab lassen sollen. Westwegen auch ihre Thüren ins gemein mit den Zeichen des Mittags und Sudwindes bemercket sind. Dieser Tempel war rund / aber wie der Elische des Silenus allenthalben offen. Denn er bestand in zwey und dreißig in ein rechtes Viereck zusa en gesetzten Seulen; wie der auf dem Eylande Aegina vom Aeous dem Jupiter gebaute in funfzigen; also daß auf jeder Seite zweymal sechs einander gegen über zu stehen kamen /und die inwendigen zwölf Pfeiler einen viereckichten Platz abgaben. Die Seulen waren alle mit vergüldetem Weinlaube umbwunden / zwischen welchen Schnecken / Heydächsen / und andere gekerbte Thiere gebildet waren. In dessen Mittel-Puncte des Bacchus Bild sechs Ellẽ hoch aus Alabaster auf einem schwarzmarmelnen Fusse unter freyem Himmel stand. Vielleicht weil die unter gehende Soñe auch unter dem Nahmen des Bacchus verehret wird. Sintemal die Tempel sonst insgemein nicht anders / als die Gräber ohne Fenster gebauet sind; gleich als weñ in derselben Düsternheit die Götter unser geweiheten Kertzen und Ampeln bedörften; oder weil die Finsternüs in den Augen das Licht der Andacht in den menschlichen Hertzen [291] anzuzünden vermöchte. Weil Bacchus nun eben so wol als Venus zugleich Mañ und Weib gewesen seyn soll /oder die Alten gar an ihrer Götter Geschlechte zweifelten / stellte diß Bild auf der einen Seite einen Mañ /auf der andern ein Weib für / und iedem Antlitze stand ein Altar gegẽ über. Arpus fieng an: Ich weiß nicht anders / als daß dem Bacchus eine nie veraltende Jugend zugeschrieben wird; beyde Antlitzer aber bilden schon verlebte Leute ab. Der Priester antwortete: Diesen Tempel hat auch Drusus allererst für achtzehn Jahren gebauet: da Käyser August schon über sechs und funfzig Jahr alt / und Livia nicht viel jünger gewesen ist. Hertzog Herrmann / nachdem er beyde Gesichter auffs genaueste betrachtet hatte / fieng an: Ich muß gestehen: diese Bilder sind dem Käyser und Livien so ähnlich / als wenn sie ihnen aus dem Gesichte wären geschnitten worden. Jedoch muß ich auch gestehen: daß ich selbst zu Rom schon gesehen /wie nicht nur Käyser Julius daselbst in Gestalt des Jupiters mit dem Blitze / August des Apollo mit der Leyer / sondern auch Sylla und Pompejus wie Mars; und in Griechenland Marcus Antonius wie Bacchus gebildet stehen. Uber diß hat mich mein Bruder Flavius berichtet: daß über den vorigen nahe beym Heiligthume des Friedens der Stadt Rom und dem August zugleich gebauten Tempel der Rath auf dem Marckte /und Livia bey der Burg dem August allein einen dergleichen Tempel eingeweihet habe; wie der zu Athen /zu Pola in Histrien / zu Milasa in Carien / zu Lugdun in Gallien / zu Tarracon in Hispanien ist; also Rom nunmehr für frembden bezwungenen Völckern in der Dienstbarkeit keinen Vorzug habe. Der Priester erinnerte hierbey: Sie möchten doch die an iedem Ende einen Kopf habende Schlange / welche auf der Juno Anstifftung den Bacchus ans Bein gebissen haben solte / und die Bacchus allhier mit einem Reben-Stocke zu Bodem schlug / genau betrachten. Hertzog Herrmann fand am ersten in dem Bauch dieser steinernen Schlange den Nahmen Deutschlands; der Priester wieß an dem einen Kopfe des Lollius und Manlius / am andern des Carbo / Cassius und Aurelius Niederlage mit sehr dünnen Buchstaben aufgezeichnet. Der Feldherr ward über diesen anzügerlichen Sinnebildern so ungeduldig: daß er bey dem nechsten Altare eine ertztene Opfer-Schauffel ergrieff / und damit den Schenckel dieses alabasternen Bacchus mit sambt der Schlange in Stücke schlug. Hertzog Arpus schöpfte über diesem Eifer grosse Vergnügung / und sagte: Seiner Meynung nach steckte in diesem Bilde mehr Geheimnüß / als es euserlich anzuschauen wäre. Denn es wäre nachdencklich: daß Deutschland in Gestalt dieser zweyköpsichten Libyschen Schlange vorgestellt würde / welche man mit nichts anders / als einem Holtze vom Wein-Stocke solte tödten können. Dieses wäre seinem Bedüncken nach so viel gesagt: daß Deutschland durch das wollüstige Geträncke des Weines nur zu bändigen wäre. Diesemnach er denn schon bey sich beschlossen hätte: daß / weil ohne diß bey den Catten die Einfuhre des Weines hochstraffbar verbothen wäre / er alle Wein-Stöcke am Rhein-Strome austilgen lassen wolte. Hertzog Herrmann versetzte: Ihm würde nimmermehr in Sinn kommen etwas zu vertheidigen / was der Deutschen Freyheit könte abbrüchig seyn. Diß aber könte er dem edlen Gewächse des Weines nicht ohne Beleidigung der Natur zurechnen / welches die Weisen so hoch hielten: daß sie es für das gröste Geschencke Gottes / für die heilsamste Stärckung des Menschen; ja für eine Süssigkeit / wordurch das menschliche Gemüthe erfreuet / Gott versöhnet würde / rühmeten. Wie der Geruch des Weinstocks kein giftiges Thier vertragen könte / der Wein dem Zieger-Kraute sein Gifft benähme; und die gefährlichsten Wunden heilete; die Bitterkeit der Galle linderte; [292] den menschlichen Leib durch die ihm von der Wurtzel eingeflößte und von der Sonne mitgetheilte Hitze erwärmte; die vom Wachen ermüdeten Glieder durch den Schlaf stärckte; das ohnmächtige Alter kräfftig verjüngte; also vertriebe sein Genüß auch das Gift der Traurigkeit / entbürdete das Hertze der Sorgen / welches gegen ihm keine schwächere Zuneigung als der Magnet zum Eisen hätte. Er verknüpfte die Gemüther zusammen; er brächte die Wahrheit aus den Brunnen der verschlossensten Hertzen ans Licht; er schärffte das tieffsinnige Nachdencken /machte die Geister der Tichter lebhafft und rege / weil sich nichts anders so geschwinde / als der Wein in Blut verwandelte; verdiente also eine Göttliche Feuchtigkeit / ein hi lischer Thau / der Alten Milch /der Schwachen Oel genennet zu werden. Aus diesen Ursachen hätten die Cherusker schon von geraumer Zeit denen Galliern / Friesen und Britanniern erlaubet in ihrem Gebiete gegen andere Waaren Wein zu vertauschen; ja weil der Wein die Tugend haben solte /Furchtsame behertzt / und Einfältige klug zu machen /pflegten die Cherusker und andere Nord-Völcker bey seinem Geträncke Rath zu halten / für denen Schlachten das Kriegs-Volck damit anzufrischen / ihre Vergleiche / Versöhnungen und Ehe-Stifftungen zu machen / ja ihre Hertzogs-Wahlen / Kriegs- und Friedens-Schlüsse zu vollziehen / wenn der Wein ihre Hertzen aufgeschlossen hätte / da sie so viel besser ohne Heucheley rathschlagen und ohne Irrthum schlüssen könten. Der Priester / welcher mit seinem Epheu-Krantze nicht die Liebe des Weines weggeworffen hatte / fiel dem Feldherrn bey / und wieß an dem Fusse des Bacchus-Bildes zu dessen Bestätigung allerhand Lob-Sprüche desselbten; welche ihm den Titul eines Hertzen-Kündigers / eines Eröffners der Heimligkeiten / eines treuen Rathgebers / eines Sorgentödters / eines Erhalters / und andere in Griechischer Sprache zueignete. Daher er auch an vielen Orten des Bacchus und der Pallas Tempel mit einander vereinbart gesehen hätte; und würde vom Nestor und Cato erzehlet: daß sie für ihren Rathschlägen ihre Geister durch Wein erwärmet / Hecuba aber dem Hector für seinem Gefechte Wein zu trincken eingeschenckt hätte. Die Thracier / Egyptier und Nasamonen stiffteten eben so wohl als die Deutschen ohne Wein kein Bündnüß. Bey den Griechen brächte der Schwäher seinem Eydame für dem Altare einen Becher mit Wein zu. Ja fast bey allen Opfern würden die Schlacht-Thiere vorher eben so wohl mit Weine dem Merckmal der Liebe / als mit dem Saltze unversehrlicher Aufrichtigkeit besprenget / hernach auch ins Opfer-Feuer gegossen / und wenn hiervon die Flamme lichter würde / es für eine Wahrsagung vielen Gutes angenommen. Hertzog Arpus aber versetzte: Er könte leicht glauben: daß die gütige Natur den Wein eben so wohl / als das zur Artzney brauchbare Gifft zu einem guten Ende wachsen liesse. Weil aber beyder schädlicher Mißbrauch gemeiner / als der angezielte Nutzen wäre / hielte er es für rathsam so wenig den Wein in Deutschland zu pflantzen / als ein vorsichtiger Gärtner Napel auf seinen Bethen zeugete. Sein Geträncke thäte so wohl dem Gemüthe / als dem Leibe Abbruch. Daher kein vernünftiger Artzt den Kindern biß zum achtzehendẽ Jahre den Wein wegẽ in sich habender Hitze nur zu kosten erlaubte; als wordurch die hinfallende Sucht / hitzige Feber / Gicht /Schwindsucht / Stein / und übriges Wachẽ verursacht / auch alles Gifft vergrössert / die Jugend entkräftet /die Gestalt verterbt / die Sinnen geschwächt / das Geblüte entzündet / die Adern verstopft würden; und daher die Persen ihren Kindern nach der Mutter-Milch keinen andern Tropfen / als schlechtes Wasser gäben. Bey den Massiliern und Milesiern untersagten scharffe Gesetze allen Weibern den Wein. Zu Rom würden[293] die Schlüssel darzu keinem Weibe vertraut / sondern für ihnen versiegelt; ja wenn eines des Weintrinckens überwiesen würde / wäre es ein halsbrüchiges Laster. Welches nicht so wohl für eine Straffe dieses Geschlechtes / weil ein Weib von Croton dem Hercules einen Trunck versaget / als für eine weise Vorsicht zu halten wäre: daß / nachdem der Bacchus ein Waffenträger der Wollust / und die Milch der Geilheit wäre /durch seine Hitze nicht der Schnee der Keuschheit versehret würde. Ja der Wein und das weibliche Geschlechts vertrügen mit einander auch so schwer eine Gemeinschafft: daß die unter dem Zeichen der gestirnten Jungfrau gepflantzten Reben nicht geriechen. Weil der Wein auch die Fruchtbarkeit störte / hätten zu Carthago keine junge Eheleute; und weil er den Verstand verdüsterte / keine Obrigkeiten Wein trincken dörffen. Zu Athen aber hätte ihr Fürst durch Trunckenheit alsbald den Hals verwürgt; bey denen Epizephyriern aber / vermöge eines vom Zalevcus gegebenen Gesetzes / iedweder Bürger / der ohne des Artztes Befehl Wein getruncken hatte. Sintemal diese Leute wohl wusten: daß der Wein Drachen-Galle / ein Gifft iedweden Alters wäre / welcher die Menschen in Pferde / Tiger / Affen / Hunde und Schweine verwandelte. Daher die Natur denselbten sonder Zweifel den Deutschen zum besten nicht hätte von sich selbst wachsen lassen / uñ durch diese Kargheit ihnen die gröste Wohlthat erwiesen. Weil sie nun dessen so lange Zeit hätten entpehren können / wäre wegen allzeit gefährlicher Veränderung es wohl am rathsamsten Deutschland im alten Stande zu lassen. Der Feldherr versetzte: Die Natur / als eine kluge Mutter / hätte die Menschen nicht zum verterbenden Müssiggange / und daß sie nur die Hände in die Schoß legen / und mit offenen Mäulern die Weintrauben aus der Lufft fangen solten / in den Garten der Welt gesetzt. Denn / wenn sie nicht arbeiten / und ihre Gaben mit Schweisse verbessern solten / worzu wären ihnen die Hände nütze? Nichts dörffe mühsamerer Pflegung / als der Wein-Stock / auch in den reichesten Wein-Ländern. Das Getreide / welches die Catten doch nunmehro fleissig säeten / wüchse eben so wenig von sich selbst / als der Wein. Der Oel-Baum wäre zu des Tarquinius Priscus Zeit noch in Italien unbekant; des Weines aber bey des Numa Herrschafft so wenig gewest: daß er verbothen die Holtz-Stösse oder Todten damit zu besprengen; und Mezentius / der Hetrurier König /hätte umb wenigen Wein den Rutilern wider die Lateiner beygestanden. Käyser August hätte allererst für wenig Jahren die Pomerantzen in Italien zu pflantzen angefangen. Also könte durch Fleiß in Deutschland mit der Zeit gemein werden / was ietzt die seltzamste Köstligkeit wäre. Alle Sachen zwar / derer Mißbrauch mehr schadete / denn der Nutz fro ete / wären billich auszutilgen; wenn nur durch solche Vertilgung auch die Wurtzel des erwachsenden Ubels gedämpfet würde. Alleine wäre der Mangel des Weines zeither den Catten und der durstigsten Mitternacht ein genungsames Mittel der Nichternheit gewest. Pflegten die Scythen / Thracier und Babylonier nicht gewisse Kräuter ins Feuer zu werffen / und durch den in Hals gezogenen Rauch sich truncken zu machen? Würden nicht die Araber von ihrer Aloe / die Indianer von ihren Palmen-Nüssen / die Asiaten von Mah-Saffte andere Völcker von der Feuchtigkeit gewisser Wurtzeln / und vom Rauche unterschiedener Pflantzen voll? Hätten die Deutschen nicht aus Getreyde /Honig und Hopfen etliche Träncke zu kochen erfunden; welche an Stärcke dem Weine überlegen / der Gesundheit aber viel abbrüchiger wären? Ja die doch vom Weine reichlich versorgten Länder müheten sich durch Fäulung oder Abkochung des Wassers mit vielerley Gesäme / Kräutern und Früchten neue Wollüste und mehr [294] Werckzeuge der Trunckenheit zu erfinden. Da nun iedes Volck einen gewissen Hang zu etwas hätte / was sich weder mit Feuer und Eisen von selbigem absondern liesse; die Deutschen aber wie die Scythen und Persen die Liebe des Trunckes zu ihrer Eigenschafft bekommen hätten; also ihre trockene Rathschläge ins gemein übel geriethen; warumb wolten sie ihren Landesleuten nicht gönnen ihren Durst an etwas edlerm und gesünderm zu leschen? nachdem die gantze Welt schon die erste Speise der Eicheln verworffen hätte / und Deutschland sich nicht mehr mit Milch und wilder Thiere Fleisch vergnügte. Er wolte der Trunckenheit nicht das Wort reden; wormit andere Völcker / welche mit Geilheit / Untreu und andern Lastern beschwärtzt wären / die Deutschen ihnen gleich zu mahlen meynten. Er wäre auch mit demselben Römischen Zunfftmeister einer Meynung / welcher es zu Rom für einen Abbruch der Freyheit hielt /wenn einer sich durch Schwelgerey nicht selbst in Grund richten dörffte. Nichts desto weniger wäre die Güte des Weines so groß: daß er sich nicht schämte selbten zu vertheidigen und zu bekennen: daß die Cherusker eben so ungern / als die Scythen den Wein mit Wasser mischten; und dieses Geschöpfe der Natur dem Menschen-Gemächte des Bieres billich vorzügen. Die fühl- und Vernunfft-losen Dinge empfinden selbst: daß der Wein ein rechtes Oel des Lebens wäre. Die darmit angefeuchteten Wurtzeln gäben ihren Pflantzen gleichsam eine neue Seele. Die schon halb-gestorbenen Maßholder-Bäume würden von der Krafft des Weines wieder lebhafft. Der Wein erhielte das darein geweichte Gesäme der Kräuter: daß es nicht schadehaft würde. Die Römer netzten ihre geschornen Schafe mit Weine: daß sie weichere Wolle trügen. Wenn man der wüttenden Ochsen Rücken damit besprengte / würden sie gezüge; die müden Pferde von diesem Geträncke stärcker; die zum fallen geneigten Maul-Thiere giengen davon gewisser; die Panther aber würden gar zahm; die darnach lechsenden Schlangen kirre; also daß die einem Menschen in Hals gekrochenẽ durch nichts leichter als vermittelst des Weines heraus gelocket werden könten. Der dem Menschen von diesem hi lischen Safte zuwachsende Fro en aber wäre unzehlbar. Die Deutschen härteten zwar ihre Kinder durch Eintauchungen in kaltes Wasser / aber offt mit ihrem Verlust / ab. Hingegen stärckte nichts mehr und sicherer neugebohrne Kinder /und trocknete ihre übermässige Feuchtigkeit / als wenn man sie mit Wein abwüsche. Er nährete am geschwindesten; würde am leichtesten zu Blute; stärckte die Spann-Adern; heilete die Wunden; wärmete den Magen; begeisterte das Geblüte; erquickte das Hertz; brächte mit seinem durchdringenden Geruche die Ohnmächtigen und Halb-todten wieder zurechte; verursachte den Schlaf; ja eine davon entstandene Trunckenheit hielffe unterschiedenen Kranckheiten ab. Westwegen auch die mässigsten Römer zuweilen für dem Abend-Essen und nach dem Bade sich damit zu überfüllen pflegten. Ja das Gemüthe und die Seele kriegte von diesem Wunder-Geschöpfe der Natur Kräfften und Regung: wenn es die Sorgen erleichterte / die Traurigkeit vertriebe / das Leid in das Nicht der Vergessenheit vergrübe; die Widersinnigen freundlich / wie das Wasser die Wolffs-Erbsen süsse machte /und die Tapferkeit anzündete. Diesemnach sich so wenig zu verwundern wäre: daß die Deutschen und alle behertzte Völcker so gerne Wein trincken; als daß die Stadt Athen auf Anleitung ihrer Wahrsager-Geister dem Artzte Bacchus einen Tempel bauten; und ein gewisses Volck in Africa den Wein gar als einen Gott anbetet. Hertzog Arpus begegnete dem Feldherrn: Der Wein wäre ein am Holtze der Reben verfaultes Wasser; und daher seinem Bedüncken nach den Pflantzen und dem Vieh gesünder / als [295] den Menschen. Denn jene wüsten wohl / nicht aber diese Maaß zu halten. Und wäre dem Weine fast allein zuzuschreiben: daß der Mensch unter allen Thieren das einige wäre / welches trincke / wenn ihn gleich nicht dürstete. Daß die Parthen und Alcibiades aus dem Vermögen viel zu trincken Ehre gesuchet; Tiberius auf solche Säuffer gewisse Preiße aufgesetzt; Marcus Antonius von seiner Trunckenheit Bücher geschrieben / und der junge Cicero an seines Vaters Mörder sich wohl gerochen zu seyn geglaubt hätte / wenn er ihn im Sauffen überwunden; gleich als wenn die Menschen zum Verterb des Weines gebohren / und es ein Laster wäre / den Safft der Trauben anders / als durch den Menschen ausschütten. Die Hitze aber / welche der Wein in des Menschen Hertze und Gehirne erregte / verdiente mehr den Nahmen einer blinden Tollkühnheit / als der Tapferkeit / welche ohne Vorsichtigkeit eine schädliche Mutter vieler Blutstürtzung wäre. Daher sonder Zweifel der Wein das Trauben-Blut genennet; und / daß der erste Wein-Stock aus dem Blute der vom Donner erschlagenen Riesen gewachsen wäre / getichtet würde. Wegen der denen Trunckenen insgemein anhangenden Raserey mahlte man sonder Zweifel auch dem Bacchus Hörner an die Stirne; und die Deutschen hätten vermuthlich darumb Hörner zu ihren Trinck-Geschirren erkieset. Weil nun der Wein derogestalt die Vernunfft ersäuffte; alle Geheimnüsse des Hertzens aber / wie das Meer die Leichen / von sich stiesse / wäre er niemanden mehr / als den Deutschen zu meyden. Diesen wäre die Hertzhaftigkeit angebohren; also hätten nicht sie / sondern nur furchtsame Völcker des Weines von nöthen: daß sie ihnen ein Hertz trincken. Die streitbaren Geyer lebten ohn alles Geträncke; und von Adlern würde als ein Wunderwerck angemerckt: daß man in der Belägerung Babylons einen habe trincken sehen. Weil der Wein auch niemanden schädlicher als Kriegsleuten wäre / hätten die streitbaren Spartaner die / welche vom Weine truncken worden / fast für unehrlich gehalten; die sonst dem Weine sehr ergebenen Carthaginenser aber bey Lebens-Straffe Wein ins Lager zu bringen verbothen. Hätte Hannibal diß Gesetze zu Capua beobachtet / wäre der Uberwinder der Römer nicht vom Weine überwunden / und seiner Siegs-Kräntze verlustig worden. Dannenher der Lorber-Baum mit dem Wein-Stocke nicht unbillich eine grössere Feindschafft als der Kohl hegte / welcher aus den bitteren Thränen des dem Bacchus folgenden Lycurgus sölte entsprossen seyn. Der grosse Alexander hätte die Schädligkeit des Weines erkennt / da er sein Kriegsheer ohne dessen Verterb nicht über das Wein-reiche Gebürge bey der Stadt Nysa zu führen getrauet; wiewohl er hernach mit seinem Weinsäuffigen Heere als ein Bacchus aus Indien durch Gedrosien zurück gezogen; nachdem er vorher das Blut seiner besten Freunde dem wüttenden Bacchus / nemlich dem rasend-machenden Feinde aufgeopfert hatte. Hingegen hätte Scipio durch nichts Asdrubaln mehr Schrecken eingejagt / als durch seine Nichternheit bey der Taffel des Königs Syphax. Diesemnach glaubte er: daß es die Wohlfart Deutschlandes erfordere seiner Vorfahren Beyspiele nachzufolgen / und am Rhein-Strome keinen Wein-Stock; zu dulden / sondern solche mit Strumpf und Stiel zu vertilgen. Zwey vom Elico einem Helvetier über die Alpen gebrachte Wein-Trauben hätte diese Mauren Italiens zu durchbrechen den Deutschen Anlaß gegeben / und Rom eingeäschert. Die am Rheine gepflantzten Weinberge würden auch die Römer nicht nur ewig an diesen Strand / sondern weil die Begierde stets nach etwas neuem lüstern wäre / mitten in Deutschland locken. Hertzog Herrmann brach ein: Weil die aller Welt Niedligkeiten zum Zins [296] bekommenden Römer / welche doch gantz verächtlich von Deutschlands Herrligkeiten urtheilten; so als die Schlangen nach der Deutschen Rhein-Weine dürsteten / möchten sie ihn doch nicht ehe zur Ausrottung verdammen / ehe sie vorher diß / was vertilgt würde / gekostet hätten. Der Priester des Bacchus nahm bey diesen Worten aus dem holen Fusse des Bacchus-Bildes ein Berg-kristallenes Opfer Geschirre herfür / schlug mit einer eisernen Ruthe wider das Bild / worvon sich ein verborgenes Röhr öffnete / und machte hiermit: daß dem männlichen Bacchus-Bilde aus dem Munde /dem weiblichen aus der rechten Brust Wein; jenem aus dem Nabel / diesem aus der lincken Brust Milch sprützte. Der Feldherr lächelte hierüber / und fieng an: Ich sehe der Griechen Getichte hier rechtschaffen wahr werden: daß die Bacchen mit einem Ruthen-Schlage aus einem Felsen herfür strömenden Wein sollen zuwege gebracht haben. Unterdessen fieng der Priester eine Schale voll Wein auf / welcher an Farbe zerlassenes Gold beschämte; und reichte sie dem Feldherrn. Ehe er ihn kostete / roch er daran / und fieng an: Die Farbe dieses Weines bewähret seine Gemeinschafft mit dem Golde / sein Geruch aber mit den edelsten Gewächsen der Welt. Denn ob zwar der Thasische Wein nach Aepfeln / der aus Corsica nach Quitten / der aus dem grossen Griechenlande nach gelben / der in Latium nach blauen Feilgen / der umb Ticin nach Pineolen / der auf dem Berge Libanus nach Myrrhen reucht; so übertrifft doch dieser Wein den Geruch der köstlichsten Würtzen. Daher solte ihm der Priester sägen: Ob er von sich selbst oder durch Kunst so wohl rüche? Dieser antwortete: Nichts züge zwar so geschwinde und kräfftig frembden Geruch /als der Wein / sonderlich aber der Rhein-Wein an sich; insonderheit aber wäre er ein begieriger Bräutigam des Balsams / des Weyrauchs und Rosen. Aber dieser Wein hätte nichts geborgtes; sondern er wäre eine mit allem Beysatze unvermählte Jungfrau / wie er von der Wurtzel kommen. Der Feldherr fuhr fort: Wo der Geschmack dem Geruche und der Farbe beyko t /verdiente er wohl: daß er / nach Gewohnheit der Griechen / mit Lauten-Spielen / und wie der Fisch Accipensey beym Käyser von gekrönten Dienern mit Flöten auff die Taffel getragen würde. Hierauff tranck der Feldherr diese Schale dem Herzog Arpus auf Gesundheit aller redlichen Deutschen zu / welche für die Freyheit des Vaterlands so begierig ihr Blut zu vergiessen / als er diese Schale auszuleeren geneigt wäre. Nachdem er sie ausgetruncken / fieng er an: Warlich! dieser Wein ist ein so edler Safft: daß es Schade wäre / wenn einige Rebe davon verterben solte. Ja ich glaube: daß wenn schon einer von einem im Wein ersteckten Frosche oder Aal getruncken / allerhand im Wasser gewachsene Kräuter / oder gekochte Eyer einer für den Wein-Stöcken die gröste Abscheu habenden Nacht-Eule und Galle von Barben geessen hätte / wie auch die Wurtzel des Persischen Baumes Amavil am Arme trüge / dennoch alle diese Künste vergebens seyn würden / für diesem männlichen und also den Deutschen recht anstehendem Weine einen Eckel zu machen. Unterdessen hatte der Priester schon die Schale mit dem schäumenden Weine angefüllet / und reichte sie dem Hertzoge der Catten; welcher selbte auf Gesundheit des Feldherrn austranck; und nachdem er ihm selbte noch einmal füllen lassen / solche auf Thußneldens Gesundheit ausleerte; darbey meldende: Die Römer wiedmeten ihren ersten Trunck den Haus-Göttern / die Griechen den Gratien oder dem Bacchus / die klügsten von beyden dem erhaltenden Jupiter /[297] den andern dem Schutz-Geiste / den dritten wohl-verdienten Helden. Daher würde er wider seine Pflicht der Danckbarkeit handeln; wenn er nicht dem Feldherrn / als Deutschlands Erhalter / Schutz-Geiste und grössesten Helden mit so reinem Hertzen / als die Cristallene Schale wäre / den ihm so hoch gerühmten Wein einsegnete. Der Feldherr lächelte; Arpus aber sagte: Ich gestehe es: daß wo das Weintrincken scheltbar / der Genüß dieses Weines nur eine vergebens-werthe Schwachheit sey. Sintemal ich mich zu Rom und in Griechenland nichts so köstliches getruncken zu haben erinnere. Daher im Fall bey den Griechen ihr auff dem Eylande Chios wachsender / bey den Römern der Surrentinische Wein verdienet: daß sie bey ihren Gastmahlen Kräntze von Epheu auffsetzen / ihnen Amethysten auf den Nabel binden / auch vorher. Saltz / Milch / Oel und Kohl verzehren / umb der Trunckenheit dadurch zu begegnen / wormit sie desto mehr solchen edlen Safftes genüssen können; so ist dieser Wein wohl werth: daß man seiner Anmuth halber Kräntze von Rosen / weil er aber sonder Zweifel alle Weine der Welt übertrifft / Siegs-Kräntze von Lorber-Bäumen / welche zwar andern / nicht aber den Rhein-Wein zu entkräfften mächtig wären / aufsetzen / seiner Köstligkeit halber aber mit ihm so sparsam /als die Juden mit ihrem bey Jericho auff der Fläche Engaddi wachsenden Balsam umbgehe. Sintemal dieser Wein ein rechter Balsam des Lebens / und sich darumb nicht zu verwundern ist: daß Wein und Balsam auff einer einander gantz ähnlichen Staude wachsen / und so sehr die Hügel lieben. Der Priester / welcher nun auch dem Feldherrn die andere Schale zu des Cattischen Hertzogs Gesundheit eingeschenckt hatte; fieng hierüber an: Er wäre von Hertzen erfreuet / daß er nunmehr das edle Gewächse / wormit sich Deutschland dem Myrrhen- und Weyrauch-reichen Arabien /dem fruchtbaren Egypten und Phönicien vorzücken könte / ausser Gefahr sähe. Denn da unter den Balsam-Bäumen die von seinen abtröpfenden Thränen sich nährende Nattern und Schlangen gleichsam ihre Reichs-Tage halten / und weder Araber noch Juden darunter sicher sind / da sie zumal selbte / gleich als dem Balsam geheiligte Thiere nicht zu beleidigen sich erkühnen / und sich darmit trösten müssen: daß ihre Balsam-Speise ihr Gifft etwas lindere; so verjaget hingegen die Blüthe des Wein-Stocks alle giftige Thiere / wie der Feilgen-Saamen die Scorpionen. Uber diß trägt der Balsam-Baum nicht wie der Wein-Stock herrliche Früchte / sondern nur Saamen; und da ja seine Thränen für eine Frucht zu achten / so beweinet er gleichsam mit seinen sparsamen Tropfen sein süsses Armuth. Daher auch des Käysers Auffseher zwantzig Untzen für tausend Attische Drachmen verkauffen / die Kauffleute aber seiner Wenigkeit halber ihn mit zehnfachem Beysatze anderer Säffte verfälschen müssen. Sintemal die drey hundert umb Jericho liegenden und Balsam tragende Morgen Erdreichs die Welt damit zu versorgen zu enge sind / und das wenige und geringere / was in Arabien und Egypten bey Heliopolis wächst / nirgendshin zureicht. Hingegen tragen die am Rheine nur zwischen dem Einflusse des Meyns und der Mosel gelegene Berge so viel Wein: daß es an Fässern selbigen zu fassen gebricht; und es scheinet; als wenn die zwischen denen trockenen Steinen sich durchflechtenden Wurtzeln der Wein-Stöcke den halben Rhein-Strom in sich saugen / und sein Wasser in den so edlen Wein verwandeln; welchen schon Drusus für den besten in der [298] Welt durch dieses Gebäue erkläret hat. Dannenher beyde Hertzoge mit diesem Geträncke nicht sparsam zu seyn; sondern vielmehr ihre müden Heere damit zu laben Ursach hätten. Denn es läge allein unter dem Tempel ein solcher Uberfluß von Weine / welcher hundert tausend Menschen ein Jahr lang träncken könte. Zu desto sicherem Gebrauche dieses Reichthums hätte die Natur sonder Zweifel fünf Meilen von dar nahe beym Rhein einen Brunnen quellen lassen / welcher aller vom übrigen Weintrincken entstehender Beschwerligkeit abhülffe. Ja diese Gegend an beyden Seiten des Rheines / des Meyns und der Mosel wäre zum Weine von Natur so geartet: daß bey der Zusammenflüssung des Rheines und der Mosel / wie auch nur vier Meilen davon / wo die in den Lahn-Strom fallende Schwal-Vach entspringt / zwey nach Weine starck schmeckende / und sich mit demselben heilsamlich vermischende Sauer-Brunnen entspringen / welche / wie alle gereisete Römer bekennen / das Wein-Quell auf dem Eylande Naxos / in Jonien bey Teos / in Lycaonien bey Cybira / in Cappadocien bey Ceräsunt weit übertreffen. Welche zwey so starck nach Weine schmeckende Brunnen auch einem von Rom in Deutschland zurück kommenden Bürger dieses Ortes Anlaß gegeben hätte etliche mit sich gebrachte Wein-Säncker zum ersten allhier einzulegen. Der Priester drehete hierauf an dem Fusse beyder Altäre zwey Hahnen auf / und reichte beyden Hertzogen aus oberwehnten Brunnen das weinlichte Wasser; welches sie kosteten und lobten / Hertzog Arpus auch mit Weine vermischte. Der Feldherr aber weigerte sich vom vermischten zu trincken / und sagte: Er hielte dafür / man solte den Wein trincken / wie man in Opfern brauchte / nemlich ohne Wasser. Welches so genau beobachtet würde: daß auch der Griechische Wein / weil er wäßricht / so wenig / als der auff einem vom Blitz berührten Wein-Stocke gewachsen wäre / zum Opfer taugte. Hertzog Arpus versetzte: Die Römer und Griechen giessen gleichwohl mit Wasser vermischten Wein in das Opfer-Feuer des Mercur / als eines Gottes / welcher Lebenden und Todten vorstehen solte. Nichts weniger würde bey denen in Griechenland für die dem Vaterlande gestorbenen Helden gehaltenen Jahr-Gedächtnüssen mit Ochsen-Blut gemischter Wein geopfert. Jedoch wolte er sich keines weges mit frembdem Aberglauben behelffen; gleichwohl hätte er zu Verfechtung seiner Wein- und Wasser-Mischung anzuziehen: daß der Wein zu Rom nicht nur mit Brunnen-Wasser / sondern des Sommers mit theuer-erkaufftem Schnee und Eise vermählet; ja mit anfangs gewärmtem / und hernach in einem Glase gefrornem Wasser vermengt / und der nachdenckliche Durst dardurch vergnüget würde. Der Priester fiel ein: Er hätte zu Rom freylich wohl nichts gemeiners / als / nach ihrer Redens-Art / die Verlobung eines feurigen Bacchus /welcher durch den Blitz aus dem Leibe Semelens genommen / und vom Jupiter im Wasser abgekühlet worden wäre / mit einer kalten Nymphe gesehen. Die Stadt Athen hätte diese Gewohnheit auch dardurch deutlich gebilligt / da sie dem Bacchus und den Wasser-Göttinnen im Heiligthume der Horen zwey Altäre neben einander gebauet. Diesemnach denn auch die Griechen unter einander stritten: ob Melampus / Staphylus / Amphyction / oder ein Zufall der Erfinder dieser so heilsamen Mischung wäre / und am Ende ihrer Gastmahle einen halb mit Wein / halb mit Wasser gefüllten Becher dem regnenden und erhaltendẽ Jupiter wiedmeten. Ja ins gemein würde nicht nur die Helffte von beyden / sondern zwey Drittel Wasser /ein [299] Drittel / offt aber auch nur ein vierdtes Theil Wein zur Vermengung genommen. Daher zu Rom in einem Garten über einem steinernen zum Spring-Brunnen gebrauchten Bacchus diese Worte gesetzt sind:


Ich wäre bald verbrennt / eh als ich war gebohren;

Drumb hab' ich mir die Flutt zur Buhlschafft auserkohren.


Alleine unser edler Rhein-Wein hat diese unschätzbare Tugend; daß er bey seinen Kräfften kein die edlen Eingeweide angreiffendes Feuer verbirg / also keiner Wasser-Vermischung / wie die meisten andern Weine nicht bedarff; wiewohl es ihm so wohl diese Vermengung / als die Eiß-Abkühlung zu vertragen an Kräfften nicht mangelt. Der Feldherr fiel diesem bey /und meldete: Er wüßte wohl: daß etliche mehr Schwefel als Safft in sich habende Weine ohne Schnee oder Eiß halbes Gifft abgäben / durch diß Erfrischungs-Mittel auch in Sicilien und Hispanien zeither an der sonst gewöhnlichen Zahl der Sterbenden dem Tode kein geringer Abbruch geschehen wäre; hingegen aber brächte der Mißbrauch dieser Abkältung tausend mal mehr Schaden als Frommen. Denn diese erkältete den Magen / grieffe die Lunge an / verdüsterte das Gehirne / schreckte die Leber / verstopfte den Miltz / machte die Spann-Adern starrend / und verursachte hundert anderley Ungemach. Wenn aber ja denen trockenen und bey welchen die Galle sich ergeust / die Abkühlung was dienen soll; solte / seinem Urtheil nach /auch der beste Wein nicht vermengt / und also dieses kräfftige Oel nicht durch einen schlimmen Beysatz vergeringert; sondern nur nach Gelegenheit der Zeit und Oerter der Wein / wie bey den Egyptiern / des Nachts in die Lufft / des Tages unter die Erde gesetzt; oder nach Gewohnheit der Griechen / zum meisten Kiesel-Steine darein geworffen / oder das Wasser /welches den Wein auffrischen soll / mit Salpeter in Eiß verwandelt werden. Deutschland aber hätte / dieser frembden Künste / am wenigsten aber der kalten Schlangen / welche in Africa und zu Rom so wohl die Flaschen / als den Hals des Frauenzimmers abkühlen müsten / von nöthen. Sintemal sie in Eiß-Gruben unschwer das gantze Jahr Schnee und Eyß aufheben / in ihren meist in Fels gehauenen Kellern auch der Hitze alle Würckung benehmen könten. Der Priester brach ein: Die Deutschen vermöchten wegen ihrer eingebohrnen Wärmbde nicht nur den euserlich-abgekühl ten / sondern auch den mit Eyß und Schnee vermengten Tranck wohl zu vertragen. Es schadete aber auch denen Schwächern dieser Geträncke nicht / wenn nur der mit Wasser vereinbarte Wein nach etlichen Stunden allererst getruncken; also ihrer Einverleibung /wie allen Dingen / reiff zu werden Zeit gelassen / insonderheit aber beydes in zweyen mit dem engen Munde auf einander gesetzten Gläsern derogestalt nach und nach vermischet würde: daß der unten stehẽde Wein in das oberste Wasser empor stiege / das obere Wasser aber sich herunter liesse. Jedoch wäre er der Meynung; daß / da einiger Wein seiner übermässigen Stärcke halber der Gesundheit zum besten mit Wasser zu vermischen rathsam / solches mit warmem Wasser geschehen solle. Sintemal die Seren / Egyptier / Persier / und die meisten Morgenländer die Güte ihrer warmen Geträncke durch ihr vieljähriges und nichts von Stein / Darm- oder Glieder-Gicht wissendes Leben bekräfftigen; ja etliche noch darzu wärmende und trocknende Kräuter darein thun; oder gar den stärcksten Wein mit Zimmet und Pfeffer mehr entzünden / und über der Kohlen-Glut gleichsam glüend werden lassen. Hertzog Arpus ärgerte sich über diesem Geträncke / und sagte: Es mangelte diesen Feuer-Trinckern nichts / als daß sie auch Eisen speiseten /wormit [300] ihre Strauß-Magen auch etwas Feuer-vertragendes zu verdeyen hätten. Der Feldherr fiel dem Cattischen Hertzoge bey; und gab zu verstehen: daß nur ein geringer Wein als ein Bild der Warheit des Schmierens / wie ein heßlich Antlitz der Schmincke von nöthen hätte. Daher müste der im alten Griechenlande gewachsene schwache Wein in Fässern ins Meer geworffen / und hierdurch wie der Maßilische durch Rauch / Cypressen- oder Muscaten-Nüsse / zerlassenen Zien / Saltz / Schwefel-Einschlag / oder darein gegossenes Meer-Wasser verstärcket werden. Der Priester meldete: durch dis letzte Mittel würde das Getichte wahr: das der für den aufrührischen Riesen fliehende Bacchus sich ins Meer versteckt / und die Meer-Schweine zu seinen Gefärthen hätte. Der edle Rhein-Wein aber vertrüge wol das Wasser dieser zwey heilsamen Gesund-Brunnen / so wenig aber / als der von Chios / das Meer-Wasser. Hingegen aber würde er wie die Hispanischen / Rhodischen / Cretischen und Cyprischen Weine / durchs führen stärcker. Westwegen alle zu diesem Altare kommenden Römer betheuerten / daß wie köstlich gleich dieser Wein allhier wäre / er doch dem von hier nach Rom geführten nicht das Wasser reichte. Dahingegen die aus Corcyra und Zacynth nicht einst bis in Egypten ohne Versauerung geführt werden könten. Hertzog Herrmann brach ein: Diese geringen Weine verdienten in den Gastmahlen zu Besprengung der Erde / und in Schau-Spielen zu Versprützung der Elefanten verbraucht zu werden / weil in meinem Gebiete so kräftiges Bier gebrauen wird / welches über alle Meere tauert / und das die Friesen in Africa / Indien / und die Atlantischen Eylande verführen. Der Priester verfolgte seine vorige Rede und meldete: Hierinnen thäte es der Rhein-Wein nicht allein diesem Viere / und denen geistigsten Weinen gleich; sondern auch fast allen in der Tauerung zuvor; ja sein Alter verbesserte ihn von Jahr zu Jahr; also daß die Römer nichts von dem zu Zeiten des Königs Numa / der Bürgermeister Frontinus / Tullus und Bibulus zu tichten / noch den zwey-hundert-jährigen Opimianischen Wein als ein unvergleichliches Wunder zu rühmen haben. Sintemal sie solchen durch einen härenen Sack gezwängten oder verschnittenen Wein durch Aniß / bittere Mandeln / Rauch / Gyps /Kalck und andere Künste kaum erhalten; der Rheinwein aber / wie der Arische in Bactriana / durch eigene Kräften unaufhörlich an Stärcke und Geschmacke zunimmt / und / wenn er ein altes Weib worden /mehr / als in der Jugend vergnüget; weil seine anfängliche Härtigkeit sich abliegt / die anfangs linden Weine aber / und zwar auch dieselben / welche in Dacien am Tibiscus wachsen / und anfangs die stärcksten und süssesten in der Welt sind / immer härter werden. Maßen denn der aus diesem Bacchus-Bilde spritzende Opfer-Wein der allererste ist / den Drusus allhier gepflantzet hat. Der Feldherr fragte: Wenn /und aus was für Anlaß denn Drusus allhier Wein /und dis ansehnliche Heiligthum gebaut hätte? Der Priester antwortete: als Antonia zum Drusus in Deutschland kommen wäre / hätte derselbige Deutsche / welcher etliche aus Italien gebrachte Weinsencker allhier eingelegt / der verdrußlichen Antonia eine Schüssel-voll frische Trauben verehret. Weil sie nun diese gegen dem Drusus sehr gerühmet; Er aber hierüber so viel mehr Vergnügung / als sonst Antonia in dem ihr allzu wüsten Deutschlande Verdruß schöpfte / verschrieb er ihr zu Gefallen aus Leßbus / Chios /Creta / aus Italien vom Berge Gaurus / Aulon und Pausilypus / wie auch von Surrent / aus Sicilien / und weil der Käyser August neulich den Rhetischen Wein zu trincken erwehlt hatte / aus Rhetien / ja gar von Chelbon aus Syrien eine grosse Menge junge Weinsäncker und erfahrne Gärtner / welche diese Gegend in kurtzer Zeit mit Reben überdeckte / und daraus dis edle Blut der Erde [301] pressen ließ / welches nicht nur Drusus und Antonia / sondern letztlich auch der Käyser selbst zu seinem Leib-Truncke erkiesete. Als Drusus auch von seinem Zuge gegen die Friesen zurück kam / Antonia aber / welcher ein geheimer Liebes-Dorn in Augen steckte / noch immer ihrer traurigen Einsamkeit nachhieng; suchte er alle Mittel herfür sie zu vergnügen / und den Mangel der Römischen Ergetzligkeiten zu ersetzen. Unter allen sinnreichen Erfindungen war ein Feyer / welches er an des Käysers Geburts-Tage allhier anstellte; aber darinnen mehr den Rhein-Wein und seinen Bau / als den Käyser ehrete. Alleine / sagte der Priester / es würde zu lang werden mit dieser Erzehlung so erlauchte Ohren zu mißbrauchen. Nach dem aber beyde Hertzoge alles zu wissen verlangten; Hertzog Arpus auch an diesem annehmlichen Orte die Taffel zubereiten / den Fürsten Catumer / Franck / Marcomir und andere Kriegs-Häupter fordern ließ / verfolgte der Priester seine Erzehlung: Bey diesem Feyer führte Drusus in seinem von der Natur selbst mit Hügeln und Bäumen umbgebenen / und auf der einen Seite vom Rheine beströmten Schau-Platze den Geist der unter- und der über der Erde wachsenden Dinge auf / welche mit einander umb den Vorzug stritten. Die Natur saß auf einem goldgestückten Throne / ihr Haupt war mit der Sonne / der Hals mit Sternen / die Brust mit dem Monden bekleidet. Der grüne Rock war mit allerhand Gewächsen beblümet; Unter den Füssen lag allerhand Ertzt /Korallen / Muscheln und dergleichen Dinge. Der erstere einem Bergmanne ähnliche Geist striech die Nothwendigkeit des Eisens / als den unentpehrlichen Werckzeug aller Handwercks- und Ackers-Leute. Die Dienligkeit des Bleyes / ohne welches Gold und Silber nicht von anderem Ertzte geschieden / noch den Edelgesteinen ihr vollkommener Glantz gegeben wer den könte. Die durchdringende Krafft des Quecksilbers; welches als das schwerste Metall durch keine Gewalt zernichtet / als das flüchtigste nirgends / als im Menschen-Blute bestricket werden kan / und gleichwol nicht allein das Gold an sich zeucht / sondern alle andere Metalle mit einander verbindet. Die Fürtrefligkeit des Kupfers; welches seiner Geschmeidigkeit halber zu tausenderley Gebrauche dienet / und die Stadt Corinth mit ihren Ertzt-Seulen so berühmt gemacht hat. Den Nutzen des Zienes; welches die Welt mit Trinck-Geschirren versorgt. Die Herrligkeit des Silbers; und die Unschätzbarkeit des Goldes heraus; welche zwey Metalle die Menschen fürlängst als ihre Götter angebetet hätten. In diesem Ertzte steckten aller Pflantzen Eigenschafften / und mehr Kräfften der Artzney / als in allen andern Dingen der Welt. Denn Kunst und Feuer hätten das Vermögen den Stahl für die Beschwerden des Miltzes / das Kupfer für die Augen / das Silber für die Kranckheiten des Hauptes zu einer flüssenden Artzney zu machen / und mit dem trinckbaren Golde das Hertz zu stärcken; das Kupfer-Wasser / die Alaun und Salpeter / ja das giftige Spiß-Glaß hätten ihre heilsame Würckungen. Das Saltz und der Schwefel wären die Erhalter aller irrdischer Dinge / ohne welche keine einige Pflantze leben /wachsen / oder einige Krafft haben könte. Alle beständige Farben der Welt müste man von seiner Krei de / Lasur und Zinober erborgen. Wer könte die Schönheit der blauen Saphiere und Berillen / der grünen Schmaragde und Türckiße / der braunen Amethisten / Sardonich / Chrysolithen und Topasier / der feurigen Rubinen / und der die Sternen selbst bländenden Diamanten beschreiben? des einigen Magnetsteines Nutzen überträffe den aus tausenderley Gewächsen herrührenden Fromen. Mit einem Worte: Sein unterirrdischer Schatz müste allen Gewächsen /Brunnen und Wässern ihre Farbe / Geschmack und Kräffte [302] einflößen. Wenn aber an den Pflantzen einige Vollkommenheit zu finden wäre / so wäre kein Metall / welches nicht in seiner Blüte eine Staude abbildete. Sintemal der Trieb und Lauff des Quecksilbers und Saltzes selbige regte: daß etliche wie Crystallen / etliche wie Corallen / manche grün und blau / andere Gold-gelb oder scheckichte Bäume herfür wüchsen. Ja die Künst könte durch Hülffe des Feuers aus Ertzt alle auf Erden befindliche Stauden in Gläsern nachwachsen lassen. Zu geschweigen: daß in denen tiefsten Erd-Klüfften Holtz wüchse / welches an Schwerde und Härte das Ebenholtz überträffe. Der einen Gärtner fürbildende Geist der Pflantzen hingegen sagte: die heilsamen Kräffte seiner heilsamen Wurtzeln und Kräuter übertreffe die Eigenschafften alles Ertztes. Durch diese reichte er mit ausgestreckter Hand allen Thieren sein Geschencke / welche die Menschen durch Feuer und Gewalt aus den Metallen schmeltzen oder pressen müsten / und selten ohne Gefähr brauchen könten. Die Schönheit ihrer Blumen beschämte Zinober / Gold und Edelgesteine / ja selbst die Gestirne. Ihre unzehlbaren Baumfrüchte reichten zu die gantze Welt zu speisen; da die gantze unterirrdische Welt kein einiges Gerüchte herzugeben hätte /und hiermit sich selbst verriethe: daß das todte und nur ein unächtes Wachsthum habende Ertzt und Steine ein Besitzthum der Todten; die Gewächse aber der Lebenden wären. So käme auch nichts unterirrdisches ans Tagelicht / es gereichte den Lebenden zum Verterben. Der Stahl wäre ein Werckzeug des Todes / das Gold des Geitzes / die Edelgesteine der Hoffart und Geilheit. Nichts wüchse auch unter der Erde / was nicht auch in Pflantzen zu finden wäre. Die Korallen-Stauden wären so schön und harte als Edelgesteine /und zweifelhafft: ob man sie eine steinerne Pflantze /oder einen wachsenden Edelgestein nennen solte. In den Atlantischen Eylanden und bey den Seren finde man Bäume / welche dem Stahle an Härte nichts nachgäben / und so gut als daselbst auch gewisse Steine und sonst ins gemein das Eisen zu Waffen und Pflug-Schaaren dienten; ja die daraus gemachten Nägel länger / als die eisernen tauerten. Daselbst wüchse auch Alaun und Schwefel auf Bäumen; bey den Trogloditen und Atlantiern rechte steinerne Bäume; und in Pannonien windete sich das Gold wie Epheu umb die Reben. Die Röthe-Staude beschämte im Färben nicht nur den Zinober / sondern gar den Purper; und in Mohrenland wüchsen Bäume / derer Oel blauer / als Lasur-Stein / und gelber als Gold färbte. Wenn auch das Ertzt blühete / die Steine /Agathen / Crystallen und andere Steine sich am schönsten ausputzten / nehmen sie die Gestalt der Pflantzen an sich. Ja wenn nichts für die Pflantzen stritte / welche zum theil auch ohne Berührung der Erde auf dem Wasser aus eisernen und steinernen Bildern / und durchgehends aus beweglichen Gefässen wüchsen / so würde doch der Geruch für ihn urtheilen. Sintemal alles unterirrdische stinckend; aller süsser Geruch aber den Gewächsen zu dancken wäre. Nach diesem verwechselten Zwiste sprach die Natur das Urthel für die Pflantzen aus; weil die Menschen zur Noth alle in der Erde verborgene Dinge / keines weges aber der Pflantzen entpehren könten. Der verspielende Geist hegte hierauf mit denen nach Art der sieben Irrsterne ausgeputzten sieben Metallen / und sieben nach ihren Farben gekleideten Edelsteinen /nemlich Diamant / Rubin / Schmaragd / Saphier /Opal / Türckis und Sardonich einen Tantz nach Krummhörnern; darinnen sie aber mit ihren heftigen Gebehrden ihren Unwillen zu verstehen gaben. Nach ihrem Abzuge erschien in dem Schau-Platze Flora oder die Blumen-Göttin mit sechzig als Jungfrauen gekleidetẽ Blumen; und Pomona [303] oder die Obst-Göttin mit so viel männlich geputzten Bäumen. Alle hatten in der lincken Hand grosse Schilde / darauf die Blumen / Kräuter / und Bäume gemahlt waren / und ihre Häupter waren entweder mit ihren eigenen Blumen /oder mit den Blüten und Früchten ihrer Bäume bekräntzet. Darinnen aber das Seiden-Stückwerck und die Mahlerey viel aushelffen muste. Die Blumen- und Obst-Göttin fielen der Natur dancksagende zu Fusse; und ward jene mit einem Krantze von unzehlbaren Blumen / diese von nicht wenigern Baum-Blüten beschencket. Jedwede wolte mit ihren Gespielen einen Lobe-Tantz hegen; sie wurden aber gleichfals umb den Vorzug strittig / und verlangten von der Natur entschieden zu werden. Die Blumen-Göttin führte für sich an: Sie wäre die erst-gebohrne Tochter der Natur; die holdseelige Braut des Jahres. Denn ihr wäre der Kern und die Jugend des Jahres / nemlich der für Anmuth lachende Frühling zum Eigenthume gewiedmet. Daher gebührte ihr auch / als einer Braut die Ober-Stelle. Das Gesichte und der Geruch wäre gleichsam nur ihr zu Liebe geschaffen; weil kein Auge sich sein Lebtage an der unzählbaren Menge schöner Blumen satt sehen / oder ihre Wunder-Wercke ausschöpfen könte. Wenn das blöde Auge des Menschens vollends darzu die Vergrösserungs-Gläser gebrauche / müste es erstarren / so oft es in der Knaben-Wurtzel Blumen alle Glieder der Menschen / in der Stendel-Blume der Biene / in andern der Vögel / der Heuschrecken /Meerschweine und anderer Thiere Bildungen vollkommen erkiesete; also die Natur nirgends wunderlicher / als in Blumen und Kräutern spielete. Der in ihnen steckende Balsam aber weckte gleichsam Todte auf / nach dem die wolrüchenden Sachen auch so gar die Leichen für Fäulnüs erhielten. Die Obst-Göttin hingegen warf ein: Die Blumen wären ein unzeitiger Vordrab der fruchtbaren Natur; Baum-Früchte aber das reiffe Reichthum des Herbstes. Der Blumen geschwinde Geburt wäre selbst ein Zeugnüs ihrer Vergängligkeit; über ihren Früchten aber hätte die Erde lange zu kreißen / der Himmel lange zu brüten / umb sie zu einer so nützlichen Vollkommenheit zu bringen / nemlich den Geschmack zu vergnügen / den Magen zu sättigen. Blumen wären Wind / also für die von der Luft lebende Camelion / Früchte aber ein wahrhaftes Wesen / und daher für die Nahrungs-bedürfftigen Menschen. Die Blumen-Göttin versetzte: Die Blumen füllten zwar nur die Augen / vergnügten den Geruch /aber die Zwiebeln der Tulipanen / der Wegwarth und Schlangen-Wurtz / und viel andere sättigten auch den Geschmack / und gäben hunderterley niedliche Speisen ab. In der Atlantischen Insel wüchsen unterschiedene Kräuter / derer feuchte Wurtzeln zwar giftig wären / die trockenen aber das den Weitzen übertreffende Meel; andere auch die vollkommensten Mandeln / wie nicht weniger einen ziemlichen Vorrath von Wasser / Milch und Wein abgäben; und umb den allein nackt gebohrnen Menschen zu kleiden diente der so häuffige Flachs zum Gespinste / und eine gewisse Pflantze beschenckte ihn gar mit Leinwand. Ja fast alle Wurtzeln und Kräuter der Blumen wären die heilsamsten Artzneyen wider fast unheilbare Kranckheiten des Leibes und des Gemüthes / nemlich den Aussatz und den Zorn. Die daraus gebrennten Wasser wären der Krancken kräftigste Stärckungen. Aus den Blättern bereitete man die bewehrtesten Wund-Salben. Ihre Kräuter widerstünden dem Giffte; ja ihr Schatten und ihrer Blumen Anblick könten Spinnen /Kröten / Schlangen und giftige Schnecken nicht einst vertragen. Dahingegen der blosse Schatten des Eiben-Baums tödtete; in Indien etlicher Bäume gegen Abend stehende Blätter selbst-ständiges Gift wärẽ; im Atlantischen Eylande einige gar Schlangen / und fast alle giftige [304] Raupen und Ungeziefer zeugeten; daselbst auch so wol der Kröten / als Scorpionen Wohnstädte wären. Ihre Blumen und Blätter dienten zu den schönsten Farben; Jupiters Bart in Indien färbte schöner /als Berg-blau; das Marsingische oder Budorgische Röthe-Kraut besser / als Schnecken-Blut. Ja die Serer wüsten aus einem gewissen Kraute ihnen den Wind /die Atlantier aus unterschiedenen ihnen Leben und Tod wahrzusagen. Pomone setzte der Flora entgegen: Was man von Kräutern äße / wären Schalen; die Bäume aber / welche nicht nur die Erd-Kugel über chatteten / sondern im rothen Meere und andern Seen gantze Wälder machten / brächten den Kern. Blumen gäben nur Salaten / welche doch den edlen Baum-Blüten nicht gleich kämen; Baum-Früchte rechte und unzehlbare Gerüchte ab. Die Eicheln der Eichen / die Nüsse der Buchen und Kästen-Bäume sättigten das Vieh; die tausenderley Sorten des Obstes / der Zitronen / Pomerantzen / Datteln / Kockus-Nüsse und Granat-Aepfel stächen nicht nur alle andere Speisen des Erdreichs und des Meeres / sondern auch ihre erquickende Blüten aller wolrüchender Blumen / ja des Ambra und Zibets weg. Wiewol auch die zwey Königinnen aller Blumen die Serische Rose / wie nichts minder die grösten und kräftigsten Lilgen / derer in Wasser geweichte Blätter truncken machen; ferner auch der kräftigste Lavendel Baum-Gewächse wären; und das Serische Rosen-Holtz die Assyrischen Rosen / das Adler-Holtz aber Hiacynthen am Geruche überträffe. Was wolte sie sich aber mit dem leicht entpehrlichen Geruche und dem Geblüme aufhalten? Nicht nur Obst / Oel / Gummi und Wein / sondern fast alle andere Gaben der Natur wären Baum-Früchte. In Hircanien / Pontus / Cappadocien und Thracien fließe aus Bäumen Honig; in einem Atlantischen Eylande wüchse auf einem Baume Butter / auf einem andern Kohl / auf dem dritten Austern / auf dem vierdten eine Frucht / welche man an statt des Geldes in Handlungen braucht; in einer andern Saltz / ja auf einem andern Nehnadeln / Zwirn / und ein Saft / welcher ohne grosse Müh Wasser / Wein / Eßig / Oel /Honig und Syrup abgiebt. Eben daselbst bringt einer Seide; aus einem andern Stamme rinnt Safft / der nach der Gerinnung zu Spiegel-Wachse dient; eines andern scharffe Blätter werden zu tauglichen Feilen gebraucht. Auf dieser grossen Atlantischen Insel wachsen auf einem Baume rechte Ochsen-Hörner / und darinnen Ameissen / derer Eyer für die Ohren und Zähne bewehrte Artzneyen / so wie dieses Baumes Blätter wider Schlangen-Stiche das sicherste Gegen-Gifft abgeben. Bey den Seren tragen gewisse Bäume den schönsten Talg zu wolrüchenden Lichtern / andere Wachs / ihrer viel Wolle / Papier und Seide. In Indien werden aus den Palm-Blättern die schönsten Tücher gewürckt; In Caledonien wandeln sich gewisse Baum-Blätter in Endten; bey den Seren in Schwalben; bey den Atlantiern kriechen etliche Zweige wie lebende Thiere auf der Erde herumb. Auf dem glückseeligen Eylande Ombrion erstattete ein unaufhörlich mit Wasser trieffender Baum den Mangel der Brunnen. Die Scythischen Bäume gäben Meel / der Atlantischen ihre Wurtzeln das schmackhafteste Brod / ihr Holtz die schönsten Farben; der Indier Sandal-Holtz die fürtreflichste Hertzstärckung; das Schlangen-Holtz auf Taprobana die besten Feber-Artzneyen / der Atlantier Sassafraß die vollkommenste Blut-Reinigung; der Phönicischen Balsam-Bäume Frucht fast eine allgemeine Artzney ab. Diesemnach denn sich über nichts weniger zu verwundern wäre / denn daß die meisten Völcker die Bäume als lebende Tempel der Götter verehret / die Indianer aber sie als Gottheiten angebetet / und den / welcher sie beschädigt / zum Tode verdammt hätten. Denn die Bäume wären [305] der wahrhafte Sonnen-Tisch; auf welchem zu jeder Zeit tausend Speisen / der Hungernden Verlangen nach /bereitet stünden. Die Natur sprach wider die Blumen-Göttin für die Bäume. Jene hegte mit ihren Töchtern einen zierlichen / aber nichts als Rache dräuenden Tantz. Nach ihrem Abzuge hegte die Obst-Göttin mit ihren Bäumen einen Sieges-Tantz; in welchem sie so viel Freuden-Zeichen / als die Blumen wider ihre angebohrne Anmuth vorher Verdrüßligkeit von sich hatten blicken lassen. Im Tantze kriegte jeder Baum den Siegs-Krantz einmal aufs Haupt zu setzen. Als er nun wieder zur Baum-Göttin kam / und diese solchen zum ewigen Ehren-Mahle in einem Baum-Garten auf zuthrönen sich vernehmen ließ / erregte sich ein Zwist / in welchem Lande / und was für ein Sta mit diesem Gedächtnüsse verehret werden solte. Sie schwermeten alle wie die Bienen unter einander; in dem kein Baum dem andern den Vorzug enträumen wolte; bis auf der Natur Befehl die fürnehmsten Länder der Welt auf dem Schauplatz erschienen. Weil nun in Asien die ersten und schönsten Gärte gewest seyn sollen / erschienen zum ersten auf dem Schauplatz Syrien / Armenien / Assyrien und Persien. Syrien schlug zu Verwahrung des Siegs-Preißes den Engaddischen Balsam-Garten / Armenien in der Landschafft Saca die der Göttin Anaitis gewiedmeten Gärte / Assyrien Babylon / wo Semieramis ihre hangenden Gärte gehabt /Persien den Eckbatanischen Lust-Thal für. Diesen folgten Arabien / Egypten / Mohrenland / und Mauritanien. Arabien schlug die Myrrhen und Weyrauch-Gärte / bey welchen der grosse Alexander seinen Königlichen Sitz zu erbauen vor hatte / Egypten den Balsam-Garten bey Hieropolis / Mohrenland das fruchtbare Eyland Dioscurias / oder das Vorgebürge Aroma / Mauritanien die Hesperischen Wunder-Gärte für. Den dritten Aufzug hielten Indien / der Seren Land /Taprobana und Scythien; den vierdten Griechenland /Italien / Hispanien und Gallien. Den fünften Pannonien / Deutschland / Britannien / und das Atlantische Eyland. Jedes schlug den Kern seines fruchtbarsten Landes-Striches / und insonderheit Deutschland den Streif zwischen dem Meyne und der Mosel für. Jedes Land wuste mit schönen Farben / was es für eine gütige Mutter der Bäume wäre / heraus zu streichen; Und ob zwar die Sudländer die frostigen gegen Nord verkleinerlich hielten / so rühmten doch diese den Reichthum ihrer die Wurtzeln wässernder Brunnen und Flüsse; dahingegen jene mehrmals erdürsten und verschmachten müsten. Daher war kein Land / welches nicht an diesen Ehrenpreiß / als ein ihm gehöriges Kleinod Anspruch machte; und alle Bäume bey ihm Bürger-Recht zu gewinnen anlockte. Zu jedem Lande aber schlugen sich nur drey Bäume. Syrien fieng alsbald den Jüdischen Balsam-Baum über alle Gewächse der Welt heraus zu streichen; als welchen die Natur selbst für so edel und köstlich geschätzt: daß sie ihn allein dem edelsten Syrien gegönnt / und zwar nur zwey kleine mit Palmen umbgebene Gärte damit beseeligt hätte. Diese kluge Mutter aber bewehrte mit ihrer Sparsamkeit den grossen Wertheines Dinges. Daher wüchsen die Diamanten nur an wenigen Orten /und die Perlen fischte man nur in dem Morgenländischen Meere. Cleopatra hätte zwar etliche Stauden in Egypten versetzt; aber selbige tröpften entweder gar keinen Balsam ab / oder reichten dem Jüdischen doch nicht das Wasser. Eine solche After Geburt wäre auch der Arabische. Bey dieser Sparsamkeit aber leuchtete doch ihre Mildigkeit herfür / weil der Balsam-Baum nach seiner Pflantzung schon im dritten Jahre mit sei nen weissen ein herrliches Honig in sich verwahrenden Blumen fruchtbar würde; und er bey aufgehendem Hunds-Sterne seine zweyfache Rinde öfnete / und den schätzbaren [306] Balsam eigenbeweglich heraus tröpfelte. Seine Tauerhaftigkeit und Kraft den Menschen zu erhalten / bewehrte sein immer grünendes und der frischen Raute gleichendes Laub. Ja er könte ohne Freygebigkeit nicht leben; sintemal sein gantzer Stock vertirbe / wenn seine heilsamen Blätter nicht alle Jahr abgeschnitten würden. Des Balsams Reinligkeit wäre so groß: daß kein gewisser Kennzeichen seiner unverfälschten Güte wäre / als wenn er gerinnete / aber keine Kleider fleckicht machte. Hingegen dem Frauenzimmer zu Klärung des Antlitzes und Zärtligkeit der Haut die vollkommenste und unschädlichste Schmincke abgäbe. Sein Geruch wäre so durchdringend: daß er auch das Blut aus der Nasen herfür ziehe. Sein Gebrauch aber stäche alle andere Artzneyen weg. Denn er wäre die beste Mund-Salbe / stärckte das Haupt / hülffe den Augen / vertriebe die Feber /bewährte für der Pest / heilete alle giftige Schlangen-Bisse; Ja die giftigsten Nattern / welche einige Balsam-Thränen äßen / würden von allem Gifte gereinigt / und die Egyptier brauchten ihn als ein Genesungs-Mittel aller Kranckheiten. Diesemnach denn der Balsam nicht unbillich gegen zweyfach Silber abgewogen würde / oder vielmehr dem Golde fürgezogen werden solte. Daher auch die Römer wider die neidischen Juden / die die Balsam-Bäume gar zu vertilgen Vorhabens gewest wären / mit so gutem Rechte / als Eiver / die Waffen ergrieffen hätten. Mohrenland bot Syrien Kampf an / und sagte: Alles was vom Balsam gerühmet würde / käme mit besserem Recht seinem Myrrhen-Baume zu / aus dessen eröfneter Rinde die viel edleren Myrrhen-Thränen lieffen. Dieser wüchse zwar auch nur bey seinen Troglodyten / und wären die in Arabien / Indien und Böotien wachsende Stauden nur unächte Kinder der Natur. Alleine der Myrrhen Köstligkeit wäre mit keinem solchen Armuth / wie der Balsam-Baum vermählet / der so wol sehr wenige Blätter hätte / als in zwey oder drey Monaten / wenn die Sonne im Löwen oder Krebs wäre / nur sein Oel /und zwar dessen so wenig heraus rinnen liesse: daß der dis genau untersuchende grosse Alexander befunden; wie in einem Tage mehr nicht / als eine kleine Muschel-voll / in einem gantzen Jahre dessen aber nur sechs oder sieben Maaß ausgetröpfelt; derer drey voll Wein ich beym Tiberius den Novellius Torquatus auf einen Trunck habe ausleeren sehen. Nichts minder wäre der Balsam-Baum auch allzu verzärtelt; in dem er alsofort vertirbe / wenn man mit einem Eisen selbten berührte / oder mit dem darzu geschärften Steine /Beine oder Glase tieffer / als durch die Rinde schnitte. Seine Myrrhen-Frucht aber versorgte mit einem auskommentlichern Vorrathe die Welt; Und wenn er zusammen geronnen / hätten die Myrrhen-weisse-den menschlichen Nägeln gantz ähnliche Flecken; welche ihre Hände gleichsam zu ihrem Genüß ermahneten. Seine safftige Wurtzeln aber gäben nicht viel auf etliche Wunden. Dann wie solte der Myrrhen-Baum so leichte sterben / welcher mit seinen Thränen auch Leichen für der Verwesung erhielte? Seines annehmlichen Geruches könte keine Nase / und seiner annehmlichen Schärffe keine Zunge satt werden. Seine Artzney-Kräfften wären unzehlbar. Er verhinderte alle Fäulnüs / steuerte dem Giffte und der Pest / hinderte die Wasser-Sucht. Sein Oel steuerte der Gicht / hülffe dem Magen / der Leber und dem Miltze / und heilete die Wunden. Die Myrrhen benähmen denen Antlitzen die Runtzeln / sein Rauchwerg stiege von lodernden Altären bis in Himmel / und gäbe den versöhneten Göttern den süssesten Geruch ab. Und wer wolte seinem Myrrhen-Baume den Siegs-Krantz strittig machen; da die Persischen Könige stets eine von Myrrhen bereitete Krone umbs Haupt getragen hätten. Arabien widersprach alsofort Syrien und dem [307] Mohrenlande / rühmte hingegen seinen Weyhrauch über Balsam und Myrrhen; welche zwey nicht allein eben so gut in Arabien; sondern so gar in Wüsteneyen wüchsen; der Balsam auch von den Arabischen Hügeln in Syriens und Egyptens fürnehmste Gärte wäre versetzt worden. Das Atlantische Eyland bot Arabien die Stirne / und verneinte: daß das sandichte und von wegen der Sonnen-Hitze nicht Wasser / weniger Safft habende Arabien die Mutter des Balsams wäre; die Ehre gebührte ihm / und zwar auch für Syrien und Egypten. Deñ diese hätten zwar den edlen Balsam /aber nur auf niedrigen Stauden / und mit grossem Armuthe. Hingegen wüchse er auf dem Atlantischen Eylande mit Uberflusse zwischen einer harten und weichen Rinde des Baumes Goacomar / welcher der Fichte gleichte / grösser als die Granat-Aepfel-Bäume wäre / und Blätter wie die Nesseln hätte. Wenn nun die euserste den Eichen gleiche Rinde mit einem Eisen / von welchem die zärtlichen Balsam-Stauden in Syrien verdorreten / eröfnet würde / tröpfelten die köstlichen Balsam-Thränen wie Honig-Wasser heraus / dessen Geruch alle andere wolruchende Dinge weg-stäche / auch nichts / als diese scharffe Fettigkeit in dem Munde den Geschmack hinterliesse. Wiewol auch dieser Balsam sich häuffiger / aber im minderer Güte aus den gekerbten Zweigen dieses Baumes kochen liesse. Jener ausgetröpfelte aber gäbe dem bey Jericho an Geruch / Süßigkeit und heilsamen Kräfften nichts nach. Im Leibe heilete er alle Geschwüre / er benähme den schweren Athem / und das Magendrücken / steuerte der Schwindsucht / erfrischte die Leber /öfnete die Brust / stärckte das Gehirne und die Glieder / linderte alle Schmertzen / und gäbe dem Alter gleichsam die frische Jugend wieder. Seine euserliche Einsalbung benähme die Lähmbde und den Krampf /machte die Spann-Adern gezüge / beförderte auch dem Magen die Verdäuung / öfnete den Miltz / vertriebe das Huf- und ander Glieder-Weh / verzehrte die Flüsse / und zertriebe in dem Rückgrade die Empfindligkeit der Feber. Fürnehmlich aber wäre über dieses Oel kein köstlicher Wunden-Balsam in der Welt zu finden / Arabien widersprach alsofort diesem so wol /als Syrien und Mohrenlande: Dieser Baum hätte Arabien den Nahmen des glückseeligen erworben / als in welchem alleine der rechte weisse und männliche Weyhrauch wüchse. Denn die Indischen und die von Ptolomeern in Egypten gepflantzten Bäume / wie auch dieselben / welche die Sudländischen Eylande zum Vaterlande / und den schwarz-gelben und nicht so süsse rüchenden Weyrauch zur Frucht hätten / wären nur sein Stief-Geschwister. Weil die Natur durch dis herrliche Geschencke sich rechtschaffen eine gütige Mutter erweisen wolte / liesse sie auch aus denen aufgeritzten Bäumen die Weyrauch-Thränen als Mutter-Brüste neben einander kleben / und hiermit ihren Stamm eine viel-brüstige Isis abbilden. Sein Baum wäre nicht allein grösser und blätterreicher / denn des Balsams und der Myrrhen; sondern auch seine Fruchtbarkeit unerschöpflich. Denn man finde oft eine gantze Hand füllende und das dritte Theil einer Attischen Mine wägende Stücke Weyrauch an den Stämmen kleben; ja offt schwitzte ein die Aufschneidung mit dem Messer gar wol vertragender Baum bis sechzig Pfund Weyrauchs aus; und die wolrüchende Rinde des Baumes wäre eben so edel / als der Weyrauch selbst / also edler / als das unkräftige Balsam-Holtz /in dem sie gleichen Geruch hätte / und in dem Feuer so hitzig loderte / gleich als wenn dieser gantze Baum so begierig wäre sich auf den Altären den Göttern zu Liebe zu verzehren; als der Assyrische Jüngling Libanus / der in diesen Stamm solte verwandelt worden seyn / sein Hertze ihnen täglich durch Andacht angezündet hätte. Westwegen der im Augenblicke Fla en-fangende Weyrauch auch der Götter [308] liebstes Rauchwerck seyn solle / und fast alle Völcker der Welt solches zu Opfern und Reinigung ihrer Leichen gebrauchten. Daher er auch nachdencklich auf den Bergen viel besser / als im flachen Lande wüchse / auch nur / weñ die Soñe unter dem brennenden Hunds-Sterne / und am höchsten stünde / und zwar alleine von drey-hundert edlen und desthalben heiligen Geschlechtern / welchen die Arabischen Könige diese den Göttern gewiedmete Frucht zu sammlen erlaubte /abgeerndtet werden dörfte. Jedennoch wäre er bey seiner Köstligkeit so wolfeil: daß aller Armen Andacht etliche handvolln Gott abliefern könte; welcher alle Geschencke nicht wie geitzige Menschen nach ihrem theuern Preisse / sondern als ein mildreicher Vater sich mit einem Körnlein und dem guten Willen vergnügte. Unter allen Bäumen dörfte keiner weniger Pflegung / als der Weyrauch-Baum; vielleicht / daß seine Wartung niemanden an dem Gottesdienste hinderte: Gleichwol aber mißgönneten die freygebigen Götter den Menschen nicht allen Genüß des Weyrauchs / sondern liessen ihn so viel häuffiger wachsen / wormit sie darmit ihre Geschwüre heilen / die Wunden zusammen ziehen / die Augen reinigen / die von der Geburt entzündeten Brüste abkühlen / mit seinem Oele alle Glieder stärcken / und das Frauenzimmer ihre verbrennten Gesichte damit weiß und zart machen könten. Endlich gereichte auch zu seinem nicht gemeinen Ruhme: daß der Weyrauch als ein Vorbild der Andacht und Warheit sich schwerlich verfälschen liesse; und da der reineste die helleste Flamme von sich gäbe / der verfälschte zu eitel Rauche würde. Asien brach ein: Sein / der Weyrauch-Staude zwar ähnlicher / grösserer und edler Mastyx-Baum hätte an seinen abrinnenden und viel reinern Thränen für die Götter ein so wolrüchendes Rauchwerck / als immer der Weyrauch wäre. Ja er rauchete auf den glüenden Kohlen noch stärcker / und zerflüsse darauf in helle Tropfen. Dieser Mastyx machte denen Käuenden schnee-weisse Zähne / einen guten Athem / und dem damit gebleichten Antlitze eine zarte Haut und lebhafte Farbe. Er stärckte den Magen / das Gehirne / die Spañ-Adern / die Leber / stillete den Husten und die Blutstürtzungen. Wer wolte nun zweifeln: daß dieses viel heilsamere und in Artzneyen mehrmals die Stelle des Jüdischen Balsams vertretendes Hartzt / als der Weyrauch wäre / nicht auch den Göttern auf ihren Opfer-Tischen beliebter; also Asien / auf dessen Eylande Chios alleine der recht gute und helle und in dem Munde zergehende Mastyx aus denen sich auf die Erde beugenden und aufgeritzten Zweigen / so lange die Sonne im Ochsen und in Zwillingen / abtröpfte / viel glücklicher / als das glückliche Arabien zu achten seyn solte? Sintemal die Mastyx-Bäume in Egypten nur schwartzen / auf Creta nur gelben und bittern / in Italien und Hispanien wenig oder keinen Mastyx weineten. Uberdis hätten seine Blätter die Gestalt der schönsten Myrthen / den durchdringenden Geruch des Terpentins / und grüneten wie die Zypressen unaufhörlich. Wenn man sie käuete / machten sie einen wolrüchenden Athem / leschten den Durst / beschirmten den Hals für Flüssen; und hätten wie alle Theile dieses Wasser-liebenden Baumes eine Krafft zusammen zu ziehen. Aus diesen Blättern / der Rinde / und der Wurtzel / diente der ausgepreßte Safft wider die rothe Ruhr / wider den weissen Fluß / und befestigte die erschelleten oder weichen Gebeine. Das Holtz gäbe die besten Zähn stach er ab. Aus dieses Baumes grün-röthlichter Blüte wüchsen rothe / zuletzt aber schwartz-werdende Beeren / welche in sich ein köstliches Oel und Wein hätten / das dem Magen /der Blase und den Eingeweiden eine kräftige Artzney abgäbe. Syrien / welchem die Verkleinerung seines Balsam-Baumes unerträglich war / fiel ein: Wie möchte doch Asien seinen Mastyx / Mohrenland seine Myrrhen / und Arabien [309] seinen Weyrauch so hoch heraus streichen? da sein dem Balsame doch nicht gleichender Styrar-Baum alle drey überträffe? Sintemal sie durch sein Gummi die Beschwerligkeit ihres Myrrhen- und Weyrauch-Geruches versüssen müsten; mit dessen geringschätzigem Holtze sie kochten und raucherten; mit dem heilsamen Styrax aber aus ihren wolrüchenden Wäldern die häuffigen Schlangen vertrieben. Dieser Baum weinete nicht nur das kräftige Hartzt zu Vertreibung des Hustens / zu Linderung der Flüsse / zu Beförder- und Reinigung des Geblütes /zur Hülffe klingender Ohren / und wider alles kalte Gifft; sondern die euserste Rinde verbesserte auch durch Käuung den Geschmack und Athem; die innerste Rinde aber diente zu einem Oel; uñ sein mäßiger Gebrauch hülffe der Traurigkeit ab. Also verdiente der Styrax-Baum für Weyrauch und Myrrhen den Siegs-Krantz. Mohrenland befand sich aufs höchste beleidigt / fertigte also Syrien mit den Worten ab; wie sie diesen stinckenden Hartzt-Baum ihren unschätzbaren Myrrhen fürziehen möchte? Zwar wäre kein Gewächse / ja keine Wollust so groß; daß man sie nicht zu Vermeidung Eckels zuweilen mit etwas geringerem abwechseln müste. Man würde beym Uberflusse des Weines nach Wasser lüstern; dis aber wäre darumb nicht besser / als jenes. Nicht anders würdigte Arabien und Mohrenland zuweilen den Styrax zu schmecken. Wenn aber jemanden Weyrauch und Myrrhen zu wol rüchen / hätte Mohrenland auf seiner Insel Dioscoris den edlen Baum aufzuführen / welche über und über den Kern des besten Aloes trüge; die viermal so köstlich / als die in Indien wachsende gehalten würde. Ihr Geruch wäre zwar eben so scharf und widrig / als der Geschmack ihrer Thränen bitter; aber darumb wären ihre innere Kräften desto stärcker / und ihre röthlichte Dichtigkeit ein Kennzeichen ihrer Güte. Sintemal die kluge Mutter die Natur fast allen sehr heilsamen Artzneyen etwas widriges eingeflöst hat /zweifelsfrey zu dem Ende; daß der ungeneußige Mensch sich in dem guten nicht übernehmen / und sich mit so gesunden Sachen nicht vergifften solle. Sie öfnete aber das Geäder / machte die austreibende Krafft rege / heilete fürtreflich Wunden und Geschwüre / diente den Augen / reinigte die Galle / stärckte den Magen / ja ohne ihre Zuthat wäre alle Einbalsamung der Leichen vergebens; Sie aber alleine genung die Fäulnüs zu hindern. Das den Obsieg ihm fest einbildende Syrien nam dem Mohrenlande die Worte aus dem Munde / und sagte: Wenn die Krafft etwas für der Fäulnüs zu erhalten den Preiß verdienen solte /möchten sich nur Myrrhen / Aloe und Weyrauch-Stauden / welche zum höchsten nur fünf / etliche nur gar drey Ellen hoch wüchsen / als Zwerge für seinen Himmel-hohen Cedern des Gebürges Libanus / und seines Eylandes Cypern verkriechen; welche nicht selten hundert und dreißig Schuch hoch / und drey oder vier Klaftern dicke wüchsen. Denn das aus den Cedern dringende Oel hätte wider Fäule und Schaben eine unüberwindliche Krafft; also daß weil die Egyptier alle ihre Mumien damit erhielten / der Ceder edles Hartzt fürlängst das Leben der Todten genennt zu werden verdient hätte; und weil es das zu Erhaltung des Nachruhms vom Verhängnüsse bestimmte Papier nicht vermodern liesse; also daß durch die Wolthat dieses rothen Lebens-Oeles die nach fünf-hundert fünf und dreißig Jahren auf dem Berge Janiculus vom Cneus Terentius ausgegrabenen Pythagorischen Bücher des Königs Numa gantz unversehrt gewest /könte es mit gutem Rechte für einen Balsam der Ewigkeit gelten. Dannenhero der Ceder-Baum auch von der Natur mit niemals verwelckendem Laube /mit gerade gegen dem Himmel und in wunderwürdiger Ordnung stehenden Aesten und Tannen-Zapfen versehen wäre. Weil auch überdis seinem Holtze kein Wurm was anhätte / würde [310] es in Asien zu den heiligsten Tempeln / und wo in den Bäumen was göttliches / die Ceder billich für andern zu Heiligthümern erkieset. Griechenland / welches zur Schutz-Frau des Oel-Lorber- und des frembden Ahorn-Baumes / welchem die Deutschen und Britannischen aber nicht zu vergleichen / bereit war / bot dem sich für allen herfür-zückenden Syrien Kampf an; und sagte: Seine den gantzen Berg Athos überschattenden Ahorn-Bäume wären so hoch / wo nicht höher / als die Cedern des Libanus / dicker aber / als alle Bäume. Sintemal sie oft zehn Männer nicht umbarmen könten; und daher die Macedonier aus einem Stücke ohne grosse Müh und Unkosten ihre Schiffe baueten. Seine Aeste breiteten sich so sehr als fast kein anderer aus.

Zu Athen in der hohen Schule stünde ein solcher Ahorn-Baum / welcher sechs und dreißig Ellen / und in Lycien an der Straffe neben einem kühlen Brunnen ein ander / welcher ein und achtzig Schuch weit sich ausstreckte. Wormit auch bey diesem letztern nichts zu einer lebendigen Höle mangelte; so umbarmte dieser hole Baum in sich einen moosigten und zertheilten Steinfels; in welchem ein Römischer Burgermeister mit achtzehen Gästen auf Römische Weise gespeiset /und dieses natürliche allen aus Marmel gebaueten und mit güldenen Decken gewölbtem Zimmer fürgezogen hätte. Und zu Velitea in Italien / allwo doch die anfangs vom Dionysius aus Sicilien hernach von andern dahin über Meer geführten und in die fürnehmsten Gärte sparsam versetzte Ahorn-Bäume nicht hoch wachsen / noch reich von Blättern wären / hätte des Käysers Enckel Cajus sich in einen so verliebet: daß er darunter eine Taffel mit Betten funfzehn Gäste zu bewirthen prächtig angerichtet und das Gastmahl ein añehmlich Nest genennet hätte. In Achajen an dem Flusse Pierus aber wüchsen eine grosse Menge solcher holen Ahorn-Bäume / darinnen die Einwohner speiseten / oder schlieffen; und in Griechenland würden unter ihrem Schatten Berichte gehalten. Socrates hätte stets unter diesem Baume mit dem Phödrus sich in der Weißheit / Crassus zu Rom mit dem Scävola /Antonius / Cotta und Sulpitius in Staats-Sachen unterredet; Ja / weil der Schatten dieses schönen Baumes für eine sonderbare Erqvickung gehalten würde /pflegten die Wollüstigẽ nicht alleine seine Wurtzeln mit dienendem Weine zu erfrischen; sondern die Römer hätten auch bey den Morinnen in Gallien auf einen dahin gepflantzten einen Zoll geschlagen / welchen jeder geben müste / der seines Schattens genüssen wolte. Niemand aber hätte die Würdigkeit dieses edlen Baumes danckbarer erkennet / als Xerxes / welcher in Lydien umb einen sein gantzes Heer gelägert /einen gantzen Tag sich darunter ergetzet / selbten auch nicht alleine mit einem güldenen Halsbande verehret / und einem aus denen edlen Persen / welche man die Unsterblichen geheissen / zu verwahren anvertrauet; sondern auch sein Bild aus Golde gegossen hätte; damit er durch diesen Nachguß die beschwerliche Entpehrung des geliebten Baumes etlicher massen ersetzte. Und gleich als wenn kein ander Ertzt diesen Baum abzubilden würdig wäre / hätte Eyrus nach überwundenem Asien einen güldenen Ahorn-Baum gefunden / wormit hernach auch Darius beschenckt worden wäre. Westwegen sich nicht zu verwundern: daß der hochverdiente Themistocles sich ihm verglichen hätte / weil die Griechen zu beyden / bey ko ender Gefahr und Ungewitter / ihre Zuflucht nähmen; bey annehmlichem Wetter aber ihnen den Rücken dreheten / ja diesen die Ceder und Eiche übertreffenden Riesen-Baum durch Behauung des Gipfels und der Aeste gar zum Zwerge machten; wormit es so wol unter den Bäumen als Thieren Mißgeburten gäbe. Die Natur aber hätte ihn solieb: daß er nicht alleine mit den geschwindesten an wäßrichten Orten wüchse / ja bey den Messeniern aus einem [311] ein trinckbares Quell flüsse / sondern ihm auch Aexte und andere Gewalt wenig schadete. Daher auch der über und über abgeschälete Ahorn-Baum des Antanders nicht allein von sich selbst wieder ausgeschlagen und in einen funfzehn Ellen hohen und vier Ellen dicken Baum gewachsen / sondern auch / als hernach der Wind ihn zu Bodem geworffen / nach etlich abgehauenen Aesten und erlangter Erleichterung / sich des Nachts wieder empor gehoben hätte. Westwegen er an Alter fast alle Bäume überlebete; also / daß in Arcadien und zu Delphis noch zwey / welche Agamemnon mit eigner Hand gepflantzt / und in der Landschafft Aulocrene einer / daran Apollo den überwundenẽ Marsyas aufgehenckt / zu sehen wäre. Jedoch wäre nur nicht dieses Baumes Schatten / welcher wohl im Winter / niemals aber im Sommer die Sonnen-Straalen durchdringen liesse / sondern auch seine heilsame Eigenschaften verehrens würdig; dessen gänsefüssichte Blätter /Rinde und Beeren heilsame Augen-Ohren- und Zahn-Artzneyen abgäben / den Aussatz und Schlangen-Bisse heileten; und wie die Sonne den Fleder-Mäusen ein Greuel wäre; also daß die Störche ihre Nester mit darein gelegten Ahorn-Blättern für Beschädigung der feindlichen Fleder-Mäuse bewahrten. Diesemnach denn die Alten geglaubt hätten: daß dieser Baum was Göttliches an sich habe; also sie die Bilder der Schutz-Geister mit seinen Zweigen kräntzeten / des Diomedes Heiligthum damit umbpflantzt / und der weise Socrates nicht anders / als beym Ahorn-Baume zu schweren gepflogen hätte; worzu Miletus ihn noch viel zu edel gehalten; ja selbst Jupiter hätte diesen Baum gewürdigt unter ihm Europen zu schwängern /welcher noch in Creta gesehen würde / und seine allezeit grünende Blätter niemals verliere; also kein Baum mehr als der Ahorn den Siegs-Krantz verdiente. Das Atlantische Eyland rüstete sich seine dicke Bäume / welche acht ja sechszehen Männen nicht umbklaftern / und wohl tausend Menschen überschatten / in ihren neun und zwölff Klafftern weiten Höle eine Heerde Schafe beherbergen könten / auf den Schau-Platz zu stellen; alleine Persien kam ihm zuvor / und meldete: Wenn ein Baum mit seinem Schatten den Glantz des Vorsitzes verdiente / könte er keinen /als seinen vielstämmichten Wurtzel-Bäumen zuerkennt werden; derer von den Aesten abhangendes Gefäser in die Erde krieche / Wurtzeln einschlüge und in neue Stämme empor wüchse / also daß unter diesen wohl hundertstämmichten Bäumen oder Wäldern lange Lust-Gänge gehauen / und etliche tausend Menschen für den brennenden Sonnen-Straalen beschirmet würden. Vermittelst dieser in einander geflochtener Bäume Befestigung hätten in Hircanien die Marder dem grossen Alexander die Spitze gebothen; und in dem am Sud-Meere gelegenen Persien gäben diese schattichten Bäume die kühlesten Zelten / die heiligsten Tempel / und mit ihren blut-rothen. Feigen reiche Speise-Ca ern ab. Deutschland kündigte so wol Griechenlande / als dem Atlantischẽ Eylande hierüber Krieg an / und setzte jenem entgegẽ: Diese vielstä ichtẽ Bäume wäre für keinẽ einzelẽ Baum / sondern wie vielköpfichte Leiber für Miß-Geburten zu achten; von denen man glaubte: daß durch Genüssung ihrer Frucht, die ersten Menschen den Haß gegen Gott eingesogen; und davon mit allen Lastern schwanger worden wären. Diesem aber hielt er ein: daß der von nichts als seinem dicken und also ungesunden Schatten berühmte Ahorn-Baum seinen Bäumen nicht den Schatten reichte / und aus Licht gesetzt zu werden allzu düstern wäre. Apollo und Jupiter hätten ihn auch nur zu Unehren gebraucht; und weil seine Aepflichen Gift in sich hegten / wäre er gut genung gewest: daß die Lernische Schlange unter ihm erzogen worden. Wie diese nun vom Hercules wäre erleget worden; so wenig könte der Ahorn-Baum [312] gegen ihrer Eiche bestehen; derer zwey vom Hercules eigenhändig gesetzte noch im Pontus bey Heraclea neben des Stratischen Jupiters Altare zu sehen wären. Denn wie der schattichte Ahorn-Baum ein Greuel der himlischen Götter und ihres Lichtes wäre; also wäre die Eiche ein rechter Riesen-Baum des Jupiters / der Juno und der Trivischen Diane oder Hecatens Heiligthum. Mit den Eicheln hätte Jupiter zum ersten sein Volck gespeiset; und die erste Welt hätte in Wäldern den grösten Eichbaum als sein Bild angebetet. Ja Jupiter hätte die erste und älteste Weissagung bey Dodona durch redende Eich-Bäume dem Menschen entdecket. Juno / als die Vorsteherin der Städte hätte die Eichen ihr geheiliget; weil ihr Holtz das beste zu Erbauung der Häuser /Schiffe / Fasse und anderer Gefässe wäre. Sie wären Hecaten gewiedmet / zweifels-frey / weil der Eicheln Wurtzeln so tieff in der Erde steckten / als der Gipfel gegen dem Himmel sich erstreckte. Und die Parcen /welche dem Menschẽ Leben und Tod spinneten / hätten die Eich-Blätter zu ihren Kräntzen erkieset; vielleicht weil ihre Frucht die älteste Lebenskost; das Holtz aber / welches auch die besten Kohlen gäbe / zu Särchen oder zu Verbrennung der Leichen am dienlichsten wäre. Aus welchem zweyfachen Absehen zu Athen auf den Hochzeiten ein mit Eicheln gekräntzter Knabe eine mit Brodt gefüllete Wiege herumb truge; des Trojanischen Königs Ilus Grab aber mit Eichen bepflantzet / von den Weibern zu Priene in Jonien bey einer Begräbnüß-Eiche / wo ihre fürnehmste Bürger von Milesien erschlagen worden / am betheuerlichsten geschworen würde. Ja Socrates hätte am kräfftigsten bey den Eichen geschworen / weil sie älter als der Griechen Götter wären. Nirgends aber würden die Eichen heiliger verehret / als in Deutschland von den Druyden; sonderlich aber die Stein-Eichen / worauf Mistel wüchse. Denn wie die Eichwälde ohne diß der Druyden Tempel und ohne Eich-Zweige kein Opfer verrichtet würde; ja sie von den Eichen den Griechischen Nahmen führten / also hielten sie den Mistel für ein ihnen vom Himmel geschicktes Zeichen und Pfand Göttlicher Gnade. Diesen Mistel schnitte ein weiß-gekleideter Priester mit einer güldenen Sichel am Neu-Monde / welcher das dreissigste Jahr anfinge / vom Baume ab / und hüllete ihn in ein weiß Kleid ein; worunter zwey weisse Ochsen geopfert / dieser Mistel aber / welcher eben des in die Hölle steigenden Eneas güldener Zweig gewest wäre / wenn man davon trincke / für ein Mittel zur Fruchtbarkeit / eine Artzney wider alles Gifft / und eine Ursache vielen Glückes verwahret würde. Wie denn auch die Eichen so viel heilsames / als irgends ein ander Baum an sich hätten / die Rinde wider Gifft und Entzündungen diente / mit den Blättern Wunden geheilet / das Zahnweh und die rothe Ruhr gestillet würde. Uber diß hätten die Götter und Pelaßgus die Griechen / an statt der schädlichen Kräuter und unverdaulichen Wurtzeln zur gesündern und schmackhaftern Speise der süssen Eicheln angewiesen. Ob nun wohl bey wachsender Wollust so wohl die süssen / als bittern Eicheln des Viehes Speise worden; brauchten sie die Hispanier doch zu ihren Nachgerichten; und zu Athen würden sie auff den zwey Feyer-Mahlen in der Academia und im Lyceum nebst Bohnen Myrten-Beeren und Feigen geröstet aufgesetzt. In Asien und Griechenland würde mit den Eicheln / wie in Deutschland mit eichener Rinde / das Leder zierlich ausgegärbt. Zu geschweigen: daß auf den Eichen / und zwar aus ihrem eigenen Safte / nicht aber aus gewissen von den Vögeln dahin getragenen Beeren der beste und zu der Artzney dienlichste Mistel; also auch gewisse Piltze / welche die Lüsternheit nunmehr zu einer göttlichen Speise gemacht hätte /der zum besten Haar-Staube dienende Mooß / zum färben dienende Gall-Aepfel [313] wüchsen / woraus man des vorstehenden Jahres Fruchtbarkeit / Mißwachs und Kranckheiten urtheilen könte. Ja dieser Baum beherberget nicht nur die Bienen / sondern der Himmel bethauete ihn auch mit einem gewissen Honige. Aus seinem verbrenneten Holtze machte man Salpeter; und der grosse Alexander hätte erfunden im Sommer unter eichenem Laub den Schnee lange zu erhalten. Dahero Cato die durch besondere Güte der Natur so wohl auf Bergen / als in Thälern wachsenden Eichen gar billich für eine unentpehrliche Zugehörung eines vollkommenen Landgutes gehalten. Zu geschweigen: daß Italien / welches für einen Kern aller Länder in der Welt gehalten werden wolte / durch ein eichenes Laub Blat deutlich abgebildet wäre. Woraus die Römer ihnen eine ewige Beherrschung der Welt wahrsagten; weil die Eichen keiner Gewalt nachgäben / die schärffsten Aexte stumpf machten / wenn sie gleich inn-oder auswendig fast halb verbrennt würden / dennoch grüneten / im Wasser schwartz wie Eben-Holtz /und harte wie Steine würden / und ein lebhaftes Alter vieler hundert Jahre erreichten. Massen denn zu Rom eine mit Hetruskischen ertztenen Buchstaben als heiligbemerckte Stech-Eiche auf dem Vaticanischen Hügel / und zu Tibur drey andere / bey welchen ihr Uhrheber Tiburtus solte eingeweyhet worden seyn /und also alle älter / als beyde Städte wären / verehret würden. Ob nun zwar dieser nützliche Baum fast in der gantzen Welt wüchse / auch im Thurinischen Gebiete immer grünete; so überträffe doch ihre Deutsche insonderheit die bey den Chauzen an dem Meer-Strande wachsenden an Grösse alle andere in der Welt. Dieser Wurtzeln erstreckten sich so weit: daß / wenn die Wellen das Land unterwüschen / sie gantze Felder mit wegriessen / und als grosse schwimmende Eylande und vielarmichte Riesen mehrmals die Römischen Kriegs-Flotten bestürmet / oder in die Flucht gejagt hätten. Wem könte nun der von der Natur den Bäumen zugesprochener Sieges-Krantz besser anstehen als ihrer Eichen die Wolcken durchbohrendem Haupte. Der Welt Schiedes-Richter die Römer hätten für sie schon das Urthel gefället; da sie dem / welcher einen Bürger erhalten / von eichenem Laube den bürgerlichen Siegs-Krantz zu machen geordnet / welchen Krantz sie allen andern / aus Gold / Perlen und Edelgesteinen geflochtenen Siegs-Kräntzen weit fürgezogen / und die damit gekrönten so weit gewürdigt hätten: daß sie nicht nur bey den Rathsherren gesessen /der Rath in Schau-Plätzen für ihnen aufgestanden /sondern auch sie und ihre Eltern aller bürgerlichen Beschwerden entlastet worden wären. Daher auch der Africanische Scipio / als er seinen verwundeten Vater / den Bürgermeister und Feldherrn in der Schlacht mit Hannibaln erhalten / keinen grössern Danck / als den eichenen Bürger-Krantz verlangt hätte. Griechenland meynte durch diesen Gegen-Satz viel von seinem Ansehen zu verlieren / wenn es sich die deutschen Eichen so schlecht abfertigen liesse / nicht so wohl wegen ihres verschmähten Ahorn-Baumes / als weil ihr Oel-Baum sie gleichsam zur Rache anreitzte / welcher mit dem Eich-Baume eine solche Tod-Feindschafft heget: daß wenn ein Baum in des andern Grube versetzt wird / selbter vertirbt / und der einer Eiche benachbarte Oelbaum nicht allein keine Frucht trägt / sondern sich auch hinter andere Bäume verstecket. Diesemnach that Griechenland diesen Vortrag: Die wilde und nur für Schweine fruchtbare Eiche verdiente so wenig unter die umb den Siegs-Krantz streitende Bäume / als wegen ihres dampfenden Schattens in die Lust-Gärte versetzt zu werden. Die Natur hätte sie desthalben nicht einst einer Blüthe gewürdiget /welche doch die Freude / wie der Regen die Speise der Bäume wäre. Sie tauerte ja eine Zeitlang / aber endlich vertürbe sie von sich [314] selbst anfangs am Gipfel / hernach im Stamme; also: daß Pericles die durch eigene Schuld ins Unglück verfallenen Böotier nicht unbillich diesem Baume vergliechen hätte. Wie wenig ihm der Himmel geneigt wäre / liesse sich daraus muthmassen: daß Donner und Blitz an keinem Baume mehr als an Eichen ihren Gri ausübten. Und ihr Holtz zu keinem Gottes Dienste taugte. Hingegen wäre der Oelbaum den Göttern so beliebt: daß sein und des Lorberbaums Holtz durch irrdische Gebrauchung nicht beflecket werden dörffte / ja zu Verbrennung der die Götter versöhnenden Opfer allzu köstlich geachtet würde. Der Oelbaum wäre ein Bild der Reinigkeit; also: daß er nur / wenn er von einer keuschen Hand gepflantzt würde / geriethe / wenn ihn eine Jungfrau säete / desto mehr Früchte brächte; und daher die bey der Stadt Anazartus in Cilicien von eitel unbefleckten Knaben gepflegten Oelbäume so fruchtbar wären. Die reineste Göttin Minerva hätte den Oelbaum darumb zu ihrem Heiligthume erkieset; welche vermittelst ihrer Lantze ihn zu Athen auf dem Schlosse am ersten herfür bracht hätte / damit sie sich umb selbige Stadt durch diß Friedens-Zeichen mehr / als der umb das Vorrecht streitende Neptun mit seinem kriegerischen Pferde / wie auch mit dem durch seinen Dreyzancks-Stab erregten Brunn und See-Hafen verdiente / und sie auf Jupiters oder des Griechischen Frauenzimmers Ausspruch wider der Männer Meynung nach ihrem Nahmen zu nennen die Ehre hätte. Jedoch hätte auch des Apollo Sohn Aristäus durch gezeigte Pflegung dieses edlen Baumes / und Mercur durch gewiesene Auspressung des Oeles an solcher Ehre Theil zu haben sich beflissen. Diesemnach denn zu Athen diß heilsame Gesetze gewest wäre: daß kein Mensch ausser zum Tempel-Bau und zu Begräbnüssen einigen Oelbaum ausgrübe; Themistocles aber klüglich gerathen hätte / der Schiffart sich zu entschlagen / und in dem zu Oelbäumen so geschickten Attischen Gebiete alleine derselben Pflantzung abzuwarten. Sintemal das Oel / welches doch keine so mühsame Pflegung / als der Wein dörfte / nach Brodt und Weine das nützlichste Ding unter allen Gewächsen wäre / als welches Erhaltungs-Mittel aller wohlrüchenden Sachen und des Eisenwercks wäre / nebst denen eingesaltzenen und den Geschmack schärffenden Oliven nicht nur eine gesunde Speise / sondern eine köstliche Würtze aller Gerichte / ja eine kräftige Artzney abgäbe / den Leib für Kälte bewahrte / von Müdigkeit erledigte / und daher die Kämpfer in den Olympischen Spielen sich darmit eingeschmieret; der neun und neunzig Jahr alte Democritus / und der über hundert Jahr bey Kräfften bleibende Pollio / Romulus auch dem fragenden Käyser August dessen Ursache gegeben hätte: daß sie viel Honig gespeiset / und sich offt äuserlich eingeölet hätten. Nicht weniger wäre auch das Holtz der Oelbäume seiner von Würmen unversehrlichen Dichte und Fettigkeit halber schweißicht / und daher so wol als Cedern und Cypressen den Bildschnitzern dienlich. Dahero die Oelbäume auch so viel längsamer wüchsen / aber auch über zwey hundert Jahr dauerten; und wenn sie auch schon veralterten / durch eingepfropfte Zweige / wie die aus einem wilden Oelbaume geschnitze und an dem Flusse Alfeus in die Erde gesteckte Keule des Hercules wieder grün und verjüngt würden. Wegen dieser Krafft wäre zu Rom das hole Bild des Saturn stets mit Oele gefüllet gewesen / daß es nicht wurmstichicht würde. Also tränckte das Oel auch frembdes Holtz / ja es speisete das Feuer sanfter / als kein ander Zunder; und besänftigte so gar das unbändige Meer; westwegen die Wasser-Taucher ihren Mund damit fülleten; ungeachtet es sich sonst so wenig mit Saltze und Wasser vermischte / als der vom Lecken verterbende Oelbaum den Speichel der Thiere vertrüge / sondern weil es [315] sehr geistig wäre / oben schwäme / und schwerlich gefrüre. Hingegen vertrüge sich das Oel wol mit Kalcke / und leschte den vom Wasser brennenden aus. Die gröste Freundschafft aber unterhielte der Oelbaum mit den annehmlichen einander umbarmenden Myrten / Weinstöcken und Bienen; welche so viel mehr Honig eintrügen / wenn ihre Stöcke nahe bey Oelbäumen stünden; also: daß in Libyen die in Weinstock gepfropften Oelzweige Trauben und Oliven trügen; ja in Arcadien wären in einem Heiligthume aus einerley Wurtzel ein Oelbaum und eine Stech-Eiche gewachsen. Diesemnach denn billich die Oel-Zweige / welche zwar die Winde / nicht aber ohne Abbruch der Fruchtbarkeit Schläge vertrügen /noch nahe bey dem unruhigen Meere gerne wüchsen /für ein Friedens- und Versöhnungs Zeichen erkieset worden wären / und die Athenienser damit dem Timocrates / die Sidonier dem Artaxerxes / Timon und Androbolus dem Xerxes / die Carthaginenser dem Scipio entgegen gegangen / und die Alexandriner aufs Rathhaus zu Rom erschienen wären. Jedoch wären die Oelbäume auch ein Zeichen des Sieges; daher hätte der die Gesetze des Solons verbessernde Epimenides /an statt der ihm von Athẽ zu Danck angebothenen Geschencke / nichts als einen Zweig von dem ersten auf dem Schlosse daselbst stehenden und als hochheilig verehrten Oel-Baume zur Vergeltung begehret; welcher hernach / als ihn gleich die Persen mit sambt Athen verbrennet / eben selbigen Tag zwey Ellen hoch wieder ausgewachsen wäre / und als Xerxes ihn zum andern mahl eingeäschert / folgenden Tag schon wieder Früchte getragen hätte. Die Athenienser hätten darumb ihre wider den Feind ziehenden Feld-Obersten und die grossen / die Römer aber die kleinern Sieger mit Oelzweigen gekrönet. Gleicher gestalt wäre bey den Milesiern der Oelbaum / welcher bey den bürgerlichen Kriegen hernach verdorret / und der für dem Minerven-Tempel bey den Sicyoniern stehende und mit Oel flüssende Baum / wie auch zu Rom der Ort über der Tyber / da für wenig Zeit einen gantzen Tag aus der Erde Oel gequollen / für ein so grosses Heiligthum als der zu Athen verehret worden; nun darumb sich nicht zu verwundern: daß des Neptunus Sohn Hallirrhotus über Aushauung der Oelbäume sich tödtlich verwundet hätte. Ja nicht nur diese und ihre Fruchtsondern so gar die Oliven-Hülsen wäre zu Vertilgung schädlicher Kräuter und zu vielen Artzneyen gut. Der wilde Oelbaum aber / in welchen Appulus solte verwandelt worden seyn / wäre zu Bekräntzung der Sieger auf den Olympischen Spielen gebrauchet / und dieser vom Hercules gepflantzte unfruchtbare denen Oliven tragenden Oelbäumen für gezogen worden / zur Anweisung: daß die Tugend ihr selbsteigener Lohn wäre / und auf keinen schnöden Gewinn zu sehen hätte. Daher auch die den Göttern gewiedmeten Gaben für den Tempeln auf wilde Oelbäume aufgehenckt würden. Mit einem Worte: Der Oelbaum wäre Göttern und Menschen der beliebteste Baum; und hätte unter keinem andern als diesem Latona ihren Apollo nemlich den Vater aller Fruchtbarkeit gebehren wollen. Assyrien brach ein und sagte: Das beste Oel schwäme zwar oben / darumb aber müste sein Oel nicht für allen andern köstlichen Fettigkeiten oben schwimmen / dessen Unvollkommenheit daraus zu urtheilen wäre: daß das aus unreiffen Oliven gepreßte Oel noch das beste wäre / in bleyernen und ertztenen Geschirren bald vertürbe; der Oelbaum aber selbst ohne Kern wäre / seine Wurtzel auch nur von dem aufgehenden Gestirne der Klucks-Henne erquickt würde; aber keine Sonnen-Strahlen vertrüge / und offt ein einiger grünender Zweig dem gantzen Baume seine Krafft verzehrete; wie auch niemals zwey Jahr nach einander Frucht trüge; welche mit blossen Fingern abgelesen werden müßte / und doch nicht besseres [316] Oel gäbe / als welches in Aria aus Dörnern rinnte / und die Welt so wohl gar / als Rom über drey hundert und viertzig Jahr / die Gallier aber biß ietzt entpehren könte. Zu geschweigen: daß zu Syracusa die Urthel der Verweisungen auff Oel-Blätter geschrieben würden / die Esseer dafür eine gäntzliche Abscheu hätten / und wenn einer unter ihnen ungefehr mit Oel wäre befleckt worden / sich davon sorgfältig reinigten. Hingegen flüsse aus dem den Myrrhen-Stauden gantz ähnlichen Terpentin Baume das an Geruch und Heilsamkeit beste Hartzt in der Welt / welches gar kein Gewand fleckicht machte / das Thericles nicht nur fürlängst dem Baumöle / ja dem Muscaten-und Zimmet-Oele fürgezogen hätte; sondern auch dem Phönicischen Balsame am nechsten käme / und zum Rauchwercke gar wohl die Stelle des Weyrauchs verträte. Dieses regte die Zeugungs- und Gebehrungs-Kräfften / diente wider den Stein / Gicht und Hufweh; reinigte Miltz / Nieren und Blase / heilete die Wunden / wärmte und stärckte die Spann-Adern / und wäre im gantzen Leibe ein rechtes Lebens-Oel. Sein blauer Saame überträffe an Schönheit die Zierde des Scythischen oder aus Silber gemachten Lasurs / wäre auch für alter Zeit etlicher Völcker / insonderheit aber der Persen einige Speise gewest. Sein Holtz wäre in Syrien und sonst schwärtzer als Eben-Holtz / und diente den Drechslern zu der schönsten Arbeit. Asien versätzte: Assyrien hätte mit seinem Terpentin-Baume nicht Ursache so groß zu sprechen. Denn dieser edle Baum wüchse auch im steinichten Arabien / in Cilicien / und insonderheit auf dem Eylande Chius. Der zu Memphis stehende und immer grünende Terpentin-Baum aber überträfe an Schönheit und Alter alle andere in der Welt; als welcher mit ihr selbst jung worden wäre / und mit der Zeit in die Wette zu tauren schiene; also auch am würdigsten zum Siegs-Preise wäre. Hingegen wären seine das Gebürge Ida beschattende Cypressen viel lobwürdiger. Denn sie tröpfelten ein wolrüchend Hartzt von sich / welches dem Terpentin wenig oder nichts nachgäbe / und zu einem gesunden Oel diente. Sein Sta trüge des Jahres dreymal Früchte / nemlich seine mit den kaum sichtbarẽ rothẽ Saamkörnern gefüllte Nüsse / aus deren einer viel hundert solche grosse Riesen-Bäume nicht ohne Wunderwerck und Andeutung; daß in den kleinsten Dingen Gott am grösten sich zeige / wachsen könten. Sein geflasertes Holtz wäre das schönste / und so wohl zu Gebäuen als Bildern das beste. Sintemal ihm weder Wurm noch Alterthum was an hätte. Daher zu Rom auf dem Schlosse das Bild des Vejupiters fast vom Anfange der Stadt / biß zu gegenwärtiger Zeit getauret und seinen ersten Glauben behalten hätte. Mohrenland konte dem ruhmräthigen Asien länger nicht zuhören; sondern brach ein: Asien möchte mit seinem fahlen Cypreß-Holtze sich für seinem Eben-Holtze / welches an Schwärtze die Kohlen / an Härte das Eisen / an Glätte das Helffenbein überstiege / nur verkriechen. Denn die aus diesem geschnitzten Bilder beschämten die ertzt- und steinernen. Die den Gräbern und dem Tode gewiedmeten Cypressen gingen umb sich selbst traurende in der Klage / und weil ihr Wachsthum verstockt / ihre Aeste ohne Frucht / die Blätter bitter / der Geschmack seiner Nüsse scharff /der Geruch widrig / ja der Schatten selbst unangenehm wäre / seine Wurtzeln aber nach einmaliger Abhauung nicht wieder wüchsen / wäre er nicht unbillich der Hölle gewiedmet / und sein Holtz zu keinen andern Bildern / als der schädlichen Götter würdig. Aus seinem Mohren-Holtze aber wäre nicht nur die Ephesische Diana gebildet; sondern die Indianer machten alle ihre Götter daraus; und zwar so viel billiger /weil das auf glüende Kohlen [317] gelegte Ebenholtz ohne einigen Rauch verbrennte und einen süssen Geruch von sich gäbe. In Indien machte man auch Speise-und Trinkgeschirre daraus / weil es wider Gifft und Zauberey eine fürtrefliche Krafft hätte. Nichts weniger diente es zu einer köstlichen Augen-Salbe. Diesemnach die vom Cambyses überwundenen Mohren den Persischen Königen jährlich ein gewisses von diesem Holtze hätten zinsen müssen. Der grosse Pompejus hätte es in seinem Morgenländischen Siegs-Gepränge als eine kostbare Seltzamkeit für ihm hertragen lassen / und Cleopatra hätte es bey Belägerung Alexandriens unter andern kostbaren Schätzen für dem Käyser August in der Isis Tempel versteckt. Ja es verdiente mehr ein Ertzt / als Holtz genennet zu werden; weil es /wenns gleich dürre würde / die erste alles andere Holtz übertreffende Schwerde behielte / und im Wasser wie Eisen untersincke. Pannonien fiel ein: An dem Eben-Baume wäre nichts als das Holtz preißwürdig; welchem aber die Kunst durch Beitzung fast alles andere harte Holtz ähnlich machen könte. Der Kern seines Citysus aber gäbe dem meist zum theil faulenden Eben-Baume nichts nach; sein Sta gleichte dem Balsam-Baume; und aus seinen Blüten saugten die Bienen eine unglaubliche Menge Honigs. Der Seren Land lösete nun auch seine Zunge / und sagte: der Citysus wäre ein Feind aller andern Bäume / weil er alle in der Nachbarschafft stehende Pflantzen tödtete; und also vielmehr auszurotten als zu erhöhen. Das Eben-Holtz oder vielmehr seine wachsende Kohlen aber gehörten ins Feuer oder in die Hölle. Sein edles Rosen-Holtz aber wäre unter allen andern / wie die Rose unter den Blumen der König. Seine annehmliche Röthe gleichte den Rosen / seine Adern aber durchstreiften es so artlich / als wenn die Natur mit allem Fleiß ihren künstlichen Pinsel darzu gebraucht hätte. Diesemnach auch die davon gemachten Bilder die Helffenbeinernen / die Tische aber der Mauritanier aus Ceder-Wurtzeln gemachte beschämte. Gallien hielt es ihm nunmehr auch verkleinerlich länger zu schweigen; daher sagte es: die Natur spielte nicht nur in vielen Bäumen / sondern auch in Steinen und Muscheln mit ihrem Gemählde. Dieses aber wäre wunderwürdiger: daß in seinem Narbonischen Steinfelde Scharlach- oder Karmesin-Bäume mit Würmer-heckenden Beeren wüchsen / welche fast schöner als das Blut der Purpur-Schnecken / Seide färbten; und weñ diese Würmlein darauf stürben / etliche Tage einen den Zibeth / Ambra / Mosch- und Citronen-Blüte übertreffenden Geruch von sich gäben / wie nichts weniger zu einer fürtreflichen Hertzstärckung und Wunden Balsame gebraucht würden. Es wäre wider das Hertzklopffen / wider Ohnmachten und Traurigkeit des Gemüthes nichts heilsamers als das hiervon gemachte Labsal. Daher wenn dieses seines Baumes zum Bauen und allerhand Werckzeugen überaus dienliches Holtz / seine immergrünenden Blätter / die Süssigkeit seiner Eicheln und die Pracht seiner Färbung nicht der Griechen Gesätze / welches die Abhauung dieses bey einem Grabe stehenden Baumes bey Lebens-Straffe verbot / rechtfertigte / würde alleine seine heilsame Artzney-Kraft ihm alle Grausamkeit abschäumen. Armenien widersprach Gallien / und sagte: Wenn einem Baume in der Welt der Siegs-Preiß wegen der Färberey gebührte / käme er seinen Stauden zu / derer Hi elblau färbende Blätter allen andern so weit / als der Himmel der Erde vorgienge. Ob nun zwar diese auch in Indien und andern Orten wüchsen / thäte doch von den Armenischen ein Pfund mehr / als anderwerts drey; und würde deßwegen in kein Land der Welt mehr Gold und Silber / als in Armenien gebracht. Gallien wolte Armenien nicht [318] weichen / sondern versätzte: Ihre Scharlach-Farbe wäre eine Königliche / Armeniens aber eine Trauer-Farbe. Uberdis wüchsen in Gallien Dornstauden / welche die annehmlichste Goldfarbe in Seide und Wolle brächten; die die Serer ebenfals nur ihren Königen vorbehielten / und die rechte Farbe des Himmels / blau aber der Luft / oder vielmehr nur ein Betrug der Augen wäre. Das grosse Atlantische Eyland lächelte hierüber / und sagte: daß alle Färbe-Bäume gegen seinem auswendig Aschfärbichten / inwendig aber rothen und mit Buchsbaum-Blätter prangenden sich entröthen /und als Zwerge verkriechen müsten. Sintemal sie an Grösse die Eichen überträffen und zum theil von drey und mehr Männern nicht umbklaftert werden könten. Das Holtz ihres Stammes / auch seine Asche färbete roth wie Purpur oder schwarz-braun / etliche auch gelbe und andere blau. Das Holtz wäre Bley-schwer /Eisenharte und diente zu Seulen / Bildern und Werkzeugẽ besser als kein anderes / und gäbe im Brunnen fast keinen Rauch von sich. Seine Zweige prangeten mit bundten Meyen-Blumen. Etliche trügen auch gar Früchte wie Weintrauben / welche an köstlichem Geschmacke den Weinbeerẽ nichts nachgäben. Das Zeither schweigende Italien lösete nunmehr auch seine Zunge; und rühmte seinen Maulbeer-Baum für ein Wunderwerck der freygebigen Natur. Denn er färbete / speisete und kleidete die Menschen. Seine Beeren hätten einen das Blut beschämenden Safft in sich; also: daß dieser auch für das Blut des Pyramus gehalten würde. An der Farbe dieser Beeren hätten die Götter selbst Belieben; daher Schäfer und Hirten niemals den Gott Pan umb Gedeyen ihrer Heerde anruften; daß sie ihre Leiber mit diesem Safte färbeten. Der Saft gäbe eine annehmliche Speise und zugleich in vielen Schwachheiten eine Artzney ab. Die Blätter der Maulbeer-Bäume / besonders aber der weissen / verwandelten sich in den Eingeweiden der Seiden-Würmer in das köstliche Gefäser / woraus sie das herrlichste Gespinste der Welt / ihnen selbst aber das prächtigste Grab webten; daher der Nutzen dieses Baumes Weinstöcken und Oelbäumen fürgezogen würde. Egypten begegnete Italien / und meldete: an den Maulbeeren taugte weder Farbe noch Genüß. Jene wäre vergänglicher / als die Schmincke des Cretischen Meerschilffes / dieser mehr schädlich / als nütze / und die Blätter so wol / als anderer Bäume nichts mehr /als Speise der Würmer / welchen allererst die Geburt der Seide zuzuschreiben wäre. In Egypten aber wüchsen Bäume von zweyerley Grösse / welche in ihren Aepfeln köstlichere Wolle als kein Schaaf trügen. Aus Egypten hätte sich Indien und gantz Mohrenland damit besämet / und würde die meiste Welt nackt gehen müssen / wenn nicht diese alle Menschen zu kleiden auskommende Bäume thäten. Scythien brach ein: Alle diese Baumfrüchte wären todte Dinge gegen denen vollkommenen Lämmern / welche bey ihm auf einer starcken Staude wüchsen. Diese Lämmer geben die zarteste Wolle dem Frauenzimmer zu Hauben /ein niedliches Krebsfleisch zum Essen. Und wormit man ihre Frucht für ein vollkommenes Thier zu halten gezwungen würde; flüsse aus diesem Schaafe nach jederm Schnitte Blut; es lebte nicht länger / als es umb sich andere Kräuter gleichsam zu seiner Speise hätte /und nach ihm wäre kein ander Fleisch-fressendes Thier / als der Wolf lüstern. Arabien versetzte: diese Lämmer-Pflantze wäre so wenig ein Thier / als die Affen Menschen / auch mehr ein seltzames Spiel / als ein groß Geschencke der Natur; weil weder das fleischichte Gewächse noch die wenige Wolle viel Nutzen brächte. Sein Goßypischer Baum aber trüge einen so zarten Flachs / gegen welchem Baumwolle grob und [319] harte wäre / wiewol es noch zweifelhaft: ab die ersten Baumwollen Bäume in Arabien oder Egypten gewachsen wären. Aus seinem Baumflachse aber würde die köstlichste und dem Golde gleichgültige Leinwand gemacht / womit nicht alleine das Frauenzimmer / als seiner grösten Zierde prangten / sondern auch die Hohenpriester ihrer Reinligkeit halber sie zu ihrem heiligsten Schmucke brauchten. Serica widersprach Arabien / und sagte: Sein Baum-Gewebe wären Spinnen-Weben und gleichsam ein durchsichtiger Wind; welcher zu nichts als geilen Weibern zu einer Entschuldigung diente: daß wenn sie alle Blöße ihres Leibes zeigten / doch sich bekleidet zu seyn rühmen könten. Hingegen trüge ihre Seiden-Staude ein Gespinste / welches zärter als Baumwolle und andere Seide wäre / die davon gewebten Zeuge auch theuerer als beyde verkaufft würden. Arabien fieng hierüber an: Alle diese Färbe- und Wollen-Bäume dieneten fast nur allein zu Werckzeugen der Hoffart. Sein grosser und schwartzer Dorn-Baum aber trüge zwar auch kleine weißgelbe Wolle / aber dis wäre nur seine Blüte. Seine Blätter geben die schönsten Kräntze ab /dienten zur Färberey und Schmitzung der Felle. Seine Aeste trügen Schoten; ein köstliches Hartzt als seine wahre Frucht / welches wie der Wein ausgepreßt würde / und gleichsam Würmern ähnlich wäre / aber den Blutfluß stillete / die Augen stärckte / und die Gicht von Grund aus heilete. Sein Stamm grünete unaufhörlich / und verdiente wegen seiner so vielfältigen Nutzbarkeit für allen den Vorzug. Egypten bezeugte über dieser Herfürzuckung eine augenscheinliche Ungedult / und sagte / dieser Arabische Hartzdorn wäre nichts anders als sein gemeiner Baum Acacia. Diesem aber wäre sein an dem Nil zehn Ellen hoch und dreyeckicht wachsender Papier-Baum / so weit als Gold dem Kupfer fürzuziehen. Denn von seinen Blumen machte man nicht nur den Menschen / sondern den Göttern und ihren Bildern Kräntze / aus seinen Wurtzeln zierliche Geschirre / aus dem Holtze Schiffe / aus der Rinde Segel / Teppichte / Kleider / Decken und Seide. Die Egyptischen Priester trügen aus keinem andern Zeuge / als von seinem Baste Schuh. Viel die in Einsamkeit den Geheimnüssen der Natur nachsiñeten / lebten auch von dem ausgesogenen Saffte dieser rohen oder gebratenen Staude. Der gröste Nutz aber wäre allererst bey Erbauung der Stadt Alexandria erfunden / nemlich: daß seine mit einer Nadel von sammen gezogene Blätter das beste Schreibe-Papier abgäben. Weil nun vorher die Häute der Esel / Kälber und Schaafe / hernach die Baum-Rinde und Palm-Blätter den Gelehrten zum Schreiben ziemlich ungeschickt; der Perser Pergament / die Leinwandten / worein die Schrifft gewebt / oder gemahlt werden müste; wie auch die bley- und ertztenen Taffeln zu kostbar / die überwächsten Bretter allzu unberüglich gewest wären; verdiente der so geschickte Papier-Baum: daß er alleine dem Apollo und den Musen gewiedmet / und für den König aller Pflantzen erkläret würde. Griechenlande ward durch die letzten Worte wegen seines dem Apollo geheiligten Lorbeer-Baums aus Hertz gegriffen. Daher fieng es an: Man machte aus der Mittel-Rinde der Maulbeer-Bäume und anderen Stauden eben so dienliches Schreibe-Papier. Alles aber wäre ein viel zu geringes Behaltnüs dessen / was durch Eingebung des Apollo die gelehrte Welt aus Licht brächte / sondern verdiente in Ertzt oder in etwas geetzt zu werden; welches wie sein Lorbeer-Baum unaufhörlich grünete. Westwegen nicht allein das Römische Volck am neuen Jahrs-Tage ihren Obrigkeiten Lorbeer-Zweige zureichte / und diese Bäume im anfange des Mertzens für die Häuser der Käyser und Hohenpriester sätzte / umb darmit eine immerblühende Herrschafft anzuwünschen; sondern es wäre dieser Baum der ewig-scheinenden [320] Sonne /oder des Apollo gröstes Heiligthum. Denn diesen Baum hätte er zuerst in Griechenland gepflantzet / er wäre hitzig und leichtbrennend / mit seinen zusammen geriebenen Aesten machte man unschwer Feuer /also wäre er seiner Eigenschafft. Er diente zur Reinigung / und daher wie er dem reinlichsten Gestirne so angenehm: daß er so wenig / als Adler und Meer-Kälber vom Blitze beschädigt würde; also der ihm übel bewuste Tiberius niemals sein Haupt der Lorbeer-Blätter beraubte. Diese hätten auch eine geheime Krafft der Wahrsagung über vergangene / gegenwärtige und künftige Dinge / welche durch die drey Wurtzeln des zu Delphis so hochverehrten Lorbeer-Baumes angedeutet würde. Ja diese unter das Haupt gelegten Blätter ließẽ einem auch nichts unwahres träumen. Apollo / als der Wahrsager-Gott / hätte darumb seine flüchtige und in dem väterlichen Flusse Peneus umbkommende Tochter in keinen andern / als einen Lorbeer-Baum verwandeln wollen / von welchem er etliche Zweige zu seinem ewigen / und seinen Priestern zu heiligen Kräntzen erkieset hätte / umb auch von dem was ihn geflohen gekrönet zu werden. Auf keinem Feyer müste ein Knabe einen Lorbeer-Baum herumb tragen / und sein hochheiliger Tempel zu Delphis wäre aus eitel Lorbeer-Bäumen des Tempischen Thales gebaut gewest. Der ihm geheiligte Fluß Eurota und Berg Parnassus würde fast von eitel Lorbeer-Bäumen überschattet / wovon die Sieger auf den Delphischen / die grossen Tichter / welche von den gekäuten Blättern vergeistert werden / solten auf den Olympischen und Istmischen Spielen / wie auch die Aertzte damit bekräntzet würden. Maßen denn Apollo der oberste Artzt diesen Baum mit der Kraft dem Gifte zu widerstehen / den Stein zu zermalmen / der Leber zu helffen / die Zaubereyen in Liebes- und Verstellungs-Dingen / wie auch den Mehlthau abzuwenden / und viel andern heilsamen Würckungen versehen hätte. Der Rabe befreyte sich nach Tödtung eines Chameleons damit seiner Vergiftung. Die krancken Hüner heileten sich dadurch aus; die Holtztauben und Rebhüner legten seine Blätter zu Vertreibung aller Kranckheiten in ihre Nester. Daher die Egyptier einen sich selbst heilenden Menschen mit einer ein Lorber-Blat im Schnabel habenden Aglaster abbildeten. Jedoch wären die Lorbeer-Bäume nicht alleine dem Apollo / sondern auch andern Göttern lieb. Bey Rom würden die Kaufleute aus dem Brunne des Mercur /wie auf den Begräbnüssen alle Umbstehenden / mit einem eingetauchten Lorber-Zweige gereinigt. Die vom Feindes-Blute befleckten Sieger reinigten sich durch Anzündung der Lorbeer-Blätter. Sein Holtz aber hielte man auch auf Altären insgemein zu ver brennen / noch vielmehr aber zu irrdischen Dingen für allzu heilig; welches im Feuer auch ärger / als kein andres knackte / und damit gleichsam seinen Unwillen verbrennt zu werden andeutete; wiewol auch dieses Knacken ein Glückssein stilles Verlodern aber ein Unglücks-Zeichen den Opferenden wäre. Daß Jupiter aber diesen Baum wehrt hielte / leuchtete genungsam daheraus: daß ein Adler einen Beeren-reichen Lorbeer-Zweig der Livia Drusilla in ihre Schoß fallen lassen. Woraus in weniger Zeit an der Tiber ein Lorbeerwald gewachsen / darinnen Käyser August zum ersten / hernach alle folgende Uberwinder zu ihren Siegs-Kräntzen und Zweigen Aeste abgebrochen hätten / umb sie auf dem Capitolium in Jupiters Schooß abzuliefern. Könige und Priester pflantzten sie für ihre Thüren und Fenster; Für des Augustus Pallaste stünde derer eine ziemliche Anzahl / und hienge daran ein Krantz / von einem Kornel-Baume; gleich als er niemals Feinde zu überwinden / und Bürger zu erhalten aufhörete. Die Bürgermeister umbhülleten damit ihre Beile / die Sieger ihre Adler und Schiffe / die Soldaten ihre Spisse; ja die einen Sieg berichtenden[321] Briefe. Ein Wahrsager muste mit einer brennenden Fackel und Lorber-Zweige für denen treffenden Heeren hergehen; ja auch die zu den Feinden geschickten Friedens-Boten reckten sie selbsten entgegen. Jedoch wären zu Rom und bey andern Völckern schon für alter Zeit diese Zweige Freudens- und Sieges-Zeichen gewest. Romulus hätte nach überwundenem Könige Acron / und Bacchus nach eingenommenem Indien /mit einem Lorber-Krantze sich geschmücket / ungeachtet dieser Baum mit dem Weinstocke keine geringe Feindschafft hegete / und sein guter Geruch so wol die Stärcke und den Geruch des Weines niederdrückete /als seine schattichten Aeste die Sonnen-Hitze zurück hielten. Diesemnach der weise Empedocles nicht ohne Ursache gewünscht: daß seine sich vom sterbenden Leibe absondernde Seele in einen Lorbeer-Baum wandern; ein Wahrsager-Geist aber den Junius Brutus das solche Bäume tragende Erdreich / nemlich Griechenland / zu küssen ermahnet / da er über die Tarquinier siegẽ wolte. Also gehörete keinem / als dem Siegenden Lorbeer-Sta e der Siegs-Krantz zu. Asien / welches mit wolrüchenden und gantze Landschaften überschattenden Myrthen prangte / brach ein; und führte für den Obsieg des Myrthen-Baums an: daß seine Zweige nicht jüngere Sieges-Zeichen / als die Lorbeer-Aeste wären. Posthumius Tubertus hätte nach überwundenen Sabinern / Papyrius Maßo nach bezwungenen Corsen im Siegs-Gepränge keinen Lorbeer / sondern einen Myrthen-Krantz zu tragen verlangt; ja diese wären aller ohne viel Blutstürtzung erlangter und also der edelsten Siege Merckmahle gewest. Bey den Griechen wären wolverdienter Leute Holtzstöße und Gräber mit Myrthen ausgeputzt / auf denen Gastmahlen die Sänger lieblicher Getichte damit gekräntzt gewest. Was wäre es aber nöthig für die Myrthen den Beyfall ihres Vorrechts von sterblichen Menschen herzuholen. Die Mutter aller Fruchtbarkeit / welche allen Gewächsen ihr Leben / allen Stauden ihren Safft / allen Bäumen ihre Tugenden einflöste / würde aus allen ihr selbst nicht den einigen Myrrthen-Baum zugeeignet haben / wenn sie ihn nicht für den köstlichsten gehalten hätte. Dahero schon der alte Pelops bey dem Flusse Hermus der Venus Bild aus einem Myrrthen-Stocke gefertigt / das älteste Rom unter dem Berge Aventinus der Myrrthenen Venus ein Altar gebaut hätte. Die jährlich im April dieser Liebes-Göttin opfernden Frauen müsten auch alle Myrrthen-Kräntze tragen. Sintemal dieser Baum gerne an denen ihr beliebten Meer-Ufern wüchse / einen ihr annehmlichen und den Myrrhen gleich kommenden Geruch hätte; fürnemlich aber dem Frauenzimmer in vielen Nöthen dienlich / in den meisten Weiber-Kranckheiten heilsam / und zu Erweckung der Liebe beförderlich wäre; also den Namen der Liebes- und Verehlichungs-Pflantze verdiente / unter denen sich auch noch die Geister der Verliebten in den Elysischen Feldern erlustigen solten. Diesemnach der Myrrthen-Baum auch mit dem Rosenstocke eine geheime Liebe hegte / und neben diesem viel fruchtbarer würde. Kein geringeres Wolgefallen müste Minerva an diesem Baume haben / als in welchen sie die in den Griechischen Spielen so oft siegende und aus Neid ermordete Myr sine verwandelt hätte. Uberdis besäße der Lorbeer-Baum keine mehrere Kraft zu weissagen / als die Myrrthen / derer einer bey dem Heiligthume des Romulus viel lange Zeit das Wachsthum und Aufnehmen des Adels / der andere des Pövels / wunderwürdig angedeutet hätte. Seine Beeren dienten nicht nur allem Geflügel zu der allerbesten Mästung; den Wachteln / wenn sie von der Niesewurtz erkrancket / zur Genesung / und den Droßeln /daß sie mit denen ins Nest getragenen Myrrthen-Blättern die giftigen Thiere damit abhielten / sondern auch seine Blumen dem Menschen zum guten Geruche[322] ihres Mundes / die Blätter / die Beeren / sein Saft /sein ausgeprester Wein / und seine der Rinden anwachsende After-Geburt gäben dem Magen / wider die Verletzungen giftiger Thiere / und in unzehlbaren Kranckheiten heilsamste Artzneyen ab. Panonien konte Asien länger nicht zuhören / und fieng an: Seine Lobsprüche würden dem unfruchtbaren / und weder die Kälte noch Sonnenhitze wolvertragenden Myrrthen-Baume so wenig den Vorzug unter den Bäumen / als die Schmincke einem runtzlichten Antlitze die Jugend zu wege bringen. Er möchte sich nur unter anderer herrlicher Bäume Schatten verkriechen /weil er ohne dis zum ersten auf des Elpenors Grabe wäre wachsend gefunden wordẽ / und der Hi el ihn nicht würdig schätzte: daß er / ungeachtet der sorgfältigsten Pflegung auf dem Himmel so nahverwandten Berge Olympus / oder in dem fruchtbaren Pontus wüchse. Wenn aber einem Beeren-tragenden Baume der Sieges-Krantz gehörete / käme er keinem / als seinem Wacholder-Baume zu / der nirgends grösser / als in seinem Illyricum / und nirgends gemeiner / als in seinem benachbarten Deutschlande wüchse. Dieser wüchse seiner himmlischen Eigenschaft nach / nirgends lieber / als auf Gebürgen; weder Hitze noch Kälte versengete seine niemals abfallenden Blätter; die Würmer trauten sich so wenig an sein Holtz / als an frische Cedern ihren Zahn anzusetzen. Seine Frucht wäre seine Blüte; und so hätte er niemals nichts unvollko enes; zu jederzeit aber zugleich reiffe und reifwerdende Beeren auf sich. Diese wären eine Artzney über alle Artzneyen. Sie wärmeten den Magen besser und gesünder / als der Indianische Pfeffer; sie zermalmeten den Stein leichter / als die güldene Ruthe; sie hülffen dem Husten gewisser / als Süsseholtz ab / ihre Glut vertriebe die Pest / und Schlangen eher als Schlangen-wurtz; Sie sind eine Stärckung der Brust / eine Lüftung der Brust / eine Salbe der Augen. Ihre Asche hilfft der Wassersucht ab; ihr Saltz verhindert die Fäulnüs / ihr Oel wäre ein Balsam der Eingeweide / und also der Wacholder-Stamm / mit einem Worte / ein rechter Lebens-Baum / und ein allgemeiner Heylbrunn der Deutschen und Pannonier. Armenien rümpfte hierüber den Mund / und fieng an: Es wunderte sie / daß die kalten Nordländer / wo die Natur selbst in Gefahr zu erfrieren stünde / von der Köstligkeit ihrer Bäume / und Pannonien von der geringen Wacholder-Staude so viel Wesens machte. Da doch sein Schatten nicht nur schädlich / sondern seine Wurtzeln gar giftig wären / seine Beeren erst im dritten Jahre reif würden / und er oft mit eigenen Thränen seinen Unwehrt beweinte. Sein hartzichter Pistazen-Baum hätte alle Tugenden des Terebinthus / welcher als ein Riese die Wacholder-Staude als einen verächtlichen Zwerg mit hohen Augen übersähe. Die Wacholdern streuten an statt der Blüten nur einen gelben Staub in die Luft / seine Blüthen aber prangten mit Purpur-Blumen. Seine Nüsse wären von Süßigkeit /Oel / gutem Geruche und Artzney-Kraft trächtig. Denn wie sie dem Munde nach bester Würtze schmeckten; also reinigten sie die Lunge / erleichterten die Brust / erfreuten das Hertze / beförderten die Liebe / stärckten die Nieren / insonderheit wären sie gleichsam ein Lebens-Balsam der Leber. Scythien runtzelte hierüber die Stirne; daß sie denen Kastanien-Blättern ähnlich ward / und setzte Armenien entgegen: Sein an Größe / an Härte des Holtzes den Eichen gleicher / sonst aber viel köstlicher Kästen-Baum wäre unter allen Speise-tragenden Bäumen der nützlichste. Der Pistazen-Baum trüge ja wol / aber kleine /und den geringen Buchen-Nüssen nicht sehr überlegene / also leicht entpehrliche Früchte. Sein Kastanien-Baum aber wäre auskommlich gantze Länder zu speisen. Seine Kästen dienten so wol zu Brodte; [323] daß man des Weitzens darbey entpehren könte. Dahero sie auch Jupiters Eicheln / des Bacchus und der Venus Zugemüse genennt zu werden die Ehre hätten. Ihr Kern hätte in sich ein annehmliches Honig / und nebst dem Häutlein eine Kraft wider Gift; ihre Schaale gäbe ein herrlich Wund-Pflaster ab. Die Natur hätte für sie sonderbare Sorgfalt; in dem alle Räuber an ihrem Stamme von sich selbst verdorreten; und ihre Nüsse wären / so lange sie nicht völlig reif / mit den schärfften Stacheln gewaffnet; wormit durch Verspeisung ihrer unreiffen Frucht niemanden geschadet würde. Hispanien lächelte / und fieng an: Weil die Kästen zwar dem menschlichen Haupte beschwerlich / dem Magen unverdäulich / jedoch denen engbrüstigen und keuchenden Pferden gesund sind / begehre ich / als eine Mutter guter Pferde / die Kastanien-Bäume zwar von meinen schattichten Hügeln nicht auszurotten; aber diesen sind meine in der Welt unentpehrlichen Mandel-Bäume weit fürzuziehen /welche man als viel köstlicher auf die Kastanien- Stöcke zu pfropfen pflegt. Denn diese tragen mehr Mandeln als Blätter; und wider aller andern Pflantzen Art / werden sie je älter / je fruchtbarer. Daher sie die Natur gleichsam mit allem Fleiße zeitlicher / als andere Bäume veraltern läßt. Die Mandeln geben die reineste Nahrung ab / und ohne ihre Hülffe können wenig niedliche Speisen bereitet werden. Der Himmel hat eines ihrer Geschlechte mit einer annehmlichen Süssigkeit / das andere mit einer reitzenden Bitterkeit begabt / umb diese so heilsame Frucht jedwedem Gaumen beliebt zu machen. Das Hartzt / welches diese Bäume weinen / hat in Artzneyen eine fürtrefliche Krafft / an sich zu ziehen / wie das Mandel-Oel alles zu lindern und zu heilen; ihre Milch aber zu kühlen / und auf allen Fall bey den Kindern den Abgang der mütterlichen Nahrung zu vertreten. Italien begegnete Hispanien: Ich begehre denen nährenden Mandeln ihren Preiß nicht zu entziehen / weil mein Feigen-Baum zu ihnen eine so gute Neigung hat / als zur Raute und Meer-Zwiebeln; in derer Nachbarschafft er auch so viel freudiger wächst. Alleine jene werden diesem sonder Zweifel so willig das Vorrecht enträumen / als es ihm das Recht der Natur zugeeignet hat. Denn daß die Feigen die edelste Baum-Frucht sey / geben auch die mißgünstigen Länder nach / bey welchen keine wachsen; wenn sie solche so ferne holen lassen / und nach ihrem Zucker alle Finger lecken. Amitrochates / der König in Indien / ließ den König Antiochus durch eine Gesandschaft nicht weniger umb süsse Feigen / als einen Weltweisen ansprechen. Als Xerxes die Attischen Feigen das erstemal schmeckte / thät er ein Gelübde keine mehr zu essen /bis er das eine solche unschätzbare Frucht tragende Land unter sein Gebiete gebracht hatte. War also eine Feige so wol die wahre Ursache des grossen Persischen Krieges wider Griechenland; Als die Bojen durch wenig Feigen und Weintrauben / die ein helvetischer Schmidt über die Alpen getragen hatte / in meine Rebenund Feigen-reiche Gegenden gelockt wurden. Denn diese zwey sind sicher die Fürsten der Gewächse; ein Auszug der köstlichsten und so wol dem greifen Alter als der zarten Jugend wolbekommenden Nahrung; in denen und nichts anderm der Götter Nectar und Ambrosin bestehet. In den Feigen stecket alleine die unverfälschte Süßigkeit / ein Schatz der Gesundheit / ein Labsal des Leibes / ein Honig des Lebens. Dahero nach dem die Aeste der Feigen-Bäume voller Milch stecken / von denen damit gesegneten Ländern nicht unbillich gerühmet wird: daß daselbst Milch und Honig flüsse. Die Griechen verehrten deßwegen gar billich den Ort an dem Flusse Cephissus / wo der erste Feigen-Baum gewachsen seyn solte / für ein [324] Heiligthum; den Phytalus aber mit Lob-Liedern / welcher von der Göttin Ceres den er sten Feigen-Baum zur Belohnung seiner guten Bewirthung bekommen haben solte. Wiewol andere dieser göttlichen Pflantze einen noch edlern Ursprung zueigneten / nemlich: daß die von dem süssen Bacchus geliebte Syca bey ihrer Umbarmung; andere / daß einer von den flüchtigen Titanen Sycaus in einẽ Feigenbaum wäre verwandelt worden. Wegen des ersten krönen nicht nur die Cyrener und Griechen die Bilder des Bacchus / als den Erfinder des Ackerbaues und der Feigen / mit Feigen / oder Feigen-Blättern / und geben ihm den Zunahmen Sycites; sondern im Anfange der Weinlese überschmieren sie auch sein Bild mit saftigen Feigen. Auf dem Eylande Naxes war das Antlitz des Wein-Gottes selbst aus Feigen-Holtze gemacht; und im Feyer des Bacchus wird ein aus Feigen-Holtze gemachtes Bild der thätigen Zeugungs-Kraft offentlich zur Schaue getragen. Und zwar dis nicht ohne erhebliche Ursache; weil die Feigen nicht nur eine kräftige / sondern die süsseste Speise den Menschen / ihre Blätter den Seiden-Würmern abgeben / ja vom Feuer der Feigen-Bäume das Fleisch geschwinder und mirber kochet / und daher die Alten alle die / welche nicht Feigen zu essen hätten / für die unglückseeligsten Leute hielten; Hingegen die Athenienser ihrer Bräutigamer Häupter mit Feigen / als einem Sinne Bilde der grösten Vergnügung /kräntzten / und / umb derselben Abgang zu verhüten /die Verführung ihrer Feigen bey schwerer Straffe verboten. Sintemal nicht nur die Ringer auf den Olympischen Spielen meistentheils nur von Feigen / als einer zur Stärckung der Glieder sonderlich dienenden Speise / lebten / darumb auch die Griechen ihre Belohnungs-Kräntze der Arbeiter aus Feigen und Rosen zusammen flochten; Die Spartaner auf ihren Gastmahlen jedem Gaste noch so viel Feigen als andere Gerichte fürsätzten; die Carier nicht nur alle ihre Speisen mit Feigen anmachten; sondern weil sie dem Giffte widerstehen und daher vom Mithridates zu seiner berühmten Artzney genommen worden / den Zähnen / der Gurgel / der Brust / den Nieren und vielen andern Gliedern sehr gesund sind / sind sie auch fast die einige Speise des Zeno / Anchimolus / Moscus / Democritus und anderer Weltweisen gewest. Ja als der geschlagene Artexerxes des jüngern Cyrus Bruder auf seiner Flucht nebst einem Gersten-Brodte nur ein paar Feigen zu essen bekam / beklagte er sich: daß die Persischen Wollüster ihm dieses alle niedliche Speisen wegstechendes Gerichte so lange vorenthalten hätten. Oder vielleicht hielten die Persen die Feigen für eine irrdische Speise zu gut. Sintemal ihre Könige / wenn sie sich bey der Stadt Pasargada einweyhen liessen /nur Feigen / als eine den Göttern annehmlichste Kost / wie die Egyptier auf ihrem Feyer des Mercur nur Feigen und Honig / als Bilder süsser Beredsamkeit speiseten. Ja den erzürnten Göttern selbst werden bey Versöhnungen der Städte / und für Abwendung giftiger Seuchen / annehmliche Feigen; und in den Hunds-Tagen an dem der Philotis zu Ehren gehaltene Mägde-Feyer der Juno Milch der wilden Feigen-Bäume geopfert. Saturnus träget an dem Feyer der Venus einen Feigen-Krantz zum Friedens-Zeich n / und an seinem Tage gibt man mit Feigen das Anfangs-Zeichen zu Sa lung des Honigs. An dem Thargelischen Feste hingen die Griechen dem Menschen / welcher dem Apollo und Dianen geopfert werden solte / Feigen an / und schlügen das Opfer-Fleisch mit wildem Feigen-Holtze. Die Egyptier aber kräntzten mit Feigen-Laub an dem Feyer des Serapis und der Isis alle / welche darbey Körbe oder Wasser-Krüge [325] tragen. Nichts weniger ist der Kriegs-Gott ein Freund der Feigen-Bäume; weil ihr Holtz zu Schilden / der Rauch davon zu Erstechung der Missethäter / ihre Frucht zu Siegs-Geschencken so dienlich ist; oder vielleicht weil Cato mit Vorzeigung einer frischen aus Africa in drey Tagen nach Rom gebrachten Feige den dritten Punischen Krieg angezündet / aller widriger Rathsherren Beredsamkeit darmit überstimmet / und das mächtige Carthago eingeäschert hat. Ja zu Rom wird der wunderwürdige Feigenbaum / welcher die unter ihm als Kinder liegenden Romulus und Remus gespeiset haben solte / und zeither den Römern für einen Wahrsager gedienet / gleichsam göttlich verehret. Welche Wahrsagungs-Krafft auch König Philipp an Feigenbäumen wahrgenommen / als derer zweyfache Fruchtbarkeit ihm die Vergrösserung seines Reiches angekündiget; zu geschweigen: daß der Feigenbaum nichts weniger / als der Lorberbaum dem Donner widerstehet / und daher so wohl zum Schutz als zum Nutz an die Häuser gepflantzt wird / und die an einen Feigenbaum gebundenen wilden Ochsen zahm werden. Diesemnach auch am neuen Jahres-Tage die Obrigkeiten zu Rom nachdencklich mit der Frucht dieses glückseligen Baumes beschencket werden. Wegen so vieler Fürtreffligkeiten des Feigenbaums / hat sonder Zweifel die gütige Natur ihn für fast allen andern Bäumen mit / ungemeiner Fruchtbarkeit begabt / indem sie ihn mit allem Fleisse niemals blühen läßt; wormit alle seine Kräffte der Frucht vorbehalten bleiben. Keine Frucht eilet so sehr zu ihrer Reiffung als die Feigen; ja die Nächte tragen nicht ohne Wunderwerck hierzu mehr / als die heissesten Tage bey. Uber diß schadet die unaufhörliche Fruchtbarkeit das wenigste nicht dem Stamme / wie andern sich übertragenden Obstbäumẽ; ja weil die Fruchtbarkeit mit einem Alter zuni t / läßt ihn die Natur gleichsam mit Fleiß geschwinde alt werden. Denen wilden Feigenbäumen zum besten aber zeuget diese weise Mutter eine grosse Menge anklebender Würmlein / die ihnen durch stete Bisse den rothen Safft aussaugen / durch die zehe Haut den Sonnen-Strahlen die Thüre eröffnen /und also dieses Ungeziefer wie die nachahmende Mißgunst der Tugend einen Werckzeug ihrer sonst nachbleibenden Reiffwerdung abgiebt. Scythien brach ein: Der niedrige und weiche Feigenbaum möchte sich mit seiner letschichten Frucht nur verkriechen / welche durch seine nach der Mittags-Mahlzeit genossene Feuchtigkeit leicht Feber gebähre / den weisen Anchimolus und Moscus aber so stinckend gemacht hätte /daß sie niemand bey sich hätte im Bade leiden wollen. Sein Safft wäre ja süsse; aber nur ein Schaum von der Bitterkeit seiner in Aesten steckenden Milch; also der Feigenbaum ein rechtes Ebenbild der vorwerts annehmlichen inwendig aber verbitterten Heucheley. Westwegen vermuthlich die Natur diese Frucht / nicht wie andere ins gemein / unter / sondern über den Blättern wachsen liesse / umb sie der Beschädigung des Ungewitters so vielmehr zu unterwerffen. Seine schattichten Blätter bildeten die Traurigkeit seines eigenen Stammes ab / welcher von keiner Blüthe etwas wüste / welche doch aller Pflantzen Freude wäre. Dahero die Egyptier nicht nur das Feigen-Holtz meist nur zu ihren Särchen und Todten-Kisten verbrauchten / sondern man pflegte auch mit einem Zweige von wilden Feigenbäumen / die doch zu der andern Fruchtbarkeit beförderlich sind / die Verstorbenen zu verfluchen. Diesemnach denn die Feigen nur billich eine Speise der aus denen umb ihn stets sehr beschäfftigten Ameisen dem Eacus zu Liebe entsprossener Myrmidoner /nicht aber derselben Menschen seyn solte / welche Titan aus edlerm Thone gebildet hätte. Sein Birnbaum hingegen verdiente [326] den Nahmen des besten Obst-Baumes / welcher nirgends / als bey der Meer-Enge seines Meotischen Meeres vollkommener würde. Sein Holtz käme an Härte und Glätte dem Ebenholtze am nechsten / weil es seine durchgehenden Aeste nicht knörnricht machte. Seine Blüthe wäre die annehmlichste Nahrung der Bienen / die Bienen aber der Menschen / derer Arten sich nicht zehlen liessen / oft auch auf einem einigen Stamme umb eines jeden Geschmack zu vergnügen. Denn in seinen Stock liesse sich fast alles pfropfen; dahero er ein Proteus unter den Bäumen genennet würde. Wie nun seine Fruchtbarkeit mit den Jahren wächst; also ist kein Baum /wie der Birnbaum so begierig aus seinen Wurtzeln Kinder zu zeugen. Diesemnach seine Frucht auskommentlich wäre gantze Völcker zu unterhalten; wie denn die Argäer und Tirynthier nichts als Bienen ässen. Welches so viel leichter sich thun liesse / weil man aus selbtem so wohl Wein als Essig machen könte. Weil diese nun wegen ihrer zusammen ziehenden Krafft dem Magen gesund wären / ihre Hartz-Gestalt auch andeutete: daß sie allerhand Zufällen des Hertzens dienten; dem Gifte widerstünden / theils wie Zucker im Munde zerflüssen / theils am Geruche den Musch beschämten / würden sie bey den Griechen auf den kostbarsten Gast-Mahlen in Wasser aufgesetzt. Gallien versetzte: Es hätte zwar an köstlichen Bienen einen solchen Uberfluß / als kein ander Land. Aber der Birnbaum wäre mit seinen meist steinichten Früchten zu wenig den Preiß unter den Obst-Bäumen zu erstreiten. Vielmehr gehörte dieses Vor-Recht seinen Apfel-Bäumen / derer Früchten die Natur die Vollkommenheit durch ihre Rundte / wormit sie die Sonne und die Welt abbildeten / fürgestellet. Nach ihnen wären im Menschen die Augen und die Brüste gebildet. Daher die Göttin der Liebe und Schönheit ihr einen Apfel zum Heiligthum erkieset / Canachus bey den Sicyoniern der Venus herrliches Bild in der einen Hand mit einem Mohn-Haupte / in der andern mit einem Apfel ausgeetzet; Eris einen Apfel zum Preise der Schönheit erkieset; und Paris die siegende Liebes-Göttin damit begabet hätte; vielleicht weil an den Aepfeln die zwey abwechselnden Farben der Liebhaber / nemlich Röthe und Blässe zu sehen ist. Hippomenes hätte durch die Schönheit der Aepfel die Atalanta im Wettelauffen überwundẽ / und sie hierdurch eben so wol als Acontius Lydippen zur Liebe beweget. Wegẽ dieser Eigenschafft suchten die Persen vielleicht niemals ihre Buhlschafft heim / wenn sie nicht vorher einen Apfel verzehrt hätten / und am Hochzeit-Tage ässen ihre Bräutigame nichts anders als Aepfel. Jedoch gäbe an ihnen der Geschmack so wenig den besten Früchten und denen Arabischen Würtzen / als ihre Gestalt den Rosen nach. Westwegen sie die Römer nicht nur iedesmal zu der andern Speisen Tracht gebrauchten / sondern die alten Archiver hätten für Zeiten / wie ietzt die Völcker umb Meroe / von nichts anderm / als Aepfeln gelebet. Zu geschweigen: daß in Gallien und Sarmatien unterschiedene Völcker bey dem köstlichen Aepfel-Trancke alles Weines gerne vergässen. Zumal da von ihnen auch kräfftige Gehirn- und Hertz-Stärckungen /wie auch Artzneyen wider die Pest / Geschwüre und Blindheit bereitet würden. Epicurus hätte daher nicht nur aus täglicher Speisung der Aepfel grosse Wollust geschöpft / sondern / wie wenig er auch sonst von der Göttlichen Versehung gehalten / bekennet: daß der Himmel dem Menschen durch selbte ein grosses Gut zugeeigt hätte. Aepfel wären nichts minder der nackten Weltweisen in Indien köstlichste und die Weltweißheit stärckende Gerichte. Ja die Götter hätten fast durchgehends an dieser Frucht ein sonderbar Belieben. Die dritte der Chariten [327] trüge einen Krantz von Aepfeln und Weintrauben; Apollo hätte von Aepfeln den Zunahmen Meliates überkommen / und für Verwandelung der Daphne einen Aepfel-Krantz getragen; westwegen auch bey seinem Tempel eitel Aepfel zu Bekräntzung der Sieger auf den Pythischen Spielen abgebrochen würden. Bacchus trüge sie auch in seinem Krantze / die Böotier brächte sie als das allerangenehmste Opfer ihrem Hercules; und Lucullus solte seinen Reichthum von den fruchtbaren Einkünften der Aepfel gesa let haben / weil er den zehenden davon iedesmal dem Hercules gewiedmet. Gleicher gestalt opferten die Patrenser an ihrem Laphirischen Feyer /und alle Griechen der Mycaleßischen Ceres nur Aepfel / welche auf der letztern Altare ein gantzes Jahr so unversehrt / als wenn sie erst vom Baume gebrochen /liegen blieben. Nach der Marathonischen Schlacht hatte Phidias dem Bilde seiner fiegenden Nemesis einen Apfel-Zweig an statt der Palmen in die Hand gemacht; und auf die Harnische der Persischen Leibwache wären vermuthlich aus einerley Ursache Aepfel gemahlt gewest. Diesemnach auch das Alterthum die Köstligkeit der Alcinoischen Gärte auf Corcyra von nichts mehr / als von Bäumen zu rühmen gewußt /welche des Jahres zweymal Aepfel getragen; hingegen wäre für den mörderischen Tantalus keine ärgere Straffe / als das lüsterne Verlangen nach denen für seinen Lippen allzeit flüchtigen Aepfeln auszusinnen gewest. Die Obst-Göttin hätte keine andere Frucht /als nur die Aepfel gewürdigt von ihnen den Nahmen anzunehmen; ja die Natur wäre den Aepfeln so geneigt: daß ihnen auch sonst schädliche Dinge dienlich seyn müsten / indem das von Wolffs-Milch gekochte und an des Apfel-Baums Wurtzel gegossene Wasser sie fruchtbar / Würmer aber die Aepfel weicher /wohlschmeckender und wohlrüchend machten. Persien lächelte / und fing an: Es wäre wahr / den Aepfeln gehörte der Preiß; aber keinen andern denn den Persischen / nemlich denen in dem Munde in eitel Safft zerfliessenden Pfirschken; welche die Durstigen nicht weniger tränckten / als die Hungrigen speiseten. Diese wären die annehmlichen Aepfel der Liebes-Göttin /wie die Rosen ihre Blumen / mit welchen die Pfirschken einerley Geruch und eine solche Verwandschafft hätten: daß sie von denen nahe zu den Pfirschken-Bäumen gepflantzten Rosen / ein Rosen-rothes Fleisch bekämen. Unter allen Aepfeln wären diese die gesündesten und schmackhaftesten; sie kühlten den entzündeten Magen; sie feuchteten an die Lungen; die den Purper beschämende Blüthe reinigte den Leib; vertriebe die Wassersucht; ihr Hartz diente wider Hust und Stein / der Kern wider Verstopfung des Miltzes und der Leber; und wäre ein kräfftiges Gegen-Gifft; also eine Verläumbdung: daß die Pfirschken in Persien giftig / und umb die Egyptier zu tödten dahin wären fortgepflantzet worden. Die Blätter tödteten die Würmer / und wären wegen ihrer Zungen-Gestalt von den Egyptiern ihrẽ Gotte des Stillschweigens Harpocrates gewiedmet. Von den Schalẽ der Kerne machte man die schwärzeste Farbe und Tinte; und wäre zu Rom eine Pfirschke anfangs ihrer Köstligkeit halber umb 300. Groschen gekaufft worden. Armenien schüttelte hierüber den Kopf / und sagte: So fern die Pfirschken Aepfeln und anderm Obste fürgiengen; so ferne überträffen seine Morellen die Pfirschken. Die Natur hätte sie destwegen für diesen zugleich mit Purpur und Golde bemahlet. Die Sonne machte sie so viel zeitlicher reiff / und pflantzte ihnen eben die Tugenden der Pfirschken ein. Sie wären aber viel gesünder und annehmlicher dem Magen / darinnen jene mehrmals versauerten oder faulten. Hispanien brach ein: Morellen und Pfirschken wären ihrer Ungesundheit [328] halber rathsamer aus Gärten zu tilgen / als in selbe zu pflantzen / und ihren eben so saftigen / aber viel gesündern Kirschen nicht zu vergleichen. Lucullus hätte nach überwundenem Tigranes die ersten mit grosser Sorgfalt von der Stadt Corasus im Pontus nach Rom gebracht; aber diese reichten den Spanischen nicht das Wasser; welche gar keine Hülsen hätten / sondern nichts als Safft und erquickendes Wesen waren. Ja es schiene: daß die Erde ihr Blut in keine Frucht reichlicher leitete / als in die voller Purpur-Farbe stockende Kirschẽ. Daher auch die Weinreben den Kirsch-Bäumen eingepfropft werden könten / der Wein sich mit dem Kirsch-Safte annehmlich verschwisterte / und von Kirschen das beste Blut gezeuget würde. Kein ander Obst stärckte so sehr die Leber; daher auch den Sperlingen zur Zeit /wenn sie reiff wären / die Lebern noch einmal so groß wüchsen. Sie leschten den Durst / schlüssen nach der Mahlzeit den Magen / verzehrten den gallichten Schleim / gäben dem Munde einen annehmlichen Geruch / machten Begierde zum Essen. Das von ihnen gebrennte Wasser stärckte das Hertze / hülffe der hinfallenden- und der Wasser-Sucht / stopfte den Durchlauff / vertriebe den Saad / das Oel der Kirsch-Kerne die Sprenckeln und die Gicht. Das Hartzt der Kirschbäume stärckte die Spann-Adern und zermalmte den Stein. Pannonien begegnete Hispanien und meldete: Es hätte zwar so gute Kirschen / als Hispanien / oder das hiervon eben so sehr berühmte Scythien, aber diese wären fast mehr der Vortrab des Obstes / als desselben Kern. Daher auch selbte meistens Früchte des unzeitigen Frühlings / und nur ein kleiner Vorschmack der so saftigen aber viel grössern Pflaumen wären; derer etliche Arthen in Pannonien die Grösse der Hüner-Eyer erlangten. Damascus / Armenien /Iberien und die fruchtbarsten Länder kämpften mit ihren Pflaumen umb den Vorzug; wiewohl Italien für des Cato Zeit nichts von ihnen gewüßt hätte; aber Pannonische wären allen an Grösse / Geruch / Geschmack und Menge überlegen; wo man ins gemein auf den Pflaumbäumen mehr Früchte / als Blätter zehlte. Ihre unterschiedene Arthen wären eben so wohl zu unterschiedenen Artzneyen dienlich / ja die Armenier vermählten mit diesen Bäumen den Safft und die Würckung der reinigenden Kräuter. Ihr Hartzt hülffe dem Steine ab; und der veralterten Stämme Holtz schätzten die Drechsler dem Indianischen gleich; und die Griechen diese Frucht so werth: daß sie Uberwinder im Kämpfen damit kräntzetẽ. Mauritanien streckte hierüber seinen braunen Hals herfür /und fieng an: Die Pflaumen dienten zwar auch ihrem Durste / und gleichten etlicher massen seiner Farbe. Aber es wäre der Pflaumbaum mit seinen Früchten gegen seinem Schatten-reichen Tamarinden-Baume nur ein Schatten; dessen Blätter zum Zeichen seiner mit der Sonnen habenden Verwandschafft sich iederzeit dem grossen Auge der Welt / wie die Sonnenwende zukehrten / mit dem untergehenden sich zusammen schlüssen / mit dem aufgehenden sich wieder öffneten. Seine schneeweisse Blühte wäre der Pomerantzen-Blühte gleich / seine schwartzen Mohren-Früchte hielte die Natur so werth: daß sie solche nicht alleine wie die Erbsen in Schalen verwahret hätte; sondern womit der Nacht-Frost den zarten Tamarinden nicht schadete / hülleten so denn die sich zusammen schlüssenden Schalen die Frucht wie Windeln die Kinder ein. In ihr wäre der Honigseim mit der annehmlichstẽ Schärffe vermählet; die heissen Länder hätten keine gesündere Durstleschung. Denn die Tamarinden benehmen den Feuchtigkeiten die Schärffe / dem Geblüte die übrige Hitze. Sie kühlten die Leber / reinigten die Galle / vertrieben die scharffen und faulen Feber. Assyrien wunderte sich: daß Africa mit einem von ihm und Indien [329] geborgten Baume den Vorzug zu behaupten vermeynte / welchen die gantze Welt seinem Palm-oder Dattel-Baume zuerkennete / und in dem sich die Natur als an ihrem mühsamsten Meister-Stücke erlustigte. Alle andere Stämme wären viel zu geringe / daß er darauf wüchse; und ein einiger Dattel-Kern zu wenig. Daher ihrer wol drey hundert zusammen in die Erde gelegt werden müsten / wormit aus aller sich zusammen flechtenden Bäumen ein so edler Baum entsprisse / gleich als müste er viel Ahnen zu seinem Geschlechte haben. Er wüchse nur in saltzichtem Erdreiche / und dörffte doch vieler Begiessung / weil in den Datteln das rechte Saltz der Erde und die Süssigkeit des Wassers vereinbart wäre. Kein Palm-Baum wüchse irgendswo von sich selbst / wo andere Bäume wüchsen / gleich als wenn ihm wie dem nur an unfruchtbaren Orten wachsenden Golde /die Gemeinschafft anderer Stauden nicht anständig wäre. Er wäre nirgends fruchtbarer / als wo es niemals regnete / entweder weil er mit keiner euserlichen Fruchtbarkeit wolte betheilet seyn; oder weil er mit den Sonnen-Strahlen sich unzertrennlich zu begatten lüstern wäre. Diesemnach denn die in Griechenland und Italien mit grosser Müh fortgepflantzte Palm-Bäume keine / in Cypern nur unreiffe / in Egyptẽ und Africa kleine und nicht tauernde / im Jüdischen Lande etwas bessere / beym dürstigen Babylon aber die besten Datteln trügen. Der Palmbaum wäre ein solcher Freund der Reinligkeit: daß er für dem Tinger von Vieh die gröste Abscheu trüge / das Weinlager aber gerne annehme. Diesemnach er denn auch mehr Nahrung aus der Lufft / als aus der Erde an sich züge /und die Verletzung seines Hauptes / in welchem sein Gehirne oder Kern vereinbart läge / gefährlicher / als die Verwundung seiner Wurtzeln / sein Sta auch oben stärcker als unten wäre. Die Weisen wüsten zwar viel vom männ- und weiblichen Geschlechte /von verwechselter Buhlschafft / und Vermischung der Pflantzen zu sagen; aber ohne des Palmbaums Zeugnüß / bey welchem alles diß Sonnenklar herfür leuchtete / würde ihre Lehre sehr zweifelhafft bleiben. Denn des männ- und weiblichen Palmbaums schilffichten Zweige umbarmten und küsseten einander augenscheinlich / und mühten sich einander in der Ferne zu erreichen. Die allzu weit entfernten aber vereinbarten die Ackers-Leute mit einem Seile; oder bekräntzten des weiblichen Palmbaums Haupt / aus dessen Marck oder Kerne alle Früchte entspriessen / mit denen weissen Blühten oder der Salbe des männlichen; worvon jener nicht nur seine Zweige empor streckte / sondern auch so viel mehr Datteln trüge. Sintemal der nur Blühte-tragende Mann sein nur Frucht-tragendes Weib mit einem staubichten Saamen überschüttet / und selbtes wie der wilde Feigen-Baum die zahmen / etliche Fische die Fisch-Eyer mit Befeuchtung ihres Saamens fruchtbar macht; wiewohl auch die gar zu weit entfernten von ihres Mannes blossem Anblicke etlicher massen geschwängert / alle verwittibte aber / nach Abhauung des männlichen Palmbaums unfruchtbar würden. Gleichwohl aber brächte der Palmbaum erst nach einem hohen Alter seine purpurfarbichten Früchte. Denn köstliche Sachen brauchen Zeit zu ihrer Vollkommenheit; ja die Datteln selbst wüchsen drey Jahr / und ihr Fleisch würde nicht für einem Jahre reiff. Hingegen taurete der Palmbaum auch etliche hundert Jahre / weil seinem dichten Stamme weder Ungewitter / noch Fäule /noch Würmer etwas anhätten / seine ohne Aeste grünenden Zweige auch niemals verdorrten. Ja zu Delos solle noch ein Palmbaum stehen / der so alt als Apollo wäre. [330] Diesemnach die Egyptier ihre Götzen nicht mehr aus Pantoffel- sondern aus Palmen-Holtze schnitzten. Seine bitter-süssen von den Zweigen wie Hirse / von den Eeren oder Kolben hangenden Früchte wären eine höchst annehmliche / und dem Magen dienende Speise / und daher nicht nur ein tägliches Gerichte des Käysers August; sondern sie würden auch zu Rom an dem Feyer des Saturnus von guten Freunden einander zu beschencken geschickt. Aus den Datteln machten die Assyrier Brodt / presten daraus einen guten Wein / der nicht alleine den Durst leschte / sondern auch die Krafft hätte truncken zu machen /und die Leichen für der Verwesung zu erhalten / welche die Egyptier damit wüschen. Das Marck des Baumes wäre nichts minder ein gutes Gerichte. Die drey oder viel Ellen langen Zweige / welche sich umb des Baumes Haupt in einen Kreiß ausbreiteten / dienten zu festen Seilen / zu geflochtenen Schuhen / Hüten und Sonnen-Schirmen. Ja die Palmen-Zweige wären die ersten Schreibe-Federn und der Musen ältester Krantz gewest. Aus der Palmbäume Oel und Asche machte man die schönste Seiffe / und ihr Holtz gäbe die beständigsten Balcken ab / weil selbte keiner Last nachgäben / sondern ihr entgegen drückten. Aus welcher Ursache alle grossen Uberwinder mit Palmen-Zweigen prangten / seit dem Theseus nach überwundenem Minotaurus / die Sieger auff seinen dem Apollo zu Ehren angestellten Spielen mit Palm-Zweigen bekräntzt hätte. Ja die Palmen wären nicht nur Zeichen / sondern Wahrsager der Siege. Sintemal ein junger Palmzweig / welcher in wenig Tagen seine Mutter überwachsen / dem Käyser Julius den Sieg bey Munda in Hispanien / und ein auff der Wallstadt / wo Julius des Pompejus Söhne überwunden / wie auch ein zu Rom für seinem Hause gewachsener Palmbaum dem August seine Siege angedeutet / dieser auch seine Uberwindung Egyptens gar nachdencklich auf vielen Müntzen mit einem an einen Palmbaum gebundenen Krocodil bezeichnet hätte. Zu geschweigen: daß in den heiligen Geheimnüssen der Götter die Palm-Zweige nicht weniger / als die von Oel-Bäumen gebraucht würden; und die Persier in einem tieffnnigen Getichte so viel Tugenden des Palmbaumes / als Tage im Jahre zu zehlen wüßten. Indien brach hierüber sein Stillschweigen / und sagte: Verdienen die unverdäulichen den Miltz und die Leber verstopfenden Datteln so viel Ruhm / so kan kein Mensch sein Lebtage die Tugenden der Indianischen Nüsse und meines Kokos-Baumes erzehlen. Gegen diesem funfzig und mehr Füsse hohen Riesen-Baume / bey welchem einem offt das Gesichte vergehet / sind die meisten andern Bäume Zwerge; welchem die Sturm-Winde nichts anhaben / ungeachtet seine seichte Wurtzeln kaum von der sandichten Erde / die er am meisten nebst dem Meer-Ufer liebet / bedecket werden. Er grunet unaufhörlich / und ist das gantze Jahr nie ohne reiffe Früchte / welche er schon im fünften Jahre seines Alters träget / ungeachtet sein Alter drey und vier hundert Jahr übersteiget. Ungeachtet er nun in Indien so gemein /als in Lusitanien die Oelbäume / in Deutschland die Weiden; so ist doch seine Fürtreffligkeit unbeschreiblich / ungeachtet so wohl seine Blätter dienliche Schreib-Taffeln / als das Marck dieses Baumes das beste Papier abgibt. Sein Holtz ist feste / dichte und gläntzend / wie Nußbaum-Holtz / also zum Bauen das geschickteste. Die schilffichtẽ aber sehr grossen Blätter dienen zu Dächern / zu Sonnen-Schirmen und aus selbten lassen sich zierliche Kleider flechten. Aus der aufgeritzten [331] ascherfarbichten Rinde / oder aus einem abgeschnittenen Zweige rinnet ein annehmlicher / iedoch starcker Milch-Saft so häuffig: daß in einem Tage vier Maß davon voll werden. Seine dreyeckichten von den Blättern als Schilden bedeckte Nüsse aber wären ein rechtes Wunder der Natur. Ein Baum trüge derer zu hundert und zweyhunderten / und kämen an Grösse den Straussen-Eyern und Menschen-Köpfen gleich. Dieser Nuß euserste braune Schale wäre gantz fäßricht / dessen zärtestes Theil zu dinnem die Seide beschämenden Gewande / das gröbste wie Hanff zu Seilen / die innerste beinichte Schale aber zu köstlichen Trinck-Geschirren diente / und in Gold eingefaßt würde. So sorgfältig hätte die Natur diese edle Frucht verwahret / daß sie darinnen etliche Jahr tauerte. In denen noch nicht allzu reiffen Nüssen aber wäre ein so süsser und annehmlicher Safft / für die Dürstenden verwahret / gegen welchem man für dem besten Weine einen Eckel beko t / und der ein Nectar der Götter zu seyn verdienet. Dieser Safft würde nach und nach zu Honig und Zucker / endlich aber zu einem wohlschmeckenden und einer geronnenen Milch gleichenden Kerne; welcher nicht nur eine nährende Speise / sondern auch eine Hertz- und Nieren-stärckende und dem Scharbock steurende Artzney abgibt; und so wohl ein Labsal der Armen / als ein Himmel-Brodt genennet zu werden würdig ist. Massen man denn daraus nicht nur köstliches Mehl und Brodt / sondern auch den stärcksten Brandt-Wein / eine Mandel-Milch / und das beste kläreste Oel in die Lampen presset / welches den Leib reinigt / die Schmertzen der Glieder stillet; denen güldenen Adern und der Blase dienet. Insonderheit aber scheinet dieser das Saltz und das Meer liebende Baum gleichsam ein rechtes Heiligthum der Schiffarth zu seyn. Denn sein Stamm gibt die höchsten Mast-Bäume / sein Holtz die festesten Ruder und Bohlen / das Gefäßer seiner eusersten Nuß die im Saltz-Wasser unversehrlichen Seile und Thauen / seine Blätter geben die Segel / seine Frucht aber Brodt / Wasser / Oel / Wein /Essig / Zucker / Milch / Honig / Brandt-Wein / und also die vollkommenste Ladung; also: daß die Indianer nicht unbillich einen sehr nützlichen Menschen einem Kokos-Baume vergleichen. Das Atlantische Eyland brach ein: Wen würden sie denn meinem viel nützlichern Maguey-Baume vergleichen? welcher den Einwohnern ihre gantze Lebens-Nothdurfft zu geben reich genung ist. Die Spitzen der Blätter geben Nägel / Neh-Nadeln ab / welche sie mit einem daran hangenden Fademe daraus ziehen. Mit den Blättern selbst deckt man die Häuser / machet daraus Schüsseln / Papier / Leinwand / Schuh / Kleider / Weber-Karten /und Waffen. Ja die gekochten dicken Blätter geben nicht nur eine den eingemachten Citronen gantz gleich schmeckende Speise / sondern auch ein unvergleichliches Wunden-Pflaster / und heilsames Mittel wider die Gicht-Schmertzen ab. Aus dem Stamme rinnen viel Eymer süssen und gesunden Wassers für die Dürstenden. Welches / wenn mans siedet / zu Weine /wenn mans neun Tage an der Sonne stehen lässet / zu Essig / wenn mans lange kochet / zu Honig / und wenn dieser eintrocknet / zu Zucker wird. Aller dieser Safft aber ist eine bewehrte Nieren- und Blasen-Artzney. Das Serische Land schüttelte hierüber den Kopff / und fieng an: Man machte von dieser Staude mehr Geschrey / als Wesens dran wäre / und müste sie sich für seinem dreyerley Rosen tragenden Thee-Strauche ins [332] Graß und in Staub bücken. Sein Stamm wäre zwar keine die Wolcken durchbrechende Ceder; aber ihre selbst eigene fünferley Blätter / worunter die kleinsten die kräftigsten und theuersten wären / dienten ihm zum Troste: daß die Wunder der Natur nirgends grösser als in den kleinsten Dingen wären. Uber seine weisse Kraft-Blumen / wären seine mit heissem Wasser getrunckene Blätter eine allgemeine Sättigung und Artzney der Morgen-Länder. Diese trockneten die schädlichen Feuchtigkeiten aus / zertrieben den Schleim / vertrieben die Schlafsucht / benehmen die Trunckenheit mit ihrem Ubel / stärckten das Gehirn /erquickten die Lebens-Geister / ja wo dieser unschätzbare Tranck genossen würde / wüste kein Mensch nicht einst von dem Nahmen / weniger von Schmertzen der Gicht und des Steines. Diesemnach nicht nur seine Einwohner / sondern die gantze Welt diesen Serischen Rosen-Strauch in Himmel zu erheben / und dem ungewissen Steine der Weltweisen vorzuziehen hätten. Egypten begegnete ihm: die Serer möchten ihnen ihre bittere und wenig rüchenden Thee-Blätter behalten. Sein grosser und den Nuß-Bäumen ähnliche Caßien-Baum hätte so viel mehr Tugenden / als Blätter für andern Bäumen. Seine starcke Aeste starrten gleichsam für Blumen / welche an Gestalt vollen Rosen gleichten / an Farbe das Gold / an Geruch die Indianischen Nägel sonderlich beym Aufgange der Sonne übertreffen. Daher die Egyptier sich täglich früh unter diesen Bäumen mit der hiervon eingebalsamten Morgen-Lufft erquickten. Die Blüthen selbst aber wider die hitzigen Nieren in Zucker einmachten. Aus diesen wüchsen lange Schalen wie Röhre / wel che noch grün mit Zucker eingemacht würden / und das köstlichste Latwerg abgäben. Sonst aber reifsten sie ein gantz Jahr / brächten in ihren schwartzen und harten Rohr-Schalen die gesündeste Frucht und Saamen; welche entweder an sich selbst eine süsse Speise abgäbe / oder in einem Trancke von Zucker und Süsseholtze als die allerbewehrteste Artzney wider den Stein / die Engbrüstigkeit / den Husten / die Gicht /und alle Beschwerden der Nieren und der Blase genossen würde. Diesem wunderschönen Baum wäre überdis diese Redligkeit eingepflantzt; daß die ihres Honigseimes beraubte Caßia bey wehendem Winde in den dürren Schalen durch einen artlichen Klang sich verriethe. Das Eyland Taprobana / welches alleine die gantze Lufft mit seinem Atheme einbisamte / fieng an: Es solte der Caßien-Baum nur seine Larve abnehmen. Sintemahl der Alten Irrthum der Caßia / welche in Indien doch viel besser und würtzhafter / als in Egypten wüchse / viel dem Zimmet alleine zuständige Eigenschaften zugeschrieben / ja solche gleichsam gar mit einander vermenget hätte / da sie doch von einander wie die Mohren von den Deutschen unterschieden wären. Gleichwol aber hätten auch die / welche die Caßia so sehr geschmincket / nachgeben müssen: daß die Helffte des Zimmets so gut und kräftig / als zwey Theil Caßia wären. Denn der Zimmet-Baum wäre ein rechtes Kind der Sonne; welcher in ihn ihre nährende und lebhafte Wärmbde gleichsam selbstständig einflößte / die reiffe Rinde von den Zweigen ablösete /und sie hernach durch ihre Abdörrung vollkommen brauchbar und tauerhaft machte. Maßen er denn auch dem der Sonne gewiedmeten Lorbeer-Baume an Blättern und Beeren gantz ähnlich / und für den Indischen Lorbeer-Baum gehalten würde. Diesemnach auch der Sonnen-Vogel Phönix von seiner Rinde sein Nest und Begräbnüs bauen / und der statt der Sonnen verehrte Bacchus in einem Zimmet-Walde auferzogen seyn solte. Welches nirgends als auf Taprobana seyn könte / weil allein dieses Eyland [333] grosse Zimmet-Wälder /und diese den allerköstlichsten Zimmet hätten. Die Fürtrefligkeit dieser wolrüchenden und anmuthig beißenden Rinde wäre daraus abzunehmen: daß auf dem Gipfel des Baumes die beste wüchse / die sie ablöseten / der Sonne durchs Loß ein gewisses Theil zum Opfer anzünden müsten; und der Alten Meinung nach / diese unschätzbaren Bäume von Schlangen / wie die güldenen Aepfel von Drachen / und das güldene Flüß von Feuer-speyenden Ochsen bewachet würden. Diese trügen zwar schneeweisse und wolrüchende Blumen /wie auch grüne und endlich schwartz-werdende Beeren; welcher Oel der Kälte des Magens und der Spann-Adern abhülffe; aber die Natur hätte umb etwas absonderliches auszumachen die sonst geringste Rinde zum Kerne des Zimmet-Baumes gemacht /und in jene / besonders aber in ihr innerstes Häutlein den gantzen Geist des Zimmet-Baumes / ja aller Würtzen verschlossen. Er wäre ein rechtes Vorbild der kräftigen Jugend. Denn die zärtesten Bäume trügen den kräftigsten Zimmet; und je fleißiger die Rinde abgeschälet würde / je besser und zärter wüchse sie wieder / wiewol sie zu ihrer Vollkommenheit zwey oder drey Jahr von nöthen hätte. Diese machte durch ihre Würtzung nicht nur alle Speisen angenehm / wärmete alles erkaltete / sondern das aus dem Zimmet gepreßte Oel gäbe den stärckesten Balsam / sein Wasser für den Magen / die Leber / den Miltz und das Gehirne die kräftigste Stärckung / wider Gifft / hinfallende Sucht / Darmgicht und alle Erkältungen eine bewehrte Artzney ab. Deutschland brach ein: es möchten alle Länder der Welt ihre Artzney-Bäume rühmen / wie sie wolten; so reichte doch keiner hierinnen seinem an allen Zäunen und Gräben wachsenden Holder-Baume das Wasser. Der unvergleichlichte Hippocrates wüste selbst seine Tugenden nicht zu erzehlen / und der klügste Narr / der jemals in der Welt gelebt / Junius Brutus hätte sehr nachdencklich in des Holderbaums ausgehöletem Holtze dem Delphischen Apollo oder dem Artzney-Gotte sein Gold geopfert / und dadurch verdienet dem von dem Joche seiner Könige erlösetem Rom fürzustehen. In dem gantzen Baume wäre nichts so geringe / das nicht sehr heilsam wäre. Seine gekochte Wurtzel heilete die Wassersucht / und Schlangen-Bisse / seine Schale kühlete die Hitze der Gicht und verwahrete für der Pest. Die Blätter hülffen den Augen-Ohren- und Haupt-Schmertzen ab. Hinderten die Entzündungen / trieben den zehen und gallichten Schleim ab. Die aufwerts abgebrochenen Knospen führten durch Brechen / die unterwers abgenommenen durch den Stuhlgang schädliche Feuchtigkeiten ab. Die Asche von den Blättern stillte das Nasenbluten. Die starck und wolrüchenden Blüten reinigten den Leib / ihr Wasser kühlete alle übermäßige Hitze / benehme das Hauptweh / heilete die Geschwüre; der davon gemachte Eßig stärkte den Magen / zertriebedie rohen Feuchtigkeiten / und machte Begierde zum Essen. Das Oel aber heilete die verbreñten Glieder. Der Safft seiner Beeren reinigte das Geblüte / triebe den Schweiß / hülffe wider die Wassersucht / und die rothe Ruhr. Die Körner in den Beeren beförderten das Wasser / dienten den Geburts-Gliedern / reinigten den Leib. Und ihr daraus gebrennetes Wasser stillete die Mutter-Ersteckungen. Der aus dieses Baumes Blättern / Blüthe und Rinde mit Weine übergezogene Geist aber öfnete die Verstopffungen der Leber und des Miltzes / triebe den zehen Schleim ab / verjagte das dreytägichte Feber / stärckte den Magen / benehme die hitzige Röthe den Augen / heilete die alten und kalten Geschwüre / benehme das Zittern den [334] Händen. Die an seinem Stamme wachsenden Schwämme wären die auserlesenste Artzney wider verschwollene Hälse. Mit einem Worte: die Natur hätte diesen Baum als einen Feind aller Kranckheiten in das Erdreich gepflantzet / ja für erfundenem Zinober hätten die opfernden Menschen nicht nur ihre Antlitze / sondern gar die Bilder ihrer Götter mit Holder-Saffte gefärbet. Taprobana fragte mit einer höhnischen Gebehrdung: ob unter dem kalten Angelsterne und dem frostigen Deutschlande auch Bäume wüchsen? wo aber dis gleich wäre / könte in seinen Gewächsen so wenig was heilsames / als im Schnee Feuer verborgen seyn. Indien hingegen wäre das Auge der Welt / und Taprobana mit seinen verschwisterten Eylanden der Aug-Apffel und sein lange tauernder / und des Jahres zwey oder drey mal frucht-bringender Mußcat-Baum ein rechtes Wunder der Natur / zumal da dieser so gemein wäre / und ungepflantzet aus denen auf die Erde von Menschen oder Vögeln verstreuten Nüssen wüchse. Seine lichte / gelben und denen Pomerantzen-Blättern nicht ungleiche Blätter gäben grün und dürre / sonderlich wenn sie gerieben würden / den annehmlichsten Geruch von sich / und eine kräftige Artzney ab. Seine Blüte wäre lieblich; seine länglicht-runden Nüsse aber hätten in ihrer Kleinigkeit mehr Krafft als die gröste Kokos-Nuß in sich / welcher die euserste fleischichte Schale / wenn sie eingemacht würde / gleich käme / und die beste Latwerck abgäbe. Unter dieser umbgäbe die roth und goldgelbe Mußcaten-Blume wie ein zierliches Netze die harte Schale. Diese Blume wäre der edelste Kern aller Gewürtze / und nicht nur das wolgeschmackste Vorgerichte / in niedliches Mächsel aller Speisen; sondern uch so wol als sein unschätzbares Oel die kräfgste Artzney kalter Magen / zusammen gezogener Sehnen und starrender Spann-Adern. Keine schlechtere Tugenden hätte der in der harten Schale verwahrete Kern / denn die Mußcaten-Nuß stärckte das Gehirne / schärfte das Gedächtnüs / wärmete den Magen / verbesserte den Athem / zertriebe die Blähungen / welcher ihrer Köstligkeit halber nunmehr die Küchen- und die Artzney-Gewölbe der Welt / weniger / als einigen andern Dinges zu entpehren wüsten. Africa versätzte: der Mußcaten-Baum redete hiermit seiner Trauben-tragenden und keiner Pflegung dürffenden Pfeffer-Staude / als welche die Indianischen bey weitem übertreffe / zu nahe / die eben so unentpehrlich als das Saltz wäre /ja den Abgang dieses so nöthigen Gewürtzes / ohne welches schwerlich einig Gewächse sein Leben haben oder gezeugt werden könte / zu vertreten vermöchte /die Begierde zum Essen erweckte / und bey rohen Speisen die Stelle eines Koches vertrete. Die Natur hätte seine Pfeffer-Körner mit allem Fleiße zu einer Würtze aller Speisen / und zum Magen-Pflaster der Menschen bereitet; und gleichsam das selbst-ständige Wesen des Feuers mit seiner Pflantze unschädlich vermählet. Taprobana begegnete Indien: die Pfeffer-Staude verdiente nicht einst den Nahmen eines Baumes; weil sie nicht die Kräfften hätte alleine über sich zu wachsen / wenn sie sich nicht wie Epheu und Hopffen umb einen andern Stamm zu flechten Gelegenheit hätte; Sein mit vielen Zweigen blühender und die dicke eines Mannes erreichender Nägelbaum trüge nicht nur so häuffige und bey zwantzigen die voller gesunden Feuers steckenden Nägel / sondern auch seine Blüten biesamten nicht nur die Lufft weit und breit sonderlich bey truckenen Jahren ein; sondern sie spielten auch anfangs mit weißlichter / hernach mit grüner / folgends röthlich / und endlich schwartzer Farbe. Seine feurigen Früchte / welche wie die Sonne in der Nähe gantze Tonnen Wasser in dünne Lufft zu zertheilen und an sich zu ziehen Kräffte hätten /wären genung [335] die Stelle aller Würtzen zu vertreten /und so wol allen Mängeln des Gehirnes / als des Magens und der erkälteten Glieder abzuhelffen. Ja auch seine Blätter / Zweige / und das von ihm flüssende Hartzt wären bewehrteste Artzneyen. Indien ward gegen sein eigen Geschwister / nemlich gegen Taprobana und seine benachbarte Eylande eyversüchtig; fuhr also heraus: Weñ das verzehrende Feuer in der Natur das beste wäre / würden sie mit ihren brennen den Frucht-Bäumen allerdings den Vorzug behaupten. Weil aber diese die Eingeweide und das Geblüte allzu schädlich entzündeten; die mittelmässig-vermischten Nahrungs-Pflantzen aber so viel mehr Ruhm verdienten / als sie Nutzen stifteten / wäre sein schilffichter Musa-Baum Nägeln / Mußcaten und Zimmet weit vorzuziehen. Sintemal seine grünlicht gelbe Feigen-Frucht / welche zu zweyhunderten auf einem etlichen Männern kaum tragbaren Zweige wächst / nicht nur überaus schmackhafft / sondern gantz Indiens Semmel-Brodt ist; ohne welches viel seiner Länder erhungern müsten; von dieses einigen Baumes Fruchtbarkeit aber gantz Morgenland sein Auskommen haben /und aller andern Speise leicht entbehren könte. Zumal da dieser Baum / ungeachtet sein gantzer Stock bis zur Wurtzel abgeschnitten wird / alle Monat wieder wächset / und des Jahres zwölfmal Früchte bringt. Africa versätzte: Es wäre wahr / daß dieser Feigenbaum Indiens Speise-Kammer genennt zu werden verdiente. Wenn aber das Brodt den Vorsitz behaupten solte /würden unterschiedene giftige-aber gesundes Brodt abgebende Wurtzeln und Kräuter des Atlantischen Eylandes / und Egyptens / ein Baum der Serer und der glückseeligen Inseln / und insonderheit seine Mauritanischen Weitzen-Stengel allen Bäumen den Preiß abrennen. So aber wären Schönheit-Nahrungs- und Artzney-Kräfte zur Vollko enheit von nöthen. Alles dieses wäre an seinem viel zweigichten Quitten-Baume befindlich / dessen Vollkommenheit daraus erhellete / daß auf dessen Sta sich zwar vieler andern Bäume Zweige / seine Zweige aber auf keinen andern Stamm pfropffen liessen / seine Blüthe wären vollkommene Rosen / welche die Sonne durch ihre Würckung im Frühlinge herfür triebe: daß hiemit selbten gleichsam die Hörner des gestirnten Wieders und Ochsens bekräntzte. Seine anfangs graurauche hernach gelbe Frucht wären die rechten güldenen Aepffel der Hesperiden / welche von dem einen Drachen abbildenden Mittel-Meere bewahret würden. Diese hätte Hercules in Hispanien / Italien und Griechenland überbracht; westwegen sein marmelnes Bild zu Rom drey Quitten-Aepffel in der Hand trüge. Sie hätten nicht allein selbst einen erquickenden Geruch; sondern sie machten auch den Athem wolrüchend. Daher hätte Solon in seinen Gesätzen befohlen: daß jede Braut für dem Beylager Quitten essen müste / und sie ihr Bräutigam damit / als mit einem Merckmale ihrer unversehrten Jungfrauschafft begabte. Es hätten sie auch die Erde der Juno und Jupitern; dieser aber sie der Venus geschencket / welcher uraltes Bild in Deutschland drey Quitten in Händen hätte. Sintemal die Aepffel der Liebes-Göttin sehr beliebt seyn müsten / weil ihre Blüten das Frauenzimmer schön machte / die oft von schwangeren Frauen genossene Frucht verursachte: daß sie sinnreiche und mühsame Kinder auf die Welt brächten / und durchgehends die menschlichen Leiber erfreueten. Das daraus gemachte Quittenbrod wäre nicht nur die annehmlichste Speise und kräftigste Erquickung; sondern auch eine heilsame Artzney für den Magen und Miltz wider die Ergießung der Galle / rothe Ruhr und Wasser-Sucht. Der Safft schlüße für der Speise den Leib / öfnete ihn hernach / und dämpffte die aus dem Magen ins Haupt empor steigende Dünste. Das Oel stillte die Stein-Schmertzen / die [336] Blüthe die Hitze der Augen. Die Frucht der Kwitten erquickte das Haupt und Gehirne /ja in ihrer bloßen Anwesenheit verliere das Pharische Gifft seine Schädligkeit. Denen von Kwitten-Bäumen essenden Hirschen schadeten die mit Niesewurtz vergifteten Pfeile nichts; und also hätten sie auch Kräfften wider Pest und anfällige Seuchen. Assyrien fiel Africa in die Rede / und sagte: Africa möchte sich schämen seine ohne Kochung uneßbare und gelbsüchtige Kwitten für güldene Aepffel zu verkauffen / dieser Nahme käme mit Rechte keiner andern Frucht / als seinen Granat-Aepffeln zu; welche Africa selbst als das herrlichste Gewächse des Berges Atlas und der Hesperischen Gärte in der Hand trüge / die Pelaßger aber sich rühmeten: daß sie den ersten Granat-Apffel-Baum auf Cypern gepflantzt hätten. Alleine die Egyptischen / welches aus herben Kernen süße / und Cilicien / welches an der Bach Pinarus Granat-Aepffel ohne Kerne zeugte / gestünde Assyrien selbst zu: daß in der gantzen Welt keine bessere Granat-Aepffel / als umb ihr Babylon wüchsen / welche eitel Safft ohne herbe Kerne / oder doch so weiche Kerne hätten: daß man sie mit allem / was darinnen wäre / äßen könte. Dis aber wäre eines jeden Baumes rechtes Vaterland /wo er zur höchsten Vollkommenheit käme. Sein Granat-Baum aber wäre der unschuldigste unter allen Bäumen / weil seine wenigen Wurtzeln nicht raubrisch umb sich grieffen / und andern Gewächsen ihren Safft entzögen / sondern sich mit weniger Nahrung der Erde / und einer freygebigen Wasser-Hand vergnügte. Er wäre ein herrliches Bild der gleich durchgehenden Gerechtigkeit; Sintemal jeder Baum einem jeden seiner Granat-Aepffel / wenn sie schon an Größe einander gantz ungleiche wären / nicht einen einigen Kern mehr oder weniger einpflantzte / als dem andern. Zu geschweigen / daß die Granat-Aepffel nicht ihre rechte Würckungen ausüben solten / wenn sie nicht umb einen billigen Preiß verkaufft und bezahlet würden. Er hegete mit dem Mandeldem Oel-und Lorbeer-Baume eine sonderbare Freundschafft; ja er verschmähte nicht die geringen Weiden; insonderheit aber küsseten und vermählten sich seine Wurtzeln begierigst mit dem Myrthen-Baume: daß beyder Blätter nicht allein einander gantz gleich; sondern ihre Nachbarschafft auch eine Ursache mehrer Fruchtbarkeit wäre; könte also kein besser Sinnebild für eine fruchtbare Freundschafft ersonnen werden / als ein mit Granat-Aepffeln durchflochtener Myrthen-Krantz. Diesemnach ihr denn auch die keusche Liebes-Göttin diesen Baum / dessen Aepffel doch der Liebes-Brunst widerstehen / eben so wol / als die Myrthen zugeeignet / und ihn / wie den ihr gewiedmeten Rosenstock /mit spitzigen Dornen gewaffnet / und vom Paris einen Granat-Apffel / keine verächtliche Quitte / zum Siegs-Preiße ihrer Schönheit bekommen hätte. Diesemnach die Vorwelt diesen Baum aus göttlichem Saamen /und entweder selbst aus des Bacchus / oder aus des von dem Jupiter gezeugten / von dem Bacchus aber seiner Männligkeit beraubten Adgestes Bluts-Tropffen entsprossen zu seyn geglaubet hätte; ja von einem diesem verwandelten Baume abgeno enen und in die Schoos gelegten Granat-Aepffel solle Nana den Atys empfangen haben. Ist sich also über die Fruchtbarkeit des Granat-Apffelbaumes / daß er seine Kinder zu Tausenden bringt / gar nicht / vielmehr aber deßhalben zu verwundern; daß / ob wol seine Blüthe grossen theils / seine Früchte aber alle in voller Flamme und Purper stehen / dennoch er im Schatten besser als an der Sonne wächset / und seine Aepffel dort zeitlicher reif werden; westwegen vielleicht getichtet worden: daß sie auch in Elysischen Feldern wüchsen / und die geraubte Proserpina / weil sie von einem daselbst abgebrochenen drey oder sieben Kerne gessen / auf ihrer Mutter sehnliches Verlangen [337] nicht hätte wieder können ans Tagelicht kommen; westwegen so wenig die Zweige von diesen Bäumen bey den Arcadiern in Proserpinens Tempel gebracht / und die von Granat-Aepffeln essenden Frauen zu dem Thoßmophorischen Feyer der Ceres gelassen; als auf selbtem die Granat-Aepffel Kräntze verworffen würden. Wie aber dieser unzeitige Haß der für Leide gramhaftigen Ceres; noch auch / daß bey Thebe in Boetien auf dem Grabe des Mecänus ein Granat-Apffel-Baum mit blut-rother Frucht gewachsen / der Würde dieses Baumes nichts benähme; also diente ihm zu grossen Ruhme: daß ohne ihn die Elysischen Felder nicht glückseelig seyn könten. Ja er verdiente mitten in die gestirnten Gärte des Himmels gepflantzt zu werden / denn seine theils schnee-weisse-theils Rosen-theils Feuer-färbichte Blüthen / und seine purpernen Aepffel hätten keine irrdische grüne / sondern eitel Sternen-Farben / auswendig an den harten Schalen kräftige Pyropen / inwendig an Kernen genoßbare Granat-steine an sich. Ihr theils süsser / theils säuerlicher / theils vermischter Safft wären die allerschmackhaftesten Rubinen /welche die Meister-Hand der Natur so künstlich / als die Bienen den Honig / in gewisse Fächer eintheilte. Jeder dieser mit Edelgesteinen und Nectar angefülleten Aepffel wäre ein Vorbild eines unerschöpflichen Reichthums. Daher ihm Darius so viel treue Zopyren gewünscht hätte / als in einem Granat-Apffel-Baume Kerne steckten. Ein Sinnbild der die Menschen den Göttern gleichmachenden Freygebigkeit / welche umb ihren himmlischen Safft den Dürstenden oder Krancken anzubieten für Liebe zerplatzten. Maßen denn ihr Safft in allen Speisen als eine kräftige Erquickung gemischet / und die Gerüchte mit den Kernen als Edelgesteinen ausgezieret würden. Jedoch hätten diese Aepffel in sich mehr Artzney als Nahrungs-Kräfften; daher auch kluge Aertzte sie denen Krancken / welchen die Speise schädlich wäre / verschrieben. Die ihrer Süßigkeit halber auch an Farbe und Größe vollkommensten dienten der Brust / hülffen dem Hust und dem Seitenstechen ab / wärmeten auch den Magen / die herben befreyten ihn von gallichten Feuchtigkeiten / erfrischten die Leber / stillten den Durst / benähmen das Hertzweh / der daraus gepreßte Wein wäre das kräftigste Labsal der mit Feber und Hauptweh beladenen. Die Blüthen heilten die Brüche / befestigten die Zähne / stopfften die Blutstürtzungen. Die Schalen der Aepffel geben die schönste Farbe zu Ledern / der Stamm den Tischlern das beste Einlege-Holtz ab; der Granat-Aepffel-Safft reinigte das Eisen und verwandelte es in Stahl; ein einiger Zweig von diesem Baume verjagte die Schlangen; der Rauch von seinem brennenden Holtze alle giftige Thiere. Mit einem Worte: die Natur selbst hätte die Granat-Aepffel an ihrem obersten Nabel mit einer Krone gekräntzet / und sie hierdurch für Könige der Baum-Früchte erkläret. Daher nicht nur Polycletus seinem aus Helffenbeine und Golde gemachten Pallas-Bilde einen Granat-Apffel / welchen ihr aber Venus streitig gemacht / in die Hand gegeben; sondern die Götter-Königin Juno legte ihn auch als einen Reichs-Apffel zum Zeichen ihrer himmlischen Herrschafft niemals von sich. Welche denn auch der Stadt Carthago und dem davon fruchtbaren Africa nur dieser Frucht halber geneigte Schutz-Frau gewest wäre. Weñ nun die Götter an diesem Baume so grosses Belieben hätten / trüge die Königin der Heiligthümer zu Rom bey den Opffern einen Granat-Apffel-Zweig an statt des Krantzes umbs Haupt und der Juden Hoherpriester hätte zwischen den Zimbeln an dem untersten Saume seines Rockes Granat-Aepffel hencken / wenn er in das allerheiligste ihres Tempels gienge. Hispanien trat Assyrien verwegen unter Augen / und meinte ihres Amptes zu seyn sich so wol [338] des benachbarten Africa anzunehmen / als seinem Pomerantzen-Baume / welcher so wol seine Wälder / als der Tagus seinen Sand mit Golde bereicherte / das Wort zu reden. Der Granat-Aepffel-Baum würde bald zum alten Weibe; hingegen tauerte der Pomerantzen-Baum insgemein zwey und drey hundert / zuweilen gar fünf-hundert Jahr. Der Granat-Apffel-Baum wäre alles Geruches beraubet / und also / weil der Geruch die Seele der Pflantzen und ein bewehrtes Mittel das menschliche Leben zu verlängern wäre / für ein schönes Aaß zu halten; hingegen wäre nichts an seinem Pomerantzen-Baume / welches sich nicht in eitel wolrüchende Geister zu zertheilen bemühte / ja die abfallenden Blüthen / und die gleichsam für ihrer Geburt sterbenden Aepfel / weil der allzu fruchtbare Stamm nicht starck genung wäre seine unzählbaren Kinder zu tragen oder zu säugen / balsamten ihr Grab durch ihre ausgeathmete Seelen ein. Sein Stamm wäre seiner Güte nach ein rechter Zärtling oder Schoos-Kind der Natur; seiner Tauerhaftigkeit nach aber ein abgehärteter Riese /welcher umb die Kälte besser / als die allzu zärtlichen Citron-Bäume zu vertragen / mit einer Eisenfarbichten Rinde wider Schnee und Ungewitter verwahret wäre / und daher auch bey weitem seine Geschwister die Limonien- und Citron-Bäume überlebte; wenn schon diese zwey auf jener Stock gepfropfft würde. Der Pomerantz-Baum wäre überdis reicher an Aesten / seine Blätter gäben den vollkommensten Schatten /beschämten an der Farbe die Schmaragden / wie die Blüthe die Lilgen / die Aepfel das Gold und den Scharlach. An Fruchtbarkeit hätte er nicht seines gleichen; und prangete er nicht nur zu einerley Zeit zu gleich mit dem Schnee seiner geistigen und selten unfruchtbaren Blütē / und dem Feuer seiner safftigen Aepfel; sondern es trüge ein Stamm in einem Jahre von tausend bis vier-tausend Früchten; und zuweilen wüchse eine Pomerantze in der andern / wie Perlen-Mutter; sonderlich wo sein Hispanien die Armen der Vorgebürge der untergehenden Sonne nachstreckte; seine See-Buseme aber / als Hafen der Wollüste / dem annehmlichen Westwinde / umb von ihm geschwängert zu werden / öfnete / und das grosse Welt-Meer mit güldenem Sande bereicherte. Jedoch dieser Baum brauchte seiner Fruchtbarkeit so behutsam: daß er /umb sich nicht auf einmal zu erschöpfen / das andere Jahr seinen Stamm zu seiner Erholung ein wenig verblasen ließe. Seine Früchte aber wären nicht nur auswendig schimmerndes-sondern inwendig flüßendes Gold. Ihr Safft eine häuffige / und so gar von der Winter-Kälte unverterbliche Süßigkeit. Die purpernen Schalen hätten in sich eine aber gewürtzte und gesunde Bitterkeit. Also wären die Pomerantzen ein rechtes Sinnenbild der bitter-süßen Liebe. Daher sich auch die Cyprier rühmten: daß ihre Liebes-Göttin diese Aepfel zum ersten gepflantzt hätte; Wiewol auch ihrer eine gewisse Art mit süssen und wolschmeckenden Schalen; andere zu grossen Riesen-Aepfeln wüchsen /und ein im Munde zergehendes Fleisch in sich hätten. Ja auch die unreiffen Früchte eines halben Jahres wären fürtreflich zum einmachen; und dieser Apfel mit den Blüthen nichts minder eine Erquick- und Reitzung der Begierde zum Essen / als eine Zierde der Taffeln; alles aber an diesem Baume heilsam. Aus den Blättern preßte man ein herrliches Oel für die von Zerquetschung herrührende Schäden. Die wolrüchenden Pomerantz-Blüthen stärckten die Lebens-Geister; das daraus gebrennte Wasser hülffe dem schwachen Magen; diente wider giftige Fleckfeber; verursachte Schweiß; stärckte das Hertze und die Geburts-Glieder / erleichterte die Geburt / gäbe allem anderm Geruche gleichsam [339] Flügel; ja ohne seine Beymischung verdiente keiner den Preiß eines himmlischen Geruches. Alle diese und noch edlere Würckungen hätte das daraus gepreßte Oel; welches gleichsam Halb-Todten alle Sinnen / dem sterbenden Hertzen eine frische Regung wiedergäbe / und der Pest keinen Platz enträumete. Wenn man es aber mit Rosen-Wasser vermählte / würde etwas überirrdisches daraus. Die Pomerantz-Schalen hülffen dem Seiten-Stechen / den Blehungen /dem Durchbruche ab / reinigten das Haupt / und trieben den Sand. Das Wasser von denen inwendigen Kernen zermalmte den Stein. Mit einem Worte: Ein solcher güldener Apfel wäre ein rechtes Vorbild der gantzen Welt. Die feurige Schale stellte den Himmel /das schwämmichte Fleisch darunter die Lufft / der kühlende Safft das Meer / die dardurch gehenden Gefäser mit den Kernen die Erde für. Wer wolte diesemnach dem ihn tragenden Baume mit Vernunfft die Oberstelle streitig machen? Niemand mit besserm Rechte / antwortete Italien / als mein deinem Pomerantzen zwar verschwisterter / aber viel edler Limonien-Baum; gegen dessen Herrligkeit jener mit seinem schädlichen Hartzte nur seine Unvollkommenheit beweinen möchte. Der Pomerantzen-Safft wäre weder nährend / noch heilsam. Seine den Schatten liebende Süßigkeit verwandelte sich im Magen in eitel Galle. Er verursachte Hauptweh und den Aussatz; zeugte schwartze Feuchtigkeiten und Feber / verstopffte den Miltz und die Leber. Und derogestalt wäre seiner Schale schönes Feuer das Bild einer mißträulichen Flamme wütender Liebe. Hingegen prangete sein viel gestreckter / und wie der Rosenstock mit kleinen Stacheln gewaffneter Baum mit wolrüchendẽ und eine tugendhafte Schamröthe abbildenden Blüthen / und viel reinerm Golde unzählbarer Aepfel; welche die Natur Ey-rund / wie nach Zoroasters Meinung auch die Welt-Kugel seyn solte / bildete. Seine Schale wäre ohne Brand und Bitterkeit / ihr linder Geruch aber so durchdringend: daß die geistigen Seufzer seiner Ligustischen Gärte dem liebkosenden Sudwinde zwantzig Meilweges übers Meer entgegen flügen / und die saltzichten Lüffte einbalsamten. Sein Safft wäre aller weibischen Süßigkeit befreyet; seine männliche Schärffe aber wäre der Zunge annehmlicher / und dem Menschen gesünder. Alle Speisen würden darvon schmackhafter / der Durst darmit geleschet; alle Hitze abgekühlet; und wider den Scharbock wäre keine bewehrtere Artzney in der Welt. Der allersäuerste Safft diente zu der schönsten Karmesin-Farbe; zu Bleichung der Frauenzimmer Haare / und zu unschuldigen Schmincken. Sintemal das daraus gebrennte Wasser die Sprenckeln / und Flecken der Haut vertilgte; das von der Schale den Stein triebe / der eingezuckerte Safft die Galle aus dem Magen abführte / und giftigen Febern steuerte. Indien konte für Ungedult länger nicht schweigen; sondern fieng an: Hispanien möchte mit seinen letschichten Pomerantzen / und Italien mit seinen sauern Limonien sich gegen seinem wunder-würdigen Zucker-Schilff nur verkriechen. Sintemal so wol das beste an den Pomerantzen nemlich die Schalen ohne den Zucker eine unnütze Wermuth / der Limonien-Safft aber ein natürlicher Eßig wäre / welcher den Magen verterbte / den Mund zusammen züge / die Eingeweide zerbisse / ja die härtesten Perlen zerbeitzte. Sein aus der Zuckerstaude aber gepreßter Safft übertreffe alle Süßigkeit der Welt / und den Attischen Honig / also daß / ob zwar dis Schilff nicht über sieben oder acht Schuh hoch / und nur zwey Daumen dicke wüchse / doch sein saftiges Marck so wol frisch / als wenn es in irrdenen Geschirren beym Feuer gekocht / durch Lauge geleutert / und von der Hitze gehärtet wäre / alle Säffte und [340] Früchte aller hohen und niedrigen Bäume übertreffe / indem wie das unentpehrliche Saltz alles weichliche scharff; also der Zucker alles zu scharffe linde machen müste; und daher sonder ihn die Wollust keine Taffel bestellen /die Aertzte ihre bitteren Artzneyen keinem Krancken einbringen könten; ja der Zucker-Safft eine treffliche Augen-Artzney abgäbe / die Brust lüftete / die Entzündungen der Leber und Nieren abkühlete. Ja die in dem grossen den Pappel-Bäumen gleichenden Zucker-Stamme / zwischen seinen knotichten Gliedern wie Stärcke zusammen-rinnende milchichte Feuchtigkeit; ungeachtet sie nicht so süsse wäre / sondern einen zusammen ziehenden Geschmack gebrennten Helffenbeins bekäme / wäre wider hitzige Feber / die Darm-Gicht / den rothen Weh / und alle Entzündungen eine so unvergleichliche Artzney / daß sie in Persien gegen gleiches Silber ausgewogen würde. Die aus seinem Baume aber gleichsam selbst von der Natur gemachte Nachen würden von den Crocodilen so sehr verehret; daß sie keinen darauf schiffenden Menschen antasteten. Diesemnach Indien / welches Africa / die glücklichen / und das Atlantische Eyland / Syrien und Cypern mit ihrem kleinen Zucker-Schilffe nur etlicher massen begabt hätte / wie in Edelgesteinen / also auch in Baum-Gewächsen in allen Ländern als eine Perle der Welt vorgienge. Persien begegnete Indien mit hochmüthigen Augen und Geberden / meldende: Persien wäre der Perlen und edelsten Bäume rechtes Vaterland; also die einige Perle der Welt. Indien hätte sich nicht wenig vergangen / oder seine Schwachheiten verrathen: daß es den Obsieg seiner Bäume auf ein schwaches Schilff zu stützen gesuchet / dessen gehärteter und mit beissendem Kalck oder Asche vermischter Safft im Munde zwar Honig wäre / im Magen aber zu Galle würde / und die Eingeweide beleidigte. Die sauern Limonien müssen zwar ihren Essig mit Zucker anmachen / welcher aber von sich selbst zu schärffstem Essige / ja / wenn der Zucker dreissig Jahr stünde / zu dem allertödlichsten Giffte würde. Alleine die annehmlichsten Früchte des alleredelsten Zitron-Baumes hätte so wenig des Zuckers /als angebohrne Schönheit der Schmincke von nöthen. Die Limonien- und Pomerantzen-Bäume / als seine Stief-Geschwister / oder vielmehr unächten Kinder /nähmen zwar vielen Bäumen den Preiß / dem Zitron-Baume aber enträumten sie / als blosse Nachgemächte der Kunst ihm als dem vollkommensten Meister-Stücke der Natur willigst die Oberhand. Zu dem schmückten sich Hispanien und Italien mit frembden Federn. Sintemal diese dreyerley Aepfel / welche des Alcinous- und die Hesperischen Gärte so berühmt gemacht / nirgends als in Persien einheimisch / in an dern Ländern aber verreisete Frembdlinge wären. Aus Persien und Meden wären sie in Mohren-Land / von dar unter den Atlas und in Cyrene versetzt; und die Hesperischen Gärte dieses Schatzes halber für ein von den Drachen / nemlich der Mißgunst bewachtes Heiligthum; Hercules aber / welchem Prometheus einen Anschlag solche zu erlangen gegeben / für einen Gott und Himmel-Träger / für einen Erwürger des von der Juno zu Verwahrung dieser güldenen Aepfel dahin gesetzten Drachens in der Welt ausgeruffen worden /weil er diese unschätzbaren Gewächse zu erst in Italien und Griechenland überbracht hätte. Westwegen seyn ertztenes Bild zu Rom auf dem Ochsen-Marckte drey Zitronen trüge; und nach diesem Beyspiele wäre dem Bilde des grossen Alexanders auch eine in die Hand geetzt worden. Ja es hätte nicht nur Mauritanien / Cyrene / die glücklichen Eylande / sondern auch alle Länder / wo diese Aepfel nur gewachsen / ihnen den Besitzthum der Hesperischen Gärte eingebildet; und Atlas solte die Mauritanischen mit einem so hohen Gebürge verwahret haben / weil [341] Themis ihm wahrgesagt hätte: Es würde ein Sohn des Jupiters ihm einige ausführen / als welche Juno den Jupiter selbst damit als einer fürtrefflichen Schönheit zu beschencken gewürdigt hätte. Gleichwohl aber schätzte der den Nordwind fliehende / den Sud und das Meer / warme und feuchte Oerter aber liebende Citron-Baum sich viel zu edel: daß er sich wie die bittern Pomerantzen und herben Limonien in alle rauhe Länder / und unter ieden ungütigen. Himmel solte versetzten oder vielmehr verweisen lassen; und das hochmüthige Rom /welchem Erde und Meer sonst alle ihre Schätze opfern müßte / hätte noch zur Zeit nicht die Ehre gehabt / ausser einigen Gefässen / in Italiens Erde einen Zitron-Baum zu essen. Die Käyser und Bürgermeister schämten sich ihre güldenen Aepfel durch Verspeisung zu verschwenden / sondern hieben sie als Schätze / oder setzten sie als Schau-Gerichte auf; zum höchsten aber verbrauchten sie solche zu Artzneyen. Alle diese und mehrere Ehre verdiente der mehr als güldene Zitron-Baum / aus welchem Könige zu ihrem Aufenthalt lebendige Zelten / ja gantze Palläste zusammen geflochten hätten. Seine niemals verwelckendẽ Blätter wären ein Ebenbild der Unsterbligkeit /bey den Medern ein schöner Aufputz der Gerichte /und ihr Safft heilete die Wunden. Seine weiß-gepurperten und von der Natur gleichsam schon mit Fleiß in einem Püschel versa lete Blüthen / hätten das gantze Jahr durch reiffe und unreiffe Zitronen zu ihren Gefärthen / umb Frühling / Sommer und Herbst stets mit einander zu vermählen. Sie würtzeten mit wenig Tropfen kräfftig die Speisen ein; verursachten Freudigkeit des Hertzens / widerstünden der Galle / und aus ihrem geistigen Wesen würde durchs Feuer etwas so kräfftiges gezogen; welches aller andern Gewächse Tugenden überstiege. An denen göldenen Zitron-Aepfeln wären auch die Schalen nicht ohne Kern. Ihr lebhaftes Gold athmete nicht durch mehr Runtzeln seinen kräfftigen Balsam aus / als es Lebens-Geister darmit unterhielte / und durch seinen würtzichten Geruch zu Verlängerung des Lebens hülffe; also: daß die Alten diese Aepfel nur zum süssen Rüchen aufgehoben /nicht verspeiset hätten. Nachdem aber die klügere Welt gelernet: daß diese anfangs purperne / hernach Smaragdene / endlich güldene Frucht / welche funfzehn und zwantzig Pfund schwer würde / allem Reichthume des Herbstes vorzuziehen wäre / indem ihre Schale eine kräfftige Magen-Stärckung / eine heilsame Hertz-Erquickung / ihr Oel ein herrlicher Balsam der Spann-Adern / ihr weisses und saftiges Fleisch eine süsse Speise / eine Erquick?g des Magens / ihr saftiges Marck der Kern aller andern Speisen / und die edelste Artzney in der Welt abgäbe. Ohn diesen Safft schmecktẽ Fasaen / Austern / Phönicopter-Zungen und Skarus-Lebern nicht gut. Alle Süssigkeiten verursachtẽ ohne Zitronen Eckel; und aller niedlichen Gerichte Uberdruß; also daß in Persien geglaubt würde: man könte bey Zitronen weder erhungern noch erdürsten / sondern damit ohne einigen andern Beytrag auskommentlich leben. Hingegen leschten die zugleich kühlenden / trocknenden und eröffnenden Zitronen den Brand der Galle / zermalmten den Stein / vertilgten hitzund giftige Feber / leschten den Durst / dämpften die Trunckenheit / vertrieben den Schwindel / hülffen der Traurigkeit ab / verrietheten die Zauberey / verbesserten den Athem / verjagten die Motten / rotteten den Scharbock aus / und gäben das allerbewehrteste Gegen-Gifft ab; also: daß viel Aertzte in einer Zitrone mehr Hertzstärckung und Heilsamkeit / als in vielen Bezoar-Steinen / in grossen Hauffen Perlen / und in Mithridatens so berühmter Artzney gefunden hätten. Dahero ein zum Tode verda ter / welcher nur einen solchen güldenen Apfel vorher genossen / in Egypten aus der Gruben der giftigen Schlangen unbeschädigt entronnen [342] wäre. Die offt in einem Apfel befindlichen anderthalb hundert Saam-Körner widerstünden gleichfalls dem Gifte / heilten die Bisse und Stiche giftiger Thiere / erläuterten den Verstand / und ihr Safft stillte die Gicht-Schmertzen. Ja die aus dieser Frucht gemachten Träncke / Oele /Saltze / Eingemachte und Säfte wären unvergleichliche Labsale / und fast wider alle Kranckheiten unschätzbare Hülffs-Mittel; welche ohne den Thau der Morgen-Röthe den Tithonus bey lebhaftem Alter /ohne der Medea Kräuter den Jason bey einer unaufhörlichen Jugend zu erhalten vermöchten; wessentwegen diese Aepfel / derer Safft alle Tugenden aus dem Golde an sich züge / an sich selbst aber schätzbarer als Gold wäre / mehr hi lische als irrdische Ehre verdienten; massen denn auch die Göttin der Liebe sie und die Hesperischẽ Gärte ihr als ein Heiligth? für das liebste Reichthum ihrer Tempel für ein Pfand der Liebe / für das würdigste Hochzeit-Geschencke zugeeignet; die Spartaner mit Zitron-Zweigẽ ihrer Götter Bilder bekränzt / die Böotier ihre Aepfel / welche vom Jupiter zum ersten wären gesäet worden / dem Hercules geopfert / ja fast alle Völcker für Erfindung des Weyrauchs damit den Göttern geräuchert hätten. Käyser Julius hätte nach besiegtem Gallien als einer /der die Schrancken der Sterbligkeit überflogen / Palmen und Lorbern verschmähet / und einen Siegskrantz von Zitron-Laube aufgesetzt. Diesemnach wäre auch kein ander / als der Zitron-Baum den Siegs-Krantz hinweg zu tragen würdiger. Deutschland trat hiermit lächelnde herfür / und sagte: Die Natur hätte nichts umbsonst / und nichts unnützes gemacht. Auch der Eiben-Baum / dessen Schatten doch tödten solte /hätte so wohl als der giftige Scorpion und die tödtlichen Schlangen ihren Nutzen und Heilsamkeit an sich. Der Zitron-Baum aber wäre so vieler Lob-Sprüche werth; als seine Zweige Blätter trügen. Nichts desto weniger klebten ihm so viel Gebrechen, als offtmals seinem Augen-trieffenden Stamme schädliche Hartzt-Tropfen an. Nüchternen Magen wäre nichts schädlichers als sie. Sein gerühmtes Gold oder viel mehr Schwefel wäre so vergänglich: daß eine Zitrone die andere durch blosses Anrühren anfäulete; und in viele andere Wege ein Muster der flüchtigen Wollust fürbildete. Der Zitron-Baum eignete ihm ein frembdes Lob zu / wenn er die drey güldenen Aepfel in den Hesperischen Gärten / welches drey güldene Schafe gewest wären / für seine Frucht ausgäbe. Die heilsamsten Würckungen aber übten die Zitronen durch Beyhülffe des Weines aus; daher sie auch auf dem Feyer des Bacchus nur zu geringen Wurff-Bällen; und ihre Bäume an vielen Orten zu Zäunen gebraucht würden. Der Wein-Stock aber wäre allein der rechte güldene Baum. Daher auch die Persischen Könige in ihrem Schlafgemache / die Juden in ihrem Tempel einen güldenen Wein-Stock auf einem güldenen Berge / welchen Pompejus in seinem Siegs-Gepränge in die Stadt Rom geführt / gehabt hätten / umb dardurch auszudrücken: daß der Weinstock güldener als Gold wäre /alle andere Bäume gelobt zu werden verdienten / dieser aber keines Lobes bedürffte / sondern vielmehr den Ruhm aller Zungen überstiege.

Weil fast alle miteinander in Streit verfallenen Länder Wein bauten / liessen sie ihnen sä tlich gefallen den Wein-Stock mit dem strittigen Sieges-Krantz zu beschencken. Hierauff hegten die sechzig Bäume einen freudigen Lust-Tantz / darinnen ieder mit grosser Ehrerbietung den als einen König stets in die Mitte kommenden Wein-Stock verehrte. Die zwantzig streitenden Länder mischten sich in diesen Tantz mit ein. Weil aber sich ieder Baum zu seinem ihm das Wort redenden Vaterlande / und der Wein-Stock nebst der Eiche und dem Holder-Baume sich Deutschland zugesellete; entstand zwischen den Ländern ein neuer Zwist / und zückte [343] sich Arabien zum ersten herfür / welches Deutschlande fürwarff: daß in selbtem der anderwerts hergeborgte Wein kaum jung / hingegen der Wein-Gott selbst auf seinem von Wein-Reben trächtigen Gebürge Nisa auferzogen worden; also der Arabische Wein der beste / und also mit dem Siegs-Krantze alleine zu beschencken wäre. Egypten widersprach Arabien / meldende: Bacchus wäre von den Hyaden in Egypten ernähret. Denn was solte er in den durstigen Sänden Arabiens / wo auch geringe Stauden nicht gnungsamen Safft für ihre Wurtzeln an sich zu ziehen hätten / für Vergnügung gefunden haben? Dahingegen der saftige Bodem Egyptens eine rechte Amme des Wein-Stocks; sein bey dem See Mareja wachsender weisser süsser und wolrüchẽder Wein ein Kern alles andern; sein Täniotischer bey der Stadt Antylla aber ein flüssendes Gewürtze wäre. Syrien fiel ein: Arabien wäre zu dürre / Egypten zu sumpficht den Wein-Gott zu bewirthen; alleine des Bacchus Mutter wäre aus Phönicien gewest; und wüchse in Syrien der edelste Wein in der Welt unter dem Berge Libanus bey Biblanus / von denen Thracien seine wohlrüchende Wein-Säncker geborgt hätte. Eben so gut wäre sein Chebyllonischer Wein / von dessen fettẽ Reben-Safte die Persischen Könige allein hätten wollen geträncket seyn. Africa versetzte: Wäre des Wein-Gottes Mutter aus Syrien / da doch viel rechter die Cerauische Amalthäa dafür gehalten würde; so wäre der Vater aus Africa / nemlich der Libysche-A on. Bacchus hätte auch in Africa nach überwundenem Saturnus sein Reich / und seinem wahrsagenden Vater Ammon einen herrlichen Tempel aufgerichtet. Indien brach ein: Der Wein-Gott möchte zwar anderwerts gebohren und erzogen seyn; wiewohl auch Indien sich seiner Wiege rühmte; nachdem er aber die gantze Welt durchreiset / hätte er kein ihm anständiger Land / als Indien / auffinden können. In diesem hätte er 52. Jahr gewohnet und geherrschet / darinnen den ersten Wein angelegt. Griechenland wolte diß keines weges enthengen; sondern führte an: Bacchus hätte die Stadt Thebe zu seinem Vaterlande; Indien aber als ein feindliches Land / nur drey Jahr zu seinem Aufenthalte / und zu seinem Sieges-Platze gehabt. Da nun weder in Africa noch Indien einiger Wein / sondern dort nur wenig zum abtrocknen dienende Trauben wüchsen; die Indianer aber Wein aus Reiß kochten /und nur bey den Opfern zu trincken pflegten / suchten sie ihnen nicht ohne Vermässenheit den Ruhm des Weines zuzueignen. Griechenland aber wäre gleichsam von tausenderley Arten des edelsten Weines überschwemmet: Sein Thracischer Chersonesus prangte mit seinem über 200. Jahr tauerndem Maroneischem / Lesbos mit seinem bey Methymnus wachsenden starcken / mit seinem süssen Weine bey Mitylene; Thasus mit zweyerley / derer einer den Schlaf zuwege brächte / der ander vertriebe. Die Könige aller Weine in der Welt aber wäre der am besten verdeyende und keine Vermischung leidende Wein des Eylandes Chius / auf welchem der erste schwartze Wein gewachsen / und der unvergleichliche auf Jupiters Vaterlande Creta; gegen welchem Geträncke alle andere Weine gleichsam nur zum Fuß-Wasser tüchtig wären. Persien brach ein: Es wäre kein geistiger Wein / als der Persische; sonderlich der umb Persepolis und Marrasium; dessen Geruch / Farbe / und Geschmack allen Lobsprüchen zuvor / dem Wein-armen Indien /dem sich an seiner sauren Pferde-Milch vergnügenden Scythien wohl zu statten käme. In der Parthischen Landschafft Aria wüchsen drey Menschen Alter austauernde Weine / und in Margiana Wein-Stöcke /welche 2. Männer nicht umbarmeten / und auf diesen zwey Ellen lange Trauben. Scythien fuhr hierüber entrüstet heraus / die Menschen könten ehe des Weines /als der Milch entpehren; und sein aus [344] Honig bereiteter Meth / wie auch der aus Getreide gebrennte Wein /thäte es an Stärcke und Geschmacke vielem Trauben-Blute / wie die von Scythen entsprossenen Parthen es denen überwundenen Persen an Tapferkeit zuvor. Ob nun zwar die an seinem Boristhenes wachsenden Trauben keinen Wein trügen; so wäre doch ihr nordliches Ufer des Flusses Oxus und ihre Landschafft Sogdiana mit männlichen Reben trächtig. Serica nahm das Wort von den Scythen / und meldete: Wenn die Persen einmal seinen Reiß-Wein gekostet hätten /kriegten sie für dem besten Trauben-Safte Eckel. Jedoch wüchsen in Serica auch so köstliche Trauben /als irgendwo in Asien / welche sie aber nur dörreten /und wie Rosinen zu unschuldiger Speise verbrauchten. Sintemal sein mißbrauchter Safft / den doch etliche Völcker als eine Gott anbeteten / die Menschen in einen ärgern Stand versätzte / als in welchem die unvernünftigen Thiere wären. Diesemnach die so weisen Germanas in Indien sich ihr Lebtage klüglich des Weintrinckens enthielten / und andere aus Andacht selbten als eine beissende Schlange / als einen stechenden Basilisken / und als Drachen-Galle aus einer heiligen Andacht verschmäheten. Assyrien begegnete dieser Verachtung nicht ohne heftige Entrüstung: Dieses lieffe wider die Göttliche Wahrsagung / welche den Atheniensern den Bacchus als einen heilsamen Artzt göttlich zu verehren befohlen hätte; ja der gantze Erdkreiß wäre gleichsam wegen Erfindung des so heilsamen Weines den Bacchus / als einen wohlthätigen Gott / anzubeten einstimmig. Der Wein wäre ein rechter Götter-Tranck; daher auch die Assyrier / welche Syrien und andere Länder allererst die Weinpflantzung recht gelehrt hätten / ihren bey Babylon wachsenden unvergleichlichen Wein mit gutem Rechte Nectar hiessen. Mohrenland trat darzwischen und sagte: Die Mohren wären die ersten Menschen in der Welt / auch also die ersten Wein-Gärtner / die Sonne / welche andere Länder nur anschielete / Mohrenland aber mit geraden Augen anblickete / wäre die rechte Mutter des Weines; also könte dieser Sonnen-Safft nirgends als in Mohrenlande seine Vollkommenheit haben; massen denn auch der den Mohren an Schwärtze ähnliche Wein der älteste in der Welt wäre. Insonderheit aber rinnte in den benachbarten glückseligen Eylanden mehr des edelsten Weines als des Wassers / ungeachtet selbtes auch von Bäumen tröpfelte. Armenien versätzte: Das erdürstete Mohrenland / welches keinen Wein-Stock zu unterhalten Safft genung hätte / suchte sich mit seiner Nachbarschafft vergeblich zu behelffen / und möchte sich nur mit seinem Palmen-Weine vergnügen. Armeniens Gebürge hingegen wären die Quellen unzehlbarer Flüsse / und seine gegen Meden gelegenen Hügel die fruchtbarsten Wein-Gärte. Taprobane konte zwar sich keines Reben-Saftes rühmen / gleichwohl aber striech es sei nen aus den unreiffen Kokos-Nüssen rinnenden Wein / als den besten in der Welt aus. Aus seinem Eylande würden die edelsten Elefanten / für welchen sich alle andere ehrerbietig neigten / gezeuget; alldar wüchse allein der Zimmet und anderes Gewürtze; wer wolte nun zweifeln: daß auf diesem Paradise des Erdbodens das beste Geträncke wachsen solte? Zumal die Alten ihre besten Weine mit Würtze anzumachen und zu verbessern gepflegt hätten. Nichts aber hätte mehr Geist in sich / als der Zimmet / daraus eben so wohl /als aus Amomum und Casia kräfftigen Wein zu machen. Das Atlantische Eyland bestätigte: daß der Morgenländer Palmen-Kokos- und Gewürtz-Wein den Reben-Safft theils am Geschmacke / theils an Stärcke / theils an Heilsamkeit übertreffe; und wäre der Egyptier aus dem Baume Lothos / der Cyprier aus Feigen /der Griechen aus Myrten-Beeren / der Gallier aus Narden / der Syrier von Zedern / der Cilicier aus Isop gemachter Wein nicht zu [345] verachten. Aber auf seinem Eylande / welches hin uñ her 3. mal so grosse uñ süsse Trauben als irgend ein anders Land trüge / würden aus dreyen sonst nirgends in der Wrlt wachsenden Wurtzeln / Beeren / und Früchten so köstliche Träncke bereitet / welche die fruchtbarsten Weinländer als sonderbare Labsale von dar holen liessen. Gallien fuhr mit geruntzelter Stirne und feurigem Antlitze diesen letztern Ländern in Schild / und sagte: Sie möchten nur als Verwürfflinge des gütigen Himmels / welche den Abgang des Weines als des rechten irrdischen Nectars mit ihrem eitelen Kochwercke sich aus der Reyen der gesegneten Weinländer entfernen. Die Kunst wäre eine Magd und Aeffin der Natur / als einer herrschenden Frauen / und also kämen alle andere Geträncke dem Weine nicht näher / als die Meer-Katzen den schönsten Menschen bey. Unter allen Ländern aber wäre Gallien das Weinreichste. Die Liegeris und Garumna theilte der Welt so viel Reben-Safft mit: daß es das Ansehn hätte; sambt alle sein Wasser zu Weine würde; darunter ihrer viel so geistig wären: daß man sie mit vermischtẽ Wasser schwächen müste. Am Rhodan wüchsen die Wein-Stöcke so groß / als andere Bäume. An dem Lattarischen Seebusem bey des Domitius Marckte aber wüchse der edelste Muscaten-Wein in der Welt. Asien begegnete Gallien: Bey ihm wäre der Ursprung und das rechte Vaterland des Weines. Alle Arten wären dar im Uberflusse. Der Carynische beschämte alle schwartze süsse / der Perpyrinische alle schwartze herbe / der Tibecinische alle dinne / der vom Berge Tmolus alle goldfarbicht- und wohlrüchende Weine. Und Xerxes hätte die mehr dem Bacchus als Priapus gewiedmete Stadt Lampsacus seines edlen Weines halber dem tapferen Themistocles verehrt. Italien brach ein: Wie alle Reiche Italien unterwürffig worden wären; also hätten auch seine Weine die Ober-Herrschafft in der Welt behauptet; als in welchem Lande Bacchus und Ceres mit einander umb den Vorsitz stritten. Der einige Berg Gaurus trüge dreyerley Arten des edelsten Weines umb einen iedern Gaumen zu vergnügen. Jedoch übertreffe der Fundanische Wein noch den weltberühmten Falernischen in der Güte; der Amiclanische an der Tauerhaftigkeit. Der schwartze Calenische wäre der kräfftigste Magen-Wein; der Trebellische bey Capua der schmackhafteste; der Albanische und Pictanische der gesündeste; welchem letzteren die Käyserin Livia alleine ihr gesundes Alter zuschriebe. Die Rhetischen verdienten den Ruhm der grösten Anmuth; mit denen als den Kopf gar nicht einnehmenden sich Käyser August am meisten erquickte. Hispanien versätzte: Es hätten keine Gewächse mehr Verwandschafft mit einander / als Wein und Gold. Wie nun diß in seinen Gebürgen gleichsam quälle / und von denen angezündeten Wäldern seine Thäler mehrmals überströmet hätte; also wären auch fast alle seine Hügel Wein-Brunnen. Sein Tarraconensischer weisser wäre der männlichste / sein Illicitanischer rothe der süsseste und stärckste. Zu dem hätten gewisse Wein-Gewächse ihres Oeles halber eine solche Schwerde: daß sie darmit alle andere Feuchtigkeiten /wie das Gold alles andere Ertzt überträffe; und daher die damit gefüllten Fässer untersinckten. Ja die Hispanischen Weine hätten schon von Alters her den rothen für den König aller Weine erwehlet. Pannonien brach ein: Der rothe Wein möchte unter seinen Landes-Leuten sein Königreich behaupten; für seinem Wein-Oel aber sich verkriechen; welches / wie Pannonien an Uberflusse der Gold-Adern Hispanien weit überlegen wäre; auch nicht nur an der Farbe / sondern an Wesen und Tugenden das rechte flüssende oder trinckbare Gold fürbildete. Sintemal an dem Flusse Tibiscus so gar gantz güldene Stengel sich umb die geliebten Reben wie Epheu windeten; und das körnichte Gold offt die Trauben an statt der herben Körner füllte. Daher man mit seinem Saffte zugleich Oel /Gold / [346] Wein / ja einen rechten Lebens-Balsam genüsse; welchem denn auch das edle Trauben-Blut an dem See Peiso wenig an Kräfften / nichts aber an Anmuth bevor gäbe. Deutschland / welches dem Wein-Stocke unter allen Bäumen den Siegs-Krantz erstritten hatte /wolte selbten nunmehr auch unter den Weinen nicht aus den Händen lassen; fieng also an: Es wäre wahr: daß seine Nachbarin Pannonien allen andern Ländern den Wein-Preiß wegnähme. Sintemal alle andere Weine entweder zu wenig Feuer / oder bey ihrem grossen Feuer eine Eckel verursachende Schlüpfrigkeit /die Pannonischen Magen-Weine aber zugleich bey ihrer Stärcke eine Anmuth; bey ihrer Süssigkeit eine männliche Schärffe hätten. Sein Rhein-Wein aber wäre ein gantz neues / und allen Weinländern unbekanntes Geschencke des Himmels. Seine Stärcke entzündete nicht die Eingeweide; gleichwohl aber stärckte es die blöden Magen. Sein Geschmack wäre der lüsternden Zungen Vergnügung; gleichwohl aber umbnebelten sie nicht das Gehirne. Der alleredelste Pannonische Wein führte seinen den Sonnen-Staub wegstechenden Weinstein in das alleredelste Geäder zu Verursachung vieler Kranckheiten mit sich / der Rhein-Wein aber legte seinen an die Wein-Fässer an. Daher würde er wegen seiner nährenden und treibendẽ Krafft als der gesündeste und schmackhafteste auch in solche Länder verführet / derer Hügel nicht weniger vom Weine / als die Morgen-Röthe vom Thau trieffend wären.

Der Zwist dieser streitenden Länder hätte sich noch nicht geendigt / wenn nicht die grosse Königin aller Geschöpfe die Natur durch den vom Himmel flügenden Frieden einen Stillstand gebothen; und als die höchste Richterin diesen Ausspruch: Unter allen Bäumen verdiente der Wein-Stock; unter den Weinen der Rhein-Wein den Preiß / gefället; und hierauf Deutschlande einen von Weinlaube gemachten mit Golde umbwundenen / dem Wein-Stocke aber einen gantz güldenen Krantz aufgesätzt hätte. Alle Bäume neigten in einem Freuden-Tantze sich für dem Wein-Stocke; alle Länder für Deutschlande. Nach geendigtem Tantze aber verfügtẽ sich diese Sieger zu dem damal auf den Schauplaz gestelten / hernach aber in diesen Tempel versetzten Bilde des Bacchus; oder vielmehr des darunter fürgestellten Käysers August und Liviens; sätzten nach einem abermaligen Tantze beyde Kräntze diesen zwey Abgöttern auf. Also endigte sich des Drusus Schauspiel zur Vergnügung der Antonia / und die Erzehlung des Bacchischen Priesters zum Wohlgefallen der deutschen Fürsten.


Inzwischen als der Feldherr Herrmann / Hertzog Arpus / und andere theils sich ihees Sieges freueten /theils selbten zu einem Werckzeuge mehrer Vortheile anzugewehren vorsaanen; hieng der eiferige Tiberius seiner Trauersucht und Arglist nach / der Deutschen sieghaften Waffen einen andern Riegel als aufrichtige Gegenwehr fürzuschieben. Weil Tiberius nun wohl verstand: daß / wenn auch schon das Verhängnüß ein Reich drückte / doch das Glücke der feindlichẽ Zwytracht wieder auf die Beine hülffe; saan er auf nichts mehr / als zwischen die deutschen Fürsten einen Zanck-Apfel zu werffen. Der Feldherr und Hertzog Arpus hatten schon durch tausend Merckmale bewähret: daß sie den alten Haß der Catten und Cherusker der gemeinen Wohlfarth aufgeopfert hatten / und alle seine Scharffsinnigkeit war zu stumpf dieser vorhin gegen einander so sehr verbitterter Völcker verrosterte Feindschafft auszuwetzen. Die grossen Siege des Sicambrischen Hertzogs Melo / welcher bey des Quintilius Varus Niederlage nicht einst mit gewest war / nunmehr aber gleichsam spielende mehr / als alle andere deutschẽ Sieger durch ihr verspritztes Blut gewonnen hatte / veranlaßten ihn zu muthmassen: daß [347] Herrmann und Arpus seinen Gewiñ so vieler Festungen und die Vergrößerung seines Gebietes ohne neidisches Auge nicht anschauen / so selten aber wachsende Macht und Eintracht bey Bundsgenossen / als Zunehmung des Miltzes und Gesundheit anderer Eingeweide beysammen seyn könten. Sintemal viel Siege insgemein neue Kriege und Feinde erweckten / grosse Beuten aber einen so scheinbaren Glantz von sich würffen: daß sie auch denen Großmüthigsten in die Augen leuchteten / welche gleich nie umb was anders / als Freyheit und Ehre zu kämpfen gemeinet gewest. Diese Muthmassung war auch nicht gar ohne Grund. Denn dem Hertzog Arpus war nicht wenig daran gelegen: daß die vom Drusus für achtzehn Jahren vertilgten oder über den Rhein in Galien versätzten Sicambrer / und die für Zeiten von den Catten verdrungenen Tencterer und Sicambrer den Catten nicht möchten zu Kopfe wachsen; und diese fuhren mehrmals gegen ihren Hertzog durch Ungedult heraus: die Cherusker und Catten müsten die harten Nüsse der Römer aufbeissen; wormit die Sicambrer der Kerne genüssen möchten. Jene wären Uberwinder der Feinde / diese der Oerter. Diesen geringen Zunder wuste Tiberius unter dem Deutschen Krieges-Heere durch seine Kundschaffter meisterlich zu unterhalten: daß er fast täglich mehr zu gli en anfieng. In den Scharmützeln ließ er den Sicambern und Tencterern / wenn sich gleich Gelegenheit ereignete / keinen Abbruch thun /und die Gefangenen ließ er ohne Lösegeld frey. Ob nun zwar Hertzog Francke sich hierdurch nichts hindern ließ den Römern mit seiner geschwinden Reiterey einen Streich nach dem andern zu versätzen; und so wol Hertzog Arpus als der Feldherr des schlauen Tiberius ungewohnte Gütigkeit für Kriegs-Künste und Saamen des Mißtrauens hielten; ereignete sich doch eine Gelegenheit / welche beyden kein geringes Nachdencken verursachte. Nemlich es hatten der Feldherr und Hertzog Arpus für / mit ihren von bisherigem Siege muthigen Heere den Römern entweder zu Felde einen Hauptstreich zu versetzen / oder durch Eroberung der Festung Meyntz Deutschlande den gefährlichsten Dorn aus dem Fusse zu ziehen. Diesemnach ersuchten sie den Hertzog Melo / er möchte seine angegfangene Belägerung des Ubischen Altares / welche allem Ansehn nach viel Blut und Zeit bedörffen würde / unterwegen lassen / und seine völlige Waffen mit ihnen wider den Tiberius zu Ausmachung des Hauptwesens vereinbaren; oder zum meisten durch einen tieffen Einfall in Gallien die Römische Macht des Tiberius und Germanicus zur Trennung nöthigen. Malo aber antwortete: es wäre den Deutschen so wenig rathsam eine so starck besätzte Festung / als das Ubische Altar wäre / im Rücken zu lassen / als seinem Ansehn anständig die schon angefangene Belägerung eines gantz Deutschland mit Aberglauben vergiftenden Ortes aufzuheben. Wenn er aber dieses Wespen-Nest zerstöret haben würde /wolte er mit allen seinen Kräfften ihnen zu Hülffe kommen. Wiewol nun diese Antwort vorigen Argwohn vermehrete; brachen doch der Feldherr / Hertzog Arpus und die andern deutschen Fürsten noch selbige Mitternacht von Bingen / dahin sie auf beyden Seiten des Rheines alle ihre Macht versammlet hatten / unversehns auf / und hatten das Glücke zwey Römischen Heere von der Stadt Meyntz abzuschneiden. Sie behaupteten mit wenigem Gefechte auch einen so vortheilhaften Ort: daß hiermit auch alle Zufuhr auf dem Rheine der Festung / und den Römern das Hertze sie davon wegzuschlagen beno en ward. Tiberius war in sich selbst hierüber so viel mehr verbittert; well er diesen Streich selbst versehen / und den Germanicus mit seinen Legionen an der Nave die Trevierer zu bedecken befehlicht / auch sein eigenes Lager zu weit oberhalb Meyntz an den Rhein gehenckt hatte. Germanicus stieß zwar [348] hierauf alsofort zum Tiberius /aber beyde konten weder die Deutschen aus ihrem Vortheil locken / noch verwehren: daß sie durch Einwerffung grosser Eichen den Rhein oberhalb Meyntz unschiffbar machten / und die Stadt in nicht geringe Noth veretzten / weil die deutsche Reiterey noch darzu alle Strassen rein hielt; Hertzog Catumer auch etliche tausend Römer schlug / die in Meyntz mit Gewalt Vorrath bringen wolten. Unterdessen hatten zwey aus Hispanien beruffene Legionen mit zwantzig tausend Galliern sich vereinbart / und hatten bereit über die Maaß gesetzt umb das Ubische Altar zu entsetzen. Westwegen Hertzog Melo seinem Sohne schrieb: daß er mit der Tencterischen Reiterey seine Belägerung zu bedecken zurück über die Mosel kommen solte. Der Feldherr und Hertzog Arpus schöpften über dieser Abforderung ziemlichen Unwillen / weil sie darmit ihnen die Hoffnung Meyntz zur Ubergabe zu nöthigen zu wasser werden sahen. Weil nun eben selbige Nacht etliche deutsche Gefangene / die Tiberius mit Fleiß fahrläßig hatte bewahren lassen / aus dem Römischen Läger übergelauffen kamen / und berichteten: daß den Abend vorher Germanicus mit zweyen Legionen in möglichster Stille aus dem Römischen Läger gegen der Nave gezogen wäre / und dem muthmaßlichen Berichte der Römischen Kriegs-Leute nach / mit dem aus Hispanien kommenden Heere den Sicambrischen Hertzog für dem Ubischen Altare überfallen solte. Dieses ward bestätigt durch unterschiedene deutsche Reiterey / welche selbige Gegend ausgespüret / und von dar Gräserey geholet hatten. Solches bewegte die deutschen Fürsten folgenden Morgen dem Tiberius eine Schlacht anzubieten; Beredeten also den Hertzog Francke / welchem ohne dis bey jeder Gelegenheit zu schlagen das Hertze lachte /daß er mit seiner gantzen Reiterey der Schlacht abwarten wolte; weil er vermittelst des nunmehr in Deutscher Macht unterhalb Meyntz flüßenden Rheinstroms noch zeitlich genung seinem Vater zu Hülffe zu kommen vermeinte / der Feldherr auch nach verhofftem Siege mit zehn-tausend Cheruskern ihn zu begleiten versprach. So bald es tagte / führten die Deutschen ihr Heer aus dem Lager / und stellten es eine Meilweges davon gegen das Römische Lager in Schlacht-Ordnung. Tiberius that dergleichen; jedoch sätzte er sich theils auf eine sehr vortheilhafte Höhe /theils an einen sumpfichten Ort: daß die Deutschen /welche für Begierde zu schlagen brennten / nur an wenigen engen Orten die Römer angreiffen konten. Ob nun wol der Feldherr und Hertzog Arpus allerhand Erfindungen brauchten den Feind aus seinem Vortheil zu locken / die Deutschen auch hin und wieder durch zusammen geschleptes Reisicht sich mühten den Morast zu bähnen; war es doch durch keine Kriegs-Kunst möglich ihr Vorhaben weiter zu bringen; als daß es an dreyen Orten zu Scharmützeln der Reiterey gedieg / darinnen Hertzog Catumer und Francke ihre Löwen-Hertzen überflüßig zeigten / und der Römischen Reiterey grossen Abbruch thaten; jedoch sich zwischen die geschlossenen Römischen Legionen nicht vertieffen konten; weil das deutsche Fuß-Volck weder Platz noch Raum hatte über dem Moraste festen Fuß zu sätzen. Endlich aber behaupteten Fürst Siegesmund mit fünf-tausend Cheruskern / welche zwar bis unter den Gürtel durch den Schlamm wateten / einen vortheilhaftigen Hügel; daher der Feldherr alsofort das fürnehmste Cheruskische Kriegs-Zeichen / nemlich das Pferd pflantzen ließ. Worauf nicht nur die übrigen Cherusker daselbst geraumenes Feld zu gewinnen /sondern auch die Catten im lincken Flügel einzubrechen sich euserst und mit ziemlichem Fortgange bearbeiteten. Denn Hertzog Jubil erstieg mit zwey-tausend Hermundurern seitwerks und also / wo es ihnen die Römer nicht hatten träumen lassen / einen Hügel /darauf die Deutschen [349] gleichsam als auf Leitern klettern musten. Wie nun Graf Waldeck von vornen /Jubil auf der Seite die darauf stehenden sechs Fahnen Römer und zwölf der Gallier als zwey gegen einander blitzende Wolcken anfielen; wurden diese alsbald verwirret / zertrennt / und kurtz darnach über Hals und Kopf bis an die Stirne der Römischen Schlacht-Ordnung verfolget. Hertzog Arpus brachte alsofort seinen halben lincken Flügel auf diesen Berg / von dar er in einer sich nach und nach absänckenden Fläche dem Römischen rechten Flügel auf der Seiten in die Eisen gehen konte. Bey diesem vortheilhaftigen Streiche kriegte der Feldherr aus dem an Rücken gelassenen Läger die Nachricht: daß Germanicus mit seinen zweyen Legionen zwischen dem Deutschen Läger und der Stadt Meyntz durch einen besätzten Paß gebrochen / gegen selbter eine grosse Anzahl mit Lebens-Mitteln beladener Pferde und Esel geschickt / und sich recht gegen das Läger gesätzt hätte. Hieran war es noch nicht genung / sondern Hertzog Francke erhielt durch einen Tencterischen Ritter von seinem Vater Melo den Befehl: er solte ohne Verlierung einiger Zeit / und ohne Hindernüs der wichtigsten Ursachen / sich von seiner Rückkehr nichts hindern lassen. Deñ Marcus Junius Silanus hatte das Fuß-Volck der zwey Hispanischen Legionen zu Pferde gesätzt / und weil es eben folgenden Tag über die Ruhr setzen solte / käme ihm diese Macht unvermuthet über den Hals; und überdis würde ihm auch mit dem Uberzuge des Germanicus gedräuet. Es ist schwerlich zu ermässen; welchem unter diesen beyden Helden am meisten schmertzte: daß durch so unzeitige Zeitung ihrer Hofnung und Tapferkeit ein Zügel angelegt / ihrem Siege aber die Flügel verschnitten werden solten. Hertzog Francke / welcher den Cheruskern nun auch mit sei nem Degen Platz gemacht hatte den rechten Flügel über die Sümpffe zu bringen / stutzte / und wuste sich nicht bald zu entschlüssen: ob er seines Vatern Befehl / der bey den Deutschen als hochheilig ohne grausamste Schande nicht außer Augen gesätzt werden kan; oder dem heuchelnden Anfange seines Sieges befolgen solte. Das letztere rieth ihm seine feurige Tugend / das andere seine Frömmigkeit. Nebst dieser überlegte er vernünftig: daß mit einem guten Wurffe das veränderliche Spiel noch lange nicht ausgemacht wäre. Sintemal das Glücke in andern Dingen zwar einen Cameleon / im Kriege aber einen rechten Proteus und Wetterhahn fürbildete. Zudem hätten die Deutschen noch nicht einst erfochten: daß sie gegen den Römern mit gleicher Karte spielten; welche mitlerzeit ausruheten / als die Deutschen nur umb Erstreitung eines Raumes ihre Schlacht-Ordnung gegen sie zu stellen /alle ihre Kräfften erschöpften / und sich grösten theils schon aus dem Atheme gefochten hatten. Diesemnach ließ er den Feldherrn und den Cattischen Hertzog zugleich wissen: daß seines Vaters Befehl und andere wichtige Ursachen ihn nöthigten mit seinen Tencterern und Juhonen die Schlacht zu verlassen; also solten sie auf eine ehrliche Zurückziehung sinnen / da sie ohne ihn des Feindes Meister zu werden sich nicht getrauten. Er wolle aber / bis das Fuß-Volck wieder außer Gefahr wäre / mit seiner Reiterey den Römischen Einbruch möglichst verwehren.

Dem Feldherrn kam zwar diese unvermuthete Erklärung etwas bedencklich für / sonderlich wenn er sie neben die Nachricht legte: daß die Hispanischen Legionen sich gegen sie der Mosel näherten; also es mit dem Melo keine solche Noth hätte seine Hülffs-Völcker zur Unzeit abzufordern. Weil aber des Germanicus Durchbruch ohne dis ihm schon im Hertzen beredet hatte: daß im fall er nicht das Lager in Gefahr / ja beyde deutsche Heere zwischen Thür und Angel stecken wolte / dismal rathsamer seyn würde die Hörner einzuziehen / als zu verlieren; Daher war ihm zum theil lieb / daß er der Zurückziehung [350] seines Heeres eine ehrlichere Ursache / als seiner Kleinmuth zueignen konte. Also machte er dem Hertzog Arpus so wol des Tencterischen Hertzogs Entschlüßung / als den Einbruch des Germanicus zu wissen. Welche zwey Zufälle die unvermeidliche Zurückziehung ihrer Heere erforderte. Hertzog Arpus hatte mitlerzeit Hertzog Franckens Bothschaft mit höchster Ungedult gehört /und ihm schimpflich zu entbieten lassen: Wer zu feige wäre den Römern das Blaue in Augen zu sehen /möchte sich für ihnen in seiner Mutter Bauch verkriechen. Er wolte nach schon gekostetem Vorschmack mit seinen Catten diesen Tag den Sieg entweder völlig genüßen; oder auf der Wallstatt ehrlich begraben werden. Als er nun gleich vom Feldherrn vernam: daß Germanicus ihnen hinter dem Rücken wäre / hielt er es doch entweder für eine falsche Zeitung der Furcht /oder für eine Erfindung der Mißgunst; welche der Catten Ruhm beneidete: daß sie diesen Tag wider die Römer das beste gethan hätten. Diesemnach tobte und wütete Hertzog Arpus / und gab endlich dem dahin geschickten Ritter Kulenburg keine andere Antwort /als er solte den Feldherrn berichten was er sehe und hörte. Hiermit befahl er / daß der Graf Nassau mit seinen zum Hinterhalt stehenden sechstausend Catten fortrücken / und sich an die eine Römische Legion machen solte / welche Tiberius sich selbst zugeeignet hatte. Der Feldherr kriegte nicht so bald diese schlechte Antwort / als man ihm zugleich andeutete: daß die Tencterische Reiterey sich geschwenckt hätte /und über den Sumpf zurücke gienge. Der Feldherr machte ihm leicht die Rechnung: daß Hertzog Francke vom Hertzog Arpus gleichfals müsse verdrüßlich gemacht / und zu einer so nachtheiligen Entschlüßung veranlaßt worden seyn. Seinen hierüber erwachsenden Kummer; da ihre Zwitracht leicht nicht nur eine schwere Niederlage; sondern gar Deutschlandes Dienstbarkeit nach sich ziehen dörfte / verstellte er so viel möglich / vertraute also die Oberaufsicht des rechten Flügels dem Hertzoge Jubil mit der Verfügung daß er die Schlacht daselbst mehr mäßigen / als anzünden / und die Cherusker vom übrigen Eiver und Nachsatze zurücke halten solte. Hiernach rennte er selbst spornstreichs denen Tencterern zu; hielt dem erherbeten Hertzoge Francken beweglich ein: Er möchte die Wolfahrt Deutschlandes seiner Ungedult zur Rache nicht aufopffern; sondern seine Beleidigung dem gemeinen Wesen zum besten vergessen. Es wäre rühmlich mit Wolthaten / aber schändlich an Beleidigung andere überwinden. Niedrigen Gemüthern gienge das Unrecht / edlen aber nur Verdienste tief zu Hertzen. Also müste man jene überhin lauffen / diese einseigen lassen / und durch seine Tugend die Beleidiger selbst zur Reue bringen. Solte aber durch seine unzeitige Empfindligkeit den Deutschen einiges Unheil zuwachsen / würde es Hertzog Francke weder bey seinem Vater / der den Degen zuerst wider die Römer gezückt / noch weniger gegen sein Vaterland zu verantworten haben; welches von seinen Helden-Thaten ihm schon so viel gutes gewahrsaget hätte; widrigen falls aber sie ihn von nun an für einen Baum voller Blüten / aber ohne Früchte halten würden. Hiermit brachte es der Feldherr so weit: daß er die noch über dem Moraste stehende Reiter Stand halten / und das deutsche Fuß-Volck bedecken ließ. Er selbst machte auch umb die Römer zu verwirren an einem andern Orte solche Anstalt / und Bezeugung / als wenn er einen neuen Angrief vorhätte. Der Feldherr drang sich inzwischen zu dem in die Feinde ziemlich vertieften Hertzog Arpus durch / und beredete ihn durch seine Betheurung: daß Germanicus durchgebrochen / und des deutschen Lägers sich zu bemächtigen im Wercke begrieffen; also selbtes des Entsatzes höchstbenöthiget wäre; da sie nicht etliche tausend Besatz-Völcker /allen [351] ihren Lebens-Vorrath und Kriegszeug / ja bey einem unglücklichen Streiche / den der unverhinderliche Abzug der Sicambrer und Tencterer nebst der ihnen auf den Hals rückenden Macht des Germanicus ungezweifelt zuziehen würde / alle sichere Zuflucht einbüssen wolten. Hartnäckigkeit wäre das schädlichste Gift / worvon alle gute Entschlüßungen verwürffen und unzeitige Geburten des Verterbens ans Licht brächten. Hingegen hielten es die Deutschen für Klugheit nicht für Kleinmuth dem Verhängnüsse und dem Feinde zur Zeit weichen / wenn man nur das Hertze behielte bey besserer Gelegenheit selbtem wieder die Stirne zu bieten. Der den Deutschen an Mannschafft überlegenen Römer laulichte Gegenwehr wäre nicht so wol eine Zagheit / als Arglist des Tiberius; welcher sonder Zweifel das Treffen mit Fleiß verlängerte / und dem Germanicus zu seinem Fürnehmen so viel mehr Luft zu machen: Von den Catten würde gerühmt: daß sie zu Ausmachung des Krieges / andere Völcker zu Schlachten- Lieferung auszügen. Dieses hätte auch der nichts weniger kluge als tapfere Arpus allhier zu beobachten / und eine heilsame Ansichhaltung der eitelen Ehre eines schädlichen Sieges vorzuziehen. Ein aus dem Lager spornstreichs ankommender Catte gab mit seinem Berichte von Germanicus würcklichem Angriffe des Lagers des Feldherrn Rede einen solchen Nachdruck: daß Hertzog Arpus den Abzug willigte. Beyde Hertzoge wurden über der Art solcher Bewerckstelligung alsbald eines; und wuste der Feldherr so wol seine Cherusker über den Morast / als Arpus die Catten und Jubil die Hermundurer von dem Berge so behutsam zuruck zu ziehen: daß das meiste ehe / als die Römer diesen Entschluß merckten / und alles mit so guter Ordnung vollzogen ward: das die auf des schlauen Tiberius Befehl nachdrückenden Römer in ihre geschlossene Hauffen sich vergebens einzubrechen bemüheten. Weil das meiste Fuß-Volck neben sechs-tausend Cheruskischen Reitern gerade dem Lager zueilete / nam Hertzog Catumer und Francke mit der Reiterey / und Hertzog Jubil mit drey-tausend Hermunduren und so viel Catten auf sich der Römer und Gallier Vorbruch zu verwehren; welches diesem auserlesenen Volcke so viel leichter war; weil es den Feind nun eben so schwer / als anfangs die Deutschen ankam / die anfangs zu seinem Vortheil gehabte Höhen und Sümpfe zu überwinden. Weil aber Tiberius von des Germanicus glücklichem Einbruche und fernerem Vornehmen Wind kriegt hatte /spahrt er weder Müh noch listige Anschläge durchzubrechen; und gieng es zwar an dreyen Orten scharf genung her / nirgends aber schärffer / als wo Tiberius elbst die zwantzigste Legion / welche er für den Kern aller andern hielt / anführete. Gleichwol aber stand der unverzagte Jubil daselbst als eine Mauer / und musten ohne die Gallier / welche man vorher in die Sümpfe trieb / damit ihre Leiber den Römern zu Brücken dienten / über tausend auserlesene Römer /welche so wol mit dem Orte als Feinde zu kämpfen hatten / daselbst die Lachen mit ihrem Blute färben. Tiberius konte seine Ungedult hierüber kaum verstellen / ließ also auch die vierzehende Legion / welche von den grösten Thaten des Augustus / wie die zehende von des Käysers Julius berühmt war / herbey rücken / und auf der Seite den Angrif thun. Weil diese zwey Legionen mit einander umb den Vorzug eiverten; ward auch beyder Tapferkeit geschärffet / und war ihr Streit so viel verbitterter / weil die Catten und Hermundurer nicht halb so starck / als sie / waren. Hertzog Francke / welcher seine Reiterey wol an zwantzig Orten zur Besatzung der Sümpfe zertheilen muste / schickte zwar den Grafen Reckheim mit fünf-hundert Tencterern dem Jubil zu hülffe / welche den Hermundurern ein neu Hertze / den Römern neue Schwerigkeit machten / also: daß bey dem feurigsten Gefechte die [352] Römer doch eine halbe Stunde aufgehalten wurden / ehe sie disseits der Sümpfe den güldenen Adler der zwantzigsten Legion aufstecken konten. Weil nun die drey Hertzoge das deutsche Fuß-Volck in dreyen bereit verstrichenen Stunden schon nahe genung dem Lager zu seyn glaubten / hielten sie numehr mehr für vermessen als nöthig sich länger mit den Römern umb faule Pfützen und einen kahlen Berg zu schlagen. Dahero zohe Hertzog Francke auf der rechten / Catumer auf der lincken Seite die Reiterey gegen Hertzog Jubils Fuß-Volck / welches er numehr aus dem wäßrichten Gestrittig Fuß für Fuß zurücke zoh /und inzwischen / daß Catumer und Francke auf dem festen Bodeme der zwanzigsten und vierzehenden Legion mit der Reiterey den Kopf boten / brachte Hertzog Jubil seine Catten und Hermundurer / welche fast alle verwundet / jedoch nicht über zwey-hundert vermindert waren / zu Pferde; welche nach dem sie ihre letzte Wurff-Spiße den Römern vollends abgeliefert hatten / mit der andern Reiterey unter denen drey tapfersten Fürsten der Welt dem deutschen Heere in so guter Verfassung folgten: daß die Römische und Gallische Reiterey / nach dem die sich an den Nachzug der Tencterer hängenden Feinde mit blutigen Köpfen abgewiesen wurden / sie zu verfolgen keine Lust hatte; sondern sie nur mit dem gantzen Römischen Heere den Deutschen gemachlich nachzoh. Unterdessen war der vom Feldherrn vorangeschickte Fürst Siegesmund mit drey-tausend Cheruskischen Reitern /derer jeder noch einen Fußknecht hinter sich auf dem Pferde führete / zu rechter Zeit beym Lager ankommen; welches Germanicus mit der ersten Legion und acht-tausend Galliern stürmen ließ. Hertzog Marcomir that mit seiner kaum vier-tausend Mann ausmachenden Besatzung darinnen wol sein bestes. Weil der Sturm aber an dreyen Orten geschah / und also sein Volck zu sehr zertheilt werden muste / hatte sich Cäcina Severus schon der Nord-Pforte bemächtiget /und hinderte Marcomir durch eine inwendig gemachte Wagenburg und fast verzweifelte Gegenwehr der Römer völligen Einbruch. Hertzog Siegesmund eilte demselben Orte / wo das Getümmel und vermuthlich die Noth am grösten war / selbst zu; dem Grafen von Barby aber gab er ein Theil seines Volckes auf der andern Seiten die Belägerten zu entsetzen / oder ins Lager zu dringen. Siegesmund kam dem Cäcina nicht unvermuthet auf den Hals / sondern fand ein grosses Theil der Römischen Reiterey und sechs Fahnen Fuß-Volck neben drey-tausend Galliern die Stürmenden zu bedecken in Bereitschafft stehen. Nichts destoweniger fiel Siegesmund die Römische Reiterey / und Graf Schwartzenburg mit seinen abgeladenen Cheruskern das Fuß-Volck hertzhaft an; und weil beyde der Brücken des Lagers mit eusersten Kräfften zudrangen /vermischten sich die Deutschen und Römer so nahe mit einander: daß sie Schilde an Schilde / und die Degenknöpfe einander ins Antlitz stießen. Kein Verzagter hatte Platz eine Spanne zurück zu weichen; die Hertzhaften aber machten durch Erlegung ihres Feindes Raum / und auf seiner Leiche einen höhern Stand. Kein Verwundeter hatte Gelegenheit aus dem Gedränge zu kommen / weil ihm vorwerts der Feind begegnete / von hinten zu sein eigenes Volck fortstieß; also: daß jeder mehr im Zweykampf / als in der Schlacht fochte. Fürst Siegesmund vertrat nicht weniger die Stelle eines Kriegsmannes / als das Ampt eines Obersten. Schwartzenburg / weil er durch alle ihre Tapferkeit den Belägerten nicht geholffen sah / und die Römer von der Brücken zu verdringen für unmöglich schätzte / befahl zwantzig Friesen: daß sie mit Aexten in den gewässerten Graben des Lagers zu kommen trachten / der Brücke zuschwimmen / und selbte zernichten solten. Dieses verrichteten sie unter einem Friesischen Führer mit nicht wenigerm Glücke / als[353] Verwegenheit: Denn nach dem sie nur die Brücke erreichten / hieben sie unter selbter gantz sicher sechs Pfähle ab / wormit zwey Joch der Brücke mit den stürmenden Römern in Graben fielen / und dadurch den Stürmenden der Nachdruck ins Lager zu dringen abgeschnitten ward. Weil aber die schon ins Lager gedrungenen Römer den Deutschen an der Zahl fast zweymal überlegen waren / würde doch Schweiß und Blut ohne Nutz verspielet worden seyn / wenn nicht der Graf Barby tausend von Pferden abgesetzte Cherusker nach gegebenem Hülfs-Zeichen durch die aufgesperrte West-Pforte ins Lager Marcomirn zu Hülffe geschickt hätte. Dieser gewünschte Entsatz veränderte alsofort das Spiel. Denn an statt daß die Römer vorhin sich euserst bemühten ins Lager einzubrechen /hätten sie nun gerne den Krebsgang erwehlet; wenn nicht der behertzte Cäcina noch mit dem Kopfe durchzudringen vermeinet; und der abgebrochenen Brücken das Weichen gehemmet hätte. Also wetzete Schande und Noth der Römer / die Begierde des Sieges aber der Cherusker Schwerdter. Inzwischen traf Siegesmund mit seiner Reiterey auf die Gallier / Pannonier und Hispanier / welche die Sudseite des Lagers gegen den Grafen Stollberg stürmeten. Die Furcht vergrösserte die Anzahl der Deutschen in jener Augen /daher sie des Sturmes beyzeite vergaßen / und sich zu der in Bereitschafft stehenden halben fünften Legion flüchteten. Germanicus vernam alle diese Verwirrungen mit höchsten Unmuthe; und weil er von der auf einem Berg gestellten Schildwache benachrichtiget ward: daß viel deutsche Kriegshauffen dem Lager gerade zuzügen / hielt er für rathsamer beyzeite weichen / als hernach fliehen / ließ also vom Sturme abblasen. Der Abzug ward allenthalben leicht befolget / außer vom Cäcina / welcher gleichsam zwischen Thür und Angel schwebte. Nachdem aber Germanicus mit seiner gantzen fünften Legion dahin rückte / den Fürsten Siegemund also auf die Seite zu weichen zwang / bekamen die Römer Lufft den Brückenbruch mit dem ohne bis zu Füllung der Gräben bereiteten Reißichte auszufüllen; Cäcina aber sich Fuß für Fuß zurücke zu ziehen; weil die Enge des Ortes / die ihn anfangs hinderte / numehr zu statten kam: daß die Deutschen ihm nicht zu häuffig auf den Hals gehen konten. Germanicus / nach dem ihn seine zurück kommende Ausspürer einmüthig versicherten: daß das gantze deutsche Heer im Anzuge wäre / wuste fast nicht / was er von des Tiberius Beginnen urtheilen solte; und ob dieser neidische Mensch aus einer geheimen Herrschsucht ihn mit Fleiß in der Deutschen Hände zu liefern / oder zum wenigsten ihm einen guten Streich versetzen zu lassen angezielet habe. Dahero rückte er mit beyden Legionen und allen Hülfs-Völckern nahe an Meyntz an. Das deutsche Heer erreichte ohne den geringsten Anstoß sein Lager; allwo sie an etlichen tausend feindlichen Leichen die Tugend der zurück gelassenen Besatzung und des Fürsten Siegemunds erkenneten. Tiberius kam mit seinem Heere allererst bey sinckender Nacht eine halbe Meilweges von dem deutschen Lager an. Weil nun dieser daselbst ein Lager zu schlagen anfieng / wordurch das Deutsche gleichsam eingeschlossen ward; Hertzog Francke auch noch selbigen Abend mit seiner Reiterey aufzubrechen sich fertig machte / und die Hofnung Meyntz zu erobern durch den Germanicus zernichtet ward / wurden die sämtlichen deutschen Fürsten leicht eines umb Mitternacht mit dem gantzen Heere aufzubrechen. So bald das Fuß-Volck mit dem Kriegszeuge einen Vorsprung hatte / steckte die den Nachzug habende Reiterey das Läger in Brand; und kam die gantze Krieges-Macht zu Bingen an / sonder daß weder Tiberius noch Germanicus auf ein oder der andern Seite einigen Einfall zu thun sich wagen wolten.

Tiberius rückte folgenden Tag gleichfals [354] nach Meyntz; allwo der Ritter Stahrenberg ein Botschafter des Königs Marbod seiner wartete. Nach dreyen Tagen verlangte dieser vom Feldherrn und Hertzog Arpus Geleits-Briefe nach Bingen zu kommen / welche mitlerzeit ein Theil ihres Heeres über den Rhein gesätzt hatten / umb auf allen Fall der Römer Einbruch in das Gebiete der Catten zu verhindern. Ob nun zwar der Feldherr den König Marbod mehr für seinen Feind als Freund zu halten hatte / weil er ihm seine Gemahlin entführet / und von geraumer Zeit her mit den Römern in ein Horn bließ; unterließ er doch nichts den Gesandten aufs plächtigste zu empfangen. Dieser nam bey allen deutschen Fürsten / außer bey dem Hertzoge Jubil Verhör / welcher seine unversöhnliche Todtfeindschaft gegen den Marbod mit Ehren nicht ablegen konte. Sein Vortrag war: daß Segesthes frey gelassen / mit den Römern ein billiger Friede geschlossen werden möchte; darzu er den Tiberius geneigt befunden hätte. Diesen zu erlangen /würde kein Zweifel seyn / wenn die Deutschen den König Marbod für einen Mitler erkennen wolten / den sie ohne dis als einen Deutschen ohne Verachtung nicht verwerffen könten. Als die deutschen Fürsten hierüber rathschlagten / war keiner / welcher für rathsam oder ihm anständig hielt den Frieden schlechterdinges auszuschlagen. Sintemal die wilden Thiere nur aus einer blinden Feindschaft / vernünftige Menschen aber des Friedens halber mit einander Krieg führten; und da ihnen der Friede angeboten würde / welches man viel ehrlicher gäbe als annehme / könten sie desselben Vorschläge ohne Nachtheil hören. Den König Marbod / oder seine Bothschaft zum Mitler anzunehmen widerrieth Hertzog Siegesmund aufs allereivrigste. Sintemal er nicht nur gegen den Hertzog Herrmann die Waffen ergrieffen / sondern mit dem Tiberius jederzeit zum Nachtheile Deutschlandes unter dem Hute gespielet / und durch der Römer Hülffe ihm gantz Deutschland vollends dienstbar zu machen getrachtet hätte. Dieser behertzte Fürst bezeugte sich hierinnen so viel eivriger / damit es nicht das Ansehen hätte / als wolte er seinem Vater zum besten dem Vaterlande was schädliches rathen / und zur Rache seines eigenen Unrechts die allgemeine Ruhe zerstören. Hertzog Arpus aber fiel ihm bey / und führte an: es könten die deutschen Fürsten / derer alte Häuser auszurotten ihm gleichsam aus einer Staats-Klugheit obläge / nicht ohne ärgste Schande einen Fürsten-Mörder für einen Schiedes-Richter erkennen. Es wäre ohne dis allen die mitternächtige Welt beherrschenden Fürsten Schande genung: daß sie an statt der ihnen obliegenden Rache / worauf Asien und Africa die Augen weit aufgesperret hätte / ihre und aller Fürsten unter seinem Fürsten-Morde verborgen-liegende Beleidigung / anfangs nur zum Scheine und zwar ziemlich kaltsinnig geeivert / bald verstellet /und kurtz darauf vergessen hätten. Nunmehr aber solten sie ihn gar für einen Richter oder Schiedesmann erkennen; welches ohne für einen gerechten Mann zu erkennen nicht geschehen könte. Also wäre ihr Thun nichts bessers als die Mord-Lust auf den Richter-Stuhl der Gerechtigkeit erheben. Zudem wäre sein Friedens-Vortrag nur ein arglistiger Grief die deutschen Bündnüsse zu trennen / für ihn aber ein scheinbarer Fürwand / wenn man seine unbillige Bedingungen nicht annehmen würde / solches für eine Verschmähung anzunehmen / und sich an die Deutschen zu reiben. Hertzog Jubil aber war wider aller Vermuthen gantz widriger Meinung. Niemand / sagte er /hätte mehr Ursache als er / Marbods Fürhaben für verdächtig zu halten. Aber es wäre leichter mit einem Verdächtigen / als oft mit Freunden zurechte zu kommen / weil man im trüben Wasser ohne Bleymaaß nicht leicht einen Schritt fortsetzte / das klärste Wasser aber mit seiner Durchsichtigkeit uns oft seine Tiefe verhüllete. Sie [355] hätten den Marbod würdig geschätzt den Hertzog Ingviomer an ihn zu senden / und ihn ersuchen lassen mit in den deutschen Bund zu treten. Wie möchte sie denn nun Bedencken haben ihn jetzt zum Mitler zu leiden? Des Marbods Vermittelung schlechterdinges ausschlagen / wäre eben so viel als ihm den Krieg ankündigen / nichts aber gefährlicher als mit zwey mächtigẽ Feinden auf einmal zu thun kriegen. Hertzog Arpus fiel ihm ein / und sagte: Jubil redete mehr zu seinem Ruhme / als für das gemeine Beste. Denn weil niemand mehr als er Ursache hätte dem Marbod gram zu seyn / könte er durch keinen anderen Rath mehr Ehre aufheben / als wenn er für der gemeinen Ruh die Rache seines empfangenen Unrechts schenckte. Allein es bliebe einmal ein gefährlicher Stand für einen verdächtigen Richter rechten / wenn man schon nicht gezwungen wäre bey seinen Urtheln zu beruhen / sondern sich an einen höhern ziehen könte. Des Ingviomers bey ihm schlecht angewehrte Bothschaft solte ihnen billich eine Ursache mehrern Mißtrauens seyn; welchen er anfangs mit dem Winde oder blossem Geruche glatter Worte gespeiset / im Wercke aber bis jetzt nichts gethan / sondern vielmehr nur der deutschen Anschläge ausgekundschaft / und den Römern verrathen / ja wol gar den Fürsten Ingviomer gantz umbgekehrt hätte: daß man ihn von seinem Hofe nicht weg- und wieder die Römer in Harnisch bringen könte. Weil aber alle andere Fürsten dem Hertzoge der Hermundurer beyfielen; gab der Feldherr / welcher eine Stunde vorher in einem beweglichen Schreiben vom Hertzoge Ingviomer zu Annehmung dieser Vermittelung aus vielen wichtigen Gründen ermahnet worden war / der Frage diesen Ausschlag: Er sähe den König Marbod mehr als einen Widersacher / als Freund der Deutschen an /und traute er ihm nicht zu: daß er aus guter Meinung um Deutschlands Frieden bekümmert wäre. Nach dem aber Marbod gegen den Tiberius nicht weniger mißträulich / als die Römische Macht in Deutschland ihm sehr verdächtig wäre / könte es aus einer Staats-Klugheit Marbods Ernst seyn einen redlichen Frieden zu vermitteln. Sintemal einem Nachbar meist daran viel gelegen; daß ihrer zwey mit einander nicht kriegen /entweder daß die aus ihrer Kriegs-Fla e fliegende Funcken nicht auch seine Länder anzünden; oder daß einer den andern nicht gar verschlinge / und also dem Nachbar allzu gefährlich werde. Also schickte es Gott nicht selten: daß eines Feindes Schwerdt einem Krancken das Geschwüre öfnete / welches kein Artzt ihm aufzumachen getrauet hätte. Wenn aber auch gleich Marbod einen Schalck im Busem verborgen hätte; würden die Deutschen noch allezeit sich aus seinem Garne auszuflechten Vorsicht und Gelegenheit haben; weil sie ihn für keinen Schiedes-Richter / sondern nur für einen Mitler annehmen / der nicht wie Alexander mit seinem Degen den Gordischen Zweifels-Knoten zerhauen / sondern durch bewegliches Zureden und Anführung wichtiger Ursachen / welche in dem Rechte der Völcker / in der Billigkeit vernünftiger Leute /und auf dem daraus erwachsenden Nutzen gegründet wären / die Streitenden zur Eintracht bewegten. Weil diese nun ein so heiliges Ampt übernähmen / schiene es einer wilden Unart ähnlich zu seyn / wenn man aus dem einigen Vorwandte: daß der sich anbietende Mitler dem andern Theile geneigter wäre / selbten schlechter dinges verschmähete. Ihrer Freyheit würde dadurch nichts benommen; sondern es stünde bey ihnen: ob sie seine Ursachen für erheblich; seine Vorschläge für thulich achten wolten. In der Welt wäre keine schädlichere Armuth / als der Abgang treuer Mitler / welche so seltzam / als die Schadenfroh gemein wären. Hundert grosse Fürsten hätten sich zwar durch Rachgier gestürtzt; zehnmal [356] aber so viel: daß sich kein Mittel ihnen gezeiget mit Ehren nachzugeben / welches die bloße Anwesenheit eines Mitlers verhütet hätte; dem zu Ehren man etwas gethan / das uns doch unsere eigene Wolfahrt in geheim riethe /oder gar die Noth zu thun aufbürdete. Feuer und Wasser wären die ärgsten Feinde in der Welt; gleichwol aber liessen sie sich durch Mäßigung ihrer heftigen Eigenschaften vergleichen / und durch Vermittelung der Lauligkeit mit einander annehmlich vermählen. Diesemnach auch niemand an der Mögligkeit des Friedens zwischen den Deutschen und Römern verzweifeln solte. Derogestalt kriegte des König Marbods Bothschafter / welchem ein Gesandter von Ariovisten dem allererst in seine Herrschaft tretenden Fürsten der Allemänner mit gleicher Verrichtung folgete /gewünschte Antwort / und wurden Hertzog Melo und Ganasch ersucht / entweder selbst / oder durch Gesandschaften dieser allgemeinen Friedens-Handlung beyzuwohnen. Inzwischen reiseten Marbods und Ariovistens Bothschafter nach Meyntz zu dem Tiberius von ihrem guten Anfange Bericht zu thun; und so bald sie des Sicambrischen und Friesischen Gesandten Ankunft vernahmen / fanden sie sich zu Bingen mit Cäcinen als einem Römischen Bothschafter ein /und schlugen einen allgemeinen Stillstand der Waffen für. Hingegen schickten die deutschen Fürsten Gesandten nach Meyntz an den Tiberius; wormit der Römischen Hoheit nichts vergeben würde. Ob nun wol einige Deutschen sich hierzu unter dem Vorwand bereden ließen: daß bey einem erfolgten glücklichen Streiche die Sieger hochmüthiger / die Bedingungen schwerer / die Gemüther verbitterter / und also die Abkommen / darüber man viel Zeit und Mühe angewendet / krebsgängig gemacht würden: so gaben sich doch des Hertzog Melo und Ganasches Gesandten kurtz und rund an: daß ihre Herren nimmermehr in einigen Stillstand willigen könten. Ihnen wäre ohne dis die gantze Friedens-Handlung verdächtig genung: daß die Römer durch den schlimmen Marbod nur der Deutschen Anschläge und Kräften ausspüren; zwischen ihnen das Unkraut der Zwytracht sämen; durch die Friedens-Hofnung ihre Wachsamkeit einschläffen / sich aus Italien und Griechenland zu verstärcken die Stadt Meyntz fester zu machen / und das Ubische Altar den Sicambern aus den Zähnen zu reissen / Zeit gewinnen wolten. Zu geschweigen: daß die Römer mit einem einmal angefochtenen Volcke zu keinem andern Ende Friede machten; als daß sie hernach selbtes in seiner Sicherheit desto unversehner und vortheilhaftiger überfallen könten: Sie hätten der Deutschen Ruh aus Begierde des Krieges zerstöret; wer wolte sich nun von diesen blutdürstigen Leuten bereden lassen: daß sie aus Liebe des Friedens den Krieg beyzulegen gedächten? daß diese Lermenmacher der Welt derselben Ruh verlangten / welche glaubten: daß Rom in der Unruh steter Kriege / wie die Kinder in geschwenckten Wiegen ihren süssen Schlaf und Sicherheit erlangten? wäre also ein offentlicher Krieg besser / als ein verdächtiger Friede / und nichts schädlicher / als ein Stillstand; welcher zu nichts anderm diente / als daß der Feind Zeit gewäne seine Schwerdter zu wetzen und mehr Holtz zu einer ärgeren Kriegs-Flamme zusammen zu tragen. Bey diesem wurtzelten frembde Feinde in einem Lande nur mehr ein; Ihr unrechtes Besitzthum kriegte nach und nach einen Schein des Rechtes / und die Hartnäckigkeit wüchse frembde Gütter ihren rechtmäßigen Herren nicht wieder abzutreten. Wolte man diesemnach einen sicheren Frieden haben; müste man ihn unter dem Schilde schlüssen / und die deutschen Fürsten / wie die Griechischen Herolde / in der einen Hand einen Spieß / in der andern einen Stab des Mercur haben; [357] nicht aber die tumme Einfalt der Schafe an sich nehmen / welche durch Vorhaltung eines den Frieden abbildenden Oelzweiges sich / wohin man wolte / auch ins Feuer verleiten liessen. Andere hingegen lachte die Süssigkeit des Stillstandes nicht wenig an / und meynten: daß Melo nur aus Eigen-Nutz und Begierde das Ubische Altar vollends zu gewinnen / Ganasch aber aus einer unzeitigen Verbitterung den Stillstand und Frieden zu stören gedächten; also: daß desthalben nicht wenige Zwytracht zwischen den Deutschen hervor blickte; und der diß alles ausspürende Cäcina hierdurch bereit viel gewonnen zu haben meynte. Gleichwohl aber brachte der Feldherr durch sein Ansehen und vernünftige Einredungen alle Köpfe unter einen Hut; und ward der Stillstand von den Deutschen zu nicht weniger Verwirrung des Cäcina abgeschlagen; sonderlich als er vernahm: daß Hertzog Francke den Vortrab der zwey aus Hispanien kommenden Legionen überfallen / geschlagen / und sie biß an die Maaß sich zu ziehen gezwungen hatte. Cäcina ward hierüber nicht nur verdrüßlich; sondern befürchtete auch: daß Melo und Ganasch den Römern das gantze Spiel verterben / und ihr Absehen verrücken würde. Daher er sich durch Geld / wormit sich nun auch die Deutschen bethören zu lassen anfiengen / alle Heimligkeiten auszuforschen / und zwischen die Fürsten noch immer mehr Mißtrauen zu säen bemühete. Jenes gieng ihm unschwer an; weil bey den Deutschen über kleinen Dingen die Fürsten nur allein Rath halten / zu den wichtigsten aber auch die Priester und Hauptleute gezogen / oder diesen doch die vom Fürsten abgehandelten Sachen hernach fürgetragen / und sie meist des Nachts unter freyem Himmel / dahin sich iedermann leicht zuschleichen kan / erörtert werden. Dieses versuchte er dadurch auszurichten: daß Tiberius bey denen abgewechselten Besuchungen zu Meyntz des Feldherrn und Hertzog Arpus Gesandten eben die Ehre als König Marbods Botschafter / des Sicambrischen und Friesischen aber mehr nicht als einen Schritt entgegen gieng; den Ritter Schönberg des Hertzog Jubils Gesandten aber unter dem Vorwand: daß er zu Rom in Diensten des Cajus ihn beleidiget hätte / gar nicht für sich lassen wolte. Welches aber vielmehr eine Angel seyn solte / König Marbods Gewogenheit zu gewinnen. Melo / Ganasch und Jubil wurden dessen zeitlich benachrichtiget / und nahmen es für die gröste Beleidigung auf; also: daß die Friedens-Versa lung wäre zerrissen worden / wenn nicht Hertzog Herrmann und Arpus sich erkläret hätten: Sie verlangten für ihre Gesandten keine grössere Ehre und Tittel / als der andern deutschen Fürsten bekämen / weil sie an Uhrsprung und Würden einander gleich; auch niemanden als Gott und dem Degen eines Uberwinders unterworffen wären / und ieder für sich Krieg führen / Friede und Bündnüß machen könte / ungeachtet einer mehr Macht als der andere / und Herrmann wegen seiner Feldhauptmannschafft den Vorzug für allen hätte. Ariovistens Gesandter der Graf von Oettingen hielt beyden Theilen vernünftig ein: Die Zeit würde durch nichts unnützer verschwendet; die heilsamsten Friedens-Handlungen durch nichts öffter / und doch am unverantwortlichsten gestöret / als durch eitele Strittigkeiten über den Vorsitz / über einen Tittel / oder einem Tritte. Gleichwohl aber müste die Erfahrung /oder vielmehr etliche hundert tausend Menschen beweinen: daß die Gesundheit des gemeinen Wesens /nemlich der Friede / durch diese nicht einer Wasser blase werthe Eitelkeiten viel Zeit aufgezogen / oder wohl gar die kostbarsten Zusammenkunften durch das Gezäncke über diese Schalen zerrissen würden / da die Erörterung des Kernes nicht einst halb so viel Schwerigkeit gemacht haben würde. Die Deutschen und Römer hätten sich für Alters [358] umb diese Nichtigkeiten wenig bekümmert; sondern Zeit und Unkosten /welche andere zu unnützem Gepränge verwendet / zu Ausübung des Hauptwercks angewehret. Durch diese und andere bewegliche Einredungen vermittelte es auch der Gesandte dahin: daß Hertzog Jubil an statt des Schönbergs den Ritter Reußen zum Gesandten nach Meyntz schickte; und Tiberius / wormit er dem Feldherrn und Hertzog Arpus durch Minderung voriger Ehre nicht zu nahe träte / erklärte sich auf des Germanicus Zureden aller deutschen Fürsten Gesandten gleichmässige Begegnung zu erzeigen. Nach Beylegung dieses Streites spannete Tiberius durch des Marbodischen Gesandten Vortrag die Seiten so hoch: daß iedermann an einem Schlusse zweifelte; weil er die Wieder-Einräumung nicht nur aller am Rheine; sondern auch auf dem Gebürge Taunus und an der Lippe gelegener und verlohrner Plätze verlangete; und dadurch die Deutschen veranlaßte: daß sie durch den Alemannischen Gesandten das gantze Belgische Gallien biß an die Seene zurück forderten; weil desselbten Einwohner alle deutscher Ankunfft wären / und für Alters die weichen Gallier daraus vertrieben hätten. Weil kein Theil zum ersten von seinen Vorschlägen weichen wolte / gleich als wenn diß ein Bekäntnüß seiner Schwäche wäre; gieng mit vergebenen Handlungen / ungeachtet die Mittler an ihnen nichts ermangeln liessen / viel Zeit hin; also gar: daß der Feldherr das sehnliche Verlangen seiner Gemahlin Thußnelda endlich einwilligte ins Lager zu kommen. Unterdessen bat Marbods Bothschaffter ihm Erlaubnüß aus / in dem Rathe der deutschen Fürsten zu erscheinen; daselbst trug er ihnen für: Sie möchten doch sich zum Frieden geneigter / als zeither bezeigen. Wäre ihrer Tapferkeit ein und ander glücklicher Streich gelungen; so wäre doch das Glücke wetterwendisch / die Römische Macht unerschöpflich / alle Bündnüsse auch zerbrechlich. Ein einhäuptiges Heer taurte in die Länge eine dreymal stärckere Macht aus. Niemand nähme sich mit beständigem Eifer frembder Wohlfarth an; und aus Uberdrüssigkeit wäre diß / was aller seyn solte / niemandens. Hätte Carthago Hannons Rathe gefolget / und nach Hannibals bey Canna erlangtem Siege Friede gemacht / stünde es biß ietzt noch uneingeäschert. Wenn aber auch gleich die Deutschen ihr Bündnüß mit Diamantenen Ketten befestigt / dem Siege und Glücke aber die Federn ausgeropft zu haben vermeynten; wäre ihnen doch auch der Friede dienlich / weil sie ihn mit anständigen Bedingungen schlüssen / und das gewonnene befestigen könten. Verlangten sie nun einen beständigen Frieden / müsten sie den Römern nichts schimpfliches oder unmögliches zumuthen. Für diß aber legte es Tiberius nicht ohne Ursache aus: daß man an das schon vom Käyser Julius gewoñene Belgische Gallien Anspruch machte / worauf keiner unter den deutschen Bunds-Genossen jemals einig Recht gehabt hätte. Wenn man aber auch zugleich durch die Waffen dem Feinde einen harten Frieden aufhalsete; springe er bey erster Gelegenheit entzwey; weil sich iedermann einer beschwerlichen Last zu entschütten trachtete. Dahero Privernas dem Römischen Rathe unter die Augen gesagt hätte: Ihr Friede könte nicht lange tauren / wenn sie nicht einen erträglichen willigten. Gleicher gestalt hätte der Römische Rath alsbald den vom Quintus Pompejus und Mancinus mit Numantia gemachten Frieden zerrissen / weil er der Stadt Rom nicht anständig gewest. Wenn aber auch gleich die Deutschen diß Theil Galliens gewinnen könten / solten sie es ihnen nicht wüntschen. Denn sie würden über desselbten Eintheilung einander selbst in die Haare gerathen; und sie würden auf allen Fall zwar mehr Land zu vertheidigen / nicht aber mehr Kräfften haben. Deñ wie die gute Gestalt und die Stärcke eines [359] Menschen nicht von vieler Speise; sondern von guter Verdäuung eines wenigern herrührete; also machte nicht die gewaltsame Zusammen-Raffung unzehlbarer Länder /sondern derselben friedsame Erhaltung einen Fürsten mächtig. Diesemnach wäre sein treuer Rath: Die Deutschen solten Gallien Gallien seyn lassen / und ihr Deutschland in seinen Gräntzen für den herrlichsten Gewinn ihres Sieges schätzen. Die Deutschen wolten diesen Vortrag weder mit Zusammenschlagung schwirrender Waffen loben; noch mit einem Getümmel verachten; sondern alle verharreten in einem tieffsinnigen Stillschweigen; biß der Feldherr diesem wichtigem Wercke nachzusinnen versprach / und den Bothschafter ersuchte die Römer zu einem billichen Vorschlage nachdrücklich zu bereden / und ihnen einzuhalten: daß die Deutschẽ nicht wie die Asiatischẽ Völcker gewohnt wären ihnẽ Friedens-Gesetze fürschreibẽ zu lassen / noch auch die Fürsten sich für Abnehmung ihrer Länder zu bedancken. Starenberg versicherte dessen die deutschen Fürsten / und kam selbtem auch redlich nach. Denn er reisete noch selbigen Tag nach Meyntz; und redete dem Tiberius aufs beweglichste ein erträglichere Vorschläge auf den Teppicht zu werffen. Die Ordnung erforderte: daß wer den ersten Vorschlag gethan / auf erfolgte Gegenforderung selbten auch am ersten mässigte. Der gegenwärtige Krieges-Zustand wäre auch so beschaffen: daß den Römern der Friede so wohl nöthig / als anständig wäre. Jenes / weil die Deutschen durch bißherige Kriegs-Ubung so wohl die Waffen zu führen gelernet hätten; als sie von Geburts-Art darzu geschickt wären. Dahero es nicht rathsam wäre mit einem ungeübten Feinde lange Krieg zu führen / und dardurch sein Lehrmeister zu werden. Dieses / weil die Römer nach der grossen Niederlage des Varus schon wieder so viel Ehre aufgehoben und erwiesen hätten; daß es ihnen weder an Macht noch Hertze mangelte den Deutschen die Stirne zu bitten. Uber diß gienge Käyser August auf der Grube; nichts aber wäre gefährlicher / als bey Veränderung eines Herrschers in grosse Kriege eingeflochten seyn. Viel nur auf des Augustus Tod wartende Länder würden so denn die Larve ihres scheinbaren Gehorsams vom Gesichte ziehen / und den Römern die Klauen weisen; welche ietzt / da alle andere Völcker gleichsam in der Dienstbarkeit eingeschlaffen wärẽ / mit halb Deutschland alleine alle Hände voll zu thun hätten. Er wüste zwar: daß Rom den Schild zu seiner Wiege / den Spieß zu seiner Kinder-Tocke gehabt hätte; und daß diß die beste Nahrung gäbe / was anfangs auch zu der Geburt geholffen hätte; daß der Stadt Rom mehr die langen Röcke / als die Pantzer-Hembde geschadet; daß unter dem Geräusche der Waffen alle guten Künste aufgewachsen; und also die Römer mit mehr Recht / als Athen seine Pallas im Harnische abzubilden Ursache hätte: Aber des klugen Numa und des friedsamen Augustus Beyspiel lehrten: daß / wie es in der Welt nöthig wäre / bald regnende / bald verschlossene Wolcken zu haben /also auch den Römern nöthig sey des Janus Tempel wechsel-weise zu sperren und aufzuthun. Es wäre schon sechs und sechtzig Jahr: daß Käyser Julius sich an Deutschland gemacht hätte; der Gewinn aber zahlte nicht den hundersten Theil des Verlustes an Blut und Gelde; da doch Tiberius allzu wohl verstünde /wie wenig den Römern an unfruchtbaren Kriegen gelegen wäre / sonder sie nicht leicht einen entschlossen hätten / wenn nicht selbter ein Bergwerck gewesen wäre / dessen oberste Adern nur Eisen / die untersten aber Gold und Silber ausgegeben hätten. Daher der vorsichtige August fast allemal mit Unwillen an den Deutschen und Partischen Krieg kommen / und selbten einer kostbaren / aber unfruchtbaren Fischerey mit einem güldenen Hamen verglichen hätte / [360] Tiberius selbst hätte für wenig Tagen gestanden: Er wäre nun das neundte mal in Deutschland / hätte aber iedes mal mehr durch klugen Rath / als mit grosser Macht ausgerichtet. Dieses solte er nun durch Mässigung der Friedens-Vorschläge bewähren. Denn es wäre keine grössere Klugheit / als die Räder seines Gemüthes mit denen des Glückes zugleiche stille halten und zusammen herum gehen lassen. Denn ohne Waffen gebohrnen Menschen wäre nichts anständigers / als diß zu erkiesen / was am süssesten zu hören / am sehnlichsten zu wünschen / am nützlichsten zu besitzen; ja der rechte Gesundheit-Stand des menschlichen Lebens wäre / nemlich den Frieden / welchem die Römer / als einer Gottheit Tempel und Altäre aufgerichtet hätten. Und also ihn Tiberius / als ein so kluger Fürst nicht verschmähen könte; wenn er auch gleich den Sieg schon in Händen hätte. Mit einem Worte: Er solte behertzigen: daß die Lorber-Bäume nur unnütze Beeren / die Oel-Bäume hingegen nützliche Früchte trügen. Durch diese bewegliche Einredungen und ofters hin und her reisen des Marbodischẽ und Ariovistischen Gesandten kam es endlich dahin: daß Tiberius alles auf der Ost-Seite des Rheines vergessen / die Bataver in ihrer Freyheit ohne einige Schatzung zu lassen; die Deutschen hingegen nichts über der Saare und unter der Mosel nichts über der Maaß zu besitzen sich erkläreten. Wegen derer an der West-Seite des Rheines gelegenen Festungen aber blieben beyde Theile als unbewegliche Felsen stehen; also: daß die nunmehr so weit gebähnte Seite endlich zerspringen wolte; insonderheit aber verhärtete den Hertzog Melo die nunmehr erfolgende Ergebung des Ubischen Altares; welchen weder die anderwertigen Einfälle der Römer / noch der schon halb vorbey gerückte Winter / noch die verzweifelte Hartnäckigkeit der Belägerten von der halbjährigen Belägerung dieser Festung abzuziehen vermocht hatte. Denn weil daselbst Käyser Julius zum ersten mal solte in Deutschland übergesetzt haben /und dem Käyser August ein Tempel mit reichlichen Einkommen für die Priester / darzu nur Fürsten und der älteste Adel kommen konte / gestiftet war / hatte der auch die Menschheit selbst überwindende Aberglauben die Gemüther der Menschen derogestalt besessen: daß sie umb die Gottheit ihres alldar angebeteten Käysers / und die Beschirmungs-Macht seiner Heiligthümer nicht zweifelhaft zu machen / fast alle menschliche Gegenwehr thaten. Melo hingegen bildete ihm ein: daß er keines seiner Länder sicher besitzen könte / wenn durch Gewinnung des Ubischen Altares ihm nicht der Dorn aus der Zehe gezogen würde. Dieser Vorsatz überwand jene Hartnäckigkeit; also: daß nachdem alle Waffen der Römer zerbrochen / alle Vertröstungen des Entsatzes zu Wasser worden waren / sie die Ubergabe willigten / und ihnen nichts als Augustens ertztenes Bild mit sich wegzuführen bedingeten. An dieses hatten sie bey wehrender Belagerung mit langen von den Stadt-Mauren hergehenden Seilen diese Festung / wie die Epheser ihre vom Crösus belagerte Stadt der Diana / als einen Schutz-Gotte angebunden. Bey dem Abzug aber führten sie dieses Bild auf einem vergüldeten Wagen mit güldenen Ketten angebunden weg. Diesemnach die Römer von den Deutschen mit ihren gefässelten Göttern auffs schimpflichste gespottet und gefragt wurden: Ob sie ihren Gott August zu dem in Tyrus angebundenen Hercules / oder zu dem in Sparta angeschmiedeten Mars / oder neben den wegen besorgter Flucht in Bley verwahrtem Steine zu Lyzicus setzen / oder mit der angepflöckten Venus der Lacedemonier vermählen wolten? Ob des Käysers Augustus Bilder so flüchtig /als des Dädalus wären? und ob dieses ihnen auch Bürgen gesetzt: daß / ehe es nach Trier käme / und daselbst in einen steinernen Mantel eingehüllt würde /nicht entkommen würde? Wenig Tage [361] darnach kam die Hertzogin Thußnelda mit der Königin Erato und anderm vornehmen Frauenzimmer bey dem Altare des Bacchus an; und gebahr auf den nechsten Morgen zu unbeschreiblicher Freude des Feldherrn und gantz Deutschlandes einen Sohn. Die hierüber auf dem Gebürge Taunus und Rhetico angezündeten Freuden-Feuer waren nicht zu zehlen; nach derer Beyspiele von denen Catten / Hermundurern und Cheruskern ihre Berge gleicher gestalt mit Feuern bekrönet wurden / umb nicht die letzten in der Erfreuung zu seyn; ungeachtet die Rheinländer dißmal den Vorzug in Wissenschafft der Freude hatten. Das allbereit wegen strengen Winters in die Dörffer vertheilte Kriegsheer zohe sich wieder zusammen / umb durch allerhand Waffen-Ubungen die Geburt dieses Cheruskischen Sta -Erbens zu feyren. Unterdessen aber ließ der Feldherr seinen Sohn den Tag nach der Geburt die Druydennehmen / und aus einem Schiffe dreymal in den Rhein-Strom tauchen. Alle deutsche Fürsten und Cäcina / welcher wegen des Tiberius und Germanicus dem Feldherren über dieser Geburt Glück wünschte /wohneten dieser Badung bey; und weil ihm diese bey so rauher Winters-Zeit allzu unbarmhertzig fürkam; fragte er einen Druys: Ob dieses nur wie bey den Thraciern / Jazygern und Spartanern zu zeitlicher Abhärtung ihrer Kinder; oder wie bey denen dem Rheine zulauffenden Galliern zu Prüfung des rechten Ursprunges geschehe; weil dieser Fluß die geheime Eigenschafft haben solle / die Huren-Kinder zu verschlingen / die ehlich gebohrnen aber nicht untersincken zu lassen? Der Druys lächelte hierüber und sagte: Das letztere hätten die Deutschen nicht zu untersuchen / bey denen der Nahme des Ehebruchs fast unbekant; das Werck aber bey Fürstlichen Häusern ein unerhörter Greuel / nicht aber wie an vielen wollüstigen Höfen ein Zeit-Vertrieb aufgeweckter Gemüther wäre. Das erstere wäre auch nicht das eigentliche Absehen; wiewohl kein Volck mehr als die Deutschen der Verzärtelung ihrer Kinder gram wäre; so gar / daß man der Strengigkeit und denen Bemühungen nach schwerlich des Herren und seines Leibeigenen / eines Fürsten und eines Burgers Kinder unterscheiden könte. Das reiffere Alter machte so denn allererst unter den Edlen / oder vielmehr die Tugend des Standes Unterscheid. Cäcina war noch begieriger die rechte End-Ursache dieses Kinder-Badens zu wissen /hielt also umb derselben Entdeckung ferner an; welchem der Druys antwortete: Weil die Eintauchung vom Priester geschehe / könte er ihm leicht die Rechnung machen: daß diese Abwaschung ein heiliges Geheimnüß seyn müste. Er möchte nur nachdencken: warumb die Römer ihrer Götter Bilder so offt in der Tiber badeten? warumb bey den Griechen die für todt gehaltenen und wiederkommenden / bey den Juden die büssenden / bey den Egyptiern die Priester sich und ihre Kleider so offt wüschen / und warumb die Brachmanen ihre Leichen wohl zwantzig Tage-Reisen weit zu dem geweyhten Ganges-Flusse / dessen Wasser niemals faul und stinckend werden / noch Würmer bekommen soll / führten / umb selbige darinnen für ihrer Verbrennung zu reinigen? Die meisten aber unter diesen Leuten steckten in dem irrigen Aberglauben: daß das irrdische Wasser einen gewaschenen von Mord / Ehbruch / Diebstahl und andern Lastern reinigte; also sie schön genung würden nach abgewaschenen Füssen in die grösten Heiligthümer zu gehen. Nun wäre allerdings wahr: daß die menschliche Seele durch die Laster viel abscheulicher / als der Leib vom Staube und Kohte besudelt / und zugleich der Leib der Ehbrecher mit dem Schaume der Geilheit / die Faust des Mörders mit dem Blute der Unschuld / des Diebes mit dem Peche ungerechten Gutes besudelt würde. Diese euserlichen Glieder könten ja wol mit Wasser abgewaschen werden / keines weges aber die Seele; welche zwar in dem Leibe als in einer Hütten /aber [362] nichts leibliches ist. Sie hat keine Grösse / keine euserliche Sinnen; daher kan sie nicht gefühlt / nicht betastet / nicht gewaschen werden. Weil aber die Seele nicht den gantzen Menschen machte; sondern sie mit dem Leibe viel fester / als ein Mann mit seinem Weibe vermählet wäre / und sie ihn daher inniglich liebte / liesse sie sich verleiten: daß sie seinen Reitzungen folgete / und durch Erniedrigung zu Wollüsten und andern viehischen Handlungen / mit welchen der Leib eine Verwandschafft hätte / sich aufs heßlichste verstellete. Wormit aber die viel edlere Seele nicht geringerer Beschaffenheit als der Leib seyn möchte; hätte Gott ihr so wohl als den Gliedern ein Reinigungs-Mittel verschaffet / welches aber ihrer Eigenschafft gemäß / und also wie die Seele geistig und unsichtbar seyn müste. Wormit es der gleichsam in ein Vieh verwandelten Seele durch eine neue Geburt ein neues Wesen zueignete. Dieses unsichtbare Mittel aber müste den Augen des Leibes durch etwas sichtbares / wie die Gedancken durch Schrifft und Buchstaben fürgebildet werden. Zu solchem euserlichen Zeichen wäre nun nichts geschickter als wegen seiner Reinigkeit das Wasser / wie dieses den Leib von Unflate sauberte; also tilgte die Gnade des grossen Gottes / der reineste Tau seines allereinfältigsten Wesens alle Schwärtze der Seelen. Wie das durchsichtige Wasser die Eigenschafft hätte das Licht der Sonnen anzunehmen; also verliere eine von Gott erleuchtete Seele alle geistliche Finsternüß. Wie das Wasser Kräffte hätte die Glieder zu kühlen; also leschte der Einfluß Göttlicher Gnade den Brand fleischlicher Lüste / und erquickte die in dem Feuer-Ofen der Anfechtung schmachtende Seele. Bey so gestalten Sachen wäre unschwer das Geheimniß gegenwärtiger Kindes-Eintauchung auszulegen; und zu urtheilen: daß das Wasser ein blosser Rechen-Pfennig wäre / der den verborgenen grössern Schatz nur andeutete / nicht aber begrieffe. Cäcina hörete dem Druys nicht nur mit Verwunderung / sondern mit einer heftigen Regung seines Hertzens zu / und fing nach einem tieffsinnigen Stillschweigen an: Wie ko t es aber: daß ihr Deutschen die erst neugebohrnen Kinder alsobald waschet? welche noch keine Würckung des Verstandes / keine Freyheit des Willens /weniger das Vermögen haben sich mit Lastern zu besudeln? Der Druys antwortete lächelnde: Ob er ihm einbildete: daß der neugebohrnen Kinder Seelen weniger mit dem Gifte ihrer elterlichen Unart / als ihr Leib mit dem Blute ihrer Mütter befleckt wären? Die jungen Schlangen / ehe sie starck genung wären iemanden zu stechen / hätten ihr Gift schon in ihren Zähn-Blasen / und die jungen Eiben-Stauden in ihrer Wurtzel / ehe sie noch Aeste und Laub iemanden zu über chatten bekämen. Nicht anders verhielte es sich mit der Seele der Kinder / welche nicht rein seyn könte /wenn der Eltern ihre unflätig gewest wäre. Ihre Zeugung könte nicht ohne fleischliche Lust geschehen. Die Neigung zu den Lastern steckte in noch ungebohrnen Kindern / wie die Flamme in den Feuer-Steinen / ungeachtet sie noch weder Verstand noch Willen hätten solche zu begehen. Und daher solte er sich nicht wundern: daß die Deutschen Gott so zeitlich umb die Reinigung ihrer Kinder Seelen anrufften. Diese kurtze Unterredung gab Cäcinen so viel Vergnügung: daß er bey währender Friedens-Handlung die Druyden mehrmals heimsuchte / und sich aus ihren sinnreichen Lehren so viel mehr erbaute / weil er von seinen Priestern / welche ihre Heimligkeit auf die blossen Schalen euserlicher Opfer gründeten / derogleichen tiefsinnigen Kern niemals genossen hatte. Auf den siebenden Tag lud der Feldherr alle Gesandten und Bothschafter in einen nicht allzu weit von des Bacchus gelegenẽ Eichwald; darinnen er 7. Ochsen für den neugebohrnen Sohn / 7. Küh für seine Gemahlin zum Reinigungs- und 7. Wieder für das Wachsthum seines Sohnes zum Wuntsch-Opfer schlachten und verbrennen ließ; und daselbst [363] nach deutscher Art am siebenden Tage seinem Sohne den Nahmen Thumelich zueignete. Welche Zahl der Tage die Athenienser ebenfals / die Römer aber den achten bey der Tochter / den 9.ten bey der Söhne Benennung beobachteten. So bald der Feldherr sich des Nahmen halber erkläret; eileten hundert Druyden solchen in so viel heilige Eichen einzuschneiden / welche sonst bey der Straffe ewiger Verfluchung von keinem Eisen berühret werden dorfften. Aller Wuntsch gieng dahin: daß dieser junge Fürst diese Bäume an Alter und Grösse überwachsen; und wie diese für der Sonnen-Hitze; also er für allem Unglücke ein Schirm des Vaterlandes seyn solte. Eben dieses erfolgte so bald die Post dahin kam / in allen heiligen Heynen der Cherusker /und in dem Tanfanischen Tempel; wo alle Nahmen der Cheruskischen Eingebohrnen / wie zu Rom in dem Saturnischen Tempel von den Vorstehern des gemeinen Schatzes nicht unbillich aufgezeichnet wurden / weil die Mannschafft ein köstlicher Schatz / als Gold und Silber der Länder ist. Unter den Cheruskern war keiner so arm / der nicht ein weisses Thier über diese Geburt schlachtete / sein Haus mit Tannen-Laube kräntzete / etliche Tage angerichtete Tische bereitete und den grossen Gastmahlen der Stände zuvor kam. Massen denn auch der Feldherr an dem Tage /da er seinen Sohn nennte / und folgende Nacht dem gantzen Kriegsheere ein Mahl ausrichtete / für alles Volck offene Taffel hielt / und mit allen Fürsten und Gesandten sich durch ein zwar reichliches / iedoch nach gegenwärtigem Kriegs-Zustand und ohne Uberfluß ausländischer Seltsamkeiten angestelltes Gastmahl ergetzete / welche die Verschwendung nur wegen ihrer Kostbarkeit / nicht wegen ihrer Güte herfür sucht. Die Barden vergassen hierbey nicht ihre Glücks-Wünsche und Loblieder; und hatten sie insonderheit an des neugebohrnen Fürsten Geburts-Stunde als ein besonderes Zeichen seines Aufnehmens angemerckt: daß er gleich ans Licht kommen / als wenig Augenblicke vorher die Sonne in Steinbock getreten war / und also nach der längsten Nacht den Anfang zu Verlängerung des Tages machte. Diesemnach sie für dem Hause / darinn Thußnelda und Thumelich lag; eine zugespitzte Säule aufrichtetẽ. Auf ihrer Spitze stand eine Hi els-Kugel / in welcher die ein Kind in ihrem Kreisse habende Sonne in das Zeichen des güldenen Steinbocks trat. Auf der einen Seite dieser Säule war eine grosse Sonne und in derselben Mitte eine kleinere Sonne gemahlet. Darunter war in den Absatz geschrieben:


Sonn' / Ehbett und der Thron sind den Gefärthen feind;

Die Feindschafft aber ist auf Kinder nicht gemeynt.


Auf der andern Seite war ein gestirnter und mit einer güldenen Krone bekräntzter Steinbock zu sehen / und in dem Absatze zu lesen:


Der Steinbock ward von Gott dem Thumelich zum Licht erkiest;

Weil er die Sonn' erhöht / der Fürsten ihr Geburts-Stern ist.


Auf der dritten Seite war eine Ehren-Pforte / und auf selbiger der gistirnte Steinbock gebildet / durch welches auf dem Sonnen-Wagen eine geflügelte Seele gegen dem Saturnus-Sterne in die Höhe rennte; an dem Absatze war aufgezeichnet:


Des Himmels Steinbock ist der Sonn' und Seelen Thor

Durch welches beydes sie sich schwingen hoch empor.

Weil Herrmann nun die Sonn' und wir die Seelen sind /

Muß beyder Glücks-Thor seyn diß edle Steinbocks- Kind.


Auf der vierdten Seite stand abermals der Steinbock mit seinem Fisch-Schwantze wie Pan sich für dem Riesen Tiphon verstellet haben soll. Alle Sternen waren in ihm wie dem Himmel nachgebildet / und in desselben Kopfe die aufgehende Sonne / im Schwantze ein untergehender Schwantz-Stern zu schauen; an dem Absatze aber folgende Reimen zu lesen:


Fisch / Sonn' und ein Comet schickt sich zusammen nicht /

Doch stehn sie auf einmal in dieses Steinbocks Zei chen.

Sie steigt im Haupt empor / er muß im Schwantz' erbleichen.

Die Sonn' ist Thumelich / August das thu e Licht.


[364] Unten umb den Fuß dieser Seule fiel des Nachtes nachfolgende Schrifft durch ausgehölete und von dem darunter verborgenen Feuer erleuchtete Buchstaben denen Anschauern in die Augen:


Des Unglücks lange Nacht / die Deutschland hat bedeckt /
Und länger hat gewährt; als wo die Sternen Bären
Mit eitel Eiß und Schnee schneeweisse Bären nähren /
Ist nun / Gott Lob! vorbey / und Rom ein Ziel gesteckt.
Die Sonne / die zeither hat Deutschland aufgeweckt
Aus seinem tieffen Schlaf / und abwischt unsre Zehren
Läßt eine neue Sonn' uns aufgehn und gebehren.
Wenn hat vor eine Sonn' je Sonnen ausgeheckt?
Die neue Sonne tritt auch mit dem Steinbock' ein;
Weil sie den güldnen Tag' in Deutschland wird verlängen.
Nun wird August mit Rom für ihm die Flügel hengen;
Der Steinbock wil nicht mehr des Käysers Glücks- Stern seyn;
Nun er den Thumelich auf seine Hörner nimmet.
Kurtz: diesem ist das Reich / und jenem's Grab bestimmet.

Der Feldherr schöpfte aus allen diesen Freuden- Zeichen / als Merckmalen ihrer eivrigen Gewogenheit / eben so wol / als aus dem göttlichen Geschencke seines Sohnes grosse Vergnügung. Wiewol nun das Volck der Barden Gesänge und Schrifften für unfehlbare Wahrsagungen annahmen und dem Käyser August schon gleichsam sein Begräbnüs bestelleten; befahl doch der Feldherr die aufgerichtete Seule unter dem Vorwande: daß er selbte nach Deutschburg verschicken wolte / bald mit dem Tage abzubrechen; weil er es bey fürhabender Friedenshandlung nicht für rathsam hielt die Römer als gehofte Freunde durch unfruchtbare Beleidigungen zu erheben; und weil es ihm gefahr- und bedencklich schien Unterthanen zu verhängen: daß sie auch nur über frembder Fürsten Thun urtheiln oder von ihren künftigen Zufällen Wissenschaft haben sollen. Sintemal diese Erlaubnüs insgemein so fern einreißt: daß sie hernach auch über ihres eigenen Hauptes und Vaterlandes Glücke ihre eitele Wissenschaft gegen das abergläubische Volck ausschütten. Dahero die Römer eine Wahrsagerin aus der Stadt verwiesen / welche sich unterstand den Sieg des Marius wieder die Cimbern zu verkündigen; und die bloße Nachfrage bey Zauberern oder Sternsehern über des Käysers Leben ist ein halsbrüchiges Laster. Die Cherusker waren auf noch viel andere Erfindungen bedacht / wordurch sie den Feldherrn ihrer hertzlichen Vergnügung über ihrem Erb-Fürsten versichern möchten / aber Hertzog Herrmann verhinderte alle kostbare Anstalten selbst mit dieser Erklärung: daß nur die Heucheley / nicht seiner Unterthanen ihm allzu wol bekennte Liebe / so viel euserlichen Firnses bedörfte; und so wol Zeit als Unkosten nützlicher zu Dienste des gemeinen Wesens / als zu übrigem Gepränge / sonderlich bey Kriegs-Zeiten angewendet würden.

Die Freude über diesem jungen Fürsten der Cherusker verursachte keine Hindernüs in der Friedenshandlung / sondern seine Geburt gab vielmehr eine kräftige Beförderung desselbten ab. Denn das Cheruskische Hauß hatte geraume Zeit nur auf vier Augen bestanden / nemblich dem Feldherrn / und Hertzog Ingviomern / also: daß vieler böse Hofnung es schon halb für verlohren gehalten hatte. Nicht aber macht einen Fürsten verächtlicher als der Mangel der Erben; wie der grosse Alexander selbst hierüber sich beklagte. Weil nun hingegen ein Fürst durch seine Kinder sich gleichsam als einen Unsterblichen der Welt fürstellt / sind diese nicht unbillich für eine Schutzwehre des Hofes / für ein Bollwerck des Reiches / und für einen Ancker der Herrschafft zu halten. Die Unterthanen werden durch sie im Gehorsam mehr befestigt; die Nachtbarn aber haben mehr Scheue für einem vererbten Hause. Diesemnach denn dieses noch schwache Kind dismal der stärckste Mauerbrecher in Gewinnung des hartnäckichten Tiberius war: daß selbter alles verlohrne am Rheine zu vergessen sich erklärte /außer das Ubische und des Bacchus Altar / welche[365] nunmehr von dem Römischen Reiche unabreißlich wären / nach dem die Römer schon darinnen ihrem Käyser Tempel gebauet hätten. So wol Ariovistens /als Marbods Gesandten billigten diese endliche Friedens-Erklärung der Römer / welche sonst sich der gantzen Welt zum Gelächter / ihren vergötterten Käyser aber zu einem Maul-Affen machen würden / wenn sie zu ihrer ewigen Schande seine Tempel zur Verunehrung in ihrer Feinde Hände lassen solten. Sie selbst hätten ihnen nimmermehr eingebildet: daß die mächtigsten Römer / für derer dräuen die Welt mehr / als die Erde vom Donner erzitterte / so viel nachgeben solten. Und hätten die Deutschen hierbey sich mit Warheit zu rühmen: daß kein Volck in der Welt mit dem noch nicht einst halb-wachsenen / zu geschweigen dem nunmehr auf den höchsten Gipffel gestiegenen Rom jemals einen so ehrlichen und vortheilhaften Frieden gemacht hätten. Die deutschen Fürsten / insonderheit aber der Feldherr / und des Sicambrischen Hertzog Gesandter / wolten sich zu Abtretung dieser zwey Festungen durchaus nicht verstehen / und Hertzog Arpus drang noch mit aller Gewalt auf die Einräumung der Stadt Meyntz / welche den Rhein und Meyn bemeisterte. So lange diese Fessel ihren Strömen angebunden wären; könte sich Deutschland in Freyheit zu seyn nicht rühmen. Aus dem Ubischen Altare hatten die Römer ihren Gott August nach Trier schon abgeführet; und aus Baecherach wolte der Feldherr dem Tiberius das Bild des unter der Gestalt des Baechus vermummeten Käysers gerne verehren. In die Tempel aber begehrten sie kein Götzen-Bild eines vergötterten Menschen zu setzen; weil das unbegreifliche ihres einigen Gottes nicht von der gantzen Welt / weniger von einem Steinhauffen verschlossen werden könte. Zudem wäre die deutsche Freyheit älter /als diese verdächtigen Heiligthümer der Erden / welche sie für nichts bessers ansehen könten / als die zwey Tempel der Phönicier auf Gades / und der Zazynthier am Dianeischen Vorgebürge in Hispanien gewest wären / mit derer Andacht beyde Raub-Völcker ihre Herrschsucht bekleidet; selbte hernach in Kriegs-Schlösser verwandelt / und die einfältigen Hispanier untergedruckt hätten. Alleine die Mitler und Römer hatten hierzu taube Ohren. Tiberius sagte: man würde ehe die zwey Angelsterne im Himmel verrücken / als ihn von beyden Altären abwendig machen. Er beklagte sich hierbey selbst gegen die Mitler: daß sie mit vertrösteter unfehlbarer Beliebung der Deutschen / ihn zu einer ohne dis so verkleinerlichen Nachgebung verleitet hätten. Dieses zwang die Gesandten den Deutschen diesen unannehmlichen Vortrag zu thun: weil Tiberius mehr denn zu viel gethan; die deutschen Bunds-Genossen aber den Römern einen schimpflichen Frieden abnöthigen wolten / oder vielmehr hinderten / woran doch dem Könige Marbod und Hertzog Ariovist so mercklich gelegen wäre; müsten ihre Herren diese ihnen so gefährliche Flamme selbst leschen helffen. Tiberius wolte nun zwar auch zurück. Aber sie gäben beyden Theilen noch eine Bedenck-Frist von einem Monat die von den Mitlern für billich geurtheilte Bedingungen anzunehmen / oder zu verwerffen. Dis aber wäre König Marbods und Hertzog Ariovistens gemäßene Erklärung: daß sie sich sodenn zu dem willigen nach Zulassung des Völcker-Rechtes schlagen / und den sich widersetzenden zu einem andern Frieden zwingen helffen wolten. König Marbod hätte zu dem Ende schon sechzig und Ariovist zwantzig tausend Kriegs-Leute in Bereitschafft. Der Feldherr antwortete: Man würde hierüber sich berathen / nimmermehr aber glauben: daß Marbod und Ariovist / als Deutsche wider Deutsche / für die allgemeinen Feinde der Welt den Degen zücken / und durch ihrer Nachbarn Graus den Feinden eine Brücke in ihre eigene Länder hähnen würden. Hertzog Melo und [366] Ganasch kamen gleich selbigen Tag nach Bingen / und schoß ihnen zwar über dieser verdrüßlichen Zeitung das Blat; gleichwol aber trachteten sie zu behaupten: man könte ohne Verlust aller durch so viel Siege aufgehabener Ehre / welche gegen mehrere Festungen unschätzbar und unwiederbringlich wäre /kein Haar breit weichen / noch von dem gewonnenen was wiedergeben. Ein guter Ruf wäre die Seele des Krieges und die kräftigsten Spann-Adern eines Heeres. Die ewige Saate der Waffen müste auf einmal durch die Waffẽ mit Strumpf und Stiel ausgetilget werden / daß sie nicht wieder auswachsen könte. Daher wäre des Pompejus Macht gleichsam wie Butter an der Sonne zerflossen / so bald Käyser Julius ihm nur diese durch Verminderung seines grossen Nahmens zerschnitten hätte. Marbods und Ariovistens Dräuungen schienen allein Schreckenberger zu seyn; weil Kinder und Thoren sich nur durch Dräuen / verschmitzte Leute aber / wie sonderlich der verschlagene Marbod wäre / sich stillschweigend rächeten; beyde auch wol verstünden / und aus gegenwärtiger Dienstbarkeit der mit den Römern wider die andern Gallier kämpfender Heduer sich zu spiegeln hätten: daß sie durch ihre Hülffe wider die Catten und Cherusker ihnen das Messer selbst an Hals sätzten. Hertzog Arpus / Jubil / Siegesmund / Marcomir / und andere aber fiengen an zu wancken / und wendeten ein: In allen Verträgen müste jedes Theil etwas von seinem Rechte nachlassen / also auch die Sieger von ihrem Gewinn. Dis wäre die Eigenschafft aller Friedenshandlungen / also könte es ihrem Ruhme nichts abbrüchig seyn / den sie in gegenwärtigem Kriege erworben / und die Römer gelehrt hätten: daß Deutsche nur von Deutschen überwunden werden könten. Zudem müsten Fürsten eben so wenig nach dem Urthel des Pöfels Friede machen / als Heerführer nach dem Gutdüncken der Kriegs-Knechte Schlachten liefern. Beyder Pflicht wäre wider den gemeinen Ruff mit unverrücktem Fusse stehen bleiben. Daß Marbod und Anovist ihre Nachbarn bis auf den Untergang zu verfolgen gemeint seyn solten / wäre freylich wol nicht zu befürchten / aber dis in allewege: daß sie durch ihre Waffen den Römern einen Fuß am Rheine erstreiten helffen würden; weil Marbod den Catten und Cheruskern weniger gutes / als einigem frembden Feinde zutraute. Fürnemlich wäre auf der Waagschale der Klugheit wol abzuwiegen: ob das Ubische und Bacchus Altar wol für die Müh lohnte noch einen vieljährigen Krieg zu führen / oder Deutschland in Gefahr zu stürtzen; und insonderheit rathsam umb das mehrere zu behalten wenig zu verlieren / endlich ehrlicher etwas gutwillig fahren / als es ihm mit Gewalt aus der Hand wünden lassen. Der Feldherr aber / welchem die Abtretung des Bacchischen Altares wegen seines daselbst gebohrnen Sohnes gleichfals tief ins Gemüthe stieg; wolte sich hierüber nichts erklären /sondern verschob den Rath auf eine andere Zeit. Deñ weil er gewohnt war so wol seine Gefährligkeiten und Bekü ernüsse gleichsam zu versiegeln / hielt er noch nicht rathsam mercken zu lassen / wo ihn der Schuch drückte; besonders weil er dem Hertzog Melo keinen geringen Unwillen ansahe / und er sich verlauten ließ: Er wolte ehe alle seine Länder mit dem Degen in der Hand verlieren / als ein Dorf aus weibischer Furcht verkauffen. Inzwischen suchte der Feldherr Gelegenheit denen Mitlern recht an Puls zu fühlen: ob die Seite nicht weiter zu dehnen seyn möchte. Er suchte alles euserste herfür sie zu gewinnen / und hielt ihnen ein: daß das Ubische Altar die rechte Hertz-Ader des Fürsten Melo / welche die Sicambrer und Tencterer zusammen knüpfte / das Bacchische Altar aber die Geburts-Stadt seines Sohnes wäre; also jenem ans Hertz / ihm an Augapffel gegriffen würde. Die Gesandten konten die Wichtigkeit seines Einwurfs [367] nicht läugnen; entdeckten aber dem Feldherrn vom Tiberius: daß er gesagt hätte; es wäre ihm beydes einerley: ob die Deutschen das Ubische Altar behielten / oder ein neuer Brennus Rom wieder einnehme. Also wäre es nur vergebens ein Wort darüber zu verlieren. Wegen des Bacchischen Altares aber wolten sie ihr euserstes thun noch einen Schlüssel zu solcher Schwerigkeit zu finden.

Eben selbigen Tag kam Hertzog Ingviomer mit wenigen Edelleuten gantz unvermuthet zu Bingen an. Der Feldherr und alle Grossen empfiengen ihn mit ungemeinen Freuden; Er aber gab zu verstehen: daß eine Sache von grosser Wichtigkeit die Ursache seiner Ankunft gewest wäre / und nunmehr einer reiffen Berathschlagung seyn müste. Der Feldherr redete anfangs etwas weniges in geheim mit ihm; worauf er den Hertzog Arpus / Melo / Jubil / Catumer / Siegesmund /Marcomier und die andern Fürsten in Rath beruffen ließ. Daselbst fieng Hertzog Ingviomer folgenden Vortrag an: Ich bin bey meiner ersten Ankunfft vom Könige Marbod mit grosser Ehrenbezeigung empfangen worden. Dieser bezeugte damals über der Deutschen Siege nicht nur absonderliche Vergnügung; sondern machte mir auch so wol durch offenherzige Vertröstungen / als durch neue Völcker-Werbung /und andere Krieges-Anstalten so scheinbare Hofnung / die Römer von dem Dohnau-Strome zu vertreiben; daß ich in meinem Hertzen Deutschlande schon über seiner Eintracht und Siegen tausend Glück wünschte. Zwar stieß ihm die Wegnehmung der ihm von ihrem Vater Segesthes versprochenen Thußnelda etliche mahl nicht ohne Unmuth des Hertzens und tief geholete Seufzer auf; gleichwol aber erklärete er sich: daß er seines erlittenen Unrechts halber die Freyheit Deutschlandes nicht in Gefahr setzen wolte. Gemeine Leute möchten die Rache allein unter ihren Gewiñ rechnen; vernünftige aber glauben: daß wenn Gott für jemandens Sicherheit Sorge trüge; die Anschläge menschlicher Rache zu Wasser würden. Fürnemlich aber stünde Fürsten nicht an die allein seiner Person /nicht aber seiner Würde und dem Reiche angefügte Beleidigungen mit dem Blute seiner Unterthanen und mit dem Schweisse des unschuldigen Volckes auszuleschen. Er ließ eines seiner Kriegs-Heere auch gegen Carnuntum / das andere gegen der Emße fortrücken /also daß die Römer selbst alle Tage sich des würcklichen Einbruchs besorgten. Und ob zwar Marbod nicht ausschlug / sondern gegen die Römer Dräu- und Vertröstungen derogestalt mit einander vermischte: daß sie ihn weder für ihren Feind noch Freund zu halten wusten; wuchs doch den Deutschen Bunds-Genossen dieser Vortheil zu: daß sie die an der Donau stehende Legionen an Rhein zu ziehen nicht wagen dorfften. Servilius kam als Bothschafter des Käysers zwar zu Maroboduum mit grossen Geschencken und grössern Versprechungen an / ja es traten die Römer ihm die zeither streitige und bey Zusammen-fließung der Donau und Ems gelegene Festung Lauriach ab; gleichwol konten sie von ihm die Abführung seines Kriegs-Volckes vom Donau-Strome nicht erhalten. Sintemal König Marbod jederzeit entgegen verlangte: daß die Römer auch ihr Kriegs-Volck von Carmut und Bejodurum abführen solten. Weil er ihnen umb so viel mehr / als sie ihm zu mißtrauen / Nachbarn aber aus bloßer Besätzung der Gräntzen keinen Argwohn zu schöpfen Ursach hätten. Ob ich nun zwar alle Erfindungen in der Welt gebrauchte: ja seine denen Römern stets über Achsel seyende Tochter gewaan ihrem Vater vielmal der Deutschen Freyheit zum besten ein und anders beyzubringen / und ihn zum Kriege wider die Römer zu bewegen; hielt er doch diese meist mit Schertz-Reden / mich mit allzeit fertigen und scheinbaren Entschuldigungen auf; niemanden [368] aber schlug er etwas rund ab. Dahero Servilius ihn mehrmals dem Queck-Silber / welches sich schwer einschlüßen und aufheben läßt; ich aber einem mit dem Schwantze gehaltenen Aale vergliech. Nach dem aber die Deutschen am Meyne dem Tiberius einen zweyten Streich versätzten / Bingen und Bacharach eroberten; insonderheit aber Hertzog Melo einen Sieg über den andern erhielt / und durch so viel gewonnene Städte seine Macht so sehr vergrösserte; ward die Eyversucht beym Marbod über seine bisherige Kaltsinnigkeit Meister. Denn als ich ihm die Eroberung der Stadt Novesium zu wissen machte / antwortete mir Marbod: ich wünschte / daß Melo so wol im Siege Maaß zu halten / als zu siegen wüste. Von selbigem Tage an gieng er mit dem Servilius vertrauter und öffter umb / als vorher; gegen mich aber ward er zwar nicht kaltsinniger als verschlossener. Mein Argwohn machte mich hierüber nicht wenig unruhig /reitze mich also so viel mehr hinter diese verdächtige Verträuligkeit zu ko en. Ich versäumte keine Gelegenheit mit dem Könige und seinen geheimsten Räthen zu reden / durch allerhand Gespräche und viel entfernte Fragen ihr Urthel über der Deutschen Siege /der Römer Zustande und des Servilius Handlung heraus zu locken; bald den August zu loben / bald des Tiberius Türckische Eigenschafft zu schelten; zuweilen von einem Frieden Fürschläge zu thun. Ob nun zwar keine Verstellung so künstlich ist: daß sie sich nicht zuweilen vergißt / und der Firnis sich von dem falschen Grunde abschälet; wuste ich doch aus allem wenig gewisses zu lesen / ungeachtet ich alle vermeinte Nachrichten wie Stücke eines zerrissenen Briefes zusammen klebte / bis mir endlich eine heilige Egeria durch diese Nachricht ein Licht aufsteckte: es hätte Marbod den Servilius versichert: daß er zwar ihm den Käyser nicht vorschreibẽ lassen könte / wo er seine Kriegs-Heere hinlegen solte; dis aber solte er dem August und Tiberius berichten: daß so lange die Römer keine Festung zwischen dem Rheine und Meyne belägerten / keiner seiner Kriegs-Leute wider die Römer einen Degen zücken solten. Diese Erklärung / wie verborgen sie mir gleich zugebracht ward /war ein heftiger Donnerschlag in meinem Hertzen; daher ich kein Auge etliche Tage zumachen konte /bis ich einen scheinbaren Vorwand ersonnen hatte /dem Könige Marbod und seinem Hofe nach Celemantia zu folgen / und denen arglistigen Anschlägen des Servilius zu begegnen. Sintemahl ich bereit den Tag für Marbods Erklärung bey ihm die Abschieds-Verhör genommen hatte. Diesem meinem Vorhaben kam der an mich mit Schreiben vom Feldherrn geschickte Ritter Blumenthal gleich zu rechte: daß ich dem Könige einige neue Vorträge thun / und nach Celemantia mit reisen konte. Daselbst aber erfuhr ich noch bestürtzter: daß eine im Noricum gestandene Römische Legion zu Samulocenis über die Donau gesätzt hätte / und durch das Alemannische Gebiete sich dem Rheine und Meyne zuzüge. Meine dem Marbod hierüber geführte Beschwerde / worbey ich anhieng: daß er dem Verlaut nach den Servilius versichert hätte wider die Römer keinen Degen zu zücken / machte ihn etwas stutzig; bald darauf aber fragte er: woher ich diese Nachricht hätte? Ich schützte nun zwar fürr die Geheimnüsse hätten einen so heftigen Zug durch den ängesten Ritz sich aus ihrem Kerker frey zu machen; als der Menschen Vorwitz einen Kitzel in der Fürsten Rathstuben zu gucken. Die am wenigsten von verborgenen Anschlägen redeten / machten sie am geschwindesten durch ihre Einsamkeit / und am deutlichsten durch ihr Stillschweigẽ kund. Machte man denn von Nothwendigkeit ein Ding als ein Geheimnüs zu verschweigen viel Wesens / verriethe sich es so viel ehe durch solch Geräusche. Wenn nun nur ein Auge oder Ohr das geringste erwischt / besämte der gemeine [369] Ruff so geschwinde die Welt: daß desselben Urheber leicht die Köpfe unter die Menge so vieler davon redender Menschen verstecken könte; allein Marbod war viel zu gescheut sich durch diese Ausflucht abweisen zu lassen; jedoch nicht wenig beschämt: daß seine Geheimnüsse so bald auskommen wären / und er weniger Vorsicht als die Bienen vorzukehren wüste; welche / wenn sie gleich in gläserne Bienenstöcke eingesetzt würden / doch derselben Durchsichtigkeit klüglich zu überwichsen wüsten. Fürnemlich / weil Marbod sich eben so wie Tiberius angewöhnt hat / auch in denen nicht zu verhölen gemeinten Dingen mit zwey deutigen Worten und verstellten Gebehrden seine Gemüths-Meinung zu verstecken / und auch in gemeinen Dingen wenigen Räthen davon Wind zu geben. So ist er auch ein völliger Meister über seine Schamröthe / über Zorn / Liebe /und andere Gemüths-Regungen / welche in vielen geschwätziger als die Zungen sind. Daher fieng er gegen mich an: Es wäre zwar wahr: daß ein Fürst mit nicht weniger Kundtschafftern / als Trabanten umbgeben; seine Stirne / seine Farbe / sein Gebehrden Taffeln wären / aus denen Muthmaßung und Verdacht seine Gemüths-Regungen lese. Alleine er wäre so neu und unerfahren nicht im herrschen: daß er sein eigen Antlitz zum Verräther seiner Entschlüßungen machen solte. Auch wäre ein lächerlicher Vorwand der Verräther: daß Wände und Tapeten Zungen / und einige Menschen Luchs-Augen hätten durch verschlossene Thüren und Mauren zu sehen. Also beschwur er mich ihm mit solcher Offenhertzigkeit meinen Ansäger zu entdecken / als er mir die Warheit nicht zu verdrücken gedächte. Denn sein Absehn bey gegenwärtiger Unruhe Deutschlandes wäre so aufrichtig: daß er gar wol seine Rathstube / wie der Zunfftmeister Drusus sein Haus gantz durchsichtig; zu bauen angeben könte /nicht aber sie / wie die Römer das Altar ihres Raths-Gottes Consus unter die Erde verstecken dörffte. Diesemnach ich ihn denn auch nicht für so kleinmüthig halten möchte: daß er für ehrlicher halten solte einen heimlich zu hassen / als offentlich ihm was zu wider zu thun; also aus Heucheley oder Zagheit zu leugnen /was er bey so übermäßigem und Deutschlandes Eintracht selbst schädlichem Siege mit gutem Bedachte den Römern versprochen hätte; aber er wolte den Verräther dieser Heimligkeit / von welcher mehr nicht als vier Köpfe wüsten / andern zum Beyspiele straffen /wenn er ihm schon näher als das Hembde wäre. Ich erschrack über dieser nachdencklichen Dräuung und konte sie nicht anders als auf Marbods eigene Tochter auslegen. Daher ich denn versätzte: Bothschaffter wären zwar berechtigt durch alle nur ersinnliche Weise / und so gar durch Bestechung der geheimsten Räthe die zu ihrer Sache dienlichen Nachrichten auszuspüren; und sich wie die Perlen-Fischer in das Meer frembder Gedancken zu vertieffen / umb den viel nützlichen Perlen-Schatz widriger Anschläge zu fangen / und selbte seinem Feinde zu Nachtheil zu verdrehen; nicht aber schuldig die Ansäger erforschter Heimligkeiten zu offenbaren. Ich könte ihm aber ohne Nachtheil wol entdecken: daß ich diese Nachricht aus des Servilius Hause hätte. Hiermit sätzte ich zwar meine geheime Wahrsagungs-Göttin außer Argwohn; als aber Servilius Wind hiervon bekame; ließ er alle seine zur Schreiberey bestellte Leibeigenen / aber vergebens / auf die Folter spannen; weil er Marbods Versicherung aus denen an Käyser und Tiberius geschriebenen Briefen verrathen zu seyn glaubte. Unterdessen aber richtete ich durch meine Beschwerführung so viel aus: daß Marbod dem Servilius einen mißfälligen Winck gab / als er ihm die vorhabende Abführung zweyer Pannonischen Legionen an Rhein kund machte. Mich hingegen erinnerte er die deutschen Bunds-Genossen zu warnigen: sie möchten sich an der [370] Befreyung Deutschlands vergnügen / Gallien Gallien /und den Rhein der Römer und deutschen Gräntze seyn lassen. Diesen hätte die Natur zu einem grossen Bollwercke Deutschlandes gesäzt; also könte solchen zwar die Herrschsucht / nicht aber die Klugheit verrücken / welche wol verstünde: daß das Glücke mächtiger als Witz und Tapferkeit wäre / und niemals etwas schlimmers im Schilde führte / als wenn sie sich gegen uns am behäglichsten stellte. Wie groß und beständig aber auch das Glücke wäre / so wüchse ihm doch der Neid zu Kopffe; und nichts in der Welt verursachte schälere Augen / als die Vergrösserung eines Reiches bey den Nachbarn. Alle Schwächere verknüpften sich wider den Mächtigen / als wie gegen einen allgemeinen Feind; und wolte ein jeder von dieser Riesen-Seule ein Stücke abhauen: daß es die neben ihm stehenden Bilder nicht zu Zwergen machte. Wenn aber auch schon kein euserlicher Feind sich an ein Reich machte / welches wie ein aufgemästeter Leib an seiner eigenen Größe kranck läge / entkräftete es sein eigener Uberfluß; und seine eigene Fettigkeit verwandelte sich in nagende Würmer. Ja auch in gesunden aber allzu grossen Leibern und Reichen wären die Lebens-Geister allzu sehr zerstreuet. Ein Bildhauer sätzte in Ausarbeitung des vollko enstẽ Bildes dem ihm unter die Hände kommenden Marmel und Helffenbeine das wenigste zu; sondern machte es durch Benehmung seines übrigen Wesens aus. Also hätten kluge Fürsten nicht so wol Sorge zu tragen ihrer Herrschschafft viel beyzusetzen / als ihr Reich /wenn es wol gebildet seyn solte / von unanständiger Last zu entbürden. Diesemnach wäre nichts rathsamer / als seiner Glückseeligkeit einen Zaum anlegen. Denn ohne den würde sie ein unbändiges Pferd / und würffe den besten Reiter aus dem Sattel. Sintemal schon für Alters denen Fürsten diese Eigenschafft eingepflantzt gewest wäre: daß ihre Herrschsucht mit ihrem Reiche gewachsen. Das Vermögen was grössers auszuüben / die sich anbietende Gelegenheit juckten sodenn so wol ihre Gemüther als Augen: daß alles / was sie sähen / ihnen recht wäre; und sie von keinem andern Richterstule ihrer Macht und Begierden wissen wolten / als von Waffen. Ich / fuhr Ingviomer fort / mühte mich zu erhärten: daß die Römischen Festungen am Rheine Fuß Eisen Deutschlandes / und so lange solche nicht abgelöset würden / die Deutschen noch nicht in versicherter Freyheit wären. Aber Marbod begegnete mir: Es gedächte ihn / und wäre nach kein halb Jahr: daß die deutschẽ Bunds-Genossen nur die Lippe / den Berg Rhetico und Taunus von Fesseln frey gewünscht hätten. Nun wolten sie des Rheines Meister seyn? und nach Erreichung dieses Zweckes würde wenig Wasser verflüssen: daß sie nicht auch würden die Maaß beherrschen und der Ligeris auf den Rücken treten wollen; weil für diesem der Deutschen Siege wider die Gallier so ferne ihre Wohnungen ausgebreitet hätten. Die Natur hätte nicht ohne Ursache Deutschland von Noricum und Pannonien vermittelst der Donau / von Sarmatien vermittelst der Weichsel / und von Gallien durch den Rhein und den Unterschied der Sprachen abgesondert. Wie er nun über der Donau / Weichfel und Elbe nichts verlangte; also könten die Bunds-Genossen ohne Ehrgeitz nichts über dem Rheine suchen. Ihr darüber ausgestreckter Arm würde wie die Schnecke / wenn sie ihr hörnricht Haupt aus dem Schnecken-Hause hervor streckt / ihm nicht weniger Unglück als Gefahr zuziehen; und sie als allzu hitzige Spieler / ehe man eine Hand umbdrehte / alles verlieren / was sie nicht ohne Wunderwerck gewonnen. Wenn sie aber auch schon den gantzen Rheinstrom von Römischen Fesseln erledigten; würde ihre eigene Uneinigkeit selbten den Römern wieder in die Hände spielen. Denn die Ursachen einer Eroberung wären nicht bald [371] Werckzeuge der Erhaltung; ja die Raubfische erstickten mehrmals gar an ihrer verschlungenen Beute. Dieser scharffe Einhalt des sonst so sehr hinter dem Berge haltenden Marbods schien mir eine halbe Kriegs-Ankündigung zu seyn. Ich erfuhr auch aus vertrautem Munde: daß Servilius sich erkühnt hatte beym Marbod anzuhalten: ich möchte als ein Ausspürer seiner Geheimnüsser und als ein Störer der alten zwischen dem Käyser und Marbod gepflogenen Freundschafft von Hofe abgefertigt werden. Daher ich gezwungen ward meine höhern Segel zu streichen / nemlich vom Anhalten abzustehen: daß Marbod wider die Römer die Waffen ergreiffen solte; vielmehr aber dem Könige Marbot weiß zu machen: daß die deutschen Bunds-Genossen keinen ehrlichen Frieden ausschlagen; er aber durch desselbten Vermittelung seinen Nahmen unsterblich /Deutschland glückseelig / und den Himmel ihm geneigt machen würde. Durch diesen Vorschlag hemmete ich Marbods Neigung gegen die Römer; oder zum wenigsten seine Hülffe / die er / allem Ansehn nach /schon in seinem Gemüthe den Römern zu loisten beschlossen hatte. Dieser mein Vorschlag / und die Einstimmung seiner Tochter / welche er niemals aus seinem geheimsten Rathe ausschleußt / sind der erste Wirbel gewest / der gegenwärtige Friedens-Seite aufgezogen. Denn wenig Tage hernach schickte er den Ritter Stahrenberg zum Hertzog Ariovist; und von dar hieher einen Frieden zu vermitteln. Bey dieser währenden Handlung blieb Marbod gantz unverändert; und hatte ich mich über seine Bezeugung so wenig zu beschweren / als zu erfreuen Ursach. So bald aber die Zeitung kam: daß Melo des Ubischen Altares Meister worden wäre / zerrissen auf einmal alle Stricke / welche Marbods Schluß zeither zurück gehalten hatten. Denn / als Servilius ihm diesen Verlust nicht viel geringer machte / als wenn das Capitolium zu Rom eingebüßt wäre; ließ er sich gegen ihm heraus: die Römer möchten nun ungehindert ihre Pannonische Legionen dem Rheine zu führen. Er gab auch noch selbigen Tag Befehl: daß seine beyde Heere sich von der Donau entfernen solten umb den Römern so viel mehr alles Mißtrauen zu benehmen. Aus allem dem machte Marbod kein Geheimnüs zu dem Ende mir eine Furcht einzujagen / und denen Bunds-Genossen fernern Vorbruch zu widerrathen. Ich meinte bey verzweifeltem Hauptwercke zum wenigsten an der Zeit was zu gewinnen; weil man oft aus Verschiebung eines Unglücks zweyfachen Wucher macht. Daher mühte ich mich aufs euserste den König zu bewegen: daß er die Bewerckstelligung dieses Schlusses nur so lange verschüben möchte / bis ich einen Edelmann /durch welchen ich einen Stillstand der Waffen zu erlangen hoffte / an den Feldherrn abschicken und mit Antwort zurück erhalten könte. Aber ich erfuhr an Marbods Antwort und Fortstellung seines Schlusses: daß mächtige Herrscher keine andere Gräntzen / als ihren Willen haben. Wie er denn auch mit seiner gantzen Hofstadt wieder nach Maroboduum aufbrach /wormit er / seiner Auslegung nach / dem zu leschen nöthigen Feuer so viel näher seyn möchte. Daselbst endlich kriegte Marbod vom Stahrenberg die Nachricht: daß die Römer denen Deutschen alles / gegen Zurückgebung des Ubischen und Bacchischen Altares / in Händen lassen wolten / die Deutschen aber darüber Schwerigkeit machten. Dieses versätzte den König in solche Ungedult: daß er mich bey Nachte beruffen ließ / und sich beschwerte: ich hätte ihn unter dem Vorwandte des Friedens und unter der Larve der Freundschafft ums Licht geführt. Allein er wolte sich gleichwol nicht so lange als Sextus Pompejus und Lepidus vom Octavius äffen; noch sich umb Reich /Ehre und Leben bringen lassen. Sein Hof wäre viel zu gut: daß er mir nicht mehr [372] zu einem Kramladen dienen solte / darinnen man Schmincke verkauffte. Meinten andere: daß der Rauch nur eine andern verbotene Kaufmanns-Waare der Fürsten wäre; so wolte er sich doch darmit nicht berämen lassen / und ich also meinen ihm unanständigen Kram anderwerts aufschlagen könte. Jedoch möchte ich noch bis an die Saale sein Hof-Lager begleiten; da er mir zeigen wolte: daß er mehr von einem redlichen Kriege / als von einem betrüglichen Frieden hielte; und daß sein Degen lang genung wäre einen Mäß-Stab zu der Deutschen und Römischen Gräntzscheidung abzugeben. Marbod theilte hierauf in meiner Anwesenheit seinen Heerführern Befehle aus: daß sie seine Macht den gerädesten Weg nach Calegia an der Saale zuführen solten; und entbrach sich von mir so bald: daß ich ihm nicht drey Worte zu antworten Zeit hatte. Ich pflügte inzwischen zwar ingeheim mit seinem Kalbe / und brachte es so weit: daß er mich zu hören willigte. Hiermit beklagte ich mich über die weder meinem Stande noch meinem Gemüthe anständige Beymäßungen. Ich trüge die Aufrichtigkeit im Hertzen / und die Warheit auf der Zunge. Den Frieden zu schlüssen wären die deutschen Bunds-Genossen / meiner Versicherung nach / einzugehen jederzeit begierig gewest; niemals aber hätte ich berichtet: daß sie den Tiberius ihnen einen wolten vorschreiben lassen. Sie wären von ihrer erstern Forderung schon weit abgewichen / ungeachtet ihre Waffen seit der Zeit ihren Zustand mercklich verbessert hätten. Der Römer Hartnäckigkeit in Verlangung der beyden Altäre hätte den bloßen Aberglauben wegen ihres nicht ohne Aergernüs vergötterten Käysers; der Deutschen Standhaftigkeit aber die Sicherheit Deutschlandes zum Grunde; ohne welche kein Friede über ein Jahr tauern könte. Marbod hätte / wenn die Römer die Oberhand behielten / viel; bey dem Siege der Deutschen aber nichts zu fürchten / weniger zu verlieren. Der Friede wäre durch seine Vermittelung bey nahe auf den Fuß bracht; also möchte er doch durch keine Einmischung in Krieg sich solchen Ruhmes und des Mitler-Amptes / Deutschland aber seiner Freyheit und Sieges-Frucht nicht verlustig machen. Dieser letztere Krieg hätte gewiesen: daß die sonst nicht irre gemachten Cherusker / Catten und Sicambrer der Römischen Macht / und diese jener ziemlich gewachsen wären. Zwischen zweyen solchen Gewalten aber solte ein Nachbar wie ein zwischen zweyen Seen gelegener Tamm unbeweglich stehen; theils /daß ihn der Widerwag beyderseitigen Gewässers für allem Einbruche befestigte: theils / daß sein Beyfall nicht der Gleichheit zum Abbruche einem Theile einen allzu grossen Ausschlag gebe / und er sich als die Zunge in solcher Wage nicht selbst krümmete /oder auf die Seite neigte. Der wäre der allerglückseeligste / der dem Spiele des Krieges zusähe / und davon gehen könte / wenn er wolte. Ein Spieler aber müste das Spiel wider Willen aushalten; wenn er schon alles darüber einbüßte. König Marbod begegnete mir nun zwar glimpflicher / aber doch mit diesem Bescheide: Wer in bürger- oder nachbarlichen Kriegen auf keiner Seite stünde / wäre am ärgsten dran. In eintzele Streitigkeiten sich nicht einmischẽ / wäre eine kluge Mäßigung; bey gemeinen aber eine ungiltige Ziffer abgeben / verterbliche Kleinmuth. Dieser Eigenschafft wäre alles / des Wahnwitzes aber gar nichts zu fürchten; und ein kluger Fürst müste auch seinen besten Freunden auf die Schantze acht geben. Er hätte durch allzu lange Nachsicht sich ohne dis schon verächtlich gemacht: daß es schiene / einer der Kriegenden wolte ihm den Staub auf den Hals schütten / der andere ihm mit dem Rauche die Augen ausbeitzen. Seine Gelindigkeit hätte das gantze Spiel verterbt; also müste er es auf einen andern [373] Weg versuchen. Denn viel Leute / wenn man ihnen wol thäte /würden böse; wenn man aber sie böse hielte / würden sie gut. Er hielte zwar auch für heilsam mit seinen Nachbarn in Freundschafft leben; aber darüber einschlaffen / oder auf selbte die Sicherheit seiner Herrschafft gründen / wäre Einfalt; sie ihm aber gar lassen zu Kopffe wachsen / Thorheit. Die beständigste Freundschafft wäre unter seines gleichen; also könte er gegen die Deutschen seine Freundschaft nicht besser bewehren / als wenn er sie durch die Waffen in den Schrancken unverdächtiger Gleichheit erhielte. Uberdis wäre er nicht nur ein Nachtbar / sondern ein Bunds-Genosse der Römer / und also ihnen wider alle Unterdrücker Hülffe zu leisten schuldig. Ich antwortete: Er wäre ein alter Bunds-Genoß der Deutschẽ / weil er selbstein Fürst Deutschlands wäre; dessen sämtliche Glieder ihren von Natur durch einerley Sprache /Sitten / Recht und Gottesdienst in eine Gemeinschafft zusammen gesätzten Leib mit gesammter Macht auch wider die jüngern Bunds-Genossen zu vertheidigẽ schuldig wären. Welches die Römer so viel weniger unbilligen könten / weil ihr Bürgermeister selbst denen Campaniern eingehalten: man müsse neue Freundschafften so machen: daß sie den alten Bündnüssen nicht abbrüchig wären. Marbod fiel ein: diese Gemeinschafft der Deutschen wäre durch tausend bürgerliche Kriege fürlängst getrennet; und giengen alle ausdrückliche und besondere Bündnüsse denen stillschweigenden und gemeinen für. Ich versätzte dem Marbob dis / was Ptolomeus den Atheniensern: man müste den Bunds-Genossen zwar wider ihre Feinde /aber auch nur in gerechten Kriegen / und zwar niemals wider unsere Freunde beystehen. Also hätte Marbod das beste Recht die Römer / welche Urheber dieses ungerechten Krieges wären / alleine baden zu lassen; es wäre denn: daß er den Römern mehr eine Unterthänigkeit / als ein freyes Bündnüs zustünde. Marbod begegnete mir: die Deutschen / nicht die Römer hätten zum ersten die Waffen ergrieffen. Ja /sagte ich / nach dem sie ihnen durch ihre Grausamkeit so sehr auf die Zehen getreten / daß sie solch Joch nicht mehr als Menschen / weniger als freye Deutschen hätten ausstehen können. Der Beleidiger / nicht aber der / welcher am ersten den Degen zückte mehr Unrecht abzulehnen / wäre der Urheber des Krieges. Marbod antwortete: Es wäre in der Welt nichts schwerers zu unterscheiden / als dis / wer im Kriege Recht oder Unrecht hätte. Ich aber hielt ihm ein: daß in zweifelhafften Fällen / oder auch / wenn beyde Theile unrecht hätten / beyder Bunds-Genosse sich aller Hülffe und Einmischung enthalten solte. Marbod sätzte mir entgegen: Wenn auch schon die Deutschen anfangs recht / die Römer unrecht gehabt hätten; wäre nunmehro die Sache / da die Römer so viel nachgäben / die Deutschen aber einen billigen Frieden verwürffen / in einen gantz widrigen Stand versätzet. Ich sagte hierauf: Nichts wäre billigers; als daß ein gerechter Sieger das eroberte / was vermöge des Völcker-Rechtes sein Eigenthum worden wäre / behielte. Auf diese Art wären die streitigen zwey Städte vorhin den Römern und ietzt den Deutschen heimgefallen. Marbod antwortete: dieses strenge Recht verdiente den Nahmen einer Grausamkeit; dis aber wäre der Vernunfft und Billigkeit gemäßer: daß man dem überwundenen Feinde nur den Stachel mehr zu schaden benähme / alles andere ihm wiedergäbe; damit es nicht scheine; man habe umb den Raub / nicht umb den Frieden gekriegt. Die edelsten Gemüther vergnügten sich an der Ehre des Obsiegs; und daher hätte Cyrus dem überwundenen Crösus / Alexander dem Porus / Antigonus den Spartanern ihre völlige Herrschafft wieder eingeräumt. Ich versetzte: Wie kommts aber / daß die vormahls obsiegenden Römer [374] den Deutschen weder diese zwey Städte / noch einen Fußbreit Erde wider das Gesetze ihres eigenen Königs Numa abgetreten / welcher von den Opfern ihres Gräntz-Gottes alles Blut abschaffte / und ihre Gräntzmale zu erweitern verbot? Marbod begegnete mir: Die zwey Festungen lägen am Rheine auf der Seite Galliens / welches ohne diese Riegel den Deutschen zu täglichen Einfällen offen stehen würde. Zu geschweigen: daß die Römer diese zwey Plätze ohne euserste Schmach und Abbruch ihres Gottes-Dienstes nicht im Stiche lassen könten. Mit einem Worte: Er hätte den Römern ausdrücklich versprochen ihnen für diese Städte zu stehen; also müste ehe alles andere brechen / als seine Treu und Glauben Schiffbruch leiden. Mit dieser Antwort ward ich diß und alle andere mal abgefertigt / so offt ich unterweges auf der Reise nach Calegia mit dem Könige Marbod zu sprechen Gelegenheit fand; welches sich so viel öffter ereignete; weil er mir nun mehr als iemals vorhero zu liebkosen anfieng / und von der Tapferkeit der deutschen Bunds-Genossen niemals rühmlicher / als ietzt gesprochen hatte; vielleicht: daß sein vorhabender Friedens-Bruch nicht den Schein einer verbitterten Feindschafft / sondern eines abgenöthigten Eivers oder eines unvermeidlichen Staats-Streiches haben möchte. Zu Calegia fand Marbod sein dahin befehlichtes Kriegsheer und den Grafen Hohenloh als einen Gesandten des Alemannischen Hertzogs für sich. Dieser berichtete: daß Ariovist zwantzig tausend Kriegsleute zum Dienste ihres gemeinen Werckes stehen hätte; dieses aber ließ er in meiner Gegenwart mustern. Ich betheuere es: daß selbtes zu Fusse 70000. zu Rosse 4000. Mann starck sey / und daß ich in Deutschland nie ein mit so köstlicher Rüstung versehenes / und in allen Kriegs-Spielen so wohl geübtes Heer gesehen habe. Das Blat schoß mir nun allererst / als mir diese grosse Macht unter Augen kam; weil ich mir zugleich die bevorstehende Unterdrückung der Hermundurer /welche mit den Cheruskern und Catten zwischen denen Saltz-Seen ungefähr funfzehn tausend Kriegsleute zusammen gezogen hatten / und die Verwüstung des übrigen Deutschlandes erbärmlich genung fürbildete. Sintemal in frembden Kriegen das Geblüte nur entzündet / in bürgerlichen aber in Gifft und Galle verwandelt; dort das Blut vertröpfelt / hier / leider! Stromweise verschwendet wird; also daß die / welche einander zu beschirmen verbunden sind / gleichsam Ehre zu erlangen vermeynen / wenn sie sich in wütende Panther und rasende Tyger verwandeln. Die Augen giengen mir über; und mein für Wehmuth zerflüssendes Hertze zwang mich den König Marbod im Gesichte seines Heeres bey der Liebe des Vaterlandes /bey der deutschen Freyheit zu beschweren: Er möchte diese herrliche Waffen nicht mit deutschem Blute besudeln / und diese edlen Kriegsleute nicht wider ihre Mit-Glieder und in ihre eigene Eingeweide wüten lassen. Wäre es ja ein unveränderlicher Schluß: daß die Deutschen den Römern die zwey strittigen Festungen abtreten müßten / möchte doch der Krieg nur so lange verschoben werden / biß ich selbst mit den Bunds-Genossen eine Stunde reden könte. Ich wolte sie zu Annehmung dieser Bedingung bewegen; oder mich als ein Gefangener bey ihm wieder einfinden; er aber möchte über sein hiermit verlobtes Haupt nach Willkühr gebahren / und selbtes der Rache zur Erstattung dieser Versäumung auf opfern. Marbod sahe mir allzu wohl an: daß in mir mehr / als die Zunge redete / und seine neben ihm zu Pferde haltende Tochter ritt dem sich nähernden Servilius mit Fleiß entgegen / umb ihn aufzuhalten; daß ich alleine mit ihrem Vater ausreden könte. Marbod aber / dessen Hertze vielleicht auch eine Empfindligkeit fühlte / warf sein Pferd mit Fleiß herumb / umb ihm vielleicht nicht eine Veränderung anzusehen. Inzwischen ließ ich mich bedüncken / es gäben [375] mir gleichsam die Antlitzer der nahẽ Kriegsleute zu verstehen mein Ansinnen zu verfolgen; welches ich mit aller möglichsten Bewegligkeit werckstellig machte. Marbod hatte sich unterdessen erholet / und antwortete: Die Hartnäckigkeit würde durch Warnigungen eben so wenig / als ein Amboß von Hammer-Schlägen nicht gebeugt; sondern vielmehr verhärtet. Ja sie rennte vielmehr begierig ins Verterben / als sie durch Nachgeben ihren ersten Fehler erkennen wolte. Er würde in seinem Vorhaben viel Zeit und Kriegs-Kosten / ja die herrlichste Gelegenheit seinen Zweck zu erreichen; ich durch meine frucht-lose Unterhandlung mein Ansehen / und bey meiner Versicherung den Kopf verspielen. Es wäre schon zu weit kommen; es liesse sich den Arm / wenn man ihn zum Ausschlagen schon in Schwung gebracht / nicht zurücke ziehen; und die allzu milde Ungerechtigkeit wäre dem gemeinen Wesen so schädlich / als die allzu strenge. Das Verhängnüß hätte ihm Befugnüß und Vermögen nicht ohne Ursach verliehen; also wolte er sein Werck so rüstig ausführen / als reifflich er es überlegt hätte. Hiermit schoß er einen Pfeil über die Saale von seinem Bogen / zum Zeichen: daß das Kriegsvolck auf denen gefertigten Brücken über die Saale fortrücken solte. Ich wußte nichts ferner zu thun / als die Achseln einzuziehen / und dem sich umbwendenden Marbod noch zu sagen: Wer ihm die Freyheit nähme allezeit zu thun / was er möchte / vergienge sich bißweilen mehr als der / welcher gleich thäte / was er nicht dörfte. Darum solte er wohl bedencken / was er thäte. Denn der Krieg und ein Pfeil wäre nur so lange / als der Bogen nicht abgedrückt würde / unter unser Bothmässigkeit. Servilius kam inzwischen mit Marbods Tochter zum Könige / welcher nun gleich der nechsten Brücke zuritt. Es fuhr aber aus einem Strauche ein Hase harte für dem Marbod auf; so daß sein davon scheuendes Pferd einen heftigen Satz auf die Seite that. Ich / der ich nahe am Marbod ritt / und seine Veränderung wahrnahm; brauchte mich der Gelegenheit und Freyheit dem Könige voller Ehrerbietung zu sagen: Es wäre noch Zeit für Deutschland einen heilsamen Schluß zu fassen. Das Verhängnüß selbstsagte ihm durch Begegnung eines unglücklichen Hasens einen widrigen Ausgang wahr. Servilius aber lachte hierzu / und sagte: Man könte aus ungefährlichen Begegnungen keine Wahrsagung nehmen. Das Gebete hätte der / Andacht / und göttliche Zeichen einer vorsetzlichen Aufacht von nöthen. Diesemnach hätten die doch sonst der Hetrurischen Weißheit zugethanen Römischen Feldhauptleute mehrmals zu ihrem grossen Glücke die widrigen Zeichen in Wind geschlagen. Ich versetzte: Aber Claudius hat mit Verlust seiner gantzen Schiff-Flotte; Cajus Hostilius mit Einbüssung seines Heeres / seiner Ehre / seines Lebens; Cajus Flaminius mit einer schweren Niederlage beym Trasimenischen See die Verachtung göttlicher Warnigung gebüsset. Servilius fiel ein: Wer dem Hasen die Wissenschafft künftiger Dinge anvertraut hätte? Ich versetzte: Der / welcher dem Claudius und Hostilius zur Nachricht die Hünlein / und des Flaminius fallendes Pferd in der Wahrsagung unterrichtet. Die Wahrsager selbst / sagte Servilius / wären über der der Auslegung solcher Zeichen nicht einig. Ein Adler hätte dem Tarquinius Priscus die Römische Herrschafft; dem grossen Alexander einen herrlichen Sieg; dem Dionysius aber den Verlust seines Reiches; die Geyer dem Romulus sein Aufnehmen; dem stoltzen Tarquinius seine Verjagung angedeutet. Bey Troja wäre der Blitz für ein Glücks-Zeichen gehalten; vom Crassus aber beym Euphrates für eine Verkündigung seiner Niederlage angenommen worden. Ich begegnete ihm: Beydes wäre wahr; aber es wären nicht nur die Zeichen; sondern alle ihre Umbstände zu untersuchen; [376] und sti ten die Deutschen und Hetrurischen Zeichen-Deuter überein: daß die ungleichen Donner-Schläge glücklich / die gleichen unglücklich / die am Tage geschehenden dem gütigen / die nächtlichen dem grimmigen Jupiter gewiedmet wären. Wie hätten die sonst glücklichen Adler dem Dionysius / die Geyer dem Tarquinius was gutes andeuten können; da jener seinem Waffenträger den Wurff-Spieß aus der Hand gerissen / und ins Meer geworffen; diese aber die jungen Adler zerrissen / und ihr Nest zerstöret hätten? Hingegen gäben auch die abscheulichsten Unglücks-Vögel /als die von der rechten Hand aufflügenden Raben /welche Alexandern zu Babylon / und dem Cicero bey Cajeta das Grabe-Lied gesungen / des Sylla und Marius blutige Todfeindschaft kund gemacht; die Nacht-und andere Eulen / die dem Pyrrhus auf seinem Spiesse das Ende wahrgesagt / gewissen Umbständen nach mehrmahls gewisse Glücks- und Sieges-Zeichen ab. Diese hätten der Stadt Athen i er was gutes / und dẽ Agrippa das Jüdische Reich zuvor gesagt. Der Schwan wäre den Schiffleutẽ ein Glücks- und Unglücks-Zeichen / dieses wäre der Specht einẽ Römischen Stadtvogte / jenes denen Sabinern gewest. Als wir also mit einander einen Wort-Streit hegten / ward König Marbod am allerersten über dem Heere zwey einander so grimmig bekriegende Adler gewahr: daß die ausgezauseten Federn auf die Erde fielen. Der König ließ nicht nur Paucken und Trompeten rühren /sondern auch mit unzählbaren Pfeilen gegen sie in die Lufft schüssen / ja gar ein Feld-Geschrey erregen; aber die Adler liessen in ihrem blutigen Kampfe sich alles diß nicht anfechten; also: daß aller Augen sich am Zuschauen nicht sättigen konten; und der König nebst uns denen sich gegen West entfernenden folgte /worbey der empor sehende Servilius über eines abgehauenen Baumes Stock so unglücklich stürtzte: daß er für todt aufgehoben / und ins nechste Zelt getragen ward. Kurtz darauf aber kam von Ost her ein Storch geflogen / bey dessen noch ziemlich ferner Ersehung die Adler von ihrem. Kampfe abliessen / dem Storche entgegen flogen / und mit einander im Fluge spieleten. Ich redete den König Marbod hierüber mit einer grossen Zuversicht an: Er möchte die Augen nicht für so Sonnen-klaren Warnigungen Gottes verschlüssen; sondern erkennen: daß das Auge seiner göttlichen Versehung über uns offen stünde / wenn wir gleich das Blaster des Unglaubens uns über die Unsrigen muthwillig wachsen liessen. Der sein Pferd schichternde Hase diente ihm zur Lehre: daß die gröste Macht offt für der Ohnmacht flüchtig werden müßte. Der Fall des Servilius an der feindlichen Gräntze und am Ansprunge des Krieges wäre ein leicht auflößliches Rätzel: daß sein Zug den Römern nur zum Falle / wie ihm zur Reue gereichen würde. Deuchtete ihn für seine grosse Macht ein solcher Ausschlag unmöglich zu seyn; so möchte er behertzigẽ: daß aller Welt Kräfften gegẽ das Verhängnüß etwas schwächers / als ein Käfer gegen einẽ Adler; und ein thörichter Unglauben wäre / der die Mögligkeit in Zweifel züge /wo die Göttliche Bothschafft / die niemals irrete / für Augen schwebte / und uns ins Hertz redete. Wie heilsam sein Fürschlag wäre / und wie glücklich Marbod / wenn er nicht ferner fortrückte / Deutschland beruhigen könte / würde ihm kein Mahler deutlicher / als die von dem Storche als einem Friedens- und Eintrachts-Vogel zu Frieden gestellten zwey Adler fürstellẽ. Diese wären lebendige Bilder der Römer und deutschen Bunds-Genossen; diß aber der Wille des Verhängnüsses: daß Marbod einen friedsamen Storch /keinen kriegerischen Habicht abgeben solte. Hiermit redete ich dem Könige ins Hertz; welcher nach einer kurtzen Besprechung mit seiner Tochter Befehl ertheilte; daß sein Kriegsheer ins alte Lager rücken solte. Auf den [377] Morgen aber kam Marbod selbst in mein Zelt / und trug mir für: Auf mein Wort wolte er seinen Degen so lange einstecken / biß ich anhero gereiset seyn / und von denen Bunds-Genossen die endliche Erklärung vernommen haben würde. Ich solte mir aber diß Werck so sehr / als die Erhaltung meines guten Nahmens und die Ruhe Deutschlandes angelegen seyn lassen. Denn wie er mir bey eintretendem Voll-Monden diese Friedens-Erklärung entdeckte; also würde der nechst-folgende Voll-Mond den Bunds-Genossen ein ungezweifelter Krieges-Herold seyn / wenn mitler Zeit sie nicht des Tiberius Friedens Vorschlag annähmen. Ich nahm diese Erklärung mit so grosser Dancksagung als Freuden an / und bin in vier Tagen anher kommen umb denen Säulen unsers Vaterlandes / den Schutz-Göttern unser Freyheit / von der ihnen über dem Kopfe stehenden Unglücks-Wolcke aufrichtigen Bericht zu ertheilen; und sie bey der allgemeinen Wolfarth zu beschweren: daß sie zwar einen der Grösse ihres Gemüthes anständigen Schluß machẽ / aber nicht allein ihr bißheriges Glücke / sondern auch die für Augen schwebende Gefahr mit in Rathschlag ziehẽ / sichere Rathschläge auch mehr für einen Brutt kluger als verzagter Leute halten möchtẽ. Hertzog Arpus erklärte sich hierauf unverwendetẽ Fusses: Des Fürsten Ingviomers Verrichtung verdiente unsterblichen Danck / und in seinem Einrathen wäre so wohl etwas göttliches / als ihrer aller Heil enthalten. Denn wenn des Bacchus und der Ubier Altar aus so viel Golde / als Steinen gebaut wäre /verdienten sie nicht: daß darumb so viel unschätzbares Menschen-Blut verspritzet / und Deutschlands Freyheit in Gefahr gesetzt werden solte. Hertzog Melo konte sich nicht enthalten / anderer besorglichen Beystimmungen hiermit vorzubrechen: Die zwey Festungen wären viel köstlicher als Gold / weil an ihnen die mehr als güldene Freyheit Deutschlands hienge; welche die Römer so lange bey den Haaren hätten / als man ihnen diese zwey Kap-Zäume in Händen liesse. Andern Völckern möchte ihre gäntzliche Austilgung schrecklicher seyn / als die Dienstbarkeit; ehrlichen Deutschen aber wäre die Freyheit lieber als das Leben. Dieser Beschirmung rechtfertigte auch einen sonst ungerechten Krieg / und machte die furchtsamsten Thiere behertzt. Er glaubte wohl: daß der Fürsten-Mörder Marbod das Hertze hätte auch der deutschen Freyheit den Hals zu brechen; aber er würde mit unwilligen Hunden hetzen / weil seine Deutschen durch ihrer Landsleute Bekriegung ihnen selbst das Messer in die Gurgel setzten. Hingegen wäre keine Feindschafft gefährlicher / als wo es ihr umb die Freyheit zu thun wäre. Die Cherusker solten dem Marbod / die Hermundurer Ariovisten begegnen; er und Hertzog Ganasch trauten mit Hülffe der Catten der gantzen Römischen Macht genungsam gewachsen zu seyn; weil der Sieg schon einmal auf ihre Seite den Hang bekommen / und sie den göttlichen Beystand zum Gehülffen ihrer gerechten Sache hätten. Hertzog Jubil fieng hierauf an: Die Deutschen hätten freylich eine allzu rechte Sache. Alleine / wenn der Himmel allemal für diese kriegte / würde Marbod nicht ein Beherrscher so vieler Völcker / und kein Heerführer einer so grossen Macht seyn / für welcher sich alles zwischen der Elbe und dem Rheine nunmehr erschütterte. Weil nun des Kriegs Ausschlag auch unter dem Schilde der Gerechtigkeit ungewiß wäre / heischte die Klugheit und Liebe des Vaterlandes von ihnen / lieber etwas von ihrem Rechte vergeben / als in einem grausamen Kriege ein mehrers auf die Spitze setzen. Kriege solte man auch wegen wichtiger Ursachen nicht anfangen / und würde deswegen des Hercules wieder den Laomedon und Augeas wegen vorenthaltenen Liedlohns angesponnener Krieg gescholten; und durch einen erträglichen Verlust solte man ieden Krieg abkauffen. Sintemal der Krieg / wenn er schon ohne Unrecht und Unglück geführt wird / doch das gröste Elend / ja die [378] ärgste Pest der Welt ist; und der /welcher ohne euserste Noth sich in selbten verwickelt / gleichsam seiner Sinnen beraubt ist. Das Ubische und des Bacchus Altar wären für weniger Zeit deutsche Dörffer gewest; die Römer hätten sie für kurtzer Zeit zu was besserm gemacht. Wie? wenn die Römer diese Müh gesparet? Würden zwey Dörffer wohl für die Müh / für so viel Kriegs-Kosten und Menschen-Blut lohnen? Kluge Leute aber solten niemals in Krieg ziehen; wenn sie daraus so viel / zu geschweigẽ mehr Schaden zu besorgen / als Vortheil zu hoffen hätten. Würde nicht aber der Catten / Cherusker / Sicambrer und Friesen gantze Wohlfarth durch diesen Krieg auf die Spitze gesetzt / da unter dem Marbod und Ariovist zwey Drittel Deutschlandes / unter dem Tiberius und Germanicus neun Legionen / und noch so viel Hülffs-Völcker auf dem Halse lägen / und aus Pannonien noch drey Legionen im Anzuge wären? Zwar Hertzog Melo hätte durch seine Helden-Thaten bewehret: daß ein Löwen-Hertz in seiner Brust steckte; und er glaubte: daß in dem gantzen deutschen Heere kein Kriegs-Knecht einen Hasen in seiner Brust hegte; alleine sie wären doch keine hunderthändichte Riesen-Söhne des Himmels und der Erde. Auch die Löwen verspielten / wenn ihnen die Klauen verhauen würden; und viel Hasen wären auch der Hunde Tod. Diesemnach wäre nichts heilsamers / als mit einem blauen Auge und mit Ehren aus diesem Kriege kommen; darinnen sie in einem Jahre so viel / als die Römer in dreissigen gewonnen hätten. Hertzog Catumer / Siegemund / Marcomir und die andern Fürsten pflichteten alle dieser Meynung bey / und setzte Catumer diß darzu: Wenn es ja dem Hertzog Melo so sehr umb das Ubische Altar zu thun wäre / möchte er doch einer bessern Gelegenheit erwarten / ohne welche auch der nothwendigste Krieg zu verschieben wäre. Denn die Unzeit verrückte allen klugen Rathschlägen den Compaß / und der geschicksten Tapferkeit das Ziel. Er möchte die über der Saale und dem Meyn aufziehende Wolcken vorbey gehen / den Marbod und Ariovist ihre Hitze abkühlen lassen. Die Römer wären so unruhig und ungerecht: daß kein Jahr vorbey gehen würde / sonder denen Deutschen genungsame Ursache zum neuen Kriege zu geben; und so leicht als ietzt ihre Siegs-Waffen ferner auszubreiten. Grosse Dinge dörfften eben so wohl als gewisse erst in drey Jahren reiff werdende Baum-Früchte Zeit zu ihrer Vollkommenheit. Melo brach ein: Bunds-Benossen wäre nichts schädlichers / als Langsamkeit. Durch Aufschub würden die hitzigsten Entschlüssungen lau; und weil niemand in eine Gesellschafft als seines Nutzens halben tritt / ieder in gemein ein absonderes Augenmerck hätte / könten die Gefärthen eines Krieges niemals lange tauren. Daher wäre ungewiß: Ob in zwey oder drey Jahren noch ein Schatten von ietziger Verträuligkeit übrig seyn würde. Wären die Römer aber so ungerechte und Frieden-brüchige Leute / so wären sie so wenig als Räuber und Tyrannen keines Vertrages fähig. Hertzog Arpus begegnete ihm: Das Römische Volck wäre für keine Räuber / welche weder Recht noch Gesetze hätten / nicht zu halten; ungeachtet ein oder ander Land-Vogt mehrmals Bund und Gerechtigkeit versehrte. Zu dem erforderte es mehrmals das gemeine Heil mit Räubern und Tyrannen Frieden zu schlüssen; wie Flaminius mit dem Nabis / Pompejus mit den See-Räubern / Lucullus mit dem Apollonius / August mit dem Crocota / und die Deutschen selbst mit den Römern mehr als einmal gethan hätten. Nach einem ziemlich langen Streite gab der Feldherr den Ausschlag: Die meisten Stimmen der deutschen Bunds-Genossen / und das Heil des Vaterlandes nöthigte ihn gleicher gestalt den Friedens-Schluß mit Abtretung der zwey strittigen Plätze einzugehen. Es käme ihn zwar nicht weniger schwer an des Bacchus Altar den Feinden wieder einzuräumen; sonderlich [379] / weil es seines einigen Sohnes Geburts-Stadt wäre. Aber Deutschland aus Gefahr und in Ruh zu setzen wäre ihm auch sein Deutschburg / ja sein Sohn und sein eigen Haupt nicht zu lieb. Sintemal kein Bürger / wie unschuldig er gleich wäre / sich bey dringender Noth nicht enteusern könte dem Vaterlande zu Dienste sich selbst / wie viel mehr also sein Vermögen in die Hände der Feinde liefern zu lassen. So höre ich wohl / fieng Melo ungeduldig an; ich oder das so theuer erworbene Altar der Ubier solte das Opfer seyn / wormit Deutschland die zornigen Römer zu versöhnen vermeynet? Nein sicher! weil ich dieses Altar mit so viel edlem Blute der Sicambrer und Tencterer eingeweyhet; soll es ohne viel Blut nicht wieder entweyhet / noch ohne Abschlachtung vieler Römischen Opfer mir nicht wieder aus den Händen gerissen werden. Ingviomer fragte alsofort den Melo: Ob er denn mit seiner eigenen Macht ohne gäntzlichen Untergang zu behauptẽ getraute / was die Römer / Marbod / und Ariovist mit aller ihrer Macht bestürmen würden? Melo antwortete: Er traute ihnen als hertzhaften Deutschen nicht zu: daß sie ihnen den Dorn aus dem Fusse ziehen / und ihm ins Auge stechen; sondern ihm vielmehr als einem treuen Bunds-Genossen / der den Degen zum ersten wider die Römer gezückt / den versprochenen Beystand leisten würden. Hertzog Arpus versetzte: Ein Bunds-Genosse wäre auch in der gerechtesten Sache und in euserster Noth dem andern zu helffen nicht schuldig / wenn keine Hoffnung und Ansehn eines glücklichen Ausschlags verhanden wäre. Sintemal alle Bündnüsse auf etwas gutes / nicht auf verzweifelte Fürhaben ihr Absehn hätten. Uber diß könten sie ihnen an den Fingern ausrechnen: daß die Römer anders nicht den Frieden zeichnen würden; als daß sie sich ihm und allen Römischen Feinden zu helffen enthalten sollen. Melo begegnete ihm: Er hoffte: sie würden und könten ohn seine Einwilligung mit den Römern keinen Frieden eingehen. Jubil antwortete: Sie hingegen könten für Ernst nicht aufnehmen: daß nachdem der Feldherr des Bacchus Altar abzutreten sich erklärte / Melo seines Vortheils halber den allgemeinen Frieden hindern; oder / weil doch auch unter Bunds-Genossen die mehrern Stimmen die wenigern überwiegen / sich selbst vom Frieden ausschlüssen / und ihm tausend Unheil auf den Hals ziehen würde. Melo fiel ein: Es wäre kein freyer Mensch / weniger ein keinen Obern erkennender Fürst verbunden mehr einen Frembden / als seinen eigenen Willen zur Richtschnur seines Thuns zu haben. Dahero könte die Vielheit der Stimmen ihm kein Gesetze des Friedens fürschreiben / weil er sich nicht eriñerte: daß er bey Eingehung des Bündnüsses beliebt hätte / das gröste Theil der Bunds-Genossen für den gantzen Bund zu halten / und ihren getheilten Schlüssen zu gehorsamen. Daß aber ein Wille des andern beystimmen müste / erforderte entweder eine ausdrückliche Einwilligung; oder daß man seinen Willen eines andern schlechterdings unterworffen hätte. Diß wäre wider die Eigenschafft der Bündnüsse; welche Gleichheit / nicht Staffeln liebte. Jenes wäre niemals zu vermuthen. Daher wäre bey den Sarmatiern die Widersprechung eines einigen Edlmannes genung einen gantzen Reichs-Schluß zu hintertreiben. Er aber wäre hoffentlich der erste Sicambrische Edelmann / und Fürst Deutschlands über dreyerley Völcker; welchem auf allen Fall eine dreyfache Stimme zukäme; und stünde der Hertzog der Ost- und West-Friesen gleichfalls auf seiner Seite. In der Bündnüsse Rathschlägen aber wäre die Rechnung nicht nach den Personen / sondern / nachdem einer viel oder wenig zu dem gemeinen Wesen beytrüge /zu machen. Zu geschweigen: daß es rathsamer wäre die Meynungen zu wiegen / als zu zehlen. Catumer versetzte: Diß letztere gienge nur in der Schule der Weisen / nicht in der Rath-Stube der Fürsten an. Denn ob zwar einer [380] den Sachen besser / als der andere / nachdächte / wäre doch aller Recht bey Abgebung der Stimmen gantz gleich. Denn / weil jeder seine Meinung für die beste / und sich für den klügsten hielte; würde man sich wegen Hartnäckigkeit der Menschen aus widrigen Rathschlägen sonder den Vorzug des grösten Theiles ni ermehr auswickeln können. Dahero sich jeder des grösten Theiles Urthel unterwirfft / der als ein Glied sich in eine Versammlung begiebt. Sintemal er mit Fug nicht begehren kan: daß die meisten oder alle andere seine Meinung zur Gebieterin machen / oder das berathene Werck gar unterlassen solten. Es wäre denn: daß er ihm solch Vorrecht bald beym Eintritte bedungen hätte. Außer dieser Bedingung aber wäre seine Pflicht den meisten zu folgen; weil er hoffentlich der Sicambrer / Tencterer / und Friesen Beytrag zum gemeinen Kriege nicht über der Cherusker / Catten und Hermundurer sätzen würde. Oder / weil Hertzog Melo freylich nicht versprochen hätte sich zu denen gemeinen Schlüssen so genau zwingen zu lassen; stünde ihm allerdings frey das Bündnüs aufzugeben. Ob dis letztere ihm aber anständig seyn würde / stellte er zu eines so erfahrnen Fürsten Nachdencken. Melo brach ein: Und ich zu gerechter Bund-Genossen Uberlegung: ob er durch seine Treue und Eyver verschuldet; daß man ihn aus dem Bündnüsse zu stossen gedächte? Ob sie etwan lüstern wären: daß die Römer der Sicambrer Meister / und hierdurch so viel mächtigere Glieder des deutschen Bundes werden solten? Ob sie nicht wüsten: daß Bündnüsse mit allzu mächtigen Nachbarn willkührliche Dienstbarkeit; und daher unter diesem scheinbaren Tittel die Thessalier der Macedonier; die Griechen der Athenienser / die Lateiner / Acheer / Magneter und Heduer der Römer Knechte gewest wären? der Feldherr fiel nunmehr / jedoch mit einer grossen Leitseeligkeit ein: es wäre dieser Undanck keinem Menschen in Sinn kommen einen so hoch verdienten Bund-Genossen / als Melo wäre / zu verstossen. Er aber trennte sich selbst / wenn er dis verwürffe / ohne welches die Bund-Genossen / allem Ansehn nach / zu Grunde gehen müsten. Diese Nothwendigkeit solte er behertzigen / als das härteste und unverbindlichste Gesätze / welches auch stählerne Bündnüsse auflösete / und die niedrigsten Schwachheiten entschuldigte /hierwider hinderte auch nichts das Versprechen: daß kein Bunds-Genosse ohne des andern Vorbewust und Einwilligung Friede machen solte. Sintemal dis Angelöbnüs einen nur so lange bindete / so lange er ohne Untergang darbey stehen könte; und hätte es mit Bund-Genossen keine andere Beschaffenheit als wie denen auf einem Schiffe befindlichen Bootsleuten /welche alle beym Sturme so lange / als Hofnung vorhanden wäre das Schif zu erhalten / für die gemeine Wolfahrt arbeiten müsten; wenn aber solches zu sincken anfienge / möchte jeder sich retten / so gut er könte. Wie nun außer diesem Falle kein Bund-Genosse sich von dem Bunde abzusondern befugt wäre /was für vorteilhafte Bedingungen ihme gleich der Feind antrüge; also wäre auch ein jeder im Kriege eben so wol / als beym Ungewitter auf dẽ Schiffe etwas für die gemeine Wohlfahrt in Stich zu sätzen /und ins Meer zu werffen verbundẽ. Weil denn nicht nur ihr Bund sondern die Vernunfft selbst jedwedem dis Gesätze aufbürdete / durch einen kleinen Verlust grössern Schaden abzuwenden; versähen sie sich zum Melo: daß er ihnen / und ihm selbst zu Liebe sich darein schicken würde. Ein für allemahl wäre es besser mit einer wenigen Verkleinerung Friede machen / als mit euserster Gefahr und grossem Nachtheile einen hartnäckichten Krieg zu führen. Gott würde auch nicht verhengen / und Deutschland so straffen; am wenigsten jemand Ursache geben: daß die Römer die Sicambrer überwinden solten; welche auch auf solchen Fall nicht in die Stelle und das Recht der Sicambrer treten; noch sich den Deutschen / [381] wie König Philipp als Uberwinder der Stadt Phocis den Griechen / zum Bunds-Genossen aufdringen könten. Diesem nach hätte er denen Friedens-Mitlern bald anfangs gesagt: daß sie mit den Römern zwar Friede / nicht aber ein Bündnüs zu schlüßen gemeint wären; und würden sie auch wegen des Meynzischen Gebietes denen Römern keinen Sitz in dem deutschen Fürsten-Rathe einräumen; ungeachtet August sich deswegen einen deutschen Fürsten rühmte / und sich also denen deutschen Bundes-Gesätzen unterwerffen wolte. Daher solte sich Hertzog Melo dis zu thun nicht schämen / was der Käyser gerne thäte / wenn er könte. Dem beypflichten / was die meisten dem gemeinen Heile nöthig achteten / wäre keine Erniedrigung / sondern eine Großmüthigkeit. Zu geschweigen: daß es in Deutschland von undencklicher Zeit Herkommens gewest wäre: daß alle Streitigkeiten zwischen denen verbundenen Fürsten / dem Feldherrn / als dem gemeinen Schiedes-Richter; wie bey den Griechen und Lateinern dem ersten Bunds-Genossen wären untergeben worden. Er hielte den Frieden Deutschlande für nöthig und nützlich; gienge ihm auch selbst mit seinem Beyspiele vor: daß es rathsamer wäre / ein Ey zu vergessen / als die Lege-Henne in scheinbare Gefahr zu sätzen. Alle Fürsten hätten ihrer Herrschaft halber schwere Verantwortung bey Gott und den Menschen über sich. Deñ sie besäßen ihre Länder nicht so wol als ihr Eigenthum; sondern als ein heilig anvertrautes Gut /oder wie Vormünden das Vermögen unmündiger Kin der. Das Volck hätte sie ihnen nur zur Verwahrung; nicht aber die Macht gegeben solche nach ihrer Eigensinnigkeit in Stich zu sätzen / noch sie ihrer Rache und Begierde zu Gefallen zu verschleudern. Dem Hertzoge Melo sahe die Ungedult aus den Augen; jedoch sagte er nicht mehr: Es wäre ihm leid / daß die Deutschen mehr durch ihren Sieg verlieren solten / als sie durch so viel Blut gewonnen hätten. Sintemal die wenigen Orte / die sie behielten / gegen der sie jetzt einnehmenden Furcht die schnödeste Ausgleichung machte. Ihm gienge es aufs höchste zu Hertzen / daß die Deutschen nicht sähen / wie die Römer mit ihnen nicht so wol Friede zu machen / als die Waffen nur eine Weile einzustecken; sie also durch dieses Bländwerck nur einzuschläffen und zu trennen anzielten; also sie ihnen durch einen betrüglichen Frieden /unter dem Nahmen einer Artzney / schädlichstes Gifft beybrächten. Ihr Ehrgeitz gleichte dem Feber / welches / wenn schon Frost und Hitze nachließe / nicht vergienge / sondern immer heftiger wieder käme. Sie versteckten das Feuer des Krieges zwar unter die Asche; leschten es aber nicht aus; Und den Deutschen / welche durch einen so schädlichen Frieden zu genesen vermeinten / würde es nicht besser gehen / als Ubel-Geheileten / denen die Wunden wieder aufbrächen. Sie verriethen den Römern ihre Kleinmüthigkeit / indem sie ihnen auf einmal mehr gutwillig abtreten /als sie beym unglücklichsten Lauffe ihrer Waffen in etlichen Jahren verlieren könten. Wormit es nun das Ansehn nicht haben möchte: daß der Römer Macht und Marbods Dräuen das Vermögen hätten die Hertzhaftigkeit auch ihm aus dem Hertzen zu reissen; wolte er bis auf den letzten Tropffen Blut das Eigenthum seiner Vor-Eltern vertheidigen. Würden auf allen Fall ihn seine Bunds-Genossen / so wolte er sie doch nicht verlassen; Und wenn ihm schon genungsame Kräfften fehlten; wolte er doch seinen Feinden zeigen: daß ihm nicht ehe / als mit seinem Atheme Muth und Hertze gebrechen würde. Es wäre doch einmal nicht so schimpflich von etwas verdrungen werden / als es mit Zagheit verlassen. Er hätte noch auf seiner Seiten getreue Länder / ein sieghaftes Heer / den Glücks-Stern Deutschlands / die behertzten Friesen / und die göttliche Rache; wenn schon alle andere Riegel zerbrechen. Hiermit zog er drey Pfeile aus [382] seinem Köcher / brach selbte entzwey / warf die Stücke zu Bodem / und gieng aus der Versa lung. Hertzog Arpus nam dis für eine Aufkündigung des Bundes auf / und sagte: Weil dem Melo ja nicht zu rathen wäre; solte man den Frieden keine Stunde mehr aufschüben; sondern mit den Römern schlüßen / so gut man könte. Die andern Fürsten pflichteten dieser Meinung durchgehends bey; der Feldherr aber rieth aufs beweglichste: man solte mit keinem Degen in dem Feuer scharren; sondern dem tapfern Melo / weil grosse Gemüther wie das Meer am leichtesten bewegt würden / er auch nicht ohne Ursache empfindlich wäre / seine Ungedult ausrauchen lassen. Ein für alle mal hätte doch dieser Fürst für Deutschlands Freyheit ein grosses gethan; also wären sie außer euserster Noth nicht berechtigt ihn alleine im Stiche zu lassen. Denn er wäre ein Glied ihres Bundes; welches von einerley Seele solte geregt werden / und nur einerley Zweck zum Absehen haben; nemlich aller und jeder Glieder Sicherheit. Dieser aber wäre durch keinen andern / als durch einen allgemeinen Frieden; welcher alle Bunds-Genossen einschlüße / und mit einem auch nach dem Friede tauernden Beschirmungs-Bündnüsse / gerathen. Jener wäre die unzerbrechliche Grund-Seule der gemeinen Wolfahrt / welche dem Feinde alle Mittel einzeler Siege abschnitte; hingegen baute man durch einzele Frieden seine Ruhe nur auf Eys; welche mit dem von der Sonne zerschmeltzenden Eise einbräche. Dieses aber wäre der Schild und eine Brustwehre des Friedens; welches alle Bundsgenossen wider neuẽ Anfall des Feindes bedeckte / und der ehrsüchtigen Nachbarn Krieg / wie ein Tamm die Ergleßung der Flüsse / und die Wellen des brausenden Meeres / im Zaume hielte. Es wäre der einige Ancker / welcher bey neuem Ungewitter die allgemeine Ruh befestigte. Wenn nun Bunds-Genossen eines aus diesen beyden versähen / des andern Gefahr und Wolfahrt nicht für ihre eigene hielten / also einer nach dem andern den Kopff aus der Schlinge zügen / die übrigen aber alleine baden liessen; gienge es allen nicht besser / als den Schlangen und Fliegen / welche / wenn man sie zerschnitte / zwar sich eine Weile noch bewegten; weil ihnen aber die Kräffte des abgetrennten Gliedes / als der Ursprung ihrer Tauerhaftigkeit entgienge / nach und nach Kräffte und Leben einbüßten. So lange nun die Römer mit dem Hertzoge Melo Krieg führten; so lange heilten auch ihre Wunden nicht zu; und Deutschland behielte noch einen feurigen Brand unter dem Dache. Daher hätten sie sich für den schlauen Römern wol fürzusehen: daß sie durch einen absondern Frieden mit den Catten und Cheruskern nicht auf eine solche Art / wie die Schmeltzer bey Reinigung Goldes und Silbers mit diesen das Bley vereinbarten /damit solches mit dem andern unreinen Zusatze im Rauche aufflüge / oder sie wenigsten nur wie Ulysses sich der vom Polyphemus versprochenen Wolthat /nemlich am letzten gefressen zu werden / getrösten dörften. Diese Trennung nun zu hindern / hielt er für rathsam und nöthig den Melo auf alle Weise zu gewinnen / und bey den Römern das euserste zu thun: daß durch die Mittler die Friedens-Bedingungen für den Hertzog Melo noch etwas gemiltert / wider den neu-besorglichen Einbruch der Römer über den Rhein vorgebeuget / am allermeisten aber die Unterdrückung der Sicambrer und Tencterer verhütet würde. Dieses bewerckstelligte er mit Hülffe des Fürsten Ingviomers auch mit solchem Nachdrucke: daß Tiberius sich durch den Ritter Stahrenberg endlich erklärte: wegen des Ubischen Altares wäre kein Wort zu verlieren. Der Feldher aber möchte des Bacchus Altar zu Ehren seines daselbst gebohrnen Sohnes behalten; jedoch mit dem Bedinge: daß das wenigste weiter an dem Tempel des Bacchus versehret; sondern der Römische Gottesdienst / und des Käysers [383] Augustus Verehrung von denen dazu gewiedmeten Stifftungen darinnen offentlich fortgestellt; dem Segesthes sein von den Cheruskern eingenommenes Gebiete wieder eingeräumt /und den Römischen Feinden wider die Römer keine Hülffe geleistet; alles dis aber vom Marbod und Ariovist verbürget werden solte. Der Feldherr war über dieser Milterung so bekümmert: daß er nicht wuste: ob er sie für eine Verärgerung annehmen solte. Sintemahl die Duldung des Römischen Gottesdienstes in einem Orte / welcher der Cheruskischen Bothmäßigkeit unterworffen wäre / ihme eine Billigung der vielen Römischen Götter aufzubürden: das Volck in seinem Glauben entweder irre / oder gegen ihn argwöhnisch zu machen schiene. Uberdis war ihm die Uberlassung dieser Stadt bedencklich: daß Hertzog Melo nicht hieraus Anlaß zu argwohnen nehmen möchte /als wenn der Feldherr umb diesen Gewinn der Sicambrer Ruhe und Sicherheit verkaufft hätte. Und endlich wäre weit aussehend: daß die Deutschen sich aller Hülffe gegen die / welche die Römische Herrschsucht für Feinde erklären würde / enthalten solten. Diesemnach denn der Feldherr mit den Mitlern / und diese mit dem Tiberius / etliche Tage bis Mitternacht über Abthuung dieser Schwerigkeiten arbeiteten; bis endlich mit Einwilligung aller anwesenden Fürsten /außer dem auf seinem Sinne verharrenden Melo / der Friede in eben der Nacht / da der Neumonde / als das vom Marbod gesteckte / nunmehr aber mit des Tiberius Einwilligung auf fünf Tage verlängerte Krieges-Ziel eintrat / derogestalt geschlossen ward: die Römer solten über den Rhein ohne der Deutschen Erlaubnüs keinen Fuß setzen; diese aber alles / was sie auf der West-Seite des Rheines itzt besäßen / ruhig behalten. Im Altare des Bacchus solte der Römische Gottesdienst unversehrt auf der Römer Unkosten verbleiben / kein Deutscher aber zu selbtem gelassen werden. Kein Theil solte des andern itzigen oder künftigen Feinden beystehen; es wäre denn: daß die Römer ein deutsches Volck bekriegen wolten. Jedoch solten die Deutschen nicht hindern: daß die Römer sich wider des Ubischen Altares / welches der Feldherr zu schleiffen vergebens fürschlug / bemächtigten; dafern Melo nicht zu bereden wäre / solches gegen tausend Pfund Silber abzutreten. Welcher / außer dieses einigen Ortes / alles behalten / und dieses Friedens / wie alle andere Fürsten genüßen solte. Ins geheim ward auch verglichen: daß auf allen Fall / wenn gleich die Römer mit dem Melo brechen müsten / selbte weder über den Rhein einige Brücke schlagen; noch einige andere Festung einnehmen; widrigen Falls aber alle Bunds-Genossen unbeschadet des geschlossenen Friedens / dem Melo mit allen Kräfften / keines weges aber Marbod und Ariovist den Römern Hülffe zu leisten berechtiget seyn solten. Die Nacht war grösten Theils vorbey / als sie mit diesem Schlusse richtig waren; gleichwol aber machten es die Mitler von Stund an durch den abgeschickten Ritter Weissenwolff dem Könige Marbod; durch den Ritter Nothhafft Ariovisten; der Feldherr aber den deutschen Fürsten zu wissen; Und / weil in Deutschland die Frieden-Schlüsse / wie alle hochwichtige Dinge / von allen beliebt werden müsten / ließ er auf den siebenden Tag alle Obersten und Hauptleute des Heeres /Arpus auch von denen Cattischen Ständen / so viel derer zu erreichen waren / nach Bingen beruffen. Das Geschrey von dem Frieden aber zohe hundert mal so viel Volckes herzu; also daß sich niemand eines so Volck-reichen Reichs-Tages erinnerte. Das darzu für der Stadt ausgesteckte Feld ward zu enge und so voll: daß kein Apffel zur Erde / und die Fürsten sich schwerlich zu ihren bereiteten Sitzen durchdringen konten. Nach dem die Priester der gantzen Versammlung eben so / wie bey den Deutschen für Lieferung der Schlachtẽ zu geschehen pflegt / den [384] gewöhnlichen Eyd fürgesprochen hatten / trug der auf einem Hügel stehende Feldherr dem von denen Priestern nach dem Stande / Alter / Verdiensten und Geschickligkeit in gewisse Reyen gestellten Volcke umbständlich die gantze Friedens-Handlung; der Fürsten hierbey gehabte Bedencken; und die Ursachen: warumb sie den abgehandelten Frieden einzugehen für nöthig und nützlich hielten / für; mit einer beweglichen Erinnerung: daß ein jeder umb die Liebe des Vaterlandes willen nach seinem besten Verstande / und Gewissen dessen sich erklären solte; was er Gott annehmlich /den tapferen Deutschen rühmlich / und dem gemeinen Wesen vorträglich zu seyn glaubte. Er und alle anwesende Fürsten / außer dem nicht erschienenẽ Sicambrischen / betheuerten bey dem unsterblichen Gotte /bey der Freyheit Deutschlandes; bey dem Ruhme ihrer Vor-Eltern / und bey ihren Häuptern / welche sie widrigen Falls allem Unglücke gewiedmet haben wolten /daß sie für dismal dem Vaterlande nicht besser / als durch diesen Frieden gerathen wüsten. Diese Erklärung that der Feldherr zugleich im Nahmen der gesa ten Fürsten / umb dardurch die besorglichẽ Vorrechts-Streitigkeiten zu verhüten; welches etliche Hohepriester allen Fürsten / welche nicht selbst ein Volck beherrschten / oder einen Obern erkennten /streitig machten; weil sie Diener und Bothschafter des die gantze Welt beherrschenden Gottes wären / und also alle weltliche Würden überstiegen; ja ehe in Gallien / Britannien und Deutschlande die Spaltung des Gottesdienstes entstanden / Könige und regierende Hertzoge ihnen gewiechen wären. Hierdurch erlangten die Priester die erste Stimme; welche ihrer verpflichteten Friedfertigkeit halber / fast unmöglich anders / als wider den blutigen Krieg stimmen musten. Uberdis hatte der Feldherr auch wegen des Bacchischen Tempels die darwider schwürigen Priester theils durch vernünftige Unterbauung / theils durch Wolthätigkeit gewonnen. Unter dem meist aus Kriegs-Leuten bestehenden Adel / welche doch sonst dem Frieden so gram / als dem Siege hold sind / war eine so einträchtige Einwilligung des Friedens: daß es schien / als wenn die streitbaren Deutschen ihre alte Geburts-Art verändert und für ihrer vorigen Belustigung / nemlich dem Kriege / einen eckelnden Uberdruß bekommen hätten; so gar: daß sie auch einige unter sie vermischte Tencterer und Juhonen / welche dem Melo zu Gefallen / oder umb für andern hertzhafft angesehn zu werden / wider den Friede murreten / mit ihren Waffen / die sie ohne dis bey allen wichtigen Zusammenkunfften bloß zu tragen pflegten / das Stillschweigen aufdrangen. Das gemeine Volck / so ohne dis dem Kriege gram ist / so bald es nur seinen bitteren Vorschmack gekostet hat / gab mit einem grossen Freuden-Geschrey / wie vorher die Priester mit kleinen Glocken / das Kriegs-Volck mit dem Geschwirre der Waffen sein Wolgefallen zu verstehen. Das Frauenzimmer war noch übrig / welches nicht nur die Männer in Deutschland zu den Schlachten auffrischet /und die Flüchtigen zurücke hält; sondern auch selbst die Waffen führet; also von rechtswegen mit zu den Krieges- und Friedens-Rathschlägen gezogen wird. Auch dieser wegen hatte der Feldherr keinen geringen Kummer. Sintemal / wenn diese / als das schwächere Geschlechte zum Kriege riethen / die Mäñer aus Beysorge verzagt angesehn zu werden / sich einigen Frieden zu schlüßen schämen. Maßen sie denn auch die erwachsenden Streitigkeiten zwischen Bunds-Genossen beyzulegen das gröste Ansehn haben. Uberdis war dem Feldherrn nicht unbewust: daß Hertzog Melo hinter unterschiedene Weiber und Jungfrauen / welche verschmitzt und beredsam waren / seine kriegrische Rathschläge versteckt hatte. Dahero er auch seine Gemahlin Thußnelda vermochte: daß sie den Tag vorher das Kindbette verlassen / sich im Rheine gereiniget /ihr Tauben-Opfer abgelegt / und diesen Tag mit der Cattischen Hertzogin und anderm Frauenzimmer in die Reichs-Versa lung eingefunden hatte. Welche [385] denn auch alle widrige Anschläge / die Melo andern unter den Fuß gegeben hatte / theils durch ihre grosse Vernunft / theils durch ihre gleichsam bezaubernde Leitseeligkeit so glücklich hintertrieb: daß auch die / welche das Widersprechen schon auf der Zunge hatten /anfangs mit dem Hertzen und bald mit dem Munde dem durch Thußneldens Anmuth allzu sehr verzuckerten Frieden Beyfall geben musten. Ja nicht wenig aus dem Adelichen Frauenzimmer bothen sich freywillig zu Geisseln an; da einige den Römern zu Versicherung des Friedens gegeben werden müsten. Sintemal die Deutschen denen Jungfrauen eine gewisse Heiligkeit / ihren Einrathungen eine göttliche Regung / und denen durch sie verbundenen Schlüßen eine besondere Tauerhaftigkeit zueignen. Welcher uralten Gewonheit der Deutschen es schon Cleonymus zu Sparta / Porsenna in Italien nachgethan; indem jenem die von Metapont / diesem die Römer / wie auch noch letzthin die Parthen dem August Jungfrau en zu Friedens-Geisseln liefern müssen. Die hierüber frohen Fürsten schickten Augenblicks nach diesem Reichs-Schlusse den beredsamen Grafen von Hanau zu dem Fürsten Melo; welcher ihm nicht nur diesen Schluß eröfnete; sondern auch mit nachdrücklicher Vorstellung des über die Sicambrer aufziehenden Ungewitters ihn zu Abtretung des Ubischen Altares gegen Annehmung der für ihn bedungenen tausend Pfund Silbers zu bereden keinen Fleiß sparete. Hertzog Melo aber hatte sich niemals ungeduldiger gebehrdet / als nunmehr /da ihm alle Krieges-Hofnung eben so / als wie den nunmehr von der in den Wieder tretenden Sonne zerschmeltzenden Schnee zu Wasser werden sah. Daher er dem Grafen / als er ihm das Gewichte dieses Silbers / worvon er zwey solche Städte / als das Ubische Altar wäre / befestigen könte / zur Antwort gab: Wenn er Graf Hanau wäre / dörfte er sich noch wol bereden lassen unnützes Ertzt für eine ihm im Hertzen liegende Festung und seine Ehre zu nehmen. So aber wäre er weder Hanau / noch ein Geld-dürftiger Kauffmann; sondern ein Hertzog dreyer Völcker / welchem es nicht anstünde die Sicherheit seiner Länder und den Ruhm seiner Siege umb so schnödẽ Wucher zu verkauffen. Seine Länder wären ihm nicht feil / weniger sein guter Nahme; und möchte er mit dem tapferen aber einfältigen Brennus der andere deutsche Fürst nicht seyn / der sich die Römer mit ihrem Gelde betrügen ließe. Ja er wolte lieber / wie die verzagten Römer / ihm die Daumen abschneiden / umb sich zu aller Eydesleistung unfähig zu machen; ehe er der Römer Freund zu seyn schweren solte. Die redlichen Deutschen brauchten / wie die Scythen und Indier /keine schriftliche Versicherungen ihres Versprechens; weniger eydliche Versicherung. Ihr Treu und Glauben wäre ihr bester Schwur / die Römer aber / welche die Menschen hinters Licht zu führen nicht scheuten /würden sich weniger für ihren unsichtbaren / und entweder gar nicht geglaubtẽ- oder mit zugemäßenẽ Lastern beschwarzten Göttern scheuen. Dahero man ihrer Freundschaft sich nicht anders versichern könte /als wenn man sie ihm weit vom Leibe hielte. Wer nun dem Feinde solche Festungẽ / die Kapzäume seines Landes wären / abträte; erkennte sich entweder für den Uberwundenen / oder für einen allberen Sieger. Er merckte die Kreide der Römer wol; welche nichts anders im Schilde führten; denn daß zwar die deutschen Fürsten den euserlichen Schein ihrer vorigen Herrschafft und Gottesdienst / welche kluge Uberwinder auch neuen Unterthanen zu lassen nöthig hätten /behalten / und unter denen dienstbaren / wie weiland Antiochus / die Fürnehmsten / oder vielmehr Werckzeuge andern Völckern das Joch der Dienstbarkeit aufzuhalsen seyn solten. Er verlangte aber weder durch dis ein Greuel der Welt zu werden / noch aus der Römer Gnade zu herrschen. Der Degen und das Glücke möchte der Richter seyn / wem das Ubische Altar von rechtswegen zukäme. Er getröstete sich aber keines schlimmern / als es zeither gewest wäre: und so wol seine gerechte Sache / [386] als des unerschrockenen Hertzog Ganasches Vebsprechen ihn versicherten. Diesemnach solte der Graf den Feldherrn und andere deutsche Fürsten versichern: weil zwischen Herren und Knechten keine Freundschaft statt hätte / und auch im Frieden sowol die Neigungen / als Rechte des Krieges unvertilgt blieben / würde die gläserne Verträuligkeit zwischen den Deutschen und Römern bald zerbrechen / und also er jener Freund / wenn sie ihn gleich beleidigten / und dieser Feind / wie sehr sie ihm liebkoseten / sterben. Der Graf von Hanau antwortete: wenn Hertzog Melo bey dieser Meinung bliebe / wolten die deutschen Fürsten entschuldiget seyn: daß sie bey ihm und für sein Heil alles gethan hätten /was der gemeine Bund und ihre Pflicht erforderte: sie befinden sich gezwungen der Zeit zu weichen / und für dem Verhängnüsse die Segel zu streichen. Dieser ihr Schluß würde ihm auch hoffentlich selbst vorträglicher seyn; als wenn sie alle zusammen aus einer falschen Hertzhaftigkeit sich in Grund stürtzten / und mit der Zeit zu seiner Erhaltung nichts beytragen könten. Melo aber versätzte: Er ließe der gantzen Welt die Freyheit zu urtheilen: ob seine ihn verlassende Bundsgenossen einen Weg zu ihrer Wolfahrt oder zu ihrer Verterben erkieseten? Ob dieses erhebliche Gründe ihres Verfahrens / oder ihre Zagheit bemäntelnde Farben wären? Und ob sich ohne Verlust seiner Ehre in Treu und Glaubẽ eine solche Scharte machen ließe? Wie dem aber wäre; und was für Nothwendigkeit gleich hinter ihrem Friede steckte / bliebe doch ihre Absonderung zum wenigsten eine grosse Schwachheit / in welche kein Fürst verfiele / der das Maas seiner Kräften verstünde / und nichts ohne Vorsicht handelte. Denn / da sie sich den Römern nicht gewachsen zu seyn gewüst / und des herrschsüchtigen Marbods untreue Nachbarschaft für Augen gehabt; hätten sie entweder ihn nicht durch ihren Bund die Waffen zu ergreiffen veranlassen; oder itzt durch ihren unzeitigen Frieden der Welt ihr Unvermögen nicht so schimpflich verrathen sollen / nach dem sie einmal die Beschirmung der deutschen Freyheit auf ihre Achseln geno en hätten. Der Graf von Hanau hielt nicht für rathsam durch ausführliche Antwort das gekränckte Gemüthe des Melo mehr zu erherben /sondern brach kurtz ab / und sagte allein: In schweren Verwickelungen müssen Fürsten dem Glücke / wie in gefährlichen Kranckheiten die Aertzte der Natur folgen / welche ihnen mehrmals selbst den Weg wiese /durch welchen sie das Ubel angreiffen und den Kranckẽ retten solten. Melo aber verließ die schon auf der Zunge habenden Worte im Munde / sätzte sich im Gesichte des Grafen von Hanau zu Pferde; dessen Leibwache für der Stadt schon in voller Bereitschaft hielt; und sein Geräthe ließ er auf etlichẽ Schiffen den Rhein hinunter führen.

Nach des Hertzogs Melo Abzuge ertheilte der Cattische Hertzog alsbald Befehl den gefangenen und zu Maltium verwahrten Segesthes nach Bingen zu holen. Zwischen Meynz und Bingen aber ward auf einem kleinen Eylande im Rhein alles zu Vollziehung des Friedens bereitet. Auf Römischer Seiten war Cäcina und Asprenas; auf Deutscher der Graf Nassau und Waldeck hierzu verordnet. Für die Mitler war ein köstlich Zelt in der Mitte des Eylandes / für die Römischẽ Gesandten am Sud-für die Deutschen am Nord-Ende bereitet. Die Mitler kamen mit der aufgehenden Sonnen dahin; eine Stunde darnach aber stiegen die Römischen und deutschen Gesandten auf einmal aus; und wurden auf gantz gleiche Art und Zeit in das Zelt der Mitler abgeholet. Nach dem sie alle einander mit grosser Ehrerbietung bewillko t / und König Marbods Bothschaffter beyden Theilen über dem geschlossenen Frieden Glück gewünscht; auch den abgehandelten Inhalt wiederholet hatte; erklärten sie sich zwar beyderseits; daß sie darmit einsti ig wären. Es erwuchs aber alsbald ein Streit über der Sprache; und auf was die Friedens-Bedingungen zum Beweiß und künftigem Gedächtnüsse verzeichnet werden solten. Die Römer ließen das dinneste Papier / [387] welches das Käyserliche genennet ward / darlangen. Denn ob zwar schon zur Zeit des grossen Alexanders erfunden worden war / aus denen mit einer Nadel von sa en gezogenen und hernach mit trüben Nil-Wasser zusa en geleimten Blastern oder Häutlein einer Egyptischen Wasser-Staude Schreibe-Papier zu machen; so hatte doch Käyser August erfunden selbtes mercklich in verbessern; indem er nur die dinnesten Blätlein aus der Mitte des Papier-Baumes abschälen / eines die Länge / das andere die Quäre auf einander legen / und mit einem klaren Leime zusammen kleiben ließ. Welches daher fürs beste gehalten / und nach seinem Nahmen geneñt ward. Der Graf von Nassau aber verwarf es / als allzu sehr durchschlagend / und keine scharffe Schreibe-Feder vertragend. Cäcina ließ also das aus denen andern Blätlein / nach Erfindung Liviens / was dicker gemachtes Papier hergeben; aber der Graf Waldeck meldete: die Deutschen wären gewohnt lange tauernde Frieden zu schlüßen; und also wäre ihnen hierzu alles Papier / welches so leicht als die von den Alten zum Schreiben gebrauchten Baumrinden zerrissen / und noch ehe von Schaben gefressen würde / zu geringe / oder eine verdächtige Wahrsagung eines vergänglichen Friedens. Diesemnach ließ er ihm eine ausgearbeitete Schweinhaut reichen; welche denen Römern nicht unangenehm seyn könte / weil sie bey allen ihren Bündnüssen ein Schwein oder gar eine Sau zu schlachten pflegten; und als ein streitbar Thier ihrem Kriegs-Gotte gewiedmet wäre; nach dem solches von dem zähnichten Sicinius / welcher hundert und zwantzig mal im Zweykampfe gefochtẽ / sechs und zwantzig Siegs-Kräntze / hundert und viertzig Armbänder erworben hätte / dem Mars zum ersten mal wäre geopffert worden. Asprenas fiel ein: dieses Thier / welches an Fettigkeit alle andere überträffe /schickte sich zwar gar wol zu opffern; und würde dem Jupiter selbst zu Athen ein Schwein geschlachtet. Alleine die Haut dieses geilen / Koth- fressenden und unflätigen Thieres wäre viel zu unwürdig ein Behältnüs des mehr als güldenen Friedens abzugeben; welcher auf das reinlichste zu verfassen wäre / weil er denen Blutbefleckungen ein Ende machte. Daher zu Rom alle Frieden-Schlüsse auf schneeweisse Leinwand gedrückt / und im Tempel des Saturn aufgehoben würden. Man schmiedete die mörderischen Schwerdter zum Theil aus Golde; man versätzte sie mit Edelgesteinen; ja man verwahrte wol gar tödtliches Gifft in Schmaragd und Hiacynthen; und man solte den unschätzbaren Frieden auf einer Schweinshaut besudeln? Wäre es nicht eben so viel als die Perle auf den Mist werffen? oder mit jenem thörichten Weibe ihren Harn in Gold lassen / und aus Glase trincken? der Graf Waldeck antwortete lächelnde: Er hoffte durch seinen Vorschlag nicht so sehr gesündigt zu haben. Wäre doch der auf Schwein- und andere Häute geschriebene Homer vom grossen Alexander unter sein Hauptküssen / und folgends in das kostbarste damascenische Kästlein gelegt worden. Würden nicht die Schweine / etlicher Meinung nach / von Juden / fürnemlich aber von Cretensern / weil eine Bärmutter Jupitern in seiner Kindheit gesäugt hätte /göttlich verehret? Ja die Vor-Eltern der Römer / nemlich die Bürger zu Lavinium hätten der funfzig Fercklein werffenden Range des Eneas / und die Stadt Alba einem Schweine / als ihrem Urheber / wie Rom seiner Wölffin eine Seule aufgerichtet. Zum wenigsten aber wäre diesem nützlichen Thiere das Lob nicht zunehmen: daß es mehrmals ein Werckzeug grosser Siege gewest; und hätten die von Megara mit überpichten und angezündeten Schweinen Antipaters / die Römer des Pyrrhus Elefanten und Pferde / welche für ihnen eine grausame Abscheu hätten / in ärgste Verwirrung / einen herrlichen Sieg / und dardurch einen guten Frieden zuwege gebracht. Warumb solte nun eines so angesehenen Thieres; welches die Römer und andere Völcker eben so wol / als Ochsen und Schaafe auf ihre ältesten [388] Müntzen gepregt hätten / nicht zu einer Schreibe-Tafel dienen. Cäcina nam diesen Einwurff für einen höflichen Schertz auf / und sagte: der Römische und deutsche Friede wäre ihm so ein liebes Kleinod: daß er ihn in Diamanten und Rubinen zu schneiden würdig schätzte. Was würdigers nun hierzu zu nehmen / und gleichwol der Deutschen Vorschläge nicht gäntzlich zu entfallen / wolten sie hierzu etwas von einem Thiere erkiesen / welches dem Schweine am ähnlichsten; ja dis aus selbigen Thieres Unflathe entsprossen seyn solte. Dieses wäre der Elefant. Hier mit ließ er ihm zwey schöne helffenbeinerne Taffeln langen / welche von allen Anwesenden einmüthig zu Verfassung des Friedens beliebt wurden. Darauf wolten die Römer ihn in Lateinischer- die Deutschen aber in ihrer Mutter-Sprache verfasset wissen. Jene / weil die Lateinische Sprache den Deutschen wie allen Völckern kundig wäre / zu Rom aber fast niemand deutsch könte. Diese / weil sie auf deutschem Bodem / und unter deutschem Himmel wären; die deutsche Sprache sich auch durch gantz Asien bis in Persien ausgebreitet / und als eine der ältesten Sprachen den Griechen selbst ihre Buchstaben geliehen hätte. Der Graf von Stahrenberg wolte diesen Zwist nicht zu Kräfften kommen lassen; fieng also an: Es wäre zu wünschen: daß / der Egyptischen Priester Wahrsagung nach / bald in der gantzen Welt / wie es von Anfange der Welt gewest / da alle Thiere einerley verständliche Stimme gehabt haben solten / eine Sprache geredet würde. Sintemal die siebenzig oder zwey und siebenzig Sprachen / ohne ihre noch gezeugte Töchter / als eine Straffe des Himmels in der Welt nichts als Verwirrung und Beschwerligkeit verursachten. Weil aber hierauf nicht zu warten / kein Augenblick aber bezahlt werden könte / der zu Beförderung des köstlichsten Dinges in der Welt / nemlich des Friedens nicht angewendet würde / hielte er fürs rathsamste: daß / weil die Römer die Griechische gleichsam für ihre andere Mutter-Sprache angenommen; die Deutschen aber darzu ihre Buchstaben hergegeben hätten /und beyde sie für ein allgemeines Band der Völcker /und die Römer ihre Lateinische guten theils für eine Tochter der Eolischen hielten / der Friede am füglichsten Griechisch abzufassen seyn würde. Beyde Theile beruheten bey diesem Vorschlage / also schrieb ein Druys in eine; und ein Römischer Priester mit einem spitzigen Grieffel aus Stahle in die andere Taffel die Friedens-Gesätze; und so wol die Mitler / als beyderseitige Gesandten darunter eigenhändig ihre Nahmen. Ja es ward beliebet: daß an eben selbiger Stelle eine ertztene Seule aufgerichtet werden solte / darein die Friedens-Bedingungen geetzet wären. Welche zu Meynz so geschwinde gefertigt ward: daß man sie den neundten Tag auf einen dazu bereiteten alabasternen Fuß / den Hertzog Arpus aus seinem Nordhausischen Stein-Bruche dahin eilfertig verschaffte / aufrichten konte. Oben auf der Seule stand ein aus Ertzt gegossenes Bild des Friedens über eitel Rosen; welches auf dem Haupte einen Krantz aus Lorbeer- und Oel-Blättern / wie auch Weitzen-Eeren / in der rechten Hand einen Herolds-Stab / in der lincken einen Püschel Mah-Häupter / und göldener Aepffel / an der Seiten an statt des Köchers ein Horn des Uberflusses hatte. Die Barden wolten hierbey weder ihrer Freude noch Pflicht vergessen; daher gruben sie die erste Nacht in die eine Seite des steinernen Fusses über den zur Zierath darein gegrabenen Rhein-Strom folgende Reimen ein:


Der Alpen Riesen-Sohn / du Silber-reiner Rhein /

Für dem Eridanus in Pfützen sich verkreucht.

Dem / wie auch seiner Frau der Donau / willig weicht /

Europens jeder Strom; der du schluckst Wässer ein /

Die statt des Sandes führn Gold / Perl und Edelstein.

Für dessen Hörnern selbst des Meeres Saltz erbleicht /

Und dessen Quell der Nil mit seinen Augen weicht /

Komm! laß dis Friedens-Bild stets deinen Abgott seyn;


Schütt' allen deinen Schatz aus an dis Heiligthum;

Denn Fried' ist güldener als Gold; und edler Art /

Als was für Stein und Perln der Ganges-Strom verwahrt.

Ni dem gestirnten Po nun immer seinen Ruhm.

[389]

Denn solche güldne Zeit ist alles Glückes Kern /

Und Eintracht nützlicher den Deutschen / als ein Stern.


Auf der andern Seite war über dem zum Zierath eingegrabenen Römischen Adler zu lesen:

Rühmt ihr Phönicier; daß ihr durch Adlers Blut /

Nach dem Astart' es sprengt' auf des Neptun Altar /

Den Fels geanckert habt / der vormals wanckend war /

Auf welchem Tyrus stand ins Meeres blauer Fluth.

Wie bald fiel eure Stadt durch blossen Ubermuth /

Die an dem Himmel hieng / und lachte der Gefahr.

Denn Keite / Marmel / Stahl reißt wie ein schwaches Haar /

Wenn wir nicht klug / behertzt / und Gott uns nicht ist gut.


Ihr Deutschen / dieses Ertzt und dieser Friedens-Stein /
Ist durch viel edler Blut und Oel geweichet ein /
Das tausend Helden offt aus Wund und Adern raan.
Soll er wie Ertzt nun stehn / muß der befleckte Rhein
Ein Sitz der Gottesfurcht / der Eintracht Vorburg seyn.
Wer so befestigt ist / den ficht kein Sturmwind an.

Nach dem nun der Friedens-Schluß gegen einander ausgewechselt / und so wol vom Tiberius / als denen deutschen Fürsten eine schrifftliche Genehmhabung denen Mitlern eingeschickt war; besti ten die Deutschen den Vollmond / die Römer aber den dreyzehnden April / welcher dem siegenden Jupiter und der Freyheit geweihet ist / zu Beschwerung des Friedes; und den sechzehnden darauf / an welchem Tage Octavius zum ersten mal als Käyser August begrüsset worden / solten ihre Freuden-Feyer gehalten werden. Der Graf Nassau und Waldeck wurden auf besti te Zeit nach Meynz abgeschickt / daselbst vom Tiberius und Germanicus herrlich bewillkommt / und unterhalten. Der Eyd geschahe in dem zu Meynz von den Römern erbauten Tempel des Jupiters / von dem Tiberius alleine; weil er den Germanicus an seiner obersten Kriegs-Herrschafft ein Theil haben zu lassen viel zu neidisch war. Die Priester opfferten zu erst ein Schwein; hernach trat Tiberius für Jupiters Altar / und legte die helffenbeinerne Friedens-Taffel mit grosser Ehrerbietung darauf / der Hohepriester aber gab ihm einen Kieselstein in die rechte Hand / auf die lincke Seite führte ihm ein ander Priester ein schneeweisses La / welches er mit der lincken Hand faßte / hernach zwischẽ diesen Wortẽ den Stein zu Boden warf; Jupiter / Mars und Quirin seyd Zeugen und Rächer dieses Friedens; und wo ich selbtem treulich und ohne Arglist nachko e / so wendet mir alles zum besten. Solte ich aber friedbrüchig werden; so verwerfft mich von eurem Antlitze / wie ich diesen Stein; oder zerfleischet mich / wie der Priester itzt diesem Opffer-Thiere thun wird. Worauf denn Tiberius sich rechtwerts dem Altare wieder zuwendete / mit scheinbarer Andacht der Opfferung des Lammes auswartete / und hernach die deutschen Gesandten mit einem prächtigen Gastmahle abfertigte. Folgenden Tag / an welchem der Vollmonde einfiel / kamen Cäcina und Asprenas nach Bingen / allwo der Feldherr auf einem unter freyem Himmel nahe an dem Rheine aufgerichteten Altare dem einigen Gotte des Friedens hundert weisse Ochsen opffern ließ / und hierauf neben sechs andern deutschen Fürsten den Bestätigungs-Eyd mit grosser Andacht leistete / jeder auch mit einer Zange aus dem Opffer-Feuer ein glüendes Eisen nam und in den Rhein warf / mit beygesetzten Worten: Wenn unter ihnen jemand den Frieden verletzen würde / solte er und sein Haus wie dis glüende Eisen ausgelescht werden. Welche Eydesleistung der Griechischen nahe ko et; dabey Bündnüssen ein glüend Stahl ins Meer geworffen / und betheuert wird: Es solle der Bund so lange tauern / als solch Stahl nicht wieder ans Licht käme. Die Römischen Gesandten wurden hierauf nach deutscher Art herrlich bewirthet; und allerseits gegen einander grosse Verträuligkeit bezeuget. So seltzame Larven nehmen die Menschen nach und nach für; also daß einer heute ein geduldiges La / oder eine behägliche Taube fürbildet / der gestern ärger als ein Tieger wütete / und schärffere Klauen / als Geyer und andere Raubvögel zeigete; wormit diese Warheit ja so viel klärer an Tag käme: daß der Mensch der veränderlichste Cameleon / die Welt ein Schauplatz / das Leben ein anfangs lächerliches / hernach aber trauriges Spiel sey.

Innhalt des Dritten Buches
[390] Innhalt
Des Dritten Buches.

Vergleichung geschminckter Angesichter mit der falschen Freundschafft; welche Tiberius mit den Deutschen aufgerichtet. Agrippina leget bey dem deutschen Frauenzimmer / nemlich bey Thußnelden und Erdmuth ihre Besuchungen ab. Ihre höfliche Bewillkommung geschicht in Beyseyn der Erato / Ismene /Catta / Zirolane und Adelmunde. Allerseits Verwunderung über aller Schönheiten; wie auch ihre Freundschafft und verträuliches Gespräche. Allzu viel Ehren-Bezeugungen oder Vorzug hindern die Verträuligkeit. Ob der Krieg die alte Freundschafft aufheben könne. Agrippine verehret im Nahmen der Käyserin Livia Thußnelden eine Schachtel- voll Kleinodien / der Erdmuth aber eine Schnure Perlen; sie trägt Bedencken /solche wider der Catten Gesetze anzunehmen. Gespräche von der Edelgesteine Natur und Eigenschafft. Ingleichen von allerhand mit Zeichen oder Zahlen bemerckten Siegeln oder Müntzen / Perlen / und denen zur Pracht dienenden Sachen. Ob man Perlen / Edelgesteine und andere Sachen zum Zierrath tragen und sich schmücken solle? Von der Kleider Pracht. Agrippinens Verwunderung: daß in Deutschland auch Perlen und Edelgesteine wachsen. Zirolane verehret ihr eine Schnure derselben. Ihr Gespräche vom Gewichte der Perlen; und wie sie gezeuget und gefischet werden. Vom Gewichte grosser Diamantẽ. Thußnelde verehret Agrippinen ein Halsband von Opalen / so bey den Kwaden gefunden werden. Agrippinens abermalige Verwunderung über Deutschlands Schätzen.

Inzwischen gibt der Feldherr dem Römischen Gesandten Sentius Saturnius Gehör; dieser ladet die deutschen Fürsten zu des Tiberius Lust-Spielen nach Meyntz / und wil den Segesthes aussöhnen: Der Feldherr und Arpus entschuldigen sich dahin zu kommen. Segesthen aber verzeihet der Feldherr abermals. Segesthes wird durch den Grafen Barby eingeholet; dessen scheinbare Entschuldigung / Abbitte und Versöhnung mit dem Feldherrn und Arpus; welcher ihn bey der Liebe des Vaterlandes und seiner Kinder beschweret / künftig bey Deutschlande zu halten. Siegesmund bittet Segesthen kniende umb Verzeihung /daß er ihn unerkannt gefangen bekommen. Ingviomer / Flavius / Jubil und Catumer sind über der Aussöhnung vergnügt. Segesthes unterzeichnet den Reichs-Schluß. Jubil besinnet sich beym unterschreiben auf seinen Nahmen; worüber alle Fürsten lachen / Segesthes aber solche Stachel-Rede empfindet. Herrmann bewirthet sie allerseits. Thußnelde bewillko t ihren Vater thränende. Ismene seufzet nach dem Zeno. Catumer liebt Adelmunden die Chautische Fürstin. Siegesmund Zirolanen / Flavius die Königin Erato / und ihr Gespräche. Saturninens Einladung zu des Tiberius Feyer- und Lust-Spielen; theilet goldene Gast-Zeichen aus. Alle reisen hierauf nach Meyntz. Unterschiedliche Gast-Gebräuche. [391] Tiberius / Germanicus und Arpus bewillko t die Deutschen zu Meyntz herrlich. Beschreibung des Schau-Platzes daselbst am Rhein. Des Tiberius prächtiges Schau-Spiel von der Römischen Freyheit; in welchem bey Eröffnung des Schau-Platzes drey Herolde und Bellona auftreten. Ferner die Stadt Rom mit ihren Königen und aller ihrer Pracht und Herrligkeit. Die sieben Könige kämpfen umb den Vorzug / Bellona setzt dem Romulus / als dem tapfersten den Siegs-Krantz auf. Prometheus erscheinet und erleuchtet alles; worauf Bellona den Romulus singende überredet / solchen Siegs-Krantz des Augustus Bilde abzutreten. Tantz der Plejaden und sieben Irr-Sterne. Ein feuriger Steinbock trägt Augustens Bild in Hi el. Hierauf kehren die Zuschauer wieder nach Meyntz. Germanicus stellt des andern Tages in einẽ schönen Garten am Rhein ein ander Schauspiel vor. Der Erato und des andern Frauenzimmers kluge Betrachtungen / Gespräche und Verwunderung von Schönheit der Blumen und Gewächse daselbst. Germanicus vergnügt sich hierüber; Tiberius aber zeigt und legt ihnen unterschiedene seltzame Blumen aus. Prächtiges Garten-Gastmahl der Römer; dabey die Speisen und alles mit Blumen geschmückt sind. Die erste Pracht der Speisen stellen die Bilder der zwölff hi lischen Zeichen / iedes in sieben Schüsseln; die andere der zwölff Götter / auf künstlich gezierte Art für. Schertz-Gespräche und Rätzel dabey. Tiberius gibt im Sauffen den Deutschen nichts nach. Wettsauffen eines Römers und eines Deutschen. Des Germanicus und Agrippinens Bekümmernüß hierüber. Die dritte Tracht Speisen wird in Gestalt der Bilder der zwölff Monate auf einem vergüldeten Speise-Gestüle aufgetragen; die wie bey vorigen zwey Trachten /iedes Bild sieben Schüsseln oder Teller mit allerhand Speisen träget. Tiberius stellet einen neuen prächtigen Aufzug von der Freyheit vor. Da anfangs der Müssiggang / die Freyheit / die neun Musen / die freyen Künste erscheinen. Der Freyheit Lob-Gesang / und der andern Personen Tantz. Auftritt des Janus / der Göttin Rom / Italien / der Römischen Bürgermeister / des Cecrops / der Stadt Athen / in Gestalt der Pallas /Griechenland / und dessen Helden. Der Mißgunst. Der Römischen Bürgermeister und Griechischen Helden Streit umb der Freyheit Sieges Krantz. Ein Adler mit einem Lorber-Zweige. Die gewaffnete Liebe mit Augustens-Bilde. Die Deutschen Fürsten stellen hingegen einen Aufzug; und zwar anfangs den deutschen Hercules mit funfzig Riesen / die Königin Deutschland mit fünf hundert deutschen Rittern für; deren Führer ihre alte zwölff Herrscher abbilden. Deutschland besinget gleichfalls das Alter seiner Freyheit. Rom gibt den Kriegs-Krantz Deutschlande die Helfte; worauf dieser Aufzug von der Freyheit beschlossen wird. Nach diesem fodern zwey schwartze Ritter durch einen Herold den Flavius und Jubil auf den Kampf Platz. Jubil rennt einen zu Bodem / und erkennt ihn vor den Malovend. Flavius und der andere Ritter stossen einander zugleich zu Bodem / worauf dieser vor den Zeno erkennt / Erato aber darüber ohnmächtig wird. Malovend läßt beym Jubil umb Verzeihung bitten / weil ihn die Liebe wegen der Catta zu diesem Zweykampfe verleitet. Jubil verzeihet ihm. Des Zeno und Flavius gefährliche Kranckheit / und der Erato Betrübnüß / welche sich deswegen erwürgen wil. Thußnelde redet ihr wegen solchen verzweifelten Vorsatzes harte zu. Erato mißt die Schuld den angebohrnen Gemüths-Regungen und Gestirnen bey. Ihr beyder Gespräche: Ob die [392] Gemüths-Regungen oder der Einfluß der Gestirne den Menschen zu verzweifelten Entschlüssungen zwingen? Als Erato sich mit einem Messer erstechen wil / ko t ihre Nebenbuhlerin Ismene darzu; die sie voller Ungeduld anfähret; Ismene / als sie von des Zeno Tod höret / wil sich gleichfalls erstechen. Jede eignete sich den grösten Theil des Zeno Liebe zu. Thußnelde verweiset beyden die Verzweifelung / und den Selbst-Mord ernstlich. Des Zeno Todes-Gefahr. Verlangt die Erato zu sehen. Ihr Traum. Zeno gesegnet die Erato; welche sich höchlich betrübet. Zeno und Flavius versöhnen sich: worbey Zeno ihm die Erato übergibt; welcher sie höchst wehmüthig von ihm annimmet; doch sich erkläret / selbte mit ihm gleiche zu lieben. Die darzu kommende Ismene beredet den Zeno: daß dergleichen getheilte Liebe nur Heucheley sey: und beut sich hingegen dem Zeno zur Liebe an. Worüber die sich eifernde Erato erstechen wil; Flavius aber sie mit beweglicher Zurede abhält. Zeno ermahnet sie gleichfalls den Flavius künftig zu lieben / seiner aber / als eines Sterbenden zu vergessen; welche sich endlich überwunden / und geduldig darein gibt. Ein Artzt wil auf seltzame Art dem Zeno das Blut stillen. Ein Kräuter-Mann aber zeigt Ismenen und der Gräfin von Bentheim ein besonder Mittel. Weil auch diß nicht helffen wil / begehrt Ismene von der Erato ihr das Recht auf den Zeno abzutreten / wenn sie ein besser Mittel hätte ihn beym Leben zu erhalten. Dieses willigt Erato. Worauf Ismene dem Zeno das Blut aussaugt / solches stillet und ihn verbindet. Flavius wird vor übermässiger Freude die Erato zu besitzen kranck. Des Zeno Erkentligkeit gegen seine Helfferin Ismene; diese schüttet hierdurch das Hertz ihrer heftigen Liebe vollends für ihm aus. Erato ermahnet so wohl den Zeno als Ismenen einander zu lieben. Zeno wird wundersam heil; Flavius aber kräncker / und Erato erst umb ihn aufs neue betrübet. Des Flavius seltzames Genesungs-Mittel von Ismenens Vorsorge. Thußnelde bemühet sich die Königin Erato wieder auf die erste Liebe zum Zeno zu bringen. Der Erato Scham-Röthe und Zugeständnüß: daß sie den Zeno liebe / aber ihr Recht wegen Erhaltung seines Lebens Ismenen abtreten müssen; wird unter heftiger Beklagung ihres Unbestandes von der fallenden Sucht kranck. Ihr seltzames Genesungs Mittel. Des Flavius und Zeno Zurede wegen ihrer Liebes-Veränderung und verzweifelten Vorsatzes. Ismene ist der Erato Aertzt in; wil die Kranckheit in einen Baum spinden. Etlicher Kunst-Aertzte / besonders des Cornelius Celsus Gespräche mit einem gemeinen Kräuter-Manne von der Heilungs-Kunst und übernatürlichen Mitteln. Fortsetzung der Römischẽ Schauspiele; darinnen alle Beamtẽ und Bedientẽ der Stadt Rom / wie auch ein gantzes Römisches Sieges-Gepränge nebst aller Zugehör / die Stadt Rom mit ihrer grösten Pracht; die zwölf hi lischen Zeichen / die Tugend und das Glücke. Africa / Asia und Europa und iedes mit zehn Ländern / treten auf / opfern Rom unter ihrem Gesange /iedes / was es hat. Das Glück und die Tugend streiten unter allerhand Vorstellungen / mit Singen und Tantzen umb den Vorzug. Theils Länder schlagen sich zur Tugend; theils zum Glücke; hernach auch alle Römische Bürgermeister und Feldherren / ieder Theil die Helffte; welche allerseits die erdencklichsten Täntze unter wunderlichen Klang- oder Seiten-Spielen halten. Die Göttin des Sieges gibt ihrem Kampf den Ausschlag. Die Eintracht vermählet Friede und Krieg /Tugend und Glück / Rom und Augusten zusammen.[393] Die Ehre setzet ihnen perlene Kronen auf; die Sibyllen singen hierzu einen Lob-Gesang vom August; ingleichen der Sieg. Freudiger Beschluß dieser Aufzüge. Einiger Deutschen Empfindligkeit hierüber. Germanicus bewirthet abermals die Deutschen auf einem prächtig beschriebenen Lust-Hause herrlich; alle werden auf besondere Weise bedienet. Aufbruch der Deutschen. Tiberius beschenckt alle deutsche Fürsten / Agrippine das Frauenzimmer. Des Tiberius Aufbruch nach Rom / und Bewillkommung daselbst. Hält drey Siegs-Gepränge. Schmäh- oder Stachel-Schrifften in Rom wider den Käyserlichen Hof. Augustus Urtheil / der Livie Eifer darüber. Des Germanicus Kriegs-Sorgfalt in Deutschland. Des Melo und seiner Söhne Kriegs-Rüstung. Klopfet den Germanicus an der Mosel. Dieser reiset nach Rom seine Bürgermeister-Würde anzutreten; findet Rom sehr verändert und in Wollüsten ersoffen. Hält dem Volcke Ritter-Spiele / und läst sich tapfer sehen. Der Cheruskische Hof reiset nach Mattium. Des Feldherrn Heyrath-Sorge für seinen Bruder und Schwester. Ismene soll Catumern heyrathen. Ihr Widerwill. Ingviomers Einrathen / daß die Geistligkeit ihr zureden müste. Der Feldherr fällt ihm bey. Adgandester aber räthet den Zeno zuvor aus ihren Augen zu entfernen. Der Feldherr trägt anfangs Bedencken; doch befiehlt er Adgandestern diese Verrichtung zu übernehmen; und verlangt: daß Luitbrand / der oberste Druys ihr einreden soll. Dessen anfangs gütige / hernach bedrohliche Zurede. Ismene schützet die Unmögligkeit / daß sie ihn nicht lieben könte /für. Der Druys kündigt ihr den Bann an / und beschuldigt sie bey dem Feldherrn einer Ketzerey und Gottes-Lästerung. Der erschrockene Feldherr verweiset dem Druys sein hitziges Verfahren; dieser wil sich nicht Mängel ausstellen lassen. Des Feldherrn Verdruß über solchen Hochmuth; hält Ismenen ihr Verbrechen für. Sie vertheidigt sich klüglich und entschuldigt sich: daß ihr Hertz unmöglich Catumern lieben könte; erzehlet zugleich ihren mit dem Druys gehabten Wortwechsel. Des Feldherrn Mitleiden; er schreibt an den Priester Libys / daß er von der Druyden Versa lung nicht aussen bleiben möchte. Zenoni t in einem Briefe von Ismenen Abschied; weil ihm von Adgandestern angekündigt worden / Deutschland zu räumen. Sie wil sich darüber nicht trösten lassen. Der Erato Wehklagen wegen des Zeno. Zirolane tröstet die Erato und Ismene. Beyde schreiben dem Zeno Antwort. Des Cattischen Hofes Unwillen über Ismenen. Adgandesters List und zauberische Mittel. 300. versa lete Druyden halten in einem Walde Deutschlandes über Ismenen hohes Gerichte; thun es vorher dem Feldherrn und Arpus zu wissen; beyder Antwort; fodern Ismenen; dieser Trost und Vertrauen auf Gott. Ihr Abschied / des andern Frauenzimmers Bekümmernüß umb sie. Sie kleidet sich weiß / ihre Bedienten roth. Ursachen davon. Ismene ko t im Eichwalde an. Schrifft in den Eichbäumen. Deren Bedeutung / und Erklärung der dreyeinigen Gottheit. Erato vergnügt sich über dieser Auslegung; der Druys aber weinet hierüber vor Freuden / und erkläret ihr ferner die Gottheit und der alten Weisen Lehre. Der Druyden Opfer. Hegung des hohen Gerichts. Luitbrands Rede und Anklage. Ismenens stattliche Verantwortung wider die Beschuldigung der Gottes-Verläugnung /und Sterbligkeit der Seele. Der oberste Druys fraget nach der Reye herumb. Diese geben sä tlich ihre Stimmen und Meynungen [394] nach einander. Einer wil /daß die Unschuld durch Anrührung eines glüenden Eisens / ein ander durch den Zweykampf erforschet werden soll. Einer verdammet den Zweykampf / ein ander billicht ihn. Funfzig stimmen ihm bey; wie auch die folgenden; worauf der Zweykampf erkieset wird. Sieben Ritter stellen sich vor den Druys zu kämpfen. Einer aber mit sieben Waffen-Trägern für Ismenen; welcher von den sieben Rittern einen für Segesthen im Zweykampf erkennet wird. Drey neue Ritter wegen Ismenens kommen in Schrancken; welche von ihrem Gegentheile einen vor Dagoberten / den andern für Cariovalden / den dritten für Siegesmunden erkennen. Zwey neue Ritter erscheinen vor Ismenen in Schrancken / fechten abermals mit den Druydischen / davon einer vor Childerichen / und der Ismenische für Adelmunden / einer für die Erato / und der dritte für den Flavius erkennet wird. Zwey neue Ritter fechten ernsthaft; da einer für Adgandestern erkennet wird. Luitbrand beichtet Adgandesters und seine Boßheit /und bittet Ismenen umb Verzeihung. Hält Adgandestern seine Schelm-Stücke für. Dieser läugnet alles; allein der ihn überwundene Ritter / so Jubil gewesen /redet ihm gleichfalls ins Gewissen; also daß er seine Schuld bekennet. Die übrigen Ritter geben sich auch zu erkennen. Allerseits Freude. Auslegungen der Sinnbilder auf der Ritter Schilden / und Liebes-Schertze zusammen. Adgandester entschuldigt sich gegen dem Feldherrn. Dieser läst ihm und dem Druys den Hof verbieten. Ismene verzeihet beyden. Des Cattischen Hofes Kurtzweil.

Drittes Buch
Drittes Buch.

Die heßlichsten Angesichter dörffen die meiste Schmincke / und falsche Freundschafft den scheinbarsten Firniß. Nirgends aber ist dieser gemeiner / als bey Fürsten. Denn ob zwar bey gemeinen Leuten die einmal zerbrochene Freundschafft eben so selten / als ein zerschmetterter Spiegel ergäntzet wird; ist es doch mit der Herrscher Freundschafft viel anders bewand; als welcher Seele nicht so wohl die Zusammenstimmung ihres Willens / als der Vortheil ihrer Reiche ist. So offt dieses ins Auge fällt / vergißt man aller Beleidigung / und die allergiftigsten Feinde vereinbaren sich / wie die zerhauenen Schlangen zusammen. So lange die Freundschafft auch beyden nutzbar zu seyn scheinet / bleibet sie als der gröste Werckzeug einer sicheren Herrschafft / wordurch ein Land besser als durch Schätze und Kriegesheere beschirmet wird / unzertrennlich; und es muß ihr so denn Wohlthat /Bluts-Freundschafft / ja Gott selbst aus dem Wege treten. Dieses war auch das Band / welches durch einen Frieden die Deutschen und Römer zusammen verknüpft hatte. Weil nun Tiberius wohl wuste: daß die von Römern so offt beleidigten Deutschen / mehr als genungsame Ursache hatten / denen Römern einen ewigen Haß zuzutrauen; ihm aber bey vorfallenden Alter des Käysers gleichwohl an ihrer Freundschafft allzu viel gelegen war / unterließ er kein Mittel der Seinigen die Farbe [395] einer aufrichtigen anzustreichẽ. Ob er nun zwar wohl wuste: daß die Bündnüsse der Fürsten besser mit Eisen / als Gold verknipft / und beständiger durch Waffen / als Geschencke unterhalten würden; so verstandet doch auch / was das Frauenzimmer ihre Männer zu leiten für einen Hacken /sonderlich aber in Deutschland auch bey Reichs-Schlüssen zu sagen / die Freygebigkeit aber über die edelsten Gemüther für Gewalt hätte. Diesemnach veranlaßte er selbst Agrippinẽ / welche nicht nur ihrem Gemahl Germanicus allenthalben hin folgte / sondern auch Kriegs-Geschäffte übernahm / des Feldherrn und des Cattischen Hertzogs Gemahlin zu besuchen / und im Nahmen Liviens Thußnelden und der Hertzogin Erdmuth gewisse Geschencke von Perlen abzuliefern; wormit die Römer schon vorher mehrmals die guthertzigen Deutschen geblendet und gefesselt hatten. Agrippine übernahm diese Verrichtung so viel williger; weil sie schon zu Rom mit Thußnelden verträuliche Freundschafft gemacht; ja sich in sie mehr / als fast bey einerley Geschlechte geschehen kan / verliebt hatte. Denn Agrippine suchte sich so vielmehr ihrer Keuschheit halber in Ansehn zu setzen / als diese Tugend zu Rom seltzam / oder vielmehr gar ein Gelächter des Hofes war. Nachdem nun Thußnelde des Tiberius Zusetzung mit fast unerhörter Großmüthigkeit ausgeschlagen und erhärtet hatte: daß die Schönheit und die Keuschheit / die sonst ins gemein unversönhlichen Tod-Feinde / bey ihr verträgliche Zwillinge wären / wurden Agrippine und Thußnelde vermittelst dieser Tugend gleichsam ein Hertze. Sintemal edle Gemüther durch dieses Band fester mit einander verknipft werden / als die / welche unter einem hi lischen Zeichen gebohren sind. Als Thußnelden nun Agrippinens Ankunfft zu wissen gemacht ward /meynte sie nicht wenig verspielt zu haben / wenn sie ihr nicht mit gleicher Höfligkeit zuvor käme; also ritt sie in möglichster Eil mit der Königin Erato / und der Fürstin Ismene aus Bingen Agrippinen entgegen; welche aber ihnen nur eine Virtel Meile von der Stadt begegnete. Die Bewillkommung geschahe mit einer so kräfftigen Ausdrückung ihrer Freuden: daß diese allein von ihrer unverfälschten Treuhertzigkeit unverdächtiges Zeugnüß geben konte. Gegen der Königin Erato und Ismenen gebrauchte Agrippine zwar nicht so viel Freyheit; gleichwohl aber lidten beyderseits so wenig ihre Zuneigung / als Höfligkeit einigen Abbruch; weil sie wohl wuste: daß eine so tugendhafte Fürstin nichts gemeines oder unanständiges zur Gesellschafft vertragen würde; sonderlich aber / weil Thußnelde Agrippinens Sorgfalt durch Nachricht zuvor kam: daß eine die berühmte Königin in Armenien Erato / die andere aber des Feldherren Schwester Ismene wäre. Sie kamen unter tausenderley verwechselten Freundschaffts-Versicherungen ehe nach Bingen / als sie ihnen kaum einbilden konten. Sintemal die sonst zwar an Geschwindigkeit die Pfeile überfliegende Zeit / bey annehmlichem Gespräche auch dem Lauffe der Sonne zuvor ko t. Unter dem Thore begegnete ihnen auch die Fürstin Catta / Zirolane die Marsingische / und Adelmunde die Chauzische Fürstin; welche nach erfahrner Ankunfft der Käyserlichen Enckelin Agrippine auch die Ehre haben wolten ihr mit aller Höfligkeit entgegen zu gehen; und an der Pforte des Rathhauses / wo die meisten Fürsten wohneten / empfing sie gleicher gestalt die Cattische Hertzogin Erdmuth mit grosser Ehrerbietigkeit. Der Feldherr selbst kam eilfertig dahin / und führte sie in Thußneldens Zimmer; welcher er Agrippinens Unterhaltung anvertraute; weil des vom Tiberius dahin geschickten Elius Sentius Saturninus Ankunfft ihm Verhör zu geben / und also sich des Frauenzimmers zu entbrechen nöthigte. Hierauf giengen zwischen Agrippinen und dem deutschen Frauenzimmer die Umbarmungen allererst an; und ward Agrippine von so viel Schönheiten und Höfligkeiten gleichsam gantz verwirret; [396] daß sie sich mehrmals bedencken muste: Ob ihr etwan von einem bezauberten Pallaste träumte. Denn ob sie wohl zu Rom aus denen dahin gebrachten Gefangenen wahrgenommen: daß in Deutschland das rechte Vaterland schönen Frauenzimmers / und auch die Weiber des Pöfels anderer Länder verzärtelten Adel mit dem herrlichen Kleinode ihrer Gestalt wegstäche; so hatte sie doch niemals solche Vollkommenheiten in einem so engen Kreisse gesehen / noch denen Deutschen eine so rege Lebhaftigkeit zugetrauet; als sie in dieser Versamlung fand. Bey dieser aber war Agrippinen noch mehr verwunderlicher: daß ihre Freyheit eine gewisse Schamhaftigkeit begleitete; welche weder den Schein eines Zwanges / oder einer Furcht; sondern ihrem Urthel nach / die verschämte Röthe der frischen Rosen zum Ebenbilde hatte; wormit es das deutsche Frauenzimmer allem andern der Welt zuvor thäte; welches ins gemein allzu schichtern / oder allzu frech sich erzeigete. Nachdem nun Agrippine alleine bey Thusnelden und der Fürstin Erdmuth sich anmelden lassen / meynten alle andere / ja auch selbst Erdmuth eine Pflicht ihrer Bescheidenheit zu seyn / nachdem sie nunmehr die Schuldigkeiten ihrer Ehrerbietung abgestattet / Agrippinen mit Thußnelden im Zimmer alleine zu lassen / und auf eine Zeit von ihr Abschied zu nehmen. Aber Agrippine meynte an ihnen keinen gemeinen Verlust zu leiden; ersuchte sie also aufs freundlichste: Sie möchten mit ihrer Entfernung nicht so zeitlich ihre Vergnügung vergällen; am wenigsten aber für einen Gebrechen ihrer Gewogenheit auslegen: daß sie mit ihrer alten Freundin Thußnelde freyer umbzugehen das Hertze hätte / und ihre Freude sie nöthigte selbtes gegen ihr so viel verträulicher auszuschütten. Sie traute aber durch kurtzer Zeit Gemeinschafft ihr Gemüthe bald auch so keck zu machen: daß es mit ihnen als Schwestern umbzugehen sich bald erkühnen würde; zumal sie sich nicht mehr Augen in ihren Stirnen / als so viel holde Gestirne zu schauen bedüncken liesse. Sie hätte zwar von der Käyserin Livia einen Befehl bey der Hertzogin Thußnelde und Erdmuth etwas abzulegen; dieses aber wäre keine Verrichtung eines geheimen Zimmers /oder einer sorgfältigen Einsamkeit. Alle waren zu dem unschwer zu bereden / was sie selbst begierig verlangten. Sintemal ihnen Thußnelde nicht allein mehrmals Agrippinen als die tugendhafteste und redlichste Römerin beschrieben; sondern ihr Antlitz und Geberdung auch was gewisses an sich hatte / was die Gemüther an sich zoh. Denn ihre Bräune wieß nicht mehr: daß sie viel Geist; sondern ihr Ey-rundtes Antlitz auch: daß sie Neigung zu verträulicher Freundschafft hätte. Ihre Stirne war zwar ernsthaftig / ihre grosse schwartzen Augen aber milterten sie durch einen annehmlichen Liebreitz. Alles ihr Thun war ohne Beflissenheit / welche aller Höfligkeit / wie zu grosser Aufputz der Schönheit abbrüchig ist. Alle ihre Liebkosungen redeten ihnen selbst das Wort: daß sie keine Erfindungen ihres Geistes / sondern das Hertze Theil daran hätte / und ihre Bemühung andern zu gefallen ein Werck der Freundschaft wäre. Thußnelde nöthigte hierauf Agrippinen einen gewissen Sitz zu nehmen; sie erkiesete aber alsofort den nechsten bey ihr; und ersuchte Thußnelden: Sie möchte ihrealte Verträuligkeit belieben / und in ihrem Zimmer alles Wortgepränge / und Ordnungen des Vorsitzes durch ein allgemeines Freundschaffts-Gesetze verbieten. Sintemal sie ja von ihr allzu wohl wüßte: daß durch übrige Verehrung die Schwäche ihrer Seele getroffen würde / und sie selbte nicht / ohne ihr selbst Weh und Gewalt zu thun / die Heucheley weder duldẽ noch üben könte. Thusnelde antwortete: Sie erkennte in ihrem Hause Agrippinen für die oberste Gesetzgeberin; ihr Zimmer aber / welches so wenig Heucheley /als gewisse Eylande giftige Thiere vertrüge / hätte keines Verbots von nöthẽ. Jedoch hoffte sie nicht: daß Agrippine ihr und ihrẽ holdseligẽ Gespieliñen die Ehre [397] schuldigster Bedienung gegen eine so seltzame Freundin mißgönnen würde. Diesem setzte die Hertzogin Erdmuth bey: Sie würde die gantze Gesellschaft ihr nicht wenig verbindlich machen / wenn sie durch Annehmung des ihr anständigen Ortes andere von der sonst aufgenöthigten Unhöfligkeit entbürdete. Agrippine antwortete: Ich bin hieher kommen zu gehorsamen; also nehme ich diesen Stuhl / nicht aber als einen Ober-Sitz / sondern als einen angewiesenen Ort / und alles / was zu ihrer Vergnügung gereicht / für einen Befehl an; mich bescheidende: daß Gebot und Folge zwey so gar der Grobheit vielgültige Vertheidiger sind. Erdmuth begegnete ihr: Sie wüsten wol: daß Agrippinens Tugenden keinen genungsam hohen Stand in Deutschland finden könte; sie möchte aber doch die Gütigkeit haben ihnen so viel Ehrerbietigkeit gegen sie zu enträumen; als sie ihr zu erzeigen fähig wären. Agrippine versätzte: Weñ ihr einige Tugend beywohnte; würde sie nirgends ihren vergnügtern Aufenthalt als in Deutschland haben / wo die Bescheidenheit ihre unzertrennliche Gefärthin / und die Demuth zu Hause wäre. Denn wie in den meisten andern Ländern die Hoffart viel annehmliche und nützliche Zusammenkunfften hinderte / oder zum wenigsten mit Verdruß versaltzte; weil ihrer viel aus Hochmuth andern nachzusitzen sich der Gemeinschafft entschlügen; oder sich in selbten um den Vorzug zanckten; also stritte in Deutschland die Tugend und Würde umb die Ehre andern nachzugehen. Erato fiel Agrippinen bey / und sagte: Sie hätte es selbst mehr denn zu viel erfahren: daß in Deutschlande nichts kaltsinniger / als der Ehrgeitz / und nichts feuriger als die Freundschafft wäre. Denn die grösten Frauen dieser Nord-Welt hätten sie aus einer Gefangenen zu ihres Gleichen / und aus einer Feindin zu ihrer Schwester ge macht. Agrippine brach ein: Wie aber bin ich denn so unglücklich: daß man mir durch allzu viel schönthun weh thut? und daß man durch übrige Ehrerbietigkeit /welche ich für eine Schwachheit guter Freunde / und für eine Verwürtzung der Verträuligkeit halte / mich geringer als die viel frembdere Erato hält? welcher ich in allem / nur aber an Aufrichtigkeit nicht zu weichen gedencke. Erato antwortete: Sie sähe wol: daß die unvergleichliche Agrippine sie eben so mit unverdienten Lobsprüchen beschämen wolte / als sie sie mit ihren Leibes- und Gemüths-Gaben übertreffe. Ismene fügte bey: Erato wäre zwar keine Deutsche; gleichwol aber redete sie die deutsche Warheit. Dahero weil Agrippine nichts gemeines / sondern eitel Seltzamkeiten an sich hätte / sie von rechtswegen auf eine gantz absondere Art bedienet werden solte / wenn Deutschland nicht hieriñen allzu einfältig wäre. Agrippine begegnete ihr: Warlich / Deutschland kan sich von nichts mehr rühmen / und bey der Welt beliebt machen; als durch die Einfalt; welche in Artzneyen und in der Andacht der Kern; die Seele der Freundschafft / und der sicherste Wegweiser des Lebens ist. Warumb aber läßt man mich dieser Einfalt nicht genüssen? Warumb beschweret man mich mit so viel Gepränge? Und warumb entsetzet mich ihre allzu höfliche Liebkosung meines freyen Willens? Ismene gab ihr zur Antwort: Sie wüste wol / und Agrippine bewehrte mit ihrem Beispiele: daß die bis zum höchsten Gipfel gestiegene Tugend sich auf keine andere Weise / als durch ihre selbst eigene Erniedrigung erhöhen könte; und dahero ihre Bescheidenheit geneigt wäre / alle Aufwartung abzulehnen. Alleine man müste nicht nur seinen Ruhm befördern; sondern auch anderer Unehre verhüten. Diese würde ihnen zuwachsen / wenn Agrippine sie nicht ließe ihre Pflicht abstatten. Wer für der Verehrung Eckel hätte / müste sich seiner Würdigkeit entschlagen; also Agrippine ihnen verhengen / was so wol die Gewohnheit / als die Vernunfft ihnen zu thun auferlegte. Tugend wäre so wol fähig Höfligkeit / [398] als Pflantzen den Thau des Himmels anzunehmen. Sie wäre die genaueste Richtschnur des Lebens / ohne welcher Ordnung die Welt in eine finstere Verwirrung einsincken würde. Diesemnach ihr auch ohne ihre Verschmähung ein anständiger Stand eingeräumet werden müste. Aus der Tugend rührte der Ursprung des Adels und anderer Würden in der Welt; nach derer Staffeln auch die ihnen gebührende Verehrung unterschieden wäre. Agrippine versätzte: Sie bescheidete sich wol: daß die Tugend keine Unverträgligkeit mit der Ordnung / und keine Abscheu für ihrer Wehrthaltung hätte. Dieser wäre ihr bester Zunder / jene ihr eigener Meßstab; ja das Feuer des Prometheus / welches alle Dinge beseelete / die güldene Kette / welches alles Schöne in der Welt zusammen verbinde. Die seltzamsten Marmel blieben unansehnliche Steinhauffen / wenn sie die Bau-Kunst nicht zu einem Pallaste; die auserlesenste Worte / ein unverständliches Nichts / wenn der Mensch sie nicht zu einer Rede in Ordnung setzte. Ja die Thiere selbst wüsten ihr nicht zu entbehren / und wäre solche nicht ohne Verwunderung im Gewebe der Spinnen / in Wachs-Zellen der Bienen / im Fluge der Kranche / im Schwimmen der Hirsche; und im Aufzuge der Elefanten zu schauen. Alleine / es würde ihr die gantze Versa lung verzeihen; wenn sie der verträulichen Freundschafft die Unordnung zur anständigsten Richtschnure zueignete. Denn da diese nur für einen Schatten zu achten wäre /durch welche man einigen Vortheil suchte; wäre ja auch der Vortheil des Vorzugs und grosser Ehre von selbter zu verbannen. Da keine Freundschafft für rechtschaffen zu halten / welche dem andern nicht so viel gutes / als ihr selbst gönnete / müste unter Freunden alles gantz gleiche hergehen. Denn so bald ein Freund einen Vorzug verlangte / oder besser als der andere zu seyn sich bedüncken ließe / kriegte die Verträuligkeit ein Loch und die Freundschafft ihr Ende. Die Fürstin Zirolane hielt sich verpflichtet / auch ihr Wort hierzu zu geben; fiel also ein: Es wäre wahr: daß die Vorzückung und Einbildung mit der Freundschafft keine Verträgligkeit litte; dis aber wäre ihre Vollkommenheit / und ihr heiligstes Gesetze: daß man dem Frembden mehr / als ihm selbst gönnen und ihm zueignen solte. Ja / sagte Agrippine; aber derselbe / welcher mehr annimmt / als er zurück giebt /macht sich nicht nur der Freundschafft unwürdig; sondern zerreißt hiermit ihr Band. Westwegen auch zwischen Leuten allzu ungleichen Standes keine Freundschafft bestehen / ja nicht einst gemacht werden kan. Zirolane begegnete ihr: Auch die Gleichheit hat ihre Absätze; und es giebt Ursachen: daß einer Henne Ey dem andern / zwischen denen doch die gröste Gleichheit der Welt seyn soll / mit Rechte vorgezogen wird. Der einige Umbstand der Zeit / oder des Ortes verbindet die besten Freunde zu veränderten Bezeugungen; unbeschadet die Aufrichtigkeit ihres Hertzens keines Haares breit verrückt wird. Die Verträgligkeit zwischen dem Mercur / und der Venus wird dadurch nicht aufgehoben / ungeachtet bald dieser bald jener Irrstern dem andern den höhern Stand im Himmel einräumt. Die Freundschafft der Geschöpfe ist das Band des gantzen Welt-Gebäues / sonst würde entweder das Wasser alles ersäuffen / oder das Feuer alles einäschern; gleichwol bestehet das grosse Uhrwerck der Welt in der vollkommensten Ordnung. Die Sonne tritt keinen Augenblick / oder eines Nagels weit über den gestirnten Thier-Kreiß. Alle Gestirne verehren sie /unbeschadet ihrer gemeinen Liebe und Zuneigung. Was ist aber die Freundschafft im Leben geringers /als die Sonne in der Welt? Agrippine brach ein: die Gestirne verehren die Sonne nicht als ihren gleichen Freund / sondern als ihren wolthätigen Fürsten; und die Liebe / nicht die Freundschafft bindet alles in der Welt zusa en; welche von der Freundschafft hierinnen [399] am meisten unterschieden ist: daß diese in der Gleichheit / jene in der Ungleichheit ihre Vollkommenheit erlangt. Sintemal die Liebe am höchsten steigt / wenn sie sich am meisten erniedriget; und erlanget ein Käfer eine grössere Wolthat von der Sonne / wenn sie ihn durch ihre Wärmbde aus eines Esels Unflate gebieret; als wenn sie zu der Geburt eines edlen Löwen beförderlich ist / oder ein Gestirne erleuchtet. Wenn aber auch zwischen denen Gestirnen eine Freundschafft zu finden; so ist die Unordnung in selbten auch jedermann sichtbar. Die der ersten und sechsten Größe sind so wunderbar durch einander vermischet: daß / wenn man die Weißheit der göttlichen Versehung nicht für ein unser Auge des Gemüthes nur bländendes Licht hielte / der menschlichen Einfalt es schier fürkommen solte: daß die Sternen GOtt nur ungefehr aus der Hand gefallen wären /und er bey ihrer Erschaffung zu unmüßig gewest wäre / jedem nach seiner Würdigkeit seinen Platz einzuräumen. Die vorwitzigen Sternseher hätten sich zwar erkühnet / die Sterne gleichsam als zerbrochene Stücke zusammen zu lesen / und ihnen gewisse Gestalten zu zueignen; alleine ihre Thorheit hätte aus dem prächtigen Schau-Platze des gestirnten Himmels / aus dem Wunder-Baue der Natur einen heßlichen Viehstall /und wie die Egyptier aus den Göttern Ochsen / Stiere / Schlangen / Fische und ander Ungeziefer gemacht. Nichts weniger hätte auch die Erde an der Unordnung ihr Belieben / und brauchte die Verwirrung zu ihrer Zierde. Flächen / Hügel und Berge wären so seltzam /als auf selbten tausenderley Kräuter / Blumen und Bäume durch einander vermischt; also: daß wenn jemand jede Art an einen absondern Ort zusammen setzte / er der Erde nicht weniger ihr Reichthum / als die Schönheit benehmen würde. Daher sich die neubegierigen Menschen in die fettesten Wiesen unfruchtbare Klippen zu versätzen / anderwerts Berge abzutragen; im Meere Land / und im Lande Seen zu machen sich erkühnen / nur umb den Vorwitz ihres Auges zu vergnügen. Das Meer dünckt uns niemals schöner / als bey seiner stürmerischen Verwirrung zu seyn / wenn eine Welle die andere erdrückt / ein Wirbel den andern verschlingt / und das in die Lufft gespritzte Wasser des Tages ein Perlen-Regen / des Nachtes ein feuriger Thau zu seyn scheinet. Nicht anders suchet die Freundschafft ihre Vergnügung in einer verträulichen Verwirrung / in einer schlechten Rede / in einfältiger Gebehrdung / und in einer unaufgeputzten Verträuligkeit. Zirolane hatte ihren Gegensatz schon in Gedancken abgefaßt / und auf der Zunge; aber Thußnelde kam ihr zuvor / und fieng an: Lasset uns denn der gütigen Agrippine Urthel uns unterwerffen; weil wir dardurch sie für unsere Lehrmeisterin erkennen / und uns ihre Meinung zum Vortheil gereicht; theils daß wir Deutschen unser Unvermögen sie recht zu verehren nicht verrathen dörffen / theils: daß wir als kleine Sterne die Ehre haben / den grossen gleich geachtet zu werden. Agrippine färbte sich ein wenig hierüber / und beschwerte sich: daß Thußnelde / welche doch unter allen Anwesenden ihre älteste Freundin wäre / ihr es näher als keine andere gesucht hätte. Dahero beschwüre sie sie bey ihrer alten Verträuligkeit: sie möchte sich aller Zierligkeiten und Gepränges / welche doch einmal nichts / als unnütze Schalen / und ins gemein ohne Kern wären / gäntzlich enthalten; Und wo jemand in so edler Gesellschafft sie lieb hätte / oder sie einiger Freundschafft werth schätzte / solten sie mit ihr umbgehen / als wenn sie von Kind-auf beysammen gelebt hätten. Die Zeit wäre allzu kostbar / und die Gesellschafft viel zu edel: daß beyde mit dem Bländwercke der Heucheley und Falschheit / nemlich geschmierten Worten und gezwungener Ehrerbietigkeit / verspielt werden solte. Sie lernte das deutsche Frauenzimmer diesen Tag nicht zu erste kennen; und also hätten sie nicht von nöthen mit [400] ihrer Höfligkeit sich zu zeigen. Die Freundschafft aber forderte weder solche Opfer; weniger gäbe sie solche Künste jemanden ein. Der Verstand wäre gewohnt zierlich; das Hertze aber seine Meinung gerade heraus zu sagen. Agrippine redete dis mit einer so durchdringenden Art: daß niemand zweifelte: ob es ihr Ernst wäre; und daher jede gleichsam für der andern die offenhertzigste zu seyn sich bemühete. Also wurden aller Zwang und alle Zierligkeiten aus dieser Gesellschafft verbañt. Was eines wolte /beliebte dem andern; gleich als wenn ein Geist sie alle beseelte / und ein Wille sie sämtlich regte. Diese Zusammenstimmung vergnügte Agrippinen derogestalt: daß sie wider ihre Aufrichtigkeit gesündiget zu haben glaubte / wenn sie die Ursachen ihrer Dahinkunfft länger verschwiege. Daher sagte sie: der zwischen den Römern und Deutschen für gefallene Krieg wäre ihr destwegen so vielmehr bekümmert gefallen / weil sie besorgt: daß hierdurch der unschätzbaren Thußnelde Freundschafft auch würde Schifbruch gelitten haben. Nach dem nun dieser sich geendigt / hätte ihr Hertze nicht ruhen können / bis sie hierüber Thußneldens Gemüths-Meinung erkundigt; und auf allen Fall ihre Freundschafft wieder auf ihren alten Fuß versetzt hätte. Thußnelde fiel ein: Sie erkennte mit schuldigster Danckbarkeit Agrippinens ungemeine Zuneigung / und wäre sie nicht wenig beschämt: daß sie ihr mit Versicherung der Freundschafft dieselbe hätte lassen zuvor kommen / welcher doch wenig daran gelegen seyn könte. Jedoch wüste sie keine bessere Entschuldigung; denn daß sie bey sich niemals besorgt: daß der Krieg ihrer Freundschafft abbrüchig seyn könte. Denn ob zwar der / welcher einen Krieg führte / auch über die Bürger seines Feindes / ihre Weiber und Kinder das Recht des Lebens und Todes hätte; so bliebe doch das zwischen zweyer Feinde Bürgern vor oder bey dem Kriege entsprossenes Recht unversehret; ihre absondere Bündnüsse würden durch die allgemeine Fehde des gantzen Volckes nicht aufgehoben; sondern ihre Obrigkeiten wären so gar ihres Feindes Unterthanen destwegen Recht zu verschaffen verbunden. Solte nun das heilige Band der Freundschafft schwächer / als einer gemeinen Handlung seyn? Vielmehr würde es eine der grösten Grausamkeiten abgeben / wenn ein Krieg allen Menschen beyder Länder durchgehends Haß und Freundschafft aufnöthigte. Agippine versätzte: diese Gedancken wären in gemeinem Handel und Wandel wol gar recht; aber auf Freundschafts-Verbündnüsse ließe sich dieses Recht schwerlich ausdehnen. Sintemal jeder Bürger ein Glied des gemeinen Wesens / und alles zu desselben bestem zu thun; also auch alle Glieder seines Feindes zu hassen / und durch Vertilgung derselben dem gantzen Volcke Abbruch zu thun verbunden wäre. Westwegen die Römischen Kriegs-Gesätze auch in Ansehung der Stadt so gar die Bande des Geblütes aufhiebe; und ein Vater seines Sohnes / wenn dieser für Feind erkläret worden / zu schonen nicht befugt / und unterschiedene Beyspiele verhanden wären: daß in Schlachten ein Bruder den andern auf feindlicher Seite hingerichtet hätte. Junius Brutus hätte seinen es mit den verstossenen Tarquiniern haltenden Söhnen die Köpfe abschlagen / und Fulvius seinen dem Catilina zugethanen Sohn hinrichten lassen. Thußnelde fiel ein: dieses Gesätze wäre ihrem Bedüncken nach von allzu grosser Schärffe / solches würde zweifelsfrey auch nur die Kriegs-Leute / und zwar auch nur / wenn sie würcklich mit dem Feinde angebunden hätten / binden. Wiewol sie / und ihr Bruder Siegesmund / auch bey dieser Milterung des Gesätzes den Kopff verwürgt haben würde. Brutus aber hätte als ein Burgermeister / Fulvius als ein Feldhauptmann schwerlich ohne Verabsäumung ihres Amptes anders verfahren können. Alle diese Umstände aber träffen bey Agrippinen [401] und ihr nicht ein; sondern sie hätten unbeschadet der zwischen dem Römischen und den deutschen Häuptern waltender Feindseeligkeit / Freunde bleiben können. Wenn aber auch sie ihres Vaterlandes Haß auf sich schuldig gewest wären / hätte dieser nunmehr durch den Frieden ein Ende / und würde die Zeither mehr schlaffende als ausgeleschte Freundschafft wider sie ergäntzt zu halten seyn. Agrippine versicherte sie: daß ihr Einwurff kein Werck eines geschöpften Argwohns; sondern nur eine kleine Bekümmernüs gewest wäre. Denn man sorgte für nichts mehr / als was man am liebsten hätte. Sie traute vielmehr Thußnelden / als einer solchen Fürstin / welche die Beständigkeit zum Fusse ihrer Tugenden und Keuschheit fürlängst erkieset hätte / zu: daß wenn auch der geschlossene Friede hundertmal brechen solte / doch ihre Freundschafft dardurch keinen Ritz bekommen würde. Sie wolte aber von dem so betheuerlich-befestigten Friedens-Wercke viel ein besseres hoffen. Denn beyde Völcker hätten gegen einander ihre Kräfften geeichtet / und mit in Händen habenden Schwerdtern sich vergliechen; welche Friedens-Schlüsse wol die tauerhaftigsten wären. So könte sie auch wol versichern: daß der Käyser August die Deutschen werther / als kein ander Volck / sie auch am liebsten zu Freunden hätte. Der letztere Krieg wäre auch mehr Ehrenthalben / als aus Haß geführet; und von der Käyserin Livia nicht wenig zum Frieden geholffen worden; welche mit Thußnelden gleicher Gestalt die alte Verträuligkeit zu erneuern / mit der Hertzogin Erdmuth und andern Fürstinnen Deutschlandes aber neue Freundschafft zu stifften sich sehnte; und daher ihr an beyde etliche kleine Merckmale ihrer Zuneigung abzuliefern Befehl überschickt hätte. Hiermit zohe Agrippine eine Schachtes-voll der seltzamsten Kleinodien herfür; darbey meldende: Sie bescheidete sich: daß so vollkommene Frauen vollkommnere Geschencke verdienten; es wären aber alle Gaben nicht nach ihrem geringen Werthe / sondern nach Wolmeinung des Gebers zu schätzen / und gehörete unter die Anzahl der Tugenden auch was schlechtes nicht zu verschmähen. Mit diesen Worten überreichte sie Thußnelden einen vortreflichen Diamanten- / der Hertzogin Erdmuth aber einen wunderschönen Perlen-Schmuck. Thußnelde nam ihr Geschencke ehrerbietig an; und sagte: Sie hätte zwar ein so ansehnliches Geschencke / derogleichen Deutschland schwerlich vorher besessen / so wenig jemals verdienet / als sich desselben zu dieser Zeit versehen. Sie würde aber dasselbte danckbar anzunehmen nicht nur durch die Höfligkeit der Uberbringerin / welche über sie völlige Gewalt hätte /sondern auch darumb genöthigt: daß es nicht den Schein hätte / als wenn ihr an der Gewogenheit einer so grossen Frauen wenig gelegen wäre / oder sie Livien der Ehre einer mehr / als Königlichen Freygebigkeit berauben wolte. Die Hertzogin Erdmuth aber stand an die Perlen zu empfangen / mit beygesetzter Bitte: Agrippine möchte ihr Bedencken und Entschuldigung ja für keine Verschmähung solcher unschätzbaren Seltzamkeiten nicht aufnehmen; sondern versichert glauben: daß nach dem ihre Landes-Gesätze ihr solch Geschencke anzunehmen nicht zuließen; ihr das hieraus allzu viel erwiesene Wolwollen der Käyserin lieber / als alle Perlen der Welt wären. Hilf Himmel! fieng Agrippine an überlaut zu ruffen: was haben die streitbaren Catten für rauhe Gesätze; welche der Freygebigkeit den Eintritt in ihr Land verweigern? Warumb aber nehmen sie vom gutthätigen Himmel den Thau / von trächtigen Wolcken den Regen / vom Wasser die Fische / von der Erde die Gewächse an? denn dis alles sind nichts anders / als Geschencke der Götter. [402] Von jedermann alles annehmen / wäre schimpflich / von niemanden aber etwas / eine Grausamkeit. Erdmuth begegnete ihr lächelnde: die Catten wären so wilde nicht; und weder derselben Gesätze /noch ihre Meinung erstreckte sich so weit. Denn ihr Verboth ließe nur nicht zu Wein / und frembde Perlen oder Edelgesteine ins Land zu bringen. Agrippine fragte: warumb sind die unschuldigen Perlen so unglücklich / und die Edelgesteine so verächtlich in ihrem Vaterlande? Haben nicht die vom Thaue gezeugten Muschel-Töchter mehr vom Himmel / als vom Meere? Sind die Edelsteine nicht die Sterne der Unter-Welt? Warumb wil man sie denn nicht auf der Erde dulden? Erdmuth versätzte: Sie hegte zwar mit Perlen und Edelgesteinen keine Feindschafft / sondern hielte sie für eine schöne Geburt der Natur; Gleichwol aber würde sie nicht würdig eines Catten Tochter /weniger ihre Fürstin seyn / wenn sie keine vernünftige Ursache ihres Gesetzes zu geben wüste. Es möchte sich Agrippine aber nur selbst erinnern / wie viel Römer / ja August selbst sich beklagt: daß für unnütze Steine und Scherben so viel Geldes zu frembden oder gar zu feindlichen Völckern verschleppt würde; daß die Indianer und Serer jährlich allein über hundert tausend Sestertier aus Rom zügen. Würde nun Rom / welchem die gantze Welt zinßbar ist /durch diese Verschwendung erschöpffet; wie könte der Catten Armuth hierzu zulänglich seyn? Agrippine fiel ein: Es wäre kein Ding in der Welt so gut / daß es durch Mißbrauch nicht schädlich werden könte. Und hierinnen hätten weder Perlen noch Edelgesteine kein Vorrecht. Die Römischen Sitten wären allerdings zu schelten: daß eines Rathsherrn Frau zweyer Geschlechter Erbschafften an so viel Ohren hienge; da die gemeinen Weiber sie umb den Hals und die Armen trügen / und sich derselben an statt der Trabanten bedienten / welche ihnen in dem Gedränge Platz machten / und ein theuer Halsband denen begegnenden einen Zwang auflegen solte ihnen aus dem Wege zu weichen. Ja es wäre Schande: daß nunmehr auch die Männer Perlen an die Ohren hiengen / Edelgesteine an die Finger steckten / oder gar die Mohnden auf den Schuhen damit versetzten. Diesemnach wäre des Käysers Meinung nur gewest / dem Pöfel den Gebrauch / dem Adel die Ubermaaß abzustellen /nicht aber diese Köstligkeiten von Rom / oder aus der Welt zu verbannen. Erdmuth brach ein: Es hätten gewisse Dinge in der Welt eine Eigenschafft: daß mit ihnen schwerlich Maas gehalten werden könte. Hierunter gehörten auch diese Kostbarkeiten / derer Gebrauch im Mißbrauche / ihr Nutz in Uppigkeit bestünde. Denn worzu dienten sie sonst / als zu Werckzeugen der Hoffart / und zu Erfindungen der Verschwendung. Dahero ins gemein gegläubt würde: Prometheus / der nichts gutes in der Welt gestifftet / hätte den ersten Edelgestein aus einer Klippe des Caucasus gehauen / und da mit zum grossen Schaden die unersättliche Begierde damit zu prangen in die Welt gebracht. Erato nam sich Agrippinens an / und sagte: Es wäre nicht glaublich: daß die weise Natur an unnütze und nur mißbräuchliche Dinge solchen Fleiß angewendet / und sie zu so schönen Wunderwercken unserer Augen gemacht haben solte. Ihr Glantz und Durchsichtigkeit stritten schier mit den Strahlen der Sonne / und beschämten das Licht der Gestirne; und sie solten nur würdig seyn in der Finsternüs der Klüffte und Schachte zu liegen / nicht aber ans Licht des Tages zu kommen? Kein Kefer / keine Raupe /kein Regenwurm / kein Kieselstein / kein Sandkorn wäre von GOtt / wie die Deutschen selbst lehrten /umbsonst geschaffen; [403] Perlen und Edelgesteine aber solten unnütze Mißgeburten des Meeres und der Erde seyn? da doch dieser zweyhundert vier und sechzig Sorten gezehlet würden. Erdmuth antwortete: sie müste ihre Unwissenheit gestehen: daß ihr außer des Gepränges kein Nutzen bekandt wäre; und daß die Zauberer ihnen träumen ließen: daß der Indische Schneckenstein / und der in den Augen des Thieres Hiäna befindliche Stein / wenn man ihn auf die Zunge legte / die Krafft des Wahrsagens zu wege brächte. Daß die Korallen dem Ungewitter widerstünden; daß der Stein Synochitis die Geister zu erscheinen zwinge / und ein ander aus dem Pontus sie verjagte. Sie hätte auch mehrmals gehöret: daß nach gewissem Stande der Gestirne ihre Bilder denen Edelgesteinen eingegraben / und geglaubt würde: daß sie hiermit auch derselben Krafft eingeflößt bekämen. Also solte der in einen Amethist geschnittene Wieder / den / der ihn trägt / tiefsinnig; der in Berill gegrabene Löw beredsam; der Schütze im Schmaragd ansehnlich machen. Die Zwillinge im Goldsteine einem Freundschafft /die Wage im Carniol Gerechtigkeit / der Wassermann im Saphiere / Eintracht zu wege bringen. Der Krebs im Topaß / der Scorpion im Sardonich / und die Fische im Jaspis / solten den Febern widerstehen / aber einen zu Lügen / Unbestand und Ungerechtigkeit reitzen. Der Stier im Hyacinth / die Jungfrau im Chrysolith / und der Steinbock im Calcedonich solten zur Andacht und zum Ackerbau; das in Edelgesteinen befindliche Bild des Pegasus den Kriegs-Andromache den Eheleuten zur Liebe und Versöhnung / Caßiopea zum Schlaffe / der Schlangen-Mann wider Gifft / Hercules zum Siege / Jupiter im Schmaragde zur Annehmligkeit / Mercur im Achat zur Weißheit / Mars im Magnet zur Hertzhaftigkeit / Venus im Türckis zur Schönheit / Saturn im Onyx wider die Gramschafft; die Wasser-Schlange zu Reichthum / der Centaurus zur Gesundheit / Orion zum Siege / der Adler zu grossen Ehren behülfflich seyn. Agrippine brach ein: sie begehrte in Vertheidigung der Edelgesteine sich mit keinen Träumen oder Aberglauben zu behelffen. Sie hielte von allen erzehlten Dingen so wenig als von denen unter gewissem Scheine der Gestirne gegossenen Siegeln der Araber und Egyptier / welche die Einfältigen beredeten: das Siegel des Saturnus aus Bley /worauf dreymal drey Zahlen geschrieben stehen /derer jede fünfzehn austragen / hülffe denen schwangern Frauen zur Geburt / denen Bittenden zur Erhörung. Jupiters zinnernes Siegel mit vier mal vier / allezeit vier und dreißig austragenden Zahlen bringe Reichthum und Liebe des Frauen-Zimmers zuwege. Des Mars eisernes Siegel mit fünf mal fünf allezeit fünf und sechzig ausmachenden Zahlen vermöge Zwytracht und Unfruchtbarkeit zu stifften. Der Sonne mit sechs mal sechs Zahlen bezeichnetes Siegel aus Golde / welche sechs mal hundert und eylfe in sich hielten / solle die Krafft haben in allen Dingen den Träger glückseelig zu machen. Der Venus küpfernes Siegel mit sieben mal sieben Zahlen / welche so viel mal hundert / und fünf und siebenzig zusa en machten / solle einem Gewogenheit und Fruchtbarkeit zuziehen. Des Mercur aus Silber / Aloe / Mastyx und Kweck-Silber zusammen gemischtes Siegel mit achtmal acht viereckicht zusammen gesetzten Ziffern / die allenthalben zwey hundert sechtzig ausbringen / solle dem Gedächnüß helffen / künftiger Dinge Wissenschafft zueignen; das silberne Mondẽ-Siegel mit neun mal neun / auf allen Seiten drey hundert neun und sechzig ausmachenden Zahlen / solle zu glücklichen Reisen / und zu Erlangung fürtrefflicher Sachen [404] dienen. Alle diese Geheimnüsse hättẽ sie vom Tiberius aus sonderbarem Vertrauen begrieffen / welcher solche abergläubische Müntzen und bezeichnete Steine nie von sich legte / und diese aus der einflüssenden Krafft des Himmels / jene aus der Lehre des Pythagoras / welcher alles aus den Zahlen ergrübelt / oder vielmehr hinter sie versteckt hätte / zu rechtfertigen sich bemühete. Alleine alles dieses / wie auch viel andere denen Steinen zugeschriebene Eigenschafften /als daß der im Mund gehaltene Saphier Wahrsagung eingäbe / Schlösser aufsprengte / vom Jupiter einem die Herrschafft / vom Saturn das Priesterthum zuzüge; daß der Chrysolith Gespenster vertriebe; daß der Jaspis beliebt / der Beril weise machte / der Diamant von keinem Hammer zerschlagen / sondern nur durch Bley / Bocks- und Löwen-Blut erweichet würde / wären verlachens werthe Eitelkeiten; hingegen durch vielfältige Erfahrung zu Rom auf absondern Befehl des Käysers erhärtet: daß ieder Edelstein absondere und seltzame / ob schon nicht so sichtbare Würckungẽ habe /als der Magnet. Jedoch klebe der weiß-röthliche Carniol so handgreifflich am Holtze / als der Magnet am Stahle. Uberdiß heilte er frische Wunden / vermehrte die Freude / widerstünde der Zauberey / und stillte das Nasenbluten. Die Smaragdẽ-Mutter / der grüne roth-ädrichte Jaspis / welchẽ die Natur seines vielẽ Nutzens wegen mit Fleiß nicht unter Klüffte verborgen /sondern über der Fläche / der Erden reichlich zeuget /stärcket fürtrefflich den Magen / das Hertz und die Augen / stopfte den Blut-Fluß / stillte die Geilheit /hülffe der Geburt / diente wider Feber und Wasser-Sucht. Der allerhand-färbichte Agat / in welchem die Natur ihre sonderbare Mahler-Kunst sehen liesse /diente dem Gesichte / stillte den Durst verursachte Träume / heilte die Schlangen-Bisse / und stärckte den Menschen. Der Sardonyx / auf deren einem der Käyser des langsamen Fabius Tugenden abgebildet hat / machte freudig. Die sechseckichten Beryllen vertrieben wie der Ag-Stein die Flüsse / hülffen der Leber / schärfften den Verstand. Der grünlicht-gelbe des Nachts leuchtende Topaß kühlte im Augenblick siedendes Wasser / vertriebe die Mohnden-Sucht und Tollheit; widerstünde der Wasser-Sucht und Schwindung; seine Kräfften nähmen mit dem Monden ab und zu / und bewehrte hier mit die so wohl der Steine / als der Pflantzen Verwandschafft mit dem Gestirne. Der Lasur-Stein aber stellete gar einen blauen Hi el mit güldenen Sternen für Augẽ / wäre den Augen / auch wider Schrecken und unzeitige Geburten gut. Der Chrysolith / der des Nachts das Feuer / des Tages das Gold eigentlich fürbildete / ja neben welchem das Gold erblaßte / und Silber zu werden schiene / hülffe der Lunge und Lufft-Röhren / vertriebe die Traurigkeit. Der blaue Amethyst benähme die Trunckenheit /machte wachsam / widerstünde dem Gifte. Der ihm nicht unähnliche Hyacinth kühlte den heissen Mund /triebe das Gifft vom Hertzen / widerstünde dem Blitze / und machte schläfrig. Der allerblaueste Türckis erquickte das Hertz und Gesichte; ja wenn er in ein Glas gehenckt würde / schlüge er zu grosser Verwunderung eigenbeweglich die Stunden. Der durchsichtig-blaue für aller Edelgesteine Edelgestein beruffene Saphier / derer einer auff der Atlantischen Insel in der Grösse eines Hüner-Eyes gefunden worden / heilete die Scorpion-Stiche / innerliche Geschwüre / tödtete die Spinnen. Der alle andere grüne Sachen wegstechende- und zu hellen Spiegeln dienende Schmaragd heilete den Aussatz / erquickte das blödeste Gesichte /tödtete das Gift; denen ihn lange ansehenden Schlangen / zerflüssen davon die Augen / und wäre ein Wunder-Bild der Keuschheit; sintemal er bey Ausübung der Geilheit in Stücken springe / und daher von den Alten [405] der hi lischen Venus gewiedmet worden wäre. Der die feurigsten Sternen überstrahlende Rubin / welcher gegen andere Steine so viel köstlicher / als das Gold gegen ander Ertzt seyn solte / und nicht nur in der Nacht glüende Kohlen fürbildete / sondern auch von keinem Feuer warm-weniger beschädigt würde / verjagte das flügende Gift / widerstrebte der Fäulnüß / machte hurtig / und stärckte die Lebens-Geister; ja / daß Sternen und Edelgesteine nicht nur einander geneigt wären / sondern jene auch diesen ihr Bild eindrückten / erhärtete eine gewisse Arabische Art der Rubinen; welche in sich sieben güldene Sternen nach der Ordnung / wie sie in dem Kopfe des gestirnten Ochsen stunden / hätten. Der blitzende Diamant / welcher nunmehr durchgehends für die Sonne der irrdischen Gestirne gehalten würde / verlachte alle Gewalt des Feuers / benähme dẽ Magnet seine Eisen-ziehende Krafft / zernichtete die Beschwerungen /entkräfftete das Gifft / verjagte den Alp; zerschnitte alle andere Edel-Gesteine / wie das Glas / und kriegte im Golde mehr Stärcke / gleichsam zur Lehre: daß Königen sich nur mit Königlichem Geblüte zu vermählen anständig wäre. Die Perlen stärckten das Hertze / erquickten die Lebens-Geister / hülffen den Miltzsüchtigen / steuerten der Pest / stillten das Hertz-Klopfen und den Schwindel. Die Cattische Hertzogin fieng an: Sie wären sä tlich Agrippinen für so heilsamen Unterricht verbunden; wordurch sie erwiese: daß sie von diesen Köstligkeiten mehr Verstand / als schwerlich alle Morgen-Länder hätten / die doch das Vaterland der meisten Edelgesteine bewohnten. Sie würde nichts weniger sich einer unverantwortlichen Vermessenheit schuldig machen; wenn sie an denen erzehlten / und durch die Erfahrung geprüfeten Kräfften wider so unverwerffliches Zeugnüß zweifelte. Zumal sie sich selbst wohl bescheidete: daß die Natur nichts umbsonst machte / und nichts auf der Erde wäre / was nicht sein Vorbild / oder vielmehr seine Wurtzel im Hi el hätte. Alleine Agrippine würde vermuthlich selbst nicht in Abrede seyn: daß die gemeinen Krebs-Augen / das Hirschhorn / die Hecht-Zähne und andere unschätzbare Dinge ja so viel Würckung in der Artzney hätten / als die Perlen? Und manch mit Füssen getretenes Kraut würde der Edelgesteine Heilsamkeit zweifelsfrey die Wage halten. Es wäre nur aber in die Artzney eben die Eitelkeit / die sich der Taffeln bemeistert / eingeschliechen: daß nichts schmeckte / nichts den Kranckheiten abhülffe / was wohlfeil wäre. Also müste man nicht selten das beste / weil es gemein / verwerffen / damit man das unnütze desto theurer bezahlte. Wie dem allem aber wäre; so redete die Erfahrung für sie: daß hundert Centner Edel-Gesteine zum Aufputz der Hoffart / zum Zunder der Geilheit / hingegen nicht ein Pfund zur Artzney und andern heilsamen Würckungen verbraucht würden. Der Geitz hätte ja noch die Perlen in den Schachteln der Aertzte behalten; aber nur die geringen und in Muscheln zu zehn und zwantzig sich befindenden Staub-Perlen / umb darmit den schändlichsten Wucher zu treiben / und diesen unreiffen Sand so theuer / als wenn es die allervollkommensten und aus der von der Sonnen-Hitze geöffneten Muschel von sich selbst fallenden Haupt-Perlen Indiens gewest wären / anzuwehren; welche ihrer reinen Zärtligkeit halber in Essig zergehen sollen / und sich derogestalt zu Artzneyen besser schicken würden / als die Perlen der Abend- und Nordländer / welche sich kaum in marmelnen Mörseln zerstossen liessen. Nachdem nun dergestalt Perlen und Edelgesteine in der Artzney entpehrlich / durch wohlfeilere Mittel ersetzlich / und ihr Mißbrauch zum Wucher / zur Verschwendung /als mit derer Zerbeitzung Clodius und Cleopatra gleichsam [406] Königreiche in einem Löffel verschlungen /zur Hoffart und andern Lastern so dienlich wäre /würde das Cattische Gesetze hoffentlich nicht zu verdammen seyn. Agrippine versetzte: Diß wäre so wenig ihre Meynung gewesen / als es in ihrer Gewalt stünde anderer Völcker Satzungen aufzuheben. Weil die Menschen aber sich nicht scheuetẽ fast täglich die Schickungẽ des Verhängnüsses zu tadeln / würde sie hoffentlich zum ärgsten nicht sündigen / wenn sie das Cattische Gesetze einer übrigen Schärffe beschuldigte. Daher das deutsche Frauenzimmer so grosse Ursache hätte den Richter-Stul der Catten / wie die Römischen Weiber das Rathhaus / zu besetzen / und auf des Cattischen / wie diese auf des Opischen Gesetzes Aufhebung zu dringen. Sintemal ihrem Bedüncken nach die Natur Perlen und Edelgesteine nicht nur zur Artzney / sondern zur Augen-Lust und zum Schmucke des menschlichen Geschlechtes gezeuget hätte. Denn wenn sie auf diß letzte ihr Absehn nicht gehabt / zu was Ende hätte sie Perlen und Edelgesteine so schön und gläntzend gemacht? welche sonst in die ungestaltesten Wurtzeln / in die stachlichsten Kräuter / in die bittersten Rinden die bewährtesten Artzney-Kräfften gesencket / ja durch ein besonder Geheimnüs fast alle Artzneyen widrig und abscheulich gemacht hätte. Solte denn / fieng Erdmuth an / die Natur selbst eine Handlangerin der Uppigkeit seyn / und der Menschen Eitelkeit mit Fleiß gewissen Werckzeug verschaft haben? Agrippine versetzte: Die Natur hätte die Edelgesteine zwar nicht zur Hoffart und Eitelkeit / aber wohl zum Schmucke und zur Zierde / wie die Gestirne und Blumen nicht allein zum Nutzen / sondern auch zur Ergetzligkeit der Menschen so schön gemacht. Erdmuth antwortete lächelnde: Sie wüste von dem Schmucke der Perlen und gläntzenden Steine / welche weder wieder den Frost dienten / noch die Sonnen-Hitze deckten / die anklebende Eitelkeit nicht abzusondern. Ihrem Bedüncken nach solte der Mensch sich mit seiner angebohrnen Schönheit vergnügen /und als das edelste Geschöpfe sie nicht von todten Dingen erborgen. Worinnen ihr der Topaß zum Beyspiel diente / welcher / wie er von Natur gewachsen /am schönsten wäre / vom künstlichen Schleiffen aber seinen Glantz verliere. Das Fleisch der Perlen-Austern aber hätte die Natur Zweifels-frey darumb mit einem so bösen Geschmacke versaltzen / daß den Menschen auch die Lüsternheit nach denen in ein so unflätiges Behältnüß versteckten Perlen vergehen solte. Diesemnach könte sie sich noch nicht überwinden / ihrem väterlichen Gesetze zu böser Folge so schädlichen Abbruch zu thun. Wer eines aufhübe /schwächte alle andere. Denn sie hiengen wie eine Kette an einander / und wäre keines so gut / das nicht etlichen mißfiele; zu ihrer Rechtfertigung aber genung: daß es den meisten beliebte / allen zu Nutz gereichte / und so lange getauert hätte. Erato nahm sich Agrippinens unter dem Vorwande an: daß sie als eine Morgenländerin für den Preiß der Morgenländischen Schätze zu reden schuldig wäre; sagte also: Die Hertzogin Erdmuth käme der Schönheit und der menschlichen Herrschafft über alle andere Dinge in der Welt zu nahe. Die Bäume trügen nicht nur Früchte / sondern auch Blüthen. Also wäre der Mensch in seine Leben sich aller Dinge theils zu seiner Nothdurfft / theils zur Annehmligkeit zu gebrauchen berechtigt. Jeder Sinn hätte was besonders zu seiner Erquickung. Das Gehöre erlustigte sich an Seitenspielẽ /der Geruch an Rosen und Balsamẽ / der Geschmack an niedlichen Speisen / das Fühlen an der Kitzelung. Warumb solte denn dem fürtrefflichsten Sinne / welcher alles erfindet / der mit der Seele die festeste Verbindnüs hat / ja der Königliche Stul der Liebe ist /nemlich dem Gesichte / sich an was schönem zu ergetzen verwehret seyn? Warumb leschet die [407] Natur nicht die rubinenen Flammen des Morgen- und Abend-Sternes / die diamantenen Strahlen der Sonne /den saphirnen Glantz des Himmels aus? warum vertilget sie nicht die Schmaragden auf den Kräutern /die Amethisten auf den Hyacinthen / die Chrysolithen auf den Narcissen / die Granaten auf den Rosen? Adelmunde fiel ein: Meinem Bedüncken nach verwirfft die Cattische Hertzogin nicht das Wohlgefallen an angebohrner / sondern nur die eitele Annehmung geborgter Schönheit. Denn jene ist in der gantzen Welt gerechtfertiget / und würde sie sonst mit der Natur selbst einen Krieg anfangen müssen: daß sie ihre und ihrer wunder-schönen Tochter Catta Lippen so reichlich mit Rubinen / ihre Wangen mit Corallen / ihre Brüste mit Perlen übersämet; ihre Haare mit Chrysolitẽ besetzt / und durch die Sardonyche ihrer Haut so viel Adern aus Türckissen durchflochten / und zwey so schöne Saphire zu Augen jhnen in die Stirne gesetzet habe; welche eben so starck aller Anschauer Hertzen zu sich lockten / als die schmaragdenen Augen des auf des Hermias Grabe stehenden marmelnen Löwens die Meer-Fische verjagt hätten. Die Fürstin Catta begegnete ihr: Erato gäbe zwar eine gute Auslegerin der Meynungen / aber eine böse Mahlerin ab; denn sie heuchelte zu sehr: und schiene es: daß wenn sie die Welt nach ihren Gedancken abbilden solte /der Pinsel ihrer Gewogenheit alle Hecken zu Rosen-Sträuchen / und alle Sand-Körner zu Diamanten machen würde. Agrippine brach ein: Die gütige Erato hätte ein so gutes Auge über die Schönheit; daß niemand ihrem Urtheil widersprechen könte. Aber die Schönheit ersuchte das sä tliche Frauenzimmer wider die Catten zum Beystande: daß sie ihr nicht allen euserlichen Aufputz aberkennen möchten. Prangete doch der Himmel offt mit den Regenbogen / welche gleichsam von eitel Opalen zusammen gesetzet wären; die Erde und das Meer aber den Zeug dazu leihen müßte. Die Sonne überstreute die Wolcken früh mit Granaten / des Mittags mit Carniolen / des Abends mit Rubinen. Das stille Meer schmückte sich mit flüssenden Schmaragden oder Amethysten. Die Brunnen und Flüsse leckten von den Ertzt-Adern ihren Kern ab: daß sie Golde und Perlen sich könten sehen lassen. Die Reben umbhalseten die Ulmen-Bäume mit frembden Blättern zu prangen. Die Tauben spiegelten ihren gleichsam mit Berillen versetzten Hals / die Pfauen ihren Schwantz an den Sonnen-Straalen / der Hirsch wetzte seine Geweihe / der Elefant seine Zähne an den Felsen: daß sie mehr gläntzeten. Warumb solte dem Menschen / welchem als dem Herrn der Welt alles zu Dienste stehet / sich nicht mit allen ihm zu gefallen gewachsenen Schönheiten schmücken? Solte der mehr als perlene Hals der Fürstin Erdmuth und Catta was geringers als Perlen tragen? Solten ihre die Chrysolithen beschämende Haare mit was schlechterm als Edelgesteinen eingeflochten seyn? Und zwischen ihren mit Rubinen gekröneten Brüsten was unwehrters / als Rubinen und Diamanten hencken? Diese haben in Arabien zu der Schale ihres Wachsthums das feineste Gold zu unserm Unterrichte: daß die Schönheit nicht in Kutzen / sondern in Seide und Gold gekleidet / eine Seule aus Porphir auf keinen leinernen Fuß gesetzt / eine grosse Fürstin auf Agat gehen / und auf einem helffenbeinernen Wagen fahren solle. Alles dieses geschiehet aus keiner Eitelkeit /wenn nur der Stand der Menschen nicht vermischet würde; und nicht die / welche sich mit Zeugen aus Ziegen-Haaren vergnügen solten / Sammet und Silber-Stück trügen. Fürnemlich aber wäre Fürsten unanständig / wenn ihre Kleidung sie nicht von dem gemeinen Manne unterscheidete. Sie könten sich durch nichts mehr verächtlich machen / als durch eine so niedrige Sparsamkeit. [408] Westwegen des Lycurgus Gesetze: daß die Reichen und Armen / vornehme und gemeine Bürger einerley Kleider tragen solten / so geschwinde abgethan / als verlacht worden wäre. Hätte doch die Natur den Löwen / den Elefanten und andere fürnehme Thiere auch euserlich mit einer ansehnlichern Gestalt / als die unedlen begabt. Ja Gott selbst verschmähete bey seinem Gottes-Dienste weder Edelgesteine noch andern Schmuck. Bey den Egyptiern hätte so wohl der oberste Priester / als die Richter einen Saphier / als das Bild der Wahrheit / am Halse hencken. Bey den Juden dörffte der Hohe-Priester nicht in das allerheiligste ihres Tempels gehen / ohne einen mit zwölferley Edelgesteinen versetzten Brust-Schild. Wer wolte diß nun als unrecht schelten / oder darinnen Eitelkeit suchen? Eben so wenig ist verda lich / wenn eine edle Frau ihrer Gestalt mit Perlen und Edelgesteinen eine Folge giebt / wie man diesen bey der Einfassung selbsten unterlegt; wenn dieses nur nichts böses zum Zweck hat; sondern sie sich nur dem zu gefallen aufputzet / der sie zu lieben Recht hat /oder eine Fürstin sich bey einem Gepränge für was mehr als eine Bürgerin muß sehen lassen. Die Hertzogin Erdmuth fieng an: Sie müste gestehen: daß Perlen und Edelgesteine an sich selbst untadelhafte Geschöpfe der Natur wären. Aber an diesen schönen Aepfeln klebten zwey giftige Würme / nemlich Geitz und Verschwendung / welche den Kern aller grossen Herrschafften aufgefressen / und die mächtigsten Völcker entkräfftet hätten. Bey allen diesen hätten ausländische Zierligkeiten und Trachten sich anfangs der Fürsten / hernach des Adels / endlich des Pöfels bemächtigt. Kein Verboth / ja keine Armuth wäre mächtig dem Schwall der Kleider-Pracht zu widerstehen; wenn ihr schon nur wenig Lufft gemacht worden. Die Weiber machten Schlüsse: daß wenn die / welche nicht besser / als sie wären / sich mit was neuem herfür thäten; könten ihre Männer ohne Verkleinerung sie nicht geringer halten; solte mancher auch sein halbes Vermögen an einen Stein wagen / der zuweilen nicht so viel Groschen / als sein Vorgänger Talent hat. Zu geschweigen: daß lüsterne Weiber endlich bey frembden Männern zu verdienen lernten / was sie von ihren eigenen nicht zu erbitten getraueten. Erato begegnete ihr: Es wäre schon genung: daß die Fürstin Erdmuth die innerliche Güte der edlen Steine erkennte. Denn bey den Deutschen / derer gute Sitten fast keiner Gesetze bedörfften / wäre keine solche Verunehrung derer nur Fürsten anständiger Dinge zu besorgen. Sie hätte in keinem Lande grösseres Ansehen der Herrscher / und zwischen Adel und Pöfel keinen mercklichern Unterschied wahrgenommen. Bey dem gemeinen Pöfel hätte die Einfalt / bey den Edeln die Bescheidenheit / bey den Gebietern die Unschuld ihre Wohnstadt. Zwar / wenn gar niemand bey den Catten Perlen trüge / würde kein Weib darmit es der andern vorzuthun sich anmassen; aber alle Edlen sich wohl beschweren können: daß / was zu Rom und in Gallien schon der niedrigsten Tracht worden / in Deutschland auch Fürstinnen zu köstlich wäre; gleich als wenn andere Völcker für den tugendhaften Deutschen einen Vorzug hätten. Sie wunderte sich diesemnach / wie zu den Catten ehe ein Gesetze wider übrigen Pracht kommen / ehe der Pracht bey den Deutschen kentbar worden. Sintemal ja sonst die Erkäntnüß der Kranckheit für den Erfindungen der Artzneyen vorher gienge. Erdmuth antwortete: Sie hätte zwey solche Schutz-Frauen der Edelgesteine für sich / daß man sie nur ihrentwegen werth zu halten / die Catten aber ihnen zu Liebe ihr Gesetze aufzuheben Ursache hätten. Wormit auch Agrippine diese ihre Erklärung keiner Heucheley wegen verdächtig halten möchte / wolte sie das hochschätzbare Geschencke der Käyserin Livie von einer so holden Hand danckbar annehmen / [409] und von ihrem Gemahl eine Milterung des Gesetzes erbitten: daß sie diese Perlen zum Andencken einer so freygebigen Fürstin / iedoch zu Vermeidung schädlicher Nachfolgen nur an hohen Feyertagen tragen dörffte. Agrippine vergnügte sich höchst über dieser Entschlüssung /und sagte: Fürsten wären für sich selbst von solchen Gesetzen / welche übrigen Pracht und Kostbarkeit mässigten / ausgeschlossen; wiewohl sie durch nichts bessers / als durch ihr Beyspiel sie in Gebrauch bringen könten. Uberdiß wäre bey den Catten kein einschleichender Mißbrauch und schädliche Nachfolge nicht leicht zu besorgen / weil in Deutschland keine Perlen und Edelgesteine wüchsen / und die Catten keine darmit handelnden Kauffleute in ihr Land liessen. Zirolane fiel Agrippinen ein / und sagte: Sie möchte Deutschland nicht für so arm / und seinen Himmel nicht für so gar ungütig halten. Denn in dem Gebürge / welches die Marsinger von dem Lande der Bojen / ietzt Marckmänner schiede / führten nicht nur unterschiedene Bäche Gold / sondern man finde auch Rubinen / Agathen und Granaten / welche schöner /als die Indianischen wären. Zwey Meilen von der Oder grübe man Diamanten / und bey den Bojen in der Iser finde man grössere Perlen / als Indien zeugte; ungeachtet die deutschen Perlen freylich kein so schönes Wasser / die Diamanten auch nicht so durchdringende Strahlen hätten. Agrippine wunderte sich hierüber / und sagte: Derogestalt wäre Deutschland reicher / als Italien; welches nur auf der Spitze des Berges Vesuvius wenig gespitzte / aber ziemlich schlechte Diamanten aufzulesen hätte. Daher wünschte sie von denen Deutschen wohl einige zu schauen. Zirolane nahm ihre Schnure Perlen vom Halse / und reichte sie Agrippinen mit diesen Worten: Sie könte keine grössere Ehre / und Deutschland kein grösser Glück gemessen / als wenn Agrippine diese geringe Miß-Geburten ihres Vaterlandes nicht verschmähen würde. Agrippine fieng an: Soll ichs für Scherz oder Ernst annehmen: daß diß deutsche Perlen sind. Zirolane antwortete: Diese Perlen sind in der Iser gefischet / und die Diamanten / wormit das Schloß versetzt ist / im Marsingischen Gebiete gegraben. Warlich diese Perlen / sagte Agrippine / sind viel grösser / als sie im rothen Meere / oder im Persischen See-Busem wachsen. Ich erfahre nun auch: daß die Schnure Perlen /welche ein deutscher Handels-Mann nach Rom gebracht / und der zu Rom gewesene Indianische Gesandte als eine grosse Seltzamkeit für seinen König Pirimal umb drey hundert Talent erkauffte / nicht /wie er vorgegeben / das Atlantische Eyland / sondern Deutschland zu ihrer Geburts-Stadt gehabt habe. Adelmunde fiel ein: Die Friesen brächten wohl auch aus denen Atlantischen Eylanden sehr grosse Perlen; und hätte ihr Vater Hertzog Ganasch eine ziemlich lange Schnure von denen dahin Schiffenden zusammen gebracht / derer keine weniger / als hundert und zwantzig Pfeffer-Körner wiege; zwey als Birnen gestallte Perlen aber hätten iede das Gewichte von zwey hundert und zwantzigen. Sie wären aber alle bleyfärbicht. Gleicher Gestalt brächten sie Perlen aus den Caledonischen Eylanden / welche aber denen Atlantischen und Deutschen wiechen. Agrippine versetzte: Vermuthlich würden die zu Rom verkaufften auch Caledonische gewest seyn; denn diese der Fürstin Zirolane wären schöner und grösser / also auch würdiger gewest in Indien geführt zu werden. Sie hätten zwar nicht einen so durchsichtigen Glantz / als die / welche im Persischen See-Buseme / bey Taprobana / und hinter den Serischen Ländern im eusersten Ost-Meere gefangen würden / aber eine ungemeine Rundte / und eine wunder-würdige Grösse. Da hingegen nach dem Berichte des Indianischen [410] Gesandten die von Taprobana zwar die schönsten und rundtesten in der Welt /die grösten aber nur zwölff biß sechszehn / die übrigen Indischen biß viertzig Pfeffer-Körner schwer /und noch darzu gelblicht wären; wiewohl die Araber diese für viel tauerhafter / als die gar weissen hielten. Ob schon diese gelbe Farbe von nichts anderm herrührte; als wenn die Auster in der Muschel zu faulen anfienge / ehe sie von der Sonnen-Hitze sich zu öffnen gezwungen würde. Denn wenn man sie mit Gewalt öffnete / würden die in den Austern wachsende Perlen wie die Eyer in den Hünern meistentheils zersprenget. Adelmunde fiel ein: Bey solcher Beschaffenheit dörffte ich wohl glauben: daß der Indianer aus Werthhaltung / nicht aber das Gespötte damit zu treiben / die nordländischen Perlen gekaufft habe. Diß aber ist mir noch bedencklich: daß er sie so theuer bezahlet / da doch bey so viel Arabischen / Persischen und Indianischen Perlen-Fischereyen / und da in einer Muschel so viel Perlen jung werden / also der Alten Meynung / als wenn die Perle das Hertze der Auster wäre / eben so wohl / als des Mitylenischen Clares /welcher sie für ihre Gebeine hält / falsch ist; ja die Perlen-Muscheln im Meere so häuffig / wie die schwermenden Bienen ziehen sollen / sie überaus wohlfeil seyn müsten. Agrippine antwortete: Sie wäre in diesen irrigen Gedancken auch gewest / biß der Indianische Gesandte sie eines andern versichert / und erzehlet / wie die grossen Perlen meist zwölff Ellen tieff im Meere / dahin unmöglich einiger Thau oder Sonnen-Straal dringen könte / gefischet werden müsten / und drey hundert Fischer-Nachen kaum zwey geschickte Täucher aufbringen könten. Ismene fragte: Ob denn diß wahr wäre: daß denen Perlen-Fischern von den Austern mehrmals Finger und Hände abgezwickt würden? Agrippine antwortete: Davon hätte sie nichts vernommen / schiene auch ein blosses Getichte der Perlenhändler zu seyn / weil die gefischten Muscheln feste verschlossen / und von der Sonnen-Hitze offt kaum den funfzehenden Tag geöffnet würden. Destwegen aber wären die Perlen im Morgenlande nichts desto wohlfeiler; weil die Indianer sie für was hi lisches hielten / und ieden glücklichen Tag mit einer Perle bezeichneten. Massen denn ein Arabischer Fürst eine acht und viertzig Körner wiegende Perle haben solte / welche er seiner durchsichtigen Klarheit halber dem Könige Pirimal nicht für siebentzig Attische Talent hätte überlassen wollen. Weil nun diese nicht kleiner / würde sie eine unverantwortliche Unhöfligkeit begehen / wenn sie die allzu freygebige Fürstin Zirolane / welche eine Zins-Frau über alle Perlen zu seyn verdiente / eines so auserlesenen Schatzes verlustig machen solte. Sie vergnügte sich aber an derselben Anschauung und der von Deutschlandes Schätzen ertheilten Nachricht; wiewohl sie mit denen Indianern auf weisse Perlen / weisse Diamanten / weisses Brodt / und weisses Frauenzimmer viel hielte. Zirolane aber weigerte sich ihr Halsband zurück zu nehmen / mit dem Beysatze: daß sie die verweigerte Annehmung für nichts anders / als ein nachtheiliges Urthel über der Deutschen allzu schlechte Schätze auslegen könte. Agrippine antwortete: So wolte sie denn lieber unhöflich als unrecht oder verdächtig seyn / auch mehr für Ehre als eine Bürde schätzen: daß sie einer so vollkommenen Fürstin Schuldnerin bliebe. Thußnelde fiel ein: Für was würde nun sie sich erkennen müssen; nachdem Agrippinens unschätzbares Diamanten-Geschencke / gegen welchen die Deutschen nur Glas oder Cristall zu seyn schienen / alle Ausgleichung überstiege. Agrippine versetzte: Wenn die Diamanten gleich noch hundert mal so groß wären / würde Thußneldens Freundschafft schon eine überwichtige Vergeltung seyn. Livia hätte destwegen durch diese Art Steine sich in Thußneldens Gewogenheit einlieben wollen / weil die [411] Diamanten ein so fürtrefliches Sinn-Bild zweyer verknüpfter Hertzen abgäben. Sintemal diese / wenn sie lange zusammen gerieben würden / an einander unzertrennlich kleben blieben. Sonst aber wären nicht nur die Deutschen / sondern auch die Indianischen Diamanten den Crystallen ähnlich / als welche alle aus einer Crystallenen Feuchtigkeit gezeuget würden. Diese Deutschen müsten auch eine ziemliche reine Mutter haben / dahingegen nicht nur die Mohrischen / sondern auch / welche in dem Desorenischen Theile Indiens / wo doch an einem Orte über sechzig tausend Menschen stets diese Steine suchten / und derer nicht wenig hundert und sechzig Pfeffer-Körner schwer anträfen / gegraben würden / nach dem Unterschiede ihres Erdbodens /röthlicht / gelblicht / grünlicht aussähen / und wo es sümpficht wäre / aufs schwartze stächen. Welche Mängel die Indianer des Nachts / oder unter dem dicken Schatten eines grünen Baumes viel genauer / als andere Völcker beym hellen Tagelicht zu erkiesen wüsten. Thußnelde fiel ein: so solte sie der Größe nach / denen empfangenen Diamanten dis Vaterland zueignen / wenn ihre allzu schöne Farbe es nicht zweifelhafft machte. Agrippine antwortete: des Indianischen Gesandten Berichte nach / welcher aus denen Desarenischen / Mambarischen Gruben / wie auch von denen daselbst in einem flüßenden Wasser gefundenen spitzigen Diamanten einen ziemlichen Vorrath der Käyserin überbracht hätte / solten diese auf Jamboli der grösten Insel der Welt aus einem Flusse gelesen worden seyn. Die Fürstin Ismene fragte hierauf: So würde sie ihr aus dem Grunde sagen köñen: Ob die gemeine Sage wahr sey: daß in der Welt keine grössere Diamanten / als Haselnüsse wären / gefunden würden? Agrippine antwortete: Livie hätte selbst einige grössere; Und der Gesandte hatte von seinem Könige versichert; daß er in seinem Schatze einen Diamant in Gestalt eines halben Eyes besäße / welcher roh dreytausend sechshundert Pfefferkörner gewogen hätte / und nun derselben neunhundert und achtzehn wiege. Thußnelde / die inzwischen aus einem Schrancken etliche Kleinode gezogen hatte / fiel ein: dieses wäre sonder Zweifel der König aller Diamanten in der Welt / ungeachtet derer in so viel Orten gefunden würden. Jedoch hätte Deutschland noch eben so wol /wie Persien seine Türckisse / was besonders zu zeigen / was weder in Indien / noch einig ander Land besäße. Hiermit reichte sie Agrippinen ein Halsband von Opalen / welche nur bey den Quaden zwischen dem Flusse Cusus und Grauna gefunden würden. Agrippine sahe sie verwundernd an / und betheuerte: daß sie in Rom nicht zehn Stücke Opalen / welche diesen aber nicht das Wasser reichten / gesehen hätte. Ihre Seltzamkeit wäre aus des Nonius Hartnäckigkeit /welcher lieber sein Vaterland / als einen Opal hätte entpehren wollen; und daher / daß zu Rom eben so wol der Opalen / als Schmaragde Vaterland unbekandt wäre; ihre Schönheit aber daraus zu urtheilen: daß in selbigem des Rubins Feuer / des Amethystes Purper / des Schmaragdes grünes Meer vereinbaret wäre. Thußnelde bat hierauf Agrippinen: sie möchte diese geringen Steine nicht verschmähen zu behalten /wormit zu Rom hierdurch ihr zweifelhafftes Vaterland entdecket werden möchte. Agrippine fieng an: Ich sehe wol: daß die Natur Deutschland mit Perlen / Rubinen / Granaten / Opalen / Diamanten und Agstein zu bereichern allzu grosse Ursache gehabt; weil die Freygebigkeit in seiner Einwohner Hertzen zu Hause ist; und sie sich niemanden durch Wolchaten überwinden lassen wollen. Ich wil dieses unschätzbare Kleinod zwar annehmen / aber nicht für mich / sondern für die Käyserin; welche zweifelsfrey solche einem Heiligthume wiedmen wird; weil sie durch ihre immerthauende Regenbogen genungsam ihre himmlische Verwandnüs [412] erhärteten; und also dazu würdiger /als die so genennten Ammons-Hörner wären. Thußnelde aber bat: Agrippine möchte ihre Höfligkeit aus so schlechten Sachen / welche in Deutschland nur Katzen-Augen hießen / nichts so grosses machen; sondern selbte mit denen im Flusse Achelous befindlichen Milch-Steinen bedecken / welche die Vergessenheit würcken solten.

Inzwischen / als das Frauenzimmer durch diese und andere annehmliche Unterredungen die Zeit verkürtzte / gab der Feldherr und Hertzog Arpus dem Sentius Saturninus Gehöre / welcher zum ersten beym Fürsten Flavius abgetreten war / und im Nahmen des Tiberius ihm mit hundert versprochenen güldenen Bergen geliebkoset hatte. Sein Anbringen bestand in grossen Freundschaffts-Versicherungen des Tiberius / welcher zugleich alle anwesende Fürsten und Grossen zu denen Käyserlichen Spielen nach Meynz einladen ließ. Beym Schlusse seines andern Vortrags lenckte Saturnin auf seinen Eydam den Hertzog Segesthes ab; und bat: daß weder der Feldherr seiner Widersetzligkeit halbẽ gegẽ Thußneldes Heyrat / noch auch die sämtlichen Fürsten deswegen / daß er zum andern mal die Waffen wider die Deutschen geführet / auf einige folgende Rache gegen ihn sinnen möchten. Wenn zwischen zweyen Nachbarn sich ein Krieg entzündete; wäre nichts gefährlichers / als auf zwey Achseln tragen; nichts schwerers / als sich auf die rechte Seite schlagen. Denn der Ausschlag des Krieges wäre ungewiß / der Sieger aber behielte allemal Recht. Segesthes hätte zwar seiner Geburt halber Ursache gehabt /die deutsche Seite zu erkiesen; die von den Römern empfangenen Wolthaten aber hätten bey ihm / wie bey allen edlen Gemüthern das Gewichte bekommen. Da nun Segesthes bey seiner Wahl etwas versehen hätte /müste er wol ein Theil der Schuld auf seine eigene /und ein Theil auf seiner Gemahlin Sentia Achseln schieben. Sie selbst wären klug genung zu urtheilen /was eine beliebte Frau über ihres Eheherrn Gemüthe für einen aufgehenden Stern hätte. Der Feldherr und Arpus entschuldigten unter dem Vorwand wichtiger Reichs-Geschäffte ihre Dahinkunfft; entweder weil sie für eine allzu gefährliche Verträuligkeit hielten / sich als die Häupter Deutschlandes in die Hände eines unversöhnten Feindes zu trauen; oder weil die Zusammenkunfften der Fürsten / da jeder den andern an Pracht und Klugheit zu übertreffen bemühet ist; beyderseits Hofeleute auf alle Worte und Tritte hundert Augen aufsperren / und selbige nach ihren Gemüths-Regungen ausdeuten / ins gemein neue Zwytracht und so viel Unglück / als die Näherung des Monden und der Sonne Finsternüs würcken. Jedoch vertrösteten sie den Saturnin: daß unterschiedene Fürsten ihre Stelle vertreten / und den Tiberius der Deutschen Aufrichtigkeit versichern würden. Wegen Segesthens erklärete sich der Feldherr: Er hätte an seiner Tochter Thußnelde so viel gutes empfangen: daß er ihr zu Liebe alles empfangene Unrecht vergessen würde; weñ er sie schon nicht dem gemeinen Wesen zum besten eben so / wie die / welche er dem Vaterlande angethan / durch den Frieden-Schluß ausgetilgt hätte. Hertzog Arpus aber erklärte sich hierüber derogestalt: die Deutschen hielten es für ehrlicher / einen beleidigen / als hassen; daher wären sie gewohnt bey ihren Versöhnungen allen Zunder der Rachgier auszuleschen / nicht aber unter der Asche der Freundligkeit nur zu verbergen. Bey solcher Bewandnüs möchte Segesthes glauben: daß alle seine Vergehungen nicht nur in ihren Hertzen / sondern auch in ihrem Gedächtnüsse verlescht wären. Jedoch würde Saturnin ihnen nicht zumuthen können eine Schlange im Buseme zu nähren; also Segesthen seiner eigenen Wolfahrt halber verwarnigen: daß er der Deutschen Langmuth [413] und das Rad des Glückes an einer Schnure zu haben ihm nicht solte träumen lassen. Sintemal dieses ohne einen Schritt weiter zu thun sich auf der Ferse umbzuwenden / mehrmals mißbrauchte Gütigkeit aber in eine unversöhnliche Raserey / wie die erzürneten Tauben in erboste Raubvögel zu verwandeln gewohnt wäre. Saturnin erklärete sich hierauf: der Stein des Anstossens wäre mit der Römischen Feindschaft aus dem Wege geräumet / und würde Segesthes hinfort nicht nur ein treuer Sohn des Vaterlandes / sondern auch ein Werckzeug seyn der Deutschen Verträuligkeit mit den Römern immer mehr zu vergrössern / derer Treue und Aufrichtigkeit er Zeither von Grund aus erkennen zu lernen mehr als jemand anders Gelegenheit gehabt hätte. Weil nun Saturnin zugleich berichtete: daß Segesthes unweit von der Stadt des Feldherrn und des Hertzog Arpus Erlaubnüs erwartete sich mit ihnen zu ersehen / schickte der Feldherr den Grafen von Barby ihn einzuholen. Es gieng wenig über eine Stunde vorbey: daß Segesthes sich nur mit sieben Casuariern einfand. Denn ob er zwar noch für unterschriebenem Frieden von den Catten nach Meynz geliefert worden war / entschlug er sich nunmehr mit allem Fleisse aller Römischen Begleitung. Der Feldherr empfieng ihn mit der allerfreundlichsten / Arpus aber mit etwas ernsterer Gebehrdung. Segesthes mühete sich zwar seinen innerlichen Kummer mit euserlicher Freundligkeit zu verhüllen / aber seine Bangigkeit ward durch unterschiedene Seufzer / verbrochene Worte und Enderung der Farbe verrathen. Denn weil das Gewissen zugleich Ankläger / Zeuge und Richter ist / entfället auch dem Verwegensten der Muth sein Gerichte mit unverwendeten Augen auszutauern. Daher sticht die Unruh eines ihm übel bewusten Gemüthes / wie der Eßig in dem süssesten Weine / und die Schwärtze durch den weissesten Gips für. Sein Vortrag war kurtz; jedoch konte er seine Fehler / wie die Verwundeten ihre Schäden / nicht gantz unberührt lassen /ungeachtet weder eines noch das andere ohne Empfindligkeit geschicht. Denn wie die Verstellung allzu sehr verrathener Beleidigung den Argwohn ärgster Rache nach sich zeucht; also hat es einen Schein ärgster Hartnäckigkeit / wenn einer sein offenbares Laster mit gar nichts entschuldigt. Seine Vertheidigung aber bestand in der allgemeinen; da nemlich die / welche ihre Verbrechen sonst niemanden auf den Hals zu schütten wissen / sie durch ein neues Laster dem Verhängnüsse zumäßen; gleich als der Himmel gut genung wäre an seine Reinigkeit unsere Schandflecken zu wischen / und seinen Sternen nur Gestalten giftiger Thiere einpregen zu lassen. Er erwehnte selbst die nachdrücklichen Warnigungen beyder ihn hörenden Hertzoge; aber / sagte er / bey dem / welcher zu einem gewissen Unglücke versehen wäre / verfiengen keine gute Rathschläge. Kein Mensch hätte noch die Staffel dieser Vollko enheit erreicht: daß er sich / oder jemand andern aus dem Nothzwange seines Verhängnüsses hätte befreyen können. Diesemnach wäre alle Behutsamkeit vergebens / alle Versehung umbsonst. Deñ der Mensch rennte mit sehenden Augen in sein Unglück / wie die Schafe ins Feuer. Uberdis verfiele man bey so grossen Zufällen und Veränderungen auf so viel Scheidewege: daß der Allervorsichtigste nicht allemal den rechten treffen könte / sondern in dem verwirrten Spiele der Welt wider Willen zuweilen den Blinden abgeben / und denen Sehenden sich zum Gelächter machen müste. Nunmehr aber hätte er Gott zu dancken: daß mit dem ausgekläreten Zustande Deutschlandes er sein gantz Gemüthe umbgedrehet zu seyn fühlete / und seine bisherige Unfälle ihm allererst die Augen aufgesperret hätten den Angelstern seines Glückes nirgends anders / als gegen Nord zu suchen / und die Deichsel seines Fürhabens nicht anders wohin zu kehren / [414] als wohin ihm so wol das Glücke /als die Liebe des Vaterlandes selbst den Weg wiese. Hertzog Arpus kam mit allem Fleiß dem Feldherrn /welcher Segesthen mehr Ehrerbietigkeit zu erweisen Ursache hatte / zuvor / und antwortete: Wenn eine zerfallene Freundschafft nur aufrichtig ergäntzet würde / kriegte sie wie die zerbrochenen und wolgeheilten Beine mehr Stärcke; also / daß beyde hernach ehe anderwerts / als an dem beschädigten Orte brechen würden. In diesem Vertrauen nehmen sie ihn zum Freunde so willig auf / so behertzt sie und das Glücke / ja der seine eigene Kinder zur Rache wafnende Himmel ihn verfolgt hätten. Sein / und tausend andere Beyspiele erhärteten: daß noch niemand den Degen wider sein Vaterland gezückt / den er ihm nicht selbst durch die Hand gestochen. Mehr wäre Segesthen nicht zu sagen. Denn er würde zweifelsfrey schon in sich gegangen seyn / und ihm selbst mehr eingehalten haben / als einem zukäme / der die Feindschafft / wie sie / schon abgelegt / oder vielmehr vergessen hätten. Eines aber könte er mit Ehren und Gewissen nicht unterlassen / nemlich ihn bey der Liebe seines Vaterlandes und seiner ruhmwürdigsten Kinder / welche keine Wildigkeit auch den Thieren abzulegen verstattete / zu beschweren: Er möchte nicht einem Weibe zueignen / was er / vermöge des in sein eigen Hertz geschriebenen Gesetzes der Natur / denen erstern beyden schuldig wäre. Die Entfrembdung dieser Liebe wäre zuweilen des Vaterlandes Fall- aber allemal des von seiner Pflicht absetzenden Leichen-Brett. Die Römer / welche ihr eigenes Vaterland Alba eingeäschert / und mehrmals Rom zu verlassen vorgehabt hätten / liebkoseten zwar eine Zeitlang denen / welche sich zu Werckzeugen frembder Dienstbarkeit gebrauchen ließen / aber diese wären ihnen hernach bis zu ihrem Untergange ein Dorn in Augen: Niemand hätte mit grösserm Eiver als Masanissa seinem Vaterlande das Seil an die Hörner binden helffen; gleichwol hätte sein Enckel Jugurtha nackend in einem stinckendem Gefängnüsse ersticken und erhungern müssen. Die Heduer trügen nun / aber wol verdient / ein zweyfaches Joch / weil sie im Anfange untergebückt: daß Julius die Last den andern Galliern aufbürden können. Nichts sicheres aber könte Segesthes thun / als wenn er durch anderer Augen in sich selbst sähe. Solte Rom die Catten und Cherusker zu Knechten machen; so würden die Chassuarier und Dulgibiner nicht Zeit haben nach der Freyheit sich umbzusehen. Würden sie aber für einen Mann beysammen stehen / so hätten sie sich auf den gemachten Frieden / oder auch auf allen Fall auf ihre Kräfften zu verlassen. Kein Riese wäre so starck / daß er einem Pferde einen gantzen Schwantz ausrisse / oder ein Gebund Pfeile zerbräche; eintzelweise aber wäre es auch Zwergen nicht zu schwer. Kein Feind hätte den Deutschen noch was abgejagt / wenn sie nicht ihre Zwytracht zum Vortheil voraus gehabt: Und die Römer hätten lernen klein zugeben / so bald nur drey oder vier deutsche Fürsten wären unter einen Hutt gebracht worden. Daher Segesthes weder aus Hoffnung / noch aus Furcht von den Deutschen mehr abzusetzen und zu den Römern sich zu schlagen Ursach haben würde / wenn sie nicht glauben solten: daß er entweder aus keinem deutschen Geschlechte entsprossen sey / oder sein gantz Geblüte sich in Galle verwandelt hätte. Sie trauten ihm aber nunmehr nach dem Erkäntnüsse dessen / was das Verhängnüs und das Vaterland von ihm forderte / so viel Freundschafft als Klugheit zu: daß er allen andern Fürsten in Deutschland ein Vorbild unabtrennlicher Treue abgeben würde. Nicht nur alle Chassuarier und Dulgibiner würden mit ihm in den deutschen Bund treten; sondern auch die Alemänner / Longobarden und Marckmänner nach sich ziehen. Daher hätte er und alle Fürsten ins künfftig wol grosser Vorsicht von nöthen. Deñ [415] es wäre mit ihnen wie mit den Ziffern /eine eines stünde offt für tausend; und ein einiger von ihnen begangener Irrthum gebiere ihrer unzehlich bey gantzen Völckern. Die Anfälligkeit aber des Bösen wäre ärger / als das böse selbst. Segesthes / welcher wol verstund: daß wenn Stahl und Stein zusammen kämen / Feuer geschlagen würde / und also klein zuzugeben von nöthen hatte / antwortete: Wie er nicht zweifelte / daß von denen beygelegten Mißhelligkeiten keine Narbe eines beschuldigenden Gedächtnüsses übrig blieben sey; also würde seine künftige Bezeigung darthun: daß er nichts von seinem alten Mißtrauen in seinem Hertzen behalten habe / sondern die Wolfahrt des Vaterlandes sein oberstes Gesätze / und dessen Liebe seine Richtschnur seyn würde. Hierauf umbarmte der Feldherr und Arpus Segesthen / jener händigte ihm auch den in der Schlacht verlohrnen Degen wieder ein / mit dem Beysatze: Wenn er diesen Degen nicht wieder verlieren wolte / solte er ihn nie wider sein Vaterland zücken / wider desselbten Feinde nie zu feste stecken haben. Segesthes bedanckte sich zwar hierfür / nam aber selbten und zerbrach ihn in kleine Stücke / darbey meldende: dieser Degen wäre so befleckt / daß sein Widerschein ihn allezeit schamroth machen würde; daher solte er nicht mehr an seine Seite kommen. Nach diesem kam auf ein gegebenes Zeichen Fürst Siegesmund in das Zimmer /fiel für Segesthen auf das eine Knie nieder / und bat: Er möchte ihm zu Gnaden wenden: daß nicht so wol sein Wille / als Unglück ihn verleitet hätte wider das erste Gesetze der Natur zu sündigen / nemlich ein Werckzeug zu seines Vatern Gefangenschafft zu seyn. Im Kriege würden nicht nur die Augen / sondern auch die Vernunfft verbländet; und denen Rechten der Natur der Mund gestopft. Nichts destoweniger wäre sein Gewissen viel zu zart sich aller Straffe zu entziehen; wenn nicht die Gütigkeit seines Vatern vorher sein Verbrechen ausleschte. Sintemal auch der seinen Vater Cajus unwissentlich tödtende Oedipus seine Unvorsichtigkeit nicht gelinder / als mit Ausreissung seiner Augen gestrafft hätte. Segesthes konte nicht anders thun / als seinen Sohn aufheben / und ihm zu sagen: Er erkennete hierinnen die Schickung des gerechten Verhängnüsses; welches mehr als sein Sohn die Waffen wider ihn geschärffet hätte. Diesem hätte er zu dancken: daß / was er als Vater dem Vaterlande leides gethan / der Sohn durch seine Treue zugleich gut gemacht hätte. Irrthum könte kein Werck verschlimmern / wo der Vorsatz wol angezielet gewest wäre. Keiner aber könte besser seyn / als der für des Vaterlandes Heil angesehen wäre. Diesemnach müste er gestehen: daß der Sohn rühmlicher geirret / als der Vater sein Absehn verfolgt hätte. Und wenn Siegesmund diesen Fußstapffen nachgehen würde / könten auch seine Fehltritte nicht getadelt werden. Ingviomer / Flavius / Jubil / Catumer / und andere Grossen / bey denen Sentius Saturninus inzwischen im Nahmen des Tiberius grosse Freundschaffts-Bezeugungen abgelegt hatte / traten hiermit in das Zimmer / und unterbrachen durch ihre freundliche Begegnungen zwischen Segesthen und Siegesmunden zu beyder Vergnügung die empfindlichste Unterredung; da den Sohn seine kindliche Gemüths-Regung / den Vater das Gedächtnüs seiner Fehler schamroth machte. Fürnemlich aber nam dieser Siegismunds Entschuldigung wider desselben Meinung für eine Beschuldigung auf; da denn nichts gewöhnlicher / als daß man sich dis am meisten zu hören schämet / bey dessen Vollziehung wir uns nicht einmal gefärbet / oder ein Bedencken gemacht haben. Sentius Saturninus erinnerte hiermit: daß Segesthen der versprochene Reichs-Schluß / in welchem alle wider Segesthen vorhin gemachte Schlüsse abgethan werden solten / ausgehändiget wer den möchte. Worauf der Feldherr auch den Aufsatz[416] zur Stelle zu bringen befahl / und mit seiner Unterschrifft denen andern Fürsten vorgieng. Als es aber an Hertzog Jubiln kam / hielt er mit seiner Feder eine geraume Zeit inne. Wie nun der Feldherr dessen Ursache erkundigte / gab dieser schlaue Fürst zur Antwort: Er könte sich sobald nicht auf seinen ihm entfallenen Nahmen besinnen. Hierüber entstand zwar ein ziemlich Gelächter / aber Segesthes empfand dis als die spitzigste Stachel-Rede im innersten seines Hertzens; gleich als wenn dieser scharfsinnige Fürst allen deutschen Fürsten unvermerckt verwiese: daß sie bey Ausfertigung dieses der Deutschen Freyheit nachtheiligen Schlusses außer acht gelassen hätten / wer sie Zeither gewest wären. Gleichwol aber ward er von allen unterschrieben / und Segesthen ausgehändigt. Der Feldherr stellte hierauf Befehl die Taffel zu bereiten / und verfügte sich mit allen Anwesenden in Thußneldens Zimmer. Wie mächtig diese Fürstin nun ihrer war / so überfielen sie doch bey dem Anblicke ihres Vaters und des Sentius Saturnus zwey so ungleiche Gemüths-Regungen: daß man ihre Verwirrung ihr an Gesichte und Gebehrden ansah. Ob nun zwar die heftigste vom Saturnin herrührte / als welcher mit Vermählung seiner Tochter Sentia an Segesthen / zwischen Thußnelden und ihres Vaters Hertzen eine ewige Trennung gestifftet hatte; so verhüllete sie doch diese empfindliche Schwachheit unter die lobwürdigen Freuden-Thränen / mit denen sie die geküssete Hand Segesthens als mit einem reichen Thaue überschüttete. Sie selbst bat sehr beweglich: Segesthes möchte diese für einen Zoll ihrer Treue und Ergetzung über seiner so annehmlichen Umbarmung anzunehmen würdigen. Ihr Hertze wäre Zeit seiner währenden Entfernung von Traurigkeit / wie die Erde des Winters vom Froste verschlossen gewest. Nunmehr aber öfnete es sich von seiner annehmlichen Gegenwart /wie diese im Frühlinge von den Strahlen der Sonne. Ihre Augen stießen so viel Zähren / als einen Schweiß ihrer angefeuerten / oder als einen flüßenden Zeug ihrer von Liebe und Treu schmeltzenden Seele herfür. Segesthen giengen gleichfals die Augen über / und sagte er: seine Vergnügung ließe sich gleichfals nachdrücklicher mit saltzichten Thränen / als flüchtigen Worten ausdrücken; Weil er seine liebste Tochter /die vollkommene Freude seines Hertzens / nun nicht allein als eine Gemahlin des ruhmwürdigsten Feldherrn / sondern als eine fruchtbare Wurtzel des Cheruskischen Hauses umbhalsen könte. Ja wenn beydes nicht genung wäre ihn mit einem Ubermaße der Freuden zu überschütten / so käme noch darzu: daß er sie nicht rechter seine Tochter / als seine Erlöserin nennen müste. Denn ihr Beyspiel hätte an ihr wahr gemacht: daß kein Gefängnüs so feste verriegelt / keine Kette so hart gestählet seyn könte / welche nicht die Liebe auf- oder zu zersprengen wüste. Bisher hätte er ihm eingebildet: daß seine Sehnsucht alle andere Regungen überwachsen hätte; Nunmehr aber verkleinerte sie seine Vergnügung über ihrer Wieder-Erlangung / und zernichtete den gemeinen Irrthum: daß der Genüß eines Dinges nicht so süsse / als das Verlangen darnach wäre. Thußnelde holete hierüber einen tieffen Seufzer / und sagte: Wolte GOtt! daß diesen Genüß niemals mehr durch einigen Eckel vergället werde; und daß die Liebe in Vereinbarung der Gemüther nicht schwächer seyn möge / als er ihr in Zerbrechung der Ketten und Kerker zugeeignet hätte. Segesthes umbarmete sie / und antwortete: sie solte dieses für ein ungezweifeltes Kennzeichen seiner unzertrennlichen Liebe annehmen; welche / weil das Wesen ihrer Seelen einander nicht selbst umbarmen könte /sich mit Umbfassung ihres Behältnüsses vergnügen müste. Wie die Sonne keine Strahlen von sich liesse /welche sich nicht mit andern Gestirnen / unserm Gesichte / Edelgesteinen und andern [417] Geschöpffen vermählten; Wie das Meer keinen Tropffen Wasser verwendete / ohne selbtes mit der Erde oder Lufft zu vermischen; also könte auch ihrer beyder so reine Liebe nicht ohne Vereinbarung der Seelen sich auslassen. Sonst würde auch die vollkommenste eine Bewegung ohne Ziel / eine Reise ohne Ruh / und eine Verirrung ohne Ende seyn. Weil nun nichts leichters ist / als sich der Leichtgläubigkeit eines uns liebenden Hertzens mißbrauchen; ungeachtet nichts niedrigers und schwärtzers zu finden; wurden Thußnelde und der Feldherr durch so bewegliche Betheuerungen unschwer beredet: daß in Segesthens Seele weniger Falschheit / als in einem offtmals gereinigten Magen Galle übrig blieben seyn könte. Also verneuerten sich ihre Umbarmungen; und / weil eines Herrschers holdes Auge die erste Bewegung aller anderer Liebkosungen ist / war niemand nicht in gegenwärtiger Versammlung / welcher nicht dem andern mit Ehrerbietung überlegen zu seyn sich bemühte. Inzwischen ward die Taffel in dem nechsten Saale bereitet; bey welcher die deutschen Fürsten ihre Verträuligkeit durch Ausleerung nicht weniger mit köstlichem Rheinweine gefüllter Hörner und Gläser verneuerten; als wormit sie zugleich ihre Hertzen so viel aufrichtiger auszuschütten / und ihre Freundschaffts-Schlüsse am festesten zu versiegeln vermeinen. Unterdessen befunden sich doch unter allem diesem Gepränge scheinbarer Verträuligkeit nicht alle vergnügt. Segesthen reitzete der Dorn seiner Schande und der Verdruß über dem Genüsse so vieler unverdienter Gewogenheiten zu einer heimlichen Rache. Sintemal die menschlichen Gemüther nichts säuerer ankommt / als die Beleidigten zu lieben und mehr Wolthaten zu Danck annehmen / als man verdienet. Ismene seufzete / wenn schon andere Ursachen ihrem Munde das Lachen abnöthigten / nach ihrem abwesenden Zeno; konte sich also nicht überwinden den doch mit so viel Sieges-Kräntzen ansehnlichen Fürsten Catumer für was bessers / als für einen Bräutigam ihrer Unruhe /und für eine Schiffbruchs-Klippe ihrer Glückseeligkeit anzuschauen. Catumer hingegen hatte stets / jedoch Wechsels-Weise / ein Auge des Antlitzes oder des Gemüthes auf die Chaucische Fürstin Adelmunde; gleich als diese zwey einander / wie die ihre Eyer durch bloßes Anschauen ausbrütenden Straußen / ablösen müsten / umb ihre Vergnügung reif zu machen. Fürst Siegesmund war zwar von Zirolanen zu einer stillschweigenden Anbetung gebracht worden; alleine seine Augen bemühten sich so viel arbeitsamer zu seyn. Unter allen aber schätzte sich Flavius noch für den glückseeligsten. Denn ob ihn sein Glücks-Stern zwar nicht so hoch erhöhete; daß er sich in den Augen der Königin Erato eine Soñe zu seyn unterstehen dorfte; meinte er doch in der Abwesenheit des Fürsten Zeno die Stelle des Monden zu vertreten berechtiget zu seyn. Ihr Hertze hingegen war mit so viel Zweifels-Knoten umbflochten; sonderlich nach der letztern Schlangen-Wahrsagung: daß weder ihre Vernunfft /noch ihre Neigungen sich aus der Liebe des Zeno und Flavius auszuwickeln wusten. Der Tag gieng mit der Taffel und tausend aufwallenden Gemüths-Regungen zur Neige. Nach dem sie aber aufgehoben war; bediente sich Flavius des Vortheils oder vielmehr der Freyheit / welcher der Wein ins gemein den Zügel was reichlicher enthengt / die Königin Erato in Thußneldens Zimmer zu begleiten / und ihr zu sagen: Allerschönste Königin; nunmehr hat der Himmel uns alle Pforten der Glückseeligkeit aufgesperret. In ihrer Willkühr bestehet es nun entweder Armeniens Königin durch Hülffe der mir geneigten Römer / und mit mir eine Fürstin Deutschlands zu seyn; oder mich in äuserste Verzweifelung zu stürtzen. Das Verhängnüß redet mir das Wort; der mit meiner Schwester vergnügte Zeno hat mir mit Fleiß [418] die Stelle geräumet; Ist es nun nicht rathsamer mit mir die selbstständige Liebe zu umbarmen / als mit denen an dem abspenstigen Zeno hangenden Gedancken ihrem Schatten und eigenem Unvergnügen nachrennen? Erato seufzete und antwortete: Großmüthiger Flavius / es ist mir so schwer Armenien / als ihm seine Königin zu besitzen; Und mir so unmöglich des Zeno als meiner zu vergessen. Auch scheinet mir unglaublich: daß Flavius sich mit einer Seele unauflößlich verbinden könne; welche sich ihn so leichte von ihrer andern Helffte hat trennen lassen. Darumb mäßige Flavius sein Verlangen von der / die ihm so wol wil / ein mehrers zu begehren /als sie ihm zu gewehren mächtig / und ihm anzunehmen gut ist. Liebet er mich aber / wie er vorgiebt / so schone er meiner / und mühe sich nicht meine Pflicht zu einer Dienst-Magd meiner Schwachheit zu machen. Er ist vernünftiger als ich / darumb stehet ihm vielmehr zu mein Hertze wider sich selbst zu verhärten / damit mich die Tugend nicht verlasse / umb seinen Versuchungen zu folgen / und mich nach den Eitelkeiten des verschmäheten Armeniens lüstern zu machen. Die Ankunfft einer Person in das Zimmer oder vielmehr seine eigene Verwirrung hinderte den Flavius nicht allein in einem Gegen-Satze; sondern verstörete ihm auch durch tausenderley Auslegungen ihrer Worte seine gantze Nachtruh. Gleichwol aber heuchelte er seiner Begierde so weit: daß er die Königin Erato zu erlangen nicht mehr für unmöglich hielt; wenn er ihr nur mit sich den Besitzthum Armeniens zubrächte. Die Grund-Steine dieser Einbildung waren: daß niemand mehr nach Kron und Zepter seuftze / als der sie aus Einfalt verschmähet hat; und daß die erste Regung der Eyversucht / damit sich Erato schon vorher gegen dem Fürsten Zeno loßgegeben hatte / der vergehenden Liebe letztes Athem-holen sey.

Folgenden Morgen unterließen Agrippine und Saturninus nicht ihre Einladung zu dem Käyser zu Ehren angestellten Feyer aufs beweglichste zu wiederholen. Wormit auch ihnen ihre Einladung so viel mehr ein Ernst zu seyn schiene / theilten sie im Nahmen des Tiberius / an statt der sonst gewöhnlichen beinernenhöltzernen- oder ertztenen / zierliche Gast-Zeichen aus Golde allen Fürstlichen und andern hohen Personen aus; welche man in zwey gleiche Theile von sammen schüben oder schrauben konte. Worvon der eingeladene Gast die eine / der Wirth die andere Helffte zum Merckmale des eingegangenen Gastrechtes zu behalten pflegte. Auf dem / welches der Feldherr Hermann bekam / war auf dem einen Theile Pylades / auf dem andern Orestes künstlich geschmeltzt. Thußnelde bekam eines / darauf Telemachus Minerven bewirthete. Auf Ingviomers stand das vom Menelaus dem Telemachus und Pisistratus gegebene Mahl. Auf dem der Königin Erato war geetzt; wie die gutthätige Calypso den scheuternden Ulysses bewillko te. Ja jedes dieser kostbaren Gast-Pfänder hatte was nachdenckliches auf sich. Uberdis lieferte Agrippina im Nahmen des Germanicus dem Feldherrn eine güldene rundte Platte ein / umb welche alle Schutz-Götter der Gäste / nemlich Jupiter mit den Donner-Keilen / Venus / Minerva / Apollo / Castor /Pollux / die Hauß- und Strassen-Götter gebildet waren. In der Mitte aber stand die schärfste Betheuerung und Flüche / da denen Eingeladenen das wenigste Leid geschehen solte. Zwischen diesem Eyde war überdis durch Schmeltz aufs zierlichste ausgedrückt /wie Jupiter den ihm von dem Menschen-Fleische seiner erwürgten Gäste zu Essen-gebenden Lycaon in einen Wolff verwandelt. Weil der Feldherr keinen Schein einigen Mißtrauens von sich blicken / noch auch von den Deutschen urtheilen lassen wolte; daß ihre Gramhaftigkeit der Römischen Höfligkeit nicht würdig wäre; gab er selbst Anlaß: daß seine Gemahlin Thußnelde / Erato / [419] Catta / Ismene / Zirolane / Adelmunde / Hertzog Flavius / Ingviomer / Catumer /Siegesmund / Marcomir / Sesitach / Sebald / Reinold / Arnold / und viel andere deutschen Helden nach Meyntz reiseten / denen Käyserlichen Ritter-Spielen beyzuwohnen. Tiberius hatte inzwischen an Pracht und anderer nöthigen Anstalt nichts vergessen / was so wol zu würdiger Bewillkommung so vornehmer Fürsten / als zu Andeutung seines Gernesehens nöthig schien. Hierzu veranlaßte ihn nicht nur der neue Friede und Freundschafft / welche nach beygelegtem Zwist am geschäfftigsten ist seine gute Neigungen zu bewehren / oder zu bescheinigen; sondern auch der Deutschen Art; welche über alle andere Völcker der Welt das Gastrecht für was gar überaus heiliges halten. Denn ob wol die freundlichen Griechen ihre Gäste desto ehrlicher zu empfangen absondere Aempter in Städten hatten / die gastfreyen Cretenser allemal neben ihrem Tische einen andern für frembde Gäste / und den dritten für den bewirthenden Jupiter deckten die freygebigen Megarenser und Corinthier /so gar ihre Kriegs-Gefangenen als angenehme Gäste unterhielten / und ohne Lösegeld frey ließen; die gutwilligen Nachbarn des Flusses Phasis jedem Schiffbruch-leidenden über ihren Unterhalt noch drey Minen mit auf den Weg gaben; die Calabrer das ihrige auf Gäste zu verschwenden für Ehre hielten; ja fast allenthalben das nur mit Saltz und Brod gestifftete Gastrecht der Bluts-Freundschafft vorgezogen wird; also / daß wegen dieser Verbindung der dem Priamus verwandte Teucer für die Griechen wider sein Vaterland zu kämpffen kein Bedencken trug; so thun es doch die Deutschen und Gallier in Bedienung ihrer Gäste allen andern zuvor. Denn sie nehmen nicht nur Steinfrembde umbsonst auf / und halten es für Schande sie umb Geld wol zu bewirthen; sondern sie gehen auch selbten entgegen / und streiten gleichsam umb die Ehre ihnen gutes zu thun. Denn sie halten alle Gäste für heilige und GOtt angenehme Leute / also für ärgstes Laster ihnen Leid zu thun / oder wiederfahren zu lassen. Nichts ist in ihrem Hause für ihnen verschlossen; alles muß sodenn bey Tische voll-auf /und denen Wegziehenden / nichts / was sie nöthig haben oder verlangen / versagt seyn. Und hierinnen machen sie so gar zwischen Bekandten und Frembden keinen Unterscheid / und gleichwol rechnen sie alles dis für keine Wolthat / machen auch daraus keine Verbindligkeit. Dieses sind die Sitten der freygebigen Nord-Länder; woraus bey den Griechen dieses Gerichte erwachsen: daß Toxaris und andere Scythen ihre Gäste für Götter anbeteten. Diesen wolte nun Tiberius seinen Römern zu Ehren nichts nachgeben; als welcher bey seinen vielen Lastern doch viel Tugenden / und darunter diese fast am vollko ensten hatte: daß er gastfrey war / und wie vorzeiten Cajus Gracchus zu Rom / täglich offene Taffel hielt. Diesemnach muste die deutschen Fürsten Germanicus / den Adel Apronius zu Meyntz für dem Thore mit allerhand Säiten-Spielen und vielem Gepränge empfangen. Tiberius selbst kam ihnen mit dem fürnehmsten Römischen Adel bis an die Pforte seines Hauses entgegen; reichte allen Deutschen die rechte Hand; grüssete einen jeden absonderlich / denen Fürsten küssete er das Haupt /dem Frauenzimmer die Stirne / als einen heiligen Sitz des Schutz-Geistes. Hingegen wolte er dem deutschen Adel durchaus nicht verstatten: daß sie ihm zum Zeichen ihrer tieffen Verehrung die Knie anrührten; betheuerte auch: daß die Ankunfft so hochgeschätzter Gäste ihm unfehlbar etwas gar gutes bedeutete. Denn bey Fürsten wird zuweiln eine bloße Unterlassung einer geringen Zierligkeit für einen Schimpff und Beleidigung aufgenommen. Flavius und Thußnelde musten des Tiberius eigene Zimmer einnehmen / und die fürnehmsten Römer denen andern ihre bequämsten Wohn-Städte räumen. Gallien hatte von beydes [420] Meeren genungsam zuzuführen / umb allem Mangel an kostbarer Unterhaltung abzuhelffen / oder vielmehr den Uberfluß der Natur / und das Vermögen der Römischen Verschwendung sehen zu lassen. Zu denen Spielen war oberhalb Meyntz an dem Rheine ein weiter Platz ausgezeichnet / und in Gestalt eines Schau-Platzes mit Gestülen für viel tausend Zuschauer umbgeben. Agrippine führte alles deutsche Frauenzimmer auf einem Schiffe dahin / welches einen güldenen Wallfisch / die Ruderer aber schupffichte Wasser-Götter fürbildeten. Rings umbher schimmerten viel kleine / theils wie Sirenen / theils wie Meerschweine gebildete Nachẽ / welche mit annehmlichen Säiten-Spielen die Luft / wie die Sonne mit einer liebkosenden Wärmbde erfülleten. Die deutschen Fürsten und Ritter aber wurden vom Sentius Saturninus zu Lande dahin begleitet. Sintemal diese wol wusten: daß die Deutschen und Persen / welche ihre Kinder bald zum Stecken-Reiten gewöhnten / und im gewissen Alter auch an statt der Senfften sich der Pferde bedienten /für Schande hielten dahin zu fahren / wo sie hin reiten könten. Der erkiesete Schau-Platz bildete recht die länglicht rundte Renne-Bahn des beym Trasimenischen See vom Hannibal erlegten Flaminius ab / welchen er neben den bald nach vertriebenen Königen erbauten Tempel der Bellona aufgeführt hatte. Für die Römer und Gallier waren im eusersten Umbkreisse; für die eingeladenen Deutschen aber in der Mitte der Reñebahn zwischen den Bildern des Neptun / der Thetis / und Achilles unter einem vergüldeten Himmel wolabgetheilte- und mit Persischen Teppichten bedeckte Gestühle bereitet; auch eine grosse Anzahl des Römischen Adels und Frauenzimmers diese vornehmen Gäste zu unterhalten verordnet. An der geraden Seite des Ey-länglichtumbschlossenen Platzes war ein Tempel des Krieges zwar nur aus Holtze gefertigt /aber so wol gemahlet: daß er dem außerhalb der Stadt Rom stehenden steinernen Tempel der Bellona / welchen Appius Claudius gebaut hatte / an Seulen / Pforten / und allem gantz ähnlich / darmit aber unterschieden war: daß an statt der Claudier / der sieben Römischen Könige Bilder zwischen den Seulen zu schauen waren. Für diesem Tempel stand auch / wie bey dem zu Rom / eine niedrige Seule / an welcher die neuen Kriege angezeichnet wurden. Sie hatten kaum ihre Stühle besessen / als gegen über sich die Pforte des Tempels mit einem grossen Gethöne kriegerischer Hörner öffnete / und vier Herolde zu Pferde heraussprengten / drey mal umb den Tempel rennende allezeit rufften: Krieg! Krieg! endlich jeder an erwehnter Seule einen Spieß aufhieng; und an die Seule mit Röthe voraus gesprochene Worte anschrieb. Hierauf folgte auf einem Feuer-rothen Wagen / welchen vier Trachen zohen die Schwester und Gemahlin des Kriegs-Gottes. Sie war in Blut-rothe Seide gekleidet; in der rechten Hand hielt sie eine brennende Fackel /in der lincken eine Sichel. Auf dem Haupte hatte sie einen Helm / zerstreute Haare. Zu den Füssen einen Schild / eine Peitsche und allerhand Waffen. Umb den Wagen giengen sieben nackte Priester / welche mit Messern ihre Armen und Beine zerkerbten; das daraus flüssende Blut aber mit den holen Hand-Tellern auffiengen uñ einander zutrancken. Für dem Wagen giengen zwölf Unholdinnen mit schwartzen Pech-Fackeln. Ihm folgten zwölf einäugige Riesen / und so viel geharnschte Zwerge / jene mit grossen Käulen / diese mit Bogen und Pfeilen. Als Bellona zu der Krieg-ankündigenden Seule kam / rieß sie nach Art der zum Kriege ausziehender Bürgermeister einẽ Spieß davon zu sich / schlug damit wider die Seule und warf selbten gri ig weg: daß er in der Erde stecken blieb. Hierauf fieng sie an zu singen:


[421]
Rom / Frau und Haupt der Erde /
Mein wohlgerathen Kind /
Hemm' einmal deine Pferde.
Denn deine Siege sind
Nunmehr biß an den Rhein / und hoch genung gebracht.
Der ist nicht Siegens werth / der keinmal Friede macht.
Du wirst mit Lorbern prangen /
Die Welt dich beten an /
Ob ich dir dein Verlangen
Gleich / nicht gewehren kan:
Daß Elb' und Weser wird dein neues Eigenthum.
Die Tugend krieget nicht umb Wucher / nur umb Ruhm.
Kein Ziel der Mord-Lust finden /
Ist ein Cyclopen-Krieg;
Sich selber überwinden /
Ist aller Siege Sieg.
Weil das Verhängnüß nun steckt deinem Krieg ein Ziel.
So sey vergnügt mit dem / was Stern und Himmel wil.
Jedoch must du nicht schlaffen;
Stets ruhen ist nicht gut.
Der Rost frißt stille Waffen /
Bewegung dient der Fluth.
Erörter mit dir selbst: welch Bürger deiner Stadt
Der Tugend höchsten Preiß den Krantz verdienet hat.

Nach dem Beschlusse ihres Singens erhub sich ein abermaliges Krieges-Gethöne; und Bellona rennete zwischen denen sie umbgebenden Schaaren gleichsam wütende hin und her. Hierauf ließ sich ein annehmlicher Schall von Seitenspielen hören / nach welchen die Unholden / die Riesen und Zwerge einen künstlichen Tantz anfiengen. Darinnen die Riesen bald mit ihren Käulen die Unholden / bald diese die Riesen mit ihren Fackeln verfolgten; die Zwerge sich aber bald zu einer / bald zu der andern Seiten schlugen / und durch ihre Geschwindigkeiten theils mit dem Bogen-Schüssen / theils mit ihren leichten Sprüngen einem und dem andern einen Vortheil abrennten. Als dieser Tantz sich kaum geendigt hatte / öffnete sich das Thor auf der Ost-Seite der Renne-Bahn / durch welches der alte Arcadische König Evander; welcher auf dem Palatinischen Berge das erste Schloß in Rom gebauet haben soll / mit einem Hauffen halb auf Arcadisch /halb auf Römisch gekleideter Kriegsleute einzoh. Diesem folgte ein ertztener von vielem Eisen schwirrender und von vier Wölfin gezogener Sieges-Wagen / an dessen Hintertheile eine übergüldete Wölfin mit zwey saugenden Kindern künstlich geetzt war. Darauf saß Rom in Gestalt eines siebenjährigen / aber wohl-gerüsteten Kindes. Hinter dem Wagen folgte der den Romulus fürstellende Tiberius zu Pferde / mit hundert alten Römern / welche theils Arcadisch / theils Phrygisch / theils nach Art der alten Lateiner aufzohen. Für ihm ward getragen das Gemählde der von ihm viereckicht-gebauten Stadt Rom mit vier Pforten seines Vejentischen Sieges / und der Raub der Sabinischen Weiber. Nach dem Romulus hatte Germanicus mit Vorstellung des andern Königs Numa Pompilius auf einem von Maul-Thieren gezogenen silbernen Wagen seinen Aufzug. Darauf war Egeria / wie sie auf ein brennendes Altar Weyrauch streute / gemahlet. Für ihm trugen vier Vestalische Jungfrauen das von Troja in Italien gebrachte ewige Feuer / drey Priester das zu Troja vom Himmel gefallene Bild der Pallas /zwölff Salische Priester des Krieg-Gottes in gemahlten Röcken mit eisernen Brust-Stücken so viel Ancylische Schilde; derer einer zur Zeit des Numa / als ein Merckmal ewiger Herrschafft / gleicher gestalt vom Himmel gefallen seyn soll. Diesem folgten hundert wohlgewaffnete Leib-Schützen oder Celures. Den dritten Aufzug machte der den kriegerischen Tullus Hostilius vertretende Asprenas / auf einem von vier Luchsen gezogenen rothen Wagen. An selbtem war das Bild der Rache zu sehen; welche den Horatius zu Durchstechung seiner Schwester; den Hostilius zu Zerreissung des Metius Fufetius anstiftete. Für ihm ward das Bild des Kriegs-Gottes / die mit Ruthen umbwundenen Bürgermeister-Beile [422] / das Gemählde von Uberwindung der Curatier / der Stadt Fidena / die Einäscherung der Stadt Alba / und die Aufnehmung der Albaner in Rom fürgeträgen. Ihm folgten hundert aufs beste gewaffnete Römer / halb zu Pferde / halb zu Fusse. Der vierdte war Cäcina auf einem mit vier Walachen bespannten Wagen / der Vorsteller des die Kriegs- und Friedens-Künste miteinander vermischenden Ancus Martius. An seinem blauen Wagen war das güldene Bild des Glücks geetzt / welchem dieser König den ersten Tempel in Rom gebaut. Seinen Ruhm stellten die vorgetragenen Bilder des über die Lateiner erhaltenen Siege / der erweiterten Stadt Rom / der gebauten Brücke über die Tiber / und des bevolckten See-Hafens Ostia für. Nach ihm folgten ebenfalls funfzig Reiter / und so viel Fuß-Knechte. Der fünfte Aufzug war des Tarquinius Priscus / oder des seine Stelle vertretenden Norbanus. Er saß in einem gantz güldenen Sieges-Wagen auf einem helffenbeinernen Stule / in einem mit Gold und Seide gestückten Rocke. Den mit allerhand bundten Blum-Wercke besämten Wagen zohen vier mit einem köstlichen Zeuge belegten Hengste. An dem Wagen war das Bild der Pallas aus Corinthischem Ertzte künstlich erhoben; weil er aus Griechenland eben so wohl allerhand Künste und Wissenschafften / als alle obige Zierrathen zu erst nach Rom gebracht. Für dem Wagen wurden von eitel Wahrsagern getragen zwölff abgebildete Städte der Thuscier / Sabiner und Hetrurier; welche er mit ihren Völckern überwunden; wie auch der Grund-Riß des Capitolium / und seine Gebäue wider die überlauffende Tiber. Die ihm nachfolgenden Kriegsleute waren mit viel bessern Waffen /als seiner Vorgänger ausgerüstet. In dem rechten Aufzuge vertrat auf einem mit eitel Sternen beworffenen Wagen Stertinius die Stelle des Servius Tullius. An dem von vier weissen Ochsen gezogenen Wagen war das Bild des Verhängnüsses gebildet / welche des Tullius Haupt mit einer Flamme überschüttete; westwegen ihn des Tarquinius Gemahlin Tanaquil / als einen künftigen Herrscher unter ihre Kinder aufnahm. Für ihm wurden unterschiedene Taffeln getragen / auf welchen die Abtheilung des Römischen Volckes / die Unterscheidung des Adels und der Zunften / die Austheilung der Schatzungen / und anderer Wirthschaffts-Anstalten; der Riß von Erweiterung der Stadt und der sie umbgebenden Graben; die Uberwindung der Sabiner / und die Demüthigung der Vejenter zu schauen war. Ihm folgten hundert gewaffnete Römer in einer bessern Ordnung / als alle vorher. Den siebenden Aufzug hielt Lucius Apronius unter dem Nahmen des hoffärtigen Tarquinius in einem Purpur-Kleide auf einem mit Edelgesteinen besetzten / und von drey Panthern gezogenen Wagen; an welchem die Hoffart /die Herrsch-Sucht / und Grausamkeit Tullien des Tarquinius Gemahlin über die blutige Leiche ihres ermordeten Vaters Tullius mit denen Pferden zu sprengen reitzten. Vorher ward das bey angefangenẽ Baue des Capitoliums ausgegrabene Menschen-Haupt; der Abriß seines grossen Tempels; ein Verzeichnüß der von ihm gesetzten Feyertage / und die Gemählde seiner wider die Sabiner und Hetrurier erlangten Siege getragen. Die dem Wagen nachfolgenden Römer waren so wohl mit Werckzeugen der vom Tarquinius ausgedachter Peinigung / als Waffen versehen. Nach dem alle diese einmal umb die Renne-Bahn gezogen waren / machten die sieben Könige mit ihren Aufzügen umb Bellonen einen Kreiß / Rom aber stellete sich Bellonen gleich gegen über / und fieng nach einem starcken Gethöne der Kriegs-Hörner an folgendes zu singen:


[423]
Auf festen Grund Palläste bau'n /
Auf Stämme gute Pfropfer setzen;
Füllt zwar das Auge / läst sich schau'n /
Schafft so viel Frommen / als Ergetzen.
Der aber thut ein Werck / das beydes übersteigt /
Der Schlösser legt in Grund / und Stämme selber zeugt.
Mein Adler ist der Grund und Fuß
Der ewigen Stadt Rom zu nennen;
Das Welt und Meer verehren muß /
Dem alle Völcker Weyrauch brennen.
So viel ein kräfftig Quell beschämt die faule Bach /
So viel gibt iede Zeit auch meiner Jugend nach.
Und diese sieben Söhn' allhier /
Die Erst-Geburthen meiner Stärcke /
Gehn allen andern Römern für;
Was sie gethan / sind Wunderwercke.
Der ersten Jahre Kern hegt stets das beste Blut /
Der Anfang ist stets heiß / der Fortgang schwächt die Glut.
Weil aber eine Sonn' allein
Ist unter sieben Irre-Sternen;
Und aller Blumen edler Schein
Sich für der Rose muß entfernen;
Die Tugend einen Krantz nur einem setzet auf.
So zeigt / wer ihn verdient / durch euren Kampf und Lauff.

Nach Endigung dieses Liedes rennen die sieben Könige auf ihren zweyrädrichten; iedoch sonst auf vielerhand Arten unterschiedenen Wagen mit einander umb die Renne-Bahn die Wette; hernach stritten nicht nur sie von den Wagen mit Werff- und Abschüssung vieler Wurff-Spiesse und Pfeile; sondern auch die /welche sie begleiteten / aufs zierlichste gegen einander / wie beydes auf der Flaminischen Renne-Bahn in den Taurischen Spielen zu geschehen pfleget / welche dem blutigen Saturnus und andern unterirrdischen Göttern zu Ehren pflegen gehalten zu werden. Am wunderwürdigsten aber war bey diesem Rennen zu schauen: daß die faulen Maul-Thiere des Numa denen andern schnellen Thieren so gleich die Wage hielten /die unbändigen Luchse / so wohl als des Martius Walachen / den Zügel des Hostilius vertrugen; die sonst langsamen Ochsen des Tullius der feurigen Geschwindigkeit der den Priscus führender Hengste nichts bevor gaben; die grimmigen Panther für dem hoffärtigen Tarquinius sich so sehr demüthigten; und fürnemlich: daß die Wölffe sich so freundlich geberdeten / als wenn sie unter eitel beliebten Papegoyen wären; oder in ihrer Haut eitel freundliche Latonen wohneten / und nach etlichen Rennen sie nicht alleine allen andern Thieren zuvor kamen; sondern auch die Pferde gantz stätig und hiermit die Meynung wahr machten: daß die angespannten Pferde / wenn sie in eines Wolffes Fußstapfen treten / gleichsam gefroren und unbeweglich würden. In dem Gefechte thäten in allen sieben Hauffen auch ein ieder das beste; und müheten sich diese mit geschickter Wendung ihrer Pferde; jene mit Vortheilhaftigkeit ihrer Schilde und Waffen; viel mit Arglist durch Netze und Riemen /andere durch ihre Geschickligkeit die Oberhand zu behaupten. Wie denn ieder Hauffe mit allen andern Wechsels-weise zu treffen kam. Endlich erhielten doch die Gefärthen des Romulus / wie ihr Führer für allen andern so viel Vortheil; daß der andern sechs Könige Hauffen wider den einigen Romulus ein stillschweigendes Bindniß zu machen schienẽ / und mit gesa ter Hand dem Romulus auf den Hals dringen wolten. Bellona aber rennte mit ihrem Anhange darzwischen / und / nachdem für ihr nicht allein alles die Waffen sincken ließ / sondern der gantze Schau-Platz gleichsam verstu ete / fing sie an zu singen:


Nun ists / ihr edlen Helden Zeit

Von Kampf und Rennen aufzuhören;

So wohl-bewehrte Tapferkeit

Strebt nicht nach Rache / nur nach Ehren.

Der Erde Schatten reicht zum Monden höher nicht;

Kein Neid verfinstert ie der höchsten Tugend Licht.


Zieht euch nicht eures Romulus

Verdienten Vorzug zu Gemüthe;

Weil ihm zum Vortheil dienen muß

Der Wölffin Milch / des Mars Geblüte.

Was Wunder? daß an dem nichts eure Tugend schafft.

Der Gott zum Vater hat / und wilder Thiere Krafft


[424]

Uhrheber meiner grossen Stadt /

Die dich zur Göttin macht auf Erden /

Und dich für längst vergöttert hat /

Dir muß mein lorbern Siegs-Krantz werden.

Nim hin der Tapferkeit verdienten Ehren-Preiß;

Weil sich kein Römer dir nicht zu vergleichen weiß.


Nach vollendetem Gesange wendete sich Bellona /und fuhr in erster Ordnung wieder in den Tempel. Die Römischen Könige aber rennten mit allerhand zierlichen Wendungen so geschickt durch einander: daß es nicht ohne Verwunderung zu schauen war / wie die einander so begegnenden Wagen nicht an einander stiessen. In diesen geschickten Verflechtungen wiechen die andern sechs Könige dem Romulus allezeit mit Ehrerbietung aus; und am Ende beschlossen sie seinen Wagen in die Mitte. Hierauf hielten der Könige Begleiter zu Pferde einen von den kriegerischen Spartanern erfundenen Roß- die zu Fusse aber einen von den Cureten angegebenẽ Waffen-Tantz. Hiermit überfiel den Schau-Platz die finstere Nacht; aus der Lufft aber kam in Gestalt eines fallendẽ Sternes Prometheus gefahrẽ; welcher mit einer breñenden Ruthe sich durch die oberste rundte Oefnung in Bellonens Tempel herab ließ. Dieser ward inwendig alsofort mit viel Lichtern erfüllet: daß es durch die Fenster und Pforten nicht anders schien / als wenn er in vollem Feuer stünde. Kurtz darnach kam Prometheus mit Bellonen wieder auf ihrem Wagen aus dem Tempel gefahren / und hatte für sich ein von ihm aus Golde gearbeitetes Bild des Käysers Augustus. Bellona aber / als sie zwischen die sieben Könige kam / wendete sie sich gegen dem in der Mitte haltendẽ Romulus /und fieng an zu singen:


Vergnüge / Romulus / mein Sohn /

Dich am Genüsse deines Preises;

Ich gönne dir den Tugend-Lohn /

Den Ruhm des gantzen Erden-Kreises;

Doch mein ertheilter Krantz steht dir nicht länger an /

Nun mir ein hi lisch Licht die Augen aufgethan.


Beschaue des Prometheus Bild /

In dem ein hi lisch Feuer glimmet;

So bald die Zeit wird seyn erfüllt /

Die das Verhängnüß hat bestimmet /

Wird Rom durch seinen Geist beseelt und glücklich seyn;

Ja ihm wird sich die Welt zum Tempel weihen ein.


Der grösten Sieger Helden-Geist

Wird sich für seinem scheu'n und flüchten.

Der / wo Nil / Ister / Tagns fleust /

Nur Wunder-Wercke wird verrichten.

Ja Rom / für dem die Welt und Mars sich bücken muß

Legt Schwerdt und Sieges-Fahn selbst für Augustens Fuß


Die Adler / welche Jupiter

Ließ umb den Kreiß der Erde flügen /

Wird er von Delphis bringen her /

Rom sie zum Heiligthume kriegen.

Und seines Zepters Maaß wird künftig bringen bey:

Daß Rom / nicht Delphis mehr / der Erde Nabel sey.


Hat Romulus den Grund gelegt;

So wird August doch Rom erst bauen.

Wo ietzt der Leim ein Stroh-Dach trägt /

Wird Gold und Marmel seyn zu schauen;

Er macht das Dorff zur Stadt / zum Meere seinen Fluß:

Drumb tritt den Preiß nur ab dem andern Romulus.


Bey wehrendem Singen stiegen sechs Könige von ihren Wagen / hoben das Bild des Käysers August von dem der Bellonen / und setzten es mit grosser Ehrerbietung neben den Romulus / welchem er seinen empfangenen Lorber-Krantz aufs Haupt sätzte. Alles was sich im Schau-Platze nur regen konte; rennete oder tantzte. Zwischen diesen Freuden-Bezeugungen sang Bellona folgende Reyme:


Der Ruhm des ersten Romulus

Wird blühend seyn / weil Rom wird stehen.

Denn seine Herrschafft war der Fuß

Des Reiches / das nie wird vergehen.

Der and're Romulus / Augustus aber soll

Zum Erden-Haupt erhöhn Rom und sein Capitol.


Rom wird zwar als ein Heiligthum

Des ersten Königs Hütte preisen.

Allein Augustens Glück und Ruhm

Wird Welt und Himmel Ehr' erweisen.

[425]

Wer's nen' und alte Rom auch mit der Zeit beschaut /

Bekenn't: Dort habe Kunst / die Einfalt hier gebaut.


Nach diesem erhellete sich die Lufft mit unzehlbaren Stern-Feuern; derer etliche sich nach und nach der Erde näherten / und zugleich vergrösserten. Diese wurden endlich im Schau-Platze für die sieben Irr-Sterne / und ihnen nachfolgenden sieben Plejades erkennet. Jene gesellten sich alsofort zu den sieben Römischen Königen; und zwar Saturn zum hoffärtigen Tarquinius; Mercur zum geschickten Servius; Jupiter zum Kunst-liebenden Prisus; Venus zum beliebten Martius; Mars zum streitbaren Hostilius; der Monde zu dem andächtigen Numa; die Sonne zum Romulus; vielleicht / weil dieser der Uhrheber der lebhaften Stadt Rom / wie die Sonne der Brunn des Lebens / und die Seele der Welt ist. Bey der Ankunfft dieser Gestirne war niemand in Begleitung der sieben Könige / der nicht eine weisse Wachs-Fackel / niemand wuste bey dieser Geschwindigkeit / woher / in die Hand bekam. Das Sieben-Gestirne der Plejaden aber verfügte sich zu dem Wagen des Romulus / und fieng nach siebenerley Seiten-Spielen an zu singen:


Der Sterne sieben Könige

Sind lüstern worden nach der Erde.

Sie fahrn aus der saphirnen Höh':

Daß ihnen kund und wissend werde /

Was für ein hi lisch Glantz die Renne-Bahn erhell't /

Was für ein göttlich Bild bestrahlt die Unter-Welt.


Die sieben Irr-Sterne hielten hierauf einen künstlichen Tantz umb den Wagen des Romulus / darauf Augustens Bild stand. Sie näherten sich Wechsels-weise diesem Bilde / und zeugten ihre Begierde es genau zu betrachten. Bey dem Schlusse fuhren die Plejaden im Singen fort:


Daß es Prometheus Diebstahl setz /

Kan diese Bildes Zeug beweisen.

Dionens Ertzt / Saturnens Bley /

Der Zien des Zevs / des Mavors Eisen /

Der Sonne Gold ist hier / des Monden Silberspur /

Und der Queck-Silber-Geist des flüchtigen Mercur.


Die Irr-Sternen veneuerten hierauf ihren Tantz /; und nach diesen die Plejaden ihren Gesang:

So ist's / des Himmels Feuer-Dieb

Prometheus hat diß Bild gegossen

Aus Ertzt / das durch des Himmels Trieb

Aus Sternen-Saamen hergeflossen.

Er wehrt / weil er nichts mehr vom Himmel stehlen kan /

Für Thon ietzt hi lisch Ertzt zu seinen Bildern an.


Nach wiederholetem Tantze der sieben Irr-Sternen verneuerten die Plejaden auch ihren Gesang:

Diß Bild ist noch zur Zeit zu gut

Die Kindheit der Stadt Rom zu zieren.

Laßt's uns für die gestohlne Glut

In güldnen Himmels-Tempel führen:

Da der gestirnte Bock ihm eine Seel' einflößt /

Die güldne Zeiten bringt / und's Unglück von uns stößt.


In einem Augenblicke kam ein feuriger Stein-Bock / welchen August für seinen Geburts-Stern hielt / und ihn destwegen auch auff seine Müntze pregen ließ /aus der Lufft herab gefahren. Die Irr-Sternen und Plejaden aber faßten sich mit dem Bilde des Käysers August / setzten es auf den gestirnten Stein-Bock / welcher sich darmit gegen dem Himmel erhob. Die Sternen folgten selbten mit einem Gethöne vieler hundert Seiten-Spiele nach / biß alles sich in den Augen der hierüber verwunderten Zuschauer verlohren / und mit denen ausleschenden Lichtern auch alles im Schau-Platze verschwand. Jedermann kehrte hierauf wieder nach Meyntz / in Meynung durch den Schlaf so viel dem Tage zu benehmen / als die Wachsamkeit der Nacht-Ruh abgebrochen hatte. Alleine die Höffligkeit des sonst so sauersehenden Tiberius weckte sie zeitig mit anmuthigen Seitenspielen und Griechischen Sängerinnẽ auf. Kurtz darauf ließ er alle Gäste in einen am Rheine gelegenen Garten einladen; dahin Germanicus die deutschen Fürsten; Agrippina das Frauenzimmer selbst abholete. Dieser Garten war vom Drusus noch angelegt / auf dreyen Seiten von eitel mit[426] Reben belegten Hügeln umgeben / und von vielen lebendigen Quellen angewässert. Alle Gänge waren nach der Schnur mit weissen Buchen besetzt / welche theils mit ihrer Höhe / theils mit ihren die Gänge zuwölbenden Aesten keine Sonnen-Strahlen einliessen /sondern recht kühle Lauber-Hütten abgaben. Die Helffte des Gartens bestand in eitel fruchtbaren Obst-Bäumen / welche mit denen köstlichen Früchten / die Griechenland / Italien und Hispanien trägt / gepfropft waren. Die andere Helffte bestand in zwölff Blumen-Feldern / welche mit hunderterley Arthen Blumen überwachsen waren / die die Römer erst für wenigen Jahren aus Assyrien und Asien nach Rom und folgends nach Meynz versetzt hatten. Die dahin kommenden Deutschen erstauneten: daß sie in ihrem Deutschlande so unvermuthet alle Schönheiten der Morgen-Länder antraffen. Sie waren beschämet: daß sie der wenigsten Nahmen zu nennen / weniger aber ihre Farben zehlen / oder ihre Gestalten unterscheiden könten. Ja die Königin Erato selbst / welche mit dem sä tlichen Frauenzimmer alle noch von dem Speichel der Sterne / nemlich dem Thaue / bespritzte Blumen-Stücke begierig betrachtete / ward hierüber gleichsam verzückt / und fieng an: Sie finde in diesem Garten mehr Vergnügung / als ihr iemals einer in Meden oder Armenien gegeben hätte. Dieses rührte auch nicht nur aus blosser Anmuth der Neuigkeit her / sondern sie hätte darzu rechtschaffene Ursachen. Die Cypressen /wormit sie im Morgenlande die Gänge besetzten / hätten zwar eine fettere Grüne und eine annehmlichere Rundte; aber die sich gegen einander wölbenden Buchen wären zwar zum Schein für die Sonnen-Strahlen viel geschickter. Die Obst-Bäume wären hier in einer so wunderwürdigen Ordnung gepflantzt: daß / wo das Auge sich hin wendete / man gerade Gänge für sich sähe. Die Blumen wären in Mesopotamien und Assyrien / als ihrem rechten Vaterlande zwar zu Hause /und wüchsen ungepflantzet auf den Feldern; aber die hier vollen Narcissen wären dort nur hohl; die Anemonen nicht so vielblättricht; die Hyacinthen hätten nicht so grosse / auch nicht so viel- und hochblaue /am wenigsten aber volle Kelche wie in diesen Blumen-Stücken; die Tulipanen wären dort nur roth und gelbe; hier aber spielten sie mit so viel Farben durch einander: daß das Auge sich kaum von ihrer Vielheit auswickeln könte; und die Kunst in Deutschland der Natur wärmerer Länder hierinnen den Preiß abjagte. Es ist wahr / sagte Agrippine; die Kunst ist in Gärten ein rechter Proteus; welcher nicht nur wilde Stämme in fruchtbare Bäume; sondern auch das ungefärbte Wasser der Blumen in Gold / Himmel-blau / Purpur /ja gar in Flammen verwandeln kan. Durch ihre hülffliche Hand spielet die Natur mehr in diesen flüchtigen Geschöpfen / als in Edel-Gesteinen. Etliche übertreffen Schnee und Helffenbein; andere Flammen und Schnecken-Blut; viel das Gold / die Türckisse und Saphire; und ihrer nicht wenig spielen vielfärbichter /als die Tauben-Hälse / Pfauen-Schwäntze und Regenbogen. Dahero sich über denen Getichten der Griechen nicht zu verwundern: daß die Lilgen aus der Milch des Juno / die Hiacynthen aus dem Blute des Ajax / die Anemonen aus dem schönen Adonis gewachsen / die Rosen aber von den Wunden der Liebes-Göttin geröthet worden wären; gleich als wenn die gütige Natur / welche in dem Blumwercke ihre Mahler-Kunst am fürtrefflichsten sehen läßt / nicht Farben und Pinsel genung hätte zu so unzehlbaren Blumen-Bildungen. Sintemal der menschliche Verstand freylich nicht zu begreiffen weiß / wie die Natur durch ein einiges Röhr eines grünẽ Stieles in die Häupter der Blumẽ / Zinober / Röthe / Berg-blau /Meer-grün / Milch / Bleyweiß und alle andere in den Ertzt-Adern verborgene Farben einflössen / und so wohl einander [427] zusagend vermischen könne. Man hat sich bey der Geburt der Blumen: daß eine weisse Mutter ein braunes / eine gelbe ein rothes Kind gebähre / mehr als über den Nicäus zu verwundern /welcher mit einem weissen Weibe einen Mohren / wie sein Groß-Vater war / zeugte. Die widrigsten Farben verschwistern sich in den Tulipanen so seltzam mit einander: daß ein Theil derselbten unter den schneeichten Bären / das ander unter dem schwärtzenden Hunds-Sterne gebohren / und nicht / wie denen menschlichen Leibes-Früchten / durch eine Nabel-Schnure / sondern durch gantz unterschiedene Adern die Nahrung eingeflöst zu werden scheinet. Mit einem Worte: Es fällt der beredsamsten Zunge nicht so leichte ihre bundte Pracht auszusprechen / als der in dem Blumwercke am meisten spielenden und üppigen Natur solche so künstlich zu mahlen. Keine Schönheit und Vollkommenheit sättigt hier das Gesichte / sondern nur die Neuigkeit / welche täglich eine vorhin nie gesehene Seltzamkeit ans Licht bringen / und mit diesen lebendigen Tapezereyen die Erde ausputzen soll. Ich sehe niemals die Blumen-Zwiebel ohne Verwirrung an. Sintemal mein Verstand allzu alber ist: daß er begreiffen solle / wie diese einsame Mutter von niemanden geschwängert wird / und noch schönere Kin der / als Helena gebieret. Wie sich diese ungestalte Zwergin selbst befruchtet; und ohne Lehre / ohne Verstand / ohne Erfahrung eine so grosse Künstlerin abgiebt: daß Dädalus und Apelles bey ihr beschämt steht. Euclides mag über denen so wohl abgeheilten Wachs-Fächern der Bienen erstaunen und fragen: Wie es möglich sey: daß diese Würmer ohne Lehre und ohne Hände so vollkommene Sechs-Ecken bauen können? Archimedes mag ihm über der künstlichen Abtheilung der Spinnen-Weben / und Eratosthenes ihm über seinen unsichtbaren Streichen den Kopf zerbrechen; alle aber werden bey genauer Betrachtung nur einer einigen Blume mehr Kunst in der Abtheilung /mehr Wunder in genauer Zusammenstimmung finden. Der blosse Stiel / durch welchen eine iede Blume den Safft der Erde / wie ein Kind die Milch der Brüste / in ihre Aederlein säugt / ist ein grosses Meister-Stücke des göttlichen Verstandes. Die Blätter sind so geschickt / und bey einem ieden Geschlechte der Blumen in gleicher Anzahl neben einander gesetzt; in einerley Grösse abgemässen / mit dem Stiele so feste verbunden / und auf einerley Art entweder ausgebreitet / oder eingebogen: daß niemand vernünftiges sie anschauen kan / sondern die unsichtbaren Hände Gottes darauf zu schauen. Der inwendige Krantz / den die Natur nicht nur in Lilgen und Rosen / sondern in den meisten Blumen aus Golde zu flechten gewohnt ist /stellet nicht weniger ein vollkommen Gemächte der Mäß-Kunst / als durch ihr Saamen-Behältnüß ein Merckmal der göttlichen Versehung für. Diese ist nicht weniger in dem Unterschiede der Blumen / als in der Anzahl der Sternen unbegreifflich. Die Lilge strecket ihren Hals über alle andere empor / zur Lehre unserer Seele: daß ihr reines Haupt von dem Kothe der Erden könne besudelt werden. Die Rose / das Bild der Liebe / ist zu dem Ende mit Dornen verwahret: daß sie durch Abhaltung der Hände nach sich desto grössers Verlangen erwecken; oder uns lehren solle: daß Lust und Unlust aus einer Wurtzel wachsen. Etliche wachsen mit gestrecktem Halse empor / andere bücken ihre Häupter; viel kriechen aus Demuth gar auf der Erde; andere verstellen wie Epheu durch Umbarmung eines Gehülffen ihre Schwäche / oder lassen sich lieber wie ein Gewebe zu Bekleidung der Wände hin und her flechtẽ / als sie sich wollen mit Füssen treten lassen. Etliche vergnügen sich mit einem in sich selbst [428] gewickeltem Blatte; andere haben ihrer wol hundert in einem Püschel. Viel Stiele tragen nur eine Blume; offt aber pranget einer mit Schocken. Etliche sind so zart / als giengen sie nur im Hembde / oder als wären sie gar nackt / oder mit gewebtem Winde bekleidet; andere hingegen tragen Sa et / oder gar Rauchwerck; viel scheinen auch gar von Gold- und Seiden-Stücken erhoben zu seyn. Etlicher Blumen Haupt ist haaricht / und entweder wie ein Wichtel-Zopff verwickelt / oder ihre Locken zierlich ausgekämmet. Diese bilden offene Schalen / Schilde / Becher; jene enge Pfeiffen und Schwerdter für. Nicht wenig sind mit Helmen oder Feder-Püschen gethürmet; andere sind harte / und runtzlicht; andere glatt und weich und so zärtlich / ja gleichsam Lufft; welche nicht nur für dem Anrühren fliehen / sondern gleichsam durch einen Anblick verwundet / durchs Anhauchen in Ohnmacht versätzt / durch Anfühlen getödtet werden. Etliche halten ihre Knospen stets verschlossen; etliche sperren ihre Augen nur halb auf; viel scheinen auch wie Anaxagoras / nur zu Anschauung der Sonne / viel auch / wie die Nacht-Eulen / sich nur im finstern Schatten zu verstecken gebohren zu seyn. Gewisse behalten ihre Fische Farbe so wol auf der Baare / als in der Wiege; andere vergrössern mit dem wachsenden Tage ihre Pracht; viel fangen auch / so bald sie aus der Schale kriechen / schon an zu verblassen. Erato seufzete hierüber / und fieng an: Wolte GOtt! daß nur die Blumen / nicht aber auch die Menschen so offt ihre Farbe veränderten! Wolte GOtt! daß man nur in Nuß- und Ahorn-Bäumen die knörnrichten Gewächse so sorgfältig / als die Perlen in Muscheln suchte / nicht aber auch in Gemüthern die Verstellungen für was sonderliches achtete / und eine Mißgeburt für ein Wunderwerck hoch hielte! So aber ist es leider! dahin kommen: daß / wie die ihre Farbe am seltzamsten verwandelnde Blumen für die schönsten /also die unbeständigsten Hertzen für die gescheutesten geachtet werden. Ihrer viel bilden sich ein: sie könten nicht die Ehre haben Rosen zu seyn / wenn sie nicht mit ihren Dornen andere Seelen beleidigten. Ismene machte ihr hierauf diese Auslegung: daß Erato den ihr so lieben Fürsten Zeno anstäche; fieng daher an: Ihr Hertze trüge sie so sehr zu den Blumen: daß sie eine Vertheidigerin ihrer Unschuld seyn; und also auch dis / wormit die Menschen den Blumen nachahmten / rechtfertigen müste. Unterschiedene Weltweisen hätten nicht nur dis / was die Königin an den Blumen tadelte / gepriesen / sondern sie gar für ihre Lehrmeistern erkennet. Welche den Menschen zu einem viel höhern anleiteten / als was das leibliche Auge an ihnen wahrnehme. Die stachlichsten Kräuter wären die kräftigsten Artzneyen / welche die Natur mit Disteln und Stacheln aufs sorgfältigste gewaffnet hätte / damit selbte nicht von unachtsamen Füssen vertreten / von vorwitzigen Händen versehret; von gefräßigen Thieren vertilget; sondern dem Menschen zum besten aufbehalten würden; denen dis / was man an ihnen hassete / zum besten gewachsen wäre. Die Natur hätte die Blumen so schön gemahlet / umb ihren Nutzen desto annehmlicher zu machen; und daß die Wollust der Augen uns zu ihrem heilsamen Gebrauche so viel mehr anreitzte. Nach dem Beyspiele dieser Gewächse erforderte es auch offt die hohe Noth: daß ein Mensch sich gegẽ dem andern mit spitzigen Waffen ausrüstete; wormit die Eitelkeit sich nicht an uns vergrieffe; oder durch unsere Unempfindligkeit zu weit vergienge. Die Klugheit erforderte von uns öfter / als die Natur von Blumen / die Farbe zu verändern / damit andern nicht für uns zu eckeln anfienge. Ja es wäre fast Noth: daß uns der Himmel offt für dem Alter grau und runtzlicht werden / und unsere Gestalt so geschwinde / als der Blumen verschwinden ließe. Sintemal wie die Schönheit in den Blumen [429] die Ursache des Todes und einer zeitlichen Abbrechung; also unsere des Unglücks ist / dadurch wir durch anderer Liebe gestürzt werden. Die Fürstin Thußnelda verstand allzu wol: daß die Eyversucht beyden derogestalt die Zunge lösete / und brach ein: Alle Blumen wären so grosse Wunder-Wercke in der Welt: daß dieser Nahme nicht ohne grosses Unrecht nur etlichen Arten derselben zugeeignet würde; ja alles / was sie an sich hätten / wäre etwas göttliches; außer / daß sie sterblich wären. Diesemnach sich der Mensch an ihnen / als Nach-Gemählden himmlischer Schönheiten gar wol zu spiegeln hätte. Ihr Glantz wäre so wol / als der Schimmer der Sterne ihre Sprache / welche uns ins Hertz redete: daß wie sie nur auf einen Tag; also die Menschen auf nicht viel länger gezeugt wären / und die schönsten am geschwindesten verwelckten. Daß der Purpur der Könige / wie der Anemonen erblaßte; das Gold so wol von gekrönten Häuptern / als Lilgen abfiele; und die Käyser-Kronen so wol in Pallästen / als Gärten zu Bodem fielen. Nichts aber vergnügte und unterwiese sie an den Blumen mehr / als ihr Geruch. Dieser wäre ihre rechte Seele / und eine Erquickung der Seelen. Sie hätten zwar mehr Farben und Gestalten / als keine Sprache Wörter solche zu nennen; Aber noch weniger liesse sich das Reichthum ihres Gemüthes ausdrücken; also / daß wenn gleich Indien und Arabien alle Balsame /Hartzte und Würtzen zusammen trüge / sie doch weder die unzehlbaren Arten / noch die Krafft des Blumen-Geruchs ausgleichten. Sie vergiengen auch zweifels-frey nur desthalben so geschwinde; weil sie durch den Geruch so begierig ihre Seele ausathmeten. Ja etliche / wie klein sie wären / rüchen so starck /daß sie schienen Geister ohne Leib zu seyn. Der Geschmack würde zwar der köstlichen Früchte überdrüßig: aber an den Farben der Blumen könte sich das Gesichte / an ihrem Bisame der Geruch niemals sättigen; also daß nur an ihnen der Uberfluß sich seiner Unart / nemlich des sonst aus ihm erwachsenden Eckels erledigte. Nach diesem Beyspiele solte der Mensch auch unaufhörlich den süssen Geruch eines guten Nahmens von sich auslassen. Denn dieser wäre ein so gewisses Kennzeichen der innerlichen Tugend / als der Geruch in Blumen eine Anzeigung ihrer Heilsamkeit. Wenn an diesem die Farbe gleich vergienge / die Blätter verwelckten / bliebe doch ihr Geruch; und ihren Staub genüsse man in Artzneyen; also auch /wenn wir schon verweseten / tauerte ein wolverdienter Nachruhm nach unser gäntzlichen Einäscherung. Und der nur im Gedächtnüsse übrige Schatten unsers Lebens diente der Nachwelt zu einem Lichte.

Germanicus / welcher in einem laubichten Gange des Gartens dem Frauenzimmer unvermerckt genähert / und sich hinter das Bild des Bacchus gestellt hatte /hörete diesem allem begierig zu; und als ihn Zirolanens vorwitziges Auge ausgespüret hatte / trat er herfür / und fieng an: Er hätte noch keine würdige Liebhaberin der Gärte / als Thußnelden gehöret. Ins gemein hielte man in ihnen nur den äuserlichen Schein und zwar unmäßig werth. Der Geist der Anschauer schwinge sich selten über ihre Blumen-Bäte; und die meisten hegten sie nur zum Zunder ihrer Eitelkeit /und zu Haupt-Küssen des faulen Müssigganges. Sie pflegten eines frembden / wiewol unnützen Gewächses / sorgfältiger / als ihrer eigenen Kinder; und giengen umb eine verwelckte Blume oder verfaulte Zwibel länger / als Murena umb seinen Fisch / und ein ander Römer umb einen Raben im Leide. Wenn ein ander in seinem Garten was seltzamers hätte / gienge [430] es ihnen näher / als dem Sulla / da er nicht Stadt-Vogt / und dem Cato / da er nicht Bürgermeister werden konte. In diesem Schatten der Bäume vergrübe aber die Fürstin Thußnelde nicht ihre allzu hohe Gedancken; sondern ihre Garten-Lust wäre die Erleichterung ihres Gemüthes / und die Erbauung ihrer Tugend. GOtt hätte alles in der Welt nicht so wol zum blossen Anschauen / als zu unserem Unterricht und Nutzen geschaffen; und um unsere Schlafsucht zu ermuntern /oder den Gebrechen unserer Ohnmacht zu rühmlichem Vorsatze anzuleiten / in die kleinsten Gewächse die gröste Kunst verwendet. Also wäre kein Kraut so unansehnlich / keine Blume so ungestalt / welche nicht eine Artzney so wol unser Seelen / als unser Leiber abgäbe; und nicht weniger zu einem Spiegel des Lebens / als zu einem Hülffs-Mittel der Gesundheit diente; welche aber niemand besser als Thußnelde anzugewehren wüste. Thußnelde antwortete: Es wäre eine angebohrne Höfligkeit: daß er über ihre niedrige Gedancken eine so herrliche Auslegung machte. Dis aber könte sie nicht läugnen: daß sie aus dem Buche der Natur GOtt zu erkennen und sich zu erbauen jedesmahls beflissen hätte. Sie wäre zwar kein Riese; aber darinnen doch dem Antäus nicht unähnlich: daß /wenn sie mit ihrem Nachdencken die Blumen-reiche Erde berührte / sie jedesmahl neue Kräfften bekäme. Erato fiel ein: sie hielte diese Regung für eine Eigenschafft aller edlen Seelen. Daher hätten nicht nur die Könige Adonis in Cypern / Alcinous auf Corcyra /Atlas in Africa die Dornen ihrer Reichs-Sorgen in den Blumen-Gärten erleichtert; und Semiramis zu Babylon in ihren hängenden Gärten allen Kummer an Nagel gehenckt; sondern ihre Vorfahren in Armenien hätten diese rühmliche Empfindligkeit so wol / als die Könige in Persien bey sich gefühlt / derer Paradiese ihre Wohnstädte / die Gärtnerey ihr Handwerck gewest wäre. Nichts weniger solte Attalus sich so wol auf die Blumen-Zeugung / als auf das Gewebe der geblümten Zeuge und Kleider verstanden; auch Epicur und andere weise Griechen / ihre Welt-Weißheit in Gärten gelehrt haben; gleich als weñ die Seele durch den Anblick so schönen Mahlwercks / und durch den Geruch so viel kräftiger Gewächse zu vieltiefsiñigerem Nachdenckẽ aufgeweckt würde.

Uber diesen Worten näherte sich auch Tiberius /welcher in diesen blühenden Garten und bey der lachenden Jugend des Jahres gleichsam alle Ernsthaftigkeit seiner Geburts-Art und Alters von sich gelegt hatte / und alle Deutschen / besonders aber das Frauenzimmer mit der anmuthigsten Freundligkeit unterhielt; und ihnen selbst ein und andere seltzame Blumen; also insonderheit Purpur-färbichte Lilgen-Narcissen theils mit grossen Kelchẽ / theils mit rundten Blumẽ / theils mit verschlossenen Scheidẽ; Feuer- färbichte Jasminen aus Indien / Syrische Früh-Rosen /und andere Wunderwercke fremder Länder zeigte und auslegte. Hierüber ward durch die Trompeten angedeutet: daß die Taffel zur Mahlzeit bestellt wäre. Die mit hunderterley Blumen gekräntzte / ja darin gekleidete Chloris kam mit zwölf umblümten Gärtnerinnen / und lud die gantze Versammlung zu der bereiteten Mahlzeit ein. Sie bestreueten für ihnen den Weg mit so viel Blumen: daß sie gleichsam darinnen waten musten; gleich als wenn so viel Fürsten nicht anders /als die Götter von einem Uberflusse der Blumen bewillkommt werden müsten. Also näherten sie sich dreyen an einander gehenckten Zelten / welche von den seltzamsten Blumen zusammen geflochten / oder vielmehr wie die Persischen Tapezereyen gestickt waren. Deñ die weissen / blauen / rothen / gelben und scheckichten Blumen bildeten theils Landschafften /theils Thiere / theils nachdenckliche Schrifften so künstlich ab: [431] daß alle Mahler der Welt mit ihren kostbaren Schildereyen allhier gegen der mit einander verschwisterten Natur und Kunst würden beschämet worden seyn. Die Taffeln und die Köche waren nach Sybaritischer Art nicht nur mit Blumen überdeckt / alle Schüsseln und Gerüchte darmit überstreuet / alle Trinck-Geschirre mit Blumen-Kräntzen umbflochten /und der Wein mit Blumen vermischt; sondern man gieng auch so gar auf nichts / als Rosen; und denen Gästen waren zum Sitzen Küssen und Polster aus Rosen untergelegt; also daß dieser Ort mehr / als die Stadt Paläa der Götter Rosen-Tisch genennet zu werden verdiente. Ob es nun zwar so wenig zu Rom / als Griechenland bräuchlich war: daß frembdes Frauenzimmer / am wenigsten aber Jungfrauen Gastereyen beywohneten; außer denen Feyermahlen der Rathsherren; so ließ doch Tiberius allhier nach Art der unschuldigen und nicht argwöhnischen Deutschen beyderley Geschlechtes Gäste unter einander sitzen. Bey der Taffel wurden sie von hundert der schönsten Jungfrauen bedienet; welche auf den Häuptern grosse ihr gantzes Antlitz überschattende Kräuter trugen / und in ihren von Blumen zusammen gehefteten Röcken eitel Blumen-Göttinnen vorstelleten / bey derer Kräntzen die vom Pausias und der Glycera gelehrte- und dem Amasis die Krone Egypten-Landes erwerbende Kunst / welche Blumen sich ihrer natürlichen Eigenschafften halber zusammen schickten / aufs genaueste beobachtet war. Massen denn auch die güldenen Harffen / und andere Säiten-Spiele alle / wie des Apollo Leyer mit Lorbeer-Kräntzen / prangten. Mit einem Worte: Es war hier nicht anders / als wenn es Blumen geschneyet hätte; oder sich alles / was so holdseelige Gäste anschauten / in Rosen verwandelte / und die Laconische Blumen-Stadt Anthana in diesen Garten versätzt; ja fast jeder Krantz ein kurtzer aller auf Erden / im Meere / und im Himmel zertheilter Schönheiten wäre. Agrippina hatte auch allem deutschen Frauenzimmer Anlaß gegeben ihnen mit eigener Hand zu Bekräntzung ihrer Häupter / Armen und Brüste Blumen abzubrechen. Sintemal es für einen Fehler gehalten ward / an grossen Feyern mit gekaufften Blumen sich zu bekräntzen. Jedem Helden aber sätzten / wie bey den Gastmahlen der Götter geschehen soll / zwölf Centauren einen Rosen-Krantz auf die Scheitel; einen von Laube umb die Stirne; und / gleich als wenn die Kräntze nicht allein zu Verehrung des Hauptes erfunden wären / einen von Kräutern umb den Hals. Tiberius ließ nichts an Kostbarkeit der Speisen / und an Aufmunterung zur Ergötzligkeit erwinden; entweder weil sein altes Feuer der Liebe gegen Thußnelden wieder glimmend ward; oder weil er durch so viel Ehren-Bezeugungen die Deutschen in Sicherheit einzuschläffen gedachte. Die Taffeln waren am Fusse von Helffenbein; die Blätter von Citron-Holtze; die Bette zur Lager-Stadt der Gäste mit roth sammetenen Decken belegt. Als es zum Liegen kam / fand sich zu jedem Gaste eine wolaufgeputzte Jungfrau; welche ihm die Schuch auflösete / und die Füsse ihm mit wolrüchenden wärmende Hände mit kalten Wassern wusch; zum Haupte und Barte Syrischen Balsam reichte / und einem jeden einen leichten und köstlichen Gast-Rock von Baumwolle anlegte. Thußnelden war die lezte Stelle des mittelsten Bettes / und also die Oberhand an der Taffel / und nach ihr allen Deutschen der Vorsitz eingeräumt. In der Mitte der Taffel stand ein unbeweglicher Colossus / welcher in der rechten Hand eine Schüssel voll Saltz / in der lincken ein Gefäße von Wein hatte. Derer jenes bey Tische für ein Vorbild der Freundschafft / dieser der Freudigkeit gehalten wird. Die Speisen einer jeden Tracht wurden alle auf einmal auf einem vergüldeten Gestüle auf die Taffel gesetzt. In der ersten Tracht wurden alle Speisen auf zwölf [432] güldene Füsse gesätzt / welche die zwölf himmlischen Zeichen abbildeten; und auf jedem dieser Füsse stunden sechs sich darzu schickende Speisen. Auf dem mit Amethisten versetzten Wieder war allerhand Wieder-Schaaf- und Lamm-Fleisch. Auf dem mit Hyacinthen gezierten Ochsen Speise von Rindfleische; auf dem mit Chrysopasen bedeckten Zwillingen zugerichtete Nieren und Geilen. Auf dem mit Berillen geschmückten Löwen allerhand nur erdenkliches Wilpret von vierfüssigten Thieren mit Africanischen Feigen belegt. Auf der mit Chrysolithen erhobenen Jungfrau / Gerüchte von Bibern / Geburts-Glieder von geldem Vieh und Schild-Kröten. Auf der von Sardonichen schweren Wage alles nur ersinnliche Flügel-Werck; sonderlich aber gethürmte Schüsseln von Fasanen / Hasel-Hünern / und Gerstlingen; wie auch vielerley Back-Werck und Kuchen; auf dem mit Sardonichen gläntzenden Scorpion Bären-Fleisch und Raub-Fische; auf dem mit Schmaragden bekleideten Schützen Trappen und wilde Schweinen-Köpffe; auf dem mit Chalcedonichen bekleideten Stein-Bocke Gemsen / Reh-Hirsch- und Elend-Fleisch; auf dem mit Saphieren schimmernden Wasser-Manne Wasser-Wilpret / Austern / Schnecken / und vielerley See-Fische; auf dem mit Jaspißen gantz bedeckten Fischen hunderterley Fluß-Fische / und gekräntzte Milch. Der mit Topaßen prangende Krebs stand in der Mitten mit Krebsen / welche alle die Schalen abgeworffen hatten. Und auf diesem waren wol hundert Kräntze über einander gethürmet. Nach dem sich die Anwesenden aufs neue aus wolrüchendem Wasser gewaschen hatten /wie die Römer bey Veränderung jeglicher Tracht gewohnt waren / ward in der andern Tracht an des Mieders Stelle gesetzt / ein mit Eicheln gekröntes Bild Jupiters / welches sieben mit Trappen / Stieren / Reh-Böcken / Granat-Aepffeln / Citronen und Feigen gefüllte Schüsseln trug; die aber alle mit Saffran-Blumen überstreut waren / auf welchen Jupiter und Juno sollen zu schlaffen pflegen. An statt des Ochsen ward das Bild des mit Myrthen gekräntzten Kriegs-Gottes gesätzt; welches auf sieben mit Raute / Grase und Wermuth überstreuten Tellern / Biber / Hechte / Forellen / Senff / Brunntressen / und andere scharffe Kräuter den Gästen vorhielt. Den Platz der Zwillinge erfüllete das mit Poley umbflochtene Bild der mit einem halben Monden gehörnten Diana / mit so viel von Hirsch-Fleische / Schneppen / Austern / Schnecken / Krebsen / und eingemachten Melonen gehäufften- und mit Hahnen und Beyfuß ausgezierten Muscheln. An statt des Löwen sahe man den mit feurigen Anemonen umbflochtenen Vulcan; welcher in sieben umbnelckten Nabben / Datteln / Indianische Palmen-Nüsse / Zimmet / Nägel / Muscaten / Pfeffer /und viel andere Würtzen / darreichte. Der Jungfrau Stelle versätzte die mit Oel-Zweigen überschattete Minerva; welche in so viel mit Rosmarin umbflochtenen Geschirren allerhand Oele und Balsame hielt. An statt der Wage stand das mit Reben-Blättern bekräntzte Bild der Juno; welche auf ihrer güldenen Krone sechs empor-gekehrte Mohnden führte / und sieben mit Pfauen / Rebhünern / Lerchen und hunderterley Flügel-Werck gehäuffte / auch mit Lilgen gezierte Schüsseln kaum ertragen kunte. Den Abgang des Scorpions ersetzte der mit frischen Feigen gekrönte Saturn auf so viel mit Cypressen und Eschen-Laube umbwundenen / und mit Aalen / Lampreten / gemeinen und Egyptischen Feigen / eingemachten Oliven /Gurcken / Fichten-Nüssen angefüllten Schalen. Den Schützen vertrat das Bild des Apollo mit einem Krantze von Sonnenwenden und Egyptischen See-Blumen; und war in sieben mit Hyacinthen beblümten Schüsseln mit Phasanen / Indianischen Hünern / wilden Auer- und Birck-Hähnen / wie [433] auch Salmen /Lachs und andern niedlichen Speisen überladen. Die Speisen waren alle mit Goldstaube bestreuet. An der Stelle des Steinbocks befand sich der mit dreyen Narcissen / und Lorbeer-Kräntze aufziehende dreyköpfichte Mercur; welcher in sieben künstlichgeflochtenen und mit Bürgel-Kraute umbwundenen Körben /sieben prächtige Schau-Gerichte hielt. Eines stellte den Atlas für; der auf den Achseln eine gläserne Welt-Kugel trug / in welcher oben Forellen und Purpur-färbichte Salmen schwamen / unten aber kleine Schnee-Könige herumb flohen. Das andere bildete Andromeden und den sie zu verschlingen dräuenden Wallfisch für; welcher vermittelst eines Uhrwercks fort für fort den Rachen aufsperrte; da denn jedesmal eine Drußel / Stiglitz / Hämpflich / Quecker / oder dergleichen kleiner Vogel heraus geflogen kam. Das dritte war das Bild Amphions; welches durch gleichmäßige Regung / so lange als es auf der Taffel stand /auf der vom Mercur erfundenen Leyer spielte / wozu denn 2. versteckte Knaben unterm zuckernen Berge Parnassus / welcher mit dem Apollo und den neun Musen das vierdte Schau-Essen fürstellte / mit ihrer hellen Stimme zierlich einstimmeten. Das fünfte war das Bild der sich in einen Baum verwandelnden Myrrha / dessen Aeste von allerley Balsam tröpffelten. Das sechste Schau-Essen vorbildende den Berg Aetna; welcher auf seinem Gipffel mit seinem stetsglimmenden Zimmet-Feuer und Weyrauch-Dampffe die Lufft einbisamte; auf den Seiten aber aus den Klippen rothen und weissen Wein sprützte. Das siebende bildete den sich in einen Pfauen verwandelnden Argus für; dessen Augen bald allerhand Edelgesteine / bald Sternen fürstellten / und solche unaufhörlich bewegte. An der Stelle des Wasser-Mannes stand Neptun mit einem fichten Krantze auf dem Haupte /und reckte in sieben grossen mit Wasser-Klee belegten Muscheln denen bey der Taffel auf Römische Art liegenden Fischen alle ersinnliche Meer-Speisen zu. An statt der Fische zeigte sich das Bild der mit Rosen gekräntzten Venus. In sieben Porcellanen mit Anemonen überstreuten Schalen hielt sie zugerichtete Geilen von Kapp-Hahnen / Numidische Hüner / Murenen-Milch / eingesaltzene Eyer von Stören und Hausen /mit Wein-Eßig und Oel eingemachte Eingeweide von Makrellen / und andern zur Geilheit dienenden und destwegen so vielmehr gewürtzten Speisen. Auf der mitlern Stelle des Krebses stand das Bild der Ceres mit einem Weitzen-Krantze; welcher Krantz der älteste unter allen / und ein Wahr-Zeichen eines gewünschten Ausschlages seyn soll. Sie trug sieben mit weissem Geblüme bestreute Schüsseln aus Lemmischer Erde / mit allerhand nur ersinnlichem Obste. Tiberius und die andern Römer unterließen das wenigste die Deutschen aufs höflichste zu bedienen / und aufs annehmlichste zu unterhalten. Ihre Verträuligkeit war die Erfinderin allerhand Schertzes / und dieses Gesetzes: daß / wer ein ihm aufgegebenes Rätzel nicht auflösen könte / ein Glaß Saltz-Wasser zur Straffe austrincken solte. Welches aber den Gesetz-Geber Tiberius am ersten traf / nach dem die scharfsinnige Thußnelde mit ihren verblümten Fragen seiner Arglist weit überlegen war. Hierbey wuchs nicht weniger seine Begierde zu trincken / als seine Vergnügung. Daher er ihm die schönsten Trinck-Geschirre aus Edelsteinen / Berg-Krystallen und dem reinsten Glase / darein viel Geschichte und Sinnen-Bilder künstlich geschnitten waren / reichen und nach einander ausleeren ließ. Er vergaß hierbey keines deutschen Fürsten Gesundheit in gekröneten und mit Epheu umbwundenen Gläsern zu trincken / und hiermit zu erhärten: daß er es den Einwohnern der [434] durstigen Mitternacht im trincken zuvor thäte. Wie er denn auch entweder aus Einbildung: daß das Vermögen unmäßig zu trincken eine grosse Tugend wäre / oder in Meinung den Deutschen zu liebkosen / sich bey angefeuerter Stirne rühmte: daß er dreyen ihm stattlich Bescheid thuenden Sauf-Helden / nemlich dem Pomponius Flaccus die Syrische Land-Vogtey / dem Lucius Piso die Aufsicht der Stadt Rom / und einem andern die Ober-Einnah me der Reichs-Einkunfften beym Käyser zu wege gebracht hätte. So offt nun Tiberius ein grosses Glaß ausgeleeret hatte / steinigten gleichsam die an der Taffel sitzenden Römer / wie die Macedonier bey Alexanders Gastmahle / den Calisthenes / und nach gemeiner Art der schwelgenden Griechen / ihn mit Blumen; und jauchtzeten gegen ihm als einem Uberwinder / welcher auf den Olympischen Spielen seinem Gegner alle drey Streiche angebracht hätte. Ja Tiberius war hierüber so verträulich: daß er ihm etliche tausend helffenbeinerne Würffel / darauf allerhand Thiere / Früchte / güldene Ketten / Silber-Geschirre / Geld / auch zum theil lächerliche Dinge geschnitten waren /bringen ließ / und über die Taffeln / bey welchen die deutschen Kriegs-Leute gespeiset wurden / zu werffen befahl; derer jeder hernach vom Rentmeister abzufordern berechtigt war / was sein Würffel andeutete. Unter diesem Gläser-Kriege brachten die sie bedienenden edlen Jungfrauen frische-zwar nur aus Eppich und Epheu geflochtene- aber mit Edelgesteinen glänzende Kräntze; welche nicht nur von denen aus Rosen / Veilgen und Lilgen / Myrrchen- und wilden Reben-Blättern / aus Narden und Majoran-Wurtzeln bereiteten Oelen / sondern von Syrischem und Babylonischem Balsam gleichsam troffen / und nicht weniger die Häupter anfeuchteten / als die Stirnen und halben Antlitzer gantz verdeckten; vielleicht die vom Weine verursachte Röthe zu verbergen. Diese sätzten sie nicht nur denen Trinckenden auf die Häupter; also /daß dieses Zimmer eben so wol / als des Philippus Philadelphus bey seinem Gastmahle die Gestalt einer mit Edelgesteinen beblümten Wiese fürbildete; sondern denen Gästen wurden so gar aufs neue rings herumb die Füsse aus Jasmin-Amomum- und andern wolriechenden Wassern gewaschen. Mitten in diesem Blumen-Saale / an dessen Decke allerhand zum singen abgerichtete Vögel angebunden waren / und aus welcher es fort für fort gleichsam Blumen schneyte /hieng ein mit Diamanten und Rubinen reich-versätzter Rosen-Krantz / welcher sonder Zweiffel kostbarer war / als den die Persen dem Agesilaus schickten. Inwendig war in die güldene Schiene dieses Krantzes mit zierlichem Schmeltze köstlich eingeetzt:


Weil allen Siegern man ins Haar flicht Blumen ein /

Wie soll die Wollust denn nicht auch gekräntzet seyn?


Unter diesem abhängenden Krantz sätzte Tiberius ein Trinck-Geschirre / dessen Zeug zwar Gold / aber gegen der Versetzung mit Schmaragden / und der herrlichen Arbeit das geringste war. Auf diesem stand die Vermählung des Bacchus / der Ceres und Venus erhoben / mit beygesetzten Worten:


Ohne Wein und gute Kost

Ist die Glut der Leibe Frost.


Tiberius erklärte sich hierbey: daß / wer dieses drey Maas haltende Gefäße auf einen Trunck ausleeren würde / den aufgehänckten Siegs-Krantz zum Preiße haben / und dem Alcibiades gleich geschätzt werden solte. Ob nun zwar die Deutschen dem Tiberius zu Gefallen / auch in dem Truncke ihren Mann [435] ziemlich wehrten / so hielten sie doch so viel möglich an sich umb nicht durch Verlierung der Vernunfft denen Römern sich zum Gelächter zu machen. Und ob wol ein Schwardonischer Edelmann sich heimlich gegen dem Hertzog Ingviomer heraus ließ / auch bey Saltz und Brodte schwur: daß er dessen Meister zu werden gar wol getraute; hielt er doch selbten zurück / mit der Erinnerung: Es wäre eine unausleschliche Schande der Griechen: daß sie ihren Xenocrates wegen seines Sauffens mit einem kostbaren Krantze beschenckt hätten; diesen und den weibischen Sybariten / welche wollüstige Verschwender kräntzten / möchten es die Römer nachthun. Denen Deutschen aber wäre nur anständig sich durch Tugend / nicht durch strafbare Laster umb Ehren-Kräntze zu bewerben. Unterdessen zückte sich Novellus Torquatus herfür / und bot sich an / nicht alleine sich an das Trinck-Geschirre zu machen; sondern er that auch seinem Versprechen zum grossen Frolocken der Römer / sonderlich aber des Tiberius ein Genügen; welcher dem Novellus also bald den Krantz aufsätzte. Er nam hierauf seinen Krantz vom Haupte und zerriß in kleine Stücke; gleich als er hierdurch seines höchsten Wunsches gewehret worden wäre / oder er durch dis Zeichen aller Uppigkeit den Zügel verhencken wolte. Er ergrief auch selbst einen Myrthen-Zweig / und sang den Anfang des dem Bacchus vom Aeschylus gemachten Lob-Gesanges; welchem seine Nachbarn / denen er den Zweig zulangte / nachsingen musten. Nach dem dieser Preiß vergeben war / erlaubte Hertzog Ingviomer seinem Edelmanne eben selbigen Becher auszutrincken; welches er denn in einem Atheme zu aller Anwesenden Verwunderung ausrichtete. Dieses vergnügte den Tiberius derogestalt; daß er anfieng: dieser Deutsche verdiente in den Elysischen Feldern des Musäus Stelle zu vertreten; welcher denen / die daselbst in unaufhörlicher Trunckenheit lebten / einen Krantz aufsätze. Er befahl auch dem Novellus: daß er / als Uberwundener / diesem Deutschen den Siegs-Krantz einhändigen und einer andern Vergeltung gewärtig seyn muste. Wie sehr sich dieser nun zwar des Empfangs weigerte; muste er doch der öftern Nöthigung des Tiberius sich unterwerffen. Germanicus /welcher besorgte: daß der trunckene Tiberius sich in Wollüsten noch weiter vergehen / und gegen das deutsche Frauenzimmer ärgerlicher Freyheit / wie auf solchen Gastmahlen bey Zerreissung der Kräntze / Ausleschung der Lichter / Vermengung der Bette / mehrmals zu geschehen pflegte / unterfangen würde / ward hierüber bekümmert; sonderlich da er destwegen von der eben dis besorgenden Agrippine einen Winck bekam / und sie Zeugung machte mit dem andern Frauenzimmer / nach Art der Persischen Königinnen bey hervor brechender Trunckenheit von der Taffel aufzustehen. Diesemnach machte Germanicus Anstalt: daß dis / was zu der angestellten Lust ermangelte /nunmehr beschleuniget werden möchte. Es ward diesemnach die dritte Tracht auf einem über und über vergüldeten Speise-Gestühle auf die Taffel getragen. Darauf stunden die Bilder der zwölf Monate. An der Stelle Juno stand der ihr gewiedmete Jenner / welcher in sieben Schüsseln eitel Schnee und Eis abbildendes Zucker-Werck trug. Den Platz des Neptun vertrat der Hornung mit sieben Schalen / welche von Eingeweiden der Meer-Barben / und Murenen-Milch; den Raum Minervens vertrat der Mertz mit Torten / welche mit den köstlichen Säfften / Baum-Früchten / und Marck der Thiere gefüllt waren. Die Venus bildete der Blumen-reiche April für / welcher denn auch in sieben Muscheln nichts anders / als einen Uberfluß des schönsten aus Zucker [436] und Säfften gemachten Blumwercks / wie auch allerhand Milch fürsätzte. Des Apollo Stelle füllete der May mit sieben Schalen / welche von eingeamberten Suppen / und aus den seltzamsten Stärck-Säfften gemachten Gallerten angefüllt waren. An der Stelle des Mercur befand sich der Brach-Monat / mit sieben von Rebhüner-Eyern /Drossel-Gehirne / Phönicopter-Zungen / Pfauen- und Papagoyen-Köpfen gefüllten Pasteten. Jupiters Platz füllte der Heu-Monat / welcher auf sieben Tellern in Eyß gefrorne Erd- und Him-Beeren / nebst andern Erfrischungen / darreichte. An statt der Ceres ließ sich der August-Monat sehen mit allerhand künstlichem Backwercke / Melonen / unterschiedenen Piltzen und Schwä en / wie auch Samischen / Coischen / und Tarentinischen Kuchen aus Lesbischem Kern-Meele /Honige / Zucker / Eyern / Flachtoter / Oel / Zibeben /Milch und Würtzen bereitet. Den Platz des Vulcan nahm der Herbst-Monat / welcher in sieben Körben so viel Körbe allerhand Obstes trug. Den Mars vertrat der ihm geweyhete Wein-Monat / mit sieben Schüsseln voll frischer Wein-Trauben / Wein-Beeren aus Chio / Egyptischen Bohnen / Africanischen Feigen /und Asiatischen Gurcken. Der Winter-Monat nahm Dianens Raum ein / mit Mandeln / Datteln / Pontischen- und Indianischen Nüssen. Die Stelle der Vesta ward von dem letzten Monat vertreten / mit Cynthischem und Sicilischem Käse / allerhand eingesaltzenen Fischen / und geräucherten Speisen. Also daß Tiberius nicht ohne Wunderwerck auf einmal des gantzen Jahres Reichthum fürsetzte. Wiewohl wenig hier von genossen ward; weil auff des Germanicus Anstalt kurtz darauf die oberste Spitze dieses Blumen-Gebäues mit Gewalt eröffnet ward / und die an Achseln geflügelte mit einem Krantze aus nie verwelckendem Tausendschön gezierte und in einẽ blauẽ Atlas mit darein gewirckten Sternen bekleidete Göttin des Geschreyes hinein drang / und denen Anwesenden andeutete: Die güldene und unschätzbare Freyheit würde folgenden Morgen an dem edlen Rhein-Strome / welcher der Freyheit zeither so viel Blutes geopfert hätte /einen Kampff und ihr Siegs-Fest halten. Diese hatte sich kaum in die Lufft geschwungen / als die kaum mit ihren magern Wangen die Zähne deckende / und mit Zwiebeln und Nattern gekräntzte Mißgunst / die Nachtreterin der Ehre / und Mutter der Verläumbdung / unter der Schwelle sich hervor kratzte / und auf die Taffel einen Granat-Apfel warff / welcher die Umb-Schrifft hatte: Dem freyesten Volck der Welt. Dem Hertzoge Ingviomern kam dieser Apfel zum ersten in die Hände / und nachfolgends in der andern Deutschen. Welche diese Erfindung für eine Ausforderung der Römer aufnahmen; und alsobald darauf von der Taffel aufstunden / umb sich desto besser auf folgenden Tag auszurüsten. Tiberius hatte etwan eine halbe Meile unterhalb Meynz am Rhein-Strome einen Kampf-Platz / nach Art des vom Romulus zu Rom dem Mars gewiedmeten / und nach Verjagung der Tarquinier zu Kriegs-Ubungen schicklich eingerichteten Feldes / bereiten / auch umb und umb mit zierlichen Gängen umbgeben lassen. Unter welchem viel tausend Zuschauer / und sonderlich die eingeladenen Deutschen / auf zubereiteten bequemen Sitzen / bey vielen Taffeln mit allerhand zusammen gefrornen Fürchten und andern Erfrischungen bedienet wurden. Denn es ist nunmehr so weit kommen: daß den Menschen nichts / was der Natur / gefällig ist; und daß der aufbehaltene Schnee der heissen Monate Wollust / die Straffe der Gebürge / nemlich das Eiß der Fürsten Geträncke / und nachdencklicher Leute Arbeit worden; welche durch allerhand Künste und Kräuter den Winter zum Sommer zu [437] machen gedacht haben. Der Anfang der besti ten Lust nahm den Anfang von denen allersüssesten Seiten-Spielen / welche denen Ohren gantz nahe / denen Augen aber entfernet waren. Unter dieser Ergetzung erschienen in dem Kampf-Platz hundert in lange Röcke mit rothen Säumen gekleidete Jünglinge / wie der Römischen Freygelassenen Söhnen bey dem andern Carthaginensischen Kriege /wegen beygeschobenen Geldes / zu tragen erlaubet ward. Ihr Vorgänger war der Müssiggang / den Socrates den Bruder der Freyheit zu nennen gewürdiget; die Thracier aber für ihr höchstes Gut geschätzet haben. Er hatte gar nichts in Händen: sein Gang war nur Fuß für Fuß; auf dem Haupte trug er einen Brodt-Krantz /wormit auch zu Rom am Feyer der Vesta der Esel gezieret ward; weil er durch diese Göttin aufgeweckt /und sie des Priapus sich zu enteusern gewarnigt haben soll. Diesem folgte die blaugekleidete Freyheit auf einem von zwey Caledonischen Ochsen gezogenen güldenen Sieges-Wagen; welche Thiere lieber sterben / als gefangen seyn. Sie trug einen Myrten-Krantz auf dem Haupte; in der Hand eine Schlange / als ein Vorbild der Freyheit / welche lieber sich ins Feuer stürtzt / als sich in einem Kreyße von Dornen oder Eschen-Zweigen verschlüssen läßt. Dem Wagen folgten die neun Musen / welche mit ihren Seiten-Spielen die Freyheit preiseten / und der Zuschauer Ohren schier bezauberten. Nach ihnen kamen die sieben freyen Künste / die Schreibe-Kunst hatte einen Krantz von Hyacinthen / Bohnen-Blüthen und Pfirschken; vielleicht / weil diese Blumen und Früchte von der Natur selbst mit Buchstaben bemahlet sind. Die Rechen-Kunst trug einen zugespitzten Krantz von Frauen-Haare und andern fädemichten Blumen; ihre Zärtligkeit dardurch anzudeuten. Die Beredsamkeit war mit anmuthigen Rosen; die Tichter-Kunst mit Lorbern; die Singe-Kunst mit Epheu; die Mässe-Kunst wie Cybele / mit Thürmen / und die Wissenschafft der Sterne mit Oel-Zweigen bekräntzt / wie die langsamen Himmels-Pförtnerinnen Carpo und Tallote / welche der Sonne zu Dienste den Himmel wölckicht und heuter machen. Die Singe-Kunst war mit Lilgen gekräntzet. Hinter diesen kam auch die mit tausend-schön gekrönte Mahlerey / und die mit Alrau-Kraut gekräntzte Bildhauer-Kunst. Den Wagen begleiteten die Eintracht mit einem Lorber- die Freudigkeit mit einem Hyacinthen- die Mässigkeit und Weißheit mit einem Oel- die Wohlfarth mit einem Rosen- die Frömmigkeit mit einem Palmen-Krantze. Diese setzten mitten in diesem Felde aus sieben mitgebrachten Stücken eine Säule zusammen worauf die Freyheit einen mit allerhand Blumen und Edelgesteinen Hutt stürtzte; und darbey diese Reymen sang:


Ihr edlen Seelen / die ihr wisset:

Daß alles Glücke schlechtes Bley

Und nur die Freyheit gülden sey /

Ko t / ehret mich! kommt und genüsset

Der Seele Kost! den Schatz der Erden /

Für dem das Reichthum / das die Welt

Für mehr als seinen Abgott hält /

Als Armuth muß verschmähet werden.


Entfernet euer groß Gemütte

Von knecht'scher Furcht und Dienstbarkeit;

Die mit der Tugend stets hegt Streit /

Und folget der Vernunfft Gebitte /

Die als des Himmels Kind die Schwächen

Der Regungen nicht herrschen läßt /

Der Wollust giftig Licht ausbläßt;

Die minder Lust hat als Gebrechen.


Haß't Lufft und Glutt doch das Gedränge;

Die Flutt müht sich zu machen frey;

Die Pflantze sprengts Gefäß entzwey /

Wenn sie darinnen steht zu enge.

Kein Thier ist / das nicht lieber tragen

Wil Hunger als ein gülden Band;

Und den beperlten Elefant

Hört man die Dienstbarkeit beklagen.


[438]

Wie daß denn nur der Mensch alleine

Zu dienen scheint gebohrn zu seyn?

Man hüll't ihn jung in Windeln ein;

Alt klebt er selbst an Dunst und Scheine /

Wenn er sich an der Liebe Nesseln

Und an der Ehrsucht Feuer brennt /

Sein Hertze nie von Golde trennt /

Wenn Glück' und Eitelkeit ihn fesseln.


Der aber / den kein Laster bindet /

Besitzt mehr als ein Königreich;

Er ist sein Herr / und Gott zugleich /

Den nichts nicht zwingt / nichts überwindet.

Ja Jupiter ko t selbst hierinnen

Nicht den behertzten Weisen bey.

Denn er ist von Natur nur frey /

Worzu sich jene machen können.


So laßt euch doch nichts thör'chtes bländen /

Daß ihr steht andern zu Geboth;

Es ist ja ärger als der Tod;

Die Freyheit steht in euren Händen.

Kein Herrscher ist von solcher Stärcke:

Daß nicht ein Knecht sein Herr seyn kan.

Wer einen Wütterich greifft an /

Sich frey macht / übt die grösten Wercke.


So komm't nun / ihr berühmten Geister /

Die ihr der Freyheit euch geweiht;

Bewehrt mit euer Tapferkeit:

Die Freyheit sey der Fürsten Meister /

Der Tugend Kleinod euer Leben;

Für das ihr opfert Seel und Blut.

Dem würdigsten soll dieser Hutt

Zum Ehren Preiße seyn gegeben.


Hierauf hielten die ihr vortretenden hundert Freygelassene umb die aufgesetzte Säule einen künstlichen Tantz / und legten darinnen alle ihre Hütte derselben zun Füssen. Diesen folgten die neun Musen / und die sieben freyen Künste mit der Mahlerey und Bildhauer-Kunst; derer iede in einem vermengten Tantze mit stummen Geberden ihre Fürtreffligkeit so deutlich fürbildete / als wenn sie solche mit Worten ausdrückte; iede auch darinnen ihre Wahrzeichen mit einer zierlichen Ehrerbietung an die Säule der Freyheit gleichsam zum Opfer aufhienge; nemlich die mit Lorber-gekräntzte Heroldin der Helden / Clio / in einem Goldstücke ihre Trompete; die geile Aufseherin der lustigen Schauspiele / die mit Epheu ums Haupt und mit einem gelb-geblümten Rocke prangende Thalia ihre Larve und Stiefeln; die freudige Täntzerin /die mit Strauß-Federn auf dem Haupte und einem von silbernem Zindel gemachten Gewand aufgeputzte Terpsichore ihre erfundene Cyther; die ernsthafte Erfinderin der Trauer-Spiele / die mit Zypressen gekräntzte-und in braunen Sammet gekleidete Melpomene ihren Zepter und Dolch; die hertzhaffte Aufmunterin der Kämpfer / die mit denen dem Hercules gewiedmeten Pappel-Zweigen geschmückte und geharnschte Euterpe ihre Flöte; die annehmliche Liebes-Sängerin / nemlich die mit Rosen gezierte und mit Purpur angethane Erato ihre Laute / die durchdringende Rednerin / nemlich die in weisses Silber-Stück gekleidete und einen Perlen-Krantz tragende Polyhymnia ihr Buch; die scharffsichtige Himmels-Ausspürerin / nemlich die in blauen Atlas sich hüllende und mit Sternen gekrönte Urania ihre Hi els-Kugel; die prächtige Erfinderin der Helden-Gedichte / die mit Palmẽ bekräntzte und sich in grünen Atlas hüllende Calliope ihre Leyer. Gleicher gestalt wiedmete der Freyheit die Schreibe-Kunst ihre güldene Feder; die Rechen-Kunst ihre Ziffern; die Beredsamkeit ihre Blumen; die Tichter-Kunst einen güldenen Drey-Fuß; die Mässe-Kunst ihren Zirckel; die Sternseher-Kunst ihr fernendes Schau-Glas; die Singe-Kunst eine Geige mit einem Ey-rundten Bauch / weil in solchen der Schall sich am besten vergrössert; die Mahlerey ihren Pinsel; und endlich die Bildhauer-Kunst ihr Schnitt-Messer. Als diese Täntze geendigt waren / rennte die frohlockende Freyheit dreymal umb ihre Sieges-Seule; hernach stellte sie sich auf die eine Seite des Kampf-Platzes /allwo selbter die Stirne des zu Rom auf dem Berge Aventinus gebauten Tempels der Freyheit abbildete. Hierauf öffnete sich gegen über ein grosses Thor /durch welches der [439] alte kluge König Janus mit zweyen Gesichtern und einem Krantz von Brunn-Kresse herein zoh. Er saß auf einem mit vielen Kräntzen ausgeputzten weissen Ochsen / dessen Hörner und Klauen vergüldet waren / und hatte in der Hand eine Ruthe von Wein-Reben; weil Janus der Kräntze und des Weines erster Erfinder gewest. Ihn begleitete eine grosse Menge Ackers-Leute mit Kräntzen von Weiden-Laube / und mit allen ersinnlichen Acker-Geschirren / weil dieser den Berg Janiculus bewohnender uhralter König Italiens den Acker-Bau vom Saturn zum ersten gelernet haben soll. Hierauf erschien auff einem helffenbeinernen und mit Lorber-Aesten umbwundenen Wagen / welchen / wie den des Jupiters / zwey schneeweisse Pferde zohen / die mit einer strahlenden Krone wie die Sonne gläntzende Göttin /Rom / in Gestalt einer vierzehn-jährichten Jungfrauen: Auf ihrer güldenen Krone trug sie noch / wie Juno / einen Thurm und den Gürtel der Venus. Die Pferde hatten Geschirre mit güldenen Puckeln / auf der Stirne silberne Schilde / wie halbe Monden / und perlene Hals-Bänder. Ihre Haare waren mit silbernen Bändern eingeflochten / und sie waren mit silbernen Huf-Eisen beschlagen. Hinter dieser Römischen Göttin / welcher die Stadt Smyrna den ersten Tempel gebauet / und ihr geräuchert hat / stand Italien / und hielt ihr eine Lorber-Krone übers Haupt; weil dieses Land in diesem andern Alter von Rom überwältiget worden. Nach dem Wagen kamen vier hundert und achzig Bürgermeister in purpernen Krieges-Röcken / mit eichenen Bürger-Kräntzen auf dem Haupte / geritten; weil nach den Königen jährlich zwey Bürger-Meister zwey hundert und viertzig Jahr lang biß zum ersten Carthaginensischen Kriege den Römern vorstunden. Sie waren alle auffs beste gerüstet / wie wenn sie als Heer-führer in Krieg zu ziehen pflegten. Jeder hatte einen Schildträger / und auf eines ieden Schilde war das wichtigste / was er für die Freyheit des Römischen Volckes gethan / abgebildet. Tiberius hatte ihm die Stelle des Junius Brutus / Stertinius des Fabius Maximus / und der Kern des übrigen Römischen Adels anderer Bürgermeister Stellen zu vertreten auserlesen. Dieser Aufzug geschah unter dem Gethöne etlicher hundert Trompeten. So bald sich aber diese Bürgermeister hinter einander in zwölff Glieder gestellt hatten / ward im Augenblicke alles stille / und Rom fieng zu linden Seitenspielen folgender Weise an zu singen:


Die Freyheit ist mit Rom vermählt /

So wohl / als mit der Kunst der Waffen;

Sie hat in mir den Sitz erwehlt /

In Ruh und Sicherheit zu schlaffen.

Denn Fried' und Freyheit wird in erster Blüth' ersteckt /

Wenn sie nicht Tapferkeit vertheidiget und deckt.


Durch die hab' ich der Zentner-Last

Mich der Tarquinier entbrochen.

Denn Knechtschafft ist mir mehr verhaßt /

Als Spinnen den / den sie gestochen /

Die recht der Erde Pest / der Tugend Wurm-Stich heißt /

Die Freyheit aber ist des Lebens Seel und Geist.


Bückt sich gleich manches Volck für mir /

Folgt Welschland meinen Grund-Gesetzen;

So schreib' ich doch nur Richtschnurn für /

Die ihre Freyheit nicht verletzen:

Begierden dienstbar seyn / ist ärgste Sclaverey;

Wer aber der Vernunfft dem Rechte folgt / bleibt frey.


Kein weiser Indianer wil

Von eines Menschen Knechtschafft wissen;

So ist auch meiner Herrschafft Ziel /

Besiegter Fessel aufzuschlüssen-

Wer Rom und Göttern dient / sucht sich nur zu befreyn;

Drumb wil Fürst Prusias mein Freygelaßner seyn.


Wormit mir nun die gantze Welt /

Wie Smyrna / heil'ge Tempel bauet /

Mich für der Erden Gottheit hält /

Und meiner Herrschafft sich vertrauet;

So führt / ihr Helden ihr / die meine Brust genehrt /

Durch eure Waffen aus: Ich sey der Freyheit Schwerdt.


[440]

Wen unter euch der gröste Trieb

Anfla t die Freyheit zu besitzen;

Wem nicht so sehr sein Leben lieb /

Als das Gelücke / mich zu schützen;

Dem wird der Freyheit Hand aufsetzen ihren Hut /

Den schönsten Krantz der Welt / der Menschen höchstes Gut.


Dieser Gesang war so bald nicht beschlossen / als die Trompeten und Kru -Hörner ein Zeichen zum Kriege gaben / und ieder unter diesen Bürger-Meistern sich zum Kampfe rüstete; weil ein ieder sich umb Rom so viel verdient zu haben Anzeugung machte: daß ihm der Freyheit Ehren-Hut wohl anstünde. Es erregte aber bald die Eröffnung eines andern Thores aller Anwesenden Aufsehen. Sintemal unter dem Schalle der allerlieblichsten Seitenspiele der alte Cecrops mit zweyen Antlitzen auf einem Drachen in den Schau-Platz geritten kam. Von welchem Aufzuge er für Alters für einen halben Menschen und einen halben Drachen gehalten / oder aus Drachen-Zähnen entsprossen zu seyn geglaubet ward. Er war wie Bacchus / Hecate / und die Götter bey den Egyptiern auch mit einem Drachen gekräntzet. Ihn begleitete eine grosse Menge mit Streit-Kolben gerüsteter- mit wilden Oelzweigen / nach Gewohnheit des Hercules und der Sieger auf den Olympischen Spielen / gekrönter- und mit Oel eingeschmierter Fechter. Sintemal in Griechenland das Oel zum ersten gewachsen seyn soll /und für eine Hülffe und Vorbild der Tapferkeit gehalten wird. Hierauf erschien in Gestalt der Göttin Pallas die Stadt Athen mit einem Krantze von Oelzweigen; dessen sä tliche Blätter auf der einen Seite vergoldet waren. Hinter ihr stand das mit Myrten gekräntzte-und mit einem gold-gestückten Rocke bekleidete Griechenland; welches jener eine köstliche Perlen-Krone übers Haupt hielt / wie derogleichen die sä tlichen Griechen dieser Stadt nach dem wider die Persen erhaltenen grossen Siege / und die Byzantier und Perinthier ihrem sechzehn Ellen hohen Bilde aufgesetzet haben. Hinten am Wagen war das Gerichte der Pallas und Neptun abgebildet; in welchem jener für diesem das Schirm-Recht über Athen zuerkennet ward. Dem Wagen folgten vier hundert und achzig weiß-gekleidete und darunter fürtrefflich gerüstete Helden. Denn bey den Griechen waren solche Kleider ein Kenn-Zeichen der Freyheit; und dorffte niemand in gefärbter Kleidung zun Schauspielen kommen. Jeden begleitete ein nackter Fechter / welcher ihm Schild und Lantze trug. Germanicus hatte ihm erwehlet Miltiades zu seyn; auf seinem Schild war die Marathonische Schlacht mit den Persen geetzt. Diesem zu Liebe hatte das Glücke durchs Looß die fürnehmsten Römer auf die Griechische Seite geschlagen. Saturninus bildete Themistoclen für; auf dessen Schilde war die grosse See-Schlacht bey Salamine wider den weibischen Xerxes / und die männliche Artemisia zu schauen. Cäcina war Alcibiades; auf seinem Schilde stand seine mit Lorbern gekrönte Schiffs-Flotte / und die Abbildung des ihn mit Entgegen-Tragung ihrer Götter bewillkommenden Athens. Lucius Apronius vertrat die Stelle des den Mardonius erlegenden Aristides; welchen Sieg das Gemählde seines Schildes ausdrückte. Asprenas hatte das Glücke Cimon zu seyn; dessen Schild nicht alleine seine in einem Tage zwey zu Wasser und Lande beym Flusse Eurymedon wider die Meden erhaltenen Siege / sondern auch die ihm selbst angelegtẽ Fessel seines gefangenen Vaters fürstellten. Apulejus hatte die Ehre den weisen und beherzten Pericles / sein Schild die grosse Niederlage der Sicyonier am Flusse Nemea vorzustellen. Plancus hatte die Person des Agesilaus übernommen. Sein Schild zeigte; wie er in dem Opfer-Feuer der Soñe den anwesendẽ Xerxes schreckte / als er nach verbreñter rechtẽ Hand auch die lincke freywillig ins Feuer hielt /nachdẽ er aus Irrthum an statt des Königs den Mardonius erstochen hatte. [441] Mennius / Camillus und Acilius waren die Vertreter des Thrasybul / des Harmodius und des Aristogiton; ihre Schilde aber Abbildungen ihrer wider die dreissig Wütteriche ausgeübter Helden-Thaten / die von wegen der Spartaner das vom Pausanias eroberte Athen beherrschten. Norbanus war Conon. Auf seinem Schilde war zu sehen / wie er mit Persischer Macht wider die Spartaner zur See einen herrlichen Sieg / und der Stadt Athen die Freyheit wieder erwarb. Seines tapfern Sohnes / Timotheus Person / stellte Centronius für. Auf seinem Schilde war die Göttin des Glückes geetzt / welche mit einem Netze Städte fischte; er aber lag schlafend zu ihren Füssen. Iphicratens Platz nahm der junge Sulpitius Galba ein; und dessen Schild dieses zwantzigjährigen Heldens stellte den denen Spartanern versetzten herrlichen Streich vor. Censorinus war Chabrias; auf dessen Schild der verschmitzte Sieg bey Thebe wider den Agesilaus gepregt war. Junius Silanus war Phocion /welcher auf seinem Schilde die Geschencke König Philipps und des grossen Alexanders verschmähete. Mit einem Worte: Es mangelte keiner der tapferen Athenienser; und ihre Schilde waren eitel Sinnen-Bilder aller Griechischen Helden-Thaten. Ja es fanden sich auch auf Seiten der Römer und Griechen über die Zahl unterschiedene herrlich aufgeputzte- und in ihren Schilden nachdenckliche Sinnen-Bilder führende Ritter / welche nicht mit in die Rolle kommen / und also ihren eigenen Geferten unkenntlich waren. Nachdem diese sich gleichfalls gegen die Römer in Schlacht- Ordnung gesetzt hatten / fieng Athen mit einer durchdringenden Liebligkeit an zu singen:


Wie? soll Athen nicht auch ein Theil

An diesem Freyheits-Preiße haben?

Mein Volck wünscht sich fürs Volckes Heil

Wie die Philenen zu begraben.

Der Freyheit Liebe regt und schärffet ihren Muth;

Im Hertzen wallt Begierd' / in Adern edles Blut.


Die Welt war ungeschickt und schlecht /

Biß meine Künste sie gekrönet;

Rom hat von mir Gesetz' und Recht /

Und ihren Gottes-Dienst entlehnet.

Zu Rom lag noch kein Stein / es glam noch kein Altar /

Als ich schon Griechenlands sein Augen-Apfel war.


Die Freyheit ward zu meiner Zeit

Mit mir gebohren und verehret.

Mein Tempel der Beredsamkeit

Hat erst / was Freyheit sey / gelehret.

Denn ohne Weißheit ist die Freyheit Sclaverey /

In Fässeln aber bleibt Miltiades noch frey.


Wen iemals nur ein einig Blat

Von meinem Krantze wegzubrechen

Aus Eiversucht gelüstet hat /

Hat nur bemüht sich selbst zu schwächen.

Ich hab in Trojens Graus mein ewig Lob geetzt /

Und Persens Monden-Krantz mir auf mein Haupt gesetzt.


Nach geendigtẽ Gesange scharrte sich die mit Schlangen gekräntzte Mißgunst mitten in diesem Kriegs-Felde aus der Erden herfür / und ruffte mit heiserem Halse unaufhörlich aus: Zun Waffen! zun Waffen! Die Trompeten munterten auch Männer und Weiber zum Kampfe auf. Junius Brutus und Miltiades machten den Anfang alleine drey Lantzen mit einander zu brechen; darinnen jener auch noch bey seinem ziemlichen Alter seine Geschickligkeit / dieser eine absondere Zierligkeit schauen ließ. Hierauf traffen zwey und zwey / folgends drey und drey / biß endlich gar zwölff und zwölff auf einander: daß die Lufft nie von Stücken der zersprungenen Lantzen leer war /und die Augen nicht genung sehen kunten / umb alle Meister-Streiche der Tapferkeit wahrzunehmẽ. Fast allen aber that es derselbe Römer zuvor / welcher den Bürgermeister Horatius Pulvillus fürstellte / und in seinem Schilde die durch die Tiber schwimmende Clölia führte. Zwey guter Stunden hatte dieses Lantzen-Brechen gewähret / als die Griechen mit Fleiß denen sie ferner ausfordernden Römern / gleich als wenn sie sich hiermit überwunden zu seyn erkenneten / den Rücken kehrten. Hierauf verfügte sich die [442] Freyheit wieder auf ihren Wagen in die Mitte des Schau-Platzes / und sprach singende das Urtheil aus:


Verkreuch dich / thör'chtes Griechenland!

Dein grosser Pyrrhus mag dir sagen:

Ob du befugt seyst Hals und Hand

Für Rom so hoch und stoltz zu tragen.

Das grosse Griechenland ist schon der Römer Knecht.

Was rühmt das kleine denn viel seiner Freyheit Recht?


Ihr edlen Römer aber habt

Noch mit den Waffen anzufechten:

Wer unter euch soll seyn begabt

Mit dem / was Ehr' und Freyheit flechten.

Ob ich euch alle zwar des Kleinods würdig weiß;

Gebührt dem windigsten doch nur der Freyheits-Preiß.


Dieser Ausspruch war unter den Römischen Bürgermeistern ein neues Zanck-Eisen. Jeder hielt es für eine Schande in der Liebe und Beschirmung der Freyheit / welche zu genüssen ihnen die unvernünftigen Thiere so gar die gefesselten Klauen abnagten / einem andern was vorzugeben. Jeder rüstete sich mit neuen Lantzen zu einem frischen Gefechte / welches niemals grausamer / als für die Freyheit ist. Die Römer traffen hierauf für Mann auf einander; der den Brutus vorstellende Tiberius aber fieng nunmehr mit allen andern Römern an zu treffen / und zwar mit solchem Glücke: daß er eitel Wunderwercke auszuüben schien. Denn auser seiner waren alle andere Lantzẽ durch ein sonderbares Kunst-Stück derogestalt bereitet: daß / wenn sie Tiberius nur mit seiner berührte / selbte so / als wenn sie Glas oder von Glase gegossene Thränen wären / bey Abbrechung ihrer Spitze zersprungen. Niemand war auch / der nicht durch seine Ehrerbietung schon diesen eingebildeten Brutus für den Uhrheber der Römischen Freyheit erkennte; welches die abermals in der Mitte dieses Feldes erscheinende Freyheit derogestalt bekräfftigte:


Komm Brutus! dessen Weißheit sich

Vermumm't in Thorheit ließ verlachen;

Umb durch die Arglist einen Striech /

Durch Dienstbarkeit ein Loch zu machen;

Der du die Frau der Welt / was frey sey / hast gelehrt;

Komm! daß dich Rom und Welt für ihren Freyherrn ehrt.


Komm! und setz' auf den Freyheits-Hut

Den dir die Tapferkeit erworben!

Du wiedmest mir dein eigen Blut.

Die Knechtschafft ist zu Rom gestorben /

Als du dem Sextus triebst den Degen durch das Hertz /

Und deiner Söhne Todt war ohne Vater-Schmertz.


Du hast der Kinder dich beraubt:

Daß du des Volckes Vater würdest;

Der Freyheit Schirm / der Bürger Haupt /

Die du erleichterst / nicht bebürdest.

Apollo wehlt dich selbst; weil keiner hat gewüßt /

Wie man nach seinem Heisch zu erst die Mutter küßt.


Die Freyheit grieff beym Schlusse nach dem zum Freyheits-Preiße aufgesetzten Hutte; es kam ihr aber ein aus der Lufft wie ein Blitz abschüssender Adler zuvor; nahm und führte den Hut empor / und ließ hin gegen der Freyheit einen im Schnabel habenden Lorber-Zweig in die Hand fallen. Diesen händigte die Freyheit an statt des Hutes dem Brutus ein; und sang darzu:


Nihm hin / du Sonne deiner Zeit /

Des Phöbus eignes Sieges-Zeichen.

Dir / Vater der Glückseligkeit

Muß ich hier den Gelücks-Zweig reichen /

Den dir der Himmel schenckt / die Tyber eignet zu;

Der du den Grund-Stein legst zur Freyheit / Herrschafft / Ruh.


Bey diesem wehrenden Singen senckte sich auf ihrem güldenen Wagen / die Göttin der gewaffneten Liebe / als eine Beschirmerin der Freyheit und Uhr-An-Frau des Julischen Geschlechtes / mit denen drey Holdinnen gegen der Erden. Diese brachten ein güldenes Bild des Käysers August / und setzten es auf die mitten in diesem Kampf-Felde stehende Säule. Worzu Venus mit ihnen diese Reymen zu denen allersüssesten Seitenspielen sang / welche die umb sie flügenden Liebes-Götter regten:


Gar recht: daß Brutus diesen Preiß

Der Freyheit als ihr Stiffter träget;

Es lebt kein Römer / der nicht weiß:

Er habe sie in Grund geleget.

[443]

Allein sie käumet nur; sie bleibt ein Zwerg und Kind /

So lange Rom der Welt das Hefft nicht abgewinnt.


Wie vielmal muß die Freyheit nicht

Sich unters Pöfels Herrschafft beugen /

Der übern Adel Urtheil spricht /

Und offt heißt Bürgermeister schweigen.

Die Freyheit aber kan unmöglich bleiben rein /

Wo iedermann gebeut / Zunfftmeister Herrscher seyn.


Wen aber Rom die güld'ne Zeit

Sein männlich Alter wird erleben;

So wird ihm die Glückseligkeit

Auch seiner Freyheit Völle geben.

Der / dessen Bild hier steht / wird Rom erst machen frey /

Von's Pöfels Ubermuth / von's Adels Tyranney.


Wo Glück' und Freyheit sollen blüh'n /

Muß eine Sonn' / ein Fürst nur scheinen.

Wo alle sich zu herrschen müh'n /

Nagt ieder an des andern Beinen.

Wenn aber Fürst August der Freyheit Schirm wird seyn /

Wird sich die Welt bey ihm gehorchend lieben ein.


Zum Zeichen dieser güldnen Zeit

Wird dieser Adler wiederkehren

Auf Liviens bepurpert Kleid /

So Henn' als Lorber-Zweig gewehren;

Aus dem ein Lorberwald wird wachsen / der das Haupt

Der Käyser / und das Haar der Siegenden / umblaubt.


Bey wehrendem Gesange ließ sich der vorhin fast wieder in der Höhe unsichtbar gewordene Adler allgemach wieder herunter / und setzte bey dem Schlusse den Hut / als das Kleinod und Wahrzeichen der Freyheit / dem Bilde des Käysers August aufs Haupt. Worüber der gantze Schau-Platz ein unaussprechliches Freuden-Geschrey bezeugte; und dem Kayser August als dem Freyheits-Geber der gantzen Welt /viel tausend Glück zuruffte; ja ihren Gehorsam aller ungebundenen Freyheit weit fürzohe. Das vorhin mit seinẽ Helden der Freyden Rücken kehrende Griechenland wendete sich nunmehr freudig umb / und fieng an zu singen:


Nim Rom mich zum Gefärthen an /

Den grossen Käyser verehren /

Dem man wie Gott gehorchen kan /

Und darff die Freyheit nicht versehren.

Weil er als Vater herrscht / geh' ich der Welt voran /

Die / wenn sie ihm nicht dient / nie völlig frey seyn kan.


Die deutschen Fürsten / welche von dieser Erfindung der Römer den Tag zuvor Nachricht und zugleich / als die grösten Eyverer für die Freyheit / Eyversucht eingezogen hatten / waren auf eine Anstalt euserst bemüht gewest auf diesem Kampf-Platz theils ihre Tapferkeit / theils ihre Liebe der Freyheit zu zeigen. Wie sie nun nach und nach von dem Fortgange dieses Schauspiels Nachricht bekamen; also rückten sie bey wehrender Verehrung des Käysers dem Platze zu / und öffnete sich bey dem Schlusse das Nord-Thor unter einem heftigen Gethöne vieler bey den Deutschen im Kriege bräuchiger Kru -Hörner. Durch dieses trat hinein der deutsche Hercules. Er trug einen grossen Streit-Kolben auf der Achsel / darein war mit Griechischen Buchstaben geschnitten: Für die Freyheit. Führete einen gezähmten Löwen an der Hand; und er selbst war gantz nackt; ausser / daß er einen Krantz von Pappel-Laube umb die Stirne und die Lenden hatte. Ihm folgten funfzig wie er aufziehende Riesen / welche aus dem gantzen deutschen Heere mit Fleiß ausgelesen waren. Hierauf kam auf einem von vielem Eisen schwirrenden und von 4. Luchsen gezogenen Sichel-Wagen die Königin Deutschland in Gestalt einer ernsthaften Frauen. Sie trug auf dem Haupte einen Eichen-Krantz / in der rechten Hand einen Spieß wie Pallas; in der lincken einen Schild / darinnẽ ein Eichen-Sta mit der Uberschrift war: Ich vertrage keine Einpropfung. Wordurch nichts anders angedeutet ward; denn / daß die deutsche Freyheit keiner frembden Herrschaft unterlegen wäre. Nach diesem Wagen kamen beynahe 500. auserlesene deutsche Ritter. Die ersten 40. führte Hertzog Ingviomer unter dem Nahmen des vom Ascenas entsprossenen Fürsten Tuisco. Er war an statt des Helmes und Harnisches mit einer Löwen-Haut überdecket. Sein Waffenträger trug ihm einen Schild bey / umb welchen 16. Griechische Buchstaben geetzt waren / welche Tuiscon erfunden / und hernach den Griechen entlehnet haben soll. Zwischen diesem stand ein Circkel / als ein Sinne-Bild / entweder des unbegreifflichen Gottes / oder seiner unumbschrencklichen Tapferkeit. Unter ihm[444] zohen eben so auf: Sarmata / Dacus / Geta / Berich /Philomar / Mösa / Savus / Hister / Adulas / Mösias /Dalmata / Dachau / Andechs / und andere Urheber grosser Völcker. Der andere Hauffen folgte dem Hertzoge Flavius; welcher den König Mann mit einem Helme fürbildete; dieser war über und über mit Pferde-Haaren bedeckt. In seinem Schilde führte er einen Phönix; vielleicht durch diesen Vogel / welcher von keinem weiblichen Geschlechte weiß / anzudeuten: daß alle seine deutschen Männer seyn müsten. Ihm folgten in gleicher Rüstung viertzig edle Cherusker /welche die Stellen der alten Fürsten Trevir / Ingevon /Istävon / Vandalus / Tyras / Nester und anderer unter ihm lebenden Fürsten / vertraten. Des dritten Geschwaders Führer war der Hertzog Jubil unter dem Nahmen Hermions. Er führte auf seinem Helme / wie nach seinem Beyspiele Pyrrhus / grosse Büffels-Hörner; in seinem Schilde einen Löwen / welcher mit seinen Klauen Eisen zerbrach. Ihm folgten eitel auf Amazonen Art gewaffnete deutsche Frauen und Jungfrauen / weil dieser Fürst auch die Weiber in Waffen geübt / und eingeführt hat: daß ein Mann bey der Heyrath seinem Weibe zum Ehgelde etliche Ochsen /ein gesatteltes Pferd / einen Spieß und ein Schwerdt einliefern müsse. Den vierdten Hauffen führte unter dem Nahmen des Marsus Hertzog Segimer. Sein Helm hatte zu oberst einen güldenen Sphynx / und im Schilde einen ackernden Ochsen; weil zu diesem Helden Osyris in Deutschland gereiset seyn / und ihn den Ackerbau / wie auch das Bierbrauen gelehret haben soll. Für dem fünften ritt Hertzog Catumer und stellte den Fürsten Cimber für / dessen Helm so glatt und gläntzend wie Feuer war / oben einen wilden Schweins-Kopff / in dem Schilde das Bild des Libyschen Hercules / welcher diesen deutschen Fürsten mit seiner Mutter Isis heimgesucht haben soll. Der sechste Führer war Marcomir; welcher den König Svevus fürstellte; auf dem Helme einen Wolff / im Schilde eine gekrönte Seule zum Wahrzeichen hatte. Den siebenden Beherrscher Deutschlandes / nemlich den Vandalus / stellte Hertzog Siegesmund für; dessen Helm mit einem Drachen-Kopffe gerüstet; in dem Schilde aber ein Zweifels-Knoten zu sehen war. Der achte Führer war Fürst Sesitach / der den sinnreichen Teutates mit einem Schlangen-Krantze auf dem Helme und einem Schilde / darinnen ein siebenspitzigter Alb-Fuß zu sehen war / vertrat. Der neundte war Sebald ein junger Chamavischer Fürst / der den behertzten Alemann mit einem Löwen-Kopffe auf dem Helme / und einem Löwen im Schilde vorstellte. Den zehnden Hauffen führte Reinold ein Marsingischer Fürst / und vertrat den Fürsten Bojus. Auf seinem Helme führte er einen Tyger Kopff / im Schilde einen Bär. Dem eilften gieng Dagobert ein Schwäbischer Fürst für / anstatt des alten Ingrams; welcher auf dem Helme einen Luchs / im Schilde drey Elefanten-Zähne hatte. Der letzte Hauffen ward von Arnolden / einem Friesischen Fürsten / geführt / der als ein Vertreter des zwölfften deutschen Herrschers Adalgers / der auf dem Helme ein Hirsch-Geweih / im Schilde einen stossenden Stier führte. Nach dem diese sich die Helffte gegen die Römer / die Helffte gegen die Griechen in Ordnung gestellt hatten / küßte das sich regende Deutschland zwar die Hand / ja ihr Kutscher die Geisel / und warffen sie ehrerbietig Rom und Athen zu; es behielt aber darbey seine ernste und männliche Gebehrdung / und fieng hierauf an zu singen:


Es rühme Rom und Griechenland

Die Freyheit / ihre Helden-Wercke.

Kein Volck ist mehr als ich bekand

Von mehrer Freyheit / grösser Stärcke.

Eh' als Phoroneus fieng der Griechen Herrschafft an.

War mir schon Tanais und Mosel unterthan.


[445]

Als Rom in Wieg' und Windeln lag /

Herrscht' ich vom Eiß-Meer bis zun Alpen /

Man suchte Hülffen und Vertrag

Bey mir von Hamus bis zu Calpen.

So Rom / als Griechenland verfiel in meine Hand

Und Asien that mir vergebens Widerstand.


Es sehnet sich noch alle Welt /

Nach meinem Schutz und meinem Herrschen.

Weil dis die Freyheit ihr erhält

Und jeder Feind mir kehrt dir Fersen.

Bey andern Völckern ist die Freyheit nur ein Gast /

Mir ist sie angebohrn / und Dienstbarkeit verhaßt.


Mein Angel-Stern wird Hunds-Stern seyn /

Mein Eys-Meer wie das Rothe sieden;

Eh' als die Donau und der Rhein

Wird mit der Knechtschafft seyn zu frieden.

Urheber meines Reichs / wol so bewehrt: daß frey

Und von der Deutschen Blut erzeugt seyn / eines sey.


Römer und Griechen wurden durch diese unvermuthete Ausforderung genöthiget sich mit neuen Lantzen zu versehen und zum Kampffe fertig zu machen. Inzwischen hielt der deutsche Hercules mit seinen Riesen nach Himmlichen und Sack-Pfeiffen einen gantz besondern Tantz; welcher zwar mit dem Griechischen keine Gemeinschafft / aber viel mehr Kunst in sich hatte. Denn sie sprungen bald über einander /bald standen sie einander auf Achseln / bald sie selbst mit empor gestreckten Füssen auf den Köpffen; bald flochten sie sich in einander / und wunden sich doch ohne Verwirrung von sammen also; daß die Römer sich an dieser neuen Tantz-Art nicht satt sehen kunten / und sich so wol über die Geschickligkeit / als Geschwindigkeit dieser ungeheuer-grossen Leute verwundern musten. Nach geendigtem Tantze traffen anfangs die deutschen Heerführer eintzel-weise auf die Römischen und Griechischen Obersten; hernach die Geführten / Gliederweise so zierlich auf einander: daß der vorhin gleichsam eingeschlaffene Schau-Platz nunmehr allererst die Augen aufzuthun schien. Nichts aber war denen Römern verwunderlich; als daß das deutsche Frauenzimmer so behertzt und geschickt im Lantzen-brechen waren / und in diesem sich nicht nur verhielten / als wenn es ihr gewohntes Handwerck wäre; sondern es auch an zierlicher Werff- und Schwenckung der Lantzen fast allen Männern zuvor thäten. Unter diesen ließ sich fürnemlich selbst die Fürstin Ismene / Catta / Zirolane / eine Gräfin von Nassau / von Waldeck / von Salen / Bentheim und mehr andere tapffer sehen. Ob nun wol Tiberius sich dieses geschwinden Streichs von den Deutschen nicht versehen hatte / und entweder aus einer angebohrnen Mißgunst / oder weil er es dem Römischen Volcke nicht für vorträglich hielt: daß die Deutschen zu Rom ihrer Geschickligkeit halber in so grosses Ansehn kommen solten / eyversichtig ward; so verstellte er doch / seiner Gewonheit nach / diese Empfindligkeit. Ja seiner Arglist mangelte es nicht an einer geschwinden Erfindung und Mitteln Anstalt zu machen: daß bey geendigtem Lantzen-brechen Rom auf seinem Wagen zwischen die gegen einander gestellten Hauffen gefahren kam / und zu singen anfieng:


Ich gönne / Schwester / dir den Ruhm:

Die Freyheit sey dir angetreuet /

Die Tugend sey dein Eigenthum /

Und bin darüber selbst erfreuet.

Ja deine Tapfferkeit hat auch zu wege bracht:

Daß mein August mit dir solch' einen Frieden macht.


Mein Krieg war nicht des Hasses Brut;

Nur eine Prüfung unser Stärcke.

Uns alle zwey regt edles Blut;

Wir üben beyde Wunderwercke.

Weil gleich und gleiche nun die beste Freundschafft macht:

Wird auch die Nachwelt nicht auf Spaltung seyn bedacht.


Nun wir einander sechzig Jahr

Durch Tapferkeit geeichtet haben;

Bau'n wir der Eintracht ein Altar /

Das tausend Erndten nicht begraben.

Weil Freundschafft nun für sich nichts eignes haben kan:

So ni den Lorbeer-Zweig halb von mir / Deutschland / an.


Mit diesen letzten Worten brach Rom den Lorbeer-Zweig mitten entzwey / und reichte die [446] Helffte Deutschlande zu. Hierüber entstand ein allgemeines Freuden-Geschrey; die deutschen Riesen machten sich noch mit einem seltzamern Tantze lustig / und diesem Lust-Spiele ein Ende.

Die Trompeten wolten gleich das Zeichen zum Abzuge geben; als ein Herold in Begleitung zweyer Waffen-Träger auf einem schwitzenden Pferde hinein kam. Er hatte auf dem Haupte einen Krantz von Oel-Zweigen / und in der rechten Hand einen Oel-Zweig /welchen er zum Zeichen: daß er demüthig um Erlaubnüs zu reden bäte / gegen dem Tiberius beugte. Hiernach fieng er mitten auf dem Platze an zu ruffen: Zwey aufs euserste beleidigte Ritter haben diesen Schau-Platz zu Ausübung ihrer gerechten Sache erwehlet: daß sie die edelsten Helden der Welt nicht weniger zu Richtern / als Zuschauern ihrer Tapferkeit haben; die Vermessenheit aber sich an der Straffe der Beleidiger spiegeln möge: wie gefährlich es sey der Tugend auf die Zeen treten. Gehet diesem nach / ihr Waffen-Träger / und bringet denen / welchen diese Rache gilt / die gleichen Waffen: daß sie zu ihrer Vertheidigung die ihnen anständige Helffte erkiesen. Augenblicks verfügte sich der eine zum Hertzog Flavius / der andere zum Hertzog Jubil / derer jeder ohne Befragung: wer ihnen auf den Hals wolte? eine von den angebotenẽ Lantzen / ein Schwerdt / einen Bogen und Köcher zu dem abgenöthigtem Kampffe erkiesete. Der Herold zerbrach hierauf den Oel-Zweig / und warf einen Spieß von sich: daß er in der Erde stecken blieb. Ja er war kaum wieder aus diesem umbschlossenen Felde kommen / als zwey Ritter auf zwey kohlschwartzen Pferden und in schwartzer Rüstung auf den Platz geritten kamen; welcher von allen Anwesenden in der Mitte mit Fleiß geräumet ward. Sie hatten beyde auf ihren Helmen Kräntze von Nesseln / welche kein Anrühren ohne Brand vertragende Pflantze hier schicklicher ein Merckmal der Rache / als dem geilen Antigonus einen Zepter abgab. In dem Schilde führte der eine einen Bienschwarm / welche einen Bär mit Stechen ängstigten; Mit dieser Umbschrifft:


Honig ist so süsse Sache

Nicht / als sterben nach der Rache.


Der ander hatte in seinem Schilde einen Hauffen glüenden Kohlen / mit der Uberschrifft:

Wer die Rache zündet an /

Fühle / daß sie brennen kan.


Sie hatten gar keine Waffen bey sich; sondern empfiengen dieselben von ihren Waffen-Trägern / welche ihnen Hertzog Flavius und Jubil übrig gelassen hatten. Diese wusten zwar nicht / konten es auch nicht aussinnen / wer ihre Ausforderer seyn müsten / jedoch machten sie sich zum Kampffe mit nicht weniger Freudigkeit / als zu einem Tantze fertig. Wiewol nun Tiberius über dieser Ausforderung sein Mißgefallen an Tag und bey den Fürsten zu verstehen gab: daß /weil er seinen so werthen Freunden aus Schuldigkeit des Gastrechtes Sicherheit zu verschaffen / und sie zu beschirmen schuldig wäre / würde es an Römern nicht fehlen / welche diesen vermäßenen Ausforderern die Stirne wieder bieten würden; so baten doch Hertzog Flavius und Jubil aufs beweglichste: man möchte ihnen die Ehre eigenhändiger Rache in den Augen so vieler hundert Helden nicht mißgönnen. Derogestalt muste Tiberius darem willigen; worbey er sie aber beschwur: sie möchten daraus keinen Anlaß nehmen das Gastzeichen mit Bereuung ihrer ihm erwiesenen Freundschafft zu zerbrechen. Der erste Angrief geschahe auf beyden Theilen mit den Pfeilen / welche sie aber sämtlich mit den Schilden so meisterlich zu versätzen wusten / als wenn sie als Schützen solche ihnen selbst zum Ziele erkieset hätten. Nach dem alle verschossen waren / [447] grieffen sie zu den Lantzen / welche nicht wie in Lust-Spielen mit breitlichen Blättern verwahret / sondern wie im Kriege mit Stahle scharff zugespitzt waren. Sie verrichteten das erste Rennen alle mit so gutem Glücke: daß alle vier Lantzen ohne jemandens Verwundung brachen. Im andern ward der / welcher mit dem Hertzog Jubil anband / so heftig auf die Brust getroffen: daß er sich an die Meynen des Pferdes anhalten muste; wenn auch der Stoß nicht so gestreckt / und des Getroffenen Harnisch so gut gewest wäre / würde ihm Jubil damit sein Licht ausgelescht haben. Dessen ungeachtet ergrief er / wie Flavius und sein Gegener / welche wie das erstemal einander nichts nachtheiliges angebracht hatten / die dritte Lantze um dem Hertzoge Jubil zubegegnẽ. Alleine dieser faste jenẽ so wol: daß er ihn zwischen den Waffen durch den rechten Arm nahe am Gelencke der Achsel durchstieß / und derogestalt mit sambt dem Pferde zu Bodem reñte. Jubil war wie ein Blitz vom Pferde / um seinem Feinde den leztẽ Streich zu versetzen. Er rieß ihm daher / den blancken Degen in der Hand habende / den Helm vom Haupte; erkennte aber seinen Feind mit so viel mehr Verwunderung für den Fürsten Malovend / weil er sich nicht erinnerte: daß er ihm jemals einiges Leid zugefügt hätte. Weil nun die Beleidigungen / welche keine rechtschaffene Ursache haben / von Seiten des Beleidigers am heftigsten / von Seiten des Beleidigten am empfindlichsten sind; ward Hertzog Jubil mit sich selbst streitig: Ob er das Recht seiner Rache am Malovend vollends ausüben solte? Gleichwol aber überwand seine Großmüthigkeit seinen Zorn: daß er ihm nicht allein mehr kein Leides that / sondern auch befahl ihn aufzuheben und ihm die Wunde zu verbinden. Er sätzte sich diesemnach wieder zu Pferde / und gab nun nebst allen andern einen Zuschauer ab des feurigen Zwey-Kampffes mit dem Flavius. Niemand konte noch urtheilen / wer sein so tapfferer und erbitterter Feind wäre / außer die Fürstin Catta machte ihr alsbald die Auslegung: daß die eyversüchtige Liebe den Fürsten Malovend wider den Hertzog Jubil / und den Hertzog Zeno wider den Flavius in Harnisch gejagt hätte. Die Königin Erato quälte sich mit eben diesem Kummer / und / weil beyde Kämpffer nunmehr nach gebrochenen Lantzen zu den Schwerdtern gegrieffen hattẽ; geschah von ihnen kein Schlag / daß ihr nicht zugleich das ängstige Hertze schlug: also / daß sie nicht / wie Catta / ihre Empfindligkeit verstellen konte. Ihre Seele verwickelte sich in einem rechten Zweifels-Knoten; den die vorherigen Ebentheuer und Wahrsagungen hatten sie so irre gemacht; daß sie sich nicht auszuwickeln wuste: wen sie unter dem Zeno und Flavius lieben? weniger /wem sie den Sieg gönnen solte? Unterdessen sätzten beyde streitende Helden einander so heftig zu: daß beyde wegen einander zugefügten Wunden von Blute troffen. Am schrecklichsten aber war zu sehen: daß ihr Athem von der Bemühung / und ihre Kräfften von der Blutstürtzung gleichsam zunahmen. Wie nun der von den Römern erkennte Malovend alsbald zur Pfleg- und Verbindung weggetragen ward; also muthmaste Tiberius aus diesem den Römern vorhin zugethan-gewesten Gefärthen: daß auch der andere Ausforderer des Flavius ein Freund der Römer seyn müste. Diesemnach veranlaßte er den Germanicus diesen Kampff / in welchem beyde Ehre genung erlangt hätten / zu unternehmen. Dieser verfügte sich zu dem Ende dahin; ward aber seiner Müh überhoben /weil sie beyde auf einmahl von Pferden für todt zur Erde fielen. Die Waffen-Träger sprungen bald darzu /und öfneten ihnen ihre Helme. Wordurch denn dem gantzen Schau-Platze kund ward: daß Flavius mit dem Zeno gefochten hätte. Erato / welche durch beyder Fall Gehöre und Venunfft verlohren hatte / war nicht mächtig sich zu mäßigen: daß sie Thußnelden verließ / und denen Gefallenen [448] zusprang. So bald sie aber beyder erblassete Antlitzer ins Auge bekam /verwandelte sie sich selbst in ein Ebenbild des Todes; und fiel ohnmächtig zu Bodem. Die nechsten Zuschauer dieses unvermutheten Trauer-Spieles wusten nicht / wem sie zum ersten zulauffen solten. Die Hertzogin Thußnelde und Agrippine drängten sich selbst herzu; und weil andere mit Entwafnung des Flavius und Zeno beschäftiget waren; brachten diese die Königin Erato wieder ein wenig zu Kräfften / aber nicht zur Vernunfft. Denn so bald sie ihrer Hände und Zunge mächtig war / rauffte sie ihr verzweifelnd die Haare aus / und ruffte wiewol mit lächsender Stimme: Zeno! Zeno! Alles reiben / kühlen und einbalsamen hatte bisher nicht zuwege bringen können: daß weder Zeno noch Flavius ein Zeichen des Lebens von sich gegeben hätten. Nunmehr aber hatte die doch so schwache Stimme der für Leid vergehenden Erato mehrere Krafft / als derer / welche durch das getrunckene Wasser des Bruñen Zame selbte helle gemacht hatten. Oder sie übertraf vielmehr die Kräfften der Strauß-Augen; welche durch stetes Anschauen ihrer Eyer an statt des Brütens ihre Jungen lebend machen. Denn Zeno und Flavius schöpfften zugleich Athem /und endlich öfneten sie auch die Augen. Erato hingegen ward aufs neue ohnmächtig; und nachdem man sie wieder nur ein wenig erfrischet / sie aber keinen der Verwundeten mehr sahe / welche Agrippine zur Verbindung wegtragen lassen; ergrief sie das auf der Erde liegende Schwerdt des Zeno / und hätte es ihr durch den Leib gestossen / wenn nicht Homburg / ein deutscher Ritter / ihr in die Armen gefallen wäre. Sie verlohr aber hierüber gleichsam ihre Sinnen; ruffte mit denen nachdrücklichsten Liebkosungs-Worten bald den Zeno / bald den Flavius; bald verfluchte sie auch einen und den andern als Mörder / und Verstörer ihrer Vergnügung. Thußnelden stieg alles dis mitleidentlich zu Hertzen; und begleitete sie die Königin selbst unter das Zelt; dahin sie die sorgfältige Agrippine auf den Armen ihrer Freygelassenen / aus diesen aber auf Bithynischen an vier Seulen frey in der Lufft hängenden Sänfften / darauf die der Agrippine aufwartenden Römischen Rathsfrauen dahin gefahren /und derer Pulster mit eitel Rosen gefüllt waren / bringen ließ. Also endigte sich dieses Freuden-Spiel mit vieler Trauern / wie manch schöner Tag mit Regen und Ungewitter.

Das allgemeine Leid über dieser dreyer Fürsten Beschädigung hinderte den Fortgang der Römischen Freuden-Spiele. Das gemeine Volck fällte von diesem Kampffe hunderterley Urtheil / welches ins gemein so viel Meinungen als Köpffe hat. Der deutsche Hof aber konte ihm die Rechnung leicht machen: daß die Eyversucht den Zeno gegen den Flavius wegen der von ihm geliebten Erato hierzu veranlasset hatte. Malovend aber / welcher unter denen Verwundeten sich noch am besten befand / machte sein Geheimnüs freywillig kund / indem er durch zwey Marsische Ritter den Hertzog Jubil umb Verzeihung seiner Ausforderung ersuchen / wegen gerechter Bestraffung seiner Vermäßenheit sich aber aufs höflichste bedancken ließ. Seinen Degen hätte ihm nicht einige Feindschafft / sondern die Hefftigkeit seiner Liebe gegen der Fürstin Catta gezücket / welche ihm so viel grimmiger zugesätzt / jemehr er sich selbte zu verhölen bemühet hätte. Diese gebiehre ins gemein solche Mißgeburten /wenn sie sich mehr mit der Tapferkeit / als der Vernunfft vermählte. Jedoch hätten ihn die gerechten und glücklichen Waffen des Fürsten Jubils von der Verzweifelung wieder auf die rechte Bahne dem Verhängnüsse zu folgen / und sich über seinen Unfall nicht zu beschweren verwiesen; ja ihn gelehret: daß der Himmel nur über unserm Unglücke lachte / das man der Liebe halben ausstünde. Diese hätte ihn zwar so keck und vermässen [449] gemacht sich an einen so grossen Helden zu reiben; Er hätte aber beym ersten Anbinden erfahren: daß ein geistiger Blick der Tugend einem Schuldigen durchs Hertz führe / und ihr blosses Anschauen diesen schon Straffe genung wäre. Alleine was er am Ruhme der Tapferkeit eingebüßt / hätte er durch seinen Schaden an Klugheit gewonnen / nemlich gelernet / sich von dem bescheiden zurück ziehen; was ein würdiger zu seinem Augen-Ziele hätte. Seine Thorheit aber würde etlicher maßen von dem gemeinen Fehler verredet: daß wir an andern nur ihre Schwachen / an uns selbst aber nur dis / was etwan das beste an uns ist / anschauen / und uns daher andern / wo nicht überlegen / doch nichts nachzugeben einbilden; also uns solcher Dinge unterwinden / welche weit über unsere Kräfften sind. Dis verstünde er nunmehr / und hätte er seinem Willen schon einen Zaum angelegt / nach der Hertzogin Catta nicht mehr lüstern zu seyn; ja wenn er über sein Gedächtnüs eine Bothmäßigkeit hätte / würde er seinen Gedancken befehlen ihrer gar zu vergessen; und wünschte er ihm zum Besitz der unschätzbaren Catta so viel Glücke /als ihrer beyder Tugenden verdienten. Er hätte nun mehr mit seinem Schaden / jedoch zu seinem besten gelernet: daß Hertzog Jubil so wol ein Muster eines unvergleichlichen Helden / als die Hertzogin Catta einer vollkommenen Fürsten abgäbe. Bey diesem seinem Verstossen begehrte er keinen andern Schirm für seine Fehler / als den unüberwindlichen Jubil zu suchen / als welcher keine selbst zu begehen fähig wäre. Hertzog Jubil nam Malovends Erklärung mit so viel Höfligkeit auf; mit wie vieler Hertzhaftigkeit er vorhin seinen Anfall hintertrieben hatte. Und weil Jubil noch immer das Gedächtnüs der ihn so hertzlich liebenden Leitholde im Gemüthe / und von selbiger Zeit an / da selbte in Wahnwitz gerieth / mit allen Liebhabern grosses Mitleiden hatte / nam er nicht alleine Malovends Entschuldigung höflich an / sondern suchte ihn selbst heim / und schätzte nunmehr seiner Bescheidenheit halber seine Tugend höher / als jemals vorher. Sintemal sonst selten heftige Liebe und gute Vernunfft sich mit einander vertragen; sondern durch ihren blinden Trieb auf hunderterley Thorheiten von ihren Nebenbuhlern schimpflich zu reden / ihre Buhlschafft zu verkleinern / oder gar in Unglück zu stürtzen gerathen. Dahingegen Malovend die Fürstin Catta zu einer Göttin; welche anzubeten er zu unwürdig /den Hertzog Jubil aber zu einem solchen Helden machte / welcher nichts sterbliches zu verehren fähig wäre. Hertzog Flavius und Zeno hingegen waren in einem so elendem Zustande / der keine Besuchung vertrug; jedoch die Königin Erato in ihrem Gemüthe noch gefährlicher verwundet / als jene an ihren Leibern. Nichts desto weniger löseten Thußnelde / Agrippine und anderes Frauenzimmer / außer der bis in das innerste ihrer Seele bekümmerten / und sich destwegen in eine stete Einsamkeit versperrenden Ismene / einander bey der verzweifelnden Erato fast stündlich ab. Als diese sich aber einst allein befand / raffte Erato alle Uberbleibungen ihrer Vernunfft zusammen / und beschwur sie bey der von den Deutschen angebeteten Gottheit / beym Haupte ihres Jupiters / und beym Schutz-Geiste ihres so sehr geliebten Hermanns: sie möchte ihr allemal den Zustand des Zeno und Flavius mit ihren Veränderungen aufrichtig wissend machen. Ob die Aertzte nun zwar dieses widerriethen / und in solchen Fällen / da einem Krancken die unverfälschte Warheit zum Nachtheile / wie einem verterbten Magen der Zucker zu Galle geriethe / die Unwarheit als eine heilsame Klugheit rühmten / war doch Thußnelde eines so zarten Gewissens: daß sie sich nach erlangter Nachricht: Es könte Zeno unmöglich von seinen Wunden genesen / zur [450] Erato verfügte /und ihr sagte: sie solte nunmehr ihre Gemüthe durch die Tugend so befestigen: daß es sich durch keine Zufälle aus den Angeln einer hertzhaftigen Beständigkeit heben ließe. Hätte Phidias ein solch Oel zu bereiten gewüst; welches seine Bilder wider Rost / Abschüßung der Farbe / und die Veralterung bey ihrer Neuigkeit / Jugend und Schönheit zu erhalten vermocht; so wäre es auch keine Unmögligkeit unser himmlisches Theil / nemlich die Seele / für Schwachheiten zu verwahren. Die Zeit und tausend seltzame Zufälle hätten die Königin schon derogestalt abgehärtet: daß ihr nichts in der Welt zu empfindlich und unverträglich fallen könte. Erato sahe hierüber Thußnelden mit starren Augen an / und bat: sie möchte ihr ohne Umbschweiff sagen: welcher unter beyden Kämpffern todt wäre. Thußnelde antwortete: keiner noch; aber umb einen wäre es der Aertzte Urtheil nach geschehen. Erato fragte alsofort: Umb welchen? diese antwortete: umb den Fürsten Zeno. Erato erstarrete und erblaßte zugleich über diesem Worte. Diese Unbewegligkeit aber gab genung zu verstehen: daß das Stillschweigen nicht weniger in Schmertzen / als in der Liebe eine grosse Beredsamkeit wäre. Uber eine Weile aber ergrief sie eine seidene Schnure / welche an dem einem Ende des Haupt-Küssens hieng / und schlingte sie ihr umb den Hals; hätte sich auch erwürget / wenn nicht Thußnelde ihr augenblicks die Hände ergrieffen und Salonine die Schnure loßgeschlingt hätte. Die behertzte Thußnelde / welche allzu wol verstund: daß solche Krancken nicht mit linden Salben und Pflastern / sondern mit schneidenden Messern und glüenden Eisen zu heilen wären; fuhr die Königin mit so ernsten Gebehrden / als Worten an: Wenn sie ihr von ihr eine solche Gemüths-Zärtligkeit jemahls hätte einbilden können / würde sie sich niemals haben bereden lassen die Warheit ihr so lauter einzuschencken. Die Natur hätte sie mit so viel Vernunfft beschenckt / und die Zeit hätte ihre Tugend durch so viel Ebentheuer abgehärtet; nunmehr aber vergäße sie auf einmal beyder / und könte ohne Verzweifelung dem Verhängnüsse nicht einen rechten Streich aushalten. Ihr Geist hätte so viel Licht aus den Gestirnen bekommen / und sie ließe ihr die Gemüths-Regungen ärger /als unvernünfftige Thiere zu Kopffe machen. Diese müsten ja ihrem ersten Triebe / als blinde Sclaven gehorsamen; in vernünftigen Menschen aber hätten die mit dem freyen Willen aus einerley Wurtzel entspringenden Gemüths-Regungen eben so wol / als er ihre Freyheit. Diesemnach solte sie ihrer selbst nicht auf einmal so gar vergessen / und durch ihre scheltbare Kleinmuth nicht der Welt verrathen: daß sie nur einen Schein / nicht den Kern der Tugend besessen hätte. Erato seuftzete aus der innersten Seele; und nach dem sie ihr die aus den Augen schüßenden Thränen abgewischt hatte / fieng sie an: O der erbärmlichen Freyheit unserer Regungen / wenn uns Liebe und Schmertz auf beyden Seiten anfäßeln! Warlich! diese sind von so niedriger Ankunfft / und von so unberührlicher Schwerde: daß sie die Vernunfft so wenig / als die Sonne die Ausdampffungen sümpfichter / Thäler zertreiben kan. Rühren aber auch gleich unsere Aufwallungen des Hertzens eben daher / wo unser Wille; sind auch unsere Regungen weder so blind / noch so gefässelt als andere Thiere; so sind doch diese von dem Willen so ferne / als die Granat-Aepffel-Blätter von den gekrönten Früchten unterschieden. Sind in uns Liebe / Schmertz / Zorn und andere heftige Aufsteigungen nicht an einem Felsen angeschmiedet; so gleichet doch ihre Freyheit nur denen Gefangenen /welche in einem Kerker herumb gehen. Ja so gar unsere Vernunfft kan sich so wenig / als die [451] Gestirne einer vollkommenen Freyheit rühmen / sondern beyde sind des Verhängnüsses Leitung unterworffen; also unser Verstand ein angefässelter Führer einer blinden Freygelassenen / und eine schöne Sclavin / die den Regungen / als ihrer Königin / bey stock-finsterer Nacht eine Fackel vorträgt. Hat die Vernunfft doch nicht das Vermögen zu hindern: daß wir beym Erschrecknüs zittern / unser Antlitz schamroth werde. Diese Epp und Fluch unsers Geblütes kommt und verscheust ohne Erwartung einigen Befehls von unserm Willen; ja der Schauer der Furcht bemeistert unsere Glieder so sehr / als der des Febers. Wie soll sie denn Liebe / Zorn / Schmertz und andere wilde Regungen bändigen oder ausrotten? die Sterne flößen sie unsern Adern / als einen Saamen des guten und bösen / für unserer Geburt ein; wie soll denn unsere eitele oder unvollkommene Weißheit selbige zu reinigen mächtig seyn? welche / wenn sie diese Kräfften hätte /verdiente: daß die edelsten Gestirne sich herunter liessen / umb durch sie ihrer Flecken loß zu werden. Thußnelde brach ein: Ich hätte der Königin niemals zugetraut: daß sie ihren scharffen Verstand zu einer Dienst-Magd der niedrigen Gemüths-Regungen machen / ihren freyen Geist aber einer eingebildeten Nothwendigkeit / welche vom Himmel den Ursprung haben soll / unterwerffen solte. Gleich als weñ dieser nicht weniger ein Brunn irrdischer Schwachheiten /als des Lichtes und guten seyn könte. Alleine weil dieser gewohnt ist die Aufdämpffungen / wormit die Erde seine schönen Gestirne zu verdüstern bemüht ist / in fruchtbare Regen zu verwandeln / also böses mit gutem zu vergelten; wil ich auch mit ihren Irrthümern glimpflicher / als sie mit der Warheit umbgehen; indem ihre Einbildung vom Himmel in ihre Seele solche Einflüße zu fühlen vermeint / da man doch durch die künstlichsten Ferne-Gläser noch nichts anders /als fruchtbare Wärmbde / und erfreuendes Licht von oben herrinnen gesehen. Wie können aber der Sternen Cörperliche Einflüsse Leiter der Seelen seyn / welche als Geister würdiger als die Sternen selbst sind? ist diesen aber ja einiger Reitz zu enthengen; so sind sie gewiß nur Wegweiser / nicht Kerkermeister; welche unserm Willen mit annehmlicher Lockung zu folgen liebkosen; ihm aber nicht an die Gurgel greiffen und den Gemüths-Regungen / welche selbst von Ankunfft Leibeigene sind / zu gehorsamen zwingen. Dieser ihr erster Anfall kan uns zwar im ersten Sturme eine Röthe abjagen / einen Schauer eindrücken; destwegen aber bleibt die sich erholende Vernunfft eben so wol als die wol anschlagenden Artzneyen der Kranckheiten Meisterin. Die zitternde Furcht faßte den grossen Alexander bey angehender Schlacht zwar bey den Armen und Beinen; wenn es aber zum Handgemänge kam / trat er sie unter die Füsse / und sein Schauer verwandelte sich wie in Febern in eine feurige Hitze. Das Hertz geust bey Liebe / Verlangen / Freude und Zorn / und andern thätigen Regungen sein flüssendes Feuer zwar in alle Glieder; und rufft es bey Traurigkeit / Furcht / Verzweifelung und andern kalten Regungen / welche es bedrängen / zu Hülffe; Und hierinnen läßt ihm das Hertze / welches in dem / was den Leib und das Leben angeht / keine Oberherrschafft der Vernunfft erkennet / nichts gebieten oder verwehren. Wenn aber die Vernunfft die wilden Gemüths-Regungen besänftigt / die Ohnmächtigen erfrischet /kommet das Geblüte doch endlich wieder in sein Lager / und das Hertze zur rechten Bewegung. Dafern aber unser Vernunfft die Liebe nicht mehr als die Bewegung des Geblütes gehorsamte / die Hemmung des Zornes so wenig / als die Ergießung [452] der Galle / in der Gewalt unsers Willen stünde; was hätte die tugendhafte Erato für einer geilen Lais / für einer unmenschlichen Tanaquil für ein Vorrecht? denn die unablehnliche Nothwendigkeit / böses oder gutes zu thun / raubet den Lastern ihre Häßligkeit / der Tugend ihre Schönheit. Sie macht sie zu Schwestern von einerley Würde und Gestalt; ja sie hebet den Unterschied ruhm- und scheltbarer Menschen auf. Die Geschicht-Schreiber könten sich der Verläumbdung nicht entbrechen: daß sie des Tarquinius an Lucretien verübten Noch-Zwang gescholten / die Mäßigkeit des Africanischen Scipio gepriesen. Es wird kein Unterschied seyn: ob einem die Nase / oder seine Faust von des Vaters oder Bruders Blute trieffe? Ob einer über Ehbruche / oder an einem hitzigen Feber schwitze? die Liebes-Male des Pylades und Orestens würden für Thyestens und anderen Mord-Taffeln / derer blosser Schatten uns auf den Schau-Gerüsten ein Grauen erwecket / keinen Danck verdienen. Ja wir Menschen wären nicht einst von wilden Thieren abzufordern /welchen kein Gesätze eingebohren noch geschrieben ist / welche weder Tugend noch Geblüte kennen / und die säugenden Brüste ihrer Mütter von gemeinen Quellen nicht unterscheiden / und mit den Füssen ihnen das Wasser trüben / daraus sie trincken. Wenn unsere Vernunfft uns so wenig / als rasende Hunde und schäumende Wald-Schweine zurücke halten /unser Wille der hitzigen Leber folgen muß; wenn unser Geblüte / wie der Panther / eine stets bittere Galle / und unsere Seele ein stets hitziges Feber ist /und unser himmlischer Geist nicht verwehren kan: daß der Leib in Unflat vielerley Sünden fällt; daß Orestes so wol / als hungrige Wölffe unser Mütter Brüste zerfleischet; daß Romulus das neben ihm in einerley Eingeweiden liegende Blut eben so wol / als eine wütende Löwin trincket; daß Medea nicht weniger / als Schlangen und Nattern / aus nichts als Gifft und Boßheit bestehet; außer / daß wir einen ohnmächtigen Verstand / und ein überflüßiges Licht besitzen /welches nur unsere Fehler und Irrthümer scheinbar macht. Moses / Solon und Lycurgus haben bey solcher Beschaffenheit eine grosse Thorheit begangen: daß sie Gesätze zu Richtschnuren des Lebens geschrieben. Weñ unsere Vernunfft weder Seile noch Ketten hat / unsere Neigungen von Lastern zurück zu halten; wie viel mehr wären sie schuldig gewest unsern Schwachheiten Pulster unter zu legen / daß wir nicht allzu harte fielen? wenn die Begierde uns zum Besitzthum gläntzenden Goldes und schimmernder Edelgesteine / zum Genüß der aus schönen Antlitzen und schwartzen Augen fallender Strahlen anlocket; wenn Zorn / Geitz und Ehrsucht so sehr als Stein /Geschwulst / Rose und Wassersucht unserm Willen zu widerstreben hartnäckicht sind; weñ unser Geist nur einem Schiffer gleichet / dessen Schiffe / Segel und Ruder fehlt / und unser Verstand uns nur / wie jenem der Angelstern und die Magnet-Nadel den Weg zu seinem Schiffbruche zeiget. Warlich es wäre eine unmenschliche Grausamkeit / wenn jemahls ein Gesätz Geber was geboten hätte; was nicht der Botmäßigkeit unser Willkühr unterworffen ist. Die Natur und das Glücke erkennen keinen Menschen für ihren Oberen / und lassen ihnen kein Gesätze fürschreiben. Kein Egyptischer König hat dem Nil Ziel und Maas gesätzt / wie hoch er wachsen dörffe oder müsse. In den zwölff Römischen Gesetz-Taffeln ist der Tiber die Uber-Strömung / und in Ordnungen der Stadt Tyrus dem Meere sein Stürmen / und die Beschädigung ihrer Schiffe nicht verbothen. Der unsinnige Xerxes hat durch seine dem Meere gegebene Streiche und durch Anlegung [453] der Ketten sich der Nach-Welt zum Gelächter gemacht; und seine zerschmetterten Schiffe haben seinen Aberwitz theuer bezahlen müssen. Kein Busir und Phalaris hat jemals sich unterstanden zu gebieten: daß einer zweymal sterben müsse / und die Leichen noch Pein und Folter fühlten. Wenn es nun einerley wäre einem Bürger anzubefehlen: Es solte ihn nicht hungern / schläffern und dürsten; oder er solle nicht geil / geitzig und zornig seyn; welche kluge Obrigkeit wolte solche Unmögligkeit dem geringsten Knechte aufbürden? Wer diesemnach der Vernunfft ihre Herrschafft über die Gemüts-Regungen abspricht / reisset die Spann-Adern des gemeinen Wesens entzwey / zergliedert die menschliche Gemeinschafft; und zernichtet den Ancker aller Städte / nemlich die Gerechtigkeit. Denn wie könte iemand destwegen ohne Unrecht gestrafft werden / was zu unterlassen nicht in seinen Kräfften gestanden hat? Wenn Phryne aus unvermeidlicher Noth sich so gemein als Lufft und Wasser machen muß; wenn es so wohl des Dionysius als der Tyger unveränderliche Eigenschafft ist grausam zu seyn; wenn Pasiphae nicht keuscher seyn kan als ihr Ochse / für welcher Schand-That sich iedes Papier / darauf sie geschrieben stehet /schämet; Es würde eben so unverantwortlich seyn einen Dieb / als einen Schwindsüchtigen ans Creutz zu nageln; und wenn man einen Verräther tödtete /würde man nicht gerechter / als die Areopagiten handeln / die die Waffen / wormit einer ermordet war /zur Zerbrechung verda ten; und die Persen / welche die Kleider der Mißhandelnden peitschten / und dem /welcher den Kopf verwürgt hatte / den Bund abschlugen. Die Königin Erato hatte sich über dieser scharffen und nachdrücklichen Zuredung ein wenig ermuntert / und fieng an: Da ihre verzweifelte Entschlüssung eine so tugendhafte Fürstin so sehr verletzt hätte / begehrte sie ihre Straffe nicht so wohl abzubitten /als die Grösse ihres Lasters zu entschuldigen. Denn ob schon ihre Schwachheit sie beredete: daß die Vernunfft einem übermässigen Schmertze und der Verzweifelung nicht gewachsen wäre; so könte sie doch die Gesetze nicht tadeln / noch für unrecht schelten: daß der / welcher ohne natürlichen Reitz / aus blosser Boßheit und muthwilligem Vorsatze andere beschädigte / aus dem Wege geräumet würde. Also gäbe die gemeine Sicherheit einem ieden das Recht / Schlangen / Nattern und Crocodile zu tödten; ungeachtet diese Thiere aus natürlicher Eigenschafft und ohne Gesetz-Bruch Böses stifteten / und durch ihre Tödtung ihre Seelen nicht mit Blute besudelten. Uberdiß sündigte der Mensch mehrmals wider die Natur / und thäte durch seine Boßheit denen Neigungen Gewalt an; da hingegen unvernünftige Thiere niemals / wie viel menschliche Ungeheuer / die ihrem Geschlechte schuldige Ehre verletzten / niemals sich durch einsame und unfruchtbare Brünste befleckten. Wölffe und Beeren behielten immer einerley Unart; keine Taube verwandelte sich iemals in einen rauberischen Geyer /und kein Schwan in einen Raben: Der Mensch alleine stellte heute ein La / morgen einen Drachen für; er versteckte die Wolffs-Zähne mit schönen Lippen /und die Greiffen-Klauen unter Pflaumen-streichenden Händen. Er sinnte so gar auf neue Erfindungen der Grausamkeit nach. Auch hätte er die Peinigung zu einer Wissenschafft gemacht / und denen Ermordungen lernen ein Geschicke geben; also daß der Tod zur Straffe mehrmals aufgehalten / und einem ieden Gliede ein absonderlicher angethan; ja so gar die Leichen zur Quaal der Lebenden aufgegraben würden. An dieser Boßheit hätten weder die Gestirne / noch die Gemüths-Regungen Schuld; und dahero wären für sie keine Gesetze zu scharff / und keine Straffen zu grausam. Thußnelde begegnete der Königin: Diese [454] letzteren sind nicht würdig Menschen genant zu werden; ja gegen wilde zu rechnen ungeheure Miß-Geburten; derer Gedächtnüß so wohl als ihre Wiesen mit Strumpf und Stiel auszurotten ist. Gleichwohl aber bleiben dieselben Vergehungen / worzu dem Menschen seine natürliche Neigung Anleitung giebt /nicht unstraffbar. Zielten die Straff-Gesetze auch nur dahin: daß niemand durch die Sündigenden zu Schaden käme / würden aller Unterschied / und die Staffeln der Straffen aufzuheben / der Vorsatz nicht geringer / als das Verbrechen zu straffen / und iedem Menschen eben so wohl auf schädlicher Leute / als auf wilder Thiere Jagt auszuziehen freygelassen seyn. Wenn unsre blosse Sicherheit uns das Richt-Beil in die Hand gäbe / würde man denen mit anfälligen Seuchen beladenen Kranckheiten sicherer Gifft / als Bezoar und Rhabarber eingeben; und die zur Pflegung gebauten Siech-Häuser in Kercker und blutige Trauer-Bühnen verwandeln müssen. Da hingegen so wohl Klugheit / als Gerechtigkeit aus diesem einigen Grunde: daß unboßhafte Schädligkeit nicht Straffe / sondern Hülffe verdiene / befiehlet: daß man niemanden auch in der Pest vergehen lassen soll; da doch dieser ihr blosser Schatten schädlich / ihr Athem tödtlich ist / und man sie mehr nach ihrem Tode / als lebend zu fürchten hat / als welche vielmal durch Anrührung eines Fingers / oder eines Tuches / gantze Städte vergifften und wüste machen. Uber diß haben alle kluge Gesetz-Geber sehr vernünftig die Richter-Stüle verordnet / welche die Grösse einer ieden Missethat aus allen Umbständen genau untersuchen / und selbte ihr eine gleichwichtige Straffe auflegen lassen. Ja ihr fürnehmstes Absehen gienge dahin: daß andere zum bösen geneigte sich an anderer Straffe spiegeln / und ihrer Vernunfft über ihre Gemüths-Regungen brauchen lernen. Die Erfahrung ist auch ein unverwerfflicher Zeuge: daß die wildesten Menschen / wo nicht durch den Zaum des Gesetzes / doch durch die Schärffe der Straffen gebessert werden; ja in etlichen Eylanden / wo der Einwohner Vernunfft so / wie das Tage-Licht des kürtzten Tages verdüstert / und von euserlichen Sinnen wenig oder nicht unterschieden zu seyn geschienen / hat vernünftiger Leute Anleitung und Beyspiel milde Sitten und Tugenden eingeführt. Die Regungen selbst kriegen mehr Zunder von aussen /als sie uns einflössen. Der Abgang der an der Sonne der Ost-Welt gekochten Reichthümer verstopfen dem Geitze / der Mangel des anbethenden Pöfels der Ehrsucht leicht alle Röhren. Die Liebe hat zwar zuweilen / wo nicht vom Himmel / doch von unser Einbildung einen so feurigen Einfluß: daß sie ihre eigene Einäscherung für eine Ergetzligkeit hält; aber ihr Trieb kan doch nicht heftiger seyn / als der des Hungers und Durstes; beyde aber hat nicht allein die Vernunfft des großmüthigen Cato im wüsten Libyen / da es wenig kältere Lufft als in Bad-Stuben / und keine andere Feuchtigkeit / als eigenen Schweiß / und das Gifft kalter Schlangen gab / bemeistert; sondern sein einiges Beyspiel verursachte auch: daß sein gantzes Heer sich weder Hitze / Sand / Durst / noch Drachen aufhaltē ließ / und so wohl seine eigene / und der Natur Gebrechen / als die feindlichen Mohren besiegte. Keine Kirrung aber ist mächtig wilden Thieren ihre Zähne und Klauen zu binden: daß sie sich der Gelegenheit des Raubes nicht bedienen; und alle andere durch viel Zeit und Mühe ihnen abgewöhnte Unart ko t / ehe man sichs versieht / wieder. Der Mensch allein ist fähig durch die Vernunfft die angebohrnen Gebrechen auszurotten / und seinen Adern gleichsam ein ander Geblüte einzugiessen. Alcibiades hatte mehr Trieb zur Uppigkeit / als hundert Menschen; und gleichwol ward er tugendhafter / als tausend [455] andere. Socrates war von Geburt ein aus Hartzt und Schwefel zusammen gebackenes Bild; gleichwohl aber war er hitzigen Regungen weniger unterworffen / als der allerwäßrichste Scythe / dessen einiges Beyspiel alleine zu erhärten genung wäre: daß die Vernunfft / eine Bothmässigkeit über alle Gemüths-Regungen der Gestirne habe / und ihre böse Würckungen entweder entkräffte / ihre guten verbessere. Erato war entweder durch die Wichtigkeit angeführter Gründe überwiesen / oder durch ihre Gemüths-Verwirrung so geschwächet: daß sie Thußneldens Meynung nichts entgegen zu setzen wuste. Das Andencken aber ihres Zeno und sein unschätzbarer Verlust versetzte sie abermals in eine solche Wehmuth: daß sie iedes Wort Thußneldens mit hundert heissen Thränen bezahlte; endlich der sie nunmehr mit sanftern Trost-Worten aufrichtenden Thußnelde antwortete: Ach! wie zierlich lässet sichs von Uberwindung unsrer Liebe / von Mässigung unsers Schmertzens / von Verdammung unsrer Verzweifelung reden! wie schwer oder unmöglich aber fället es eines von diesen bewerckstelligen! Wenn aber ja alle Neigungen von der Vernunft gehemmet werden; ist doch diese Ohnmacht der Liebe mir unbegreifflich. Denn da diese so gar die Götter überwältiget; wie soll sie unserm Verstande unterworffen seyn? Ja da auch aller anderer Liebe sich die Gesetze der Vernunfft binden läßt / ist doch meine von einer besondern Art und von einer unüberwindlichen Stärcke. Diese alleine weiß von sich / nur ich von den Kräfften meiner Liebe zu urtheilen; welcher ich für allen andern Rathgebern zu folgen habe. Denn ie mehr man liebet / ie weiter sperret man die Augen auf. Allein / ich thörichte! was für eine Zwitracht lasse ich mir zwischen meiner Liebe und Vernunfft träumen? Diese selbst redet meiner Verzweifelung das Wort / und befihlet mir mit dem zu sterben / welcher ohne mich nicht leben konte / und ohne den mein Lebē ein täglicher Tod seyn würde. Keine Seele ist iemals so sehr / als Erato von Zeno geliebet worden; solte ich nun nicht mich mit ihm zu begraben für Glücke und Ehre / mein Leben nach ihm aber für eine Kaltsinnigkeit des undanckbarsten Weibes halten? Könte ich meiner gerühmten Treue einen ärgern Schand-Fleck anbrennen / als wenn ich einen so unverwerfflichen Fürsten / einen so beständigen Liebhaber / so seichte / und nur biß zu seinem Grabe geliebt hätte? Die Liebe ist stärcker als der Tod; die aber nur ihr Schatten / welche sich nicht mit dem Geliebten in die Finsternüß seiner Todten-Grufft einschleust. Gib dich also überwunden! treuhertzige Thußnelde! nachdem mir deine eigene Zunge / und die vertheidigte Vernunfft zu sterben befihlet. Mißgönne mir nicht /wehrteste Freundin! daß sich meine Asche mit den modernden Beinen dessen / der eine so süsse Flamme im Leben mit mir vereinbart hat / vermische. Lasse mir zum unsterblichen Nachruhme auf beyder Grabe-Stein schreiben: Daß darunter die Uberbleibung zweyer Leiber / aber nur einer Seele ruhe. Erato fiel nach diesen Worten in Ohnmacht / also daß die mitleidende Thußnelde nicht mehr vielen Thränen den Vorbruch hemmen konte; durch welche sie vielleicht mehr als durch Saloninens Balsame erquicket ward. Als sie nun ein wenig wieder zu rechte kam / fieng Thußnelde mit übergehenden Augen an: Sie hat recht Erato / ihren sterbenden Zeno zu beweinen / aber nicht Befugnüß ihm ihr Leben aufzuopfern. Jenes ist eine Schuldigkeit reiner Liebe / dieses aber ein scheltbares Werck der Verzweifelung. Todte sind keiner andern Verehrung fähig / als eines ruhmbaren Andenckens. Dieses aber entzeucht sie ihrem so würdigen Liebhaber / wenn sie ihr selbst das Tacht des Lebens auslescht. Ihre Asche kan des Fürsten Zeno Verdiensten und Liebe kein Licht / aber wohl ihr Leben eine brennende [456] Fackel seines Ruhmes anzünden. Lebe diesemnach Erato! wo du nicht wilst: daß mit dir das süsseste Gedächtnüß deines Zeno sterben soll. Verbrenne das übrige Oel deiner Seele / ihm zu Ehren! welches vorher eine lodernde Ampel der keuschesten Liebe gewesen ist. Erato brach ein: Mühe dich nicht /Thußnelde / mir ein erbärmliches Leben so scheinbar zu überfirnsen. Schätzest du für verantwortlich mich zu einem Leben zu verdammen: daß ich durch stetes Andencken meines unsterblichen Todten alle Augenblicke aufs neue sterbe? Könte ich ohne äuserste Schande ohne den leben / der meinetwegen sich in den Tod gestürtzt hat? Bin ich ihm zeither in Liebe und Großmüthigkeit ungleich gewest / so wil ichs ihm zum wenigsten an der Weise zu sterben nachthun. Ich wil einmal sterben! so wird die Liebe unser Gedächtnüß nimmermehr sterben lassen. Wenn ich mich aber auch gleich überreden lassen könte nicht zu sterben /würde mich doch mein Gewissen zum Tode verdammen. Denn ich / nicht Flavius hat den Zeno getödtet. Dieser ist nur mein Werckzeug / ich selbst die Stifterin des Todes gewest. Meine Augen haben im Flavius eine verbothene Liebe / im Zeno eine gerechte Eyversucht entzündet; dieser aber hat lieber sich selber mir zu einem Opfer der Liebe / als mich zu seiner gerechtesten Rache abschlachten wollen. Mit wie viel besserem Rechte hätte Flavius seinen Degen mir durchs Hertz getrieben / als daß er die Liebe gegen mich seine Waffen auf den unschuldigen Zeno schärffen lassen? Saget demnach dem Flavius: daß er weder seine Seele noch sein Schwerdt von Flecken dieses edlen Blutes reinigen kan / wenn er es nicht mit meinem abwäscht. Wie vergnügt würde ich sterben /wenn ich von der Klinge stürbe / die in der Brust meines getreuen Liebhabers gesteckt hat! Dieses ist das einige Mittel / welches mich / Flavius / zu deiner Gegen-Liebe bewegen kan; ausser welchem ich für dir als einem Mörder meiner andern Seele allezeit werde Grauen und Abscheu haben. Diß ist der einige Beweiß / den Geist meines erblichenen Zeno zu bereden; daß ich ihn mehr / als meine Neben-Buhlerin Ismene geliebt habe. Mit diesen Worten erhub sich Erato als ein Blitz aus dem Bette / eilte einem an der Wand stehenden Tische zu / und hätte / ehe es Thußnelde oder Salonine verhindern können / sich mit dem darauf liegenden Messer verwundet; wenn nicht Ismene hinter den Tapezereyen hervor getreten wäre / und das Messer ihr vorher weggenommen hätte. Erato erstarrete über dem Anblicke Ismenens / unwissende: Ob sie sie für die selbständige Ismene oder für ein Gespenste halten solte. Bald aber fuhr Erato sie an: Kommest du nun auch mir die Süssigkeit des Todes zu rauben / die du durch deinen Eintrag mir meine Liebe so sehr vergället hast? Wie? oder wilst du die Ehre haben mir selbst das Licht auszuleschen / die du das Hertze gehabt / die in der reinen Seele des Zeno mir angezündete Liebes-Flamme dir zuzueignen? Wohl! wohl! vollziehe diesen deinen Vorsatz / welcher verantwortlicher / als dein erstes Beginnen ist! Rechtfertige durch meine Entseelung dein Verbrechen; daß du mit dem Zeno mir meine Seele zu rauben dich hast gelüsten lassen! Thue mir die Wohlthat: daß ich von deinen Händen sterbe! denn ausser dem werde ich dir die mir im Lebẽ angethane Beleidigung nimmermehr verzeihen. Durch einen so glücklichen Tod wird meine unglückliche Liebe vollkommen werden. Ja du wirst durch einen mitleidentlichen Stoß mich dir so verbinden: daß / wenn Zeno wieder lebend werden könte /ich sterbende ihn dir bescheiden wolte. Ismene / welche nunmehr ihre Liebe gegen den Zeno für Thußnelden länger zu verhölen durch seinen ietzt vernommenen Tod viel zu ohnmächtig war; antwortete der Königin / welche sie zeither gleichsam mit versteinerten Augen derogestalt angesehen hatte: [457] daß es unmöglich zu unterscheiden war: Ob es mehr aus eigener Bestürtzung / als aus Mitleiden gegen der Erato geschehe: Ist Zeno todt! so hat Ismene weder Krafft noch Lust zu leben! aber wohl mehr Recht / als Erato mit ihm zu sterben! Denn meine Liebe hat in seinem Hertzen ihr Bild verwischet / meines aber aufs frischeste darein gepräget. Meine Seele wohnet in seiner mit solcher Völle: daß sie weder der Erato / noch iemand anderm den engsten Platz enträumet. Diesemnach kan man ihn nicht begraben / sonder daß man mich mit ihm zugleich zu Grabe trägt. Stirb diesemnach! Ismene! stirb! Denn was wären die leeren Schalen eines unbeseelten Leibes auf der Welt nütze? Lasse dir die Erato nicht mit einem ruhmbaren Tode zuvor kommen / die du an der Seele des verliebten Zeno mehr Theil gehabt hast. Was für eine dem Kalck gleichende Empfindligkeit aber hat Erato: daß sie aus den ausgelöschten Liebes-Kohlen des Zeno eine so heftige Flamme empfindet / daß sie sich mit ihm einäschern wil? Die Verschmähung ist wohl eine Mutter der Rache / nicht aber der Liebe. Sie reitzet wohl andere / nicht aber sich selbst zu tödten. Räche dich demnach! hier ist das Messer / an der / welche gestehet: daß sie durch den Strom ihrer heftigen Liebe in dem Hertzen des Zeno deine ersäuffet und ausgeleschet hat. Erato ward hierüber derogestalt entrüstet; daß sie Ismenen nach dem Messer grieff und anfieng: Bilde dir solche süsse Träume nich ein / Ismene: daß du am Zeno einiges Theil gehabt. Er muß mir sein gantzes Hertz haben zugeeignet weil er ja für mich sein Leben gegeben / und mit Verlust desselben sich an demselben zu rächen entschlossen hat / der an mir Theil zu haben sich bedüncken ließ. Wenn ich nun mit dem für mich sterbenden nicht stürbe / würde die Welt und Ismene selbst urtheilen: daß mein Hertze von aller Tugend leer / und von Undank voll wäre. Ismene versetzte: Ich habe mehr Erbarmnüß mit der Eitelkeit ihrer Einbildung / als Mißgunst gegen ihrer Begierde zu sterben. Glaube mir Erato: daß Zeno dir allen äuserlichen Schein; Ismenen aber alles Wesen der Liebe zugetheilt habe. Ich widerspreche nicht / er habe der Erato gesagt: Er liebe sie mehr als mich; aber ich weiß allzu gewiß: daß er mich mehr geliebt /als er ihr gesagt. Ich mag ihr kein Kennzeichen für die Augen legen; denn ich habe mit ihrem Elende so viel Erbarmnüß / als meine Seele gegen den Zeno zarte Regung. Die vorhin eivrige Erato ward hierüber als ein Tuch blaß; gleichwohl erholete sie sich und fieng an: Heuchele deinen süssen Gedancken / wie du wilt; bilde dir aber von mir die Schwachheit nicht ein: daß ich in der Liebe einer Neben-Buhlerin glauben könne. Hätte mich aber auch Zeno gleich niemals geliebt / als da er mir zu Liebe wider den Flavius den Degen gezückt; da er sich umb mich zu besitzen dem Tode in Rachen gestürtzt / so wäre ich mit ihm zu sterben verbunden und willig. Denn bey solcher Bewandnüß hätte das grösseste Ubel der Welt / nemlich sein Tod mir das gröste Glücke zugeschantzt. Sein Tod müste in meinem Hertzen die heisseste Liebe anzünden /wenn von ihr niemals kein Funcken darinnen geglommen hätte. Wie solte nun von dieser durch den Tod gestifteten Liebe in mir die Begierde zu sterben getrennt seyn? Ja wenn ich auch zu bereden wäre: daß Zeno mich weder im Leben / noch sterbende geliebt hätte / wurde ich so viel freudiger in Tod gehen / weil ich vielleicht die erste seyn würde / die den Ruhm erlangt: daß sie aus Liebe gegen den / der sie nicht geliebt hätte / gestorben wäre. Ismene fiel ein: Erato ist numehr in der rechten Meynung; aber auf einem irrigen Vorsatze. Es ist Raserey / keine Liebe / dem zu Gefallen sterben / der uns nicht liebet. Daß dich aber Zeno nicht wie mich geliebet habe / wirst du zu glauben gezwungen werden / [458] wenn du dieses Pfand der Liebe zu kennen nicht leugnest. Hiermit entblößte Ismene ihren Arm / und zeigte der Königin ein Arm-Band / wormit sie noch zu Sinope den Zeno beschenckt hatte. Zugleich reckte sie ihr auch das Messer / und redete ferner: Räche diesemnach / Erato /durch einen behertzten Stich / dich so wohl an mir /als am Zeno! denn ich werde sonst nimmermehr glauben: daß du den Zeno iemals hertzlich geliebt hast; sintemal diß unmöglich eine rechtschaffene Liebe seyn kan / welche sich nicht / wenn sie verschmäht wird / in eivrigste Rache verwandelt. Uber diesem Anblicke und Worten sanck Erato zur Erde; Ismene aber fuhr fort: Ich sehe wohl / Erato habe mehr Lust zu vergehen / als sich zu rächen. Ihre Lebens-Geister sind so bemüht von sich selbst auszulöschen; gleich als wenn ihnen mit der ausgeloschenen Liebe des Zeno aller Zunder entgangen wäre. Ist es aber nicht Wahnwitz / wenn es mein Ernst ist zu sterben /derselben Hand zum Werckzeuge des Todes auszubitten / die mir die Ehre mit dem Zeno zu sterben nicht gönnet / die aus gerechter Rache mir ein langes Lebē zur Straffe wünschet? Kan ich die Grösse meiner Liebe mit einem kräfftigern Siegel bewehren / als wenn ich selbst zugleich ihr und des Zeno Priester und Opfer werde? Keine Liebe ist dieses Nahmens werth / welche nicht den Tod für den Preiß ihres Sieges / und den lodernden Holtz-Stoß für den Siegs-Wagen ihres brennenden Hertzens hält. Hiermit holete Ismene aus / das Messer ihr selbst in die Brust zu stossen. Zu allem Glücke aber erblickte es die nebst Saloninen umb die ohnmächtige Erato beschäfftigte Fürstin Thußnelde / erwischte ihr den Arm / und rieß ihr das Messer aus der Hand. Erato schöpfte wieder ein wenig Lufft; Thußnelde aber gab mit Fleiß durch alle ihre Geberden eine empfindliche Ungedult zu verstehen; und redete zu beyden / bald eine / bald die andere ansehende: Ich weiß nicht / welche unter euch am meisten scheltbar sey. Denn eine hat alle Vernunfft /die andere alle Sinnen verlohren. Sie beweinen als einen Todten den / welcher noch lebet; und zancken sich umb das Vor-Recht aus Liebe zu sterben; gleich als wenn die Todten mehr Süssigkeit im Grabe / als die Lebenden in den Armen ihrer Liebhaber zu genüssen hätten. Bist du / Erato / in der Liebe ein solcher Neuling / und auf dem Fusse der Tugend so übel gegründet: daß jene ihre gewohnten Stürme / nicht mit Hoffnung und Gedult / die zwey Heb-Ammen der Liebe / nicht auszuwarten weiß; diese aber sich durch einen sauern Anblick des Todes von ihrer Höhe in thörichte Verzweifelung stürtzen läßt? Wer nichts verschmertzen kan / muß nicht anfangen zu lieben; und wer dem Tode nicht behertzt in die Augen sieht /ist ein Weichling / taugt nicht einst weder in die Schule der Liebe / noch der Tugend. Denn beyde arbeiten ins gemein mehr in Stahl / Stein und knörnichtem Holtze / als an Wachse / Gold und Helffenbein; Ihr Hertz-Blat ist die Beständigkeit alles /nemlich die Tugend / die gewohnt ist / was sie uns bittres einschencken / ohne Ungedult auszutrincken /allen Verlust zu verschmertzen / sich aber nicht selbst mit zu verlieren. Ist ihr so frembde: daß die / welche ihrer Liebhaber Tod im Leben lange beweinen / mehr ausstehen / als die wahnsinnige Porcia / welche doch den Tod mit glüenden Kohlen einschlingt? Sich in solchem Zustande selbst entleiben / ist nur eine gemahlte Liebe; eine falsche Großmüthigkeit der Kinder / welche / wenn man ihnen die Tocken ni t / sich auf den Bodem werffen / und ihnen die Haare ausrauffen. Die aber lieben recht und beständig / welche ihrer Liebhaber Zufälle ohne Zärtligkeit fühlen / und ohne Härtigkeit überstehen. Auch die rechtmässige Liebe erfodert ihre Maaß. Nichts in der Welt muß uns /auser der Tugend / so annehmlich / wie etliche süsse Kräuter den Ziegen / schmecken: daß sie durch [459] Unersättigkeit sich dadurch selbst hinrichten. Für was aber soll ich / Ismene / deine verzweifelte Entschlüssung aufnehmen? Ist es iemals erhöret: daß man ein Haus ehe eingeäschert / als brennen siht? Auch der Blitz hat die Gewalt nicht etwas ohne scheinbare Flamme zu vernichten. Ich aber soll dich hier für Liebe sterben sehen / ehe ich weiß: daß dein Hertz einen einigen Funcken der Liebe gefangen habe? Mit was Unrechte aber hast du auf den Zeno ein Auge / weniger eine solche ungeheure Liebe werffen können / welcher der Tod aus den Augen sihet / und die Verzweifelung im Busem steckt? Aber was kan anders eine solche Chimere / wie die verbotene Liebe ist / gebehren als Miß-Geburten? Weist du nicht: daß iede einem andern gewiedmete Seele ein verbothener Baum sey / und man ihm an seinen Aepfeln den Tod esse? Von seinen Blättern aber die Schande nichts als Kräntze der Schmach winde? Was für übele Nachrede wirst du nicht nur dir / sondern allen deutschen Frauenzimmern auf den Hals ziehen / wenn die Ausländer erfahren werden: daß die tugendhafte Ismene ihrer Gästin keuscher Liebe Eintrag gethan habe? Was für Aergernüß wirst du dem Rheine und der Elbe geben / wenn sie hören werden: daß ihres Feldherrn Schwester eine der zweyen Weiber sey / welche umb einen Liebhaber sich gezwistet / und aus rasender Blindheit verzweifelt sind. Ja Zeno selbst / welchen ihr beyde so unsinnig liebet / wird von euch beschimpfet; und ihr werdet verursachen: daß man sein Grab an statt der Cypressen und Lilien mit Disteln bestreuen; den seine Asche verwahrenden Todten-Kopf aber an statt der Hyacinthen mit Wolle umbflechten wird / wormit die Versehrer der Ehe und keuschen Liebe gekräntzet werden. Lebet diesemnach beyde: daß Zeno / wenn das Verhängnüß es ja so habẽ wil / mit Ehren sterbe, euer Tod aber euch nicht ein Urtheil auf den Hals ziehe: daß ihr ohne Scham und Schande euch nicht zu leben getraut / und nur eure Unehre mit dem Grabe verhüllet hättet. Alle Verzweifelten haben in solchen Fällen sich durch ihre eigene Hand aufgeopfert / und alle Weise sich durch ihre Vernunft erhalten. Thußneldens Rede hatte einen solchen Nachdruck: daß Erato und Ismene als zwey versteinerte Nioben stehen blieben. Keine rührte ein Glied / weniger die Zunge zu ihrer Verantwortung. Die ihnen aber auf die Wangen tretende Scham-Röthe verträt die Stelle eines Richters /und sprach für Thußnelden wider Ismenen und die Erato die Sache aus. Beyde musten endlich ihre Vergehung gestehen / und bekennen: Die lebhafte Thußnelde hätte ihnen so viel bewegliches ins Hertz geredet: daß sie mehr keine Begierde hätten sich zu verterben. Weil nun die kluge Thußnelde wohl verstand: daß wie getrübte Brunnen / also auch verwirrete Gemüther zu ihrer Ausklärung Ruh und Zeit von nöthen hätten / nahm sie so wohl als der Tag Abschied; befahl die Königin Saloninen; Ismenen aber der Gräfin von Bentheim aufs beste.

Die folgende Nacht würckte in den Hertzen der in Meyntz sonst überaus wohl bewirtheten Deutschen fast so vielerley Gemüths-Regungen / als sie Sterne an Himmel stellte. Erato und Ismene waren fast ausser sich selbst / und viel zu schwach nur ihre Gedancken zusammen zu raffen / weniger was vernünfftiges zu entschlüssen. Thußnelde war nicht nur umb dieser beyder Wohlfarth; sondern auch wegen Ismenen bekümmert: daß nicht ihre verzweifelte Liebe dem ihr besti ten Hertzoge Catumer / und dem Feldherrn Herrmann zur Wissenschafft käme; unwissende: daß der Cattische Hertzog hierdurch eine grosse Erleichterung seiner nach Adelmunden seufzenden Seele bekommen haben würde. An [460] Hertzog Siegesmunds Hertze nagte noch immer Zirolanens Liebe; und zwar so viel empfindlicher / weil nicht nur ihm ihr so scharffes Verbot / sondern auch seine gegen ihr tragende tieffe Ehrerbietung die Zunge schloß / nur ein Wort von Liebe gegen ihr zu gedencken. Zeno und Flavius waren gleichsam zwischen Thür und Angel des Lebens und des Todes; gleichwol aber fühlten sie noch mehr Schmertzen von Liebe und Eyversucht / als von ihren Wunden. Umb Mitternacht fiel Zeno bey seiner Verbindung in eine solche Schwachheit: daß er bey nahe ihnen unter den Händen vergangen wäre /und sie daher ihre gewohnte Trost-Larve vom Gesichte zohen: und weil alle euserste Mittel ihm das Blut zu stillen mehr keine Würckung thun wolten / dem ein wenig gelabten Zeno mit Einziehung der Achseln das Todes-Urthel ankündigten. Zeno hörte es unerschrocken an; und verlangte allein die Königin Erato noch ein mal zu sehen; welches die nunmehr an der Genesung verzweifelnden Wund-Aertzte wider ihre bisherige Meinung willigten. Erato war von ihrer Abmergelung in Schlaff / oder viel mehr in eine halbe Ohnmacht gefallen. Kurtz ehe sie aufgeweckt ward /träumte ihr: Es schwebte ein sie in die Klauen feste einschlüßender Adler in der Lufft herumb; dieser aber würde von einem Donner-Strahl gerühret; worüber sie ihm zwar entfiele / aber von einem Falcken aufgefangen / und nach langer Umbschweiffung / durch neblichte Lüffte und Gewölcke von selbtem zu Artaxata in dem Tempel Jupiters bey seinem die Leda umbarmenden Schwanen-Bilde nieder gesetzt würde. Die unvermuthete Beruffung zum Zeno / und die hieraus fürgebildte Todes-Näherung ließ ihr weder Zeit noch Kräffte diesem seltsamen Gesichte nachzudencken. Ihr Wehklagen aber machte: daß so wol des Zeno euserster Zustand / als der Erato Beruffung der in einem unentfernten Zimmer liegenden Ismene kund ward /und sie aufs neue in ärgste Verwirrung versetzte. Die zu gehen unvermögende Erato ward zu dem krancken Zeno getragen / welcher von ihrem ersten Anblicke sich ermunterte / ja sich aufzurichten und sie zu umbarmen anfieng. Sie hingegen ward in seinen Armen fast gantz entseelet / und eine gute Weile konte weder eines / noch das ander ein Wort sprechen. Ihre Augen klagten allein einander ihr Leid; gleich als wenn die Glieder / in welchen sich ihre Liebe angesponnen /auch dieselben seyn müsten / in denen sie ausleschen solte. Nach etlichen halb-verbrochenen Worten der Erato / welche ihn mehr / als die fertigste Beredsamkeit ihrer noch eingewurtzelten Liebe versicherten /erholte sich Zeno / wie ein dem Ausleschen nahes Licht / und redete die Königin an: Ich bin nunmehr an dem Ziele meines Lebens und meiner Liebe; und meine Seele soll sich nach wenigen Augenblicken so wol von ihrer / als von meinem Leibe trennen. Mein Leben haben die Götter in Glück und Unglück / wie die Sonne die Zeit / nemlich in Tag und Nacht abgetheilt; und zwar wie dis der Welt / also jenes mir zu meinem besten. Denn das annehmliche und widrige Glücke sind die zwey Bildhauer der Natur / durch welche sie das menschliche Gemüthe zur Vollkommenheit ausarbeitet. Meines ist jederzeit in Ruh / und mein Hertze stets vergnügt gewest. Denn das Verhängnüs hat in seiner Gewalt keine so bittere Galle gehabt mir einzuschencken: daß nicht das bloße Andencken der holdseeligsten Erato mir hätte verzuckern können. Ihre Liebe ist das rechte Saltz meines Lebens / das Marck meiner Wollust / und der Leitstern zur Tugend gewest. Ich gestehe gerne: daß unsere Liebe nicht allezeit Sonnenschein; sondern offt trübes Wetter / und zuweilen harten Sturm gehabt. Aber sind die schönsten Rosen nicht mit den meisten Dornen umbgeben? [461] Liebe und Beschwerligkeit sind leibliche Geschwister; ja die Liebe ist nicht mehr Liebe / wenn man sie entwaffnet und ihr die Pfeile zerbricht. Ihre gröste Süßigkeiten sind ohne Kummer ungesaltzene Speisen; und eine vermischte Sauere giebt so wol Liebhabern / als Granat-Aepffeln die schmackhafteste Anmuth. Glaube mir diesemnach / Erato: daß deine Liebe mir so gar das bitterste in der Welt / nemlich den Tod süße macht; und ich werde mit Freuden sterben / wenn ich noch einmahl aus deinem Munde das Wort hören werde / welches mich so viel mahl lebend gemacht hat / nemlich: Ich liebe dich Zeno. Uber diesem Worte zerstoß Erato gleichsam in eine Bach; und überschwemmte den krancken Zeno mit so viel Thränen / als man nicht geglaubt hätte / daß ihrer eine solche Menge in tausend Augen solten Raum haben. Zeno sahe ihr mitleidentlich an / wie sehr sie sich mühte zu reden / und wie feste ihr der Schmertz die Zunge hielt. Endlich brachte sie doch gegen Himmel sehende diese Worte heraus: Zeuget mir ihr unsterblichen Götter / die ihr Hertzen und Nieren prüfet: daß ich mich selbst nicht so sehr / als den Fürsten Zeno liebe! Straffet mich in den Augen des Zeno / wo sein Bild jemahls aus meinem Hertzen kommen; und du gütige Mutter der Liebe / welche Armenien als eine Hertzen-Wenderin anbetet / laß nimmermehr mein Hertze ein Behältnüs einer andern Seele / als des Zeno / und seinen Tod zugleich das Ende meines Lebens seyn! Wolte GOtt! es stünde in meiner Gewalt mein Hertze zu theilen / so wolte ich es die Helffte dir nehmen umb nur des zweifelnden Zeno Unglauben zu straffen. Aber nur einen Augenblick; weil meine Unschuld darbey mehr als sein Mißtrauen leiden würde. Zeno ward durch diese Worte / mehr aber durch ihre ihm sein Hertz brechende Seufzer bis in die innerste Seele gerühret; welche ihm nicht nur etliche Zehren aus den Augen; sondern auch aufs neue mehr als vorhin Blut aus seinen Wunden preßten; gleich als wenn eine so hertzliche und feurige Liebe mit keiner andern / als so rother Tinte geschrieben werden könte. Er grief sich aber doch aufs euserste an / und sagte: Es ist genung / Erato: daß du mich bis hieher geliebet hast! Versiegele mit dem letzten Kusse diese deine Versicherung / wie ich mit meinem Tode: daß ich auch sterbende dich noch liebe. Keine Erklärung der Liebe kan unverdächtiger seyn / als wenn selbte nichts mehr zu erwerben hat; nemlich auf dem Scheide-Wege des Lebens und Todes. Setze kein weiteres Ziel deiner Liebe / als die Götter meinem Leben! bleib aber meiner Liebe ingedenck / wenn mein erblichener Geist sich nur mit dem Schatten deines Bildes / du aber mit einem würdigern Liebhaber dich vergnügen wirst. Dem Zeno entfiel hierüber die Sprache /und die ihn küssende Erato fiel gestreckt für todt zur Erde. Die Erquickungen brachten sie doch wieder zum Atheme; Zeno aber bat den an seinem Bette stehenden Grafen von Löwenstein: er möchte beym Hertzog Flavius ihm die letzte Gnade ausbitten; daß er sich möchte in sein Zimmer tragen lassen / umb von ihm Abschied zu nehmen / und in einer Sachen ihm Erleuterung zu thun / welche ihn nicht nur zu Vergessung seines ihm angethanen Unrechts bewegen; sondern mit seiner ewigen Ruh seines Gemüths beglücken würde. Löwenstein richtete diesen Befehl treulich aus; Flavius aber war viel zu höflich den viel kränckern Zeno zu erwarten; sondern seine Gegenwart fand sich an statt der Antwort ein. Als die von den Aertzten ermunterte Erato wieder die Augen aufthat /ward ihr Verstand gantz verblendet / da sie den Zeno und Flavius als Hertzens-Freunde einander umbarmen sah / welche für zwey Tagen als Tod-Feinde einander angefallen hatten. Nach [462] diesen stummen Ausdrückungen ihrer Versöhnung fieng Zeno lebhafter / als noch nie vorher den Flavius anzureden: Es ist mir leid /tapfferer Flavius! daß / da ich jetzt sterbe / meine Wangen von Schamröthe gefärbter seyn sollen / als meine Wunden von Blute. Dieses giebt einen Glantz meinem Tode. Denn wie hätte ich rühmlicher / als von der Hand eines solchen Helden sterben können? jenen Schandfleck aber würde mein Tod nicht ausleschen /wenn ich von einem so grossen Geiste durch Erkäntnüs meines Verbrechens nicht den Nachlaß seiner Beleidigung zu erbitten hoffte. Mein Unrecht hat zu seinem Ursprunge und Vorbitter die Liebe / welche sich an keiner Helffte sättiget / keine Theilung verstattet; sondern wie geitzige Erben das gantze besitzen wil. Ja meine eigene Irrthümer reden mir bey dir das Wort / weil sie dir als Uberwindern / wie die Wunden guten Wund-Aertzten zur Ehre ausschlagen. Traue mir nicht zu: daß deine gegen meiner Erato angesponnene Liebe in meinem Hertzen Mißgunst gezeugt / dieser aber meine Klinge gegen dich geschärfft habe. Nein warlich mein Hertze ist für diesen geringen Wurm allzu groß; und meine Entschlüßung gegen sein Thun allzu feurig gewest. Denn der Neid frißt nur wie der zubereitete Demant-Staub langsam umb sich; er zeucht wie die Schnecken die Hörner ein / wenn Man ihm die Zähne weist. Die Liebe aber gleicht dem Blitze / der die härtesten Eichen und Klippen angreifft /und im Augenblicke zermalmet. Diese Stunde soll ein Vertheidiger meines viel ehrlichern Beginnens / und ein unverfälschter Zeuge seyn: daß ich am Flavius nichts geneidet / und auf der Welt ihm nichts mißgegönnet habe. Ich schätzte mirs für Ehre; daß Flavius ist / was ich liebte. Denn weil Liebe die vollkommenste Großachtung ist / lobte er hierdurch meine Wahl. Weil die Ereignung der Neben-Buhler den besten Wetzstein der Liebe abgiebt / machte Flavius meine Flammen so viel feuriger. Weil Adler nicht nach gemeinen Sternen / sondern nur in die Sonne sehen /wuchs in meiner Seele meiner Erato eine solche Schätzbarkeit zu: daß ich mich selbte zu besitzen nicht würdig schätzte; wenn ihr ein würdiger Liebhaber / als ich wäre / aufstieße. Ich sahe den Flavius niemahls an: daß ich mir nicht einbildete: er wäre vom Verhängnüsse mir zu einem Neben-Buhler auserkiest worden. An dessen Tapfferkeit ich mich zu prüfen hätte: ob ich ihrer Liebe werth wäre. Die von dem Cheruskischen Hause genossenen Wolthaten hielten mich zurücke: daß ich dis / nicht ehe / als für zwey Tagen bewerckstelligte. Ich reisete mit dem Fürsten Malovend in Deutschlands euserste Nord-Länder / in Meinung diesen Eyver abzukühlen. Ich erfuhr aber: daß unter dem Striche des heissen Hunds-Sternes nur die Hitze der Leiber / unter dem gefrornen Bär aber das Feuer der Gemüther seine Esse hätte. Also trieb mich diese kriegrische Lufft / es leitete mich der gerechte Himmel / in dem Gesichte der zwey streitbarsten Völcker der Welt / zu deinem Ruhme auszumachen: welcher unter uns beyden diese Perle Armeniens zum Siegs-Preisse zu überkommen verdiente. Deine Waffen haben sie dir erworben; das Verhängnus spricht sie dir durch mein Todes-Urthel zu; und wormit deine Liebe so viel mehr gerechtfertiget werde / so ni hin / und empfang sie mein Leben aus des sterbenden Zeno eigenen Händen. Erato / welcher Hand Zeno mit Gewalt ergrief / und in des Flavius legte / war ihr Lebtage noch nie in solcher Verwirrung gewest / als dismal. Das grosse Leid über des Zeno Lebens-Gefahr / welches auch eine laue Liebe wieder rege macht / hatte bis hieher den gegen dem Flavius gefaßten Zunder schier gantz erstecket. Bey dieser frembden Entschlüßung des Zeno aber liessen sich in ihrem betrübten Hertzen wider etliche Funcken / [463] wie die güldenen Puncte in dem tunckelen Lasur-Steine blicken. Des Flavius Anblick rückte ihr die von Schlangen gebildete Wahrsagung ins Gedächtnüs; ja alle Umbstände wiesen ihr gleichsam mit den Fingern: daß sie vom Verhängnüsse nicht für den Zeno /sondern den Flavius besti t wäre. Als sie aber nur wieder an den Zeno dachte / verschwunden alle diese neue Liebes-Gedancken; die Trauerwolcken umbwülckten ihren Verstand / und zerflossen endlich in den gewohnten Regen der Liebe und Bekümmernüs / nemlich in Weinen. Flavius hingegen / welcher ihm zwar von einem Liebhaber eine so ungemeine Fleygebigkeit nicht hatte träumen lassen: ja / wenn sie nicht von einem Sterbenden geschehen wäre / für Schertz oder Verspottung ausgedeutet hätte / faßte der Erato Hand so feste: daß sie sie ihm nicht entziehen konte / und antwortete dem Zeno: Ist es wolmöglich /unvergleichlicher Zeno! daß in einem Hertzen so ein hoher Geist und eine solche Leitseligkeit wohne? daß der unüberwindliche Zeno seinem Unsterne noch liebkosen / und seinem Beleidiger Recht geben könne? Ist es glaublich: daß eine Seele vollkommen lieben / und mit dem / was ihm lieber als sein Leben ist / so freygebig zu seyn vermöge? Ich erkenne mein Unvermögen gegen der Tapfferkeit des Zeno; Ich bescheide mich: daß nicht meine Geschickligkeit / sondern meine Liebe / oder vielmehr etwas / in dessen Hand alle Fädeme unsers Thuns hängen / mir meine blinden Streiche geführt habe. Ich würde niemals so vermessen gewest seyn gegen denselben den Degen zu zücken / welcher das Vorrecht der Liebe / alle Gesetze der Freundschafft zu Beyständen seiner sonst allezeit sieghaften Waffen hätte; wenn es dem Fürsten Zeno nicht gefallen hätte / sich unkenntbar zu machen. Aber dis / was seinen Leib verdeckte / war das erste /das ihn verrieth. Denn seine Waffen lehrten mich bald genung: daß ich mit einem Löwen / oder dem Zeno zu thun hätte. Ich bejammere das Unglück meines Vortheils / welcher in Gefechten ins gemein mehr den Zufällen / als der Geschickligkeit zuzuschreiben ist. Wolte GOtt! daß das Blut meiner Wunden / welche ich künftig als Ehren-Male zum Gedächtnüs eines so vollkommenen Helden tragen werde / deinen Adern eingeflößt; und nach dem man auch nunmehr Menschen-Blut zur Artzney bereitet / dir zur Genesung dienen möchte; so wolte ich nicht nur alle Pflaster abreissen / sondern mir selber mehr Wunden kerben umb einen solchen Helden mit meinem Blute zu erhalten / den meine Unbesonnenheit umbs Leben bringt. Verzeihe diesemnach demselben die Beleidigung / der sie sein Lebtage bereuen / und deine Ehre bis in Tod vertheidigen wird! Was soll aber ich zu des Fürsten Zeno unschätzbarem Geschencke sagen? weil denen Wachenden offtmals so seltzame Dinge /als den Schlaffenden träumen / habe ich Ursache mich gar wol zu besinnen: ob ich glauben soll: daß ein Beleidigter seinem Feinde seinen grösten Schatz vermachen könne. Des Cato und Tiberius Nero Treuhertzigkeit reicht keines weges an diese. Denn Hortensius war des Cato bester Freund / dem er die Martia überließ. Augustus aber Fürst und Gebieter / welchem Nero ohne Gefahr des Lebens nichts versagen konte. Livia und Martia waren auch schon übertragene Waaren. Erato aber ist noch eine unaufgeblühte Rose /eine Fürstin / derer Windeln schon Purpur gewest; welche von der Natur mit der vollkommensten Schönheit eine Herrschaft ohne Zwang über alle zarte Seelen bekommen / und durch welcher Tugenden dem Himmel eine sichtbare Gottheit fürzustellen beliebt hat. Urtheile diesemnach aus der Empfindligkeit deiner Seele: ob die meinige von ihr keinen Zug empfinden sollen? Uberlege; ob die Liebe einer Schönheit von so gutem Geruche / einer Heldin von so grossem Beyspiele könne verda lich seyn? Warlich! [464] ich kan meine Liebe für dem nicht verbergen / dessen scharfsinniger Geist aller Menschen Heimligkeit ergründet /die er nur anschaut. Was mühe ich mich aber / meine Liebe auf den Teppicht zu breiten? sie selbst legt sich an den Tag / und ist schwerer zu verstecken / als das Tage-Licht. Sie redet mit stummer Zunge / und verräthet sich mit jedem Blicke. Zeno hat sie fürlängst ausgekundschafft. Denn wie würde er ohne Versehrung seines unschätzbaren Geschenckes gegen mich so freygebig seyn können / wenn er meiner Liebe nicht allzu gewiß versichert wäre? dieses nehme ich mit der tieffsten Ehrerbietung so viel danckbarer an / weil die Götter selbst mir nichts köstlichers vom Hi el werffen könten. Ich kan an der Königin Gegen-Liebe nicht zweifeln / weil ich allzu wol weiß / wie sehr sie den Fürsten Zeno liebet. Das erste Gesetze der Liebe aber ist / dis wollen / was der Geliebte wil. Weil nun Zeno weiß / wie heftig ich seine Liebhaberin liebe / kan er ihm die Rechnung leicht machen: daß ich ihnen ihrer Liebe halber lieben müste / so lange mir die Augen offen stehen / wenn er schon durch seine Tugenden nicht aller Welt Liebe verdiente. O eines unerhörten Beyspieles der Liebe! Kommet hieher ihr Weisen! und ändert eure bisherige Lehre: daß der Liebe Wesen in Vereinbarung zweyer Hertzen bestehe! Kommet und betrachtet mit Verwunderung unsere Liebe! denn in dieser findet ihr so gewiß drey verknüpffte Hertzen / als in einem Dreyeck drey Spitzen / und auf einem Klee-Blate drey Blätter. O unvergleichlicher Zeno! du alleine bist fähig solche Wunderwerke zu stifften! du alleine verdienest: daß alle künftige Liebhaber dein Gedächtnüs verehren / und jährlich dein Grab mit Rosen bestreuen! Kan ich aber an dein Grab ohne Seuffzen gedencken / und von selbtem ohne Thränen reden? Wird mit dir nicht unserer Liebe der Stiel abbrechen? Der Himmel lasse so geschwinde Verstimmelung unserer Freundschafft nicht geschehen! sondern er erhalte dich zu Bewehrung dieses seltzamen Ebentheuers: daß zwey Hertzen ohne Eyfersucht eine Seele lieben / wie mehr Irrsterne in einem himmlischen Zeichen sich vertragen können. O seltsame Mißgeburt der Liebe! ruffte zu diesen Worten eine unversehene aber bald erkennete Stimme. Denn Ismene hatte sich mit Hülffe der Nacht / und des gemeinen Bekümmernüsses welches jedermann unachtsam macht / in einem gemeinen Schlaff-Rocke ins Zeno Zimmer gespielet / und trat nunmehr freymüthig her für mit wiederholeten Worten: O seltzame Mißgeburt der Liebe! soll ich dich / Zeno / zugleich so leichtgläubig und einfältig halten: daß mein Bruder Flavius von Hertzen dein Leben / und mit dir in Gemeinschafft der Liebe zu stehen verlange? Kleine Sterne können sich ja auch wol vereinbaren / und gemeine Freunde einander leiden. Aber die zwey grossen Augen des Himmels kommen nimmermehr in einem Zeichen zusammen; und die Liebe verträgt so wenig als die Sonne / und der Augapffel neben sich einen Gefährten. Ein getheiltes Hertze kan so wenig lieben /als leben. Grosse Ströme / wenn sie in vielen Wasser-Betten zu flüssen anfangen / werden zu verächtlichen Bächen; und eine Seele / die sich ihrer zwey zu lieben vermißt / betheilet entweder eine / oder gar beyde mit eitelem Schein und Schalen. Erato ist demnach viel zu edel: daß sie einem unter beyden zum blossen Vorwand dienen solle; und zu aufrichtig: daß sie aus ihrer Liebe ein gebrechliches Stückwerck machen solle. Lasse dich / liebster Zeno / daher nicht mit solchem Winde speisen. Zerstickele nicht das Geschencke /das du meinem Bruder gegeben hast; und lasse deine geliebte Erato durch eine so ungestalte Liebe nicht zu einem Thiere machen / welches bald auf Erden / bald im Wasser lebt. Ni vielmehr hier Ismenen / welche dich von gantzer Seele mit unzertheiltem Hertzen liebt / für deine Buhlschafft; oder wo dis [465] für sie zu viel / für deine Dienerin; wo es aber für dich zu geringe / für deine Anbeterin an. Frage deine gewesene Erato / wie sehr dich Ismene liebet; wie dein verlautender Tod sie entseelet / und zu einer festen Entschlüßung die Brände deines Holtzstosses mit ihrem Blute auszuleschen gebracht haben. Glaube: daß Ismene nicht mehr lebte / wenn Zeno todt wäre; und solte das Verhängnüs was so grausames über dich /oder vielmehr über sie beschlüssen / so stehet es in dessen Macht zu hindern: daß Ismene nicht mit dem sterbe / in dem sie lebe. Der Erato hatten mitlerzeit so viel Gemüths-Regungen zugesetzt; daß ihr Hertz wie ein ohne Ruder / Segel und Mast in den Wellen wanckendes Schiff ihm nicht zu rechte helffen konte. Ihre Vernunfft war eine Schiff-Nadel ohne Magnet; und ihre Zunge ein stummer Buchstabe. Nunmehr aber zwang ihr die Regung Ismenens eine Entschlüßung ab; und ihr Eintrag / welcher der stärckste Blasebalg der Liebe ist / lösete ihr die Zunge; daß sie einbrach: Wie? soll Ismene für der Erato ein Vorrecht haben mit dem Zeno zu sterben? hat sie in einem Jahre sich mehr durch ihr Liebkosen umb ihn verdienet / als die ihn von Kind an in ihrem Hertzen angebetet? Ich gestehe es: daß ich nach dem Zeno in der Welt keinen Menschen höher / als den Flavius schätze; und ich würde niemanden als ihn lieben / wenn nicht Zeno sich meines gantzen Hertzens bemächtiget hätte. Aber darumb werde ich die Verknüpffung unser Seelen nicht trennen; ja dem Tode selbst soll es so gut nicht werden: daß er sich über uns einen Ehscheider nennen solle. Hat Ismene das Hertze mit dem Zeno zu sterben / so wil Erato ihr die Ehre nicht nehmen lassen: daß sie / umb die Warheit ihrer Liebe mit Blute zu besiegeln / vorher sterben könne. Hiermit grief sie nach einem auf dem Tische liegenden Pfriemer der Wund-Aertzte / und war in vollem Stoße ihre Brust darmit zu durchbohren. Flavius aber hielt ihr in den Arm fallend mit genauer Noth diesen tödtlichen Stoß zu rücke; rieß ihr diesen zur Heilung / nicht zur Tödtung /bestimmten Werckzeug aus der Hand / und redete sie an: Woher schöpfft sie / wunderschöne Erato / für mir eine solche Abscheu: daß ihr das schrecklichste in der Welt lieber ist / als meine Liebe? Aus Liebe gegen den Zeno kan weder ihr Vorsatz zu sterben / noch ihre Enteuserung nicht rühren; weil Zeno selbst wil / daß sie mich liebe. Alle Regungen / ja alle Gedancken geben sich demselben leib-eigen / den man rechtschaffen liebet. Unsere Seele ist unserm Liebhaber einen gantz blinden Gehorsam schuldig; welcher nur seinen Befehl ausübet / nicht aber überleget. Ja wenn es möglich wäre / würde sich eines Liebhaberin Seele in ihres Liebhabers / und ihr Willen in seinen verwandeln. Liebe demnach den Zeno! so wirst du mich nothschließlich lieben; und deinen Vorsatz zu sterben / als einen Ungehorsam gegen den Zeno / und eine Todfeindschafft gegen den Flavius fahren lassen. Außer dem wird niemand anders glauben / dann daß du durch deinen Tod dem Zeno sein Sterben zweyfach bitter machen / mich aber / der ich ohne dich nicht leben kan / vorsätzlich tödten wollest. Ist es aber eine Mögligkeit: daß man den liebe / dessen Befehle man widerstrebet; so ist nicht zu zweifeln: daß Erato den Fürsten Zeno liebe; so liebe sie ihn zu meinem Nachtheile nicht weiter / als er und die Natur seiner Liebe ein Ziel gesteckt hat. Könte wol von einem ein grausamer Gesetze ersonnen werden / als dis / das ihr Erato selbst aufhalsen wil / nemlich: daß wenn eines der Liebhabenden stirbt / das andere entweder mit sterben / oder sich lebenslang menschlicher Gemeinschafft entschlagen / und auf des Todten Grabesteine zu tode weinen müsse? Ein solch schreckliches Sterbe-Recht würde beyzeite die Welt zur Einöde machen. Wie viel verantwortlicher ist derselben wahnsinnige Liebe / die an einem Bilde oder Gemählde einen [466] Narren gefressen; als derer / welche sich in eine Leiche verlieben / oder mit Todten-Asche vermählen. Jede vernünftige Liebe hat zu ihrem Zweck und Preiße die Liebe. Was nun nicht wieder lieben kan / soll man nicht lieben / umb sich nicht selbst vorsetzlich elende zu machen. Man hat viel genung zuthun / daß man thue was man soll / und eine unfruchtbare Vermessenheit das thun wollen / was man zu thun nicht verbunden ist. Erato fiel ein: Meine Liebe ist so wenig / als des Zeno Tugenden nach gemeinem Mäßstabe einzuschrencken. Der Monde stehet der Sonne nie näher / als wenn sie verfinstert wird. Wie soll denn ich / die ich von dem Glantze meines hochschätzbaren Liebhabers so viel Licht genossen / mich dem Schatten seines Grabes entfernen? Lasse mich diesemnach sterben Flavius! wo es dein Ernst ist mich zu lieben. Denn wenn ich den Fürsten Zeno überlebte / würde ich mich des Flavius Liebe unwürdig / wie eines verletzten Bündnüsses schuldig machen. Zeno begegnete ihr nicht ohne eine kleine Eyferung: Lasse dich / Erato / nicht den Schein eitelen Ruhmes bländen / noch übermäßige Bestürtzung dein gutes Urthel verwirren. Der Tod / das alles in der Welt zernichtende Ungeheuer / hebet alle Bündnüsse auf. Der umbschrenckten Könige Gewalt endigt sich mit ihrem Leben; alle Pflicht und Eyde der Unterthanen und Leibeigenen werden zurissen. Und hierinnen hat die sonst Tyger-und Löwen-bändig machende Liebe keinen Vorzug. Wenn unsere Liebhaber uns nichts mehr gebieten /unsere Verehrung nicht mehr annehmen können / gewehren wir die zarte Regung nicht besser an / als die /welche einem Marmel-Bilde hundert Lichter anzünden. Es ist billich: daß unser Gedächtnüs ihrer Hold nimmermehr vergeße; daß unsere Hände ihren Tugenden Ehren-Seulen aufrichten. Aber Vernunfft und Natur wollen auch: daß der alles verzehrende Schwamm der Zeit unsere Thränen abtrockne; daß die allen Dingen ihre Maas gebende Weißheit unsere Schmertzen vermindere. Alle von der feurigsten Liebe aufgethürmte- und mit unverzehrlichem Oele erleuchtete Grabmale sind zu ausgeleschten Fackeln worden /den Sterblichen zur Nachricht: daß die Verstorbenen am Lichte / und die Lebenden an den Todten kein Theil haben. Aller ihr Athem vermag nicht ihrer Asche einigen Geist einzublasen / und die allerverliebtesten Seufzer ihren ewigen Schlaff zu vertreiben. Ja alle Lebenden entsetzen sich von Natur für den Todten-Grüfften und Geistern. Welche weder Hofnung noch Verlangen / nach den Leibern haben / noch auch die geringste Frucht von unser Liebe genüssen können; wiewol es auch eine lautere Unmögligkeit ist einen Todten zu lieben / dessen Fäule uns anstinckt /dessen Seele sich mit den Gestirnen vermählet / und alles Irrdische verhöhnet. Also haben der Tod und die Liebe niemals mit einander Gemeinschafft. Unsere Einbildung macht das Andencken unser Buhlschaft zu ihrem Bilde; und der Schmertz nimmet allein die Larve einer heftigen Liebe für; welchem die Vernunfft so gerechte Gräntzen / als die Natur den Ländern setzt; also daß sich niemals kein kluges Weib mit ihrem Manne ins Grab verscharret hat. Mit einem Worte: wie man nicht lieben kan / was man nie gesehen; also muß man zu lieben vergessen / was man nicht mehr sehen wird. Liebe demnach den Flavius /von dem du gestehen must: daß er deiner Liebe würdig sey / und von dem du glaubest: daß er dich liebe: thue dir selbst nicht Gewalt an. Denn wer gläubet: daß er geliebet werde / fänget schon selbst an zu lieben. Zeno hätte ihr desthalben mehr Einhalt gethan /weñ seine ihn verlassende Kräften ihn nicht durch eine halbe Ohnmacht abzubrechen gezwungen hätten. Ismene aber nam das Wort von ihm / und sagte: siehest du wol / Erato / daß du durch deinen hartnäckichten Vorsatz zu sterben den Zeno für der Zeit tödtest? Erato antwortete: die Hartnäckigkeit ist Lobens[467] werth / uñ wird zur Tugend / weñ sie auf Behauptung der Warheit / oder Erhaltung der Ehre feste steht. Flavius begegnete ihr: wollest du deñ nicht deiner Hartnäckigkeit etwas Abbruch thun? weñ du dem Zeno so viel am Leben köntest zusezẽ? Erato sagte: Ihm sein Leben zu verlängern wolte ich nichts in der Welt zu thun weigern. Flavius versetzte: So würdest du auch den Flavius dich zu lieben überwinden / wenn diß ein Mittel wäre / daß Zeno gonesete. Ja / bekennete Erato; ich traute auf solchen Fall meiner Meister zu werden. Ismene brach ein: Woltest du / Erato / denn auch Ismenen verstatten: daß sie der Zeno liebte /wenn sie ihm hierdurch könte das Leben geben? Wolte Gott! sagte Erato: daß ihn alle Frauen der Welt durch ihre Liebe heileten. Ismene fuhr fort: Würde dir es denn auch möglich seyn geschehen zu lassen: daß Zeno Ismenen liebte. Erato stutzte / seufzete und antwortete: Ach! Ismene! Kanst du Unbarmhertzige! mir ohne Grausamkeit so sehr zusetzen? Aber ja! liebe du den Zeno; nur höre nicht auf mich zu lieben. Flavius brach ein: So gestehest du / Erato: es sey einem Hertzen möglich / und recht: daß es ihrer zwey liebe? Warumb weigerst denn du dich / mich nebst dem Zeno ohne einige Bedingung zu lieben? Ach! Erato ich sehe es: daß dich meine unbeschreibliche Liebe empfindlich gemacht habe. Warumb wilst du denn nicht fühlen / was du wahrhaftig fühlest? Warumb thust du dir selbst durch eine schreckliche Marter so viel Ungerechtigkeit an / umb nur mich und meine Schwester zu peinigen? Hast du den Vorsatz auf diese Art dich gegen den / dessen Liebe ohne diß nicht höher steigen kan / beliebt zu machen? Hegest du auch die unmenschliche Meynung: daß in einer Frauen nichts beliebter sey / als die Grausamkeit? Es ist wahr; keine Hertzen rühren die Zärte unserer Seele mehr / als die sich / wie grosse Festungen / nicht bald ergeben. Aber sie müssen sich doch endlich gewinnen lassen. Du bist lange genung grausam gewest; dein Hertze hat sich lange genung gehalten; und Zeno / der es dir zu verwahren vertraut / befihlt es selbst dich zu ergeben. Ungehorsame Tapferkeit ist nicht weniger in der Liebe / als im Kriege straffbar. Erato antwortete: Setzet meiner Schwäche nicht ferner zu! Störet nicht länger die Ruhe meines Zeno! und meine seiner Verehrung gewiedmete Andacht! Vergnüget euch: daß ich Ismenen dem Zeno / und dem Flavius die Erato zu lieben nicht verwehre. Sie gab bey diesen letzten Worten dem Flavius einen so erbärmlichen Anblick: daß er zwar einen ungemeinen Schmertz / aber zugleich eine innerliche Zuneigung ausdrückte; welche er ihm / als eine ungezweifelte Versicherung / mit unbeschreiblicher Anmuth ins Hertze pregte. Erato und Ismene nahmen nebst ihm wahr: daß Zeno zu schlummern anfieng; daher sie auf der Aertzte Winck sich des Zimmers entäusern musten.

Hertzog Zeno ruhete wieder Gewohnheit biß in die dritte Stunde sanfter / als noch niemals bey währender Niederlage; ob schon seine Wunden niemals zu trieffen aufhöreten. Vielleicht / weil es zu Beruhigung seines Gemüthes gereichte: daß er zwey der vollkommensten Frauenzimmer in der Welt nicht allein umb seine Liebe; sondern so gar umb die Vermählung mit seiner Todten-Asche hatte kämpfen gesehen. Diesen Tag kam ein von dem Tiberius aus Trier verschriebener Artzt zu Meyntz an; welcher sich vermaaß durch das eingebalsamte Fleisch der Egyptischen Leichen das Blut zu stillen. Als aber diß nichts verfangen wolte / forderte er das auf einem unbeerdigten Hirn-Schädel gewachsene Mooß; welches iedermann aufzufinden auf die Wall-Stäte der gehaltenen Schlachten viel Leute ausschickte. Inzwischen ward Zeno immer schwächer / und gerieth in einen solchen Zustand: daß die Aertzte [468] mehr keinen Menschen ins Zimmer lassen wollen. Ismene / welche bey so verzweifeltem Zustande nun nicht mehr den Tod des Zeno / / sondern ihr Unglück: daß sie ihn nicht sterben sehen dürfte / beklagte / wuste ihrem Leide kein Ende; Und ihre Ungeberdung bewegte iedermann zum Mitleiden. Umb ihr nun den Schmertz ein wenig aus den Gedancken zu bringen / veranlaßte die Gräfin von Bentheim Ismenen: Sie möchte mit ihr über den Rhein fahren / auf daß sie nicht alleine die müssigen wären / welche für den Fürsten Zeno die verlangte Artzney nicht aufsuchten. Sie verfügten sich also in ein an dem Ufer des Meyns liegendes Gepüsche / wo zwischen den Catten und Römern ein scharffes Treffen vorgelauffen war. Ismene selbst stieg vom Wagen / und mühte sich aufs emsigste einen bewachsenen Schädel zu finden. Als nach langer Müh sie schon an ihrem Zwecke verzweifelten / kam ein eyß-grauer Kräuter-Mann zu Ismenens Bedienten / welcher die Ursache ihres Suchens erkundigte / und auf erlangte Nachricht sich auf einen Hügel verfügte / von dar auch in kurtzer Zeit zwey bemooßte Köpfe zur Stelle brachte / und damit zu Ismenen geführet ward. Ihre hierüber bezeugte grosse Freude / und seine reichliche Beschenckung veranlaßte ihn nach dem Gebrauch und Nutzen dieses Mooßes zu fragen. Als er nun vernahm: daß einem verwundeten vornehmen Fürsten damit das Blut seiner Wunden gestillet werden solte; lachte er / und fragte: Warumb sie nicht auf die Fettigkeit eines in der Geburt getödteten Beeres / oder ein von einem noch lebenden Thiere abgelösetes Glied / oder eine After-Geburt einer Gebährerin / und dergleichen abergläubische Dinge mehr darzu nähmen? Ismene erschrack über diesem schlechten Troste / und fragte: Ob er denn bewehrtere Blutstillungs-Mittel wüste? In allewege / antwortete dieser Kräuter-Mann; ich traute mir ohne Zauberey und glüendes Eisen einem / dem gleich ein gantzer Schenckel abgeschnitten wäre / das Blut zu stillen. Er führte hierauf die nach solcher Arzney eine unsägliche Begierde habende Fürstin in seine Höle / laß aus viel tausend verhandenẽ Kräutern etliche aus / zerklitschte sie auf einem Steine / drückte den Safft heraus in Vitriol. Hierauf erwischte er einen Hund / schnitt selbtem das Bein ab / stillte aber mit Umbbindung dieser Salbe im Augenblick das Blut. Ismene war für Freuden gantz ausser sich; ließ auch nicht ab / biß dieser Cattische Kräuter-Mann ihr nicht nur diese Wund-Salbe zu geben / sondern auch sich mit nach Meyntz zu verfügen willigte; unterweges aber sie in demselben Gebrauche genau unterrichtete. Ismene verfügte sich alsbald in des Zeno Zimmer / welcher der neue Artzt wegen mitgebrachter bemoosten Todten-Köpfe nicht nur den Eingang verstattete; sondern weil er vermittelst dieser Artzney dem Zeno das Blut zu stillen vorhatte / die Hertzogin Thußnelde / Erato / und den Flavius einließ. Dem Zeno ward das Mooß alsofort aufgelegt; das Blut raan zwar etwas sparsamer; aber doch hörte es nie gar auf. Der hierüber bestürtzte Artzt fragte: Ob etwan iemand anwesend wäre / der einsmals von einer Schlange gestochen worden wäre? Denn solcher Menschen Gegenwart; mehrte die Kranckheiten entkräfftete die Artzneyen. Niemand aber wolte hiervon etwas wissen / und die Wunden troffen immer stärcker. Hiermit fieng Ismene an: Weg mit euch und euren untauglichen Mitteln! ihr elenden Aertzte! die Liebe hat dem Zeno die Wunden geschnitten; also kan sie auch niemand heilen / als die Liebe. Erato / nunmehr ist es Zeit dich rund aus zu erklären: ob du deinen Liebhaber unbarmhertzig sterben lassen? oder mir deinen Anspruch an Zeno abtreten /und dardurch ihn beym Leben erhalten wilst? Die in Thränen sich badende Erato / welch ein sauer Apfel-Biß es ihr gleich war / befand sich gezwungen diese Erklärung zu thun: Es ist nichts in der Welt so schwer / was ich nicht [469] willige / ihm das Leben zu erhalten. Ismene antwortete: Ich nehme der Königin gütige Er klärung zu Dancke / und alle Anwesende darüber zu Zeugen an. Es ist von ihr eine grosse Klugheit / ihrem Liebhaber und dem Verhängnüß gehorsamen. Daß dieses mich nur zur Aertztin dieser Wunden / hingegen den Zeno zum Artzte meiner Liebe erkieset habe /wirst du selbst bald sehen / und diese Aertzte gestehen müssen. Mit diesen Worten nahm sie alle Binden und Pflaster nach und nach ab; und wiewohl es der fast ohnmächtige Zeno nicht geschehen lassen wolte; soog doch Ismene mit ihrem eigenen Munde das Blut aus / und führte an: daß dieses eine gewohnte Pflicht des deutsche Frauenzimmers / und die beste Reinigung der Wunden wäre. Welches Weib der Tapferkeit nicht feind / nicht ein Zärtling der Wollust wäre /könte ihr für diesem Purpur-Schaume der Ehren-Mahle nicht eckeln lassen. Des Zeno Hertze ward über diesem Beginnen Ismenens derogestalt gerührt: daß er sich bedüncken ließ: Ismene saugte ihm alle Schmertzen aus den Wunden / und flößte ihm alle Süssigkeit der Liebe ins Hertze. Sie aber bereitete aus ihrer Salbe dienliche Pflaster / verhüllete damit den beschädigten Leib / worvon sich Augenblicks zu aller Anwesenden Verwunder- und der Aertzte Beschämung nicht allein das Blut stillte; sondern Zeno fühlte / oder bildete ihm zum wenigsten ein: daß sich seine Schmertzen verlierten / die Kräfften aber erholeten. Ismene verfügte hierauf den der Ruhe hochbenöthigten Krancken alleine zu lassen / und verließ: daß sie erst folgenden Morgen in Gegenwart der damals Versa leten ihr angemaaßtes Ampt verrichten wolte. Auf besti te Zeit fand sich iedermann mit grosser Begierde ein; ausser Flavius der dem Vermuthen nach / aus übermässiger Freude / über dem / daß er nun bey der Erato einen guten Stein im Brete zu haben vermeynte / kranck worden war. Hingegen hatte Zeno die gantze Nacht geschlafen; er befand sich zweymal so starck /als den Tag zuvor / und er selbst betheuerte: er wäre gleichsam neu gebohren. Als auch Ismene die Wunden auffband / erstarrten alle; niemand aber mehr / als die Aertzte / weil sie selbte schon halb geheilet fanden. Kein Mensch wuste zu ergründen / wie und woher Ismene in so kurtzer Zeit diß Geheimnüß ergründet haben könte? ob es mit Kräutern oder Zauberey zugienge? Zeno aber sagte: Soll ich dich / Ismene / nun mehr für eine Tochter des Apollo / für eine Göttin / oder mehr für die vollkommenste Liebhaberin verehren? Zu diesem leitet mich deine hertzliche Zuneigung; zu jenem das für aller Menschen Augen unbegreiffliche Wunder-Werck. Ismene antwortete: Ich bin froh: daß Zeyo nunmehr meinen Worten gläubet: Ich liebe ihn. Meine irrdischen Schwachheiten aber werden mich bald verrathen: daß ich nichts göttliches an mir habe. Denn wo mich Zeno nicht zu lieben würdiget / werde ich noch heute zur Leiche werden. Ich weiß wohl: daß er vorher an der Königin Erato etwas köstlichers / als ich bin / geliebt habe. Ich bescheide mich: daß man keine güldene Seule zerbrechen / und an statt derselben keine thönerne zum Abgott machen soll. Alleine dieses sind nur Absehungen der Ehrsucht; die Liebe aber ni ts so genau nicht; sie verschmehet so bald einen Scepter für einem Hirten-Stabe / als Gold-Stück für einen leinenen Kittel. Ich bin zufrieden: daß er die Erato anbete / wenn er mich nur liebet. Erato hat ihn zwar ehe / kan aber ihn nicht so heftig / nicht so geschwinde geliebt haben. Denn als ich ihn nur den ersten Blick ins Gesichte kriegte /als ich ihn in der Schlacht mit dem Varus zu hassen verbunden war / fieng ich ihn schon an zu lieben. Zeno ward damals unser Gefangener; ich aber verlohr meine Freyheit / und er erwarb die Herrschafft über mich. Meine Dienstbarkeit hielt ich Gewinn / und freute mich über den Verlust meiner Freyheit. Etliche[470] mal mühte ich mich zwar ihn nicht zu lieben; im Augenblicke aber wendete sich das Blat / und mein Hertze sehnte sich ihn immer noch viel mehr zu lieben. Ich erlustigte mich über der Unruh meines Gemüthes /welche seine Großmüthigkeit in mir rege gemacht hatte. Diesemnach kan meine Liebe nicht verdammlich seyn; weil sie seine Tugend zur Wurtzel hat / und weil meine Liebe in mir gezeugt worden / ehe ich von der Erato Neigung gewüßt. Ihr Verfolg aber kan nicht getadelt werden; weil Zeno sie schon eines andern Liebe gewiedmet hat. Zeno versetzte: Ich wäre nicht bey Vernunfft / wenn ich an deiner Liebe zweifelte /die du nicht mit Worten / sondern wichtigen Wercken ausdrückst / welches die nachdrücklichste Sprache der Welt ist. Erato aber / glaube ich / würde an mir als ein Laster verdammen / wenn ich dich nicht liebte. Erato lächelte / und brach ein: Ich würde undanckbarer als ein Kuckuck seyn / wenn ich Ismenen für was weniger als deinen Schutz-Stern und meine Gottheit verehrte. Verzeihe mir / Ismene! daß ich zeither so viel deinem Ansehn abgebrochen. Du selbst hast Schuld daran: daß du deine Verwandschafft mit den Göttern verhölet hast. Alleine hätte ich aus deinem Thun nicht dein Wesen zeitlicher urtheilen sollen? Nur der Helden / nicht der Götter Bildnüsse haben Uberschrifften; weil sie schon an sich selbst kenntlich sind / oder keine Nahmen sie würdig auszusprechen vermögen. Liebster Zeno! ersetze diesemnach mit deiner Liebe bey Ismenen meine Fehler; und liebe / liebste Ismene / den Zeno; nur daß er lebe. Ismene fand sich hierüber so vergnügt: daß sie sich selbst schwerlich begreiffe konte. Zeno hätte ihr gerne mehr seine Danckbarkeit zu verstehen gegeben / wenn sie ihm nicht ferneres Reden / als eine Ursache der Schwachheit verbothen hätte. Er und alle folgten Ismenens Anstalten; die Aertzte liessen sich nicht gerne mehr sehen / weniger widersprachen sie ihr im geringsten /nachdem sie durch den Augen-Schein alle ihre Künste beschämet hatte. Folgenden Morgen fand man des Fürsten Zeno Wunden völlig zugeheilet / und fühlte er mehr keine Schmertzen / sondern nur noch eine ziemliche Mattigkeit; welche Beschwerligkeit aber ihm theils die Anwesenheit / theils das Andencken Ismenens / welche er als die einige Erhalterin seines Lebens unaufhörlich preisete / genugsam erleichterte. Hingegen hatte sichs mit der Kranckheit des Flavius so sehr verärgert: daß die furchtsamen Aertzte schon die Köpfe zusammen steckten / und ihn nicht auser Gefahr des Lebens zu seyn / mit gewohnten Geberden an Tag gaben. Die sorgfältige Erato verstand am ersten diese Sprache; und grämte sich biß in die innerste Seele. Folgende Nacht aber nahm die Hitze des Febers so überhand: daß Flavius seinen Verstand verlohr; also die Aertzte an seinem Leben / Erato aber für Bekümmernüß verzweifelte. Ja da diese es über des Zeno Kranckheit vorher arg getrieben hatte / war ihre Ungedult ietzt noch viel ärger. Sie schlug gleichsam als unsinnig ihre Brüste; rauffte ihr das Haar aus / zerfleischte mit den Nägeln ihre Wangen / fluchte dem Verhängnüsse / als welches das / dem sie ihr Hertz wiedmete / alsobald dem Tode auffopferte; dräute und verschwur sich mit dem Flavius auf einem Holtz-Stosse zu verbrennen. Denn es würde ihr doch nimmermehr kein Mensch diese Meynung aus dem Gemüthe reden: daß eine treue Liebhaberin sich so wenig von der Leiche ihres Liebsten / als der sich umb einen Baum windende Epheu von seinem vertorbenen Stocke solte trennen lassen. Nähme doch der weibliche Palm-Baum / wenn sein männlicher vertürbe / keinen Trost / und keine grüne Blätter an. Wie vielmehr wäre es die Pflicht einer vernünfftigen Frauen: daß sie nach Verlust ihres Liebhabers zu leben aufhörte? Mit einem Worte: Sie unterließ keine Ungeberdung der rasenden Liebe. [471] Ismene war zwar anfangs vergnügt über der Königin Leidwesen / als einem deutlichen Kennzeichen ihrer nunmehr gegen den Flavius angeglommenen Liebe. Hernach aber / als es mit ihm in einen so erbärmlichen Zustand gerieth / bemeisterte sie eine heftige Bestürtzung. Jedoch hielt sie eine hertzhafte Sorgfalt für ihren krancken Bruder vor eine rühmlichere Mitleidens-Art / als die unnütze Verschwendung vieler tausend Thränen. Die glückliche Errettung des Zeno war ihr ein Wegweiser zu ihrem Wurtzel-Manne; welchen sie nach Gewohnheit der bey dem Kohl schwerender Jonier / bey allen heilsamen Kräutern beschwur: daß er ihrem Bruder durch seine Artzneyen das Leben retten / und zu ihm kommen möchte. Dieser Alte willigte / seinem Vermögen nach / das erstere; weigerte aber das letztere; theils /weil er seine Anwesenheit nicht für nöthig hielt; theils / weil er dadurch ihm der andern Aertzte Haß oder Zanck auf den Hals zu ziehen vermeinte. Er fragte aber nach aller Beschaffenheit des Krancken aufs genaueste. Ismene sagte ihm: daß der seiner Vernunfft beraubte Flavius mit der Lantze in die rechte Achsel verwundet; die Wunde zwar zugeheilet / nunmehr aber allererst aus derselben hitzigen Aufschwellung geurtheilet worden wäre: daß die abgebrochene euserste Spitze in der Achsel stecken blieben / und verheilet worden wäre. Die Aertzte hätten zwar ein Pflaster bereitet / solches mit zermalmten Magnet-Steine vermischet / und das verhüllte Eisen damit heraus zu ziehen vermeinet; weil solches aber nicht angehen wollen / wären sie entschlossen ihm die Wunde wieder aufzuschneiden. Der Wurtzel-Mann lachte / und sagte: dieses wären Metzger / nicht Aertzte / welche nicht verstünden: daß der Magnet alle seine Kräffte in heissen-nassen- und fürnehmlich in fetten Dingen verliere. Man solte aber nur ofters hinter einander Tauben zureissen / selbte ihm auf die Fußsolen aufbinden / so würden dardurch das Haupt und die Lebens-Geister mercklich gestärckt werden. Hierbey gab er Ismenen ein zerstossenes Kraut / welches umb des Flavius Achsel geschlagen werden solte; daß es das Eisen auszüge / auch mit Saltz vermischte und zerflossene Wacholder-Beeren / welche ihm aufs Haupt / aufs Hertze / und auf den Rückgrad / bis sie gantz trocken würden / aufgelegt / hernach ihm aus einer Ader drey Löffel voll Blut gezöpfft / alle Nägel an Händen und Füssen wie auch einen Püschel Haar abgeschnitten /und ihm wieder zugebracht werden müsten. Ismene verrichtete alles dis mit emsigstem Fleisse / und fürtreflicher Vorsicht. Ihre Bekü ernüs kriegte eine grosse Erleichterung / als nach etliche mal aufgelegten Tauben Flavius wieder zu sich selbst kam / daher sie ihrem Wurtzel-Manne so viel freudiger die verlangten Sachen überbrachte / und mit ihm sich wieder über den Rhein verfügte. Daselbst vergrub er in die frische Erde des Flavius Blut; Nägel und Haare aber spündete er in eine junge Esche ein / von welcher er die Ründe derogestalt gelöset hatte: daß sie wieder füglich zugebunden / und die Ritze mit Baum-Wachse verwahret werden konte. Hiermit meinte er seinem Ampte ein Gnügen gethan zu haben / und Abschied zu nehmen / mit Versicherung: daß in dreyen Tagen Flavius seines Febers loß seyn würde. Alleine Ismene lag ihm so lange mit guten Worten an / bis er wieder mit ihr in die Stadt zu kehren willigte. Daselbst fand sie den Flavius in besserem Stande. Denn die zugeheilte Wunde der Achsel war schon aufgegangen; die stete Hitze des Febers ließ ein wenig nach / und selbigen Abend hatte Ismene zugleich der Königin den schlimmsten Dorn aus dem Fusse gezogen. Thußnelden aber ward dardurch ein desto schärfferer ins Haupt gestochen. Denn sie hatte zeither für unmöglich gehalten; daß Erato ihre gegen den Zeno von so vieler Zeit eingewurtzelte Liebe dem Flavius zueignen solte. Also ihr über Ismenens Neigung [472] zum Zeno wenigen Kummer gemacht; als welche anderer Gestalt nicht zu Kräften kommen könte / da sie nicht auf den Grauß der erstern gebauet würden. Nunmehr aber werden Thußnelden durch der Königin Erato Ungeberden die Augen aufgesperret: daß sie den Flavius hertz- und ernstlich liebte; also Ismene / nachdem ihr Erato beym Fürsten Zeno den Platz geräumet / durch nichts in der Welt von ihm würde abwendig zu machen seyn; und mit der vorgehaltenen Heyrath entweder die Freundschafft der Cherusker und Catten zerrissen; oder Ismene durch eine gezwungene Eh in den erbärmlichsten Stand versetzet werden dürffte. Wie ungerne sie nun daran kam: daß sie Ismenen in ihrer Liebe / als in dem allerempfindlichsten Dinge der Welt / weh thun solte / so fand sie sich doch durch die Liebe ihres Eh-Herrn und Vaterlandes gezwungen /selbter / wo möglich / einen Stein in Weg zu werffen. Weil nun hierzu nichts dienlicher schien / als die Königin auf ihren ersten Weg zu bringen; versuchte sie /unter dem Scheine ihrer Bekümmernüß ein Ziel zu stecken / den Zunder ihrer ersten Liebe wieder rege zu machen; indem sie ihr einhielt: Ob ihre Ungeberdungen mit einem auff die Tugend geanckertem Gemüthe Verträgligkeit haben könten? Ob diß ihrem Versprechen nachgelebt hiesse; daß sie bey keinem Unfalle mehr wider sich selbst grausam zu seyn begehrte? Wie ihr Hertz zu einer Zeit ihrer zwey so unmässig lieben könte: daß sie ihr darüber selbst so gram würde? An vielen Dingen könte man wohl ein Wohlgefallen haben; aber eine nur lieben. Jene Mutter der Liebe aber hätte so heftige Regungen nicht / als diese ihre Mutter. Freundschafft vertrüge noch auch eine Vereinbarung mit zwey oder dreyen / welcher Hartzt /ja zuweilen etliche Hertzen dergestalt zusammen keibte: daß sie nichts als der Tod trennte. Aber auch diese hätte weder Gesetze noch Beyspiel sich mit einem sterbenden Freunde zu begraben. Ob sie nicht schon in ihrer Kindheit begrieffen: daß die Beständigkeit mit Enderung der Anfechtungen / doch nicht ihre Tapferkeit verändern müßte? Es wäre nicht genung ein oder zehnmal / oder auch die Helffte unsers Lebens in allen Dingen wissen Maaß zu halten. Die Tugend behielte immer einerley Antlitz / einerley Anmuth / was vor Zufälle ihr gleich begegneten. Die Laster aber nähmen so viel Larven fürs Gesichte / so viel mal sich die Lufft des Glückes oder der Wollust änderte. Erato ward hierüber mit einem gantzen Strome von Scham-Röthe übergossen; weil sie ihr nicht so wohl ihren unmässigen Schmertz / als die Unbeständigkeit ihrer Liebe für gerückt zu seyn einbildete. Sie muste etliche mal Athem hohlen / ehe sie sich erholte / Thußnelden derogestalt zu antworten: Ach! unvergleichliche Thußnelde! sie ist ein allzu scharffer Richter / wenn sie anderer Schwachheiten nach der Richtschnur ihrer Vollkommenheiten urtheilen / und einer Taube den Flug eines über die Wolcken klimmenden Adlers fürschreiben wil. Ich erkenne mein Unvermögen / und unterwerffe mich willig ihrer Klugheit und Tugend / daß jene mich als einen Blinden / diese als ein Kind an der Hand leite. Ich kan die geschwinde Verstellung meines Gemüthes nicht leugnen; und es ist mit meiner Seele heute viel anders / als für drey oder fünf Tagen / ja wie in einer neuen Welt beschaffen. Ich habe durch tausend Pein und Schmertzen erfahren: daß die Liebe ein unsichtbarer Proteus sey / welcher sich geschwinder als die Gestalten der Schau-Plätze / oder die Menschen in Getichten / bald in Wasser / bald in Feuer / bald in grosse Wall-Fische / bald in kleine Nattern zu verwandeln weiß. Alleine die Einflüsse des Himmels / ja selbst das Verhängnüß haben über Veränderung meines Hertzens gearbeitet. Der [473] Pfeil des dem Zwo zusetzenden Todes hat in mir mehr gewürcket / als keine Schönheit der Welt / und keine Fackeln der Liebe iemals in mir zu thun mächtig gewest wären. Die Furcht für des Zeno Leben erweckte in mir die Begierde meines zu verlieren / und mit meinem Hertzen meine Liebe für ihn / als ein Löse-Geld zu geben / für den ich / als ich in Deutschland kam / nicht einst zu leben verlangt hätte / für den wünschte ich nunmehr zu sterben. Die wahrsagenden Gottheiten Deutschlands haben mir den Flavius zu lieben aufgelegt; ja der Wille meines Liebhabers und der und der unveränderliche Zwang des Verhängnüsses hat meine edle Hartneckigkeit niemanden als den Zeno mein Lebtage zu lieben so lange bestürmet / biß sich meine Seele gegeben. Also kan ich nicht leugnen: daß ich den Flavius liebe / und daß ich mir vorgesetzt gehabt / ihn nicht zu überleben. Aber / gütigste Thußnelde! rechtfertiget der Befehl dessen / den wir lieben / und ihm zu gehorsamen schuldig sind / nicht unser neue Flamme? Leidet das Gesetze nur den /welchen wir einmal geliebt / biß in Tod zu lieben /keinen Absatz? auch keine Bedingung? Sind alle Veränderungen in der Liebe verda lich? Ist unser Seele diß / was am Himmel nicht getadelt wird / unanständig? Glaube mir aber: daß meine Seele eben wie dieser / von der Liebe mehr beweget / als verändert sey. Meine Liebe gleichet einem gegen Suden segelnden Schiffe; welches zwar einem neuen Angel-Stern ins Gesichte beko t / aber doch die Nord-Sterne nicht gar verlieret / allemal aber die Sonne zu seinem Wegweiser behält. Ich liebe den Flavius; aber dieser stehet mit dem Zeno so wohl: daß ich ihm nicht gram seyn darff / und seine Tugend wird mir / so lange mir die Augen offen stehen / einen so angenehmen Leit-Stern abgeben / daß ich / wo nicht seine Liebhaberin / doch seine Freundin / seine Verehrerin / seine Dienerin sterben werde. Kan ich aber dieses mit Ehren nicht thun / leidet meine Keuschheit durch diese Veränderung Schiffbruch; warumb wehrt man mir denn zu sterben? Wahnsinnige Erato! warumb hast du dir das Messer auswinden / und dich zu leben bereden lassen / daß du andern zum Greuel / dir selbst zur Schmach lebtest? Wolle Gott! ich hätte ehe meine Brust mit meinem Blute beflecket / ehe ich meine Liebe mit dem Laster des Unbestandes besudelt! es ist wahr / ich bin nicht mehr werth: daß mich weder Zeno noch Flavius liebe; ohne eines oder des andern Liebe aber würde mein Leben ein unsterblicher Tod seyn. Warumb eile ich denn nicht zu sterben? Ich selbst kan keinen mehr lieben / weil ich mir selbst anfange gram zu seyn. Wolte Gott! ich hätte fürlängst- und eher mein Gesichte verlohren / ehe ich den Flavius gesehen / so dörffte ich ietzt meines guten Nahmens nicht verlustig seyn! Wer ohne diesen zu leben vermeynt / ist des Lebens niemals werth gewest. Stirb diesemnach / Erato! und lasse dir in der Welt nichts so lieb seyn: daß du dessentwegen schamroth leben / nicht aber rühmlich sterben soltest. Hierüber sanck Erato auf das Bette nieder / und bekam die hinfallende Sucht. Die bestürtzte Fürstin Thußnelde aber machte ihr über ihrem so übel ausschlagenden Einhalte ein so schweres Gewissen: daß sie ihrem Leide kein Ende wußte /weniger sich starck genung befand der Königin zu helffen. Daher sie durch einen lauten Ruff auf Hülffe schreyen muste. Salonine / und das sie bedienende Frauen-Zimmer kamen aus dem Vor-Gemache voll Schrecken hinein / traffen die mit allen Gliedern wie ein Aspen-Laub zitternde Thußnelde / gantz erblasset und stu / die Königin aber in so erbärmlichem Zustande an. Ismene / welche Thußneldens Stimme in ihrem Zimmer gehört hatte / folgte dieser auf der Ferse / und wuste nicht: ob sie Thußnelden oder der Königin am ersten zulauffen solte. Nachdem aber jene sich [474] ein wenig erholete / und ein Zeichen gab / nur dieser wahr zu nehmen; und Ismene der Erato Zustand sah / kehrte sie auff dem Fusse umb / und holete aus ihrem Gemach weisses Birnstein-Oel / Biber-Geil /und Wasser von schwartzen Kirschen. Durch welches Mittel denn auch Erato bald wieder zu ihr selbst kam. Als Thußnelde nun vernahm: daß sie nach etlicher Stunden Ruh zwar wachte / aber eine grosse Unruh ihres Gemüthes spüren liesse; verfügte sie sich zu ihr / und entschuldigte auf alle ersinnliche Weise: daß sie durch ihre Unvorsichtigkeit ihr so viel Leides angefügt / welche doch nur auf Mässigung ihres Schmertzens über des schon halb-genesenen Flavius Kranckheit gezielet hätte. Sie wüßte wohl: daß die Liebe einen gantz absondern Regung- und Schutz-Geist hätte / welcher sich von keiner menschlichen Vernunfft meistern liesse; sondern ihre Regung würde von dem ersten Bewegungs-Rade des Verhängnisses /wie der Zeiger in Uhren / von den Gewichtern getrieben. Es könte ihr und dem Cheruskischen Hause kein grösser Glücke geschehen / als wenn sie den Flavius mit einer Königin so hohen Geblüts / und solcher Vollkommenheit vermählet sehen solten. Sein und des Feldherrn Vater hätte ihm eine Gemahlin aus Parthen geholet. Warumb solte dem Flavius nicht eine aus dem edlen Armenien taugen? auff dessen Gebürge Gott mit dem menschlichen Geschlecht ein ewiges Bündnüß durch den ersten Regen-Bogen geschlossen haben soll; daß er es nicht mehr durch Wasser verterben wolte? Dessen ungeachtet blieb der Königin Hertze mit finsterer Traurigkeit / wie ihre Augen mit Thränen / umbwölckt. Ihre Rede hatte keinen andern Innhalt / als eitel Wünsche und Begierde zu sterben. Ich / sagte sie / bekenne meine Schwachheit: daß ich den Flavius liebe; iedoch kan ich diesen Irrthum wohl verdammen / nicht aber hassen. Und die / welche werden den Ursprung meiner Liebe schelten / werden doch mit ihrem Ausgange müssen Mitleiden haben. Der Tod hat die Liebe des Flavius in meine Seele gepflantzt; also konte ich sie auch durch keine andere Merckmahle bewehren / als daß sie aus Liebe sterbe. Ich bereitete mich dem Zeno zu Liebe mit Hertzhafftigkeit zu sterben; nun bemühe ich mich mir selbst das Leben so herbe und verdrüßlich zu machen: daß ich des Flavius halber mit Freuden sterbe / und der Tod in meiner Person mir so annehmlich fürkomme /so schrecklich er mir in der des Flavius geschienen hat. Andere stürtzten sich vorsetzlich in Tod: daß ihr Gedächtnüß in anderer Gehirne leben möchte; ich aber wil sterben: daß Flavius mit desto mehr Ehre lebe; und verlange für mich kein ander Vortheil / als sein Andencken meiner hertzlichen Liebe; welcher niemand den Ruhm wahrer Treue strittig machen kan / weil sie sich allererst an Tag gibt / da ich verscharret werden soll / und da ich von ihm mehr keiner Gegen-Liebe von nöthen habe. Ich bin schon vergnügt mit der Hoffnung: daß Flavius genesen und leben werde. Denn einem ohne Falschheit liebenden ist sein eigener Tod so süsse / als seines geliebten herbe. Ismene /welche glaubte: daß der Königin Traurigkeit zum theil von dem Zufalle der ihr zugestossenen erbärmlichen Kranckheit herrührte; hatte mit ihrem geheimen Artzte Rath gehalten; brachte ihr also an Hals zu hencken einen Püschel voll Beeren / welche auf einem Holunder-Strauche / der auf einer Weide stand / gewachsen waren / mit Versicherung: daß weil diese Sucht ihr nicht angebohren / selbte dieses Mittels halber nicht leicht / und wenn sie ihr bey itzt abnehmendem Monden von allen Fingern und Zehen ein wenig ihrer Nägel geben wolte / nimmermehr [475] wieder kommen würde. Erato bedanckte sich für so mitleidentliche Vorsorge; meinte aber: daß weil sie zu sterben beschlossen hätte / sie für ihre Kranckheiten den wenigsten Kummer trüge. Die aufs euserste bekü erte Fürstin Thußnelde / und Ismene gewehrten alle ihre Vernunfft / Höfligkeit und Thränen ohne Frucht an sie zu besänfften; bis auf den folgenden Morgen sich Flavius in dem Zustande befand: daß er sich auf einem Stule zu der Erato tragen ließ / welchem denn seine über ihrem erbärmlichen Zustand erwachsende Bestürtzung folgende Worte heraus lockte. Wie allerliebste Erato /soll ich das verstehen: daß / da ich genese / sie zu sterben wünschet? Ist sie nicht mehr dieselbe / welche / wenn ich stürbe / nicht mehr leben wolte? Wie hat sich denn ihr Gemüthe so bald umgewendet? Ich kan nach vernünftigem Gegensatze anders nicht schlüssen; als daß / da ihre erste Begierde zu sterben aus Liebe hergeflossen / die letztere meinen Haß zum Ursprunge haben müste? Wormit hat diese Veränderung der unschuldige Flavius verdienet / welcher lieber sterben als leben wolte / wenn bis ihre Abneigung /jenes ihre Liebe zuwege bringen solte? Warlich! Erato / es ist mir einerley; ob du sagst: daß du sterben wilst; als daß du mich sterben heissest. Woher rühret deñ nun ihre Grausamkeit / daß sie mich durch ihren Tod aufs schrecklichste tödten wil? Wie es eine mehr / als weibische Zagheit ist / nicht sterben wollen /wenn es das Verhängnüs befiehlet / also ist es eine Unsinnigkeit nicht leben wollen / wenn man kan; aber etwas unmenschliches einem andern zur Pein mit Fleiß sterben. Glimmet diesemnach nur noch ein Funcke meiner Liebe / oder nur eines Mitleidens in ihrem Hertzen / so schone sie doch ihres Blutes; sie spare ihr Leben / umb meines nicht zugleich zu verschütten. Erato antwortete: wie kan jemand einem andern zu Wolgefallen leben / der ihm selbst zur Schande lebt? Lasset mich also mit Ehren sterben: daß mein Leben nicht mir zum Laster / andern zum Aergernüs werde! Flavius versätzte: was kleben denn ihrem Leben für vermeinte Flecken an? diese / sagte sie / daß ich im Lieben zum Wetter-Hahne worden; daß ich den Zeno nicht mein Lebtage geliebt; daß ich die heilige Einigkeit der Liebe zertheilet. Lasterhaffte Erato! schäme dich / daß dich die unvernünfftige Turtel-Taube / und die Eiß-Vögel beschämen / welche ihr Lebtage nur einen Buhler küssen / und bis in Tod betrauren. Meine Liebe hat sich in eine Schlange verwandelt; welche an jedem Ende einen Kopff hat / und mit einem hin- mit dem andern her wil. Lasset mich diesemnach sterben! daß ich nicht ein Ungeheuer unter den Menschen / nicht eine Urheberin einer so heßlichen Liebe sey! Thußnelde / welcher alle diese verzweifelte Reden durchs Hertz giengen / brach mit einer wüsten Gebehrdung ein: Meine übel-gedeutete Worte sind Ursache ihrer Verzweifelung; indem Erato meinen Trost für eine Tadelung aufgenommen; die Natur und kein Völker-Recht / auch nicht die hierinnen sonst so strengen Deutschen / welche der Wittiben andere Heyrath verschmähen / hat jemals in einem Gesetze der Liebe alle Veränderung verboten. Sie ist eine so feurige Regung / als die Sonne / welche sich in ein Himmels-Zeichen nicht einsperren läßt. Die zwey Angel-Sterne / welche doch die unbeweglichen Wirbel der Welt seyn sollen / sind so wenig ohne Bewegung / als die Erde. Ja es giebet Umstände und Ursachen / welche die Liebe zum Laster machten / wenn sie unverändert bliebe. Welche aber kan wichtiger seyn / als wo ein Liebhaber uns selbst unser Pflicht erläst; wo von der Aenderung beyder Heil hänget / und wo das Verhängnüs selbst den Wagen der Liebe wie der Sternen-Kreiße forttreibet? Wie solte mir denn in Gedancken ko en seyn / einer freyen Königin ein so scharffes Gesetze zu [476] geben / und ihr die Hände zu binden? Wenn aber auch Erato in Veränderung ihrer Liebe eine Schwachheit begangen hätte /müste sie solches keines weges durch eine viel grössere abzuthun ihr träumen lassen / wie ein solcher verzweifelter Tod sonder Zweifel ist; dafern man glauben soll: daß sie jemals den Zeno oder den Flavius geliebt habe. Denn was kan einem Liebhaber verkleinerliches widerfahren / als wenn seine Liebste sein ihr verlassenes Bild zerreißt? Ist es aber wahr: daß eines geliebten Bild in der Einbildung / im Geiste im Hertzen der Liebsten seinen Stand / sein Leben / ja sein Paradieß habe? so kan Erato nicht leugnen: daß sie durch den wilden Vorsatz eines gewaltsamen Todes das andere Wesen des Zeno / das in die Gedancken von der Liebe gepregte Eben-Bild des Flavius mit sich auf einmal zu vertilgen trachtet. Die Liebe wird von denen / welche aus einer falschen Großmüthigkeit sich umbringen / viel ärger versehret / als wenn eine / welcher Liebhaber noch auf der Baare steht / schon in ein ander Ehbette steiget. Denn diese andere Flamme hat mit dem Gedächtnüsse der ersten keine solche Unverträgligkeit: daß sie nicht ihre Bilder in Zimmern / ihre Ringe in Händen behalten / und noch etliche Funcken in der Asche ihrer ersten Liebe ihr Hertze anfeuren solten. Alleine die / welche so /wie Erato wil / vergehen / leschen das alte Feuer gar aus; vertilgen so gar die Asche und Brand-Stelle ihrer Liebe / und tödten ihre Liebhaber durch ihr lebhafftes Gedächtnüs zum andern mal / oder für der Zeit. Wie vielmehr aber würde Erato durch ihre Verzweifelung sündigen / welche in zweyer so tapfferer Helden Bilder mit sich auf einmal vernichten wil; welche ihre Seele nicht nur mit eines Verstorbenen Gedächtnüsse sich vermählen / sondern den ihr zu Gefallen und Dienste lebenden Flavius mit ihrer lebhaften Liebe glückseelig machen kan. Erato seufzete etliche mal /und beantwortete Thußnelden mit stillen Thränen. Zeno aber / welcher bey erfahrnem Nothstande der Erato / aus einer neuen Aufwallung des Geblütes /bald nach dem Flavius sich in ihr Zimmer eingefunden hatte / trat herfür / und fieng an: Wie / Erato / wil sie die Asche unser so reinen Liebe mit ihrem Blute /und unsern guten Nahmen mit einer so schlimmen Nachrede beflecken? sintemal sich selbst erhalten wollen eine Regung der Natur / ein Gebot der Vernunfft; sich selbst aber aufreiben ein Werck der Raserey / und ein Kennzeichen eines bösen Gewissen ist. Dahero man auch in denen Fällen / wenn die Götter unsern Untergang beschlossen haben / man den Streich des Todes erwarten / nicht aber selbst darein rennen soll. Das Verhängnüs aber zeiget ihr einen viel andern Weg / als die schreckliche Straße des Todes; welches gleichsam durch Wunder-Wercke ihrer zwey zu ihrem Beyspiele beym Leben erhalten hat / mit derer jedem sie sich zu sterben verbunden schätzte. Warum wil sie denn auch nun mit ihnen nicht leben? da ja das Gesetze mit einem Geliebten zu leben leichter und verbindlicher / als das des Todes ist. Sie lasse sich den eitlen Wahn einer Hertzhafftigkeit nicht betrügen. Alle Ubermaß macht auch Tugenden zu Lastern. Ubrige Großmüthigkeit wird zur Raserey; und die unumpfälte Weißheit selbst / kan in Thorheit umschlagen. Sie mache sich diesemnach nicht unglücklicher / als sie der Himmel hat haben wollen. Es stehen ja in ihm ohne dis Unsterne genung / unsere Ungedult darf ihrer mehr nicht darein setzen. Sie höre die weise Thußnelde; welche sie vor so gerne gehört hat / nicht nur als eine treue Freundin; sondern als einen ihr zur Erhaltung vom Himmel gesendeten Schutz-Geist. Ja wenn sie sich für sich selbst / auch für den Flavius nicht erhalten wil / so erhalte sie sich doch für den Zeno; wordurch sie den eingebildeten Fehler ihrer abgebrochenen Liebe auf einmal ergäntzen [477] kan. Erato sahe den Zeno so lange er redete mit unverwendetem Gesichte an; bey den letzten Worten aber warf sie die Augen mit einer mitleidens-würdigen Wehmuth auf den Flavius; gleich als wenn sie von ihm ihr End-Urthel ausbäte. Dieser einige Anblick zohe dem Flavius sein Hertz auf die Zunge empor; daß er sie in die Armen schlüßende sie anredete: Allertreueste Besitzerin meiner Seele! kanst du es wol übers Hertze bringen mit deiner auch meine mir erst vom Himmel wieder-geschenckte Seele zugleich mit aus der Welt zu reissen? Nein / liebste Erato! dieses bestehet nicht in deinen Kräfften. Denn weil ich deine Seele in das innerste meines Hertzens verschlossen habe; bist du derselben keines weges mehr mächtig. Ich habe sie vom Himmel dir und dem Fürsten Zeno zu meinem Eigenthume bekommen; also hast du kein Recht darüber was grausames zu gebieten. Fürwahr! deine eigene Augen verrathen dein Hertze: daß es mich mehr /als sich selbst liebe. Was für ein höllischer Geist müht sich ihr denn einzugeben: daß es den Tod / welchen die gantze Welt hasset und fleucht / mehr als mich lieben solle? Manche verbländet die Eitelkeit der Ehre: daß sie diesem Ungeheuer sich verloben; aber dein Tod würde deiner Ehre selbst Abbruch thun. Was für ein ander Schatz lieget denn in deinem Grabe verborgen? Weist du bey der Verstorbenen Geistern eine annehmlichere Seele / als mich anzutreffen? Liebest du noch den Zeno? diesen Lebenden suchest du vergebens unter den Todten. Alleine dein Auge / mein und dein Hertze saget mirs: daß ich dein liebstes Theil deiner selbst bin. Denn jedweder Sinn hat seine Sprache; und die Liebenden reden auch mit den Gedancken zusammen. Wil sie nun nicht die Unbarmhertzigkeit selbst seyn; so kan sie sich von mir und ihr nicht auf so grausame Weise trennen. Ach! Erato / glaube mir nur: daß ein dir aus den Augen stehender Schmertz mir anliege / für deine Erhaltung bekümmert zu seyn! Höre mich also! wo du mich und dich glückseelig wissen wilst! nicht aber deine Verzweifelung / welche das ärgste Ubel der Welt ist! Höre deine Vernunfft und meine Liebe! so werden sie dir beyde aus einem Munde sagen: daß Erato sonder Vorsatz den Flavius zu ermorden sich zu tödten nicht gedencken könne! Habe ich dich aber mit was so beleidigt: daß es mit meinem Tode gebüsset seyn muß /so versaltze dir nicht selbst deine Rache durch dein sterben. Ich selber wil dein Urthel an mir vollziehen /ich wil deines zu erhalten mir gerne das Leben nehmen / möchte ich nur bey Ausblasung meiner Seele die Freude haben: daß du über meinem Tode einmal seufzen / und an mein Leben nach seinem Ende einmal gedencken müstest. Erato schöpffte hierüber Lufft / und Flavius machte ihr ein Hertze zu antworten. Ist es Mitleiden oder eine neue Art der Grausamkeit einen zwingen: daß er leben muß? Ich wil / und muß ja leben; weil es die befehlen / welchen der Himmel die Willkühr über meinen Tod und Leben verliehen hat. Alle Anwesende waren über diesen wenigen Worten unsäglich erfreuet; Flavius aber entzückt: daß er sich die Königin auf die Stirne zu küssen erkühnete. Erato röthete sich hierüber / und fieng an: Unbarmhertziger Flavius! zwingst du mich destwegen zu leben: daß du nur Gelegenheit habest mich zu beleidigen? Flavius antwortete: wo ich sie hierdurch beleidiget habe / ist es eine Rache / welche die Liebe mir zum besten an die Hand gegeben hat. Mit was für einem Unrechte / sagte sie / habe ich denn einige Rache verdienet? Flavius begegnete ihr: Ach! unempfindliche Erato! glaubet sie denn nicht: daß eines ihrer grausamen Worte mir nicht durch Marck und Bein gegangen sey? Erato versetzte: Ich wil gerne unrecht seyn / suche i er deine Vermässenheit zu rechtfertigen / Flavius; [478] oder berede mich es zum wenigsten durch einen scheinbaren Vorwand. Sintemal es mir erträglicher fällt / für schuldig gehalten seyn / als dich von einer warhafften Vertheidigung bloß stehen sehen. Uberrede mich es; daß ich dich beleidigt habe; wie ich mich habe bereden lassen / daß du mich liebest / und daß ich leben soll. Thußnelde fieng an: Es wird dieser Streit wol ohne Mitler beyzulegen seyn. Denn eine liebende Seele kommt schwer daran das zu straffen / was ihr lieb ist; und es fällt nicht schwer dieselben zu besänfftigen / die uns lieben / und geliebt zu werden verlangen. Zeno redete sein Wort auch darzu / und unterließen beyde nichts der Königin Gemüthe zu besänftigen. Ismene fand sich auch wieder ein; und ließ nicht nach / bis ihr Erato versprach von ihren Nägeln die verlangten Kleinigkeiten zu schicken. Welchem sie aber die Bedingung beysätzte: daß sie ihr das Geheimnüs dieser neuen Erfindung denen Kranckheiten abzuhelffen entdecken solte. Ismene sagte: die Liebe hätte ihr diese Mittel zu wege gebracht; welche die Mutter aller Erfindungen wäre /und niemanden im Stiche liesse / der zu ihr Zuflucht nähme. Weil aber auch die Liebe eine milde Hand und ein gütiges Hertz erforderte / machte sie von ihrem Geschencke so wenig Wercks; und ihr guthertziger Lehrmeister wäre so wenig neidisch; daß sie kein Bedencken hätte frey zu bekennen: sie wolte diese Nägel in eine Gans-Feder stecken / und solche in einer Pappel-Weide / zu welcher die Königin nicht leicht kommen könte / verspinden; wie sie mit dem Blute / dem Haare / und den Nägeln des Flavius / zu Vertilgung des Febers / auch gethan hätte. Dieses hörete ein ungefehr ins Zimmer tretender Artzt; welcher an statt: daß sich die andern darüber verwunderten /allerhand Ursachen anführte: daß auf diese Heilungs-Art kein Krancker bauen könte / weil er für sie keinen vernünftigen Grund in der Natur zu finden wüste; sondern selbte vielmehr allen bewährten Schlüssen der Artzney-Kunst zu wider lieffe. Ismenen verdroß dieses kühne Urthel / antwortete ihm also: Es ist besser einen wider die Gründe euer Kunst gesund machen / als nach euern Richtschnuren entweder dem Krancken nicht helffen / oder ihn gar nach der Kunst tödten. Ich habe nichts / als die uns allen bekante Erfahrung für meine Artzneyen; die Ursachen ihrer Würckungen aber weiß ich nicht auszuführen. Deñ ich bin nur ein Werckzeug des Artztes / welchen ich Morgen euch Aertzten zu euer Prüfung vorzustellē kein Bedenckē tragē werde / und er keine Scheu habē wird. Folgende Nacht-Ruhe diente dem Flavius und Zeno zu mercklicher Stärckung ihrer Schwachheiten / der Erato aber Erleichterung ihres Gemüths / in welchem die Liebe des Flavius / wie eine Pflantze in geilem Erdreiche / fast sichtbarlich fortwuchs. Ismene brachte auf den Morgen / dem Versprechẽ nach / ihren Kräuter-Mañ in des Zeno Zimmer; welcher mit Fleiß alle Aertzte zu sich erfordert hatte / und meldete von ihm: daß dieser redliche Alte der wäre / welchem Zeno / Flavius und Erato / nicht aber ihr die Genesung zu dancken hätten. Einer der Römischen Aertzte / Cornelius Celsus / welcher der Lateinische Hippocrates genennet ward / fragte den Alten / wie er denn diese Kranckheiten geheilet hätte? welcher ihm einfältig erzehlte: daß er sie aus denen krancken Leibern in Bäume versetzet hätte; welche selbte wegen mangelnder Fühle besser / als die zärtlichen Menschen erdulden können. Celsus fragte sorgfältig nach allen Umständen: ob dabey einige Beschwerungen / oder andere zauberische Worte gebraucht würden? welches aber der Wurtzel-Mann verneinte / und etwas empfindlich antwortete: Er wäre zu so schwartzen Künsten viel zu einfältig und ehrlich. Celsus versätzte: Ich finde aber / guter Freund / in der Natur keinen Grund / welcher deine [479] Kunst unterstützte. Denn / da ja die gantze Kranckheit nicht in denen unempfindlichen Nägeln / nicht in Haare / nicht in einem Löffel Bluts; sondern ins gemein in dem gantzen Wesen des Geblütes / und der Feuchtigkeiten stecket / wie ist möglich: daß mit diesen geringen Dingen selbte von einem krancken Leibe gesondert werden können? Steckte sie aber darinnen; warumb höret sie nicht auch auf /wenn man Haare und Nägel nur abschneidet / nicht einspindet? der Wurtzel-Mann antwortete: Ich bin niemals so vorwitzig gewest / das Geheimnüs der Natur zu ergründen; als welche für mich und aller Menschen Verstand eine gar zu grosse Künstlerin ist. Ich bilde mir aber ein: daß / weil freylich die Kranckheiten meist den gantzen Leib einnehmen / und das wenigste Theil in denen abgesonderten Stücken stecket / dennoch diese in dem Baume eben so wie die Pfropf-Reiser auf andern Stämmen beseelet werden müssen; also / daß sie nach solcher Regung dis / was von der Kranckheit im Leibe zurück blieben / wie der Magnet alle die Nadeln / die von ihm berühret worden / oder Verwandschafft mit ihm haben / nach sich ziehen. Celsus begegnete ihm: Warum zeucht aber das grössere Theil im Leibe nicht vielmehr das kleinere aus dem Baume wieder an sich? Wie kan dieser Zug in eine solche Ferne und außer dem Kreiße seiner Würckligkeit würcken / da der Magnet nur ein nahes Eisen an sich zeucht / und nichts in der Welt in etwas entlegenes / was nicht mit ihm eine gewisse Verbindung hat / würcken kan? die Sterne haben ja wol fernere Regungen und Einflüße auf die Unter-Welt; aber was ist dieser vom Leibe gesonderte und seiner Seele beraubte Staub gegen denen die Grösse der Erde hundert mal übertreffenden Gestirnen zu rechen? das Blut ist ja wol der Wagen / das Behaltnüs des Lebens /und hat etwas göttliches in sich; aber aus was für Grunde läßet sich eine solche Wunder-Krafft den Haaren / Nägeln / und dem Harne zuschreiben / welche fast nur Auswürfflinge unserer Leiber sind? der Wurtzel-Mann sagte: Ich kan auf diese spitzige Einwürffe zwar nicht antworten; gleichwol aber ist in der Natur nichts seltzames: daß das kleinere und schwächere das grössere und stärckere an sich zeucht. Der in Katzen und Eichen verborgene Schwefel macht; daß der Blitz auf sie gerne schlägt. Der Feigen-Baum zähmet den wildesten Ochsen / der an ihn angebunden wird. Ein kleiner Achat-Stein verknüpffet die Gemüther der Ehleute. Etliche kleine Körner Geldes oder Silbers regen in der stärcksten Hand die Winschel-Rutte. So macht auch die Ferne keine Hindernüß: daß die Natur die ihr verwandte Sachen nicht mit einander vereinbare. Das in Geschirren verwahrte Bären-Schmaltz jühret eben so wol im Winter / wenn die in Hölen sich vergrabene Bären fett werden; als der Wein in Fäßern zu Sommers-Zeit / wenn der Weinstock / und das Bier / wenn die Gärste blühet. Eine aus frembdem Fleische gemachte und angeheilete Nase faulet mit dem / aus welchem sie geschnitten worden. Die denen Kindern aus Empfindligkeit ihrer schwangern Mütter eingedrückte Beern und Kirschmale verändern nach unterschiedener Beschaffenheit der wahren Gewächse ihre Farbe. Die umb das verwundende Eisen gebundene Salbe erstrecket seine Heilungs-Krafft in weit entfernte Wunden. Denn die durch Regung der Wärmbde aus den Leibern steigende kleine Sternlein / aus welchen alle Cörper zusammen gesetzt sind / lassen sich nirgends aufhalten; sondern bleiben in ihrer Bewegung so lange / und weichen denen anders gebildeten aus / bis sie ihres gleichen antreffen / und sich zusammen vereinbaren. Welches aus den Leibern ausschüssende Licht die Ursache ist: daß etliche [480] Dinge / wie das Eisen zum Magnet / die Spreu zum Agtsteine / einen so kräfftigen Zug; andere aber wie der Diamant für dem Magnete eine rechte Abscheu haben. Diesemnach denn nicht folget: daß wenn gleich ein Leib den andern nicht berühret /sie nicht in einander etwas würcken können / und daß der Kreiß ihrer Würckligkeit unserm Augen-Maße unterworffen sey. Diese Warheit wird bewehrt durch den Basilisken / welcher ohne Anrühren den Menschen durch seine aus den Augen unsichtbar-schüßende Geisterlein tödtet. Der Wolff macht durch sein bloßes Anschaun den Menschen heiser. Der Tarantulen Gifft lebt in der gestochenen Wunde / so lange er nicht stirbt. Die Gold-Ammer heilet durch Ansehen die Gelbesucht. Weil nun alle Leiber dergleichen ausschüßende Geisterlein haben / wie alle Sterne ein Licht von sich geben; ist kein Wunder: daß nicht nur das Blut / sondern auch Haare und Nägel derselben nicht mangeln / und sie andere ihres gleichen nach sich ziehen; sonderlich / wenn ihre Bewegung noch von außen her eine kräfftige Regung bekommt. Derogleichen fürnemlich die Liebe und das Verlangen desselben Menschen ist / der diese Fortpflantzung verrichtet. Westwegen auch die Waffen-Salbe von einer Hand fruchtbarer / als von der andern angewehret wird. Zu geschweigen: daß alle gewaltsam zertrennte Dinge / welche die Natur einmal vereinbart / und aus einem Saamen entsprossen sind / entweder durch Trieb derer in jedem Stücke bleibenden Lebens-Geister oder des die gantze Welt beseelenden Geistes einen so heftigen Zug behalten / sich wieder zu vereinbaren / als die zerstickten Nattern haben / ihren abgehauenen Schwantz zu suchen / und wieder an einander zu wachsen; oder als die Magnet-Nadel nach dem Angel-Sterne sich zu wenden geneigt ist. Celsus /welcher so viel Witz in dieser Einfalt nicht gesucht hatte / hörete diesem Wurtzel-Manne mit Verwunderung zu / und redete ihn mit mehr Freundligkeit / als anfangs an: Es ließe sich alles dis wol hören; aber es wären dis alles nur scheinbare Muthmaßungen / nicht aber gründliche Ursachen / worauf ein gewisser Schluß gebaut werden könte. Deñ gesetzt: daß es derogleichen Neigung und Zug in den menschlichen Gliedern gäbe / sich nach der Trennung wieder zu vereinbaren / so folget doch nicht: daß solcher Trieb der Leiber Schwach- und Kranckheiten aufhebe; die schon in dem noch unzertrennten Leibe ihr Wesen und Krafft hätten. Das vom Magnet angezogene Eisen heilet nicht die Gebrechen des Magnets / noch der Magnet des Eisens. Da die Ausflüsse der Leiber auch keinen gewissen Leiter / keine gerade Richtschnur hätten / wie wäre es möglich: daß sie so ferne / und in einer so kurtzen Zeit / bey ihrer Blindheit einen so glücklichen Irrthum begehen / und die gerade Strasse zu ihres gleichen finden können? Wie könten die wenigen Lebens-Geister in Nägeln und Haaren so grosse Kranckheiten bemeistern / und mehr würcken als die in Leib genommenen kräftigsten Artzneyen? Es wäre überdis noch gantz ungewiß: ob die Bäume oder Thiere / darein die Einpflantzung geschehe / gar mit einander einigen Heilungs-Balsam / und Artzney-Krafft in sich hätten; welchen sie denen eingespindeten Nägeln / und Haaren / und folgends ihrem krancken Leibe mittheilen könten. Wenn aber auch durch einen solchen Zug und eine dardurch verursachte Jährung zu wege gebracht würde; daß das Wesen der Kranckheit zum theil aus dem Leibe käme / würde doch solcher nimmermehr so starck seyn / ihren gantzen Saamen / welcher meist in der Leber / dem Miltze / dem Magen / der Galle / und andern unabsonderlichen Eingeweiden steckte / auszurotten. Die Schweiß-Artzneyen nehmen viel böses mit weg / destwegen aber hörten die im Leibe zurück bleibenden bösen Feuchtigkeiten nicht auf darinnen zu jähren und zu toben. Das [481] aus der Ader gelassene und begrabene gute Geblüte verfaulte; das in den Adern wallende lidte destwegen keinen Schaden. Der allgemeine Regungs-Geist / und die grosse Seele der Welt bliebe also noch als eine der scheinbarsten Ursachen übrig /welcher aber nichts anders wäre / als der Einfluß des Gestirnes. Dieser regte die Geister aller Geschöpffe; er verknüpfte nicht allein dieselben mit ihm / und dem Himmel; daß die Sonnenwende / der Lothos-Stengel sich gegen der Sonnen wendete; der Mondenstein mit dem Monden sich verstünde; sondern er verknüpffte auch ein Ding mit einem andern / und erhielte unter so viel tausend widrigen Dingen eine beständige Eintracht in der Natur. Aber aus diesem würde die Versetzung der Kranckheiten auch zu weit hergesucht; und könte er sich schwerlich bereden lassen: daß die Erfahrung allemal dieser Lehre an die Seite treten solte. Der Wurtzel-Mann begegnete ihm: diese Einwürffe wären für ihn zu hoch; zudem liesse sich jede Meinung leichter anfechten / als vertheidigen. Seiner Artzney und Heilung halber / hätte er alleine für sich die Erfahrung / welche sonder Zweifel nicht nur der eine Fuß / sondern gar die Mutter der Artzneykunst wäre / welche die heilsamen Eigenschaften der Kräuter / und die Weise zu heilen gelehrt hätte. Daß nicht alle Kranckheiten durch Einpflantzung versetzt werden könten / wäre wahr; und wären nur eigentlich die saltzichten dazu geschickt. Jedoch gienge es mit diesen auch nicht allemahl an; weil darbey gar leicht ein Hand-Grief versehen werden könte; und hierbey freylich auf den Stand des Gestirnes / sonderlich des Monden genau achtung gehabt werden müste. Gleichwol aber wäre der Einfluß des Himmels mit dem allgemeinen Regungs-Geiste der Welt nicht zu vermischen / wiewol jener unter diesem begrieffen wäre. Denn dieser hätte nicht nur seine thätige Würckungs-Krafft in Sternen; sondern in allen Dingen der Welt /auch in denen irrdischen. Weñ nun gleich ein Theil von einem jeden Dinge abgeschnitten würde / behielte doch das abgeschnittene / so wol als das grössere Theil / diesen allgemeinen Geist in sich; welcher durch Ausflüsse sich das zertrennte doch wieder zu vereinbaren trachtete. Was nun einem oder dem andern Theile gutes oder böses begegnete / würde durch solche Ausflüsse dem andern mitgetheilet. Hiervon käme es: daß wenn der Weinstock blühte / der vorhin gewachsene Wein in Fässern prausete / und zu jähren anfienge. Der absondere Geist der Sonne und des Gestirnes thäte dis nicht unmittelbar; Denn sonst müste dis auf einen gewissen und beständigen Tag des Jahres geschehen; so aber ereignete es sich nach Unterscheid der Länder / hier vor- dort nach dem längsten Tage; und zwar nach dem der Weinstock blühet /worauf der Wein gewachsen / wenn selbter schon tausend Meilen weit verführet worden. Die zur Zeit der Blüte aus den Weinstöcken insgemein in die Lufft steigenden Wein-Geister thun es auch nicht. Denn der hundert Ellen unter der Erde / in einem Lande / wo kein Wein wächst / zwischen Eis und Klippen versteckte Wein jühret so denn nicht weniger / als der in seinem Vaterlande / wo alle Hügel mit Reben bedeckt sind. Celsus zohe hierüber die Achseln ein / und sagte: Mein lieber Freund / ich sehe wol: wir werden dis Geheimnüs der Natur / wie viel andere mit einander nicht ergründen. Das Buch der Natur ist zu groß und zu hoch / unser Leben zu kurtz / unsere Vernunfft zu alber / es auszulernen. Wir müssen uns / wie die Nacht-Eulen an dem wenigen Schimmer der Nächte vergnügen / unsern Nachkommen auch etwas zu ergründen übrig lassen; und wo wir in die hellen Strahlen der göttlichen Weißheit nicht sehen können / nur die Augen zudrücken / und durch ihre Lieder gucken. Der deutsche Wurtzel-Mañ legte derogestalt mit seiner Einfalt nicht geringe [482] Ehre ein / und er ward mit einer seinen Wunsch und Hoffnung übersteigenden Belohnung von dem Hofe erlassen.

Eben selbigen Tag kamen Tiberius und Germanicus aus dem Vogesischen Walde zurücke; dahin sie nebst denen führnemsten Römern den Hertzog Ingviomern / Catumern / Jubiln / und andere deutsche Fürsten / auf die Hirsch-Brunst geführet hatten / weil sie durch des Flavius / Zeno und Malovends Unpäßligkeit die Fortsetzung ihrer Freuden-Spiele zu verschieben veranlasset waren. Tiberius bezeugte so viel Freude als Verwunderung über der Verwundeten Genesung; und weil Thußnelde wieder nach Bingen zum Feldherrn zu kehren verlangte / machte er Anstalt: daß folgenden Tag die dem Käyser zu Ehren angestellten Spiele vollends geendiget werden solten. Früh / ehe noch die Sonne aufgegangen war / kam Agrippine / und forderte die Hertzogin Thußnelde /Ismenen / die Königin Erato / und anderes deutsche Frauen-Zi er; Saturnin aber die Fürsten / und den vornehmsten deutschen Adel ab. Sie fuhren abermals zu Schiffe dahin / weil Tiberius abermals den Schauplatz nahe an dem Rheine / wie die Griechen ihre Olympischen Spiele an den Fluß Alpheus verlegt hatte. Die Schiffe waren wie die der Argonauten gebildet; und die auf allerhand zierlichen Nachen umb sie schwärmenden Musen / Sänger und Tichter hegten einen unaufhörlichen Kampff in Säiten-Spielen / darein die vom Maro / Horatz und Naso zu Ehren des Käysers gemachten Lieder gesungen wurden. Der neue Kampff-Platz / war wie des Statilius Taurus zu Rom aus Steinen gebauter Schau-Platz angelegt. Dis in weniger Zeit aufgeführte Gebäue war zwar nur höltzern; jedoch umb ein gutes Theil geräumer / als das des Taurus; und es ward durch unzehlbare Röhren mit Saffran-Geruch / Narden-Oel / und Jasmin-Wasser eingebalsamet. Alle Sitze hatten für sich gelb- und blau-seidene Vorhänge / in denen untersten Gestülen aber / wo die deutschen Fürsten und das Frauenzimmer sassen / waren sie von Purpur und Gold-Stück. Die Trompeten erfüllten die Lufft mit ihrem Schalle / und machten den Anfang zum Schauspiele. Unter diesem kamen zweyhundert weißgekleidete Diener mit rothen Stäben in Schau-Platz / welche in Siegs-Geprängen durch das sich zudrängende Volck Platz machten. Diesen folgten zwölf Stadt-Knechte mit aufgeschürtzten Kleidern / mit so viel in Ruten gebundenen und mit Lorbern umbkräntzten Beilen. Hierauf kamen die Zunfftmeister / die Bau- und Geträide-Vorsteher / die drey Männer über die Hals-Gerichte / über die Nachtruh / über die Gesundheit / über die Müntze. Die vier Männer über die Land-Strassen / die zehn- und hundert Männer über die Gerichte; die Schatzmeister / die Aufschauer über die Stadt-Gebäue / über die Tyber /über die Wasser-Läuffe / über die Wächter / und alle andere Römische Obrigkeiten / alle in weissen gegürteten Röcken / derer Saum mit Purpur eingefaßt war. Nach diesem traten hundert Römer herein; welche in ihren langen und weiten Röcken und auf der Brust angehefften Purpur-Zierath so viel Römische Rathsherren fürstellten. Diesen folgten funffzig mit Myrthen gekräntzte Trompeter / welche in Trompeten / und ertztene Krum-Hörner eben so als wie zum Streite /aber gantz linde bließen. Nach diesem fuhren sieben silberne von vier Pferden gezogene Wagen / darauf allerhand köstliche Gemählde / ertztene und helffenbeinerne Bilder / güldene und silberne Geschirre / Gefäße voller Perlen und Edelgesteine / Purpur-Röcke /goldgestückte Decken / güldene mit köstlichen Kleinodten versätzte Kronen / die Bilder der eroberten Länder / eingenommener Städte / und bezwungener Flüsse / endlich alle nur ersinnliche Waffen der Völcker /mit einem Worte / aller Vorrath / welcher in Siegs-Geprängen als Beute eingeführt zu werden pflegt. Ferner trugen [483] tausend in gehefteten Kriegs-Röcken aufziehende Römer in silbernen Geschirren / güldene und silberne Müntzen / kostbare Trinck-Geschire aus Golde / Edelgesteinen und Chrystall / nach welchen funfzig Pfeiffer viel rauer aufbließen. Hierauf wurden von zwey-hundert Opffer-Knechten / welche alle weisse Röcke mit Feilgen-blauen Säumen hatten / und theils Hämmer / Schlacht-Messer / Beile / Schüsseln /Leuchter / enghälsichte Krüge / Töpffe / Rauch-Fäs ser / Teller / Opffer-Tische / und andere Opffer-Geschirre trugen / theils hundert zum Opffer bestimmte Ochsen geführet / derer Hörner vergüldet / die Köpffe mit Cypressen gekräntzet / die Rücken mit seidenen Gürten überlegt waren. Hernach erschienen die Priester in ihren weißseidenen in Purpur an allen Enden eingefaßten Röcken. Ihre Kräntze waren von Oel-Blättern / und mit Golde zusa en gebunden. Nach diesen wurden vier mit Lorbeer-Kräntzen und Persischen Decken gezierte Elephanten von so viel nackten Mohren geleitet / derer jeder einen Palm-Zweig in der Hand hatte. Diesen folgten noch vier andere mit Thürmen / und drey übergüldete Wagen voller Kronen /und Königs-Stäbe / hinter welchen sechzig gefangene Könige und Fürsten / derer Hände hinter die Rücken gebunden waren / mit angeno enen Thränen giengen / nebst einem grossen Gefolge gefangener Kriegs-Leute. Hierauf sahe man hundert in goldgestückten Kleidern / viel von Gold und Edelgesteinen bereitete Kronen tragen / derogleichen die eroberten Länder /oder die benachbarten Bundsgenossen ihren Siegern zu schencken pflegten. Nach diesen giengen abermals vier und zwantzig mit Lorbern gekräntzte / und rothgekleidete Stadt-Knechte / mit bundten Stäben. Nach diesen in kurtzen aufgeschürtzten und gemahlten Röcken / mit güldenen Kräntzen auf den Häuptern / funfzig Sänger und Säiten-Spieler / und eben ihrer so viel mit Rauchfässern / welche mit Weyrauch und Balsam die Lufft wolriechend machten. Eben so viel Säiten-Spieler / Sänger und Räucherer folgten dem Sieges-Wagen / für welchem einer in einem bundten mit Golde gebrämten Rocke / mit einem Palmen-Krantze auf dem Haupte / und einem Zweige in der Hand allerhand lächerliche Geberden machte / die Gefangenen spottete / und das Volck sie zu verhönen vermahnte. Der Siegs-Wagen war rund / und auf zwey mit silbernen Schienen beschlagenen / auch übergüldeten Rädern hoch erhoben. Das Gestelle war von Helffenbein / der Korb von dichtem Golde / mit Rubinen / Saphieren / Schmaragden versetzt. Diesen zohen vier Perlen-farbene Hengste / derer Zeug von Golde /und darein gesetzten Türkissen schi erte / die Huf-Eisen auch von Silber waren. In diesem stand Rom /als eine Frau in ihren besten Jahren. Ihr Rock war zweyfach gefärbter Purpur / in welchen auf Phrygische Art / mit der Nadel um den Saum Palmen-Zweige / sonst aber allerhand Geschichte gemahlet waren. Ihr Unter-Rock war blauer Sa et / mit darein gewürckten güldenen Sternen. Sie hatte auf dem Haupte einen von Diamanten schimmernden Helm /mit Oel-Zweigen umbflochten / umb ihre Macht im Kriege / und ihre Herrligkett im Frieden / oder die Kräffte ihres Leibes und Gemüthes anzudeuten. Auf der Stirne bildeten sieben grosse Rubinen das Sieben- Gestirne / als Schutz-Sterne / der sieben Berge in Rom ab. In der rechten Hand hielt sie einen Lorber-Zweig / in der lincken einen helffenbeinernen Königs-Stab / auf dessen Spitze ein Adler mit sich regenden Flügeln gebildet war. Hinter Rom stand das mit Gold-und Lorber-Zweigen gekräntzte und einen Palm-Zweig in der lincken Hand haltende Bild des Sieges /welches der Göttin Rom eine güldene mit Perlen und Diamanten strahlende Krone übers Haupt hielt. Neben dem Wagen ritten in gestückten Purpur-Röcken zwey Römische Bürgermeister. Nach ihm folgten hundert mit Lorbern gekränzte Schild-Träger. Und fünf-hundert Römische Kriegs-Obersten zu Pferde mit einem güldnen [484] Adler / und zwölff andern Kriegs-Zeichen / einer Legion. Rom stellte sich in die Mitte des Schau-Platzes: ihr Gefolge aber sich auf die eine Seite desselben in schöner Ordnung nahe aneinander. Kurtz darauf hörte man ein annehmliches Gethöne von den allerlieblichsten Seiten-Spielen. Die Göttin des Geschreyes kam auf einem geflügelten Pferde vorher geritten / und bließ in eine Posaune. Bald darauf sahe man den Apollo mit den neun Musen und dreyen Heldinnen in Schau-Platz kommen. Die ersten hatten theils Kräntze von Flügel-Federn / theils von Epheu /theils von Palmen / diese von Rosen auf. Diesen folgten auf einem stählernen Wagen / welcher einen Fels gleichsam abbildete / die Tugend. Ihr Sitz war ein Palmbaum / als seiner Nutzbar- und Tauerhaftigkeit halber das schönste Vorbild der Tugend. Den Wagen zohen ein Kamel und ein Ochse; dieses als ein Bild der Arbeit / jenes der Mässigkeit. Sie war in Purpur und Gold gekleidet / trug auf dem Haupt einen Krantz von Oel-Zweigen / in der rechten Hand eine Lantze /in der lincken einen Mäß-Stab. Zu ihren Füssen lag ein stählerner Schild / darinnen Hercules auf dem Scheide-Wege der Tugend und Wollust gebildet war. Hinter ihr stand die in Gold Stück gekleidete / und mit einem Krantze von zwey Oel-Zweigen gekräntzte Ehre. Hierauf kamen dreissig Römische Feldherren in Gold-gestückten Krieges-Röcken geritten; über welchen sie einen purpernen offenen Mantel von Purpur über den Rücken und lincke Achsel abhencken / auf der rechten Achsel aber mit einem köstlichen Kleinode zusammen gehefftet hatten. Jeder hatte zwey Waffenträger / derer einer ihm einen Schild / der andere etliche Lantzen nachtrug. Hierauf hörte man neue Seitenspiele / und kam die Zeit unter der Gestalt des mit frischen Feigen gekräntzten schwartz-bärthichten Saturn / auf einem Drachen in Schau-Platz geritten. In der rechten Hand führte er eine Sichel / in der lincken eine Schale voll Müntzen / weil er das erste Geld in Italien gepregt haben soll. Ihm folgten die im gestirnten Thier-Kreysse stehenden hi lischen Zeichen. Auf dem güldenen Widder ritt Helle / und spielte auf einer Leyer / darauf sie Orpheus spielen lehrete. Auf dem gestirnten Ochsen saß Jo / und pfieff auf einer Flöte /wormit Mercur den sie bewachenden Argos eingeschläft. Auf zweyen Pferden erschienen die gestirnten Zwillinge Castor und Pollux / bliessen in Trompeten; auf einer Kuh Thetys die Amme der Juno; auf ihrer Brust führte sie den Krebs / der den Hercules bey Erlegung der Lernischen Schlange in einen Fuß gezwickt / und von der Juno unter die Gestirne versetzt worden. Sie spielte auf einer mit Saiten überzogenen Muschel / wie auf einer Laute. Auf dem Löwen / welchen Juno in Feldern des Monden den Hercules aufzureiben erzogen / und als dieser bey Nemea erlegt /unter die Gestirne versetzt haben soll / ritt die von der Mutter der Götter in einen Löwen verwandelte Atalanta / und schlug auf einer Harffe. Dieser folgte auf einem gelben Pferde / die Tochter der Morgen-Röthe /die von der Erde unter die Sterne geflogene Jungfrau Astrea / und sang einen Lob-Gesang des Verhängnüsses. Hierauf kam Orion auf einem zahmen Hirsche geritten / mit dem gestirnten Scorpion / von dem er auf Dianens Anstifftung getödtet war. Er bließ ein Jäger-Horn. Diesem folgte der vom Hercules wegen der Deianira mit einem Pfeile durchschossene Centaur Nessus / welchen Juno als einen Schützen in Himmel erhoben. Er striech eine Geige. Nach diesem kam der gestirnte Stein Bock mit vergüldeten und mit Blumen umbflochtenen Hörnern; welchen Jupiter dem in Egypten darein verwandelten Pan zu Liebe unter die Sterne gesetzt. Auff ihm saß ein Wald-Gott / bließ auf einer Hirten-Pfeiffe. Diesem folgte auf einem Adler[485] der Wasser-Mann / oder Schencke Jupiters Ganymedes; welchen der in ihn verliebte Jupiter ebenfalls in Himmel erhoben. Dieser ließ sich mit einer Wasser-Pfeiffe hören. Das letzte war ein von zwey Wasser-Pferden gezogener Wagen / auf welchem die in Egypten zu Fischen gewordene Venus und Cupido sassen. Ihr unterstes Theil endigte sich in einen Fisch / und beyde schlugen auf zweyen mit Haaren bezogenen Muscheln. Die Wage war zu Verwunderung der Zuschauer nicht mit darbey; die weisesten aber urtheileten: sie würde destwegen nicht mit aufgeführt / weil die alten Sternseher nur eilff Zeichen gezehlet / und die zwey Waag-Schalen für die zwey Schären des Scorpions gehalten hätten. Diesen folgte ein von vier geflügelten Pferden gezogener- und von eitel Gold und Edelgesteinen schimmernder Wagen; darauf saß das Glücke in einem Königlichen Kleide. Ihr Krantz war von eitel Perlen. Ihr Purpur-Rock starrte von Diamanten. In der rechten Hand hatte sie ein Steuer-Ruder; gleich als wenn sie alles allein in der Welt nach ihrem Gutdüncken richtete; in der lincken ein Horn des Uberflusses / daraus sie ihre Schooß-Kinder überschüttete. Auf der Achsel trug sie eine Himmels- Kugel; zu seinen Füssen saß ein Liebes-Gott / und sie trat auff Kronen / Scepter / Priester-Stäbe / Helme /Waffen / Geld / Datteln / Nüsse / und hunderterley andere Dinge / zur Andeutung: daß dieses alles / auch die Liebe selbst ihren Fürsten unterworffen sey / und die gantze Welt ihr zu Gebote stehe. Diesem Wagen folgten eben so / wie der Tugend / dreissig Römische Feldherren nach. Beyde stellten sich mit ihrem Gefolge im Schau-Platze einander gegen über; also daß Rom in die Mitte kam. Bald darauf ward ein neues Gethöne gehöret / und es kam auf einem von Drachen gezogenen güldenen Wagen das nackte und schwartze Africa in Schau-Platz. Umb den mitlern Leib war es alleine mit einer purpurnen Binde umbhüllet; welche aber nicht von dem rothen Speichel der Schnecken /sonder von den Rosen-Blüthen wilder Granat-Aepfel gefärbet war. Es trug einen Krantz von Pfeilen / welche mit Oel und Granat-Aepfel-Zweigen durchflochten waren / weil diese Bäume in ihm häuffig wachsen. Auf ieder Seite der Stirne gieng ein langes Ochsen-Horn für. Hinten am Wagen war ein Drache / das Bild der Wachsamkeit / als sein Wappen geetzet. In der rechten Hand hielt Africa einen Bogen; und ein Köcher hieng an der Seite. Uber den Wagen war ein fleckichtes Panther-Fell ausgebreitet / welchem sich das also gleichsam Fleck- oder Schuppen- weise bewohnte Africa gleichen soll. Dieser folgten auf einem güldenen mit vier Pferden bespannten Wagen das absondere Africa; worauf selbtes sein Haupt das glückselige Carthago mit einem Krantze von Edelgesteinenen Thürmen / und einem mit Golde durchwürckten Purpur-Rocke fürstellte. In der rechten Hand hatte sie einen helffenbeinernen Scepter / in der lincken eine Garbe Weitzen / welcher in Africa nicht nur ein- sondern zwey- und drey hundert-fältige Frucht bringen /ja ins gemein aus einem Körnlein viertzig Eeren / zuweilen gar drey hundert und funfzig Halmen wachsen sollen. Westwegen es nicht unrecht das Eeren-Land /und eine Amme des menschlichen Geschlechts / eine Speise-Kammer der Stadt Rom genennet wird. Hinten am Wagen war das Vörder-Theil eines Pferdes / als sein Wappen gebildet. Neben ihr fuhr auf einem marmelnen Wagen mit so viel Pferden das braune Numidien / mit einem Weitzen-Krantze auf dem Haupte /weil dessen faulender Sand mehr als andere fetten Aecker Weitzen trägt. In der rechten Hand hatte sie einen mit Datteln schweren Palmen-Zweig. Hinten am Wagen führte es zu seinem Kenn-Zeichen einen Palmbaum. Diesen folgte auf der rechten Hand das schwartz-gelbe [486] Mauritanien auf einem von Zitron-Holtze gemachten drey-spännigen Wagen / mit einem Krantze von Wein-Trauben umbs Haupt. Sintemal in diesem fruchtbaren Lande die Wein-Stöcke mehr / als zwey Klafftern dicke / die Trauben einer Ellen lang /und die Beeren so groß als Hüner-Eyer werden sollen. In der Hand führte Mauritanien einen Zweig voller güldener Aepfel / von denen die im Tingitanischen Mauritanien gelegenen Hesperischen Gärte erfüllet gewest. Am Hinter-Theil des Wagens hatte es zum Wappen einen Pegasus / als ein Merckmahl seiner flüchtigen Pferde. Auf der lincken Hand fuhr auf einem ledernen Wagen das wilde Getulien mit vier Pferden ohne Zaum; weil dieses Volck also zu reiten pflegt. Der Krantz war ein Kreiß von vielen die Spitze empor kehrenden Pfeilen. In der Hand hielt es einen Nab mit Saltze / welches nirgends weisser und schöner als in Getulien gefunden wird. Zu seinem Wappen hatte es hinten am Wagen einen Löwen mit Strahlen / als ein Bild der Sonne / welches Thier hier sein rechtes Vaterland hat. Nach diesem erschien das durstige / aber gesunde Libyen / auf einem von Palm-Zweigen geflochtenen Wagen. Es trug auf dem Haupt einen Krantz / von denen in ihm allzu gemeinen Schlangen. In der rechten Hand einen Püschel Gerste /welch Getreyde hier allein wächst. Zu seinem Wappen war ein Elephanten-Kopf mit einem langen Rissel erkieset. Neben ihm fuhr auf einem ertztenen Wagen das Castanien-farbichte Cyrene. Auf dem Haupte hatte es einen Krantz von Wieder-Hörnern; vielleicht / weil in dessen Antheile Marmarica Jupiter unter der Gestalt des hörnrichten Ammon verehret wird. In der einen Hand führte es einen Zweig mit Zitronen; weil in diesem auch ein Hesperischer Garten gewesen seyn soll. In der andern einen Püschel des heilsamen Gewächses Sylphion. Hinten am Wagen führte es drey Elephanten-Zähne. Nach diesem fuhr das schwartze oder Ost- und das weisse oder West-Mohren-Land neben einander. Jenes hatte einen Krantz von Strauß Federn / in der lincken Hand einen viel grössern Bogen / als die Persen brauchen / und an der Seite einen Köcher voll gantz kurtzer Pfeile. Neben selbtẽ standen helffenbeinerne Kisten voll Zimmet und Weyrauch / die zwischen denen Brunnen des Nil und am rothen Meere wachsen. Am Hintertheil seines Wagens war ein oben mit Kräutern bewachsener Drache gebildet. Das andere Mohren-Land fuhr auff einem gold-und silbernen Wagen / weil beydes in ihren Flüssen und Bergen in Erbsen- und Bohnen Grösse gefunden wird; da doch sonst Africa für arm an Ertzte gehalten wird. In der Hand hatte es einen Zweig mit Granat-Aepfeln und Nüssen / welche zugleich Speise / Wein und Essig geben. Sein Wappen am Wagen war ein Crocodil. Zuletzt kamen Egypten und Thebais. Jenes saß auf einem von Papier oder Schilff geflochtenen Wagen / in Gestalt eines Krokodiles / woraus sie auch Schiffe zu machen pflegen. Auf dem Haupte hatte es einen Krantz voll Wasser-Blumen des Gewächses Lothos / die umb eine Schlange geflochten waren / wel che die Egyptier in ihren Kronen als ein Bild ihrer unüberwindlichen Macht führten. In der Hand einen Püschel Weitzen / und Egyptischer Bohnen. Neben ihm lag ein grosser Schild / damit die Egyptier sich von oben biß auf die Spitze zu decken pflegen. Und zuförderst stand das Bild des Osiris / in Gestalt einer Schlange / welche auf dem Haupte eine den Lilgen ähnliche Lothos-Blume / neben sich einen Herolds-Stab / und ein von den Egyptischen Priestern zu gebrauchen gewöhnliches Seitenspiel hatte. Hinten am Wagen war ein Löwe / mit Strahlen / als der Egyptier Sonnen-Bild gemahlet. Thebais fuhr auf einem Himmel-blauen mit Sternen besäeten Wagen; weil Egypten sich ein vollkommenes Bild des Himmels zu seyn rühmte. [487] Auf dem Haupte hatte es einen Krantz von denenselben Pfirschken / welche denen Mandeln und Datteln etwas gleichende Früchte tragen / in Persien giftig / in Egypten gesund / und der Isis gewiedmet sind. In der rechten Hand führte es ein Gebund Egyptischer Feigen; in der lincken Hand einen Mäß-Stab /weil allhier die Mäß-Kunst erfunden worden. Zu den Füssen stand ein porphyrener Krug mit Wasser / dergleichen die Priester in die Tempel zu tragen pflegen. An selbtem war das Maaß des wachsenden und abnehmenden Nils gebildet. Am Vörder-Theil des Wagens stand das Bild der Isis / in Gestalt eines gebrüsteten und aufgerichteten Drachens. Hinten am Wagen aber drey Schlangen / iede mit drey Lothos-Blumen bekräntzen; wordurch die dreyfache Gewalt der Schutz-Geister fürgestellt zu werden pflegt. Alle diese Afrikanische Länder waren mit Bogen und Pfeilen ausgerüstet. Nach diesem Afrikanischen Aufzuge erschien das edle und reiche Asien auf einem von Edel-Gesteinen gleichsam blitzenden und von Kamelen gezogenen Wagen. Ihr Krantz war von Perlen; ihr Kleid von Phönicischem Gewand und auf Phrygische Art gestückt. Hinten am Wagen stand ein Löwe / aus dessen Rachen der Blitz / als ein Bild der Göttlichen Versehung und Herrschafft / fuhr. Dieser folgte das schwartze Phrygien / welches für Zeiten ein Haupt Asiens gewest. In sein blaues Kleid war des Paris Urthel über die drey Göttinnen mit Golde genehet. Auf dem Kopfe trug es eine gethürmte Krone / wie die daselbst verehrte Mutter der Götter. Es trug in der einen Hand ein Geschirre mit güldenem Sande aus dem Flusse Pactolus; in der andern einen güldenen Apfel. Sein güldener von vier Cappadocischen Pferden gezogener Wagen hatte zum Wappen einen Wolff / weil sich Apollo bey ihm darein verwandelt haben soll. Neben ihm fuhr der reiche und vom Mithridates zu einem grossen Reiche erhobene Pontus. Der Rock war Silber-Stück mit goldenen Lilgen. Sein Krantz war von dem Kraute / welches Mithridates erfunden / und nach seinem Nahmen genennet hat. In der Hand trug er einen Lorber- und Myrthen-Zweig / welche ihm liebe Bäume Mithridates vergebens nach Panticapeum zu versetzen getrachtet hat. Sein silberner Wagen hatte zum Wappen zwey Püffels-Hörner / als Kenn-Zeichen der Herrschafft. Nach ihm erschien in einem braunen mit Silber durchwürckten- und biß auf die Füsse gehenden Leib-Rocke Armenien. Der Krantz war aus Lorbern. In der einen Hand führte es einen Zweig mit Morellen; in der andern einen Bogen. An dem grünen mit Rosen beworffenen Wagen war ein gehörnter Löwe gebildet. Neben Armenien fuhr Meden in einem gelben mit Silber durchwürckten Rocke. Das Haupt war mit weisser Wolle umbgeben /vielleicht weil Meden die berühmteste Schaf-Trifft in der Welt ist. In der einen Hand hatte sie einen Ast von Citronen / welche in Meden am ersten und besten gewachsen sind. In der andern einen Nab voll Honigs /der in Meden von Bäumen läufft. An dem weiß-zier-vergoldeten Wagen stand ein weisses Maul-Thier gebildet / welche in diesem Lande häuffig gezeugt /denen Persen gezinset / und nach Rom verkaufft wurden. Hierauff kam Syrien gefahren. Sein Kleid war in Phönicischen Schnecken zweymal gefärbt- und gewässerter Damast. Sein Krantz war von Mandel-Zweigen. In der Hand hatte es eine Indische Balsam-Staude. An dem feuer-rothen Wagen führte es zum Kenn-Zeichen einen Fisch / unter dessen Gestalt die Syrier der Göttin Atergatis opfern. Neben Syrien fuhr Arabien in einem klaren Gold-Stücke. Zum Krantze dienten ihr Blätter von Aloe / in der einen Hand hatte es ein [488] Rauch-Faß voller Weyrauch; in der andern ein Gefässe voller Myrrhen und Würtze. An dem aus schwartzen Ziegen-Haaren geflochtenen- und von drey Arabischen Pferden gezogenen Wagen stand Arabiens Wappen / nemlich ein Kamel. Hierauf folgte das glückselige Assyrien / in einem rosinfarbenen von Assyrischem Seiden-Gewebe gefertigten Rocke. Das Haupt zierte ein Palmen-Krantz; in der Hand hatte es ein Gebund Amomum. An dem aus Zypressen-Holtze gemachten Wagen war eine Taube / darein Semiramis soll verwandelt worden seyn. Neben ihm kam Persien in einem grünen Gold- und Silber-Glücke. Es war mit einem hörnrichten Wieder-Kopfe gekrönet. In der einen Hand hatte es das den Pfauen gleich gemahlte Kraut Semnion; welches die Persischen Könige wider alle Schwachheiten des Leibes und Gemüthes zu essen pflegten. Den güldenen mit Türckissen besetzten Wagen zierte ein weisses Pferd / wie man es der Sonnen opfert. Hierauf kam das Caucasische in Colchis / Iberien und Albanien bestehende Reich / in einem von Haaren gewürckten dreyfärbichtem Rocke. Sein Krantz war von giftigen Kräutern / in der Hand hielt es ein Wieder-Fell voll Gold-Staubes; welches die Colchier darmit aus ihren Flüssen fischen sollen. An dem von Drachen-Häuten gemachten Wagen war das Wappen ein güldener Wieder / und darüber der Blitz / an welchem Prometheus auf dem Caucasus seine Fackel angezündet haben soll. Diese neun Reiche fuhren drey und drey neben einander. Zuletzt aber kam das reiche Indien in einem seidenen- mit güldenen Drachen gestückten Kleide. Sein Krantz war wohl von hunderterley Edel-Gesteinen; in der Hand hatte es ein hohles Elephanten-Horn / daraus unzehlbare Früchte / Würtzen / Perlen / Edelgesteine / und andere Schätze hervor ragten. An dem von Perlen und Edel-Gesteinen schütternden Wagen war das Indische Thier Rhinoceros mit einem Nasenhorne gebildet. Nach diesem Asiatischen Aufzugekam das gantz geharnischte Europa / auf einem gläntzenden stählernen Wagen mit vier Lusitanischen Pferden in Schau-Platz gefahren. Jedes dieser Länder hatte über diß an der Seiten Waffen nach seiner Landes-Art. Auf dem Haupte trug es eine Bären-Haut und auf der Stirne zwey vergüldete Püffels-Hörner. In der Hand die Keule des Hercules. Ihm folgte das zu erst unter die Römische Bothmässigkeit gebrachte Italien / auf einem mit vier gelben Pferden bespannten silbernen Wagen. Es trug ein Kleid von gelber Seide / einen Krantz von Lorbern. In der Hand hatte es / wie sein ältester König und Erfinder des Weines gebildet wird / eine Wein-Reben-Butte; in der andern einen Schlüssel. An dem Wagen war das Wappen das zweyfache Gesichte des Janus auf der Schnautze eines Schiffes /wie er dem aus Creta verjagten und in Italien anländenden Staturn zu Ehren auf seine erste Müntze prägen lassen. Neben ihm fuhr das reiche Hispanien auf einem güldenen Wagen; welchen vier schwartze Asturische Pferde zohen. Das Kleid war Purpur der Phönicier / welche dieses Land grossen Theils bebauet. Der Krantz war aus Blüthe allerhand Ertztes / mit dessen Menge und Güte Hispanien alle andere Länder übertreffen soll. In der Hand hatte es einen Oel-Zweig /am Wagen drey Caninichen / von denen es auch den Nahmen soll bekommen haben. Hierauf erschien Griechenland auf einem von Corinthischem Ertzte gegossenen Wagen. Es war wie die Venus in Meer-grün gekleidet / und mit Myrthen gekräntzet. In der Hand führte es einen Oel-Baum / an dem Wagen zwey Kronen / vielleicht die zwey Herrschafften der Stadt Athen und Sparta anzudeuten. An ihrer Seiten fuhr das streitbare Macedonien / auff einem von Eisen schwirrenden Sichel-Wagen. Sein Kleid war ein gläntzender Pantzer / sein [489] Krantz von Grase / wie des Kriegs-Gottes. Am Wagen war des Hercules Löwen-Haut / Keule und Bogen gebildet / von dem die Macedonischen Könige ihren Ursprung herrechneten. Nach ihm kam auf einem stählernen Wagen das grausame Thracien. Dessen Kleid blutroth / seine Achseln mit einer Luchs-Haut bedecket / das Haupt / wie des alldar verehrten Bacchus / mit einem von Epheu umbflochtenen Drachen-Kopfe gekrönet war. In der Hand hatte es einen mit Reben und Wein-Trauben umbflochtenen Spieß. Am Wagen war ein auf der Leder spielender Löwe gebildet; vielleicht weil Cybele eine Schutz-Göttin der Thracier / und bey ihnen die Leyer des Orpheus ein Heiligthum ist. Nechst ihm ließ sich auf einem von Kupfer geschmiedeten und mit gold-und silbernen Bildern gezierten Wagen das streitbare Pannonien schauen. Es hatte ein himmel-blaues Kleid / und einen kurtzen Mantel von Purpur; umb das Haupt einen Krantz von Wein-Reben / mit denen hier allein wachsenden Opalen geschmückt. In der rechten einen langen Spieß mit einem kurtzen Eisen und bundten Fahne. In der lincken ein ertztenes Horn des Uberflusses / mit hunderterley Früchten erfüllet. Sein Wappen am Wagen war ein Ochse / als das Bild der Fruchtbarkeit. Hierauf erschien auf einem roth- und schwartzen Wagen das weisse und wanckelmüthige Gallien in einem kermesinen Purpur-Rocke. Auf dem Haupte trug es einen Krantz von Narcissen / wie die höllischen Götter; weil die Gallier vom Pluto sollen entsprossen seyn; und auff der Stirne zwey Widder-Hörner. In der Hand führte es eine mit Wein-Laube und Flachs umwundene Lantze / am Wagen das Bild eines Wolffes. Neben ihm fuhr Britannien auf einem Wagen aus Zien / von dessen Uberflusse es den Nahmen haben soll. Ein blauer Rock bedeckte es kaum die Helffte; was aber nackt / war mit Weyd und Zinober gefärbet. Es trug einen Krantz von scheckichten Strauß-Federn. In der Hand ein Schaf. Am Wagen führte es ein Schiff mit einer Erd-Kugel; weil die Britannier den gantzen Erd-Kreiß umschifft haben sollen. Diesem folgte das rothe und grimmige Scythien auf einem ledernen von drey Walachen gezogenen Wagen / weil diß Volck die Pferde zum ersten ausgeschnitten haben soll. Sein Kleid war aus Zobeln und schwartzen Füchsen. Sein Haupt deckte ein weisser Bären-Kopf / und darauf ein Krantz des Sieges von reiffen Pflaumen; weil Scythien noch niemals gar von einem ausländischen Feinde überwunden worden. In der Hand hatte es ein Horn voll Milch; am Wagen eine blancke Sebel / bey welcher die Scythen schweren /und sie wie einen Gott verehren. Zuletzt ließ sich auch Deutschland gantz absonderlich sehen. Es fuhr auf einem zierlich-vergoldeten Wagen / und war nackt; ausser; daß es eine Bären- und Luchs-Haut umb sich hencken / einen wilden Schweins-Kopf mit zweyen vorragenden Zähnen auf dem Haupte hatte. In der rechten Hand trug es einen Oel-Zweig / als ein Zeichen des mit den Römern geschlossenen Friedens. Die Schläfe waren mit einem Myrthen-Krantze / als einem Zeichen der Freyheit / umbwunden. Wordurch Tiberius den Deutschen heuchelte / und die Aufführung. Deutschlandes in diesem Aufzuge entschuldigte. Am Wagen war der deutsche Hercules gebildet. Alle diese fuhren langsam umb Rom mit Ehrerbietung herumb; und legte iedes Land diß / was es in seiner rechten Hand führte / ihm zu Füssen. Als es sich inzwischen in eine Anzahl linder Seitenspiele derogestalt mit heller Stimme hören ließ:


Ihr grossen Reiche dieser Welt /

Die ihr Zeither durch Tugend und Gelücke

Viel Völcker habt ins Joch gestellt /

Nun aber geht / als wie ein Krebs / zurücke;

Nehmt an der Sonne wahr; kommt! schaut den Mohnden an /

Und lernet: daß man nicht stets steig- und wachsen kan.


[490]

Flucht meinem Glück und Göttern nicht;

Mißgönnt auch mir nicht so viel Sieges-Kräntze /

Weil sie der Himmel mir selbst flicht /

Und Thule setzt zu meines Reiches Gräntze.

Schämt sich kein Stern doch nicht mein Schmuck und Krantz zu seyn.

So flicht auch in mein Haar / mir Erd-Kreiß / Lorbern ein.


Neigt euch für mir / der Königin /

Für welcher sich selbst das Verhängnüs beuget.

Weil ich der Erde Göttin bin /

So werde mir auch würdig Ehr erzeiget /

Da / wo die Sonne sich früh in dem Ganges wäscht /

Und hundert mal so groß in Gadens Meer auslescht.


Hat sich doch Welschland nicht geschämt

Mich als ein Kind schon anzubeten /

So Griech' als Mohr hat sich bequämt /

Mit mir in Bündnüsse zu treten.

Wem mag nun nicht stehn an mir Weyrauch aufzustreun

Nun Jahre / Stärck und Witz in mir vollkommen seyn?


Rom rückt den Sieg niemanden auf /

Giebt den Besiegten besser Recht und Satzung /

He t strenger Herrschafft ihren Lauff /

Und mindert ihrer Fürsten schwere Schatzung /

Ni t sie zu Bürgern an / pflantzt ihnen Weißheit ein;

So ists nun Glück und Ruhm von Rom bezwungen seyn.


Viel hätte längst der Schwamm der Zeit

Verlescht; ihr Nahme würde seyn begraben

In Asche der Vergessenheit /

Die nur durch mich ein gut Gedächtnüs haben.

Wer seine Tugend wil bewehr'n / führt mit mir Krieg.

So kämpfft der Deutsch' und Parth' umb Ehre / nicht umb Sieg.


Denn seit / daß Glück und Sieg sich hat

Zu Rom gesetzt / ins Capitol gefunden /

Vernagelt' ich des ersten Rad /

Dem andern sind die Flügel abgebunden.

Daß jenes gar nicht wanckt / der nicht verflügen kan /

So betet nun mit Rom Gelück' und Tugend an.


Verehrt doch Memphis und Athen

Der sieben Sterne regenhaffte Flammen /

Die an des Ochsen Stirne steh'n.

In Rom stehn so viel Sternen auch beysammen.

Jedweder Berg in ihm ist ein groß Stern der Welt /

Weil ja der Erd-Kreiß mich für seinen Himmel hält.


Die Tugend lächelte zu der Ehrerbietung so vieler Völcker / und behielt allemal ein unverändert Gesichte / welches alleine von dem verlangen Ehre einzulegen ein wenig auff den Wangen röthlich war. Als die Länder wieder in ihren ersten Stand kamen / bewegte sie sich / aber mässig.


Daß ihr das Haupt der Welt so tief verehret;

Daß ihr als Göttin sie rufft an /

Ihr Tempel baut / durch sie die Sterne mehret.

Weil Titan nichts bestrahlt / das man ihr gleichen mag /

Ja er ihr Weyrauch selbst zum Opffer bringt an Tag.


Alleine neben ihr bin ich

Als Mutter ihrer Größe / zu bedienen.

Rom selbst verehrt / als Göttin mich /

Dem ich als Schutzstern tausendmal erschienen.

Ich legte Rom in Grund / und hab es ausgeführt;

So fragt nun Rom: ob mir nicht gleicher Dienst gebührt.


Als die Tugend schloß / fieng Apollo mit den neun Musen und Gratien einen zierlichẽ Tantz auf Phrygische bey ihren Gastmahlen gewohnte Art an; darinnen sie den Streit zwischen dem Apollo und Marsyas durch Geberden sehr künstlich vorstellten. Clio stellte Minerven für / wie selbte aus dem See bey Apamea die Schilff- Pfeiffe abschnidt und darauf spielte / als sie aber sich in einem Brunnen spiegelnde ihrer aufgeblasenen Wangen gewahr ward / selbte verächtlich wegwarff. Euterpe vertrat den Marsyas / welcher diese Pfeiffe fand / aufhob / und vermöge der darinnen steckenden Krafft so lieblich spielte / daß die der Nysier Stelle vertretende Gratien drüber erstauneten. Marsyas ward hierüber im Gemüthe mehr aufgeblasen / als seine Wangen; und forderte den Apollo zum Streit aus / mit dem Bedinge: daß der Sieger mit dem Uberwundenen nach Belieben gebahren möchte; die Nysier aber ihre Richter seyn solten. Apollo und Marsyas bliessen zusammen / ein ieder in seine Pfeiffen / und that dieser jenem es zuvor. Worüber Euterpe wunderwürdig des Marsyas Freude und Hochmuth fürstellte. Apollo aber lächelte nur / und verlangte noch einen Versuch; und als Marsyas pfieff / fieng er zu seinem Pfeiffen die Cyther so lieblich an zu schlagen / daß gegen [491] dieser sein Spielen dem Geschrey der Heuschrecken gleichte. Marsyas erschrack / und wendete ein: daß sie nur auf den Mund und die Pfeiffe / nicht aber auf die künstliche Finger und die Cyther einander ausgefodert hätten. Aber Apollo versetzte: Jedermann möchte im Kampfe / wormit er könte / sein bestes thun. Die Nyseer aber sprachen für den Apollo wider den Marsyas das Urtheil aus; worüber er erblaßte und zitterte; gleichwohl aber sich unrecht beklagte. Alleine die Musen verlachten nicht nur den Marsyas / sondern sie banden ihn auch mit Geberden an eine Fichte / und wuste sich Euterpe so erbärmlich / Apollo aber so grimmig zu stellen / als wenn dem Marsyas wahrhaftig die Haut vom Leibe geschunden wäre. Hierdurch aber ward angedeutet: daß das Glücke eben so unrechtmässig der Tugend / als Marsias dem Apollo Kampf anzubieten sich unterstünde. Nach geendigtem Tantze warff das hochmütige Glücke mit frechen Geberden seine Pferde herumb; drehte wie ein Blitz etliche mahl mit seinem Wagen ein Rad umb die Tugend / und fieng mit einer durchdringenden Stimme in die Seiten-Spiele der hi lischen Zeichen zu singen an:


Wer Rom zu ehren würdig schätzt /

Kan Ehr' und Dienst nicht weigern dem Gelücke.

Diß hat Rom auf den Fuß gesetzt /

Ja dieses ist des Glückes Meister-Stücke.

Für dem der Griechen Witz / der Africaner List /

Europens Tapferkeit hat schimpflich eingebüßt.

Numantia trug schon das Joch /

Als Scipio der Tugend Haus ließ bauen.

Ich aber lag in Windeln noch /

Als schon in Rom mein Tempel war zu schauen;

Den Marz und Servius nie hat geweihet ein /

Nach denen ihrer mir wohl hundert ähnlich seyn.


Das Glücke hatte kaum seinen Gesang beschlossen; als die hi lischen Zeichen in einem sehr zierlichen Berezyntischen Tantze das Gerichte des Paris über die drey nackten Göttinnen eben so artig fürstellten. Der Scorpion vertrat die zancksüchtige Eris / wie sie den güldenen Apfel / als einen Preiß der schönsten unter die Hochzeit-Gäste warff. Die Jungfrau muste den geschäfftigen Mercur / der Schütze den bekümmerten Paris / die Fische die hoffärtige Juno / der Krebs die kluge Pallas / der Wasser-Mann die beliebte Juno fürstellen; welche ungeachtet ihrer grossen Unähnligkeit es doch ohne einiges Wort so deutlich ausrichteten: daß die Zuschauer keines Auslegers bedorfften. Nach dem Schlusse dieses Tantzes fieng die Tugend wieder ihren Gesang an


Die Mutter Roms ist Tapferkeit /

Der Anherr Mars / des Romulus Gemüthe /

Voll feuriger Verwegenheit /

Des Numa Gottes-Furcht / des Ancus Güte /

Des Tullus Krieges-Kunst / und's Servius sein Fleiß /

Die Klugheit des Tarquin / gab Rom so grossen Preiß.

Von dieser Kindheit nahm die Stadt

An Tugenden mehr zu- als an den Jahren.

Die Helden / die der Erd-Kreiß hat

Nur einzelhafft / die zehlet Rom mit Schaaren.

Die Arbeit ist sein Spiel / das Sterben seine Lust;

Ja Männer-Hertzen rührn der Römer Weiber Brust.


Durch diesen Tantz ward von denen hi lischen Zeichen / welchen das Verhängnüß eine Herrschaffts-Gewalt über die irrdischen Dinge / und der Menschen Glücke anvertraut / nichts anders angedeutet; als daß so wenig die unter der Pallas fürgebildete Tugend /als die grosse Macht der Juno / sondern ins gemein die glückliche Venus den Sieg erhielte. Der Gesang war kaum aus / als Apollo mit den Musen und Gratien einen andern Tantz anhob / darinnen der Kampf der Musen mit den Syrenen fürgebildet ward. Apollo übernam die Person der neidischen Juno / welche die Sirenen zur Ausforderung der Musen verhetzte. Die drey Gratien musten wider ihren Willen in einem geilen Cordacischen Tantze / die drey oben Jungfrauen-unten Vögel vorbildende Ungeheuer / nemlich die drey Sirenen / mit Geberden und lieblichem Singen vertreten. Die neun Musen aber sich selbst / welche denn jene übertraffen / und sehr lächerlich anzudeuten wusten / wie sie denen überwundenen zur [492] Straffe ihre Federn ausraufften und ihre Häupter damit flügelten. Wordurch eben dem Glücke / als einer verführerischen Sirene / der Sieg ab- und der Tugend / welche durch Künste und Wissenschafften geschärffet wird /mit denen Musen zugesprochen ward. Das Glücke aber stellte sich hierüber nur hönisch an / und machte singende diesen Gegensatz:


Ich bin sein erstgebohr'nes Kind;

Es ist mein Bild im Capito! zu schauen.

Als Sylvien Mars lieb gewinnt /

Ließ sich die Sonn' auch mit dem Monden trauen.

Des Romulus Geburt traf auf Gelücks-Tag' ein /

Drumb must ein Wolff die Amm' / ein Specht sein Pfleger seyn.


Das Glücke spielt' ihm in die Hand /

Durch Geyer's Hafft / durch Spiele Ehgenossen.

Der Nachbarn alberer Verstand

Ist's Röhr / woraus des Numa Ruh geflossen /

War Servius nicht Knecht! doch ward er's Haupt der Stadt /

Dies Glücke zum Compaß und Angelsterne hat.


Das Ende dieses Gesangs war der Anfang eines von den Griechen wegen seiner Heftigkeit so genennten Löwen-Tantzes / welchen die hi lischen Zeichen hielten / und darinnen mit Gebehrden den Krieg der Götter und Riesen fürstellten. Die Zeit war Typhon der grausamen Riesen-Führer. Die Jungfrau war Alcyon / der Löw Ephialtes / der Scorpion Clytius / der Schütze Enceladus / der Krebs Pallas / der Wasser-Mann Polybotes. Diese jagten in einem Tantze / welchen die Griechen den Brand der Welt hiessen / den Göttern eine solche Furcht ein: daß sie sich in Thiere verwandelten; und wuste der Widder den in ihn verwandelten Jupiter / die Zwillinge den Raben / und die Katze / zu welchen Phöbus und Diana ward / der Steinbock den Bacchus / der Stier / die Juno / die Fische die Venus / und den in den Vogel Ibis verkehrten Mercur in einem Tantze / dem die Griechen von schöner Gestalt den Nahmen geben / und fürnemlich in Nachaffung der Thiere bestehet / so artlich abzumahlen / als wenn sie selbst darstünden. Als hierüber die Riesen frolockten / und schon über die bezwungenen Götter ein Siegs-Lied sangen / that sich der Schütze mit Vorstellung des auf einem Esel reitenden Silenus herfür; welcher durch sein ungeheures Geschrey die Riesen schreckte / und sie über Hals und Kopff in die Flucht jagte. Wordurch zu verstehen gegeben ward: daß ein geringer Zufall des Glückes offtmals mehr /als eine fast göttliche Krafft ausrichtete. Die Tugend ließ sich hierdurch wenig irren; sondern vollführte derogestalt ihren Gesang:


Das Glück ist ja ein leichtes Rad /

Das ehe sich / als man die Hand umbdrehet;

Das am Verterb Gefallen hat;

Das Reiche stürtzt / und Städt' / als Spreu verwehet.

Das Gipfel unten dreh't / und Stahl wie Glas zerschell't

So hält es Rom ja nicht / das man für ewig hält.


Das Glück ist selbst geborgtes Gut /

Die Tugend Eigenthum und Waare /

Der Zeit und Rost nicht Schaden thut;

Sie tauert einen Tag / ich lange Jahre.

Mein Thun ist Nutz und Ernst / gemeines Hell mein Ziel /

Das Glück ein Wetter-Hahn / sein Absehn Schertz und Spiel.


So bald die Tugend beschlossen; fieng Apollo mit den Musen und Gratien einen Tantz nach Erfindung der Epizephyrier an / darinnen die den wäßrichten Monden zugeeignete Talia den Fluß Achelous bald in Gestalt eines Drachens / bald eines Mannes mit einem Rind-Kopffe / bald eines Ochsens; und seine Liebes-Werbung bey Deianiren; Apollo aber seinen Neben-Buhler / und folgends zwischen beyden ihren Kampff fürstellete; darinnen Hercules jenem verstellten Ochsen das rechte Horn abbrach / und auf flehentliches Bitten des Uberwundenen ihm das Horn Amaltheens darfür gab. Welches dahin zielte: daß die mit dem Hercules vermählte Tugend der Stärcke des dem verschüßenden Wasser gleichenden Glückes überlegen wäre. Gleichwol rüstete sich dieses alsofort zu folgendem Gegensatze:


[493]

Dreht sich doch der Himmel umb /

Die Sonn' ist unter irrenden Gestirnen.

Der Monde laufft verkehrt und krumb;

Was wil man denn mit meinem Aendern zürnen.

Wer nur zu rechter Zeit mir reicht die rechte Hand /

Die Sitten nicht verkehrt / den drückt kein Unbeständ.


Mein Flügel-Fuß / und Feder-Kleid

Kan Assur zwar / und Persen bald verlassen.

Beyn Griechen blieb ich wenig Zeit;

Well keines mich verstand mit Art zu fassen.

Well aber Rom so wohl mich ausni t / hält / und pflegt /

Hab' ich für Kiel und Rad mir Ancker beygelegt.


Des Glückes Gesang begleitete ein Mantineischer Tantz der himmlischen Zeichen / in welchem der Löwe die hernach darein verwandelte geschwinde Atalanta / acht Musen so viel ihrer Buhler fürstellten /welche alle / als Uberwundene / von ihr mit einem Korbe abgefertigt wurden. Apollo aber vertrat den Hippomanes / und drückte mit Gebehrden meisterlich aus / wie er Atalanten drey von der Venus ihm geschenckte güldene Aepffel in Weg warff / und sie zu derselben Aufhebung verleitete; bey welchem Vorthel er / ihr im Wettelauf zuvor / sie aber / als der bestimmte Siegs-Preiß / in sein Besitzthum kam; zur Erinnerung: daß Tugend und Geschickligkeit sich von dem ihnen in die Augen leuchtenden Glücke mehrmals bländen / und über den Stock werffen lassen. Die Tugend begegnete allem diesem durch wiederholeten Gesang:


Gar recht! die Tugend und Bestand /

Muß kein Quecksilber unbeweglich machen

Wenn's Glücke / Schwefel / Hagel / Brand /

Gleich auf uns schneyt; muß unsre Hoffnung lachen.

Sie und's Verhängnüs schämt sich den zu tasten an /

Der ihm das blaue nur in Augen sehen kan.


Wie vielmal hat des Glückes Neid /

Nicht Rom bestürmt durch bürgerliche Kriege;

Durchs Brennus Grimm und Tapfferkeit;

Durch Hannibals / der Deutsch- und Persen Siege?

Durch Tugend aber wächst Rom / wenn's Gelücke kracht /

Das nur von hinten zu sich an den Käyser macht.


Diesen Satz zu bestärcken hielt Apollo mit den Musen einen vom Pyrrhus erfundenen Waffen-Tantz. In diesem ward von der dem Kriegs-Gotte zugethanen Clio der Betrycische arglistige König Anycus / welchem es tausend mal gelückt hatte die anlendenden Frembdlinge seiner Grausamkeit aufzuopffern fürgestellt; wie er die Argonauten zum Streit ausforderte /und selbte in einen Hinterhalt locken wolte; von dem den Pollux vertretenden Apollo aber im Kampff hertzhafft und vorsichtig erlegt / und das Gifft seiner eingesalbten Waffen zernichtet ward / umb hierdurch zu erhärten: daß das Glücke wie ein lange zum Wasser gehender Krugendlich zerbreche / und die arglistige Boßheit der Tugend nicht gewachsen sey. Das Glücke vergaß nicht ihren ausgestellten Mangel derogestalt zu vertheidigen:


Bey Munda lehr't ich redlich ihn:

Ob Tugend nicht für mir erblassen müsse.

Wenn Brutus muß den kürtzern ziehn;

Pompejus fällt für eines Sclaven Füsse;

Wenn Marius verspielt / ist Cassius nicht blind

Daß mit der Tugend es nur bloße Worte sind.


Was hilfft die Tugend den Sartor /

Wenn er sein Glück in Glückes-Inseln suchet.

Er heißt sie ein zerbrechlich Rohr;

Und Mithridat hat zehn mal sie verfluchet.

Sie sieht meist elend aus. Wem aber ich steh' bey /

Bekommt den Ruhm: daß er so klug als tapffer sey.


Die himmlischen Zeichen bestätigten diese Meinung in einem Kranch-Tantze / welchen Theseus bey dem Delischen Altare eingeführet / und damit seinen Ausgang aus dem Cretischen Labyrinth abgebildet haben soll. In diesem Tantze nahm der Wassermann die Person der Thetis über sich; welche ihren Sohn Achilles durch den die Stelle des Chiron vertretenden Schützen in der Weißheit / und in Säitenspielen unterrichten ließ; und selbten / daß er nicht verwundet werden könte / in das Stygische Wasser eintauchte. Weil aber Apollo wahrsagte: daß er für Troja bleiben würde / versteckte ihn seine Mutter unter die Töchter des Königes Lycomedes; welche von den Gratien [494] vertreten wurden. Aber der den Ulysses fürbildende Widder zohe nur den herfür / ohne dessen Tapfferkeit Troja nicht einzunehmen war. Er erlegte zwar allda die Mauer der Phrygier / den Hector; aber der wollüstige Paris hatte das Glücke den unüberwindlichen Achilles an dem Fusse zu beleidigen / worbey ihn bey seiner Eintauchung Thetis gehalten hatte / und also seine Polyxenen angezündete Hochzeit-Fackeln in Begräbnüs-Lichter zu verwandeln; zu einem Zeugnüsse: daß die Tugend denen Verhängnüs-Schlüssen sich zu entreissen allzu ohnmächtig sey; und das Glücke auch der Wollust die Hand führe der Tapfferkeit Abbruch zu thun. Die Tugend war alsofort fertig zu folgendem Gegensatze:


Wahr ists: das Glücke sicht stets an

Die Tugend / und betreugt mit ihren Künsten.

Weil es so tückisch heucheln kan /

Ist es beliebt. Es bländet uns mit Dünsten.

Lacht / wenn es leere Schal'n uns in den Händen läßt /

Uns von dem Gipffel stürtzt / uns Ehr und Licht ausbläst.


Die Tugend aber ist der Grund;

Und Klugheit die Befestigung der Reiche.

Das Glücke macht sie zwar wol wund;

Doch sie versetzt dem Glücke beßre Streiche.

Weil nichts unwegbar ihr / nichts unbezwinglich scheint /

So ist ihr auch das Glück ein überwindlich Feind.


Apollo mit seinen Gefährten folgte der Tugend alsofort mit einem Mauritanischen Tantze; und stellte Polyhymnia mit ihren artlichen Gebehrden den Libyschen Riesen Antbäus für / welcher so viel Menschen zerfleischte: daß er seinem Vater einen Tempel von Menschen-Schädeln gelobte. Apollo aber bildete den Hercules ab / wie er mit diesem von seiner Mutter der Erde allezeit neue Krafft bekommenden Ungeheuer in Kampff gerieth / und bey abgemercktem Vortheil ihn schwebend in der Lufft hielt und tödtete. Wordurch zu verstehen gegeben ward: daß wie ein starcker Riese das Glücke gleich ist; Klugheit und Tapfferkeit ihr doch überlegen sey. Das Glücke ließ sich aber nicht abschrecken der Tugend folgenden Einhalt zu thun:


Sie ist mein Feind / doch mir zu schwach;

Mein Arm hat auch mehr Nachdruck und Geschickt.

Ihr folget Haß / mir Mißgunst nach;

Doch jeder wil vermählt seyn dem Gelücke.

Die Freundschafft sehnet sich nach mir / nach Tugend nicht /

Und hängt / wenn ich verschwind / an Nagel Treu' und Pflicht.


Wer redet mit dem Glücke nicht

Mehr / als mit Fürsten / in geheimsten Dingen?

Ich blände der Scharffsicht 'gen Licht /

Wenn Klugheit mir wil einen Streich anbringen.

Ich bin ein Gott der Zeit / die Tugenden so feind:

Daß sie halsbrüchig schätzt / wenn jemand sie beweint.


Kaum hatte das Glücke seinem Singen ein Ende gemacht / als die himmlischen Zeichen einen Bacchischen Tantz anfiengen. Euterpe unter der Fürstellung des Pan foderte den Schützen / als Vertreter des Apollo / im Pfeiffen in Streit aus / und machten einen Satz gegen dem andern. Der zum Richter erkiesete Phrygische Berg / Tmolus / den der Stier vertrat / meinte zwar für den Apollo zu sprechen; weil aber der Könige Regungen schwerer als Berge sind / erlangte durch des Phrygischen Königes Midas Ausspruch der grobe Hirten-Gott für dem Fürsten der Gestirne uno Säitenspiele den Sieges-Preiß. Der Schau-Platz aber eine Lehre: daß ein gerechtes Urtheil offt eine zufällige Sache wäre; und die Geschickligkeit offt verschmäht /der Grobheit ein gülden Halsband umbgemacht würde. Die Tugend versetzte auf dem Fusse mit einer sittsamen Stimme:


Das Glück ist nur der Klugheit Magd;

Weil jeder ihm selbst sein Gelücke schmiedet.

Ob Haß gleich an der Tugend nagt /

Und Boßheit sich an ihr vielmal ermüdet;

So beten beyde sie doch ein Gewissen an /

Und grämen sich: daß sie kein Feind vertilgen kan.


Sie ist ein unversehrlich Gut /

Der Dinge Kern; Glück aber spiel't mit Schalen.

Sie schmincket ihr versprütztes Blut /

Aus dem sie ihr kan Ehren-Fahnen mahlen.

[495]

Wenn sie ein Unstern preßt / das Glück ihr sich vergällt

Vertheilet sich ihr Ruhm / wie Balsam in die Welt.


Apollo mit den Musen und Gratien führte in einem Thracischen Tantze durch verblühmte Aufführung den Kampff wider den zu Odrysa hochangesehenen Thamyris auf. Euphrosyne übernam seine Verrichtung; und strich mit stummen Gebehrden den Götter-Sieg wider die Titanen so annehmlich / als er für Alters mit seinen Getichten heraus. Die Musen selbst gaben ihm Gehöre und Beyfall; welches ihn zur Kühnheit verleitete / sie zu verachten / und auf geschehene Ausforderung zu bediengen: daß die überwundenen Musen seiner Geilheit zu Willen leben / oder er ihrer willkührlichen Straffe unterworffen seyn solte: die Vermessenheit aber erlag für der Tugend. Apollo erklärte die Musen für Uberwinder / sie selbst aber beraubten ihn des Gesichtes / und seiner Singe-Kunst. Zur Anmerckung: daß das Glücke zwar insgemein der Verwegenen Führer / aber ihnen auch ein Bein unterzuschlagen gewohnt sey. Das Glücke hielt es für Schande diese Verkleinerung zu verschmertzen; sang also nicht ohne Entrüstung:


Wes dient des Ruhmes Eitelkeit /

Wenn man sie kaum mag über Achsel sehen?

Kein Hof den Eintritt ihr verleih't /

Wenn Fürsten ihr meist nur den Rücken drehen.

Das Glück ist aber stets hoch angesehn und werth /

Weil sie offt Thon in Gold / und Spreu in Purpur kehrt.


Egyptens Isis hat so viel

Nicht Brüst' / als ich / nicht so viel Milch darinnen

Es fleußt nicht so viel Saltz im Nil /

Als Schätz und Lust aus meinem Horne rinnen.

Wer mir entgegen geht / mir ausweicht / wenn er kan /

Den lach' ich unverrückt / wie Rom und Cäsarn an.


Der Gesang war auch so bald nicht geschlossen /als die himmlischen Zeichen in einem Trözenischen Tantze so eigentlich ausdrückten / wie der Athenienser Feldherr Cimon schlaffen lag; das Glücke aber neben ihm stehende mit einem Netze viel Städte ihm fischete; gleich als wenn das Glücke einem im Traume mehr als die Tugend den Wachsamen und Arbeitsamsten zuzuwerffen vermöchte. Die Tugend begegnete dem Glücke alsobald wieder mit folgendem Gegensatze:


Weil du mir must gehorsam seyn /

Pflegt dich / Gehorsame / Rom zu verehren;

Weil Cäsars Tugend dich sperrt ein /

Und du dich nicht ihn wagest zu versehren /

Läßt Rom dein Heiligthum in seine Gärte bau'n /

Indem sich aber auch der Tugend Bild laßt schau'n.


Denn sie war Cäsars Mast und Schild /

Als Glück und Meer ihn dränte zu verschlingen.

Wenn sie gleich's Unglücks Dunst umbhüllt /

So weiß sie wie die Sonn' ihn zu durchdringen.

Sie ist verfolgter Port / sie hat offt Rom beschirmt /

Wenn's Glückes Tempel gleich vom Donner ward bestürmt.


Apollo mit seinen Gefährten hegten hierauf einen gri igen / aber doch künstlichen Tantz / derogleichen die Griechen dem kriegrischen Hercules zu hegen pflegten. In diesem stellten sie für den Krieg der Götter wider den Hercules. Euphrosyne bildete die erzürnte Juno ab / daß Jupiter ihr im Schlaffe den Hercules an die Brüste gelegt / und durch ihre Milch die Unsterbligkeit an sich saugen lassen. Apollo aber den Hercules; wie selbter die von der Juno über ihn geschickte zwey Schlangen in Stücke rieß; wie er den von ihr aus dem Monden herabgelassenen Löwen im Nemeischen Walde erlegte / und seine undurchdrängliche Haut zum Schilde brauchte; und wie er die ihn selbst angreiffende Juno mit einem Pfeile in die rechte Brust verwundete. Urania stellte die Sonne für; wie sie den Hercules auf der Reise zu denen Tarteßischen Ochsen heftig stach / und als er sich erkühnete / einen Pfeil in sie zu schüßen / dieser Kräffte und Hertzhaftigkeit wegen / ihn mit einer güldenen Schale beschenckte. Terpsichore vertrat den Oceanus / wie er den auf solcher Schale schiffenden Hercules mit einem gewaltigen Sturme anfiel; welchem er aber durch Spannung seines Bogens ein Schrecken einjagte / [496] und das Meer zu besänfftigen zwang. Melpomene vertrat den auf den Hercules verbitterten Pluto; weil er ihm den Cerberus aus der Hölle mitnam; den er aber ebenfals mit einem Pfeile durchschoß / durch welches alles behauptet ward: daß die Tugend dem Himmel /den Sternen / der Lufft / der Erde / dem Meere gewachsen / und die göttlichen Verhängnüsse zu überstehen mächtig wäre. Das Glücke wolte der Tugend noch das wenigste nachgeben; erhob daher seine Stimme:


Rom hieß die starcke Göttin mich /

Die Männliche / die Tilgerin des bösen.

Verborg mein Antlitz manchmal sich /

Wust' ich doch Rom beyzeite zu erlösen.

Das Glücke / welches kommt zurück / ist noch so lieb /

Versöhnter Liebe Zwist hat einen stärckern Trieb.


Wer wil der Tugend mässen bey:

Daß Perseus gieng durch einen Streich zu Grunde?

Wer zweifelt: daß es Glücke sey /

Daß Antioch verfiel in einer Stunde?

Die Tugend schafft ein Gut / das Glück ein groß Geschrey;

Rom selbst bekennts: daß ich sein bester Werckzeug sey.


Die Zeit mit denen gestirnten Thieren fieng einen Jonischen Tantz an / wie selbter in Sicilien Dianen zu Ehren geheget ward. Dariñen stellte der Schütze den in dem Eys-kalten Flusse Evenus für Liebe glüenden Centauren Nessus; die Jungfrau die wegen angemaaßten Noth-Zwanges für Angst bebende Deianira; der Löw aber den von Eyversucht und Rache schäumenden Hercules für; wie er ihm einen vom Blute der Hydra vergiffteten Pfeil durchs Hertze scheust / wie der sterbende Centaur Deianiren mit seinem blutigen Kleide beschenckt / und sie beredet: daß es ihren Ehmann von frembder Liebe abzuziehenn Krafft haben wilde. Die Zwillinge vertraten Jolen und noch eine andere Buhlschafft des Hercules; der Krebs den Licha / welcher von der eyversüchtigen Deianira dem opffernden Hercules des Centauren Kleid überbrachte / von dem er rasend ward / den Licha ins Meer warf; sich aber in die Opffer-Glut stürtzte. Worauf sich Deianira mit ihres Mannes Keule tödtete; aus ihrem Blut aber eine See-Blume und das Kraut Heraclea wuchs. Wordurch erhärtet werden wolte: daß die auch hundert-fach bewehrte Tugend doch endlich ein Schlacht-Opffer des Glückes würde. Die Tugend thät durch ihren Gesang denen Vertheidigern des Glückes diesen ferneren Einhalt:


Wenn's Glück in Ohnmacht sincken wil /

So stützt es sich auf des Aleidens Keule.

Wenn sich verkehrt sein Würßel-Spiel /

So lehnt es sich an meiner Klugheit Seule.

Ja Unglück schärfft den Witz / und Noth die Tapfferkeit /

Da's Glücke Hochmuth schafft / Verterb und Sicherheit.


Sehr selten paart sich Glück und Fleiß;

Ein Glücks-Kind und ein redliches Gemüthe.

Die Drangsal ist mein Sieges-Kreiß.

Ist Cato gleich von niedrigem Geblüte;

Hat Dienst-Magd und Gespenst den Servius gezeugt /

So hat doch jeder selbst sein Glück ihm zugeneigt.


Apollo mit seinen Gefährten pflichtete der Tugend in einem Laconischen Waffen-Tantze bey; darinnen sie den nach dem Achilles und Ajax tapffersten Griechen Diomedes einführten / wie er mit dem Hector und Eneas so hertzhafft kämpffte / den Thracischen König Rhesus seiner weissen Pferde entsätzte / den Trojanern ihr Schutz-Bild nahm; ja den für das Glücke Phrygiens alle euserste Kräffte anwendenden Kriegs-Gott in die Achsel; die den Eneas bedeckende Venus aber in die rechte Hand verwundete; zu einem Beweise: daß Götter und Verhängnüs durch die Beständigkeit der Tugend doch überwältiget würden. Das Glücke fieng hierüber laut an zu lachen; und fieng an zu singen:


Die Ordnung wird von dir verkehrt /

Wenn's Glücke lacht / so macht es kluge Leute /

Bebertzt und kühn / wenn es beschwert /

Und hilfft offt eh' aus Noth / als viel Gescheute.

Ein Narr / der aber nicht sein Glücke brauchen kan /

Hängt durch den Untergang mir keinen Schandfleck an.


[497]

Dis halff dem Marius aus Noth /

Als es den Sylla gleich trug auf den Händen.

Des Marius bestimmten Tod /

Muß zweyer Scorpionen Kampff abwenden.

Gewaan je Syllen Witz und Tugend etwas ab /

Der dem Gelücke sich leibeigen übergab?


Die Zeit und die himmlischen Zeichen fiengen nach diesem Gesange einen Paucken- und Zimbeln-Tantz an; darinnen wahrsagte der Wieder dem Könige Oenomaus / den der Stier vertrat / daß er von seinem Eidame getödtet werden würde. Diesemnach alle /welche seine schöne Tochter Hippodamia begehrten /mit ihm oder ihr ein Wagen-Rennen halten; die Besiegten aber über die Klinge springen musten. Die Jungfrau bildete Hippodamien und ihre Freude über die besiegten Buhler und ihre Grausamkeit bey ihrer und ihrer Pferde Abschlachtung; der Wassermann aber den schlauen Pelops für; welcher des Oenomaus Kutscher Myrtilus bestach; daß er für seines Herrn Räder nur wächsene Nägel schlug / also mitten im Rennen ein Rad her / das ander hinflog. Und Pelops mit der auf seinem Wagen sitzenden Hippodamia die Corinthische Meer-Enge / als das gesetzte Ziel nicht nur erreichte / sondern der sterbende Oenomaus bat ihn auch: daß er die Untreu am Myrtilus straffen solte; welchem aber Pelops anfangs versprochen hatte ihm die erste Nacht den Genüß Hippodamiens zu enträumen. Wie nun bey seiner Rückreise der durstige Pelops auf der Seiten einen Brunn suchte / erkühnte sich Myrtilus Hippodamien gewaltsam zuzusetzen; westwegen er auf ihre Beschwer vom Oenomaus ins Meer gestürtzet ward. Dieses alles gaben sie den Zuschauern / und zwar zu der Lehre zu verstehen: daß ein einiger Zufall einem / der schon dreyzehn und mehrmal gesieget / die Lorbern vom Haupte / und die hertzhaftesten Uberwinder von Siegs-Wagen in die Grube stürtzen könte. Die Tugend begegnete dem Glücke aber bald wieder:


Offt würde's Glück zu Grunde gehn /

Wenn sichs mit List und Lastern nicht vermählte.

Wie würde Marcius bestehn /

Wenn ihm Betrug / nicht Witz dem Perseus fehlte.

Es ist so schädlich nicht / wenn es die Zähne bleckt /

Als wenn sein lächelnd Mund so Gifft als Haß versteckt.


Dir Tugend aber macht beglückt

Wenn sie gleich nackt und ungeschmüncket siehet.

Sie darff nicht / was ein Zufall schickt /

Und wieder raubt / wenn's durch einander gehet.

Sie braucht der Laster nicht; nicht Glückes / wie das Rad

Der Sonne frembdes Licht nur tilgt / nicht nöthig hat.


Apollo bildete zugleich mit seiner Laute den Orpheus; die drey Gratien die singenden Syrenen; die Musen aber die Minyen / in einem Schiffer-Tantze ab; darinnen die sich vom Orpheus überstimmt sehenden Syrenen aus Erbitterung anfangs verstummten / hernach ihre Säitenspiele ins Meer warffen / und sich ins Meer stürtzten; also die Minyen / welche schon kein Ruder mehr rührten / und sich den Strom an die Schiffbruchs-Klippen treiben ließen / zu einem besondern Merckmal erhalten wurden: daß Tugend und Klugheit einen aus dem Rachen der Boßheit / und dem Abgrunde des Unglücks zu reissen mächtig genung wäre. Das Glücke verlohr auch hierüber nicht den Muth / sondern setzte der Tugend entgegen:


Sie richtet nichts nicht ohne mich;

Ich aber viel; voraus in ihrem Kleide.

Sie hüllt in Hauff und Haare sich;

Ich aber geh' in Purpur nur und Seide.

Sie sorgt und schwitzt umbsonst; Mein Schoos-Kind aber liegt

Und schläfft / wenn unterdeß das Glücke für ihn siegt.


Wenn's Capitol steht unbewacht /

Muß eine Gans es aus Gefahr erretten.

Wenn wider Rom ein Bündnüs ward gemacht /

Ließ ich wie Spinnen weben es zertreten.

Mit einem Wort: Ich bin sein Schutz-Geist stets gewest.

Mein Werckzeug war: Verstand / Kunst / Tugend / Zwytracht / Pest.


Die Zeit mit den himmlischen Zeichen bestätigte in einem Lydischen Tantze des Glückes Vorzug durch Fürstellung der sinnreichen [498] aber unglücklichen Lydierin Arachne; welche den Flachs und Netze erfunden /und im Würcken es allen mit Verwunderung vorthät. Die gestirnte Jungfrau vertrat mit artlicher Gebehrdung ihre / der Krebs aber der neidischen Minerve Stelle; welche mit den Scheeren ihr alle ihre künstliche Wunder-Wercke zerschnitt / und sie also sich aus Ungedult zu hencken verleitete. Welch Unrecht doch Minerve selbst erkennte / und sie in eine Spinne verwandelte / die noch der Welt zum Beispiel dienet: daß Kunst und Armuth / Tugend und Unglück meist einander verschwistert sind, und die Verzehrung seiner eigenen Eingeweide vergebene Arbeit sey / wenn das Glücke einem seine schwere Hand auf die Achsel legt. Die Tugend schiene hierüber sich etlicher maßen zu entrüsten; warf also ihre Pferde etliche mal herumb /und sang mit mehrerm Nachdruck / als jemals vorher:


Der heut'ge Tag muß Richter seyn;

Wer aber wird den Knoten uns zerhauen?

Ihr Helden! die ihr mir stimmt ein:

Daß Glücke Furcht; daß Tugend schafft Vertrauen;

Komm't! kämpfft für euer' Ehr' und für der Tugend Preiß!

Lehrt: daß mein Grund sey Ertzt / des Glückes Glaß und Eiß.


Dem Glücke aber sahe eine viel heftigere Ungedult aus dem Gesichte. Die Augen waren voll Feuer / die Gebehrden wilde / und ihr folgender Gesang gantz kriegrisch:


Die Sterne kämpffen zwar für mich;

Doch unterwerff' ich euch mein Recht / ihr Helden!

Die durchs Gelück erhoben sich:

Daß sie mein Lob / und ihre Siege melden.

Rom / dessen Ruhm die Sonn' auf ihrem Wagen führt /

Mag urtheiln: ob nicht mir so Danck als Preiß gebührt.


Dieser Streit erregte so wol unter denen Römischen Feldherren; als unter denen aufgeführten Ländern eine Verwirrung / wie unter denen schwermenden Bienen zu sehen. Jedes rüstete sich zum Kampffe / und suchte sich auf die Seite zu schlagen / wohin ihn seine Neigung trieb / oder gewisse Begebnüsse leiteten. Aus dieser Verwirrung aber wickelten sich die aufgeführten Reiche derogestalt heraus; daß aus denen Afrikanischen Mauritanien / Cyrene / Libyen / das weisse und schwartze Mohrenland; Aus denen Asiatischen Phrygien / Syrien / Assyrien / Meden und Arabien. Aus denen Europeischen / Italien / Griechenland /Pannonien / Gallien und Britannien der Tugend beyfielen / und also zu verstehen gaben: daß sie durch Tapfferkeit der Römer wären überwältiget worden. Auf die Seite des Römischen Glückes aber schlugen sich Africa / Numidien / Getulien / Egypten / Thebais / Pontus / Armenia / das Caucasische Reich / Persien /Indien / Hispanien / Macedonien / Thracien / Scythien / und Deutschland / und gaben durch alle ihre Bezeugungen zu verstehen: daß der Römer über sie zuweilen, erlangten Vortheile bloße Glücks-Streiche gewest wären / sie auch durch ihre Hertzhaftigkeit denen Römern ein und andern vorsetzt hätten. Insonderheit aber waren Mohrenland / Persien / Indien / Scythien und Deutschland der güldenen Fessel befreyet; wormit die andern Länder in diesem Schau-Spiele aufgeführet wurden. Sintemal Tiberius allzu vorsichtig war / im Gesichte so vieler deutschen Fürsten sich durch eitelen Ruhm / als wenn sie diese Länder bezwungen hätten / zu verstellen / und dadurch zu neuer Verbitterung zu veranlassen. Unter denen Römischen Kriegs-Häuptern war Appius Claudius Caudex der erste / der dem Glücke als dem grossen Schutz-Geiste mehr Antheil von seinen Siegen enträumte / als seiner eigenen Tapfferkeit zuschrieb; als welcher durch bloße Leichtgläubigkeit der das enge Meer besetzenden Carthaginenser Gelegenheit gefunden hatte mit seinen schlechten Schiffen in Sicilien überzusetzen / den König Hiero zu schlagen / und den Carthaginensern den ersten Streich zu versetzen erlangte. In seinem Schilde führte er einen [499] einen Kopff / mit drey-gekrümmten Beinen / und drey Weitzen-Eeren / als das Bild des drey Vorgebürge habenden und von ihm zu erst angegrieffenen Siciliens. Hingegen fügte sich auf die Seite der Tugend der Bürgermeister Posthumius Magellus / welcher den Hannibal in Agrigent belägert /den dasselbe zu entsetzen vermeinenden Hanno schlug / viel Elephanten und die Stadt eroberte. Auf seinem Schilde stand die Stadt Agrigent / und darüber ein Belägerungs-Krantz von Grase. Diesem leistete alsobald Cajus Duillius Gesellschafft; welcher in sechzig Tagen nach dem Muster eines Africanischen Schiffes die erste Kriegs-Flotte der Römer baute / und vermittelst der von ihm ersoñenen Schiffs-Hacken /die viel geschicktere Flotte des Hannibals / welcher hernach gekreutziget ward / in die Flucht schlug. In seinem Schilde führte er das ihm hernach zu Rom auf dem Marckte aus Marmel aufgerichtete Sieges-Zeichen / nemlich eine Seule mit drey Krieges-Schiffen. Dem Glücke aber fiel der Bürgermeister Cneus Cornelius Scipio zu; welcher das Eyland Corsica gleichsam ohne Widerstand einnam; die Kriegs-Schiffe der Stadt Carthago bey Sardinien / eh es zum Hand-Gemenge kam / in die Flucht brachte; den Hanno erlegte / die Stadt Olbia und fast gantz Sicilien mit geringer Müh bemeisterte. In seinem Schilde führte er das Glücke / in Gestalt eines alten Weibes / welche in der rechten Hand Feuer / in der lincken einen Wasser- Krug führte. Diesem gesellete sich Marcus Atilius Regulus bey; der Hamilcarn aus der See schlug / den ersten Fuß in Africa setzte / denen Carthaginensern in einer andern See-Schlacht dreißig Schiffe ersäuffte /drey und sechzig eroberte / in Africa die Stadt Clupea / und zweyhundert andere Städte / ihn aber das Gifft des heuchelnden Glückes einnam: daß er den angebotenen Frieden ausschlug / und vom Xantippus gefangen ward. Auf seinem Schilde stand das Bild des Glückes; welches auf der am Flusse Bagradas erlegten ungeheuren hundert und zwantzig Fuß langen Schlange / derer Haut zu Rom in einem Tempel aufgehenckt war; gleich als wenn das Glücke / welches hernach allem Africanischen Raub mit fast dreyhundert Römischen Schiffen im Meere verschlang / der grausamsten Schlange zu gleichen wäre. Eben dahin begab sich auch Lucius Metellus / welcher Asdrubaln mit seinem von Weine angefüllten Heere / meist durch Schuld der Elephanten-Leiter / und der sich nähernden Carthaginensischen Schiffs-Flotte aufs Haupt zu erlegen das Glück hatte. In seinem Schilde führte er einen Elephanten; weil er selbte zuerst / und zwar derer wol hundert und zwantzig in seinem Siegs-Gepränge zu Rom eingeführt. Nicht weniger schlug sich auch der lahme Bürgermeister Cajus Lutatius Catulus dahin; welcher / ungeachtet seiner Verwundung / den Hanno zur See angrief / drey und siebzig Schiffe eroberte / hundert und fünf und zwantzig zu Grunde richtete / zwey und dreißig tausend Feinde gefangen bekam; dem Hamilcar auch zu Lande einen Streich versätzte / Sicilien eroberte und die Ehre hatte / mit einem vortheilhaftigen Frieden dem ersten Punischen Kriege ein glückliches Ende zu machen. Im Schilde war eine brennende Fackel zu sehen; welche beym Anfange der See-Schlacht am Himmel erschienen /und mit ihrer Spitze den Carthaginensern alles Unglück gedräuet hatte. Hingegen lenckte sich Cneus Fulvius / welcher der tapfferen Königin Corcyra nebst andern Eylanden und fast gantz Illyricum abgenommen hatte / auf die Seite der Tugend. In seinem Schilde stand das Bild der Tugend in der rechten Hand mit einem Schiff-Ruder / in der lincken mit einer Pflugschar / zur Andeutung: daß es ihr gleiche gielte zur See oder zu Lande zu fechten. Zur Tugend hielt sich auch der Bürgermeister Lucius Aemilius / welcher den König Aneroest mit [500] seinem mächtigen Heere der Gallier aus dem Felde schlug / und den gefangenen König Britomar mit reicher Beute im Siegs-Gepränge einführte / hernach auch den Demetrius Pharius aus Illyris jagte. Im Schilde hatte er zwey güldene breite Gürtel / zum Gedächtnüsse: daß die überwundenen Könige ein Gelübde gethan hatten ihre Gürtel nicht ehe als im Capitol aufzuschnellen. Titus Manlius Torquatus aber fiel dem Glücke zu; weil er durch ein blosses Schrecken die Bojen in die Flucht / und nach Erlegung etlicher zwantzig tausend sie zur gäntzlichen Ergebung brachte. Im Schilde führte er das auff einem Pegasus reitende Glücke. Cajus Flaminius hingegen verfügte sich zur Tugend / welcher / ungeachtet der widrigen Wunder-Zeichen / die Insubrier angrieff und überwand; auch erst nach erlangtem Siege des Römischen Rathes Brief öffnete / darinnen ihm zu schlagen verbothen ward. Im Schilde hatte er den auff dem gestirnten Eridanus stehenden Hercules; weil Flaminius zu erst sich über den Po gewagt hatte / zur Andeutung: daß die Tugend auch über die Gestirne herrschte. Marcus Marcellus begab sich zum Glücke; weil er nach dem Gelübde die schönsten Waffen der Insubrer dem Feretrischen Jupiter zu wiedmen / von ihm beglückt ward / den König Viridomar mit eigener Hand zu erlegen / Meyland und andere Städte zu erobern /und ihre gäntzliche Unterwerffung zu erlangen. Hernach auch bey Nola Hannibaln drey Streiche zu versetzen / und das abgefallene Sicilien / und insonderheit das durch Archimedens Künste vertheidigte Syracusa zu erobern. Im Schilde führte er einen güldenen Harnisch mit der Bey-Schrifft: Fette Beute. Quintus Fabius Maximus verfügte sich unter die Fahne der Tugend / welcher durch seine vorsichtige Langsamkeit das die Römer durch den siegreichen Hannibal drückende Unglück überwand / den Carthaginensern unterschiedene Streiche versetzte / und die zu Rom verfallene Hoffnung aufrichtete. Im Schilde hatte er eine an einer Spitz-Säule empor kriechende Schnecke. Eben dahin begab sich auch Lucius Martius; welcher nach dem Publius und Cneus Scipio in Hispanien fast mit ihren gantzen Heeren erschlagen worden / dem Glücke durch den Sinn fuhr / und 2. Läger der Carthaginenser einbekam / 37000. Feinde erschlug. Sein Schild ward erobert von 130. Pfund Silber mit darein geetztẽ Kopfe Asdrubals. Hierauf machte der Africanische Scipio dẽ Beyständen der Tugend ein grosses Ansehen; dessen Tapferkeit die Jahre und das Glücke der Feinde überflog / Asdrubaln schlug / Carthago in einẽ Tage / Hispaniẽ inweniger Zeit bezwang / in Africa festen Fuß setzte; den König Syphax und Hannibaln überwand / und dem andern Punischen Kriege ein sieghaftes Ende machte. Im Schilde führte er eine Schlange / in welcher Gestalt Apollo seine Mutter geschwängert und ihn gezeugt haben solte. Claudius Nero aber trat zum Glücke / als welches ihm fugte: daß er in Geheim in des Livius Lager kam / und den hiervon nichts wissendẽ Asdrubal mit sechs und funfzig tausend Feinden erschlug. Hierauf Annibaln / dem er seines Brudern Kopf fürwarff / zu bekennen nöthigte: Er sehe nunmehr die unverhinderliche Gewalt des Römischen Glückes über Carthago. Im Schilde führte er das mit sieben Sternen gekrönte Bild der Stadt Rom. Lucius Furius / der Amilcarn und drey Feldherren der Gallier mit fünf und dreissig tausend Feinden erlegte / trat auf die Seite des Glückes. Seinen Schild zierete ein geflügelter Fisch; weil er diesen Sieg nicht als Bürgermeister / sondern nur als Stadt-Vogt erhalten / und durch das dem Furischen Geschlechte gleichsam wider die Gallier angedräuten Glücke sich gleichsam über sein Element empor geschwungẽ hatte. Titus Quintus Flaminius begab sich auf die Seite der Tugend; der mit Hülffe des Atta [501] Attalus und der Rhodier den Macedonischen König Philip zweymal schlug / Euböen einnahm / und durch den ihm verliehenen Frieden Griechenlande die Freyheit erwarb. Im Schilde war ein Nemeischer Sieges-Krantz von Eppich geetzet; weil die Griechen ihm zu Ehren fünf Tage lang in dem Nemeischen Schau-Platze allerhand Schauspiele hielten. Diesem gesellte sich Claudius Marcellus bey; welcher in dreyen Treffen gleichsam alle streitbare Leute der Gallier vertilgte /und einen unsäglichen Schatz nach Rom brachte. Im Schilde führte er eine grosse güldene Kette / die er aus der eroberten Beute dem Capitolinischen Jupiter angehengt hatte. Marcius Porcius Cato rückte nichts weniger zur Seite der Tugend / durch welche er in einem Tage viertzig tausend Feinde erschlug / ihr Läger eroberte und das aufrührische Hispanien beruhigte. In seinem Schilde führte er den auf dem Scheidewege sich zur Tugend lenckenden Hercules. Marcus Acilius Glabrio verfügte sich zum Glücke / der mit seinem blossen Nahmen den wollüstigen König Antiochus von Euböa verjagte / ohne Müh ihn bey der Thermopylischen Enge zu Land und Wasser schlug. Im Schilde führte er das Bild des Cumanischen Apollo / welcher als ein Schutz-Gott Asiens beym Anfange dieses Krieges hefftig schwitzte. Publius Cornelius Scipio Nasica / der zu Rom den Ruhm und Nahmen des allerbesten Mannes hatte / fügte sich der Tugend bey; welcher denen Bojen vollends den letzten Streich versetzte / und sich den Römern zu ergeben zwang. Im Schilde führte er das auf einem Ancker stehende Bild der Tugend. Aemilius Regillus aber / welcher mit Hülffe der Rhodier und des Windes des Königs Antiochus Kriegs-Flotte / und darauf Hannibaln zu schlagen das Glücke hatte / schlug sich auch gar gerne zu seinen Schoß-Kindern. Im Schilde führte er ein Schiff / darauf das Glücke das Steuer-Ruder hielt. Gleicher gestalt schlug sich der Asiatische Lucius Cornelius Scipio auf die Seite des Glückes; welches /als er gegen des Antiochus an sechs mal hundert tausend Männern bestehendes mit Elephanten und Sichel-Wagen umschanztes Heer zu schlagen anfieng /durch einen Platz-Regen den Gebrauch aller Persischen Bogen zernichtete / und ihm so wohl den Sieg /als Asien disseits des Taurischen Gebürges in die Hand spielte. In seinem Schilde stand das Bild des an einen Palmbaum gebundenen Asiens / darein dieser Scipio zum ersten übergesetzt hatte. Marcus Fulvius erkiesete nun wieder für die Tugend zu stehen / welcher durch wunderwürdige Krieges-Künste die Stadt Ambracia / des Pyrrhus Königlichen Sitz / und die Etolier mit denen Eylanden des Jonischen Meeres sich zu ergeben zwang. Im Schilde führte er eine güldene Krone; weil die Ambracier ihn mit einer anderthalb hundert Pfund wiegenden beschenckt hatten. Cneus Manlius aber muste es dem Glücke dancken: daß er die unversehens überfallenen Galater so unbereitet antraff / sie in zweyen Schlachten übermannete und ins Gebürge trieb. Im Schilde führte er einen geflügelten Hirsch. Appius Pulcher schlug sich gleicher weise zu dem ihm liebkosenden Glücke / indem die Istrier /welche des Cneus Manlius Lager gestürmt und erobert hatten / ihre Tugend und Vernunfft in Wein vergruben / und mit ihrem trunckenen Könige Apulo leicht zu überwinden waren. Auf seinem Schilde legte seine weisse Henne ein gülden Ey. Titus Sempronius Gracchus / welcher die Celtiberier und ihre Bunds-Genossen vollends unters Joch / und viertzig tausend Pfund Silber nach Rom gebracht / wie nicht weniger die Sardinier gedemütiget hatte / stand bey der Tugend. Er führte in seinem Schilde ein Panter-Thier /welches mit seinem annehmlichen Geruche viel andere Thiere zu sich lockte. An eben selbigen Ort verfügte sich der Uberwinder der streitbaren [502] Lusitanier / Lucius Posthumius Albinus. Seinen Schild zierete das Sinn-Bild der Tugend ein voll güldener Aepfel hängender Pomerantzenbaum. Quintus Marcius Philippus konte der Uhrheberin seines unvergleichlichẽ Sieges /nemlich dem Glücke nicht entfallen; welches ihn über Berge / die kaum Vögel überfliegen konten / in das mit Waffen sorgfältig verwahrte Macedonien leitete /und dem Könige Perseus eine solche Furcht einjagte: daß er seine Schätze ins Meer versenckte / seine Schiffs-Flotte verbrennte / und sich in Samothracien in einen Tempel flüchtete / woraus er aber gelocket und zu Rom in dem dreytägichten Siegs-Gepränge eingeführt ward. Im Schilde führte er den Castor und Pollux; welche ihm im Kriege beygestanden / und noch selbigen Tag seinen Sieg zu Rom verkündigt haben solten. Lucius Anicius machte sich zum Vertheidiger des Glückes; welches ihm ehe die Haupt-Stadt Scorda / mit dem Könige Gentius und gantz Illyris in die Hände warff / ehe man zu Rom vom Anfange des Krieges hörte. In seinem Schilde spielte das Glücke des Balles. Eben dahin begab sich Quintus Cäcilius Metellus / welchem des Andriscus Thorheit zum Werckzeuge seines Glückes diente: daß er ihm zwey Schlachten abgewaan / gantz Macedonien wieder eroberte / und die Celtiberier schlug / und die Balearischen Eylande demüthigte. Im Schilde stunden die drey Parcen geetzet. Hingegen gab dem Theile der Tugend einen herrlichen Glantz Publius Scipio Aemilianus; welcher durch Zerstörung der mächtigen Stadt Carthago und des hartnäckichten Numantia / der Tugend zwey grosse Schlösser gebaut. Im Schilde führte er das an einem Granat-Apfel-Baum angebundene Africa. Lucius Mummius aber schrieb es nicht so wohl seiner Tapferkeit als dem Glücke zu: daß er die Achäer so leicht in die Flucht brachte / und die offengelassene Stadt Corinth / oder vielmehr das Wunder der Welt und der Kunst in kleinen Staub zermalmen konte. In seinem Schilde stand das Haupt der Venus /als das Wappen der Stadt Corinth. Decius Junius Brutus pflichtete der Tugend bey / welcher durch seine Klugheit mit wenig Volcke über funfzig tausend Galläcier und Lusitanier in einer Schlacht erlegte /und beyde Völcker zum Gehorsam brachte. In seinem Schilde schmiedete die Tugend auf einem Ambosse das Bild des Glückes. Diesem leistete Cajus Sextius Gesellschafft / welcher die Ligurier / Vocontier und Salluvier in einem fünfjährigen Kriege zum Gehorsam gebracht / und eine von warmen Brunnen berühmte Stadt nach seinem Nahmen gebauet hatte. In seinem Schilde stand Hercules / wie er die vielköpfichte Schlange tödtete. Cneus Domitius aber erkiesete seinen Stand beym Glücke / weil er durch das Brausen der Elephanten die Allobroger trennte / ihrer wohl zwantzig tausend erschlug / auf einem Elephanten durch Gallien herumb zoh / und das erste Sieges-Mahl aus Steine aufrichtete. Im Schilde ward gebildet eines siegenden Elephanten / und eines erdrückten Drachen Streit. Eben dahin schlug sich Quintus Fabius Maximus / welchem das Glücke den Unverstand des Königs Bituit derogestalt zu statten kommen ließ: daß er mit gar wenigem Verlust 50000. Arverner und Rulhener entweder mit den Schwerdtern tödtete / oder im Rhodan ersäuffte. Im Schilde stand ein Falcke /welcher eine grosse Menge Vögel jagte. Herentgegen schlug sich Marcus Drusus zur Tugend / der die streitbaren Scordisker in Thracien geschlagen und über den Ister getrieben hatte. Im Schilde führte er ein Schwerdt / welches den Gordischen Knoten entzwey hieb. Eben dahin schlug sich Quintus Metellus der durch seine wachsame Tapferkeit durch unterschiedene Siege die Scharte gegen [503] den schlauen und streitbaren Jugurtha auswetzte / und sich guten theils Numidiens bemächtigte. Also den Nahmen des Numidischen erwarb. Im Schilde führte er als ein Sinne-Bild der Wachsamkeit den Drachen / welcher die Hesperischen Aepfel bewachte. Insonderheit aber machte der sich der Tugend zugesellende Marius / welcher sich iederzeit für einen Feind des Adels und Glückes erkläret / ein grosses Ansehen. Sintemal dieser die unüberwindliche Stadt Capsa erobert / neuntzig tausend Mauren / Numidier und Getulier unter dem Könige Jugurtha und Bocchus erschlagen / und dieser jenen dem Sylla einzuliefern gezwungen / aus dem Rhodan einen schiffbaren Graben ins Meer geführt / der Ambronen / Teutonen und Cimbern eine unsägliche Menge erlegt / und Rom von augenscheinlichem Untergange errettet hatte. In seinem Schilde führte er einen eisernen Ring / als ein Sinne-Bild der nackten Tugend ohne Zierde des Adels oder anderer Glücks-Gaben / welchen Marius auch lange / nachdẽ er schon etliche mal Bürgermeiser gewest war / am Finger führte. In diesem Ringe aber stand ein güldener Adler / welchen Marius am ersten zum fürnehmsten Zeichen der Legionen brauchte. Hingegen wendete sich zum Glücke Quintus Catulus; ob er schon an dem grossen Siege über die Cimbern mehr als Marius Theil hätte; weil jener ein und dreissig; dieser aber nur zwey Kriegs-Fahnen erobert / und die meisten Todten in ihren Leibern Geschoß hatten / die mit des Catulus Nahmen bezeichnet waren. Sintemal er diesen mehr dem anfänglichen Nebel / und der hernach die Cimbern drückenden Sonne / als der Römischen Tugend zuschrieb; und destwegen zu Rom dem Glücke des Siegs-Tages seinem gethanen Gelübde nach ein Gedächtnüß baute. Im Schilde führte Catulus eine Angel / mit welcher ein güldener Drey-Fuß aus dem Wasser gezogen ward. Der Tugend aber fügte sich Titus Didius bey; welcher in Thracien die Skordisker demüthigte / in Hispanien die Celtiberier / Pacceer / Termestiner / Colendenser durch Tapferkeit überwältigte / und durch nächtliche Verbergung seiner Todten sie zu Beliebung eines ihnen vorgeschriebenen Frieden bewegte. In seinem Schilde führte er einen Löwen / welcher etliche Schwerdter in Stücke brach. Diesen aber hielt die Wage das grosse Ungeheuer des Glückes Lucius Sylla / welcher die Cappadocier und Armenier schlug; Ariobarzanen zum Könige einsetzte; vom Parthischen Könige durch Bothschafft verehret ward; Athen und Griechenland eroberte; den Archelaus und die Thracier in vielen Schlachten überwand / und dem grossen Mithridates einen vortheilhaften Frieden abzwang. In seinem Schilde führte er so wohl / als sonst im Siegel die ihm geschehene Ubergebung des Königs Jugurtha; an einer seiner Seite aber die ihm beystehende Minerva / an der andern das Glücke. Hierentgegen wendete sich zur Tugend Cajus Scribonius Curio an; welcher die Dardaner überwältigte / und unter den Römern zum ersten biß an Ister drang. In seinem Schilde lag der sich auf einen Wasser-Krug stützende Ister / darauf die mit ihm sich vermählenden neun und sechzig Flüsse gegraben waren. Diesem folgte aber zum Glücke Lucius Lucullus; welchem das Glücke durch Hunger und andere seltzame Zufälle fugte des die Stadt Cyzicus belagernden Mithridates Heer zu vertilgen / seine Schiffs-Flotte zu schlagen / und ihn aus Bithynien zu verjagen; den König Tigranes in Armenien zu übermeistern; Tigranocerta und die Stadt Nisibis in Mesopotamien einzunehmen. In seinem Schilde führte er den an Caucasus angeschmiedeten Prometheus / weil er unter den Römern am ersten über das Taurische Gebürge [504] gedrungen war. Eben dahin verfügte sich Quintus Cäcilius Metellus / welcher dem Eylande Creta das Römische Joch anlegte / und davon einen Zunahmen erwarb. Sein Schild bildete den Minotaurus im Irrgarten ab / daraus sich Theseus durch Ariadnens Fadem ausflochte. Nach diesem gab der grosse Cneus Pompejus der Tugend keinen geringen Glanz; der Africa zum Gehorsam brachte / die See-Räuber ausrottete / des Sertorius Anhang vertilgte /den Mithridates des Nachtes durch Hülffe des Monden aufs Haupt erlegte / denen Iberiern / Caspiern und Albaniern ein Schrecken einjagte / die Colchier demüthigte / die erste Brücke über den Euphrates schlug / Artaxata und Jerusalem eroberte; Syrien / Phönicien / Cilicien dem Tigranes wegnam / die Araber und Parther Rom zu verehren nöthigte. In seinem Schilde war abgebildet / wie der mächtige Tigranes den Degen von sich gab / und seine vom Haupt genommene Krone dem Pompejus zun Füssen legte. Nach ihm schlug sich Marcus Porcius Cato / welcher Cypern eroberte und von dar grosse Schätze nach Rom brachte /zur Tugend. In seinem Schilde führte er einen Phönix als ein Bild der Unsterbligkeit. Hingegen ward die Seite des Glückes vom Cajus Julius Cäsar verstärcket / und von seinem Glantze so sehr erleuchtet / als es ihm in Uberwindung Ariovistens und gantz Galliens /in Bestreitung Britanniens / in Erlegung des Bosphorischen Königs Pharnaces / und in seiner Erhöhung über alle Römer unabsätzlich an der Hand gestanden hätte. In seinem Schilde waren die zwey Seulen des Hercules mit der Uberschrifft: Noch weiter. Unter denen Römischen Feldherren ließ sich auch der Vater der Beredsamkeit Marcus Tullius Cicero sehen; welcher die Cilicier hertzhafft übermeisterte. In seinem Schilde führte er einen mit Federn gefiederten Pfeil. Ihm folgte Asinius Pollio / aber auf die Seite des Glückes; weil dieses ihm einen herrlichen Sieg über die Parthen und Dalmatier verlieh. Im Schilde hatte er das Bild des Glückes / welches in einer Hand einen Mäßstab / in der andern eine Wünschel-Rutte führte. Hierauf erschien Publius Ventidius; welcher die Parthen einmal an dem Taurischen Gebürge / das andermal bey Zeugma am Euphrates / und mit ihnen des Königs Sohn Pacor aufs Haupt erlegte. In seinem Bilde stand ein von der Sonn erleuchteter Mohnde; vielleicht / weil Ventidius bey diesen Siegen vom Marcus Antonius seinen Hang hatte. Nach ihm verfügte sich Cajus Soßius zum Glücke / der die Aradier und Juden überwand / ihren König Antigonus kreutzigte / und ihnen Heroden fürsätzte. In seinem Schilde war das Jüdische Land an einen Palm-Baum gebunden. Eben dahin sätzte sich auch Publius Canidius Crassus; dessen Glücke das Caucasische Gebürge überflog / als er den König der Iberier Pharnabazes /und den König der Albanier Zoberes zum Gehorsam brachte. In seinem Schilde führte er den am Caucasus angebundenen Prometheus / welchem ein Adler die Leber ausfraß. Nach ihm wendete sich auf die Seite des Glückes Lucius Autronius Crassus; welcher über die Japyger / Dalmatier / Pannonier und Africaner ein Siegs-Gepränge hielt. In seinem Schilde war Livia gebildet; welcher ein Adler eine weisse in dem Schnabel einen Lorber-Zweig haltende Henne in die Schoß fallen ließ. Zur Tugend aber hielt sich Marcus Crassus; welcher der Dacier / Bastarnen / Geten / Mysier und Scythen Meister ward. Im Schilde war Hercules zu schauen / der an einer Kette den drey-köpfichten Cerberus führte. Hingegen rückte Cajus Petronius / welcher die Königin Candace mit ihren Mohren aus Thebais verjagte / in Mohrenland [505] drang / auch nebst vielen andern Städten ihren königlichen Sitz Tanape eroberte. Im Schilde war Ulysses gebildet; wie er dem Polyphemus das Auge ausstach; wordurch zweifelsfrey auf den Sieg wider die einäugichte aber behertzte Candace gezielet ward. Hingegen verfügte sich Cornelius Cossus / der mit grosser Tapfferkeit die Getulier überwältigt und von ihnen einen Zunahmen erworben hatte / zu dem Hauffen der Tugend. In seinem Schilde stand ein geflügelter Löw an eine Seule angebunden. Endlich erwehlete auch Claudius Drusus für die Tugend zu stehen; welcher die Rhetier überwunden / und die Römischen Waffen in Deutschland bis an die Elbe gebracht hatte. Sein Schild prangte mit der aufgehenden Sonne / welche alle andere Sternen verdüsterte. Ein jeder dieser Römischen Kriegs-Häupter hatte zwey Waffen-Träger / derer einer den Schild / der andere einen Spieß trug. Wie bund nun so wol ihre Kleider / Binden und der Römischen Feldherren Pferde im Aufzuge durch einander vermischt waren; so ereignete sich doch nach ihrer Absonderung: daß die Helffte derer sich zur Tugend gesellenden Helden Pferde schwartz / mit grünen von Silber durchwünckten Decken belegt / ihre Waffen-Träger auch alle in grünes Silberstück gekleidet; die andere Helffte der Pferde Perlen-Farbe / ihre Decken Gold und Silberstück / ihre Waffen-Träger auch also ausgeputzt waren. Die eine Helffte derer zum Glücke sich schlagenden Helden hatte äpflichte Blau-Schimmel mit Himmel-blauen Goldstückenen Decken / die andere Helffte Füchse mit Rosen-farbicht-goldstückenen Decken. Nach welcher Art denn auch ihre Waffen- Träger aufzohen; und also auch allhier der vier-färbichte Aufzug des grünen Frühlings und der Erde / des schnee-weissen Winters und des Wassers / des neblichten Herbstes und der Lufft / des Rosen-reichen Sommers und des Feuers fürgebildet war. So bald nun die Tugend mit einem weissen Tuche das Zeichen gab; machten sich die grünen und blauen Schild-Träger herfür / und flochten mit ihren Schilden / an statt der sonst von Fechtern bräuchigen ertztenen Platten aufs zierlichste nach dem Klange der Flöten gegen einander. So bald die Tugend und das Glücke das andere Zeichen gab; verfügten sich diese in ihre Reye; und geriethen die weissen und rothen Schild-Träger in einem künstlichen Ringen / wie entweder von Bären oder dem Hercules soll gelernet / und vom Marcus Scaurus in Schau-Platz gebracht worden seyn / nach dem Schalle der Schallmeyen an einander. Sie hielten sich aber alle so wol: daß unter denen ersten keiner einen Streich versah / unter den letzten keiner zu Bodem fiel; ungeachtet sie nicht nackt und nicht an Gliedern eingeölet waren. Nach dem dritten Zeichen machten sich die grünen und blauen Spieß-Träger herfür / und hielten in einem zierlichen Waffen-Tantz; derogleichen Pallas nach überwundenen Titanen erfunden und Romulus in Rom eingeführt haben soll /mit ihren Spießen ein künstliches Gefechte. Die weissen und rothen Spieß-Träger aber hielten von der Ost- gegen der West-Seite einen Wette-Lauff; darinnen aber allzugleich das dem aus Schwanen-Eyern gebohrnen Castor und Pollux zu Ehren mit Eyern oben ausgezierte und dreygespitzte Ziel erreichten. Rom gab hierauf selbst ein Zeichen; worauf Africa mit seinen Drachen / Asien mit seinen Kamelen / und Europa mit seinen Pferden den Schau-Platz dreymal umbrennten / und ein jedes einmal den Vorsprung erhielt. Nach diesem gab Africa ein Zeichen; so rennten auf Seiten der Tugend Mauritanien / Cyrene / Libyen /beyde Mohrenlande / auf Seiten des Glückes Africa /Numidien / Getulien / Egypten / Thebais zehnmal mit einander. Die [506] von denen Richtern aber auff dem Ziele aufgerichteten Meer-Schweine / welche entweder wegen ihrer Geschwindigkeit / oder weil sie dem Neptun / als dem Schutz-Gotte dieser Spiele / gewiedmet sind / zu Merckmaalen des Sieges erkieset worden / erwiesen: daß iedes land einmal den Vortheil erreicht hatte. Nicht anders lieff es mit denẽ zehn gegen einander rennendẽ Ländern Asiens ab / als dieß das Zeichẽ gab; und mit denẽ zehn Europäischen / als sie gleicher gestalt zehnmal den Renn-Platz umbrennten. So bald die Länder in ihren Stand gediegen waren /gab die Tugend aufs neue ein Zeichen / worauf die Schild- und Lantzenträger ihren Helden die Waffen zureichten; die Trompeten aber die Pferde zum Kampfe anfeuerten. Worauf denn ein Trojanischer Kampf /welchen die Curetes in Creta umb den jungen Jupiter zum ersten gehalten; Eneas und Ascanius aber aus Phrygien in Italien gebracht haben sollen / seinen Anfang nahm. Anfangs traffen der Tugend grüne Reiterey auf des Glückes blaue- hernach auf die rothe; die weisse aber anfangs auf die rothe / hernach auf die blaue; und also ferner Wechsels-weise / daß bald einer verfolgte / bald flohe / bald wieder entsetzt ward / und einem andern Hauffen in die Eisen zu gehen Gelegenheit fand. Wer auch in einem Hauffen einmal der erste gewest war / ward hernach der andere / und so fort / biß er endlich der funfzehende oder letzte ward /und ein ieder mit einem ieglichen seines Gegentheils /nemlich dreissig mal zu treffen kam. Die Angrieffe geschahen mit Pfeilen / Lantzen und Wurff-Spiessen nicht ohne Verwunderung: daß von so vielen / wiewohl stumpff gemachten Geschoßen / niemand sonderlich verwundet ward. Als das Treffen der Helden nach der Reyhe herumb war / gieng auf gegebenes Zeichen zwischen den Ländern ein neues und zwar funfzehnsaches Rennen an. Denn die Africanischen rennten anfangs mit des Gegentheils Africanischen /hernach mit den Asiatischen / endlich mit den Europäischen; also daß iedwedes der Tugend beystehendes Land mit einem ieglichen des Glücks zu rennen kam. Gleichwohl aber stieß kein einiges / wenn es gleich dem andern durch einen engen Kreyß den Vortheil abzurennen trachtete / an die Ecken des Zieles an. Die wohl abgerichteten Pferde thäten so wohl als die Führer ihr Ampt wunderwürdig. Beym Schlusse aber ereignete sich: daß einem ieden von denen am Ziele verordneten Richtern ein Ey oder ein Meer-Schwein aufgerichtet / und ein Palm-Zweig in die Hand gegeben worden war; also der Zwist umb den Vorzug der Tugend und des Glückes so zweifelhafft blieb / als er im Anfange gewest war. Hiermit aber war weder die Tugend noch das Glücke vergnügt; sondern sie gaben denen Römischen Kriegs-Häuptern zu einem neuen Kampfe das Zeichen. Diese rüsteten sich auch zu einem noch heftigern Angrieffe; es kam aber die in der Mitte der Renne-Bahn auf einer hohen Säule stehende Göttin des Sieges zwischen beyde Theile geflogen /gab mit ihrem Palm-Zweige ein Zeichen vom Kampfe abzustehen / und fieng singende an:


Was bildet ihr / ihr Sterblichen euch ein?

Meynt ihr: daß eure Macht und Stärcke

Der Herrschafft und des Sieges Uhrsprung seyn?

Nein! Sie sind meiner Hände Wercke.

Ich bin / die Welt und Rom als Göttin betet an;

Weil ich nur Sieg verleihn / und Friede stifften kan.


Zwar Tapferkeit / Gelück und Tugend sind

Der Werckzeug meiner Helden-Thaten.

Wenn aber nicht mein Arm die Schlacht gewinnt /

Pflegt Thun und Anstalt mißzurathen.

Zevs / Phöbus und Neptun braucht selbst Blitz / Pfeil und Stab

Umbsonst / wenn meine Faust nicht ihr Geschoß drückt ab.


Drumb krönt mein Bild fast iedes Heiligthum;

Rom setzt mich Jupitern zur Seiten;

Baut mir drey Tempel / meinen Ruhm

Für andern Göttern auszubreiten;

Und des von Pessimunt gebrachten Kriegs Gotts Bild

Kam in mein Haus / eh' es ein sonderlichs erhielt.


[507]

Der Himmel hat mit Flügeln mich versehn /

Die Silber / Gold und Purpur schmücken.

Weil ja / wohin sich meine Federn drehn /

Die Sonn' und Glücks-Gestirn' hinblicken.

Wenn sich die rothen rührn / so siegt man durch viel Blut /

Mein Gold schafft leichten Sieg und reiches Friedens-Gut.


Mein Fuß ist nackt und ausgestreckt / ein Ziel

Bald zu erreichen / bald zu lassen.

Mein flügend Haar und Kleid der Winde Spiel /

Weil niemand mich vermag zu fassen.

Mein Lorber-Krantz bleibt zwar vom Donner unverletzt;

Manch Sieger aber wird in Graus und Staub versetzt.


Wie flüchtig und wie schnell ich gleich nun bin /

Offt Nord / Sud / Ost und West durchreise /

So meyn' ich mich doch wo zu setzen hin /

Wo man mich nicht als Gästin speise.

Ich habe 's Capitol zum Heerd und Hof erklärt /

Eh' Hiero nach Rom mein gülden Bild gewehrt.


Als ich zu Babel gleich noch Wirthschafft trieb /

In Persen mich als Gast verweilte /

In Griechenland kaum über Nacht verblieb /

Und gleichsam auff der Post durcheilte;

Trug mich bereit nach Rom mein gantzes Hertz und Sinn /

Das mich als Schutz-Geist / und wo ich Haus-Gott bin.


Wo Rom mir Spiel und jährlich Feyer hält /

Mein Bild in Tempel und Gemächer /

Ins Rath-Haus / Marckt und Renne-Bahnen stellt /

Und auf der Heiligthümer Dächer;

Ist iemand auch der Zahl der Götter einzuweyhn /

Der muß empor geführt auf meinen Flügeln seyn.


Wo ich nun soll beständig kehren ein /

Altar und Tempel mir erwehlen /

Muß Tugend und Gelück Geschwister seyn /

Und dieses jener sich vermählen.

Wo Tugend und Gelück in Rom nun Hochzeit hält /

Werd' ich ein Leit-Stern seyn / und mein Magnet die Welt.


Kein Volck wird sich nicht weigern Gras

Dem Sieges-reichen Rom zureichen.

Die Tiber wird verehren Phrat / Nil und Maaß /

Das Meer für ihr die Segel streichen;

Der Mohr die Renne-Bahn mit Kreide machen weiß;

Dem Ganges werden warm / dem kalten Belte heiß.


Der Sieg machte bey währendem Singen gegen Rom die freundlichsten Bezeugungen; nach seinem Schlusse aber fieng die Tugend und das Glücke zugleich an:


Lebt in der gantzen Welt

Ein Geist von solcher Güte?

Ein so vollkommen Held?

Ein solch erlaucht Gemüthe?

Wo Tugend und Gelück vereinbart leben kan /

Das nie kein Laster schwärtzt / kein schwartzer Stern scheint an.


Der Sieg versetzte alsofort:

Ich weiß: daß Glück' und Tugend Feinde sind /

Daß beyde sich als Spinnen hassen.

Wen aber das Verhängnüß lieb gewinnt /

Dem muß die Schlang' ihr Gifft weglassen.

Und in der güldnen Zeit / die Rom beglücken soll /

Wird sich Wolff / La ' / und Löw' / und Hahn vertragen wohl.


Es lebt in Rom ein Held von solcher Art /

In welchem Tugend und Gelücke

Wie Zwillinge zusammen sind gepaart

Dem nie kein Anschlag geht zurücke.

Die Ehre wird ihn euch bald zeigen mit viel Pracht /

Seyd nur nach seiner Würd' ihn zu verehrn bedacht.


Der Sieg hatte nicht so bald geschlossen / als das gegen Mittag gehende Thor der Renne-Bahn sich öffnete / und dreissig in rothen mit silbernen Borten verbrämten Scharlach gekleidete Trompeter hinein geritten kamen. Diesem folgte ein von sechs Löwen gezogener grosser Wagen aus Stahl. Der Fuhrmann war das Schrecken; welches ein geharnschtes Ungeheuer mit einem Drachen-Kopfe und einem Schlangen-Schwantze vorbildete. Oben auf dem Wagen saß der Kriegs-Gott in einem vergüldeten Helme und Harnische. In der rechten Hand führte er eine Lantze / in der lincken einen güldenen Schild / in welchem Romulus und Remus an einer Wölfin saugten. Unter ihm stand die Raserey in Gestalt einer Unholdin. Ihr Leib war mit Tyger- und Leoparder-Häuten behangen. In der lincken Hand hatte sie einen silbernen Schild /darinnen der Blitz mit beygesetzten Worten: Mir mangelts nie an Waffen / gebildet war. Mit der rechten Hand reichte sie dem [508] Kriegs-Gotte von dem vorhandenen Hauffen Waffen eine Hand-voll Wurff-Spieße und Pfeile zu. Auf der einen Seite des Wagens giengen die drey Unholden; auf der andern drey Cyclopen mit Keulen. Nach diesem kamen auf Maul-Thieren dreyßig in grünen Damast und Gold gekleidete Jungfrauen geritten / welche auf Lauten / Zittern /Flöten / und andern lieblichen Säitenspielen sich erlustigten. Ihnen folgte ein grosser von zwölff Hindinnen gezogener Wagen in Gestalt eines Lust-Gartens. Unten saß auf einer Seite die in weiß Silberstück gekleidete und mit einem Lorbeer-Krantze gezierte Eintracht. In der rechten Hand trug sie einen mit Schlangen verflochtenen Herold-Stab / wie Mercur; in der lincken zwey zusammen geknüpffte Hertzen. Auf der lincken Achsel saß ihr eine Krähe / zu ihren Füssen stand ein Geschirre voll Honig / und eines voll Milch. Auf der andern Seite saß die in Purpur gekleidete /und mit Wein-Blättern gekräntzte Freudigkeit. In der rechten Hand hatte sie drey Zimbeln; in der lincken ein Gebund Weintrauben. Zu den Füssen stand ein gefüllter Oelkrug. Oben saß auf zwey zusammen geflochtenen Oelbäumen der Friede in einem langen Rocke von Goldstücke. Das Haupt war mit einer güldenen Schiffs-Krone gekräntzet; vielleicht des Augustus Siege bey Actium zu Liebe. In der rechten Hand hatte der Friede einen Mäßstab; in der lincken Hand ein Horn des Uberflusses. Auf der lincken Achsel saß eine weisse Taube. Den Wagen umbgab der Hirten-Gott mit zwölf Satyren / welche alle nur ersinnliche Feld- und Garten-Früchte trugen. Nach ihnen kam ein Hauffen junger gerüsteter Römer zu Fusse / und hernach ihrer nicht weniger zu Pferde. Sie führten ihre gewöhnliche Krieges-Zeichen. In ihren aufgestreifften Armen waren die eingebrennten Buchstaben M und R zu lesen; wormit die Römer ihre neuen Kriegs-Leute zeichneten. Ihnen folgten zwölf mit zwey- acht mit sechs -und sechs mit vier Pferden bespannte Renne-Wagen; Ein Hauffen mit Oel eingeschmierter Ringer /gepantzerte Fechter / zwölf geflügelte Wetteläuffer /welche die zwölf Nahmen der Winde auf der Stirne führten. Wie nun diese durch allerhand seltzame Streiche und Gebehrdungen ihre Begierde zum Ringen / Kampfe und Rennen andeuteten; also machten die nachfolgenden Jünglinge und Knaben durch ihre Waffen-Täntze / die mit Epheu umbwundenen Bacchen und Wald-Götter durch ihre seltzamen Sprünge aller Zuschauer Augen munter. Ihnen folgte eine grosse Menge Pfeiffer mit Krumhörnern / Trompeten und Cythern / wie auch Opffer-Diener / Priester mit Ochsen / derer Hörner und Klauen / wie auch mit Widdern / derer Stirnen vergoldet / die Wolle aber mit Schnecken-Blute gefärbt waren. Nach ihnen trugen immer vier und vier Römische Edelleute ertztene Bildungen; welche den Fußfall des Lepidus / des Antonius Ermordung / der Parthischen Gesandten Zurückbringung der dem Crassus abgenommenen Adler / der Indianer Verehrung und andere wichtigste Ehrenmale des Käysers August fürstellten. Hierauf wurden die Bilder der zwölf grossen Götter eingeführet. Jupiters güldenen Wagen zohen zwölf Adler / des Apollo vier schneeweisse Hengste / des Neptun zwey Wasser-Pferde / des Mercur vier Kranche / des Vulcan drey Moloßische Hunde / des Mars zwey Wölffe / der Juno vier Pfauen / der Vesta zwey Löwen / der Minerva neun Nachteulen / der Ceres zwey Stutten / der Diana vier Hirsche / der Venus zwey Schwanen / zwey Tauben / zwey Sperlinge. Hierauf erschien ein gantz güldener Wagen / welcher von schneeweissen mit silbernen Flügeln gefiederten Pferden gezogen ward. Die Räder waren purpurfärbicht / die Schinen Silber. In desselben Mitte stand eine über und über mit Egyptischer Bilder-Schrifft [509] bezeichnete Spitz-Seule; und oben darauf eine güldene Kugel / als das rechte Sinnen-Bild der Ehre. Den Fuß dieser Seule umbarmte mit der lincken Hand die Ehre; welscher Gold-gekrauste Haare an statt des Krantzes mit einem güldenen Ringe umbgeben waren. Auf ihrer rechten Seite stand das Bild des güldenen Glückes / auf der lincken das Geschrey; dessen Flügel von Golde / das Kleid von Silber / und in dis lauter Augen und Ohren gestückt waren. Sie hatte eine silberne Trompete in der rechten; in der lincken den gestirnten Steinbock in der Hand; darein mit eitel zusammen gesätzten Sternen der Nahme: Augustus / geschrieben war. Hinter ihnen saßen zehn Sibyllen / nemlich: die Delphische Daphne / die Erytreische Heriphile / die Cumäische Deiphobe / die Samische Heriphile / die Cumanische Amalthea / die Hellespontische / die Libysche / die Persische Sambetha Noe / die Phrygische und die Tuhurtinische. Nach diesem sahe man einen von aller hand Edelgesteinen schimmernden zweyrädrichten Wagen von sechs sehr grossen Elephanten ziehen; welche mit Perlenen Halsbändern / Rubinenen Bruststücken / Goldgestückten Rücken-Decken prangten; und derer Zähne / Schnautzen und Ohren vergüldet waren. Auf diesem heiligen Wagen saß einer / der dem Käyser August / wie er in seiner Jugend ausgesehen / ziemlich gleichte. Sein Kleid starrte von Diamanten. Sein Haupt trug einen mit Rubinen versätzten Lorber-Zweig. In der rechten Hand hatte er einen Palm- und Oel-Zweig / in der lincken eine Welt-Kugel. Uber ihm stand eine Sonne / unter ihm der Mohnde von Edelgesteinen. Nach ihm kamen zwölf Sieges-Wagen / mit der Beute der Völcker / welche solche Wagen begleiteten. Zuletzte kamen die Priester der zwölf grossen Götter / die Vestalischen Jungfrauen / eine Anzahl Römischer Obrigkeiten / und hundert betagte Römer wie Rathsherren gekleidet. Dieser Aufzug nam die andere Helffte der Rennebahn in Gestalt eines halben Mohnden ein; nach dem die vorigen sich in dem andern zusammen gezogen hatten. Der den August führende Wagen stellte sich mitten unter den Bildern der zwölf Götter der Göttin Rom / der Wagen der Ehre der Tugend / der des Geschreyes dem Glücke / und die zwey des Krieges und des Friedens recht gegen über; also daß die zwey weissen das Ziel andeutende Striche sie unterschieden. Rom und August gaben zugleich denen mit Ruthen von Oel-Zweigen aufziehenden Opffer-Knechten ein gewisses Zeichen /worauf sie zwölf Ochsen und hundert Widder abschlachteten / abwuschen / die Priester einweiheten /und auf denen dreyen Altaren / welche in dem mitlern Rückgrade der Rennebahn denen grossen vermögenden und mächtigen Göttern opfferten. Nach vollbrachter Opfferung fieng der auf seine Seule geflogene Sieg zu singen an:


Komm Eintracht! komm! vergrösser' unsre Lust!

Vermähle Tugend und Gelücke /

Vermähle Fried' und Krieg / Rom dem August.

Großmächtiges Verhängnüs schicke:

Daß ihre Eh gebähr' uns eine güldne Zeit /

Die Rom mit Ehre krönt / die Welt mit Sicherheit.


Bald hierauf stieg die Eintracht unter dem Klange der annehmlichsten Säitenspiele vom Wagen des Friedens / und verfügte sich zu dem des Krieges; versätzte mit ihrem Schlangen-Stabe der Raserey / und denen Unholden einen Streich / worvon sie sich in so viel holde Jungfrauen verwandelten. Denen Cyclopen gab sie ein Stücke Gold / daraus sie auf einem kleinen Amboß sechs zierliche Ringe schmiedeten. Hierauf trat die Eintracht in die Mitte / und sang:


Nun Grimm und Raserey /

Und Unhold ist vorbey /

So steht euch nichts nicht mehr / Verlobten / in dem Wege.

Weil es die Welt begehrt /

Der Himmel es gewehrt /

So nähert euch / und macht unendliche Verträge.


[510] Hierauf rückte unter dem Schalle der Trompeten anfangs Friede und Krieg zusammen / dieser Hände drückte die Eintracht zusammen / gab ihnen zwey Ringe / welche sie gegen einander verwechselten. Der Sieg sang hierzu:


Wo die Vernunfft des Sieges Ruder führt /

Sein Zweck auf Schirm und Friede zielet;

Wo Unschuld bleibt von Waffen unberührt /

Man nicht mit Treu und Eyden spielet;

Da lässet Fried' und Krieg gelücklich sich vermähln /

Und unter's höchste Gut ein herrlich Sieg sich zähln.


Hierauf rückte die Tugend und das Gelücke Rom und August zusammen; also daß sie alle vier einander mit den Händen erreichen konten. Diese alle verknüpffte die Eintracht zusammen / und vermählte sie mit vier Ringen / welche sie einander selbst übers Kreutze zureichten. Der Sieg sang hierzu:


Nun jauchze / Rom! und prange gantze Welt /

Mit Palmen-Zweig- und Sieges-Pferden!

Denn / wenn Gelück und Tugend Hochzeit hält /

Geneust's der grosse Kreiß der Erden.

Und Rom kriegt / wenn August schleust Janus Tempel zu.

Den Lorber-Krantz / die Welt den Oel-Zweig süsser Ruh.


Hiermit rückten die Vermählten ein wenig von sammen / und drehten mit ihren Wagen dreymal einen Ring. Die Ehre fuhr hierauf darzu / und sätzte der Tugend / dem Glücke / Rom / und dem August eine perlene Krone auf. Das Geschrey bließ in ihre Trompete /und die Sibyllen sangen darzu:


Meer / Himmel und die Erd' empfinden

Vereinbarter Gestirne Krafft.

Wenn sich nun Götter selbst verbinden /

Muß ihrer Tugend Eigenschafft

Ja wie der Perlen-Thau im Meyen /

Viel gutes auf den Erd-Kreiß streuen.


Wo Glück und Tugend sich vermählen /

Kan nichts als Ehr und Wolfahrt blühn.

Wen GOtt und Himmel auch erwehlen

Und an so hohen Gipffel ziehn /

Von dem muß als wie von der Sonnen /

Viel Seegen kommen hergeronnen.


Der Syrer / Pers- und Griechen Reiche

Sind gegen diesem / das August

In Rom wird stifften / Zwergen gleiche.

Der so viel Hertz in seiner Brust /

Als Julius sein Vater heget /

Mehr Sanfftmuth aber bey sich träget.


Er war ein Fürst im Bürger-Stande;

Itzt Bürger / nun er Herrscher ist.

Ein Schrecken seinem Vaterlande /

Eh er zum Haupte war erkiest.

Nun aber wünschen Rom und Erde:

Daß Fürst August unsterblich werde.


Der zu dem Kriege war gebohren /

Hat Krieg und Zwytracht todt gemacht.

Die Freyheit / die schon war verlohren /

Hat seine Herrschafft wiederbracht /

Die Welt hat sich mit ihm beweget /

Und sich mit ihm zur Ruh geleget.


Mit ihm ist Rom und Welt genesen /

Sein kurtzer Krieg schafft lange Ruh.

Der Himmel hat ihn auserlesen:

Daß er den Bürger-Krieg abthu;

Daß unter seinem Schirme müssen.

Sich Friede / Glück und Tugend küssen.


Er kehrt zu Rom nicht nur die Hütten

In Schlösser / Leim in Marmelstein.

Was wilder Art / in holde Sitten;

Durch ihn wird Rom ein Abgott seyn /

Den alle Völcker werden ehren /

Weil Welt und Zeit nicht auf- wird hören.


Zu diesem Liede hegten umb den Wagen des Krieges die drey verwandelten Jungfrauen mit denen drey Cyclopen / umb den Wagen des Friedens / der Hirten Gott mit den zwölf Satyren / die ihm folgenden zwölf Winde / die Ringer / Fechter und Bacchen auf allerhand Arten künstliche Täntze. Bey ihrem Schlusse wendete sich der Sieg gegen die Römischen Kriegs-Häupter / und die sie auf beyden Seiten mit ihren Wagen bedeckenden Länder; sang er also folgender Weise an:


Ihr / die ihr Rom zu Pfeilern war't erwehlt /

Laßt euch nicht Eyversucht vergällen.

[511]

Wenn der / dem Glück und Tugend sich vermählt /

Als Haupt sich über euch wird stellen.

Es ist mit dem in Krieg zu ziehen wol kein Rath /

Der's Glücke zum Compaß / zum Ancker Tugend hat.


Daß Titans Gold Dianens Horn absticht /

Dient ihr zum Vortheil und zu Ehren

Denn jenes Glantz versilbert ihr blaß Licht.

So kan nicht euren Ruhm versehren:

Daß über euch August vom Himmel wird gesätzt /

Ihr selbst erhöhet euch / ie höher ihr ihn sätzt.


Ihr Länder denckt: die ihr der Römer Stadt

Für eure Frau Zeither verehret /

Daß den August / den GOtt zum Vater hat

Der Welt erkohrn / zu ehr'n gehöret.

Der Himmel zündet euch selbst neue Fackeln an:

Daß ihm der Erden-Kreiß was süssers opffern kan.


Der Sieg hatte so bald nicht geschlossen; als alle Länder nach der Reye sich dem heiligen Wagen des Augustus näherten / und ihre Kräntze; die darauf folgende Römischen Kriegs-Häupter aber ihre Schilde und Waffen dem Käyser zun Füssen legten. Die Säitenspiele wechselten hierauf mit denen Trompeten ab / und fieng alles / was zu Pferde saß / nach Erfindung der Sybariten einen Roß-Tantz an. Die aber zu Fusse waren / tantzten alle Arten der Täntze die in der Welt erfunden waren. Die Wagen hielten zur Verwunderung aller Zuschauer ein sehr künstliches Kreiß-Rennen. Ja das Ertzt und die todten Steine der Rennebahn wurden gleichsam rege und lebhafft. Auf der mitlern der Sonne gewiedmeten Spitz-Seule brennte oben der in einander gewundene Nahme der Stadt Rom und des Käysers August. Aus der Dreyzancks-Gabel des Neptun spritzte wolrüchendes Waßer. Die auf einem ertztenen Löwen reitende Mutter der Götter schütte aus ihrer Schale Weitzen; die Altare der grossen Götter loderten von Weyrauch. Die Priester aber weihten das Altar der Hauß-Götter dem Glücke / das der Murcia der Tugend / das des Schutz-Geistes dem August mit stets frischen Fla en ein. Der Opffer-Tisch der Stadt Rom spielete mit allerhand Lust-Feuern. Das auf einer hohen Seule stehende Bild der Stadt Rom sprützte rothen- das des Römischen Schutz-Geistes weissen Wein von sich. Der Oelstrauch trof von Balsam. Das Hauß der Sonne ward mit mehr als tausend Fackeln erleuchtet. Mit einem Worte: die Kunst hatte alle ihre Erfindungen / das Reichthum alle seine Schätze erschöpfft den Käyser August zu verehren /und die Zuschauer zu vergnügen. Die Deutschen selbst bezeugten hierüber ihr Gefallen / ungeachtet es denen Empfindlichsten weh that: daß unter denen Rom und den Käyser verehrenden Ländern auch Deutschland aufgeführt ward. Die aber / welche zur Zeit ein Auge zuzudrücken für Klugheit hielten / redeten es jenen vernünfftig aus; und hielten ihnẽ ein: daß sich Spiele selten ohne Gedichte fürstellen liessen; die Parthen und Indianer eben so sehr / als die Deutschen hierüber zu eyfern Ursach hätten; und wider Unrecht zur Unzeit und ohne fertige Rache zu murren Schwachheit wäre. Alle funden sich auch endlich darein; weil sie sonst von Römern aufs höflichste und kostbarste unterhalten wurden. Germanicus richtete noch selbigen Tag denen deutschen Fürsten auf einem noch vom Drusus mitten im Rhein gebauten Lust-Hause ein kostbares Mahl aus. Das Frauenzimmer ward bis an Strom von eitel schneeweissen Maulthieren auf helffenbeinernen Sänfften mit güldenen Himmeln getragen / und auf einem Schiffe / welches den die Europa tragenden Ochsen fürbildete; die Helden aber zu Pferde auf einer flügenden Kupffer-Brücke /welche auf einmal tausend Reiter tragen konte / auf das Eyland übergesätzt. Dieses Lusthauß war nicht nur mit dinnen Marmel-Blättern euserlich / wie Mamurra am ersten zu Rom eingeführt / besätzt; sondern durchaus dichte von Marmel erbauet. Es stund auf zwölff rothmarmelnen Seulen dreißig Fuß hoch. Der unterste Bodem war mit zwey-färbichtẽ Marmel-Platten [512] eckicht und so artlich versätzt: daß man sich anfangs scheute einen Fuß fortzusetzen / aus Furcht in die erhöhten Spitzen zu treten. Die obersten Vorgemächer waren mit kleinen vergüldeten Kiselsteinichen gepflastert / die Wände mit zusammen gefügten köstlichen Steinen eingelegt; welche allerhand Geschichte der Römer fürbildeten. Und so wol an Glätte als Widerscheine den Spiegeln gleichten. Alle Absätze an Mauren / Fenstern / glatten Seulen und Thür-Gerichte waren / wie Lucius Mumius das Capitol gezieret hatte / übergüldet. In der Mitte des Saales spritzte eine nackte Diana aus weissem Marmel aus allen Oefnungen das frischeste Brunn-Wasser in eine roth marmelne Schale / in welcher die Verwandelung des Actäon erhoben war. Das Dach dieses Lusthauses war ein mit eitel ausländischen Gewächsen besätzter Garten; und wurtzelten dieselben in grossen allerhand Thiere abbildenden Geschirren aus Samischer Erde / welche nach Art der Porcellanen überglättet war. Unter diesen waren die theuern und schattichten Lothos-Stauden; derer zehn Lucius Crassus zu Rom anderthalb hundert tausend Gülden werth schätze. Jedem Gaste war eine besondere Art der Aufwärter zugeordnet. Die schneeweisse Thußnelde bedienten zwölf Mohren-Knaben mit perlenen Hals- und helffenbeinernen Armbändern / Ismenen so viel Olivenfarbichte Knaben aus Egypten mit schmaragdenen Hals- und Armbändern. Erato ward von zwölf Caledonischen mit weissen glatten / Zirolane mit so viel Griechischen mit krausen Haaren bedienet. Jene trugen am Halse und umb den rechten Arm aus Agtsteine; diese an beyden Orten Corallene Bänder / und an den Zehen noch güldene Ringe. Der Fürstin Catta warteten zwölf Indianische / Adelmunden nicht weniger Arabische /Agrippinen so viel Bithynische und Sentien Troglodytische Knaben auf. Die ersten hatten Hals- und Armbänder von Rubinen / die andern von tichtem- die dritten von gesponnenem Golde; die letztern von einer Africanischen den Corallen ähnlichen und der Liebe vorträglichen Frucht. Uberdis trugen sie alle an den durchbohrten rechten Ohrläplein aus Perlen / Edelgesteinen und Golde Ohrgehencke / und auf der Brust ein gülden Siegel zum Merckmale ihres Adels; Welche theils wie Liebes-Götter / theils wie Gärtner / wie Jäger / wie Botsleute ausgeputzt / und durch ihre Gestalt / Farben und Tracht unterschieden; die zusammen gelesenen aber einander sehr ähnlich waren. Hertzog Ingviomer ward von zwölf Parthern / Flavius von Numidiern / Catumer von Thraciern / Zeno von Armeniern / Marcomir von Hispaniern / Sesitach von Arabern / Sebald von Mohren / Reinold von Syriern /Arnold von Britanniern / Tiberius alleine von Römern / Germanicus von Galliern bedienet; also daß man hier schier eine Versammlung aller Völcker antraf. Diese unterscheidete nicht nur ihre Landes-Art in ihren Kleidern / und derselben Farben; sondern sie hatten auch eben so wol zum Zeichen: daß sie alle wider ihre Feinde gesiegt und solche Preiße verdient hatten / ihre Armbänder aus Golde / Silber oder Stahl; welche theils wie Schlangen / theils mit Helden-Gesichtern / theils mit wilder Thieren gebildet waren. Die Taffel war Ey-rund von Zitron-Holtze wie ein Pfauen-Schwantz gleichsam mit Augen beworffen /und mit einem silbern vergüldeten auch mit Edelgesteinen eingelegten Rande eingefaßt. Die helffenbeinernen Füsse bildeten vier Panther-Thiere ab. Die Bette ander Taffel waren von Silber mit zierlichem Blum- und Bilder-Werck erhoben; ihre Füsse und Zierathen von Onix / die Küssen von Purpur. Der Schenck-Tisch war von Delphischem Marmel / und ward von einem ausgehauenen Löwen getragen / auch die allerkostbarsten Asiatischen Trinckgeschirre darauf [513] Staffel-weise aufgethürmet. Der erste Aufsatz mit sampt denen darauf stehenden Schüsseln und Geschirren waren aus eitel Berg-Krystallen. Zwischen vierzehn kleinern Schüsseln standen zwey grosse / in derer einer zweytausend Fische hunderterley Art / in der andern fünftausend Vögel hunderterley Geschlechtes aufgesätzt waren. In der Mitte stand eine grosse Crystallene Wanne / mit weissem Weine gefüllt. Und darbey zwey solche Wagschalen mit güldenen Gewichten. So bald Germanicus einen Winck gab / brachte man Thußnelden / Ismenen / der Königin Erato / Zirolanen / Catten / Adelmunden und Agrippinen Meer-Barben. Nach dem nun diese gewogen / und die erste sechs / die andere sechstehalb / drey fünf /und die letzte vierdtehalb Pfund schwer zu seyn befunden ward / bat Germanicus selbst: sie möchten diesen edlen Fischen die Ehre gönnen von ihren schönen Händen zu sterben. Jede gab dem ihrigen einen Stich; worauf sie nach weniger Ausblutung in die Wanne geworffen wurden / umb eher mit dieser sterbenden Fische wunder-würdiger Farben-Veränderung die Augen / als den Geschmack zu weiden. Anfangs rötheten sich die Schopffen / Fluß-Federn / und Bärte wie Zinober; hernach erblaßten sie nach und nach; also daß jedermann bekennen muste: es wäre nichts schöners / als eine sterbende Meer-Barbe; und daß dannenher die Verschwendung des Octavius / welcher für eine fünf tausend Gestertier bezahlt hätte / etlicher maßen zu entschuldigen wäre. Nach dem sie in dem Weine nun gantz erblaßt waren / trug man sie ab umb in der Küche / darinnen alle Geschirre silbern waren /sie zu sieden; welche hernach mit Säitenspielen von bekräntzten Köchen auf die Taffel getragen wurden. Die andere Tracht bestand aus eitel güldenen Schüsseln und Geschirren; welche von Phasan- und Pfauen-Gehirne und Eyern / Phönicopter-Zungen / Feigen-Fressern / Murenen-Milch / Scarus-Lebern / und allen nur in der Welt befindlichen Kostbarkeiten angefüllt waren. In der Haupt-Schüssel aber warẽ Gerstlinge und Brachvögel aufgesetzt; welche in Gallien und Deutschland gefangen werden / und Germanicus allem andern kostbarem Geflügel der Welt weit fürsätzte. Die dritte Tracht war von Porcellanen Geschirren / und enthielt in sich eitel Ausländische Gewächse. Die Weine zu diesem Mahl hatten wol hundert Länder gezinset; also daß dieses weder an Kostbarkeit noch herrlicher Anstalt dem grossen Gastmahle des Tiberius nichts nachgab; außer daß auf diesem so starck nicht getruncken / sondern mehr von allerhand Wunderwercken der Natur und Sitten der Völcker geredet ward. Hiermit verzohe sichs bey nahe an Mitternacht; da deñ alle auf köstlich-bereiteten Schiffen zwischen mehr als hundert-tausend Fackeln den Rhein herab / nach Meyntz geführet wurden. Nichts desto weniger machten die Deutschen sich folgenden Morgen zeitlich auf / um ihren den Tag vorher grösten theils bereiteten Aufbruch zu bewerkstelligen. Denn /weil folgenden Tag das Jahr-Gedächtnüs des Drusus einfiel / da die Gallier bey seinem Grabmale opffern musten / und die Römer ihm zu Ehren allerhand Reñen hielten; eilten die Deutschen so viel mehr fort /umb diesen ihnen ärgerlichen Greuel nicht mit anzuschauẽ. Beym Abschiede beschenckte Tiberius alle deutsche Fürsten / Agrippine alles deutsche Frauenzimmer. Insonderheit liebkosete Tiberius dem Flavius umb ihn verträulich und also mit der Zeit zu einem Werckzeuge des Römischen Joches zu machen; weil er ihn hierzu sehr dienstlich / und das Vertrauẽ für die sichersten Feßel schäzte. Zu mehrer Beglaubigung brach er eine güldene Müntze entzwey; auf welcher einen Seite der Kopff des Käysers und Agrippinens; auf der andern ein Krocodil von der Stadt Nemausus in Gallien gepregt war; worvon er die Helffte dem Flavius als ein Pfand seiner Freundschafft übergab /das andere zu seiner Versicherung behielt. [514] Dem Hertzog Ingviomer gab er sein und des Käysers in einen grossen Onix geschnittenes Bild; Hertzog Catumern eine Agat-Schale / darein das Bild des grossen Alexanders erhöhet war; dem Fürsten Zeno ein mit Edelgesteinen versätztes Armband / welches die Haut einer Schlange umfaßte. Dem Feldherrn Herrmañ überschickte er so wol als dem Arpus eine halbzerbrochene Müntze / wie Flavius empfangen hatte; und jenem darbey einen fürtreflichen Sardonich von ungemeiner Größe. In dessen obern Theile war Jupiter auf einer / Augustus auf der andern Seite sitzende mit einem Wahrsager-Stabe eingegraben. Die Rom fürbildende Livia saß ihm zur lincken Hand. Beyder Füsse standen auf Schilden. Zwischen beyden stand in einem Glücks-Kreiße der Steinbock. Unter ihm war ein Adler zu sehen. Hinter dem August stand die den Neptun umbarmende Cybele / und sätzte dem August / als einem Sieger zu Lande und auf der See / einen Siegs-Krantz auf. Unter ihnen lehnete sich die sitzende / und einen güldenen Monden am Halse tragende Agrippina mit dem Arme auf den Stuhl. In der rechten Hand hatte sie ein Horn des Uberflusses / und auf jeder Seiten einen nackten Knaben. Für dem Käyser stand der zum Kriege gerüstete Germanicus / wie er aus dem Illyrischen Kriege sieghaft zurücke kam. Tiberius aber trat von einem Sieges-Wagen herab; dessen Pferde die Göttin des Sieges im Zaume hielt. Im untersten Theile dieses Edelgesteines richteten die Römer ein Siegs-Mahl über die Dalmater und Pannonier auf. Unter diesem saß König Pinnes mit hinter den Rücken gebundenen Händen. König Bato Dysidiates bat kniende umb Gnade. Dem Cattischen Hertzoge übersendete er ein köstliches Trinckgeschirre aus Topaß; und überdis jedem sieben Arabische Pferde. Agrippinens Geschencke bestunden am Fräulichem Schmutze / Perlen / Edelgesteinen / Spiegeln / und Asiatischen Seiden-Zeugen. Die Gesellschafft des deutschen Frauenzimmers hatte Agrippinen auch derogestalt vergnügt; daß sie Thußnelden versprach aufs Früh-Jahr in den Schwalbacchischen Sauerbrunn zu folgen / umb bey Pflegung ihrer Gesundheit zugleich durch annehmlichen Unterhalt ihr Gemüthe zu ermuntern.

Weil nun Tiberius durch Stillung der Cherusker Ehre genung erlangt zu haben vermeinte / und das verschobene Siegs-Gepränge über die Illyrier und Pannonier zu halten / auch dem grossen Gastmahle seines Sohnes Drusus / welcher daselbst Ober-Einnehmer des Reichs worden war / beyzuwohnen verlangte; überdis auch die Wahrsager unaufhörlich den Tod des Käysers verkündigten / so gar: daß August /welcher doch vorher den Stand seiner Geburts-Sterne selbst herausgegeben hatte / nunmehro alle Wahrsagungen von ihm bey Leibes-Straffe verbieten muste; brach Tiberius bald nach der Deutschen Abschiede nach Rom auf; umb / da GOtt etwas über den Käyser verhienge / von dem Haupte des Reiches nicht entfernet zu seyn. Uberdis schickte sichs auch nicht länger in Gesellschafft seines angenommenen Sohnes Germanicus zu bleiben; weil er zu Rom mit dem Fontejus Capito zum Bürgermeister erwehlet ward; ungeachtet er noch nie die Stadt-Vogtey verwaltet hatte. Denn nach dem sich August weit über die Gesätze geschwungen hatte; waren seine Anverwandten nicht mehr an alte Ordnungen und an die gemeinen Staffeln der Würden gebunden. Denn wenn Fürsten über ihr Geblüte was entschlüßen wollen / brauchen sie selten andere Rathgeber / als die Natur; und bey diesen ist das sich übereilende Glücke nicht in Gefahr / wie bey Bürgern. Tiberius ward etliche Tage-Reisen weit von Rom schon von grossen Mengen der Bürger mit grossem Frolocken nicht viel anders / als wenn er schon Käyser wäre / bewillko t / und in dem Tempel Bellonens für der Stadt / darein kein siegender für gehaltenem [515] Siegs-Gepränge kommen dorffte / begleitet; ja er als die Glückseeligkeit der Stadt Rom / wie Aristides Griechenlandes / vom Volcke ausgeruffen. Denn das Ansehn bejährter Fürsten veraltert eben so wol als Bäume; und man giebt auf die wolthätige Sonne niemals so genau acht / als auf neu-aufgehende Sternen /ungeachtet es schädliche Schwantz-Gestirne sind. Tiberius fand den Römischen Rath im Tempel Bellonens schon vor sich; welcher nicht einst / dem alten Brauche nach / keine Verrichtungen: ob sie das Siegs-Gepränge verdienten / untersuchten; sondern ihn selbst baten: er möchte nicht nur über die bezwungenen Illyrier und Pannonier; sondern auch über die gezähmten Deutschen drey Tage nach einander Sieges-Gepränge halten. Denn ob zwar August Bedencken hatte das letztere dem Tiberius zu enthengen; weil die Römer mehr eingebüßt als gewonnen hatten / und der Käyser aus einer den Alien anklebender Furcht die Deutschen dardurch aufs neue zu erregen besorgte; so hatte sich doch Livia des Käysers fürlängst so bemeistert: daß er seinem Stief-Sohne nichts mehr abzuschlagen getraute. Worbey sie sich dieses scheinbaren Vorwands bediente: daß ohne Zulassung eines Siegs-Gepränges über die Deutschen das Römische Volck ihm eine neue Niederlage einbilden / und die so fast eingewurtzelte Furcht für den Deutschen nimmermehr ausgerottet werden würde. Also hielt Tiberius drey Siegs-Gepränge hinter einander mit solcher Pracht als fast kein Römischer Feldherr jemals vorher. Unter andern auf helffenbeinerne Taffeln geschriebenen Lobsprüchen ward dem Tiberius sonderlich nachgerühmt: daß er in Deutschland offt auf bloßem Rasen gespeist; offt unter freyem Himmel ohne Zelt übernachtet; alle Kriegs-Verrichtungen folgenden Tages schrifftlich von sich gegeben und befohlen hätte: Alle an etwas zweifelnde Befehlhaber solten ihm selbst / nicht durch eines andern Mund ihren Ru er entdecken; und seiner auch nicht bey der Nacht-Ruh schonen. Er hätte die alte Krieges-Zucht wieder auf die Beine gebracht /und einen Kriegs-Obersten / der wenig Soldaten auf die Jagt über den Rhein geschickt / seiner Ehren entsätzt. Er hätte sein Leben etliche mal in höchste Gefahr gegeben / und den mit des Varus Blute den Römern angehenckten Schandfleck redlich abgewischt. Tiberius / welcher nunmehr in Hofnung die Herrschafft des Römischen Reiches schon verschlungen hatte / unterließ nichts das Volck an sich zu ziehen /und seine angebohrne Gramhaftigkeit durch angestellte Schau-Spiele zu verhüllen. Augustus machte mit seinen nach der Niederlage des Varus dem Jupiter gelobten grossen Spielen den Anfang / und suchte damit zu bezeugen: daß Jupiter seinem Wunsche nach das Römische Reich in einen beßern Stand versätzt hätte. Auf diesen brachte Tiberius bey Wahrnehmung: daß der Adel in Schauplätzen zu fechten gelüstete / beym Käyser zu wege: daß er denen Ritters-Leuten / welchen es bey Verlust ihrer Ehre verboten war / solches erlaubte / umb destwegen an statt voriger Schande nun mit dem Tode gestrafft zu werden. Nach dem auch die Laster / wenn sie wo schon anfangen Sitten zu werden; bald die Verwegenheit bekommen sich auf den Stuhl der Tugend zu setzen; so gieng es auch mit dieser Begierde zu fechten; und schämten sich die Edlen nur nicht von dem Stadt-Vogte in offentlichem Schauplatze Geschencke hierfür anzunehmen; sondern auch nicht August denen Austheilungen der Preiße persönlich beyzuwohnen. Ja zum Kennzeichen der verterbten Stadt mangelte es nicht an Leuten / welche diese und andere im Schwange gehende Laster öffentlich lobten; und aus ihrer Schande Wolfahrt schöpften; welches die zwey eusersten Ende der Boßheit sind. Man nennte den Tiberius den neuen Hercules; welcher dem Käyser / wie der alte dem Jupiter zu[516] Ehren in Creta mit seinen Brüdern Peoneus Epimedes / Jasius und Idas gleiche Spiele zum ersten gehegt /und solche hernach unter dem Berge Olympus alle fünf Jahr von gantz Griechenland zu feyern eingesetzt hätte. Die damals gewesene güldene Zeit käme mit diesem Hercules wieder; und man tichtete noch darzu: daß sich umb selbige Zeit in Arabien / wie nachgehends kurtz für des Tiberius Tod in Egyptẽ ein Phönix habe sehen lassen. Drusus kriegte den Nahmen Iphitus / welcher die eine Zeitlang gelegenen Spiele der Griechen wieder in Ruff und Ubung gebracht hatte. Ohne diese Ubungen würde die Tapferkeit des Römischen Adels verrostern / die Jugend wie stehendes Wasser faul und stinckend werden; nachdem sie mit der gebändigten Welt nicht mehr so viel zu schaffen hätten. Das niemals stille stehende Meer wäre das rechte Vorbild edler Gemüther; welche stets etwas zu thun / und wo nicht mit andern / doch mit sich selbst zu kämpfen haben wolten. Gleichwohl aber wächset die Boßheit der Tugend niemals so sehr zu Kopfe: daß sie mit Strumpf und Stiel ausgerottet würde. Unter einer solchen Welt-voll Menschen / wie Rom hausete / blieben gleichwohl ihrer viel / welche im Hertzen diese Bländungen der Hertzhafftigkeit mit andern Lastern verfluchten. Und wie das euserste eines Lasters offtmals einer Tugend nahe kö t / also vergehet sich zuweilen eine tugendhafte Empfindung auf einen Abweg der Laster. Dieses ereignete sich zu Rom damit: daß / weil es nicht halff die Boßheit mit gutem Beyspiele zu schelten / sie ihren Worten und Buchstaben eine Krafft der Verbesserung zutrauten /und durch allerhand Stachel-Schrifften / welche sie des Nachts an das Haus des Käysers / des Tiberius anheffteten / und insonderheit bey dem Grabe des Cato mehrmals mit vielen Lichtern Nacht-Opfer hielten / und die Götter anrufften: Sie möchten aus der Asche des Cato einen neuẽ Sittenrichter entsprüssen lassen. Insonderheit aber suchten sie es Livien und dem Tiberius offtmals so nahe: daß ihnen solche Anstechungen / weil sie meistentheils wahr waren / nicht nur im Hertzen weh thaten; sondern sie auch ihre Ungeduld beym Käyser empfindlich ausliessen. Der kluge August aber lächelte nur anfangs darüber / und sagte Livien: Es stünde zwar in unser Gewalt tugendhafft zu seyn; aber nicht / daß uns iedermann darvor ansähe. Dem Tiberius aber: Es wäre keine nachdrücklichere Rache wider die Verläumbdung / als wenn man sie durch rühmliche Wercke zu Lügnerin machte. Und als sie noch heftiger darwider redeten / sagte er beyden: Das Papier wäre weich und vertrüge alles. Solche Schmäh-Karten würden ehe vertilget durch Veracht- als Bestraffung. Wenn man sie abriesse /wären auch die Vernünftigen vorwitzig nach ihrem Innhalte zu fragen. Wenn man sie aber stehen liesse; schämten sich auch die / welche unter dem Pöfel was seyn wolten / solche als Lästerungen zu lesen. Wer wider den Schaum des lästernden Pöfels sich seiner höchsten Gewalt gebrauchte / thäte nicht besser / als der / welcher mit güldenen Pfeilen nach Fliegen schüsse; oder bey der Erndte sich das Geschrey der Heuschrecken von nöthiger Arbeit abhalten liesse. Insonderheit müsten Fürsten sich dieser Empfindligkeit entäusern; und die aus Leichtsinnigkeit herrührende Schmähungen verachten; die aus boßhafftem Vorsatze verzeihen; mit denen aus Wahnwitz herflüssenden aber Mitleiden haben. Denn nach des grossen Alexanders Urtheil / wäre Königen nichts gemeiners / als daß von ihrem besten Thun am übelsten geredet würde. Welcher Held nur drüber gelacht; und er hätte unterschiedene mal selbst sie belohnet / wenn sie etwas sinnreiches in sich gehabt. Alleine Livie / welcher das Ansehen des Tiberius mehr / als ihr eigenes an die Seele gebunden war / lag dem Käyser Tag und Nacht in Ohren / und hielt ihm ein: Wer recht thäte /hätte zwar übele Nachrede zu verlachen. Aber diese Geduld stünde nur gemeinen Leuten / nicht Herrschern wohl an; und [517] müsten aufrührische Schmach-Schrifften von wörtlichen Schmähungen gewisser Leute unterschieden werden. Der Stachel-Schrifften Geringstes Absehen wäre den Gescholtenen zu schimpfen; das eigentliche durch Ausholung des Urthels derselben Gemüther zu erforschen / welche mit der Herrschafft übel zufrieden wären; umb ihnen zu vorhabendem Aufruhre einen Anhang zu machen. Sie kleibten diese gifftige Papiere nicht an ihre Galle auszulassen / sondern sie in andere Gemüther zu sämen. Sie gebrauchten sie zu rechten Wetter-Hähnen / welche ihnen Nachricht gäben: Woher / und wohin die Liebe und der Haß des Volckes wehete? um bey ersehener Gelegenheit das gantze gemeine Wesen zu verwirren. Durch diese tägliche Beschwerführungen ward August endlich erweicht: daß er wider die Fertiger solcher Stachel-Schrifften ein scharffes Verboth eröffnete / solche von denen Bauherren aufs fleissigste zusammen suchen / und ausserhalb der Stadt verbrennen / etliche Uhrheber auch ernstlich straffen ließ.

Unterdessen meynte der Bürgermeister Germanicus seine neue Würde mit einem herrlichen Siege so viel mehr ansehlich zu machen. Besetzte daher Meyntz und andere oben am Rhein und an der Mosel habende Orte mit der andern / dreyzehnden und sechzehndten dem Cajus Silius untergebenen Legion aufs beste; schickte den Asprenas mit der 21.sten Legion und 12000. Hülffs-Völckern gegẽ dẽ Hertzog Melo voran; umb alle seinem Nachzuge etwan im Wege stehende Hindernüsse auf die Seite zu schaffen. Er folgte mit der ersten / fünften und zwantzigsten Legionen / und noch zweymal so vielen Hülffs-Völckern nach. Denn mit der gantzẽ Römischen Macht gegen einen oder zwey deutsche Fürsten aufzuziehen / hielt er ihm und dem Römischen Volcke zu verkleinerlich; und das Mißtrauen gegen die Noricher / Pannonier und Illyrier nöthigte ihn auch ein Theil des Römischen Heeres oben am Rheine stehen zu lassen. Ein Theil des Cherusk- und Cattischen Heeres zohe auf der Ost-Seite des Rheines gleichfalls biß an die Sicambrische Gräntze hinunter / den Römern auf allen Fall die Uberfahrt über den Rhein / und andere besorgliche Widerkommungen des Friedens zu verwehren. Alleine Hertzog Melo / und sein Sohn Francke hatten inzwischen durch Verhauung der Wälder / Besetz- und Verschantzung der Ströme / Hinwegnehmung der Pramen und Schiffe sich mit Hülffe der Chauzen und Friesen / welche noch bey denen Sicambern und Juhonen feste hielten / in so gute Bereitschafft gesetzt: daß Asprenas sich nicht einst einen verhauenen Wald zu öffnen wagte; sondern den Germanicus erwartete. Aber beyde fanden an der Mosel grössern Widerstand / als sie ihnen eingebildet. Denn Hertzog Franck hatte alles sein Fuß-Volck zu Pferde gesetzt; also daß es nach Bequämligkeit des Ortes zu Fusse und zu Rosse fechten konte. Wormit sie beim alle Anstalten der Römer an unterschiedenen Orten überzuko en zernichteten; ja selbst durch ihre geschwinden Ein- und Uberfälle die Römer ermüdeten; denen Galliern aber grossen Abbruch thaten. Hierüber verspielte Germanicus wohl zehn Tage / und wie sauer es ihn ankam /muste er zwey Tage-Reisen weit gegen Trier an der Mosel hinauf rücken / umb daselbst überzusetzen; wiewohl es nicht ohne scharffes Gefechte abgieng /weil der jüngste Sohn des Sicambrischen Hertzogs /Dietrich / mit vier tausend auserlesenen Reitern noch dahin kam; als die Römer kaum drey tausend Hülffs-und ein tausend eigene Völcker über den vom Regen sehr angelauffenen Strom gebracht hatten. Daher das meiste Theil der Hülffs-Völcker entweder in Stücken gehauen / oder in die Mosel zurück getrieben ward. Endlich aber / als diese Handvoll Volck der gantzen Römischen Macht Ubersetzung nicht länger verwehren konte; wendete sich der Hertzog Dietrich gegen die [518] verhauenen Wälder / bey welchen Germanicus abermals einen sauren Apfel aufzubeissen bekam. Es fiel aber eine so grimmige Kälte ein: daß die Römer gegen deren des Frostes gewohnten Deutschen nicht mehr im Felde stehen konten; also sie ihnen in diesen Wildnüssen so viel weniger was abzujagen getrauten. Germanicus muste sich also an dem behaupteten Strome der Mosel / von welchem sich nun auch Hertzog Franck und seines Vatern Bruder Berthorit zurück zohen / vergnügen lassen. An diesem bautẽ die Römer eine grosse Anzahl von Holtz geschrotener / und nur euserlich / theils mit Erde / theils mit Häuten gegen das Feuer verwahrte Schantzẽ / um nur den Einfall der Sicambrer gegen die Orte / worinnẽ das verlegte Römische Heer überwintern solte / zu verwehren. Nachdem nun Germanicus dißfalls alle gute Anstalt gemacht hatte / sich auch auf die Vorsicht des Cajus Cäcina / dem er das Heer untergab / zu verlassen wuste; eilte er als Bürgermeister selbst nach Rom. Denn weil er in viel Wege wider die alte Gewohnheit diese Würde bekommen hatte / indem er noch nicht über zwey und viertzig Jahr alt / auch nicht Stadt-Vogt gewest / und noch dazu abwesend erwehlet worden war; hielt er es für eine Nothwendigkeit durch seine Gegenwart seine Fähigkeit zu diesem höchsten Ampte in Rom zu bewehren; welches im Richten /Einrathen / Vorgehen / Gesetz-geben / Krieg führen das höchste Hefft führte / und noch gewisser massen der Gewalt der Fürsten / auch nach schon veränderter Herrschens-Art überlegen war. Germanicus traff zu seiner Verwunderung Rom in weniger Zeit so verändert an: daß ers fast nicht mehr kennte. Also übereilet die Zeit zwar die Vernunfft; aber die hinreissenden bösen Sitten die Zeit; ob sie zwar flüchtigere Flügel /als die Gestirne hat. Das meiste und wichtigste Fürnehmen zu Rom war Wolleben; und die Wollust /wormit die Römer vorher andern Völckern mehr als mit ihren Waffen Schaden gethan hatten / hatte nicht nur bey dem lüsternen Pöfel / sondern auch beym Adel das Ansehn eines aufgeweckten Gemüthes bekommen. Beyde Meere rauschten von unzählbaren Schiffen / welche nichts als aus fremden Landen Würtzen der Uppigkeit / und theuren Vorrath zu verschwenderischen Gastmahlen zuführten. Die Reichsten der Stadt meynten hochgesehen zu seyn / wenn sie ihrer Vor-Eltern gesa leten Güter mit neuen Uppigkeiten durchbrächten. Fürnemlich war eine unersättliche Begierde der Schauspiele eingerissen; da für diesem solche nur an gewissen Tagen und nur von höchsten Obrigkeiten gehalten wurden / unterstanden sich nunmehr einzele Edelleute / ja Gauckler ausser der Zeit dem Römische Volcke selbte fürzustellẽ. Also ward Germanicus durch den Strom der Wollüste gleichsam gerissen sich auch darinnen sehen zu lassen. Denn / wenn ein Fürst was weniger / als andere thut / ist er dem Volcke verächtlich; wenn er sich andern gleich hält / verwundert es sich über ihn; wenn er es aber mit was besonderm andern zuvor thut / bethet es ihn an. Weil nun Germanicus die Zuneigung des Römischen Volckes wider den neidischen Tiberius /welcher seine fürtreffliche Thaten und Siege stets vernichtete und gar schädlich schalt / zu seiner Schutz-Wehre hoch von nöthen hatte; richtete er selbtem unterschiedliche Mahle / und theilte ihm etliche mal Weitzen aus. Insonderheit aber wolte er / ehe er des Sicambrischen Krieges halber wieder in Deutschland reisen müste / sich mit etwas ungemeinem sehen lassen; also machte er Anstalt den neuen Marckt des August mit grossen dem Krieges-Gotte gewiedmeten Spielen einzuweihen. Darinnen er sich fünf Tage hintereinander mit Rennen so wacker sehen ließ / daß das Volck ihm ohne Heucheley zuruffen konte; er hätte es allen andern zuvor gethan. Endlich beschloß er die Spiele am Mittage desselben Tages / da der von Livien dem Cajus und [519] Lucius zu Ehren gebaute Gang eingesegnet ward / mit einer Jagt in der grossen Renne-Bahn; darinnen er fast alle Thiere der Welt hetzen / und alleine zwey hundert Löwen tödten ließ; gegen welche auch Edle zu streiten sich nicht schämten; da vorher die / welche durch grosse Laster den Hals verwürgt hatten / zu solchem Kampfe verda t wurden.

Unterdessen brach der Cheruskische und Cattische Hof nach Mattium der Catten Haupt-Stadt auf; theils denen Römern durch ihre Verharrung am Rheine keinen Argwohn zu verursachen / theils auch daselbst das Beylager des Fürsten Catumers mit Ismenen zu vollziehen. Weil die Römer auch wegen frühen Winters ihr Heer in Gallien zu überwintern vertheilten /fand sich daselbst auch Hertzog Ganasch / und mit des Feldherrn Erlaubnüß Adgandester ein. An statt voriger Kriegs-Händel spielte die Liebe nunmehr bey den Cheruskern und Catten den Meister; und schien es: als wenn die der Liebe gewiedmeten Tauben in alle Helme der in dem Kriege so wohl verdienten Helden Nester gemacht hätten. Jedoch behielt die Liebe eine grosse Eigenschafft von dem Kriege / nemlich die Unruh / welche gleichsam das oberste zu unterste drehte; gleich als wenn Deutschland so wenig als das Meer ohne Bewegung bestehen könte. Weil die Zunge ein Blat des Hertzens ist / welches diß / was in der Wurtzel steckt / leicht mercken läßt; ja Wände und Teppichte gleichsam Zungen haben Fürsten Geheimnüsse zu entdecken / ist unschwer zu ermässen: daß diß nicht konte dem Feldherrn verschwiegen bleiben /was zwischen dem Flavius und der Erato / zwischen dem Zeno und Ismenen zu Meyntz fürgegangen war; als wo die Noth alle Vermummungen der Liebe von den Antlitzern gerissen / und sie sich alle so bloß gegeben hatten. Ja Ismenens einiger Unmuth verrieth unterwegens: daß sie gleichsam mit den Haaren nach Mattium gezogen würde. Beyde neue Verbindungen /so wohl des Flavius als Ismenens / erregten ihm keinen geringen Kummer / und verrückten ihm viel heilsame Absehen für die gemeine Wohlfarth Deutschlandes; weil er nicht weniger den Flavius der Chaucischen Fürstin Adelmunden / als Ismenen Catumern besti t hatte. Er verstand zwar / was die obersten Herrscher zu Heyrathen ihrer Fürsten und Anverwandten zu sagen hätten; aber auch die dißfalls für andern Völckern den Deutschen zukommende Freyheit / und die Hartnäckigkeit der Liebe / welche /wenn sie sich einmal auf die Hinter-Füsse gesetzt hat / weder mit Gewalt sich über einen Hauffen werffen /noch die Vernunfft mit der Hand leiten läßt; sondern die einige Zeit eine kleine Bothmässigkeit über sie habe. Alleine Ismenens und Catumers Heyrath ins weite Feld zu spielen / liesse sich in keinerley Weise thun. Denn weil zu sagen hohe Häupter auf Erden keinen andern Richter-Stul / als der eigenen Scham-Röthe hätten; blieben die Verlobungen zwischen Fürsten nur so lange verbindlich / als sich keine anständigere Heyrath der Herrschens-Klugheit ereignete; und besorgte der Feldherr: daß nicht Hertzog Arpus diesen Verzug für eine Verachtung aufnehmen / und mit seinem Sohn Catumer ein Auge auf König Marbods Tochter werffen dörffte; welch Bindnüß mit der Zeit den völligen Untergang des Cheruskischen Hauses nach sich ziehen könte. Nachdem er sich lange mit seinen Gedancken geschlagen hatte; seine Klugheit aber keine aus diesem Irrgarten ihn leitende Handhabe finden konte; entschloß er sich dieses wichtige Werck alleine mit seiner Gemahlin Thußnelde / Hertzog Ingviomern und Adgandestern zu berathen; unwissende: daß der letzte selbst ein Auge auf Ismenen hätte. Thußnelde sagte aufrichtig: Es schiene: daß das Vehängnüß bey der Liebe Ismenens und des Zeno die Hand mit im Spiel hätte; weil die Königin Erato ihr so [520] festes Band wider aller Menschen Vermuthen zerrissen / und dem Zeno Ismenen zu lieben freygelassen hätte. Das bewegliche Einreden des Feldherrn hätte bey Ismenen nichts verfangen; sondern sie eine unüberwindliche Abscheu für dem Fürsten Catumer bezeuget; als sie auf den Zeno entweder noch kein Absehn gehabt / oder zum wenigsten sie sich auf ihn /wie ietzt / keine Hoffnung machen können. Weil man nun wider das Verhängnüß mit keinem Rathe aufkäme / würde das rathsamste seyn die angezielte Heyrath von sich selbst wieder zerrinnẽ lassen. Eben dieser Meynung pflichtete der schlaue Adgandester bey /welcher bey Berathschlagung über frembdem Glücke sein eigenes allemal zu seinem Augen-Ziel hatte. Ingviomer aber / welcher diese Heyrath für ein festes Band des Cheruskischen und Cattischen Hauses hielt / und bey ihrer Zergehung besorgte: Catumer würde sich nach König Marbods Tochter umbschauen / rieth nur stracks das Widerspiel. Die Jugend hätte zwar zu grosse Zärtligkeit und wenig Vernunft in der Liebe; also daß sie nicht übers Hertze zu bringen getrauten was schöners oder bessers zu verehren / als das Bild /welches ihre Einbildung zum ersten in ihre Seele gedrückt hätte. Aber der Vernunft wäre kein Ding un möglich; und das älteste Gesetze der Cherusker wäre: daß iedermann fürs gemeine Beste sein Leben / wie vielmehr seine Liebe aufopfern müste. Wolten bey Ismenen keine Gründe der Vernunfft und der Ehre verfangen; daß sie mehr Ursache hätte einen zur Herrschafft gebornen Fürsten der welt-berühmten Catten /als einen seinen eigenen Uhrsprung nicht wissenden Frembdling zu heyrathen; müste man durch die Geistligkeit sie gewinnen; welche durch ihren Gewissens-Zwang die härtesten Gemüther zu entsteinern wüsten. Der Feldherr fiel Ingviomern bey / und hielt für nöthig keinen Augen-Blick zu versäumen; weil dem Hertzog Arpus Ismenens Liebe unmöglich lange verborgen bleiben könte. Adgandester / als er sich überstimmet sahe / fieng an: Wo Ismene gewonnen werden solte / würde für allen Dingẽ Zeno von ihr zu entfernen seyn. Denn was man täglich im Auge hätte /liesse sich schwerlich aus dem Hertzen verbannen. Der Feldherr und Ingviomer hielten diesen Vorschlag nicht für undienlich; dessen Ausübung aber fiel ihnen nicht nur bedencklich; weil es eine Unart wilder Völcker wäre / einen Frembden nicht aufnehmen / noch viel grausamer aber einẽ angeno enen verstossen; sondern auch in einem frembden Gebiete schwer / und ohne Vorbewust des Cattischen Hertzogs unverantwortlich. Was solte man aber bey diesem gegen einem so klugen Fürsten für einen Vorwand gebrauchen? Würde es Arpus nicht für einen Eingrieff in sein Schirm-Recht annehmen? Würde Zeno sich nicht auf seine Unschuld beruffen; und die Ursache seiner schimpflichen Verjagung wissen wollen? Adgandester antwortete: Man solte diesen Kummer ihm lassen; ob zwar ins gemein ihrer viel begierig zum Rathgeben /aber furchtsam zur Verrichtung wären / erheischte doch seine Treue die Gefahr aller seiner Rathschläge über sie zu nehmen. Zeno hätte durch Mißbrauch der genossenen Wohlthaten sich der Gast-Freyheit verlustig gemacht; da er sich erkühnet mit des Hauptes in Deutschland Schwester heimliche Buhlschafft zu pflegen. Da er doch wohl wüste: daß bey den Deutschen und den meisten wohl-gesitteten Völckern die Verlöbnüsse ohne der Eltern Einwilligung ungiltig; sonderlich aber die Töchter nicht fähig wären ihrem Gutdüncken nach einen Mann zum Nachtheile des gemeinen Geschlechtes zu erkiesen. Ein Fürst aber wäre aller Vater; ja seine Gewalt erstreckte sich weiter / als die väterliche. Hertzog Arpus könte es nicht übel aufnehmen: daß der Feldherr wider einen / der ihn beleidigt hätte / sich seines Rechtes so glimpflich gebrauchte. Für [521] wenig Jahren hätte Vocione in König Marbods Gebiete gar ein Blut-Gerichte über einen ihr nicht unterthänigen Ausländer ausgeübt: Die Fürstliche Hoheit klebte der Fürsten Person unzertrennlich an; also daß sie auch unter frembdem Gebiete sich nicht von ihm absondern liesse; es wäre denn: daß ein Fürst zum Gefangenen würde. Zu dem hätten die Feldherren in Deutschland eine durchgehende Bothmässigkeit in allen Ländern / wo sie hinkämen. Diese scheinbare Ursachen / und Adgandesters Ansehen /welches er gleichsam durch eine Regung der Gestirne beym Feldherrn überkommen hatte / bewegten ihn: daß er Adgandestern heimstellte den Zeno auf die beste Art aus Deutschland zu bringen; nach dessen Erfolg Adgandester so denn bey Ismenen halb gewonnenes Spiel zu haben vermeynte. Mitler Zeit beruffte Hertzog Herrmañ aus Veranlassung Adgandesters Luitbranden / den fürnehmsten derer am Hofe sich stets aufhaltenden Druyden zu sich; welcher zwar von Ursprung ein Carnut aus Galliẽ; aber durch Adgandesters Hülffe in höchstes Ansehn beym Feldherrn und am Cheruskischen Hofe kommen war. Diesem vertraute er die wichtigen und von ihm selbst vorher gebilligten Ursachen der zwischen seiner Schwester Ismene und dem Cattischen Fürsten geschlossenen Heyrath / und wie sie aus einer gegen einem Ausländer gefaßten thu en Liebe / welcher doch bereit seinen Wanckelmuth durch Verlassung der mit ihm versprochenen Erato verrathen hätte / sich so widerspenstig erzeigte: daß alle sein Einreden bey ihr nichts verfangen hätte; und er ohne der Geistlichen Einredung sie zu vernünftiger Entschlüssung zu bringen nicht getraute. Der Druys lobte des Feldherrn Vorsicht /danckte für das Zutrauen / und übernahm willig Ismenen einzureden; ob er schon vorher unter der Hand Ismenen zur Gewogenheit gegen Adgandestern zu leiten bemüht gewest war; auch etlicher massen sich durch Ismenen widrige Neigung beleidiget zu seyn hielt: daß Ismene von ihm nicht solte gewonnen werden / in dessen Hertzen die Gerechtigkeit ihren Sitz zu haben geglaubt / dessen Urthel als heilig von gantzen Völckern befolgt würden. Gleichwohl ließ er es an seinem Fleisse nicht erwinden; gleich als wenn es sein wahrhaffter Ernst wäre Ismenen niemanden in der Welt / als Catumern zuzudencken; vielleicht weil er von Adgandestern schon versichert war: daß Ismene sich niemals von ihrem einmal gefaßten Vorsatze abwendig machen liesse. Luitbrands Beredsamkeit diente ihm zu einen kräfftigen Werckzeuge seiner Sache eine Farbe anzustreichen; und er hätte sie zu allem beredet / wenn es in Ismenens Gewalt gestanden hätte des Zeno zu vergessen / ihr auch nicht vom schlauen Adgandester unter einem Scheine grosser Freundschafft wäre unter den Fuß gegeben worden: Sie solte sich zum Catumer nicht zwingen lassen; er wolte in geheim alle wider sie desthalben zusammen ziehende Wolcken schon zu vertreiben wissen / auch alle seine einen andern Schein habende Bezeugungen sich nicht anfechten lassen. Diesemnach schützte sie / wiewohl mit grosser Bescheidenheit die Unmögligkeit für / und könte ihr nichts mehr gesagt werden / als ihr der Feldherr schon zu Deutschburg eingehalten hätte. Ja sie hätte ihr selbst vielmal Gewalt angethan / und ihr Hertze zwingen wollen Catumern zu lieben; aber sie hätte empfunden: daß wie süsse Gewächse / wenn man sie zu sehr preßte / bittern Safft von sich gäben; also ihr Zwang nur mehr Abneigung gegen den Fürsten Catumer verursacht hätte / welchem sie keinen Mangel ausstellẽ könte / als daß er vom Verhängnüsse für sie nicht besti t wäre. Der Druys ward hierüber seiner Anstellung nach empfindlich; maßte sich numehr eines gleichsam gebietenden Ampts-Eivers an / und redete nicht mehr wie ein Priester mit einer Fürstin; sondern nicht viel besser als eine Herrschafft mit ihrem Dienst-Bothen. Er beschuldigte ihre Entschuldigung; daß sie den verda lichen Irrthum der Eubagen zum Grunde hätte; welche den freyen Willen der Menschen / als [522] einen Kettenhund an die Gestirne anpflöckten. Er dräute ihr mit der Ungnade des Feldherrn / mit der Rache der Catten / und mit dem Zwange des oberkeitlichen Armes. Aber Ismene hatte sich so feste gesetzt: daß sie mit unverändertem Gesichte antwortete: Kein menschlicher Zwang wäre mächtig einer freyen Seele was aufzudringen. Zwar könte sie und Zeno wohl entfernt / aber ihre Gemüther nicht getrennt; sie Catumern zwar mit Gewalt beygelegt / aber ihn zu lieben nimmermehr genöthigt werden. Sie traute aber diese Grausamkeit / für welcher auch wilde Völcker Abscheu hätten / den freyen Deutschen nicht zu; welche Gott sonst mit dem Verluste ihrer Freyheit bestraffen würde. Die Catten hätten auch keine Ursache an ihr Rache auszuüben / wenn sie sie nicht wolten vom Zaune brechen / weil sie den Fürsten Catumer iederzeit als einen grossen Helden verehret / ihn aber zu lieben nicht in ihrer Gewalt stünde. Denn Liebe rührte nicht so wohl aus Regung eigener Willkühr / als wie der Thau aus dem Einflusse des Himmels her. Warumb hegt der Wein-Stock mit dem Kohle und Epheu / der Oel-Baum mit Gurcken / der Diamant mit dem Magnet / das Schilff mit Farren-Kraute / das Zieger-Kraut mit der Raute / eine solche Unverträgligkeit. Warumb haben die Ameissen für Wolgemuth / die Ziegen für Heidekorn / die Schafe für einer Art Eppich / die Crocodil für einer Feder vom Vogel Ibys / solche Abscheu? Warumb fürchtet sich der Elephant und Hirsch für dem Wieder / der Affe für der Schnecke / der Scorpion für der Mauß /der Löwe für dem Hahne / der Elephant für dem Schweine / der Panther für dem Thiere Hyena / der Trappe für dem Pferde? Warumb könten manche Menschen keine Katze / andere keine Maus / oder auch was annehmlichers nicht sehen? Und wer wüste nicht: daß ein Mensch zu einem einen heftigen Zug /für dẽ andern aber eine unüberwindliche Abneigung hätte? Es wäre fürwahr nicht die sterbliche Schönheit / nicht die Hurtigkeit des Geistes / nicht die Ubermaaß der Tugend die Angel / an welcher unsere Seele hencken bliebe; sondern das wunderbare Gesetze des Verhängnüsses / welches uns diesen oder jenen zu lieben leitete / oder durch einen Nothzwang gleichsam mit den Haaren darzu züge. Keinen grössern Verlust könte sie zwar in der Welt leiden / als durch die Gnade des Feldherrn; aber nicht glauben: daß ein so liebwerther Bruder eine unschuldige Schwester zu hassen sich überwindẽ könte. Auf allen ununverhofften Fall müste sie sich aber trösten: daß mehrmals die Verwürfflinge der Welt Schoß-Kinder bey Gott wärẽ. Der mehr zu gebieten als bitten gewohnte Druys begegnete ihr: Sie möchte ihr diesen süssen Traum aus den Augen reiben. Wer die gemeine Wohlfarth des Vaterlandes hinderte / welche unser allgemeine Mutter / wie der König unser Vater ist; also ihr alle andere Verwandschafft der Natur und eigener Willkühr aus dem Wege treten muß; stürmte den Himmel /kriegte wider Gott; und seines Amptes wäre solche Leute von der Gemeinschafft der Opfernden / und von Ubung alles Gottesdienstes auszuschlüssen / welcher das einige Band wäre / das Gott und die Menschen mit einander verknüpfte. Ismene erschrack über dieser Dräuung so sehr / als wenn sie vom Blitze gerühret würde / theils weil sie glaubte: daß diese Ausschlüssung sie auch von Gott trennte; theils weil sie so denn aller Gemeinschafft der Menschen / ja auch ehrlicher Beerdigung würde verlustig werden. Sie erholete sich aber bald / und fieng mit Begleitung vieler Thränen an: Sie traute denen von Frö igkeit so beruffenen Druyden nicht zu: daß sie an einer Tochter eines deutschen Feldherrn / welcher für sie mehrmals sein Blut aufgesetzt / sie mit so ansehnlichen Stiftungen versorgt hätte / ein so grausames Urtheil ausüben solten. Wenn es aber ja geschehen solle / würde sie Anlaß nicht wenig zu zweifeln bekommen: Ob Gott so ungerechten Leuten die Schlüssel des Himmels und der Erde anvertrauet hätte. Der Druys ward über diesen[523] Worten derogestalt entrüstet: daß seine Augen Feuer ausstreueten / sein Mund schäumte / und seine Hände die eigenen Kleider zerrissen; er auch mit Fluch und Dräuen sich erhob / und davon machte. Weil nun Ismene wohl verstund: daß diesen Leuten alles geglaubt würde; und es daher höchst gefährlich wäre / sie zu beleidigen / mühte sie sich ihn durch mildere Auslegung ihrer Worte ihn zu besänftigen; aber sein Eiver ward / wie alle Rasenden / durch die Schwäche der ihn zurück haltenden Fürstin nur mehr angezündet. In diesem Wüten kam der Druys zum Feldherrn; welcher nichts als Galle und Gifft auf Ismenẽ auszuschütten wuste / und nach langẽ Schnauben endlich fürtrug: Ismene hätte ein rechtes kieselsteinernes Hertze / welches weder auf böse noch gute Worte was gäbe / und würde ihr kein Mensch unter der Sonne Catumern in /und den Zeno aus ihrem Hertzen bringen. Es wäre aber zu wünschen: daß diese Hartnäckigkeit und seine Verachtung ihre grösten Laster wären; so aber könte er nicht ohne Schrecken verschweigen: daß Ismene alle Druyden als ungerechte Leute verworffen / und ihnen die Gewalt den Frommen den Himmel auf / die Boßhaften vom Gottes-Dienste auszuschlüssen / und ihre Seelen zur ewigen Pein zu verweisen / abgesprochen hätte. Hierdurch würffe sie theils die Unsterbligkeit der Seelen / theils die priesterliche Gewalt / als die zwey fürnehmsten Gründe ihres Gottes-Dienstes übern Hauffen; sie machte sich hierdurch zur Ketzerin / und würde sie erfahren: daß sie dadurch nicht einen Menschen / welcher empfangenes Unrecht leicht verschmertzen könte; sondern Gott / der ein strenger Rächer der Gottes-Lästerung wäre / beleidiget hätte. Der Feldherr erschrack hierüber nicht wenig; und ob er zwar wegen Ismenens Widersetzligkeit gegen sie ziemlich entrüstet war; so hatte er doch damit sein Bruderhertz nicht abgelegt. Ihre Tugenden / und sonderlich ihr im Gottes-Dienste iederzeit wahrgenommener Eiver liessen ihn auch schwerlich begreiffen /wie sie in ihrem Hertzen so verwerffliche Meynungen hegen / oder solche so lange hätte verbergen können. Die Ungestüme des Druys machte ihm auch seine Erzehlung verdächtig / und aus allem nahm er wahr: daß er diese Verrichtung einem allzu hitzigen Kopfe vertraut hätte. Welches letztere er auch dem Druys zu verstehen gab / und ihm sagte: Er hätte mit Ismenen /seiner Erzehlung nach / allzu feurig verfahren / und wäre das erste mal zu weit gegangen. Die Liebe wäre ein Kind der Zeit; sie wüchse wie der Monde nicht in einem Augenblicke / sondern nach und nach / und nähme auch also ab. Edle Gemüther liessen sich auch leichter mit Oel erweichen / als mit Schwefel und Feuer zerschmeltzen. Sonst traute er seiner Schwester keine so verda liche Meynung zu. Die Ungeduld lockte einem verwundeten Gemüthe offt ein unbedachtsames Wort aus; welches unverantwortlicher aufs ärgste gedeutet / als hervor gebracht würde. Jedoch wolte er sie hierüber in seiner Gegenwart rechtfertigen; er aber solte für der Zeit hiervon nicht viel Geschreyes / noch aus allem Holtze Pfeile machen. Alleine der Druys empfand ein neues Feuer der Rache: daß ihm in seiner Verrichtung Mängel ausgestellet werden wolten. Zu dem letztern aber wolte er sich nicht verstehen. Sintemal er ohne eigene Verunreinigung mit Ismenen keine Gemeinschafft mehr unterhalten könte. Den Feldherrn verdroß dieser Hochmuth nicht wenig; weil aber in Deutschland die Priester mehr Glauben und Ansehn / als die Fürsten / jene auch die Gewalt über Verbrechen zu erkennen und zu urtheilen haben; ja sie alleine selbst die Verurtheileten eigenhändig straffen / und weil sie für Werckzeuge Gottes gehalten werden / welche den Willen Gottes wüßten und ausübten / leicht bey denen zum Aberglauben geneigten Gemüthern ein grosses Feuer anzünden können / mässigte er seine [524] Empfindligkeit; ließ aber alsofort Ismenen für sich erfordern; welcher er ein sauerer Gesichte machte / als sein Gemüthe war / und hielt ihr ein und das andere beweglich für; stellte ihr auch die Gefahr / in die sie für der Druyden Richterstuhle besorglich verfallen würde / für Augen. Aber Ismene vertheidigte sich mit so grosser Hertzhaftigkeit / als sie mit Ehrerbietigkeit sich gegen dem Feldherrn demüthigte. Sie entschuldigte mit Thränen: daß sie aus einem geheimen Triebe des Verhängnüsses den Zeno zu lieben begonnen; sie würde aber niemals so vermessen seyn / ihn ohne Einwilligung des Feldherrn / als ihres andern Vatern / zu ehligen. Dem Fürsten Catumer verehrte sie seiner Tugend halber mehr / als vielleicht kein ander Frauenzimmer; sie wolte ihm wol / und wünschte ihm als ihrem Freunde den Himmel zuzuneigen / aber es wäre ihr leid / und sie könte nicht darfür: daß es ihn zu lieben ihr unmöglich wäre. Sie traute aber dem gerechten Himmel zu; er würde durch einen merckwürdigen Ausschlag an Tag geben: daß die Hindernüs der Cattischen Heyrath von seinem allerweisesten Schlusse / nicht von ihrer Hartnäckigkeit herrührte. Hierauf erzehlte sie alles aufrichtig / was sie mit dem Druys geredet; was für Worte er ihr abgenöthigt / mit was für Beding-und Umbschrenckung sie solche vorgebracht hätte. Ihr wäre die Gewalt und die Strengigkeit ihrer Gerichte wol bekandt; aber sie hätte in ihrem Gewissen einen ihr unentfallenden Zeugen / und bey dem betrübtesten Ausschlage die süsseste Verzuckerung der bittersten Wermuth / nemlich die Unschuld / und die Hoffnung: daß das Unrecht / welches einem auf der Erden angethan wird / ihm im Stande der Unsterbligkeit zu eitel Ehre gedeye; ja daß der / welcher einem andern mit dem Fusse aufs Haupt trit / insgemein des Unterdrückten Gnade noch in diesem Leben bedörffe. Wolte dieser hochmüthige Druys durch Stürtzung einer Cheruskischen Fürstin an ihr seinen Muth kühlen / oder vielmehr der Geistlichen Gewalt eine in die Welt leuchtende Fackel aufstellen; würde sie ihre Sanfftmuth zwar leicht bereden / solches ihm zu vergeben; aber GOtt würde es mit einer desto strengern Vergeltung rächen. Dieses redete sie mit einer so nachdrücklichen Bewegung: daß des Feldherrn voriger Eyver sich nun in Mitleiden verwandelte. Weil er nun besorgte: es dörffte über Ismenen ein trübes Wetter aufziehen / schrieb er noch selbigen Tag an den obersten Priester Libys: daß er von bevorstehender Versammlung der Druyden ja nicht außen bleiben möchte. Durch dessen Vernunfft und Bescheidenheit er alle Widerwärtigkeiten abzulehnen oder zu überwinden getraute. Ismene war kaum in ihr Zimmer kommen / als ihr durch einen Edelmann des Rhemetalces folgendes Schreiben wegen des Fürsten Zeno eingehändigt ward: Ich bin befehlicht / noch vor der Sonnen Untergange Mattium / und in dreyen Tagen Deutschland zu räumen; Mein Verbrechen kan schwerlich was anders seyn / denn daß ich sie / als die Sonne Deutschlandes angebetet / und für meinen Glücks-Stern erwehlet. Gleichwol werde ich diese Sünde nimmermehr bereuen / vielmehr aber nach Art der Mohren so wol der für ihnen verborgenen als der über ihrer Scheitel stehenden Sonne opffern. Wenn ich mich versichert weiß: daß sie an meiner unausleschlichen Liebe niemals zweifeln / und nebst einem wenigen Wolwollen nur mein Gedächtnüs behalten werde / so traue ich mir noch zu / die nach ihrer Entfernung mir nur noch übrige Nacht meines Lebens /und alle andere finstere Unglücks-Wolcken noch zu überstehen. Ich leiste gleich meinem Unglücke Gehorsam; weil es gefährlicher ist Herrschern / als der Natur widerstreben; und wünsche der unvergleichlichen Ismene: daß alle Sternen ihr Ehre und Vergnügung / alle Ströme ihr Seegen und Uberfluß [525] zuflößen /alle Winde ihr annehmliche Zeitungen zutragen mögen; wormit ich sie / wenn die Götter mich jemals mit ihrem wiedersehen würdigtẽ / für die oberste Beherrscherin Deutschlands verehren müsse. Ismenen war noch nie was empfindlichers begegnet. Des Zeno Abschied kam ihr als eine Trennung des Leibes von der Seele für. Sie erstarrete: daß sie weder Mund noch andere Glieder rühren konte. Endlich verwandelte sich ihre Bestürtzung in eine Wehmuth; also daß sie so viel milde Thränen auf den empfangenen Brief fallen ließ / als darinnen Buchstaben waren. Mit genauer Noth kunte sie sich erholen / den Edelmann zu fragen / wenn und wo er das Schreiben vom Zeno empfangen? dieser antwortete; Es wäre noch keine Stunde /daß es ihm der mit seinem Herrn dem Fürsten Rhemetalces aus der Stadt reitende Zeno / und noch ferner dis zu berichten anvertraut hätte: Ihm wäre anfangs dieser Befehl im Nahmen des Feldherrn / unter des Fürsten Adgandesters Hand zukommen / nach etlichen Stunden wäre ein gleichmäßiger vom Hertzog Arpus gefolget. Rhemetalces hätte auch an dem Cattischen Hofe ausgespüret: daß den letztern Befehl Adgandester ebenfalls ausgewürcket / und dem Hertzoge Arpus fürgebildet hätte: daß die Anwesenheit des Zeno alleine Ursache gewest wäre an der Kaltsinnigkeit Ismenens gegen den Fürsten Catumer / und an verzügertem Beylager. Also hätte der Feldherr durch nichts bessers / als durch Verschreibung des Zeno sein Mißfallen zu erweisen / und der Sache zu rathen gewüst. Dieses hätte Rhemetalces dem Zeno alles eröffnet. Flavius wäre darzu kommen / hätte hierüber grossen Unwillen bezeuget / und ihn in seinen Schutz zu nehmen sich erboten. Aber Zeno hätte diese Wolthat anzunehmen dancknehmig sich entschuldigt / und eingewendet: Er würde sich der so viel Zeit genossenen Beherbergung unwürdig machen / wenn er zwischen zweyen so ruhmwürdigen Brüdern zu einigem Unvernehmen Anlaß geben solte. Er wolle der Zeit und dem Verhängnüsse sich unterwerffen; die Hoffnung aber nicht verlieren / in dem angenehmen Deutschlande seine Vergnügung wieder zu finden. Ismenen gab jedes Wort dieser Erzehlung einen Stein ins Hertze; sie schlug die Hände über ihrem Haupte zusammen / und thät desthalben / daß auch Hertzog Arpus den Zeno aus dem Lande verbannet hätte / so kläglich: daß es einen Stich / wie vielmehr aber den Uberbringer dieser traurigen Zeitung / und die gleich ins Zimmer kommende Königin Erato / und Zirolanen hätte erbarmen müssen. Beyde wusten noch nichts von des Zeno Verstoßung; sondern bildeten ihnen ein: Ismene wäre wegen besorglichen Zwanges zu der Cattischen Heyrath in solcher Gemüths-Verwirrung; so bald aber Rhemetalcens Edelmann ihnen die Ursache / und der Erato vom Zeno ein Scheiben einhändigte /verfiel diese in eben so grosse Ungebehrdung; und nach vielem Wehklagen stieß sie diese Worte heraus: Straffet mich! nicht den Zeno / ihr gerechten Götter! ich bin der erste Zunder / der in dem Hertzen des Flavius gefangen / und die Flamme gezeuget hat / welche die Kette unsers so heiligen Bündnüsses zerschmeltzet hat. Ja ich empfinde schon die Quaal in meinem Hertzen / und den fressenden Wurm in meinem Gewissen: daß ich meiner ersten Treue habe vergessen /und aus ihren ausgeleschten Kohlen einem andern ein Opffer-Feuer seiner unzuläßlichen Liebe bereiten können. Lasset mich meinem Zeno folgen! ehe man mich auch mit Spott und Schmach aus dem Lande jagt. Ismene fiel ein: Ist dis ein Beyspiel der von den Deutschen in der gantzen Welt berühmten Gast-Freyheit? Oder stehet diese Tugend nur gemeinen Leuten an: daß sie alle Frembden freundlich aufzunehmen /aufs beste zu unterhalten / zum Nachbar zu begleiten /sie als heilige Leute für allem Unrecht beschirmen /[526] und sie zu beleidigen / oder ihnen nur ihr Dach zu versagen für ärgstes Laster halten? Ist die widrige wilde Unart aber ein kluger Staatsstreich der deutschen Fürsten? Werden die Spartaner und Serer nicht von aller Welt gescholten: daß sie Frembden in ihre Stadt und Land die Einkunfft so schwer machen? Was werden denn andere Völcker von Deutschen urtheilen: daß sie angenommene Gäste / fürtrefliche Helden unverhörter Sache so schimpflich verstossen / und ihnen Lufft und Wasser verbieten? Die Römer reichen denen ankommenden und wegziehenden Gästen die Hand; die Persen den Mund; und fast alle Völcker lassen sie mit einem Abschieds-Truncke / mit Speisen auf den Weg / mit Gelde / mit Gedächtnüs-Geschirren / und mit einem besondern Merckmale des gernesehens und gewünschten Wiederkommens von sich. Wir aber leider! versagen ihnen Laub und Graß! Wird man uns Deutsche nicht den Hesperiern vergleichen /die ihre geschlachteten Gäste verspeisen? Oder dem Phrygischen Ungeheuer Celänas / der die an sich und zu seiner Erndte gelockte Frembdlinge des Nachts enthauptete. Was hat Zeno verbrochen? durch was für ein Laster hat er das bey allen Völckern eingeführte Gastrecht verschertzet? Hat er aus feindlichem Gemüthe die Geheimnüsse Deutschlandes ausgespüret? Hat er jemanden an Ehre / Gut oder Leben den geringsten Schaden zugefügt? Nein sicher! Warum brennet man ihm nicht gar / wie König Philip einem solchen undankbaren Gaste gethan / Schandmale an die Stirne? Seine Feinde und Verläumbder / und der boßhaffte Adgandester werden hiervon keinen Sonnenstaub aufzubringen wissen. Sein keiner Vertheidigung fähig gewesenes Laster ist: daß er Ismenen und sie den Zeno geliebet. Höre und räche es! du gewaltige Liebe; daß man dich / die du die Erhalterin der gantzen Welt bist / in Mattium als ein so schweres Laster verda et! Hielten es die Babylonier nicht für Ehre / wenn sie der Liebe ihrer Gäste fähig wurden? Schämen sich doch in Morgenländern der Könige Töchter nicht ihren Gästen die Füsse zu waschen. Ward es des Königs Nannus Tochter Gyptis nicht mehr zum guten als argen ausgedeutet / als sie den Griechen Protis allen Galliern fürzoh / und ihn zum Manne erkiesete? Wo bleibet aber deine so beschriehene Freyheit / O Deutschland? Unglückseelige Ismene! hochbeleidigter Zeno! die Wehmuth hemmete Ismenen die Zunge / daß sie nicht mehr reden konte; und Erato zerfloß gleichsam in Thränen; also daß Zirolane an beyden die gantze Nacht genung zu trösten hatte. Der Königin hielt sie ein: sie wäre in den Zufällen der Liebe / in Abwechselung des Glückes so erfahren: daß sie sich wunderte / wie was neues ihr könte so seltzam / oder so gar empfindlich fürkommen. Sie hätte zwar als eine Unerfahrne Bedencken /ihr hierinnen was einzureden. Denn die Erfahrenheit redete nachdrücklicher / als der beste Redner der Welt; Nichts desto weniger nöthigte sie das Mitleiden ihr Erinnerung zu thun: daß sie wider sich selbst grausam wäre; indem sie ihre veränderte Liebe verdammte / da es noch keinem Menschen wäre in Sinn kommen / sie destwegen anzuklagen. Jedermann müste gestehen: daß die Abwechselung ihrer Liebe nicht von Leichtsinnigkeit ihres Gemüthes / sondern vom Triebe des Verhängnüsses herrührte; dessen Ursachen allezeit wichtig / und zwar anfangs geheim wären / endlich aber aus Tagelicht kämen; und so denn müste unsere thörichte Vernunfft ihrer eigenen Blindheit lachen; und dis / was wir vorher bitterlich beweinet / wo nicht gar verflucht hätten / für Werckzeuge unsers Glückes preisen. Sie solle wol behertzigen / wie sie durch diese Ungedult des Zeno Kummer vergrössern / den Flavius aber in Argwohn einer seichten und wanckelbaren Liebe versätzen würde; also ihr Thun mit Vernunfft / und ihr Hertze [527] mit Großmüthigkeit fassen. Ismenen aber hielt sie für: sie wäre in einem grossen Irrthume / wenn sie ihr einbildete, der Himmel der Liebe bliebe allezeit heiter / und würde mit keinen Betrübnüs-Wolcken umbhüllet: Es regnete nicht immer Rosen / sondern vielmal schneyete es Dornen und Hagel; Alleine eben diese Abwechselung wäre am Himmel die Ursache seiner beliebten Schönheit / und in der Liebe ihrer so durchdringenden Süssigkeit. Das Meer hätte niemahls eine beliebtere Gestalt / als wenn es beym Sturme Silber und Perlen schäumte; und die Liebe / welcher Mutter destwegen aus dem Meere entsprossen zu seyn getichtet würde / wäre in Anfechtungen am herrlichsten. Dahero / wie auf der See die Artzneyen bey den Schiffenden nichts würckten / wenn sie derselben nicht zweymal so viel als sonst zu Lande genüßen; also müsten Liebhaber auch das Aloe des Unglücks in vergrössertem Gewichte verdeyen können / und sich nur bescheiden: daß die Widerwärtigkeit das rechte Saltz der Liebe sey. Ohne Müh überko ene und in Ruh besessene Güter wären bey weitem nicht so angenehm /als die uns anfangs viel Schweiß / hernach viel Sorge zu erhalten gekostet. Gefahr und Angst gäben nicht weniger als die Seltzamkeit vielen Dingen einen höhern Preiß. Die Liebe hörete auf Liebe zu seyn / wenn man sie entwaffnete / und ihr die Pfeile zerbräche /aus Furcht sich darein nicht zu stechen. Also darf sich Ismene keine Liebhaberin rühmen / wenn sie zu zärtlich ist ein und andere Bekümmernüsse zu verschmertzen / welche uns zwar eine zeitlang das Leben versaltzen / hernach aber die Liebe desto kräftiger einzuckerten. Bilde dir nicht ein: daß weil die Liebe im weichen und kein hartes Bein habenden Hertzen wohnet / auf weichen Wangen und zarten Brüsten spielet; sie destwegen ein Weichling sey. Sie muß offt über entfleischte Beine / kahle Hirnschädel und glüende Kohlen wandern. Keine Liebe hat jemal eine vollkommene Vergnügung / und den Preiß einer Tugend erlangt / die nicht wie die Rosen auf dörnrichten Stöcken gewachsen. Viel süsse Gewächse werden mit stachlichten Blättern verdeckt. Lasse deine Unschuld in dir keine Wehmuth gebähren / sondern brauche sie vielmehr zum Ancker deiner Hoffnung. Herbergen doch die Bienen / welche aus Thau und Saffte der Blumen das nützliche Honig bereiten / in harten Eichen / die holden Turtel-Tauben in Steinklippen; da hingegen Raben und Geyer ihnen von Stroh und Federn weiche Bette bereiten. Jene saugen nicht immer an süssem Klee und Rosen / sondern sie kriechen auch über Dornen / speisen sich an bittern und stachlichten Kräutern. Was soll denn ihr und uns die Natur was besonders machen? die Liebe würde von der Wollust wenig entfernet seyn / wenn sie stets unter einem Sonnenschirme und auf Rosen gehen wolte. Niemals aber käme sie der Tugend näher / als wenn sie baarfüßig über heissen Sand und scharffe Felsen wandern / auf harter Erde liegen / des Nachts sie Regen / Wind und Reif zerweichen / des Tages sich Staub und Hitze stechen lassen / Pantzer und Harnisch tragen / Schild und Waffen ergreiffen / in Ketten liegen / ihr die Augen ausreissen / und wider Neid /Verläumbdung / Eyversucht / Geilheit / Mißtrauen /Unglück und hundert andere Feinde bis auf den Tod kämpffen müste. Also wäre dis / was Ismenen begegnete / nur noch Kinderspiel; was dem Zeno widerführe / ein gemeiner Zufall. Die Gewogenheit der Herrscher nehme mit dem Mohnden ab und zu / und offt müsten sie einem weh thun / den sie liebten / einem andern Pflaumen streichen / dem sie von Hertzen gram wären. Das Rad des Hofes aber verdrehte sich leicht / und wären ihrer nicht wenig mit Siegs-Gepränge eingeholet worden / die man vor zum Thore hinaus gestossen. Alles dis benehme auch nichts mehr der Ehre und Würde ihres Zeno / als der Staub schönen Gemählden / derer Bilder er [528] zwar eine Zeitlang verdeckt / aber sie weder frißt noch verwischet. Diesemnach würde Ismene durch ihre ungerechte Ungedult das Verhängnüs nur erherben: daß es ihr noch viel bitterer Colochinten in den Becher der Liebe einzuschencken gereitzt würde. Mit diesen / und andern beweglichen Zureden / brachte es Zirolane ja endlich gegen Morgen dahin: daß Ismene an den Fürsten Zeno folgendes schrieb: Ich bin ohne ihn / liebster Zeno / außer mir; also weiß ich nicht was ich schreiben soll. Höre die nicht auf zu lieben / die durch dich allein lebet / und ehe zu leben / als dich zu lieben aufhören wird. Deine Abwesenheit wird mich zwar aller Freuden berauben / aber meiner Liebe den geringsten Abbruch thun; sondern vielmehr / wie die am fernesten vom Mohnde stehende Sonne sein Licht /sie ihr Wesen vergrössern. Der Himmel hat dich zweifelsfrey uns beyden zum besten auf eine zeitlang von hier entrissen / daß weder du ein trauriger Zuschauer meiner Anfechtungẽ seyn; noch ich / in Anmerckung deines Betrübnüsses / zweyfaches Leiden empfinden möge. Lebe wol! meine Seele! und gedencke: daß niemals kein so grausames Ungewitter gewest sey / nach welchem nicht die Sonne geschienen habe. Die Königin Erato schrieb auf Zirolanens Gutbefinden nur diese Zeilen darunter: Unser Leben ist eine Uhr; du die Sonne; die Liebe der Zeiger / und ich der Schatten gewest. Mit dieser Ehre habe ich mich vergnügt; werde auch bis in Schatten des Todes dieses verbleiben; insonderheit aber bey deiner Ismene /so lange sie deines Lichtes entpehren wird / durch mich als deinen Schatten dein süsses Gedächtnüs zu erhalten / bemühet seyn. Lebe wol! und lasse uns beyde in unserem Betrübnüsse niemals aus dem Gedächtnüsse / wie die Sonne die zwey denen finstern Ländern leuchtende Angelsterne aus ihrem Gesichte. Hiermit fertigten sie den Edelmann ab / mit welchem Zeno verlassen hatte: daß er ihn in den Uberbleibungen der vom Drusus auf dem Berge Taunus gebauten /und von den Deutschen eingeäscherten Festung antreffen würde. Zirolane schrieb zugleich an Rhemetalcen: daß er dem Fürsten Zeno mit Troste und gutem Rathe an der Hand stehen / aber seines Traumes / daß er in dem Lande der Marsinger am Oderstrome einen Schatz auszugraben hätte / nicht vergessen solte. Hingegen war der Cattische Hof über vernommener Widersätzligkeit Ismenens nicht wenig unruhig: noch vielmehr aber / als selbter vernahm: daß Ismene einen Druys / der ihr solcher Heyrath halber hätte einreden wollen / so schimpflich abgefertigt hätte; daß deßwegen nicht nur aus deutschen Landen / sondern auch aus dem Carnutischen Gallien viel Druyden zusammen verschrieben würden. Die Erzehlung des beleidigten Druys / das Urthel des Pöfels / und das Geschrey / welche / wie das Auge in die Ferne alles verkleinert / alle kleine Dinge vergrössern / hatten alles viel ärger gemacht / als es war. Und weil ohne dis die Käntnüs der Warheit zu den Ohren der Fürsten / eben so wol als ihre Einkommen zu ihren Schatz-Kasten niemals ohne Verminderung kommen; so war kein Wunder: daß Hertzog Arpus darüber nachdencklich ward / und mit allerhand Entschlüßungen zu Rathe gieng; hingegen aber kehrte der Feldherr alle mögliche Mittel für / dem Cattischen Hertzoge alle ungleiche Nachrichten auszureden; insonderheit aber allen Argwohn zu benehmen: daß das Cheruskische Hauß hinter Ismenens Widerspenstigkeit steckte / und den Catumer verächtlich hielte. Thußnelde hatte auch mit der Hertzogin Erdmuth niemals schöner gethan / als itzt / ja sie mühte sich umb das gute Verständnüs der beyden Fürstlichen Häuser zu erhalten / ihre angebohrne Holdseeligkeit noch zu überwinden. Denn ob zwar die Catten keine äuserliche Merkmale ihres Unwillens noch spüren ließen; so war dem Cheruskischen Hause diese Verstellung nur desto verdächtiger. Sintemal das Thun [529] der Herrscher ins gemein ein ander Gesichte macht / als die innerliche Gestalt ist. Auch ware so wol der Feldherr als seine Gemahlin destwegen so viel mehr sorgfältig; weil sie wol wusten: daß die Geringschätzigkeit großmüthige Fürsten bis in die Seele beisse; die Catten auch weder an Alterthum noch Macht den Cheruskern was nachgeben; und daher zwischen diesen zweyen Völckern fast unaufhörliche Kriege gewesen / also der Feldherr die alte Wunde der Eyversucht mehr verbunden als geheilet hatte. Adgandester / als der führnehmste Werckzeug aller Unterhandlungen / spielete hierbey meisterlich unter dem Hute / und es seinem Bedüncken nach dahin: daß Zeno und Catumer von Ismenen zwey Muschel-Schalen; er aber alleine die Perle zur Beute bekommen solte. Maßen er es denn schon so weit gebracht hatte: daß nicht nur sein Neben-Buhler Zeno das Land räumen müssen; sondern auch der Graf von Catten-Ellenbogen im geheimen Rathe gegen dem Hertzog Arpus aufwarf: Ob es ohne Verkleinerung der Catten geschehen könte: daß wenn schon Hertzog Herrmann seine Schwester auf einen bessern Sinn brächte / Catumer sie heyrathete? Nichts weniger spielte er mit denen Druyden unter der Decke / nicht zwar in Meinung ihren gäntzlichẽ Untergang zu befördern; sondern nur sie ins Gedrange und in Noth zu bringen; daß sie seiner Hülffe von nöthen hätte. Denn weil Ismene sich zu hoch dünckte / ihn zu lieben /wäre kein ander Mittel ihrer Liebe fähig zu werden /als daß er sie vorher durch den gewaltigen Arm der Druyden erniedrigte. Bey so schlauen Anstalten blähte sich sein Gemüthe von grosser Hoffnung auf: daß wenn diese das Wasser Ismenen am ärgsten getrübt haben würden / er sie durch seine Verschlagenheit heraus fischen wolte. Ja er bediente sich aller aberglaubischen Mittel / durch welche er die Gewogenheit Ismenens sich zu erwerben bedüncken oder bereden ließ. Unter andern ließ er seinen Nahmen beym Neumonden in gewisse Küchel Kräuter stechen / und den Vollmonden hernach abschneiden: daß solche alsdenn auf Ismenens Tische verspeiset wurden. Er mischte sein Blut in das Hüneraß / durch welches die für sie aufgehobenen gemästet wurden. Er verfügte sich im Vollmonden zu einem Schlangen-Beschwerer / welcher ihrer umb Mitternacht in einem Eichwalde eine unzehlbare Menge zusammen zauberte. Diese bließen unter einem erschrecklichen Zischen / für dem Adgandestern die Haare zu Berge stiegen / aus ihrem gifftigen Speichel ein Ey zusa en; welches / so bald es in die Lufft empor kam / von dem darauf lauernden Druys erwischet / dem zu Pferd sitzenden Adgandester zugeworffen ward; wormit er spornstreichs für den ihn verfolgenden sämtlichen Schlangen davon rennte / und nicht ehe zur Ruhe kam / als bis er durch den Lahnstrom gesätzt hatte. Dieses Zauber-Ey solte die Krafft haben einem aller Fürsten und Frauenzimmer Liebe zu erwerben. Weil der Aberglauben aber selten ohne Mißtrauen ist; opfferte er zu der Zeit / als der Hunds-Stern aufgieng / und weder Sonne noch Monde über der Erde stand / der Erde Bohnen und Honig; umbgrub hernach eine Staude Farren-Kraut mit ungenütztem Eisen / und rieß selbtes mit der lincken Hand vollends heraus. Welch Kraut so denn aller Menschen Freundschafft zu wege bringen / und allen Kranckheiten helffen soll. Der einige Fürst Catumer und Adelmunde schöpfften ins geheim aus denen Schwerigkeiten der Ismenischen Heyrath eine unschuldige Vergnüg- und Hoffnung / daß hierdurch der Hi el ihrer Liebe einen Weg zu einer vollkommenen Genüßung bähnete. Also weinet selten jemand über etwas / darüber nicht ein ander lachet; und wie es in der Welt zu einerley Zeit an vielen Orten Sommer und Winter ist; so widrig wittert es auch jederzeit in Gemüthern der Menschen. Alleine diese Regungen musten sie im verborgenen ihres Hertzen verkochen /wie [530] etliche Berge das Feuer in ihren Eingeweiden verglimmen lassen. Der Druyden Eyver aber ward je länger je mehr sichtbar; derer sich nunmehr über dreyhundert / theils aus Deutschland / theils aus dem Carnutischen Gallien an der Weser / in einem grossen Eich-Walde eingefunden hatten. Dieser Wald war in Deutschland / wie die Carnutische Gräntze in Gallien / von Alters her zu dem hohen Gerichte der Druyden gewidmet. Ehe noch ihr oberster Priester Libys zu Mattium ankam / fertigten sie eine Gesandschafft an den Feldherrn / und an Hertzog Arpus ab / durch welche sie beyden eröffneten: es wäre die Fürstin Ismene beschuldigt: daß sie nicht nur wider die Würde und die Macht des heiligen Priesterthums geredet hätte; sondern daß sie auch von dem Grunde des uralten Gottesdienstes in Deutschland / welche Thuiscon allen seinen Nachko en so fleißig eingebunden / und darauf die Erhaltung der Freyheit gegründet hätte /abgewichen wäre; also erforderte die Ehre Gottes /das gemeine Heil / ihr Gewissen und Pflicht / ein heiliges Gerichte zu hegen / der Gerechtigkeit ein Genügen zu thun / und zu hindern: daß auf allen Fall solch Gift nicht andere mehr ansteckte. Denn weil das menschliche Gemüthe nicht weniger zu neuen Irrthümern / als alle schwere Dinge den Hang gegen der Erde hätten / wäre die Ketzerey anfälliger als die Pest. Hertzog Arpus / weil er dem Eubagischen Gottesdienste zugethan war / beantwortete sie: Es wäre ihnen unverwehrt / an denen ihnen zustehenden Orten nach ihren Gesätzen zu leben; denn er hätte an die Fürstin Ismene kein Recht. Der Feldherr bescheidete sie: Ismene wäre zwar seine Schwester / aber die Gemeinschafft der Gottesfürchtigen seine Mutter / und der Gottesdienst sein Leitstern. Also begehrte er wider diese seine Schwester nicht zu vertheidigen / noch in ihr Gerichte Eingrief zu thun; Er erinnerte sie aber /als ihr Fürst: daß die Gerechtigkeit der andere Pfeiler der Reiche / eine Seele des gemeinen Wesens / ja ihre Ausübung ein Theil des Gottesdienstes wäre; dadurch der Menschen Gut / Ehre und Blut / eben so wol GOtt dis / was ihm zustünde / gegeben würde / und dahero die Gerechtigkeit auch dem Hi el ein süsserer Geruch / als alle Opffer der Farren / alle Rauchwercke von Weyrauch und Zimmet wäre. Und so wol in Deutschland von den Druyden / als zu Delphis / einerley Messer zu Abschlachtung der Opffer-Thiere und verda ter Menschen gebraucht würde. Die Menschen kämen durch nichts GOtt näher / als durch die Gerechtigkeit / und könten sich durch nichts von ihm mehr entfernen / als durch Ungerechtigkeit. Ein Richter wäre ein Stadthalter Gottes; ohne Gerechtigkeit aber nichts besser / als ein ausgetrockneter Fluß ohne Wasser. Nach geno enen Abschiede schickten sie Ismenen ein einiges Blat von einer Wispel zu / darauf war der Tag des nechst-folgenden Neumonden mit Röthe / in einen solchen fünfeckichten Stern / den man einen Druyden-Fuß nennet / geschrieben. Dieses war die allerschärfste Erforderungs-Art; also daß wer der nicht gehorsamte / seines Lebens verlustig erkennet ward. Ismene hatte ihr bisher noch i er eingebildet: daß die Druyden wider sie so ferne nicht verfahren würden; nunmehr aber stieg es ihr gleichwol nicht wenig zu Hertzen; daß sie als eine Fürstin von so hohem Geblüte / für den Augen gantz Deutschlandes /als eine Gottes-Verächterin verklagt und geurtheilet werden solte. Sintemal selbten auch die reineste Unschuld das Geblüte nicht derogestalt eintä en / und die Geister so stärcken kan: daß jenes im Hertzen nicht aufwalle / und das Antlitz mit Schamröthe überströme; diese aber nichts kleinmüthiges blicken lassen / weñ hundert tausend Augen auf ein Gesichte ihre Strahlen zusa en schüßen / der jeder selbtem das innerste der Seele ausspüren wil. Sie erholete sich aber /so bald sie sich erinnerte: daß der Hi el selbst über der Unschuld Hand hielte; bereitete sich also dahin zu reisen / ohne [531] einigen Menschen anzusprechen / der sie begleiten solte. Theils weil ohne dis bey denen Deutschen in Gerichten kein Vorredner verstattet / noch andere Zierligkeiten beobachtet werden / theils weil sie in Sorgen stund: daß niemand gerne in derselben Gemeinschafft würde seyn / und sich allem Volcke zeigen wollen / welche von der Gemeinschafft des Gottesdienstes ausgeschlossen werden wolte. Erato konte diese Hertzhafftigkeit Ismenens nicht begreiffen / fragte sie also: auf wen sie sich denn so sehr verließe / nach dem sie keinen Menschen zum Beystande verlangte? Ismene antwortete: wer sein Gewissen zum Zeugen / GOtt zum Helffer hätte / dürffte keinen Menschen zum Beystande. Das Vertrauen auf Men schen gleichte dem stillstehenden Wasser / welches man mit vielem Künsteln und Unkosten durch Röhre an durstige Oerter führen müste. Das Vertrauen auf GOtt wäre dem Regen-Wasser des Hi els gleich /welches von sich selbst aus den fruchtbaren Wolcken sanffte und doch durchdringend allenthalben hintröpfelte. Die Andacht aber ist / das wunderwürdige Wasser-Geleite der Seele. So tief unsere Demuth das Gebete hinunter steigen läßt / so hoch und höher steiget es in der Wasser-Kunst der Thränen in die Höh. Diese wird mein Werckzeug / Gott auf meine Seite zu bringen / GOtt aber allen meinen Feinden gewachsen seyn. Gleichwol aber erboten sich Erato und Zirolane selbst an / sie zu begleiten. Sie nam vom Feldherrn /Thußnelden / Adelmunden / der Hertzogin Erdmuth /Catta / und andern in Person so freudigen Abschied /als wenn sie zu ihrem Hochzeit-Feyer verreisen solte. Also jedermann ihr an der Stirn ansah / daß das Vertrauen auf Gott das rechte Hertze der Seele wäre. Dahingegen das sie gesegnende Frauenzimmer sie mit viel Thränen von sich ließ. Dem Hertzoge Arpus ließ sie durch den Graf Effren sich bestens empfehlen /und ihn versichern: GOtt würde ihr aus ihrer Verläumbdung so rühmlich helffen: daß es dem Cattischen Hause nicht würde verkleinerlich seyn / wenn gleich alle Welt erfahren würde: daß Ismene einst im Vorschlage gewest wäre / einen so tapferen Fürsten als Catumer wäre / zu heyrathen. Sie hatte sich bey ihrem Aufbruche gantz weiß gekleidet / und ihr Haupt war niemals ohne einen Krantz von weissen Blumẽ; alle sie Bedienenden aber zohen roth auf. Zirolane fragte: aus was für Absehn sie ihren Aufzug auf so neue Art eingerichtet hätte? Welcher Ismene antwortete: durch die Kleidung ihrer Bedienten wolte sie ihre Richter erinnern: daß sie über Fürstlich Geblüte zu urtheilen hätten / durch ihre eigene; daß ihre Unschuld nicht unreiner / als der Druyden Heiligkeit wäre. Erato fügte bey: Es wäre auch in Morgenland die Röthe ein Merckmal des Adels / die weisse Farbe der Unschuld / der Gnade und der Keuschheit; als eine Kleidung der Priester Jungfrauen und der Pallas. Den dritten Tag kamen sie an die besti te Gegend; den Abend aber vorher begegnete ihnen eine Gräfin von Hohenstein / welche sie in ihr an den heiligen Eichwald anstossendes- und wolbestelltes Hauß einlud /und hernach wol bewirthete. Es war aber an diesen Ort aus halb Deutschland ein solcher Zulauff: daß der Wald in wenigen Tagen mit grossen Herren umlagert ward. Hertzog Arpus stellte selbst nicht ferne davon eine Jagt an / lud den Feldherrn und die andern Fürsten dazu / unter diesem Scheine entweder dem Gerichte unferne beyzuwohnen / oder doch alsbald dis /was dabey vorgienge / zu vernehmen. Am besti te Zeit fuhr Ismene mit der Erato / Zirolanen und der Gräfin von Hohenstein / bis an das Gräntzmal des heiligen Waldes; daselbst musten sie absteigen / ihre Haare loßflechten / und die Schuch / als das Sinnenbild fleischlicher Begierden und irrdischer Gedancken / ausziehen. Sintemal niemand als baarfüßig / und kein Thier in diesen Wald kommen dorffte; auch zu jedermanns Verwunderung das hierumb doch so häuffige Wild niemals die Gräntze überschritt. Daselbst waren auch schon einige Opfer-Diener bestellt / die sie durch das Gedränge des [532] Volckes zu dem Orte des Gerichtes leiteten / welcher rings herumb mit dreyfachen Schrancken umbgeben war. Sie musten aber bey dem ersten stehen bleiben. Sie kamen dahin / als es begunte finster zu werden; denn der Neu-Mond fiel erst eine Stunde in der Nacht ein; welches von den Druyden für gar glücklich gehalten wird / welche die Zeiten nicht nach Tagen / sondern nach den Nächten rechnen; weil die Welt aus der Nacht / und die Deutschen vom Dis oder Theuth entsprossen seyn sollen. So bald nun der oberste Priester mit schlagen in ein messenes Becken die Erscheinung des Neumonden andeutete / ward der Wald von viel tausend Lichtern erleuchtet; nichts desto weniger ward alles so stille: daß man gemeynt hätte / im gantzẽ Walde wäre kein Mutter-Mensch zugegẽ. Ja es rührete sich nicht ein Blat auf den Bäumen / denn die Druyden lehren wie Pythagoras: daß Gott eben so wohl durch heiliges Stillschweigen / welches gleichsam eine andächtige Verzuckung abgebe / als durch Gebete verehret würde. Also sahe man nicht ohne Schauern fünf hundert Druyden unter dreyen ungeheuren in meinem vollkommenen Drey-Eck stehenden Eichen unbeweglich sitzen. Sie waren die grösten im Walde / und /der Druyden Meynung nach / die gröstẽ in der Welt; alswelche mit der Welt selbst sollẽ entsprossen seyn. Ihre einander begegnenden Wurtzeln / standen nicht alleine sohoch über der Erden heraus: daß sie gar füglich darauf sitzen konten; sondern etliche beugten sich gar biß zu den Aesten empor: daß man darunter weggehen konte. Westwegen sie die Griechen auslachen /wenn sie die Grösse derer zwey vom Hercules bey Heraclea gepflantzten Eichen viel rühmen wollen. Alle drey Eichen waren häuffig mit Mispel bewachsen / von welchen die Druyden glauben: daß er als was Göttliches vom Himmel entsprosse / alle Kranckheiten heile / die Unfruchtbarkeit und alles Gifft vertreibe / und das Zeichen eines von Gott auserwehlten Baumes sey. An iedem Baume waren zwey Aeste gegen einander zum mitlern Gipfel gezogen / und daselbst zusammen gebunden. Am Gipfel stand mit Purpur-Farbe geschrieben: Thau. An dem Aste gegen Morgen: Hesus. Am mittlern Stamme: Thoramis. Am Aste gegen Abend: Belenos. Erato sahe alles dieses mit grosser Befrembdung an / also: daß sie einen von denen ausser den Gerichts-Schrancken neben ihr stehenden Druys anfangs / ob ihr etwas frey stünde zu erkundigen / mit linder Rührung ihrer Lippen / und als er es verjahete / wenn es nichts irrdisches wäre /fragte: Was diese Nahmen bedeuteten? Der Druys antwortete ihr: Es sind diß alles uhralte Celtische Worte / und bedeuten nichts anders als Gott. Wie denn auch das Wort Thau der oberste Priester der Druyden / wie der der Juden / zu gewisser Zeit an einem güldenen Stirn-Blate trägt. Die Britannier insonderheit halten das Wort Tharamis für den anständigsten Nahmen Gottes / und bedeuten damit den Schöpfer der Welt. Die Gallier halten für den heiligsten den Nahmen Hesus / und zielen eigentlich auf Gott den Herren der Heerscharen / den die Römer Mars / die Phönicier Esnum heissen. Die Noricher und Carner nennen Gott insgemein Belenos / dessen Kleid die Sonne / der Fuß-Schemel die Erde ist. Welchen die Assyrier Bel und Baal genennet / und unter diesem Nahmen an statt Gottes seinen Schatten / nemlich die Sonne angebetet haben. Warumb aber / sagte Erato / werden diese Göttliche Nahmen / wenn sie einen Gott bedeuten / in einer so wohl abgemässenen Drey-Eck mit einander vereinbaret / und durch ein Band zusammen geschlingt? Der Druys antwortete: Hierinnen stecket ein sehr tieffsinniges Geheimnüß.[533] Diese Nahmen deuten mit ihrem Dreyeck eine dreyeinige Gottheit an. Wie wir / daß unmöglich mehr als ein Gott seyn könne / aus vielen unumbstoßlichen Gründen behaupten; also ist dessen Drey-Einigkeit dem / der nur sein Hertze der Andacht / sein Auge der Vernunft / dem Lichte der Weißheit öffnet / leicht sichtbar. Denn wie Gottes Geschöpfe der Mensch ausser sich gewisse Gemächte fertigt / aus sich aber seines gleichen zeugt; also muß der allervollkommenste Gott / der als ein Künstler / ausser sich das grosse Welt-Gebäude aus nichts erschaffen / als ein allgemeiner Vater aus sich selbst seines gleichen / nemlich Gott zu Zeugen / nicht nur vermögend; sondern auch /weil diese Zeugungs-Art die alleredelste / und in Gott können / wollen / und thun / einerley und unzertrennlich sind / geneigt seyn; und also wahrhafft und würcklich von Ewigkeit her / ein göttlich Wesen zeugen. Gottes Liebe gegen irrdische Dinge ist aus derselben Erhaltung gleichsam mit den Händen zu greiffen; wie solte nun Gott seinem können nach /nicht seines gleichen zeugen / damit er etwas habe /was der Völle seiner unermäßlichen Liebe gemäß und würdig sey? Aus dem / daß Gott mit den Menschen /da sie noch nicht so böse waren / geredet / und verträulich umbgegangen / lässet sich seine Neigung zur Gemeinschafft schlüssen. Wer wolte aber so alber seyn / und ihm einbilden: daß er für Erschaffung der Welt in der auch nur mit der langen Schnure der Gedancken unermäßlichen Ewigkeit / in seiner Einsamkeit geblieben seyn solte? Wer wolte glauben: daß der so thätige Gott / dessen Auge niemals über den elendesten Menschen / über den geringsten Wurm schlummert; ohne dessen Vorbewust uns kein Haar vom Haupte fallen kan / der in der Welt alle Augenblicke neue Pflantzen / Thiere und Menschen zeuget /so viel tausendmal tausend Jahre ohne Thun in Müssiggang solle zubracht haben / ehe er in wenig Tagen der Welt Grund gelegt? Nichts in der Welt hat ein Wesen / Leben / Sinnen / oder Vernunfft; es zeuget seines gleichen / auch die / wie Gott / einzele Sonne doch die Strahlen ihr Bild / das sonst alles verzehrende Feuer die Wärmbde / ja iedwedes unfruchtbares Ding zum wenigsten im Spiegel sein Fürbild. Ob nun zwar der Mensch seines ihm eingeflößten Verstandes halber in der Welt ein Ebenbild Gottes ist / weil er unter allen irrdischen Dingen alleine Gott erkennen kan; so ist er doch nicht gezeugt aus seinem Wesen /sondern er hat nur in den zubereiteten Thon durch den Athem seiner Gnade ihm einen Funcken des hi lischen Lichtes eingeblasen. Also ist unglaublich: daß der reiche und vollkommene Gott nicht ein Ebenbild seines eigenen Wesens haben solte. Seine Freude /seine Vergnügung würde nicht ihre Vollkommenheit haben / welche in der Einsamkeit unmöglich zu finden ist. Wie die Sonne ihre Strahlen in sich selbst nicht einsencken kan / also auch nicht Liebe und Freunde. Also kan die Ergötzligkeit nur mit Gesellschafft sich vermählen. Welche Gesellschafft aber kan rechtschaffen angenehm seyn / wenn sie nicht von seines gleichen bestehet? Welche Liebe aber ist nicht unvollkommen / da man das geliebte nicht so sehr liebt / als sich selbst? Läßt sich aber wohl etwas vernünfftig auf diese Art lieben / als seines gleichẽ? Wie könte sich nun die göttliche Liebe in solcher Vollkommenheit auslassen / wenn Gott nicht seines gleichen zeugte? Ja ohne diese Zeugung würde der unerschöpflichen Wohlthätigkeit Gottes der allergrösseste Brunn verstopfet seyn. Gott hat in der Welt nichts geschaffen /was nicht zu was gut / und also wohlthätig seyn könne. Die Sterne flössen ihr fruchtbares Oel nicht nur in die Unter-Welt; die grossen Pflantzen und Thiere bringen nicht nur ihr Gewächse und Kefer; sondern auch der Isop an der Wand / die Regen-Würmer das Geschmeisse / die Käfer die giftigen Kröten /die [534] todten Steine / und das Ertzt üben in der Natur ihre ihnen von Gott eingeflößte Wohlthätigkeit aus /und theilen sich andern zum Nutzen / und zur Vergnügung mit. Und der Brunn alles Guten der wohlthätige Gott solte sich alleine ihm selbst vorenthalten /und sich selbst niemanden mittheilen? Solte seine Wohlthätigkeit allererst mit der etwan vier tausend Jahr stehenden Welt den Anfang genommen haben? Nein sicher! Gott kan niemals gewest seyn / daß er nicht wohlthätig gewest wäre / denn er ist die Wohlthätigkeit selbst. Da aber für Erschaffung der Welt keine Geschöpfe gewest / welchen er hätte wohlthun können / so hat er nothwendig seine Wohlthätigkeit inner sich selbst ausüben müssen. Dieses aber hat nicht geschehen können / ohne eine ewige Zeugung /in und aus sich / welche aber nichts anders seyn können / als seines gleichen / nemlich eine ewige selbstständige Gottheit. Das höchste ist / welches / weil es das höchste ist / mittheilbar hat seyn / und also sich selbst einem mittheilen; und damit iemand diese Mittheilung hat empfangen können / seines gleichen dem Wesen und Willen nach / iedoch unbeschadet seiner unzertrennlichen Einigkeit / hat zeugen müssen. Denn die gebende Hand kan ja nicht zugleich schlechter dings seyn die empfangende. Gleichwol aber ist in Gott nichts zertheilbares / nichts ungleiches / nichts zeitliches / sondern alles eines / unermätzlich / ewig /und hat diese warhafte Zeugung weder Anfang noch Ende. Weil auch Gott in seinem Wesen eitel Verstand ist / hat die Zeugung auch nur durch solchen Verstand / und wie der Sonnen-Strahl von der Sonne / also die selbstständige Weißheit Gottes / von dem selbstständigen Verstande gezeuget / und wegen Gottes Unzertrennligkeit / nur einem das gantze Bild des Zeugenden eingedrücket werden können; welches wir / weil es die menschliche Zunge nicht besser aussprechen können / das Wort / die Weßheit / und den Sohn Gottes nennen. Demnach nun die Eigenschafft eines ieden Zeugenden ist: daß er diß liebe / was er zeuget / und des Gezeugten / daß er den Zeugenden liebt; so muß aus Gott dem Zeugenden / und aus Gott dem Gezeugten / etwas drittes gezeugt werden / nemlich die Liebe / welche aber / weil Gott aus sich selbst ihm nichts ungleiches zeugen kan / eben so wohl / als das / was allein der Zeugende zeugt / der selbstständige Gott /und weil Gott unzertrennlich / mit denen zwey Zeugenden einerley Wesen seyn / und in dem Zeugenden bleiben muß. Lasse dir biß nicht frembde fürkommen / und erinnere dich: daß dein Verstand in sich viel Gedancken zeuget diese aber zeugen vermittelst des Urthels den Willen; alles aber bleibet doch im Verstande / und kommet ausser ihm nicht. Weil nun Gott das allereinfältigste Wesen ist; so sind und bleiben diese drey eines. Es ist in ihnen wohl eine Ordnung / aber kein Vorzug oder Trennung; sondern alle drey sind ewig / unermäßlich / und nicht mehr / als dem Wesen / dem Verstande / und Willen nach / ein Gott. Kanst du es anderer Gestalt nicht fassen; so dencke: daß deine Seele nur ein einfaches Wesen / gleichwohl in ihr drey besondere Dinge / nemlich der Verstand / der Wille und das Gedächtnüß begrieffen sind; und daß auf diese Art deine Seele wo nicht ein Ebenbild / doch ein Schatten des dreyeinigen Gottes sey. Die Königin Erato ward über dieser Erzehlung gantz vergeistert /und fieng an: O welch eine Tieffe der Weißheit und des Verstandes! Wer kan seine von der schweren Eitelkeit angefeuchtete Flügel der Gedancken in solche alle Vernunfft übersteigende Höhe empor schwingen? Höre auf / weiser Druys / meine Einfalt mit so tieffsinnigen Lehren zu überschütten / oder vielmehr meinen albern Verstand zu erstecken. Mein Haupt schwindelt mir; meine Augen werden düstern; gleichwohl aber werde ich durch eine brennende Andacht zu diesem dreyeinigen Gotte entzücket: daß ich nicht[535] mehr in mir selbst bin. Der Druys fragte sie mit freudigen Geberden: Ist es wahr: daß dein Hertze eine solche Bewegung fühlt / und deine Seele einen solchen Zug empfindet? Erato antwortete: Es ist in alle Wege wahr. Aber meine Gedancken haben sich verstiegen: daß sie wie die nach den Gemsen kletternden keinen Rückweg wissen. Mein Verstand schwimmet auf einem unermäßlichen Meere / da ich nirgends kein Ufer sehe / und zu meiner Leitung keinen Compaß habe. O glückselige Seele! fieng der Druys weinende an; die du durch ein so geschwindes Licht der Göttlichen Barmhertzigkeit in einem Augenblicke so sehr erleuchtet worden bist / als ich durch funfzehn-jähriges Nachdencken kaum kommen bin. O glückselige Seele! die du von dem ersten Funcken deiner Erleuchtung durch das heilige Feuer der Andacht schon bist angezündet worden. Freue dich! daß du mit dem alleine wahrhaften dreyeinbaren Gotte vereinigt bist! denn eine solche brennende Andacht ist das rechte Band zwischen Gott und der Seele; und deine Verzuckung ist schon ein Vorschmack deiner künftigen Unsterbligkeit; da dein ietzt verdüsterter Verstand verkläret werden / und den unsichtbaren Gott allererst recht sehen wird; da deine Seele in einem Meere solcher Wollust schwimmen wird / aus welchem ein vertheilter einiger Tropfen allen Menschen für der Bitterkeit ihres Lebens einen heftigen Eckel erregen würde. Erato seufzete / und ließ sich bedüncken: daß sie in ihr Hertze vom Himmel einen so süssen Thau flüssen fühlte / welche alle Anmuth der Welt überträffe. Dahero sie auch sich nicht enthalten konte / ziemlich laut zu ruffen: Wie wird mir? ich vergehe für Wollust! Der Druys sahe sie nur an; weil er entweder für Freuden /oder für Wehmuth nicht reden konte. Seine Augen aber hatten sich in zwey Brunnen verwandelt / welche zwey häuffige Thrähnen-Ströme auf die zur Erden gesunckene Erato ausschütteten. Nach einer langen Weile kam Erato gleichsam aus einem Traume wieder zu sich selbst / und fieng an: Weisester Druys! Nimmermehr werde ich deinen Unterricht aus meinen Gedancken / und keines andern als des dreyeinigen Gottes Anbetung in mein Hertz kommen lassen. Aber /sage mir / wie es zugehe: daß diese heilsame Lehre in der Welt so seltzam und verborgen ist? Haben alleine die Druyden hiervon Wissenschafft? Hat kein ander Weiser der Welt dieses Geheimnüß erblicket? Der Druys antwortete ihr: Diese Sorgfalt hat mich lange Jahre gequälet / und ich habe nicht Ruhe gehabt / biß ich alle Bücher der Griechen und Britannier / die wir in unsern Schulen haben / durchblättert. Da ich denn wohl gesehen: daß Orpheus von dem wesentlichen Worte Gottes / welches Gott zu erst herfür gebracht /und die Welt erschaffen / gesungen habe. Hieraus hat man hernach die Zeugung Minervens aus dem Gehirne Jupiters auf die Bahn gebracht; Pherecydes hat gelehrt: daß als Gott die Welt schaffen wollen / habe er sich in die Liebe / welche der Anfang aller Dinge wäre / verwandelt; und Pythagoras schrieb solch Werck der Weißheit Gottes / und die höchste Vollkommenheit der dreyfachen Zahl zu. Zeno hat gelehrt: Das Wort sey Gott / und der Geist Jupiters. Socrates aber und Plato: Es wäre ein selbständiges Bild / ein Verstand Gottes / welchen Gott durch Erkäntnüß seiner selbst gezeuget. Durch solch Bild / durch solch allergöttlichstes Wort aber die Welt geschaffen hätte. Gott wäre die unsichtbare Sonne / und der Brunn des Guten / das Bild / der Verstand / und das Wort aber der Sohn des Guten durch dessen Mittheilung die Menschen sähen / iedoch wäre der Herr / als der Ursprung aller Dinge / und dieses Herren Vater nur eines. Uber das göttliche Gute / und den göttlichen Verstand lehrt Plato noch die Seele der Welt; zielet also wohl auf unsern dreyeinigen Gott; aber die [536] Griechen reden hiervon mit verborgenen Retzeln / und verstecken die Wahrheit hinter ihre Getichte; daß zwar ein Erleuchteter in ihren Schifften ein Licht findet; ein Unerleuchteter aber darinnen im finstern tappet. Weil aber Orpheus / Pherecydes / Pythagoras und Plato alles von den Egyptischen Priestern / wir aber von diesen keine Bücher haben / kam mich die Lust an / selbst dahin zu reisen / umb die Reinligkeit aus dem Brunnen zu schöpfen; denn ie weiter das Wasser und die Lehre vom Quelle entfernet ist / ie mehr haben beyde Beysatz. Ich bekam daselbst die Schrifften des weisen Zoroasters zu Gesichte / und fand darinnen: daß Gott der Vater alles gemacht / und seinem andern Verstande gegeben hätte auszutheilen / welchen das menschliche Geschlechte wie den ersten verehrte. Dieser göttliche Verstand habe alleine die Blume des Verstandes abgebrochen / aus dem Vermögen des Vaters / besitze also die Krafft des Verstandes und die Tugend den väterlichen Verstand dem Anfange und denen Brunnen der Dinge auszutheilen. Aus dem Verstande aber wäre die sich in Feuer kleidende Liebe entsprossen: daß sie zwischen ihnen ein brennendes Band wäre / und mit ihrer ausgebreiteten Wärmbde die Ströme der Brunnen milterte. Als ich mich aber bey meinem Lehrer über diese Tunckelheit beschwerte / legte er es mir derogestalt aus: Gott habe durch blosses Dencken gezeugt den Verstand / und den menschlichen Gemüthern eingesämet eine Gleichheit oder Bild dieses Verstandes / durch den blossen Willen aber wäre die Liebe allen Dingen zu ihrer Erhaltung eingeflößt worden. Nach diesem wieß man mich zu dreyen porphyrenen Säulen in Memphis /darein der dreymal grosse Hermes seine Lehre geschrieben / wenn ja seine Bücher durch Ergiessung des Nils verterbet würden. An der ersten Säule stand:Gott / welcher der Verstand / das Leben / das Licht / und beyden Geschlechtes ist / hat gebohren das Wort / welch Wort der Verstand und aller Dinge Schöpfer ist / und mit ihm noch einen / welcher ein feuriger Gott / und seine Gottheit Geist ist. Dieser Verstand / weil er alle Fruchtbarkeit in sich hat / hat das Wasser bebrütet / und es fruchtbar gemacht. Also ist er viel älter / als die wäßrichte Natur / welche aus dem Schattẽ entsprossen. An der andern war zu lesen: Gott und der Verstand sind nicht von sammen unterschieden. Beyder Vereinbarung ist die Vereinbarung des Lebens. Der Verstand ist der einige wahrhafte erst-gezeugte Sohn Gottes / von Gotte herkommend / unerschaffen / unendlich / ewig / unverän derlich / unverterblich / mit Gott eines / ihm gleich / und mit selbstständig. An der dritten war eingegraben: Gottes Geist ist dem Wollen Gottes /wie sein Werckzeug unterworffẽ. Dieser macht alles lebendig / er erfüllet alles / er ernähret die Seelen / wie die Welt die Leiber. Nichts kan dieses Geistes entpehren / denn er wärmet / beseelet alles / und aus seinem Brunnen entspringt die Hülffe aller Geister / und alles dessen was lebt. Durch ihn ist die Welt entsprossen / und er hat iedem Gestirne seinen Platz zugeeignet. An dem Fusse der erstern stand: Hilff mir / du Anfang aller Dinge; ich beschwere dich durch den Himmel das weise Gemächte des weisen Gottes. An der andern:[537] Ich beschwere dich Wort / welches der Schöpfer der Welt zum ersten fürbracht. An der dritten: Ich beschwere dich durch den alles in sich begreiffenden Vater / und durch sein eingebohrnes Wort! Endlich brachte ich bey meinem Lehrer mit vielen heissen Thränen zuwege / daß er mir in einer unterirrdischen Höle des grossen Serapischen Tempels die in Marmel eingegrabene Antwort zeigete / welche Serapis dein Könige Thuclis gab / als er fragte: Was für Könige für ihm in Egypten geherrscht hätten / und herrschen würden: Der erste Gott / hernach das Wort /und mit diesen der Geist. Alle diese sind einander verwand / und in eines eingewickelt. Seine Macht ist ewig. Fleuch! fleuch geschwinde von hier / o Sterblicher! der ist viel besser als du / der in Unwissenheit sein Leben führt. Die Königin Erato fiel nach seiner geendigten Erzehlung ein: O was ist diß für eine Finsternüß gegen deinem Lichte! Ich verstehe ja wohl etwas von ihrer Meynung / nach dem du vorher mein Leitstern gewest. Sie sagen zwar etwas; darzu aber ein grosser Glaube gehöret. Allein dein Lehren bestehet auf eitel Gründen; und du leitest die blinde Vernunfft bey der Hand / und führest sie zu dem Lichte /da Grieche und Egyptier im Schatten der Unwissenheit sitzen. Der Druys versetzte: Es ist wahr die klügsten Weltweisen vieler Völcker haben in etlichen tausend Jahren nicht so viel / als du heute in einer Viertel-Stunde begrieffen. Sie wissen nicht / was sie aus Gott machen sollen. Sie nennen ihn ein Ding / weil unter ihm alle Dinge sind / aber auch ein Unding /weil ihm kein ander Ding gleich / und er von keinem Menschen begriffen werden könne. Ja etliche nennen ihn alles / welches nichts ist / und nichts ist / welches doch alles ist. Sie heissen ihn so bald eine Finsternüß / als ein Licht / weil ihr düsterner Verstand den unbegreifflichen nicht begreiffen kan. Erato fiel ihm bey /und sagte: Sie hätte noch von ihrem Lehrmeister gehöret: daß Simonides / als er gefragt worden / wer Gott eigentlich wäre / biß an seinen Tod immer Aufschub gebeten hätte. Und ihr Lehrmeister hätte sie beredet: Die Natur wäre wohl ein Spiegel Gottes / aber weil kein menschlich Auge ihn genung zu betrachten und zu verehren wüste / liesse er sich nur wie eine Neben-Sonne im Segen-Scheine einer Wolcke sehen. Alleine er hätte ihr heute das Fell der Blindheit von ihrẽ Augẽ abgezogen / daß sie mehr wüste als alle Weltweisen im Morgenland. Der Druys begegnete ihr: In keinerley Weise. Diß wenige / was er wüste / hätte er von einem Juden zu Jerusalem gelernet / aus welcher Schule die Chaldeer und Egyptier alles gelernt hätten / was sie iemals gewüßt. Aber alles diß / was er und die allerweisesten von Gott wüsten / wäre nur ein Sonnen-Staub von dem / was Gott wahrhaftig wäre / und was man durch seine Anschauung in der Unsterbligkeit zu sagen wissen würde. Bey diesen Worten schlug der oberste Priester dreymal an das schwirrende Becken / worauf alles Augenblicks zu Bodem fiel / und mit den Antlitzen auf der Erde im Staube Gott mit andächtigem Gebete eine halbe Stunde lang verehrten. Niemand rührte darbey einige Hand oder Fuß / und man hörete nichts / als viel Seufzer der Betenden. Als der oberste Priester das Zeichen gab /kam ein ieder wieder an seinen ersten Ort; die Opfer-Knechte brachten drey schneeweisse Ochsen / welche geschlachtet / und auf dreyen unter denen drey Eichen stehenden Altaren geopfert wurden. Nach vollbrachtem Opfer ward von dem obersten Priester mit diesen Worten das Gerichte gehegt: Gott / der die Gerechtigkeit selbst ist / hat kein grösser Geschencke den Menschen gegeben / als die Gerechtigkeit. Ohne diese kan die Welt nicht bestehen / ohne sie wären alle Reiche Schlacht-Bäncke / ja Räuber und Mörder selbst könnẽ ihr nicht gar entpehrẽ. Weil aber der [538] Menschen Irrthum offt wider Willen von der Richtschnur der Gerechtigkeit abschreitet / oder die Boßheit derselben Gewalt anfügt / muß sie durch Gerichte in ihrem Stande erhalten / und dardurch die gemeine Ruh und Wohlfarth befestigt werden. Dieses geschihet / weint einem ieden diß / was ihm zustehet / zugeeignet wird /dem Gläubiger die Schuld / den Verdiensten der Lohn / den Lastern die Straffe. Unser Vaterland hat für Alters den Priestern das Erkäntnüß hierüber anvertraut /weil es sie für Gottes Stadthalter und Redner gehalten. Erweget diesemnach: daß ihr / die ihr hier den Richter-Stul betretet / an Gottes Stelle sitzt. Urtheilet daher nach der Göttlichen Erleuchtung eures Verstandes / nach der Zärte eures Gewissens / und wie ihr selbst von Gott und Menschen geurtheilet zu werden verlanget. Im Nahmen Gottes geschehe einem ieden /was recht ist. Hiermit wurden die äusersten Schrancken geöffnet / und durch einen Gerichts-Vogt ausgeruffen: Die Geladenen / und wer sonst der Rechts-Hülffe von nöthen hat / sollen erscheinen. Es wird iedem wiederfahren / was Recht ist. Hiermit trat so wohl Ismene als der Druys Luitbrand in den mitlern Schrancken. Beyder Antlitzer und Geberdẽ waren aber von einander weit entfernet. Ismenens warẽ voller Freudigkeit / Luitbrands voller Schwermuth. Denn Unschuld zeigt sich zwischen Blitz und Erdbeben unglaublich klug und behertzt. Was kan aber der in Gefahr für Vor- und Zuversicht haben / welcher von seinen Unthaten in seinem Gemüthe unaufhörlich gequetscht und genaget wird? Gleichwohl hob dieser eine hochtrabende Rede an / darinnen er ausführte: Der Gottes-Dienst wäre der erste und fürnehmste Pfeiler aller Reiche / und so nothwendig zu ihrer Erhaltung: daß ihrer viel ihn für eine Erfindung der Staats-klugen gehalten. Die Gottes-Furcht wäre der Ancker der gemeinen Wohlfarth. Deñ wer wolte sich für Menschen scheuen / ihren Gesetzen sich unterwerffen / der Gott verachtete? Niemanden aber wäre die Gottesfurcht nöthiger als den vorleuchtenden Sternen dieser Welt / nach derer Beyspiele sich die Unterthanen mehr richteten / als nach ihren Gebothen. Denn dieser Schärffe verhärtete sie nur / jene aber flößten ihnen einen liebkosenden Zwang zur Nachfolge ein. Dahero die göttliche Versehung auch auf sie stets ein genauer Auge hätte / als auf gemeine Leute /nicht weniger / als die Natur über Bildung des Auges mehr Fleiß anwendete / als über andern Gliedern; weil jene solten dieser Wegweiser seyn. Gott und die Sonne betheilten zwar die gantze Welt mit ihren Wohlthaten; wie aber diese einen gekrönten Granat-Apfel-Baum mehr / als einen Hage-Dorn; also jener mehr die Herrscher / als den Pöfel. Sie wären die Ringe oder Nadeln / welche unmittelbar von dem Magnet-Steine bestrichen würden; und daher viel mehr Krafft / als die erst von ihnen bestrichenen hätten /das Eisen zu ziehen / und den Angelstern zu zeigen. Diesemnach erforderte Gott und ihr eigen Gewissen von ihnen eine desto grössere Frömigkeit / umb tausend andern diß zu seyn / was ein Leuchte-Thurm den Schiffenden ist. Daher hätten kluge- sonderlich aber die Cheruskischen Fürsten sich iedesmal einer besondern Heiligkeit beflissen. Denn diese umbstrahlte mit ihrer Schönheit die Menschen / und hätte eine mächtige Krafft durch Verwunderũg über ihrem Glantze /die Gemüther an sich zu locken. Diesemnach wäre ihrer vielen die Gottes-Furcht eine Treppe auf den Thron / und dem Könige Philipp der Krieg wider die Gottsvergessenen Phocenser eine Ursache des bemeisterten Griechenlands gewest; weil iedermann ihn für den nechsten bey den Göttern hielt / der der Götter Beleidigung rächete. Die Römer gestünden / daß die Hispanier an Menge / die Africaner an List / die Gallier an Stärcke / die Griechen an Kunst / die Deutschen an Hertzhaftigkeit überlegen wären; und daß sie alleine durch eivrigen Gottes-Dienst sich zu Meistern der Welt gemacht hätten. Viel Völcker hätten [539] destwegen wie noch itzt die Römischen Käyser / die oberste Priesterschafft mit der Herrschafft vereinbart. Midas in Phrygien hätte sich vom Orpheus zum Priester einweyhen lassen. Bey den Egyptiern könte keiner König seyn / der nicht auch Priester wäre; und in Cappadocien vermöchte der Bellonen Priester fast mehr / als der König. Nachdem die meistẽ aber gesehen: daß diese Würde einen gantzen mit weltlichen Händeln unbeschäfftigten Menschen erforderte / hätten doch fromme Fürsten iedesmal die Priesterschafft / als den Aug-Apfel Gottes / in Ehren gehalten / insonderheit die Deutschen sie zu allen wichtigen Rathschlägen gezogen / und sie zu beleidigen für gröstes Laster und ihren Untergang gehalten. Allem diesem aber hätte die Fürstin Ismene zu wider gelebt. Nach dem sie mehr ihrer eitelen Liebe nachgehangen / als das gemeine Beste Deutschlands durch Eingehung anständiger Heyrath befördern wollen / wäre er von dem ihr zu gebieten habenden Feldherrn erkieset worden / ihr bescheidentlich einzureden. Das ihr übel bewuste Gemüthe aber hätte seine wolgemeinte Erinnerung wie glüendes Eisen das Kühlwasser mit sprüen und schäumen angenommen / welches das gewisseste Zeichen getroffener Boßheit wäre. Das Oel seiner sanfften Worte hätte ihren verkehrten Sinn nur verärgert. Denn ein solch Hertze wäre unempfindlicher als Marmel. Treue und bewegliche Ermahnungen versteinerten es / an statt daß sie es zu weichem Wachse machen und schmeltzen solten. Seine eigene Verachtung wolte er gerne verschmertzen. Deñ die Erkäntnüs seiner Schwachheiten hielte ihn selbst für den allerverächtlichsten. Er wüste die genaue Verwandnüs zwischen dem Gliede und Leibe wol: daß die jenem angethane Unehre diesen nothwendig berühre; aber er bäte selbst seines nicht mit auf die Wagschale ihrer Schuld zu legen. Daß sie aber den heiligen Orden der Druyden / in welchem er der geringste wäre / als gottlose Leute verläumbdet / wäre ihm durchs Hertz gegangen; und könte von ihm nicht verschwiegen werden / ob er schon mit Ismenens Vergehung ein Mitleiden hätte. Denn was könte dem Gottesdienste mehr Abbruch thun / als wenn dessen Vorsteher in der Welt einen so schlimmen Ruff haben solten? Aber auch diese Beschwärtzung würden die heiligen Druyden leicht verachten können. Die reinesten Flammen wären nicht ohne Rauch; und denen / welche den besten Nahmen in der Welt hätten / würde bisweilen übel nachgeredet. Wolte GOtt! Ismene hätte sich hiermit nur vergangen. Alleine sie hätte den Druyden die Schlüssel zum Himmel und zur Hölle aus den Händen gerissen /welche ihnen der grosse GOtt gegeben hätte. Die Schlüssel / welche kein irrdischer Mensch ohne Schrecken anrühren könte; ohne welche die Druyden ohne Priesterschafft / die Welt ohne Gottesdienst wäre. Denn zu was Ende würde GOtt von den Frommen verehret / von den Bösen gefürchtet; als daß diese ihre unsterbliche Seele nach Ablegung des leiblichen Kleides befreyet / jene sie aber mit GOtt und unaufhörlicher Wollust vereinbart wünschen? sintemal in diesem Leben die Lasterhaften mehrmals auf Rosen / die Gottsfürchtigen auf Dornen giengen? Wenn die Priester keiner Seele den Himmel oder die Hölle aufzuschlüssen hätten / was wäre es anders / als daß sie mit dem sterblichen Leibe verschwinden müste? Wer aber nicht die Unsterbligkeit der Seelen glaubte / glaubte auch nicht / daß ein GOtt wäre. Denn nichts sterbliches wäre fähig was unsterbliches zu begreiffen. Und wenn unvernünftige Thiere GOtt abbilden solten / würden sie ihres gleichen mahlen. Zwischen GOtt und der Seele wäre eine feste Verknüpffung. Wie die Wurtzel der Sonnenstrahlen in der Sonne / ihre Spitzen aber auf der Erdkugel wären; also wären die Seelen zwar in menschlichen Leibern /aber sie wären doch mit GOtt als ihrem Brunnquell verknüpfft. Wer nun von diesem Bande und [540] Ursprunge nichts wüste / könte auch nichts von GOtt wissen. Wer aber den nicht glaubte / der könte unter der Gemeinschaft ihres Gottesdienstes / ja schwerlich der Menschen geduldet werden. Ismene hörete dem Luitprand mit Gedult / und ohne einige Veränderung des Antlitzes und Gemüthes zu / als er auf die Beschuldigung kam: daß sie nicht die Unsterbligkeit der Seelen / und endlich gar nicht GOtt glaubte / überlief sie der Eyver / und die Galle / und das Geblüte. Sie mühte sich aber / alle diese Regungen bald nieder zu schlagen / umb bey ihrer Vertheidigung in keine Verwirrung zu gerathen. So bald er nun geschlossen / fieng sie mit einer grossen Freymüthigkeit an: Ich habe hier einen Ankläger zu hören vermeint / so aber habe ich gehört einen Verläumbder. Ich dachte für mir einen weissen Druys zu finden / so sehe ich einen schwartzen Werckzeug der Finsternüs. Er meinet ihm zwar durch das Lob des Gottesdienstes / der Gottesfurcht und der Priesterschaft eine Farbe anzustreichen; aber in seinem Thun finde ich nichts Priesterliches / auf seiner Zunge keine Gottesfurcht / und in seinem Hertzen keinen GOtt. Denn da er wüste / was GOtt wäre /würde er nicht glauben: daß ein so rasender Mensch in der Welt lebte / welcher ihm aus dem Sinne reden könte: daß kein GOtt wäre. Ich glaube nicht: daß ein Mensch jemahls gelebt habe / dem sein Hertze nicht gesagt / sein Gewissen nicht überzeugt / seine Vernunfft nicht überwiesen habe: daß ein GOtt sey. Wer GOtt nicht erkennet / muß nicht nur seines Verstandes / sondern seiner Sinnen beraubt seyn. Er muß nicht wissen: daß er eine Seele habe. Denn der Seele Wesen ist GOtt / von dem sie und ihr Wissen entspringt. Ich weiß wol: daß für Zeiten Diagoras / Theodorus von Cyrene und Eyhemerus Tegeates dessen beschuldiget worden / aber sie haben mehr die Abgötter verhöhnet / als GOtt verleugnet. Welcher Mensch ist so alber /den nicht der Strom zu seinem Brunnen leitet? Wer wil glauben: daß ein Fluß ohne Quell / ein Baum ohne Wurtzel sey? Und ich solte nicht wissen: daß dieses grosse Weltgebäue einen Schöpffer / einen Erhalter haben müsse? Was aber solte der anders als Gott seyn? Wer solte die unbegreiflichẽ Kreisse des Himmels / die Sonne / die Sternen / in so wunderwürdigen Ordnung bewegen? da doch keines in sich so viel Leben als eine Mücke / und noch weniger Vernunfft hat. Wer solte zwischen dem kalten Wasser und heissen Feuer / zwischen der leichten Lufft / und der schweren Erde / in so langer Eintracht erhalten /da ihre Eigenschafften einander so zu wider sind? Welche verstimmte Laute stimmet sich selbst? Geschiehet aber alles nur ungefehr? Woher treffen unsere Zeiten-Rechnungen so genau ein? Wie können wir auch künfftige Finsternüsse / den Stand und die Würckungen der vereinbarten Sterne auf tausend Jahr hinaus ausmäßen? Warumb überschreitet die Sonne niemals die zwey Kreiße der zwölf himmlischen Zeichen? Warumb wechseln Frühling / So er / Herbst und Winter so richtig mit einander ab? Wer giebet so vielen tausend Pflantzen Leben und Wachsthum? Wer unterscheidet sie und die Thiere mit tausenderley Gestalten und besondern Eigenschafften? Wer bereitet den menschlichen Leib in Mutterleibe; also daß ihn kein Seidenstücker künstlicher und schöner weben und mahlen könte? Wer flößet ihm so eine vernünfftige Seele ein; welche alle dis nicht ohne Wunderwerck begreiffen / ja sich selbst zu dem unbegreiflichen GOtte schwingen kan? Warlich! der alleralberste Mensch muß hierüber die Augen aufthun / und glauben: daß dis Reichthum aus einer fruchtbaren und unerschöpflichen Macht herriñen; diese Ordnung von einer unermäßlichen Weißheit / welche für die Richtschnur aller Dinge in der Welt zu halten wäre / fürgeschrieben werden müsse. Und ich / wenn ich gleich nur aus diesem Brunnen den hundersten [541] Theile meiner Vernunfft geschöpfft hätte / würde durch diese einige Eichel (diese hob Ismene von der Erde auf) überwiesen werden: daß ein GOtt sey. Sintemal alle Menschen in der Welt mit versammleter Krafft nicht eine einige machen können. Was vertheidige ich mich aber destwegen wider diesen Verläumbder? Solche Schutz-Reden kommen nur Unsinnigen zu statten. Denn diese alleine können nur an dem zweifeln / was alle wilde Völcker der Menschen bekennen / nemlich daß ein Gott sey. Kan aber meine Seele den unsterblichen Gott begreiffen / wie kan ich glauben: daß sie sterblich sey? Nichts in der Natur sättiget sich mit was besserm / als es selbst ist / wie solte sich denn eine sterbliche Seele an dem unsterblichen GOtte durch Verstand und Andacht speisen? Weil aber meine Seele an dieser unversehrlichen Warheit vergnüget /wäre ich unvernünfftig / wenn ich sie nicht für unsterblich hielte. Es ist in alle wege merckwürdig / daß außer dem einigen Menschen sich kein ander Thier des Gebrauches des Feuers bedienet / welches etwas himmlisches und den Sternen gemäßes / und daher von den Persen für einen GOtt verehret worden ist. Dieses dient zu einer nachdencklichen Erinnerung: daß der Mensch gar was besonders für andern Thieren / und eine Verwandschafft mit GOtt und dem Himmel haben müsse. Wie denn auch unsere Seele unwidersprechlich ein geistiges Wesen ist / und nichts leibliches an ihr hat / welches allein der Veränderung und Vergängligkeit unterworffen sey. Sie beweget sich von sich selbst; also kan die Bewegungs Krafft von ihr nicht getrennet werden / worinnen das Leben besteht. Ja sie ist selbst das wesentliche Leben des Menschen / wie wäre es nun möglich: daß sie sterben könte? Sie bestehet für sich selbst / und ziehet in den Leib / wie in ein Gasthauß nur auf eine kurtze Zeit ein; darf also keines andern Wesens / welches sie beseele. Und weil sie einfach und unzertheilbar / kan ihr nichts / was zu ihrem Leben und Vollkommenheit nöthig wäre / benommen werden. Unsere Seele hat drey Kräfften. In der Finsternüs des mütterlichen Leibes lebt und wächst sie nur mit den Pflantzen. Wenn die Natur die vollkommene Frucht wider Willen von sich stößt / fängt die Seele in dem Bauche dieser Welt /und in dem Kerker des Leibes an zu fühlen / zu sehen / zu hören. Sie erblicket zwar durch das Schauglaß der Vernunfft in dem Buche der Natur etlicher massen den Schöpffer aller Dinge / aber das Gefängnüs seiner irrdischen Hütte hindert sein rechtes Erkäntnüs. Wenn aber der Mensch durch den Tod sich solcher Beschwerde entschüttet / kommet die Seele allererst durch diese andere Geburt in ihre Freyheit / und ihr drittes vollkommenes Leben des Verstandes. Unsere Eitelkeit kan sich hierbey des Zweifels gar schwer entledigen / denn die Last des Leibes hemmet allzu sehr den Flug der feurigen Seele. Aber würde doch eine in Mutter-Leibe beschlossene Frucht auch schwerlich ihrer Mutter Glauben beymäßen / wenn sie selbter schon beybringen könte: daß sie aus einem so engen Gefängnüsse / bald in eine so weite Welt / und an das Licht der wundersamen Sonne versätzt werden würde. Also ist uns die Glückseeligkeit des künftigen Lebens auch in diesem Kerker unbegreiflich. Gleichwol aber ist die Seele niemals reger und aufgeweckter / als wenn sie dem Sterben als ihrer Erledigung am nechsten ist. Ja wenn die Augen uns schon brechen /oder durch Verzückung sich schon gleichsam des Leibes gar entäusern / so schärffet sich ihr Gesichte: daß sie bis in die Ewigkeit / und in das Buch des Verhängnüsses blicket / also nicht selten künfftige Dinge wahrsaget / ihrem Seegen oder Fluche einen grossen Nachdruck giebt. Ja wenn auch jemals im Leben ein Epicurer an Unsterbligkeit der Seelen gezweifelt hat /wird seine Seele wie ein Maulwurff beym Sterben sehend / schwimmet aus [542] denen sie ersäuffenden Wollüsten empor / erblicket ihr künfftiges Leben / und erkennet seine Todesstunde für den andern Geburts-Tag seiner Seele / also sich nicht zu verwundern: daß Cleombrotus aus Begierde bald der Unsterbligkeit zu genüßen / sich ins Meer stürtzte; daß die Nachfolger des Plato wie auch Cato von Lesung seines Buches Phedon von der Unsterbligkeit der Seele eine unmäßige Begierde bald getödtet zu werden bekamen: daß die nackten Weltweisen in Indien mit so freudigem Geiste auf die lodernden Holtzstöße steigen / und mit Einäscherung ihrer Glieder die Unsterbligkeit der Seelen so nachdrücklich behaupten. Sintemal sie wol wissen: daß es mit ihrem sterbenden Leibe wie mit Zerbrechung eines Brüt-Eyes zugeht / aus welchem ein Hühnlein / und also was köstlichers heraus kreucht / als es selbst ist. Und wolte Gott! daß ich allhier durch einen so rühmlichen Tod diese Warheit bewehren / und dich hieran allem Ansehn nach zweifelnden Luitprand überzeugen solte. Ich wünsche dir aber nur einen Funcken von dem sehnlichen Verlangen /welches ich nach dem künftigen Leben meiner Seele in mir unterhalte / und mir ein unfehlbares Kennzeichen einer den Leib überlebenden Seele ist; welche Begierde bey dem Tode am allerfeurigsten wird. Welches Menschen Geist ist so niedergeschlagen: daß er nicht nach seinem Tode / wo nicht anders / doch durch rühmliche Thaten / oder in Gebäuen und Grabeschrifften / gerne sein Gedächtnüs / nemlich einen Schatten seines Lebens verlassen wolte? Dieser unterscheidet uns von andern Thieren / die an kein künfftiges Leben gedencken / weil sie es gantz mit ihrem Blute ausschütten / und versichert uns unser Unsterbligkeit. Denn warum schwindelt uns bey ihrer Betrachtung nicht so sehr / als wenn wir zurück an die Ewigkeit gedencken? Sicherlich nur darumb / weil dieser nur Gott / jener aber auch unsere Seele fähig ist. Wie solte diese aber sterblich seyn / welche die vergangene und niemals wiederkommende Zeit durch ihr Gedächtnüs unter ihre Botmässikeit bringt / und sie ihr in ihrem Spiegel als gegenwärtig vorstellt? ja / welche dis / was schon für tausend Jahren vergraben und vermodert ist / lebendig / auf künftige Fälle Anstalt machen; also der Zeit und dem Tode / und ihrer beyder Verzehrung nicht unterworffen seyn kan. Der Leib muß ja wol vergehen / wenn er veraltert / und durch seine Nahrung nicht mehr verneuert wird. Aber die Seele ni t mit dem abnehmenden Leibe / wie die Feuchtigkeit der Zwiebeln mit dem abnehmenden Monden zu; je weniger Leib / je mehr Verstand / sie speiset sich mit nichts irrdischem; sondern an sich selbst / an tieffem Nachsinnen / und an himmlischen Dingen. Die Sinnen des Leibes würcken nicht in sich selbst / sondern außerhalb sich; das Auge siehet / und das Gehöre höret sich nicht selbst; der Verstand aber thut alles / wie Gott in ihm und mit sich selbst; also daß die Seele ohne den Leib ihre Verrichtungen vollenden / und nach dessen Trennung bestehen kan. Der Leib überfüllet sich leicht mit den Trebern der Erde; je mehr aber die Seele mit ihrem Verstande fasset / je begieriger und hungriger ist sie nach der Weißheit. Jemehr der Verstand sich der euserlichen Sinnen entschläget / und die leiblichen Augen zuschleußt / je höher schwingt er sich empor. Je weiter etwas von der Erde entfernet ist / je leichter begreifft es die Seele. Sie entfernet sich von dem Leibe / trennet sich von den Sinnen / umbsegelt in einem Augenblicke gantz Africa / sie umbfähret mit ihrem Verstande den Himmel tausend- ehe die Sonne auf ihrem Wagen einmal. Sie begreiffet den Himmel und die Erde mit ihrem Verstande / welcher die Seele der Seele / wie der Augapffel das Auge des Auges ist / und selbst Gott / wo nicht mit ihrem Erkäntnüsse / doch mit Liebe und Andacht. Wie der Leib eine keine Welt / oder ein Begrief der grossen ist; also ist die Seele ein kleiner Gott /[543] und ein Tempel oder Wohnstadt des grossen Gottes. Wie solte sie denn nicht tauerhaffter seyn / als die irrdische Seele des Viehes? die Sinnen des Leibes haben Abscheu für allzu heftiger Empfindligkeit; das Fühlen fleucht den Brand / der Geschmack die Schärffe des Saltzes und Pfeffers / das Gesichte die Strahlen der Sonne; aber die Seele ist das höchste und tiefsinnigste / das angenehmste. Denn diese leidet nicht / sondern sie thut und würcket; sie bildet und beseelet den menschlichen Leib: daß er ein Mensch ist; sie aber selbst hat für sich keinen verterblichen Talg an sich; also kan der nur irrdische Dinge überwältigende Tod ihr auch nichts benehmen. Behalten doch die verbrennten Kräuter in ihrer Asche ein grosses Theil ihrer kräfftigen Eigenschafften; ja einige Künstler haben die Rosen aus ihrem Staube wieder auferweckt / und zum ersten Wesen bracht. Mit dem Leibe des Menschen aber solte der gantze Mensch sterben? Haue mir / Luitprand / zur Sättigung deiner Rache einen Arm / beyde Füsse ab! reiß mir die Augen und die Zunge aus; und zerstimmele meinen Leib: daß man ihn von einem zerfleischten Rehe nicht unterscheiden kan! glaube mir: meine in einem jeden Gliede so wol als im gantzen Leibe gantze Seele wird gantz unzerstückt / und gesund so lange bleiben / bis das Gebäue des Leibes / darinnen sie ohne dis kleiner ist / als sie an sich selbst ist / gar nicht mehr zu bewohnen taug / und sie also sich über den fürlängst in sich begrieffenen Himmel zu ihrem Ursprunge empor schwingt. Also ist der Mensch ein Wunderwerck /welches den Himmel und alle Geschöpffe weit übertrifft; Wie die Pflantzen das Seyn und das Leben / die Thiere das Leben und die Sinnen mit einander verbinden; also verknüpfft der Mensch das Vergäng- und Unvergängliche zusammen. Er ist ein Eckstein des irrdischen und des hi lischen. Sein Leib ist ein kurtzer Begrief der grossen Welt / die Seele des unbegreiflichen Gottes. Weil nun nur jene / nicht aber dieser vergänglich ist / kan auch am Menschen nur der Leib / als eine leimerne Hütte eines himmlischen Gastes / als ein höltzern Futter eines köstlichen Kleinods / als eine Larve eines schönen Antlitzes vergehen /nicht aber die Seele sterben; welche nicht so wol des Leibes Geselle / als sein Herr / ja eigentlich nur der Mensch ist / und des Leibes sich nur als eines Werkzeuges / oder vielmehr nur als eines Amboßes gebrauchet. Weil nun der Mensch derogestalt besser ist / als das grosse Gebäue der Welt; dieses aber so viel tausend Jahr tauert; wer wolte glauben: daß der grosse Schöpffer das Edlere nur auf zehen / zwantzig oder zum höchsten hundert Jahr geschaffen habe? daß dis /was dem Menschen dienet / nemlich die Gestirne und Elemente / lebhafter als der Mensch / dem sie dienen seyn solten? Diese Dienstbothen der Menschen haben zwar über seinen Leib / vermöge ihrer kräftigen Einflüsse / eine grosse Gewalt / sie schwächen / ändern und stärcken ihn nach ihren unterschiedenen Regungen / aber über den Verstand und den Willen der Seele / haben alle Sterne zusa en nicht die geringste Botmäßigkeit. Muß also der Leib ein geringer Knecht / die Seele aber eine edle Herrscherin seyn. Ja wenn die Seele stürbe / würde sie weniger als der Leib werden / und also geringer seyn; denn der Leib wird durch den Tod nicht gäntzlich zernichtet / sondern sein Verterb ist eine andere Dinges-Zeugung. Was aber könte wol aus der Seele für ein ander Wesen werden / wenn sie stürbe / als eine Seele? Ist es nicht wahr: daß wenn man in Wachs oder andern Talg ein Bild eindrückt / das vorher darinnen gewesene Bild zernichtet werde? Aber unser Verstand bildet tausendmal tausend Bilder in sich / ohne daß die erstern Bilder in ihm verlescht werden; wie könte aber eine solche Unverterbligkeit in dem Verstande seyn / wie könte er vergängliche Dinge in sich unvergänglich machen und erhalten / wenn die [544] Seele selbst verterblich wäre? Zu was Ende wären Tugend und Laster von einander unterschieden? dieser himmlisches Verbot / jener Befehl von Natur unsern Gewissen eingeschrieben / wenn nicht diese nach dem Tode bestrafft /jene belohnet würden? Wie könte aber die Seele Straffe oder Belohnung empfinden / wenn sie mit dem Leibe vergienge? Was würde das allgemeine Gesätze der Völcker: daß man sein Leben für des Vaterlandes Erhaltung aufzuopffern schuldig wäre / für einen Grund haben; Wenn diese Aufopfferung nach dem Tode uns keinen Gewinn bringen solte; weil wir keinen für den Tod im Leben genüssen können? Woher würde zwischen der vernünftigen Seele / und denen fleischlichen Reitzungen des Leibes ein unaufhörlicher Krieg seyn; jene zu Frö igkeit und Gerechtigkeit / dieser zu viehischen Ergötzligkeiten einen steten Zug haben / wenn nicht dieser irrdisch und schwer /jene himmlisch und empor steigend / also unvergänglich wäre? Sage mir nun Luitprand / ob du an meiner Meinung was zu schelten findest? Urtheile selbst: ob du durch Verleumbdung der Unschuld dich nicht selbst verdächtig machst: daß du von Unsterbligkeit der Seelen nicht viel hältest? Deñ wenn du glaubtest: daß die boßhaften Seelen nach dem Tode gepeinigt /die Tugendhaften erquickt würden / so würdest du heute nicht mein Ankläger seyn; so würdest du selbst dis / was dich so sehr wieder mich entrüstet hat / und was mein so grosses Laster seyn soll / glauben: daß der gerechte GOtt ungerechten Leuten / welchem sie ein Greuel in Augen sind / die Schlüssel zum Himmel und der Hölle nicht anvertrauet habe. Denn würden nicht so ungerechte Richter / weil sie selbst böse sind / den Boßhafften den Himmel / den Frommen die Hölle aufsperren? Erkühnest du dich aber meine Worte auf den gantzen Orden der Druyden auszudehnen / so schmähest du ihn selbst / als Leute voller Ungerechtigkeit / welche mich / sonder etwas wider Gott und sie gesündigt zu haben / von gemeinem Gottesdienste ausschlüssen würden. Von diesen war meine Rede / nicht von jenen! Siehest du mich so für alber an: daß ich nicht wisse / es könne in einem heilsamen Granat-Apffel ein fauler Kern / und in einem Garten ein gifftig Kraut seyn? Redete ich aber nicht nur auch von einem Anlasse zu zweifeln / ob so ungerechte Leute Gottes Pförtner seyn könten? Dann ich wil nicht gäntzlich verneinen: daß GOtt sich nicht an so wol eines unwürdigen als gebrechlichen Werckzeugs bedienen könne; Sintemal die Ungeschickligkeit des Werckzeugs einem Werckmeister selbst zu Ehren /und seiner Kunst zu desto grösserm Ruhme gereicht. Mein Anlaß zu zweifeln aber / war nichts anders / als das mir von dir gegebene Aergernüs; wie ich dich denn noch itzt nicht für einen Werckzeug des gerechten Gottes halte / ja nicht einst / wenn ich schon sterben solte / von dir einen Brief an deine Verstorbene zu bringen übernehmen wolte; sondern ich glaube vielmehr: daß die göttliche Rache und das Gerichte der heiligen Druyden / dich noch als ein faulendes Glied von seinem lebhafften Leibe abschneiden werde. Mich aber wird weder deine Verläumbdung /noch anderer Schwermer Wahnwitz von dieser Meinung abwendig machen: daß Gott der Mittelpunct unser Glückseeligkeit / die Gottesfurcht der Leitstern darzu sey / sonder welche der klügste Mensch eine Biene ohne Stachel ist / und daher keinen Honig machen kan. Ismenen sahe bey dieser Rede die Unschuld aus den Augen; und sie nahm ihrem Gegentheil damit sein gantzes Hertze / und die Helffte der Beredsamkeit. Wie sehr er sich nun gleich wandt / und seine Worte verflochte; so war doch aus allem deutlich wahrzunehmẽ: daß Ismene weder Gott noch die Unsterbligkeit der Seelẽ in Zweifel gezogẽ hätte / sondern Luitprand nur durch seine Schlüsse beydes daraus erzwingẽ wollen: daß Ismene den Druyden die Gewalt der Schlüssel verneinet hätte. Auf dieser Beschuldigung [545] aber blieb er feste bestehen / und wolte sich keines vorgeschützten Absatzes erinnern. Aber Ismene widersprachs / und sagte: wo ein böses Hertz wäre / wäre auch ein böses Auge / und ein böses Gehöre. Sein böses Hertz hätte er durch seine Ungebehrdung verrathen / da er von ihr keine Auslegung ihrer Meinung verlangt / weniger die ihm angebotene angeno en; da doch jeder Mensch / zu geschweigen ein Priester / anderer Vergehungen mit Widerwillen vernehmen / furchtsam glauben / mit Schamhaftigkeit merckẽ lassen / oder so viel möglich mit Entschuldigung zum besten deuten / und weñ es ohne Aergernüs geschehen könte / mit Stillschweigen begraben / oder doch niemals darüber urtheilen solte / sonder sich seiner eigenen Schwachheiten dabey zu erinnern. Der Druys versätzte: Verbrechen wider das gemeine Wesen / und die Grundfesten des Gottesdienstes / ließen sich nicht unter die Banck stecken. Gott trüge nicht weniger Gefallen an einer tödtenden Barmhertzigkeit / als an einer barmhertzigen Gerechtigkeit. Daher wäre es Liebe / nicht Rache dazu behülflich seyn. Denn neben dem Gebete wäre kein besser Opffer / als das Blut der Ubelthäter / und wer die Bestraffung der Ubelthäter auch nur durch Verschweigung hinderte / machte sich ihrer Sünden theilhaftig. Insonderheit wäre nöthig wie bey Verräthereyen / die Schlange in ihrem Eye zu tödten / also das erste Unkraut ärgerlicher Meinungen im Gottesdienste mit Strumpf und Stiel auszurotten. Deñ anfangs könte man mit einer Hand-voll Wasser ein Feuer ausleschen / worzu hernach gantze Ströme Blutes nicht zulangten. Ismene begegnete ihm: Es wäre keine grössere Ungerechtigkeit in der Welt / und kein schrecklicher Greuel im Himmel / als einem Laster aufhalsen / der sie nie auf der Zunge / weniger im Hertzen hätte. Luitprand beruffte sich auf die Glaubwürdigkeit seiner Würde; aber Ismene auf ihre Unschuld. Wie sie hier nicht als eine Fürstin / sondern als eine Beklagte erschiene; also stünde Luitprand nicht als ein Priester / sondern als ein Ankläger für Gerichte. Dieses hätte nur Ohren zu Uberlegung der Sache / aber keine Augen zu Unterscheidung der Streitendẽ. Hier würde Beweiß erfordert; deñ sonst würde niemand unschuldig bleiben. Der Druys näherte sich einem Aste der einen Eiche / und rührte den darauf stehenden Mispel an / welches eine dem kräftigsten Eyde gleich gehaltene Betheuerung bey den Druyden ist. Ismene aber legte die Hand auf ihr Hertze / wormit das Frauenzimmer in Deutschland die Warheit bestätigt. Der Priester Libys aber nam seinen Mispel-Krantz vom Haupte / wormit beyden Theilen ein Zeichen zum Stillschweigen gegeben ward. Weil nun die offenhertzigen Deutschen die Gewohnheit haben bey Gerichten ihre Meinungen offentlich zu sagen; fragte der oberste Priester / welcher die letzte Sti e hat / nach dem Alter / und der Reye herum. Des ersten Druys Meinung war: man solte Ismenen schlechter dings als unschuldig loßsprechen. Deñ ob zwar die Druyden eine grosse Muthmassung der Warheit für sich hätten /also daß sie auch in Sachen / welche sie selbst angäben / oder klagten / Zeugnüs geben könten / so wäre doch hier du Beklagte eine Fürstin / welche ihrer hohen Ankunft / und berühmter Tugend halber / eben so glaubwürdig wäre / und fürtrefliche Muthmassungen der Unschuld für sich hätte. Zudem wäre ihre Er klärung mit einem so heiligen Eyver / und mit so bewährten Gründen abgefaßt / daß man zur Gnüge wahrnähme / es sey ihr ihr Bekäntnüs von GOtt / und Unsterbligkeit der Seelen / und ihre gute Meinung von den Druyden ein rechter Ernst; also / daß wenn sie ja wo gefehlet / nur ihre Zunge / nicht ihr Hertze gesündiget hätte. Der andere und dritte fiel dem ersten bey / der vierdte aber sagte: die Loßsprechung könte ohne Verkleinerung der Druyden so schlechter dings nicht geschehen; zumal Luitprand zum Zeugnüsse den heiligen Mispel angerühret hätte; welches GOtt an ihm [546] durch augenblickliche Rache gestrafft haben würde / weñ er wissentlich was unwahres geredet hätte. Gleichwol aber ließe sich aus solchen geheimen Prüfungen der Warheit niemanden verda en. Die verborgenen Verbrechungen rächete Gott / nicht die Menschen. Keine andere Zeugen wären zu führen; weil Luitprand und Ismene sich von allen entrissen gehabt. Gleichwol aber müste der Richter auf den Grund kommen / und daher beyde ein glüendes Eisen in die Hand nehmen / und dardurch die Warheit bewehrẽ. Wie unterschiedene Weiber in Deutschland /welche des Ehbruchs fälschlich beschuldigt worden wären / auf diese Art ihre unversehrte Keuschheit erhärtet hätten. Diesem pflichtete der fünffte und sechste bey. Der siebende aber hielt diese Art des Beweises zu grausam / und rieth: Es solte Ismene von der Auflage sich mit einem Eyde reinigen. Ihrer vier sti eten ihm ein / aber der dreyzehende meinte: beyde Theile hättẽ schon solche Betheuerungen gethan /welche den schärffsten Eyden gleich zu achten / und also nicht zu wiederholen wären. Man solte aber die allerälteste Art / wordurch die Deutschen die Warheit beygemäßener Laster / oder die Unschuld zu erforschen pflegten / nemlich den Zweykampff für die Hand nehmen. Deñ ob zwar weder der Kläger als ein Priester / noch die Beklagte als ein Frauenzimmer /selbst zu solchem Streite verbunden werden könten /so gäbe ihnen die Freyheit doch das Recht andere zu Kämpffern und Vertheidigern zu erkiesen. Dieser Fürschlag beliebte neun nachfolgenden Druyden. Der drey und zwantzigste Druys aber fieng mit einer gewaltigen Heftigkeit an / wider den Zweykampf zu reden. Dieses wäre mehr als eine viehische Grausamkeit; sintemal kein Wolff / Tyger oder Drache wider seines gleichen wütete. Die Welt wäre etliche tausend Jahr dieser Raserey befreyt gewest / bis die auch mit dem Meere kämpffenden Cimbern sie aus der / aller Wärmbde und Liebe dürftigen Mitternacht / oder vielmehr aus der Finsternüß der Hölle an Tag und unter andere Völcker bracht hätten. Die Natur hätte den Menschen ohne Waffen / als zum Friede geschaffen /an statt der Hörner / Kreile und Klauen / ihm die Vernunfft eingeflößet / welcher Herrschafft in Ruhe und Eintracht bestünde / und die aufwallenden kriegrischen Regungen der Gemüther dämpffte. So wenig der Eigen-Mord zu verantworten stünde / so wenig wäre auch die Beleidigung eines andern besonders aber eines Bürgers zuläßlich. Deñ wir wären alle Glieder eines Leibes / nemlich eines Reiches / oder auch der menschlichen Gemeinschafft. Weil aber der Mensch freylich darinnen von Thieren unterschiedẽ wäre; daß er aus zwey unverträglichen Dingen / nemlich einem irrdischen Leibe / und einer geistigen Seele bestünde; Also diese zwey nicht nur in Menschen stets einen bürgerlichen Krieg mit einander führten /sondern auch / weit der sich selbst selten begreiffende Mensch sich nicht / wie die Thiere mit ihrem Ausko en vergnügte / er bey Verlangen der Ubermaße an Ehre und Vermögen andern bald zu nahe käme / also hieraus Zwytracht erwüchse; so wäre doch deßwegen die eigene Rache niemanden erlaubt. Denn diese würde niemals Maas und die Gräntzen der Gleichheit halten; sondern aus einem Sonnenstaube weniger Beleidigung würdẽ grosse Berge Unrechtes entspriessen / und der Blutstürtzung nicht ehe / als mit gäntzlicher Vertilgung des menschlichen Geschlechtes ein Ende werden. Zu Verhütung dieses Ubels hätten alle Völcker ihrer außer der Beleidigung und daher aufschwellenden Gemüths-Regungen sich befindenden Obrigkeit die auf der Wag-Schaale der Gerechtigkeit wol abgewogene Rache des Unrechts hinein gegeben / und sich der eigenen enteusert. Wenn sich nun jemand anders dieser anmaaßte / versehrte er das gemeine [547] Recht der Völcker / und grieffe den Herrschern an ihren Richterstab. Da nun derogleichen Zweykampff nicht einst zur Vergeltung des erlittenen Unrechts / welche doch sonst der Natur und der Billigkeit gemäß wäre /bey bestellten Richter-Stülẽ könte verhangen werdẽ; wie viel weniger wäre einem Gerichte anständig sich seiner anvertrauten Gewalt zu entschlagen / derogleichen Zweykampff statt des Beweises zu billigen / und derogestalt das durch Bestellung der Richter verbannte Faustrecht über die Gewalt der Obrigkeit zu erhöhen. Würden die Druyden durch ein solch Urthel nicht gleichsam mit allem Fleisse das Laster eigener Rache rechtfertigen und in Schwung bringen? welche unrechte und rasende Tapfferkeit ihr ohne dis fürlängst den Ruhm der Tugend zugeeiget hätte; welche viehische Kranckheit weder durch die Artzney die Welt-Weißheit nach der Gottesfurcht geheilet werden könte. Würde in Deutschland die Gerechtigkeit nicht völligen Abschied nehmen / und jeder durch lange Kriegsdienste umbs Vaterland wolverdienter Held nicht seine erworbene Ehre jedem frechen Narren / der ihm auf dem Fechtbodeme eine zum Kriege undienliche Fertigkeit den andern zu stossen durch lange Ubung zu wege gebracht / zur Kurtzweil aufsetzen müssen? Würde das eitel hertzhaffte Leute zeugende Deutschland nicht täglich im edelsten Blute schwimmen? und bey ermangelnden Kriegen seine Tapfferkeit durch solche Zweykampffe bewehren wollen? welche Mißgeburt der Großmüthigkeit mehr edles Blut / als keine euserliche Feinde fressen würde. Sintemal die viel Weitzen-tragende Aecker eben so wol von vielem Unkraute bey nachbleibender Saate fruchtbar wären. Diese Wahnsinnigkeit wäre ohne dis schon allzu sehr eingerissen; da doch die männlichen Spartaner hiervon nichts gewüst / die Römer / welche sich aller Welt Meister machen wolten / diese Raserey in eigene Eingeweide verlachten; und ein Scythischer Feld-Hauptmann zwey einander ausfordernde Kriegs-Leute mit dieser Frage nicht weniger beruhiget / als ihren eingebildeten Ehren-Ruhm beschämt hätte: Ob kein Feind mehr übrig wäre: daß sie nicht an ihm /sondern an sich ihre vermeinte Tapfferkeit ausüben müsten? Es würde bey einmaliger Billigung mehr kein Mittel seyn / diesem Ubel der kitzlichen Jugend /welche aus jedem unbedachtsamen Worte einen Spieß und eine Antastung der dem Leben vorzusetzen nöthigen Ehre machte / zu steuern / welche ohne dis zu Verachtung der Gerechtigkeit und Abbruche der herrschafftlichen Gewalt einander immer in die Haare fielen. Mit einem Worte: es wäre unverantwortlich etwas böses zu verhängen / daß was gutes daraus folgen solle. Die zwey folgendẽ pflichteten diesem bey / und der sechs und zwantzigste setzte noch darzu: der Zweykampff wäre in gegenwärtigem Falle so viel weniger zu verstatten / weil nicht die Zwistigen selbst /sondern andere statt ihrer sich schlagen solten. Denn was könte unvernünfftigers seyn / als daß die / welche von dem Rechte und Unrechte eines oder des andern Theiles nichts wüsten / welche kein Theil an der Beleidigung hätten / ja einander vielleicht nicht kennten / einander blind / und gleichsam rasend anfallen solten? Wen könten die Streitenden anders / als ihre besten und tapffersten Freunde hierzu bereden? Wäre es aber nicht Grausamkeit einen destwegen / daß er unser Freund ist / in Gefahr des Lebens setzen? und /weil er hertzhafft ist / ihn in Verterben stürtzen? jedoch wären die / welche ihren Gri andern liehen /noch viel ärger. Deñ keine Schlange ließe wie sie /ohne Zorn und Kentnüs ihres Feindes / ihr Gifft aus. Könte wol Deutschland / welches so viel gewaltige Feinde auf dem Halse hätte / das Blut seiner Kinder wol liederlicher verspritzen? Die Carthaginenser hätten der ihrigen Leben ihren Göttern zwar aufgeopffert / aber in Meinung sie damit zu versöhnen; die Deutschen aber wolten ihr eigen Fleisch denen höllischen Geistern [548] abschlachten / um Gott dardurch mehr zu erzürnen. Sie wären ja nicht aus denen von Cadmus geseeten Drachen-Zähnen entsprossen. Sie wären auch keine ungeheure Menschen-Fresser. Diesemnach solte man das edle Blut / dessen übrige Weglassung den Leib und das Haupt schwächte / zu Beschirmung des Vaterlandes aufheben; welches das rechte Bollwerck Deutschlandes / der Schild und der rechte Arm der Herrscher wäre. An der Spitze der Römischen Legionen / auf dem Walle der am Rheine gebauter Festungen seine Tapferkeit ausüben / wäre die Pflicht und die Ehre des Adels; nicht aber / wenn er sich selbst zerfleischte / und das Vaterland seiner Dienste beraubte. Der sieben und zwantzigste aber billigte aufs neue den fürgeschlagenen Zwey-Kampf / und hielt diesen entgegen: Er verda te nicht allein / als eine scheinbare Narrheit / sondern er verfluchte auch die aus einẽ Rauch der Eitelkeit und einer flügenden Hitze der Ehrsucht erwachsende Balgerey; da einer /welcher von dem andern nicht recht wäre angesehen worden / oder dem einander unversehens ein Hünlein ertreten / mit selbtem alsbald umb Leib und Leben fechten wolte. Gleichwohl aber wäre der Zwey-Kampf eben so wenig / als der Krieg durchgehends und schlechter dings zu verwerffen. Durch den unaufhörlichẽ Streit der Kälte und der Wärmbde / der Trocken-und Feuchtigkeit erhielte die Natur das grosse Welt-Gebäue in seinem Wesen. Was wäre im Menschen selbst lobwürdiger / als der Krieg der Vernunfft wider die aufrührischen Gemüths-Regungen? Gott nennte sich selbst den Herrn des Streits und der Heerscharen / führte wider die Himmel-stürmende Riesen und andere Gottes-Verächter mit Schwefel-Regen / Sünd-Fluthen / Hagel und Blitz / Krieg / ja brauchte die Menschen offt zu Butten seines Zorns / und befehlichte sie die Waffen zu ergreiffen. Diesemnach auch die sittsamsten Völcker aus vernünftiger Art Krieg zu führen eine Kunst / aus desselben unerschrockener Forstellung eine Tugend gemacht / und beyde mit gewissen Gesetzen / umbschränckt hätten. Wie nun unlaugbar wäre: daß die Häupter eines Reiches nicht nur denen / die ihre Freyheit ihnen ihres Schutzes halber unterworffen / sondern auch ihnen selbst wider andere Herrscher Recht verschaffen können / also wäre kein Zweifel: daß auf dem Meere in Wüsteneyen / und allenthalben / wo man über den Beleidiger keinen Richter haben könte auch durch einzelen Streit sein Unrecht zu rächen berechtiget ware. Nicht weniger wäre der Zwey-Kampf unscheltbar / wenn die Obrigkeit solchen verstattete; und sich also der ihr vom Volcke gegebenen Gewalt zu richten entäuserte und dißfalls die Unterthanen in ihre erste Freyheit versetzte. Jedoch wäre wahr: daß Obrigkeiten ausser wichtigen Ursachen den Zwey-Kampf und nicht anderer Gestalt / als zu Verhütung eines grössern Ubels verstatten solten. Also hätten zu Vermeidung grösserer Blutstürtzung der Römer Asellus und Jubelius aus Campanien / die zwey Etolier wider zwey Eleer / die drey Horatier wider die drey Curatier von Alba / die dreyhundert Spartaner wider so viel Argiver rühmlich gefochten. Ja noch mehr Ehre legten die umb die Herrschaft oder was anders zanckende Fürsten ein /wenn sie das Blut ihrer unschuldigen Unterthanen spareten / und ihren Ehrgeitz mit eigenem Blute abkühlten. Dahero der Zwey-Kampf des Menelaus mit dem Paris umb Helenen / des Eneas mit dem Turnus um Lavinien / des Hyllus mit dem Euristheus umb den Peloponnesus / des Hyperochus und Phemius umb das Land am Inachus / des Pyrächma und Degmenus umb Elis / des Corbis und Orsua umb Iba / des Cyrus mit Artaxerxen umb Assyrien / mehr zu loben als zu schelten wäre. Bey denen alten Deutschen und Galliern wäre es unerhört und abscheulich gewest: daß Fürsten ihrer Zwistigkeiten halber gantze Länder in Brand / und ihre Völcker in [549] Krieg hätten vertieffen sollen; sondern die Fürsten selbst hatten im Angesichte beyder Heere mit ihrem Degen ihr Recht eigenhändig ausführen müssen / sintemal es der Vernunfft gemässer / und dem gemeinen Wesen dienlicher wäre: daß einer wegen aller / als alle wegen eines Menschen / umbkäme. Da nun dieses in solchen Fällen zuläßlich / und Gott die Waffen der Kriegenden nach der Richtschnur seiner Gerechtigkeit an- und ausschlagen liesse; warumb solte nicht auch einem Richter freystehen in dem Falle / da er durch keine Scharffsichtigkeit eines oder des andern Theiles Recht aus seinem verdrehten Zweifels-Knoten auswickeln könte / den Aus-Spruch dem Glücke oder der Gerechtigkeit der Waffen heimzustellen? Stünde es doch Kriegern frey /ihren Zwist durch Looß zu erörtern. Wie vielmal müssen die Richter sich des Looßes bedienen? Was wäre der Zwey-Kampf anders als ein Looß? In welchem der gerechte Gott den Sieg dahin fallen liesse /wo man es am wenigsten hin gedacht. Vielmal wären darinnen Zwerge Meister der Cyclopen; und die / welche vorhin nie einen Degen in der Hand gehabt /Uberwinder der geschicktesten Fechter worden. Der allein vom Verhängnüsse hängende Ausschlag einer Schlacht und einzelen Streites wäre mehrmals ein billiger Richter / als der / welcher nach Spitzfindigkeit der Rechts-Lehrer urtheilte / welcher die Rechte derogestalt verwirrete; daß ein gutes Urtheil unter zufällige Dinge gerechnet würde. Wenn aber auch gleich das Verhängnüß über die Unschuld zuweilen was verhienge / würde solches / wo nicht wegen der strittigen / doch wegen einer andern Ursache / und also niemals ohne Gerechtigkeit geschehen. Wie vielmal muß der gerechteste Richter die Folter gebrauchen / sonder daß er weiß: Ob der gepeinigte schuldig oder unschuldig leide? Durch Erlaubung gewisser Zwey-Kämpfe würden die andern aber keines weges gebilliget / noch zu solchen mehr Anlaß gegeben, sondern sie vielmehr und besser / als durch die allerschärffsten Straff-Gesetze abgebracht werden / welche zeither nicht ohne grossen Abbruch des oberkeitlichen Ansehens tausendmal wären durchlöchert worden. Denn die / welche auch dieser Stachel der eitelen Ehre kitzelte / würden sich solcher liederlichen Ursachen nicht gebrauchen / ihrer schnödẽ Vorwande mehrmals schämẽ /oder doch allemal: Ob selbte erheblich genung wären / dem Urtheil bescheidener Richter unterwerffen müssen; widrigen falls aber nicht beklagen können: daß ihnen der Weg ihre Ehre zu retten / ihre Beleidigung zu rächen verschränkt wäre / noch auch: daß sie die ihnen so denn auf den Hals fallenden Straffen nicht genungsam verschuldet hätten. Man könte die / welche zum Zwey-Kampfe gelassen werden solten / mit scharffen Eyden verfassen: daß sie eine gerechte Sache zu haben glaubten. Also würde manchen das Hertz klopfen / die Angst des Gewissens / die Gegenwart des Fürsten / das Ansehn so vieler tausend Zuschauer von einer liederlichen Schlägerey zurück halten. Mit einem Worte: Wie gewisse giftige Kranckheiten durch nichts als Gifft geheilet werden könten /also dünckte ihn kein besser Mittel zu seyn liederlichen Balgereyen zu steuren / als wenn man selbte in wichtigen Zufällen zuliesse; alle unzugelassenen aber mit Verlust der Ehre und des Lebens unnachläßlich straffte. Diese Ausführung billigten über fünfzig nachfolgende Druyden. Der achzigste allein meldete: daß / wenn er ein weltlicher Richter wäre / würde er kein Bedencken haben ihnen beyzustimmen. So aber wären sie Priester / welche die Menschen nicht nur mit Gott / sondern auch untereinander selbst zu versöhnen; keines weges aber zur Feindschafft zu veranlassen hätten. Der nachfolgende aber antwortete: So wären sie auch nicht fähig iemanden zum Rechte zu verlassen / in welchem [550] mehrmals mehr Groll gehegt /und mehr Galle / als in offentlichen Schlachten ausgelassen würde. Daher unterschiedene mal vorher grössere Versa lungen der Druyden / als gegenwärtige wäre / strittige Sachen durch einzelen Kampf zu erörtern verstattet hätten. Der ihm folgende fiel ein: Diese Zulassung wäre zu der Zeit geschehen / da diese einzelen Kämpfe in Deutschland noch nicht wären so gemein / und bey den klügsten Leuten nicht so verhaßt gewest. Nunmehr aber hätte der Mißbrauch selbte so schwartz gemacht: daß man ohne Abscheu von keinem fast mehr hörte. Die Zeit und die Unzeit aber machten einerley Ding zuläßlich und verwerfflich / und verliere sie ihren Preiß. Aus diesem Absehn hätte der Elefant und das grosse Nasenhorn-Thier aus Indien ihren besti ten Zwey-Kampf eingestellt / als sie auf dem Kampf-Platze gewahr worden wären: daß eine Maus und ein Frosch eben so / wie sie vorgehabt / mit einander stritten. Sein Nachbar aber begegnete ihm: Wenn tapfere Leute sich dessen schämen solten / was geringschätzige fürhätten /würde niemand arbeiten müssen / weil die Ameissen so geschäfftig wären. Man müsse den Mißbrauch guter Dinge durch Zeigung ihres rechten Gebrauches abthun / wie man neben rechten Edelgesteinen die falschen am besten kennen lernte. Diese und andere Gründe drangen so weit durch / daß zwey Theil der Druyden den Zwey-Kampf billigten / iedoch derogestalt: daß desselben Einrichtung dem Hertzog Herrmann / als Feldherrn überlassen werden solte. Der oberste Priester Libys / welcher wohl gerne Ismenen gäntzlich loßgesprochen gesehen hätte / muste nur den meisten Stimmen beyfallen / und selbten gemäß ein Urthel eröffnen.

Es begunte schon zu tagen / als das Gerichte beschlossen ward. Die begierigen Zuschauer trennten sich zwar in unzehlbare Ende vonsammen; iedoch waren sie nunmehr lüsterner nach dem Kampfe / als vorher nach diesem Gerichte. Der nur drey Meil weges entfernte Feldherr ward noch selbigen Tag umb Anstalt zum Zwey-Kampfe ersuchet; welcher denn auch nahe an dem heiligen Heyne die Schrancken aufrichten / und ausblasen ließ: daß die Ritter / welche ein oder des andern Theiles Sache mit der Lantze und dem Degen vertheidigen wolten / aufs nechst folgen den Voll-Monden dar erscheinen solten. Er verschrenckte hierdurch mit allem Fleisse denen streitenden Theilen die Auslesung ihrer Beschirmer; damit der menschliche Witz so viel weniger in dem die Hand zu haben scheinen möchte / was alleine von dem Erkäntnüsse des Verhängnüsses herflüssen solte. Es ist unglaublich / was so denn für ein Zulauff des Volckes war. Der Feldherr / Hertzog Arpus / Ganasch / Segimer / Flavius / Marcomir / Thußnelde / Erdmuth / Catta / und viel andere Fürstliche Personen mit einem unsäglichen Gefolge des Adels kamen dahin: An der einen Seite der Schrancken befand sich der Druys / auf der andern Seite Ismene unter einem Zelt; die andern fürnehmsten Zuschauer aber seitenwerts in der Mitte / auf einer erhobenen Bühne. So bald dreymal der Kampf ausgeblasen / und die Schrancken eröffnet waren / kamen auf des Druys Seiten sechs Ritter / alle auf weissen Pferden; vielleicht weil diß die Farbe der Priester ist / in den Platz. Der erste hatte in seinem Schilde einen güldenen Schlüssel / mit der auf des Druys Klage zielenden Uber-Schrifft: Er öffnet und sperret. Der ander führte im Schilde einen blühenden Wein Stock / von welchem Schlangen und Kröten sich entfernten / mit einer Ismenens Ausschlüssung vom Gottes-Dienste bedeutenden Uber-Schrifft: Er duldet nichts gifftiges. In des dritten Schilde stand die Sonne; welche auf einer Seite mit ihren Strahlen eines Adlers Augen schärffte / auf der andern eine [551] Nacht-Eule verjagte / mit der Uber-Schrifft: Sie erleuchtet und bländet. Der vierdte hatte im Schilde einen in einem Brunn stehenden und den Monden anschauenden Elephanten. Darüber stand: Umb ihn reinlich anzubeten. Der fünfte führte einen im Neste stehenden Storch mit einem Maßholder-Zweige im Schnabel / mit beygesetzten Worten: Wider alles schädliche. Der sechste hatte im Schilde die gestirnte Ziege / mit der Ismenen anstechenden Uber-Schrifft: Je höher / ie schädlicher. Ihr Einzug und alle ihre Geberdung war hochtrabend. Ihre Schild-Träger alle vermummet. Sie ritten alsbald für die Bühne des Feldherrn / und ererklärten sich /daß sie für Gott / für den reinen Gottes-Dienst / und für die Würde des Priesterthums zu fechten / und wider derselben Feinde das Recht auszuführen erschienen wären; von dem Feldherrn aber ein gerechtes Urthel über den Obsieg erwarteten. Auf Ismenens Seiten war eine ziemliche Zeit kein Ritter zu sehen noch zu hören; also daß die hierüber aufs höchste bestürtzte Ismene dem Pralen ihrer Feinde länger nicht zusehen konte; sondern sich selbst für die grosse Bühne der Fürsten verfügte / und daselbst fürtrug: Sie sähe wohl: daß niemand von ihrer Unschuld mehr Wissenschafft / also auch niemand mehr Hertze hätte solche gegen ihre Feinde zu vertheidigen. Sie scheuete sich auch einigen Menschen mit ihrer Beschirmung /und mit dem vielleicht eingebildeten Hasse der Druyden zu bebürden. Diesemnach bäte sie umb Erlaubnüß sich selbst zu rüsten / und ihnen die Stirne zu bieten. Sie traute allen sieben sattsam gewachsen zu seyn. Denn ihr Hertze stünde ihr für einen Mann / und ihr gut Gewissen für sechs Beystände. Die Ritter aber widersprachen Ismenens Verlangen durch ihren Herold; welcher denn fürtrug: daß sie mit Männern zu kämpfen / nicht an einẽ schwachen Weibe sich zu vergreiffen gefaßt wären. Wenn aber niemand wäre / der Ismenen zu beschirmen getraute / bäthen sie ihre verzweifelte Sache für verspielt zu erkennen. Der Feldherr war bekümmert sich aus dieser Schwerigkeit mit Ehren und Vernunft auszuwickeln / als ein Schall der Trompeten ein neues Aufsehn verursachte / und auf Ismenens Seiten ein Ritter mit sieben Waffenträgern in die Schrancken einritt. In seinem Schilde war ein brennender Berg gemahlt / welcher auf den ihn umbdeckenden Schnee viel Feuer-Flammen auswarff /mit der Uber-Schrifft: Nicht aus / noch ohne Liebe. So bald sich nun der erste von denen sieben Rittern gegen ihm stellte; schickte er ihm mit seinem Waffen-Träger zwey Lantzen und zwey Degen / die Helffte davon zu erkiesen. Nachdem sie nun beiderseits ihr Theil davon hatten / rennten sie auf einander so starck: daß nicht allein von beyden Lantzen die Spitzen in die Lufft / sondern auch dem Ritter mit dem güldenen Schlüssel der getroffene Helm vom Haupte floh. Der mit dem brennenden Berge kriegte im Augenblick seinen Degen in die Faust; als er aber selbtem auff das entblößte Haupt gleich einen Streich versetzen wolte / ward er gewahr: daß es Hertzog Segesthes war; dahero er den Streich nicht allein zurücke zoh; sondern vom Pferde sprang / und ihm den Helm aufhob / mit grosser Ehrerbietigkeit überreichte / und entschuldigte: daß er aus Unwissenheit sich an den gemacht hätte / welchem er zu dienen iederzeit verbunden wäre. Segesthes ward hierüber beschämt /wendete sich / ritt aus den Schrancken / und ließ sich nicht mehr schauen. Der Feldherr und Thußnelde wurden hierüber nicht wenig bekümmert / und gewahr: daß es Segesthen doch unmöglich wäre seinen Haß wider sie und ihr Haus abzulegen. Ismenens Ritter machte sich fertig mit dem andern des Druys / welcher den Wein-Stock und die Kröten führte / anzubinden; als drey neue [552] Ritter in die Schrancken ritten. Der erste hatte in seinem Schilde einen mit einem Weinstocke umflochtenen Ulmen-Baum / und darüber diese Worte: Aus Liebe der Liebenden. Der andere führte im Schilde eine eiserne Nadel mit einem Magnete an der Spitze / welche sich mit einander gegen dem Angelsterne kehrten / darüber war zu lesen: Aus Liebe des Liebenden. In des dritten Schilde stand eine der Sonnen nachsehende Sonnen-Wende / und darauf ein Laub-Frosch mit der Uberschrifft: Den Liebenden zu Liebe. Die zwey mit den Weinstöcken traffen mit gleicher Heftigkeit auf einander / aber mit sehr ungleichem Ausschlage. Denn die Lantze des für den Druys fechtenden sprang auf dem Schilde des andern in stücken; der für Ismenen streitende aber rennte sie seinem Feinde zwischen den Küraß und dem Helme durch den Hals / daß er todt vom Pferde stürtzte. Die zu Unternehmung des Streites bestellten Ritter eilten herzu; aber der vom Pferde springende Ritter kam ihnen zuvor / rieß seinem die Seele ausblasenden Feinde den Helm vom Haupte / eilte damit zu Ismenen / legte selbten ehrerbietig zu ihren Füssen / sätzte sich hiermit wieder zu Pferde; und nach dem er für dem Feldherrn sich tief gebeugt / blieb er bey den Schrancken als ein Zuschauer halten. Der Todte ward für Segesthens Schwester-Sohn Dagobert erkennet / welcher lange Jahre zu Rom beym Tiberius sich aufgehalten /und mit den Römern stets wider die Deutschen gefochten hatte. Hierauf kamen des Druys Ritter mit der Sonne / und Ismenens mit der Magnet-Nadel an einander. Sie brachen die Lantzen beyde ohne einige oder des andern Beschädigung. Hiermit kam es zum Degen-Gefechte; worinnen aber Ismenens Ritter bewieß: daß er so wenig seines Feindes / als seine Magnet-Nadel des Angelsterns fehlen konte. Der des Druys kriegte in die rechte Seite etliche Wunden /worvon sein silberner Harnisch fast über und über bepurpurt ward. Zuletzt versätzte jener diesem einigen Streich in das Gelencke zwischen der rechten Hand und dem Arme; daß ihm der Degen entfiel. Worauf Ismenens Ritter zuritt / seines Pferdes Zügel erwischte /und ihm selbst den Degen zwischen die Fuge des Harnisches / wo der Arm mit dem Bruststücke sich vereinbart / an Leib sätzte / und sich erkennen zu geben und das Leben zu bitten befahl. Dieser befand sich derogestalt im Gedrangen: daß er sich seines Uberwinders Gesätze unterwerffen und bekennen muste: Es würde Cariovalda der Bataver Fürsten / welchen nicht so wol seine Zagheit als vielleicht seines beschirmten böse Sache diesen Tag so unglücklich machte / einem so tapffern Ritter / wer er auch wäre /das Leben schuldig seyn. Die Reye kam nun auf Seiten des Druys an den Ritter mit dem Elephanten; auf Ismenens Seite aber an den mit dem Laub-Frosche. Dieser aber rennte jenen im ersten Lauffe samt dem Pferde über einen Hauffen / und verletzte ihn noch darzu mit der Lantze in die lincke Achsel. Jedoch raffte sich das Pferd wieder auf / und meinte der Ritter des Druys nun zum Degen zu greiffen / weil aber im Fallen der eine Gurt dem Pferde / und ihm der Gürtel zersprungen war / saß er gantz wackelnd / und konte noch darzu hinter dem Rücken seinen Degen nicht er greiffen. Ismenens Ritter hatte bey dieser Gelegenheit ihm zehen Streiche für einẽ zu versätzen Gelegenheit genung; aber einen / der sich nicht wehren konte /allzu viel Großmüthigkeit. Dahero redete er ihn an: Siehest du wol! daß bey Beschirmung einer gerechten Sache ein Frosch einen Elephanten zu Bodem werffe. Steig aber ab / und versuche: ob eine böse Sache zu Fusse nicht so sehr hincke / als zu Pferde. Aber sein Gegentheil bekennte: daß eine böse Sache auch auf stählernen Rädern nicht fortzubringen sey. [553] Er erkennte Ismenen für unschuldig / er gäbe ihr die strittig gemachte Ehre wieder / und es würde ihn nimmermehr weder der Schein der Heiligkeit / noch der blinde Eyver der Gotesfurcht / noch der Gehorsam zu Vertheidigung einer Sache verleiten / von welcher Gerechtigkeit er nicht selbst eigene Wissenschafft hätte. Ismenens Ritter wolte mit dieser Erklärung nicht zu frieden seyn / sondern er solte seinen Helm zu Ismenens Füssen niederlegen. Der Ritter gab mit aufgehobenem Helme seinem Uberwinder allein sich für den Fürsten Siegesmund zu erkennen; und antwortete: Ich weiß: daß Ismene selbst aus meiner Schande ihr keine Ehre zu suchen verlange. Hier aber liefere ich ihr und dir meinen Degen; mit der Versicherung: daß ich ihn niemals mehr wider euch beyde / und eine gerechte Sache zücken werde. Ismenens Ritter brachte ihn Ismenen zum Kennzeichen seines Sieges / und ihrer Unschuld. Des Druys Ritter aber wendete sich zum Druys / schalt ihn einen Ungerechten / und sprengte über die Schrancken. Unterdessen erschienen auf Ismenens Seiten noch zwey Ritter in Kampff-Platz. Der eine hatte in seinem blauen Schilde eine Africanische Ziege; welche den brennenden Hundsstern anbetete /mit der Uberschrifft: Aus Liebe des nicht Geliebten. Der andere führte im Schilde die Sonne über einem Weinstocke und Oel-Baume / und darüber die Auslegung: Aus Liebe der nicht Liebenden. Sintemal diese beyde Gewächse einander zu wider sind / und doch beyde von der Sonne fruchtbar werden. Als nun derogestalt Ismenens ander Ritter mit dem Weinstocke gewahr ward: daß es mit Ismenen mehr keine Noth / sondern sie so schlechte Feinde und so tapffere Beschirmer hatte / sprengte er über die Schrancken / und ritt mit zweyen sich zu Pferde begebenden Waffen-Trägern spornstreichs davon. Hierauf machten sich gleichwol des Druys Ritter / mit dem Storche / und der mit der gestirnten Ziege herfür. Mit jenem band Ismenens Ritter mit dem Weinstocke und Oelbaume /mit diesem der mit der Ziege / die den Hundsstern anbetete / an. Die ersten zwey kamen nach gebrochenen Lantzen mit den Leibern so nahe an einander: daß sie einander mit den Armen umbfaßten / und einer den andern von den Pferden zu reissen trachtete. Weil aber des Druydischen Stärcke; des Ismenischen Geschickligkeit solches nicht verstatten wolte / ließen sie von einander ab und grieffen zu den Degen. Alleine das Hispanische Pferd gab dem Druydischen wegen seiner gelencken Geschwindigkeit einen grossen Vorthel. Daher entschloß der Ismenische dieses zu verletzen; gab ihm auch einen Schneller aufs Maul / worvon es etliche Sätze in die Lufft / und so ungeschickte Sprünge thät: daß er selbst entschlüßen muste herab zu springen. Dieses aber geschahe mit einem so hefftigen Falle: daß er an dem lincken Beine gelähmt ward / und ihm der Helm vom Kopffe sprang. Wordurch er für Childerichen / der Carnuten Fürsten in Gallien / erkennt ward. Ismenens Ritter sprang auch vom Pferde / weil aber sein Feind nicht aufstehen konte / that er ihm kein Leid; sondern nach dem er sich für überwunden erkennet hatte / brachte er seinen verlohrnen Helm Ismenen zum Siegs-Zeichen. Die andern beyden Ritter hatten mit den Lantzen ihre Pferde derogestalt beschädigt: daß sie mit beyden sich überstürtzten. Ismenens aber hatte das Unglück: daß ihm der Helm absprang / und er nicht allein den Helm einbißte; also zu des Schau-Platzes insonderheit aber Hertzog Ganasches höchster Verwunderung für die Chaucische Fürstin Adelmunde erkennet ward; sondern ihr auch im Fallen der Degen entzwey brach.[554] Gleichwol sprang sie eilfertig auf die Füsse / und gieng mit halbem Degen ihrem Feinde unerschrocken unter Augen. Dieser feyerte auch nicht / und waren sie beyde mit ihrer Behendigkeit denen zweyen in ihren Schilden stehenden Ziegen zu vergleichen. Niemand unter den Zuschauern war / der nicht für Adelmunden Sorge / und gegen ihren hefftigen Feind hefftigen Haß trug; ja als ihr folgends bey Versätzung eines gewaltigen Streiches die halbe Klinge aus dem Grieffe floh /sie für verlohren schätzte. Ihrem Vater Arpus wallete am meisten das Hertz; und ob wol unterschiedene Zuschauer rufften; daß es nicht nur Grausamkeit / sondern Schande wäre / ungewaffnete anzutasten / ließ doch der Druydische Ritter Adelmunden keinen Augenblick Frist zu verblasen; also / daß sie bey Versetzung des entblößten Hauptes in den lincken Arm /und in die rechte Seite verwundet ward. Sie war nunmehr nahe / bis an den innern Schrancken getrieben /und schien es umb sie geschehn zu seyn / als ein Habicht aus der Lufft geschossen kam / welcher dem Druydischen Ritter in die Augen floh / mit seinen Klauen ihn ins Antlitz kratzte / und die Augen verbländete. Adelmunde kriegte durch diese himmlische Hülffe zwey Hertzen / und zugleich Lufft eine abgebrochene halbe Lantze zu ergreiffen. Gleichwol aber war sie viel zu großmüthig ihren Feind zu beleidigen /weil er durch solchen Tod die Ehre erworben hätte unüberwunden zu sterben; und daß er nicht durch Tugend / sondern nur durch List hätte gefället werden können. Der Habicht entfernte sich / so bald nur Adelmunde gewaffnet war / gleich als wenn ihre Tapfferkeit nunmehr keines Beystandes mehr bedürffte. Ob nun zwar der Feind an seinem hauend und stechenden Degen noch einen ziemlichen Vortheil hatte / grief sie ihn doch nunmehr eyfrig an / und versätzte ihm mit der Lantze einen Stoß durch das Gegitter des Helmes ins Antlitz: daß er wie von einem Donnerschlage zu Bodem fiel. Adelmunde säumte nicht ihm den Helm vom Häupte zu reissen / das Angesicht aber war vom Blute gantz unkenntlich. Weil sie nun Ismenen den eroberten Helm und Degen überbrachte / ward ihr Feind gerieben / gekühlet / abgewaschen / und zu unsäglicher Bestürtzüng des gantzen Cheruskischen Hauses und Hofes für die Königin Erato erkennet. Die hierzu kommende Ismene und Adelmunde erschracken hierdurch derogestalt: daß sie außer sich selbst kamen. Der Ritter mit der Magnet-Nadel warff seinen Helm gleichfalls vom Haupte / und gab sich für den Liebhaber der Erato Flavius zu erkennen. Bey diesem wolte kein Trost / bey jenem kein Einreden verfangen / bis die hierzu beruffenden Wund-Aertzte versicherten; daß Erato nicht gefährlich in die Stirne verwundet / und nur vom Schwindel zu Bodem gefallen wäre. Erato kam zwar wieder zu sich; aber als sie Ismenen / Adelmunden und den Flavius für sich sahe /färbte sie nunmehr ihr Antlitz so sehr / mit Schamröthe / als vorher mit Blute / und dis vermischte sie mit einem Strome voll Thränen. Ob nun wol Ismene /was sie wieder ihre Unschuld / und Flavius / was sie wider seine Schwester zu fechten veranlaßt hätte? fragten; war doch der Erato kein Wort abzubringen. Als sie aber bey allem / was ihr im Himmel oder auf der Erde lieb seyn konte / beschwuren / fieng sie an: Wolte Gott! ich hätte einer solchen Gottes-Verächterin / als Ismene ist / und allen / die durch ihre Verfechtung sich ihres Lasters theilhaftig gemacht / das Licht ausleschen können! Wolte Gott! daß sich meine Rache an dem Blute des Flavius abkühlen / und sein kaltes Hertze dem Fürsten Zeno aufopffern [555] könte / in dessen Seele er die zu mir tragende reineste Liebe ausgelescht hat. Sie fiel hierüber in Ohnmacht / und wußten die Bestürtzten keinen andern Rath; als daß sie die Königin zur Ruhe und Heilung in das nechste Jäger-Haus tragen liessen. Jedermann meynte: daß mit diesem seltsamen Ebentheuer der gantze Kampf ausgemacht / für Ismenen der Sieg estritten wäre. Massen denn auch der Druys sich im Kopfe rauffte / und wie eine Nacht-Eule sich in die Finsternüß seines Gezelts versteckte. Hingegen kam auf Ismenens Seiten ein frischer Ritter in die Schrancken / welcher auf einem kohlschwartzen Pferde / einen blauen Harnisch / mit eitel Blitz und Feuer-Flammen; im Schilde aber einen von Zwibeln ringsher umbgebenen / und mit denen allervollkommensten Rosen angefüllten Rosen-Stock mit dieser Uberschrifft führte: Der Widerwertigen zu Liebe. Sintemal die widrigen Rosen von denen dabey wachsenden Zwibeln / eine schönere Farbe /und einen stärckern Geruch bekommen. Als dieser in der Mitte des Kampf-Platzes sein Pferd tummelte /und seinen Herold ausruffen ließ: Ob niemand wider ihn und seine gerechte Sache zu fechten das Hertz hätte? sprengte an einem absondern Orte ein Ritter auf einem falben Hengste mit schwartzen Mähnen über die Schrancken. Sein Harnisch war mit eitel Sternen besämt. In dem Schilde führte er eine Welt-Kugel / mit einer über die sie mitten in zwey gleiche Theile unterscheidende Schnure gesetzten Magnet-Nadel; darüber war in güldener Schrifft zu lesen:Uber der Schnure ohne Tugend. Jener ließ diesem durch sieben Waffen-Träger vierzehn Lantzen / und so viel Schwerdter fürtragen / daraus ihm sein Theil zu erwehlen; er erkiesete aber nur drey Lantzen und ein Schwerdt / und ließ ihm zurück entbieten: daß diß ohne dem ein Uberfluß wäre seiner Meister zu werden. Im ersten Rennen sprangen beyder Lantzen wie Glas auf den Schilden entzwey. Im andern Rennen traffen sie einander auf ihre Harnische; sie verrückten aber selbte so wenig / als wenn sie auf einen Fels getroffen hätten. Im dritten Rennen aber faßte der Ritter mit der Welt-Kugel den mit den Zwibeln so wohl: daß er ihn mit der Lantze aus dem Sattel hob / und über das Creutze des Pferdes zu Bodem warff. Dieser mühte sich zwar wieder auf die Füsse zu kommen; aber jener dräute ihn mit der noch in der Hand habenden gantzen Lantze zu durchstechen / da er nicht Helm und Degen von sich legen würde. Der liegende Ritter ließ sich vernehmen: Er würde es für eine Wohlthat annehmen / wenn er getödtet würde. Dieses machte dem andern Nachdenken / und veranlaßte ihn sich vom Pferde zu schwingen / und ihn zu erkennen. Welches auch unschwer zu vollziehen war. Denn ob sich der mit den Zwibeln zwar inzwischen aufraffte; war er doch so sehr auf die Hüfften gefallen: daß er mit Noth sich auf den Beinen erhalten konte. Dahero warff der mit der Welt-Kugel ihn leicht wieder zu Bodem; nahm ihm das Schwerdt / und rieß ihm den Helm vom Kopfe. Ismenen bebte hierüber das Hertz; und sie wuste ihrem Leide kein Ende; daß ihr der schon in Händen gehabte Sieg so unvermuthet ausgewunden / und ein so herrlicher Anfang durch ein so schlimmes Ende verstellt werden solte. Ja weil man bey widrigen Fällẽ meist sehr mißträulich gegẽ sein Glück uñ anderer Tugend ist / gerieth sie schon in Furcht dieser feindliche Uberwinder würde ihren vorigen Siegern die Palmen aus der Hand reissen. Der Druys aber kam voller Freuden zugesprungen / umbarmete dieses Siegers Füsse; mit welchen er ihn aber von sich stieß / und ihm also diese Freude versaltzte /und sein Gemüthe verwirrete; warum der / welcher so rühmlich für ihn gestritten / ihn so schlecht abfertigen könte. [556] Hierauf warff er die Augen auf den Uberwundenen. Als er nun seinen auf der Erde liegenden Feind für den Fürsten Adgandester erkennte; zitterte er wie ein Aspen-Laub; hernach erstarrete er / wie ein Scheit. Unterdessen machten sich Ismenens Ritter fertig diesem Uberwinder die Stirne zu bieten. Alleine dieser nahm Adgandesters Helm und Degen / legte sie zu aller Zuschauer unbegreifflicher Verwunderung Ismenen zu Füssen / mit beygesetzten Worten: Es wäre zu wenig / unvergleichliche Ismene / wenn sie heute nur ihre Unschuld retten / nicht aber zugleich über die Verläumdung und Verrätherey siegen solte. Dieser Adgandester ist der Uhrheber beyder Laster; und nicht weniger boßhafft / als unverschämt / wenn er ihrer Unschuld ein Bein unterschlägt; gleichwohl aber den Ruhm haben wil: daß er solche mit seinem Degen vertheidigt hätte. Ismene danckte für diese Gewogenheit /wiewohl ihr alles / was von Adgandestern gesagt ward / unbegreiffliche Rätzel warẽ / biß der erstaunete Druys nach einẽ verzweifelten Stillschweigẽ von freyẽ Stückẽ Adgandesters und seine eigene Boßheit zu beichten anfieng. Denn Rache und seltsame Zufälle lösen offtmals denen / derer verstockten Verschwiegenheit man sonst durch einen glüenden Ochsen kein Wort auspressen würde / die Zunge: daß sie Verräther ihres Hertzens wird; und ehe / als der Richter / wieder sie ein Verdammung-Urthel spricht: O gerechter Gott! rieff Luitbrand / wie unbegreifflich sind deine Gerichte! O du albere Boßheit! die du zur Närrin wirst /wenn du mit deiner Arglist die Tugend und Weißheit zu verwirren gedenckest! hast du Wahnwitziger nicht gelernt: daß die Verläumbdung eine Miß-Geburt der Höllen / eine Brutt der Lügen / eine Mörderin der Seele / und ein Brunn-Quell alles Unglücks sey? Hast du Ehrloser nicht daran gedacht: daß alle uns einnehmende Laster nur eine gefirnste Stirne / eine heuchlerische Zunge / aber einen abscheulichen Rücken /einen Stachel haben; daß ihrem Liebhaber nach derselben Begehung selbst darfür grauet. Ich bekenne mein wider Ismenens Unschuld verübtes Verbrechen; und also darff weder ich noch sie eines Urthels. Denn eines Richters Erkentnüß befreyte sie nur von der Schuld / mein Bekäntnüß aber reinigte sie von allem Verdachte. Ich unterwerffe mich ärgern Straffen / als mir der schärffste Richter auflegen kan. Denn dieser kan nimmermehr hinter so viel Boßheit kommen / als ihm ein Boßhafter selbst bewust ist. Ich habe vorgehabt Ismenen umb Ehr und Leben zu bringen / ohne daß sie mich iemals beleidiget. Mein Laster hat an sich nichts unverantwortliches / als mein Zugeständnüß / welches im Bösen so gut / als die Hertzhaftigkeit im Guten. Ich würde mein Verbrechen / und meine Straffe nur verärgern / wenn ich bey meiner Boßheit noch wolte für fro angesehen seyn. Denn wer dem Strome der göttlichen Gerechtigkeit entschwimmen wil / muß in dem greulichsten Abgrunde ersauffen. Ihre Straff-Pfeile werden alle von der Hand des unverhinderlichen Verhängnüsses abgeschossen /welche niemals fehlen kan. Die Straffe ist der Sünde so ähnlich / als wäre sie ihr aus dem Gesichte geschnitten. Meine weiß keine Entschuldigung; es wäre denn diese: daß ich nur der Werckzeug / Adgandester aber der Urheber dieser Verrätherey gewesen sey. Diesen hätte seine aus wahnsinniger Liebe entsprossene Rache / wider die ihn verschmähende Fürstin Ismene / ihn aber sein schändlicher Ehrgeitz / welcher ihn durch Adgandesters Beystand dem obersten Priester Libys an die Seite gesetzt zu werden beredet hatte / verleitet. Dieser kan nun anderer Gestalt nicht vertilgt werden / als durch eine tieffe Abstürtzung. Weil ich durch Laster habe wollen einer der obersten Priester werden / bin ich [557] nicht würdig der geringste zu seyn. Kein gewisser Zeichen ist: daß einer ungeschickt sey zu einem Ampte / als wenn er solches allzu eivrig sucht. Ein böse Werckzeug beschimpfet nur ein gut Werck / Gott höret nicht / wil ihm auch nicht rauchern lassen durch besudelte Hände. Hiermit zerrieß Luitbrand seinen Mispel-Krantz / und sein leinenes Kleid; und fuhr fort: Glücke und Gleißnerey haben zeither meinen Unflat des Hertzens / wie der Schnee einen Misthauffen bedecket. Nun aber beydes zerschmeltzet / lieget die stinckende Fäulnüß am Lichte der Welt. Ich habe mit einer hi lischen Larve mein höllisch Antlitz verdecket; verdamme mich also selbst / und enteusere mich meiner Würde: daß ich das heilige Ampt der Priesterschafft nicht in meine Missethaten einflechte. Aergert euch nur nicht an mir! ihr Anschauer meiner Schande! und gedencket: daß wie das Alter einen Priester nicht heiligen / also die Unreinigkeit eines Dieners kein Opfer besudeln könne. Wie aber ist dir zu Muthe / Adgandester? Schämestu dich deine Boßheit so deutsch heraus zu sagen? Ich weiß wohl: daß zwischen den Gewissen ein so grosser Unterschied / als zwischen den Magen ist / etliche sind zart / und können kaum leichte Speise und Laster / etliche auch gar grobe verdräuen; aber glaube mir / beyde werden blöde und übergeben sich /wenn man sie überfüllet. Dein Hertze hat so viel Gifft in sich: daß es anders nicht / als durch ein aufrichtig Bekäntnüß / durch die Vorbitte Ismenens / und durch die Gnade des Feldherrn genesen kan. Verlasse dich nicht auf List und Leugnen. Die scharffsichtige Klugheit verblindet / und die schwärtzeste Finsternüß wird sichtbar / wenn das durchdringende Auge Gottes schon einmal beginnt ein Einsehn über uns zu haben. Deine eigene Vergehung leite dich zu rechte. Denn was hättest du thörichters unter der Sonne begehẽ könnẽ; deñ daß du dich mit mir durch Boßheit so sehr verknipft weist; gleichwohl aber dich wider mich die Waffen zu ergreiffen erkühnest? Sind dir die Zufälle der Streite; und daß böse Dinge selten wohl von statten gehen / unbekant? Alleine der närrische Vogel leimet sich auf der Leim-Stange selbst mit dem an / was aus seinem eigenen Unflate gewachsen ist. Wie? oder hat dich deiner angesponnenen Verrätherey gereuet? Hast du durch Ismenens Beschirmung die Scharte der ihr geschehenen Nachstellung auswetzen wollen? Warlich! du wirst diß keinen Menschẽ in diesem Schau-Platze bereden. Auch die Einfältigsten werden muthmassen: daß du nur / als du von schlechtem Zustande meiner Sache Wind bekommen / zu guter Letzte an Ismenens Siege habest Theil haben / deiner Falschheit eine Farbe anstreichen / und mich Fallenden vollends erdrücken wollen. Denn die Laster gleichen dem Stein-Saltze / beyde / wenn sie unter der Erde / und im Verborgenen liegen / sind leichte /wenn sie aber ans Tage-Licht kommen / werden sie schwer; und daher gebiehrt die Gemeinschafft der Missethaten die ärgste Feindschafft. Wie viel mal aber hab ich aus deinem Munde gehört; daß man einem nur biß an Gürtel im Schlamme steckenden Feinde heraus helffen / einem biß an Hals versinckenden aber mit dem Fusse vollends in Abgrund stossen solte? Erkenne dich also nur / Adgandester / nachdem du ohne diß schon allzu sehr bekant bist. Denn woher würde dieser für Ismenen stehender Ritter dich / da du dich auf ihre Seite geschlagen hast / zu bekämpfen Anlaß bekommen haben? Weist du nicht: daß er ihr schon deine Verrätherey offenbart? Wundere dich nicht: daß unsere Anschläge mit so unzeitigen Mißgeburten verworffen worden. Die Boßheit kan eine Weile wohl vermäntelt / aber nicht lange verhölet werden; sie siehet solchen Leuten aus den Augen; unsere Zagheit schreibet sie uns an die Stirne: daß sie auch die Einfältigen lesen können. Zeit und Argwohn ziehen auch die am künstlichsten versteckte / wie die Hirschen [558] mit ihrem Geruche und Athem die verborgenen Schlangen aus tieffsten Löchern herfür. Adgandester bieß die Zähne zusammen / murrete unterschiedene mal auf der Erden; und ietzt hieß er den Druys als einẽ Wahnsinnigẽ schweigen; aber er ließ sich nichts irren / sondern fuhr fort: Lasse dich / Adgandester / deine Eigen-Liebe nicht verführen: daß du leugnest / oder dir träumen läßt unschuldiger / als ich / zu seyn. Ich weiß ihre Eigenschafft wohl: daß sie das Schau-Glas umbwendet / und frembde Schwachheiten für den Blocks-Berg / eigene Verbrechen für Maulwurffs-Hauffen ansiehet. Aber hiermit ist der Sache nicht gerathen. Unsere Richter sehen nicht durchs Blaster; und nehmen für eine Verminderung der Laster ihre Bereuung an. Lasse dich von dieser deinen hohen Stand nicht zurücke halten. Denn wer sich vergehet wie der Pöfel / verdienet in der Straffe keinen Vorzug. Du hast deinen Helm und deinen Degen; das ist / deine Ehre und deine Tugend schon eingebüßt; was ist dir mehr mit einem schimpflichen Leben gedienet? Ich wil lieber einmal sterben / als immer. Denn es ist erträglicher todt / als lebendig begraben seyn. Adgandester ermunterte sich endlich / und bat: Man möchte diesen verzweifelten Verläumbder ihm aus den Augen schaffen. Kein Verräther könte durch seine Beschuldigung einen andern mit Verdacht eines gleichmässigen Lasters bebürden. Es wäre keine neue Erfindung: daß Missethäter durch Einflechtung anderer / sich mit ihrer Gnade zu betheilen vermeynten. Er hätte seine Treu gegen das Cheruskische Haus mehrmals mit seinem Blut besiegelt; welche Farbe sich durch blosse Angeifferung eines Läster-Maules nicht schwärtzen liesse. Hingegen hätte Luitbrand von seinem Groß-Vater Induciomar den Haß wider die Deutschen; insonderheit aber wider das Cheruskische Haus geerbet; weil es sich wider die Römer und den Cingetorich nicht in seine verzweifelte Händel hätte einflechten wollen. Der Ritter / welcher ihn überwunden hatte / redete ihn an: Brenne dich nicht weisser /Adgandester / als du bist; und erinnere dich: was du mit Luitbranden für Briefe gewechselt? Sind sie dir nicht auf der Reise nach Mattium von Händen kommen? Hast du in selbten Ismenen einen andern Nahmen gegeben / als: Der Widerwertigen. Von welcher du in deinem Schilde bekennest / daß du in sie verliebt seyst? Zwinge mich nicht dich mehr zu beschämen / der ich aus eines andern Schande keine Ehre zu suchen gemeynt bin. Demüthige dich unter die Hand des gütigsten Fürsten der Welt / des großmüthigsten Feldherrn. Es ist Thorheit lieber wollen überwiesen seyn / als umb Gnade bitten. Adgandestern schoß hierüber das Blat; daher er nicht ohne merckliche Kleinmuth antwortete: Es stünde ihm als einem Uberwundenen nicht zu mit seinem Sieger zu rechten. Sieger gäben die Gesetze; die Besiegten hätten sie nur anzunehmen. Er unterwürffe sich seinen Befehlen ohne einigen Vorbehalt. Ja er würde ihn nicht minder für einen Uberwinder seiner Seele / als seines Leibes verehren / wenn er die Schande seiner Niederlage durch Entdeckung / von was für einem so tapferen Helden er bemeistert worden wäre / etlicher massen verwischen würde. Der Ritter sagte: Ich darff mich für keinem Menschen in der Welt scheuen: daß er mir nicht dörffte unter Augen sehen. Hiermit nam er den Helm ab: daß ihn iedermann für den Hertzog Jubil erkennte. Weil nun Ismenens Ritter mit der Magnet-Nadel / der mit dem Laub-Frosche auf der Sonnenwende / der mit dem brennenden Berge / der mit dem Wein-Stocke und Oel-Baume darbey hielten / ersuchte sie Hertzog Jubil und Adelmunde aufs ehrerbietigste: Sie möchten doch als Beschirmer einerley Sache /und als Gefärthen gleiches Glückes nicht den Vorzug unbekant zu bleiben [559] ihnen wegnehmen. Die Tugend hätte ein so beliebtes Gesichte: daß sie sich nirgends schämen dörffte; und die Boßheit selbst könte sie zwar neiden / aber nicht schelten. Der mit der Magnet-Nadel machte den Anfang den Helm abzunehmen; welchem also die andern zu folgen gezwungen wurden / da denn der erste für den Hertzog Flavius /der ander für Rhemetalcen / der dritte für Catumern /der vierdte für die Fürstin Zirolane erkennet ward. Es ist unbeschreiblich / was diese Erkäntnüß für Freude erweckte / für Umbarmungen zwischen ihnen untereinander / und Ismenen verursachte; welche einem ieden ihrer Beschirmer nicht ohne viel Freuden-Thränen Danck sagte. Unter dieser Vermengung hatte Rhemetalces seine Zirolane / Catumer seine Adelmunde zu umbfangen nicht minder einen Schein der Freyheit / als Gelegenheit. Ja Ismene selbst konte sich nicht enthalten / den Fürsten Catumer zu umbhalsen /und zu bekennen: daß sie keinem mehr als ihm verpflichtet wäre / weil er der erste ihrer Vertheidiger gewest / da er doch / weil sie ihn nicht hätte lieben können / keine Ursache sich ihrer anzunehmen; sondern vielmehr wider sie den Degen zu zücken Ursach gehabt hätte. Der Feldherr / Hertzog Arpus / Ganasch /Thußnelde und andere vornehme Zuschauer wurden hierdurch veranlaßt von der Bühne herab zu steigen /um alles desto genauer zu ergründen. Unter so viel annehmlichen Bezeugungen fragte der Feldherr: Wer denn der allein mangelnde Ritter mit dem Ulmenbaume gewest wäre? niemand aber konte oder wolte davon einige Nachricht gebẽ. Hierauf betrachteten sie ieden Ritters Sinne-Bild / und beschwur Thußnelde ieden seine wahrhafte Auslegung darüber zu thun. Flavius bekennte aufrichtig heraus: daß seines auf den die Ismene liebenden Zeno zielte; und daß sein Hertze als das Eisen mit des Liebenden / als einem Magnete sich gegen Ismenen / als des Zeno Angel-Stern ziehen liesse. Rhemetalcens Auslegung zielte mit seinem Laub-Frosche / welcher auf der in die Sonne verliebten Sonnenwende nachsah / auf beyde Liebende /nemlich den Zeno und Ismenen. Zirolane sagte: Ihr Sinnen-Bild drückte durch ihr den widrigen Wein-Stock und Oel-Baum bescheinende Sonne ihre Gewogenheit gegen die einander nicht liebenden / nemlich den Fürsten Catumer und Ismenen aus. Hertzog Jubil legte seine Magnet-Nadel über der Mittel-Schnure der Welt-Kugel auf Adgandestern aus: daß die Geschickligkeit / wenn sie über ihre Mittel-Schnure haute / untüchtig würde. Catumer und Adelmunde wolten alleine mit ihrer Deutung nicht heraus. Weil aber jenen Arpus / diese Ganasch befehlichten / den unverfälschten Verstand zu sagen / fieng Catumer an: Er könte auf so heiligen Befehl nicht leugnen: daß sein Feuer-auswerffender Berg so viel sagen wolte: Er kämpfte nicht aus Liebe gegen das schneene Hertze Ismenens; gleichwohl aber wäre er nicht unverliebt. Adelmunde sagte: Sie müste gestehen: Ihre den sonst wegen seiner versängenden Hitze verhaßten Hunds-Stern anbetende Ziege bedeutete so viel: daß ihr Hertze einem sonst unbeliebten nicht unhold wäre. Thußnelde aber sagte: Diß hiesse ein Rätzel durch Rätzel auslegen /drang also auf beyde: daß Catumer seine Geliebte /und Adelmunde ihren Ungeliebten nennen solte. Adelmunde sahe hierüber Catumern / und Catumer Adelmunden an; worüber sie sich beyde rötheten. Thußnelde fieng hierüber an: Es darff keines ferneren Bekäntnüsses. Ich kenne die Sprache / und die rothe Tinte der Liebe schon. Jene stecket in den Augen /diese fleust auf den Wangen. Zirolane färbte sich hierüber auch; und als sie Rhemetaleen ansah / auch dieser. Thußnelde lächelte / und sagte zu Zirolanen: Sie hätte gehöret: daß wenn man einem [560] Schlafenden einen gewissen Stein unter die Zunge legte / selbter alle seine Heimligkeiten entdecken müste. Sie sähe aber wohl: daß eine freudige Vertrauligkeit ein viel bewehrter Mittel wäre / auch Wachenden ihre Geheimnüß auszulocken. Hertzog Arpus und Ganasch stellten sich an / als wenn sie nichts von der verrathenen Liebe ihrer Kinder angemerckt hätten. Adgandester aber näherte sich dem Feldherrn / und bat: Er könte seinen Fehler nicht läugnen: daß er Ismenen geliebt /und ihre Kaltsinnigkeit für eine Beleidigung angenommen. Niemals aber hätte er sich so ferne vergangen; als der gottlose Luitbrand ihn beschuldigt hätte. Das Wachsthum des Cheruskischen Hauses wäre iederzeit der Zweck seines Vorhabens gewest. Er wolte aber so wenig seine Verdienste loben / als seine Vergehung entschuldigen; sondern beydes zu seinen Füssen werffen. Denn er wüßte wohl: daß des Feldherrn Hertze ein Altar wäre / auff welchem kein Feuer der Rache / sondern der Liebe flammete / und wo alle Demüthigen Gnade und Erhörung anträffen. Der Feldherr aber wendete sich von ihm weg / und befahl: Man solte so wohl dem Druys als Adgandestern andeuten: sie solten sich seines Hofes und Gesichtes entäusern. Denn es wären keine abscheulichere Miß-Geburten in der Welt / als ein gottloser Priester / und ein untreuer Diener. Ismene aber erklärte sich: daß sie beyden ihre Beleidigung verziehe; und da ihre Vorbitte ihrem Verbrechen etwas zu benehmen kräfftig seyn könte / würde sie solche für sie einzulegen kein Bedencken haben / die durch ihre Abneigung ihrer Unschuld / wie die Mahler durch den Schatten ihren Gemählden nur mehr Licht gegeben hätten. Der gantze Schau-Platz hatte Theil an der Freude dieser Fürsten; und Hertzog Arpus unterhielt seine vornehmen Gäste mit Jagten und andern Fürstlichen Lustbarkeiten.

Innhalt des Vierdten Buches
[561] Innhalt
Des Vierdten Buches.

Krafft der Augen in der Liebe. Flavius bewachet das Jägerhauß / darinnen sich Erato aufhält / wird aber gewahr / daß sie des Mitternachts mit einem Aufzuge vieler Wald-Götter in Gestalt Dianens mit Saloninen von drey Rittern weggeführt wird. Des Flavius Kummer hierüber / und Gespräche: Ob und was Satyren seyn? Catumer wird mit der Chaucischen Fürstin Adelmunde verlobet. Ismene liefert ihnen einen sinnreichen Tantz; darinnen anfangs der Streit der göttlichen / der Tugend / der ehlichen und fleischlichen Liebe; hernach der Kampff der Wollust / der Ehrsucht / des Geitzes / und der Vernunfft umb den Vorzug in der ehlichen Liebe / endlich der Zwist zwischen der Geblüts- der Freundschafft und der ehlichen Liebe vorgestellt wird. Allerhand Urthel über Adgandesters Fall / welcher sich mühet beym Feldherrn / und endlich beym Herzog Arpus ans Bret zu kommen / welches Hertzog Ganasch hindert. Adgandester zeucht heimlich davon / und mit Segesthen und Sentien zum Könige Marbod. Diese bringt es dahin / daß Marbod Adgandestern zum Staats-Diener annimmt / und ihn in Bothschafft zu den deutschen Fürsten nach Mattium schickt / allwo er durch Geschencke und vielerley Wege die Gemüther gewinnet / beym Germanicus durch den Grafen Kinsky / und durch den Ritter Laschansky beym Cäcina anhält mit dem Kriege wider die Sicambrer inne zu halten. Als ihm vom Arpus und Ganasch Verhör gegeben / vom Feldherrn aber verweigert wird / nimmt er dis wol auf / und schreibt an Marbod umb einen andern Gesandten. Fürnemlich zeucht er den Flavius an sich / und macht ihm Hoffnung Marbods Tochter zu heyrathen. Diesem läßt er eine Abschrifft eines väterlichen Willens / darinnen ihm das dritte Theil der Cheruskischen Länder vermacht ist / durch einen Druys einliefern / welcher im Tanfanischen Tempel liegen solte. Flavius ersucht Ingviomern / daß er den Feldherrn zu dessen Abholung bewegen solte. Dieser widerräthet es / aber vergebens / ungeachtet er die Unzertrennligkeit des Cheruskischen Reiches für Augen stellt. Der letzte Wille wird aufgesucht / aber für verfälscht erkennet. Ungeachtet nun der Feldherr dem Flavius ein Stück Landes einräumen wil / ist er doch damit nicht vergnügt /sondern zeucht auf Adgandesters Anstifftung im Zorne zum Germanicus. Der Feldherr räthet Ingviomern sich des betrüglichen Adgandesters zu entschlagen. Graf Windisch Grätz als Bothschaffter vom Marbod kommt beym Feldherrn an / Germanicus vertröstet mit den Waffen bis auf den Mey wider die Sicambrer inne zu halten. Es wird bewilligt zu Mattium zwischen den Römern und Sicambern einen Frieden zu vermitteln. Segesthes / Sentia und Cäcina kommen destwegen dahin. Sentia schlägt für Adelmunden [562] unfruchtbar zu machen / und dadurch ihre Heyrath an Catumern zu hindern. Segesthes muß auch darein willigen. Sentia erkiest hierzu eine Griechin Astree / die beym Ganasch und Adelmunden in grossem Ansehn war. Diese hatte Adelmunden Cariovalden einem Fürsten der Bataver heimlich verheyrathen wollen. Weil es ihr aber mißlingt / dencket sie auf Rache. Sentia läßt durch einen Bataver Astreen ein falsches Schreiben unter Cariovaldens Nahmen einhändigen / der sie durch Geschencke bewegt Adelmunden durch ein gekochtes Wasser unfruchtbar zu machen. Als sie es Adelmunden eingeben wil / träumet ihr / daß sie einen Brunn vergifftete / und von einer sich umb den Hals windenden Schlange erwürgt würde. Hierüber / und vielen andern wahrsagenden Träumen schlägt sich die Griechin mit Gedancken / gleichwol treibt sie ihr Geitz das vorhabende Laster zu begehen. Ihr traumt aber noch einmal / daß sie ihres Nahmens Buchstaben versätzte / und daraus das Wort: ΑΡΤΗΣΗ brächte /welches bedeutet: du wirst gehenckt werden. Sie ändert daher ihren Vorsatz / schickt aber Cariovalden einen Brief / darinnen sie ihr schlimmes und mitkommendes Wasser beschreibt / und es Adelmunden beygebracht zu haben berichtet. Dis bringt der Bataver Sentien. Adgandester berathschlagt hierüber / schlägt dem Grafen von Hohenstein für Marbods Tochter an Catumern zu verheyrathen; weil Flavius an der Erato hienge / und mit dem Feldherrn zwistig worden wäre /sich auch zu den Römern geschlagen hätte. Als diese Hindernüs wegen ihm verlobter Adelmunde einwirfft /entdeckt er der Hertzogin Erdmuth / daß jene durch die Griechin unfruchtbar gemacht worden wäre. Erdmuths und des Hertzogs Arpus hierüber erwachsende Gemüths-Kränckung. Jener wird durch Adgandesters grosse Versprechungen verleitet / daß er sich zu grossem Leidwesen des Catumers / und zu Bekümmernüsse Ingviomers und des mit der Catta versprochenen Jubils an Adelmunden seinen Sohn nicht verheyrathen wil. Worüber Ganasch unwillig wird / und durch Sentiens Unterhandlung die hierüber höchstbestürtzte Adelmunde an Cariovalden zu vermählen verspricht. Inzwischen bringt der Felderr den Hertzog Arpus so weit / daß er mit Bedinge: daß Adelmunde / wenn sie in fünf Jahren nicht schwanger würde / ins Aurinische Heiligthum sich verloben solle / in Vollziehung des Beylagers willigt. Ob nun wol Arpus mit Segesthen und Sentien aus Mattium unverhofft gezogen / zeucht doch Herrmann nach / und sucht aber vergebens den Hertzog Ganasch zur Rückkehr und zu Vollziehung der Heyrath mit Catumern zu bewegen / und von Cariovalden abwendig zu ma chen. Hingegen folget Catumer mit dem Grafen von Solms / Isenburg / Witgenstein / Lichtenberg und etlichen hundert Catten Adelmunden nach / trifft auf einem Steinfelse des Nachts zwey Priester bey dem heiligen Brunnen an / welche für das Eresburgische Heiligthum / dariñen Adelmunde mit Cariovalden vermählt werden soll / Wasser schöpffen. Seine ihnen gefällige Andacht und Gespräche / darinnen er sich Adelmundens Bräutigam zu seyn angiebt. Folgenden Tages überfällt er den von Fürstenberg nach Eresburg ziehenden Cariovalda und Segesthen / hält beyde im Walde gefangen / und kommt des Nachts bey einbrechendem Neumonden in das Eresburgische Heiligthum. Dessen und der Hermians-Seule Beschreibung. Er wäschet sich im Flusse / wird von denen zwey Priestern / welche [563] ihn vor Cariovalden halten / zur heiligen Höle geführet; dahin sich Adelmunde / welche sich wegen Ehzwanges zu Cariovalden im Dymel-Strome erträncken wollen / aber von Priestern errettet worden / sich endlich auch einfindet. Catumer giebt sich ihr beym Opffer-Feuer zu erkennen / und werden beyde vom obersten Priester zusammen vermählt. Catumer ni t Adelmunden mit sich / läßt Segesthen und Cariovalden loß / und kehret zurück. Hertzog Ganasch / Segesthes und Cariovalda verfolgen ihn / und schüßt jener nach einem langen Gespräche seine Tochter Adelmunde durch den Arm. Worüber die Catten die Chauzen anfallen / und / nach dem Segesthes und Cariovalda entfliehen / wird Ganasch hefftig verwundet. Adelmundens Wehklagen hierüber. Catumer läßt Ganaschen auf das Schloß Winterberg bringen /ihn daselbst heilen / er zeucht aber heimlich davon. Catumer begiebt sich nach Battenberg / schickt den Grafen von Solms nach Mattium voran / welcher aber von den wegen Catumers Heyrath erzürnten Arpus ins Gefängnüs geworffen wird / umb dem Adgandester /welcher von Sentien diese Heyrath zu erst erfahren /zu vergnügen. Ob nun wol sich Adelmunde schwanger befindet / und Arpus dadurch gegen Catumern etlicher maßen versöhnet wird / läßt er doch den Grafen von Solms zum Tode verdammen. Catumer kommt dazu / hindert des Grafen Enthauptung / und als hierüber zwischen Catumern / den Zuschauern und der Leibwache ein Blutvergießen entstehen wil / verhütet es ein Bataver mit vertrösteter Offenbarung eines grossen Geheimnüsses. Dieser entdeckt dem Arpus / daß Adgandester und Sentia durch ihn Astreen bestochen hätten Adelmunden unfruchtbar zu machen. Arpus wird hiermit gestillet / und aller Unwille gegen den Grafen von Solms / Catumern und andere mit ihm gewesene Catten aufgehoben / und Adelmunde von Witgenstein prächtig eingeholet. Adgandestern aber als einem Verräther der Eingang ins Schloß / und hernach der Wegzug verwehret. Beratschlagung der deutschen Fürsten / ob er als ein Bothschaffter da gestrafft werden solte. Wird aber beschlossen / ihn ziehen zu lassen / und sein Verbrechen dem Grafen von Windisch Grätz entdeckt. Graf von Wentheim aber erkohren zum Ganasche zu ziehen / ihm Adgandesters und Sentiens Laster zu erzehlen / und ihn zu versöhnen. Adgandester muß bey Sonnenscheine aus Mattium. Hertzog Melo und Ganasch schlüßen ins geheim einen Vertrag mit dem Germanicus. Melo läßt ins Ubische Altar das Bild des Käysers wieder einführen. Weil Germanicus Coblentz befestigt / baut Arpus gegen über die Festung Hermanstein. Germanicus ist beym Feldherrn und Arpus zu Embs auf der Jagt.

Vierdtes Buch
[564] Vierdtes Buch.

Das Hertze ist das erste / was am Menschen in Mutter-Leibe zu leben anfängt / und am letzten stirbt. Die Augen aber kriegen am längsamsten Wesen und Leben / sterben aber am ersten. Dieser widrige Unterscheid ist so viel merckwürdiger / weil die Augen nach dem Hertzen mehr Geister als kein ander Theil des Leibes haben / weil alle Gemüths-Regungen als in einem Spiegel der Seele darinnen gelesen werden; ja die Seele selbst in ihnen lebendig abgemahlt steht /und sie eine warhaffte Wohnstadt des Gemüthes / und eben dis in der kleinen Welt nemlich dem Menschen sind / was die Sonne in der grossen; welche mit Rechte das Auge und das Hertze der Welt heist. Weil die Natur aber das geringste nicht ohne erhebliche Ursache und wichtiges Absehn stifftet; ist schwerlich ein anderes zu ergründen / als daß das Hertze als der Brunn aller Lebens-Kräffte den Augen solche am längsamsten mittheile / und am geschwindesten entziehe / weil diese so wol das eigene als frembde Hertzen so fälschlich betrügen / und so offt mit einem reicheren Strome unsäglicher Schmertzen überschwemmen / als selbtes den Gliedern mit dem Blute Lebens-Oel einflößt. Denn saugen die Augen nicht wie Feuer-Brunnen den Schwefel der Liebe an sich / damit sie mit diesem höllischen Zunder das ihnen wolthätige Hertz in Brand stecken? Spielet sich nicht aus ihnen wie aus Basilisken Augen durch anderer Augẽ wie durch ein Fenster oder Pforte das Gifft der Begierden in unschuldige Seelen? sintemal die Augen der Schönen beredsamer als die Zungen der Redener sind / und die Liebhaber ärger als Beschwerer die Schlangen bezaubern. Sie sind nicht so verschämt / wie die allzeit mit Schamröthe gefärbten Lippen; haben also nicht weniger das Hertze als das Vorrecht Herolden der Liebe / und Ankündiger menschlicher Neigungen mit ihren stummen Blicken zu seyn. Sind sie nicht Meckler zwischen dem Hertzen und der gesehenen Schönheit umb einen Kauff mit der so schädlich als thörichten Wollust zu treffen? Wann dem Munde die Zunge gebunden / dem Willen ein Riegel vorgeschoben ist /geben sie geheime Werber der Liebe ab; ja sie sind selbst gleichsam unsere einige Liebe und gantze Wollust. Diesemnach sich nicht zu verwundern ist; daß nicht weniger Menschen diese süsse Flammen im Hertzen / als Augen an der Stirne tragen / ja daß diese Schwachheit so gemein / gleich als wenn sie wie das Feuer ein gemeines Element in der Welt wäre. Zu welchem Ende denn die Natur sonder Zweifel die Augen so wol zu Quellen der Thränen als der feurigen Liebe gemacht hat; damit sie mit ihrem Saltze solche Vergehung bereueten / als mit ihrem Wasser so schädliche Brände ausleschten.

Diese Schmertzen empfanden zwar unterschiedene an dem Cheruskisch- und Cattischen Hofe / niemand aber nunmehr ärger / als Flavius / welcher zwar auf dem Kampff-Platze die unvermuthete Enteuferung der Königin Erato mit unaussprechlicher Bestürtzung erfahren hatte / aber fast in Verzweifelung gerieth / als sich Erato in eine solche Einsamkeit verschloß / daß sie / außer Saloninen / keinen Menschen [565] vor sich ließ. Ja Thußnelden selbst / welche sie besuchen und wieder nach Hofe bringen wolte / mit Entschuldigung /daß ihr Kummer keines Menschen Antlitz vertrüge /abzuweisen kein Bedencken hatte / vom Flavius aber gar nichts mehr hören wolte. Sein Bekümmernüs war desto empfindlicher / weil er durch kein Nachdencken die Ursache einer so plötzlichen und heftigen Veränderung aussinnen konte / er sich auch schon in der Königin Gewogenheit und in der Schoos des Glückes gesehen hatte. Denn ungewisse Dinge / wie sehnlich man sie gleich verlangt / lassen sich noch leichter vergessen / als die / von derer Süßigkeit man schon einen Vorschmack genossen / entpehren. Alle Härtigkeit Saloninens / welche ihre Königin wie ein hundert-äugichter Drache bewachte / war so vermögend nicht /den Hertzog Flavius von der Wüsteney / in welchem das die Erato beherbergende Jägerhauß lag / zu entfernen / ungeachtet er sich einiger Ungedult und Wegzuges annam. Denn er konte ihm die Rechnung leicht machen: daß Erato in dieser Einöde keine immerwährende Wohnung aufschlagen würde / sondern weil sie mit der wolthätigẽ Thußnelde und dem so beliebten Hofe mehr keine Gemeinschafft pflegen wolte / einen heimlichen Wegzug im Sinne führete. Er blieb daher unvermerckt in selbiger Gegend / und übernachtete in einer nahe dabey gelegenen Kohlen-Hütte / gleich als wenn der Unstern seiner Liebe keine Herberge von ander Farbe vertrüge. Er hatte bey sich nur Gladebecken einen mit ihme lange gereiseten Edelmann / welcher des Tages das Jägerhauß / wie er selbst des Nachtes beobachtete. Entweder weil er dergestalt desto besser seine Anwesenheit daselbst zu verhölen getraute / oder die gefährliche Zeit / da Erato entkommen könte / selbst beobachten wolte. Denn es kam ihm nach der Zeit immer für / als wenn Zeno eben so wol sein Gemüthe von Ismenen ab / und ihr wieder zugewendet hätte; und sie daselbst ihre Abholung erwartete. Westwegen er auch mit einem denen vom Hertzog Arpus zu ihrem Dienste bestellten Jäger ein geheimes Verständnüs machte / ihm / wenn er vom Aufbruche das wenigste merckte / davon Wind zu geben. Außer dem entschlug sich Flavius zu Vermeidung Verdachts / aller Gesellschafft / und muste ihm sein Wirth der Kohlmann die tägliche Nothdurfft zubringen. Wiewol er sich mehr mit dem traurigen Andencken seiner Erato / als mit andern Lebens-Mitteln speisete. Denn weil seine Liebe nicht nur aus ihrer Schönheit / sondern aus ihrer Tugend den Ursprung hatte / war sie so viel hefftiger. Sintemal diese über die Gemüther eine übermenschliche Krafft hat / und über unsere Seele die gewaltigste Oberherrschafft führt. Es war schon die siebende Nacht / da er umb Mitternacht auf seiner Wache in der Ferne des Waldes ein Licht erblickte / welches er anfangs für den aufgehenden Mohnden hielt. Es näherte und vergrösserte sich aber je länger je mehr / bis er eine Anzahl mehr als hundert Fackeln erkiesete. Endlich nam er / dem doch vorhin noch nie kein Schrecken in sein Hertz kommen war / nicht ohne Gemüths-Veränderung wahr / daß alle Fackeln von rauchen Wald-Göttern getragen wurden / welchen ein von vier Hirschen gezogener aber leerer Wagen / und drey von Fuß-auf geharnschte Ritter folgten. Flavius hielt dis Gesichte anfangs für ein Gespenste / sahe aber mit Schrecken /wie bey dem Jägerhause der gantze Aufzug stille hielt / und als die Wald-Götter mit ihren Jägerhörnern ein grausames Gethöne machten / die Königin Erato wie Diana aufgeputzt mit der als einer Jägerin angekleideten Salonine heraus kam / auf den Wagen stieg / und /weil Flavius mit sich selbst zanckte / ob ihm träumte /oder wachte / mit unglaublicher Geschwindigkeit davon rennte. Als er sich wieder besaan / mühte er sich diesem Aufzuge nachzueilen. [566] Aber er watete gleichsam im Sande / daß er wenig oder nichts von der Stelle / ihm aber seine flüchtige Diana wie ein Irrlicht aus dem Gesichte kam. Denn wie die Furcht einem Reh-Füsse macht / also bindet uns ungemeines Schrecken alle Glieder / und hencket uns schwere Bley-Klötzer an die Fußsohlen. Also muste er nur seiner Verfolgung vergessen / und in seiner rauchichten Hütten den in tieffen Schlaff versunckenen Gladebeck aufwecken. Dieser ward so bald nicht munter / als er dem Flavius eine heftige Bestürtzung ansah / aber /ohne Erkundigung der Ursache / auf seinen Befehl zwey Pechfackeln anzündete / und mit seinem Herrn gerade dem Jägerhause zugieng. Dasselbe fanden sie offen / das Zimmer der Erato und Saloninens unverschlossen / die darinnen sonst wohnenden drey Jäger zwischen dreyen brennenden Lichtern schlaffend. Wie sehr sie nun an selben rüttelten / war doch keiner zu erwecken / also / daß wenn sie nicht alle starck geschnarcht hätten / sie selbte für Leichen würden gehalten haben. Gladebeck fieng hierüber an. Diese Lichter sind den Schlaffenden nicht ohne Ursach angesteckt; und ich wil nicht schweren / daß diese Jäger nicht erwachen / so lange diese Lichte brennen. Flavius sagte; ich weiß wol / daß etliche Menschen wider alle Vernunfft fest und lange / und zwar Mecenas drey / Nizolius zehn Jahr geschlaffen haben sollen / auch /daß man einen durch Mahsafft einschläffen kan / daß er so bald und leicht nicht erwache; aber durch was für Krafft solten wol diese Lichter der Schlaffenden Siñen binden? Gladebeck antwortete: Er wüste zwar nicht / ob durch natürliche Kräfften ein einschläffendes oder das Erwachen hinderndes Licht gemacht werden könte; dieses aber wäre gar gewiß: daß boßhaffte Leute durch Anzündung überpechter Menschen-Hände solches auszurichten wüsten. Dahero der Zauberey vielleicht auch nicht unmöglich fallen dörffte / aus Menschen-Fett / oder gewissen mit Kräutern vermischten Hartzte eben so kräfftige Lichter zu fertigen. Flavius fiel ein: Erato wäre viel zu tugendhafft /daß sie sich mit Zauberey beflecken / und derogestalt ihre Flucht zum Laster machen solte. Gladebeck entschuldigte sich: daß ihm diese Auflage nie in Sinn kommen wäre; zumal er auch von ihrer Flucht nichts wüste; und könten vielleicht andere die Hand mit im Spiele haben. Alleine die Erfahrung wäre der beste Prüfungs-Stein der Warheit; daher wolte er es mit eines Lichtes Ausleschung versuchen. Mit grosser Müh leschte er endlich eines aus; da denn selbigen Augenblick der darbey liegende Jäger mit Ungestüm auffuhr / und den Hertzog Flavius / welchen er aber nicht kennte / umb Schutz anflehete. Flavius fragte; wer ihm einiges Leid anthun wolte? der Jäger antwortete: die Bock-Menschen. Flavius urtheilte hieraus selbst: daß es mit Kräutern zugienge; gab sich also dem Jäger zu erkennen / und fragte / was ihm geträumt hätte? der Jäger kam hiermit zu sich selbst /und erzehlte; daß ihn im Traume eine grosse Menge wie rauche Böcke gebildete Menschen überfallen /und / weil er ihnen nicht ein zahmes Reh wollen folgen lassen / zu ermorden getrachtet hätten. Flavius antwortete: du hast das dir anvertraute Reh übel bewacht. Denn die Königin Erato ist nicht mehr hier. Der Jäger rauffte ihm hierüber die Haare aus dem Kopffe / und betheuerte: daß er die wenigste Anzeigung einiger Flucht gemerckt / darzu alle Nacht von ihnen ein Jäger Wechsels-weise gewacht hätte. An dem neben ihm liegenden wäre die Reye gewest / also müste er dafür Red und Antwort geben. Er mühte sich auch / aber vergebens / seinen Nachbar zu erwecken /bis Gladebeck das neben ihm stehende Licht ausleschte; worauf auch dieser Jäger noch ungestümer aufsprang / seinen Hirschfänger entblöste; und / wenn ihm nicht [567] in die Armen gefallen wäre / umb sich gehauen hätte. Nach seiner Ermunterung aber fiel er dem Hertzog Flavius zu Fusse / und nach dem dieser Rechenschafft forderte; wo die ihm zu bewachen anbefohlne Königin hinkommen wäre / erzehlte er: daß er an der Pforte die Wache gehalten / es wäre aber Salonine mit einem Lichte aus der Königin Zimmer ko en / hätte ihm unter Augen geleuchtet und gefragt: Ob er nicht schlieffe? hiervon wäre er so bezaubert worden: daß er sich keines Dinges mehr erinnerte / auch nicht wüste / wie er zu seinen Gesellen / und woher diese frembden Lichter ko en wären. Im Schlaffe aber wäre ihm vorkommen; als wenn eine Menge böckichter Menschen einbrächen und Gewalt übten. Nicht viel anders berichtete der dritte auf eben solche Art erweckte Jäger. Hertzog Flavius ward je länger je mehr hierüber bestürtzt / und sagte: Ich muß euren Worten Glauben geben; weil ich selbst mit Augen gesehen: daß eine grosse Menge Satyren die Königin mit einem so grossem Gethöne / welches auf eine Meilweges die Schlaffenden zu erwecken starck genung gewest wäre / auf einem mit Hirschen bespañten Wagen weggeführt hätten. Gladebeck schüttelte den Kopff / und sagte: Er hielte diesen Raub für eine Bländung / und käme ihm so unglaublich für / als daß die Hexen durch Böcke auf den Blocksberg / und die umb das Nordliche Vorgebürge Ruben wohnenden Finninger von den Rennthieren an den Ort / den sie ihnen ins Ohr sagten / geführet werden sollen. Ich glaube auch nicht; daß ein Satyr in der Welt / weniger in diesen Wäldern zu finden sey. Flavius begegnete ihm: was er mit Augen gesehen / ließe er ihm nicht ausreden / noch für Bländung verkauffen; an dem /daß Satyren wären / dörffte auch niemand zweifeln. Sylla hätte bey Apollonia in einem heiligen Heyne einen gefangen bekommen / dessen unartige Sprache aber kein Mensch verstanden. Osiris hätte ihrer eine grosse Anzahl in Mohrenland gefunden / und in Indien würde das Gebürge Coruda von so vielen bewohnet / daß sie mit Abstürtzung der Steine die Jäger aus den Thälern vertrieben. In Africa hätte man ihn versichert; daß es ihrer auf dem Berge Atlas nicht wenig gäbe / welche mit ihrem Gepfeiffe und Getümmel viel Wesens machten / und im grossen Meere bey Africa lägen gewisse Eylande / die von ihrer Mänge die Satyrischen genennet würden. Gladebeck brach ein: weil Africa ein rechtes Wohnhauß der Mißgeburten wäre /glaubte er / daß derogleichen Ungeheuer aus Vermischung unterschiedener Art Thiere zuweilen entsprüßen / oder aber die abergläubische Schiffer aus der Ferne vielmal Affen und Katzen für Satyren ansehen; welche aber keines weges für Menschen / am wenigsten aber mit den alberen Griechen für Halb-Götter zu halten wären. Flavius versätzte: Ich begehre die Satyren nicht zu vergöttern / noch alle mit ihnen vorgegangene Irtthümer zu rechtfertigen; aber wären sie nur unvernünfftige Thiere; wie kan denn der mit dem weisen Midas in so grosser Verträuligkeit gestandene Silenus für einen der Natur und des Alterthums kündigen Mañ gerühmet werden? Soll nicht das schlaue und mächtige Volck der Hunnen in Scythien von Satyren entsprossen seyn? Wie hätten die Griechen ihren Pan / die Garamanter ihren Ammon / die Egyptier ihren Monde als einen Gott in Gestalt eines Bockes oder vielmehr eines hörnrichten Satyrus bilden können? Gladebeck antwortete: haben diese abergläubischen Völcker ihnen nicht Hunde / Mäuse und Katzen zu Göttern auffgeworffen? die Hunnen wären seinem Bedüncken nach so wenig Kinder der Satyren / als die Cimbern der Beeren. Midas wäre allen Umbständen nach ebenfals ein Zauberer und entweder gar kein Silenus / oder mehr ein Gespenst als Mensch gewest. Der älteste unter diesen Jägern [568] fiel ein: Er könte gleichwol auch nicht verschweigen / daß er in denen Hercynischen Gefülden ein und andermal solche Wunder / welche oben Mensch unten Böcke gewest /und wie sie ihn diese Nacht gequälet / gesehen hätte. So wenig sie sich nun hierüber vercinbaren konten /so wenig wuste sich Flavius zu entschließen / was er bey so seltzamen Ebentheuer zu thun hätte. Die Königin in einer solcher Wildnüs zu verfolgen / würde nicht nur wegen eines so grossen Vorsprungs und so vieler Irrwege vergebene Müh / sondern auch gegen eine solche Menge Räuber / sie wären gleich Gespenste / Menschen / oder was anders / gefährliche Verwegenheit seyn. Daher muste er sich nur entschlüßen wieder dem Hofe zu folgen / welcher sich nunmehr beym Hertzog Arpus an der Fülde in der vom Drusus gebauten Festung und Stadt aufhielt. Sein Gemüthe aber war über dem Verluste der Königin derogestalt niedergeschlagen / daß er ihm selbst in seinem Hertzen gram / und in anderer Augen unähnlich war. Er schalt seine Thorheit / daß er sich Saloninen mit bloßen Worten abweisen / und den Betrug ihrer Entführung unverhindert karten lassen. Kein verzagter Liebhaber hätte jemals den güldenen Apffel der Vergnügung überkommen. Er schämte sich; daß er die Augen zwar im Vorder-Haupte / aber nicht im Hertzen gehabt hätte / und sich nur nicht wie jene Vögel durch gemahlte Trauben / sondern durch gemahlte Worte Saloninens hätte betrügen lassen. Seine Einfalt wäre grösser als derselben Leute / welche in die Ferne sehende / ihnen einbildeten / daß die Schwiebogen des Himmels mit der flachen Erde vereinbart wären; wenn sie aber auf solch ihr Augen-Ziel kämen / wäre der Himmel von ihnen und der Erde so weit entfernet / als vorher. Also hätte ihm seine Eigen-Liebe geheuchelt: daß er mit der himmlischen Erato unauflößlich verbunden wäre / nun aber sehe er sich von ihr weiter entfernet / als niemals vorher. Er verdammte seine Trägheit und Kleinmuth / daß er die Räuber der Königin / welche vielleicht mehr Schatten als wesentliche Dinge gewest wären / nicht angefallen / oder / weil ohne dis sein Leben ohne sie nur ein langer Tod seyn würde / solches nicht mit mehr Ruhme ihrer Liebe aufgeopffert hätte. Diese seine Klage schüttete er bey niemanden offenhertziger aus / als bey Rhemetalcen und Zirolanen; weil außer ihnen wenig seine Liebe billigten. Zirolane aber wuste ihm mehr als weiblich einzureden / und sagte ihm: Er wäre ein allzu verzärtelter Liebhaber. Der Himmel hienge nicht immer voller Geigen; Er hätte / wie der andere / zwar seine anmuthige Lust- aber auch seine schwartze Unglücks-Sterne / welche Donner und Blitz / Hagel und Ungewitter / Mißwachs und Schiffbruch verursachten. Wer nicht wüste zu leiden / solte oder könte nicht lieben. Denn diese wurtzelte erst recht von Widerwärtigkeit /wie die Eichen von Sturm-Winden: Unter diesen wäre zwar am empfindlichsten die Kaltsinnigkeit der geliebten Seele; aber auch am nützlichsten. Denn diese machte die Liebe allererst reiff und vollkommen / wie der Reiff den Kohl. Je kälter es wäre / je kräfftiger wäre das Feuer / und die Flamme fräße im Winter mehr und geschwinder das Holtz / als im Sommer. Also wäre keine Liebe feuriger / als welche auf eine unempfindliche Schönheit anträffe. Wie uns dis / was uns selbst in die Armen laufft / bald Eckel erweckt /also macht die Weigerung dessen / was man liebt /unsere Begierde unersättlich. Sie gleichet dem Zitron-Saffte / der mit seiner Schärffe unsern Gaumen so lieblich kitzelt / und den Geschmack auf der Zunge verzuckert / daß die / welche ohne Hunger zur Taffel sitzen / sich kaum ersättigen könten. Diesemnnah müste es ihm Flavius nicht lassen so seltzam fürkommen / sondern / umb seine Liebe vollkommen zu machen / ihm [569] lassen lieb seyn / daß das Verhängnüs durch derogleichen Hindernüsse seine Treue prüfete /welches öffter Hertzhafften durch Sturm / als Weichlingen durch eine gäntzliche Windstille in Hafen verhülffe.

Als es derogestalt mit dem Flavius witterte / schien dem Hertzoge Catumer und Adelmunden die Sonne. Sie liebkoseten ihnen nun nicht mehr mit ihrer eigenen Hoffnung / sondern das Glücke schien alle Winde in ein Ende bezaubert zu haben / daß sie in die Segel ihrer Begierden blasen musten. Denn nach dem der Feldherr nicht weniger mit seiner Aufrichtigkeit ihm Freunde zu machen / und durch seine Holdseligkeit ihre Gemüther an sich zu ziehen / als mit seiner Tapfferkeit seinen Feinden schrecklich zu seyn wuste / fiel es ihm nicht schwer dem Hertzoge Arpus glaublich zu machen: daß weder Ismenens Schwerigkeiten von ihm herrührten / noch auch Ismene selbst aus Verachtung des Cattischen Hauses oder seines Sohnes sich der Vermählung widersetzt hatte. Sie war durch die wunderbare Ausführung ihrer Unschuld bey jedermann in ein solch Ansehn ko en / daß Arpus selbst glaubte; was ihr / müste zugleich dem Himmel zu wider seyn. Also muß das Gefieder von denen auf die Unschuld geschossenen Pfeilen ihr selbst zu Schwungfedern dienen. Hertzog Arpus sahe es auch so wenig den Catten für gut / als ihm anständig an / seinen einigen und so tapfferen Sohn mit einem so harten Gesätze zu belästigen / als die Aufnöthigung einer unbeliebten Gemahlin ist. Also ward mit beyder Hertzoge gutem Willen / und mit grösserer Vergnügung Catumers und Ismenens ihr Heyraths-Schluß zerrissen / als vielleicht hundert andere getroffen werden. Derogestalt gehet es mit den Zufällen wie mit der Zeit her. Einen lachet offt mehr der Abend mit seinen braunen und traurigen Hiacynthen / als der Morgen mit seinen frischen und freudigen Rosen an. Weil dis letztere nun Arpus an seinem Sohne / Hertzog Ganasch an seiner Tochter Adelmunde wahrnahmen; Eltern aber mehr Freude aus ihrer Kinder / als aus ihrer eigenen Vergnügung schöpffen / konte sich auch in Mangel wichtiger Ursachen ihr Wille von derselben Belieben schwerlich entfernen. Die Hertzogin Erdmuth / welche aus dem Chaucischen Hause ohne dis entsprossen war / hatte fürlängst ein Auge auf Adelmunden gehabt / und also stritte sie nunmehr gleichsam in Zuneigung gegen diese vollkommene Fürstin mit ihrem eigenen Sohne. Weil nun beyde einander an Geschlecht und Tugend gleich waren / und überdis Schönheit und Freundligkeit Adelmunden / Tapfferkeit und Anmuth Catumern das Wort redeten / dorffte es keiner Werber und Meckler. Nichts desto weniger verstunden es der Feldherr und Thußnelde wol; daß diese Heyrath ein der Deutschen Eintracht sehr dienliches Band seyn würde; daher halffen beyde mit Händ und Füssen dazu; ja der Adel und das gemeine Volck der Catten gaben mit Wünschen und Freuden-Zeichen ihr Verlangen nach diesem Bündnüsse zu verstehen; und ward die Verlobung in kurtzer Zeit mit allgemeinem Frolocken geschlossen. Die kluge Ismene / welche dieses Werck zu befördern alle ihre Kräfften angespannt hatte / meinte ihrer Schuldigkeit zu seyn dem für ihre Unschuld fechtenden Catumer ein Merckmal ihrer Freundschafft und Gewogenheit abzuliefern / weil es in ihrer Gewalt nicht gestanden hatte sich ihm als ein Opffer der Liebe zu liefern. Wie nun Hertzog Arpus an dem Verlobungs-Tage allen Fürsten und dem gantzen Hofe ein köstliches Mahl ausrichtete; darauf die deutsche Verträuligkeit offenhertzig mit einem reichen Uberflusse des bey dem Altare des Bacchus gewachsenen Weines verneuert ward; also brachte Ismene ihnen auf einem dazu bequämen Saale einen zierlichen Tantz. Aus den Wolcken ließ sich auf den darzu [570] bereiteten Schauplatz bey annehmlichen Säitenspielen ein überaus grosses Ey / wie dieses aussiehet / wormit Zoroaster die gantze Welt fürgestellet hat / welcher Ebenbild auch warhafftig ein Ey ist / indem das Erdreich durch die Schale / das Wasser durchs Weiß-Ey / die Lufft durch desselben geistige Bewegung / das Feuer durch den Toter fürgebildet wird. Wie denn auch nach der Stellung die Schale das Gewölbte des Himmels / das Weiß-Ey die Lufft / der Toter die Erdkugel entwerffen kan. Wiewol Ismene durch dieses Ey mehr die allgemeine Fruchtbarkeit vorhatte anzudeuten. Sintemahl nicht nur das Geflügel / Krebse / Fische / sondern auch Menschen und durchgehends alle Thiere aus Eyern ihren Ursprung haben sollen. Dieses Ey ward vom Himmel durch einen Strahl gerühret / wovon es sich öffnete /und kamen daraus viererley Liebes-Göttinnen. Die erste hatte eine Krone von Diamanten / einen Rock von Goldstück / am Rücken und an Füssen Flügel /damit sie stets in der Lufft schwebte und die Erde nicht berührte. In der rechten Hand führte sie zum Zeichen der Ewigkeit einen güldenen Rincken; in der lincken Hand den Vogel Phönix. Durch diese ward abgebildet eine nur GOtt liebende Seele. Die andere hatte einen Krantz von Rubinen / einen Rock von Silberstück / sie war nur am Rücken / aber mit kleinern Flügeln gefiedert. Sie berührte die Erde / aber niemals mehr als mit einem Fusse / und zwar nur mit den Zehen. In der rechten Hand hatte sie eine Kristallene Lampe mit brennendem Oel; in der lincken einen in und von der Lufft lebenden Paradiß-Vogel. Durch diese ward eine nichts als die Tugend liebende Seele abgebildet. Die dritte hatte einen Krantz von Saphier /einen Rock aus blauem Atlas / und nur auf der einen Seite einen Flügel; durch welchen sie sich doch zuweilen von der Erde erhob. In der rechten Hand führte sie ein brennendes Hertze / in der lincken eine Turtel-Taube. Diese stellte die ehliche Liebe für / welche eine Vereinbarung der Hertzen und Leiber / und zum Theil geistig / zum Theil irrdisch ist. Die vierdte hatte einen Krantz von Schmaragd / einen Rock von grünem Damast als der allein irrdischen Farbe mit darauf geflückten Thieren / und verbundene Augen. Ihre Schuch waren von Bley. In der rechten Hand hatte sie eine Fackel aus Wachse der aus einem Ochsen-Aaße gezeugter Bienen; auf der lincken Hand einen Raben. Diese stellte die gantze irrdische Liebe der Leiber für / welche allein dem Viehe / oder wollüstigen Menschen eigen ist. Jede unter diesen tantzte Wechsels-weise nach ihrer Eigenschafft; die erste nach den lieblichsten Sängerinnen / die andere nach eitel Lauten /die dritte nach Geigen / die vierdte nach Flöten. Hierauf erschienen die vier Elementa. Das Feuer gesellte sich zu der göttlichen Liebe / weil das Feuer vom Himmel den Ursprung hat / und ein Bild des grossen GOttes ist; die Lufft zu der Tugend-Liebe / welche /wie die Lufft / zwar nicht den Himmel übersteiget /aber sich auch nicht unter die Erde versäncket; gleichwol aber sich von dem reinsten Lichte der Seelen speiset. Das Wasser gesellte sich zu der ehlichen Liebe / welche wie das Wasser zwar ihre Schwerde und Fruchtbarkeit hat / aber doch ihre Klarheit nicht verlieret. Die Erde erwehlte die fleischliche Liebe zur Gefärthin; welche wie die Erde so schwer als finster /und kaum eine Liebe genennet zu werden würdig ist. Des Feuers und der göttlichen Liebe Tantz war nichts / als ein künstlicher Flug / durch welchen sie sich endlich zusammen in die Wolcken empor schwungẽ und verschwanden. Die Lufft und die Tugend-Liebe flohen bald wie geschwindes Geflügel in der Lufft herumb / bald tantzten sie am zierlichsten auf dem Bodeme. Zu letzt kam die Göttin des Nachruhms auf einem mit Adlern bespannten Wagen / reichte dieser Liebe die rechte / der Lufft die lincke Hand / wormit sie beyde von ihr in die Wolcken geführet wurden. Die Erde gestellte [571] sich zu der fleischlichen Liebe /welche zu bedienen nun zwölff kohl-schwartze aber ungeflügelte und nur mit bleyernen Pfeilen und Pech-Fackeln gewaffnete Liebes-Knaben aus der Erde herfür krochen. Nach einem zusa en gehegten ziemlich frechen Tantze ward die Liebe / wie Actäon / in einen Hirsch / die Liebes-Knaben in Hunde verwandelt /welche ihn zerrissen und zerfleischtẽ. Zu letzt ward die Erde zu einem Drachen / und verschlang zusammen Hirsch und Hunde. Also behielten das Wasser und die ehliche Liebe den Schauplatz alleine sich zu breiten. Welcher denn zwölf geflügelte mit güldenen Bogen / Köchern und Pfeilen gerüstete Liebes-Götter zuflogen / und mit ihr einen künstlichen Fackel-Tantz hegten. Bey dessen Beschluß erschien auf einem von vier weissen Kühen gezogenen Wagen die Fruchtbarkeit. Sie hatte auf der Stirne einen vollen Monden / im lincken Arme ein Horn des Uberflusses. Sie reckte der Liebe die rechte / dem Wasser die linke Hand / und führte sie durch eine Ehren-Pforte / über welcher die Worte: Die Unvergängligkeit der Natur / zu lesen waren / zwischen dem Frolocken der Liebes-Götter vom Schauplatze. In dem andern Aufzuge dieses Tantzes erschien die ehliche Liebe allein und gab nach dem Falle der süssesten Säitenspiele in einem zierlichen Tantze ihre Sehnsucht nach etwas Liebes-würdigem zu verstehen. Hierauf fanden sich auf dem Schauplatz die Wollust / die Ehrsucht / der Geitz /und die Vernunfft. Die erste stellte in einem üppigen Tantze ihr die Schönheit / in Gestalt der annehmlichen Phryne / die andere in einem hochtrabenden die Ehre / in Gestalt einer gekrönten Königin / der magere Geitz in einem langsamen das Reichthum in Gestalt eines mit Gold und Perlen behangenen alten Weibes in einem Affen-Tantze / die Vernunfft aber die Tugend in einem ernsthafften für Augen. Als keines aber dem andern weichen wolte; gab ihnen die ehliche Liebe zu verstehen; daß jedes einen Schiedes-Richter erwehlen solte. Die Schönheit erkiesete hierauf die Jugend / die Ehrsucht das männliche / der Geitz das greise Alter / die Vernunfft die Klugheit. Diese erschienen und vermischten sich mit denen Tantzenden. Jedes aber stritt für seinen Kührmann /konten sich also nicht mit einander vergleichen / ob es am rathsamsten sey der Schönheit / der Ehre / dem Reichthume oder der Tugend zu heyrathen. Die Ehrsucht meinte / die Bauren heyratheten nur nach Schönheit / edle Gemüther aber nach Ehren; der Geitz urtheilte: die auf Ehre sähen / speisten sich mit Schalẽ / er aber mit Kernen; die Schönheit hingegen: die nach Reichthum freyenden vermählten sich mit einem todten Aaße / die nach Schönheit aber mit Engeln. Die Klugheit erkennte: wer nach Schönheit strebte /sättigte sich mit Eitelkeit / wer aber nach Tugend /vermählte sich mit GOtte. Diesen Zwist beyzulegen erschien auf dem Schauplatz das Glücke / wormit den Deutschen die absondere / wie durch die Natur die ordentliche Schickung Gottes für gebildet wird. Diese gab mit Gebehrden in einem annehmlichen Tantze zu verstehen; daß eine gewünschte Eh nicht von menschlicher Wahl / nicht vom Einflusse der Gestirne / sondern von Göttlicher Versehung herrührte. Sie stellte zu derselben Muster die glückseelige Verlobung des Fürsten Catumers mit Adelmunden für / als welche beyderseits Schönheit / hohen Stand / Reichthum und Tugend zum Heyrath-Gute mitbrächten und empfiengen. In dem dritten Aufzuge kam die Liebe der Bluts- Verwandten / der Freunde und die Liebe der Ehleute auf den Schauplatz. Die erste war in blutrothen Damast gekleidet / und mit Rosen gekräntzt. Die andere hatte einen schwartz-seidenen Rock mit weiß eingewürckten Todten-Köpffen / und einen Krantz von unverwelcklichen Amaranthen. Die dritte war mit grünem Atlas angethan / und mit Oel- und Lorber-Zweigen gekräntzt. Jede Liebe meinte es im Tantze der andern an Zierligkeit vorzuthun / und mit Gebehrden ihre Stärcke und Vortreffligkeit abzubilden. [572] Die Liebe des Geblütes gab zu verstehen: das Hertz wäre der Sitz der Liebe und zugleich der Brunn des Blutes /also müste das Blut auch die Wurtzel rechtschaffener Liebe seyn. Was wäre brünstiger als die Liebe der Eltern gegen ihre Kinder? was eivriger als die Liebe der Kinder gegen Vater und Mutter? was zärter als die Liebe der unter einem Hertzen gelegenen Geschwister? Ihre Mutter wäre die Natur / der andere aber die Gewohnheit. So viel stärcker nun die Natur wäre als die Einbildung / so viel mächtiger wäre die Geblüts-Liebe / als andere. Die Freundschafft zeigte an: Die Neigung des Geblütes würde mehrmals durch Rache und Ehrsucht in Gifft und Galle verwandelt. Es haßte niemand ärger einander als Brüder; und die Feindschafft der Kinder und Eltern endigte sich niemals als mit dem Tode; ja es steche ein Sohn wohl ehe seinem erblaßten Vater die Augen aus / und eine rasende Tochter sprengte frohlockend mit Pferd und Wagen über die Leiche ihres Vaters. Die Freundschafft aber thäte es allen andern Verbindungen zuvor. Sie machte aus zwey Hertzen eines. Zweyer Wille gleichte sich eines Menschen zwey Augen; wo eines hinsähe /müste das andere folgen. Ja das Grab und die Todten-Asche behielte noch in sich treuer Freunde Gedächtnüß und Zunder. Alle andere Liebe gleichte einer überlauffenden Hitze / oder einem Feber / welches bald kalt / bald heiß machte. Die Beständigkeit aber wäre die Seele der Freundschafft / sie liesse ihren Freund niemals aus den Gedancken / ihre Neigung niemals aus dem Hertzen; wie ein Steuer-Mann den Compaß niemals aus dem Gesichte. Die Liebe wäre meistentheils einseitig; sie liebte ins gemein Dinge /die nicht wieder lieben könten / und der Liebe nicht werth wären; oder Menschen / welche nur von der Liebe / wie jener Africanische Brunn von den Sonnen-Strahlen kalt würden. Die Freundschafft aber wäre eine verwechselte Liebe zweyer Hertzen / und sie also im Leben diß / was die zwey Angel-Sterne in der Welt / welche die Hertzen / wie diese zwey unbewegliche Sterne den gantzen gestirnten Himmel an einander verknipfte. Sie liebte nicht alleine diß / was der Verstand ihr zu lieben würdiges riethe; und also ins gemein die Tugend. Die Geblüts-Liebe wäre nur ein einfacher Thon; die Freundschafft aber eine vollkommene Zusammen-Stimmung / von welcher die Glückseligkeit des Menschen / wie von der Sonne der Wohlstand der Welt herrührte. Das Bündnüß des Geblütes wäre nur was zufälliges / Freundschafft aber rührte aus wohlbedachtsamer Wahl ungezwungenen Willens her. Bluts-Freunde wären uns vielmal ungleich / und also unanständig. Niemand vernünftiges aber erwehlte ihm was ungleiches / dahero wäre es verantwortlicher eines Bruders / als eines Freundes sich zu enteusern. Jenes wäre zum höchsten nur eine Leichtsinnigkeit; diß zum wenigsten ein Unrecht /oder vielmehr eine schwartze Untreu. Keine Neigung in der Welt wäre auch so tauerhaftig / als wahrhafter Freunde. Alle Liebe gleichte dem Helffenbeine /Freundschafft aber dem Marmel. Denn jene hätten /wenn sie neue / diese aber / ie älter sie wären / den schönsten Glantz. Wein und Freundschafft / ie älter sie wären / ie stärcker würden sie. Die ehliche Liebe drückte mit ihren Geberden aus: Die Geblüts-Liebe wäre die Liebe wilder Thiere / die Freundschafft eigentlich nur der Geister / und daher in der Welt so ungemein oder so unvollko en; die ehliche Liebe aber die eigentliche Liebe der Menschen. Diese wäre die Mutter der Geblüts- und die Tochter der Freundschaffts-Liebe; also hätte sie ihr heiliges Feuer zum Ursprunge; und aus ihrem Quelle rinnte nichts als Flammen / dahero schmeltzte die ehliche Liebe zwey Hertzen gleichsam als Wachs zusammen / daß sie schwerer als Silber und Zien von einander getrennt werden könten. Wenn die Freundschafft auch vollkommen seyn wolte / müste sie ihr darinnen gleich[573] werden / daß sie nicht zwischen mehrern als zweyen Seelen unterhalten würde. Daher die Scythen eine Freundschafft mit vielen für so verächtlich hielten /als eines geilen Weibes mit vielen Männern pflegende Gewohnheit. Weil aber kein Nachdruck niemals dem wahren Bilde gleich käme / erreichte keine Freundschafft iemals die Vollkommenheit der ehlichen Liebe. Aufrichtige Freundschafft wäre über diß in der Welt so seltzam / daß man nicht ohne Ursache zweifelte: ob iemals ein Beyspiel nach allen Gesetzen der Freundschafft in der Welt befindlich gewest wäre. Da sie aber ie gewest / liessen sie sich wie die in Arabien gesehenen Phönixe zehlen. Zuweilen hätte es ja einen Schein gehabt: daß ein Freund für den andern sein Leben in die Schantze gesetzt; aber man wäre doch niemals versichert gewest: ob er mehr aus Liebe seines Freundes / als aus Ehrsucht sich in Tod gestürtzt. Der Eigen-Nutz mischte sich in alle Freundschaften /wie das Queck-Silber in alles Ertzt / und daher wären sie auch wie jenes ins gemein kaltsinnig und durchsichtig / schwer / und gleichwohl beweglich und unbeständig. Die ehliche Liebe aber / welcher Gesetze zweyen Menschen die Unzertrennligkeit der Leiber und Seelen biß in Tod aufbürdete / machte aus zweyen Menschen gleichsam nur einen / und also wäre sie fast aller Mängel und Gebrechen der Freundschafft entübrigt. Ja wenn ihr nicht von der Vernunfft eingehalten würde; daß ein Ehgatte seinem verstorbenen kein lieberes Opfer als sein unaufhörliches Andencken liefern könte; würde man einen treuen Ehgatten niemals beerdigen; daß sich nicht der andere mit ins Grab legte. Welche tugendhafte Frau würde nicht mit der vortrefflichen Alcestis mit ihrem freywilligem Tode ihrem Ehmanne / wie sie ihrem Admetus das Leben erhalten? Welch tapferer Ehmann würde nicht wie Gracchus sich gerne eine Schlange tödten lassen /daß er seine Cornelia errettete? Welche treue Frau würde nicht nur mit Artemisien sich zum Sarche ihres Ehmannes machen / mit Hipsicrateen ihrem Mithridates über Gebürge und Meere durch Eiß und Schweiß folgen / sondern wie Julia bey Erblickung des grossen Pompejus ihres Ehmanns blutigem Rocke ihren Geist aufgeben? mit Porcien wegen ihres umbgebrachten Cato glüende Kohlen verschlingen / und mit denen Indianischen Eh-Frauen sich für unehrlich schätzen; welche sich nicht in die glüenden Holtz-Stösse ihrer lodernder Ehmänner stürtzte? Welch Ehmann würde nicht seiner treuen Ehgattin / wie Cajus und Marcus Plautius seiner Orestillen Todten-Asche mit seinem Blute bespritzen? umb mit ihnen den Ruhm zu haben in einem Grabe mit der Uberschrifft: der Geliebten /zu ruhen. Nachdem aber keine dieser dreyfachen Liebe der andern ein Vorrecht enthängen wolte; bezohen sie sich aufs Recht. Die Geblüts-Liebe schlug den Leib / die Freundschafft die Seele zu Schiedes-Richtern für. Beyde erschienen / und hegten wiewohl tantzende ihr Gerichte. Der Leib / aus dessen Adern als aus ihrem Brunnen die Geblüts-Liebe entspringt /gab für sie den Ausschlag; die Seele aber / welche nach dem Gutachten ihres Verstandes aus freyem Willen ihr erkieset / wen sie zu lieben würdig schätzt / urtheilte für die Freundschafft. Hierauf erwehlte die ehliche Liebe beyde den Leib und die Seele zu ihren Richtern / gab auch mit ihren stummen Geberden sehr verständlich zu verstehen: daß sie alleine eine wahrhafte Vereinbarung beydes der Leiber und der Seelen wäre / iedes ihrer Gegentheile nur an einem einfachen Bande hienge. Sie beruffte zum Zeugen die fünf Sinnen / und fünf Tugenden / nemlich / die Klugheit / die Geduld / die Beständigkeit / die Mässigkeit / und Hertzhaftigkeit. Jene stellte sie dem Leibe / diese der Seele für Augen. Jene suchten in einem besondern Tantze den Leib zu bereden / daß er von keiner Liebe so viel Ergetzligkeit genüsse / als von der ehlichen /welche alle Sinnen aufs höchste anspannete / umb seinen [574] Eh-Schatz zu vergnügen / ja diese Liebe wäre gleichsam die Seele aller Sinnen / und die erste Regung des Leibes. Die Tugenden hielten in ihrem Tantze der Seele für; daß die Klugheit aus nichts mehr /als in Erwehlung eines Ehgatten zu prüfen wäre; daß kein Unglück in der Welt zu finden / welches die ehliche Liebe nicht durch Geduld verdauete / das Erzt am Marmel und Diamant gegen ihre Beständigkeit zerbrechliche Banden wären; daß sie die heftigsten Gemüths-Regungen mit einem annehmlichen Blicke /wie die Sonne mit ihren Strahlen den Nebel zu Bodem schlüge. Daß sie stärcker als der Tod / und mächtiger als die Einflüsse des Gestirnes wäre. Leib und Seele gaben hierauf durch einmüthiges Urthel zu verstehen: daß die Geblüts-Liebe fast nur die Leiber / Freundschafft nur Gemüther / ehliche Liebe aber Leiber und Seelen zugleich miteinander vereinbarten; also auch dieser der Siegs-Preiß gebührte. Die Sinnen und Tugenden hielten hierauf einen vermengten Tantz; darinnen sich allezeit bey iedem Schlusse das Gesichte mit der Klugheit als dem Auge des Gemüthes / das nur allzeit leidende und nie nichts würckende Gehöre mit der Geduld / das tauerhafte Fühlen mit der unempfindlichen Beständigkeit / der zum Eckel geneigte Geschmack mit der annehmlichen Mässigkeit / der kräfftige Geruch mit der Hertzhaftigkeit paarte / welche auch die Asche ihrer Liebhaber mit der edlen Würtze unsterblichen Nachruhmes einbalsamet. Nach dem Ende dieses Tantzes fiengen die drey Lieben einen neuen an / darinnen die Geblüts- und Gemüths-Liebe / nemlich die Freundschaft der ehlichẽ Liebe ihre zwey Kräntze aufsetzten. Diese aber näherte sich denen für dem Schauplatze sitzenden schauern / und setzte den Rosen-Krantz auf Adelmundens / den Amaranthen-Krantz auf Catumers Haupt / und endlich zertheilte sie ihren eigenen zweyfachen Oel- und Lorber-Krantz entzwey / und satzte jenen dem Hertzog Arpus / diesen dem Feldherrn Herrmann auf. Welches nicht nur die spielendẽ Sinnen und Tugenden / sondern auch alle Zuschauer mit einem grossen Freuden-Geschrey billigten / und niemand war / der nicht diese Erfindung der sinnreichẽ Ismene lobte.

Höret aber / was in einem so heitern Himmel sich aus einem geringen Dampfe für Sturm-Wolcken zusammen ziehen können? Adgandester / welcher ihm eingebildet hatte ein unbeweglicher Stern im Himmel des Cheruskischen Hofes zu seyn / machte nicht nur sein unvermutheter Fall verzweifelt; sondern auch desselben glücklicher Lauff gleichsam rasend. Denn die / welche eine Weile das Steuer-Ruder des gemeinen Wesens geführt / lassen ihnen ins gemein träumen: daß mit ihrer Hand-Abziehung alles würde zu Grunde gehen. Hierinnen heuchelten ihm ihrer viel /theils weil auch die ärgsten Ubelthäter bey Ausstehung ihrer Straffe mitleidende Augẽ zu Zuschauern beko ẽ; theils weil solche grosse Diener / ungeachtet sie nur von ihrem Fürsten / wie der Monde von der Sonne ein geborgtes Licht haben / doch viel unter ihnen stehende mit ihrem wohlthätigen Einflusse betheilen / und daher ihnen auch viel Gemüther verbinden. Diese Gewogenheit war bey vielen so viel mehr eingewurtzen; weil Adgandester nicht nur etwan durch euserliche Geschickligkeit / wohlgestalte Bildung / welche allein die Augen des Fürsten füllen /und mit der Zeit abnehmen / weniger durch an die Hand gegebenen Wollüste und Laster / welche doch endlich einem Fürsten zur Abscheu werden; sondern durch seine fürtreffliche Gaben des Gemüthes und nicht wenig Tugenden; ja grosse Verdienste die Gewogenheit des Feldherrn erworben hatte. Diesemnach fielen gantz unterschiedene Urthel über Adgandesters Fall; und ob wohl desselben Ursache am hellen Tage lag; daß er nehmlich Ismenen so hoch beleidiget hatte / hielten solches doch die meisten nur für einen Vorwand; Gleich als wenn es so viel nicht zu bedeuten hätte / seines Fürsten Schwester nach Ehre und [575] Leben zu strebẽ. Die Bescheidensten giengen in ihrem Urthel nicht zu weit / sondern bliebẽ nur in dem Schranckẽ gemeiner Zufälle / und woltẽ weder dem Feldherrn noch Adgandestern alleine die Schuld beymässen / sagten also: Es wäre sich über dem Falle eines so grossen Dieners so wenig zu wundern / oder nach absonderen Ursachen zu fragen / als warumb der Blitz meistentheils in hohe Spitzen der Berge und in die Gipfel der gestracksten Eichen einschlüge: das Verhängnüß hätte eine besondere Lust daran / wenn es die / welche sich gleichsam über ihre Fürsten empor schwingen / in Staub treten sähe. Ein Fürst wenn er einem Diener alles / was er geben und der Diener verlangen könte / zugeeignet hätte / würde /umb nicht müssig zu seyn / fast genöthigt auf einmal ihm alles zu nehmen; damit er theils wahr machte: Fürsten könten aus Staube Gold / und aus Golde nichts machen; theils seinen in Ungnade fallenden Diener durch gäntzliche Stürtzüng zu entkräfften /daß er ihm nicht schaden könne; wie / wenn er ihm nur ein und andere Feder ausropfte / der Fürst nicht ohne Ursach zu besorgen hätte. Fürsten würden alter Diener / wie die Magen zu oft genossener Speisen überdrüssig / und ihre Gemüther wären nichts minder als andere zur Neuigkeit / und fürnemlich zu Gebährung neuer Brutten begierig. Diese wären auch unaufhörlich mit Neid und Eiversucht belägert; dahero die /welchen ein Fürst wohl wolte / stets in Kummer stünden; des Fürsten Schoßkind beschnitte ihnen seine Gnade: die in Ungnade stehenden aber bildeten ihnen ein: Er wäre Ursache des Fürstlichen Hasses. Also schriebe man so hohen Dienern alles böse / wie dem Gestirne Hagel und Mißwachs zu. Ja es wäre noch an keinem Hofe ein so grosses Licht / wie an dem Himmel kein berühmtes Gestirne gewest / dem man nicht die Gestalt eines ungeheuren Thieres gegeben / und ein grosses Laster zugeschrieben hätte. Das Glücke wäre alle Augenblicke zur Veränderung geschickt /nirgends aber mehr als bey Hofe / bey welchem es ein Irr-Stern bleiben würde / wenn es gleich anderwerts einen festen Stern abgeben könte. Mit einem Worte: Wer dem Fürsten eivrig diente / beleidigte den Hof. Wer dem Hofe zu gefallen lebte / thäte seinem Ampte keine Ausrichtung / dem Fürsten kein Vergnügen. Also müste er unvermeidlich an ein oder der andern Ecke austossen / und sein Schiff zerscheitert oder verschlungen werden; wenn er nicht für seinem Ziele des Untergangs / entweder an das Ufer des Todes anlendet / oder die Segel selbst einzeucht / und sich so wohl seiner hohen Würde / als des Neides durch zeitliche Abdanckung entschlägt. Die aber / welche für eine Scharffsichtigkeit halten Herrschern Mängel auszustellen / oder auf Adgandesters Seite hiengen / beschuldigten die erstern / daß sie mit ihrem Urtheile auf beyden Achseln trügen / liessen sich also verlauten: Hertzog Herrmann hätte Adgandesters Verstand und Tapferkeit nicht mehr vertragen können; weil er durch derselben Licht seinen Glantz zu verdüstern geschienen. Adgandester wäre in seinen Diensten zu wachsam / in seinem Gottesdienste zu eivrig gewest /weil er nicht gewüßt: daß ein Staats-Diener auch in Dingen / die Gott angiengen / den Mantel nach dem Winde hengen muste / und bey aufgeweckten Fürsten Schlafsucht eine Klugheit / und Nachlässigkeit ein grosses Verdienst wäre. Unter andern hätte er dem Feldherrn in einer Schlacht das Leben errettet; dieser Verdienst überstiege das Vermögen aller Vergeltung /und daher / weil Hertzog Herrmann allzu großmüthig wäre / sich seines Dieners Schuldner / sich aber unvermögend zur Zahlung zu wissen / hätte diese und andere grosse Wohlthaten mit nichts als seinem Falle ausgetilget werden können. Des Feldherrn Eiversucht wäre schon damals abzunehmen gewest / als er Adgandestern unter dem Scheine einer Stadthalterey zu Hause [576] gelassen / und ihm die Ehre sich in dem letzten Kriege wider die Römer sehen zu lassen nicht gegönnet hatte; gleich als wenn eines Fürsten Ruhme so viel abgienge / als ein Diener durch tapfere Thaten erwürbe; und einem Herrscher nichts verkleinerlicher wäre /als wenn eines Unterthanen Nahme für seinem bekandt und von denen Unterthanen oder dem Ruffe der Nachbarn einem Diener ein Bild aufgerichtet würde; welches seinen Schatten nur biß zu den Fuß-Sohlen seines Herrn würffe. Andere schalten hierbey zum Scheine Adgandesters Unvernunfft / oder vielmehr des Feldherrn Mißgunst / indem sie ihm für Mangel ausstellten: daß er nicht ein und andern Fehler mit Fleiß begangen hätte / damit der Fürst diese seinem Diener / ihm aber alle glückliche Ausschläge hätte zueignen können. Welches seinem Ansehen nichts entzogen haben würde; weil die Klugen wohl wüßten: daß ruhmsichtige Fürsten grosser Diener Irrthümer gerner sähen / als strafften. Kluge wüßten / daß Dienern auch blosse Zufälle und Schickungen der Natur als Fehler beygemessen würden; der Pöfel aber verstünde nicht selben Fehler von klügsten Verrichtungen zu unterscheiden. Bey dieser Trennung der Gemüther und Urtheile fehlte es Adgandestern weder an Freunden / noch auch an andern Leuten / welche theils aus Neigung zu ihm / theils aus anderm Absehen /entweder unter dem Scheine der allen Menschen anklebenden Schwachheiten / oder einem Eiver für die gemeine Wolfarth den Feldherrn mehrmals umb die Begnadigung Adgandesters behelligten / und anführten: Weil allen Menschen gewisse Schwachheiten angebohren würden / müste man von keinem lauter Vollkommenheiten fordern. Jene erkieseten wir nicht selbst / sondern die Gestirne oder eine höhere Gewalt drückten sie unserm Geiste ein; oder in unserm Fleisch und Blute steckte auch offt eine Eigenschafft /welche die Seele befleckte / man aber so wenig als die Adern aus dem Leibe reissen könte. Dieser Hertzog /welcher die Vergessenheit einer Beleidigung einem Fürsten für so eigenthümlich hielt / als den Thau im Meyen fruchtbaren Wolcken; hätte Adgandestern mit der allzu gütigen Ismene Belieben unschwer begnadigt / oder gar wieder auf seinen ersten Gipfel gethürmet; wenn nicht andere Räthe / welche entweder den Feldherrn und das gemeine Wesen eivrig liebten /oder von Adgandestern gäntzlich unterdrückt zu werden fürchteten / hierwider sorgfältig eingewendet hätten: Verstand und Tapferkeit rührtẽ zwar nicht von des Menschẽ eigner Wahl / sondern wie die Gesundheit und gute Bildung vom Hi el her. Alleine wenn man gleich mit so herrlichen Gaben nicht vermöchte dem gemeinen Wesen zu dienen / wäre doch so wohl uns möglich als wir verbunden in unserm Thun unschuldig und unserm Herrn treu zu seyn. Adgandester aber wäre zweyfach strafffällig / weil die Natur ihn zu so viel gutem fähig gemacht; sein böses Gemüthe aber alles diß in Gifft und Galle verwandelt hätte. Er hätte sich über seinen Fall nicht zu beklagen / denn unsere eigene Fehler wären das einige Unglücke / das uns begegnete. Der Feldherr aber hätte zu bedencken /daß zu grosse Gunst und Barmhertzigkeit eine Tochter wäre / welche offt ihre eigene Mutter tödtete. Ein gefallener Staats-Diener taugte so wenig an Hof / als der von denen sich reinigenden Lufft-Sternen abgeworffene Unflat im Himmel. Unter tausenden wäre nicht einer / der die Begnadigung seines Fürsten nicht mehr für eine Erkantnüß eigenen Undancks / als für eine Wohlthat achtete; also die Gelegenheit sich zu rächen so wenig als eine einmal getretene Natter vergessen würde. Adgandesters Boßheit wäre am Tage. Ein Fürst aber solte so wenig sich lasterhafter Diener / als ein Bau-Meister schlimmen Werckzeugs gebrauchen. Sintemal wenn was in der Herrschafft versehen würde / man nicht sagte / daß es der Diener / sondern[577] der Fürst gethan hätte. Seine neue Erhöhung könte auch weder ohne des Feldherren Verkleinerung / noch ohne seiner andern Diener Unterdrückung geschehen; gleich als jener ihn nicht entrathen / diese nicht seinen Abgang ersetzen könten / und alleine von seinem Einflusse geregt werden müsten. Damit auch dieser Rath so viel mehr Nachdruck hätte / mangelte es nicht an Leuten / welche dem vorhin gleichsam angebeteten Adgandester tausend Fehler und hundert Laster auszustellen wusten / denn ie grösser ein Licht / ie mehr gibt es bey seinem Ausleschẽ Rauch und bösen Geruch von sich. Sie führten an: daß er zwar mit Demuth / Gehorsam und Treue sich in die Gnade des Feldherrn eingespielet / hernach aber durch Hoffart /Eigen-Nutz und arglistige Rathschläge verrathen hätte: es wären solches nicht Tugenden / sondern nur derselben Larven / oder auf eine Zeitlang entlehnt gewest. So bald Hertzog Herrmann seine Gewogenheit gegen ihm blicken lassen / hätte er seiner selbst vergessen; und die Glückseligkeit seine Laster verrathen. Seine Vernunft verwirret / und nachdem er als ein Diener nichts grössers werden können / sich des Feldherrn Reichs-Gefärthe zu seyn eingebildet / oder wohl gar Hertzog Herrman des blossen Nahmen eines Fürsten zu lassen; Ihm aber das Hefft der Herrschafft zuzueignen sich erkühnet. Zwar hätte Adgandester in zwey oder drey gefährlichen Läufften sein Leben für den Feldherrn in die Schantze geschlagen; aber es wäre nicht so wohl aus so grosser Liebe und Treue gegen ihn als aus Triebe seines Ehr geitzes geschehen. Sintemal einer ihm anfangs wehthun / und durch etliche kecke Thaten einen Nahmen machen müste /der eines Fürsten Schoß-Kind / oder sein Gebieter werden wolte. Hernachmals aber hätte er seinen Herren durch Freundligkeit und Freygebigkeit aus frembdem Vermögen die Hertzẽ der Unterthanẽ und sein Ansehn gestohlen; indem er die beliebten Geschäffte über sich genommen / die verhaßten aber dem Fürsten auf dem Halse gelassen. Durch welcherley Verdienste ein Diener mehr sündigte / als durch offentliche Beleidigung seines Fürsten. Ihrer viel gaben ihm auch Schuld: Er hätte zwischen dem Feldherrn und Segesthen nach erfolgter Versöhnung Oel ins Feuer zu neuer Zwietracht gegossen / und durch allerhand Erfindungen dem Hertzog Inguiomer / als wenn er mit dem Könige Marbod sich in ein geheimes Verständnüß vertiefft hätte / verdächtig zu machen sich bemüht; wormit er bey Vertreibung aller Fürsten des Geblütes alleine den Meister über Deutschland und den Feldherrn spielte. Er wäre ein gebohrner Catte / welche es niemals mit den Cheruskern recht verträulich meynten. Dahin hätte er auch allezeit den Mantel gehenckt / und aus dem so blutigen Kriege ihnen den meisten Nutzen zugewendet. Hingegen die Cherusker wie Knechte / und so verächtlich als Frembde gehalten. Durch scheinbarẽ Fürwand / daß ja dieses unverantwortlich und höchstschädlich wäre die tapferen Sicambrer alleine baden zu lassen / die getreusten Leute des Landes / und die ältesten Diener des Fürsten durch Verleumdung aus dẽ Sattel gehobẽ / oder durch angethanẽ Verdruß den Hof und ihre Aempter zu verlassen genötigt. Uber diß hätte Adgandester den Feldherrn anfänglich mit Geschäfften überladen / damit er darüber verdrüßlich würde / hernach ihn durch die Süssigkeit der Jagt / der Ritter-Spiele / und andere Belustigungen von der beschwerlichen Herrschafft abzuziehen getrachtet / damit nur alles durch seine Hände gehen möchte. Ja er hätte schon mehrmals den mit den Römern gemachten Frieden zu untergraben Anstalt gemacht / nicht so wohl dem Hertzoge Melo zu Liebe / als daß gantz Deutschland wieder in Unruh geriethe / er bey erregtem Sturme für einen desto nöthigern Steuer-Mann gehalten werden müste / und er seine Geschöpfe desto füglicher ans Bret bringen[578] könte. Also wäre ihm nichts weniger bedencklich; als daß er hundert tausend Cherusker seinem Ehrgeitze und die Ruhe des Vaterlandes seiner Vergnügung aufopferte. Er würde auch in weniger Zeit gar die Klauen an seinen Fürsten einzuhauen / und sich nach ausgerotteten Fürsten des Geblütes die Herrschafft an sich zu reissen nicht gemässigt haben / nachdem er schon die Vermässenheit gehabt seines Herrn Schwester ihm zur Buhlschafft auszusehen / und nachdem diese eines frechen Dieners unverschämte Liebe verschmähet / sie durch die schwärtzeste Verläumbdung umb Ehre und Leben zu bringen sich bemühet / also seine vermeynte Freyheit zu sündigen nach der Grösse seines Glückes abgemässen / und alles ihm gefällige für zuläßlich geschätzt hätte. Diese Beschuldigungen / weil sie grossen theils wahr und dem gemeinen Volcke angenehm waren / auch von den mächtigsten am Hofe herrühreten / hatten mehr Nachdruck als diß / was für Adgandestern geheim / und von Tag zu Tag immer furchtsamer geredet ward. Ja seine Vertheidiger verschwanden fast auf einmal / als der Feldherr dem Grafen von Nassau / welcher ihm von Adgandestern eine Bitt-Schrifft einhändigen wolte / in Beyseyn vielen Adels sagte: Es wäre nichts gefährlicher als einer sinckenden Wand seine Achseln unterstützen. Diese Empfindligkeit rührte fürnehmlich daher: daß sich Adgandester in seinẽ Fall nicht mit Bescheidenheit zu schicken wußte / sondern daß ihm zu viel geschähe / und sein einiger Fehler für schwerer / als tausend seiner Verdienste geachtet würde / sich beklagte. Sintemal in solchen Fällen die demüthige Erkäntnüß seiner Schuld einen gefallenen Diener die einige Staffel zur Erhöhung / die Rechtfertigung aber / wie viel mehr also die Klage erlittenen Unrechts ein neues und grösseres Laster / und der gerädeste Weg zum völligen Untergange ist. Denn wie soll ein Fürst den nicht als einen Unwürdigen in Koth treten; der ihm für genossene Ubermasse der Gnade noch Undanck aufhalsen wil? Hiemit verschwand auf einmal alles Mitleiden gegen Adgandestern. Die besten seiner Freunde zohen von ihm seine Hand ab / und vergassen seiner als eines nie gewesenen. Welche aber am klügsten seyn wolten / mühten sich ihn vollends gar zu vertilgen /und gaben mehrmals dem Feldherrn zu verstehen: Man hätte sich für einer getreten-aber nicht ertretenen Natter sehr wohl fürzusehen; aber für keinem todten Löwen nicht mehr zu fürchten. Denn wenn eine grosse Säule baufällig ist / meinen alle ihres Amptes zu seyn / daß sie sie niederstürtzen helffen / womit sie ihnẽ nicht selbst auf den Hals falle. Niemand wolte fast für so unwissend angesehen seyn / der nicht ein absonderlich Laster Adgandestern nachzusagen wuste; gleich als wenn die ihn abmahlenden Kohlen Zinober wären ihre Tugenden sichtbar zu machen. Diesemnach sich der Feldherr fast schämte / daß er sich eines so boßhaften Menschen so lange gebraucht hätte / und nun allererst gleichsam durch seine Verstossung zum Fürsten worden wäre. Westwegen er verbot / daß in seiner Gegenwart niemand Adgandesters mehr gedencken solte. So veränderlich sind der Menschen Gemüter / daß wir oft von dem nicht mehr hören können / ohne den wir vorher nicht zu leben vermochten. Adgandester erfuhr gleichwohl alle diese Veränderung des Hofes und der Gemüther / und nachdem er erfuhr; daß er durch seine Ruhmräthigkeit seine Sache gewaltig verschlimmert hatte / schlug er die Segel auf die andere Seite / und ließ sich vernehmen: Er hätte nun allererst / was es für eine Herrligkeit wäre / keines andern Diener zu seyn / schmecken lernen. Daher eckelte ihn der Hof an / und gelüstete ihn nichts weniger / als in vorigem Stande zu seyn /und nichts mehr / als in Einsamkeit nur Gott und ihm zu leben. Ein vergnügter wäre ihm die gantze Welt /wie Cato ihm selbst die gantze Stadt Rom. Von [579] niemanden als nur von sich selbst den Hang haben müste die gröste Glückseligkeit seyn / weil man auf diese Art dem höchsten Wesen nemlich Gott am nächsten käme. Wer sich derogestalt selbst begrieffe / wäre der gröste Herrscher / und wer ohne andere zu leben wüste / hätte nichts mit dem Vieh / alles von einem Weisen / und viel mit Gott gemein. Er nam sich auch einer solchen Lebens-Art an / daß er nicht wenig Einfältige beredete: Es gelüstete ihm nach nichts weniger als nach Hofe. Aber keine Bländungen halten beständig die Farbe / und der Ehr-Geitz / wenn er einmal in ein Hertz eingewurtzelt ist / läßt sich schwerer als Saal-Weiden aus Wiesen ausrotten. Weil nun Adgandestern der Kützel unaufhörlich nach der Herrschafft stach / untersuchte er hundert Künste / weil es ihm beym Feldherrn unmöglich zu seyn schien / sich beym Hertzog Arpus ans Bret zu bringen. Denn so vielmal sich ein Antlitz in den Stücken eines zerbrochenen Spiegels durch seine Bildung vervielet / so viel Entschlüssungen gebieret das Unglück in unserm Gehirne. Nach vielem Nachsinnen und mancherley Anstalt gewan er etliche beym Hertzog Arpus wohl-gesehenen Räthe / welche anfangs Adgandesters nur schlechterdings erwehnten / und nach dem Arpus keine Empfindligkeit hierüber spüren ließ / ihn nach und nach zu loben anfingen / endlich sagten: Adgandester wäre gleichwohl ein Fürst aus Cattischem Geblüte / ein in Staats-Sachen erfahrner Mann / und im Kriege ein tapferer Held / welcher durch seine kluge Rathschläge und hertzhafte Thaten ein grosses zu der gegenwärtigen Höhe des Cheruskischen Hauses beygetragen hätte. Er wüßte alle seine Geheimnüsse / welche Wissenschafft mit der Zeit dem Cattischen Hause ein Licht zu grossem Glücke anzünden könte. Sintemal ietzige Verträuligkeit zwischen den Cheruskern und Catten mehr durch Furcht für den Römern / als aus eigentlicher Zuneigung zusammen geknüpft wäre. Die festesten Bündnüsse der Fürsten hienge an dem Fademe des Eigen-Nutzes / wenn dieser zerriesse / wäre weder Eyd / noch Geblüte / noch Ehre / noch Wohlthat so mächtig / daß sie nicht zu Grunde gienge. Es wäre nicht ohne / Adgandester hätte sich vergangen /und Hertzog Herrmann / welcher in seiner Schwester beleidiget worden / hätte / wie er aus Staats-Klugheit vielleicht gerne gethan sich mit Ehren nicht entbrechen können ihn aus seiner Gnade zu lassen. Ein Fürst würde eben so wol bißweilen gezwungen wider seinen Willen ausser dem Schrancken seiner Gütigkeit / als ein Diener aus der Gräntze seiner Klugheit zu schreiten / wider sein ihm gesetztes Absehn zu handeln; ja was Böses zu erkiesen; welches sie in ihrem Gemüthe verdammen und nimmermehr thun würden / wenn sie eine Bothmässigkeit über die Geschäffte und das allzu gewaltige Verhängnüß hätten. Diesen Nothzwang unterschieden ihrer wenig von dem Vorsatze böses zu thun; und ins gemein wüßte so grossen Staats-Dienern niemand mehr als der unvernünfftige Pöfel / wie die Nachen-Fahrer auf kleinen Flüssen denen Schiffleuten auf dem unzähmbaren Meere / die grösten Mängel auszustellen. Alleine Adgandester wäre auch noch keines Fehlers wider sein Ampt überwiesen; sondern die Wurtzel seines Verbrechens wäre die Liebe; von welcher sich kein Weiser rühmen könte / daß sie ihn nie bethöret hätte. Diese wäre das gemeine Fallbret in der Welt / und Ismenens Schönheit redete seinem Falle selbst das Wort. Denn diese bemeisterte zum ersten und in einem Augen-Blicke den Kopf / wie der Wein die Füsse. Die Vergessenheit seiner selbst wäre der tieffste Schlaf; niemand aber vergeßlicher als ein Liebhaber. Ismenens gegen ihm als einem Cattischen Fürsten gleichwohl allzu strenge Verachtung aber hätte ihn vollends gar der Sinnen beraubt. Weil nun bey ihm sein niedriges Theil wider die Vernunfft aufrührisch worden / und die Begierden der Seele zu Kopfe gewachsen / was hätten für andere / als [580] Miß-Geburten verzweiffelter Anschläge können ans Licht kommen? Nunmehr aber hätte er sich an dieser Flamme so verbrennt; daß er nicht so bald die Hand wieder hinein stecken würde. Es wäre eine grosse Wissenschafft /wenn ein Mensch in seiner Erkäntnüs so weit käme; daß er den König unter seinen Schwachheiten kennen lernte. Denn dis wäre schon so viel / als ihn halb überwunden haben. Niemand gienge hernach vorsichtiger / als der zuvor gefallen wäre; daher würde Adgandester nach der Zeit durch Behutsamkeit vorige Scharte auszuwetzen so viel mühsamer seyn. Er hätte niemals mehr / als bey und nach seinem Falle seine grosse Fähigkeit gezeugt; und wie ein aus der Höhe in ein tieffes Thal gefallener Colossus nichts von seiner Grösse verlohren. Das Unglück wäre die beste Streich-Nadel eines Menchsen Tugend zu prüfen; Welche guten Theils zu keiner andern Zeit / als wenn es stürmet / geübt werden könten. Wer niemals unglücklich gewest / verstünde sich nur auf die Helffte des Lebens / und wer allezeit den Wind hinter dem Schiffe und ein ruhiges Meer gehabt / dörffte sich keinen Steuermann rühmen. Wie wenig Sachen nun wären / die beym Tage und beym Nachtlichte einerley Farbe / und wie wenig Menschen / die beym Sonnenschein und Gewitter einerley Gesichte behielten; so müste doch jederman Adgandestern nachrühmen; daß sein Fall sein Gemüthe so wenig niedergeschlagen /als sein Wolstand es vorher aufgeblasen / sondern er in allem seinem Thun eine kluge und behertzte Gleichheit bezeigt hätte. Diesemnach wäre es ja ewig Schade / wenn dieser Fürst / dem das Unglück nichts hätte anhaben köñen / ungebraucht bleiben / oder gar zur Verzweiffelung gebracht / und sich bey denen Römern einzulassen verursacht werden solte. Einem zu dienen geschickten Manne wäre der Tod nicht so empfindlich / als wenn man sein nicht achtete; und sein erster Eyver dem Vaterlande zu dienen verwandelte sich hernach in eine feurige Begierde selbtem zu schaden. Jenen hätte er durch viel dem gemeinen Wesen Deutschlandes geleistete nützliche Dienste fürlängst bewehret. Wie viel embsiger würde er ihm nun die Wolfahrt der Catten angelegen seyn lassen /weil er ja als ein Fürst Cattischen Geblütes mehr Verbindligkeit empfinde seinẽ Landsleuten treulich zu dienen / als denen alten Feinden der Catten / nemlich den Cheruskern. Hertzog Herrmann hätte es auch nicht übel aufzunehmen / daß ihn Arpus in seine Dienste züge; weil er gegen ihn nicht als ein Diener /sondern als ein Mensch gesündigt / auch über die Verstossung seine Ungnade auf keine andere Straffe erstreckt hätte. Zudem wäre es besser / daß ein verstossener Diener einem Freunde diente / als daß er sich zum Feinde schlüge. Jenes wäre ein Kennzeichen: daß er keine Rache im Schilde führte; dieses aber wäre das ärgste Mittel zu schaden. Adgandester wäre auch viel zu großmüthig Rache zu üben / welcher Begierde nur eine Schwachheit niedriger Gemüther wäre. Mit diesen Fürbildungen brachtẽ sie es so weit: daß Adgandester sich nicht nur in dem Cattischen Gebiete aufhalten / sondern auch zuweilen nach Hofe ko en dorffte. Der Feldherr erfuhr dieses zeitlich genung /jedoch ließ er es geschehen / sonder darüber ein Unvergnügen mercken zu lassen; als welcher die Erhaltung guten Verständnüsses mit den Catten für den Grundstein der Deutschen Wolfahrt hielt. Bey dieser Nachsicht ließ Hertzog Arpus sich endlich beredẽ: daß er Adgandestern vor sich ließ; welcher die Gabe sich bey andern einzulieben in höchster Vollkommenheit besaß. Seine Beredsamkeit war ein geschickter Pinsel allen Dingen eine annehmliche Farbe anzustreichen / und daher nicht zu verwundern: daß Hertzog Arpus seinen Schein für Tugenden / wie jene Vögel das Mahlwerck für wahrhaffte Trauben anzuschauen verleitet ward. Es war schon an dem / daß Adgandester in den Cattischen Rath [581] eingeführet werden solte / als Hertzog Ganasch durch den Fürsten Catumer / welcher hierüber als einem zu seiner höchsten Verkleinerung gereichenden Fürhaben seinen grösten Unwillen ausschüttete / hiervon Wind bekam / und aus Beysorge: daß Adgandester aus Ehrsucht seinen künfftigen Eydam verdüstern oder gar unterdrücken / aus Rache aber gegen das Cheruskische Hauß die Catten von dem Bündnüsse abziehen / oder doch der Feldherr hierüber Argwohn und Unwillen schöpffen würde / sich solches zu hindern entschloß. Er verfügte sich diesemnach zum Hertzoge Arpus /und nachdem er ihm durch allerhand andere Unterredungen den Weg auf Adgandestern zu kommen gebähnet hatte / stellte er sich / als wenn er von dem Vorhaben des Cattischen Hertzogs nichts wüste / sondern brauchte das Meisterstücke an Segesthens Beginnen / auch des Arpus Fehler zu schelten. Denn er wuste wol: daß wie die Sonnen-Finsternüsse am Himmel nicht ohne Versehrung der Augen / in Wasser und Gegenscheine aber ohne Schaden betrachtet / also der Fürsten Vergehungen an ihnen vergebens und gefährlich / an drittern aber klüglich gestrafft und sie durch anderer Blindheiten am ehsten auf den rechten Weg geleitet würden. Ganasch entdeckte diesemnach seine grosse Bekümmernüs über dem / daß Segesthes / der doch kaum etliche mal mit dem Feldherrn hätte ausgesöhnet werden können / mit dem seines Verbrechens wegen gar billich verstossenẽ Adgandester so grosse Verträuligkeit machte / welche deswegen so viel verdächtiger zu halten / weil Adgandester vorhin dem Segesthes in allem zu wider und Spinnenfeind gewest wäre. Ihr geheimes und zu Schaden des Cheruskischen Hauses angesehenes Verständnüs liesse sich daraus schon urtheilen; daß sich Segesthes selbst und der mit den Römern unter dem Hüttlein spielende Hertzog der Bataver Cariovalda sich in den Kampff für den verläumbdischen Druys wider die unschuldige Ismene hätte in Kampff einflechten lassen. Daher besorgte er / Segesthes und der rachgierige Adgandester würden aufs neue in Deutschland ein Feuer anzünden / welches mit vielen Strömen Blut nicht würde zu leschen seyn. Hertzog Arpus fieng an: Er wäre darüber gleichfals bekümmert / und destwegen hätte er auf ein Mittel gesonnen Adgandestern von Segesthen abzuziehen; nemlich / er wäre entschlossen ihn in seine eigene Dienste zu nehmen. Hertzog Ganasch antwortete: diese Artzney wäre gefährlicher als die Kranckheit selbst. Deñ die Freundschafft zwischen Adgandestern und Segesthen wäre so feste / daß seine Dienste selche nicht trennen; also Segesthes von ihm alle Heimligkeiten des Cattischen Hofes erfahren / und / so lange die zaubrische Sentia lebte / seinen gifftigen Haß wider die Catten und Cherusker nicht ablegen würde. Wenn aber auch diese grosse Gefahr seine andere Erhöhung nicht widerriethe / wäre doch seine wider Ismenen und den Feldherrn verübte Verläumbdung und Untreu am Tage liegende Laster; ein lasterhaffter Mensch aber ein so gefährlicher Staatsdiener /als der gifftige Scorpion ein schädlicher Stern / also selbten erheben so viel als die Boßheit ausrüsten /daß sie so viel mächtiger werde Arges zustifften. Denn ein lasterhafter Bürger könte nur etlichen ihres gleichen / wie eine Ziege wenigen Bäumen / ein solcher hoher Diener aber gantzen Völckern Schaden thun; wie die gestirnte Ziege im Himmel bey ihrem Aufgange alle Wein-Gärte / die sie bescheinet / beschädigte. Es wäre sehli genung / daß in hohen Aemptern auch ehrliche Leute / wie die aus Thälern auf die Spitzen der Gebürge versätzten Gewächse vertürben / wie viel mehr müste sich nun die Boßheit in einer so anfälligen Gegend verärgern. Wer würde sich mehr befleissen mit beschwerlicher Tugend zu überladen; Wenn jedermann offenbaren Lastern die Pforten der Ehren / welche zu Rom den Tempel der Tugend zum Vorgemache hätte / aufsperren / sie in Gold und Purper prangen / und der [582] Unschuld zu Kopffe wachsen sähe. Diesemnach möchte sich Hertzog Arpus wol fürsehen: daß er ihm mit Adgandestern nicht eine Schlange in Busen sätzte / welcher darumb nicht mehr zu lieben / sondern mehr für verdächtig geachtet werden müste / daß er ein abgefundener Fürst des Cattischen Hauses wäre. Denn die Laster behielten ihre knechtische Ungestaltnüs / wie die Kefer und Raupen ihrẽ Unflat / wenn jene gleich am Adel / diese an wolriechenden Bäumen klebten. Sie könten wol erhöhet /aber niemals zu Würden werden. Uberdis könte Adgandester sein Recht der Anwartschafft leicht in Lüsternheit sätzen etwas bald lieber zu besitzen / als ungewiß zu hoffen. Der Ehrsucht stünde weder Wolthat noch Geblüte im Wege undanckbar und grausam zu seyn / welcher er Füsse und Flügel durch Erhöhung Adgandesters ansätzen würde; da doch die fürsichtige Natur die allergifftigsten Thiere weder geflügelt noch mit Füssen / sondern kriechende geschaffen hätte /damit sie desto längsamer und ohnmächtiger zum Schaden wären. Er gestünde es: daß Adgandester an Scharfsinnigkeit und Streitbarkeit wenig seines gleichen hätte. Aber diese Fähigkeit gäbe der Boßheit /wie der sonst heilsame Wein dem eingenommenen Giffte so vielmehr Nachdruck. Er solte behertzigen: daß ein Staatsdiener eines Fürsten / wie der Monde der Sonne Ebenbild wäre / und weil beyde nicht stets allenthalben seyn könten / ihre Stelle verträten. Wer aber würde zu bereden seyn: daß ein fleckichtes Nachgemälde ein reines Vorbild haben könte? und also würde Hertzog Arpus seinen bisherigen Ruhm durch ein so übel rüchendes Gesäße stinckend / seine Unterthanen aber entweder unwillig oder böser machen. Deñ die Tugendhaften würden ihrẽ Gehorsam einem so schli en Vorsteher nicht ohne scheinbares Recht entziehen; und die Herrschaft leicht in Verwirrung bringen. Sintemal offt auch ehrliche Diener ihnen verdächtig sind / und ein Fürst genung zu thun hat selbtem sein Ansehn zu behalten / weil Unterthanen einen Zug zum Mißtrauen und zu Scheltung ihrer Verrichtungen hätten / ja aus Zufällen Laster oder Fehler machten. Die zum bösen geneigten aber / welche Zeither zu sündigen für einem so guten Fürsten sich geschämet / würden nu spornstreichs in Adgandesters Laster rennen / welche die Heucheley bald auf den Stul der Tugend setzen würde. Sintemal von Vorgesetzten nichts so schli es gethan werden könte /welches sie ihren Untergebenen nach zu thun nicht zu gebieten schienen. Ihr Beyspiel hätte eine gar zu grosse Beredsamkeit / daß sie einem auch die Heßligkeit einlobte. Daher wäre die Nach-Affung auch in Lastern eine Art heiligen Gehorsams beym Volcke / und also Fürsten und ihre Augen / nemlich die Diener vorleuchtende Tugend-Fackeln seyn solten; welchen zu dessen Anzeigung in Persien allemal brennende Lichter vorgetragen würden. Weil nun derogestalt eben so wol blühende Boßheit als Tugend Leute findet / welche andere darinnen zu übertreffen bemüht sind / meinet sie / es wäre ihr eine Schande / wenn sie nicht bis zum höchsten Gipffel stiege / und ein Diener meinet /er zeugte eine grosse Schwäche / wenn er nicht einem jeden wiese / wie hoch sich auch in bösen seine Gewalt und Vermögen erstreckte. Bey welcher Beschaffenheit es dem gemeinen Wesen viel schädlicher wäre einen guten Fürsten und schlimme Diener / als einen schlimmen Fürsten und gute Diener haben. Denn jene mißbrauchten nur seine Gütigkeit / diese aber wendeten seine Vergehungen eben so zum besten / wie die niedrigern und gütigen Irrsterne des wilden Saturns schädliche Einflüsse verbessern. Der klügste Fürst wäre nicht allemal mächtig seiner Diener Boßheit zu steuern / weniger sie zu straffen; wiewol es unvergleichlich besser wäre nicht sündige zu erwehlen / als nach Vergehungen die Erwellten zu verdammen. Wann aber auch gleich Adgandester am Cattischen Hofe tugendhafft / wie die Feygs-Bohnen im Wasser süsse würden / könte ihm doch Arpus leicht die [583] Rechnung machen; daß dis dem Feldherrn nicht nur sehr nahe gehen / sondern auch grossen Argwohn erwecken müste. Denn es lieffe wider die Gesätze der Freundschafft einen verstossenen Knecht in Dienste ziehen; also noch vielmehr wider Verträuligkeit hoher Bunds-Genossen. Es wäre so unrecht als schädlich eines andern Fürsten Diener zur Untreue verleiten /ihrer Untreue halber verstossene aber an sich locken eine unläugbare Billigung ihres Verbrechens / eine Anreitzung zur Verrätherey / und eine öffentliche Ankündigung der Feindschafft. Was könte aber bey jetzigen gefährlichẽ Läufftẽ / da die Römer an einer /Marbod zur andern Seite auf der Deutschẽ Bundsgenossẽ Zweytracht Schildwache hieltẽ / dem Cattischen Hause nachtheiligers begegnen / als mit dem Feldherrn in Zwyspalt gerathẽ? Ein solcher Freund wäre einem alles mit einander der sicherste Schild wider das widerspenstige Glücke / der herrlichste Werckzeug einer guten Herrschafft / und ihn wissen zu erhalten mehr / als ihrer viel zu erwerben. Diesemnach solte er wol überlegen: ob es nicht rathsamer sey Adgandestern nicht in Diensten / und den Feldherrn zum Bunds-Genossen / als Adgandestern zum Diener / und den Feldherrn mit den Cheruskern zum Feinde zu haben. Mitleiden wäre rühmlich / aber vernünfftige Liebe fienge bey sich selbst an. Daher müsse man einer verwundeten Schlange vollends den Kopff zertreten / sie aber nicht in Busame wärmen. Grausamkeit wäre leichter zu entschuldigen als unzeitige Barmhertzigkeit. Denn jene tödtete andere / diese sich selbst. Durch diesen nachdrücklichen Einhalt brachte es Hertzog Ganasch so weit: daß Hertzog Arpus ihn nicht allein versicherte sich Adgandesters gäntzlich zu entschlagen / sondern ihm an eben selbigem Tage / da er das Hefft über ein gantz Volck wieder in die Hand zu bekommen die gröste Hoffnung hatte / sich des Hofes zu enteusern andeuten ließ.

Adgandester / welcher sonst eine ungemeine Geschickligkeit hatte Verwückelungen zu verrichten /stand hierüber so betäubt / als wenn er von einem unversehenen Donnerstrahle gerühret wäre. Denn wenn auch das allergrösseste Gemüthe sich durch eine fest eingebildete Hoffnung allzu hoch empor heben läßt; fället es bey derselben Fehlschlagung / wie ein empor geworffener Stein / viel tieffer / als es vorher in die Höhe gestiegen. Seine Bestürtzung verwandelte sich in die heftigste Ungedult / weil er sich allemal selbst beredet hatte: daß das Glücke nur niedrige Gemüther zu Bodem treten / mit Edlen spielen / aber Hohen nicht gebieten könte. Aus solcher Ungedult aber konte nichts linders wachsen / denn die giftigste Rachgier /welche also bald in verzweiffelte Entschlüßungen ausgebrochen wäre; wenn sie nur gewüst hätte / auf wen sie ihre meiste Galle auszuschütten Ursach hätte. Also wandelte sich dieses Feuer abermals in eine Sorgfalt / von wem eigentlich die Hindernüs seiner Beförderung herrühren müste. Sintemal ihn weder die dem Hertzog Arpus angebohrne Güte noch seine Beständigkeit in Entschlüssungen ihn glauben ließ: daß diese Veränderung aus des Cattischen Hertzogs eigenem Gehirne herrühren könte. Weil nun Argwohn die Gemüther / wie Gifft die Magen aufrührisch macht /schlug er sich in einem Augenblicke mit zehnerley Gedancken; welche ihm so viel Hinderer seines neuen Glückes fürbildeten / als kluge Leute an dem Cattischen / Cheruskischen und Chaucischen Hofe sich nunmehr wieder zu Mattium befanden / dahin alle Fürsten sich wegen des nähernden Frühlings / und des vermutheten Römischen Krieges wider die Sicambrer verfügt hatten. Adgandester erforschte durch seine Vertraute alle Begebnüsse des Cattischen Hofes /welche zwischen seiner ihm vom Arpus gegebenen Hoffnung und seiner schlechten Abfertigung fürgegangen waren / konte aber doch nichts in den Kram deines Verdachts dienendes erfahren; als daß Hertzog Ganasch etliche [584] Stunden mit dem Hertzog Arpus geheim geredet hätte. Dieses war dem argwöhnischen Adgandester schon genung diesen Schluß zu machen; daß niemand als der Chaucische Hertzog auf Anstifftung des Feldherrn ihm ein Bein untergeschlagen hätte. Und / weil die Rache keine Augen hat / verfiel er hiermit auf den blinden Vorsatz sich an allen dreyen Fürstlichen Häusern auf so grimmige Weise / als es ihm möglich seyn würde / zu rächen. Hierüber Rath und Einschlag zu bekommen / wuste er niemanden geschickters als Segesthen oder vielmehr seine gifftige Sentia; welche alsbald nach Adgandesters Falle ihn zu einem Werckzeuge der deutschen Bündnüs zu zerreissen bestimmet / und ihn dem Könige Marbod zu einem Staats-Rathe fürgeschlagen hatte /und zwar fürnemlich darumb / weil er nimmermehr keinen tauglichern seinẽ Feinde Herrmann Abbruch zu thun bekommẽ könte. Denn die Zähne / welche durch ihre Liebes-Bisse anlockten / wären tödtlich /wenn sie hernach die Rache vergifftete. Adgandester verlohr sich nach wenigen Tagen in der Stille aus dem Cattischen Gebiete / und reisete nur mit einem Cassuarier verkleidet zum Segesthes; daß niemand wuste oder erfahren konte / wo er hin verschwunden war; entweder weil er besorgte; daß man aus Mißtrauen ihn gar in Hafft ziehen würde / oder weil die Heimligkeit eine Eigenschafft bitterster Rachgier ist. Er ward von Segesthen und Sentien aufs freundlichste bewillkommt; welche eine Meisterin war angli endes Feuer der Gemüths-Regungen aufzufachen. Segesthes goß gleichfals Oel ins Feuer / weil er entweder als bezaubert oder gantz nach ihrem Willen hängende / nach Art der Zug-Uhren so offt zu ihrem Vorhaben einstimmen und schlagen muste / so offt sie den Strick zoh. Bey solcher Bewandnüs muste Segesthes mit ihr und Adgandestern ohne einige Zeit-Verlierung auf sein / und auf umgewechselten Pferden sich an des Königs Marbods Hof verfügen. Alldar machte sie mehr denn zu sehr wahr / daß nichts betrüglicher als die Zunge eines arglistigen Weibes sey / als welche auch die Lufft in Bertrug verwandeln kan. Sie wuste Hertzog Herrmanns unschuldigstes Thun zu grössern Beleidigungen zu machen / als sie Marbod jemals selbst in dem ersten Eyfer aufgenommen hatte / und von seiner meist verglommenen Eyversucht die vor der Zeit darüber gestreute Asche so künstlich wegzuwehen / daß er zu einem hellodernden Feuer der Rache ward. Hingegen hätte kein Mahler Adgandesters Tugenden so abzubilden gewüst / als sie mit lebendigen Farben ihn als den einigen Grundstein /worauf der Feldherr Zeither seine glücklichen Rathschläge gethürmet hätte / herauszustreichen. Was Herrmann gethan / hätte Adgandester vor erfinden müssen. Dieser wäre die Unruh / jener der Weiser in der Uhr seiner Herrschafft gewest; und es würde sich im kurtzen ausweisen / wie unrecht sie gehen würde /nach dem sie mit dieses Helden Klugheit und Tapfferkeit den besten Drat und das Gewichte verlohren hätte. Marbod hätte für ein groß Glücke zu achten; daß ihm der Himmel eine so herrliche Gelegenheit /und zugleich den Verstand die Gemüther auszunehmen und das beste zu erwehlen gegeben hätte. Solche Wahl wäre ein Werck vollkommenster Klugheit; darinnen ihrer viel / die gleich an Tiefsinnigkeit fruchtbar wären / und ein scharffes Urtheil hätten / verstießen /sich mit dem schlimmsten überladetẽ / und gleichsam zu irren nöthigten; daß er aber Adgandestern keinen bloßen schlagen / sondern einen seinem grossen Reiche gemäßen Staatsdiener haben würde / der es durch seinen nicht kleinern Geist zu beseelen vermöchte /wolte sie mit Segesthen Bürge seyn. Marbods selbst eigene Ehre erforderte auch Adgandesters Aufnehmung. Denn Fürsten müsten die Eigenschafft der Elemente haben; was eines verdrückt und verfolgt / das nehme das andere auf / und beschirmte es. Weil nun[585] Adgandestern an Vermögen sich zu zeigen / was hinter ihm steckte / nichts abgieng; man auch für Königen in dem besten Aufputze zu erscheinen gewohnet und der kein vollkommener Staats-Diener ist / der nicht anderer Gemüther zu bezaubern weiß / fand König Marbod am Fürsten Adgandester mehr ihn in seinem Dienste zu ziehen / als daß es vieler Beredsamkeit dorffte ihn darzu zu bereden. Seine hohe Ankunfft dünckte Marboden zu Vermehrung seines Ansehns / die Wissenschafften um die Cheruskischen Heimligkeiten zu Befestigung seiner Herrschafft keine geringe Pfeiler; und daß er verstossenen Leuten zur Zuflucht diente / Flügel seines Ruhmes zu seyn; Sintemal die Kricken eines geheileten Krippels einem heiligen Bilde mehr Ehre zueigneten / als die Anbetung vieler Gesunden. Uberdis war Marbod so wol als Adgandester eines sehr hohen Gemüthes / welche Aehnligkeit die einige Ursache verborgener Zuneigungen ist; und weil Fürsten von grossen Gedancken Steuer-Schiffleute / welche in andern Meeren geseegelt haben / höchstbegierig suchen / ward Adgandester vom Marbod allen seinen andern Staatsdienern vorgezogen / alsobald mit recht Königlicher Freygebigkeit verbunden / und bald darauf in Bothschafft an die sämptlichen mit einander im Bunde stehende Fürsten abgeschickt; allwo er / Sentiens Gutachten nach /für Königs Marbods Nutzen Wunder thun würde. Alles dis gieng so geschwinde her: daß ehe der Feldherr / Arpus und Ganasch vom verschwundenen Adgandestern die wenigste Kundschafft kriegten / er an dem Cattischen Hofe als ein Bothschaffter des Königes Marbods mit sehr grossem Gepränge ankam. Denn ob zwar die Bothschafft zeitlich genung dem Hertzog Arpus / als sie seine Gräntze berührte / angekündigt ward / so gab sich doch Adgandester allererst bey seinem Einzuge in Mattium zu erkennen. Der Feldherr und Hertzog Ganasch / so bald sie hiervon Wind kriegten / liessen zwar den Hertzog Arpus ersuchen; er möchte Adgandestern für keinen Bothschaffter erkennen. Sintemahl das Recht der Völcker jedem Fürsten die Gewalt einräumte / die ihnen entweder nicht anständigen oder beliebigen Gesandten ab- und zurück zuweisen. Am meisten aber wären sie dessen befugt / wenn einem ein verstossener Unterthan / oder der gegen uns vorhin sein feindlich Gemüthe bezeigt hätte / über den Hals geschickt würde. Weil nun beydes Adgandestern anklebte / könte Marbod / wenn er mit seiner Bothschafft was gutes anzielte / für kein Unrecht annehmen / weñ Arpus und andere verbundene Fürsten sich disfals ihres Rechtes gebrauchten. Arpus aber möchte auch hierbey wol behertzigen /daß nichts mehr eine böse Meinung verriethe / als schlimme Werckzeuge. Keine als die selbst unflätig wären brauchten unreine Tücher zu Wischung ihrer Angesichter. Allein Arpus konte sich zu seiner Verstossung nicht entschlüssen / weil es seine Adgandestern entgegen geschickten Räthe schon versehen / ihn aufs höflichste bewillkommt / und offentlich in Mattium eingeführt hatten. Uberdis drückte Marbods an Hertzog Arpus geschriebener Brief sehr nachdrücklich seine Neigungen zu dem Cattischen Hause aus /vertröstete / daß Adgandester mit selbtem sich fester zu verbinden / und zwischen den Römern und Sicambern vollends einen der Deutschen Tapferkeit und Freyheit anständigen und sichern Frieden zu vermitteln so viel Begierde zeigen würde / als er von ihm Befehl hätte. Diese Gütigkeit würde nun gleichsam mit Füssen weggestossen / und Marboden solche in Rache zu verwandeln Ursache oder zum wenigsten ein scheinbarer Vorwand an die Hand gegeben werden / wenn er Adgandestern derogestalt beschimpffen würde; welcher endlich noch mehr dörffte erhärtet /und gar zu denen noch verdächtigen Römern sich zu schlagen genöthiget werden. Also ward Adgandester zur Verhör gelassen / welcher nicht nur vom Marbod viel [586] güldene Berge versprach / selbtem ein festes Bündnüs wider alle Feinde der Catten zu Beschirmung der Deutschen Freyheit anbot / sondern auch für sich den Hertzog Arpus versicherte: Er könte es GOtt nimmermehr verdancken; daß er ihn zum Werckzeuge dieser Bothschafft erkieset hätte; damit er gegen die Catten seine zum Vaterlande tragende Liebe / gegen die Cherusker seine Danckbarkeit für so viel genossene Wolthaten durch seine treue Dienste bezeugen könte. Dieses wäre sein unverrücklicher Vorsatz / die einige Richtschnur seines Thuns / welche ihm keine Gemüths-Regung / kein eigen oder frembder Nutz nimmermehr verrücken würde. Dieses wäre so wol seine Art / als seine und eines jeden ehrlichen Mannes Verbindligkeit; welcher ihm niemals weder dem Wesen / noch dem Scheine nach unähnlich werden /sondern in allem guten stets der bleiben müste / der er vorher gewest; wenn ihn schon gewisse Zufälle oder auch anderer Gemüths-Veränderungen auf einen widrigen Pfad locken wolte. In Treue und Klugheit wäre alle Veränderung so wol des Verstandes als des Willens heßlich; welche ohne ärgste Verstellung heute nicht für schwartz schelten könten / was gestern das weisse in der Scheibe gewest wäre / darnach sie gezielet hätten. Der Feldherr und Hertzog Arpus würden allezeit in seinẽ Ohren heilige Nahmen / und so lange ihm die Augen offen stünden / seine zwey irrdischen Götter seyn / welche er mit gröster Ehrerbietigkeit anbeten / und ihrem Heile sein Blut opffern würde /wenn sie ihn schon beleidigten; welches er von keinem mit Warheit sagen / sondern vielmehr in seiner erholeten Verwerffung ihre Gnade preisen müste. Deñ der wäre keiner Wolthat werth / der wegẽ eines darauf empfangenen Unrechts des ersten vergessen / das letzte rächẽ wolte. Er wäre nun zwar dem Könige Marbod verpflichtet / aber er würde selbigen Tag seinẽ Dienst niederlegen / da ihm der König etwas dem Catt- uñ Cheruskischen Hause nachteiliges auftragen wolte. Selbter aber meinte es mit Deutschland nunmehr so gut; daß er alle seiner Kräfften wider ausländische Gewalt und innerliche Zwyspalt zu seiner Ruhe und Freyheit anspannen würde. Adgandester wuste diesem allem eine so schöne Farbe anzustreichen / daß Hertzog Arpus das gröste Theil seines wider ihn habenden Argwohns fahren ließ / bey der andern Verhör ihm halben / bey der dritten fast völligen Glauben gab / mehr / weil aufrichtige Leute alle andere nach ihrer Elle mäßen / als aus Unverstande: daß die meisten einen grössern Zug haben auch nur eingebildetes Unrecht / als warhaffte Wolthaten zu vergelten. Weil dis für eine Beschwerligkeit / jenes für Gewiñ gehalten wird. Hierbey war er nicht weniger ein Meister durch Geschencke und Höfligkeit dem Hof / und sonderlich die zu gewinnen / von welchen er doch wuste: daß sie ihm waren am meisten zu wider gewest. Er machte keinem Menschẽ ein übel Gesichte / und ließ bey seiner Bothschafft zwar den Glantz aber niemals einen Blick seiner Würde sehen /sondern wuste bey Erhaltung seines Ansehns jedermann als seines gleichen zu unterhalten; also daß ihm nunmehr auch seine vorigen Feinde das Wort redeten / und ihn hoch hielten. Denn je weniger sich einer befleißet hoch angesehen zu seyn / je ansehnlicher wird er. Hierbey aber war er noch so vorsichtig / daß er seine Pfeile nicht alle auf einmal verschoß / sondern sich so wol in Angewehrung seines Verstandes als Vermögens mäßigte / und weñ er ein Gemüthe gleich mit was gewaan / doch selbtes stets mit Erwartung eines bessern speisete / und seiner Verbindligkeit immer zuvor kam. Nach dem nun Adgandester mehr als einen guten Stein bey den Catten am Brete zu haben meinte / ließ er bey des Feldherrn Obersten Hofemeister dem Grafen von Nassau durch den Ritter Zierotin anmelden: daß er vom Könige Marbod an den Feldherrn Schreiben und Befehl Verhör zu suchen erhalten hätte. Hertzog Arpus bat auch [587] selbst den Feldherrn ihm solche zu verstatten. Aber dieser war hierzu nicht zu bereden; sondern ließ Adgandestern großmüthig zu entbieten. König Marbods Briefe und alle seine andere Gesandten würden ihm allemal annehmlich seyn. Adgandester aber würde bey ihm wol gelernet haben: daß es ihm anständiger wäre zu Grunde zu gehen / als sein Wort zurücke zu nehmen. Weil er nun wol wuste: daß er ihn niemals für sich zu lassen einmal geredet hätte / solte sich Adgandester nur selbst bescheiden. An statt / daß Adgandester sich über dieser Antwort als einer Beleidigung seines Königs hätte beschweren können / bedanckte er sich gegen den Grafen von Nassau / meldende: Sein König würde mit des Feldherrn Erklärung wol vergnügt / er aber bey ihm bemüht seyn; daß Marbod den Feldherrn mit einem beliebtern Bothschaffter verehren möchte. Denn Fürsten hätten auf sich nicht zu ziehen / was nur die Person nicht das Ampt ihrer Gesandten angienge /und Gesandten nichts zu empfinden / was nicht zum Schimpffe ihrer Fürsten angezielt wäre. Uberdis hätte der Feldherr eben so viel Recht als Gewalt ihn von seinem Gesichte zu verbannen; doch wäre sein Trost: daß seine Macht nicht zu hindern vermöchte / daß er nicht dem Feldherrn Gehorsam / und den Cheruskern treue Dienste leisten solte. Alle Cherusker / ja der Feldherr selbst musten diese Entschlüßung Adgandesters rühmen / und ihn für einen gescheuten Bothschaffter gelten lassen; sonderlich / da er noch selbigen Tag einen seiner Edelleute Tschirnhauß an den König Marbod abfertigte / und ihm einrieth an den Feldherrn einen andern Bothschaffter zu senden. Nach dem auch Hertzog Melo an Feldherrn / an Hertzog Arpus und Ganasch durch den Grafen von Meppen berichtete; daß Cöcina nicht allein an der Mosel sich zu einem frühen Feldzuge rüstete / sondern auch Cajus-Silius die an der Sare und Maaß vertheilten Legionen allgemach sich den Sicambrischen Gräntzen nähern ließe / schickte er alsobald den ihm zugegebenen Grafen Kinsky an den Germanicus nach Maßilien / dahin er von Rom bereit umb zum Sicambrischen Kriege Anstalt zu machen ankommen war / und den Ritter Laschansky an den Cöcina / umb im Nahmen des Königs Marbod Ansuchung zu thun / sie möchten mit den Waffen sich nicht übereilen / weil er noch zwischen den Römern und Sicambern einen Frieden zu vermitteln getraute. Hiermit verdiente Adgandester das allgemeine Lob / daß er nicht nur sinnreich reden könte / aber noch besser in Wercken wäre / und mit jenem die Vollkommenheit eines guten Kopffes / mit diesem des Hertzens besäße / worinnen die gantze Oberherrschafft des Gemüthes bestehet. Tiefsinnige Reden sind dis im Leben / was im Mahlwercke der Schatten / Thaten aber die lebhafften Farben; jene eines Menschen Zierath / diese sein rechtes Wesen; jene vergehen und sind leichte / diese aber sind schwer und lassen grossen Nachdruck nach sich / jene sind Blüten der Weißheit / diese Früchte der Tugend. Bey so gestalten Sachen ward Hertzog Ganasch gewonnen / daß er Adgandestern auch bey sich für Marbods Gesandten aufnam und ihm Gehöre gab; sonderlich / weil Hertzog Arpus ihm einhielt: daß er / wie der Feldherr / Adgandestern keine Beleidigung fürzurücken hätte / und würde der Feldherr Zweifelsfrey mehr von seinem Worte und seiner Schwester Ismene gebunden / daß er ihn nicht vor sich ließe; welcher deßwegen auch verhienge und ein Auge zudrückte; daß sein Bruder Flavius mit ihm umbgieng. Diesen auf seine Seite zu bringen brauchte er alle Meisterstücke kluger Leute. Er gab ihm im Nahmen seines Königs zwölff auserlesene Pferde / drey grosse Acarnanische Wallachen / drey feurige Armenische und drey leichte Arabische Hengste / drey Scythische und drey Cappadocische [588] Stutten / vier Arcadische Maul-Esel / eine lange mit Opalen versätzte güldene Kette bis auf die Füsse / einen solchen Degen / und einen zu Damaskus geschmiedeten Harnisch. Weil nun durch den Hamen der Geschencke nicht nur die Gemüther der Menschen insgemein gefangen / ja GOtt selbst versöhnet wird / sondern auch die Deutschen sonderlich für grosse Ehre schätzen / wenn sie von benachbarten Völckern öffentlich beschenckt werden; Adgandester auch Ismenen die allerdemüthigste Abbitte-Schrifft / die eine geschickte Feder jemals abfassen konte / und kurtz darauf von der Tochter des Königs Marbod ein Schreiben mit dem kostbarsten Opalen-Schmucke überschickte / sie auch beydes mehr umb ihre Großmüthigkeit zu bezeugen / als ihre Eitelkeit zu vergnügen annam / vergaß Flavius nach und nach Adgandesters Ismenen angefügtes Unrecht / und meinte / daß es besser sey andere durch Wolthaten uns zu verbinden / als von andern verbunden werden /und gegen Empfang entpehrlicher Dinge die viel wichtigere Freyheit des Willens verlieren. Dieses letztere aber geschahe dem Flavius / ehe er es selbst inne ward / und er gerieth mit Adgandestern in ungemeine Verträuligkeit / also daß der Feldherr dieses vernehmende über der Taffel ihm Gelegenheit von Geschencken zu reden / und diesen Schluß machte: die einem als eine Schuld abgelieferten wären anzunehmen / die uns aber zu Schuldnern machen solten / zu verwerffen. Alleine Adgandester gab aller seiner Freygebigkeit den Nahmen einer Bezahlung / sein Thun hatte nichts gezwungenes / und seine Freundschafft schien nichts weniger / als was gleißnerisches in sich zu haben. Seine Aufrichtigkeit hatte mit der Einfalt /seine Klugheit mit Arglist keine Verwandschafft; also meisterlich wuste er alles zu spielen / daß keine seiner Künste / dem Ansehn nach / für was betrügliches gehalten ward / sondern wenn man auch gleich zuweilen auf Spure kam / ward er doch für keinen Betrüger gehalten / sondern damit entschuldigt: daß niemand kluges ohne alle solche Künste leben könte. Ob nun zwar eine solche eingebildete Offenhertzigkeit ein gewaltiger Magnet der Gemüther ist / hätte doch Adgandester weder damit noch mit andern Verbindungen den Hertzog Flavius schwerlich so weit / als es ihm gelückte /bezaubern können / wenn er ihm nicht diese künstliche Angel angeworffen / nemlich einen Vorschlag gethan hätte Königs Marbods Tochter zu ehlichen / welche halb Deutschland zum Braut-Schatze mitzubringen hatte. Denn ob wol seine Liebe gegen der Erato in seinem Hertzen noch lichterloh brennte / so kitzelte ihn doch dieses nicht wenig / daß ihm eines so mächtigen Königs Tochter angetragen ward. Wiewol der unvergleichlichen Erato niemals aus seinen Gedancken ko ende Gestalt / bald diesen Entwurff verwischt hätte. Deñ das Andencken an das / was wir lieben / ist eine lebendigere Fürbildung / als das ähnlichste Gemählde von Farben. Und weil der Pinsel seiner sie in sein Hertz mahlenden Liebe sehr zart gewest war / war auch der Erato Bild seiner Seele so viel tieffer eingeschnitten. Adgandester merckte dis wol / und ob schon Flavius ihm viel von Hefftigkeit seiner unveränderlichen Liebe sagte / unterließ er doch nicht seinen ersten Vorschlag wieder auf den Teppicht zu werffen; hielte zu seinem Nachdencken: Ob er nicht Ursache genung hätte seine Liebe gegen der Erato zu mässigen / welche sich heimlich geflüchtet / und ihre Abneigung gegen ihn öffentlich an Tag gegeben hätte: hingegen stünde ihm zu erwegen: Ob eine Fürstin von fürtreflicher Schönheit / von grosser Tugend / mit einem Königreiche und funfzig Fürstenthümern nicht so liebens werth wäre / als eine verjagte Frau ohne Land und eines Frembdlings Braut / welche ohne Laster nicht den andern Bräutigam lieben könte. [589] Der Pöfel allein vergnügte sich nur die Stirne eines Dinges überhin anzuschauen / einem Klugen aber müste nichts ins Gesichte kommen / worüber er nicht nur ein besonder Nachdencken haben / und mit dem Grunde den Kern eines Dinges erforschen solte. Fürnemlich aber müste ein Fürst die Augen aufthun sein Glücke zu machen / denn nicht alle welche was schauten / hätten offene Augen / oder sich zu rühmen / daß sie sähen. Niemand aber sähe recht / der taub wäre gute Vorschläge zu hören. Flavius hätte Witz genung seine zu prüfen / also solte er sich den Zweifel nicht aufhalten lassen was gewisses zu entschlüssen. Denn es wäre schwer einem den Verstand eines Dinges beyzubringen / der keinen Willen hätte / oder keinen Schluß machen könte / iedoch schwerer einem den Willen einzureden / der ohne Verstand wäre. Als Adgandester diesen Zweifels-Knoten aufzulösen bekam / ereignete sich: daß der Feldherr an statt Adgandesters den Grafen von Nassau zum Hauptmann seiner Leibwache erklärte / welcher Würde in Deutschland iederzeit diese angehenckt hatte: daß er der oberste Staats-Diener gewesen war. Hertzog Flavius wuste dieser Wahl keinẽ Mängel auszustellen; weil der Graf von Nassau an Tapferkeit und Klugheit wenig seines gleichen hatte / auch so wohl Deutschland als den Feldherrn liebte; welche vereinbarte Liebe der Fürsten Stütze / der Länder Wohlfarth ist; da hingegen die / welche den Fürsten allein liebten /den Nahmen abgöttischer Heuchler / die / welche nur auf Wachsthum einer Herrschafft ihre Rathschläge einrichteten / der Verläugner Gottes / und die nur sich liebenden Epicurer gescholten zu werden verdienen. Nur allein gieng dem Flavius nahe / daß der Feldherr über Bestellung dieses wichtigen Wercks ihn gar nicht zu Rathe gezogen / oder vielmehr den Grafen Waldeck / welcher dem Flavius besser anstund / hierzu nicht befördert hatte. Weil nun Adgandester nicht weniger die Regungen aus Gemüthern / als Bergleute das Ertzt aus Bergen zu ziehen wuste / brachte er den Flavius unschwer zu Entdeckung dieser seiner Kränckung. Dieses war das rechte Wasser auf seine Mühle. Daher fieng er an: Ihn wunderte / daß irgendwo ein Fürst des Geblütes einem frembden und niedrigern die Stelle des obersten Staats-Dieners enträumte. Denn /wenn man die Sache beym Lichten besähe / wäre dieser würcklich der Herrscher / ein Fürst aber führte nur den Nahmen. Jener solte der Schatten / der Monde und der blosse Werckzeug / der Fürst das Licht / die Sonne / und der Uhrheber aller Reichs-Schlüsse seyn /ins gemein aber bezeugte die Erfahrung / daß dieser ein Diener seines Dieners / und ein Fürst vom Volcke nur für einen Götzen / sein Diener aber für das im Reiche / was ein Steuermann im Schiffe ist / gehalten würde. Ja wenn ein Diener auch mit der grösten Unschuld das Hefft der Herrschafft in die Hand bekäme /wäre dieses doch so süchtig / daß der allerbeste einen Gran der Begierde bekäme die Gewalt seines Fürsten zu mässigen / und ihn von den Herrschens-Sorgen abzuziehen. Denn / weil der Pöfel und die Heucheley ihres Eigen-Nutzes halber einen solchen erhobenen Menschen alsbald durch Kniebeugen / Weyrauch- und Bilder-Anzündung zu einem Götzen machten / bildete er ihm endlich selbst ein / daß er ein Gott wäre; und daher suchte er alle Mittel herfür die dem Fürsten gehörige Ehre / wie einen Strom durch einen neugemachten Graben aus seinem Wasser-Bette zu leiten. Derogestalt geschehe Fürsten des Geblütes weh /wenn sie fähig eines so hohen Dienstes wären / wie Flavius vorlängst gewiesen hätte / gleichwohl aber übergangen würden. Sie müsten so denn einem ihrer Unterthanen nicht nur in die Hand sehen / oder gar ihn über ihren Köpfen herümb gehen / ja wohl gar über ihr Leben urtheilen und das Fürstliche Blut ihrer Ehrsucht aufopfern sehen; sondern sie erhielten [590] bey Ausländern das schli ste Urtheil / daß sie als Schöpse oder Kälber zu keinen Geschäfften tauglich wären. Da doch die Fürsten von so höher Ankunfft allzeit die Vermuthung für sich hätten; daß sie / wie die Löwen /mit offenen Augen gebohren würden / also in Geheimnüssen der Klugheit mehr Licht als gemeine Leute oder dieselben Thiere hätten / welche / wie die Hunde / lange / oder / wie die Maulwürffe / biß in ihren Tod / blind blieben. Weil nun ein unruhiges Gemüthe wenig eingeflößter Galle bedarff selbtes in völlige Verwirrung zu setzen / fieng Flavius an seine Ubergehung als eine grosse Beleidigung zu empfinden / ungeachtet noch niemals ein Fürst des Geblütes beym Cheruskischen Hause Hauptmann der Leibwache gewest war. So bald nun der Graf von Nassau in Anwesenheit des Flavius seinen ersten Dienst verrichtete / konte dieser seine Empfindligkeit nicht verdäuen / noch sich enthalten dem Feldherrn auf seine Frage: Ob er nicht seine Wahl für gut hielte / mit einer verdrüßlichen Gebehrdung zu antworten: Weil kein Cheruskischer Fürst dazu fähig gewest wäre / könte er und niemand des Grafen von Nassau Herfürziehung tadeln. Der Feldherr empfand diesen Vorruck nicht so geschwind / als er dem Flavius antwortete: Er schätzte sein Haus zu groß und sich zu klein / daß er den Anfang machen solte / Fürsten seines Geblütes für Diener zu gebrauchen: Adgandester hatte so viel Zuträger an allen Höfen / daß er noch selbigen Tag diß erfuhr / daher er bey erster Gegenwart des Fürsten Flavius Anlaß nahm von Künsten der Staats-Klugheit zu reden / unter denen eine der fürnehmsten wäre; daß sie Leuten hohen Ursprungs die vergüldeten Schalẽ grosser aber leerer Titul / geringern aber unter schlechten Nahmen der Diener den Kern meister Gewalt zueignen; und zwar entweder aus Einbildung /daß jene allzu verzärtelt wären sich mit täglichen Bemühungen abzumatten / oder aus Eiversucht: daß wenn die Gewalt mit dẽ Ansehẽ edlẽ Geblütes sich vereinbarte / das Volck so denn ihn allzu groß machte / und also das Hertze und Reich eines Fürstẽ niemals in der Hand eines so grossen Riesen sicher wäre; da doch niemand nach der Herrschafft begieriger stünde /als welcher vom Mist-Hauffen an Hof kommen / und die Süssigkeit des Gebietens einmal schmeckte. Es wäre diß Mißtrauen aber eine grosse Grausamkeit /und edlern Gemüthern die Erhöhung des Pöfels über den Adel / des Adels über Fürsten / so beschwer- und unerträglich / als einem Thiere / wenn man seine Füsse empor / den Kopf gegen den Boden kehrte. Flavius seufzete hierüber / und schüttete nach der Taffel seine Ungeduld in die Schooß Adgandesters aus; welcher aber dem Flavius rieth / daß weil sein Bruder ihn für seinen Diener zu hoch halte / solte er ihn auch an seinem väterlichen Erbe Theil haben lassen / daß er mit Ehren einen Fürsten in der Welt fürstellen könte. Flavius aber antwortete: Es wäre nicht nur aller gescheuten Völcker Gewohnheit / und ihr erster vermuthlicher Wille / daß ihr einem Fürsten anvertrautes Reich auch bey seinen Nachkommen nicht zertheilet /und durch Zerspaltung unter viel Erben entkräfftet /also denen Nachbarn zum Raube ausgestellt werden solte; sondern es hätte auch bey den Cheruskern allezeit der älteste Sohn die Herrschafft über alle Länder alleine bekommen / denen jüngern Brüdern und Schwestern aber eine Abstattung nach seinem Gutbedüncken gemacht. Also stünde ihm nicht zu zum Nachtheil des Cheruskischen Reiches diese durchgehends beliebte Ordnung des Alters und der Natur zu unterbrechen / und die untheilbare Herrschafft zu trennen. Adgandester versetzte: Es wäre das vermeynte Recht der Völcker für das einige Erb-Recht des Erstgebohrnen noch nicht ausgemacht / und hätte solches König Marbod als das gröste Unrecht in allen seinen Ländern unter dem Adel gantz aufgehoben. Wenn[591] aber auch diß schon wäre / hätte zwar der älteste Bruder das Recht der Oberherrschafft ihm alleine vorzubehalten / alleine es stünde ihm doch zu die jüngern mit einem auskommentlichen Theile und so vielen Einkünfften zu versorgen: daß er nicht Noth lidte /und seinen Voreltern zu Spotte leben müste. Hiermit brach Adgandester dißmal mit Fleiß ab; es fand sich aber noch selbigen Tag beym Flavius ein unbekandter und von dem verstossenen Luitbrand angestiffteter Druys ein / und überlieferte ihm eine Ab-Schrifft eines letzten Willens / welchen sein Vater Segimer im Tanfanischen Heiligthume eingelegt haben solte / darinnen er verordnet hatte: es solte Flavius nach seinem Tode das dritte Theil der Cheruskischen Länder zu seinem Erbtheile haben. Flavius war über der Warheit dieses Berichts zwar sehr zweifelhafft / weil wir aber /was wir fürchten oder wüntschen / leicht glauben / der Druys auch viel Umbstände / und insonderheit / daß Segimers letzter Wille mit Griechischen Buchstaben in der Höle unter dem grossen Altare verwahrt wäre /zu erzehlen wuste; ließ er sich etwas zu seinem Besten unschwer bereden; als er es aber Adgandestern vertraute / machte er zum Scheine hierüber allerhand Schwerigkeiten / wolte ihm auch nicht ehe rathen etwas von dieser letzten Ordnung zu gedenckẽ / biß der Druys ihm vorher mit dem kräfftigstẽ Eyde betheuert: daß Segimers letzter Wille an dem bedeuteten Orte des Tanfanischen Tempels befindlich wäre. Dieser Druys war hierzu nicht schwer zu bereden / entweder weil er bey einem Leichtglaubigen mit weniger Furcht und desto grösserer Hoffnung des Gewinns zu sündigen kein Bedencken trug / oder weil er vom Luitbrand allzu sehr eingenommen war. Als Flavius diese Beglaubigung hatte / zeigte er dem Fürsten Inguiomer die Abschrifft der Segimerischen Verordnung mit Bitte / er möchte den Feldherrn zu Aufsuchung der Haupt-Uhrkunde / und hernach zu Vollziehung des väterlichen Willens bewegen. Denn wie leutselig gleich der Feldherr gegen iedermann / und vertraulich gegen seinem Bruder war / verstand doch Flavius gar wohl: daß man Fürsten unangenehme Dinge durch Mittels-Personen / wie saugenden Kindern die Artzneyen durch Einnehmung ihrer Ammen / beybringen müste / umb beyde nicht sehr zu beunruhigen. Hertzog Inguiomer hätte sich auch gerne dieser Verrichtung entschüttet / weil niemand gerne Herrschern verdrüßliche Vorträge thut; daher machte er über der Wahrheit tausend Zweifel / und rieth: Flavius solte vorher die Gewißheit beym obersten Priester Libys erkundigen; aber Flavius war dessen so sehr beredet; daß / wenn er über einer ihm so fest eingedrückten Sache zweifelte / einer Leichtsinnigkeit schuldig werden würde. Als diß ihm nicht auszureden war / warff Inguiomer ein: Diese auf allen Fall befindliche Verordnung Segimers würde doch nicht kräfftig seyn /welche wider die Grund-Gesetze der Cherusker und das Recht des Erstgebohrnen lieffe; Flavius aber antwortete: Er versähe sich zu der Frö igkeit seines Bruders / daß er dem väterlichen Willen nicht widerstreben würde / welchen er in tausend andern Dingen als was heiliges zu seiner Richtschnur erwehlet hätte. Die meisten Völcker pflegten wie die Cherusker zwar durch des ältesten Sohnes Erbfolge ihre Reiche unzertrennt zu behalten; aber diese Gewohnheit hinderte in erblichen Reichen gar nicht / daß ein Fürst seinen jüngern Sohn dem ältern fürziehen dörffte. Also hätte bey den Persen Artaban für dem Xerxes das Nachsehn haben müssen / in Egypten hätte Ptolomeus Lagidas seinen jüngsten Sohn auf den Thron gesetzt / und als Pyrrhus wäre gefragt worden / welche seiner Söhne sein Reichsfolger seyn solte / hätte er gesagt / der /welcher den schärffsten Degen haben würde. Inguiomer setzte ihm entgegen: In Recht-Erblichen Reichen / welche ein Fürst nicht vom freyen Willen eines Volckes / sondern [592] durchs Recht der Waffen bekommen / liesse es vielleicht noch wohl thun; daß er aus seinen Söhnen zum Erben erkiesete wen er wolte /nicht aber in den erstern. Da dennoch die Frage seyn würde / welcher Art das Cheruskische Reich sey. Alleine auch in beyden wäre die Zersplitterung des Reiches hauptschädlich / und also weil das gemeine Heil für das oberste Gesetze zu halten / unzuläßlich. Denn die Gesetze der Natur und der gemeinen Wohlfarth giengen allen letzten Willen für / ja wenn ein Sohn diesen nicht nachlebte / thäte er recht und löblich. Zu dem wäre ein Reich nicht so in eines Fürsten Vermögen / wie andere Güter / oder eine andere Erbschafft. Jenes müste unzertheilt bleiben / sonst hörte es auf ein Reich wie die Theile eines zerspaltenen Schiffes ein Schiff zu seyn. Oder wenn wegen seiner Grösse die Stücke gleich den Nahmen eines Reiches verdienten / würden aus einem zwey oder mehr Reiche / welches weder das Volck noch der Reichs-Gründer von Anfang gewollt hätte. Denn wenn schon die Theilung mit dem Bedinge geschehe; daß alle für einen Mann stehen; und die Erhaltung des Reichs befördern solten; so würde doch hierdurch die Einigkeit des Reiches nicht erhalten / sondern nur ein Bündnüß oder eine vielköpfichte Herrschafft dadurch gestifftet; welche beyde nichts als Zweytracht und Untergang nach sich zügen. Ein Reich müste nur wie der menschliche Leib von einem Geiste beseelet werdẽ / und daher wären alle andere Kinder auser einem / aus der Eigenschafft eines ieglichen Reiches / und aus dem Willen dessen / der es zum Reiche gemacht / es sey gleich ein Volck oder Fürst / so weit ausgeschlossen; daß der Reichsfolger nicht aus Schuldigkeit / sondern aus blossem gutem Wollen und blosser Billigkeit ihnen aus dem Reichs-Vermögen ihren Unterhalt und Abstattung / iedoch daß das Reich am wenigsten entkräfftet werde / verschaffen / auch die vorher gemachten Schulden nicht zahlen dörffte. Flavius versetzte: Das Cheruskische Reich wäre sonder Zweifel ihres Fürsten Erb-und Eingethum; weil es vom Tuiscon gegründet / und keiner unter dem Cheruskischen Volcke seine Erbligkeit widerspräche. Daß es auch theilbar wäre / erhellete daraus / daß ietzt so viel vom Tuiscon herstammende Fürsten der Catten / der Chaucen / der Alemänner / der Sicambrer der Hermundurer besässen / was des einigen Tuiscon Eigenthum gewest wäre. Ja Inguiomer wäre ihm selbst Beweises genug / welcher ohne Widersprechung seines Bruders Segimers das Hertzogthum der Bructerer zu seinẽ Erbtheil bekommen hätte / und durch seine vermeynte Unzertrennligkeit der Reiche ihm selbst einen schwerẽ Anspruch auf sein Land erwecken würde. Auch hätten sie zum Beyspiele das benachbarte Britannien / darinnen so gar die Töchter mit den Söhnen am väterlichen Reiche Theil hätten: Also hätten die Römer Laodicen so wohl / als ihrem Bruder Alexander Asien zuerkennt / und Cleopatra hätte mit ihrem Bruder Ptolomeus in Egypten zu Theba die zwey Brüder Zethus und Amphion /in Attica Pandionis Kinder / auf Rhodus Camirus /Jalysus und Lindus / zu Argos vier Söhne des Perseus / zu Troja Dardanus und Loesius / auf Creta Minos und Rhadamantus / zu Alba Numitor und Amulius die Herrschafft mit einander getheilet. Warumb solte denn er wider den Willen seines so klugen Vaters Segimers / welcher so wohl die alten Rechte der Cherusker / als was seinem Reiche und Nachkommen heilsam wäre / verstanden hätte / schlechterdings von dem ihm vermachten dritten Theile der Cheruskischen Länder ausgeschlossen seyn / und allein seines Bruders Gnade leben: Ob er ihm zu seinem Unterhalte oder Abstattung was oder nichts geben wolte? Inguiomer begegnete ihm: Was Flavius aus dem Alterthume Thuiscons anführte / steckte in einem so tieffen Finsternüsse der Vergessenheit; daß niemand sagen könte / ob Deutschland durch brüderliche Erbtheilungen / oder durch Gewalt [593] der Waffen so wäre zergliedert worden / wiewol nicht ohne augenscheinlichen Schaden der gemeinen Wohlfarth. Sintemal wenn es unter einem vollmächtigen Haupte stünde / die Römer gerne von ihm Frieden kauffen / und es kühnlich allen Kräfften der Welt die Stirne bieten könte. Das ihm verordnete Hertzogthum der Bructerer wäre kein altväterliches / sondern ein vom Feldherrn Segimer neu-erworbenes Gut / auch von ihm nie dem Cheruskischen Reiche einverleibt worden. Solche Landschafften aber wären den letzten Willen und Erbtheilungen eben so wohl als andere bewegliche Dinge unterworffen / wenn kein Reichs-Gesetze / wie in Gallien verordnete: daß alle neu-erworbene Länder dem Reiche unabsonderlich zuwüchsen. Uberdiß hätte auch sein Vater dem Herrscher der Cherusker die oberste Gewalt der Bructerer vorbehalten / derer sie und er sich gegen dem Feldherrn Herrmann noch nicht entäuserten. Daß die Britannier durch Zerspaltung ihrer Länder und ihre daraus erwachsene bürgerliche Kriege den Käyser Julius und August auf den Hals gelocket; andere angezogene Reiche in Asien und Africa aber dadurch sich zu Knechten der Römer gemacht hätten / läge am hellen Tage; also möchte doch Flavius durch Verlangung eines sehr zweifelhaften Dinges seinen Bruder / der zugleich sein Fürst wäre / nicht in Verdruß / und sein so liebes Vaterland nicht in Gefahr setzen. Es wäre eine grosse Klugheit wissen / was man andern abschlagen / eine grosse Tugend aber verstehen / was man ihm selbst versagen solte. Insonderheit aber solte niemand die Gewißheit seines mittelmässigen Glückes für den Schatten eines grössern aus den Händen fahren lassen. Flavius aber blieb auf seinen Gedancken / und versetzte: Mit seinem Zustande unvergnügt seyn / wäre zwar eine Dürfftigkeit des Gemüthes; aber sich damit völlig sättigẽ eine Thorheit. Wer gar auf keine Verbesserung sinnte / verstünde entweder nicht sein Glücke / oder wäre von einem knechtischen Geist niedergeschlagen. Er vergnügte zwar sich / wäre aber nirgends in Ansehen / auch so gar bey demselben nicht / welchem seine armselige Vergnügung zum Vortheil gereichte. Er hätte zwar von seinem Bruder allen guten Willen zeither genossen; es wäre aber gleichwohl eine grosse Beschwerligkeit von eines andern Gnade leben und diß genüssen / was man mit Rechte besitzen könte. Vermöge der in seinen Händen habender Abschrifft hätte er für sich den Willen ihres gemeinen Vaters. Ob dieser über die Schnur seiner Macht geschritten sey / müste künftig untersucht und erkennt / nun aber nur die Wahrheit dieses Willens erkundigt werden. Westwegen er sich iedem gerechten Richter willigst unterwerffen würde. Inguiomer sahe wohl / daß dem Flavius dieser Anspruch nicht auszureden / niemanden aber sein wohl-gemeyntes Gutachten aufzunöthigen wäre. Denn eine Rathgebung gleichte dißfalls einer Artzney; beyde müsten unvermerckt beygebracht werden /wenn sie was würcken solten; wenn man sie aber einem eckelen Munde mit Gewalt einzwinge / wären sie mehr schädlich als nütze. Also übernam Inguiomer lieber selbst dem Feldherrn des Flavius Verlangen zu entdecken / als daß es ihm durch iemanden verdrüßliches vorgetragen / und die brüderliche Neigung etwan durch Unbescheidenheit oder unzeitigen Eiver zerstöret werden solte. Der Feldherr sahe die ihm überbrachte Abschrifft mit Verwunderung / hörte aber Inguiomers Vortrag / darinnen er des Flavius Verlangen mit grosser Behutsamkeit verzuckerte /ohne einige Entrüstung an. Inguiomer hatte auch nur geschlossen / als er sich aus dem Steigereiffen erklärte: Er wolte ein paar ehrliche Leute in den Tanfanischen Tempel zu Aufsuchung des vermeynten [594] väterlichen Willens abfertigen / und er stellte seinem Bruder frey / umb allen Verdacht der Vertuschung zu verhüten: daß er / wen er wolte / dahin senden möchte. Wenn er auch durch einen unverdächtigen Beweiß erhärten könte: daß sein Vater Segimer ihm die gantze Herrschafft über die Cherusker zugeeignet hätte /wolte er sie ihm freywillig auch wider seines Volckes Meynung abtreten. Bey so einstimmiger Meynung ward die Abfertigung in Tanfanischen Tempel folgenden Morgen beschleunigt. Der Feldherr schickte den alten Grafen von Mannsfeld und den Ritter Burg /welche beyde noch in Hertzog Segimers Diensten gewest waren / Flavius aber den Grafen Stolberg und Ritter Schöneiche dahin. Diesen letztern aber war ins geheim und verkleidet der Druys zugegeben / welcher dem Flavius die Abschrifft gebracht hatte. Sie lendeten in vier Tagen im Tanfanischen Tempel an / über gaben dem obersten Priester Libys ihre Vollmachten /und verlangten: daß das Altar eröffnet / und Segimers letzter Wille daraus aufgesucht werden möchte. Nachdem der Priester Libys nach der End-Ursache dieses Begehrens gefragt / auch die ihm eingehändigte Abschrifft überlesen hatte / fieng er an: Ich bin wohl versichert / daß dem klugen Feldherrn Segimer diß zu verordnen nie in Sinn kommen sey; als von welchem ich viel ein anders denselben Tag gehöret habe / als er von dem vergifteten Briefe seinen Geist aufgab. Ich kan auch gar nicht ergründen / wie diese Schrifft ohne mein als damals schon gewesten obersten Priesters Wissenschafft in diß Heiligthum hätte verborgen werden können. Die Deutschen pflegten zwar wie andere Völcker in ihre Heiligthümer / wie die Römer in Tempel der Vesta ihren letzten Willen / Bündnüsse / Frieden-Schlüsse und Schätze beyzulegen / aber nicht heimlich zu vermauern. Denn zu was würde ihre Verbergung nütze seyn. Uber diß hatte Libys nicht wenig Bedencken an dieses Altar die Hand zu legen / weil ins gemein so wohl dieser als der Gräber Oeffnung denen Eröffnern zu grossem Unglück ausgeschlagen; so drangen doch beyder Theile Abgeschickte darauf; weil solche Oeffnung nicht aus Vorwitz und zur Entweyhung / sondern zu Ergründung der Wahrheit angesehen wäre. Westwegen Libys sieben der ältesten Priester erforderte und mit ihnen darüber rathschlagte; welche alle denen Abgeschickten ihre Beysorge des daraus erwachsenden Unheils für Augen stellten. Weil aber die des Feldherrn nicht gerne einen Argwohn erwecken wolten / als wenn sie etwas verdrücken wolten / die des Flavius aber ihres Herren Wohlfarth daran gelegen zu seyn glaubten / waren sie beyderseits hierinnen einmüthig: daß des Feldherrn Segimers letzte Verordnung darinnen aufgesucht werden müste. Sie führten an: daß so wohl die oberste Gewalt eines Fürsten / als das Recht des Siegers Heiligthümer entweyhen / und zu weltlichen Dingen machen könte. Denn kein Ding würde durch seine Einweyhung schlechterdings dem menschlichen Gebrauche entzogen; ob es schon zum gemeinen Nutzen besti t würde. Diesemnach wäre der Feldherr so wohl berechtigt ein Altar abzubrechen / als Sthenelus befugt wäre gewest aus dem eroberten Troja das Bild des Herceischen Jupiters / dem Fabius das Bild des Hercules von Tarent nach Rom / dem Sylla aus den Heiligthümern zu Olympia / Epidaurus / und Delphis viel heilige Gefässe wegzuführen / und dem Portius Cato den Göttern gewiedmete Bäume und Haynen auszuhauen / und dem grossen Pompejus nicht allein in das heiligste des Jüdischen Tempels zu gehen / sondern auch den Römischen Adler darein zu setzen. Ja alle von den Römern bezwungenen Städte und Länder müsten nicht nur Menschen und Vermögen / sondern auch ihre Götter und Tempel übergeben / derer Bilder sie ins gemein mit in Siegs-Geprängen einführten. Der eine Priester antwortete: Ihres Feldherrn Frömmigkeit wäre viel zu groß / daß er über den von ihm offt so andächtig [595] beschrittenen Tempel das Recht der Waffen ausüben solte / dessen sich ohne dis nur solche Sieger ohne Unrecht gebrauchen könten / die der überwundenen Gottesdienste nicht beypflichteten /und in Heiligthümern nichts göttliches zu wohnen glaubten. Mannsfeld aber sätzte ihm entgegen: Eines Siegers Recht und Gewalt erstreckten sich nicht weiter als eines Herrschers. Jener erlangte solches eben dadurch / daß er durch den Sieg dieses würde; ja eines rechtmäßigen Fürsten Gewalt erstreckte sich / was den Gehorsam des Volckes anreichte / disfalls noch ferner / als eines Uberwinders / weil dieser insgemein / um nur seine Rache zu kühlen / zu weit gienge /jener aber seine Bothmäßigkeit zum gemeinen Besten ausübte. Daher könten beyde wie Pericles zu Athen /Mago in Hispanien / die Syracuser zur Zeit Tincoleons / die Schätze ihrer Tempel zum Nutzen des gemeinen Wesens verwenden. Insonderheit hätten sie sämptlich als Deutsche ihnen über der Oefnung dieses Altares so viel weniger kein Gewissen zu machen / weil sie noch besser / als die der Sonne alleine dienende Persen verstünden / daß der unbegreifliche Gott in kein Altar oder Tempel vermauret werden könte. Westwegen die aufs ärgste verbitterten Griechen selbst nachgeben musten / daß er mit Zerdrü erung ihrer heiligen Bilder nichts wider das Völcker-Recht gesündigt hätte. Am allerwenigsten aber wäre die Verletzung der Heiligthümer auf derselben bloße Eröfnung zu ziehen. Alles Beginnen wäre nach unser Meinung und nach Beschaffenheit unsers Absehns auszulegen. Die Güte der End-Ursache machte eine sonst bedenckliche Sache zuläßlich / wie das Weisse in einer schwartzen Scheibe das Ziel sichtbar. So wenig als es sündlich wäre ein baufälliges Heiligthum abtragen und ergäntzen; so wenig wäre auch die Oefnung dieses Altares scheltbar / welches der Feldherr köstlicher ergäntzen lassen würde / als es jetzt beschaffen / und von dem Alterthume schon etlicher maßen beschädigt wäre. Weil der Feldherr nichts fester glaubte / als daß der Gottesdienst die Litte der menschlichen Gesellschafft / die Stütze der Gerechtigkeit uñ der Grundstein der Reiche wäre; Hielte er es auch die vornehmste Pflicht seines Amptes zu seyn /daß der Gottesdienst keinen Schiffbruch und Heiligthümer keinen Abbruchlitten; also möchten sie doch glauben: daß der so gewissenhaffte Feldherr / welcher ein Vater des Volcks und ein Pfleger der Priester wäre / ihnen nichts ungebührliches zumuthen würde. Der Priester Libys / welcher an den redlichen Absehen des Feldherrn am wenigsten zweifelte / und solcher Fürsten Wort selbst für ein groß Heiligthum hielt / war hierdurch leichte zu gewinnen / nicht allein diese Oefnung zu verwilligen / sondern auch die andern Priester zur Beypflichtung zu bewegen. Sie musten selbst an das von eitel viereckichten Steinen zusammen gesätzte Altar die Hand anlegen / weil keine ungeweihte es anrühre dorffte. So bald sie aber das oberste aus einem ganzen Steine gehauene Blat nur recht angrieffen / wurden sie gewahr: daß sich selbtes ohne grosse Müh auch von einem Menschen wegschüben ließ. So bald es nun die Priester abnamen / wurdẽ sie an dessen unterster Seite dieser alten eingegrabenen Schrifft gewahr: Künfftige Oeffnung dieses Altares wird ein Vorbote gäntzlicher Zerstörung dieses Heiligthums seyn. Hilf Hi el! fieng der eine Priester laut an zu ruffen: Sollen wir / die wir zu diesem Heiligthum gewiedmet sind / die Werckzeuge oder Verursachung seiner Einäscherung seyn? Sollen wir dem Vaterlande durch unsern Aberwitz so viel Unheil auf den Hals ziehen; weil dieser Tempel ohne vorhergehenden Fall der Cherusker schwerlich zerstöret werden kan? Gerechter GOtt / straffe an uns unser Verbrechen umb dieses dein Heiligthum zu erhalten / oder lasse zum wenigstẽ uns diesen Greuel der Verwüstung ni ermehr erleben. Deñ auch der Verzug dieses Unglücks ist eine Gnade / weñ solches ja nicht gar [596] abzuwenden ist. Oder lasset uns vielmehr der Göttlichen Rache auf diesem Altare unser Blut opffern / wormit sein dadurch ausgeleschtes Zorn-Feuer dieses Heiligthum nicht zermalme. Der oberste Priester war zwar hierüber gleichfals bekümmert / jedoch zeigte er keine Kleinmuth / und sagte: da wir GOtt dadurch beleidiget / lasset ihn uns nicht mehr durch Verzweifelung verbittern / sondern durch demüthige Andacht versöhnen. Deñ nichts als der Rauch eines hertzlichen Gebetes kan die Sturm-Wolcken göttlichen Eyvers zertreiben / und die von Missethat angesteckte Lufft reinigen. Ein ander Priester fiel ihm bey / und hielt vor nöthig / daß das Altar unverzüglich mit dem Blatte wieder bedeckt würde. Graf Stolberg aber widersätzte sich / und sagte: die Eröffnung dieses Altares würde irrig für eine Ursache künfftiger Zerstörung des Tanfanischen Tempels gehalten / da sie vielmehr eine nützliche Nachricht / und eine Erinnerung vorsichtig zu seyn diente. Der diese Wahrsagung eingeetzt /hätte dis zu dem Ende aufgeschrieben / daß man vorher von diesem Falle Wissenschafft kriegte / und dieses Verhängnüs uns so viel weniger seltzam vorkäme. Dieses wäre die Ursache der Weissagung / nicht die Weissagung des Verhängnüsses. Nach dem sie nun schon so weit kommen wären / könte er nicht verantworten: daß er ohne Aufsuchung dessen / westwegen die Oefnung geschehen / die Verschlüßung geschehen ließe; weil jeder Macht man aufs genaueste an die Schnure seines habendẽ Befehls gebundẽ wäre. Voriger Priester antwortete ihm: wenn Herrmann und Flavius selbst zur Stelle wärẽ / und diese Schrift sähen /würden sie sonder Zweifel sich ferner Nachsuchung enthalten. Es könte wol seyn / sagte Stolberg; ein Fürst könte nach Belieben wol seinen Vorsatz / aber ein Machthaber nicht des Fürsten Befehl ändern. Ein anders erlaubet die Macht eines Gebieters / ein anders die Vollmacht eines Dieners; welcher / wenn er auch aus Hofnung des Sieges und Nutzes für seinen über die Schrancken schritt / sich der obern Gewalt strafbar anmaaßte. Der Priester begegnete ihm: Wer einen andern zu gewisser Verrichtung erkiesete / sätzte auf seine Treue und Klugheit ein absonderes Vertrauen /er verwandelte ihn gleichsam in sich selbst / also daß der Machthaber kein eigenes / sondern sein eigenes Werck zu befördern schiene / und also auch über ja wider den habenden Befehl den Machtgeber verbindlich machte / daher steckte allezeit in der Vollmacht eine geheime Zulassung bey verändertem Stande eines Dinges / oder bey sich herfür thuender Schwerigkeit und Gefahr eines Werckes nach seiner Weißheit aus den Gräntzen des Befehls / dem Machtgeber zum besten zu schreibẽ / wie einem Schiffer bey umschlagendem Winde oder herfür blickender Klippen die gerade Schnur seines Lauffes zu ändern / damit man an statt gehofften Vortheils nicht scheutere oder eine selten wiederko ende Gelegenheit nicht aus den Händen gehe. Stolberg aber versätzte: der / welchem alleine aus bloßem Vertrauen zu seiner Treue eine Verrichtung befohlẽ würde / möchte vielleicht noch sich etlicher maßen entschuldigen köñen / weñ er seinem Machtgeber zum bestẽ das anvertraute Werck auf die Wagschale seiner Vernunfft legte / und etlicher maßen über die Schnur schritte. Deñ dis wären meist Sachen von geringer Wichtigkeit / und gereichten nicht zu so bösem Beyspiele. Wiewol auch solche Vollmächtiger / die nur aus Willkühr einem ihres gleichen ihren Treu und Glauben verpflichteten / auch das geringste Versehen vertreten wüsten / und schlechte Unfleiß für ein Laster gehalten / ja wie ein Diebstal mit Unehre gestrafft würde. Viel andere Bewandnüs aber hätte es mit denen Befehlen der Gebieter und Obrigkeit. Dieser Befehle wären Gesätze / welcher Meinung niemand anders / als der Buchstaben fürschriebe / auslegen könte. Denn wenn Unterthanen über empfangenen Befehlen grübeln und / daß selbter entweder einen andern Verstand gehabt hätte / muthmaßen / oder / daß solcher durch eine andere nichts minder nützliche Art[597] ausgeübt werden könte / urtheilen möchten / würde unter so scheinbarem Vorwande das Band des gemeinen Wesens nemlich der Gehorsam / und darmit auch die Herrschafft verschwinden / und die / welchen nur die Ehre des Gehorsams übrig blieben / zu Gefährten der Herrscher werden / also in die Straffe der Widersätzigen fallen. Der Priester brach ein: die Zufälle wären so seltzam und so verkehrt / wie gegenwärtige Wahrsagung zeigte / daß keine menschliche Vernunfft alle vorsehen / und seine Maaßgebung ausko entlich einrichten könte. Daher / wenn die Vollmacht zu allgemein wäre / müste ein Gesandter aus der Sache und derselben Umbständen einen Schluß machen. Weñ sie aber noch so genau abgefaßt wäre / schiene doch dieser Beysatz dessen / was Zeit und Klugheit einriethe /unverboten und allezeit mehr darunter verstanden als geschrieben zu seyn / zumal es etwas wäre / welches kein weiser Mañ nicht thun / weniger verdammen könte: Stolberg antwortete: Es ließe sich dis leichter sagen als thun; und wäre eben so gefährlich eines Fürsten Befehl ausdehnen oder enger einspannen / als desselben Geheimnüsse / und wohin er mit diesem oder jenem ziele / ergründen wollen. Diener wären nur Schatten / also müsten sie sich nicht weiter ausdehnen / als ihre Bilder. Etliche Sachen schienen wie die unbeweglichen Sterne Kleinigkeiten zu seyn / und hätten doch hinter sich eine unsägliche Größe und einen gewaltigen Nachdruck. Wer wolte nun auf eine so gefährliche Brücke treten / die Verantwortung so wichtiger Dinge auf seine Hörner zu nehmen? denn alle Rathschläge / also auch dis / was ein Befehlhaber für sich selbst thäte / würde / nach dem es geriethe /gelobt oder gescholten. Der Hof sähe mehr auf den Ausschlag einer Verrichtung / oder urtheilte mehr nach seiner Neig- und Einbildung / als daß es den Grund der Dinge untersuchte / und dem / der sich in seiner Hofnung betrogen befinde / beypflichtete. Daher kriegte einerley thun einmal den Nahmen der Klugheit und Tapferkeit / das andermal der Unvernunfft und eiteler Vermessenheit. Also wäre niemand besser dran / als der entweder sich an den todten Buchstaben seines Befehls / oder an grosse Pfeiler des Hofes hielte / und also sicherer durch übermäßigen Gehorsam seinem Fürsten schaden / als durch angemaaßte Freyheit Nutzen thut; weil auch Väter ihre Söhne am Leben gestrafft / die wider Kriegs-Ordnung gesieget / und Käyser Julius den Sulla gelobt / daß er lieber ihm genau gehorsamet / als es mit den Galliern gar ausgemacht. Der Priester wolte sich hiermit noch nicht beruhigen / sondern wendete ein: Kein Befehl hätte die Krafft eines Gesätzes wider dis / was entweder die Natur oder die Tugend für unmöglich erklärte. Denn jene wären die Richtschnur menschlichen Willens und der Gemeinschafft. Daher könte man einem dis / was unerbar / ungezühmend oder unmöglich wäre / durch keinen Nothzwang aufbürden: Weil nun aber GOtt und das Verhängnüs allem Ansehn nach wolte / daß die verborgenen Geheimnüsse dieses Altars keines weges an Tag kommen solten; erforderte ihre Bescheidenheit die Ergrübelung als ein unmögliches und unehrliches Fürhaben zu unterlassen. Denn wie es straffbarer Vorwitz wäre / wenn man in alles Verborgene zu schauen gelüstete / also wäre in gewissen Fällen eine beflissene Unwissenheit eine rühmliche Gemüths-Mäßigung. Altäre wären sonder Zweifel grössere Heiligthümer als Gräber / gleichwol aber wäre dieser Verunehrung vieler Verterb gewest. Nach dem Cambyses zu Saim des Amasis Grab geöffnet /und die geprügelte Leiche verbrennt / hätte er von Mohren und Ammoniern / und Xerxes / weil er des Belus Grab aufgemacht / und den gläsernen Todten-Topff nicht mit Oele füllen können / in Griechenland grosse Niederlagen erlitten. Hannibal wäre wegen [598] abgebrochener Grabstädte in Belägerung der Stadt Agrigent mit vielẽ Carthaginensern durch die Pest umbko en. Das nur zufälliger Weise eröffnete Grab des Capys hätte dem Käyser Julius seinen gewaltsamen Tod und Italien viel Elend zugezogen. Ja wenn es am erträglichsten abgelauffen / wären die Eröffner / wie der in der Semiramis Grabe viel Schätze suchende Darius / mit der langen Nase abgewiesen worden. Dieses dörffte ihnen auch besorglich begegnen / und sie sich also andern zum Gelächter machen. Stolberg aber brach ein: Wir finden gleich was oder nicht /können wir nicht irren / denn beydes wird zu steuer der Warheit dienen / und weil GOtt die Warheit selbst ist / sie uns auch ihm ähnlich macht / kan unsere dafür habende Sorgfalt weder als unmöglich verworffen / noch als unehrlich gescholten werden. Democritus hat der Warheit ihre Wohnung in einen tieffen Brunn zugeeignet; also ist es nichts seltzames; daß wir sie in der Tieffe dieses Altares suchen. Wie GOtt nicht der Bau aller Altäre gefällt / also kan ihm nicht alle Versehrung derselben mißfallen. In Griechenland hätte er unterschiedene Altäre aus bald zerfließendem Opffer-Blute / oder aus leicht verfaulendem Holtze / etliche auch zwar aus Steinen aber nur auf ein Jahrlang aufrichten sehen. Der grosse Alexander hätte des grossen Cyrus / August des grossen Alexanders / Cicero Archimedens Grab / zu Syracusa aus gutem Absehen / und also auch ohne das wenigste Nachtheil eröffnet; ihres aber wäre allhier noch viel besser / und also noch weniger Unheil zu besorgen. Des Feldherrn Abgeschickte stimmten diesem bey /und die des Flavius wolten nicht einst willigen: daß die Durchsuchung auf wenige Tage / bis man beyde Hertzoge vorher darüber vernehmen könte / aufgeschoben würde. Libys selbst meinte: daß da die Wahrsagung dieses Steines mit dem Schlusse des Verhängnüsses übereinstimmte / würde die nachbleibende Aufsuchung des Segimerischen letzten Willen selbten zu hintertreiben viel zu ohnmächtig seyn. Daher grief er selbst in die Tieffe des holen Altares und brachte heraus ein seiden Parthisch Tuch / worinnen Persische Schrifft gewürckt war. Als sie dieses aufwickelten / fanden sie darinnen eine Rolle von dem Blaster der Egyptischen Papier-Stauden; und ein daran gehencktes Siegel mit dem Cheruskischen Pferde. Auf diesem waren folgende Worte zu lesen: Mein Sohn Herrmann soll zwar die oberste Herrschafft über alle Cheruskische Länder / mein Sohn Flavius aber das Eigenthum und den Genüß des dritten Theiles aller meiner Länder und Güter haben. Darunter stund mit einer andern Hand geschrieben: dis ist mein letzter Wille. Segimer. So bald des Flavius Abgeschickten dieses gelesen hatten / zeigten sie eine überaus grosse Vergnügung / und verlangten / daß dieses Papier mit dem Partischen Tuche von allen Anwesenden versiegelt / und nach Mattium gebracht werden solte. Weil nun niemand mit rechtschaffener Ursache solches widersprechen konte; ward dieses Verlangen erfüllet; und reisete der Priester Libys eigenbeweglich mit dahin. Zu Mattium ward dis Geheimnüs mit des Feldherrn und des Hertzog Flavius Belieben in Anwesenheit ihrer / Hertzog Ingviomers / Jubils / Marcomirs / des Grafen von Nassau und des obersten Priesters Libys eröffnet. Ehe aber noch das Parthische Tuch aufgehüllet ward /fieng Ingviomer an: Es mag in diesem Tuche verborgen seyn / was da wolle / so hat nichts bey Lebzeiten Segimers darein gehüllet / oder in Tanfanischen Tempel eingelegt werden können. Denn dieses neben viel andern von Asblasten mit aus Persien gebrachte Tuch / darein in Parthischer mir zwar nicht bekandten Sprache [599] Sprache diese Worte gewürcket seyn sollen. Die Sonne ist der Schatten GOttes / das Licht der Welt /und des Menschen Leitstern zu Gott / ist nach Segimers Tode noch in seinem Zi er / und darein Asblastens helffenbeinernes Bild eingewickelt / und von mir selbst Adgandestern zur Verwahrung anvertrauet worden. Flavius röthete sich hierüber / und fieng an: Kan nicht aber meine Mutter Asblaste oder mein Vater Segimer mehr als ein so beschriebenes Tuch aus Parthen mitgebracht haben. Ingviomer war fertig gewisse Kennzeichen anzudeuten / daß eben sein berührtes wäre; aber der Feldherr fiel ein: Lasset uns nicht die Schale / sondern den Kern wahrnehmen; hüllete damit das Tuch auf / und reichte die Innlage dem obersten Priester Libys. Dieser laß allen Anwesenden den Innhalt / und bekennte / daß die Unterschrifft Segimers Hand sehr ähnlich / aber die erste Schrifft Luitbrands selbsteigene wäre / welche er aus gewissen Merckmalen unter tausend andern erkennen wolte. Ingviomer fügte hierbey: daß das Egyptische Papier zu Zeiten des Feldherrn Segimers in Deutschland eine nie gesehene Sache / und vom Hertzog Herrmann zu erste dahin gebracht / vorher aber Wachs und Baum-Rinden zu Schreiben gebraucht worden wären. Uberdis wäre dieser letzter Wille mit Gothonischen Buchstaben geschrieben / da doch Segimer nicht nur selbst / sondern auch seine Schreiber durchgehends Griechische hätte brauchen lassen. Hertzog Flavius ward hierüber in sich selbst derogestalt entrüstet / daß Antlitz und Gebehrden solches nicht verbergen konten. Weil er nun durch diese sich schon verrathen sah /hüllete er selbst die Schrifft in ihr Tuch / steckte sie ein / und sagte: Er wäre kein Erfinder unwahrhaffter Schrifften / also wüste er bedacht seyn entweder die Warheit / oder die Verfälscher an Tag zu bringen. Hertzog Herrmann hätte zwar Ursache gehabt darüber empfindlich zu seyn; aber es hielt ihn so wol seine brüderliche Zuneigung als seine grosse Vernunfft von aller Verstellung zurücke; welche wie mit dem abwechselnden Glücke sein Gesichte veränderte / noch seine Hertzhafftigkeit ihn mit allzu hitzigen Entschlüßungen übereilen ließ. Als nun gleich Flavius im Eyver davon gieng / beschwur doch der Feldherr die Anwesenden / daß sie ohne einiges Absehen auf seiner Würde bey ihrem Gewissen sagen solten: Ob sie die aufgefundene Schrifft für was unverfälschtes und für eine kräfftige Verordnung seines Vaters halten könten. Alle aber betheuerten das Widerspiel / und Libys hielt dafür: daß diese Verfälschung eine Erfindung Adgandesters und ein Gemächte des meineydigen Luitbrands wäre / jener / welcher alle Handschrifften nachzumahlen wüste / Segimers Nahmen unterschrieben / das Parthische Tuch und das Siegel darzu hergegeben; Luitbrand aber es in das Altar /worzu er als ein Priester hundertfache Gelegenheit gehabt / verborgen / und dem Flavius eine Abschrifft davon zugestellt hätte / welche / woher sie sonst hätte kommen können / nicht zu ersinnen wäre. Der Feldherr erklärte sich hierauf ferner weit disfalls allen Richtern sich zu unterwerffen / Hertzog Ingviomern aber klagte er: Es wäre ihm nicht so leid / daß sein Bruder durch Adgandesters Boßheit und Leichtgläubigkeit zu einem so ungegründeten Anspruche hätte verleiten / als seine Schwachheiten des Gemüths durch seinen Eyver blicken lassen / unwissende: daß die Gemüths-Regungen Flüsse des Gemüthes wären /und grössere Unordnung in der Klugheit / als die des Kopffes im Leibe machten / wenn sie aber gar in Worte ausbrächen / dem Ansehen abbrüchig wären. Hierbey ersuchte er ihn dem Flavius die handgreifliche Falschheit dieser Handschrifft für Augen zu stellen / ihn von der Gemeinschafft des arglistigen Adgandesters und des nunmehr nach seiner Verstossung in seinem Brodte lebenden Luitbrands abmahnen und erinnern möchte: daß [600] wie einem die anfangs zu Gesichte kommende Heßligkeit abscheulicher Mißgeburten ein Grausen und Schrecken verursachte / die Gewonheit aber nach und nach ihnen ihre Ungestalt benähme / und endlich sie gar unsern Augen beliebig machte; also es auch mit den Lastern derer / mit denen man umgienge / beschaffen wäre. Zuerst hätte man dafür einen Abscheu / hernach drückte man ein Auge bey ihnen zu / bald vertrüge man sie mit unverwendetem Gesichte / endlich verliebte man sich in selbte /und vermählte man sich mit ihnen gar. Diese zwey Werckzeuge der Hölle würden umb ihre brüderliche Eintracht zu treñen ihm Zweifels frey viel blauẽ Dunst für köstliche Reichthümer für die Augen mahlen / und ihre Verläumbdung ihm noch mehr Unwarheiten unter den Fuß geben. Aber die Zeit klärte doch endlich die Warheit von Lügen / wie die empor kommende Sonne die Lufft von Dünsten aus. Daher möchte er sich doch nicht ihre gezwungene Verehrung und übermäßige Versprechen bethören lassen. Wer alles oder allzu viel zusagte / verspräche im Hertzen wenig / und hielte im Wercke nichts. Die einen mit Strömen ihrer Höfligkeit überschütten / wären falsche Müntzer /welche es schon so zu spielen wüsten / daß ihre Waare niemals zur Prüfung käme. Die ihm untergesteckte falsche Schrifft diente ihm schon genung zur Warnigung mit was er für Leuten zu thun hätte / und zur Wahrsagung / was er vor gutes und redliches sich zu versehẽ hätte. Einmal irren ließe sich entschuldigen / zweymal züge den Verlust unsers Ansehns /dreymal unser Wolfahrt nach sich. Er wolte ja nicht hoffen / daß sein Bruder derselben Art Menschen nachschlagen würde / welche ihr Lebelang mit ihren Fehlern zu thun haben wolten / und weil sie einmal geirret / der Verfolg ihres Irrthums für die Tugend der Beständigkeit hielten / ja / ob sie schon in sich selbst ihr Vorhaben verdammten / ihm doch bey andern das Wort redeten. Niemand wäre an sein irrsames Versprechen oder an eine übereilete Entschlüßung gebunden. Ungeachtet sich auch Flavius gegen ihn vergangen hätte / wolte er es doch nicht ihm / sondern seinen Verleitern zuschreiben / und wenn er es vor eine Unverbindligkeit erkennen wolte / ihm den Strich Landes zwischen der Elbe und dem Flusse Luno nebst denen daran liegenden Saltz-Brunnen auf sein Lebtage zum Genüß abtreten. Der über dieser brüderlichen Zwytracht nicht wenig bekümmerte Hertzog Ingviomer übernam diese beschwerliche Verrichtung nicht mit grösserer Willfährigkeit / als sein Glimpff und Verstand bey derselben Ausübung hervor leuchtete. Er überwand des Flavius Einbildung mit so durchdringenden Schlüssen / daß er sich fast selbst gefangen geben / und des Segimers Schrifft als etlicher maßen verdächtig erkennen muste. Insonderheit drang Ingviomer starck darauf daß er ihm den / der ihm die Abschrifft zugebracht / und den Ort der Beylegung eröffnet hätte / nennen möchte / so würde vielleicht heraus kommen: daß seine und anderer Muthmaßung wider den boßhafften Luitbrand und Adgandestern des Zwecks nicht weit gefehlt hätte. Flavius aber blieb disfalls gantz verschlossen / und weil entweder die /welche am meisten irren / es am wenigsten inne werden / oder weil man insgemein für Schande hält von einer Meinung allzu bald abzuweichen / gleich als wenn die Hartnäckigkeit zur Entschuldigung der Fehler diente / nam er des Feldherrn gutwilliges Anbieten zum Bedencken / und zu Untersuchung der Segimerischen Verordnung eines Tages Befristung. Ingviomer konte ihm weder eines noch das andere versagen / bat ihn aber / er möchte hierüber zwar andere unverdächtige Freunde / aber zugleich seine Ehre und Vernunfft mit zu rathe nehmen. Er solte behertzigen / daß er sein so naher Vetter / als Herrmanns / die auch / welche die Schrifft vor falsch hielten / seine treue Freunde wären. Der [601] Eigennutz wäre eine Mutter vieler Schein-Gründe / und überwiege nicht selten das Recht und die Klugheit; oder gebühre die Einbildung / daß beyde auf ihrer Seite stünden; da doch keines auf beyden Achseln tragen könte. Daher müste der / welcher ihm der Warheit beyzupflichten vorgesätzt hätte /nicht nur Ursachen herfür suchen sich in seiner Meinung zu stärcken / sondern sich eine Zeitlang auf die widrige Seite schlagen / und seines Gegentheils Einsagen überlegen; so würde er auf der Wage der Vernunfft leicht den Ausschlag finden / also auch Flavius unschwer sich bescheiden: daß er ihm wol riethe und Hertzog Herrmann ihn brüderlich liebte. Flavius schlug sich die gantze Nacht mit seinen Gedancken /und war nun grösten Theils schlüssig gegen des Feldherrn Anbieten seinen Anspruch fahren zu lassen. Adgandester aber / welcher von dieser Handlung Wind beko en hatte / schickte ihm noch etliche Stunden für Tage König Marbods Bild reich mit Diamanten versätzt / welches ihm einer seiner Edelleute zwar in einem goldgestückten Beutel überbrachte / solches aber war in ein Papier eingehüllt / darauf diese Worte sauber geschrieben waren: Niemand soll in wichtigen Dingen alleine mit sich zu rathe gehen / noch selbte über das Knie zerbrechen. Zwey Augen sähen mehr als eines / und die allzu zeitig reiffende Früchte verfaulten am ersten. Die Unwissenheit ist mit der Welt /und die Thorheit mit jedem Menschen jung worden. Alle / die ihnen einbildeten für sich selbst weise zu seyn / sind Thoren / und die Helffte derer / auch die sich nicht klug zu seyn däuchten. Wer was alleine auf seine Hörner nimmt / scheint zwar dem Pöfel weise zu seyn; Aber es ist zur Weißheit nicht genung / wenn andere / weniger wenn einer sich selbst für weise hält. Der klügste aber ist / der ob er gleich sieht / was andere nicht sehen / dennoch sich weder für sehend noch einen Weisen hält / sondern eines andern Achsel zu Gehülffen seiner Schultern und Vergrösserungs-Gläser zu Schärffung seiner Augen brauchte. Wer nicht weiß / muß andere Wissenden hören. Ohne Verstand ists unmöglich / daß jemand glücklich sey; daher /wenn man ihn selbst nicht hat / muß man ihn entlehnen. Die aber sind am übelsten dran / welche nicht wissen / daß sie nichts wissen / also sich nicht bekümmern umb dis / was ihnen mangelt. Jedoch verstossen die noch ärger / welche ob sie zwar nichts verstehen / ihnen doch grosse Weißheit einbilden. Ja etliche wären weise / wenn sie nicht wüsten / daß sie es wären. Diesemnach ist die gröste Klugheit sich mit der Vernunfft / und nicht mit dem Glücke zu überwerffen. Hertzog Flavius hielt dieses Papier für etwas / welches zwar nur ungefehr und zu Einhüllung dieses Kleinods gebraucht / von dem Verhängnüsse aber mit Fleisse zu seiner Unterweisung in seine Hände gespielet worden wäre. So verbländet Heucheley / und unsere eigene Neigung die Augen unsers Verstandes. Daher fügte er sich ohne Aufschub zu Adgandestern ihm für die Freygebigkeit König Marbods Danck zu sagen. Adgandester aber gab dem Flavius zu verstehen / daß seine Dancksagung für so geringschätzige Dinge so wol seiner als Marbods Hoheit verkleinerlich wäre / weil diesem mehr zu geben obläge / Flavius aber viel grössere Wolthaten verdiente / mit Versicherung: daß / wenn sein König nicht zwischen dem Flavius und Feldherrn Mißträuligkeit zu erwecken besorgte / er zum Kennzeichen / wie hoch er das Cheruskische Hauß und des Flavius Verdienste schätzte /ihm mehr / als eine Helffte des Cheruskischen Gebietes austrüge / an Landschafften zueignen würde. Dieser Vortrag kützelte nicht wenig des Flavius Ohren /gleichwol aber wendete er ein: Er wüste nicht zu begreiffen / woher des Königs Marbods so grosse Freygebigkeit entsprissen müste / welchem sein Bruder so viel Leid / er aber niemals was gutes gethan hätte /noch zu leisten vermöchte. Adgandester aber wuste einen grossen Sack voll [602] Lobsprüche / welches die ärgstẽ Art zu betrügen ist / über den Flavius auszuschütten. Er sagte: es wäre kein so geringes Kraut auf dem Felde / kein so schlechtes Laub in dem Walde /welches man des Jahres nicht unterschiedene mal brauchte / und in dem grossen Hause der Welt von nöthen hätte / also / daß wie schlecht es gleich geschätzt würde / man doch ohne Ungelegenheit dessen nicht entpehren könte; wie solte denn der kluge König Marbod so unverständig seyn / daß ihm ein so hoher und fürtreflicher Fürst nicht zu Befestigung seines neuen Stules viel solte dienen können? Der verstünde wenig oder nichts von der Herrschens-Kunst / welcher sich vergnügte Recht und Verstand auf seiner Seite zu haben; Freunde und der Nachbarn Wolwollen müsten die mächtigsten Stütze der Reiche seyn / was könte Marbod ihm aber für bessere Freunde als die Cheruskischen Fürsten machen / welche von undencklicher Zeit das Hefft in Deutschland geführet / für allen Häusern den unstrittigen Vorzug hätten / und auch von ihren Feinden hochgeschätzt würden? weil nun Heucheley und Freygebigkeit zwey Eymer sind / welche das Wasser der Gedancken aus den verschlossensten Hertzen empor zu ziehen wissen / zeigte Flavius Adgandestern die aus dem Tanfanischen Tempel empfangene Verordnung des Feldherrn Segimers / und eröfnete ihm treuhertzig / was so wol wider selbte eingewendet / als ihn durch den Hertzog Ingviomer wäre angeboten worden / mit Verlangen / er möchte ihm in dieser Sache / welche seinen Wolstand machen solte /mit gutem Rathe an der Hand stehen. Adgandester nam mit grosser Ehrerbietung das zu ihm habende Vertrauen danckbar auf / lobte seine Klugheit / daß er ein so wichtiges Werck nicht ohne frembden Rath entschlüßen wolte. Denn Gott allein dörffte in seiner vergnügten Einsamkeit keinen Rathgeber / dem Menschen aber hätte er fürnemlich zu dem Ende Vernunfft und Sprache gegeben / sich durch diese Werckzeuge anderer Rathes zu gebrauchen / nicht aber / wie unvernünfftige Thiere ihrem geschwinden Triebe zu folgen / und sich mit dem ersten besten Dinge zu vergnügen. Der Mensch hätte so wol aus zwey Ubeln das kleinste / als aus zwey Vortheiln den grösten zu erkiesen / und aus dem vergangenen das gegenwärtige zu überlegen / und aus dem künfftigen Ausschlage zu entschlüßen. Daher wäre die Berathung das grosse Rad / welches die Mühle des bürgerlichen Lebens treiben müste / und also eben so nöthig als Feuer und Wasser. Weil ein Rathgeber aber den / welchen er umb Rath fragte / gleichsam zu seinem Oberherrn und Richter seiner Gedancken erhiebe / und ihn lieber / als sich selbst hätte / könte dieser durch keine grössere Untreu sich besudeln / als weñ er jenem nicht redlich und vorsichtig riethe. Hierauf besahe Adgandester Segimers Schrifft so sorgfältig / als wenn er sie niemals in Händen gehabt / versicherte hierauf den Flavius /daß die Unterschrifft Segimers warhaffte Handschrifft wäre / welche wegen gewisser ihm am besten bekandter Merckmale der allerkünstlichste Verfälscher in der Welt nicht nachmahlen würde. Des Egyptischen Papiers hätte Segimer einmal bey Wegnehmung etlicher mit des Drusus Geräthe beladener Maulesel viel Rollen erobert / und wenn er gar was wichtiges zu schreiben gehabt / dasselbe gebrauchet. Zu geschweigen /daß die Friesischen Kauffleute selbtes ins gemein zu Schiffe / und die von Carnutum hauffenweise in Deutschland führten / also ein grosser Irrthum wäre /daß Hertzog Herrmann es zu erst in sein Vaterland gebracht haben solte. Libys könte weder von Einlegung dieses letzten Willen in den Tanfanischen Tempel / weil er damals noch nicht oberster Priester gewesen / was wissen / noch von einer widrigen Meinung Segimers dem Flavius zu Nachtheile was zeugen. Denn wenn er schon nach der Zeit Siñes worden wäre seinem Sohne Herrmann alle Länder [603] zuzueignen /hätte doch diese im Gemüthe behaltene Aenderung keine Krafft eine in ein Heiligthum beygelegtes und bis an seinen Tod gelassene Verordnung aufzuheben. Das vom Hertzog Herrmann ihm gethane Erbieten gebe auch gnungsam an Tag / daß er sich durch den väterlichen Willen verbunden fühlte. Aber das angebotene hätte mit dem / was er haben solte / keine bessere Gleichheit / als ein Schnee-König gegen einem Adler. Daher hielte er dafür / daß dem Flavius sich damit zu vergnügen so wol verkleinerlich als schädlich wäre; Weil er davon schwerlich seinen Fürstenstand führen könte / und jedermann urtheilen würde /daß er dis / was ihm von Gott und Rechtswegen gebührte / nicht zu behaupten wüste / welches doch die erste Tugend eines Fürsten wäre. Wenn er aber sich mit einer solchen Kleinigkeit zu vergnügen / und gleichwol sich seinem Bruder als Oberherrn zu verpflichten gezwungen werden solte / riethe er ihm mit Verachtung dessen sich unverbindlich zu halten; auf welchen Fall er ihm nachmals nicht nur dreymal so viel Landes vom Könige Marbod verspräche; wordurch ihm der Weg zu der anfangs schon vorgeschlagenen grossen Heyrath so viel mehr gebähnet würde. Der sonst so kluge Flavius ward durch Adgandesters grosse Versprechungen gleichsam wie durch überzuckerte Zauber-Kräuter so eingenommen / daß / ob er zwar wegen selbter keinen andern Bürgen als Adgandesters Wort hatte / er sich doch zum Ingviomer versügte / und sich gegen ihm ausließ; Es könte ohne seine und des Feldherrn Segimers Verkleinerung nicht geschehen: daß dessen letzter Wille als eine untergesteckte Schrifft verworffen / oder ihm / als wenn es über etwas nicht in seiner Gewalt seyendes unkräfftig verordnet hätte / beygemessen werden solte. Daher könte er weder mit Ehren noch ohne Verlust seines Wolstandes von dem etwas enthengen / was ihm sein holder Vater zugedacht hätte. Ingviomer suchte alle ersinnliche Ursachen herfür ihn von einer so hochgespannten Anforderung / welche nicht wenig die Cheruskische Macht zerspalten und ihr Ansehn verkleinern würde / abwendig zu machen. Es wäre rühmlicher und sicherer was mittelmäßiges mit anderer gutem Willen und Tittel besitzen / als zehnmal so viel mit Gefahr und übeler Nachrede erobern wollen. Die Zeiten und der Zustand des Cheruskischen Hauses widerriethen dem Flavius Ursach zu einigen Spaltungen zu geben. Denn die Herrschafft gleichte denselben Bäumen / welche verdorrten / oder zum wenigsten nicht höher wüchsen / wenn ihre Gipfel abgehauen würden. Also solten lieber alle Aeste etwas dem Gipfel zu Liebe entpehren / als mit desselbten Beschädigung ihnen selbst den gäntzlichen Untergang zu ziehen. Aber Flavius blieb auf seiner Forderung gantz verhärtet / jedoch wolte er des Feldherrn endliche Meinung darüber vernehmen / und dem Flavius unverlängt entdecken. Ingviomer / welcher niemals seiner guten Vernunfft bey anderer Schwachheiten vergaß / trug des Flavius Begehren dem Feldherrn mit einer solchen Art für / wie die Aertzte Aloe und andere bittere Kräuter ihren Krancken / nemlich mit einem süssen Beysatze eingeben. Aber Herrmann war allzu verständig das Wesen vom Umbschlage zu unterscheiden / sagte daher: Ich sehe wol / daß mein Bruder seinen Glücksstern nicht kennet / und daß ihm ein schädliches Schwantz-Gestirne annehmlicher in die Augen leuchtet / als dasselbe / welches ihn täglich wärmet und nähret. Ich ziehe meine vorige Gutwilligkeit zurücke / damit er ihm nicht einbilde: ich habe mich dazu als aus einer Schuldigkeit erboten. Ingviomer erschrack über dieser Erklärung / weil er wol sahe: daß derogleichen entfernte Entschlüßungen zwischen beyden Brüdern einen unversöhnlichern Haß /als unter Frembden / verursachen würde: daher redete er dem Feldherrn beweglich zu / und gebrauchte sich aller [604] Gründe / welche ihm die Nähe des Geblütes und die Staats-Klugheit an die Hand gaben umb ihn zu was mehrern zu bewegen / als sein erstes Erbieten in sich begrieffen hätte. In Vergleichen gewäne es den Schein einer Zurückziehung des Erbietens / weñ man auf dem ersten Gebote stehen bliebe. Flavius wäre nicht nur sein Bruder / sondern ein bey den Römern hochgesehener Fürst / welchen es an Lock-Beeren nicht mangeln würde. Also solte der Feldherr lieber ein übriges thun / als durch Sparsamkeit ein mehrers /nemlich seinen Bruder und eine Stütze der Cherusker verlieren. Es wäre rühmlicher nicht einmal fehlen / als hundertmal den Zweck treffen. Denn wie man die Sonne in ihrer Verfinsterung fleißiger als in ihrer höchsten Erhöhung betrachtete / also wären der Fürsten seltene Irrthümer durch Beschwerden keñtbarer /als ihre Verdienste durch Ruhmsprüche. Je heller ein Spiegel wäre / je klärer zeigte sich darinnen der kleinste Fleck. Er wüste gar wol / daß der Feldherr hierinnen so viel Recht als Gewalt hätte. Aber die Anmaßung höchster Gewalt / und die Ausübung schärffster Rechte wäre der Fürsten Fallbrett / und der Reiche Verterb. Die Freygebigkeit gegen Brüder erforderte ein ander Maas / als gegen Frembde; und sie hätte durchgehends diese Belohnung: daß sie durch Beschenckung eines eintzelen Menschen ihr ihrer hundert verbindlich machte. Alleine der Feldherr war weiter nicht zu bringen / als zu Verwilligung der Helffte dessen / was er ihm vorher angeboten hatte. Ingviomer machte sich aufs neue an Flavius / und meinte ihn zu Annehmung des erstern zu bereden / in Meinung /daß so denn der Feldherr wol zu Einhaltung seiner ersten Erbietung würde zu bewegen seyn. Nach dem aber Flavius inzwischen von Adgandestern mehr verbezt / also von seiner hartnäckigen Begierde des Cheruskischen Gebietes Drittel zu haben nicht gebracht werden konte; sagte ihm Ingviomer aus Verdruß über seiner so übel angewehrten Vermittelung: Es wäre ihm leid / daß Flavius durch seine Härte sich bereit umb die Helffte dessen gebracht hätte / was ihm der Feldherr anfangs ohne Verbindligkeit gewilligt. Wenn er ihm aber seine itzige schlechte Verrichtung zu wissen machte / würde der Feldherr Zweifelsfrey vollends seine Gutwilligkeit zurück ziehen. So höre ich wol / versätzte der hierüber entrüstete Flavius /mein Bruder bilde ihm ein / daß er allein vom Feldherrn Segimer / ich aber von einer Eiche entsprossen /und wie ein Maulwurff mit weniger Erde zu vergnügen sey. Ich dancke aber meinem Vater / daß ich von ihm sein Hertz und den Degen geerbet / wormit ich mir eine Herrschafft zu erwerben getraue / welche hoffentlich meiner Freyheit und dem Gemüthe wird auskommentlicher seyn / als die wenigen Spañen Landes / welche man mir noch aus Gnaden mehr einzuräumen als zu lassen gedacht hat. Hiermit entbrach er sich des Fürstẽ Ingviomers / und weil die Begierden Mütter der Vorsichtigkeit sind / verfügte er sich unverwendeten Fusses zu Adgandestern / welcher sich über seiner Zerfallung mit dem Feldherrn und Ingviomern so sehr erfreute / daß er Noth hatte solche mit angemaaßtem Mitleiden über seine so wenige Werthhaltung zu verhüllen. Er vergrößerte seine vorige Vertröstungen: damit er aber bey den Catten und Cheruskern nicht verdächtigt / noch ihm seine habende Verrichtungen schwer gemacht werden möchten / rieth er dem Flavius sich für seiner Abfertigung nicht zum Könige Marbod / sondern zu dem nun wieder zu Trier angeko enen Germanicus zu verfügen / welcher ihn mit offenen Armen bewillkommen / und in aller Vergnügung unterhalten würde. Weil nun Adgandester ihn schon einmal gekirret hatte / ließ er sich wie die gezähmten Löwen / wohin er winckte / gleichsam an der Schnure führen / reisete also folgenden Morgen /sonder von jemanden Abschied zu nehmen / mit wenigen Edelleuten gerade nach Meintz zu. Der Graf von Nassau kriegte zwar hiervon Wind / und rieth dem Feldherrn: er solte den Flavius / [605] weil er gegen Inguiomern sich bedraulicher Worte vernehmen lassen /mit Adgandestern geheimes Verständnüß gepflogen hätte / in Mattium oder unterweges anhalten / und verhindern: daß er ihm nicht irgendswo ein böses Spiel machte. Ein versperrtes Feuer müste in sich selbst ersticken / wenn es aber Lufft kriegte / wäre es mit möglichster Zuthat vieler Hände nicht zu dämpfẽ. Der Feldherr aber verwarf diesen Rath und sagte: Er könte sich an seinem unvergnügten Bruder nicht wie an einem lasterhaften vergreiffen. Er traute seinem Bruder nichts feindliches zu / solte er sich aber seine Begierden überwinden lassen / wolte er doch die Ober-Herrschafft über seine behalten / worinnen die gröste Hoheit der Gemüther bestünde / sonderlich bey Fürsten / welche wenn sie gleich einige Entrüstung in ihrem Hertzen fühlten / doch solche nicht biß an ihr Ampt solten steigen lassen. Er wünschte / daß sein Hof die Eigenschafft seines Hertzens und des Meeres hätte / und wie das erste keine Zagheit / das andere keine Leiche / also der Hof keinen ihm Ubelwollenden in sich lidte / sondern diese als todte Dinge auswürffe.

Adgandester ward über Stiftung dieser brüderlichẽ Zwytracht so vergnügt / daß er durch einẽ Edelmann solches als einen herrlichẽ Sieg dem Könige Marbod /und durch einen andern dem Germanicus zu wissen machte. Gleichwohl aber stellte er sich allenthalben an / als wenn er weder von der eigentlichen Ursache noch dem Vorhaben des Fürsten Flavius das wenigste wüßte / ja er erbot sich gegen Inguiomern dem Flavius nachzuschicken / und das Unvernehmen zu vermitteln. Nachdem auch der Feldherr seines Bruders hinterlassenes Geräthe aufmercken und verwahren ließ /ward darinnen ein Schreiben Adgandesters gefunden /darinnen er dem Flavius rieth mit dem Feldherrn nicht zu brechen / sich auch erboth / da er ihm die eigentliche Beschaffenheit ihres Streites eröffnen wolte / er den neuen Botschaffter seines Königs bewegen wolte solchen brüderlichen Zwist zu vermitteln / oder er möchte belieben den Hertzog Arpus und Ganasch zu Schieds-Richtern zu erwehlen. Aber der Feldherr war viel zu nachdencklich / daß er ihm diesen blauen Dunst solte für die Augen machẽ lassen / als wenn Adgandester nicht der Rädelsführer dieser Treñung wäre / und daher sagte er Inguiomern / es würde ihm lieb seyn / wenn er sich aller Gemeinschafft Adgandesters gäntzlich entschlüge / als welcher durch das Gift seiner Bosheit das Blut der nechstẽ Anverwandtẽ und den Honig der reinesten Liebe und Freundschafft zu vergällen wüßte. Er wolte auch allen Cheruskern und seinen Hofe-Leuten derogleichen bey hoher Straffe verbieten. Ob nun zwar Inguiomer nicht umbsehen konte / daß der Feldherr zu solchem Verdacht / und /weil die Boßheit anfälliger als die Pest ist / zu vorhabendem Verbothe mehr denn zu viel Ursache hatte /so lag doch Inguiomern ein grosser Stein seiner heimlichen Liebe auf dem Hertzen / welcher ihn zurück hielt Adgandestern zu beleidigen. Daher ließ er sich gegen dem Feldherrn heraus: Er thäte recht klug / daß er einem Menschen / wie Adgandester wäre / nichts glaubte. Denn weil Heucheley und Lügen so gemein wäre / müste die Leichtglaubigkeit desto ungemeiner seyn. Alleine man müste seinen Unglauben / so viel möglich / nicht mercken lassen / denn diß wäre nicht viel besser / als daß man denselben / dessen Worte man nicht für Wahrheit anni t / einen Betrüget oder einen Betrogenen hält; Hertzog Herrmann aber versetzte: Wenn Adgandesters Lügen nur in Worten bestünden / könte man vielleicht noch derselben Wahrnehmung verstellen / so aber steckte sein Betrug in Wercken / zu welchen man mit Ehren und ohne unverwindlichen Schaden kein Auge zudrücken könte. Er wäre ein solcher Ertz-Feind des Cheruskischen Hauses / daß er es ärger nicht werden könte. Solchen aber müste man nicht Pflaumen streichen / sondern ihnen ihre Boßheit umb ihnen die Scham-Röthe [606] abzujagen / in die Augen sagen / und damit ihnen ihr Hertze nicht so groß wüchse als ihre Galle ist / den Kopf bieten. Zumal ein offenbarer Feind nur einer Schlange / ein verborgener aber einem Basilisken zu vergleichen wäre. Er hielte es für keine Klugheit sich ohne Anthung beleidigen lassen / sondern vielmehr für eine Kleinmuth / durch welche ihrer viel zu Grunde giengen / welche wenn sie mehr dem Einrathen ihres Hertzens als denen künstlichen Räncken der Vernunfft folgen / ihre Feinde würden vertilget haben / derogestalt würde der Feldherr noch selbigen Tag sein Verbot bewerckstelliget haben / wenn nicht gleich vom Könige Marbod ein neuer Botschaffter der Graf von Windisch Grätz ankommen / und zugleich vom Germanicus die Erklärung eingelauffen wäre: daß er dem Könige Marbod zu Liebe biß zum Anfange des Mayen mit den Römischen Waffen gegen die Sicambrer und Chaucen stille halten wolte / wenn sie mit gehörigem Nachdrucke einen billigen Frieden zwischen ihnen vermitteln wolten. Bey welcher Ereignung sich denn auf Inguiomers Veranlassung Hertzog Arpus und Ganasch euserst bemühten den Feldherrn zu besänften /und ihn zum Verschube seines Eivers gegen Adgandestern zu bereden. Der Feldherr ließ dem gemeinen Wesen zum besten sich hierinnen zwar überwinden /iedoch gab er den Fürnehmsten des Hofes durch den Grafen von Nassau; welcher es aber als für sich selbst thät / zu verstehen / daß wer von ihm ein gutes Auge bekommen wolte / müste sich nicht bemühen in Adgandesters gesehen zu seyn. Hingegen empfieng er den Grafen Windisch Grätz mit desto grösserer Freundligkeit / und unterließ nichts / was zwischen ihm und Adgandestern Eiver-Sucht zu erwecken dienlich war. Alleine dieser bekümmerte sich mehr umb nach erst gelungenem Streiche sein übriges Gewebe auszuwürcken / als mit iemand andern zu eivern /gleich als wenn auch eine knechtische Unterwerffung /wenn selbte nur zur Herrschafft den Weg bähnete /nicht unanständig wäre. Der Feldherr / Hertzog Arpus und Ganasch hielten täglich Unterredungen mit dem Windisch Grätz / wie und wo der Friede mit dem Hertzoge der Sicambrer am besten vermittelt werden könte. Die ersten schlugen Bingen zur Zusammenkunfft vor / Marbods Bothschafter aber meynte es rathsamer zu seyn diß Werck in Mattium zu versuchen / wo ohne diß so viel deutsche Fürsten versa let wären / entweder / weil Adgandester ihm daselbst schon mehr Werckzeuge seine Anschläge durchzutreiben ausgearbeitet hatte / oder weil er und Windisch Grätz die Näherung dem Sicambrischen Gebiete / wo das Kriegs-Feuer zum Schwunge kommen solte / für eine Gelegenheit hielt die so nahen Cherusker und Catten durch dessen Funcken anzustecken. Hertzog Arpus und Ganasch liessen diesen Vorschlag ihnen auch so viel leichter gefallen / weil jenem es in seinem Eigenthume bequämlicher fiel / beyde aber ihrer Kinder Beylager auf den April oder Oster-Monat / in welchem die Deutschen Gotte / wegen Befruchtung der Erde ein grosses Feyer zu halten pflegen / besti t hatten. Unter dem Scheine dieser Friedens-Handlung nam ihm auch Segesthes mit seiner Sentia Anlaß nach Mattium zu kommen. Wegen der Römer fand sich auch Cäcina / und wegen des Hertzogs Melo sein Sohn Franck zu Mattium ein. Die Zusammenkunfft Adgandesters und Sentiens gleichte sich der Vereinbarung zweyer schädlicher Sterne / welche ihren schädlichen Einflüssen einen zweyfachen Nachdruck giebt. Die Ursache ihrer Ubereinstimmung in der Begierde Deutschlande zu schaden ist nicht nöthig zu erforschen / weil die Gemüths-Verknipfung allezeit aus der Gleichheit der Neigungen den Ursprung hat / Sentia aber solche Begierde mit der Mutter-Milch an sich gesogen / und Adgandester mit seinen Lastern eingeschluckt hatte. Nachdem nun beyde ihrem Vorhaben nichts vorträglicher [607] zu seyn hielten / als Catumers und Adelmundens Heyrath zu hindern schlug die mit allen Boßheiten schwanger gehende Sentia für / Adelmunden durch gewisse Artzneyen unfruchtbar zu machen. Denn / wenn diese Unfruchtbarkeit offenbar würde /welches sie zu entdecken riethe / würde weder Catumer Adelmunden verlangen / noch Arpus ihre Heyrath zugeben. Bliebe sie aber verschwiegen / hätte Adgandester zum wenigsten Hoffnung / daß wenn Catumer ohne Erben stürbe / er oder seine Kinder grosse Hoffnung zur erblichen Herrschafft über die Catten bekämen. Adgandester ließ ihm diesen Vorschlag leicht gefallen / und machten sie eine Gemeinschafft in dieser Boßheit zusammen / daß Adgandester die Unkosten / Sentia ihre Müh beytragen solte. Und wie schwer gleich Segesthes dazu kam / muste er doch zugleich mit in ihr Horn blasen / und einen Handlanger ihren Lastern abgeben. Also gleichet nichts besser einer Aegel / als ein Weib / welche zwar zuweilen unser Gesundheit zum Besten unser böses / aber mehrentheils zu unserm Verterb unser bestes Blut / nemlich die Liebe zur Tugend aussauget. Sentia maaßte sich ihres übernommenen Wercks schlau und vorsichtig an / und / weil der Werckzeug dem Werckmeister gemäß seyn muß / erkiesete sie eine aus Thessalien bürtige Griechin Astree / welche von einem in Asien dienenden Chauzen geheyrathet / und auf den Friesischen Schiffen von Smyrna in sein Vaterland gebracht / hernach vom Hertzoge Arpus Adelmunden ins Frauenzimmer gegeben worden war / daß sie ihr die Fertigkeit der Griechischen Sprache beybringen solte. Diese hatte mehr Witz / als ihr gut war. Denn wenn Weiber allzu verschmitzt / Melonen zu reiff werden / taugen sie beyde nichts. Sie hatte durch ihr Singen und Lauten-Spiel ihr alle Höflinge geneigt /durch ihre Heucheley und Dienstfertigkeit / welche hey dem Volcke den Nahmen einer Zauberey / bey der Fürstin aber ihre Würckung hatten / Adelmunden sehr angenehm gemacht / und durch ihre verschmitzte Erfindungen sich über ihr Geschlechte und beym Hertzog Arpus in grosses Ansehn gesetzt; so gar daß sie endlich die Vermessenheit hatte sich in die wichtigsten Geschäffte der Herrschafft einzuflechten. Weil nun ein Fürst der Bataver Cariovalda durch allerhand Erfindungen sie gewonnen hatte / war sie bemüht gewest zwischen ihm und Adelmunden eine Heyrath zu stifften / hätte auch sie beynahe dazu beredt gehabt /wenn nicht Hertzog Ganasch Cariovaldens Anschlag bey Zeiten erfahren / und solchen unterbrochen hätte /wiewohl Astree sich so rein zu brennen wuste / als wenn sie selbten mehr verhindert / als befördert hätte. Unterdessen hieß sie es im Hertzen nicht wenig / entweder weil sie weniger Macht am Hofe zu haben erfuhr / als ihre Vermessenheit ihr eingebildet hatte /oder weil sie den vom Cariovalda verhofften Vortheil zu Wasser werden sahe. Denn die / welche ihnen allzu viel zutrauen / halten alle ihre wiewohl thörichte Anschläge schon für ein Theil ihres Vermögens / und daher alle Mißlingungen für grossen Verlust. Sentia war hiervon nichts verborgen / weil sie mit Cariovalden in grosser Verträuligkeit lebte / und die Hand selbst mit im Spiel gehabt hatte. Weil sie nun wohl verstand / daß Rache und Geitz mächtig wären / auch sonst nicht böse Leute in Unmenschen zu verwandeln / dieser Astree Gemüthe zu ergründen / und ihr Vorhaben durch sie auszurichten. Weil die Boßheit aber in ihrem Thun allezeit mißträulich ist / und die ärgsten für tugendhafft angesehen seyn wollen / traute sie ihr nicht selbst iemanden ein so grosses Laster zuzumuthen. Einem boßhaften Weibe aber mangelt es niemals an Werckzeugen ihres gleichen. Sentia erkiesete hierzu einen Bataver / welcher der Astree in Cariovaldens Nahmen ein falsches [608] Schreiben mit einem paar kostbaren Ohrgehencke von Opalen / einhändigte /darinnen er von ihr nichts anders verlangte / als dem Uberbringer in allem völligen Glauben zu geben. Die Geschencke sind eine Mutter der Leichtgläubigkeit /und dieses bländete Astreen so sehr die Augen / daß sie nichts weniger als Cariovaldens Hand und Siegel prüfete. Als dieser Bataver sich von Astreen so bewillko t sah / sagte er ihr / die übergebene Kleinigkeit würde ein geringer Vorschmack gegen der Nachfolge seyn / wenn Cariovalda Astreen noch für seine alte vertraute Freundin schätzen möchte. Diese ließ sich hingegẽ nicht nur mit Betheur- und Anbietung grosser Dienste / sondern alsbald ihren Unwillen aus; daß es ihr mißgelückt hätte Cariovalden die Fürstin Adelmunde zuzuschantzen / und sie wüste nicht /ob sie für Grämung ihr bevorstehendes Beylager mit Hertzog Catumern überleben würde. Diese Offenhertzigkeit war dem Bataver rechtes Wasser auf Sentiens Mühle / daher hielt er nicht rathsam mit seinẽ habendẽ Befehle lange hinter dem Berge zu haltẽ / sonderlich weil die Geschwindigkeit böser Rathschläge Steuerruder ist. Er sagte daher / ihre Bekümmernüß wäre eben der Stein / welcher Cariovalden auf dem Hertzen läge / also die Ursache seiner Dahinkunfft umb von der klugen Astree Rath zu holen / was für ein Mittel seiner Verzweifelung abhelffen solte / weil seine vergällete Liebe und verletzte Ehre ohne vorhergehende Rache Adelmunden unmöglich vergnügt in frembden Armen sehen könte. Seine Zuneigung wäre zwar verloschen / und er sehnete sich nach einem widrigen Sterne nicht; aber hingegen brennte in seiner Seele die Rachgier lichterloh / und die Eiversucht fienge nun schon auch an zu lodern. Hierauf zohe er noch eine lange Schnure Bohnen- grosser Perlen herfür / und meldete; daß diese auf Adelmundens Beylager zu einem Sieges-Zeichen dienen solten. Astree antwortete: Sind sie so starck vergifftet; daß ihre Umblegung tödtlich ist? Der Bataver sagte: In keinerley Weise / weil diß Geschencke für Astreen / nicht für Adelmunden besti t wäre / welche Cariovalda auch nicht zu vergiften oder zu tödten verlangte. Was für ein ander Leid ausser dem Tode meynt er denn zu Abkühlung seiner Rache auskommentlich zu seyn? Ihre Meynung wäre: daß Rache / welche seines Feindes Tod überlebt / und sich nicht wil mit in seinen Sarch versperren lassen / unmenschlich / welche aber sich mit weniger als des Feindes Tode vergnügte / keine Rache / sondern nur eine Neckerey sey / welche den Beleidigten reitzete uns Schaden zu thun. Der Bataver schützte für: Cariovalda würde vergnügt seyn / wenn Adelmunde nur durch Astreens Beystand unfruchtbar gemacht würde. Denn diese Rache würde ihrer langsamen Würckung halber schwer zu ergründen / Adelmunden aber ein geschwinder Tod weniger / als die Grämung über ihre Unfruchtbarkeit empfindlich seyn; weil sie bey den fruchtbaren Deutschen für eine grosse Schande gehalten würde. Wenn Astree nun dieses ihrem hohen Verstande nach ausrichten könte / versicherte er sie / daß Cariovaldens bekandte Freygebigkeit gegen sie reichlich überströmen solte. Astree er klärte sich: Diese Kunst hätte sie schon längst an Schuhen zerrissen / und wenn diese Verrichtung ihr nicht ein Kinder-Spiel wäre / würde sie ihres Vaterlandes Thessalien nicht würdig seyn / wo die Zauberey eigentlich zu Hause wäre / und die giftigen Kräuter gantze Berge überschatteten. Der Bataver möchte sich den siebenden Tag bey ihr wieder angeben / so hoffte sie Cariovaldens Begehren schon erfüllet zu haben. Astree sparte inzwischen weder Kunst noch Mühe ein Wasser zu bereiten / welches die allerfruchtbarste Frau unfruchtbar zu machen vermocht hätte. Wie sie es nun auf den Morgen und so fort nach und nach Adelmunden unter dem Brunnen-Wasser /damit sie bey Tische ihren Wein zu [609] mischen gewohnt war / beyzubringen vorhatte / traumte ihr die Nacht vorher sie wäre in Thessalien / sa lete daselbst allerhand giftige Kräuter / und vergiftete einen Brunn; über dieser Beschäfftigung aber käme zu solchem Brunnen eine überaus schöne Schlange / welche auf dem Rückẽ gleichsam mit Perlẽ überstückt war / und am Kopfe zwey Ohrgehencke trug. Diese streichelte Astree / und weil sie so kirre war / hieng sie selbte umb den Hals; von welcher sie aber im Augenblicke erwürgt ward. Astree fuhr über diesem Traum mit Schrecken auf / und hatte darüber allerhand Nachdencken. Bald kam ihr in Sinn / daß weil einem in der Nacht ins gemein träumte / was man des Tages dächte oder thäte / hätte dieser Traum wenig auf sich weil sie etliche Tage und Nächte sich ihres Wassers halber mit vielerley Gedancken geschlagen hätte. Wie nun in Africa kein Wunder wäre / daß weil wegen Sparsamkeit des Wassers so viel unterschiedene Thiere an wäßrichten Orten den Durst zu leschen zusammen kämen / daselbst so seltzame Vermischungen erfolgten / und so abscheuliche Mißgeburten geboren würden; also hätte sie auch dieser ungemeine Traum nicht zu befrembden. Sintemal im Schlaffe die vielen Gedancken in das enge Gewölbe des Gehirns / wie die Dünste der Erden in die Lufft empor stiegen / und wenn sich ein Gedancke an den andern stiesse / so seltzame Träume gezeugt würden. Bald aber erinnerte sie sich / daß Gott ihrer vielen grosse Geheimnüsse im Traume entdeckt / und sie von gefährlichen Vorhaben abgemahnet / oder auch was heilsames entdeckt hätte. Insonderheit fiel ihr ein / daß der grosse Alexander im Traume das Kraut / wormit hernach Ptolomeus geheilet ward um Rachen eines Drachens gesehen hätte. Daß der noch sehr junge Sophocles im Traume vom Bacchus ein Trauer-Spiel zu schreiben war erinnert worden / welches ihm über seine Einbildung wohl gerathen. Ja daß Minerva im Traum seines Artztes den krancken Käyser August ermahnet der Schlacht bey Philippis beyzuwohnen / welcher sonst im Läger verlohren gegangen wäre. Ihr kam auch für / daß ein Traum dem Sylla seinen Tod angedeutet / und dem Pompejus die Pharsalische Schlacht zu liefern dadurch deutlich widerrathen hätte / indem ihm fürgebildet vorkam; wie er den Tempel der siegenden Venus /von welcher der Käyser seinen Ursprung herführte /mit allerhand Beuten ausputzte. Ja es klang der Astree stets in ihren Ohren die vom Sylla dem Lucullus gegebene Warnigung: Er solte von niemanden einen treuen und mehr den Stich haltenden Rath erwarten /als was die Götter ihn im Traume erinnerten. Hierbey erinnerte sie auch ihr Gewissen / dessen Regung sich in Boßhaften nicht bald auff einmal verlieret / daß die Verursachung der Unfruchtbarkeit so viel Todschläge in sich begrieffe / als die Unfruchtbare sonst hätte gebehren können. Denn es wäre im Wercke einerley /das lebende tödten / oder hindern / daß es nicht lebte /ja es wäre eine unmenschliche Grausamkeit / das ungebohrne / welches uns nie beleidiget hätte / ermorden. Nichts desto weniger leschte die Gewinn-Sucht bey Astreen alle diese Gedancken aus / ihre Scharffsinnigkeit heuchelte ihr mit dieser Beredung: Wie die Natur uns des Tages mit wahren Bildern ermunterte /damit wir nicht einschlieffen; also unterhielte sie uns des Nachts mit falschen Erscheinungen / womit man nicht zu zeitlich erwache. Zu dem könte man an dem /was kein Mensch wäre oder nicht lebte / ja gar nicht in der Natur wäre / keinen Todschlag begehen. Wenn aber ein Weib gleich schon empfangen hätte / wäre das empfangene noch lange kein Mensch / sondern[610] anfangs Blut / hernach so viel als eine Pflantze / denn erst ein Vieh / und endlich machte es die Vernunfft allererst zum Menschen. Diesemnach lehrten die Welt-Weisen / daß Eh-Leute / welche mit mehrern Kindern / als ihr Vermögen oder die Gesetze zuliessen / überlegt würden / solche abzutreiben befugt wären. Ja die Gesetze selbst strafften mit einer schlechten Geld-Busse diesen schlechten Fehler / oder vielmehr Fürsichtigkeit. Wie viel weniger könte scheltbar seyn /wenn sie die blosse Empfängnüß bey Adelmunden hinderte / und ihr nur diß / was viel Weiber ihnen selbst anthäten / welche sich unfruchtbar machten /daß ihre Bäuche nicht runtzlicht / ihre Brüste nicht aufgeschwellet / und ihre Antlitzer nicht entfärbet würden / sie auch so viel mehr ohne Hindernüß ihrer Geilheit abwarten könten. Eine solche verfluchte Unterredung hielt Astree mit sich selbst / und hiermit schlug sie alle vorige Furcht zu Bodem / also daß sie ihr folgenden Tag das vorgeno ene Laster auszuüben festiglich fürsetzte. Ihr träumte aber selbige Nacht /daß sie ihres Nahmens: Α᾽ΣΤΡΗΗ güldene Buchstaben versetzte / und daraus das Griechische Wort: ΑΡΤΗΣΗ welches heisset: du wirst gehenckt werden / heraus brachte. Dieser Traum schreckte sie derogestalt / daß sie ihren höllischen Vorsatz Adelmunden unfruchtbar zu machen gäntzlich änderte. Weil sie aber entweder für Schande hielt auch in Lastern unbeständig zu seyn / oder weil sie die empfangenen und noch zu erwarten habenden Geschenke sonst nicht mit Ehren zu behalten oder ferner anzunehmen getraute / schrieb sie an Cariovalden einen Brief / darinnen sie seine Freygebigkeit wegen überschickter unschätzbarer Perlen und Opalen / hingegen ihren Gehorsam in seinen Befehlen rühmte / und hierbey erzehlte; daß sie aus dem Harne eines Wieders / aus Weine / in welchem ein Meer-Barbe wäre erstickt worden / aus Eppich / Hirsch-Zunge und Farren-Kraute / ein so kräfftiges Wasser bereitet / und der Adelmunde zubereitet hätte; daß sie ihr Lebtage nicht schwanger werden könte. Wormit sie auch diesen Betrug so viel mehr bescheinigte / händigte sie dem Bataver eine ziemliche Flasche dieses verda ten Wassers ein; dessen Kräffte er an einem vorher fruchtbar gewesenen und zeitlich gebehrenden Thiere prüfen möchte / da er es denn bewährt befinden würde. Der Bataver brachte den Brief / und das Wasser Sentien /diese es Adgandestern / der Bataver aber machte sich aus dem Staube. Adgandester / dessen Boßheit / Sieg und Glücke gleichsam auf ihren Flügeln trugen / ward hierüber so hochmüthig; daß er mit sich selbst rathschlagte: Ob es für ihn dienlicher wäre; daß Catumer eine unfruchtbare Gemahlin heyrathete / und er da durch Hoffnung bekäme mit der Zeit zur Cattischen Herrschafft zu gelangen; oder daß durch Entdeckung dieses Lasters die Heyrath zwischen Catumern und Adelmunden / und zugleich die Freundschafft zwischen den Catten und Chaucen unterbrochen würde. Er schlug sich hierüber eine gantze Nacht mit seinen Gedancken / wie das Meer mit seinen eigenen Wellen / endlich aber gab seine Beysorge; daß der jüngere Fürst Catumer ihn aller Vermuthung nach überleben /und damit die Hoffnung seiner Erbschafft zu Wasser machen würde / den Ausschlag; daß gegenwertige Mispeln besser als künftige Datteln waren / also er ihm lieber aus alsbaldiger Zwytracht / denn aus künftiger Herrschafft Nutzen schaffen solte. So bald es tagte / verfügte sich Adgandester zum Grafen von Hohenstein / durch [611] welchen Hertzog Arpus Zeither das meiste mit ihm hatte handeln lassen. Diesem gab er zu verstehen: König Marbod hätte ihm Befehl zugeschickt dem Fürsten Catumer seine Tochter und einige Reichs-Erbin zur Gemahlin anzutragen. Hohenstein warff ein: Ihm wäre bewust: daß Adgandester ja dem Hertzog Flavius hiervon Hofnung gemacht hätte; dazu wäre ja Catumer schon mit Adelmunden verlobet / und der Tag zum Beylager bestimmet. Adgandester versätzte: beydes wäre wahr; aber keine Hindernüs seines Vorhabens. Denn weil bey seiner Ankunfft Catumer schon mit Adelmunden wäre vertiefft gewest; hätte er nicht ihm / sondern dem Flavius seines Königs Tochter antragen können; welcher aber an der ihn verlassenden Königin Erato so angefässelt wäre: daß er sein Glücke zu begreiffen / und sich eines gewissen zu entschlüßen nicht wäre mächtig gewest. Uberdis hätte sein König durch solche Heyrath nichts mehr gesucht / als mit dem gantzen Cheruskischen Hause in verträuliche Freundschafft zu gerathen; nach dem aber Flavius / seines Einrathens ungeachtet / mit dem Feldherrn öffentlich gebrochen und sich zu den Römern geschlagen hätte; wäre seinem Könige / welcher wider die Römer die deutsche Freyheit bis aufs Blut vertheidigen würde / die Verbindung mit dem Flavius nicht mehr anständig. Wegen Adelmunden aber hätte er ein solch Geheimnüs auf seinem Hertzen / welches sich niemanden / als dem Cattischen Hertzoge offenbahren ließe. Diesem Vortrage gab er durch Geschencke und Vertröstungen einen solchen Nachdruck / daß Hohenstein solchen alsbald / und ehe er noch die Hindernüs der mit Adelmunden geschlossenen Vermählung erfuhr / seinem Hertzoge als eine zu überlegen nöthige Sache vortrug. Hertzog Arpus sahe anfangs den Grafen von Hohenstein sauer an / so daß er ihm sagte: Wer Fürsten was riethe / müste nicht irren; Fürsten aber in Sachen / die ihre und der Ihrigen eigene Person angiengen / niemanden als ihre eigene Ehre zu rathe nehmen Hohenstein konte ohne Undanck Adgandestern diese schlechte Abfertigung nicht verschweigen / welcher sich aber in seinem Vorhaben dadurch wenig irre machen ließ. Denn er wuste bey Fehlschlagung eines Streiches / aus dem Steigereiffen bald eine ander Fahrt zu finden. Weil Hertzog Arpus ihm nun allzu männlich war / machte er sich an das Geschlechte / welches von der Natur mehr Schwachheit des Verstandes / aber mehr Kräfften der Begierden empfangen haben soll. Er hatte vorhin schon durch seine Freygebigkeit die Gräfin von Regenstein gewonnen / welche in dem Cattischen Frauen-Zimmer bey der Hertzogin Erdmuth den meisten Stern hatte. Durch diese brachte er der Hertzogin bey / daß er ihr ein Geheimnüs zu entdecken hätte / daran ihres gantzen Stammes Wolfahrt und Untergang hienge. Weil nun die Neubegierigkeit ein solch Verlangen auch nach bösen Zeitungen hat / als schwangere Weiber an Kreide und andern Dingen Geschmack finden /worvor gesunde Magen Abscheu haben; kriegte er noch selbigen Abend bey der Hertzogin Erdmuth Verhör. Dieser reichte er alleine Astreens an Cariovalden geschriebenen Brief mit dem dazu gehörigen Wasser /mit Bitte selbten zu lesen; und hierauf zu urtheiln: Ob er als ein Fürst und Freund des Cattischen Hauses ferner gehört zu werden verdiente. Erdmuth erblaßte und erstaunete bey Uberlesung dieses Schreibens so sehr /daß sie die empfangene Flasche Wassers aus der Hand fallen ließ. Welche aber Adgandester auffieng /und sich beklagte / daß durch Verwahrlosung dieses zauberischen Wassers ein grosser Abbruch der Warheit und seiner Aufrichtigkeit geschehen seyn würde. Erdmuth hatte inzwischen die Gedult nicht den Brief auszulesen / sondern rauffte ihr die Haare aus / und stellte sich so ungeberdig / daß ihr Frauen-Zimmer aus dem [612] Neben-Zimmer zugelauffen kam. Adgandester suchte sie möglichst zu besänfften / und sagte ihr: Ungedult wäre keine Artzney / sondern eine Verärgerung des Ubels. Dieses würde auch unheilbar werden / wenn es die Hertzogin nicht mit dem Pflaster der Geheimhaltung zu verbinden wüste. Er wolte aber ihrem Schmertzen Zeit / und ihrer Vernunfft sich zu erholen Lufft lassen / und so deñ hoffentlich dieser Kranckheit noch eine lindernde Artzney an die Hand geben. Erdmuth lief mit thränenden Augen und schlagendem Hertzen zum Hertzog Arpus / und weil sie der Schmertz stumm gemacht hatte / muste Astreens Brief Redner für sie seyn. Arpus ward hierüber gleichfals wie von einem Donnerstrahle gerührt. Er stand eine gute Zeit ohne Bewegung / und die erste war ein aus dem innersten Hertzen geholeter Seuffzer. Hierauf brach er in diese Worte aus: Ist es möglich /daß der Himmel so verteufelte Gemüther einen Tag Lufft schöpfen läßt / welche der Natur Gewalt anthun? Warumb lässet diese zu ihrer eigenen Entkräfftung so schädliche Kräuter wachsen? Welch höllischer Geist hat der menschlichen Boßheit so schädliche Geheimnüsse entdeckt? Welches wird uns anständiger seyn; unsere Zusage zu brechen / oder unser Geschlechte vergehen zu lassen? Noch viel kläglicher gebehrdete sich Erdmuth / also / daß ob zwar Arpus ihr einen ihm selbst nicht hertzlichen Trost zusprach / sie nicht zu besänfftigen war / und er sie also zur Ruh zu bringen befehlen muste. Er selbst verschloß sich in sein innerstes Zimmer / sonder einigen Menschen fürzulassen: Seine Einsamkeit aber war mit etlichen tausend Gedancken und Rathschlägen beunruhigt. Bald schien ihm Astreens Laster /welche er und Catumer nie beleidigt / ihr aber offt Wolthaten erzeugt / unglaublich / und Adgandesters Angeben verdächtig zu seyn. Aber Astreens ihm mehr als zu wol bekandte Hand verstrich leicht dieses Bedencken. Er konte Cariovalden als einem Fürsten eine so schwartze Boßheit nicht zutrauen / aber weil er von seiner zur Adelmunde getragenen Liebe gute Wissenschafft hatte / schien ihm nichts zu abscheulich zu seyn / was die Eyversucht nicht gebehren könte. Mit Adgandestern wäre zwar vorsichtig umbzugehen; aber seiner Offenbarung Aufrichtigkeit zu prüfen / welcher aus einer unfruchtbaren Eh des Fürsten Catumers so viel Vortheil zu hoffen hätte. Ein Gran Mißtrauens wäre wol gut / aber mehr eben so wol als Gifft in Artzneyen schädlich. Nach dem nun Arpus lange mit sich selbst gestritten / aber sich nicht zu vergleichen vermocht hatte; berief er den Grafen von Hohenstein / ob er gleich verstand: daß Fürsten bey grossen Gemüths-Regungen sich niemanden sollen sehen lassen. Diesem wieß er Astreens Schreiben /und sagte: dieses ist das vermuthete Geheimnüs Adgandesters. Hohenstein laß selbtes mit grosser Entsetzung / und ob wol kluge Räthe ihrer Fürsten / was sie wollen / an den Augen ansehen sollen / wuste er ihm doch aus des Hertzogs Anzeigungen nichts zu nehmen. Hohenstein aber / welcher nicht weniger Hertze als Vernunfft hatte / fieng zum Hertzoge Arpus an: Es ist in Warheit dieses ein so unvermuthetes Unglück /welches einem bey klarer Lufft sich ereignendem Donnerschlage zu vergleichen; bey welchem es auch hertzhafften zu verzeihen ist / wenn sie darüber auffahren. Alleine ein Weiser muß doch solche Veränderungen sich nicht gantz aus den Angeln seines gesätzten Gemüthes heben lassen / sondern bey Epp und Flutt der menschlichen Zufälle ein so gleiches Gesichte und einen unerschrockenen Geist behalten als ein Schiffer beym Sturme / welcher das Steuer-Ruder nicht aus der Hand fallen / noch selbtes der Höfligkeit der Wellen überläßt / sondern des Ungewitters Meister zu werden sich bemühet. Die schleichenden nicht die mit grosser Hefftigkeit ansätzenden Kranckheiten wären die gefährlichsten; und in diesen verführte uns auch öffter [613] Verzweifelung als Hoffnung. Die / an welchen man stürbe / und daran man genesete / hätten einerley Ursprung. Daher / wenn man alle mögliche Mittel angewendet / wäre am rathsamsten Gott ohne knechtische Zagheit den Ausschlag heimzustellen /und sich in gutem Vertrauẽ in die Hände des Verhängnüsses zu werffen. Fürnemlich hätte Hertzog Arpus in diesem nicht aus seiner Schuld / sondern frembde Boßheit herrührendem Ubel guten Muth zu schöpffen Ursache. Denn nichts als unsere Fehler wären unser Unglück. Wer durch anderer Arglist nicht durch eigene Unvernunfft umb etwas käme /wäre viel glücklicher / als der durch Laster grosse Dinge ausübte. Zu geschweigen / daß offt was die Stirne keines geringen Unglücks hätte / uns zum besten gereichte. Daher müste man nicht allemal das Glücke rechtfertigen / aus was Ursachen sie dis oder jenes schickte. Weiter wolte sich der Graf von Hohenstein dismal nicht vertieffen / sondern die ersten Gegungen durch die Zeit ein wenig abkühlen / wie auch des Hertzogs und des Hofes Neigungen besser herfür kriechen lassen. Weil nun Hertzog Arpus der Sache nachzudencken / und folgenden Morgen mit ihm Rath darüber zu halten sich vernehmen ließ / bat er den Hertzog; er möchte zum wenigsten den klugen Fürsten Jubil / welcher wegen der ihm verlobten Fürstin Catta an dieser Sache nicht wenig Theil hätte / dazu ziehen; theils weil er ein so wichtig Werck / und damit alle Gefahr nicht allein seinen Schultern aufzuhalsen / theils den Fürsten Catumer zu dem / wohin er zielte / ohne grosse Zuthat zu bringen getraute. Die Nacht hatte Hertzog Arpus und die fürnehmsten des Frauen-Zimmers mehr denn zu viel mit der Hertzogin Erdmuth zu schaffen / umb die heftigen Aufblehungen ihres Unmuths nur ein wenig zu besänfftigen. Welches diesen desto schwerer fiel / weil sie die Ursache einer so ungemeinen Bestürtzung weder wusten / noch darnach fragen dorfften. Daher wusten sie der mehrmals in Ohnmacht fallenden Hertzogin wenig anders einzuhalten; als daß der neue Schmertz zwar wehklagens würdig wäre / uñ die Trauernüs endlich zum Troste diente / gleichwol aber auch bey eusersten Ubeln das Gemüthe zu befestigen / insonderheit aber von Fürsten ein Unglück viel hertzhaffter als von gemeinen Leuten aufzunehmen wäre. Hertzog Catumer kriegte von diesen Verstellungen zwar Wind / weil aber der Graf von Hohenstein gegen ihn seine Unwissenheit fürschützte / wuste ihm keine Seele die Ursache zu sagen. Früh als sich Hertzog Arpus mit dem beruffenen Jubil und Hohenstein in der Hertzogin Gemache mit einander verschlossen / ward ihm die Sache / daß sie ihn angehen müste / weil er wider Gewonheit von dieser Heimligkeit ausgeschlossen würde / ihm auch von etlichen Tagen her das Hertze sehr schwer gewest war / desto verdächtiger; daher er sich mit tausenderley Gedancken zu schlagen anfieng. Unterdessen wieß Hertzog Arpus dem Fürsten Jubil der Griechin Brief und Wasser. Es ist unschwer zu ermäßen / was dieser Fürst / welcher mit der Tugend in festem Bündnüsse stand / und die Fürstin Adelmunde überaus hoch hielt / hierüber für Empfindligkeit fühlte. Seine erste Frage war: Ob eine so schwartze That möglich zu glauben wäre / woher dieser Brief käme /und ob auch dis die wahre Handschrifft der Griechin wäre. So bald er nun vernam / daß er aus Adgandesters Händen käme / sagte er: es wäre dis sonder Zweifel eine Verfälschung dieses betrieglichen Feindes aller redlichen Leute. Aber die Hertzogin Erdmuth brachte mehr als zwantzig von dieser Griechin an sie abgelassene Briefe herfür / welche an Schrifft und Siegel mit dem ihr Laster bekennenden Schreiben auf ein Haar überein kamen / also daß Hertzog Jubil daran zwar nicht zweifeln konte / aber urtheilte: die Erfindung dieses Schelmstücks rührte sonder Zweifel von Adgandestern her / welcher [614] die Boßheit erfunden / welche jene ausgeübt. Hertzog Arpus mühte sich ihm dis auszureden; weil Adgandester selbst der Entdecker dieses Bubenstücks; niemand aber so unsinnig wäre sein eigenes Laster zu verrathen. Alleine Jubil antwortete: es wäre nichts neues sein eigenes Laster mit anderer Beschuldigung verhüllen / und seinem Werckzeuge vom Brodte helffen. Hertzog Arpus fieng an: dieses würde nielleicht die Zeit und das peinliche Gerichte über die Griechin eröffnen; nun aber wäre zu berathschlagen / was zu thun; ob beyzeite nach der Griechin zu greiffen / und Catumern dis Geheimnüs zu entdecken wäre? Sie waren im ersten leicht einig sich alsbald der Ubelthäterin zu versichern; weil einer Ubelthat ihnen bewuste Leute stets furchtsam / und bey jedem sich rührenden Winde argwöhnisch wären /also sie leicht entkommen / und dardurch die Warheit dieses Lasters zu unsäglichem Nachtheile des Cattischen Hauses streitig machen könte. Hertzog Jubil übernam auch selbst beym Hertzog Ganasche ihre Bestrickung zu verschaffen; und diesem Laster auf den Grund zu kommen. Ob nun wol Hertzog Arpus dis /was er auf erwiesenen Fall solcher Unfruchtbarkeit zu entschlüssen willens wäre / nicht mercken ließ; so spürete doch Hohenstein zum theil seine Neigung aus. Denn wie ein Fürst wissen soll sein Gemüthe zu verbergen / also ist der kein kluger Diener / der es nicht zu ergründen weiß. Diesemnach warf Hohenstein inzwischen alsbald zu überlegen auf / ob es nicht rathsam wäre / dieses wichtige Ding dem Fürsten Catumer alsbald zu entdecken / und dafern das Laster wahr gemacht würde / ihn beyzeite zu gewinnen von dieser Heyrath abzustehen; ehe er durch andere Meinung eingenommen würde. Denn die erste / wie irrig sie gleich wäre / meinte stets im menschlichen Hertzen ein Vorrecht zu haben / und wäre so schwer als der Geruch aus einem mit was angemachten Gefäße zu bringen. Insonderheit wäre nichts hartnäckichter als die einem zarten Hertzen eingedrückte Liebe /welche sich insgemein so schwer aus dem Gemüthe /als ein Geburtsmaal aus dem Gesichte bringen ließe /und öffter verdeckt als vertilgt würde. Erdmuth / welche nicht nur wuste / wie hefftig ihres Sohnes Liebe gegen Adelmunden loderte / sondern auch selbst sie inbrünstig lieb hatte / fieng hierüber an: Was würde durch Zerstörung dieser dem Fürsten Catumer nicht für Hertzeleid / und der unschuldigen Adelmunde nicht für unrecht angefügt werden? Ich gestehe es /antwortete Hohenstein; aber / würde durch Vollziehung einer unfruchtbaren Heyrath nicht dieses Cattische Hauß über einen Hauffen geworffen werden? Dieses zu erhalten / müste man alle vermeinte Vergnügungen zerstören / und alle seine Behägligkeit der gemeinen Wolfahrt aufopffern. Jubil ward dem Hohenstein beyzupflichten gleichsam gezwungen / damit er nicht den Schein von sich gäbe / als wenn er bey ausleschendem männlichen Stamme die Cattische Herrschafft in der Fürstin Catta an sich zu ziehen lüstern wäre. Daher sätzte er bey: Hohenstein riethe hierinnen als ein treuer Diener. Ein Fürst müste ihm weh thun / daß seinem Hause und Reiche wol sey. Und also würde auf allen Fall sich nur auch Catumer bescheiden müssen; daß / weil er der einige Sohn des herrschenden Hauses über die Catten sey / er diesen ihm von GOtt zu geworffenẽ Vortheil nicht zu desselben Untergange mißbrauchen müste. Hertzog Arpus fieng hierauf an: Fürsten sind keinem Gesätze unterworffen als diesem Höchsten; daß er sein Hauß uñ sein Volck erhalte; Er befahl auch dem Grafen von Hohenstein / daß er bey Catumern deshalben das Eiß brechen solte. Ob er nun zwar bey diesen Fürsten einen schweren Stand zu haben vorher sah / verließ er sich doch auf den Befehl seines Herrn / uñ auf sich selbst. Hertzog Jubil verfügte sich geradẽ Weges zum Herzog Ganasch / Hohenstein aber zum Fürsten Catumer. Diesen [615] fand er in seinem Zi er einsam und schwermüthig. Hohenstein hatte nur die Schwelle überschritten / als der Fürst anfieng: Ob er ihm käme das Verbrechen zu sagen: warumb man einen Erb-Fürsten aus dem geheimen Rathe ausschlüße / darein man einem Frembden und einem Unterthanen den Eingang erlaubte! Hohenstein antwortete: Seine Ehrerbietigkeit gegen ihn wäre nicht geringer als sein Gehorsam gegen seinen Herrn; daher würde er sich nimmermehr unterstehen einen so schädlichen Werckzeug abzugeben. Seine Verrichtung aber würde nicht weniger seine Unschuld / als des Hertzog Arpus Vorsicht rechtfertigen / warumb er den Fürsten nicht so bald ihrer Bekümmernüs theilhaftig gemacht; Weil sie ihn am meisten angienge / und daher ihm am empfindlichsten seyn würde. Catumer erholete sich hierüber / und sagte: So solte er ihm denn ohne ferneren Umbweg solches länger nicht verschweigen; weil der verborgene Vorschmack eines Ubels allezeit unleidlicher wäre / als das Ubel selbst. Hohenstein antwortete: Es wäre leider grösser / als die Beysorge es ihm fürbilden könte. Denn es hätte eines zauberischen Weibes Boßheit die unvergleichliche Fürstin Adelmunde in einen solchen Zustand gesätzt / daß sie ihn zuheyrathen nicht mehr fähig wäre. Catumer fuhr hierüber auf: Was für einen blauen Dunst wil man mir für die Augen mahlen? was für ein Laster weiß die Verläumbdung der tugendhaftesten Fürstin in der Welt anzutichten; von welcher ich erst für wenig Augenblicken ein eigenhändiges Zeugnüs ihres Wolstandes und ihrer Treue empfangen habe. Es wäre dis der erste Streich derselben Diener / welche ihrem Herrn zu Kopffe wachsen wolten; daß sie den Lasterhafften die Pforten der Eyre öffneten / für Tugendhafften aber die des Hofes versperrten. Hohenstein aber verhörte dis als eine ihn nicht angehende Beschuldigung / und sagte: Wolte Gott! die tugendhaffte Adelmunde wäre so frey von Gebrechen des Leibes als des Gemüthes. Sie trägt leider ohne ihre und der Natur Schuld was an sich / was sie nicht weiß / und / wenn wir es nicht wüsten / unser und Catumers euserstes Unglück wäre. Wir sind aber dem göttlichen Verhängnüsse hoch verbunden / daß er es uns hat lassen zur Wissenschafft kommen. Catumer konte es gar nicht begreiffen / und daher stieß er nicht ohne Ungedult aus: so lasse man mich doch auch dis seltzame Ubel wissen / welches durch die Wissenschafft seine Schädligkeit verlieren soll; da sonst die Unwissenheit der Ubel und der Gefahr insgemein ein Theil der Glückseeligkeit und ein Mittel des Heiles ist. Hohenstein wolte nicht länger hinter dem Berge halten / sagte ihm also: daß die zaubrische Astree Adelmunden unfruchtbar / und hiermit zu ihrer höchsten Bestürtzung und gantz Deutschlandes Unheile ihrer beyder Heyrath zu Wasser gemacht hätte. Catumer erblaste / erstarrte und verstummte hiermit auf einmal / konte sich auch nicht erholen / sondern ließ Catumern stehen / und verschloß sich in sein innerstes Gemach / in welchem er /nach dem er aus seiner Gemüths-Verwirrung nur ein wenig zu sich selbst kam / mit den Anfechtungen der Liebe und der Staats-Klugheit so viel zu kämpffen bekam / daß er sich aus solcher Verwirrung nicht auszuwickeln wuste.

Mitler Zeit kam der Hermundurische Fürst zum Chaucischen Hertzoge / und sagte ihm: daß die Wolfahrt Deutschlandes und die Ehre seines Hauses erforderte Astreen wegen eines grausamen Lasters / dessen er sie im Augenblicke überzeugen wolte / für sich zu erfordern / und bey ihrer Erscheinung augenblicks Anstalt zu machen all ihr Geräthe zu versiegeln. Dem Hertzoge Ganasch kam zwar dis bedencklich für /weil er aber wegen des mit Cariovalden gepflogenen Verständnüsses Zeither ein argwöhnisches Auge auf Astreen gehabt hatte / und gegen dem Hertzoge Jubil nicht gerne einig Mißtrauen [616] blicken lassen wolte / befahl er alsbald Astreen zu erfordern. Diese war in ihrer Boßheit schon so abgehärtet / daß ihr Gewissen mehr keine Regung fühlte / und daher fand sie sich mit lachendem Munde und freudigem Geiste ins Zimmer ein. Hertzog Jubil fragte sie alsofort: wie lange es wäre / daß sie vom Fürsten Cariovalda das letzte Schreiben bekommen hätte? bey dieser Frage schoß Astreen derogestalt das Blat / daß ihr Antlitz alle Röthe / und ihre Zunge die Sprache verlohr; also dieses ihrer Frechheit sonst ungewohnte Schrecken sie auch beym Hertzog Ganasch eines bösen Gewissens schuldig machte. Nach einem langen Stillschweigen antwortete sie endlich: Sie hätte seit der Zeit / daß Cariovalda dem Chaucischen Hause für unanständig wäre geachtet worden / mit ihm keine Briefe gewechselt. Denn sie hätte allezeit für Klugheit geachtet sich nicht weniger der Unglücklichen zu entschlagen / als im Spiele böse Karte wegzuwerffen / weil das Unglück insgemein ein Kind und Laster der Thorheit /dis aber nicht allein anfällig wäre / sondern auch die Unart hätte / daß mit einem ihrer hundert einschliechen. Jubil hielt für rathsam bey ihrer Bestürtzung mit Nachdruck auf sie zu dringen / und dieser arglistigen Meisterin schlimmer Tücke nicht viel Lufft zu lassen /zohe daher ihren Brief herfür / und fragte: Ob sie solchen nicht für ihre Hand und Siegel erkennte? Astreen war dieses zwar ein Donnerschlag ins Hertz / aber nach dem die erste Heftigkeit des unversehnen Sturmes vorbey war / behielt sie wie die einmal von dem Froste bereifften Gewächse einerley Farbe; Leugnete also mit frecher Gebehrdung beydes Hand und Siegel. Jubil brachte alsbald unterschiedene andere Briefe herfür / und fragte: Ob sie denn auch in diesen ihre Schrifft und Petschafft leugnete? Astree ward hierüber aufs neue blaß; denn ob sie ihr zwar das mit Gefahr begangene Laster mit Hartnäckigkeit auszuleschen vermeinte / stehet doch die Boßheit niemals auf festem Fusse. Insonderheit traute sie in diesen ihre Hand und Siegel nicht zu verneinen / weil die Ausschrifft ihr zeigte: daß sie an die Hertzogin Erdmuth geschrieben waren. Jubil nam ihr Zugeständnüs alsofort für bekandt an / hielt also den ersten Brief gegen diese; und sagte: Ob sie nunmehr ohne euserste Unverschämigkeit nicht bekennen müste: daß eine Schrifft so wie eines Menschen Auge / oder ein Ey dem andern ähnlich wäre! Astree versätzte: die Boßheit der Menschen wäre in Nachmahlung anderer Hände so hoch gestiegen; daß einer selbst eine falsche Schrifft für seine eigene ansehen solte. Jubil aber begegnete ihr: Wenn diese Ausflucht gielte / würde niemand mit seiner eigenen Hand / welche in Rechten der kräfftigste Beweiß wäre / überwiesen werden können. Weil sie aber die Aehnligkeit beyder Schrifften zugestünde / wäre sehr verdächtig / daß sie den ersten Brief geschrieben zu haben geleugnet hätte / ehe sie ihn gelesen. Astree schützte für: weil sie an Cariovalden nie geschrieben / hätte sie den Inhalt zu erforschen nicht nöthig gehabt. Aber / sagte Jubil / hätte sie doch nicht einst die Uberschrifft / daß sie an Cariovalden lautete / gesehen. Astree versätzte: Weil er sie bald anfangs umb die Briefwechselung mit Cariovalden befraget / hätte sie kein anders von dem vorgezeugten muthmaßen können. Jubil fieng hierauf an: Weil denn deine Schrifft dich zu überweisen nicht genung seyn soll; so wollen wir das Siegel durch Aufdrückung deines eigenen Siegel-Ringes prüfen. Astree trug selbten am Finger / und also konte sie sich nicht weigern selbten herzugeben: welcher sich denn in das gedrückte Wachs vollkommen schickte. Sie aber schützte für; daß sie schon für zwey Jahren einen verlohren hätte. Welchen jemand zu ihrem Nachtheile hätte mißbrauchen können. Aber Jubil hielt ihr ein: Was denn dis für ein grosser Künstler gewest wäre /der den letztern dem ersten so gleich hätte [617] machen können; daß er keines Sonnen-Staubes groß vom vorigen verändert wäre! Astree warf zu ihrer Ausflucht ein: Auch das neue hätte ihr niemand nachstechen köñen / weil die Künstler so gar das aufgedruckte Wachs in Ertzt einzudrücken wüsten. Jubil aber hielt ihr ein: Woher sie diese Träume erweisen wolte? die am Tage liegende Warheit ließe sich auf diese Art nicht verfinstern / und alle ihre Glieder würden die Boßheit ihrer Zunge verfluchen; daß sie durch unverschämte Verneinung der Warheit ihnen so viel Pein zuzüge. Hierauf ließ er auch die von ihr gefüllte Flasche Wasser herbringen / mit beygesätzter Frage: Ob dieses nicht ihr Gemächte; und zu was für einem Laster selbtes bereitet wäre? Aber auch dis waren Astreen nie gesehene und gleichsam aus der Höle der Monden Berge hergeholete Dinge. Hertzog Ganasch hatte Zeither allein zugehöret / nunmehr aber konte er seine Begierde Astreens Laster zu erfahren nicht mehr hinterhalten. Welchem denn Hertzog Jubil Astreens an Cariovalda geschriebenen Brief mit diesen Worten einhändigte: Wolte Gott! ich dörffte einen so redlichen Fürsten nicht mit einem so grausamen Bubenstücke betrüben! Hertzog Ganasch erblaßte über diesem Schreiben / und wäre mit den Worten: O höllische Unholdin / Astree! gleich als er vom Schlage gerühret würde / zu Bodem gefallen / wenn ihn nicht Jubil noch gefangen hätte. Weil dieser sich mit jenem armte / schlingete ihr Astree ein Tuch um den Hals /und war bemüht sich zu erwürgen. Also hat nicht nur innerlich das Gewissen / sondern auch in verzweifelten Wercken jedes Laster die Straffe der Boßheit in sich / und sie hält es noch für Gewinn / wenn sie das andern eingeschenckte Gifft auszutrincken das Glücke hat. Aber Jubil / welcher den Hertzog Ganasch auf einen Stul brachte / ward Astree gewahr / und hinderte ihr verzweifeltes Vorhaben / gab auch zugleich ein Zeichen / daß die im Vorgemache aufwartenden Edelleute ins Zimmer kamen. Ganasch hatte inzwischen ein wenig Lufft geschöpfft / befahl / daß man die verfluchte Zauberin Astree mit Händ und Füssen in Fessel schlagen / und den Schlüssel zu ihrem Gefängnüsse ihm selbst zur Versicherung einhändigen solte. Er selbst verfügte sich mit dem Hertzoge Jubil in ihre Zimmer / bey welcher Durchsuchung sie nicht nur die in Astreens Schreiben angezogene Perlen und Opalen / sondern auch gar noch eine gantz gleiche Flasche des verfluchten Wassers fanden. Ganasch konte bey so gestalten Sachen am verübten Laster nicht mehr zweifeln; daher bemeisterte ihn der Schmertz so sehr /daß er ihm die Haare ausrauffte / mit dem Kopffe wider die Wand lief / und von einem unsinnigen Menschen wenig unterschieden war. Bald schüttete er die grausamsten Flüche auf Astreen aus / bald beklagte er das Unglück seiner so lieben Tochter / bald sein eigenes Elend. Bald wandelten seine bösen Wünsche sich in Wüten / seine Ohren waren gegen allen Trost verstopfft / Hertzog Jubil hielte ihm zwar ein: die Verzweifelung als die letzte Raserey der unvernünfftigen Unglücks-Kinder stünden keinem ehrlichen Manne /weniger Fürsten an / und sie hülffe dem Unheile nicht ab / sondern sie vergrösserte es / und machte aus einem zwey. Er solte nicht vergessen / daß er Ganasch wäre / nemlich derselbe Hertzog / der vielen ihr Unglück so kräfftig auszureden gewüst hätte. Es wären aber schlechte Aertzte / die andere nicht sich gesund zu machen wüsten. Das thörichste Genesungs-Mittel aber wäre eine Bestürtzung / die keine Hoffnung hätte. Alleine seine Brust kochte von den holen Seufzern / die Augen aber waren versteinert / daß sie mit dem Schmertze nicht eine Thräne ausschütten konten. Weil nun Hertzog Jubil mit dem Hippocrates einerley Meinung war / daß man verzweifelte Leute nicht mit Artzney übereilen solte; überließ er zweyen seiner vertrautsten [618] Edelleute die Beobachtung des Chaucischen Hertzogs / mit der Erinnerung: daß weil seine Ungedult aus einem grossen Geheimnüsse herrührte /sie niemanden anders keinen Zutritt erlauben solten. Hiermit verfügte sich Hertzog Jubil an den Cattischen Hof / und erzehlte dem Hertzoge Arpus; wie leider! Astree / ungeachtet ihres Leugnens / durch so viel handgreifliche Merckmaale ihres Lasters überwiesen worden / und ihr vorgehabter Eigen-Mord an statt des Bekäntnüsses wäre. Dem Hertzoge Arpus und seiner Gemahlin wurden hierdurch aufs neue ihre Wunden aufgerissen / und diese wolte nun fast in Thränen zerrinnen. Jener aber sagte: Es wäre dieser Zufall leider zwar ein grosses Unglück / aber man müste aus einem nicht ihrer zwey machen. Adelmunde wäre deswegen von aller Welt würdig zu beweinen / wie von denen vollkommensten Fürsten zu lieben / aber von dem /der einen Stamm fortpflantzen solte / nicht zu heyrathen. Liebe wäre zwar das Siegel der Ehren / aber nicht ihre End-Ursache. Daher ersuchte er den Fürsten Jubil / er möchte dem Hertzoge Ganasch vernünfftig vorstellen: daß bey so gestalten Sachen Catumers und Adelmundens Heyrath ihren Fortgang nicht haben könte / und dem Grafen von Hohenstein befahl er Catumern diesen seinen Schluß vernünfftig beyzubringen. Dieser machte die bisher stumme Fürstin Erdmuth redende / daß sie anfieng: Werden wir aber nicht auf solche Weise unsern Sohn aller Vergnügung / die unschuldige Adelmunde aber ihrer Ehre und Lebens berauben? Hertzog Arpus aber antwortete ernsthafft: Es wäre ein Urtheil der Wahnsinnigen ihm lieber an wolschmeckenden Sachen den Tod / als an Rhabarbar sich gesund essen. Erdmuth verlohr hiermit das Hertze was ferner einzuwenden; verfügte sich aber dem Hohenstein zum besten zu ihrem Sohne / und brachte ihm nichts wider die Warheit des Unglücks als den Vorschmack des väterlichen Schlusses bey / durch welchen er so verwirret war / daß er selbigen Tag und Nacht keinẽ Menschen / und darunter auch den Grafen von Hohenstein nicht vor sich lassen wolte. Folgenden Tag ließ er ihn vor / er war aber so verstellt /daß niemand frembdes ihn für den sonst so freudig und freundlichen Fürsten angesehn hätte: Hohenstein gab sein Mitleiden über Catumers Traurigkeit zu verstehen / und ersuchte ihn selbte zu mäßigen. Denn diese wäre eine der gefährlichsten Schiffbruchs-Klippen eines Fürsten. Catumer fragte: Ob es denn gewiß wäre / daß Adelmunde von Astreen wäre unfruchtbar gemacht worden? Hohenstein antwortete: Sie leugnete es zwar / aber Hertzog Jubil hätte mit solchen Gründen sie überwiesen: daß sie sich selbst hätte erwürgen wollen / und Hertzog Ganasch sie in Band und Eisen schlüßen lassen. Hilf Himmel! Ist dieses wahr; wie mag man bey dem grösten Unglücke der Welt meinem Trauren Mängel ausstellen! Es ist ein grosser Irrthum sich über dem nicht bekümmern / was durch kein Mittel zu heilen wäre. Hohenstein versätzte: Hoffnung wäre des menschlichen Lebens Zehr-Pfennig / und er hätte am Hertzoge Arpus einen so holden Vater / welcher alle seine Sorgen zu Verminderung eines so grossen Unglücks anwendete. Catumer fiel ein: Was für eine Verminderung wäre wol in einem so unermäßlichen Ubel auszusinnen! Hohenstein gab zur Antwort: Freylich wol keine andere / als wenn Hertzog Arpus mit dem Chaucischen Hertzoge ein freundliches Vernehmen träffe / daß er mit der unglücklichen Adelmunde die Eh nicht vollziehen dörffe. Catumer fuhr hiermit auf: Was! wil man meine Bestürtzung durch ein so grausames Mittel in Verzweifelung verwandeln! Wil man nach verlohrner Hoffnung und Freude meiner Eh / mir nun auch mit meiner Treue meine Ehre rauben / und mit Adelmunden mir das Hertze aus dem Leibe reissen! Wil man mich [619] unglücklichẽ hierdurch nun auch zu einem Eydbrüchigen machen; welchen Hertzog Ganasch anzufeinden / Adelmunde zu verfluchen / die Welt zu verachten / der Himmel zu verdammen das beste Recht haben würde. Hohenstein begegnete ihm: Catumer möchte doch kein schärffer Richter wider sich selbst seyn; als kein Mensch in der Welt wäre. Das Recht der Völcker stünde auf seiner Seite; die Billigkeit redete ihm das Wort / und alle Chaucen würden bekennen müssen: daß ein Mann so wenig eine wissentlich unfruchtbare Braut / als ein Weib einen unvermögenden Mann zu heyrathen schuldig; ja die zwischen solchen Leuten vollzogene Ehen ungiltig wären / und ein unfruchtbar Weib mit gutem Fug verstossen würde. Dieses wäre Bürgern ja dem Pöfel verstattet / wie solte es denn Fürsten unanständig seyn / da die Fortpflantzung ihres Stammes die Wurtzel der allgemeinen Wolfahrt wäre. Catumer brach ein: dis möchte vielleicht noch verantwortlich seyn / wenn eine schon für ihrer Eh-Versprechung unfruchtbar gewest / und wissentlich diesen Gebrechen verschwiegen hätte. Was aber hätte der vollkommenen Adelmunde bey ihrer Verlobung gemangelt? Wäre diese tugendhaffte Fürstin nicht an diesem Unglücke unschuldig? daher erkennete er sich in seinem Gewissen überwiesen / von der Tugend verurtheilt: daß er Adelmunden heyrathen / oder den Verlust seiner Ehre und Unglücks ihm auf den Hals ziehen müste. Daher solte sich Hohenstein wol bedencken /daß das Hertze seines Vaters / welches er zu besitzen das Glück hätte / ein Siegel-Ring Gottes wäre / welches man durch Einrathung etwas unrechten nicht versehren solte. Es wäre ein Kennzeichen eines untreuen Dieners / wenn er dem Unrechte und den Lastern eine Farbe des Rechtes und der Tugend anstrieche / oder den Fürsten beredete: Weil die Frömmigkeit allzu schwer drücke / wäre es nicht nöthig / daß er so gar fromm wäre / sondern vielmehr genung / wenn er nur nicht euserst böse wäre. Ihm wäre nicht unbekandt /daß wol ehe Diener ihre Fürsten beredet; es gielte gleich: ob sie für sich selbst sich mit der Tugend überladen wolten oder nicht; es wäre genung / daß sie vom Volcke für tugendhafft angesehn / und nur die Unterthanen dazu angeleitet würden; gleich als wenn die Perlen einer Magd anständiger / als einer Königin wären. Er wüste den Grief wol / damit etliche alle gute Gesätze vertilgten / wenn sie nemlich als das oberste Gesätze Fürsten vorbildeten / ihre Hoheit überflüge allen Zwang der Gesätze; und das oberste Königs-Gesätze wäre: daß einem Fürsten alles gefällige zuläßig / hingegen seiner unumbschränckten Gewalt abbrüchig wäre; wenn er von seinem Vorhaben Rechenschafft thun; und mit was anderm als dem Degen seine Schlüsse rechtfertigen solte. Alleine wie solche Leute viel ärger wären / als die / welche in einem Lande Brunnen und Flüsse vergiffteten; Sintemal nichts in der Welt ist / dessen Gewalt zu schaden und zu nutzen sich so weit erstrecket / als ein Fürst; also wäre kein so schmählicher Tod zu ersinnen / den solche Rathgeber nicht verdientẽ / derer keiner auch noch nie der Rache des Himmels / des Volckes und der Hölle entkommen wäre. Hohenstein zohe hierüber die Achseln ein / und sagte: Er hätte sich so böser Diener nicht anzunehmen / welche er selbst so sehr haßte / als er seinem Hertzoge redlich zu dienen und treulich zu rathen sich jedesmals beflissen hätte. Daß Fürst Catumer Adelmunden nicht heyrathen könte /wäre seines Herrn Vaters weise Vorsorge / und er seinen so wolgemeinten Willen fürzutragen befehlicht. Dieses hätte er müssen befolgen / ob er schon die Unannehmligkeit dieses Vortrags vorher gesehen. Denn Diener / welche nichts reden wollen / wordurch sie ihren Fürsten aus der Wiege werffen könten / wären Heuchler / welche für den eitelen Wind der Gewogenheit / des Fürsten und des Volckes Wolstand in die Schantze schlügen. Ihr gantzes Absehen bestünde darauf dem Fürsten zu gefallen; und durch [620] ein geheimes Verständnüs mit seinen Begierden sich bey ihm einzulieben / oder vielmehr seines Geistes sich zu bemeistern. Daß er hernach keinen andern Rathgeber höre / oder auf seinen einmal gefaßten Meinungen feste stehet / und sein selbst nicht mächtig ist; sondern sich dem Willẽ solcher Sachredner der Wollust gänzlich unterwirfft; welche denn wider die Tugend mehr ausrichten / als die Wollust selbst / da sie auf dem Scheidewege den jungen Hercules zu verführen sich vergebens bemühte. Alleine diese Art zu rathen ließe weder seine Ehre noch sein Gewissen zu. Zwar wäre er nicht aus der Schule des Zenon / welcher alle Ergetzligkeit verwürffe / und denen so viel sauere Schleen zu verdäuen habenden Fürsten keine Wollust gönnte. Die Königs-Blume die Rose hätte so viel Anmuth als Dörner; und wäre ein Mensch in der Welt /so wäre er es / der dem tapfferen Fürsten Catumer das Besitzthum Adelmundens wünschte; als in welcher die vereinbarte Schönheit und Tugend dennoch umb die Oberhand kämpfften. Aber er solte nur selbst behertzigen: daß Fürsten schon in Mutter-Leibe eine andere Braut angetrauet würde / nemlich sein Reich. Dieses und der Fürst machten eine richtige Eh. Dieser wäre Mann / jene Frau / gegen welcher seine Gemahlin nur für ein Kebs-Weib zu achten / und wenn sie der ersten im Wege stünde / der Ehscheidung unterworffen wäre. Insonderheit wäre derselbe Fürst nicht für verehlicht zu halten / der seinen Nachfolger nicht wüste / und der nur ein halber Fürst / der keine Erben zu hoffen hätte. Diese wären die rechten Schutz-Gatter einer Herrschafft; ohne welche sich Diener und Unterthanen nach fremder Sonnen für der Zeit umbsähen / und alle Nachbarn auf solch Land Augen und Ohren spitzten. Es wäre arg genung: daß insgemein Fürstliche Häuser mehr / als gemeine Mangel an Erben hätten; oder die sie gleich hätten / gleichsam mehr als der Pöfel dem Gesätze der Sterbligkeit unterworffen wären. Man hätte Beyspiele: daß in drey Jahre sieben / und mehr Reichs-Erben verloschen wären; und in dem doch so fruchtbaren Deutschlande wären in hundert Jahren zehn Fürstliche Geschlechter gar ausgestorben. Wie würde denn Fürst Catumer gegen seine Catten und die Nachwelt verantworten: daß er wissentlich seinen Sta durch eine unfruchtbare Eh erstecken wolte? welcher ohne dis auf so wenigen Augen bestünde. Würde er sich nicht mit der übelen Nachrede belästigen: daß er dem verhaßten Adgandester die Herrschaft über die Catten in die Hände spielen wolte? Niemand würde die Heyrath mit Adelmunden für eine rechtschaffene Eh gelten lassen /welche von der Natur zu Fortpflantzung der Geschlechter gestifftet wäre. Jedermann würde sie als eine unvernünfftige Vergehung schelten. Deñ was wider die Ordnung der Natur lieffe / könte der Richtschnur der Vernunfft nicht gemäß seyn. Catumer seuffzete hierüber etliche mal aus dem innersten Hertzen / und stieß diese Worte heraus: Warum sehnet sich deñ jedermann ein Fürst zu seyn / wenn wir uns den Zahn der Vergnügung ausschlagen müssen / welchen gemeine Leute nach ihrer Lüsternheit sättigen mögen? Nein sicher! es ist vergebene Müh das von dem Verhängnüsse angezündete Feuer gegen Adelmunden in meinem Hertzen auszuleschen; und eine Unbarmhertzigkeit mich zu Verlassung dessen leiten wollẽ / ohne welches ich nicht leben kan. Und wer weiß / ob der gerechte Hi el über die Tugend der Boßheit so viel verhängt habe; daß sie durch ihre Zauberey Adelmunden was habe schaden köñen! Alles bestehet auf bloßen Muthmaßungen. Zumal da Astree ihr Laster leugnet; dessen sich liederliche oder gewinnsichtige Leute wol ehe ohne Grund zu rühmen pflegen. Uberdis hat Frömmigkeit mehrmals Schlangen ihr Gifft / und bösen Kräutern ihre Schädligkeit beno en. So lange nun die Würckung der angegebenen Boßheit nicht völlig erwiesen; so lange wird uns Hertzog Ganasch mit Rechte beschuldigen: daß wir an dem / was wir ihm heilig versprochen / waren Bundbrüchtig [621] wordẽ. Diesemnach solte er dem Hertzoge Arpus vernünftig für Augẽ stellen; daß es so wenig recht als ihm möglich wäre Adelmunden so schimpflich zu verlassen; es liesse sich nicht alles auf Schrauben der Staats-Klugheit bauen / sondern in zweifelhaften Dingen es der Göttlichen Versehung heimstellen / welche durch einen unverhofften Zufall offt Rath schaffte / wo die menschliche Weißheit im blinden tappte / oder alles für verspielt schätzte. Hohenstein nam für dißmal Abschied / und versprach dem Hertzoge Arpus alles Haar-klein vorzutragen; allein es solte auch Fürst Catumer nicht seinen Willen mit der ersten Meynung sich so gar einnehmen lassen; daß er nicht seiner eigenen Wohlfarth und seiner treuesten Freunde Rathe keinen Raum mehr übrig liesse. Beyde schieden mit nicht geringer Schwermuth vonsammen. Denn Gespräche von solcher Wichtigkeit sind Speisen / an welchen die stärcksten Magen genung zu verdäuen haben. Unterdessen ließ Hertzog Jubil ihm angelegen seyn den Hertzog Ganasch in bessere Verfassung zu setzen / welcher inzwischen so ferne zu sich selber kommen war: daß er sein Bekümmernüß / umb selbtes nicht iedermann kund zu ma chen / so viel möglich verhieß; ja es selbst für Adelmunden sorgfältig verhölete. Zweifels-frey aus dem Absehen: daß nicht nur Adelmunde sich hierüber für Leid in die Erde scharren / sondern auch die Entdeckung sein Leid wie aufgerissene Wunden verärgern würde. Denn meistentheils fühlet man die Streiche des Glückes mehr in dem / daß sie andern sichtbar sind /als in den Schmertzen / die man darüber leidet. Solches nun in der Enge zu halten / nam Hertzog Ganasch und Jubil Astreen selbst für umb nicht so wohl die schon fest-gesetzte Wahrheit / als ein Bekäntnüß von ihr heraus zu bringen. Nachdem ihr Jubil alle sie überweisende Umbstände für Augen gestellt / fiel sie auf den Bodem ihnen zu Füssen / und ehe sie ein Wort aufbringen konte / netzte selbten mit einem Strome vieler Thränen; vielleicht in Meynung den durch ihr zauberisches Wasser begangenen Greuel durch das Saltz-Wasser ihrer Augen auszuwischen. Hierauf fieng sie an: Ich gestehe mein Laster / ich habe den Brief geschrieben / diese Kleinodien mich verbländen lassen / dieses schädliche Wasser gekocht / und gebe mich der grausamsten Straffen schuldig /die iemals über Ubelthäter ergangen. Ich begehre nicht zu leben / denn diß würde mir mit Erinnerung meiner Boßheit meine ärgste Straffe seyn. Eines aber habe ich / nicht zu meiner Entschuldigung / weil in so grausamen Lastern der Vorsatz wie die That bestraffet werden muß; sondern zu Adelmundens Wohlstande /zu ihres Vaters Troste / und zu ihres Bräutigams Vergnügung nicht zu verschweigen; daß mir die Götter selbst die Hände gebunden das Wasser Adelmunden nicht zu geben. Diese / weil ich keinen Menschen habe / müssen mir zeugen / daß sie mich durch zwey nachdenckliche Träume von Vollziehung einer so schwartzen That abgeschreckt haben. Hertzog Jubil fuhr sie hierüber scharff an / und sagte; Ihre Hand-Schrifft redete viel ein anders; und betrüge sie sich in ihren Gedancken gar sehr / wenn sie ihr durch ersonnene Träume ihre gerechte Rache zu lindern träumen liesse. Astree aber antwortete: Sie verlangte keine gelinde Straffe / sondern sie wünschte ein denckwürdiges Beyspiel gerechter Grausamkeit zu werden; daß sich die Boßheit der Welt und Nach-Welt an ihr spiegeln könte. Weil sie aber die Wahrheit anders nicht denen Beleidigten bewehren könte / wünschte sie /daß ihre Todten-Asche tausend Jahr in den Lüfften herumb getrieben und nimmer beerdiget würde / daß ihr Geist als ein Schreck-Gespenste ewig herumb schwermen / und ihre Seele aller verda ten höllische Quaal tausendfach ausstehen müste; wo Adelmunde von dem Wasser einen Tropfen in ihren Mund bekommen hätte. Hertzog [622] Ganasch befahl ihr die Träume zu erzehlen / welches sie auch so beweglich that /daß beyde Hertzoge einander ansahen / und weil man ohne diß geneigt das angenehme zu glauben / solches nicht mehr gantz für falsch hielten. Gleichwohl aber schalt Jubil ihre Erzehlung für handgreiffliche Lügen / dräuete ihr mit der Folter die eigentliche Wahrheit heraus zu pressen. Astree versetzte: Sie hätte umb ihre Pein keine Sorge / nur leid wäre es ihr / wenn dadurch ihrer Zunge wider die Wahrheit was ausgepreßt werden solte / welches dem Chaucischen Hause und Adelmundens Verehligung nachtheilig seyn solte. Sie hätte zwar Cariovalden geschrieben: daß sie Adelmunden das Gifft der Unfruchtbarkeit eingegeben; aber nur darumb / daß sie für seine Geschencke etwas gethan zu haben ihn bereden wollen. Es wäre aber die lautere / iedoch die glücklichste Unwahrheit. Darauf wolte sie leben / darauf würde sie sterben. Hiermit ward sie wieder in Kercker gebracht und angefässelt. Sie war kaum weg als die Gräfin von Ortenburg als eine todte Leiche ins Zimmer kam / und dem Hertzoge Ganasch andeutete; wenn er seine Tochter Adelmunde noch einen Augenblick wolte leben sehen / hätte er Zeit zu eilen. Beyde Hertzoge folgten auf ihr Wort /und fanden diese rächelnde Fürstin auf dem Bette ohne Regung und Vernunfft. Alles Kühlen und bestreichen mit stärckenden Wassern war Frucht-loß; biß der von einer edlen Jungfrauen hiervon benachrichtigte Fürst Catumer auch darzu kam. Dieser war einem Todten mehr ähnlicher als einem Lebenden /und fast außer sich. Daher er auch / in Meynung / Adelmunde wäre schon eine Leiche / über sie fiel; sie küssete / und hierdurch seine Seele gleichfalls auszuschütten / und in seine Liebste zu giessen ihm vorsätzte / entweder ihren Leib wieder zu beseelen / oder sich ihr auch durch den Tod einzuverleiben. Wo nun Küsse iemals die Eigenschafft des Geldes haben / daß offt einer für viel / und viel nicht für einen gelten; so traff es gewiß allhier ein. Denn in gar weniger Zeit öffnete Adelmunde ihre Augen / und ob sie ihr gleich wieder zufielen / so ermannete sie doch Catumer noch durch einen Kuß / und bewehrte dadurch; daß küssende Lippen was geistiges aus sich dampfen / welches das geküßte lebhafft macht / und seine Seele wie der Magnet Eisen / und Agstein Spreu an sich zeucht. Sie regete ihren Mund / weil er aber zum reden nicht Kräffte genung hatte / redete sie desto nachdrücklicher mit den Augen / und drückte zugleich gegen Catumern ihre Liebe / gegen dem Hertzoge Ganasch ihr Hertzeleid / gegen dem Fürsten Jubil ihre Schamhaftigkeit wegen empfangener Küsse aus. Uber eine Weile brachte sie doch das halb-verbrochene Wort Astree zuwege; welches dem Hertzoge Jubil und Ganasch schon genung war die Ursache ihres Zufalls zu wissen; weßwegen dieser ausser denen zweyen Fürsten alle Anwesenden aus dem Zimmer zu gehen willigte. Wie er aber Adelmunden umb solche fragte /seufzete sie / und reichte ihm einen in der rechten Hand feste verschlossenen Brief; darinnen er folgende Worte laß: Lasse dich nicht bereden / Adelmunde /daß eine zaubrische Astree einer solchen Gottheit /wie du bist / einigen Abbruch thun könne. Die Hölle selbst ist zu schwach dieselbe unfruchtbar zu machen / welcher die Natur so viel Vollkommenheit beygelegt / und die das Verhängnüß aus einem so edlen Stamme entspriessen lassen. Glaube viel mehr / das weder Verläumbdung / noch Staats-Klugheit / noch einige menschliche Gewalt so vermögend seyn können / den standhaftigen Catumer von der unvergleichlichen Adelmunde und Vollziehung unserer Eh abzuhalten /solte gleich mein Sta darüber zu Grunde gehen. Denn es ist besser mit Ehren zu Grunde gehen / als mit Schande sein Glücke und Geschlechte verewigen. Catumer ward alsbald gewahr / daß diß sein Schreiben wäre / und ihm wurden nunmehr die Augen [623] aufgesperrt / daß eben biß eine so gewaltige Veränderung in Adelmunden verursacht hätte; welche zarte Empfindligkeit in ihm die Heftigkeit seiner vollkommenen Liebe zwar nicht mehr vergrössern konte / ihr Feuer aber doch mehr sichtbar machte. Denn er sahe Adelmunden aufs beweglichste an / und sagte: Glaube / meine Seele / daß dieser mein Vorsatz nicht so wohl mit Tinte auf dis Papier / als mit Blute in meine Seele unversehrlich geschrieben sey: daß Catumer ehe in sich als ein dürrer Ast an einem Baume vergehen / als von Adelmunden sich trennen lassen werde. Adelmunde regte sich hierüber mehr als vorhin / und Catumer bewehrte damit; daß wie das Licht der Sonne alles erstorbene in der Welt lebend macht; alles beseelte fortpflantzet / also auch die Strahlen der Augen in der Liebenden Hertzen unbegreiffliche Süssigkeit und kräfftige Regung erwecke. Adelmunde regte hierüber ihre Hand / ergrieff damit Catumers / und küßte sie so geschwind / daß er es nicht verhindern konte. Weil sie aber die Aufmerckung des Hertzog Ganasch und Jubils gewahr ward / überschüttete die Scham-Röthe in einem Augen Blicke ihre blasse Wangen /als wenn es mit Schnecken-Blute überströmet würde /gleich als wenn ihr Antlitz eine zugleich Perlen und Purpur beherbergende Muschel wäre. Hierüber ward sie noch mehr verwirret / und bemühet ihr Gesichte mit einem seidenen Tuche zu verdecken; aber Catumer fieng an: Sie möchte doch diese schöne Farbe als das Kenn-Zeichen ihrer Lebhaftigkeit und die Ursache seiner Vergnügung nicht so mißgünstig verbergen. Die Tugend gienge ja nie ohne Schamhaftigkeit auf /wie die Sonne nie ohne Morgen-Röthe. Diese wäre eine Heroldin des Tages / jene zarter Regungen und eine Wegweiserin / welche Anleitung gäbe / wo reine Liebe sicher einkehren könte. Denn sie hätte die Erbarkeit zur Mutter und die Ehre zum Vater. Wenn man ihr die Thüre öffnete / folgten ihr alle Tugenden nach / und alle Finsternüsse üppiger Regungen verstüben. Hertzog Ganasch / welcher Adelmunden nun außer Gefahr sah / und wohl wuste / daß die Anwesenheit der Väter ihren Kindern nur eine Hindernüß freyer Unterhaltung wäre; ließ die Gräfin von Ortenburg ins Zimmer kommen / und verfügte sich mit dem Hertzog Jubil in sein Gemach. Gegen diesen ließ er sich heraus: Er sähe aus Catumers Schreiben / und hätte noch mehr aus seinen Worten und Geberden angemercket: daß Hertzog Arpus nicht nur zwischen Adelmunden und seinem Sohne die Heyrath zu vollziehen anstehen / sondern auch diesem deswegen heftig zugesetzt haben müste. Welches bey ihm allerhand Nachdencken verursachte / woher eigentlich die angestiftete Beunfruchtbarung seiner Tochter den Ursprung nehmen möchte. Sintemal ihm fast unglaublich schiene / daß Fürst Cariovalda / dessen Gemüthe ihm ziemlich bekandt wäre / ein so schändliches Laster anzuspinnen fähig seyn solte. Es wäre diß das künstlichste Meister-Stücke der Boßheit / eigene Laster auf frembden Schlag ausüben / und eine der verschmitztesten Arglist / selbte zum Vorwand seines verborgenen Absehens angewehren. Mit welchen Worten Hertzog Ganasch einen Zettel hervorsuchte /darinnen er gewarnigt worden: Es würde am Cattischen Hofe über einer Heyrath zwischen Catumern und König Marbods Tochter und über Auffindung einer Ursache Adelmundens loß zu werden ins geheim gearbeitet / also solte er wohl zuschauen; daß er mit seiner Hoffnung nicht einen blossen schlüge / noch seine Tochter beschimpft würde. Hertzog Jubil erschrack über diesem Vortrage / und sagte: Es wäre auf solche Schmäh-Briefe ungenennter Leute kein Glauben zu setzen / und Hertzog Arpus viel zu redlich und [624] großmüthig / sich so böser Künste zu gebrauchen. Cariovalden begehrte er unverhört nicht zu verdammen; gleichwohl aber wäre sein Brief unter Astreens Papieren gefunden worden / dessen Schrifft Ganasch selbst für Cariovaldens Hand erkennet hätte. Dieses aber könte er freylich nicht leugnen; daß Hertzog Arpus / als er vergewissert worden wäre / Adelmunde wäre unfruchtbar gemacht / sich nach überaus grosser Bestürtz- und Betauerung Adelmundens heraus gelassen hätte: Hertzog Ganasch würde bey so sehr verändertem Stande der Sache Zweifels-frey nicht begehren: daß sein einiger Sohn als Erb-Fürst der Catten eine unfruchtbare Gemahlin etlichen solte. Nachdem aber Arpus hören würde / wie betheuerlich Astree die Beybringung des Giftes läugnete / würde er vermuthlich bald auf andere Gedancken kommen. Ganasch fieng an: Es wären ihm in dieser Verwickelung viel Dinge sehr verdächtig; also ersuchte er den Hertzog Jubil allen ihm verkleinerlichen Entschlüssungen des Cattischen Hofes vorzubauen / und dardurch schädliche Zerfallungen beyder Häuser zu verhindern. Denn er würde nebst seinen Chauzen sich ehe mühen mit ihrem benachbarten Meere alle Catten zu ersäuffen / ehe er einen seiner Tochter angefügten Schimpf nicht biß auf den letzten Blutstropfen rächen würde. Denn die Ehre wäre in seinem und der Chaucen Gemüthern eine grössere Gottheit / als die Römer aus ihr gemacht hätten. Alle tapfere Völcker zügen sie aller Wollust / allem Reichthume / und dem Leben; die Chauzen aber auch ihren Kindern und der gemeinen Wohlfarth für. Diese wäre der Glantz und der Geruch / der aus Ubung der Tugend hervor leuchtete / und wie ein Balsam sich in alle ehrliche Gemüther der Welt zertheilte. In der Ehre bestünde allein das wahre Leben / daran keine andere Thiere Theil / vernünftige Menschen aber zu selbter / umb dardurch ihr Wesen so viel edler zu machen / einen unsäglichen Zug hätten. Weil sie ein unzertrennlicher Anhang der Tugend wäre / würde sie billich über alles geschätzt / was in dem Reiche des Glückes für hoch gehalten würde /und daher hätte der keine Tugend / keine Vernunfft /sondern wäre sein eigener Feind / und wider seine Kinder grausam / der sein Leben nicht für sie aufsetzte / und alles euserste dran wagte. Hertzog Ganasch redete seiner Gewohnheit nach solches mit einem so grossen Eiver; daß Jubil / welcher aus dieser aufziehenden Wolcke viel Ungewitter besorgte / darüber in grossen Kummer verfiel. Hertzog Ganasch erkundigte sich auch alsofort / wo Cariovalda sich zur Zeit aufhielte / und weil er vom Segesthes erfuhr / daß er ihn an seinem Caßuarischen Hofe verlassen / fertigte er noch selbigen Tag einen Edelmann mit denen zwey verschlossenen Briefen des Cariovalda und Astreens /sonder einigen andern Buchstaben an ihn ab. Hertzog Jubil gieng inzwischen mit sich selbst zu Rathe / wie er in diesem wichtigen Wercke das Hefft recht fassen solte. Denn er verstand gar zu wohl / daß meistentheils der glück- und unglückliche Ausschlag daran läge; ob man ein Ding beym rechten Stiele ergreiffe /und ob man was zur Zeit oder zur Unzeit thu. Selbst der Verstand ist einmal thätiger und die Schönheit ansehnlicher als das andere mal; und in einer Stunde lässet sich ein Gemüthe mit einem Worte gewinnen /dessen Hartnäckigkeit in einer andern durch die nachdrücklichsten Gründe nicht von seinem Stande zu bringen / gleich als wenn ieder Augenblick seinen absondern Stern oder Unstern hätte / und es mehr an der Zeit als der Klugheit gelegen wäre glücklich zu seyn. Diesemnach ließ er anfangs nur durch den Grafen von Hohenstein den Hertzog Arpus und seine Gemahlin zur guten Zeitung wissen; daß Astree zwar den Brief für [625] ihre Hand erkennet / aber mit gar glaublichen Umbständen und mit allen nur ersinnlichen Betheuerungen versichert hätte / daß von dem schädlichen Wasser kein Tropfen Adelmundens Lippẽ berühret hätte; umb zu sehen / was dieser Vorschmack für Würckung nach sich ziehen würde. Es gieng aber hiermit / wie mit einem Kraute / aus welchem auf einmal die Biene was süsses / die Natter was bitteres saugt. Denn die Hertzogin Erdmuth hörte diß mit Freuden / und glaubte es so viel leichter; Hertzog Arpus aber sagte zum Hohenstein: Wenn Astree so wohl eine Närrin als eine Zauberin wäre / wolte ich auch glauben; daß sie von der gemeinen Art der Ubelthäter abwieche / nemlich ihr Laster gutwillig bekennte; allein er warff auch einen Argwohn auf den Fürsten Jubil / als wenn er durch Verblümung der Unfruchtbarkeit wegen der ihm verlobten Fürstin Catta einen Weg zum künftigen Erbrechte bähnen wolte. Hohenstein verschwieg dem Hertzoge Jubil zwar das letztere / nicht aber das erstere / iedoch wuste Jubil aus diesem noch das beste zu saugen. Denn er gab dem Chaucischen Hertzoge an die Hand / daß er Astreen in Anwesenheit Hohensteins auf die Folter spannen / und ihre Aussage zu Ablehnung alles Verdachts / als wenn jene nur ein scheinbarer Vorwand wäre / durch Pein erhärten lassen. Hertzog Arpus hatte zwar nicht unbilliges Bedencken / weil die Unerträgligkeit der Schmertzen offtmals nie gedachte /weniger verübte Laster bekennet. Hertzog Jubil aber war der Meynung: Die Natur hätte dem schwächeren Geschlechte ein grösseres Vermögen Pein auszustehen als dem männlichen eingepflantzt / vielleicht daß sie fähiger wären die Geburts-Schmertzen zu überstehen. Insonderheit hätte er es Astreen angesehen; daß sie in der ärgsten Marter eine zehe Wiete abgeben /und eh die Schrauben des Folter-Pferdes brechen / eh alle Bande zerreissen / als sie was mehrers bekennen würde. Ungeachtet nun auf die in der Folter geschehene Bekäntnüsse oder Leugnungen wenig festes zu bauen wäre / weil etlicher Zärtligkeit nach des Philotas Beyspiele mehr sagte / als man verlangte / anderer Verstockung aber sich von gethanen Ubelthaten durch eine hartneckichte Verstummung reinigte; so würde es doch beym Hertzoge Arpus vermuthlich keinen geringen Nachdruck haben / wenn Astree in der scharffen Frage erhärtete / daß sie ihr Laster nicht vollbracht hätte. Wenn sie aber auch über Hoffen gleich was bekennte / würde es doch als ein ausgeprestes Zugeständnüß niemand für eine unzweifelbare Wahrheit annehmen. Diesemnach ward der Graf von Hohenstein und Witgenstein / welche beym Hertzoge Arpus das meiste galten / erbeten / und mit Astreen die Folter fürgenommen. Welcher Hertzog Ganasch / ungeachtet er sonst eine lobwürdige Abscheue hatte Hinrichtungen der Verda ten zu schauen / deswegen beywohnte / daß er durch Schärffe allen Verdacht Astreen zu heucheln von ihm ablehnete. Als Astree nun entblösset war / fieng sie an: Ich habe in meinen Kleidern die nackte Wahrheit gesagt; soll ich nackt sie nun verhüllen? wie sie nun die Scharffrichter auf die Folter-Banck warffen / und daran schwebende ausdehneten / ihr die Huf-Eisen anschraubten / fieng sie an: Es jammert mich meiner nicht / die ich diß / und ein mehrers / als ihr mir anthun könnt / verdienet habe / aber der unschuldigen Adelmunde / die ihr durch meine Peinigung zu einer gebrechlichen Fürstin machen wollet. Hierauf peitschten sie die Hencker mit Ruten / daß alle Glieder von Blute troffen / Astree aber behielt die völlige Gewalt nicht [626] nur über ihre Zunge / sondern auch ihre Seufzer / ob ihre Finger gleich mit Schrauben zerquetscht / und ihre Fuß-Solen mit geschwancken Stecken aufs grausamste geprügelt wurden / ja sie fieng gleichsam als eine schlafende sich zu stellen. Hohenstein fieng hierüber an: Bist du / verstockte Unholdin / ein nichts fühlender Stein / oder eine Zauberin? Sehet nach; ob die verstockte ihr wie Anaxarchus die Zunge abgebissen habe / daß sie nicht reden kan. Astree fieng an: Zu was Ende soll ich reden? Mich kan ich nicht vertheidigen. Denn ich bin aller Tode schuldig; Adelmunden kan ich nichts verkleinerliches aufbürden / denn sie ist die vollkommenste Fürstin in der Welt. Warlich / bildet euch nur ein / daß ich eine Schülerin des Pythagoras bin; und daß das Stillschweigen / wenn es der Wahrheit zum besten ko t / etwas göttliches sey. Hiermit ward befohlen sie mit brennenden Pech-Fackeln zu brennen; worauf sie zu winseln / und über eine Weile zu reden anfieng: Lasset nach / ich wil bekennen. Als diß geschahe / sagte sie: Ist iemand unter euch / der der unschuldigen Adelmunde an Hals wil; so sagt mir / mit was für einem Laster ich sie beschwärtzen soll / wie ihr mich mit diesem schwartzen Feuer zur Kohle macht. Soll sie eine Zauberin /oder eine Ehbrecherin seyn? Denn / wenn ich sie schon der Unfruchtbarkeit beschuldigte; würde doch der neundte Monat nach ihrer Verheyrathung mich zu einer Lügnerin machen. Hertzog Ganasch befahl die Pein zu schärffen; daher sie mit glüenden Blechen gebrennt ward. Astree winselte erbärmlicher als vorhin /und fieng an: Tödtet mich / oder sagt; was ich für Laster mehr begangen haben soll. Ich bin eine Ehbrecherin / ich habe mir Kinder abgetrieben / und gebohrne ermordet. Auf Adelmunden wolte ich euch zu Gefallen gerne was bekennen; ihr wißt ja / daß wie lebende dessen / der sterben muß / also ein sterbender nicht der Lebenden schonet / ja ins gemein auch die Unschuld beschuldigt. Aber auf Adelmunden weiß ich nichts glaubliches zu ersinnen / und den sinnreichsten Henckern soll ehe die Krafft mich zu quälen / mir auch ehe der Athem / als der Vorsatz mangeln die von mir ohne Noth so sehr beleidigte Fürstin Adelmunde ietzo durch Zwang mehr zu verunehren. Meynet ihr daß ich eine Griechin / alle Griechen aber verzärtelte Weichlinge seyn? Solte ich für die Unschuld der tugendhaftesten Adelmunde nicht so viel Geduld haben / als der Griechische Knabe / der umb des grossen Alexanders Opfer nicht zu stören / an dem glüenden Rauch-Fasse seinen Arm biß aufs Bein ohne Zucken verbrennte. Hohenstein fuhr sie an: du Verruchte sollst nichts auf unschuldige / sondern dein eigen zugestandnes Laster bekennen; und Hertzog Ganasch befahl / sie solten nunmehr die glüenden Zangen brauchen. Mit diesen ward sie zerrissen / daß sie ohnmächtig ward / Ganasch aber ließ sie mit Weine kühlen und verblasen. Als Astree sich erholete / fieng sie an: Grausame Richter / macht ihr mich todte wieder zu dem Ende lebendig; daß ich die lebhafte Adelmunde mit Lügen tödten soll. Meynet ihr nicht / daß ich so viel Hertzens als mein Landsmann Hiperides habe; der in der Folter seine abgebissene Zunge zerkäuete /daß er dem Wütterich Antipater nichts zum Nachtheile seines Vaterlandes bekennen dorffte? Die Hencker fuhren ihr hierauf mit glüenden Zangen an ihre Brüste; sie aber reckte nach einem grausamen Geschrey ihre Zunge weit aus dem Halse und fieng an: Was brennt ihr meine Brüste / die Brunnen und Sinnen-Bilder der Fruchtbarkeit / weil Adelmunde nicht unfruchtbar ist! Brennet meine Zunge; daß ich sie durch lügenhafftes Bekäntnüß [627] nicht mißbrauche; wie sonst die Zunge wegẽ ihrer Schlipfrigkeit gebrennt wird. Wolte Gott / ich hätte eine verschwiegene Zunge der Fische / umb selbte auch sterbende nicht zu mißbrauchen. Ach! aber leider! ich bin für Schmertzen derselben nicht mehr mächtig! Alleine ist der nicht sein eigen Mörder / und ein Beleidiger der Götter / der aus Zärtligkeit und Pein ein falsches Laster bekennet /und der ein noch ärgerer Ubelthäter / der einem unschuldigen in der Folter was verkleinerliches antichtet? Verführischer Cariovalda! Verfluchter Bataver! Wolte Gott / du wärest damals stu / und ich taub gewest! Ihr Götter / verleihet mir aber nunmehr / da meine Richter taub sind / stu zu seyn! Göttliche Adelmunde; was soll ich dir sterbende für ein Versöhn-Opfer liefern? Mein Blut! diß ist zu befleckt. Mein Fleisch! diß ist schon eine stinckende Kohle! iedoch haben die Menschẽ durchgehends den Göttern nichts bessers zu liefern als Rauch von brennenden Wiedern und Tauben. Verlangest du meine Seele? die ist zu unrein / und die Hölle hat schon auf sie ein Vor-Recht. Meine Reue und Zunge ist allein noch übrig. Alleine / wenn jene sich mit unserm Opfer-Rauche vereinbaret / und aus dem Hertzen die Flamme der Liebe darzu schlägt / erleuchtet Gott mit dem Lichte seiner Barmhertzigkeit die Finsternüß unser Seele /und das stinckende Unschlit unser Farrẽ ist ihm ein süsser Geruch. Vergnüge dich daher an den Brändẽ meines zerfleischten und versengeten Leibes. Nachdem auch die Zungen dem Mercur und andern Göttern gewiedmet sind / und zum Opfer dienen / so ni sie von mir zur Versöhnung an; und so offt du die schädliche Verrätherey meines Gemüthes verfluchest; so oft rühme an meiner Zunge das nützliche Stillschweigen. Hiermit bieß Astree ihr die Zunge ab / zerkäuete sie im Munde / und spie zugleich Blut / Zunge und Seele aus. Niemand war / der sich nicht über Astreens Beständigkeit verwunderte / und ihre Außsage für wahr hielt / daß Adelmunde nicht von ihr wäre unfruchtbar gemacht worden. Hertzog Ganasch befahl Astreen auf einer dürren Küh-Haut aus Mattium zu schleppen /und daß ihr ihre Träume wahr würden / mit sambt ihren Perlen an einen Baum aufzuhencken. Hohenstein gerieth nunmehr aus gantz andere Gedancken und den Vorsatz seinem Hertzoge alles Bedencken wegen Adelmundens Unfruchtbarkeit auszureden. Witgenstein verfügte sich auch alsofort zur Hertzogin Erdmuth / und erzehlte ihr umbständlich so wohl Astreens zwey Träume / durch welche die göttliche Versehung Adelmundens Unglück wunder-würdig abgewendet hätte / und ihre merckwürdige Verschwiegenheit in der Folter. Sie hörte es mit höchster Freude / und brachte beydes unverzüglich dem Hertzoge Arpus bey / welches der dazu kommende Hohenstein bestätigte. Arpus aber hörte es / sonder einiges Zeichen der Freude oder anderer Gemüths-Regung von sich zu geben. Gleichwohl aber hatten sie alle noch Hoffnung / Arpus würde sich noch wol geben / und Jubil rieth der Hertzogin: sie solte ihm zu Verrauchung seiner Schwermuth Zeit lassen. Denn gewisse Gemüther wären so geartet: daß sie eine Zeitlang nichts anders als nein sagen könten / und durch Einhaltung der vernünfftigsten Ursachen nur mehr widerwärtig gemacht würden. Daher müste man der Zeit /bis sie in einer guten Laune wären / erwarten / und so dann zu Erreichung seines Zweckes weder Vorsicht noch Bescheidenheit verabsäumen. Es hätte so wol Zwirbelwinde in menschlichen Gemüthern als auf dem Meere / und Sturmwinde im Willen. Daher müste man beyderseits die Segel abwerffen / stille sitzen /und die Unruhe / wie getrübte Brunnen sich von sich selbst ausklären lassen. Sintemal [628] durch unzeitige Mittel ein Ubel ehe verärgert / als gedämpfft würde / und es so grosse Wissenschafft eines Artztes wäre Artzneyen ein zuschlüßen / als auszugeben. Inzwischen kriegte Adgandester hiervon Wind. Denn wie war es möglich / daß an einem Hofe dis / was sieben Menschen wusten / verborgen bleiben konte / sintemal Höfe rechte Wachthürme sind anderer Vorhaben auszuspüren / allwo die allgemeine Begierde in der Fürsten Geheim-Stuben zu sehen die Heimligkeiten so übel verträgt / und die / welche sich selbte zu verdrücken am meisten bemühen / sie am ersten durch übrige Sorgfalt verrathen / insonderheit aber Adgandester ein Meister in solcher Ausfischung war / und hierzu keine Mittel sparete / welche von einem Fürsten und Botschaffter nicht nützlicher angewehret werden können. Weil nun Adgandester unterschiedene leere vom Marbod aber unterschriebene Papiere hatte; schrieb er nach seinem Wolgefallen alles darauf / was den Hertzog Arpus aufs Seil zu führen dienlich war / ob schon Marbod nichts davon wuste / noch Adgandester zu bewerckstelligen willens war. Für itzt fertigte er in Marbods Nahmen ein Schreiben / darinnen er seinem Sohne Catumer / wenn er seine Tochter Adelmunde heyrathete bis er mit der Zeit alle seine Länder erbte /alles was er zwischen der Mulde / Eger und Nab besäße / abtreten / bey der Geburt des ersten Kindes ihm alle seine Unterthanen die Erbholdigung leisten / auch mit den Catten und Cheruskern einen ewigen Schirm Bund wider die Römer aufrichten wolte. Damit auch Adgandester diesem Betruge mehr Nachdruck gäbe /vermischte er seine Vertröstung mit höflichen Dräuungen / daß / wenn so vortheilhaffte Erbietungen verschmähet würden / König Marbod es für die schimpflichste Verachtung anziehen / und sich wider die für ihm solche Abscheu habende Catten durch ein Bündnüs mit den Römern in Sicherheit setzen müste. Nach dem nun ihrer wenig uns helffen / alle aber schaden könten / so gar daß der Adler in Wolcken oder in der Schoß Jupiters nicht sicher wären / solte man nicht leichte mit einem Schwachen / am wenigsten mit einem so mächtigen Könige zerfallen / noch durch Geringhaltung gute Freunde zu ärgsten Feinden machen. Ihm wäre die Tapfferkeit der Catten nicht unbekandt / und so lange das Bündnüs mit den Cheruskern hielte / hätten sie sich für der gantzen Welt Kräfften wenig zu fürchten. Aber wie vielen Anstößen wären die Bündnüsse unterworffen / und viel Hasen würden endlich auch der Hunde mächtig. Wie nun die / welche wenig oder nichts wären / ihnen das meiste einbildeten; also wäre es eine grosse Klugheit der Vermögenden / wenn sie ihren Kräfften was weniger zutrauten / und mit ihrem Geschoße umb desto gewisser nicht zu kurtz zu schüssen etwas über dem Ziele abkämen. Wie nun Hertzog Arpus sich durch eine solche Verbindung mit dem Marbod in ewige Sicherheit / und in grosses Ansehn in der gantzen Welt setzen würde / also ereigneten sich solche Gelegenheiten sein Hauß mehr als zweyfach zu vergrößern in fünfhundert Jahren kaum einmal / welche mit einem male nicht auf ewig versäumt werden müsten. Wiewol nun dem sonst so vorsichtigen Hertzoge Arpus Adgandesters Anbieten seiner Größe halber hätte verdächtig seyn / und / weil es nicht nur durchgehends in der Welt viel Tieffen / absonderlich in Verrichtungen der Staats-Leute hat / sondern auch Marbods künstliche Streiche und Adgandesters Arglist niemanden verborgen waren / er keinen Schritt ohne das Bleymaaß in der Hand / und weñ er nicht Grund fühlte / hätte fortsetzen sollen; so ließ er sich doch durch solche güldene Berge derogestalt einnehmen: daß in seinem Hertzen kein Glaube dessen mehr Raum hatte / was ihm gleich Erdmuth / Hohenstein / Witgenstein und endlich der Hermundurer Hertzog [629] Adelmundens halber einreden wolten. Die boßhaffte Sentia brachte mitler Zeit einen allgemeinen Ruff von Adelmundens Unfruchtbarkeit aus / daß die Catten sich über ihrer Ehlichung anfangs in Gesprächen sehr schwürig erzeigten / hernach gar durch einen Barden im Nahmen des gantzen Volckes ihrem Hertzoge eine Bittschrifft einhändigen ließen: er möchte durch Catumers Heyrath seinen Stamm nicht dem Untergange / sein verwaysetes Volck aber frembder Herrschafft nicht in Rachen stecken. Die Hertzogin und Catumer mühten sich zwar dieses falsche Geschrey durch bessere Nachrichten zu dämpffen; aber unter hundert wolrüchenden Kräutern sticht ein stinckendes für / und übele Nachrede wird meistentheils der Warheit Meister. Mitler Zeit fand sich auch der Bataver Fürst Cariovalda zu Mattium ein / und ließ durch den Grafen von Delmenhorst dem Hertzoge Ganasch beybringen: Er wäre über so schwartzem Laster Astreens erstaunet / über seiner fälschlichen Einmischung aber bey nahe zum Steine worden. Seine und seines Geschlechtes Ehre erforderte solchen Schandfleck / solte es auch mit vielem Blute geschehen / von sich abzuwischen. Weil er aber keinen gerechtern Richter in der Welt wüste / als den / welcher guten Fug hätte sein Ankläger zu seyn / nemlich den Hertzog Ganasch; hätte er kein Bedencken gehabt sich selbst in seine Hände zu liefern. Die Unschuld ließe sich unschwer vertheidigen / und seine Sache wäre so gerecht / daß auch seine Feinde ihn nicht verdammen könten. Denn er hätte an so grausames Laster nicht gedacht; und die Heftigkeit der Liebe gegen Adelmunden / welche er unerloschen mit zu seinem ewigen Grabelichte in die Erde nehmen würde / müste seiner Unschuld Zeuge und Vertheidigerin seyn. Sein hertzlicher Wunsch wäre gewest Adelmunden den Himmel zuzuneigen /sein Wille sie als seine Gottheit zu verehren / und seine Hoffnung wäre noch nie verschwunden gewest /durch sie der Bataver Fürsten-Stamm zu verewigen. Wer vernünfftiges wolte sich nur von ihm eine so verfluchte That bereden lassen! der selbstständige Argwohn würde ihn außer Verdacht / und die beschämte Verläumbdung zu Ehren sätzen müssen. Der ihm vom Hertzoge Ganasch überschickte und in seinem Nahmen an Astreen lautende Brief wäre eine in der Hölle erfundene Falschheit; daran außer der angekleibten Unterschrifft nicht ein Buchstabe seine; und der welcher ihn überbracht ein höllischer Geist kein Bataver gewest wäre. Ihm wäre nur leid / daß die Unholdin Astree nicht mehr beym Leben wäre / daß er sie theils als eine Zeugin seiner gegen Adelmunden tragenden hertzlichen Liebe fürstellen / theils durch ihre Bekäntnüs überwinden könte / daß sie mehr durch seine Einflechtung / als durch das Laster selbst sich besudelt hätte. Alleine diese Vertheidigung bestünde nur in Worten / dem Hertzoge Ganasch aber wolte er seine Unschuld durch den Augenschein beglaubt machen. Weil Hertzog Ganasch über denen bey dem Cattischen Hofe sich ereignenden Schwerigkeiten ohne dis verdrüßlich war / erhielt der Graf von Delmenhorst beym Hertzog Ganasch für den Fürsten Cariovalda so viel leichter Verhör. Dieser wuste allem / was er vorhin durch den Delmenhorst vortragen lassen / einen mehrern Nachdruck zu geben / insonderheit die alte Verträuligkeit zwischen dem Chaucischen und Batavischen Hause heraus zustreichen. Wie nun alle Dinge in der Welt einen innerlichen Trieb hätten ihrem Ursprunge gleich zu werden / so gar / daß die gezeichnete Bäume ihren Blättern und Früchten ihr Merckmal einflößeten / die aus einem verreckten Stiere entsprießenden Bienen an ihnen sein Bildnüs trügen / also wäre sein einiger Zweck sich wie seine Ahnen in die beydẽ Häusern so vorträgliche Freundschafft eines so grossen [630] Fürsten einzusencken. Diese Neigung wäre der erste Zunder seiner gegen Adelmunden gefangener Liebe gewest / welcher zu seiner Entschuldigung dienen würde; wenn ihn schon nicht der allgemeine Glaube verredete: daß nichts in der Welt so gemein / als die Liebe wäre. Nicht nur die unverständigen Pflantzen / sondern der unbeseelte Magnet und andere ihren Zug habende Steine wären selbter unterworffen. Je edler und geistiger aber was wäre / je kräfftiger wäre die zarte Regung der Liebe in ihm. Sie regte die Thiere mehr als die Gewächse / die Menschen hefftiger als das Vieh; und die in keinem irrdischen Leib eingesperrten Geister solten in der Liebe die eyfrigsten / Gott aber das Quell alles guten / ein warhafftiger Brunn der Liebe / ja die Liebe selbst /und gantz und gar Feuer seyn. Den allergrösten Brand aber hätte seine Seele gefangen aus Adelmundens eigener Schönheit und ihrer Tugend. Wo er nun durch seine Liebe was gesündigt hätte / müsten diese als Verleiter seine Schadloß-Bürgen seyn. Denn solche Schönheit beraubte uns im Augenblicke aller unser Seelen-Kräffte. Die aus so holden Augen steigenden Geister bemächtigen sich unser durch unsichtbare Ketten / und zügen uns so unvermerckt / oder so gewaltig / daß man nöthig hätte ihr ohne geringstes Widersprechen zu folgen. Am allermeisten aber führte die Tugend unser Hertze im Siegs-Gepränge gefangen / und ob zwar ein thätiges Auge geschwinder an Bort käme / daß man eine Weile Verstand und Urthel verliere; so verursachte doch eine tugendhafte Seele in uns mehr Kitzelung / als alle Künste des Liebreitzes und das von ihr erwachsende Feuer hätte ein unversehrliches Tacht / und eine weder durch Zeit noch Widerwärtigkeit ausleschliche Flamme. Also hätte sie in seinem Hertzen unmöglich verglimmen können; sondern sie wüchse mit seinen Jahren. Adelmunde wäre für diesem der Angelstern seiner Seele gewest / nunmehr wäre sie seine Sonne / ja seine Gottheit worden /und es sagte es ihm sein Hertze / oder es heuchelte ihm wenigstens sein Verhängnüs; daß niemand als er Adelmunden zubesitzen das Glück haben würde. Hieraus möchte nun Hertzog Ganasch urtheilen: ob es einigen Schein der Warheit haben könne / daß eine so reine Liebe durchs Laster sich selbst / und durch Beleidigung die geliebte Seele versehren könne? ob der /welchem die Nothwendigkeit nicht zu sündigen obgelegen / ihm selbst einen Nothzwang zu sündigen habe aufbürden können? damit aber Hertzog Ganasch nicht den geringstẽ Schatten einigen Verdachts wider ihn in seinem Gemüthe behalten möchte / zohe Cariovalda seinen vom Chaucischen Hertzoge mit eigener Hand gezeichneten Brief herfür; und wieß ihm / wie seines Nahmens eigenhändige Unterschrifft so wol / als sein von einem andern Schreiben abgeschnittenes Siegel an selbtes so künstlich angekleibt wäre / daß solche Falschheit kaum durch das schärffste Gesichte erkennet werden könte. Wie nun Hertzog Ganasch seine eigene Augen für Zeugen der angezogenen Unschuld gelten lassen muste; also begegnete er Cariovalden mit freundlichster Höfligkeit / und bat ihn die Ubersendung beyder Briefe nicht für eine Beschuldigung /sondern für eine wolgemeinte Nachricht der auf ihm erwachsenden Verläumbdung anzunehmen. Cariovalda war mit so holder Empfangung überaus zu frieden / gab aber zu verstehen / daß er nicht ruhen / oder seine Unschuld nicht für sattsam gerechtfertiget halten könte / bis er hinter den Urheber dieser Falschheit kommen wäre. Hertzog Ganasch mühte sich Cariovalden zwar damit zu besänfften: daß Tugend und Wolverhalten falsche Nachrede wie die Sonne den Nebel zu Bodem drückte / und die Verachtung so wol der Verläumbder ärgste Pein / als eines grossen Gemüthes [631] Kennzeichen / insonderheit Fürsten ein zum Schirme ihrer Herrschafft dienender Werckzeug wäre. Alleine es lag ihm doch selbst Tag und Nacht im Sinne / wer gleichwol wider seine Tochter eine so unmenschliche Frevelthat angestifftet haben müste. Worbey er sich denn nicht erwehren konte / daß die ärgste Pest unter den Menschen nemlich der Argwohn ihm zwar nicht wider den Cattischen Hertzog / doch wider seinen Hof und Räthe allerhand Verdacht an die Hand gab. Weil es nun so schwer fällt Argwohn in seinem Gemüthe / als das Feuer in einem Hause zu verbergen / ja beydes außerhalb sichtbarer als inwendig ist; nahmen jene dieses Mißtrauen leichte wahr /und hiermit erfolgte dis / was bey allen zum Verdacht geneigten Gemüthern sich ereignet / nemlich / daß die furchtsamen gleichfals gefürchtet werden. Dieses so kalte Gifft / als nimmermehr Schierling ist / machte /daß fast alle Gewogenheit zwischen beyden Hertzogen und ihren Dienern erfror. Gleichwol mühte sich der Graf von Hohenstein durch guten Rath / welcher wie Bezoar nicht nur das verhandene Gifft verjagt /sondern auch das befreiete Hertze stärcket / die Trennung des Cattisch- und Cheruskischen Hauses möglichst zu verhüten. Ja als er den Hertzog Arpus gegen alle Einredungen verhärtet fand / hielt er es nicht rathsam länger zu verschweigen / was zwischen der ohnmächtigen Adelmunde und Catumern sich begeben hatte / und daß beyder so tieff eingewurtzelte Liebe durch keine Schwerigkeit / und durch keine Gesätze der Staats-Klugheit sich würde ausrotten lassen. Catumer hätte nie keine heftigere Liebe gegen Adelmunden blicken lassen / als seit daß man ihm ihre Ehligung wegen beygemäßener Unfruchtbarkeit hätte schwer gemacht. Denn es steckte nichts in der Welt unsere Begierden mehr an / als die uns in Weg geworffene Hindernüs. Jupiter wäre schwerlich nach Danaen so lüstern worden / wenn sie nicht hätte im Thurme gesteckt. Ja das Verlangen / welches man durch vorgestellte Gefahr verjagen wolte / vergrößerte selbtes / und wie man das uns an die Hand gehende oder begegnende Gute verschmähete; also rennte man gleichsam rasende nach dem verbotenen. Ihm wären zwar die grossen Erbietungen Adgandesters unverborgen; und er wünschte keine größere Ehre in der Welt /als daß durch seine eigene Asche dem Cattischen Hause eine Vergrößerung zuwüchse. Aber es wäre nicht außer Augen zu setzen / wie viel Fürsten schon Marbod mit Anbietung seines Tochter umbs Licht geführt / Marbod mit ihr zu Mattium gleichsam ein Gewerbe getrieben habe. Grosse Erbietungen wären die gäng- und gebe Müntze dieser Zeit. Blätter und Worte müsten insgemein die Stelle der Früchte und Wercke vertreten. Was für einen Haß und Mißtrauen würden ihnen nicht auch die Catten bey allen andern Deutschen auf den Hals ziehen / und wie würde der mit der Fürstin Catta versprochene Hertzog der Hermundurer seines Vater-Mörders Tochter für seine Schwägerin vertragen können? dahero / wenn es schon Marbods Ernst / Adgandesters Versprechen wahr / und Catumers Gemüthe zu ändern wäre / das Cattische Geblüte mit dem Marbodischen so schwer / als das Blut der Hirsche mit sich selbst zusammen rinnen würde. Ja wenn auch zwischen diesen einige Verträgligkeit zu stifften wäre; was wolte ein so tapferer Fürst vom Zufall eines Reiches hoffen / welches Marbod durch Laster erworben / mit Blute befestigt / und das bey der gantzen Welt einen so bösen Nahmen / als vieler Völcker und Fürsten Fluch auf sich hätte? Arpus / weil er vom Hohensteine genung versichert war / daß er es niemanden als ihm selbst zu Liebe redete / vertrug zwar seine Einredung / antwortete ihm aber: Catumer wäre sein Sohn / ihm also wo er seinen Vater nicht haßte [632] zu gehorsamen schuldig. Denn Liebe und Gehorsam wären leibliche Geschwister / würde er aber sich gelüsten lassen sich hiervon abzusätzen / so würde er auch aufhören Vater zu seyn / dessen Verbot vernünftigen Kindern etwas nicht nur schwer / sondern unmöglich machte. Die Heftigkeit seiner Liebe würde nach und nach wol ausrauchen. Denn Verliebte wären vergeßlich / die Empfindligkeiten widriger Liebes-Zufälle aber / wie die Mutter-Beschwerden schrecklicher als gefährlich / und ihre Wunden / welchen anfangs das Anrühren mit der weichsten Seide unleidlich wäre / vertrügen hernach hart Pflaster und starcke Betastungen. Sonderlich aber müsten Fürsten im Lieben niemals die Zärtligkeit des Pöfels haben /sondern so offt es ihr Zustand erforderte / davon abstehen oder selbte verwechseln können. Daher er auch dem Könige Marbod so sehr nicht verargen könte /bey sich ereignender Gelegenheit einen Erb-Fürsten für einem Abgefundenen zum Eydame zu erkiesen. Er hätte sich nunmehr in einen Stand gesätzt; daß alle Häupter der Welt ihn für einen grossen König erkennen / mit Botschafften verehren / und umb seine Freundschafft und Bündnüsse sich bewerben müsten. Das Hefft des Degens gielte in Aufrichtung der Reiche mehr als die Wagschale des Rechtes / und würden wenig grosse Reiche in der Welt seyn / welche nicht durch Unrecht zusammen gewachsen. Es hätte mit ihrem Ansehen gar eine andere Beschaffenheit / als mit dem eintzeler Leute. Dieser Ehre rührte nur von der Tugend / jener mehr vom Glücke her / und wäre mehr ein Gemächte der Zufälle / oder des Verhängnüsses als ein Verdienst der Menschen. Die Nachbarn beugten sich mehr für einem glücklichen / als einem tapfferen Fürsten. Andere Leute schätzte man mehr wegen ihrer Tugend als wegen ihrer Würde; Reiche und Könige aber mehr wegen ihrer Macht / als wegen ihres Ruhmes. Der Persen Reich wäre in seinem Ansehen blieben / da gleich ein Verschnittener zwey Leichen seiner ermordetẽ Häupter mit ihrem Sta e den Katzen zur Speise fürgeworffen / und aus ihren Gebeinen Degen-Grieffe machen lassen. Da hingegen Brutus / Pompejus und Hannibal den Ruhm grosser Kriegs-Leute behalten / ungeachtet die ersten mit Verlust der Schlachten die Römische Freyheit / der letzte das Ansehen der mächtigen Stadt Carthago verspielet. Also mag vom Könige Marbod man insgemein verkleinerlich reden / wie man wil / so bleibt doch unverneinlich / daß er von uraltem edlen Geblüte entsprossen / nicht mehr an Leibes- als an Gemüths-Kräfften vermögend / hohen Verstandes sey / und daß er sein Reich nicht / wie vorige Herrschafften in Deutschland gewest / auf das Gefallen des veränderlichen Pöfels /sondern auf eine feste Staats-Verfassung nemlich die Königliche Hoheit gegründet habe. Die Römer selbst bekennten / daß er sein Kriegs-Volck nach Römischer Art abgerichtet / seine Gewalt nicht nur der Römischen als gleich wiegend entgegen gesätzt / sondern durch seine öfftere Dräuungen in Italien einzubrechen Rom in grössere Furcht versätzt hätte / als es jemals für dem Pyrrhus und Antiochus / Athen für dem Könige Philipp gehabt. Wer könte nun mit Vernunfft ihm für verkleinerlich auslegen / wenn er seinen Sohn an eine tugendhaffte Tochter eines so grossen Fürsten verheyrathete? Hohenstein / ob er zwar sonst Hertze genung hatte / und wol verstand / daß eines Dieners Zagheit so viel wo nicht mehr / als Untreue / Schaden thun könte / und man nicht weniger schuldig wäre gegen seinen Herrn ehrerbietig zu seyn / als ihm treu zu dienen / traute ihm nicht mehr einzureden / theils weil er alle Einwendung fruchtloß zu seyn vorsah /theils daß er nicht darfür möchte angesehen werden /daß er mehr seines Fürsten Hofemeister als sein Rath seyn wolte. Gleichwol offenbarte er es der Hertzogin Erdmuth und dem Fürsten Jubil. [633] Weil diese nun solche Beschwerligkeit zu heben keinen Heber zu finden wusten / Adgandester aber täglich mit dem Hertzoge Arpus geheime Unterredung hielt / die bestimmte Zeit zum Beylager auch für der Thüre war / schlossen sie Catumern und Ingviomern hiervon Nachricht zu geben / und durch den Feldherrn Herrmann den Cattischen Hertzog von seiner Meinung abwendig zu machen. Catumer ward hierüber so bestürtzt / daß er eine gute Weile kein Wort aufbringen konte / endlich fieng er an: Mein Vater hat zwar die Gewalt über mein Leben / aber nicht über die Regungen meiner Seele. Diese sind dem Triebe des Verhängnüsses unterworffen. Ich bescheide mich / daß ein Sohn seines Vaters Feinde für die seinigen zu halten / und von Eltern so wol Haß als Güter zu erben schuldig sey / aber die Reue eines Vaters kan den Sohn von seinem einmal gebilligten Gelübde nicht befreyen. Denn welch Volck in der Welt eignet Vätern ein solch Recht zu; daß sie ihren Kindern etwas aufnöthigen solten / was an sich selbst unzuläßlich ist? Ich habe mit seiner Einwilligung mich Adelmunden verlobet; also kan ich wider ihren Willen mich von ihr nicht entbrechen; ja wenn sie auch wolte / würde mir doch erträglicher seyn sie zu lassen / als ein Beyspiel versehrter Treue zu werden. Zumal auch die Freyheit unser bestes Erbtheil ist / welche mit uns gebohren wird / also auch nicht als mit dem letzten Atheme versätzt werden soll. Ingviomern aber war die verlautende Heyrath Catumers mit Marbods Tochter ein rechter Donnerschlag ins Hertze. Weil nun eigener Vortheil das stärckste Rad in dem Uhrwercke unser Verrichtungen ist / versprach er ihm dieses Werck wie sein eigenes ihm angelegen zu halten. Mitler Zeit aber vergaßen Sentia und der durch sie verleitete Segesthes nicht am Chaucischen Hofe das Garn der Zwytracht meisterlich zu spinnen. Insonderheit war jene eine Meisterin den Cariovalda als den vollkommensten Fürsten der Welt /und die Herrschafft der Bataver als die ansehnlichste in den Augen der Römer / welche sie mit dem Nahmen der Bundsgenossen und dem Römischen Bürgerrechte verehrten / herauszustreichen. Ob nun wol des Chaucischen Hertzogs einiges Bedencken noch war Adelmunden an Cariovalden zu versprechen; daß die Bataver weder die Fürstliche noch des Adels Herrschafft erkennten / sondern das gemeine Volck insgesampt das Hefft in Händen hätte / und Cariovalda nur von ihnen zum Heerführer erkieset war; so versicherte ihn doch Sentia / daß / weil Cariovalda aus dem Geblüte ihrer alten Hertzoge entsprossen wäre / denen Römern im Kriege grosse Dienste geleistet / denen Batavern einen so vortheilhafftigen Bund beym Käyser zu wege gebracht hätte; nicht nur jene ihm zu seiner Ahnen Herrschafft zu helffen versprochen / sondern die Bataver selbst / und zwar der Adel aus Verdruß dem Pöfel unterworffen zu seyn / das andere Volck aber wegen beschwerlicher Zwistigkeiten hierzu geneigt wären. Dieses würde sich auch so viel mehr-erleichtern / weñ Cariovalda in das den Batavern benachbarte und mächtige Hauß der Chaucen heyrathen / und denen Widersinnigen vorwerts die Römischen / am Rücken die Chaucischen / und in ihrem Hertzen die ihm selbst untergebenen Heerspitzen der Bataver zeigen würde. Diese Heyrath würde auch ein Mittel seyn / daß die Sicambrer und Chaucer durch Vermittelung der hochangesehnen Bataver mit den Römern durch einen vortheilhafften Frieden zur Ruhe kommen würden. Ob nun wol Hertzog Ganasch allzu wol verstand / daß die der Freyheit gewohnten Bataver ihre Häupter nicht so leicht unter Cariovaldens Joch beugen würden; und er noch immer ein Auge auf die ansehnlichere Heyrath Hertzog Catumers hatte; so zohe doch Segesthes endlich einen Brief Adgandesters herfür; darinnen er ihm schrieb: daß selbigen Tag er auf Befehl seines Königs die [634] Fürstin Adelgunde an Catumer zu verheyrathen mit dem Hertzoge Arpus wäre eines worden. Ihm wäre zwar leid / daß dadurch die Eh mit der Fürstin Adelmunde zurück gesätzt würde. Alleine / wenn Hertzog Ganasch seine Tochter dem tapfferen Cariovalda verloben wolte / versicherte er ihn / daß König Marbod nicht nur den Cariovalda zum Haupte der Bataver zu erheben / sondern auch den Sicambern und Chaucen einen vortheilhafften Frieden bey den Römern zu wege zu bringen / und da so denn diese den Bogen zu hoch spannen würden / ihnen Lufft zu machen mit einem mächtigen Heere in Noricum einbrechen würde. Wie angenehm nun dem Hertzoge Ganasch diese Vertröstungen waren / mit so grosser Ungedult hörte er des Arpus Heyraths-Schluß mit Marbods Tochter; also / daß er unverwendeten Fusses bey der Eiche / welche in einem geweihten Heyne an der Weser als ein Zeichen des grossen Gottes und bey dem Mohnden / welcher als ein Sinnebild der göttlichen Nahrungs-Krafft von den grossen und kleinen Chaucen verehret wird / schwur / er wolte diese Verschmähung seiner unschuldigen Tochter am Hertzoge Arpus rächen / solte es gleich seinen Hals kosten /und die Chaucischen Ströme mehr Blut als Wasser ins Meer zu führen haben. Cariovalda ward hiervon durch Sentien benachrichtiget / und sich dieses guten Windes zu seinem Glücke zu gebrauchen erinnert. Dieser bat den Grafen von Ortenburg / er möchte mit ihm aus Mattium auf eine kleine Jagt reiten; nach einer wenigen Kurtzweil führte er diesen in den nechsten Heyn / daselbst schüttete er gegen ihm sein Hertz derogestalt aus: Es wäre in der Welt niemand / der ein Frauenzimmer so inbrünstig liebte / als er die unschätzbare Adelmunde. Niemand als Catumer hätte ihrer Gegen-Liebe und seinem Glücke im Wege gestanden; weil er aber sich seiner Unwürdigkeit beschieden / hätte er nicht nur alle Eyversucht und Mißgunst aus seinem Hertzen verbannet / sondern er würde auch Adelmunden zu Liebe alle seine Kräfften zu Catumers und der Catten Diensten angewehret haben. Nach dem er aber den Abend vorher aus dem Cattischen Hofe die gewisse Nachricht erlangt hätte /daß zwischen des Königes Marbods Tochter und Catumern eine Heyrath geschlossen / also die Fürstin Adelmunde allen Chaucen zu Schimpff verschmähet wäre / hätte die Rache sein Hertz derogestalt angefüllet; daß selbte nicht ehe als mit Catumers Blute ausrauchen könte / denn wo die Ehre verletzt wäre / hätte nichts als der Tod genungsame Kälte das Feuer der Rache abzukühlen / und seine Kohlen mit der Asche des Mitleidens zu bedecken. Hiermit streckte er seinen Arm gegen einem aus einer Ulme gehauenen zugespitzten Stocke / welchen er also zum Zeichen der Nehalenia hatte ausarbeiten lassen. Unter diesem Nahmen und Bilde verehrten die Bataver und Taxandrer die göttliche Allmacht / wie die Ephesier ihre Diana / und die Paphier unter einem fast eben so gedrechselten und keine menschliche Gestalt habendem Holtze ihre Venus. Hiermit fieng er an: Ich schwere bey unser Nehalenia / daß wenn die Chaucen gleich ihr erlittenes Unrecht verschmertzen / und ich mein Lebtage kein Theil an Adelmundens Liebe haben soll / ich doch solches bis auf den Tod an Catten rechen wil / welcher durch dis / daß er allen Menschen gemein ist / sie lehren soll; daß Arpus und Catumer zwar mächtiger / nicht aber besser als Cariovalda sey. Der Graf von Ortenburg faßte über dieser Zeitung einen so heftigen Eyver gegen die Catten / daß er nicht so bald in Mattium kam / als er alles dem Fürsten Ganasch haarklein erzehlte. Ob ihm nun zwar dieser vorgesätzt hatte bis auf den zur Heyrath besti ten Tag mit seiner Entschlüssung hinter dem Berge zu halten; damit er die seiner Tochter zugefügte Beleidigung desto scheinbarer anthen könte; so schien es ihm doch nun [635] länger unerträglich zu seyn; daß so viel Leute von seiner Beschimpffung / nichts aber von seiner Empfindligkeit hören / also ihn endlich auch der Pöfel verächtlich halten solte. Diesemnach ließ er noch selbigen Morgen Cariovalden und Adelmunden für sich / und deutete ihnen an: daß er beyder Heyrath beliebte / und sie sich zu dem auf folgenden Tag bestimmten Aufbruche aus Mattium bereiten solten. Es ist schwerlich aus zu drücken / mit was für widrigen Gemüths-Regungen Cariovalda und Adelmunde diesen unvermutheten Ausspruch verno en. Jenem war es die annehmlichste Freuden-Stimme der Welt /daher er auch für dem Hertzoge Ganasch niederfiel /und mit Umarmung seiner Knie für diese unermäßliche Gnade danckte. Dieser hingegen wäre ein Todes-Urthel viel erträglicher gewest; daher ihre verstummte Zunge auch kein Wort aufbringen / ihre versteinerte Augen keine Thränen vergießen konten / sondern sie auf Befehl des Hertzogs von zweyen Adelichen Jungfrauen in ihr Zimmer gebracht ward / welche / weil sie daselbst etliche Stunden lang aus einer Ohnmacht in die ander fiel / an ihr genung zu reiben und zu kühlen hatten. Unterdessen waren nicht nur Ingviomer und Jubil / sondern der Feldherr selbst aufs euserste beschäfftigt den Hertzog Arpus von seinem neuen Heyraths-Schlusse abwendig zu machen / und zu Vollziehung der Chaucischen Heyrath zu bewegen. Arpus aber hatte anfangs so wenig Gehöre und Empfindligkeit als ein Felß / ungeachtet sie ihm die Betrügligkeit Adgandesters / Marbods Wanckelmuth und Herrschens-Sucht die aus solcher gezwungenen Eb nothwendig entstehende Trennung der Deutschen / die Verfeindung und Gefahr der Catten / und hunderterley Nachtheile für Augen legten / bis ihm der Feldherr einhielt / daß wenn Hertzog Arpus einen Sohn nicht nach seinem Wilkühr heyrathen ließe / würde er zu empfinden Ursache haben / daß die erstere zwischen Catumern und Ismenen von ihnen abgehandelte Eh nicht ihren Fortgang gehabt. Hertzog Jubil und seine Gemahlin aber brachen nunmehr loß / der hierüber gantz verzweifelte Catumer hätte mit den höchsten Schwüren sich vermässen ihm ehe den grausamsten Tod als Marbods Tochter zur Gemahlin aufbürden /und Adelmunden nehmen zu lassen. Weil nun er keine andere Ursache der verweigerten Chaucischen Ehe /als die ungewisse Beysorge seines untergehenden Stammes anzuführen gewüst hätte / wäre es ja unverantwortlich durch eine neu erzwungene Eh seinen einigen Stamm-Erben in so gewissen Untergang / sich aber in übele Nachrede bey der Welt / und in Fluch hey seinem Volck zu stürtzen. Wie sie nun sein Hertze nur ein wenig erweichet sahen / gleichwol aber seine Gedancken noch wie eine schadhaffte Magnet-Nadel hin und her flatterten / brachte Erdmuth den Fürsten Catumer ins Zimmer / welcher für dem Hertzog Arpus fußfällig ward / und in folgender Weise anredete: Ich bin schon zweymal Bräutigam und soll es nunmehr auch das drittemal werden / ehe ich noch das erstemal Ehmann worden. Die erste Verlobung hat die Staats-Klugheit / die andere das Verhängnüs geschlossen. Daß die wolmeinende Vater-Sorge die dritte belieben wolle / muß ich glauben / denn sonst wäre ich nicht würdig eines so holden Vaters Kind zu seyn. Sintemal ich Gottlob verstehe / daß ob wol die Liebe dem in die Höhe steigenden Feuer verglichen wird /gleichwol aber die der Eltern dis besondere an sich habe / daß sie abwerts steige / und sie ihre Kinder ungleich mehr / als diese ihre Eltern lieben / vielleicht weil diese fühlende Flamme in Fleisch und Blut / welches Eltern in ihren Kindern für sich sehen / mehr Gewichte hat / als die welche nur den Geist zu ihrem Wagen erkieset. Allein ich bin wol versichert / daß die Arglist meine dritte Verlobung [636] aus der Hölle herfür gesucht und zum ersten auf den Teppicht geworffen habe / weil solche der andern im Himmel geschlossenen Verbündnüsse / ja seiner Ehre / da er sein Angelobnüs brechen solte / und der Vernunfft widerstrebte / weil er die nie gesehene Tochter Marbods lieben solte. Er könte zwar nicht umbstehen / daß die Klugheit dem Hertzog Arpus viel wichtige Gründe an die Hand gebe solche Heyrath zu rathen. Aber der Bodem aller Heyrathen müste Liebe / nicht die Vernunfft seyn. Diese wäre gewohnter die Liebe auszuleschen / als anzuzünden / oder die brennende zu unterhalten. Sie wäre eine ernsthaffte Zuchtmeisterin / welche alle Sinnen unter ihren Füssen / den Willen zu ihren Sclaven / und aller Dinge Gedächtnüs und Einbildung vertilget wissen wolte / welche nicht einen güldenen Fuß und oben Kronen und Sieges-Kräntze zum Deckel hätten. Allein weñ man dieser klugen Liebe die Larve abzüge / würde man gewahr / daß solche nicht ihre Braut / sondern Reichthum und Würden liebten / ja solches keine Liebe sondern vermumter Geitz und Ehrsucht / aber auch mehr eine Quaal / als eine Vergnügung wäre. Denn die weisen Liebhaber / welche allemal ihr gutes Urtheil zu rathe nähmen / und mit ihren Neigungen Krieg führten / beraubten die Liebe ihrer Eigenschafft / verlangten / daß sie aufhören solte eine Gemüths-Regung zu seyn /und schmeckten nicht die Süßigkeit der Liebe. Ihre Gewinnsucht wäre viel zu groß / daß sie reine Gegen-Liebe für ihren besten Schatz halten / daß ihre einige Freude aus dem Besitzthume einer treuen Seele schöpfen solten / und daß weder Vortheil noch Ansehen so viel Gran / als die Vereinbarung zweyer Hertzen Pfunde Wollust zu zeigen vermöge. Wie nun diese unter die Zahl wahrer Liebhaber nicht zu rechnen wären / also verschwinde auch ihre scheinbare Eitelkeit; so bald ihr Nutz oder Stand einen Anstoß bekäme / und ihre Buhlschafften würden als unnütze Werckzeuge ihrer Glückseeligkeit kaum mehr über Achsel ansehen. Wie leicht aber könte ein Zufall alle Hoffnung seines Vaters verrücken; weil Marbods Reich auf die bloße Gewalt / und auf Unvergnügen hundert bemeisterter Völcker gebaut wäre; solche Herrschafften aber allezeit wie die auf Quecksilber gegründeten Thürme wackelten. Viel andere Beschaffenheit hätte es mit rechtschaffener Liebe. Denn diese würde nicht von tiefsinnigem Nachdenken gebohren /und mit schweren Wehen zur Welt gebracht; sondern das unvermeidliche Verhängnüs flöße dieses Feuer wie ein Blitz in unsere Seele. Der erste Blick unsere Liebste zu schauen / wäre zugleich der Anfang unserer Dienstbarkeit. Ehe man sie recht kennen lernte /oder wüste wer sie wäre / wäre man schon ihr Eigenthum. Man erkiesete Freunde / aber die Liebe erkiesete uns; und ließe uns nicht Zeit noch Vermögen ihre Güte zu untersuchen. Denn unsere Scharfsichtigkeit würde blind / unsere Vernunfft verbannet / unser freyer Wille gefässelt / also daß die schwächste des schlechteren Geschlechtes über uns aufs strengste zu gebieten mächtig wäre. Nicht anders wäre es mit dem Ursprung seiner Liebe gegen Adelmunden hergegangen. Er hätte vorher nicht gewüst / was Liebe wäre /weniger ihre Regung gefühlet. Alle vorhin ihm die Augen leuchtenden Schönheiten / und selbst die von ganz Deutschland angebetete Fürstin Ismene wären ihm Sterne ohne Einfluß gewest; mit dem erstẽ Anblick Adelmundens aber hätte er nicht so bald einen heftigen Zug ihres Hertzens gefühlet / sondern sie zugleich für die Beherrscherin seiner Seele erwehlet. Seine Seele hätte es nicht nur gefühlet / sondern seine Augen es gleichsam gesehen / daß aus ihren liebreitzendẽ Augen gleichsam ein zaubrischer Strahl in ihn gefahren wäre / und durch eine so unbegreifliche Weise die Lieb in ihm lebhaft gemacht hätte / wie die Sonne in den Eingeweiden [637] der Erde Ertzt bereitete /der Neu- und Vollmond das Meer aufschwellete / und der Angel-Stern den Magnet bewegete. Die unvergleichliche Ißmene bemeisterte meinen Verstand zu urtheilen / daß sie die Liebenswürdige Fürstin der Welt wäre; aber Adelmunde bezwang meinen Willen sie allein ewig zu lieben; ehe ich ihre Gestalt / und ihre Tugend gegen Ißmenens auf die Wag-Schale legte. Er urtheile demnach / gebietender Vater / ob das Verhängnüß oder die Vernunfft uns das unauslöschliche Oel der Liebe einflösse? und ob über uns nicht eine verborgene Regung eine von der Vernunfft / von Rathschlägen der Freunde / und vom Gehorsam der Kinder unüberwindliche Bothmässigkeit habe? Ob die blinde Leiterin nemlich unsere Neigung nicht stärcker und von der scharffsichtigsten Klugheit entfernet / ja ihre stete Widersprecherin sey? Sintemal umb diese durch ihre künstliche iedoch fruchtlose Beredsamkeit meist zu dem / was uns mißfällt / jene beliebte Blinde aber nach ihrem Gutdüncken zu eitel Annehmligkeit / und was ich nicht leugnen kan / offt zu ungebildeten Antlitzen / zu höckrichten Leibern /zu besudelten Seelen / und zu dem / was wir gerne nicht lieben wolten / leitet / oder vielmehr wie ein Zwirbel-Wind wider Willen ins Verterben reisset; oder auch von dem / wornach tausend andere Seelen säufzen / darzu uns unsere Vernunfft und Hertzens-Freunde wohlmeynende rathen / abwendig macht: Ohne diese geheime Regung würde ich ein unwürdiger Klotz der Erden seyn / wenn ich nicht der unschätzbaren Fürstin Ismene die Hände untergelegt /und ihr meine Seele zu ihrem Tempel eingeweyhet hätte / gleichwohl aber hat mich / Gott Lob / der Himmel so lieb gehabt / als ich Adelmunden / daß er mein Hertze zu einer solchen Fürstin geleitet / welcher auch die Verleumder / alle Leibs-Glücks- und Gemüths-Gaben zugestehen müssen / und der man keinen andern Mangel als ein frembdes Laster ihrer griechischen Magd ausstellen können; von welchem sie aber nunmehro so rein gewaschen worden / als ihre Unschuld ist. Also billiget meine Liebe nicht nur meine Neigung / sondern auch die Vernunft und Staats-Klugheit; weil sie eine schöne tugendhafte und so vornehme Fürstin zu ihrem Zweck erkieset. Ich leugne nicht von glaubhaften Leuten gehört zu haben / daß Marbods Tochter Adelgunde meiner Adelmunde so nahe an Schönheit und Tugend / als im Nahmen verwand sey. Aber darumb kan ich mich nicht überwinden sie zu lieben. Denn wahrhafte Liebe verträgt keine Theilung / und es gehet mir mit Ismenen und Adelgunden / wie denen / welche den Geruch der Rose nicht vertragen können. Ihre Augen müssen sie für die Königin der Blumen verehren / aber ihre Seele fleucht für ihr wie für einem stinckenden Aasse oder Todten-Bruche. Die Schwachheit meiner Neigung zwingt mich zu thun / was sie / nicht ich wil / und zu verschmähen / was mir doch so wohl gefällt / und seiner Würde noch mehr geliebt zu werden verdienet /als ich Kräffte zu lieben habe. Nachdem nu unsere Klugheit nicht die Mutter der Liebe ist / und unser Verstand wenig Gewalt über sie hat; geschieht es offt / daß man für Liebens-werth hält / was man nicht liebt / ja was man vielleicht liebte / wenn es nicht allzu liebreich wäre / und also die Ubermasse der Güte unsere Liebe / wie zu vieles Licht unsere Augen verdüstert. Aus diesem Ursprunge rühret her / daß die Liebe Zepter und Hirten-Stäbe mit einander verbindet / daß Königinnen sich nicht überwinden können /Mohren und Zwerge für wohlgebildeten Helden zu verschmähẽ / daß ein verliebter Römer lieber den Sieg und die Herrschafft der Welt / als seine flüchtige Buhlschafft im Stiche läst. Ausser dieser uns vom Verhängnüsse eingeflößten Neigung ist alles andere Absehn ein Angel-Hacken / an dem sich die eitele Schein-Liebe / [638] nachdem die Winde der Ehrsucht und Geitzes wehen / wie ein Wetter-Hahn herumb kehret. Dahingegen die Liebe / welche nichts anders als die Gewißheit geliebt zu werden verlangt / und wie ein enges Hertze alle ihre Behägligkeiten verschliessen kan / ihre Fessel und Dienstbarkeit für ihr einiges Glück hält / und sich nicht satt lieben kan. Dieser edlen Schwachheit muß ich mich sonderlich schuldig geben; weil ich an Adelmunden nichts als sie selbst anbete / weil ich mir alle süsse Gedancken / ausser denen gerade auf sie gehenden aus dem Sinne schlage / und sie zu lieben nicht aufhören würde / wenn sie gleich keine Fürstin wäre. Denn mit ihr besitze ich meinem Bedüncken nach alle Schätze Morgenlands und die Krone der Perser; Ausser ihr aber mangelt mir alles / und nichts ist / das mich vergnüget. Bey ihren Augen traue ich mir auch in den Cimmerischen Nebeln und Finsternüssen genungsames Licht / unter der eusersten Nord-Spitze Wärmde / und in der einsamsten Einöde Ergötzligkeit / ohne sie aber in den Hesperischen Gärten und denen von allen Wollüsten bezauberten Pallästen keine Vergnügung zu finden. So lasse demnach / mein holdseliger Vater / mich diß lieben / was der Himmel wil / und was er als der Ursprung aller Fruchtbarkeit sonder Zweifel mit reichem Segen überschütten wird. Ist aber diß zu erlauben sein Vater-Hertze unerbittlich / so erlaube man mir doch ehe in Adelmundens Liebe vergnügt zu sterben / als mit Adelgunden verzweifelt zu leben. Dieses wuste Catumer mit einer solchen Bewegung fürzutragen /daß es dem Hertzoge Arpus zu Hertzen gieng / und durch seinen Vorsatz einen mercklichen Ritz machte. Denn nachdem er es zu überlegen Catumern beschieden hatte / erklärte er sich / im Fall Hertzog Ganasch willigen wolte / daß wenn Adelmunde in fünf Jahren nicht fruchtbar befunden würde / sie sich ins Aurinische Heiligthum verloben / und derogestalt seinem Sohne sich anderwerts zu verheyrathen Raum machen wolte / wäre er folgenden Tag seines Sohnes Beylager mit Adelmunden zu vollziehen entschlossen. Der Feldherr übernahm willigst diese Vermittelung / und weil Catumer hierinnen durch seine Mutter Wind kriegte / gab er Adelmunden hiervon schrifftliche Nachricht und Versicherung: daß sein Hertze mit dem ihrigen auf ewig so feste verknipft wäre: daß es weder Unfruchtbarkeit noch andere Zufälle so wenig zu trennen / als die Zeit das Hertze der Welt die Sonne ausser dem gestirnten Thier-Kreisse zu ziehen fähig seyn würden. Ihr Wille würde allezeit biß in Tod der seinige seyn / und das Verhängnüß selbst solte so wenig Macht haben sie zwistig zu machen / als die Natur Augen in einer Stirnen zu schaffen / derer eines auf einmal recht- das andere linckwerts sähe. Daher möchte doch sie seines Vaters allzu sorgfältige Bedingung sich nicht irre machen noch den Hertzog Ganasch solches empfindlich aufnehmen lassen. Der Feldherr wolte keine Zeit versäumen / sondern war schon unterweges zum Hertzog Ganasch zu reiten /als ihm der Graf von Embden begegnete / und wegen Hertzog Ganasches / welcher eine Virtel-Stunde vor her mit seinem gantzen Hof unversehens aus Mattium aufgebrochen war / von ihm und dem Cheruskischen Hofe Abschied zu nehmen. Der Feldherr war hierüber nicht wenig bestürtzt / und weil er mehr auff den Kern der Dinge und die gemeine Wohlfahrt / als auf Eitelkeiten des Ansehens sah / ritt er mit wenigen seiner Leibwache nach / und ereilete ihn auf der Meile /allwo er zugleich Segesthen / Sentien / und Cariovalden mit einer ziemlichen Anzahl Casuarischer Reiter antraff / Adelmunden aber nicht zu Gesichte bekam. Ganasch und seine Gefärthen sprangen alsbald bey Ersehung des Feldherrn von ihren Pferden / und entschuldigten: daß ihr geschwinder und unversehener Aufbruch ihnen nicht persönlich Abschied zu nehmen verstattet hätte. Nach [639] gewöhnlichem Wort-Gepränge zohe der Feldherr den Hertzog Ganasch auf die Seite /und fragte: Was doch die Ursach seines so plötzlichen Aufbruchs wäre / da doch numehr mit den Römern wegen des allgemeinen Friedens zu handeln / und andere wichtige Geschäffte / daran die Wohlfahrt Deutschlandes hienge / noch zu erörtern wären. Ganasch antwortete: Er hätte mit Ehren den folgenden zu seiner Tochter Heyrath besti ten Tag in Mattium nicht erwarten können; nachdem Hertzog Arpus zu ewigem Schimpfe des Chaucischen Hauses eine Ursache vom Zaune gebrochen hätte / seine Tochter zu verschmähen / umb für Catumern eine reichere Braut an Marbods Tochter zu erkiesen. Der Feldherr versetzte: Er käme eben zu dem Ende ihm diesen Irrthum zu benehmen und zu versichern; daß auf den nechsten Morgen Catumer mit Adelmunden feyerlich solte vermählet werden / wenn Ganasch nur eine erträgliche Bedingung belieben wolte. Ganasch fragte: Was denn diß für eine seyn solte; welchem der Feldherr beybrachte: daß ihr Adelmunde belieben lassen wolte /im Fall sie in fünf Jahren über alle Hoffnung nicht schwanger würde / sich in das Aurinische Heiligthum zu verloben. Dem Hertzoge Ganasch stieg hierüber das Geblüte ins Antlitz / und er fieng an: Ich wolte meine Tochter ehe alsbald in diß scheinbare Gefängnüß einsperren / oder sie / wie Agamemnon mit seiner Iphigenia und Marius mit seiner Tochter Calphurnia gethan haben soll / blutig aufopfern / ehe ich mit den Catten / derer Geblüte ich keines Haares besser als der Chauzen schätze / solche schimpfliche Verbindung eingehn / und denen / welche unter des unschuldigen Cariovalda Nahmen Astreen zu einem so grausamen Laster bestochen / meine Tochter zu vergiften in die Hände spielen solte. Der Feldherr brach ein: Wer denn diese ruchlose Leute wären? Er möchte sie zu gerechter Straffe und umb die Unschuld alles Verdachts zu befreyen doch nicht verschweigen. Ganasch begegnete ihm: Kleine Verbrechen würden nur gestrafft / grosse aber würden nur zu Tugenden / wie die ihres gleichen verschlingenden Schlangen zu Drachen; und würden belohnet. Zu dem mangelte offtmals einem / der das beste Recht hätte / der Beweiß /und also wäre es besser sein Unrecht verschmertzen /als ohne Frucht zu ahnten. Der Feldherr hielt ihm ein: Es wäre kein gemeiner aber auch kein gefährlicher Irrweg im menschlichen Leben / als Argwohn. Wer darinnen am scharffsichtigsten zu seyn ihm einbildete /der würde am leichtesten wie die Sternseher durch die Fern-Gläser betrogen / welche die im Glas oder in ihren blöden Augen befindlichen Flecken den reinesten Sternen eindrückten. Er wolte für die wohlmeynende Redligkeit des Cattischen Hauses stehen /und die Zeit als der gröste Verräther der Heimligkeiten würde den Anstiffter eines so abscheulichen Lasters eben so wenig als Wolcken und Nebel die Sonne immer verhüllen lassen. Wenn aber auch Hertzog Ganasch des Cattischen Hertzogs Bedingung so gar für verwerfflich hielte; traute er auch noch diesen Stein des Anstosses aus dem Wege zu räumen / und daher möchte er doch wieder zurück kehren. Neue Freundschafft wäre wie Most / der süsse eingienge / aber mit Schaden truncken machte. Alte Freunde und alter Wein aber wären zwar herber / iedoch gesünder und beständiger. Ganasch aber antwortete: Seine Ehre /welche die Seele des Lebens wäre / liesse ihm nicht zu nach einer solchen Beleidigung einen Fuß zurück zu setzen. Der Feldherr fiel ein: Diese Umbkehrung würde mehr für ein Zeichen verträulicher Freundschafft gelten / als für eine unanständige Reue können ausgedrucket werden. Zu dem / es wäre besser mit gutem Vortheil [640] zurück treten / als mit Gefahr seinen Lauff vollenden und mit Schaden seinen Muth abkühlen. Offt wäre es auch eine Klugheit Schwachheiten zu zeigen / daß man das Glücke seinen Zweck zu erreichen dadurch erleichterte / und rühmlicher ohne grosses Geschrey gewinnen / als mit dem Ruffe eines trefflichen Spielers verlieren. Denn ein gewünschter Ausschlag vergüldete alle Brüche schlechter Anstalt /wie die guten Sänger und Täntzer eine schlechte Schaubühne. Dahero denn noch niemals iemand an seinem guten Nahmen Schiffbruch gelitten hätte / der mit Siege aus der Schlacht kommen wäre. Hertzog Ganasch entschuldigte sich: In der Welt gäb es allzu seltzame Köpfe / viel Augẽ / die eine Sache auf zweyerley Art aussähen / und die meisten Zungen wären geneigt übel zu urtheilẽ. Eine einige Verleumdung hätte Vermögens gnug einem einẽ solchen Schandfleck / mit denen sich der Pöfel so gerne als der Roß-Käfer mit seinem Mist weltzte / anzuhencken / welchen er sein Tage durch Wohlverhalten nicht auswischen könte / also daß offt eine schlimme Nachrede mehr Schaden nach sich züge / als ein grosses Versehen / weil das Böse gar zu gerne geglaubt würde / und schwerer als Eisen-Maale auszulöschen wäre. Damit er aber einen so grossen Fürsten nicht vergebens und mit anderm Vorwande aufhielte / wolte er kein Blat für den Mund nehmen / sondern seiner deutschen Aufrichtigkeit nach entdecken: daß Adelmunde nicht mehr Catumers / sondern Cariovaldens Braut wäre. Der Feldherr erschrack hierüber mehr als seine Gewohnheit war; weil er aus diesem Bündnüsse eine ewige Trennung und Tod-Feindschafft zwischen den Catten und Chauzen erwachsen sahe / darein unvermeidlich die Cherusker eingeflochten / und gantz Deutschland in Zerrüttung gestürtzt werden müste. Daher redete er den Chaucischen Hertzog mit ziemlicher Bewegung an: Er möchte sich in einem so wichtigen Wercke / welches seiner Nachkommen Heil auf dem Rücken trüge / nicht übereilen; sondern es dreymal überlegen / ehe er es einmal entschlüsse. Der Catten Freundschafft und Feindschafft wäre keinmal ausser Augen zu setzen / und er glaubte in seinem Leben nichts heilsamers ausgeübt zu haben / als daß er ihre ewige Zwytracht mit seinen Cheruskern beygelegt. Hertzog Arpus hätte gleichwohl wegen verlauteter Unfruchtbarkeit Adelmundens mit seines einigen Sohnes Heyrath sich nicht zu übereilen Ursach gehabt. Was aber auf Vernunfft gegründet wäre / liesse sich nicht bald für Unrecht annehmen. Niemand müsse in menschlicher Gemeinschafft / am wenigsten aber Freunde die Eigenschafft zerbrechlichen Glases noch die Zärtligkeit der kein Anrühren vertragenden Augen / sondern das Mittelmaaß eines Diamants in der Tauerhaftigkeit und Widerstehung haben. Wenn aber auch schon Hertzog Arpus mit seiner Vorsicht ein wenig zu weit gegangen wäre / hätte man solches für einen Fehler / nicht für eine Beleidigung auszulegen /auch seine Erklärung darüber nicht zu verwerffen. In wohl überlegten Schlüssen möchte der Wille unveränderlich / aber unser Urtheil wider bessere Meynungen nicht hartnäckicht / und unsere Einbildung niemals eines Dinges allzu gewiß beredet seyn. Ja wenn man auch wahrhaftig beleidiget würde / solte man doch /insonderheit ein Fürst / keinen Sonnen-Staub einiger Niedrigkeit / worunter Empfindligkeit und Rachgier den Vortrab führten / ihm in Sinn kommen lassen /sondern wenn Treue / Großmüthigkeit und Höfligkeit in der Welt verlohren giengen / solte sie doch in edlen Gemüthern ihre Wohnung behalten. Unsere Klugheit müste anderer Unvernunfft / unsere Geduld anderer Vergehung zu statten kommen / und wir niemals unsern [641] ersten Regungen glauben / denn diese redete eine viel andere Sprache als die Vernunfft / mahlte eine Sache viel anders ab / als sie an sich selbst wäre / und wandelte selten einerley Weg mit der Wahrheit. Seine ietzigen Regungẽ riethen ihm ietzt seine Tochter Cariovalden zu vermählen / dem er sie bey aufgeräumtem Gemüthe versagt hätte; und wenn diß sich wieder würde ausklären / würde er für Cariovalden Catumern wüntschen zum Eydame zu haben / dem er sie ietzt zu geben Bedencken trüge. Es wäre eine der grösten Klugheit im Leben / Freunde ihm nicht ungefehr beylegen / sondern erkiesen. Denn eines Zustand und Gaben könten uns mehr dienlich seyn / als tausend andrer Wohlwollen. Jedermann ohne einiges Bedencken wohlthätig seyn / erforderte unsere Höfligkeit; aber wenn man mit einem ein solch Bündnüß zu schlüssen gedächte / müste man zu Uberlegung seiner Beschaffenheit und des Glücks alle Vernunfft zusammen raffen / und die Zeit zum Rathgeber brauchen /also nichts übereilen. Cariovaldens Ankunft hätte an sich keinen Tadel / sondern er wäre guten Fürstlichen Geblüts; sein Glücke aber wäre Catumers nicht zu vergleichen / indem jener in Diensten des Volckes /dieser der Catten Erbschafft wäre. Ob auch Ganasch seine Eigenschaften genungsam und so wohl als des nicht weniger von seiner treuen Liebe als vielen Helden-Thaten bewehrten Cattischen Fürsten geprüfet habe / würde er am besten wissen; aber nicht ausser acht lassen; daß sich iedermann Fürsten nur im Gemählde und mit den besten Farben zeige / als er kan /und dahero schwerer Leute als zu Kauffe stehende Waaren erkennen / auch mehr daran gelegen die Eigenschafften der mit uns umbgehenden Menschen als der Kräuter und Wurtzeln zu ergründen. Mit einem Worte / Ganasch solte den Fürsten Catumer und Cariovalda wol gegen einander auf die Waage legen /und glauben / daß er mit einem oder dem andern seines Hauses Glück oder Unglück abwiegen und erwehlen würde. Hertzog Ganasch aber antwortete gar kurtz: Es wäre niemand / dessen Rath er höher schätzte als eines so grossen und verständigen Fürsten. Allein er hätte alles schon reifflich überlegt Catumern könte er weder Mängel ausstellen / noch ihm einige Schuld beymässen. Aber Hertzog Arpus hätte ihn so geringe / seine Tochter so verächtlich gehalten / und hinterrucks mit Adgandestern so arglistige Rathschläge gepflogen / daß der aller unempfindlichste ihm solche Beleidigung hätte empfinden müssen. Wer einmal derogleichen ungeahntet liesse / reitzete noch geringere ihm es noch näher zu suchen. Solche Antaftungen liessen sich auch mit linden Worten nicht wieder gut machen. Denn der Schweiß des Gemüthes müste mit andern Tüchern abgewischt werden / als der des Leibes. Umb den aufrichtigen Catumer wäre es ihm selbst leid; aber da ihm hieraus eine Kränckung erwüchse / hätte er es nicht ihm / sondern seinem eigenen Vater / und da aus dieser Trennung ferner Unheil erwüchse / Deutschland es alleine dem Arpus beyzumässen. Er wäre aber viel zu aufrichtig / daß er es andere Häupter des Vaterlandes solte entgeltẽ lassen. Ja er hätte nicht nur keinmal die Rathe wider die Beleidiger unter sein Vermögẽ gerechnet / sondern auch für Kleinmut gehaltẽ einẽ beissendẽ wieder beissen. Weil aber die Beleidiger gewohnt wärẽ / den Beleidigten gram zu werdẽ / und er sich von den Catten wenig gutes zu versehen hätte / würde ihm niemand verargen / wenn er für seine Sicherheit einen andern Ancker suchen würde / damit die Chauzen nicht noch einmal einen solchen Uberzug wie vom Tiberius bekommen möchten. Cariovalda wäre aus eben dem Hause / woraus Catumer / wie alle Bataver / von Catten entsprossen. Seine Person wäre bey selbigem Volcke in so grossem Ansehen / daß ihm mehr der Tittel / als die Gewalt ihres Fürsten mangelte. Sein Gemüthe aber[642] hätte er so wohl von Aufrichtigkeit gegen iedermann /von Tapferkeit gegen die Feinde des Vaterlandes / als von Liebe gegen seine Tochter befunden / daß er durch ihn Catumers Verlust reichlich ersetzt glaubte. Uber diß wäre es mit ihm schon eine geschlossene Sache / und darüber von einem so grossen Fürsten kein Wort mehr zu verlieren / weil diese allzu köstlich wären / er aber ihm mehr Gewissen machte über Haltung seines Versprechens zu zweifeln / als Arpus seines zu brechen. Hertzog Herrmann antwortete hierauf: Ich habe gethan so viel als ein Freund / und mehr als der Deutschen Feldherr schuldig ist. Wem aber nicht zu rathen / dem wäre auch nicht zu helffen. Hiemit schwang er sich zu Pferde / und kehrte nicht ohne Verdruß nach Mattium / allwo der Cattische Hof /wegen so geschwinden Aufbruches der Chaucen und nicht genommenen Abschieds / in nicht weniger Verwirrung / Catumer gantz Trost-loß / Inguiomer und Jubil aber aus Beysorge / es würde numehro Arpus mit Marbods Tochter die Heyrath über Hals und Kopf schlüssen / aufs euserste bekümmert waren. Alles dieses verwehrte die Rückkunfft des Feldherrn und die Nachricht; daß Ganasch gegen die Catten grosses Unvergnügen bezeugt / und seine Tochter Cariovalden verlobet hätte. Folgenden Morgen fand sich auch bey Hofe ein Chaßuarischer Edelmann ein / welcher von Segesthen und Sentien Entschuldigungs-Schreiben dem Hertzoge Arpus und andern Fürsten einlieferte /daß des Chauzischen Hertzogs unvermutheter Aufbruch / welcher durch ihr Gebiete seinen Rückweg nehmen wolte / sie mit weggezogen / und persönlichen Abschied zu nehmen verhindert hätte. Ein gemeiner Chaucischer Reiter aber brachte vom Ganasch einen heftigen Brief an Arpus / darinnen er ihn nicht allein des gebrochenen Bündnüsses / sondern auch seinen Hof etlicher massen beschuldigte / daß durch dessen Leute Astree wäre bestochen worden / Adelmunden unfruchtbar zu machen. Hertzog Arpus nam dieses nicht nur für einen Undank gegen so viel genossene Höfligkeiten / und für die gröste Verachtung / sondern gar für eine Ankündigung des Krieges an. Dahero er allen seinen Kriegs-Häuptern Befehl zuschickte / daß sie sich zum Aufbruch fertig machen solten. So bald der Feldherr aber hiervon Nachricht erhielt / verfügte er sich mit Inguiomern und dem Hertzog Jubil zum Hertzog Arpus und hielt ihm ein: Er möchte sich mit keinẽ unnöthigen Kriege übereilen. Ein grosses Gemüthe solte sich nicht bald entrüsten / weniger mit andern brachen. Denn die heftigen Gemüths-Regungen wären das Glat-Eiß der Vernunfft / worauf die Klugheit leicht zu gleiten / und das Glück zu fallen pflegete. Eines Feldhauptmañs Pflicht wäre es / im Kriege keine Gelegenheit zu versäumen /sondern zu schlagen / eines Fürsten aber / daß er alle euser sie Mittel versuche / nicht in Krieg sich einzusencken / dessen Anfang leicht und behäglich /selbten aber zu endigen weder in unser Gewalt noch Willkühr / sondern in unsers Feindes und des Verhängnüsses beruhete. Hertzog Arpus antwortete: Was denn für ein ander Mittel wohl zu ersinnen wäre / das ihm wider den Ganasch wegen so grossen Unrechts Recht verhelffen würde / als durch Krieg. Sintemal ja aller Völcker Recht Fürsten selbsteigene Rache erlaubete wider die / welche in der Welt keinen Richter über sich erkenneten. Gott / welcher die Gerechtigkeit selbst wäre / und die / welche ärger als wilde Thiere ihres gleichẽ antastetẽ / nicht ungestraft wissen wolte / hätte Fürsten nicht nur über ihr Volck und zwischẽ ihrẽ Unterthanẽ / sondern auch ihnen selbst wider andere Fürsten Recht zu sprechen erlaubet; also daß gerechte Waffen so heilig als die Gesetze der Krieg der rechte Arm der Gerechtigkeit und [643] dessen Führung eine der grösten Fürstlichen Tugenden wären / und dahero keines weges übel gethan hätten / daß man aus dem Kriege eine Kunst gemacht / selbten wie andern Wissenschafften gewisse Richtschnuren vorgeschrieben / und die Kriegs-Helden auf die höchste Staffel der Ehren erhoben hätte. Ja / wenn der Krieg aus dem Quelle rechtmäßiger Ursach herrinnete / und nicht außer den Schrancken des Völcker-Rechts schritte /wäre er das lebhaffte Merckmaal / daß Fürsten Gottes Bilder auf Erden wären / welcher wider die Boßhafften mit Hagel / Donner / Mißwachs / Erdbeben / Pest und andere Straffen / ja offt durch gri ige Häupter und Peitschen der Welt / Krieg / und den schrecklichen Nahmen eines Gottes der Heerschaaren führte: GOtt / die Natur / und das sich unterwerffende Volck hätten allerdings Fürsten wider ihre Beleidiger / wie der Vernunfft und Tugend wider die Begierden / Gewalt gegeben / Krieg zu führen. Sintemal wenig Menschen wären / derer Gemüther nicht ein Kampff-Platz der Vernunfft und Begierden abgäbe / die sie als zwey Feinde in einem Leibe beherbergten / derer jene allezeit wie das Feuer die Seele / gegen dem reinlichen Himmel / diese aber zu den besudelten Wollüsten der Erde herabziehen; und also selten in ihr Friede und heimlich Wetter anzutreffen ist; da nemlich die Regungen sich der Herrschafft der Vernunfft unterwerffen. Denn wenn schon diese von jenen bemeistert wäre / und die Begierden den Kapzaum der Vernunfft zerrissen hätten / wendeten sie ihre Waffen wider sich selbst / der Ehrgeitz bestürmte die Liebe / der Geitz besänfftete die Rache; also daß die Seele durch einen steten Bürger-Krieg ärger als das Meer von Stürmen beunruhiget würde. Nichts anders wären die Menschen unter sich geartet. Jeder hätte fast mehr einen Zug dem andern zu Schaden / als sich zu erhalten. Die Ursachen des innerlichen Krieges wären eben auch dieselben / die zwischen ein und dem andern Volcke und ihren Häuptern so grosse Unruh erweckten. Dahingegen die wilden Thiere einerley Art und Geschlechtes niemals so thöricht wären; daß sie sich umb einander zu zerfleischen und aufzureiben versammleten. Sintemal ihre Seele nur einfach / nicht aber wie die menschliche gleichsam in Himmel und Erde aber in zwey Welten zertheilet ihre Begierden mit wenigen / darzu sie die Natur mit einem richtigen Lichte leitete / ihnen auch allenthalben ihre Nothdurfft mit einem unerschöpflichen Uberflusse darreichte / vergnügt / hingegen der menschliche Wille unersättlich wäre / und sein Verlangen weder Ziel noch Maas hätte. Weil nun dieses nicht ohne Versehrung eines andern geschehen kan / diesen aber eben so wol das Verlangen glückseelig zu seyn ins innerste ihrer Seele eingepflantzet ist / ja das erste Gesätze der Natur auf seines Lebens / seiner Freyheit / Ehre und Güter Erhaltung zielet / scheinet die Natur auch zu dem Ende dem Menschen den Verstand / und die Hände / als den Thieren Klauen / Zähne und Hörner /und die Geschickligkeit zu streiten gegeben zu haben / nemlich: daß er nur nicht durch Beschirmung frembde Gewalt / sondern auch durch Angrief anderer Unrecht ablehne. Alleine die Vernunfft hätte dieses Recht nicht einem jeden unter dem Volcke wegen ihrer mehrmals blinden Begierden / und verfinsterten Verstandes / sondern einig und alleine denen / welchen ein Volck ein Theil ihrer Freyheit aufgeopfert um ihrer Gerechtigkeit und Schutzes zu genüssen deßwegen enträumet / weil die Begierden in der herrschenden Zi er keinen Eintritt haben / ihre Gemüther so ruhig als die höchste Gegend der Lufft seyn / und in derselben Rathschlägen die Klugheit allen Entschlüßungen mit ihrem reinsten Lichte vorleuchten solte / denn bey solcher Bewandnüs [644] müste der fürgenommene Krieg allemal recht und auch vorträglich seyn. Wenn aber Geitz oder Rache selbten anzündete / wenn man umb ein beschwerliches Wort / und wenig Stangen Erde oder eine geringe Bach / und etliche Steinhauffen hundert tausend Menschen auf die Schlachtbanck lieferte / schlüge die Wage der Gerechtigkeit greulich über / und der unglückliche Ausgang ins gemein einen bloßen; da doch jeder Fürst allemal zu behertzigen hätte: daß er zwar im Leibe des Reiches das Haupt / der geringste aber aus dem Pöfel sein Mitglied wäre. Arpus brach ein: Er wolte die gantze Welt urtheilen lassen: ob Ganasch ihm durch sein Verfahren nicht zu viel gethan / und seine Ehre welche allein in anderer Leute Einbildung von seiner Fürtrefligkeit bestünde / angetastet hätte. Ob sein Schäumen und Dräuen was anders als Vorboten seiner Feindseeligkeit wären / und also die Ergreiffung seiner Waffen nicht mehr den Nahmen einer Nothwehre / als eines Anfalls verdiente? Einem Fürsten läge nichts mehr ob / als seinen guten Nahmen von allen Flecken der Verunehrung zu saubern. Denn diese wäre die Seule seiner Krone / mit welcher des Volckes Wolfahrt stünde und fiele. Der Feldherr begegnete ihm: Er wolte nicht sagen / daß Ganasch aus aller Schuld wäre / ins Hertze könte er ihm auch nicht sehen / ob er solche Feindseeligkeit im Schilde führte. Seinem Urtheil nach aber wäre des Chaucischen Hertzoges Beginnen mehr einer Verachtung / als einer Beschimpfung ähnlich / welche zwar schmertzte / aber uns keinen Schaden thäte. Gegen ihn hätte er sich auch ausdrücklich erkläret / daß er seiner Tochter vermeinte Verschmähung zu rächen nicht begehrte / und die Staats-Klugheit würde ihm schwerlich einen neuen Krieg rathen / da die Chaucen und Sicambrer noch mit dem Römischen beladen wären. Die Ehren-Antastung eines Fürsten / da man nemlich ihm das Hefft der Herrschafft streitig / auf seine Länder Anspruch / seinen Reichs-Apfel wurmstichig und unansehnlich machte / und dadurch seine Unterthanen vom Gehorsam abzuziehen / seine Nachbarn ihm in die Haare zu hetzen anzielete / wenn man andere uns geneigte oder verbundene Fürsten oder sich unter unsern Schirm begebenden Völcker überzüge / wäre freylich wol eine erhebliche Ursache eines Krieges / und rechtfertigte unsern ersten Angrief. Denn wenn ein Fürst hierzu ein Auge zudrückte / verliere er dadurch so viel als Kauffleute durch ihren Glauben. Das Ansehen aber eines Reiches offt mehr / als seine Macht die Herrschafft / wie der Glaube mehr als Geld die Handlung unterstützte. Wenn aber nur eines Fürsten seine natürlichen oder Gemüths-Gebrechen für gerückt /oder von seinem Thun verkleinerlich geredet würde; lohnete es nicht für die Müh und Kosten so viel Geld und Menschen-Blut deßwegen zu verschwenden. Denn dieses Geschrey thäte der Würde der Krone /der Ehre / der Herrschafft und dem Wolstande des Volckes keinen Abbruch / ja diese Beschmitzung ließe sich nicht durch den allerglücklichsten Krieg /sondern vielmehr durch des verachteten Fürsten kluge Anstalten und Wachsamkeiten abwischen. Hertzog Arpus brach ein: Die Gewonheit hätte nicht nur das Recht eingeführet dergleichen das Maas einer bloßen Verachtung weit überschreitenden Beschimpfung mit den Waffen zu rächen / sondern Pöfel und weise Leute wären auch darinnen einig / daß die Ehre ein solch unschätzbar Kleinod sey / welches zu erhalten nichts müste unterlassen werden. Und da wegen eines verunehrten Botschaffters alle Völcker / ja auch einzele Leute für Recht hielten ihr Unrecht durch Krieg oder Zweykampff zu rächen / wie könte solche Rache beleidigten Fürsten für Mängel ausgestellet werden? Wenn es aber auch gleich nur den Nahmen einer Verachtung haben solte; thäte doch diese weher / als eine Beschädigung [645] ja diese wäre leibeignen Knechten so empfindlich: daß sie lieber wolten mit Ruthen gepeiniget als mit Maulschellen gezüchtiget seyn. Der Feldherr fiel ein: Allerdings wäre der aus Verachtung entspringende Schmertz nur eine Regung niedriger Gemüther / Grosse aber verlachten sie wie Löwen das Anbellen der kleinen Hunde. Die Beleidigung der Botschaffter aber giengen nicht nur der Fürsten Person / sondern ihre Hoheit und ein Reich an; weil nun diese Leute die einige Werckzeuge wären zwischen zweyen Völkern Gemeinschafft zu unterhalten / ließe sich zu ihren Beleidigungen nicht leicht ein Auge zu drücken. Uberdis wären auch hundert der wichtigsten Ursachen zu Anhebung eines Krieges nicht genung /sondern kein kluger Fürst solte den Degen ausziehen /wenn er nicht aus Uberlegung seiner und der feindlichen Macht / ihrer Bündnüsse / und allen Umbständen vernünftig muthmaßen könte / daß selbter ihm rühmlich / seinen Unterthanen erträglich / und seinem Reiche nützlich seyn würde. Denn das gemeine Heil wäre das oberste Gesätze der Fürsten; alle andere /welche nicht aus diesem Brunnen den Ursprung hätten / wären After-Geburten und verwerflich. Nun wolte er zwar nicht widersprechen / daß die Kräfften der Chaucen denen der Catten nicht gewachsen wären. Aber von denen für einem Hahnen-Geschrey sich erschütternden Löwen / und denen für einer Ratze lauffenden Elefanten / hätte ein Fürst zu lernen / daß niemand so starck wäre / welchem nicht ohnmächtige Werckzeuge Gefahr erwecken / oder ihn zum wenigsten beunruhigen könten. Uberdis solte nur Hertzog Arpus die Augen auf den gegenwärtigen Zustand Deutschlandes werffen / da auf einer Seite die Römer / auf der andern Marbod die deutsche Freyheit zu verschlingen lüstern wären. Würde nun er mit seinen Catten den Chaucen in Rücken gehen / so würden die Sicambrer der Chaucischen Hülffe entblöst seyn / und weil die vom Marbod und Germanicus beliebte Friedens-Handlung nur ein Spiegelfechten wäre / die Catten über beyde streitbare Völcker gewonnen Spiel haben / oder jene doch eine den Catten und Cheruskern schädlichen Frieden einzugehen nöthigen / ja so denn den Römern einen scheinbaren Vorwand geben; den Chaucen als ihren neuen Bundsgenossen Hülffe zu leisten / und sich an die Catten aufs neue zu reiben. Darzu denn Cariovalda wegen des zwischen den Batavern und Römern obhabenden Verständnüsses nicht feyern würde Oel in das Feuer zu gießen / Marbod aber sich wieder die bedrängten Catten seines Vortheils zu bedienen / und von dem fallenden Baume auch Aeste aufzulesen trachten. Der Feldherr nam hiemit seinen Abschied / und bat / Arpus möchte diesem allem nachdencken / und glauben / daß man öffter durch Ubereilung als durch Langsamkeit sich vergienge / und in Unheil stürtzte / ja das Glücke ihm gleichsam ein Kurtzweil-Spiel aus grosser Fürsten Demüthigung machte. Hertzog Ingviomer und Jubil stimmeten dem Feldherrn bey / und erinnerten den Cattischen Hertzog / daß wolgemeinter Rath treuer Freunde / für welchen er den Feldherrn so vielfältig erkennet hätte / für eine halbe Wahrsagung / hingegen wenn das Verhängnüs einem Fürsten die Ohren verstopffet selbten nicht anzunehmen / für einer Herrschafft Todes-Zeichen zu halten wäre. Wiewol nun Arpus vermeinte / daß Furcht ein Heil-Mittel unvernünfftiger Thiere / nicht der Fürsten wäre / brachten sie es doch so weit / daß Arpus ohne ihren guten Rath des Krieges halber nichts ferner fürzunehmen willigte. Gleichwol [646] aber war er nach Art der meisten Fürsten und der Liebhaber furchtsam und argwöhnisch gegen den Hertzog Ganasch. Daher er ihm nunmehr gäntzlich fürsatzte mit Adgandestern die Heyrath zu schließen / in Meinung / daß / nach dem Adelmunde nunmehr Cariovalden zu Theile worden wäre / Catumern nach dem nicht mehr die Zähne wäßrig seyn würden /worzu ihm die Mutter aller Lüsternheit / nemlich die Hoffnung gantz verschwunden wäre. Allein so eifrig vorhin Adgandester dieses Heyraths-Werck getrieben hatte / so kaltsinnig war er darinnen: Wenn gleich Arpus was hiervon aufwarff / brachte Adgandester was anders darein; so daß Arpus hierüber unwillig ward / und mit Adgandestern das Gespräch abbrach /dem Grafen von Hohenstein aber befahl / er solte von Adgandestern ein für allemahl vernehmen: Ob er Willen und Vollmacht hätte / seines Königs Tochter zu vermählen oder nicht? Denn Adgandester käme ihm von drey Tagen her so verändert und so verdächtig für: daß er nicht wüste / was er von ihm urtheilen solte. Es wäre aber wider die Waffen solcher Künste zu kämpffen am sichersten sich keiner Kunst zu gebrauchen; sondern weil die unvermummte Aufrichtigkeit die stärckste wäre / der heilsamste Rath gerade zuzugehen. Adgandester suchte gegen dem Hohenstein allerhand Ausflüchte; und als dieser von ihm eine richtige Erklärung forderte / bat er umb Aufschub. Hohenstein aber sagte ihm rund heraus: daß Hertzog Arpus selbigen Tag entweder ja oder nein zu wissen von nöthen hätte / umb auf allen Fall seinen Entschlüßungen ein ander Ziel und Maaß auszuflecken. Die Deutschen wären nicht gewohnt so lange hinter dem Berge zu halten / sondern ihnen alle Vertröstungen verdächtig / wo die Erklärung selbst nicht aus der Schale kriechen wil. Insonderheit müste was besonders darhinter stecken: daß Adgandester diß hinter die Decke des Aufschubs verstecken wolte /was er zum ersten so eifrig auf den Teppicht gebracht. Adgandester ließ sich hierauf heraus: weil man ihn so sehr preßte / müste er nur gestehen: daß weder seines Königs Ansehen / noch seine Sicherheit nunmehr die Heyrath zu schlüssen verstattete / nachdem er vom Hertzoge Ganasch schrifftliche Nachricht / welche er zugleich hervor zohe / erlangt hätte: daß Hertzog Arpus durch den Feldherrn / als er schon von Mattium aufgebrochen gewest / seinen Sohn Adelmunden aufs neue hätte antragen lassen. Weil aber selbte schon dem Fürsten Cariovalden verlobt wäre / und nach wenigen Tagen in dem Eresburgischen Heiligthume ihm vermählet werden würde / gewinnte es nunmehr den Schein / als wenn König Marbods Tochter Catumers Nothnagel seyn solte. Daher würde ihn Hertzog Arpus nicht verdencken: daß er dis / was doch Marbod auch von Segesthen und Sentien erfahren würde /umb sich außer Verantwortung zu setzen / an seinen König / jedoch ohne Aufmutzung / berichten müste. Denn jede Zeit schlüge ihre besondere Müntze. Einmahl würden wolgemeinte Sachen gelobt / treue Dienste belohnet / das andere mahl gescholten und gestrafft. Hohenstein brachte dis nicht nur dem Hertzoge Arpus / sondern auch Catumern bey. Wie empfindlich es nun jenem war / so sehr vergnügte es diesen; sonderlich weil Adgandesters Nachricht von Adelmundens zu Eresberg angestellter Vermählung mit einer ihm eine Stunde vorher durch einen Chaßuarier zugebrachten unbekandten Hand übereinsti te / und ihme zugleich die Zeit des Neumonden benennte.[647] [684]Catumer foderte alsbald den Grafen von Solms und Isenburg zu sich / und befahl ihnen dreyhundert der auserlesensten Cattischen Ritter / und darunter etliche / welchen die Gegend umb Erensburg wolbekandt wäre / zusammen und geraden Weges an die / wie der Tagus und Pactol Gold-Körner führende Eder zu ziehen / allwo er ihrer zu Sassenberg gewärtig seyn würde. Er selbst nam nur den Grafen von Witgenstein und Lichtenberg neben zehn theils Cheruskische theils Cattische Ritter zu sich / riet noch selbigen Abend stillschweigend aus Mattium / und kam den dritten Tag nach Sassenberg. Weil er nun die Nachricht erhielt / daß zwey Tage vorher Ganasch und Segesthes daselbst durchgezogen wären / schickte er den Cheruskischen Ritter Willich und Bielefeld über den Fluß Dymmel vom Ganasch /Segesthen und Cariovalden einige Nachricht zu bringen. Folgendẽ Morgen fanden sich Solm und Isenburg mit vierdtehalb hundert auserleseneñ Rittern zu Sassenberg ein; weil die Begierde ihrem Fürsten zu dienen die Zahl vermehret hatte. Den andern Tag darauf kam Willich von Roden zurück / und berichtete / daß Ganasch und Segesthes sich daselbst getrennt / dieser mit Cariovalden und Sentien sich nach seinem Schlosse Fürstenberg begeben / Ganasch aber mit seinen Chaucen in das ihm vom Segesthes angewiesene Schloß Warburg eingezogen wäre. Daselbst wäre die gemeine Rede / daß auf den Neumonden / welcher auf die dritte Nacht einfiel / Adelmunde in dem nur anderthalb Meilen davon gelegenen Eresburgischen Heiligthume dem Cariovalda vermählet werden solte. Dieses bekräfftigte der drey Stunden darnach zurück kommende Bielefeld / welcher selbst in Forstenberg gewest war / und den Hertzog Ganasch daselbst mit dem Grafen von Spiegelberg / welcher im Nahmen Segesthens ihn daselbst bediente / gesehen hätte. Catumer war hierüber sehr froh / hielt sich noch einen Tag in Sassenberg so eingezogen / daß er keinen Menschen weder aus noch ein ließ / und befahl / daß jeder sich aufs beste zum Streite versehen solte. Er brach aber mit der Nacht auf / und kam / wie finster es auch war / vermittelst seiner Wegweiser umb Mitternacht an den Ort / wo der aus der obersten Spitze eines Felsens Spiegel-helle Brunn des Stromes / welcher oberhalb Erensberg sich mit dem Dymel-Flusse vereinbart / entspringet. Weil er nun seine Leute und Pferde nicht übertreiben wolte / ließ er etliche Gewende davon in einem Dorffe sie verblasen; er aber stieg mit dem Grafen von Solm und einem Cheruskischen Ritter den Felsen hinauf / um bey diesem seiner Heiligkeit wegen berühmten Brunnen GOtt umb glückliche Ausführung seines Vorhabens anzuruffen. Daselbst fand er zwey weißgekleidete Leute / welche Wasser schöpfften. Auf Catumers Frage sagten sie; daß sie zwey Priester des Eresbergischen Heiligthums wären / und daselbst zu einem grossen Feyer und Opffer Wasser holen müsten. Catumer fragte: ob sie in selbigem Heiligthume kein näher Wasser hätten / daß sie es auf vier Meilweges holeten? In allewege; antwortete der älteste. Die Natur hätte selbtes mit unterschiedenen Strömen und Brunnen umbgeben / und eben das hier entspringende Wasser flüsse bey ihrem Heiligthume vorbey. Alleine GOtt dienten so wenig alle Wasser / als alle Thiere zum Opffer. Dieses Brunnens Wasser aber wäre eines der heiligsten in der Welt / daher auch die / welche es zu gemeinem Trincken oder Waschen verbrauchten / selten ohne Unglück davon kämen. Catumer danckte für diese Nachricht und Warnigung / jedoch wäre er nicht aus blossem Vorwitze aus diesem Brunnen zu trincken / sondern aus Andacht hinkommen. Gleichwol aber möchte er wol wissen: ob die Chaßuarier wie die Carier den Brunn Salmatis / die Syracusier den Brunn Arethusa /die Samier einen gegrabenen Brunn der [684] Juno / die Griechen das Quell Hippocrene / die Römer den Brunn der Camönen und der Blandusia göttlich verehrten / diesem Böcke opferten / und des erstern Wasser nur zum Vestalischen Gottesdienste brauchten? Der Priester antwortete: In keinerley Weise eigneten sie auch den heiligsten Brunnen eine Gottheit zu. Sintemal nur eine / und eben dieselbe / welche die Gestirne bewegte / auch die Brunnen entspringen / und die Flüsse ins Meer lauffen ließe. Wenn er aber die rechte Ursache wissen wolte / warumb dieser / und ein Brunn für dem andern / für heilig gehalten würde /solte er sie an dem Felsen lesen. Hiermit nam der Priester seine Fackel / und zeigte Catumern folgende darein gegrabenen Worte:


Ihr Hertzen / die ihr nichts von GOtt und Andacht wißt

Solt diesen Fels fůhln an / und diesen Brunn verehren /

Den nie die Sonn' austrinckt / kein Regen kan vermehren;

Der nie im Winter wächst / im Sommer nie nichts mißt.

Sagt: wenn kein GOtt nicht ist / woher sein Wasser flüßt?

Wer seine Adern säugt / wer aus dem Meere Röhren

Bis auf den Berg geführt / die keine Zeit kan stören?

Wer in dem Abgrund' ihn mit Zucker angesüßt?


Daß er die Lippen tränckt / den Augen dient zum Spiegel;

Der Ohren Säiten-Spiel ist sein geringster Preiß /

Weil ein gottseelig Mensch ihn mehr zu nutzen weiß /

Wenn seine Seele kriegt / wie hier das Wasser Flügel;

Wenn / wie dis Quell Berg-auf / so er zu GOtt sich schwingt /

Aus einem Felsen-Hertz' ein Andachts-Brunn entspringt.


Auf der andern Seite des Brunnen wieß er ihm folgende Reime im Felsen:

Wer dieses Brunnes Aug' in Augenschein genommen /

Und wie sein enger Mund ausspritzet einen Fluß /

So Meer als Weser zinßt des Silbers Uberschuß /

Welch häuffig Schopfen-Vieh in selbten kommt geschwommen /

Wie Sonn' und Heerden hier offt in die Träncke kommen;

Nicht aber 's Aug' aufsperrt / ausrechnet diesen Schluß';

Daß GOtt der Brunnen Brunn / des Guten Quell seyn muß /

In dem muß alles Licht der Weißheit seyn verglommen.


Läßt aus den Nägeln sich von Löwen Urtheil fällen /

Verräthet Nutz und Krafft des Elends Klau' und Horn /

Der Bisam-Maus ihr Schwantz / Granaten-Frůcht' ein Korn /

Ein Punct Euclidens Kunst / ein einig Strich Apellen;

So fl \ßt ein kleiner Brunn uns auch die Weißheit ein:

Wie Schatz-reich die Natur / wie GOtt so groß muß seyn.


Catumer laaß diese Reimen nicht ohne eine sondere Regung der Andacht / und nach dem er drey Hand-voll Wasser aus dem Brunne geschöpfft und getruncken hatte / fieng er an: Es ist wol kein Geschöpfe in der Welt / welches nicht ein Zeugnüs für Gottes wesentliche Warheit ablege / und im Menschen den Zunder der Andacht anzünden könne; aber auf dem Erdboden sind die Brunnen wol eines seiner grösten Wunderwercke / sonderlich aber dieser; welcher auf eines Felsens höchsten Gipffel aus einem so truckenen Munde so viel und so köstliches Wasser (welches auch bey der ersten Welt statt Milch und Wein zu seyn würdig gewest wäre) ausspritzet / also daß der /welcher hier keinen Zug zur Andacht kriegte / steinerner als dieser Fels seyn müste / und mit der Straffe des mitten im Wasser erdürstenden Tantalus belegt zu werden verdiente. Der Priester antwortete: Wie seelig sind die / welche die uns zu seinem Lobe lockende Stimme des auch durch Brunnen mit uns redenden GOttes verstehen und hören! Alleine es wären die meisten Menschen so taub / daß sie weniger als unvernünftige Thiere / oder unbeseelte Geschöpfe höreten. Sintemal die Sterne durch die Herrligkeit ihres Lichtes / die stummen Fische / die tauben Schlangen ihres Lebens halber GOtt preiseten / da die Menschen alleine GOtt fluchten. Die tummen Falcken ließen sich die Jäger so abrichten / daß sie umb zu gehorsamen ihrer Freyheit vergäßen / und aus den hohen Lüfften wieder auf dessen Hand säßen / der ihnen doch mit Verbindung der Augen den Genüß des angenehmen Tagelichts raubete. Die Menschen aber / welche GOtt mit dem himmlischen Lichte des Verstandes erleuchtet hätte / sähen weniger als Maulwürffe / ja vieler gantzes Leben wäre seiner Blindheit halber den ersten neun Tagen junger Hunde / oder denen neun finsteren Monaten in Mutter-Leibe zu vergleichen. GOtt hätte sie mit dem Kapzaume [685] der Vernunfft versorgt / sie wären aber unbändiger und widerspenstiger als kollernde Pferde / und die meisten an diesen heiligen Ort kommenden Leute bey denen lieblichen Rauschen dieses Brunnen tauber / als die am Nil wohnenden Mohren / welche von der schrecklichen Abstürtzung selbigen Flusses ihre Gehöre verlieren sollen. Catumer fieng hierauf an zu fragen: Zu was für einem Feyer sie denn dis Wasser geschöpfft hätten /welchem der Priester zur Antwort gab: Es solte die andere Nacht bey einbrechendem Neumonden Cariovalda ein Batavischer Fürst mit des Chaucischen Hertzogs Tochter vermählet werden. Catumer fieng hierüber an: So wäre er für ihre Bemühung ihnen mehr verbunden / als sie beyderseits gewüst hätten. Warum? sagte der Priester / weil ich / versätzte Catumer Adelmundens Bräutigam selbst bin / und zu Beglückseeligung dieser Heyrath eben allhier meine Andacht verrichten und GOtt für das Geschencke einer so tugendhafften Braut dancken wil. Dem Priester gefiel dis so wol / daß er den im Gürtel steckenden Sprengwedel alsbald herfür zoh / in Brunn tauchte / Catumern damit bespritzte / und zu ruffen anfieng: O seltzame Frömmigkeit eines Fürsten! In welchem Hofe ist diese Andacht nicht erstöckt worden; weil fast alle so wol Brunnen der Boßheit / als Begräbnüsse der Lebenden / und Werckstädte des Todes sind! O tapferer Held! O kluger Fürst! O glücklicher Bräutigam! Andere bilden ihnen ein / weil sie auf Erden für Götter angebetet werden / wäre es ihnen verkleinerlich sich für GOtt zu demüthigen. Wie weißlich aber urtheilest du: daß Gottesfurcht und Gerechtigkeit die zwey unbeweglichen Angelsterne eines Reiches sind / und daß die / welche von GOtt die meiste Gewalt bekommen haben / sich auch GOtt durch Andacht und Gütigkeit am meistern nähern sollen. Wie nützlich opfferst du GOtt die fettesten Färren deiner danckbaren Lippen. Sintemal Dancksagung bey GOtt die kräfftigste Art des Bittens ist; denn wie ein Landwirth den viel Früchte bringenden Acker am fleißigsten pfleget; also reitzet jene die milde Hände GOttes zu mehrer Freygebigkeit an. Ja GOtt wil darumb nur von uns den ihm sonst weder nöthigen noch nützen Danck haben / daß er nur mehr Anlaß habe uns mehr zu geben. Der Priester beschloß seine Rede mit einem Wunsche tausendfältiger Glückseeligkeit. Catumer danckte diesem guten Alten / und beklagte /daß er an diesem einsamen Orte so unvermögend mit einiger Würckligkeit seine Pflicht zu bezeugen / weil Worte mehr ihr Rauch und Schatten / als die Danckbarkeit selbst wären. Hierauf fragte er um alle Beschaffenheit / und wie es in dem Heiligthume bey solchen Vermählungen gehalten würde. Welchem der Priester antwortete: Sie hätten ihm nichts danckwürdiges erzeiget / wenn solches aber auch gleich geschehen wäre / hielten sie es für billiger / daß der Gäber als der Empfanger dafür danckte; weil dieser hierdurch zum Schuldner würde / und durch derselben Annehmung jenem Gelegenheit eröffnete seine Wolthätigkeit anzugewehren. Das auf einem ziemlich hohen und breiten Berge stehende Eresbergische Heiligthum aber hieße eigentlich Hermions-Berg / und wäre für Zeiten des dritten Beherrschers über Deutschland Königlicher Sitz gewest. Diesen Nahmen hätten hernach die Deutschen und Ausländer auf allerhand Art verderbt / und bald Eresberg / Heresberg / bald Hermesberg und Mersberg genennt; insonderheit aber wäre von den Römern ausgesprengt worden: das auf selbigem Berge stehende steinerne und geharnschte Bild des tapfferen Hermion wäre ihr Mercur oder Mars / und würde von den Deutschen angebetet; da doch dieses Bild / welches in der rechten Hand eine Kriegs-Fahn und darinnen eine Rose / in der lincken eine Wage / im Arme einen Schild mit einem Löwen / auf der bloßen [686] Brust einen Beer führte auf Gutachten des aus Egypten in Deutschland kommenden Osiris von seinem Sohne Marsus seinen Nachkommen nur zum Gedächtnüsse und Vorbilde rühmlicher Nachartung wäre aufgerichtet worden. Weil nun bey und umb dieses Bild die Deutschen zu unterschiedenen Jahres-Zeiten allerhand Rennen / Gefechte und Ritter-Spiele gehalten / hätte die andächtige Vorwelt Gelegenheit genommen diesen Ort zu einem besonderen Heiligthume einzuweihen / um das aus irrdischen Ursachen sich daselbst in grosser Menge so offt versammlende Volck zur Gottesfurcht als dem wahren Grunde der Tapferkeit anzuleiten. Sintemal irrdische Ergetzligkeiten ins gemein einen kräftigern Zug über menschliche Hertzen haben / als Andacht. Weil aber die hier des Gottesdienstes pflegende vielmal in ihrem Vorhaben erwünschten Fortgang verspüret hätten / wäre dis Heiligthum eines der berühmtesten in Deutschland / und in der gantzen Welt / wiewol mit falschem Ruffe kund worden; daß sie den Eresberg / wie die Syrier ihren Carmel göttlich verehrten. Insonderheit würden die Bündnüsse / welche man allhier machte / für feste und unzertrennlich gehalten / dazu denn eine ziemlich geraume Höle gewiedmet wäre / darinnen die Heyrathende oder andere sich Verbindende den Eyd leisteten / und ihr Opffer anzündeten; nach dem vorher die Weiber in dem Dymel-Strome / die Männer aber in der Bach / welche gegen Sud den Eresberg bey nahe gantz umbflüsse /sich gebadet hätten. Uber diese zwey Wasser dörffte so denn niemand anders / außer den Priestern / der Verbindung beywohnen. Catumer erklärte sich über so guter Nachricht hoch verbunden zu seyn; und bat /der Priester möchte ihm folgende Nacht wenn er etwan wo irren möchte / mit guter Nachricht aushelffen / und ihn zugleich mit seiner Andacht bey GOtt vertreten. Denn er glaubte: daß man in irrdischen Dingen durch heiliger Leute Gebete zuwellen mehr ausrichten könte / als durch sein eigenes. Und daher wäre einem viel daran gelegen solche zu Freunden und Beyständen haben / welche in dem Hofe des Himmels wol gesehen wären. Der Priester versprach ihm mit seinem gantzen Vermögen zu dienen / und weil beyden ihr Vorhaben das Gespräche zu verlängern nicht erlaubte / namen sie von sammen mit Umarmung freundlichen Abschied. Die Priester giengen mit ihrem Wasser zwischen der Dymel und Itter gerade nach Eresberg zu / Catumer aber wieß der aus diesem Brunnen lauffende Strom die Helffte des Weges gegen Fürstenberg / welches rings umbher mit dem Wisieberger- und Scheide-Walde umbgeben ist. Als es begonte zu tagen / erreichte er den Brunnen des Alme-Flusses. Daselbst theilte er sein Volck. Den grösten Theil nam er / und gieng damit in den Scheide-Wald / durch welche die Strasse von Fürstenberg nach Eresberg gelegt war. Das andere Theil ließ er unter dem Grafen von Solm näher gegen Eresberg rücken und den Dymel-Strom verwahren / daß wenn ja Catumer Cariovaldens fehlte / er daselbst den Catten in die Hände fallen müste. Catumer hielt sich im Walde von der Strasse entfernet und in dem dicksten Gehöltze an einer in die Alme lauffenden Bach verdecket / schickte den Ritter Bielefeld wieder nach Fürstenberg / und ließ etliche wie Kohl-Bauern verkleidete Cherusker nicht ferne von der Strasse auf alle Begebnüsse acht haben. Umb den Mittag brachte ihm einer dieser Kohl-Bauern die Kundschafft; daß die Fürstin Sentia in Begleitung etlicher funfzig Chaßuarier sich auf einer Senffte nach Roden hätte tragen lassen / allwo Hertzog Ganasch und Adelmunde schon selbigen Morgen würde ankommen seyn. Drey Stunden hernach fand sich Bielefeld ein mit Berichte: daß eine Stunde vor Abend Segesthes und Cariovalda ungefehr mit zwey hundert Edelleuten aufbrechen [687] und eben selbigen Weg durch den Scheide-Wald nehmen würde. Catumer machte sich mit seinen Leuten aufs beste fertig / theilte selbte in vier Hauffen / umb auf beyden Seiten vor- und hinterwerts den Angrief zu thun. Isenburg und Lichtenberg solten vorwerts den Anfang machen / er und Witgenstein würden schon am Rücken das ihrige thun; und solten sie alle wol wahrnehmen / daß Segesthes und Cariovalda ihnen nicht entwischten. Catumern ward diese kurtze Zeit zu einem Jahre / endlich aber brachte einer der angestellten Kohlbrenner ihm die Zeitung; Segesthes und Cariovalda wären kein Gewende weit entfernet. Daher er selbst in einem Kohl-Rocke auf einen Baum stieg / und ihren Zug beobachtete. Sie zohen ohne Sorge einigen Feindes vorbey; und ritten Segesthes und Cariovalda in der Mitte ihres Volckes neben einander. Wenige Zeit darnach hörte man ein Getümmel / denn Isenburg grief den Vordrab an. Weder Segesthes noch Cariovalda muthmaßten / daß solches was feindliches wäre / bis der Vordrab mit Verwirrung zu rücke gejagt ward. Lichtenberg fiel hiermit auf der Nord-Seite den Chaßuariern so unvermuthet ein / daß sie kaum Zeit hatten die Waffen zu ergreiffen. Cariovalda sprengte mit seinem Pferde gegen selbige Seite umb den Feinden den Kopff zu bieten. Aber Segesthes / so bald er aus der Tracht und Haaren erkennte /daß die Feinde Catten waren / ruffte Cariovalden: Sie wären verrathen / und also es rathsamer zurück nach Fürstenberg sich in Sicherheit zu flüchten / als durch eitele Ehre der Gegenwehr sich mit einer Hand-voll Volckes in augenscheinliche Gefahr zu stürtzen. Hier mit wendeten sich beyde mit ihrem Nachzuge / sahen sich aber alsofort vom Fürsten Catumer auf einer /und vom Witgenstein auf der andern Seite angetastet /und also zwang sie die Noth und der Mangel aller Ausflucht die Waffen zu ergreiffen. Diese und die Liebe sind die zwey schärffsten Wetzsteine der Waffen / daher ward beyderseits nichts vergessen / was zu einem eifrigen oder verzweifelten Schlagen erfordert wird; sonderlich da die vielen Bäume hinderten: daß Glieder auf Glieder gegen einander nicht treffen konten / sondern durchgehends fast eitel Zweykämpffe gehalten wurden. Catumer / nach dem er auf den Seiten gewisse Catten bestellt hatte acht zu geben / daß niemand entkommen / und dem Hertzoge Ganasch hiervon Zeitung bringen könte / mühte sich aufs euserste Cariovalden in die Haare zu ko en / und so bald er sein ansichtig ward / ruffte er ihm zu: Er wäre Catumer / und dis der vom Verhängnüsse erkiesete Kampf-Platz mit einander auszumachen: wer der würdigste Bräutigam Adelmundens wäre. Diese Ausforderung zündete nicht weniger Cariovalden zur Tapfferkeit an / als sie ihm seinen warhafften Feind entdeckte. Daher machte er ihm gleichfals Raum an Catumern zu kommen. Die Enge des Waldes verhinderte beyde sich der Lantzen zu gebrauchen / also musten sie nach angewehrten Wurff-Spißen nur zu den Schwerdtern greiffen. Beyde aber versätzten alle Streiche so meisterlich: daß diese zwey hertzhaffte Kämpffer die gantze Welt zum Zuschauer zu haben verdient hätten. Nach einem langen Gefechte zersprang Cariovalden der Degen / also Catumer so gute Gelegenheit gehabt hätte ihn aufzureiben / als er Ursache hatte sich an Cariovalden wegen entführter Braut zu rächen. Alleine Catumer hatte so viel Großmüthigkeit als Tapfferkeit / daher wolte er keinem Catten nicht erlauben sich zugleich an Cariovalden zu machen; sondern er selbst hielt auch stille und sagte zu Cariovalden: Er solte ihm einen andern Degen reichen lassen / weil er ihm verkleinerlich hielte sich eines ungewaffneten Feindes zu bemeistern: Cariovalda [688] ward hierüber beschämt: daß er einen Fürsten eines so edlen Geistes beleidiget hatte; gleichwol aber wolte die Heftigkeit seiner Liebe ihm nicht erlauben sich seines Anspruchs an Adelmunden zu begeben. Weil nun im Rathe der Liebe und des Zornes kein ander Beysitzer als die Vollziehung seiner Begierden zugelassen wird / ergrief er einen ihm von einem Bataver zugereichten Degen / und nach dem er zu Catumern gesagt: Ich gestehe es / daß du mich an Glücke und Großmüthigkeit überwindest; aber ich werde bis auf den Tod verfechten / daß mein Vorrecht und meine Liebe gegen Adelmunden dir überlegen sey /fielen sie einander aufs neue wie zwey Löwen an: Alleine wie sich nichts leichter als Hoffnung betrüben läßt / also ward auch Cariovaldens Einbildung zeitlich zu Wasser. Denn nach dem Catumern ein Streich auf seines Feindes Pferd in Hals abgieng / prellte es hinter sich / und stürtzte über eines abgehauenen Baumes Stock über Rücke; daß Cariovalden der rechte Arm aus der Pfanne verrückt ward. Weil nun Cariovalda sich unter dem Pferde nicht herfür weltzen konte / befahl Catumer zweyen Waffen-Trägern ihm auf die Beine zu helffen / und nach wahrgenommenem Schaden ihm den Arm einzurencken. Unterdessen hatte sich auch der Ritter Schallenberg Segesthens bemeistert / und die Helffte der Chaßuarier war schon erlegt / die übrigen in einem engen Kreiße umbringet /also daß ihnen zwar noch nicht allen die Waffen / den meisten aber bey Verlust ihrer Häupter das Hertz entfallen war. Catumer ruffte daher ihnen zu: Sie möchten sich geben / weil er ohne dis keine Feindschafft zu Segesthen und die Chaßuarier / sondern nur gegen den schon gefangenen Cariovalda hätte. Es solte ihnen das wenigste Leid widerfahren. Diese Vertröstung und die Unmögligkeit sich durchzuschlagen nöthigte sie Catumers Erinnerung zu befolgen / welcher denn alle Gefangenen selbige Nacht in diesem Walde aufs sorgfältigste zu verwahren dem Grafen von Isenburg und Lichtenberg anvertraute / und funffzig Catten anbefahl mit denen erlegten Chaßuariern und Batavern die Kleider zu verwechseln. Hierauf fragte er Cariovalden: Ob er sich nunmehr seines Anspruchs an Adelmunden begeben wolte? dieser antwortete: Sein Leben stünde zwar in Catumers Händen / aber in seiner Gewalt nicht Adelmundens sich zu begeben. Catumer versätzte: So werde ich mich denn meines zu ihr habenden Rechtes gebrauchen; welchem Cariovalda begegnete: Glücke und Gewalt kan einem wol eines Dinges Besitzthum / aber kein Recht geben. Catumer / nach dem er gesagt hatte: der Himmel hat heute durch verliehenen Sieg für die Gerechtigkeit meiner Sache das Urthel gefällt / gab seinem Pferde die Sporne / und befahl / daß die auf Chaßuarisch und Batavisch gekleideten Catten ihm folgen solten. Eine Stunde darauf traffen auf ihn ein Hauffen derer dem Grafen von Solm untergebener Catten; durch derer Geräusche sein Anschlag wegen Nähe des heiligen Berges / von dem man auf selbige Fläche sehen konte / leicht hätte verrathen werden können / wenn es nicht schon in der Dämmerung gewest wäre / und Catumers Vorsicht alles zeitlich gestillet hätte. Dem Grafen von Solm / der diese Catten zur Kundschafft ausgeschickt hatte / ward hiervon alsbald Wind gegeben / und er befehlicht / sich nunmehr bis auf drey Bogenschüße selbigem Platze zu nähern. Catumer kam mit seinen Catten an der Dymel an; und waren von dem obersten Priester zu seinem Glücke eben die zwey beym Brunnen angetroffene Priester dahin bestellet / Cariovalden zu empfangen / und ihn nach verrichteter Abwaschung in die heilige Höle zu führen. [689] Diese bewillko ten mit grosser Ehrerbietung Catumern / und unterhielten ihn mit den annehmlichsten Gesprächen /biß etwan eine Vertel-Stunde darnach auf dem Berge mit Anzündung vieler Fackeln ein Zeichen des erscheinenden Neumonden gegeben ward. Hiermit mußte der mittler Zeit nur mit einem Schlaf-Rocke seine Blösse deckende Catumer in den Dymel-Fluß steigen / und daselbst sich biß über das Haupt dreymal untertauchen / und auf der andern Seite heraus steigen; allwo ihn die Priester selbst trockneten / ihm ein schnee-weisses Kleid anlegten; und ihnen baarfüssig zu folgen ermahneten. Sie giengen mit zwey weissen Wachs-Fackeln zuvor; so bald sie aber an den Fels des Heiligthums kamen / muste er mit ihnen aufs Antlitz niederfallen und bethen. Nach diesem stiegen sie den Berg hinauf / allwo auf der mit unzehlbaren Blumen bestreuten Fläche gegen Morgen noch ein absonderlicher Hügel aus einer Klippe zu sehen war. Auf dieser stand das von den Priestern beschriebene Bild Hermions / welches sie ihn eigentlich betrachten liessen / weil die Braut ohne diß noch nicht zur Stelle war; unter diesem Bilde laß der älteste ihm auch die in den Fels gegrabenen Reyme für:


Ihr wilden Sterblichen! die ihr voll Grausamkeit /

In menschlicher Gestalt vermummte Thiere seyd /

Im Munde nichts / als Gifft / im Hertzen eitel Galle /

In Augen Feuer hegt; nicht glaubt: daß Gott gefalle /

Wenn ihr nur Pfeile schleifft / und Spiß' und Schwerdter wetzt /

Und täglich eure Faust mit warmem Blute netzt /

Ja selbst von Bär' und Luchs nicht woll't seyn unterschieden.

Ihr Thör'chten! weicht von hier! Gott ist ein Gott des Frieden.

Er hört hier keinen Wunsch und nimt kein Opfer an /

Von dem / der nicht die Hand in Unschuld waschen kan.

Kein Weyrauch brennet hier / den nicht die Sanftmuth bringet;

Kein Blut ist angenehm / als das aus Lämmern springet /

Und daß ein Wolff kein Lamm hier aufs Altar gewehrt /

Kein Feuer taug hier was / das irrdisch Zunder nährt /

Und nicht von Andacht brennt. Laßt euch hier nicht bethören!

Das Bild / das ihr hier seht / als Gottes Bild zu ehren.

Der grosse Gott läßt sich nicht bilden Ertzt und Stein;

Nichts / als der Mensch kan nur sein Nach-Gemählde seyn /

Wenn sich sein hi lisch Geist mit Unschuld nicht beflecket /

Wenn Geitz und Ehr-Sucht nicht verda te Zwytracht hecket /

Wenn ihn sein reiner Sinn nicht zu der Wollust trägt /

Und er so mit sich selbst / als andern Friede hegt.

Weg / Seufzer! die wie Pech in Brust und Hertze kochen /

Umb daß sich einer nicht genüglich hat gerochen!

Weg / Andacht! welche zielt auf euer Feinde Tod!

Weg / Hände! welche sind von Menschen Blute roth!

Von Raub und Brande schwartz / die fremde Güter liefern

In dieses Heiligthum. Weg! mit den Ungeziefern!

Die nur durch Blut das Land / mit Mord-Lust sich beschwern /

Ja das Gebete selbst in eine Sünde kehrn.

Laßt diß geharnschte Bild euch / Blinde! nicht verleiten /

Laßt seine Waffen nicht euch Anlaß seyn zum streiten /

Noch euch zu Ehrenburg den Wahnwitz nehmen ein:

Es könne sonder Mord kein tapfrer Held nicht seyn;

Es sey der rechte Weg zum Tempel wahrer Ehren /

Gesetze / Bindnüsse / Natur und Recht versehren /

Den Nachbarn fallen ein / umb Kron und Zepter spieln /

Den Blutbegier' gen Stahl in Eingeweiden kühln /

Die Länder äschern ein / die Welt zur Wüste machen /

Die Völcker tilgen aus / und zum Ermorden lachen /

Und endlich Sieg-Gepräng' und Feyer fiellen an /

Wenn niemand lebet mehr / den man zerfleischen kan.

Es ist der starcke Gott ja wohl ein Gott des Krieges /

Der Heeres-Schaaren Herr / ein Held und Fürst des Sieges;

Die trächt'gen Wolcken sind sein Rüst-Haus / wenn sie Glutt

Und Donner-Keile spey'n; ja eine Schwefel-Flutt

Auf böser Leute Köpf' und schnöde Städte regnen.

Die Sterne müssen selbst als Feinde dem begegnen /

Der wider Gott sich lehnt / wenn sich in tödtlich Gifft

Ihr heilsam Einfluß kehrt. Und wen der Blitz nicht trifft /

Den muß der Sturm-Wind falln / das wilde Meer verschlingen;

Die Gräber müssen ihm an's Licht Gespenster bringen /

Des Abgrunds grause Nacht selbst Geister stelln ins Feld /

Wenn Gott zu Felde zeucht und sein Gerichte hält.

Er heißt auch / die er liebt / die Waffen vielmals schärffen /

Läßt Feinde tilgen aus / und Thürme nieder werffen /

Strafft die / die alles nicht verkehrn Brand und Graus;

Läßt Alexandern's Meer zum Durchziehn weichen aus /

Wenn er mit Persen zürnt. Soll Canaan vergehen /

Muß einem Josua die Sonne stille stehen

Den Sieg zu machen aus; und der Trompeten-Schall

Verursacht's Feindes Flucht / der Mauren Nieder-Fall.

Es müssen Helenens zwey Brüder in den Schlachten

Den Römern stehen bey. De Gänse halten Wachten /

Wenn's Capitol schläft ein. Der Weiber zarte Brust

Beseelt ein Månner-Hertz / und kühne Waffen-Lust /

Wenn Gott besti t aus Rom ein Haupt der Welt zu machen.

Allein er billigt nicht / wenn Menschen sich in Drachen /

In ärgste Panter-Thier / in Habichte verstelln;

Wenn Krieg' aus Herrschens-Sucht und gift'ger Rache quelln;

Wenn Willkühr Recht vertritt / und frembde Reiche rauben /

Der Fůrsten Tugend heißt; wenn man Vergleich auf Schrauben

[690]

Zu einer Falle stellt; durch seine Waffen nicht

Sucht Recht und Sicherheit; wenn man vom Zaume bricht

Ursachen Krieg zu führn / und Frieden abzubrechen;

Blut-Freundschafft zu versehrn / der Völcker Recht zu schwächen;

Wenn man die Tugend auszurotten sich nicht scheut;

Ja mit den Riesen selbst dem Himmel Sturm andreut.

Gott billiget den Krieg / und heißt die Schwerdter schleiffen

Auf diese / die ihm selbst an Augen-Apfel greiffen;

Die sein Erkäntnüß-Licht sich zu verfinstern mühn;

Der Tugend setzen zu / die Unschuld überziehn.

Er schaffet: daß der Stahl so wohl zu Pfeil und Degen /

Als Eisen zum Gebrauch der Pflugschaar' und der Egen

In den Gebürgen wächst. Und ob der Mensch gleich nicht

Gewaffnet von Natur / vertritt bey ihm das Licht

Der heiteren Vernunfft / doch stärckster Löwen Rachen /

Der Tiger-Thiere Klau / den gift'gen Dampf der Drachen /

Der wilden Ochsen Horn / der Elephanten Zahn;

Die lehrt euch: daß man Spiß' und Schwerdter schleiffen kan;

Daß man aus Stahl und Haar weiß Bogen zu bereiten;

Aus Riemen Schleudern macht; daß man aus Därmern Seiten

Aus Seiten Seenen dreht; durch Böcke Mauern zwingt /

Und durch geflügelt Schilff den Tod zum flügen bringt.

Gott heißt das Vaterland mit Waffen euch beschützen;

Und die fürs Volckes Heil ihr edles Blut versprützen /

Sind Ritter seiner Fahn / ein Werckzeug seiner Macht;

Und ihre Beute wird mit Fug hieher gebracht

In diß sein Heiligthum. Kein Opfer / das hier rauchet /

Kein Weyrauch / den man sonst Gott zu versöhnen brauchet /

Kein Lamm und Farren-Fleisch / kein Oel reucht Gott so gut /

Als wilder Feinde Fleisch und schuldig Menschen-Blut.

Hier stehet Hermion! Ihr Helden! euch zum Bilde:

Das euch sein Beyspiel lehrt / wie man mit Schwerdt und Schilde

Kan heilig gehen umb / und wie zu kriegen sey:

Daß eure Bilder man setzt Heiligthümern bey.

Die Wage / die diß Bild in seiner lincken träget /

Lehrt: daß / wer eh' er kriegt / sein Recht nicht überleget /

Blind in sein Unglück rennt. Die Ros' im Fahne stellt

Diß Bild des Friedens für / den man durch Krieg erhält /

Wie jene durch den Dorn. Der Löw' in seinem Schilde /

Der Bär auf seiner Brust / dient euch zum Ebenbilde:

Daß eines Löwen Hertz und eines Bäres Krafft

Der Fürsten Kleinod sey / der Helden Eigenschafft.

Doch ist das Feld rings umb mit Blumen überschüttet /

Weil Tapferkeit nicht stets als wie ein Unmensch wůttet.

Der Sanftmuth Blumwerck muß sich Lorbern flechten ein /

und Krieg die Saate nur der Friedens-Erndte seyn.

Folgt diesem Hermion! ihr Götter auf der Erden!

Doch muß sein Vorbild euch durchaus kein Abgott werden.

Denn Aberglaube macht die schärffste Klugheit blind.

Die Säulen Herculens / Achillens Bilder sind

Als Lichter ihres Thuns der Nach-Welt aufgesetzet.

Wer / wenn er sie schaut an / mit Thränen 's Antlitz netzet /

Und tieffe Saufzer läst / daß er es beyden nicht

Noch hat zuvor gethan / in dem brennt 's Tugend-Licht.

Sein Hertze kan nicht ruhn / Gefahr kan ihn nicht schrecken /

Kein Riegel halten auf / was grosses zu vollstrecken;

Der krönt mit Ruhm sein Haus / mit Lorbern Sarch und Grab /

Und gibt der Nach-Welt selbst ein herrlich Vorbild ab /

Wie Hermion allhier. Aus seiner Thaten Ruhme

Rührt her: daß Bresberg Gott ward zum Heiligthume

Und ihm zur Ehrenburg. Wer seinen Fuß-Pfad drückt /

Dem ist iedweder Berg zur Ehrenburg geschickt.


Alleine Catumer hatte wenig Gedancken bey diesen Reimen / sondern sein wegen der so lange außen bleibenden Adelmunde unruhiges Hertze stieß einen tieffen Seuffzer nach dem andern aus. Dem in der Höle wartenden obersten Priester ward die Zeit gleichfals lang; daher er einen Priester an die Bach schickte die Ursache des so langen Außenbleibens zu vernehmen /welcher in kurtzer Zeit mit der Nachricht zu rücke kam: daß Adelmunde in der Bach bey nahe ertruncken wäre / wenn sie nicht die Priester heraus gerissen hätten. Nach dem sie nun zwar errettet wäre / und wieder Lufft schöpffte / weigerte sie sich ins Heiligthum gutwillig zu gehen; weil sie zu dieser Eh niemals ihren Willen gegeben hätte / und ehe in des Todes als Cariovaldens Armen gerathen wolte. Der oberste Priester hielt dis Catumern als dem vermeinten Cariovalda für; und zugleich ein: daß dieses Heiligthum keinen Zwang vertrüge. Catumer antwortete: Sein Gemüthe hätte eben die Eigenschafft dieses Heiligthums. Deñ er wolte ehe ein Gelübde thun nimmermehr zu heyrathen / als eine wider ihren Willen zu ehligen. Sintemal der nicht aufrichtig liebte / wer von seiner Geliebten etwas / das ihr zu wider wäre / verlangte. Ja der Zwang wäre der rechte Krebs der Liebe / welcher auch der zum Theil schon beraseten die Hertz-Wurt zel abbisse / und sie nicht nur zernichtete / sondern in gifftigen Haß und Galle verwandelte. Daher möchte der oberste Priester Adelmunden nur für sich beruffen / mit der Versicherung: daß wenn dis ihr beständiger Vorsatz wäre / und sie selbten an [691] dieser heiligen Stelle in seiner Anwesenheit fürbrächte / wolte er nimmermehr ihr etwas von Liebe sagen / weniger sich ihr zum Ehmanne aufdringen. Alles dieses ward beliebt /und die durch solche Erklärung nicht wenig getröstete Adelmunde in die heilige Höle gebracht / welche von dem darinnen brennenden Opffer-Feuer / von welchem der Rauch eben durch ein in den Fels gehauenes rundtes Loch ausfuhr / erleuchtet. Catumer trat auf der andern Seite hinein / und damit Adelmunde ihn desto eigentlicher erkennen konte / nam er Adelmunden bey der Hand / führete sie nahe zum Opfer-Feuer / und fieng an: Schönste Adelmunde / ist es ihr Ernst gegen dem so kalt zu seyn / dessen Seele eine feurigere Werckstatt ihrer Liebe ist / als dieser Herd! in dessen Hertze viel reinere Flammen brennen / als diese heiligen / welche unser Opfer Gott zu einem süssen Geruche machen solten! Sintemal meine keinen Rauch einiger Falschheit in sich haben / wie diese doch Gott gefälligen. Wilst du mit deiner Gegen-Liebe eckeler /als Gott mit seiner Wohlthätigkeit seyn? Zweifelst du an meiner Aufrichtigkeit; so würdige nur mein Antlitz recht zu betrachten. Meine Augen werden dir nachdrücklicher als die Zunge die tieffsten Geheimnüsse meines Hertzens entdecken. Meine Blicke werden dir die Begierden meiner Seele edler und lebhafter ausdrücken / als meine todte Worte. Würdige mich nur eines einigẽ Anblicks / so werdẽ deine Augẽ / welche sich selbst nicht sehn / in meinen als einem Spiegel /sie und dich selbst / ob du nicht meine holde Braut seyst / erst recht erkennen lernen. Die von Leid und Schwermuth fast ausser sich selbst versetzte Adelmunde hatte Zeither ihre Augen allezeit zur Erde niedergeschlagen / und Catumers Stimme nicht erkennt. Seine letzten Worte aber machten ihr ein Nachdencken / und verursachten; daß sie einen Blick auf ihn warff / und er ihr wie Catumer vorkam. Weil sie aber nicht ersinnen konte / wie Catumer hier die Stelle Cariovaldens vertreten könte / mißtrauete sie ihren Augen / und hielt es ihre Einbildung entweder für einen Traum / oder eine Bländung ihrer Liebe. Daher fieng Catumer aufs neue an: Zweifelst du / kluge Adelmunde / an dem was du siehest? Wem wilst du denn sonst glauben / wenn du mit deinen Augen so mißträulich umbgehest? Wilst du dem Verhängnüsse widerstreben / welches diese Nacht zu dem Morgen deiner Vergnügung und Glückseligkeit bestimmet hat! Kommen dir seine Wege seltsam für / so gedencke; daß kein scharffsichtiges Auge selbte nimmermehr ausspüren wird. Glaube / daß dieses Heiligthum uns vom Himmel bestimmet sey einander recht zu erkennen / durch die Verknipfung dieses würdigen Priesters alle Knoten unser Widerwertigkeit aufzulösen / und durch seinen Segen die Unfruchtbarkeit Adelmundens in die Wüsteneyen des Sand-Meeres zu verbannen. Adelmunde sahe nunmehr den Redenden mit unverwendeten Augen an / und hatte Mühe sich selbst zu überreden; daß der selbständige Catumer für ihr stünde. Dieser streckte den lincken Arm gegen dem Feuer / daß Adelmunde ein ihm von ihr zu Mattium gegebenes Haar-Band erkennen möchte / und sagte: Diese Flamme muß mir zum Zeugnüsse / und dir zu einem Lichte mir ins Hertze zu sehen dienen. Warumb quälest du mich denn mit deinem kaltsinnigen Unverstande! Adelmundens Augen flossen bey diesem Anblicke mit Thränen über / welche nicht seltener Töchter der Freuden / und Vor-Redner der Liebe / als Gefärthen der Traurigkeit sind. Endlich bekam ihre Zunge gleichwohl so viel Gewalt auszusprechẽ: Falscher Cariovalda! Warum peinigst du mich so sehr umb deine aufrichtige Liebe! Catumer ward durch Adelmundens wenige Worte gleichsam gantz verzückt / und durch ihre Thränen seine Liebe hell lodernd.[692] Denn wie bey den Mohren ein gewisser Brunn anzünden soll / also haben die Thränen auch die Eigenschafft eines flüssenden Feuers. Denn sie machen durch ein besonderes Vorrecht der Natur beliebt / und vermischen ein ertrinckendes Feuer und ein anzündendes Feuer durcheinander. Adelmunde ward nunmehr beredsamer als Catumer / fieng also zum Priester an: Ich erkenne mit grosser Ehrerbietung die Wunderwercke dieses Heiligthums! Ich gedachte in seinem kalten Wasser Cariovaldens Liebe mit meinem Leben zu ersäuffen; so fühle ich die Flamme seines Opfer-Feuers den kalten Zunder meiner Liebe in lichten Brand versetzen. Ich unterwerffe mich diese nach den Gesetzen der Vermählungen; und dem Willen dieses Bräutigams. Catumers Hertze ward hierüber zu enge seine Glückseligkeit zu begreiffen / seine Zunge aber stu selbige auszusprechen / daher drückte er ihre Hand an seine Lippen / gleich als wenn jene eben so wohl das Gehöre / als diese die Sprache der Liebhabenden vertreten könte. Der über dieser seltzamen Veränderung vergnügte Priester fieng an: Lernet nun / ihr holden Kinder / daß Gott ein Leiter der Hertzen / Andacht ein Heil-Brunn der Liebe / eine Mutter der Vergnügung sey! Versäumet diesemnach nicht auch Gott diß zu liefern / was ihm eure Liebe schuldig ist. Hiermit brachte ein Priester Catumern einen gewaschenen. Wieder / Adelmunden ein La / welche sie beyde mit tieffer Ehrerbietung auf den Opfer-Tisch legten. Der oberste Priester stach beyden die Gurgel ab / und bespritzte die Verlobten mit ihrem Blute. Hernach schnitt er ihnen den Bauch auf / und warff die heraus gerissenen Gallen hinter das Altar / umb anzudeuten; daß Ehen ohne Bitterkeit seyn solten. Er betrachtete alles Eingeweide / fand alles in seiner Vollkommenheit / und wahrsagte ihnen daher viel Glückseligkeiten. Hierauf sonderte er nach abgezogenen Fellen das zum Brenn-Opfer gehörige Fleisch von denen zu der Speise der Priester besti ten Stücken ab. Catumer und Adelmunde mußten so lange / als das Opfer brennte / auf den Knien Gott anruffen; hernach besprengte sie der Priester siebenmal mit Wasser; und endlich band er beyder in einander geflochtene Hände mit seinem Gürtel zusammen; und beyde musten einander unabsätzliche Treue biß in Tod eydlich zusagen. Nach aufgebundenen Händen sagte er: Euer Geschlechte blühe so lange / als dieser Fels stehen wird! Zeuget mit einander so viel Kinder und Kindes-Kinder / als dieses Feuer Funcken / und der Dymel-Strom Tropfen hat! Bey diesem Schlusse winckten die andern Priester ihnen zur Andeutung / daß nun alles vollendet / und es Zeit wäre aus der Höle sich zu verfügen. Ausserhalb derselben ward auf dem Berge mit Schwenckung der Fackeln gleichfalls ein Zeichen gegeben / daß die Vermählung glücklich vollendet wäre. Daher nicht nur über der Dymel von den Catten / sondern auch über der Bach von den Chauzen sich ein heftiges Freuden-Geschrey erhob / und dem Hertzog Ganasch / welcher in grossem Kummer gestanden hatte: Ob seine Tochter sich noch zu Cariovaldens Heyrath gutwillig bequämen würde / ward ein schwerer Stein vom Hertzen gewältzt. Die vier Priester leuchteten den Vermählten von dem heiligen Berge herab / und / ob sie wohl Catumern andeuteten; daß Hertzog Ganasch auf seiner Seite unterschiedene Zelten zu ihrem Beylager hätte aufschlagen lassen / und Sentia ihrer an der Bach wartete / führete doch Catumer. Adelmunden über die Dymel seinen Catten zu /mit Vermelden: daß seiner Landes-Art nach die Heimführung der Bräute in des Bräutigams Haus geschehe. Catumer setzte daselbst sich und Adelmunden zu Pferde / schickte etliche Catten umb dem Grafen von Isenburg und Lichtenberg anzudeuten: daß sie Cariovalden / Segesthen und alle Gefangene [693] loß lassen und ihm eben den Weg / den sie herkommen wären / nach Sassenberg an die Eder nachfolgen solten. Die ihn begleitenden Priester aber ersuchte er dem Hertzog Ganasch beyzubringen: daß Adelmunde aus sonderbarer Schickung des Verhängnüsses mit Catumern dem ersten und rechten / nicht aber mit ihrem verwerfflichen After-Bräutigame vermählet wäre. Wenn er ihm nun diß gönnen würde / was der Himmel ihm geschencket / dieses Heiligthum ihm unauflößlich angetrauet hätte; würde er von ihm die tieffste Ehrerbietung / von den Catten verträuliche Freundschafft / und von Gott unersitzlichen Segen zu erwarten haben. Dieses brachten die Priester Sentien /welche ihr inzwischen wenig Gutes an der Bach hatte träumen lassen / und folgends dem Hertzoge Ganasch zu. Jene wolte hierüber von Sinnen kommen / und verfluchte die Priester / daß sie einem falschen Bräutigame Adelmunden verknipft hätten. Dieser aber kannte sich für Zorne nicht; also wußte er auch nichts zu entschlüssen; und beyde nicht zu errathen / wo Segesthes und Cariovalda blieben seyn müsten; und wie Catumer sich so künstlich für jenẽ eingespielt hätte. Nicht weniger gieng es unter den Chauzen durch einander. Etliche schäumeten Galle und Schmach auf Catumern; andere aber blieben zweifelhafft: Ob nicht dieser Zufall mehr für ein Glücke als Unglücke der Chauzen zu halten wäre? Einmal stünde auf Catumers Seiten das Vor-Recht; und durch diesen künstlichen Betrug hätte er gewiesen; daß er nicht weniger klug als hertzhaft wäre. Endlich befahl Hertzog Ganasch auf Sentiens Anstiften / daß alles / was reiten könte /aufsitzen / und nebst ihm seine geraubte Tochter Catumern abschlagen solte. Sintemal diese Vermählung wegen Irrthums und ermangelnder väterlichen Einwilligung unkräfftig wäre. Dieses aber konte in so geschwinder Eil nicht geschehen / weil Catumer einen guten Sprung vorher hatte / und die Finsternüß in der Verfolgung nicht wenig hinderte. Nachdẽ aber Hertzog Ganasch über den Dymel-Fluß ko en war / begegnete ihm ein Herold von Catumern / welcher dem Chaucischẽ Hertzoge beybrachte; daß er nicht aus Furcht / weil er mit einer genungsamen Macht versehen wäre / sondern aus Ehrerbietigkeit des Heiligthums zurück gewiechen wäre. Die Gerechtigkeit seiner Sache wäre auch so beschaffen / daß er für der gantzen Welt darumb Rechenschafft geben / und wenn Hertzog Ganasch ihm Gehöre geben wolte / er bey dem heiligen Brunnen / der ihn zu Adelmundens Heyrath mit seinem Wasser geleitet / seiner erwarten /und sich als seinen Eydam nicht als seinen Feind erweisen wolte. Hertzog Ganasch / der ihm nicht einbildete: daß Catumer mit einer solchen Macht gefaßt wäre / ward hierüber noch mehr verbittert; sagte also dem Herolde: Er möchte sich nur kümmern zeitlicher bey Catumern zu seyn / als er seine Rache an ihm als einẽ Rauber seiner Tochter auszuüben verhoffte. Dieser Herold kam wegen bekandter Wege noch für Tage an den besti ten Ort / und kurtze Zeit darnach auch Isenburg und Lichtenberg mit denen zu Bewahrung Segesthens und Cariovaldens gelassenen Catten bey Catumern an. Weil dieser nun von der Nachkunfft der Chauzen hörte / stellte er unter einem Berge sein Volck in eine richtige Schlacht-Ordnung. Hingegen ließ sich eine Stunde nach der Sonnen Aufgange nicht nur Hertzog Ganasch / sondern auch Segesthes und Cariovalda sehen / welche sich nach erlassener Hafft gerade nach Eresberg gewendet hatten / und dem Hertzoge Ganasch gefolgt waren. Ob nun zwar Ganasch einen Kern des Cattischen Adels für ihm stehen sahe / welchem seine Chautzen weder an der Zahl /weniger an Kräften gleich waren / hätte ihn doch sein blinder Eiver solche anzugreiffen verleitet / wenn nicht Segesthes und Cariovalda / als von denen ihre[694] Tapferkeit schon den Tag vorher genungsam geprüfet worden war / solches ihm beweglich widerrathen und eingehalten hätten: daß es nicht rathsam wäre / umb einen Irrthum zu verbessern / sich in mehrere zu vertieffen / sondern vielmehr eine der grösten Klugheiten den ersten zu vermänteln. Denn eines könte zwar der allervorsichtigste versehen; aber zweymal hinter einander irren / verspielte einem alles Ansehen. Diesemnach riethen sie unter dem Scheine einer von Catumern und Adelmunden geforderten Rechtfertigung ihres Beginnens sich aus dieser gefährlichen Enge mit Ehren an auszuflechten. Hertzog Ganasch ließ sich hierdurch bereden / daß er mit Catumern und Adelmunden in freyem Felde zu reden verlangte; welches diese an einem Orte willigten / da die zwischen zweyen hohen Ufern flüßende Ither sie trennete. Gleichwol aber war der Chaucische Hertzog seiner so weit nicht mächtig; daß er in seinem Vortrage Catumern nicht einen Rauber seiner Tochter / einen Versehrer des Heiligthums schalt / und von ihm Adelmunden als eine ungehorsame Verächterin der väterlichen Gewalt wieder in seine Hände zu liefern verlangte / da sie beyde nicht anders so wol die göttliche als seine und aller gerechten Fürsten Rache auf den Hals ziehen wolten. Hertzog Catumer aber erinnerte sich; daß er mit seinem Schweher-Vater redete / und daher Adelmunden zu Liebe / und ihm selbst zu desto größerm Ruhme mit ungemeiner Bescheidenheit antwortete: Es lieffe den Rechten zu wider / daß jemand an seinem Eigenthum / das er niemandẽ verpfändet hätte / einen Raub begehen könte. Daß aber Adelmunde sein eigen worden wäre / könte Hertzog Ganasch nicht leugnen /welcher seine Tochter ihm selbst ohne einiges Bedinge und mit ihrem guten Willen versprochen hätte. Solche Verbindligkeiten verstatteten keine Reue. Denn sonst würde aus Heyrathen eine Handlung gemacht / oder vielmehr Treu und Glauben / welche unter Fürsten in Ubermasse seyn solten / aus der Welt verbannet werden. Seines Vaters des Hertzog Arpus erwachsenes Bedencken wäre nicht ohne alle Erhebligkeit / iedoch keine Aufhebung ihres Verlöbnüsses /am wenigsten aber ihm sein an Adelmunden habendes Recht zu benehmen mächtig gewest. Auch gemeine Versprechen könten von keinem dritten / sondern müsten von denen selbst / die einander Hand und Mund gegeben / aufgehoben werden. So aber hätte weder sein noch Adelmundens Wille iemals gewancket. Diesemnach wäre ihm keine Schuld / Adelmunden kein Ungehorsam beyzumässen. Denn er hätte durch seine Heyrath gethan / was ihm das Recht / und Adelmunde / was ihr der väterliche Wille erlaubt hätte. Hertzog Ganasch aber eiverte aufs höchste über den ihm und seinem Hause angethanen Schimpf / daß Hertzog Arpus mit Adgandestern eine andere Heyrath behandelt hätte / welches die Zerreissung des mit Adelmunden geschlossenen Verlöbnüsses an der Stirne trüge; Dem aber / welcher nicht Glauben hielte / wäre man keinen zu halten schuldig. Catumer bestünde noch unter väterlicher Gewalt / und wäre an seines Vaters /wie Adelmunde an seine Handlungen und Schlüsse gebunden; also könte er sich von Vertretung dessen /worinnen sein Vater sich vergangen hätte / nicht ausflechten. Hierauf fiel er auf Catumers bey der Verlobung gebrauchte / und von Adelmunden gebilligte Arglist; welche auch die gerechtesten Sachen böse machte / und daher Fürsten unanständig / dem Heiligthume verkleinerlich / und gantz Deutschlande ärgerlich seyn müste. Sonderlich da er die [695] Priesterschafft /welche alle Völcker als Wahrsager der Warheit verehrten / unter einem falschen Scheine hinters Licht geführt hätte. Fürnemlich hätte Adelmunde wider das Recht der Natur / wider die Schamhafftigkeit ihres Geschlechtes sich vergangen; welche er für Augen zu sehen sich nicht würde überwinden können; weil er sie schon aus dem Ansehn der Kindschafft gesätzt hätte / wenn sie nicht Augenblicks durch Reue und Demuth von einem so schändlichen Abweg zurück kehrete. Adelmunde kam mit ihrer Vertheidigung Catumern zuvor in folgender Antwort: Es stünde ihr als einer gehorsamen Tochter nicht an mit ihrem so holden Vater zu rechten. Denn / was sie zum besten ihrer Sache anführte / gereichte der väterlichen zum Abbruche. Kinder aber wären verpflichtet auch mit ihrer Unehre der Eltern guten Nahmen zu unterstützen. Ihre Frömmigkeit hieße sie also sich schuldig zu geben. Hätte sie nun sich durch die Vermählung vergangen; so möchte er doch als Vater behertzigen; daß die Liebe als ein ihr vorgehendes Irrlicht sie verführt hätte / welcher Regung über die Vernunfft / ausser den Gesätzen / und der Weißheit zu wider wäre. Der von dieser blinden Regung herrührende erste Seuffzer wäre ins gemein der letzte Athem der Klugheit. Die Gewalt hielte sie für ihr Recht / ihre Begierde für ihre Richtschnur / und das Besitzthum des Geliebten für ihren Zweck. Es wäre ihr unmöglich gewest / die dem weiblichen Geschlechte eigenthümliche Süßigkeit gegen den auszuziehen / den sie der Himmel und mein Vater hatte lieben heissen. Die Gelegenheit / oder vielmehr die wunderwürdige Schickung des Himmels hätten ihr gerathen in dem nichts unrechtes erlaubenden Heiligthume den gefundenen Bräutigam nicht zu verstossen / da man sie der Vermählung halber vorher nicht hätte wollen ertrincken lassen. Wäre es denn nun ein unversöhnlich Verbrechen: daß sie ihr die Fessel gutwillig angelegt; welche man ihr anzuschmieden so grosse Gewalt gebraucht hätte / daß sie nicht hätte eine abtrünnige Liebhaberin oder eine Uberläufferin werden wollen! Ihr liebster Vater solte behertzigen / ob sie ein ander Laster begangen / als daß sie mit Cariovaldens Ehlichung nicht habe ein grösseres begehen wollen? daß sie den ersten und gegenwärtigen Bräutigam für den letzten und abwesenden erkieset. In der Liebe wäre nichts mächtiger / als die Gegenwart / denn die Augen wären die Brunnen der Liebe / die Werber der Wollust / alle andere Sinnen nur ihre Dienst-Mägde. Alle Brunnen führten den Nahmen ihres Ursprungs / nicht der Länder / derer fruchtbare Felder / heilsame Ertzt-Adern sie durchstriechen. Weil nun von Catumern die erste Liebe in ihr Hertz geflossen; wie hätte sie sich dessen erwehren können / der ihr die Liebe zum ersten eingeflößet? Wolte man sie beschuldigen / daß sie die Pflicht einer Tochter / die Blödigkeit ihres Geschlechtes auf die Seite gesätzt hätte; so möchte man darbey nicht vergessen / daß das Verhängnüs ihr Catumers Liebe zum ersten eingeblasen / ihr Vater solche gebilligt habe /und daß / je mehr ein Liebender sich zu mäßigen zwingen wolte / er sich nur mehr entzündete / solch Feuer aber nirgends als in anderm Feuer Ruhe / wie das geschmeltzte Glaß in dem Kühl-Ofen seine Vollkommenheit anträffe. Sie verehrte mit tieffster Demuth das Recht väterlicher Gewalt / aber dieses hübe so wenig als das der Hoheit die Gesätze der Natur /und die Bothmäßigkeit der Liebe auf. Diese hätte sie nun einer andern Gewalt unterworffen / daß sie ihrer nicht mehr mächtig wäre / und in einen Stand versätzt / der weder Reue noch Aenderung vertrüge. Daher solte ihr holdester Vater mit angemaaßter Uberwindung der Unmögligkeit durch ihre Hertzens-Kränckung sich doch nicht selbst in ewige Unruh sätzen. Klugheit gründete sich [696] nie auf ungewisse Glücks-Fälle / weniger nähme sie ihr was für / an dessen Ausgange sie verzweifelte; sondern sie verhüllete vielmehr ihrer Kinder Schwachheiten / als eigene Wunden. Weil aber Ganasch nach Art derer von auf sie gespritztem Wasser nur mehr breñenden Stein-Kohlen sich je länger je mehr ungebährdig stellte / je beweglicher Adelmunde redete / nam Catumer das Wort von ihr und sagte: Wenn sich mit ihrer Heyrath einiges Unrecht vermählt hätte / wäre von selbtem nichts der von seinem Vorhaben nichts wissenden Adelmunde /sondern ihm alleine zuzumässen. Ganasch hätte sie gezwungen in dem Eresbergischen Heiligthume sich zu vermählen; darinnen sie keinen andern Bräutigam gefunden / als ihn. Also wären Gelegenheit und Liebe / ja das Verhüngnüs selbst Stiffter dieser Heyrath gewest; bey keinem Volcke der Welt aber eine Sünde den zu ehligen / den man liebte. Sintemal ja die Liebe der Kern aller Weißheit wäre auf Erden und im Himmel. Er hätte auch nichts anders verbrochen / als daß er seinem Nebenbuhler Cariovalda wie an Rechte und Verdiensten / also in desselben Ausführung wäre zuvor kommen / worinnen der künstlichste Streich der Klugheit bestünde / weil sonst Recht und Verdienste denen aus dem Glücks-Topffe gezogenen Zetteln zu vergleichen wären / und mehrmals keine Giltigkeit hätten. Hätte er nun gleich bey seiner Heyrath einige List gebraucht / so wäre doch diese für kein Laster zu halten / weil ihm das Recht der Liebe und des Krieges wider Cariovalden solches erlaubte / der durch Entführung seiner Braut sich für seinen Feind erkläret hätte. Im Kriege und in der Liebe wären aber Arglist /Künste / ja die Betrügereyen selbst unverboten. Alles / was zum Siege diente / bliebe Unschuld / und wäre es eines / ob man andern durch eine kluge Erfindung /oder mit Gewalt Lorbern und Myrthen vom Kopfe rieße; ob man eine Stadt mit Sturme oder durch Verständnüs einbekäme; ob man seiner Liebsten sich auf eine oder andere Art bemächtigte. Denn alles / was Kriegs-Leuten und Liebhabern zu ihrem Zwecke diente / wäre zuläßlich / alles ihnen schädliche / ein Verbrechen. Was schiene unrechter zu seyn als frembde Kronen zu rauben / was grausamer / als Städte einäschern / Länder verwüsten / was wäre unmenschlicher / als Ströme aus Blut / Berge aus Leichen machen? Gleichwol aber wäre dis eine so gemeine Sache / daß es fast niemand mehr Königen übel auslegte /sondern Brand und Blutstürtzung für ihr Handwerck /und die Grausamkeit für ihre erste Tugend / und für ein Meisterstücke hielte / wenn man in einer Schlacht den Wind und die Sonne gewänne / und dem Feind den Staub in die Augen jagte / oder ihn auf die Fallbrücke eines Hinterhalts lockte. Warumb solte denn in der Liebe die zumal aufs Vorrecht gegründete Gewalt / oder die Bländung unser Widerwärtigen so verda lich seyn? Warumb solte die mit so viel Freyheiten versehne Liebe nicht eine unschuldige Anstalt zu dem seinigen zu gelangen rechtfertigen? die Herrschafft der Liebe hätte nicht engere Gräntzen / als die des Krieges; nemlich sie vertrüge keine Schrancken /wie ihre Gesätze keine Richtschnur / ja sie giengen über alle andere / und hielten derselben Unterdrückung für ihre Ehre. Die Oberhand machte alle ihre Vornehmen gerecht; wer darinnen Glück hätte / wäre zugleich weise und unschuldig. Wenn man erhielte /was man gesucht / wäre niemand mehr umb die Mittel und Wege bekümmert. Alle Uberwinder werden rechtmäßige Könige; und die Vermählten untadelhaffte Ehleute. Der Geitz machte nur entweder frembder Güter zu Dieben / die Begierde zu herrschen aber sie zu grossen Helden. Also würden alle Verrichtungen nach dem Ursprunge der ersten Regung [697] für Laster oder Tugenden / wie alle Dinge so gefärbt angesehen / wie das Glaß ist / dadurch man sie betrachtet. Diesemnach möchte ihn Hertzog Ganasch gleich als einen Liebhaber / oder Cariovalda als seinen Feind ansehen; so würde er doch vom ersten mit Rosen / vom andern mit Palmen zu kräntzen / und wegen seiner Loßlassung für einen der gütigsten Sieger zu rühmen seyn. Alleine er hätte nicht Noth sich mit dem Rechte des Krieges und der Liebe zu vertheidigen. Des Chaucischen Hertzoges eigenes Versprechen redete ihm das Wort / welches bey ehrlichen Leuten so viel als die Gewehrung selbst wäre. Dieses wäre man auch dem Feinde zu halten schuldig / und unter vernünfftigen Menschen Treu und Glauben nichts gemäßer / als / was man zugesagt / halten / wenn schon dis dem Versprecher schädlicher / als dem andern nützlich wäre. Keine Reue könte jemanden sein daraus erworbenes Recht entziehen / und Fürsten wären auch ihren Unterthanen / wie viel mehr ihres gleichen ihre Zusagen zu erfüllen durchs Recht der Natur und Völcker verbunden. Ja alle Worte der Fürsten solten so wenig auch bey widrigen Zufällen / als das Gold im Feuer versehrlich seyn. Daher hätte Hertzog Ganasch mit Cariovalden nichts schlüßen / weniger ihm Adelmunden durch Vermählung zueignen können / auf welche er vorher schon Recht / und sein Vater Arpus es ihm zu entziehen keine Gewalt gehabt. Hercules hätte wider den Eurytus / Darius wider die Scythen zu kriegen / die Römer denen Sabinen ihre Töchter mit Gewalt zu nehmen für recht gehalten; als ihnen die Heyrathen wären versagt worden. Wer wolte nun ihm verargen /daß er sich Adelmundens bemächtigt hätte / welche Deutscher Ankunfft / seines Standes / und seine versprochene Braut gewest wäre? Wo man keinen Richter über seinen Schuldner hätte / und man in Gefahr geriethe des seinen verlustig zu werden / wäre jeder ihm selbst Recht zu verhelffen berechtigt. Dieses würden auch die Priester des Eresburgischen Heiligthums billigen müssen / welche nicht ihm / wol aber Cariovalden die Vermählung zu verweigern würden Ursach gehabt haben. Diesen hätte er / wie man ihn beschuldigt / nichts falsches angebunden / wiewol es ein nicht geringer Werck der Klugheit wäre / durch falschen Vorwand einen in die Schrancken der Billigkeit / als durch einen Seiten-Weg einen geräder zu seinem Ziele bringen. Er hätte sich bey den Priestern niemals für Cariovalden / wol aber / der Warheit gemäß / für Adelmundens Bräutigam ausgegeben / ja seine Braut im Heiligthume selbst / daß er der falsche Cariovalda wäre / entdeckt. Wären nun gleich die Priester in den Gedancken gewesen / daß sie mit Cariovalden zu schaffen hätten / so hätte sie ihre irrige Einbildung /nicht seine falsche Beredung verleitet. Niemand wäre dis / was ihm nachtheilig seyn könte / zu sagen schuldig. Denn wie ein Fürst niemals lügen / aber wenig und langsam glauben solte / also wäre die unzeitige Verrathung der Warheit eine so gefährliche als einfältige Aufrichtigkeit; Stillschweigen aber eines der fürnehmsten Werckzeuge der Herrschafft. Zudem wäre das Werck der Vermählung nicht die Priester / sondern Adelmunden und Cariovalden angegangen. Jene klagte über keinen Betrug / dieser als sein Feind und Gefangener hätte über keinen zu klagen. Sintemal die weisesten Leute für rühmlich und nützlich hielten dem Feinde durch Betrug Abbruch zu thun / und die Spartaner hätten über einem solchen Siege mehr als über einer gewonnenen Schlacht Opffer geschlachtet. Am allermeisten aber wäre löblich zum Schutze der Unschuld und der Gerechtigkeit zu steuer Unwarheit sagen; Derogleichen doch auf ihn nicht zu bringen wäre / der sich seines Rechtes gebraucht / also niemanden Unrecht gethan hätte. Nach dem nun die Eh /der andere Grundstein menschlicher Glückseeligkeit /[698] die festeste Verknüpfung zweyer Geschlechter seyn solte / bäte er / es möchte Hertzog Ganasch selbige nicht einen Apffel der Zwytracht seyn / und an statt väterlicher Hold nicht Galle und Haß auf sie beyde /die nunmehr eines worden wären / fallen lassen. Durch dieses Band wären vielmal unaussöhnliche Tod-Feindschafften aufgehoben worden; ja die einander so widrigen Feuer und Wasser würden bey ihrer Vermengung mit einander einträchtig; wie könte er denn übers Hertz bringen / daß die Ehlichung seiner Tochter gegen ihn eine Quelle bitterer Feindschafft seyn solte? Catumer hätte noch länger geredet / wenn ihm nicht Ganasch mit folgenden Worten in die Rede gefallen wäre: die Vertheidigung des bösen ist ärger als die Begehung. Jene kan aus Schwachheit / diese muß aus Vorsatze geschehen; die Ubersehung eines Verbrechens aber ist das allerärgste. Also bildet euch nur nicht ein / daß ich durch eine Versöhnung mit euch mich lasterhaffter machen werde / als ihr selbst seyd. Ich werde euch hassen / weil mir die Augen offen stehen; und ich werde euch zu trennen nicht vergessen / so lange meine Rache nicht euer / oder der Tod das Bündnüs meiner Seele und des Leibes getrennt hat. Bey diesen Worten spannete Ganasch unversehens den Bogen / und schoß die sich dessen am wenigsten versehende Adelmunde in Arm. Catumers Hertze ward hierüber auf einmal mit Rache und Liebe überfallẽ / daß er nicht wuste / ob er vorher dem Hertzoge Ganasch solche Beleidigung vergelten / oder Adelmunden zu hülffe kommen solte. Aber diese gewaan die Oberhand / indem er Adelmunden zueilte / sie vom Pferde hob / ihr das Blut abwischte / den Pfeil mit größern Schmertzen / als sie selbst fühlte /aus der Wunde zoh / und Kräuter sie zu verbinden suchte. Bis ein ander Wund-Artzt zur Stelle kam; unterdessen aber waren die Catten nicht zu erhalten /daß sie nicht die Chaucen mit grosser Verbitterung anfielen. Segesthes machte sich alsbald aus dem Staube / und auf dessen Ermahnung auch Cariovalda /weil jener ihm leicht die Rechnung machen konte: daß es mit diesem Gefechte schlecht ablauffen und er durch fernere Erzürnung der Catten sein gantzes Fürstenthum zu verlieren in Gefahr sätzen würde; bey diesem aber / der wegen ausgefallnen Armes ohne dis nicht fechten konte / nunmehr alle Hoffnung zu Adelmunden verloschen war. Hertzog Ganasch hielt mit seinen Chaucen zwar Stand; aber weil der Catten ein gutes Theil mehr / und ihre Schwerdter von einer heftigen Rachgier erwetzet / ihre Gemüther durch den Sieg vorhergehenden Tages aufgeschwellet waren /fiengen sie bald an zu wancken und in Unordnung zu gerathen. Hertzog Ganasch selbst / welcher von Zorn und Unwillen schäumte / that zwar nicht nur dis / was einem tapfferen Helden / sondern auch einem verzweifelten Feinde zuko t / und bot denen die Stirne selbst / welche sich am weitesten hervor zückten und durchbrachen. Aber auch Hercules ist ihrer vielen nicht gewachsen. Adelmunde / welche bey ihrer Verbindung nicht das geringste Merckmaal einigen Schmertzens spüren ließ / ward / als sie das blutige Gefechte zwischen den Catten und Chaucen ins Gesichte und Gehöre bekam / mit einer unsäglichen Wehmuth überschüttet / also daß ihre kindliche Liebe eine grosse Menge Thränen als ihr reinestes Hertz-Geblüte und das kräftigste Wesen ihrer ängstigen Seele durch die zarten Röhren ihrer Augen herfür trieb. Nach dieser stummen Vorbitte beschwur sie Catumern bey ihrer beyder Liebe: Er möchte ihrem Vater nichts gewaltsames oder verkleinerliches begegnen lassen / und auf ihre Lands-Leute keine so grosse Rache / welche ihr als der allein beleidigten viel empfindlicher als die Verwundung fiele / verhengen. Hätte sie Hertzog Ganasch gleich verwundet / so wäre diese Beleidigung nur ein Sonnenstaub gegen denen ihr erzeigten [699] Wolthaten / wiewol Eltern ihre Kinder nur züchtigen /nicht beleidigen könten. Wenn aber auch dis gleich geschehe / höreten sie doch nicht auf Vater und Mutter zu seyn; und ihre Liebe bräche doch endlich aus Zorn und Haß / wie die Sonne aus dem Gewölcke herfür. Dieser einige Eyver könte in ihr den Trieb und das Gesätze der Natur nicht ausleschen / welches auch wilden Thieren eingepflantzt wäre: daß / wie die Bären und Schlangen ihre Jungen leckten / die sonst unbendigen Waldschweine für sie aus Liebe in die Eisen und Netze der Jäger rennten; also trügen die Störche und Meerschweine ihre Eltern auf dem Rücken. Er möchte doch nicht etwas geschehen lassen /welches ihr eine Gleichheit eines Wasser-Pferdes /eines Scorpions und einer Natter eindrückte / welche Unthiere alleine beschuldigt würden / daß sie ihren Eltern weh thäten. Es wäre der Großmüthigkeit Eigenschafft frembdes Unrecht ungerochen lassen / aber eine Pflicht der Frömmigkeit Eltern nichts böses vergelten. Denn diese könten Kindern kein Unrecht anfügen; weil die Scythen jenen das Recht diese viermal zu verkauffen / die Seren sie nach Belieben zu ersäuffen / die Egyptier und Römer auf allerhand Art zu tödten frey ließen. Kein Volck aber hätte eine mehrere Gewalt über ihrer Kinder Blut / als die Gallier und Deutschen. Wie in einem schlechten hätte nun Ganasch durch eine geringe Wunde seine väterliche Gewalt an ihr ausgeübt! wie könte sie nun ohne Greuel wider ihren Vater einige Rache verhengen / von dem sie ihr Wesen hätte / und gegen den jedes Kind mehr als gegen seinen König verpflichtet wäre! Würde sie nicht ein Mensch zu geschweigen eine Tochter zu seyn aufhören / wenn sie sogar in seinem ihr für Augen schwebenden Tod willigte! Sintemal die Persen nicht glaubten: daß ein warhaftes Kind seine Eltern am Leben anzutasten sich überwinden könte /sondern die / welche solches thäten / untergesteckte Kinder seyn müsten. In welchem Glauben auch die alten Gesätzgäber gewesen seyn müsten / die auf Vater- und Mutter-Mord keine Straffen ausgesätzt; wo sie anders auch darauf eine genungsame Pein zu erdencken sich getraut haben. Kein Kind wäre so vermögend / Eltern ihre Wolthaten gut zu thun / wie wäre es nun möglich ein Recht des Todes über sie zu bekommen. Alle Gesätzgäber müsten hier an sich halten / weil die Gesätze des Geblütes unausleschlich wären / und ein Vater kein solch Laster begehen könte / was ein Sohn durch Vater-Mord zu rächen befugt wäre. GOtt als der Vater des menschlichen Geschlechtes hätte hieran Theil / und würde in den Eltern beleidigt / also wäre nichts / in der Welt keine dem Vaterlande / keine dem Ehmanne schuldige Verbindligkeit / welche ein Kind von jener als der ersten loß machen könte. Kein Kind aber wäre mehr als sie ihrem Vater verpflichtet; welcher Zeither alle Strahlen der väterlichen Liebe auf ihr als der einigen Tochter gleichsam als auf einem Puncte vereinbaret hätte; und daher nicht zu verwundern / daß seine so heftige Liebe / welche er durch ihre Heyrath verletzt zu seyn glaubte / in solche Ungedult verfallen wäre. Würde sie nun bey so gestalten Sachen der Coloquinten-Frucht / welche die Galle der Erde / der Tod der Gewächse hieße / nicht billich zu vergleichen seyn / welche am giftigsten wäre / wenn ihrer nicht mehr als eine auf einer Staude / oder nur eine Staude auf einem Felde wüchse. Mit einem solchen Schandflecke ihres Nahmens wäre ihr unmöglich auch in den annehmlichsten Armen ihres Catumers zu leben; und weil Kinder überdis nach dem rühmlichen Erbieten und Beyspiele des jungen Aquilius Florus bey Aetium mit ihrem Tode der Eltern Leben zu lösen schuldig wären; würde ihr unmöglich fallen; wenn ihr Vater Ganasch allhier an seinem Leben einigen Schiffbruch litte / den Untergang der Sonne zu überleben. [700] Catumer stiegen die letzten Worte bis ans innerste seines Hertzens /daher sagte er: zweifle nicht / frömmste Adelmunde /daß ich nicht nur meine Rache deiner kindlichen Liebe / sondern auch mein eigenes Leben deiner Vergnügung willig aufopffere. Hiermit verließ er sie in der Aufsicht des Grafen von Lichtenberg und etlicher zwantzig Ritter / in willens sich in das durch das Weichen der Chaucen einen ziemlichen Weg entfernte Treffen zu verfügen. Es begegnete ihm aber der Ritter Bickenbach / durch den ihm der Graf von Solm zu wissen machte: daß die Chaucen in euserster Noth wären / und sie nicht einige Hoffnung des Sieges /sondern nur die Hartnäckigkeit ihres Hertzoges Leiche von dem Kampff-Platze zu bringen von der Flucht zurücke hielte. Catumer erschrack hierüber mehr / als wenn seine Catten geschlagen wären / rennte also spornstreichs fort / und ertheilte bald aller Orten Befehl / daß bey Lebens-Straffe kein Catte mehr gegen einigem Chaucen keinen Streich mehr thun / sondern sie sich eines Bogenschusses weit zurück ziehen solten. Dieses war ohne einige Gefahr leicht zu vollziehen / weil die noch übrigen Chaucen weder Athem noch Kräffte zu fechten mehr hatten. Diese zohen den Hertzog Ganasch unter einem Hauffen todter Menschen und Pferde herfür / welchen der Graf von Solm zu erst vom Pferde gebracht hatte. Sie verspürten aber an ihm noch etlicher maßen ein Leben. Daher Hertzog Catumer dem Grafen von Delmenhorst zu entbieten ließ: Es wäre dieses Treffen ohne seinen Befehl fürgegangen / und wäre ihm nichts leider / als daß der tapffere Hertzog der Chaucen durch seinen Eifer in solch Unglück verfallen wäre. Diesemnach wäre er erbötig ihm und allen verwundeten Chaucen mit allen möglichen Heilungs-Mitteln zu dienen / und zu ihrer Pflegung das nahe dabey liegende Schloß Winterburg einzuräumen / wie er denn auch von Adelmunden den Wund-Artzt zu holen anbefahl. Delmenhorst muste diese Gutthätigkeit ihres selbst gesuchten Feindes zu Danck annehmen. Wie nun Hertzog Ganasch bey abgenommenen Waffen und Abwischung des Blutes /darein er gleichsam getaucht war / noch mehr Lufft schöpffte; also befand der Wund-Artzt an ihm zwar sieben frische Wunden; jedoch machte er Hoffnung /daß derer keine tödtlich seyn würde / wo nur die auf der Brust empfangene Tritte von Pferden / welche ihm schweres Athemholen verursachte / und die Rede hinderte / nicht inwendig grösseren Schaden gethan hätte. Es hatte ihm aber der Artzt kaum das Blut gestillt / und die grösten Wunden verbunden / als Adelmunde / welcher das Geschrey den Tod ihres Vaters zugebracht hatte / mit grossem Wehklagen und Ausrauffung der Haare dahin gerennet kam / vom Pferde herab sprang / den auf einem Hügel liegenden Hertzog Ganasch umbarmte / die Pflaster von ihrer Wunde rieß / und so wol mit ihm den Geist auszublasen / als sein Blut mit dem ihrigen zu vermischen betheuerte; Gleich als wenn Adelmunde mit ihrem Blute dem Vater das seinige / wie jene Griechische und Römische Tochter mit der Milch ihrer Brüste ihrem Vater das Leben ersätzen / und mit ihrer Frömmigkeit die Ordnung der Natur verkehren oder vielmehr überwinden wolte. Weder des Grafen von Delmenhorst /noch ihres eigenen Catumers Einredung verfiengen etwas bey ihr / sondern ihre Thränen vermehrten sich wie die Flüsse / je weiter sie lauffen / weil sie entweder der Schmertz verblendet hatte / daß sie ihren Vater nicht leben sah / oder weil sie diesen ihren Saltz-Perlen / welche der Natur eigene Hand in den Augen zerschmeltzet / und durch die auch die unfühlbareste Seele beweget wird / ihres Vatern todtes / wie Cleopatra mit ihren in Eßig zerlassenen / des Antonius kaltes Hertze gewinnen wolte. Dieser heftige Schmertz preßte dem Chaucischen Hertzoge das erste Wort [701] aus / oder ihre Liebe gab ihm vielmehr neue Krafft zu reden / daß er sagte: Gönne mir die Ruh /und die Zeit mich zu erholen. Worauf ihr denn Catumer ferner einhielt: daß aller Kummer / welcher sich nicht mit Bemühung der Hülffe vereinbarte und nur den Zweck auf sich selbst hätte / vergebens wäre. Ihre Ungedult beunruhigte und beleidigte ihren Vater / und sie fräße durch unzeitige Traurigkeit ihr das Hertze /wie die Würmer das Holtz und die Mutten die Kleider. Allezeit wollen glücklich seyn wäre eine Unwissenheit der Helffte der Natur / ja die gröste Unglückseeligkeit niemals unglücklich gewesen seyn; weil man bey dieser Beschaffenheit nichts von der Helffte der Tugend wüste / und künfftigen Unfällen behertzt zu begegnen ihm weder Rechnung noch Vorsatz machen könte. Dahingegen das Unglück den Geist ermunterte / den Verstand schärffte / und das Gemüthe abhärtete / ja durch Gedult und Standhafftigkeit das Verhängnüs auf uns länger zu wüten beschämte / oder gar auf seine Seite brächte / oder zum wenigsten die schwereste Last erträglich machte; sintemal doch die Gedult ein sehr erleichterndes Trageband abgäbe. Zudem wäre es noch Unzeit so kleinmüthig sich zu erweisen; weil die Hofnung von ihres Vaters Genesung sonst noch niemanden entfallen wäre / dis aber eine mehr als weibliche Schwachheit ehe Leid tragen /als es nöthig wäre. Adelmunde ward hierdurch gezwungen ihre Seuffzer zu verbeissen / und ihre Thränen zu verstopffen / auch des Wund-Artztes Gutbefinden nach / sich ihres Vaters zu enteusern / damit durch ihre Anwesenheit nicht das Geblüte und Gemüths-Regungen unruhig gemacht würden. Hertzog Ganasch ward also von Adelmunden mit vielen Küssen und unzählbaren Thränen / welche nicht weniger ein Dampff hertzlicher Liebe / als das Blut verwundeter Seelen sind / gesegnet / und nach Winterburg getragen / Catumer und seine Gemahlin aber blieben mit ihren Catten zu Hallenberg an der Orcke / allda sie von dem Fürsten Ganasch alle zwey Stunden Nachricht haben konten. Also war der Anfang dieser annehmlichen Heyrath mit so viel Unvergnügen / als i ermehr eine Rose mit Dornen vermenget. Und wie außer Rhodis und Alexandrien fast kein Ort in der Welt seyn soll / da alle Tage des Jahres die Sonne scheinet; also werden auch schwerlich mehr Menschen zu nennen seyn / derer Freuden niemals die Trübsaals-Wolcken verdüstert hätten. Ob nun wol Adelmunden die ihr von der Liebe zubereitete Lust durch diesen Zufall mercklich versaltzen ward; auch sie zu Hallenberg keine einem Fürstlichen Beylager anständige Anstalt fanden; so konte doch die Vollkommenheit ihrer Liebe keinen Abbruch leiden; sondern sie und Catumer lieferten nunmehr in den Tempel der Treue die Gelübde ihrer feurigen Begierden ab / sie bauten auf den Fels ihrer Beständigkeit der Liebe ein Altar / und flößten durch das Röhr ihrer Schönheit und Freundligkeit die unschuldigste Wollust darauf. Ihre Augen bildeten Catumern auf einmal durch die daraus rinnenden Thränen Wasser- und die daraus schüssenden Anmuths-Strahlen Feuer-Brunnen ab /gleich als wenn für dieser Werckstadt der Liebe die Seelen allzu zeitlich zu Asche werden würden / wenn sie keine Abkühlung bekämen. Das lebendige Feuer ihrer Lippen erweckte in ihm einen unausleschlichen Durst durch hundert Küsse / oder vielmehr durch die feurigsten Ausdampfungen des Hertzens seine mit ihrer schon auf den Lippen schwebenden Seele zu vermischen. Wiewol ihre Brüste / welche zwey aus geronnener Milch gewachsene Berge und mit Rosen besteckte Knospen fürbildeten / so wol den Lippen als Augen sich mühten Eintrag zu thun / und durch ihre schnelle Aufschwellung nicht weniger ihren eigenen Hunger verriethen / als Catumers Mund zum Genüß ihres Labsals auf sich lockten. Also erndteten beyde die reiffen Früchte der Liebe mit einer [702] so unaussprechlichen Vergnügung ein / daß Adelmunde so wenig des vorhergehenden Tages Unlust / als man in einem grossen Kessel-Honigs einen Tropffen Galle schmeckte. Ja ihre Wollust kriegte durch diese Verdrüßligkeit gleichsam eine annehmliche Schärffe; sintemal die Liebe eben so wol als der Geschmack eine allzu grosse Schlüpfrigkeit verschmähet / und sie so denn wie der mit Aloe und Wermuth verjohrne Wein desto annehmlicher ist. Die schmertzlichen Braut-Thränen der ersten Nächte waren in dem Heiligthume der Liebe ein süsser Opfer / als aller Weyrauch der Araber / und die Baum-Säffte der Morgen-Länder / ja der lieblichste Lebens-Balsam in den Hertzen der Liebhaber. Die feurigen Rosen ihres Hochzeit-Bettes stachen desto schöner ab; weil sie mit den tunckelen Cypressen-Zweigen unterflochten waren. Adelmundens Schwermuth verzuckerte so vielmehr ihre geistige Küsse und andere Speisen / welche die Liebe und Jugend hier aufzusätzen pflegt. Sintemal Küsse ohne Bisse für Eyver ohne Toter gehalten werden / die Traurigkeit aber wie die Feuchtigkeit der Leim der Vereinbarung / der Talg der Beständigkeit und das zu Unterhaltung der Liebe dienlichste Oel ist. Wegen welcher Eigenschafft auch dem weiblichen Geschlechte zugeeignet wird / daß sie im Lieben siebenmal heftiger als das männliche sey. Wie denn auch Adelmunde sich nicht gefroren zu seyn bezeigte / sondern das Saltz ihrer Thränen Catumern zur Würtze der allerempfindlichsten Ergetzligkeit angewehrte. Und ob sie wol noch für Aufgange der Sonne den Brand unter die Bläße ihres Antlitzes vergraben wolte / stellte sich doch auf den Morgen die Purpur-Farbe als die Abendröthe der vertagten Jungfrauschafft zu einem Zeugen ihrer im Hertzen lodernden Flammen dar. Ihr verschämter Mund muste gestehen / daß der Himmel ihr zwar vorigen Tag zu einer betrübten Nacht / die darauf gefolgte Nacht aber zu dem annehmlichsten Tage ihres Lebens gemacht hätte. Catumer beklagte sich über die Kürtze dieser so süssen Nacht / über die Sonne / daß sie beyde allzu früh aufweckte / und über die Kürtze der vergänglichen Wollust. Adelmunde aber / welche nicht verschlaffener als die Morgenröthe seyn wolte / sondern mit ihr zu einer Pein ihres Gemahles aufstand / hielt ihm ein: Ob er denn die Rosen geringer als Epheu hielte / weil jene so vergänglich wären / dieses aber auch im Winter grünete? dieses eben wäre das niedlichste in der Wollust der Liebe /daß sie weder sättigte / noch Eckel verursachte / sondern die Kürtze ihrer Tauerung mit der Grösse der Sehnsucht nach ihr reichlich erstattete. Weil nun die Jungfrauschafft in Deutschland wie bey den Mohren /welche das mit ihrem Purpur gefärbte Gewand wie ein Heiligthum aufheben / so hoch / als in den meisten Morgen-Ländern geringe / und für einen Gebrechen geschätzt wird / und daher denen Bräuten nach dem ersten Beyschlaffe eine Morgen-Gabe geschickt werden muß / übersendete Catumer seiner Gemahlin ein aus weissem Agsteine überaus künstlich gedrehtes Bild der Liebe / und eine Schnure der vollkommensten Perlen. Zu dem ersten legte er einen Zettel mit diesen Reimen:


Ist's wahr: daß Agstein sind der Sonnen-Töchter Zähren /

Die mit dem Phäeton fiel'n in das heisse Meer /

Muß ich der Liebe Bild aus Agstein dir gewehren.

Denn Liebe rinnt / wie er / aus Meer und Thränen her.


Die Perlen waren in ein Papier und darauf geschriebene folgende Worte eingehüllet:

Bekümmere dich nicht / daß unser' Eh mit Sehnen /

Und unsre Liebe sich mit Thränen hebet an;

Weil sie die Glückes-Sonn' in Perlen wandeln kan.

Sind doch die Perlen auch der Morgenröthe Thränen.


Adelmunde küssete dis angenehme Geschencke /und benetzte selbtes mit einer ziemlichen Anzahl Freudens-Thränen; weil sie zugleich die Nachricht kriegte / daß ihr Vater zu Winterburg die Nacht mit ziemlicher Ruh hingelegt / sich auch sein Zustand mercklich [703] gebessert hatte. Damit sie auch in der Eil ihre Erkenntligkeit dieses Geschenckes mit etwas zu verstehen gäbe / flochte sie aus ihren Haaren mit darein gefädemtem Agsteine und Perlen ein Armband /und schickte solches Catumern mit beygelegten Reimen:


Nimm dieses Haarband hin / bist du nicht Schnee und Eiß /

Weil nichts als Frauen-Haar den Fisch zu fangen weiß

Der in dem Meere brennt. Verachte nicht die Waare /

Verschmähn die Sternen doch nicht Berezintens Haare.


Unter seine ersten Reime aber schrieb sie folgende:

Ich wil / daß Agstein wächst aus Thränen / nicht verneinen /

Wenn Liebe sie gebührt / und Sonnen sie versteinen.

Wird mich dein Auge nun / o Sonne / stets bescheinen;

Kan meine Liebe nichts als Edelsteine weinen.


Unter Catumers andere Reime aber schrieb sie ihm diese:

Soll bitter Thränen-Saltz der Perlen Mutter seyn /

So muß auf Zungen es der Purpur Schnecken rinnen.

Nimmt meine nun dein Mund in seine Muschel ein /

So wird mein Auge nichts als Perlen weinen können.


Catumer fertigte daher noch selbigen Tag den Grafen von Solms nach Mattium ab / mit Befehl: daß er seine seltzame Verrichtung anfangs seiner Mutter der Hertzogin Erdmuth und dem Fürsten der Hermundurer / und nach dieser beyder Anleitung / seinem Vater dem Hertzoge Arpus erzählen / also ihm den Weg zu seiner Wiederkunfft bähnen solte. Sintemal er nicht außer grossem Kummer war / was der arglistige Adgandester inzwischen bey Hofe gesponnen / und wie Arpus seinen heimlichen Wegzug aufgenommen haben / und am meisten wie er seine Heyrath auslegen würde. Nach dessen Abfertigung war Catumers gröste Sorgfalt / wie er Adelmunden vollends durch allerhand Zeitvertreib die noch übrige Dämmerung ihres Bekümmernüsses aus dem Gemüthe vertreiben / Adelmundens aber / wie sie durch ihren Liebreitz und Anmuth das Feuer der Liebe in Catumers Hertzen erhalten oder vielmehr vergrössern möchte. Hierzu dorffte sie aber keine andere Erfindung als ihre eigene Liebe / denn Lieben ist der beste Zunder der Gegen-Liebe; und dieses Oel einer gantz andern Eigenschafft als anders. Denn da in gemeinem Feuer sich der Zunder verzehret und einäschert / so vermehret sich das Oel der Liebe mit ihrem wachsenden Feuer. Alle Lockungen / woraus andere Frauenzimmer eine Kunst und Wissenschafft machen / oder sich offt selbst zwingen müssen ihre Männer zu vergnügen / besaß Adelmunde von Natur / ja was sie nur ungefehr that / hatte in sich einen Liebreitz / oder vielmehr eine Krafft der Bezauberung; Gleich als hätte sie sich ihr Lebtage keines andern Dinges / als solcher Liebkosungen befließen. Die annehmlichsten Erfindungen fielen ihr so häuffig zu / daß sie selbst nicht wuste / wo sie ihr herkamen / und Hertzog Catumer / wenn er auch nicht dran gedacht / oder ihm auch fürsätzte eine Weile unempfindlich zu seyn / ward durch einen einigen Blick ihrer lebhaften Augen gezogen und aufgeweckt. Sintemal von den ihren allzu wahr war / daß weder Zunge noch Feder dis so nachdrücklich andeuten könten /was diese treue Dolmetscher ihres Hertzens mit einem Winck redeten. Die Geheimnüsse / welche sie ihrer süssen Zunge zu vertrauen sich schämte oder nicht getraute / schütteten ihre Augen ihm ins Hertze / und machten seine Seele feuriger als sie selbst waren. Jedoch beruhete sie keines weges bey dieser sparsamen Unterhaltung / sondern / wie es ihrem sinnreichen Geiste niemals mangelte was behägliches aufzuwerffen / also brachte ihr Mund niemals was für / worüber Catumer sich nicht ergetzte / und jedermann verwunderte. Denn alle ihre Erfindungen waren nachdencklich / ihre Urthel scharfsichtig / und ihre Erzehlungen hatten so viel Zierden als Warheiten. Hierzu ward sie über ihren natürlichen Trieb noch mehr durch den Geist ihres Gemahles aufgemuntert. [704] Denn Catumer besaß soviel Anmuth als Tapferkeit / daß er mit dieser die Gemüther aller Männer / mit jener die Hertzen alles Frauenzimmers gewan / also Adelmunden an gleichmässigẽ Vergnügungẽ keinẽ Mangel leidẽ ließ. Unter ihrer beyder Ergetzligkeiten war auch absonderlich die Erzehlung Adelmundens; wie heftig Sentia ihr theils noch zu Mattium / am allermeisten aber unterweges und zu Warburg zugesetzt hätte / Catumern nicht nur aus ihrem Gemüthe / sondern auch aus ihrem Gedächtnüsse zu verbannen / hingegen den viel tapferen Cariovalda lieb zu gewinnen. Hierzu hätte sie unter andern zur Ursache angeführet: Sie würden in weniger Zeit erfahren / daß die Römer und König Marbod das Gebiete der frechen und unbändigen Catten unter ihre Gewalt bringen und mit einander theilen würden. Weswegen zwischen ihnen der Fluß Fulde schon zu ihrer Reichsscheidung abgeredet wäre. Auf welchen Fall sie denn eine Gefangene; oder zum wenigsten eine Frau eines verlauffenen Fürsten ohne Land / bey Cariovalden aber eine grosse Fürstin und Bunds-Genossin des Käysers und König Marbods werden würde. Nachdem sie aber Cariovalden nicht einen Anblick / weniger ein gutes Wort gegönnet /sondern ihm und Sentien in die Augen gesagt: daß sie ihn ietzt als ein Mensch haßte / wenn sie ihn zu heyrathen aber gezwungen werden solte / würde sie ihn ärger als eine Schlange hassen; hätte ihr Vater ihr gedräuet: daß er an ihr der gantzen Welt ein Beyspiel einer väterlichen Rache wider seine ungehorsame Tochter für Augen stellen wolte. Weil sie nun besorgt hätte / ihr Vater möchte aus Verhetzung Sentiens mit ihr etwas beginnen / welches ihn der Nach-Welt zu einem Greuel machen könte / hätte sie ihr feste fürgesetzt sich entweder im Baden zu erträncken / oder ins Opfer-Feuer zu stürtzen / also ihre vorige Härtigkeit gelindert / und sich angestellt / als wenn sie sich dem väterlichen Befehle und Cariovaldens Vermählung unterwerffen wolte. Als sie nun zu ihrer Abwaschung in die Bach gestiegen / hätte sie die Tieffe gesucht /und sich zu erträncken nichts an ihr erwinden lassen. Weil sie Cariovalden durch ihren Tod eben so sehr als die Seren ihre Feinde zu kräncken vermeynet / welche umb ihnen Spott anzuthun sich für ihre Thüren zu hencken gewohnt wären. Es wäre ihr aber im Wasser sonder Zweifel ihr Schutz-Geist erschienen / welcher ihr das Haupt mit Gewalt empor gehoben und eingeredet hätte: Wilst du zugleich an dir / deinem Vater und deinem Bräutigam ein Mörder werden / und an Grausamkeit alle wilde Thiere übertreffen / derer keines iemals sich selbst vorsetzlich des Lebens beraubte? Weist du nicht / daß der welcher einen andern tödtet / ihm nur den Leib / wer aber sich selbst umbbrächte / Leib und Seele zugleich ermordet? Verstehest du nicht: daß ieder Mensch eine Müntze und ein Bild Gottes sey! Da nun es ein halsbrüchiges Laster ist / eines kleinen Fürsten Müntze verfälschen / sein küpfernes Bild verunehren / was meynest du wohl /was der grosse Gott denen für Ungnade zudencke /die an ihnen selbst seine Müntze und sein Bild versehren oder zernichten / welches er in Mutter-Leibe mit grösserm Fleiß und Kunst / als ein Seidenstücker seinen Teppicht bereitet? Gott hat im Anfange der Welt der Erde die Krafft Menschen; den Wässern Fische hervor zu bringen / und sich selbst zu besämen eingeflösset; aber den Menschen als sein Ebenbild hat er mit eigener Hand auszuarbeiten ihm vorbehalten. Denn ob zwar sein Geschlechte hernach von Vater und Mutter durch Zeugung fortgepflantzet wird / so rühret doch von Eltern nur alleine der Kinder Leib her / die hi lische und unsterbliche Seele aber wird allemal von Gott unmittelbar erschaffen. Da nun in deiner Macht nicht bestehet: daß dir ein Haar mehr / oder dein Leib eines Quer-Fingers höher wächst / was meynest du: ob du nicht mit dem [705] allmächtigen Gotte einen muthwilligen Krieg anfängst / wenn du seinem edelsten / seinem unsterblichen Geschöpfe Gewalt anthust? Uber diesen Worten wären ihr die Priester zu Hülffe kommen / hätten sie aus dem Wasser gezogen /und mit Ausredung allen Zwanges sie in das Eresbergische Heiligthum geführet. Worüber Hertzog Catumer / weil das Gedächtnüß überstandenen Ubels eine der schmackhaftesten Süssigkeiten im menschlichen Leben ist / sich nicht weniger mit Adelmunden erfreute / als sich über denen unbegreifflichen Schickungen göttlicher Versehung wunderte. Dieses waren / ausser / daß Catumer auf dem Astenberge etliche mal jagte /ihr achttägichter Zeit-Vertreib in dieser Einsamkeit; mit welcher sie aber die künstlichsten Aufzüge des Römischen oder Persischen Hofes nicht gerne verwechselt hätten. Denn ob es zwar nicht ohne / daß wie die Indianer durch ihre anhabende Bley-Schuh kleine Füsse behalten; also die an grossen Höfen erzogenen grossen Gemüthes werden / und der Kleinigkeiten sich schämen; so ist doch die Veränderung dem Menschen so angenehm / daß der Unter-Lauff gewisser Dinge / welche gleich nicht was besonders seyn / ihm mehr belieben / als in einem unveränderlichen Zustande Dinge von der grösten Pracht und höchsten Würde. Diesemnach denn nichts ungemein ist / daß Fürsten /welche zwischen Alabaster wohnen / auf Marmel gehen / und Porphyr speisen / auf Sammet und Geld-Stück liegen / mehrmals in einer mostigen Höle oder auf Rasen grössere Ergetzligkeit suchen. Sonderlich aber hat die Liebe eine genaue Verwandschafft mit der Einsamkeit des Feld-Lebens / also daß / wenn die Vor-Welt oder Königliche Höfe iemals haben die vollkommensten Vergnügungen der Liebe vorstellen wollen / sie sich in Hütten und Kleider der Schäfer verhüllet / oder wohl gar mit dem verliebten Paris dem hoffärtigen Troja den Rücken gekehrt / und ein Ideisches Gebürge dafür erkieset haben; gleich als wenn die Liebe so wol als Freyheit und Unschuld nirgends als in einer so lieblichen Einsamkeit unversehrt bleiben könte. Dieses einige Unvergnügen bekümmerte Adelmunden / daß ob sie wohl dem Hertzoge Ganasch alle ersinnliche Bedienungẽ verschaftẽ / ja sich alle Tage ihre Wohlthaten mit neuen zu erfrischen bemühten / damit nicht die ersten vergessen /oder ihr Verdienst eingebüsset würde / sie auch durch vertrauten Mund erfuhren / daß er sich schon ausser des Bettes halten könte / er doch weder ihr noch Catumern eine Besuchung erlauben wolte / sondern solche stets mit vorgeschütztem Verbothe der Wund-Aertzte ablehnen ließ. Den neundten Tag kriegten sie die unvermuthete Zeitung / daß selbige Nacht Hertzog Ganasch mit allen seinen Chauzen in möglichster Stille aufgebrochen wäre. Ob nun wohl dieses Adelmunden tieff zu Gemüthe stieg / so fehlte es doch Catumern nicht an beweglichen Gründen ihr Gemüthe zu beruhigen; sonderlich damit / daß man sich mehr umb Abgeltung seiner eigenen / als andern obliegender Pflicht zu bekümmern / und daß die Zeit wohl-gemeynten Dingen doch endlich ihren Preiß beylegte / wie übel sie auch anfangs ausgelegt würden. Ihm wäre nur leid / daß Hertzog Ganasch ihm mehr als ihnen weh thäte /indem er sich sein- und seines eigenen Kindes gäntzlich entschlüge / und wider sie einen unverdienten Groll im Hertzen behielte. Ihr Trost müste seyn / daß diß ihnen so wenig / als den Speisen die Bitterkeit zuzurechnen wäre / welche gewissen Krancken / ie mehr sie Süssigkeit hätten / so viel bitterer schmeckten. Weil nun Liebe eine süsse Herrschafft / und eine süssere Dienstbarkeit ist / gab Adelmunde sich guten theils zu Frieden / wiewohl sie ins geheim noch manchen stillen Seufzer aus ihrer Brust verrauchte. Denn diese sind die Jäger-Hörner des Kummers / welche nicht öffentlich geblasen werden dörffen. Damit aber Hertzog [706] Ganasch so viel mehr seiner Härte sich zu entäusern Ursach haben möchte / schickte Catumer den Ritter Dietz mit seinem und Adelmundens Schreiben dem Hertzoge Ganasch nach / welche mit dem Wunsche völliger Genesung ihn ihrer Verbindligkeit aufs kräfftigste versichern solte. Denn dieser kluge Fürst verstand gar wohl / daß Zorn und Haß durch Sanftmuth gebrochen / wie der Schwefel von Oel / das Gold vom Geiste des Saltzes aufgelöset würden / welchen doch das pressende Scheide-Wasser nichts anhätte. Damit nun Adelmunde ihr den neuen Kummer desto leichter aus dem Sinne schlüge / entschloß sich Catumer biß nach Sassenberg fortzurücken / allwo er ohne diß vom Grafen von Solms die Nachricht von Hofe zu erlangen mit ihm abgeredet hatte. Weil nun Adelmunde weder Wagen noch Senfte annehmen /sondern allezeit zu Pferde sich an der Seite ihres Gemahles befinden wolte / wolte ihr Catumer für dem Aufbruche eine Lust machen. Hierzu gab ihm die Gewohnheit der Deutschen Anlaß / daß bey ihnen so wohl als bey denen mit ihnen in vielerley Sitten überein kommenden Seren nicht die Weiber den Männern / sondern die Männer den Weibern ein Heyrath-Gut zu bringen; vielleicht aus dem Absehen; daß das deutsche Frauenzimmer sich nicht so wohl durch ihr Vermögen feil bieten / als von dem männlichen Geschlechte ihrer Tugenden halber gesucht seyn wollen. Sintemal / wenn Reichthum verhanden / nach diesem zum ersten / nach guten Sitten zuletzt gefragt / und bey vielem Gelde kein Laster für heßlich gehalten würde. Zu geschweigen / daß es bey Ausätzung eines grossen Eh-Geldes schier das Ansehn hätte / als wenn ein Vater dadurch mit seiner Tochter ihm ein grosses Ubel vom Halse kauffen müste; die mit der Armuth ins gemein vermählte Tugend übel daran wäre / wo man das Geld zur Hertz-Wurtzel der Liebe machte. Sintemal heute zu Tage ihrer wenig zu finden seyn würden / welche mit der Tochter des armen Homer seine Cyprische Getichte zum Braut-Schatze annehmen würden. Daher der kluge Lycurgus zu Sparta der Tugend nicht wenig auf die Beine geholffen hätte /daß er nicht nur / wie die Egyptier und Hetrusker /dem Heyrath-Gute ein Maaß fürgeschrieben / sondern solches gäntzlich abgeschafft hätte. Denen deutschen Sitten nun nachzuleben / und sich seiner Schuldigkeit loß zu machen / verehrte Catumer Adelmunden den Tag für dem Aufbruche ein Perlen-farbenes Pferd /welches / wenn sie aufsteigen solte / niederkniete / mit Sattel und Zeug / einen Spieß / und mit Edelgesteinen versetztes Schwerdt / zwey weisse Ochsen mit vergüldeten Hörnern und Klauen; und auf selbten eine Pflugschaar / einen angelegten Rocken mit Spindel und Wirbel. Wie nun Catumer bath solche Kleinigkeiten nicht zu verschmähen / weil es eine so grosse Freygebigkeit wäre / wenn man kleine Geschencke annehme / als wenn man grosse gäbe / also empfieng Adelmunde diese Gaben mit einem so geneigten Auge und freudigen Hertzen / als wenn ihr ein halbes Königreich wäre verehrt worden; und sagte denen ihr solches überbringenden Rittern: Catumer und die alten Deutschen hätten durch nichts mehr als durch Geschencke eines Pferdes / der Waffen / und anderer zum Kampf und Arbeit dienender Dinge das Frauenzimmer höher erheben können. Denn hierdurch sagten sie so viel; daß der Unterschied des Geschlechtes nur den Leib nicht die Seele angienge / und daß die Frauen nur dem Leibe nach Weiber / in der besten Helfte des Menschen aber eben so wohl Männer wären. Ob sie sich nun zwar dieser Vortheile dieses Geschlechtes nicht zu rühmen / noch für eine streitbare Amazone auszugeben hätte; so würde sie doch dieses Pferd ihr zum Vorbilde dienen lassen / daß sie gegen ihren Gemahl ebenso tieffe Demuth / als diß für ihr kniende Pferd gegen ihr thäte / bezeugen würde. Wären die Pferde so gelehrig durch Kniebeugen ihre Herren anzubeten; wie vielmehr würde dis ihre [707] Pflicht gegen ihr Haupt und Eh-Herrn seyn; und diß Pferd würde sie so werth als Andromache ihres Hectors Pferde halten /welchen sie mit eigener Hand Haber fürgeschüttet und Heu fürgelegt hätte; ja selbtes gerne mit trockenen Weintrauben und Mandel-Kernen speisen / ihm güldene Küssen unterlegen und es wie ein Siegs-Pferd mit köstlichen Hals-Bändern und güldenen Spangen ausputzen; wenn sie wüßte / daß ihr Eh-Herr an diesen Eitelkeiten einiges Gefallen hätte. Folgenden Morgen nahmen Catumer und Adelmunde ihren Weg nach Sassenberg; allwo er bis auf etliche wenige alle Catten von sich ließ / weil ihm ein vom Grafen von Solms aus Mattium zugeschickter Edelmann wissend machte / daß er vom Hertzoge Arpus bey seiner Ankunfft übel empfangen und gefangen gesätzt worden wäre. Dahero er ihm nach Hofe zu kommen nicht riethe; Catumer verhölte diese kummerhaffte Zeitung für Adelmunden aufs möglichste / sonderlich da ihm dieser Edelmann ein mehres nicht zu sagen wuste / und ihm der Graf von Solms bey seiner Verhafftung nur so viel in ein Ohr zu sagen hatte Zeit gehabt. Weil er aber nicht für rathsam hielt von Mattium und dem Hofe weit entfernet zu seyn / reisete er mit Adelmunden / dem Grafen von Witgenstein und nur dreyen Rittern / nemlich Boineburg / Greiffenstein und Hertzberg des Nachtes an die Eder / und hielt sich auf dem vom Hertzoge Bato für hundert und dreißig Jahren erbautẽ Schlosse Battenberg verborgen auf / allwo er aber zur Noth alle Tage von Mattium durch seine wechsels-weise ab und zu reitende Ritter Zeitung erlangen konte. Denn zu Mattium gieng es gewaltig durch einander. Arpus war über Adgandesters Aufschube und kaltsinnigen Antwort wegen der Heyrath mit Marbods Tochter überaus unvergnügt gewest; sintemal Fürsten die Erfüllung der geschehenen Vertröstungen mit größerer Ungedult / als Liebhaber die Gewogenheiten von ihren Buhlschafften erwarten /und ihre zu Wasser werdenden Anschläge sie mehr verungnügen als hundert Beleidigungen. Noch viel mehr aber hatte er ihm Catumers heimliche Entfernung vom Hofe zu Gemüthe gezogen; weil er wol verstund / daß verzweifelte Liebe wie die kollernden Pferde sich über Stock und Stein in euserste Gefahr zu stürtzen gewohnt wäre. Die Hertzogin Erdmuth machte ihm auch darzu den Kopff warm / daß sie bey Vernehmung der zwischen Cariovalden und Adelmunden vorstehenden Heyrath als ein grosses Unglück für das Cattische Haus aufnam / daß man diese unvergleichliche Fürstin aus den Händen gelassen /die Chauzen zu Feinden / und Catumern verzweifelt gemacht hätte. Nichts desto weniger befahl Arpus dem Grafen von Hohenstein Adgandestern aufs höflichste zu unterhalten / damit der angesponnene Fadem der Marbodischen Heyrath nicht abgerissen werden möchte. Als nun wenige Tage hernach Hohenstein dessen gegen Adgandestern gedachte / antwortete ihm dieser: Er verstünde nicht / was man ihm für einen blauen Dunst für die Augen machen wolte / und wie man mit seinem Könige umbgienge; welcher nicht gewohnt wäre sich mit falscher Müntze glatter Worte zahlen / und mit Einkünfften wilder Granat-Aepfel abspeisen zu lassen / welcher nichts als wild Honig / und nur zur Schmincke dienende Rosenblüthe / aber keine Früchte trüge. Wie nun Hohenstein nochmals die aufrichtige Meynung des Cattischen Hertzogs vertheidigen wolte / zohe er einen Brief von Sentien herfür / und laß ihm daraus / daß Catumer sich in dem Eresbergischen Heiligthume mit Adelmunden vermählet hätte. Hohenstein stutzte hierüber / versicherte aber Adgandestern: daß es dem Hertzoge Arpus so wenig als ihm wissend wäre. Weil dieser nun wohl wußte / daß es gefährlicher [708] wäre einem Fürsten wichtige Geheimnüsse verschweigen / als ihn beleidigen / hielt er es für nöthig solches dem Hertzoge Arpus unverwendeten Fusses zuzubringen. Arpus verstummete über dieser Zeitung / also daß er den Hohenstein ohne einiges Wort von sich ließ. Ob nun wol es ein grosses Kunst-Stück ist; wenn ein Fürst seinen Zorn zu mässigen mächtig ist / also er weder seinen Verstand verfinstert / noch einem andern die Schlüssel zu seinem Hertzen einliefert; so war doch diß Stillschweigen dem Hohenstein so sehr als eine gäntzliche Meer-Stille verdächtig / welche ins gemein in einen heftigen Sturm ausbricht. Diese Vermuthung ward auch noch selbigen Tag wahr. Denn so bald er vernahm / daß der Graf von Solms in Mattium ankommen / und Catumers Gefärthe gewesen war / ließ er selbten auf dem hohen Schlosse in einen Thurm versperren / die Hertzogin noch sonst iemand trauten sich im ersten Eiver gegen Catumern ein Wort zu verlieren; weil sie nicht für rathsam hielten mit einem blancken Degen im Feuer zu scharren / nemlich durch Einredung ihn noch mehr zu ergrimmen. Sintemal der Zorn durch die süssesten Worte wie der Schmiede Feuer-Aessen durch darein gesprengtes Wasser nur mehr angezündet wird / beyde aber bey Ruh und Einsamkeit gleichsam in ihrer eigenen Asche ersticken /und ein ausgerauchtes Gemüthe alle Dinge mit einem viel andern Auge ansiehet / als der erste Schmertz. Nachdem aber Arpus Zorn nicht bey einem blossen Eiver blieb / sondern er Befehl ertheilte aller / welche mit Catumern auf seinen Anschlag heimlich weggereist wären / sich zu versichern / und etlichen seiner Räthe mitgab zu untersuchen: ob er von Catumers Vornehmen Wissenschafft gehabt hätte / ihn auch für sich zu lassen unerbittlich war / redete ihm / weil niemand von den Räthen das Hertze hatte / die Hertzogin Erdmuth ein / er möchte doch gegen diesen wohl-verdienten Helden so scharff zu verfahren seinen Zorn sich nicht verleiten lassen. Denn es wäre einem Fürsten unanständig / wenn nur eine Falte seines Rockes verrückt würde / wie vielmehr / wenn er sein Gemüthe durch so heftige Gemüths-Regungen verstellte. Sein Verbrechen könte ja nichts anders seyn als daß er seinem Fürsten gehorsamt hätte. Wäre nun dieses gleich ein Fehler / so möchte ihm der Hertzog zwar seine Hold entziehen / aber nicht so beschimpfen. Denn geheime Ungnaden verwundeten so sehr als offenbare /sie verkleinerten aber den gestrafften nicht so sehr beym Volcke / und thäten dem andern Adel nicht so weh / welcher an dem Grafen als einem ihrer fürnehmsten Häupter wie an einer Klette hienge. Die Gerechtigkeit wäre zwar das schöne Feuer / welches ein Land erleuchtete / und von bösen Dünsten reinigte; wenn man aber seiner Schärffe einen ungezäumten Lauff liesse / legte es gantze Königreiche in die Asche. Denn der Adel nehme diß / was einem widerführe / für allen geschehen an / und weil nur die Schwachen an dem / daß alles nach der Schnure des Rechtes und der Billigkeit abgemässen würde / verlangten / hielte jener es für Dienstbarkeit so wohl den Gesetzen unterworffen seyn / als im Friede leben. Nichts aber entkräfftete ein Reich mehr / als wenn die Vergnügung des Fürsten und des Volckes nicht auf gleicher Wag-Schale läge / sondern ein oder das andere überschlüge. Jedoch wäre das Unvergnügen des gemeinen Volckes so sehr nicht schädlich / als das des Adels / welcher die Lufft / wie jenes die Erde in einem Staat fürstellte. Denn vom Erdbeben liedten wenig Orte / von ansteckender Lufft viel und grosse Länder. Arpus sahe seine Gemahlin wider Gewohnheit mit einem ziemlich schälen Auge an / und antwortete nichts mehr / als / ob sie nicht verstünde; daß ein Fürst ohne Ehre / eine Miß-Geburt ohne Kopf / sein Ansehn aber das fürnehmste Theil des gemeinen Wesens / der Ancker eines Reiches und das gröste Kleinod der Krone wäre. Daher könte [709] kein Fürst ohne seinen und des Volckes Verterb zu dessen Beschwärtzung ein Auge zudrücken / sondern sie müsten derogestalt geheilet werden / daß man keine Narbe nicht sähe / solte es gleich seiner liebsten Diener / ja seiner eigenen Kinder Blut kosten. Es wäre vorträglicher / daß Volck und Adel seinen Fürsten fürchtete / als verehrte. Denn jenes wäre ein gewisser Kenn-Zeichen als dieses / daß er hochgeschätzt würde; dieses ins gemein / jenes niemals ertichtet wäre. Die Hertzogin erschrack über dieser Antwort aufs höchste / weil sie wohl verstund; daß Arpus ehe würde seinem eigenen Blute wehe thun / als den Nahmen haben wollen; daß er Catumers Heyrath gebilligt / und Adgandestern nur mit Vorwand der Marbodischen hinters Licht geführt hätte. Sie schrieb daher dem Grafen von Solms alle Worte des Hertzogs / und beschwur ihn / er möchte seiner Großmütigkeit nach bey Untersuchung der Sache sich also bezeigen / daß der Hertzog wider ihren einigen Sohn und den Erb-Fürsten der Catten nicht mehr Eiver zu schöpfen Anlaß nehmen möchte. Sonst hätte er nur zu behertzigen: daß wenn man eines Fürsten Zorne mit der Flucht nicht entkommen könte / man selbten mit Demuth überwinden / mit Seufzen mässigen / und wenn beydes nicht verfienge / der Fürst keine Fühle hätte /man sich seiner Unschuld trösten / sich dem Verhängnüsse unterwerffen / und Gott vertrauen müste. Diesen Zettel spielte sie in einem gebackenen Brodte dem Grafen zu; welcher hierüber ziemlich bestürtzt ward. Nachdem er aber mit Hertzog Catumern erwachsen war / und daher von Kind auf seine Liebe in sich getruncken hatte; faßte er diese großmüthige Entschlüssung / daß er ihm zum bestẽ nicht nur sein Leben /sondern seine Ehre in die Schantze zu setzẽ / und aus dem Verlust seiner Ehre die gröste Ehre zu erwerben entschloß. Wie er nun fürs Gerichte erschien / und befragt ward: Ob er nicht mit dem Fürsten Catumer bey Eresberg gewest; ob er von seinem Anschlage Adelmunden zu heyrathen gewüst; ob er zu dessen Vollziehung geholffen hätte; verjahete er nicht nur dieses alles; sondern setzte auch freywillig bey: weil er die mit ihr geschlossene Verlobung zu vollziehen nicht nur für Catumers Schuldigkeit; sondern auch für der Catten Wohlfarth geachtet; hätte er dem wegen besorgten väterlichen Unwillens zweifelhaften Catumer Tag und Nacht in Ohren gelegen / daß er mit Adelmunden nicht die Vergnügung seines gantzen Lebens / die Ehre des Cattischen Hauses / und das güldene Glücks-Bild Deutschlandes entführen lassen / sondern sich derselben bemächtigen solte. Der Himmel hätte sein hieran habendes Wohlgefallen durch Beglückseligung seines Vornehmens über seinen Wunsch und aller Hoffnung zu verstehen gegeben; also daß er seine wenige Zuthat für das edelste Werck seines Lebens hielte. Die Räthe des Hertzogs erstauneten über seiner so freymüthigen Bekäntnüß / weil sie ihnen unschwer an Fingern ausrechnen konten / daß Hertzog Arpus / wie auch erfolgte / dieses würde für einen frevelhaften Trotz annehmen / und Arpus das Urthel auf seinen Tod erstrecken. Ob nun wohl Erdmuth und Jubil / welche des Grafen von Solms Bezeugung für eine Großmüthigkeit ohne Beyspiel rühmten / und daher alle euserste Mittel ja selbst Adgandesters Vorbitte und Erklärung / daß er an des Hertzog Arpus angezogener Unwissenheit von Catumers Heyrath im geringsten nicht zweifelte / ihn zu besänftigen anredeten / so konten sie doch sein Hertze nicht erweichen /noch verhüten: daß der Graf von Solms wenig Tage hernach sein Todes-Urthel empfing / welches den dritten Tag durchs Beil an ihm solte vollzogen werden. Der Graf hörte diß mit unverändertem Antlitze / mit unerschrockenem Hertzen / und sagte darzu: Meines Hertzogs Wille geschehe / und der Himmel setze seinem Lebẽ so viel Jahre bey / als meinem durchs Beil werdẽ abgekürtzt werden. Allẽ die diß höreten / giengen die Augen über / der Adel aber ward biß aufs Hertze [710] beleidigt. Ihrer viel / welche ihn vorhin nie so eigentlich gekennt / schlugen sich erst auf seine Seite. Denn iedermann ist bemühter die / welche von einem Fürsten verfolgt werden / als seine Schoß-Kinder zu kennen. Denn das Unglück selbst macht einen ansehlicher / als grosser Fürsten Gnade / ja die Ubelthäter selbst sterben selten ohne Mitleiden. Und ihrer viel verschwuren sich; daß da der Graf seinen Kopf verlieren würde / Adgandester / welchem dieser nur zu einem Versöhnungs-Opfer springen müste / seinen nicht auff seinen Achseln aus Mattium bringen solte. Eben selbigen Tag lieff vom Fürsten Catumer ein Schreiben an Herzog Arpus ein / darinnen er seine Heyrath aufs demüthigste entschuldigte / und behauptete: daß die Liebe mächtiger als die Ehrerbietigkeit /heyrathen auch mehr Würckungen des Verhängnüsses als des freyen Willens / die Irrthümer also hierinnen eine Nothwendigkeit / also selbte zu übersehen zugleich Klugheit und Billigkeit wäre. Dieses zu thun würde Hertzog Arpus von seiner Gemahlin die allerwichtigste Ursache erfahren. Zuletzt war angehenckt eine bewegliche Vorbitte für den Grafen von Solms /welcher von ihm mitzureisen ohne die geringste Wissenschafft seines Anschlags wäre befehlicht worden. Unwissende könten nun zwar etwas übersehen / aber nichts halsbrüchiges sündigen; und durch nichts könte sich ein Fürst Gott mehr nähern als durch Barmhertzigkeit / durch nichts aber mehr entfernen / als allzu grosse Schärffe. Hertzog Arpus empfieng diß Schreiben in Anwesenheit seiner Gemahlin / welcher der Ritter Müntzenberg zugleich eines von Adelmunden einhändigte / fing also nach dessen Durchlesung an: Es wäre so thöricht dem Verhängnüsse seine Verbrechẽ / als den Gestirnẽ Flecken beymässen / und noch thörichter / wenn ein im Peche steckender Mißhandler durch sein Zeugnüß und Vorbitte einem seines gleichen heraus helffen wolte. Erdmuth aber konte ihre Freude über Lesung ihres Briefes nicht verbergen /sondern ihre Augen und Wangen redeten / ehe sie den Mund mit diesen Worten öffnete: Gott sey ewiger Danck gesagt / welcher den Verläumdungen den Mund gestopft / unsern Ku er ein Ziel gesteckt / und den Catten heutigen Tag zum Freuden-Feyer gemacht hat! Arpus wuste nicht / was für eine Begäbnüß so viel Gutes nach sich ziehen / oder die zeither mehr Seufzer als andern Athem auslassende Hertzogin zu so lebhafter Ausdrückung ihrer Freude ermuntern könte. Erdmuth aber kam seiner Frage zuvor / und zeigte ihm von Adelmunden ein an sie gerichtes Schreiben folgenden Innhalts: Wenn sie die wunderwürdige Geschichte von des Fürsten Catumers und ihrer Erzehlung vernehmen würdẽ / glaubte sie nicht /daß iemand zweifeln würde / es habe das göttliche Verhängnüß darinnen seine Hand gehabt / welches sie aus dem Rachen des Todes gerissen / und wider alles ihr Denckẽ in die Armen des geliebten Catumers gleichsam mit Gewalt geworffen hätte. Dieses hätte nun auch so viel mehr sein Gefallen an ihrer Heyrath augenscheinlich erwiesen / da sie sich zu Zernichtung aller Verläumdung schwanger befindete / und der Himmel sie für das schwache Gefässe erwehlet hätte /durch welches der erlauchteste Fürstensta der Catten fortgepflantzt und verewigt werden solte. Darbey lag ein absonderes Schreiben der Gräfin von Witgenstein / welches gewisse und gantz unfehlbare Zeichen und Zeugnüsse des gesegnetẽ Leibes von Adelmundẽ ausdrückte. Dem Hertzoge Arpus lieffen hierüber die Augen voll Wasser / und er fing an: Wolte Gott! daß anderer Leute Laster uns weder die Circkel unsers Verstandes / noch unsers Glückes verrücket hätten! Ich erkenne aber die unaussprechliche Güte Gottes /der auch Gift zu unser Hertzstärckung / und unsern Wahnwitz zu unserm Glücke machẽ kan. Es ist diß eine blosse Wohlthat seiner Gnade / nicht meines Verdienstes. Denn wir schicken ja wohl bey widrigẽ Zufällẽ einige gute Bewegungẽ zu ihm hinauf; aber sie habẽ insgemein Mißtrauẽ / oder andere Schwachheiten an ihnẽ klebẽ / daß sie unterweges verschmachten. Die Hertzogin [711] Erdmuth wuste sich hierbey der Gelegenheit meisterlich zu bedienen / und das Wasser auf ihre Mühle so vortheilhafftig zu leiten; daß Arpus seines Sohnes Heyrath mit Adelmunden genehm hielt / und er alles empfindliche in die Vergessenheit zu vergraben willigte. Erdmuth meinte / daß hiermit auch der Graf von Solm in die Gnade eingeschlossen seyn würde / sie erfuhr aber folgenden Morgen / daß er an ihm das gesprochene Urthel in alle wege ausgeübt wissen wolte. Ob sie nun zwar für diesen Gnade auszubitten sich eifrig bemühte / war doch Arpus unerbittlich / und gab ihr zur Antwort / daß der gute Ausschlag einer bösen Sache die Vergehung eines Dieners nicht rechtfertigte. Keine Vorbitten anderer Fürsten verfiengen etwas / vielleicht darumb / daß Hertzog Arpus entweder durch seine Begnadigung ihm nicht den Nachklang einer Ubereilung zuziehen wolte / oder weil er des Grafen Hertzhafftigkeit / und wenn seine Ungnade nicht wie das Gifft tödtlich wäre / für seine Verkleinerung ausdeutete. Folgenden Tag ward der Graf von Solms auf das zu Vollziehung des Todes-Urthels gebaute Schaugerüste gebracht / welches Hertzog Arpus zu Verhütung besorglichen Aufruhrs mitten in den Lohn-Strom hatte bauen / und noch darzu mit seiner gantzen Leibwache besätzen lassen. Niemand unter der unzählbaren Menge der Zuschauer war / dem nicht die Mitleidens-Thränen über die Wangen lieffen / und welche Adgandestern nicht als einen Mordstiffter hundert mal verfluchten. Die meisten lobten auch als eine Helden-That / und als ein dem gemeinen Wesen heilsames Werck / westwegen der tapfere Solms sterben solte. Daher sie auch urtheilten / daß dieses nur ein Vorwand / etwas in dem Hertzen des Arpus verborgenes aber die wahre Ursache des Todes seyn müste. Sintemal es nichts seltzames wäre / daß Fürsten etliche Jahr einen Groll /wie die Feuer-Berge ihre geheime Glut in ihren Eingeweiden verbürgen / hernach einen kleinen Wind zur Gelegenheit ihre Flammen auszuspeyen gebrauchten. Hingegen bezeugte sich der Graf von Solms auf der Todten-Büne so freudig / als wenn er darauf ehe einen Siegs-Krantz als vom Scharfrichter einen tödtlichen Streich bekommen solte. Er redete denen bestürtzten Zuschauern selbst ein Hertz ein / und verwieß ihnen theils ihre Kleinmuth / theils ihr schlechtes Urtheil. Dieses / weil man die Gerechtigkeit göttlicher Schickungen nicht allezeit nach dem euserlichen Augenscheine / und gegenwärtiger Gelegenheit ausmässen müste. Denn GOttes Gerichte / wenn sie schon der Vernunfft unbegreiflich wären / blieben doch gerecht /und wäre er niemanden Rechenschafft zu geben schuldig / warumb er mit seiner Straffe den Menschen an Bort käme. Eben so wenig stünde es Unterthanen zu ihnen Gewalt zu nehmen über Erkäntnüsse ihrer Fürsten Urthel zu fällen. Was diese aussprächen / wäre schon recht; weil sie Brunnen der Gesätze wären; und dis was zu allgemeiner Ruh / zu Befestigung einer Herrschafft diente / müste der Allerunschuldigste mit Freuden leiden / ja für Ehre schätzen / daß er würdig geachtet würde ein Versöhn-Opffer zwischen dem Fürsten und Volcke / und ein Werckzeug ihrer Vergnügung zu seyn. Wer ein Glied einer Gemeinschafft wäre / müste die Eigenschafft des Geblütes haben /welches jeder Wunde zueilete umb selbte nicht krafftloß zu lassen. Dieses wünschte auch seines / welches er itzt willig aus allen seinen Adern ausjähren wolte; weil es dem tapferen Fürsten Catumer / und dadurch allen Catten zu statten kommen würde. Uber seinen Zustand hätte niemand nicht Ursache wehmüthig zu werden. Es widerführe ihm nichts besonders / sondern es wäre die gemeine Art des menschlichen Lebens; daß es mit Kurtzweil beginnte / mit Trauren sich endigte / wie das Jahr mit dem freudigen Wieder anfienge / mit den eckelen Fischen den Abschied nehme. Seine Sterbens-Art würde nicht so viel Aufsehns verursachen / wenn nicht sein Stand und die [712] Gnade seines Fürsten sie veranlaßt hätte ihnen von ihm eine gantz andere Rechnung zu machen. Alleine ins gemein verführte solch Glücke das menschliche Urthel /wie Höhe und Ferne das Gesichte. Er aber hätte wol gewüst / daß Glücke und Fürsten mit ihrer Gnaden die Gedult ihre Diener wie Kinder zu prüfen / und wie Fische ihrer Abschlachtung halber zu mästen pflegten. Ein Unterthan wäre fürs Vaterland und seinen Fürsten alle Augenblicke das Leben zu lassen verpflichtet / er hätte seines auch bereit hundertmal in Schlachten an die Spitze gesätzt. Was wäre nun daran gelegen / ob er / nach dem Willen des Glückes / in freyem Felde / oder nach dem Befehl seines Fürsten auf einer Schau-Büne sein Leben beschlüsse. Nicht die Art des Todes / sondern Furcht und Hertzhaftigkeit zu sterben / machte einen Unterscheid der Schande und Ehre. Diesemnach wäre die gröste Weißheit der Welt sich wissen auf alle Fälle geschickt zu machen / und zu trösten: daß ehrliche Leute aus dem Staube ihres Todes einen guten Nachruhm / wie die Phönixe aus ihrer Asche ein verjüngtes Leben zügen. Nach dem Schlusse dieser Rede legte der Graf von Solms das Haupt auf einẽ höltzern Klotz / und der Nachrichter hob das Beil schon auf den Streich zu vollziehen / als Catumer / welcher bey vernommener Gefahr des Grafen von Battenburg eilfertig nach Mattium kommen war / und sich zum Gerüste gedrungen hatte / mit lauter Stimme dem Nachrichter zurief: Er solte bey Verlust seines Kopffes den Streich nicht vollziehen. Der Streich solte aus hochwichtigen Ursachen hinterzogen werden. Der zu dessen Vollziehung ohne dis wenig lusthabende Nachrichter folgte diesem Zuruffe / sonderlich weil er den ihm mit blancken Degen dräuenden für den Cattischen Fürsten erkennte. Der Ritter Reiffenberg / welcher über die Besatzung des Gerüstes und die Vollstreckung des peinlichen Gerichtes Befehlhaber war / wuste wie eifrig Hertzog Arpus in dieser Sache sich bezeugt hatte / und bey nachbleibender Vollziehung sich der grösten Ungnade besorgte / ruffte dem Scharffrichter zu / er solte sein Ampt thun / und was Hertzog Arpus befohlen hätte. Hertzog Catumer aber sprengte mit seinem Pferde gegen dem Reiffenberg und hätte ihn durchstochen /wenn nicht der Ritter Traxdorff ihn mit seinem Schilde bedeckt / und gerathen hätte / mit der Enthauptung inne zu halten / bis hierüber des Hertzogs Arpus neue Verordnung eingeholet würde. Catumer sagte dem Traxdorff; er möchte seinem Vater sagen / daß er des Solms Unschuld auszuführen / oder mit demselben zu sterben schlüßig wäre. Ungeachtet nun dieser dem Hertzoge Arpus den Eyver des Fürsten Catumers und den Unwillen des zuschauenden Volckes / welches bey nunmehr erlangtem Haupte leicht Gewalt üben /und ein grosses Blutbad anrichten dörffte / vortrug /so zohe dieser doch die Augenbrauen zusammen /runtzelte die Stirne / sahe gegen Himmel / stieß mit den Füssen auf die Erde / und befahl / daß nicht nur Solms gerichtet / sondern auch Catumer selbst durch den Grafen von Ziegenheim in Hafft genommen werden solte. Als nun dieser und Traxdorff zurück kamen / fanden sie Catumern auf dem Schau-Gerüste den Solms mit beyden Armen umfangen. Wie sie aber des Hertzogs Arpus Befehl andeuteten / fieng Catumer an: so bald Solms in Freyheit und Sicherheit seyn würde /wolte er sich und seinen Degen zu seines Vaters Füssen legen. Den aber / welcher den Grafen mit einem Finger anrühren würde / den wolte er mit seinen Klauen zerreissen. Hiermit gab er dem Nachrichter ein so grausames Gesichte / daß er für Furcht vom Gerüste herab sprang. Solms fiel hingegen Catumern zu Fusse / und bat ihn: er möchte ihn doch sterben lassen / und sich nicht in die Ungnade seines Vaters stürtzen. Catumer antwortete ihm: Ich wäre nicht würdig ein Fürst der Catten / ja nicht ein Edelmañ zu seyn / [713] wenn ich den darumb / daß er meinem Befehle gehorsamet / so schimpflich Ehre und Leben einbüssen ließe. Solms versätzte: beyde bin ich meinem Fürsten schuldig. Catumer fiel ein: das Leben sind Unterthanen wol fürs Vaterland und den Fürsten aufzuopffern verpflichtet / aber nicht die Ehre. Dieser kan einen befehlichen sich unter tausend gewaffnete Feinde zu stürtzen / eine unzwingbare Festung anzugreiffen / und also dem Tode in Rachen zu lauffen. Denn hierdurch erwirbet er für das ohne dis flüchtige Leben die Unsterbligkeit eines viel edlern Lebens und des unschätzbaren Nachruhms. Aber dis übersteigt die Gewalt aller Könige; daß sie der Tugend einen stinckenden Rock der Boßheit anziehen / den Lastern aber Bilder und Siegs-Bogen aufrichten / daß sie die Verrätherey und Verleumbdung nicht nur der Treue auf dem Kopffe herumb gehen / sondern selbte auch mit ihrem Giffte begeifern lassen solten. Kein Fürst ist befugt / daß er zu Abwendung seiner eigenen Schande / zu Rechtfertigung seines Thuns / zu Ubermahlung anderer Fehler / oder zu Versöhnung seines Feindes einem Unschuldigen die Ubernehmung eines Lasters aufdringen / seinen guten Nahmen bey der Welt stinckend machen / oder ihn gar als einen Ubelthäter hinrichten lasse. Der Graf von Solms begegnete Catumern: Noch viel weniger beruhet in der Gewalt eines Unterthanen eines Fürsten Urthel / ob es recht oder unrecht / zu untersuchen. GOtt hat Fürsten so viel erlauchten Verstand / als Macht / Unterthanen aber keine grössere Ehre / als die Blindheit des Gehorsams gegeben. Machen doch gemeiner Richter Erkäntnüsse aus schwartz weiß / und aus weiß schwartz. Wie heilig sind nun nicht die Urthel der Fürsten zu halten / welche nur Knechte Gottes / aber Götter auf Erden / keinem Gesätze unterworffen / ja Brunnen des Gesätzes sind; also die / welche von den Banden der Verbrechen frey / und Krafft ihrer eigenen Gewalt sicher sind / wider kein Gesätze sündigen / noch mit Worten oder auf andere Art gestrafft werden könten! diesemnach ist niemand befugt einen für unschuldig zu halten / den der Fürst verdammet. Es ist straffbar der Fürsten geheime Gedancken ausfischen wollen /also noch viel straffbarer seine Schlüße schelten. Was dem / welcher das oberste Hefft in der Hand hat /nützlich zu seyn scheint / ist schon von aller Unbilligkeit abgeschäumt. Denn im höchsten Glücke gehet die Gewalt fürs Recht; und keine Herrschafft kan der Ungerechtigkeit / wie kein Artzney-Gewölbe oder Mithridatens Tisch nicht alles Gifftes entpehren. Daher auch die / welche ihnen einbilden / daß ihnen weh oder zu viel geschehe / doch alles Unrecht nicht nur geduldig leiden / sondern auch mit freudigem Gesichte annehmen und sich bescheiden sollen: daß auch gütige Fürsten offt durch Verläumbder oder aus Staats-Klugheit grausam zu seyn genöthiget werden / und des wegen gute stets zu wünschen / alle aber / sie seyn wie sie wollen / zu vertragen sind. Sintemal doch die Herrschafft eine heilige Stifftung Gottes bleibt /wenn gleich die Herrscher weder Tugend noch Gottesfurcht an sich haben. Und wie die Gesellschafft der Rauber / wenn sie gleich Gesätze unter sich machen und halten / keine Stadt macht / weil ihre Verfassung nur auf Raub und Laster das Absehen hat; also höret ein Fürst nicht auf Fürst zu seyn / wenn er gleich in ein und anderm der Gerechtigkeit zu nahe tritt / so lange nur Gerichte / Gesätze / und die Gestalt einer wiewol krancken Herrschafft bestehen. Catumer brach ein: Was machstu aus Fürsten für Ungeheuer! derer Gewalt zwar groß / aber nicht unendlich ist. GOtt selbst kan nichts wider die Eigenschafft seines göttlichen Wesens; und Fürsten / welchen gleich das Volck sich ohne Bedingung unterworffen / nichts wider die Gesätze der Natur / das Recht der Völcker / noch auch dis / was zu Vertilgung des Volckes / der Tugend / und zu Benehmung der Ehre [714] eines redlichen Mannes gereichet / mit einem Worte / was wider die gesunde Vernunfft laufft. Denn dieser gehorsamen ist so viel als GOtt folgen. Dis ist das nicht geschriebene / noch in Holtz und Stein / sondern das ins Hertze gegrabene Gesätze / und die Herrschafft des Gemüthes /von welchem kein Fürst / kein Rath weder sich noch andere entbinden kan. So wenig nun ein Herrscher seine Unterthanen zu zwingen Recht hat / daß sie Meineyde / Ehbruch und Mord begehen müssen / oder ihnen verbieten kan / daß sie gottsfürchtig und erbar leben; ob er zwar ihre Tugenden zu belohnen und zu erheben nicht verbunden ist / so wenig er ihre Töchter und Ehweiber zu schänden berechtigt ist; so wenig kan er ehrliche Leute zu Verräther / zu Schelmen und Dieben machen / der Redligkeit falsche Laster aufhalsen / die Unschuld verunehren / und an ihnen straffen / was sie nie begangen haben / oder was Tugend ist. Denn Fürsten / wie unumschrenckt gleich ihre Gewalt ist / können solche doch nicht weiter und über was mehres ausdehnen / als über das / wie weit solche die Unterthanen auf ihren Fürsten übertragen haben. Es ist aber gar nicht der Warheit ähnlich / daß sie des Gröstẽ aller Güter / der herrlichẽ Erndte ihrer Tugend / nemlich ihrer Ehre / wie ihrer von der Natur empfangenen Freyheit sich begeben / und mit ihrem guten Nahmen / so wie mit ihren Gütern und dem Leben zu gebahren ihm frey gegeben haben solten. Denn wo keine Ehre nicht ist / kan auch keine Tugend seyn /und selbige Herrschafft nichts edles an und unter sich haben. Der einige Schatten der Ehre macht / daß man in der Arbeit unermüdet / in Gefahr hertzhafft ist /und auch mit seinem Blute des Fürsten Ehre verficht. Gut und Blut muß man freylich wol daran setzen /weil die / derer Schirme man beyde Stücke anvertraut / solche sonst nicht wider Geitz und Gewalt schützen kan / und es der Vernunfft und der Billigkeit gemäß ist; daß ihrer wenig arm werden / oder umbkommen /umb das gantze Volck zu erhalten. Alleine zu dieser Beschirmung hat er nicht von nöthen jemanden seine Ehre zu rauben / und solche fürs gemeine Heil aufzuopffern. Niemanden ist damit geholffen / wenn er die Unschuld zum Laster macht / sondern die Sicherheit seiner Herrschafft beruhet vielmehr an Vertheidigung der Tugend / und der Ehre; welche kein Fürst jemanden wider ihren Willen geben oder zuschantzen / also auch nicht nehmen kan. Am allerwenigsten aber sind dessen die Fürsten Deutschlands befugt. Asien / welches die Dienstbarkeit zu vertragen gewohnt ist / Meden und Assyrien / welche die Leibeigenschafft anbeteten / und die zur Sclaverey gebohrnen Morgen-Länder würden nicht einst den Raub ihrer Ehre vertragen; und die Deutschen / welche schwerer der Freyheit als des Athems entpehren könten / derer Herrschafft mehr im Einrathen als im Befehlen bestünde / solten sich so schändlich unterdrücken lassen. Bey denen doch der Dienstbarkeit nähern Macedoniern dorfften die Könige nach den Gesätzen nicht nach ihrer Gewalt herrschen / ohne des Volckes Billigung hatte ihre Macht keinen Nachdruck / und im Friede musten alle Bürger / im Kriege das gantze Kriegs-Heer über eines Menschen Kopff richten. In Deutschland hätten sich die Fürsten allezeit / besonders in ihren eigenen Sachen enteusert jemanden binden / schlagen / straffen zu lassen / am wenigsten aber hätten sie über ander Leben Hals-Gerichte geheget; sondern dis verrichteten die Priester / nicht als zur Straffe oder dem Fürsten zu Gefallen / sondern gleichsam auf Befehl GOttes. Hier aber verfähret Hertzog Arpus auf eine gantz andere Art / und schleust die Priesterschafft vom Gerichte aus / und verfähret durch wenig Leute / die allen seinen Befehlen zu gehorsamen mit Eyden verbunden sind. Wie aber kan ein[715] Richter recht urtheilen / der seines Fürsten Willen /wie ein Mahler ein Vorbild zu seiner Nachmahlung vor sich hat? der Graf von Solms gab zur Antwort: Also möchte Catumer als ein Fürst wol von der Macht der Fürsten reden / ihm aber als einem Unterthanen stünde dieses nicht an. Denn solche Gedancken schmeckten bey diesen nach Aufruhr. Wenn aber auch schon Fürsten über der Unterthanen Ehre so wenig / als über ihre Gewissen zu gebieten hätten / so wäre doch diesen unverboten / daß sie / um des Fürsten Ehre zu retten / das gemeine Heil zu befördern /ihre Ehre in Stich sätzten / und sich mit unanständigen Farben befleckten. Denn / weil die Ehre nur ein Anhang und der Schmeltz der Tugend wäre / dieser Wesen auch ohne jene wie ein Edelgestein ohne Folge gar wol bestehen könte / thäte einer ihm und der Tugend keinen Abbruch; weil beyde doch in der Warheit unschuldig blieben / und es ohne dis nur bey uns stünde ehrliche Leute zu seyn / nicht aber dafür angesehen werden. Es wäre eine Pflicht der Freundschafft /daß man auch mit angenommenen Schwachheiten seinem Freunde einen Vortheil schaffte. Wie viel höher aber erstreckte sich die Pflicht gegen den allgemeinen Vater des Volcks / als gegen einen Freund! Bey diesen Worten trat der Graf von Ziegenheim mit etlichen Gewaffneten von der Leibwache auf die Schau-Büne; und deutete dem Fürsten Catumer an / daß er auf seines Vaters des Hertzogs neuen Befehl den Degen von sich geben solte. Nach ihnen fand sich auch wieder der Nachrichter / und näherte sich dem Grafen. Catumer entblößte über dieser Ansprache den Degen; und sagte: dieser Degen ist mir angebohren / und werde ich ihn zwar zu meines Vaters Füssen / aber niemals in die Hände meines Unterthanen liefern / so lange ich ein Glied rühren kan / und einen lebendigen Athem in mir fühle. Bey dieser Begäbnüs drang sich der Graf von Witgenstein / und die drey von Battenburg mit nach Mattium gebrachten Ritter gegen der Schau-Büne; umb dem Fürsten Catumer beyzustehen. Hingegen hielt die Leibwache sie zurücke / und wurden beyderseits die Waffen entblößt. Unter den Zuschauern zohen auch ihrer viel vom Leder / das gemeine Volck grub die Steine aus dem Pflaster / also daß es nunmehr zu einer grausamen Blutstürtzung gekommen wäre / wenn nicht ein Bataver unversehens sich aufs Gerüste gespielet hätte / für Catumern und dem Grafen von Ziegenheim auf die Knie gefallen wäre /mit Bitte: Sie wolten nichts thätliches gegen einander beginnen / bis er dem Hertzoge Arpus ein grosses Geheimnüs entdeckt hätte / welches alle diese Mißverständnisse / wie die Sonne den Nebel zu Bodem schlagen würde. Ziegenheim fragte diesen Frembdling mit ernstem Gesichte: wer er wäre? und was er in so wichtige Geschäffte zu reden hätte? dieser antwortete: Er wäre ein Bataver; und an seiner Heimligkeit / die er für Hinrichtung des verdammten Grafen von Solms zu eröffnen hätte; wäre die Wolfahrt des Cattischen Fürsten-Hauses gelegen. Ziegenheim und die Häupter der Leibwache steckten hierüber die Köpffe zusammen / und wurden mit einander eines den Grafen von der Schau-Büne ab / den Bataver aber zum Hertzoge führen zu lassen. Diesem mißfiel zwar die Hinterziehung des peinlichen Gerichtes / gleichwol ließ er den Bataver für sich / und sagte ihm: Würde seine Nachricht nicht von angedeuteter Wichtigkeit seyn / so solte er sich nur geschickt machen / daß er seine Vermässenheit der Gerechtigkeit in Zügel zu fallen / mit dem / was ein ander leiden solte / beständig büssen möchte. Der Bataver antwortete: Wenn er ihm nicht vorgesätzt hätte als ein Schuldiger an statt des Unschuldigen zu sterben; würde er seinen Mund nicht eröffnet haben / noch sich allhier als einen Sterbenswürdigen Ubelthäter angeben. Andern würffe man ihre Fehler ins gemein für / oder tichtete [716] auch Missethaten der Unschuld an / weil die allerunverschämteste Verläumbdung nie so vermässen gewest wäre die Tugend unter ihrem Nahmen in ihrer rechten Gestalt und außer der Larve der Boßheit anzutasten; aber niemand wäre leicht so bescheiden oder gewissenhafftig seine Fehler ehe zu erkennen als zu überfirnsten. Ja das Recht selbst bürdete niemanden die Schuldigkeit auf ein Verräther seiner eigenen Laster zu seyn; aber dis wäre doch das nachdrücklichste Kennzeichen einer wahren Reue. Diese und das Mitleiden über dem Grafen von Solms wären krafftiger als keine Folter seyn würde / ihm dis Bekäntnüs auszupressen / daß er der Bataver wäre / welcher Astreen verführt hätte die Fürstin Adelmunde unfruchtbar zu machen. Für dieses abscheuliche Laster wolte er den grausamsten Tod willig leiden / den ihm Arpus / Catumer / Cariovalda /Adelmunde oder andere Beleidigten zuerkennen würden / ja er wünschte / daß er für jede / die er gekränckt / einen absondern ausstehen könte. Denn die Straffen wären die Seiffe der Boßheit / je schärffer sie wären / je mehr reinigten und befreyeten sie die besudelten Seelen von der Pein des folgenden Lebens. Aber / es wäre dem Hertzoge Arpus nicht so viel an seinem schrecklichen Ende / als an der Wissenschafft des Urhebers seines Lasters gelegen / und daß der unschuldige Fürst Cariovalda alles Argwohns entlastet würde. Dieses allzu redlichen Fürstens Nahmen hätte er gegen Astreen aufs schändlichste mißgebraucht; da doch Adgandester und Sentia die zwey Wirbel dieses verfluchten Anschlags gewest wären / und hierdurch entweder durch Catumers unfruchtbare Heyrath seinen Stamm auszutilgen / oder zwischen den Catten und Chaucen eine unversöhnliche Feindschafft zu stifften angezielet hätten. Hieraus hätte nun Hertzog Arpus zu urtheilen; ob es jemals Adgandesters Ernst gewest wäre des Königs Marbods Tochter an Catumern zu verheyrathen? Ob seine Beschwerde wegen geheyratheter Adelmunde nicht nur ein falscher Vorwand sey / dis / was ihm niemals ein Ernst gewest / zurück zu ziehen? und ob ein solcher Verrather verdiente; daß ihm ein so tapfferer Ritter / als der Graf von Solms wäre / aufgeopffert / und dadurch über der Catten Einfalt und Unglücke zu kitzeln Anlaß gegeben würde. Damit Hertzog Arpus auch an der Warheit dessen nicht zweifelte / zohe er unterschiedene Schreiben Sentiens und Adgandesters heraus / welche die Anstiftung dieser schändlichen That deutlich ans Licht stellten. Hertzog Arpus besahe die vorgewiesenen Briefe aufs genaueste; und weil ihm Adgandesters und Sentiens Hand mehr denn zu wol bekandt waren /konte er an warhaffter Erzehlung dieses Batavers im geringsten nicht zweifeln. Uber dieser Betrachtung ließ sich eine Spinne aus der Decke des Zimmers etliche mal an einem Fademe auf Sentiens Brief herunter / und stach in selbten / wie sie auf die Schlangen zu thun / und sie zu tödten pflegen; gleich als wenn diese Schrifft ein gifftiger Brut der Schlangen wäre. Nach dem Hertzog Arpus hierüber eine gute Zeit nachgedacht hatte / fieng er endlich an: Ist es möglich / daß ein so schwartzes Hertze in einem deutschen Fürsten stecken / daß Agandester seinen Verstand zu nichts als anderer Verterb angewehren / und ein so grosses Gemüthe sich mit nichts als Boßheit vermählen könne! Müssen denn die besten Sachen / wenn sie umbschlagen / die schlimmsten werden! und in der reinesten Lufft / wenn sie angesteckt wird / die Pest am grausamsten wüten. Wie viel nöthiger ist es die Menschen als Bücher auswendig zu lernen! Warumb hat die Natur das Hertze so tief in den Leib versteckt? Sonder Zweifel zu keinem andern Ende / als daß /weil die meisten voller Boßheit stecken / bey Ergründung so vieler Falschheiten nicht täglich Mord und Blutvergießen erfolge. Welche Natter ist so [717] schlau und grausam / daß sie / wie Adgandester / uns zugleich küsse und steche; uns oben umbhalse / und unten tödte! Was für eine Undanckbarkeit gegen seinem Vaterlande ist es / daß Adgandester darinnen das Wasser trübet / nur daß die Römer darinnen fischen können! daß er Gifft und Zauber-Künste zum Werckzeuge seiner höllischen Rachgier angewehret! Aber o der allergütigsten Versehung Gottes! daß die allerschlaueste Boßheit / wenn sie ihre Arglist am geheimsten zu halten vermeinen / ins gemein ihr eigener Mund / oder ihre Feder ihr Verräther werden muß! Sie verwickelt sich zum ersten in die Schlingen / welche sie andern gelegt hat. Und du Boßhaffter hast nun auch gelernet / daß die Laster nicht so zeitlich in einer Seele ausgebrütet / als der nagende Wurm in dem Gewissen groß werde; daß die Boßheit ihr erster Hencker sey / die Rache der Menschen und Gottes aber ihr auf der Fersen nachfolge. Jedoch wil ich / deines Bekäntnüsses halber / meine Beleidigung an dir nicht straffen; sondern ich wil dich dem Urthel derselben übergeben / derer Rath zur Boßheit du gefolget hast. Sentia soll deine Richterin seyn / die du dir selber zu deinem Leitsterne erkieset hast. Der Bataver fiel für dem Hertzoge nieder; und bat / er möchte ihn doch mit einer so grausamen Barmhertzigkeit verschonen. Wolte er doch gerne alle Tode der Welt ausstehen; wenn er nur seiner Verführerin Sentia nicht die Freude machen dörffte / daß sie sich an ihm wegen ihrer offenbarter Laster rächen möchte. Arpus befahl den Bataver fort und in ein Gefängnüs zu führen / hingegen verordnete er; daß die Leibwache von dem Schaugerüste abgeführet / der Graf von Solms auf selbtem durch einen Herold für unschuldig erkläret / und neben dem Fürsten Catumer mit grosser Ehrerbietung auf das Schloß geholet werden möchten. Alles Volck verwandelte sein voriges Wehklagen in ein hertzliches Frolocken / und ungeachtet sie die Ursache einer so plötzlichen Veränderung nicht bald erfahren konten /begleiteten sie den Fürsten und Grafen mit einem all gemeinen Freuden-Geschrey nach Hofe. Daselbst wurden sie vom Hertzoge Arpus / der Hertzogin Erdmuth / der Fürstin Catta / dem Hertzog Jubil und andern Grossen aufs freundlichste bewillkommet. Arpus aber schickte noch selbigẽ Tag den Grafen von Hohenstein und Solms nach Witgenstein / umb die daselbst gelassene Fürstin Adelmunde von dar abzuholen; zu welcher Einzuge alle nur in der Eyl mögliche Anstalt gemacht ward. Folgenden Tag zohe ihr Catumer mit einem prächtigen Gefolge bis auf den halben Weg / Hertzog Arpus mit seinem gantzen Hofe etliche Feldweges Adelmunden entgegen; welche nunmehr mit anbrechender Nacht zwischen so vielẽ tausend Freuden-Feuern und unzählbaren Glückwünschen in Mattium einzoh / als mit wie vielen Thränen sie für wenigen Wochen daraus geschieden war. Der Feldherr / die Hertzogin Thußnelde und alle andere deutsche Fürsten kamen gleichfals an den Cattischen Hof /und mühte sich jedermann seine Vergnügung und Wolwollen aufs nachdrücklichste verstehen zu geben. Ungeachtet nun Adgandester alle seine Künste angewehret hatte hinter das Geheimnüs zu ko en / was denn des Hertzog Arpus grossen Eyver gegen den Grafen von Solms in einem Augenblicke niedergeschlagen / und Catumers mit Adelmunden vollzogene Heyrath mit so grossem Gepränge zu billigen verursacht haben müste / konte er doch das wenigste erfahren / da doch sonst die Freude eine unvorsichtige Verwahrerin der Heimligkeiten ist. Weil er nun von Art argwöhnisch war / und einer / der ihm eines Verbrechens bewust ist / stets in Furchten lebt verrathen zu werden / ließ Adgandester ihm zwar nichts gutes träumen; nichts desto weniger hielt er für thulich bey so allgemeiner Freude den Mantel nach dem Winde zu hencken / und nach Hofe zu reiten seinen Glückwunsch abzulegen / oder vielmehr ein und anderes[718] auszufischen. Wie er aber an die euserste Schloß-Pforte kam / ward selbte für ihm zugesperrt. Adgandester ward hierüber beschämt / fragte also den über die Wache bestellten Hauptmann Falckenberg / was dis bedeutete? kriegte aber von ihm diese Antwort: sein Hertzog hätte ihm befohlen keinen Verräther ins Schloß zu lassen. Adgandester versätzte: Ob man ihn denn für einen Verräther / nicht aber für des mächtigen Königs Marbod Botschaffter ansähe? dieses würde sein Hertzog / und er selbst am besten wissen /begegnete ihm Falckenberg. Adgandester ward also gezwungen mit Zorn und Schande umbzukehren. Hingegen brachte der Cattische Hof die gantze Nacht bey einem herrlichen Mahle in gröster Vergnügung durch. Früh vor der Sonnen Aufgange hatte Adgandester schon aufgepackt / und wolte aus Mattium sich auf die Reise begeben; aber Hertzog Arpus ließ ihm vorher durch den Schencken von Schweinsberg andeuten; daß / ehe und bevor er wegen seiner Verrätherey Red und Antwort gegeben hätte / er aus Mattium nicht gelassen werdẽ würde. Adgandester antwortete diesem: Er hätte sich zu dem Herzoge der von Freyheit und Gerechtigkeit berühmten Catten nicht versehen: daß er wider den grossen König Marbod / dessen Antlitz und Ansehen er mit sich nach Mattium gebracht hätte / das Recht der Völcker an ihm als seinem Ebenbilde verletzen solte! Schencke versätzte: Sein Hertzog wäre ein so gerechter Herr / daß er nicht ohne genungsamen Grund dis entschlossen haben würde. Und wäre nichts billiger / als daß einer wegen seines Verbrechens antwortete. Ja / sagte Adgandester / aber nirgends / denn für seinem Richter. Botschaffter aber erkennten keinen andern / als den / der sie geschickt hätte: Schencke versätzte: Es wäre noch weder von Urthel noch von der Straffe / sondern allein von dem /ob er sein Laster zustünde / zu reden. Wiewol / wenn ein Botschaffter vorher wider die Hoheit und den Staat deßẽ / zu dem er unter dem Scheine der Freundschafft geschickt würde / handelte / also wider das Recht der Völcker sündigte / er aus selbtem keiner Freyheit zu genüßen hätte. Denn da es erlaubt wäre einen König / wenn er eines Reiches Feind worden wäre / zu tödten / warumb solte ein Botschaffter mehr Recht haben / wenn er nicht einzele Personen / sondern den Fürsten und ein gantzes Volck beleidigte /und aus einem Gesandten sich selbst zum Feinde machte? Adgandester fiel ihm ein; Wer nicht verurtheilt werden könte / der wäre auf Beschuldigungen auch nicht zu antworten schuldig; sintemal er für einen / der sich gar nicht in dem Cattischen Gebiete aufhielte / und für einen Einwohner zu Marobodunum zu achten wäre. Daher könte niemand als sein König sprechen / daß er das Völcker-Recht am Hertzoge der Catten verletzt hätte. Bey diesem müste er überwiesen / und von selbtem entweder seine Bestraf- oder Ausfolgung erlangt werden. Dieses wäre das Recht der Fürsten / welche mit einander Krieg führten; wie vielmehr müste ihm / der des friedsamen Königs Marbods Stelle verträte / dis Recht zu statten kommen. Meinte man / daß er etwas verbrochen hätte / so stünde es zwar in des Cattischen Hertzogs Gewalt ihm zu sagen: daß er aus seinem Gebiete weichen solte; aber anzuhalten wäre er nicht befugt; sondern hierdurch würde die Ehre und die Heiligkeit der Gesandschafft versehrt / und dardurch dem Könige Marbod die gerechteste Ursache gegeben die Catten mit Krieg zu überziehen. Schencke gab ihm zur Antwort: Sein Fürst würde sich diese Dräuung so wenig schrecken lassen / als er glaubte / daß König Marbod Adgandesters Verbrechen billigen / oder sich gar dessen durch Verfechtung theilhafftig machen würde. Er hätte auch keinen Befehl mit ihm sich in Zwist einzulassen / sondern nur zu warnigen / daß er / umb die Schande an dem Stadt-Thore zurück gewiesen zu werden / zu vermeiden / seinen ohne [719] dis sonder gewöhnlichen Urlaub vorhabenden Abzug aufzuschüben. Mit diesen Worten kehrte er zurück; der Feldherr aber hatte auf des Hertzog Arpus Ersuchen alle deutsche Fürsten in der ihm eingeräumten Burg versa let. Diesen trug er Adgandesters und Sentiens Verbrechen für / legte ihnen auch nicht alleine ihre Schreiben als unlaugbare Zeugnüsse für / sondern ließ auch den gefangenen Bataver in die Versammlung kommen / der mit allen Umständen die an Adelmunden begangene Boßheit erzählete /und nur umb die Gnade des Todes bat / weil sein Gewissen ihm eine unaufhörliche Folterbanck abgäbe. Niemand war / der sich nicht über dieser Greuel-That entsätzte / und beyde Urheber derselben verfluchte. Der Feldherr rieth für allen Dingen / daß man den Bataver dem Hertzoge Ganasch nicht so wol zu willkührlicher Bestraffung / als zu Abwendung alles wider andere ehrliche Leute gefaßtẽ Verdachtes zu schicken / und ihn in gute Vertrauligkeit zu versätzen trachten solte. Zu welchem letztern denn der Graf von Wertheim erkieset ward. Hertzog Arpus aber warf zu erwegen auf / wie mit Adgandestern zu verfahren wäre. Worüber denn alle leicht eines wurden / daß Hertzog Arpus ihm so wol Sentiens als seine eigene Briefe vorlegen / ja gar den Bataver ihm unter Augen stellen lassen solte. Zu diesem Ende wurdẽ die Ritter Reckrode und Altenberg von Stund an zu Adgandestern abgefertigt. Diese besprachen ihn im Nahmen des Hertzogs Arpus und Catumers: ob er leugnen könte / daß er und Sentia durch einen Bataver Astreen bestochen hätte Adelmunden unfruchtbar zu machen? diesem war solche Anfertigung nichts unversehnes /weil er die Offenbarung dieses Geheimnüsses schon vorher geargwohnet hatte. Daher er ohne einige Veränderung antwortete: hätte Sentia was gemißhandelt /so möchte sie darfür stehen / für sich hielt er diese Nachrede für eine Verläumbdung und Vorwand / dadurch das durch seine Anhaltung verletzte Völcker-Recht zu beschönen. Reckrode zohe Adgandesters und Sentiens Schreiben heraus / und fragte: ob er solche nicht für seine und ihre Hand und Siegel erkennen müste? Adgandester röthete sich hierüber / weigerte sich aber selbte anzuschauen / vorschützende: Seines Königs Hoheit / und seine Würde vertrügen nicht /daß er auf solche Beschuldigungen antwortete / und sich einem frembden Gerichts-Zwange unterwürffe. Altenberg fiel ein: Weil er seine eigene Handschrifft nicht zu leugnen wüste / auch der verleitete Bataver bey der Hand wäre ihm unter Augen zu sagen; daß er der Urheber dieser so schändlichen That wäre / ja zu Astreens Bestechung die Perlen und andere Edelgesteine selbst hergegeben hätte / würden alle redliche Deutschen seinen Einwurff für eine bloße Ausflucht auslegen / und / wenn schon Hertzog Arpus sich keiner richterlichen Gewalt über sein Haupt anmaaßte /dennoch sein Nahme verdammet / und sein Gedächtnüs bey den Catten vertilgt werden. Adgandester versätzte: Ein Botschaffter müste seinen guten Nahmen /seine Ehre und sein Leben ehe in Stich sätzen / als seines Königs Hoheit eines Haares breit versehren. Reckrode hielt Adgandestern ein; Er würde bey so gestalten Sachen niemanden verdencken / daß sie ihn /welcher weder seines Angebers Gesichte vertragen könte / noch seine Handschrifft ansehen wolte / für schuldig und überwiesen halten würden. Denn die ihnen übel-bewusten hätten die Eigenschafft falscher Müntzer / welche ihr Geld niemals wolten zur Prüfung kommen lassen. Es würde aber Hertzog Arpus zu entscheiden haben; ob Adgandester in einer Sache / welche sein König ihm nie anvertraut und befohlen /nimmermehr auch rechtsprechen würde / an dem Orte seines [720] Verbrechens nicht würde recht leiden müssen. Unter diesen Worten ward der gefangene Bataver unvermerckt ins Zimmer gelassen / welcher Adgandestern alles mit grosser Freymütigkeit unter Augen sagte / wie er und Sentia ihn zu Astreens Bestechung beredet / was für Danckbarkeit sie ihm versprochen /und wie er selbst ihm die kostbaren Geschencke für Astreen eingehändigt hätte. Adgandester aber / nach dem er mit grosser Empfindligkeit für die gröste Beleidigung annahm; daß man ihm einen so frechen Ubelthäter zu seiner Beschimpfung unter Augen stellte / trat zurück in sein innerstes Gemach; und sagte: daß es zwar in des Arpus Gewalt stünde ihn zu tödten / aber nicht; daß er durch was vekleinerliches seines Königs Hoheit was vergeben würde. Nachdem beyde Ritter nun dem Cattischen Hertzoge von ihrer Handlung Nachricht erstattet hatten / trug er alles in der Versa lung der Fürsten für / und erklärte sich / daß er derer Gutbefinden / welche in diese Sache gar nicht eingewickelt wären / sich in dem / wie mit Adgandestern zu verfahren wäre / sich willigst unterwerffen wolte. Es wurden auf des Feldherrn Gutachten etliche der obersten Priester / und unterschiedene alte in Gesandschafft gebrauchten Ritter mit in den Fürsten-Rath erfordert. In diesem suchten Hertzog Siegemund / welcher ohne diß seiner Stiefmutter Sentia Spinnen-feind war / Marcomir und andere zu behaupten: Adgandester wäre als ein Feind seines Vaterlandes /wordurch er das Merckmal seiner obhabenden Bothschafft ausgelescht hätte / fürs Gerichte zu stellen. Würden doch Gesandten / welche nur eines Bürgers Eh-Bette befleckten / ihrer Freyheit verlustig; wie viel mehr könte es dem nicht ungenossen ausgehen / der des Fürsten Braut und Schwäher-Tochter / zu dem er gesandt worden wäre / unmenschlich beleidiget und die zur Wohlfarth gantz Deutschlandes gereichende Heyrath / die gute Verständnüß zwey hoher Fürstlichen Häuser zu zerstören sich bemüht hätte. Lieffe es nicht wider die gesunde Vernunfft; daß ein Bothschafter Fürsten zu beleidigen / Fürsten aber nicht Bothschafter deswegen zu bestraffen / und sich wider Mord und Verrätherey in Sicherheit zu versetzen berechtigt seyn solten? Wenn aber auch gleich ein Bothschafter wegen derer wider ein gemeines Wesen verübter Ubelthaten nicht an dem Orte seines Versprechens bestrafft werden könte / worwider doch vieler Völcker Beyspiele stritten und durch solche Unsträfligkeit die Verrätherey gleichsam Böses zu stifften eingeladen würde; so würde doch dieses ärgerliche Recht zum wenigsten in denen einen Absatz leiden /welche sich in frembde Dienste begäben / und bey übergenommenen Gesandschaften wider ihr eigenes Vaterland und Landes-Fürsten sich vergrieffen. Denn einem ieden wäre eine genauere Pflicht gegen diese seine heilige Mutter / als gegen seine Eltern angebohren. Seine Liebe schlüsse in sich alle andere in einen engen Kreiß ein / also daß der / welcher sich dieser entäusern könte / für einen Unmenschen / oder doch für den Undanckbarsten gehalten zu werden verdiente; als für dessen Wohlthaten man den der Natur schuldigen Tod mit so grossem Ruhme als obliegender Schuldigkeit ausstünde. Da nun keiner dieses erste Verbündnüs wie die Schlangen ihre alte Haut ausziehẽ / noch durch eine neue Verbindung seine Eltern umbzubringen sich verpflichtẽ könte / wie viel weniger wäre Adgandester sich dem Könige Marbod durch Annehmung seiner Dienste derogestalt zu verknipfen befugt gewest; daß das Vaterland und Hertzog Arpus als Landes-Fürst und Vater seines Vaterlandes über ihn keine väterliche Gewalt behalten haben solte. [721] Diesemnach solte man wider diesen abtrünnigen Beleidiger seines Vaterlandes und seines Fürsten nach dem Verdienste seines Verbrechens verfahren / und der Nach-Welt ein nützliches Beyspiel gestraffter Boßheit zum Gedächtnüsse hinterlassen. Sintemal es dem Hertzoge der Catten / daß er Adgandestern anderwerts verklagen solte / unanständig; auch beym Marbod Recht zu erlangen wenig Hoffnung wäre; weil es unumbschrenckter Gewalt schwer fiele sich der Billigkeit zu unterwerffen / Marbod auch zeither gegen die Verbrecher zu grosse / gegen die Catten und Cherusker allzu schlechte Neigung hätte blicken lassen. Hertzog Inguiomer hingen schalt zwar aufs ärgste Adgandesters Ubelthat; gleichwohl aber behauptete er: daß sie von niemanden / als dem Könige Marbod bestrafft werden könte / weil das Recht der Völcker alle Bothschafter ohne Unterscheid ihrer Ankunft und Standes von allem auswertigen Gerichts-Zwange befreyete. Denn ob zwar denen meisten ein innerlicher Zug gegen seinem Vaterlande angebohren und für selbtes Gut und Blut aufzusetzen löblich wäre; so lieffe es doch wider die natürliche Freyheit und die Erfahrung / daß einer nicht solte sein Vaterland verlassen / seines sich wegen der Eingebohrenschafft habenden Vortheils verzeihen / und ein anders ihm in dem entferntesten Winckel der Welt aufschlagen können. Niemand wäre durch die Nabel-Schnure seiner Mutter an die Erd-Schollen seiner Geburts-Stadt angebunden / und / wenn ein Fürst nicht aus absondern Ursachen einem sich anderwerts niederzulassen verbothen hätte / begäbe er sich stillschweigende alles Rechtes / wenn er schon eine solche Dienstbarkeit auf ihn zu suchen hätte. Sintemal niemand zweyer Ober-Herren Unterthan / wie kein Glied zweyer Häupter Antheil seyn / noch iedem seine gehörige Treue und Pflicht abstatten könte. Die dißfalls widrigen Rechte der Römer hätten mit den Sitten der freyen Deutschen keine Verwandschafft / bey welchen auch der Pöfel nichts von Leibeigenschafft zu vertragen wüßte. Hingegen wäre ihrer Fürsten Gewalt umbschrenckt / und ob schon sonst die Gesetze des Kriegs-Rechts die strengsten wären / stünden doch die Heerführer dem Volcke mehr mit ihrem Beyspiel / als mit Befehlen für. Wenn auch die Geburt für ein fester Band / als Eyd und Verbindungen zu halten wäre / zu was Ende liessen Fürsten ihnen ihre Eingebohrne huldigen? Warumb müsten sie sich / wenn sie sich unter ihre Kriegs-Fahnen bestellen liessen / ihnen mit Eyden der Treue verpflichten? Am allerwenigsten aber könte Hertzog Arpus Adgandestern als seinen Unterthanen anhalten / weil er ihn für einen Bothschafter des Königs Marbod selbst angeno en / und dadurch alle sein etwan habendes Recht auf ihn einem andern Fürsten abgetreten hätte. Ob nun wohl diese Frage hin und wieder geworffen ward / so gab doch der Feldherr Inguiomern Beyfall / und fügte bey: daß es rathsamer wäre in zweifelhaften Dingen von seinem Rechte etwas vergebẽ / als durch desselbẽ allzu genaue Wahrnehmung einen andern Fürsten beleidigen / oder ihm Anlaß geben sich beleidigt zu achten. Welches hier so viel nöthiger / da Marbod ihnen stets ein so verändertes Gesichte machte / daß niemand zu sagen wüste; ob er es mit ihnen gut oder böse meynte / und da das Römische Kriegs-Feuer mehr verdeckt als ausgelescht wäre. Es wäre Adgandesters Schande ihm Straffe / und den Catten Vortheils genung / wenn sie dieses schädlichen Menschen sich entladeten / und dem Könige Marbod ihn durch habenden Beweiß derogestalt abmahlten / daß er ihn mit Ehren nicht in Diensten behalten / weniger bey der Römischen Friedens-Handlung zu einem schädlichen Werckzeuge gebrauchen könte. Diese heilsame Meynung ward von der gantzen Versa lung als die schimpflichste und sicherste gebilliget / und der Graf von Coppenberg an den Grafen von Windisch-Grätz als des [722] Königs Marbods Bothschafftern an den Cheruskischen Hofe geschickt; daß er ihm Adgandesters schöne Meister-Stücke durch seine eigene Handschrifften für Augen stellte; und zugleich ihm vermeldete; daß ob zwar Adgandester als ein gebohrner Catte seines zu Mattium begangenen Lasters halber angehalten werden könte /wolle doch Hertzog Arpus und Catumer den König Marbod selbst zum Richter erkieset / und ihm Adgandesters Bestraffung schlechterdings heimgegeben haben. Windisch-Grätz bezeugte nicht nur einen besondern Unwillen darüber; daß Adgandester sein hohes Ampt mit einem solchen Schandflecke besudelt hätte / sondern versprach auch seinem Könige hiervon umbständlichen Bericht zu erstatten. Der Cattische Hertzog aber ließ Adgandestern andeuten / daß er noch für Sonnen-Schein Mattium / und für Ablauff dreyer Tage das Cattische Gebiete räumen solte; welchem er denn mit so grosser Ungeduld als Schande gehorsamen muste. So schlipfrich sind die Wege der Boßheit. Sie gehet zwar eine Weile auf Rosen / aber im Gewissen fühlet sie doch ihre Dornen / und endlich geräthet sie auf den Mist-Hauffen der Unehre.


Diese Verwickelungẽ des Cattischen und Cheruskischen Hauses hinderten gleichwohl den klugen Feldherrn nicht das heilsame Friedens-Werk zwischẽ dẽ Römern und Sicambern fortzutreibẽ. Er hatte nicht nur durch den Grafen von Windisch-Grätz zuwege gebracht / daß Germanicus den Lucius Apronius zu dem Ende nach Mattium schickte; sondern er benam auch durch des Grafen von Schwalenberg vernünftige Erläuterungen dem Hertzoge Melo allen Argwohn; daß man mit ihm das gemeine Spiel der Bund-Genossen /da nemlich etliche den Kopf bey Zeite mit ihrem Vortheil aus der Schlinge ziehen / und dem letztern die Last und den Verlust des Krieges auf dem Halse lassen / zu treiben gemeynt wäre. Nach welchem auch Melo den Grafen von Hammer-Stein zur Friedens-Handlung nach Mattium geschickt / der Feldherr aber alle wegen des Vorsitzes / der mangelhaften Vollmachten sich ereignende Schwerigkeiten aus dem Wege geräumet / denen Bothschaftern des Königs Marbod und Hertzog Ariovistes beweglich zugeredet hatte: Sie möchten doch als Deutsche diesem Feuer /welches halb Deutschland schon eingeäschert hätte /und in welches Argwohn und Zwytracht zeither so viel Oel und Schwefel gegossen hätte / allen Zunder zu entziehen trachten. Sintemal sichs zwar in Irrgarten des Krieges leicht eingienge; schwer aber heraus zu finden wäre / und die Ausländer in ihrem Hertzen über die Einfalt der streitbaren Deutschen lachten; daß sie so wenig sich ihres Vortheils zu gebrauchen wüsten / und durch unaufhörliche Mißverständnüsse bey ihrer Tapferkeit Feinde ihrer eigenen Wohlfarth würden. Ob nun zwar Apranius nunmehr den Bogen ziemlich hoch spannete / nun nicht nur von dem Hertzoge Melo die Wieder-Abtretung des Ubischen Altars / sondern aller über dem Rheine gelegenen Orte / von dem Hertzoge der Chauzen aber das der ins Meer flüssenden Emse gegenüber liegende Eyland Burchanis verlangte / so hielt doch der Feldherr ihm ein / daß diß alles wider den mit den andern Deutschen Fürsten getroffenen Frieden lieffe / welche wenn die Römer etwas über das Ubische Altar / ja gar biß an die Emße / also weit über den Rhein festen Fuß zu setzen begehrten / solches allen einen Floch ins Ohr / und in grosses Mißtrauen gegen die Römer versetzen würde. Nichts aber wäre gefährlicher / als nicht Maaß zu halten wissen. Deñ hierdurch würden auch die heilsamstẽ Dinge zu Gifte. Rom hätte in weniger Zeit so viel in der Welt gewonnen / welches sie unmöglich behalten könten / wenn es nicht durch den Frieden berasete; welches die Könige zu Babylon durch das Sinne-Bild ihres mit einem Pfluge [723] gekrönten Zepters angedeutet hätten. Hingegen weil der Graf von Hammerstein wegen seines Hertzogs wegen des Ubischen Altars so feste hielt; stellte er ihme die der gantzen Welt schreckliche Macht der Römer für Augen / welche niemand / als das Verhängnüß aufzuhalten mächtig /also selbte zu thä en Thorheit / ihr aber auszuweichen Klugheit wäre. Es wäre viel rathsamer etwas weniges als alles / und rühmlicher etwas mit gutem Willen weggeben / als ihm mit Gewalt abdringen lassen. Denn jenes würde für eine Großmüthigkeit gelobt /dieses aber machte als eine Schwachheit verächtlich. Müßten doch Fürsten ihren Unterthanen offt etwas willigen; und der Römische Rath hätte sehr klüglich dem Kriegsheere ihren Sold als eine Freygebigkeit ausgesetzt; da sie die Unmögligkeit ihrer Bürger sahen von eigenen Mitteln zu kriegen. Hingegen wäre es eine grosse Unvernunfft die in Händen habende Glückseligkeit des Friedens wegwerffen / umb sich mit künftigem Elende des Krieges zu armen. Die Begierde viel zu gewinnen / oder seine Hertzhaftigkeit zu erweisen strieche dem Kriege zwar eine schöne /die Erfahrung aber eine sehr heßliche Farbe an / sein Glücke wäre immer zweifelhaft / seine Beschwerligkeit aber gewiß / und auch dem Sieger selten vortheilhaftig. Denn vergrössert gleich ein Fürst sein Gebiete / so vermindert er doch sein Volck; nähme er gleich mehr Städte ein / kriegtẽ doch seine weniger Bürger; würde er an Unterthanen reicher / so würden doch diese ärmer / die gemeinen Kasten erschöpft / die Beschwerden erhöhet / das Armuth gedrückt / die Gesetze geschwächet / also daß der mit so viel Siegen prangende Hannibal doch endlich gegen dem glücklichen Scipio hätte bekennen müssen: daß ein gewisser Friede ungleich besser / als ein ungewisser Sieg wäre. Diesemnach die alten Könige aus einem besondern Geheimnüsse und zu ihrer Lehre / daß ihr fürnehmstes Absehn der Friede seyn solte / bey ihrer Krönung mit dem Oele desselben Baumes wären gesalbet worden /welcher des Friedens Sinnen-Bild wäre. Nachdem auch unterschiedene vorhin aufgeworffene Vorschläge von ein oder dem andern Theile verworffen wurden /schlug der Feldherr als ein Friedens-Mittel für; daß die Römer zwar das Ubische Altar wieder beko en /aber über den Rhein keine Brücke zu bauẽ berechtigt / hingegen dessen Zugehörunge die nur eine Meile darvon auf einem gähen Felsen liegende Festung Gottesberg und Bröl / wordurch jenes genungsam im Zaume gehalten werden könte / dem Hertzoge Melo verbleiben solte. Das erste und letztere hatte Hammerstein schon eingewilligt / und ob er zwar wegen Gottesberg grosse Schwerigkeit machte / sonderlich / weil die Römer schon darauf den Mercur ein Altar und Heiligthum gebaut hatten; so wäre man dennoch allem Vermuthen nach darüber noch eins worden; wenn nicht über alles Vermuthen Hammerstein vom Hertzoge Melo und Apronius vom Germanicus wären befehlicht worden / sich ohne einige Säumung nach Siburg zu erhebẽ. Dem Feldherrn und den andern deutschen Fürsten kam diese Abforderung sehr verdächtig für / sonderlich / da Germanicus bereit zu Meyntz ankommen war / und Cäcina mit drey Legionen schon an der Mosel stand / und ihrer noch mehr von der Maaß gegen das Ubische Altar im Anzug waren. Dieser Verdacht aber vergrösserte sich noch mehr / als wenig Tage hernach der Graf von Wertheim berichtete / daß Hertzog Ganasch auf seinem Rückwege wieder an der Rohr mit Segesthen und Cariovalden vereinbart / und sie drey ihren Weg nach Siburg genommen hätt? Daselbst hin wäre er ihm nachgefolgt / und ob er ihm zwar Sentiens und Adgandesters Schreiben / wie auch den gefangenen Bataver überliefert / und ihn der beständigen Freundschafft von dem [724] Cattischen Hause versichert hätte / wäre er doch sehr schlecht empfangen und kaltsinnig beantwortet; ja folgenden Tag der Bataver loß gelassen /und er beschieden worden: Er dörffte keiner Antwort erwarten / noch sich in Siburg länger aufhalten. Sintemal der Hertzog Ganasch in denen überbrachten Nachrichten allerhand Bedenckligkeiten gefunden /den Bataver aber für einen Wahnsinnigen erkennet /wegen Adelmundens aber / die er nicht mehr für seine Tochter erkennte / wider iemanden zu verfahren / oder Rache auszuüben keine Ursache hätte. Wie er nun nicht hätte begreiffen können; daß ein Vater auf solche Art seine angebohrne Liebe ausziehen / und gegen die / welche ihm durch sie so grimmig ans Hertz gegriffen hatten / unempfindlich seyn könte; ja ihm daselbst Melo und andere Grossen in allem Thun als Rätzel vorkämen / derer Absehn er nicht zu errathen wüste; also hätte er hernach ausgeforschet; daß Adgandester sich ins geheim beym Hertzoge Melo aufhielte / und des Nachts etliche mal mit dem Chauzischen Hertzoge / Segesthen und Cariovalden geheime Unterredung gehalten hätte. Hertzog Arpus beklagte numehr / aber zu spat / daß er wider des Feldherrn treues Einrathen Adgandestern an seinem Hofe gelitten / und so viel zu Schaden enträumt hätte. Sintemal freylich Fürsten dißfalls / wenn sie so schädliche Sterne nicht ausleschen können / solche vom Leibe zu halten und es der Natur nachzuthun haben / welche den schädlichsten Irr-Stern am weitesten von der Erde entfernet hat. Der Feldherr aber sahe noch ferner hinaus / nemlich daß der rachgierige Adgandester alle seine Künste anwenden würde die Römer mit den Sicambern zu vergleichen / denen Cheruskern und Catten aber den Krieg wieder auf den Hals zu werffen. Daher er dem Grafen von Windisch-Grätz aufs neue anlag / er möchte doch seinen König bereden; daß /da er Adgandestern ja nicht seines Verbrechens halber straffen wolte / ihn doch nicht mehr zu einiger Bothschafft gebrauchen / und selbten nicht allerhand Zwitracht anspinnen lassen möchte. Er rieth auch dem Hertzoge Arpus / daß er den Grafen von Wertheim Vollmachten bey dem Friedens-Wercke der Catten Anlegenheiten zu beobachten nach Siburg schickte /und er selbst fertigte auch den Grafen von Nassau dahin ab. Dieser war kaum dahin kommen / als er erfuhr: daß die Römer das Bild und das Ubische Altar des Käysers Augustus mit Belieben des Hertzogs Melo wieder aufrichteten / und daß selbiger Festung ein neuer Nahme nemlich Bonn gegeben werden solte / Nassau und Wertheim schickten umb die eigentliche Wahrheit dessen zu erkundigen zwey ihrer Edelleute dahin / welche denn mit eigenen Augen zu sehen bekamen; wie das von den Deutschen zerstörte Altar bereit von Marmel erbauet war / und man über einem herrlichen Bogen arbeitete / darunter des Käysers Bild gesetzt werden solte / welches den Tag hernach auf einem güldenen Sieges-Wagen von Trier durch etliche Römische Priester zu dem Ubischen Altare gebracht ward. Es war aus Ertzte gegossen / hatte auf dem Haupte einen Krantz mit Strahlen und Sternen / und in der Hand den Blitz wie Jupiter. An dem Fusse stand: Gallien dem Gott Augustus.


Diese Nachricht beredete den Grafen Nassau und Wertheim / daß der Römische Friede mit dem Hertzoge Melo und Ganasch unter der Hand so gut als geschlossen seyn müste; weil man zumal alle Handlungen für ihnẽ aufs sorgfältigste verbarg / ihnẽ auch der Ritter Warsperg in Vertrauen eröffnete / daß Adgandester und Cariovalda selbige Nacht zum Germanicus / welcher den Tag vorher nach Coblentz kommen wäre / sich aufgemacht hätten / und von dar gar nach Rom reisen würden. Beyde Grafen berichteten diß nach Mattium / [725] allwo der Feldherr und Arpus schlüssig wurden / ihre Besatzungen am Rheine zu verstärcken / auch ihre Macht dahin zu ziehen. Damit nun dieses so viel weniger Mißtrauen erwecken möchte /verfügten sie sich nach Embs am Lohn-Flusse / umb daselbst zum Scheine sich der gesunden warmen Bäder zu gebrauchen / in Wahrheit aber an diesem nur zwey Meilen von Coblentz gelegenen Orte auf den Germanicus ein wachsames Auge zu haben. Von diesem Orte schickten beyde Hertzoge den Grafen von Tenckelnburg und Ordnungen nach Coblenz den Germanicus allda zu bewillko en und auf eine Hirsch-Jagt einzuladen / hierbey aber sein Vorhaben alldar zu beobachten. Diese berichteten bey ihrer Wiederkunft /daß selbige vom Drusus zu erst angelegte Festung mit Römern so angefüllt wäre / daß ihrer viel unter Zeltẽ übernachten müsten. Unter diesen arbeiteten ihrer etliche tausend an einer steinernen Brücke über die Mosel; andere aber baueten umb die Stadt eine Mauer mit vielen Thürmen. Wie bedencklich nun gleich dieses / und sonderlich / weil Hertzog Melo alles so ruhig geschehen ließ / beyden Hertzogen vorkam; so liessen sie doch gegen dem drey Tage hernach zu ihnen kommenden Germanicus den wenigsten Argwohn mercken / als wordurch offtmals eine Feindschafft bey denen / die nie daran gedacht hätten / erwecket wird. Sie thäten ihm alle ersinnliche Ehre an /unterhielten ihn vier Tage nacheinander mit Jagten /in welcher über vierhundert Hirsche geschlagen wurden. Germanicus betrachtete hierbey die zwey harte an dem Lohn-Strome entspringende warme Brunnen /wie auch den eine halbe Meile davon gelegenen Sauer-Brunnen; wunderte sich aber über nichts mehr /als daß mitten in der Tieffe des Lohn-Flusses ein starckes heisses Quell daselbst empor drang. Bey dieser Lust ward weder auf ein noch dem andern Theile an einige Staats-Sachen gedacht / ausser daß beyde Hertzoge ihn den geschlossenen Frieden treulich zu unterhalten versicherten / und zuletzt Hertzog Herrmann beym Abschiede bat; er möchte durch einen billigen Frieden mit den Sicambern und Chaucen die völlige Vertrauligkeit zwischen den Römern und Deutschen verneuern. Sintemal der Krieg ein solcher Brand wäre / daß dessen Flug-Feuer leicht die allerfriedlichsten Nachbarn mit anstecken könte. Weil sie nun ohne diß die letzte Stallung mit allem Fleisse nur eine Meile von Coblentz angeordnet hatten / begleiteten sie den Germanicus biß an den Rhein / umb unter diesem Scheine der Ehren der Römer Vorhaben zu Coblentz selbst desto füglicher in Augen-Schein zu nehmen. Germanicus ließ sich zwar des Abends mit Fleiß eine halbe Meile oberhalb Coblentz über den Rhein setzen; aber der Feldherr und Arpus ritten noch selbigen Tag den Rhein hinunter / in einem Jäger-Hause zu übernachten. Des Morgens für Tage befanden sie sich schon auf dem der Stadt Coblentz gegenüber liegenden Felsen und sahen / mit was Eiver die Römer wie die Ameisen über Befestigung selbiger Stadt beschäfftigt waren. Der Feldherr / nachdem er stillschweigende der Arbeit ziemlich lange zugesehen hatte / fieng an: Ich besorge / leider / daß dieser emsige Bau nicht nur der beyden hier zusammen rinnenden Flüsse / sondern gantz Deutschlandes Kap-Zaum seyn solle. Es scheinet aber / als wenn die Natur mit diesem Felsen den Catten schon einen Grund zu einer Gegenwehre geleget hätte. Daher riethe ich; daß Hertzog Arpus auf diesem Berg eine Festung anlegen solte / von welcher ohne grosse Müh den Römern eine Brücke über den Rhein zu bauen verwehret / und dem Germanicus der Compaß verrücket werden [726] könte. Hertzog Arpus antwortete: Dieser Ort wäre freylich wohl einer der allergelegensten / aber ihm wäre stets der Festungs-Bau sehr bedencklich gewest; denn man verriethe dadurch gleichsam seine eigene Schwäche den Feind von den Gräntzen abzuhalten. Die Deutschen aber hätten allezeit den Ruhm gehabt / daß sie wider alle Feinde in freyem Felde hätten stehen können. Festungen aber / so gut sie Kunst und die Natur verwahret hätte / könten / wenn der Feind Meister im Felde wäre / nicht austauern / sondern / wenn nicht Hunger oder Versehen sie öffnete / findete der Feind endlich einen güldenen Schlüssel darzu. Die schlauen Römer hätten auf dem Berge Taunus / an der Fulde /an der Lippe unterschiedene / und am Rhein alleine funfzig Festungen / als Fässel der deutschen Freyheit angelegt gehabt; nachdem aber die einige Schlacht wider den Quintilius Varus gewonnen worden / wären selbte in weniger Zeit gleichsam über Hals und Kopf übergegangen. Ihre Besatzungen und Bauständigkeit erforderten zur Kriegs- und Friedens-Zeit fast unerschwingliche Unkosten; verursachten; daß man sich mehr auf selbte als eigene Tapferkeit verliesse / und wenn der Feind einmal eine eroberte / hätte man ihm selbst einen solchen Dorn in Fuß gestochen / den man schwerlich heraus ziehen könte; und schiene es gleichsam / als wenn man seinem Feinde mit Fleiß ein Nest in eigener Schoß gebauet hätte. Diesemnach hätten die Lacedämonier niemals Sparta zu befestigen rathsam geachtet; und als einem die Mauren zu Athen gewiesen und gerühmet worden / hätte selbter geantwortet / daß eine so feste Stadt von Rechtswegen nur Weiber zu Einwohnern haben solte. Der Feldherr antwortete: Er würde keiner andern Gedancken seyn /wenn nicht die Römische Macht alles Gewichte anderer Völcker überstiegen / und in Deutschland den Saamen der Zwytracht eingestreuet hätte / daß selbter allem Ansehn nach nicht mehr auszurotten wäre. Diesemnach erforderte der Deutschen veränderter Zustand / daß sie nunmehr auch auf Vortheile ihrer Erhaltung vorsinnen müsten. Er selbst hielte von Festungen wenig oder nichts / durch welche ein verhaßter Fürst seine Unterthanen im Zaume halten wolte. Denn hierzu würde Klugheit und Sanftmuth erfordert; und wäre das Gemäuer darzu viel zu schwach / und die Furcht viel zu gefährlich; welche die Unwilligen nur verbitterter und halsstarriger machten. Auch wären sie in der Mitte eines Landes wider Feinde wenig nütze /und den Unterthanen verdächtig; wiewohl auch nicht selten eine einige wohl-verwahrte Stadt ein gantzes Reich erhalten / derselben Belägerung die Früchte vieler gewonnenen Schlachten zernichtet / und zu einer Schiffbruchs-Klippe des Feindes gedienet hätte. Allein an den Gräntzen wäre es der höchsten Nothwendigkeit an vortheilhafften Orten wenige aber gute Festungen zu haben / umb durch selbte die unversehenen Einbrüche zum wenigsten so lange aufzuhalten / biß man im Hertzen einer Herrschafft die Kräfften zusammen ziehen / dem Feinde daselbst die Stirne bieten / die Verwüstung des Landes verhüten / oder /da selbter sich vermässentlich in die Mitte eines Landes wagte / selbtem in Rücken gehen / und die Wiederkehrung abschneiden könte. Mit diesen Festungen hätte es auch gar eine viel andere Bewandnüß / als mit denen / welche man ins Feindes Lande zu Kap-Zäumen baute / welche / wenn der Feind das Feld räumen müste / rings umb niemanden hätten / der ihnen die Lufft oder das Wasser gönnte. Jene hingegen hätten sich auch in den eusersten Unglücks-Fällen [727] von dem Land-Volcke alles Vorschubs zu verstehen. Dahero die Römer bey Einnehmung eines neuen Landes desselben Festungen ihrer Mauren entblößet; wo ihre Herrschafft aber schon eingewurtzelt gewest / die Gräntzen befestigt hätten. Alle ihre Macht hätte mit so vielen der Stadt Carthago unterworffenen Ländern nicht so viel zu thun gehabt / als mit der einigen Stadt Carthago / als selbter gleich alle Federn ihrer Macht ausgerissen / und alle Spann-Adern verschnitten gewest wären. Ein Feind würde sich auch so leichte nicht an ein Land reiben / wo er so viel harte Nüsse der von Natur oder Menschen gebauten Festungen aufzubeissen / und ehe an den Steinen als Schilden ihm die Stirne zu verstossen hätte. Dahero Käyser Julius in Hispanien die Einwohner des Berges Herminius die Fläche / die zwischen ihren Sümpffen befestigten Menapier auf der Ubier Anhalten in Gallien über dem Rheine / Augustus die Asturier gleichfals auf ebenem Lande eine neue Wohnung zu erkiesen gezwungen hätte. Hertzog Arpus versätzte: Würde dieser unser Festungs-Bau nicht aber den mißträulichen Römern ein Dorn in Augen / ein Merckmaal unsers Argwohns / oder nach dem mit den Sicambern geschlossenen Frieden nicht ein scheinbarer Anlaß zum neuen Kriege seyn? der Feldherr begegnete ihm: durch dis / was man zu seiner Beschirmung fürnähme / fügte man niemandẽ kein Unrecht an / außer diesem aber gäbe es keine rechtschaffene Ursache des Krieges. Und wie könte von Römern die Bewahrung der Gräntzen / sonder daß hierüber nichts widriges verglichen worden / übel aufgenommen werden / da sie selbst gegen über den Anfang machten. Vorhin hätten die Römer den Jupiter Elicius auf eine besondere Weise angeruffen / daß er doch den Rhein und die Donau als die Vormauern des Römischen Reichs durch lange Trockenheit nicht versäugen / oder durch grosse Kälte zu gefrieren lassen wolte. Ja sie nahmen solches für eine Dräuung der erzürnten Götter an /welche sie mit diesen tieffen Flüssen gleichsam verließen / und denen Deutschen in Gallien / Noricum und Pannonien einzubrechen den Weg bähneten. Dahingegen die Ergießung dieser Ströme für eine Gnade der Götter und ihre Sicherheit durch Opffer erkennet worden wären. Wie solten denn die Römer von den Deutschen die Verwahrung des Rheines / daß sie daselbst nicht überfallen würden / übel aufnehmen? Vorhin hätten die Römer Deutschland über dem Rheine eine neue und unbekandte Welt genennet; warumb solten sie nun die Schlösser dieser Geheimnüsse mit schälen Augen ansehen? Die Römer pflegten auch bey Friedens-Zeiten keinen gewaffneten Deutschen über den Rhein oder die Dohnau zu lassen / ja denen Reisenden sie stets begleitende Gefärthen aus bloßem Mißtrauen an die Seite zu stellen. Wie möchten sie nun den Deutschen verargen / daß sie so mißträulichen Leuten wenig trauten / und auf ihrer Hut wären. Also dörffte das schon alt wordene Mißtrauen der Römer nicht erst aus diesem Festungs-Baue jung werden. Wenn es nun den Römern in Sinn kommen wäre zu kriegen / würde es ihnen niemals an scheinbarem Vorwandte mangeln / ob sich die Deutschen schon noch so friedlich hielten / und diese Festung ungebauet bliebe. Vielmehr würde diese Gegen-Verfassung darzu dienen / daß die Römer weder an der Deutschen Vorsicht noch Vorsatze ihrer Gewalt auf allen Fall zu begegnen zu zweiffeln hätten. Hertzog Arpus ließ ihm diesen Rath allerdings gefallen / ließ noch selbigen Tag seine Baumeister verschreiben / und nach wenig Tagen den Bau ausstecken / Steine / Kalck / Ziegeln und andern Zeug mit allem Ernste zuführen. Dahero denn sich beyde Hertzoge nebst etlichen andern [728] Fürsten sich von Embs wieder dahin verfügten. Nach dem nun der Feldherr den ersten / Hertzog Arpus den andern / und jeder Fürst einen Stein zum Grunde gelegt hatte / ward der Bau durch etliche hundert Bau-Leute / wobey drey tausend Cattische Kriegs-Leute handlangten / und die Gewehre stets zu Beschirmung dieses Baues an der Hand hatten / eyfrig befördert und diese Festung vom Arpus dem Feldherrn zu Ehren Herrmannstein geneñet. Germanicus war inzwischen wieder nach Meyntz gereiset / weil die Römer und Sicambrer nunmehr selbst gestunden / daß zwischen ihnen ein Stillestand getroffen wäre. Von dar schickte er den Pedo an Hertzog Arpus nach Embs / umb sich zu beschweren / daß gegen Coblentz den Römern durch einen neuen und den Deutschen ungewöhnlichen Festungs-Bau eine Prille für die Nase gesätzt würde / da doch er den geringsten Anlaß zu einigem Mißtrauen nicht gegeben hätte. Hertzog Arpus empfieng den Pedo aufs höflichste / und beantwortete ihn: daß kein gegenwärtiges Mißtrauen / sondern der Römer eigenes Beyspiel und sein Ampt / welches ihm zur Zeit des Friedens auf Krieg zu dencken aufbürdete / ihn zu diesem Baue veranlaßt hätte / mit der Versicherung; daß so lange die Römer den geschlossenen Frieden halten würden / diese Festung kein Zeug-Hauß der Waffen / sondern ein Tempel der Eintracht seyn solte. Germanicus / weil er weder Recht / noch bey unausgemachtem Frieden mit den Sicambern genungsame Kräfften diesen Bau zu verwehren hatte /muste selbten nur geschehen lassen; Hingegen aber kam er selbst von Meyntz wieder nach Coblentz / besahe von dem Altare des Bacchus den Rhein-Strom hinunter / und baute gegen dem in den Rhein sich ergießenden Lohn-Fluße gegen über an den Ambiativischen Flecken eine neue Festung; worzu er gleichfalls den ersten Stein zu einer von seinen Sternsehern mit Fleiß ausgesehenen Zeit legte / gleich als weñ so wol die Geburts-Stunden der Festungen als der Menschen dem Glücks-Einflusse der Sternen unterworffen wären. Denn ob zwar Germanicus vorher wenig von den Wahrsagungen der Sternseher gehalten / und offtmahls gesagt hatte: diese Kunst wäre eußerlich wol anzusehen; inwendig aber wäre so wenig an ihr / als an dem vom Prometheus Jupitern geschenckten Ochsen / welcher auswendig eine schöne Haut gehabt hätte / inwendig aber mit Heu und Stroh wäre ausgestopfft gewesen; so hatte ihn doch des Tiberius Gemeinschafft mit Aberglauben nach und nach auch eingenommen. Denn wie man in Mohren-Land nicht wohnen kan ohne schwartz zu werden / also nimmt man durch Gewonheit endlich die Sitten derer an / mit welchen man lange umbgehet. Ja der Mensch ist ins gemein sinnreich etwas zu erfinden / umb sich selbst zu betrügen. Germanicus ward in seiner Meinung zugleich bestärckt und in seinem Hertzen dadurch erfreuet / daß die Werck-Leute den ersten Tag daselbst einen Stein ausgruben / auf dessen einen Seite zwey männliche Geburts-Glieder kreutzweiß / auf der andern diese Worte gegraben waren:


Wer hier den Grundstein legt / und diesen aus läßt graben

Wird einen Sohn allhier / Rom ihn zum Käyser haben.


Germanicus legte das erste für ein Zeichen der männlichen Tapfferkeit aus / welche an diesem Orte ausgeübt werden würde. Welch Sinne-Bild der Hertzhafftigkeit die Griechen und Römer Zweifelsfrey vom Sesostres entlehnet haben / welcher in allen sich tapffer haltenden Städten Bilder der männlichen / in allen ohne Gegenwehr übergehenden der weiblichen Geburts-Glieder aufrichten ließ. Die Reime laaß Germanicus etliche mal; Ob [729] selbte nun zwar zweydeutig waren / ob er oder sein Sohn die Käyserliche Würde überkommen würde / so ließ er doch aus besorgter Eyversucht diesen Stein alsbald wegtragen und selbten so wol verbergen / als den Ruff davon durch ein scharffes Verbot gegen denen / die ihn gefunden hatten / verdrücken. Gleichwol aber gelobte er der Eugeria / Fluonia / Alcmena / dem Vitumnus Sentinus und andern Geburts-Göttern allerhand Gelübde / ließ auch nach etlichen Monaten seine schwangere Gemahlin Agrippine an diesen Ort kommen; An welchem sie ihm einen Sohn gebahr / welcher von Kriegs-Leuten nach der Zeit Caligula genennet / und nach des Tiberius Tode an seine Statt Käyser ward. Es ist nicht zu sagen / was Germanicus und Agrippina über dieser Geburt für Vergnügung im Hertzen empfunden / das Römische Heer aber für Frolocken ausließ. Denn ob zwar er schon zwey Söhne Nero und Drusus im Leben hatte / war doch dieser neugebohrne wegen der Wahrsagung / und weil er Agrippinens neundtes Kino war /der liebste. Und Käyser August selbst schrieb seiner Enckelin Agrippine; Er wünschte bald ihren im Lager gebohrnen Sohn an statt ihres abgebildeten ältesten verstorbenen Sohnes zu küssen / dessen Bild Livia in Gestalt des Cupido der Capitolinischen Venus gewiedmet / der Käyser aber in seinem Schlaff-Gemache verwahrt hatte / und / so offt er hinein kam / es küssete. Maßen er denn auch zu Rom seinen vernommenen Nahmen alsbald durch den Schatz-Meister in dem Tempel des Saturn in die Bücher eintragen ließ / eine gantze Woche lang so wol / als Germanicus am Rheine / der Göttin Juno zu Ehren eine freye Taffel hielt /ihr zu Liebe ein goldgestücktes Bette aufsätzte / in ihren Schatz tausend mit der Uberschrifft der Fruchtbarkeit neu-gepregte Müntzen aus Golde einlegte /dem Rathe und Volcke ein Gastmahl ausrichtete / allerhand Spiele hielt / und in allen Tempeln für dieses Kindes Glückseeligkeit beten ließ / das Kriegs-Volck hieng wie Germanicus an seinem Hause / an allen Zelten Kräntze von Lorber-Zweigen und Epheu aus /gleich als wenn einem jeden selbst ein Sohn gebohren wäre. Sie drängten sich umb das Hauß der Kindbetterin / aus Begierde sie und ihren neuen Sohn zu sehen /ungeachtet sie sich hernach reinigen musten / weil die Häuser der Kinder-Gebährenden so wol zu Rom als zu Athen viertzig Tage für unrein gehalten wurden. Sie brachten dem Kinde eine grosse Menge Bilder des Priapus mit Knobloch umbwunden wider die Zauberey und Wechselbälge. Uberdis ließ es drey grosse steinerne Altare an dem Ufer des Rheines aufrichten /und in das mitlere eingraben: Wegen Agrippinens Genesung; ins andere: Agrippinens Fruchtbarkeit; ins dritte: des Cajus Glückseeligkeit. Agrippina hob dieses Kindes mit auf diese Welt gebrachte Haut als einen grossen Schatz auf / und sagte / daß sie an seinem andern Geburts-Tage / wordurch sie die Zeit seiner erlangten Herrschafft verstand / es damit krönen wolte. Sie ließ es mit eitel köstlichen Balsamen waschen / die Erde / darauf sie es zum ersten mahl stellen und es dem Germanicus aufheben ließ / mit vielerley Blumwercke bestreuen / es in eitel Purpur-Windeln / welche hernach den Priestern zukamen / einwickeln / und als es am neundten Tage nach der Geburt mit Staub und Speichel gereiniget und eingeweihet ward / ließ sie auf dem Opffer-Tische Lucinens ein Feuer von eitel Zimmet und Sandel-Holtze brennen und dem gantzen Kriegs-Volcke ein Mahl ausrichten.[730] Sie zündete hundert grosse Wachs-Kertzen / und hieng einer jeden einen Nahmen an. Weil nun die /welche den Nahmen Cajus führte / am längsten brennte; ward ihm dieser Nahme zugeeignet. Agrippine steckte über dis eine eichene und pappelne Gärthe in die Erde / und weil beyde in wenig Tagen beklieben und aussprosseten / beredete sie sich festiglich / daß aus ihrem Sohne nichts wenigers als ein Herr der Welt werden könte. Sie gelobte der zeugenden Venus in Rom eine Seule / Dianen ihren mit Perlen und Edelgesteinen gestückten Gürtel / Hecaten opfferte sie ihren liebsten Hund / Lucinen eine weisse Kuh / und ein paar Zwilling-Lämmer. Germanicus ließ zu Rom im Tempel des Hercules seines neuen Sohnes Schutz-Geiste ein Altar bauen / und dem Glücke eine Seule einweihen / den Parcen Kräntze winden / die Wächter des Hauses / in welchem Agrippina lag / giengen alle Nächte unzählichmal mit einem gekrönten Esels-Kopffe darum den Sylvan zu vertreiben.

Hierüber gieng eine gute Zeit hin / und nachgehends war Germanicus theils mit den Chaucen und Sicambern / theils mit dem Käyser und Tiberius wegen des Friedens und anderer geheimen Anschläge wider die Catten und Cherusker / der Feldherr und Arpus aber mit andern Anstalten beschäfftigt. Denn das gemeine Wesen und die Herrschafft gleichet einer Uhr. So wol jene als diese kan nicht ohne Unruhe seyn. Es giebt immer was damit zu thun / und wenn sie einmahl stehet / ist mit ihrer Nachricht ihr gantzer Nutzen verrücket.

Innhalt des Fünfften Buches
Innhalt
Des Fünfften Buches.

Agrippine / Thußnelde / Erdmuth und ander Frauenzimmer kommen beym Schwalbacher-Sauerbrunnen zusa en. Ein Barder beschreibt selbten. Ariovist der Alemänner Hertzog ko t dahin. Sie ziehen in den denen Barden zum Heiligthume erkieseten Garten. Ein Barde lehret aus Garten-Gewächsen die gantze Herrschens-Kunst. Als Ariovist seinen Edelknaben Ehrenfried bey den Barden einweihen lassen wil /wird Ehrenfried für den Sohn / Zirolane für die Tochter des Gothanischen Hertzog Gottwalds und Hedwigens der Bojischen Princeßin / der Barde aber für den Hertzog Gottwald erkennet; worüber dieser für Freuden stirbt. Weil Zirolane den Ehrenfried inbrünstig umbarmet und küsset / wird Rhemetalces aus Irrthum eyversichtig und reitet im Zorne davon. Weil nun Siegesmund dis gegen ihn anthet / gerathen sie in scharffes Gefechte / darinnen Siegemund hefftig verwundet /aber von Barden geheilet wird. Dehnhof ein ander Barde erzehlet; wie Gottwald nach der vom Marbod erlittenen Niederlage der Bojen und König Critasirs Auszuge mit seiner Gemahlin [731] Hedwig über das Sudetische Gebürge gezogen / mit dem Hertzog der Marsinger und seiner Gemahlin Mechtildis / wie auch mit Reinharden der Burier Hertzoge Freundschafft gemacht; wie Hedwig / und ein paar Tage darnach Mechtildis eine Tochter gebohren / eine davon aber in der Oder / als sie vom Priester abgewaschen wurden /ertruncken / die andere vom Volcke heraus gerissen und errettet worden sey / wie bey der Ungewißheit /welche lebend blieben / Hedwig und Mechtildis mit einander in Streit gerathen / für Gerichte kommen /sie sich aber mit einander verglichen hätten / sie beyde für ihre Tochter zu halten; wie selbte am Marsingischen Hofe unter Zirolanens Nahmen blieben /weil nach überrumpelten Semnonern / erschreckten Marsingern / überwundenen Lygiern Marbod wider den Gottwald / welchen die Gothonen und Estier wider seine Schwester Marmeline zum Hertzoge aufnahmen / auf Anstifftung Marmelinens / in die er sich verliebt einen mächtigen Krieg angefangen / ihn bey der Weichsel geschlagen / und Godanium erobert /aus welchem sich Döhnhof mit der Fürstin Hedwig und ihrem neugebohrnen Sohne geflüchtet; in Godonium aber Gottwald erschlagen seyn solte; allwo ihm Marbod / wie auch Radziviln ein Grabmahl aufgerichtet / und mit Marmelinen Beylager gehalten habe. Döhnhof und die Hedwig kommen in die Festung Pillau / welche aber stürmender Hand übergeht / und Hedwig im Sturme ritterlich fechtende erschlagen wird. Döhnhof bringet gleichwol Gottwalds Sohn auf die Insel Glassaria davon / errettet den daselbst scheuternden Hertzog Gottwald; wird aber von dem dahin kommenden Marbod in der Gestalt eines Agstein-Fischers mit nach Gedanium genommen / allwo dem Marbod und Marmeline viel Ehrenmahle / und insonderheit zwey von Deutschlande und der Ehre gekrönte Agsteinerne Bilder aufgerichtet werden. Der Fürstl. Personen Abend-Mahlzeit in dem Garten der Barden. Des Hertzog Gotthards Begräbnüs und Grabe-Schrifft. Döhnhof erzehlet seine Reise mit dem Ritter Ahlefeld von Godanium / welche an der Svianischen Kiste stranden / von dar zum neunjährigen Feyer nach Upsal reisen. Allwo in dem güldenen Tempel Hertzog Gottwald geopffert werden soll / aber wunderlich errettet wird. Dieser zeucht mit dem Svianischen Könige Erich wider die Norweger / welche sich wider seinen Bruder den König Roller aufgelehnet haben. Der Cimbern König Frotho verlieret wider sie seine Kriegs-Flotte / rettet sich zwar aufs Land / zeucht aber greulich den kürtzern. Endlich kommt ihm König Erich und Roller zu Hülffe. Torismund der neu aufgeworffene König erlegt den Roller /Erich den Torismund / und Hertzog Gottwald des Torismunds Feldherrn Harald. Hierauf folgt der Nordmänner völlige Niederlage. Die Finn-Märcker und Biarmier entfliehen / nach dem aber Erich und Frotho das Reich Norwegen getheilet / werden sie vom Fechter Argrim bekrieget / und vermählet ihm Frotho seine Tochter Osura. Döhnhof kommt an Cimbrischen Hof / findet daselbst den Hertzog Gottwald / welcher nach vergebens verhoffter Hülffe davon zeucht. Sie länden zu Treva an / ziehen durch Deutschland gegen Bojodun / ihnen wird aber im Gabretischen Walde der junge Gottwald mit Gewalt genommen. Sie kommen zu Cisara oder Augusta der Vindelicher an / und reisen mit dem Könige Critasir nach Bojodun / allwo aber Hertzog Gottwald nicht ruhen kan / sondern seinen Sohn im Gabretischen Walde vergebens suchet. Endlich kommen sie ins Taunische Gebürge in [732] Garten der Bardẽ / werden daselbst Bardẽ und Gottwald endlich oberster Priester. Hertzog Ariovist erzählet / daß Eudämon ein Griechischer Artzt die Fürstin Vocione durch ein Bad aus Menschẽ Blut / und folgends durch Einzöpfung ihres Blutes heilen wollen / viel Knaben und darunter auch den jungen Gottwald habe raubẽ lassen. Weil aber Vocione diese Cur verschmähet /wären alle Knaben loßgelassen / der junge Gottwald nach Cisaris geschickt / und / weil alldar seine Verlierer nicht zu finden gewest / an Vocionens und folgends an Ariovistens Hof genommen und wol erzogen worden. Sie ziehen alle wieder nach Schwalbach. Agrippina nach Meyntz / der Cheruskische und Cattische Hof nach Mattium / und mit diesen auch Ariovist / welcher daselbst den jungen Gottwald Fürstlich ausstaffieret / und Zirolanen seine Liebe eröffnet / welche / ob zwar alle und sonderlich Thußnelda dazu helffen / doch ihren Rhemetalces nicht lassen wil. Siegesmund wird wegen Thußneldens für Ariovisten gethane Hülffe ungeduldig / und reiset zum Segesthes /Ariovist aber voller Hofnung noch nach Hause. Adgandester grämet sich hierüber / macht / daß Germanicus und Marbod durch Gesandten Ariovisten Zirolanens Heyrath widerrathen / stiftet zwischen den Römern / dem Hertzoge Melo und Ganasch wider die Cherusker und Catten ein Bündnüs / und bringt zuwege / daß Melo die Stadt der Ubier dem Cäcina / Ganasch das Eyland Burhanis und den einen Einfluß der Ems einer Legion Römer einräumt. Worauf denn auf Adgandesters Einschlag Germanicus über den Rhein eine Brücke und am Meyne eine neue Festung zu bauen anfängt; der Römische Priester zu Meyntz auch ein Theil der Catten zu den Opffern und Spielen nach Meyntz zu dem Jupitern und dem August gebauten Tempel erfordert. Ob nun wol beydes der Feldherr und Hertzog Arpus durch den Grafen von Teckelnburg und Hohenstein hintertreiben wollen / können sie doch nichts erhalten / bis für dem Abschiede /weil Germanicus ins geheim durch einen ankommenden Freygelassenen des Käysers August Tod erfähret; welcher durch Liviens Gifft gestorben / und Tiberius ans Brett kommen war / nach Erzehlung eines Batavischen Edelmannes.

Fünfftes Buch
Fünfftes Buch.

Jedes empfindliches Ding in der Welt / besonders aber der Mensch / gleicht dem Magnet-Steine / welcher nach dem Unterschiede seiner Ecken seines gleichen bald an sich zeucht / bald gleichsam aus einer Eyversucht von sich stößt. Denn jener hängt das Hertze bald zur Gemeinschafft / bald zur Einsamkeit. Diese siehet er so denn an / als die erste Gefährtin der Warheit / als eine andere Wohnung der Morgenröthe /als einen [733] Friedens-Platz der Seele / und stille Freude des Gemüths / da man weder über anderer Unglücke lachet / noch über seinen Beleidigungen weinet. Da man von der Unruh der Welt nichts weiß. Da einem der Ehrgeitz den Tag nicht verkürtzet / noch der Kummer ihn verlängert. Da weder die Heucheley uns /noch unsere Unwarheit andere betreuget. Alleine dieser Zug kan in die Länge nicht tauren. Wir sind unserer selbst zeitlich überdrüßig. In einem Augenblick verwerffen wir unser Urthel / und noch geschwinder ändern wir unsern Willen. Die die Sonne überlauffende Zeit wird uns bey uns zu lange / und die uns kurtz vorher so schöne Einsamkeit machet uns ein abscheulich Gesichte. GOtt alleine findet seine Vergnügung in sich selbst / und gleichwol hat er zu derselben Erweiterung die Welt geschaffen. Wir Menschen aber sind nur Scherben von diesem grossen Leibe / und daher für uns selbst nichts vollkommenes / müssen also nicht weniger unsere Vergnügung als Ergäntzung außer uns suchen. Wir leben mehr anderen als uns; und wenn uns die zwey süssen Bänder der Liebe und Freundschafft mit andern nicht vereinbarten / würden wir für uns selbst wenig mehr als nichts seyn. Ohne unsere Liebe des andern Geschlechts würde die unfruchtbare Welt bald aufhören Welt zu seyn. Wenn man aber dem Menschen die Freundschafft nähme /würde es so viel seyn als die Welt der Sonne berauben. Denn in beyden bestehet ihr Leben / und also dörffen wir dieses fünfften Elements so nöthig als des Feuers und Wassers. Wenn die Freundschafft in der Welt alleine durchgehends unterhalten würde / wären keine Gesätze nöthig. Denn weil sie die Hertzen so vollkommen mit einander verbindet / würde niemals zwischen jemanden Zwist weniger Beleidigung seyn. Diesemnach ist sich nicht zu verwundern / daß je zärter eines Menschen Seele / je heftiger Zug der Gemein- und Freundschafft sie in sich fühle; und daß ein tugendhafft Gemüthe mit so grosser Sorgfalt sich mit seines gleichen zu vereinbaren bemühet sey. Denn zeucht doch aus einerley Erde der Weinstock den süssen / die Koloquinten den bitteren / Wolffs-Milch den giftigen / Zwiebeln den schwefelichten / die Nessel den brennenden Safft / und die Rhabarbar sauget aus unserem Leibe die Galle an sich. In einem geschüttelten Siebe sammlen sich gerne die Körner / und am Ufer des Meeres die Steine von einerley Art zusammen. Bey solcher Beschaffenheit war nicht zu wundern / daß nach dem Agrippine mit Thußnelden und dem andern Fürstlichen Frauenzimmer so verträuliche Freundschafft schon einmal angefangen hatte / sie beyderseits sich mit einander zu ersehen so grosse Begierde trugen. Denn weil ein Freund des andern bester Spiegel ist / und man sich in sich selbst nicht so als wie in dem Ebenbilde eines treuen Freundes siehet /ist die Ersehung wol unser bester Unterhalt / und die grösseste Erquickung der Freundschafft. Eines Freundes erblicktes Antlitz entzücket uns gleichsam als was göttliches. Denn ob zwar GOtt eigentlich unsere Seele zu seinem Bilde geschaffen / so hat er doch auch einen Strahl von seinem Glantze in unser Antlitz gepräget. Die Seele ist zwar durchs Geblüte in alle Glieder ausgegossen / aber nirgends sichtbarer als im Angesichte. In diesem lesen wir alle Geheimnüsse eines andern / und schöpffen daraus viel Vergnügung unsers Hertzens. Weil nun nach diesem sich Agrippina /Thußnelde / Erdmuth / Adelmunde / Ismene / Catta /Zirolane und anderes Frauen-Zimmer überaus sehnte /verfügten sich die Deutschen / der mit Agnppinen genommenen Abrede nach / so bald es das Frühlings-Wetter zuließ / nach Schwalbach zu dem Sauerbrunnen. Sie liessen ihre Ankunfft nach gemachter nöthigen Anstalt Agrippinen nach Meyntz alsbald wissen /welche sich auch wenig Tage darnach einfand. Bey ihrer Empfahung ward [734] nichts vergessen oder unterlassen / was so wol die Aufrichtigkeit ihrer gemachten Freundschafft als die Hoheit ihres Standes erforderte. Denn ob zwar den Deutschen gleichsam ein Mißtrauen gegen die herrschsichtigen Römer angebohren war / der Feldherr und Hertzog Arpus auch selbst dem Germanicus nicht allzu viel trauten / und daher auf alle seine Bewegungen ein wachsames Auge hatten /so nam sich doch dessen das Frauen-Zimmer nicht an / und Agrippine wuste durch ihre Offenhertzigkeit allen Verdacht von sich abzulehnen. Die Empfangung Agrippinens war vom Grafen von Hohensteine am Rheine Meyntz gegen über geschehen / das Frauen-Zimmer aber bewillkommte sie bey Schwalbach / von dar sie selbigen Abend auf das nahe darbey auf einem spitzigen Felsen liegende Schloß des Hohensteins begleitet / und von der Hertzogin Erdmuth ihr zur Wohnung übergeben ward. Alleine Agrippine wolte sich weder von Thußnelden / und anderm Fürstlichen Frauen-Zimmer / welches zur Ubernachtung anderthalb Meilen davon das Schloß Katzen-Ellenbogen erkieset hatte / trennen lassen / brachte es auch dahin /daß alle sich auf Hohenstein beysammen zu behelffen willigten. Sintemal die Einsamkeit das Ecbatanische Schloß und die Heßperischen Lust-Gärte in bängsamste Gefängnüsse / annehmliche Gesellschafften aber die finstersten Einöden in annehmlichste Lust-Häuser verwandelte. Daselbst brachten sie die halbe Nacht bey der Taffel und darnach mit vergnügten Gesprächen zu / gleichwol aber weckte sie früh ehe ihre Begierde einander zu umbarmen als die Sonne auf. Sie kamen also zeitlich nach Schwalbach / allwo die Sorge für die Gesundheit / mehr aber der Vorwitz eine grosse Menge Volckes versa let hatte / zwischen dessen Gedränge sie sich dem berühmten Weinbrunnen unter allerhand Urtheln und Lobsprüchen näherten. Viel der Zuschauer / welche so viel versammlete Schönheiten über einem Hauffen sahen / wurden gleichsam über ihrer Betrachtung versteinert / also /daß der Graf von Hohenstein / welcher vom Hertzog zu Bedienung Agrippinens befehlicht war / bey Wahrnehmung der begierigen Zuschauer / Schertzweise anfieng: Die Natur müste wol nothwendig eine Frau seyn / weil sie das Frauenzimmer für den Männern mit so vielen Schönheiten begabt hätte. Ein sich alldar befindender Barde fiel ihm ein / und sagte: Wolte GOtt! daß alle / die diese schöne Geschöpfe der Natur ins Gesichte bekämen / nicht das eine Auge mit Eitelkeit / das andere mit Begierde verblendeten / das Hertze aber mit Gifft ansteckten. Thußnelde nam dis an / als wenn der Barde die Schädligkeit des weiblichen Geschlechts damit anstäche / antwortete daher: Unreine Liebe kan die Güte unsers Geschlechts so wenig vergeringern; als die Speisen dadurch vergifftet werden / wenn gleich böse und ungesunde Leute davon essen. Der Barde versätzte: Es ist nichts reiner / nichts unschuldiger / nichts ehrlicher als die Liebe /so gar / daß die / welche nur wissen was Liebe sey /oder von ihr wol reden können / geliebt zu werden würdig sind. Aber diese muß dem Beyspiel der Bienen folgen / welche aus den Blumen Honig saugen sonder sie wie Spinnen zu beflecken / oder sich wie die aus Raute Gifft käuende Würmer zu beschädigen. Thußnelde begegnete ihm: Wir wissen / daß das weibliche Geschlechte so viel schädliches als die Wiesen Napell auf sich haben. Aber / wie kein Winckel des Erd-Kreisses / wo gleich die Angelsterne dem Menschen über dem Wirbel stehen / immer alles Lichtes beraubet ist; Also ist keine so böse Seele /darinnen sich nicht zuweilen ein Strahl der Tugend /wie in einem Schlacken ein Funcken guten Ertztes finde. Der Barde merckte nun allererst / daß seine Rede für eine Scheltung des Frauenzimmers und für eine Verdammung der zu selbtem tragender Liebe aufgenommen würde / daher brach er ein: Es [735] sind wenig Brunnen oder Kieselsteine / welche nicht Gold in sich haben / und kein schönes Weib / welches nicht mit dem Schatze ihrer Gaben einer reinen Seele durch ihre Beschauung und die Liebe den Weg bähne selbter zum Erkäntnüsse Gottes zu verhelffen. Aller Menschen insonderheit aber einer Frauen Antlitz wäre ein Spiegel GOttes. Denn weil das Angesichte ein Bild der Seele / diese ein Ebenbild GOttes ist / hat GOtt auch sonderlich jenem einen besonderen Strahl seiner Gottheit eingedrücket / und wie in dem einzelen Menschen als eine kleine Welt die Vielheit aller seiner Geschöpfe; also dem Antlitze den gantzen Menschen mit allen Sinnen / in die sich die Seele vertheilet / eingedrückt / also daß man dis nicht nur den kurtzen Begrief des Menschen / sondern einen Strahl von der Klarheit GOttes nennen kan / welcher ebenfals in seiner Einzelkeit die Vielheit aller Dinge beschleußt. Ja /sagte Thußnelda / aber wolte GOtt! daß alle Antlitzer die Krafft so gute Gedancken und Liebreitz zu erwecken; und alle Augen ein so unschuldiges Licht in sich hätten. Agrippine fiel seuffzende ein: Wolte vielmehr GOtt! daß GOtt in Menschen sein Ebenbild so / wie Phidias seines an den Schild der helffenbeinernen Minerva gefügt hätte / welches ohne Zerdrümmerung des gantzen Kunststückes nicht abgesondert werden könte! Der Barde antwortete Agrippinen: Allerdings hat GOtt sein Bild so unabsonderlich in Menschen gedrückt. Denn so bald er GOtt fängt an unähnlich zu werden / so bald hört er auf ein Mensch zu seyn. So ein grosses Wunder er von Anfang ist / so ein heßliches Ungeheuer wird er nach seiner Verstellung. Er ist zuerst dis auf Erden / was GOtt im Himmel / nemlich ein Herr über alles. Ihm zu Liebe hat GOtt die Erdkugel auf die Achseln des Abgrundes gegründet /umb selbte das Gewölbe des Himmels gezogen / sein blaues Dach mit Sternen besäet / die Fenster darin Sonn und Monde eröfnet / den Morgen und Abend mit Purpur / den Tag mit Golde / die Nacht mit Silber ausgezieret / und lässet durch eine annehmliche Abwechselung den gantzen Himmel an den zwey Angelsternen / wie an zwey unbeweglichen Wirbeln herumb. Ihn zu Gefallen hat er die Erde mit den Mauern der Gebürge unterschieden / mit Meer und Flüssen gewässert / mit Blumen und Kräutern gepflastert / mit unzehlbaren Thieren bevolcket / damit der Mensch als das Bild dieses allmächtigen Werkmeisters oder vielmehr als der andere GOtt / dem alle Geschöpfe dienen / für dem alle Thiere sich fürchten / dem die Natur zu Gebote stehet / in der Mitte dieses grossen Schauplatzes nur desto mehr zu beherschen habe. Wenn er aber durch Verlierung seines Verstandes / durch Mißbrauch seines Willens / nemlich durch sündliche Schwachheiten sich GOtt unähnlich macht / verwandelt er sich selbst in ein unvernünftiges Thier. Der Neid macht einen zum Hunde / die Arglist zum Fuchse / die Grausamkeit zum Löwen / die Hoffart zum Pfauen / die Geilheit zum Schweine. Agrippina fiel ein: Auf solche Art sind die Laster warhaffte Circen /welche Ulyssens Gefärthen / oder die grausamen Titanen / welche die Götter selbst in Thiere verwandeln. Auf diese Art glaube ich dem Pythagoras / daß die Seelen aus dem Menschen in Kühe / Katzen / Bäre /Vögel und Schlangen wandern. Hieraus lerne ich sein Verbot verstehẽ; daß man GOttes Bild nicht an einem Finger-Ringe tragen solle / umb solches nicht zu verunehren. Wolte nun GOtt / daß wir sein Bild nicht an uns selbst / die wir Siegel-Ringe Gottes sind / durch den Koth unserer Sinnen besudelten / oder gar vertilgeten! Der Barde fieng an: Welche schöne Merckmaale des göttlichen Ebenbilds sind solche Meinungen! Was für viel edlere Schönheiten der Seele sind unter den Schalen ihrer zierlichen Glieder beschlossen! [736] der Barde kniete hiermit für Agrippinen nieder /küssete ihr die Hände / und wolte solche Liebkosung gar bis zu ihren Füssen erniedrigen. Aber Agrippine wolte solches keines weges verschmertzen / hob diesen schneeweissen Greiß selbst auf / und sagte: Solche Ehre stünde nur GOtt / nicht Menschen zu? der Barde antwortete: Muß man nicht gegen die Bilder der Fürsten so grosse Ehrerbietigkeit bezeugen als gegen sie selbst? Eine solche Seele aber ist nicht ein schlechtes Bild / sondern ein lebhafter Spiegel GOttes / welcher nicht nur seine Aehnligkeit / sondern auch sein Thun nachbildet. Wolte GOtt! daß eitel solche Spiegel Gottes sich in diesem hellen Brunnen bespiegeln solten / und dieses flüssende Glaß so wol ein Mittel sich selbst zu erkeñen als eine Artzney wider so viel Schwachheiten des Leibes wäre. Denn itzt gleich kamen sie an den so genennten Weinbrunnen /welcher nahe bey der Müntzenbach unter einem Berge auf einer lustigen Wiese mit einem rauschenden Sieden entspringet. Er war mit einem steinernen Munde zierlich eingefaßt / mit darumb gepflantzeten Weinstöcken und darunter vermischten Rosen-Sträuchen umbgeben / also daß man unter diesem lebendigen Gewölbe für der Sonnen-Hitze beschirmet war / und die gleich reiffen Rosen bysamten die Lufft mit dem süssesten Geruche ein. Dieses Brunnes Adern sind überaus starck / sein Wasser an Farbe den Berg-Cristallen / die Kälte dem Schnee / sein Geschmack säuerlichem Weine / sein Geruch dem Berg-Kampfer und Agsteine gleich. Umb den steinernen Mund waren folgende Reimen eingegraben:


Nicht rühme Weinstock dich: daß Trauben nur und Reben

Weinbrunn und Quellen sind: hier quillet milder Wein /

Kein Wein-Gebürge bringt so grossen Vorrrath ein /

Als dieser edle Brunn nur einen Tag kan geben.

Weil Berg-Saltz-Vitriol / Stahl / Schwefel-Berg-Agstein /

Alaun und ander Marck in diesem Wasser seyn /

Und ihr vermischter Geist verlängert uns das Leben.


Der Wein scheint selbst fast ihm den Vorzug zu enthengen /

Weil er sein Wasser ihm so glücklich läßt vermähln /

Ja es scheint ohne dis dem Weine was zu fehln /

Wodurch Geschmack und Heil sich ihm pflegt zu vermengen /

Sagt: ob ihr nun nicht hier dem Brunnen unrecht thut /

Wenn ihr hier Wasser sucht? denn hier quillt Wein / nicht Fluth.


Agrippine war so begierig dieses Wasser zu schmecken / daß sie ihr nicht Zeit nam diese Reimen auszulesen / sondern sie schöpffte selbst mit einem Cristallenen Geschirre Wasser heraus / und hätte es auf einmal ausgetruncken / wenn sie nicht die Schärffe und das Kriebeln in der Nase sich zu mäßigen gezwungen hätte. Daher sie anfieng: Ich sehe wol / daß dieses Quell auch darinnen dem Weine überlegen sey / wenn sich jenes nicht mehr / als die Natur das Maaß geschätzt hat / trincken / dieser hingegen sich durch Ubermaaß mißbrauchen läßt. Sie sätzte aber bald wieder an / und sagte: Ich muß gestehen / daß dieser Brunn mit gutem Rechte den Nahmen des Weinbrunnen führet; weil sein Geschmack warhaftig weinlich schmeckt / hingegen man mich versichert hat / daß die Weinbrunnen auf dem Eylande Naxos / im Aquitanischen Gallien / in Hispanien nur deßwegen so heissen / weil sich ihr Wasser mit dem Weine so annehmlich vermischen läßt / der Brunn Lyncestis aber / weil er wie der Wein den Kopf ringlicht macht. Der Barde fiel ihr bey / und sätzte zu / daß da einig Sauerbrunnen mit dem Weine Verträgligkeit hätte / wäre es gewiß dieser / welcher eben so wol als der starcke Bruñ bey Lugdun dem Weine nichts an Geschmack benehme / wenn schon das vierdte Theil dieses Wassers darein gegossen würde. Agrippine / nach dem sie mit dem sämptlichen Frauen-Zimmer das dritte mal einen guten Zug gethan hatte / sagte: dieser nicht weniger annehmliche als gesunde Bruñ giebt ein herrliches Zeugnüs und Vorbild ab / daß die Ströme der göttl. Wolthaten unerschöpflich / insonderheit aber im Wasser am allerwunderwürdigsten / und unergründlich sind. Deñ welcher Mensch weiß nur [737] alle Wunder-Brunnen zu erzehlen / weniger die wahrhaften Ursachen zu ergründen; warumb in der Landschafft Hestiäobis alle aus dem Brunnen Ceron trinckende Schafe schwartz / aus dem Brunnen Melas weiß / aus beyden bund würden? Warumb im grossen Griechenlande die Bach Crathis wie Aliacmon in Macedonien dem Viehe eben eine weisse / Sybaris und Axius eine schwartze Farbe zueigne? Warum der Fluß Erithris denen daraus trinckenden den gantzen Leib häricht /der rothe Brunn in Mohren-Land unsinnig / der Aphrodisische Fluß Pyrrha unfruchtbar mache? War umb in Böotien ein Brunn ein gut Gedächtnüß / der andere Vergeßligkeit / in Cilicien die Bach Nun Scharffsinnigkeit / in dem Eylande Cea ein Brunn Blödsinnigkeit / bey Zama in Africa ein Quell eine helle Stimme verursache? Warum in Lusitaniẽ eine auf einẽ Berge liegende See mit dem stürmenden Meere zugleich schäume und brause? Warumb ein in selbigem Lande befindlicher und nur eines Fusses tieffer Brunn Aeste und alle darein geworffene Sachen verschlinge? Warumb der Brunn Navor nicht weit vom Ursprunge des Flusses Anas ein befleischtes Glied eines Thieres in einer Stunde biß auf die Knochen verzehre? Warumb in einem andern Hispanischen Brunnen / das Wasser oben süsse / unten beissend sey? Warumb der Cicycische Brunn des Cupido die Liebe vertreibe? die Wasser in Trözene Schäden in Schenckeln / ein Brunn bey Sustis die Zähne / in Egypten unterschiedene Wasser dem Vieh Haare /Hörner und den Huf / die Wasser der Carner und Taurisker meist kröpficht / ausfallend / und der Elitorische See Eckel für dem Weine machen. Der Barde fiel ein: Dieses Sees Wasser würde sich schwerlich mit unsern Wein-Brunnen vertragen / weil beyder Würckungen einander schnurstracks zuwider sind. Dem andern aber ist ein Brunn in Deutschland gegen dem Meere gleich / von welchẽ denen trinckenden in 2. Jahren ebenfalls die Zähne ausfallen. Jedoch hat sich Deutschland mehr von einer grossen Menge heilsamer / warmen- und Sauer-Brunnen / als so schädlicher Quelle zu rühmen. Wiewohl nun freylich niemand so genau in das geheime Buch der Natur sehen / und mit seinem Verstande die Eingeweide der Erde durchkriechen kan; so muß die wenig sorgsame Unwissenheit doch nicht alle Eigenschafft einem verborgenen Einflusse zuschreiben. Wir wissen ja / daß der Bauch der Erde mit allerhand Ertzte / Steinen / Saltze / Kupferwasser / Alaun / Schwefel uñ dergleichen kräftigen Dingen angefüllt / ja in der Natur nichts geringes zu finden sey / was nicht eine Artzney-Krafft / und mit einem gewissen Gliede eine Verwandschafft oder einen Zug habe; und daß Feuer und Wasser unter der Erde mit einander in verträulichster Eintracht leben /damit jenes alles beseele und bewege / dieses alles nähre. Wie nun so viel Flüsse / welche in Ertzt-reichen Gebürgen entspringen / viel Gold-Sand mit sich führen / welche durch Saltz-Gebürge lauffen / saltzig sind / etliche das Eisen gantz mit Kupfer überziehen /also haben auch Bäder und warme Brunnen einen solchen Zusatz / welcher wie die durch Kunst aus Ertzt /Alaun / Kampfer / Schwefel / Spieß-Glas bereiteten Artzneyen in den menschlichen Leibern eine kräftige Würckung haben muß; zumal die Natur in Ausarbeitung der Dinge die rechte Meisterin / Kunst aber nur eine Handlangerin ist. Wer nu die Kräfte dieser Dinge verstehet / kan unschwer schlüssen / daß alaunichte und stählichte Wasser wegen ihrer trocknenden Zusammenziehung der Wunden / kupfrichte den Augen /salpetrichte und saltzichte wegen ihrer Reinigung /wie sonderlich der Nil den unfruchtbaren und unsinnigen / schweflichte den Gichtbrüchtigen dienen / hingegen hartzichte thöricht / kupferwäßrichte niesend /und die Wolle schwartz machen / die steinichten und kalkichten [738] das Geblüte versteinern und die Eingeweide angreiffen / Quecksilbrichte Kröpfe zeugen. Wiewohl freylich die allernachdencklichsten gestehen müssen; daß sie nicht alle Mischungen der Natur und die nähesten Ursachen derer in Wässern steckenden Eigenschaften erforschen / sondern sich allein durch die Hand der Erfahrung leiten lassen müssen. Agrippina brach ein: Von was rühret aber eigentlich in diesen Brunnen die sauere Schärffe her? Der Barde antwortete: Etliche schrieben sie dem Kupfer-Wasser /andere diesem / und dem Alaun / nicht wenige dem Kupfer / dem Eisen / dem Berg-Saltze oder Schwefel zu. Alleine ob wohl die Sauer-Brunnen von diesen allen eine gewisse Krafft bekommen / so ziehen doch die säuresten ihren Geschmack vom Kupfer-Wasser /die gelinderen vom Alaun / die wenig schärffern vom Kupfer / und endlich vom Eisen. Die nach Weine schmeckendẽ Brunnen aber rinnen aus süssen / sauern und scharffen Adern zusammen. Agrippine begegnete ihm: Ich begreiffe zwar wohl / daß das die Gebürge durchdringende Wasser sich leichte mit denen Erd-Säften und aus Feuchtigkeit zusammen geronnenen Dingen / wie Alaun / Saltz / Berg-Saltz / Kupfer-Wasser / Schwefel / Hartzt und dergleichen sind /nicht aber / wie sie sich mit dem härtesten Ertzte aller Steine vermischen könne. Wenn Gold zwantzig und mehr Jahr im Wasser läge / oder in Marmel stünde /würde selbtem nichts abgehen. Der Barde sagte: Freylich ist die Vermischung des Ertztes schwerer als der Säfte / aber doch nicht unmöglich. Denn schmecket nicht das in Bley und Zien lange stehende Wasser darnach? Greifft der Essig nicht das Kupfer scharff an? Frißt nicht die Feuchtigkeit durch den Rost gar das Eisen? Läst der im Wasser abgekühlte glühende oder gefeilte Stahl nicht viel von seiner Krafft darinnen? Zudem sind die Metallẽ in ihren Adern nicht so dichte und harte / als wie die geschmeltzten; also daß sie nicht nur ihre Eigenschaften / sondern auch gar ihren Talg den Quellen mittheilen können. Uber diß dampfet aus ihrer Mutter stets ein metallischer Geist /welcher das durchdringende Wasser anmacht und ihnen mehr Krafft einathmet / als der Metallen-Staub /welcher sie auch trüber macht / beysetzt / also daß sie viel nachdencklicher und geschwinder würcken. Diese Geister siehet man in dem sehr klaren Wasser der starcken Sauer-Brunnen bey dessen Eingiessung empor steigen / eben wie beym Weine. Und von ihnen rühret so wohl in diesem / als einem an der Eger / am Necker / und bey Antoniach entspringenden Sauer-Brunnen das gewaltsame Gethöne des Quelles her. Agrippine war mit dieser Antwort vergnügt / und sagte: Weil ich von so viel metallischẽ Brunnen in Deutschland höre / müssen die Gebürge ja voll Ertztes seyn; warumb aber wird dessen so wenig gesucht? Der Barde antwortete: Ja es sind nur allein in Deutschland 50. warme Bäder und nicht viel weniger Sauerbrunnen bekandt; und ihr Schluß kan nicht fehlen. Denn wie die Rose / die Zwiebel / der Knobloch einen ihrem Wesen gleichen Safft an sich ziehen /ohne welchen sonst Pflantzen und Gewächse gantz anderer Art / als ihr Saamen seyn würde; und dahero nichts in einem Erdreich wachsen kan / welches derogleichen Nahrung einem Saamen nicht zu geben hat; massen denn das in Libyen von sich selbst wachsende Silphium in Griechenland gar nicht zu pflantzen ist; also kan auch aus einem Ertzt mangelndem Bodeme kein Sauer-Brunn entspringen. Alleine die Deutschen haben zeithero wahrgenommen; daß das aus der Erde gegrabene Gold und Silber nur Anreitzungen zum Bösen sind / und dadurch mehr Menschen als durch Stahl und Gifft getödtet worden. Diesemnach sie denn diese Metalle klüger und sicherer unter der Erde liessen als ausgrüben / weil sie in ihrer Mutter heilsam /ausser ihren Adern so gar [739] verführisch wären. Agrippine und das andere Frauenzimmer schöpftẽ aus dieses Bardẽ Gespräch grosses Vergnügen / namen aber für dißmal von ihm / nachdem sie sich mit dem Sauerbrunnen gesättiget hattẽ / Urlaub / und verkürtztẽ den Tag einander mit allerhand Kurtzweilen. Der Graf von Hohenstein hatte weiter hinunter am Bach unter etlichen breiten Linden bey einem andern Sauer-Brunnen / welcher wenn er über Nacht in steinernen Geschirren / in denen schweflichtẽ Kellern stehet / stärcker ist / als wenn er erst aus dem Brunn geschöpfet wird / die Taffel mit einem so reichen Vorrathe an Fischen und Wildprete bereitet / daß Agrippina sich höchlich verwunderte. Die Fürstin Erdmuth aber entschuldigte den vermeynten Abgang / weil die / welche den Sauer-Brunnen zu ihrer Gesundheit trincken wolten / mässig leben müsten / und weil zwischen dem bäurischen Feld-Leben und denen wollüstigen Höfen ein Unterscheid seyn müste / zumal nicht so wohl die Köstligkeit als die Abwechselung das Saltz des Geschmackes wäre. Agrippine aber wuste den Uberfluß und die gute Anstalt nicht genung zu rühmen; vorwendende / daß die Höfligkeiten einer dienstbegierigen Freundschafft so wenig recht erkennet / als vollkommen-schöne Gesichter vom Pinsel der Mahler abgebildet werden könten. Daher hätte sie wohl Ursache auf ein Mittel vorzusinnen / daß sie der Cattischen Fürstin nicht so viel Kosten und Ungelegenheit verursachte. Alleine die Annehmligkeit dieser Gesellschafft / der Deutschen welt-bekandte Gast-Freyheit / entschuldigten immer die Unhöfligkeiten / derer sie sich selbst schuldig erkennte. Ja aller ihrer holdselige Augen redeten ihr ein: daß der Uberfluß dieses Landes / wie alles Reichthum / keinen andern Gebrauch als die Wohlthätigkeit hätte; das übrige nichts als Wahn / ja die Tugend eines edlen Gemüthes wäre; daß man wider sie sündigte / wenn man ihr nicht Gelegenheit gäbe uns zu statten zu kommen. Gegen Abend dieses und folgender Tage fuhren sie wieder auf das Schloß des Grafens von Hohenstein. So offt sie nun des Morgens wieder zum Sauer-Brunnen kamen / fand sich der alte Barde wieder ein / und unterhielt das Frauenzimmer mit Gesprächen und seiner Weltweißheit; gleich als wenn es ein Verbrechen wäre so heilsamer Brunnen zu geniessen / ohne den Bruñ alles Guten daraus erkennen zu lernen. Agrippine kam selbst auf des Barden Schluß / und fragte: Weil gleichwohl die Vermischungen der unterirrdischen Dinge so schwer zu erkennen; viel Brunnen auch so schädlich und giftig wären / schiene es nicht wenig zweifelhafft zu seyn / ob man die Sauer-Brunnen sicher trincken könte. Sintemal ja das Wasser den nüchternen Magen schwächte / das Gehirne erkältete; im angefüllten aber die Verdäuung hinderte; im Ertzte viel Gifft und fressende Schärffe steckte / ihr trocknendes Wesen gleichsam unverdäulich wäre / und die nährende Feuchtigkeit verzehrte. Uber diß wären sie so wohl als die innerste Erde dem Frost / der Hitze /Winden / Dünsten und Erdbeben unterworffen / lieffen gar offt durch Adern des Quecksilbers und Hütten-Rauchs / also daß die / welche gestern heiß und heilsam gewest / heute kalt und ungesund seyn könten. Der Barde versetzte: Dieses Wasser müste so wohl als alle andere Artzneyen vorsichtig gebraucht werden. Er wolte nicht leugnen / daß etliche Sauer-Brunnen gefährlich / und dahero keiner ohne lange Prüfung zu brauchen wäre. Zudem könten auch nicht alle / sonderlich derer edle Eingeweide anbrüchig wären / sich einiger / weniger aller Sauer-Brunnen ohne Unterscheid gebrauchen. Wäre doch ein Kraut dem einen gesund / dem andern schädlich. Die Erfahrung erhärtete / daß ihrer viel / an welchen Aertzte nur ihre Schande erheilet / durch Sauer-Brunnen sich von[740] Verstopfungen der Eingeweide / der Nieren und Krieß-Adern von Miltz-Sucht / eingewurtzelten Febern / von Gelb-Sucht und Entzündung der Leber sich glücklich befreyet hätten. Der Erfahrung als dem besten Lehrmeister / welche erhärtete / daß auch die besten Artzneyen in einem Leibe und Land-Strieche nicht wie in dem andern würckten / und dem Augenscheine wäre mehr zu glaubẽ / als mit vielen scheinbaren Gründen verfochtenen Meynungen / und wäre auch mit guten Gründen aus den Eigenschafften ihres Zusatzes zu behaupten / daß Sauer-Brunnen sicher /geschwinde / und ohne Schmertzen übrige Feuchtigkeiten austrockneten / das verstopfte eröffneten / das angefüllte ausleereten / das schwache stärckten / Fäulnüß hinderten. Dem blöden Magen könte man bey derselben frühem Gebrauche durch Stärckungen zu statten kommen. Das Ertzt hätte mehr Heilsamkeit als Gifft in sich / und würde der Staub und Saffran des Stahles / die Blumen und der Balsam des Schwefels /das Saltz und die Butter des Saturn / der Geist des Kupfer-Wassers / des Berg-Saltzes / ja gar das zugerichtete Spieß-Glas / und die aus allen andern Metallen gezogene Kräffte nützlich gebraucht. Warumb solten die / mit derer Geistern die Natur die Sauer-und warmen Brunnen so künstlich angemacht hat /ohne Krafft oder schädlich seyn? Sie truckneten aber nur übrige Feuchtigkeiten / wenn sie nicht übermässig gebraucht würden. Denn man müste aus Artzney keinen täglichen Trunck machen. Wegen dieser nöthigen Mässigung hätte die Natur zwar allen andern Sinnen zwey Werckzeuge / nemlich dem Sehen zwey Augen /dem Gehöre zwey Ohren / dem Geruch zwey Nasen-Löcher / aber dem Geschmack nur einen Mund und eine Zunge gegeben / weil so wohl Schmecken als Reden nicht ohne Sparsamkeit geschehen solte. Zu dem wäre das trockene gesünder als das flüssige. In etlichen Kranckheiten / als scharffen Febern / im Durchbruche und trockenen Naturen wären sie freylich schädlich / wie der so heilsame Theriack und der Wein den Alten / Milch den Kindern / der Essig den Weibern. Die Lufft und die Erd-Gewächse wären wie diese Wässer veränderlich / deßwegen aber wäre ihr Gebrauch nicht zu verwerffen. Das Alterthum und fast aller Völcker Ubereinstimmung redeten diesen heiligen Wassern das Wort. Die Magnesier die Lesbier /Araber und Mitileneer hätten sich dieser / insonderheit die letzten in der Wasser-Sucht nützlich gebraucht. Agrippine versetzte: Warumb er denn sie heilige Wasser nennte? Der Barde antwortete: Weil Griechen und alle Völcker den Schwefel / welcher das Oel und die Fettigkeit der Erde / der Vater alles Ertztes wäre / für heilig hielten / und ihn deswegen zum opfern brauchten / die Artzney-Wasser aber schwerlich ohne Schwefel seyn könten. Daher würde auch der schweflichte Blitz / ungeachtet er den Wein vergiftete / und viel Gutes verterbete / für heilig ausgeruffen. Am meisten aber verdienten diese Brunnen diesen Nahmen / weil sie heilsame Wunder-Geschencke des hochheiligen Gottes / und daher die Hermopylischen Bäder dem Hercules / die zu Abbula der Gesundheits-Göttin / die Avernischen dem Pluto / die Cumanische See Sibyllen / die Calderianischen Wässer der Juno / ein Brunn in Libyen dem Ammon / das Elusinische Bad dem Esculapius / in Latium der Nymphe Juturna / ein Brunn der Tloglodyten der Sonne / die Schwefel-Wasser dem Mephitio / alle Brunnen den Nymphen / das Meer dem Neptun gewiedmet worden wären. Die Deutschen aber weyheten alle Gesund-Brunnen dem Ursprunge aller Brunnen /nemlich dem einigen und unsterblichen Gotte zu. Alle fromme Seelen könten ohne einige heilige Regung sie weder beschauen noch geniessen. Denn Gott hätte allen Geschöpfen eine innerliche Neigung ihren Schöpfer zu loben eingepflantzt. Wenn die Seele [741] nun nur nicht in einer so schlimmen Herberge / als der wollüstige Leib wäre / wohnte / würde sie niemanden als diesen ersten Ursprung anbeten. Weil aber der Leib von einem so schlechten Teige gemacht wäre /besudelte sich in ihm die Seele / wie das kläreste Wasser in einem sumpfichten Bodeme / und machte ihr zu einem Abgotte / was ihr Wollust und Thorheit scheinbares für Augen stellte. Agrippine fiel ein: Dieser ist freylich das rechte Quell dieses und alles Guten. Aber / sagte sie / was ist diesem Brunnen für eine besondere Eigenschafft eingeflösset? Der Barde antwortete: Diese uhralte Reymen beschreiben uns sein Wesen deutlich genug / und man hat von geraumer Zeit diese Prüfung: daß er den Schwindel / kalten und hitzigen Flüssen des Haupts / übelem Gehöre /der hinfallenden Sucht / der Schlafsucht / Leber-Schwachheit / Wasser-Gelbe-Sucht / und Engbrüstigkeit abhelffe / der Lunge diene / den Magẽ stärcke /den Miltz befreye / die Nieren reinige. Agrippine sagte hierauf: Wenn so viel Tugendẽ in diesem Wasser vereinbaret sind / kan man diesen engen Brunn mit Wahrheit ein grosses Wunderwerk heissen. In alle Wege / versetzte der Barde. Deñ der Werth göttlicher Geschöpfe bestehet nicht in ihrer Grösse. Ein Diamant ist schätzbarer als eine grosse Klippe; ein Lydischer Prüfungs-Stein / oder nur ein Stein von einer Kröte oder Spinne hat mehr Tugend in sich / als manch gantzes Gebürge. Ja ein einiger Mensch begrieffe in sich so viel Wunder / als das grosse Geschöpfe der gantzen Welt. Nur ist es Schade / daß da er ein kurtzer Begrieff alles Wesens ist / seine Einbildung sich mit so viel Eitelkeit aufzublähen bearbeitet. Agrippine schöpfte so grosses Vergnügen aus dem Gespräche mit diesem Barden / daß sie fast ohn ihn nicht seyn konte / und wenn sie ihrer ändern Unterhaltung überdrüssig war / sie mit ihm die Zeit verkürtzte / und sich von denen Eigenschaften der andern sieben sich alldar befindlichen Brunnen unterrichten ließ. Als auch Agrippine das zwey Meilweges davon gelegene warme Bad Wißbaden / welches eines unter den drey wärmsten Deutschlandes ist / in Begleitung des sä tlichen Frauenzimmers zu besuchen schlüssig ward / muste dieser Barde stets an ihrer Seite seyn /gleich als wenn ihm von der Natur die Schlüssel zu der unterirrdischen Welt anvertraut wären / oder als wenn die Süssigkeit / welche sie aus den kurtzweiligen Spielen und anderm Zeit-Vertreibe des annehmlichen Frauenzimmers genoß / ohne den etwas herben Bey-Satz der Weltweißheit / keinen annehmlichen Geschmack hätte.

Als sie von Wißbaden zurück kommen / fanden sie bey dem Schwalbachischen Brunnen den Hertzog Jubil / Rhemetalces und Siegemund mit einer grossen Anzahl Cheruskischer und Cattischer Ritter / welche unter dem Scheine Agrippinen und das mit sich habende Römische Frauenzimmer zu bedienen auf den Rhein und die Festung Meyntz ein wachsames Auge haben solten. Beydes beobachteten diese Fürsten /indem sie öffters unter dem Scheine der Jagt sich an dem Rhein-Strome finden liessen / dem Frauenzimmer mit allerhand Ritter-Spielen die Zeit kürtzten /und so wohl Hertzog Jubil von der Fürstin Catta / als Rhemetalces von Zirolanen alle Vergnügungen einer tugendhafften Liebe genassen. Drey Tage hernach fand sich auch Ariovist der Allemanner Hertzog beym Sauer-Brunnen ein / welcher wenige Tage vorher vom Hertzoge Arpus durch den Grafen von Zollern Erlaubnüß dahin zu kommen und seiner Gesundheit zu pflegen hatte bitten lassen. Diesem hatte Hertzog Arpus in der Eil die Grafen von Solms und Isenburg biß an den Meyn entgegen geschickt / umb ihn aufs höflichste zu bewillkommen und zu bedienen. Sintemal dieses einer der mächtigsten Fürsten Deutschlandes war /Arpus aber nicht glauben konte / daß / weil in den Alemannischen Landen sich eine so grosse Menge der köstlichen Sauer-Brunnen befand / Ariovist des Schwalbachischen Brunnes [742] halber dahin kommen solte. Dieser Fürst war des mit dem Käyser Julius schlagenden Ariovistens nechster Bluts-Verwandter /nemlich seines Brudern Henrichs Enckel. Weil nun Ariovistens Tochter Vocione sich zum theil aus Verdruß / daß die Stände sie nicht einen nach ihrem Gefallen / sondern nur einen aus Ariovistens Geschlechte heyrathen lassen wolten / meist aber / weil sie mit einer beschwerlichen Kranckheit befallen ward / in ein Heiligthum eingesperrt hatte / ward dieser junge Ariovist mit Vocionens und der Stände gutem Willen ein Erbe aller zwischen dem Brigantinischen See /dem Rheine und Mäyne gelegenen Länder. Sintemal König Marbod nach erobertem Reiche der Bojen ein grosses Theil der Marckmännischen Länder Vocionen wieder abgetreten hatte. Alleine Ariovistens Länder waren auff zweyen Seiten von der Römer / auf der dritten von Marbods Macht gantz umbschrencket. Insonderheit hatte Drusus die Stadt Cisara am Lech nach überwundenen Vindelichern / Tiberius aber Bregnatz an dem See / welchen der Rhein durchfleust / und der Bürgermeister Lucius Munatius Plancus der Rauracher Haupt-Stadt am Rhein / ferner den Brisacher Berg / Drusus drey Städte der Tribozer / zwischen dem Rheine und der Breusche / wie auch der Mater-Strome Drusenheim / und an der Sorre Toberna / bey den Nemetern Käyser Julius Germersheim / Drusus die Stadt Noviomagum / bey den Vangionen Barmetomagus und Bonconia theils aufs neue gebaut /oder mit Römischen Bürgern bevolcket / mit Kriegs-Volck besetzt / etliche auch nach dem Käyser Augustus genennet. Derogestalt lagen Ariovistens Länder gleichsam an Römischen Fässeln; und auf der Morgen-Seite war der schlechte Fluß Radenitz gegen den Marbod eine schwache Gräntze. Diesemnach denn die Alemannischen Fürsten stets auf zweyen / oder wegen der an dem Mäyne angräntzten Catten und Hermundurer auf drey Achseln tragen musten. Weil aber gleichwohl so wohl der Feldherr als Hertzog Arpus mit Ariovisten als einem so vornehmen und mächtigen Fürsten gutes Verständnüß aufzurichten für nöthig hielten / ward dem Hertzog Catumer die Beobachtung des Rheines gegen die Sicambrer und der neue Festungs-Bau anvertraut. Dieser tapfere Fürst übernam diese Verrichtung mit der grösten Wachsamkeit; und damit er hieran so viel weniger verhindert würde / schickte er seine Gemahlin Adelmunde auch nach Hohenstein /umb zu bezeugen: daß die Deutschen auch dem eivrigen Anfange ihrer Liebe abzubrechen wüsten / und sie nicht / wie der grosse Antiochus in der Wanne der Wollust das gemeine Heil zu ersäuffen pflegten / welcher von der erheyratheten Tochter des Cleoptolomus nicht aus ihrem Bette und Armen zu bringen war /darüber aber schimpflich besieget ward. Der Feldherr und Arpus aber verfügten sich unter dem Scheine sich des warmen Bades zu bedienẽ / nach Wißbaden / von dar sie fast alle Stunden mit Ariovisten / welchem das Schloß Epstein eingeräumet war / sich ersehen konten. Beyde Hertzoge kamen das erste mal beym Sauerbrunnen mit Ariovisten zusammen / umb alle Schwerigkeiten / welche sich bey Empfängnüssen grosser Fürsten zu ereignen pflegen / zu verhütten. Alle Fürstliche Personen küsten einander bey der Bewillkommung auf den Mund / nicht so wohl / weil diese Grüssungs-Art unter dem diß zu thun gewohneten Käyser August aufkommen / als weil es eine alte Gewohnheit der aufrichtigen Deutschen war. Die anwesenden Ritter aber küsten ihm alle auswerts die Hand / und die Bürger breiteten ihm gar die Kleider unter /alles Volck der Catten aber war befehlicht / wo er durchzohe / eben so wohl als wie dem Feldherrn zu geschehen pflegete / die rechten Hände zum Zeichen eines ankommenden Freundes aufzuheben. Hertzog Arpus gab ihm allzeit die Ober-Stelle / also daß er mit zweyen gehende ihn allezeit in die Mitte nam / alleine aber ihm allezeit die Seite deckte. [743] Sintemal eben so wohl bey den Deutschen / als Persen und Römern die rechte für die Oberhand gehalten wird; vielleicht /weil diese die stärckste und zu allen die geschickste /ja auch andere Glieder des Menschen auf der rechten Seite mehr Wärmbde an sich ziehen. Denn ob zwar die Alemänner nach etlicher Asiatischen Völcker Gewonheit die lincke Seite für die ehrlichste hielten /weil sie nemlich an dieser den Degen tragen / auch wider aller andere Thiere Art des einigen Menschen Hertze sich gegen der lincken Seiten abwendet; So hielt doch Hertzog Arpus dafür / daß Ariovist in dem Cattischen Gebiete nach der Landes-Gewonheit verehret werden müste; damit aber diese Höfligkeit nicht zum Nachtheile des Cattischen Hauses / welches sonst keinem als dem Cheruskischen wiech / ausgedeutet werden möchte / enträumte Arpus auch allen andern deutschen Fürsten als Wirth in seinem Gebiete den Vorgang. Er stellte bald an einem bald am andern Orte Jagten / Ritterspiele und andere Kurtzweilen an /worbey Ariovist nicht weniger seine Höfligkeit als Stärcke und Geschickligkeit sehen ließ. Sein Adel bestand auch insgesamt aus jungen wol gewachsenen Leuten / gleich als wenn sie aus allen Nordländern zusammen gelesen wären. Denn keiner unter ihnen hatte andere als weißlockichte Haare. Ihr Aufzug war kostbar / und über die gemeine Art der Deutschen prächtig / daher er sich bey allen Aufzügen wol sehen ließ. Die Anwesenheit so vieler vollkommenen Fürsten /und der Ausbund des deutschen und Römischen Frauen-Zimmers / welches Agrippine mit sich gebracht hatte / munterte sein ohn dis reges Gemüthe noch mehr auf / also daß er es für einen Abbruch seiner Ehre hielt / wenn er nicht alle Tage entweder in einem Rennen / Gefechte / Tantze / oder durch ein sinnreiches Gespräche einen neuen Ruhm einerndtete / daß er ein Fürst ohne Furcht und ohne Tadel / sein Leib von so grosser Geschickligkeit als sein Geist voller Verstandes wäre. Damit er nun den letzteren sehen zu lassen desto mehr Gelegenheit hätte / ließ er sehr oft den weisen Barden / und den Dionysius Periogetes zu sich kommen / umb durch dieser weisen Leute Unterredungen die Zeit zu kürtzen. Dieser Dionysius war aus Susiana von Alexandria einer am rothen Meere zwischen dem Tiger und Euläus gelegenen Stadt bürtig / und beym Käyser August in grossem Ansehn; Maßen er auch auf sein Begehren die Morgen-Länder durchreiset und beschrieben hat. Hernach ward er ein steter Gefärthe des Germanicus / welcher bey Angürtung des Degens niemals die Weißheit von sich legte. Weil nun so wol der Barde als Ariovist den Dionysius fertig Griechisch ansprach / fragte er: ob er in Griechenland gewest wäre? der Barde antwortete lächelnde: Solte man in Deutschland nicht sowol als zu Rom Griechisch lernen können? Dionysius antwortete: Pflegen doch die Römer fast alle selbst nach Athen zu reisen umb diese gelehrte Sprache der Welt und der Griechen Weißheit zu lernen. Der Barde versätzte: wir glauben / daß der Griechen Weißheit mit vielen Aberglauben und andern Irrthümern verunreiniget /der Deutschen aber nicht weniger älter als reiner sey. Dionysius fragte: von wem die Deutschen denn ihre Weißheit bekommen hätten? der Barde antwortete: vom Uhr-Ahn-Herrn aller Deutschen dem Fürsten Tuiscon. Denn dieser war des Ascenas Sohn / welcher in Phrygien seine Ascanier beherrschte; als aber der Aßyrische König Belus in Asien mit Unterdruckung vieler andern Völcker das Aßyrische Reich stifftete und seines Sohnes Ninus Gemahlin Zoroastern der Bactrianer König / mit welchem Ascenas verträuliche Freundschafft pflegete / und von ihm seine in zwey tausend mal tausend Reimen verfaßte Wahrsagungen bekam / überwand / sätzte dieser aus Asien in Europa / und sein Sohn Tuiscon kam vollends in Deutschland / und mit ihm die Weißheit / worvon Zoroaster so berühmt war / und welche schon Belus durch sein gantzes Reich [744] in unterschiedenen Schulen lehren / solche auch in einer heiligen Bilder-Schrifft / von welchen Democritus ein gantzes Buch geschrieben / in Stein eingraben ließ / von denen man etliche noch in Deutschland zeiget. Über dis pflegten die weisen Chaldeer / eben wie wir Barden / die Geschichte tapfferer Fürsten und Helden zu singen; dieses bestand eigentlich in Erkäntnüs und in Verehrung des einigen Gottes / in der Sitten-Lehre / der Nachen- und Sternseher-Kunst; zu welchem Ende in Babylon ein in die mitlere Lufft reichender Thurn gebauet ward / daß die aufsteigenden Dünste nicht das Gesichte an steter Betrachtung des Sternenlauffes hinderten. Maßen denn daselbst schon zur Zeit des Belus der Lauff von siebenzehen hundert Jahren und also von Erschaffung der Welt her aufgezeichnet war. Hernach haben die Griechen sich zwar auch mit der Chaldeer Weißheit durch die Hand der Phönicier und Egyptier betheilet /und hat der Syrer Pherecydes ihnen zum ersten von Unsterbligkeit der Seele / von Ursachen der Finsternüsse was gesagt / Thales und Pythagoras hat sie vom Pherecydes und vom Priester Sonchedi / Plato vom Sechnuphi / Eudoxus vom Conuphi / dieser vom Hermes / oder aus seinen beschriebenen Seulen / Hermes aus den Schrifften Moses / welcher zum ersten die Bilder in eine Schrifft von deutlichen Buchstaben verwandelt; und sie die Juden und Phönicier gelehret /begriffen. Wiewol auch Pythagoras der erste gewest /welcher den Morgen- und Abend-Stern für einerley Sterne erkennet / zur Zeit des Plato am ersten zu Athen die Rechnungs- und Feldmesser-Kunst gelehret worden / Esculapius nichts mehr als Zähne auszubrechen / und den Unterleib zu reinigen gewüst / bis Hippocrates die Artzney-Kunst auf festen Fuß bracht /für dem Draco und Solon / Athen / für dem Lycurgus / Sparta nichts von Gesetzen gewüst / Thales zum ersten den Griechen den gestirnten Bär gewiesen / von den Sonn- und Mond-Finsternüssen was gesaget /wiewol sie doch in einer grossen Finsternüs der Unwissenheit blieben / also daß so wol ihre als der Römer Heere darüber erstauneten / nach derselben Begebung in drey Tagen nichts thäten / solche aber natürlichen Ursachen zuzuschreiben für ein sterbens-würdiges Laster hielten / und deßwegen Anaxagoras schwerlich vom Perycles vom Gefängnüsse und Tode errettet ward. Nichts weniger wissen die Griechẽ von der vor dem Theseus und Darius gewesenen Zeiten nichts als Träume und Gedichte zu erzählen. Hiervon sind auch des Römers Varro ersten Bücher angefüllet / allwo man langsam genung zu schreiben angefangen. Atticus hat nur von sieben hundert Jahren zurück etwas zu schreiben. Und Diodorus aus Sicilien weiter nicht als auf den Inachus zu kommen gewüst. Alleine sie haben allererst die Hefen davon bekommen / nach dem sie die Egyptier schon getrübet hatten. Und ob zwar zur Zeit des grossen Alexanders der Priester Berosus sich von Babylon nach dem Eylande Cop verfügte / und die Weißheit mit so grossem Ruhme lehrte; daß Athen sein Bild aus Ertzt mit einer güldenen Zunge aufsetzte / ob auch wol Callisthenes zu Babylon alle Schrifften der Weisen aufgesucht / und selbte mit einer Geschicht-Beschreibung von neunzehen hundert drey Jahren dem Aristoteles zugeschickt /woraus er den Safft gezogen / und unter seinem Nahmen heraus gegeben / hatte doch die Heucheley auch schon unzählich viel Menschen vergöttert / die Anbetung des Feuers eingeführt / und die Stern-Kunst in eine eitele Wahrsagung verwandelt; also daß sie mit dieser Weißheit mehr Schlackẽ als Gold bekommen /so gar / daß die Juden nach des grossen Alexanders Zeit den verfluchten / welcher seinen Sohn der Griechen Weißheit lernen ließ. Daher / als gleich Socrates / welcher für den Brunn der Weißheit in Griechen-Land gehalten ward / solche von der Vielheit [745] der Götter auslautern wolte / muste er seine Frömmigkeit wieder mit einem Glase Gifft verschlingen. Nicht besser gieng es zu Rom her / allwo Numa zwar vom Pythagoras seine Weißheit schöpfte / und durch sein Verbot zuwege brachte / daß hundert und siebenzig Jahr in Rom keines Gottes Bild gemahlet / geetzet oder gestochen ward / weil Gottes Wesen unbegreiflich ist. Alleine nunmehr hat es in dieser Stadt mehr todte Götter als lebende Menschen. Dahingegen ist vom Tuiscon an / die Weißheit bey den Deutschen /sonderlich was die Verehrung des einigen Gottes und die Sitten-Lehre betrifft / viel reiner als in ihrem Brunn nemlich in Asien verblieben. Und wir haben durch unsere Lieder das Gedächtnüs unserer wolverdienten Vorfahren besser als die Chaldeer / welche nach dem Sardanapal nicht einst den Nahmen ihrer Könige wüsten / als die Phönicier mit ihren Seulen /die Egyptier mit ihren Bilder-Thürmen / die Griechen mit ihren Schrifften; unsere Tugend reiner durch gute Sitten als die Juden / Griechen und Römer durch ihre strenge Gesätze erhalten. Dionysius kunte sich über diesem Barden nicht sattsam verwundern; und muste er bekennen / daß er von der Chaldeer Weißheit so viel als er selbst / der er ein gebohrner Chaldeer wäre / und mehr als alle Griechen wüste. Er warf ihm aber ein: Weil die Deutschen gleichwol zum Schreiben eitel Griechische Buchstaben brauchten / viel Wörter in beyden Sprachen mit einander überein kommen solten; auch er an ihm und dem deutschen Fürsten wahrnehme / daß die Griechische Sprache bey den Deutschen gemeiner und in grösserem Ansehen wäre als die Lateinische / hätte es fast das Ansehen / daß die Weltweißheit / welche in Griechenland und Italien nicht über tausend Jahr alt wäre / in dem von ihrem Ursprunge noch viel weiter entfernten Deutschlande /welches niemals keine eigene Schrifft gehabt / ohne welche doch selbte schwer zu lernen und fortzupflantzen wäre / keine so greise Einwohnerin seyn könte /sondern mit den Griechischen Buchstaben allererst dahin gewandert seyn müste. Der Barde begegnete ihm: Es hätte dieses wol einen Schein / aber es verhielte sich doch viel anders. Denn sonder Zweifel hätte die Welt / welche sechzehen hundert und fünf und funfzig Jahr für der unter dem Ogyges gestanden /nicht der Weißheit gar ermangelt; weil die Menschen der erstern Welt als in dem Frühlinge der Zeit die lebhafftesten müssen gewest seyn / von dem erstern ihnen eingegossenen Lichte das beste überkommen gehabt haben müssen / und weil GOtt dem Menschen eine so grosse Begierde die Warheit zu wissen eingepflantzt hätte / welche Wissenschafft der Seele süsseste Speise ja ihre Vollkommenheit wäre / durch welche der Mensch mit seinem Ursprunge nemlich Gott der selbstständigen Warheit sich vereinbarte. Gleichwol aber hätte man keine glaubhafte Nachricht; daß die damaligen Weisen einige Schrifft oder Buchstaben gehabt hätten. Denn das Buch Enochs / welches in Mohrenland noch zu finden seyn solte / wäre einem Gedichte gar zu ähnlich. Nach dem Ogyges auch mit seinen Söhnen und Töchtern auf dem Gebürge Ararat aus dem ersten Schiffe ausgestiegen und von der Uberschwemmung der Erde übrig blieben wären /hätte kein Mensch außer der Bilderschrifft / welche die Gestalten allerhand Thiere vorstellete / acht hundert Jahr von einigen Buchstaben nichts gewust / bis sie GOtt dem Moses / Moses den Juden / die Juden den Phöniciern mitgetheilet; gleichwol aber wäre die Weltweißheit niemals aus dem Gehirne der Menschen vertilget / sondern auch nach erfundenen Buchstaben von den Egyptiern und Seerern in einer geheimen Bilder-Schrifft sorgfältig erhalten worden. Denn ob zwar die Egyptier zu Heliopolis in Egypten / Thebe / und in dem Grabmaale des Simandes viel Bücher hatten /dorffte doch niemand als die Priester derselben Geheimnüsse [746] lesen / was aber allem Volck ihrer Wolfahrt halber zu wissen nöthig war / schrieben sie mit gemeinen Buchstaben an steinerne Seulen an / wie nun die von Juden verjagte Phönicier die Weißheit in Africa / der wegen Hungers-Noth aus Canaan in Egypten entweichende Abraham sie daselbst hin; Sesostres und Osiris aber von dar in viel Länder der Welt gebracht / daselbst in Tingitana Seulen mit gelehrten Uberschrifften aufgerichtet; und den in der Sternen-Kunst erfahrnen Atlas sehr hoch geachtet hätten; also wären vom Cadmus lange Zeit für dem Homerus aus Phönicien ihre Buchstaben in Griechenland gebracht worden / welche man noch lange Zeit hernach in des Ismenischen Apollo zu Thebe Drey-Füssen / und bey Erwehlung des Agamemnon zum Heerführer wider Troja gefunden hätte / so denen Janischen ziemlich gleich gewest wären. Aus Griechenland hätte der aus dem Peloponnesus vertriebene Evander die nach und nach verändertẽ Buchstaben in Italien gebracht / die zum Reisen geneigte Deutschen aber sie selbst aus Griechenland geholet. Welche nunmehr sich sonder Zweifel vollends in alle Ende der Welt ausbreiten würden / nach dem die Deutschen aus alter Leinwand ein so bequämes und wolfeiles Papier zum Schreiben zu machen erfunden hätten. Denn die Schrifften in Ertzt und Stein wäre zu langsam / zu kostbar und unbeweglich; die Baumrinde gar zu grob / die Blätter zu unbeständig / das Egyptische Papier zu seltzam / die Häute der Thiere zu theuer / die Bley- und Wachs-Taffeln zu ungeschickt. Wie nun aber Moses die ersten Hebreischen Buchstaben fürgeschrieben / Abraham die Syrischen und Chaldäischen / die Phönicier die Griechischen / Nicostrata die Lateinischen / Isis die Egyptischen erfunden / also würden die Deutschen auch mit der Zeit aus den Griechischen ihre eigene machen. Wenn aber auch nicht Tuiscon der Deutschen Lehrmeister wäre / würde es für den Griechen / ehe Sesostres oder Osiris Thules seyn müssen / welcher bis in Deutschland zu den Brunnen der Donau gedrungen wäre / ja gar das Eyland Thule nach seinem Nahmen genennet / und in allen Landen Seulen mit weissen Schriften hinterlassen hätte. Daß aber die Griechische Sprache und Schrifft nicht weniger in Deutschland als sonst in der Welt so gemein worden wäre / dörffte keines Wunderns; nach dem die Griechische Sprache nunmehr so vielen Völckern gemein und die Dolmetscherin aller anderen Sprachen worden wäre. Sintemals sie König Psammetichus in Egypten /Anacharsis bey den Scythen / die Maßilier in Gallien /Evander in Italien eingeführt / der Priester Jason zu Jerusalem eine Griechische Schule gestifftet / zu Tharsus in Cilicien eine bessere wäre als zu Athen und Alexandrien / die Carthaginenser / die Britannier / die Iberer / die Syrer selbte ins gemein redeten / und so wol die nackten Lehrer in Indien als die Priester in Deutschland solche für ihre heilige Sprache brauchten; ja zwischen Meßina und Italien die Fische die Griechische Sprache verstehen solten. Ungeachtet nun dieser Gemeinschafft der Sprachen / erhärtete doch die grosse Widerwärtigkeit der Deutschen Weißheit mit der Griechischen / daß jene von dieser den Ursprung keines weges habe. Sintemal die Deutschen nur einen / die Griechen unzehlbar viel Götter anbeten / diese die Götter zu bilden / für heilig; jene für Greuel / die Griechen die Welt für ewig / die Deutschen selbte kaum vier tausend Jahr alt zu seyn halten / jene viel / diese keinen Tempel bauen / vieler andern Gegensätze zu geschweigẽ. Insonderheit aber wäre die Weltweißheit selbst bey Griechen und Deutschen in einem gantz ungleichen Ansehen; denn jene hielten sie für Bley / jedermann aus dem geringsten Pöfel möchte bey ihnen lehren und lernen / und lehrten sie den geringsten Pöfel / daher auch Socrates / Euripedes / Demosthenes und andere Weisen geringer [747] Leute Kinder gewest wären / die Deutschen aber schätzten sie für Gold / und dahero würde nur der Adel und Fürsten in die Schule der Barden aufgenommen / und niemand als die Priester dörffte sich bey den Deutschen wie bey den Armeniern und Scythen unterfangen sie zu lehren. Diesemnach sie denn für dem gemeinen Volcke nach Anleitung der Natur / welche Gold und Edelgesteine in die Eingeweide der Erde /die Perlen in der Tieffe des Meeres verbirgt / ihre Lehren eben so wol unter tiefsinnige Sprüche und Rätzel / als die Egyptier unter ihre gebildeten Thiere /Pythagoras und Plato hinter ihre Zahlen versteckten /insgemein aber spotteten die Griechen / wie auch die Römer mehrmahls der Weltweisen als alberen Jäcken / die Deutschen aber verehrten sie wie die Egyptier als heilige / und bestellten durch sie wie die Persen die Herrschafft der Länder. Niemand könte in Deutschland wie bey den Seren und Priestern ein Reichs-Rath und Richter seyn / wer nicht ein Weltweiser wäre. Dionysius / Ariovist und die dazu gekommene Agrippine hörete diesem Barden mit höchster Lust zu / der erste fragte auch: weil die Barden ihre Weißheit nicht so hoch und so geheime hielten / würde ihm eine Gnade geschehen / wenn er einmal in eine solche Schule kommen könte. Der Barde antwortete: Ihre Schule könte für ihnen nicht verschlossen seyn / weil sie allen Edlen offen stünde. Und ob sie gleich dem Pöfel diese Kleinodte nicht fürwürffen; bezeichneten sie doch ihre Heiligthümer nicht wie die Egyptier ihre Tempel mit Sphynxen / weniger zwängen sie ihren Lehrlingen wie Pythagoras und Hippocrates Eyde ab ihre Lehren niemanden zu offenbahren. Agrippine fragte: Wie weit denn eine ihrer Schulen von dar entfernet wäre? Weil nun der Barde berichtete: daß eine der fürnehmsten nur eine Meile davon gelegen /machten sie den Schluß / daß sie sämptlich folgenden Morgen sich mit dem Barden dahin begeben wolten. Die Hertzogin Thußnelde / Erdmuth / Zirolane und alle andere Grossen leisteten ihnen Gesellschafft /ohne die / welche selbigen Tag mit dem Feldherrn nach Bingen / und zum Altare des Bacchus reiseten /umb daselbst alles in gute Verfassung zu stellen /weil ihnen die Römer je länger je mehr verdächtig wurden; sie auch ins geheim von vertrauter Hand aus Rom gewarniget wurden; daß Adgandester alle Kräffte ausspannete / den Käyser zu einem neuen Kriege wider die Catten und Cherusker zu verhetzen. Damit es auch den Römern an scheinbarem Vorwandte nicht mangelte / hätte Adgandester dem Tiberius allerhand Nachrichten zugestellt / was für Landschafften für Alters schon zu dem von Triern erbauten Meyntz gehöret hätten / ehe selbtes vom Käyser Julius und Drusus zur Festung gemacht worden wäre; denn diese konten unbeschwert des Friedens / die Römer als alte Zugehörungen der ihnen im Frieden-Schlusse mit allen Rechten überlassener Oerter mit gutem Rechte fordern / und auf den vermutheten Verweigerungs-Fall mit den Waffen suchen. Unterdessen führte der Barde die andere hochansehnliche Gesellschafft in das Taunische Gebürge / da sie anfangs die vom Drusus gebaute / von Deutschen aber zerstörte Festung besahen /hernach aber in einem Thale einen von den Barden wol angelegten Garten antraffen. Uber dem Eingange stand in einen Stein gegraben:


Der Mensch ist GOttes Bild. Doch ist dis Bild verstecket

Wie ein geschicktes Werck in rauhen Marmelstein.

Es schleußt so Satyren als Phronen in sich ein /

Wenn aber Phidias daran die Hände strecket /

Wird der geheime Schmuck uns allererst entdecket.

Die Diamante selbst / die nicht geschliffen seyn /

Die Kiesel ohne Stahl sind ohne Glut und Schein /

Die Bäre schier kein Thier / bis sie die Mutter lecket.


So bleibt der Mensch ein Klotz / ein unvernünfftig Thier /

Bis ihn die Weißheit schleifft / zu Gottes Bilde schnitzet /

Ja ohne sie ist nichts / das in der Welt was nützet /

Drum ziehet diesen Schatz so Gold als Perlen für.

Sie macht / daß ihr euch könt reich / schön und edel nennen /

Und durch ihr Auge muß man sich und GOtt erkennen.


[748] Alle Barden mit sampt ihren Lehrlingen / darunter unterschiedener Fürsten / vieler Ritter und Edelleute Söhne waren / empfiengen diese vornehmen Gäste mit keiner geringen Höfligkeit / als wenn sie alle an der fürnehmsten Könige Höfen wären auferzogen worden. Unter den Barden war fürnehmlich der Oberste von grossem Ansehn / ungeachtet die Zeit noch nicht seine Haare mit Schimmel bedeckt / und er also noch seine Lebhaftigkeit hatte. Er hatte wie die andern ein weiß leinenes Kleid an / welches alleine von andern damit unterschieden war / daß in dem Saume viel kleine messene Glöcklein und Schällen in Gestalt der Granat-Aepffel hiengen / welche / wenn er sich nur rührte / einen hellen Klang von sich gaben. Auf dem Haupte hatte er einen Krantz von fichtenem Laube / wie bey den Griechen dem Pan zugeeignet ward. Welches Agrippinen anfangs zwar verächtlich fürkam / weil zu Rom alle Priester Kräntze von Oel-Zweigen oder Lorber-Blättern und Hauben von Golde trugen; Nach dem aber ihr Thußnelde sagte: daß die Barden durch dis gemeine Laub so wol ihre Demuth als durch die stets grünen Blätter die Unsterbligkeit der Seele fürbildeten / zohe sie diese Kräntze denen viel kostbaren der Römer für. Dieser ertheilte nach solcher Bewillkommung alsbald denen andern Befehl: daß sie sich an ihrem Ampte nichts irren lassen solten. Denn er könte ihm unschwer einbilden / daß so grosse Lichter in der Welt sich keiner andern Ursach halber in ihre finstere Einsamkeit verfügt hätten / denn daß sie von ihnen Rechenschafft fordern wolten; ob sie auch der edlen Jugend den künfftigen Lichtern der Nachwelt /der einigen Hoffnung der Lebenden / ihrer Pflicht nach vorstünden. Hiermit nam jeder Barde etliche von den Knaben / lehrte sie die vorhandenen Kräuter und ihre Eigenschafften kennen. Ob nun zwar alle Anwesenden diesem Unterricht eine gute Weile mit Lust zuhörten / fieng doch endlich Dionysius zu dem ältesten Barden an: Ich höre hier zwar mehr Geheimnüsse der Natur ans Licht stellen / als ich mir in gantz Deutschland zu erfahren gemeint / die Lehr-Art ist auch so gut / daß ihr kein Weiser zu Athen oder Alexandria eintzigen Mangel würde ausstellen können. Nach dem aber unter den Lernenden ihrer Zweifelsfrey sehr viel sind / welche nicht Priester / weniger Aertzte / sondern Beherrscher der Länder und Staats-Diener abgeben sollen / nicht aber alles wie gut es auch ist / einem jeden zu lernen anstehet / weiß ich nicht / warumb diese letzteren in dem eigentlichen zur Artzney dienenden Erkäntnüsse der Kräuter und Gewächse unterwiesen werden. Für die zum Priester-Ampte bestimmte halt ich diese Wissenschafft ebenfals für nöthig / als welche eine Theil der Lehre von GOtt ist. Sintemahl die Natur wo nicht selbst GOtt /doch sein Spiegel ist / daraus er erkennet werden kan. Es ist kein Geschöpfe so klein / welches nicht eine Staffel abgiebt zu GOtt empor zu steigen. Daher Pythagoras die Betrachtung des grossen Eines / und Architas des Anfangs aller Anfänge für den einigen Zweck der Weltweißheit gehalten hat. Alleine denen /welche andern fürstehen sollen / scheint die Sitten-Lehre viel nützl- und nöthiger; daher auch Socrates /wie begierig er in seiner Jugend die Geheimnüsse der Natur zu ergründen / bey seinem tiefern Urtheil dieses verächtlich und sich allein an die Weißheit hielt / welche wol und glücklich zu leben lehrte / vielleicht /weil GOtt für seine Ehre und uns für nützlich gehalten / nur die Würckungen nicht die Eigenschafften seiner Geschöpfe zu entdecken / und daher unsere Pflicht wäre in der Natur nach GOttes Willen nicht nach seinen Ursachen zu fragen / oder weil / nach der Lehre des Plato / die Natur der niedrigste Werckzeug der göttlichen Versehung wäre / und in der grossen Welt nichts so edles als in der kleinen / nemlich die Vernunft und eine unsterbliche Seele steckte. [749] Der älteste Barde antwortete: Es ist sonder Zweifel kein besser Buch in der Welt / als das der Natur und es uns zur Vertheidigung genug / daß du gestehest / man könte aus selbtem GOtt erkennen. Denn wer diesen kennet / kan ihm selbst nicht unbekandt seyn. In Erkäntnüs seiner selbst aber bestehet des Menschen gantze Glückseeligkeit / und dis ist seine vollkommenste Richtschnur / daher auch die Amphictianer auf des Apollo Befehl die Worte: Kenne dich selbst / über die Pforte seines Tempels zu Delphis mit güldenen Buchstaben geschrieben. Diesemnach haben die Fürnehmsten / sonderlich die Ionischen Weltweisen / und die Essener / Pythagoras / Aristoteles und andere für das höchste Theil der Weißheit gehalten / die Natur kennen und für eine Bemühung grosser Gemüther mit seinem Verstande durch die Eingeweide der Erde in die Kreisse der Gestirne ja in die Heimligkeiten der Götter dringen / der weise König der Juden Salomo hätte mit dem der Tyrier sich in dieser Weißheit vertieffet / dadurch etliche Phönicische Städte als aufgesetzte Preisse erworben / und die Königin Makeda wäre dieser zu Liebe aus Mohrenland in Salomons Schule kommen. Wenn aber auch die Sitten-Lehre /welche doch viel jünger als die Weißheit der Natur /und in Griechenland erst vom Socrates eingeführet ist / für dieser beym Adel einen Vorzug zu haben verdiente / würden wir Barden doch durch unsere Lehr-Art solche nicht vernachläßigen. Sintemal wir dafür halten / daß eben so wol das Buch der Natur das beste sey / woraus man die Sitten-Weißheit und die Staats-Klugheit begreiffen könne. Ja ich unterstehe mich noch weiter zu gehen und zu behaupten / daß / wie in den Griechischen Schulen eine mit Staube bestreute Taffel auskommentlich war / alle Risse der Feld-Messer- und Rechen-Kunst darauf zu bilden / also dieser enge und schlechte Garten / dieser geringe Winckel Deutschlandes / oder vielmehr dieses Sand-Korn der Erde in sich soviel Dinge verwahre / welche einem die halbe Welt beherrschenden Fürsten genungsame Richtschnuren an die Hand geben können. Dionysius fieng an: Er müste gestehen / daß er von dieser Art zu lehren noch nichts in gantz Morgenland / noch auch zu Rom gehört hätte. Der Barde aber versätzte: Er wolte die Barden nicht für derselben Erfinder ausgeben / sondern vielmehr erinnern: daß Thrasybulus Milesius und nach seinem Beyspiele Tarquinius zu Rom allbereit diese Weißheit in seinem Garten gelehret /da er durch Köpffung der höchsten Mahhäupter oder Lilgen seinem Sohne die Fürnehmsten der Gabier aus dem Wege zu räumen eingerathen. Weil nun kein Gewächse wäre / welches nicht für ein Staats-Gesätze dienete / geriethe er auf die Gedancken; daß so viel kluge Fürsten nicht so wol aus bloßer Lust / als aus angemerckter Anleitung zur Herrschens-Kunst sich geraume Zeit in Gärte eingesperrt hätten. Hertzog Ariovist fiel ein: Ich muß gestehen / daß wenn ein Fürst in annehmlichen Gärten die Herrschens-Kunst lernen kan; ihre Dörner und Diesteln so denn nicht aller Rosen ermangeln können. Weil ich mich aber in dieser Kunst / welche niemals jemand ausgelernt hat /noch für einen Lehrling erkenne / möchte ich wol gerne / wie ein Fürst sich sein Lebtage zu verhalten habe / durch eine so annehmliche Lehr-Art begreiffen. Der Barde begegnete ihm mit einer besondern Anmuth / und sagte: Wenn er einer Menge so grosser Fürsten nicht beschwerlich zu fallen besorgte / wolte er durch einen schlechten Vorschmack die Warheit seiner Rede zu bescheinigen / hierdurch aber zugleich der klugen Natur und den beliebten Gärten ihr Wort zu reden sich unterstehen. Alle Anwesende versprachen ihm ein geduldiges Ohr / und ihre grosse Verbindligkeit. Sintemal derogleichen Unterricht nicht eine Milch für Kinder / sondern eine Speise für erwachsene Fürsten wäre. Diesemnach [750] denn dieser behägliche Barde alles / was im Garten war / zusammen beruffte / und sich derogestalt mit einer annehmlichen Fertigkeit heraus ließ: Der erste Purper-Keym einer Hyacinthe weiset schon die bevorstehende Geburt einer Königlichen Blume; und ein Kind in der Wiege das Merckmaal eines edlen Gemüthes; welches wie die Nessel bald mit dem ersten Ursprunge zu brennen / und mit dem nützlichen Mandel-Baume für allen andern Bäumen am geschwindesten zu blühen anfängt. Wie edel aber gleich ein Gemüthe ist / dörffe es doch einer klugen Leitung / wie der köstliche Weinstock der Unterstützung. Die wilden Stämme aber gäben uns Anleitung: daß man durch fleißige Auferziehung auch in unartige Gemüther edle Eigenschafften einpfropffen kan. Wenn man die bittern Mandel-Bäume umbhacket / und die Wurtzeln vom Schleime reinigt /oder in Stamm einen eisernen Nagel schlägt / tragen sie süsse Mandeln; und ein mit einem fichtenen Keile gespalteter Granat-Aepffel-Baum bringt / statt voriger sauern / süsse Früchte. Die aus Indien und Aßyrien an den Rhein versätzte Lilgen Narcissen / die aus Persien geholten Zitron-Bäume bescheinigen: daß die Zärtligkeit selbst endlich der Härte gewohne; und daß auch die in Seide und Purper gebohrne Kinder bey Zeite durch Arbeit und Bemühung abzuhärten rathsam ist. Die Dornen und weichen Blätter an den Rosen lehren: daß junge Fürsten nicht allein im Fechten / Reiten /Schüssen / Jagen / und in Kriegs-Künsten / sondern auch in Sprachen / im Feldmässen / in der Bau- und Rechen-Kunst / und andern Wissenschafften unterrichtet seyn müssen / welche nicht nur die Feinde zu schlagen / sondern auch ihre Unterthanen in Fried und Ruh zu erhalten haben; jedoch müssen die Leiter mit jungen Fürsten / wie die Gärtner mit Epheu umbgehen; welche diese auf ihrem eigenen Stängel sich aufzurichten unvermögende Gewächse an starcke Bäume pfropffen: daß sie durch dieser Stützung mit ihrer Umbwindung sich empor brechen / und ihnen die Müh aus der Unwissenheit empor zu klimmen ihnen nicht zu schwer gemacht werde. Maßen so gar einem Fürsten das Lesen / das Rechnen / die Bau- und Mässe-Kunst durch die darzu mit Fleiß abgetheileten Blumenstücke spielende beygebracht / und derogestalt die Gärte zu rechten Büchern der Weißheit gemacht werden können / in welchem ihm jeder Baum einen klugen Lehrmeister abgiebt; daß er sich nicht nur mit dem Seegen der Früchte Nutzen zu schaffen / sondern auch mit annehmlichen Blüten anderer Künste und Ubungen / welche in die Augen lauffen / gleichwol aber nicht zu kostbar oder gefährlich seyn müssen /beym Volcke beliebt zu machen gedencken; hingegen vermeiden soll / sich auf solche Wissenschafften zu legen / welche schläffrig / offene Zusammenkunfften verhaßt / und die Einsamkeit beliebt machen. Denn hiermit verwandelt er sich in die verschämte Pflantze /welche für einer sich nähernden Hand die Blätter zusammen zeucht / ja nicht einst der Menschen Antlitz vertragen kan. Dahingegen ein Fürst eine allen andern Gewächsen sichtbare Zeder seyn soll. Nach dem Beyspiele der Gärtner sind aus Fürstlichen Gemüthern die heftigsten Regungen zwar nicht wie das Unkraut / ehe es wurtzelt und zu Kräfften kommt / auszurotten; aber jedoch / wie das zu Bekleidung der Gärten-Gänge gepflantzte Mundholtz unter der Schere zu halten. Ja wie die Gärtner so gar die allzu starck empor schüssenden Pfropfreiser verschneiden / daß sie sich nicht überwachsen; Also müssen Fürsten dem Zorne und andern Ubereilungen / daß sie sich nicht schädlich vergehen / bey Zeite vas Wachsthum benehmen; keinmal / ehe der Zorn verraucht / einen Schluß [751] vollziehen; insonderheit das ihnen / nicht ihrer Würde angethane Unrecht lieber vergessen / als rächen. Jedoch ist die Entrüstung einem Fürsten wie der Dorn den Rosen anständig / wenn die Laster die Tugend zu Bodem drücken wollen; wie auch wenn ein Fürst den Zorn zum Rittersporne macht / und zu Ausübung tapfferer Helden-Thaten angewehrt. Eines Fürsten Aufrichtigkeit in allem Thun muß alle Schamröthe der Jugend / wie die weisse Farbe der Jaßminen ihre erste Färbung vertreiben; also daß gleichwohl noch etliche Strahlen übrig bleiben / und ein Fürst nach gäntzlicher Vertilgung dieses Tugend-Hütters nicht unverschämt wird in alle Laster zu rennen. Seine Erbarmnüs muß dem Majoran gleichen / dessen Geruch süsse / aber doch scharff ist / also daß ein Fürst durch seine Empfindligkeit nicht der Gerechtigkeit Gewalt thut /noch den Lastern Lufft machet. So wenig sich die Palmen für etwas bückten / so wenig muß er vor einigen Menschen Furcht oder Scheu haben / und sein Ansehn dardurch verstellen. Welches aber durch Freundligkeit und Demuth so wenig / als die auf der Erde kriechenden Blumen durch ihre Niedrigkeit von ihrer Güte nichts einbüßt. Eine niedrige Feilge bringt mehr Nutzen als eine ungeheuere Sonnen-Blume; und ein bescheidener Fürst erwürbet in einem engen Landstrieche mehr Ehre als ein Hochmüthiger bey seiner Herrschafft über die halbe Welt. Bey solcher Beschaffenheit hätte ein Fürst nur zu lachen / wenn er bey seinem Glücke und Wohlstande beneidet wird. Der Neid gleicht in Quellung seines Hertzens den Zwiebeln /derer Safft mit dem wachsenden Mohnden abnimmt. Hohe Gemüther aber müssen sich so wenig durch den Neid / als die Lilgen durch umb sie wachsende Diesteln aufhalten lassen / ihren geraden Hals gegen dem Himmel und zu ruhmbaren Thaten auszustrecken /sondern sich vielmehr erfreuen: daß wie das Gold und der Schnee der Lilgen von keinem Staube der Erden /also grosse Helden von keinem Unrathe der Mißgunst befleckt werden könten. Jedennoch aber / weil die Raupen auch auf Himmelhohe Bäume steigen / und die Sturmwinde an ihren geraden Wipfeln ihre Gewalt am liebsten ausüben / ist es nicht unrathsam: daß ein Fürst für seinen eyversüchtigen Nachbarn so wol seine zu wachsen anfangende Gewalt / als das Ansehen etlicher massen verkleinert / und gleichsam mit denen höchsten Blumen das Haupt gegen der Erde neigt / umb durch seine Erniedrigung sich in mehr Sicherheit zu versätzen. Wenn ein Fürst aber / wie eine Zeder / schon alle benachbarte Bäume überwachsen hätte / vergehet dem Neide ohne dis seinen Gipfel zu übersehen / das Gesichte / und die Mißgunst verwandelt sich in Furcht / von seinem Schatten untergedrückt zu werden. Keines weges aber soll ein Fürst mit jemand anderm als mit seinen ruhmbaren Vorfahren / denen er es an Tugend vorzuthun sich befleissen muß / eyvern; sondern vielmehr seiner Diener und Unterthanen tapferen Bemühungen / wie ein fruchtbarer Baum dem umb sich windendene Hopfen empor helffen. Die geringen Tannen-Bäume dämpfen alleine mit ihrem neidischen Schatten anderer Pflantzen Wachsthum; die lebhafften Eichen aber beschirmen die unter ihrem Schatten wachsenden noch mit ihren Aesten. Nichts weniger hätte ein Fürst acht zu haben: daß unter dem Adel und seinen Dienern weder Neid noch Eiversucht erwachse. Denn beydes stifftet im Reiche Zwytracht / hindert des Fürsten Dienste / und verterbt die vorsichtigsten Anstalten. Denn ob es zwar das Ansehen hätte: daß diese Eiversucht ein Wetzstein der Tugend sey / und einer dem andern zu desto rühmlichern Thaten aufmuntere; so steckt doch hierunter so [752] viel Gifft / als unter dem kühlen Schatten des Eschbaumes. Oben hätte dieser Eiver zwar wie die Epheu-Blätter eine lebhafte Grüne tapferer Entschlüssungen; unten aber die Blässe tödtender Feindschafft; welche in Rache und Schmähungen ausbrächen. Diesemnach hätte ein Fürst gar wohl zu unterscheiden /wenn er dieser scheinbaren Gemüths-Regung das Thor öffnen oder zusperren soll / nach Anleitung der dißfalls klugen Maßholder-Bäume; welche im So er keine Sonnen-Strahlen durchstechen / im Winter aber sie willig durchlassen. Die sich auch mit dem Tage aufmachenden / und mit dem Abende wieder zuschlüssenden Blumen weisen einen Fürsten an / zur Zeit kurtz und nachdrücklich zu reden / und bey Auslassung seiner Gemüthsregungen mit unzeitigen Dräu- und schädlichen Versprechungen an sich zu halten / und nicht alle Geheimnüsse an Tag zu geben. Noch weniger muß er ihm einbilden seiner Arglist durch Unwahrheit eine Farbe anzustreichen. Denn wie die unvernünftigen Thiere das blühende Gold des giftigen Napels / die einfältigen Schafe das Aegel-Kraut von heilsamer Weide auszuschlüssen wissen; also macht offt die einfältigste Redligkeit die spitzsinnigsten Betrügereyen zu Schanden. Wenn er aber sich der Reinligkeiten der Tugend befleißt / muß er sich kein unzeitiges Urthel des Pöfels / noch keine böse Nachrede der Verläumdung irre machen lassen / sondern sich an Mäyen-Blumen und Klee erinnern: daß jene die Käfer beflecken / aus diesem die Kröten Gifft saugen; ja von falschem Urthel ihm diese vorträgliche Rechnung machen: daß wie die Schäre durch Abkürtzung der zu gähe empor schüssenden Zweige /und das Messer durch Wegschneidung der Räuber nur der Pflantzen Wachsthum befördert / und insonderheit dem immer-grünenden Myrtenbaume seine vollkommene Schönheit giebt / also jenes einen Fürsten in den Gräntzen und im Aufnehmen löblichen Fürhabens erhalte. Gleichwohl aber muß ein Fürst nicht einen guten Nahmen bey der klugen / und den Nach-Ruhm bey der Nachwelt in Wind schlagen / als wormit auch die Liebe zur Tugend verraucht: sondern ihm zum Spiegel dienen lassen; daß kein Gewächse sey / welches sich nicht durch Tragung seines Saamens verewige; ja daß auch die Asche der Blumen eine Geschickligkeit behielte / durch Kunst ihr erstes Wesen fürzustellen. Fürnemlich aber hat er sich zu schämen /wenn er seinen wohl-verdienten Ahnen ungleich werden solte / sondern wahrzunehmen: daß edle Gewächse selten Miß-Geburten / hohe Cedern niemals Zwerge zeugen; und daß / wenn die scheckichten Tulipanen ihre vielfärbichte Schönheit in gemeines Roth oder gelbe verwandelen / sie als unartige vertilgt werdẽ. Wie er sich nun zwar durch tapfere Thatẽ selbst den Nachkommen zum Vorbilde macht; also muß er das Aufkommen derer / welche durch Tugend / besonders aber im Kriege durch bewehrte Tapferkeit sich aus ihrem Staube empor zu schwingen gedencken / nicht hindern / sondern / wie zwey an einander geriebene Lorber-Zweige Feuer geben / und zwey begegnende Schönheiten Liebe verursachen / also edlen Gemüthern vielmehr auf die Beine helffen. Denn die Tugend wächst offt gleichsam aus sich selbst / wie viel heilsame Kräuter ungesäet / oder ohne Pflantzung. Ja die bergichten Balsam-Stauden / die ungestalten Wein-Stöcke erhärten: daß die Tugend mit der Niedrigkeit offtmals Verwandschafft habe / und in einem geringen Kleid nicht ihren Werh verliere. Welches er so viel fleissiger beobachten wird / wenn er sich seiner eigenen Niedrigkeit erinnert und bedencket / daß alle seine Pracht nicht so wohl aus eigenem Ursprunge / als von Gott / wie der Glantz der herrlichsten Blumen nicht so wohl aus eigener Wurtzel / als aus Beseelung der Sonnen herrühre / und ohne dieser gütige Anstrahlung sich schwerlich eine Knospe [753] aufzuschüssen Vermögen habe. Ob nun zwar ein Fürst sich des irrdischen derogestalt nicht entbrechen kan / daß er seinen Fuß nicht in Schwachheiten / wie die Pflantzen ihre Wurtzeln in der Erde vertieffen müste / so hat er doch sein Hertze Gott / wie die Wegewarte ihre Blätter stets der Soñe / und durch Gottesfurcht die Würde des Priesterthums mit seinẽ Fürstenhutte zu vereinbaren. Denn diese ist die Wurtzel aller Tugenden / der Thau des Himmels / durch welche allein ein Reich befestigt und fruchtbar gemacht würde. An diese muß sich ein Fürst iederzeit beständig halten /wie ein iedes Erd-Gewächse an sein Gestirne / von dem es seinen absondern Einfluß zu genüssen hat. Denn die Staats-Klugheit beherrschet zwar die Welt /und die Natur sie / aber beyde der Gottes-Dienst. Wie sich auch keine Blume anders / als sie die Natur gebildet hat / mahlen läst; also soll sich auch ein Fürst niemals mit Larven der Tugend / weniger gar mit Lastern behelffen. Das Meer-Kraut / dessen Blume früh weiß / des Mittags roth / des Abends blau ist / bildet einen Heuchler und Wetter-Hahn / keinen Fürsten ab /dessen Tugend wie die Raute niemals ihre unverwelckliche Farbe verändern muß. Sintemal doch diese Hitze und Schnee austauert die Boßheit aber niemals beständig glücklich seyn / ja ohne Hülffe etlich angenommener Tugenden nicht einen Tag bestehen kan /wenn sie sich auch noch so schön ausputzte. Wenn sie die Klugheit nicht von der Tugend zu unterscheiden weiß / verrathen sie doch ihre bösen Früchte / wie das giftige Honig das Pontische Kraut / welches zwar Rosen trägt / aber denen Bienen nur tödtliche Nahrung zu saugen giebt. Ob nun zwar ein auf dem Grunde der Gottesfurcht und Tugend stehendes Reich sich keines Falles versehen dörffte / so haben sich doch sterbliche Fürsten mit denen tauerhaftestẽ Palmen und Eichen zu bescheiden: daß sie nicht ewig stehen könten. Diesemnach ein ieder bey Zeite vorzusinnen hat /seine gute Eigenschaften künftigen Nachfolgern / wie die Gärtner durch Einäugung jungen Stämmẽ der fruchtbaren Bäume Köstligkeiten einzuverleiben. Nichts gewissers aber muß ihm ein Fürst einbilden /als daß Kronen mit so viel Dornen als die Königin der Blumen / und die Spanischen Feigen mit Stacheln umbgeben; ja der Fürsten-Stand gleichsam wie die Kastanien-Nüsse in stechende Spitzen eingehüllet sind. Es bedarff in einem Reiche mehr Schweisses und Arbeit / als in keinem Garten / welcher ohne tägliches jäthen / abraupen / ausputzen / stützen / abschaben / und tausenderley Arbeit zeitlich verwildert. Unter diesen ist eine der fürnehmsten / durch Beysetzung gerader Stöcke und mit Wercke junge Bäume zu zwingen: daß sie nicht kru / sondern gerade wachsen. Man muß durch Verschneidung übriger Zweige oder Räuber die Stämme erhalten: daß sie durch allzu reichliche Vertheilung ihres Saftes nicht Krüpel werden / oder die Wurtzel zu sehr erschöpfen. Nichts anders hat ein Herrscher durch heilsame der Vernunfft gemässe / deutliche / und nicht übrige Gesetze / und durch sein sich denselben unterwerffendes Beyspiel von Unrecht / Lastern und Verschwendung des Vermögens / als der Lebens-Geister des gemeinen Wesens zurück und für Verterb zu erhalten. Jedoch soll ein Fürst weder alte Gesetze ohne euserste Noth abthun / noch denen erstarrten Mißbräuchen neue schreiben / welche er nicht trauet in Schwung und in Gebrauch zu bringen. Denn durch das erste giebt man gleichsam denen Unterthanen Anlaß die Gesetze mit Füssen zu treten / durchs letztere aber entsetzt sich der Fürst selbst seines Ansehens. Ob er nun zwar allen schädlichen Ansatz und offt viel anbrüchige Glieder / wie die Gärtner von den Bäumen die dürre Rinde / die unartigen Knörner / als Hindernüsse des Wachsthums und der Fruchtbarkeit abschneiden /auch mehrmals gantze Aeste absägen muß / wo anders der gantze [754] Baum nicht angesteckt oder verdorren soll; müssen doch beyde genau die Hertz-Wurtzel zu verschneiden sich hüten / sondern vielmehr die Wunden mit Baumwachse und Gelindigkeit verbinden /und iedweder ehe das Pflaster / als das Messer brauchen; ausser im Kriege / wo es sich nicht zweymal sündigen läßt / wo iemand gar den Kopf über die Gesetze empor zu tragen / oder sich gar wider die Verfassung eines Reiches / und sein Haupt aufzulehnen erkühnet. Mit einem Worte: Eines Fürsten Thun muß dem Majoran und den Myrrhen gleichen / derer Geschmack bitter / aber heilsam ist. Jedoch wird das schärffste Recht / wie die Oliven im Saltz-Wasser /seine Säure verlieren / wenn ein Fürst in wichtigen Sachen selbst den Richter-Stul betritt; und wenn heimliche Verbrechen in geheim / die aber / welche zum Aergernüsse in die Augen lauffen / offentlich bestrafft worden. Demnach aber der Hi el mit Reiff und Schnee nicht nur die Pflantzen beschirmet / und durch Winde ihre Wurtzeln befestigt; sondern auch mit sei nem süssen Thaue ihre Zeugung in der Erde zuwege bringt / und sie gleichsam säuget: also muß ein Fürst nicht nur durch Straffen der Tugend Sicherheit / sondern auch durch Belohnung Wachsthum und Unterhalt verschaffen. Die aus dem Gärten und Wäldern geholeten Lorber- und Eichen-Kräntze leiten einen Fürsten schon selbst nicht allein hierzu / sondern auch zur Klugheit an ein geringes Blat / für Gold und Edelgesteine anzuwehren. Wie aber die Rutten umb die Bürgermeister-Beile vieles Flechtens bedörffen / zur Anweisung: daß man sich in Straffen nicht übereilen soll; also muß ein Fürst auch nicht für erhaltenem Siege / und für würcklichen Verdiensten die Belohnungs-Kräntze abbrechen lassen. Denn sonst werden sie verdorren / und die für der Zeit gegebene Belohnung den Belohnten träge und hoffärtig / andere verdrüßlich und neidisch machen. Wiewohl auch weder Straffe noch Belohnung so lange zu verschieben ist: daß es nicht das Ansehen gewinnet / als wenn die Verdienste schon durch Vergessenheit / die Verbrechen aber durch die Zeit vertilgt wären. Beyde Straffe und Belohnung müssen auch gegen Schuld und Tugend wohl abgewogen seyn / und diese allezeit den Geschmack einer Gnade / wie die Nelcken den Geruch der Würtzen / nicht aber einer verbindlichen Zahlung behalten; also daß ein Diener sich iederzeit seines Fürsten Schuldner zu seyn erkennen / und ihn als eine wohlthätige Sonne anzuschauen Ursach hätte. Hingegen sind die der Sonnen mit unverwendetem Auge nachsehenden Sonnenwenden / der Fürsten Leitsterne: daß das unerschaffene Auge und Hertze der Welt / nemlich Gott / ihr einiges Augen-Ziel / die Fortpflantzung des Gottesdienstes / die eivrigste Bemühung / die Vermehrung der Ehre Gottes / der Zweck ihres Lebens / die Schätze der Heiligthümer /unversehrliche Gottes-Kasten / geistliche Stifftungen seine nutzbarste Sparsamkeit seyn soll. Deñ die Gottesfurcht gleicht denen Lorber-Zweigen / welche das Reich für Unglück / wie diese die Nester der Holtz-Tauben für Zauberey und giftigem Geschmeisse verwahrẽ. Nachdem man aber in der Welt den Gottes-Dienst zum Betruge / wie den Saffran / nebst gewissen Purpur-Blumen / zur Schmincke heßlicher Antlitze / das Scharlach-Kraut zu Anmachung geringen Weines braucht / muß er weder hierdurch sein böses Fürhaben eine falsche Farbe anstreichen / noch sich andere durch solchen Anstrich betrügen lassen. Ihm liegt wie einem Gärtner ob / aus Erinnerung des durch Frost / oder andere Zufälle empfangenen Schadens /die Gewächse für künftigem zu verwahren / nach Beschaffenheit gegenwertiger Jahres-Zeit / nichts zu verabsäumen zu säen / und nach Vorsehung künftiger Witterung und Zufälle / wider Mißwachs und Verterb kluge Anstalt zu machen. Aus der in Knospen stecken bleibenden Blüthe der geringen Schleen-Sträuche weiß ein [755] Gärtner / die noch verborgene Kälte; aus dem Gefässe der Blumen-Zwibeln künftige Dürre /aus Gerathung der Mandeln eine fette Weitzen-Erndte wahrzusagen; eben so muß ein Fürst nicht nur bey seiner Herrschafft auf Gestirne und hohe Dinge / sondern auch auf die für seinen Füssen acht haben / und daraus sein Glück und Unglück wahrnehmen. Ihrer viel scheinen kleine Moh-Körner zu seyn / aus welchen doch ungeheure Buchen und Oerlen wachsen. Die Bevolckung frembder Länder / die Vielheit der Verheyratheten / die übermässigen Gelübde / die nachlässige Wirthschafft bey gemeinen Einkünfften /die auf Zinß erborgten Gelder / die Ausführung des Geldes / die Bevortheilung in der Müntze scheinen in einem Reiche schlechte Schwachheiten zu seyn / welche wenig zu bedeuten hätten; die Erfahrung aber lehret: daß sie die Länder / wie Holtz-Würmer die grösten Kiefern / ausfrässen / und zu Bodem stürtzten. Wie auch ein Gärtner aufs genaueste die Eigenschafft des Bodens / worinnen dieses oder jenes besser wächst / auch die Eigenschafft dieses oder jenen Himmel-Strieches unterscheiden / sich aber nicht allemal auf selten sich ereignende ungemeine Fruchtbarkeit verlassen muß; also hat ein Fürst nicht gewiß auf das Beyspiel seiner Nachbarn und Vorfahren / noch auch auf die Gesetze der Staats-Klugheit / welche mehrmals im finstern tappet / auf gleichen Bodeme stulpert / und über einen Strohalm fällt / zu bauen / weniger auf einen glücklichen Streich / mehr blinde zu wagen / sondern auch bey seiner Herrschafft ihm die Rechnung zu machen: daß unter hundert tausend Weitzen-Körnern kaum eines einen Halm mit drey Eeren / und unter tausend Zwiebeln der Persischen Bünde kaum eine funfzig Blumen / und wenig Rosen-Zweige zwey Rosen auf einem Stiele trügen. Ob nun wohl der klugen Vor-Eltern Spure den Nachkommen dienliche Wegweisung ist / so muß sie doch nicht ihr Gefängnüß oder Irr-Garten seyn / aus welchem sie keinen Fuß setzen dörffen. Die Zeiten ändern die Umbstände / und die Welt werde von Zeit zu Zeit scharffsichtiger. In Gärten mühet sich nunmehr die Kunst es der Natur vorzuthun; und die meisten fruchtbaren Bäume sind vorhin wilde / oder ihre Aepfel kleiner gewest. Daher ist es einem Fürsten unverwehrt / die alten Fehler abzuthun / das Gute zu verbessern / und seine neue Erfindungen der Nach-Welt zur Nachfolge zu verlassen. Aus solcher und vieler Zufälle Anmerckung wird die Erfahrung / aus dieser aber die Klugheit erlangt. Ins gemein ist das Unglück hierinnen der nachdrücklichste Lehrmeister; und es zwar glücklicher aus frembden / aber empfindlicher aus eigenem Mißwachse vorsichtiger säen und pflantzen lernen; und so wohl eines Fürsten / als Gärtners grosse Klugheit / alle Kranck heiten seiner Bäume und Unterthanen kennen. Hierbey muß dieser verstehen: Ob eine oder andere Frucht sich besser einäugen / von dem Kerne fortpflantzen /oder auf diese oder jene Art Stämme glücklicher pfropfen liesse; ein Fürst aber sich nicht auff spitzsinnige Weißheit legen / sondern den Unterscheid der Gemüther und der Geschäfte erforschen. Denn beyde haben so unterschiedene Gestalten und Eigenschaften / als die Gewächse. Etliche Geschäffte sind wie die Hecken / anfangs von der Geschwindigkeit leicht zu bestreiten / wenn sie aber zu Kräfften kommen / fast unmöglich zu überwinden. Andere schüssen wie das Schilff mit Gewalt empor. Diesen muß man mit Geduld Zeit lassen. Denn sie brechen hernach von sich selbst ein. Etliche sind wie die Disteln / wo man sie auch angreifft / stachlicht; dörffen also Vorsicht und Hertzhaftigkeit. Andere sind wie das keine Anrührung [756] vertragende Kraut / und müssen unvermerckt untergraben werden. Unterschiedene Dinge lassen sich nur zu gewissen Zeiten angreiffen / wie die Oel- und Weiden-Blätter sich nur im längsten Tage des Jahres einmal umbwenden / zu derer Ausmachung man alles in Bereitschaft haben müste. Etliche Geschäffte werden so langsam reiff / als der doch so köstliche Wein /welcher fast die letzte Frucht im Jahre ist / haben also Fleiß und Geduld von nöthen. Andere werden / ehe man sichs versieht / wie die in einer Nacht wachsen den Piltze / zeitig / dörffen also einer sorgfältigen Aufsicht und Fertigkeit / sie nicht zu versäumen. Etliche sind zärtlicher / als die Pöonien / welche von dem geringsten Anfühlen Blätter fallen lassen / müssen also gleichsam mit Pflaumen-Streichen gewonnen werden. Andere hingegen muß man harte angreiffen /und wie den Flachs durch Zancken und Brechen gehen lassen / oder wie den Saffran mit Füssen treten. Jedoch sind wenig Dinge mit Ungestüm / mehr mit Bescheidenheit / alle mit Fleiß und Vernunfft zu handeln / insonderheit aber die gelegene Zeit / und die sich zeigende Gelegenheit aufs genaueste wahrzunehmen; und iedem Geschäffte sein anständiger Kopf zuzueignen. Denn diese sind ja so mancherley / als die Pflantzen; und einem ieden nicht alles anständig. Kein geringer Unterscheid ereignet sich unter den Gemüthern. Etliche sind großmüthig / und den Zedern gleich / welche sich mit dem hohen Gipfel der Ehre vergnügen. Andere gleichen den Zwerg-Bäumen / und ergetzen bey ihrer Niedrigkeit sich an einkommentlichen Früchten. Etlichen treibt die Hoffart die Sprossen so spitzig empor: daß / da sie der Wind nicht zerbrechen soll / sie müssen zerschnitten werden; umb sich mit mehr Kräfften der Vernunfft zu fassen / und in die Dicke zu wachsen. Andere kriechen wie Winde aus Zagheit auf dem Bodeme / biß man ihnen einen Halt verschafft / und so wohl ihr Vermögen / als die Mögligkeit der Verrichtungen zeigt. Etliche sind knechtischen Gemüths / und müssen wie die Nuß-Bäume mit Prügeln und Schärffe ausgearbeitet / andere gantz wilde / und müssen / wie die an einen wilden Feigen-Baum gebundenen Ochsen gezämet / und ihnen die Arbeit aufgehalset werden. Viel haben so viel Einbildung in sich selbst / als die eingeschlossenen Quitten Geruch; derer Eitelkeit durch Verachtung verrauchen muß. Etliche sind so geschwinde und feurig / wie die Mandel-Blüthe / welche aber nach der ersten Ubereilung / gleichsam mit einem Froste befallen und vertilget werden; und dahero anfangs des Schattens / hernach der Sonne / nemlich die Warnigung und Aufmunterung bedörffen. Andere hingegen stecken so voll Zweifels / als die Pfeffer-Stäbe voller Knoten; welche man mit dem Schaden ihrer Versäumnüß klug machen muß. Es gibt auch zum Theil so ungeschickte Stöcke / in welche sich / wie in Eichen nichts bessers pfropfen läßt. Diese muß man mit handgreifflichen Uberweisungen zu rechte bringen. Etliche versteigen sich in sich selbst / und alle ihre Anschläge sind so spitzig / als die Kastanien-Nüsse; diese muß man ihnen selbst lassen / biß sie sich ihrer Schwerigkeiten / wie die Kastanien ihrer stachlichten Nüsse erledigen. Andere verwerffen alles Einrathen / wie etliche wilde Bäume alle Verbesserung; manche haben einen herrlichen Schein / und ist doch nichts hinter ihnen /wie die Blume / welche Hispaniens Wunder genennet wird; und ausser dem Glantze ihrer Farbe weder Geruch / Geschmack / noch einigen andern Nutzen hat; hingegen scheinen einige so unansehnlich / als die reiffen Feigen / die unter ihrer Schwärtze so viel Süssigkeit verbergen. Die wenigsten aber haben die Vollkommenheit der Palmbäume / nemlich im Gesichte Ansehen / in Geberden Anmuth / [757] in Worten Wahrheit / auf der Zunge Verschwiegenheit / im Hertzen Redligkeit / welche mit Bescheidenheit reden /mit Geduld hören / mit Nachdruck widerlegen / durch die Erfahrung behaupten / mit Gründen überweisen /mit Klugheit alles überlegen / und mit Hertzhaftigkeit ausführen; iedoch bey ihrer Geschickligkeit nichts nachlässig handeln / noch andere drücken / oder die Unerfahrnen mit Fleiß anlauffen lassen. Dieses sind die Werckzeuge der gemeinen Glückseligkeit / und die Säulen / welche den Garten eines Reichs schmücken / und den Fürsten in Ansehn setzen. Dieses zu behaupten / muß er von denen immer-grünenden Cypressen / und denen die Blätter niemals verlierenden Pomerantzen-Bäumen lernen / allemal / besonders bey Unglücks-Stürmen und rauhen Winter des Krieges sein Ansehn behalten; ohne welches er von seinem eigenen Volcke so verächtlich / als ein entblätterter Baum gehalten / von den Feinden aber als ein zerbrechlicher Stock und geringes Brenn-Holtz leicht angetastet wird. Solch Ansehn befestigt auch ein Fürst durch anständige Kleidung und Aufzüge / durch prächtige Schlösser / starcke Leibwachen / am meisten aber durch Gerechtigkeit / Klugheit und gute Haushaltung; hingegen wird es verlohren / wenn ein Fürst sich mit iedermann zu gemein macht / bey Unglück / durch Kleinmuth und ängstliche Hülff-Bittungen / durch Verrathung seiner Schwachheit / und durch knechtische Laster. Gleichwohl aber muß er hierbey nach dem Vorbilde der Wein-Stöcke / welche in ihrem heßlichen Holtze den edelsten Safft der Welt zeugen / in seinem Thun mehr auf den nützlichen Kern / als auf den äuserlichen Schein sehen; und wenn sein Vorhaben nur nicht von der Tugend / von Treu und Glauben ablenckt / sich das tumme Urthel des eitelen Pöfels / welches nur nach den euserlichen Schalen urtheilt / und weder die Ursachen / noch das Absehn eines Fürsten ergründet / nicht irre machen /weniger ihm die / welchen nur die Ehre des Gehorsams zuko t / Gesetze vorschreiben lassen; welches nach einem glücklichen Ausgange sich seiner Thorheit schämet / und sich selbst aufs Maul schlägt. Wiewohl es iederzeit sicherer ist: daß ein Fürst in seinem Vorhaben des Volckes Beyfall hat / welches so denn auch bey widrigen Ausschlägen des Hofes Irrthümer entschuldigen hilfft. Wie nun die Amaranthen bey Frost / die Palm-Bäume beym Ungewitter und Son nen-Scheine einerley Gestalt behalten / ja gegen der sie drückenden Last sich noch mehr empor klimmen /das Kraut der Bären-Klau so viel mehr wächst / ie mehr es getreten wird / und das Saltz-Wasser den Palm-Bäumen zur besten Nahrung dient; also muß ein Fürst sich beym Glücke nicht überheben / beym Unglücke den Muth nicht sincken lassen / sondern wie die vom Winde bestürmte / und vom Einschneiden verwundete Myrten-Staude desto mehr Früchte seiner Großmüthigkeit zeigen; iedoch auch nicht wie das Eisen-Holtz unempfindlich seyn / sondern nach Art der fühlenden Pflantzen so wohl ihm selbst das gemeine Elend lassen zu Hertzen gehen / als dem Volcke die mit aller Zuthat abzuwenden nöthige Gefahr für Augen stellen. Von denen Dattel-Bäumen / welche die sorgfältigste Wartung brauchen / und doch erst im hundertsten Jahre Früchte tragen / muß ein Fürst lernen unermüdet arbeiten / mit Geduld hoffen; und wenn es gleich mit seinen Anschlägen nicht bald fort wil / keines weges die Hand abziehen / weniger verzweifeln. Denn die Herrschaffts-Sachen brauchen so wohl Zeit zu ihrem reiff werden / als die Mispeln. Was offt lange stecken bleibt / ersetzt hernach seinen Verzug desto reichlicher / und ko t frühzeitiger Ubereilung zuvor / wie die Maulbeer-Bäume / welche zwar langsam blühen / aber desto eher und häuffiger[758] Früchte bringen. Wenn ein Werck reiff wird / öffnet es sich von sich selbst / wie die Granat-Aepfel. Dahero muß ein Fürst nichts zur Unzeit erzwingen. Denn die Ubereilung leidet ins gemein von Zufällen / wie die allen andern zuvor kommende Blüthe der Mandel-Bäume vom Reiffe Schaden. Noch weniger muß er sich die Widerwertigkeiten lassen abschrecken; sondern sich vielmehr getrösten: daß der Reiff die zähen Kräuter mirbe / Würmer die Feigen reiff machen / der Platz-Regen die Raupen ersäufft / und die Glückseligkeit aus Ungemach / wie die Rose aus Dornen herfür blüht. Was in weichen Lilgen-Blättern alsbald verfault / bleibt viel Zeit in brennenden Nesseln gut. Wie die Kastanien-Bäume besser im Schatten / und auf Gebürgen / als an der Sonne / und in fetten Flächen stehen / die Feigen des Nachts mehr reiffen / als am Tage / also gerathen ihrer mehr bey Ungemach / als wenn sie immer auf Rosen gehen / und denen die Sonne stets schiene. Denn wie dieses holde Licht denen Nesseln allererst die Krafft zu brennen einflößt / und sie solche nicht aus der Erde / und ihrer Wurtzel bekommen / also verärgern sich die Menschen bey stetem Wohlstande / durch schädliche Wollüste und Vermessenheit. Man wil so denn allenthalben mit dem Kopfe durchdringen / da es doch eine der grösten Klugheit ist / sich lernen in die Zeit schicken / den Mantel nach dem Winde hängen / im Fall der Noth /wie die Blätter der Ulmen-Bäume / wenn die Sonne in den Krebs tritt / sich umbwenden / die Segel heftiger Gemüths-Regungen niederlassen / dem stürmenden Unglücke einen Schritt auf die Seite / nicht in Weg treten / und iedes Wetter ihm zu Nutze machen. Worinnen ihm dieselbigen Blumen zur Richtschnur dienen / welche bey rauher Lufft ihre Blätter in die Schale ihrer grünen Knospen verstecken / bey linder sie öffnen / und die Sonne sie färben lassen. Diese Veränderung aber muß ohne Kleinmuth geschehen; Sintemal diese die Furchtsamen ihrer Vernunfft beraubt / und die Gefahr vergrössert. Wer dieser Rath folgt / wird niemals aus zweyen Ubeln das geringste /sondern lieber den tödtlichen Schatten des Eiben-Baumes erwehlen / als sich die Sonne stechen lassen. Ein der Klugheit beygesetzter Gran der Verwegenheit zernichtet offt grosse Berge der Schwerigkeiten. Ob auch zwar die Gefahr zuweilen von sich selbst verraucht / wird doch selbte durch Unachtsamkeit vielmal aus einem Mah-Korne zu einem gossen Baume. Dahero muß ein Fürst selbte niemals fürchten / noch verachten / sondern vernünfftig unterscheiden. Denn die Unterscheidung ist die Zunge an der Wage der Klugheit. Dieser Barde hatte schon das Wort auf der Zunge weiter zu reden / als der Schall einer geleuteten Glocke ihn nicht allein stu machte / sondern auch alle Barden einer in der Mitte des Gartens in einẽ Steinfels befindlichẽ Höle zuzueilen nöthigte. Diese hatte einen Umschweiff inwendig von 100. Schritten; sie war über und über mit kleinen vielfärbichten Kiesel-Steinen zierlich besetzt / also daß sie allerhand Thiere / Vögel und Fische fürbildeten. Aus vier Stein-Ritzen spritzte eyß-kaltes Quell-Wasser in eine unten in den Stein-Fels gehauene / oder vom Wasser selbst ausgehölete Wanne / die Catten insgesa t folgten dem Barden zu dieser Höle / und küsten sie sä tlich nicht allein die Pfosten des Eingangs / sondern das Frauenzimmer band sein Haar auff / und wischte damit die Schwelle dieses Heiligthums ab. Hierauf wuschen alle in der ziemlich finstern Höle / ihre Scheitel / Hände / und nackten Füsse. Agrippine[759] wolte diesen folgen / aber Thußnelde zohe sie zurücke / und meldete: daß niemand / welcher nicht baarfüssig / und von Barden eingeweyhet wäre / wie kein Frembder in den Tempel der Juden / und bey den Griechen in das Heiligthum der Ceres gelassen würde. Agrippine hielt sich also an dem Eingang zurück / und fragte: Warumb denn die Barden einen so finstern Ort zu ihrem Gottes-Dienste erkieset hätten / weil / nach des Agesilaus Urthel die Finsternüß bösen / das Licht aber löblichen Verrichtungen anständig wäre. Thußnelde antwortete: Sie halten dafür / daß diese Finsternüß den vorwitzigen Augen verbiete / nach irrdischen Dingen zu schauen; und daß der / welcher für dem Antlitze Gottes stehe / und von selbtem erleuchtet werde / keines andern Lichts bedörffe. Hierüber fieng der oberste Barde an seine an den Hals gehenckte Glocke zu leuten / wie auch die kleinen an seinem Saume zu schütteln; worauf alle in der Höle sich befindenden zu Bodem fielen / und so gar ihre Antlitze auf die Erde legten. Agrippine fieng abermals an / und sagte: Sie hätte sich anfangs bald über die Glocken des Barden verwundert / nunmehr aber hätte sie so viel mehr Ursache zu fragen / was sie bedeuteten? Sie wüste zwar / daß auch bey andern Völckern im Gottes-Dienste dem Ertzte eine besondere Krafft zugeschrieben würde / daß die Priester zum opfern nicht eiserne / sondern ertztene Messer brauchten / daß Medea eine solche Sichel geführet / daß in dem Feyer der Haus-Götter / und bey den Gräbern der Verstorbenen ein altes Weib mit dem Geschwirre des Ertztes die höllischen Geister und Gespenster vertriebe / daß die Einfältigen damit dem verfinsterten Monden zu Hülffe kommen / ja Donner / Hagel und Ungewitter abwenden wolten; und daß dadurch die schwermenden Bienen vereinbart und beruhigt würden. Sie erinnerte sich auch / daß die Begräbnüsse zu Rom gewisse Glocken-Träger begleiteten / theils die Leute zum Zuschauen des Gepränges zu beruffen / theils den Priester des Jupiters für der Zunäherung zu warnigen / als welcher keine Todten-Klage hören dörffte. Alleine diese Glocken müsten sonder Zweifel ein viel ander Absehen haben. Thußnelde antwortete: Sie wüste zwar so genau nicht die Geheimnüsse des Bardischen Gottes-Dienstes; sie glaubte aber / daß wie in Feld-Lägern oder Festungen die / welche die Wachen besichtigen / Glocken trügen / umb die Schläfrigen zu ermuntern / also auch diese Glocken die Menschen zu mehrer Andacht erwecken solten. Welches sie dieser Glocken Uber-Schrifft so viel mehr beredete / als an welche folgende Reyme gegossen wären:


Ihr Menschen / denen Gott Zung und Vernunfft gegeben /

Die er zu seinem Lob und Seiten-Spiele weyht /

Doch beym Verstande thumm / und stumm beym Reden seyd;

Denckt wie des Schöpfers Preiß die Morgen-Stern' erheben /

Wie Pflantze / Rab' und Wurm nach Gottes Ehre streben /

Wie Blitz und Wolcke lobt des Höchsten Gütigkeit /

Ja wie der stumme Fisch des Höchsten Ruhm ausschreyt /

Wie bleibt euch Menschen denn die Zung' am Gaumen kleben?


So weck' euch nun todt Ertzt / wenn euch nichts anders kan;

Denn Gott das Wort hat mich betheilt mit einer Zungen /

Durch meinen Klang wird er gepriesen und gesungen;

Ich deut' euch auch die Zeit Gott zu verehren an.

Wie könn't ihr denn seyn stumm / und so viel Stimmen hören /

Wenn Stern / Wurm / Pflantze / Fisch / Blitz / Wolck / und Ertzt Gott ehren?


Agrippine fieng hierauf an: Ich erinnere mich nun /daß in den Tempeln der Syrischen Göttin ebenfalls solche Glocken aufgehenckt sind / derer sollen auch zu dem [760] Ende nicht wenig in des Porsenna prächtigem Begräbnüs-Maale an denen die vier grossen Spitz-Seulen zusammen knüpffenden Ketten gehenckt haben / wie auch daß in des Dodoneischen Jupiters Eichwalde eine Glocke Tag und Nacht unaufhörlich geläutet worden / über dis auf einer hohen Seule ein ertzten Becken / und auf einer andern / dabey eines Knaben Bild gestanden habe / welcher bey wehendem Winde mit seiner in der Hand habenden Ruthe auf solch klingendes Becken geschlagen. Käyser August hat auch auf das Hauß des donnernden Jupiters / welcher für den Pförtner des Capitolium verehret wird /durch Anleitung eines Traumes mit Glocken versehen. Welcher Glocken Gebrauch allerdings heiliger als unser zu Rom / da sie die Verschwendung zur Erweck- und Zusammen-Ruffung der unzählbaren Hauß-Gesinder / und zur Andeutung der Bade-Zeit erfunden hat. Aber / sagt sie / pflegen denn die Barden nach Anleitung dieser Reime auch andere / als die zum Gottesdienste bestimmte Stunden mit Glocken anzudeuten? Thußnelde antwortete Ihr; In alle Wege /alle. Denn eine jede wäre einer besondern Verrichtung / und sehr wenig dem Schlaffe bestimmet. Sie hielten den Schlaff für die Wiege der Wollust / und Müßiggang für das Haupt-Küssen der Laster. Agrippina fragte ferner / in wie viel Stunden die Barden Tag und Nacht eintheilten? Thußnelde sagte: Sie stimmten mit den meisten Völckern überein / daß sie so wol dem Tage als der Nacht zwölf Stunden zum Maaße aussätzten / jedoch wolten sie weniger den Babyloniern /noch weniger den Egyptiern diese Erfindung enträumen / welche letztere sich rühmten / daß sie der Hunds-köpfichte Affe ein dem Serapis gewiedmetes Thier / welches wenn die Sonne in Wieder oder in die Wage tritt / und also des Jahres zweymal bey Gleichheit des Tages und der Nacht zwölf mal sein Wasser gelassen hätte / solche Abtheilung und die darnach gerichtete Wasser-Uhren gelehret hätte; sondern sie lehrten vielmehr / daß der erste Mensch schon solche gemacht hätte. Denn weil die Zeit die Zahl der Bewegung und also der Mäßstab menschlichen Verrichtungen wäre / hätte der erste und Zweifelsfrey klügste Mensch dieser nothwendigen Wissenschafft die Zeit zu theilen nicht unwissend seyn köñen. Jedoch hätten sie ein gantz ander Stunden-Maaß als die Römer. Deñ da diese nach der Länge des Tages / und nach der Kürtze der Nacht jenes Stunden verlängerten / dieser verkürtzten / also daß im So er zwölf lange Tages /und zwölf kurtze Nacht-Stunden wären; so machten die Barden aus Tag und Nacht zwar auch zwey mal zwölf Stunden / aber durchgehends eine so lang als die andere. Diese Abtheilung hielten sie auch für die allerälteste. Sintemal sonst keine Uhr / sonder daß sie alle Tage nach dem Auf- und Untergange der Sonne verändert würde / eintreffen könte. Agrippine fiel ein: Es ist dis freylich wol eine richtigere Abmäßung der Zeit als unsere zu Rom / allwo man anfangs nur den Tag in Morgen und Abend zu theilen gewüst / hernach dem Mittag beygesätzt; welche drey Zeiten ein Aufwärter des Bürgermeisters / nach gewissen Anmerckungen der Soñen-Strahlẽ am Rathhause / und also nur bey heiterẽ Wetter ausruffen muste / bis man im erstẽ Punischen Kriege / auf einer Seule die erste Sonn- oder Schatten-Uhr / welche Anaximenes Milesius zu Sparta erfunden haben soll / hernach Scipio Nasica die vom Etesibius zu Alexandria ausgedachte Wasser-Uhr aufgerichtet hat. Wiewol wir dessen selbst nicht allerdings gewiß sind / und einige / daß die erste Uhr ans Capitolium / andere daß es an Dianens Heiligthum angemacht / und aus Sicilien gebracht worden wäre / vermeinen. Alleine auf was für Art wissen sie / besonders bey trübem Wetter / uns des Nachts die Stunden so gar genaue zu treffen. Sintemal unsere über die Wasser-Uhren [761] gestellte Knaben so selten als die Meinungen der Weltweisen mit einander eintreffen. Thußnelde beantwortete sie: die Barden hätten zwar eben solche Wasser- und Sonnen-Uhren. Sie zeigte ihr auch nahe darbey ein Blumenstücke / da eine in der Mitte stehende Stange den Schatten auf die mit grünem Buchsbaume gesätzten zwölf Stunden-Zahlen warf. Uber dis hätten sie an statt der Wasser-Uhren Sand-Seiger / welche richtiger als jene wären. Ja sie pflegten an Bewegung der Sonnen-Wenden und anderer Gewächse / insonderheit aus dem Schatten des in dem Garten stehenden spitzigen Steinfelsens / wie die Egyptier aus der Regung der Lothosblume / aus dem Schatten des grossen Sonnen-Pfeilers bey Memphis und der Spitz-Seule zu Heliopolis so wol die Tages-Stunden / als die Jahres-Zeiten / wenn Tag und Nacht gleich / oder die Sonne zurück kehrt / abzumässen. Allein die Barden hätten etwas erfunden / welchem weder Rom / Egypten noch Babylon was gleiches zu zeigen hätte / nemlich eine von Stahl gemachte Uhr / derer Räder von wol abgetheilten Gewichten / ein die Stunden weisender Zeiger aber von den Rädern bewegt würde; daß die Barden also / wenn sie nur des Tages einmal die Gewichte aufzügen / das gantze Jahr durch zu Tag und Nachte bey jedem Wetter eine jegliche Stunde genaue wissen / und ein wachsamer Barde durch so viel Schläge an die Glocke selbte allen andeuten könte. Agrippine wunderte sich hierüber / und weil auf Thußneldens Begehren sie mit ihr zu dieser Uhr auf den über der Höle gebauten Thurm empor stieg / konte sie diese Erfindung nicht genung loben; dieses aber wuste sie noch nicht zu begreiffen / warum der Oberste Barde selbst eine Glocke am Halse trüge; da man solche doch anderwerts wilden Thieren / und denen zum Tode Verdammten anzuhencken pflegte. Diesen zwar / daß sie niemand anrührte / und sich an ihnen verunreinigten / jenen aber / daß die Raub-Thiere von den Zahmen schichtern gemacht / das Vieh insonderheit die Falcken und Habichte desto leichter wieder gefunden / ja durch den Klang der Glocken desto besser zu weiden und fetter zu werden angereitzt werden möchten. Sintemal fast alle Thiere an süssem Klange grosses Gefallen haben / und daher die Meer-Schweine denen Säiten-Spielern auf den Schiffen begierig nachfolgen / die Nachtigalln den Lautenschlägern nachschlagen; und die flüchtigen Hirsche durch die Hirten-Pfeiffen feste gemacht werden. Thußnelde versätzte: Es könte einerley Ding zu zwey widrigen End-Ursachen / oder gar bey einem zur Schande / beym andern zur Ehre gebraucht werden; Insonderheit wäre dis /wormit man die Thiere ausputzte / nicht bald eine Verstellung der Menschen. Sie hätte in etlichen der Diane gewiedmeten Heynen Hirsche mit Edelgesteinenen Ohrgehencken gesehen. Der grosse Alexander hätte nicht nur sondern schon Diomedes einem Hirsche ein köstliches Halsband mit darein gegrabener Schrifft: Diomedes Dianen / umbgemacht / welches hernach in Hals eingewachsen / vom Könige Agathocles in Sicilien aber gefunden / und in Jupiters Tempel verwahret worden. Sie hätte zu Baje gesehen /daß Antonia / wie für ihr Craßus / einer Murene Perlene Ohrgehencke angehenckt habe. Sie wüste auch /daß im Bruñen des Labrodischen Jupiters die Aale Halsbänder trügen / ja denen Ochsen hienge man ertztene Ringe an die Ohren. Dieses aber hinderte nicht / daß die Ohrgehencke ein Kennzeichen des Adels sind / ob schon die Durchbohrung der Ohren auch ein Merckmal der Knechtschafft ist / ja daß August die zerschnittene Perle Cleopatrens im Pantheon dem Bilde der Venus / Callidius silberne Ohrgehencke Minerven angehenckt. Maßen denn auch das an dem Trojanischen Vorgebürge [762] zur Verehrung aufgesätzte Bild Achillens eben so wie ein Weib an seinen durchlöcherten Ohren Edelgesteine hencken gehabt. Eben so unterschieden wäre der Gebrauch der Glocken / welche so wol an den Siegs-Wagen als an den Hälsen der Missethäter hiengen / umb die Uberwinder auch in ihrem grösten Glücke des menschlichen Elends zu erinnern. Niemanden aber käme Glocken besser zu tragen als Priestern zu. Denn solche wären ein rechtes Sinnebild ihres Amptes / weil sie der Mund Gottes / die Stimme der Warheit / ein Wecker der Andacht / ein Beyspiel der Frömmigkeit wären. Hierüber endigte sich das Gebete; da denn Ariovist so begierig war des Barden Unterweisung vollends zu vernehmen / als dieser seine Rede zu vollführen. Weil aber er ihrer Gedult halber sorgfältig war / nach dem er noch mehr als zwey Drittel fürzubringen hätte /hielt die Hertzogin Erdmuth für rathsamer vorher mit den Barden zu speisen. Der Oberste Barde nam es für eine grosse Gnade auf / wenn so hohe Fürsten mit ihrem Armuthe vorlieb nehmen / und vielmehr mit ihnen fasten als essen wolten. Alleine / weil nicht nur die Aertzte bisweilen zu fasten dem Magen für zuträglich / sondern auch der meisten Völcker Geistlichen für eine Reinigung der Seele hielten / und daher auch die Egyptier offtmals dem Osiris und der Isis /die Römer der Ceres zu Ehren fasteten / würde vielleicht der heutigen Mahlzeit Abgang ihnen so viel erträglicher seyn. Der Barde gab hierbey dem ihm gegen über stehenden nur einen Winck / umb alles zu bestellen / und ersuchte hierauf die fürnehmen Gäste sich in eine zu Ende eines langen Ganges aufgerichtete Lauber-Hütte zu verfügen / welche so künstlich geflochten war / daß sie ein zierliches Zelt fürstellte. In diesem fanden sie zwey Taffeln mit Speisen / aber auf eine gantz absondere Art bedecket. Denn die eine hatte die Hertzogin Erdmuth auf einer Seite nach Römischer Weise mit hohen Betten zum Liegen / auf der andern Seite aber mit Stülen bereiten lassen. Denn ob zwar die Römer ihre alte Gewohnheit beym Tische zu sitzen fürlängst verändert / und das Liegen erkieset hatten / auch wenn sie nicht aus dem Bade kommen /weßhalben doch anfangs nie unbequäme Art bey Tische zu liegen war eingeführt worden / so behielten doch alle ehrbare Frauen / wie auch edle Knaben die Art des Sitzens. Die andere für die Barden bestimmte Taffel aber hatte nur Bäncke von Rasen / jedoch war sie mit einem sauberen Tuche von gezogener Leinwand bedeckt / und jedem Barden auf einmahl nur eine kleine irrdene Schüssel und ein Krug mit Wasser zum trincken vorgesätzt. Diese aber waren von einer weissen Gläte übergläset / und darein blaue Landschafften und Geschichte gebildet / daß sie Agrippine für Serische Porcellanen / derer nur sechs der grosse Pompejus als eine grosse Seltzamkeit aus Morgenland nach Rom gebracht und dem Capitolinischen Jupiter eingeweiht hätte / ansahe / also sich wunderte / woher so viel kostbare Geschirre / derer etliche zu Rom umb achtzig Sestertier wären verkaufft worden / in diese Wüsteney ko en wären? Einer der Barden aber meldete ihr alsofort: daß diese Gefäße von ihnen selbst nur aus deutscher Erde gemacht / und mit einer aus Bley geschmeltzten Gläte gefertigt / auch aus ihrer undurchsichtbaren Dickligkeit von Porcellanen zu unterscheiden wären. Agrippine betrachtete sie mit grosser Vergnügung / und sagte: dieses wären sonder Zweifel die schönsten irrdenen Geschirre in der Welt; wo anders nicht auch die Porcellanen aus einem gebackenen Thone / sondern aus einer unter der Erde von der Wärmbde zusammen geschmeltzten Feuchtigkeit oder aus Steine bereitet würden. Die in Samos und zu Aretium gebrennten Schüsseln / die Bächer von Surrent / Asta und Pollentia / die Geschirre von Sagunt und Pergamus / die Coischen Gefäße / [763] welche doch zum Theil schon den Werth der Porcellanen überstiegen hätten / verdienten mit diesem gar nicht verglichen zu werden / und wären nicht nur zu des Numa / sondern auch bey jetziger Zeit würdig / daß aus ihnen Bilder der Götter gemacht würden. Nach dem Agrippine auch die Barden gantz allein speisen und ihnen nichts anders als in der ersten Schüssel ein Ey / in der andern ein wenig Bohnen / in der dritten Kräuter / in der vierdten einen Apffel aufsätzen sah /fieng sie an: wenn sie nicht die Bohnen auf ihrem Tische sähe / würde sie in Gedancken kommen; daß sie dem Pythagoras und den nackten Lehrern in Indien beypflichteten / welche wegen eingebildeter Heiligkeit außer ihres gleichen mit keinem Menschen speiseten /und das Fleisch-Essen für die gröste Sünde hielten. Der Oberste Barde aber antwortete ihr: GOtt würde sie für solchem Hochmuthe behüten / daß sie sich heiliger als andere Menschen halten solten. Diese Einbildung wäre die gröste Verkleinerung ihres Schöpfers /gegen welchem alle Menschen elende Würmer wären. Ihre Absonderung von andern Tischen rührte allein aus Demuth und diesem Absehen her; daß sie nach niedlichen Speisen nicht lüstern würden. Des Fleisches enthielten sie sich zwar meist ihr Lebtage / aber nicht darumb / daß / nach des Pythagoras und der Indianer Meinung / zwischen Menschen und Vieh eine allgemeine Verwandschafft wäre / ja der verstorbenen Seelen in dieses wanderten / also kein Thier zu seiner Wollust ohne Grausamkeit geschlachtet werden könte. Denn sie wüsten wol / daß der vernünftige Mensch ein Ebenbild Gottes / also wilde Thiere selbtem gar nicht gemäß wäre / und seine himmlische Seele keinen Habicht / keine Schlange / keinen Ochsen zur Herberge haben könte. Wir sind auch mit den Juden nicht einig / welche zwar von widerkäuenden und gespaltenen Klauen habenden Thieren das Fleisch / das Marck / Milch und Butter / aber kein Blut essen; weil in dem Blute die Seele des Viehes steckte / und ihm GOtt dis zu seiner Versöhnung vorbehalten hätte. Aus welchem Absehen vielleicht auch Jupiters Priester zu Rom kein rohes Fleisch anrühren dörfftẽ. Alleine / warumb solte dis in dem Munde den Menschen verunreinigen / damit der Priester in der Opfer-Schale das Volck reinigte? dieses aber ist außer Zweifel; daß bey anwachsender Wollust und Verschwendung das Fleisch-Essen zum grossen Schaden und Aergernüsse in Mißbrauch gerathen; indem unterschiedene Völcker dis / wofür andere ein Grauen haben / nemlich die Araber Kamele / die Phrygier weisse Holtz-Würmer mit schwartzen Köpffen / die Libyer Heuschrecken / die Africaner Heydächsen / die Scythen Pferde und Füchse / ja gar Menschen-Fleisch für ihre Leckerbißlein erkiesten. Insonderheit aber hat der ersten Welt Sparsamkeit im Fleisch-Essen / welches ohne dis allererst zur Zeit Pygmalions den Anfang genommen haben soll / sich nunmehr so vergrössert / daß es scheint / als wenn die Natur keine andere Nahrung als Thiere zeugte / und daß man ohne Blut und Zerfleischung unzählbarer Thiere keine Mahlzeit halten könte. Die Römer hätten lange Zeit des Abends nur Brod / früh aber allein gebraten Fleisch / die Parther kein ander Fleisch gessen / als was sie auf der Jagt erlegt / nun aber würde für kein Gastmahl gehalten /wenn man einem jeden Gaste nicht ein gantz gebraten Reh oder wildes Schwein / und in einer Schüssel sieben tausend Vögel / und zwey tausend Fische / von mehr als hunderterley Sorten Fische fürsätzte. Hieraus erwüchse die zu allen Lastern insonderheit zur Geilheit leitende Schwelgerey. Weil nun Priester GOtt so wol mit reinem Hertzen und Händen dienen solten; liege ihnen ob allen Zunder der Brunst / und darunter so wol das Fleisch als den Wein aus dem Wege zu räumen. Daher pflegten [764] die Römer / nach dem Beyspiele des Numa / der sich für den Opffern des Fleisches und Beyschlaffs enteuserte / in heiligen Feyertagen nur Kräuter und Gesäme / die Wahrsager Jupiters in Creta keine gekochte Speisen weniger Fleisch /die Brachmanen und Sonnen-Priester in Indien nichts als Aepfel und Reiß / die Weisen in Persien nur Mehl und Kränticht / die Mysischen nur Honig / Milch und Käse zu speisen / die Egyptischen zehn Tage für ihren Feyern sich des Weines und Fleisches zu enthalten. Und dieses Absehen / kein ander Aberglaube aber wäre es / daß die Barden sich so wol des Fleisch-Essens als starcker Geträncke enteuserten. Agrippine fragte: wie sie denn bey Kräfften blieben / oder einen so grossen Zwang / in die Länge ausstehen könten? der Barde versätzte: die Natur wäre mit wenigem vergnügt würde / vom Uberflusse geschwächt / und gewohnte Dinge machtẽ keine Beschwerligkeit. Hätten doch Diogenes und andere Weltweisen offt lange Zeit sich gar ausgehungert / die Hierophanten zu Athen sich durch gifftiges Schierling-Kraut / die Priester Cybelens durch ein Semisch Scherben gar entmannet /umb die bösen Lüste zu tödten. Wie solte denn ihnen schwer fallen bey so grossem Uberflusse der Natur den Fleisch- und Wein-Zahn auszuschlagen? Alle schöpfften über dieser Erklärung / und bey der köstlichen Tafel der Fürstin Erdmuth so wol an seltzamen Speisen als sinnreichen Unterredungen grosse Vergnügung. Ob sie nun zwar eine Stunde für der Sonnen Niedergange von dem Barden Abschied nahmen; so verließen sie doch den dritten Tag sich wieder einzufinden.

Dieses erfolgte auch auf bestimmte Zeit; und Ariovist lag fast beym ersten Eintritte in den Garten dem Barden an seinen aus Gewächsen genommenen Unterricht der Fürsten zu völligem Ende zu bringen. Der Oberste Barde war hierzu so fertig / als Ariovist und andere ihn zu hören begierig; fieng also an: die Natur hat uns nechsthin gelehrt / wie ein Fürst erzogen werden / und wie er sich ins gemein in seinem Thun verhalten solle. Heute wird sie uns hoffentlich Nachricht geben / wie er sich besonders gegen seine Unterthanen / gegen Frembde / gegen seine Diener / und sonst im Wolstande seiner Herrschafft zu verhalten habe. Die uns allhier im Gesichte stehenden Mandelbäume /welche theils bittere / theils süsse Früchte tragen /weisen einen Fürsten alsbald an / daß er gegen seine Unterthanen theils mit Schärffe / theils mit Gelindigkeit verfahren müsse. Denn etliche Menschen gleichen den Nußbäumen / welche von vielem Schlagen fruchtbarer werden; Andere dem kein Eisen vertragenden Gersten-Isop und Krausemüntze. Weil aber die Menschen ins gemein mehr zu Lastern als zu Tugenden einen Zug haben; ist die Schärffe meistentheils nöthiger als die Gelindigkeit. Diese erweckt zwar Liebe /jene aber Furcht und Liebe zugleich gegẽ dem Fürsten / so wie die Pflantze / welche man das keusche Lamm heißt / zwar der Unkeuschheit widerstehet / gleichwol aber die Frauen-Brüste mit Milch bereichert. Jedoch muß solche Furcht von knechtischen Schrecken unterschieden / und ein Fürst kein trauriger Baum seyn /der seine Blüten / nemlich die Freudigkeit seines Gemüths stets in die Finsternüs der Nacht versteckt. Es ist ja ein ansehnlicher Baum / welchen nicht das andächtige Alterthum einer gewissen Gottheit gewiedmet / ja selbten gar als etwas göttliches verehret hat. Eben so muß ein Fürst sich jederzeit mühen / auch bey Ernst und Unglück ein freundliches Gesichte und gütiges Ansehen zu zeigen / wordurch er von dem Volcke so viel mehr für eine irrdische Gottheit verehret und bey selbtem als einem stets offenen Heiligthume Zuflucht zu suchen veranlasset werde. Wenn ihm aber ja des Volckes oder der Diener Vergehung eine Empfindligkeit abnöthigt / muß er ihren Fehlern [765] ihre vorige Verdienste entgegen setzen / und also sie sich für sich selbst zu schämen zwingen. Dieser linde Verweiß hatte wie die sanfften Regen mehr Nachdruck als unmäßige Schärffe und Wolckenbrüche. Sie fruchtet so viel gutes / als wie wenn man im Frühlinge mit einem Steine die euserste Schale der Egyptischen Feigenbäume ein wenig verwundet / wormit ihr zu Artzneyen so dienliche Safft daraus rinne. Ist aber ein Fürst nicht mächtig seinen Eyver zu mäßigen / ist es rathsamer durch seine Diener zu straffen / und gleichsam wie der Eschbaum mit seinem Schatten dem giftigen Ungeziefer beschwerlich zu fallen. Außer dem ist es eine Grausamkeit / wenn ein Fürst entweder gar niemanden vor sich läßt / oder bey Verhören hinter Tapeten sich versteckt / und die ihn verehrenden entweder der Ansprache oder tröstlicher Antwort noch auch der Anschauung seines Antlitzes würdiget. Denn weil dieses die Unterthanen / wie das holde Auge der Welt die Tulipanen und andere vom Regen erzogene Blumen stärckt und erquickt; müssen beyde beym Abgange ihres kräfftigen Anblickes matt und bekümmert werden. Ein einig gutes Wort / ein freundlicher Anblick des Fürsten zeucht einen Betrübten offt aus dem Wasser der Trübsal / wie ein Sonnenblick die Seeblumen aus der Tieffe des Nilus. Am allermeisten aber verknüpfft er ihm die Gemüther durch Freygebigkeit. Diese Tugend ist vom Himmel so gesegnet / wie die Egyptischen Feigenbäume; wo man die Frucht kaum abgebrochen / stehet bald eine andere und bessere in der Stelle. Er muß aber die Verdienste der Vermögenden mit Würden und Ehren-Aemptern / der Armen mit beyfälligen Einkunfften / niemanden mit den Gütern seiner Krone beschencken / und durchaus nicht wie die Aloe-Staude sein Vermögen mehr zu geben auf einmal erschöpffen / welche auf einmal uns mit so viel hundert Blumen beschencket: daß sie hernach verdorret und verachtet steht. Dieser Verschwendung wird am besten begegnet; wenn ein freygebiger Fürst seinen Einnahmen und Ausgaben sparsame Verwalter fürsetzt / diese aber jährlich dem Fürsten seine Geschencke für Augen stellen / um ihn durch solche Ubermaaß zur Maaßhaltung anzuleiten. Jedoch muß ein Fürst sich hüten jemanden etwas schlechter dings abzuschlagen. Denn er soll / wie die Zitronbäume / allezeit Blüte und reiffe Früchte im Vorrathe haben. Weñ er nun nicht alsbald einen versorgen kan / muß er ihn zum wenigsten mit Blüten / nemlich mit guten Vertröstungen speisen; welche doch aber endlich nicht gar leer ausgehen müssen. Deñ wie die Mandelbäume insgemein mehr Mandeln als Blätter tragen /also müssen Fürsten reicher von Wercken als von Worten / und in ihren Reden denen Pfirschkenbäumen gleich kommen; derer Blätter die Gestalt der Zungen /ihre Früchte aber der Hertzen haben; nemlich Mund und Meinung soll bey ihnen mit einander überein stimmen. An den Pflantzen und Saaten / welche ein linder Thau erquickt / ein Platz-Regen zu Bodem schlägt / hat er wahrzunehmen: daß so wol in Belohnungen als Straffen allzu viel schädlich / das Mittel aber in allen Gemüths-Regungen vorträglich sey / und an den Balsam-Stauden: daß die Verwundung der Schale die Abtrieffung des Balsames / die Beleidigung des Stammes selbst aber desselbten gäntzlichen Verterb verursache. Ihrer viel werden durch allzu heftige Schärffe nur hartnäckicht / durch linde Züchtigung leicht gebessert / wie die Egyptischen Feigenbäume / welche von weniger Zerquetschung einen heilsamen Safft / wenn man sie aber allzu sehr verwundet / nichts heraus rinnen ließen. Er muß den allzu hefftigen Trieb der Furcht / des Ehrgeitzes / der Herrschens-Begierde / ja das Recht seiner unumbschrenckten Gewalt / wie die Ackers-Leute den sich überwachsenden Weitzen beschneiden; und in seinem Reiche [766] keinen Baum so hoch wachsen lassen: daß er mit seinem Schatten andere erstecke. Ja der allergröste Fürst hat bey seiner Hoheit eine Niedrigkit zu ermässen / und mit seinem gekrönten Haupte wie die Lilgen auf seinen irrdischen Fuß zu schauen und zu behertzigen: daß die Beherrscher der Welt wie die Eichen ihre Wipfel zwar gegen dem Himmel / ihre Wurtzeln aber gegen der Hölle strecken; daß ihre Hand so wol als eines Bettlers dem Aussatze unterwürffig; daß seine Würde zwar von GOtt / seine Verrichtung aber menschlich / er der Unterthanen Vater /nicht ihr Halsherr; daß er unter seinem Volcke zwar in höchstem Ansehen / nicht aber der beste und geschickste / und / wenn es aufhöret zu gehorsamen /ihres gleichen sey; ja / daß offt zwischen Herrschafft und Henckerstreichen / zwischen Königlichen Stülen und selbst eigenen Kniebeugen wenig Augenblicke den Unterscheid machen; und daß so wol in Pallästen als Gärtẽ die Käyser-Kronen in ihrer Mitte milde Thränen zeugen. Uber dieses weiset seine Hoheit einen Fürsten an: daß eine Frucht so viel süsser sey /jemehr sie von der Erde entfernet ist. Daher muß ein Fürst / der über alle andere Menschen erhaben steht /auch dem Volck beliebt seyn / und wie die Rosen mit ihrer Farbe nicht nur ergetzen / sondern auch mit ihrem Geruch das Hertz stärcken; unterschiedene Bäume nicht nur mit ihren Früchten nutzen / sondern auch mit ihrer purpernen Blüte die Augen füllen; also muß er auch durch erlaubte Schauspiele und andere Erlustigungen seine Herrschafft dem Volcke annehmlich / und den an sich selbst beschwerlichen Zwang des Gehorsams erträglich machen. Nach dem aber in der Welt viel Kranckheiten durch Gifft geheilet /durch das giftige Zieger- und Bilsen-Kraut anderes Gifft zernichtet wird / viel schädliche Anschläge nicht alsbald mit dem Schwerdte und den Klauen euserlicher Kräffte / sondern durch schlaue Begegnung zernichtet werden müssen / hat ein beleidigter oder entrüsteter Fürst eben so wol scheinbarer Gebehrdung als das giftige Napell / weñ es zu Ausziehung der Pestdrüsen nützlich gebraucht werden soll / einer Himmel-blauen Blume von nöthen seine Eigenschafft zu verbergen. Denn umb sich zu erhalten / und anderer Arglist krebsgängig zu machen stehet einem Fürsten so wol an schlau zu seyn / und sich wider den Betrug entweder mit einer Larve zweydeutiger Erklärung oder mit Verschweigung gewisser Geheimnüsse zu verwahren / als einem Gärtner den zur Artzney abtreibenden Sadelbaum zu pflantzen. Wiewol vielmal ein Fürst / wenn er die Warheit so offenhertzig heraus sagt / als ein zerborstener Granat-Apfel den geheimen Schatz seiner Kerne zeugt / die mißträuliche Boßheit am leichtesten verführet / weil sie ihr nach ihrer eigenen Beschaffenheit einbildet: daß sie was anders redeten als gedächten. Zuweilen muß auch ein für gar zu klug gehaltener Fürst sich seiner Vorsicht enteusern /wie man die Weinstöcke entblättert: daß die Rathschläge und Trauben desto besser reiffen. Sintemal jeder mit einem allzu scharfsichtigen etwas zu schlüssen Bedencken trägt; ja das Mißtrauen alle Dinge nicht nach ihrer eigenen / sondern nach ihres ihnen in die Augen fallenden Schattens zu mässen pflegt. Ob es nun zwar derogestalt rathsam ist zuweilen Einfalt und Fehler zu zeigen / so muß er doch weder hierinnen / noch sonst ihm in seinen Anschlägen in die Karte sehen lassen / sondern selbte wie die Egyptische Seeblume ihre Blätter für allen andern Sternen /außer der mit ihr vertrauten Sonne / zusammen hüllen und unter das Wasser verstecken; daß niemand seine Geheimnüsse sehen könne. Niemanden aber muß er mit den Waffen überfallen / den er nicht wegen angethanen Unrechts umb Vergnügung angesprochen /und bey derselben Verweigerung ihm den Krieg angekündigt hat. Wenn er aber eines andern heimliche Tücken ergründet / ist er nicht [767] verbunden seine Wissenschafft zu entdecken / sondern sich vielmehr heimlich wider alle böse Anschläge in gute Verfassung zu stellen. Hingegen muß er seiner Ohnmacht eine Farbe anstreichen / wie die Holtz-Aepfel-Bäume die Bitterkeit ihrer Frucht mit Purper verhüllen / und seiner Schwäche durch euserlichen Schein / wie die Spanischen Feigenbäume / welche eine kleine Frucht bringen / aber mit desto grössern Blättern prangen / ein Ansehen machen. Jedoch hat ein Fürst in allen diesen Anstellungen bescheidene Maaß zu halten. Denn Vermu ungen sind Staats-Dienern anständiger als Fürsten / und kein besser Mittel Liebe und Ansehen zu erhalten / als wie die ihre Blätter weit ausbreitenden Lilgen offenhertzig zu seyn. Gleichwol aber hat er allen frembden Glantz nicht für Gold anzunehmen /sondern aus Prüfung der Tulipanen / welche mit denen bundtesten Farben spielen / und ihrem Scheine nach fast alle Blumen wegstechen / zu lernen: daß grosses Gepränge offt keinen Geruch und Krafft habe / also die Einbildung uns offt hinters Licht führe / und die / welche mehrmals den grösten Schein der Treue und Geschickligkeit von sich geben / nicht selten die betrüglichsten sind. Ja die / denen auch gleich anfangs kein Mangel auszustellen ist / schlagen hernach aus dem Geschirre / und die Veränderung des Alters / des Glücks / die Gemüths-Regungen / der Eigen-Nutz verursachen: daß die Gemüther wie die Tulipanen ihre Gestalt verändern / und aus weiß-streiflichen endlich /wenn man sie zumal nicht zu rechter Zeit versätzt /gemeine rothe oder gelbe werden. Welche Blumen-Veränderung einem Fürsten ferner weit zur Warnigung diene: daß die Verläumbdung vielmahl die Tugend vergeringere. Welches sie so meisterlich zu spielen weiß: daß der Scharfsichtigste diese Verwandelung nicht gewahr wird. Denn der / welcher einen andern schwartz machen wil / klagt ihn durch scheinbare Entschuldigung seiner Fehler an / er lobt ihn vorher aufs mühsamste: daß seine Beschuldigung hernach desto glaubhafter werde / oder er rühmt an ihm heldtbare Dinge aus einem angeno enen Unverstande / oder durch Stachelreden; ja er müht sich ihm auch durch Beförderung zu grössern Ehren dem Fürsten von der Seite zu bringen / und hernach wie Epheu den / welchen er vorher gezieret hat / zu stürtzen. Nicht weniger müht sich der Eigennutz durch allerhand Vorschläge / wie die Herrschafft zu verbessern / die Einkunfften zu vermehren / viel Ausgaben zu ersparen wären / dem Fürsten einen blauen Dunst zu machen. Wenn alle diese Tiefsinnigkeit aber beym Lichten besehen wird / giebet es sich: daß selbte sich wol auf dem Papiere sehen aber nicht bewerckstelligen lasse; oder es gleichen diese Vorschläge dem Schatten der Fichtenbäume / welcher zwar dem Vieh zur Kühlung dient / aber keinen Baum neben sich aufko en läßt /und der gegebene Rath in einem zwar nützlich / im andern aber umb ein grosses schädlicher ist. Diesemnach muß ein Fürst so wol die Beschaffenheit der Rathgeber / als die Umbstände der Sache selbst untersuchen; also sich weder andere betriegen lassen / noch sich selbst weder durch Leichtgläubigkeit noch durch eigenes Wolmeinen verführen. Hierbey ist zwar denen Schwachen unter die Armen greiffen / denen Bedrängten hülffbar beyspringen eine ruhmbare Großmüthigkeit / ein Fürst aber muß an denen Bäumen / welche dem Epheu zur Stütze dienen / von ihm aber des Safftes beraubet werden / und ihm zu Liebe verdorren / sich spiegeln; daß er sich selbst nicht in ein frembdes Garn / wenn nicht sein grosser Nutzen oder scheinbare Gefahr in selbtes mit eingeflochten ist /entweder aus bloßem Mitleiden oder Großmüthigkeit verwickele / oder einer schon fallenden Wand die Achseln unterschiebe / weniger einem falschen Freunde den Dorn aus dem Fusse ziehe / und ihn ihm selbst ins Auge stäche; wo nicht durch unzeitigen Beystand des fallenden Untergang [768] befödere. Er hat wol zu untersuchẽ / von was für einer Art der sey / welchẽ er sich wolthätig erweist. Deñ ihrer viel haben eine so undanckbare Eigenschafft wie die Feigenbäume; jemehr man ihrer durch Begießung pflegt / jemehr verärgern sie sich; oder sie sprossen wol hernach gar gegen ihren Helffer wie der Klee gegen den ihn erfrischenden Regen die Spitzen. Noch viel weniger aber muß sich ein Fürst durch Liebkosungen einschläffen /und durch Heucheley in Trägheit / Wollüsten und Lastern stärcken lassen / sondern glauben: daß die / welche dem Fürsten alles / auch das Böse loben / denen giftigen Blumen und Fliegen-Schwä en gleich sind /welche mit ihrer hohen Farbe zum Verterb anlocken /und mit ihrem Bisam-Geruche und süssen Geschmacke tödten; oder unter ihren Purpurblättern Schlangen verhölen. Sie sind dem Schilffe am ähnlichsten / welches inwendig hol ist und keinen Kern hat / doch zu Pfeiffen dient / und einen hellen Schall macht. Diese aber sind von treuen einen Fürsten werth haltenden Dienern anders nicht zu erkeñen / als daß diese nur das Gute / jene alles loben / diese allezeit eine / jene nach Veränderung der Lufft und des Hofes vielerley Meinungen vertheidigen. Insonderheit muß sich bey ihrer Prüfung ein Fürst seiner Selbst-Liebe entschlagen / sich in Geschichtbüchern umschauen / ausgeworffene Schmähkarten lesen / und zuweilen von Frembden und Einfältigen Nachricht einziehẽ. Denn die niedrige Einfalt gleicht dem Flachse / die abgerichteten Höflinge aber der Wolle. In dieser nistet der Wurm der Heucheley gerne ein / jenen aber läßt er unberühret. Es muß ihm aber ein Fürst nicht lassen mißfallen / weniger empfinden / wenn ihm die ins gemeine bittere Warheit gesagt wird. Deñ Wermuth ist wider die Bitterkeiten der Galle / und unverfälschte Warheit wider die Schwachheiten des Gemüths die sicherste Artzney. Wiewol es der Klugheit gemäß: daß man einem Fürsten die Warheit mit Bescheidenheit beybringt / also keinen Dorn ohne Rosen überreicht /nicht aber ihn mit Stachelreden verächtlich anstreicht. Am allerfleißigsten aber hat ein Fürst seine Staatsdiener und Räthe zu untersuchen / welche ihm nicht anders als Zwiebeln Rosensträuchen an der Seiten stehen müssen. Denn wie diese machen: daß die benachbarten Rosen röther und wolrüchender wachsen / sie selbst aber nicht nur ihren Gestanck behalten / sondern ihn auch gegen jenen Blumen vergrößeren; also muß ein Diener alles gute seinem Fürsten zueignen /alles dem Volcke verhaßte und beschwerliche aber auf seinen Achseln behalten. Uber dis ist nicht rathsam /daß ein Fürst einen Diener zu groß mache / als dessen unmäßige Gewalt ihn verkleinert / wie der Monde abni t / wenn die Zwiebeln wachsen und safftiger werden. Er möge zwar ihn den nechsten an seiner Seiten seyn lassen / aber dieser muß wie die wilden Feigenbäume / welche andere schwängeren / selbst aber keine Früchte bringen / nur dem Fürsten / nicht ihm selbst nütze seyn. Ein Diener hat zu erwegen: daß er die Gnade seinem Fürsten so wenig als ein Baum die Wolthat der Sonne vergelten oder gegen andere ausgleichen köñe. Deñ jenes sind hi lische Strahlen /sein Thun aber nur ein Schatten. Jemehr er auch sich durch Ansehen dem Fürsten nähert / je näher ist er auch dem Falle / wie der Gipfel hoher Zedern dem Donner. Wie hoch er i er klettert; hat er doch eine schwache Wurtzel wie Erbs- und Hopfenstengel / und der geringste Zufall ist mächtig ihn aller seiner Macht / wie der gelindeste Wind die Anemonen ihrer Blätter zu beraubẽ. Der Fürst sey gleich gütig oder grausam /hänge ihnen doch einerley Gefahr / wie den Päonien so wol von der Sonnen-Hitze als dem Platz-Regen zu. Sich nun beym Stande und am Brete zu erhalten ist kein besser Mittel als den Feilgen nachzuarten / nemlich den süssen Geruch eines guten Nahmen zu behalten / und in ihrer Niedrigkeit der Demuth zu bleiben /nicht aber wie die Ringel-Blumen grosser Pflege- und Wartung / noch wie Epheu des Emporsteigens begierig / sondern den [769] Apfel-Bäumen gleiche zu seyn; welche auf denen zur Erde gebogenen Aesten die meisten Früchte tragen. Auch muß er in seinem Ampte nicht müde werden / noch die Hände sincken lassen / sondern nach Anweisung der Feigenbäume / welche mit denen zunehmenden Jahren immer fruchtbarer werden / seine Treue und Fleiß von Tage zu Tage vergrössern. Er wird sich auch nicht leichte vergehẽ / weñ er nur stets eingedenck lebt: daß die Gnade des Fürsten den Cypreßenbäumẽ gleichte / nach derer Abhauung ihre Wurtzel nicht wieder auswachse. Es muß aber ein Fürst wegen eines geringen Fehlers / wegen eines unvorsätzlichen Schadens / aus unzeitigem Mißtrauen einen Diener nicht alsbald verwerffen / oder gar stürtzen. Denn es beherbergen ins gemein die süssesten Aepfel Würmer / und die geschicktesten Leute gewisse Gebrechen. Ja wie die Würmer das reiffwerden des Obsts befördern / also dient zuweilen eine Vergehung zu desto eifriger Abwartung des Amptes; läufft er aber mehr als einmal an / oder ist sein Verbrechen ärgerlich / so muß er zwar empfindlich gestrafft /nicht aber bald gar vertilgt seyn. Deñ eine solche Züchtigung schlägt nicht selten so wohl an / wie die Zerkerbung der Rinde an den Tannen-Bäumen / zwischen welcher sich Würmer hecken / und den verdeckten Sta ausfrässen / hernach aber freudiger wachsen. Wenn er aber ja seinem Dienste fürzustehen unfähig ist / muß der Fürst es mit einem andern versuchen. Denn die Versetzung hat so gar die in Persien giftigen Pfirschken in andern Ländern eßbar gemacht. Wenn aber ein Diener einmal den Fürsten vorsetzlich beleidigt / und ihm an den Regiments-Stab gegrieffen hat /ist es nicht nur Unsicherheit / sondern Thorheit selbtem iemals mehr zu trauen; deñ sie sind alsdenn wie die Mispeln und die Früchte der Sper-Bäume am dienlichsten / nemlich wenn sie zu faulen anfangen. Ihr Leben bringt nur Gefahr / und die Begnädigung gebieret ins gemein Undanck. Weil die von den Nattern aufgefangene Balsamtropfen ihnen zwar wohl das Gifft / Wohlthaten aber von Rachgierigen die Galle zu benehmen nicht mächtig sind. Keines weges aber ist es rathsam: daß ein Fürst lasterhafte Leute höher befördere / oder anfangs wissentlich in Dienst nehme; wenn selbte gleich grosse Geschickligkeit an sich haben. Ist doch kein Gärtner so unvorsichtig: daß er giftiges Farren Kraut in Garten unter andere Gewächse pflantzt / ob es schon zu Augen-Salben dienlich ist; wie viel weniger muß es ein Fürst seyn. Die Boßheit hat mit dem Palmbaume keine Verwandschafft /als diese: daß sie wie eine umbgekehrte Spitz-Säule unten am dinnesten und schwächesten / oben aber am dickesten und stärcksten ist / und ein böser Mensch in hohen Würden wie der Krebs im Himmel mehr / als auf der Erde Schaden thut. Seine Geschickligkeit dient nur / wie etliche gläntzende Blumen zur Schmincke / oder wie der sonst gesunde Klee zur Nahrung der Schlangen / zu Werckzeugen der Laster; und die angebohrne oder angewöhnte Unart lasse sich schwerer als die Wicken aus dem Weitzen / und die Seide aus dem Flachse ausrotten; welche die Uberbleibungen der Tugend / wie diß zweyfache Unkraut die fruchtbaren Stengel zu Bodem reisset. Ja wie der Safft des weiblichen Farren-Krautes seine eigene Wurtzel nicht schont / sondern sie tödtet; da hingegen die unter die Erde erniedrigten Wurtzeln des Zirnen-Baumes / welche das Gifft der Basilisken übertreffen /nicht allein zu schaden nicht vermögen / sondern selbst den Schlangen widerstehen. Wenn ein Fürst aber auch schon untadelhaffte Diener bestellt / muß er selbte nicht leicht verwechseln / sondern ieden in seine rechte Stelle setzen / nach Anleitung der Gärtner / welche genau untersuchen: Ob diese oder jene Pflantze in fettem oder sandichten Erdreiche am besten wachsen. Wie die Kapern im steinichten / die See-Blumen im wäßrichten / die Palmbäume im [770] dürren Bodeme wohl fortkommen / im andern verterben /diese die Sonne / die Granat-Aepfel den Schatten lieben / ja der Flachs in leichtem Bodeme geräthet / den fetten aber ohne Nutz noch darzu aussaugt; also ist es auch mit denen wohl oder übel versetzten Gemüthern beschaffen. Kein Acker aber / wie gut er immer ist /taugt für alle Gewächse / und der geschickteste Kopf hat nicht das Vermögen allen Geschäfften alleine vorzustehen. Fürnemlich muß ein Fürst sorgen / daß er über seine Einkunften solche Diener setzt / die denen gebildeten Garten-Gefässen gleichen / welche zwar Augen auf alles genau acht zu haben / keine Hände aber das geringste abzubrechen haben. Der Schatz eines Fürsten gleicht den Lilgen / welche / wenn sie angerühret werden / viel von ihrem Geruche und Reinligkeit der Farbe einbüssen. Nichts desto weniger schont der Geitz weniger seines Fürsten / als Epheu seines ihn tragenden Baumes solchen auszusaugen. Welches etlicher massen zu verhüten ist / wenn ein Fürst die Aempter nicht verkaufft / die Diener auskommentlich besoldet / und nicht zu nothdürfftige über sein Vermögen setzt. Weil die ausgedorrten Wurtzeln doch am durstigsten sind / das Marck der Erde an sich zu ziehen. Seine eigene Fürstliche Hoheit muß er niemals ablegen / und sie keinem auch der bewehrtesten Diener anvertrauen. Denn die in mit Erde gefüllten Körben geschehende Absägung der Aeste / welche nach ihrer Einwurtzelung von dem Stamme abgeschnitten werden / thue ihm die Augen auf; daß ein Diener / welcher die Süssigkeit des Herrschens einmal gekostet hat / lieber sein eigen Herr seyn / als von einer höhern Gewalt abhängen wil /sonderlich wenn er mit dem Fürsten in Verwandschafft steht / oder einen alten Anspruch ans Reich vorschützen kan. Daher müssen sie offters / wie die Tulipanen-Zwiebeln versetzt werden / wenn sie Farbe haben sollen. Weil ein Fürst auch allezeit auf Oerter und Menschen scharffsichtig zu seyn von nöthen hat / muß er ihm Diener erkiesen / die wie der Fenchel seine Augen schärffen / nemlich mit ihren Rathschlägen seinen Entschlüssungen ein Licht aufstecken / welche denen Schlangen ihre alte Haut abziehen / nemlich die Schwachheiten ihres Fürsten verdecken; und in Brüsten viel Milch zeugen / nemlich das Reich mit Uberfluß erfüllen. Sie müssen in ihrem Hertzen die gemachten Schlüsse / als einen geheimen Schatz / wie Lilgen und Rosen in ihrer Mitte ihr Gold verwahren / welche letztern ohne diß niemals schöner sind / als wenn sie noch nicht gantz aufgeblüht / sondern die Blühten halb verschlossen stehen. In allem ihrem Vorhaben müssen sie ihr Absehen auf den Fürsten haben / und alles seiner Regung zuschreiben nach Art der Sonnenwende / welche nicht so wohl von ihrer Wurtzel / als von der Soñe beseelt zu werden scheinet / und ihr Haupt vom Morgen biß zum Abende aus hertzlicher Zuneigung ihr zuwendet / ja in der Nacht alle andere Sterne verschmäht / und mit gebogenem Halse unter der finstern Erde ihr und der Welt Auge sucht / und derogestalt zwar müde / aber nicht satt wird. Wenn sie schon das gröste Werck ausgerichtet haben / sind sie schuldig dem Volcke beyzubringen / es sey wo nicht das Werck / doch die Erfind-und Angebung der Fürsten. Denn hierdurch benehmen sie nichts ihrem Ruhme / sondern sie vergrösseren sich vielmehr / wie der Geruch des Rhodis-Holtzes /wenn ein Regen-Bogen seine Pflantze berührt. Wenn ein Fürst in Rathschlägen die unverfälschte Wahrheit beobachtet wissen wil / muß er selbten nicht beywohnen. Denn wie die Feilgen von weitem am lieblichsten rüchen / also reden Diener bey Entfernung ihres Fürsten am offenhertzigsten; verlangt er aber nichts / als ihren Beyfall / so hat er nichts anders zu thun / als anwesend seine Meynung am ersten zu sagen; und also kan er gar leicht widrige Würckungen verursachen /wie die Milch in [771] Feigen-Bäumen / welche die dinne Küh-Milch gerinnend / die geronnene flüssend macht. Ob nun wohl die Tugend / wie die so genennte Käyser-Krone unter den Blumen ihr selbsteigener Krantz ist; so muß doch ein Fürst von denen gekrönten Granat-Aepfeln ein Beyspiel nehmen: daß er grosse Verdienste niemals ohne Belohnung lassen solle. Denn die nicht in Ansehn kommende Tugend verschrumpft wie die Tulipanen im Schatten. Diese aber muß nicht so wohl an Gütern als Ehre bestehen; westwegen die Alten ihre Siegs-Kräntze von denen unfruchtbaren Lorber-Bäumen abgebrochen haben. Sintemal zwar die Ehre die Tugend / wie der Saffran das Gemüthe aufmuntert; beyder übermässiger Genüß aber würcket eine solche Ausschüttung der Freudigkeit; daß man sich darüber zu Tode lacht. Gleicher Gestalt muß die Belohnung nicht so wohl auf den Verrichter / als auf das Werck schauen / und daher nach dem Gewichte der Verdienste abgewogen / auch nicht nur der Adel /sondern auch des niedrigsten Menschen Helden-Thaten werth gehalten werden. Denn vielmal hat die Tugend so wohl aus geringem Herkommen / als die wohlrüchende Lilge aus einem stinckenden Stengel ihren Ursprung. Wie groß aber iemals die Verdienste seyn mögen / muß die Belohnung doch weder des Fürsten Vermögen / noch sein Ansehn erschöpfen /und er insonderheit niemals den Krantz seiner Hoheit auf eines andern Scheitel setzen. Worinnen so wohl die Natur treuen Dienern / als kluge Gärtner Fürsten vorsichtige Lehrmeister abgeben. Jene in den Lilgen /welche mit den Rosen niemals zugleich kommen /sondern ihren Silber-Glantz allererst / wenn jene vergangen sind / der Welt zeigen / damit sie mit ihrem Golde nicht etwan ihren Königlichen Purper beschämen. Diese pfropfen zwar von einem guten Baume auff wilde Stämme / sie nehmen aber hierzu nur kleine Schnaten / welcher Abgang seinem Stamme nicht einst angesehen wird. Ein Fürst aber muß nicht alles die Diener machen lassen / sondern sich der Herrschafft selbst anmassen / und das Reich / welches mit so viel Dornen als die Rose umbgeben ist / durch Klugheit zu erhalten bemüht seyn. Viel haben sich so wohl über desselben Erlang- und Erhaltung blutig gestochen / auch / wenn sie es nicht beym rechten Stiele gefaßt / oder die Finger mit Handschuhen wieder die Spitzen verwahret / gar aus der Hand fallen lassen. Wenn man die Nesseln furchtsam anrührt / brennen sie / nicht aber / wenn man sie hertzhaft antastet. Nicht anders ist es mit dem Volcke beschaffen / welches die Fähigkeit ihres Fürsten bald kennen lernet; nichts aber zeucht mehr Verwirrung und den Verlust des Reiches leichter nach sich / als wenn ein neuer Fürst allzu plotze und heftige Veränderungen fürni t. Diese sind empfindlich und verhaßt / wenn sie gleich dem Volcke zum besten angesehẽ sind; und er hierdurch das Reich in einen bessern Stand versetzẽ wil. Daher muß alle Verbesserung nach und nach unvermerkt geschehẽ / wie es die Gärtner mit Versetzung der Pflantzen machen / an derer Wurtzeln sie einen grossen Klumpen ihrer mütterlichen Erde lassen / und bey der Einsetzung genau in acht nehmen / daß sie mit allen Seiten gegen eben die Himmel-Strieche zu stehen kommen / wie sie zum ersten gewachsen gewest. Ja / wenn auch ein Fürst bey Antretung seiner Herrschafft alles in ärgster Zerrüttung / und eitel unnütze Diener in Aemptern antrifft / muß er nur ein Stück nach dem andern verbessern / und die untauglichen Amptleute zum Theil eine Zeitlang dulden / biß die neuen nöthig unterrichtet werden. Denn also lassen auch die Gärtner bey Pfropfung gewachsener wilden Bäume etliche wiewohl unnützliche Aeste stehen / daß sie denen auf andern Aesten gepfropften Reisern den Safft helffen zuziehen. Wenn aber diese beklieben sind / segt er jene billich vollends ab. Sintemal ein[772] Fürst nicht nur die Erhaltung / sondern auch die Verbesserung des Reiches zu seinem Augenziele haben muß. Denn so bald diß zu wachsen aufhört / ni t es ab / wie die schon gleichsam in ihrem Wachsthume veralternden Rosen. Auch dieselben Königreiche /welche tausend Jahr geblühet / und der Unvergängligkeit überlegen zu seyn geschienen / legt Gott endlich in Staub; wie die unsterblichen Amaranthen zuletzte doch verdorren. Wider diesen Verhängnüß-Schluß hilfft keine menschliche Klugheit; und es werden von diesem auch durch den Blitz die unversehrlichen Lorbern getroffen. Ausser dem wird von Fürsten auch viel versehen / wenn sie neuen Gottes-Dienst und frembde Diener einschleichen lassen / die Ehre der Unterthanen durch Laster / ihr Vermögen mit unerschwinglichen Beschwerden versehren / auf ihr Blut durch Grausamkeit wüten / denen Wollüsten / welche dem Reiche / wie die Sud-Winde den Lilgen / mehr als kein Nord viel Unglücks-Schaden thun / den Zaum lassen / geringe Verluste nicht achten / welche doch allezeit grössere nach sich ziehen / und schwer zu ersetzen sind / wie der Abfall der Blätter von Pomerantzen-Bäumen / die ein gantz Jahr wieder zu wachsen haben / und inmittelst keine Frucht ansetzen. Nichts aber kan zum Untergange beförderlicher seyn / als wenn ein Glied des Reiches mit dem andern nicht überein sti t / wenn der Adel das gemeine Volck drücket / der unbändige Pöfel denen höhern auf die Zehen tritt / der Hof dem Volcke ärgerlich / und die Obrigkeiten ihm verhaßt sind. Daher muß ein Fürst sie derogestalt wie ein Gärtner die Bäume setzen / daß eines neben dem andern wie die Myrten neben den Oel- und Granat-Aepfel-Bäumen zu stehen Luft hat /nicht aber wie der Wein-Stock und Oelbaum mit einander Feindschafft hegt. Alldieweil die herrschsüchtigen Nachbarn / welche um aus unserm Schiffbruche sich zu bereichern wachẽ / und auf nichts tieffsinniger gedencken / als die Heimligkeitẽ und Schwächẽ unsere Herrschaft auszuspüren; dient der Jasmin / welcher nur bey finsterer Nacht offen / gegen dem aufgehenden Auge der Welt allezeit verschlossen steht / und seine rothe Farbe in weiß verwandelt / einem Fürsten zum Beyspiele: daß er auch gegen denen / die sich ihm die Sonne zuzuneigen anstellen / nicht zu offenhertzig seyn / und nach Gelegenheit der Zeit und Zufälle seine Rathschläge oder vielmehr seine Irrthümer ändern müsse / welche ihnen so gemein / als den Bäumen die Räuber sind / und aus derer einem ihrer so viel / als aus einer Raupen Neste Geschmeisse zu werden pflegt. Die Natur weist ihm hierinnen selbst den Weg; welche an den Fichten die untersten Zweige verdorren läßt / damit sie so viel höher wachse. Die Verbesserungen aber der Fehler muß er nicht mercklich machen / sondern sie / wie die Gärtner ihre Schnitte mit Baum-Wachse verkleiben. Wiewohl er sich nicht iedes kleine Gefässer und iede von sich selbst hernach verschwindende Hindernüß aufhalten /weniger gar von seinem Zwecke abwendig machẽ lassẽ muß; sondern was er mit Klugheit berathen / hat er mit Fleiß abzutheilẽ / und mit Beständigkeit auszuführẽ. Denn Fleiß und Bestand wachsen auch der Unmögligkeit zu Kopfe / und haben die Krafft des wilden Feigenbaumes / welcher so gar die sein Wachsthum hindernden Marmel-Felsen mit seinen Käumen durchbohrt. Nachdem aber die menschliche Klugheit an einem unzerreißlichen Fademe des Verhängnüsses hängt / muß er keinen schlimmen Ausschlag einem klugen Rathgeber zum Fehler aufdringen / sondern nur mit den Ackersleuten geduldig leiden: daß der beste Lein auf einem wohl zugerichteten Felde doch offt sich in Toter und Winde verwandele / und aus den besten Kernen die schli sten Melonen wachsen. Vielen Mißlingungen aber wird durch Geschwindigkeit des Vollziehens vorgekommen / welche ihre Seele ist / wie die Langsamkeit [773] kluger Rathschläge. Also bringt die Aloe über ihrem Wachsen bey nahe hundert Jahr zu / wenn sie aber zum gebehren ko t /übereilt sie mit ihrer geschwinden Frucht alle frühzeitige Bäume. Wie diese aber ins gemein grosser Wartung dörffen / also muß ein Fürst auch seine Unterthanen nicht verwildern lassen. Denn ob zwar etliche Herrscher auf ihre Unwissenheit ihre grimmige Gewalt gründen / gehet doch diß nur bey wilden Völckern an / welche wie die Tannen durch Wartung nur verschlimmert werden. Sonst aber wird durch Pflegung alles / was nur eine gute Ader in sich hat / unglaublich besser; und die gröbsten Gemüther durch Auferziehung geschicket / wie die bittersten Feigs-Bohnen im Wasser süsse. Fürnemlich wächset ihnen durch Reisen / wie die Zitron-Bäume durch Pfropfung / und die Erdbeeren durch Versetzung nicht wenig Köstligkeit zu. Dahero die Jugend / welche mit der Zeit dem gemeinen Wesen fürstehen soll / bey Zeite in Herrschaffts-Künsten / wie junge Bäume abgerichtet werden solten / aus welchem Absehn vermuthlich bey den Römern ein Gebund Ruthen mit Beilen den Bürgermeistern fürgetragen ward / wormit sie sich erinnerten: daß sie nun zwar grosse Eichen / aber auch geschwancke Ruthen gewest wären / und taugliche zu ihrer Nachfolge bey Zeiten aussehen solten. Weil aber nicht aller Saamen wohl geräthet; und viel Armen zu Beschirmung eines Reichs von nöthen sind / ja die Menge der Unterthanen wie der Bäume einander Schatten geben / muß er es an Volcke / und fürnemlich am Adel volckreich zu machẽ / wie die Gärtner mit Sägung unzehlbarer Kerne von den edelsten Bäumẽ / des Saamens von den weissestẽ Tulipanẽ /mit Zersätzung der Blumen-Zwiebeln gleichsam junge Wälder zu pflantzen sich befleissigen. Also wilde Stämme im Garten / Ausländer / ausser in äuserster Noth und nur zum Acker-Bau / in ein Land zu sätzen sich hütten; sondern vielmehr unzeitige Heyrathen /übrige Keuschheits-Gelübde / häuffige Pflantz-Städte und andere Ursachen der Einsamkeiten zu hindern vorsinnen. Die Lilgen / welche aus einer Wurtzel offt funfzig Stengel treiben / und sich von ihren eigenen Thränen sämen / dienen hierinnen mit ihrer Fruchtbarkeit so wohl zu einem Spiegel beflissener Fruchtbarkeit / als sie an sich selbst mit Golde gekrönte Königs-Blumen sind. Demnach aber kein Reich und Garten ohne Unkosten erhalten werden kan / sind Fürsten berechtigt / von Unterthanen Schatzung wie von Bäumen Früchte abzunehmen; aber nichts ist auch rathsamer / als daß er sie mit ihrem guten Willen bekomme. Denn diese sind die austräglichsten / wie der Balsam und Myrrhen / welche von sich selbst aus dem Stamme tröpfen / die besten. Nachdem aber viel wie die Palmen geartet sind / denen kein Blat entfällt /sondern man muß sie gleichsam mit Gewalt abreissen / ist ein Fürst auf solchen Fall allerdings befugt /ihnen auch wohl einen Beytrag abzunöthigen. Alleine auf diesen Fall ist doch euserst zu verhüten; daß das Volck seinen Schweiß nicht zu eitelen Wollüsten /sondern zum gemeinen Besten anwenden schaue / und daß man darmit dem Adel nicht schwer falle. Denn wie die Oelbäume die Wunden vom Eisen / nicht aber die Schläge von Holtze unbeschadet vertragen / als verspritzt der Adel lieber gegen Feinden das Blut / als daß er sich mit Steuern als einer in seinen Augen knechtischen Last bebürden lasse. Er beschwere wie der Wurtzel und Hertz-Blätter sorgfältig schonende Gärtner ja nicht die zur Lebens-Nothdurfft und dem Armuth unentpehrliche / sondern nur die zur Wollust dienenden Dinge; und mit einer solchen Vorsicht: daß die Ausländer nicht leer ausgehen. Am meisten aber gewinnet ein Fürst / wenn er nach Anleitung des Bildes aller klugen Fürstẽ / nemlich der Soñe / welche aus dem Nil die köstliche Egyptische See-Blume empor zeucht / aus dem Wasser durch die Schiffarthen nach dem Beyspiel der mächtigsten Herrschafften Schätze zu sa len trachtet. Denn [774] wenn diese mangeln / gehen der Herrschafft die Spann-Adern / dem Fürsten alles Ansehen ab / welcher wie die Lilge Gold und Silber mit einander versa len / seiner Vorfahrẽ Vorrath aber nicht liederlich verschwenden / sondern von denen nur Tropfen- weise rinnenden Balsam-Bäumen die kluge Haushalterin nemlich die Sparsamkeit kennen lernen / und mit sein und seines mässigen Hofes Beispiele das Volck von Verschwendung abhalten muß. Keine grössere Schwachheit aber kan einem Reiche begegnen / als wenn selbtes unter die Erben zertheilet wird. Die vielen Aeste eines Baumes thun dem Gipfel Abbruch / daher wachsen die Cedern und andere sich nicht in Zweige ausbreitende Bäume so gerade und hoch empor / und keiner unter ihren Zweigen ist so ehrgeitzig / daß er sich dem Gipfel zu gleichen begehrt. Welche Ehrerbietung auch die Bruder dem erstgebohrnen Sohne des Königs zu erweisen schuldig / Fürsten aber aus Verdacht oder Eiversucht auf ihr Geblüte zu rasen / und dardurch ihnẽ vermeynte Sicherheit zu verschaffen nicht berechtigt seyn. Niemand wird ihnen auch dieses Vorrecht mißgönnen / wenn man sie täglich über der so wohl im Reiche als Gärten saueren Arbeit schwitzen sieht. Hingegen macht beyden der grosse Nutzen die beschwerlichste Arbeit leichte / denn wie mag einem etwas verdrüßlich seyn / wenn er siehet / wie die sandichten Wüsteneyen in fruchtbare Aecker / die stinckenden Sümpfe in wohlrüchende Wiesen / die wilden Hecken in fruchtbare Bäume / durch den alles überwindenden Fleiß verwandelt / und bey des Fürsten mühsamen Wachen das Volck gleichsam in Schlaf gewieget wird. Jedoch ist einem Fürsten so wohl eine ruhende Verblasung wie dem etlich mal gesäeten Leine das Ruhen nöthig / und eine ehrliche Ergetzung zuläßlich. Sintemal der Garten eines Reiches eben so wohl Lust- Stücke haben / und ein Fürst durch einen Stillestand seiner Unruh sich zu desto mehrer Hurtigkeit vorbereiten muß. Denn / wie die eine Zeitlang verhaltenen Spring-Brunnen zu grosser Vergnügung das Wasser hernach desto höher treiben / also kan ein ausgeruhter es auch einem müden weit zuvor thun. Aber auch seine Erquickungen müssen wie die heilsamen Blumen nicht gar ohne Nutzen: und derogestalt / nicht üppige Wollüste / verschwendende Gewinn-Spiele /Narren- und Affen-Gemeinschafft / sondern Ritter-Spiele als Auffmunterungen der Tapferkeit sein Zeit-Vertreib seyn. Und zwar diß nach Anleitung des unfruchtbaren Zirnen-Baumes / welcher nur zum Ansehn gewachsen zu seyn scheint / aber das geschickteste Holtz zu den Kriegs-Waffen abgiebt. Der Barde schöpfte hierauf Lufft umb ein wenig zu verblasen. Daher die Hertzogin Erdmuth anfieng: Es ist ohne diß schon 7. Uhr / und also die rechte Stunde zur Mittags-Mahlzeit / und wir haben nicht einst etliche Bissen Brodt / Honig oder Oliven zum Frühstücke genossen. Daher wird wohl für des guten alten Athem und unsere Magen am rathsamsten seyn uns zu einer schlechten Kost zu verfügen. Agrippine fiel ein: Ich befinde mich zwar so willig als verpflichtet den Gesetzen unser Wohlthäterin und dem Wohlgefallen der annehmlichen Versa lung in allem zu bequemen / aber die allersüsseste Speise der gestern und heute genossenen Weißheit hat mir alle leibliche Speise versaltzen / und meinem Magen auch gegen des Apicius Tisch einen Eckel verursacht. Weil nun die Alten ohne diß nur einmal zu Speisen gewohnt gewest / und daß die Speisen sich des Nachts besser als im Tage zurichten liessen / vermeynet / wüntschte ich wohl /daß wir uns zu desto besser Genüssung der köstlichen Speisen / wormit uns die Hertzogin der Catten zu überschütten pflegt / biß auf den Abend ein wenig aushungerten / und diesen nichts minder klugen als heiligen Mann ersuchten / uns mit seinen Köstligkeiten inzwischen zu sättigen. Ariovist fiel Agrippinen bey / nur besorgte er / daß der Barde durch längere Rede zu sehr abgemattet [775] werden würde. Dieser aber versetzte: Wir Barden haben heut ohne diß einen Fast-Tag / weil der Neumonde einfällt / und meine Lehre ist ohne diß meine beste Speise. Daher erwarte ich nur Befehl umb zu gehorsamen. Die Hertzogin Erdmuth fieng an: Ich bescheide mich wohl; daß unser einfältiges Deutschland nichts von künstlicher Zubereitung der Speisen verstehe / und daher meine Taffel freylich wohl den Hunger zu Würtzung der schlechten Gerichte / wie sie uns unser Armuth giebet / von nöthen habe. Agrippine versetzte: Ich gestehe es / daß zu Rom die Art zu speisen mehr Kunst und Schalen / Deutschland aber viel mehr Wesen und Kern habe. Was ihnen an Wildpret und zu Rom nie gesehenen Fischen / wormit alle Cattische Wälder und Flüsse / insonderheit der unerschöpfliche Rhein /die Fulde / die Lohn / die Neda uñ andere Bäche erfüllet sind / müssẽ Cicero / Gallus Asinius uñ andere mit der Seltzamkeit ihrer aus Mißgeburten der Nuß-und Zitronbäume Wurtzeln / geschnittener Tische /darinnen die Männer so sehr als die Weiber in Perlen verschwenderisch sind / ersetzen / gleich als wenn sich daran so wohl der Magen als die Augen sättigen könten. Das Kochen ist zu Rom eine so sinnreiche Kunst worden / daß sie die Köche ihr Lebtage nicht auslernten / und weil einer mit einer Art Speisen kaum zurechte käme / würden in eines Rathsherrn Hause ihrer gantze Herden unterhalten / darunter ihrer etliche so theuer / als ihrer viel nicht im Vermögen haben / gekaufft sind. Diese verschwendeten hiebey so viel Nägel / Muscatẽ-Blüthe und Nüsse / Ingwer /Pfeffer und Casia / daß Indien kaum so viel tragen /und das rothe Meer mit seinen Schiffen aus Taprobana zuführen konte. Die heissen Speisen müssen so wol als die Dünste warmer Bäder mit Zimmet abgekühlet seyn. Hingegen mangelt es zwar in Deutschland / und sonderlich an Fürstlichen Höfen nicht an köstlichen Würtzen / weil man aber ihr Feuer zu essen der Gesundheit für abbrüchig hält / und die natürliche Güte ihrer Speisen keinen frembden Beysatz darff / übertrifft diß / was man dieser Orten in seinẽ eigenẽ Sade / Saltze / Fettigkeit und andern Kräutern zurichtet / alle Vermischungen der Römer und Griechen / bey denen man offtmals nicht weiß / was man speiset. Diese einfältige Art ist auch der Natur gemässer und daher gesünder. Denn wie die Vielheit der Speisen die Verdäuung hindert / den Verstand verdüstert; also muß es noch viel schädlicher seyn / wenn man aus einer Schüssel zwantzigerley Thiere Fleisch /dreyerley Elementen Brutt / und noch mehr Gewächse unterschiedener Länder ißt. Zu Rom braucht man Tisch- und Handzeug aus Seide und nicht verbrennender Leinwand; alleine die Gäste müssen ihre Handtücher selbst mitbringen; aber der Deutschen leinene Geräthe / und die Höfligkeit der Wirthe / welche damit einẽ ieden versorgt / sticht jene weit weg. Zu Rom hat noch für dem Sylla die Verschwendung silberne Schüsseln hundert Pfund schwer aufgesetzt /und nun ist es dahin kommen / daß man auf einer Taffel ein paar tausend Pfund haltende Silber-Geschirre und 500. Pfund wiegende Schüsseln / welche zu arbeiten man absondere Werckstädte und Silber-Hämmer bauẽ muß / siehet / da dessen doch der Africanische Jupiter nur aus dem überwundenen Carthago 1470. Pfund nach Rom gebracht hat. Gracchus hat zwar Trinck-Geschirre / da er wegen künstlicher Arbeit 14. Pfund Silber für eines geben müssen / und Crassus noch 100. mal theurer eingeführt. Aber nun mehr ist es dahin kommen / daß das Gold hierzu zu geringe ist / ja daß weder die Corinthischen und Delischẽ noch auch die aus Helffenbeine gedreheten Gefässe / und mit Edelgesteinen versetzten Becher der Syrischen Könige / an denen das Gold doch das geringste ist / mehr taugen / sondern man aus Crystallenen und gantz schmaragdenen Geschirren trincken wil. Deutschland hingegen sihet nicht so wohl auf die Eitelkeit des Behältnüsses / als was einem darinnen fürgesetzt wird. Ihre Art aus Hörnern zu trincken ist zweifelsfrey die gemeinste und älteste. Denn die Thracier / Scythen / [776] Britannier / Macedonier hätten eben so wohl aus Ochsen- und die Colchier aus wilden Eselshörnern getruncken; daher auch Bacchus mit Hörnern gebildet würde. Die Indianer sollen aus Greiffen-Klauen trincken / welche denen Hörnern nicht ungleich sind. Nach diesem haben andere Völcker ihnen so gar aus Gold und Silber Hörner zu Trinck-Geschirren fertigen lassen / und zu Athen ist auf dem Schlosse ein silbernes nebst einem zu eben solchem Ende gemachten Hirschen an einer marmelnen Seule. Jedoch habe ich auch von Agstein und anderen Steinen von künstlich gegossenen oder ausgearbeiteten Auer-Hörnern so zierliche Geschirre gefunden / welche Rom für grosse Wunderwercke halten würde. Ja ich habe Deutschland Glück zu wünschen / daß es mit so viel ausgeetzten Schalen nicht wie Rom angefüllet ist / worauf man ins gemein nichts anders als Ehebrüche der Götter zu sehẽ hat / gleich alswenn der draus getrunckene Wein ein zu schwacher Zunder in Laster zu verleiten wäre. Ich weiß wol / daß man zu Rom eine Auster für tausend / einen Fisch für acht ja dreyßig tausend Groschen gekaufft / der doch kaum zwey Pfund gewogen / daß man einen Apfel für so schweres Gold eingetauscht habe. Allein das sind vielmehr Kennzeichen des Römischen Mangels / hingegen die Wolfeilkeit allhier entweder des deutschen Uberflusses / oder daß sie nicht wie die Römer in dem Laster der Verschwendung ersoffen sind. Massen ich denn mehr für scheltbar als ruhmwürdig halte / daß Käyser Julius einst in einem Gast-Mahle hundert und funfzig tausend Menschen über zwey und zwantzig tausend Taffeln gespeiset / und ihnen alleine sechs tausend Pfund Muränen aufgesätzt; daß Bürgermeister oder wol gar Freygelassene in einer Mahlzeit eines Jahres Einkünffte verschwendet / eines Gaucklers Sohn seine Uppigkeit in nichts als an in Eßig zerlassenen Perlen zu kühlen gewüst habe. Ich betheuere aber / daß wie ich niemals köstlicher als in Deutschland gespeiset; also mir die holdseeligen Lehren dieses weisen Mannes besser als alle Köstligkeiten und selbst Cleopatrens zerschmeltzte Perlen schmecken. Welche einmüthige Ubereinstimmung den guthertzigen Barden bewegte / daß er in seiner Rede fortfuhr: Es ist kein Reich in der Welt / wie die Bäume dieses Gartens ohne Kranckheiten. Es giebet so wol in jenem als in diesem Brand / Fäulnüs / Ameißen / Holtz-Würme und andere Geschmeisse / welche die Blätter und Blüten abfressen / den Stamm und die Wurtzeln verterben. Es mangelt weder an Dürre noch Nässe / noch an Hagel und Ungewitter / welche Herrschafften unersätzlichen Schaden thun. Der Aufruhr gleichet einem Raupen-Neste / welches / wenn selbtes nicht zeitlich zerstöret wird / nicht nur einen Baum / sondern viel Gärten zu Grunde richtet. Diesemnach muß so wol ein Fürst als ein Gärtner darauf Luchs-Augen haben. Deñ anfangs kan man Raupen und Aufruhr wol verwehren / beydes aber hernach unmöglich dämpffen /denn er gleicht denen aus einer Eichel gewachsenen Sprossen / welche man umb einen Finger winden /und mit dem Fusse vertreten / hernach aber tausend Armen sie nicht beugen können. Sie verlachen die Sturm-Winde / spotten des Blitzes / der Jahre / und der Eitelkeit. Wenn der Aufruhr nun aber schon ausgebrochen / muß man ihm keine Lufft lassen; sondern mit Geschwindigkeit zuvor kommen / denn er wüchse geschwinder als eine gebährende Aloe. Wenn er aber zu Schwunge kommen / ist der beste Rath die Aufrührer zu zertheilen. Denn eintzel Weise kan ein Kind tausend Senden zerreissen / kein Gebund aber der stärckste Riese. Wenn man Aufrührern nicht garwol überlegen ist / muß man ihnen nicht den Kopff bieten / weil ihre Verzweifelung der Tapferkeit überlegen ist. Durch Widerstand werden sie nur mehr hartnäckicht und stärcker / wie der Saffran / der vom Zertreten destomehr wächßt / und wie die Tartoffeln / denen Doñer und Platz-Regen vorträglicher als Sonnenschein sind / [777] mehr ist thulich ihnen entweder etwas /wie den knörrichten Bäumen eine Krümme zu verhengen / und daß sie sich selbst abmatten Zeit und Lufft zuzulassen; oder ihnen durch Bestraffung eines verhaßten / wiewol nicht gar zu schuldigen Dieners den Zunder wie die Gärtner durch Verschneidung einer Wurtzel denen sich überwachsenden Pflantzen den Trieb zu benehmen. Nach dem der Aufruhr gestillt /muß man mit dem thörichten Volcke doch gelinde wie mit schadhafften Bäumen verfahren / und mit dem Tarquinius nur die über andere empor ragende Mah-Häupter abhauen. Nach dem der Friede der Vernunfft und des Menschen / der Krieg aber der Wildnüs und Thiere Eigenschafft ist / hat ein Fürst diesen als den fruchtbaren Sommer seiner Herrschafft werth zu halten / und für sich dem alle Gewächse gleichsam tödtenden Winter des Krieges zu hüten. Weil die Menschen aber offt in grimmige Thiere verwildern / ja im Kriege Panther und Drachen übertreffen / muß er seine Unterthanen für Beleidigung / wie ein Gärtner seine Gewächse für Frost / Hagel / Krebs und Raupen zu beschirmen bedacht seyn / niemals aber als aus dringender Noth und hochwichtigen Ursachen und allein umb hernach einen desto sicheren Frieden zu genüssen wider einen andern und gar niemals wider zwey den Degen zücken; stets aber den Oelbaum als das rechte Krieg- und Friedens-Bild für Augen haben. Denn wie aus seinem überaus bitteren Stamme süsses Oel wächßt; also solle auch das Honig des Friedens die Frucht des gallichten Krieges seyn. Diese aber wird desto zeitlicher erlangt / und auch für die Nachkommen befestigt / wenn der abgenöthigte Krieg nicht schläffrig / sondern mit Anwendung euserster Kräfften geführt / die Waffen nicht zerbrochen / oder dem Roste geopffert / sondern die edlen Wein-Reben des Friedens umb die Lantzen geflochten werden. Dessen aber hat sich der nicht zu getrösten / der / um von anderern Unglücke Ruhe zu erndten / zwischen benachbarten Fürsten den Saamen der Zwytracht ausstreuet. Denn dieser breitet sich wie die Wurtzel der Dornhecken weit und breit aus / und kommt eben so wol als jenem die Kefer / Ameissen und Staaren zu Hauß und Hofe / der sie in seines Nachbars Garten und Weinberg bannet. Nebst diesem muß er sich auch nicht seine an der Seite oder bey andern Fürsten habende Diener leicht mit jemanden zu brechen verleiten lassen / welche entweder meynen; daß sie ihre Treue nicht besser als durch hitzige Rathschläge bewehren /wie die Palmbäume mit Saltz-Wasser am glücklichsten zur Fruchtbarkeit gebracht werden köñen / oder aus andern Regungen durch ungleiche Auslegung zwischen Königen Mißverstand erregen / weñ sie nemlich wie die Granat-Aepfel sich verändern / aus der sänfften Grüne Blut uñ Feuer herfür bringen. Ob nun wol dis Ubel verhütet werden kan / wenn Fürsten so glücklich sind / einander ihre eigentliche und gute Meinung gegenwärtig zu entdecken; so ist doch ihre Zusammenkunfft / so viel möglich / zu verhüten / als welche Dienern Anlaß zur Vergleichung ihrer Geschickligkeit / diese zur Eyversucht / und endlich zum Kriege giebt. Daher sind ihre Umbarmungen meistentheils gefährlicher als die des Epheu / und zwar so denn so viel mehr / wenn sie allzu grosse Vertrauligkeit zeigen. Dahero ist mehr einer mäßigen Bezeugung zu trauen / und gleiche Häupter müssen einander keine mehrere Verträuligkeit anmuthen / als die Palmbäume unter sich haben / welche nicht mit den Wurtzeln / sondern nur mit den eusersten Aesten sich vermählen und befruchten. Die Lilge lehrt dieses jeden Fürsten / welche mit ihrem langen Halß zwar alles ihr unterthänige Geblüme beschauet und bestrahlt / mit der Rose aber niemals Zusammenkunfften halten wil. Eben so wenig muß sich ein Fürst anderer Liebkosungen / Betheurung und scheinbaren Vorwand durch Leichtgläubigkeit verführen lassen. Daran es denen am wenigsten fehlt / die Untreu und Veränderung im Schilde führen; und den [778] Myrthenbäumen gleich ko en / die an Zierde schier alle Bäume wegstechen /mit ihren annehmlich grünen Zweigen die edelsten Früchte versprechen und doch niemahls die geringsten bringen. Kein Vorwand aber ist der Herrschsucht gemeiner als Gottesfurcht und Freyheit / da sie doch selbst keines aus beyden lieben / sondern ohne sie wie das Farren-Kraut ohne Blume und Saamen ist / also auch mit ihm nur Unfruchtbarkeit und unzeitige Geburten zeugen kan. Hingegen muß ein Fürst / wie die Pomerantzen aus ihrer Schwerde / die Melonen aus ihrem Geruche und Gewichte / aus seiner euserlichen Bezeigung die Aufrichtigkeit seines Gemüths kenntbar machen; ja / wie die Feigen inwendig süsser als euserlich ansehnlich seyn. Wenn aber ein rechtmäßiger Anschlag anfangs andern verdächtig scheinen /und auf was Arges ausgedeutet werden wil / stehet es einem Fürsten so wol frey seiner redlichen Sache einen frembden Anstriech zu geben; als der Natur Rosen zu zeugen / welche früh weiß / des Mittags roth sind. Denn saugte der Argwohn gleich was schlimmes heraus / so hat der Fürst doch so wenig Schuld daran als die Rose; wenn ihr denen Bienen so süsse Safft den Kefern zu Giffte wird. Niemals aber soll sich ein Fürst gelüsten lassen / durch einigen Vorwand oder auch aus ziemlichen Ursachen die Beschaffenheit seiner Herrschafft zu ändern und auf einen andern Fuß zu sätzen. Denn dieses dienet nur zu Beförderung seines Falles / und geht so wenig von statten / als wenn man eine Hyacinthe auf einen Narcissen-Stiel / und den Gipfel einer Ceder auf einen Lerchenbaum sätzen wolte. Hingegen stehet einem Fürsten nicht nur frey / sondern ist auch seines Amptes anderer betrügliche Anschläge durch Kundschafft auszuforschen / wie die Gärtner das Saamenwerck in Gefäßen vorher zu prüfen / auch anderer List durch sinnreiche Künste zu zernichten. Also dienen die zarten Baum-Zweige denen Papegoyen zu einem Mittel ihre Nester daran zu hängen / daß die schweren Schlangen sie nicht bekriechen können. Ubrigens sind die Maulbeer-Bäume eines Fürsten Lehrmeister / daß / wie sie ihnen zu ihrem Ausschlagen und Blühen gute Weile nehmen / unter allen Bäumen die längsamsten und wegen noch immer besorgter Kälte die vorsichtigsten sind / hernach aber in Tragung der Früchte gleichsam spornstreichs forteilen / er auch in denen Dingen / welche Zeit leiden / gleichsam nur denen im Grase kriechenden Schnecken gleiche gehen; jedoch hierbey nicht Zeit und Gelegenheit ein Ding auszumachen versäumen solle. In Sachen aber / welche einen /wie der Hagel die Gärte unversehens überfallen / muß er mit denen den zarten Gewächsen zulauffenden Gärtnern aus den Steigereiffen einen Rathschluß ma chen; und wenn etwas mit Vernunfft überlegt / denen zur Vollziehung befehlichten Dienern keine Grübelung verstatten / noch ihnen zu sehr die Hände binden / wenn ihnen ein wichtiges Werck in der Ferne / besonders aber im Kriege vertraut wird / da in einem Augenblicke die Gelegenheit verschwindet. Denn bey so gestalten Sachen muß man ihrer Gewalt nach Art der Gärtner Lufft machen / welche denen jungen Bäumen die Rinde aufkerben / daß sie desto besser in die Dicke wachsen. Seine Rathschläge aber können unmöglich wol von statten gehen / wenn er nicht die Eigenschafften derer Völcker / mit denen er gräntzet oder zu schaffen hat / so wol / als ein Gärtner die der Pflantzen verstehet. Denn iedes Volck hat seine absondere Art / wie jedes Land unterschiedene Gewächse. Die Deutschen sind gewohnt in Glück und Unglück Farbe zu halten / wie das Frauen-Haar bey dürrer Hitze zu grünen / und bey der Kälte nicht zu verwelcken. Auf ihre Treu und Glauben mag man sich sicher verlassen. Denn ihre Freundschafft gleicht den Wein-Reben / welche auch den verdorrten Ulmenbaum zu umbarmen nicht unterlassen. Die Gallier haben wie das Schilf-Rohr in der Beweg- und Nachgebung [779] ihre Stärcke / und hengen ihren Mantel nach dem Winde; jedoch bleiben sie bey ihrer Schwäche unzerbrechlich / denn sie weichen / umb nicht zerstossen zu werden. Die Britannier gleichen dem Pfeffer /welcher von der Zerquetschung mehr Kräffte bekommt. Der Hispanier Fürhaben ist wie der Eichen langsam / aber tauerhafft / also daß sie Sturm und Ungehemach mehr befestigt als erschüttert. Die Griechen gleichen den weichen Myrthen / die Asiatischen Völcker den Cypressen / beyde aber dienen mehr zur Wollust als zu was anderm / und wie dieser Wurtzeln mit dem Stamme vergehen / also können sie sich nach einem unglücklichem Streiche nicht wieder erholen. Die Römer aber sind Palm-Bäume / welche aller andern Völcker Tugenden besitzen / und die Sieges-Kräntze sind ihnen ängebohren. Sie tragen ihre Hertzen im Kopffe / die Bataver in Lenden / die Deutschen in der Brust. Jedoch schlägt zuweilen ein und ander Mensch eben so wol als die Pflantzen aus der Art ihres Geschlechts / daß sie Frembden mehr als ihren Landes-Leuten gleich sind. Daher ein Fürst nicht alles nach einer allgemeinen Richtschnur abmässen / sondern gleichsam alle Strieche der Antlitzer /wie Gärtner alle Adern und Farben der Gewächse unterscheiden; auch ein schwaches Volck nicht allezeit verächtlich haltẽ / noch für einem mächtigern sich zur Unzeit fürchtẽ / oder ihm i er mißtrauen muß. Deñ wie schwach die Steinbreche gleich ist / hat dis Kraut doch die Krafft im Wachsen die Klippen / und die Goldwurtz im menschlichen Leibe Steine zu zermalmen / hingegen ist offt eine vier grieffige Riesen- Eiche inwendig nichts als ein ausgefressenes Aaß /welches ein schwacher Wind zu Bodem wirfft. Ja etliche Reiche scheinen klein und unansehnlich zu seyn /haben aber so viel oder mehr Kräffte als die weit ausgespannten; wie in dem kleinsten Granat-Apfel gerade so viel Kerne sind / als ihrer der grösseste selbigen Baumes hat. Wenn es nun zum Kriege kommt / hat ein Fürst von denen mit zierlichen Dornen so wol prangenden als geharnschten Rosen zu lernen; daß seines Kriegs-Volcks Pracht in sie beschirmenden Waffen bestehet; daß Rosen-Kräntze und Dornen /nemlich Belohnung und Straffe die Erhalt- und Heilungs-Mittel aller Heere sind / durch das erste die Tapferkeit aufgemuntert / durch das andere der Boßheit ein Kapzaum angelegt / und wenn auch schon ein gantzes Kriegs-Heer durch übrige Nachsicht liederlich und vergewöhnt worden wäre / selbtes doch theils durch aufgesätzte Tugend-Preiße / theils durch blutige Striemen wieder zurechte gebracht werde. Welchen Nutzen empfindlicher Streiche die Römer dardurch fürbildeten / da sie durch die Feldwebel denen sich vergehenden oder ungelernigen Soldaten ins gemein mit Reben-Holtze so bittere Streiche versätzten / aus welchem doch der süsseste Safft wächßt. Das im Haupte der Rosen befindliche Gold aber ist eine Erinnerung: daß ohne Sold kein Kriegs-Knecht leben /und ohne viel Unkosten so wenig als ohne Waffen kein Krieg geführet werden könne. Gleichwol muß ein Fürst niemals das Hertz fallen lassen / wenn der Kriegs-Hagel gleich lange Zeit auf ihn loß schlägt. Denn hierdurch werden Länder / worüber nicht der gemeine Mann / sondern ein Fürst oder der Adel die Herrschafft haben / vielmehr befestigt / welches bey stetem Sonnenscheine der Ruh / welche Mißgeburten der feigen Wollüste zeuget / vielleicht zu Grunde gienge. Die vergänglichstẽ Blumen erhalten sich zwischen dem Brande der Nesseln / und die Egyptischen Feigen werden nicht reif / bis man sie vorher mit einem Eisen verwundet hat. Wenn aber ein Fürst mit seiner Macht dem Feinde nicht gewachsen ist / muß er durch verschmitzte Erfindungen seine Schwachheit unterstützen / umb die Frucht des Friedens einst einzuerndten. Also kommen in kalten Ländern die Gärtner der Natur / ja [780] ihrem Hertzen / nemlich der Sonne selbst zu Hülffe / wenn sie Gläser über die Melonen stürtzen / daß der Zurückschlag der Sonnen-Strahlen durch Vergrößerung der Hitze sie reif mache. Keines weges aber hat ein Fürst für Klugheit zu halten / daß er / wie zwar in den Richter-Stülen und in der friedlichen Beherrschung der Unterthanen gar wol gethan ist / im Kriege / wo er ihm entweder den Freund mehr zu verbinden / oder einen Feind zu versöhnen vor hat /oder / wo ihrer viel zu bestraffen sind / sich mittelmäßiger Rathschläge bediene. Denn der Freund wird es annehmen; daß er von ihm die Hand abzüge / der Feind aber es für eine Freundschafft erkennen / und also ihm wenig Danck wissen / daß er ihn nicht beleidige. Diesemnach ist viel rathsamer / besonders in denen keinen Verzug leidenden Begäbnüssen einem die Hand / dem andern die Spitze bieten / und mit der Lilge die Bienen an sich zu locken / die Schlangen zu verjagen. Im Garten eines Reichs sind Unterthanen Gewächse / der Fürst die Sonne. Keines aber muß er so verächtlich halten / das er nicht mit seinen Strahlen erfreue / sondern / daß kein Theil des Gartens unbeschienen bleibe / wie das grosse Welt-Licht nicht auf einer Stelle bleiben. Gleichwol aber ist nicht rathsam / wegen kleiner Gefährligkeiten / oder auch bey grossen / daran aber das Heyl des Reichs nicht hänget /außer seinem ordentlichem Lauffe schreiten / und den gantzen Leib mit dem Haupte in Gefahr der Verfinsterung stürtzen. Wie vorsichtig aber ein Fürst gleich seinem Reiche vorstehet / muß er ihm doch nicht träumen lassen / daß die Klugheit eine unausreißliche Wurtzel der Glückseeligkeit sey. Vom göttlichen Verhängnüsse rühre her; daß das nur an der Erde klebende Kraut des Frauen-Haares und des Majorans fast ohne alle Wurtzel so schön grünet / und viel schwache Reiche bey einfältiger Anstalt tauern. Daher auch die Gärtner / welche keine Pflantze ohne Berathung /ob es ein gutes Zeichen sey / einsätzen / mehrmals von denen übertroffen und verlacht werden / welche sich weder umb die Gestirne noch das Gewitter bekümmern. Nicht anders gelinget es mehrmals denen Fürsten am allerbesten; die besonders in verzweifelten und unaufschüblichen Fällen nicht alles auf die Wage legen / sondern auf gutes Glück etwas wagen / und offt dem allerklügsten durch Vermässenheit einen unversehenen Streich versätzen. Wenn aber alle Fädeme der Klugheit und Tugend zerreissen / und ein Fürst alles gethan hat / was er gesolt und gekönnet / gleichwol aber alles mißlingt / oder den Krebsgang geht /muß er sich nur mit Gedult und Hoffnung gürten / und seinen Willen nach Leitung der Sonnenwende in die Schickungen des Verhängnüsses geben / welche sich niemals von der Sonne abwendet / wenn gleich die von ihr empor gezogene und in Zorn-Wolcken verwandelten Dünste der Erden mit Hagel und Blitz auf sie stürmen. Jedoch muß er hierbey nicht die Hand gar abziehen. Denn sein Glücke vom Zufalle erwarten ist eine albere Trägheit / die Einbildung aber / es sey umb einen schon gethan / Verzweifelung. Wie viel Sturmwinde gehen ohne sonderbahren Schaden überhin / welche alle Bäume mit ihren Wurtzeln auszureissen gedräuet haben? Solche Ungewitter zu überstehen kan ein Fürst nichts heilsamers thun / als wenn er durch Erhaltung einerley Gottesdienstes / wolfeiler Lebens-Mittel / der Gerechtigkeit / guter Künste /Gleichheit des Vermögens und anderer Dinge unter den Unterthanen die Eintracht befestigt; damit einer nicht dem andern / wie der Lorberbaum den Reben /der Nußbaum denen Morellen die Sonne benähme /und sie mit schädlichem Schatten unterdrücke / oder mit zu geitzigen Wurtzeln ihnen den Safft entziehe. Westwegen er / wie kluge Gärtner / einem jeden seinen rechten Stand zugeben / den Herrschsüchtigen die Flügel / den Geitzigen die Adern [781] zu verschneiden; den unverträglichen Kohl- und Lorber-Baum vom Weinstocke / die feindliche Eiche vom Oelbaume / die Feigsbohnen von Feigenbäumen zu entfernen hat. Hingegen muß er die durch Vermengung ihrer Wurtzel und Schattens einander fruchtbar machende Myrthen-Oel- und Granat-Aepfel-Bäume neben einander sätzen. Denn die besten Dinge / wenn sie zusammen zwistig sind / beschädigen einander / hingegen macht die Eintracht schädliche Sachen nütze. Also thut der fruchtbare Maulbeer-Baum und die gesunde Raute dem Granat-Aepfel-Baume Abbruch / die giftige Wolffs-Milch aber macht ihn fruchtbar. Aufrührer muß er mit ihres gleichen / wie Unkraut mit Unkraut /Schlangen mit dem giftigen Schatten des Eschbaumes / und Schilff mit Farren-Kraute vertilgen / welches /wenn ein schilffichter Acker mit einer Pflugschar umbgerissen wird / daran Farren-Kraut hängt / jenes besser als Eisen und Feuer ausrottet: Auf gleiche Weise ist rathsam und zuläßlich seinen Feinden /nicht aber Nachbarn aus blosser Mißgunst ihres Wolstandes / einen andern Feind auf den Hals zu hetzen /und also seine Kräffte zu zertheilen. Denn hiermit verlieren sie / wie der Eibenbaum / wenn man einen Nagel darein schlägt / das Vermögen Schaden zu thun. Auf die Freundschafft seiner Nachbarn / ja auch seiner Bluts-Verwandten hat ein Fürst nicht grosse Thürme zu bauen. Denn ein schlechter Wind bricht diesem Baume leicht einen Ast ab. Weil aber der Fürsten Verträuligkeit auf eitel Nutzen zielt / läßt sie sich wie ein noch am Stamme ein wenig hängender Ast leicht wieder verbinden und ergäntzen. Seinen Freunden und Bunds-Genossen aber muß er auch ohne Absehen einigen Vortheils treulich beystehen / denn uneigennützige Freundschafft ist die edelste / wie ungewässerte Salate die süsseste. Fürnemlich hat man ihnen Hülffe zu leisten Ursache / wenn man dardurch den Krieg ferne von seinen Gräntzen halten kan / der uns sonst zu Hauß und Hofe käme. Es wäre aber nachdrücklicher und destwegen rathsamer ihnen mit Volcke als Gelde zu helffen. Denn Fürsten können leichter Waffen / wie die Rosen ihre Dornen / als das Gold entrathen / welches so wol dieser Blume als eines Reiches Hertzblatt ist. Jedoch muß er durch seine Unterstützung die gantze Last nicht derogestalt ihm aufhalsen / daß ein ander den Kopf aus der Schlinge zeucht. In Wäldern siehet man vielfallende Bäume blühen / die sie stützenden aber verdorren; und die Undanckbarkeit hat mehr Beystände im Stiche- und fallen lassen / als die dem Epheu zur Stütze dienende Bäume verdorret sind. Wenn ein Fürst aber selbst Hülffe von nöthen hat / muß er selbte von dem / welcher ihm wegen spaltigen Gottesdienstes / oder seines auf sein Reich habenden Auges oder Anspruchs verdächtig seyn kan / nicht leicht suchen /weniger angebotene / oder solche / welche ihm selbst zu Kopffe wachsen könten / annehmen. Denn / wenn man im Fallen ist oder den Schwindel kriegt /umbarmt man mit seinem Schaden so bald eine stachlichte Dornhecke als einen Ulmenbaum / und die Klugheit lehnt sich selbst offt auf einen zerbrechlichen Rohrstab / der sie in die Hand schifert. Am allermeisten aber muß er / außerhalb des Gewerbes / mit denen Bündnüsse zu machen sich hüten / welche Feinde mit GOtt sind. Die Seeblumen und Jasminen können nicht neben einander wachsen / derer jene die Sonne / dieser die Nacht mit Aufschlüßung seiner Blätter verehrt. Wie ansehnlich gleich sonst ein solcher Bundsgenosse ist / würde er doch ohne den Einfluß der Gottesfurcht einem Reiche so viel als der Schatten eines Lorberbaums denen Weingärten Schaden zuziehen. Am wenigsten aber muß er sich wider GOtt und das Licht des Gottesdienstes selbst auflehnen / sondern vielmehr nach dem Beyspiele der in dem Phrath wachsenden Wasser- und derselben Blume / [782] welche die Indianer das Auge der Sonne heissen / diesen Spiegel der Gottheit bückende verehren; und von dem Gottesdienste glauben; daß er die Krone eines Reichs sey / und dem Gipfel der Tannen gleiche / mit dessen Abhauung der gantze Baum zernichtet wird und verdorret. Bey welcher Beschaffenheit er zugleich die Priester zu beleidigen sich wol fürzusehen hat. Denn diese sind die vom Blitz unversehrlichen Lorberbäume / welche die Häupter der Fürsten selbst für vielen Donnerkeilen behüten und krönen; aber auch ihre Antastung / wie das im Feuer am allermeisten knackende Lorber-Holtz / am empfindlichsten und unverträglichsten aufnehmen; und in einem Reiche / wie zwey an einander geriebene Lorber-Zweige /unschwer ein grosses Feuer anzünden können. Von den Palmbäumen bekommen die Sieger ihre Kräntze /aber auch ihre Lehren. Diese tragen erst im hundersten Jahre / also muß ein Fürst den Sieg nicht mit Ubereilung und vielem Blute der Bürger erzwingen /sondern die Gelegenheit darzu mit Vernunfft erwarten. Der Palmbaum hat einen Stamm gleichsam mit einer Leiter umb die Hinaufsteigung zu erleichtern. Der Sieg ist vorsichtiger Tugend / auch so schwer nicht; wenn man sich darinnen nicht übereilt / die darzu führenden Wege nicht verachtet / und umb die Ehre allein davon zu tragen / nicht mit Ausschlagung der Gehülffen / den Sieg aus Ehrsucht / oder auch /wenn man ihn schon in Händen hat / aus Geitz und Begierde der Beute liederlich verspielt. Des Palmbaums Süßigkeit wächßt auf seinem gekröneten Gipfel und des Sieges an seinem völligen Ende / daher muß dieser bis aufs euserste verfolgt / und nur nicht tapfer erworben / sondern klüglich zu nütze gemacht /jedoch die mit süssen Früchten bereicherten Sieges-Palmen denen Uberwundenen durch Grausamkeit nicht zu Schleen und Wermuth gemacht werden. Wie aber die Palmbäume weder Blätter noch Datteln abfallen lassen / sondern sie in fester Verwahrung halten; also muß ein Uberwinder nicht stets und ohne seine Versicherung die eroberten Festungen / umb gleichsam Frieden ihm zu kauffen / aus den Händen fahren lassen / noch sich seiner Waffen und Besatzungen entblößen. Und wie die Palme der Last nicht weicht / sondern so gar durch ihre Krümm- und Erhebung derselben entgegen kommt; also ist es eine schädliche Sanfftmuth im Kriege sich und seine Gräntzen nur vertheidigen / nicht aber den Feind durch Einbruch in sein Land zu sehr erherben wollen; wie endlich auch der Palmbaum so wol seinen eigenen Gipfel / als auch mit seinen abgerissenen Zweigen ihre Sieger krönt / also muß ein Fürst die Helden-Thaten derer / die durch ihre Tapfferkeit Werckzeuge seines Sieges gewest sind / mit Belohnung und Ehren-Kräntzen; ja die fürs Vaterland erbliechen / durch Siegsmaale mit der Krone unsterblichen Nachruhms verehren / und wie die Lilge ihre güldene Krone für dem Himmel gegen der Erden / also ein Fürst alle seine Palmen- und Sieges-Kräntze für GOtt als dem obristen Siegs-Herrn demüthig neigen. Wie über dis der Palmbaum mit einer harten Rinde gleichsam gewaffnet ist; also muß ein Fürst auch nach dem Siege den Harnisch nicht wegwerffen. Ja selbst die Rose des güldenen Friedens wächst nirgends sicherer als unter dem Schilde vieler auch nach dem Abfalle der Blumen stehen bleibender Dornen / welche sonst Vorwitz und Haß / noch ehe sie aufblühen kan / in den Knospen abzubrechen begierig ist. Ein Fürst muß sich auch im Lauffe seiner Siege nicht unter dem Scheine des Friedens irre machen / noch für die Friedens-Rose ihm eine schläfrige Mohblume eines betrüglichen Stillestandes aufbinden lassen. Er aber muß andern den Frieden erträglich machen; denn welcher den Feind allzu sehr drückt / kan nicht tauerhafft seyn; sondern veraltert in der Wiege wie die Rosen. Wie die Aertzte auch aus denen alle [783] andere Blumen an Schönheit und Geruch übertreffenden Rosen viel heilsame Artzneyen und Erquickungen bereiten; so muß ein Fürst den erlangten Frieden zum Labsal des Volcks /und zur gemeinen Wolfahrt anwehren. Denn dieser ist ja das recht nährende Oel der Länder / wie der Krieg das sie einäschernde Feuer. Mit jenem blühet der Ackerbau / die Gärtnerey / die Handlung und alle Künste; dieser aber macht nichts als Wildnüs und Wüsteneyen. Jener ist der Vater des Reichthums und des Lebens; daher die Egyptier sein Bild mit Lorbern und Rosen bekräntzten; dieser ein Stiffter der Armuths-und Werckmeister des Hungers / der Pest und des Todes. Westwegen ein Fürst diesen heiligen Schatz mit beyden Händen halten / und unter keinem Vorwand selbten von dem giftigen Wurme des Kriegs abfressen lassen muß. Also solte der Lauf eines Fürsten seyn / und da sonst ins gemein Herrscher je länger je boßhaffter werden / insonderheit Hartnäckigkeit /Hoffart / Geitz und Grausamkeit bey ihnen unaufhörlich wachsen / muß er mit seinem wachsenden Alter und Schwachheit sich denen von Zeit zu Zeit immer ihren guten Geruch vergrössernden Lilgen / oder denen reiffen Granat-Aepfeln gleichen / welche zwar so denn von Zerberstung löchricht / aber auch durch die hervorblickenden Purper-Kerne so viel schöner werden. Nach dem aber keine Pflantze so kräfftig ist /daß sie nicht mit dem Alter abni t / muß er auch nur bey Zeite seine Schwachheiten fühlen / also sich kluger und bewehrter Räthe Leitung anvertrauẽ / nicht aber durch eigene ungeschickte Anstalten denen / die ihn gleichsam anbeten solten / zum Gelächter machen. Wie nun der Granat-Apfel in sich seinen Saamen /und die Wurtzel seiner vollkommenen Nachkommen besitzt; also liegt einem verlebtem Fürsten ob / dem Reiche aus neidischer Ehrsucht keinen schlimmern Nachfolger aufzudringen; sondern umb noch einen bessern durch fleißige Ausarbeit- und kluge Umbschrenckung seines Erbfolgers / zuweilen auch mit Ausschlüßung seines ungerathenen oder untüchtigen Blutes bekümmert / auch wormit nach seinem Tode das Reich zu keinem Zanck-Apfel werde / noch bey seinem Leben umb seine Befestigung bemüht zu seyn. Endlich hat er von der Rose und Granat-Aepffeln zu lernen: daß der Purper weder das Leben verlängere / noch die Unsterbligkeit zum Gefärthen habe / und daher sich zu einem behertzten Abtritte aus dem Schau-Platze der Welt fertig zu machen; jedoch sich zu trösten / daß auch die abgefallenen Rosenblätter und tugendhaffte Todten einen guten Geruch und die Liebe der überlebenden behalten. Diesemnach denn auch ein also lebendig und sterbender Fürst vergewissert seyn kan / daß er / wenn gleich der Kern seines himmlischen Geistes sich der Schale des sterblichen Leibes entschütten wird / dennoch wie ein von seinen Kernen ausgeleerter Granat-Apfel mit einer herrlichen Krone / nemlich eines unsterblichen Nachruhms /welches der letzte Geist des menschlichen Thuns ist /prangen; und also in der Grufft seine Vollkommenheit erreichen werde. Sintemal / wenn diese nicht mit Ehren blühet / die Wiege sich keiner Purper-Rosen zu rühmen hat. Mit einem gekröneten Ende aber verwandeln sich alle Dornen der im Leben begangenen Fehler in wolrüchende Blumen / und sein Reich in den allervollkommensten Garten. Also schloß dieser Barde zu unsäglicher Vergnügung aller Zuhörer. Ariovist aber ward hierüber gleichsam verzücket / daß er den Barden umbarmte / und anfieng: O der unschätzbaren Weißheit! Es ist doch sicher in der Welt kein grösser Wunderwerck / als der Mensch / und im Menschen nichts wunderwürdigers als der Verstand! Wolte GOtt! ich und alle Fürsten der Welt solten diesen Weisen zu unserm Lehrmeister und geheimsten Rathe haben. Ist es möglich / daß in dieser Einsamkeit ein unbegreiflicher Verstand [784] die gantze Welt zu beherrschen versperret sey? Warumb lassen die Catten diesen grossen Cyneas in einem leinenen Kittel allhier verschimmeln / welcher mit Goldstücke belegt / und im geheimen Rathe zu Mattium oder gar zu Rom die Hand zu führen verdienet? dem Barden fielen etliche Thränen aus den Augen / und er antwortete: Eines Freundes Auge ist durchdringender als die Sonne. Es reget das Hertze / und erkieset den Kern eines Dinges unter seinen Schalen. Es ni t wahr / daß der ansehnliche und von schlechter Ankunfft herrührende Musch und Zibeth der beste Geruch in der Welt sey. Alleine ich bescheide mich meiner Unvollko enheit / weil auf Erden keine Vollko enheit anzutreffen. Weißheit ist ja wol der sicherste Leitstern eines Fürsten / aber die Geschäffte sind wie gewisse Gläser / welche so vielerley Farben zeigen / so offt man selbte gegen dem Lichte umbwendet. Daher kan Phorcino besser vom Kriege reden / als der erfahrne Hannibal solchen führen. Ja wenn gleich Witz und Erfahrung überein stimmen / schlägt doch das göttliche Verhängnüs die Hand darein / und man siehet im Herrschen offt so wol Thoren als Boßhaffte den Zweck erreichen / als Kluge und Fromme dessen fehlen. Ariovist fiel ein: Es ist nicht ohne / daß kluge Schiffer zuweilen scheutern / aber nur an blinden Klippen und bey schrecklichem Ungewitter; Unerfahrne gehen hingegen auch bey Sonnenscheine zu Grunde. Daher benimmet ein und ander Zufall nichts der Güte und dem Nutzen der Weißheit. Sie ist das Steuer-Ruder / ohne welches ein Reichs-Schiff ein Spiel und Raub der Wellen / und ein unfehlbares Opfer des Untergangs ist. Mehrmals erkieset man auch aus Irrthum an statt der eingebildeten Weißheit ihren Schimmer oder Schatten / ja zuweilen gar ihre Feindin die Boßheit. Diese / wenn ein Aristippus unter dem Scheine des höchsten Gutes die heßlichste Wollust einflößt. Dieser Weisen Lehren gleichen den Büchsen / welche Uberschrifften heilsamer Artzneyen / inwendig aber nichts als Gifft haben. Mit dem Schatten armet man sich / wenn die Mißgunst selbte mit Fleiß hinter Bilder / Rätzel und Zahlen verstecket / und wie der seine gelehrteste Schule verschlüßende Aristoteles beschuldigt wird / nach der Art desselben Meerfisches / welcher umb nicht gefangen zu werden das Wasser mit einer von sich gelassenen Farbe schwärtzet / seine Lehren mit Fleiß verdunckelt / daß sie niemand verstehe. Welche Weißheit dem Pech-Feuer gleiche kommt / welches mehr Rauch als Licht hat / und mehr schwärtzet als erleuchtet. Den Schimmer der Warheit lassen sich die bländen /welche die Hülsen für den Kern erkiesen. Aber die allhier gelehrte Weißheit hat nicht weniger Grund als Licht. Sie versteiget sich nicht in unfruchtbaren Nachgrübelungen / sondern sie beschäfftigt sich alleine mit Dingen / die man täglich zu sein und des Volckes Nutzen angewehren kan. Sie ist so tiefsinnig und doch so verständlich / und / wie ich mir einbilde / nicht weniger wolthätig. Keine grössere Wolthat aber köntest du mir / holdreicher Vater / leisten / als wenn du diesen edlen Knaben / welchen ich als meinen Augapffel und vielleicht lieber als meine künfftige Söhne habe /zu einem Zuhörer deiner Weißheiten aufzunehmen würdigen woltest. Dieser Knabe war ungefehr zwölff oder dreyzehn Jahr alt / ungeachtet man ihn seiner Länge halber für etliche Jahr älter geschätzt hätte. Sein Antlitz war für sein Geschlechte bey nahe zu schön / und eine genungsame Ursache das Frauenzimmer darüber eyversüchtig zu machen. Seine Haut war von solcher Zärte und Reinligkeit / daß zu zweifeln; Ob der seiner Klugheit halber für allẽ Menschen gepriesene Salomon ihn wie die von der Mohren-Königin [785] Nicanna verkleideten Knaben unter den Mägdgen aus dem Waschẽ der Hände und Trübung des Handwassers würde erkennt habẽ. Seine schneeweisse Lockẽ spielten ihm umb den Hals / daß sie keines Mahlers Pinsel zierlicher hätte bildẽ köñen. Sie hatten einen herrlichen Glantz / daß sie weder mit gemahlnẽ Golde bestreut / noch mit Gold-Drate durchflochten werden dorfften. Das Haupt war gantz rund. Dieses aber soll ein Zeichen eines grossen Geistes und Verstandes / wie spitzige Häupter Merckmaale der Narren seyn. Alle Glieder hatten mit einander eine wohl-abgetheilte Gleichheit / und nicht weniger eine erbare als geschickte Bewegung. Aus seiner Freundligkeit blickte etwas heldenmüthiges / wie aus vollkommenen spielenden Diamanten eine durchdringende Schwärtze. Mit einem Worte: Er schien ein rechtes Meister-Stücke der Natur zu seyn / und diese Helden-Mutter hatte ihm einen nachdrücklichen Zug aller Augen und Gemüther an sich zu locken eingepflantzt. Der Barde sahe diesen auf Ariovistens Befehl für ihm auf den Knien liegenden Knaben lange Zeit an. So sehr nun die Augen auf ihm erstarreten / so sehr wallete des Alten Hertze / und hemmete ihm gleichsam die Zunge. Endlich zwang er doch diese Worte heraus: Unsere Schule stehet allen Edlen offen / diesem Knaben aber hat die Natur das Zeugnüß seines edlen Ursprungs an die Stirne gepreget. Unsere Weißheit hat nichts verdächtiges oder ärgerliches. Daher haben wir nicht von nöthen von iemanden den Eyd der Verschwiegenheit abzuheischen. Ich sehe ihn für einen Deutschen an / aber die Barden verschmähen keinen Ausländer / weil die Sitten Eigenschafften der Gemüther / nicht der Länder / die Weißheit an kein Volck gebunden / und aus Morgenland in die kalte Mitternacht gereiset ist. Diesemnach nehme ich diesen Knaben (wormit er ihn zugleich mit beyden Armen umbfaßte) mit Freuden und diesem Wunsche an: daß ich nur ein so guter Werckzeug ihn auszuarbeiten seyn möge / als er als der Zeug gut zu seyn scheinet. Ariovist bedanckte sich für seine Willfährigkeit aufs verbindlichste / und versätzte: Jedes Holtz ist zwar nicht geschickt zu zauberischen Hermes-Säulen / aber aus allem Marmel kan man Bilder der Liebe und des Todes / Helenen und Affen machen. Es liegt nur an der Kunst und Willen des Werckmeisters / ob er diß oder jenes daraus machen wil. Weil hier aber der Lehrer so gütig als weise ist; hoffe ich aus seinen Händen einen kurtzen Begrieff der Vollkommenheit zu erlangen.

Hiermit namen sie für dißmal zwar wieder Abschied; aber wenig Tage hernach begab sich Ariovist abermals in diß Behältnüß der Barden / umb seinen Knaben / welcher den Nahmen Ehrenfried führte /ihnen auf sieben Jahr völlig zu übergeben. Thußnelde / Agrippine / Zirolane / Jubil / Rhemȩtalces / Siegismund und alle andere anwesende Fürsten meynten / es dörffte für eine Verletzung ihrer gemachten Verträuligkeit ausgelegt werden / wenn sie dißmal sich seiner Gesellschafft entschlügen. Da zumal dieser edle Knabe fast alle ihm wohl zu wollen bezauberte / und die Annehmung der Jugend bey den Barden / wie /wenn sich iemand in einem Heiligthume einweyhen ließ / nicht ohne besonderes Feyer zu geschehen pflegte. Sintemal die Barden eben so wohl als die alten Chaldeer / Egyptier und Griechen die Weißheit für heilig / ihre fürnehmste Lehren auch für Offenbarungen Gottes hielten / und daher selbte im Tempel oder an Felsen geweyhter Hölen einschrieben. Sie kamen bald nach der Sonnen Aufgang an besti ten Ort; da die Barden den Ehrenfried bald an der Pforte empfiengen / ihm Kräntze von vielen wohlrüchenden Blumen nicht nur auff das Haupt setzten / sondern auch den Leib und alle Glieder damit umbwunden. Also führeten sie ihn zu einem Spiegel-hellen Brunnen / darinnen sich alle neue Lehrlinge für ihrer Einweyhung baden musten / gleich als wenn sie daselbst allen Unflat der Unwissenheit abzuschweiffen [786] hätten. Welches bey den Barden nichts neues / weil derogleichen Abwaschungen fast bey aller Völcker Weyhungen bräuchlich / und so wohl zu Rom als zu Athen so gar in Bädern die Jugend unterrichtet / dabey gebadet und eingesalbet ward. Der beym Brunnen stehende oberste Barde fragte den Knaben: Ob er auf sieben Jahr Gehöre / Stillschweigen und Gehorsam zu versprechen getraute? Denn das erste würde ihn weise /das andere vorsichtig / das dritte demüthig machen. Ehrenfried antwortete mit einer grossen Freudigkeit: Weil er hörte / daß wer nicht weise wäre / sich keinen wahrhaften Menschen nennen könte / wünschte er ehe zu sterben / als ein Mittel-Ding zwischen Menschen und Vieh zu seyn. Nach dieser Erklärung befahl er dem Knaben sich nackt auszuziehen / und in dem Brunnen zu waschen. Die darbey stehende Agrippine wolte sich entfernen / als sie den Knaben von Barden entkleiden sahe. Thußnelde lächelte / und fragte: Warumb sie dieser Einweyhung nicht zuschauen wolte? Agrippine antwortete: Weil die Blösse in ihren Augen ein sehr heßliches Ding wäre. Und wunderte sie sich /daß die Barden / von denen sie doch sonst so viel Weißheit gehört hätte / sich derselben nicht schämeten; zumal ihrem Bedüncken nach sich in Schulen nichts weniger schickte / als nackt seyn. Der ihr gegenüber stehende Barde hielt ihre Sitten zu vertheidigen der Nothwendigkeit / und fiel ihr ein: Wir leben in dem unschuldigen Deutschlande / wo die meisten Einwohner nackt gehen / und dennoch keuscher / als die bekleideten sind. In Indien gehen die Weltweisen selbst bloß / und in der Welt die meisten Leute nackt /besonders unter den hitzigen Land-Striechen. Gleichwohl weiß man von allem diesen nicht so viel Uppigkeiten zu erzehlen / als von denen wollüstigen Persen und Griechen / bey denen nicht die Schamhaftigkeit /sondern Hochmuth und Eitelkeit die Kleider erfunden zu haben scheinet. Denn wie nichts mehr als die Blösse den Menschen seines Armuths und Elends überzeuget; also ist der mühsame Aufputz des Frauenzimmers in gesponnenes Gold / künstlich gewebte Seide und Wolle / in die Krausung der Haarlocken / die Beblümung des Antlitzes nur eine ausgedachte Entzündung der Begierden; und scheinet / daß daselbst die Frauen ihre Brüste nur verdecken umb selbte mit mehrer Regung zu weisen / und die Männer durch ihre gezwungene Mißgunst mehr aufzubringen. Es ist damit beschaffen / wie mit den Sonnen-Strahlen. Die auf die Seite schüssenden verursachen viel grössere Hitze als die gerade untergehenden. Also entzündet ein wenig von einer nackten Brust oder von einem entblösten Fusse lüsterne Gemüther viel kräfftiger /als was uns gantz bloß für Augen liegt. Für dem letztern hingegen eckelt selbst die Wollust / als wie dem Munde für allzu sehr gezuckerten Speisen. Die Begierde gleichet dem Winde. Denn beyde stürmen am meisten / wo sie gehemmet werden / und legen sich bald in vollkommener Freyheit. Diesemnach man in Deutschland die Blösse für das beste Genesungs-Mittel wider die Geilheit hält / und besorget; daß nachdem unser Adel von den Nachbarn das Gespinste der Würmer zu Kleidern erborget / mit selbtem auch die Würmer der Wollust eingeschleppt werden dörfften. Rhemetalces pflichtete dem Barden bey / und sagte: Seine Thracier wären eben der Meynung als die Deutschen / und ihn wunderte / daß Agrippine als eine Römerin für nackten Knaben eine solche Abscheu trüge /und mit Livien gantz nicht übereinsti te / welche /als er zu Rom gewest / und der mit ihr fahrende Käyser die auf der Strasse in einem Feyer nackt herumb lauffenden Knaben wegjagen lassen wolte / ihm eingefallen wäre: Ein nackter Mann wäre in den Augen einer ehrlichen Frauen ein todtes Bild. Agrippine ward hierüber beschämt / daß sie den Kleidern das Wort zu [787] reden mehr nicht getraute / sondern vielmehr die Barden / welche kein Blat für den Mund zu nehmen gewohnt sind / zu einer gerechten Durchhechelung der Römischen Kleider Uppigkeiten zu veranlassen befürchtete. Hiermit war sie gleichsam gezwungen bey dieser Einweyhung festen Fuß zu setzen / und weil sie selbst mit einer Hand in den Brunn fühlte /das Wasser aber kälter als den Schnee befand / und gewahr ward / daß die Barden den Finger-nackten Ehrenfried / nachdem sie ihn vorher mit Eichel-Oel übergossen und mit Saltze bestreuet hatten / gleich darein eintauchten / konte sie sich nicht enthalten überlaut zu ruffen: Ob sie diesen zarten Knaben in dem Quell der lasterhaften Kälte / durch welches der schwartze Nord seinen Frost ausstiesse / tödten wolten? Sie aber lachten darzu / und einer antwortete: Könten die neugebohrnen Kinder solche bey den Deutschen gewohnten Bäder ausstehen / würde es diesem erwachsenen und Zweifels-frey in kaltem Wasser abgehärteten Knaben nichts schaden. Er aber selbst lachte ebenfalls darzu /und verbieß darbey alle Empfindligkeit. So bald er nun wieder aus dem Wasser gezogen ward / muste er für dem obersten Barden nieder knien / welcher eine Schale voll aus Blumen gedrückten wohlrüchenden Oeles in der Hand hatte / und zu Stärckung des Gehirnes ihm den Wirbel und die Schläfe einsalbete. Als er nun eben diß auf der Brust verrichten wolte / ließ er die Schale aus der Hand fallen / ergrieff mit beyden Armen den Ehrenfried; sagte mit holer Stimme: Ach! mein Sohn! fiel aber überrücke zu Bodem / und ich hielt den Knaben so feste / daß er mit ihm über einen Hauffen fiel. Jedermann erschrack über diesem plötzlichen Zufalle; und war bemühet mit Kühl- und Stärckungen dem guten Alten beyzuspringen. Ein Barde raffte sich auch mit dem Ehrenfried / solchen aus des ohnmächtigen Armen zu reissen. Zirolane / welche so wohl als das andere Frauenzimmer mit ihrẽ bey der Hand habenden Balsam hierbey beschäfftigt war /kriegte den Knaben hierüber vorwerts recht ins Gesichte; worauff sie des Barden vergaß / den nackten Knaben umbarmte / selbten mit einer ungemeinen Entzückung unaufhörlich sonderlich auf die Brust küssete. Dieser Knabe stand hierüber erstarret; Thußnelde / Agrippine und andere wusten nicht was sie destwegen dencken solten / Rhemetalces aber / als er Zirolanen in einer so heftigen Brunst gegen diesen Knaben entzündet / und des Umbarmens und Küssens kein Ende machen sah / entröthete sich anfangs / hernach erblaßte und zitterte er / endlich rieß er sich mit den Worten: O verda te Untreu der Weiber! wie ein Blitz davon. Niemand als Hertzog Siegesmund / weil aller Augen theils auf den sterbenden Barden / theils auf die entzückte Zirolane gleichsam angepecht waren / nam Rhemetalcens Verstell- und Entfernung so eigentlich wahr / daher er ihm auf dem Fusse folgte / er konte aber weil Liebe und Zorn die geschwindesten Flügel haben / selbten kaum ausserhalb des Gartens /wo alle Pferde verwahret waren / ereilen / als er sich schon mit seinen Reisigen und Schildträger zu Pferde gesetzt hatte. Hertzog Siegesmund fragte: Wer die Ursache seines so plötzlichen Eivers und heimlichen Abschiedes wäre? Rhemetalces antwortete: Ist dieses wohl Fragens werth? Aller anwesenden Augen werden Zungen der Untreu wider die mich aufs ärgste beschimpfende Zirolane seyn? Soll ich dennoch zu meinen Beleidigungen mich unempfindlich / und zu ihren Vergehungen blind anstellen? Hertzog Siegesmund versetzte: Die Fürstin Zirolane hätte zeither ein so vollkommenes Muster der Tugenden fürgebildet; daß ohne Unrecht sich nichts böses von ihr argwohnen liesse. Das unschuldigste Vorhaben hätte zuweiln einen Schein des Argen / wie das ärgste [788] Laster die Gestalt des Guten. Man müste also einer Sache auswarten /und mehr auf die Wurtzel als Blätter acht geben. Rhemetalces brach ein: Man mache mich nur nicht mit sehenden Augen blind / und verrede nur in solchen Schwachheiten kein Weib. Sie gleichen in allem dem Meere / welches bey stillem Wetter die Annehmligkeit selbst / wenn es aber vom Sturme / und Weiber von Begierden beunruhigt werden / sind sie schädlicher und abscheulicher als die Hölle. Sie gleichen dem Brunne des Ammons / welcher des Tages eyßkalt /des Nachts siedend heiß ist. Diesemnach mir denn Zirolanens Tugend wider meine eigene Augen eine viel zu ohnmächtige Vertheidigerin ihrer Untreu ist. Die Sitten ietziger Welt sind so beschaffen; daß niemand /welcher ein Weib verdächtig hält / für zu leichtgläubig gescholten werden kan. Hertzog Siegesmund begegnete ihm: Ich kan mich nicht genungsam wundern; wie ein so tapferer Fürst sich eine so niedrige Schwachheit / als die Eiver-Sucht ist / bemeistern lassen könne. Ich erstaune / daß Rhemetalces die Tugend / welcher er sein eigenes Hertze aufgeopfert hat /durch eine so seltsame Einbildung zum Laster / sich aber zum Leibeigenen so unzeitiger Regungen machen mag. Weiß er nicht / daß dieser Eigenschafft und steter Vorsatz ist / sich an Tugend zu rächen / weil sie von ihr so sehr im Zaume und unter der Rute gehalten wird? Die Ströme wenden ihre euserste Kräfften an die sie hemmenden Tämme zu durchbohren; Neid /Argwohn und Verläumdung aber räthet der Unschuld am meisten Dampf anzuthun. Ist es aber wohl der Vernunfft gemäß / daß / wenn Zirolane ihrer Ankunfft und ihrer Ehre zu vergessen und die ihr angebohrne Scham-Röthe auszuziehen fähig wäre / sie in den Augen Rhemetalcens und der gantzen Welt / in dem Gesichte so vieler / welche den Lastern Spinnen-feind sind / ihre Untreue ausüben / und an einem Kinde ihre rasende Brunst ausüben solte? Warlich / die Laster scheuen das Tage-Licht / wie die Eulen / ja die / welche gleich keinen Funcken Keuschheit mehr im Hertzen haben / sondern ihre Ehre feil bieten / sind so unverschämt nicht / daß sie ihrem Laster iedermann lassen zusehen. Fürnemlich aber ist die Schamhaftigkeit dem deutschen Frauenzimmer angebohren; diese aber ist der Bodem der Erbarkeit / wie die Morgen-Röthe der Sonne. So tolle Begierden sind in diesem Lande gantz unbekannte Wahre / und daher muß die heftige Regung Zirolanens gar was besonders seyn. Er erwarte diesemnach die Auslegung ihrer Entzückung / ehe er sie verwirfft / und verdamme seine Zirolane nicht ehe / als sie sich verantworten kan; wo er nicht selbst seine Liebe der Falschheit / sein Gemüthe des Unbestandes halber verdächtig machen wil. Das euserliche Ansehn eines Dinges ist ins gemein betrüglich / und unser Verstand so schwach / daß man von anderer Thun niemals ohne sich selbst mißzutrauen urtheilen soll. Der ist noch etlicher massen Entschuldigungs-werth / der durch Verläumdung eines Nebenbuhlers seine Liebe in Galle verwandelt; wer aber sich durch eigenen Argwohn verführet / kan sich keiner aufrichtigen Liebe rühmen / welche den Glauben zum Grunde hat / daß seine Liebste keiner Untreue fähig sey. Alle widrige Zeugen / ja die Augen sollen ihr verdächtig /und sie allemal Meisterin über die Eiversucht seyn. Wäre Zirolane gegen diesen Knaben mit unziemlicher Brunst entzündet / glaubet er / daß sie so unvorsichtig sie gegen ihn ausschütten würde? Meynet er / sie sey so einfältig und verstünde nicht / daß ein Weib / welches einem andern die Liebe einflössen wolte / die ihrige nicht gantz zeigen müste? Denn derer Seelen gleich wie Schwefel und Hartzt lodern / müssen doch einen Schatten der Kaltsinnigkeit behalten / wenn sie sich nicht wollen verhaßt machen / an statt / daß sie einen andern verliebt zu machen gedencken.

[789] Allein ist denn Zirolanens Eigenschafft Rhemetalcen so unbekant? Uberschwemmete sie ihn mit so viel Küssen / als diesen Knaben / da sie Rhemetalcen zu lieben anfieng / oder am heftigsten liebte? Oder war ihre Liebe nicht vielmehr eine Flamme ohne Rauch /und eine Gemüths-Regung ohne Ungestüm? Hat er iemals den wenigsten Schatten solcher Leichtsinnigkeit an ihr wahrgenommen / durch welche sie sich der Welt als eine anrichtige zur Schmach und zum Aergernüsse vorstellen solte? Rhemetalces brach ein: Hätte Zirolane mich so inbrünstig geliebet und gehalset / so würde ich mit diesem Knaben weniger Ursache zu eivern haben. So aber leschet ihre Lauligkeit gegen mir allen Zunder meiner Liebe aus / und ihre Brunst gegen einem andern entzündet in mir die Eiversucht / welche die Beständigkeit selbst wie der Schwefel den Stahl zerschmeltzet. Hingegen müste dieser Jüngling kälter als Eyß und unempfindlicher als Eisen seyn / wenn er von Zirolanens Fla en nicht Feuer fienge. Denn Küsse haben nicht nur die nachdrücklichste Macht einen zu entzünden / sondern eine verborgene Eigenschafft zu bezaubern. Sie gleichen an der Anfälligkeit dem Schaume eines tollẽ und beissendẽ Hundes / welcher aus einem Zahne sein Gifft allen Adern einsäuget. Ja wie die Augẽ der Basilisken diß / was sie anstrahlen / vergiften / also werden die dem Küssen zuschauende Augen von selbtem angesteckt. Siegesmund ward hierüber ungeduldig / sprang auf sein Pferd / und fieng an: Fürwahr / Rhemetalces /die Ehre der unscheltbaren Zirolane zwinget mich für sie nachdrücklich zu reden. Seine allzu scharffsichtige Augen verrathen eine grosse Blindheit seines Verstandes / und seine Abtrünnigkeit einen Vorwand seines leichtsinnigen Gemüthes oder seiner Falschheit; welche Zirolanen geheuchelt / sie aber niemals hertzlich geliebt hat. Sintemal Liebe wohl eine Schwachheit / niemals aber eine solche Niedrigkeit werden kan. So lange ich nun meine Augen im Kopfe haben werde / wil ich nicht aufhören / die tugendhafte Zirolane zu bereden / daß sie aufhören solte ihn zu lieben / um keinem undanckbaren die Ehre eines Obsiegs über ein so edles Hertze zu enträumen / welcher verdiente in Verwirrung und ihrem Hasse zu sterben. Ich kan diese Beschuldigung Zirolanens nicht für einen Fehler der Liebe / sondern muß sie für eine Boßheit sie zu beschimpfen annehmen. Sie würde Schiffbruch an ihrer Ehre / ich aber an meinem guten Nahmen leiden / wenn ich darüber unempfindlich wäre; daß Rhemetalces die unschuldige Zirolane verschmähet / welcher den so aufrichtig liebenden Siegesmund bey ihr verdrungen hat. Meine Liebe hätte wohl Ursache sich über dieser Entziehung Rhemetalcens zu freuen / aber meine und ihre Ehre befiehlet mir ihn so lange allhier anzuhalten / biß er sich erkläre Zirolanen entweder ohne Argwohn zu lieben / oder zu gestehen; daß sein Verdacht nicht weniger ohne Vernunfft als sein Hertze ohne aufrichtige Liebe sey. Mit diesen Worten zohe Siegesmund von Leder / Rhemetalces aber hatte als ein Ausländer Bedencken sich mit einem deutschen Fürsten zu schlagen / fieng also an: Ich weiß nicht was ich fürnehmen soll / den Fürsten Siegesmund mir vom Leibe zu halten. Vorhin bin ich mit ihm zerfallen / weil ich Zirolanen und sie mich geliebet / nunmehr werde ich angefochten / da sie mir Ursache giebt sie nicht zu lieben. Thue ich Zirolanen durch meine Eiversucht Unrecht / so hat sie zum wenigsten mehr / als ich Schuld daran. Meynet Fürst Siegesmund aber ihre Unschuld mit dem Degen zu behaupten / so stehet niemanden weniger als mir an sie durch meine Waffen schuldig zu machen. Es verbeut mir solches auch das in Deutschland lange Zeit genossene Gast-Recht / und es ist [790] wohl eine seltzame Art auf eine solche Weise die Unschuld erhärten / wo der stärckste der gerechteste ist; wo man / umb nicht getödtet zu werden / zu tödten gezwungen wird / wo der Ausschlag von einem gewandten oder gestrauchelten Pferde / von einer festen oder springenden Klinge herrühret / und das Recht gezwungen wird auf des glücklichen Seite zu treten. Hertzog Siegesmund brach ein: Die Waffen hätten in Deutschland schon das Ansehn erlangt; daß ihr Sieg bey keiner ungerechten Sache stehen könte. Diesemnach wäre der unvermeidlichen Nothwendigkeit / daß Rhemetalces entweder sein Zirolanen angefügtes Unrecht gestünde und verbesserte / oder daß er sein vermeyntes Recht gegen ihn mit dem Degen behauptete; welcher ihre Ehre zu vertheidigen auf sich genommen / weil er durch seine Liebe sie beleidigt hätte. Er solte sich daher nur kurtz erklären / denn es wäre ohne Noth viel Worte zu machen / wo man mit der Faust was auszuführen hätte. Siegesmund drang hiermit Rhemetalcen so nahe auf den Hals / daß er seinen Degen zur Gegenwehre auszuziehen und ihm zu sagen genöthigt ward: Die Ehre in einem Feinde wäre eben diß / was der Stahl in einem Degen. Beyde müsten springen / wenn man diesen zu sehr beugte / und jenem es zu nahe brächte. Weil diese Fürsten nun mit einander tapfer anbunden / hatten die Barden / oder vielmehr das Frauenzimmer den obersten Barden mit ihren Stärckungen ein wenig wieder zurechte gebracht; daß er Athem schöpfte /und die Augen öffnete. Diese aber versetzten ihn in eine neue Erstaunung / als er die Fürstin Zirolane mit Ehrenfrieden fast unzertrennlich verwickelt sahe. Die Liebe lösete auch endlich diesem von Verwirrung des Gemüthes / wie bey der über dem Haupt des Crösus schwebenden Gefahr seinem von Natur stummen Sohne die Zunge / daß er anfieng: Wil mir denn diese Fürstin das Vorrecht meinen gefundenen Sohn zu küssen wegnehmen? Wie schwach er nun gleich war /erhob er sich doch / und umbarmte den Knaben Ehrenfried mit der empfindlichsten Weichmüthigkeit. Zirolane ward hierüber gleichsam eiversüchtig und sagte: Ich glaube / daß niemand als ich zu ihm besseres Recht habe. Welch Recht / fiel der Barde ein /gehet der Gewalt eines Vaters für? Der Zeither gleichsam ein Gauckel-Spiel abgebende Ehrenfried that nunmehr auch seinen Mund auf / und fragte: Wil mich der Himmel heut so glücklich machen / daß sich ausser meines Fürstens iemand meiner als eines Sohnes annehmen wil? Der alte versetzte: Er machet mich und dich heute viel glücklicher / als du meynst. Denn er schencket mir meinen wahrhaften Sohn / und dir deinen rechten Vater. Hiermit rieß er sein leinenes Kleid auf / zeigte ihm auf seiner nackten Brust eine kleine schwartze Bären-Tatze / und sagte wider ihn: Sihest du nun / liebster Sohn / das Merckmal / welches die Natur dir und mir auf die Brust gedrückt /und das Glücke darmit unwidersprechlich erhärtet hat: daß du mein ungezweifelter Sohn / ich aber dein wahrer Vater sey. Ehrenfried erstarrete zwar hierüber ein wenig / bald aber fiel er dem Barden umb seine Knie /und klebte daran wie eine Klette / iedoch war er nicht mächtig ein Wort aufzubringen / sondern seine Thränen musten Vorredner seiner kindlichen Liebe seyn. Der Barde aber schüttete umb seinen aufgefundenen Sohn so viel mehr zu vergnügen alle Geheimnüsse seines Hertzens aus / und sagte: Lasse dichs nicht gereuen / daß du deinen Vater in dieser unschuldigen Einsamkeit / in dieser heiligen Einfalt gefunden hast. Die Gestirne werden aus Thälern eigentlicher gesehen / als von Bergen / und in solcher [791] Niedrigkeit des Lebens kommet man Gotte am nechsten / welche doch edler Ankunfft den geringsten Abbruch thut. Dieses auf deiner und meiner Brust stehendes Siegel ist dir ietzt eine genungsame Versicherung / daß wir so wenig aus Knechten entsprossen / als Perlen und Purpur-Schnecken in gemeinen Muscheln wachsen. Die Zeichnungen der Natur sind unfehlbare Anweisungen inwendiger Kräffte. Das wider die Schlangen-Stiche dienende Schlangen-Kraut hat die Gestalt der Schlangen / das Leber-Kraut die Farbe der Leber / die dem Krebse widerstehenden Erd-Beeren das Feuer des Krebses an sich. Die Früchte der den Stein zermalmenden Steinbreche gleichen den Nieren-Steinen. Lerne diesemnach aus meiner Bären-Tatze deinen Vater / daß er kein furchtsames Thier gewesen / und die auf deiner Brust erinnere dich / daß darinnen nur wie in dem ebenfalls mit einem Löwen von der Natur bezeichneten Pyrrhus ein unerschrockenes Löwen- Hertze wohnen solle. Zirolane war über dem auf des Barden Brust erblickten Merckmale schier zum Stein worden / gleichwohl aber faßte sie seine Rede mit genauester Aufmerckung; iedoch konte sie sich länger nicht enthalten / daß sie mit einem Arme dem Barden / mit dem andern dem Ehrenfried aufs neue umb den Hals fiel / und Wechsels-weise bald einem / bald dem andern die geistigsten Küsse als anklebende Siegel ihrer Liebe aufdrückte. Der Barde wuste sich hierein nicht zu finden; fragte also / was denn sie für Lust aus Störung ihrer Ergötzligkeit schöpfte / oder was sie für Recht hätte / sich mit ihrer Freude und Verwandschafft zu betheilen? Zirolane eröffnete an statt verlangter Antwort ihren mit den schönsten Brüsten der Welt angefülleten Busem / und zeigete zwischen ihren zweyen schnee-weissen Paradiß-Aepfeln eine so eigentlich gebildete Bären-Klaue / als immer die des Barden und Ehrenfrieds war. Dieses Merckmal / sagte sie / wird meinen Anspruch an beyde hoffentlich zur Gnüge rechtfertigen; und wo mir mein Hertze ein falscher Wahrsager ist / mich heute zu eines Tochter / zu des andern Schwester machen. Der Barde fiel Zirolanen nunmehr so begierig umb den Hals / als vorher dem Knaben / er erstarrete aber und erkaltete an ihr wie Eiß / also / daß sie dieses zum ersten wahrnehmende / zu ruffen anfieng: Hilff Himmel! hast du /holdseliger Vater / zu dem Ende hier deine Tochter gefunden / daß dir deine Tochter zur Baare werden muß? Ehrenfried / welcher den Barden umbarmte /und Zirolanen küßte / erstarrte bey Wahrnehmung /daß der Barde als ein Todter verblaßte / wie ein Scheit erstarrete. Die umbstehenden kamen ihr zwar aufs neue mit Reiben und Kühlen zu Hülffe / aber umbsonst. Denn der Barde war eyßkalt und steintodt. Zirolane und Ehrenfried warffen sich auf seine niedergesänckte Leiche / bethränten und küßten sie unaufhörlich / gleich als wenn die Thränen die versiegene Feuchtigkeit des Lebens einem Todten einflössen / die Küsse aber die verlassene Wärmbde des Geblütes wieder anzünden könte. Hierzu kam ein ander eyßgrauer Barde / welcher als er den obersten Barden auf der Erden todt liegen sahe / sich durch Haar ausrauffen und andere den Bardẽ sonst ungewohnte Ungeberden nicht wenig verstellte / und zu ruffen anfieng: O grausames Verhängnüs! Warum lässest du den Wütterich Marbod leben / und warumb muß der tapfere Hertzog Gottwald für ihm seinen Geist aufgeben? Wo bleiben die glaubhafften Wahrsagungen / daß dieser weise Fürst der Gothanen für seinem Tode noch aufs höchste [792] solte erfreuet werden. Thußnelde fragte alsofort: Ob denn dieser todte Barde der berühmte Hertzog Gottwald des Bojischen Königes Sicannir Eydam wäre / welcher durch Ehrgeitz seiner Schwester Marmeline und die Gewalt ihres Ehmanns Marbod seiner väterlichen Herrschafft wäre beraubet worden? Freylich ist er es / antwortete der Barde; Aber ach! der betrüglichen Wahrsagungen / wo leider! ist die Freude / mit welcher Hoffnung und Schatten wir uns manchmal frühzeitig gekitzelt haben! Wir Alberen wollen weise seyn / und lassen uns durch vermeinte Vorsehung künftiger Dinge wie durch Träume betrügen / welchen man aus thörichter Einfalt wie den Calender-Schreibern glaubet / ungeachtet sie unter hunderten kaum einmahl eintreffen. Thußnelde begegnete diesem Barden: Wenn die angezogenen Wahrsagungen nichts anders als von dieses Todten Freude gemeldet; haben sie mehr denn allzu sehr eingetroffen; sintemal er wie die zwey Mütter zu Rom / welche ihre für erschlagen gehaltene Söhne unverhofft ins Gesichte bekamen / für Freuden gestorben ist. Der Barde fragte: Ist denn aber der Brunn seiner Freude mit seinem Leben versiegen? Und was für eine wichtige Ursache ist es denn gewest; daß diesen großmüthigen Fürsten die Freude erstecket / welchen kein trauriger Unglücks-Strick aus seinen Angeln zu sätzen weniger zu erwürgen vermocht hat. Thußnelde antwortete: Wie es leichter ist beym Unglücke als Glücke Farbe zu halten / also werden die Menschen ehe durch die von übermäßiger Freude sich ausbreitenden Lebens-Geister entseelet / als das Hertze durch das von Schrecken oder Furcht zusammen lauffende Geblüte ersäuffet. Seine Freude aber ist billich grösser als der zwey Römischen Mütter gewest; weil jede derer nur einen Sohn / Hertzog Gottwald aber zugleich Sohn und Tochter wieder gefunden. Hilf Himmel! rief der Barde / hat Gottwald seine Kinder wieder gefunden? welche sind es denn? Hiermit sahe er Zirolanen / bald den Ehrenfried / welche noch immer auf Gottwaldes Leiche lagen / starck an / und endlich sagte er: Es ist wahr / ich finde alle Striche der Aehnligkeit mit Gottwalden in dieses Knabens / und der Mutter Hedwig in dieser Fürstin Gesichte. Aber ich wil die Warheit bald aus einem gewissern Kennzeichen erfahren. Hierauf rieß er dem Ehrenfried sein Kleid auf / und als er auf seiner Brust die Bären-Tatze erblickte / umbarmte er ihn mit nicht weniger Empfindligkeit als vorhin sein Vater / nennete ihn seinen Sohn / seinen Enckel / den Stab seines Alters / seine Hertzens-Lust / welche nunmehr auch das bitterste in der Welt / nemlich den Tod ihm versüssen würde. Also gebahrte er auch wechselsweise mit der Fürstin Zirolane. Alle Anwesenden konten sich hierüber dieser seltzamen Verwickelung der Freude und des Leides nicht genungsam verwundern / ja ihre Gemüther nahmen bald der Wehklagenden Schmertz / bald der einander küssenden Ergötzligkeit / wie der Cameleon die Farbe dessen / worauf er lieget / an. Sie vergnügten sich über Zirolanens / Ehrenfrieds und dieses steinalten Barden verwechselten Umbarmungen; wurden aber bald durch diese unvermuthete Trauer-Post bestürtzet / daß Fürst Siegesmund vom Rhemetalces bis auf den Tod verwundet worden wäre / und nicht ferne vom Garten läge. Am meisten aber erschrack seine Schwester die Hertzogin Thußnelde / welche auch unveränderten Fusses aus dem Garten ihm zueilte / die meisten Anwesenden auch ihr folgten. Sie fanden ihn in einem verzweifelten Zustande auf der Erde liegend / denn sein gantzer Leib war gleichsam voller Blut-Quellen / sein Antlitz dem Schnee ähnlich / seine Glieder eyskalt / und er rechelte nur noch ein wenig. Thußnelde wehklagte über den Unfall dieses in ihren Augen [793] schon todten Bruders aufs beweglichste / betauerte und machte sich selbst Gewissen / daß / da sie doch zwischen ihm und Rhemetalcen die Eyversucht wegen Zirolanens gewüst / sie ihre natürliche Liebe von der Höfligkeit hätte überwiegẽ lassen / und nicht auf Mittel gesonnen sie zwey von einander zu entfernen. Sie schalt ihren Unverstand / welcher nicht nachgedacht / daß Neid und Eyversucht dem Staube zerstossener Diamanten gleichete / welcher zwar langsam / aber endlich doch tödtete; und daß Rhemetalcen die genossenen Wolthaten an solchen Thätligkeiten nicht hindern würden / weil doch niemand wäre / der seine Vergnügung nicht seiner Verbindligkeit vorzüge. Unter ihren Wehklagen waren zwey Barden umb den Fürsten Siegesmund sehr beschäfftigt / stillten ihm auch mit einem Steine und gewissen Kräutern eben so geschwinde / als der Wurtzelmann zu Meyntz dem Flavius das Blut / und weil nach etlichen Stärckungen sich der Puls wiederfand / trösteten sie / daß an seinem Leben noch nicht gäntzlich zu zweifeln wäre. Dahero deñ auf aller Gutachten Siegesmund in Garten zu tragen / und den flüchtigen Rhemetalces zu verfolgen beschlossen ward. Thußnelde / ungeachtet sie diese Beleidigung am nechsten angieng / war gleichwol aus Erinnerung voriger Händel für Rhemetalcens Unschuld bekümmert / ließ also Siegesmunds Waffenträger vor sich kommen / und befahl ihnen: Sie solten ohne Heucheley gegen ihrem Herrn den warhafften Verlauff erzehlen. Wie aber jedweder Sinn seine besondere Sprache hat / und bisweilen einer /der die wenigsten Werckzeuge zu reden hat / die besten Redner in der Beredsamkeit übertrifft / also gaben ihre Gebehrden ehe zu verstehen: daß Siegesmund sich an Rhemetalcen gerieben hätte / ehe sie noch dis / was für ihrem Gefechte vorgegangen war /erzählten. Dieses hätte Rhemetalces zu seiner bloßen Nothwehre eingegangen wäre dem Fürsten Siegesmund sich alleine vertheidigende ein ziemlich Stück gewiechen / und hätten endlich sie beyde aus Müdigkeit gegen einander verblasen. Zwischen dieser Zeit wären etliche Alemännische Ritter dazu kommen /welchen zwölf beladene Maulesel gefolget; die ersten vier wären mit schwartzen Sammeten Decken / darauf das Cheruskische Pferd von Golde gestückt gewest /die andern mit blau Sammeten Decken und dem darauf von Silber gestückten Cattischen Löwen / die letztern vier mit roth Sammeten Decken und dem darauf von Golde gestückten Adler der Marsinger beleget gewesen. Die ersten wären / der Führer Ansage nach /Thußnelden / die andern der Hertzogin Erdmuth / die letzten Zirolanen vom Fürsten Ariovist zugeschickt worden; welche auch noch außerhalb des Gartens dieser Gelegenheit erwarteten / solche denen drey Fürstinnen zu überliefern. Diese Nachricht wäre gleichsam ein Lermenhorn gewest; daß Siegesmund und Rhemetalces einander aufs neue viel grimmiger als vor angefallen / Rhemetalces auch nicht mehr sich nur beschirmet / sondern auch nach ausgestossenen Worten: Ich wil heute mich an der untreuen Zirolane und an ihren zweyen Liebhabern rächen / den Fürsten Siegesmund zu fällen sich eyvrigst bemühet hätte. Gleichwol aber wäre Siegesmund so glücklich gewest ihn am ersten in die Achsel zu verwunden. Aber Rhemetalces wäre bey Erblickung seines Blutes nur eyfriger und behertzter worden. Uber dis hätte ihn die Güte seines schnellen und gewandten Pferdes für dem Fürsten Siegesmund einen mercklichen Vortheil gegeben / Siegesmunden einen Hieb in den rechten Arm /und / weil durch desselben Schwächung er keine rechte Gegenwehr mehr thun können / folgends einen ins Haupt und in die Seite zu versätzen / worvon er auch auf dem Pferde gesuncken / und von ihnen vollends herab genommen worden [794] wäre. Rhemetalces hätte hierauf dem Pferde die Sporne gegeben / und wäre mit seinem Reysigen davon geritten. Thußnelde hörte dis mit nicht wenigem Unwillen / sagte aber: Sie müste Rhemetalcen abermals recht geben / und wäre ihr leid / daß er durch seine Flucht gegen den Deutschen ein so grosses Mißtrauen / gegen Zirolanen aber eine so unbegründete Eyversucht geschöpfft / ihm also einen so unschätzbaren Verlust zugezogen hätte. Hertzog Jubil / welcher mit Rhemetalcen jederzeit in grosser Verträuligkeit gelebet hatte / schlug ihr daher für /ihm den Ritter Limpurg nachzuschicken; Welches sie und alle andere beliebten / Limpurg auch willigst übernam. Hierauf kehrten sie alle wieder in Garten /fanden aber daselbst die / welche sie in Umbarmung Ehrenfrieds und des alten Barden verlassen hatten / in einer gantz anderen Verstellung. Deñ nachdem Zirolane vernommen / daß Rhemetalces den Fürsten Siegesmund so gefährlich verwundet hätte / verwandelte sich ihre mit Leid vermischte Vergnügung in ein heftiges Schrecken; seine verlautende Flucht verwirrte ihren Verstand / die Nachricht aber / daß Rhemetalces ihr Untreue beygemäßen und sich an ihr zu rächen gedräut hätte / überschwemmete ihr Hertz auf einmahl mit so viel Liebe / Wehmuth / Rachgier und Ungedult / daß selbtes ärger als ein von Blitz und Wellen bestürmtes Schiff beängstiget / und sie ihr selbst nicht mehr ähnlich war. Nach vielem Seufzen fiel sie ihr selbst in die Haare / zerkratzte ihre Wangen / schlug ihre Brüste / gleich als weñ sie durchs lezte alle Gemüths-Regungen daraus verjagen / mit dem andern ihren Spiegel der Schönheit umb nicht mehr geliebt zu werden / verterben / mit dem ersten das zwischen ihr und Rhemetalcen verknüpffte Band zerreissen wolte. Endlich kam ihr / niemand wuste woher / ein Messer in die Hand / mit welchem sie ihr besorglich ein Leid angethan hätte; wenn nicht der alte Barde ihr in die Armen gefallen wäre / und solches ihr mit Gewalt ausgerissen / und ihr eingeredet hätte: Ob sie nunmehr alle Vernunfft und Großmüthigkeit ausziehen wolte / nachdem sie erfahren: daß sie des unerschrockenen Hertzog Gottwalds / und der tugendhafften Fürstin Hedwig Tochter wäre? Ob ihr unbekandt wäre / daß Leuten von so hoher Ankunfft nichts unanständiger wäre / als eine so grosse Gemüths-Schwachheit. Sintemahl sie sich denen Begierden unterwürffen / welche so kühn wären / daß sie sich nicht scheueten GOtt zu widerstreben. Ob sie nicht wüste / daß die Angst ein niederfallender Blasebalg wäre / welcher uns das Licht des Lebens ausbließe; Hoffnung aber einer / der aufgezogen würde / wordurch bedrängte Seelen Lufft schöpfften? Ob sie so neu in der Liebe wäre; daß sie nicht wüste; die Bekümmernüs wäre in ihr / was das Saltz in Speisen und die Schärffe in der Süßigkeit? Rhemetalcens Zorn würde eine Verneuerung seiner heftigen Liebe seyn; welche eben so wol als das Meer zuweilen eines Sturmes vonnöthen hätte / wenn sie nicht veraltern / wie dieses vom Stillstehen faulen solte. Diesem nach verdiente der Schmertz in der Liebe eben so wol als die bittere Aloe in vergüldeten Pillen ihrer heilsamen Würckungen halber mit besserem Rechte den Nahmen des Goldes / als das sie bedeckende Gold selbst. Seine Ungedult / welche ohne dis das rechte Kennzeichen einer heftigen Liebe wäre / rührte aus einem bloßen Irrthume her; welcher durch vernommene Warheit / weßwegen der Ritter Limpurg ihm den Traum recht auszulegen schon abgeschickt wäre / wie ein Nebel von der Sonne würde zu Bodem gedrucket werden. Wahre Liebe vertrüge tausend Fehler; daher machte sie die ihrige verdächtig / daß sie an Rhemetalcen nicht einen vertragen wolte. Denn eines jeden Thun wäre ein Pinsel seines Gemüthes. Also gereichete ihre Ungebehrdung nicht nur zu ihrem Verterb / sondern auch zu ihrer Verkleinerung. Daher müste sie [795] [798]gedultig leiden / und mit Hertzhafftigkeit hoffen. Sintemahl Mißtrauen ein Gifft der Liebe / Schmertz des Lebens / Gedult und Hoffnung aber ihr Bezoar wäre. Zirolane gab eine gute Weile nichts anders zur Antwort als Seuffzer / hernach übermeisterte der Zorn abermals ihre Wehmuth / gleich als wenn alle Gemüths-Regungen ihr Hertze zu ihrem Kampf-Platze erkieset hätten. Aus ihren Augen sprüeten Funcken der Rache / und ihr Mund konte nichts anders / als / O untreuer und undanckbarer Rhemetalces! herfür bringen. Aber weder Mund noch Augen konten verstellen / daß aus jenem nur die Süßigkeit /aus diesem nur der Zunder der Liebe entspringen könte. Sie runtzelte zwar die Stirne / und wolte mit Senckung der Augenbraunen die Anmuth ihrer Augen verdüstern; weil aber die Liebe schon ihre Meisterin worden war / und die Aug-Aepffel als ihre Gestirne besessen hatte / ließ sie doch ihre Holdseeligkeit daraus nicht vertilgen. Diesem nach denn ihre Wehmuth bald wider ihre Entrüstung ablösete / und nach dem sie ihre Wangen aufs neue mit einer Bach voll Thränen bewässert hatte / fieng sie mit einer grossen Schwermüthigkeit an: Liebe und Schmertz hätten für allen andern Gemüths-Regungen eine besondere Freyheit / daß an ihnen so wenig als am beweglichem Schilffe die Schwachheit scheltbar wäre. Sie hätte Rhemetalcen unzählbare und unfehlbare Merckmaale ihrer hertzlichen Liebe gezeiget / sie hätte sich eifrig bemühet ihm sein Begehren an den Augen anzusehen / nun aber entbräche er sich ihrer als einer Untreuẽ. Sie hätte ihm fast mehr Versicherungen ihrer Aufrichtigkeit gethan / als die Eigenschafft / welche sonsten nie ohne Wehen gebohren würde / und die Gesätze ihres Geschlechtes zuließen / welches seine Liebhaber durch Härtigkeit wie das Gold durchs Feuer prüfete. Rhemetalces hätte unter tausenden alleine das Glücke gehabt an ihr Rosen ohne Dornen zu finden. Aber ins gemein lieffe das Wasser / welches zur Glückseeligkeit führte / ins Meer der Vergessenheit. Rhemetalces müste nichts mehr von Zirolanens Treuhertzigkeit wissen / da doch sonst selten der Liebe und dem Hasse das Gedächtnüs entfiele. Wolte GOtt aber / die Vergessenheit wäre sein gröster Undanck; und er schwärtzete nur nicht seine Wolthäterin mit übeler Nachrede! Alleine diese wäre ins gemein das Messer /damit der Undanck seine Verbindligkeiten zerschnitte. Denn diese wären Geburts-Schmertzen derer / welche wegen genossener Wolthatẽ sich Schuldner zu seyn wüsten. Die Einbildung wäre zwar fähig in ihrer Schoos tausend Ungeheuer zu empfangen; gleichwol aber dis nicht / was von aller glaubwürdigen Mögligkeit entfernet wäre / wie dis / daß sie einen so vollkommenen Fürsten aus ihrem Hertzen bannen und sich mit einem unmannbaren Kinde so schändlich vergehen solte. Aber vielleicht brütete Rhemetalcens Hertze die Eyer der Untreu aus / die er ihrem unterlegen wolte. Ein Verliebter schriebe aufs Papier der Gelegenheit sein Verlangen; und eignete der das Laster gebrochener Treue zu / mit welcher er zu brechen Lust hätte. Aber wie möchte sie den einen Verliebten nennen / welcher mit der Farbe der Liebe nur seine Wollust überfirnst hätte / welche niemals nichts suchte / als was sie nicht besäße. Thußnelde fiel Zirolanen ein: Es gäbe in der Menschen Hertzen und im Verstande so viel Klippen und Sandbäncke / als im Meere. Die menschlichen Regungen wären so wilde als die Sturmwinde / welche die Klügsten nicht zu bändigen wüsten / ja es erfoderte eine zweyfache Klugheit klug zu seyn / wenn die Begierden zu Pferde säßen; daher solte sie von Rhemetalcen nichts übermenschliches fordern / und seinen aus allzu grosser Liebe herrührenden Fehltritt nicht als eine unvergebliche Beleidigung aufnehmen. Wahre Liebe hätte die Eigenschafft köstlichen Balsams / welcher Fäule und Leichen vom Gestanck und [798] Verwesung bewahrte. Sie wendete alles zum besten / entschuldigte und verhüllte die Gebrechen der Geliebten. Die / welche alle ihre Schwachheiten zu verstellen wüsten / wären so wenig die redlichsten als die kläresten Wasser die gesündesten. Die Natur hätte ihr zwar eine Beeren-Tatze auf die Brust gepreget / aber diese müste keine Erinnerung zur Grausamkeit weniger ein Anlaß ihren Liebsten zu zerfleischen / welche ihren Voreltern ein Merckmaal der Tapferkeit / und ein Sporn zur Tugend gewest wäre. GOtt hätte sie heute mit einem Vater und Bruder beschencket / und sie wolte ihren Liebsten verstossen? Wie es offt heilsam wäre den Ursprung eines Zufalls nicht wissen / also gereichten offt / besonders in Lieben / Unfälle zu desto grösserer Vergnügung. Ein trächtiger Elefant müste zwölf Jahre tragen / die Dattelbäume blüheten erst im hundersten Jahre / also müsten auch die edlen Früchte der Liebe Zeit zu ihrer Reifwerdung haben. Agrippina redete ihr Wort auch hierzu / und sagte: Vielleicht wäre Rhemetalcens Entfernung auch nur eine kluge Erfindung Zirolanens Liebe zu prüfen / oder sie noch mehr anzuzünden. Denn Liebhaber gleichten wie in vielen / also auch hierinnen den Jägern / welche nach gestellten Netzen davon giengen / umb durch ihre Flucht das einfältige Wild in die Schlingen zu locken. Zirolane ward hierüber mehr schamroth als getröstet / daher muste sie nur ihre Seufzer in ihrem Hertzen / aber mit so viel mehr Pein verstecken / und die Thränen zwangen sie / daß sie in ihren Augen gefrieren musten. Gleichwol aber stieß ihre Ungedult noch diese Worte heraus: Gehe immer hin / grausamer Rhemetalces / zu deinen rauhen Thraciern / derer Weiber von Raserey und Zerfleischung des liebwehrten Orpheus berühmt sind; derer Grausamkeit abzumahlen du deine Zunge selbst für einen unvermögenden Pinsel gehalten hast. Gehe hin / und suche deine Ergetzligkeit an einer an dern / weil meine keusche Liebe dir vielleicht zu kaltsinnig gewest; damit eine heissere dein Vergnügen einäschere / und statt meiner unschuldigen Bitterkeit dich mit ihrer Süßigkeit vergiffte! Gehe hin! und weil du dich für einer Fürstin entsätzest / welche auf der Brust mit einer Bärentatze bezeichnet ist; so erkiese dir eine / welche Greiffen-Klauen oder Schlangen im Hertzen hat! der alte Barde fiel Zirolanen ein / und sagte: Sie möchte doch ihrer hohen Ankunfft durch solch Wehklagen kein so grosses Unrecht thun; gleich als weñ sie außer diesem frembden Fürsten keine vergnügende Liebe und keine anständige Heyrath zu hoffen hätte. Das von der Natur auf ihre Brust gedruckte Ehrenmaal diente ihr zu einem unfehlbaren Zeugnüsse / daß sie aus dem uralten Hause der Gothonischen Fürsten entsprossen wäre / derer Herrschafft sich bis über die Nord-Spitze und unter den Nordlichen Angelstern erstrecket hätte; derer Brust sie gleichsam rechtfertigte / daß der Himmel dis / was unter denen zwey gestirnten Bären gelegen wäre / ihrer Bothmäßigkeit unterworffen hätte. Käyser August hätte zwar die Merckmaale des gestirnten Bäres oder Drachens an seinem Leibe gehabt; aber der Gothonischen Fürsten gantzes Geschlechte hätte dieses herrliche Vorrecht von Natur / daß selbtem kein falsches Reiß eingepfropfft werden könte. Diesemnach möchten alle Fürsten für ein grosses Glück schätzen / welche mit einem Zweige von diesem hochansehnlichen Stammbaume ihr Hauß ansehnlich machen könten. Ariovist fragte: Ob denn die Gothonischen Fürsten alle und jederzeit mit solchen Bärentatzen wären bezeichnet gewest? Denn ob er zwar davon mehrmahls gehöret /hätte er es doch neben die Erzehlung gerechnet; daß alle Nachkommen des Pelops eine helffenbeinerne Schulter / wie sie ihm Ceres angemacht / und alle des aus den gesäeten Drachen-Zähnen des Cadmus entsprossenen Geschlechtes einen Drachen am Leibe haben solten; [799] der alte Barde betheuerte: daß dis Kennzeichen von undencklichen Jahren her bey diesem Hause gewest wäre / und er selbst solches an etlichen alten Gothonischen Fürsten angemercket hätte. Dionysius Perigetes / welcher Agrippinen begleitete /sagte: Es wäre an derogleichen angebohrnen Maalen nicht zu zweifeln; sintemal auch gantze Völcker ihre unveränderliche Kennzeichen hätten / der Mohren Kinder blieben lange schwartz in Nord / und die Deutschen weiß in Süd-Ländern. Diese alle hätten gelbe Haare / wie die Cimbern weisse; und alle Veneder Himmel-blaue / die Albaner graue Augen. Zu Rom hätten alle Damitier rothe Bärte: aus der Cincinnater Geschlechte krause Haarlocken; alle Crassen wären dicke / und alle Plancken breitfüßigt. Der Barde fiel ein: dieses wäre etwas gar gemeines / und rührte aus der allgemeinen Aehnligkeit zwischen Eltern und Kindern her / welche sich so gar auf die Gemüther erstreckte / also daß zu Rom alle Appier für grausam / alle Asinier für wilde / alle Brutier für beständig / alle Caßier für ernsthaft; alle Claudier für hoffärtig / alle Ledier für frölich; alle Manlier für hartnäckicht / alle Valerier für gütig / alle Scipianer für kriegrisch / alle Fabier für Liebhaber des Vaterlandes / und in Deutschland alle Cattische Fürsten für hertzhafft / alle Sicambrische für verwegen / alle Alemannische für klug / alle Cheruskische für gütig; und wegen gewisser Eigenschafften in diesem oder jenem Landesstrieche alle von Athen / Sparta und Rom für ehrsüchtig; alle aus Asien für wollüstig / alle Campanier für hoffärtig / alle Gallier für leichtsinnig / alle Griechen tiefsinnig / alle Hispanier für ruhmräthig /die Italiener für rachgierig / alle Sicilier für böse / die Syrer für geitzig / die Mauritanier für betrüglich / die Deutschen für friedliebend / und doch für behertzt gehalten würden. Alleine diese Sitten änderten sich doch mit dem Orte und der Zeit / wie die Farbe der weissen und schwartzen Völcker. Denn der in Africa wohnenden Deutschen Kinder würden in dem andern Gliede doch gelbe; im dritten braun / in dem vierdten schwartz / die Africaner hingegen auf gleiche Art weiß. Diese Eigenschafft der Gothonischen Fürsten aber wäre unaustilglich und was gar besonders. Thußnelde fügte bey: und alle Cheruskische Hertzoge hätten aufgeworffene Lippen / lange Kine und auf dem Rücken gelbe über zwerch gewachsene Haare /welche gleichsam ein gülden Kreutz fürbildeten. Dionysius versätzte: Ich solte auf die seltzamern Maale gantzer Völcker noch kommen und erzehlen: daß aller Dacier im vierdten Gliede mit ihrer Voreltern Flecken auf dem Arme / wie die Lepiden zu Rom in eben dem Gliede mit einer Haut über dem Auge gebohren würden / daß alle Spartaner am Leibe das Zeichen eines Spießes hätten / und daß alle Marsen und Psyllen mit der Krafft begabt wären Gifft auszusaugen. Der Barde antwortete: dieses ist freylich was sonderliches / und dem letzten kommet bey / daß gewisse Fürsten in Gallien eben so / als wie der siebende Sohn einer keine Tochter darzwischen gebährenden Mutter kropfichte / in Britannien aussätzige / die Cheruskischen Hertzoge stammelnde / die Flamier zu Rom blinde Leute durch bloßes Anrühren sollen heilen können. Agrippine brach ein: Sie könte nichts weniger versichern: daß Agrippa mit des Augustus Ringe viel Kranckheiten vertrieben hätte. Dionysius fügte bey: daß auch Pyrrhus mit der Krafft denen Miltzbeschwerenden / durch Aufdrückung seines rechten Fusses / dessen grosse Zehe hernach weder verfaulen noch verbrennet werden können / abzuhelffen begabt / und mit denen zweyen Griechischen Worten: Löwe und König von der Natur bezeichnet gewest wäre. Jedoch wäre seinem Bedüncken nach niemand mit seinen Geburts-Zeichen denen Gothonischen Fürsten näher kommen / als des Antiochus und Leudicens Sohn Selevcus / dessen [800] Mutter träumete /sie würde vom Apollo geschwängert / und er gäbe ihr seinen Ring mit einem Ancker? Sintemal Selevcus und alle seine Nachkommen hernach im dicken Beine das Zeichen eines Anckers mit aus Mutter-Leibe gebracht hätten; denn Theseus hätte zwar auch ein Geburtsmaal gehabt / und Tiberius könte bey der Nacht / wenn er erwachte / eine Weile alles sehen; aber dieses wären keine Eigenschafften gantzer Geschlechter. Hertzog Jubil berichtete hierbey / daß in Scythien auch ein Königlich Geschlechte mit einem schwartzen Adler bezeichnet wäre. Ariovist fragte hierauf den Dionysius: woher denn diese Geburtsmaale ihren Ursprung eigentlich nehmen? dieser antwortete: der Sternseher Meinung nach mahlten die drey Irrsterne Saturn / Mars und der Mohnde / wenn sie bey der Geburt in denen himmlischen Zeichen des Wieders und der Wage zusammen kämen / die Leiber auf so seltzame Weise. Der Barde lachte hierzu / und sagte: Wie kömmt es denn / daß diese Sterne denen Gebohrnen nicht vielmehr ihre eigene / als anderer mit ihnen keine Gemeinschafft habender Dinge Aehnligkeit eindrücken? Viel glaublicher aber halte ich /daß ins gemein solches von heftiger Einbildung der empfangenden oder schwangeren Mütter herrühre. Denn die Frucht ist anfangs weicher als zerlassenes Wachs / dahero sich nicht zu verwundern / daß die Gedancken der Mutter sich durch das Röhr der Geister derselben einpregen. Welches die Geburt des verstorbenen Hertzog Gottwaldes bestätigt / dessen Mutter Hedwig sich an Mohren versehen; und ihn also schwartz gebohren hätte. Desthalben würden bey den Sarmatern und Britanniern; welche ihre nackte Leiber zu mahlen pflegten / so viel Kinder mit solchen Flecken; die Kinder der nach Kohlen lüsternen Mütter mit schwartzen Sprenckeln / nach Kirschen und Bären mit solchen Maalen gebohren. Die gantzen Geschlechter aber anklebende Maale rührten insonderheit bey derselben anderer Fortpflantzung weder von dem Gestirne / welches bey so vielen Geburten nicht einerley Stand haben könte / noch von starcker Einbildung /welche unmöglich allemal gleich einzutreffen vermag / sondern theils von einer schon dem Saamen eingepflantzten Eigenschafft / oder von einer absonderen denen gemeinen Wegen der Natur nicht stets nachgehenden Schickung Gottes her; worüber die albern Menschen sich demüthigst zu verwundern / nicht vorwitzig zu grübeln haben. Westwegen die Mutter des Selevcus Zweifelsfrey durch Vorgeben: Apollo hätte beym Beyschlaffe ihren Leib mit einem Ancker besiegelt / nur diese übernatürliche Ursache der göttlichen Versehung ausdrücken wollen.

Ehrenfried hatte seine Ohren bey dieser Erzehlung /seine Augen aber unverwendet auf den alten Barden. So bald nun dieser seine Rede geschlossen / redete er ihn an: Sage mir / Vater / wenn wir des Hertzog Gottwaldes Kinder sind / wie denn meine Schwester Zirolane eine Marsingische Fürstin / ich aber ein Schooskind des Alemannischen Hertzogs worden sey? und ob du wahrhafftig Hertzog Gottwalds Vater und unser Groß-Vater bist? der Barde antwortete: Zu dem letztern ist mein Geblüte zu wenig / aber meine Treue rechtfertiget diesen angemaaßten Titel. Denn ich bin Dehnhof / welcher der Auferziehung halber dieses leider allzu frühzeitig erblichenen Hertzogs Vater / in vielen Gefährligkeiten sein Gefärthe / in seiner gottseeligen Einsamkeit sein Diener zu seyn sich beflissen hat / und wolte GOtt! ich hätte können auch sein Vertreter im Tode werden. Ich habe mir des ersten halben zwar nicht zuzumässen / daß meine Pflegung ihn zu einem so grossen Fürsten gemacht habe. Sintemal so edle Gemüther ihre selbst eigene Meister sind / und wie die Künstler mehr aus anderern Irrthümern / als niedrige aus ihren Meisterstücken / [801] oder wie die Seefahrer aus den Stücken zerschmetterter Schiffe schädliche Klippen und eigene Vorsicht lernen. Alleine mein unabsätzlicher Gehorsam wird wenigstens ein Vorsprecher meiner Warheit / und dieses klugen Fürsten nie veränderte Gnade ein Zeugnüs meiner Treue seyn. Nachdem der Bojen König Critasir vom Könige Marbod die grosse Niederlage erlitten / und weder seine Klugheit noch Hertzog Gottwalds Tapferkeit dem Strome seines Glückes zu widerstehen Kräffte hatte / sondern die Hauptstadt Boviasmum und das gantze Reich übergieng / Critasir auch mit seinen Bojen den Marckmännern das Land räumete; war doch Hertzog Gottwald durch keine Vertröstungen Critasirs / durch keine Bitt-Thränen seiner Gemahlin /und Schwehers Mutter zu gewinnen; daß er mit denen entwaffneten Bojen sich über die Donau verfügt hätte. Denn er hielt solche Demüthigung für eine grosse Keinmuth / und sagte: das Glücke hätte zwar in der Veränderung und in der Herrschafft über den Leib so viel Gewalt als die Sternen; beyde aber über die Gemüther keine Bothmäßigkeit. Weil nun Gottwald seine Gemahlin / und ich wie die Bojen unser Gefangenschafft erlassen wurden / berieth er sich mit mir /wo wir unsere Deichsel zuwenden solten; weil nun sein Vater der Gothonen Hertzog alt war / wuste ich nichts bessers zu rathen / als in mein an der Warte unter denen Sidinen liegendes Eigenthum uns zu verfügen / umb auf den Todesfall des Arnoldes bey Zeite an der Hand zu seyn. Wir stahlen uns gleichsam den Bojen ab; verkleideten uns in Marsinger / und reiseten den Abend für der Bojen Aufbruche auf Boviasmum /ließen uns auch noch über die Elbe sätzen. Sintemal uns zwey vom Ritter Bercka mitgegebene Marckmännische Edelleute allenthalben die Pässe öffneten. Dieser Ritter hatte den Hertzog Gottwald zweymahl gefangen bekommen / aber dieses Fürsten Tugenden verwandelten seine Bestrickung in ein festes Band verträulicher Freundschafft; also daß Bercka die Sicherheit unserer Reise unsern Begleitern als ihr eigenes Heil anbefahl. Diese brachten uns in vier Tagen /weil Hertzog Gottwalds hochschwangere Gemahlin nicht stärckere Reisen vertrug / auf das Sudetische Gebürge / allwo sie zwischen denen evlf Brunnen /woraus die Elbe entspringet / und wo das Marsingische Gebürge sich anfängt / von uns Abschied nahmen / wir aber waren gezwungen bey dem einen Brunnen in des Marsingischen Fürsten Jägerhause zu übernachten / weil die hochschwangere Hertzogin Hedwig vielleicht ihres Bekümmernüsses und beschwerlichen Reise halber mit allerhand weiblichen Schwachheiten überfallen ward / und diese Fürstin Zirolane / welcher Gottwald aber damahls den Nahmen Tuiscena gab / noch selbige Nacht zur Welt gebahr. Dieser Zustand nöthigte uns mit Erlaubnüs des Jägermeisters zu entschlüssen / eine Zeitlang daselbst zu verbleiben. Den dritten Tag aber kam Bolko / der Marsinger Hertzog / mit seiner Gemahlin Mechtildis des Sarmatischen Königs Jagello Schwester / und unterschiedenen Fürsten der Marsinger und Burier dahin; zwar unter dem Scheine einer grossen Hirsch-Jagt daselbst abzuwarten / warhafftig aber die Zugänge über das Sudetische Gebürge gegen die Bojischen Gräntzen wider die Marckmänner zu bewahren. Ob nun wol dieses Jägerhauß eine allzu enge Behaltnüs des Marsingischen Hofes war / wolte doch die Hertzogin Mechtildis nicht verstatten / daß Hertzog Gottwalds Gemahlin / ungeachtet er / und ich / uns nur für Sidinische Edelleute ausgaben / das eingenommene Zimmer räumete / sondern es wurden zu Bewirthung so vieler Gäste Lauber-Hütten aufgeschlagen. Hertzog Bolcke ließ uns selbst für sich kommen / und weil wir dem Könige Critasir im Kriege gedient zu haben entdeckten; musten wir ihm alle Umbstände der [802] Schlachten und aller Zufälle erzehlen /welches Hertzog Gottwald mit einer so guten Art und mit einem so vernünfftigen Urtheil verrichtete / daß er alsbald von ihm was besonders zu halten anfieng /sonderlich da er entdeckte / wie wir für Schande gehalten hätten / mit den überwundenen Bojen über die Donau einen neuen Sitz zu suchen / und für unsere Sicherheit uns unterweges für Marsinger auszugeben /als welche mit den Marckmännern in Friede lebten. Er lobte unsere Großmüthigkeit / und gefiel ihm wol /daß wir uns als Marsinger ausgekleidet hätten; fragte auch nicht wenig von Marbods Bezeugungen gegen die überwundenen Bojen. Gottwald rühmte diesen König überaus / und sagte / daß ihm nichts als die Mässigung seiner Herrschsucht abgienge / und er wie Pisistratus und Cäsar alle Geschickligkeiten hätte /außer nicht andern Bürgern oder Fürsten gleich zu seyn. Daher er / wenn er ein Fürst wäre / wol sein Freund aber nicht sein Nachbar zu seyn wünschte. Bolcko seuffzete hierüber / und fieng an: das menschliche Hertz ist ein so klein Stücke Fleisch / daß es nicht einen Habicht sättiget / gleichwol aber ist die gantze Welt nicht groß genung seinen Begierden den Rachen zu füllen. Auf den Morgen musten wir mit auf die Jagt / in welcher Gottwald bey Fällung etlicher Hirsche seine Geschickligkeit / und bey Erlegung eines überaus grossen Bäres seinen Helden-Muth genungsam bewehrte / und darmit aller Anwesenden Gemüther bemeisterte; und zuwege brachte: daß kein Fürst nicht war / welcher nicht ihn stets umb sich zu haben verlangte. Weil auch Vorwitz die gemeinste Schwachheit des Frauen-Zimmers ist / suchten etliche edle Frauen / welche Mechtilden bedienten / Gottwaldes Gemahlin / Hedwig heim / welche umb ihren Stand zu verhölen / sich mit ihnen / als ihres gleichen / gemein machte / und sich aller Pracht enteuserte. Aber ihre Höfligkeit gewaan nicht nur ihre Gemüther / sondern ihre Gestalt bezauberte zugleich ihre Augen. Denn Unachtsamkeit des Aufputzes erhöhet die Schönheit; wie der Schmeltz das Gold. Weil diese Frauen nun von ihr nicht genung gutes zu erzehlen wusten / wolte sie Mechtildis selbst sehen. Weil Fürsten nur einander am besten kennen / fand Mechtildis an Hedwigen gantz was anders / als sie ihr eingebildet hatte. Denn ob diese zwar / welcher so wol die Beredsamkeit als Schönheit angebohren war / alle Kunststücke einer demüthigen Ehrerbietung gegen der Marsingischen Fürstin hervor suchte / und sich nicht genung beschämt zu zeigen anstellte / daß eine so grosse Fürstin durch ihre Besuchung sich so tief erniedrigte; so ließen sich doch die Merckmaale ihres hohen Standes so wenig als das Tage-Licht von schwartzen Wolcken so gar verdüstern / daß nicht ein Schimmer übrig blieben wäre. Die aus der Höhe gestürtzten Seulen / und tugendhaffte Fürsten kriegen in ihrer Erniedrigung nur mehr Ansehen / sonderlich in so scharfsichtigen Augen als Mechtildis hatte / welche ihres hohen Verstandes halber für ein Wunder ihres Geschlechtes gehalten ward. Daher das Ansehen und alle Gebehrden der Fürstin Hedwig ihr stumme Verräther abgaben / daß sie was mehr als adeliches an sich hätte. Uberdis erweckte Mechtilden nicht wenig einen Argwohn das umb sich habende kostbare Geräthe / und fürnemlich zwey grosse wie Zwiebeln gebildete Perlen / welche in einem Flusse des Bojischen Gebietes / aber sehr selten gefunden / und bey Le bens-Straffe alleine dem Könige geliefert werden müssen. Nichts desto weniger verbarg Mechtildis ihre Muthmaßung oder vielmehr ihr Urthel / gleichwol aber brauchte sie sich gegen Hedwigen einer grösseren Höfligkeit / als sonst ihr Stand gegen Leute von ihrer Beschaffenheit / worfür sie sich ausgab / erforderte. [803] Hedwig suchte solche Ubermaaße aufs möglichste abzulehnen / umb sich desto weniger zu verrathen. Denn sie war ebenfals so unachtsam nicht /daß ihr nicht Mechtildens Bezeugung einiges Nachdencken machte / wiewol ihre selbst eigene Leutseeligkeit solches einer angebohrnen Güte Mechtildens zuschrieb / welche zu ihrer steten Richtschnur die Sternen hatte; unter denen die höchsten und grösten unvergleichlich kleiner als der kleineste Mohnde zu seyn schienen. Nach derer Beyspiele sie denn selbst für die ansehnlichste Tugenden fürnehmster Leute hielt / wenn sie sich am kleinesten machten. Mechtildis unterließ auch ihrem Gemahl ihre Gedancken von Hedwigen zu entdecken; welcher gleicher Gestalt wahrgeno en hatte; daß der ältere Ritter dem jüngern mehr Ehrerbietigkeit bezeugte als einem Vater / worfür er sich ausgab / anstünde. Daher beyde so viel begieriger waren sie zu erkennen / und destwegen ihnen so viel mehr gutes zu thun. Folgenden Tag kam zum Hertzoge der Burier ein von dem in seinem Schutz lebenden Fürsten der zwischen der Warte und Netze wohnenden Burgundier geschickter Edelmann / mit der Nachricht; daß der Gothonen Hertzog Arnold gestorben wäre. Ich ward durch diese unvermuthete Zeitung so sehr verstellt; daß mir jedermann / fürnemlich aber Hertzog Bolcko / welcher auf mich und Gottwalden ein genaues Auge hatte / meine Gemüths-Aenderung allzu sehr wahrnam. Hertzog Bolcko ward hierdurch so vielmehr lüstern / untere Geheimnüsse zu wissen; Zumal er und Mechtildis schon halb beredet waren; daß Gottwald dem Königlichen Bojischen Hause nahe verwand seyn müsten. Er ließ mich hierauf erfordern / führte mich an einer auf selbigem Gebürge entspringenden und hernach über hohe Felsen abstürtzenden Bach gantz alleine mit sich / und sagte mir: Ich möchte ihm aufrichtig die Ursache meiner über Hertzog Arnoldes verno enen Tode empfundenen Bestürtzung / und weil er uns für was grösseres /als wir fürgaben / hielte; wer Gottwald und seine Frau eigentlich wären / entdecken. Er versicherte mich bey seinem Fürstlichem Worte / daß / wenn wir auch seinen Feinden zugethan wären / uns kein Haar gekrümmet werden solte. Ich ward über dieser unvermutheten Anfertigung noch mehr verändert; und weil Bolcko dem Hertzoge der Burier wider die Gothonen mehrmahls Hülffe geleistet / auch durch seine Waffen die Burgundier aus dem Schirmrechte der Gothonen gerissen hatte / nicht wenig zweifelhafft / ob ich diesem Fürsten / ungeachtet er so viel Redligkeit als Leitseeligkeit von sich spüren ließ / das Geheimnüß vom Hetzoge Gottwald entdecken solte. Die bisherigen Zwistigkeiten widerriethen es mir auf bloße Worte zu trauen / welche meisten theils Blätter und zwar unnützer als dürre wären. Zumal da in Deutschland sich nunmehr auch die Sitten mercklich zu verändern anfiengen / und man nicht mehr den / welcher ein anders redete / ein anders im Schilde führete / für einen Betrüger / sondern / welcher dis nicht könte / für einen Narren hielte. Ich wuste daher nichts zu antworten /und muste eine ziemliche Weile schweigen; also daß mich auch Bolko fragte: Warumb ich ihme nicht antwortete? Ich versätzte: Seine ungemeine Gnade befähle mir / meine Antwort vorher zu überlegen / seine Hoheit aber gar zu schweigen. Denn aus Ehrerbietigkeit zu schweigen wäre eine tiefere Verehrung / hätte auch mehr Verdienst als Beredsamkeit. Ich dachte der Sachen inzwischẽ weiter nach / weil mir nun des Hertzog Bolko Stirne viel zu ehrlich / sein Hertze viel zu großmüthig fürkam / die Marsinger auch unter allen Deutschen für die offenhertzigsten gehalten werden / und meinem Bedüncken nach Hertzog Gottwald bey dem Falle seines Vaters wol seiner benachbarten Fürsten Freundschafft von nöthen haben würde / [804] beredete mich mein Vertrauen durch eine großmüthige Offenhertzigkeit / welche wohl ehe Tod-Feinde besänftiget / sein Gemüthe zu gewinnen. Diesemnach antwortete ich ihm nach einem kurtzen Nachdencken freymüthig: Wie sich ehrliche Leute niemals eines vortheilhaften und verbothenen Gewehres gebrauchten; also die Unschuld und Redligkeit keines Pantzers und keiner Larve. Daher würde er entweder durch Mißtrauen eines so tapferen Fürsten Ruhme Abbruch thun / oder sie sich selbst ohne Ursache verdächtig machen; wenn er von ihrem Zustande das wenigste verhölete. Sein Gefärthe wäre der berühmte Gottwald / der durch seine Helden Thaten ein Hector der Bojen genennet /und mit König Critasirs Tochter vermählt zu werden verdient hätte. Sie wäre eben die Fürstin Hedwig Gottwalds Gemahlin / welche in dem Gebiete des Marsingischen Hertzogs / welcher als ein Beschirmer der Nothleidenden Unschuld berühmt wäre / ihr erstes Kind zu gebähren das Glück gehabt hätte / umb unter seinen Schutz-Flügeln solches für den Klauen des räuberischen Marbods mit sich zu verwahren. Wie Gottwald sich nicht hätte überwinden können / denen Gesätzen / welche Marbod denen auswandernden Bojen fürgeschrieben / zu unterwerffen / also hätte diese Fürstin sich aller Wehmuth über Entfernung ihrer Eltern entäusert / umb so viel mehr ihre Treue gegen ihrem unglückseligen und doch unverzagten Gemahl zu erhärten; welcher doch / nach Einbüssung dessen / was ihm die Tugend und der Degen zugeworffen hätte / in ihren Augen der ärmste Edelmann hätte scheinen können / weil er selbst nicht wüste /wer er wäre. Wormit aber Hertzog Bolko die Grösse meines zu ihm habenden Vertrauens ermässen könte; wolte ich ihm ein Geheimnüß entdecken / welches in und mit meinem Hertzen verfaulen würde / wenn nicht Gottwalds Wohlstand solches einem so großmüthigen Fürsten zu entdecken riethen / denn dieser Gottwald wäre Hertzog Arnolds wahrhafter Sohn /dessen Tod er für weniger Zeit nicht ohne heftige Gemüths- Verwirrung vernommen hätte. Ich erzehlte hierauf umbständlich / was seine Mutter genöthigt hätte seine Geburt zu verschweigen / und ihn durch mich auferziehen zu lassen. Nicht nur seine bey den Bojen bewehrte Tapferkeit / sondern ein unfehlbares Geburts-Maal der Gothonischen Fürsten wäre ein unwiderleglicher Beweiß seiner hohen Ankunfft; weil aber dieses denen Gothonen frembde Zeitungen seyn würden / und ihm die gefährlichen Absehen etlicher Grossen im Lande bekant wären / besorgte ich für diesen rechtmässigen Reichs-Erben keine schlechte Steine des Anstossens; welche ihm niemand besser /als der großmüthige Hertzog Gottwald aus dem Wege räumen helffen könte. Das zwar in der Mitte der Brust liegende Hertze fühlte man doch auf der lincken Seiten am stärcksten schlagen; und die Kräfften der Freundschafft und Tapferkeit würden in Noth und Unglücke am besten geprüfet. Hertzog Bolko hörte mir mit einem verwundernden Stillschweigen zu / bey meinem Schlusse aber fragte er mich: Ob er auf diesen seltzamen Bericht als auf eine unverfälschte Wahrheit trauen dörffte? Ich versetzte ihme; daß Lügen bey den Sidinern ein Laster der Sclaven wäre /und der nicht ein Edelmann zu seyn verdiente / wer sich damit besudelte. Zudem hätte ich keinen gemeinen Mann aus dem Pöfel / welchem die Unwahrheit wie die Finsternüß blöden Augen am annehmlichsten wäre / sondern einen grossen Fürsten für mir / welcher sich so wenig betrügen / als die Sonne verhüllen liesse. Daß Gottwald der berühmte Bojische Feldhauptmann / Hedwig König Critasirs Tochter wäre /würden Zweifels-frey einige Marsinger zeugen können / welche iemals am Bojischen Hofe sich aufgehalten hätten. Daß Gottwald aber Hertzog Arnolds Sohn wäre / bescheinigte ich ihm alsobald durch unterschiedene [805] Schreiben der Gothonischen Hertzogin / und beziehe mich auf sein allen Gothonischen Fürsten von der Natur eingepregtes Merckmal der Bären-Tatze. Meine Liebe zum Gottwald drückte diß mit einem solchen Nachdrucke aus / daß niemand leichte solches für was ertichtetes hätte annehmen können. Uber diß begrieff Hertzog Bolcko alles was ihm vorkam / und keine Schwerigkeit hatte solche Tieffen / dariñen sein Urtheil nicht den rechtẽ Grund fand. Er wuste alle Verwickelungen zu zerlegen / alle Leute auszunehmẽ / und iede Geheimnüsse zu entzieffern / daher er auch mit sich selbst nicht lange zu berathen hatte; ob er meiner Erzehlung Glauben beymässen solte. Er drückte mich hierauf bey der Hand / und sagte: Er schätzte es ihm für ein grosses Glücke / daß er den weltberühmten Helden Gottwald zu bewirthen die Ehre hätte; denn wenn dieser auch sein Feind wäre /würde er ihn hoch schätzen. Sintemal es solcher Helden fast so wenig in der Welt / als Fenixe gäbe / und alle fünf hundert Jahr würde kaum ein Alexander oder Cäsar gebohren. Uber seines Nachbars des Königs Critasirs und seiner Tochter Unfalle hätte er seiner Pflicht nach nicht geringe Bekümmernüß / denn die Sorge eines Fürsten umb der Nachbaren Zustand dienete zur gemeinen Wohlfart / wie die uns umbgebende gute Lufft zur Gesundheit des Leibes. Solche Bekümmernüß aber verstünde schon / daß der Wind keinen grossen Baum umbwürffe / welcher nicht die Benachbarten entweder mit zerschmetterte oder ihre Wurtzeln beschädigte. Zumal es schiene; daß wie aller herrschsüchtigen Fürsten / also auch Marbods Handwerck in Raubung frembder Länder / als einer nur edlen Gemüthern anstehenden Kunst bestünden; und bey grossem Glücke Gewalt das beste Recht / mit dem seinen sich vergnügen gemeiner Leute / umb frembdes Gut kämpfen der Könige Ruhm wäre. Gottwald und seine Gemahlin verdiente diesemnach nicht nur hertzliches Mitleiden / sondern weil sie auch unter der Presse so vielen Unglücks nichts verkleinerliches entschlüssen wolten / aller tapferen Leute Beystand. Wie schmertzlich nun zwar dem Fürsten Gottwald und seiner Gemahlin der Verlust so vieler Sieges-Kräntze und der Bojischen Herrschafft fallen müste; so hielte er doch den Gewinn / daß Fürst Gottwald des Gothonischen Hertzogs Arnold Sohn würde / für viel grösser. Denn ob die Tugend zwar an sich selbst der Ursprung und das wahre Wesen des Adels wäre; so gäbe doch eine hohe Ankunft selbter etwas mehr /als was ein zierlicher Fuß einem schönen Bilde und eine geschickte Folge einem Edelgesteine / ab. Nichts desto weniger würden ihre grosse Besitzer gegen niedrigen geschätzet / wie grosse Diamante gegen kleine: denn ob sie beyde gleich einer Güte wären /hätten sie doch ein gantz ungleiches Gewichte. Ja die Fürsten-Würde und die Herrschafft wären ihrer Beschwerligkeit ungeachtet ein unschätzbares Gut in der Welt. Sintemal die Göttliche Versehung doch über sie so viel mehr Gutes ausschüttete / als die Natur über Ausarbeitung der Augen / als anderer Glieder / und die Sonne über Auskochung des Weines als der Schleen mehr beschäfftiget; ja Fürsten denen Ringen /welche der Magnet unmittelbar bestriechen / ihnen also einen kräfftigen Zug / als welche allererst wieder von ihnen bestriechen würden / zugeeignet hätte / zu vergleichen wären. Uberdiß wäre ihm und gantz Deutschlande daran daß die Gothonen nicht unter einer ohnmächtigen Weibes-Herrschafft verfielen /sondern der streitbare Arnold einen hertzhaften Nachfolger am Gottwald bekäme / mehr gelegen / als es vielleicht übersichtigen zu seyn schiene / oder die Staats-Klugheit sonst urtheilte / welche aus ungeschickter Fürstẽ Nachbarschafft nicht weniger Vortheil als Handelsleute aus einfältiger Kinder Kauffmannschafft Nutzen zu ziehen wußte. Daher gäbe er mir sein Fürstliches Wort / daß [806] er in seinen Ländern Gottwalds und seiner Gemahlin Beschirmer / und in Betretung seiner väterlichen Herrschafft sein treuer Gehülffe seyn wolte. Ich möchte ihm aber doch die Ehre und Ergetzligkeit gönnen / daß er Gottwalden seinen Stand eröffnen dürffte. Ich konte nichts weniger thun / als dem Hertzoge für solche Gnade gegen mich / und für ein so großmüthiges Fürhaben demüthigsten Danck zu erstatten / welche wir alle so viel höher zu schätzen hätten / ie weniger ich mich erinnern konte: daß das Marsingische Haus dem Gothonischen oder Bojischen zu einer so grossen Freundschafft verbunden wäre. Hertzog Bolcko antwortete lächelnde: Wer nach Verbindligkeit einem dienete /der thäte selbtem nichts gutes / sondern er zahlete nur seine Schuld. Wer aber mit seiner Wohlthat andern zuvor käme / dringte sich edlen Gemüthern durch einen unvermerckten Grieff zum Gläubiger auf. Zu dem hätten alle Fürsten meistentheils eine allgemeine Verwandschafft mit einander. Verknüpfte selbte gleich nicht das Geblüte / wie doch zwischen den Gothonen und Marsingern dieses Band nicht ermangelte; so machte sie doch ihre Hoheit und Würde zu Brüdern / und die Staats-Klugheit erforderte; daß man kein hohes Haus solte lassen zu Grunde gehen. Hertzog Bolcko suchte noch selbigen Abend Gelegenheit dem Fürsten Gottwald in einem Gepüsche zu begegnen / und redete ihn daselbst an: Was er in einer beschwerlichen Einsamkeit für Vergnügung suchte? Gottwald antwortete ihm: Die Einsamkeit hätte zwar so wenig Ansehen / als geschrumpene Weinbeeren /nichts desto weniger hätten beyde die meiste Süssigkeit. In Gemeinschafft müste man sich bemühen andere / in Einsamkeit sich selbst zu vergnügen / und hielte er es für eine Eigenschafft der Weisen mit sich selbst zu reden wissen. Denn mit andern könte ieder aus dem Pöfel sich besprechen. Hertzog Bolcko versetzte: Niedergeschlagene Gemüther könten sich zwar an Traurigkeit laben / wie die Wachteln an Nieselwurtze / die Staare am Zieger-Kraute mästen. Alleine grosse Gemüther müsten keine Zufälle ihnen die Freudigkeit ihres Geistes noch angenehme Gemeinschafft versaltzen lassen. Gottwald begegnete ihm: Kein Unglücke würde iemals mächtig seyn die Ruhe seines Gemüthes zu verstören / weder ihn in eine verdrüßliche Einsamkeit einzusperren. Dieses thäten nur die /welche ihren Feind zwischen ihren eigenen Rippen beherbergten; und nicht wüßten; daß das Glücke nach Eigenschafft geiler Weiber den Wechsel liebte / ihm aber würde keine traurige Begäbnüß viel graue Haare machen. Denn wie kein Meer so bitter oder gesaltzen wäre / darinnen man nicht süsse Adern und Quelle findete / also wäre ihm noch kein Ubel zugestossen /das nicht einige Ergetzligkeit ihm geschafft hätte. Es stünde in eines ieden Gewalt sich glück- oder unglücklich zu machen. Denn wie in der Welt daraus keine Verwirrung erwüchse / es sey gleich / daß die Sonne umb die ruhende Erd-Kugel / oder diese in sich selbst gegen der in der Mitten stillstehenden Sonne sich herumb weltzte; also wäre es einerley Wohlstand: Ob dem Menschen alles begegnete / was er wünschte; oder ob er sein Verlangen nach dem Maasse dessen /was er haben könte / einschrenckte. Diesemnach wären alle Vernünftige / weil sie nichts unmöglich wünschten / glück-alle unersättlichen aber unglücklich. Hertzog Bolcko fiel ein: Es wäre nicht ohne daß ein gesetztes Gemüthe sich nicht leicht einen Anstoß aus dem Angeln heben liesse; aber auch die weisesten wären Menschen / und die unempfindlichsten hätten ihre Fühle. Keine Bekümmernüß liesse sich ohne Schmertz im Gemüthe / wie kein Eisen ohne Drücken im Magen verdäuen; hingegen wäre keine heilsamere Erleichterung des Kummers / als wenn man selbten in eine andere Schoß ausschüttete. Dieses würde er auch empfinden / wenn er dem / welchem [807] er sich und seine Gemahlin kein Bedencken zu vertrauen gehabt hätte /auch daß / welchem er nicht hold seyn könte / nemlich sein Unglück vertrauete. Es wäre ein Wahrzeichen aufrichtiger Freundschafft einem andern sein Anliegen ansehen; und ein halber Nothzwang / daß ein ander uns helffen müste / welchen man zu seinem Schirm erwehlete? Gottwald konte den Zweck dieser Ansprache nicht wohl ergründen; warff also ein: Er wüßte wohl von keinem sonderbaren Anliegen / indem zwar die Bojen / welchen er als ein Kriegs-Mann gedienet /vom Glücke mit den Füssen wären getreten worden; er aber dabey weder Ehre noch sonst viel verlohren hätte. Denn dem Verhängnüsse widerstehen / wäre etwas übermenschliches. Denn hätte das Glücke gleich den Bojẽ; so hätte er doch niemals dem Feinde den Rückẽ gekehrt. Sonst aber wäre seine Niedrigkeit keines hohẽ Falls fähig gewest; ausser daß seine Hoffnung in etwas Schiffbruch gelitten / welcher Verlust der gemeinste und daher auch der unempfindlichste wäre. Aber ausser dem schätzte er es für eine reichliche Ausgleichung des Glückes / daß ein so grosser Fürst ihm nicht nur den Schatten seiner Beschirmung verstattete / sondern auch die Aeste seiner Hülffe auszubieten die Gnade anthäte; welche er ihm auf allen Nothfall feyerlich vorbehalten haben wolte. Hertzog Bolcko brach ein: Er wüste wohl / daß nur niedrige Gemüther nach Art der Blase-Bälge / vom Winde des Glückes sich aufbliessen / und wieder nieder; grosse aber wie die obersten Sternẽ an sich selbst fühltẽ keine Verminderung; und daß derselbten Reichthum keinẽ Schiffbruche unterworffen wäre; es müste aber ihnen doch schmertzhaft fallen / wenn sie eben so wohl als die Sonne in anderer Augen Verfinsterung lidten. Was könte aber den tapferen Gottwald für eine grössere Finsternüß befallen; als daß er seinem Schwäher die erbliche Krone der Bojen aus den Händen gewunden / seine Helden-Thaten aber so fruchtloß angewehret sehen muste. Er solte sich aber trösten / daß wie seine Tugend kein Beyspiel unter den Bojen zur Nachfolge hinter sich gehabt / er doch auch seinen Feinden ein Vorbild der Tapferkeit zu werden verdienet hätte. Gottwald ward nicht wenig verstellet / als er sich mit seinem Nahmen / und noch mehr / als er sich König Critasirs Eydam nennen hörte. Er erholete sich aber bald / und weil er die entdeckte Wahrheit zu umbstehen so wohl für vergebens / als ihm für unanständig / gegen diesen Fürsten aber ein Mißtrauen blicken zu lassen für seine selbsteigene Verdächtigung hielt / fieng an: Er könte nicht leugnen / daß er Gottwald / und seine Gemahlin des unglücklichen Critasirs Tochter wäre. Ein so kluger Fürst aber würde ihm nicht übel auslegen / daß er bey einer so grossen Verstellung sich nicht hätte zu erkennen gegeben. Verhüllete doch die Sonne bey ihrem Niedergang mit Gewölcke ihr Antlitz / das veralternde Frauenzimmer zerbräche seine eigene Spiegel / weil es seine eigene Heßligkeit zu sehen Abscheu trüge / und unglücklicher Fürsten Gegenwart wäre andern / wo nicht gefährlich / doch eine Uberlast. Hertzog Bolcko umbarmte Gottwalden / nennte ihn seinen Bruder und angenehmsten Gast; mit Bitte: Er möchte ihm die Kleinmüthigkeit nicht zutrauen / daß er nach dem ärgerlichen Beyspiele eines benachbarten Fürsten nicht aus Furcht / sondern aus Absehen eines Vortheils einem grausamen Wütteriche durch ein Bündnüß angelobt hätte: Seine nechsten von jenem verjagte Bluts-Freunde aus seinem Reiche zu verbannen. Marbods Macht / welchen vielleicht nach Eigenschafft der Schwantz-Sterne seine eigene Flamme bald einäschern würde / wäre ihm so wenig schrecklich / als er Recht hätte für eine Verletzung des Friedens und der Nachbarschafft anzuziehen / wenn er einen vertriebenen Fürsten aufnähme / da er ja selbst das gantze Volck der Bojen ihr Vaterland mit dem Rücken [808] anzusehen gezwungen hätte. Sintemal das Völcker-Recht / welches doch einem Theile des Volckes Hauffenweise auszuwandern verwehrte / einzele Bürger /über welche alle Bothmässigkeit mit ihrer Abgliederung von einem Reiche ausleschte; vielmehr also niemanden unterwürffige Fürsten aufzunehmen iedermann Recht und Gewalt enträumte. Der Marsingischen Fürsten Hof wäre iederzeit eine Zuflucht bedrängter Leute gewest; und dieses Recht würde er / so lange er lebte / mit seinem Degen verfechten. Diesenmach möchte Fürst Gottwald nur alles Mißtrauen und allen Kummer auf die Seite setzen / und gläuben / daß er in den Armen eines Feindes wäre / welcher mit dem Glücke nicht die Farbe zu verändern pflegte. Wormit ihm auch Hertzog Bolcko seine Wohlthat nicht eintröpfelte / sondern ihn mit derselbten vollem Strome überschwemmete / fuhr er fort: Er möchte sich keinen Verlust bey den Bojen allzu tieff zu Hertzen gehen lassen / sondern für ein Zeichen künftigen guten Vernehmens mit den Marsingern aufnehmen / daß er bey ihm einen überaus grossen Schatz / nemlich die Wissenschafft seiner Ankunfft zu finden hätte. Er solte sich nicht gereuen lassen / daß er nicht mehr ein angenommener Fürst unter den Bojen wäre / nachdem er ein gebohrner Hertzog der Gothonen / und des verstorbenen Arnolds Erbe worden wäre. Bolcko umbhalsete ihn aufs neue vertraulich / wünschte nicht nur zu seiner Herrschafft ihm tausendfaches Glücke / sondern erboth sich auch zu derselben Behauptung kräfftig ihm an der Hand zu stehen. Hertzog Gottwald ließ hierüber und hernach das geringste Merckmal eines verwirrten oder freudigen Gemüthes blicken; weniger war in seinem Antlitze was hochmüthiges / noch in seinen Geberden was neues. Gleich als wenn er nichts mehrers hätte werden können / denn er vorhin gewest / und der nur zum Herrschen würdig wäre / der die Herrschafft verschmähen könte / oder ob er leichter herrschen könte / als er es verlangte. Gleichwohl aber gab er seiner Geberdung und Antwort eine solche Anmuth / daß er gegen den Hertzog Bolcko seine Verbindligkeit nicht verdrückte / oder er solche Würde für verächtlich zu halten / oder auch daran zu zweifeln schiene. Diesemnach Hertzog Bolcko geglaubet haben würde; daß Gottwalden sein Ursprung nicht unbekant gewesen wäre / wenn er nicht nach einer höflichen Dancksagung gefragt hätte: Aus was vor Grunde sein Gothonisches Erb-Recht zu behaupten wäre? Hertzog Bolcko legte Gottwalden die vom Dehnhof empfangene Uhrkunden seiner Mutter für /und sagte ihm: Er trüge den Beweiß dieser seiner hohen Geburt / nemlich eine Bären-Klau auf seiner Brust. Gottwald antwortete: Er könte diesen angebohrnen Fleck nicht leugnen / wie befrembdet ihm vorkäme / woher Hertzog Bolcko so wohl von seines Leibes / als des Gothonischen Fürsten-Hauses Geheimnüsse Wissenschafft habe. Nachdem aber Fürsten / wie Bolcko / in der Welt Götter wären / also auch Wahrsagungen redeten / müste er solchem Berichte Glauben beymässen. Bolcko versetzte: Der Himmel hätte ihm zur Vergnügung und dem Fürsten Gottwald zum besten solches eröffnet. Hiermit gab er dem hinter einem Hügel sich verbergenden Dehnhof einen Winck; welcher sich gleichsam ungefehr ihnen näherte; für Gottwalden auff das eine Knie niederfiel /ihn für seinen und der Gothonen Fürsten verehrte /und zu seinem durch Hertzog Arnolds Tod erledigten Erbe Glück wünschte. Denn er zwar zeither durch sein eigen Beyspiel bewehrt hätte / daß das Gemüthe /nicht das Reich einen Fürsten machte / so [809] hätten doch auch die kräfftigsten Sterne einen geraumen Kreiß zu Einflüssung ihrer Würckungen von nöthen / und Alexander würde bey ermangelnder Herrschafft nicht den Nahmen des grossen erworben haben. Zu dem wäre in der Welt zu Abwischung des im Kriege und andern Beschwerligkeiten durch Sorgen und Müh verursachten Schweisses kein weicheres Tuch zu finden / als der Königliche Purpur. Nach unterschiedenen Freundschaffts-Versicherungen nahm Bolcko von ihnen Abschied / mit allgemeinem Belieben: daß dieses Geheimnüß noch zwischen ihnẽ verschwiegen bleibẽ solte. Ich aber erzehlte Gottwalden umbständlich /wie es mit seiner Geburt und Erziehung hergegangen wäre; und entschuldigte; daß ich für Hertzog Arnolds Tode Bedencken gehabt hätte / diese Heimligkeit zu entdecken. Denn umb sicher zu leben und Unheil abzuwenden müste man zuweilen stu und taub seyn. Hertzog Bolcko befahl noch selbigen Abend zum Aufbruche vom Gebürge Anstalt zu machen / weil er nach zweyen Tagen von dem Hertzoge der Gothonen heimgesucht werden würde. Alle anwesende Fürsten wußten nicht / was sie hiervon urtheilen solten / weil alle glaubten: daß Hertzog Arnold nur eine Tochter verlassen / und der Gothonische Sta mehr keinen männlichen Erben hätte. Auf den Morgen geschahe gleichwohl der Auffbruch nach einem am Queisse gelegenen Schlosse; darinnen die fürnehmsten Zimmer für die neuen Gäste bereitet / und sonst allerhand Anstalten zu ihrer herrlichen Bewillkommung gemacht wurden. Ihnen ward auch unter dem Ritter Warnsdorff und Zettritz eine ziemliche Anzahl des Marsingischen Adels entgegen geschickt; bey derer Ankunfft denn alle gewahr wurden / daß solche der auf dem Gebürge verlassene Ritter und seine Gemahlin war. Weil aber Hertzog Bolko entdeckte: Es wäre der berühmte Gottwald Hertzog Arnolds Sohn / sie König Critasirs Tochter / wurden sie von allen Fürsten ehrerbietig empfangen / und vom Adel aufs beste bedienet. Ihre höfliche Bezeugungen verwandelten sich nach kurtzer Zeit in grosse Verträuligkeit; und insonderheit lebten Hedwig und Mechtildis nicht anders als zwey Schwestern / Bolcko und Gottwald als zwey Brüder zusammen. Als nun Bolcko nach andern Ergetzungen seinen Gästen durch eine Forellen-Fischerey eine Lust machte; wurden von den Fischern viel Muscheln mit heraus gezogen. Wie nun derer eine Hedwig aus blossem Vorwitze öffnete / fand sie darinnen eine Perle einer ziemlichen Bohne gleich. Worüber sie sich als was seltzames verwunderte; und sagte: Sie hätte gemeynt /daß allein die Iser in Deutschland die Ehre hätte Perlen zu zeugen; so aber schiene es der Queiß ihr zuvor zu thun. Mechtildis aber berichtete sie nicht allein: daß sie in grosser Menge daselbst gefangen würden /sondern versicherte sie auch / daß die drey Schnuren umb ihren Hals / welche iedermann für Morgenländische angesehen hätte / kein ander Vaterland als den Queiß zu nennen wüßten. Hedwig und Gottwald wurden hierüber so begierig / daß sie selbst am Ufer / wie Scipio und Lälius / Muscheln zusammen lasen / und in den meisten Perlen fanden. Bey dieser Beschäfftigung fand Mechtildis einen Agat-Stein / auf welchem in einem richtigen Stande die Sterne des grossen Beeres gebildet waren. Niemand war / der nicht diese Aehnligkeit mit grosser Verwunderung erkennte / und Henrich der Burier Hertzog berichtete / daß bey den Lygiern / wo die in die Weichsel laufende Bach Brendnitz entstünde / kleine mit Sternẽ bezeichnete Steinlein in grosser Menge gefunden würden; aber diß wäre etwas gar sonderlich / und wenn der [810] auf der Brust eben so bezeichnete Käyser August diesẽ Stein besäße / würde er ihn nicht mit dẽ des Pyrrhus vertauschen / darauf Apollo mit den neun Musen gebildet war. Hertzog Bolko fiel ein; dieser Stein solte der Fürstin Hedwig / welchen der Himmel ihr ohne dis nicht aus einem blinden Zufalle in die Hand gespielet hätte / viel lieber als dem August seyn; weil ihr Gemahl auf seiner Brust das Zeichen des irrdischen wie dieser Stein des himmlischen Bäres führte. Es ist wahr / sagte Gottwald / und weil alle hi lische Geschöpffe einen Zug zu seines gleichen auf die Erde haben / saget mir dieser gefundene Stein wahr; daß Hedwigens zu mir getragene Liebe aus einer Würckung des Gestirnes hergerührt habe. Mechtildis fragte: Was deñ Hertzog Gottwald für ein Zeichen des Bäres auf der Brust führte? Gottwald entblöste an statt der Antwort selbte / da denn alle Anwesende sich nicht genung über die so eigentlich gebildete Beerenklau als ein künstliches Mahlwerck der Natur / welcher die Weisen ihrer verborgenen Würckungen halber nicht unbillich den Zunahmen Elevsis geben /nicht sattsam verwundern / Mechtildis aber sich nicht enthalten selbte zu betasten / ja sich darein zu beißen kaum enteusern konte. Sie unterredeten sich hierauf von vielen andern wie Schnecken und Schlangen-Zungen gebildeten Steinen / welche nicht nur auf dem Eylande Melita / sondern auch bey denen Marsingern und Hermunduren gefunden würden. Hertzog Bloko saan hierauf alle Tage einen neuen Zeit-Vertreib aus /welche Lust aber dem Fürsten Gottwald durch eine dem Burier Hertzoge zukommende Zeitung / daß seine Schwester Marmeline zur einigen Erbin und Hertzogin der Gothonen von den Ständen erklärt wäre / etwas versaltzen ward. Daher er denn von Stund an alles zu seiner Reise fertig machte; und ob wol der Marsinger und Burier Hertzog Hülffe zu Behauptung seines Erbes anbothen / hielt ich doch für rathsamer unbekandter Weise nach Godonium zu ziehen / und mit seiner noch lebenden ihn auch hertzlich liebenden Mutter einen Weg auszusinnen / wie er ohne Waffen seine Herrschafft überkommen könte. Ich wil mit Erzehlung der Welt-bekandten Geschichte / wie Gottwald durch kluge Anstalt seiner Frau Mutter / der herrschsüchtigen Marmeline / das Hefft aus den Händen gewunden und ihm zugeschantzt / der Marmelinen heyrathende Marbod aber die Gothoner / Sidiner und andere benachbarte Völcker überwältiget haben /nicht beschwerlich seyn; sondern es dienet hieher nur: daß die Hertzogin Mechtildis dem Fürsten Gottwald beweglich anlag seine Gemahlin Hedwig so lange am Marsingischen Hofe / und zu ihrer Gefärthin zu lassen / bis er bey den Gothonen seine Herrschafft zu Stande gebracht hätte / und sie also ihrer Hoheit gemäß und ohne Gefahr zu Godonium einziehen könte. Gottwald willigte in diese Bitte so viel leichter / weil er ohne dis Vorhabens war sie im Sidinischen Gebiete zurücke zu lassen. Die Verwirrung am Gothonischen Hofe währete so lange / daß die Fürsten Hedwig zu Brigitz einer an der Oder gelegenen lustigen Stadt der Marsingen darnieder kam / und eine Tochter gebahr / welcher sie den Nahmen Klotildis zueignete. Hertzog Bolko und seine Gemahlin wurden über so glücklicher Genesung dieser holdseeligen Fürstin so sehr /als wenn solche ihnen selbst gebohren wäre / erfreuet. Sie beschenckten dis Kind und die Kindbetterin auch Fürstlich / sonderlich mit dem Reichthume ihres Landes / nemlich auserlesenen Queis-Perlen und Geschmeide von Golde / welches aus dem Sande des Bobers und der Katzbach gewaschen wird. Sie ließen allenthalben über dieser Geburt Freuden-Feuer anzünden; hielten destwegen ein kostbares Gastmahl und Freuden-Täntze. Des Fürstlichen Schlosses Pforten wurden mit Laubwerck bekräntzt / die Bödeme mit Blumen bestreuet / die Zimmer mit [811] Leichtern behangen / welche mehr als ihre brennende Lichter Glantz von sich gaben; sintemal alle über und über mit Diamanten besetzt waren / welche drey Meilweges von Brigitz in grosser Menge und Grösse aus der Erde gegraben werden. Zwey Tage darnach brachte die Hertzogin Mechtildis auch eine junge Tochter zur Welt; welche Bolko Zirolane hieß. Zu aller Verwunderung und Mechtildens nicht weniger Verwirrung hatte diese auf der Brust eine so vollkommene Bärenklau als Gottwalds Kind. Sintemahl ihr die vom Hertzoge Arnold erzehlte Eyversucht / und das dem jungen Fürsten Gottwald zugewachsene Ungemach ins Gedächtnüs fiel. Als Hertzog Bolcko von dieser Bekümmernüs Nachricht erhielt / kam er den siebenden Tag / denn für so viel Tagen dorfften die Deutschen wie die Römer nicht der Kindbetterinnen Zi er beschreiten / wo sie nicht für unrein gehalten werden wolten / zu seiner Gemahlin / ließ seine nackte Tochter neben Hertzog Gottwalds legen / und nach dem beyde gantz gleiche gezeichnet befunden wurden /sagte er zu ihr lachende: Sie solte sich / wenn sie am Kreisse mehr Perlen und Steine lesen würde / über Betrachtung der Bildungen so sehr nicht vertieffen /sonst würden unvernünfftige Leute von ihr urtheilen /daß sie ihren Gemahl aus dem Zeichen der Zwillinge in Steinbock versätzte. Mechtildis röthete sich hierüber / er aber küssete sie / und sagte: Es hätte die Natur diese zwey Kinder durch eine besondere Aehnligkeit für Geschwister erkläret / also wären sie verbunden nicht nur eines sondern beyde als die ihrigen zu lieben. Ich würde auch ein absonderes Beyspiel ungemeiner Kinder-Liebe an diesen Fürsten fürzustellẽ haben / weñ ich nicht nur die Hauptstücke meiner habenden Erzehlung oben hin berühren müste. Alleine wie das göttliche Geschencke dieser beyden Kinder das Maas aller Freuden überstieg / und die Sorgfalt künfftiger Erziehung erleichterte; also ward durch einen Unglücks-Fall auch ihre Freude so viel mehr verbittert. Denn wie die Spartaner ihre neugebohrne Kinder mit Weine / die Griechen mit Thaue / die Cimbern mit Schnee abwaschen / also war es bey den Marsingen eben so wol als bey denen am Rhein wohnenden Deutschen bräuchlich / die neugebohrnen Söhne den achten / die Töchter den zehnden Tag in der Oder zu baden / und ihrer ehrlichen Ankunfft halber durchs Schwien / wie die Psyllen ihre unter den Schlangen / die Mohren unter den Vögeln zu prüfen /und demnach wurdẽ auch diese zwey in so viel stählernen Schilden an den hierzu bestimmten heiligen Ort gebracht. Hertzog Bolko und die Fürnehmsten des Hofes verfügten sich auch zu dieser Prüf- und Einweihung. Es war alles glücklich vollbracht / beyde Kinder auch schon mit Oele eingesalbt / mit Saltze besprengt / und der oberste Priester legte sie in die von einem andern gehaltene zwey Schilde. Wie dieser nun beyde ans Ufer tragen wolte / daß sie daselbst durch Steuerung auf die Erde gleichsam ihre Mutter zum ersten grüsseten / trat er mit einem Fusse auf den in diesem Strome gemeinen Trübsand / worüber er zu Grunde / beyde Kinder auch mit sampt den Schilden in Strom fielen. Hertzog Bolko sprang augenblicks in Fluß und erwischte das eine Kind; das andere aber war ungeachtet vieler ins Wasser schwimmender Leute Fleisses nicht zu findẽ / sondern ward zu aller euserster Bestürtzung vom Strome weggerissen. Weil nun beyde Kinder einander gantz ähnlich / und nur anfangs durch die Windeln und Schilde zu Vermeidung der Verwechselung unterschieden waren / gerieth Hertzog Bolko / ob er sein oder Gottwalds Kind zu retten das Glücke gehabt hätte / selbst in solchen Zweifel / daß er nicht wuste: Ob er sich mehr über dem Verlohrnen betrüben / oder über dem Erretteten erfreuen solte / daher er denn mit dem traurigsten Stillschweigen zurück kehrete. Zu Brignitz aber [812] gieng der Kummer erst an / welcher Mutter sie das übrig gebliebene Kind geben oder entziehen solten. Wie ungewiß nun Bolko / und kein Mensch verhanden war /der ein den Stich haltendes Kennzeichen hätte andeuten können / so gab doch Eigen-Liebe und die Einbildung / daß das Verhängnüs ihm ehe sein eigenes als ein frembdes Kind zugeworffen haben würde / in des Hertzog Bolcko Hertzẽ den Ausschlag / daß er das Kind als das seinige Mechtildẽ einzuliefern befahl. Der Hertzogin Hedwig wuste aber niemand keinen Vorwand zu erdencken / wo ihr Kind blieben wäre /und niemand wolte ihr doch eine so herbe Zeitung beybringen. Nach verflossener Zeit zur bestimmter Wiederkunfft fragte sie eyvrig nach ihrem Kinde / und als sie die sie bedienenden bestürtzt und verstummen sahe / warff sie sich gantz verzweiffelt aus dem Bette; und befahl mit vielen Dräuungen ihr die Ursache seines Aussenbleibens anzusagen / sie wolte auch gar des Zimmers sich entbrechen / da doch die Frauen bey den Marsingen wie bey den Mohren und Juden nach der Geburt eines Knaben nicht für dem viertzigsten /eines Mägdleins nicht für dem achtzigsten Tage die Thüre überschreiten dörffen. Weil Bolcko nun von dieser zarten Mutter die heftigste Gemüths-Kränckung besorgte / ward ein Priester befehlicht / ob er zwar durch Heimsuchung einer Kindbetterin eben so wol als durch Anrührung einer Leiche unrein ward /ihr den Trauer-Fall aufs beste als er könte / und wider Verzweifelung allen ersinnlichen Trost beyzu bringen. Wiewol dieser nun mit dem Absterben des Kindes heraus muste / so hielt er doch mit der eigentlichen Art des Unfalles hinter dem Berge / aber der einige Nahme des Todes verrückte ihre Vernunfft / daß sie nicht wuste / was sie that / er hemmete ihre Zunge /daß sie mit keinem Worte ihren Schmertz aussprechen konte / damit alle andere Glieder Redner ihres Schmertzens würden / er versteinerte ihre Augen / daß kein Tropffen heraus floß. Aber ihr todtes Antlitz drückte mit lebendigern Farben ihren Schmertz aus /als einiger Schatten der Sprache gekont hätte. Das Hertze schlug ihr mit solcher Heftigkeit / als wenn es sich der Ersteckung des ihm zuschüßenden Geblütes zu befreyen sich durch die Brust arbeiten wolte / die Hände stritten in Zerfleischung der Wangen uñ Ausreissung der Haare mit einander. Mit einem Worte: Diese sonst so freudige Fürstin ward ein lebendiges Bild der erbärmlichsten Traurigkeit. Nach einer langen Raserey fiel sie in stete Ohnmachten; daraus sie das Gedächtnüs ihres Verlustes mit öffterem Zucken und schnellem Auffahren unzähliche mahl erweckte. Also brachte sie einen Tag und die gantze Nacht zu /also daß ihr weder Stärckungen des Leibes noch des Gemüthes beyzubringen waren. Den andern Tag quälte sich ihre rächelnde Seele mit holen Seufzern / und endlich fiengen die Augen an wie ein lange verstopffter Spring-Brunn häuffige Bäche der Thränen auszuschütten. Bey dieser Veränderung meinte es jedermann hohe Zeit zu seyn Trost zuzusprechen; welcher aber lange Zeit von ihr mit tauben / wie die Beschwerung von Schlangen mit verstopfften Ohren angenommen ward. Ihre erstern Worte waren: Lasset mich sterben; und die andere Antwort: Wil denn auch der Tod durch Ablegung seiner Grausamkeit mich ausädern! Wil er sich mir nicht nähern / weil er mich schon für eine Leiche / oder meines Elends halber für ein ihm unwürdiges Opffer ansiehet! Der sie wieder besuchende Priester redete ihr ein: daß weder ihr Stand noch ihre Tugend eine solche Kleinmuth vertrüge. Ob sie nicht wüste / daß eine beständige Hertzhaftigkeit nicht eine Tugend der Weltweisen / sondern der Fürsten wäre? Sie antwortete ihm: Er wüste nicht / weil er kein Weib weniger eine Mutter wäre / was Mütter in ihrem Hertzen für besondere Regungen / in ihren Adern für Geblüte hätten. [813] Der Priester fiel ein: Ihm wäre die Heftigkeit der mütterlichen Liebe nicht unbekandt / und wäre seine Meinung nicht alle Betrübnüs über dessen Verluste / was sie neun Monat unter dem Hertzen getragen / augenblicks aus dem Gemüthe zu jagen; oder den Schmertz über dem zu verdammen / was sie mit so grossen Schmertzen zur Welt gebracht. Aber dieses hieße die Natur beleidigen / dem Verhängnüsse widerstreben / wenn eine durch unsinniges Leid wider sich selbst solche Grausamkeit ausübte: daß sie nicht wieder Mutter werden könte. Daher müste das Betrübnüs die Vernunfft zum Zaume / das Maas zur Richtschnur haben. Die Fürstin versätzte: Sollen denn vernünfftige Menschen weniger Fühle als wilde Thiere haben? die ungeheuren Wallfische nehmen nicht nur / wenn sie von einem andern Raubfische verfolgt werden / ihre Jungen / wie die Schlangen ihren Brut in den Mund umb sie der Gefahr zu entreissen / sondern dieses gefräßige Thier /welches wie andere Fische seine Kinder zu tausenden zehlet / betrauret auch eines jeden Verlust mit dreytägigem Hungerleiden. Und ich solte mir wegen meines einigen und viel edlern Kindes nicht weh thun? Männer hätten härtere Hertzen; möchten also der Todten indenck leben; aber Weibern stünde auch bey den Deutschen das Trauren wol an. Der Priester begegnete ihr: Kein Thier verscharrete sich mit seinen Jungen /aber wol die Fürstin. Denn ein mit solcher Traurigkeit beladener Leib wäre ein Grab der Seele. Diese machten nach den Sitten gantz Deutschlandes dem Wehklagen und den Thränen bald ein Ende / daß ihr Betrübnüs desto länger tauerte. Denn unmäßiger Schmertz müste bald verrauchen. Die Fürstin brach ein: die ihre Kinder nach den gemeinen Gesätzen der Natur verlierenden Mütter könten sich vielleicht noch zu frieden geben; aber gewaltsame Todes-Arten machten viel tieffere Hertzens-Wunden. Der Priester antwortete: Auch diese wären Schickungen des Verhängnüsses / und offt es leichter gewaltsam zu sterben / als auf der Folterbanck des Siechbettes viel Zeit gepeinigt werden. Warumb verhölet man mir denn /sagte Hedwig / wie mein Kind erbliechen sey? Warumb gönnet man mir nicht seine Leiche mit meinen Thränen einzubalsamen? hierüber ward sie wieder ohnmächtig / und als sie sie wieder durch Kühlung zu sich selbst brachten / that sie doch so ungeberdig / als jemals vorhin / und sagte dem Priester: Sie wolte ihn mehr nicht hören / weniger solte er ihm einbilden / ihr einigen Trost fruchtbarlich beyzubringen / wenn er ihr nicht aufrichtig ihres Kindes Tod entdeckte / und ihr seine Leiche einlieferte. Hierdurch ward er gezwungen die wahre Begäbnüs zu entdecken / daß ihr Kind ertruncken wäre. Ob nun zwar dieser Tod so viel Thränen verdiente / als die Oder Tropffen in sich hätte; so solte sie doch glauben / daß weil dieser Zufall sich über der Einsegnung begeben hätte / solches für eine GOtt gefällige Opfferung anzunehmen / von ihr also von rechtswegen kein Auge naß zu machen / sondern von denen hertzhafften Müttern ein Beyspiel der Befriedigung zu nehmen wäre / welche ihre Kinder mit trockenen Augen und freudigem Hertzen auf glüende Röste gelegt hätten. Aber die Hertzogin Hedwig ward hierüber gleichsam wahnsinnig / und ruffte: Schaffet mir die Leiche meines ersäufften Kindes / daß sein Geist nicht hundert Jahr als ein Gespenste umb die Gräber schwermen müsse. Schaffet mir seine irrdische Uberbleibung / daß ihr Fleisch nicht in Magen der Fische / sondern ihre Asche wieder in ihren Ursprung /nemlich in meinen Leib vergraben werde. Mit solchen Heftigkeiten mattete sie sich den Tag ab / daß sie des Nachts in einen tieffen Schlaf fiel. Auf den Morgen war die Fürstin nicht nur ruhig / sondern auch ohne alles Betrübnüs. Jedermann war darüber verwundert /so daß niemand die Ursache begreiffen [814] konte / und die sie bedienenden einander fragten; Ob jemand der Für stin im Weine Hirschzunge oder das Kraut Nepenthes / wormit Helena ihr die Traurigkeit vertrieben / beybracht / oder einen Schmaragd in Mund gesteckt hätte. Endlich fragte sie die Rosenbergin eine ihres Frauenzimmers; wordurch sie ihr Gemüthe beruhiget hätte? die Fürstin antwortete: weil sie ihr verlohrnes Kind wieder gefunden hätte. Jene erschrack / und bildete ihr ein: die Hertzogin wäre wahnwitzig / fragte aber: wo sie es denn hätte? die Fürstin antwortete: Es wäre in Mechtildens Zimmer und Armen wol versorget; sie bejammerte aber / daß diesen Tag diese Fürstin die Leiche ihres lieben Kindes nach Hause bekommen würde. Die Rosenbergin fragte: woher sie denn dis erfahren? Ob die alte Wahrsagerin Lamia des Neptun Tochter oder eine von Delos zurück geschickte Priesterin ihr solches kund gethan hätte? die Fürstin antwortete: GOtt hat mir im Traume dis so deutlich gezeigt / daß ich die unverständigste wäre /wenn ich daran zweifelte / und die undanckbarste /wenn ich für ein so groß Geschencke GOtt nicht mein Hertze selbst aufopfferte. Denn Mechtildis und ich fuhren mit dem Hertzoge Bolcko auf der Oder; aus welcher eine Wasser-Göttin empor kam / und so wol ihr als mir in einer Muschel eine wunderschöne Perle verehrte. Beyden aber fielen sie ins Wasser / von welchen Bolcko zwar eine erwischte / und sie seiner Gemahlin zustellte. Den vierdten Tag aber kam diese Wasser-Göttin / brachte Mechtilden die verlohrne leere Muschel ohne Perle / und befahl mir die vom Bolcko aufgefangene als mein Eigenthum zuzustellen. Die Rosenbergin konte sich über diesem nachdenklichen Traume nicht genungsam verwundern / und weil sie diesen für keine gantze Eitelkeit hielt / ließ sie die Fürstin bey ihren Gedancken / und erzählte solches dem andern Frauenzimmer. Selbigen Abend brachten die Fischer das ertrunckene Kind nach Hofe / welches zwey Meilweges am Strome hinab gefunden worden /und / ungeachtet es drey Tage im Wasser gelegen /wenig verstellet war. Diesemnach es denn Hertzog Bolcko in weisse Seide kleiden / mit Blumen kräntzen und bestreuen / in einen küpffernen Sarg / welcher oben mit einer Berg Cristallenen Taffel zugemacht war / legen / also der Gothonischen Hertzogin mit beweglicher Ausdrückung seines Mitleidens zu bringen / und daß er dieses Kind in die Grufft seiner Vor-Eltern beysätzen wolte / sich anerbieten ließ. Sintemal die Marsinger eben so wol als die Römer Kinder /welche noch keine Zähne hatten / nicht zu verbrennen pflegten. Alleine die Fürstin Hedwig bestreute dieses Kindes Leiche mit Rosen / schickte es dem Fürsten Bolcko wieder zu / mit dem Beysatze: dieses hätte er zu beweinen und zu betrauren / ihr aber ihr noch lebendes Kind nicht vorzuhalten. Bolcko ward hierüber nicht wenig bestürtzt / sonderlich / da er von anfangs bald mit sich selbst angestanden / ob er sein oder Gottwalds Kind gerettet hätte. Mechtilden wolte er mit diesem Anspruche auf das lebende Kind nicht erschrecken / forschte aber bey der Heb-Amme und denen Wärterinnen genaue nach: Ob Mechtildens Kind kein besonderes Merckmaal außer der Beerenklau gehabt hätte? Ob diese nun zwar ihn / daß es ihr Kind unfehlbar wäre / versicherten; wusten sie doch ihre Meinung durch kein Zeichen / welches nicht auch dem andern Kinde gleiche war / zu behaupten. Weil nun beydes das lebende und todte Kind offters gegen einander gehalten ward / muthmaaßte Mechtildis /daß umbs lebende sich ein Streit ereignen müste /fragte daher nachdrücklich hiernach / erfuhr also ihre Muthmaaßung wahr zu seyn. Worauf sie erbärmlich zu wehklagen anfieng: Ob man sie zur Mutter des todten Kindes machen und damit selbst tödten wolte? Sie kennete ihr Kind allzu eigentlich; und ihr Hertze /ihre heftige [815] Liebe sagte es ihr: daß es keines andern Menschen seyn könte. Ihr Gemüthe nun zu beruhigen muste man der Gothonischen Hertzogin Anspruch kleinerer und die Sache weniger zweifelhafft machen /als sie an sich selbst war. Jedoch war Mechtildis des Kindes halber so eyversüchtig / daß sie es nicht mehr aus ihren Armen / weniger aus ihrem Bette geben wolte. So bald aber die Fürstin Hedwig nach denen Sitten der deutschen Kindbetterin aus ihrem Zimmer gehen konte / kam sie unvermerckt in Mechtildens /und nam das Kind daraus. Diese aber ward dessen augenblicks gewahr / verfolgte sie auf dem Fusse / und sagte: Ist dis nicht eine Verletzung des Gastrechtes und der Freundschafft; daß sie mir mein Kind / welches ich mit meinen Brüsten gesäuget habe / gewaltsam wegnehmen wil? Hedwig ließ sich daran nichts irren / sondern antwortete: Ein Kind bis in zehnden Monat mit dem aus den Milch-Adern ko enden Saffte durch die Nabelschnure speisen / und selbtes gebähren / ist mehr als säugen / und das Recht der Mutter gehet dem der Ammen für. Daher würde ich unbarmhertziger als die unmenschlichen Mütter seyn /welche zu Athen auf dem Platze Cynosarges / zu Rom auf dem Kohl-Marckte bey der Milch Seule ihre Kinder weglegen / wenn ich nach dem meinigen nicht fragen solte. Mechtildis versätzte: Es hat nicht weniger aus meinem Geblüte den Ursprung / als von meiner Milch den Unterhalt. Hedwig fiel ein: die Natur hat es gezeichnet; daß es eine Gothonische Fräulein und meine Tochter sey. Mechtildis begegnete ihr: Meine hefftige Einbildung hat ihm durch einen Beystand der Natur dis eingepreget; was dem Gothonischen Stamme gemein ist; und daher kan die Beerenklau wol ein Merckmaal unser Freundschafft / nicht aber ein Zeugnüs wider meine wahrhaffte Geburt abgeben. Hedwig brach ein: Für ihre Geburt und daß dis so bezeichnete Kind aus dem Gothonischen Stamme sey / werden alle Mitternächtige Völcker urtheilen. Keines weges /sagte Mechtildis / wenn man ihnen die Gleichheit unser Kinder und die Ertrinckung des Marsingischẽ sagen wird. Mechtildis versätzte: das letzte ließe sich nicht sagen / weil die Rechte den Untergang des schwächsten / also des jüngsten vermutheten. Und der Hi el würde ja nicht so grausam seyn / daß er dem behertzten Bolcko in dem Strome ein frembdes Kind für sein eigenes zu retten geschickt haben solte. Hedwig antwortete: der Hi el hätte ihr schon selbst offenbaret: daß er ihr Kind erhalten / Mechtildens ertrincken lassen. Durch was fragte Mechtildis? Welcher Hedwig ihren Traum erzählete / und sich auf ihres Frauenzimmers Wissenschafft von der Vorhersagung der wieder gefundenen Leiche beruffte. Mechtildis versätzte: Träume sind Schatten unser süssen Einbildungen / und ein Nachschall unsers sehnlichen Verlangens. Für mein Mutter-Recht aber giebet das Kind selbst Zeugnüs / indem es aus meinen Brüsten die schon in Mutter-Leibe angewohnte Nahrung so begierig schöpffet; welches sonst bey gesogenen andern Brüsten für meinen einen Eckel gehabt haben würde. Hedwig fieng hierauf an: Ich nehme diesen Weg der Prüfung an / und bin versichert / daß wie mir meine Brüste nicht wie den Thieren ihre Eyter unter dem Bauch / sondern für meinen Mund und Augen /daß ich mein saugendes Kind anschauen und küssen könne / gewachsen sind / also dis meiner mütterlichen Liebe und ihrem Oele / nemlich meiner Milch-Zunge und Lippen nicht entziehen werde. Hiermit entblöste sie ihre Brüste / an welchen dis Kind so begierig zu trincken anfieng / als wenn es etliche Tage Durst gelitten hätte. Mechtildis ward hierüber so eyversüchtig / daß ihr die Thränen aus den Augen fielen / und sie Hand anlegte das Kind der Fürstin Hedwig aus den Armen zu reissen. Diese hingegen mühete sich von allen Kräfften dessen Besitzthum zu behaupten / und zwischen [816] beyder Frauenzimmer entspaan sich ein Zwyspalt / also hierüber ein kleiner Auflauff bey Hofe entstand. Hertzog Bolcko vernam solchen alsbald /und seine Augen zeigten ihm zugleich dessen Ursache. Ob er nun zwar mit einer wenig lauern Schwachheit der Liebe als Mechtildis befallen war / wolte er doch die übele Nachrede nicht haben / daß in seinem Hofe der Gothonischen Hertzogin einiges Unrecht oder Gewalt wäre angefügt worden. Daher fieng er zu beyden an: Sie möchten doch ihre Kinder-Liebe nicht zum Werckzeuge des Hasses und zu Zerspaltung ihrer Freundschafft mißbrauchen. Auch im guten wäre die Ubermaaße böse / und wie die Soñe denen unter dem heissen Mittel-Striche des Erdkreisses wohnenden Völckern / wenn sie über ihrem Würbel stünde /ihnen nicht den So er / sondern / weil ihre allzu hefftige Strahlen die Dünste allzu gewaltig empor ziehen /einen regenhafften Winter verursachten; also gebühre auch das übermäßige Feuer die Liebe vielerley Ungewitter / und eine Erkältung der Gemüther. Mechtildis antwortete ihm: Soll ich mich denn meines einigen Kindes entsätzen / und darmit alle Liebe in meinem mütterlichen Hertzen gefrieren lassen? Würde meine Seele nach diesem Verluste nicht aller Ruh / mein guter Nahme nicht alles Nachruhms verlustig werdẽ. Alles Ertzt wird durch Kälte kleiner / und einer Mutter kan nichts verkleinerliches nachgesagt werden /denn daß sie ihre Kinder nicht genung liebe. Hedwig versätzte: Kan eine / die ihr nur einbildet Mutter zu seyn / so sehr lieben; wie viel hertzlicher muß bey der solche Flamme seyn / die / wie ich / wahrhafftig die Mutter ist; welcher der Himmel selbst diese verlohrne Perle wieder schencket; welcher der redliche Hertzog Bolcko selbst zum besten gestehen muß; daß er nicht wisse: Ob er sein oder mein Kind dem Rachen des Wassers entrissen habe. Der Hertzog brachte es nach einem langen Wort-Streite und vergebenen Vorschlägen / entweder die Wahrsager zu Rathe zu ziehen /oder den Zwist durchs Loos zu erörtern / gleichwol dahin: daß beyde Hertzoginnen sich dem Urthel der Priester zu unterwerffen / und inzwischen das strittige Kind einen Tag umb den andern zu besitzen willigten. Das Gerichte ward auf einen gewissen Tag in dem Fürstlichen Saale besätzt; darinnen über dem Richter-Stule Cambyses gemahlet war / wie er das seinen durch Geld bestochenen Richter Sisamnes abgezogene Fell über den Richter-Stul ziehen / und seinen Sohn Otanes solchen besitzen läßt. Gegen über stand Darius / wie er einen nicht bessern Richter in Eolis Sandoces destwegen zu kreutzigen befiehlt. Umb den Saal waren unterschiedene Gemählde merckwürdiger Urthel aufgestürtzt. Zu erst stand das Gerichte des Jüdischen Königs Salomon / da er durch Befehl ein streitiges Kind mitten entzwey zu hauen die wahre Mutter für der / welche ihres im Schlaffe erdrückt hatte / unterscheidete. Das andere Gerichte war des Paris / wie er die drey zwistigen Göttinnen durch den güldenen Apfel entscheidet / das dritte und vierdte /wie die Areopagiten den Mars wegen des erschlagenen Hallirrothius und Orestes wegen ermordeter Mutter loßgesprochen ward. Das fünffte Gerichte stellte Phrynen für dem Richter-Stule für / wie sie / nach dem sie ihr Beystand Hyperides durch seine Beredsamkeit nicht erweichen konte / ihre Brüste entblöste / und durch derselben Schönheit die Areopagiten gegen sie barmhertzig zu werden zwang / aber dardurch ein Gesätze zuwege brachte / daß hernach die Richter keinen Beklagten ansehen / weniger sich seiner erbarmen dorfften. Das sechste Gemählde stellte den Thracischen König Ariopharnas für / welcher von dreyen sich für des Cimmerischen Königes Söhne Ausgebenden zum Schiedes-Richter erkieset ward /und sie sämptlich nach [817] des aufgehenckten Königs Leiche zu schüssen befehlichte / mit der Erklärung; daß der / welcher das Hertz treffen würde / Erbe und König seyn solte. Er erklärte aber den darfür / welcher mit Fleiß der Leiche fehlte / und den Pfeil in die Erde schoß. Das siebende Gerichte war eines Scythischẽ Königes / welcher einem Gläubiger / von dem er umb ein Urthel angeflehet ward / daß er seinem Schuldner wegen nicht inne gehaltener Zahlung Krafft habender Verschreibung ein Pfund Fleisches aus dem Leibe schneiden möchte / ein Messer mit dem Ausspruche reichte: Er möchte schneiden / aber was der Gläubiger mehr oder weniger schneiden würde / solte hernach der Schuldner ihm ausschneiden. Die Stüle des Richtplatzes besassen die zwölf fürnehmsten Priester / des Obersten Stul aber war so gesäzt / daß die Soñe ihm gleich ins Antlitz scheinen konte / nicht zwar daß sie sie / wie die Bithynier die Soñe für den Schutzherrn /sondern für ein Sinnebild der Gerechtigkeit hielten /welche alle Finsternüß der Unwissenheit vertreiben müste. Die Fürstin Hedwig und Mechtildis traten selbst für / und jede meinte das auf den Richter-Tisch gelegte Kind durch ihre nichts minder tiefsinnige als nachdrückliche Rede für das ihrige zubehaupten. Diese sonst weisen Leute wurden aber hierdurch zweifelhaffter / wem das Kind zugehörte / als sie waren / da noch kein Vortrag geschehen war. Ob sie nun zwar gerne diese Streitigkeit vermittelt hätten; weil ihrem Erachten nach durch keine menschliche Vernunfft zu ergründen wäre / wessen Kind Bolcko aus dem Wasser errettet hätte / so war doch beyder Fürstinnen Liebe so groß / daß sie so viel derselben zu entziehen vermeinten / als eine der andern darauf Recht enträumte; daher denn auch jede auf das Urthel drang: denn sie waren beyde aufs kräfftigste überredet / daß sie die rechte Mutter wäre / und die Marsingischen Priester hatten bey jedermann den Glauben: daß die in den Himmel geflogene Gerechtigkeit ihnen die Wage zu Uberlegung der Rechts-Sachen / und das Schwerdt zu Abschneidung der Streitigkeiten anvertraut hätte. Alleine weil die Sache den Priestern ein unauflößlicher Knoten war / gebrauchten sie sich eben des Kunst-Stückes der Areopagiten / welche /als der Land-Vogt in Asien Publius Dolabella ein Weib von Smyrna / das ihren Mann und Stieff-Sohn wegen ihres vorher getödteten Sohnes hinrichtete /ihrem Urthel unterwarf / sie weder als eine von Blut besudelte loßsprechen / noch als eine Rächerin ihres Sohnes sie verdammen wolten / sondern ihr über hundert Jahr einen andern Rechts-Tag ansätzten. Denn die Marsingischen Priester erkenneten: daß diese Sache so lange / bis die Natur entweder durch die Aehnligkeit / oder durch die eigene Neigung dem Kinde / wer seine eigentliche Eltern wären / entdecken würde. Wie nun die untadelhaffte Verwaltung der Gerechtigkeit eben so bitter ist / als wenn ein Artzt mit Brand und Messer von Grund aus alte Schäden heilet / und noch so wenig gerechter Richter Verfahren beliebt worden / als Krancke nach des Esculapius Salben und Pflastern die Finger geleckt haben; also gieng es auch allhier der Gothonischen und Marsingischen Fürstin. Eine war so unvergnügt / daß sie nicht gewonnen als die andere / daß ihr Gegentheil nicht verspielt hatte. Mechtildis fragte gleichwol die Priester; welche denn mitler Zeit das Recht haben solte das Kind zu erziehen? und kriegte zur Antwort; die / welche es am meisten liebte. Hedwig erkundigte sich hierauf: Wer denn über die Grösse ihrer Liebe Richter seyn solte? und ward beschieden: Ihre eigene Wolthaten / welche jede dem Kinde leisten würde. Mechtildis ward hierüber verdrüßlich und zugleich wehmüthig /fiel der Fürstin Hedwig umb den Hals / und fieng an: Warumb haben wir uns gerechtere Richter aufzufinden eingebildet / als unsere eigene Liebe? Warumb wollen [818] wir nicht lieber mit Wercken als Worten streiten / wer dieses Kindes Mutter sey; welcher Ampt in der Wohlthätigkeit nicht im Nahmen bestehet! leidet es die Natur nicht: daß ein Kind wie Bacchus aus zwey Leibern gebohren werde; so ist doch derselben nichts gemässer / als daß ihrer zwey durch Wohlthun an ihm die Pflicht der Mütter verrichten. Sie hat destwegen den Müttern zwey Brüste wachsen lassen / daß sie den Kindern durch mehr als ein Quell Milch und Liebe einflössen. Lasse es unser beyder Pflegung genüssen / und noch ferner / wie es zeither geschehen /an unser beyder Brüsten saugen. Hat eine unter uns nicht ihr Blut zu seiner Empfängnüß beygetragen; so ersetze selbige diesen Mangel durch den nährenden Schaum / oder vielmehr das aus den Röhren der Brüste rinnende Oel des Geblütes / welches in diesen zwey Lebens-Brunnen von der Natur so weiß geleutert wird / daß die Kinder nicht mit ihrem ersten Trancke die Blut-Begierde in sich saugen. Wil sie / liebste Schwester / mich nicht würdigen / daß ich dieses Kindes Mutter sey / so laß sie ohne Eiversucht mich die Stelle einer Amme vertreten. Der Fürstin Hedwig ward durch diese Worte das Hertz derogestalt gerühret: daß sie Mechtilden mit nicht lauerer Gemüths-Regung in ihre Armen drückte und antwortete: Es ist wahr / hertzliebste Schwester / daß wir unserer Mutter-Liebe einen grossen Schandfleck anhencken würden / wenn wir selbte mit giftiger Eiver-Sucht vergälleten. Lasse uns versuchen / ob unsere Liebe so glücklich zwey Mütter eines Kindes abgeben / als die Natur in einer Mutter Zwillinge zeugen könne. Können unfruchtbare Männer durch ihre Wahl frembden /welche sie für ihre Kinder annehmen / die Kindschafft so kräfftig eindrücken / daß die Gesetze jenen die väterliche Gewalt / diesen das Recht zu erben zueignen; warumb solte nicht eine fruchtbare Mutter eines von ihr nicht gebohrnen Kindes Mutter zu werden fähig seyn. Hat eine unter uns diß Kind nicht aus ihrem Leibe gebohren / so gebähre sie es täglich in ihrem Hertzen durch Liebe und Wohlthätigkeit. Sollen doch Groß-Mütter / weil die sonst die Eigenschafft des Feuers habende Liebe wie Bley ihren Zug abwerts hat / ihre Enckel mehr / als ihre Kinder lieben. Warumb nicht auch wir dieses / welches iede glaubt ein Theil ihrer Eingeweide gewesen zu seyn. Diesemnach wollen wir es einen Tag umb den andern säugen / aber es keinen Augenblick aus unsern Gedancken und Gewogenheit lassen. Wir wollen mit einander selbtem wohlzuthun nicht abwechseln / sondern es einander vorzuthun beemsigt seyn; und durch das Beyspiel unser unveränderlichen Liebe das Verhängnüß bezaubern / daß es das Glücks-Rad diesem unserm Schoß-Kinde niemals verrücken könne. Hiermit namen beyde das Kind von dem Richter-Tische / überschütteten es mit einer unzählbaren Menge hertzlicher Küsse; vergnügten also diese zwey mit einander rechtende Mütter ihre Richter durch so wundersame Eintracht mehr / als die Richter sie durch ihren Ausspruch / derer keiner noch beyde Theile vollkö lich vergnügt / sondern ieder stets ein Mißtrauen gegen sich behalten hat; also daß Alcibiades zu sagen pflegte: Er traute seiner eigenen Mutter nicht / wenn sie seine Richterin seyn solte. Jedermann fürnehmlich aber Hertzog Bolcko ward über einem so glücklichen Ausschlage dieses Gerichtes zum höchsten erfreuet /die Verträuligkeit zwischen der Fürstin Mechtildis und Hedwig wuchs mit der Liebe gegen diß Kind /welches / weil sie es beyde für das ihrige hielten /zwischen ihnen gleichsam eine neue Ehstands-Art und Zusammenknipfung ihrer Gemüther verursachte. Unterdessen hatte Herzog Gottwald durch seine Tapferkeit und seiner Frau Mutter Klugheit alles in gewünschten Stand versetzt / indem alles Volck ihn für den rechtmässigen Hertzog der Gothonen erkennte /ausser seine Schwester Marmeline / welche von dem unheilbarẽ Ubel der Herrsch-Sucht so eingenommen war / daß sie diß / was [819] alle andere Menschen der Welt billigten / nicht für Recht halten konte / und daher von dem Apfel der Herrschafft lieber nichts als die Schalen genüssen wolte. Hertzog Gottwald hörte den Unfall des ertrunckenen Kindes höchst mitleidentlich / seine Gemahlin wußte ihn aber so beweglich zu bereden / daß er daran / ob das lebende seine wäre / zu zweifeln für eine Undanckbarkeit gegen das Verhängnüß hielt. Hierzu diente nicht wenig / daß in seinem Gebiete auf dem Eylande Glessavia / welches nicht in einem langen Land-Striche durch die vom Rheine hieher gezogenen Estier bewohnet wird / aus dem Erd-Boden ein etliche Pfund schweres Stücke Agstein gegraben worden war / welches gantz eigentlich vorbildete / wie die Wellen des Meeres ein auf einer Muschel liegendes Kind ans Ufer antrieben. Hertzog Gottwald reisete hierauf mit seiner Gemahlin in sein Land / wurden aber von Mechtilden mit vielen Thränen beweget / daß sie ihre Tochter noch unter ihrer Pflegung liessen. Hedwig ward von Gothonen /Estiern und Lemoriern aufs prächtigste empfangen /und Hertzog Gottwald machte daselbst allerhand heilsame Anstalten zu einer glücklichen Herrschafft. Ehe sichs aber iemand versah / brach Marbod mit einer grossen Heeres-Krafft gegen die Semnoner und Longobarden auf / brachte selbte auch ehe unter seine Gewalt / ehe die Benachbarten von dem gegen sie angehobenen Kriege Nachricht erlangten / oder ein Mensch von so streitbaren Völckern ihm immermehr eingebildet hatte. Hingegen verfielen die Burier mit den abtrünnigen Burgundiern / und die Marsinger mit den Lygiern in einen schweren Krieg / dahero denn beyden Fürsten die Unterwerffung der streitbaren Semnoner ein heftiger Donner-Schlag ins Hertze war. Wie aber Fürsten nichts mehr als Furcht und Argwohn zu verbergen haben; also ward Hertzog Bolcko und Reinhard der Burier Hertzog genöthigt den Ritter Hohberg und Haugwitz zum Könige Marbod nach Budorgis / allwo er alle Semnoner zu Ablegung der Huldigung versa let hatte / abzuschicken / und ihm zu den Siegen / welche allem Ansehn nach die Fall-Stricke ihrer eigenen Freyheit waren / Glück zu wünschen. Denn ob zwar der / welcher auf solche Weise einem Pflaumen streicht / sich der Heucheley theilhafft macht; so ist doch der / welcher in solchen Fällen sich in die Zeit und Leute nicht zu schicken weiß /für einen Thoren / am wenigsten für einen klugen Fürsten zu halten. Marbod nam diese Ehre sehr wohl auff / und ob zwar diese Fürsten den König wissen liessen / daß sie gegen die Burgundier bereit einen ansehnlichen Sieg gewonnen hätten / also sie ihren Feinden selbst genungsam gewachsen wärẽ / schickte er doch den Vannius zum Hertzog Bolcko und Reinhard /both seine gantze Krieges-Macht ihnen nicht allein zu Hülffe an; sondern ließ auch sechzig tausend Marckmänner biß an den Queiß und die Spreu / unter dem Vorwand selbige gegen die Lygier zu führen / anrücken. Weil nun Hertzog Bolcko seine meiste Macht gegen den Lygiern stehen hatte / also er einem so unversehnen und mächtigen Feinde nicht gewachsen war / und ihm leichte die Rechnung machen konte; daß wenn er des Königs Marbods Hülffe gar ausschlüge /würde dieser es für eine Verschmähung und Mißtrauen annehmen / und daraus einen scheinbaren Vor wand zum Kriege wider ihn beko en; muste er /nebst dem Fürsten der Burier / ungeachtet beyde allzu wohl verstunden / daß kein Falcke einen Adler zu Hülffe ruffen solte / nicht allein willigen zehn tausend Marckmänner zu Hülfs-Völckern in ihr Land anzunehmen / sondern auch auf des Vannius Betheuerung: daß König Marbod viel zu großmüthig wäre von seinen Freunden und Bundsgenossen einiges Schutz-Geld zu suchen / oder sonst ihnen beschwerlich zu seyn / ihn für ihren Schutzherrn zu erklären. Ungeachtet nun Bolcko und Reinhard [820] ihren Feinden genungsam für Augen stellten / wie gefährlich beyden wäre /daß sie einem dritten zum besten / welcher bereit mit seiner geharnschten Hand in ihren Krieg grieffe / ihre Kräfften gegen einander aufrieben; so rennten doch die Lygier und Burgundier durch ihre Hartnäckigkeit spornstreichs in ihr Unglück / indem sie ihrer alten Freunde wohlgemeynte Warnigung für Würckung ihrer Kleinmuth annahmen; weil entweder die Rache sie verbländet / oder das sie zu stürtzen vorhabende Verhängnüß sie guten Rath anzunehmen unfähig gemacht hatte. König Marbod führte seine übrige funfzig tausend Kriegsleute durch einen nicht kleinen Umbweg / damit er den Marsingern mit einem Durchzuge so vielen Volckes die neue Freundschafft nicht beschwerlich oder verdächtig machte / an der Neisse und Spreu hinauf über das Hercinische Gebürge in der Bojen Land / und durch selbtes längst der Elbe hinauf / also daß er durch der Oser Gebiete den Lygiern in die Seite fiel. Ob nun wohl diese Völcker mehr als menschliche Gegenwehr thaten / und noch niemand den Marckmännern so viel zu schaffen gemacht hatte / als die Arier / Helveconer / Manymer /Elysier und Naharvaler; so wurden sie doch endlich durch die Macht so vieler Feinde untergedrückt / und Marbod hielt zu Carrodun ein Siegs-Gepränge über alle zwischen der Warte und Weichsel gelegene Völcker. Gleichwohl aber ließ er daselbst auf zweyerley Art spüren; daß die Herrschsucht nicht alle andere Gemüths-Regungen ersteckt hätte. Denn er gab dem Vannius fast die Helffte seiner gantzẽ Kriegsmacht /daß er damit sein väterlich Reich der Quaden eroberte / dem Marsinger und Burier Hertzoge aber räumte er ein groß Stücke von der Lygier Landen als eine Siegs-Beute ein. Zu eben selbiger Zeit fand sich die Gothonische Fürstin Marmeline mit dem verrätherischen Leuterthal zu Carrodun ein; weil ihr so wohl die Peucinischen als Wendischen Sarmaten / welche doch die Gothonen und Estier von der Ost-See vertrieben hatten / wider ihren Bruder Beystand zu leisten verweigerten. Marmeline erschien für dem Könige ohne den geringsten Aufputz / entweder weil sie ihn durch so schlechten Aufzug so viel leichter zum Mitleiden zu bewegen getraute / oder weil sie ihre vollkommene Schönheit durch Beysatz zu verstellen besorgte. Ihre Worte hatten so viel Schein der Wahrheit / als ihr Mund Holdseligkeit / und was dieser nicht erbärmlich genung aussprechen konte / wiewohl ihre heuchlerische Zunge alle ihre Worte vergiftete / und seine Ohren bezauberte / drückte sie mit desto grösserm Nachdrucke durch die in anderer Seelen rinnende Buchstaben der Thränen aus. Denn diese haben die Eigenschafft des Meer-Wassers / welches in der See als seinem Ursprunge bitter ist / wenn es sich aber durch die Adern der Berge in die Brunnen durchdringt / vollkommen süsse wird. Denn die in den Augen saltzichten Tropfen der Weinenden werden das süsseste Geträncke unserer Seele in unsern Hertzen / welches uns gleichsam truncken macht / daß wir unsers eigenen Willens nicht mehr mächtig sind. Oder es sind die Thränen vielmehr dem Geiste gleich / welcher durch Feuer und Kunst aus vielen Kräutern Tropfen-weise gezogen wird. Denn so viel diese für andern Artzneyen würckẽ / so viel haben auch die Thränẽ mehr Krafft andere zu bewegen als Worte / und in ihrem Wasser die entfernten Hertzen wie das Babylonische Ertzt anzuzünden. Jedoch war Marmeline nicht nur ihres aus den Augen flüssenden Wassers halber den Bildern der Wasser-Künste zu vergleichen; weil aus ihrem Munde / ihren Brüsten / allen ihren andern Gliedern gleichsam eitel Balsam der Anmuth spritzte. Ja sie war in des Königes Augen ein Sabeischer Wald / welcher nichts als Ergetzligkeit [821] von sich hauchte; und daher blieb er auch mit seinen Augen und Hertzen eher an ihr / als eine Fliege an dem Netze der Spinnenweben hencken. Seine Seele erklärete ihr Antlitz für ihren Abgott / als sich Marmeline des Königs Magd nennte / und seine Begierden steckten sie ihr zueiner unausleschlichen Fackel an. Er stieg selbst zu ihr von seinem Stule herab / hob sie von der Erden auf / und gab ihr nicht längsamer seine Liebe als sein Mitleiden zu verstehen. Sie hatte den König ihre Sonne genennet / weil er alleine durch die Strahlen seiner Hülffe sie todte wieder lebendig machen könte; er aber erklärte sie für seinen ersten Bewegungs-Kreiß / für die Richtschnur seiner Lebens-Tage / für seinen Angel-Stern / nach welchem sich sein Wille genauer als die Magnet-Nadel gegen dem gestirnten Beere wenden würde. Er eignete Marmelinen zu / daß sie durch ihre Holdseligkeit die Liebe selbst entwaffnet hätte; weil diese so lange Zeit sein Hertze durch nichts anders als ihre Augen zu verwunden wäre mächtig gewest. Ja alle seine Worte waren übersteigend; weil seine heftige Liebe nichts mittelmässiges ausrauchen konte / oder / weil er Marmelinens Gegen-Liebe zu verschertzen besorgte / wenn ihr seine Zuneigung zu lau oder zu kaltsinnig fürkäme. Die schlaue Marmeline hingegen mühte sich auf alle Weise kaltsinnig zu sein / da ihr doch alles in der Welt umb die Herrschafft feil / und destwegen alle Adern in ihr voller Schwefel waren. Denn sie verstand allzu wohl / daß man nur so lange einem nichts abschlüge / weil man selbst umb etwas anzuhalten hätte / und daß kein Fisch mehr an die Angel anbiesse /worvon er schon den angehenckten Wurm zu seiner Speise weg bekommen hätte. Diesemnach redete sie den König an: Er möchte durch seine Zuneigung sich nicht zu seiner Verkleinerung so tieff erniedrigen /und sie zu ihrer Verwirrung so sehr beschämen. Denn da die Persischen und Indianischen Könige iedes Wasser zu trincken ihnen für verkleinerlich hielten /wie viel würde ein so grosser Herrscher / als Marbod wäre / sich verstellen / wenn es etwas niedrigers als eine Fürstin liebte. Sie aber schätzte sich so lange für keine / als sie ihre zugefallene Fürstenthümer nicht in Besitz hätte. Sintemal Fürsten ohne Land nur ein Schatten derselben und Bilder ohne Leben wären. Am allermeisten aber gienge ihr durchs Hertze / daß ein Irr-Licht / welches Zweifels-frey aus den niedrigsten Sümpfen seinen Ursprung hätte / sie als das einige Licht des Gothonischen Stammes verdüstern / und eines schlechten Sidinischen Edelmanns oder vielleicht noch eines geringern Menschen Sohn die rechtmässige Erbin verdringen solte. Würde sie aber sich in den Stand versetzt sehen / da sich des Königes Gewogenheit an ihr nicht wie die Spiegel von unreiner Weiber Augen beflecken könte; würde so wohl ihre Freude als Pflicht seyn / das innerste ihrer Liebe gegen ihn als den Alexander ihrer Zeit auszuschütten. Keine seichte Bezeugung wäre weder seiner Würde noch Liebe anständig. Denn nach der Eigenschafft der in Ammonischen Brunn gesteckten Fackeln / leschte die brennende Liebe / wo Gegen-Liebe nur auf den Lippen schwimme / aus; wo sie aber im Hertzen brennte / zündete sich auch die fast erloschene an. Diesen Vortrag bekräftigte sie abermals mit frischen Thränen / und gab darmit / weil die Tropfen auf ihren Wangẽ gleichsam den Thau auf den Morgen-Rosen abbildete / ihrer Schönheit einen mercklichen Beysatz. Marboden waren alle Worte Marmelinens eine Beschwerung / ihre wäßrichte Augen sahe er wie ein Finsternüß 2. von ihm angebeteter Sonnen an / und bildete ihm ein: daß durch ihr ausgeweintes [822] Saltz /alle Zierden ihres Antlitzes würden zerbeitzt oder weggeschwe t werden / wenn er nicht mit dem linden Schweiß-Tuche des Purpers Marmelinen die Thränen abtrocknete. Daher erklärte er sich seinen Degen nicht einzustecken / biß er sie zu Godonium auf ihren väterlichen Stul erhoben haben würde / wenn sie nach überwundenen Feinden sich ihn zu lieben und zu ehligen überwindẽ könte. Marmeline fiel für dem Könige abermals nieder / umbarmte seine Knie / neñte ihn ihren und der Gothonen Schutzgott / einen Vater der Waysen / und den einigen Beschirmer der Gerechtigkeit auf der Welt; Marbod aber ließ Marmelinen das eine Schloß über der Weichsel einräumen / sie königlich unterhalten / und trug noch selbigẽ Tag im Kriegsrath für / wie die verjagte Marmeline aufs leichteste wieder in ihre Herrschafft einzusetzen wäre. Unter allen geheimen Räthen war nicht einer / welcher nicht diese Einsetzung / da Marmelinens eigene Mutter den Fürsten Gottwald für ihren Sohn / alle Land-Stände für ihr Haupt erkennet hätten / für bedencklich / und wegen vortheilhafter Gelegenheit der Gothonischen Länder / wegen selbiger Völcker Streitbarkeit für sehr schwer hielten / also mehr zu einer gütlichen Vermittelung als zun Waffen riethen. Die Kriegsobersten / welche doch entweder umb nicht für zaghaft angesehen zu werden / oder / weil sie besorgen / ihr Ansehn möchte bey der Ruh verschwinden / selten zum Friede rathen / sti ten meistentheils denen andern Räthen bey; sonderlich redete der unverzagte Vannius / welcher bey Berathschlagung über seines Fürsten Glücke doch auf seines mit ein Auge hatte / und besorgte / daß der Gothonische Krieg dem Quadischen einen Stoß geben würde / nicht weniger klug als eivrig: Die Gerechtigkeit wäre die Sonne eines Reiches / der Anfang und Grund-Stein aller Herrschaften / die Seele und der Ancker der Staats-Klugheit; welcher Fürsten zu Göttern machte / und daher auch ihre Kriege / welche sonst viehische Rasereyen wären /rechtfertigen müste. Denn ob zwar das Recht der Waffen nicht allezeit aus dem Ausschlage eines Krieges zu urtheilen wäre / müste doch ein Fürst auf seinen guten Nahmen und Nachruhm / daß er nicht ein Rauber der Welt / eine Peitsche Göttlicher Rache heisse / sein Absehn haben / und niemals vergessen: daß einem Fürsten auch in euserster Noth Unrecht nicht anständig / ja diß ins gemein das Fall-Bret vorigen Glückes / und der gebähnte Weg zum Untergange sey. Für beleidigte Bunds-Genossen wäre man zwar verbunden den Degen zu zücken / wenn nur einiger Schein und Hoffnung eines guten Ausschlages verhanden wäre; aber Marmeline und ihre Eltern hätten mit dem Könige Marbod niemals im Bindnüsse gestanden / noch auch sie die Natur durchs Geblüte mit einander verbunden. Zu dem wäre man auch dem /welchem uns entweder die Natur oder unser Wille verknipft hätte / nur in gerechter Sache Hülffe zu leisten schuldig / welche hier überaus zweifelhafft wäre /weil Marmeline Volck und Mutter zum Gegentheil hätte. Der König hätte bereit mit den Gothinen angebunden / wider die Quaden den Krieg feste gesetzt; und nun wolte er auch mit den streitbaren Gothonen /Lemoviern und Estiern anbinden / an welche weder die von Marmelinen angeflehten Peuciner noch die Wenden zu reiben sich getraut hätten / da doch diese die Rache und Begierde im Hertzen hätten ihr so reiches und fruchtbares Land wieder zu erobern. Alle kluge Fürsten aber und insonderheit die Römer hätten sich für zweyen Kriegen als für höchstgefährlichem Vorhaben / auch bey sich zeigendem Vortheil äuserst gehütet. Denn viel Zwerge machten auch einem Riesen zu schaffen / [823] und wenn der gröste Fluß zertheilt würde / könte man dadurch waten. Marbod hätte zwar die Semnoner durch seine Geschwindigkeit ihm unterworffen; aber selbte nur wie den Wolff beym Ohre. Denn kein Fürst müste ihm einbilden / daß bezwungene Völcker ihm ohne heimliche Gramschafft gehorsamten. Und allen benachbarten Völckern wäre Marbods anwachsende Macht schon ein Dorn in Augen /welche bey einem unglücklichen Streiche zu seinem Untergange in ein Horn blasen dörfften. Daher nöthigte ihn sein Gewissen / und seine Treue dem Könige zu rathen / er möchte zwischen beyden zwistigen Geschwistern einen Mittler abgeben / oder / wenn er ja die Gothonen bekriegen wolte / mit denen Gothinen und Quaden Friede halten. Mit diesem letzten redete Vannius dem Könige in seine Ehre / weil er ihm schon dreissig tausend Mann zu der Quaden Uberwältigung versprochen hatte / mit dem ersten unwissentlich ins Hertze / weil Marbod seine gegen Marmelinen angesponnene Liebe in höchster geheim hielt; auch niemand muthmaßte / daß einer / der täglich unter den Waffen sich mit Staube verstellte / in seinem Schweisse badete / so zarte lieben könte. Weil nun Fürsten diß / was ihr Hertz rührt / so empfindlich ist / als was ihrer Ehre und Ansehn nahe ko t / war Marbod drüber so verwirrt / daß er sich nicht leicht ausgeflochten hätte / wenn nicht Alarich ein vom Leuterthal bestochener Krieges-Rath sich bey vermerckter Zuneigung des Königs mit einer ziemlichen Frechheit / ihm im Rathe den Ruhm eines Unerschrockenen /beym Könige eines treuen Dieners / durch folgenden Gegen-Satz zu machen sich erkühnet hätte: Gottwalds Vorwand des Gothonischen Hertzogs Sohn zu seyn wäre so unglaublich / als es weltkündig wäre; daß kein Mohr / wenn er hundert Jahr gebleicht würde /weiß werdẽ könte. Arnold hätte sein Lebtage einen Sohn zu haben nichts erfahren / also wäre höchst verdächtig / daß man selbten einem Todten / und unwissenden Volcke aufdringen wolte. Daß er Gertrudens Sohn wäre / könte wohl seyn / weil sie so sehr wider ihre Tochter auf seiner Seiten stünde / aber zu Hertzog Arnolds würde er sich nimmermehr rechtfertigen können. Was hätten aber benachbarte Fürsten mehr zu anthen / oder zu verhindern / als daß nicht Eyer der Wiedehopfen Adlern zum Ausbrüten untergelegt /oder Leute vom Schlamme des Pöfels Ländern für ihre Fürsten eingeschoben würden. Dieser Betrug hätte in der Welt gleichsam nunmehr Bürgerrecht gewonnen / und die Künste würden so zart eingefädemet; daß die scharffsichtigsten sich nicht aus so scheinbaren Irrthümern auszuflechten wüßten. Sintemal noch kein grosser Alexander / kein tapferer Ariarathes gestorben wäre / daß sich nicht ein böser Mensch oder Gespenste für seinen Geist oder Erben angegeben hätte. Daher gehörte es zu der Wohlfarth Deutschlandes / und zur Ehre des Königes Marbod /daß er durch sein Urthel ausspräche / wer der rechtmässige Herrscher über die Gothonen und Estier wäre. Hätte er am Hertzoge Arnold keinen Bluts-Freund oder Bund-Genossen gehabt / so wäre Marmeline doch ein Mensch / Menschen aber wären einander zur Hülffe geschaffen / sonderlich wären Fürsten deßhalben Gottes Stadthalter auf Erden; zu denen bedrängte / wie das Wild in die Hölen / Knechte zu Altären ihre Zuflucht nähmen. Wer nun diese für Unrecht nicht beschützte / handelte nicht besser / als der Bund-Genossen / Eltern und das Vaterland verliesse; hingegen wäre die Beschirmung der Schwachen eine zweyfache Tapferkeit / und eine Ubermasse der Gerechtigkeit. An so heilsamem [824] Wercke müste er sich aber die für ihm furchtsamẽ Peuciner und die von Estiern verjagte Wenden nicht irre machen lassen. Sintemal diese Völcker in dem Antlitze des mächtigen Königs Marbod so wenig als andere Sternen im Angesichte der Sonne sich sehen lassen / aber / wenn Marbod sich gegen selbte Feind erklärte / ihre Waffen gerne beytragen wolten. Also hätte der mit gemeinen Fürsten nicht vergleichbare König Marbod so wenig Ursache sich zu bedencken / ob er an zweyen Orthen Krieg führen solte; als die Sonne; ob sie beyde Seiten der Erd-Kugel zu erwärmen mächtig wäre. Er wüste wohl / daß furchtsame den Ruhm ins gemein erlangten / daß sie vorsichtige Rathschläge gäben; es mangelte ihnen auch nicht an Verstande und Erfahrung; aber sie hätten ins gemein schärffere Augen als ein gutes Hertze. Ihre Weißheit endigte sich in sich selbst / ihre Gewalt am guten Willen / und die Frucht alles ihres Nachdenckens wären unfruchtbare Gedancken. Alle Entschlüssungen hätten ihren Ursprung aus dem irrdischen Theile des Menschen / und ihre Seele keinen edlern Zug als eines Kauffmanns nach Eigen-Nutz / welcher bey ihnen Ehre und Vernunfft überstiege. Wiewohl diese nun / daß sie es übel meynten /nicht beschuldigt werden könten; so bliebe doch gewiß / daß durch Zagheit mehr als Untreu / und von einer schlafenden Schildwache mehr als von einem Kundschaffer geschadet würde. Dieses hätte der König in gegenwärtigem Falle wahrzunehmen / und die niemanden zweymal das Antlitz zuwendende Gelegenheit nicht zu vernachlässigen; da ihm die Schlüssel zur Ost-See entgegen getragen / und mit der Erndte des Agsteins die Schätze der Mitternacht von sich selbst in die Hände gespielet würden. Niemand könte sich einen grossen Herrscher rühmen / der nicht Meister zur See wäre; und welch Reich nicht den güldenen Wieder / nemlich Kauffmannschafft besässe /wäre nicht für reich zu achten. Vannius sahe es zwar dem Könige Marbod an Augen an / daß Alarichs Zunge nach seinem Hertzen redete; gleichwohl aber hielt er es seinem erworbenen Ruhme unverträglich zu seyn / daß er dazu stille schweigen solte. Diesemnach versetzte er mit entrüstetẽ Geberdẽ und feurigẽ Augen: Es wäre wol wahr / daß kühne Rathschläge wie das Unkraut offt eine schönere Farbe hätten / aber die für Furcht geschmähte Vorsichtigkeit diente zu mehr Ruhe und Sicherheit. Jene hätte nach Art wilder Thiere mehr Muth / diese mehr Vernunft / stünde also dem Menschen besser an; sintemal man offt die Heftigkeit der Regungen nach Gelegenheit der Zeit und Veränderung der Umbstände beugen / ja offt mitten in dem hitzigsten Lauffe einer Verrichtung die Deichsel wenden müste. Dahingegen jene lieber den Kopf zerschellten / als selben bückten; an statt die Mauren des Feindes heimlich zu untergraben / lieber die höchsten Thürme übersteigen / bey neuen Zufällen keinen neuen Rath fassen / sondern wider die Unmögligkeit selbst mit dem Kopfe durchdringen wolten / gleich als wenn das Verhängnüs Zeit / Menschen und Geschäffte unter ihre Füsse geworffen hätte. Keine Furcht hätte sein Lebtage ihr eines Haares breit Raum in seinem Hertzen gemacht; aber seine Treue erforderte es: daß er mehr zu des Königes Besten redete / als sich mit verwegenen Rathschlägen sehen liesse. Seine Dienste möchten gegen die reden / welche mehr mit der Zunge / als dem Degen auszurichten getrauten. Marbod brach ein / und wolte weder den Vannius /dem er so hoch verbunden war / für den Kopf stossen / noch auf den Alarich / weil er sein [825] Wort redete / mit dem Vannius zerfallen lassen; sagte also: Beyder Rath wäre wohl gemeynet / und mit wichtigen Gründen unterstützt; aber dem Vannius wären gewisse Geheimnüsse verborgen / welche ietzt noch nicht zu sagen wären / wenn sie aber würden an Tag kommen /würde auch er gestehen: daß Marbod Ursache habe den Krieg wider die Gothonen anzufangen / Vannius aber den wider die Quaden nicht zu unterlassen. Also ward wider des gantzen Kriegs-Raths Meynung der Krieg beschlossen / dahero keiner war / der nicht über Marbods berührtem Geheimnüsse seine besondere Gedancken hatte; Vannius sonderlich / dem er noch nie ein Geheimnüß verschwiegen hatte. Alarich alleine hatte durch den Leuterthal etwas von Marbods Liebe erschnoben / und sich gegen dem Vannius /welchen er auf Marbods Befehl zu versöhnen getrachtet / diese Worte schüssen lassen: Wenn Vannius so viel als er gewüst hätte / würde er im Rathe wie Alarich geredet haben. Dieses erfuhr Marbod / und ward hierüber derogestalt entrüstet / daß er ihn für sich fordern / ihm die Zunge lähmen ließ / daß er gar nicht mehr reden konte / und ihm sagte: Wer nicht schweigen könte / wäre nicht würdig eine Zunge zu haben. Also ist es gefährlicher eines Fürsten Heimligkeit wissen / als ihn ihm sehr verbunden haben. Sintemal Fürsten zuweilen gezwungen werden / die aus dem Wege zu räumen / welche gleich nichts verrathen haben / aber nur was geheimes entdecken können. Daher des Königs Lysimachus Schoß-Kind ihm sehr klug zur Gnade ausbat / er möchte ihm doch keine Heimligkeit vertrauen. Inzwischen hatte Gottwald die Anwesenheit Marmelinens zu Carrodun erfahren / und den Ritter Gabelentz an Marbod abgeschickt ihren betrüglichen Anschlägen zu begegnen; er ward aber mit der Verhör so lange aufgezogen / biß der Krieg wider Gottwalden erkläret ward; und man ihm nicht nur sagte: daß sein Anbringen zu spat käme / und der König sein Lebtage keinen Schluß widerruffen hätte /sondern ihm auch andeutete / daß er in dreyen Tagen sich aus Carrodun begeben solte. Des Hertzogs Bolcko und Reinhards Gesandten thaten zwar ihr euserstes für den Gottwald dieses Ungewitter abzuwenden /konten aber zu Vermeidung des Krieges nichts anders erhalten / als daß Gottwald selbst nach Carrodun kommen / Marmelinens Klage beantworten / und sich Marbods Urtheil unterwerffen solte. Gottwald / als er diß vernahm / sagte: Er wolte lieber Land und Leben verlieren / ehe er sich dem Gothonischen Hause zu Spotte Marbods Urthel unterwerffen wolte / wenn er auch schon bey ihm Gerechtigkeit zu finden trauen könte. Beyde Theile rüsteten sich hiermit eivrig zum Kriege. Marbod gab dem Vannius nur funfzehn tausend von seinem Kriegsheere; noch so viel aber muste er aus der Bojen Lande an sich ziehen. An der Gräntze der Burier und Marsinger ließ er zehn tausend Marckmänner / welche / wenn sich am Rücken iemand rühren wolte / auf alle ein wachsames Auge zu haben unter dem Grafen Erpach befehlicht waren. Hingegen laß er aus den Lygiern / Ariern / Naharvalen sechs tausend Kriegs- und meist Edelleute aus /welche er unter die Marckmänner untersteckte. Ehe er nun fortrückte / sendete er den Ritter Würben an der Peuciner / den Ritter Dietrichstein an der Veneder oder Wenden König mit kostbaren Geschencken / und der Versicherung: daß sein der verjagten Fürstin Marmeline zu Eroberung ihres väterlichen Erbes abgetretenes Kriegs-Volck für ihn keinen Fuß breit Erde einnehmen / denen Nachbarn in seinem Zuge kein Huhn versehren / und schlechterdings alles von [826] Marmelinens Befehle hängen solte. Marmeline ließ auf Marbods Anstifften auch den Wenden versprechen / daß /wenn sie ihr kräfftig beystehen wolten / sie ihnen alles / was auf der rechten Seite des Flusses Alla-Täge /von der Estier Gebiete abtreten wolle. Marbod sätzte hiermit funfzehn tausend Fuß-Knechte auf Schiffe und Flößen / und ließ sie die Weichsel hinunter schwimmen / verbot auch bey Lebens-Straffe / daß weil dieser Fluß die Gräntze mit den Sarmaten hielt / kein Mensch auf der rechten Seiten anlenden / weniger einen Fuß auf die Erde setzen solte. Er aber schickte Marmelinen mit fünf tausend Reitern unter dem Asciburgischen Gebürge gerade der Weichsel zu / wo der die Estier und Wenden unterscheidende Bugstrom in die Weichsel fällt. Er aber folgte mit zwey tausend Reitern und zehn tausend Fuß-Knechten nach; und befahl seinem Stadthalter bey den Semnonern / daß er zehn tausend Marckmänner und Semnoner zusammen ziehen / und an der Warte gegen die Gothonen bis auf ferneren Befehl stehen lassen solte. Wie nun Marbods Völcker an die bestimmten Orte ankamen / ließ er alles vom Wasser aussteigen / stellte sein gantzes Krieges-Heer zwischen der Weichsel und dem Bug in Schlacht-Ordnung / und nach dem die Fürstin Marmeline auf Amazonisch und Königlich ausgerüstet / und mit hundert eben so ausgeputzten Marckmännischen Jungfrauen erschien / erklärte der König Marbod sie anfangs mündlich für das Haupt dieses gantzen Krieges-Heeres; alle Obersten musten ihr Treue und Gehorsam angeloben / hernach ließ er es durch viel Herolden mit Trompeten-Schall allenthalben ankündigen und ausblasen; und Marmeline kündigte durch einen Herold den Gothonen und Estiern als ihren meineydigen Unterthanen / da sie in drey Tagen nach dessen Wissenschafft nicht mit Niederlegung der Waffen sich für ihr demüthigten / den Krieg an. Denn den Fürsten Gottwald wolte sie als einen Verfälscher und Betrüger nicht einmahl eines Herolds würdigen. Dieser / weil er nicht wuste / wo Marbod einbrechen würde / hatte die mit ihm verbundenen Sidiner und Cariner zu Besätzung der Warte bestellet / und unter dem Bug eine Schiffbrücke über die Weichsel geschlagen; damit er sich / wohin ihn die Noth erforderte / wenden könte. Nichts weniger hatte er allenthalben die Wälder verhauen / umb allen Einbruch ins Land zu verhüten oder schwer zu machen. Marbod sätzte unter dem Grafen von Witgenstein ein Theil seines Heeres über die Weichsel und den Bug / und er selbst stellte sich /als wenn er zwischen der Weichsel und dem Viper-Flusse durchdringen wolte; sein Absehen aber war den Feind von der Schiffbrücke wegzulocken / und sich nach und nach des Flusses Meister zu machen. Aber Gottwald war ihm zu klug; und ob wol der König durch die verhauenen Wälder mit Gewalt / jedoch ziemlichem Verluste bey den Gothonen / Witgenstein durch Anzündung des Waldes bey den Estiern einbrach / ließ sich doch Gottwald aus seinem Vortheil nicht locken / sondern gieng auf beyden Seiten der Weichsel dem Marbod an der Seite nach; und mühete sich ihm am Rücken die Lebens-Mittel abzuschneiden; befahl auch / daß in den Gegenden / wo der Feind sich näherte / alles / insonderheit das Getreyde / welches bey den Estiern und Gothonen häuffiger als sonst in Deutschland wächset / verbrennet ward. Ob nun zwar dem Marbod hierdurch sein Absehen gantz und gar verrückt / und er stutzig ward: Ob er tieffer ins Land gehen solte / zumal da Gottwald so meisterlich als jemals Fabius zu verhüten wuste / daß er mit seinem Feinde nicht schlagen dorffte / ihm aber gleichwol stets auf dem Halse war / und ihn was wichtiges vorzunehmen hinderte. Nachdem aber in Kriegen einiger Schade dem Pöfel weher thut / als ihn der daraus erwachsende gemeine Nutz [827] vergnüget /wusten die / welche es ins geheim mit Marmelinen hielten / dem murrenden Volcke durch eine künstliche Arglist die Fehler des Krieges vorzumahlen / und zwar euserlich ihren beyden Feldhauptleuten Poppo von Orselen und Kinproden Mängel auszustellen /daß sie den anziehenden Feind in ihrem Lande erwartet hätten / nicht ihm selbst in seinem eigenen zuvor kommen wären / ja ihn in dem Eingeweide des Reiches nach Belieben rasen ließen / sonder daß sie das Hertz hätten ihm mit dem zum Schlagen behertzten Kriegs-Heere die Stirne zu bieten. Durch solche furchtsame Langsamkeit würden die Tapffersten zaghafft gemacht. Sintemal die Furcht mehr daraus entspringe / daß man ihm selbst zu wenig als dem Feinde zu viel zutraute. Wer im Kriege das seine nur beschirmte / dem Feinde nicht selbst in seinem Lande auf den Hals gienge / gestünde selbst seine Schwachheit / und gäbe ihm halb verlohren. Die Gothonen und Estier hätten noch niemals umb was eigenes / sondern stets umb frembdes Gut Krieg geführt; nun aber liessen sie durch Brand und Mord das ihrige ohne eine Hand zu rühren verterben. Marmeline alleine schiene die Tapferkeit ihrer Vor-Eltern behalten / und von Männern solche auf ihr Geschlechte versätzt zu haben / welche unter der Schwerde der Waffen nicht müde würde / sondern täglich an der Spitze ihres Heeres sich sehen ließe / und gerne mit ihrem Feinde schlüge / wenn sie nur einen könte zu Gesichte bekommen. Hierdurch machte sie sich der verlangten Herrschafft würdig; wenn sie gleich sonst kein Recht darzu hätte. Hierdurch aber tasteten sie nicht nur unvermerckt den Fürsten Gottwald selbst an; Sintemal Diener auf solche Art nicht sündigen können; daß nicht entweder der Fürst Schuld des Unverstandes oder der Unachtsamkeit dabey habe; sondern sie reitzten auch das Völck zum Abfalle. Massen denn in weniger Zeit der schlaue Leuterthal durch seinen Anhang über drey tausend Gothonen und Estier auf Marmelinens Seite lockte; welche dem Marbod von aller Verfassung des Landes Kundschafft brachten. Hingegen weil das Geschrey im Kriege offt mehr als viel tausend geharnschte Leute thun / ließen Marmeline und Marbod ihre Siege und erlangten Vortheil allenthalben zehnmal grösser machen als sie an sich selbst waren /brachten auch darmit bey den Wenden zuwege / daß sie nicht allein die Schwerdter der Scyren / welche dem Hertzoge Gottwald zu Hülffe zu ziehen schon fertig gestanden / in der Scheide behielten / sondern sie fielen auch mit 12000. Reitern den Estiern ein /und sätztẽ durch ihre Grausamkeit alles in Flucht und Schrecken. Dieses nöthigte den Fürsten Gottwald seine Rathschläge zu ändern; ließ also nur drey tausend Estier in einem vortheilhafftigen Orte gegen den Grafen von Witgenstein stehen; alles übrige Volck zohe er des Nachts in möglichster Stille über die Weichsel an sich / und machte Anstalt folgende Nacht bey aufgehendem Monden den König Marbod mit allen Kräfften anzugreiffen. Alleine dieser Anschlag ward durch Wernern einen im Kriegs-Rathe sitzenden Obersten / welcher mit dem Leuterthal heimliches Verständnüs hatte / zeitlich verrathen / daher Marbod / welcher etliche Tage vorher das gröste Theil seiner Reiterey mit einem Ausschusse des besten Fuß-Volckes gegen die Carnier und Sidiner geschickt hatte /umb selbte von der Warte abzuziehen / daß die Semnoner desto leichter über den Fluß kommen könten; hierüber nicht wenig verwirret ward. Deñ ob er zwar sein Läger an einem vortheilhafftigen Orte hatte / oder auch selbtes fortrücken konte / traute er doch dem streitbaren Gottwald mit seiner verminderten Macht nicht gewachsen zu seyn / und durch das letztere Mittel wolte er keinen Schein der Flucht von sich geben. Diesemnach er denn sein Volck augenblicks zurück beruffen / alles auch bereiten ließ die Gothonen tapfer und vortheilhafftig zu [828] empfangen. Gleichwol aber schrieb er durch Leuterthalen an den Verräther / und versprach selbtem goldene Berge / da er durch ein Mittel Gottwalds Vorschlag nur auf ein paar Tage hinterziehen könte. Werner saan der Sache nach / und weil die Boßheit ins gemein tiefsinnig ist / machte er sich an Monheimen den fürnehmsten Priester der Estier im Lager / und gab selbtem mit vielen Thränen des Hertzogs Anschlag zu vernehmen / welcher der Gothonen Untergang Zweifelsfrey befördern würde / weil er gleich den ein und zwantzigsten Heumonats-Tag träffe / welchen die Gothen und Cimbern jederzeit für einen der unglückseeligsten gehalten hätten. Hingegen / wenn er nur zwey Tage verschoben bliebe / fiele der glückseelige und ihrem Siege so viel heller leuchtende Monde ein. Alle verständige Kriegs-Häupter wären destwegen nicht weniger furchtsam als bekümmert; jedoch traute sich keiner es dem Fürsten zu sagen /weniger den Anschlag zu widerrathen. Der Priester /welcher selbst auf die Wahl der Tage viel hielt / nam Werners Thränen für unfehlbare Zeichen seiner Treue an / und vertröstete ihn hierwider Rath zu schaffen. Denn dieser nam alsbald darauf ein Absehen / daß die Estier / so offt sie zu Feld zohen / oder eine Schlacht lieferten / einem Priester eines wilden Schweines Bild / fürtragen ließen. Dieses war aus Agstein so groß als ein ziemlicher Kirbs und an der Estier Ufer aus dem Meere gefischet worden / daher es die Estier nicht nur für ein Geschencke Gottes / sondern wie die Römer den aus Phrygien gebrachten Stein für ein Schutz-Bild ihres Reiches und für das Wahrzeichen ihres Gottesdienstes hielten. Diesemnach die Nachbarn glauben /daß sie durch diesen Schweins-Kopff entweder die Mutter der Götter / wie die Egyptier durch den Hunds-Kopff den Anubis abbilden. Andere sind beredet / daß sie unter diesem Bilde den Kriegs-Gott /welchen durch ein wild Schwein der Adon tödten lassen / verehren; weil in der ersten Welt die Menschen nicht selbst / sondern durch wilde Thiere / und sonderlich wilde Schweine / welche wie die Elefanten von der Natur mit vorragenden Zähnen ausgerüstet sind / und sie es offt mit Löwen und Tiegern annehmen / mit einander Krieg geführt haben. Dahero auch Helden ihre Helme mit ihren Zähnen ausrüsteten / und sie wie Tydeus in ihre Schilde mahlen ließen / viel bildeten ihnen ein / sie dienten unter dieser Gestalt dem Hercules / weil er das Erymantische wilde Schwein gefangen / und auf seinen Achseln lebendig nach Athen gebracht hat. Nicht wenig hielten dieses Agsteinene Schwein für ein Bild der Sonne / weil der Agstein aus den Thränen der Sonnen Töchter sollen entsprossen / die wilden Schweins-Zähne aber / wenn sie sie wetzen / so feurig seyn sollen / daß die daran gehaltene Haare davon sich versängen / und zusammen lauffen. Ins gemein aber hält man es für ein Bild des Monden / welcher auf Erden den Nahmen Dianens und das Ampt einer Jägerin hat. Alle Estier aber sind beredet: daß sie es für ein mächtiges Schutz-Bild wider die Feinde fürtragen ließen / destwegẽ beruffte Hertzog Gottwald auch die Priester zu dieser Verrichtung. Unter diesen gab Monheim dem Fürsten zu verstehen: daß sie diesen Tag das göttliche Bild nicht von der Stelle rücken dörfften. Warumb? fragte Gottwald; welchem Monheim antwortete: weil es einer der unglücklichsten Tage im Jahre wäre. Gottwald gab ein Lachen darein / und sagte: Es wäre entweder eine grosse Einfalt / oder ein nicht kleiner Aberglaube Glück und Unglück an gewisse Tage binden. Die Tugend wäre Meister der Zeit und Mutter unsers Glückes. Der Priester versätzte: Ob er in der Welt der einige wäre / welcher dem Glücke keinen Tisch sätzte /und ihm darauf keinen Weyrauch anzündete? Gottwald begegnete ihm: die Unwissenheit der Dinge und ihrer Ursachen [829] hätte den Nahmen des Glückes eingeführt / und die Thoren hätten es ihnen gar zum Gotte gemacht. Der Priester fiel ein: das Glücke wäre zwar kein Gott / aber wie die Natur die allgemeine / also jenes die besondere Ordnung Gottes. Die Natur hätte ihre gewisse und beständige Richtschnur / daher könten ihre Würckungen von Weisen; des Glückes Schickungen aber / welche niemals auf geraden Wege fortrücken / von niemanden vorgesehen / sondern nur aus dem Schatten der Erfahrung gemuthmaßet werden. Weil aber hieran so viel gelegen wäre / würde man kein so unachtsames Volck zu nennen wissen / welches nicht zu Unterscheidung der glück- und unglücklichen Tage ihre Begäbnüsse genau angemerckt hätte. Die Egyptier hätten in jedem Monate zwey Tage / und sonderlich die / an welchen Typhon gebohren und Osiris zerfleischet worden / die Juden nur den siebenden Heu- und den achten Herbst-Monats-Tag / die Römer den andern / sechsten und vierzehenden Tag eines jeden Monats / das Feyer der verstorbenen Geister / insonderheit den Tag / da des erschlagenen Remus Geist versöhnet wird / und an welchem Romulus verschwunden / wie auch da Hannibal die Römer bey Canna geschlagen; die Chalcedonier den ein und zwantzigsten Tag jeden Monats / weil an diesem des Darius Land-Vogt ihre Söhne ausgeschnitten und in Persien geschickt / die Persen zwey Tage / da sie von Griechen bey Platea und Mycale / vom grossen Alexander beym Fluße Granicus geschlagen worden; die Griechen den fünf und zwantzigsten Heu-Monats-Tag / und das Feyer des Adon / die Carthaginenser den ein und zwantzigsten Tag ihres Monats Metagitinon als schwartz gezeichnet / an welchem sie zu heyrathen oder den Feind anzugreiffen für höchstschädlich hielten. Nichts weniger hätten die Gallier / Cimbern und Gothen drey und dreißig Tage des Jahres / als an welchen alles krebsgängig würde oder übel ausschlüge /angemerckt. Hingegen hättẽ die Syracusaner auf den vier uñ zwantzigsten Mey / an dem sie die Athenienser aufs Haupt erlegt / die Sicilier auf den siegreichẽ Geburts-Tag ihres Timoleon / Käyser Julius auf seinen eigenen / Xerxes auf den / an welchem er König worden / die Parther auf ihren ersten Freyheits-Tag /da Arsaces den Selevcus überwunden / Cyrus auf den / an welchem er die Scythen und Sacken geschlagen /die Athenienser auf den vierdten Tag des der Sonne gewiedmeten Monats / da sie bey Leuctra und Gerest so glücklich gefochten / und auf den / da sie den Artabazes / und die Persen aus Griechenland gejagt / so grosse Thürme gebauet / gleich als wenn das Verhängnüß sich an selbte durch einen unzerreißlichen Glücks-Fadem verknüpfft hätte. Hertzog Gottwald begegnete ihm: Ein und ander auf einerley Zeit ungefehr eintreffender Zufall hätte diesen Irrthum gebohren / und die Arglist Verzagten oder Hertzhafften ihre Furcht oder Hertzhafftigkeit zu benehmen sie auf die Beine bracht. Daher niemand kluges wider die Vernunfft sich daran nicht binden / die Zeit versäumen und die Gelegenheit aus den Händen gehen lassen solte. Der Priester fiel ein: die Erfahrung / daß einerley Tag allemal glück- oder unglücklich gewest wäre /wäre unlaugbar / und daher könte dis / was tausend mal geschehen / für nichts zufälliges gehalten werden. Die Zeit und das Rad des Glückes hätte vermuthlich eben so wol ihren gewissen Lauff als die Gestirne; nur daß die Menschen noch nicht so eigentlich jenes als dieser Geheimnüsse ergründet hätten. Wie lange wäre es / da man eben so wenig die Sonn- und Monden-Finsternüsse als jetzt den Ausschlag der Kriege vorher zu sehẽ gewüst hätte: Alleine / wie man schon aus den Gestirnen und gewissen Zeiten viel Zufälle muthmaßen könte / also würde vielleicht Nachdencken und Erfahrung hierinnen der Welt mehr Licht aufstecken; Gottwald [830] sätzte ihm entgegen: Wann die widrigen Beyspiele / da einerley Tage Glück und Unglücke ausgebrütet hätten / gegen die mit einander übereintreffenden gezählet werden solten / dieser nicht einer gegen jener hundert kommen; diesemnach hätten kluge und tapffere Leute zwar die Witterung dieser oder jener Jahres-Zeit nach ihren gewöhnlichen Eigenschafften / wie die Ackers-Leute heimliche Tage zur Einerndtung / und die Schiffer die Sommers-Zeit zur Absegelung zu gebrauchen gewüst; außer dem aber die Wahl der Tage als eine schädliche Eitelkeit glücklich verlachet. Also hätte Käyser Julius zur Zeit / da ihm jedermann den Schiffbruch wahrsagte / sein Volck glücklich in Africa übergesätzt; Lucullus an dem Tage / da vorhin die Römer von Cimbern eine schändliche Niederlage gelitten / den Tigranes und die Armenier aufs Haupt geschlagen; Crassus wäre an dem glücklichen Siegs-Tage des Ventidius von eben den Parthen schimpflich in die Flucht gebracht / Pompejus an dem Tage / da er die See-Räuber und Mithridaten überwunden / in Egypten ermordet worden. An des Romulus Geburts- und Sterbe-Tage wäre eine Sonnen-Finsternüs gewest. Plato und Attalus wären an ihrem Geburts-Tage gestorben. Odion hätte bey einem Monden-Finsternüsse / Pelopiclas den Alexander Phereus / und Alexander den Darius überwunden; und alle diese hätten die Wahrsagungen des Unglücks verlachet. Und wie könte es im Kriege anders seyn; als daß des einen Unstern des andern Glücksstern seyn würde / das eines Verlust den andern mit Sieg und Beute bereicherte? hingegen wäre es mehr denn allzu gewiß; daß die Zeit so geschwinde als die Sonne fortlieffe / aber niemals wie diese wieder käme; daher müste ein Kriegsmann so wol als ein Weiser keinen Augenblick versäumen; denn an so wenigem hienge offt so wol jenem der Sieg / als diesem die Ewigkeit. Dessen allen ungeachtet / blieben die Priester / entweder weil sie selbst allzu sehr beredet waren / daß das Glück und Unglück den Hang von der Zeit / nicht von eigenem Witz und Geschickligkeit den Hang hätte /oder weil sie für nicht irrende gehalten werden wolten / auf ihrer Meinung / berufften sich auf die unstreitige Gewißheit / daß bey Aufgehung gewisser Sterne Ungewitter entstünden / und auf die unwiderlegliche Erfahrung der Schiffleute; daß es am sechsten / zwölfften / funffzehenden / siebzehn neunzehend- und zwantzigsten Tage des Hornungs / am fünfften / sechsten / zwölfft- und zwantzigsten April / am ersten /siebenden / vierzehnden / siebzehn / neunzehn- und fünf und zwantzigsten Mertz jedesmahls gefährlich schiffen wäre. Die widrigen Beyspiele benähmen ihrer wahrhafften Meinung nichts. Denn weil jeder Mensch und jedes Volck einen ihm vom Verhängnüsse zugeeigneten Schutz-Geist / die Gestirne auch nach dem Unterschiede der Oerter widrige Würckungen / ja die Oerter selbst ihre gewisse Glück- und Unglückseeligkeit an sich kleben hätten; wäre kein Wunder / daß der / welcher für einem Jahre an diesem Tage gesiegt hätte / heute an einem andern Orte und gegen einen andern / dessen Glücks-Tag es vielleicht träffe / verspielte. Das Geburts- und Sterbe-Licht könten gar wol einen Tag treffen / weil dieses einen Menschen glücklicher als jenes machte. Sie begehrten zwar ihrem Fürsten in seiner Herrschafft und Krieges-Anstalt nicht einzugreiffen / weniger Mängel auszustellen; aber ihnen wäre unverantwortlich ihr göttliches Bild an einem mit Kohlen gezeichneten Tage dem Heere fürzutragen / und dessen Ansehen gleichsam muthwillig in die Schantze zu sätzen. Also hätten die klugen Athenienser an dem Plynterischen Feyer das Bild der Götter Ceres nicht sehen lassen / sondern mit allem Fleisse versteckt / und mit ihrem heiligen Geräthe verwickelt. Hertzog Gottwald fiel ein: die glücklichen Römer aber hielten den Tag / da [831] sie den Kriegs-Gott in seinem Tempel durch Bewegung ihrer Amylien erweckten / für unglücklich / so daß sie an selbigem nicht reiseten / nicht heyratheten / keine Bündnüsse schlossen. Monheim fiel dem Hertzoge Gottwald zu Fusse / und bat ihn: er möchte doch der Priester heilsamen Rathe / welche umb nichts anders als des Volckes Heil und des Fürsten Ehre bekümmert wären / statt geben. Es wäre eine der grösten Klugheiten seine Meinung nach Beschaffenheit der Dinge ändern / nicht aber durch blinde Hartnäckigkeit sich selbst zum Märterer seiner Meinung machen / und lieber mit Schaden einen angefangenen Irrweg verfolgen / als unvorsichtig was angefangen zu haben beschuldigt seyn wollen. Und wenn er nicht dieses Tages Unglück besorgte / doch seine Tapfferkeit desto heilsamer auszuüben nur zwey Tage / da mit dem Vollmonde sein Glück sich vergrößerte / verschieben. Sie zweiffelten an seiner Klugheit und Tapfferkeit nicht /aber hätten doch die streitbarsten unter den Griechen nemlich die Spartaner von ihrem Lycurgus ein Gesätze gehabt und als heilig beobachtet: daß sie für dem Vollmonden ihr Heer nicht ausgeführet hätten. Wenn aber frembde Beyspiele ihm nicht anstünden / möchte er alleine behertzigen: daß des mächtigen Königes Ariovist vom Käyser Julius erlittene Niederlage aus nichts anderm herrührte; denn daß er für dem Neumonden wider seiner Priester Warnigung dem Feinde die verlangte Schlacht geliefert hätte. Ob nun zwar Hertzog Gottwald wol besorgte / daß die Gelegenheit seines Anschlages ihm aus den Händen gehen / oder dieser gar verrathen werden würde; so muste er doch besorgen / daß / wenn kein Priester seiner Völcker Gewohnheit nach das Kriegs-Volck zur Tapferkeit anreitzte / noch das so grossen Glauben habende Bild vortrüge / solchen zugleich Muth und Hertz entfallen /also der geringste Zufall das gantze Spiel verterben würde / und daher mit dem höchsten Unwillen seinen Anschlag zurück sätzen. Inzwischen hatte Marbod das Glücke nicht allein sein gegen der Warte geschicktes Kriegs-Volck zurück zu bekommen / sondern auch die Semnoner / welche bey den zertheilten Carinern durchgebrochen waren / an sich zu ziehen /ohne daß Gottwald hiervon einigen Wind / Marbod aber vom Werner Nachricht kriegte; daß er auf den Vollmonden vom Gottwald überfallen werden würde. Diesemnach er auf bestimmte Zeit alle seine Kriegs-Künste nicht allem zu einer vortheilhaften Gegenwehr / sondern auch seinen Feind mit seinem eigenen Fallbrete zu stürtzen hervorsuchte. Er zohe alle euserste Wachen umb sein Läger ein / und die letzte befehlichte er beym ersten Angrieffe zu fliehen; hingegen versteckte er auf beyden Seiten zehn tausend Marckmänner und Semnoner mit der weissen Reiterey unter dem Ritter Zierotin und Dietrichstein in die Wälder / und sechs tausend andere ließ er unter dem Ritter Hoditz und Weltz durch einen Umbweg sich dem Gothonischen Läger nähern. Er und Marmeline sparten sich mit der übrigen Macht das Hauptwerck auszuführen. Gottwald hatte zu seinem Vorhaben alle kluge Anstalt gemacht / und Feuchtwangen führte mit sechs tausend Gothonen den Vortrab / Hertzog Gottwald folgte mit zehn tausend Gothonen und Estiern /und Radzivil war mit vier tausenden zum Hinterhalte bestellt. Der Vortrab rückte ohne einige Hindernüs bis ans Läger unverhindert fort / also daß Hertzog Gottwald / welchem Marbods Wachsamkeit bekand war / alsbald eine Kriegs-List besorgte / als er die vorhin verhauenen Wege offen und unbewacht fand. Westwegen er augenblicks dem Feuchtwangen einen Stillestand gebieten ließ; welcher gleich auf die letzte Wache für dem Läger traf und selbte ohne Müh über Hals und Kopff zurücke trieb. Im Lager rührte sich noch kein Mensch / weniger wehrete jemand / daß die Gothonen mit bey sich habenden [832] Reisig-Gebünden den Graben füllten / und die Zug-Brücke abließen. Ja der erste Lermen im Lager entstand allererst / als mit einem kleinen Sturmbocke das Thor aufzusprengen angefangen ward. Feuchtwangen kriegte vom Gottwald gleich den Befehl sich nicht zu übereilen / als das Thor aufsprang; daher er dem Hertzoge zu entbieten ließ / das Lager wäre schon gewonnen / also könte er ohne ärgste Schande sich aus einem Sieger zu keinem Flüchtlinge machen. Inzwischen hatte Hertzog Gottwald noch mehr Ursachen seines Argwohns ausgespürt / daher noch ein Befehl auf dem Fusse folgte /Feuchtwangen solte sich unverrückten Fusses zurück ziehen. Aber diesem verstopffte die Ehrsucht seine Ohren / gleich als wenn ihn seines Fürsten Befehl nicht angienge. Er antwortete daher: Es stünde nun wol das Lager in seiner Gewalt / aber nicht sein hitziges Volck zurücke zu ziehen / welches vom Verhängnüsse durch Verwölckung des Monden gleichsam mit den Händen zu Uberwindung des Feindes geleitet würde. Ihm stimmten auch die meisten des Adels bey / entweder weil jedermann im Fechten lieber kühn als bedachtsam gescholten seyn wil / oder weil aller hohen Häupter Irrthum mit Ansehen und einem Befehle ihm beyzupflichten gewaffnet ist; also auch unvernünfftige Würde allezeit ihre Nachtreter behält. Mit dieser Einbildung drang er unbedachtsam zur Pforte und über den Wall in das gantz finstere Läger; in welchem er aber auf einmal etliche hundert Kienfeuer anzünden sahe / welche ihm die Augen öffneten / daß der Feind für ihm in voller Schlacht-Ordnung stand / und ihn mit Pfeilen und Wurff-Spießen gleichsam überschneyete. Feuchtwangen verlohr mit überkommenem Gesichte das Hertze / daher er sich gerne gewendet hätte / aber die Enge des Ortes / weil auf der einen Seite ein Sumpff / auf der andern alles verhauen war / und der aus zweyen Pforten ausfallende und ihm auf den Hals gehende Feind nöthigte ihn Stand zu halten. Wie nun die gröste Furcht eine Hebamme der Tapferkeit ist / also muste Feuchtwangen /der ohne dis den Hals mit seinem Ungehorsame verwürckt hatte / aus der Noth eine Tugend machen /und sich auf dreyen Orten zur Gegenwehre stellen /wiewol er sich im Gedränge kaum rühren konte / die Marckmänner aber alles zu ihrem Vorthel hatten. Hertzog Gottwald schäumte zwar für Zorne über seines Feld-Obersten tollkühnen Blindheit / gleichwol aber konte er übers Hertze nicht bringen / noch traute er es ohne Verlust alles vorhin erworbenen Ruhmes seinen umbzüngelten Vordrab im Stiche zu lassen /sondern suchte durch ein Gepüsche weil hinter dem Vortrabe die versteckten Marckmänner noch die Brücken theils abwarffen / theils anzündeten / seinem Volcke Lufft zu machen. Er hatte sich aber mit grosser Müh kaum durchgearbeitet / als der sich aus dem Gewölcke hervor machende Monde ihm das Marckmännische Haupt-Fahn mit dem rothen Löwen / der Gothonen rothen Adler aber zum andern Kriegs-Zeichen / hiermit auch alsbald den König Marbod und Marmeline mit dem Kerne ihres Volckes ihm die Heer-Spitzen zeigen sahe. Hertzog Gottwald ward über diesem Anblicke so sehr erfreuet / gleich als ihm der Himmel darmit schon die Siegs-Palmen zureichte. Jedoch fiengen in seinem Hertzen Ehre und Rache den ersten Streit an; indem diese ihm seine Schwester /jene dem großmächtigen Marbod anzugreiffen riethen. Diese behielt gleichwol in seinem / wie in allen edlen Gemüthern die Oberhand / also daß er sich mit dem lincken Flügel an Marbod machte / mich aber befehlichte an Marmelinen und dem rechten Flügel sein Unrecht zu rächen; weil sein Geblüte gegen sie zu weich / oder seine Rachgier gegen sie zu strenge seyn[833] dörffte. Sintemahl es so schwer wäre nach rechtem Maaße zu lieben und zu hassen / als zu verwunden. Marbods und Marmelinens Seelen loderten hingegen theils von Liebe / theils von Ehrsucht / welche beyde die schärfsten Wetzsteine der Waffen sind. Die Marckmäñer und Gothoner schärften ihre Schwerdter auch an keinem geringern Stahle. Denn jene fochten umb die uns so sehr kitzelnde Herrschafft / diese umb die mehr als güldene Freyheit. Also geriethen beyde Heere mit höchster Verbitterung an einander / weil jedes glaubte / daß es an Hertzhafftigkeit dem andern überlegen wäre / und der nunmehr helleuchtende Monde eines jeden Helden-Thaten ein Licht anzündete. Beyde Kriegs-Häupter waren an ihren güldenen Waffen / und Marbod mit seinen über dem Helme stehenden und vergüldeten Püffel-Hörnern / Gottwald aber mit einem vergüldeten Elends-Geweyhe / welches gemeinen Thieres Hörner die Estier fast alle im Kriege zu führen pflegen / genungsam kenntlich. Ob sich nun zwar sonst kleine Fürsten so ungerne Grössern / als Häringe den Wallfischen nähern; verhält sichs doch im Kriege viel anders als im Gepränge /und Gottwald kam für Begierde mit dem Marbod selbst anzubinden fast außer sich. Weil nun dieser an jenen nicht weniger Lust hatte / und die zu ihrer Leibwache bestellten Grafen beyden durch das Gedränge Raum machten / kamen sie zeitlich an einander. Sintemahl bey den Deutschen die Kriegs-Häupter nicht wie die der Binen sich in die sichere Mitte ihres Heeres einsperren / sondern an die Spitze stellen / und der /welcher nicht mit dem Haupte seines Feindes gefochten / seinem Ampte keine Ausrichtung gethan hat. Beyde wiesen durch die Geschickligkeit ihres Kampffes / daß dis ihr lange getriebenes Handwerck wäre /und durch dessen Heftigkeit / daß mehr als Löwen-Hertzen in ihren Brüsten steckten. Lantzen und Wurf-Spieße waren ohne eines oder des andern Beschädigung verbraucht / also grieffen beyde zu ihren Schwerdtern; und wie verbittert sie gleich gegen einander waren / indem Marbod für Marmelinen und ihren herrlichen Brautschatz / Gottwald aber für seine Hertzogthümer als die eigentliche Braut eines Fürsten fochte; so vergieng sich doch keiner durch einige Ubereilung / also daß ihr Streit auch in einem Schauplatze einen Lust-Kampff hätte abgeben können / wie es hier zu einem Beyspiele anderer Kriegs-Leute sonderlich aber der umb sie her sich mit einander schlagenden Ritter diente. Ob nun zwar / als es in die Länge wehrete / der jüngere Gottwald an Geschwindigkeit dem Könige Marbod es vorzuthun schien / so fochte dieser doch mit einer solchen Behutsamkeit /daß es schien / er wüste alle künfftige Streiche des Gottwalds vorher / und sie hätten es mit einander abgeredet / wie sie einander angreiffen und begegnen wolten. Bey dieser Vorsicht aber nam keiner wahr /daß sich unzählbare Schlangen theils umb ihrer Pferde Beine schlingeten / theils auf der Erde wider ihre angewohnte Eintracht wider einander stritten / bis ihre Pferde durch ungewöhnliches Schäumen ihnen solches anzumercken Anlaß gaben. Gottwald / welchem die Menge der Schlangen in selbiger sümpfichten Gegend nicht unbekand war / ließ sich dis nichts irren /und da dis ja was bedeuten solte / legte er es wie Lucius Sylla / als er bey Nila wider die Samniter kriegte / für ein Zeichen des Sieges aus. Marbod hingegen /welcher sich erinnerte / daß der Schlangen Erscheinung dem Croesus / dem Cajus Hostilius Mancienus im Numantischen / dem Cajus Gracchus in Laconien /und dem Titus Gracchus zu Rom den Untergang gedräut hatten / ward hierüber so erschreckt / daß er seine Schantze versahe / und vom Gottwald in die rechte Achsel heftig verwundet ward; und weil er dardurch den Arm [834] zu brauchen unfähig ward / hätte ihm Gottwald das Licht auszuleschen das Glücke gehabt /wenn nicht der Ritter Schlawata darzwischen gesprengt / und durch seine Gegenwehr den König auf die Seite zu bringen Gelegenheit gemacht hätte; welcher nunmehr allererst dem Ritter Zierotin und Dietrichstein Befehl zubringen ließ / daß sie mit ihren versteckten Völckern die Gothonen am Rücken angreiffen solten. Inzwischen hatte der Ritter Schlieben das Glücke gehabt Marmelinen aus dem Sattel zu heben /und ich den ihr zur Seite verordneten Grafen von Meranien gefährlich zu verwunden / also daß er sich muste aus dem Treffen führen lassen / und bey nicht weniger Bestürtzung der Marckmäñer und Verlust der einen feindlichen Haupt-Fahne uns ein Blick des Sieges anlachte. Alleine die bey uns an zwey neuen Seiten einbrechenden Marckmänner und Semnoner machten uns anfangs an dem guten Anfange die für uns stehende Feinde in Unordnung zu bringen irre; hernach wendete sich das Blat gar / weil die Gothonen und Estier von Feinden nicht nur mehr als zwey oder dreyfach übermannet waren / sondern sie fürnemlich von Gegenwart der gleichsam aus den Wolcken gefallener Semnoner / und daß die Reiterey auf langen Spießen angezündete Pechpfannen führte / worvon der uns widrige Wind Gestanck und Rauch in die Augen führte / in einen sehr harten Stand versätzt wurden. Nichts desto weniger verlohr Gottwald nichts von seiner Klugheit weniger von seinem Muthe; sondern er theilte sein Volck vor und rückwerts in eine zweyfache Schlacht-Ordnung; also daß der selbst vor und hinterwerts uns andringende Feind den Gothonen und Estiern zu weichen verbot. Es ward mehr als menschlich / ja grimmiger als von wilden Thieren / ich wil von höllischen Geistern nicht sagen / gegen einander gewütet. Der sterbenden Feinde Mord-Geschrey war der andern Freuden-Gethöne; die Lebenden bildeten ihnen ein auf Leichen fester zu stehen als auf der bloßen Erde; und der fühlte keine Bitterkeit des Todes /der mit seinen Armen den Feind mit zu Bodem rieß. Gottwald war bald hinten bald vorwerts / und wo die gröste Noth uns anstieß / der erste. Seine von feindlichem Blute bespritzte Waffen hatten ihre erste Farbe /und er selbst drey Pferde unter dem Leibe verlohren /seine Degen wurden stumpff / daß er sie mit der Feinde verlohrnen Schwerdtern verwechseln muste. Gleichwol aber er weder müde noch kleinmüthig /weil sein Gemüthe keiner Furcht / wie das Oel keines Untersinckens fähig war. Sein Kriegs-Volck war dem Haupte nicht ungleich / und kein Edelmann thät in dieser grimmigen Schlacht seinen Fürsten einen Spott an / sondern alle wolten mit ihm sterben; weil mit ihm zu siegen wenig Hoffnung mehr dar war; sonderlich /als man gegen der Weichsel ein grosses Feuer aufgehen sah / und der geschwinde Ruff die Gothonen vergewisserte: daß Bercka mit sechs tausend auf Gothonisch gekleideten Marckmännern sich des Lagers und der Schiffbrücke bemeistert hätte. Vieler Tapfferkeit verwandelte sich nun in Verzweiffelung / wie der bisher helle Himmel in eine wölckichte Finsternüs / also daß Feind und Freund nicht mehr aus ihren Kriegszeichen / sondern nur aus dem Unterscheide des Wortes zu erkennen waren / auch wenn einer es nicht bald von sich gab / offtmals selbter von seines Freundes eigener Spitze fiel. Gottwald und seine Ritterschafft übte gleichwol unzählbare Wunderwercke der Tapferkeit aus / welche ich zwar nach Verdienst nicht rühmen kan / aber doch so wenig von ihrer Würde verlieren / als die verborgenen Edelgesteine in den uneröfneten Adern der Erde / die ungefischten Perlen im Bodeme des Meeres / und die unsichtbaren Sternen der Milchstrasse. [835] Wie kein Unglück ohne Gefärthen ko t / also verlautete nun auch / daß Feuchtwangen mit seinem Vortrabe zwar die Scharte ihrer Ubereilung mit mehr als menschlicher Gegenwehre auszuwetzen bemüht gewest / aber biß auf den letzten Mann in die Pfanne gehackt worden wäre. Dahero die Kriegs-Obersten und sonderlich ich dem bißher unbeweglichen Gottwald einredeten: Es wären nun nicht mehr umb die Ehre des Sieges / sondern umb das Heil der Fürsten / und umb Rettung seiner im brennenden Lager gelassenen Gemahlin zu thun; daher müste man sich / weil sich schon am Morgen der Tag etwas zeigte / der noch währenden Finsternüß durchzubrechen bedienen. Dieses letztere drang ihm endlich zu Hertzen / weil die Liebe doch König über alle Könige ist; daß er etlichen seiner Kriegs-Obersten die oberste Befehlhabung überließ / er aber mit seiner Leibwache anfangs mit Gewalt sich gegẽ dem Läger durchzuschlagen mühte / als aber diß unmöglich schien / und der Tag ihm auf den Hals kam / durch Gebrauch des feindlichen Wortes mit ungefehr hundert Rittern glücklich durchkam / aber weil für Hitze kein Mensch im brennenden Läger bleiben / weniger durch die lodernden Thore eindringen konte / ward er gantz verzweifelt / weil er seine Gemahlin darinnen den grausamen Tod Semelens erlitten zu haben besorgte. Er erblickte aber in einem etwas entfernten Gepüsche eine ziemliche Menge brennender Kühn-Fackeln / und in seinem Hertzen fühlte er einen gewaltigen Zug sich daselbst hinzuwenden. Er setzte daher mit seinem Gefolge Spornstreichs dahin / und vernahm bey seiner Näherung ein nicht kleiner Wehklagen von denen mit Gewalt auf Pferden gesetzten Frauen / als ein Schwirren der Waffen. Seine Ankunft zeigte ihm Augenblicks / daß es Gothonisches Frauenzimmer war /welche theils der Feind / theils der Brand aus dem Lager und dem Weltz in die Hände gejagt hatte. Gleichwohl aber mühete sich der Ritter Dohna und Schlieben / welche noch etwan fünf hundert Estier aus der Besatzung des durch Krieges-List eroberten Lägers zusammen gerafft hatte / ja das Frauenzimmer selbst mit ergrieffenen Waffen sich zu retten. Hertzog Gottwald ward hierdurch aufs eivrigste entzündet /daher er auch als ein Blitz die Feinde anfiel / und nicht ruhen konte / biß er nach Zerstreuung etlicher Hauffen seine Gemahlin an einem Baume angelehnet /und sich gegen zwey Marckmänner mit einer aufgelesenen Lantze beschützend antraff. Alleine Gottwalds Anblick und Schwerdt-Streich waren eines / damit er beyder Feinde Leben seiner rachgierigen Liebe aufopferte. Der Ritter Weltz und die / welche sich mit der gefährlichen Waare des Frauenzimmers betastet hatten / musten meist mit ihrer Beute das Leben lassen /und die übrigen die Flucht zu dem das Lager besetzt haltenden Hoditz nehmen. Hertzog Gottwald ward hierüber so sehr erfreuet / als wenn er mit der Schlacht nichts verlohren hätte. Und weil er vernahm / daß Radzivil mit seinem Hinterhalte dem Zierotin und Dietrichstein in die Eisen gegangen wäre / befahl er dem Ritter Truchses Arfberg / und Kniprode seine Gemahlin und das andere Frauenzimmer an dem nechsten besten Orte über die Weichsel und nach Godanium zu bringen. Er aber gieng mit den Seinigen den Fußstapfen Radzivils nach / welcher mit dem Grafen von Heldrungen / den Rittern Passenheim /Osternau / Schwenden / Erlichshausen und andern durch ihren unversehenen Einbruch und Tapferkeit die Semnoner zerstreuet / und denen noch übrigen Gothonen und Estiern ein Loch sich durchzuschlagen und sich mit ihm zu vereinbaren eröffnet hatte. Ich bekam hierüber so viel Wunden / daß ich mich mit Noth auf dem Pferde halten konte; als wir aber schon uns halb genesen schätzten / indem wir in dem gewonnenen Walde durch Umbhauung [836] der Bäume des Feindes Verfolgung hemmeten / kam uns ein neuer Feindes Schwarm / welcher Feuchtwangens Meister worden war / auff den Hals / also daß vom gantzen Heere kein Gebeine davon kommen wäre / wenn nicht Hertzog Gottwald uns gleichsam vom Himmel zu- und den Feinden auf den Hals gefallen wäre / dessen einige Gegenwart den Feinden schrecklicher als tausend andere waren. Wie glücklich er nun zwar allhier zu seyn schien / war es doch nicht Zeit mit denen gewaltsamen Wellen sich lange zu schlagen / oder mit eiteler Einbildung der Ehre zu überlasten / sondern nur nach Art der scheiternden Schiffer sein Leben zu retten. Daher befahl Gottwald dem Verhängnüsse zu weichẽ / und die Tugend besserm Glücke vorzubehalten; kamen also mehr nicht als drey tausend Gothoner und Estier über den nechsten in die Weichsel flüssenden Strom davon / biß zu welchem uns der Feind verfolgte; und ehe wir über die Weichsel setzten / fanden sich der Flüchtigen noch biß neun hundert zu uns. Alles andere Volck war erschlagen oder gefangen /alles Kriegs-Geräthe verlohren oder verbrennet / alle Kriegs-Fahnen biß auf die Haupt-Fahne der Estier /und das agsteinene Schwein / wormit Marmeline schon alles für gewonnen hielt / ward eingebüsset; ja wenn nicht die wenigen Estier / welche sich aus dem gewonnenen Lager flüchteten / unsere Schiff-Brücke hinter sich angezündet hätten / wäre es dem Marbod schlechte Kunst gewest / dem Hertzoge Gottwald den Weg vollends zu verbeugen / und die aus dem Schiffbruche entkommene Uberbleibung vollends zu ersäuffen. Gleichwohl hatten die Marckmänner keine Seide gesponnen / sondern Marbod selbst gestand zehn tausend Todte / und fast keinen Unverwundeten zu haben. Nichts desto weniger stellte er nach völlig erhaltenem Siege sein gantzes Heer in Schlachtordnung / die Gefangenen gegen über / rühmte die in der Mitte gegen ihm zu Pferde haltende Marmeline für eine der grösten Heldinnen in der Welt / welcher er grossentheils den so herrlichen Sieg zu dancken hätte. Er nennte sie die Semiramis der Nord-Welt / eine andere Penthasilea; erklärte sie für die Herrscherin der Gothonen und Estier / welche Länder ihr alleine durchs Recht des Geblütes und der Waffen zustünden. Und endlich für seine Gemahlin und Königin der Marckmänner. Worüber das gantze Heer mit einem dreyfachen Feld-Geschrey seine Freude / und mit Senckung der Waffen gegen Marmelinen seinen Glück-Wunsch und Ehrerbietung zu verstehen gab. Marbod vergaß hierbey nicht sich der im Kriege so nöthigen Geschwindigkeit und des alles vergrössernden Geschreyes zu bedienen / schickte also denen an der Lygischen und Marsingischen Gräntze hinterlassenen zehn tausend Marckmännern Befehl / daß sie am Oder-Strome herunter und denen Sidinern und Carinen auf den Hals gehen solten. Sintemal er wohl wußte / daß ein solch Sieg nicht nur eines andern Werckzeug / sondern auch der festeste Ancker des Gehorsams wäre /und weder die Lygier einen so mächtigen Uberwinder Aufstand zu machen / noch die Marsinger und Burier sich zu rühren das Hertz haben würden. Er selbst schlug allein an dem See / woraus der mit der Warte sich hernach vereinbarende Niperstrom entspringet /ein festes Läger / uñ besetzte es mit denen / welche wegen harter Verwundung nicht im Felde Dienste leisten konten / beschloß darein auch alle Gefangene /welche sich weigerten Marmelinen als ihrer einigen Gebieterin Treue und Gehorsam zu schweren. Seine übrige Macht aber setzte er theils auf seine eigene von Carrodun auf der Weichsel herunter gebrachte theils im Gothonischen Läger eroberte Schiffe / umb das Haupt beyder Länder nemlich Godanium im ersten Schrecken / und ehe Gottwald zur Gegenwehr Anstalt machen möchte / zu überrumpeln / als mit welchem alles diß was von selbtem hängt / für gewonnen geachtet wird. [837] Leuterthal / welcher durch entdeckte Heyrath des Königs Marbod mit Marmelinen seines Sohnes Hoffnung zu Wasser werden / seine Ehrsucht aber in Rauch verschwinden sah; kochte in seinem Hertzen gegen den König Marbod und Marmelinen zweymal so viel Gifft und Galle / als Mund und Augen vorhin Gewogenheit ausgelassen hattẽ. Denn er hatte noch nicht dran gedacht / daß Betrug gewisser eine Fall-als Glücksbrücke wäre. Und der Rauch der Hoffart wohl aufwerts stiege / aber im steigen verschwindete und zu nichts würde. Weil nun Leuterthal von denen ihm zugethanen Gothonen und Estiern meiste Reiterey unter sich hatte / welche auf der Seite den schiffenden Marbod begleitete / fehlte es ihm nicht an Gelegenheit die Gemüther von Marbod abwendig zu machen /welcher unter dem Scheine Marmelinẽ einzusetzen denen streitbarẽ Gothonen und Estiern das Joch der Dienstbarkeit an Hals zu werffẽ trachtete / welcher sich itzt zwar als Marmelinens Bräutigam anstellte /nach völligem Siege aber ihr ärgster Feind und Verfolger seyn würde. Bey so gestalten Sachen wäre es rathsamer einem einheimischen Edelmann / wie Gottwald wäre / als den Räuber der Welt Marbod zum Wütterich zu haben. Auf solche Art stolpern die Boßhaften über die Stroh-Halmen frembder Fehler wie die ohnmächtigsten Würmer / welche ihren Leib kaum fortschleppen / sprengen aber über die Pflöcke eigener Laster / wie die Gemsen über die Felsen. Nichts desto weniger aber fand Leuterthal entweder weil seine Beredsamkeit und der Schein guter Meynung so viel würckte / oder weil der Marckmänner Glücke sie schon gar zu hochmüthig / und denen Gothonen unerträglich gemacht hatte / so viel Glauben: daß zwey tausend auf Marmelinens Seite zeither gestandene Gothonen und Estier in einer Nacht den Marbod verliessen / und zum Hertzog Gottwald übergiengen / welcher wo die Weichsel sich in zwey Armen theilet /und dem Ostlichen den Nahmen Nagot zueignet / mit seinem übergebliebenen und etwas verstärcktem Volcke sich verschantzte. Leuterthal aber ward mit so gnädigen Augen nicht bewillko t / als seine Gefärthen / und als er ihm eingebildet hatte. Sintemal Hertzog Gottwald besser wußte / daß er Marmelinens Verführer und der Uhrheber alles Unheiles wäre / als Leuterthal daran gedachte / daß die Verrätherey sich durch Verrätherey so wenig rein wasche / als Kohlen einen Mohren weiß mache; sondern daß auch der /welchem die Verrätherey nutzet / dem Verräther Spinnenfeind seyn müste. Die / derer Gemüther von Rache aufwalleten / schalten ihn ins Antlitz einen Ertzt-Verräther / stifteten auch die Priester an dem Gottwald zu rathen: Er solte einen se bösen Menschen / welcher nicht nur zweyzüngicht wäre / sondern die Gothonische Herrschafft so schädlich zerspalten hätte / von zweyen gegen einander gebeugten und wieder loßschnellenden Bäumen zerreissen / oder zum wenigsten nach Deutschlands Gewohnheit am Ufer der Weichsel / umb Marmelinen ein annehmliches Schauspiel vorzustellen / an einen Baum aufhencken lassen. Ihr Anherr Brennus hätte bey Belägerung Ephesus einer gemeinen Dirne / welche umb etliche güldene Geschmeide ihm ihren Leib und die Stadt feil geboten /geschmoltzen Gold in Hals giessen lassen. Was für Pein und Tod würde nun für den genung seyn / den man zu einer Seule des Landes erhoben / er aber sich zum Verräther des Vaterlandes gemacht hätte? Was wäre für Gutes dem zuzutrauen / der aus Ehrsucht zweymal umbgesattelt hätte / und seinem Fürsten meineydig worden wäre! Seine Kriegs-Obersten hingegen riethen ihm Gnade zu bezeugen: Bey euserster Noth müste man zun grösten Lastern ein Auge zudrücken / und dem gemeinen Wesen zum besten Verräther belohnen; nicht so wol ihrenthalben / daß sie es werth wären / als daß man künftig solcher Leute mehr bedörffte. Wer würde von Marmelinen [838] mehr übergehen / wenn sie Leuterthalen so übel ankommen sähen? wenn ihre Reue wie Verrätherey solte gestrafft werden; zu welcher sich niemand aus tugendhafter Regung / sondern nur aus Rache und Eigennutz gebrauchen liesse. Die Priester hätten wohl recht / und sie würden nichts gelinders rathen / wenn sie in einem ruhigen Stande / und zu einer Zeit lebten / da die Laster nicht schon überhand genommen hätten. Der Priester Ampt wäre es freylich die Menschen im Guten vollkommen zu machen / und da müste die Vernunfft schlechterdings unterkriechen. Aber in Rathstuben liesse sie sich so nicht gefangen nehmen; wo man Völcker glücklich machen / und eine wackelnde Herrschafft befestigen solte. Alles nach der Wage der Gerechtigkeit abmässen hätte sich nur im güldenen Altar der ersten Welt thun lassen / und würde vielleicht in der andern Welt thunlich seyn /weñ die Seelen ihrer Leiber würden entlastet / die Regungen vor ihren Schwachheiten gesaubert seyn. Nun aber wäre die Tugend selbst unvollkommen / die Natur hätte ihre Kräfften / die Welt ihre Unschuld verlohren; daher müste man sich in die verärgerte Zeit schicken / und mit den Menschen / wie Aertzte mit Krancken umbgehen / welche einen gantz verterbten Leib unangerührt liessen / damit sie den Tod selbst mehr beförderten / ihre Artzneyen verächten / und sich selbst andern zum Gelächter machten. Denn es rührten so wohl im Leibe eines Staats / als in Siech-Häusern gewisse Seuchen vom Verhängnüsse her / welche sich nicht heilen / nur aber meiden liessen. Die Priester aber verharreten auf ihrer Meynung / und wendeten ein: Sie verstünden wohl / daß wenn die Verrätherey noch nicht ausgebrochen wäre / ein Fürst sich anstellte / als wenn er davon nichts wüste / ja gar mit dem Käyser Julius der die ihm widrigẽ Briefe ins Feuer würffe / umb der zu straffen gefährlichen grossen Verbrechen nicht einst zu erfahren; welche beflissene Unwissenheit die alleredelste Verzeihung wäre. Wenn auch gleich ein Aufstand schon ausgebrochen / die Uhrheber aber dem gantzen Volcke bekant wären; müste man die Niedrigen straffen / den grossen aber es eine Zeitlang nachsehen / biß man sie ohne Gefahr straffen könte. Alleine wo die Verrätherey ein Land mit voller Flamme schon angezündet hätte / wo die gantze Welt auf den Uhrheber mit Fingern wiese; müste man / ungeachtet seines Anhangs und hervorblickender Gefahr / hertzhaftig mit der Schärffe des Rechtes gegen ihn verfahren. Denn die Verräther zügen bey erster Gelegenheit ihr ausgespeytes Gifft wieder an sich / wie die Schlangen / wenn sie nach dessen Benehmung nur wieder die Erde erreichen. So offene Laster übersehen verriethe eines Fürsten Furcht / machte die Boßheit verwegener / und lockte andere zu schädlicher Nachfolge an. Denn eines Fürsten Ansehn gleichte den Flüssen / wenn man in ihnen den Grund sähe / watete iedermann durch. Die andern Räthe aber sätzten entgegen: Diß alles liesse sich sicher thun / wenn ein Verbrecher in des Fürsten Hände verfiele / nicht selbst eigenbeweglich sich aus Reue zu seinen Füssen legte / und etliche tausend Abtrüñige zum Gehorsam brächte. Diß Vertrauen gielte so viel als ein freyes Geleite / welches zu versehrẽ so verkleinernd als gefährlich wäre. Hertzog Gottwald war seiner Entschlüssung halber mit ihm selbst überaus zwistig / damit er nun durch einen Mittel-Weg beyden genung thäte / ließ er Leuterthalen nach der Gothonen Gesetzen aufhencken; seinem Sohne Garrest aber schenckte er alle väterliche Güter / und versprach ihn in alle Würden seines Vaters zu versetzen. Garrest fühlte den Strick mehr in seinem Hertzen / als sein Vater im Halse; und weil er keiner verliehenen Würde so viel Kräfften zueignete / daß sie die vons Vaters so schmählichen Hinrichtung auf den Sohn fallende Schande tilgen könte / verbarg er den unausleschlichen Zunder der Rache mit grosser Vorsicht im Hertzen; [839] und die mit dem Leuterthal angekommenen Gothonen und Estier hielten alle gegen sie bezeugte Gewogenheit ihres Fürsten mehr für eine listige Aufschübung ihrer Straffe / als für eine Verzeihung voriger Beleidigung. Hertzog Gottwald lag zwischen dem zertheilten Strome so wohl der Zufuhr als Festigkeit halber in einem mercklichen Vortheil / und hatte nicht nur die unbeströmte Seite mit tieffen Graben und hohen Schantzen / sondern auch den Strom mit eingeworffenen Eichbäumen versehen / daß kein Schiff ohne euserste Gefahr vorbey gehen konte; alleine / weil der Graf von Witgenstein nicht über vier tausend Mann für sich / und viel Estier selbst zu Wegweisern hatte; fiel es ihm nicht schwer mit Zertheilung seines Heeres sich durch das mit Wäldern und Seen angefüllte Land durchzuarbeiten; gestalt er denn an eben selbigem Tage beym Drauser-See sein Lager aufschlug / als Marbod eine Meile oberhalb der sich zertheilenden Weichsel sein Heer zertheilte / und auf ieder Seite des Flusses mit der Helffte den Fürsten Gottwald vorbey gieng. Dieser sahe wol / daß Marbods / welcher über den Nogat-Strom eine Brücke zu schlagen anfieng / Anschlag war ihn von Godanium abzuschneiden / woraus er Zeitung bekam / daß seine Gemahlin Hedwig ihm einen wohlgestalten Sohn /welcher hier unter dem falschen Nahmen Ehrenfried zu sehen ist / indem er den väterlichen Nahmen Gottwald bekam / gebohren hätte. Dieser neue Schatz /und weil er mit Godanium alles auf einmal zu verlieren besorgte / bewegte ihn diesen Platz unter den tapferen Rittern Zupea und Oppalin mit zwey tausend Estiern besetzt zu lassen / sich aber mit der völligen Macht an die unterste Zwiesel der Weichsel zu setzen / wovon der rechte Arm nach dem frischen Haff / der lincke nach Godanium zufleußt / und sich daselbst ins Ost- oder Godanische Meer ausschüttet. Dieses ware nicht allein glücklich bewerckstelligt / sondern als gleich Marbod das verlassene Lager der Gothonen /weil es ihn hinderte seine nöthigen Schiffe die Weichsel herunter zu bringen / dreymal heftig stürmte /ward er doch durch die Tapferkeit des Zupea und Oppalin mit grossem Verlust abgeschlagen. Garrest /darmit er seinen bösen Vorsatz auch so viel mehr verbürge / that dem Grafen von Witgenstein / welcher nun auch über die Nogat gesetzt hatte / einen glücklichen Einfall. Aber Marbod ließ sich diese widrige Fälle an dem Haupt-Wesen nicht irre machen / weniger entfiel er ihm selbst / wie die meisten Menschen /wenn sie Unglück haben / meist zu thun pflegen /sondern / weil er wußte / daß nach Eigenschafft der Schafe auch die Unglücke dahin Hauffen-weise folgten / wohin eines den Anfang machte / und also selten ein Ubel ohne Nachtrab wäre / ward er so viel wachsamer und begieriger in Godanium seinen Feind mit Strumpf und Stiel / wie der Adler im Neste mit seinen Jungen zu vertilgen; zumal da die Sidiner und Carmer / theils durch Schrecken für den Marckmännischen Waffen / theils durch den zwischen diese Bunds-Genossen gestreuten Saamen der Zwitracht / da er einen mit Geschencken gewan / den andern durch eingeflößten Verdacht vom andern abspenstig machte / mit dem Marbod einen Frieden nach dem Beyspiele der Marsinger und Burier einzugehen / und mit dem Gottwald die gemeine Freyheit zu verlassen / verleitet / die Gothonen und Estier aber nicht wenig kleinmüthig gemacht wurden. Also gereichtẽ diesem tapferẽ Fürsten seine Bundsgenossen / derer keiner iemals seinen Vortheil durch das gemeine Beste überwiegen lassen /mehr zum Schaden als Frommen / und Marbod erlangte den Ruhm / daß er / wie alle Weisen ihm seine Feinde nützer machen könte / als viel Fürsten ihre Freunde; ja daß er alle gegen ihm gezückte Messer beym Hefte ergreiffen / und sie seinem Gegener ohne Verletzung auszuwinden wüßte. Bey diesem erlangten Vortheile und da die Wenden am Pregel alles mit Schwerdt und Feuer verheereten / ließ der König Marbod alle [840] seine Heere geraden Weges auf Godanium andringen. Der Graf von Witgenstein sätzte über den ins frische Haff sich ausgießenden rechten Arm der Weichsel / Marbod selbst gieng zwischen der Weichsel und Nogat gerade gegen der Zwiesel des Weichsel-Stromes zu / unter dem Scheine den Hertzog Gottwald mit seinem Volcke darinnen zu belägern; aber dieser war allzu scharfsichtig / daß er seines Feindes Absehen auf Godanium solte übersehen haben. Daher vertraute er selbigen Platz seinen tapfersten Kriegs-Obersten dem Ritter von Galen / von Plettenberg /Vittinghofen und Burg; er selbst aber gieng mit dem Kerne seines Volckes nach Godanium. Dieses ist der berühmteste Ort an der Ost-See / weil von etlichen hundert Jahren nicht nur die Svionen / Friesen und Britannier / sondern auch die Carthaginenser mit ihren Schiffen in dem Munde der Weichsel eingesegelt / und in dieser daran liegenden Handels-Stadt sich mit dem hier die Niederlage habenden Agsteine beladen / hiergegen Deutschland und Sarmatien hierdurch mit ihren Kaufmannschafften versorget haben. Ungeachtet nun bey beyden Völckern keine sonderbare Festungen zu finden / sondern wie bey den Spartanern die Brüste des Adels ihre Mauern waren / so hatte doch die Ankunfft so vieler Ausländer denen Gothonischen Hertzogen Anlaß gegeben der sie durchs Meer und etliche Ströme befestigenden Natur durch Erbauung einer starcken Mauer zu helffen. Weil nun Marbod mit keinen Schiffen gefaßt / Godanium mit überflüßigen Lebens-Mitteln und von einer auserlesenen Besatzung versorgt war / wünschte Gottwald nichts mehr / als daß Marbod ihm daran den Kopff zerstossen möchte. Alleine Marbod / welcher entweder das Glücke nicht weniger für seine Dienst-Magd als für die Schiedes-Richterin der Kriege und für die Gebieterin über alle böse und gute Anschläge hielt /oder sich auf seine in Godanium habende Verständnüsse verließ / machte ihm alle Schwerigkeiten leichte / und ließ sich die Bedenckẽ seiner Kriegs-Obersten gar nichts irre machen; sondern sagte dem Grafen von Witgenstein / der ihm das er dem Glücke nicht allzu viel trauen solte / erinnerte: Er hätte so viel vom Glücke schon gutes genossen / daß es / wenn er ihm etwas mißtraute / keine gemeine Undanckbarkeit wäre. Man müste nicht allezeit sich an die Schnure binden / sondern / umb glückseelig zu seyn / verwegen werden / und dem Glücke / das uns so viel gegeben hätte / wieder eine danckbare Vergeltung abstatten. Denn wo dis und die Flüsse einmal ihren Hang hin hätten / da giengen sie lange Zeit hin / sonder Zweifel durch geschwinden Absatz den Danck für vorige Wolthaten nicht zu verlieren. Godanium hätte freylich den Ruff einer starcken Festung / und Gottwald eines unvergleichlichen Kriegsmannes. Aber es wäre nichts neues / daß die Einbildung sich übereilte /und die Sachen grösser machte als sie an sich selbst wären / wie die Sonne den Schatten grösser machte als die Leiber. Man stellte ihm offt nicht nur für Augen / was einem entgegen wäre / sondern auch was seyn könte. Die Bilder wären in der Ferne immer vollkommener als in der Nähe / und die / welche wie für Wunder angesehen / schienen wie wir Menschen zu seyn / wenn man mit ihnen umgienge. Daher müste sich niemahls unsere Einbildung / weniger das uns zuerst ins Auge fallende Ansehen unsers Hertzens bemeistern. Auf diesen Ancker und die Tapferkeit seines durch so viel Kriege abgehärteten Kriegs-Volckes gründeten auch endlich Marbods Kriegs-Obersten ihre Hoffnung / welche aus der Erfahrung gelernt hatten: daß in grossem Glücke mehr durch Rath und Verwegenheit als durch Hände und Waffen ausgerichtet würde. Gleichwohl kriegte Marbods Glücke anfangs einen gewaltigen Stoß; sintemal ihn theils die Gelegenheit [841] des Ortes / theils der Mangel des Schiffzeuges / theils Gottwalds öfftere Ausfälle mercklich an seiner vorhabenden Belägerung hinderten. Hierbey legte Garrest etliche mal so grosse Ehre ein / indem er das Lager des Grafen von Witgenstein nicht allein aufschlug / alle zusammen gebrachte Pramen / und die darauf gebaute Schiffbrücke anzündete / sondern auch den Witgenstein selbst in Godanium gefangen brachte. Mit dieser Verrichtung gewaan Garrest derogestalt Gottwalds Hertze / daß er ihm das eine Thor der Stadt zu verwahren anvertraute / sonder sich zu erinnern /daß derer wider ihre Fürsten aufgestandener Leute Kindern eben solche Lust eingebohren wäre / daß sie sich im Geschlechte des Brutus und Caßius auch in etlichen hundert Jahren nicht verzehret hätte. Wenig Tage darnach ertheilte ihm Gottwald selbst Befehl /daß weil Marbod der Stadt an zweyen Orten ziemlich nahe kam / und sich in den Graben einzuschneiden anfieng / er des Nachts auf der einen / Radzivil an der andern Seiten ausfallen / der Ritter Eichstädt und Querfurth aber an zweyen andern Orten Lermen machen solte. Garrest zohe nunmehr gegen die / mit welchen er am vertrautesten war / seine Larve vom Antlitze / stellte selbten so wol des Hertzogs Gottwald gegen seinen Vater verübte Grausamkeit / als des ihn drückenden Verhängnüsses gegen Marmelinen und den mächtigsten Marbod hervor blickende Neigung für Augen / laaß ihnen von beyden ungemeine Verheissungen für / da sie Marmelinens Rechte und dem Willen des Glückes weichen würden. Denn er wuste wol / daß / wenn man einen zu seinem Willen bringen wolte / man das Wasser zugleich auf die Mühle seines Nutzens wenden müste. Hiermit und durch den Vorschmack seiner Geschencke war es ihm leichte die zu gewinnen / welche ohne dis ihrem Fürsten nicht so wol hold / als denen Gothonischen Heerführern aufsätzig / und bey verwirrter Herrschafft selbst herrschsüchtig worden waren. Die Ausfälle waren / Gottwalds Anstalt nach / mit grosser Behutsamkeit fürgenommen; aber weil wegen Garrestes Verrätherey dis Geheimnüs dem Könige Marbod ein offener Brief und ein vorgesehener Streich war / hatte er darwider die klügste Versehung gethan. Gegen Querfurts und Eichstädts vorgehenden Lermen ließ er ein so grosses Geschrey und Geräusche machen / als wenn er daselbst hin alle seine Kräfften züge. Für dem Radzivil aber gab alles nach schlechter Gegenwehre die Flucht /also daß dieser in des Grafen von Erpach Lager drang / daselbst allen Sturmzeug zernichtete / die ausfallenden Kriegs-Leute sich mit dem besten Kriegs-Geräthe beladeten / ja Radzivil den Hertzog wissen ließ; daß /weil der Feind in höchster Verwirrung wäre / er mit einem wenigen Nachdrucke des gantzen Marckmännischen Lagers auf der Ost-Seite der Weichsel Meister zu werden getraute. Unterdessen solte Garrest auf der West-Seite Marbods eigenes Lager angreiffen / aber die mit ihm in angeno ener Stille ausfallenden Estier befanden sich ehe rings herumb mit mehr als zehn tausend sich zusammen ziehenden Gothonen umbgeben / als sie an Feind zu kommen gedacht hatten. Garrest steckte hier seinen Degen ein / und sagte zu seinen Estiern: hier wäre keines Fechtens von nöthen; denn sie wären alldar mitten unter ihren aufrichtigsten Freunden; und für ihnen stünde selbst der unüberwindliche Marbod / welcher alle nach Würden und Verdiensten belohnen würde / welche ihre Waffen wider den blutdürstigen Wütterich Gottwald wenden / und Marmelinen auf ihren väterlichen Stul setzen würden. Denen / welche von diesem Betruge nichts wusten / band die Neuigkeit und vielen die für ihnen stehende grosse Macht die Hände. Die Mit-Verräther aber rufften: [842] Gottwald vergehe / Marmeline lebe! Die Ritter Ulsen / drey Läuen / Lütge und etliche andere grieffen zwar zu ihren Waffen / und ermahnten die ihrigen sich in die Stadt durchzuschlagen / aber die meisten wurden von ihren nechsten Gefärthen durchstochen. Ehe nun die / welche gleich noch Treue im Hertzen hatten / sich zu entschlüssen wusten / was sie unter ihren verrätherischen Häuptern zu thun hätten / vermischten sich die auf Art der Estier gerüstete Marckmäñer unter sie; daß sie sich selbst schwerlich unterscheiden konten / und nach dem sie einen blinden Lermen erregt hatten / wendete sich Garrest mit seinen Mitverräthern und der gantzen Marckmännischen Macht gegen das Thor seines Ausfalls / und stellte sich an / als wenn er von dem stärckeren Feinde zurück getrieben würde. Der zu desselben Bewachung gelassene Kriegs-Oberste hatte eben an der Verrätherey Theil / und also drangen die Marckmänner durch das offene Thor gleichsam unverhindert in Godanium. Hertzog Gottwald ward dieses Schelmstücks nicht ehe gewahr / als wol zwey tausend Marckmänner schon in der Stadt und auf den Mauern waren. Der Ritter von Baysen / Zehma / Mortangen / Konnepart / Wolckau und Schmolangen waren die ersten / welche mit ihrem Gefolge die eindringenden Marckmänner aufhielten / und durch ihre ruhmwürdigste Gegenwehr wie Tämme diese feindliche Wasser-Fluth aufhielten. Gottwald folgte selbst mit den Rittern Ostrowitz / Kostka / Dschalin / Ballenheim / Liebenstein / Sensenheim / Borischau und fünfhundert Gothonen; wordurch den / weil die Marckmänner mit aller Gewalt in die Stadt drangen / und der Fallenden Stellen ersätzten / die Gothonen aber für Heerd / Altar und ihren Fürsten in seiner Gegenwart fochten / durch mehr als menschliche Raserey ein grausames Blut-Bad erreget ward. Die euserste Noth schärffte aller Tapferkeit / fürnemlich des Hertzogs /welcher für die Seele seines Lebens nichts als die Ehre hielt / und hier / wie die ausleschenden Lichter /mit einem Glantze sterben oder siegen und erhärten wolte; daß nicht das Reich / sondern das Gemüthe einen grossen Fürsten mache. Fürnemlich gerieth er gantz außer sich; als er nach angezündeten vielen Pech-Pfannen Garresten auf einem fürtreflichen Pferde und mit den Waffen erblickte / die er ihm noch selbigen Tag geschenckt hatte. Daher drang er wie ein Blitz durch Feind und Freund durch / bis er an Garrest kam / welcher diese Nacht solche Thaten ausübte / welche der gantzẽ Welt Anschauung verdient hätten / wenn sie nicht wider seinen Fürsten und Vaterland wären gethan worden. Aber so bald ihm Hertzog Gottwald auf den Hals kam / entfiel ihm zugleich Hand und Hertze; entweder weil nicht nur die Fürsten / sondern so gar ihr Schatten etwas an sich hat / welches einen jeden zur Ehrerbietigkeit zwinget / und ihren Feinden ein Schrecken einjagt / daß sie / wie der den Marius zu tödten abgeschickte Gallier das Mordeisen wegwerffen müssen; oder auch / weil das böse Gewissen nichts weniger eine Mutter der Zagheit / als eine Henckerin bewuster Boßheit ist. Daher war er viel zu feige und ungeschickt / daß er hätte verhindern sollen / wormit ihm nicht Gottwald seine Lantze mitten durchs Hertze gerennt hätte. Sein Fall war allen andern Verräthern eine Erinnerung: daß böse Thaten einen kläglichen Ausgang nähmen / und der Blitz göttlicher Rache die Verräther mitten unter den Lorber-Zweigen der Sieger nicht fehlete. Bey so gestalten Sachen würde Gottwald den ziemlich verwirrten Feind / auf welchen man zumal aus einem Thurme und etlichen dem Thore nahen Häusern viel Steine /Flugfeuer und andere schädliche Dinge ausschüttete /zurück getrieben haben; wenn nicht die wie Gothonen verkleidete Marckmänner mit so grosser Macht und Arglist auf das Thor / woraus Radzivil ausgefallen war / gedrungen / [843] und nach Erlegung der Ritter Lubheim / Felde / Maul / Legendorff / Silßlau und anderer sich des Thores bemächtiget / die Semnoner aber den Radzivil / dessen Hertzhaftigkeit und Eyver ihn zu weit in die Fallstricke der Feinde verleitet hatten /gänzlich abgeschnitten hättẽ. Ich kam zwar nebst den Rittern Pfeilsdorff / Schelen / Krixen / Rußkau /Schönfeld / Alden / Nogat / Rakusch / Schillingsdorff / Eichholtz / Flessenstein uñ andern mit dem letzten Hinterhalte diesem verlohrnen Orte zu Hülffe / und sagte: daß Gottwald auf der andern Seite den verworrenen Feind mit Gewalt durchs Thor zurücke triebe. Also siegte unsers Hertzogs Glücke zugleich uns zum besten; daher würde ja unsere Treue denen / welche schon anderwerts flüchtig wären / gewachsen seyn. Aber die uns wol zehnfach überlegene Macht der Feinde legte bey Zeite die Tapfersten zu Bodem; zwang uns zu weichen / und ob wol endlich Hertzog Gottwald selbst dahin kam / um an dem gefährlichsten Orte sein euserstes vollends zu wagen / weil Fürsten allezeit / besonders im Kriege was sonderlichs thun müssen / damit sie die Gemüther ihrer Unterthanen gewinnen oder ermunteren; so war doch hingegen der Eyver zu siegen bey den Marckmännern so groß /daß sie lieber in Godanium ihre Grabstädte haben /als einen Fuß darinnen zurücke sätzen wolten / wo König Marbod ihnen geschworen hatte so wie Hercules auf Gades das Ziel seiner Siege zu stecken. Wie nun Gottwald den Ausbund seines Adels fallen sah /er selbst schon etliche Wunden bekommen hatte / und erfuhr / daß von Feinden auch das dritte Thor aufgesprengt wäre; näherte er sich mir und sagte mir in ein Ohr: Unsere Hertzhaftigkeit ist zu schwach wider das uns drückende Verhängnüs. Wie müssen ihm weichen / wo es uns nicht zermalmen soll. Rette meinen Sohn mit meiner Gemahlin zu Wasser auf das Eyland Glessaria. Ich wil / so lange GOtt und meine Kräfften es zulassen / hier noch mein euserstes thun. Ja / sagte ich ihm / aber der Hertzog verspäte sich auch nicht länger / als es seine Ehre und Wolfahrt haben wollen. Ich zohe mich unvermerckt ab / weil aber an dem West-Thore selbst mit voller Macht durchgedrungen / und der Estier Kriegs-Volck in Flucht gebracht war / hatte ich Noth bis an den Hafen mich durchzudrängen / auf dessen Thurme die Hertzogin Hedwig mit ihrem zarten Sohne den Ausschlag des Krieges mit so viel Hertzens-Stichen erwartete / so vielmal ihre Ohren mit dem Geschwirre der Waffen oder dem Mord-Geschrey der Sterbenden geschlagen wurden. Die Fürstin wolte anfangs meinem habenden Befehle nicht Gehöre geben / sondern mit ihrem Gottwalde lieber vereinbart sterben als abgesondert leben. Allein ich erweichte ihr Hertze und brach ihre tugendhaffte Hartnäckigkeit mit Zeigung ihres Kindes / welches sie der blutdürstigen Marmeline Rachgier selbst gleichsam mit Fleiß aufzuopffern schiene / wenn sie dem Verhängnüsse / welches der ihm nachgebenden wie der Blitz niedriger und weicher Dinge schonte / die Stirne bieten wolte. Gottwald selbst würde zu rechter Zeit seinen Vortheil sich zu retten schon ersehen. Keine todte Hunde könten mehr beissen / aber entfliehende wol wieder kämpffen und siegen. Dahero wäre Ubermanneten / am meisten aber dem schwächern Geschlechte / die Flucht so wenig eine Schande als einem Verzagten / der aus Verzweifelung überwindet / der Sieg eine Ehre. Also brachte ich mit Noth die bestürtzte Fürstin / welche mit ihren Thränen gleichsam die Ost-See zu vergrössern suchte / mit ihrem kaum sieben Wochen alten Kinde zu Schiffe. Wiewol sie nicht ehe die Ancker heben lassen wolte / bis sie alles in Godanium von wütenden Feinden angefüllet sahe / und derer etliche schon die Schiffe zu plündern anfiengen. Wir fuhren also mit höchster Bestürtzung aus dem Munde der Weichsel aufs hohe Meer / wie aus dem Sitze der Vergnügung [844] ins Verderben. Weil nun kurtz darauf in der Stadt ein groß Feuer aufgieng / lag mir die Hertzogin an die Segel einzuziehen / und weil bey unser Abfahrt alle frembde Schiffe sich zu gleichmäßiger Flucht fertig machten / noch aus der Stadt und sonderlich vom Hertzoge Gottwald was gewisses zu erfahren / oder vielmehr dessen vertröstete Nachkunfft zu erwarten; als an welchem der Fürstin Hertze und gantze Vergnügung hieng. Ob uns nun zwar viel Schiffe folgten / wolten oder wusten uns doch wenige einige andere Nachricht zu geben; denn /daß Marbod der gantzen Stadt Meister / und mit Raub und Mord alles erfüllet / das Feuer aber / weil Marbod sein Volck selbst mit blanckem Schwerdte zum Leschen antriebe / vermuthlich von denen in einen Winckel der Stadt zusammen getriebenen Gothonen angesteckt wäre / welche / unerachtet der angebotenen Gnade / sich lieber mit ihrem Vaterlande begraben als der Marckmäñer Knechte wissen woltẽ. Weil auch die übrigen Schiffe schon zugleich mit in vollem Brande stündẽ / würde allem Ansehen nach von so tapferen Helden kein Gebeine davon kommen; weil ein nicht weniger von verzweifelter Gegenwehr verbitterter als vom Siege aufgeblasener Feind eben so wenig in seiner Gewalt hätte seinen blutdürstigen Zorn / als ein von einer gehen Höhe rennender seinen Lauff zu hemmen wüste / und Marbod bey den Naharvalen nicht ehe in der Menschen Eingeweide zu wüten aufgehöret hätte / bis niemand / den er hätte tödten können /mehr verhanden gewest wäre: Keine Zunge ist fähig der Hertzogin Hedwig hierüber erwachsendes Leidwesen zu beschreiben / wiewol selbter Zunge dazu ein unvermögendes Werckzeug war. Nach vielem Hertzklopffen und stummen Seufzern vergieng sie ihren zwey mitgenommenen Edel-Frauen durch stete Ohnmachten unter den Händen; bis ihr die Verzweiffelung ihre vorhin durch Schmertz gelähmte Zunge lösete /und sie / weil ich mit vollem Segel nach Glessaria zulief / und ihrem unsinnigen Befehl wieder nach Godanium zu schiffen nicht gehorsamen wolte / sich ins Meer zu stürtzen bemühte. Nach Mittage änderte sich der gute Wind / und verschlug uns durch einen ziemlichen Sturm auf die Nord-Seite / daß wir allererst den vierdten Tag bey besserem Winde den Glessarischen Hafen erreichten / wo das frische Wasser sein süsses Wasser durch einen engen Mund in die Ost See ausschüttet. Die den Hafen bewahrende Festung war aber schon mit Marckmännern umgeben / welche selbte im Nahmen Marmelinens / weil Hertzog Gottwald ohne dis todt wäre / mit grossen Bedräuungen aufforderten. Ob nun zwar die Ritter Donaulsen und von der Schewe solches nur für eine schlaue Erfindung annahmen; so spielten sich doch selbige Nacht noch zwey Estische Edelleute hinein / welche umbständlich erzählten; daß Godanium durch Brand über die Helffte ein Scheuter-Hauffen / die Weichsel und der Rhodan aber von vielem Blute blutroth geflossen wäre / weil nicht funfzig Gothonen und Estier sich gefangen geben wollen / sondern alle bis auf den letzten Bluts-Tropffen gefochten / und von ihrem Feinde lieber Grausamkeit als Leben und Gnade hätten annehmen wollen. Nach dem die Marckmänner nun vom Ermorden mehr müde als satt worden / hätte Marbod den Fürsten Gottwald unter den Todten sorgfältig suchen / seine gefundene Leiche auch / ungeachtet Marmeline solche ins Meer zu werffen verlangt / aufs prächtigste verbrennen / und seine Asche in einem Agsteinenen Kruge in das Begräbnüs der Gothonischen Hertzoge beysätzen / und alle edle Todten / über welche Marmeline mit ihrem Siegs-Wagen in Godanium einzufahren verlangte / verbrennen / die gemeinen beerdigen lassen. Uber dis hätte Marbod zwey Sarmater in Stücken zu hauen befohlen / weil sie den unvergleichlichen Helden Radzivil am [845] Ufer der Weichsel / durch welche er nach Ausübung unzählbarer Helden-Thaten mit seinem Pferde geschwommen war / mit Rudern erschlagen und beraubet hatten. Ja er verordnete / daß seiner Löwen-mäßigen Tapferkeit zu Ehren ihm am Strande ein steinern Gedächtnüs-Maal aufgerichtet werden solte. Die verbitterte Marmeline hätte zwar hierüber einiges Unvergnügen mercken lassen / Marbod aber ihr eingehalten: daß der Krieg so wol als der Friede sein Recht hätte / und man nicht weniger gerecht als hertzhafft müste kämpffen lernen / und man dem Kriege kein edler Ende als durch Verzeihung ma chen könte / und wenn nach dem Kriege niemand mehr über Elend klagte / sondern die Erbarmung auch dem Neide das Maul stopffte. Hingegen besudelte die Grausamkeit nicht nur den Sieg / sondern auch eine gerechte Sache / und die Schuldigen kriegen für sich ein Ansehen der Unschuld. Nichts aber wäre ungnständigers als auf Todte wüten / welche nichts fühlten / aber doch die Lebenden zu Mitleiden und Rache bewegten. Gleichwol aber hätte Marmeline nach der Hertzogin und ihrem Sohne sorgfältig forschen lassen / und wäre die gemeine Rede gegangen /daß sie auf einem Cimbrischen Schiffe nach Wineta abgesegelt wären. Ob nun gleich Marbod bey Eroberung dieser Stadt einen so blutigen Sieg befochten hätte / daß der Feind selbst gestünde / es wäre kein edles Geschlechte unter den Marckmännern / welches nicht einen Anverwandten zu betrauren hätte / ja ob gleich die überbliebenen so abgemattet gewest wären / daß sie für Wunden oder Ermüdung kaum den Kopff auf den Schultern hätten tragen können; so hätte doch Marbod noch selbigen Tages sein Volck in vier Theile abgesondert / eines alleine zum Gepränge seines und Marmelinens Beylagers / welches in dreyen Tagen königlich solte vollzogen werden / in Godanium behalten. Die andern drey aber zu Eroberung der am Rücken gelassenen zweyer Festungen an der sich theilenden Weichsel / und dieses Hafens abgeschickt /und das hierüber sich beklagende Kriegs-Volck beschieden hätte: Im Kriege richtete man mit Geschwindigkeit mehr aus als mit Tugend. Alexander hätte mit einer Hand voll Volck durch jene sich in geschwinder Zeit Meister der Welt gemacht / als ein ander sie vielleicht nicht durchreiset wäre / indem man ihn ehe gesehen als von ihm gehöret / und er wie der Blitz ehe zermalmet als gedoñert / also daß man offt grosse Städte vergraben zu seyn vernommen / ehe man von ihrer Belagerung gewüst. Die Marckmänner wären unter den Waffen gebohren / mit Staub und Schweisse ernähret / an Hertzhafftigkeit unzerbrechlich / in Arbeit unermüdlich / an Ruhmsucht unersättlich. Also müsten sie nun nicht stehen / da sie schon völlig überwunden / und an ihrer Siegs-Fahne nur noch etliche Kleinigkeiten auszumachen hätten; und da ihre Geschwindigkeit nicht nur die Helffte der Zeit / sondern auch der Bemühungen ersparen würde. Diese Zuredung und die Austheilung reicher Beuten hätte dem Kriegs-Volcke viel besser als Oel und warme Bäder ihre Müdigkeit ausgezogen; und sie wären so hurtig /als weñ sie nie gefochten / aufgebrochen / Marbod aber hätte dem wider die Quaden nicht weniger siegenden Vannius / den Römern nach Carnuntum und Meyntz / dem Käyser nach Rom / und allen deutschen Fürsten Marmelinens völligen Sieg über die aufrührischen Gothonen und Estier durch flüchtige Reiter zu wissen gemacht / seine wiewol schon vorhin ruchbare Heyrath aber noch verschwiegen; damit der erste Ruff nicht alsbald die Ehre seiner hülffbaren Waffen durch Eigennutz verkleinerte. Es ist unschwer zu ermässen /was diese Zeitung denen in der Festung / welche nirgendsher einige Hülffe zu hoffen hatten / für Verwirrung verursacht habe / und was sie unser Hertzogin für ein Donnerschlag gewesen seyn müste. Denn weil sie [846] aussteigen / und an diesem vortheilhafften Orte die zerstreuten Völcker zusammen ziehen wolte / ward ich genöthigt ihr die trockene Wahrheit zu entdecken /welche ohne diß ihr unmöglich lange verschwiegen bleiben konte. Die Herzogin flochte nach dem ersten Sturme ihrer Ungeduld ihre Haarlocken auff / und verschwur sich selbte nicht ehe auffzubinden / biß sie ihres Gemahls Tod gerochen hätte. Daher sie wider meine Meinung durch so traurige Zeitung auszusteigen mehr gereitzt als abgeschreckt ward / sonderlich da der Ritter Ulsen selbst auffs Schiff kam / und sich mit grosser Betheuerung vermaß / daß die Sonne niemahls ihn die Einäscherung der ihm anvertrauten Festung würde überleben sehen. Sintemahl der Untergang des verbrennenden Vaterlandes iedem tapffern Gemüthe einen Holtzstoß für seine Leiche abgeben müste. Noch selbigen Tag kamen fünff hundert Estier aus dem Gleßarischen Eylande in die Festung / daher Ulsen bewegliche Ansuchung that / die Fürstin möchte den jungen Gottwald darein bringen / so würde der Estier Tapfferkeit mehr als um die Helffte wachsen /und sie denen Marckmännern wie die Macedonier in Gegenwart ihres in der Wiege liegenden Königes den Illyriern mit Verwunderung obsiegen. Alle meine widrige Erinnerungen waren nicht mächtig zu verhindern / daß die Hertzogin mit ihrem Kinde nicht in die Festung sich verfügte / und noch darzu die Haupt-Fahne der Gothonen und Estier auff dem Walle aussteckte. Der Ruff des sich alldar befindlichen Gothonischen Erben verursachte / daß Marbod alle Macht hieher zu rücken befahl / und er folgte den Tag nach seinem Beylager selbst. Dessen ungeachtet / wuchs denen Belägerten so vielmehr das Hertze; welche ohne eine Schiffs-Flotte diesen Platz zu belägern für die gröste Thorheit Marbods / und selbten zu gewinnen für unmöglich hielten; besonders da die Schiffe der Hirren /Fennen / Svionen und Cimbern täglich aus- und einfuhren / alle Nothdurfft dahin brachten und über dem angefangenen zu Godanium gegen den König Marbod schon eyversüchtig worden. Noch vielmehr aber ward Marbod verlachet / daß er grosse Eichen- und Tännene Kasten zusammen schroten / solche ins Meer säncken / und mit grossen Steinen füllen ließ / in Meinung damit den Hafen zu stopffen. Sintemahl / was er in acht Tagen gebauet hatte / in einer Nacht die wilde Ost-See über einen Hauffen warff. Gleichwol ließ sich König Marbod an diesem Vorhaben nichts hindern /gleich als wenn sein Gelücke nicht weniger dem Meere als so viel Völckern ein Gebieß anzulegen /und ihn über den Xerxes und Alexander zu erheben fähig wäre. Massen denn ihm auch die See mehr als keinem unter beyden gehorsam zu seyn / ja für ihn Wind und Wellen in Krieg zu ziehen schienen. Sintemahl ein fünff Tage hinter einander mit grossem Sturme wehender Nord-West nicht alleine den Hafen fast gantz versändete / sondern auch ein grosses Stücke am Walle abspülete. Die Belägerten erschracken bey aufhörendem Sturme über diesen schädlichen Sandbäncken in dem Meere / welches niemals Epp und Flutt hat / nicht wenig. Einige kamen in den Aberglauben / daß er ihm den Wind wie sein Glücke zaubern könte; andere urtheilten / daß sie nicht so wol mit dem Marbod als mit dem Verhängnüße / welches durch ihn als seinen Werckzeug mit einem unauffhaltbaren Strome die Herrschafften der Welt über einen Hauffen werffen / und wie Ertzt in andere Gestalten gissen wolte. Bey welchem unversehnen Begebnüße /welches auch den Helden das Hertz nimmt / waren nicht wenig / welche anfiengen: Es wäre Unsinnigkeit / nicht Tugend / mit dem Verhängnüsse ringen / und keine Schande sich dem unterwerffen / welchen das Glücke über alle erhoben wissen wolle. Marbod aber / welcher nicht nur der sich ereignenden Gelegenheit zu gebrauchen wuste / sondern selbter wie die Raub-Fische [847] mit auffgesperrten Rachen vorwartete und wegelagerte / hatte bey noch nicht gantz gelegtem Ungewitter schon seine gantze Kriegs-Macht in die Waffen gestellt / und so lange der Sturm gewehret / grosse Kasten fertigen / Steine zu führen / leichte Wurffbrücken zusammen klammern / und alles zum Sturm und Stopffung des Hafens in Bereitschafft halten / ja nebst seinem arbeitenden Heere zehntausend Estische Bauern auff dem Eylande Gleßaria und eine Meile gegen Godanium / aus dem frischen Haff in das Ost-Meer zwey breite Graben machen lassen / wormit diß die zehn in sich verschlingende Flüsse sonder Beschädigung seines vorhabenden See-Tammes durch diese zwey neue Münde ausspeyen könte. So bald nun die Sandbäncke bläckten / ließ er die Bauleute seinen Meer-Tamm auffs neue mit grosser Gewalt anfangen /er aber führte durch die Pfützen das Kriegs-Volck selbst gegen der von Wellen beschädigten Festung zum Sturme an. Weil er selbst mit einer Springstange voran gieng / offt biß an Gürtel watete / und / wo die Brücken und Sturm-Leutern zu legen wären / anwieß /war niemand / der nicht mit Begierde folgte / oder vielmehr für Schande hielt / dem denen gemeinen Knechten es zuvorthuenden Könige folgen / und nicht für ihm sich der Gefahr entgegen stellen. Der Ritter Dona und Ulsen sprachen zwar allen zweiffelnden so wol mit Worten als seinem ihrem Beyspiele ein Hertze zu; und der Adel wartete des Feindes ohne Schrecken; der gemeine Mann aber erstaunete so wohl über der Menge und Verwegenheit der anlauffenden Feinde / als über dem gantz neuen Anblicke des von ihnen gewichenen Meeres / zumahl da der Wind nun schnurstracks umschlug / und weil er von Sud-Ost bließ / fast alles Wasser von der Festung abtrieb. Gleich als wenn dem Marbod die Ost-See / wie dem Moses das rothe / und Alexandern das Pamphylische Meer aus dem Wege weichen müste. Die wachsame Fürstin Hedwig aber hatte von ihrer ersten Ankunfft ihr Leid durch Kriegs-Sorgen vertrieben; ja die Rache fast alle Eigenschafften ihres Geschlechtes und ihrer Sanfftmuth verändert / und sie mit ihren Weibes-Kleidern auch alle weibliche Furcht von sich geworffen. Sie gieng stets gerüstet / ermahnte die verzagten /lobte die hertzhafften / begabte die thätigen / stärckte die willigen / besuchte des Nachts selbst die Wachen /und stellte sich anders nicht an / als wenn sie viel Jahre das Haupt eines Kriegs-Heeres gewest wäre. Nach dem sie nun bey diesem Sturme die Noth recht ankommen sahe; verfügte sie sich mit mir an den gefährlichsten Ort / nemlich / wo der Wall abgespület /und Marbod die gröste Macht anführte: Lasset uns /sagte sie / hier als Ehrliche stehen; und dem in den Pfützen abgematteten Feinde unverzagt die Stirne bieten. Lasset euch diese Menge der Feinde nicht schrecken / welche ins gemein eine Mutter der Fahrläßigkeit / und der Verwirrung ist. Sie hindert im Gedränge mehr / als sie fördert / und unsere Pfeile und Streiche können desto weniger fehlen. In der Schlacht bey Philippis wäre die Ubermaaße des Volckes der gröste Verderb des so grossen Pompejus / wie die unmäßige Kriegesrüstung vorher des Antiochus Niederlage gewest. Nichts / was mit seiner Grösse ihm selbst / wie des Antonius Schiffe bey Aotium überlegen wäre /stünde wohl / am wenigsten aber ein Kriegs-Heer. Was das Mittelmaaß überstiege / wäre ihm selbst überlästig. Hingegen hätten die Griechen mit einer Hand voll Volck das gantze vom Xerxes in Griechenland geschleppte Asien / Lucatius Catulus mit seinen Nachen das auff ungeheuern See-Städten schwimmende Carthago erlegt; und Alexander mit einem bereglichen Heere die unzählbaren Morgenländer überwunden. Wir haben nicht nur / wenn wir Männer sind /eben diese Hoffnung / und über den Feind zwey Vortheil / nemlich des Ortes / und daß wir nicht weichen können. [848] Wir fechten auff festem Fusse / unsere Feinde aber köñen sich kaum aus dem Schlamme heraus weltzen / und nicht die Helffte ihre verderbte Waffen gebrauchen. Glaubet mir auch / daß wenn wir wenige Stunden ihre erste Hitze werden ausgestanden haben /die Marckmänner mehr mit dem Wasser als mit uns werden zu kämpffen bekommen. Denn das Meer ist so ungewohnt Marbods Rügel und Schleussen / als Xerxens Ketten und Ruthen zu vertragen. Marbod selbst trauet seiner Macht nicht zu / unser Meister zu werden / denn zu was Ende liesse er bey habender Hoffnung ihm selbst zu Schaden an Vertämmung des Hafens arbeiten! Ist es aber des Himmels unwandelbahrer Schluß übermannet zu werden / so lasset uns doch der Schande entgehen / daß wir einige Wunden am Rücken bekommen. Die in Godanium ausgeübte Raserey / da alles männliche über die Klinge springen müssen / was länger als der Unholdin Marmeline Degen war / dienet euch schon zur Lehre / daß ihr hier siegen / oder hernach sterben müßt. Wenn man nun fallen muß / trete man der Gefahr lieber entgegen / als daß wir für ihr weichen und die Augen zumachen. Lasset euch nicht wie thummes Vieh abschlachten; sondern dencket / daß ungerochen sterben auch den Hasen verächtlich / fürs Vaterland und seinen Fürsten das Blut vergiessen ein gemeiner und würdiger Tod der Helden sey. Mit diesem will ich heute der Estier Freyheit besiegeln. Folget diesem nach meinem Beyspiele / und lasset euch zu ewiger Schande nicht nachsagen: daß ihr an dem Tage / da ich ein Mann zu werden angefangen / ihr es zu seyn aufgehört hättet. Hedwig redete diß mit einem so feurigen Geiste / daß auch die kaltsinnigsten dardurch rege wurden / und die kleinmüthigsten die Furcht des Todes aus dem Hertzen verbannten. Ehe die Marckmänner nun sich aus dem Schlamme arbeiteten / wurden sie aus der Festung mit einem steten Platzregen von Steinen und Pfeilen überschüttet / und blieben derer so viel / daß ihre Leichen an unterschiedenen Orten den Gebrauch der Wurffbrücken ersparten. Als aber die Sturmleitern angeworffen / die beym verfallenen Walle in Eil eingegrabenen Säulen und Sturm-Pfäle theils untergraben / theils angezündet wurden / und es zum nahen Handgemenge kam / sahe man hunderterley Sterbens-Arten. Bald brachen die Leitern / und mit ihnen die darauff kletternden die Hälse entzwey. Diesen wurden die Hirnschalen von Schleudern / jenen die Armen von Steinen zerschmettert. Anderer Brust durchbohrten die Brüste / andern schmiedten die Schwerdter ein Glied ab. Viel verwickelten sich in brennendes Pech /und Schwefel / welches die Belägerten theils ausgossen / theils in angezündeten Fässern unter ihre Feinde von oben herab weltzten. Nicht wenigen zerqvetschten die Fall-Gatter und Balcken ihre Leiber / also / daß sich hier ein rechter Schauplatz des menschlichen Elendes und Rasens zeigete. Einem stand der Blutschaum des Todes / dem andern ein Jäscht von Galle und Rache auff dem Munde. Dieser fallende / welcher seine Hand verlohren / erwischte seinen Feind mit den Zähnen / jener biß sie für Grimm zusammen / und wen man mit den Waffen nicht erreichte / den wolte man mit den Augen tödten; so daß mancher sich / wenn es in seiner Gewalt gestanden / gerne in einen Basilisken verwandelt hätte. Des einen Mord-Geschrey war des andern Freude /und es war nichts so erbärmliches / worüber nicht iemand lachte; gleich als wenn hier die Erde es der Hölle an Pein und Wütten vorzuthun bemüht wäre /denn der wilden Thiere Zerfleischungen waren gegen diese Raserey Kurtzweil und Kinderspiel; drey Stunden währte diese grausame Blutstürtzung / ehe ein oder ander Theil die geringste Hoffnung des Sieges ihm zu machen hatte. Auf beyden Seiten waren viel /und zwar die [849] edelsten gefallen; aber ihre Lücken wurden sonder der einige Noth der Ermahnung augenblicks ersetzet / und mit solcher Verzweiffelung ie länger ie mehr gefochten / gleich als wenn ihnen die Austilgung des menschlichen Geschlechtes von der Natur geboten / und die Liebe des Todes an statt des Lebens eingebohren wäre. Um diese Zeit wendete sich der Wind / und fing das Wasser zu grosser Freude der Belägerten zu wachsen; welche denn auch aus dem innersten Hafen etliche mit Schwefel / Hartzt / Pech /Hanff gefüllte Nachen auff die Werckleute des Marbods ausfahren liessen / und all ihr Gemächte anzündeten. Die im Wasser schon über die Knie und theils biß über den Gurth watenden Marckmänner und Semnoner begunten schon zu wancken / und wären abgewichen / wenn nicht der für Koth und Blute kaum kenntbare Marbod dem Grafen von Witgenstein ein Zeichen auf der festen Land-Seite die Festung gleicher Gestalt zu stürmen gegeben / und nach dem Beyspiele des wider die Phalisker streitenden Similius Priscus den Hauptleuten / daß sie den ersten weichenden durchstechen solten / und dem Ritter Saltza befohlen hätte / das Haupt-Fahn auf den Wall zu werffen. Hiermit stunden die Marckmänner nicht nur zwischen Feind und Flut als Mauern / sondern die Anwachsung des Wassers und die Furcht der Schande zwang sie zu einem neuen und mehr als männlichem Angrieffe /also / daß weder Glut / Schneide und Spitzen sie hemmeten / sondern sie / wenn kein ander Weg war / wie die schäumenden Wald-Schweine in die Eisen rennten / biß sie ungeachtet eusserster Gegenwehre der Estier / welche ihre viel kleinere Macht nun halb gegen den Witgenstein theilen musten / nach dem die daselbst ritterlich kämpffende Dona / Hohenbach / Dumpeshagen / und Rautenberg todt blieben / ein Stücke des Walles eroberten. Zu einer wichtigen Nachricht: daß wie ihrer mehr aus Furcht der Straffe als aus Liebe der Tugend nicht sündigten / also die Furcht der Schande vielmehr Kräfften habe als die Vegierde der Ehren. Welche letztere nur edle / jene auch unedle Gemüthe ermuntert. Weil nun den Fürsten selbst oder die Haupt-Fahne im Stiche lassen einerley Schande bey den Deutschen ist / welche nimmermehr biß ins Grab durch keine Helden-That ausgewischt werden kan / ist nicht zu verwundern: daß die Marckmänner die auffs höchste gespañte Seite ihrer Tapfferkeit noch höher ausdehnten / und lieber das Leben als ihre Ehre mit der Fahne verlieren wolten. Sintemahl auch Servius Tullius den Sabinern / Furius Agrippa den Herniken / Emilius Capitolinus den Phaliskern durch eben diß Mittel des dem Feinde zugeworffenen Fahnes die zweiffelhafften Schlachten abgewanen. Der Ritter Ulsen meinte dieser eussersten Noth zwar durch ein eusserstes Mittel zu rathen / in dem er funffzig Beeren auf die Marckmänner loß ließ / damit an dieser unmenschlichen Wütten die wilden Thiere ebenfalls ihr Theil haben / und nicht auf einmal von Menschen an Grausamkeit überwunden werden möchten. Diese Beeren fielen die stürmenden anfangs grausam an / und weil sie keine Stiche von Spissen und Degen achteten / ihrer nicht wenig zerfleischten / und allen kein schlechtes Schrecken einjagten. Alleine der schlaue Marbod / welcher wohl wuste / daß die Estier und Hirren eben so wohl mit Beeren / als die Molossen uñ Fennen mit Hunden Krieg zu führen pflegten / hatte diesen schon vor gesehen / und etliche Drommeln mit Pferde-Häuten überziehen lassen. So bald nun Marbod diese schlagen ließ / vergassen die Beeren wegen der für Pferden habender Abscheu ihrer Lust zu kriegen / und wären lieber im Gedränge für Furcht gerne in Bocks-Hörner gekrochen / als daß sie einigem sie durchstossenden Marckmanne sich wiedersetzt hätten. Nach derogestalt gedemüthigten Beeren drangen sie desto verbitterter auf [850] die Estier loß. Weil diese nun kaum einen Mañ zehn Feinden und zwar nunmehr auf gleichem Boden entgegen setzen konten / und der tapffere Ulsen mit Ercken / Frymersen / Osthofen / Dumpeshagen und andern Rittern erschlagen / die übrigen zum weichen gebracht wurden /kam die Fürstin Hedwig / ungeachtet ich sie / sich /und ihr Kind / durch die Flucht zu retten fußfällig anflehete / mit dem letzten Hinterhalte dahin / das eusserste vollends zu wagen. Sie verrichtete daselbst das Ampt eines Kriegs-Hauptmanns so klug und männlich / daß keiner der Feinde sie für eine Frau gehalten hätte. Sie durchstach auch mit eigener Hand einen Marckmännischen Hauptmann / welcher dem fallenden Gattersleuen die Fahne der Estier aus der Hand riß / und nicht besser machte sie es einem andern / der an des Ulsen Stelle tretenden Ritter Tierburg erlegte. Diese Tapfferkeit aber verursachte / daß aller Feinde Augen und der kühnesten Schwerdter auff sie gerichtet wurden; und ob zwar Hirtzberg / Grünbach / Reichemberg / Baldersheim und Schippen nur auff Beschirmung ihres Leibes acht hatten; woran sie doch endlich / weil zumahl auch Witgenstein den Wall eroberte / von der Menge der Marckmänner / als wie mit einem Bienen-Schwarme umgeben / und nachdem fast alle um sie gefallen / vom Ritter Reuß durch die Gurgel gestochen / daß sie todt zur Erden fiel. Mit dieser Heldin entfiel denen noch fechtenden Estiern das Hertze / und ihre Tapfferkeit verwandelte sich in ein jämmerliches Mordgeschrey. Der Ritter Seine und Sangerhausen stachen ihnen selbst aus Verzweifelung / daß sie ihrer Herzogin Tod überlebet hätten / die Degen in die Brust / so daß Marbod hieraus was ungemeines vermuthende / herzu drang / und als ihm ein Estier sagte: daß Gottwalds Gemahlin Hedwig todt für seinen Füssen läge / sich darüber aufs höchste entsätzte / sie aufheben / der Waffen entblößen / und ob sie schon todt erforschen / auch weil alles nur auf der Flucht / und niemand mehr zu fechten gesinnet war /alles fernere Morden verbieten ließ. Ich / als ich Hedwigen fallen / und die Unmögligkeit dem Feinde länger zu widerstehen sah / eilte mit dem Ritter von Tieffen dem jungen Gottwald zu / und brachten selbten durch Hülffe etlicher Fischer auf einem Nachen in ein mit Schilff umbwachsenes Gesümpffe / biß wir bey folgender Nacht sicherer über den Strom fahren konten / welcher die Festung und das Eyland Glessaria von einander scheidet. Daselbst stiegen wir aus /giengen zu Lande zwey Meilweges / und versteckten uns an dem Agstein-Ufer in eine Höle der daselbst liegenden Berge / darinnen wir alle Augenblicke nach einem frembden Schiffe säuffzeten / weil wir an diesem volckreichen Strande nicht lange sicher seyn /noch auch das Kind / ungeachtet wir eine Adeliche Frau zur Amme mich genommen hatten / in dieser Wildnüß unter der Erde tauern konte. Allein unsere Hoffnung liedt bald Schiffbruch / weil ein hefftiger Sturm sich erregte / und die Wellen biß an Eingang unser Höle spielten / von welchen zum theil diese ausgeschweifft zu seyn schienen. Bey dieser Beschaffenheit musten wir auf ein ander Mittel unser Sicherheit gedencken; da sich denn der Ritter Tieffen erbot /Kundschafft einzuholen / und für uns Bauer-Kleider und Lebens-Mittel einzukauffen. Dieser war kaum fort / als ich an dem Eingange der Höle stehende / den Wind ein Rede- und Ruderloses Schiff gegen dem Ufer antreiben / und auf einer nahen Sand-Banck stranden sahe. Die Schiffbruch-Leidenden suchten allerhand Wege sich zu retten / etliche kamen auf den Nachen / andere erwischten ein stücke Brett oder Mast / einige suchten vollends durch Schwimmen sich zu retten. Unter diesen letzten war einer / welcher sich durch die rasenden Wellen mit seinen Armen ziemlich biß ans Ufer gearbeitet hatte / zuletzt aber war er so abgemattet; daß er ihm [851] selbst nicht mehr helffen /sondern nur die Flutt mit ihm ihr Spiel treiben lassen muste. Mich regte / ich weiß nicht / was für ein Erbarmnüß / oder für ein heimlicher Zug / daß ich meines jungen Fürsten vergaß / und unbedachtsam in die See sprang / diesem Nothleidenden zu helffen. Der Himmel segnete meine Verwegenheit / indem die Flutt mir diesen Nothleidenden gleichsam selbst in die Hände spielete / und ich ihn vollends sonder grosse Müh ans Ufer in unsere Höle brachte. Er war von Sand und Schlamme aber so verstellet / und er hatte so viel See-Wasser in sich getruncken / daß er weder kenntlich / noch zu reden mächtig war. Dahero ich ihn denn meinen Waffenträger absaubern / bey einem kleinem Feuer abtrocknen / und nach dem Vermögen unserer Dürfftigkeit seiner pflegen ließ. Der zurück kommende Ritter brachte zwar die verlangten Kleider und Lebens-Mittel / aber auch diese schlechte Zeitung mit / daß an diesem sonst volckreichen Ufer sich aus Furcht der Marckmänner / welche bereits hauffenweise auf diß Eyland übergesätzt hätten / alles verlauffen hätte. Wir verkleideten uns daher alsobald / in Meinung / uns folgenden Morgen weiter ins Land zu begeben. Wiewol er nun nicht billigte / daß ich einen frembden Menschen in unser geheimes Behältnüß gebracht hätte / trieb ihn doch / als er ausgeschlaffen hatte / gegen Tage der Vorwitz / daß er den Schlaffenden mit einer Kühn-Fackel genau betrachtete. Hilf Himmel! fieng er augenblicks an zu ruffen / hat das Meer den zu unser Freude hier wieder ans Licht gebracht / welcher in Godanium vom Tode verschlungen worden! denn hier finde ich unsern Fürsten Gottwald. Träumet dir? sagte ich / oder was hast du für Lust mich in meinem Kummer noch zu äffen? der Ritter von Tieffen aber betheuerte noch vielmehr / mit grossem Frolocken: Es wäre Hertzog Gottwald / so daß ich mich nicht nur ihm zu nähern veranlaßt / sondern auch der Schlaffende erweckt / und bey Vernehmung seines Nahmens sich aufzurichten verursacht ward. Mein erster Anblick gab ihn mir numehr deutlich zu erkennen / daher ich mich nicht enthalten konte / ihm mit thränenden Augen umb den Hals zu fallen. Gottwald aber kennte einen unter uns so wenig / als er wuste / wo er sich befindete / und wo er in diese Höle kommen wäre. Bin ich / fieng er an / in dem Behaltnüsse der Verstorbenen? Seyd ihr meine gute Geister? Ich antwortete ihm: Wir sind deine getreue Diener /du unser liebwerthester Fürst. Gottwald versätzte: Legen denn die sterbenden Fürsten mit ihrem Purpur nicht auch ihre Würde ab? Hebet der Tod nicht allen Unterschied des Standes auf? Oder herrschen Fürsten auch im andern Leben / wie in der Welt? Ich fiel ihm ein: der Tod würde niemahls mächtig werden ihre zu ihm tragende Liebe auszuleschen / weniger die Zeit /so lange sie lebten. Gottwald fragte: wo sie denn lebten? und warum sie in einer so engen Finsternüß / von anderer Verstorbenen Geistern abgesondert / und aus was für einem Verbündnüsse sie drey nur mit einander vereinbart wären? Wir möchten sich doch ihm zu erkennen / und die Ursache so vieler Thränen-Vergießung zu verstehen geben? Ich sahe wol / daß Gottwald sich vor todt hielt / und daher konte ich mich nicht enthalten / ihm zu sagen: Unserer keiner wäre noch gestorben / sondern ich sein treuer Döhnhoff /und mein Gefährte der Ritter von Tieffen; also wir zwey eine schlechte Uberbleibung seiner getreuen Unterthanen / welche der Himmel nur zu dem Ende erhalten hätte / daß sie ihn nach Strandung des Schiffes aus dem Abgrunde des Meeres erretteten. Gottwald fieng sich nun an seiner Schiffahrt zu erinnern / und uns beyde lange Zeit starr anzusehen / biß ihm zuletzt viel Thränen aus den Augen schossen / und er anfangs mich / hernach meinen Gefärthen / mit vielen Küssen umarmte / und fragte: Was für ein Unglück uns denn in Bauern verwandelt [852] hätte? Ein solches / antwortete ich / als wir in der nechsten Festung erlitten / wäre wol fähig einen zum Steine zu machen; da nemlich der letzte Kern seiner getreuen Estier / und sein liebstes Kleinod in der Welt vom rasenden Marbod auf der Fleisch-Banck seiner wüttenden Herschsucht abgeschlachtet worden. Jedoch scheinet solch Unglück dazu gut gewesen zu seyn / daß wir hier den sonst ertrunckenen Fürsten Gottwald aus dem Wasser erretteten. Gottwald seuffzete und fieng an: Ich weiß nicht / ob ich euch für diesen Liebes-Dienst dancken / oder ihn unter die Wolthaten / welche wir hassen / rechnen soll. Sintemahl das Verhängnüß mich gleichsam zu einem Ziele seiner Grausamkeit ausgesehen / oder mich zu einem Ebenbilde eines Unglückseeligen auszuarbeiten erlesen hat. Ich bin den wilden Wellen darum nur entkommen / daß ich denen viel wildern Menschen in ihre Klauen fallen / und zu meiner Hertzens-Kränckung nur alle Stunden neuen Jammer hören solle. Wolte GOtt / ich wäre in diesem Meere /oder in diesem edlen Ufer begraben / so hätte ich die Trauer-Post von meinen getreuen Estiern / meiner Gemahlin / und Kinde nicht hören dörffen; nach welchen ich zu leben / weder Lust noch Ursache habe. Lasset mich also noch sterben / ehe ihm Marbod und Marmeline noch aus meinem Tode eine Kurtzweil macht. Es ist ja besser / einmal einen Tod leiden / als im ängstigen Leben alle Arten des Todes fürchten. Hiermit erhob sich Gottwald im Augenblicke aus der Höle /und sprang ins Meer. Ich / und der Ritter von Tieffen folgten demselben auf dem Fusse ins Wasser / und wie sehr er sich wehrte / brachten wir ihn wieder heraus. Wir waren aber noch im Meere / als wir das Ufer von einer unzählbaren Menge Menschen bedeckt sahen / welche unserm Menschen-fischen zuschauten /und uns beym Aussteigen umbringten. Ihr Aufzug wieß / daß es alles Marckmänner wären / und als ich nur aufsahe / fiel mir König Marbod und Marmeline ins Gesichte / das Schrecken aber in alle Glieder / daß mir Arm und Beine davon zitterten. Dieses würde mich / und die bekandte Gestalt / den Fürsten Gottwald verrathen haben / wenn nicht dieser entkleidet /und vom Schlamme sehr verstellt gewest wäre / ich aber Frost geklagt hätte. Marbod selbst rechtfertigte uns / wer dieser ins Meer springende Mensch / und wir wären? Ich antwortete: Wir wären Agstein-Fischer / dieser aber ein wahnsinniger / welcher / weil sein Vater den vorigen Abend ertruncken / in solche Verzweiffelung gerathen wäre. Marbod fragte weiter: wo denn alle Leute aus denen leeren Häusern hinkommen wären? Ich antwortete: Sie wären alle aus Furcht für dem Marckmännischen Kriegs-Volcke entlauffen /und auch wir würden nicht blieben seyn / wenn wir diesen uns verwandten Menschen hätten fortbringen können / und uns nicht unser Armuth sicher gemacht hätte. Marbod lächelte und fieng an: Weil Armuth einen so freudigen Gefärthen hat / sind die Geten nicht zu verdencken / daß sie es unter die Gemächligkeiten des Lebens zählen / und die Verachtung aller Reichthümer alleine fürs rechte Reichthum halten. Warumb aber sind wir denn so unersättlich / wenn die Grösse unsers Besitzthums nur unsere Sorgen und Furcht vergrössert? Marmeline fiel ein: Armuth lässet sich leichter loben / als ertragen / und wenn Armuth eine Glückseeligkeit ist / kan es der Reiche alle Tage erlangen / schwerlich aber der Arme / wo das Reichthum dafür zu halten. Sie wolte lieber todt als arm seyn / weil Armuth die Menschen lächerlich / Reichthum aber geschickt / freudig / und ansehnlich machte / ja dieses allein wolthätig seyn könte. Unter diesem Gespräche schlepten wir den Fürsten Gottwald in die Höle / ich aber kehrte gleich um damit niemand uns darein zu folgen Anlaß haben möchte; und fiel Marmelinen einfältig ein: Ich könte nicht glauben / [853] daß Reichthum besser / als Armuth wäre; weil die / welche was gehabt / die Müh haben müssen / zu entlauffen / er aber das Glücke zu bleiben. Daher hätte er die Reichen / diese ihn aber auszulachen niemals Ursache gehabt. Denn weil die Noth einen zu arbeiten nöthigte / ja die Papegoyen solte reden lehren / müste sie auch die Menschen geschickter machen. Wie er denn sein Fischer-Handwerck besser gekönt hätte / als die / welche mit dem Agsteine gewuchert. Daß aber auch Arme wolthätig seyn könten / hätten sie an Errettung dieses blödsinnigen Menschen gesehen / welchem zu Liebe sich schwerlich ein reicher in die Tieffe des Meeres gewagt haben würde. Wiewol / ungeachtet sie sich noch so sehr in acht nehmen / daß Reichthum eben so viel Menschen / als die Fettigkeit dem Mast-Viehe eine Ursache des Todes abgäbe. Daß das Reichthum aber vielmehr lächerlich wäre / hätte ich an diesem Ufer tausendmahl verspühret / und die am Rande noch liegenden Stücke des scheiternden Schiffes wären seine Zeugen; daß Leute aus Africa und Indien / wo Gold und Edelgesteine ihr Vaterland hätten / an diese Kiste nach Agstein kämen / und darüber nicht nur Kälte und Ungewitter ausstünden / ja das Leben einbißten. Daß keine edle Frau zu Rom sich glücklich schätzte / wenn sie nicht Arm- und Hals-Bänder von Agstein zu tragen hätte / wormit sich hier alle Grase-Mägde behiengen / und darein sich Spinnen / Bienen / Ameißen / und zuweilen Frösche begrüben. Ja daß grosse Käyser und Könige der Welt diß / was in der Erde und im Meere am tiefsten läge /nemlich / Gold / Perlen und Agstein / sich nicht schämten für das höchste in ihren Augen / und im Hertzen für ihren Schatz zu halten / also den Indianischen Ameißen ähnlicher / als den Menschen wären /von denen ihm die Schiffer erzählt hätten / daß sie daselbst das Gold / wie hier die Hamster das Getreyde /in ihre Löcher zusammen trügen. Dem Könige Marbod gefiel es überaus wol / daß ich in meiner Einfalt Marmelinen so trocken die Warheit sagte. Daher fieng er an: Sonder allen Zweiffel ist Armuth nicht nur eine Schwester guter Gemüther / sondern auch ein Wetzstein des Verstandes / guter Künste / ja eine Aushelfferin der Reichen. Sintemal die Vermögende bey ihrem gewohnten Müßiggange Noth leiden würden /weñ die Dürfftigen nicht arbeiteten. Westwegen die Einwohner der Stadt Gadare dem Armuth als einer Kunsterfinderin gar sinnreich ein Altar gebauet hätten. Es wäre auch außer Zweifel / daß einem vergnügten Gemüthe viel wöller bey seinem müßigen Armuthe / als Geitzigen bey ihrem traurigen und mühsamen Vermögen wäre / ja insgemein ein Tagelöhner auf einer härenen Kutze / oder auf einem Strohsacke sanffte schlieffe / wenn ein grosser König sich auf Sammet und Seide unruhig herum weltzte. Daher glaubte er selbst festiglich: daß ein mäßiges Vermögen und Glücke / welches dem Besitzer weder zur Schande / noch andern zur Uberlast diente / das gröste; und Reichthum in Händen übel aufgehoben wäre /aus denen es ohne Schwerigkeit nicht wieder gebracht würde. Hierauf fragt er mich: welcher gestalt der Agstein bekommen würde? Ich / weil ich voriger Zeit hierumb ebenfals bekümmert gewest war / antwortete: daß für gar alten Zeiten niemand dessen geachtet /weniger selbigen gesucht / sondern nur / wenn an dieser Seite der West- an der andern dieses Eylandes der Nord-Wind selbten mit den Wellen auf den Sand ausgespület hätte / wäre er von Kindern / wie anderwerts Kieselsteine und Muscheln zum Spielen; hernach aber / als dessen guter Geruch durch ungefährliches reiben und am Feuer verspüret worden / zum Rauchern aufgelesen worden. Zu diesem Ende hätten ihn auch der benachbarten Völcker Schiffe / welche in diesem fruchtbaren Lande Getreyde geholet / mitgenommen. Sein ander Gebrauch wäre gewest / daß die Estier /und folgends andere Völcker ihn statt [854] Myrrhen und Aloe auf die Todten-Holtzstösse gestreuet / und in den Leichen-Krügen mit ihrer Asche vermischt hätten. Wie denn insonderheit die Carthaginenser Asdrubals /und anderer Edlen Todten-Beine damit verehret hätten. Nach kurtzer Zeit hätten die Africaner / Egyptier /Griechen und andere Völcker embsig nach diesem Agsteine gefraget / und selbten gegen ihre Früchte /und Handwercks-Gemächte eingetauschet / welches die Estier veranlasset / den Auswurff des Meeres /und das trockene Schilf fleißiger zu durchsuchen. Weil die Ausländer aber selbtes von Jahr zu Jahre theuerer gemacht / und die Einwohner zu dessen Aufsuchung / wiewol sie dessen Gebrauch durchaus nicht entdecken wollen / mit grossem Versprechen ermahnet hätten / die Fischer auch zuweilen mit den Fischen ein und ander stücke in Netzen heraus gebracht / hätten sie anfangs ihn mit langen Zangen im Wasser gesucht / und heraus gehäckelt / hernach aber auf den Wind acht gegeben / und zur Fischung des Agsteins gewisse Netze bereitet. Maßen sie denn nach und nach klüger worden / und für die beste Fischzeit erkennet / daß die starcken Sturm / durch Antreibung des hertzblättrichten Meer-Schilffes eine kleine /durch das krause und kleinere eine was bessere /durch das den Rebenblättern ähnliche Gewächse aber den allerreichsten Agstein fang / da in drey oder vier Stunden offt dreißig Tonnen herausgebracht würden /bezeichneten / da denn / wo diese Blätter schwimmen / alsbald gefischet / und mit dem untersten Reiffen der Netze strenge an dem Bodem hingefahren werden müste / damit der von den Wellen aus dem Grunde gebohrte Agstein sich nicht wieder versändete / und man mit dem Netze nicht überhin züge. Es wäre aber der Estier Hertzog einmahl an diß Ufer kommen / und keinen Agstein mehr an frembde zu vertauschen verboten / biß sie dessen Gebrauch entdeckt hätten. Hierauf hätten diese Ringe / Müntzen / Geschmeide / Gefäße / Bilder / und dergleichen aus Agstein durch Drechsler und Bildhauer gemachte Sachen vorgewiesen / welche Gold und Edelgesteine beschämt / und also auch dem Estischen Frauenzimmer damit zu prangen / den Männern aber solchen gleichfals zu drechseln / und glatt zu machen / Anlaß / diesem Auswürflinge des Meers aber allererst einen Nahmen gegeben. Als nun überdiß von Rom absonderliche Gesandschafften an der Estier Fürsten wegen freyen Agstein-Handels ankommen / wäre dessen Preiß nicht allein gestiegen / indem man zu Rom ein Agsteinen Bild eines Fingers lang theuerer / als einen lebenden Menschen verkaufft hätte; sondern die sorgfältige Verschwendung hätte auch den Agstein nach seinen Farben in weisse / in Wolcken-farb- und blaulichte /in Pfirschkenblüt-farbichte / in Wasser-klare / durchsichtige / geflammte / tunckel- und licht-gelbe / grünlichte / rothe / braune / und schwartze unterscheiden lernen / und gewiesen: daß die Kunst-Hand der Natur nicht weniger in Agsteine / als im Agat spielte / und dadurch den Künstlern zu Einlegung gantzer Bilder gnugsame Arten darreichte; wiewol zum Frauen-Schmucke die weißmilchernen / grünlichten / hochgelben / und wasserstriemichten den höchsten Werth erlangt hätten. Nach der Zeit wäre entweder die menschliche Begierde so sorgfältig worden / oder ein unserm Vorwitz heuchelnder Zufall hätte Anlaß gegeben / den Agstein auch außer des Ufers / in denen Glessarischen Sand-Bergen / wiewol mit höchster Lebens-Gefahr zu suchen / und mit selbtem diese Nachricht zu finden / daß er wie Ertzt seine Adern in der Erde habe. Dem Könige Marbod gefiel meine Erzehlung nicht alleine wol / sondern beglaubte ihn / auch so vielmehr / daß wir Agstein-Fischer wären / daher er denn ferner fragte: Ob denn der Agstein in seinen Berg- und Meer-Adern anfangs weich und gleichsam flüßend wäre / hernach aber allererst vom Saltz-Wasser oder der Lufft gehärtet würde? Ich [855] verneinte aber beydes mit gutem Grunde / und berichtete / daß gar selten etwas / welches noch in seiner Unvollko enheit wäre / zwar nicht flüße / aber weichem Wachse gleichte / und vielleicht von der Sonne schmeltzte /aus den Bergen gegraben würde / welch gegrabenes denn auch ins gemein klärer als das gefischte wäre. Wiewol auch bißweilen Agstein / an welchem Muscheln / Pech und Schiff-Holtz angebacken wäre / gefischet würde. Diesemnach wäre der Agstein / darinnen kleine Thiere lägen / so seltzam / und weil er keines weges / wie etliche tichteten / durch Feuer und Oel nach Eigenschafft des Ertztes geschmoltzen werden könte / hätten frembde Künstler nach der Zeit ausgesonnen / in die von Natur unterschiedene / von ihnen aber fast unsichtbar zusammen gefügten Stücke Agstein / Laub-Frösche / Heydächsen / Heringe / und andere kleine Thiere zu vergraben. Wordurch denn die einfältigen Ausländer nicht allein in ihrer Einbildung / sondern auch um ihr Geld offt mercklich betrogen würden. Biß hieher kunte ich dem Könige Marbod genugsamen Bescheid geben / als er aber von mir bey wehendem Westwinde einen Zug zu thun verlangte / ward ich nicht wenig bekümmert / durch unsere Unwissenheit verrathen zu werden. Alleine die Noth lehrete uns aus derselben eine Tugend zu machen /und nach dem ich von Marbod um eine Wache des blödsinnigen Menschen halber / für unsere Höle zu stellen / erlangt hatte / suchten ich / und der Ritter von Tieffen aus denen andern Hölen ein Netze herfür /und versuchten mit Hülffe etlicher uns auf die Nachen gegebener Marckmänner unser Heil / hatten auch mehr aus Güte des Himmels / als unser Geschickligkeit das Gelücke / im andern Zuge ein siebenzehn Pfund wiegendes Stücke des edelsten Agsteines heraus zu ziehen. Wordurch Marbod mehr vergnügt ward / als die Fischer des Eylandes Chio / da sie den güldenen Dreyfuß fiengen. Diesem nach ließ er von Stund an einen Künstler aus Godanium beruffen / und befahl ihm aus diesem seltzamen Stücke des Kaysers Augustus Bild zu fertigen / welches hernach auch durch den Ritter Wolckenstein nach Rom geschickt / und daselbst als etwas unschätzbares geachtet / vom Kayser aber unter dem Nahmen Jupiters ins Pantheon auff einen güldenen Fuß gesetzt ward. Uns gab Marbod zweyhundert güldene Müntzen / und ließ allenthalben ausblasen: daß die Agstein-Fischer nicht nur völlige Sicherheit wider alle Gewalt / sondern auch jährlich einen ergebigen Sold von ihm genossen / hingegen aller Agstein / da ein Stücke über drey Pfund wiege /ihm als Könige der Estier geliefert werden solte. Hierbey aber kränckte und erschreckte mich auffs eusserste die angebotene Gnade Marbods / daß ich mit ihm nach Godanium zurück ziehen solte; weil ich nicht so sehr fürchtete / erkandt zu werden / als mir durchs Hertze ging / daß ich den Fürsten Gottwald und sein Kind verlassen solte / welcher inzwischen durch Unterricht der Amme solches hatte kennen lernen / und bey dessen tausendfacher Küssung den Gebrauch seiner verstörten Vernunfft wieder bekommen / und die Helffte seines Hertzeleides gestillet hatte. Weil mir Marbods Auffbruch nicht viel Zeit zur Unterredung verlaubte / verliessen wir alleine mit einander / daß wir in der Stadt Wineta / oder wenn Marbod ja ihr Meister werden solte / in der See-Stadt Treva am Flusse Chalusus uns wieder vereinbaren wolten. Nach deme mir Marbod nun ein besser Kleid und ein Pferd geben lassen / muste ich stets hinter ihm reiten / und ihm vom Agsteine / darein er sich gantz verliebt / und einen Tempel an diß Ufer zu bauen gelobt hatte /mehr / als ich selbst wuste / zu erzählen genöthiget ward. Insonderheit wolte er dessen eigentlichen Ursprung / und ob selbter vom Harne der Luchse / oder dem Saamen der Wallfische herkäme / oder ob er ein Schaum / ein fetter Schweiß / oder ein geliefferter Auswurff deß sich reinigenden [856] Meeres wäre / welcher wie Froschlach auff dem Meere schwimme / und wie das Hartzt im todten Meere gezeugt würde / wissen. Als ich aber nur darzu lachte / und berichtete / daß um das gantze Estische Ufer kein Luchs zu sehen wäre / und der Agstein aus Bergen / dahin weder das Meer-Wasser / noch einiger Fisch kommen könte /gegraben würde / fieng er an: Er hielte diß selbst für Getichte / aber ihm schiene aus dem Geruche / der Farbe / und der Fähigkeit zu brennen / am glaublichsten zu seyn: daß das von Kiefern / Zedern / oder Fichten trieffende Hartzt durch das Saltz-Wasser ausgeleutert / und durch die Krafft der Sonne zu Agsteine bereitet würde. Als ich ihm nun einwarff: daß an dem Ufer keine solche Bäume / welche sich mit dem Meer-Wasser auch nicht vertrügen / zu finden wären; fiel er ein: Aber vielleicht finden sich derselben an denen gegen über liegenden Ufern der Svionen und Fennen /und wird der bey dem West- und Nord-Winde angetriebene Agstein durch die See herüber geführt? Ich antwortete: bey diesen Völckern wüsten sie nichts vom Agsteine. Marbod aber versätzte: dem Berichte nach / hinderten ihre hohen Ufer dessen Ausspülung; und gäbe seiner Meinung einen ziemlichen Schein /daß bißweilen Tannen-Knospen in oder an dem Agsteine klebend gefunden werden / auch dieser zuweilen die Gestalt der Tannzappen für bilden solte. Uber diß hätten ihm etliche Scythen glaubwürdig erzehlet /daß weil in Indien der Agstein höher als Gold geschätzt würde / die Seren aus Tannen- und Zeder-Hartzte solchen künstlich nachzumachen wüsten. Gestalt denn auch diß von denen Ameisen in ihren Hauffen so zubereitet würde / daß es den Geruch der Myrrhen bekäme / und vom Weyrauche kaum zu unterscheiden wäre. Ich hielt ihm aber entgegen / daß dem Agsteine eben so offt Eisen / Ertzt / Kupffer-Wasser /Steine / und Meer-Schilff / aus welchem es gleichsam gewachsen zu seyn schiene / als etwas tännenes anhienge / ja ins gemein der gegrabene in eine höltzerne Schaale als in seine Mutter eingehüllet wäre; Deßwegen aber wäre der Agstein so wenig ein Baumgewächse / als eine Art des Ertztes / von welchem er darinnen / daß er sich nicht schmeltzen liesse / hauptsächlich entfernet wäre. König Marbod hörte mir ie länger ie begieriger zu; sagte daher / weil meine Gründe ihn seines Irrthums genugsam überführten /solte ich ihm doch meine Meinung / die ich für recht hielte / nicht verschweigen. Ich entschuldigte meine Einfalt / welche dieses grosse Geheimniß der Natur nicht zu ergründen wüste / so viel aber hätte mir wohl der Augenschein gewiesen / daß es wie Schwefel /Ertzt / Berghartzt / Saltz / Steine / ein Erd-Gewächse wäre / welches seiner unerweichbaren Härte halber aus dem truckenen Rauche fetter Erde zusammen wachsen / doch seiner Fettigkeit halber / und weil man es zuweilen noch weich findet / und dessen Staub leicht Feuer fängt / anfangs etwas von wäßrichten Dünsten an sich ziehen müste / welche aber hernach bey seiner Vollkommenheit gäntzlich austrockneten. Marbod fiel ein: So bliebe der Agstein gleichwol ein Erd-Hartzt? Ich verneinte es aber und sagte / daß er zwar mit Hartzte und Schwefel etlicher massen eine Verwandtnüß hätte / aber doch von beyden / so wol als von Saltz und Ertzte unterschieden wäre / und daher weder vom Feuer wie Wachs und Ertzt / noch wie Schwefel und Hartzt vom Oele zerlassen werden könte / sondern an Härte und Dichtigkeit beyde weit überträffe. Sein eigentliches Wesen aber brächte sein gemeiner Nahme mit / nemilch / daß der Agstein ein Stein / aber nicht unter Marmel / Alabaster / und Porphier / sondern unter die edelsten der Welt zu rechnen sey; dahero auch die sparsame Natur den Agstein so wenig / als andere Edelgesteine zu Klippen / und Bergen auswachsen liesse / diese künstliche Mahlerin auch den gelben dem Hyacinthe / den weissen den Perlen / den feurigen dem Chrysolith / den blauen[857] dem Saphier / andern dem Topaß / gleich gemacht /und daher in die Arten des Agsteines alle Farben gleichsam eingetheilet / wie in die Opalen vereinbaret hätte / so daß aus Agsteine die schwärtzeste Tinte /der schönste Glantz-Firns gemacht / und damit die Zobel gefärbet würden. Marbod fieng hierauff an: Es wäre unlaugbar / daß der Agstein an Schönheit und Härte wenigen Edelgesteinen was nachgäbe; diß aber schiene ihm doch bedencklich zu seyn / daß die vom Agstein abgedrechselten Späne so leicht als Weyrauch auff glüenden Kohlen schmeltzte und Feuer fienge. Als ich ihm aber einhielt / daß der im Flusse Ganges und in Britannien gefundene schwartze Stein /so gar vom Wasser nur vom Oel / unausleschliches Feuer fienge; daß auch gewisse Ertzt-Steine / und die Steinkohlen brennten / ward er gäntzlich meiner Meinung / rühmte auch / daß er durch eine Magnetische Krafft viel kräfftiger als Schwefel / Mastix / und Siegelwachs / Spreue / Gesäme / Ertzt-Grieß / und alle andere kleine / besonders dichte und nicht nasse Sachen / bey trockenem und wäßrichtem Wetter an sich züge / daß sein Würtz-Geruch an Annehmligkeit dem Kampffer / an Stärcke den Myrrhen überlegen wäre /und dem Mastix am gleichsten käme. Daß ie mehr er rüche / ie schärffer er auch schmeckte / und bey seinem Saltze doch eine stumpffe Süßigkeit behielte. Ich bestätigte diß / und setzte bey: daß der edle Agstein fürnehmlich seiner heilsamen Artzney-Krafft halber /allen Edelgesteinen den Preiß abrennte / als welcher die Geburt / Monats-Blume beförderte / Gifft und Pest widerstünde / den Stein zermalmete / die Augen und den Magen stärckte / die Flüsse zertriebe / die Rose heilte / der Fäulnüß widerstünde / und daher ein allgemeines Genesungs-Mittel / und sein Oel Europens Balsam genennet zu werden / verdiente. Marbod fragte ferner: Ob denn das Land der Estier alleine das glückselige Vaterland des Agsteines wäre? welchem ich zur Nachricht beybrachte / daß zwar in Deutschland hin und wieder dessen gegraben / und sonderlich an der Heruler und Lemovier Gestade angespület /endlich in Morgenländern eine gewisse Art gefunden würde / welcher an Farbe und Geruch dem Estischen am nechsten käme; Aber des ersten wäre wenig / der letztere aber wäre weder so wolrüchend noch so harte / sondern zerflüsse vom Feuer / liesse sich nicht drechseln / wäre also mehr ein Hartzt / als ein Stein. Der König schöpffte hieraus ie länger ie mehr Vergnügung; weil er alleine Herr und Besitzer des Agsteins war / und die gantze Welt ihn von ihm nunmehr betteln muste. Unterweges ward seine Freude zweyfach vergrössert durch die Nachricht: daß beyde Gothanische Läger an den beyden Zwiseln der Weichseln nach vernommenem Tode Hertzog Gottwalds sich er geben hätten. Daher er denn / weil noch nicht alles zu seinem und Marmelinens Beylager in Godanium fertig war / die Gefangenen selbst in Pflicht zu nehmen /und diese zwey vortheilhaffte Pässe zu versichern /dahin reisete. Unterdessen sparte Marmeline um so wol Marbods Hoheit nach Würden zu verehren / als ihre Ehrsucht zu vergnügen / weder Fleiß noch Kosten / und machte Anstalt zu Wasser den Einzug in Godanium zu halten. Hierzu ließ sie in den Hafen alle frembde und einheimische Schiffe versamlen / die Masten mit Blumen bekräntzen / mit köstlichen Tapezereyen behängen; für den König aber / welcher zwey Meilweges vom Munde der Weichsel ins Meer mit Marmelinen zu Schiffe gieng / eines über und über vergolden / und an dessen Spiegel Europen mahlen /wie sie von dem beblümten Ochsen durch das schäumende Meer entführet ward. Der Steurmann bildete den Nereus für / und die Schiff-Leute waren alle wie Meer-Götter ausgeputzt. Als er ein wenig auf die Höhe kam / begegnete ihm Marmeline in Gestalt der Venus / auf einem nach Art einer Perlen-Muschel bereiteten [858] Schiffe / um welche die drey Holdinnen und zwey Liebes-Götter eitel seidene Rosen streueten /und andere Liebeskosungen erwiesen; und sie folgends dem Marbod in sein Schiff liefferten. Auf denen unzählbaren Nachen schwärmten die edelsten Jungfrauen der Gothonen und Estier wie Wasser-Nymphen mit den annehmlichsten Seiten-Spielen herum / also /daß diese Schiffarth der / welche Cleopatra auf dem Flusse Cydnus zum Anthon that / nichts nachgab. Kurtz darauf ließ sich auf seinem von zwey Wasser-Pferden gezogenen Wagen Neptun mit dem ihn anblasenden Triton / und um ihn schwimmenden Nereiden sehen; welcher den auf dem Vordertheile seines güldenen Schiffes stehenden Marbod den Dreyzancks-Stab zureichte. Beym Einflusse der Weichsel stand auf ieder Seite eine sehr hohe Säule; und auf der Ostlichen das Bild König Marbods in Gestalt des mit der Keule und Löwen-Haut ausgerüsteten Hercules; Welchem die zur rechten Seite auf einem Segel-fertigen Schiffe stehende Ehre mit ausgestrecktem Arme die Ost-See zeigte / zur lincken aber die Liebe in Arm fiel / und den Hercules zurücke hielt.

Unter der Ehre war zu lesen:


Die Tugend hat kein Ziel. Drum immer weiter fort.

Unter der Liebe aber:

Hier heißt die Liebe stehn. Sie ist der Arbeit Port.


Auf der Westlichen Säule stand ein mit Agstein überlegtes Bild / welches auf einer Seite die Semiramis /welcher Haare auf der rechten Hand aufgeflochten /auf der lincken zerstreuet hiengen / fürbildete. Ihr Aufzug war männlich und kriegrisch / auf ihrem Spiesse saß eine wilde Taube / ihr Schild aber lag zu ihren Füssen / damit sie den Ninus umarmen konte. Darunter war zu lesen:


An mir ist alles Mann / nur nicht Schoos / Brust und Leib;

Doch werd ich weibischer durch Lieben / als ein Weib.


Auf der andern Seite stellte eben diß Bild die den König Marbod umarmende Marmeline / in Gestalt einer Amazone / und darunter diese Worte für:


Entmann't die Lieb' in Sud gleich Helden / ist in Norden

Die Liebe doch durch mich zum Mann' und Helden worden.


Um die erste Säule des Hercules waren folgende Reymen desto besser bey angehender Finsternüß zu lesen / weil alle Buchstaben durch die hole Säule geschnitten / inwendig aber brennende Fackeln angezündet waren / diese Schrifft zu erleuchten:


Laßt wo das enge Meer bey Gadir einen Zaun

Mohr und Iberern macht / Alciden Seulen stecken /

Dort lässet Hanno sich nicht Wind und Wellen schrecken /

Der anfängt / wo sich hin nicht Hercules wil traun /

Und Länder sucht / wo wir die Sonn' ertrincken schaun;

Hier läßt sich mit mehr Ruhm des Marbods Lauff umpflöcken /

Nicht weil wo Eiß und Nacht den Welt-Kreiß uns verdecken /

Weil für den Bären scheint der Sonne selbst zu graun.


Weils Meeres Nabel ist in unser Nachbarschafft.

Des Himmels Angelstern / der Wirbel der Gestirne /

Das Ende der Natur / weil Hertze / weil Gehirne

Kein Schiff hat weiter fort zu dringen Muth und Krafft.

Weils Eiß hemmt Fisch und Fluth / hier Tag und Stern verschwindet /

Nein! weil ihn Marmelin' und ihre Liebe bindet.


An der Semiramis Säule aber stand auf gleichmäßige Art folgende feurige Schrifft:

Man schreib in Adler Holtz / in Ertzt / und in Porphier /

Wo in dem heissen Sud die schwartzen Mohren braten

Und wo der Araber hegt Myrrh- und Weyrauch-Saaten

Wo Aloe sich zeugt / und Balsam rinnt herfür.

Wo's Erdreich Zimmet trägt / und Bezoar ein Thier /

Wo Diamant / Rubin und Perlen wol gerathen.

Semiramcus Gelůck und ihre Helden-Thoten

Sie mach' aus Gold ihr Bild und setze Säulen ihr:


Weil Marmelinens Geist Semiramen nicht weichet /

So hat auch jener Bild hier einen Stand erreichet /

Dem keiner ist in Sud und Osten vorzuziehn.

Denn Nordens rothes Meer / der Belt hat und gebiehret

Mit Agstein alles diß was Ind und Ganges führet /

Gold / Myrrhen / Aloe / Perl / Amber und Rubin.


Nach dem Marbod und Marmeline unter grossem Frolocken des die Ufer füllenden Volckes durch diese zwey Säulen gefahren waren / [859] schwamm der Geist des Weichsel-Stromes auf einem versilberten Schiffe entgegen. Zwischen jedem Arme und den Beinen hatte er einen Wasser-Krug / weil dieser Fluß mit dreyen Ausgüssen ins Meer fällt. Auf der rechten Seite stand Sarmatien / auf der linken Deutschland / und lehnte sich jede mit einem Arme auf die Achseln dieses ihres Gräntzmannes. Um sein Schiff schwamm eine unsägliche Menge abgerichteter Schwanen / ein mit Najaden angefüllter Nachen / welche dem folgende Reime singenden Weichsel-Geiste mit allerhand Säiten-Spielen einstimmten:


Großmåcht'ger Held / und Schutz-Herr meiner Brunnen /

Und meines Vaters Carpathus /

Ans dessen Fels- und Adern kommt geronnen

Mein fruchtbar und Schiffreicher Fluß /

Vergnüge dich an meiner Flutt /

Weil sie in mir / was in den Thieren ist das Blut.


Ist dieser Zinß denn gleich ein schlecht Geschencke /

Dem Iser / Katzbach / und der Kweiß /

Der Riesenberg / Sudetens reich Gesäncke /

So Perl als Gold zu zinsen weiß.

Dem Agstein auswirfft Nordens Meer /

So rührt mein Opffer doch von treuen Hertzen her.


Mein süßer Strom tränckt deiner Ost-See Fische /

Und ihre Wunder nicht allein /

Er trägt der Nord- und Westen-Welt zu Tische /

Die sonst offt hungrig würde seyn.

Denn Isis hat um meinen Strand /

Wie um den Nil / gemacht den Ackerbau bekand.


Kein Fluß / als ich / und mein Gemahl der Pregel /

Hat so viel Vorrath bey der Hand /

Mein Weitz- und Korn belastet tausend Segel /

Das stets nach Westen wird gesand.

Daß man den Marbod dem Osir

Und Marmelinen muß der Isis ziehen für.


Der Himmel hat nicht auszusinnen wissen

Ein glücklicher Vermählungs-Band /

Denn Marbod herrscht / wo ich fang' an zu flüßen /

Und Sie / wo sich verliehrt mein Strand /

Damit mein Haupt und Silber-Fluß

Nur denen / die ein Hertz / nicht zweyen dienen muß.


Es hüpfft und springt des Carpathus Gefielde /

Und unser' Ost-See sammlet ein /

Den schönen Agstein euch zu einem Bilde

Der wegsticht jeden Edelstein!

Ach k \nte doch sich meine Flutt /

Zu Diensten euch verkehrn in Perl und Schnecken- Blut.


Was aber kan euch unser Armuth geben /

Ihr reichen Götter dieser Welt?

Der Himmel geb euch Sieg / Vergnügung / Leben /

So lang es selber euch gefällt.

Und euer Stamm vergehe nicht /

Biß daß der Ost-See Saltz / und Wasser mir gebricht.


Unter dieser Begleitung lendeten Marbod / und Marmeline zu Godanium an / allwo der Gothanische und Estische Adel auf einer der Marckmänner / und Hermundurer Kriegs-Heer auf der andern Seite in Bereitschafft stand. So bald sie ans Ufer traten / wiese man sie unter dem Gethöne der Kriegs-Waffen und Krummhörner / wie auch des zuruffenden Volckes einen künstlich gedrechselten und mit Agstein überlegten Sieges-Wagen zu besteigen. Auf diesem fuhren beyde zwischen fünfhundert Blumen ausstreuenden Jungfrauen / einer wol hundert Ellenbogen hohen Ehren-Pforte zu / welche auf jeder Seite sechs Absätze hatte / und darauf die zwölf berühmtesten Helden-Thaten des Hercules / aber statt dessen allenthalben den Marbod fürstellten. Auf dem ersten Absatze zerrieß er die zwey von der Juno wider den Hercules geschickte Schlangen; darunter stand: Julia und dieWollust. Auf der andern erwürgte er den dreyköpfichten Cacus; darunter war zu lesen: Britton / welcher dreyer grosser Völcker Fürst gewest / und vom Marbod untergedrückt war. Auf dem dritten verjagte er den Stymphalus / und seine gefräßigen Vögel; darunter stand: Jubil. Auf dem vierdten tödtete er den funfzig-köpfichten Lerneischen Drachen; die Unterschrifft hieß: die Hermundurer. Auf dem fünfften brach Hercules dem in einen Ochsen verwandelten Achelous das Horn ab / welches dieser mit Amaltheens fruchtreichem Horne auslösete; darunter stand: Critasir. Auf dem sechsten fegte [860] er des Augia Stall aus; darunter war zu lesen: die Bojen. Auf dem siebenden entsätzt er Diomeden seiner Pferde; darunter war geschrieben: die Semnoner. Auf dem achten erschlug er den Albion und Bargion; diese waren bezeichnet:Häupter der Lygier. Auf dem neundten tödtete er den Busir und zerstörte seine von Menschen Blute trieffenden Altäre; darunter laß man: die Naharvaler. Auf dem zehnden erschlug er das wilde Schwein des Erymanthischen Gebürges / worunter zu lesen war:Carrodun / weil Marbod derer daselbst dreyhundert erlegt hatte. Auf dem eylfften Absatze brachte er den Sohn der Erde und Riesen Anteus umb; darunter stand der Nahme: Gottwald; weil man ihm vielleicht nicht den Gothonischen Hertzog Arnold zugestehen wolte. Auf dem zwölfften eroberte er nach erlegtem Drachen in Hesperischen Gärten die güldenen Aepffel. Hierunter war geschrieben: Agstein. Auf der obern mitlern Spitze ward Hercules von der Sonne mit einem Trinck-Geschirre in Gestalt eines Schiffes beschenckt / als auf welchem er durchs Meer gefahren seyn soll; darunter stand: die Ost-See. In der Mitte dieser Ehren-Pforte aber stand Marbod in Gestalt des Hercules / und lösete der wie eine Amazone ausgeputzten Marmeline den Gürtel auf; darunter war zu lesen: Verträuliche Kriege. In dieser Ehren-Pforte waren allerhand Trompeten und Krumhörner versteckt / welche sich tapffer hören ließen. Als auch Marbod durchfuhr / bückte sich der mitlere Hercules herab /reichte dem Könige seine Oelbäumene Keule / und legte ihm die Löwen-Haut über die Schultern. Hierauf kamen sie auf den grösten Platz der Stadt Godanium /und fanden daselbst eine eben so hohe Ehren-Pforte. Auf derselben höchster Spitze stand Marmeline in Gestalt Hesionens / welche Hercules aus dem Rachen eines Wallfisches errettete. Auf der rechten Seite stand Marmeline wie Andromeda an einen Steinfelß angebunden / wie sie vom Perseus aus den Klauen des sie zu fressen eilenden Meer-Wunders erlöset / und mit selbtem vermählet ward. Auf der lincken Seite stellte Marmeline die von ihrem Bruder Ptolomeus verfolgte / vom Julius Cäsar aber in ihr Reich eingesätzte Cleopatra für. Weiter herunter stand auf der rechten Seite Marmeline in Gestalt der Scythischen Königin Thalestris / wie selbte den grossen Alexander umarmte / und gegen über in Gestalt der Pontischen Königin Hypsicratea mit abgeschornen Haaren / wie sie zum flüchtigen Mithridates auf sein Pferd saß. Zu unterste war auf einer Seite die Vermählung Hebens /welche aus der Trinck-Schale / darinnen sie den Göttern das Nectar zureichte / selbtes ins Meer goß / welches sich in eitel Agstein verwandelte. Auf der andern Seite stand ein loderndes Altar der Liebe / worbey Marmeline ihr Hertze / Berenice aber ihre abgeschnittene und auf den Fall glücklicher Zurückkunfft des Ptolomeus Evergetes aus Asien verlobte Haare verbrennte. Alle diese Bilder / sagte Döhnhoff / hatten ihre besondere Uberschrifften; mir ist aber nur noch die zum letztern im Gedächt nüsse blieben:


So viel ein lebend Hertz geht todten Haaren für /

So viel gebührt auch Preiß für Berenicen mir.

Hat nun ihr Haar als Stern' im Himmel Platz gewonnen

Muß Marmelinens Hertz sich gar verkehrn in Sonnen.


In der Mitte aber saßen Marmeline und Marbod /wie Omphale und Hercules spinnende neben einander. Jene aber spaan eitel güldene Fädeme / dieser eisernen Drat. Hierunter waren folgende Reimen mit feurigen Buchstaben zu lesen:


Was Hercules für Ruhm durch tausend Müh gewaan /

Verspielt bey Omphalen er durch verzärtelt Küssen;

Wenn der / der's grosse Meer mit Bergen kan verschlüssen /

[861]

Der's Himmels Bogen stützt / in Abgrund weiß die Bahn /

Den Hund dem Pluto raubt / der Geister schrecken kan

Durch den Löw / Drache / Ries und Schwein den Geist einbissen /

Ja der schon als ein Kind zwey Schlangen hat zerrissen

Als Magd am Rocken leckt' / als Weib am Rade spaan.


Alleine Marbod dreht allhier mit Marmelinen

Viel herrlicher Gespinst'. Ihr Flachs ist güldner Drat /

Den Tugend und Gelück ihr angeleget hat /

Stein Stahl-Garn aber kan zu Tartsch und Pantzern dienen;

Was nun Alciden schimpfft / verewiget sie zwey /

So wisst nun / daß er Mars / sie aber Clotho sey.


In dieser Ehren-Pforte waren die allerlieblichsten Seitenspiele versteckt. Als nun Marbod und Marmeline für die Pforte kamen / nam Berenice ihren von schimmernden Rubinen und Diamanten leuchtenden Sternen-Krantz vom Haupte / und sätzte solchen Marmelinen auf. Das gröste Theil der Nacht / und der folgende Tag / an welchem die Vermählung mit grossem Gepränge nach der Gothonen und Estier Art durch Einsegnung der Barden geschah / ward mit köstlichen Gastereyen vollbracht / worbey das Meer / die Flüsse / die Wildnüsse / und die Lufft gleichsam mit einander stritten / wer die niedlichsten Speisen herzugeben im Vermögen habe. Sintemal gegen das Reichthum dieser Länder / so wol an seltzamen Meer-Flüß- und Gebirge-Fischen / als seltzamen Wilpret / die übrige Welt gleichsam für arm zu halten ist; Also daß weder Colchis / noch Chio / sich ihnen vergleichen darf. Folgende acht Tage wurden theils mit Fischereyen im Meere / in der Weichsel / und andern Strömen / theils mit Jagten zugebracht / in welchen dreyhundert Bären / tausend Hirsche / so viel wilde Schweine / fünfhundert Elends-Thiere / so viel Püffel-Ochsen / dreyhundert Luchse / ohne unzählbare Füchse / Wölffe / Rehe / Hasen / Reiger / geschlagen und gebeitzt wurden /also die Römer mit den Jagten ihrer grossen Schauspiele hier nur würden ausgelacht worden seyn. Diese und andere Belustigungen wurden endlich mit einem von den Barden erfundenen Schauspiele beschlossen. Der Schau-Platz stellte ein überaus lustiges mit Bergen umkräntztes / mit Flüssen durchwässertes Land /und darunter einstürmendes Meer für / in dessen Ferne sich die Augen / der Einbildung nach / auf etliche Meilen vertiefften. Aus denen sich öffnenden Wolcken that sich das geflügelte Geschrey herfür /und sang folgenden Reimen:


Kein grösser Glück ist Deutschland nicht erschienen

Seit Alemann vergrössert ward /

Als daß der Schluß des Himmels Marmelinen

Dem grossen Marbod zugepart.

Denn Ehr und Tugend wird vermählet durch sie zwey

Und Deutschland Braut / weil sich ihm legt das Glücke bey.


Hierauf ließ sich auf einer blauen und geflügelten Kugel das Verhängnüß zwischen Donner und Blitz aus dem mit denen Nordlichen Gestirnen besämten Himmel herab. Diß war mit einem blauen Rocke voller Sternen bekleidet / auf dem Haupte hatte es zu seiner Krone einen Krantz von sieben sich stets bewegenden Sternen / in der rechten Hand einen stählernen Königs-Stab / in der lincken einen güldenen Rincken. Aus der berstenden Erde sprangen zwischen Feuer und Flammen Brontes Steropes und Pyragmon herfür / welche ein eisernes Altar zusammen schmiedeten. Auf der rechten Seite kam ein von vier Perlen-farbenen Pferden gezogener Sieges-Wagen / und führte die auf einem Palm-Baume sitzende / mit einem Oel-Krantze gekrönte und mit einem gestickten Rock gekleidete Tugend auf den Schau-Platz. In der rechten Hand hatte sie einen Palmzweig / in der lincken eine stachlichte Kastanien-Nuß. Gegen über erschien auf einem von sechs kohlschwartzen Pferden gezogenen Sieges-Wagen das wie eine Königin in Purper und Gold gekleidete / oben aber geharnschte Deutschland. Auf seinem güldenen Helme streckte sich ein zweyköpfichter Adler herfür. Die rechte Hand hielt einen gläntzenden Spieß / die lincke ein Grabescheid. Beyde bückten sich gegen dem [862] Verhängnüsse / stiegen beym Altare vom Wagen / zündeten daselbst ein Feuer von Agstein an / und sangen kniende zusammen:


Verhängnüß grosse Gottheit aller Götter /

Beherrscherin des Himmels und der Welt.

Wend' einmal ab von uns die Unglücks-Wetter /

Weil dir doch Krieg und Laster nicht gefällt.

Die uns nun hundert Jahr geädert haben aus /

Schlag diese Natterzucht der Höllen-Brutt in graus.


Ist gleich dein Schluß in Diamant geetzet /

Kan Jupiter selbst nicht verkehrn dein Looß /

Ist die Natur dir untern Fuß gesetzet /

So bist du doch nichts minder gut als groß.

Unschuld und Demuth wird ja deinen Zorn entfernen /

Ob ein weiß Lamm gleich nicht entkräfftet deine Sternen.


Die Tugend ist der Kern ja alles guten /

Warum ist ihr denn Erd und Himmel feind?

Warum muß Deutschland immer leid- und bluten /

Da es kein Volck so gut und redlich meint?

So laß uns Göttin doch nicht stets elende seyn /

Nach Schnee folgt ja Geblüm' / auf Regen Sonnenschein.


Bey dem letzten Reime senckte das Verhängnüß seinen Stab / und fieng an zu singen:

Wie recht thut ihr / und glaubt daß meine Schlüsse

Nicht unrecht / blind / ich unerbittlich sey.

Wißt aber / daß offt Saltz und Welle müsse

Euch und Korall was gutes legen bey.

Was in den Rosen fault / bleibt in den Nesseln gut /

Die Ruh macht Sicherheit / und Wollust Ubermuth.


Jedoch gehn euch aus Nordens Finsternüssen

Nun zwey Gelücks- und Eintrachts-Sternen auf /

Wenn zwey so grosse Häupter Ehen schlüssen /

Verändert selbst der Himmel seinen Lauf.

Komm / Ehre komm / und nimm die Tugend dir zur Braut /

Komm / Glücke / denn durch sie wird Deutschland dir vertraut.


Bey diesen letzten Worten hob das Verhängnüß nicht so geschwinde den Stab empor / als die mit Adlers Flügeln versehene Ehre / auf der einen: das mit Pfauen-Federn geflügelte Glücke aber aus der andern Ecke des Himmels geflogen kam. Die Ehre hatte einen gantz güldenen Rock an / auf dem Haupte einen fast unsichtbaren Krantz von zwey kleinen Oel-Zweigen / vielleicht weil die herrlichste Ehre in Gedancken der Menschen besteht / in der rechten Hand einen Lorber-Zweig / in der lincken einen güldenen Apffel. Das Glücke war über den gantzen Leib mit Edelgesteinen und Perlen behängt / auf dem Haupte hatte es einen Krantz von flüchtigen Tulipanen / in der Hand ein Ruder / unter dem lincken Arme ein Horn des Uberflusses. Das Verhängnüß wiederholte singende die zwey Reime:


Komm Ehre / komm und nimm die Tugend dir zur Braut /

Komm Glücke / denn durch sie wird Deutschland dir vertraut.


Zwischen diesem singen nahm es allen vieren die Hände / verknüpffte die Tugend und Ehre / Deutschland und das Glücke mit einander. Deutschland und die Tugend warffen hierauf etliche handvoll Weyrauch und Agstein ins Feuer / und sangen:


Der gantze Nord / Meer / Himmel / Erde / springen /

Daß Marbod Marmelinen ist vermählt;

Weil sie der Welt hierdurch zu wege bringen /

Daß Ehre und Gelück uns hat zur Braut erwehlt.

Drum blüh ihr Ruhm und Hauß / biß daß dem Himmel Licht /

Dem Erden-Kreiße Frucht / dem Meere Saltz gebricht.


Inzwischen fanden sich auf den Schau-Platz zur Bedienung der Tugend ihre Gefärthen Eintracht /Klugheit / Heil; zur Bedienung der Ehre Ruhm /Liebe / Ergetzligkeit; zur Bedienung Deutschlandes Tapfferkeit / Redligkeit / und Beständigkeit; und des Glückes Freundschafft / Freude / Fruchtbarkeit. Nach geendigtem Gesange wurden die Ohren aller Zuschauer mit dem Schalle der lieblichsten Säitenspiele erfüllet; nach welchem die Tugend / Ehre / Deutschland /und das Glücke auf der Erde; Neptun und Thetis / Nereus und Amphitrite mit zwölff Nereiden auf dem Meere / sechzehn Nordliche Himmels-Zeichen / nemlich der kleine und grosse Bär / mit ihrem Bären-Hüter Arcas / der die güldenen Aepffel bewachende Drache / der grausame Mobren-König Cepheus mit Caßiopen und der gekrönten Ariadne / nebst [863] ihrem Erlöser Perseus und seinem geflügelten Pferde Pegasus / Hercules mit der umgekehrten Keule / der in Schwan verwandelte Jupiter mit seinem Schencken Ganymedes / Esculapius in Gestalt einer Schlange /der Wagen-Erfinder Erichton / Prometheus mit dem an ihm nagenden Adler einen sehr künstlichen Tantz hegten. Orpheus und der schlangichte Phorbas spielten auf ihren gestirnten Leyern / damit jener alle Thiere zu sich gelockt / dieser die Schlangen bezaubert hatte / wie auch der auf dem gestirnten Meer-Schweine sitzende Arion auf seiner Laute / und ein Egyptier auf dem gestirnten Drey-Ecke. Wie nun die zwar auf der Erde / und im Meere tantzenden durch ihre zierliche Abwechselungen die Hefftigkeit ihrer Liebe und Freude neben ihren Eigenschafften wol auszudrücken wusten / also überstieg alle Kunst und Geschickligkeit der Himmels-Zeichen Gebehrdung. Denn der stets in der Mitte der Reyens sich befindende kleine Bär wuste so artlich anzudeuten / wie er Jupitern auf Creta gesäuget / und deßwegen den ersten Stand unter den Gestirnen verdient hätte. Der grosse Bär stellte Jupiters Buhlschafft mit der Callisto / ihre Beschämung im Bade Dianens / der eyversichtigen und sie in einen Bär verwandelnden Juno Grimm / und der Callisto Versetzung in Himmel / nicht ungeschickter für. Ihr Sohn Arcas gab sein Schrecken / daß er seine Mutter bey einem Haar erschossen hätte / eben so wohl zu verstehen / als er bey seiner Wache kein Auge von ihr abwendete / gleich als die Weiber auch im Himmel nicht ohne Wächter keusch bleiben könten. Mit diesem strit der Drache in Wachsamkeit gleichsam um die Wette / und hatte er sonderlich auf den Hercules stets ein Auge / aber auch für ihm so viel Furcht im Hertzen / sonderlich weil dieser alle seine Kämpffe / und endlich auch die von dem blutigen Hembde des Nessus ihm verursachte Raserey fürstellte. Cephus aber wieß seine Eyversucht wider Cassiopen / seine Grausamkeit wider seine weisse Tochter Andromeda; jene ihr Hertzeleid / diese ihre Furcht / für dem sie zu fressen eilenden Meer-Wunder / Pegasus sein Schäumen / Perseus seine Begierde sie zu retten / und alle ihre Freude über dem erlegten Ungeheuer. Der Schwan wuste sich so erschreckt zu stellen / als wenn der ihn verfolgende Adler selbten schon in Klauen hätte / und sich zu schmiegen / als wenn er in Ledens Schoos verborgen läge / welche er hernach mit seiner arglistigen Geilheit berückte / und aus einem weissen Schwane sich in was ärgers / als einen schwartzen Raben verwandelte. Die Schlange wand sich und zitterte / als wenn in ihr Esculapius noch einmal vom Donner erschlagen werden solte. Prometheus drückte mit Gebehrden nicht weniger seine Schmertzen wegen des an ihm nagenden Adlers / als seine Freude aus: daß Hercules ihn mit einem Pfeil erlegte. Ganymedes aber wieß sich überaus geschäfftig und freudig / als wenn er Jupitern bediente / oder von ihm geliebkoset würde. Nach geendigtem Tantze verschwand in einem Augenblicke alles auf dem Schau-Platze / außer der Ehre und Deutschlande. Jene schwebte in der Lufft / und fieng an zu singen:


Ihr Schwestern der Natur / durch derer Pinsel-Feder

Verewigt wird die Sterbligkeit /

Die ihr die Zeiten hemmt / und der Gestirne Räder /

Auch abhelfft der Vergessenheit /

Vergesset ihr / was Marmeline

Und Marbod für ein Maal verdiene?


Bey wehrendem Singen fanden sich die Mahlerey /die Bildhauer- und Tichter-Kunst auf den Schau-Platz. Die Mahlerey hatte einen bundten Rock / einen Krantz von Lorbern auf / in der Hand ein Gebund Pinsel. Die Bildhauer-Kunst einen weissen Rock /einen Krantz von eisernen Zancken / in der Hand einen Meissel und Zirkel. Die Tichter-Kunst einen blauen Rock / einen Krantz von Epheu / und unter dem Arme eine Leyer. Alle drey [864] bezeugten sich rüstig der Ehre zu gehorsamen / und sahen sich allenthalben begierig nach dienlichem Zeuge um / und fiengen / so bald die Ehre schwieg / singende an:


Ist Deutschland so sehr arm uns Werckzeug vorzustrecken?

Wächst kein Lasur und Helffenbein?

Man weiß daß Gold in Berg' und Perl'n in Flüssen stecken /

Ja ihm gebricht kein Edelstein.

Laßt uns in Mahlwerck / Säul- und Schrifften

Nun ihnen ein Gedächtnüß stifften.


Deutschland lächelte / wendete sich gegen den sich in Gebürge vertieffenden Schau-Platz / und sang:

Ihr Geister die ihr wohnt in Bergen und in Flüssen /

Und ihr Geäder schwanger macht /

Müßt nunmehr rede seyn / und eure Schätz' aufschlüssen /

Auf eure Schutzherrn seyn bedacht.

Den Vorrath bringen her / denn euer Reichthum kan

Nicht besser / als für sie / gewehret werden an.


Alsobald sahe man aus den Gebürgen sich vier Waldmänner herfür thun / welche bey ihrer Näherung so vielgrosse Riesen vorstellten. Ihre Kleider waren aus eitel Fichten-Laube zusammen geflochten / auf dem Haupte hatten sie auch solche Kräntze / welche aber von Diamanten / Granaten und andern Edelgesteinen reichlich prangten. Jeder trug auf der Achsel eine ungeheure und noch rohe Seule von Marmel. Die eine war roth und weiß / und stand darauf: Aus dem Carpathus; die andere war schwartz / und daran zu lesen: Aus dem Hercynischen Gebürge; die dritte war schneeweiß / und stand darauf aus dem Sudetischen; die vierdte war blau-ascherfarbicht mit der Beyschrifft: Aus dem Zopten-Berge. Ihnen folgte eine ziemliche Anzahl kleiner Berg Geister. Nach ihnen stiegen aus den fernen Flüssen nicht viel kleinere Wasser-Geister. Der gröste bildete eine Frau ab / welche auf dem Haupte sechs Hörner / vielleicht wegen so vieler Ausflüsse ins Meer / um dieselben einen Krantz von Rohr und Edelgesteinen / unter dem Arme einen grossen Wasserkrug hatte / daran stand: die Donau. Der andere Geist war nicht viel kleiner / und eben so gebildet / nur daß er auf dem Haupte nur ein Horn / und an seinem Wasser-Kruge den Nahmen:Elbe führte. Der dritte grosse Geist hatte drey Hörner / und auf seinem Wasser-Kruge stand: die Weichsel. Der vierdte Geist war diesem an Hörnern / und anderem Aufzuge so gleich / als wenn sie Geschwister wären; sein Krug aber führte den Nahmen den Oder. Nach diesem kam eine grosse Menge kleiner mit Schilff gekrönten Wasser-Geister / darunter die Iser und der Kweiß mit perlernen Hals-Armbändern und Ohrgehencken / der Bober und die Katzbach mit vielem Golde / und eine kleine in die Ohlau fallende Bach der Marsinger mit unzählichen Diamanten behengt waren. Nach diesen Wasser-Geistern fanden sich auch gewisse Feld-Geister / welche nicht nur um das Haupt Binden von schneeweisser Leinwand / derogleichen auch die Könige tragen / sondern auch Ballen Leinwand unter den Armen trugen / weil durch Flachs und Leinwand die Erde fürgebildet wird. Diese letztere spannten nicht so geschwinde ihre Leinwand auf eine Räme auf / als etliche kleine Berg-Geister /Zinober / Lasur-Stein / Berggelbe / und andere Farbe / der Oder-Geist auch sein berühmtes Röthe-Kraut zu der Mahlerey Füssen legte / diese aber mit einer zauberischen Geschwindigkeit des grossen Alexanders /und Roxanens Hochzeit / die Gesichter aber nach dem Könige Marbod und Marmelinen mahlte / und nach dem Beyspiele des Mahlers Aetion / welcher eben diß Gemählde auf die Olympischen Spiele brachte / solche dem Urthel der Zuschauer fürhielt / und / ob es im Tempel der Ehre und des Gedächtnüsses aufzuheben wäre / fragte. Die Bildhauer-Kunst aber machte sich über die von den Riesen abgeladene vier stücke Marmel / aus dem schwartzen und ascherfarbichten bereitete [865] sie zwey Fuß-Gestüle / aus dem rothen Marbods /aus dem weissen Marmelinens Bilder / und zwar mit einer so vollkommenen Aehnligkeit / als unglaublicher Geschwindigkeit. Die Tichter-Kunst sahe diesem allem zu / und sang nach ihrer Harffe / und der Bildhauerin gantz ordentlichen Ha erschlägen folgende Reimen:


Ihr holden Schwestern thut / was euer Pflicht geziemet /

Wenn ihr den Preiß der Tugend zahlt /

Protogenes hat recht / wenn seine Faust sich rühmet /

Daß sie der Ewigkeit nur mahlt.

Minerve selbst wil sein vom Phidias geetzt /

Weil beyder Kunst den Tod selbst seiner Macht entsetzt.


Die Welt und Nachwelt ehrt in eurem Bild und Schatten

Der Helden-Thaten und Verdienst /

Ja euer Pinsel kommt Vergötterten zu statten /

Und Tugend hat von euch Gewienst.

Es reißt nicht Zeit und Neid die Sonnen-Pfeiler ein /

Die nur den Wůrdigen von euch gesetzet seyn.


Des grossen Marbods Bild der edlen Marmeline /

Wird länger als Lysippens stehn /

Weil niemand leugnen kan / daß er und sie verdiene /

Sie biß zur Sonne zu erhöhn.

Macht Alexanders Bild Apellen so bekand

Wird dieser Fürsten Ruhm auch Adeln eure Hand.


Der Himmel / welcher selbst in Bilder pflegt zu fassen /

Was er der Ewigkeit wil weihn /

Hat bey dem Hercules destwegen Platz gelassen /

Daß beyde dar versternt solln seyn.

Denn Marbod wird so denn den Adler fesseln an /

Und Marmeline seyn Astreen zugethan.


Inzwischen werd ich hier für sie die Leyer růhren /

Um zu verewigen sie zwey.

Denn Orpheus kan hiermit aus Tod und Hölle führen

Ich vom Vergessen machen frey.

Ja Schwan und Leyer / die nechst dem Alcides stehn /

Sind schon bedacht ihr Lob wie seines zu erhöhn.


Inzwischen wurden diese zwey Ehren-Bilder von denen Geistern aufgerichtet / hernach hegten alle Berg-Wasser- und Feld-Geister um sie zierliche Täntze. Die Ehre gab aber nach etlichen Abwechselungen ihnen ein Zeichen zu ruhen / und fieng an gegen sie auf nachfolgende Weise zu singen:


Vergesset ihr allhier die Bilder zu bekräntzen?

Sind Kräntze nicht der Ehren höchster Preiß?

Es ist nichts würdiges in dieses Welt-Baus Gräntzen /

Was die Natur nicht auszukrönen weiß.

Der Himmel ist zugleich ein Kreiß und Krantz der Welt /

Der aber in sich selbst noch sieben Zirkel hält.


Die Milch-Straß und der Kreiß / wodurch die Sonne rennet /

Ists Himmels und kohlschwartzer Nächte Krantz /

Wird auch die Sonne nicht des Tages Krantz genennet

Die Finsternüß bekräntzt des Monden Glantz.

Ja Sonn' und Mohnde hüllt in Hof und Kreiß sich ein /

Wenn sie am schönsten wolln im Stern-Gewölbe seyn.


Des Mohnden zweyfach Horn / der Sonne Regen-Bogen /

Sind Kronen der zwey Augen dieser Welt.

Auch wird der Erde Dunst durch sie empor gezogen /

Zu kräntzen der gewölckten Lüffte Feld.

Die Morgenröthe kräntzt mit Rosen ihr Gesicht /

Und der Cometen Haar ist ein sie kräntzend Licht.


Der Himmel prangt in Nord mit Ariadnens Krantze /

Und setzt ihn auf der Berenizen Haar /

Auch prangt ein Sternen-Krantz beym Scorpionen- Schwantze /

Und überstrahlt des Himmels Stern-Altar.

Ja um den Erden-Ball gehts ungeheure Meer /

Als wie ein weisser Krantz um seine Flutten her.


Wie soll die Erde nun nicht auch mit Kräntzen pralen /

Die man mit Fug der Krantze Mutter nennt /

Sie pflantzt ein einen Krantz Berillen und Opalen /

In Schwefel / Saltz / wird offt ein Krantz erkennt /

Jedwede Rose / Lilg' und Nelcke zeiget an /

Wie herrlich die Natur die Blumen kräntzen kan.


Auf den Granaten ist kein Apffel ungekrönet /

Kein Baum / kein Stengel unbekränzt /

Nichts / was der Ehre Hand zu Kräntzungen entlehnet

Ist / das nicht selbst mit einem Krantze gläntzt.

Der Palmen Blüth und Frucht / des Weinstocks Trauben sind

Die Kräntze / die den Herbst um ihre Schläffe wind't.


Die Hörner auf den Gems- auf Hirschen / Ochsen / Rehen /

Sind ihrer Häupter Kräntzelwerck und Zier /

Man sieht auf Papegoy und Pfauen Kronen stehen /

Die Schnecke reckt so Krantz als Horn herfür.

Der Phönix bild ihm nichts mit seinen Kräntzen ein /

Weil Schlangen / Muschel / Fisch / auch theils gekrönet seyn.


Eh als der Mensch die Milch der Mutter noch kan saugen /

Umkräntzt ihn schon in Mutterleib ein Hut /

Die Augenbranen sind ein Krantz der Helden Augen /

Die Brüste sind gekrönt von Wartz' und Glut /

Der Nabel krönt den Bauch / ja was bekräntzt nicht steht /

Hat zur Vollkommenheit die Natur nicht erhöht.


[866]

Wie mögt ihr Geister denn / die ihr hieher erschienen /

Zwey hochgekrönte Häupter zu verehrn /

Die Bilder ihres Ruhms mit Kräntzen nicht bedienen?

Durch Trägheit kan man Fürsten leicht versehrn;

Eröffnet euren Schatz / tragt allen Reichthum bey /

Daß ein anståndig Krantz fůr sie bey Handen sey.


Weil die Ehre noch sang / schütteten die Gebürge /Wasser- und Erd-Geister etliche Berge von Edelgesteinen / Perlen und Gold zusammen / und als die Ehre beschloß / sangen sie mit grosser Ehrerbietigkeit folgendes nach:


Wahr ists: nichts in der Welt ist würdiger zu krönen /

Als die der Reiche Häupter seyn /

Es scheint uns die Natur nur Perl und Gold zu lehnen /

Um selbte Königen zu weihn;

Gemeines Blumwerck dient fůr and'rer Leute Ruhm;

Nur edle Steine sind der Fůrsten Eigenthum.


Weil nun ihr Schatten auch ist an das Licht zu heben

So muß man krönen beyder Bild /

Wenn aber wir gleich mehr hierzu an Golde geben

Als Ptolomeens Krone hielt /

Wenn wir Simandens Kreiß gleich setzten auf ihr Bild /

So wäre doch von uns nicht unsre Pflicht erfüllt.


Jedoch was die Natur für Marck und Kern der Dinge

Hat unsern Adern eingesämt /

Das tragen wir hierbey. Ist diß auch zu geringe /

Und wird ihr Ruhm dadurch beschämt.

So wird der Himmel uns was bessers flössen ein /

Das für sie zwey zur Noth ein tüchtig Krantz kan seyn.


Unter währendem Singen rafften sich die Feld-Geister mit Perlen und Edelgesteinen um solche zwischen ihre zusammen gebogenen Lorber- und Myrten-Zweige zu Bekräntzung der aufgerichteten Bilder einzuflechten. Es that sich aber aus dem brausenden Meere ein alle andere an Grösse übertreffender Geist herfür /welcher wie Neptun mit einem Dreyzancks-Stabe gerüstet war / und auf einer grossen von Wasser-Pferden gezogenen Perlen-Muschel eine schwartze in eitel Edelgesteine gleichsam eingewickelte Königin führte. Diese hatte einen mit Diamanten umflochtenen Krantz aus Narden-Blättern / welche von köstlichem Balsame troffen. Auf ieder Seite lag ein ungeheurer Elephanten Zahn. Auf ihrem Schilde war von Rubinen der Nahmen Indien zusammen gesetzt. An denen Chrystallenen Zancken deß Wasser-Geistes war eingeetzt: Das grosse Welt-Meer. Beyde stiegen aus / und bückten sich für denen zwey Bildern. Der Geist des Meeres schwenckte seinen Dreyzancks-Stab / zerstreute damit die von Flüssen zusammen geschüttete Perlen / und schüttete derer unter folgendem Singen in nicht weniger Menge aber in viel grösser Vollkommenheit aus:


Wer untersteht sich mir mit Perlen fürzuzücken /

Der ich der Perlen Vater bin?

Geht Flüsse / die ihr wolt hier die zwey Bilder schmücken /

Mit euren Wasser-Perlen hin.

Die Sonne zeuget nur das Licht / die Perlen ich /

Warum erkieset man zum kr \nen denn nicht mich?


Wie wenn der Tag anbricht / der Sternen Heer verschwindet /

So werden solche Perlen bleich /

Für denen / welche man in Persens Busem findet /

Und um Taprobanens sein Reich.

Da nun kein falscher Schmuck von reinem Hertzen rührt /

So schimpfft man beyder Bild / wenn mans so spöttisch ziehrt.


Eben so machte es Indien mit denen versamleten Edelgesteinen / überstreute hingegen den Schauplatz mit so schönen / daß er mit eitel Feuerflammen gepflastert zu seyn schien / und sang dazu:


Wer will mir greiffen für? bin ich nicht der Rubine /

Der Diamante Vaterland?

Gib Marbod doch nicht zu / verwehr' es Marmeline /

Daß man dir lieffert schlechten Sand /

Und Affter-Edelstein hängt euren Bildern an /

Da euch mein reicher Arm viel edler putzen kan.


Die Ehre und alle Geister wurden über diesem Reichthume gleichsam entzückt / aber es stieg ein ander Geist aus dem nähern Meere herfür. Er führte eine Gabel von zwey Zancken aus Agsteine / darauf der Nahme des Ost-Meers geetzt war / ihn begleiteten zwölf andere Meer-Götter / welche alle grosse Stücke Agstein von zwantzig und mehr Pfunden nachtrugen. Dieser sang folgendes:


[867]

Wahr ist es: Indien gebiert die schönsten Steine /

Die klärsten Perlen zeugt das Meer.

Die Sterne werden selbst entzückt von ihrem Scheine /

Und sehnen sich zu blicken her.

Allein in meiner Schooß wird ein solch Schatz gezeugt

Der Diamant / Rubin und Perlen übersteigt.


Ein Schatz / mit welchem selbst die Sonne scheint zu pralen /

Und der verliebte Venus-Stern /

Wenn er und sie sich kräntzt mit ihren güldnen Strahlen /

Der Perl- und Edelsteine Kern /

In dem des Himmels Gold / der Wässer Silber brennt /

Für dem das Aug' erstarrt / und den man Agstein nennt.


Der Diamanten Blitz / das Feuer der Rubinen /

Der Perlen Wasser und ihr Schnee /

Bleibt allzeit einerley; dem Agstein aber dienen /

Die Farben all auf Erd' und See.

Der rothe gleicht Rubin / der blaue dem Saphier /

Der gelbe gehet Gold' / und Hyacinthen für.


Wenn Perl und Diamant allein das Auge füllen /

Geneust es gar kein ander Sinn /

Der Agstein aber weiß auch den Geruch zu stillen /

Ja sticht so Myrrh / als Kampffer hin /

Daß iederman ihm muß den grossen Ruhm verleihn /

Er sey so kräfft'ge Würtz' als ein schön Edelstein.


Es mag Gagat die Spreu / Magnet das Eisen ziehen /

Der Agstein hat nicht mindre Krafft /

Für keinem Steine sieht man so viel Seuchen fliehen /

Als diesem / dessen Eigenschafft

Ist Hauptweh / Rose / Gifft / Stein / Fäul' und Pest zu heiln /

Die schwere Noth zu stilln / und Flüsse zu zertheiln.


So daß die Aertzt ihn recht den Lebens-Balsam nennen /

Und die im Himmel sind bekand /

Aus seinen Würckungen gewisser Zeit erkennen /

Daß er dem Mohnde sey verwand.

Wiewohl das Alter ihn wie Perlen nicht entfärbt /

Er keine Speisen auch wie Diamant verterbt.


Zu dem stellt die Natur in Perl' und Edelsteinen

Sich nur als eine Zwergin dar /

Mit Agstein aber spielt sie nicht so sehr in kleinen

Daß man darmit nur kräntzt sein Haar.

Sie hat besonders den für beyder Bild erkiest /

Weil Marmel viel zu schlecht für solche Fürsten ist.


Unter währendem Singen thät sich noch eine mit einer Agsteinenen Krone gezierte / und über den gantzen Leib mit Agsteine behangene Fürstin mit zwölff ihr fast ähnlichen Dirnen herfür. Sie hatte in der Hand eine Agsteinene Gabel / unter dem Arme einen solchen Krug / und um die Stirne war in Agstein eingegraben: Glassaria. Sie sahe sich allenthalben wilde um / insonderheit die Ost-See scheel an / und sang mit ziemlicher Entrüstung folgende Reyme:


Für solche Häupter sind ja freylich zu geringe /

Zu Bildern / Ertzt und Marmelstein /

Was euch das Welt-Meer zeigt / und Indien für Dinge /

Die sind zwar k \stlich / doch zu klein /

Der Agstein ist nur werth nach seiner Größ und Pracht

Daß Phidias aus ihm Gedächtnüß-Säulen macht.


Allein / ich fasse nicht / mit was für Fug sich mische

Die Ost-See frembden Gütern ein /

Ich g \nn' ihr gern ihr Saltz / Cristall / und ihre Fische /

Der Agstein aber ist mein Stein.

Er ist kein Schaum der Flutt / nicht Nordens güldnes Eiß /

Kein Saamen grosser Fisch' / auch nicht des Meeres Schweiß.


Nicht wilder Luchse Harn / kein Brutt von Elephanten /

Von Meleagers Vögeln nicht;

Nicht der Heliaden / die voller Liebe brannten /

Ihr Thränen-Saltz und wäßricht Licht.

Er ist der Erde Kind / er wächst in meiner Schoß /

Die Flutt macht ihn allein von seinen Adern loß.


Weg also Alabast / Ertzt / Marmel / und Rubine /

Und äschert beyde Bilder ein /

Wo Marbod nach Verdienst mit seiner Marmeline

Soll von der Kunst gebildet seyn.

Durch Agstein wird ihr Bild viel edler ausgedrückt /

Nichts ist / was sich hierzu für Helden besser schickt.


Der Fürsten Adel hat den Ursprung aus der Sonnen /

Und Agstein schreibt sich auch daher.

Er und die Perlen sind vom Himmel hergeronnen /

Was rühmt sich seiner denn das Meer.

Ich habe's Mutter-Recht. Kein Theil der Welt als ich

Kan für das Vaterland des Agsteins rühmen sich.


Bey dem vierdten Satze zerschmetterte sie auch so wol Marbods als Marmelinens Bild / wieß hingegen der Bildhauer Kunst auf die abgelegten Stücke Agstein an; welche mit ihren Handlangern augenblicks darüber embsig zu arbeiten anfing. Die Ost-See hingegen grieff mit seinen Meer-Geistern zun Waffen /und ihr fielen die Flüsse mit ihren Wasser-Nymphen /hingegen der sich zur Gegenwehre rüstenden [868] Glassaria die Berg-Geister zu; Welche alle mit einer wunderwürdigen Ordnung und Geschickligkeit in einem kriegrischen Tantze einander bald mit ihren Gabeln und andern Waffen antasteten / bald mit einander rungen / bald diese / bald jene verfolgten / und verfolgt wurden. Die Flüsse fiengen an zu schäumen / das Meer mit toben Wellen zu rasen / als wenn jene alle Ufer zerreissen / dieses alle Länder ersäuffen wolte. Das trübe Gewölcke stürmete / und die Klippen der Gebürge rieben sich an einander / gleich als wenn Erde und Wasser einander den Untergang geschworen hätten. Als dieser Kampff aber am hefftigsten / und alles unter einander vermischt war / klärte sich in einem Augenblicke der Himmel aus / alle Wolcken verschwunden / die Wasser flossen wie geronnene Chrystallen / und alle Streitenden verwandelten sich gleichsam in unbewegliche Marmel-Bilder / weil auf einem Regenbogen sich die Iris mit einer Krone von Agstein / und ihrem Rosenen Munde sehen ließ / und mit einer himmlischen Süßigkeit folgender Weise sang:


Welch Wahn verleitet euch zu so unnützem Kampffe /

Meints Meer / daß Agstein Thränen sind?

Die Erde: daß er komm aus Hartzt und Schwefel- Dampffe /

Der Agstein ist des Himmels Kind.

Der Vater ist die Sonn / ihr Saame schwängert euch

Wie's Mohnden Horn mit Perln macht Meer und Muscheln reich.


Die Sonnen-Töchter sind die Gold-gestammten Strahlen /

Der Agstein ist der Thränen Thau /

Kein Erd-Safft könte sonst ihn zeugen / und so mahlen

Sein Sternen-Gold / sein Himmel-Blau.

Ja selbst die Sonne wird ihr Zeugnůß fůgen bey /

Daß Agstein etwas mehr als irrdisch Wesen sey.


Mein Deutschland ist allein gewürdigt auf der Erde /

Daß seine Schooß den Saamen fängt /

Und daß fůr Indien sein Ruhm gesetzet werde /

Des edlen Agsteins Brutt empfängt.

Kan nun ein edler Talg fůr deutsche Fürsten seyn /

Als Agstein / daß man gräbt ihr Ebenbild darein?


Bey währendem Singen ward der Himmel über und über mit Rosen beschüttet; hierauf erschien die ihren Eyß-grauen Tithonus umarmende Morgenröthe auf einem von zwey weißgeflügelten Pferden gezogenen Wagen von Golde. Ihre Finger und ihre Watigen waren gleichsam aus frischen Rosen gebildet; auf dem Haupte hatte sie eine Krone von Agstein. Dieser folgte die Sonne auf einem Agsteinenen Wagen / welchen vier Rosen-farbichte Pferde zogen. Ihr Haupt hatte gleichfalls einen geflammten Krantz von Agstein auf /und der helle Himmel fing an über den gantzen Schau-Platz Agstein zu regnen. Inzwischen als die Bildhauer-Kunst unten das Bild des Königs Marbod und Marmelinens fertigte / die Dirnen der Glassaria aber solche auf die Marmelnen Pfeiler erhoben /umkreißten sie langsam den Himmel / die Sonne spielte auf einer Leyer / die Morgenröthe auf einer Harffe / und beyde sangen darzu mit einer bezaubernden Süßigkeit:


Den Agstein mahlt mein Mund / die Sonne giebt ihm's Wesen /

Das Erdreich nur den Auffenthalt /

Und unsre Hand schenckt ihn darum nur auszulesen /

Daß grosser Könige Gestalt

Darein gebildet sey. So thut nun eure Pflicht /

Wer Fürsten nicht verehrt / dient auch den Göttern nicht.


Die Häupter die die Kunst in schönsten Agstein setzet

Sind unser Schatten euer Heil.

Wenn Ehr und Deutschland nun ihm ihre Kräntz auffsetzet;

So hat daran der Himmel Theil /

Und Deutschland schwingt sich auf / biß / wo die Sonne fährt /

Kein ander Perlen-Krantz ist sie zu krönen werth.


Hierdurch ward Deutschland und die Ehre aufgemuntert / daß jene des König Marbods / diese Marmelinens Bilde den von ihrem Haupte genommenen Krantz auffsätzten / und darzu sungen:


Olympens Jupitern / aus Gold und Helffenbeint /

Und der Schmaragdenen Osir /

Praxitelens Cythee' aus Alabaster Steine

Gehn diese beyde Bilder für.

Pompejens Perlen-Bild / das Asien ihm macht /

Ist gegen diese zwey nichts als geschickte Pracht.


[869]

Es sey des Haminons Horn ein Heiligthum der Mohren /

Der Sirier der Adads-Stein.

Für beyde Häupter ist was edles außerkohren /

Weil sie gantz was besonders seyn.

Wie mag man unsern Krantz nun besser bringen an /

Als wenn man ihn gewehrn auf beyder Häupter kan.


Nach diesem Gesange ward alles auf dem Schau-Platze / und im Himmel rege. Alles was sich nur rühren konte / hegte einen Tantz um die gekrönten Bilder. Die Morgenröthe und die Sonne aber hielten am Himmel zusammen ein Wette-Rennen. Nach desselben Vollendung aber / fiengen sie auffs neue an zu singen:


O mehr als güldne Zeit / wo selbst Natur und Sterne

Verdienste sich zu kräntzen mühn /

Wo man die Tugend macht zur Ehre / Grund / und Kerne /

Und Kronen voller Lorbern blühn.

Doch weil Gedächtnüß-Mal als irrdisch Ding vergehn /

Ist Tugend und Verdienst in Himmel zu erhöhn.


Beym letzten Reyme fuhren sie als ein Blitz herab /und nahm die Sonne des Marbods / die Morgenröthe Marmelinens Bild auf ihren Wagen / fuhren darmit empor / und stellten jenes auf die rechte / diß auf die lincke Seite des gestirnten Hercules. Hiermit verschwand alles / ja der Schauplatz selbst / für der Zuschauer Augen / welche nicht zu sagen wusten / ob sie wahrhafftig was gesehen / oder es ihnen nur geträumet hätte.

Döhnhoff muste hierüber Athem schöpffen / iedoch hätte er / ungeachtet seiner Müdigkeit / seine Erzehlung vollends ausgemacht; wenn nicht ein ander Barde ihm durch ein Zeichen zu schweigen geboten /und die gantze Versamlung zur Abend-Mahlzeit eingeladen hätte. Thußnelde fieng hierüber an: Es ist in alle Wege Zeit diesem holdreichen Weisen Lufft zu gönnen / welcher sich unser Augen und Ohren dergestalt bemeistert / daß unsere Begierde ihn zu hören weder seine Müdigkeit / noch die ins Mittel getretene Finsternüß wahrgenommen haben. Döhnhoff aber entschuldigte vielmehr daß die gegen den Fürsten Gottwald und seine Kinder eingepflantzte Liebe ihn verleitet hätte / durch seine Weitläufftigkeit so vielen zarten Ohren überlästig zu fallen. In keinerley Weise antwortete Agrippine. Für unser Geschlechte will ich Bürge seyn. Denn das Frauenzimmer liebt zwar die Verschwiegenheit der Geheimnüsse / aber sie reden gleichwol gerne / und sind begierig was annehmliches zu hören. Ja / sagte Döhnhoff / aber Worte ohne Nachdruck sind Spreu ohne Körner / und also besorge ich / so würdige Ohren mit nichts als Hülsen gefüllet zu haben. Uber diß habe ich noch diesen Kummer; daß auf eine ungesaltzene Rede eine so kalte Mahlzeit folgen werde. Ariovist fiel ihm ein / und sagte / es wäre keine süssere und auskommentlichere Speise als die Weißheit / bey welcher man so wol als bey Freunden mit Saltz und Brodt könte vor lieb nehmen. Agrippine fieng an: Es ist wahr / daß das Hertze der Brunn der Wolthätigkeit / Mund und Hand aber die Werckzeuge der Seelen sind / durch welche die menschliche Liebe rinnet. Alleine / jener ist meines Erachtens dieser / wie freygebig sie gleich ist / weit fürzuziehen / weil durch ihn die Seele / durch diese nur der Leib Nahrung bekommen kan. Unter diesen und andern annehmlichen Wortwechselungen / kamen sie zu einem von lauter Stauden zusammen geflochtenen und rings umher von weissen Buchen überschatteten Lust-Hause. Die Taffel war wie dieses rund / der Trachten drey / und iede bestund von nicht mehr als sieben Speisen. Die von Thußnelden herbey geschafften Speisen einfältig / und ohne viel / offt mehr Eckel als Anmuth verursachende Künste / und Vermischungen der Köche / aber sauber zugerichtet. Die aus weissem Thone gebrannten Schüsseln waren ins gesamt mit Blumwerck überflochten / daran eine iede Speise ihre besondere Uberschrifft hatte.


[870] Bey den Forellen stand:
1. Der Himmel prange nicht mit den gestirnten Fischen /
Hier stehn gefischte Stern' auf armer Leute Tischen.
Uber denen Gründeln:
2. Durch Klippen und durch Glut vollziehn wir unsern Lauf /
Die Kälte nehret uns / die Hitze reibt uns auf.
Uber eine Schüssel voll Eschen:
3. Kein Fisch hat diß / was wir in Flüssen / Meer und See
Wir essen meistens Gold / und rüchen wie der Klee.
Uber Murenen:
4. Die Frauen buhlen uns / man hängt uns Perlen an /
Ob unsre Geilheit gleich nicht Nattern lassen kan.
Uber einen Aal:
5. Ich bin die Helena der Fische. Beyder Glücke
Ist eines. Denn ich sterb an Angeln / sie am Stricke.
Uber eine Barbe:
6. Je älter als ich werd' / ie besser soll ich seyn /
Doch legt den besten Ruhm mein Mund wie Frauen ein.
Uber roth gesottene Krebse:
7. Der Tod zeucht Sterbenden den Purper aus / uns an /
Ob er alleine gleich nicht wie ein Krebs gehn kan.

Uber einen grossen Braten von einem
Auer-Ochsen:
1. Kein Thier nutzt mehr als ich; Im Leben schaff ich Brodt /
Und wenn man Fleisch verlangt / so schläget man mich todt.
Uber einer Hirsch-Keule stand:
2. Die Schlangen nehren mich / ich habe mich an Eise /
Doch giebt mein Hora Artzney / mein Fleisch gesunde Speiste.
Uber ein Reh:
3. Man schärfft auff meinen Tod und Unschuld Pfeil und Fleiß /
Weil ohne Leichen nicht der Mensch zu leben weiß.
Uber einer Gemse:
4. Ich machte doch umsonst durch Wurtzeln feste mich /
Denn keine Festigkeit hält wider'n Tod den Stich.
Uber einen wilden Schweins-Kopff:
5. Wie grausam ist die Lieb' / in dem für den Adon
Viel tausend solche Köpff ihr sind geopffert schon.
Uber einen Bieber-Schwantz:
6. Zu stilln die Jäger biß ich mir die Geilen ab /
Allein mein Balg und Schwantz verdiente noch das Grab.
Uber den Hasen:
7. Ich bin das fruchtbarste der Thiere mit vier Füssen /
Daß man nur meiner Kost vergnüglich kan genüssen.
Uber Rebhüner.
1. Dem fehlet der Geschmack / wer unser nicht begehrt /
Weil eines Aristipp hält funffzig Stůber werth.
Uber Haselhüner:
5. Für uns kan kein Apitz nichts niedlichers gewehren /
Uns solte sonst kein Mensch als Könige verzehren.
Uber einen wilden Auer-Hahn:
3. Kein köstlich Flügelwerck kommt mir an Grösse gleich
Und gleichwohl ist mein Fleisch so wohl geschmack und weich.
Uber eine Schüssel voll Lerchen:
4. Von andern Vogeln wird das beste nur geklaubt /
Da uns mit Fleisch und Bein ist zu verzehrn erlaubt.
Uber Brach-Vögel:
5. Rühmt Vögel / welche nichts als Traub und Feigen fressen /
Wer süssen Speck verlangt / kriegt ihn an uns zu essen.
Uber Phasan:
6. Mich schätzet Ptolome sehr köstlich / doch so schön /
Daß er sich mich nicht will zu schlachten unterstehn.
Uber Schnöpffen:
7. Nichts heget Berg und Wald was so sehr niedlich schmeckt /
Weil man die Finger gar nach meinem Miste leckt.

Nach Aufhebung dieser Speisen wurden sieben grosse Schalen mit Garten-Obst aufgesetzt. Die Aepffel und Birnen waren von vielerley Arten / und hatten über dem einhüllenden Laube diese Beyschrifft:


Wir sind ein Bild der Welt / die offt mit Würmern speißt /

Wenn sie reucht noch so wohl / uns Gold und Purper weißt.


Uber denen Pfirschken stand:
Ist unsre Frucht ein Hertz / das Laub der Zungen Bild /
So lernet: daß der Mund nichts ohne's Hertze gilt.
Uber denen Mandeln war zu lesen:
Wir sind der Nüsse Kern / wir geben Oel und Mehl /
Wenn wir gerathen wohl / schlägt nie die Erndte fehl.
Uber die Weintrauben:
Gold ist der Erde Marck / der Rebensafft ihr Blut /
Der Wein des Alters Milch / des Lebens höchstes Gut.
Uber die Nüsse.
Es steckt ein süsser Kern in unsern bittern Schalen /
So muß der Ehre Lohn der Arbeit Säure zahlen.
Uber die Mispeln.
Wir Mispeln werden reiff in Spreu / und mit der Zeit /
Die Güter bringet ein der Früchte Langsamkeit.

Uber der Schale voll Pomerantzen und Zitrotronen /welche alle in diesem Garten der Barden
gewachsen waren:
Hier dieser Aepffel Gold bewehret Deutschlands Segen
Und lehrt daß Pflegung sey dem Wetter überlegen.

Uber diese Taffel sätzten sich allein die Fürstlichen Personen / welche die Barden bedienten / ihr Armuth entschuldigten / und so wohl der Hertzogin Erdmuth als Thußneldens Freygebigkeit [871] den meisten Vorrath zuschrieben / und von ihnen rühmten / daß sie von Barden / wie die Götter von Menschen ihre eigene Gaben wieder zurücke mit Danck annähmen. Niemand war / der nicht eben so begierig / mit Auslegung der Uberschrifften das Gemüthe / als mit den Speisen den Leib vergnügte; und durch andere anmuthige Gespräche denen Traurigen das Andencken der widrigen Zufälle aus dem Sinne zu bringen sich bemühete. Also / daß solcher Tag des Memnons Seule recht entgegen zu setzen war. Denn wie diese früh lachte / des Abends weinte; also wurden unterschiedene diesen Abend zum Lachen veranlaßt / derer Augen früh voller Wasser gestanden. Nur Zirolane und Ehrenfrid vermochten theils Leides / theils Ehrenthalber niemandens Gesichte zu vertragen / sondern hatten sich in ihre Einsamkeit verborgen. Hierüber gieng ihnen mehr als die halbe Nacht unvermerckt unter den Händen weg / daß sie kaum drey oder vier Stunden zum Schlaffe übrig behielten. Denn weil die Barden folgenden Morgen den verstorbenen Hertzog Gottwald zu begraben gesinnet waren / wolte niemand von eines so grossen Fürsten letzter Verehrung abwesend seyn. Zirolane / welcher ihr Hertze hätte in Stücken springen mögen / weil es zugleich ihres Vaters Tod /und ihres Liebsten Flucht auffs grimmigste aufschwellte / hatte gleichwohl nicht ihre Sorge für ihres liebsten Vaters Leiche vergessen / und so viel es die Zeit / und der Barden Gewohnheiten verstatten / darzu Anstalt gemacht. Alleine weil diese alle Pracht im Leben / und noch mehr der Leichen verdammen / und Hertzog Gottwald sich diesem Heiligthume gewidmet hatte / konte er nicht anders / als ein ander Barde begraben werden. Seine Leiche ward von dreyen Barden aus einem Brunnen gewaschen / mit einem weiß leinenen Kittel angethan / um das Haupt ein Krantz von Roßmarin geflochten / und einem in einen Felß gehauenen Grabe / welches die tausend Thränen vergissende Zirolane und Ehrenfried mit allen Arten der im Garten befindlicher Blumen erfüllet hatten /eingesäncket. Auf den das Grab deckenden Stein gruben die Barden folgende Reymen ein:


Der Bojen Säul und Schild / der Stab des Critasir /

Den Deutschland nicht begrieff / hat Raum in einem Steine /

Sein Leben ist nicht werth / daß man es viel beweine /

Denn sein Gemüthe gieng dem Glücke zehnfach für.

Und der niemahls geruht / ruht in dem Grab' allhier /

Der Himmel hat den Geist / die Grufft nur sein Gebeine /

Sein Ruhm wird taurend seyn mit der Gestirne Scheine /

Die Seel' hat einen Sitz erkiest beyn Sternen ihr.


So balsamt ihn nur nicht mit kostbarn Thränen ein /

Laßt seine Tugend euch ein ewig Vorbild seyn /

Und wůntschet / daß auch ihr / so euren Geist aufgebet /

Denn wer will nicht den Tod ihm halten für Gewien /

Wenn uns der Todt verehrt / was Glück und Zeit entziehn

Wenn man für Freuden stirbt / mit Wehmuth aber lebet?


Wiewol nun dieser im Leben unglückliche Fürst dieses ungemeine Todes-Glücke hatte / daß er für Freuden gestorben war / so war doch nicht leicht ein Grab mit mehren und köstlichern Thränen benetzet worden. Uber seinem Tode hat sich gewiß niemand als Marbod und Marmeline zu erfreuen gehabt; welche seines Lebens halber noch immer in höchsten Sorgen standen / weil niemand zu sagen wuste / wo dieser sich in die Einsamkeit dieses Heiligthums versteckende Fürst hinkommen war / hingegen unterschiedene Wahrsager dem Marbod verkündiget hatten / daß er von einem /dessen Nahme sich von einem G. anfienge / seines Reiches würde entsetzet werden.

Die unterschiedenen Gemüths-Regungen dieser hohen Versamlung hemmeten übrigens ihre Begierde nicht / vom Barden Döhnhoff vollends zu vernehmen / wie Hertzog Gottwald und er in diß Heiligthum / Zirolane an den Cheruskischen und Ehrenfried an Alemannischen Hoff kommen wären. Thußnelde / Erdmuth / Ismene / Ariovist / und alle andere Fürsten verfügten sich daher folgenden Morgen zu [872] einem Steinfelsen / aus welchem drey Qvelle sprungen / und nach dem sie sich daselbst niedergelassen / verfolgte Döhnhoff seine Reise folgender massen: Als ich zu Godanium unter der Fülle des gemeinen Volckes aus dem Schau-Platze gieng / kam ein Edelmann zu mir /zohe mich auf die Seite / und sagte: Mein Freund entferne dich von hier / und bilde dir nur ein: daß wie alle nicht einen einzelnen Menschen / also einer nicht alle betrügen könne. Du bist der Ritter Döhnhoff; welchem Marbod gram zu seyn / und Marmeline biß auf den Tod zu hassen Ursache hat. Weistu aber nicht / daß der blosse Unwille der Fürsten ein rechter Löwen-Kreil sey? Fürchte dich nicht von mir verrathen zu werden / denn ich bin hierzu viel zu edel /und ich habe es denen / welche für dich diß / was du bist / angesehen / mit Noth ausgeredet. Sein Gesichte kam mir mit seiner Rede so aufrichtig für / daß ich ihm gerade zusagte / ich wäre Döhnhoff. Ich fürchtete aber nicht / daß meine dem Fürsten Gottwald geleisteten treuen Dienste den König nach eroberter Herrschafft gegen einen Diener zu absonderer Rache verleiten solten; da zumahl ein seinen Unterthanen verfolgender Fürst jenen nur vergrösserte / sein eigen Ansehen aber verminderte. Dieser Edelmann antwortete mir: Du irrest in deiner eingebildeten Sicherheit sehr. Ist doch der Fürsten Gnade vielmahl ein Schatten des Todes; und du bildest dir ein: daß ein Beleidigter bey Ausübung der Rache so viel Licht als Feuer in Augen habe / oder der Grimm wie gewisse Winde über niedrige Sträuche überhin streiche. Folge mir aber / wo du dich ausser Gefahr wissen wilst. Ich trennte mich also so wenig von ihm / als der Schatten vom Lichte / kam also in ein nahe dem Strome gelegenes Hauß / da er mich selbige Nacht wol unterhielt / iedoch / wer er wäre / nichts mercken / sondern mir des Morgens eines von seinen eigenen Kleidern reichen / und auf ein Cimbrisches Kauffmanns-Schiff bringen ließ / welches gleich die Ancker lichtete / die Segel ausspannte / und sich Meer und Winde vertraute. Auf dem Schiffe ward ich von den Cimbern sehr wohl gehalten / insonderheit erwieß mir ein Cimbrischer Ritter Ahlefeld alle Gewogenheit und Wohlthaten / von diesem erfuhr ich auch / daß der mich aufdingende Edelmann ein Heruler gewest wäre / welcher sich bey dem Ritter Ranzau / des Cimbrischen Königs Frotho Gesandten aufhielte / durch welchen er den Marbod gewarniget hätte / sich der Krieges-Schiffe auf dem Balthischen Meere zu enthalten / als über welches die Herrschafft alleine den Cimbern zustünde. Weil dieser Ahlefeld ein Mann von so grosser Leitseeligkeit war / hatte ich kein Bedencken ihm zu sagen: Ich besorgte / daß der nunmehr so mächtige Marbod / welcher von der Donau biß ans Ost-Meer herrschte / und den Römern selbst ein Schrecken wäre / ihm die Hände nicht würde binden lassen. Ahlefeld antwortete: Sein König Frotho wäre sonder Zweiffel noch viel mächtiger / als welcher hundert und siebenzig Nordische Könige zu Lehns-Leuten / und ihrer allezeit dreißig zu seiner Bedienung um sich / auch stets über dreytausend Kriegs-Schiffe im Vorrath hätte /solche Meeres-Herrschafft zu behaupten / welche die Britannier / Gallier / Hibernier / die Ruthenen / Finnen / und andere benachbarte Völcker auch theils durch Ablegung eines Schiff-Zolles in der Codononischen Meer-Enge / theils durch Reichung einer jährlichen Schatzung erkennten. Er erzählete mir hierauf /wie Frotho durch seine Heerführer den Svionischen Fürsten Roller den König Arthorius erlegt / die Länder Summorien und Normorien durch Olimarn Hestien / Olandien und Curetien nebst vielen Eylanden /durch den Ritter Onev und Glomer aber die Orcadischen Inseln ihm unterwürffig und zinßbar gemacht hätte. Wegen Verstossung seiner Gemahlin Hannuda wäre er mit dem Hunnen-Könige [873] Hun in einen grausamen Krieg verfallen / und mit Hülffe des Sveon-und Gothischen Königs Erich denen Ripheischen Völckern bis in die innersten Eingeweyde gedrungen /nach dem sie sieben Tage nach einander Schlachten geliefert hätten. In dem ersten Tage wären so viel Hunnen todt geschlagen worden / daß man über die zu einer Brücke dienenden Leichen die drey grösten Ströme Rußiens gleiche gehen und reiten können. Folgende Tage wären der Hunnen so viel geblieben /daß das Land / wie weit man in dreyen Tagen reiten könte / über und über mit Erschlagenen bedeckt gewest. Am siebenden Tage hätte Erich der Svionen König / welcher vorher des Frotho Tochter die streitbare Gunwara durch besondere List zur Gemahlin bekommen / den König Hun mit eigener Hand erlegt /worauf denn des letzten Hunnischen Heeres Schlacht-Ordnung abermahls getrennet worden wäre / und sich mit des Königes Bruder noch hundert und siebentzig Hunnische oder den Hunnen beystehende Könige ergeben hätten. Frotho und Erich hätten denen Hunnen und Ruthenen Gesätze fürgeschrieben / welcher letztere gleichfals ein Herr von tiefsinnigem Verstande /unglaublicher Beredsamkeit / und wunderwürdigen Tapfferkeit. Dieser hätte mit seinem Bruder Roller unglaubliche Thaten gethan / in dem Kriege wider den Norwegischen König Gestublind den sich zum Könige der Svionen aufgeworffenen Alarich im Zwey-Kampffe erleget / hierdurch sein Reich / und von dem sterbenden Könige Gestillus das Gothische überkommen. Des zauberischen Königs Oddo in Norwegen /welcher ohne Schiff das Meer durchwandern / durch bloße Gesänge Stürme erregen / und die feindlichen Schiffe wie Nectabis stürtzen konte / gantze Schiffs-Flotte durchbohrt / seinem Bruder Roller des Frotho erste Gemahlin Hannuda des Königes Hun Tochter vermählet / und ihn zum Könige in Norwegen eingesätzt. Die Slawischen See-Räuber mit Strumpff und Stiel ausgerottet / und mit dem Frotho eine unauflößliche Freundschafft gestifftet / also daß die gantze Nord-Welt für diesen zwey Häuptern zitterte. Mit diesen und andern Erzählungen brachten wir bey gutem Winde zwey Tage vergnügt zu / den dritten aber erhob sich ein grausamer Sturm aus Sudwesten / welcher fünff Tage tauerte / und uns alle Augenblicke in den Rachen der unersättlichen See zu stürtzen dräuete. Endlich ward unser ohne diß leckes Schiff an das Ufer in der Gegend / wo der Fluß Meler sich ins Meer schüttet / getrieben und zerstossen. Die meisten im Schiffe aber hatten das Glücke / weil es Tag war /durch schwimmen auf eine aus dem Wasser hervor ragende Stein-Klippe dem Tode zu entkommen / von dar uns die am Ufer wohnenden Svioner bey sich etwas legenden Winde auf ihren Fischer-Nachen in Hoffnung grosser Beute ans feste Land abholeten. Sintemahl dieser Orten eben so wol / als bey den Siciliern und denen Armorichern die böse Gewohnheit eingerissen ist / daß man einem Schiffbruch-Leiden den diß / was ihm das wilde Meer übrig gelassen / zu rauben / für ein Recht des Strandes hält; Gleich als wenn der Himmel und die Wellen nur den vernünfftigen Raub-Vögeln zu gefallen nicht grimmiger gewest wären. Weil aber alle Cimbern waren / welchen das geringste Leid zu thun / ein halßbrüchiges Laster war / genoß ich unter ihrem Schirme nicht nur der Freygebigkeit / sondern auch von denen ohne diß gastfreyen Svionen / welche sich unter einander zanckten / wer uns beherbergen solte / vielerley Wolthaten. Maßen denn diese Völcker eine Gesetze haben / daß dessen Hauß verbrennet werden solte / wer einem Frembden die Herberge versagte. Der Hauptmann auf dem nahe darbey liegenden Schlosse kam selbst den Ritter Ahlefeld dahin abzuholen / und versprach uns zu unser Reise ein Schiff und alle Nothdurfft. Weil uns aber dieser berichtete / daß [874] nach dreyen Tagen in der Haupt-Stadt Upsal das Neunjährige grosse Opffer gehalten werden solte / welches diß Jahr so viel prächtiger seyn würde / weil es das erste des König Erichs wäre / und dieser darauf dem Könige Frotho und Roller in Norwegen zu Gefallen einen grossen Zug wider die Norweger oder Sitonen thun solte / war ich vom Ahlefeld / als sonder dessen Vorschub ich ohne diß nicht zu reisen wuste / leicht zu bereden / daß ich mit ihm nach Upsal zu reisete. Der Hauptmann verschaffte uns noch selbigen Tag ein Schiff mit erfahrnen Schiff-Leuten / welche uns theils zu Lande / theils zu Wasser über viel Seen und Flüsse durch unzählbare Steinfelsen den fünfften Tag glücklich nach Upsal brachte / welche Stadt mit unzählbaren Menschen angefüllet war / also daß ich mir keine Hoffnung hätte machen dörffen / in Tempel zu kommen / wenn nicht der König für den Ahlefeld / dieser aber für mich absondere Vorsorge getragen hätte. Auf den zum Opffer bestimmten Tag begab sich der König mit seiner gantzen Hofstadt sehr früh zu dem Weltberühmten Tempel / welcher auf einem Hügel an einem lustigen Orte gelegen / und mit einem Krantze der Berge umgeben ist. Die Einwohner geben zwar für / daß er nur vierhundert Jahr nach allgemeiner Ersäuffung der Welt gebaut wäre / es ist aber nicht glaublich / weil jedermann weiß / daß die so alten Völcker weder Bilder der Götter gemacht / noch auch sie hernach zwischen Gemäuer eingeschlossen / sondern selbte in Heynen verehret / ja nach Erfindung der Bilder / selbte doch nur unter Schopffen in freye Lufft gestellet haben. Dahero glaublicher / daß diesen Tempel König Frejus gebauet habe / wiewol er auch schon einmahl vom Gri er alles Goldes beraubet worden. Allhier legte der König seinen von übergoldeten Kupffer gemachten Harnisch ab / welche Art der Waffen nicht nur hier / sondern auch zu Rom / und sonst in der Welt älter gewest ist / als die von Stahl und Eisen. Nach dem er sich in dem am Tempel hinlauffenden Flusse gebadet / gieng er hernach baarfüßig in einem weiß leinenen Gewand / jedoch weil niemand ungewaffnet in diesem Tempel erscheinen dorffte / mit Helme /Schild / Spieß / und Schwerdte gerüstet / ins Heiligthum. Für dessen Eingange ihn alle Priester mit grosser Ehrerbietung bewillkommten / sich und ihren Gottesdienst seinem Schirme unterwurffen / und auf solchen fall ihn Göttlichen Schutzes und unzählbarer Siege versicherten. Denn die Gottesfurcht gäbe beydes Hertz und Waffen. Andere Mittel wären irrdisch /und dienten zwar zum Gebrauch / nicht aber zum Vertrauen / also daß man Tapfferkeit und Gewalt wol anwenden / sich aber darauf nicht verlassen müste. GOtt hätte ihn nicht an diesem Ende der Welt zum Könige erwählt / weil er seiner Tugenden halber so geschickt wäre / sondern weil Gottes Beruff einem jeden die vollkommenste Fähigkeit eindrückte / wäre er als sein auserwählter Werckzeug so geschickt. So heilsam nun ein frommer Fürst wäre / so vielmehr und grössern Schaden thäte ein Lasterhaffter im Reiche /als ein gifftiger Baum ist einem Garten / dessen Schatten auch die edelsten Pflantzen ersteckte. König Erich fiel auf seine Knie / legte sein Haupt auf die Schwelle des Tempels / schwur bey dem Nahmen des ersten Königes Swenno / wie die Cimbern bey dem Könige Dan / die Nord-Männer beym Niordur: daß er den alten Gottesdienst beschützen / die Ehre und Wolfahrt seines Volckes biß auf den Tod vertheidigen wolte. Nach diesem Beyspiele des Königs ergriffen alle ihn begleitenden Reichs-Räthe und Heerführer einen grossen ertztenen und vom geschlachteten Opffer-Viehe befleckten Rincken an einem nahe darbey stehendem Altare / schwuren eben diß / und noch darzu: daß sie alle Augenblicke für ihren König eben so wol wie die Opffer-Thiere ihr Blut zu verspritzen begierig wären. Der in [875] den Tempel wollende Adel muste auf dem Rücken eines der Freja zu schlachten bestimmten Ebers zwischen die Borsten ihre rechte Hand legen / und ihren Göttern Andacht / ihrem Könige Treue / ihrem Vaterlande Liebe schweren / welcher Eber auch als was gar heiliges für den König gebracht ward. Nicht ferne von diesem Altare stand ein breit-ästiger Baum / dessen Schafft schwerlich von sechs Männern umbgriffen werden konte / welcher Sommer und Winter grün blieb / und ob wol in Nord-Ländern die Bäume viel grösser / als anderwerts wachsen / alle die / welche ich mein Lebtage daselbst gesehen / an Größe übertraf. Also daß die berühmten Zypressen zu Patra in Achaien / welche achtzehn Schuch in die rundte wachsen / ihm nicht zu vergleichen sind. Westhalben er auch / wie nicht weniger darum / daß kein ander Baum seines Geschlechtes irgendswo zu finden war / für ein grosses Heiligthum gehalten ward. Denn ob sie zwar köstliche Bilder ihrer Götter hatten / gestanden sie doch: daß Wälder die heiligsten Tempel der Götter / auch die von Gold und Helffenbeine gemachten Seulen keine so herrliche Bilder / als lebende Bäume wären. Sie hatten auch keinen Baum / der nicht einem ihrer Götter / wie die Eiche Jupitern / der Oel-Baum Minerven / der Myrten-Baum der Venus / der Weinstock dem Bacchus /die Fichte Cybelen gewiedmet war. Nach diesem gantz absondern und unkentbaren Baume / welcher weder Oel- noch Palm- noch Myrten-Bäumen was nachgab / ward insonderheit die Fichte für so heilig geschätzt / als die Celten und gewisse Catten den Eich-Baum für Jupiters Behältnüß / und die Tribozen ihre drey Buchen für Säulen ihrer Andacht und Wolfarth halten. In welchem Absehen die Rhodier sonder Zweiffel ihrem Jupiter / die Beotier ihrem Bacchus den Nahmen des Gebäumten zugeeignet haben. Wie denn auch so wol bey diesen Nord-Völckern / als bey denen Indianern halßbrüchig ist / einen solchen geweiheten Baum zu beschädigen. Gleichwol ward niemand in solchen Tempel eingelassen / der nicht ein Blat darvon fürzuzeigen hatte / wiewol alle diese Blätter von sich selbst abgefallen seyn musten / weil diese Völcker eben so wol als die Phönicier die blosse Anrührung gewisser Bäume für das ärgste Laster hielten / und / daß einer von denen solche bewohnenden Gottheiten alsbald getödtet würde / gläuben / ungeachtet sie darunter ihre Gefangenen zu schlachten kein Bedencken haben / gleich als wenn nach dem Befehle des die Thebaner ausrottenden grossen Alexanders verantwortlicher wäre / auf Menschen als Bäume zu wütten. Uberdiß ward ein jeder Eingelassener von den Priestern gebunden / um dardurch anzudeuten: daß alle Sclaven und Knechte dieser Götter zu seyn sich erkenneten / daher auch kein Fallender darinnen aufstehen / sondern sich zu tode treten lassen muste /gleich als wenn selbter von einem Schlage der Götter gerühret und zu sterben verdammt worden wäre. Dieser Tempel war aus eitel schneeweissen und Spiegel-glatten Marmel in die rundte gebaut / und wo die Felder nicht mit Goldbleche bedeckt waren / stellte der durch unvergleichliche Bildhauer-Kunst ausgeätzte Marmel in erhobener Arbeit die Thaten der alten Helden für. Die Absätze / die vier Thore / und die rings herum um den Fluß des Tempels gehenden fünf Staffeln aber / und die auf Corinthische Art selbten umgebenden hundert Säulen / welche das Gesimße des Daches unterstützten / waren aus rothem Marmel. Sein Umkreiß hatte siebenhundert Schritte / und so lang war auch die eines starcken Armes dicke Kette / aus dichtem Golde / welche über jedem Thore nebst einem grossen güldenen Schlosse vom Dache herab hieng / und unter dem Gesimße den gantzen Tempel umbschloß. Ich fragte den / welcher Ahlefelden und mich anzuweisen bestellt war / um die Auslegung /kriegte aber [876] nichts mehres zur Antwort / als: ob ich nicht wüste / daß die Mohren ihre Ubelthäter güldener Ketten würdigten. Daß auch andere Völcker ihren Opffer-Tischen gleichsam güldene Halsbänder umhiengen? daß des Janus Tempel zu Rom jährlich mit einem von Blumen und Blättern gemachten Krantze umflochten würde. Daß GOtt alles in dem grossen Tempel der Welt mit einer festen Kette zusammen gebunden hätte? solten sie nun ihr Heiligthum nicht eines solchen Ertztes und eines so festen Bandes zu ihrer Erinnerung werth achten: daß alle die / welche in diesem Tempel zusammen kämen / mit unzertrennlicher Liebe einander vereinbart seyn solten. Das Dach war von dichtem Goldbleche / in dessen Mitte eine rundte Oeffnung zwantzig Schuch breit den sonst kein Fenster habenden Tempel lichte / und zugleich dem Rauche von dem Opffer-Feuer zur Ausfahrt Raum machte. Für jedem Thore des Tempels war ein viereckichtes Vorgemach / oder vielmehr ein herrlicher Saal; in welchem außer der glatten Marmel-Säulen alles / ja so gar auch das Pflaster mit güldenen Platten belegt war. Inwendig war der Tempel über und über mit Golde bezogen / dessen ich so viel in allen Nordischen Ländern und Gebürgen zu seyn kaum geglaubt hätte. In dem Mittel dieses Heiligthums saß allein an einem erhobenen Orte auf einem güldenen / und mit zwölff Sternen umgebenen Stule oder vielmehr einem den gestirnten Bär abbildenden Wagen der höchste Gott aller Nord-Länder Thor / in Gestalt eines nackten Knabens / welcher wie Jupiter /in der Lufft / Donner / Hagel / Winde und Wolcken beherrschen / der gütigen und schädlichen Gestirne Einflüsse austheilen / Pest und Unfruchtbarkeit abwenden soll. Daher ihm auch der erste Monat des Jahres / und ihr erster Tag der Woche / nemlich der Donnerstag gewiedmet ist. Ob nun zwar in diesem güldenen Tempel des höchsten Gottes Bild nur aus Holtze war / weil die Nord-Völcker eben so wol als Griechen und Römer den schlechtesten und übel ausgearbeiteten Zeug seines Alterthums halber / dem köstlichsten Ertzte weit fürzohen / so war doch an seinem Bilde nichts höltzernes zu sehen / weil er über und über voller Edelgesteine; sein Haupt mit einer güldenen Krone / und darauf zwölff Sternen gläntzten. In der rechten eisernen Hand führte er einen Königs-Stab / und darauf das ewige Feuer / in der lincken nebst sieben Sternen einen grossen ertztenen Hammer oder vielmehr eine Streit-Kolbe / mit welcher er alle Harnische soll zermalmet haben. Auf seiner rechten Hand aber viel niedriger stand das Bild des geharnschten und mit güldenen Waffen ausgerüsteten Othin / oder Wodans / welcher ein Gott des Krieges seyn / und den Sieg verleihen / auch sich in Schlachten offtmahls in Gestalt eines einäugichten Alten zu Pferde mit einem weissen Schilde sehen lassen soll. Ihm ist der letzte Tag in der Woche gewiedmet / und soll ein Cimbrischer Fürst sein güldenes Bild nach Byzantz geschickt / ein anderes aber gefertiget haben / welches vom Anrühren eines Menschen / wie die Egyptische Memnons-Säule von Bescheinung der Sonne geredet /vielleicht zum Andencken: daß dieser Othin dem Scythen Mimer sein Auge für einen Trunck Wasser / dadurch er aber die höchste Weißheit eingesogen / gegeben / nach Mimers Tode aber seinen eingebalsamten und ihm überschickten Kopff durch Zauberey zugerichtet haben soll: daß es ihm alles kunfftige Ding wahrgesagt hätte. Uberdiß erzehlen die Nord-Länder von diesem Othin / daß er ein mit viel ertztenen Füssen versehenes Pferd / welches er Schleipner genennet / durch die Welt mit unglaublicher Geschwindigkeit geritten / auch endlich auf selbtem auf der Land-Strasse der Götter nemlich einem Regenbogen sich in Himmel begeben hätte. Wie sie denn mit dem Bilde dieses Pferdes als einem grossen Heiligthume ihre wertheste Sachen bezeichnen. Dieser Othin [877] soll bey den Scythen oberster Priester und in solchem Ansehn gewesen seyn / daß ihm ein jeder Scythe jährlich von seinem Kopffe einen Groschen bezahlen müssen / und nach seinem Tode haben sie ihn gar göttlich verehrt /König Freyer aber sein Bild zum ersten in Tempel gesätzt. Auf der andern Seite stand die gantz nackte Frigga oder Freja / welche aber wie ein Zweydorn mit beyderley Geschlechts-Gliedern / in der rechten Hand mit einem Degen / in der lincken mit einem Bogen gebildet war. Sie wird für Othins Gemahlin / für die mitternächtige Venus / und eine Vorsteherin der Liebe gehalten / daher ihr auch der Freytag gewiedmet ist. So bald König Erich für diesen dreyen Bildern den Sitz genommen hatte / brachten die Priester einen grossen ertztenen Kessel / hoben selbten gegen dem Gotte Thor in die Höhe; der oberste Priester aber /welcher im Reiche keine geringere Gewalt als der König selbst hatte / hob des Thors lincken Arm dreymahl empor / und ließ selbten auf den davon schwirrenden Kessel fallen; worauf die Opffer-Knechte mit ihren Hämmern auf derogleichen Glocken schlugen /und ein lautes Gethöne damit erweckten. Dieser Priester war ein Knabe allem Ansehen nach nicht über zehn Jahr alt. Sintemahl allhier der oberste Priester /wie bey Elatea in Griechen-Land der Craneischen Minerven Priester / nicht unter sieben und nicht über vierzehn Jahr alt seyn / auch für diesem Alter sich seines Priesterthums entäusern muß / vielleicht weil es von allen wollüstigen Reitzungen befreyet seyn soll. Sein Antlitz war wie Milch und Rosen / sein Haupt mit schneeweissen Haarlocken umfangen / und sein gantzer Leib so wol gebildet / daß ich mein Lebtage einen schönern Knaben gesehen zu haben mich nicht erinnere / welches mich aber nicht wunderte / weil in diesen Nord-Ländern die weissesten Leute der Welt wohnen / und wie bey den Agiensern des Jupiters /also allhier das hohe Priesterthum dem schönsten Knaben / der im Reiche zu finden ist / aufgetragen wird. Hierauf brachte man neun hundert und neuntzig Gefangene in Tempel / welche rings umb die Götter gestellet wurden. Der oberste Priester nam neun geschälete Rutten / und eine ungeschälete / schnitte daraus so viel viereckichte Stücke als Gefangene waren; steckte solche in einen ledernen Beutel / rührte sie durch einander / zohe eines nach dem andern heraus /und gab jedem Gefangenen unbesehens eines in die Hand. Wie diese nun ihr empfangenes Loos vorweiseten / wurden die neun und neuntzig / welche ungeschälete bekommen hatten / von den andern abgesondert / und zum Opffer verdammet. Alles Volck bückte sich für diesen / und jedermann priese sie für die glückseeligsten Menschen / welche durch ihre Opfferung unmittelbar sich der Unsterbligkeit vereinbarten. Die Priester sätzten ihnen Kräntze von allerhand Blumen auf / wuschen sie aus einem hinter dem Bilde des Gottes Thor befindlichen- wol hundert Klafftern tief in Stein-Felsen gebrochenen und mit dem besten Wasser erfüllten Brunnen. Unterdessen wurden außer halb des Tempels neun und neuntzig Pferde / so viel Ochsen / und in gleicher Anzahl Wieder / Renn-Thiere / Wölffe / Hunde / Habichte geopffert. Denn ob zwar die Lappen der Sonne nur eitel Thiere weiblichen Geschlechtes schlachten / so taug doch hier nichts / was nicht männlich ist. Am angenehmsten aber sollen diesen Göttern die häußlichen Thiere seyn / so daß auch die zum Opffer bestimmten Habichte oder Falcken vor gekirret / oder statt ihrer Haußhahne geopffert werden müssen. Jedoch gehen diesen allen noch die Pferde für / welchen man die Köpffe abschneidet / und sie theils mit bürckenem Holtze verbrennet; Die geschlachteten Hunde aber gar in den neben dem Tempel gelegenen Heyne zu den geopfferten Menschen aufhencket. Denn diesen grausamen Gottesdienst hat der König Fro / oder der Zauberer Mithotys / wie Otin der Thiere [878] Blutstürtzung in diesen Ländern als einen heiligen Gottesdienst eingeführet. Gleich als wenn GOtt nicht anders als durch grausam seyn zur Barmhertzigkeit bewegt werden könte. Ich sahe dieser Zerfleischung mit Zittern und Hertzklopffen zu. Denn denen durchs Loos abzuthun Verdammten wurden anfangs die Köpffe an den Pfeilern des Tempels zerschmettert / hernach schleppte man sie auf die Erde zu einem Ertztenen Kessel /schnitt ihnen die Gurgel ab / und ließ ihr Blut darein. Nach dem nun diß geschwinde oder langsam heraus lieff / frolockten oder wehklagten die Priester darüber / weil jenes was gutes / dieses was böses bedeuten soll. Von diesem Blute ward das erste in das ewige Feuer gespritzet / welches auf einem für dem Gotte Thor stehenden und mit dickem Eisen belegten Altare mit grosser Sorgfalt unterhalten ward. Sintemahl durch den Thor eben so wohl / als bey den Aßyriern durch den Bel nach des Ninus Stifftung das Feuer verehret wird. Hernach bestrich man mit diesem Menschen-Blute die Bilder der drey Götter und den Stuhl des Thor / wie auch die Wände des Tempels; ja alle Anwesende wurden entweder mit darein getauchten Schwämmen gewaschen / oder durch einen Sprengwedel besprützet. Das übrige Blut ward theils zu Bestreichung der Segel zu glücklichen Schiffarthen aufgehoben / theils an die im heiligen Heynestehende Bäume ausgegossen / an welche die geopfferten Menschen / nach dem sie die Priester vorher in dem geweihten Brunnen fleißig abgewaschen hatten / aufgehenckt wurden. Nach welcher Begiessung alle Bäume als Ebenbilder der sie bewohnenden Götter / ja alle ihre Zweige für unversehrlich gehalten und angebetet wurden. Ich ward aber gleichsam vom Blitze gerührt /als ich den / welcher nun gleich nahe neben mir zerschmettert werden solte / für den Hertzog Gottwald erkennte. Das Schrecken und die Verbitterung beraubte mich wo nicht aller Sinnen / doch des Nachdenckens / was mir aus Störung dieses Opffers für Unheil zuwachsen könte. Ich sprang daher gleichsam wahnsinnig hinzu / fiel denen den Fürsten Gottwald zu beleidigen vorhabenden Priestern in die Armen / und fieng über laut an zu ruffen: Grausamste Un-Menschen! scheuet ihr euch nicht euren Göttern einen so grossen Fürsten abzuschlachten? Fürchtet ihr euch nicht eure Hände mit so edlem Blute zu besudeln /welches so wohl als euer Erich vom Gethar den Ursprung hat? Unsinniger! antwortete mir einer dieser blutigen Priester / was für Verzweiffelung reitzet dich unser heiligstes Opffer zu entweihen! Weistu nicht /daß es so schwer sey hier ein Opffer zu erledigen / als der Sonne gebieten stille zu stehen! Meinestu / daß das Looß ungefähr auf die Menschen gefallen! dieses ist nicht unsere Wahl / sondern die selbst eigene der weisesten Götter / welche am besten wissen / wer ihnen zum Opffer anständig sey. Wir können auf Erden nichts wollen / was nicht zuvor im Himmel uns unwissende beschlossen ist. Es ist bey Unterthanen halßbrüchig / wenn sie Fürstliche Befehle in der Wagschale seiner Vernunfft prüfen wollen. Ein ieder muß ihm wichtige Ursachen solcher Schlüsse einbilden / die ihm gleich nicht beyfallen oder gesagt werden. Und du elender Frembdling bist so vermässen die Göttliche Versehung zu meistern / welche immer verborgen / niemahls ungerecht ist! Vollbringet diesem nach unser Opffer / und straffet diesen Ubelthäter / wo er nicht als ein Wahnsinniger Mitleidens werth ist. Ja ja / versetzte ich / übet nur an mir / nicht an diesem unschuldigen Fürsten eure Grausamkeit aus. Ich / nicht er / ist vom Himmel zu eurem Opffer versehen. Ich will ihm / und euch zu Liebe / für ihn willig sterben / um euch von einem so ärgerlichen Fürsten-Morde zu befreyen. Denn dieser ist der unvergleichliche Hertzog der Gothonen und Estier / welche Völcker ihr für eure Brüder haltet. Wisset ihr nun aber nicht / daß Fürsten [879] selbst irrdische Götter / und unversehrliche Bilder derer im Himmel sind! der Priester brach mir ein: Meinestu / thörichter / daß die Hefen des Pöfels unsern Göttern gut genung / Fürsten aber zu Opffern zu edel sind! der grosse König Haqvin hat / um den Sieg zu erhalten / zwey; und König Aune um sein Leben zu verlängern neun Söhne / ja die Sviones zuweilen ihre eigene Herrscher dem GOtt Othin geopffert. Meinestu nun / daß dieser angegebene Gottwald besser / als diese sey; welchen GOtt nur darum das Eisen der Marckmänner nicht aufreiben lassen / daß er hier heiliger sterben könne! Ich fiel ihm in die Rede: Sollen eure Götter gerecht seyn / so macht sie nicht zu was grausamern / als der Wütterich Marbod ist. Hütet euch den zu tödten / den das Verhängnüß zur Ausübung seiner Rache wider den Marbod aufgehoben hat. Glaubet nur gewiß / daß diß eine mehr als höllische Boßheit sey / welche mit Gottesfurcht überkleidet ist. Andere Völcker und eure Nachbarn die Cimbern opffern aus hundert Gefangenen nur einen / und zwar nur in dem Falle / wenn Othin sich nicht durch Blut des Viehes versöhnen läst; ihr aber wollet / da ihr doch in keiner Noth oder Gefahr gesteckt / aus hunderten nicht einen beym Leben lassen. Glaubet nur gewiß / daß eurem Othin ein gemästeter Ochse einen süssern Geruch / als ein mager Mensch abgäbe. Meinet ihr aber / daß das Looß eine versicherte Nachfolge des Göttlichen Willens sey / so ist mein Wille für den Gottwald zu sterben vielmehr ein vom Verhängnüße herrührende Regung. Verschmehet mich nicht als einen vom Pöfel. Denn dieser Fürst und der Ritter Ahlefeld werden mir zeugen: daß ich so edel / als vielleicht einer unter diesen zum Opffer besti ten Frembdlingen sey. Man hat mir gesagt / daß in Mangel gefangener Feinde hier offt Knechte geopffert werden / und daß die Erstlinge der Gefangenen euren Göttern am angenehmsten seyn sollen. Ich aber bin ja besser als etliche Knechte / hingegen ist Gottwald nie euer Feind gewest / also nicht euer rechtmäßiger / weniger euer erster Gefangener. Der Priester aber begegnete mir: Meinest du / daß die Götter so veränderlich als wir Menschen sind / und daß sie ihnen diß / was das unbetrügliche Loos ihnen als ihr liebstes Wahlstücke schon zugeeignet hat /austauschen lassen? Ich antwortete: Eine solche Auswechselung kan GOtt nicht mißfallen; wo einer aus heisser Andacht und Liebe sich selbst GOtt zum Opffer bestimmet. GOtt ist diß am gefälligsten / was ihm aus freyem Willen gewiedmet wird. Meinest du aber nicht / daß ein so blutiges Loos ins gemein auf Unwillige falle? Hast du niemahls gehöret: was des Dodonischen Jupiters Tauben denen fragenden Calydoniern gerathen: durch was für ein Mittel sie der Raserey loß werden könten / welche ihnen der erzürnte Bacchus wegen seines von Callirhöen verschmäheten Priesters Coresus zugeschickt hatte? dieses nemlich /daß ihm die unerbittliche Callirhöe oder jemand / der für sie willig stürbe / geopffert werden solte. Hast du nicht vernommen; wie bald der Calydonier Plage aufgehöret / als der verliebte Priester Coresus sich statt der auf dem Altare liegenden Callirhöe abgeschlachtet. Sind nun erzürnte Götter mit einem ausgewechselten Opffer zu frieden; wie mögen es eure gütige verschmähen! Lasset mich also für Gottwalden sterben /der ich ihn mehr als Coresus seine halsstarrige Callirhöe zu lieben Ursache habe. Der Priester brach mir ein: Ist denn aber Callirhoe der Abschlachtung entronnen? nein / sagte ich / die durch den Tod bewehrte Liebe des Coresus entzündete ihr kaltes Hertze derogestalt: daß sie ihr selbst sein blutiges Messer in die Brust stach / und nunmehro sich selbst zum Opffer und Priester des todten Coresus machte / da sie sich vorher des lebenden Liebhaberin zu seyn zu gut dünckte. Hertzog Gottwald hatte biß hieher als eine steinerne Säule gantz unbeweglich gestanden / und[880] mit allem Volcke unserm Streite zugehört / nunmehr aber fieng er an: Liebster Döhnhoff / hat dich mein guter oder böser Geist hieher geführet! Ich erkenne zwar deine ungemeine Liebe / da du mein Leben durch Verlust des deinen erhalten wilst; Aber / weil du alle meine Zufälle weist / kanst du wol selbst glauben / daß mir mein Leben mehr eine Uberlast als eine Ergötzligkeit sey! der Himmel wil vielleicht hier mit mir meine Unglücks-Sternen in diesem Brunne ersäuffen. Lebe diesemnach zu meinem Andencken / und lasse mich sterben zu meiner Erleichterung. Gegen diß / was von Menschen herrührt / gilt unsere Vorsicht; wider das aber / was das Verhängnüs schickt /hat man keinen andern Schild / als die Gedult. In keinerley Weise / antwortete ich / du solst / um des Verhängnüsses Schluß durch eigene Rache noch auszuüben / leben. Mich aber hat Meer und Sturm mit Gewalt hieher getrieben für dich zu sterben; daß ich meine Treue durch mein Blut / meinen Tod aber mit was ruhmwürdigem besiegele. Ich ward durch einen besondern Trieb gereget / daß ich mit aller Gewalt dem Brunnen zueilte / und mich mit höchster Vergnügung darein gestürtzt hätte; wenn nicht die darbey stehenden Priester mir in Weg getreten wären; der oberste Priester aber gerussen hätte: haltet ihn / weder einer noch der ander kan geopffert werden. Allerweisestes Verhängnüs! Dein Licht ist eine Eröffnung unser blinden Augen / und die seltzamsten Zufälle müssen uns zu Verbesserung unser Irrthümer dienen. Zählet die / welche geopffert worden und noch zu opfern sind. Als dieses geschahe / ereignete sich / daß schon siebentzig abgeschlachtet / und mit dem Fürsten Gottwald ihrer noch dreißig übrig waren. Diese Zehlung geschahe dreymahl / und zwar so wol der ungeschäleten Höltzer / als der durchs Loos getroffenen Menschen-Opffer / es kam aber jedes mahl diese Zahl und also diß / daß einer übrig wäre / heraus. Sintemahl ihrer nicht mehr als neun und neuntzig geopffert werden dorfften. Der oberste Priester fieng hierauf an: Ich habe in Zerkerbung der Rutten geirret; aber auch die Irrenden fehlen nicht / wenn das Verhängnüs ihnen zum Irrthume die Hand führt. Ich nam dieses Bekäntnüs alsbald zu meinem Vortheil an / und sagte: Wenn wir aus Schickung des Himmels irren / ist es besser / als wenn wir aus eigener Klugheit was treffen. Jene Fehler dienen andern / wie frembde Wunden denen Wund-Aertzten zu Ehren / und dieser Irrthum erhärtet euren Opffern zum besten; daß die Götter ohne einigen Abgang an Abschlachtung dieses Fürsten kein Gefallen / sondern selbten zu ihrem wichtigen Werckzeuge bestimmet haben. Die anwesenden Priester und der mir vor widrige schienen nunmehr stillschweigende meine Seite zu halten / und Gottwalden zu erlassen; unter denen aber / welche geopffert werden solten / that sich ein Widersprecher herfür /welcher behaupten wolte: daß dieser Irrthum nicht dem einzelen Gottwald / sondern ihnen allen zu statten kommen / und wer von ihnen frey seyn solte / aufs neue geloost werden müste. Kein Stand / kein Geblüte hätte in Sachen des Gottesdienstes einen Vorzug. Hätten die Götter ihn für uns zum Leben versehen / so könte ihm das Loos nicht mißlingen / und er es ohne uns unrecht zu thun nicht ausschlagen. Ich erkennte diesen nunmehr für Hothebroten einen Gothonischen Edelmann / welchem Gottwald eines Verbrechens halber das abgesprochene Leben geschenckt hatte / und hielt ihm nicht ohne hefftige Gemüths-Bewegung ein: Boßhaffter / hast du so geschwinde deiner Treue und dieses Fürsten Wolthat vergessen! Weist du nicht /daß ein Unterthan keinen Bluts-Tropffen in Adern zu haben würdig ist / den er nicht für sein Haupt willig verspritzen wil! du aber bist so unverschämt ihm sein Leben anzusprechen / der dir dein verlohrnes aus Gnaden geschenckt hat! Ich wundere mich / daß dich dieser heilige Ort [881] in sich hauset; weil die Erde kein boßhaffter Thier beherbergt / als einen undanckbaren Menschen. Hertzog Gottwald aber fiel mir in die Rede / und sagte: Lasse diesen Undanckbaren nicht unsere sondern der ihm verächtlichen Götter Rache empfinden. Eigene Wolthaten soll man bald verschimmeln / über frembde Beleidigungen aber Graß wachsen lassen. Ich wil den Namen nicht haben / daß mir zu Gefallen jemand wider Willen sterben müste. GOtt und sein Loos mag unser Richter seyn. Jedermann und am meisten die Priester wunderten sich über dieses Fürsten hertzhafftem Vertrauen / und weil ich nicht erlangen konte / statt seiner mich dem Loos zu unterwerffen / behielt ich mir doch zuvor auf allen Fall statt seiner mich aufzuopffern. Der oberste Priester hüllete darmit 29. ungeschälte Looshöltzer mit einem weissen in Wolle / und nach dem er selbte in einem von ölbäumenen Holtze gemachten Kästlein durch einander gerühret / theilte er sie mit verbundenen Augen aus. Es ereignete sich aber zu aller Zuschauer Erstaunung / daß alle weiß geschälte / der einige Hothebrodt aber ein ungeschältes Loos-Holtz vorzuzeigen hatten. Ich / als ich den Fürsten Gottwalden das seinige vorzeigen sah / ward für Freuden außer mir selbst entzückt; weil ich glaubte / daß an seinem Leben und Glücke niemand mehr als ich Theil hätte. Aber ein gantz Eys-grauer Priester / welcher sich Diceneus nennte / und bey den Geten oberster Priester der Göttin Disa / wegen Verfolgung des Königes Byrebistas aber durch Scythien hieher kommen war / hatte für mir so viel Kräfften als Jahre seine Freude hierüber auszulassen. Sein vorhin blasses Antlitz kriegte eine lebendige Farbe / alle seine Glieder wurden gleichsam verjüngt / seine Gebehrden zeugten mehr Vergnügung als die alle / welche dieses Wunder-Loos vom Tode errettet hatte; und er fieng mit heller Stimme überlaut an zu ruffen: diß ist der Tag /welcher alle Finsternüsse der traurigen Mitternacht erhellet. O glücklicher / O erwünschter Tag! Ihr Betrübten / lasset alle trübe Wolcken euer Schwermuths aus euren Hertzen verrauchen. Aber von der Ursache unser grossen Freude / unsers allgemeinen Heiles /muß der nichts mit schmecken / den das Verhängnüs zu seinem letzten Blut-Opffer auserwehlt hat. Mit diesen Worten gab er denen dazu bestellten Priestern einen Winck / welche denn den Hothebrodt alsofort in den Brunn stürtzten. Hierauf fieng der alte Priester wieder an: Traget nun / ihr Priester / die Bilder euerer Götter zu dem nechsten Strome / und waschet von selbten das sie mehr besudelnde als versöhnende Menschen-Blut ab. Die Priester stutzten darüber / er aber fuhr gleichsam in einer Entzückung und heiligem Eyver fort: Lasset euch nicht befrembden / daß diese heilige Bilder gewaschen werden sollen / habet ihr nie gehöret / daß fünfzehn Römer alle Jahr das Bild der Cybele im Flusse Almon / die Argivischen Weiber die Bilder der Pallas und Diomedens in dem Flusse Jeachus / die Latier das Bild der Aricinischen Diana in dem bey selbigem Heiligthume gelegenen See / die Frauen zu Athen / in dem Plynterischen Feyer / das Geschmeide der vergötterten Agraulos / des Cecrops Tochter / waschen müssen! denn wie heilig gleich was ist / kan es doch durch Mißbrauch / wie die helle Sonne von Dünsten beflecket werden. Er redete diß mit einem solchen Nachdrucke / daß kein Priester mehr das Hertze hatte die Abwaschung ihrer Götter aufzuschüben. Nach dessen Vollziehung fieng Diceneus abermals an: Vernehmet nun ihr glückseeligen Nord-Länder; daß ich euch keinen blauen Dunst einer eitelen Freude für die Augen mache. Ich wil nicht meine Zunge / sondern todte Steine diese Warheit aussprechen lassen. Hierauf ließ er das Bild des Othin mit seinem Fusse von dem Pflaster fortrücken / da man denn auf einem viereckichten [882] Marmel-Steine diese mit Runischen Buchstaben eingegrabene Wahrsagung fand:


Wenn für den Fürsten wůnscht ein treuer Knecht zu sterben /

Ein Ungetreuer fällt / der ihn sucht zu verterben /

Und sich das schwartze Looß in eitel weisse kehrt /

Darff mehr kein Menschen-Blut den Göttern seyn gewehrt.


Weil nun niemand im Tempel war / der nicht diese alte Weissagung durch vorgegangene Begäbnüß erfüllet zu seyn glaubte / erhob sich ein allgemeines Frolocken. Der König selbst mühte sich auf alle Weise seine Vergnügung über Aufhebung dieser grausamen Menschen-Opffer an Tag zu geben. Der alte Priester aber gab ihnen ein Zeichen zum Stillschweigen / und hierauf zu verstehen / daß er noch mehrere Glückseligkeit ihnen anzukündigen hätte. Die Begierde solches zu vernehmen hemmete allen ihre Zungen / öffnete aber ihnen Augen und Ohren gegen dem Unterrichte dieses annehmlichen Götter-Botens / welcher /nach hinweggerücktem Bilde des Gottes Thor / auf einem andern Marmelsteine folgende Reime zeigte:


Wenn GOtt hier wird befehln / nicht Menschen mehr zu tödten /

Und noch ein Streich geschicht / der Erd und Meer wird rothen /

Wird viertzig Jahr diß Reich voll Fried' und Glücke seyn /

Der König erndten Ruhm / das Volck viel Segen ein.


Ob nun zwar die Nordländer streitbarer / wie die Sudländer tieffsinniger als andere Völcker sind; so konten doch die hertzhafften Svionen und Gothen ihre Freude über vertröstetem Frieden nicht in ihren Hertzen ersticken lassen; sondern sie jauchzeten über dieser gewünschten Zeitung als über Ankündigung einer güldenen Zeit; verfielen damit in Lobsprüche des güldenen Friedens / daß selbter eine Erhohlung abgematteter Völcker / der Könige Schatz-Kammer und Spaar- Büchse / ein Balsam der Königreiche / ein Paradieß der Herrscher / und ein Himmel-Brodt der Erde wäre. Aber der alte Priester war begierig dem andächtigen Volcke noch die dritte Freude zu machen / ließ also auch der Freja Bild etliche Schritte weit fortrücken /und wiese selbtem auf einem andern Marmelsteine folgende Weissagung:


Wenn Dam und Schwenno wird zusammen sich vermähln /

Und beyde Schwerdt und Schild in Eeg und Pflug- Schaarn kehren /

Wird GOtt ein Fürsten-Hauß der Mitternacht gewehren /

Dem es an Zweigen nicht kan tausend Jahre fehln.


Volck und König schütteten hierüber alle Uberbleibung ihrer im Hertzen noch übrigen Freuden aus; preiseten diesen Tag für den glückseligsten in der Welt / als in welchem das Unglücke ihnen mehr einigen Schaden zu thun entkräfftet würde. Der König verfügte sich hierauf zu dem Bilde des Gottes Thor /und opfferte in seine auf der Schooß habende weite Schale einen güldenen Teller / auf welchem sein Bild gepregt war / die Königin / ausser welcher kein Weib zu opffern oder nur in Tempel zu kommen befugt ist /einen nicht viel kleinern mit ihrem Bilde. Alles Volck / das im Tempel war / muste etwas Gold einlegen. Die verhandenen Lappen aber / bey welchen zwar Perlen in Flüssen / wie auch Silber / Kupffer und Eisen in Gebürgen gefunden werden / legten statt dieses Ertztes eine gelbe steinerne Müntze ein / dergleichen bey ihnen am Ufer eines Flusses gelesen werden. Der oberste Priester sprach hierauf alle zum Opffer bestimmte ihrer Wiedenung / König Erich sie der Gefangenschafft loß; den Hertzog Gottwald verehrte er als seinen Bruder / mir liebkosete er als einem Werckzeuge allgemeiner Wohlfarth / nach dero Gestalt vollendetem Gottesdienste wurden in allen vier Vorsäulen des Tempels köstliche Mahlzeiten bereitet / und darzu gewisse Stücke von denen Opffer-Thieren / besonders aber das für das herrlichste Gerichte geachtete Pferde-Fleisch genommen. Der König zohe Hertzog Gottwalden [883] und mich zu seiner und der Reichs-Räthe Taffel /er tranck aber nicht ehe als biß der oberste Priester kam / und aus dreyen güldenen Hörnern / darauf allerhand Sinnen-Bilder ausgeetzt waren / dem Könige den ersten Tranck in Weine / zu Ehren des segnenden Thor / den andern des die Feinde stürtzenden Othin /den dritten der fruchtbaren Freja zutranck. Denn dieses waren / wie bey den Griechen und Römern / der Becher des Hercules / und Bacchus / die nothwendigen Heil-Trincke. Der König nahm sie mit grosser Ehrerbietigkeit an / und nach dem er sie mit einem Creutze / welches den Hammer des Thor bedeuten soll / bezeichnet hatte / tranck er selbte; die Reichs-Räthe aber grosse Püffel-Hörner auf glücklichen Sieg des Königes / auf Ausbreitung des Reiches / und auf reichen Zuwachs der Erd-Gewächse herum. Hernach war niemand / der nicht zum Gedächtnüsse abgelebter Helden / und auf Gesundheit guter Freunde etliche Trinckgeschirre ausleerte. Endlich kamen gar in Gold eingefaste Hirnschädel ihrer erschlagenen Feinde herfür / daraus sie zu Ehren des Gottes Othin bey singung gewisser Gedichte sich zu trincken nicht scheueten. Nach vollbrachter Mahlzeit wurden auch / wie in Griechenland von Ringern und Fechtern / welche in diesen Nordländern in so hohem Ansehen sind / als ihre Riesen-Grösse sich erstrecket / allerhand Spiele gehalten / über welche der oberste Priester gleichfalls zum Aufseher bestellt war. Ich kan ihre künstliche Wendungen / Streiche und Versetzungen so wenig als ihre Kräfften beschreiben; aber wohl versichern / daß der Nord die rechte hohe Schule der Ringer und Fechter sey / zu letzt warffen sie mit abgefleischten und knötichten Ochsen- und Pferde-Knochen auf einander so gerade / als wenn sie Pfeile von Bogen abschüssen. Zu letzt wurden vom obersten Priester / gleich als wenn Spiele und Abgötterey allezeit unzertreñliche Schwestern seyn müsten / denen / welche sich wol gehalten Kräntze von Oelzweigen mit Gold umwunden /vom Könige aber Streitkolben und Schwerdter ausgetheilet / derer iedem er einen besondern Nahmen zueignete. Wie denn kein Held in Norden ist / dessen Degen und Pferd nicht einen eigenen Nahmen so wohl als des grossen Alexanders Bucephalus führet. Wer nun einmahl hier den Preiß erwarb / ward so hoch /als die in Olympischen Spielen siebenmahl siegende Griechen geschätzt / reisete in die benachbarten Länder der Cimbern / Fennen und Scythen herum / und mit allen berühmten Ringern / Fechtern / wie auch Sängern der alten Helden-Thaten / welche sie tieffsinnig zu singen sich von Kind auf befleissen / und einige wegen nachdencklicher Grabeschrifften Kron und Zepter erworben haben sollen / sein Heil zu versuchen / und die Kräfften zu eichten. Wo sie auch in der Frembde einen Sieg erhalten / wird ihnen das Recht der Eingebohrnen / wie in Griechenland denen in Singen / in Lust-Spielen und andern obsiegenden das Bürger-Recht / und die Raths-Würde vieler Städte /zugeeignet. Bey ihrer Wiederkunfft werden sie / wie zu Rom auch geschiehet / von Königen zu Auffsehern ihrer Väder / vielleicht weil sie zu Abwaschung des Staubes und Schweißes derselben am meisten bedörffen / wie auch ihrer Rüst-Ka ern mit reichlichem Unterhalte bestellet; und sie müssen die jungen Fürsten am Hoffe in ihren Künsten unterrichten. Sie werden auch alle in die küpffernen Zeit-Register der Svionen mit allem Fleiß aufgeschrieben / welche nicht nur wie zu Ephesus ihrem Archon / zu Sparta denen Ephoren /zu Argos den Priestern der Juno / zu Smyrna ihren Kräntze-tragenden Rathsherren / sondern dem Könige selbst zugeschrieben wurden; Welcher alleine darüber / wie der Kayser über das Hauß der Musen zu Alexandria einen Priester zu setzen Macht hat. Dahero / ob zwar die Fecht-Kunst / wegen ihrer zum Kriege dienenden Geschickligkeit bey den Griechen allen [884] andern Ubungen des Leibes vorgezogen / mit dem Nahmen der Tugend beehret / ja der Fechter Cleomedes von Aßypala und ein ander von Thasus vergöttert / und dem Apollo der Zunahme eines Fechters zugeeignet ward / wie nicht weniger zu Rom Raths-Herren / Bürgermeister / und die sich Nachkommen des Eneas rühmen / sich Fechter abzugeben nicht schämen / doch die Fechter in Norden noch in viel grössern Ehren gehalten werden / und eben so wohl als zu Rom von allen Zöllen / Steuern und bürgerlichen Verwaltungen frey sind. Nach der Zeit machte König Erich mit den Fürsten Gottwald verträuliche Freundschafft und ihm zu Liebe erzeigte er auch mir alle Gnade / ja er zohe uns beyde in seinen Kriegs-Rath / wieß und entdeckte uns alle seine Anstalten und Zurüstungen; und weil Hertzog Gottwald ohne diß mit seinem kleinen in Upsal habenden Sohne nirgends hin wuste / waren wir so viel leichter zu bereden / daß wir dem Könige versprechen gegen die wider den König Frotho und seinen Bruder Roller aufrührische Norweger und Sitonen mit in Krieg zu ziehen / nach dem Gottwald zu mahl feste beredet war / daß das Ungewitter ihn auf seinem Schiffe nicht ohne sonderbahres Verhängnüß an die Svionische Küste verschlagen / dieses aber ihn durch ein grosses Wunderwerck von der Aufopfferung erlöset hätte. Weil nun König Erich von seinem Bruder Roller neue Posten bekam / welche seinen Nothstand / und daß die Norweger mit denen an sich gehänckten Lappen und denen an der eussersten Nord-Spitze wohnenden Strick-Finnen und Biarmiern ihn auffs gefährlichste bedrängten / sich auch Nidrosiens bemächtigt hätten / berichteten / der Schweonen Sud-Völcker schon für einem Monat aufgebrochen / die Fennen aber über den Botnischen See-Busem übergesetzt hatten / brach der König mit seinem in Upland gesamleten Heere und uns gleichfalls auf. Nach dem auch der Cimbern König Frotho den König Erich vergewissern ließ / daß er aus seinen Hafen schon mit drey tausend Schiffen ausgelauffen wäre / bediente er sich vieler von seinen getreuen Lappen ihm zugebrachter Renn-Thiere / mit denen man zur Noth in vier und zwantzig Stunden hundert Meilweges fortkommen kan. Unser Zug gieng durch diese gleichsam andere Welt des grossen Scandinaviens / welches falsch für ein Eyland gehalten wird /nach Nord-West / und kam der König mit uns wohl vierzehn Tage für seinem hinter sich gelassenen Heere an der zu Musterung seiner Krieges-Heere bestimmten Norwegischen Gräntze an / wiewohl er daselbst schon funffzig tausend Gothen und so viel Lappen in Bereitschafft / und seinen Bruder in Bewahrung des Passes über das Norwegische Gebürge Sevo fand. Dieses ist wohl dreyhundert Meilen lang / und an Höhe giebt es weder den Alpen noch dem Rypheischen Gefilde nach. Nach weniger Tage-Rastung ließ Erich sein verhandenes Heer über das beschneyte und wegen steter Winde und Schnees gantz kahle / also aller Bäume mangelnde Gebürge fortrücken / welches seinem Volck so viel sauerer ankam / weil die ersten sich durch eitel Schnee und Eiß durchgraben / die folgenden aber auf einen Monat Lebens-Mittel nebst ihren schweren Waffen tragen musten. Die Lufft aber vielmahl mit so dickem Nebel verdüstert war / daß man weder den Weg erkiesen / noch weiter sehen als greiffen konte. Inzwischen folgten Erichs andere Heere / und ob uns schon das Wetter ziemlich fugte /brachten wir doch mit Ubersteigung des Gebürges drey Wochen zu / ehe das Heer in das Sitonische Gebiete übergesetzt werden konte. Wir konten uns hierüber der veränderten Gegend nicht genungsam verwundern. Denn da wir den Tag vorher auf dem Gebürge nichts als grausame Kälte empfunden / ja die schnellesten Flüsse und tieffsten Seen durch drey Ellen dickes Eiß gehemmt gesehen hatten / fanden wir die Thäler voll Graßes / welches den [885] Pferden nicht nur biß an die Bäuche gieng / sondern auf ihre hefftige Abmattung sehr gedeilich war. Denn ie weiter man gegen Mitternacht ko t / ie weniger findet man Frühling- und Herbst-Wetter / sondern es scheiden sich in wenig Tagen Winter und Sommer / eusserste Kälte und mächtige Hitze; Sintemahl in der Nord-Spitze zwar drey Monat eine einige Nacht sind / welche aber von dem hohen Mohnden und dem vielen Schnee ziemlich erleuchtet werden; so haben sie doch auch im Sommer so viel Monate steten Tag; noch länger empfindet man statt der Nacht nur einige Demmerung /also / daß die ihnen so lange scheinende Sonne nicht nur grosse Hitze / sondern auch zeitliche Reiffung der Erd-Gewächse verursacht. König Erich fand zu seiner grossen Verwunderung nirgends keinen Widerstand /da doch Harald ein Norwegischer Fürst den König Roller nach erobertem Nidrosien in dem Gebürge mit einer grossen Macht besetzt gehalten hatte / und man aus Lapland gewisse Nachricht bekam / das Egther der Biarnier / Tengill der Finnmärcker König / mit einem unzählbaren Heere / aus der eussersten Mitternacht / die Eißländer aus Thule und denen Oriadischen Eylanden aber denen Nordmännern mit mehr als tausend Schiffen waren zu Hülffe kommen. König Erich und Roller richteten mit möglichster Vorsicht /nirgends überfallen zu werden / ihren Zug gerade gegen Nidrosien zu / als in welcher Gegend auch König Frotho mit seinen Cimbern zu landen bestimmt hatte; weil zumahl alle Gefangenen einmüthig berichteten / daß Torismund / welchen die Nordmänner für ihren König an statt des seiner Strengigkeit halber verstossenen Rollers dem Harald Befehl zugeschickt hätte mit seiner gantzen Macht zu ihm zu stossen /das sie für Erichs Ankunfft den Frotho mit seinen Cimbern erdrücken möchten. Nach etlichen Tagereisen kamen wir an einen Berg / allwo auf einen kleinen Hügel eine lange Stange oben mit einer höltzernen Taube steckte. An den nahe darbey abgeschliffenen Steinfelß waren zwey einander sich umarmende Löwen / und darüber zwey Creutze / mit diesen Reymen gantz frisch eingegraben:


Für Freunde sterben ist der Freundschafft höchste Pflicht /

Das aber reicht ans Thun des hier verscharrten nicht /

Der mit dem Todten sich lebendig ließ begraben /

Als könt' er in der Welt mehr kein Vergnügen haben.


Hertzog Gottwald und ich war bekümmert über der Bedeutung; da uns denn ein Norwegischer Priester diese Auslegung machte: Die Taube wäre ein Merckmahl eines an solchem Orte liegenden liebwerthen Freundes; die Löwen tapfferer Helden / die Creutze der Unsterbligkeit / welche nirgends fester als von Nordmännern geglaubt würde / daher wäre bey ihnen niemand so undanckbar / der nicht einem verstorbenen Helden oder sonst ums gemeine Wesen wolverdienten Manne an einen Steinfelß sein Gedächtnüß einhauen liesse. Ich fragte den Priester um die Ursache der durch ein Creutz bezeichneter Unsterbligkeit /welcher mir antwortete / ob ich nicht wüste: daß das Creutz fast bey allen Völckern ein grosses Geheimnüß wäre! Die Araber drückten darmit die vier Elemente / und den Einfluß der Sternen / die Egyptier die Ewigkeit aus / nennten es ein unaussprechliches Zeichen / und schrieben es in die Hände ihres Gottes Serapis; die Svioner bildeten damit den Hammer des Gottes Thor / und die Nordmänner den sich in alle vier Theile der Welt ausbreitenden Ruhm der Tugend ab. Dieses Grabmahl aber wäre für weniger Zeit zweyen unvergleichlichen Freunden aufgerichtet worden. Nehmlich dem Aswit des Fürsten Biorno in Wick / und Asmunden des Fürsten Alff in Hetmarck Sohne. Diese zwey wären nichts minder zusammen ein Hertz als Gefärthen der Jagt und vieler Heldenthaten gewest. Nach dem nun der erste gestorben / hätte sich Asmund lebendig mit einem guten Vorrathe [886] von Lebens-Mittel in diese dem Aswit zum Grabe erkiesete Höle versperren lassen. Denen Svionen machte diese verdächtige Erzehlung Argwohn / daß die Nordmänner daselbst einige Schätze vergraben hätten; welcher sich so vielmehr vergrösserte / als sie nach hin weg geschorrener Erde und aufgehobenen breiten Steine eine überaus grosse Höle fanden. Ein junger Svionischer Edelmann Tott bot sich alsbald an / daß er sich an einem Seile in einem Korbe hinab lassen /und die Geheimnüße erkundigen wolte. Kurtz hierauf hörte man in der Höle ein Geschrey / und empfand am Seile ein Zeichen / welches zu Heraufziehung des Korbes abgeredet war. Mit diesem aber erschien ein verschimmelter / im Gesichte zerfleischter / und sonst allenthalben scheußlicher Mensch; welcher als ein vermeintes Gespenste aus Einbildung / daß der Todte lebendig worden wäre / alle Anwesende verjagte / und ob dieser zwar winckte und ruffte / sie hätten sich für ihm als einem lebendigen Menschen nichts zu befürchten / so war doch ausser uns beyden niemand ständig zu machen / biß endlich König Erich selbst hierzu kam / welchem er erzehlte: daß er der für einem Monat lebendig begrabene Asmund wäre. Erich fragte / wer ihn denn in dieser Einsamkeit der Todten so grausam verstellet hätte? Asmund antwortete: der mich im Leben mehr als sich selbst liebende Aswit hat sich in diesem Grabe / nach dem er das Pferd und den Hund / welche man hier zu Lande mit den Helden zu begraben pflegt / aufgefressen / als meinen verbittersten Todfeind erwiesen / mich meinem Bedüncken nach alle Mitternacht ich weiß nicht ob aus Hunger / oder weil den Todten die Gemeinschafft der Lebenden wie das Licht den Nacht-Eulen unerträglich ist / wie ein rasender Bär überfallen / mit seinen Nägeln und Zähnen zerfleischet / und gar das lincke Ohr abgerissen. Nach dem ich ihm aber den Kopff zerspalten / den Leib mit seinem eigenen Dolche durchstochen / habe ich zwar Ruhe vor ihm / aber keine von der bängsamen Einigkeit und verzweiffelnden Gedancken gehabt / daher ich die für meine Götter und Erlöser lebenslang verehren wil / welche diese meine Hölle eröffnet / und mich an statt dessen / der aus eben so grosser Thorheit als ich sich mehr Vergnügung bey den Todten als Lebenden eingebildet und hinunter gelassen / an das erfreuliche Tagelicht empor gezogen / und mich gleichsam von den Todten auferweckt. Jedermann fieng hierüber an zu lachen /der König aber befahl den Tott wieder empor zu ziehen / und sagte: Ich weiß nicht / welcher unter euch beyden für den grösten Thoren zu halten sey. Denn es ist ja so grosse Narrheit in der stinckenden Todten Gräbern Schätze / als aus muthwilliger Verschleuderung seines Lebens Ehre suchen. Wie es weibisch ist /wenn es die Noth erfordert / nicht sterben wollen /also ist es mehr als viehisch ihm ohne Noth und Nutzen das Leben nehmen / wenn man es dem gemeinen Wesen zum besten erhalten kan / ja ein Wahnwitz solches einem verstorbenen Freunde aufopffern / der es weder erfähret / noch dardurch wieder lebendig wird. Beyde erkeñten ihre Irrthümer / und ob wol Asmund noch so übel zugerichtet war / entschloß er sich doch nach Verbindung seiner Wunden dem Könige zu folgen und im Kriege zu dienen. Bey Verfolgung unser Reise fanden wir in dem fast alles Mannes-Volckes entblösten Lande gar keinen Widerstand / ja Nidrosien selbst war ohne Besatzung / also / daß König Roller mit seinem Vorzuge sich ohne Schwerdtschlag desselben Meister machte. Weil wir aber daselbst vernahmen / daß Torißmund unterhalb des Nidrosischen Sees in Halogien alle Kräfften zur See und zu Lande zusammen gezogen hatten; auch für selbigem Ufer die Cimbrische Seeflotte kreutzte / eilte König Erich dahin / in Meinung zwischen selbigen Seebusemen den Krieg und dessen Ausschlag in die Enge zu spannen. Wir erreichten [887] nach einer überaus beschwerlichen Reise zwar unsern Zweck / nemlich das felsichte Gestade des tiefsten Welt-Meeres / alleine der Nord-Männer Landes-Macht hatte sich zwischen denen Armen der Seebusame so vortheilhafftig gesätzt / daß wir bey Mangel der Schiffe von ihnen nur ausgelacht wurden. König Frotho schwermte mit seinen dreytausend Schiffen zwar um das Ufer / aber wegen Höhe desselbten und Mangel eines Hafens / konte er / wo wir standen / weder aussätzen / noch denen zwischen denen Felsen steckenden Schiffen der Feinde beykommen. Von dieser Schiffs-Flotte kan ich mit Warheit sagen / daß selbter gleichsam das Meer schien zu enge zu seyn / und als wenn alle Schiffs-Baumeister der Welt an selbter gearbeitet hätten. Denn hier waren zu sehen Eriotetens erfundene Schiffe mit zwey / Amimoelens mit drey / der Athenienser mit vier / Nesictons mit fünff / des Zenazoras mit sechs / Mnesigethons mit acht / und zehn / des grossen Alexanders mit vierzehn / des Ptolomeus Soters mit funfzehn / des Demetrius mit dreißig / des Philadelphus mit viertzig / des Philopators mit funfzig Ruderbäncken. Aber die meisten Schiffe waren ohne Ruder mit drey grossen Masten / oder vielmehr schwimmende Berge und Eylande / und zum theil mit langen eisernen Spitzen am Vördertheile / welche schnäbelchte Schiffe Gryphon der Scythe in dem Nord-Meere erfunden. Sintemahl die Schiffe mit Rudern denen ungeheuren Wellen dieser Meere zu schwach sind. Außer diesen Kriegs-Schiffen sahe man auch eine ziemliche Anzahl der vom Hippius Tyrius erdachten Laft- und der Salamienier Pferde Schiffe für die Reiterey. Jedes hatte auf dem Vördertheile des Schiffes ein gewisses Thier / zu seinem besonderen Zeichen; das Königliche Schiff /wie das des die Andromeda raubenden Perseus einen Wallfisch. Uber diß waren nicht nur alle Schiffe mit Wachse / Pech oder Hartzt überzogen / daß sie weder Fäule / Saltz noch Sonne so leicht beschädigen konte / sondern sie waren auch noch zierlich gemahlet. Folgenden Morgen sahen wir von unsern Felsen aus denen Norwegischen Klüfften eine unzählbare Menge Norwegischen Schiffe herfür kriechen / welche mit der am Lande gestandenen Macht wol zweyfach besätzt waren. So bald Torismund seine Schiffs-Flotte gestellet hatte / schlachtete er dem König Frotho gegen über drey gefangene edle Cimbern / dem Odin /wie Themistocles in der See-Schlacht mit den Persen des Sandauces drey gefangene Söhne / dem gütigen Thor aber / wie Mithridates für seinem Kriege wider die Römer ein weisses Pferd / stürtzte auch einen geweiheten Wagen mit vier weissen Pferden ins Meer. Ob nun wol die Nordmänner den Wind zum Vortheil hatten / wolte es ihm doch König Frotho nicht zur Schande thun mit so einer grossen Krieges-Macht zu weichen / stellte also selbte wider Wind / Wellen und Feinde in Schlacht-Ordnung. Wie es nun anfangs das schönste Schau-Spiel der Welt war zu sehen / welcher gestalt das grosse Meer mit unzählbaren Segeln sich regte / und gleichsam lebendig ward; Schiffe zusammen geflochten und mit Leder überzohen / oder wie die Böotischen von ausgehölten Bäumen gemacht waren; so eine grausame Gestalt bekam es hernach /da die Schiffe einander mit flügenden Feuern anzündeten / und auf einmahl Feuer / Wasser und Schwerdt einem jeden dreyerley Tode für Augen stellten; oder da die Schiffe sich an einander mit Hacken feste machten / und auf dem Meere ein so scharffes Gefechte als auf festem Lande anfiengen. Den halben Tag währte diese See-Schlacht / ohne daß man urtheilen konte / welchem Theile die Tugend oder das Glücke den Sieg zuwerffen würden. Denn auf der Nord-Männer Seite stand der Wind / auf der Cimbern die Tapfferkeit. Daher auch die Nord-Männer ihrem Glücke nicht trauen wolten / sondern den [888] See-Streit abbrachen / und sich auf eine starcke Meilweges weit zurück auf das hohe Meer legten. König Frotho aber /weil er wider den Wind nicht segeln konte / schickte etliche seiner künstlichen Wasser-Treter aus / welche unter dem Meere so weit schwamen / und mit einem besondern Feuer etliche der grösten Schiffe in Brand steckten / und um die andern Norwegischen anzuzünden unter Wasser die Ancker-Thauen abhieben. Dahero ich nicht weiß / ob diese Cimbern nicht so wol zu Lethra in dem Heiligthume der Hertha / als der Sciowische Scyllis und seine Tochter Cyana in dem Delphischen Tempel Ehren-Säulen verdient haben / welche letztern zwar der Sciowische Scyllis mit seiner Tochter Cyana wol achtzig Stadien weit / aber in keinem so tieffen und grausamen Meere unter Wasser schwamen / und bey stürmendem Wetter durch Zerhauung der Seile und Steuer-Ruder die Persische Flotte zernichteten. Gegen den Mittag aber sahe man aus Norden etliche hundert Biarmische und Orcadische Schiffe / welche aber klein / und auf Britannische Art meist von Schilffe mit vollem Winde gelauffen kommen; nach derer Ankunfft die wegen des Brandes sich zerstreuenden Schiffe der Nordmänner wieder zusammen zohen / und bey so vortheilhafftem Winde einen neuen Angrief thäten. Hingegen wurden die Segel der Cimbrischen Schiffe wie bey der grösten Windstille schlaff / also daß sie sich weder regen noch wenden konten / da doch die Norwegischen /Thulischen und Orcadischen Winde volle Segel behielten. Dieses erregte unter denen von ferne zuschauenden Svionen ein grosses Schrecken / welche uns versicherten / daß diese Nord-Völcker durch Zauberey gewisse Schiffe unbeweglich machen könten; worwider nichts als das monatliche Geblüte von Jungfrauen / wenn darmit Maste und Segel bestriechen würden /hülffe. Hingegen wüsten sie durch Auflösung dreyer Knoten so grausame Stürme zu erregen / daß alle Schiffe sich umkehren und zu Grunde gehen müsten. Die Cimbern thaten zwar eine geraume Zeit ihr euserstes / ihrer viel umarmten auch die Mast-Bäume /wendeten sich behende gegen das Hintertheil der Schiffe / darauf das Bild ihres Gottes Odin / wie bey andern Völckern der Isis / Minervens / Cybelens / des Apollo / Neptuns / des Castors / Pollux und anderer vermeinten Schutz-Götter aufgethürmet stand / aber endlich war doch die Zauberey ihrer vermeinten An dacht und Tapfferkeit überlegen / und muste der für Zorne schäumende König Frotho aus der Noth eine Tugend machen / und sich noch des nahen Ufers zu seinem Hafen / seiner flachen Schiffe aber zu einer Brücke ans Land zu setzen bedienen / seine Schiffe also dem Feinde und Feuer zur Beute überlassen. Bey welchem Unglücke denn noch diß das gröste Glücke war / daß König Frotho ein etwas flaches und zum Aussteigen geschicktes Ufer am Rücken und die Tieffe des Meeres zum Vortheil hatte. Denn ausser diesem wäre schwerlich ein Bein von seiner mächtigen Schiffs-Flotte entronnen; und der Nord-Welt wie denen Egyptiern / als ihr König Nectanebus durch Umdrehung gewisser Wachs-Bilder in einem mit Wasser gefüllten Becken so viel im Meere erscheinender Schiffe zu Grunde richtete / grosses Nachdencken im Kopffe geblieben: Ob das Verhängnüs sich auch zaubrischer Mittel zu Ausübung seiner Schlüsse bediene / oder ob selbtes mit der Tugend zu schwach sey einem boßhafften Hexen-Meister zu begegnen. Bey dieser Aussätzung aber stieß dem Könige Frotho die gröste Gefahr zu. Denn weil er mit seinem grossen und fürtreflich-ausgerüsteten Schiffe die andern beschirmte / und die Ehre der letzte unter den Fliehenden zu seyn behaupten wolte / ward er durch ein mit Schwefel und Pech gefülltes aber mit einer Königlichen Haupt-Fahne ausgeputztes und vergüldetes Schiff angezündet; also / daß er / welcher vorher mit so viel tausend Masten dem Meere [889] beschwer- und schrecklich war / sich eben so wie der flüchtige Xerxes mit Kummer und Noth auf einem Fischer-Kahne konte ans Land sätzen lassen. Ob nun zwar Frotho derogestalt sich und sein Kriegs-Volck mit wenigem Verluste rettete / so blieben doch seine dreytausend Schiffe / außer hundert und siebentzigen / welche sich zwischen etliche in die See vorgehende Felsen versteckten / mit einem unglaublichen Vorrathe im Stiche / daß also dieser Verlust weit über des Xerxes /welcher nur dreyzehn hundert Schiffe gegen dreyhundert und achtzig der Griechen einbißte / zu schätzen war. Nichts desto weniger meinten die Cimbern sehr viel aus diesem Schiffbruche gebracht zu haben / weil sie ein in Gestalt eines Drachen gebildetes Schiff /welches doch seines Alterthums halber nichts nütze /aber weil die Cimbern damit die gantze Erdkugel umsegelt haben solten / für ein grosses Wunder und Heiligthum gehalten ward / davon gebracht hatten. Bey welcher Bewandnüs ich mich nach der Zeit nicht wunderte / daß die Egyptier ihr aus Bintzen oder Senden und Dörnern geflochtenes Schiff / darauf sie alle Frühlinge mit einer lichten Kertze / einem Ey und Schwefel die Isis versöhneten / wie auch das absondere Sonnen-Schiff / in dessen Hinter- und Vördertheile Osiris auf einem Krokodile riett / Athen das alte Schiff des Theseus / welches sie alle Jahr nach Delos /um solch Eyland zu reinigen / absegeln liessen; wie auch das Salaminische / darauf alle Beklagte zum Gerichte fuhren; die Lemnier ihres / auf welchem wegen der Weiber wider ihre Männer verübten Grausamkeit das von Delos geholete Feuer neun Tage ausgelescht ward; die Römer das Schiff / worauf Saturnus in Italien / und das Bild der Götter-Mutter von Peßinnut /des Esculapius aus Epirus nach Rom kommen war /Antigonus das dem Apollo gewiedmete Schiff / darauf er die Ptolomeer bey Laucolla überwunden / und Sesostris sein aus Zeder-Holtz zweyhundert und achtzig Ellen lang gebautes / inwendig versilbert / auswendig vergoldetes und dem Thebanischen Gotte gewiedmetes Schiff für so grosse Heiligthümer aufhoben. Hingegen steckten die Nord-Männer auf allen Klippen Freuden-Feuer an / und feyerten nicht ebenfalls all ihr Kriegs-Volck ans Land zu sätzen. Der Cimbern Unglück aber war / daß ein langer Meer-Arm uns von ihnen und den Nord-Männern scheidete / und zum Ubersätzen weder Fahrzeug noch ander Mittel verhanden war. König Erich und Roller ließen daher ihre Kriegs-Hauffen über Hals über Kopff umb diesen See-Arm forteilen / um sich mit dem Frotho zu vereinbaren / dessen Kräfften augenscheinlich denen vom erstern Siege hochmüthig und daher tapfferern Nord-Männern / Finn-Marcken / Biarmiern und Orcadern unmöglich gewachsen seyn konten. Unter König Erichs Heere war ein Svionischer Riese Argrim / welcher niemahls im Fechten und Ringen verspielt / und deßwegen des Unüberwindlichen Nahmen erworben hatte. Dieser hatte bey Nachte denen Norwegern etliche Fischer-Kahne abgezwungen; bot sich also beym Könige Erich aus / mit hundert auserlesenen Fechtern über den See-Arm zu fahren / und dem Könige Frotho von ankommender Hülffe Nachricht zu bringen. Diese zohen Norwegische Kleider an / und weil bey Aussätzung der Feinde es ziemlich verworren hergieng /kamen sie durch das Lager der Biarmier glücklich durch / biß sie zuletzt von der Nord-Männer Vorwache erkennt und aufgehalten wurden. Aber diese hundert Svioner / derer Riesenstärcke sich durch stete Ubung mit Geschickligkeit vermählt hatte / schlugen sich durch zweytausend Nordmänner so männ- und glücklich durch / daß ihrer nicht mehr als zwey im Stiche blieben / und wenige verwundet wurden /dahingegen zweyhundert Feinde ins Graß bießen und ihrer noch mehr fast tödtlich verwundet wurden. Denn Argrims und seiner Gefärthen Streiche [890] durchdrangen alle Pantzer / zerspalteten alle Schilde / und zermalmeten alle Waffen. König Frotho war über dieser wenigen Ankunfft so sehr erfreuet / als wenn ihm König Erich ein gantzes Heer zu Hülffe geschickt hätte. Denn die Nord-Männer waren so sehr bestürtzt / als beschämt / daß eine solche hand-voll Volckes durch ihr Heer gedrungen war; die von dem unglücklichen See-Treffen erschrockenen Cimbern kriegten wieder ein Hertze / und wegen vertrösteter Ankunfft der Svioner grosse Hoffnung. Aber nachdem selbigen Tag und gantze Nacht Torismund alle seine und der Hülffs-Völcker Macht aus den Schiffen gebracht / und mit Haralds und Hilderichs zwey Heeren vereinbart hatte / rückte er ohne einige Lufft-schöpffung mit anbrechendem Tage gegen die Cimbern an / in Hoffnung eher dieser Meister zu werden / ehe die Svionen zu den Cimbern stossen könten. Frotho hätte zwar gerne die Schlacht vermieden / aber er konte auf einer Seite wegen eines steilen Gebürges / auf der andern wegen des Meeres nicht weichen / wenn er aber die dritte offene erkiesete / konte er mit leichter Müh und geringer Macht von denen erwarteten Svionen gar abgeschnitten werden. Diesem nach muste er / ob der Feind schon noch mehr als zweymahl so starck war / entschlüssen zu schlagen. Er ließ daher seine Feld-Obersten sein Heer eilends in Schlacht-Ordnung stellen; wieß selbtem am Rücken Meer und Klippen / und also bey abgeschnittener Flucht die Nothwendigkeit ritterlich zu fechten / oder zu sterben. Insonderheit hielt er ihnen ein: daß die Zauberey auf dem festen Erdbodeme keine Winde knipffen / und der / welcher sich mit so schwartzen Künsten behülffe / kein Hertze haben könte. Weil er sich aber gleichwohl so vielfältig übermannet sahe / stellte er seine Schlacht-Ordnung in einen zwischen den Klippen und dem Meere gelegenen Winckel / damit der Feind ihn nur an der Stirne antasten / und mit seinen ausgebreiteten Flügeln nicht umgeben konte. Dieser Vortheil war das einige Mittel zur Verhindernüß / daß nicht das gantze Cimbrische Heer in die Pfanne gehackt ward. Denn nach dem Torismund durch die Finnmarcken /Biarmier / Orcader und Thuler / welche Nord-Völcker kein Saltz essen / und deßwegen an Geschwindigkeit ihres gleichen nicht haben / die Cimbern neun Stunden lang abgemattet hatte / daß das dritte Theil entweder wegen empfangener Wunden oder Müdigkeit nicht mehr die Waffen halten konte / führte er / und Harald allererst die frischen Nordmänner an / welche so wohl ihrer angebohrnen Tapfferkeit halber / als weil ihr Siegs-Preiß die Freyheit / ihr Verlust die Dienstbarkeit nach sich zoh / alle eusserste Helden-Thaten ausübten. König Frotho hingegen behertzigte /daß es um sein Heer / sein Leben / seine und der Cimbern Ehre / ja wohl gar um ihr Reich zu thun wäre /und daher versprach er alle gemeine sich tapffer haltende Knechte zu Edelleuten / alle Edle zu Rittern zu machen / die Ritter mit Lehnen und Ehren-Aemptern zu versorgen / einem ieden fürs Vaterland sterbenden aber ein steinern Grabmahl mit einer ihn verewigen den Lobschrifft aufzurichten. Er selbst war auch mehr mit seinem Beyspiele als mit Worten ein Anführer der Seinigen / von denen dieselben sich für die schönsten hielten / welche für Staub und Blute unkenntlich waren. Er führte / nach der Cimbern Art / auf seinem Helme einen Löwen mit aufgesperrten Rachen / aber er war es selbst mehr im Gemüthe und an Thaten. Nach dreyen Stunden brach endlich Thorismund wie ein starcker Eber / dessen Bild seinen Helm krönte /durch die Netze durch / und brachte der Cimbern lincken Flügel in Verwirrung / nach dem dessen Häupter / Ranzau / Ahlefeld / Seestädt und Göldenstern gefallen waren / und er / welcher diesen Tag sich zum Nordischen Zepter würdig machen muste / wie ein Blitz alles / was ihm in Weg kam / zermalmete. [891] Dieses verursachte kein geringes Schrecken / weil bey den Cimbern nicht wie bey den Römern und Egyptiern der rechte / sondern der lincke Flügel eben so wohl als bey den Thebanern den Vorzug hatte / nach dem sie bey Leuctra die Spartaner mit dem lincken Flügel zu erste getrennt hatten. Daher auch die von Athen in ihrem mit den Lacädemoniern aufgerichtetem Bündnüße ihnen die Ehre vorbehielten allezeit den lincken Flügel zu führen. Frotho / welcher im Hertzen des Heeres alles ordnete / ließ den rechten Flügel unter der Auffsicht Uhlefelds / Hoegs / Munck und Rosen-Krantzes / und eilete mit hundert zu seiner Leib- Wache erwehlten Cimbrischen Rittern denen Nothleidenden zu. Des Königs Gegenwart gab nicht nur denen noch kämpffenden / sondern auch denen verzagten ein neu Hertze / wie die Sonne der etliche Monat verfinsterten Nord-Welt ein neues Leben. Die vorhin weichenden / welche die Ritter Split / Goze /Dure / Hube / Schawgard / Baggen / Rosengard / Totten / Rannow / Krimpen / Must / Griß / Normann /Brune / Laxmann / Duram / Falcken / Matre / und andere Hauptleute / kamen nun wieder zu Stande / sonderlich als sich Frotho selbst an Thorismund rieb. Jener hatte mit sich selbst schon einen Bund gemacht / auch mit seinem Tode zu bekräfftigen / daß niemand würdiger wäre / als er die streitbare Mitternacht zu beherrschen; und Thorismund hatte ein Gelübde gethan diesen Tag seinem Leben ein Ende / oder seiner Herrschafft einen ruhmwürdigen Anfang zu machen. Beyde verdienten die gantze Welt zu Zuschauern ihrer Tugend und Geschickligkeit zu haben / und ihre um sich habende Ritter fochten gegen einander so verbittert / als wenn sie alle Nordländer Volck loß zu machen sich verschworen / oder der Himmel sie als Werckzeuge zu Ausrottung des menschlichen Geschlechtes erkieset hätte. Eine Stunde und länger tauerte diese Hitze / als Ulpho mit dreyhundert aus den Nordmännischen Riesen außerlesenen Fechtern dazu kam / und des Frotho Leib-Wache grösten Theils fürnehmlich die Ritter Bodde / Poldessen / Reuter /Schwabe / Sandbarch / Gram / Lutke / Ugrup / Spegel / Bammelberg und Rosenspart aufrieb / dem Thorismund auch einen Vortheil machte / des Königs Frotho drittem Pferde an beyden Hinterschenckeln die Spann-Adern zu zerhauen / daß es mit ihm Knall und Fall zu Bodem stürtzte. Dieses verursachte bey den Cimbern ein jämmerliches Mord-Geschrey / aber statt des Schreckens einen verbitterten Vorsatz nun nicht mehr ihren König zu überleben / sondern nach ausgeübter Rache ihm ihr Blut zu opffern. Es war erbärmlich die Raserey und Zerfleischung um den gefallenen Frotho anzuschauen / indem die Nordmänner ihn zu fangen /die Cimbern besonders Gruppe / Duram / Walckendorff / Schramm / Paßberg / Below / Hardenberg und Ulstand ihn oder wenigstens seine Leiche zu retten fast übermenschliche Arbeit thäten. Diese grieffen und lieffen gleichsam blind in die schärffsten Schwerdter / in die spitzigsten Spiesse / um nur ihre Leichen zum Schilde ihres Königs an zu gewehren /und alle kriegten eine zweyfache Seele / als der verwundete Frotho unter dem Pferde und den Leichẽ wieder herfür und auf die Füsse kam. Alleine Frotho gerieth bald wieder ins Gedränge der Riesen / und wäre weder von ihm noch seiner Leib-Wache ein Gebeine davon kommen / wenn nicht zu rechter Zeit der Riese Argrim mit seinen Gefärthen Ofren / Podebußen /Uren / Blick / Galle / Faßi / Daac / Ruten / Wolde /Spar / Falster / Worm / und Bockhold darzu kommen wäre / und weil er mit seiner Streitkolbe alles zerschmetterte / die Norwegischen Riesen auch gegen ihm ohnmächtige Leute waren / den Einbruch des Feindes verhindert / und dem Könige Frotho wieder auf ein neues Pferd geholffen hätte. Weßwegen auch der König den streitbaren Argrim versicherte; daß er sich auf drey [892] ihm beliebige Ansuchungen keiner abschläglichen Antwort versehen solte. Unterdessen aber trennte Harald / nach dem Jensen / Banner /Luck / Krusen / Kwitrow / Standbeck und andere tapffere Hauptleute gefallen waren / auch den rechten Flügel / und ward das Cimbrische Heer einem allenthalben baufälligen Hause gleich / welches wegen verfaulter Schwellen und Säulen mehr keine Stütze leidet. König Frotho und Argrim eilten mit den Rittern Beck / Kragge / Achsel / Negel / Wittfeld / und Appelgard diesem Einbruche zu Hülffe / hiermit gerieth der lincke Flügel wieder in Unordnung. Mit einem Worte / alles schien nun über einen Hauffen zu gehen / Tugend und Tapfferkeit unfruchtbare Wehen zu seyn / als der Hi el / welcher ins gemein am sichtbarsten zu helffen pflegt / wenn man an allen andern Mitteln verzweiffelt / wieder aller Menschen Hoffnung sich der Cimbrischen Tugend erbarmte. Denn die aus der See sich empor-ziehenden Wolcken machten die Lufft kohlschwartz / den übrigen Tag zu Nachte / daß man gleichsam blind / ohne wenn es blitzte / einander ins Gesichte grieff / und niemand seinen Feind vom Freunde erkennen konte. Bald darauf fielen Schlossen zweymahl so groß als Tauben-Eyer / welche denen Nordmännern gerade ins Gesichte schlugen / gleich als wenn das Verhängnüß sich nunmehr selbst auf die Cimbrische Seite geschlagen hätte / und sich an den Nordmännern die vorher gegangene Zauberey abzustraffen ausgerüstet hätte. Thorismund und Harald hielten zwar diesem Ungewitter eine ziemliche weile aus / um nicht das Ansehen und die Schande der Flucht auf sich zu laden / sondern vielmehr durch ungemeine Wercke der Nordmänner Reue vorzukommen / daß sie zu ihren Häuptern wären erwehlet worden. Aber es ist mehr eine thörichte Verstockung / als Großmüthigkeit / dem Hagel die Stirne bieten / mit dem Xerxes das Meer peitschen / die Wellen fässeln /mit den Scythen dem Nord-Winde Krieg ankündigen /mit den Riesen den Himmel stürmen wollen. Denn das Ungewitter wuchs mit den Schlossen / und die Nordmänner hatten so wohl Noth als die Cimbern Zeit / sich statt feindlicher Pfeile und Schwerdter mit ihren Schilden für dem Geschooße der Wolcken zu decken. So bald dieser Sturm überhin war / ließ König Frotho ins geheim durch seine Obersten und Hauptleute den Abgang seines Volckes erkundigen /welcher sich auf dreyßig tausend belieff / und er selbst besuchte die Verwundeten / und machte Anstalt zu ihrer Verbindung / wiewohl im gantzen Heere nicht hundert Kriegs-Leute unverwundet waren / welche auch deßwegen / gleich als es ihnen eine grosse Schande wäre ohne dergleichen Ehren-Maal zu seyn /nicht wenig beschämt waren. Auf der andern Seite waren ihrer nicht weniger blieben / aber meist nur von denen in Anfange der Schlacht angefühbten Hülffs-Völckern. Diesem nach Thorismund mit anbrechendem Tage seine Biarmier / Finnmärcker und Orcader schon wieder in Schlacht-Ordnung stellte. Dieses jagte denen Cimbern ein so grosses Schrecken ein /daß König Frotho und Argrim weder mit bitten /dreuen / noch beschweren ihre vorhabende Flucht zu hindern vermocht hätte / wenn nicht Frotho durch einen falschen Boten den Cimbern weiß gemacht hätte / daß in ein oder zwey Stunden König Erich und Roller mit ihrer gantzen Reuterey auf dem Kampff-Platze stehen wolte. Hiermit liessen sie sich bereden zu stehen / und eine neue Schlacht-Ordnung zu machen. Torismund schickte hierauf einen Herold an Frotho / und ließ ihm und allen Cimbern das Leben anbieten / da sie alle sich gefangen / und Frotho für ieden Köpf ein Pfund Silber / für sich aber tausend Pfund Goldes gebẽ wolte. Alle Cimbrische Kriegs-Obersten knirschten zwar über diesem schimpflichen Vortrage mit den Zähnen / aber die gemeinen Knechte wiesen ihnen ihre verstümpelte Glieder / ihre aufgähnende[893] Wunden / und das augenscheinliche Unvermögen /dem sie so vielfach übermannenden Feinde zu begegnen. Diesem fiel endlich Rugo / ein Hauptmann bey /welcher sagte: Es liesse sich wohl prächtig hören /und wäre auch an sich selbst was grosses / fürs Vaterland sterben / aber nur so denn Lobens werth / wenn dem Vaterlande durch unsern Tod geholffen würde; Ohne dieses Absehen wäre es mehr eine tumme Raserey / hingegen rühmlicher mit denen zwischen den Caudinischen Berg-Engen eingeschlossenen Römern und dem Bürgermeister Lentulus halb nackt unter der Samniter Joch gehen / und sich vom Feinde verspotten lassen / wenn des Vaterlandes Heil nicht ehrlicher erhalten werden könte. In diesem hier eingesperrten und auf der Schwelle des Untergangs stehendem Heere aber bestünden die Kräfften / und die Wolfahrt des Cimbrischen Reiches. Daher müste man dieses mit jenem aus dem Schiffbruche retten / es geschehe gleich mit Ehre oder Schande. Bey dieser gefährlichen Verwirrung / da es weder einem noch dem andern abzulegen thulich / auch mehr auf kluges Thun als tiefsinnige Uberredung zu dencken war / machte der nicht weniger schlaue als hertzhaffte Frotho durch Ergreiffung eines rothen Schildes / welcher bey diesen Völckern ein Zeichen des Friedens ist / dem Herolde Hoffnung den Vergleich einzugehen / da Torismund die unerschwingliche Größe des Löse-Geldes mässigen / und sich mit der Helffte vergnügen wolte. Sintemahl die Würffel des Glückes noch auf dem Teppichte lägen / und Gott ins gemein die sich überhebenden Sieger zu stürtzen Lust hätte. Denn ob er zwar ehe sich würde in tausend Stücke haben zerhacken lassen / als sich durch so schändliche Kleinmuth verstellen /so hielt er es doch für einen Streich der Klugheit / und daß es der Tugend so wenig abbrüchig wäre / seine Tapfferkeit mit einer Larve der Zagheit verhüllen / als der Natur unanständig / wenn sie die reinesten Diamanten mit rauhen Schalen umgäbe. Diese im Kriege zuläßliche List / wenn man nur nicht wider gegebene Treu und Glauben handelt / gieng ihm auch durch Uberschickung dreyhundert Pfund Goldes so glücklich an / daß er darmit zwey Stunden Zeit gewaan. Denn / ob zwar ein hochmüthiger Feind sich durch Demuth nicht besänfften / noch durch Gaben sättigen läßt / sondern je mehr man ihm weicht / und nachgiebt / je mehr er uns auf die Zähen tritt / und darzu bey den Nachbarn als ein ohnmächtiger oder furchtsamer Freundschafft und Ansehen verlieret / und daher ein kluger Fürst nichts sorgsamer als seine Schwäche durch hertzhaffte Anstalten zu verdecken hat / so verstand Frotho doch gar wol / daß ihm / seinen Feind eine Zeitlang vom Leibe zu halten / offt ein unschätzbarer Gewien / und eine Stunde um tausend Pfund Goldes erkauffen / mehrmahls nicht zu theuer sey. Denn mitler Zeit ward dis / was Frotho getichtet hatte / wahr / indem sich auf dem nechsten Hügel Svionische Reiter sehen liessen / und die Ritter Brahe und Oxenstirn mit zwey tausend Pferden zu den Cimbern stiessen. Wiewol nun diese wegen Müdigkeit zum Fechten wenig geschickt waren / und die Cimbern / welche ohne diß an Reiterey den grösten Mangel liedten / ihnen mit so wenigem Volcke schlecht geholffen zu seyn / noch auch / daß die übrige Reiterey mit dem gantzen Fuß-Volcke / welches Wechsels-weise mit den Reitern die Pferde gebraucht hätte /bald dar seyn würde / glaubten; so brach doch König Frotho nunmehr seine schimpfliche Handlung glatt ab / und ließ dem Torismund bedeuten: daß er ohne verlaubten frey- und sicheren Abzug ihm für verlangtes Gold und Silber seine Heer-Spitzen zeigen wolte; hingegen beredete er seine Cimbern / daß Torismund zwar die Helffte des anfangs geforderten Löse-Geldes annehmen / aber jeder Cimber wider die Nord-Männer sein Lebtage einen Degen zu zücken schweren /der ihm nicht unterthänig bleiben wolte / ein Ohr[894] müste abschneiden lassen / um auf widrigen Fall die Meineydigen zu erkennen. Wie nun den Tag vorher sie die Einsperrung des Meeres und der Klippen zu so verzweiffelter Gegenwehr gezwungen hatte; so sehr und noch mehr verbitterte sie diesen Tag die zugemuthete Schande. Denn diese zwey Dinge sind die schärffsten Waffen / und die eussersten Wetzsteine der Tapfferkeit; welche zwey hefftigste Versuchungen des Leibes und der Seele König Frotho ihm nunmehr gewaltig nütze zu machen wuste; denn er feuerte ihre Regung durch seine Beredsamkeit zur rechten Zeit an und erzehlte; daß Claudius Pontius auf die Noth wider die unversöhnlichen Römer zu fechten nur nicht eine eitele Hoffnung des Sieges / sondern die würckliche Besiegung eines viel mächtigern Feindes gegründet / daß die eingesperrten Vejenter aus mangelnder Gelegenheit zu fliehen / den Cajus Manlius mit seinem Römischen Heere erschlagen hätten. Aller Krieg aber würde durch die Noth gerechtfertigt / und diß wären gesegnete Leute / welche nur auff heilige Waffen nicht der Feinde Gnade zu bauen hätten. Alleine die Furcht gienge nur niedrige Gemüther an / welchen von der Noth die Waffen abgenöthigt / von der Schande aber nur eine Röthe abgejagt würde. Hingegen wäre die Ehre nach ihrer Geburts-Art der Cimbern Augapffel / welchen anzurühren / weniger durch Schande versehren zu lassen / sie gantz unleidlich wären. Nunmehr aber wäre es nicht um einzeler Cimbern / sondern um des gantzen Volckes Unehre zu thun / mit welcher der hochmüthige Torismund auf einen Tag sie bebrandmahlen wolte. Alle / welche nun nicht sich des Cimbrischen Nahmens und ihrer Ahnen durch tausend Siege in die Welt ausgebreiteten Ruhmes unwürdig machen wolten / solten nun selbst urtheilen: Ob es rathsamer sey in Schande und Dienstbarkeit leben / als mit Ehren sterben? Weil alle Weisen zumahl wol verstünden; daß die unsterblichen Götter den Tod über die Menschen nicht als eine Straffe / sondern als eine Nothwendigkeit der Natur /als eine Ruh von Arbeit und Elend verhangen hätte; und ihrer viel darnach vergebens seuffzeten / was sich ihnen mit Gewalt und zu grossem Ruhme einnöthigte. Diese Rede tilgete in den Cimbern alle Empfindligkeit ihrer Wunden / verjagte aus ihren Hertzen alle Furcht / und zündete in ihnen eine solche Begierde zum Kampffe an / daß sie / welche vorher die kleinmüthigsten gewest waren / das Zeichen den Feind selbst anzugreiffen verlangten. Frotho riet selbst durch alle Hauffen seines Kriegs-Volckes / stärckte selbtes in seinem tapfferen Vorsatze / und befahl: daß / wenn er rothe Röcke auf Lantzen würde empor stecken lassen / solten sie Fuß für Fuß gegen den Feind rücken / und nur das erste Glied seine Pfeile und Geschooß abdrücken / die andern aber / biß der Feind sich verschossen hätte / zurück halten / und so denn ihr bestes thun. Wormit aber Torismund noch einige Zeit verspielen / und des Königs Frotho Absehn so viel weniger ergründen möchte; schickte ihm dieser selbst einen Herold / nebst dreyen Rittern Biorn /Strenge und Rastorp um zu vernehmen: Ob er den Cimbern einen freyen Abzug ohne Lösegeld willigen wolte. Torismund / welcher Nachricht erlangt hatte /daß König Erich durch Bestechung einiger Nordmänner einen kürtzern Weg gefunden / auch durch täg-und nächtliche Forteilung sich ihnen bereit sehr genähert hätte / ergrieff die vortheilhaffte Gelegenheit mit beyden Händen sich eines Feindes zu entbürden / um dem andern desto besser gewachsen zu seyn / weil ihn zumahl des vorigen Tages Schlacht gelehrt hatte: daß es rathsamer wäre einem behertzten Feinde zum Entkommen eine güldene Brücke zu bauen / als selbten durch derselben Abbrech- und Abschneidung der Flucht zur Verzweiffelung zu bringen. König Frotho /welcher inzwischen noch vier tausend Finnische [895] und Gothische Reiter in Rücken bekommen hatte / ließ in seinem Heere drey rothe Röcke und zugleich drey gläntzende Schilde auf Lantzen fürtragen / und rückte mit niedergeschlagenen Waffen Fuß für Fuß gegen die Nord-männer / wormit man in Nord wie bey den Indianern mit entgegen getragenen Bechern / und der auf dem Sonnen-Altare angezündeter Fackeln / bey den Griechen mit Verhüllung ihrer Häupter / oder Oelzweigen / bey den Römern mit Versteckung der Häupter unter ihre Schilde / bey den Galliern und Hispaniern mit Ausbreitung der Armen / bey den Persen mit Vortragung Brodt und Wassers / bey den Spartanern mit Niederlegung der Schilde / und Darreichung grünen Grases / oder Kräuter seine Ergebung anzudeuten pflegte. Torismund nahm diß / seiner Landes-Art nach / für ein Zeichen des Friedens und der Demütigung an; aber Frotho verstand diß nach der Auslegung anderer Völcker. Sintemahl so wohl bey den Römern / bey den Carthaginensern und Illyriern ein rother Rock / als bey den Lysandern ein aufgesteckter Schild / bey den Persern aber das in einen Chrystall verschlossene Bild der Sonne über dem Zelte des Königes das Zeichen der Schlacht war. Torismund ward über diß noch dardurch hinters Licht geführt / daß im gantzen Cimbrischen Heere Frotho weder Paucken schlagen / noch einiges Horn blasen / viel weniger nicht den Ertztenen Ochsen empor tragen ließ / welcher bey den Cimbern / wie bey den Römern anfangs ein Gebund Heu / hernach ein güldener / und unter dem Marius ein silberner Adler / bey den Persen ebenfalls ein Adler von Golde oder das ewige Feuer /bey den Atheniensern die Nacht-Eule / bey den Thebanern ein Sphynx / bey den Einwohnern des Egeischen Eylands eine Meertaube / dem Eumenes der Ceres und Alexanders Bild / dem Craterus und Neoptolemus Minerva / dem Cyrus ein güldener Hahn /dem Osiris ein Hund / dem Porus das Bild des Hercules / den Indianern Paucken und Glöcklein / den Egyptiern und Deutschen allerhand Thiere / die Kriegs-Fahnen waren. So hatten sich auch die Cimbern nicht so ausgeputzt / und gekämmet / wie sie sonst bey vorhabender Schlacht eben so wohl als die Spartaner zu thun gewohnt waren. So bald nun die Cimbern denen Nordmännern das blaue in Augen sehen konten / ergrieffen die fördersten Glieder ihre Bogen und Wurff-Spisse / und weil ieder seinen Mann wohl gefaßt hatte / fehleten wenig Schüsse. Die darüber verbitterten Nordmänner grieffen hierauff alsofort zu ihrem Geschoos / aber weil selbte mehr ihr Zorn als Vorsicht in grosser Unordnung abdrückte /hingegen die Cimbern mit ihren theils aus Baum-Rinde / theils aus Bretern wäßrichter Bäume / theils aus Wieten geflochtenen und mit Leder überzogenen Schilden sich gleich als mit einem Gewölbe überdeckten / that der ungestüme Hagel ihrer Pfeile den Cimbern wenig Schaden. Als sie sich nun verschossen hatten / überschneieten die hinteren Glieder der Cimbern sie eine gute Stunde mit ihrem Geschooß unaufhörlich / weil ein Glied das ander immer fort ablösete; so daß die Nordmänner weder die andern Waffen brauchen / noch die Kriegs-Befehlhaber ihre Untergebenen zum Gehorsam und Gefechte bringen konten. Als nun die Cimbern mit unsäglichem Schaden ihrer Feinde die Köcher geleeret hatten / grieffen sie zu den Schwerdtern und Streit-Kolben / so daß gegen dieser Zerfleischung das erste Gefechte nur ein Kinderspiel gewesen zu seyn schien. Torismund und Harald schäumten für Gri e / verfluchten nicht weniger ihre Einfalt / als die Arglist der Cimbern / dräuten den Furchtsamen / tödteten selbst etliche Flüchtigen / ermahnten die Tapfferen / und musten um die weichenden Biarmier und Finn-Märcker nur wieder in Stand zu bringen den Kern seiner Nord-Männer für sie an die Spitze stellen / da sie doch sonst [896] eben so wol als die Römer ihre ältesten Kriegs-Leute in die letzten /die Neukömmlinge aber in die ersten Glieder zu stellen pflegten. Weil aber diese feindliche Macht wol dreymal so starck als die Cimbern waren / kam es in weniger Zeit nach Verrauchung des ersten Schreckens zu einem gleichen Gefechte: Gleichwol aber ward Torismund selbst nicht wenig bestürtzt / daß sein Pferd auf gleicher Erde strauchelte / weil es sein Volck für ein böses Zeichen annam. Daher er sich gegen der Sonne wendete / und / um alles Unheil abzuwenden /sie anbetete. Wie er nun durch diesen Aberglauben alles widrige abgelehnt / ja gleichsam einen erleuchteten Verstand überkommen zu haben vermeinte / also ertheilte er seinem Heere Befehl / sich um die aus ihrer vortheilhafften Enge des vorigen Tages herfür gerückten Cimbern an beyden Flügeln auszubreiten /daß er sie mit seiner Schlacht-Ordnung wie eine Sichel umgab / und nach einer Stunde derogestalt ins Gedrange brachte / daß sie sonder Zweiffel in offene Flucht gediegen wären / wenn die vorwärts und auf beyden Seiten angegriffenen / und derogestalt einander den Rücken wendenden Cimbern / zum Fliehen Platz gehabt / oder die bey dem Kriegs-Geräthe gelassenen mit zerstreuten Haaren nicht ihnen in Rücken gekommenen Weiber sie mit jämmerlichem Geheule und empfindlichen Schandflecken zum Fechten angefrischt hätten. Sintemahl die Cimbern eben so wol als für Zeiten Bacchus / die Triballer und Persen ihre Weiber als die wehrtesten Pfänder ihrer Tapfferkeit mit sich ins Feld zu führen / und sie zu denen Kriegs-Zeichen zu stellen pflegten. Ja Frotho hatte auch der besorgten Flucht noch durch ein ander Mittel vorgebeugt / indem immer tausend und tausend mit eisernen Ketten umschlossen waren / und also keiner aus seinem Kreisse weichen konte. Alleine hierdurch ward gleichwol die Cimbrische Reiterey / welche sich nicht eines wenden konte / unbrauchbar gemacht / und weil ohne diß die keckesten und fürnemlich Bing / Wepfert / Schelen / Holcke und Friesen das Leben / die Hertzhafftigsten die Hoffnung eingebißt hatten / gieng bey nahe alle gute Anstalt verlohren / und ein und ander Theil der Schlacht-Ordnung übern hauffen / ja Frotho selbst / welcher alle Lücken mit seiner Gegenwart ergäntzen wolte / wäre durch Haralds Reiterey von seinem Heere abgeschnitten worden / wenn nicht der Riese Argrim / welcher vom Könige diesen Tag nach des Ritter Trolles Tode zum Hauptmann seiner Leibwache gemacht war / durch die brausenden Pferde und ergrimmten Feinde seinem Fürsten zu jedermanns Erstaunung einen Weg gebähnet / und zugleich die vom Könige Erich voran geschickten / und noch zur Zeit zum eusersten Stichblatte gehaltenen sechs tausend Reiter denen Nord-Männern mit grausamem Geschrey in die Seite gefallen wären / welches das Gethöne beyder streitenden Heere überschallete / und grösser war / als man von zehnmahl so viel Menschen hätte muthmaßen können / zumahl sie zugleich ihre Schilde an einander wetzten / und nicht wie die Römer aus einem gleichstimmigen; sondern wie die Deutschẽ /Gallier und Mohren aus dem allerversti testen und ungeheuersten Geschrey ihnen ein glückliches Ende der Schlacht einbildeten / und destwegen ins gemein auch der Weiber Geheule untermischten. Torismund ward durch diesen Anfall wenig bekümmert / weil die Cimbern schon derogestalt umzüngelt waren / daß ohne diß die Reiterey sie vollends zu bestreiten nicht Platz hatte / und es mit ihnen grösten theils gethan /hingegen es ihm unmöglich zu seyn schien / daß das gantze Svionische Heer und sonderlich das Fuß-Volck diesen Tag schon vorhanden seyn könte. Er sätzte daher dem Brahe und Steinbock zwölff tausend Reiter entgegen / und ließ sein halbes ohne diß zum Fechten nicht nöthiges Fuß-Volck gegen selbige Seite eine neue Schlacht-Ordnung / welche nun mit der erstern gegen die Cimbern ein Dreyeck machte / [897] stellen. Welche sich wie ein halber Mohnde krümmete / und diese hand-voll Volckes eben so wol als die Cimbern umarmet hätte / wenn nicht König Roller mit zwölfftausend Pferden / jedes mit zwey Männern besätzt ankommen wäre. Denn weil die Deutschen und andere Nordländischen Reiter allezeit ein oder zwey Bey-Pferde zu führen pflegten / daß sie bey des einen Ermüdung abwechseln konten; kam dieses zu schleuniger Beförderung des Fuß-Volckes auch hier dem Könige Roller und Erich mercklich zu statten. Dem Torismund schoß hierüber zwar das Blatt / als er nunmehr zwölfftausend neue Reiter / und eben so viel abgesprungene Fuß-Knechte gegen ihm eine neue Schlacht-Ordnung machen sahe. Aber / er verstellte diß aufs möglichste / redete seinem Volcke ein Hertze dadurch ein: daß sie zwar die von Müdigkeit schon entkräffteten Svionen zu erschlagen wenig Mühe /aber doch wegen Menge der überwundenen Feinde desto grössere Ehre erwerben würdẽ. Wiewol nun freylich diese Völcker / welche in dritten Tag weder Schlaff noch Ruhe genossen hatten / nicht wenig abgemattet waren / so munterte sie doch die Noth zu fechten / das Beyspiel ihres Königs und die Begierde zu siegen so auf; daß auch die wachsamsten Völcker die denen Deutschen und Nord-Einwohnern wegen ihrer langen Nächte beygemäßene Schlaffsucht schwerlich geglaubt hätten. Denn sie hielten auf dieser Seite die Schlacht in gleicher Wage / ungeachtet bey den Cimbern noch alles in schlechtem Zustande /König Frotho und Argrim harte verwundet / und mit dem meisten Cimbrischen Adel mehr als die Helffte des Heeres erleget war. Alleine die Ankunfft König Erichs mit dem gantzen Svion- und Gothonischen Heere versätzte augenblicks alles in einen bessern Zustand. Denn er schickte dem Könige Frotho alsbald unsern Fürsten Gottwald mit zehntausend Gothen und viertausend Finnen zu / welcher selbtem andeuten ließ: er möchte tausend oder mehr Schritte weichen /um seinen frischen Völckern Raum zum Treffen zu machen. Aber Frotho war so hertzhafft oder verzweiffelt / daß er dem Hertzoge Gottwald zu entbot: Er wolte ehe mit seinen Cimbern biß auf den letzten Mann / daß von seiner Niederlage niemand die Zeitung nach Hause bringen könte / auf der Wallstadt todt bleiben / als ihm bey ankommender Hülffe zu Schande thun / daß er einen Fußbreit dem Feinde weichen solte. Gleichwol aber suchte Gottwald durch einen Umweg ihme Gelegenheit an die die Cimbern umringende Nord-Männer zu kommen / wordurch denn jene / welche kaum mehr athemen / weniger fechten konten / alsbald Lufft schöpfften. Und war sicher diese Hülffe des Königs Frotho Errettung /welcher ihm mehr zutraute / als die Mögligkeit ihm enträumte. Sintemahl er kurtz nach seiner vermässenen Antwort vom Pferde gerennet / umringt / und schon in der Feinde Händen war / Argrim aber sonder Athem und Geist / auf der Erde mehr todt als lebendig unter den Leichen lag. Das hierüber erwachsende Jammer-Geschrey der Cimbern gab dem Hertzoge Gottwald und mir so viel mehr Sporne daselbst hin /wo der zugleich herunter gerissene küpfferne Ochse die gröste Noth andeutete / zu dringen. Da ich denn sonder Heucheley unserm Gottwald mit Wahrheit nachrühmen kan / daß die sieghafften Nord-Männer für seinen Helden-Thaten erstauneten / und der wüttende Harald durch ihn alleine gezwungen ward den gefangenen König der Cimbern fahren zu lassen um sein eigenes Leben zu beschirmen. Inzwischen rückte König Erich noch weiter als Roller fort / daß er den Nord-Männern gleichsam in Rücken kam. Daher muste Torismund dem die Cimbern drückenden Harald Befehl ertheilen zu weichen / und die Helffte seines rechten Flügels gegen die Svionen zu schicken /daß sie nicht umringt würden / und sie ihre drey Schlacht-Ordnungen an einander hencken konten. Dieses geschahe gleich [898] als die Sonne im Mittel des Himmels stand / aber es schien nun allererst der Anfang der grausamsten Schlacht / und der Himmel nur destwegen so schön zu seyn / weil es auf der Erde so heßlich hergieng / wormit die Natur nicht auf einmahl eine so greuliche Gestalt bekäme. König Erich unterließ nichts / was eines klugen und tapfferen Heerführers Ampt war / Egther der Biarmier und Tegill der Finnmärcker König machten ihm mit ihrer besondern Art Fechten zwar viel zu schaffen / indem diesen Völckern es an Kunst die Pfeile abzuschüssen kein anders zuvor thut. Und ob ihre zwar aus Mangel des Eisens nur mit Beine gespitzt / auch sehr lang und breit sind / so fahren sie doch durch die Schilde / wenn sie nicht auserlesen gut sind. Uberdiß hatten sie im Gefechte nicht festen Fuß / sondern wenn sie ihre Pfeilen oder Wurffspiße angewehret / wenden sie sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit / und / wenn sie sich aufs neue gerüstet / fallen sie den Feind wie ein Blitz wieder an. Ja sie wissen auch so gut als die flüchtigen Parthen mit ihren Pfeilen und Wurff-Spißen ihre Verfolger zu treffen. König Erich machte daher aus seiner Reiterey einen Ausschuß von denen / die am leichtesten und besten beritten waren / welche nur darauf wartete / biß sie sich wendeten / und so denn ihnen in Eisen lagen. Inzwischen gewaan er mit dem Fuß-Volcke und der schweren Reiterey allemahl ein stücke Feld; wordurch die Nordmännische Schlacht-Ordnung gantz verrückt und gekrümmet ward; ja sie wären nach einem stündlichẽ Gefechte gar in die Flucht gerathen / wenn nicht Botwild der Orcader Heerführer auf einer / und Roderich Torismunds Bruder auf der andern Seite mit zehntausend frischen Völckern sie entsätzt / und Torismund durch ein ausgesprengtes Geschrey / daß König Frotho gefangen / und ihr küpfferner Ochse erobert wäre / seinen Hülffs-Völckern neuen Muth gemacht hätte. Denn es ist unglaublich /was in einer hitzigen Schlacht eine falsche Zeitung oder andere Neuigkeit für Nachdruck und Würckung habe. Der schon in einem Flügel zertrennte Quintius erhielt durch einen ertichteten Sieg des andern Hornes nicht allein die weichenden Römern im Stande / sondern auch den völligen Sieg wider die Volsker / und mit denen für Kriegs-Leute ausgerüsteten und hinter einem Berge hervor kommenden Stall-Buben brachte Cajus Sulpitius die Gallier in die Flucht. Aber König Erichs Klugheit zernichtete bald diese Arglist / wie der König in Indien der Semiramis falsche Elefanten /derer ausgestopffte Bilder sie mit darunter verborgenen Camelen aufführte. Denn er ließ alsbald durch alle Hauffen sein Volck des widrigen versichern und warnigen: daß man im Kriege nichts dem Feinde /sondern nur seinen Häuptern glauben müste / und daß es schon ein Bekäntnüs der Schwachheit wäre / wenn man sich mit Träumen speisete / und mit Getichten behülffe. Weil nun König Erich mit der Orcadern und Eißländern im rechten / Hertzog Gottwald mit dem wilden Harald im lincken Flügel verwickelt war /sätzten in der Mitte König Roller und Torismund / als um derer Herrschafft und Krone es fürnemlich zu thun war / einander so hefftig zu / daß es schiene / es stritten nicht Menschen / sondern zwey Heere Bären mit einander. Nach dem nun ihr Kriegs-Volck etliche Stunden einander grausam zur Ader gelassen hatte /drang Torismund mit seiner aus hundert Fechtern und Riesen bestehenden Leibwache gegen Rollers blaue Haupt-Fahne / welche die Reiterey / wie die Rosen-farbene das Fuß-Volck leitete / mit allen Kräfften zu /nicht so wol sich derselben zu bemeistern / als daselbst seinen Todfeind König Rollern zu finden. So bald er auch seiner ansichtig ward / rief er ihm zu: was versteckst du dich Roller? weist du nicht / daß das Hauptwerck mich und dich angehet? meinest du /daß so viel tapffere Leute um sich unsertwegen zu erwürgen gebohren seyn? hast du die Ehrsucht über die[899] streitbaren Nord-Männer Menschen zu herrschen /must du deinen Degen nicht so feste stecken haben. Stecket aber dir angebohrne Furcht im Hertzen; warum hast du nicht für der Schlacht von einem Löwen oder Bären das Hertz gessen / oder sein Blut getruncken / um nicht so weibisch zu seyn? oder hat dich eine Zauberin eingeschläfft / so wil ich dir mit meiner Klinge die Schlaffsucht aus den Augen streichen. Halt also nur Stand / denn wenn du schon des Odin und Hadingus über das Meer lauffendes / des Bellerophon / des Marmaridius und Arnuphis durch die Lufft fliegendes Pferd / Circens und Medeens Drachen-Wagen / und des Exagonus Artzney / daß die Schlangen dich nicht stechen könten / hättest / wenn du schon von deiner Amme durch Seegen für alle Verwundung wie Hagward / oder durch Gemsen-Wurtzel wie Melappus feste gemacht / oder nur wie der von Göttern selbst gehärtete Sigtrug mit güldenen Waffen zu erlegen wärest / sollst du doch meinen Klauen nicht entrinnen. Denn glaube nur / daß meine eiserne Streit-Kolbe mehr Gewichte als des Gramus hat / ungeachtet in selbte kein Gold gegossen ist / noch eine güldene Kugel daran hängt. Der hitzige Roller dorffte keiner so schimpflichen Ausforderung / sondern war selbst begierig mit Torismunden anzubinden. Daher er denn seinem Volcke selbst befahl seinem Feinde Raum zu machen. Hierauf fielen diese zwey Könige einander so grimmig an / daß man daraus schlüssen konte: es mache nichts in der Welt keine grössere Verbitterung / als wenn man um Kron und Zepter ficht. Kein weisser Nordischer Bär / kein gelber Libyscher Löwe / kein fleckichtes Panterthier / ja keine vergiffte Schlange kan mehr Gifft und Galle auslassen / als diese zwey wüttende Kämpffer ausschüttetẽ /kein Stahl der Schilde und Harnische war ihren Schwerdtern zu harte / und kein versprietztes Blut der einander beygebrachten Wunden kühlete des andern Rache / oder hemmete ihr Gefechte. Denn sie hatten die Fühle mit dem Menschen ausgezogen. Das Kriegs-Volck vergaß / um aus Begierde den Ausschlag zu sehen / sein eigen Gefechte / und verwandelte gleichsam bey einem beliebten Stillstande von ihnen kein Auge / weniger unterstand sich jemand etwas darbey zu thun / weil die Nord-Völcker ein uraltes Gesätze haben: daß in einen Zweykampff sich niemand mischen / noch wider den Hercules selbst ihrer zwey fechten sollen. Endlich stürtzte Rollers Pferd; welches Unglück ihm Torismund durch einen geschwinden Streich / wormit er Rollern den Kopff zerspaltete / meisterlich zu nütze machte. Torismund fieng hierauf an zu schreyen oder vielmehr zu brüllen: Sieg / Sieg / Sieg. Ergebet euch / leget eure Waffen nieder / denn keinem Ungewaffneten soll kein Haar gekrimmet werden. Aber die auf Rollers Seite stehenden Norweger und Gothen wurden durch ihres Königes Fall mehr ergrimmet / als kleinmüthig / daher sie durch ein ungeheures Geschrey einander zur Rache aufmunterten / und sich als träge Zuschauer ihres ermordeten Königs verurtheilten / daß sie sonst in ihren Häusern wie die Füchse in ihren Löchern verbrennet zu werden verdienten / welches in Mitternacht für die gröste Schande gehalten wird. Diesemnach begonte allhier das Gefechte viel grimmiger als zuvor / und muste der Ritter Goldenstirna Rollers Stelle vertreten / dessen Leiche auf einen erhobenen Stuhl gesätzt ward / um das Kriegs-Volck durch diß erbärmliche Schauspiel so viel rachgieriger zu machen. König Erich hatte inzwischen die Biarmier / Finn-Märcker /Orcader und die Eißländer aus Thule / welche alle mit weissen Bären-Häuten bedeckt waren / biß an den Seebusem getrieben / als er von seines Bruders Tode die betrübte Zeitung bekam; daher ließ er den Oxenstirn und Bannier hier das Spiel ausmachen / weil zumahl die Feinde sich schon auf ihre Schiffe zu flüchten anfiengen. [900] Er aber eilte mit fünfhundert Edelleuten dem mitleren Leibe ihres Heeres zu / und ließ ihm noch dreytausend auserlesene Svioner folgen. Wie er es nun daselbst in besserem Zustande fand / als er besorgt hatte / trachtete er nur sich an Torismund zu reiben / welcher auch leicht zu erkiesen war / weil er wegen seiner Größe und hohen Pferdes mit seinem Kopffe über alle Nordländer vorragte / und daher diesem falschen Könige kein geringer Ansehn machte /als der falsche Philipp unter den Macedoniern hatte. Sintemal die euserliche Gestalt ein grosses Gewichte der Hoheit des Gebitters beylegt / und daher nicht ohne Ursache in Mohrenland der gröste / und zu Meroe der schönste zum Könige erhoben wird. Wie nun den König Erich die Rachgier an Torismund zu kommen reitzte / westwegen er auch um desto gewisser erkennt zu werden sein vom Helme entblöstes Haupt zeigte / also verleitete diesen der Hochmuth /so bald er die Svionische Haupt-Fahne mit drey Kronen als ein Zeichen des anwesenden Königs flügen sahe / auf Erichen mit gröster Ungestüme loßzugehen. Aber Torismund hatte mit ihm kaum angebunden / als er erfuhr: daß nicht Riesen-Stärcke sondern geschickte Tapfferkeit den Meister spielte / und in einer Mutter Schoos zweyerley Kinder empfangen werden könten. Denn ob zwar König Roller ein nicht gemeiner Fürst / auch mehr durch den Fehler des Pferdes als den eigenen geblieben war / so war doch zwischen ihm und dem Könige Erich ein so grosser Unterscheid als zwischen einem rechten und einem Stein-Adler. Hierzu kam / daß Torismund schon von Rollern hefftig verwundet war / und mit seiner Verblutung viel Lebens-Geister verlohren hatte / daher ihn mehr seine aus dem Glücke erwachsende Vermässenheit als die Vernunfft in andern Zweykampff verleitete / darinnen er durch seinen Sieg / wie jener durch einen Zufall umkam. Denn König Erich sätzte dem sich wie eine Schlange windenden Torismund auf allen Seiten wie ein geschwinder Falcke zu / und hieb ihm nach weniger Gefechte durch einen so glück- als künstlichen Streich seinen Kopff von den Achseln; entband ihn also seines hochmüthigẽ Gelübdes / daß er seine geröthete Haare und Bart ihm nicht ehe als nach Erlegung Rollers / Erichs und des Frotho abnehmen lassen wolte. Mit Torismunds Kopffe entfiel den Nordmännern zugleich das Hertze / welche / für wen sie mehr fechten solten / mit einander nicht eines waren. So ein grosser Unterscheid ist es / wenn ein rechtmässiger König / oder ein Rädelsführer der Aufrührer fällt. Denn dort ist der Erbe allezeit gewiß / hier aber wird die Herrschafft zu einem Zanck-Apffel / und die ihres Hauptes entblöste Glieder verfallen in Furcht und Zittern. König Erich ließ alsbald zu desto grösserm Schrecken der Feinde Torismunds Kopff auf eine lange Stange spissen / für welchem sie nunmehr als einem Scheusal flohen / den sie kurtz vorher als ihren Abgott in Himmel gehoben / und ihm mehr edles Blut als einem ihrer Götter geopffert hatten. Eben dieses Unglücke betraff kurtz darauf den ungeheuren Harald / welchem / weil er in der Herrschafft Torismunds Gefärthe seyn solte / durchs Verhängnüß auch einerley Todt bestimmt war. Denn Hertzog Gottwald gerieth mit diesem Riesen gleicher Gestalt in Zweykampff / welcher mit seiner Stärcke allen in der Welt überlegen zu seyn glaubte / auch mit seinem stählernen Wurffspisse / welchen er mit denen ihm an Arm gebundenen Riemen allezeit zurück ziehen konte / in dieser Schlacht über funffzig Cimbern und Gothen getödtet hatte. Dieses mördliche Gewehre aber ward endlich der Werckzeug seines eigenen Todes. Denn als er solches sehr tieff in den stählernen Schild des Hertzog Gottwalds geworffen hatte / daß er es nicht wieder heraus ziehen konte / eilte dieser wie ein Blitz auf ihn zu / und versätzte ihm mit seinem Schwerdte zwischen den Helm und den Pantzer einen so tieffen Streich in Hals / daß [901] Kopff und Leib nur mit weniger Haut an einander hencken blieben. Die Gothen schnitten den Kopff bald vollends ab / und steckten ihn auf einen nicht kürtzern Spiß. Hiermit giengen alle Glieder der Feinde vollends über einen Hauffen / und war gleichsam mit einer Hand alles gethan / so daß es fast keines Fechtens mehr bedorffte. Die noch übrigen Kriegshäupter mühten sich zwar sie dort und dar wieder zu ergäntzen / und ihnen einzuhalten / daß er die gröste Thorheit wäre in der Flucht sein Heil zu suchen / in welcher weniger entkämen /als fechtende blieben / weil aber allen die Hoffnung zu siegen / den meisten der Muth entfallen war / war alle Anstalt vergebens. Etliche Hauffen warffen auf der Stelle das Gewehre weg / und baten mit gewundenen Händen um Genade. Ob auch wohl das Fliehen bey den Nordmännern halßbrüchiger als beyn Römern war / hielten es doch die meisten mehr für kein Laster / und außer wenig Hauptleuten und Geschlechtern /welche dem Torismund oder Harald mit Blutfreundschafft zugethan waren / wolte niemand diese Schande durch einen ehrlichen Tod verhüten / ungeachtet sie wegen des sie umgebenden Meeres nirgends hin zu fliehen wusten. Denn die Furcht ist allemahl unbedachtsam / wie die Hertzhafftigkeit vorsichtig. Durch die Flucht derer / welche der Gefahr am nechsten waren / wurden auch die angesteckt und mit fortgerissen / welche gleich noch im Hinterhalte zur Hülffe bestellt und fertig waren. Alleine das Schrecken / welches der Flucht Ursache war / war auch derselben Hindernüß / weil ein ieder der erste seyn wolte / und also sich einer in andern verwickelte. Hingegen verfolgte König Erich und Hertzog Gottwald die Feinde klüger / als begierig / liessen also nichts feindliches hinter sich oder auf der Seite / sondern die sich ergebenden ließen sie entwaffnet in Verwahrung nehmen; Denn sie wusten wohl / daß das Meer ihrer Flucht schon selbst einen Riegel fürschieben würde. Endlich geriethen die flüchtigen Nordmänner denen Biarmiern / Finnmärckern und Orcadern / welche sich zu denen Schiffen drängten / selbst in die Haare / welches das eusserste Unglück dieser Bundgenossen / und die schönste Lust der Svioner / Gothen und Cimbern war. Diese letzten aber hätten bey nahe das Spiel verderbt. Denn weil sie dieser Sieg so viel Schweiß und Blut gekostet hatte / schenckten sie keinem sich Ergebenden das Leben / und waren ihre abgemattete und verwundete Glieder zum verfolgen und tödten unermüdlich; da doch die von vielen Bissen abgeschliffenen Zähne der Schlangen zu letzte nicht mehr schaden können. Es war nicht genung: daß sie aus ihren Leichen Brücken über die Graben machten / sondern sie änderten auch nunmehr ihre Losung / und brauchten dazu die Worte: Kein Gebeine soll von Nordmännern davon kommen. Weil nun die wenigen Schiffe von Biarmiern und Finnmärckern angefüllt waren / und beyde Könige damit über den Seebusem setzten / die Nordmänner also im Meere ersauffen oder von Cimbrischen Waffen sterben solten / ruffte Torismunds Bruder: Wenn wir ja sterben müssen / solasset uns nicht wie das tu e Vieh ungerochen abschlachten. Hiermit warff er einem Cimbrischen Hauptmanne einen Spiß durch die Brust. Allen Nordmännern war diß ein Zeichen wieder zu den Waffen zu greiffen /welches sie denn auch mit einer solchen Raserey thaten / daß die / welche vorher ihre Waffen weggeworffen hatten / ihren Feind wie Hunde mit den Zähnen antasteten / und mit den Fingern die Augen ausgruben. Wie nun nichts grimmiger ist / als eine Rache /welche bald ausleschen soll / also ist nichts gefährlicher / als die antasten / welche sterben müssen / und gleichsam schon mit dem Tode ringen / oder keine Pforte zum entrinnen offen finden. Denn die Cimbern geriethen hierüber in die Flucht / und die flüchtigen Nordländer wurden ihre Verfolger. König Erich aber kam [902] mit seiner Reuterey ihnen bald zu Hülffe / verwieß denen Cimbrischen Hauptleuten ihren zweyfachen Fehler / daß sie nemlich ihre gute Sache mit Grausamkeit verderbt / und durch hartneckichte Verfolgung eines verzweiffelten Feindes den eroberten Sieg in Gefahr gesätzt hätten. Themistocles hätte nach gehaltener grossen See-Schlacht den flüchtigen Xerxes selbst gewarnigt / daß die Griechen seine bey Abydes über den Hellespont geschlagene Schiff-Brücke zerdrümmern / also ihm die Rückkehrung abschneiden wolten / damit seine Verzweifelung nicht die noch viel stärckern Persen zur Gegenwehr und der Griechen Sieg zu verterben anreitzen möchte. Und sie wolten den sich demüthigenden Feind zur Wiedersetzung zwingen! denen Nordmännern aber versprach er das Leben / da sie alsbald die Waffen niederlegten /und Torismunds Bruder als ein Haupt der Aufwiegler heraus gäben. Sein Wort / und ihr Thun war eines /aber Roderich fiel selbst in sein Schwerdt / benahm also den Siegern die Lust an seiner Straffe oder Verzeihung. Der Sieg beschloß sich mit dem Tage / welcher wegen so unzählbarer Todes-Verstellungen mehr den Nahmen einer Nacht verdiente. Hingegen gieng noch etlichen zwantzig tausend Gefangenen mit anbrechender Finsternüs durch König Erichs Begnadigung das Lebens-Licht auf / und statt der etliche Stunden für Abend Wasser-ziehenden Sonne / damit sie vielleicht mehr als hundert tausend Tode beweinen könte / gieng der Mohnde nun wie reines Silber auf. Alle drey Heere übernachteten auf der Wallstadt / und machten sich mit denen im Nordmännischen Lager und etlichen Schiffen gefundenen Lebens-Mitteln lustig. König Erich / und Gottwald suchten den verwundeten und vom verblutten ziemlich matten König Frotho unter einem schlechten Zelte heim / welcher neben dem übel beschädigten Argrim zwar den Verlust seines Heeres / von dem nicht das drittel übrig war / beklagte / aber sich doch mit dem blutigen Siege / welcher dem Sieger für den Besiegten sich wie die Mauß aus dem Peche arbeitenden wenigen Vortheil oder Ursache zur Freude gab / vergnügen / und beyde für so treue Hülffe dancken muste. Auf den Morgen schleppte das Kriegs-Volck die Leiche der Feinde zusammen / und bauten daraus um ihren Sieg zu vergrössern hohe Berge; ihre meiste Todten aber hatten sie des Nachts in aller Stille begraben. König Erich aber ließ gegen Abende auch diese ins gesamt ausser denen dreyen zu Trinck-Geschirren vorbehaltenen Köpffen des Torismund / Haralds und Roderichs beerdigen /weil diese Völcker eine Abscheu haben Leichen den Raub-Vögeln zur Speise zu lassen. Denen vornehmsten Cimbern / Svionen und Gothen aber richtete er steinerne Begräbnüßmaale / und seinem Bruder Roller eines von hundert steinernen Säulen und vielen Lobschrifften auf. Ob nun zwar dieser Sieg so groß war / daß die Nordmänner selbst gestunden / es wäre das fünffte Theil der streitbaren Mannschafft aus ihrem gantzen Volcke erlegt oder gefangen worden /so hatten doch auch die Uberwinder / sonderlich aber die Cimbern darbey nicht Seide gesponnen. Gleichwohl lieff die Zeitung hiervon nicht so geschwinde durch Norwegen / als sich alles zu König Erichs und Frotho Füssen demüthigte / welche dieses Reich mit einander gleichsam brüderlich theilten / von welchem das Nordliche Theil dem Svionischen / das Sudliche dem Cimbrischen Reiche zufiel. Argrim forderte nunmehr vom Könige Frotho / dem er zweymahl das Leben erhalten hatte / sein Versprechen / und zwar seine Tochter Osura; welcher sie ihm auch iedoch mit dem Gedinge versprach / da er das erlittene Unrecht vorher an den entflohenen Königen der Biarmier und Finnmärcker gerochen haben würde. Argrim übernahm dieses Bedinge / und weil mit Norwegen alle Schiffe / ausser die / mit welchen sich die über [903] den Seebusem entkommenen Orcader und Eißländer geflüchtet / in der Sieger Hände kamen / gaben ihm beyde Könige dreyßig tausend Kriegs-Leute / davon er das Fuß-Volck zu Schiffe sätzte / mit der Reuterey aber zu Lande durch Hologien und das Trondanische Gebiete in die Finnmarck / Strick-Finnland und Biarmien einfiel. Weil nun Hertzog Gottwald vom Könige Erich und Frotho seiner grossen Heldenthaten halber überaus hoch geschätzt und gewisser Hülffe wider den König Marbod und Marmelinen vertröstet ward /und er daher mit dem Könige Erich wieder nach Upsal reisete / der Hülffe daselbst zu erwarten; trieb mich der Vorwitz mit dem Argrim die eussersten Nordländer zu besehen / und mit ihm alldar mein Heil zu versuchen. Aber weder Argrims noch meine Verrichtungen dienen zum Lebens-Lauffe des Fürsten Gottwald. Dieses allein habe ich mit wenigen Worten zu melden / daß ob wir zwar unsere Waffen biß an das eusserste Nordhaupt / wo der Angelstern drey und siebenzig Staffeln über der Erden Fläche stehet / und zum weissen Meere an Scythien geführet / ich weder einige mit Vögeln streitende Zwerge / noch Cyclopen und Menschen mit Hunds-Köpffen / wie ins gemein getichtet wird / sondern Leute durchgehends dreyer Ellen hoch / mit was grossen Häuptern / breiten Stirnen / blauen Augen / kurtzen Nasen / langen Kinnen /dinnen Bärten / und etwas gebückt gehende / iedoch geschickt und geschwinde / die Weiber auch weiß und roth / schön / geschlanck / und sehr fruchtbar angetroffen. Sie sind wolthätig / gastfrey / hassen den Ehebruch als das gröste Laster / aber darbey argwöhnisch / aberglaubisch / und Zauberer. Sie beten die Sonne an / und den Gott Thor / dem sie Renn-Thiere schlachten / mit derer Blute und Unschlitt sie sein mit zwölff Edelgesteinen gekröntes Bild einschmieren /die Hörner und Gebeine ihm zu Ehren aufrichten und darum rothe Fädeme mit Zien oder Silber winden. Ihr gemeinstes Handwerck ist die Jagt und das Fischen /ohne welches sie erhungern müsten. Gleichwol aber sätzen sie ausser der eussersten Noth keinen Fuß über ihre Gräntzen / geben also ein kräfftiges Zeugnüs für die Gewalt der Vaterlands-Liebe ab / welche so wenig in diesen Eißländern erfrieret / als bey den Schwartzen zerschmeltzet. Die schnellen Füsse der Renn-Thiere / die geschwinden Flügel der Eiß-Vögel sind ihnen vergebene Mittel sich dieser kalten und finstern Welt zu enteussern; und das Geflügel / welches gleich auf eine zeitlang sich entfernet / vergißt oder verlernet doch nicht auf die ungeheuersten Klippen in sein mütterliches Nest wieder zu kehren. Ungeachtet nun diese Völcker furchtsam sind / und die Kälte alle Hertzhafftigkeit mit den Geistern in ihnen erstecket / so machten sie doch dem Argrim in ihrem Schnee- und steinichten Lande / da sie alle Schliche wusten / und sich bald in ihre Berghölen versteckten / bald aus selbten uns unversehns überfielen / mehr zu schaffen / als er ihm hatte träumen lassen. Denn wir wurden von ihnen zweymahl geschlagen. Also machet der öfftere Gebrauch der Waffen auch die ungeschickten fertig / und die Liebe der Freyheit die Verzagten hertzhafft. Nach dem aber auf König Erichs Befehl die ihm unterthänigen Lappen auch in Biarmien einfielen / und sich unsere Feinde theilen musten / erlitten sie vom Argrim /welcher den König Egther im Zweykampffe erlegte /eine solche Niederlage / daß sie sich nicht erholen konten / sondern sich nur der Gnade des Uberwinders unterwerffen / und ieder Einwohner ein Fell von einem wilden Thiere zur jährlichen Schatzung abzuliefern angeloben muste. Wir brachten damit gleichwohl anderthalb Jahr zu / und weil mir Hertzog Gottwald zu wissen machte / daß er nach verlohrner Hoffnung einiger Hülffe mit seinem Sohne sich nach Lethra an den Cimbrischen Hoff / welch prächtiges Schloß König Rolro gebaut / verfüget hätte / segelte ich [904] mit dem tapffern Argrim geraden Weges nach dem grossen Cimbrischen Eylande Seeland zu; Bey welchem sich das grosse Welt-Meer durch eine tieffe Enge in die Baltische See ausgeust. Unterweges besahen wir von ferne / wiewohl mit Furcht und Zittern /den an der Norwegischen Küste gelegenen Meelstrom; oder vielmehr den grausamen und grösten Strudel in der Welt / welcher um einen hohen Felsen dreyzehn Meilweges im Umkreiße einen Wirbel macht / die grösten Schiffe und Wallfische sechs Stunden lang verschlinget / die sechs folgenden aber alles wieder ausspeyet. Von diesem berichten die Einwohner der dabey liegenden Eylande / daß das grosse Meer durch unterirrdische Gänge mit dem Botnischen Seebusem vereinbart wäre / welcher zu der Zeit / als jener einschlünge / ausgüsse / hingegen einschlünge /wenn jener ausgüsse. Wir kamen nach Wunsch zu Lethra an / und König Frotho vermählte mit grossem Gepränge und Frolocken seine Tochter Osura dem sieghafften Argrim. Hertzog Gottwald ward an diesem Hofe nicht weniger als am Svionischen mit vielen Hülffs-Vertröstungen gespeiset / aber er befand endlich / daß eben so wol seine als andere dem gemeinen Wesen erwiesene Wolthaten zwar Häuser mit prächtigen Stirnen wären / aber viel Winckel und Eitelkeiten in sich hätten. Denn der kalte Brand des schändlichen Eigennutzes hatte in diesen frostigen Ländern eben so wol als in wärmern die Gemüther der Fürsten eingenommen / daß alles Andencken gröster Verdienste darinnen erkaltete. So wohl Frotho als Erich thaten lieber vielen Leuten wohl / nach ihrer Einbildung / als einem nach seinen Verdiensten; vielleicht / weil sie im ersten ihre Macht bezeugten / im andern ihre Schuldigkeit bekennten. Wiewohl hieran nicht so wohl die zwey Könige selbst als ihre Staats-Diener Schuld zu haben schienen. Sintemahl das meist allen Fürsten gemeine Elend auch allhier Bürger-Recht gewonnen hatte / daß ihre Gemüther sich nicht über das Hefft ihrer Diener erstreckte / sondern sie denen / welchen sie mit Ehren zu gebieten hatten / zu gehorsamen für keine Schande achteten. Die Svionischen Räthe erweckten dem Könige Erich allerhand Mißtrauen gegen dem Frotho. Um welche kleine Insel die Cimbern und Svionen mehrmahls / wie die von Athen und Megara um Salamine biß aufs erste Verderben gestritten hatten. Sie nennten es also eine Grausamkeit /wenn ein Fürst ihm sein eigenes Fett ausschnitte einen andern damit zu mästen / als wenn dieser nach Gottland strebete. Und diesen verhetzten die Seinigen zu einem Kriege wider die Orcader / Eißländer und Hibernier als Gehülffen der aufrührischen Nordmänner an. Sintemahl man ehe seine eigene als frembde Beleidigungen rächen müste. Uberdiß befiel um selbige Zeit die gantze Welt eine allgemeine Begierde des Friedens / wie das Meer eine Windstille / daß es schien / als wenn allen Fürsten ihre Degen in den Scheiden angefroren wären / oder wenn das güttige Verhängnüs selbst allen Völckern einen Stillstand der Waffen geboten hätte; zumahl da bey dieser allgemeinen Ruh der Welt die Sternseher alleine in Ergründung der Ursache im Himmel unruhig waren / aber keinen so kräfftigen Einfluß des Gestirnes finden konten / sondern ihre Unwissenheit / und eine übernatürliche Ursache zugestehen musten. Mit einem Wort: man gab dem so hochverdienten Hertzoge Gottwald gute Worte ohne einige Würckligkeit / damit sich alleine Kinder und Thoren abspeisen lassen / daher ihn endlich die Ungedult überlief / so daß er mir befahl das erste nach der Trave oder Elbe gehende Schiff für uns zu bedingen. Denn er war viel zu großmüthig /daß er um diß / was er vielfach verdient hatte / betteln solte; sagte auch mehrmahls: daß ein Weiser und Hertzhaffter keines andern bedörffte. Ja ich kan ihm mit Wahrheit nachrühmen: [905] daß seine Tugend recht der Sonne und den höchsten Sternen gleichte / welche zwischen denen Gewölcken viel grösser / als bey gantz heuterem Himmel erscheinen. Hertzog Ariovist / welcher in einem nicht ferne von dem Garten gelegenen Lust-Walde zwischen dreyen rauschenden Qvellen eine köstliche Mahlzeit hatte bereiten lassen /fiel Döhnhofen ein / und sagte: Ich höre wol / wir werden mit unserm Hertzoge Gottwald noch eine ziemliche Reise zu thun haben / welche wir heute schwerlich vollenden können. Daher wird wol nöthig seyn sie bis Morgen zu verschüben / und biß wir vorher so viel Beschwerligkeiten dieses mehren Glückswürdigen Fürstens mit einer wenigen Erfrischung werden versüsset haben. Die Fürstin Zirolane und ihr Bruder wolten sich von der Gesellschafft ausschlüssen / aber Ariovist beklagte sich / daß ihr Abgang ein grosser Abbruch aller Vergnügung / die Einsamkeit aber mehr eine Vergrösserung als Artzney ihres Leides seyn würde / wormit den Lebenden nur geschadet / den Todten nichts geholffen würde. Westwegen die behertzten Deutschen auch am weiblichen Geschlechte die Beklagung der Todten geunbilliget hätten. Einem Manne diente zu Vertreibung seiner Traurigkeit nichts besser / als der Krieg / einem Frauenzimmer die Gesellschafft. Thußnelde und Agrippine lagen auch selbst Zirolanen beweglich an / daß sie sich nicht ihrer Gemeinschafft entschlagen / noch dem Kummer so viel enthängen solte. Worbey derselbe Griechische Weltweise / welchen Ariovist bey sich unterhielt / versicherte / daß Zirolane am bestimmten Orte ein heilsames Mittel für ihre zwar unscheltbare aber auch unfruchtbare Bekümmernüs finden würde. Ob nun wol Zirolane vorschützte: daß ihr als einer Deutschen zwar Thränen und Wehklagen zeitlich abzulegen angebohren wäre / würde sie doch mit ihrem traurigen Antlitze und wehmüthigen Sti e ihnen alle Lust verterben; so ließen sie doch nicht ab / biß Zirolane Gesellschafft zu leisten willigte / und Ehrenfried muste ohne diß Ariovisten gehorsamen. Sie fuhren also zusammen dahin. Bey dem Eingange des Waldes begegnete ihnen der Waldgott Pan und seine Satyren mit grosser Ehrerbietung / begleiteten sie auch mit ihren siebenröhrichten Pfeiffen / Böcken und Hümmelchen biß an das von Laub und Blumen bereitete Zelt. Unterwegens fragte Thußnelde; warum man dieses Gethöne denen Waldgöttern zueignete? Agrippine meldete: Ihrem Bedüncken nach geschehe es darum /weil nicht nur bey den Griechen Pan für den Erfinder der ersten Pfeiffen und der vom Mercur gebrauchten Leyer / Apollo als ein Hirte des Admetus für den Fürsten der Säitenspiele; sondern auch Terambus für den Urheber der Hirten-Lieder gehalten würde. Bey dem Zelte / welches in zwölff runde Zimmer abgetheilet war / und in der Mitte einen grossen Speise-Saal hatte / begegnete ihnen Apollo mit den neun Musen / welche in alle Arten der Säitenspiele vielerley Lob-Lieder des anwesenden Frauenzimmers / fürnemlich aber Zirolanens sangen / worzu die auf beyden Seiten rauschenden Bäche und die gleichsam eyversüchtigen Vögel mit voller Kehle einspieleten. Die Satyren bereiteten die Taffel / und versorgten selbte mit den seltzamsten Speisen / damit sich nicht nur Deutschland /sondern auch frembde Länder sehen lassen. Mit einem Worte / es mangelte hier nichts / was eine so vornehme Gesellschafft von einem so grossen Fürsten /als Ariovist war / auch in seinem Hofflager hätte verlangen können. Weil aber Zirolane stets in einem traurig blieb / vergaß Ariovist keine Erfindungen ihren Geist zu ermuntern. Daher auch Thußnelde den Griechschen Weisen seiner Versicherung erinnerte /daß er durch das versprochene Mittel nunmehr Zirolanens Schwermuth abhelffen solte. Dieser war hierauf emsig beschäfftigt / durch annehmlichste Abwechselung des Singens und der Säitenspiele / Zirolanen [906] aufzuwecken / welche aber beständig ihre traurige Gebehrdung behielt; also daß er endlich sich heraus ließ / ihm wäre noch nie kein Mensch von solcher Unempfindligkeit für Augen kommen. Sintemahl Singen und Säitenspiele sonst eine so grosse Krafft nicht nur über den Leib und die Seele des Menschen / sondern auch über Thiere und Pflantzen / ja so gar über unbeseelte Steine / und Orpheus durch seine Leyer Tyger und Löwen gezähmet / Amphion die Fische bezaubert /und an den Thebanischen Mauern die Steine rege gemacht haben solte. Wenn aber auch diß gleich in einem verblümten Verstande zu verstehen wäre /könte doch nicht geleugnet werden / daß Clinias durch die Leyer seinen Zorn / Achilles seinen Unwillen / Pythagoras durch die Laute / alle hefftige Gemüths-Regungen gestillet / ja dieser durch die Flöte einen entrüsteten Jüngling von Anzündung eines Hauses / Empedocles mit der Cyther einen andern vom Mordt / Asclepiades und der desthalben auf des wahrsagenden Apollo Befehl aus Lesbos nach Sparta geholete Terpander / den Pöfel vom Aufstande abgehalten / hingegen Timotheus Alexandern mit seiner Pfeiffe zum Grimm / die Spartaner ihre Bürger wider die Feinde angefrischt hätten. Daher denn fast niemand zweiffelte / daß durch eine so süsse Regung der Hochmuth gedämpft / die Grausamkeit gemiltert / die Schlaffsucht aufgeweckt / die Wachsamkeit beruhigt /die Geilheit gestillet / dem Hasse gesteuert / und insonderheit die Traurigkeit aus dem menschlichen Hertzen verjaget würde. Zirolane aber begegnete ihm: Sie wäre zu wenig von andern Würckungen zu urtheilen; bey ihr aber hätte diese Lust eine Eigenschafft des Erdsafftes. Denn wie dieser in den Wurtzeln der Pflantzen ihre Farben und Eigenschafften annähme /also hätten Säitenspiele in ihrem Gemüthe allezeit die Art / daß sie ihre Freude und ihr Trauren nur häufften. Sie bildete ihr auch nicht ein / daß sie die einige wäre / bey welcher diese Ergötzligkeit eine so widrige Würckung hätte. Denn sonst würden so viel Völcker sie nicht zu ihren Begräbnüssen brauchen. Der Grieche fiel ein: weil Singen und Säitenspiele eine Gewalt über alle Gemüths-Regungen hätten / wäre unläugbar / daß sie auch die Frölichen betrübt und die Traurigen trauriger machen könten. Sie heuchelte so wol unser Wehmuth / als sie unser Freudigkeit liebkosete; sie richtete sich nicht weniger nach den Krancken als Gesunden / um sich durch ihre Süßigkeit zum Meister aller Gemüther zu machen. Alleine es wäre damit beschaffen / wie mit Gewächsen / an denen ein Theil der Frucht reinigte / das andere stopffte / an einem der Safft gifftig / der Kern heilsam wäre. Nicht anders leitete ein trauriges Lied zur Traurigkeit / ein freudiges zur Freude an. Die Erfahrung wäre hierinnen selbst Vorredner; und wer wolte daran zweiffeln / da Säitenspiele über den Leib eine so sichtbare Gewalt hätten /indem dadurch vom Arion und Terpander die Jonier und Lesbier von der hinfallenden Sucht / vom Ismenias die Beotier am Hufweh / vom Theophrastus die Schlangenbisse / vom Asclepiades die Unsinnigkeit und Taubheit / vom Ulysses die Blutstürtzung der Wunden / vom Thales die Pest / von andern andere Kranckheiten geheilet worden wären. Und es wäre unläugbar / daß die von Tarantulen verletzte Menschen durch nichts als Säitenspiele geheilet werden könten. Welches so viel weniger zu verwundern / weil die Kranckheit nichts anders als eine Verstimmung des menschlichen Leibes wäre. Einer der ältesten Barden nam sich Zirolanens an und versätzte: die durch Pfeiffen und Säitenspiele geheileten Schwachheiten müsten meines Erachtens entweder sehr schwach / oder die Einbildung der Geheileten dabey sehr starck gewesen seyn. Denn ob ich zwar weder ein Spartaner noch Egyptier / welche diese Kunst als unnütze und schädlich verwerffen / sondern ein [907] Barde / also ein /Liebhaber des Singens / der Säitenspiele / und ihrer Seele nemlich sinnreicher Getichte bin / wir auch mit unsern Liedern Betrübte zu trösten / und insonderheit Furchtsame aufzumuntern pflegen / kan ich doch nicht ergründen / wie selbte denen leiblichen Gebrechen abzuhelffen / und durch was für ein Röhr sie krancken Gliedern die Gesundheit einzuflössen / mächtig seyn können. Der Grieche antwortete ihm: durch das Gehöre dringet die annehmliche Stimme / welche in Ohren mehr Nachdruck / als die Schönheit in Augen hat /und der liebliche Schall nicht nur in den Leib / sondern in das innerste der Seele. Die unvernünfftigen Thiere werden dadurch gereget / daß der Ochse beym Gesange seines Treibers geduldiger zeucht / die Maul-Esel nach dem Schalle ihrer angehenckten Glocken besser fortgehen / und die Kamele bey einem annehmlichen Liede keines Spornes bedörffen. Dahero nichts unglaublichs ist / daß die deren Säitenspielen so holden Meerschweine Arions Harffe so gehorsam gewest. Der Barde begegnete ihm: Er wolte nicht widersprechen / daß die Thiere keine Fühle bey den Säitenspielen haben solten / wiewol die Stimme des Stellers und Jägers meist ihr Todten-Brett wäre / und die Schlangen so wol durch das Lied des Zauberers zerrissen / als die klügsten Leute wie der hundert-äugichte Argus derogestalt eingeschläfft würden. Aber darum kan ich sie für keinen Artzt gelten lassen. Sintemahl das Gesichte / der Geruch / der Geschmack und das Fühlen nur dem Leibe dienete / der einige Sinn des Gehöres aber unser Seele und Sitten bestimmt und vorenthalten wäre. Der Grieche brach ein: die Schwachheiten des Gemüthes wären unheilbarer /als die des Leibes. In jenen aber hätten Säitenspiele eine so grosse Krafft / daß die sich des singenden Arcadiens entbrechenden Cynethenser in kurtzer Zeit die wildesten und lasterhafftesten Leute in Griechenland worden wären. Westwegen alle Weltweise nicht allein grosse Liebhaber derselben gewest / Socrates auf Befehl der Götter / gleich als wenn diese Kunst und die Weißheit Geschwister wären / sich solcher beflissen /und auf dem Gastmahle des Xenophon gesungen /sondern auch Plato in seinen Gesätzen befohlen hätte / in Liedern nichts zu ändern / als mit welchen Sitten und Gesätze auch nothwendig verändert werden müsten. Aus welchem Absehn auch sonder Zweiffel wider die / welche die Würde der Singe-Kunst verletzten / eine Straffe ausgesätzt / und zu Sparta Timotheus verwiesen worden wäre / weil er seiner Harffe noch eine Säite beygesätzt / und die männliche Art zu weich und weibisch gemacht hätte. Nicht weniger hätten Hercules / Achilles / Epaminondas und andere fürtrefliche Helden sich des Singens und der Säitenspiele beflissen; und weil Themistocles auf einem Mahle nicht auf der Leyer spielen wollen / hätte er den Schandfleck eines ungelehrten davon getragen. Welches sonder Zweiffel daher rührte / daß der gestirnte Himmel so wol / als unsere eigene Seele / nichts anders / als eine süsse Zusammenstimmung wäre / oder daß sie wenigstens dadurch im Stande erhalten würde. Der Barde lächelte hierüber und fieng an: Ich wil dieser edlen und uralten Kunst nichts von ihrem Lobe entziehen / bin auch gar einer andern Meynung als jener Schytische König / welcher lieber sein Pferdt wiegern / als die künstlichsten Seitenspiele hörte; aber des Pythagoras Traume / daß er die sieben Irr-und die andern Sterne wie Sirenen zusammen stimmen gehört hätte / kan ich mich eben so wenig bereden lassen / als daß des Orpheus und des Terpanders sieben-seitichte Leyer nach dem Schalle und Stande der sieben Irrsterne solte gesti t worden seyn; daß Saturn den Dorischen / Jupiter den Phrygischen Klang haben / der scharffe mit dem Sommer / der harte mit dem Winter / der niedrigste mit der Erde / der folgende mit dem Wasser / der hohe mit der Lufft / der höchste mit [908] dem Feuer überein stimmen solle. Denn Pythagoras müste zu seinem leisen Gehöre eben solche Hülffs-Mittel / wie man an den Fern-Gläsern zum Gesichte braucht / gehabt haben / da man auf die vermeinte Zusammenstimmung der Gestirne einiges Absehen setzen solte; oder alle andere Menschen müsten wie die bey dem Nil-Fall wohnenden betäubt seyn /weil sie von diesem eingebildeten Schalle der Sterne nichts höreten. Der Grieche brach abermahls ein: Es wäre in der Welt nichts seltzames / daß ein Auge weiter sähe / als das andere. Ein Mahler treffe offt viel Kunst in dem blossen Schatten eines Bildes an / welchen wir kaum überhin anzuschauen würdigten. Die /welche die Wunderwercke der Natur nur nicht überhin ansähen / würden die Ubereinsti ung des Himmels und der menschlichen Seele leicht begreiffen. Mit dem Mohnden käme ihre wachsende / mit dem Mercur ihre nachdenckende Krafft / mit der Venus ihre Begierde /mit der Sonne ihre Lebhafftigkeit / mit dem Mars ihr Trieb / mit Jupitern ihre angebohrne Regung / mit dem Saturn die Fähigkeit etwas anzunehmen / und endlich der Wille mit der ersten Bewegungs-Krafft überein. Nicht weniger hätten der Seele eusserliche Sinnen mit der Erde / ihre Einbildung mit dem Wasser / ihre Bewegung mit dem Feuer / die Vernunfft mit der Lufft / und der Verstand mit dem Gestirne eine Verwandtschafft. Der Barde mäßigte sich und sagte: Es würde den Schein gewinnen / als wenn er ein Feind der Eintracht und der zusammen stimmenden Seitenspiele wäre / wenn er das minste noch der aufgeworffenen Meinung entgegẽ sätzte. Die in seinen Ohren klingenden hätten auch bey ihm derogleichen Nachdruck / daß er ihrer durchdringenden Krafft nicht ablegen könte. Auch könte er für sich leicht nachgeben / daß die Verträgligkeit der natürlichen Dinge mit einander für eine Zusammenstimmung / und die Welt für eine allgemeine Harffe gehalten würde. Am allermeisten aber wünschte er / daß gantz Deutschland eine zusammenstimmende Leyer abgäbe / so würden alle eusserlichen Feinde selbtem kein Haar zu krimmen mächtig seyn. Zirolane behielt mitler Zeit einerley Gestalt / gleich als wenn sie weder singen noch Seitenspiele hörete / und ob wol Ariovist alle nur ersiñliche Mittel sie freudiger zumachen herfür suchte /behielt sie doch ihre Unempfindligkeit / iedoch in einer so leitseligen Art / daß sie mit ihrer Traurigkeit niemanden beschwerlich war. Auf den spaten Abend kehrten sie wieder bey einer unzählbaren Menge weisser Wind-Lichter in den Bardischen Garten / umb vom Döhnhoff den Verfolg seiner Erzehlung vollends zu vernehmen; weil zumahl Thußnelda und das andere Frauenzimmer wieder in den Sauer-Brunn Verlangen trug; Agrippina aber sich an der Mosel einfinden solte. Auf den frühen Morgen fand die gantze Gesellschafft sich im Garten bey der denselben wässernden Bach ein; welcher Döhnhoff folgenden Vortrag that. Hertzog Gottwald segelte mit seinem fünffjährigen Sohne / seiner Hoffmeisterin und mir aus Seeland mit gutem Winde der Stadt Treva glücklich zu / stiegen daselbst aus / und weil er sonst nirgends keine Zuflucht wuste / entschloß sich Hertzog Gottwald sich zu seinem Schwäher dem Könige der Bojen Critasir zu verfügen / von welchem uns die Variner versicherten / daß er seine Herrschafft zwischen der Römer und Marckmänner Gebiete mit ziemlichen Vortheil befestiget hätte. Wir schlugen uns von Treva aus gerade gegen der Elbe zu / und kamen durch das Cheruskische und Hermundurische Gebiete glücklich in den Wald Gambreta. In diesem überfiel uns die Nacht /und wir verirrten uns darinnen / daß wir weder hinter noch vor uns kommen konten / und unsere Knechte ein Feuer machen musten. Worauf sich zwey Jäger zu uns fanden / und uns in ein nicht ferne davon gelegenes Jäger-Hauß einladeten. [909] Diese aber führten uns die gantze Nacht durch / über Berg und Thal / durch dickes Gehöltze / wo kein Fußpfad einiges Menschen zu spüren war. Gegen Morgen erreichten wir daß verlangte Jäger-Hauß / darinnen wir freundlich bewillkommt / und besser / als wir uns in einer solchen Wildnüs hätten einbilden können / bewirthet worden. Als wir uns aber zur Ruhe begaben / wurden uns bey währendem Schlaffe unsere Waffen und Gottwalds fünffjähriger Sohn entfrembdet. Wie wir nach der Erwachung darnach fragten / wurden wir in ein Zimmer geführet / und uns etliche zwantzig der schönsten jungen Knaben gezeuget / darunter sich Gottwalds Sohn zugleich befand / für uns aber die Thüre mit Gewalt zugeschlossen. Der hierüber nicht weniger ungedultige als sorgfältige Gottwald fragte; zu was Ende so viel Knaben da versamlet / und mit was Rechte ihm sein Sohn vorenthalten würde! Ihm aber gab ein alter Ausländer in Römischer Sprache zur Antwort: daß sie auf ein gewisses Feyer alldar verwahret würden / und hätte die Gottheit dieses Ortes auf Kinder mehr Gewalt / als ihre eigene Väter. Gottwald bildete ihm nichts anders ein / als daß alle diese gefangene Kinder solten geopffert werden / daher ward er gleichsam un sinnig / ergrieff diesen Alten / und hätte ihn erwürget / wenn nicht mehr als zwantzig Jäger bey der Hand gewest wären / und ihn aus seinen Händen errettet hätten. Er fieng hierauf an die Menschen-Opffer auffs grausamste zu verfluchen. Ob nun wol dieser Alte uns versicherte / daß die Kinder keines Weges geopffert /sondern nach einer Monats-Frist ihren Eltern an denen von ihnen selbst bestimmten Orten wieder eingeliefert werden solten / und er darzu nur einen gewissen Platz benennen solte / war doch der mißträuliche Gottwald nicht zu besinnen / sondern erwischte eine bey dem Feuer liegende eiserne Zange / und hätte dem Alten einen hefftigen Streich damit versätzt / wenn die Jäger ihm nicht in die Armen gefallen wären. Hierdurch gewanen wir aber nichts anders / als daß die sämtlichen Jäger auf des Alten Befehl uns mit Gewalt drey Tage lang durch dicke Wälder / wir wusten nicht wohin / fortführeten / und uns endlich am Necker eine Meile von Schultzen verliessen. Uns auch daselbst unsere Waffen und Geräthe treulich einhändigten. Hertzog Gottwald war hierüber so erbittert / daß er diese lange Zeit weder aaß / noch redete / also wie die Spinnen von der Lufft lebte / ich aber redete sie beym Abzuge an: da sie anders den Nahmen redlicher Leute nicht Menschen-Räuber verdienen solten / möchten sie den vorenthaltenen Knaben in Monats-Frist zu Cisaris in das Heiligthum der Göttin Cisa lieffern. Denn weil der alte Ariovist des Vindelischen Königs Tochter geheyrathet / König Critasir aber die Vindelicher zum theil vertrieben hatte / und sie daher mit den Alemännern nicht zum besten stunden / wolte ich ihnen nicht die Stadt Bojodur / dahin wir trachteten / vorschlagen. Sie versprachen diß als ehrliche Leute zu erfüllen. Dieses veranlaßte uns / bey Samulocenis über die Donau / und von dar geraden Weges nach Cisaris zu gehen / welche Stadt aber für dreyzehn Jahren schon ihren Nahmen und Gestalt verlohren hatte. Denn nach dem Tiberius und Drusus den Rhetiern und Vindelichern auf dem Lechfelde den letzten Streich versätzt hatte / ward die Stadt Cisaris / welche ihren Nahmen von der daselbst verehrten Göttin Cisa bekommen / ihrer tapfersten Einwohner beraubet /und sie mit vielen Rhetiern in das wüste Mösien versätzet / hingegen diese Stadt mit sechs tausend Römischen Bürgern bevolcket / und nach dem Kayser Augusta genennet. Alle Sitten und Gesätze waren nach Römischer Art eingerichtet / daselbst an den Lech ein festes Schloß zum Zaume der Vindelicher gebauet /der Göttin Cisa Tempel [910] von der Flavia Veneria dem Pluto / und Proserpinen eingeweihet / und ihnen mit Noth erlaubet / ausserhalb der Stadt an einem verborgenen Orte der Cisa Bild / welches ein grosser steinerner / auf der Stirne mit zwey Flügeln versehener /unten am Halse mit Schlangen umwundener Kopff war / zu verehren. Der Kayser ließ alldar Geld müntzen / und darauf einen Tannzapffen pregen / welcher dieser Stadt / wie der Dattelbaum der Stadt Tyrus und Alexandriens / die Frucht der Fichtenbäume / der Mamertiner Zeichen war. Der Römische Rath aber hatte dieser besiegten Völcker halber dem Kayser ein prächtiges Sieges-Maal aufgerichtet. Wir blieben zu Augusta und giengen alle Tage in der Juno Tempel /und an den Ort / wo Cisa noch verehret ward; wir konten aber das allergeringste von unserm verlohrnen Sohne nicht erfahren. Worüber sich Hertzog Gottwald bey nahe zu tode grämete / auch in ein hitziges Fieber fiel; von welchem er nach dreyen Monaten allererst mit Noth errettet ward. Aber nach dessen Verschwindung war seine Traurigkeit so viel grösser / und sein Wunsch nichts anders / als daß er durch den Tod mit dem Geiste seines Sohnes / welchen doch der verfluchte Mord-Priester würde geschlachtet haben /möchte vereinbaret werden. Ich tröstete ihn so viel möglich / wiewol ich selbst wenig oder keine Hoffnung hatte / das Kind wieder zu sehen. Alleine bey ihm fiel aller Trost in Brunnen. Ich rieth ihm sich zu seinem Schwäher dem Könige Critasir zu begeben; aber hierzu konte er sich auch nicht entschlüssen /einwendende / daß nach dem Verlust seiner Gemahlin und dieses von ihr herrührenden unschätzbaren Pfandes er in seinẽ Augen nichts als ein Greuel seyn könte. Nach dem ein Vindelischer Edelmann mit uns Bekandschafft gemacht / und Gottwalds Kummer erfahren hatte / rieth dieser uns auffs beweglichste / wir solten die Göttin Cisa über den Zustand umb Rath fragen. Weil nun niemand leichter als ein Hülff- und Trost-loser Bekümmerter zum Aberglauben zu bringen ist / wurden wir endlich beredet / der Cisa einen schwartzen Wieder zu opffern / und mit dessen Blute auf einen küpffernen Teller unsere Frage: Wie der junge Gottwald sich befindete? zu schreiben. Nach vollbrachtem Opffer reichte uns der Priester / welcher unser Anmerckung nach den auf dem Altare liegenden Teller nie angerühret hatte / wieder zu. Darauf fanden wir mit Blute geschrieben:


Dein Gottwald lebt vergnügt. Doch wünsch ihn nicht zu sehen.

Denn / wenn du ihn wirst schaun / so ist's um dich geschehen.


Gottwald wuste nicht zu entscheiden: Ob er sich über dieser Antwort mehr zu erfreuen / oder zu betrüben hätte. Endlich machte er diesen Schluß: Ich bin meinem unglücklichen Leben so gram / daß ich ihn alle Augenblicke zu sehen verlange / umb nur vergnüget zu sterben. Wenig Tage hernach kam König Critasir biß an den Lech / allwo er sich mit dem Römischen Landpfleger zu Augusta / dem Lucius Aqvilius Florus / über der Gräntze vergliech; welche denn auch durch eine steinerne Seule / auf welcher ein Marmelner Tannzapffen fünff Füsse hoch stand / bezeichnet ward. Als die Einweihung dieser Seule / und die Opffer der Römer / oder vielmehr die Zauberey / dadurch sie die Feinde von ihren Gräntzen abzuhalten vermeinen / vorbey waren / welchen Gottwald nicht beyzuwohnen / noch sich zu erkennen geben wolte / verfügte ich mich selbst dahin / und traff daselbst den Ritter Zäringen / und Burghuß an / welche mich erkennten /umarmten / und bald voller Freuden zum Könige Critasir führten. Dieser nahm mich gar genädig auf / und sein erstes Wort war die Frage: ob ich ihm keine Nachricht zu geben wüßte / wo denn sein Eydam Hertzog Gottwald aus der Welt hin gestoben wäre? Ich [911] sagte ihm in ein Ohr; Er wäre in Augusta. Hierüber ward er so erfreut / daß er beyde Ritter befehlichte ihn auffs beweglichste zu ihrer Ersehung einzuladen. Also brachte ich ihm beyde auf den Halß / und Gottwald konte Ehrenthalben sich nicht länger verstecken. Ihre Zusammenkunfft bestand in eitel Umbarmungen und Küssen / der Rückweg nach Bojodur in angenehmen Erzehlungen der theils kläglichen /theils erfreulichen Gelücks-Fälle / welche dem alten Critasir nicht weniger Thränen auspresten / als Verwunderung verursachten. Hingegen versicherte uns dieser / daß seine Herrschafft über die Bojen in besserem Zustande wäre / als wir uns von einem verjagten Könige einbilden könten. Denn Marbod hätte zwar bey der Bojen Austreibung gegen ihn sehr strenge verfahren; nachmahls aber hätte er sich gegen sie sehr gütig bezeuget / und so wol die Noricher als Vindelicher durch seinen Beystand gezwungen; daß sie zwischen dem Flusse Jovarus / und dem Lech / alle Aecker mit den Bojen theilen / und den Critasir für ihren König erkennen müsten. Die Römer / welche von diesen beyden Völckern wo nicht als Herrscher / doch als Schutz-Herren gute Zeit waren verehret worden / hatten zwar vermeint / sich den Bojen zu wiedersetzen /aber König Marbod hatte dem Kayser durch eine Gesandschafft für Augen gestellt: daß die Bojen zu diesen Ländern das gröste Recht hätten. Denn nach dem die Bojen Italien gereumet / hätte ihr König der ältere Critasir mit des Kaysers August Einwilligung in dieser Gegend seinen Sitz genommen. Es hätte aber Bärebistes der Dacier König / welch Volck iederzeit eine Tod-Feindschafft gegen die Bojen und ihre Anverwandten die Bastarner geheget / durch eine sonderbare Arglist oder vielmehr einen abscheulichen Aberglauben / sie ohne Ursach ausgerottet. Denn dieser hätte sich mit einem lange in Egypten gewesenen Nachfolger des Zamolxes Decäneus verbunden / dem Volcke alles Weintrincken verboten / sich aber in einer Höle gleichsam zum Gotte gemacht / und endlich sie dadurch in eine solche Raserey verleitet / welche nicht ehe / als durch Ausrottung der Bojen wäre zu stillen gewest. Alleine diese Einwendung hatte beym Kayser August nicht so viel Nachdruck gehabt /als die siebenzig tausend außerlesenen Kriegsleute /welche Marbod an der Donau denen Römern allezeit mit ihren gegen Italien gewendeten Heerspitzen zeigete / auch zu mehrer Sicherheit der Bojen oberhalb Jovisum zwischen dem Uhrsprunge der Drave und dem Flusse Jovavus ein vortheilhafftes Lager mit zehntausend Marckmännern besätzte. Wordurch denn erfolget wäre / daß August zu Unterdrückung der Noricher und Vindelicher ein Auge zugedrückt hätte / sonderlich / da ohne diß die schwermenden Bojen / an welchen die Cimbern alleine nicht ihren Muth hatten kühlen können / ein an Italien nagender Wurm etliche hundert Jahr gewest waren / und es dem Kayser vorträglich zu seyn geschienen hatte / zwischen den Römern / und dem Marbod / gleichsam einen Mittel-Tamm zu haben / welcher verhinderte / daß sie einander nicht so bald möchten zu nahe kommen. Den fünfften Tag kamen wir nach Bojodur; allwo die Königin ja so sehr als Critasir über Hertzog Gottwalds unvermutheter Ankunfft / den sie fürlängst in einer andern Welt zu seyn geglaubt hatte / erfreuet ward /wiewohl ihre Augen beym traurigen Andencken ihrer so Helden-mäßig gestorbenen Tochter hundertmahl überlieffen. Ob nun wohl der König / und die Königin durch allerhand Anstalten ihn zu vergnügen trachteten / blieb doch die Schwermuth in seinem Hertzen so feste gewurtzelt / daß sie keine Ergetzligkeit der Welt verdrücken [912] konte. Weil seine Zunge aber entweder zu wehmüthig war / den Verlust seines einigen Sohnes zu erzehlen / oder er damit die Groß-Eltern nicht noch mehr betrüben wolte / ließ ich mich endlich durch das stete Anliegen der Königin bewegen selbten als die wahre Ursache seiner hefftigen Bekümmernüs zu eröffnen. Welche Wunde ich aber mit diesem Balsame überstriech / daß Gottwald an dem Marsingischen Hofe eine holdselige Tochter leben hätte. Dieser Bericht erweckte in Critasirs und seiner Gemahlin so seltzame Aufwallungen des Gemüthes / als nimmermehr ein von wiedrigen Winden bestürmtes Meer haben kan. Aber alles diß war gegen Gottwalds Unruhe nichts. Je schöner ihm gethan ward / ie wehmüthiger ward er / sonderlich da König Critasir zwar unterschiedene Leute aus dem Gabretischen Walde beruffen ließ / niemand aber weder von dem beschriebenen Jäger-Hause / noch von dem Raube so vieler Knaben das wenigste wissen wolte / weniger berichten konte. Critasir und die Königin verstellten hierüber ihren eigenen Schmertz / und redeten ihm aber vergebens ein / welcher sie hiervon abzustehen ersuchte / weil es doch in keiner menschlichen Gewalt stünde die Neigungen zu unser Frucht aus unsern Lenden zu reissen. Bald fieng er auch an / ihm hunderterley Beschuldigungen aufzubürden / daß er sein Kind so liederlich im Stiche gelassen hätte / da doch die Störche / umb ihr brennendes Nest auszuleschen / sich selbst verbrennten / umb ihre Jungen zu retten. Daher wäre kein Thier so unnatürlich / als welches den Nahmen des Vernünfftigen führte / wenn es seine angebohrne Liebe ablegte. Uns allen ward hierüber ie länger ie bänger / weil wir eine gäntzliche Verrückung der Vernunfft an ihm besorgten / sonderlich als er sich entschloß / in dem Gabretischen Walde entweder seinen Sohn / oder seinen Tod zu finden / und selbten so lange zu durchkreutzen / biß er das verlassene Jäger-Hauß wieder gefunden hätte. Alles Bitten des Königes und der Königin / welche an dem Gottwald einen mächtigen Pfeiler ihrer Herrschafft zu haben vermeinten / war vergebens / und weil traurige Leute iederzeit böses wahrsagen / wendete Gottwald ein / daß seine Anwesenheit ihm nur eine neue Verfolgung des Marbods auf den Halß ziehen würde; welcher ihn biß auf den Tod hassen müste / weil er ihn allzusehr beleidiget hätte. Weil nun Gottwald unmöglich länger zu erhalten war / muste nur Critasir in seinen Abzug willigen / und ich sein Gefärthe zu seyn mich entschlüssen. Critasir versahe uns mit mehren Knechten und aller Reise-Nothdurfft. Unsere Reise gieng nach Reginum die eusserste Gräntze der Bojen / und von dar in den Gabretischen Wald. In diesem brachten wir über vier Monat zu / und ist darinnen schwerlich ein Dorff zu finden / dahin wir nicht kamen / und uns umb das verlohrne Jäger-Hauß befragten. Aber kein Mensch wuste uns davon weniger von denen versammleten und zu einem gewissen Opffer oder Gottesdienste bestimmten Knaben etwas zu sagen / also daß wir endlich in die Gedancken kamen / unsere Augen müsten bezaubert worden seyn. Nichts desto weniger war Gottwald aus diesen Wildnüssen nicht zu bringen /wie er denn selten in einem Hause / sondern im Gehöltze / offt mit nicht geringer Gefahr / für Wölffen / Luchsen / und Bären / übernachtete / weil vielleicht die Traurigkeit mit Einöden / wie die Nacht-Eule mit der Finsternüß eine Verwandschafft hat. Massen es denn mit ihm in Wüsteneyen erträglich / ausser selbten aber fast nicht auszustehen war / und / nach der Egyptier Meinung / sein Leib wohl [913] ein rechtes Trauer-Grab seiner Seele fürbildete. Die lange Zeit / welche sonst allen Heftigkeiten ein geschwindes Ende macht / verlohr in seiner Bekü ernüs alle ihre Kräffte. Ich eriñerte ihn seiner vorigen Hertzhafftigkeit /und stellte ihm die ihn verkleinernden Schwachheiten für Augen; ich hielt ihm ein / daß wer nur in gutem und nicht auch in widrigem Glücke großmüthig wäre /das Hertze wider die Eigenschafft der Menschen in der rechten Brust hätte; daß ein jeder Tritt seiner Kleinmuth ihn drey Schritte von der Vernunfft / und zweymahl so weit von seinem Ruhme entfernete / aber ich predigte nur tauben Ohren und einer rauen Hartnäckigkeit. Wir verwilderten in dieser Einöde mit den Bäumen und Thieren / wir verlernten fast alles was menschlich war / nur Gottwald nicht das Gedächtnüs dessen / was ihn betrübte; sintemahl die Vergessenheit zwar eine Artzney der meisten Ubel / aber mehr ein Glücke als eine Kunst ist. Endlich kamen wir über den Mayn in das Theil des Hercynischen Waldes /welches der Speßhart genennt wird / und folgends über die Bintz in das Taunische Gebürge / wo wir von zweyen Barden angetroffen / und weil diese uns so viel von ihrer glücklichen Einsamkeit zu sagen wusten / in diesen Garten zu folgen beredet wurden. Daselbst nam uns der oberste Priester freundlich an / und weil die Barden sich für Aertzte der Gemüths-Kranckheit ausgeben / ließ er ihm alsbald angelegen seyn /den Fürsten Gottwald an seiner die Seele tödtenden Traurigkeit gesund zu machen. Er beredete ihn alsbald ihm die Ursache seiner Schwachheit zu eröffnen / welcher Wissenschafft eine halbe Genesung ist. Nach dem ihm nun theils Gottwald / theils ich seine unzählbaren Unglücks-Fälle kürtzlich entworffen hatte / sagte Eginhard der Barde: Es mangelte Gottwalden an der Erkäntnüs seiner selbst. Dieser Abgang wäre das Qvell aller Unvergnügungen / und die Ursache aller Vergehungen. Diesemnach das Gebot sich selbst kennen zu lernen nicht nur verdient hätte eine güldene Uberschrifft in dem Delphischen Tempel zu seyn / sondern es solte auch billich in aller Menschen Hertzen eingegraben stehen. Denn ob zwar diese Selbst-Erkäntnüs an sich nicht wenige Schwerigkeit hätte / so ersätzte doch die daraus erwachsende Vergnügung alle Müh und Beschwerligkeit. Sintemahl sich selbst kennen aller Weißheiten Weißheit / ja selbst der Gottheit höchste Ergötzligkeit in ihrer eigenen Betrachtung bestünde. Durch unsere Erkäntnüs aber würden wir beym ersten Anblicke gewahr werden / daß wir aus zwey gantz widrigen Helfften zusammen gesätzt wären / unter denen die irrdische stets die göttliche unter den Fuß zu bringen trachtete / und darzu sich der Gemüths-Regungen wie die Buhler der Kuplerinnen gebrauchte. Ob nun zwar unser himmlisches Theil einen viel edlern Ursprung und das Recht der Herrschafft hätte / so geschehe selbtem doch durch das irrdische ein grosser Eintrag / weil jenes durch eitel leibliche Werckzeuge würcken müste / und in diesen bleyernen Röhren meist alles ihr vom Himmel eingeflöstes Gold kleben bliebe / ihres Thuns Reinigkeit aber wie das Wasser in küpffern- oder zienernen Gefäßen allerhand schädliche Eigenschafften an sich ziehen müste. Unter diesen wäre nun eine der ärgsten / daß wir die Liebkosungen des betrüglichen Glückes / nicht aber die keinmahl ihren Nahmen oder ihr Wesen verändernde Tugend für unser höchstes Gut erkieseten. Alle andere Güter wären nach dem Unterscheide ihres Gebrauchs / oder gewisser Zufälle bald gut / bald böse. Bey hohen Würden könte man dem Vaterlande viel dienen / aber diese wären offt unser Fallbrett / wie das der Freygebigkeit allein nützliche Reichthum / ins gemein ein nagender Wurm in unserm Hertzen. Unsere Kinder wären unsere selbsteigene Ebenbilder / und gleichsam Pfänder der Unsterbligkeit / dahero nichts natürlicher wäre / als sie zu lieben / weil wir in ihnen nicht nur unsers gleichen / [914] sondern uns gleichsam selbst liebten / gleichwol aber vergessen wir unserer eigenen Sterbligkeit /wenn wir über ihrem Tode aus der Haut fahren / und ihnen wider aller Menschen Eigenschafft die Unsterbligkeit zueignen wolten. Warum zürnen wir nicht auch / daß die Bäume im Herbste ihre Blätter fallen ließen? daß die Sonne das lebhaffte Bild der Ewigkeit verfinstert würde? Wer könte die vom Silen dem Midas gegebene Lehre schelten: daß der beruhigende Tod dem beschwerlichen Leben weit fürzuziehen wäre? Insonderheit wären wir versichert / daß unsern Kindern / je zärter sie stürben / so viel weniger Weh geschehe / und ihnen desto weniger Flecken anklebte /hingegen gantz ungewiß / wie sie gerathen / oder was ihnen für Unheil im Leben begegnen würde. Natürliche Zufälle wären leichter zu verdeyen als Unfälle des Glückes. Traurigkeit und unmäßige Sorgen hätten ihre Wohnung in dem Vorhofe der Höllen / also versätzten sie die Seele in den Zustand der Verdammten /und ein trauriger machte sich gleichsam zum Selbst-Mörder unwissende / weil er weder sich selbst / noch sein eigenes Ubel / am wenigsten aber seine Artzney kennte / welche darinnen bestünde / sich dem unveränderlichen Verhängnüsse unterwerffen / das böse mit Gedult leiden / das bessere hoffen / und sich damit trösten; daß wenn die Zeit die böse Unreinigkeit unsers Lebens abgeschäumt hätte / das gute übrig bliebe. Mit diesen und andern Erinnerungen hielt Eginhard so lange an / biß er im Fürsten Gottwald seine mir unerweichliche Härte mäßigte / und handgreiflich wahr machte / daß die unverfälschte Weltweißheit die wahrhaffte Hertzstärckung einer zu Bodem geschlagenen Seele / und das gewisseste Mittel die Gemüths-Aufwallungen zu dämpffen wäre / worinnen die eigentliche Gesundheit bestehet. Ich nam aber auch hierbey wahr / was es für ein Unterscheid wäre / wenn zwey einerley Ding sagten. Denn auch diß / wormit ich nichts mehr gefruchtet / als wenn ich einen Schlag ins Wasser gethan hätte / war / wenn es aus Eginhards Munde kam / nicht ohne wichtigen Nachdruck /gleich als weñ die Worte auf zweyerley Lippen / eben so wol als die an unterschiedenen Enden der Welt gewachsenen Kräuter auch gantz unterschiedene Würckung haben müsten. In weniger Zeit verliebte sich Gottwald in die Lebens-Art der Barden so sehr / daß /ungeachtet Eginhard ihm ihre Weißheit als eine scharffe Zuchtmeisterin fürstellte / er sich als einen Barden einweihen ließ / und mich mit eben dieser Begierde ansteckte. Er ward hierauf ein gantz ander Mensch / unter allen Barden war keiner freudiger als er. Seine Verträuligkeit vergnügte alle so sehr / daß er nach Eginhards Tode einstimmig zum obersten Priester erwehlt ward / in welcher Würde ich ihn niemals habe an seine Fürstliche Hoheit dencken gehöret /noch ihn sich über etwas bekümmern / wol aber mit dieser hochansehnlichen Gesellschafft für Freuden sterben gesehen.

Niemand war der nicht über Döhnhofes Erzehlung ein besonderes Gefallen bezeugte. Hertzog Ariovist aber bat ihm der Anwesenden Gehör aus / seiner Erzehlung wegen des verlohrnen jungen Gottwalds /oder Ehrenfrieds / ein wenig Licht zu geben. Weil nun aller Augen ihn hierum durch ihr Stillschweigen ersuchten / fieng er an: Ich selbst kan Zeuge seyn / daß dieser Ehrenfried in dem angedeuteten Jägerhause des Gabretischen Waldes gefunden worden sey. Allen Deutschen ist bekand / wie meines Groß-Vaters Bruder für sechs und sechtzig Jahren in der Schlacht gegen den Julius Cäsar seine Gemahlin Berchtolds eines Schwäbischen Fürsten Tochter mit einer ihrer Töchter einbißte. Seine andere Gemahlin Vocione /des Norichischen Königs Vocion Schwester / welche ihm mein Groß Vater zu heyrathen rieth / ward zwar anfangs gleichfalls für todt geschätzt / es ereignete sich aber hernach / daß Vocione mit Ermegilden / Ariovistens ältesten Tochter / gefangen [915] war. Der König Vocion aber / welcher aus seinem schneeichten Gebürge einen Einfall in Italien dräute / brachte es so weit / daß Julius Cäsar nicht allein Vocionen und Ermegilden / welche aber kurtz hernach starb / ohne Lösegeld Ariovisten zuschickte / sondern auch / gegen Begebung alles auf die Heduer und Seqvaner habenden Rechtes / wider Ariovisten nichts feindliches zu beginnen sich erklärte. Nach einigen Jahren gebahr Vocione Ariovisten eine Tochter ihres Nahmens /welcher das nach der Zeit von ihm verlassene Reich zufiel / und sie / wiewol nicht ohne Unwillen / der einem Weibe zu gehorsamen ihnen verächtlich haltender Alemänner / die Herrschafft überkam. Es gieng ihnen aber wie den Bürgern zu Athen / welche das vom Phidias gemachte Minerven-Bild als grob und ungestalt verachteten / hingegen aber des Alcmenes zierliches nicht sattsam loben konten. Denn wie jenes / als beyde auf den bestimmten Stand des Tempels kamen / dieses bey weitem wegstach / also befunden die Alemänner / daß / als Vocione die Höhe der Herrschafft erlangte / niemand darzu geschickter wäre / als sie. Denn ob zwar ihr Reich durch den Abfall der Marckmänner in nicht weniges Abnehmen und Zerrittung gerieth / wuste doch die kluge Vocione zu grosser Verwunderung der Welt / das Steuer-Ruder ihrer Herrschafft so meisterlich zu führen / daß selbtes weder auf einer Seite von der Römer- noch auf der andern Seite von Marbods Macht zerschellet ward. Insonderheit wuste sie auf beyden Achseln so künstlich zu tragen / daß ihr keiner auf die Fersen zu treten sich unterstund / und wenn auch einer auf seiner Seite zu nahe kommen wolte / verwickelte sie des andern Nachbars Vortheil in ihre nöthige Erhaltung / daß dieser jenem alsofort die Spitze zeigte. Um nun keinem zu grosse Eyversucht zu verursachen / war sie nicht zu bereden sich an einen grossen Fürsten zu vermählen / welcher die Feindschafft wider die Römer oder den Marbod mit in ihr Hauß brächte; kleinere aber verschmähete sie als ihr unanständig. Sie hatte an ihr nichts weibisches als ihr Geschlechte / und bewieß durch ihre glückseelige Herrschafft / wie falsch eine Frau für nicht klug gehalten würde / welche mehr als ein Weib verstünde. Und daß sie so viel mehr sich von ihnen selbst entferneten / als sie den Männern nahe kämen. Ihr Absehn war stets auf Friede gerichtet / und wenn sie die Catten oder Cherusker mit in Krieg einflechten wolten / schützte sie für; einem Weibe stünde so wenig der Degen / als einem Manne der Spiegel an. Gleichwol erwarb sie durch ihre Ruh mehr / als andere Fürsten durch verderbliche Kriege / und der doch so herschsüchtige Marbod / als er mit seinen Marckmännern die Länder der Bojen besätzte / trat ihr dis alles gutwillig ab / was er von ihres Vaters Ariovist Gebiete besessen hatte. Derogestalt blühete das Alemañische Reich unter ihr lange Jahre mehr / als vorhin unter keinem Fürsten. Bey dessen Wolstande aber ward sie mit keinen gemeinen Leibes-Schwachheiten befallen. Vocione geriet hierüber in Gedancken sich ihrer Herrschafft zu enteusern / welche von einem siechen Leibe / und dardurch abgemergeltem Gemüthe / nicht gnugsam beseelet werden könte. Zu welchem Ende sie mich denn auch in einer Reichs-Versa lung mit gutem Willen aller Landes-Stände für ihren Sohn und Erbfolger erkiesete /weil mir die Herrschafft ohne diß nach ihrem Tode von rechtswegen zugehörte. Nach dem mein Alter aber noch nicht zur Herrschafft reif / sie aber bey jedermann überaus beliebt war / beschwuren sie sie nicht alleine auf alle ersinnliche Weise zwischen ihr und dem gemeinen Wesen keine Ehscheidung fürzunehmen / sondern sie verschrieben auch aus Rom und Griechenland die berühmtesten Aertzte ihrer Fürstin Kranckheit abzuhelffen. Alle aber / außer einem Griechen Eudämon / hielten ihr Ubel für unheilbar. Dieser versicherte hingegen Vocionen mit grossen [916] Betheuerungen ihr zu helffen; wenn ihm die benöthigten Mittel und Gelegenheit darzu verschafft würden. Als ihm nun in allem zu fugen versprochen / ja alles selbst nach Belieben anzugeben enträumet ward / erkiesete er hierzu die tieffste Einöde des Gabretischen Waldes / allwo ihm nach seinem Entwurff ein so genenntes Jägerhauß gebauet / und allen Jägern seinen Willen zu erfüllen anbefohlen ward. Auf besti te Zeit verfügte sich Vocione mit sehr wenigen ihrer getreusten Leute dahin / und / weil sie mich als ihren wahrhafften Sohn liebte / und niemahls gerne von sich ließ /muste ich ihr Gefärthe seyn. Alldar führte sie Eudämon den Morgen nach ihrer Ankunfft in ein Zimmer / in dessen Mitte eine leere Wanne eingesencket / darum aber hundert Knaben angebunden waren. Diesen Ort wiese Eudämon Vocionen zu ihrem Bade an. Diese lachte und fragte: Ob sie sich mit der Lufft waschen /und mit den Steinen trocknen solte / weil nirgends kein Tropffen Wasser zu sehen wäre? Eudämon antwortete: Wasser wäre sie zu heilen viel zu ohnmächtig / für ihre Kranckheit hätte sie einen viel kräfftigern Safft von nöthen. Vocione versätzte: Woher denn dieser Safft kommen solte? Eudämon wieß auf die gefässelten Knaben / und sagte: Aus den Adern dieser Kinder / derer Blut als ein rechtschaffenes Lebens-Oel alleine ihre Kranckheit wegnehmen könte. Behüte mich mein GOtt / fieng Vocione an / für einer so grausamen Genesungs-Art! Ich habe bey meiner Herrschafft mich für nichts mehr als für Blutstürtzung gehütet /ich habe nie ohne Zittern / auch wider die lasterhafftesten Menschen / ein Todes-Urthel unterschrieben / ja mir mehrmahls gewünscht / daß ich nicht schreiben könte; und ich solte nun / um die Hefen meines Alters zu läutern / dieser unschuldigen Kinder Blut verschwenden? Eudämon wolte einwenden: Wären Unterthanen schuldig um die Ehrsucht ihrer Fürsten zu vergnügen ihr Leben für sie im Kriege / da vielmahl etlichen tausend Menschen zur Ader gelassen würde /aufzuopffern / so wäre vielmehr verantwortlich / daß eine Anzahl Kinder ihr Blut den Fürsten zu ihrer Genesung zinseten / welches wol ehe ein Römischer Bürger zu Mästung der Murenen verbraucht hätte. Fürsten wären die Angelsterne des gemeinen Heiles /um dieses aber müste man alles geben / wie köstlich es auch wäre. Vocione brach ein: du mühest dich umsonst / mich zu einer so henckrischen Heilungs-Art zu bereden. Deine Artzneyen gehören in die Werckstadt des Busiris / und in Diomedens Stall / nicht auf meinen Thron / welchen ich vom Blute so rein / als das Altar der Paphischen Venus ist / zu erhalten / mich euserst bemühet habe. Gehe mit deinem verdammten Blut-Bade in deine Heymeth / wo die geilen Weiber an statt der Esels-Milch sich aus Milche gefangener Frauen zu baden nicht schamroth werden / um ihre Haut zart und weiß zu machen. Meinestu in diesem nicht so wilden Lande mit dieser holden Kinder Lebens-Oele deine abergläubische Artzney-Kunst / und dein schwartzes Gedächtnüs wie Draco seine Gesetze / und Othryades seinen Sieg mit Blute aufzeichnen? Eudämon erblaste über diesem scharffen Einhalte /und fieng an: Wenn die Hertzogin ihr ja ein Gewissen machte über Verspritzung so vielen zum Bade nöthigen Blutes; so solte sie doch durch das verhandene silberne Röhrlein nur aus einem oder zwey Knaben das Blut in ihre Adern einzöpffen lassen. Vocione wolte diesen vermeinten künstlichen Werckzeug das Blut aus einem Leibe in andern zu bringen nicht einmahl des Ansehns würdigen / sondern hob an: Wenn schon dieses ohne Zauberey durch natürliche Handgrieffe zu vollziehen möglich wäre / könte sie doch nicht glauben / daß diese neue Heilungs-Art der Natur gemäß / und einem Krancken dienlich wäre. Eudämon antwortete: [917] Sie dörffte so wenig an der Heilsam- als Mögligkeit zweiffeln. Er hätte hierinnen auch die Natur selbst zur Lehrmeisterin / welche aus den Stämmen den Safft oder ihr Blut in die darauf gepfropfften Zweige leitete / ja allen in Mutter-Leibe noch beschlossenen Kindern das Blut ihrer Mütter zur Nahrung durch die Nabelschnure einflößete. Dieses wäre der kürtzeste Weg einen Menschen zu nähren /und von Kranckheiten zu befreyen / weil das gute frembde Geblüte vermittelst der unaufhörlichen Herumkreissung des Geblütes / welches durch so enge Aederlein dringet / dadurch nicht einst die Lufft gehen würde / geraden Weges allen Adern und Eingeweiden unmittelbar mitgetheilet / hingegen alle durch den Mund empfangene Artzneyen durch den Magen und andere einen grossen Umweg machende Gänge geleitet / auch in ein und andern anbrüchigen Orte verderbt würden / ehe sie einmal in die Blut-Adern kämen /darinnen gleichsam das Leben selbst schwimmet. Vocione sätzte ihm entgegen: Wenn diese Blutzöpffung mit der Pfropffung eine Verwandschafft hätte; müste das gute Blut in einem kräncklichen Leibe bald auch verderben / weil der Safft der Stämme alsbald in den Pfropffreisern derselben Eigenschafft annähme. Die wunder-würdige Nährung der Kinder aber wäre dem grossen Schöpffer durch keine Kunst nachzuthun. Eudämon versätzte; die Kunst wäre nicht weniger eine Aeffin als eine Magd der Natur / und der Mensch ein Ebenbild Gottes / seine Vernunfft etwas himmlisches. In den Pfropffreisern müste der Stämme Safft seine Eigenschafft verändern / weil er sich durch das Holtz allzu sehr und enge durchdrängen / und sich gleichsam ausläutern müste. Hier aber gienge das Blut durch das Röhr ohne einig Gedränge / und daher behielte es alle seine gute Eigenschafften. Damit die Fürstin auch hierbey so viel weniger zweiffeln möchte / wolte er ein kranckes Kalb durch übergezöpfftes Blut eines gesunden Kalbes / oder eines andern Thieres / in ihrem Angesichte wieder zu Kräfften bringen. Vocione willigte hierein / worauf denn Eudämon einem Kalbe so viel Blut wegließ / daß es für Schwachheit nicht mehr auf den Füssen stehen konte. Hernach band er ein anderes auf gewisse Art / ritzte beyden Kälbern eine Ader so wenig / daß er mit Noth das silberne Röhrlein darein stecken konte / brachte also aus dem starcken in das matte ein ziemlich Theil Blutes / worauf dieses nach verbundener Wunde und Auflösung sich so frisch als anfangs für verlohrnem Blute bezeigte. Ob nun zwar Vocione diß nicht ohne Verwunderung ansahe / wolte sie sich doch keines weges bereden lassen / einiges Menschen Blut zu ihrer Gesundheit zu gebrauchen / sondern sie erklärte mit einer ernsten Gebehrdung: sie wolte lieber heute ihres Reiches und Lebens entpehren / als sie es durch unschuldig Blut hundert Jahre verlängern solte. Eudämon ward hierüber bestürtzt und fieng an: Wenn sie ja über Menschen-Blute eine so zarte Empfindligkeit hätte; solte sie sich nicht weigern / ihren Adern gesundes Kälber-Blut einzöpffen zu lassen. Vocione fiel ihm ziemlich entrüstet in die Rede: Wilst du Thörichter mich denn aus einem Menschen zu einem wilden Thiere machen? weil du selbst das Blut für den Wagen des Lebens und der Seele / und dafür hältest /daß das eingezöpffte Blut seine erste Eigenschafft in des andern Leibe behalte. Eudämon antwortete ihr mit grosser Demuth: Unser Fleisch und Blut hat mit andern Thieren eine grössere Verwandschafft und Gleichheit / als unsere Seele mit GOtt. Scheuen wir uns nun nicht ihr Fleisch zu essen / und selbtes in unsern Safft und Blut zu verwandeln; warum hat man Abscheu ihr Blut in unsern Adern zu beherbergen? Ja ich traute schier zu behaupten / daß das Blut der Thiere zu diesem Zwecke fast tauglicher als Menschen-Blut sey / weil Menschen ihres durch hunderterley Regungen / worvon andere [918] Thiere befreyt sind / verterben / ja mit ihrer Mutter-Milch nicht selten Gifft und Galle einsaugen. Ja weil eine Kranckheit für der andern bald hitziges / bald kaltes / bald dinnes / bald dickes Geblüte erfordert / hätte man aus so vielen Arten der Thiere das geschickste auszulesen. Alleine Vocione fuhr heraus: Sie möchte nichts viehisches in ihrer Seele / noch in ihren Adern haben. Mit diesen Worten gieng sie aus dem Zimmer / ließ dem bestürtzten eine Verehrung reichen / und ihn wieder in Gallien führen / woher er kommen war. Die Knaben wurden alle loßgebunden / und an die Oerter / wo sie waren weggenommen worden / wieder gebracht. Diesen Ehrenfried schickte Vocione zwar auch nach Cisaris / weil aber kein Tempel der Cisa mehr dar zu finden / weniger iemand / dem dieser Knabe gehörete / zu erfragen war / brachten die Abgeschickten ihn wieder zurücke / daher ihn Vocione bey Hofe behielt /wegen seiner Anmuth ihm den Nahmen Ehrenfried zueignete / und als ein Kind von edler Ankunfft rittermäßig erziehen ließ. Durch seine gute Art wuchs er alle Tage mehr in der Genade der Fürstin als im Leibe. Gegen mir zeigte er eine so grosse Begierde mir zu dienen / daß er mir / was ich wolte / an Augen ansah / also meinen Befehlen mit seinem Gehorsame allezeit zuvor kam. Mit dieser untadelhafften Zauberey stahl er mir derogestalt das Hertze / daß als nach der Zeit die länger zu herrschen unerbittliche Vocione die Herrschafft mir übergab / ich ihr für die Zueignung dieses Knabens mich absonderlich verknipffet zu seyn befand. Meine Gewogenheit gegen ihn ist auch biß auf heutigen Tag gewachsen / und der vorgestrige gewiesen / daß weder Vocione ihre Wahl /noch ich meine bißherige Zuneigung zu eines so grossen Fürsten Sohne zu bereuen Ursach habe. Jederman / insonderheit aber Döhnhoff schöpffte über dieser seinen Bericht bekräfftigenden Erzehlung grosses Vergnügen; mit welchem auch der übrige Tag vollends hingebracht ward. Auf den Morgen nahmen alle Gäste von den Barden Abschied / und reiseten wieder zu dem Schwalbachischen Sauerbrunnen / in welchem sie noch etliche Wochen mit den annehmlichsten Ergötzligkeiten zubrachten / weil der Feldherr Herrmann und Hertzog Arpus am Rheine theils auf die Römer / theils auf den ihnen verdächtigen Melo ein wachsames Auge hatten / und durch Befestigung Herrmansteins / wie auch andere gute Anstalten für die allgemeine Sicherheit wacheten. Die Sonne war schon in Löwen getreten / als Agrippine zu Schwalbach Abschied nahm / und über Verlassung einer so holdseligen Gesellschafft nicht weniger Wehmuth bezeugte / als über die Beständigkeit ihrer unzertrennlichen Freundschafft Versicherung that. Sie sagte / ihr wäre nicht unbekandt / daß Freunde dieser Zeit zwar meist Antlitze der Menschen / und Hertzen wilder Thiere hätten / aber sie wüste nichts von diesen Verstellungen / sondern ihr klebte vielmehr diese unschuldige Schwachheit an / daß sie weder Haß noch Liebe / weder Freude noch Leid verbergen könte / ungeachtet sie damit schon vielmahl bey Livien / und dem Tiberius angestossen hätte. Thußnelde schüttete ihrer aufrichtigen Offenhertzigkeit nach gegen Agrippinen ebenfalls ihr Hertz aus / und sagte: Sie wäre der Vollkommenheit ihrer Freundschafft so sehr versichert / daß selbte keinen Beysatz wörtlicher Versicherung wie ein fürtrefflicher Edelgestein keine Folge bedürffte. Hingegen würde Agrippine an ihr iederzeit ein deutsches Gemüthe finden / welches keinen falschen Schein / wie die Porcellane kein Gifft vertrüge; und ihr Mund wäre niemahls mit zweyerley Zungen trächtig. Keine geringere Versicherungen erfolgten zwischen Agrippinen / der Hertzogin Erdmuth / Adelmunden und Zirolanen / und wünschte Agrippine allen so scharffe Augen / wie sehr sie alle liebte / weil sie so unersättlich nach ihrer Liebe lüstern wäre. Sintemahl sie die Liebe [919] für den kräfftigsten Zunder der Gegen-Liebe hielte / also daß der / welcher sonst zu lieben ein allzuhartes Hertze hätte / doch Liebende zu lieben erweichet würde. Zuletzt nahm Agrippine vier goldene Müntzen heraus / welche ihr Vater Agrippa als Bürgermeister hatte schlagen lassen. Auf der einen Seite stand desselben Nahmen / auf der andern die zwey Häupter des Julius und Augustus. Diese ließ sie in der Mitte entzwey segen / gab die Helffte davon zum Pfande ihrer unzerbrechlichen Treue / die andere Helffte aber behielt sie als ein Pfand ihrer Hold und Gewogenheit bey sich. Sie begleiteten Agrippinen biß auf den halben Weg nach Meyntz / allwo Germanicus ihrer mit Verlangen erwartete. Wenig Tage nach ihrem Abschiede wendete sich auch die Hertzogin Erdmuth / und mit ihr alles andere Frauenzimmer an den Cattischen Hoff nach Mattium. Ariovist / dessen Liebe zu Zirolanen durch Erfahrung ihres Uhrsprunges / und weil sie des von ihm so sehr geliebten Ehrenfrieds Schwester war / hatte sich bey ihm dergestalt vermehret / daß er ohne sie nicht zu leben getraute / konte sich auch nicht überwinden sie zu verlassen / reisete also auch damit nach Mattium / allwo er vom Feldherrn / dem Hertzoge Arpus / Catumern und Siegesmunden seinem Stande gemäß empfangen ward. Daselbst rüstete er den jungen Gottwald recht Fürstlich aus / ließ ihn auch wie sich selbst bedienen / und versäumte die geringste Gelegenheit nicht durch Ritterspiele / annehmliche Unterhaltung / und alle ersinnliche Bedienungen sich in Zirolanens Gewogenheit zu versätzen / ungeachtet er ihr von Liebe zu sagen allzu ehrerbietig war. Denn wahrhaffte Liebe hat die Bescheidenheit allezeit zur Gefärthin; und wer das Geliebte hoch hält / wird sich nicht leicht unterstehen ihr offentlich von Liebe zu sagen. Alleine gegen alle seine Liebkosungen blieb Zirolane im Hertzen unempfindlich / als welches sie noch ihrem Rhemetalces als ein Altar / welches sein erstes Feuer niemahls ausleschen läst / vorbehielt. Gleichwohl bezeigte sie gegen Ariovisten alle Höfligkeit / durch welche sie ihm alle Tage nur mehr Angelhacken ans Hertze warff. Denn ein gutes Wort / ein Lächeln / ein geringes Kennzeichen des Wohlwollens eines tugendhafften Frauenzimmers würckt in einem ehrlichen Gemüthe mehr / als andere durch die nachdrücklichsten und freyesten Liebes-Bezeugungen. Zirolane merckte diß zwar / und hätte diese Würckung gerne verhütet /aber ihr stund eine sauersehende Ernsthafftigkeit und die Entziehung von seiner Gemeinschafft noch weniger an / weil diese scheinbare Art zu leben ins gemein von denen angenommen wird / welche für tugendhafft angesehen seyn wollen / was sie nicht sind. Zumal da Zirolane geschickt war durch ihre holdselige Bezeugungen nicht weniger Ehrerbietigkeit als Liebe andern einzudrücken. Als sie einsmahls in dem Garten zu Mattium in einer tieffsinnigen Einsamkeit herum gieng / machte ihm Ariovist einen Weg / daß sie ihm gleichsam ungefähr begegnen muste. Wie er ihr nun unvermuthet auf den Hals kam / faßte er ihm den Muth Zirolanen durch seinen Mund zu eröffnen / was ihr seine Augen und Anstalten schon tausendmahl verrathen hatten. Er redete sie demnach an: Unvergleichliche Zirolane: Ich würde wider ihre Vollkommenheit und meine Ehrerbietigkeit sündigen / wenn ich mich / daß ich sie liebte / zu erklären erkühnte /wenn mein Hertze länger dieselbe mit verborgenen Seuffzern zu verdrücken mächtig wäre. Denn ich weiß wol / daß Bescheidenheit eigentlich die zum Wesen der Liebe gehörige Tugend sey / und daß wer gefallen will / verstehen müste / ehrerbietig zu seyn / und wer in der Liebe vergnügt werden wolte / müste lange Zeit schweigen können. Zirolane färbte sich nicht allein über dieser unvermutheten Freyheit / sondern sie konte sich auch so geschwinde nicht aus ihren Gedancken auswickeln / daß sie ihre Zunge was anders zu antworten [920] hätte unterrichten köñen / als: Sie wüste wol / daß Ariovist zu schertzen gewohnt / aber / wenn er einem gemeinen wohlwollen den Titel der Liebe zueignete / allzu freygebig mit einer so köstlichen Sache wäre. Ariovist nahm diß Wort zu seinem Vortheile / und sagte: Er gestünde / daß das Wort der Liebe den Brand seiner Seele auszudrücken zu wenig Nachdruck hätte / aber weil diese ihrem eigenen Urtheil nach was so köstliches wäre / solte sie es doch in ihrem Hertzen nicht so verächtlich halten. Zirolane versätzte: Dieses hält die Liebe so hoch / als das gröste Heiligthum / und wird sie / so lange als ihr Hertze schlagen kan / in ihr nicht ausleschen / auch keine andere Flamme sie daraus vertreiben lassen. Welche Gottheit / sagte Ariovist / läßt ihr nur von einer einigen Hand Weyrauch streuen? welche verschmehet alle andere und zwar reinere Flammen? Zirolane antwortete: Ich weiß wohl / daß etliches Frauenzimmer sich an Vielheit ihrer Liebhaber ergetzet / entweder aus einem Uberflusse die Wahl zu haben / oder aus einem so reichen Vorrathe ihrer Schönheit ein desto prächtiger Sieges-Zeichen aufzurichten. Aber die Menschen sind in der Art der Liebe so unterschieden als im Geschmacke. Sie hielte die erzählte aber für die schnödeste Eitelkeit / durch welche sie so viel mehr verspielten / ie reicher sie an Buhlern würden. Eine Frau hätte mehr nicht als ein Hertze / also könte sie auch mehr nicht als eine Seele damit betheilen / wenn sie nicht den Apffel ihrer Ehre zugleich zertheilen / ihre Liebe aber zum Laster machen wolte. Ariovist seuffzete /und beklagte sich über ihre Unempfindligkeit gegen seiner Liebe. Er wüste zwar / daß Frauenzimmer aus der Unempfindligkeit eine Tugend machte / und daraus Ehre suchte; aber diese müste nach geprüffter Beständigkeit sich endlich in Mitleidẽ verwandeln / weñ sie nicht den Nahmen der Grausamkeit verdienen wolte. Zirolane versätzte mit einer etwas ernstlichen Gebehrdung: Er verstünde gar wohl / daß sie über ihr Hertze nicht mehr zu gebieten hätte / also sie nicht mehr geliebt zu werden geschickt wäre / und weil die Liebe ohne Hoffnung eine vergebene Beunruhigung seiner und ihrer wäre / möchte er doch ihm selbst nicht wehthun / wenn er ja mit ihr kein Erbarmnüs haben wolte. Ihre Ernsthafftigkeit war ein Blitz / und ihre Worte ein Donnerschlag in Ariovistens Hertze; gleichwohl sätzte er ihr entgegen: keine Liebe wäre ohne Hoffnung / oder zum wenigsten seine nicht. Zirolane begegnete ihm; wenn sie sich auf Unmögligkeit gründete / wäre sie ein schlechtes Abend-Brodt der Elenden. Ariovist fragte: Ob es denn unmöglich wäre / einen Undanckbaren aus seiner Liebe verstossen / da alle Rechte der Welt billigten dem nicht Treu und Glauben zu halten / der vorher treubrüchig würde? Dieses / antwortete Zirolane / ist allenthalben verantwortlich / nur nicht in der Liebe. Ariovist begegnete ihr: Ach unbarmhertzige Zirolane / was für grausame Gesätze schreibestu dir selber für! was für ein unerträgliches Joch machet sie aus der Liebe / welches der lindeste Balsam der Seele seyn soll! was für einen unverdienten Vortheil schantzet sie der Untreue zu / daß man die lieben soll / welche / wenn es möglich wäre /aus der gantzen Welt mit Strumpff und Stiel ausgerottet werden solten! Sie sperret hierdurch dem Meineyde Thür und Thor auf / wenn die Leichtsinnigkeit das Glücke verdienet geliebet zu werden. Zirolane brach ein: Sie redete der Untreue nicht das Wort / weniger liebte sie selbte / ungeachtet sie dem treubrüchigen nicht gram würde. Die vollkommensten Menschen wären auf eine zeitlang gewissen Schwachheiten unterworffen / wie die grösten Sterne der Verfinsterung. Ihre beständige Treue und das Rad der Zeit / welche alles umwendete / würde auch das Gemüthe ihres Rhemetalces verändern / und wieder in alten Stand sätzen. Sintemahl die Grösse seiner Liebe das Qvell der Eyversucht / die aber [921] eine Ursache seines Irrthumes und Unwillens gewest wäre. Ach! Zirolane /fieng Ariovist an / wie heuchelt sie frembden Lastern / wie betreugt sie sich selbst mit vergebener Einbildung! wie unrecht urtheilet sie / wenn sie die bittere Eyversucht zum Kinde der Liebe macht! Eyversucht bestünde aus eitel Gifft und Galle / sie qvälte sich mit Furcht und Neide / wie solte sie denn aus dem Honige der Liebe flüssen? Ihr Fürhaben verriethe sie / daß sie die bitterste Feindschafft in der Welt wäre. Denn sie glaubte nicht / daß sie geliebt würde / sonst hätte sie sich ja um nichts zu grämen Ursache / wie sie gleichwohl thäte. Daher wäre es ein grosser Irrthum / wenn man diese Pest der Liebe für eine schlechte Furcht das liebende zu verlieren hielte. Rhemetalces würde nicht im Grimme sich aus dem Staube gemacht haben /wenn ein Füncklein der Liebe in ihm steckte / und diß / was er liebte / für dem Verluste zu verwahren / die wenigsten Gedancken hätte. Zirolane antwortete; Also würde ich vielleicht auch urtheilen / wenn ich nicht mehr als ein Mann liebte. Ariovist fiel ein: Wie? solte das männliche Geschlechte dem weiblichen an Hefftigkeit der Liebe was bevor geben? Zirolane versätzte: Niemand würde daran zweiffeln / der einen Blick in die vergangene Welt zurück schickte / und das Gewebe Penelopens / den Rach- und Gifft-Becher der Camma / Artemisiens Glaß mit der Todten-Asche /Porciens Kohlen / Arriens Dolch / und die Holtzstösse der sich mit ihren Männern verbrennenden Weiber in Indien betrachtete; dahingegen schwerlich viel Männer zu nennen wären / die aus Liebe für seine Frau oder Buhlschafft gestorben wären. Ariovist fiel ein: Er wäre nicht gemeint dem Ruhme des weiblichen Geschlechtes den geringsten Abbruch zu thun; gleichwohl nöthigte ihn die Ehre des seinigen / und die Grösse seiner Liebe den Gracchus / den Cajus und Marcus Plautius als Muster männlicher Treue auf die Schaubine zu bringen. Der erste hätte aus zweyen in seinem Hause gefangenen Schlangen nach vernommener Auslegung der Wahrsager die männliche tödten / die weibliche leben lassen / nur daß ihn seine Cornelia überleben möchte; der andere hätte nach seiner Eh-Frauen das Leben für beschwerlicher als den Tod gehalten / und es ihm durch seinen eigenen Degen verkürtzet. Der dritte wäre zu Tarent unter dem Küssen und einbalsamen auf der Leiche und dem Holtz-Stosse seiner Orestilla verblichen / weil seine hertzliche Liebe für besser gehalten / mit ihr durch den Tod vereinbaret / als durchs Leben getrennet zu werden. Zirolane versätzte: dieses wären die einigen drey Wunderwercke der Römer / jedoch müste sie hierbey enträumen / daß die Männer auch so sehr / als Weiber / zu lieben weder Ursache noch Fähigkeit hätten. Denn der Schutz / und die Bedienungen der Männer sind solche Angeln der Hertzen und Ketten der Seelen / daß ein Frauenzimmer ihren auch vergehenden Beschirmer nicht weniger zu lieben / als Epheu seine Stütze /wenn sie schon verdorret / zu umarmen verbunden ist. Nach dem auch ein trauriger Geist der beqvemste Zeug der Beständigkeit / und das tauglichste Oel der Liebe ist / hat man für kein Wunder noch die Männer für verkleinerlich zu halten / daß unser feuchter und trauriger Geschlechte hefftiger und hartnäckigter in Liebe sey. Zumahl da die uns eigenthümliche Tugend der Zucht und Keuschheit / auch von uns derogleichen Beständigkeit / und die Eigenschafft des Palmbaumes erfordert / welcher / nach dem sein männlicher Nachtbar stirbet / oder wegkommt / mehr keine frische Blätter zu bekommen fähig ist. Zu geschweigen / daß das Frauenzimmer auch sich mit keiner andern Gemüths-Regung / als der Liebe zu überwerffen / diese also in ihrem Hertzen eine vollmächtige Königliche Gewalt hat. Hingegen haben Liebe / Ehrsucht / Rache und dergleichen im Hertzen der Männer eine [922] getheilte Herrschafft / also daß jede Regung stückweise nicht so viel / als bey uns die eintzele Liebe würcken kan. Es haben aber desthalben die Männer diesen Vortheil für uns / daß da wir uns der einigen Keuschheit und Treue zu rühmen haben / sie Treue / Tapfferkeit / Gerechtigkeit und andere Tugenden hauffen-weise aufzuführen haben. Ariovist säufftzete und fieng an: Grausame Zirolane / hat die Natur sie nur darum so scharfsinnig gemacht / daß sie unter dem Scheine des Lobes unserm Geschlechte den Gebrechen der Untreue aufrückte? hat die Natur sie darum nur so schön gebildet / daß sie an mir ihre Unbarmhertzigkeit ausübe? Alleine sie glaube mir / daß da gleich alle andere Männer laulichter lieben / als das Frauenzimmer; dieses alles zusammen laulichter liebe / als ich. Bey diesen Worten färbte sich Zirolane abermals / zumal da sie Thußnelden und Adelmunden wenig Schritte für ihr sahe. Sie brauchte daher ihre Ankunfft zum Vortheil sich Ariovistens zu entbrechen; aber indem Zirolane mit Adelmunden Gelegenheit zu sprechen nam / und Thußnelde schertzweise fragte / wormit Ariovist Zirolanen eine solche Röthe abgejagt hätte / beichtete er ihr seine Liebe gerade aus / ersuchte sie um ihren Beystand / weil er wol wüste / daß niemand in der Welt einen solchen Stern über Zirolanens Hertze / als sie / hätte. Thußnelde / welche diß Geheimnüs Ariovistens fürlängst ausgespüret hatte / weil die Liebe ohne Zunge schon ihre Verräther hat / nam die verträuliche Ausschüttung seines Hertzens mit Danck und Freundligkeit an / und sagte: Sie wünschte mehr / als Zirolanens Beständigkeit sie hoffen ließe / ihm hierinnen einen guten Dienst zu thun; weil sie dieses angezielte Bündnüs dem allgemeinen Wohlstande Deutschlandes für überaus verträglich hielte. Ihm würde zwar vielleicht kund worden seyn / daß ihr Bruder Siegesmund auf diese tugendreiche Fürstin stets ein Auge gehabt / und destwegen mit Rhemetalcen etliche mahl zerfallen wäre; aber ihre Schwester-Liebe wäre niemahls mächtig gewest / sie zu der Schwachheit zu verleiten / daß so lange Rhemetalces Zirolanen treu verlieben / sie bey ihr für ihn kein Wort verlohren. Sie versicherte ihn auch / alles euserste vorzukehren / daß im Fall der in Zirolanens Seele so tieff eingewurtzelte Rhemetalces daraus zu heben wäre / einem so vollkommenen Fürsten ihr Bruder keinen Eintrag thun solte. Ariovist ward hierdurch so sehr in seinem Vorhaben gestärcket / daß / wie schlechten Trost er von Zirolanen gleich bekommen / er nunmehr auf sie eine grosse Rechnung machte. Er suchte daher die verbindlichsten Worte her Thußnelden für eine so übermäßige Gnade zu dancken; daß sie aus bloßer Großmüthigkeit sich auf seine als die schwächste Seite schlüge; Ja was alle Staffeln der Großmüthigkeit überstiege / sie für ihn wider sich selbst zu kämpffen übernähme. Thußnelde eröffnete Ariovistens Vorhaben alsbald dem Feldherrn / und dieser dem Hertzoge Arpus und seiner Gemahlin. Weil nun niemand war /der nicht Zirolanen von aller Verbindligkeit freysprach / und ihre Heyrath an Ariovisten für ein Mittel hielt ihn vom Marbod / wider welchen Zirolane die Feindschafft mit ins Hauß brächte / wie auch den Römern abzuziehen / arbeiteten alle an Zirolanen sie zur Vernunfft zu bringen. Weil nun diß so geheim nicht geschehen konte / daß nicht Fürst Siegesmund hiervon Wind kriegte / Thußnelde auch ihm rund abschlug / für ihn bey Zirolanen gut in Worten zu seyn /ward er darüber so ungeduldig / daß er ohne Abschied aus Mattium zoh / und sich zu seinem Vater Segesthes verfügte. Inzwischen ließ ihr Thußnelde fleißig angelegen seyn Rhemetalcens Untreu mit den heßlichsten / Ariovistens Hoheit und Tugenden mit den schönsten Farben abzumahlen / und das Recht / einem Eydbrüchigen nicht glauben zu halten / behauptete sie unwiderleglich. Alleine wenn Zirolane ihren Gründen nichts mehr entgegen [923] sätzen konte / fieng sie an: Ich habe Untreue zu begehen eine viel zu zarte Seele /noch weniger stehet es in meinen Kräfften dessen zu vergessen / den ich einmahl so feste ins Hertze verschlossen; Auch habe ich von Kind auf gelernet / daß der Unbestand in sich eine grosse Schwachheit und wenig Vernunfft habe; daß man sich langsam entschlüssen solle / sein Hertz einem andern zu verpfänden / wenn diß aber geschehen / stünde es einem nicht wol an / ja nicht einst in unser Gewalt das Pfand wieder zu rauben / und einem andern seines darauf habenden Rechtens zu entsätzen. Kein Gesätze noch Vortheil könte uns auch ohne des Pfandhabers Einwilligung diese Macht geben. Thußnelde hielt ihr zwar ein: Rhemetalces hätte sich seines Rechtes und Besitzthums selbst begeben / und ihre Hertze / welches er als das edelste Kleinod der Welt in dem innersten seiner Seele verwahren sollen / selbst von sich gestossen. Jedermann aber wäre berechtigt frembdes Gut / wenn es vom Besitzer weggeworffen würde /aufzuheben. Wie machte denn sie ihr es so schwer ihr eigenes und verschmähetes Hertze wieder zu nehmen? Aber Zirolane blieb darbey / daß Rhemetalces an nichts / als an Ubermaaße seiner Liebe schuldig wäre / und daß er die vermeinte Verletzung ihrer Pflicht durch seine Abwesenheit an ihr hätte straffen / keines weges aber sich ihrer Liebe entbinden wollen. Als nun Thußnelde gleichwol nicht abließ ihr einzureden und zu pressen / fieng sie an: holdseeligste Thußnelde; sie untersuche ihr eigenes Hertze / und urtheile / ob ohne meine Schande an meinem die Ehrsucht mehr Theil haben solte / als treue Liebe. Rhemetalcen habe ich für die einige Glückseeligkeit erkieset / mißgönnet mir nicht / daß / wo er ja untreu worden / auch mein einiges Unglücke sey / und ich durch meinen leichtgläubigen Wanckelmuth mir nicht das zweyte selbst auf den Hals ziehe / bey welchem ich des Trostes meiner Unschuld beraubt seyn würde /den ich bey dem erstern habe / daß ich in meinem Elende doch vergnügt seyn könne / weil mich mein Gewissen keines Lasters anklagt. Weil nun mein Verhängnüs und mein Hertze an Rhemetalcen so feste verknüpfft ist / so gönne sie mir doch / gerechteste Thußnelde / die Glückseeligkeit der Sclaven / welche / ob sie wol unter ihren Ketten mehrmahls verschmachten / dennoch die Freyheit haben zu lieben und zu hassen / wen sie wollen. Hierüber fielen Zirolanen die Thränen aus den Augen / welche in Thußneldens Seele eine so mitleidende Wehmuth erweckten / daß sie an beyden Höfen / Zirolanens mit mehrern Zumuthungen zu verschonen / bewegliche Vorbitte einlegte. Sie selbst nam auch über sich Ariovisten mit der allen Dingen abhelffenden Zeit zu trösten / weil neue Wunden und neuer Schmertz nicht harte angerühret werden dörffte / und das Leid am geschwindesten verrauchte / welches am hefftigsten anfienge. Es wäre in der Liebe kein geringer Anfang /weñ einer sich bey der / welche er zu lieben ihm erkieset / sich in ein so hohes Ansehn versätzte; als Ariovist in den Augen Zirolanens wäre. Die Noth zwang Ariovisten / daß er für dißmahl mit der Hoffnung /und denen vielen vom Feldherrn / und denen Cattischen Fürsten erwiesenen Ehren-Bezeugungen sich vergnügen muste. Den Tag für seinem Abzuge hielt Ariovist noch einen prächtigen Turnier / darinnen er nebst sechs Alemännischen Rittern wider alle andere vertheidigte: daß seine auf eine Seule des Reñplatzes gesetzte Buhlschafft / welche Zirolanens augenscheinliches Ebenbild war / die schönste uñ tugendhaffteste Fürstin der Welt wäre. In diesem legte er so grosse Ehre ein / daß wie vorhin das Frauenzimmer Ariovisten den Ruhm eines höflichen / also der Cheruskisch- und Cattische Adel ihm das Lob eines tapfferen Fürsten geben musten. Dieser Turnier ward mit einem Kopff und Ring-Rennen beschlossen / darinnen er den vom Feldherrn aufgesätzten Degen mit vielen Edelgesteinen gewaan / bey dessen Uberlieferung er sagte: diesen [924] wolte er für die Freyheit Deutschlands so viel freudiger führen / weil er von einem so grossen Helden herkäme. Beym Abschiede verehrte ihm der Feldherr zwölff Cimbrische und Hertzog Arpus so viel Friesische Pferde. Ariovist aber ließ an beyden Höfen vom obersten bis niedrigsten niemanden unbeschenckt. Bey Zirolanen war er nicht mächtig viel Worte zu machen / sondern er bat alleine: weil er unwürdig wäre ihr Liebhaber zu seyn / möchte sie ihn doch nicht verschmähen zum Diener zu haben. Zirolane antwortete: wenn ich so viel Gewalt über meinen Willen hätte ihm zu gebieten / als mein Verstand erleuchtet ist Ariovisten für einen der vollkommensten Fürsten zu schätzen / würde ich mich glückseelig schätzen von ihm die kleineste Gewogenheit zu genüßen. Diese Verträuligkeit zu Mattium war denen Römern / noch mehr aber dem von Rom zurück gekommenen Adgandester ein scharffer Dorn in Augen. Dannenhero er dem Germanicus stets in Ohren lag /mit den Cheruskern und Catten aufs neue zu brechen /nachdem er nicht nur die Sicambrer und Chaucen von ihnen getrennet / sondern auch des Feldherrn eigenen Bruder Flavius auf seiner Seiten hätte. Aber Germanicus dachte viel weiter hinaus / und sagte Adgandestern / daß es bey instehendem Winter / und da man Ariovistens noch nicht versichert wäre / nicht Zeit wäre Krieg anzufangen / da die Deutschen zumahl so wol auf ihrer Hutt stünden. Damit auch diese so viel weniger Verdacht hätten / zertheilte er die am Rheine stehenden Legionen in Gallien. Der Feldherr zohe hierauf mit seinem Hofe und meisten Theile des Kriegs-Volckes wieder nach Teutschburg / allwo ihn die Cheruskischen Stände als den glücklichen Beschirmer der deutschen Freyheit mit tausend Freuden-und Glücks-Wünschen empfiengen.

Wie vergnüget man nun an dem Cheruskischen Hofe lebte / so unruhig war Adgandester und Sentia /welche den Untergang beyder Fürstlichen Häuser beschworen / und durch verwechseltes Austrincken ihres eigenen Blutes so schändlich / als Catilina die Vertilgung der Stadt Rom / bekräfftigt hatten. Nach dem sie lange mit einander gerathschlaget / reisete Adgandester zum Marbod / und weil er alle in der Barden Garten eröffnete Geheimnüsse durch seine Kundschaffter ausgespüret hatte / stellte er dem Marbod für Augen /was für Gefahr seiner Herrschafft ihm von Ariovisten / welcher seines Todfeindes des Gothonischen Fürsten Sohn / als sein Schoos-Kind bey sich erhielte / auch seine Schwester Zirolane zu heyrathen schlüßig wäre /zuhienge. Eben so wenig feyerte Sentia Segesthen anzustifften / daß er dem Germanicus für Augen stellte /was diese Heyrath für eine kräfftige Kette das Alemannische Hauß / welches zwischen der Donau und dem Mayn über so viel streitbare Völcker herrschte /mit den Cheruskern und Catten zu verbinden abgeben / den Römern aber für Nachtheil zuziehen würde. Hierdurch ward verursacht / daß Marbod Adgandestern / und Germanicus den Statilius an den Alemannischen Hof schickte. Da denn jener durch viel Verläumbdungen Zirolanens / und durch gewohnte Feilbietung der Marbodischen Tochter Adelgunde /dieser aber durch vielerley Staats-Gesätze und untergemischte Dräuungen dieser Heyrath vorbeugten. Nach dem diese nun die besorgte Verbindung in ihrer Blüte ersteckt zu haben vermeinten / drang Adgandester mit aller Gewalt beym Germanicus auf den Friedenbruch / und weil dieser ihm zu kaltsinnig vorkam /handelte er unter der Hand mit dem Tiberius / welcher aber wegen hohen Alters des Käysers / uñ sich ereignendẽ Schwachheit von seiner Seite nicht weichen wolte / und weil er auch dem Germanicus den versicherten Sieg nicht göñete / hierüber nicht wenig Schwerigkeit machte. Weil dieser Stein nun auf solche Art nicht fortzuweltzen war / vertröstete er den Tiberius / daß dafern die Römer mit den [925] Catten und Cheruskern brechen / und den Flavius in ein Theil seines väterlichen Erbes einsätzen wolten / traute er die Sicambrer und Chautzen selbst wider sie mit in die Waffen / durch ihr Gebiete einen freyen Durchzug /und noch über diß zu wege zu bringen: daß Hertzog Melo den Römern die Stadt oder das so genannte Altar der Ubier wieder abtreten würde. Diese Vorschläge waren in des Tiberius Ohren ein so süsser Klang / daß er von Stund an dem Germanicus schrieb / er möchte zwar mit dem Kriege noch zurück halten /inzwischen aber alles dahin richten / daß es auf allen Fall ihm an scheinbaren Vorwand eines rechtmäßigen Krieges nicht mangelte. Adgandester verfügte sich hingegen zum Hertzoge Melo / und Ganasch / zeigete selbten eine ihm vom Tiberius zugeschickte Vollmacht / unter des Kaysers Hand und Siegel / daß er mit ihnen wider die unruhigen Catten und den nach der Herrschafft Deutschlands strebenden Herrmann ein Bindnüs schlüssen / und in des Kaysers Seele schweren solte; daß er über dem Rheine keine Spañe Erde besitzen / sondern alles / was er eroberte / dem Melo / Ganasch und Flavius abtreten und einräumen /mit den Deutschen einen ewigen Friede machen / und durch die kräfftigste Einsegnung und Eydesleistungen den Rhein zur heiligen Gräntze machen wolte. Zu Versicherung seiner Gewogenheit wolte er auch auffs neue eine deutsche Leibwache aufrichten / und hierzu eitel Sicambrer und Chauzen nehmen; welche Hertzog Melo und Ganasch selbst auslesen / und ihnen gewisse Hauptleute fürstellen möchten. Durch diese betheuerte Vorschläge / die mitgebrachten Geschencke /und das Geld / wormit Adgandester beyder Hertzoge Kriegs-Hauptleute und Räthe bestach / erlangte er nicht nur alles / was er dem Tiberius versprochen hatte / sondern brachte auch zu Erstaunung gantz Deutschlandes zu wege; daß Hertzog Melo nicht allein gegen Auszählung fünffhundert Pfund Silbers den Cäcina mit der ersten und zwantzigsten Legion in die Stadt der Ubier einziehen ließ / sondern Hertzog Ganasch räumte gegen tausend Pfund Silbers den Römern das Eyland Burchanis / den einen Mund des Flusses Emß mit einem Stücke Landes ein / welches die Römer mit etlichen Batavischen Schiffen und einer Legion besätzten. Diese erwünschte Verrichtung benahm dem Tiberius alle vorige Bedencken mit den Deutschen zu brechen. Daher schrieb er an Germanicus; er solte diese gewünschte Gelegenheit nicht aus der Hand lassen; iedoch vorher einen scheinbaren Vorwand für die Gerechtigkeit der Römischen Waffen auffinden. Germanicus hielt hierüber Rath / und wurden der Herrmansteinische Festungs-Bau / das Erb-Recht des Flavius und allerhand andere Vorschläge auf den Teppicht gebracht / welche aber Germanicus alle verwarff. Endlich wischte Adgandester mit seinem fürlängst ausgedachten Vorschlage herfür: Germanicus solte auf den Tag / da zu Meyntz der dem Jupiter und August erbaute Haupt-Tempel wäre eingeweihet worden / ein allgemeines Opffer-Feyer und Spiele durch den Obersten Priester ausschreiben / und alle / welche aus Gallien und Deutschland dahin von Anfang gewiedmet worden / unter gewisser Straffe verschreiben. Weil nun die Deutschen biß an Mattium an / vorhin darzu gehöret hätten / würde sich Arpus zweiffelsfrey wiedersätzen und seinen Catten zu erscheinen verbieten / welches so denn für eine Versehrung des Römischen Gottesdienstes ausgelegt / und zum Vorwande des Krieges gebraucht werden könte. Uber diß solte Germanicus zu Meyntz eine Brücke über den Rhein und zu derselben Versicherung an die Spitze des zusammen flüssenden Rheines und Meynes eine Festung anlegen. So denn würde alles bey den Catten und Cheruskern brennen / und wenn Germanicus nicht selbst zum ersten loßschlagen wolte / würden die Deutschen am ersten den Degen ausziehen. Dieser Vorschlag ward von allen gebilliget / und auch beydes alsofort für die Hand genommen. [926] Hertzog Arpus ward über die Erforderung seiner Unterthanen /als einen weit aussehenden Eingrieff seiner Herrschafft / überaus erbittert / und noch mehr / als er vom Brücken- und neuen Festungs-Bau Nachricht erhielt. Daher ers durch den Grafen von Hohenstein dem Feldherrn alsbald zu wissen machte / welcher deñ vor rathsam hielt durch Gesandten dem Germanicus die Unbilligkeit dieses den Frieden störenden Vorhabens fürzustellen. Er schickte zu dem Ende auch den Graffen von Teckelnburg bald mitte / und Hertzog Arpus /der inzwischen bey Lebens-Straffe verboten hatte /daß kein Catte nach Meyntz / unter was Schein solches auch wäre / reisen solte / fertigte gleicher Gestalt den Hohenstein an Germanicus ab. Diese beschwerten sich über diese Neuerungen / welche dem getroffenen Frieden schnurstracks zu wider lieffen / und suchten daher um Erhaltung des so viel Blut gekosteten Friedens willen so wohl ein als des andern Abstellung. Germanicus antwortete beyden: Er wäre nie gesonnen gewest den Frieden zu brechen / hoffte auch nicht /daß solches durch seinen Bau und des obersten Priesters Beruffung geschehen wäre. Denn seine Brücke und Festung rührte nicht an das Cattische weniger an das Cheruskische Gebiete / weil jenes durch den Meyn vom Alemannischen abgeschieden wäre. Die Alemänner aber / welche denen Römern beyde Ufer des Rheines enthiengen / hätten darüber keine Beschwerde. Wegen der andern Beschwerde aber verwieß er sie an den obersten Priester. Die Gesandten sätzten dem Germanicus entgegen: Der neue Festungs-bau berührte daß Sudliche Ufer des Meyns /welches die Alemänner allezeit den Catten zugestanden hätten. Und wenn auch selbtes denen Catten nicht zugehörte / so würde doch kein klüger Fürst gestatten / daß der Nachbar ihm harte an seiner Gräntze durch eine so verdächtige Festung eine Prille auf die Nase sätzte / daraus er ihn alle Tage überfallen könte. In wenig Stunden wäre eine Schiffbrücke über den Meyn zu bauen / und also würde Hertzog Arpus nicht sicher seyn ungewafnet einen Fuß aus Mattium zu sätzen. Mit dem obersten Priester zu handeln hätten sie weder Vollmacht / noch ihre Hertzoge einigen Sinn / weil sie demselben keine obere Gewalt zustünden / sondern alleine mit dem Kayser und dem Germanicus zu thun haben wolten. Germanicus nahm diß alles zum Bedencken / verordnete aber den Lucius Apollinaris einen der fürnehmsten Priester / mit dem Grafen von Teckelnburg und Hohenstein sich zu vernehmen. Sie kamen unterschiedene mahl zusa en / und mühte sich Apollinaris auf alle Wege das Recht des Meyntzischen Tempels über ein Theil der Catten zu behaupten. Er führte zum Behelff an / daß alle Griechen / welche gleich unter hunderterley Herrschafften zertheilt gewest / sich alle Jahr nach Elis zum Haupt-Tempel des Olympischen Jupiters / und nach Doris zu dem Triopischen Apollo / das gantze kleine in so viel Königreiche zertheilte Asien sich zu der Ephesischen Magnetischen / und Pergeischen Diana / und nach Smyrna zu Jupiters Heiligthume / alle Eylande des Mittelländischen Meeres nach Co zu dem Esculapischen / und viel andere Länder nach Priene zu dem Heliconischen Neptun erscheinen / Opffer bringen /und denen daselbst angestellten Spielen beywohnen müssen; sondern daß eines oder des andern Volckes Ober-Herrschafft dardurch das wenigste wäre benommen worden. Weil nun unlaugbar wäre / daß bey Einweihung dieses Meyntzischen Haupt-Tempels die Catten / welche damahls unter Römischer Botmäßigkeit gewest wären / solchem wären zugeschlagen worden / könten sie sich dieses Heiligthums nicht entbrechen. Die Gesandten wendeten ein / daß die einen gantz absondern Gottesdienst habenden Catten sich nach andere dem Griechischen und Römischen beypflichtenden Völckern / welche zweiffels-frey auch mehr aus eigener Regung als aus Zwange dieses oder jenes [927] Heiligthum besuchten / nicht zu achten hätten. Uber diß wäre Welt-kündig / daß Griechenland und Asien zwar in viel Ober-Herrschafften zertheilet gewest wäre / aber diese und jene hätten doch einen allgemeinen Bund in Geist- und weltlichen Sachen mit einander gehabt / wären alle Jahr bald zu Smyrna /bald zu Ilium / bald zu Ancyra / bald in andern vornehmen Städten zusa en ko en / hätten über allgemeiner Wolfarth gerathschlaget / und gewisse Fürsten zu Pflegung der gemeinen Haupt-Tempel und des Gottesdienstes bestellet und die nöthigen Unkosten beygetragen. Dergleichen brüderliche Gemeinschafft zwischen den Römern und Catten nicht wäre. Apollinaris aber versätzte: Es rührte das Recht solcher gemeinen Tempel nicht aus einem solchen Bunde / sondern aus der Eigenschafft des Gottesdienstes her / und wäre diesem Genüge geschehen / wenn schon Sparta und Athen mit einander Krieg geführt / Nicäa und Nicomedia / Smyrna mit allen andern Städten in Asien sich um den Vorzug gezancket hätten. Diesem nach wäre die Besuch- und Opferung bey solchen Tempeln in alle Wege eine Noth und Pflicht / nicht aber eine blosse Gutwilligkeit. Deßhalben wären zwischen denen sich in zwey Herrschafften theilenden Juden für Alters so blutige Kriege erwachsen / weil die meisten Stä e nicht mehr hätten wollen in alten allgemeinen Tempel nach Jerusalem kommen / sondern ihnen zu Samaria einen besondern aufgerichtet; welchen Herodes nunmehr dem Kayser August eingeweihet hätte. Die Gesandten warffen ein: Also wäre gleichwohl der Samarische Tempel wider den alten behauptet / von Römern selbst gebilliget / ja / wie sie nicht anders wüsten / in Phönicien bey Stratons Thurme und bey dem Brunnen des Jordans dem Kayser noch zwey besondere Tempel aus weissen Marmel gebauet / und also der alten Tempel Umkreiß geschmälert worden. Wie dem aber wäre / so hätte Germanicus im Nahmen des Kaysers sich alles Rechtes über dem Rheine verziehen. Apollinaris wendete ein: der Kayser hätte sich nur aller weltlichen Botmäßigkeit / nicht aber der geistlichen / welche ohne des obersten Priesters Einwilligung ohne diß auf allen Fall ungültig wäre / begeben. Der Graf von Teckelnburg zohe etliche Müntzen des Kaysers August / darauf der Kayser zugleich als grössester Priester / mit vielen Opffer-Geschirren /herfür und fragte: Ob denn der Priester zu Meyntz mehr / als der zu Rom Macht hätte? Die Römer verstu ten hierüber / endlich fieng Apronius an: Germanicus hätte vom August nur als vom weltlichen / nicht als vom geistlichen Haupte der Römer Gewalt empfangen gehabt. Denn in Sachen der Heiligthümer könte er nur Priestern Gewalt auftragen. Hohenstein aber antwortete: derogleichen Spitzsinnigkeiten wären rechte Fallbrete Treu und Glaubens / welche bey Fürsten unversehrt bleiben müsten / wenn sie gleich sonst aus der gantzen Welt verbannet würden. Es würde dem Germanicus auch zu schlechtem Ruhme gereichen / wenn er sich mit Mangel habender Gewalt entschuldigen wolte; die gerade zugehenden Deutschen aber würden künftig hunderterley Bedencken haben auf der Römer Wort uñ Friedenschlüsse zu trauen. Hertzog Herrmann und Arpus würden auch biß auf den letzten Blutstropffen gefochten und von keinem Friede gehöret haben / weñ sie ihnen hätten träumen lassen / daß Kayser August / wider welchẽ sie gekriegt / daß er nicht ihr König würde / durch den Frieden ihr Gott werdẽ solte. Dahero würde ehe Hi el und Erde brechen / ehe die nur einen einigen Gott gläubenden Catten den August / welchen sie für einen sterblichen Menschen hielten / wie die Gallier zu Lugdun / die Spanier zu Tarracon / die Asier zu Ancyra anbeten / oder zum Bau des ihm zu Athen von den meistẽ Völckern der Welt besti tẽ Tempels /welcher vorher dem Olympischen Jupiter heilig gewest / einen Scherff oder Stein beytragen würden. Apronius [928] brach ein: Es wäre der Römer Meinung nicht /daß die Catten in diesem Tempel ihren Glauben abschweren und nebst dem Jupiter den Kayser anbeten solten. Dieser hätte seiner Bescheidenheit nach allezeit die Ehre und den Bau der ihm von Ländern angebotenen Tempel mehr verhindert / als befördert; des obersten Priesters Verlangen wäre alleine diß / daß diesem Tempel die gehörigen Opffer-Thiere geliefert /die Unkosten zu dessen Erbauung beygetragen / den Opffern und denen heiligen Spielen die Ehre der Beywohnung geleistet würde; welches ohne Abbruch ihrer im Hertzen habenden Glaubens gar wol geschehen könte. Hohenstein brach ein: die Deutschen sind zu solcher Heucheley ungeschickt / daß sie einen andern GOtt im Hertzen / einen andern eusserlich ehren. Wenn sie auch einem andern Herrn zinßen und Dienste leisten solten / würde Hertzog Arpus nur ihr halber Herr seyn / da sich doch die Herrschafft nicht theilen läst. Und warum hätten die Römer nicht das erste Jahr nach geschlossenen Frieden von den Catten dero gleichen verlangt? Apollinaris sagte: daß die allgemeinen Opfer und Spiele bey solchen Haupt-Tempeln nur alle fünff Jahr gehalten würden. Daher würde diese Beywohnung denen Catten mehr zur Lust als Beschwerde dienen. Alleine die Gesandten stunden auf ihrer Meinung / verfielen aber auf den verdächtigen Brücken- und Festungs-Bau / welchen Statilius /der darüber gesätzte Auffseher so klein machte / daß er nur die zu Handel und Wandel nöthige Brücke und das vom Germanicus an selbtes Ufer aus einer gewissen Andacht gelobtes Bild der Göttin Juno für einem Anlauffe der Räuber und Mordbreñer beschützen solte / und daher den Deutschen keinen Argwohn verursachen könte. Aber Tecklenburg begegnete ihm: Auch den blossen Brückenbau / welcher ein Zeichen einer über den Fluß habenden Herrschafft wäre / könten sie keines Weges verhengen. Sintemahl der Rhein eine Gräntze der Deutschen und Römer / also beyden gemein / und in gemeinen Sachen niemand ohne des andern Willen was zu bauen befugt wäre. Hätten die Römer mit den Deutschen was zu verwechseln / würden wie vorhin hierzu genungsame Schiffe verhanden seyn. Zumal da denen deutschen Fürsten ohne diß mit der Römischen Handlung wenig gedienet wäre / weil die Kauffleute nur Wein und andere zur Wollust und Verterb ihres Volcks dienende Waaren wider das alte Herko en ins Land brächten. Jedoch / weil Hertzog Arpus es einmahl wiewol nur stillschweigend beliebt hätte / wären sie nicht gemeint den Römischen Handelsleuten den offenen Marckt zu verwehren / noch die daselbst zu einem Freybilde aufgesätzte Säule des handelnden Mercur / welchẽ die Römer der nutzbaren Kaufmannschafft halber als einen Erhalter der Welt verehrten / zu versehren begehrten. Ausser dem gereichte es dem heiligen Rheinstrome zur Verkleinerung / daß selbter seinen Rücken unter das Joch einer Römischen Brücke wie eine gemeine Bach stecken solte. Bey nun unzuläßlicher Brücke wäre disseits keine / Befestigung nöthig / und der Juno Bild könte an dem viel höhern Ufer der andern Seite ansehlicher aufgesätzt werden. Es wären dergleichen Heiligthümer den Deutschen allzu verdächtig / nach dem sie gehöret / daß es die einfältigen Hispanier viel Blut /und bey nahe die Freyheit gekostet habe / weil sie die Phönicier einen Tempel des Hercules / die Zacynther ein ander Heiligthum an ihrem Ufer bauen / und sich aus diesen verdeckten Festungen bekriegen lassen. Apronius sätzte diesen entgegen; daß Germanicus nie kein Wort verlohren / noch einigen Argwohn geschöpffet ungeachtet die Deutschen der Mosel gegen über die Festung Herrmanstein gebaut / und gleichsam beyden Flüssen einẽ Zaum angelegt hätten. Teckelnburg antwortete: diese wäre auf dem deutschen Ufer einer neuen Römischen Festung gegen über gebauet / uñ wäre den Römern unverwehrt an dem Rheinufer Galliens zu denen vom Drusus angelegten funfzigen noch hundert neue Festungen aufzuführen. Mit derogleichen Sätzund [929] Gegensätzen giengen ein paar Monat hin / und ob wol Germanicus auf der Deutschen Seiten Recht und Billigkeit zu stehen befand / blieben doch die Römer / welche ungewohnet waren ihnen Gräntzmaale setzen zu lassen / bey ihrer Meinung. Maßen denn auch Germanicus den Gesandten endlich selbst Bescheid gab: Es wäre des Käysers Wille die Brücke über den Rhein zu bauen und zu versichern; also müste er warten / wer solchen Bau ihm zu verwehren sich an ihn reiben würde. Dafern auch die zu Jupiters und des Augustus Tempel gewiedmeten Catten durch ihre Besuchung des Feyers ihrer Pflicht kein Genügen thun solten / würde es dem grösten Priester zu Rom an Mitteln nicht fehlen /einen Tempel dem August auf die oberste Spitze des Taunischen Gebürges zu sätzen. Der Graf von Teckelnburg antwortete dem Germanicus mit einer unerschrockenen Freyheit: Und dem Hertzoge Arpus wird es weniger Müh kosten / einen Tempel vom Taunischen Gebürge herab zu werffen / als es ihm schwer gewest ist / eine besätzte Festung darauf zu schleiffen. Und über die neue Rhein-Brücke würde er sich mühen ehe in Gallien / als die Römer in Deutschland zu ko en. Germanicus hatte sich dieser hertzhaften Antwort so wenig versehen / daß er nichts anders zu versätzen / als zu fragen wuste: Ob ihm sein Fürst diß zu sagen befohlen hätte / und ob er als ein Gesandter oder als ein Herold den Römern den Krieg anzukündigen nach Mäyntz kommen wäre. Teckelnburg aber versätzte unerschrocken: Er und Hohenstein hätten als Bothschaffter sich um Friede und Eintracht lange genung beworben; nach dem sie aber des Germanicus Erklärung für nichts anders als eine Fehde hätten annehmen können / wäre er genöthigt gewest ihm eben diß / was ihre Vorfahren dem grossen Alexander zu verstehen zu geben / nemlich; daß die Deutschen sich für nichts als für dem Einfalle des Hi els fürchteten. Die Catten führten eben so wol / als der nach Carthago geschickte Fabius Maximus in ihrer Schoos Friede und Krieg. Jenen wolten sie mit den Römern gerne unterhalten / diesen aber könten sie nicht ausschlagen / wenn es anders nicht seyn könte. Germanicus fiel ein; So höre ich wol / ihr verlanget / daß ich aus euer Schoos eben diß / was der Rath zu Carthago nehmen soll / nemlich Krieg. Nein sagte Teckelnburg / wir lassen dem Germanicus eine freye Wahl / und dazu so viel Zeit / als er selbst verlangt. Denn wie streitbar gleich die Deutschen sind / halten sie doch den Friede für ein so schätzbares Kleinod / daß man Ursache habe sich hundert mahl zu bedencken / ehe man es wegwerffe. Also verlangen sie nicht / daß sich jemand hierüber aus dem Steigereiffen entschlüsse /und begehren niemanden wie Popilius Länas den Antiochus zu dem Ende in einen Sand-Kreiß mit ihrem Stabe einzuschlüssen. Germanicus / welcher ihm einbildete / daß keines Volckes Gesandter in der Welt gegen einem Römischen Feldherrn mit solcher Freyheit / und ohne mehr Erniedrigung zu reden befugt wäre / ward hierüber verdrüßlich / und antwortete: Arpus mag ihm selbst nehmen was er wil / und ich werde thun / was mir gefället. Und hiermit gieng er in sein inneres Gemach. Die Gesandten zohen hierüber sich gleicher gestalt unvergnügt zurücke / wären auch noch selbigen Abend aus Mäyntz gereiset / wenn nicht die Pforten schon wären geschlossen gewest. Um Mitternacht aber kam ein Freygelassener des Germanicus für der einen Pforte an / welchem auf sein ungestümes Verlangeñ sie wider Gewohnheit eröffnet werden muste. Auf den Morgen aber blieben alle Pforten länger geschlossen als sonst gewöhnlich war; welches in der Stadt bald einen Ruff machte / daß was sonderliches sich müste ereignet haben / sonderlich /weil man die gantze Zeit nach des Freygelassenen Ankunfft in des Germanicus Zimmer Licht gesehen hätte. Ehe auch die Thore geöffnet waren / ließ Germanicus beyde Gesandten noch einmal zur Verhör abholen /und fragte: Ob sie sich eines andern bedacht / und kein Mittel ihre Zwistigkeiten beyzulegen vorzuschlagen hätten? Teckelnburg [930] antwortete; Sie wüsten in beyden Sachen / welche wider den Frieden / die Freyheit und die Ehre der Deutschen lieffen / nichts nachzugeben / trauten auch solches bey ihren Herren nicht zu verantworten. Germanicus fiel ein / und sagte: Ich aber habe der Sache nachgedacht / und weil ich vielleicht am längsten hier Feldherr der Römer gewest /wil ich zeigen / wie hoch ich ihre Tugend und die Eintracht mit ihnen schätze. Daher verlange ich / so lange die Gewalt bey mir steht / keinen Catten zu unserm Tempel und Opffern zu nöthigen / und ich habe bereit befohlen / daß / was an dem Brücken- und Schantzbau angefangen worden / wieder abgethan werden solle. Bey so gestalten Sachen hat kein Catte wider die drey unschädlichen der Juno zu Ehren aufgerichte Bilder kein Wort zu sagen / welche wieder abzubrechen weder die Hoheit des Römischen Volckes / noch meine Andacht verstattet. Er händigte ihnen zugleich Schreiben an beyde Hertzoge ein / welche voller Freundschaffts-Bezeugung und Höfligkeit waren. Beyde Gesandten waren über dieser unvermuthet-guten Abfertigung wol vergnügt / eilten also desto mehr über den Rhein nach Mattium / allwo man dieser geschwinden Veränderung Ursache nicht zu errathen wuste / sonderlich da in wenig Tagen Nachricht einlief / daß der neue Bau bey Mäyntz völlig abgethan wäre. Vierzehn Tage darnach aber kam ein Gerichte aus Noricum / daß Käyser August wo nicht schon todt / doch zu Nola in Campanien todt-kranck wäre / die Römer auch wegen vieler Wunderzeichen an seiner Genesung verzweifelten. Deñ die Sonne wäre zu Rom gantz verfinstert / ein grosses Theil des Himmels in vollem Feuer gesehen / brennende Höltzer aus den Wolcken geworffen / blutige Schwantz-Gestirne wahrgenommen / als der Rath für ihn zu beten sich versa let / das Rathhauß verschlossen gefunden / und einer darauf sitzenden Nacht-Eule heßliches Geschrey gehöret worden. In dem verstriechenen Rosen-Monate hätte der Blitz des Käysers ins Capitolium gesätztes Bild gerühret / und im Worte CÆSAR den ersten Buchstaben vertilget; welches die Wahrsager bald dahin gedeutet hätten / daß / weil ÆSAR in Hetrurischer Sprache Gott hieße / August in hundert Tagen durch Ablegung seines sterblichen Leibes zum Gotte werden würde. Eben so ungewisses Geschrey kam aus Gallien / wiewol Germanicus zu Mäyntz sich anstellte / als weñ alles dieses ein falscher Ungrund wäre. In vierzehn Tagen aber brach des Käysers Tod endlich allenthalben heraus / und kam aus Noricum der junge Brederode ein Batavischer Edelmann zu Mattium an; dieser berichtete den Hertzog; daß er unter der Batavischen Leibwache des Käysers bedient gewest wäre / auch seine Leiche selbst gesehen hätte. Weil der Hertzog nun sich begierig stellte die Art sei nes Todes zu hören / erzehlete Brederode: der Käyser hätte von einem Jahre her sich der Herrschafft wenig mehr angenommen / sondern Livien und den Tiberius alles nach ihrem Wolgefallen einrichten lassen / auch vom Rathe einen Schluß ausgewürcket / daß Tiberius insgemein mit dem Käyser alle Länder verwalten möchte. Seines Todes hätte er mehrmals erwehnet /und an dem Reinigungs-Tage der Stadt Rom / als ein Adler ihm etliche mal ums Haupt geflogen und sich an einem Hause über den ersten Buchstaben des Nahmens Agrippa gesätzet / gemeldet / die zwey A würden bald mit einander vereinbaret werdẽ. Hierauf wäre er mit dem gantzen Hofe in Campanien verreiset / und weil er von dar den Tiberius in Illyricum verschicket / hätte er ihn diß Benevent begleiten wollen /und als ihm solches seiner Schwachheit halber widerrathen worden / hätte er heraus gefahren: Lasset mich / denn ich werde ohne diß nicht wieder nach Rom kommen. Zu Neapolis / dahin er dißmal viel stärckere Tagereisen / als vormals bey besseren Kräfften gethan hätte / wäre sein Zeitvertreib anfangs gewest; daß er die daselbst befindlichen Römischen Knaben Griechisch / die Griechischen Römisch kleiden / derogestalt in verwechselter Sprache um aufgesätzte Preiße mit einander streiten lassen. [931] Hernach hätte er sich mit Umfahrung des Meer-Ufers erlustigt / und weil ihn in dem Puteolischen Seebusem die Egyptischen Getrey de-Schiffe mit tausend Frolocken / Glücks-Wünschen und Lobsprüchen / daß sie durch ihn lebten / durch seine Hülffe schifften / ihm Freyheit und Glücke zu dancken hätten / empfangen / sich und ihre Moße bekräntzet / ihm Weyrauch angezündet / hätte er vierhundert güldene Müntzen den Schiffleuten jedoch mit dem Bedinge / daß sie sie an Würtze / Lein / Papier /Glaß und andere Egyptische Waaren anlegen solten /ausgetheilet. Nachmals wäre er bald auf einen / bald auf den andern Caprischen Eylande angefahren / und darauf geschlaffen. Und hätte der Käyser meist den Salustius Crispus bey sich gehabt / welchen August nunmehr eben so / statt des Mecänas / zu seinem geheimsten Rathgeber gebraucht hätte / wie er mit dem Tiberius an statt des Agrippa seine Sorgen getheilet. Zuweilen hätte ihn auch Sejus Strabo der Hauptmann über die Leibwache und Fabius Maximus / wie Livien sein Weib Martia unterhalten. Dieser hätte Livia durch besondere Arglist ausgefischet; daß der Käyser für wenig Monat auf dem Eylande Planasia gewest /lange mit dem jungen Agrippa gesprochen / ihn vielmahl umarmet / und mit Thränen gesegnet / also des Maximus Urtheile nach / ihn nicht nur wieder nach Rom zu nehmen / sondern wol gar auf den Käyserlichen Stuhl zu erheben bey sich beschlossen hätte. Zwey Tage darnach wäre Maximus todt in seinem Bette gefunden / und weil Martia ihren unverschlossenen Mund den Mörder ihres Ehmañs gescholten / geglaubt worden / daß ihm Livia durch Gifft fortgeholffen hätte. Diese hätte hierauf Post über Post in Illyricum dem Tiberius nachgeschickt / daß weil August kranck wäre / da ihm doch dazumahl das geringste nicht gemangelt hätte / er sich nichts auf der Welt hindern lassen solte / nach Hofe zu kommen. Kurtz darnach wäre der Käyser zu Neapolis am Durchlauffe kranck worden / welches er vom Giffte hergerührt zu haben glaubte / weil er einsmahls Livien selbst betreten / als sie im Garten die schönsten Feigen mit etwas angeschmieret / wo August sie alle Morgen selbst von Bäumen abzubrechen und zu essen gewohnt gewest wäre. Weil nun diese Kranckheit angehalten / hätte er / oder vielleicht Livia nicht länger in einer so grossen Stadt bleiben / sondern die Lufft ändern / und sich nach Benevent wollen tragen lassen. Zu Nola aber wäre er so schwach worden / daß er nicht weiter fortzubringen gewest. Aber Livia hätte das Hauß / darinnen der Käyser gelegen / mit so vielen Wachen besetzet / und die Zi er verschlossen /daß die Leibwache selbst nicht eigentlich hätte erfahren können / ob August noch lebe oder todt sey. Deñ man hätte keinmal einen seiner geheimsten Freygelassenen aus dem Zi er kommen sehen / welchem nicht die Augen voll Wasser gestanden. Gleichwol hätte Livia an Rath nach Rom geschrieben und sonst ausgesprenget / daß es sich mit dem Käyser bessere. Endlich wäre Tiberius den sechzehnden Tag des vom August den Nahmen führenden Monats früh für Tage zurück kommen / und etliche Stunden alleine beym Käyser nebst Livien geblieben / und mitler Zeit alle Liebste und Getreuste des Käysers abtreten müssen. Drey Stunden für Abende wäre Enceladus des Käysers liebster Freygelassener gantz verzweiffelt und trostloß zu ihm kommen / und ihm in Vertrauen entdecket: daß August gleich verschieden wäre / Livia aber hätte bey Leib- und Lebens-Straffe verboten keinen Menschen hiervon das wenigste mercken zu lassen. Tiberius hätte / als er vom Käyser Abschied genommen gehabt / vier Bücher mit aus dem Zimmer gebracht. Als er Enceladus nebst etlichen andern geheimsten Freunden aber hinein kommen / hätte August angefangen: Meine lieben Kinder es ist mit mir am Ende / was meinet ihr / habe ich auf der Schaubine dieser Welt auch einen tüchtigen Gauckler abgegeben? Ich hoffe /weñ die Menschen mir ja nichts guts nachsagen wolten / mir doch die Mauern [932] in Rom Zeugnüs geben werden; daß da ich sie von gebrennten Ziegeln gefunden / Marmeln verlassen habe. Er wünschte den Römern zwar einen bessern Fürsten als er gewest wäre; aber er hätte ihnen nur einen lassen müssen / welcher niemahls zweymahl über einer Sache rathschlagen solte. Nur wäre ihm leid / daß das Römische Volck von so langsamen Kinnbacken solte zerkäuet werden. Wie stehet es aber außerhalb des Hauses? Rühret sich noch niemand meines Todes halber? Wird auch jemand seyn / der mich beweine? Hierauf hätte ihm Enceladus den Spiegel geben / und nachdem er seine Haare verwirret / die Waagen verstellet gesehen /hätte er ihm jene kämmen / die schmincken ja ihm seinen mit Golde durchwürckten schneeweissen Rock /welche Todten-Tracht ihm der Käyser vorher selbst zu fertigen bestellt gehabt / anziehen müssen / vielleicht daß er noch wol gebildet und lebhafft verstorben zu seyn scheinen möchte. Als er auch gehöret / daß gleich Briefe von Rom ko en wären; hätte er gefraget: ob nicht die krancke Livilla des Drusus Tochter gesund worden wäre? hierauf wäre er eingeschlaffen /und nach einer Viertelstunde aufgefahren sich beklagende: daß ihn viertzig Jünglinge wegtragen wolten. Er hätte sich aber bald wieder besonnen / und verlanget / daß alle entweichen / Enceladus aber Livien holen solte. Als diese ko en / und ihn umarmet /hätte er angehoben: Gehab dich wol / Livia / und vergiß in nichts / daß dein Ehmann Käyser August gewesen sey; und wenig Augenblicke darnach wäre er unter Liviens Küssen an eben dem Tage / da er vor Jahren das erste mahl seine Bürgermeister würde angetreten / erblichen und ohne einig geklagten Schmertz / seinem offteren Wunsche nach / wie ein Licht ausgeloschen; Nach dem er sechs und siebtzig Jahre seines Alters weniger fünf und dreißig Tage /und nach der Schlacht bey Actium vier und viertzig seiner Oberherrschafft hingelegt. Livia / weil sie des Freygelassenen Anwesenheit wahrgenommen / hätte sie dem Käyser seinen Nahmen etliche mahl starck in die Ohren geruffen / die Leiche mit vielen Thränen genetzet / und ihm unzählbare Küsse auf den Mund gegeben / gleich als weñ sie seine durch den Mund ausfahrende Seele mit ihren Lippen auffangen und sich mit derselben aufs neue vermählen wolte. Endlich hätte sie dem Käyser den Siegelring / in welchen des grossen Alexanders Bild gestochen gewest / vom Finger gezogen / und dem Tiberius gleichsam als ein Kennzeichen der geerbten Herrschafft mit ziemlich freudigem Antlitze überbracht; nach dem sie vorher dem Käyser die Augen zugedrückt hätte / damit man derselben Sterne nicht hernach weiß werden sähe. Tiberius hätte alsbald fast in alle Länder der Welt viel Posten / die allererste aber durch den nach Neapolis reisenden Salustius Crispus mit einem Jagt-Schiffe von dar aus nach Planasia abgeschickt. Damit des Käysers Tod inzwischen geheim bleiben möchte / hätteste niemanden als ein Weib aus Egypten / welch Land alle andere die Leichen mit Saltz / Zedersafft /Hartzt / Honig / Wachs / Kalck und dergleichen verwahren gelehrt / zur Gehülffen gebraucht / und sie theils aus Gewohnheit / theils die Leiche für Gestanck und Fäule zu bewahren / mit ihr ehe sie erstarret und erblasset / abgewaschen / die Därmer herausgenommen / selbte in einem Kästlein vergraben / den Leib mit Aloe / Myrrhen / Casia erfüllet / alle Glieder eingebalsamet / in den Hals auch die edelsten Oele und Salbẽ gegossen; gleich als der Mensch auch nach dem Tode nicht der Wollust entpehren könte. Deñ Livia hatte bey Zeite alle Nothdurfft herbey geschafft / daß sie selbte nicht allererst im Libitinischen Tempel dorffte kauffen lassen / als in dessen Schatz-Ka er sie den Todten-Pfennig abzuliefern sie noch nicht für rathsam hielt. Zu so niedrigen Diensten erniedriget sich die Ehrsucht / wenn es um die Herrschafft zu thun ist. Bey der Leiche aber hätte sie / um ihr Geheimnüs nicht zu verrathen / kein Altar mit Rauchwercke unterhalten. Vierzehn Tage hernach wäre sein Tod doch ziemlich verdrückt geblieben / und hätte[933] Livia und Tiberius von Rom noch Aertzte und Artzneyen verschrieben / und in dem Hause / darinnen auch sein Vater Octavius verstorben / alle Anstalt gemacht / als wenn der Käyser noch lebte. Als aber sein Tod sich fast nicht mehr hätte verhölen lassen wollen / hätte Sejus Strabo der Oberste die gantze Leibwache für das Hauß erfordert / und ihnen angedeutet: der Kayser hätte die Sterbligkeit verlassen. Sie solten aber weder ihm seine Vergötterung / noch dem vom August erwehlten Erben und Reichsfolger die Herrschafft mißgöñen. Dieser wäre Tiberius / der ihnen genungsam bekañte Vater der Kriegsleute; welchẽ schon für geraume Jahre der Kayser als seinen Gehülffen neben sich auf den Thron gesätzet / und welcher vom Römischen Rathe schon durch einen Schluß hierzu wäre erkieset worden. Dahero nicht so wol durch ihn eine neue Herrschaffts-Art angefangen / als die löblichste des glückseligsten August im alten Gange fortgeführet werden würde. Denn sein Alter wäre schon allen Schwachheiten und Versuchungen entgangen; in seinem geführten Leben wäre nichts zu entschuldigen / sein Gemüthe wäre durch beyderley Glücke geprüfet / niemand lebte / welcher ein klügerer Bürgermeister / und ein tapfferer Feldherr gewest wäre / also / daß weñ gleich der unausmäßliche Leib des Reiches ohne ein Haupt bestehen könte / dessen Unmögligkeit doch die blutigen Bürger-Kriege erhärteten / wäre doch Tiberius würdig / daß die einhäuptige Herrschafft über das freye Rom mit ihm anfienge. Kayser August hätte Rom unverdanckbare Wolthaten erwiesen / aber diß wäre die gröste / daß seine Liebe frembdes seinem Geblüte vorgezogen / und den Tiberius zum Sohne angeno en hätte / nur daß er dem Vaterlande einen guten Fürsten gäbe. Denn von Fürsten gebohren werden / wäre ein blosser Zufall / und schlügen ihrer nicht wenig aus der Art; die Wahl aber hätte das Vor-Recht den besten im gantzen Reiche zu erkiesen. Also würde niemand als ein böser ein ander Haupt wünschen / weniger vorschlagen können. Hierauf hätten sich Livia und Tiberius an der Pforte sehen / und zugleich iedem von der Leibwache dreyhundert güldene Müntzen austheilen lassen. Weil die Hauptleute nun auf unverwendetem Fuße den Tiberius als ihr neues Haupt gegrüsset / hätte iemand unter der Leibwache / denen allen die Thränen häuffig aus den Augen geflossen / den Sinn / weniger das Hertze gehabt sich nach einem andern Herrn umzusehen. Nachgehends wäre die eingebalsamte Leiche des Kaysers auf einem prächtigen Ehrenbette mit einem weissen Goldstücke angethan in einem purpernen Mantel liegende und mit Lorbern gekräntzt / mit Blumen und Oelblättern bestreut / von vierzigen aus der Leibwache aus dem Hauße auf offentlichen Platz getragen und iederman gewiesen worden. Eben diesen Tag wäre der Hauptmann / welcher auf Planasia vom Kayser August wäre bestellt gewest auf den jungen Agrippa acht zu haben / nach Nola ankommen / und hätte dem Tiberius in Anwesenheit des Salustius Crispus und anderer Römer gemeldet: Agrippa wäre todt / und also sein Befehl vollzogen. Tiberius aber hätte dem Hauptmanne ernsthafft geantwortet: Er hätte ihm nichts befohlẽ / sondern er würde seines Thuns halber dem Rathe Rechenschafft zu geben haben. Salustius /welcher die Hand mit in diesem Morde gehabt / und mit in das peinliche Gerichte eingeflochten zu werden besorgt hätte / wäre hierüber erblasset / und / wie ihn des Kaysers freygelassener Polybius verständigt / voller Bestürtzung zu Livien ko en / und ihr gesagt: So würde Tiberius nicht lange Kayser seyn / wenn er die Heimligkeiten seines Hauses / die Rathschläge seiner Freunde / die Dienste der Kriegsleute offenbahren /und alles an Rath zu Rom verweisen wolte. Hierdurch enteusserte er sich der Gewalt eines Fürsten / welcher Grund kein ander wäre / als daß einer alles anordnete. Folgende Tage wäre von Neapolis und andern Orten ein so grosser Zulauff des Volckes gewest / daß sie in Nola bey der Leiche des Kaysers einander zum Theil erdrückt hätten. Niemand aber wäre dahin kommen /der ihm nicht ein reichliches Thränen-Opffer gezinset hätte. Denn wie es eine seltzame Glückseligkeit wäre unter einem guten Fürsten zu leben / also langten aller Welt Thränen nicht zu desselben Verlust auskommentlich zu beweinen.


Ende des fünfften Buchs des andern Theils.

Innhalt des Sechsten Buches
[934] [937]Innhalt
Des Sechsten Buches.

Aller Welt Gedancken über Augustens Tod; Und wer sein Nachfolger im Reich werden solle. Tiberius verwaltet es indessen. Alles Volck leistet ihm Gehorsam. Augustus Leiche wird in Begleitung vielen Volckes nach Rom getragen; daselbst verehret und angebetet. Tiberius läßt den Rath beruffen / und des Käysers letzten Willen eröffnen. Der Römer insonderheit des Valerius Messala Gedancken und Heucheley wegen seines Begräbnüsses und des Tiberius Verdruß darüber. Die Herolde ruffen drey Tage hinter einander sein Begräbnüs aus. Die Gassen werden besetzt. Grosse Menge Zuschauer und seltzame gute und böse Reden von seinem Tode. Der Anfang des Begräbnüsses geschicht aufm Ochsen-Marckte. Durch die Stadt werden allenthalben prächtige Ehren-Säulen / Siegs-Bogen und Altäre mit nachdencklichen des Augustus Thaten und gantzes Leben abbildenden Sinnbildern und Uberschrifften aufgesetzt. Beschreibung des prächtigen Leichbegängnüsses. Drusus lieset dem Volcke vor dem Rathhause eine Lob-Rede vom Käyser ab. Dergleichen thut Tiberius auf der andern Seite des Marckts; worüber alles Volck weinet. Endlich wird die Leiche unter Pfeiffen und tausenderley Klag- Geschrey oder Römischen Leich-Gebräuchen verbrennet; Und hernach die Asche in seinem Begräbnüs-Tempel beygesetzt. Beschreibung des Grabmaales. Livia bleibet fünf Tage bey der Leiche sitzen; Läßt Altäre bauen / flehet das Volck an dem Augustus nicht zu fluchen. Der Leiche wird geopffert. Tiberius ordnet gewisse Verwalter und Einkunfften dis Begräbnüs bauständig zu halten. Setzet des Augustus güldnes Bild ins Capitolium unter andere Götter-Bilder; Der Römische Rath aber erkläret Livien zu des Käysers Priesterin / und ordnet an / daß in Rom und allen Ländern dem Käyser Ehren-Tempel gebauet werden solten. Tiberius lässet allerhand Spiele halten / ein Trauer-Mahl und Bäder ausrichten. Eine ertztene Taffel mit einer Lobschrifft wird ins Grabmaal gesetzet. Schmäh-Schrifften auf Livien und den Tiberius. Weissagung von dem gebohrnen grossen Gott der Juden. Tiberius schickt davon eine Abschrifft dem Judischen Land-Pfleger. Den dreißigsten Tag wird das Trauren aufgehoben. Der Rath bittet im Tempel der Eintracht den Tiberius das Käyserthum zu übernehmen. Tiberius entschuldigt sich. Seine und der andern Rathsherren Ursachen. Des Tiberius Mißtrauen gegen den Germanicus / und Vorsatz den Krieg zu seinem Vortheil wider die Deutschen zu führen. Worzu Adgandester und Sentia tapffer helffen. Aufruhr in Pannonien. Tiberius [937] sucht ihn zu stillen / und schickt sei nen Sohn Drusus zu ihnen. Dessen Lebens Gefahr; der ihm aber ein Monden-Finsternüs zu nütze zu machen weiß. Verweiset ihnen ihr Verbrechen / und bringt sie zur Erkäntnüs. Aufruhr unter des Germanicus Legionen in Deutschland. Hertzog Herrmanns /Ingviomers und Jubils Rathschläge mit dem Arpus über Deutschlands Nutzen. Welcher aber mit seinen Räthen den Krieg wider den Germanicus widerrathen. Des Feldherrn Taffel-Gespräche mit den deutschen Fürsten von furchtsamen und hertzhafften Räthen. Effern bringt von Agrippinen Antwort auf Thußneldens Glückwunsch; und erzehlt wie sie dem Germanicus vergebens in Ohren gelegen / daß er ihm die Legionen schweren lassen solle. Germanicus eilet nach dem Ubischen Altare / die aufrührischen Legionen zu bestillen / redet ihnen deßhalben beweglich zu. Dieser Verantwortung; wünschen dem Germanicus Glücke / und erbieten sich ihm zum Käyserthum beforderlich zu seyn. Dessen Unwillen hierüber. Die Aufruhr wird gefährlicher. Germanicus Vorsicht und Klugheit. Etliche Legionen schweren dem Tiberius zu Meyntz. Ein neuer Aufruhr an der Emse. Germanicus rettet den Obersten Memmius aus der Aufrührer Händen; und stillet auch diesen Aufruhr. Hält mit dem Melo heimliche Gespräche; welches den Soldaten verdächtig ist /der Aufruhr regt sich von neuem / Germanicus und Plancus sind in Lebens-Gefahr; sendet seine Gemahlin und Kinder aus dem Lager. Germanicus stillet unterschiedliche Aufrühre unter den Römern klüglich /aber auch mit Gefahr seines Lebens. Zu Rom wird das Volck über dem Tiberius schwierig; welcher ihnen listig begegnet. Die Rädelsführer in des Germanicus Aufruhr straffen einander selber ab. Flavius bringt vom Tiberius dem Germanicus Befehl / die Legionen wider den Feind zu führen. Germanicus schlägt mit Hülffe der Sicambrer eine Brücke über den Rhein. Arpus bereuet: daß er des Feldherrn Rath nicht geglaubt; dieser aber schickt ihm Cherusker zu Hülffe. Germanicus überfällt zuerst die das Fest der Hertha feyernden Marsen / und hauset übel mit ihnen. Malovend muß die Flucht nehmen. Hertzog Hermann schlägt unweit des Tanfanischen Tempels des Germanicus Vordrab in die Flucht / trifft auch das gantze Römische Heer in Schlacht-Ordnung an / theilet sein Volck in vier Hauffen. Dergleichen thut auf Römischer Seite auch Stertinius / und läßt durch den Emilius den Tanfanischen Tempel verbrennen. Des Priesters Libys bewegliche Rede gegen ihn / worüber die Römer bestürtzt werden. Der Feldherr Herrmann tödtet Cariovaldens Bruder / der Graf Nassau den Fürstenberg im Gefechte / und jagen die Römer / Bataver und Tencterer in die Flucht. Germanicus muß auf Einrathen seiner Obersten das Monden-Altar verlassen. Steinfurth / Malovend / Bentheim und Ingviomer fallen die Römer in Gepüschen an. Germanicus redet den furchtsamen Römern ein Hertz ein. Dergleichen Ingviomer seinen Deutschen. Der Ritter Wi enthal verwundet den Centronius. Des Stertinius Kriegs-List durch Aufsteckung falscher Adler-Fahnen. Der Feldherr entsetzet den Ingviomer; und warnigt ihn wegen des Stertinius; fodert auch den Germanicus zur Schlacht aus. Dessen Entschuldigung / und heimliche Flucht. Malovend wil ihnen nachsetzen. Herrmann und Ingviomer widerrathen solches zu seinem Verdruß. Dem Flavius fällt seine Hoffnung. Tiberius lobt im Rath des Germanicus Thaten. Ingviomer / [938] Arpus /Catumer / Jubil und Malovend halten zu Deutschburg mit dem Feldherrn Rath; und bekräfftigen ihren vorigen Bund über der Taffel mit Wein. Malovend kriegt vom Graf Diepholt aus Rom Schreiben / daß es dem Käyser kein Ernst sey mit den Deutschen Krieg zu führen / sondern nur daß Germanicus dadurch umkommen möchte. Der deutschen Fürsten Gedancken hierüber; und ob solches zu glauben sey. Der Feldherr beredet aufs beweglichste die Deutschen zu Fortsetzung des Krieges; welche ihm alle beystimmen / und die Eintheilung / was jeder gestellen soll / machen /auch unterschiedene Gesandten an andere Fürsten abfertigen. Germanicus rüstet sich gleichfals. Bekommt vom Tiberius Hülffs-Völcker / sucht die Deutschen in einander zu hetzen. Worzu Tiberius sich des Adgandesters und Sentiens sich bedienet; diese fangen es mit Ganaschen / Bojocaln / dem Melo und Malorich an / welche die andern Fürsten gegen den Herrmann zu verhetzen suchen. Die Cheruskisch- und Cattischen Gesandten reden es ihnen klüglich aus / und stellen ihre Gefahr für Augen / nemlich Arenberg dem Melo / der Graf von Lingen dem Ganasch / Graf Hohenstein dem Malorich / und der Graf von der Lippe dem Bojocal. Der Römer List und Kunstgriffe die Deutschen zu gewinnen. Adgandester und Cariovalda schreiben falsche Brieffe vom Könige Frotho an den Ganasch und Herrmann. Worüber Ganasch sich aus Ungedult zu den Römern schlägt / und den Domitius mit guter Antwort abfertigt. Dieser reiset hierauf zum Malorich und bekommt gleichfals gewünschte Antwort. Sentia bemühet sich Bojocaln durch Geilheit zu gewinnen. Hält für ihn vier schöne funfzehn jährige Mägdlein / eine Scythische Amazonin / eine Britanniern / eine aus Gottland / und eine Mohrin. Als er aber mit selbigen seine Begierden gesättiget; stellet sie sich ihm selbst auf; lehnet aber doch seine Anmuthungen klüglich ab / also daß Bojocal verliebter und lüsterner wird. Beyder Liebes-Gespräche; und in was die Schönheit der Menschen bestehe. Bojocal beschreibet Sentien den Unterscheid der Geilheit / so er mit ihren vier Jungfrauen gepflogen / und zeucht Sentiens Schönheit allen vor. Woher der Mohren Schwärtze kommet / und welche Farbe die beständigste oder lebhaffteste ist. Bojocal wird aufs hefftigste verliebet / und betheuret gegen Sentien seine Liebe durch Schwüre / worinnen die Schönheit bestehet. Sentia verläst den verliebten Bojocal in grosser Verwirrung / worüber er in grosse Traurigkeit geräth. Eine von ihm bestochne Grichische Sklavin läßt ihn in ihr Schlafzimmer / welcher sie küsset und umarmet; also daß sie mit zorniger Gebehrdung aufwachet / und über Bojocaln hefftig entrüstet ist; dieser aber ihr kniende Abbitte thut. Sentia begehret / daß er auf Römische Seite sich erklären solle; welches er ihr verspricht / und auf ihr Verlangen schrifftlich versichert. Dieses Bündnüs wird durch beyder geile Brunst besiegelt. Die Liebe ist eine Urheberin / so wol des bösen als guten. Sentia verfügt sich zum Hertzog Melo / allwo Domitius vom Hertzog Ganasch und Malorich mit guter Verrichtung angelangt. Sie legt ihnen Bojocals schrifftliche Bündnüs für Augen. Beyde Theile rüsten sich gewaltig gegen einander. Germanicus führet sein Kriegsheer auf und ab / um die Deutschen irre zu machen. Hertzog Arpus begegnet ihm zwar tapffer / muß sich aber wegen zertheilt er Macht über den Lohn-Strom flüchten. Germanicus bauet auf dem Taunischen Gebürge die von den Catten zerstörte Festung wieder auf. Arpus [939] entgehet dem Germanicus und Melo / und stösset bey Berleburg zum Catumer. Germanicus äschert Mattium ein. Ganasch und Bojocal stoßen an der Weser zusammen. Der Feldherr sätzt ihnen entgegen. Segesthes wil sich in diesen Krieg nicht mischen. Der Graf von Schaumburg kommt den Catten zu Hülffe. Ingviomer und Malovend stehen auch mit ihren Völckern fertig. Der verliebte Siegesmund nimmt Sentien gegen Zirolanen zu Hülffe; welche ihm Rath und Hülffe verspricht. Er auch im Deutschburgischen Walde unter währender Andacht / Thußnelden nebst ihrem Sohne Thumelich /Ismenen / Zirolanen / die Gräfin von der Lippe und Nassau / wie auch den Priester Libys raubet. Die Cherusker setzen ihnen nach; der Graf von Schaumburg und Limburg halten sich tapffer / und verwunden den Siegesmund; belägern auch Arensberg; dahin der erfreute Germanicus die Gefangenen zu schauen kommt. Segesthes empfängt ihn / übergibt ihm etliche dem Varus abgenommene Beute / und bezeuget seine Treu gegen die Römer durch eine trefliche Rede. Germanicus versichert ihn alles guten / und grüsset die Gefangenen. Diese bezeigen sich großmüthig und freudig. Ihr Gespräch mit dem Germanicus. Er läßt sie mit Versprechung der Sicherheit nach dem Ubischen Altare führen. Hertzog Herrmann greifft bey Trintenstad den Melo hertzhafft an; dieser aber entgeht ihm. Arensberg wird entsätzt. Schaumburg getödtet. Rittberg und Limburg harte verwundet. Der Feldherr ist über Wegführung der Gefangenen hefftig entrüstet; seine Cherusker ermahnen ihn die Römer zu verfolgen. Limburg und Ritberg widerrathen den Angrief. Des Feldherrn Antwort / und tapffere Rede. Sesitachs Gegen-Antwort. Graf Limburg und Nassau fallen ihm bey. Des Feldherrn Schluß entweder zu sterben oder zu siegen. Unterschiedliche Cheruskische Ritter bringen Völcker zusammen. Setzen über die Ruhr. Der Feldherr stellet sein Heer in Gestalt einer Sichel oder halben Mohnden in Schlacht-Ordnung. Tapffere Rede zu seinen Soldaten. Sesitach und Eberstein greiffen der Deutschen Hülffs-Völcker; Steinfurth aber das Römische Läger an. Des Germanicus tapffere Gegenwehr. Sesitach wird im Römischen Lager zwar eingesperret / er entkommt aber wieder daraus / verliert den Lautenberg und Wenden. Die Deutschen fodern mit Vorzeigung der eroberten Beute das Römische Lager aus. Germanicus ziehet sich auf eingelauffene böse Zeitung des Nachts stille aus dem Lager. Arpus / Catumer und Jubil beschließen den Silius in einem Walde. Germanicus aber macht ihm Lufft. Schreibt an den König Marbod seine Verrichtungen. Agrippine bewillkommt an dem Ubischen Altare die Gefangenen mit Thränen. Ihr allerseitiges Gespräche und Trost-Reden über dem unbeständigen Glücke. Sie bitten Agrippinen zu helffen / damit sie nicht im Siegs-Gepränge eingeführet werden möchten. Agrippine weinet aus Mitleiden / und vertröstet sie alles guten. Cäcina lässet mit Uberschickung des gefangenen Fürsten Dietrich den Germanicus seinen Nothstand wissen / worüber er bekümmert ist. Adgandester wünschet im Nahmen König Marbods ihm Glück / und bittet ihn / daß er dem Flavius zu seinem väterlichen Erbtheile helffen möchte. Zu welchem Ende sein König ein groß Theil seines Volckes an der Hermundurer Gräntze führen würde. Dergleichen thut auch Flavius selber. Germanicus macht Anstalt darzu / und rüstet eine grosse Schiffs-Flotte aus; vertrauet dem Flavius alle [940] Deutsche und Ausländer. Der Feldherr rüstet sich dargegen. Gibt dem Grafen von Regenstein / Schauenberg / Spiegelberg / Bentheim und Mannsfeld Befehl an unterschiedenen Orten gute Aufsicht auf der Römer Vorhaben zu halten. Die Römer machen an unterschiedenen Orten Lermen und Spiegelfechten. Germanicus und Flavius setzen an der Flevischen See aus. Ingviomer und Mansfeld kriegen davon Zeitung. Der Feldherr trachtet der Römer und des Melo Zusammenstossung zu verhindern. Ingviomer mühet sich dem Cäcina den Weg zu verbeugen. Malovend macht dem Stertinius genung zu schaffen. Bekommt aber einen Streich / weil ein verrätherischer Bructerer den Römern alle Wege zeiget. Malovend ermuntert seine Deutschen tapffer zu fechten; stellt sie in Schlacht-Ordnung. Nortingen und Groben schlagen die Gallier und Menapier. Der Graf von Zutphen empfängt die Ubier und Trierer tapffer / und schlägt sie in die Flucht. Scharffes Treffen der Deutschen und Römer. Die Römer machen den Deutschen Lufft. Und erobern eine vorhin verlohrne Adler-Fahne. Ihr Frolocken. Cäcina erreicht den Vider-Strom. Das gantze Römische Heer ziehet sich zusammen. Germanicus läst die Ursachen seines Kriegszugs ausruffen / und daß er den Flavius nur in sein väterlich Erbtheil einsetzen wolle. Kein Cherusker will sich zum Flavius finden. Sesitach bittet für seinen Vater Segimer / daß der Feldherr ihm das Heer an der Weser anvertrauen möchte. Dessen Entschuldigung. Worauf sich Sesitach verlieret. Germanicus ziehet sich an den Ort / wo Varus umkommen. Klägliches Anschauen über der Wallstadt und den Gebeinen. Alle denckwürdige Gelegenheiten werden dem Germanicus angewiesen; weßwegen ihm die Augen übergehen. Er gräbet den ersten Rasen zu der Gebeine Beerdigung / welches ihm alle Römer nachthun. Tiberius tadelt solches. Der Feldherr entschleust sich sie daselbst noch einmahl anzugreiffen; thut solches auch durch den Ritter Ingelheim dem Ingviomer zu wissen. Germanicus stellet sich den Deutschen entgegen. Sacrovir macht ein groß Geschrey. Der Ritter Löwenburg schlägt die Gallier. Kwerenfurt tödtet den Sacrovir. Julius Florus bricht ein Bein; muß weichen; ingleichen auch Flavius. Falckenstein hält sich tapffer. Waldeck erlegt den Derulach. Unterschiedliche Grafen und Ritter halten sich tapffer. Der Graff von Ascanien sticht mit der Lantze dem Flavius ein Auge aus. Worüber dessen untergebenes Heer in Unordnung und Flucht geräth. Pedo und Silius müssen ihnen zu Hülffe rücken. Beyde Feldherren ziehen sich mit guter Art von sa en. Flavius ist in Todes-Gefahr. Arpus belägert den Visellius Varro auf dem Taunischen Gebürge; und Catumer den Aviola. Der Soldaten abergläubische Erzehlungen. Seltzame Vorbedeutungen; welche Germanicus den Seinigen ausredet. Des Varus Geist erscheinet ihm /und heißt ihn weichen; welches er auch thut / und dem Cäcina eben diß befiehlet. Dieser aber wird vom Ingviomer und etlichen Rittern tapffer angegriffen / daß er die Flucht nehmen muß. Herrmann und Ingviomer wundern sich über des Germanicus und Cäcina Flucht. Unterschiedliche deutsche Ritter setzen ihnen nach / und jagen sie weiter. Nach diesem auch der auf Chauzische Landes-Art verkleidete Graf Lingen mit funffzig außerlesenen Reutern; welcher durch Hülffe etlicher bestochenen Fischer die Römischen Schiffe anzündet. Der Ritter Gespräche mit den Fischern über der Fürsten Zustande / und [941] daß sie offt Unwahrheit und List dem Staat zum besten gebrauchen müssen. Ganasch ertapt sie / und erfähret / daß sie die Römische Schiffe in Brand gesteckt. Germanicus leidet bey Epp und Flutt Schiffbruch. Segimer und Sesitach fallen auf der Römer Seite. Cäcina leidet vom Herrmann und Ingviomer in den Tämmen und Sümpffen mit den Römern Noth. Apronius wird verwundet. Die Deutschen zernichten der Römer aufgeworffene Schantzen / und Tämme mit Auffschwellung der Gewässer. Cäcina leget selber Hand zur Besserung an. Die Deutschen machen sich des Nachts darauf lustig; die Römer aber sind traurig. Dem Cäcina erscheinet im Traume Q. Varus. Herrmann und Ingviomer gehen auffs neue auff die Römer loß. Grausame Schlacht beyder Theile. Herrmann rennt den Cäcina vom Pferde. Der Deutschen Begierde zur Beute macht den Römern Lufft zu entweichen. Ein entrissenes Pferd verursacht im neugemachten Römischen Lager ein Lermen und Schrecken. Cäcina verweiset den Römern die Furcht und Unbesonnenheit / und ermahnet sie zu beständiger Tapfferkeit. Das deutsche Heer verlangt das Römische Lager zu stürmen. Herrmann aber wiederräthet solches. Ingviomer ist der Gedancken / der Römer Furcht sich zum Vortheil zu bedienen / und ihr Lager zu stürmen. Welchem Malovend beyfällt. Worauff der Sturm mit grosser Hefftigkeit fortgesetzt wird / unter Anführung des Ingviomers / Grafens von Horn / Bentheim / und Tecklenburg. Der Römer tapffere Gegenwehr / und Gespötte mit den Deutschen. Ingviomer wird verwundet. Des Cäcina Kriegs-List; kommt mit den Seinigen davon. Bauet an der Lippe und Elße die Festung Aliso / und kommt nach dem Ubischen Altar; allwo Agrippine die Legionen mit grossem Lobe empfängt / ihnen Kleider / Waffen /Artzneyen / und Geld austheilet; welches den Tiberius hefftig verdreust; und in grossen Argwohn geräth; Sejanus auch solchen vermehret. Weßwegen Tiberius den Soldaten Geld austheilet. Der Scharbock reisset unter ihnen wegen der gesaltzenen Lufft und schlechten Kost hefftig ein. Eines Friesischen Artztes Mittel dafür. Des Tiberius Künste die Soldaten zu gewinnen; verstattet dem Cäcina / Apronius / und Silius ein Sieges-Gepränge. Der Deutschen Vergnügung wegen der über den Rhein gejagten Römer. Der Feldherr beschenckt sie mit Waffen und Pferden. Ingviomer erinnert den Melo / Malorich / und Bojocal / als Feinde des Vaterlandes übern Hauffen zu werffen; Herrmann aber meint / man solle sich lieber mit ihnen vertragen. Worauff Gesandten an sie geschickt werden. Jubil erzehlt seine und der andern Deutschen Verrichtungen /und was Adgandester gegen der Hermundurer Gräntze für Spiegelfechten gemacht. Auch was Arpus verrichtet; Und wie der Römer Läger / und des Drusus Festung erobert worden; Wie Catumer die Gallier geschlagen / und durch was List er das von den Römern den Deutschen zur Schmach aufgerichtete Gedächtnüs-Maal erobert; Und nebenst der Uberschrifft / ungeachtet des Römischen Priesters beweglicher Zurede und Verdammung derer / welche Gräber und Ehren-Maale verstören / auf Einrathen des Ritters Kronberg und anderer Catten zernichtet / auch solche Festung besetzt habe. Ferner erzehlet er / wie Germanicus nach verrichtetem Opffer auf dem Ebersteine ins Wasser gefallen sey / und alle Weinstöcke auszurotten befohlen habe.

Sechstes Buch
[942] Sechstes Buch.

Alle Welt sperrte die Augen auf / als sie Augustus geschlossen hatte. Denn wie niemand so unachtsam ist /der sich nicht beym Aufgange oder Verschwindung eines grossen Sternes am Himmel um die Deut- und Würckung bekümmere; also war kein Fürst oder Volck auf Erden / welches ihm nicht über dem Tode des Kaysers Augustus Gedancken machte / der als ein vorhin nie seines gleichen habendes Gestirne gantzer vierzig Jahr die Welt mit seinem Glantze erfüllet hatte. Kein so grosser Stern war noch nie irgendswo aufgegangen; keiner hatte einem Volcke so lange geschienen / und also war kein solcher noch gefallen. Daher wahrsagten alle Frembden dem Römischen Reiche eine Verfinsterung; die an Ketten liegenden Völcker meinten nun Lufft zu bekommen / ihren Hals aus dem Joch zu ziehen; Rom erinnerte sich zwar /aber nur wie im Traume seiner verlohrnen Freyheit. Ein Volck sahe das andere / und zu Rom ein Bürger den andern an. Jeder bildete ihm ein / der andere würde sich der gemeinen Noth annehmen / niemand aber hatte das Hertze etwas selbst zu thun; Und darmit verschwand allen die Gelegenheit / sich in bessern Stand zu setzen / unter den Händen. Zu Rom hatte das Römische Volck bey so langer Herrschafft des Augustus ohne Furcht gelebt: daß er iemahls sterben würde; Nunmehr aber erschreckte sie sein Fall so sehr: daß sie ihnen weder zu rathen / noch zu helffen wusten. Denn es lebte niemand / welcher das freye und tugendhaffte Rom mit Augen gesehen hatte; in welchem ein Bürger so viel sagen dorffte als der ander / und ieder fähig war einem Könige zu gebieten. Die ältesten waren bey den jämmerlichen Bürger-Kriegen / alle andere unter der Herrschafft eines Menschen gebohren. Also wurden die wenigen für Thoren gehalten / welche meinten: es wäre nu Zeit sich der alten Freyheit wieder zu bemächtigen; welcher die knechtischen Römer selbst nicht mehr fähig waren. Die Reichen /und welche bey der neuen Herrschafft ans Bret kommen waren / fürchteten sich für nichts mehr / als Zwytracht und Kriege / welchen nur die / so nichts zu verlieren hatten / wünschten. Hierüber machte ihm nun iederman zwar leicht die Rechnung; daß das Reich nicht anders / als durch ein Haupt könte beherrschet werden; Aber ob man zwar zu Rom Augustens Tod / und daß Tiberius sich des Hefftes anmaßte / zugleich vernahm / mangelte es doch nicht an Leuten /welche Wahrsager abgeben wolten; ob Agrippa / Tiberius / oder Germanicus das Reich behaupten würde. Unter diesen waren die wenigsten / welche es dem noch zu jungen und unerfahrnen / aber wilden und erzürnten Agrippa zutrauten; vielmehr aber / welche es mit ihren Wünschen dem Germanicus zuschantzten. Denn dieser wäre aus dem rechten Geblüte des Kaysers; Tiberius aber allein durch Liviens Räncke dem Kayserlichen Hause eingepfropffet. Germanicus hätte in seiner Hand acht Legionen / unzählbare Hülffs-Völcker / und wegen seiner Tugenden eine unmäßige Liebe des Volckes; welches hingegen den Tiberius /ob er schon bey reiffem Alter war / und im Kriege viel gethan hatte / wegen der den Claudiern angebohrnen Hoffart / und seiner [943] versteckten Grausamkeit / und Unzucht / welche er auch in seinem betrübten Zustande auf Rhodis nicht hätte lassen können / eusserst haßte / und daß es nebst ihm seiner ihr selbst nicht mächtigen Mutter Livia Knecht würde seyn müssen /sich bescheidete. Dem Tiberius selbst lag nach ermordetem Agrippa kein schwerer Stein / als die Furcht für dem Germanicus auf dem Hertzen / daß dieser das Reich lieber bald würde haben / als von ihm als Vater erwarten wollen. Sintemahl auch die Bande wahrer /wie vielmehr einer ertichteten Bluts-Freundschafft viel zu schwach wären die Herrschensbegierde zu hemmen. Diesem nach schrieb er von Nola an den Rath nach Rom ziemlich demüthig: Sie würden nicht übel aufnehmen / daß er aus übermässiger Liebe gegen den Verstorbenen bey des Augustus Leiche bliebe / und dißfalls sich eines offentlichen Amptes anmaßte; im übrigen so zweiffelhafft / als wenn er zu herrschen mit ihm selbst noch nicht eines wäre. Gleichwol aber gab er der bey sich habenden Leibwache das Wort / ließ sich bewachen / theilte Waffen aus / ließ ihm die mit Lorbern umwundenen Beile fürtragen / wie vorhin der Kayser; insonderheit aber schrieb er an alle Heere / und Länder / und bestätigte die / welche über selbte gesätzt waren. Als diß zu Rom kund worden / der dahin in Eyl anko ende Oberste der Leibwache Sejus Strabo auch versicherte: daß selbte den Tiberius für den Fürsten der Römer verehrte / stürtzte sich alles über Halß und Kopff in seine Dienstbarkeit / am allermeisten aber die hohen Standes waren. Die Rathsherren wolten es dem Adel /der Adel dem Rathe zuvor thun; und weil niemand wolte darfür angesehen seyn: daß er sich entweder über Augustens Tod nicht genugsam betrübte / oder über des Tiberius Nachfolge erfreute / befließ sich iederman Thränen und Freude / Wehklagen und Heucheley mit einander zu vermischen. Die ersten an Würde / nehmlich die Bürgermeister Sextus Pompejus / und Sextus Apulejus / waren auch die ersten /welche von freyen Stücken / wie die Fechter oder Kriegs-Leute allen Worten des Tiberius sich zu unterwerffen schwuren. Dieser Beyspiele folgten alsbald Sejus Strabo / und der Getreyde Meister Cajus Turranius / das zu Rom verhandene Kriegs- und das gantze Volck. Unterdessen samlete sich zu Nola halb Italien und Griechenland / des grossen Kaysers Leiche theils aus Vorwitze zu sehen / theils aus Liebe zu begleiten. Von Nola ward er auf dem güldenen mit purpernen Tüchern umhengten Bette / des Nachts wegen der Hitze bey viel tausend Wind-Lichtern nach Acerra /von Acerra nach Capua / und so fort von einer Stadt zur andern / biß nach Bavilla auf den Achseln derselben Raths-Herren getragen. Alle Nacht aber in einem Heiligthume beygesätzt; gleich als wenn seine als eines Gottes Leiche keines verunreinigen könte. Zu erste ritt ein Theil Reuterey / dieser folgte eine grosse Menge Pfeiffer / Sänger und Trompeter / welche wechselsweise seinen Todt bejammerten. Hierauff folgte die Leiche / um welche tausend Edelleute so viel Wachs-Fackeln trugen. Hinter der Leiche gieng Tiberius / Livia aber ließ sich auff einem Stule tragen. Nach diesem kam die gantze Kayserliche Leib-Wache; Rings herum aber zohe eine unzählbare Menge Volckes / also daß man glaubte: es sey der des Sylla Leiche eben diesen Weg nach Rom mit grosser Pracht begleitender Aufzug / gegen diesem kalt Wasser gewesen. Eine Meile für Rom ward die Leiche vom Römischen Adel empfangen / und getragen. Drusus gieng alldar neben seinem Vater Tiberius in schwartzer Kleidung. Jeder hatte ein goldenes Rauch-Faß in der Hand / und räucherten mit Weyrauch des Kaysers Leiche / welche durch die Stadt in sein Hauß getragen ward. Denn weil die Leichen nicht den Göttern unter die Augen gebracht werden dörffen / und daher auch die der Vergötterung bestimmten Kayser /wenn sie einem [944] Begräbnüße beywohnen / zwischen ihnen und der Leiche einen Vorhang tragen lassen /wolte sich niemand unterstehen zu rathen / daß Augustens Leiche auf das mit so viel Götter-Bildern angefüllte Capitolium getragen wurde. Tiberius blieb die gantze Nacht bey der Leiche / auf den Morgen aber beruffte er den Rath auffs Rath-Hauß; welche Beruffung er aber nur als Römischer Zunfftmeister ausgefertigt hatte. Die Bürgermeister schickten auch bald früh zwey Raths-Herren den Tiberius in Bewachung der Leiche abzulösen / welche hernach von Tag zu Tage / biß zum Begräbnüße abgewechselt wurden. Es muste auch stets ein Priester zur Stelle seyn / der neben der Leiche auf einem Altare das wolrüchende Feuer unterhielt / welche mit unzählbaren Bildern /der Julier / Octavier / Pompejer / und anderer vornehmen Geschlechter in einem prächtigen Saale umgeben stand / und Tag und Nacht von dem zulauffenden Römischen Volcke angebetet ward. In versammletem Rathe saß ieder an seiner Stelle / nur die Bürgermeister nicht. Denn Sextus Pompejus setzte sich / wo die Stadt-Vögte / und Apulejus / wo die Zunfftmeister zu sitzen pflegten / wie bey einem grossen Trauren des gantzen Römischen Volckes bräuchlich war. Tiberius / welcher die Leiche angerührt und begleitet / also sich verunreiniget hatte / enthielt sich des Rathes. Alleine der Rath ließ ihn demüthig einladen / und ihm melden: daß an ihres Gottes des Augustus Leiche sich niemand verunreinigen könte; also er nicht von nöthen hätte / daß er vom Priester mit einem Oelzweige besprenget würde. Tiberius erschien hierauf mit einer traurigen Bescheidenheit im Rathe / und bat zu erlauben; daß des Kaysers bey den Vestalischen Jungfrauen eingelegter letzter Wille von diesen in Rath zu bringen erlaubet / und es eröffnet werden möchte. Diß geschahe / und ob zwar ein Rathsherr solches selbst abzulesen bereit war / wolte er es doch / als seiner Würde unanständig / nicht geschehen lassen. Daher laß es Polybius / einer aus des Kaysers Freygelassenen ab. In diesem war Tiberius für zwey / die darinnen zugleich ins Geschlechte der Julier aufgenommene Livia in ein Drittel zum Erben eingesätzt; worbey er den Rath aber um Verzeihung bat; daß er wider das Voconische Gesetze seiner Ehfrauen mehr / als das erlaubte vierdte Theil zugeeignet hätte. Nach ihnen waren Augustens Enckel zu seinen andern / und endlich etliche wiewohl ihm verhaste Grossen in Rom /zum dritten Erben eingesetzt. Also ist die Ehrsucht so wohl / als der Geitz / eine nie veralternde und sich mit den Sterbenden ins Grab legende Regung. Güter und Geld waren ziemlich vielen der Seinigen / auch gantz fremden / und zwar nicht nur Rathsherren und Rittern / sondern auch Königen / und darunter dem Marbod und Ariovisten etliche köstliche Trinck-Geschirre von Berg-Kristallen / Edelsteinen / und Murrhinischem Gefässe; dem Römischen Volcke die Gärte an der Tyber / und viermahl hundert und fünff und dreyßig tausend Sestertier / iedem von der Leib-Wache tausend / und iedem unter denen bürgerlichen Legionen dreyhundert silberne Pfennige vermacht. Hierauf ließ Tiberius vier Bücher des Käysers in Rath bringen. Im ersten war die Bestellung seines Begräbnüsses / im andern die Erzehlung seiner Thaten / welche er in Ertzt zu etzen / und die Säulen für sein Heiligthum zu stellen befahl; das dritte war ein Verzeichnüs aller Kriegs-Leute / Einkünffte / Ausgaben / und des Schatzes; das vierdte hielt in sich allerhand Staats-Lehren; darunter sonderlich diese war: daß man / wie er in letzten Jahren gethan / die Gräntzen des Römischen Reiches nicht weiter auszuspannen trachten /selbtes also wegen seiner ungeheuren Last nicht von sich selbst zerfallen möchte. Alle im Rath verfielen hierüber in Lobsprüche des Käysers; daß selbter nicht allein im Leben ein Vater des Vaterlandes gewest wäre; sondern [945] auch / nach dem er schon der Sterbligkeit entbunden / durch seine Sorge für ihr Heil sich einen rechten Gott der Römer erweisete. Nach diesem ward berathschlaget / wie das Begräbnüs des Käysers bestellet werden solte; da denn einer sagte: es solte am Begräbnüs-Tage niemand einen güldenen Ring /sondern auch die Rathsherren eiserne tragen. Ein ander: es solte der Monat August mit dem Herbst-Monate verwechselt und beyde versätzt werden / weil der Käyser in diesem gebohren / in jenem gestorben wäre. Ein ander / man solte die Zeit von Augustens Geburt biß zu seinem Tode / das Alter des Käysers August nennen / und also in die Jahr-Bücher eintragen. Ja fast niemand war / der nicht / um dem Todten und dem Tiberius zu heucheln / was ungemeines aussaan / und vorschlug; und alle stellten Liviens und des Tiberius Willkühr alles heim. Denn es könte nichts so prächtiges erdacht werden / der gütigste Käyser hätte ein mehrers verdienet / nach dem der grausame Sylla auf einem von den Rathsherren getragenen güldenen Bette / auf den von eitel wolrüchendem Holtze bereiteten / mit Zimmet / Amomum und Weyrauch angefüllten Holtz-Stoß gebracht / von den Römischen Frauen alleine zweyhundert und zehn Tragen-voll Indianische Würtzen darein geschüttet / auch sein und seines Aufwärters in Lebens-Größe aus gestossenem Zimmet und besten Weyrauch mit Balsam von Jericho zusammen gebackenes Bild darauf gestellet / und mit verbrennet / ihm zweytausend güldener Kronen fürgetragen worden / sein Begräbnüs auch von allen Priestern / den Vestalischen Jungfrauen / vom gantzen Rathe / allen Obrigkeiten / vom Adel / in güldenen und silbernen Waffen / von allem Kriegs-Volcke wäre begleitet / und ihm hunderterley Lobsprüche zugeruffen worden wären. Absonderlich fieng Messala Valerius an: der grosse Alexander hätte seinen Feld-Hauptmann Hephästion durch sein gantzes Reich betrauren / und / um im Kriegs-Heere sein Gedächtnüs zu erhalten / die ihm untergebengeweste Reiterey Hephästions Flügel nennen / seine Kriegs-Fahnen nicht verändern lassen / noch selbten einen andern Führer gegeben. Er hätte vorhin nie gesehene Spiele ihm zu Ehren angestellet / und hierzu aus aller Welt dreytausend Künstler verschrieben; die andern Feld-Obersten hätten auch sich und ihre Waffen dem Verstorbenen einweihen / und ihn als einen Gott verehren müssen; also daß Agathocles Samius / weil er bey seinem Grabe geweinet / von Alexandern wäre getödtet worden; wenn nicht Perdiccas ihm zu Liebe bey allen Göttern und dem Hephästion selbst geschworen hätte / Hephästions Geist wäre ihm auf der Jagt erschienen / und gesagt: Agathocles hätte ihn keines weges als einen verstorbenen Menschen beweinet / sondern das Andencken ihrer verträulichen Gemeinschafft hätte ihm alleine diese Liebes-Thränen ausgelocket. Mit einem Worte: Alexander hätte auf sein Begräbnüs zwölff tausend Talent verwendet. Was aber wäre Hephästion / ja Alexander selbst gegen dem Käyser? dahero könten ohne höchsten Undanck die Römer zu des vergötterten Augustus Ehren weder Kosten noch Erfindungen sparen. Der Mittelpunct der Erde solte mit allen dahin versammleten Edelgesteinen das Behältnüs seiner Todten-Asche seyn. Die Begräbnüs-Fackeln solten von eitel Blitz brennen / oder vielmehr die Sternen selbst mit ihrem Glantze davon alle Düsternheit vertreiben. Die Flüsse solten ihren Thränen-armen Augen ihre Wasser leihen / eines so unschätzbaren Fürsten Verlust sattsam zu beweinen / und alle Welt ihre Kräffte zu seinen Gedächtnüs-maalen beytragen. Ihrer viel musten über dieser knechtischen Heucheley sich in die Zunge beissen; und der hierüber selbst beschämte Tiberius hielt für rathsam ein und anders zu mäßigen. Für sich alleine schlug er als rathsamer für: daß die Leiche auf dem Marckte / [946] als auf dem Felde des Kriegs-Gottes / verbrennet / auch vorgesorgt werden möchte / damit das Volck aus übermäßiger Liebe nicht eben so / als für Zeiten des Keyser Julius gestöret werde. Jedoch stellte er auch diß dem Rathe heim / wie es denn auch nachgehends bey dem Felde des Kriegs-Gottes verblieb. Uber diß unterwarf er alles der Willkühr der Bürgermeister; gleich als wenn die alte Freyheit des Rathes unverloschen / und er zu herrschen nicht gemeint wäre. Denn er wolte den Nahmen haben: daß er mehr vom Rathe und Volcke beruffen / zur Herrschafft kommen / als durch Liviens Ehrgeitz und eines Verleiteten alten Wahl eingeschlichen wäre. Ob nun zwar Tiberius außer dem Begräbnüße nichts zu berathschlagẽ fürtrug; verfiel doch Valerius wieder in seine Heucheley / und rieth einen Rathschluß zu machen: daß der Rath alle Jahr dem Tiberius / als der Römer Fürsten /schweren müste. Tiberius fragte ihn nicht ohne Entrüstung: Ob er zu einem solchen Vortrage ihm einigen Anlaß gegeben hätte? Nein / antwortete Valerius. Denn in denen zum gemeinen Wesen dienenden Sachen pflegte er sich keines fremden Einschlags zu bedienen / sondern / ohne Furcht jemanden zu beleidigen / die Nothdurfft gerade heraus zu sagen. So weit war es nunmehr mit der Heucheley zu Rom kommen.

Drey Tage nach einander für dem Begräbnüsse /ritten unterschiedene Herolden durch alle Gassen der Stadt / welche ankündigten: der Fürst / oberste Priester / und Vater des Vaterlandes wäre gestorben; diesem würde das Römische Volck das Begräbnüs auf gemeine Unkosten ausrichten. Daher solten auf solche Zeit alle Rechts- und andere Händel ruhen / alle Kräme und Werckstädte geschlossen / und also jeder Bürger zugegen seyn. Auf den Begräbnüs-Tag aber /wurden bald nach Mitternacht alle Strassen und Plätze / durch welche die Leiche getragen werden solte /starck mit Kriegs-Volck besätzt. Ihrer nicht wenig lachten ins geheim / welche sich des Tages der noch rohen Dienstbarkeit / und der unglücklich wiedergeholeten Freyheit erinnerten; an welchem nemlich die Ermordung des Käysers Julius einem der schli sten /andern der schönsten that in der Welt neue Zeitung war. Und es war in Warheit auch Lachens werth: daß ein Fürst / für welchem sich viertzig Jahr tausend Völcker gebückt hatten; für welchem niemand am Ende der Welt sicher gewest war; welcher dem gemeinen Wesen und vielen absonderlich so grosse Schätze vermacht hatte / sein Begräbnüs für Beunruhigung zu beschirmen / so vieler Kriegs-Leute bedorffte. Alle Dächer und Fenster waren von allerhand Völckern der Welt angefüllet / und eine schlechte Stelle um ein ziemliches Geld vermietet. Waren nun die Zuschauer unzehlbar; so war ihr Urthel auch gewiß vielerley. Etliche wusten allerhand Wahrsagungen zu erzehlen: daß das Verhängnüs ihm das sechs und siebentzigste Jahr seines Alters zu seinem Lebens-Ziele gesteckt hätte / sonderlich weil er den Tempel des Qvirin mit sechs und siebentzig Säulen ausgezieret hätte. Andere wunderten sich / daß August in seinem eigenen Monate / und zwar an desselben vierzehnden Tage / welcher auch der Anfang seiner Herrschafft gewest wäre /hätte sterben müssen. Gleich als wenn nicht einerley Tage dem Glücke und Unglücke unterwürffig wären /und diß / was in allen andern Tagen kein Wunder wäre / nicht eben auch heute / oder an unserm Ge burts-Tage geschehen könte. Andere suchten Geheimnüsse aus der Zahl seiner erlangten Würden; da er nemlich so offt alleine / als Valerius Corvinus und Cajus Marius zusammen / nemlich dreyzehnmahl Bürgermeister / ein und zwantzigmahl oberster Feldherr / und sieben und dreißig Jahr Zunfft-Meister gewest wäre. Die Bescheidensten ließen sich in Augustens Lob heraus; priesen seine Liebe gegen den Vater Julius / dessen Tod zu rächen er sich kein Staats-Gesätze hätte zurück halten [947] lassen. Zu den bürgerlichen Kriegen / welche zwar ohne Unrecht und Unheil weder angehoben noch ausgeführt werden könten / wäre er mit den Haaren gezogen worden; weil der verderbte Zustand des gemeinen Wesens keinem Gesätze und Gerichte über die Mörder Raum gelassen hätte. Er habe wegen des gemeinen besten dem Antonius bey Ausübung der Rache wider die Käyser-Mörder / wie auch dem Lepidus viel Fehler und Beleidigungen übersehen. Nach dem dieser durch Trägheit / jener durch Wollüste verfallen / wäre kein ander Mittel das zwistige Vaterland zu beruhigen übrig gewest; als daß seine Glieder unter einem Haupte vereinbart würden. Gleichwol hätte er nicht die Königliche oder eine andere verhaßte Gewalt an sich gerissen / sondern unter dem holden Nahmen eines Fürsten das gemeine Wesen erhalten; Mit dem Meere und grossen Strömen die Reichs-Gräntzen befestigt / und durch eine kluge Vertheilung der Legionen und Schiff-Flotten so viel Länder mit einander verbunden; das Recht unter den Bürgern / die Bescheidenheit unter den Bundsgenossen erhalten; die Stadt mit Gebäuen prächtig ausgeschmückt; alles mit Glimpff / wenig mit Gewalt ausgerichtet / um alles in Ruh zu erhalten.

Die Scharfsichtigern hingegen sagten: August wäre nur in der Julier Geschlechte eingeschoben / für sich schlechter Ankunfft / seines Groß-Vatern Vater eines Freygelassenen Sohn / sein Groß-Vater ein Wechsler /seiner Mutter Groß-Vater aus Africa gewest / welcher sich zu Aricia von einem Salben-Krahme und Brod-Banck ernähret hätte. Er selbst hätte die Liebe gegen seinen Vater Julius / des gemeinen Wesens verwirrten Zustand / und die Nothwendigkeit der Rache nur zu einem Vorwand gebraucht. Denn warum hätte er sich anfangs zum Rathe geschlagen / wider den des Julius Mord rächenden Antonius die Waffen ergriffen; ja den von dem Antonius zu Mutina belägerten Decius Brutus einen der Mörder erlöset? Seine Begierde zu herrschen hätte ihn verleitet das zu Capua liegende alte Kriegs-Volck / durch Bezahlung zweytausend Sestertier für jeden Kopff / auf seine Seite / und als ein Jüngling ein eigen Heer auf die Beine zu bringen. Dem Bürgermeister Antonius hätte er die vierdte und Martialische Legion abspenstig gemacht / sich gestellet / als wenn er auf des Pompejus und des Rathes Seite stünde; also zuwege gebracht: daß der Rath ihm die Stelle des Stadt-Vogts / und eines Rathsherrn Stimme enträumet hätte. Den Pansa hätte er durch Gifft / den Hirtius durch seine bestochene Kriegs-Leute aufreiben lassen / um sich ihres Volckes zu bemächtigen. Dem Rathe hätte er die Bürgermeister-Würde abgetrotzt / und die gegen den Antonius empfangene Waffen wider das gemeine Wesen gebraucht. Viel unschuldige Bürger hätte er Vogelfrey gemacht /ihre Aecker vertheilet / welches auch die nicht loben können / welche solche gleich selbst geschenckt bekommen.

Ob man wol seinen eigenen Haß dem gemeinen besten aufopfern solte / hätte er doch den demselben so nützlichen Caßius und Brutus nur aus eigener Rachgier / den zur See mächtigen Pompejus unter falschem Scheine des Friedens / und durch seine Heyrath neugemachter Verwandnüs / den Lepidus unter dem Betruge falscher Freundschafft / den Antonius durch den Tarentin / und den Brundusischen Bund / wie auch durch Vermählung seiner Schwester Octavia gestürtzt / oder hinters Licht geführt. Als er allen alles abgedrungen / und alle ihm verdächtige Köpffe abgehauen / hätte er zwar endlich Frieden / aber mit viel Blutstürtzung gemacht. Seine gerühmte Glückseeligkeit aber wäre mit des Lollius und des Qvintilius Varus Niederlage dem Römischen Volcke empfindlich versaltzen worden. Andere wusten nicht weniger sein häußliches Leben / als vorige seine Herrschafft durchzuhecheln: Er hätte dem Nero wider alle Rechte[948] sein Ehweib geno en / und die Priesterschafft noch spottweise gefragt: ob es auch recht wäre / daß / ehe sie ihre im Leibe habende Frucht gebohren hätte / er sie ihm beylegte? da die Rechte auch nach ihrer Männer Tode die für Ausgang des zehnden Jahrs heyrathenden Wittiben für unehrlich erklären. Was für andere Unzucht hätte er dem Lucius Antonius und Hirtius verhangen / mit wie viel Ehbrüchen hätte er die Tertia / Terentia / Rufa / und Tertulla beflecket? Ja Ovidius Naso hätte in Pontus müssen das Elend bauen / weil er darzu kommen wäre / als er mit seiner eignen Tochter Julia sich besudelt hätte. Livien hätte er verhangen: daß selbte nicht nur dem gemeinen Wesen / sondern seinem eigenen Hause durch Ausrottung seiner Kinder eine schwere Stief-Mutter gewesen. Ja den Göttern hätte er nichts zuvor gegeben; sondern in vielen Ländern ihm Tempel / Altäre / Bilder mit Strahlen / Spißen und Blitze aufrichten / sich anbeten / und ihm durch Priester opffern lassen. Ja den hoffärtigen und grausamen Tiberius schiene er mit allem Fleisse ihnen aufgedrungen zu haben / nur daß man nach ihm auch nach dem Tode sich sehnen /und ihn bis in Himmel erheben solte.

Das Begräbnüs begonte in dem Hause / darinnen August gebohren war / auf dem Palatinischen Berge /bey den so genennten Ochsen-Köpffen / an dem Ochsen-Marckte / weil Romulus daselbst angefangen hatte mit den Ochsen zu der Stadt-Mauer die Furche zu ziehen. Daher auch auf selbigem Marckte ein grosser aus Ertzt gegossener Ochse zu sehen ist. Dieser war mit Zypressen umflochten. Darneben war eine Spitz-Säule aufgerichtet. Auf diesem stand zu oberst ein Adler mit einem güldenen Ringe im Schnabel. Unten stand daran:


Rom und Augustus hat den Anfang hier genommen;

Was Romulus hob an / hat Cäsar ausgeführt.

Der hier gelegte Grund ist nun zur Spitze kommen.

Nun urtheilt: wem der Danck und erste Preiß gebührt.


Für dem darbey gelegenen Hause / welches hernach zu seinem Heiligthume bereitet und eingeweihet ward / stand ein Cypressen-Baum mit abgehauenen Wipffeln / um diese war zu lesen:


Der Wipffel ist gefalln! Augustus wird begraben!

Ihr Götter! lasset nicht mit ihm den Stamm vergehn!

Wird Rom doch ohne diß nicht seines gleichen haben /

Biß ein frisch Wipffel wird auf halben Fichten stehn.


An der oberstẽ Thürpfoste hing ein Püschel von des Kaysers abgeschnittenen Haaren. Die Thüre aber über und über war mit Lobgetichten des Kaysers benagelt /und es war kein Marckt und keine Strasse in der Stadt / da dergleichen nicht von denen berühmtesten Römischen und Griechischen Tichtern dem Volcke abgelesen wurden. Dem Hause des Kaysers gegen über / in und für dem sich alles versammlete / stand ein grosser Bogen mit drey weiten Durchgängen aufgerichtet. Uber dem mitlern war das Bild der Natur erhoben /welches in vier unterschiedene Kasten / aus der einen Brust Milch / aus der andern Oel / aus dem Munde weissen / und aus dem Geburts-Gliede rothen Wein spritzte. Uber der Natur stand die Sonne / welche den über dem rechten Eingange stehenden Steinbock /dessen Hörner mit viel Blumen und Früchten umflochten war / und die über dem lincken Durchgange stehende Astrea oder die gestirnte Jungfrau / als die zwey Geburts-Zeichen des Kaysers / bestrahlete. Darunter war mit einer zur Auslegung schicklichen Eintheilung geschrieben:


Mit dem Augustus kam Saturnus güldne Zeit /

Des Uberflusses Horn / Gerechtigkeit zurücke;

Durch ihn floß Milch und Oel / des Weinstocks Süßigkeit /

Ja er vermählte Rom auf ewig mit dem Glücke.


Von dar solte die Leiche auf den Marckt des Kaysers Julius geführt werden. Auf dessen Mitte war der vom Julius der Mutter Venus erbaute Tempel mit vielem Lorber-Laube ausgeschmücket. Für diesem stand ein überaus breiter [949] und herrlicher Bogen mit einem Durchgange / aber vielen Säulen unterstützet. In der Mitte umarmten Anchises uñ Venus einander. Nach diesem standen in etlichen Reyen / Eneas / Ascanius /Julius und alle Nachkommen derselben / biß auf den Kayser Julius / welcher einem Bilde des Kaysers August die Hand reichte. Darunter stand diese Uberschrifft:


Daß Rom aus Troja wuchs / ist Trojens höchste Pracht.

Nichts edlers kont' auch wohl aus edler Asch' entstehen.

Das Blut der Julier halff Cäsarn zwar erhöhen;

Glaubt aber; daß August sie erst recht edel macht.


Gegen über sahe man eine sehr hohe Spitz-Säule /und auf derselben Gipffel das Bild der güldenen Glücks-Göttin. Die gantze Säule war auf allen Seiten mit nachdencklichen Gemählden gezieret. Anfangs war die Stadt Veliträ zu sehen / in welche der Blitz schlug / wegen wessen für Alters dieser Stadt / aus welcher die Octavier den Uhrsprung hatten / gewahrsagt worden war; daß einer ihrer Bürger gantz Italiens Haupt werden würde. Darüber war ein Sibyllinisches Buch gemahlet / und darinnen von der Zeit seiner Geburt zu lesen: daß die Natur mit einem Könige des Römischen Volckes schwanger gienge. Welches auch damahls den Rath veranlaßt hatte / einen Schluß zu machen; daß niemand seinen in selbigem Jahre gebohrnen Sohn erziehen solte. Welcher aber nicht zu Kräfften kommen; weil die Rathsherren / derer Frauen damahls schwanger waren / solchen in die Schatz-Kammer zu bringen verhindert. Auf der andern Seite war die schaffende Mutter des Kaysers / Atia / gemahlet; und in der Höhe bey der Sonne ein Adler / welche ihre Därmer biß an Himmel empor zoh. Und an einer andern Seite war sie gebildet / wie aus ihrem Leibe ein Sonnenstrahl hervor gieng / welches dem Octavius geträumet haben soll. Darüber stand der für seinen Sohn opffernde Octavius in Thracien / da die Flamme von dem in das dem Bacchus brennende Feuer gegossenen Weine über die Höhe des Tempels in Himmel empor stieg / und der Priester betheuerte: daß diß Wunder für ihm niemanden als dem grossen Alexander begegnet wäre. Nahe darbey war August als ein Kind gemahlet / wie er die Frösche durch seinen Befehl stumm machte / daß sie nicht mehr auf seinem Vorwerge schreyen konten. Darüber war zu sehen /wie August in der Schooß des Capitolinischen Jupiters saß / und dem Catulus andeutete: daß er diesen zu Beschirmung der Römer erkieset hätte. Welches dem Catulus nach Einweihung des Capitolium geträumet. Auf der letzten Seite war gebildet / wie dem August /als er bey seinem ersten Bürgermeister-Ampte sein Gelücke aus dem Fluge der Vögel prüfete / eben wie dem Romulus zwölff Geyer sich zeigten; und darbey /wie in allen seinen Opfferthieren / zweyfache Lebern gefunden worden / und noch viel andere glückliche Zeichen / welche dem Kayser die Römische Herrschafft wahrgesagt hatten. Unten war geschrieben:


Die Tugend säugte Rom / das Glücke zoh es groß /

Diß war auch's Kaysers Stern / er saß in seiner Schoß

Der weissen Henne Kind. Der muß ja Kayser werden /

Dem das Verhängnüs dient / den's Glück' hebt von der Erden.


Von Cäsars Marckte ward der Aufzug bestellt / gegen dem Tempel des Apollo. Für diesem war ein hoher zweygespitzter Parnaßus / mit dem geflügelten Pegasus / aufgerichtet / und floß eine kleine Bach aus dem Hippocrenischen Brunnen. Darauf stand das Bild des Kaysers / in Gestalt des Apollo; Um ihn sassen die neun Musen / welche nach den süssesten Seitenspielen das Lob des Augustus sangen. Hierbey waren auch Virgilius und Horatius zu sehen; jener überreichte dem Apollo seine Eneis / dieser seine Lieder; wofür Apollo iedem einen Lorber-Krantz auffsätzte. Unten war an der einen Seite die Stadt Apollonia / wo August der Welt-Weißheit obgelegen / und sein Lehrmeister Apollodor [950] und Areus gebildet / und am Fuße mit güldener Schrifft verzeichnet:


Es ist viel / Kayser seyn / mehr des Apollo Sohn.

Der erste stimmt die Welt / der ander auch die Sternen;

Rom hat von dem August erst Römisch reden lernen.

Er hat nach Rom versetzt der Griechen Helicon.


An dem Tempel des Apollo stösset das Wohn-Hauß des Kaysers August / welches vorher des Hortensius gewest war / und August / weil er es nach seinem Brande vom gemeinen Gelde als oberster Priester köstlicher wieder erbauet / dem gemeinen Wesen zugeeignet / hingegen das vom obersten Priester Lepidus ihm zugekommen ordentliche Priester-Hauß den Vestalischen Jungfrauen eingeräumet hatte. An dem Hause des Kaysers war der Sieges-Bogen / welchen August seinem Vater Octavius zu Ehren aufgerichtet /und darauf das köstliche Werck des Lysias / nemlich auf einem mit vier Pferden bespannten Wagen den Apollo und Dianen erhoben hatte / mit eitel Lorberzweigen umflochten. Unter dem Bilde des Octavius war diese Ubeschrifft daran eingegraben:


Dein Sohn und dein Verdienst weiht dir den Bogen ein

Octav / allein sein Thun reicht dir zu grösserm Ruhme.

Sind's Himmels Bogen ihm bestimmt zum Heiligthume /

So bistu doch auch groß / weil dich dein Sohn macht klein.


Für der Pforte seines Hauses standen die zwey gewöhnlichen Lorber-Bäume mit dem grossen Bürger-krantze aus eichenem Laube / welche der Rath schon vor vielen Jahren ihm wegen überwundener Feinde und erhaltener Bürger hatte sätzen lassen. Dieses mahl aber waren die Blätter alle auf einer Seite vergoldet / und der Krantz konte wegen der daran schimmernden Edelgesteine kaum angesehen werden. Um die Lorber-Bäume war diese Schrifft gewunden:


Zwey Dinge liegen ob dem / der sol's Reich verwalten /

Die Feinde schlagen todt / die Bürgerschafft erhalten.

Jedwedes that August. Für diese Wolthat hat

Die Lorbern GOtt geschenckt / den Eich-Krantz gab die Stadt.


Dem Hause des Kaysers gegen über / mitten auf dem Marckte des August / stehet der von ihm nach Uberwindung des Brutus und Caßius erbaute und dem Rächer Mars gewiedmete Tempel. An diesem waren die grossen Bilder des Kriegs-Gottes / des Eneas und folgender Lateinischer Könige biß auf den Romulus mit Lorber-Kräntzen gezieret; und neben iedem Bilde brennten zwey grosse Wachs-Fackeln eines Schuches dicke. Für diesen Bildern standen drey Spitz-Säulen; auf der fünff-eckichten war oben Kaysers Augustus Bild / wie der gewaffnete Mars mit einer Fackel in der Hand ausgerüstet. Auf der ersten Seite waren des Kaysers Thaten in dem Mutinensischem Bürger-Kriege gemahlet; insonderheit August als ein Jüngling in der Schlacht zu sehen / wie er den Römischen Adler /welchen der verwundete Fähnrich nicht mehr halten konte / mit seinen Achseln unterstützte. Auf der andern Seite standen die Geschichte des Philippensischen Krieges / und die Uberwindung des Brutus und Caßius. Fürnehmlich war August zu sehen / wie er des Brutus Kopff / des Julius Säule untern Fuß legte. An der dritten Seite war der dritte Bürger-Krieg / und die Eroberung der Stadt Mutina abgebildet / bey welcher er dreyhundert Ergebene auf dem Altare des Julius abschlachtete. Auf der vierdten Seite waren die Begebnüße des Sicilischen Krieges / und insonderheit wie August den Sextus Pompejus zur See bey Milä und Nauloch überwand / und vom hoffärtigen Lepidus zwantzig Legionen abwendig machte. Die fünffte Seite hatte in sich die Schlacht bey Actium / des Antonius und Cleopatrens Flucht / und die Erbauung der Stadt Nicopolis. Unten war August abermahls in Gestalt des den vielköpffichten Drachen tödtenden Hercules / mit dieser Beyschrifft gebildet:


Gib Drachen hundert Köpff / Auffrührern tausend Waffen /

Sie sind denselben nur zu mehrern Toden gut.

August ist Hercules / sein Rachschwerdt tilgt ihr Blut.

Wie gut gleich Jupiter ist / muß sein Blitz doch straffen.


[951] Die andere Spitz-Säule war dreyeckicht. Auf derselben stand gleichfalls August / wie ein geharnischter Krieges-Gott mit einem Schwerdte in der Faust. Auf der einen Seite war der von ihm selbst in Dalmatien geführte Krieg / und sonderlich wie er mit beyden Armen eine brechende Brücke hielt / und mit einem Steine aufs rechte Knie geworffen ward / zu sehen. Auf der andern Seite war der Egyptische Krieg / die Belägerung Alexandriens / die Ergebung Cleopatrens / und seine nützliche Schlemmung der Nil-Graben gemahlet. Auf der dritten Seite sahe man die Geschichte des Cantabrischen Krieges / und wie diese Völcker aus Schrecken für ihm theils sich selbst über den Mahlzeiten mit dem Degen / theils mit dem aus ihren Tax-Bäumen gepreßten Giffte aufrieben. Unten war mit Golde daran geschrieben:


Ihr Feinde / wißt ihr nicht mit wem ihr habt gekriegt?

Es ist der Erde Mars / der Römer Alexander /

Des grossen Cäsars Sohn. So einer als der ander

Hat den Gebrauch an sich: Er kommt / er siht / und fiegt.


Die dritte Spitz-Säule war siebeneckicht. Zu öberste stand Augustens Bild in Gestalt Jupiters / wie er aus seinem Gehirne die geharnschte Pallas gebahr. Auf den Seiten waren alle tapffere Thaten und Siege seiner Feld-Obersten wider die Aqvitanier / Pannonier / Dacier / Dalmatier / Illyrier / Rhätier / Vindelicher / Salaßier / die Deutschen / Gätulier / Mohren / Araber /und Parthen gemahlet. Unten war mit güldener Schrifft angemerckt:


Erstaunstu grosse Welt: daß allen / die Rom schickt

Um dich zu bändigen / iedweder Streich gelückt?

Sie sind Augustens Brutt des Jupiters auf Erden.

Aus ihm kan nichts gebohrn als eine Pallas werden.


Hinter diesen Spitz-Säulen stand ein kleiner Sieges-Bogen / daran hiengen zwey Myrten-Kräntze. Wordurch auff die zwey kleinern Siegs-Gepränge gezielet ward / welche August nach dem Philipp- und Sicilischen Siege gehalten hatte. Ein wenig weiter hin aber war ein dreyfacher Sieges-Bogen zu schauen /weil August drey große Sieges-Gepränge nach dem Siege in Dalmatien / bey Actium / und nach eingenommenem Alexandrien gehalten hatte. Über denen dreyen Pforten der Sieges-Bogen stand diese güldene Uberschrifft:


Die Tugend ist zwar selbst ihr allergröster Preiß /

Doch sieht die Ehr' ihr zu / weil man nichts bessers weiß.

Wie daß denn Cäsarn Rom nicht mit mehr Pracht begabt?

Weil er hätt' ieden Tag zu prangen recht gehabt.


Von dar solte die Leiche um den Tempel des grossen Kriegs-Gottes herum biß auf die vierdte Seite des Marcktes geführet werden. An der andern Seite dieses Marcktes stand ein fürtrefflicher Brunn / welcher vom Agrippa bey seinem geführten Bau-Ampte aus Africanischem Marmel gebauet war. Der Umkreiß dieses Brunnen war durch die Kunst fürtreflich erhoben /und in sechs Felder abgetheilet; diese sagten denen sechs Tugenden / nehmlich der Gerechtigkeit / der Gütigkeit / der Klugheit / der Freygebigkeit / der Tapfferkeit / und Beständigkeit zu. Welche in das unterste Behältnüs des Brunnen / aus Münden / Naselöchern / Brüsten und andern Orten / durch viel hundert verborgene Röhrlein durch einander mit grossem Geräusche einen ziemlichen Vorrath Wasser spritzten. In oberwehnten erhobenen Marmelfeldern hatte Agrippa alles merckwürdige / was August in ein oder andern Tugend gethan hatte / ausdrücken lassen. Uber denen sechs Tugenden hatte dieser Brunn noch eine Marmelsteinerne Muschel / in dieser war des Kaysers Einweihung in dem Elevsinischen Heiligthume zu Athen ebenfalls durch Kunst erhoben. Uber dieser Muschel stand die Gottesfurcht / welche nicht nur aus den Brüsten / sondern aus zweyen in den Händen habenden Opffer-Geschirren / eine unglaubliche Menge Wassers viel Ellen hoch über sich in die Lufft spritzte /und die Behältnüße des Brunnen reichlich anfüllte.[952] Diesen Tag aber spritzten alle diese Tugend-Bilder eitel Wein / und um das Gesimse oder Einfassung des Brunnen war diese güldene Schrifft zu lesen:


Augustens Tugend hat mehr Röhren die uns nützen /

Als die in Marmel hier für Wasser Wein ausspritzen.

Wie glücklich hat doch Rom zum Brunn-Qvell ihn erkiest!

Kein Fürst ist Fürst / der nicht ein Brunn des guten ist.


Von dar war der Aufzug gegen dem Tempel des Janus mit allem Fleiße bestimmet; weil August diesen / welcher vom Anfange der Stadt Rom mehr nicht / als zweymahl zum Zeichen habenden Friedens geschlossen worden war / bey seiner Herrschafft dreymahl zugesperret hatte. Und weil er den Ruhm in der gantzen Welt haben wolte: daß er niemahls einiges Volck ohne rechtmäßige Ursachen bekriegt hätte / war neben selbigem Tempel ein güldenes Zelt mit vielen Seulen nach dem Abrisse / wie August ihm einen Tempel des Friedens zu bauen vorgenommen / und nach der Zeit allererst Vespasian gebaut / aufgerichtet. Oben auff der Spitze stand das güldene und geflügelte Bild des Friedens / hatte einen Oel-Krantz auf dem Haupte /und in der rechten Hand / in der lincken Hand einen Oelzweig. Es war so gestellt / als wenn es allererst vom Himmel geflohen käme. Auf ieder Seite des Zeltes stand oben ein güldener Adler. Unter dem Zelte lag das Bild des Friedens in einem Ey-rundten güldenen Bette / an welches sich das Bild des Kaysers lehnete. Auf allen Seiten standen güldene Rauch-Fässer. An der einen Ecke lag der auf seinen Arm gelehnte Hercules auf einem beblümten Rasen / seine in die Erde gesteckte Keule grünete mit frischen Oel-Knospen. An der andern Ecke schlieff der Kriegs-Gott /und hatte den Helm zum Hauptküssen / mit seinen Waffen aber spielten die Liebes-Götter. Am dritten Ecke spielte Orpheus auf der Leyer / und hatte allerhand verträgliche Thiere um sich. Am vierdten Ecke saß Mercur mit seinem Stabe und in einander geflochtenen Schlangen. Um den Krantz dieses Frieden-Zeltes war mit Golde diese Schrifft gestückt:


Aus Kriege spinnen Krieg ist ein Cyclopen Spiel.

Wer nur um Friede kämpfft / hat von den Göttern viel.

So ehrt nun den August für euren Gott und Herren /

Weil er / so offt ihr's wünscht / kan Janus Tempel sperren.


Von dar war der Weg gegen dem Tempel der Freyheit bestimmet. Bey diesem war ein schöner Sieges-Bogen aufgerichtet / auf welchent des Kaysers und der Stadt Rom Bilder stunden. Jener reichte ihr einen Hutt als das Zeichen der Freyheit / diese aber weigerte sich solchen anzunehmen. Darunter war zu lesen:


Ist Friede Gold / so muß der Freyheit edler Schatz

Sein güldener als Gold. Die beut August euch an.

Rom aber weigert ihr zu geben Raum und Platz /

Weil es vergnügter ihm gehorcht / als frey seyn kan.


Nachgehends war zwischen denen Getreyde-Speichern und dem Schau-Platze des Statilius Taurus /welches dieser auf Augustens Veranlassung gebaut hatte / ein Bogen aufgerichtet / mit des Kaysers und der Stadt Rom Bildern. Neben diesen lagen unterschiedene Marmel-Taffeln / Spiel-Kleider / und aufgehauffte Getreyde-Maaße. Darunter stand diese Schrifft:


Das Leben ohne Lust ist ein lebendig Tod.

Drum müht Augustus sich es euch zu zuckern ein.

Wo Leim und Stroh vor stand / gläntzt nunmehr Marmelstein.

Auch mangelts Rom nicht mehr an Spielen und an Brodt.


Biß hieher waren wenig Todes- oder Trauer-Zeichen in Rom zu sehen; sondern alles war vielmehr derogestalt aufgeputzt / nicht als wenn des Kaysers Leiche auf den Holtz-Stoß getragen / sondern er selbst als ein Bezwinger der gantzen Welt im Siegs-Gepränge auffs Capitolium fahren solte. Nunmehr aber sahe man auff dem Felde des Kriegs-GOttes einen schwartzen Siegs-Bogen des Todes einem in die Augen fallen. Uber desselben [953] grosser Pforte stand der Tod in Gestalt eines abgefleischten Gerippes / hatte in seiner Hand einen eisernen Hammer / und zerschlug auf einem Amboße eine Mütze des obersten Priesters. Unter seinen Füssen lagen schon zermalmet und zerrissen dreyzehn paar Bürgermeister-Veile / drey Lorber-zwey Myrten-Kräntze / etliche güldene Kronen / Zepter /Degen / Stäbe / Helme / Harnische / Schilde / güldene Adler / Sieges-Zeichen / Bücher und hundert andere Merckmaale hoher Würden und der Eitelkeit. Unter diesem war mit kohlschwartzen Buchstaben geschrieben:


Gestalt / Gelücke / Stand / Kunst / Tugend / Würd' und Ehren /

Sind Dinge / die die Welt stets bländen / uns bethören.

Ein Todes-Strich dadurch lehrt: es sey Eitelkeit:

Die Knecht- und Kayser-Asch / hat keinen Unterscheid.


Uber der rechten Pforte stand das mit sieben Sternen gekräntzte einen güldenen Rincken in der lincken /eine stählerne Feder in der rechten Hand und für sich ein eisernes Buch habende Verhängnüß. Mit der ausgestreckten lincken Hand und Finger wieß es in einem Kalender auf den vierzehenden August des Kaysers Sterbe-Tag. Unter demselben war mit Golde geschrieben:


Eh als die Welt und Rom Augusten lernte kennen /

Schrieb ich mit Diamant schon in mein Jahr-Buch ein:

August soll diesen Tag zwey Hand-volln Asche seyn.

Kein Mensch verwundre sich. Wird doch gantz Rom verbrennen.


Uber der lincken Pforte stand in Gestalt eines Eiß-grauen Alten die Zeit; welche ihre Sand-Uhr zerbrochen / ihre Sichel um / eine Hand voll Kräuter gesetzet / und unten lag ein zerrissenes Blat / darauf stand geschrieben: Kayser August / dreyzehnmahl Bürgermeister / fünff und dreyßig Jahr Zunfftmeister / oberster Priester / Vater des Vaterlandes. Unter diesem Bilde stand folgende fahle Uberschrifft:


Die Zeit / die Stein und Stahl sich selbst und alles frißt /

Hat nichts zur Welt gebracht / was sie nicht muß verzehren /

Versincken Städt' und Land? falln Sterne? was beschweren

Sich Menschen? derer Ziel man nur nach Spannen mißt.


Zu oberst an diesem Bogen blickte ein theil des gestirnten Thier-Kreißes / fürnehmlich aber das Zeichen des Krebses herfür. Gegen diesem trieb der auf einem goldenen Wagen sitzende Phöbus seine schäumende Pferde an / welche aber bey Erblickung des Sternen-Krebses scheue wurden / und zurücke prellten. Darunter dienten folgende Worte zur Auslegung:


Wie hoch war nicht August vom Glück' aus Brett gehoben?

Wie tieff verfällt er nun? Es läst sich leicht verstehn.

Muß doch die Sonne selbst beschämt den Krebsgang gehn;

Und alle Jahr wird ihr ein Riegel vorgeschoben.


Hinter diesem Bogen stand mitten auff dem Kriegs-Platze an eben dem Orte / wo Sylla verbrennt worden war / der Vermöge der Römischen Gesetze sonst ausserhalb der Stadt gehörige Holtz-Stoß. Dieser war in Gestalt eines vereckichten Altares so hoch als ein ziemlicher Thurm aufgerichtet. Alles Holtz war gleiche behauen und gehobelt: daß es sich desto besser und zierlicher zusammen schickte. Inwendig lag Eichen und Büchenes; alles auswendige aber / welches man sehen konte / war wolrüchend Zypressen / Myrten- und Lorber-Holtz / und noch darzu mit Gold und silbernen Blumen gemahlet. Damit ein Römischer Kayser ja nicht durch schlechtern Zeug / als Calamus / ein sich selbst verbrennender Weltweiser / zu Asche gemacht würde. Uber diß standen oben auf dem Holtzstosse vier aus Zimmet / Weyrauch / Myrthen und Aloe zusammen gebackene und vergüldete Bilder / Liviens / des Tiberius / Germanicus und Drusus; welche nicht nur mit ihrem süssen Geruche den Gestanck verdrücken / sondern andeuten solten: daß diese durchs Feuer der Liebe mit dem August gleichsam selbst mit verbrennet würden. Uber diß ware der Holtzstoß / wo sich nur einige Lücke zwischen dem Schicht-weise gelegten Holtze ereignete / mit etlichen tausend Schüsseln aus wohlrüchendem Holtze voller Würtzen und Balsame angefüllet. Sintemahl keine edle Frau in Rom war / die nicht den Ruhm haben wolte / mit etwas des Kaysers [954] Begräbnüs beehret zu haben. An der ersten Seite des Holtz-Stosses war unten am Fuß mit Golde geschrieben:


Muß hier August der Glutt das Oberrecht enträumen?

Nein. Gold und Tugend kan kein Feuer äschern ein.

Diß wird die Schlacke nur von seiner Seele schäumen.

Der Fürsten Fenix muß in Glutt vergraben seyn.

Auf der andern Seite:

Der Stamm der Julier rührt von der Venus her /

Und diesen Seelen-Brand gebahr das kalte Meer;

Was wundert man sich denn: daß des Augustus Leiche

In Flammen Schiffbruch leid' / und in der Glutt erbleiche?

Auf der dritten Seite laß man:

Es kämpfft ums Käysers Leib der Römer Ang' und Hertz;

Weils Ang' ihn wil in Flutt / das Hertz in Glutt begraben.

Allein die Liebe heißt die Glutt den Vorzug haben.

Denn jenes zeiget nur / diß aber fühlt den Schmertz.

Auf der vierdten Seite:

Hier brennet nichts als diß / was faulet und vermodert.

August hält durch die Glutt hier seine Himmelfarth.

Die Sternen haben selbst so eine Sterbens-Art /

Und Tugend räucht erst wol / wenn sie zerschmeltzt und lodert.


Dem Siegs-Bogen des Todes und dem Holtz-Stosse gegen über auf der andern Seite des Kriegs-Feldes nicht weit von der Tyber stand der allerprächtigste Sieges-Bogen der Ewigkeit. Zu oberste stand das mit Sternen gekräntzte Bild der Ewigkeit / welches in der einen Hand einen güldenen Rincken / in der andern ein Gefäße mit dem ewigen Feuer hatte. Auf der einen Seite stand ein Adler / auf der andern ein Pfau / weil jener der Helden / dieser des Frauenzimmers Seelen in Himmel tragen soll. Der Bogen selbst war in sechs Felder abgetheilet. Im ersten Felde war des Octavius Traum entworffen / wie er nemlich seinen Sohn auf einem mit Lorber-Zweigen geschmückten / und von zwölff weissen Pferden gezogenen Wagen / mit Zepter und Blitz in Händen / einem strahlichten Krantze auf dem Haupte und anderm Aufzuge des Jupiters durch die Lufft fahren gesehen. Im andern Felde war der in Campanien unter freyem Himmel speisende August abgemahlet / wie selbtem ein Adler das Brod vom Tische nam / und / gleich als wenn er Jupiter bedienen solte / wiederbrachte. Im dritten Felde war nach des Cicero Traume der an einer güldenen Kette vom Himmel fürs Capitolium nieder gelassene August gebildet / wie ihm Jupiter eine Peitsche überreichte. Im vierdten war zu sehen / wie der Sternseher Theogenes zu Apollonia für dem August / als ihm dieser seine Geburts-Zeit eröffnete / niederfiel und ihn anbetete. Das fünffte Feld hielt in sich Augustens Einzug zu Rom / bey welchem sich ein Regenbogen um die Sonne zeigte / und der Blitz in das Grabmaal Juliens schlug. Im sechsten Felde war zu sehen der Strauß-Stern / welcher dem August am Himmel sich sieben Tage lang zeigte / und für des Käysers Julius Seele gehalten ward / als er der Mutter Venus gewisse Spiele hielt. Unten neben den Pfosten der Pforte stand auf einer Seite die Tugend; welche mit dem Finger auf das Thor wieß / auf der andern Seite August / wie Hercules mit der Keule und Löwen-Haut ausgerüstet. Uber dem Thore stand diese güldene Uberschrifft:


Diß ist der Tugend Bahn / die Pforte zu den Sternen /

Der Weg zur Ewigkeit. Wer diesen nicht wil lernen;

Der wird aus Mensch ein Vieh / ist weil er lebt schon todt.

Wer aber ihn nicht fehlt / wird / wenn er stirbt / ein Gott.


So bald es nun beginnte zu tagen / gieng das Leich-Begängnüs an. Denn ob zwar die alte Gewohnheit die Todten zu begraben abko en war / so ward doch dieses mal noch bey der Dämmerung der Anfang gemacht / entweder weil die Leiche weit herum zu führen war / die Zeit zu gewinnen / oder anzudeuten; daß der Käyser nicht so wol gestorben / als aus Liebe von dem Tage und der aufgehenden Sonne weggerafft worden wäre. Massen denn auch die Eltern ihren [955] verstorbenen Kindern um diese Zeit die bitteren Begräbnüsse auszurichten pflegten. Für der Pforte des Trauer-Hauses stand ein groß irrden Gefäße mit reinem Wasser / damit alle Herausgehenden sich besprengten. Am ersten ritten drey Römer mit Zweigen von Feigen-Bäumen / welche eben so wol als Zypreßen und Fichten Trauer-Bäume sind / um den Aufzug zu führen. Ihnen folgte eine so grosse Menge Pfeiffer /Trompeter und Sänger: daß man hätte gemeint / es wären ihrer genug einen vom ewigen Schlaffe aufzuwecken. Sie hatten theils Pfeiffen aus Beinen / theils aus Ertzte. Diese sollen auf das harte Gesätze des Verhängnüsses zielen / jene die Menschen erinnern /daß sie bald ins Beinhauß kommen und zu Asche werden sollen. Die Trompeten waren weiter und länger / als die / welche man sonst zur Freude gebrauchte / damit sie einen gröbern und kläglichern Schall von sich gaben. Mit diesen machten sie nach Lydischer Art ein scharffes Gethöne / welches auf dem Begräbnüsse des Python zum ersten soll eingeführet worden seyn. Es waren hierzu auch die besten Künstler in Rom genommen / welche sonst auf Begräbnüssen sich gar nicht brauchen liessen / und die Leichen-Pfeiffer ihnen nicht für gemäß hielten. Sie bließen bald so erbärmlich: daß sie einen Stein hätten mögen zum Mitleiden erwecken; bald aber / wenn das Lob des Käysers gesungen ward / zohen sie auch den Betrübtesten vom Leidwesen ab. Sie glaubten auch: daß durch solch Gethöne nicht allein die Gespenster verjagt /sondern auch des Verstorbenen Seele erqvickt / und zu ihrem Ursprunge / nemlich in Himmel zu steigen /aufgemuntert würde; wiewol auf gemeinen Begräbnüssen dem Priester des Jupiters sie zu hören verboten war. Diesen folgten etliche hundert Klage-Weiber aus Phrygien / wo die Begräbnüs-Pfeiffen sollen erfunden worden seyn. Dieser ihr Handwerck war zwar: daß sie ihre scharffe Stimme zum Wehklagen bey Leich-Begängnüssen vermieteten / und also frembde Todte wie die Schwanen ihre eigene besangen. Hier aber war ihnen ihr Geheule ein rechter Ernst / und solches daher desto erbärmlicher; weil August eine besondere Neigung zu Phrygien hatte / daraus die Julier ihre Ankunfft herrechneten. Sie sangen in ihren Liedern tausend Lobsprüche des Käysers / und preiseten darunter offt seltzame Sachen / welche recht lächerlich heraus kamen. Nach den Klage-Weibern kamen dreytausend Freygelassene / mit ihren theils im Leben / theils im letzten Willen vom Käyser erhaltenen Freyheits Hütten. Unter diesen aber waren nicht wenig Römische Edelleute; welche weil sie vom August so grosse Wolthaten genossen hatten / ihnen so wenig als vor Zeiten auf des Scipio Begräbnüsse / Qvintus Terentius Culleo / für Schande hielten / für des Käysers Freygelassene angesehen zu werden. Diesen folgten die Gauckler; darunter der Fürnehmste dem Käyser alle Geberden nachthat / uñ was er jemals denckwürdiges geredet hatte / erzählte; die andern tantzten auf kriegrische Art / und machten allerhand närrische Stellungen. Hierauf kam eine neue Anzahl Pfeiffer /welche in gemahlten Schüsseln Weyrauch / Myrrhen /Zimmet / Muscaten / Nelcken; in Flaschen Balsam /Narden-Oel und wolrüchende Salben / und auf Tragen die Schau-Essen trugen / woraus auf dem Holtz-Stosse des Verstorbenen Geiste das letzte Todten-Mahl bereitet ward. Etliche trugen auch auf Stangen des Verstorbenen Kleider / Harnisch / Helm und Schilde. Hinter diesen erschienen auf sechs tausend güldenen Betten / welche der Römische fürnehmste Adel trug /so viel aus weissem Wachse gemachte und guten theils vergüldete auch mit Lorber-Zweigen bekräntzte Brust-Bilder / mehr als in Lebens-Größe. Denn ob zwar August auf des Marcellus Begräbnüsse ihrer mehr nicht als sechs hundert hatte vortragen lassen /und gesagt: daß selbige Zahl auch für einen Käyser genung wäre; wolte doch [956] allhier der Rath nicht geschehen lassen: daß der Käyser mit wenigern Bildern / als Sylla / begraben werden solte. Unter diesen waren nun nicht alleine alle berühmte Römer / welche der Käyser in seinem väter- und mütterlichen Geschlechte zu zehlen hatte; sondern alle von grossen Thaten berühmte Römer / und darunter auch Scipio /Fabius / Sylla / der grosse Pompejus; gleich als wenn die Tugend eben so wol untern tapffern Helden / als das Geblüte zwischen Freunden eine nahe Verwandschafft machte. Des Käysers Julius Bild aber war nicht zugegen / weil selbter nicht mehr unter die Menschen / sondern unter die Götter gerechnet / und daher auch vom Rathe kurtz darauf geschlossen ward: daß auch des Augustus Bild hernach keiner Leiche vorgetragen werden solte. Gleichwol aber war neben denen Albanischen Königen Eneas und Romulus auf zweyen Betten zu schauen / vielleicht weil diese nur für halb-Götter gehalten wurden / und sie nicht / wie Julius / einen Stand unter den Sternen hatten. Auf diese folgten aller derselben Völcker ertztene Bilder /welche bey Augustens Herrschafft unters Römische Joch waren gebracht worden. Diese alle trugen gewisse Leute selbigen Volckes; und zuletzte fuhren die drey Theile der Welt / Africa mit vier Löwen / Asien mit vier Elephanten / Europa mit vier Perlen-farbenen Pferden. Hierauf wurden mehr als zwey tausend güldene Kronen / welche die unterthänigen Länder dem Käyser geschenckt haben sollen / der Cimbrische Opffer-Kessel / die dem Crassus abgenommene / von Parthen zurück geschickte / und aufs Capitolium in den Tempel des zweyfachen Rächers Mars gelieferten Adler und denen Feinden abgenommene Fahnen getragen. Alsdenn kamen allererst die Bürgermeister-Beile; der Stab und die Insel des obersten Priesters; die erworbenen Sieges-Kräntze / aus Lorber- und Myrthen-Blättern; die Belägerungs-Mauer / Schiffs-und Lager-Kräntze / und andere Merckmaale seiner gehabten Würden / aber alle um- und / wie die Spieße und Schilde / gegen der Ehre gekehret. Endlich erschien auf den Achseln der jüngsten Raths-Herren das Prange-Bette mit des Käysers Leiche. Dieser Träger waren wol viertzig / und zwar in ihren purpurnen Röcken; ungeachtet sonst die Todten-Bette ihrer nur sechs trugen / und die Rathsherren bey Begräbnüssen die Purpur-Röcke ablegten / und gemeine Kleider des Adels trugen. Diese wurden der Ausländischen Könige Gesandten vom Rathe fürgezogen / welche die Ehre den Käyser zu tragen nach dem Beyspiele der Macedonischen / die den Paulus Emilius zu Grabe trugen / verlangten. Das Bette war aus helffenbeinernen Taffeln mit erhobener Bildhauer-Arbeit / welche des Käysers fürnehmste Thaten ausdrückten. Diese waren in Gold eingefasset / und stand das Bette auf sechs güldenen Greiffen-Klauen / derer jede eine helffenbeinerne Kugel hielt. Von diesem Bette gieng unten ein Tuch von Purper und darüber eines von Goldstück biß auf die Erde. Auf diesem lag die Leiche des Käysers / weil sie geschmücket war / zimlich lebhafft. Das Haupt war mit einem Lorber-Krantze umgeben / der Leib mit einem weissen Silberstücke bekleidet / und mit einem Purper-Mantel umgeben. Für dem Bette saß ein eben so geziertes Wachs-Bild des Käysers. Hinter dem Bette standen zwey in Gold gekleidete Knaben / welche dem Käyser / gleich als wenn er nur schlieffe / wie Thetis des Patroclus Leiche die Flügen mit Pfauen-Federn wehrten. Rings um dieses Prange-Bette waren viel tausend nicht / wie sonst gewöhnlich / aus Schilff und Egyptischem Papiere / sondern aus eitel gebleichtem Wachse bereitete Fackeln mit daran gebundenen Sinne-Bildern getragen. Hinter diesem Leichen-Bette ließ sich Livia auf einem Stule tragen / Tiberius und Drusus aber giengen zu Fusse / und als Söhne des Verstorbenen mit verdeckten Häuptern / wie weñ man die [957] Götter verehret / damit nicht frembde in die Augen fallende Dinge die Gedancken von der Andacht ableiten. Livia aber hatte das Haupt mit einem viereckichten Schleyer umhüllet / unter welchem doch ihre aufgeflochtenen Haare vorhingen; auch weder Purper noch Gold /noch andere Zierath einer Käyserin an ihr zu sehen war. Man hörte sie auch öffters dem Verstorbenen mit seinem Nahmen wehmüthig ruffen. Alle ihre Kleidung war kohlschwartz; welche Farbe zum ersten von Egyptiern nach zerfleischtem Osiris zur Trauer / wie die weisse zur Freude erkieset / und hernach von allen Völckern also beliebet worden. Diesen folgte der gantze Römische Rath in gemeiner Tracht der Ritterschafft alle Obrigkeiten in Rom / wie auch die gantze Priesterschafft / die Vestalischen Jungfrauen / und hierauf alle vornehme Adeliche Frauen. Aber alle waren ohne güldene Ringe / ohne Perlen / Edelgesteine / Purper / oder andern Schmuck / und in gantz veränderter Kleidung. Kein Bürgermeister / Rathsherr /oder jemand anders hatte an- oder bey sich einiges Merckmaal seiner Würde. Die Mäñer hatten ihnen die Bärte wachsen lassen / welches vor diesem bey keines Menschen Tode / sondern nur / wenn Rom in einer grossen Gefahr war / zu geschehen pflegte. Das Frauenzimmer welches keine Verwandschafft mit des Käysers Hause hatte / gieng in blauen Trauer-Röcken /worüber sie dünne weisse Leinwand trugen / welche nunmehr vom weiblichem Geschlechte zur Klage erkieset war. Die Frauen hatten das Antlitz halb verhüllet / die Jungfrauen giengen unbedeckt / aber mit aufgeflochtenen Haaren. Nach dem Adel kam Strabo mit der gantzen Leibwache / welche alle Zeichen eingewickelt / alle Waffen umgekehrt hatten / und so deñ die gemeine Bürgerschafft in einer unzählbaren Menge / und nach ihnen auch viel tausend Fremde /alle mit unbedeckten Häuptern. Denn ob es zwar zu Rom so ungewöhnlich / als zu Athen vom Pittacus verbothen war / ein frembde Begräbnüs zu begleiten /so war doch niemand / dem August unbekand war /und welcher nicht um Augusten zu trauren eine Ursach anzeigte. Endlich wurden auch des Käysers Pferde / welche theils zu Anzeigung grossen Traurens eben so / wie Alexanders auf dem Begräbnüsse Ephästions beschoren waren / und andere Thiere / die er geliebt hatte / geführt / welche alle mit Eppich gekräntzt waren. In dieser Ordnung gieng das traurige Rom bey allen denen aufgerichtetẽ Gedächtnüß-Maalen vorbey / oder auch durch / sonder sich irgends wo zu verweilẽ / bis man auf den grossen Römischen Marckt kam / über welchen alle grosse Leichbegängnüsse geführet worden / seit dem Valerius Poblicola für dem Rathhause auf dem erhobenen Platze / welcher von den Schnäbeln der Antiatischen Schiffe über zwey ertztene Löwen gebauet / und als ein Heiligthum eingeweihet ward / den Brutus gelobet hatte. Denn dieser hatte dadurch nicht alleine den Römern an eben selbigem Orte / sondern auch den Griechen / welche vorher nur den Verstorbenen zu Ehren Spiele hielten /Anlaß gegeben / wolverdiente Todte zu loben. Diese Lob-Reden wurden von den Söhnen und nechsten Anverwandten / oder in Mangel derselben von gelehrten Leuten / zuweilen auch auf des Rathes Erkäntnüs von Rathsherren gehalten. Wie des Käysers Leiche nun fürs Rathhauß kam / ward selbte mit dem Bette aufgerichtet / Drusus aber stieg auf erwehnte Schnäbel /und nach dem die Pfeiffer und Klage-Weiber daselbst ein klägliches Gethöne gemacht hatten / laß er vom Papiere folgende Lob-Rede:

Weil das Glücke / ihr Bürger in Rom / mich zum Enckel des grossen August gemacht hat / ist mir auch die Ehre zugewachsen / heute dem Verstorbenen das Wort zu reden. Der grosse Alexander wolte nur vom Apelles gemahlt / nur vom Lysippus in Ertzt gegossen / und Käyser August nur von tiefsinnigen Leuten gelobet seyn. Aber meine Zunge ist ohne / sein Ruhm über alle [958] Beredsamkeit. Jedoch verschmähete auch Alexander nicht des Chärilus ungeschickte Getichte. Das einfältigste Lob ist das wahrhaffteste; und diß das zierlichste / welches gar keine Farben hat. Alle /welche für mir auf dieser Stelle geredet / würden genung zu thun haben / den Käyser nach Würden zu loben / und ich zweifte: ob ein Mund ausser Augustens eigenen / der Sache würde genung thun / welcher im zwölfften Jahre seines Alters auff dieser Stelle seine Groß-Mutter Julia dergestalt lobte: daß Rom darüber erstaunete. Alleine lobet ihn nicht seine eigene Zunge / so loben ihn seine eigene Thaten / ohne welche aller Redner Beredsamkeit eine vergängliche Schmincke ist. Jedoch ist es leichter etwas mittelmäßigem eine Farbe anzustreichen / als grossen Verdiensten ihr Recht zu thun. Doch wäre das Lob nur ein Zinß der Menschen; Götter aber liessen sich nicht so wol preisen / als anbeten. Aber Augustens gütiger Geist verträgt auch jenes; damit ihn niemand einer hoffärtigen Verachtung / oder daß er itzt noch über Gemüther und Zungen herrschen wolle / beschuldigen könne. Kleine Lichter dienen uns zu Leitsternen / aber in der Sonne vergehet uns das Gesichte. Wer aber ist unter euch / der nicht wisse: daß der Stadt Rom noch nie ein solch Licht / als am Kayser August aufgegangen sey. Jedoch hat diese Sonne noch diß besondere an sich gehabt: daß sie die vom Anschauen ihrer Wunder-Wercke müde Augen nicht vollends verbländet / sondern geschärfft und ermuntert habe. Nach dem wir seines Glantzes gewohnet / hat er allen Nebel des Mißtrauens vertrieben. Verwirrte Zeiten verwirren auch das menschliche Urthel / daß man das göttliche Absehen nicht ehe als nach desselben Ausschlage erkiesen / ja auch so denn allererst das Auge der Klugheit seinen Schluß ergründen kan. Daß aber August vom Verhängnüße zu eurem Haupte versehen war /haben auch Einfältige zeitlich wahrgenommen. Die Sonne selbst hat am Himmel gewiesen / daß mit ihm Rom eine Sonne aufstiege; denn er ward mit der aufgehenden gebohren. Er hat seines gleichen nie in der Welt / weniger in Rom gehabt wie die Sonne nicht im Himmel. Ich finde für ihm unter allen Römern kein Beyspiel / und er wird auch keines der künfftigen Zeit seyn. Folgende Kayser werden an ihm wohl ein Vorbild haben / diß und jenes ihm stückweise nach zuthun / aber keiner wird ein gantzer August seyn. Niemand ko t ihm näher als sein Vater Julius. Aber es ist zwischen beyden eben der Unterschied / als zwischen dem grossen Alexander und dem Philipp. Dieser legte zur Herrschafft der Welt den Grund / jener aber hatte die Ehre das Werck auszumachen. Augustens Wiege war ein Schild / das Spielwerck seiner Kindheit die schwirrenden Waffen. Hiermit war er schon viel / als er noch wenig war; und in seinem Anfange mehr als andere Fürsten / wenn sie es zu seyn aufhören. Das Gelücke sätzte ihn / als er noch weniger als ein Jüngling war / Riesen entgegen; aber er zeigte sich männlicher als ein Mann. In den Jahren /da andre noch zu sagen mit Poppen spielen / schlug er schon die Heere der jungen Pompejer in Hispanien. Er zohe sein männliches Kleid noch für geendigter Kindheit / und mit selbtem auf einen Tag den Harnisch und den Sieges-Rock an. Unterweges lernte er die ihm unbekandte Wissenschafft des Krieges; so wol; daß da er als ein Kind aus Rom zoh / in Hispanien als ein Hauptmann ankam. Unterweges überwand er das Meer / den Schiffbruch und seine Kranckheit /und in Hispanien die Feinde. Sein erster Versuch war das beste Meisterstücke. Und wiewohl es unmöglich schien seinen ersten Tugenden etwas beyzusätzen /sahe man ihn doch biß in Tod unaufhörlich wachsen. Er siegte zu erst über seinen Unstern / und erlangte von dem erzürnten Verhängnüße mehr Vortheil / als andere von dem gütigen. Im Kriege aber versäumte [959] er nicht die Zeit guten Künsten und Wissenschafften obzuliegen. Unter den Waffen schweigen die Gesätze /er aber lernte sie bey dieser Verschwiegenheit. Sein Degen und sein Buch waren stets unzertrennliche Gefährten / und sein Schild war zugleich seine Schreibetaffel. Kayser Julius schrieb des Nachtes auf / was er im Tage gethan; er aber that des Tages / was er des Nachtes gelernt hatte. Vom Kayser Julius schien er nicht so wohl sein Vermögen / als seinen Helden-Geist geerbt zu haben / wiewol niemand ein so groß Gemüthe in einem so kleinen Leibe gesucht hätte /wer nicht weiß; daß hi lische Seelen nicht gerne in Riesen-Beinen wohnen. Denn sonst müsten die Römer grösser / als die Deutschen seyn. Seine Augen hatten einen so durchdringenden Glantz: daß man sie weniger als die Sonne vertragen konte. Seine Strahlen schreckten so wohl / als die des Marius den Gallier ab ihn auf den Alpen in Abgrund zu stürtzen. Aber sein Geist war noch viel lebhaffter. Mit diesen nahm er den feindlichen Kriegs-Heeren das Hertze / und gab es den Seinigen / daß sie mit einem zweyfachen gegen die / welche keines hatten / fochten. Seine Schlachten lieffen allezeit besser aus / als es jemand glaubte; seiner Wercke Nachdruck überstieg immer den Wunsch seiner Freunde; Und sein Gelücke oder Sieg kam keinmahl ins stecken. Er führte gantz auf eine andere Art Krieg / denn die berühmtesten Kriegs-Häupter. Antonius verlohr gegen ihm seinen Muth / Lepidus seinen Verstand / Sextus Pompejus seine Macht / und alle drey ihr Ansehen. Denn er vermählte die Kunst mit seinem Glücke / die Vorsichtigkeit mit seinem Eyver / und die Klugheit mit Grimm und Rache. Der Gelegenheit nahm er auffs sorgfältigste wahr; daß er dem geneigten Verhängnüße allezeit die Schoos öffnete; wenn selbtes aber irgendswo sich verflechten und hemmen wolte / wuste er seine Schlingen meisterlich aufzulösen. Er rächte am Brutus und Caßius den Mord des Julius; aber mehr / weil er des Volckes / als sein Vater gewest war / nicht so wohl zu seiner Vergnügung / als dem gemeinen Wesen zum besten. Denn ausser dem wuste er von keinem Hasse / oder Liebe. Seines Vaters Baare verwandelte er in seinen Sieges-Wagen / seine Zypressen in Lorbern / dem Volcke aber in Oelzweige. Er hatte kein Absehen auf einiges Bündnüß oder Freundschafft / ausser auf die /welche zum Heile der Römer dienten. Auf diesem hatte er das Auge so starr / daß er damit für dem Krachen aller Welt Waffen nicht eines nickte; und hingegen war nichts so köstlich und scheinbar / welches ihn hätte versuchen können. Keine Macht war nicht fähig ihn zu bezwingen / keine Kitzelung zu gewinnen. Cleopatra liedt so wohl mit ihrem Liebkosen /als Antonius mit seinen schwimmenden Schlössern an ihm Schiffbruch. Mit diesem wolte er lieber Feind /als sein Gefährte und zugleich ein Unterdrücker der Freyheit seyn. Daher hielt er auch ihm anständiger mit dem Anton die angemaßte herrliche Gewalt über die Römer auszuleschen / als sie mit ihm zu theilen. Also rottete er die bürgerlichen Kriege mit Strumpff und Stiel aus / bey welchem die ärgsten Laster den Rahmen der grösten Tugend; mit dem Giffte des Goldes Treue zu kauffen und zu schänden / die Gangbarkeit eines Gewerbes bekommen. Rom sich auch für nichts mehr als für sich selbst und seiner eignen Tapferkeit zu fürchten hatte. Nach überwundenen Feinden würde er auch lieber ein Bürger zu Rom / ja ein unschuldiger Verwiesener / als der Römer Haupt / und ein herrschender Sieger worden seyn / wenn er nicht gesehen hätte: daß er zum Steuer-Manne so nöthig / als dem Volcke ein beliebter Fürst wäre. Also wuste August seine Siege nicht weniger dem Vaterlande heilsamlich anzugewehren / als sie hertzhafft den Feinden abzuringen / und ihm selbte nütze zu machen. Durch jenes gewan er [960] so wohl die Hertzen der Bürger / ja so gar seiner Feinde / welche gleich unempfindlicher als Stein und Eisen waren / als durch dieses der Kriegs-Leute. Ja zwischen beyden verursachte seine Liebe eine Eyversucht. Diese wolten gerne ohne Sold ohne Beute dienen / und einen Feind ihnen am Ende der Welt suchen / umb nur durch den Frieden nicht ihren August zu verlieren. Sie verdammten ihre Siege / weil sie dadurch ihres Siegers verlustig worden. Der Rath hingegen ruffte den Kayser zum Steuer-Ruder / welches in den Händen so vieler zerbrochen war / und von niemanden als ihm ergäntzet werden konte. Der zerspaltene Leib des Reiches konte durch keinen andern Geist / als Augustens vereinbaret werden / welcher alleine diese grosse Last zu beseelen mächtig war. Das Römische Volck war lüstern dessen Antlitz einmahl zu sehen / welcher ihnen den güldenen Frieden zu wegen gebracht hatte / von dessen Süßigkeit ihnen ihre Groß-Eltern so viel gesagt / sie aber ihn nie gekost hatten. Rom forderte ihn zum Sieges-Gepränge / nicht so wol wegen des über seine Feinde / als der Bürger unzählbare Hertzen erhaltenen Sieges; welches ein viel herrlicher Schauspiel abgiebet / als grosse Berge abgesebelter Köpffe. Dieses ist der rechte Zweck der Kriege / die rechte Art zu siegen; hingegen alles Sieges-Gepränge zu verfluchen / auf welches so ein groß Theil des menschlichen Geschlechtes verwendet / so viel Blut der Unschuld verschwendet / der Erd-Kreiß vom Rasen der Waffen erschüttert / das Recht durch die Gewalt des Eisen verkehret / die Felder von Todten-Gebeinen besäet / die Meere von Leichen besudelt / die Tempel mit Asche und Saltz bestreuet / grosse Städte in Aesser und Wüsteneyen verwandelt werden. Aber August wäre lieber selbst gestorben / als daß er hätte sollen anderer Verderben seyn. Wie ihm nu über jeden Bürgers Tode das Hertze brach; also ward der / der aller Waffen überwunden hatte / durch Bitte gezwungen / Rom zu schauen /welchem nun allererst die Augen aufgethan wurden zu sehen / was am August zu thun wäre. Das Lager nam von ihm Abschied mit Wehmuths-Rom aber bewillkommte ihn mit Freuden-Thränen. Er kam dahin fast ohne alle Waffen / außer seiner angebohrnen Freundligkeit / und des durch seine Thaten erworbenen Ansehns. Diese richteten mehr durch guten Rath / als mit Gewalt / mehr durch Tugend als schlaue Künste aus; also daß die Herrschafft mehr ihn / als er sie suchte; welche sonst für einer strengen Hand / wie der Schatten für seinem Verfolger fleucht. Durch solche Lindigkeit machte er ihm die hartnäckichsten Eyverer für die Freyheit dienstbar / und alle Römer unterthänig. Er hätte mit allen Legionen in zehn Jahren so viel nicht ausgerichtet / was er in einer Stunde mit seiner Holdseeligkeit zuwege brachte. Denn die Waffen des Krieges / wie feurig er gleich ist / haben eine grosse Schwerde und Langsamkeit an sich; bemeistern auch nur euserliche Glieder; Aber die der Liebe und des Ansehns dörffen / wie Gott / weder Zeit noch Werckzeug oder Gehülffen. Sie würcken so unsichtbar daß man von ihnen sich ehe überwunden / als angegriffen fühlet. Ein Augenwinck und ein Wort hat mehr Nachdruck / als alle Reden des donnernden Demosthenes. Deñ sie besänfftigen die wüttenden Wilden / sie erstecken den Aufruhr in seiner Geburt / sie dringen den Verbrechern durchs Hertz / sie legen den Lastern ein Gebiß an: daß ihrer viel nicht sündigen mehr aus Furcht einem August zu mißfallen / als von ihm gestrafft zu werden. Die Beleidiger werffen sich für ihm auf die Knie / und bitten ihnen als eine Gnade aus /sie ehe zu verderben / als für der gantzen Welt schamroth zu machen. Die Frommen aber klopfften mit ihrem Bitten fast ehe beym Käyser als bey Gott an /weil er durch Hülffe und Gerechtigkeit Gotte gantz nahe kam / und er sich so sehr erniedrigte / als wenn[961] er weniger denn ein Mensch wäre. Also übte seine Leitseeligkeit über Feind und Freund mehr Gewalt aus / als das Recht über Tod und Leben in sich hat. Seine blosse Anwesenheit führet alle gute Ordnungen wider mit sich ein / und verjagete alle Verwirrung und Finsternüs. Sein Beyspiel erinnert einen jeden seiner Pflicht / und niemand schreitet mehr über keine Schrancken. So viel gutes zwang den Käyser seiner Tugend den Lauff zu lassen / und den ihn zum Haupte verlangenden Römern ihre Bitte nicht zu versagen. Sintemahl es mehr eine Grausamkeit als Demuth ist /einem Volcke diß zu verweigern / ohne was es weder ruhig noch glücklich seyn kan. Es ist mehr eine Unvernunfft / als Bescheidenheit den Platz der Ehren denen Boßhafften zum Vortheil leer lassen. Und ein Abgang des gemeinen Sinnes lieber wollen böse geführt seyn / als selbst einen guten Führer abgeben. Wer konte aber ein besserer seyn / als August? welchen das Verhängnüs nur so hoch erhoben hatte / um zu versuchen / was die höchste Tugend im höchsten Glücke ausrichten könte. Unter ihm kriegten die Gesätze ihre Krafft / die Rechte ihren Gang / der Rath sein Ansehn / die Obrigkeiten ihre Gewalt / Rom seinen alten Glantz wieder; welches nur darum sich einem heiligen Haupte unterworffen zu haben schien: daß aus einer Hand allen ihr Theil zugestellet würde /und jeder wüste / was seine Pflicht am Rocken des gemeinen Wesens abzuspinnen hätte. Hiermit genaßen die freye Gemüther so wol der alten Freyheit / als Unbändigen ein Gebieß angelegt ward. Denn das Römische Volck hatte bey den langen Bürger-Kriegen sich so seltsam vermischet / und seine Eigenschafft so verändert: daß es weder eine vollkommene Freyheit /noch eine knechtische Dienstbarkeit vertragen konte. Die Vermögenden nutzten nicht weniger ihrer Güter /als dem gemeinen Volcke durch verschafften Uberfluß geholffen / und durch tägliche Schauspiele die Zeit verkürtzet ward. Zu Rom mangelte niemanden Brod /in Ländern niemanden Schutz. Erde und Meer saß in stoltzer Ruh und ungekränckter Sicherheit. August alleine war die Unruh in der Uhr des gemeinen Wesens. Alles sein Beginnen war frey von einer kaltsinnigen Schwerde / und von einer vermäßenen Ubereilung. Alle Widerwärtigkeiten vertrug er mit so grosser Freudigkeit als Gedult. Alle Sorgen ladete er sich selbst auf; und das Ubel / was seine Klugheit nicht ablehnen konte / nahm er auf seine Schultern. Er wachete / damit andere schlaffen konten. Und damit ja diese allgemeine Eintracht nicht verstimmet würde /machte er ihm ein Gewissen über dem kleinsten Fehler; ja er meinte alle zu beleidigen / wenn er das geringste versähe. Er maaß die Zeit seines Lebens nicht nach der Anzahl der Bürgermeister / sondern nach dem er was gutes gestifftet hatte. Ein dem gemeinen Wesen wol angewehrter Tag war ihm lieber / als ein gantzes Jahr Zeitvertreib; und einen Augenblick erlangten Ruhmes schätzte er über hundert-jährige Wollüste. Er hielt alle Tage für übel angewendet / und für verspielet / da er nicht zugleich einigen Bürgern und dem gemeinen Wesen eine Wolthat erwiesen hatte. Andere glücklich machen / war seine einige Glückseeligkeit; und er schätzte für sein bestes Besitzthum /wormit er andere beschenckt hatte; wiewol er nichts ohne Ursache weg gab / damit der den aus Ehrsucht geleerten Kasten des gemeinen Wesens nicht durch Laster füllen durffte. Denn alles Absehn seines Thuns zielte dahin / im Leben die Liebe der Bürger / nach dem Tode ein gutes Gedächtnüs zu erwerben. Wie köstlich er nun gleich die Zeit hielt / und also mit den Ameißen nie müßig war / so übereilte er sich doch so wenig / als die Schnecken / und durch seine langsame Bewegung brachte er das grosse Gemächte des Römischen Reiches das erste Wunder der Welt zuwege. Außer dem war ihm alles verächtlich / nichts aber mehr als Reichthum. Denn wie solte der / [962] in dem alles lebte / sich in ein todtes Aas verlieben / welches weder Sinnen noch Verstand hat / also mit seinem Bubler nicht reden kan? Wie solte der / dessen Geist gantz hi lisch war / an der Erde kleben / welche von gemeiner nichts als die Farbe unterscheidet? und gleichwol der Unterthanen ander Blut ist / und mit vielem Schweisse und Gefahr erworben wird. Was ihm aber entweder seine Siege / oder der gewöhnliche Zinß der Länder einbrachte / legte er zum gemeinen besten an / oder theilte es der Bürgerschafft aus. Durch Cleopatrens Schätze stellte er den Wucher ab; der Verdammten Güter gab er wolverdienten Bürgern / nicht unnützen oder boßhafften Bürden der Erde. Denn wenn diese solten Belohnungen genüßen / wer wolte ohne Entgeld gut seyn? Mit Egyptens Getreyde betheilte er das Armuth / mit andern Einkunfften die Gelehrten; und daß andere wol leben könten / lebte er mäßig; und daß die gemeine Schatz-Ka er vermögend wäre / befließ er sich der Sparsamkeit / der sonst an Höfen unbekandten Tugend; dardurch er aber der Verschwendung gleichsam selbst eine Schamröthe abjagte / Länder / Häuser / und so viel unverdäulichen Ertztes zu verschlingen. Ja er würde alle Schatzungen aufgehobẽ haben / weñ es möglich gewest wäre / die Ruhe der Welt ohne Waffen / die Waffen ohne Sold zu unterhalten / der Sold aber ohne Gaben zu erschwingen. Weil nun aber ein so weit ausgespañter Leib des Reiches / sonder eiserne Kla ern nicht feste und bauständig bleiben konte / dieses Eisen zu kauffen und sauber zu halten / Gold von nöthen war /machte er so wol nach dem Vermögen der Unterthanen / als der Nothdurfft des Reiches / einen Uberschlag / ließ also die Nothdurfft mit so kleinen Stücken zusammen tragen / wie es in Indien die Ameisen sa len / daß der Beytrag niemanden empfindlich war. Er hatte auf die Land-Vögte und Einnehmer ein scharffes Auge; daß die / welche den Klauen des Krieges entkommen waren / nicht von diesen Friedens-Aegeln ausgesogen / und weder die Schatz-Kammer /noch ihr Rachen / mit Thränen und Blute des Volckes angefüllet würden. Er machte aus dem ziegelnen Rom ein marmelnes / aber aus seinem eigenen Vermögen; und mehr durch sein Beyspiel / als gemeine Kosten. Er erweiterte den Marckt; aber er wolte selbten lieber schlimm lassen / als einem Handwercks-Mañe sein Hauß ohne Bezahlung und wider Willen abdringen. Wenn das Volck seinen Kindern einige Würde zudachte / ließ er sie derselben nicht fähig werden /wenn sie sie nicht verdienten. Auf ihre Fehler hatte er Luchs-Augen / die er auf andere zudrückte. Er straffte an Tochter und Enckel mit Schärffe / was er Frembden übersahe. Nach der Herrschafft war er so wenig lüstern / daß er dem Volcke zweymal seine Freyheit anbot. Und ob zwar Rom frey zu seyn sich weigerte /so verfluchte er doch so wol die Heuchler / welche ihm den Titel eines Herrn aufnöthigten / als die Fürsten / welche ihnen einbildeten: sie büsseten so viel von ihrer Herrschafft ein / als sie derselben Mäßigung beysetzen; oder daß sie aufhörten Fürsten zu seyn /wenn sie etwas / wie Rathsherren / ausrichteten. Ja seine Neig- und Bemühung mühete sich stets neben dem Fürsten ein Bürger / neben dem Herrscher ein Vater / und neben dem Herrn aller Freund zu seyn. Mit den Rathsherren gieng er nicht anders um als mit seines gleichen / und mit den Bürgern wie mit seinen Kindern. Weñ er Bürgermeister war / gieng er meist zu Fusse aufs Rathhauß / sonst aber ließ er sich auf einem offenen Stule tragen / daß ihn jedermann anreden konte. Wenn er in Rath kam / dorffte niemand aufstehen; und bey seiner Ankunfft und Abschiede grüßte er jeden absonderlich. So wenig hatte Glück und Würde an ihm verwandelt / welche die Menschen ins gemein so verstellen / daß sie sich selbst nicht mehr kennen. Gleichwol aber wuste er Ansehn und Freundligkeit so künstlich zu vermischen; daß die /welche ihn als [963] einen Vater liebten / ihn eben so wol /als die Glieder ihr Haupt verehrten. Wie er durch seinen Glantz den Schimmer des Rathes nicht ausleschte / also benahm auch dessen Schein seinem Lichte nichts; sondern jedermann sahe: daß der Rath nicht /wie für Zeiten / sein eigenes Licht hatte / sondern es wie der Mohnde von des Kaysers Strahlen entlehnen muste. Meistentheils sahe man zwischen dem alten und gegenwärtigem Rathe keinen Unterscheid; Wenn es aber von nöthen war / vereinbarte sich alles Ansehen in dem eintzeln August. Denn diß und einen guten Nahmen hielte er für den fürnehmsten Werckzeug der Herrschens-Kunst / für welche er auffs eyfrigste sorgte / daß beyde sich niemahls eines Haares breit verminderten. Diesem nach er denn stets für rathsamer hielt / sich sicherer Rathschläge zu bedienen / ungeachtet die ihm gleichsam zu Gebote stehende Glückseligkeit ihn stets zu verwegenen Entschlüssungen anreitzte. Er hielt für rathsamer / das Reich durch Friede zu befestigen / als durch Krieg zu erweitern / das Volck glückselig als sich groß zu machen. Hingegen war niemand / der nicht gerne mit ihm das Hertze / wie vielmehr das Vermögen getheilet hätte. Dieses gaben sie damit zu verstehen / da das Volck alle Jahr aus einem Gelübde für des Kaysers Heil einen Pfennig ins Curtius See warff / und am Neuen Jahrstage ihm auffs Capitolium Geschencke ablieferte. Die Ritterschafft feyerte allemahl zwey Tage seinen Geburts-Tag. Seine Ankunfft in die Stadt ward allemahl für ein Glücks-Zeichen gehalten / mit Liedern gepriesen / und an selbigem Tage dorffte kein Ubelthäter abgethan werden. Diese Liebe der Bürger war das Labsal seiner Sorgen / der Balsam seines Lebens /und die Verlängerung seiner Jahre. Darüber brach ihm sein Hertz: daß als Rath und Volck ihm aus einem gemeinen Schlusse / als den Vater des Vaterlandes grüssete / ihm die milden Thränen aus den Augen brachen. Wer wolte nun unter euch diesem wehmüthigen Fürsten heute nicht tausend Thränen opffern / der ihrer so viel aus Liebe gegen euch verschüttete? ja der euch zu Liebe würde Blut geweinet /seine Eingeweide ausgeschüttet haben / wenn euch damit wäre geholffen oder gedienet gewest? Wer wolte nicht heute seine Asche mit Thränen anfeuchten / der als ein fruchtbarer Regen / als ein Brunn der allgemeinen Wolfarth / das Reich mit so viel Wolthaten gewässert hat? Und aus der Asche des Bürger-Krieges die Pflantze des Friedens und Uberflusses herfür gebracht hat? Alleine was nützen die unfruchtbaren Thränen? Welche offt in ihren eigenen Brunnen vertrocknen; welche Römern als Männern über etliche Tage nicht anstehen; ja welche mehrmahls Trauer-Larven freudiger Hertzen sind. Mit diesen ist dem Kayser nicht mehr gedienet / und sein vergötterter Geist darff derselben nicht mehr / wie gemeine Seelen / zum Geträncke. Lasset uns vielmehr / um ihn zu vergnügen / diß liefern / was der Kayser / welcher in sonst nichts geitzig war / unersättlich verlangte /nehmlich ein gutes Andencken. Dieses war bey ihm der Wetzstein der Tugend. Lasset es bey euch nunmehr dessen Danck seyn / der für den grösten Wucher hielt dem Vaterlande umsonst zu dienen! Richte ein ieder in seinem Hertzen dem eine Ehren-Säule auf /der in Rom die Herrschafft der Welt befestiget hat /für der Helffte seines Alters das Ziel eines ewigen Nahmens erreichet / und an der Ehre den einigen süssen Geschmack und die Belohnung grosser Verdienste fand. Der Ruhm allein ist derselbe Schatz / mit dem man einen beschencken kan / der / wie August vorher alles hat / und den auch die der Tugend nicht strittig machen können / welche ihr gleich wie Schlangen gram sind. Dieses wenig-kostbare Reichthum hat Rom zum Haupte der Welt / und ihren Bürgern die Unmögligkeit selbst leichte gemacht. Um ein paar Lorbeerzweige / um eines Tages Gepränge / um ein zu keinem Gebrauche [964] dienliches Bild aus Ertzte / um einen Zunahmen von Africa / Numantia / Macedonien / Achaien zu bekommen / haben so viel Helden mit Freuden ihr Blut verspritzet / und ihr Leben in Stich gesätzt. Diese unschätzbare Unfruchtbarkeit verlangte auch alleine August von dem edlen Saamen seiner so vielen Tugenden einzuerndten; als welcher wol wuste: daß Rom keinen würdigern Preiß hatte / seine grossen Dienste zu vergelten. Es war ihm die liebste Zahlung eure Erkenntligkeit / daß Rom auch nach seinem Tode würde seine Schuldnerin bleiben; und daß die Römer ihm nichts bessers geben könten / als wormit sie auch die unsterblichen Götter vergnügten. Schlüsset demnach seine Asche in Gold! hebet sie als eine köstliche Uberbleibung auf! nicht zwar in Meynung; daß die Asche kostbarer Dinge auch köstlich seyn müsse; sondern daß sie nur eine Gehülffin eures Gedächtnüsses sey. Verehret seine Bilder mit der lieblichen Einstimmung eurer Liebe und Verwunderung! Ihr Geschichtschreiber werdet Roth haben seine Tugenden und Verdienste so abzumahlen; daß euch entweder die gegenwärtige Welt nicht einer Unvollkommenheit /oder die künfftige einer Heucheley beschuldige. Euch selbst wird ehe das Tacht des Lebens ausleschen / ehe ihr von ihm nichts mehr zu sagen finden werdet; damit man ja von dem nicht zu schreiben aufhöre /der niemahls / sich um das menschliche Geschlechte zu verdienen / aufgehöret hat. Nennet dannenher nach seinem Nahmen alle künfftige Fürsten / welche so löblich als August herrschen werden. Diese eure Verehrung des Verstorbenen wird eine Aufmunterung der Lebenden in seine Fußstapffen zu treten / und eine Abgeltung eurer Schuldigkeit seyn. Ja weil ein guter Nahme das einige Vermögen der Todten / das Verlangen darnach aber ein kräfftiger Beweiß der Unsterbligkeit ist / wird diese Danckbarkeit mit dem August in Himmel steigen / und euch mit ihm verewigen. Die Welt und Nachwelt wird so denn zu beyder unsterblichen Ruhme erzählen: daß August sich der Tugend wegen ihrer eigenen Köstligkeit befließen / die Römer aber seine Ehre wegen der Tugend befördert haben.

Das Römische Volck ward durch diese Rede nicht wenig beweget / als die Leiche aber auf die Sudseite des Marcktes für den Tempel des Käysers Julius gebracht ward / richtete man sie daselbst wieder auf /und Tiberius stieg auf die neuen Schiffs-Schnäbel /welche Julius daselbst zwischen der zu Pferde sitzenden Sylla und Pompejens Bildern aufgerichtet hatte. Seine Rede zum Volcke war folgende:

Was Drusus / ihr Römer / vom Käyser August gutes gesagt / hat ihm seine Liebe eingegeben; was ich aber sagen soll / rühret vom Römischen Rathe her. Wie nun jenes euch seiner Verwandschafft halber verdächtig seyn könte / wenn iemand unter euch so unwissend wäre; daß August grösser gewest / als ihn die Heucheley zu machen wüste; also bescheide ich mich: daß mein Lob weit unter des Kaysers Verdiensten und unter eurer Einbildung seyn werde. Denn nicht nur das Volck und der Adel hat ihn für den grösten Römer geschätzt / sondern auch der so unmäßig hassende als hefftig liebende Pöfel hat seine Zunge nie zu seiner Unehre / sondern allein zu seinem Preiße geschärfft; weil er nicht mehr ein als des andern Heilbrunn gewest. Die gantze Welt hat einen Schau-Platz seiner Thaten abgegeben; und auch die / welche außerhalb des Römischen Gebietes gelebt / haben ihn mehr als ihren eigenen geliebet / denn als einen Frembden gefürchtet. Zwar den Geist des Käysers zu vergnügen / habe ich keine / den Menschen aber genung zu thun / grosse Sorge. Denn Götter verschmähen auch nicht die einfältigste Art der Verehrung. Wer eine handvoll Weyrauch ins Opffer-Feuer wirfft /ist ihnen so lieb / als wer mit tausend geschlachter Ochsen vielem Blute ihre Altäre überschwemmet. Wenn [965] ich nun zu Frembden redete / würde ich in Sorgen stehen / meine niedrige Rede würde den Käyser verkleinern und verächtlich machen; so aber rede ich zu Römern / welche selbst Anschauer und Zeugen seiner Thaten seyn / und die Lücken meiner Rede mit ihrem Gedächtnüsse ausfüllen können. Worte verrauchen ohne diß in die Lufft; gutes Andencken aber wird auf Kinder und Enckel fortgepflantzt / und es kan solches weder gegenwärtige Gewalt / noch der Bilder und Ehren-Säulen fressende Rost der Zeit aus geneigten Gemüthern ausleschen. Dieser Tag würde auch zu seinem auskommentlichen Lobe nicht zulangen / wenn ich mir mehr als alleine die Hauptstücke zu berühren / euch aber die Ehre eines längern Nachklanges zu lassen / für gesätzt hätte. Ich bin unbekümmert; daß ich hierdurch mein Unvermögen verrathen / euch aber mehr lüstern machen als vergnügen werde. Denn ich glaube / ihr selbst werdet euch gemäßen haben / und wissen: daß alle eure in einen Menschen vereinbahrte Beredsamkeit eben so wenig den Gipffel seines verdienten Ruhmes erreichen; als jemand unter den Römern sich mit Augusten vergleichen könne. Seine Verdienste haben alles Maaß /seine Grösse alle Mißgunst überstiegen. Je mehr ihr auch euch vom August fürbildet / je mehr liebkoset ihr euch selbst. Denn seine Grösse bestehet in dem: daß er euch so viel gutes gethan hat. Daher lebet wol niemand / der nicht mehr seine Verdienste danckbar zu verehren / als seine Höhe zu beneiden geneigt sey. Ich bin willens nur zu erzehlen / was er beym gemeinen Wesen ausgerichtet hat; aber hierdurch bin ich genöthigt / von seiner zarten Jugend anzufangen. Denn er war mit Noth aus seiner Kindheit getreten /als er schon die Waffen fürs Vaterland mit männlicher Stärcke in die Hand nahm; Als er die ihm und der Stadt Rom gestellte Garne / wie Hercules die Schlangen in der Wiege / zerrieß; und als ein junger Adler denen Verwirrern gemeiner Ruh die Klauen wieß / als sie nach zerfleischtem Julius ihr Mord-Messer auch der Römischen Freyheit an Hals sätzten. Weder die Schwäche seines Alters / noch die Größe des Werckes / und die Vielheit der Feinde schreckten ihn ab / seines Vaters Tod zu rächen / ohne welche Rache weder die Tugend sicher / noch die Welt ruhig seyn konte. Alexander und Romulus haben in ihren jungen Jahren zwar auch Thaten gethan. Aber wenn ich sie den Wunderwerken des Käysers an die Seite sätzte; würde ich diese so sehr verstellen / als Augusten zum Zwerge machen.

Alexander hatte mit Weibern / August mit Männern zu thun. Je mehr Alexander siegte / je mehr bemeisterten sich seiner die Laster / welche Reiche zu Grunde richten; August aber ward je länger je besser. Alexander bließ bald von Anfang das Glücke in sein Horn; Aber wider Augusten und das Römische Volck verschwuren sich gleichsam alle Ungewitter zusammen. Gleichwol aber verlohrer nie das Steuer-Ruder aus der Hand. Er erhielt ihm das Reich / und sich dem Reiche. Romulus kriegte wider rohe / August wider die ausgearbeitesten Leute der Welt. Hercules möchte noch einiger Weise gegen ihm auf die Wagschale zu legen seyn. Aber sein Hirsch / sein Schwein / sein Löwe sind so abscheuliche Ungeheuer nicht / als die waren / mit denen August zu ringen hatte. Hercules muste aus Zwang / und gleichsam zur Straffe mit seinen Verfolgern anbinden; Aber August that es aus Liebe das Vaterland zu erhalten. Er schnitt denen Aufrührern nicht nur ihre Drachen-Köpffe ab / sondern er versiegelte auch ihre Wunden mit dem glüenden Eisen guter Gesätze / daß sie nicht wieder wachsen konten. Dieses richtete August als ein Lehrling aus. Denn was andere lernen musten / war ihm angebohren. Zwischen seinem Anfange und der Vollkommenheit war kein Mittel. Die reiffen Früchte und Blüten wuchsen mit einander. Dieser Riesen-Anfang verdiente: daß das [966] [963]Römische Volck ihn bey solchen Jahren zum Stadt-Vogte und Bürgermeister machte / da andere noch nicht gerne den Harnisch anziehen. Sein männliches Alter aber kriegte noch mäñlichere Thaten auszuüben. Lepidus / Antonius / Sextus Pompejus /Brutus und Caßius / waren so gewaltige Wallfische; derer ieder ihm das Recht Rom zu verschlingen einbildete. Seine Kräfften waren nicht einem unter ihnen gewachsen; seine Liebe des Vaterlandes aber war stärcker / als aller ihre Feindschafft / und seine Klugheit übertraff ihre gesa te Stäcke. Denn er streuete unter sie den Saamen der Zwytracht: daß sie einander wie die aus des Cadmus Drachen-Zähnen gewachsenen Menschen selbst aufrieben. Er schlug sich auf die eine Seite / die andern zu dämpffen / keinem aber nicht wider die Römische Freyheit beyzustehen. Denn als die Verwegensten aufgerieben waren / zerbrach er den schädlichen Werckzeug / und warff ihn ins Feuer. Weil der Grossen Geitz weder durch Geschencke /noch ihre Ehrsucht durch Ehren-Aempter zu sättigen; die Bürger auch durch Rachgier in einander so verwickelt waren: daß ein ieder lieber mit gantz Rom /als in seinem einzelnen Hause verbrennen wolte. Aus allen diesen Siegen vergnügte er sich an der Ehre /dem gemeinen Wesen aber eignete er den Nutzen zu. Und versalzte denen verwehnten Gemüthern die eingebildete Süßigkeit und Bemühung andere und sich selbst zu verterben. Was halte ich mich aber mit den bürgerlichen Kriegen auf / welche / wolte GOtt! nie gewest / oder mit ihrer Asche schon in den Staub der Vergessenheit vergraben wären! August selbst hörte derselben auch nicht gerne zu seinem eigenen Ruhme gedencken. Denn in einheimischen Kriegen ist es so erbärmlich siegen / als es jämmerlich ist verspielen; weil / was an beyden Orten verlohren wird / dem Vaterlande abgeht. Der eusserlichen Kriege solte ich wol gedencken. Aber diese haben vorhin ihren Redner /nemlich die Reichthümer / mit welchen der Kayser die Tempel / die gemeine Schatz-Kammer / und die Kisten der Bürger durch so viel Beuten erfüllet hat. Mit dem Nil hat er die Thore der unbekandten Ost-Welt eröffnet; daß die Natur gleichsam ihren Fräulichen Schmuck / nemlich die in den Eingeweiden der Erde verschlossenen Diamanten / und die im Schlunde des Meeres versteckten Perlen in eure Schoos ausschütten konte. Aber ich will hiervon so viel weniger Worte machen; weil vielleicht an diesen Siegen so wohl andere Römer und Hülffs-Völcker / als das Glücke /welches an der Herrschafft über den Krieg auch selbst nicht die Tugend wil Theil haben lassen / Theil hat. Es ist an Augustens eigenen Wercken ein genugsamer Vorrath bey handen / daran niemand keinen Anspruch machen / noch sich etwas dergleichen gethan zu haben rühmen kan. Dieser ist es / welcher Rom aus dem Untergange / und aus Armuth gerissen hat. Dieser ist es / welcher Rom so mächtig gemacht hat / als es am schwächsten war. Dieser hat seine Herrschens Art in eine solche Forme gegossen / welche denen Alten zur Ergötzligkeit / denen Jüngern und Nachkommen zur Richtschnure dienet. August ist es; diesen Zunahmen habt ihr ihm nach vertilgten Bürger-Kriegen selbst zugeleget; welcher nicht seine Begierden / sondern das Richtscheit des Verhängnüßes / und den Ancker gemeiner Ruh die Richtschnur seiner Einrichtungen seyn ließ. Er war glücklicher als der glückliche Sylla / weil er weniger grausam war. Er gründete nicht / wie Marius / seine Herrschafft aufs Blut / sondern auf Liebe der Bürger / ja seiner eigenen Feinde. Denn sonst würde das letzte Thule schon unter unserm Gebiete seyn / und die Irrsterne nichts bescheinen / was nicht den Römern gehorchte. Er vergab dem Seßius / Scaurus / Pompejus seine Beleidigungen /und ließ den Lepidus sein Lebtage oberster Priester seyn / dem gemeinen Wesen zum besten. Also verdiente [963] er wegen erhaltener Bürger und Feinde eine neue Art von Sieges-Kräntzen; welche ihm Rom von Eichen-Oel- und Lorberzweigen zusammen flochte. Ja die auch auf Treu und Glauben sich ihm nicht ergeben wolten / überwand er mehr mit Gerechtigkeit als mit Waffen / welches die schönste Weise zu siegen ist. Ja dem Siege Maaß und Ziel stecken / übertrifft alle Siege; und in dem bestehet die höchste Spitze eines unüberwindlichen Gemüthes / wenn es den Zorn hemmet / der Rache Süßigkeit abbricht / die an die Gurgel gesetzten Schwerdter zurücke hält; also sich selbst und das Gelücke überwindet. Seine Gehülffen beschenckte er nach seinen Würden / und ihren Verdiensten; aber er enträumte ihnen so wenig / als ihm selbst der Stadt durch Hoffart und Ehrsucht überlästig zu seyn. Sylla und Marius wüteten so gar auf unschuldige Kinder ihrer Wiedersacher. Pompejus und Cäsar verziehen zwar ihren Feinden; aber sie verhingen ihren Freunden allen Muthwillen. Niemand als nur August haute weder in einem noch dem andern über die Schnur. Seinen Feinden schlug ihre Niederlage zum Siege / allen aber ihre Tugend zum Gelücke aus. Ohne jene kam niemand bey ihm ans Bret / und sie war der Grund-Stein dem Mecänas und Agrippen zu geneigter Gnade. Dieser war seine rechte / jener seine lincke Hand / dieser halff ihm kriegen / jener gute Ordnungen / beyde aber Rom glückselig machen. Denn die Erhöhung grosser Reiche darff eben so wohl / als die Auffsätzung Egyptischer Spitz-Säulen tauglichen Werckzeug. Daher lieget viel daran / und ist es eine der wichtigsten Klugheiten eines Fürsten geschickte Diener wissen auszulesen. Als nun August ihm das Kriegs-Volck durch Geld / das Volck durch Getreyde / seine Wiederspenstigen ihm durch seine Leutseligkeit verknipfft / und er die zwey Spannadern der Herrschafft / Waffen und Schätze / in seinen Händen hatte / meinte iederman / August würde sich zum Herrn in Rom machen. Aber sein Gemüthe war freyer von solchem Hochmuthe / als der Niedriger ihre Gedancken. Er erwieß sich als einen gütigen Artzt / welcher nach der Genesung den Krancken seines ersten Wollebens genüssen läßt. Pompejus und Metellus wurden von Römern als Wunderwercke angesehen; daß sie nach verrichteten Feldzügen die ihnen auf gewisse Zeit anvertrauten Kriegsheere freywillig abdanckten. Worzu sie aber vielleicht durch andere konten gezwungen werden. Aber August war Meister aller Römischen Kriegs-Heere / alles Geldes; ihm war niemand mehr schrecklich noch verdächtig; iederman war willig ihm alleine zu gehorsamen. Gleichwol aber wolte er nicht herrschen / da er so wol konte; sondern er legte Waffen / Länder und Schätze in die Schoos des Rathes / übergab alles / ja sich selbst / der Willkühr des Volckes. Warlich! ich habe der Sache mehrmahls nachgedacht: ob ich es menschlicher Klugheit /oder der gütigen Versehung des Verhängnüßes zuschreiben solte: daß ihr den Kayser nicht wollet lassen einen gemeinen Bürger seyn / der zu einem Fürsten nicht weniger geschickt / als gebohren war. Daß ihr die Eigenschafft des gemeinen Wesens so genau erkundigtet; welches nunmehr sich durch einen beherrschen zu lassen geschickt war; und daß durch Wiedereinführung der vielköpffichten Herrschafft ihr nur den vereinbarten Leib des Reiches in vielerley Spaltungen und Aufruhr trennen würdet. O der überschwenglichen Weißheit! welche so wohl die Zeiten /als die Gemüther der Menschen unterscheiden kan. Junius Brutus hat unsterblichen Ruhm verdienet: daß er den Tarqvinius der Herrschafft entsätzte / und dem Volcke die nöthige Freyheit zuschantzte. Ihr aber habt es dem Brutus weit zuvor gethan: daß ihr den August anfangs auf eine zeitlang / und nach seiner geprüfeten Fähigkeit biß an seinen Tod zu herrschen zwanget. Denn Junius Brutus hing in seinem Fürhaben [964] dem Eingeben der Natur nach / welcher Trieb sich auf die Seite der Freyheit hängt; ihr aber suchtet Ehre und Heil im Gehorsame; welche niemahls / ausser unter einem August / ohne Beschwerligkeit ist. Denn dessen Botmäßigkeit hatte keine Gemeinschafft mit der Person eines scharffen Herrn / sondern eines gütigen Vaters. Er sorgte nicht nur euch zu beglückseligen /sondern er arbeitete auch für euch / daß ihr die müßigen Hände in die Schoos legen kontet. Die der Gefahr und den Kriegen unterworffenen Länder behielt er für sich / aus derer eussersten Gräntzen er durch seine bestellte Post-Reuter in wenig Tagen erfuhr / was im gantzen Reiche sich zutrug; die Friedlichen aber gab er dem Rathe zu verwalten. Er hielt so viel Heere auf den Beinen / nicht euch im Zaume zu halten / sondern eure Feinde zu schrecken; nicht das Hefft in Händen zu behalten / sondern euch Sicherheit zu verschaffen. Seine Leib-Wache war mehr im Friede zur Zierde /als ihm ein Schirm für Gefährligkeiten. Ungeachtet es auch guten Fürsten an Feinden nicht mangelt / denen ihre Tugend verhast ist / wenn sie an ihnen keine Laster zu schelten finden. Als gleich das Glücke den Bogen seiner Herrschafft am höchsten gespannet hatte / behielten doch die Raths-Herren so wohl das Recht Ländern und Kriegs-Heeren vorzustehen / als ihr altes Ansehn. In Rathschlägen dorfften sie ungescheuet sagen / was sie dem gemeinen Wesen für vorträglich hielten; nicht wormit sie des Fürsten Ohr zu kitzeln vermeinten. Ihrer Freyheit sätzte er deßwegen Versicherung / und der Tugend vorhin ungewohnte Preiße aus. In Versammlungen des gantzen Volckes tilgte er die Spaltungen der zusammenhaltenden / und lehrte sie statt der Zwistigkeiten freygebig seyn. Die Gerichte befreyete er ihrer langsamen Verwickelungen. Aempter und Würden ließ er keines der Ehrsucht zu feylem Kauffe stehen / sondern er weißte; daß man nicht anders / als durchs Heiligthum der Tugend in den Tempel der Ehren eingehen könte. Er mühte sich mit der alten Tracht auch die alten Sitten wieder in Rom einzuführen / ja die Stadt selbst von unnützen Hefen der vielen Knechte abzuschäumen; welche nach dem Einschlage des Salustius so wenig als ein Schiff gesund und reinlich seyn könte / wenn beydes nicht von der stinckenden Grund-Suppe gesaubert würde. Mit seinem Vermögen gebahrte er so sparsam / als wenn es des gemeinen Wesens wäre; die Stadt-Güter aber verwaltete er so fleißig / als seine eigene / oder er machte vielmehr unter beyden keinen Unterscheid; denn er verschenckte keine / sondern wendete alle zum gemeinen besten an. In der Stadt besserte er alles aus / was den Untergang dreuete / eignete ihm aber darüber keine Titel zu / und beraubte die Vergängligkeit zwar ihrer Gewalt / nicht aber die Uhrheber alter Gebäue ihrer Ehre. Er bauete viel ansehliche Gebäue /und war ein Liebhaber der Pracht / aber noch mehr ihrer Nutzbarkeit. Zu nicht wenigen gab er die Unkosten; schrieb aber daran anderer verdienter Leute Nahmen / theilte also mit ihnen die Ehre / welche andere alleine verschlingen wollen. In Bestraffung der Laster seines Hauses war er unerbittlich / frembde aber übersah er gar / oder straffte sie nicht zur Helffte nach dem Aufsatze der Gesätze; wieß also: daß er dort das Ampt eines Richters / hier eines Vaters verrichtete. Von denen / die ihm nach dem Leben standen / tödtete er nur wenige / derer Leben ihnen selbst beschwerlich / dem gemeinen Wesen nichts mehr nütze war. Aber auch in diesen Fällen kam er schwer daran / und war ihm ein wenig kummerhafft: daß seine Herrschafft auch so wenigen und Boßhafften solte verdrüßlich seyn. Da doch eines frommen Fürsten Tugend nicht nach dem vergällten Geschmacke lasterhaffter Leute / sondern aus ihrer eigenen Güte zu urtheilen ist / und selbst Jupiter nicht allen gefällt. Tapffere Leute hielt er so hoch / [965] als sich selbst / und dünckte sich keines Menschen zu gut seyn. Er verhälete die Fehler seiner Freunde; und wenn sich diese gleich so vergingen / daß seine Liebe gegen sie lau werden muste / verwandelte sich selbte doch wider die gemeine Art hohen Glückes / welches von keinem Mittel weiß / niemahls in Haß. Als Mecänas nicht mehr seine Freundschafft verdiente / begnadigte er ihn doch noch mit derselben Scheine. Allen Fremden aber setzte er das gemeine Wesen für. Dieses war sein einiger Aug-Apffel / welchem er alle seine Sorgen und Vergnügung opfferte. Des Volckes Wolfarth war sein oberstes Gesetze; für welchem alle andere des Geblütes und der Freundschafft biegen oder brechen musten. Jedermans Vergnügung war seine einige Freude / und die Hoffnung / bey euch in gutem Andencken nach dem Tode zu bleiben / sein niemanden nichts entziehender Gewinn. Wer unter euch wolte durch Vergessenheit ihn so unglücklich / sich aber so undanckbar machen? Welch Raths-Herr wolte sein Bild nicht stets für Augen / sein Beyspiel im Hertzen behalten? Welcher nicht unter die Unwürdigen sich selbst zehlen wolte / welche er zu keinem andern Ende absätzte / daß sie durch ihre Ungestaltnüs die Würdigen nicht verdüsterten. Welcher erinnert sich nicht / wie August dem Rathe mehr Einkommen gestifftet / einen ieden mit Geld und Gütern beschencket / und in Abgebung seiner Stimme / den letzten ihm gleich gemacht habe? Wer weiß nicht: daß der Kayser nichts wichtiges übers Knie zerbrochen / sondern auch über mittelmäßigen Dingen des Rathes Meynung vernommen / und seinen Willen denen unterworffen habe / welchen er zu gebieten hatte? Welch Fürst oder Römer hat für ihm die Macht mit der Bescheidenheit /die Gewalt mit der Tugend / als Dinge / welche sich sonst gar nicht mischen lassen / so künstlich vermenget? welcher durchaus nicht groß seyn wolte / wenn er nicht seiner Größe würdig wäre. Welches Fürstens Gemüthe hat sich so hoch über alle Einblasungen der Knechte und Freygelassenen geschwungen? daher fiel es auch den Edelsten nicht schwer ihm zu gehorsamen / weil er selbst herrschte / weil sein Verstand der oberste Kreiß der ersten Bewegung war / weil sein Geist alle andere regte und beseelte. Welch ander Römer könte ohne Undanck den außer acht lassen /welcher alle mit Gebäuen / Gelde / Getreyde / Spielen / Freyheiten / Uberfluß / Sicherheit wider Feinde und Zufälle erfreuet oder begabet hat? Welch Bundsgenosse wolte sein vergessen / welchen er ohne Gefahr ihrer Freyheit / ohne Beschwerligkeit seiner Hülffe /so redlich beygestanden? Welch Unterthan wolte sich nicht erinnern: daß er nicht einem aus ihnen ein Haar gekri et / weder Unrecht noch Schaden gethan? Ihr alle aber seyd in euren Gewissen überzeugt: daß August ihm selbst in vielem abgebrochen habe / daß er gegen euch konte freygebig seyn; daß er sich arm gemacht / um das gemeine Wesen und die Bürger zu bereichern. Bey derer Nothleidung kein Fürst vermögend bleiben kan. Daß er alle Bemühungen von euren Achseln auf seine Schultern gelegt / und in Gefährligkeiten für den Riß gestanden? daß er mit wiedergebrachtem Frieden alle Künste / fürnemlich Handel und Wandel eingeholet; ohne welche die Einwohner zwar ohne Krieg / aber auch ohne Nahrung sind / und keines Friedens genüssen? daß er den Mangel mit Uberfluß ersätzet / man also in der gantzen Welt nicht findet / was zu Rom mangelt? daß er durch die Schiffahrt beyde Angelsterne / und das Ost- mit dem West-Ende der Welt vereinbart hat? daß er der Welt-Weißheit den heßlichen Rock ausgezogen / die Musen aus Licht gehoben / daß sie nicht mehr am Hunger-Tuche nagen / noch sich mehr unter dem Pöfel drücken dörffen? ja denen Gelehrten gleichsam ein ander Verhängnüs ohne Mangel und Unfruchtbarkeit zugeeignet? darmit durch sie das Gedächtnüs seiner Tugend erhalten [966] würde; außer welchem er sonst von keiner Pracht etwas hält / und um euch nicht beschwerlich zu seyn / sich im Wegziehen weder begleiten /noch beym Wiederkommen ihm entgegen ziehen läßt? daß in Feyertagen sein Hauß und Zimmer jedem aus dem Volcke offen gestanden / und seiner Gemächligkeit halber / niemals / als wenn er gekrancket / außer dem Rathhause Rath gehalten? Wem können aus dem Gedächtnüsse fallẽ seine heilsame Gesätze / durch die er den Beleidigten Trost verschafft / der Boßheit durch wol abgewogene Straffen einen Riegel vorgeschoben? durch die er den Ehen Freyheiten / der Fruchtbarkeit gewisse Vortheile ausgesätzt? durch die er ohne jemandens Schaden / die welche fürs Vatersland fechten und gleichsam Soldner des Todes abgeben / mit Belohnungen versorget / und ihnen zu rechter Zeit das Kauff-Geld für ihr Blut bezahlet? welches die allezeit williger aufopffern / denen man nichts schuldig bleibt. Wer wolte so vergeßlich seyn nicht zu gedencken: daß er mit seinen Freunden alle Ergötzligkeiten getheilet / und das gröste ihres Kummers auf sich genommen habe? daß er jedermann fürs gemeine beste frey reden heissen / die Heuchler als Spinnen und Gifft gehasset / den Bedrängten geholffen / den Nothleidenden beygesprungen / die Vermächtnüsse den rechtmäßigen Erben wieder zugeschantzt habe? Ja seine heilige Vorsorge hat sich über seinen Tod erstrecket / da er so heilsame Rathgebungen unter seiner Hand / zu unser Richtschnur hinterlassen / wie man das von der Natur mit dem Rhein und Euphrat befestigte grosse Reich durch weitere Ausdehnung nicht zersprengen / und aus unersättlicher Begierde nach einem Schatten schnappen / das Wesen aber verliehren solle. O der unvergeltbaren Wolthaten! welche kaum geglaubt werden könten / wenn sie nicht in Augen der Welt / im Munde des Nachruhms schwebten! O des himmlischen Gemüthes! welches aller Geschäffte fähig gewest / und durch seine Unruh die Wache für die Ruhe der Welt verrichtet / ja der Natur gleichsam selbst zu gebieten gehabt hat! O des grossen und unvergleichlichen Fürsten! dessen gleichen niemand gewünscht / oder jemahls zu haben ihm hat träumen lassen! der so wol sein als seines Reiches mächtig ist / der keinem unterworffen gewest / und über alle geherrschet hat! Ihr habet in ihm zwar alle Würden vereinbaret / ihm den Nahmen eines Vaters des Vaterlandes beygeleget; und ihr sätzet ihn heute durch die Vergötterung außer den Schrancken der Sterbligkeit. Aber dieses ist mehr ein Werck seiner Tugend / als euerer Erkäntligkeit. Jenes aber ist eine armseelige Danckbarkeit. Denn ihr gebet ihm Schalen für Kerne / Worte für Wercke; Ihr habet ihm durch die durch seine Wolthaten wieder lebendwordene Mahler- und Bildhauer-Kunst zwar seine euserliche Gestalt der Nachwelt aufzuheben euch beflissen; aber beyden sind darüber Pinsel und Meissel entfallen /weil sie ihr Unvermögen gesehen / so wol ihn / als andere Götter aus irrdischem Wesen zu bilden. Saget diesemnach euren Nachkommen: daß sie ihnen Augusten nicht anders einbilden sollen / als wie Phidias Jupitern gebildet hat. Weil die Lebenden aber ja den Todten nichts bessers zu opffern haben; so verwahret zum wenigsten das ewige Feuer eures Andenckens in eurem Hertzen so fleißig / als die Vestalischen Jungfrauen Vestens auf ihrem Opffer-Heerde / mit welchem die Vorfahren der Julier die ewige Herschafft in Rom gebracht haben. Opffert ihm den glimmenden Weyrauch euer Liebe; der euch so sehr geliebet / und nichts mehr gefürchtet hat / als daß er von euch gefürchtet würde. Beweinet euer Unglück: daß ihr keinen August mehr zum Haupte habt; die Welt auch schwerlich mehr seines gleichen haben wird; nicht seinen Tod; denn dieser hilfft seinem Leibe zur Ruhe /seiner Seele zur Vergrösserung / seinem Nahmen zur Unsterbligkeit; welcher der Nachwelt heilig [967] seyn wird / es thue es gleich jemand ihm nach / oder nicht. Den Leib krieget seine Mutter die Erde / die Seele der Vater der Himmel wieder. Hebet seine Asche zu keinem Aberglauben / wol aber zu euerer Erinnerung auf. Bringet durch eure Andacht zu wege; daß wie August im Leben euer Schild und Schutzherr gewesen / also sein Geist nach seinem Tode euer Schutz-Gott bleibe. Thut durch weibisches Wehklagen dem Verstorbenen nicht weh / euer Tapfferkeit aber keine Schande an. Gönnet seiner Asche die Ruh / seiner Seele die Wohnung unter den Sternen in der Gemeinschafft seines Vaters Julius; welcher alleine dem August zu vergleichen; jedoch so viel niedriger ist / als der Krieg dem Frieden nachgiebt. Nehmet eures Heiles / euerer Pflicht wahr; verzweiffelt in keinem Rothstande / trauet dem Verhängnüsse / und lasset die unsterblichen Götter alles übrige machen. Dieser ihr Schluß ist es: daß Fürsten sterben müssen / Rom aber ewig stehen solle.

Diese Rede hatte eine so widrige Würckung / als das Wasser im Kalck. Dieses / welches ihn leschen soll / zündet ihn an / und jene solte das Weinen stopffen / so erregte sie es. Denn unter so viel hundert tausend Antlitzern war nicht eines trocken; und man hätte hier gantze Fässer voll Thränen sammlen können. Denen / welche entweder sich über des Tiberius Erhöhung erfreuten / oder welche meinten steinerne Hertzen zu Augen haben / schwamm doch die Augen in ihrem eigenen Brunnen. Vielen preßte die Wehmuth und Liebe die Zähren ihrer vielen auch das Erbarmnüs über den veränderten Zustand und den schädlichen Wechsel aus; da sie nemlich für den holdseeligen und offenhertzigen August den gramhafften und versteckten Tiberius / und für einen Pelican eine Aegel zum Herrn bekamen. Fürnemlich sahe man das Frauenzimmer gleichsam als versteinerte Nioben in Thränen zerflüssen / weil diesem vielleicht ahnete: daß ihm das Weinen nur noch diesen Tag frey stehen /künfftig aber es auch an Müttern ein halßbrüchiges Laster seyn würde. Von dem Marckte ward die Leiche durch die übrigen Sieges-Bogen nach dem Krieges-Felde zu getragen. So bald die Pfeiffer und Klage-Weiber nun den Bogen des Todes erblickten / fiengen sie ein so grausames Geheule an: daß einem davon die Haare zu Berge stunden. Die Gesätze musten hier ihrer Unsinnigkeit aus dem Wege treten. Denn sie zerkratzten darwider mit den Nägeln ihre Wangen / sie zerfleischten mit Messern ihre Armen / zerrissen ihre Kleider / schlugen ihre nackten Brüste / schnitten mit Scheren und Schermessern / oder raufften ihre Haare ihnen auf dem Haupte / ja so gar die Augenbranen aus / und stiessen die Köpffe an die Pfosten des Trauer-Bogens; theils weil sie mit ihrem Blute des Verstorbenen- und die höllischen Geister versöhnen / theils ihrem Leidwesen eine völlige Ausrichtung thun wolten. Endlich streueten sie ihnen auch Staub und Asche auf den Kopff / besudelten ihre Antlitzer / daß sie nicht mehr Menschen ähnlich sahen; vielleicht / weil sie bald darauf wider die unbarmhertzigen Götter abscheuliche Flüche ausschütteten / ihre Tempel zu steinigen / ihre Altäre abzubrechen / ihre eigene Kinder wegzuwerffen / welches kein Thun vernünfftiger Menschen ist. Das Frauenzimmer / welches bißher mit brennenden Lichtern gegangen war / leschten numehr selbte / und ihrer viel zugleich die Vergnügung ihres Lebens aus. Durch die Pforte des Todes kam man nun zu dem Holtzstosse / um welchen die Leiche dreymahl herum / und hierauf auf den Holtzstoß getragen ward. Auf diesen stiegen anfangs die / welche den Vorrath zu der letzten Mahlzeit trugen / welche des Verstorbenen Geiste oben bereitet war. Dieser ward um des Verstorbenen Bette gesätzt / und für einen Greuel gehalten / wenn jemand solche Speise kostete / welche nicht einst die gefräßigen Habichte und Sperber anrührten. Es verfügten sich aber auch Livia / Tiberius /[968] Drusus / und die Bürgermeister hinauf. Livia balsamte des Käysers Leiche hier im Gesichte / in Schläffen an Pülßen aufs neue ein; küssete selbten vielmahl und ruffte abermahls dreymahl seinen Nahmen / und gehab dich wol. Hierauf schnitte sie ihr etliche Spitzen von ihren Haarlocken ab / legte solche auf seine entblössete Brust / und sagte: Ni hin / liebster Schatz / diß mein letztes Geschencke / nach dem ich dir nichts mehr geben kan. Denn mein Hertze ist fürlängst bey deinem Leben dein Eigenthum worden. Nach diesem steckte sie ihm wieder die abgezogenen Ringe an / und öffnete ihm den Mund / und goß ihm gleichsam zum Reise- oder Abschieds-Truncke darein ein ziemlich Theil des besten mit Myrrhen vermischten Weines / wie solcher in hohen Feyern denen Bildern der Götter pflegt fürgesätzt zu werden. Als sie ihm nun auch die wolrüchenden Speisen vorgehalten hatte / steckte sie ihm eine güldene Müntze unter die Zunge zu des Charons Fahr-Lohne / legte ihm die Kleider zu rechte / machte ihm die zu Nola zugedrückten Augenlieder Angelweit auf; gleich als solte er nun das Ziel seiner Seele / nemlich den Himmel anschauen. Livia wolte ihm zwar auch einen Finger abschneiden / und zum Gedächtnüsse aufheben / aber Tiberius verwehrte es / als einen dem Gesätze widrigen Aberglauben. Endlich küssete Livia / Tiberius /und die zwey Bürgermeister ihn noch zu guter letzte einmahl / stiegen vom Holtzstosse herab / und nach dem Tiberius / Drusus / und die Bürgermeister mit ihren hinter den Rücken an den Holtzstoß gehaltenen Fackeln das Zeichen gegeben hatten / zündeten die Hauptleute mit abgewendetem Gesichte den Holtzstoß rings herum an. Als auch die Priester / der Rath und die Leidtragenden mit angezündeten Schwefel-Kertzen durch dreymahliges herumgehen den Holtzstoß eingeweihet / oder gereiniget hatten / gossen die Priester wider Königs Numa Verbot / viel Krüge Wein / Hartzt / Jasminen- und ander Oel in Holtzstoß / das Feuer desto lebhaffter zu machen; Jedermann wünschte auch der Flamme sie aufblasende Winde /damit der Leib desto zeitlicher in seinen ersten Talg verwandelt / die Seele aber zu ihrem Ursprunge gelangen möchte. Livia warff ihre besten Röcke / viel Perlen und Edelgesteine / Tiberius des Käysers Purper- Röcke / und seine Waffen in brennenden Holtzstoß. Die Römischen Frauen riessen ihre Kleider vom Halse / und warffen sie nebst vielem Schmucke nach; ja sie hätten / wie das Corinthische Frauenzimmer vom Periander bey seines Weibes Begräbnüsse gezwungen ward / freywillig alle ihre Kleider verbrennet / wenn sie nicht die Scham ihrer Blösse zurück gehalten hätte. Die Römischen Bürger aber schütteten noch so viel Weyrauch und Würtzen ins Feuer / als Arabien und Indien kaum in einem Jahre träget. Die Tichter warffen ihre Lob-Getichte / die Kriegs-Leute allen ihren Schmuck / Waffen / Kräntze / und dergleichen im Kriege vom Käyser Augusten empfangene Geschencke / und endlich auch ein fettes Weib in die Fla e / weil von ihrem Fleische die Glut mehr als zweyfache Krafft bekommen soll: dahero wenn in Pest-Zeiten viel Leichen verbrennet werden / die Todten-Gräber zehn Männern allezeit eine Weibes-Leiche beyzufügen gewohnet sind. Die Leibwache hielt auch linckwärts um den lodernden Holtzstoß ein Rennen /und das Trojanische Spiel / der Adel aber ein Gefechte. Des Käysers Freygelassene und Knechte schlachteten auch zwey seiner liebsten Pferde / und stürtzten selbte mit einem Adler / etlichen Papegoyen und andern singenden Vögeln in die rasende Flamme. Ein Hund des Käysers aber / welcher seine Leiche stets bewachet und begleitet hatte / stürtzte sich von sich selbst darein / wordurch Ulpius Martialis ein Freygelassener und gewester Mundschencke des August angereitzet ward: daß er nach dem Beyspiele des Catienus Philatinus demselben in der Glut das Leben aufopfferte / [969] von dem er die Freyheit bekommen hatte. Etliche andere thaten es ihm gleichsam aus Schamröthe nach / damit die Mohren und Scythen nicht alleine die Ehre hätten: daß jene sich auf ihrer Könige Holtzstösse tödten / diese sich mit denen Geliebten begraben liessen. Die Knechte musten überdiß das Looß werffen / da denn die / welche es traf / von Kriegs-Leuten geschlachtet / und zu des Todten Versöhnung in die Flamme gestürtzt wurden. Der Holtzstoß brennte in so weniger Zeit zu Grunde / als kaum jemand glauben konte. Als er aber am schreiten loderte / sahe man aus selbtem einen Adler empor fliegen; welchen Livia und Tiberius sonder Zweiffel auf dem Holtzstosse versteckt / und mit einem langen Bande angebunden hatten / nach dessen unten geschehener Abbrennung er sich rettete; das abergläubige Volck aber beredete: daß er die Seele des Käysers zu Jupitern in Himmel trüge. Nach der Zeit machte man / um diese Himmelfahrt desto mehr zu bekleiden / denen wächsernen Bildern der Käyser ein blindes Begräbnüs / und baute ein zu diesem Adler-Fluge geschicktes Zelt in Gestalt der in See-Hafen stehender Leucht-Thürme; denen vergötterten Käyserinnen aber eignete man an statt des Adlers einen der Juno gewiedmeten Pfauen zu. Wie nun der des Mordes nicht wenig verdächtige Rath zu Rom bey Vergötterung des Romulus den Julius Proculus anstiffteten / dem gemeinen Volcke weiß zu machen; Romulus wäre ihm erschienen /hätte ihm befohlen: daß sie ihm ein Heiligthum bauen solten / weil er ein Gott worden wäre / und Ovirinus hieße; also hatte Livia den Numerius Atticus mit zehntausend Sestertiern erkaufft; daß er eydlich betheuerte: er hätte den August sehen in Himmel fahren / und den Jupiter ihm die Hand zu reichen. Denn ob zwar nach dem Romulus ein und ander Römer von den Seinigen vergöttert / und sein Bild in Gestalt des Bacchus / des Apollo / des Mercur oder eines andern Gottes in seinem Hause verehret und bey desselben Asche geschworen ward; so war doch diß / daß man einen dem gantzen Römischen Volcke zu einem Gotte aufdrang / ziemlich neu / und war Käyser Julius der ander / August der dritte. Daher durffte dieser Betrug einen guten Schein / wie August bey Vergötterung des Julius den erscheinenden Schwantz-stern zu seiner Schmincke meisterlich angewehrte. Livia / Tiberius /Drusus und alles Volck wartete biß auf den spaten Abend dem Feuer aus / biß alles zu Asche gebrennet war; da doch sonsten die vornehmsten vom Marckte nach gehörter Lob-Rede / oder zum höchsten / wenn der Holtzstoß zu brennen anfieng / weggiengen. Endlich ruffte ein jeder Weggehender dreymahl: Lebe und ruhe wol! die Erde sey dir leichte. Wir alle werden nach der Ordnung / wie uns die Natur abfordern wird / dir folgen. Ihrer viel giengen auch / sich gleichsam zu reinigen / über die gluenden Kohlen. Die Nacht über ward der verbrennte Holtzstoß gantz unbeirret gelassen / aber starck bewachet. Auf den Morgen aber kam Livia mit dem vornehmsten Adel in schwartzer Trauer-Tracht zeitlich dahin. Alle zohen allhier ihre Schuch aus / und wuschen so wol ihre Füsse als Hände. Diese musten die noch glimmenden Brände mit dem besten Rhetischen Weine / weil ihn August am liebsten getruncken hatte / ausleschen / und die warme Asche abkühlen. Livia hatte wenig Müh des Käysers Asche und Gebeine von andern zu unterscheiden. Denn ob zwar auf den bürgerlichen Begräbnüssen solche nur ungefehr aus der Mitte / wo die Leiche gelegen / gesammlet werden konte / so hatte doch Livia des Käysers Leiche in ein von gesponnenem Amianten-Steine gewürcktes Tuch welches nicht verbrennet / eingehüllet; also daß sie in diesem Beine und Asche über einen Hauffen beysammen fand. Sie hob sie mit grosser Ehrerbietung auf / legte sie in ihre Schooß / betete solche mit vielem Glückwünschen an / küßte und netzte [970] sie mit ihren Thränen / ruffte dem August abermahls dreymahl. Hernach wusch sie solche mit Wein und Milch / und nach dem sie die Feuchtigkeit durch eine dünne Leinwand abgeseugt hatte / schüttete sie die Asche in ein klein Gefäße aus Berg-Kristall / füllete hernach solches theils mit Egyptischem Balsame / theils mit ihren Thränen. Die Gebeine thät sie mit Aloe / Myrrhen /Amomum / Casia und Zimmet in ein golden Geschirre. Alles beydes aber steckte sie hernach in einen grossen Todten-Kopff / aus Jaspis. Dessen übrige Höle füllete sie mit Myrthen-Oel- und schwartzen Pappel-Blättern voll; Den Topff aber selbst umwand sie mit so viel Kräntzen aus Wolle / Seide und Blumen / daß man kaum etwas vom Steine sahe. Hiermit kam Tiberius und Drusus auch darzu / um zugleich mit denen /welche die Leiche angerührt hatten / von Priestern gereiniget zu werden; weil Tiberius zumahl sich des sonst vom August bey Octaviens Begräbnüße gebrauchten Vorhanges nicht hatte bedienen wollen. Der Priester nahm also einen zusammen geflochtenen Lorber- und Oelzweig / tauchte selbtes in reines Brunnen-Wasser / besprengte damit alle Anwesenden dreymahl / hernach beraucherte er sie auch mit Weyrauch / Schwefel / Cretischen Zypressen / Farren-Kraut / und sagte: Es ist aus / ihr mögt gehen. Livia trug in Begleitung des Tiberius / Drusus / des Rathes / und Adels / Augustens Uberbleibung / durch den Sieges-Bogen der Ewigkeit / in das köstliche Grab-Maal / welches ihm August schon / als er das sechste mahl Bürgermeister war / zwischen der Flaminischen Strasse und der Tiber gebauet hatte. Dieses war über und über mit weissen Marmel besätzt / alles von der besten und mit Milch eingemachter Erde aus Chio zusammen gefügt / und bestand in drey rundten mit Corynthischen Säulen umsätzten Umfängen. Auf der innern und höchsten stand das Bild des Käysers August sehr groß und künstlich. Auf denen Flächen der zwey Absätze derer von vielfarbichten kleinen Kieselsteinen zusammen gesätztes Pflaster allerhand Spiele der Venus mit Schwanen / Tauben / Gänsen / und des Cupido kurtzweilige Ergetzligkeiten fürbildete / standen allerhand frembde aus Assyrien / Persien und Indien gebrachte Bäume und Gefässe / mit seltzamen Narzißen / Hyacinthen / Thulipanen / und die Farbe verwandelnden Rosen. Zwischen diesen waren hundert Marmelne Füsse zu sehen / darauf die Ertztenen Säulen gesetzt werden solten / in welche August seine Thaten zu etzen befohlen hatte. Uber dem Thore waren in Ertzt mit güldenen Buchstaben eingelassen:C. Octavius August. Zum sechsten mahl Bürgermeister / Zunfft-Meister / Oberster Priester /Vater des Vaterlandes / baute diß ihm und seinem Geschlechte zum Begräbnüsse. Für dem Eingange standen zwey aus Egypten gebrachte und hundert Ellen hohe Spitz-Säulen / aus einem einigen Porphirsteine gehauen. Hinter demselbigen waren weitschweiffige Lust-Wälder / in denen die Lorber-Myrten-Oelbäume alle nach der Schnure gesätzt waren /und dem Volcke zu annehmlichen und Schatten-reichen Spatzier-Gängen dienten. Daher auch diesen Platz niemand leer fand; und selten kam iemand dahin / der nicht zugleich auf des Käysers Grabmaal stieg. Sintemahl die Menschen gleichsam einen geheimen Zug haben / so wohl eingeäscherter Menschen / als Städte Grab-Maale zu betrachten. Wie denn selbst Kayser Julius und August des grossen Alexanders /Cicero Archimedens / Gräber sorgfältig beschauet hatten. Die darzu bestellten Thürhüter waren auch befehlicht / einen ieden ohne Entgeld einzulassen / und herum zu führen. Dieses Grab-Maal hatte noch eine besondere Umfassung von Marmel-Säulen / und darzwischen künstlich geflochtenen Gegittern aus [971] Eisen. Darinnen stand ein Altar aus Porphier. Die Marmelnen Wände waren auch in besondere Felder abgetheilet / und durch Bildhauer ausgearbeitet; worinn des Augustens Thaten mit denen des Hercules verglichen waren. Zwischen diese Bäume wurden des Augustus Haußgenossen begraben / und allhier auch dem Ulpius Martialis ein Marmeln Gedächtnüß-Maal aufgerichtet. In diesem Grab-Maale aber in dem untersten und eussersten Behältnüße / war des Marcellus /Agrippa und Drusus Asche schon verwahret / ihnen auch daselbst Uberschrifften gemacht. In der mittelsten Runde waren mehr nicht / als zwey Gewölbe /und inwendig mit Sardonichen / Amethisten / Chrysolithen und dergleichen Steinen versetzten Behältnüße für Augusten und Livien bereitet / und darein ein güldener Stul und Krone gesetzet. In dieser eines lieferte Livia des Kaysers Uberbleibung ab / und sätzte noch in zweyen Gläsern wolrüchende Wasser / wie auch eine Ampel mit ewigem Feuer dazu. Sie blieb auch fünff gantzer Tage mit einigen aus dem Adel alldar /ließ bey dem Grab-Maale zwey neue Altäre / eines der Juno / das andere des Kaysers Geiste aufrichten / und hielt daselbst nicht nur Versohn-Opffer für sich; gleich als wenn sie sich einer grossen Beleidigung schuldig wüßte / und sie im Traume vom Kayser mehrmahls erschreckt und aufgeweckt würde; sondern sie opfferte auch den Geistern deß wegen Augustens umkommenen Brutus / Caßius / und Antonius; weil auch die Todten mit einander Krieg führen / und in Gräbern einander beunruhigen sollen / wie von zweyen zu Thebe und auf dem Berge Garganus beerdigten Brüdern gegläubt wird; daß ihre Gräber noch die Todfeindschafft gegen einander hegen sollen / weil sie selbst einander nicht mehr ermorden können. Uber diß flehete Livia diese Tage alle dahin kommende Bürger und Frembdlinge an: Sie möchten doch des Verstorbenen Geiste nicht fluchen / noch sein Grab steinigen / oder ohne Segen und Wunsch verächtlich vorüber gehen / sondern ihm mit Wunsch und Segen zu Hülffe kommen; sonder Zweiffel / weil sie ihr des Gifftes halber übel bewust war / und nicht nur glaubte: daß die / welche eines gewaltsamen Todes gestorben / ohne ausgeübte Rache an den Mördern / oder Söhn Opffer / zu ihrem Uhrsprunge nicht kommen /vielmehr aber so lange / als sie sonst gelebt hätten /ums Grab herum schwermen müsten / sondern weil sie nach dem Tode mit des Kaysers Geiste einen Krieg zu bekommen besorgte. Dieses / oder vielmehr die sich täglich mehrende Liebe gegen dem August verursachte: daß das Volck bey diesem Grab-Maale ein besonderes Altar aufrichtete / und ihm mit nicht wenigerm Eyver / als für Jahren dem erschlagenen Julius bey seiner Säule opfferten. Inzwischen wurden in beyden Häusern des verstorbenen Kaysers denen Hauß-Göttern Hammel geopffert / und alle Zimmer von einer darzu bestellten Priesterin mit Schwefel und Wasser gereinigt. Tiberius bestellte über diß gewisse Verwalter über die zu diesem Grab-Maale gestifftete Einkunfften / welche solches bauständig erhalten /alle Hornunge und August-Monate / wie auch am Geburts-Tage dem Kayser neugemolckene Milch / und Blut von Opffer-Thieren / auch ungemischten Wein opffern / Rosen / Tausendschön / Hiacynthen und Mah-Blätter streuen / Nüsse auswerffen / Fleisch und Brodt austheilen / dem Todten wohl zu seyn wünschen / dem Volcke auf hundert Taffeln / dem Verstorbenen durch hundert verbreñte Speisen / wie auch von Bohnen / darinnen der Verstorbenen Seelen gerne weiden / Eyern / Gegräupe / und Saltz-Kuchen / ein Leichen Gast-Maal ausrichten / sein Grab mit dem auch in Isthmischen und Nemeischen Spielen beliebten Eppiche bekräntzen / die mit zwey und mehr Lichtern brennende silberne Lampen unaufhörlich mit Oel unterhalten / und mit allem [972] dem des Kaysers Geist versöhnen und seine Asche erqvicken solten. Uber diß sätzte Tiberius Augustens Bild aus Golde / mit Strahlen / einem Sternen-Krantze / und dem Blitze in der Hand ins Capitolium unter die andern von den Römern angebeteten Götter / eignete selbtem ein güldenes Bette / ein Altar und Priester / und diesem gewisse Gefährten zu / in derer Anzahl er sich / den Drusus / Germanicus / und Claudius einschreiben ließ. Der Römische Rath erklärte auch Livien selbst zu des Kaysers Priesterin. Uber dieses machte er Anstalt dem Kayser in Rom noch einen prächtigern Tempel zu bauen / als Julius bekommen hatte; und alle Länder wurden erinnert / diesem Beyspiele nachzufolgen. Insonderheit ward zu Nola das Hauß / worinnen August gestorben war / in einen prächtigen Tempel verwandelt / und zu Tarracon in Hispanien ein kostbarer erbauet / darzu sich diese eigenbeweglich anboten. Den neundten Tag nach dem Begräbnüße ließ Tiberius den Drusus / dem August zu Ehren / allerhand Pferd- und Wagen-Rennen / Trojanische Spiele halten / Gefechte zwischen Menschen und Thieren / welche in silbernen Kefichten dahin gebracht wurden / und andere Kurtzweilen bey des vergötterten Augustus Grabe und Brennstadt halten / welche er vorher gemahlet in Dianens Lust-Walde dem Volcke vorstellte. Denn nach dem Acastus zu Jola / Theseus Melicerten im Isthmus / Atreus die Olympischen Spiele / dem Pelops zum Gedächnüße gestifftet hatte / war die Gewohnheit durchgehends allen Helden zu Ehren / welche man für Götter hielt / solche Spiele anzustellen. Die Leidtragenden selbst sahen nicht allein in Trauer-Kleidern denselben / Livia und das Frauenzimmer nur alleine denen Fechtern nicht zu; sondern des verstorbenen Kaysers güldenes und gekräntztes Bild ward selbst in Schauplatz gebracht / und ihm darinnen die fürnehmste Stelle eingeräumet. Nach derselben Endigung aber speiseten sie in weissen Kleidern mit dem Rathe und dem fürnehmsten Adel ins Castors Tempel; folgenden Tag aber ließ Tiberius fürs Volck ein Früh-Maal auf tausend Tischen bereiten; Worbey niemand /der nicht mit Eppich gekrönt war / und nicht dem Todten oder seinen Vorfahren was rühmliches nachzusagen wuste / sitzen dorffte. Nachfolgende Tage wurden dem Pöfel Bäder ausgerichtet / und Oel ausgetheilet. Es kam auch ein Rathschluß heraus: daß die Salii des Kriegs-Gottes Priester alle Jahr nach den Spielen ein groß Maal halten / und seine Thaten in Getichten singen solten; welches zu Rom eine so grosse Ehre war / als wenn sein Nahme zu Athen in Schleyer der Minerva gewürcket ward. Uber diß ward befunden: daß ieder Bürger Augustens Bild als ein Heiligthum in seinem Hause haben / niemand bey Lebensstraffe einige Müntze / darauf er gepreget wäre /zerschmeltzen / noch bey seinem Nahmen falsch schweren solte. In selbiger Nacht ward eine Ertztene Taffel ins Kaysers Grab-Maal abgeliefert / mit einer darein von Golde eingelassenen Lob-Schrifft. Ob nun zwar dessen Erfinder nicht zu erforschen / solche auch dem Tiberius und folgenden Kaysern etwas verkleinerlich war; so wolte doch Tiberius sich nicht erkühnen solche unterzudrücken. Daher er denn solche auf die Thüre zum Behältnüße seiner Asche / auf die sie sich so eigen schickte / als wenn sie mit Fleiß dazu gemacht wäre / anfügen ließ. Es bestand aber solche in folgenden Worten:


[973] Octavius Augustus

liegt hier begraben /

Welcher vorher in Rom alle Bürger-Kriege begrub.

Dieses erkieste ihn zu seinem Haupte /

Um sich dadurch vieler zu entbürden /

derer es mehr als Berge in sich hatte.

In seinem Leibe war die Annmth / im Gemüthe die Tugend lebhafft;

um diese durch jene annehmlich zu machen.

Seine Jugend hatte in sich nichts unreiffes / sein Alter nichts verdrüßliches.

Als er noch Bürger war / stellte er einen Fürsten /

und als er Käyser worden / einen Bürger für.

Also verdiente er / was er erlangte; und er erlangte was er verdiente;

Wiewol Rom mehr durch ihn / als er durch Rom glücklich ward.

Denn Fürsten machen glücklich; wenn sie es gleich selbst nicht sind.

In seiner Kindheit schien er zum Kriege gebohren zu seyn;

nach dem er aber aller Waffen in die Hand kriegt hatte /

warf er sie alle weg;

um den Krieg zu verjagen / den Frieden zu umarmen.

Er war stets unruhig / die Welt in Ruhe zu erhalten;

des Janus Tempel schloß er zu / des Apollo auf /

gleich als hätten die Götter ihm den Schlüssel zu ihren Heiligthümern /

wie das Verhängnüs zu seinen Geheimnüssen zugestellt.

Er rauffte den Lastern die Schwung-Federn aus /

und ließ die Haare der Gelegenheit nie aus Händen /

dem Siege und Glücke band er die Flügel ab /

und hefftete sie den Musen an;

daß jene in Rom musten Stand halten /

diese aber aus Griechenland in Latium flohen.

Seine Feinde halffen ihm / Er aber der Tugend ans Brett /

und der Ehre an rechten Ort.

Also verzuckerte er dem Volcke den Gehorsam;

daß selbtem für der Freyheit wie für Galle eckelte.

Hierdurch ward er ein glücklicher Vater des Vaterlandes;

aber nicht seines Hauses;

vielleicht weil er alle Sorgen für jenes / keine für dieses führte.

Er verwandelte die eiserne Zeit in eine güldene /

daß wo vor Blut / itzt Milch und Oel floß /

um den Nahmen eines güldnen Käysers zu bekommen.

Und / weil er durch Künste und Wissenschafft aus Vieh Menschen gemacht hatte /

sich durch Wolthaten aus einem Menschen zum Gotte zu machen.

[974] Ja er wäre noch was grössers worden /

wenn jemand höher steigen könte / der dem Glücke zu Kopffe

und der von der Geburt an bis ins Grab

alle Tage gewachsen war.

Jedoch ward er durch den Tod allererst am grösten.

Denn Rom erfuhr so denn: daß er zwar unter Fürsten ein eintziger Phönix /

aber aus seiner Asche kein ander zu hoffen wäre.

Dieses wird nach ihm so lange seufftzen /

biß er seines gleichen bekomme / nemlich ewig.

Denn keinen bessern hat Rom zu wünschen / noch die Natur zu geben /

und also Rom nicht ihn / wol aber sich zu beweinen.


* * * * * * * * *


Auf der andern Seite dieser ertztenen Taffel war eine Weissagung: Augustus würde seinen letzten Enckel zwar aus seinem Grabe ruffen; aber dieser würde nicht die Ehre haben darein zu kommen. Und wenn der dritte Käyser würde sollen vergöttert werden /würde es sich von sich selbst aufthun.

So viel nun itzt dem August nach der Eigenschafft des menschlichen Gemüthes / welches die Güte einer Sache allererst nach derselben Verluste zu schätzen anfängt / zu Ruhm ersonnen und geschrieben ward /so viel stachlichte Schrifften kamen auf Livien und den Tiberius heraus. Insonderheit fand man an einem Morgen an dem Tempel Proserpinens folgendes angeschrieben:


Der Mord-Geisi der Stadt Rom stieg in den Pful der Höllen /

Und nahm die Furien ihm zu Gehülffen an /

Kommt! sagt Er / helffet mir einst den Augustus fällen

Weil Arglist / Gifft und Stahl ihn nicht verletzen kan.

Sie aber wolten sich nicht dessen unterfangen /

Was Furien zu arg / hat Livia begangen.


Am Rathhause aber war folgendes angeschlagen:

August der Vater stirbt durch seines Weibes Rencke;

Die uns von anfangs her Stief-Mutter ist gewest /

Schwingt itzt der Stief-Sohn sich ins Röm'schen Adlers Nest /

Nur / daß er Rom und uns als ein Stief-Vater kräncke.

Er ist im guten stumpf- im schlimmen scharffer Sinnen

Ein Schoß-Kind des Gelücks / der Tugend stärckster Feind;

Er denckt nie / was er sagt / und sagt nie / was er meint

Ist Füchsen gleich an List / an Neide Molch- und Spinnen.

Die Aegeln dürsten nicht / wie Er / nach Menschen Blute.

Er schäumt kein wiegernd Hengst von Geilheit so / wie er;

Sein Kopff ist voller Wind / sein Hertz erbarmens-leer;

Er nagt / doch sättigt er sich nie an frembdem Gute.

Er siehet Tag und Nacht wie Nacht-Euln und wie Geyer /

So werden nun sein Raub so Schuld als Unschuld seyn;

Aus diesem bilde / Rom / dir dein Verhängnüs ein;

Doch 'brüttest du selbst aus die Basilisken-Eyer.

Du bist noch sehr bemüht zum Käyser ihn zu machen /

Und machst zum Sklaven dich / wenn du / O Thör'chte! meinst:

Daß Er nicht herrschen wil. Doch / die du itzt gleich weinst /

Sey nur getrost! du wirst zu seinem Tode lachen.


Unter denen Spatzier-Gängen des Pantheons aber ward an dem Bilde des Käysers / welches Agrippa dahin gesätzt hatte / unten an dessen Porphierenen Fusse folgende Uberschrifft künstlich eingegraben gefunden:


Zwey Wunder sieht die Welt in dieser schnöden Zeit

Der Juden grosser Gott wird Mensch / und kommt auf Erden;

Der schwache Mensch August meint aber Gott zu werden;

Wie daß ihr denn so blind und abergläubisch seyd!

Daß ihr den wahren Gott für keinen Gott erkiest /

Und den zum Gotte macht / der Asch' und Unflat ist?


Niemand konte begreiffen / wie es möglich gewest wäre: daß in einer Nacht / und ohne daß es die Hütter dieses Tempels gewahr worden / in einen so Eisen-harten Stein so viel habe gegraben werden können. Noch unbegreiflicher aber war ihnen der Innhalt / und zerbrachen ihnen nicht nur die Priester darüber ihren[975] Kopff / sondern auch der Rath befahl / darüber die Sibyllinischen Bücher aufzuschlagen. Tiberius ließ zwar unter dem Scheine: daß Augustens Bild nunmehr in den Tempel neben die andern Götter zu sätzen wäre / welches August im Leben nicht hätte verstatten wollen / den ihm ärgerlichen Fuß wegnehmen; gleichwol schickte er dem Jüdischen Land-Pfleger die Abschrifft hiervon mit Befehl: daß er von den Jüdischen Priestern eine Auslegung hierüber fordern solte. Den dreißigsten Tag hob Tiberius bey den Männern alles Trauren auf / ließ einen jeden seiner Ampts-Geschäffte und Nahrung abwarten / und sagte: die Klage hätte eines Maaßes nöthiger / als die Freude. Die tapffern Spartaner hätten nur eylf Tage / und andere kluge Völcker zum längsten einen Monat unterschiedene Völcker auch gar nicht wolverdiente Todten betrauret; ja die Thracier beweinten der Ihrigen Geburts- und feyerten mit Lust-Spielen ihren Sterbe-Tag. Viel tapffere Römer wären von ihrer Eltern oder Kinder brennendem Holtzstosse aufs Rathhauß in ihre Aempter gegangen / und hätten bey Verrichtungen ihnen das Betrübnüs aus den Sinnen geschlagen. Der Verstorbenen Seelen würden so wol durch übermäßiges / als durch unterlassenes Trauren beleidiget. Die edlen Frauen aber giengen nicht weniger um den Käyser /als für Zeiten um den Junius Brutus den so eyfrigen Rächer der versehrten Keuschheit ein gantz Jahr im Leide / wiewol im Hertzen viel verständige Bürger ihr Lebtage.

Nach derogestalt geendigtem Trauren kam der gantze Rath im Tempel der Eintracht zusammen. Niemand war in selbtem / welcher nicht gegen dem Tiberius ehrerbietiger als vorhin gegen dem August war; alle aber fleheten ihn / und zwar etliche mit Thränen an: daß er doch die schwere Last der Herrschafft über sich nehmen möchte. Aber Tiberius stellte sich hierzu gantz kaltsinnig / machte ihm die Sache schwer /schützte die Mäßigkeit seines mit wenigem vergnügten Gemüthes und Unvermögen / und am meisten die Größe des Reiches für / welches zu begreiffen / alleine Augustens Geist fähig gewest wäre. Gleichwol aber hätte dieser ihn mit einem Theile seiner Sorgen beleget / und er bey diesem wenigen durch Erfahrung gelernet; wie diese Last auch dem Vermögensten zu Kopffe wachse / und wie im Herrschen keine menschliche Klugheit alle Zufälle vorher sehen / weniger verhüten könte. Rom wäre mit so vielen erlauchten Leuten ausgerüstet; als hätten sie nicht von nöthen alles einem auf den Halß zu schieben. Ihrer viel könten mit gesa tem Rathe und getheilter Arbeit besser als einer dem gemeinen Wesen vorstehen. Mit diesen und andern zweydeutigen Reden und schlauer Langsamkeit versteckte Tiberius seine Gemüths-Meinung; daß einer den andern ansah / und keiner wuste / was er eigentlich daraus nehmen solte. Die meisten kennten zwar des Tiberius Art / und konten sich leicht bescheiden / daß dieser Vorwand sein Ernst nicht wäre; aber sie musten aufs künstlichste sich verstellen / als wenn sie seine Künste nicht merckten. Daher verfiel ihre Zunge in Wehklagen / ihre Augen in Thränen /ihre Andacht in seltzame Gelübde / da die Götter des Tiberius Hertze erweichen würden. Etliche umarmten das Bild Augustens / etliche des Tiberius Knie /drückten ihm die Hände / und baten ihn: er möchte sie doch nicht hülff- und trostloß lassen. Aber Tiberius ließ an sich die geringste Veränderung nicht spüren; sondern befahl das vom August mit eigner Hand geschriebne und hernach in zwey ertztene Seulen geetzte Verzeichnüs über das auf den Füssen stehende Kriegs-Volck / die Schiffs-Flotten / die den Römern unterthänige Reiche / Länder / derselben Einkunfften /und die nöthigen Ausgaben abzulesen. Aus diesem /sagte Tiberius / habt ihr die Schwerde dieser Last zu urtheilen. Und als einige Rathsherren ihm so gar knechtisch zu Fusse fielen / fieng [976] er an: Er wäre der gantzen Last nicht gewachsen; was sie ihm aber für ein Theil davon auftragen würden / wolte er treulich verwalten. Asinius Gallus fiel ihm ein: Was meint denn Tiberius / welch Theil des Reiches ihm anständig sey? Italien / die Heere / oder die eroberten Länder? Tiberius befand nicht ohne Bestürtzung sich durch diese unvermuthete Frage gleichsam zwischen Thür und Angel. Nach einem kurtzen Stillschweigen aber faßte er wieder ein Hertze und sagte: Er würde so unverschämt nicht seyn: daß er ihm von dem selbst was auslesen solte / damit er sich lieber gar verschont wissen wolte. Gallus / welcher dem Tiberius seine Entrüstung an Augen ansah / versätzte: Er hätte ihn nicht in der Meinung gefraget: daß er diß / was sich nicht zertrennen ließe / zu theilen gedächte; sondern daß er den Tiberius durch sein eigen Bekäntnüs überwiese: das Römische Reich bestünde in einem Leibe /also müste es auch durch nicht mehr / als einen Geist beseelet werden. Dieses hätte Käyser August durch sein Beyspiel schon erhärtet; unter welchem alles /und so gar die entferntesten Sachen an der Schnur gegangen wären; gleich als ein Athem und eine Hand alle Räder des Reiches herum drehete; in welchem vormahls ein Kopff hier / der andere dort hinaus gewolt; jeder Land-Pfleger seinen Gemüths-Regungen gefolgt / und diese Zwytracht die Harffe der Herrschafft schädlich verstimmt hätte. Diese Kunst hätte Tiberius / welcher Augustens Gefärthe gewest / von ihm begriffen / durch so viel Siege und mühsame Aempter bewiesen; und andere würden in vielen Jahren nicht begreiffen / was Tiberius aus Erfahrung wüste / und sein scharffsinniger Geist von Grund aus verstünde. Aber diese Heucheley war ein zu schlechter Schwa die Beleidigung auszuwischen. Denn Tiberius war ihm schon vorher über Achsel / weil Asinius die vormals dem Tiberius verheyrathet geweste Vipsania Agrippens Tochter zur Eh / und keinen Zug zur Dienstbarkeit / sondern vielmehr seines Vaters Pollio Sinn hatte / der als im Kriege bey Actium gleich gantz Rom und Italien auf Augustens Seite stand / alleine stille saß / und sich zur Beute des Uberwinders aufhob; hernach auch den Geschicht-Schreiber Timagenes in sein Hauß aufnahm / als ihn August wegen hefftiger Stachel-Schrifften aus seinem verstieß / auch wider die vom August in Schwung gebrachte Trojanische Spiele hefftig redete / weil sein Enckel Aesernin darauf ein Bein gebrochen hatte. Lucius Arnutius stieß beym Tiberius an eben diesen Stein an / als er anfieng: wenn sich auch gleich das Reich theilen liesse / wer würde des Tiberius würdiger Gefärthe seyn / den er nicht selbst aus seinem eigenen Hause nehme. Denn ob zwar Tiberius keinen alten Groll auf den Arnutius / oder eine andere Ursache ihn zu hassen hatte / als daß er reich / hurtig / gelehrt / und in Rom hoch gesehen war / so gieng ihm doch dieser Einwurff durchs Hertze; weil seine Rede dem ohne diß verdächtigen Germanicus das Wort zu reden schien / und August den Arnutius selbst so keck als geschickt zum Herrschen geurtheilt hatte. Daher antwortete ihm Tiberius: Die Stadt Rom wäre das grosse Hauß / daraus die Vorsteher des gemeinen Wesens genommen werden könten. Haterius ward dieser Verstellung überdrüßig / und fuhr heraus: Wie mag sich doch Tiberius so lange bitten lassen / da er selbst wohl weiß: daß ausser ihm niemand zum Haupte des Römischen Volckes geschickt sey? Scaurus aber sätzte bey: Er würde ja die Hoffnung des gantzen Rathes nicht lassen in Brunn fallen / da er denn / was vorher die Bürgermeister verlangt hätten / als oberster Zunfftmeister nicht zu wider gewest wäre. Tiberius verhörte diß / weil er sich über den Scaurus unversöhnlich erzürnte / den Haterius fuhr er an: Wenn hat das Römische Volck iemahls ein Haupt über sich begehret? und wenn ich nach der Herrschafft strebte /würde ich mich [977] so lange nicht bitten lassen. Endlich ward er durch so vieler demüthiger Bitte ermüdet: daß er sich darein gab; iedoch solte seine Einwilligung mehr den Schein haben: daß er nicht mehr wolte gebeten seyn / als daß er die Herrschafft wahrhafftig übernähme. Gleichwohl kostete es nach und nach alle / die diesen Tag bey ihm angestossen / das Leben; Ausser Haterius / welcher dem Tiberius in seinem Hause einen Fußfall that / ward endlich durch Liviens bewegliche Bitte kaum ausgesöhnt. Wiewohl auch Tiberius Livien mit schälen Augen ansah / und sich derselben so viel möglich entschlug / insonderheit aber lange und geheime Unterredungen meidete: daß es nicht den Schein haben solte / als wenn er sich derselben Rathes bediente / die ohne diß sich nebst ihm zu herrschen unterstund / und sich rühmte: Sie hätte den Tiberius zum Kayser gemacht. Daher er auch die Rathschläge zu bestätigen weigerte / Krafft welcher Livia die Mutter des gemeinen Wesens / Tiberius ein Sohn Juliens genennt / und deßwegen daß Augustus sein Ehweib Livien in das Geschlechte der Julier und zu seiner Tochter angenommen hatte / ein Altar der Einkindschafft erbauet werden solte. Ja er wolte ihr nicht einst einen Schergen / derogleichen doch den Vestalischen Jungfrauen vortraten / oder auch / daß sie bey Augustens Säule dem Adel ein Gast-Maal ausrichtete / erlauben; sondern er redete im Rathe dawider: Man müßte die Ehren des weiblichen Geschlechtes mäßigen / derogleichen er selbst gegen sich thun wolte. Hingegen bat er für den ihm nicht wenig verdächtigen Germanicus beym Rathe aus: daß er sein Lebtage in allen Ländern / wo er hinkäme / die völlige Botmäßigkeit haben solte / um ihn hierdurch zu besänfftigen / und von der Lüsternheit nach dem Kayserthume abzuhalten. Den Elius Sejanus aber machte er zum Gefärthen seines Vaters Strabo / und zum Hauptmanne über die Leibwache / wie auch zum Hofemeister seines Sohnes des Drusus.

Unterdessen kochte das Mißtrauen gegen den Germanicus unaufhörlich in des Tiberius Hertzen; und es gieng weder Tag noch Nacht fürbey: daß er nicht auf Mittel sann / ihn in etwas zu verwickeln / bey dessen Verrichtung er so viel zu schaffen kriegte; daß er weder nach Rom / noch an die Herrschafft gedächte. Hierzu aber fand er nichts dienlichers als den Krieg mit den Deutschen; zu welchem Feuer Adgandester und Sentia auffs fleißigste Holtz trugen; welche nach vernommenen Tode Augustens auff der Post nach Rom kommen waren / um zu verschaffen: daß der von ihnen angesteckte Krieges-Zunder mit Augusten nicht zu Asche werden möchte. Diese riethen dem Tiberius: daß er theils zu seiner Sicherheit / theils einigen deutschen Völckern einen Dunst für die Augen zu mahlen / die vom August abgeschaffte deutsche Leibwache /der mit dem Hertzoge Melo und Ganasch getroffenen Abrede nach / nunmehr würcklich aufrichten / und mit ihnen das Bündnüs verneuern solte. Welches denn auch ohne Verzug geschahe; und wurden tausend Bataver zu Pferde / zwey tausend Sicambrer und Chautzen zu Fuße / und der Graff von Diepholt zu ihrem Hauptmanne angenommen. Sentia und Adgandester wolten auch für anbefohlnem Kriege von Rom nicht verrücken / sondern lagen dem Tiberius täglich an Ohren: daß er bey so glücklich gesämten Kraut der Zwytracht unter die Deutschen / mit den Catten und Cheruskern zu brechen / die Gelegenheit nicht versäumen solte. Es war schon alles abgeredet / an den König Marbod / Hertzog Melo / Ganasch / und Cariovalda Gesandten und Geschencke / um sie in guten Gedancken gegen die Römer zu erhalten / auch an Germanicus / welcher / um sich alles Argwohns zu entschütten / nach erster Nachricht von des Kaysers Tode sich tieff in Gallien verfügt hatte / und mit Einnahme der Schatzung unmüßig war / Befehl abgeschickt / alles zu einem mächtigen Kriege zu bereiten. [978] Damit auch dieser Schluß durch kräfftigen Aberglauben bestärckt würde / tichtete Tiberius: Qvintilius Varus wäre ihm des Nachtes in blutiger Gestalt erschienen / und ihm den Untergang gedräuet / da er die unbedeckten Beine der erschlagenen Römer nicht beerdigen / und die im Tanfanischen Tempel zu seiner ewigen Schande aufgehenckten Adler nicht zu denen /welche die Parthen wieder geschickt / in des rächenden Kriegs-Gottes Heiligthum liefern würde. Aber diesen Schluß verrückte eine unvermuthete Zeitung vom Julius Bläsus: daß die ihm in Pannonien untergebene achte / neundte / und funffzehende Legion bey veränderter Herrschafft in dem Sommer-Lager auff Anstifftung eines Gaucklers Percennius / und eines gemeinen Lands-Knechtes Vibulenus sich wider ihn aufgelehnet / ihren Stand und Wache verlassen / die Adler und sich unter einander vermischet / ihren Befehlhabern Spott und Gewalt angethan hätten. Wenige Tage darnach kam des Bläsus Sohn / welchen sie zu dieser Gesandschafft gezwungen hatten / selbst nach Rom / mit ihren Beschwerden; welche darinnen bestunden: daß sie theils dreißig und viertzig Jahr im Kriege gedient hätten / und mit ihren gebrechlichen Gliedern nicht zur Ruh kommen könten / da die Gesätze sie doch nach zwantzig Jahren loßsprächen. Wenn sie auch schon hohen Alters halber der Wache und Schantz-Arbeit befreyet würden / müsten sie doch unter den Fahnen und wider den Feind dienen; oder endlich in wüsten Ländern Sümpffe austrocknen / und Felsen fruchtbar machen. Ihr Leib und Seele würde jeden Tag nur für zehn küpfferne Heller geschätzt; für ein so schnödes Kauffgeld müsten sie ihnen Kleider /Waffen / Zelte schaffen / der Hauptleute Grausamkeit / Schläge / Wunden / Frost / Hitze / und endlich einen unfruchtbaren Frieden vertragen. Jeder von der Leibwache hingegen / der doch nach sechtzehn Jahren seinen Abschied zu erwarten hätte / bekäme täglich zwey Silber-Groschen / also noch einmal so viel; da doch diese in der Stadt ihre gute Beqvämligkeit / sie gegen die wilden Völcker tausend Ungemach und Gefahr auszustehen hätten. Welchem allem sie von dem neuen Fürsten abgeholffen wissen wolten. Dieser schlimmen Botschafft folgte täglich ärgere Nachricht; nemlich: daß die Aufrührer die Fahnen von den Stangen gerissen / etliche Flecken / ja gar die Stadt Nauport geplündert / die Hauptleute beschimpfft / den Aufseher über das Lager Aufidienus zu Bodem geworffen / und bey nahe erstecket / den Bläsus selbst geschmähet / die Gefangenen mit Gewalt aus den Fesseln gerissen / den Hauptmañ Lucilius getödtet / also alle Scham und Gehorsam ausgezogen hätten. Tiberius ward hierüber aufs euserste bestürtzt / in Meinung: daß des Kriegs-Volckes Verlangen nur ein Vorwand /das rechte Absehn aber auf seinen eigenen Kopff gemüntzet wäre. Ihm war über diß bekandt: daß die Pannonier ihm grämer / als einer Spinne waren / und daher leicht wider ihn in Gemeinschafft der Waffen treten / die zu Carnuntum an der Donau liegenden Legionen mit aufwiegeln / und wol gar dem Könige Marbod sich Pannoniens zu bemächtigen / den Bojen / Marckmännern und Schwaben in Rhätien einzubrechen Anlaß geben möchten. Ob nun zwar Tiberius wie alle / also auch diese Wunde für Rath und Volcke meisterlich zu verbergen wuste; so konten doch alle Klugen leicht urtheilen: daß die Sachen ziemlich schlecht stehen müsten; weil er seinen eigenen Sohn Drusus mit dem Sejan / vielen Rathsherren / zweyen Fahnen zu Fuß / und fast aller Reiterey der Leibwache / und funfzehn hundert Deutschen dahin schickte. Aber der übel beredete Drusus hatte bey denen Aufrührern schlechtes Ansehn / seine Verströstung daß der Rath ihren Sold verbessern / ihnen zeitlichere Erlassung willigen würde / keinen Glauben. Sie störten ihn in seinem Vortrage / verhöhneten den abgelesenen Brieff des Tiberius; [979] welcher sie schon mehrmahls hinters Licht geführet hätte; und weil sie glaubten: daß Eneus Lentulus dem Drusus wider sie alle Anschläge / und sich zurück in das Winter-Läger zu ziehen / an die Hand gäbe / riessen sie ihn von der Seite des Drusus weg / umringten / verwundeten ihn am Haupte mit einem Steine / und hätten ihn gar erwürgt / wenn nicht die Deutschen zugeeilet / und ihn ihnen / und dem Tode aus den Klauen gerissen hätten. Es würde aber zweifelsfrey mit dem Drusus selbst schlecht abgelauffen seyn / wenn nicht der Himmel durch Verfinsterung des Mohnden / oder vielmehr der einfältigen Kriegs-Leute Aberglauben / seinem Unsterne abgeholffen hätte. Denn sie bildeten ihnen ein: daß die Götter ihr Vorhaben verdammten / und durch den beängstigten Mohnden ihnen ihr künftiges Elend fürbildete. Uber welcher Einfalt des Römischen Kriegs-Volckes sich nicht zu verwundern war / weil sie dessen natürliche Ursache nicht wusten; nemlich daß der Mohnde durch den zwischen die Sonne und den Monden kommenden Schatten der Erde / die Sonne aber durch den zwischen die Sonne und die Erde tretenden Mohnden nur in unsern Augen / nicht aber in ihnen selbst wesentlich verfinstert würden. Aus welcher Unwissenheit auch Nicias bey einem solchen Finsternüsse der Stadt Athen Kriegs-Flotte nicht aus dem Hafen führen wolte / Hannibal für der letzten mit dem Scipio gehaltenen Schlacht / Perseus / und seine Macedonier / in der Schlacht mit den Römern so sehr erschreckt wurden / als die unvernünfftigen Thiere sich bey Finsternüssen entsetzen. Hingegen kam Sulpitius Gallus bey seinen Römern / der mit den Africanern kriegende Agathocles bey seinen Siciliern durch Auslegung der wahren Beschaffenheit / allem Schrecken klüglich zuvor / und benahm ihnen den gemeinen Aberglauben: daß die verfinsterten Sterne kranck würden / oder gar stürben; dahero die Leute insgemein / und auch dißmahl allhier die Römer dem nothleidenden Mohnden mit klingendem Ertzte zu Hülffe kommen wolten. Drusus machte ihm diesen Zufall meisterlich nütze; ließ durch den Hauptmann Clemens und etliche andere Gutgesinnte ihnen ihr Verbrechen und die Thorheit / wenn sie glaubten: daß Percennius und Vibulenus an stat der Neronen und Drusen das Hefft des Reiches behaupten würden / zu Gemüthe führen. Nach dem diese die Gemüther ziemlich gewonnen / beruffte sie Drusus selbst für sich / und hielt ihnen ein: Ihr Aufruhr wäre ein solcher Greuel in den Augen der Götter / daß sie auch den himmlischen Lichtern ihre Krafft benähmen / um solche Laster nicht zu schauen. Der unerträgliche Winter / die hefftigen Platz-Regen / der stete Hagel / die Ergießungen der Wässer rührten nicht ungefehr her; sondern wären gerechte Straffen des erzürnten Himmels. Diese würden sich noch vergrössern / wenn sie nicht ihre Hartnäckigkeit in Gehorsam verwandelten. Auf solchen Fall aber wolte er für ihr Verlangen selbst bey seinem Vater / und dem Rathe eine Vorbitte einlegen. Hierauf gab sich das Kriegs-Volck / schickte aufs neue den jungen Bläsus /den Lucius Apronius aus des Drusus Leibwache / und den ersten Hauptmann Justus Catonius nach Rom. Drusus ließ die Rädelsführer aufsuchen / und durch die Deutschen; den Vibulenus und Percennius aber in seinem eignen Zelt hinrichten. Die drey Legionen verliessen das Sommer-Lager / gleich als wenn dieser Ort ihnen stets ihr Verbrechen fürrückte / verfügten sich in das Winter-Lager / Drusus aber nach Rom.

Ehe aber Drusus diese Verwirrung in Pannonien verrichtete / ward Tiberius fast durch eine viel ärgere Zeitung bey nahe entseelet; nemlich: daß alle neun auf die Gräntzen Deutschlands verlegten Legionen in vollem Aufruhre begriffen wären. Sintemahl er diß für eine Anstifftung des Germanicus hielt; wech er doch noch in Gallien die Schatzung einsammlete / [980] und alle Städte / wo er hinkam / besonders die Seqvaner und Belgen dem Tiberius schweren ließ. Zu und um Mäyntz lag die andere / dreyzehnde / viertzehnde und sechtzehnde Legion. Ihr Haupt war in des Germanicus Abwesenheit / Cajus Silius. Von der Reiterey dieser Legionen ward bey Trier / Effern / ein deutscher Edelmann abgehalten / welcher von Thußnelden Brieffe an Agrippinen zu bringen hatte / in Meinung: daß er ein Kundschaffter wäre. Wie er aber für den Römischen Rittmeister Sergius gebracht / und seiner Verrichtung halber befragt ward / rechtfertigte er sich theils durch seine Brieffe; theils durch vorgewendeten Befehl: daß er wegen des deutschen Feldherrn dem Germanicus zum Erbtheile des Römischen Reichs Glück wünschen solte; Also ward Effern frey; Sergius aber saan der Sache nach / und ließ sich hierauf gegen etliche vertraute Römer heraus: Es wäre ihnen wol eine Schande: daß ein Deutscher sie ihrer Pflicht erinnern solte; welchem allerdings für dem Tiberius so wol sein / als seiner Gemahlin halber das Käyserthum zugehörte / und welcher es auch für einem gramhafften Sauer-Topffe verdiente. Diese Meinung breitete sich in wenig Tagen durch alle vier Legionen aus: daß in Mäyntz die Hauptleute und gemeine Knechte täglich für des Silius Wohnung kamen / und fragten / was ihn hinderte oder aufhielte / daß er die Legionen nicht zusammen führte / und sie dem Germanicus vereydete? welcher ihm ja nimmermehr den gramhafftigen Tiberius die Beherrschung des Römischen Volckes würde wegnehmen lassen / welche ihm so wol das Erb-Recht / als die Liebe der Legionen / die für ihn alles euserste thun würden / zueignete. Aulus Cäcina aber lag mit der ersten und zwantzigsten Legion in der Stadt der Ubier; die fünffte und ein und zwantzigste war nahe herum verlegt. Diese waren eben so gut für den Germanicus gesinnet; und weil beyde ihnen einbildeten: daß gut ihnen die Kräfften des Römischen Reichs beruheten / von denen deutschen Legionen die Käyser ihre Zunahmen entlehnten / stünde ihnen die Erwehlung des Hauptes zu. Weil ihnen aber zu solcher Erklärung ein verwegener Führer mangelte / und ihnen des Germanicus Gemüthe unbekandt war / stiffteten die Verschlagensten die gemeinen Knechte an / mit welchen nach des Varus Niederlage die Legionen waren verstärckt worden: daß sie in Kriegs-Diensten mehr Freyheit / grössern Sold / und zeitlichere Erlassung forderten. Ehe aber ihnen was gewehret oder verweigert ward / fielen sie ihre Hauptleute mit blossen Degen an / schlugen selbte zu Bodem / und warffen sie todt entweder über den Wall / oder in Rhein. Septimius meinte sich bey den Füssen und unter dem Stuhle Cäcinens zu retten; aber sie machten des Dräuens kein Ende / biß er ihnen zu Abstraffung seiner Grausamkeit / nemlich zum Tode ausgefolgt ward. Caßius Chärea / welchen das Verhängnüs zu Abthuung des Unmenschen Caligula aufheben wolte /machte ihm mit dem Degen einen Weg durch die Aufrührer. Niemand gehorchte mehr den Obersten und Befehlhabern; sondern die gemeinen Knechte bestellten die Wachen / besätzten den Stand / und verrichteten alles in unglaublicher Ordnung und Eintracht.

Weil nun Augustens Tod die gantze Welt / und sonderlich Deutschland rege gemacht hatte / hätte es ihm der Feldherr für die gröste Schande geachtet /wenn er nicht bey diesem grossen Staffel-Jahre der Welt und einer so mercklichen Veränderung beyde Augen aufgesperret / und die Römischen-Heimligkeiten auszuspüren alle euserste Mittel fürgekehret hätte. Daher säumte er sich nicht nach erfahrnem Absterben des Käysers mit dem Hertzoge Ingviomer und Jubil nach Mattium zu eilen / und beym Hertzoge Arpus auf den Teppicht zu werffen / was bey gegenwärtiger Gelegenheit für Deutschlands Sicherheit zu beobachten [981] nöthig wäre. Zumahl er ihn nicht etwan aus selbst gemachtem Argwohne / sondern aus glaubhafften Nachrichten versichern könte: daß Germanicus nicht aus Liebe des Friedens seinen Anspruch auf die Catten und den Brücken-Bau über den Rhein abgethan; sondern allein Augustens Tod ihm die Zirckel verrückt / und ihn von so schädlichen Anschlägen zurück gehalten hätte. Er wäre von vertrauter Hand auch versichert: daß Adgandester auf des Tiberius Anstifftung beym Hertzoge Melo und Ganasch wider die Cherusker und Catten eine solche Glocke gegossen hätte /welche man in kurtzem zu ihrem Schaden durch gantz Deutschland würde leuten horen. Des Melo und Ganasches gäntzliche Abziehung von dem Leibe des übrigen Deutschlandes gäben diß nicht nur zu verstehen; sondern die den Römern geschehene Räumung des Ubischen Altares / und des Emße-Stromes machten hierüber eine so klare Auslegung: daß man sie billich Leute ohne Augen nennen könte / wenn sie diese Gefahr übesähen. Hertzog Arpus hatte ein so gutes Gemüthe für die gemeine Wolfarth / als ein tapfferes Hertze was Helden-mäßiges zu entschlüssen. Aber weil er von Rom Nachricht hatte: daß alle Winde in des Tiberius Segel bliessen / hielt er nicht für rathsam / ausser eusserster Noth einen gefährlichen Streich zu wagen / sondern meinte: es wäre das sicherste nur auf guter Hut zu stehen. Hierüber kam die Nachricht nach Mattium; daß das Römische Heer am Ober-Rheine den Germanicus zum Kayser haben wolte / das am Nieder-Rheine aber in dem grösten Aufruhre begriffen wäre. Der Feldherr wuste ihm diese Begebnüs wohl nütze zu machen / und hielt dem Hertzoge Arpus für: daß die Zwytracht der Feinde eines Staats heilsamstes Genesungs-Mittel wäre / und das Verhängnüs dieses den Deutschen zweiffelsfrey zur Rettung ihrer sonst dem Schiffbruche ziemlich nahen Freyheit zuschickte. Daher riethe er treulich: man solte den Germanicus auf alle Weise trachten zu einem bürgerlichen Kriege anzufrischen; oder denen auf Deutschlands Ungedeyen am Rheine liegenden Heeren einen solchen Streich wie dem Varus zu versetzen. Diese würde das kräfftigste Mittel seyn / den Hertzog Melo und Ganasch zu bessern Gedancken zu bringen / die Römer aber ausser denen Gräntzen Deutschlands zu halten. Hertzog Arpus nahm diß zum Bedencken / und überlegte es mit seinen Räthen. Diese aber fanden in dem Wercke hundert Schwerigkeiten / iedoch kein Ende; weil einige die Furcht / andere der Eigennutz / und etliche vielleicht auch das Römische Geld verbländete. Keiner unter ihnen kunte zwar die gute Meinung des Feldherrn / und die besorgliche Gefahr von Römern umstehen; aber der meisten Schluß ging doch dahin: daß wenn die Deutschen wider den gemachten Frieden gegen die Römer was beginnten / diß ihrer Feinde Friedens-Bruche eine vortreffliche Farbe anstreichen /und so denn nicht nur die Sicambrer und Chauzen /sondern auch den Marbod wider sie in Harnisch bringen würde / welche vielleicht sonst sich noch hundertmahl bedencken würden / sich auff die Seite öffentlicher Friedensstörer zu schlagen. Sie hätten zur Feindseligkeit noch keinen andern Grund / als den Argwohn; Und was Germanicus im Schilde führte / die wenigste Nachricht. Ihn zu was anzureitzen wäre eine offenbahre Beleidigung des Kaysers; auch an sich selbst ärgerlich die Glieder eines Reichs wider ihr Haupt zu verhetzen. Einen zwistigen Feind aber anzugreiffen diente nur zu seiner Eintracht. Also wäre dieses Werck allenthalben stachlicht / wo man es angriffe / wie scheinbar es auch wäre. Der allertieffsinnigste Verstand betrüge sich in solchen Fällen / und die klügsten Schlüsse kämen ins stecken / die vorsichtigsten Anschläge verschlügen. Sie kitzelten anfangs wohl die Ohren / und hätten die Annehmligkeit der ersten Liebe; und so lange sie auf dem[982] Teppichte in der Rath-Stube blieben / wäre man derselben Meister; und niemand wäre so nachdenklich; daß er solchen Erfindungen Mängel ausstellen könte; aber wenn es zum Wercke selbst käme / thäten sich allererst die Schwerigkeiten herfür; alle Dinge kriegten eine andere Gestalt / und man lernte so denn allererst: daß es sich leichter in Land-Karten / als durch die Welt reisen / und im Zimmer sicherer / als im Felde kriegen liesse. Weil ein schlechter Umstand den man übersehen / und die geringste Hindernüß das gantze Spiel verterben / wie die Zerreissung einer Seite die beste Uhr hemmen könte. Niemahls aber hätte man mehr Ursache / alles genau abzuwägen / als wenn man mit den Römern zu thun hätte / in derer Wagschale das Gelücke die Zunge wäre / und meistentheils für sie den Ausschlag gäbe / wenn schon wider sie Klugheit und Tapfferkeit zu Felde zöge. Auch hätten die Catten / als die nechsten Nachbarn der Römer / mehr als die Cherusker von nöthen / auf ihrer Hut zu seyn / und sich vorzusehen. An die mehr entlegenen Cherusker und Bructerer könte allererst die Reye kommen / wenn der Römer Waffen schon wären stumpff worden. Hertzog Arpus ward von den Seinigen / und dieser Meinung gantz eingenommen; iedoch wolte er / aus Beysorge beym Feldherrn anzustossen / nicht mit heraus / und suchte bald unter einem / bald dem andern Scheine Befristung. Hingegen drang Hertzog-Herrmann auff eine gewisse Erklärung; damit auf allen Fall nicht Zeit und Gelegenheit verspielet würde. Es wäre rathsamer / etwas böse / als gar nichts entschlüssen; und einer Uhr besser / daß sie ginge / als stünde; nichts aber schädlicher als eine Tieffsinnigkeit / welche nur Schwerigkeiten auf die Bahn zu bringen / oder sie gar vom Ende der Welt oder den Nachkommen herzuholen / aber keine zu verrichten wüßte. Man müste niemals den Verstand gar angewehren / oder erschöpffen / sondern gedencken: daß wir Menschen wären; und also etwas von andern Thieren an uns behalten / und das Licht unser Vernunfft niemals gar vom Schatten entfernen. Aber Hertzog Herrmann brachte hierdurch mehr nicht zu wege; denn daß Arpus endlich mit allen ihm eingegebenen Ursachen herfür brach / und sich entschuldigte: daß sein Zustand ohn eusserste Noth mit den Römern in Krieg zu gerathen nicht liedte. Würden sie aber selbst brechen / wolte er für Deutschlands Freyheit das eusserste thun / und so denn mit desto grösserer Hoffnung des Sieges / seine grauen Haare willig in die Schantze schlagen; weil doch so denn die gantze Welt die Gerechtigkeit ihrer Sache erkennen würde /diese aber ein guter Gefärthe und Beystand im Kriege wäre. Hertzog Herrmann und Jubil müheten sich zwar ihn mit allerhand Vorstellungen auf eine andere Meynung zu bringen; als aber nichts verfing / zohe er die Achseln ein / und sagte: Ich sehe das Verhängnüß Deutschlandes. Es werden nicht drey Monat vergehen / so wird uns allen diese unsere Furchtsamkeit leid seyn. Jedoch will ich mich gerne in Ruh halten / daß mir die Schuld nicht gegeben werde / daß ich Deutschland ohne Noth in Gefahr und Krieg gestürtzt hätte. Weil er aber vom Fürsten Catumer / der seiner hertzhafften Meinung beypflichtete / erfuhr: daß hieran allein gewisse Räthe Schuld hätten / stieß ihm solches bey der Taffel / als alle Räthe und Kriegs-Obersten zu gegen waren / auf; und weil Hertzog Arpus in einem mit dem Hertzoge Ingviomer führenden Gespräche die Glückseligkeit des Kaysers August der des grossen Alexanders fürzoh / fiel der Feldherr ein: Beyder Glückseligkeit hätte daher gerühret: daß sie keine furchtsame Räthe / sondern dieser den behertzten Parmenio / und Hephästion / jener den tapffern Agrippa zu Beyständen an der Seite gehabt; und beyde nicht alleine die gar zu sichern Rathschläge als Verzagte verworffen / sondern seine Diener ihm niemals was gerathen hätten / was [983] der Grösse seines Gemüthes nicht wäre gemäß gewest. Daher auch alles diß / was Furchtsame an ihnen für Vermessenheit gescholten / einen gewünschten Ausschlag gewonnen hätte. Hertzog Arpus nahm sich dessen an / und antwortete: Es wären kluge Räthe allerdings die rechten Glücks-Sterne eines Fürsten / und wären Parmenio und Hephästion freylich bey Alexandern / Agrippa beym August die rechten Werckzeuge ihrer Siege gewest. Aber seinem Bedüncken nach / hätten alle diese ihre Fürsten mehrmahls von hitzigen Entschlüssungen zurücke gehalten / Parmenio den Persischen Krieg wiederrathen / und August sich grösten theils nach des vorsichtigen Mecänas Gutachten gerichtet. Daher seines Bedünckens einem Fürsten verwegene Räthe schädlicher / als etwas furchtsame wären. Denn weil der Fürsten Geist und Geblüte ins gemein ohne diß feurig wäre / dienten selbigen mehrmahls ein Hemmeband / als die Wagenschmiere. Uber diß hätten auch furchtsame Räthe nicht selten die Art: daß wenn sie nur nicht selbst die Schlüsse ausüben müsten / lieber vor hertzhafft als vorsichtig wolten angesehen seyn. Der Feldherr versetzte: Es könte seyn / daß man zuweilen durch Verwegenheit irrte; aber dieser Irrthum /weñ er auch schadete / thäte er doch der Ehre keinen Abbruch; Furchtsame Leute aber brächten Fürsten um Herrschafft und guten Nahmen. Daher wären hertzhaffte Rathschläge allemal sicherer / diß aber ein grosser Irrthum / als wenn Furcht die rechte / Kühnheit aber die Stieff-Schwester der Weißheit wäre. Sintemahl man eine Gefahr der andern zu Hülffe ruffen /und aus dem Ubel durch ein anders entkommen müste. Die Furcht aber liesse einen im Peche / und in der Noth stecken / liesse die Hände sincken / und wolte / ehe sie einen Streich wagte / und ihrer Pflicht ein Genügen thäte / lieber ersticken. Gleich als es erträglicher wäre gewiß unterzugehen; als eine ungewisse oder unsichere Rettung für die Hand zu nehmen. Sie verzweiffelte / ehe sich was furchtsames hervor thäte / und wenn sich nichts schreckliches zeigen wolte / machte ihr ihre Einbildung eines. Sie läst ihr träumen: daß kein Unfall / welcher denn und wenn sich ereignet hätte / aussenbleiben könte; gleich als wenn weder das Verhängnüß / noch unsere Behutsamkeit / ein oder anders zu verhüten vermöchte / oder unser Feind nicht eben so / als wir irren / und durch seine Unvorsichtigkeit uns unserer Fehler entladen könte. Ja wenn das Gelücke die Furchtsamen auch gleich mit den Haaren auf einen guten Weg bringt /und der Anfang sie anlacht / haben sie doch nicht das Hertze ihr Glücke zu verfolgen / oder etwas auszumachen; sondern ihre kalte und schwere Weißheit mißtrauet nicht weniger ihren Kräfften / als dem lachenden Munde des Gelückes. Daher halten sie für rathsamer Zeit zu gewinnen / als die Gefahr abzuthun / den dreuenden Fall zu stützen / als ein Reich auf festen Fuß zu setzen. Der gegenwärtige Zustand / wie schlecht er ist / fällt ihnen erträglicher / als daß sie sich einer Aenderung erkühnen solten; und ehe sie sich umwenden / lassen sie lieber das oberste zu unterste drehen. Ja sie verlieben sich endlich in ihre alte Gefahr so sehr / und befinden sich bey ihrem Ubel so wohl; daß sie kein kleiners an die Stelle rücken / oder davon genesen wollen; machen also aus ihrem Siech Bette eine Ruhstadt / oder gar eine Senffte der Wollust. Also hielten sie ihre sie anfäulende Faulheit für einen Frieden / und die durch Kunst gemachte Düsternheit für einen Schlaff; und meinten wie jener Artzt / der seinem Krancken eine schöne Farbe anstrich / dem gemeinen Wesen viel genutzet zu haben /wenn sie es unter der Larve des Friedens ohne Zucken liessen den Geist ausblasen. Hertzog Arpus meinte so wohl seinem Thun / als seinen Dienern das Wort zu reden; hielt also dem Feldherrn entgegen: Es wäre nicht zu leugnen / daß eine furchtsame [984] Behutsamkeit /wenn sie zu einer knechtischen Zagheit würde / mit ihrer Kaltsinnigkeit nicht viel gutes ausbrütete. Alleine diß bliebe doch wahr: daß die Furchtsamen die Sicherheit / und den Nutzen eines Staats zu ihrem Absehn / die Vernunfft zu ihrer Richtschnur / und bey ihrer langsamen Fahrt allezeit das Bley-Maaß in der Hand hätten / also ihre Schiffe selten auf Sand-Bäncke oder Klippen geriethen. Sie betrügen sich zuweilen selbst / aber nicht leicht jemand anders: sie verspielten bißweilen / weil sie gar zu sicher spielen wolten /aber niemahls so viel als die Wagehälse. Diese aber verschütten alles gute auf einmahl; hencken das gemeine Heil an Nagel / und halten für eine Tugend die Wolfarth des Volckes ihrer Ehrsucht aufopffern. Wenn sie schon ihrer Fehler wahrnehmen / und die Unmögligkeit ihrer Hitze in Zaum fällt / wil doch ihre blinde Hartnäckigkeit ehe mit dem Kopffe durchdringen / und selbten lieber zerstossen / als durch Umkehren ihren Irrthum erkennen. Sie halten für rühmlicher Märterer ihrer Meinungen zu werden / wenn schon ein gantzes Volck selbte verwirfft / andere mit handgreiflichen Gründen / und dem Augenscheine sie widerlegen. Sintemahl auch die euserlichen Sinnen ihrer Einbildung aus dem Wege treten. Sie dünckt eine grössere Hertzhafftigkeit zu seyn / wenn sie auf gerader Fahrt Schiffbruch leiden / als einen Steinfels umfahren; gleich als wenn es nicht eine so nützliche Klugheit wäre / Fehler verbessern / als niemahls fehlen. Hertzog Herrmann brach ein: Es wäre diß ein Fehler der Verwegenen: daß sie ihr Vornehmen mit einem feurigen Eyver fortsätzten / und sich nicht leicht die ersten Hindernüsse / oder auch niedriger Leute Einreden zurück halten liessen. Sie suchten zwar aus ihren Helden-Thaten Ehre / aber keinen Eigennutz / und wenn sie tausend Hälse hätten / würden sie solche fürs gemeine beste hingeben / wenn sie nur eines guten Nachruhmes versichert wären. Aber der Furchtsamen Thun bestünde in eitel todten Ohnmachten; jede Schwerigkeit wäre in ihren Augen eine Unmögligkeit. Sie schadete mit ihrer Schwachheit mehr / als andere mit ihrer Untreue. Ihr Stillschweigen stifftete wie das einer Schildwache mehr Unheil / als eines Uberläuffers Verrätherey. Wenn sie von der Wolfahrt des Reiches rathschlagten / steckte allezeit ihr Glücke mit darunter. Sie hätten die zärteste Fühle für ihr Glücke / und wären von ihrem Eigennutze so wenig /als von sich selbst entfernet. Dahero trösteten sie sich auch bey gäntzlichem Untergange eines Reiches /wenn nur der Nachen ihres Hauses entkäme / und sie aus dem allgemeinen Schiffbruche ihre Waare retteten. Jeder erzürnter Diener dünckte sie ein mächtiger Feind zu seyn; und damit sie nirgends anstössen / riethen sie Leuten grössere Aempter zu geben / welche man aus dem Lande verweisen solte. Sie scheueten sich eine Verrätherey zu entdecken: daß sie ihren Kindern keine Feinde erweckten. Die Warheit bliebe ihnen im Daumen kleben / wenn sie ihrem Glücke schiene nachtheilig zu seyn. Ja es wäre ihnen bedencklich ihres Fürsten offenbahre Feinde zu beleidigen / um sie nicht unversöhnlich zu machen. Also liessen sie lieber die Bundsgenossen im Stiche / rechtmäßige Ansprüche verschlaffen / die Gelegenheit dem Feinde Abbruch zu thun / unter dem Vorwand was zu ersparen / und weil das euserliche Ansehn das innerliche Elend eines Reiches nicht ersätzte / vorbey streichen; als daß sie ihrer Schlafsucht Abbruch thun / und hundert Siege und Vortheile einerndten solten. Wolte GOtt aber! diese Zärtlinge bißten nur ihr / nicht aber zugleich ihres Fürsten Ansehn durch ihre Kleinmuth ein! So aber erniedrigten sie selbten so sehr: daß er mit einem aufrührischen Unterthanen schimpfliche Vergleiche machte / seine Empörung als einen Eyver für die Freyheit des Volckes entschuldigte / sich durch unzeitige Begnadigungen übereilte / daß er hernach entweder [985] seiner Ehre oder Worten zu nahe ko en müste / die Missethäter zu straffen bedencken / treue Verdienste zu belohnen Sorge hätte / oder diese wol gar seinem untreuen Nachbar zu Liebe straffte / seinen Ubelwollenden jährliche Besoldungen gäbe /denen feindlichen Kriegs-Heeren / um sie eine Weile von sich abzuhalten / Unterhalt verschaffte / einem Feinde / der gleich schon wider ihn Bündnüsse gemacht / und die Hand am Heffte des Degens hätte /destwegen mit Vortheil vorzukommen / ihm Gewissen machte / weil der Krieg Tempel und Gesätze entheiligte / Länder und Völcker verzehrte; und weil den Angrief zu erwarten nicht nur zur Gerechtigkeit der abgenöthigten Gegenwehr / sondern auch im Kriege zu einem mercklichen Vortheile diente. Sintemahl man in seinem eignen Lande dem Feinde / welchem insgemein Lufft / Wasser und Menschen zuwider sind / durch Abstrickung der Lebensmittel / Abzwackung der Uberläuffer / und Ausreitenden mehr Abbruch thun; hingegen mit gesammten Kräfften des Reiches auf den Hals gehen / allerhand Fall-Bretter stellen /also den von seinem Lande entfernten Feind eben wie der kluge Hercules den aus seinem Vortheile gelockten Antäus / erlegen könte. Da doch so wol Scipio als Hannibal die klügsten Kriegs-Häupter der Welt durch ihr Beyspiel gelehrt: daß weder Rom außerhalb Italiens / noch Carthago anderwerts als in Eingeweyden Afrikens bestritten werden könte. Sintemahl man ins Feindes Lande auf dessen Unkosten zehret / das Vaterland nicht aussaugt / zum geben willig behält; der /welcher angreifft / allezeit ein besser Hertz hat / als der nur die Streiche versätzt. Daher Crösus dem Eyrus gar weißlich rieth / als ihm die Scythische Königin Tomyris die Wahl ließ: er solte sie im Hertzen angreiffen. Mit einem Worte: furchtsame Hertzen liessen ihrem Vaterlande lieber das Joch der Dienstbarkeit unter dem Scheine des Friedens an Hals werffen /als daß sie sich zu einer Gegenwehre schickten; weñ gleich andere darzu ihre Armen und Blut leihen wolten. Hertzog Arpus begegnete dem Feldherrn: Er müste gestehen: daß die Verwegenheit ein viel besseres Ansehn hätte / als die Furchtsamkeit. Aber jene wären in einem Fürsten / diese in einem Diener besser. Denn ob die Kühnen sich zwar nicht eben vorsätzlich wider ihren Herrn auflehneten / und nicht leicht aus Boßheit untreu würden; sätzten sie doch wegen einer schlechten Beleidigung oder Mißtrauens durch eine Ubereilung offt von ihm ab. Denn sie meinten es zwar mit dem gemeinen Wesen gut; aber sie könten keinen Befehl oder Gesätze vertragen / keinen Obern über sich leiden. Sie wolten nicht anders /als nach ihrem eigenen Gutdüncken gehorsamen / und allezeit die freye Willkühr über ihren Willen haben; also nicht Räthe sondern Vormünden ihres Fürsten seyn. Ja sie verfielen zuweilen wol gar in die Thorheit: daß sie zwischen dem Fürsten und dem Staat eine Ehscheidung machen / und durch Aufstand und Widersätzligkeit den Nahmen treuer Diener zu verdienen vermeinten. Sie wüsten aber nicht nur in ihrem eigenen Thun / sondern auch in ihren Einrathungen kein Mittel zu halten; welches doch die Seele aller Tugenden wäre. Deñ wie sie in jenem entweder alles / oder nichts behaupten / überwinden / oder zu Grunde gehen / lieber zehn Staffeln herunter stürtzen / als eine herab steigen wolten; also riethen sie niemahls zu einem Vergleiche; verderbten lieber etwas / als sie es theilten / und hielten nichts von dem edlen Geschencke des Himmels / dem güldenen Frieden; welcher dem Sieger so nöthig / als dem Besiegten nützlich wäre. Da doch die Schickungen des Verhängnüsses /und die Zufälle in der Welt offt so seltzam lieffen: daß die edelsten Gemüther offt für der Noth die Achseln einziehen / und die Klugheit aus Nachgebung einen Nutzen ziehen müsten / denn die Wolfahrt des gemeinen Wesens wäre der einige Zweck der Staats-Klugheit. Dieser müste Ehre und [986] Gerechtigkeit nachtreten. Ihr zu Liebe müste man Rache / Straffe der Laster /und sein Ansehn vergessen / und ausser Augen sätzen / und offt aus seiner eignen Schande / wie die Aertzte aus Harn und Miste Artzneyen machen. Sintemahl so denn seine eigene Brandmaale schön / wie das Gifft gut wäre / wenn sie nur hülffen. Der Feldherr färbte sich hierüber etwas / und brach ein: Es könte nichts sicher / nichts dem gemeinen Wesen nützlich seyn /was den bösen Geschmack einiges Schimpffes / und den stinckenden Geruch der Unehre hätte. Wäre die mit einem Gran der Verwegenheit vermischte Hertzhafftigkeit einem Fürsten anständig / so könte sie an seinen Räthen nicht scheltbar seyn. Wenn auch die Kühnheit irgendswo einbißte / verursachte es mehr Lermen als Schaden. Die Furcht aber thäte wie die an den Ufern nagenden Ströme unempfindlich hundertmahl mehr Schaden. Sie wäre viel schimpflicher / als die Flucht aus einer Schlacht. Denn diese würde offt durch Sonne / Wind und Ungelegenheit der Oerter verursacht. Alle diese Zufälle aber dienten zu keiner Entschuldigung in Sachen / welche in der Rathstube fürkämen; ja welches niemand glauben solte / wüste sie bey ihrer stillen Boßheit grausamer als kein Phalaris zu seyn. Denn sie machte ihre Worte mit so viel Hütten-Rauch als Zucker süsse; sie überfirnßte ihre geheime Verfolgungen mit schönsten Farben der Vertröstungen und falscher Lobsprüche; welches die schlimmste Art der Feindschafft wäre. Sie wäre ein stiller Wirbel / welche die Reiche ohne Geräusche verschlinge. Das Assyrische / Persische und Griechische wären durch die furchtsamen Rathschläge ihrer Weichlinge vergangen / welche ihrer Fürsten Ansehn verschertzet / von rauen Völckern Friede gekaufft /ihren Nachbarn unter dem Nahmen der Geschencke Schatzung gegeben / ihren Fürsten die Gefahr und Niederlagen verschwiegen / und in dem ihre Herrscher und das Reich verrathen / und verkaufft / daraus noch ein Geheimnüs der Staats-Klugheit gemacht; daß sie die Ruhe der Welt / und den Frieden der Völcker unterhalten hätten. Eben diese Zagheit wäre die einige Ursache: daß Rom der Stadt Carthago und nicht Carthago der Stadt Rom Meister worden. Denn an stat: daß jene nach der Niederlage bey Canna vollends sich aufs euserste angreiffen / Hannibaln mit Geld und Volcke verstärcken sollen / um den Römern den letzten tödtlichen Streich zu versätzen. So aber hätte es im Rathe zu Carthago Leute gegeben / welche die denen Römischen Edelleuten abgezogene und ausgeschüttete eiserne Ringe mit sambt Hannibals Siegen verhöhnet; gleich als wenn diese elende Beute ihr eingebißtes Volck / ihre aufgewendete Schätze zu ersätzen / viel zu wenig wären. Daher hätten sie die Hände sincken lassen / und bey der höchsten Blüthe ihres Reiches sich für ohnmächtig geschätzt. Ja Hannibal selbst hätte seinen Sieg mit einer heßlichen Zagheit besudelt; als er für eine alle Hoffnung übersteigende Unmögligkeit gehalten: daß er folgenden Tag im Capitolium speisen solte. Hingegen hätten die Römer bey verzweifeltem Zustande nicht verzweiffelt / sondern dem Bürgermeister / welcher aus der Cannischen Schlacht entkommen / noch Danck gesagt / und durch solche Hertzhafftigkeit sich aus dem Rachen des Unterganges gerissen. Und wolte GOtt! wir Deutschen hätten nach des Varus Niederlage für keine Unmögligkeit gehalten: daß wir so wol als unsere Vorfahren die Alpen übersteigen / Rom einäschern / und dieses von dem Raube der Welt gemästete / vom Blute der Völcker trunckene Thier zur Freude des menschlichen Geschlechtes / der Rache abschlachten könten. Hertzog Ingviomer hörte dem Feldherrn mit Lust zu; weil er aber wahrnam: daß seine Reden stets feuriger wurden; also beym Hertzoge der Catten eine Empfindligkeit besorgte / hielt er für rathsam allem Unvernehmen durch folgenden [987] den Vortrag fürzukommen: weder die furchtsamen noch die verwegenen Rathschläge wären gut / sondern kluge und hertzhaffte. Dieses Mittel aber wäre so schwer zu treffen / als ein Zirckel ins gevierdte zu bringen. Ins gemein würden alle Einrathungen eben so wol / als die Wercke nach derselben glück- oder unglücklichem Ausschlage für gut oder böse gehalten / und diß / was durch Zufall geriethe / der vernünfftigsten Meinung vorgezogen /und was fehl schlüge von andern getadelt / welche nichts für klug hielten / was nicht aus ihrem Gehirne entsprossen wäre. Ja das einen zu verderben gesinnte Verhängnüs selbst mischte sich nicht selten mit ins Spiel / verrückte den Verständigsten die Vernunfft /und gebe denen / die es am besten meinten / das schlimmste / oder so denn allererst / wenn die Zeit und Gelegenheit schon vorbey wäre / was gutes ein; daher könte ein Fürst / auch wenn etwas aufs schlimmste ausschlüge / seinen Diener nicht schelten /weniger straffen; wenn er nur nichts betrüglich oder wider die gesunde Vernunfft eingerathen hätte. Denn sonst würde jeder Diener nie aufrichtig seine Meinung sagen / sondern allemahl den Kopff aus der Schlinge ziehen. Wenn aber ja die Verwegenheit und Furcht gegen einander abgewogen werden solten / hätte seinem unvorgreiflichem Gutdüncken nach / diese eben so wol als die Langsamkeit in dem Rath geben / jene wie die Beständigkeit in Ausübung der Rathschläge den Vorzug. Hertzog Jubil verfiel mit Fleiß auf andere Gespräche / um sie von so stachlichtem vollends abzuleiten. Der Feldherr vergnügte sich auch daran: daß er den Cattischen Räthen die Warheit so trocken gesagt / und ihnen ihre Schwachheiten vorgehalten hätte. Denn ausser dem / brach er seiner vorigen Verträuligkeit mit dem Cattischen Hause nichts ab / und verbarg seinen entworffenen Vorschlag / sich in den Römischen Aufruhr zu mischen; ungeachtet selbter dem Ruffe nach sich täglich vergrösserte.

Eben selbigen Tag brachte Effern / welcher den Germanicus zu Tolbiacum verlassen hatte / von Agrippinen eine Antwort an die Cheruskische Hertzogin zurücke; darinnen sie den Glückwunsch danckbar annam / und das zum Käyserthum habende Erb-Recht deutlich billigte; aber darbey schrieb: daß weder des Germanicus Gemüths-Mäßigung / noch das Verhängnüs ihr diese Würde zu gönnen schiene. Es erzählte auch Effern hierbey: daß Agrippina ihn aufs freundlichste bewillko t / und aufs fleißigste geforscht hätte: ob die deutschen Fürsten es / wenn Germanicus die Römische Herrschafft bekäme / gerne sehen / und ihm auf benöthigten Fall darzu behülfflich seyn würden. Wie er nun dessen sie beständig versichert / hätte sie / so viel er von ihr selbst vernehmen können / dem Germanicus etliche Tag und Nächte in Ohren gelegen: daß er die Römischen Legionen für sich selbst in Eyd und Pflicht nehmen / dem verhaßten Tiberius / welcher nebst Livien ihr todtfeind wäre / die Spitzen weisen / und durch angemaaßte Herrschafft sich in Sicherheit setzen / das sich nach ihm sehnende Römische Volck aber vergnügen solte. Nach derselben Verlauff hätte er Agrippinen auf ihre Erforderung sehr stürmrich angetroffen; welche aus grosser sie übereilenden Ungedult heraus gefahren wäre: daß Germanicus wohl für andere / aber für sich kein Hertze hätte; und ungeachtet die Legionen ihm anbieten liessen / für ihn Gut und Blut aufzuopffern /wolte er doch lieber des Tiberius Knecht / als der Römer Haupt seyn; und lieber sich durch ihn tödten /als kluge Leute zur Herrschafft bereden lassen. Sintemahl nicht nur denen Herrschenden die Tugend ihrer Untergebenen verhaßt / sondern auch dem Germanicus von einem Druys wäre geweissaget worden: daß er entweder den Tiberius / oder dieser ihn aufreiben müste. Also müsse sie das verborgene Gesätze des Verhängnüßes nur auswarten / welchem nichts zu schwer wäre / und so wohl über der [988] Menschen willen als Gelücke herrschete. Folgenden Tag hätte sie ihn mit dem überbrachten Schreiben abgefertigt / ihm etliche güldene Müntzen mit des Germanicus und ihrem Bildnüße geschencket / und ihm mit gegeben Thußnelden ihrer beständigen Freundschafft zu versichern / weñ gleich Tiberius wider die Deutschen Himmel und Hölle aufwiegeln solte. Germanicus wäre auch eben selbigen Tag von Tolbiacum aufgebrochen / und hätte nach der Ubier Altare geeilet / wo die Sachen im allerschlimsten Zustande seyn solten.

Unterdessen eilete Germanicus mit der in Gallien eingenommenen Schatzung dem Ubischen Altare zu. Denn er verstand allzuwol: daß Empörungen / ie länger sie währeten / wie die Flüsse / ie weiter sie lieffen / immer grösser / und die unsichtbaren Dünste endlich zu hagelnden Wolcken würden; also solchen im Anfange leichte / zu letzt aber schwerlich begegnet werden könte. Sintemahl die Ursache eines Aufruhrs zu erst eine Kleinigkeit wäre / hernach aber spielten sich wichtige Sachen mit ein; und es wüchse denen Widerspenstigen alle Tage der Muth was neues und nachtheiligers zu begehren; also daß die / welche sich bey Zeite mit Nuß-Schalen vergnügt hätten / hernach nicht mit dem Kerne zu frieden wären. Es kamen ihm aber gleichwohl die vier aufrührischen Legionen biß an den Erffte-Fluß entgegen. Sie hatten aber aus Schamröthe nicht das Hertze ihn anzuschauen; sondern sie schlugen die Augen gleichsam aus Reue zu Bodem. Als er aber mit ihnen ins Sommer-Lager kam / machten sie mit ihrem Wehklagen ein Gemurmel; ieder grieff nach des Germanicus Hand sie zu küssen / und sie in ihren Mund zu leiten; daß er fühlen solte / wie sie von Zähnen leer / ihre Glieder von Alter und Wunden krieplicht wären. Einen so kräfftigen Nachdruck hat die Gegenwart eines Fürsten / wenn selbter nicht verhaßt ist / und er so zeitlich einem Ubel zu steuren /wie das Blut eine Wunde zu heilen / zueilet. Germanicus befahl; es solte ieder sich zu seinem Fahne verfügen / um sie von einander zu unterscheiden / und ihr Verlangen desto verständlicher zu hören. Nach dem sie zwar / aber langsam / gehorsamten / striech Germanicus den August / und die Thaten des Tiberius /die Treue Italiens / und Galliens / ja aller Länder treflich heraus; welche mit einander gleichsam um den Vorzug stritten / gegen dem neuen Kayser ihre Verbindligkeit zu bezeigen. Als sie hierzu nun kein Freudens-Zeichen von sich blicken liessen / sondern vielmehr darwider murmelten / berührte Germanicus ihren Auffstand und fragte: wohin der vorige Gehorsam / und die alte Bescheidenheit des Kriegs-Volckes verschwunden? Wohin ihre obersten Hauptleute vertrieben wordẽ wären? Nach dem sie nun die über sich habende Gewalt zernichtet / würde er auch nur so lange / als es ihnen gefiele / sollen ihr Feldherr seyn. Derogleichen Abfall wäre unerhöret. Die liederlichsten Knechte verliessen nicht auf einmahl ihre schärffste Herren. Hier aber würde ein gantzes Heer abtrinnig. Alle Siege / welche er durch sie zu erlangen verhofft hätte / fielen nun nicht allein auf einmahl in Brunn / sondern sie stürtzten sich selbst in Gefahr /und öffneten die Pforten den wilden Nord-Völckern in des Römischen Reiches Eingeweide zu dringen. Aber die guten Tage / die sie bey so reichlicher Verpflegung aus Gallien genossen / hätten sie unsinnig gemacht. Weil sie solche nun selbst von sich stiessen /möchten und würden sie in schlimmern veralten / weil sie zu schwache Beine hätten / bessere zu vertragen. Statt der Antwort aber / wiesen sie die Narben feindlicher Wunden / und die Striemen der von Befehlhabern bekommener Streiche. Hierauf beschwerten sie sich über ihren schlechten Besold / die langen Dienste / und die schwere Arbeit. Sonderlich aber forderten die alten Kriegs-Knechte eine ehrliche Erlassung aus dem Kriege; und daß sie nicht am Hunger-Tuche[989] nagen dörfften / eine auskommentliche Versorgung und Augustens Vermächtnüs. Endlich rufften sie entweder aus Liebe / oder um ihm das Hertze zu erweichen: Die Götter lassen den Germanicus lange leben /siegen / und über die Römer herrschen. Denn wir wissen und wollen von keinem andern Haupte hören / als vom Germanicus. Bey ihm wolten sie leben / für ihn wolten sie Leib und Leben auffsätzen. Germanicus sprang hierüber / gleich als wenn er mit ihrem Laster angesteckt würde / vom Stule. Sie aber hielten ihm die Waffen für: daß er sich ihrer nicht einbrechen konte. Germanicus zohe hiermit vom Leder / sätzte ihm den Degen selbst an die Brust / und sagte: Er wolte ehe sterben / als gegen seinem Vater Tiberius untreu werden. Ob nun zwar die nechsten darbey ihm den Degen wegschlugen / so waren doch etliche so ruchlose / daß sie ihn ermahnten: Er solte immer stechen; ja Calusidius reckte ihm gar seinen blossen Degen und sagte: diesen solte er brauchen / er wäre schärffer. Die Seinigen aber brachten den Germanicus aus dieser verzweiffelten Menge ins Zelt. Nach dem er dem Kriegs-Volcke gesagt hatte: Sie möchten ihm nur aus den Augen gehen / die Pforten stünden ihnen offen. Sie würden zu Rom als Ausgerissene sehr willkommen seyn. Er traute in weniger Zeit ihr Bekäntnüß zu hören: daß er ehe ihrer / als sie eines Feldherrn entbehren könten. Also glücket es nicht allemahl einem tapffern Fürsten / wie dem grossen Alexander /welcher im Grimme sich in die Mitte seines gewaffneten Heeres stürtzte / die frechesten / welche er ihm gemercket / erwischte / und sie zur Hinrichtung wegführen ließ; ohne daß ein einiger der Aufrührischen das Hertz hatte / gegen ihm einen Finger zu rühren / sondern alle erwarteten mit Zittern / auch ihre Straff-Urthel. Hierbey aber ließ es das Kriegs-Volck nicht bewenden; sondern es erwehlte Gesandten an die um Meyntz liegende Legionen sich mit ihnen zu verbinden. Es ward auch beschlossen / das Ubische Altar und hierauf auch Gallien auszuplündern. Germanicus gerieth hierüber in grossen Kummer; daß nicht nur hierdurch das Römische Reich zerrüttet / die Sicambrer und Chauzen von Römern abspänstig gemacht /sondern auch die Cherusker und Catten über den der Besatzung entblösten Rhein zu setzen / die Bojen und Schwaben aber in Noricum und Rhätien einzubrechen veranlasset werden möchten. Bey darüber gehaltenem Rathe schien es so bedencklich / denen Aufrühren den Willen zu verhängen / als die Gallier / Bataver / und Sicambrer wider sie zu führen / und dadurch einen Bürger-Krieg anzuzünden. Ihm war nicht minder gefährlich mit der Schärffe zu verfahren / als schimpflich ihnen das Verbrechen nachzusehen. Also wuste er nicht; ob er ihnen nichts / oder alles willigen solte. Endlich schiene das rathsamste zu tichten; daß Tiberius in einem Schreiben verwilligt hätte: daß nach zwantzig Jahren alle Kriegs-Leute erlassen / nach sechzehnen der Wache / und Arbeit entladen / und diß / was ihnen August vermacht hätte / bezahlet werden solte. Ob sie nun zwar wohl merckten: daß diß nur ersonnen wäre / fielen sie ihm doch mit grossem Geschrey in die Rede / und drangen auf die Erfüllung des Versprechens. Die Loßlassung derer / die ausgedient hatten / muste auch bald erfüllet werden / und daß sie die Zahlung biß ins Winter-Lager verschoben / muste Germanicus der fünfften und ein und zwantzigsten Legion / welche sich nach Vetera begeben solte / ein ergebiges Reise-Geld bezahlen. Cäcina aber führte die erste und zwantzigste Legion / welche sich des dem Germanicus zustehenden Geldes bemächtigte / wieder in das Altar der Ubier. Deñ weil schwürige Leute wie die Schaafe dahin rennen / wo das erste hinlaufft /wenn es schon ins Feuer wäre; ist nichts heilsamer /als sie wie die schwermenden Bienen zu theilen /damit so wohl ihre Laster als Kräfften zertrennet / geschwächt / [990] und die einfältigen Glieder von ihren Häuptern abgesondert werden. Wiewohl diese nun noch Aufruhr und Ungedult ausschäumeten / hielt doch Germanicus für rathsam denen Aufrührern zu ihrer Besänfftigung Zeit zu lassen; welche sich wie die Wellen ins gemein einander selbst erdrücken /hingegen für nöthig / sich der vier obern Legionen zu versichern / ehe sie auch angesteckt würden / oder die Catten mit ihnen was gefährliches anspinnten. Sintemahl der Empörung leichter vorzukommen / als hernach zu begegnen ist; derselbe denen / wider welche er einen so schädlichen Anschlag hatte / nichts gutes zutrauen kan. Die andere / drey- und sechzehnde Legion schwuren zu Meyntz dem Tiberius alsobald willig. Die vierzehnde sperrte sich etwas / als Germanicus ihnen aber Geld und Vertröstung wegen zeitlicher Loßlassung gab / Silius auch sie schreckte: daß die Cherusker und Catten sie bey solcher Zwytracht zu überfallen im Wercke begriffen wären / leisteten sie auch dem Tiberius den Eyd der Treue. Mitler Zeit entpörte sich auch die Römische Besatzung an der Emße bey den Chauzen. Memmius der Oberste selbigen Lagers meinte den Aufruhr zwar durch zweyer Rädelsführer Hinrichtung zu stillen; aber sie wurden hierüber desto ungestümer; so daß Memmius fliehen und sich verstecken muste. Als sie ihn aber ausspüreten /sagte er ihnen keck: Sie möchten thun / was sie nicht lassen könten / aber doch behertzigen: daß sie nicht an ihren Obersten / sondern selbst an Germanicus /und dem Tiberius die Hand legten. Hierauf rieß er den Fähnriche den Römischen Adler aus der Hand / steckte selbten an das Ufer der Emße / und sagte: Er gebiete dem Trotz / der von selbtem sich entfernen würde. Denn dieser solte ohn alle Gnade als ein Flüchtling gestrafft werden. Es würde ihm an getreuen Römern nicht mangeln / und auf allen Fall würden die Chauzen und Bataver des Tiberius Bundgenossen an ihnen so schändlichen Meineyd rächen. Diese Kühnheit gelang ihm so wohl: daß keiner sich rührte / weniger wiedersätzte / sondern sich alle friedlich ins Winter-Lager einfanden; und hiermit wahr gemacht ward: daß die / welche ein blinder Trieb erregte / durch einen Schatten beruhigt würden / und der schwürige Pöfel bald gefürchtet seyn wolte / bald selbst zitterte und bebte. Nach dem Germanicus zu- und um Meyntz alles in gute Sicherheit gestellt hatte / eilte er wieder nach dem Altare der Ubier; welchem gegen über Hertzog Melo mit etlichen tausend Sicambern den Abend vorher ankommen war. Ehe nun Germanicus in die Stadt einzoh / fuhr er zum Hertzoge Melo über den Rhein / und brachte bey ihm den halben Tag mit heimlichem Gespräche zu. Dieses war der ersten und zwantzigsten Legion nicht wenig verdächtig / und mangelte es nicht an unruhigen Köpffen / welche anfangs besorgten / hernach aussprengten: daß Germanicus und Melo mit einander ihren Untergang abgeredet hätten. Dieser Argwohn vermehrte sich bey denen / welche ihnen übel bewust waren / noch mehr / als den Tag darauf der gewesene Bürgermeister Munatius Plancus mit noch zwey andern Rathsherren als Gesandten vom Tiberius / und dem Römischen Rathe ankamen. Weil nu einem schuldigen das Gewissen stets das schlimste wahrsagt / und Plancus für einen scharffen Eyverer für die Gesätze gehalten ward; rotteten sich des Nachts dort und dar die vertrautesten zusammen / und unter unzählbaren Urtheiln ersaanen etliche / Plancus wäre nicht nur diß / was ihnen Germanicus versprochen / zu nehmen / sondern auch sie ernstlich zu straffen ankommen. Weil nun die Furcht leichtgläubig und unruhig ist / auch alles vergrössert /wurden beyde Legionen mehr durch ihr Mißtrauen als durch iemanden glaubhafftes beredet: der folgende Tag würde allererst der rechte Anfang ihres Elends /oder das Ende des Lebens seyn. Hierdurch verfielen sie in eine solche Raserey: daß [991] sie des Nachts beym Germanicus die Hauß-Thüre erbrachen / und ihm mit Andreuung des Todes / die Purper-Fahne abzwangen /darmit er pflegte das Zeichen zum Treffen zu geben. Sie wüteten durch alle Strassen und beschimpfften mit den ärgsten Schmähungen die durch solchen Auffstand erweckten und zum Germanicus sich flüchtenden Gesandten von Rom. Sie waren auch schon begriffen / Hand an sie zu legen / und insonderheit wäre Plancus / welcher seiner Würde halber ihm für schimpfflich hielt zu fliehen / von ihnen zerfleischet worden / wenn er nicht dem Lager der ersten Legion zugeeilet / den heiligen Adler als ein Schutz-Bild umarmet / und zwischen selbtem und dem Altare sich erhalten hätte. Auf den Morgen kam Germanicus dahin / sätzte den Plancus neben sich / und fieng an zu wehklagen: daß diese Nacht bey nahe Adler und Altar im Römischen Lager von Römern mit eines Bürgermeisters Blute wären besudelt worden. Diß wäre eine so abscheuliche That: daß sie nicht von Unsinnigkeit des Kriegs-Volckes / sondern vom Zorne der gehäßigen Götter herrühren müste. Nichts desto weniger würde jenes den Schandfleck seines Meineydes nimmermehr austilgen / und die Legion / welche die erste an der Zahl wäre / die letzte durch ihre Untreu / oder sie gar mit Strumpf und Stiel ausgerottet werden. Das Kriegs-Volck hörte diß mit mehrer Erstaun- als Beruhigung. Daher führte Germanicus die Gesandten selbst zum Thore hinaus / und ließ sie durch fünf hundert Sicambrische Reiter / welche Hertzog Melo über den Rhein setzte / nach Trier in Sicherheit bringen. Weil das Kriegs-Volck nun wol sahe: daß die Treue der Deutschen / welche doch unlängst der Römer Feinde gewest waren / sie aufs ärgste beschämte /fieng ihr Unmuth aufs neue an zu jähren. Dahero des Germanicus Freunde ihm theils übel auslegten: daß er die Meineydigen durch ein und des andern Nachgebung verwehnet und hochmuthig gemacht / und sie nicht durch die vier treuen Legionen zum Gehorsam gebracht hätte. Theils riethen ihm: er solte diesen Unsinnigen nicht länger trauen / oder zum wenigsten seinen Sohn Cajus und seine schwangere Gemahlin nicht länger unter der Gewalt derer laßen / welche schon alle Rechte der Völcker versehrt hätten. Agrippina /welche als des Käysers August Enckelin für Schande hielt / sich für Römern zu fürchten / weigerte sich zwar anfangs für der Gefahr zu fliehen; aber nach langer Berathung muste sie sich doch in des Germanicus Willen geben. Also nam sie ein Kind auf den Armen /das andere in der Schoos habende vom Germanicus /und andere vornehme Römische Frauen / als flüchtige für ihrem eigenen Volcke / von ihren Männern mit Küssen und Thränen Abschied. Der Abzug war wegen des weiblichen Wehklagens überaus jämmerlich; so daß so wol diese Bestürtzung / als daß die Deutschen abermahls die Ehre hatten des Römischen Feldherrn Gemahlin und Sohn nach Trier zu führen /auch denen wildesten Kriegs-Leuten tief zu Gemüthe stieg. Also hatte Schmertz und Schmach bey ihnen mehr Nachdruck / als Vernunfft und Tugend. Einer hielt dem andern ein; wie alle rauen Völcker sie verspeyen würden; daß des Germanicus Gemahlin / des Käysers Enckelin / Agrippens Tochter / des Drusus Schnur / und ihr im Lager gebohrner / zeither unter dem Kriegs-Volcke erzogener Sohn / aus dem Römischen Lager unter deutschem Schirme in Gallien sich flüchten müste. Daher rennte ein Theil Agrippinen nach / vertrat ihr den Weg / sie mit Thränen bittende: Sie möchte doch bleiben / sie nicht verlassen / und ihnen so grossen Spott anthun. Die meisten aber verfügten sich zum Germanicus / demüthigten sich / und erboten sich zu gehorsamen; welcher aber für Zorn und Schmertz schäumete / und ihnen einhielt: Seine Gemahlin und Sohn wären ihm nicht lieber als Rom /[992] und sein Vater Tiberius; allein diesen würde schon seine Hoheit / jenes andere Krieges-Heere beschirmen. Sein Weib und Kinder / welche er für des Kriegsvolckes Ehre willig aufopffern würde / hätte er nur darumb den Händen der Wüttenden entzogen: daß sie nur durch sein / nicht durch der Seinigen Blutstürtzung ihr Laster verärgerten. Denn welche Boßheit hätten sie diese Tage unterlassen? Sie verdienten den Nahmen der Kriegs-Leute nicht; weil sie ihres Käysers Sohn gefangen gehalten hätten. Sie wären nicht würdig / Bürger genennt zu werden; denn sie hätten des Rathes Ansehn mit Füssen getreten. Käyser Julius hätte mit dem einigen Worte: Qvirites /einen Aufruhr gestillt. Augustens Antlitz hätte die Legionen bey Actium gebändigt. Dieser Bilder hätten sie nicht alleine in ihren Kriegs-Fahnen für Augen / sondern er wäre von ihnen entsprossen; er aber würde von denen so verächtlich gehalten / welche Tiberius aufgerichtet / die seine Gefärthen gewest / und von ihm so offte beschencket worden wären. Die Macedonier wären durch das blosse Zelt des grossen Alexanders / welches die Kriegs-Heere nach seinem Tode allezeit mit sich geführet hätten / nicht nur im Gehorsame erhalten / sondern auch zur Tapfferkeit aufgemuntert worden; Sie aber scheueten sich nicht für denen sichtbaren Bildern derer / welche nicht nur Rom /sondern die Welt als Götter verehrten. Diß würde dem Tiberius eine fröliche Zeitung seyn / der aus allen Orten von nichts als Gehorsam hörte. Könte wol von ihnen was schli ers verlauten / als daß sie ihre Haupt-Leute erschlagen / die Obersten verjagt / die Gesandten eingesperrt / Lager und Flüsse mit Blut besudelt / und ihm mit Noth das Leben übrig gelassen hätten? wie ungütlich hätten seine Freunde mit ihm den ersten Tag durch Auswindung seines Degens gehandelt? wie gut aber hätte es der mit ihm gemeint /der ihm zu seiner Entleibung den Degen angeboten? denn so hätte ich nach der Zeit nicht ein Anschauer so vieler Laster seyn dürffen. So würden sie ihnen ja einen Feldherrn erwehlt haben / der wo nicht meinen doch des Varus Tod / und der drey Legionen Niederlage gerächet haben würde. Die Götter möchten ja nicht verhengen: daß die Römer die sich hierzu anbietenden Velgen zu ihrem Schutze und zu Zäumung der Deutschen bedörfften! Augustens himmlischer Geist /des Drusus aus ihren Hertzen noch nicht vertilgtes Bild und Gedächtnüs / welche beyde ihr in euren Kriegs-Fahnen führet / und mit den heiligen Adlern anbetet / möchte ja sie als ihre gewesene Kriegs-Gefärthen / in welchen sich schon Scham und Ehre wieder regte / dieses Schandmahls befreyen / und den wider sich selbst gefasten Zorn auf der Feinde Köpffe abwenden! Er sähe / Gott Lob! nun gantz andere Gesichter als vorhin / und ihre Hertzen schiene eine gantz andere Neigung zu regen / nemlich denen Gesandten ihre Ehre / dem Kayser den Gehorsam / ihm Gemahlin und Kinder wieder zu geben. Wäre diß nun ihr Ernst / so solten sie ihn nicht anrühren / biß sie sich der unruhigen Aufwiegler entschlagen hätten. Diß alleine wäre die rechte Busse / und das einige Band der Treue. Wo eine heldenmäßige Beredsamkeit jemahls grosse Würckung gethan hat / geschah es gewiß allhier. Denn Germanicus sagte kein Wort /welches nicht wie der Blitz ihnen durch Marck und Beine drang. Die Scham überfiel sie so sehr: daß fast keiner das Hertz hatte die Augen gegen einander aufzuheben. Sie selbst sahen einander nicht recht an. Ihr erste Rede bestund in Seufftzern. Endlich fieng Cajus Centronius der Oberste der ersten Legion an: es ist kein ander Mittel sich eines Lasters zu entschütten /als Bekäntnüs und Reue; und keine grössere Thorheit als sich schämen ein Verbrechen abzubitten / über dessen Begehung man nicht schamroth worden. Jedoch ist euer Stillschweigẽ schon ein Zugeständnis euerer Ubelthat; daß Germanicus aber euch noch würdigt anzureden / [993] ein Zeichen seiner nicht gar erloschenen Gnade. Gehet und fallet für seinem Stuhle nieder /umarmet seine Knie / bittet um Gnade / ohne welche ihr weder glücklich seyn noch leben könnet. Hiermit drang sich alles zum Stuhle des Germanicus als zum Ancker der Wolfarth. Einer ruffte: er solte die Schuldigen straffen / den Unschuldigen verzeihen; der ander; er möchte doch seine Gemahlin / seinen Sohn das theure Pfand der Legionen zurück fordern / und ihnen nicht weniger als den Galliern zutrauen. Germanicus ward über diesem glücklichem Streiche sehr vergnügt; entschloß sich also aus dem Steigereiffen und ohne Berathschlagung dem Auffruhre zu steuren; welcher wie er sich im Augenblicke anspinnt / auch ohne einige Zeitverliehrung ehe er Wurtzel kriegt ausgerottet / und darinnen so verfahren werden muß: daß das Mittel solchen zu stillen vom Fürsten selbst /nicht von seinen Räthen herzurühren scheine. Er lobte daher ihre Erkäntnüs; entschuldigte das Aussenbleiben Agrippinens mit der Unzeit des Winters / und ihrer herbey nahenden Geburt; vertröstete sie auf die Rückkunfft seines Sohnes; die Straffe der Verbrecher aber stellte er dem Kriegs-Volcke selbst heim / welches am besten wissen würde / wer ihre Verführer gewest wären. Denn hiermit traute er ohne seinen Haß /und den Schein der Grausamkeit zu erlangen: daß die Rädelsführer nicht ungestrafft blieben / weil doch seine und des Tiberius Hoheit verletzt worden war. Welche Vermessenheit nicht mit so linden Fingern /als ein ander gemeiner Ungehorsam zu überstreichen war. Dieses Meisterstücke einen Aufrührischen wider den andern zu verhetzen / und einen Aufstand mit dem andern zu stillen / gerieth so wol: daß ein jeder wolte der erste seyn / die Urheber des Aufstandes herfür zu suchen. Diese faßten sie mit Gewalt an / und schlepten sie für den Centronius; welcher die zum Gehorsam nun gantz willigen Legionen in richtige Schlacht-Ordnung stellte. Wenn nun ein herzugeschleppter auf einem erhobenen Orte gewiesen ward /und die Legionen rufften: dieser wäre einer ihrer Verführer; ward er alsbald abgethan. Uber dieser Bestraffung frolockten die andern; gleich als wenn anderer Tod ein Zeugnüs ihrer Unschuld wäre. Germanicus ließ dem Kriegs-Volcke hierinnen ihren Willen / und die ihm nützliche Rache. Diese übten nun nicht alleine die neugeworbenen / sondern auch die alten und ausgedienten Kriegs-Knechte gegen einander aus; von welchen Germanicus einen ihm verdächtigen Ausschuß in Rhetien zu Bewachung der Gräntzen wider die Bojen und Schwaben schickte; etliche ihm unanständige gar ausmusterte / und die Stellen der erschlagenen Hauptleute mit denen / welche am längsten und rühmlichsten gedient hatten / ersätzte. Unterdessen war das Volck zu Rom sehr schwürig: daß Tiberius mit dem Rathe und dem ungewaffneten Volcke sich verwickelte / jener unbedachtsame Worte auffienge /der Bürgerschafft Fürhaben durchhechelte / und nach genungsam befestigter Dienstbarkeit in der Stadt gleichwol das unsinnige Kriegs-Volck nicht zu bestillen trachtete; da doch August im hohen Alter etliche mahl wegen nicht so wichtiger Ursachen in Deutschland gereiset wäre. Tiberius aber kehrte sich wenig daran / und hielt gar nicht für rathsam / sich durch des nicht so weit / als er / sehenden Volckes übele Nachrede von seinem beständigen Vorsatze abwendig machen zu lassen / und mit Rom das Haupt und Hertze des Reiches / das Capitolium und das Palladium zu verlassen; ausser welchem / damahligem Glauben nach / weder der Sitz der Welt Herrschafft seyn / noch ein Käyser erwehlet werden konte. Wenn aber auch diß ohne Gefahr zu thun gewest wäre / stand ihm doch im Wege: daß er ein Kriegs-Heer dem andern nicht fürziehen / er auch leichter diß / was Drusus oder Germanicus / als was er selbst willigte / mäßigen oder zurück ziehen könte; und / daß / wenn er anwesend verachtet [994] würde / kein Mittel mehr die Sache beyzulegen übrig wäre / und ein Fürst ins gemein in der Ferne als in der Nähe ein grösser Ansehn hätte. Gleichwol aber machte er ansehliche Anstalt; gleich als wenn er alle Tage reisen wolte; bald ertichtete er ihm neue Hindernüsse / äffete also anfangs auch kluge Leute / den Pöfel länger / und die Länder am längsten. Germanicus aber wolte allenthalben mit seiner Anwesenheit das Feuer ausleschen. Weil nun die zu Vetera liegende fünffte und ein und zwantzigste Legion die Anfänger des Aufruhrs waren / an ihren Obern und denen Römischen Gesandten sich vergriffen hatten /sich auch die Straffe der andern nicht bestillen liessen; sätzte Germanicus anderthalbe Legionen / sechstausend Sicambrer / zu Schiffe / fuhr auf dem Rheine hinab / und auf einer Seite zohen sich auch sechstausend Gallier / so viel Bataver / und dreytausend Chauzen dahin / um die Halsstarrigen mit Gewalt zum Gehorsam zu bringen. Gleichwol schickte er einen Dräu- Brief an Cäcina voran / und deutete den Widerspenstigen an: daß wenn sie für seiner Ankunfft nicht die Rädelsführer aufgerieben haben würden / solten die Unschuldigen mit den Schuldigen in Stücke zerhauen werden. Der schlaue Cäcina laß diesen Brief nur denen fürnehmsten und redlichsten als ein groß Geheimnüs; rieth also ihnen ihrer Ehre und Lebens wahrzunehmen. Denn im Friede liesse sich nur Schuld und Verdienste unterscheiden; wenn es aber zun Waffen und Handgemenge käme / schönte das Schwerdt weder des guten noch des bösen. Diese sagten es ihren Vertrauten; und also machte das allgemeine Schrecken über dem Anzuge der beruhigten Legionen: daß die meisten dem Cäcina zu gehorsamen angelobten / und auf seinen Anlaß folgende Nacht die Köpffe der Unruh abzuschneiden beschlossen. Als nun hierzu das abgeredete Zeichen gegeben ward / fielen sie in die Häuser und Hütten ein / schlugen nach ihrem Gutdüncken ihrer viel / welche ihnen in Wurff kamen /todt; ohne daß iemand die Ursache / oder den Zweck dessen wuste; weil zumahl kein Befehlhaber sich dessen anmaste / oder dem Würgen widersätzte. Als auch gleich endlich gesagt war: daß es nur den Urhebern des Aufruhrs gielte; fielen doch viel unschuldige; weil mehr der Zufall / als die Vernunfft die Hand im Spiele hatte; ihrer viel auch unter dem Scheine der allgemeinen Wolfarth sein eigen Unrecht rächete / und die Schuldigen nicht ungerochen sterben wolten. Die Rache hatte sich noch nicht gesättigt / sondern alles war noch voller Blutstürtzung / als Germanicus ins Lager kam / dem Wütten einen Stillestand bot / und diese grimmige Artzney für was schli ers schalt / als wenn Aertzte Sege / Feuer und Messer brauchen. Nach dem er alle Unruh / in welcher ins gemein der geringste und schlimmste die meiste Macht an sich zeucht / die Häupter und Klügsten am wenigsten zu sagen haben / gestillet waren / ließ er die Leichen verbrennen / und ieden wieder sein Ampt verrichten.

Eben selbigen Tag kam Hertzog Flavius vom Tiberius mit einer ziemlichen Anzahl vornehmer Römer ins Lager / mit Befehl: daß Germanicus / so bald es sich thun liesse / die Legionen wider den Feind führen solte. Denn es wäre nichts anders die Ursache ihres Auffstandes / deñ daß sie eine zeitlang keinen Feind gehabt; ihr Müßiggang sie lüstern / und der Mangel der Gefahr sie hochmüthig gemacht hätte; gleich als wenn ihrer Macht weder einiger Feind noch selbst das Römische Reich gewachsen wäre. Dahero müste man die unruhigen Köpffe in einen ausländischen Krieg verwickeln / daß sie keinen bürgerlichen anfingen. Uber diß versicherte Flavius: daß Hertzog Segesthes sich mit seinen Chassuariern wie vorhin / auf die Römische Seite zu schlagen willens wäre / so bald die Römischen Adler über den Rhein flügen / und ihn von der Furcht der Cherusker befreyen würden. Hertzog Melo und Ganasch liessen an ihnen [995] ebenfalls nichts erwinden / den Germanicus wider die Cherusker zu verhetzen; welche lieber ihre Rachgier vergnügen / als ihrer Sicherheit rathen wolten; Endlich schien es: als wenn alles auf einmahl sich zum Kriege wider die Deutschen verschworen hätte. Sintemahl die aufrührisch gewesenen Legionen alle Tage vom Germanicus mit Ungestüme verlangten: Er solte sie wider den Feind führen / weil sie den Schandfleck ihres Lasters durch nichts / als durch desselben Blut abwischen könten. Ihrer in dem Auffstande umgebrachter Kriegs-Gefärthen Geister könten auch nicht andern Gestalt versöhnt werden / als durch ehrliche Wunden / welche sie vorwerts beko en würden. Damit nun der Eyver des Kriegs-Volckes nicht verrauchte / oder lau würde / schlug Germanicus mit Hülffe der Sicambrer in Eil eine Brücke über den Rhein / sätzte die vier Legionen / acht Flügel der Römischen Reuterey / sechs und zwantzig Fahnen Menapier / Ubier / und Trierer / wie auch zweytausend Batavische Reuter darüber. Und weil Melo noch nicht den Nahmen haben wolte: daß er gegen die Cherusker offentlich brechen wolte / ließ er zu: daß etliche tausend Sicambrer und Tencterer sich zum Flavius schlugen; welcher unter dem scheinbaren Vorwande sein väterliches Erbtheil zu behaupten / wider seinen Bruder und Vaterland die Waffen zu führen sich nicht scheuete. Hertzog Melo zohe sich mit einem ziemlichen Heere an seine Gräntzen / unter dem Scheine solche zu bewahren / in Wahrheit aber das Römische Heer auf den Nothfall zu bedecken. Silius hingegen baute bey Meyntz eine neue Brücke über den Rhein / gleich als wolte er daselbst den Catten alle Tage einfallen / damit sie denen von unten angegriffenen Cheruskern nicht zu Hülffe kommen könten. Hertzog Arpus bereuete nunmehr: daß er des Feldherrn Herrmanns Wahrsagung nicht geglaubt /und seinem treuen Rathe nicht gefolgt hatte. Alleine die zu späte Klugheit hat keinen Nutzen / sie verursacht aber desto mehr Grämung. Der Feldherr war noch zu Mattium / halff also nicht allein dem Cattischen Hertzoge zu tapfferer Gegenwehr gute Anstalt machen / sondern befahl auch: daß / was von seinen Cheruskern in der Eil nur auffsitzen könte / denen Catten zu Hülffe kommen solte. Zu welchem Ende denn auch Hertzog Ingviomer zu seinen Bructerern /Jubil zu den Hermundurern / Cattumer mit denen Mattiachern zu Besetzung des Meyn-Stromes eilete. Unterdessen rückte Germanicus mit Wust und Willen des Hertzogs Melo durch das Gebiete seiner untergebenen Tencterern unverhindert fort / biß an den zwischen der Rohr und Lippe gelegenen Cäsischen Wald / welchen Tiberius vormahls zur Gräntze zwischen den Römern und Marsen gemacht und verhauen hatte; weil nun durch diese Wildnüß zwey Wege waren /ward berathschlagt: ob sie den gerädesten uñ engen /oder den geräumern Umweg nehmen solten. Weil nun die Tencterer / welche Melo dem Germanicus zu Wegweisern und Kundschafftern mitgegeben hatte /ihn versicherten: daß das Römische Heer in etlichen Tagen sich schwerlich durch den geraden / leicht aber durch den weitern Weg durcharbeiten würde / ward dieser erkieset. Zumahl etliche Tencterer auch Kundschafft brachten: daß die sich so wenig eines Feindes als des Himmels-Falls versehenden Marsen ohne alle Wache in stoltzer Sicherheit lebten / und auf die andere Nacht das Feyer der Hertha mit vielen Gastmahlen feyern würden. Cäcina muste mit denen der Wege kundigen Tencterern / mit welchen er die Beute zu theilen versprach / und etlich tausenden mit Aexten und Sägen gerüsteten Hülffsvölckern voran; welche die verhauenen oder sonst im Wege liegenden Bäume zerhauen / aus dem Wege räumen / also denen langsam nachfolgenden Legionen Platz machten. Folgenden Tag gegen Abend hatten sie sich völlig durchgearbeitet / aber Germanicus [996] wolte nicht ehe die Marsen überfallen / als biß er aus ihren des Nachtes aufgehenden Feuern sehen würde: daß sie sich bey ihren Gast-Maalen mit Speise und Tranck schon ziemlich würden überladen haben: und weil die Nacht ohne diß den Einbruch eines Feindes schrecklicher macht /auch solche so wohl als die Trunckenheit gute Anstalten und den Gehorsam auch williger Leute verhindert. Germanicus theilte unter deß sein gantzes Heer in vier Theil / und als eine Stunde für Mitternacht kam / ließ er selbtes derogestalt ausgebreitet die Marsen überfallen; welche weil sie theils schlaffend / theils schläffrig oder truncken; also weder zu gutem Rathe / noch zu einiger Verfassung fähig waren / entweder gar keine Gegenwehre thaten / oder doch von denen viel stärckern Feinden leicht übermannet wurden. Das Andencken des nicht ferne von dar erschlagenen Varus machte die Römer so verbittert: daß sie weder der schwachen Weiber noch zarten Kinder schonten; sondern alles / was lebte / durch die Schärffe der Schwerdter aufgerieben / und alle Wohnungen durchs Feuer eingeäschert wurden. Diese Verwüstung erstreckte sich bey nahe auf funffzig Römische Meilen /im Umkreiße / ehe die Maasen fast ihre Feinde erfuhren / und sich irgendswo setzen kunten. Ja Fürst Malovend muste / um der Gefahr zu entkommen / durch die Lippe sätzen. Germanicus / ob er zwar sonst zur Grausamkeit nicht geneigt war; verhing doch diese dißmahl seinem Volcke / theils durch diese sie zur Rache aufzufrischen / theils den Feinden bald anfangs ein Schrecken einzujagen. Denn wenn im Anfange des Krieges man entweder mit einer grossen Gewalt und Hefftigkeit verfährt; oder ein Feind dem andern / wie Brennus der Stadt Rom gantz unvermuthet auf den Halß kommt; oder man eine neue Art zu kämpffen wie die Carthaginenser mit den Elephanten / die Römer mit ihren Schiff-Angeln gebrauchet / oder auch alsbald etwas grosses / wie Xerres mit seinem Brücken-Bau über das Meer / und Durchgrabung des Berges Athos / ausrichtet / kan es nicht fehlen: daß seinem Kriegs-Volcke das Hertze wachsen / den Feinden es abnehmen müsse. Daher war es hier den Marsen nicht zu verargen: daß sie bey einem so geschwinden Uberfalle keine andere Hülffe als die Flügel der Flucht zu ergreiffen wusten. Germanicus aber ward hierdurch so vermässen: daß er daselbst / wo sein Vater Drusus dem Mohnden ein Altar gebauet hatte /drey Brücken über die Lippe schlug / und mit seinem gantzen Heer darüber gieng; ja sich alldar nicht alleine zu verschantzen anfieng / sondern auch alles / was er konte / zu Pferde sätzte / und dem Stertinius mit solcher Reuterey den Tanfanischen Tempel einzuäschern anbefahl. Ungeachtet solcher nun sieben oder acht deutsche Meilen von dar entfernet war / kam doch dieser Schwarm / welchem die Tencterer die gantze Nacht durch die Wälder die geradesten Wege gewiesen hatten / des Morgens mit dem Tage eine halbe Meile vom Tempel an. Daselbst stieß der Feldherr Herrmann mit tausend Pferden auf die Römer /welcher nach verlautetem Einbruche der Römer von Mattium nach Deutschburg mehr geflohen als geritten / auch allererst selbige Nacht zu Hause ankommen war. Denn diese Reuterey hatte er in höchster Eil zusammen gezogen / um des Feindes Vorhaben auszuspüren; weil alle Stunden von Marsen und Bructerern reitende Boten ankamen und Hülffe begehrten. Ob nun zwar ihm Hertzog Hermann nicht hätte träumen lassen / so nahe Römer aufzustossen; grieff er doch ihren Vordrab mit unsäglicher Tapfferkeit an / und brachte selbten ohne grosse Mühe in die Flucht. Als er aber diesen in Eisen lag / und die Flüchtigen durch einen kleinen Eich-Wald verfolgte / traff er hinter selbtem auff einer freyen Fläche die gantze Römische Reuterey / welche über fünff tausend starck war / in voller Schlacht-Ordnung an. Dieses Gesichte schiene ihm eine [997] Zauberty zu seyn; nichts desto weniger hielt er es ihm für die ärgste Schande schlechter Dings zu fliehen. Als er nun selbst einem gefangenen Römer mit Ansetzung seines Degens ans Hertze die Bekäntnüß ausgepreßt hatte: daß kein Römisches Fuß-Volck darbey / sondern dieser Reuterey Vorhaben alleine wäre / den Tanfanischen Tempel zu zerstören /schickte er spornstreichs dahin: daß die Priester mit allem köstlichen Vorrathe / insonderheit aber mit denen aufgehenckten zwey Römischen Adlern des Varus sich nach Deutschburg flüchten solten. Hierhin aber befahl er: daß ihm alles / was nur zu entrathen wäre / zu Hülffe kommen solte. Er theilte sein Volck auch alsbald in vier Hauffen. Einen untergab er dem Grafen von Bentheim / den andern dem von Steinfurth / und den dritten dem von der Lippe / der Graff von Nassau mit der Leib-Wache aber blieb bey dem / welchen der Feldherr selbst für sich behielt; welcher denn sich auch des Eich Waldes / und eines Sumpffes zu seinem Vortheil bediente; daß er von der Menge der feindlichen Reuterey nicht umringet werden konte. Stertinius hingegen hatte sich eben so wenig eines ihm begegnenden Feindes versehen; also stutzte und bedachte er sich auch wegen besorgten Hinterhalts eine weile: ob er den Feind antasten solte. Weil er nu mit eitel Reuterey versehen / also von dem auf allen Fall von dem versteckten deutschen Fuß-Volcke keine so grosse Gefahr / welcher er sich nicht hätte entziehen können / zu besorgen war / theilte er seine Reiterey gleichfalls / und ließ anfangs des Cariovalda Bruder mit zweytausend Batavern auf die Cherusker treffen. Diese hatten die Einbildung von sich / daß sie der Kern aller Völcker am Rheinstrome / und insonderheit ihrer Reiterey niemand gewachsen wäre. Aber sie fanden an dem Kerne dieser Cherusker / welcher fast an eitel Edelleuten bestand / nicht nur gnungsame Gegenwehre / sondern diese würden auch bey zeit der Bataver Meister worden seyn; wenn nicht Flavius mit etlichen Fahnen der Tencterer / welche zu Pferde so berühmte Krieger / als die Catten zu Fusse sind / sie entsätzt hätte; zumahl ihre abgerittene Pferde ohne diß nicht recht fort wolten; hingegen die Cherusker von ihrem Hertzoge nach Gelegenheit des Ortes / und Erforderung der Noth bald auf Parthisch fliehende /und im geraumen mit Pfeilen / bald auf Sarmatisch im Gedrangen mit Lantzen und kurtzen Degen / bald mit geschlossenen Hauffen auf Römisch / bald eintzelich hinten und vorwerts auf deutsch zu fechten gelehrt waren. Weil die Deutschen sich derogestalt mit einander abmatteten / wolte Stertinius den ihm vom Germanicus anbefohlnen Hauptzweck / nemlich die Zerstörung des Tanfanischen Tempels nicht versäumen. Daher schickte er den Emilius mit tausend Pferden gerade dem über die Eich-Bäume herfür ragenden Tempel zu. Diese fanden denselben leer und offen / insonderheit aber keinen Schatten mehr von denen Römischen Adlern oder Kriegs-Fahnen. Wie die Römer nun solchen auf allen Ecken anzündeten; trat der eysgraue Priester Libys / welcher nicht zu bewegen gewest war das Heiligthum zu verlassen / aus der heiligen Höle an derselben Thüre herfür / und redete den nicht ferne davon stehenden / und zur Einäscherung Befehl ertheilenden Emilius dergestalt an: Ich weiß nicht: ob wir Deutschen euch Römern für diese Arbeit dancken oder fluchen sollen. Denn ihr zerstöret den Tempel / welcher zwar euch ein Dorn in Augen / aber uns / die wir in der alten Einfalt einen viel reinern Gottesdienst als in Gold und Marmel finden / kein geringes Aergernüs gewest. Also schaffet ihr uns hierdurch mehr Nutz als Schaden; und ihr seyd nicht mächtig unser Andacht den geringsten Abbruch zu thun / so lang ihr in der Welt nicht alle Bäume / Stauden und Kräuter auszurotten / oder alle Thiere und Würmer zu vertilgen / alle Brunnen / Bäche und Felsen zu zernichten vermöget / [998] denn das geringste unter allen diesen Dingen lehret uns die Warheit unsers Gottes; ja er ist nirgends grösser als in den kleinsten /und nirgends sichtbarer / als in denen verstecktesten Geschöpffen. Diese finstere Höle / in der ich stehe /und das daraus rinnende Qvell / ist wie der nechste Heyn ein viel herrlicher Tempel Gottes / als der / welchen ihr zerstöret. Denn jener ist Gottes Werck / diß aber nur ein Gemächte der Menschen / welche ins gemein mehr zum Gepränge ihrer Eitelkeit / zu Ausübung ihres Hochmuths / als aus Andacht / und zur Ehre Gottes Heiligthümer aus köstlichen Steinen und Ertzte bauen / und nichts anders wünschen; als daß sie darinnen die Götzen / wie der Egyptischen Könige Leichen der stinckende Schatz ihrer kostbarer Spitz-Säulen seyn mögen. Brennet demnach wie ihr wollet! lasset keinen Stein auf dem andern; glaubet aber: daß ich um diesen vortheilhafften Verlust keinen Seufftzer / keine Thränen verliehren werde. Nichts desto weniger bildet euch nicht ein: daß euch dieser Frevel ungenossen werde ausgehen / ob ihr schon unsern reinern Gottesdienst gegen eurem besudelten / da ihr so viel gestorbene Menschen anbetet / für unvollkommen haltet. Es ist Boßheit auch eines irrigen Gottesdienstes Heiligthümer versehren. Wisset ihr nicht / wie übel es dem Cambyses bekommen / als er sich an der Egyptier Aberglauben ärgerte / des Apis / Osiris / und der Isis Bilder zerstörte? Wie sein Heer vom Ungewitter und Sande verschlungen ward / welches er zu Vertilgung des Ammonischen Tempels ausschickte? Habet ihr nie gehöret / wie alle viertausend Perser /welche Xerxes zu Beraubung des Delphischen Tempels aussendete / durch Regen und Blitz vertilget / er auch selbst so schimpflich aus Griechenland gejagt ward? Zu einer Erinnerung der Nachwelt! wie thöricht der Mensch Gott Krieg ankündige / und aller Welt Kräfften gegen seiner Hand verglommene Strohalmen sind? Nicht besser ist es den Kirchen-rauberischen Phocensern / und noch ärger soll es dem Brennus /den Galliern / und Tectosagen / der Griechen Berichte nach / beym Delphischen Heiligthume ergangen seyn. Wider den Antiochus haben sich alle Nachtbarn verschworen / und ihn erschlagen / als er des Didymeischen Jupiters Tempel beraubt. Und mit Alexander in Syrien hat es einen kläglichen Ausgang gewonnen; welcher zu Antiochia das güldene Bild des Sieges aus einem Tempel nam / und als er es zu Bezahlung seines Kriegs-Volcks zerschmeltzte / GOtt noch spottete / mit Vorgeben: Jupiter hätte ihm des Sieges Bild geliehen. Wie viel einen ärgern Krieg aber führet ihr Römer wider GOtt; die ihr mit diesem Heiligthume unsern gantzen Gottesdienst auszurotten euch träumen laßt! Bildet euch dannenher nur festiglich ein: daß diese Einäscherung keinem unter dessen Werckzeugen ungenossen ausgehen werde. Saget eurem Germanicus; daß er mit dieser Flamme seinen Glücks-Stern verdüstere; und daß er / ehe vier Jahr vergehen werden / seinen Geist durch Gifft und Zauberey aufgeben; Rom auch aus seinen Augen hierüber mehr Wasser schütten werde / als man zu Leschung dieses Brandes bedörffte. Denn GOtt ist zwar barmhertzig; wenn er aber durch Verachtung beleidigt / oder er gar zum Streite ausgefordert wird / ist er gerecht; und zermalmet alles / was ihm den Kopff zu bieten sich erkühnet. Rechtschaffenen Feinden ist es nicht zu verargen: daß sie ihnen im Wege stehende Festungen / Städte /Hafen / Schiffe und Früchte verderben / und Waffen zu tragen-fähige Leute tödten; aber die ihnen nichts schädliche Tempel / Lust-Häuser / Gedächtnüs-Maale zerstören / Weiber und Kinder ermorden / ist eines Rafenden / oder gar eines Unmenschen Werck. Emilius und andere Römer hörten den Priester anfangs mit grosser Verbitterung; hernach aber mit so grossem Schrecken: daß allen denen / welche ihn zu [999] tödten und in der Asche des Tempels zu vergraben fürsätzten /Hertze und Vernunfft entfiel; ja endlich alle mit Einreissung des lodernden Tempels beschäfftigte Römer /in eine so unvermuthete Zagheit geriethen: daß /gleich als wenn jeder Feuer-Funcken ein Donnerkeil wäre / oder ihnen die göttliche Rache schon im Nacken säße / sie sich in gröster Verwirrung von dem einsamen Tempel flüchteten. Bey ihrer Rückkunfft fanden sie den Stertinius und das Treffen in viel anderer Beschaffenheit / als es bey ihrem Wegzuge gewest war. Denn als in Deutschburg das Gerüchte erschollen: daß der Feldherr so nahe mit den Römern schlüge / und man daselbst vom brennenden Tempel den Rauch aufgehen gesehen / hatte sich alles / was nur streitbar war / auf- und ins gemein sich ihrer zwey auf ein Pferd gesätzt; also war der Feldherr mit mehr als dreytausend Cheruskern verstärckt worden / welche den Streit mit denen stärckern Feinden bald gleich gemacht hatten. Bey Ankunfft der Tempel-Störer aber hatte sich das Spiel mercklich verkehret. Denn der Feldherr hatte mit eigener Hand Cariovaldens Bruder getödtet; von seinen Batavern hatte mehr als die Helffte ins Graß gebissen; Nassau hatte auch den Führer der Tencterer Fürstenberg erlegt / und denen Römern / welche sich an einen vortheilhafften Ort gesätzet / ward nicht wenig zugesätzt. Emilius ermahnte seine Römer zwar den Cheruskern tapffer in die Seite zu gehen; aber das Schrecken stackte ihnen nicht nur in Hertzen / sondern sahe ihnen auch aus den Augen. Und also war ihr Angrief lau / ihr Verfolg kalt / da sie denen gegen einer viel grössern Menge abgematteten Cheruskern einen gewaltigen Streich zu versätzen fähig gewest wären; wenn der ungewaffnete Priester Libys ihnen nicht eine so nachdrückliche Furcht eingejagt hätte. Dem Stertinius schwindete daher für einer grössern Niederlage; und weil er die ihm befohlne Verbrennung des Tempels verrichtet hatte / hielt er nicht für rathsam / sein Heil aus einer eitelen und zweifelhafften Ehre ferner auf die Spitze zu setzen. Er zohe sich diesem nach Fuß für Fuß in den am Rücken habenden Wald / und befahl dem Emilius dergleichen zu thun. Der Feldherr aber lag ihnen beständig in Eisen. Weil sich aber in selbtem etliche zum Hinterhalte gelassene Römische und Chassuarische Hauffen blicken liessen / und der Feldherr eine Arglist besorgte / vergnügte er sich mit neun denen Batavern / drey den Tencterern / und zwey den Römern abgeschlagenen Fahnen; ließ also seinem Volcke das Zeichen geben einzuhalten; wolwissende: daß ein mäßiger Sieg besser sey / als mit Gefahr seinen Feind biß zum Untergange verfolgen. Stertinius war über dieser Vorsicht des Germanicus sehr vergnügt; und ob wol sein Volck für Müdigkeit sich zum theil kaum mehr regen konte / musten sie doch den Wald des Nachtes verhauen; daß sie / so bald die Pferde nur ein wenig verblasen hätten / desto sicherer ihren Rückweg nehmen / oder vielmehr fliehen konten. Stertinius kam also zwar mit einem blauen Auge / die Bataver aber und Tencterer mit grossem Verluste und noch grösserem Unwillen beym Germanicus an. Denn sie beschwerten sich: daß die Römer sie nicht ehrlich entsätzt / sondern sie allein im Bade gelassen hätten; als welche noch nicht wusten: daß es der Römer Eigenschafft wäre / mit frembdem Blute frembde Völcker zu überwinden.

Germanicus hatte inzwischen das Monden-Altar wieder aufgerichtet / und zu Befestigung selbigen Platzes einen Anfang gemacht. Als er aber vernam: daß der Feldherr die Cherusker / Tubanter und Dulgibiner aufs fleißigste zusammen zohe; Hertzog Ingviomer auch mit einer ziemlichen Macht der Bructerer und Usipeter ihm im Rücken stünde; über diß weder Chauzen / Chassuarier und Sicambrer mit den Cheruskern und Bructerern völlig zu brechen das Hertz hatten / sondern gleichsam auf beyden [1000] Achseln trugen / und das Römische Heer mit Einbissung des Kernes ihrer Reiterey und Verlust ihrer ersten Hertzhafftigkeit die wenig rühmliche Verwüstung eines Tempels /welchen nur seine Heiligkeit und GOtt beschützte / so theuer bezahlet hatte / gerieth er in nicht geringen Kummer. Ob nun wol in gehaltenem Kriegs-Rathe Germanicus der Meinung war / daß er ohne Abbruch seines guten Nahmens / und ohne Verkleinerung der Römischen Waffen nicht zurück weichen könte; Sintemahl ein guter Ruff im Kriege mehr als viel tausend Kriegs-Leute machte / und meist mehr in der Einbildung und in einem scheinbaren Schatten als im Wesen eines Dinges bestünde / so war doch Cäcina /Stertinius / Cetronius / und alle andere Kriegs-Obersten widriger Meinung; welche alle einhellig riethen /daß nach dem ihnen die Bructerer und Usipier im Rücken alle Zufuhre an Lebens-Mitteln abschneiden könten / sie / dafern sie tieffer in Deutschland rückten / bey dem ohne diß so rauen Wetter erhungern und umkommen würden / wenn ihnen gleich nicht der besorgliche Untergang des Varus von den Deutschen zuhienge. Auf die Sicambrer und Chauzen wäre sich nicht zu verlassen; wo Fürsten ja jemahls fähig wären einige Freundschafft zu stifften / oder zu unterhalten /wäre auf selbte länger nichts zu bauen / als so lange sie der Eigennutz unterhielte und beseelte. Denn dieser wäre aller Fürstlichen Verträuligkeiten und Feindschafften Mäßstab. Daher ob wol Melo und Ganasch mit dem Hertzoge der Catten und Cherusker zerfallen / die Freundschafft gemeiner Leute auch schwerer als Thon und Ertzt zusammen zu löthen wäre / so hätte es doch mit Bündnüssen der Herrscher viel eine andere Beschaffenheit; welche / wie liederlich sie gleich vorher wären zerrissen worden / doch bey sich hervor thuendem Vortheil sich so geschwinde als die Stücke zerhauener Nattern zusa en fügten. Daher müste man mit verbundenen Fürsten nicht anders umgehen / als wenn sie morgen unsere Feinde werden solten. Die schläfrigen Sicambrer / und die gefrornen Chautzen hätten bereits sich schon verrathen / wie wenig Eyver sie für die Römer hätten / und wie leichte sie ihr Kleid umwenden würden / wenn den Römern nur ein schlechter Streich noch versätzet werden wolte. Wie schimpflich dieses nun zwar dem Germanicus schien /traute er doch weder dem Glücke noch den Deutschen / am allerwenigsten dem Tiberius; welcher das geringste Versehen zu einer grossen Schuld machen würde. Daher ward beschlossen das Monden-Altar wieder zu verlassen / und weil auf der lincken Seiten der Lippe alles verbrennt / der dicke Cäsische Wald auch ihm allzu verdächtig war / sich geraden Weges gegen dem Rheine und Vetera zu wenden. Weil aber Hertzog Ingviomer mit seinen Bructerern / Tubandten und Usipetern / wie auch Malovend mit einem Theile seiner Marsen den Römern aufwartete / muste Germanicus / wo er Raum hatte / in voller Schlacht-Ordnung fortrücken. Die Helffte der Reiterey und Hülffs-Völcker hatte den Vorzug; diesem folgte die erste Legion / hernach zohe die ein und zwantzigste auf der lincken- die fünffte auf der rechten Seite; und zwischen inne alles Kriegs-Geräthe / den Beschluß machte die zwantzigste Legion / welche von der andern Helffte der Reiterey und Hülffs-Völcker bedeckt ward. Die Deutschen aber / weil sie einer so grossen Macht nicht gewachsen waren / trauten sich selbte nicht im flachen Felde anzugreiffen. So bald aber die Römer zwischen die Wälder und Püsche kamen / fiel der Graf von Steinfurt mit tausend Usipetern zu Pferde den an den übrigen Batavern bestehenden Vordrab /Malovend mit zwölffhundert Marsen die ein und zwantzigste / der Graf von Bentheim mit so viel Tubanten die fünffte Legion an. Aber dieses war nur angesehen den Feind irre zu machen. Denn Hertzog Ingviomer that mit zwantzig tausend Bructerern und Usipetern den rechten Angrief [1001] von hinten zu. Die Römische und Gallische Reiterey war in einem Augenblicke über den Hauffen geworffen / und zwischen die Legionen gejagt. Ob nun wol die zwantzigste Legion sich wendete / und festen Fuß hielt; so sätzten ihr doch die Bructerer so heftig zu: daß die fördersten Glieder von einander giengen / und die ältesten Kriegs-Leute ihre Lücken erfüllen musten. Germanicus merckte alsbald: daß am Rücken die Kräfften der Deutschen stünden / an andern Seiten aber die Angrieffe nur ein Spiegelfechten wären; daher ließ er die erste Legion auf beyden Seiten um das Kriegs-Ge räthe sich an die zwantzigste Legion ziehen; und er selbst sprach denen Wanckenden einen Muth zu / und sagte: die Feinde wären nicht halb so starck / als sie die Römer / und nur ein zusa en gerafftes übel gewaffnetes Volck; daher sie auch nicht das Hertze gehabt hätten / sie im freyen Felde anzugreiffen. Dieses aber wäre der Tag und die gewünschte Gelegenheit /da sie Schande ihres Aufruhrs in den Ruhm eines herrlichen Sieges verwandeln könten. Dieser Einhalt hielt die wanckende zwantzigste Legion im Stande /welche wenn sie von der ersten und dem hertzhafften Cetronius nicht so zeitlich wäre entsätzt worden /durch den einem Löwen gleich fechtenden Ingviomer in weniger Zeit würde seyn in Stücken gehauen worden. Sintemal er selbter sein fünft Krieges-Zeichen abgenommen; die auf ihren Seiten stehende Fuß-Völcker aus Gallien grösten theils erlegt hatte. Nunmehr aber / da Germanicus selbst allenthalben gute Verfassung machte / und mit Mund und Hand die Römer zu tapfferer Gegenwehre aufrischte / kam es zu einem gleichen und scharffen Gefechte / sonderlich da Germanicus an allen dienlichen Orten Bäume aushauen ließ: daß die Bructerer zu Pferde nicht auf den Seiten einbrechen konten. Gleichwol aber sprang Ingviomer selbst vom Pferde / und gab den Seinigen ihm solches nachzuthun ein Beyspiel / ihnen meldende: dieses wäre eben der Tag des Jahres / an welchem Qvintilius Varus mit einem zweymahl so starcken Heere wäre erschlagen worden. Wenn die Bructerer nun alle es dem Germanicus so mit spieleten / würden sie zehnmahl mehr Ehre darvon tragen. Sie solten also eilen ihren Sieg zu befördern / ehe der ihnen nahe Hertzog Herrmann mit seinen Cheruskern dazu käme / und die Helffte des Sieges und Ruhms ihnen wegnähme. Also verbitterte die Deutschen die Ehrsucht / die Römer das Andencken ihrer Schande: daß sie desto verzweiffelter gegen einander fochten; und ein jeder lieber das Leben / als einen Fußbreit Erde verliehren wolte. In dieser Hartnäckigkeit verharreten sie wol drey Stunden / ehe die Bructerer einen rechten Einbruch in die erste Legion thun konten. Als aber Cetronius vom Ritter Winnenthal hefftig verwundet ward /gerieth sie in Verwirrung: daß Germanicus Noth hatte sie zu erhalten; daher er dem Stertinius befehlen muste / mit der halben fünfften und halben ein und zwantzigsten Legion ihm einen Weg zu suchen / die Bructerer auf der Seite anzugreiffen / um ihm mit der ersten und zwantzigsten Legion Lufft zu machen. Stertinius richtete diß glücklich aus / und kam denen Bructerern an einem gantz unvermutheten Orte über den Halß. Uber diß gebrauchte sich Stertinius dieser Krieges-List: daß er drey falsche güldene Adler / wie solche die dem Silius untergebenen Legionen führten /aufsteckte / und unter seine zwey halbe Legionen alle übrigen Gallier mischte. Hierdurch wurden die Bructerer verführet; daß sie glaubten / es käme Silius dem Germanicus zu Hülffe. Als diß nun dem Hertzoge Ingviomer / welcher dem Germanicus im Hertzen der ersten und zwantzigsten Legion hefftig zusätzte /angedeutet ward / muste er seinem Siege nicht anders / als einem rennenden Pferde in Zügel fallen; und mehr auf Sicherheit seines Volckes / als auf Eitelkeit eines gefährlichen Sieges bedacht seyn. Daher bebefahl [1002] er: es solten seine Kriegs-Obersten und Haupt-Leute sich allgemach aus dem Gedränge der Wälder ins geraume zurück ziehen / damit sie wieder zu Pferde kommen könten. Dieses ward von den Bructerern auch ohne Unordnung vollzogen; und ob wol der hierüber erfreute Germanicus und Stertinius so weit / als die Wälder währeten / denen Deutschen folgten / wolten sie sich doch nicht unterstehen / ihnen ins flache Feld zu folgen / aus Beysorge: daß der so wol angeschlagene Betrug verrathen werden / und sie sich in neue Gefahr vertieffen möchten. Eine Stunde darauf kam der Feldherr mit sieben tausend Cheruskern zu Pferde beym Ingviomer an; und ihm folgten auch zehntausend Cherusker zu Fusse. Er war über seine Langsamkeit: daß er nicht zurechte kommen wäre / so wol als seinen Irrthum sehr ungeduldig. Denn weil er vermuthet hatte: es würden die Römer beym Altare des Mohnden entweder noch stehen / oder daselbst wieder über die Lippe gehen / war er auf der Sudseite dieses Stromes herab kommen; und nach dem er das Monden-Altar aufs neue über einen Hauffen geworffen / hatte er daselbst über den Fluß gesätzt / und also dieses Treffen durch solchen Umweg versäumet. Er wolte sich auch gar nicht bereden lassen: daß Germanicus den von den Catten starck besätzten Rhein und Meyn gantz entblösset / und einige von des Silius Legionen herunter gezogen haben solte. Ob nun wol Fürst Malovend / und der Graf von Bentheim / Ingviomers Meinung hielten / weil gegen ihnen der fünffte und ein und zwantzigste Adler beständig blieben wäre / und sie am Einfalle verhindert hätte; so sagte doch der Feldherr: Es wäre den Römern nichts neues; daß wenn sie sich klein machen wolten / um den Feind verwegen zu machen / zwey Legionen einen / und wenn es die Noth erforderte / sich groß zu machen /einer Legion zwey oder drey Adler zu geben. Und hätte er in Asien selbst gesehen: daß die Römischen Feldherren stets drey oder vier dieser ihrer Lager-Götter mit sich in einer Kiste führeten / und dadurch einfältige Feinde blendeten. Uberdiß hätten des Silius Legionen / seinem Urthel nach / flügen müssen / da sie beym Germanicus an der Lippe stehen solten; weil er für fünf Tagen noch zu Mattium gewest / und Hertzog Arpus gewisse Nachricht gehabt hätte: daß alle 4. Legionen daselbst / und zwar meistentheils am Meyne gestanden hätten. Ingviomer muste solcher gestalt des Feldherrn Meinung billigen / und seine Leichtgläubigkeit schelten; daß er durch eine KriegesList ihm den Sieg hätte aus den Händen spielen lassen. Daher wolte er selbigen Augenblick zu einem neuen Angriffe das Zeichen geben / ungeachtet es schon stockfinstere Nacht war. Hertzog Herrmann aber widerrieth es; theils wegen der zum Betruge dienlichen Finsternüs; theils weil so wol die Bructerer als Cherusker der Ruhe / welche dem Kriegs-Volcke neue Hurtigkeit gäbe / und in diesen Wäldern des erwarteten Fuß-Volcks hoch vonnöthen / welches auch nach zwey Stunden ankam. Des Morgens früh für Tage muste zwar alles in die Waffen / um die Römer aufs neue anzugreiffen / sonderlich als etliche Bructerer in dem Gepüsche zwey Römer erschlichen / und von ihnen das Bekäntnüs ausgepreßt hatten: daß Stertinius sich falscher Adler bedient hätte / und mehr nicht als vier Legionen / welche ohne diß zimlich abgenommen hätten / gegenwärtig wären. Der deutsche Vordrab aber traf nur etliche Stallbuben an / welche die Römischen Wach-Feuer unterhielten / und in Wäldern alle Wege und Eingänge / wordurch die Römer sich aus dem Staube gemacht hatten / verhauen. Der Feldherr und Ingviomer wurden alsbald schlüßig: daß dieser mit der Reiterey ihm auf der rechten Seiten um die verhauenen Wälder einen Weg suchen; Ingviomer und Malovend aber sich mit dem Fuß-Volcke durchhauen / und den Römern auf der Ferse folgen solten. Germanicus / welcher von des Feldherrn [1003] Ankunfft ebenfals Wind kriegt / hatte sich dieses Streiches wol versehen / und daher seinen Weg auf Einrathen der in selbiger Gegend wolbekandten Tencterer / gerade gegen der Lippe / auf ein von den Marsen verlassenes Dorff Dorsten eingerichtet / welches an einem zu geschwinder Befestigung beqvemen Orte gelegen / und vorher schon von Marsen mit Schlag-Bäumen / und einer Brücke über die Lippe versehen war; also daß der Feldherr / welcher aus Irrthum zu weit auf die rechte Hand abkommen war / mit seiner Reiterey mehr nicht ausrichten konte / als daß er etliche hundert Gallier /welche gegen den im Rücken habenden Feinde den Nachdrab führen musten / theils in Stücken hauete /theils gefangen nahm. Germanicus ließ sein gantzes Heer / ohne Verschonung der alten und sonst hiervon freyen Kriegs-Leute / den gantzen übrigen Tag und folgende Nacht an Verschantzung selbigen Dorffes /und an noch zwey Brücken über den Fluß / arbeiten; Und als der Feldherr ihr Heer gegen ihm in Schlacht-Ordnung stellte / und ihn zum Gefechte ausforderten /ihnen zu entbieten: Sein Absehn wäre nicht gewest /mit den Deutschen einen Krieg zu führen / sondern nur die Marsen wegen ihres offtern in Gallien geholeten Raubes zu züchtigen / und der Römer Spott mit dem Taufanischen Tempel abzuthun. Wenn aber die Bructerer und Cherusker / denen er kein Leid gethan hätte / sich an die Römer nöthigten / würde es dem Käyser nicht an Kräfften / ihm nicht an Muthe fehlen ihnen zu widerstehen. Malovend wendete bey dem Feldherrn ein: daß seinen Marsen unrecht geschähe /und dieser Vorwand nur vom Germanicus zu Bekleidung des gegen ihn gefaßten Hasses vorgeschützt würde / weil er nach seiner Gefangenschafft die Römische Seite verlassen / und sich mit seinen Marsen unter den Römischen Schutz begeben hätte. Hätte Germanicus nur nicht einen blossen geschlagen / so würde er / wie niemand seines Sieges halber / keine Rechenschafft gegeben / sondern solchen mit Recht und Unrecht verfolget haben. Nach dem ihm aber sein Anschlag mißlungen / wolte er seiner unverantwortlichen Feindseeligkeit eine so falsche Stirne anstreichen. Dahero verlangte er: daß der Feldherr diesen gewaltsamen Uberfall an den Römern rächen / und ihm die Erstattung des unverwindlichen Schadens zuwege bringen solte. Hertzog Herrmann und Ingviomer billigten zwar die Gerechtigkeit seines Gesuches / und versprachen ihm so viel Hülffe / als die Mögligkeit zulassen würde; zu welchem Ende sie ober- und unterhalb des Dorffes Dorsten eine Brücke zu bauen anfiengen. Germanicus sahe wol / wenn sein Feind mit einem Theile übersätzte / und den Cäsischen Wald aufs neue verhiebe und besätzte / mit der grösten Macht aber auf der Nordseite der Lippe stehen bliebe / daß er entweder in seinem Lager wegẽ gesperrter Zufuhre erhungern / oder an ein oder anderm Orte einen gefährlichen Streich würde wagen müssen. Daher ließ er noch selbige Nacht ein Theil seiner Reiterey zwey Durchgänge des Cäsischen Waldes besätzen / sein Kriegs-Geräthe und die Schwachen folgen /sonder daß es die Deutschen inne worden. Folgenden Morgen that er unterschiedene Ausfälle / und stellte sich als wenn er den Deutschen eine Schlacht zu liefern Lust hätte. Denn er wuste wol: daß im Kriege nichts gefährlicher / als der Abzug wäre / wenn man schon einmahl dem Feinde verächtlich worden wäre. Auf die andere Nacht aber zohe er mit seinem gantzen Heere in unglaublicher Stille aus dem Läger; also daß die Deutschen allererst früh seinen Abzug gewahr worden / und das Nest der Römer leer funden; welche bey erfolgendem Nachsatze den Wald schon allenthalben verhauen fanden / und nach dessen Oeffnung erfuhren: daß die Römer schon grösten theils über den Rhein gesätzt hätten; musten also sich nur damit vergnügen / daß eine so grosse Macht der Römer / welche [1004] mehrmals mit einer viel kleinern gantze Völcker unters Joch gebracht hatten / denen in der Eyl zusa en gerafften Deutschen nicht Stand halten wolten; sondern so wol aus ihrer Flucht / als ihrem nur am Mord-Brande bestehenden Siege / nichts als Schande erlangten. Malovend drang zwar starck darauf: daß man die flüchtigen und verzagten Römer über den Rhein verfolgen solte; aber weder der Feldherr noch Ingviomer hielten es vor rathsam / weil das deutsche Heer weder mit nöthigem Vorrath versehen / noch denen in Waffen stehenden Sicambern / Chaßuariern und Chauzen / welche sich verlauten liessen: daß sie des Germanicus Einfall für keinen Friedens-Bruch mit den Cheruskern und Bructerern halten könten / sie aber den Friede in Deutschland auch wider die Deutschen mit ihren Waffen erhalten wolten / am wenigsten aber dem Könige Marbod / und seinem Ohrenbläser Segesthes zu trauen wäre. Zu geschweigen: daß auch das einfallende raue Wetter / bey welchem sie mehr wider die Natur als Menschen zu Felde ziehen müsten / alle fruchtbare Krieges-Rüstungen hinderte. Uber biß / sagte der Feldherr / müste man keinen Feind / am wenigsten aber die in Waffen erzogenen Römer / welche nicht allzuweit davon vier andere Legionen stehen / und gantz Gallien zu ihrem Dienste hätten / nicht verachten / noch zu vermäßen seyn; ungeachtet sie itzt zu fliehen schienen. Sintemahl verschmitzte Kriegs-Leute wol ehe durch angenommene Furcht und Flucht ihre Feinde ins Netze gelockt hätten. Niemand könte leichter berückt werden / als wer nichts fürchtete; Sicherheit und Verwegenheit wäre der gemeinste Anfang zum Untergange. Daher hätte man niemals mehr Ursache sorgfältig und wachsam zu seyn / als wenn einen das Glück im Kriege mit Sieg anlachte / und man ins gröste Ansehn kommen wäre. Es wäre ein grosser Unterschied in einem Treffen Meister seyn / und den Feind überwinden / auch nichts seltzames: daß im Kriege sich das Blat wendete / und der / welcher sich wegen eines vortheilhafftigen Anfangs den Sieg schon durch Einbildung verschlungen hatte / hernach unten gelegen hätte. Sintemal der Verlust ins gemein behutsam / der Gewinn aber unachtsam machte. Dieses hätte her geschlagene Mechanides dem siegenden Philopamen / Pontius und Calovius den Samnitern / nach der Römer Niederlage vernünfftig eingehalten; und der Samniter Vertilgung hätte dessen Warheit erhärtet. Er wüste zwar / was er sich auf der Deutschen Tugend zu verlassen hätte /welche den Römern an Hertzhafftigkeit und Begierde der Ehre eben so wie die Spartaner denen Atheniensern überlegen wären; aber die Römer hätten auf ihrer Seite das Verhängnüs / welches sie unüberwindlich machte / und so wol Carthago als Samnium / ja auch sie Deutschen hätten erfahren: daß die Römer niemals mehr zu fürchten wären / als wenn man sie geschlagen hätte. Sie stünden wie Antäus von ihrer Niederlage allezeit stärcker auf. Daher hielte er für rathsamer gegen die Römer die alte Gräntze des Rheines zu behaupten / als über demselben eitelen Ruhm und Saamen neuer Kriege suchen. Malovend muste für dißmahl sein Unglücks dem gemeinen Wesen zum besten verschmertzen / die Rache der Zeit und dem Verhängnüsse anvertrauen; Sie aber alle sich bescheiden: daß es keine geringere Tugend wäre / seinen Sieg / als seine Begierden mäßigen. Aus diesem zweiffelhafften Troste aber schöpffte Fürst Malovend schlechten Trost; daher er / weil das Unglück nicht weniger die Zunge zum Klagen löset / als das Hertze unwillig macht / er sein Unvergnügen nicht verbeissen konte / sondern heraus fuhr: Er sähe wol: daß die / welche sich auf anderer Barmhertzigkeit verliessen / nicht wüsten / wie bald die Thränen zu verseigen pflegten / und auf was für schwachen Füssen frembde Hülffe bestünde. Endlich aber muste er sich doch in den vernünfftigen Einhalt des Feldherrn und [1005] Ingviomers finden / und sich an dem seinen abgebrennten Marsen verwilligtem Vorschube vergnügen / und mit ihnen die Völcker wieder nach Hause führen. Dem Flavius aber entfiel hiermit alle Hoffnung / die ihm Adgandester / Sentia /und die Römer zu Eroberung seines eingebildeten Erbtheils gemacht hatten. Und ob er zwar beschämt war: daß er so vergebens wider sein Vaterland den Degen ausgezogen hatte; so hielt er doch für ehrlicher die angefangene That mit Gefahr ausüben / als mit Abstehung seinen Fehler bekennen. Hingegen machten nicht nur die Römer von ihrer Verrichtung ein so grosses Wesen / als wenn sie halb Deutschland bemeistert hätten; sondern Tiberius rühmte auch deßwegen im Rathe den Germanicus so sehr / als vorher den Drusus; wiewol jedermann leicht abmerckte: daß des letzten Ruhm ihm mehr Ernst / des ersten aber nur ein blosser Schein war. Gleichwol aber hatte er alles genehm / was Germanicus dem Kriegs-Volcke verwilliget hatte. Der Rath und das Volck wurden über des Germanicus Verrichtung / von welcher man / wie von allen fernen Sachen ins gemein mehr glaubte / als daran war / auch so erfreuet / daß sie ihm / wiewol nicht ohne Kränckung des Tiberius / ein Siegs-Gepränge zuerkennten.

Der Winter hemmete nun zwar nicht weniger den Krieg / als die zugefrierenden Flüsse; daher die Römer und Gallier ihr gewohntes Opffer dem Rheine schlachteten: daß er nicht zu starck gefrieren / und den Deutschen eine Brücke in Gallien abgeben möchte; Aber auf beyden Seiten war man im Kriegs-Rathe nie geschäfftiger gewest / als nun. Die Catten / Cheruskerer und Bructerer bieß nicht wenig die Niederlage der mit ihnen verbundener Marsen / noch mehr aber: daß man zu Rom / und in Gallien so sehr über ihnen frolockte. Und ob wohl Germanicus durch diesen Einfall nicht den Frieden gebrochen haben wolte; war doch den aufrichtigen Deutschen es eine unbegreiffliche Scharffsinnigkeit; daß man ohne Verletzung gemachter Freundschafft / gegen iemanden solte mit Feuer und Schwerdt wüten / und / wo kein Krieg gewest wäre / Sieges-Gepränge bereiten könte. Nach dem nun Silius seine Legionen in Gallien eben so wohl als Cäcina seine in die Winter-Lager vertheilet hatten / kamen Ingviomer / Arpus / Catumer / Jubil und Malovend / zu Deutschburg beym Feldherrn zusammen / welcher ihnen für Augen stellte: wie liederlich die Römer an die Catten Ursache des Krieges gesucht; und als sie keine finden können / wie tückisch sie die friedsamen Marsen überfallen / und wie undanckbar sie dem Fürsten Malovend seine Dienste belohnet hätten. Daß Silius nicht auch bey den Catten eingebrochen wäre / hätte die Wachsamkeit ihrer Hertzoge verhindert. Daher wäre auf des Germanicus einschläffernde Versicherung: daß die Römer mit den Deutschen keinen Krieg begehrten / nicht zu trauen /sondern es gereichte ihnen vielmehr zum Schimpffe /da er sie in die Augen schlüge / und ihnen gleichwohl als alberen Leuten weiß machen wolte: daß er es nicht böse meinte. Brand und Mord wäre die nachdrücklichste Kriegs-Ankündigung; welche mehr keiner Worte bedörffte. Ihre Beleidigung aber desto empfindlicher / und die Feindschafft der Römer desto grösser / weil die Deutschen ihnen darzu keine Ursache gegeben. Daher sie auf das Früh-Jahr sich eines so viel stärckern Anfalls zu besorgen hätten. Die Römer hätten vorzeiten die Deutschen beschuldigt: daß sie ihre Rechte im Degen-Knopffe führten; und daß / ihrer Meinung nach / die Zeug-Häuser die besten Richterstühle / das Faust Recht aber aller tapfferer Leute Richt-Scheid wäre. Alleine / da die Römer iemahls gerechte Leute gewest wären / hätte sich diese Eigenschafft gewiß mit Uberkommung mehrer Gewalt verlohren. Ihr Geld-Durst / ihre Begierde biß an der Welt Ende zu gebieten / hätte [1006] das Recht der Natur /dessen sich Adler und Habichte gegen die Tauben /grosse Raub-Fische gegen die kleinern gebrauchten /eingeführt; also / daß sie bey allen Völckern billich des grossen Alexanders Nahmen / den ihm unsere Vor-Eltern in die Augen sagten / nehmlich der grossen Welt Rauber führten / und ihre zeither glücklichen Laster Tugenden hiessen. Ihre grösten Lichter und Helden hätten diß nicht nur wider Frembde / sondern wider ihr eigenes Vaterland ausgeübt; ja Kayser Julius den Metellus und andere Freunde ausgelacht /als sie ihm wider den Rath und die Gesetze etwas vorzunehmen / und den gemeinen Schatz-Kasten zu erbrechen / wiederrathen hätten / vorwendende: Sein Recht steckte in seiner Scheiden / sie solten schweigen / denn der Krieg vertrüge nicht die Freyheit seine Meynung zu sagen. Marius hätte seine Gewalt-Thaten damit gerechtfertiget: daß er unter dem Geräusche der Waffen die schlaffenden oder gar zu linde redenden Gesätze nicht gehöret hätte. Andern wäre das Lob der Gerechtigkeit eben so wohl / als die hiervon geschriebenen und dem Antigonus zugeeignete Bücher / eine unzeitige und tapfferen Leuten unanständige Weißheit gewest. Da nun das Königliche Gesetze der Römischen Kayser auch wider die Römer in dem Rechte der Faust bestünde / solten die Fürsten Deutschlandes selbst ermässen: was sie vom Tiberius dem geschwornen Feinde der deutschen Freyheit zu hoffen oder zu fürchten; am meisten aber / was sie hierwider vor Mittel vorzukehren hätten. Als nun alle zusammen der einhelligen Meinung waren: daß / nach dem die Römer schon einmahl die blutigen Würffel auf den Tisch geworffen hätten / sie das angefangene Spiel so bald nicht abbrechen würden / sie sich unfehlbar eines hefftigen Krieges zu besorgen hätten. Daher beschlossen sie: daß ein ieder sich eussersten Kräfften nach ihnen zu begegnen rüsten solte. Sie sassen hierauf zur Tafel / und bekräfftigten nach deutscher Art ihren verneuerten Bund / und gemachten Schluß / durch den Wein. Weil die Deutschen für allen andern Völckern der Welt der offenhertzigen Redligkeit sich befleissen / haben sie so viel weniger Bedencken ihr Hertz gegen einander auszuschütten; und also sich bey Rathschlägen und Bündnüßen im Truncke zu übernehmen; ungeachtet ihnen nicht unwissend ist: daß diß / was einem nüchternen im Hertzen liegt / einem trunckenen auf die Zunge komme / und diese alle Heimligkeiten /welche man sonst einem nicht leicht durch Folter und Pein auspressen würde / ausschütte; ja trunckene Leute ehe glüende Kohlen / als ihre Gedancken im Munde zu behalten vermögen. Weßwegen der Wein /ungeachtet Marcus Crassus durch selbten denen Bastarnischen Gesandten alle ihre Rathschläge gleichsam mit einer Zange aus dem innersten ihres Hertzens hervor gezogen / bey den meisten Deutschen nicht als eine die Wahrheit auszwingende Marter verachtet; sondern als ein Spiegel des menschlichen Gemüthes gerühmet wird. Die Fürsten waren kaum von der Taffel aufgestanden / als Malovend durch einen Chauzischen Edelmann aus Rom vom Grafen von Diepholt /welcher über des Kaysers deutsche Wache bestellt war / ein Schreiben empfing / darinnen er ihn im Vertrauen versicherte: daß es dem Tiberius / mit den Deutschen Krieg zu führen / kein Ernst wäre; sondern er den Germanicus nur zu dem Ende in Deutschland zu fallen angestifftet hätte: daß er wie Varus darinnen sein Begräbnüß finden möchte. Die Deutschen könten auch den Tiberius durch keine Wolthat ihnen mehr versöhnen / als wenn sie / auf was Weise es immer seyn möchte / durch den Tod des Germanicus ihm einen so beschwerlichen Dorn aus dem Fuße zügen. Hertzog Arpus / als er diesen Brieff ablesen hörte /fing an: O schalckhaffter Tiberius! sollen die ehrlichen Deutschen die Werck-Leute deiner Meichelmörderischen Verrätherey seyn? Hertzog Jubil [1007] fiel ein: Ich glaube wohl / daß der grausame Tiberius wider den Germanicus / welcher alleine seinem Sohne Drusus in der Reichs-Folge im Wege stehen wird / nichts gutes im Schilde führe / und es ist einer der verschlagensten Staat-Streiche / wenn man einen Feind durch den andern aufreiben kan. Alleine dieses schiene ihm allzuweit gesucht / und hergeholet zu seyn: daß Tiberius deßwegen den Germanicus wider die Deutschen kriegen liesse / daß er von ihnen erschlagen würde. Er hätte hundert andere leichtere und minder gefährliche Mittel / dem Germanicus das Licht auszuleschen /und müste in Rom oder Gallien kein Gifft oder Dolch mehr zu bekommen seyn / welche zeither sein gemeinster Handwercks-Zeug gewest wären / und wodurch er noch neulich den Sempronius Grachus hätte hinrichten lassen. Diesem nach hielte er diß / was Diepholt schriebe / nicht für glaublich; und wenn man sich in Auslegungen fremden Thuns zu sehr überstiege / verliere man ins gemein die Wahrheit / wie die allzuhoch fliegenden Falcken die Reiger aus dem Gesichte. Allzutieffes Ausgrübeln einer Sache hätte zwar anfangs einen Schein grosser Wahrheit; alleine ein Loth mäßiger Klugheit wäre besser / als eine gantze Last Spitzfinnigkeit. Malovend hingegen versicherte sie: daß Diepholt so verschmitzt / und gegen ihn so verträulich wäre / daß er ihm nichts ohne Grund / weniger ihn dadurch zu verführen / schreiben würde. Hertzog Jubil antwortete: Es kan diß alles wohl seyn; und Tiberius hat wohl ehe einem was falsches / um den dritten dadurch zu betrügen / angebunden. Wie ich denn vielmehr glaube: daß man hierdurch die Deutschen einwiegen / und sie von einer mächtigen Gegenrüstung abhalten / oder deutscher zu sagen / unter dem scheinbaren Namen des Friedens betrügen wolle. Denn ich kan dem arglistigen Tiberius nicht zutrauen: daß nach dem er den Frieden einmahl aus Liebe des Krieges verletzet / er den angefangenen Krieg aus Verlangen des Friedens so bald endigen solle. Der Feldherr fiel Jubiln bey / und eriñerte sie dessen / was er ihnen zu Mattium von diesem Kriege wahrgesaget hätte; weil solches nun so genau eingetroffen / würden sie ihm hoffentlich dißmahl so viel leichter glauben / und sich von der geschlossenen Bereitschafft durch keine Friedens-Vertröstungen zurück halten lassen / welche die Römer am meisten im Munde führten / wenn sie im Hertzen den gifftigsten Krieg kochten. Im Kriege liesse es sich nicht zweymahl irren; Ein einiger Streich könte einem die Spann-Adern so verhauen: daß man hernach durch keine Klugheit oder Tapfferkeit wieder zu Kräfften käme. Wenn ein Fürst einmahl was wichtiges versähe / oder versäumte / verspielte er nicht nur sein Gelücke / sondern wenn er schon das Leben / und das gröste Theil seines Volckes erhielte / doch alles Ansehen: daß weder der Feind ihn mehr fürchtete /noch die Seinigen mehr was von ihm hielten. Sintemahl uns mit dem Glücke / auch der Menschen Gewogenheit verliesse; zumahl da auch die Glücklichen ihrer Schantze wahrnehmen müsten; weil man wohlgerathene Dinge ins gemein nur Zufällen / mißlingende aber unserm Versehen zuschriebe. Ja ein einig Versehen wäre im Kriege mächtig auch tapfern Leuten Hertze und Verstand zu benehmen / wie dem grossen Pompejus begegnet / welchen zu überwinden / es dem Kayser Julius eine schlechte Kunst mehr war / nach dem er auf einmahl allen seinen Witz und Hertze verlohren / das Gelücke ihn auch verrathen / oder wenigstens verlassen hatte. Daher müste man in allen unvermutheten Begebnüßen sich nicht selbst verlieren /sondern auf den schlimsten Fall vorher / oder auch /wenn er uns übereilet / alsobald was gewisses entschlüssen. In Uberlegung der Friedens-Geschäffte wäre die Langsamkeit / in denen des Krieges aber die Geschwindigkeit die Seele der Rathschläge. In diesen geriethe meistentheils am besten / was man sich aus den Steigereiffen [1008] entschlüsse; Denn diß könte weder vom Feinde vorgesehen / oder ihm verrathen; also darwider keine Anstalt gemacht werden. Daher auch der grosse Alexander so unglaubliche Thaten ausgeübt / weil er / seinem Wahl-Spruche nach / sich über nichts lange bedacht hätte. Was für einen unverwindlichen Streich hätten die Deutschen den Römern versetzen können / wenn sie seinem Rathe nach / sich der aufrührischen Legionen bemächtiget hätten. Diese schöne Gelegenheit aber hätten sie mit ihrem Zweifel und Schwerigkeiten versäumet. Diese wartete nicht auf unsere Langsamkeit / sondern entschlippte / wenn man nicht bald zugriffe / wie ein Aal dem Fischer aus den Händen. Sie würden auch lange warten müssen /biß sie wieder käme / als welche dieselben verschmähte / die ihrer nicht wahrnähmen. Jedoch müsten sie sich nicht zum andern mahl an diesen Stein stossen / sondern niemahls ausser acht lassen: daß Langsamkeit dem Glücke und der Gelegenheit; die Geschwindigkeit aber der grösten Macht vielen Abbruch thäte / und eine ausgemachte Sache erst einen Kopff hätte / eine unausgemachte aber einer unzeitigen Geburt gleichte. Unsern Zweck aber zu erreichen / werden unser Haupt / unser Hertze / und unsere Hände / redlich ihr Ampt verrichten müssen. Das Haupt wird als die Burg der Seele sein Gedächtnüß zu Betrachtung der vergangenen Zeit / unser Fehler /unsers Unglücks / und der Römischen Ehrsucht / seinen Verstand auf künfftige Jahre / und was uns nicht weniger vom Verhängnüße / als dem Feinde zuhenge /anwenden / also wie ein Janus / oder Kluger vorwerts und hinter sich sehen müssen. Unser Hertze muß als der Brunn des Lebens unserm Vornehmen eine lebhaffte Thätigkeit / als ein stets in Flammen schwebender Phönix / einen feurigen Eyver einflössen / als der Sitz des Willens / und der Liebe / alle unsere Regungen zur Eintracht und Liebe des Vaterlandes leiten; und wie nur ein Hertze im menschlichen Leibe ist /diß auch an sich selbst rein ist / und nicht wie andere Glieder einigen Unflat auswirfft; also muß auch unser aller Wille ein Wille / und unsere Aufrichtigkeit von aller Falschheit / und dem Kothe des Eigennutzes geläutert seyn. Unsere Hände / welche die Natur zu Gehülffen aller Sinnen / zum Werckzeuge der Vernunfft und des Willens gemacht / und ihnen Zahl / Gewichte und Maaß anvertrauet hat / müssen durch tapffere Helden-Thaten unsern itzigen Reden das Leben geben; und wir mit Warheit alles wohl abmässen / mit Scharffsinnigkeit überrechnen / unsere und der Feinde Kräfften mit Standhafftigkeit abwiegen. Auf solche Art wird von unsern Armen / als aus Brunnen / der köstliche Helden-Schweiß / und die güldene Tinte ewigen Nachruhms rinnen. Diese Ermahnung hatte bey denen andern Fürsten einen solchen Nachdruck: daß sie folgenden Morgen nicht allein eine richtige Eintheilung machten / was ein ieder Fürst auff das erste / andere und dritte Aufgebot für Kriegs-Volck gestellen / und für Vorrath liefern solten; sondern es ward auch der Graf von Arenberg zum Hertzoge Melo / der von Lingen zum Hertzoge Ganasch / Graf von Hohenstein an Malorich der Friesen / und den Grafen von der Lippe an Bojocal der Angrivarier Hertzog abgeschickt / um selbte zu bewegen / daß sie für die deutsche Freyheit nur einen Schirm-Bund mit ihnen aufrichten möchten.

Auf der Römer Seiten feyerte Germanicus eben so wenig; und weil die Legionen theils durch den Aufruhr / theils durch den Zug in Deutschland zimlich zerschmoltzen warẽ / schrieb er an Tiberius um Verstärckung derselben / und darbey; daß solches durch alte abgehärtete Kriegs-Leute geschehen müste / weil die Neulinge nicht einst die ernsten Gesichter der Deutschen zu vertragen vermöchten. Eben solche Anstalt wachte er in Hispanien und Gallien; welche ihm unter denen Hülffs-Völckern niemanden schicken solten [1009] / der nicht zum wenigsten fünf Jahr die Waffen getragen hätte / ließ daher auch ihnen an der Zahl ihrer Schuldigkeit ein ergebiges nach. Denn er verstund allzu wol: daß nicht viel Nahmen / sondern streitbare Armen den Feind schlügen / nicht die Anzahl vieler Menschen / sondern die Tugend weniger Kriegs-Leute den Krieg ausmachten / und mit einem mäßigen und geübten Heere Miltiades den Xerxes /Alexander den Darius / Lucullus und Pompejus den Mithridates geschlagen hätten / von derer Heere gantze Flüsse wären ausgetruncken worden. Sintemahl einer so unmäßigen Menge weder die Länder ausko entliche Verpflegung schaffen / noch die klügsten Feldherren ihrer Unordnung und Uppigkeit steuern können / welche Laster als Feinde in eigenen Busem und Lager unterhalten werden / also uns am nechsten und schädlichsten sind. Uber diß sind auch grosse Heere eben so wol / als ungeheure Leiber unberüglich. Sie lassen sich mit ihrem vielen Geräthe schwer über enge Gebirge und Flüsse bringen; also hindern sie nicht selten die besten Anschläge durch ihre Langsamkeit. Zu geschweigen: daß unter so vielerley Volcke die Eintracht nicht lange bestehen kan / und des einen Eyversucht dem andern nicht nur sein Unglücke gönnet / sondern selbst darzu beförderlich ist. Der aufachtsamste Feldherr kan auch unmöglich so viel Leute / und ihre Tugend und Unarten kennen; also weiß er nicht / was er diesem oder jenem vertrauen soll; und es derogestalt vonnöthen wäre: daß einem jeden seine Eigenschafft an die Stirne / wie sein Nahme auf den Schild geschrieben wäre. Dem Germanicus ward vom Käyser auch sein Wille erfüllet; und muste Junius Bläsus aus seinen Pannonischen / Sabinus Poppäus aus seinen Mäsischen Legionen zwölf tausend der besten Kriegs-Leute hergeben / welche durch Neugeworbene ersetzt wurden. Diese brachte Lucius Domitius mit zweyen Fahnen von des Tiberius Leibwache / wie auch fünf tausend auserlesene Rhätier und Vindelicher zu Hülffe. Die Hispanier und Gallier stritten auch mit einander / wer unter beyden mehr alte Soldaten / die besten Pferde / das meiste Geld und Getreyde beytragen könte. Es war dem Germanicus aber noch nicht genung / aus dem Kerne anderer Völcker etliche Heere aufzurichten; sondern er brauchte alle nur ersinnliche Kunststücke / sparte auch keine Unkosten die Sicambrer und Chauzen mit in Krieg zu verwickeln. Denn ob es zwar sonst nicht rathsam ist / des Feindes Lands-Leute wider ihn zu führen; weil sie sich leichte mit einander verstehen und vereinbaren; also die Heimligkeiten verrathen /und im Fall der Noth einen nicht selten im Stiche lassen; so wuste doch Germanicus: daß die Deutschen alle andere Völcker an Treue überträffen / jedoch insgemein mit einander zwistig- und wider einander zu kriegen gewohnet wären. Daher auch die Römer so wol zu Rom / als zu Mayntz / und im Lager / diese gewohnte Art zu beten hatten: die Götter möchten doch die Deutschen in ihrem gegen einander habenden Hasse erhalten / wenn sie ja den Römern nicht gut seyn wolten. Sintemahl das Verhängnüs dem Römischen Reiche keine grössere Wolthat leisten könte /als wenn es seine Feinde in Zwietracht erhielte. Daher hatte er diese Gefahr nicht groß zu besorgen; sondern er wuste vielmehr: daß Cäsar ohne die Bataver die Heduer und Arverner nicht zum Gehorsam gebracht /weniger sich ohne die deutsche Reiterey Galliens so leichte bemächtiget; er auch ohne die Vangionen / Bataver / Menapier / nicht den Pompejus / noch August den Antonius überwunden haben würde; ja er selbst hatte schon erfahren: daß es die Deutschen ohne Deutsche zu überwinden unmöglich wäre. Tiberius bediente sich auch hierzu Adgandesters und Sentiens / als zweyer recht in seinen Kram dienender Werckzeuge; wiewol diese nirgends offentlich als Gesandten erschienen / sondern nur heimlich / und also desto gefährlicher ihr Gifft ausschütteten. [1010] Germanicus aber schickte den Domitius an Hertzog Ganasch / und an Bojocal den Fürsten der Angrivarier / den Stertinius zum Hertzoge Melo / und Malorich der Friesen Hertzoge. Beyde versicherten die deutschen Fürsten: daß die Römer über dem Rheine keinen Kloß Erde eigenthümlich verlangten. Es hätte Käyser August auch in einer besondern Schrifft seine Nachfolger nachdrücklich beschworen: daß sie die Gräntzen des Römischen Reichs nicht über den Eufrat und den Rhein in Deutschland / welches ohne diß den Römern eine neue Welt zu seyn schiene / nicht erstrecken solten. Welche Warnigung er / dem Vermuthen nach / in den Sibyllinischen Büchern gelesen hätte / darinnen stehen solte: daß Rom ewig blühen würde / wenn es nicht von Deutschen zerstöret würde. Daß diese Mäßigung auch Augustens rechter Ernst gewest wäre /könte man daraus ermässen: daß er diß / was Ventidius über dem Eufrat / und Käyser Julius in Britannien behauptet / ohne einige Noth gutwillig hätte fahren lassen. Nach dem aber die unruhigen Cherusker und Catten alle Mittel und Wege suchten / sich an die Römer zu reiben / andere deutsche Völcker wider sie verhetzten / und Gallien zu beunruhigen oder zu erobern; ja der hochmüthige Herrmann / welcher mit dem Varus das halbe Römische Reich verschlungen zu haben ihm träumen liesse / eine allgemeine Herrschafft über Deutschland im Schilde führte / würden die Römer mit den Haaren darzu gezogen: daß sie die Cherusker und Catten demüthigen / Gallien also Ruhe / und Deutschlande Sicherheit schaffen müsten. Also wäre dieses eine gemeine Sache; es hienge so wol anderer Deutschen Völcker / als der Römer Wolstand daran; daher solten sie die Waffen mit ihnen wider diese Frieden-Störer vereinbaren. Die Römer wolten sich an der Ehre des Sieges vergnügen / der Deutschen solte die Beute und das Land seyn / welches sie erobern würden. Hingegen hielten die Cherusk- und Cattischen Gesandten denen deutschen Fürsten ein: die deutsche Freyheit stünde nun auf der Spitze / sie entweder durch Tapfferkeit zu erhalten / oder durch Zagheit zu verlieren! die Römer zügen am Rheine eine solche Macht zusammen / dergleichen sie zu Bezwingung der übrigen Welt nicht gebraucht oder bedörfft hätten. Griechenland wäre mit dreyẽ / gantz Asien kaum mit vier Legionen gewonnen worden. Auf den Gräntzen Deutschlandes aber stünden zwölff Legionen. Noch vielmehr Völcker aber gäben andere Länder her / welche die noch allein übrige Freyheit der Deutschen mit neidischem Auge ansähen; und die Schande ihrer Dienstbarkeit durch Unterdrückung der Deutschen auszuleschen vermeinten. Die Römer schielten die Deutschen für Barbern / schätzten sie kaum für halbe Menschen; und die / welche gleich mit ihnen Freunde und Bundsgenossen / oder rechter zu sagen ihre Zinß-Bauern- oder Dienst-Knechte wären /und an allen Enden der Welt / wo sie ihre Herrschafft auszuspannen gedächten / ihnen die Bahn brechen /den Kopff zerstossen / und durch ihr Blut den unersättlichen Römern Länder erwerben müsten / dörfften nicht einst des Nachtes / und gewaffnet / ihrer Nothdurfft halber über den Rhein / oder die Donau fahren; gleich als wenn sie Nacht-Diebe oder Degen zu tragen unwürdig / oder Meuchel-Mörder wären. Ja wenn ein Kauffmann aus Deutschland seiner Geschäffte halber irgends wohin reisete / müste er an der Gräntze einen Römer zum Aufseher seines Vorhabens mit sich führen und bezahlen; gleich als wenn sie Unkraut säen /Brunnen und Bäche vergifften würden. Welch Deutscher könte denn zu so mißträulichen und gehäßigen Leuten sich was gutes versehen? Sie wären zwar Meister ihre Herrschenssucht mit dem Firnße der Freundschafft und Bündnüsse zu überziehen; Mit diesem hätten sie die über dem Rheine wohnenden Tribozen /Vangionen / Nemeter / Trirer / Nervier / Ubier / und andere [1011] Deutschen beredet / daß sie ihnen Gallien hätten helffen einnehmen; aber diese Römischen Wallfische hätten hernach auch von ihnen einen nach dem andern verschlungen. Eben biß wäre des Germanicus itziges Kunststücke: daß er durch die Sicambrer und Chauzen / die Cherusker und Catten / er aber als ein viel schlauerer Cyclope / hernach jene verschlingen wolte. Dahero seine vertrautesten Freunde sich keiner grössern Wolthat / als welche Polyphemus Ulyssen viel redlicher vorher gesagt / sich zu getrösten hätten. Germanicus gäbe für: die Römer verlangten keinen Fußbreit Erde über dem Rheine zu besitzen. Zu was Ende hätten sie denn die Festung Alison an der Lippe und Ambre / auf dem Berge Taunus / und an der Fulde erbauet; und nachdem diese Kapzäume der Freyheit nach des Varus Niederlage abgestreifft worden / zu was Ende hätte Germanicus das Monden-Altar an der Lippe / das Lager am Munde der Emße /und am Munde des in den Rhein fließenden Mäyns einen so grossen Umkreiß zu befestigen angefangen? Zu was Ende verneuerte er seinen Anspruch auf das beste Gebiete der Catten / nemlich die gantze Landschafft der Mattiacher; welche für Zeiten nach Mäyntz gehöret haben solten. Warum machte er Anspruch an den Streiff am Rheine zwischen der Ruhr und Lippe /als ein gewesenes Eigenthum ihrer Ubier? Absonderlich aber stellte der Graf von Arenberg dem Hertzoge Melo für Augen: daß die Römer mit der Zeit gegen ihn einen viel scheinbarern Anspruch machen würden; theils weil er das meiste Gebiete der Ubier / welches sie noch zur Zeit des Käysers Julius eigenthümlich besessen / und wegen des mit den Römern gehabten Verständnüsses / für denen sie verdringenden Catten und Sicambrern verlassen müssen; theils auch die Aecker der vom Agrippa in Gallien versetzter Sicambrer / welche nun so wol / als die Ubier / Römische Unterthanen wären / inne hätte. Eben dieses Joch würde er mit seinen noch freyen Sicambrern / Tencterern und Juhonen anziehen müssen. Würde dieses aber wol denen unbändigen Sicambern erträglich seyn; welche mit seinem hertzhafften Vater Bäoris am ersten dem über den Rhein setzenden Julius den Kopff geboten /und ihn die Brücke abzubrechen gezwungen hätten? Also könte er nicht glauben: daß die Sicambern itzt eine dem Germanicus über den Rhein bauen solten. Die Sicambrer hätten mit den Tencterern und Usipetern den Lollius aufs Haupt und Rom eine bis ans Hertz gehende Wunde geschlagen. Sie hätten das Hertze gehabt: daß als alle Völcker der Welt sich für dem August gedemüthigt / in Gallien einzubrechen /und ihn an Schlüssung des Janischen Tempels zu hindern. Nun aber wolten sie dem Tiberius / welcher Augusten nicht das Wasser reichte / die Pforten ihres eigenen Vaterlandes angelweit aufsperren? Niemand wäre von Römern so sehr als Hertzog Melo vom Varus an seiner Tochter beleidigt / und er wolte mit denen Ehrenraubern in so schändliche Verträuligkeit treten? Hertzog Melo hätte den Ruhm: daß er wider den Varus zum ersten den Degen gezuckt; und die Sicambrer hätten wegen ihrer unverträglichen Dienstbarkeit den Nahmen Franck / und freyer Völcker / und der Urheber der Freyheit in Deutschland erworben. Also wäre dem Feldherrn unglaublich / und unbegreiflich: daß sie den Cheruskern und Catten wolten helffen Römische Fessel an-ihnen aber selbst Fuß-Eisen legen. Dem Hertzoge Ganasch hielt der Graf von Lingen für: daß ihm weder die Cherusker noch Catten einiges Unrecht gethan / wol aber Adgandester uñ Sentia ihn beleidigt; der Hertzog aber über seinem Eydame dem Fürsten Catumer sich mehr zu erfreuen als zu betrüben hätte. Wenn er aber ja vom Fürsten Catumer wahrhafftig beleidiget wäre / solte er diß nicht alle Catten / weniger die Cherusker / noch alle Deutschen entgeltẽ lassen / und das seinem Hause angethane Unrecht sich nicht zur Rache wider das gemeine Wesen anreitzen lassen; sondern [1012] von denen bey ihm so hochgeschäzten Römern ein Beyspiel nehmen / und Catumern wie Fabius dem Papyrius / wie Grachus dem Scipio die Beleidigung der Deutschen Wolfarth halber verzeihen / oder zum wenigsten den Zorn wie Aristides und Themistocles so lange an Nagel hencken / biß er ihn ohne Deutschlandes Gefahr auszuleschen Gelegenheit bekäme. Keine grössere Helden-That aber könte er sein Lebtage ausübẽ / als wenn er seinem Feinde nicht nur vergäbe; sondern ihn gar wider unrechte Gewalt beschirmte. Wie viel Schaden aber seines Unwillens halber er ihm und Deutschlande schon gethan habe / würde er bey genauer Uberlegung selbst befinden; da er nemlich durch die den Römern geschehene Einräumung des Eylands Burhana und des Emse-Mundes ihm einen Dorn in Fuß gestochen / welchen er seinen Chauzen so bald nicht heraus ziehen würde / die doch den Drusus von ihrem Gestade mit so grossem Ruhme abgetrieben / und zu Erlegung des Varus ein so merckliches durch ihre Helden-Thaten beygetragen hätten. Es wäre aber viel verkleinerlicher von der Tugend absetzen / als derselben niemahls habhafft worden seyn. Den Hertzog der Friesen Malorich erinnerte der Graf von Hohenstein: daß sie ein Theil der mit so viel Siegen gekrönten Sicambrer wären; Sie auch durch ihre Schifffarthen sich zu Meistern des grossen Meeres und der Winde gemacht hätten; also stünde ihnen als freyen Leuten und unerschrockenen Land- und See-Helden die Römische Knechtschaft nicht an. Die Römer hätten sie mit ihrem Liebkosen / die Bataver mit ihrem Beyspiele verführet; daß sie unter dem Scheine einer freywilligen Beysteuer / von Rind-Ledern den unvergnüglichen Römern wären zinßbar worden. Sintemahl sie dieses Geschencke nunmehr jährlich als eine Schuldigkeit forderten / ja sich numehr nicht an gemeinen Ochsen-Häuten vergnügten / sondern nur von wilden Auer-Ochsen den Zinß annehmen / und ihr Land allemahl zu kriegerischen Durchzügen offen- und die Sümpffe mit Brücken ausgebessert haben wolten. Die Römer wüsten diese Dinge zwar mit dem scheinbaren Nahmen freyer Verwilligungen / Geschencke und Gutwilligkeit zu bekleiden; es wären aber warhafftig Schatzungen und Frohndienste. Die gebohrnen Knechte würden nur einmal Dienst-Bothen / aber von ihren Herren unterhalten; die hertzhafften Friesen aber kauften sich alle Tage in die Dienstbarkeit. Sie meinten: es wäre derselben Völcker / welcher das Verhängnüs schonete / grosses Unglück / wenn sie nicht von Römern überwunden würden; gleich als wenn sie mit Anlegung ihres Joches den Deutschen noch eine Gnade thäten / und sie nicht aus Begierde zu herrschen / sondern aus Liebe ihres bestens sie bekriegten / und sie alleine die Ehre haben wolten: daß sie die Barbarn auch wider ihren Willen in einen bessern Stand versätzet hätten. Uber diß stäche die geitzigen Römer in der Welt nichts mehr in die Augen als die Schiffarth der Friesen / weil sie wol wüsten: daß durch diese die Griechen das goldene Flüß aus Colchis geholet; die Tyrier so grosse Schätze gesammlet /Carthago sich so schrecklich gemacht hätte. Diese mächtige Stadt wäre durch die Mißgunst der Römer gefallen; und ihr Neid würde auch der Friesen Fallbret seyn / die Römer zu Herren der Ost- und West-See /der noch für ihren Augen und Waffen verschlossenen Atlantischen Eylande / und folgends der gantzen Nord-Welt machen / die sie auf die Brücke der Römer treten / und ihnen sonderlich mit Schiffen behülflich seyn; also die Deutschen an dem Orte / wo sie die Natur mit dem Meere am meisten befestigt hätte / anzugreiffen den geringsten Vorschub thun würden. Dem Fürsten Bojocal machte der Graf von der Lippe die von den Cheruskern genossene Wolthaten indenck; welche vorlängst von den Chauzen wären vertrieben worden / wenn sie nicht die Cherusker zu Rückenhaltern gehabt hätten. Da die Römer auch den Meister in Deutschland spielen solten / wären die Angrivarier schon [1013] ein dem Hertzoge Ganasch zu schlachten besti tes Opffer / itzt aber der Wurm an der Angel / mit welchem Domitius ihn als einen lüsternen Fisch fangen wolte. Alle Gesandten zusammen wusten auch nachdrücklich zu entwerffen; wie die Römischen Bürger nach nichts in der Welt mehr lüstern wären; als daß gekrönte Häupter und Fürsten für ihnen die Knie beugen möchten; ja alle Römer wären den ersten Tag höfliche Gäste / den andern verdrüßlich / den dritten unerträglich; von welchen schon Mithridates vernünfftig geurtheilet hätte: weil die Urheber der Stadt Rom von einer Wölffin wären gesäugt worden / hätten alle Römer Wolffs-Magen / welche weder mit Gelde / noch Ländern / noch Blute zu ersättigen wären.

Es ist schwerlich zu glauben / was diese widrige Handlungẽ der Römischen und Deutschen Gesandten an allen Höfen für widrige Regungen erweckten; sintemahl Domitius und Stertinius kein Geld spareten /so wol der Fürsten Räthe zu bestechen / als sie selbst durch Anbietung vielen Geldes zu Unterhaltung der auf den Beinen habenden Kriegs-Völcker zu gewinnen. Denn weil die Römer nach Jugurthens Urthel und Erfahrung selbst so geartet waren: daß man wider sie mehr mit Golde als mit Eisen ausrichtete / verstanden sie so viel besser / wie mit diesem mächtigsten Geschütze / nemlich Gelde und silbernen Spißen / andere zu gewinnen / und durch heimliche Freygebigkeit ein und anderm Volcke die Stricke der Dienstbarkeit anzuschlingen wären. Wenn jemand so redlich war /daß er seinen freyen Willen ihnen nicht ums Geld verkauffen wolte / mit dem fiengen sie ein Spiel an; weil sie genugsame Nachricht hatten / wie die Deutschen hierzu einen so hefftigen Hang hatten. Hiermit brachten sie durch befließenes Verspielen auch den Ehrlichsten / oder auch ihren Frauen durch Geschencke ihren betrüglichen Vogel-Leim der Gemüther bey. Uber diß betheuerten sie ihre gute Meinung gegen Deutschland durch viel Schwüre / bey dem Geiste und Glücke des Tiberius / und sätzten darbey ihnen selbst die Schwerdter an die Gurgel. Welche Art bey denen mehr die Straffe der Menschen / als die Rache der Götter fürchtenden Römer die kräfftigsten Eyde seyn solten. Wordurch sie aber den Deutschen einen ziemlichen blauen Dunst für die Augen mahlten; als derer redlichen Einfalt unwissend war: daß ehrsüchtige Fürsten mit Eyden / wie die Kinder mit Seiff-Blasen oder Bällen spieleten. Nichts desto weniger würden diese Streiche mehr nicht gewürcket haben; als daß Melo /Ganasch / Malorich / und Bojocal mit den Händen in der Schoß beyder Theile Krieges-Spiele zugesehen /oder zum höchsten Melo nur seine tausend Tencterische Reiter / vermöge vorigen Bündnüsses den Römern beygefügt / durch diese für angehendem Kriege versprochene Hülffe aber mit den Catten und Cheruskern nicht gebrochen haben würde. Sintemahl es numehr aufkam: daß solche nach gewissem Maaße geschehende Angriffe für keinen Krieg oder Feindschafft angenommen werden dorffte; gleich als wenn abgemäßene Wunden keine Verletzung abgäben. Denn ob zwar die Römischen Gesandten diesem besorglichen Ausschlage vorzukommen meinten / und denen deutschen Fürsten vorstellten: daß die Furcht ein böser Rathgeber; diese aber der Vater mittelmäßiger Entschlüssungen wäre / welche im Kriege dem Feinde Zeit und Hertze zur Gegenwehr gäben; weder einen noch den andern vergnügten: sondern bey unsern Freunden den Nahmen der Undanckbarkeit bekämen / die Feinde uns aber für diese Kaltsinnigkeit nicht verbunden würden / und man sich in einheimischen Kriegen / wenn man weder auf einer noch der andern Seite hienge / sich nur in Gefahr sätze / des Uberwinders Beute zu werden. Dahero sie nach dem Beyspiele der Aertzte / welche in zweiffelhafften Kranckheiten für rathsamer hielten / eine ungewisse-als gar keine Artzney zu gebrauchen / in Sachen welche die Herrschafft angiengen / [1014] und zwischen Höhe und Thal kein Mittel vertrügen / sich auf eine oder andere Seite / welcher sie den Sieg zutrauten / schlagen möchten; so steckte doch allen auf einer Seite die Macht der Römer / auf der andern die Gefahr der Deutschen Freyheit so tieff im Kopffe: daß beyde sich mit einander zermalmeten / und sie einander wie ein Schwerdt das andere in der Scheide hielten; also allerdings die Erfahrung erhärtete: es liessen sich mittelmäßige Rathschläge leichter tadeln / als im Wercke verwerffen. Alleine dieser Mittel-Punct ward durch Arglist ehe / als ihnen die Römer selbst einbildeten /verrückt. Denn weil Adgandester und Sentia vernahm: daß weder Melo noch Ganasch / welche denen andern zum Beyspiele der Nachfolge dienen solten / von ihrer Meinung durch keine Vorbildung in der Welt abwendig zu machen seyn würden / kamen sie auf ihre gewohnte Springe der Sache durch Betrug und Verfälschungen zu helffen; welche als verborgene Stricke so viel schwerer zu vermeiden seyn. Worzu ihnen deñ sonderlich die angebohrne Leichtglaubigkeit des Cheruskischen Hertzogs so viel mehr Anlaß gab / und weniger Furcht machte / wiewol ihre Boßheit vergrösserte. Diesem nach verfügte sich Adgandester nach Niemegen der Bataver Haupt-Stadt an der Maaß /welche Kayser Julius mit einem Schlosse versehen hatte; daselbst hielte er mit dem Fürsten Cariovalda über seine Zurüstung wider die Cherusker allerhand Rathschläge / und schwuren einander in dem nahe darbey gelegenen heiligen Heyne auff dem Altare der Leva / welche der Bataver gröste Göttin war / einen theuren Eyd: daß sie nicht ehe ruhen wolten / als biß sie die Cherusker unter der Römer Botmäßigkeit gebracht hätten. Von dar zohen sie mit einander nach Lugdun / von welchen nicht weit der mitlere Arm des Rheines bey dem Brittischen Schlosse ins grosse Meer fällt. Daselbst erkaufften sie ein Cimbrisch Schiff / und etliche Cimbrische Schiffer / diese richteten sie ab: daß sie mit Fleiß auf denen Chauzischen Sand-Bäncken stranden und berichten solten: daß auf dem Schiffe ein vornehmer Cheruskischer Ritter /welcher beym Könige Frotho in Botschafft gewest wäre / mit seinen Leuten / weil sie nicht hätten schwimmen können / ertruncken wäre. Wenn sie nun von den Chauzen würden angehalten und befragt werden; solten sie denselben eine stählerne Schachtel /welche ihnen der Gesandte als einen besondern Schatz dem Cheruskischen Herzoge zu überbringen anbefohlen hätte / zustellen. Diese Cimbern richteten den Befehl fleißig aus / segelten dem Munde der Weser zu; und nach dem sie sich in einen kleinen Nachen begeben / liessen sie früh das Schiff auf eine Sandbanck anlauffen / und von Wellen zerschlagen /und nach dem sie auf einem Eylande festen Fuß beko en / durchbohrten und ersäufften sie diesen Nachen; welchen Vorwand ihnen der dicke Nebel und der ziemlich starcke Nord-Ost Wind bey denen Chauzen ziemlich beglaubt machte / welche sie / als die Sonne den Nebel unterdrückte / in Hoffnung einer reichen Strand-Beute gefangen nahmen / und zu dem Chauzischen Befehlhaber in die nahe darbey liegende Cattenburg brachten. Daselbst wurden sie von ihrem Schiffbruche befraget / ihre Kleider durchsucht; und weil die stählerne Schachtel was besonders in sich zu haben schien / ihre Nachrichten wegen des Cheruskischen Gesandten / den sie hätten an der Ostseite der Elbe zu Marionis aussätzen müssen / bedencklich schienen / wurden sie mit der verschlossenen Schachtel nach Fabiranum zum Hertzoge Ganasch geschickt. Als dieser solche öffnete / fand er darinnen zwey Schreiben vom Könige Frotho / eines an Hertzog Herrmann / das andere an Arpus. Beyde aber waren deß Inhalts: Es thäten beyde Fürsten rühmlich; daß sie denen Römern / derer Macht auch numehr der eussersten Nordwelt verdächtig zu werden anfienge / mit einem so tapffern Helden-Muthe [1015] begegnen wolten. Nach dem aber Deutschland zwey so gefährliche Nattern / als Hertzog Melo und Ganasch wäre / in seinem Busen nehrte / wäre ihr Anschlag gar gut: daß sie beyde so lange mit guten Worten und Einladungen in ihr Bündniß unterhielten / biß sie beyde mit ihrer Macht / ehe die Römer zu diesen Verräthern ihres eigenen Vaterlandes stossen könten / als ein Blitz überfielen und erdrückten. Er wolte bey ihrem vernommenen Einfalle / so viel die Sicherheit seines Reiches wegen der ihm verdächtigen Caledonier / Orcader /und Svioner liedte / eine ergebige Schiff-Flotte an das Chauzische Gestade schicken / die ihnen verdächtigen / ihm aber in der Schiffarth / und seiner über das West- und Ost-Meer habender Herrschafft keinen geringen Eintrag thuenden Friesen im Zaume halten /und zu Züchtigung dieser Völcker / welche ihrer eigenen Freyheit / und der Deutschen Sicherheit so gram wären / behülfflich seyn. Es ist nicht zu sagen / wie Ganasch über diesen Schreiben anfangs bestürtzt /hernach auf den Feldherrn und Hertzog Arpus entrüstet ward. Wie dieser Betrug so scheinbar angesponnen war; also verstatteten ihm seine so hefftige Gemüths-Regungen nicht: daß er das Siegel und die Handschrifft des Cimbrischen Königes genau untersucht hätte. Zu allem Unglücke war auch den Tag vorher der Graf von Hohenstein mit dieser vergnüglichen Abfertigung: daß er weder den Römern noch Deutschen helffen / auch keinem den Durchzug durch sein Gebiete verstatten wolte / abgereiset. Domitius machte aus Unvergnügen sich ebenfalls Reise-fertig. Diesem ließ Hertzog Ganasch zu entbieten: daß er für seinem Wegzuge ihm noch einmal Verhör geben wolte. Weil nun Domitius dem Hertzoge zu liebkosen Ursach hatte / um durch seine Empfindligkeit nicht noch zu einer schli ern Entschlüssung zu veranlassen / fand er sich ungesäumt ein / und den Hertzog zwar in ziemlicher Verwirrung / aber freundlicher als iemahls zuvor. Er hielt auch nicht lange hinter dem Berge; sondern sagte dem Domitius: Er hätte nicht ohne erhebliche Ursache etwas gutes biß auf den letzten Augenblick seiner Abreise versparet. Nunmehr aber erklärte er sich nicht nur für einen treuen Bundgenossen des Tiberius; sondern auch für einen Feind der Cherusker und Catten; wenn die Römer ihm zu seiner Rüstung die angebotenen Waffen und Hülffs-Gelder lieferten. Ihnen solte die Weser und Emse mit ihren Hafen / und sein gantzes Land offen stehen. Er wolte den Domitius auch in seinem Gebiete herum führen lassen: daß er anwiese / wo es sich am besten schickte durch die Sümpffe Tämme zu führen / um die Reuterey / das Geschütze und das Kriegs-Geräthe desto besser fortzubringen. Er wolte ihm auch Schreiben an den Frieß- und Sicambrischen Hertzog mitgeben / und Gesandten nachschicken / welche einen unfehlbaren Nachdruck haben würden / sie zu gleichmäßiger Erklärung zu bewegen. Domitius glaubte fast seinen eignen Ohren nicht; so unvermuthet kam ihm diese annehmliche Zeitung / vielleicht weil die Furcht leichtglaubiger ist / als die Hoffnung. Nach dem aber Ganasch seinen guten Willen gegen die Römer / und den Haß gegen die Cherusker und Catten ie länger ie mehr mit ziemlicher Offenhertzigkeit heraus ließ; wuste Domitius kaum Worte genug zu finden ihm zu dancken / und ihn aller vorigen Anbietungen zu versichern. Absonderlich nahm er seine Erklärung wegen der hochnöthigen Tämme an; und versprach die zu solcher Arbeit mehr geschickten Chauzen mit Römischem Gelde alle Wochen richtig zu bezahlen. Hiermit nahmen sie von einander ohne eusserliche Friedens- oder Liebesbezeigung Abschied / damit ihr Bündnüß nicht denen in guter Verfassung stehenden Cheruskern zu zeitlich kundig würde. Domitius reisete folgenden Morgen mit Ganasches eigenhändigen Briefen aus Fabiranum / und besahe unterweges [1016] mehr zum Scheine / als aus Noth / die Gelegenheit zu den Tämmen ab; Weil er bey seiner Anwesenheit theils selbst / theils durch seine bey sich unter der Gestalt schlechter Diener habenden Feldmesser und Bauleute / bey Jagten und Spazierfarthen / das gantze Chauzische Gebiete ausgekundschaffet hatte / derer er etliche dem Hertzoge Ganasch zu Angebung des Baues zurücke ließ. Domitius kam unvermuthet nach Manarmanis an dem Flevischen See zum Hertzoge Malorich / bey welchem der Graf von Hohenstein sein Ansuchen derogestalt unterbauet hatte: daß er mehr auf die Seite der Cherusker und Catten als der Römer hienge / und den Domitius gar schlecht und kaltsinnig bewillkommen ließ. Nach dem er aber das vom Domitius überbrachte Schreiben Hertzog Ganasches gelesen hatte / that er ihm alle ersinnliche Ehre an; und nach dem der Ritter Ludingshausen zween Tage darauf ankam / und dem Malorich des Cimbrischen Königes Schreiben vorzeigte / war dieser in dreyen Tagen mit dem Domitius richtig; welcher denen Friesen den alten Zinß der Ochsen-Häute erließ / alle Monate fünff hundert Pfund Silber / die benöthigten Waffen zu reichen / hingegen Malorich seinen Vetter Cruptorich mit fünff tausend Friesen den Römern zu Hülffe zu schicken / tausend Boots-Leute zu geben /freyen Durchzug zu Wasser und Lande zu verstatten /auch zwischen der Isel und Emße durch die Moräste auf Römische Unkosten Tämme bauen zu lassen versprach. Der Graf von Hohenstein kriegte zwar hiervon Wind; aber weil die Ursache dem Malorich und Domitius alleine bekandt war / konte er sie durch kein Geschencke oder andere Künste erfahren; also sie weniger als Aertzte verborgene Kranckheiten heilen; zumahl ihm auch Malorich kein Gehöre mehr geben wolte / sondern ihn bescheiden ließ: daß / nach dem sein Begehren eine lange Bedenckzeit bedörffte / er sich zu Manarmanis nicht länger aufhalten dörffte.

Unterdessen befand sich Sentia zu Techelia an dem Hofe Hertzog Bojocals. Dieses war ein junger wolgewachsener Fürst von zwey und zwantzig Jahren / und hatte nach Gewohnheit der was frembdes zu sehen begieriger Deutschen etliche Jahr in Gallien und zu Rom zubracht / wo die meisten Sachen fürlängst ihre rechte Nahmen verlohren hatten / und die ärgsten Laster im Goldstücke der Tugend hergiengen. Sintemahl man die Verwegenheit alles Böse zu stifften Tapfferkeit /die Hoffart eine Großmüthigkeit hieß / die Verschwendung zur Freygebigkeit / den Geitz zur Sparsamkeit / die Grausamkeit zur Gerechtigkeit / den Aberglauben zur Gottesfurcht machte / und die / welche in Wollüsten andern es zuvor thäten / für aufgeweckte Leute / unkeusche Bälge für den Ausbund des Frauenzimmers hielt; also in der Welt mehr kein so genanntes Laster zu finden war / und die Römer ihnen einbildeten: daß sie mit Uberwindung so vieler Völcker auch die Botmäßigkeit überkommen hätten / zu sätzen / was künfftig Sünde oder Ubelthat seyn solte. Da sie vielmehr sich hätten bescheiden sollen: daß Laster bey grossen Leuten kein besser Ansehen bekämen / und ein heßlicher Fleck mehr Purper und Seide / als ein hären Kleid verstellte. Von diesen bösen Sitten hatten ihm einige insonderheit den Hang zur Wollust angeklebt; welche seine gute Geburtsart uñ die Unschuld der Deutschen Sitten mercklich verterbt /und ihn gleichsam zu einer Mißgeburt / welche halb Tugend / halb Laster war / gemacht hatten. Nach dem er auch nach seines Vaters Tode gleich wieder in Deutschland kommen war / konten die guten Beyspiele das Böse / welches ihn gleichsam wie ein scharffer Geruch gantz durchzogen hatte / ihn so bald nicht wieder in ersten Stand versätzen. Denn die Begierde findet sich wie ein Fremdling ein; welcher nur auf wenige Augenblicke Herberge suchet; sie machet sich aber bald zum Gaste / uñ wird endlich gar ein Herr vom gantzen Menschen. Also war [1017] Bojocal nicht mehr seiner selbst mächtig: sonderlich weil er in die Hände der Zauberin Sentia durch die mit Segesthen habende nahe Anverwandnüß gerathen war; welche auf Betrug und Uppigkeiten alle ihre Scharffsinnigkeit angewehrte / und es dem Bojocal niemahls an Oel der Wollust ermangeln ließ / die Ampel seiner Begierden damit zu unterhalten. Mit diesen Künsten führte sie ihn gleichsam an einer Schnure. Ob sie ihn nun zwar eben so zu ihrem Willen hatte / so war sie doch niemals mächtig gewest / ihn zu bewegen: daß er um so schnöden Liebe / die des Vaterlandes ausgezogen / und sich mit den Römern wider selbtes verbunden hätte. Weil aber Sentia sich nur frembder Geilheit zum Werckzeuge /ihre Anschläge der Römischen Herrschafft zum besten auszuführen gebrauchte / hatte sie doch niemahls ihre eigene Ehre versehret / ungeachtet sie so schön war / als eine Römerin seyn konte; und sie war mit so viel Geiste ausgerüstet / als zehn greuliche Frauen zu ihrem Liebreitze von nöthen hatten. Bojocal hatte bey seiner mit Sentien führenden Verträuligkeit wohl hundertmahl sie versucht / und an sie gesätzt / aber auch so vielmahl in seinem Begehren Schiffbruch gelitten /und von ihr mehr als einmahl die Antwort erhalten: daß eine Frau / welcher die Seele der Keuschheit / und der hieraus flüssende Geruch eines guten Nahmens abgienge / ein stinckendes Aaß wäre; also daß man wegen ihrer mit so viel andern Lastern vermängter Keuschheit und Klugheit sie füglich mit dem Egyptischen Acker vergleichen konte / in welchem die edelsten und gifftigsten Kräuter wachsen. Alleine / wie ist es möglich / daß die Tugend in die Länge unter so viel Lastern unversehrt bleiben solle? Scharffer Knobloch und Zwibeln verterben zwar nicht die neben ihnen stehenden Gewächse / sondern die Rosen bekommen vielmehr davon einen stärckern Geruch / der Spargel einen bessern Geschmack. Denn die Laster sind viel schädlich- und anfälliger / als beschwerliche Eigenschafften natürlicher Gewächse / derer keines zu finden / was nicht seinen guten Nutz / wie unangenehm oder auch gifftig es zu seyn scheinet; Laster aber sind von ihrer Wurtzel und in allen Würckungen böse. Dahero sie nicht nur die Tugend entkräfften /sondern wie die Wicken den Weitzen zu Bodem reissen und erstecken. Wohlrüchende Rosen und Sandal-Holtz zeucht durch Beherbergung stinckender Dinge den Gestanck an sich / also wird das edelste Gemüthe / wenn es sich zu einem Gefässe nur eines Lasters gebrauchen läst / angesteckt. Ja die Tugend hilfft den Lastern / wenn sie selbte vergesellschafftet / noch mehr auff die Beine / wie der köstliche Balsam den Bockintzenden Gestanck und die Amber- und Zimmet-Kuchen den faulen Athem noch unerträglicher machen. Bey solcher Bewandniß konte Sentiens Keuschheit nicht lange den Stich halten / sondern sie kam nach Techelia mit dem Vorsatze den Bojocal zu gewinnen / solte es gleich mit Verlust ihrer Ehre geschehen. Nach dem sie aber gleichwohl lieber eine Kuplerin / als Ehbrecherin seyn wolte; vielleicht weil alle andere Laster unsern Leib nicht berühren / die Unzucht aber ihn und uns inwendig besudelt / nahm sie mit sich vier schöne Mägdlein von funffzehn Jahren. Die erste war eine Amazonin aus dem Caspischen Sarmatien / welches Ostwerts das Caspische Meer / gegen Mittag Albanien / gegen Abend den Caucasus / gegen Nord den Fluß Rha zur Gräntze hat. Dieses Land ist bey nahe das schönste in der Welt. Auf den Feldern wachsen von sich selbst Tulipanen /Narcissen / und Hiacynthen / die wilden Bäume tragen die vollkommensten Früchte / die Schaafe bessere Wolle als die Spanischen. Ihre Pferde holen die Hirschen im Lauffe ein / welche sie mit Hauffe jagen /und davon das Marck als die kräfftigste Stärcke des Leibes essen. Fürnehmlich aber hat es das schönste Frauenzimmer in Asien / und diese die schönsten Augen in der [1018] Welt / gegen welche aller andern schönen Weider Augen / wie Sterne gegen der Sonne erbleichen. Aus diesem schönen Volcke war nun die /welche Sentia ihr über Alopecia / und das Euxinische Meer hatte bringen lassen / eine nicht der gemeinsten. Sie war lang gewachsen / geschlanck / hatte braune Haare / weisse und zarte Haut / Rosenfarbichte Wangen / einen engen Mund mit Corallen-farbichten Lippen / schwartze und grosse Augen / welche gleichsam mit Blitze spielten / weit heraus stehende und doch kleine und rundte Brüste. Die andere war aus Britannien / von gleicher Länge. Ihre Haare waren goldgelbe / die Augen braun und lebhafft / die Wangen nur ein wenig / der Mund aber mit reicher Röthe beschüttet / ziemliche grosse / doch rundte Brüste. Die dritte war aus Gottland / und gleichsam ein Ebenbild der schneeichten Nord-Welt. Denn sie war zwar nicht so lang als die ersten; aber ihre Haut war so weiß / als der Schnee immer seyn konte; also / daß Anaxagoras /welcher behaupten wolte: daß der Schnee schwartz wäre / schwerlich diesem Frauenzimmer ihre Weiße würde strittig gemacht haben. Ihre Himmel blaue Augen hatten zwar nicht so viel Feuer / aber doch eine liebreitzende Anmuth. Jhre Wangen gleichten flüssender / ihre Brüste geronnener Milch / dieser Höhe schienen gleichsam mit zwey rothen Erd-Beeren besteckt / und jener Lippen von Zinober bereitet zu seyn. Die vierdte war eine schwartze Mohrin / von einer rechten Gestalt und holdseligen Gebehrdung. Sie hatte wie die Mohren ins gemein im gantzen Leibe weder Flecke noch Wartzen. Hingegen war sie länger / als itzt die Mohren ins gemein zu seyn pflegen / also nach der Beschaffenheit / wie sie zu Cambysens Zeit sollen gewesen seyn. Ihr Haupt war nach Mohrischer Art vollkommen rund / die Wangen fleischicht / die Haare ziemlich lang; wiewol die Mohren nicht wie andere Völcker zu Bedeckung ihrer eingefallenen Schläffe und Wangen / und der Gruben im Haupte / derselben benöthigt sind. Welches für weissen Leuten sonder Zweiffel eine Schönheit seyn muß; weil die Liebes-Götter mit so rundten / die Unholden aber mit höckrichten Köpffen und Schlangen-Haaren gemahlet werden. Sie hatte einen gestreckten Halß /und eine längere / und nicht überbogene Nase / wie die Mohren sonst ins gemein haben; daß man ihnen in die Hölen der Nasen-Löcher schauen kan; wiewohl diese Lufftschöpffung zum Athem holen / zu Bewegung der Mauß in Gliedern / und daher zur Geilheit dienlich ist. Sie hatte zwar nicht gar grosse / aber keinen Augenblick stillstehende Augen / welche ihr wie eine Unruh im Kopffe herum lieffen. Ihre Zähne waren weisser als Helffenbein / und keinem Dinge ähnlicher als Perlen. Ihr Mund war auch nicht wie sonst aufgeworffen / ihre Brüste aber strutzten für Härte / und alle ihre Bewegungen hatten einen gewissen Liebreitz / und ein Merckmaal hefftiger Begierden an sich; Also / daß diese am ersten und tieffsten Bojocaln verwundete; zweifelsfrey weil die Seltzamkeit verursacht / daß weisse Männer nach schwartzen / und Mohren nach weissen Frauen am meisten lüstern sind. Sentia war mit dieser holdseligen Gesellschafft ihm eine angenehme Gästin; weil Gleichheit eben wie das Feuer sich an neuem Zunder ergötzet /und nach selbtem begierig ist. Dahero gehet es der Schönheit wie den Kleidern / wenn diese schon von köstlichem Sammet und Goldstücke auch geschickt gemacht sind / wirfft man sie doch weg / wenn sie der neuen Art nicht gemäß sind; und für gebrauchten Helenen krieget Paris endlich einen Eckel. Eben so gieng es Bojocaln; diese vier / an welchen er sich anfangs nicht ersättigen konte / machten ihm / weil er mit ihnen keine Maaß hielt / ein Grauen; Sintemahl kein Ding in der Welt ist / welches / wenn es uns auf einmahl allzuhäuffig überschüttet / nicht Eckel verursache. Denn es gehet damit wie mit den Speisen / wenn wir damit den Magen [1019] überschütten / müssen wir sie wieder wegbrechen. Weil nun Sentia durch diese Frauenzimmer Bojocaln nicht an Bort kommen / und ihn zu Erkiesung der Römischen Seite bewegen konte; fieng sie an / ihm nunmehr mit den Beeren ihrer eigenen Keuschheit durch Entblössung ihrer Brüste / und hunderterley Liebkosungen zu stellen. So verschwenderisch ist die Ehr- und Herrschenssucht! Jedoch ist sich über Sentiens so schändlicher Feilbietung ihres Leibes nicht so sehr zu verwundern; weil auch Kayser Julius und August mit dem Netze der Unzucht nach der Herrschafft gefischet; Ja in Indien kein Weib so züchtig ist / welche ihre Keuschheit nicht um einen Elephanten verkauffet / und in Asien sich ihrer viel / um bey ihrem Könige / oder nur seinem obersten Verschnittenen aus Bret zu kommen /sich haben entmannen lassen. Weil die Lüsternheit nun zugleich scharffsichtig und leichtglaubig ist / und Bojocal längst nach Sentiens Genüße geseuffzet hatte / sätzte er auffs neue an sie. Aber die schlaue Sentia war nicht willens ihre Waare so wolfeil anzugewehren / ob sie sie ihm gleich feil geboten hatte. Sie verhüllete ihre Brüste / und auch numehr ihr Antlitz / und bezeugte sich kaltsinniger / als sie nie vorhergewest war; Wolwissende: daß wie unser Geist mehr Vergnügung in Retzeln und tieffsinnigen Dingen findet /als derer seichter Verstand auch Einfältigen am Tage liegt; also in Wollüsten die Schwerigkeit des Uberkommens das schärffste Saltz und die beste Würtze; die Kaltsinnigkeit des Frauenzimmers auch der stärckste Blasebalg sey / damit es in den Hertzen der Männer das Feuer der Begierden lebend / seine Schönheit aber zweymahl so schön machen könne. Worüber sich aber nicht sehr zu verwundern ist. Sintemahl auch ein männlich Hertze denselben Sieg wenig achtet / welcher nicht Schweiß kostet / und mit Blute erfochten ist. Eben so hat die Wollust an sich wenig ergötzliches / welche nicht mit einem Saade der Hindernüße angesüsset worden. Sie sätzte seinen Anmuthungen ihre Ehre / die dem Segesthen schuldige Pflicht / und anders Bländwerck der Tugend / endlich auch diß entgegen: daß sie durch Verhängung der wenigsten Vergnügung sie nur ihr Ansehen bey ihm verspielen / und sich verächtlich machen würde / nach dem sie wahrnehme: daß er der vier Schönheiten /welche sie ihm aus allen Ecken der Welt zusammen gelesen / so bald überdrüßig worden wäre. Denn wir Frauenzimmer gleichen den Rosensträuchen; wenn wir voll Rosen stehen / erweiset man uns alle ersinnliche Ehrerbietung; wenn man sie uns aber einmahl abgebrochen hat / siehet man uns nicht über den Zaun an. Unser anfangs angebeteter Leib wirfft nach dem Genüsse den Schatten der Verachtung hinter sich; und unsere vorher vor himmlisch gepriesene Schönheiten werden in einer Stunde in den Augen unser Liebhaber / wie die Farben der Regenbogen zu Wasser. Bojocal antwortete Sentien: Sie solte diese Schuld ihr nur selbst / nicht ihm zuschreiben / und sich bescheiden: daß die ihm mitgebrachten vier Sterne in ihrer / als seiner Sonnen Anwesenheit / in seinen Augen den Glantz verlieren müssen. Sentia gab nur ein Lachen darein / und sagte: Er solte ihr nicht weiß machen: daß er von so frischen Morgen-Rosen / als ihre ihm aufgeopfferten vier Jungfrauschafften wären / nicht mehr Vergnügung schöpffen solte / als von ihr / welche vor so viel Jahren schon die Knospen ihrer Jugend aufgeopffert / und schon dreyßig Jahre auf dem Halse / von ihrer Schönheit aber nicht wenig Blätter eingebüßet hätte. Bojocal seuffzete / und fieng an: Ach unbarmhertzige Sentia! weist du nicht: daß die heßlichen schon alt sind / wenn sie gebohren werden? Die Schönen aber behalten ihre Jugend und Anmuth unaufhörlich. Dieser ihr Herbst lachet uns mehr an /als jener ihr Frühling. Wie magstu aber Sentia deine Jahre zum Herbste / zwischen diesen unreiffen Unvollkommenheiten und dir / eine Vergleichung / [1020] deine unvergleichliche Schönheit aber mir zu einer Höllenpein machen? Ich traue dir selbst diesen einfältigen Glauben nicht zu: daß die nur noch Blüthe tragenden Bäume denselben / welche mit denen süssesten Früchten belastet sind / vorzuziehen seyn. Also schone meiner / und mißbrauche mich nicht zum Vorwand deines anderwärtigen Unvergnügens. Ach! Sentia / sagte Bojocal / du bist allzuschön / und hast allzu viel Geist /daß du mir zu einem blossen Vorwande dienen soltest. Du kennest dich selber allzuwohl / und weist es: daß du nicht nur mir / sondern der gantzen Welt /mehr als eine gemeine Liebe einzuflössen / mächtig seyst. Wie thöricht habe ich gethan! daß ich mich zeither durch deine Hand mit schlechtern Körnern habe speisen lassen / und daß ich meine Liebe in Ketten gelegt / wormit sie nicht mit grösserm Ungestüme die Härtigkeit deines Hertzens zu erweichen getrachtet hat! Alleine mein Fehler ist aus diesem Irrthume geflossen: daß heimlich und bescheiden lieben das sicherste Mittel wäre / uns Gegen-Liebe zu erwerben /oder in erlangter Gnade zu erhalten. Wie schädlich habe ich gefehlet! daß ich mich mehr auf die Schickung der Zeit / als auf deine Hülffe verlassen; also meiner Liebe nach meiner Einbildung / nicht nach deiner durchdringenden Schönheit ein Ziel gesteckt /unwissende / daß die der beste Lehrmeister sey / wie sehr man lieben solle. Freylich wohl! fiel Sentia ein /ist die Schönheit der Mäßstab / nach welchem die Männer ihre Liebe abtheilen sollen. Weil ich mich nun selbst bescheiden: daß ich so schön nicht sey / als die vier dich zu vergnügen unvermögende Schoos-Kinder der Liebe / würde ich sonder Zweifel mehr Sorge haben müssen / bey deinen Flammen nicht zu erfrieren / als zu zerschmeltzen. Grausame Sentia! fing Bojocal an. Wie viel milder würdest du von deiner und anderer Gestalt urtheilen / wenn du durch meine Augen sähest. Ist dir so frembde / daß wie ein Ding / nach dem es gewendet wird / vielerley Farben /also einerley Schönheit in unterschiedenen Augen vielerley Gestalten haben könne. Wir Männer werden über dem / welch Frauenzimmer das schönste sey /längsamer als die Menschen über dem Geschmacke der Speisen eines werden. Wie die Orcader und andere Nordländer an dem Fischthrane von Wallfischen /die eussersten Africaner an unflätigen Rind-Därmern /die Scythen an Pferde-Fleische / die Gethen an Hau sen-Rogen / was gar schmackhafftes zu essen vermeinen / andere Völcker aber dafür ein Grauen haben; Also weit fället auch das Urthel in der Liebe von einander. Die Einwohner der Rhätischen und Noricher Gebürge halten die Kröpffe für eine Zierrath; In Hesperischen Eylanden zerkerben sie die Haut / färben sie mit Kräutern / und prangen mit solchen Flecken. In Indien durchbohren sie die Nasen / und halten die darein gehenckten Rincken für was schöners / als Ohrgehencke. Der Mohren strumpfichte Nasen rühren zwar itzt von der Geburt her; anfangs aber hat man sie aus Einbildung der Schönheit mit Gewalt so aufgeschürtzt / wie die Serer die Füsse einzwängen /daß sie klein bleiben müssen. In Italien hält man lange Nägel / bey den Samojeden gekrümte Leiber für schön / da andere Völcker ihre Kinder in Wiegen so feste einwickeln: daß sie gerade und geschlanck werden sollen. Hingegen zwängen andere ihre Köpfe /daß sie länglicht / wie das gethürmte Haupt der Cybele wachsen. Die Mohren / und die zwischen dem Flusse Tyras und Borysthenes wohnenden Völcker schätzen die weit vom Haupte abstehende Ohren / welche auch wohl wegen Rundtung ihrer Hölen zum Gehöre am dienlichsten sind / für schön / gleichwohl aber meinen wir dadurch verstellet zu seyn / und mühen sich unsere Mütter sie an die Fläche des Hauptes anzugewöhnen. Die Mohren bilden die höllischen Geister weiß; wir weissen sie schwartz ab. Also / daß alle Schönheit mehr in eines ieden Liebhabers Einbildung / [1021] als in einem gewissen Wesen bestehet. Wiewol ich von dir beredet bin; daß der gantzen Welt Beyfall über der unvergleichlichen Sentia Vollkommenheit meiner Wahl beypflichte / die aber / welche in deinen Augen schöner / als in meinen sind / dir den Vorzug strittig zu machen / selbst für eine unverschämte Vermessenheit halten würden. Sentia brach ein: Ich muß gestehen: daß ich mich in meinen Gedancken sehr betrogen befinde. Denn ich hätte mir eingebildet: daß ich mit meinen vier Liebes-Kindern nicht nur Bojocaln / sondern alle gefrorne Nord-Völcker anzünden solte. So aber finde ich Bojocaln bey ihnen unempfindlicher / als der ernsthaffte Cato würde gewesen seyn. Diesemnach möchte ich wol gerne hiervon die Ursache ergründen. Bojocal antwortete: Ich muß gestehen: daß ich zwischen ihnen wie zwischen Schnee und Kohlen gelegen / mit der einen Hand eine unbeseelte Marmel-Säule / mit der andern einen stachlichten Rosenstrauch umarmet habe. Oder mich deutscher zu erklären / so mangelt der einen die Anmuth / der andern der Geist / der dritten das Fühlen /der vierdten die Schönheit. Daher wenn man sie alle zusammen schmeltzte / würde man mit Noth eine einige Sentia daraus machen. Sentia lachte hierüber /und fragte: welcher er denn ein oder andern Gebrechen zuzueignen hätte? Er solte ihr doch diese Rätzel auslegen. Bojocal sagte / der Scythin. Denn ob zwar diese mit ihrem Leibe ein vollko en Lusthauß der Schönheit vorstellet / und es ihr an Heerd und Feuer nicht fehlet; so ist sie doch ein unbewohnter Pallast /nemlich ein Weib ohne Sitten; ich wil nicht sagen: daß durch ihre wilde Gebehrden sie mehr ein wildes Thier als eine holdseelige Liebhaberin fürbilde. Sie ist geschickter zu einer Kämpferin ins Feld / als ins Bette / und mit einem Worte / eine Amazonin. Die Britannische hingegen hat keinen Mangel an Holdseeligkeit / und sie hat auch den nöthigen Vorrath an Feuer in sich. Aber sie scheinet: daß sie aus den weissen Felsen der Kreide-Bergen ihres Albions gehauen sey / weil sie nichts geistiges an sich hat; und ihr inwendiges Feuer mit so grosser Gewalt / als die Funcken aus den Feuer-Steinen geschlagen werden müssen. Dahero würde sie wol eine anständige Buhlschafft des in sein eigenes helffenbeinernes Venus-Bild sich verliebenden Pygmalions / aber nicht des lebhafften Bojocals seyn; welcher von Sentien selbst gelernet: daß die Liebe mehr Grund und Bestand habe / wenn sie sich nicht nur an die euserliche Schönheit /sondern an die innere Vollkommenheit eines aufgeweckten Geistes hänge. Denn welche nur an denen durch Alter und Kranckheit vergänglichen Strichen eines wolgestellten Antlitzes und Leibes hängt / hat sich täglich für Zufällen zu fürchten / welche durch alle seine Ergötzligkeiten einen Strich machen. Wer aber seine Vergnügung an einer himmlischen Seele und ihren Tugenden suchet / kan sein Lebtage ohne Unruh und Furcht des Verlustes / und biß in Tod lieben. Die Gothische aber hat so viel Schnee im Hertzen / als auf ihrer Haut. Sie hat weder Empfindligkeit für sich; weniger kan sie sie andern geben. Ihrer Adern Blut ist eben so starck gefroren / als die Flüsse ihres Vaterlandes; Und ob ich zwar allemahl für glaubhaffter gehalten: daß die Liebe vom Feuer entsprossen / so glaube ich doch numehr: daß die in Norden aus seinem Eiß-Meere den Ursprung habe. Sie hat keine Fühle wenn man sie küsset / sie ist taub zu allen Liebkosungen / todt bey den ansehnlichsten Liebes-Seuffzern / und in der Wollust selbst eine sich nicht rührende Leiche. Die Mohrin hingegen ist eitel Feuer; also daß ich glaube: daß der thörichte Satyrus / der sich in die Flamme verliebet / und solche umarmende sich darinnen eingeäschert haben soll / in einer verliebten Mohrin Hände verfallen sey. Ich muß ihr den Preiß für allen lassen / und ihr nachsagen: daß sie Eiß erwärmen / Steine erweichen / und Todte beseelen[1022] könne. Aber ihre Liebe dienet nur für die Nacht / oder für Blinde. Denn wenn ich auch bey der grösten Lust sie anschaue / fället mir ihre Todten-Farbe in die Augen / welche die lebhafftesten Begierden ersterben läßt. Ihre Kohlen-Gestalt machet: daß das Feuer meiner brennenden Liebe zu ausgeloschenen Kohlen wird. Ihre traurige und der gemeinen Meinung nach von einer väterlichen Verfluchung herrührende Schwärtze machet: daß mir im Augenblicke das Hertze / und in dem grösten Eyver alle Mannbarkeit entfällt / weil sie gleichsam meiner Liebe einen kläglichen Ausgang wahrsagt; dahingegen deine weissen Flammen der Schönheit / O holdseelige Sentia! mich zur Freude aufmuntern / meine Kräfften ergäntzen. Sentia begegnete ihm mit folgender Antwort: O kaltsinniger! O einfältiger Bojocal! können dich diese vier Liebes-Göttinnen nicht erwärmen / so wirst du gewiß bey allen andern und noch mehr bey einer einzelen erfrieren. Wer hat dich überredet: daß die Schönheit in der Farbe / nicht aber vielmehr in geschickter Bild-Eintheilung der Glieder / und in richtiger Zusammenstimmung des gantzen Leibes bestehe? Wer hat dir einen solchen Irrthum aufgehalset: daß alles / was schwartz / heßlich sey? Sind nicht die tunckeln Früh- und Abend-Stunden des Tages die behäglichsten? Suchen wir nicht bey ihrer liebkosenden Kühle frische Lufft / wenn wir uns für dem lichten Mittage versteckt haben? Verstecken wir uns nicht in den Schatten der Wälder und Hölen / ja bauen wir nicht selbst zu unser Ergötzung künstliche Finsternüsse? Mühen wir uns nicht hingegen für der Sonnen / als dem Brunnen des Lichtes / nicht nur die Thüren /sondern auch die Fenster zu versperren? Sind die tunckelen Hiacynthen / die blauen Veilgen / die schwartzen Tulipanen nicht die schönsten? Rüchen die schwartzen Nelcken nicht am stärcksten? Gläntzen die schwartzesten Haare nicht am meisten? Spielen die schwartzen Augen nicht am stärcksten mit dem Blitze der Liebes-Strahlen? Verzeihe mir / kluge Sentia / versätzte Bojocal / daß ich deinem Urthel /welches ich sonst so hoch achte / hierinnen nicht beyfalle. Andere schwartze Sachen können wol / aber schwartze Menschen nicht schön seyn; ob gleich ein und ander Stücke in der Schönheit schwartz seyn muß. Die Natur hat einem jeden Gliede seine anständige Farbe ausersehen / derer Versätzung alles verstellet. Die den Mund zierende Röthe ist in Augen /das die Augen so annehmlich-machende Hi el-blau ist auf dem Munde und der Nase ein Schandfleck. Eben so machet die denen Augensternen uñ Augenbranen dienende Schwärtze die Haut sonder allen Zweiffel so heßlich / als sich ereignen würde / wenn jemand grüne Haare / gelbe Augen / leinfarbene Wangen hätte / ungeachtet die grünen Haare der Bäume /nemlich die Blätter / allen Pflantzen / die gelbe dem Golde als dem Augapffel der Welt / die leinfarbe aber den Anemonen so wol anstehen. Denn ob zwar ich wol weiß: daß ein grosses Theil der Welt mit eitel von der Natur so schwartzgemahlten Menschen angefüllet sey; so ist doch diß nicht die urspringliche Gestalt der ersten-sondern die Affter-Farbe nachfolgender Menschen. Wir haben unsere Ankunfft vom Himmel / welcher in sich so viel tausend Lichter beherbergt / daß er ja alles schwartze ausschlüsse. Uns ist die Nacht nur zum Schlaffe / der Tag aber zum Leben bestimmet. Daher solten die mit der Farbe der Nacht verstellten Mohren nur des Nachtes / wie wir am Tage / leben / die wir mit der Farbe des Tages geschmücket sind. Die Mohren selber müssen diß nachgeben; denn sie verfluchen die sie so aussaugend und verbrennende Sonne; Sie wünschten zweiffelsfrey selbst in einem andern Ecke der Welt gebohren zu seyn / als in ihrem; welches / ungeachtet ihrer so vielen Sonne / mehr als das der Cimbern / ein Land des Schattens ihrer finsteren Menschen halber genennet zu werden verdienet. Sentia fiel ein: Ich [1023] wundre mich nicht: daß du von schwartzer Schönheit so übel zu urtheilen weist / weil du auch in dem alten Irrthume steckest: daß der Mohren Schwärtze von der Ungütigkeit ihrer Sonne herrühre. Wie sollst du es aber jener sparen / nach dem du nicht der Sonne des Brunnens der Schönheit / aus welcher das Licht und Glantz so wol der Farben als anderer Dinge herfleußt / nicht schonest; gleich als wenn sie ein solch rauchichtes Feuer in sich hätte / als ihr Deutschen auf eurem Heerde und Rauch-Stuben anzündet / welches durch seinen finsteren Schwefel alles schwärtzet und zu Kohlen macht. Ist dir nicht wissend: daß die Sonne mit ihren lichten Strahlen das Wachs / die aus der Erde gegrabenen Steine die rohe Leinwand / die gelben Lilgen nach und nach weiß bleiche? Sintemahl sie mit Zuthat des Thaues / oder salpetrichten Wassers die Unsauberkeit zertheilet: daß sie wie das im Schaume dinne gemachte Wasser weiß werden müssen. Dahero würde dieses gütige Gestirne auch die Menschen ehe weiß als schwartz machen /wenn nicht die bewegliche Wäßrigkeit in der Haut ihre Würckung verhinderte. Bojocal brach ein: wie solte er die Sonne in Mohrenland nicht für schwärtzend halten / da sie auch in Deutschland und in Cimbrien die schneeweissesten Einwohner / wenn sie sich eine Weile bescheinen liessen / färbte? Sentia antwortete: die Sonne färbte sie zwar / und machte die Haut so wol gelbe / als sie sie härtete / trocken und runtzlicht machte. Weisse Leute aber würden auch in den Ländern / wo sie gleich die Sonne über der Scheitel haben / wenn sie schon von drey Sonnen beschienen würden / so wenig die Schwärtze der Mohren an sich ziehen / so wenig als die von Mohren in Deutschland gebohrne Kinder allhier weiß werden. Ja dieser Schwärtze vergehet auch in ihren Kindern nicht /wenn sie solche gleich mit Schwanen-weissen Menschen zeugen; und wird man auch in kalten Ländern die Merckmaale des Mohren-Ursprunges noch wahrnehmen. Wie nun diese Tauerhafftigkeit ein unbeweglicher Beweiß ist: daß die Mohren nicht von Verbrennung der Sonne / sondern einer innerlichen Eigenschafft schwartz sind; also erhärtet der Augenschein: daß nicht allenthalben / wo die Sonne am heissesten scheinet / die Menschen am schwärtzesten sind. Die in dem Mund des Persischen See-Busems liegende Insel Nasora soll der heisseste Ort in der Welt seyn; weßwegen sie auch der Sonnen gewidmet ist: gleichwol giebt es dar keine Mohren. Die an dem Mittelländischen Meere wohnenden Mauren / Sicilier und Hispanier sind wegen Seltzamkeit des Wassers schwärtzer als andere Völcker / die in Asien und andern Ländern / so nahe und näher der Mittags-Sonne liegen / ja ihre Haut ist ramprichter / als der glatten und gläntzenden Egyptier / wie auch derer / welche gerade unter dem Sonnen-Zirckel wohnen. Und ob diese zwar schwartz sind / so ist doch die sie nach der Schnure unterwerts bescheinende Sonne ihnen viel erträglich-und gütiger / als die sie um den Kreiß des Krebses und Steinbocks seitenwerts haben. Denn hier brennet sie mehr; dort aber zeucht sie aus Seen und Flüssen eine unsägliche Menge salpetrichter Feuchtigkeiten /als die kräfftigsten Mittel der Nahrung und Fruchtbarkeit empor / und der wolausgekochte Thau erfrischet Lufft und Land häuffig. Daher auch / wenn die Sonne über ihrem Haupte steht / ihr Winter / und daselbst alle Thiere voller Safft / die Menschen fruchtbarer /stärcker und tauerhaffter als irgend anderswo / ja so fett / als die um den nahrhafften und ölichten Nil wohnenden Egyptier und Meroiten sind; wo sich doch die fettesten Leute der Welt befinden sollen. Im Nordtheile der Atlantischen Eylande sind die Einwohner schwärtzer als die gegen Suden. Und eben daselbst scheidet an etlichen Orten ein Fluß die schwartzen und weissen Menschen von sammen / welche doch unter einerley Himmels-Streiche gelegen sind. Eben so sind in unserm [1024] Italien zu Mävania und um den Fluß Clitumnus die Menschen weisser / die Ochsen fetter / als in der Nachbarschafft. Ja ich traute mit besserm Grunde zu erhärten: daß ehe die Kälte als Sonnenhitze schwartz mache; Sintemahl grosser Frost eben so wol als das Feuer anbrennet / und weisse Dinge gelbe / das kältende Saltz und Qvecksilber roth / endlich schwartz macht. Denn werden nicht die in der Sonne weiß werdende Gebeine in der kalten Erde schwartz? Verwandeln sich nicht die Kohlen selbst in freyer Lufft zu weisser Asche / die in versteckten Orten nichts von ihrer Farbe ändern? Bojocal fiel ihr in die Rede / und sagte: Ich muß gestehen: daß in den eussersten Nord-Ländern fast alle Thiere und Vögel mit der Farbe der Nacht bekleidet sind; und zwischen dem weissesten Schnee und Eise weltzen sich die schwartzen Wallfische in so grosser Menge herum: daß sie die gantze Welt ausko entlich mit Fettigkeit versorgen. Ja auch die nahe bey dem Rubeischen Vorgebürge / und an der Nordspitze wohnenden Menschen sollen der Cimbern und Svionen Berichte nach ziemlich berauchert aussehen / weil die finstere Kälte die von Dinnigkeit des Blutes und der Lebensgeister herrührende weisse Farbe zusa en zeucht / und das lichte Häutlein schwärtzet; wiewol auch der viele Pechrauch in ihren unterirrdischen Holen nicht wenig zu ihrer Ungestalt helffen soll. Aleine daß dieses keine angebohrne / sondern nur eine zufällige Farbe sey / ist daraus deutlich abzunehmen: daß diese Mitternacht-Kinder ziemlich weiß gebohren / hernach aber erst schwartz / wie unsere rothgebohrnen weiß werden. Bey dieser Beschaffenheit ist gleichwol seltzam: daß in denen kalten Ländern / besonders bey den Skaniern und über dem Flusse Taruntus die Hasen und etliche andere Thiere weiß werden / und tieffer gegen Mitternacht bey den Lappionen und Hiperborischen Eißländern die Raben selbst so weiß als ihre Bären seyn sollen. Sentia fiel ein: dieser Unterschied der Farbe rühret nicht von der Kälte. Denn sonst würden alle Thiere weiß seyn / sondern von dem Wasser und der besondern Speise her; Sintemal auch das Wasser des Flusses Clitumnus machet: daß alle solches trinckende Kühe weisse Rinder zeugen. Hingegen macht das Kupffer-Wasser im Geträncke die Haare der Thiere schwartz / und soll ein solcher Tranck den Calchas über Nacht aus einem Raben in einen Schwan verwandelt haben. Eben so ist es mit der Speise beschaffen; welche / besonders das Saltz /zu Veränderung der Farben viel beyträgt / und erhärtet die Erfahrung: daß die im Frühlinge untermischten Eichen-Knospen die Pferde eben so wol schwartzäpflicht als der eichene Safft Hände und Nägel der Gärber schwartz machen. Aber alles diß ist nicht die Ursache der Schwärtze an den Mohren / sondern sie wird von den Eltern ihren Kindern in der Zeugung eingepflantzt. Diese Eigenschafft steckt schon in dem Eyerstocke der Mütter / und im Saamen der Väter; welcher / ob er gleich nicht schwärtzer als anderer Männer ist / doch diese Färbungs-Krafft eben so verborgen / als den gewissen Unterschied der Gestalt in sich stecken hat. Weil nun bey uns ins gemein weisse Leute weisse / schwartze Eltern schwartze Kinder zeugen / ist sich so viel weniger zu verwundern: daß auch die Mohren-Kinder schwartz gebohren werden. Bojocal hatte hierüber noch allerhand Bedencken; daher fragte er: weil die Schwärtze denn in den Eltern stecken soll / so müssen die Mohren nothwendig einen andern Vater zum Urheber gehabt haben; also die gemeine Meinung falsch seyn: daß das gantze menschliche Geschlechte von einem Vater und Mutter herrühre. Welches denen Mohren etlicher massen zu statten kommt / welche sich die ersten Menschen /und durch die bey ihnen am meisten brennende Sonne aus der Erde gebohren zu seyn rühmen. Sentia antwortete: Unsere Weltweisen sind mit den Deutschen einerley Meinung: daß alle Völcker einerley Groß-Eltern [1025] haben; und deßwegen ist dein Einwurff / wie nemlich diese Schwärtze oder Krafft dem ersten Mohren-Vater / und eben zugleich auch seiner Mutter eingeflößt worden sey / ein ziemlich schwerer Knoten /die sonst ziemlich machtige Einbildung der sich versehenden Mütter / da auch weisse zuweilen Mohren-Kinder / und trächtige Schaaffe nach für gelegten Stäben scheckichte Lämmer gebracht / kan schwerlich hier zu Hülffe geruffen werden; weil vom Anfange kein Mohr / also noch weniger eine schwartz-gemahlte Andromeda in der Welt gewest / daran sich eine Mutter und zwar so nachdrücklich hätte versehen können: daß sie so viel hundert Völcker auf so viel tausend Jahre eine so beständige Schwärtze hätte eindrücken können. Denn ob man zwar weiß / daß auch gewisse Geschlechter ihre absondere Geburts-Maale ziemliche Zeit gehabt haben / so sind sie doch endlich verschwunden. Also muß ich nur meine Unwissenheit bekennen; wiewol ich nicht glauben kan: daß diese mir so sehr beliebende Farbe zum ersten dem Cham oder Ammon durch seines Vaters Fluch solle eingebrennet worden seyn. Denn ich wolte mir / nach dem ich keine Deutsche bin / kein grösseres Glücke wünschen / als eine Mohrin zu seyn. Bojocal lachte hierüber überlaut / und fragte: ob sie denn auf die Natur erzürnet wäre / daß solche sie hätte lassen eine Römerin gebohren werden / da so viel tausend Leute so mühsam nach dem Römischen Bürgerrechte strebten. Sentia versätzte: weil ich die Mohren und Deutschen alleine für recht schön halte. Denn diese können sich alleine weiß zu seyn rühmen; und ihre Wangen können wegen ihres durchschimmernden Geblütes alleine den Rosen einen Kampff anbieten. Aber der Mohren Farbe / welche mit der gleichsam durchschimmernden Nacht / jene als den Tag abzustechen bemühet ist /hat diese Vortheil für der weissen: daß sie nicht so geschwinde durch Gifft und gallichtes Geblüte grün und gelbe / durch versteckte und dumpfichte Lufft blaß und leichenhafftig / wie sich bey Bergleuten und Eingekerckerten ereignet / oder durch dessen Erhitzung des Blutes / oder wenn bey denen Gemüths-Regungen zu viel Geblüte in die kleinen Haar-Adern steiget / zu roth gemacht-noch durch andere Kranckheiten verstellet wird. Bojocal brach mit abermahligem Lachen ein / und sagte: Schönste Sentia / ich solte nach deinem Vortrage dich wol nicht mehr schön heissen; weil du mit nichts als den weissen Zähnen einer Mohrin ähnlich bist; aber ich wil / um deiner gerühmten Nachtfarbe ihre Schmach zu verkleinern / noch einen Fürniß anstreichen helffen; nehmlich daß sie nicht / wie die weisse / einiger Schmincke von nöthen hat. Denn sonst würde man Tinte und Kohlen darzu brauchen müssen. Sentia versätzte: Es ist dieses sicher ein grösser Ruhm der Mohren / als daß er mit Hohnlachen zu verwerffen / hingegen ein grosser Gebrechen der weissen Farbe: daß sie nicht einen einigen Tag ohne ihre Verminderung die Sonnenstrahlen vertragen kan /sondern diese in der ausgesaugten und verbrennten Haut den linden Thau verzehren / das Geblüte gleichsam jährend machen / daß diß / was gallichtes darinnen ist / sich an das Netze der dinnen Haut anlegt. Worauf sich denn ereignet: daß weisse Weiber ihre offtmahls sich wie in Hälsen der Indianischen Hahne entzündende Röthe mit Melonen-See-Blumen- und Wege-Warte-Wasser / und andern kühlenden Schmincken / die grünlichte Gallen-Farbe und Sprenckeln mit zertreibenden Salpeter-Salben- und Gewürtz-Wassern / die den Glantz benehmende Rauigkeit der Haut mit lindernden Balsamen erweichen / die Gruben des Gesichtes / die Hölen der Schläffe und eingefallenen Wangen / mit denen die rundköpfficht- und fleischichten Mohren nicht verstellet sind / weder mit Bleyweiß ausfüllen / noch mit gekrausten Haaren verdecken / die heßlichen Zähne mit Zinober beitzen / ja Gifft und Qvecksilber in ihren Schmincken zu Hülffe nehmen [1026] müssen. Weil das Hispanische Papier / die Kermes-Körner aus Gallien / der Safft aus Sonnen-wenden / und andere aus der andern Welt geholeten Gewächse zu so viel Mängeln nicht zulangen; wiewohl diese Künste doch in die Länge nicht den Stich halten / sondern die durchbeitzte Haut desto ehe schäb- und runtzlicht / den Mund leer und übelrüchend machen. Daß also die Farbe der Mohren / welche weder der Veralterung / noch anderer Verfallung unterworffen ist / weder von Mahlern ihre Zierrath erborgen / noch mit frembder Gestalt prangen / sondern sich vielmehr für der weissen Farbe mit Recht eines grossen Vorzugs / die Mohren auch sich rühmen können / daß sie wegen ihrer balsamischen Safftigkeit weichere Haut / als der Sammet ist / haben. Bojocal antwortete: Ich kan nicht läugnen / daß die Mohren-Farbe beständiger als die weiße sey; aber wie die Flüchtigkeit ins gemein der vollkommensten Schönheit anklebt / die Rosen und Tulipanen am geschwindesten veraltern; also ist die Tauerhafftigkeit dieses eben die Eigenschafft der Heßligkeit / welche zumahl durch keine Zufälle heßlicher werden kan. Jener Vergängligkeit macht: daß man sie zu genüssen so viel mehr wahrnehmen / für dieser niemahls besorglichen Verlust so viel weniger Kummer haben darff. Diß aber muß ich nachgeben: daß nach dem weiche und rundte Sachen die Liebkosungen unsers Fühlens / der Mohren Haut aber weich / das Fleisch rundt ist / der Mohren weiche Haut / welche gegen der weissen wie die Lilgen- und Sammet-Blumen sich angreiffen lässet / unsere Fühle überaus kützele / und uns bey nahe bezaubere. Wenns aber an die Augen kommt / welche in der Liebe den Richterstuhl besitzen / so ist es sonder Zweiffel mit der traurigẽ Schwärtze aus; daher auch die Mohren sich ins gemein weiß mahlen / und mit bundten Federn oder Tüchern schmücken. Sintemahl die freudige Silber-Farbe / welche auch in Bildern einen Liebreitz an sich hat / und uns nachstellet /das Gesichte auffs freundlichste anlacht / und ihr darein fallendes Licht vielfältig zurücke wirfft; hingegen werden die sich zusammen ziehenden Strahlen vom schwartzen in Augen verschlungen. Sentia begegnete ihm: hingegen kleiben weisse Weiber schwartze Flügen und andere ausgeschnittene Kleinigkeiten auf ihre Stirne und Wangen; also muß ja die Schwärtze an ihr selbst nicht greulich seyn. Ja die weissesten Sachen /wenn sie glatt sind / nehmen gewissen Strichen nach eine Schwärtze an sich; Der Schnee / weil in ihm die Augen-Strahlen allzu hefftig zurück prellen / verdüstert das Gesichte / und scheinet uns schwartz zu seyn / schwartze Dinge aber und fürnehmlich die Mohren /geben wie der Sammet aus ihren Tieffen einen weissen Schein von sich. Ja die Natur spielet mit diesen zweyen Farben so artlich durch einander / daß sie keiner gram zu seyn scheinet / und wenn man beydes beym Lichten besiehet / so ist die Mohren Silber-Haut / welche gleichsam wie die zum Schwimmen deßwegen geschickte Fische mit einem Oele überfirnßet ist /gläntzender als die der Deutschen; weil jene weniger Blut und Geister in sich hat / auch eine flügende Salbe sie gleichsam einbalsamet / und erhobene Dinge das Licht kräfftiger / als flache zurück werffen. Bojocal brach ein: Dieses der Schwärtze zugeschriebenes Licht ist nur ein betrüglich und vergänglicher Schein / kein Wesen. Ich kan mich / schneeweiße Sentia / nicht darein finden / warum du die Waffen deines Verstandes so wider dich selbst brauchst. Ich kan anders nichts muthmassen / als daß du entweder meine Vernunfft durch deine Scharffsinnigkeit zu bländen / oder meiner Einfalt zu mißbrauchen gedenckest / um mich nur deiner Liebe verlustig zu machen. Du scheinest aus der Schale Ledens gekrochen zu seyn / und wünschest eine schwartze Andromeda /oder aus einem Schwane ein Rabe zu werden / nur daß du mir mißfallen sollest. O grausame [1027] Sentia! Ich glaube; daß du deiner Schönheit selbst gram bist /und du nur mir zur Pein deine weisse Haut mit einer beraucherten der schwärtzesten Mohrin gerne vertauschen würdest. Sentia thät zwar / als wenn sie die Hefftigkeit seiner Liebe weder merckte / noch verstünde; sie ließ aber aus dem Zeug-Hause ihrer Lie bes-Reitzungen einen gantzen Sturm ihrer Anlockungen aus: daß das Feuer in seinem Hertzen mehr wachsen muste / als verschwinden konte. Hierauff fing sie an: Ich sehe wohl / Bojocal: daß du die Haut der Mohren schwartz zu seyn glaubst / da sie doch weisser als meine / oder als allen deutschen Frauenzimmers ist. Bojocal ward nach der denen Verliebten gemeiniglich angewohneten Hefftigkeit hierüber ein wenig entrüstet / und bat; Sie möchte doch seine Schwachheit nicht für einen Verlust seiner Sinnen /ihn auch nicht für ein solch Kind halten / welcher schwartz und weiß nicht zu unterscheiden wüßte. Sentia vermehrte ihre Anmuth / und sagte: Es ist mir leid / liebster Bojocal! daß du von nicht geringerem Argwohne / als Irrthume verleitet wirst. Meinestu denn: daß die Mohren eine schwartze Haut haben? Glaube mir / daß in einem dich deine Unwissenheit / wie sehr ich dich liebe / im andern dein Auge betrüge. Es ist mehr denn allzuwahr / und zu gewiß: daß an Mohren weder das eusserste Häutlein / noch die innere dicke Haut schwartz / sondern ihr auswendiges eben so /wie die Umhüllen der Eingeweyde durchsichtig / und so weiß / oder weisser als in uns sey. Es lieget aber zwischen der Menschen Haut und Häutlein / oder es hänget vielmehr in diesem ein so dinnes Netze als die Spinneweben sind / und keinem Dinge besser als dem Häutlein der Augen verglichen werden kan. Ob nun dieses eben so wohl lichte ist; so leget sich doch bey den Mohren an dessen fettes und klebrichtes Blaster etwas schwartzes / gleich einem Rauche an; welches /weil zumahl der Mohren Häutlein und Netze klärer und durchsichtiger als bey uns ist / den Schein einer solcher Schwärtze verursacht; Also / daß wenn man bey Zerschneidung der Mohren-Leichen dieses Netze von der Oberhaut / oder auch nur den Rauch vom Netze absondert / sie gantz weiß anzusehen sind. Wie denn auch solch Netze / wenn man es ausspannet / um ein gutes lichter ist / als gefalten. Und der neugebohrnen Mohren Kinder anfangs eine röthlichte Tunckelheit haben / weil so wohl ihre als unsere Kinder eusserlich viel Blut haben. Je röther aber die Kinder anfangs sind / ie weisser werden sie bey uns / und ie schwärtzer bey ihnen. Denn das eusserste Häutlein ist in beyden so viel dinner. Daher rühret es auch: daß in der inwendigen Hand / und in Fußsolen / wo die dicke Haut engere Schweißlöcher macht / also die Schwärtze am Netze nicht so wol durchleuchten kan / wie auch wo die gehabten Blattern Haut und Netze durchbrochen / besonders wenn sie lange gestanden / die Haut der Mohren weisser / als anderwerts ist. Hingegen macht ihr fettes Netze: daß sie keine so zarte Fühle als weisse Leute haben / und das Feuer länger vertragen können. Bojocal hörte Sentien mit Verwunderung zu / und fragte: Woher sie so eigentlich diese Wissenschafft geschöpfft hätte? und wie sie dessen vergewissert wäre? Sentia antwortete: Meine eigene Augen; als der Artzt Musa zu Rom in Anwesenheit des Kaysers / Liviens / und vieler vornehmen Leute /etliche Mohren-Leichen zergliedert / die Schwärtze von dem feuchten Netze (denn wenn es trocken / ist sie weder mit Seiffe noch Scheide-Wasser davon zu trennen) abgesondert hat. Uber diß können wir diese veränderliche Beschaffenheit an unser eigenen Haut wahrnehmen / durch welche das in das kleine Geäder sich ergissende Geblüte mit seinem Purpur / wie der Wein durch das Glaß / durchleuchtet. Ja das mit der sich ergiessenden Galle vermengte Blut streichet offt unser Gestalt eine wiewohl vergängliche Schwärtze an / und besämet unser Antlitz mit Sprenckeln. Bojocal [1028] fragte ferner: Woher denn diese sich aus Netze anhängende Schwärtze den Uhrsprung? und ob die Mohren schwärtzer Blut als weisse Menschen hätten? oder ob schwartze Dünste aus ihrem innern Leibe ausdampfften / und am Netze kleben blieben? Sentia gab ihm zur Antwort: Sie hätten weder solche Dünste noch schwärtzer Blut als die weissesten Deutschen /sondern in dem Netze selbst steckte eine besondere Krafft die daran kommenden Feuchtigkeiten durch eine Jährung schwartz zu machen. Sintemahl sich das helle Wasser im Menschen nicht weniger / als in den Zwiebeln der Tulipanen / in den Gängen der Kräuter in alle Farben der Welt verwandeln kan. Das grüne Kupffer-Wasser macht alles schwartz / das grüne Papier in Hispanien färbet hoch roth / und der Geist von dem weissesten Weinsteine kleidet sich in Purper / ja in denen gläsernen Kolben derer das Ertzt ausziehenden Aertzte verstellen sich die Farben der schmeltzenden Dinge mehr / als kein Proteus. Bojocal versetzte: Ich bin aber der Meinung: daß sich niemand mehr verstelle als Sentia / wenn sie ihr gerne unähnlich / und minder schön / als eine Mohrin werden wolte / um mich nur meiner an ihr findenden Vergnügung zu berauben. Ich glaub dir zwar / Sentia /ehe: daß die Mohren eusserlich weiß sind / als dem Anaxagoras / daß der Schnee schwartz sey; aber diß mustu doch selbst gestehen: daß ihr berauchertes Netze ihre Silber-Haut mit einem heßlichen Schatten verstelle; und daß sie in aller unser Augen schwartz sind. Diese aber sind die Richter über die Schönheit. Verarge mir daher nicht: daß sich meine Liebe bey den Kohlen dieser Mohrin so geschwinde einäschere; daß alle andere Sterne für dir / als meiner einigen Sonne erbleichen / als mit welcher mir alle Schönheit der Welt aufgeht / in meinem Hertzen aber die süsseste Wärmbde einflösset. Schöneste Sentia! hastu in dir keine Fühle? die du doch mein Hertze / meine Seele / und mein Leben bist; die du durch deinen Liebreitz mich doch selbst ausser mir raubest; die du mich meiner Vernunfft und Hertzhafftigkeit entsätzest / und mich auf einmahl verbrennen / erblassen / verstummen / und sterben läßt. Aber diese / und alle andere Mässigkeit übersteigende Worte waren noch die kaltsinnigste Ausdrückungen seiner Liebe. Seine Augen redeten mehr als sein Mund; denn jene verstehen sich besser auf die Sprache der Liebe / als dieser. Wiewohl sie beredsamer ist / als andere hefftige Gemüthsregungen / denen ihre eigene Gewalt die Zunge bindet. Nach diesem verschwur er sich: daß in seinem einigen Hertzen mehr Liebe als sonst in der gantzen Welt steckte / und sie nimmermehr aufhören würde. Er demüthigte sich für ihr mehr / als der geringste Sclave gegen seinem Herrn thun kan; und betete sie als seinen Abgott an. So vielmahl als Sentia ein Auge verwendete / oder so offt ihre Brüste sich auffschwellten / veränderte er seine Gebehrdung; gleich als wenn seine Liebe nach der alten Meinung ein Kind des veränderlichen Windes und des Regenbogens wäre. Weil aber Sentia noch nicht gemeint war ihn zu vergnügen / hielt sie mit allem fernem Liebreitze an sich / und sagte: Mein lieber Bojocal! du übereilest dich mit deinen Begierden; darum kan ich denselben nichts verhängen / was du als eine irrige Vergehung / und als eine böse Wahl hernach bereuen möchtest. Sintemahl ich / die ich mich selbst am besten kenne / an mir nichts finde / was dich so sehr nach mir lüstern ma chen solte. Bojocal antwortete: Ich aber finde es / und du wirst mir Beyfall geben / wenn du dich nur selbst betrachten / oder einen Spiegel zu Rathe nehmen wirst. Keine andere Ursache bin ich dir zu geben schuldig / als daß du in meinen. Augen die schönste bist. Sintemahl es eben so ungeschickt zu fragen ist: warum man die Schönheit liebe / als warum das Feuer brenne? denn der Liebreitz ist so wol eine Eigenschafft der Schönheit / als das Brennen [1029] des Feuers. Sie ist ein Strahl und Bild von der göttlichen Vollkommenheit / wie soll sie uns nicht durch Marck und Adern dringen? Sentia versätzte: Lasse dich / Bojocal / deine Einbildung nicht verführen / welche in nichts leichter irret / als in der Liebe / und im Urthel der Schönheit. Sie ist ein rechtes Vergrösserungs-Glaß /welches allem / was sie begreifft / einen mercklichen Beysatz gibt / ja gar denen Sachen eine andere Gestalt / und eine Schönheit zueignet / worvon ihr etwan getraumet hat / oder worzu ihre Neigung einen Zug hat. Diese falsche Mahlerin hat eben die Eigenschafft der Mahler insgemein: daß sie uns schöner mahlet / als wir sind; nur dieses ist der Unterscheid: daß diese andern / jene ihr aber selbst darmit heuchelt / und zwar derogestalt: daß Leute / welche doch sonst freyen Gemüthes / und in andern Dingen scharfsichtig sind /hierinnen Sklaven ihrer Begierden / und so wol ihrer Augen / als Vernunfft beraubt werden / und durch ihre Einbildung der Heßligkeit eine Farbe anstreichen /und einer eingeschlaffenen die kräfftigsten Regungen eindrücken. Zeit und Abwesenheit sind alleine das Mittel / sich dieses annehmlichen Irrthums zu entschütten; daher vergönne mir: daß ich zu deinem eigenen besten mich von hier wieder entferne. Mit diesem Worte ergrief sie die Thüre / trat aus dem Zimmer /und verfügte sich zu der Frauen von Ardenberg; ließ also Bojocaln in der grösten Verwirrung / darein jemahls ein Verliebter gerathen kan. Nach dem nun die Schönheit für sich selbst / ohne daß sie von Liebreitz angefeuret wird / genugsames Vermögen zu gefallen oder zu bezaubern hat; ist unschwer zu ermässen /was Sentia durch die Waffen ihres zu Hülffe geruffeten Liebreitzes in Bojocals Hertze für eine tieffe Wunde geschlagen hatte. Er war von ihr so sehr eingenommen: daß alle andere Annehmligkeiten ihm Verdruß erweckten. Er verschloß sich für aller Menschen Gemeinschafft / und unterhielt sich mit seiner Einsamkeit und Stillschweigen. Er hassete das Licht und die Menschen / liebte nur die Finsternüß / und die an seinem Schlosse liegende Einöden / besprachte sich alleine mit den Bäumen / Bächen / Winden und Sternen; gleich als wenn diese seinen unkeuschen Gedancken neue Flügel geben / und zum Zwecke helffen solten. Gleichwol aber schalt er sie für taub und unempfindlich / und daß sie ihm für den Verlust seiner Seufftzer und Thränen Rechenschafft geben solte. Aus dieser Unsinnigkeit erwuchs in Bojocaln eine solche Ungedult: daß er an Sentien seine Begierden zu sättigen entschloß / solte er hierfür gleich alle seine Wolfarth aufopffern. Diesemnach bestach er eine ihrer Griechischen Sclavin; daß sie ihm / wiewol mit Vorbewust Sentiens / ihr Schlaff-Gemach zu öffnen versprach / darinnen Sentia allemal auf vier Chrystallenen Leuchtern so viel Wachs-Kertzen brennen hatte. Bojocal ward von der Griechin auf bestimmte Zeit eingelassen / und fand die zum Scheine schlaffende Sentia in einer solchen Gestalt liegen: daß seinen Augen wenig verborgen blieb / was ein Weib liebreitzendes an sich hat. Bojocal ward über diesem Anblicke anfangs verzückt; bald aber darauf in eine solche Raserey versätzt: daß er sie auf alle ihre Schönheiten küssete; und weil sie entweder keine Fühle hatte /oder mercken ließ / sie fast verzweiffelnd umarmte. Sentia fuhr hierüber als aus einem tieffen Schlaffe mit Ungestüme auf / nahm sich einer zornigen Gebehrdung an; und als sie Bojocaln ihrer Anstellung nach erblickte / sagte sie ihm mit einer hefftigen Entrüftung: Für was er sie ansähe? Ob er sich so verlohren hätte / daß er nicht wüste / wer sie wäre? Ob er sich nicht erinnerte: daß sie des Sentius Saturninus Tochter und Hertzog Segesthens Gemahlin wäre? Ob diß der Angrivarier Unart wäre / ihre auff guten Treu und Glauben angenommene Gäste so zu beleidigen? Weil nun ein ieder / der auff dem Steige der Laster sich vergehet / mit Kleinmuth [1030] und Schrecken angefüllet ist; ward Bojocal durch Sentiens Einhalt wie vom Blitze gerührt. Er fiel für ihr auf die Knie / und bat anfangs zwar um Verzeihung seines Verbrechens; aber er brauchte diß alsobald zu einem Beweise seiner hefftigen Liebe. Er gestand seinen Fehler / aber er entschuldigte selbten mit der Grösse ihrer Schönheit; welche sich durch ihre Gütigkeit zwar seiner Seele eingesänckt; aber sich zugleich ihrer Eigenschafft nach als eine Königin der Herrschafft über sein sie aufnehmendes Hertze bemeistert hätte. Daher wäre sein Verbrechen nichts anders / als ein Gehorsam gegen ihre Herrschafft / und eine Folge eines Gefangenen. Für dieses erkennte er sich nicht nur / sondern er schätzte es ihm auch für eine Ehre ihrer Willkühr unterworffen zu seyn. Sentia sahe nunmehr wohl: daß es mit Bojocaln auffs höchste kommen / und er /ihrem Belieben nach / um einen Finger zu winden wäre. Daher leerte sie nunmehr gegen ihn vollends alle liebreitzende Pfeile ihres gefüllten Köchers aus /und sagte hierauf: Solte ich mich wol bereden lassen: daß Bojocal eine Römerin auffrichtig liebe / welcher zeither eine so grosse Abscheu für allen Römern gehabt hat? Ich weiß allzuwohl: daß kein Fürst so sehr ein Weib / als seine Herrschafft lieben könne; aber alle die vom Germanicus angebotene Vortheile haben deinen Haß gegen Rom nicht aus dem Hertzen bannen können; Wie soll ich mich denn bereden lassen: daß du mich so sehr liebest / da ich dir nichts als eine Vergnügung geben kan / welche in wenig Augenblicken verrauchet / mich aber mein Lebtage beunruhiget. Meinestu: daß die Deutschẽ mit den Römern keine verträuliche Freundschafft hegen können? Mit was Vertrauen sollen wir denn unser Geblüte mit einander vermischen? Höre mich diesem nach auf zu lieben /oder vielmehr zu versuchen; weil du Römisch zu seyn nicht anfangen kanst / ich aber es zu seyn nimmermehr aufhören werde. Bojocal ward durch Sentiens Liebkosungen nicht so wol gefangen als bezaubert; dahero sie ihm nicht nur Bedingungen den Römern beyzufallen / sondern sich selbst für ihren Sklaven wie Attalus einen Freygelassenen der Römer zu erkennen hätte / fürschreiben dörffen. Er betheuerte diesemnach: daß wie alle Adern in seinem Leibe Sentien liebten / also keine in selbigem Raum hätte / welche ihrem Vaterlande und Landes-Leuten gram seyn könte. Er erklärte sich auch ohn ihr Verlangen: daß er nicht alleine / so lange ihm Sentia ein gut Auge geben würde / keinen Degen gegen die Römer zücken; sondern wenn sie ihn nicht unvergnügt sterben liesse /wider die Catten / Cherusker und alle ihre Feinde zu Felde ziehen wolte. Die Zeither kaltsinnige Sentia fiel Bojocaln nunmehr selbst um den Halß / und nach dem sie ihn durch ihre Küsse mehr als verzückt / fieng sie an: Ich weiß wol: daß deine Worte so wenig einer Versicherung / als vermögende Leute einiger Bürgen dörffen; aber schreib mir zu deinem eigenen besten deine Meinung in dreyen Zeilen auf; daß ich dir vom Käyser und Germanicus so viel gutes zuneigen könne / als deine Tugend um Rom / und deine Liebe um Sentien verdienet. Der wahnsinnige Bojocal hätte seiner Verführerin zu gefallen alle sein Blut verschrieben; also fiel es ihm nicht schwer / die schärffste Verbindung aufzusetzen / bey den Römern zu leben und zu sterben. Das Siegel dieses schändlichen Bündnüsses war die seiner tollẽ Brunst aufgeopfferte Ehre Sentiens; welche aus dem Verluste dieses unersätzlichen Kleinods den Römern einen grossen Gewinn erworben; Bojocal aber durch Sättigung seiner Geilheit viel erwuchert zu haben vermeinte. In eine so grausame Unholdin kan sich die Liebe verwandeln! welche doch ihrer ersten Art nach eine Urheberin aller tugendhafften Regungen / ein Brunn alles guten ist; ohne welche die Tugend keine Nachfolger / wir zur menschlichen Gemeinschafft keinen Zug haben; und weil sie der Werkzeug [1031] aller Glückseeligkeit / das von ihr unverzuckerte Leben eitel Gifft und Galle seyn würde. Wenn sie aber so / wie in Sentien / umschlägt / rottet sie die Tugend aus / und zerstöret die Gemeinschafft. Sie versehret die heiligsten Bande; sie erstecket das göttliche Feuer in unsern Seelen; sie machet tausend Ungewitter / von Furcht / Schmertz und Verzweiffelung in unserm Gemüthe / und ein ewiges Nagen in unserm Gewissen. Sie äschert Städte und Königreiche ein / stürtzet die freyesten Völcker in Dienstbarkeit; Sie stifftet Mord und Blutvergießen /und verleitet die edelsten Gemüther zu knechtischen Entschlüßungen. Diese Würckungen alle erfolgten auf das einmahl begangene Laster Sentiens und Bojocals. Denn dieser ward von Sentien dergestalt eingenommen: daß er gegen ihre Pfützen stinckender Wollust alle ehrliche Ergötzligkeit verschmähete / sich von ihr um einen Finger winden / von dieser Zauberin nicht nur alles Blut / sondern selbst Marck und Gehirne aussaugen; ja ihn von der Seite des Vaterlandes zum Dienste der herrschsüchtigen Römer ziehen ließ; und also beyde die zwey unvernünftigsten Gemüths-Regungen nemlich Liebe und Haß wider Deutschland ausrüsteten.

Nach dem Sentia Bojocaln nun derogestalt gefesselt hatte: daß er wie ein Fisch an der Angel ihrer Geilheit hieng / verfügte sie sich nach Siegburg zum Hertzoge Melo; bey welchem Domitius vom Chauzisch- und Friesischen Hertzoge allbereit ankommen war / und ihn theils durch Adgandesters falschen Brieff / theils durch Hertzog Ganasches und Malorichs Erklärung auf die Römische Seite gebracht hatte. Hierinnen ward er so viel mehr gestärcket / als Sentia vom Fürsten Bojocal / welcher wegen Nähe der Cherusker die gröste Ursache gehabt hätte / hinter dem Berge zu halten / eine schrifftliche Versicherung des Römischen Bündnüsses vorlegte. Alles dieses würckte bey denen nicht allzu weit sehenden Deutschen / die in ihren Gedancken sich schon in der Cherusker und Catten Länder theilten / eine ungemeine Freude; welche nicht wusten: daß böse Rathschläge in einem Reiche so viel würckten / als die aus Ertzt gezogenen Geister / damit unverständige Aertzte die Krancken zu stärcken vermeinen / ihnen aber das Leben verkürtzen. Es wurden nichts minder bey diesen hinters Licht geführten Deutschen / als bey den Römern selbst grosse Kriegs-Rüstungen für die Hand genommen / und in denen See-Hafen des Belgischen Galliens an den Kriegs-Schiffen unaufhörlich gearbeitet. Hingegen legten der Feldherr / Hertzog Arpus und Jubil / die Hände nicht in die Schooß; sonderlich da sie von ihren Gesandten am Sicambrischen / Chauzisch- und Friesischen Hofe so schlechte Zeitung von weniger Verrichtung und verdächtigen Anstalten vernahmen. Jedoch konte diesen Fürsten nicht träumen /weniger sie durch Klugheit vorsehen: daß so viel Deutsche sich solten bethören lassen / ihre Eingeweide mit ihren eigenen Nägeln zu zerreissen; Ungeachtet sie auch wider unterschiedene benachbarte Fürsten /besonders aber Segesthen / dessen Verwandschafft mit dem Feldherrn eine Anreitzung zu unversöhnlichem Hasse war / genugsame Ursachen eines rechtmäßigen Verdachtes hatten / sie auch selbte mit schlechter Müh hätten über einen Hauffen werffen können / so wolten sie doch lieber ihre Gefahr vergrössern / als durch eine unzeitige Rache denselben einen scheinbaren Vorwand ihres Abfalles / den Römern aber ihrer abgenöthigten Hülffe geben.

Nach dem nun Germanicus durch seltzame Hin-und Wiederführung seiner Kriegs-Völcker die Deutschen gäntzlich irre gemachet hatte / daß sie unmöglich urtheilen konten / wo er einbrechen würde; sammlete er zu Mäyntz eine grosse Menge Schiffe /mit ausgesprengtem Geschrey: daß er seine vier oberste Legionen den Rhein hinab führen wolte; wie denn auch die Schiffe mit allerhand gerüstetem Droß und vier aufgesteckten [1032] Adlern würcklich abführen / und Apronius die Catten versicherte: daß die Römer mit ihnen nichts zu schaffen haben wolten. Hertzog Arpus ward dadurch verleitet: daß weil er vom Feldherrn gewisse Nachricht bekam / Cäcina hätte zwischen der Ruhr und Lippe mit Hülffe der Tencterer und Sicambrer eine Brücke über den Rhein geschlagen / er den Fürsten Catumer mit der besten Reiterey / und dem Kerne des Fuß-Volckes / gegen dem Siege-Strome schickte. So bald Germanicus diß erfuhr / setzte er seine in Meynz versteckte Legionen / und sechzehntausend auf den Ufern der Gallier wohnende Deutschen mit dreyen flügenden Brücken so geschwinde und unvermuthet über: daß Hertzog Arpus nicht ehe /als biß das gantze Römische Heer festen Fuß gesätzt hatte / von diesem Einfalle Nachricht erhielt / und da rief er zwar seinen Sohn zurücke / und benachrichtigte es dem Feldherrn. Dieser war zwar willens den Catten Hülffe zu senden / aber weil ringsumher alles gegen die Cherusker / Bructerer und Marsen aufstand / fand er auf allen Seiten alle Hände voll zu thun. Catumer aber ward an so geschwinder Rückkehr verhindert; weil Hertzog Franck mit zehntausend Sicambern und Catten über den Siege-Strom gegangen war / und den Catten den Weg verleget hatte. Als nun Hertzog Arpus sahe: daß er dem Feinde mit seiner zertheilten Macht nicht gewachsen wäre / befahl er: daß sich alles über den Lohn-Strom flüchten / und was Waffen tragen könte / entweder zu ihm stossen / oder sich an solchem Fluß sammlen solte. Also kriegte Germanicus Lufft: daß er auf dem Berge Taunus die von seinem Vater Drusus erbaute / von den Catten aber zerstörte Festung wieder aufführen konte. Bey währendem Bau wolte Germanicus die beqveme Zeit / da wegen grosser Dürre fast alle Flüsse ausgetrocknet waren / nicht versäumen / sondern er eilte mit seinen Legionen / allen Nemetern / Vangionen / und andern Deutschen / ohne die auf dem Gebirge gelassenen Trierer über den Lohn-Strom zu kommen; welches Hertzog Arpus theils wegen Mangel des Wassers /theils weil Hertzog Melo sich mit zwölf tausend Tencterern und Juhonen an dem Flusse Seyn ankommen war / und den Catten bey Vertheidigung des Lohn-Flusses in Rücken kommen wäre. Jedoch traute Germanicus in diesem sonst regenhafften Lande weder dem Wetter noch den weichenden Catten. Diesemnach muste Lucius Apronius mit zweytausend Römern / dreytausend Tribozen / und sechstausend Galliern zurücke bleiben / über alle Ströme Brücken bauen / und selbte wie auch andere Pässe mit Schantzen versehen / damit er auf allen Fall sich wieder ohne Hindernüs gegen dem Rheine wenden könte. Bey solcher Beschaffenheit wendete sich Hertzog Arpus / als er bey dem Schlosse Dietz durch Befestigung seines Lägers an dem Lohnflusse den grösten Schein von sich gab / dar festen Fuß zu setzen. Er brach aber mit angehender Nacht in aller Stille gegen der Eder auf /theils zu seinem Sohne zu stossen / theils sich der Cheruskischen Macht zu nähern. Germanicus und Melo wurden hierüber verdrüßlich; weil sie den Hertzog Arpus in ihrer Hoffnung schon im Netze oder gar verschlungen hatten. Hingegen stiessen Arpus und Catumer bey Berleburg an der Eder glücklich zusammen; Hertzog Jubil aber kam an dem Flusse Knitz mit funfzehn tausend Hermunduren und Nariskern zu Hülffe. Also wurden die Römer und Sicamber zwar des Landes zwischen dem Sieg- und Lohn-Strome Meister / ihre Siege aber erstreckten sich nicht weiter / als über eine Menge Weiber und Kinder / und etliche verlassene Schlösser / welche den Sicambern eingeräumt wurden. Der gröste Schade war der Verlust der unbesetzten Stadt Mattium; welche Germanicus zu grossem Unwillen des Hertzogs Melo / und zur Freude der Catten einäscherte. Denn jener legte diesen Brand aus: daß ihm Mattium nicht gegönnet würde; jene aber / [1033] daß die Römer selbst an Behauptung ihres Landes verzweiffelten. Weil nun Germanicus derogestalt bey den Catten hausete / und Anstalt machte /über die vom Regen nun ziemlich angelauffene Eder zu sätzen / hatte Cäcina seine vier Legionen über den Rhein geführt / Cruptorich auch ihm fünf tausend Friesen / und Cariovalda sechstausend Bataver zu Hülffe gebracht. Mit diesen dräuete er bald den Marsen / bald den Bructerern einzufallen. Hertzog Ganasch und Bojocal stiessen auch an der Weser bey Tuliphurd zusammen / und dräueten den Cheruskern daselbst einzubrechen. Der Feldherr sätzte diesen letztern Feinden sechstausend Chamarer / acht tausend Dulgubiner / und zwey tausend Cherusker unter dem Hertzoge Segimer entgegen. Er aber gieng mit seiner Macht halb auf der einen / halb auf der andern Seite der Lippe hinunter / um wider den Cäcina so wol den Marsen als Bructerern und Catten auf ein und andern Nothfall beyzustehen. Weil Segesthes den Feldherrn versichern ließ: daß er sich in diesen neuen Krieg nicht mischen wolte / auch die geringste Kriegs-Anstalt nicht machte; ließ er bey Deutschburg / und gegen die Chaßuarier den Fürsten Sesitach Segimers Sohn / und den Grafen von Ritberg nur mit zweytausend Cheruskern stehen / und schickte den Grafen von Schaumberg mit sechstausend Cheruskern den Catten zu Hülffe. Hertzog Ingviomer hatte nicht nur seine sumpfichte Gräntzen gegen die Chauzen und Friesen besätzt; sondern stand auch mit zwantzig tausend Bructerern / und Malovend mit acht tausend Marsen fertig. Fürst Siegesmund lag inzwischen noch so hefftig als jemand an dem Feber der Liebe kranck darnieder; und hatte bey ihm diesen unveränderlichen Schluß gemacht / sich Zirolanens zu bemächtigen /solte es gleich sein Blut und Leben kosten. Ob er nun zwar Sentien / welche nach ihren geheimen Verrichtungen gantz stille nach Hause kommen war / gleich als hätte sie nirgends das Wasser getrübt / im Hertzen hassete / nahm er doch in seinem Anliegen zu ihr /und ihren glücklichen Betrügereyen Zuflucht; vielleicht weil der Betrug selbst eine angebohrne Schwachheit der Verliebten ist. Sentia versprach ihm nicht nur ihre Hülffe / sondern auch einen gewünschten Ausschlag / er solte nur tausend Reiter in verborgener Bereitschafft halten / und sich umb einen sichern Ort bekümmern / wo ihm niemand leicht seine Zirolane wieder nehmen würde. Sie wüste ihm aber keinen sicherern Auffenthalt / als bey den Römern /zu verschaffen. Siegesmund warf zwar hierwider ein: daß ihm keine Zuflucht verdächtiger seyn könte als die Römische; weil er des Käysers Priesterthum bey dem Ubischen Altare verschmähet hätte / und ihm beygemessen würde: daß er mit des Qvintilius Varus Leiche seinen Spott solte getrieben haben. Aber Sentia war eine Meisterin ihm alles bedenckliche auszureden / und sie stellte sich für seine gute Aufnehmung ihm selbst zum Bürgen. Gleich als wenn es in niedriger Leute Gewalt stünde / des mächtigern Willen zu he en; oder man beym Unglücke die Verbundenen zwingen könte: daß sie nicht ihren Kopff aus der Schlinge zügen. Diesen Betheuerungen gab er völligẽ Glauben / hielt auch zweytausend Pferde insgeheim fertig zum Aufsitzen / ohne Nachdencken: daß man an Pferden und von Weibern am meisten betrogen würde. Sentia schickte hingegen nach Deutschburg unterschiedene ihrer stets an der Hand habender Kundschaffter / welche aufs sorgfältigste erkundigen und ihr aufs geschwindeste berichten solten / wenn Ismene sich jemahls ausserhalb Deutschburg würde finden lassen. Diese brachten ihr in dreyen Tagen Nachricht: daß / seit dem der Feldherr zu Felde gezogen wäre / Thußnelde / Ismene / Zirolane / und das fürnehmste Frauenzimmer alle Morgen in die unter dem eingeäscherten Tanfanischen Tempel liegende Höle der Andacht halber sich verfügten. Sentia erinnerte hierauf ihren Stief-Sohn: [1034] daß er noch selbigen Abend sein Volck zusammen ziehen solte; denn sie wäre bereit folgenden Morgen ihm selbst seine Buhlschafft in die Hände zu lieffern. Sie wolte ihm schon Nachricht geben / wenn und wo er sich ihrer bemächtigen solte; Er möchte sich nur dem Tanfanischen Tempel nähern / und in dem Walde darbey sich verdeckt halten. Sie selbst aber zohe von Stund an dahin / verrichtete in der heiligen Höle ihre Andacht / ließ allda viel Opffer abschlachten / und wolte durch ihre Scheinheiligkeit alle Welt bereden: daß sie für die Ruhe Deutschlands sich auf einen Monat in selbiges Heiligthum verlobet hätte. Also muß die Gottesfurcht den Lastern / wie der Glantz bundten Schlangen zum Deckel ihres Gifftes dienen. Denn als den ersten Morgen die Fürstin Thußnelda mit ihrem Sohne Thumelich / Ismene / Zirolane / die Gräfin von der Lippe / von Nassau / und ander adeliches Frauenzimmer / welches vom Fürsten Sesitach mit fünffhundert Pferden begleitet ward / in dem Heiligthume ankamen / machte Sentia ihnen die demüthigste / Thußnelda aber Sentien als einer bekandten Verrätherin eine kaltsinnige Begegnung. Sentia gab hierbey einem ihrer Diener nur einen Winck; welcher spornstreichs dem Fürsten Siegesmund die abgeredete Nachricht brachte. Dieser war mit seinen zwey tausend Pferden in einer Stunde verhanden /welcher alsbald die Höle und den ungewaffneten Fürsten Sesitach besätzte / das Frauenzimmer ingesamt /wie auch den alten Priester Libys mit Gewalt zu Pferde brachte / und ungeachtet vieler von den Priestern wider diese Räuber und Versehrer des Heiligthums ausgeschütteter Flüche / und angedreuter Göttlichen Rache / davon führte. Die Cheruskische Reuterey /welche ein gutes Stücke auf der Seite hielt / ward des Raubes zwar zeitlich genung gewahr / und that alles eusserste die Geraubten zu retten; aber Siegesmund und Sentia liessen tausend Pferde mit den Cheruskern fechten / und verfolgten mit ihrer herrlichen Beute die Flucht ohne Versäumung einigen Augenblicks; welchen die übrigen Chaßuarier / wiewohl nach einem ziemlichen Verluste endlich / nach dem sie die schwächern Cherusker zum weichen gebracht hatten / aus Beysorge von grösserer Macht aus Deutschburg überfallen zu werden / folgten. Das Geschrey von diesem Raube kam nicht so bald nach Deutschburg / als alle daselbst befindliche Kriegs-Leute und Einwohner /welche Waffen tragen konten / zu Pferde sassen / und den Räubern nachsätzten. Sie holten sie auch an einem Furthe des Mönstromes ein / da es denn zu einem scharffen Gefechte kam / an welchem die Chaßuarier / welche doch wenig schwächer als die Cherusker waren / ziemlich einbüsten / weil diese so wohl der Verlust schmertzte / als Gerechtigkeit und Rache ihre Schwerdter schärffte. Diesem nach rieth der Graff von Arnsberg Segesthen / welcher mit fünffhundert Pferden zum Siegesmund gestossen war: daß er / und Sentia mit dem Raube sich auf sein nur zwey Meilen davon an der Ruhr gelegenes Schloß Arnsberg flüchten wolten. Siegesmund und er wolten inzwischen den Feind am Mönstrome noch so lange als möglich auffhalten; Dieser Rath ward für gut befunden / und befolgt. Aber der Graf von Schaumburg und Limburg sätzten mit solchem Grimme durch den Fluß: daß sie in einer halben Stunde deß von den Chaßuarien vertheidigten Ufers / und kurtz darauf des Feldes Meister wurden. Denn nach dem Siegesmund von Schaumburg eine Wunde in den Arm bekam: daß er nicht mehr den Degen halten kunte / rieth ihm Arnstein / es wäre nunmehr Zeit / auch auf seine Sicherheit zu dencken; also wiech er anfangs allgemach; endlich aber geriethen die Chaßuarier in völlige Flucht / und kam kaum ihr halber Theil in Arnsberg. Etliche wurden auch / und darunter Siegesmund vom Schlosse abgeschnitten / und gezwungen / durch die Ruhr zu schwemmen / und [1035] sich nach der Else zu flüchten. Die übrigen wurden erschlagen oder in die Ruhr gejagt. Denn die ergrimmten Cherusker würdigten als Räuber keinen gefangen zu nehmen / und die /welche auch lebendig in ihre Hände fielen / liessen sie ihre Roß-Buben an Bäume binden / und nach ihnen mit Pfeilen zum Ziele schüssen. Die Cherusker / ob sie zwar nicht den geringsten Sturmzeug bey sich hatten / machten doch alle möglichste Anstalt / Arnsberg zu belägren / thaten auch dem Feldherrn so wohl den Raub / als ihr Vorhaben zu wissen. Die meisten Chaßuarier verdammten auch selbst Segesthens und Siegemunds Beginnen / und war keiner / welcher / die Belägerten zu retten / nachziehen wolte. Segesthes und Sentia waren hingegen in grossem Kummer / weil sie wohl wusten: daß der Feldherr sich nichts in der Welt würde irren lassen / seine Gemahlin / Sohn / und andere Gefangene zu retten. Er verkleidete daher vier Edelleute in Bauern / schickte derer zwey mit Schreiben und Befehl: daß Siegesmund / welcher seine Entkommung nach Iserbon berichtet hatte / sie begleiten solte zum Germanicus / einen zum Cäcina / und einen zum Hertzoge Melo; welche ihren Nothstand / und die Herrligkeit der Beute berichten / und durch Versprechung alles dessen / was die Römer verlangen würden / sie zu erretten bewegen solten Die Gesandten Segesthens kamen mit seinen und Sentiens Briefen am ersten beym Germanicus an; welcher schon drey Tage hinter einander über die Eder zu kommen sich bemühet hatte / aber allemahl vom Hertzoge Arpus und Catumer glücklich abgeschlagen worden war. Melo und Franck solten zwar den Catten in Rücken gehen; aber die Lust ward ihnen theils durch das verbrennte Mattium / theils durch die böse Zeitung versaltzen: daß der Feldherr Herrmann zwischen der Ruhr und Lippe mit zwantzig tausend Cheruskern in das Gebiete der Sicamber eingefallen wäre / und des Melo zu Beschirmung selbiger Gräntze gelassene Bruder Dietrich mit acht tausend Sicambern und Tencterern sich zum Feldherrn geschlagen hätten. Daher meinten sie: die Liebe seiner selbst hätte das Vorrecht / und das Hembde wäre ihnen näher / als der Rock; also eilte Melo und Franck nach schädlicher Gewohnheit eigennütziger Bundgenossen nach Hause / ihr eigenes Feuer zu leschen. Germanicus nahm die Gesandten wohl / und den Fürsten Siegesmund freundlicher an /als dieser ihm eingebildet hatte; und weil er aus Arnsberg eine köstlichere Beute zu bekommen hoffte / als er durch etlicher Jahre Kriege zu erlangen ihm kaum hätte träumen lassen können / ließ er gegen der Eder /und denen Catten nur die vierzehn und sechzehende Legion unter dem Silius stehen / und schickte dem Apronius Befehl zu / mit denen zurück gehaltenen Völckern / welche nicht zu Besätzung der Brücken und Schantzen nöthig wären / diese zwey Legionen zu verstärcken. Er selbst aber wendete sich mit der andern und dreyzehenden Legion / wie auch mit seiner gantzen übrigen Macht / die er grossen theils zu Pferde sätzte / gegen der Ruhr; und weil sein starcker Vordrab die Cherusker von Arnsberg schon abgetrieben hatte / als er mit beyden Adlern nachkam / verfügte er sich selbst aus Begierde die Gefangenen zu schauen alsbald darein. Segesthes kam dem Germanicus an dem Thor freudig entgegen / überlieferte ihm etliche Stücke der dem Varus abgenommenen / und vom Siegesmund aus der heiligen Höle mit weggerafften Beute; redete den Germanicus auch mit einer grossen Zuversicht an: diß ist nicht der erste Beweiß meiner beständigen Treue / damit ich dem Römischen Volcke zugethan gewest. Nach dem mich August mit dem Bürger-Rechte beschencket / ist des Römischen Reichs Wohlstand die Richtschnure alles meines Thuns gewest; nicht zwar / daß ich als ein deutscher Fürst von meinem Vaterlande absätzen wolle; Denn Verräther sind auch euch [1036] Römern verhaßt / sondern weil Deutschlands Heil an dem Römischen hängt; Weil auch ein sicherer Friede besser als ein ungewisser Sieg ist / rieth ich / mit den Römern lieber Friede zu halten / als zu brechen. Ich habe den Rauber meiner Tochter / den unruhigen Herrmann / als einen Aufrührer beym Varus angegeben; Ich habe ihn ums gemeine Heil beweglichst gebeten / mich mit ihm gefangen zu nehmen; Aber Varus hatte hierzu keine Ohren / entweder weil er nicht klug genung / oder vom Verhängnüße zum Untergange versehen war. Folgende Nacht aber / welche ich mit meinem Blute gerne zurück kauffen wolte / erhärtete aber zu spat die Wahrheit meiner Unschuld / und das Wolmeinen meiner verachteten Warnigung. Was hierauff dann und wann erfolgt / ist mehr zu beweinen / als zu entschuldigen. Wie wenig Verständnüß und Verträuligkeit zwischen mir und dem Herrmann die Römer zu besorgen haben / ist daraus zu ermässen: daß ich ihm / und die Seinigen mir Ketten angelegt haben. So bald ich auch nur ein wenig Lufft bekommen / habe ich mit ihm die mir aufgedrungene Versöhnung abgebrochen / und bin dir zu gefallen nicht aus Knechtischer Begierde einigen Gewinnes / sondern nur meine Treue gegen die Römer zu bezeigen / und Deutschland mit euch zu versöhnen; wo es mit dir lieber friedlich seyn / als zu Grunde gehen will. Für meinen Sohn Siegesmund bitte ich Gnade / wo seine zu fallen gewohnte Jugend / und meine Verdienste es werth sind. Meiner Tochter Hertze / ich kan es nicht läugnen / hängt an ihrem Manne / aber gleichwohl ist ausser Augen nicht zu sätzen: daß sie zwar Herrmannes eures Feindes Gemahlin / aber doch euers treuen Segesthes Tochter sey. Germanicus umarmte Segesthen / nennte ihn seinen Bruder / des Kaysers Freund / versprach ihm /daß seinen Kindern kein Haar gekrümmet / und er bey seiner alten Herrschafft mit eussersten Kräfften geschützet werden solte. Hierauf ward Germanicus von Sentien bewillkommt / und in das Zimmer geführet /wo Thußnelda mit ihrem kleinen Sohne / Ismenen /und Zirolanen verwahret wurden. Die zwey letztern hatten die Augen nieder geschlagen / und konten nicht gar ihre Traurigkeit / oder vielmehr ihre Entrüstung gegen die Räuber verbergen; Thußnelda aber hielt anfangs die Hände in der Schoos zusammen geschlossen / und sahe nur ihren schwangern Leib an; gleich als wenn sie nicht so wohl um sich / als um diß / was das Tagelicht noch nicht beschienen hatte / bekümmert wäre; Jedoch ließ keine weder eine Thräne aus den Augen / noch einigen Seuffzer aus dem Hertzen steigen / und sie nahmen sich auch / so bald sie des Germanicus gewahr wurden / einer freudigern Gestalt an. Germanicus grüssete sie mit gewohnter Freundligkeit; ihre Gegenbezeigung aber war ziemlich kaltsinnig. Germanicus meinte hierauf sein Mitleiden zu bezeugen: daß er sie in solchem Unvergnügen antreffe; Welchem Ismene mit einer weder zu schwachen noch zu hefftigen Stimme / sondern welche der Ruhe ihres Geistes / und der Gegenwart ihrer Hertzhafftigkeit genugsames Zeugnis gab / antwortete: Wenn ihm sein Mitleiden ernstlich wäre / stünde es in seiner Gewalt sie aus den Händen ihrer Rauber zu erlösen / und durch ihre Erlassung vergnügt zu machen. Germanicus zohe die Achseln ein / und antwortete: Er wäre wol ihr Freund / aber zugleich ein Kriegsmann / welche scharffe Gesätze und gebundene Hände hätten. Zirolane ward durch eine so geschwinde und rundte Abschlagung ihres Gesuchs übereilet: daß sie ihm mit einer kleinen Entrüstung begegnete: Sie hätte nicht gewüst / daß der Römer Kriegs-Recht sich auch über ungewaffnete Weiber erstreckte / und verrätherischer Leute Raubereyen billichte. Germanicus versätzte: [1037] Sie solten sich darüber nicht ärgern; giengen doch anderer Völcker Kriegs-Gesätze noch viel weiter; welche auch das unvernünfftige Vieh auszutilgen Befehl ertheilten / und die Griechen hätten auch durch Zerbrechung über die Waffen ihren Grimm ausüben müssen. Diesemnach möchten sie nicht übel empfinden: daß er /als ein Feld-Hauptmann des Tiberius / so holdseliges und ihm so liebes Frauenzimmer für Römische Gefangene aufheben müste; So fern er aber Germanicus wäre / hätte er die gröste Begierde / ihnen alle Annehmligkeiten der Welt zu erweisen / und ihr Gefängniß in das annehmlichste Lust-Hauß zu verwandeln. Zirolane fiel ein: Es giebt kein ehrlich oder behägliches Gefängnüß in der Welt; und dem kan man nichts behägliches anthun / den man der unschäzbaren Freyheit nicht genüßen läßt. Ismene / welche ihre sittsame Unerschrockenheit behielt / und nicht weniger zum Germanicus / als gegen ihr selbst / ein behertztes Vertrauen bezeugte / versätzte: Ich bin dißfalls gantz anderer Meinung / und wil gerne eine Römische Gefangene seyn / wenn ich versichert bin: daß ich nur nicht der Willkühr meines Raubers übergeben werde; welchem ich zwar mein Tage nie hold gewest / ihm aber nunmehr grämer als einer Spinne worden bin. Denn ausser dem / würde ich mich ehe in den nechsten und besten Brunn stürtzen / ehe ich diesem verdrüßlichem Liebhaber das wenigste zu Willen leben solte. Ja ich wünschte nichts mehr / als mit Verlust meines Lebens an ihm sein so schwartzes Laster zu rächen. Eine solche Süßigkeit gewinnet die Rache in einem verliebten Weiber-Hertze / so / daß man zugleich muß ein Weib und verliebt seyn / wenn man ihren Kern recht schmecken will. Germanicus versprach Ismenen / und allen völlige Sicherheit. Thußnelde verlohr hierbey weder ihre erste Anstellung / noch ein Wort; weil aber der Fürsten Bilder nicht wie andere stumm / sondern lebhafftig und beredsam sind / gab sie ihre Großmüthigkeit auch ohne Sprache genugsam zu verstehen. Denn sie veränderte weder Farbe noch Gebehrden / sondern blieb immer in einem: Ihre Stirne und Augen gaben mit ihrer Beständigkeit genungsam zu verstehen: daß ihr Hertze gantz unerschrocken / und ihre Vernunfft ohn alle Verwirrung wäre. Ihre Ernsthafftigkeit war nicht aller Anmuth entblöst; und ihre Kaltsinnigkeit erstreckte sich nicht weiter / als gegen das Ubel / welches sie zu besorgen hatte; wiewohl ihr aus den Augen sehender Geist auch dem Unglücke selbst Trotz zu bieten schien. Germanicus wendete sich hierauf zu ihr alleine / und bat: Sie möchte ihm doch zutrauen; daß / so viel bey ihm stünde / er und Agrippine ihre Bekümmerniß zu erleichtern / bemüht seyn würde. Thußnelde nahm diß Erbieten zwar für bekandt an / antwortete aber: Sie wäre nicht würdig Hertzog Herrmanns Gemahlin zu seyn / wenn sein und ihres mit ihm überkommenen Gelückes Andencken nicht ihren gegenwärtigen Ubelstand zu versüssen vermögend wäre. Wiewohl sie in eines so großmüthigen Helden Hände zu gerathen für keinen Unfall halten würde / wenn es ihr nicht durch Vergehung ihres eigenen Vaters / und durch das Laster ihres Bruders begegnet wäre. Sie wäre wohl ehe unglücklicher gewest / als dißmahl / und daher käme dieser Zufall ihr weder seltzam noch unerträglich vor. Denn sie bescheidete sich: daß / wer lange auf Rosen gegangen /für nichts seltzames aufnehmen könte / wenn er einmal in einen Dorn träte; Ja der wüste nicht einst von Süssigkeit den rechten Geschmack zu ziehen / wer ihm die Zunge nie vergällt hätte. Ein Absatz des Glückes diente uns ehe zum besten / als zum Schaden. Denn wenn es uns mit einem Strome auff einmahl überschüttete / könte auch das gröste Gemüthe solches nicht fassen. Dieses / und der Krieg würde müde und verdrüßlich / wenn sie sich stets auff eine Seite hencken solten. Daher hoffte sie [1038] den Tag ihrer und der Deutschen Freyheit / wie auch die Wiedersehung ihres Gemahles / noch wol zu erleben. Weil doch das Glücke ein für allemahl der Tugend wie eine Magd nachtreten müste / auf den ärgsten Fall aber /würde doch ein ehrlicher Tod sie dem Spotte der Gefangenschafft entreissen. Germanicus befahl die Gefangenen aufs ehrlichste zu halten / ließ sie aber noch selbigen Tag mit fünf hundert Pferden gerade nach dem Ubischen Altare führen.

Unterdessen hatte so wol Cäcina als Hertzog Herrmann von Arnsberg Nachricht eingezogen / und jeder mühte sich daselbst hin gleich als zum Mittelpuncte alles ihres Vorhabens zu gelangen. Der Feldherr ließ beym Fürsten Malovend und Marsen den Hertzog Dietrich und viertausend Cherusker / gegen Cäcinen ein wachsames Auge zu haben. Mit sechzehn tausend Cheruskern aber wendete er sich gerade gegen Arnsberg / er wäre auch dem Germanicus sonder Zweiffel zuvor kommen / wenn er nicht über alles Vermuthen an dem Ursprunge der Emser / bey Trintenstad den Hertzog Melo für sich gefunden hätte. Des Feldherrn Eyver war so groß: daß er diesen ihm am Wege liegenden Feind von Stund an angrief. Aber Melo / welcher entweder meinte: daß die gantze Cheruskische Macht im Anzuge wäre; oder weil er mit den Deutschen es selbst nicht wolte auf die Spitze kommen lassen / zohe sich nach etlicher Stunden hefftigem Gefechte / darinnen er den kürtzern zohe / bey anbrechender Nacht auf Siegburg an die Ruhr zurücke. Der Feldherr blieb die Nacht auf der Wahlstatt stehen; und als er auf den Morgen keinen Feind mehr fand /verfolgte er unverhindert seinen Weg nach Arnsberg. Er hätte aber für Grimm und Hertzeleid vergehen mögen / als er nach Mittage von etlichen ihm begegnenden Cheruskern die traurige Nachricht bekam: daß selbigen Morgen Plancus mit zweytausend Römischen / und Eberhard / der Vangionen Fürst / mit drey tausend Nemetischen und Vangionischen Reitern das Schloß Arnsberg entsätzt / Segesthen / Sentien / mit Thußnelden / Ismenen / dem jungen Thumelich heraus genommen hätten. Der Graf Schaumburg / Ritberg /und Limburg hätten zwar mit allen Cheruskern / als Löwen gefochten / und drey Stunden die dreymahl stärckeren Feinde an der Einkunfft in Arnsberg / daraus gleicher gestalt ein Ausfall geschehen wäre / verhindert; aber nach dem Schaumburg todt blieben /Ritberg und Limburg harte verwundet / die Ankunfft zweyer Römischen Legionen auch von ferne erkieset worden wäre / hätten die bestürtzten Cherusker nur der Noth und dem Feinde weichen müssen. Der Feldherr erblaste und verstummete auf einmahl über dieser bösen Zeitung. Hernach ward er Feuer-roth; seine Augen brannten / er runtzelte die Stirne / ließ die Augenbrauen bald niederfallen / bald zoh er sie wieder in die Höh / die Haare stunden ihm zu Berge / die Nasenlöcher weit offen. Die Lippen schwollen ihm auf /und zitterten. Er knirschte mit den Zähnen / schäumte mit dem Munde / die Zunge ward ihm trocken; er redete nur verbrochene und unverständliche Worte; und weil er mit seinem Stammeln nicht fort konte /seuffzete er nur. Die Adern lieffen ihm auf der Stirne und am Halse auf / der Puls schlug ihm starck und gefach / und er muste noch einmahl so offt als sonsten Athem holen. Aus welcher Verstellung leicht zu urtheilen war: daß dem sonst so freundlichen und unveränderlichen Fürsten wol sein Lebtage nichts schmertzlichers begegnet seyn müste. Und alle diese Veränderung überfiel ihn in einem Augenblicke. Denn der Zorn kommet nicht nach und nach / sondern schlägt wie der Blitz unversehens / daß Knall und Fall ein Ding ist. Die Rachgier ergeußt sich wie ein feuriger Strom in alle Gedancken / brennet wie eine fressende Flamme in allen Adern / scheinet aus den Augen und allen Gebehrden auf einmahl; indem der Zorn alle Glieder auf einmahl [1039] zu seinem Werckzeuge gebrauchen wil. Weil der Feldherr nur / wie alle tapffere Fürsten / ein Bild war / dem sich alle seine Unterthanen ähnlich zu machen befliessen / ward sein gantzes Krieges-Heer mit einem gleichmäßigen Feuer von Schmertz und Tapfferkeit angezündet / daß sie alle rieffen: der Feldherr möchte sie nur als Männer wider die Räuber des unbewehrten Frauenzimmers / und als Verehrer des unsterblichen Gottes wider die Mord-Brenner und Versehrer der Heiligthümer führen. Sie wolten für ihn / für seine Gemahlin / und seinen Sohn ihren Erb-Fürsten / freudiger ihr Blut / als andere Rinder und Schaafe aufopffern. Nach dem sich nun Hertzog Herrmann von seiner ersten Bewegung ein wenig erholet hatte / und er an allen Cheruskern eine freudige Begierde zu fechten sahe / ertheilte er Befehl; daß Männer und Pferde sich ein paar Stunden erholen / ein jeder sich zum Streite fertig machen / und man in Eyl für das Fuß-Volck Steige und Brücken über die Ruhr legen solte: denn er wolte die Römer noch selbigen Abend angreiffen. Er schickte auch hin und wieder wolberittene / und selbigen Landstriches kundige Leute aus / die von Arnsberg abgetriebene Cherusker zusammen zu lesen / welche sich an ihn hencken solten. Dieses erfolgte zu grossem Glücke. Sintemal nicht ferne davon gegen Werle / der Graf von Ritberg und Limburg mit funfzehn hundert Pferden angetroffen / und ehe es jemand vermuthete / zum Feldherrn gebracht wurden. Wie diese nun zwar angenehme Gäste waren / und von ihm ihrer Tapferkeit und empfangener Wunden halber gerühmet wurden; also unterliessen bey versammleten Kriegs-Rathe Ritberg und Limburg nicht / dem Feldherrn den Angrief zu widerrathen. Sintemahl sie von etlichen Römischen Gefangenen und deutschen Uberläuffern / die sie auch ihm eintzelweise fürstellen / die einstimmige Nachricht / ja mit ihren Augen von einer Höhe gesehen hätten: daß Germanicus mit zwey Legionen / und mehr als sechzehntausend Hülffs-Völckern bey Arnsberg ankommen wäre. Der Feldherr antwortete ihnen: Er wüste es wol; und sie hätten es mit ihren Helden-Thaten erhärtet: daß in ihren Hertzen so wenig als in seinem eigenen Furcht steckte. Er glaubte auch: daß die Römer zweymahl so starck wären; aber sie hätten darbey zu viel Vernunfft / welche allezeit zu mißträulich / und daher auch zu langsam und vorsichtig wäre. Er würde selbst mit ihnen bedachtsamer zu verfahren für gut befinden / wenn nicht der Zeit Verlust ihm alle Hoffnung die unschätzbare Beute sein Lebtage wieder zu erlangen benähme / ohne welche er lieber todt seyn als leben wolte. Hundert künfftige Siege könten ihm nicht ersätzen / was diesen Tag ein einiger geben könte / weil Germanicus mit denen Gefangenen über Hals und Kopff nach Rom eilen / und zu Deutschlands ewiger Schande eines Feldherrn Gemahlin zur Magd / seinen Sohn zum Sclaven machen würde. Diesen vorhin nie empfangenen Schandfleck würde Deutschland nimmermehr mit so viel Blute ausleschen / als der Rhein und die Elbe Wasser führte. Also müste so wol die Noth als die Hertzhafftigkeit in ihrer aller Seelen nicht so wol die Zag-als übrige Klugheit ausleschen / und durch kühne Entschlüssung / durch tapffere Verrichtung ihm den Weg zur Glückseeligkeit / ihnen zur Ehre bähnen. Gleiche gegen gleiche fechten wäre ein Werck der Kleinmüthigen. Helden aber müsten ihre Feinde nicht zehlen; denn einer stünde gegen hundert. Der Feinde Menge blähete hertzhaffter Leute Hertze mehr auf / ihre Rüstigkeit ermunterte die Lebens-Kräfften / und ihre Seele wüchse mit der Grösse ihres Gegentheils. Ja es wäre gewisser; daß die Seele auf dem Stuhle der Tapfferkeit /von welchem sie alle andere Gemüths-Regungen beherrschte / als die Krafft [1040] der Sonne in dem Hause des himmlischen Löwen vergrössert würde. Denn so denn führte sie nichts als hohe Gedancken / sie sätzte ihr nichts gemeines für / sie träte alle Gewalten mit Füssen / sie verachtete so wol alle Gefahr als Dräuungen / sie freute sich bey Näherung ihres Feindes / und hielte den Angrief für den Anfang ihres Sieges. Durch solche Regungen sonderte sich der Adel vom Pöfel ab. Denn die Hertzhafftigkeit hätte alle Würden erfunden / alle Reiche der Welt in Grund gelegt / alle grosse Fürsten gemacht / den Weg der Ehre und der Unsterbligkeit eröffnet. Die Macht bildete ihr zwar ein /und das Glücke rühmte sich / daß sie Ausgäber in der Sieges-Kräntze wären; aber diß wäre ein Eingrief ins Recht der Tapfferkeit / ja wenn auch diese je zuweilen den kürtzern züge / müsten doch jene der Tugend das beste vom Siege / nemlich den Ruhm einer unverbesserlichen Gegenwehre / und daß der Feind heldenmäßig gefochten hätte / oder gestorben wäre / überlassen. Lasset uns diesem nach lieber ritterlich sterben /als uns mit der Schande beladen / daß wir als feige Leute den Römern unsere geraubte Kleinodter nicht einst strittig gemacht hätten. Hertzog Sesitach / welcher die Reiterey führte / fieng hierauf an: Ich weiß wol: daß es der meisten Kriegs-Leute Art sey alle furchtsame Anschläge zu verwerffen; weder abschüßige Klippen noch Schiffbrüche / oder die schrecklichsten Ungeheuer und Zufälle der Welt zu achten / oder ins Auge zu fassen; ja den sich in tausenderley Gestalten ihnen fürstellenden Tod für eine Bländung oder Gespenste zuhalten / damit sie selbst nicht für furchtsam angesehn werden. Aber er wolte lieber: daß er an seinem Ansehn / als das Vaterland an seiner Wolfahrt eine Verminderung leiden solte. Allem Ansehn und Umständen nach würden sie nun zwar durch ihren Angrief eine herrliche Gelegenheit rühmlich ihr Leben zu schlüssen / aber nicht die Gefangenen zu befreyen haben; hingegen würde ihr Untergang Deutschland mit sich in Dienstbarkeit reissen. Wenn es aber ja geschlagen seyn müste / wolte er nicht der letzte seyn / sondern ihm die Ehre ausbitten / den ersten Angrief zu thun. Der Graf von Limburg und selbst der von Nassau waren eben dieser Gedancken: daß es menschlicher Vernunfft nach wohl vergebne Müh / aber ein gefährlicher Streich seyn würde. Alleine weil dieser letztere wol wuste: daß ein entrüsteter Helden-Geist alle widrige Gutachten für Kleinmuth /alle böse Wahrsagungen für Aberglauben / alle für ihn führende Sorgen für Beleidigung und Beneidung seines Ruhmes hielte / und wie ein verthämter Bergstrom mit desto grösserem Ungestüme alle Hindernüsse über einen Hauffen würffe / zohe es die Achseln ein / und sagte: Wir sind ohne diß mit so viel Feinden verwickelt: daß weder menschliche Vorsicht noch Stärcke / sondern nur das göttliche Verhängnüs uns zu rechte helffen kan. Und diß / was Diener nach Verstande einrathen / muß allezeit auf Sicherheit / was aber ein Fürst entschleust / auf einen unverzagten Helden-Muth gegründet seyn. Ich rathe daher als ein Diener / nicht alles auf die Spitze zu sätzen; wenn ich aber Hertzog Herrmann wäre / weiß ich nicht / was ich thäte. Weil nun Rachgier und Verwegenheit ohne diß gewohnt ist / langsame wiewol gute Rathschläge zu verachten / das Vertrauen auf sich selbst / und übereilende Begierden sie aller Vorsicht berauben / ja das Gedächtnüs ausgeübter Helden-Thaten und die vorgesetzte edle Sterbens-Art seiner Verwegenheit ober Unvernunfft alle Flecken abwischen; Waren alle eingeworffene Bedencken / ja die eigene Einbildung alles zu verspielen / beym Feldherrn nicht so vermögend / etwas von seiner Hertzhafftigkeit zu verliehren / oder von seinem Vorsatze nachzulassen. Diesem nach sagte er: es bleibt einmahl [1041] darbey: wir wollen diese Nacht / und ehe wir vom Cäcina und Melo mehr Feinde über den Halß bekommen / siegen oder sterben. Der Feldherr hatte hiemit kaum den Rathschlägen ein Ende gemacht / als ihm Woldenburg und Ludingshausen zwey Cheruskische Edelleute die erfreuliche Zeitung brachten / daß die Ritter Arnstein /Wippra / Sittberg / Hoya / Weda / Kappenberg / Arnburg / Deipholtz / und Wintzenberg / nach erfahrnem Raube in Eyl viertausend Mann zusammen gezogen hätten / und selbte keine viertel Meile mehr entfernet wären. Der Feldherr fieng hierüber an: Höret und sehet ihrs nun! daß GOtt selbst durch Zusendung so unvermutheter Hülffe an unserm hertzhafften Schlusse ein Gefallen habe. Lasset uns also unerschrocken verrichten / was das Verhängnüs zu befördern uns anbeut! hiermit saß alles zu Pferde / und schwä ete durch die Ruhr; das Fuß-Volck aber gieng theils über die Brücken und Steige / theils schwam es aus Begierde durch / theils sätzte es sich hinter die Reiter auf die Pferde; also daß ehe die Nacht anbrach / alles übergesätzt war. Die ausgeschickten Kundschaffer brachten die Zeitung: daß Germanicus im Schlosse Arnsberg wäre / das Römische Heer sich aber nahe darbey / zwischen zweyen in die Ruhr flüssenden Bächen / gelagert hätte / die Wachen auch allenthalben wol bestellt wären. Kurtz darauf fand sich auch von den Nemetern ein Uberläuffer ein; welcher berichtete: daß die Vangionen und Nemeter zu diesem Kriege wider ihre Lands-Leute mit den Haaren gezogen wären / und zu fechten wenig Lust hätten; diesen Abend wäre ihnen das Wort: Livia / zur Losung gegeben worden. Der Feldherr ward hierüber nicht wenig froh: stellte bey dem ziemlich hellen Mohnden-Scheine sein Heer in Gestalt einer Sichel in Schlacht-Ordnung. Man sahe ihm an seiner Gestalt und Gebehrdung an: daß die Hertzhafftigkeit seinem Antlitze einen besondern Glantz eingedrückt / seiner Seele eitel edle Regungen und Entzückungen eingeblasen /alle Adern mit aufschwellendem Geblüte erfüllet /allen Gliedern eine kräfftige Bewegung zugeeignet hatte; also daß ihn in dieser Stellung billich einer der fürtreflichen Mahler hätte abbilden sollen / derer Pinsel nur Götter und Helden fürstellte. Diesem nach redete er die Cherusker / und die sich zu ihm gefundenen Chassuarier mit desto grösserem Nachdrucke folgender Gestalt an: dieses ist die Stunde ihr Fürsten /ihr Helden und Brüder / da wir es dem Germanicus wie dem Qvintilius Varus mitspielen / itzt aber so viel mehr Ehre als damahls einlegen sollen / so vielmehr Germanicus des Tiberius Sohn vornehmer als jener seyn wil. Es ist nicht der erste Tag / daß ihr mit ihm die Kräfften geeichtet / und ihm über dem Rheine gewiesen habt: daß dieser freche Jüngling euch zu bekriegen zu unerfahren sey / die Römer aber kaum euer Gesichte / weniger eure Schwerdter vertragen können. Die zwey gegen uns liegenden Legionen gehen mehr mit Aufruhr schwanger / als sie Lust zum fechten haben; und die den Römern folgende Deutschen warten nur auf eine Gelegenheit wieder über den Rhein zu fliehen. Segesthes / mein stattlicher Schwäher / ist der Urheber dieses Einbruchs; der Zweck ihrer fürtreflichen Verrichtung ist eine schwangere Frau / und etliche unbewehrte Jungfrauen zu rauben. Dieses haben sie mit Noth / und zwar durch Verrätherey und Arglist kaum zuwege gebracht. Ich aber habe drey Legionen mit ihren Obersten für freyer Faust erlegt. Denn ich halte es auch im Kriege nicht für ehrlich / jemanden zu betrügen / und für weibisch ungewaffnete anzutasten. Der Blitz schämt sich Leichen oder Schlaffende zu versehren; also reibet sich ein tapffer Gemüthe nicht an die / welche ihres Geschlechts halber sich nicht wehren können / oder welche kein Hertz haben. Ihr Cherusker habt euch der noch in dem Deutschburgischen Heyne aufgehenckten Sieges-Zeichen / die ihr über die Römer erlangt / [1042] zu erinnern. Solche müsset ihr diese Nacht zu vermehren / nicht zu verlieren trachten. Ihr ehrlichen Chaßuarier aber! entschüttet euer Vaterland so wohl aller Schande / als Dienstbarkeit; weil ihr euch des Lasters nicht theilhafftig machet / wormit der kleinmüthige Segesthes sich befleckt; welcher / um seinem Sohne das Knechtische Priesterthum wieder zu erlangen / Deutschland und die Freyheit mit dem Rücken ansehen / und auf der bezwungenen Seite des Rheines dienen will. Alle aber gedencket: daß Deutschland nimmer genug Segesthen verspeyen wird / als welcher die Römischen Beile und Stecken zwischen den Rhein und die Elbe gelockt hat. Denn dieses ist denen Deutschen gegen andere Nord-Völcker keine geringe Schande / welche von der Römischen Herrschafft ihrem Joche und ihrer Schatzung nichts wissen. Der vergötterte Augustus / der neunmahl in Deutschland zu ziehen erkohrne Tiberius / hat so vielmahl den kürtzern gezogen / und unverrichteter Dinge abweichen müssen; nun aber soll ein unerfahrner Jüngling / ein aufrührisches Kriegs-Herr Deutschlands Meister werden? Da ihr nun alle euer Vaterland / eure Eltern / eure alte Freyheit und Sitten / scharffen Herren und der Dienstbarkeit vorziehet / werdet ihr sonder Zweiffel eher mir / als dem Beschirmer eurer Ehre und Freyheit / denn Segesthen folgen / welcher euch mit sich in ein lasterhafftes Joch zu stürtzen gedencket. Der Feldherr vertraute hierauf das dritte Theil seines Heeres dem Fürsten Sesitach / und dem Grafen von Eberstein / damit er die deutschen Hülffs-Völcker der Römer zum ersten angreiffen solte. Er selbst übernahm mit dem Grafen von Nassau / Teckelnburg / Rittberg / Steinfurth / und andern / die Römischen Legionen anzufallen / und der Graf von der Lippe / und Ludingshausen musten mit dreytausend Cheruskern zum Entsatz im Hinterhalte bleiben. Fürst Sesitach gieng vermittelst des ihm bewusten Losungs-Wortes mit seinem Vordrabe bey den eusserlichen Wachen der Nemeter und Vangionen vorbey; als die letztere aber ihn viel rechtfertigen wolte / machte sich ein Theil der Cherusker an selbte; Sesitach und Eberstein aber brachen an zweyen Orten ohne einigen Wiederstand in das schlecht verwahrte Lager der deutschen Hülffs-Völcker ein; welche meist in voller Sicherheit schlieffen / und bey ihrer Erweckung mehr auf die Flucht / als Gegenwehr dachten. Daher gerieth alles in Verwirrung; die Cherusker hatten mehr zu schlachten / als zu fechten / und die Sterbenden wusten nicht / ob ihnen die Feinde vom Himmel auf den Halß gefallen wären. Der Graf von Steinfurth gieng zwar mit fünffhundert Cheruskern / welche meist alle gut Römisch redeten / auch die verlohrne Schild-Wache der Römer vorbey; weil aber immittelst sich im deutschen Lager bey Sesitachs Einfalle ein grosses Getümmel entstund / machte die andere Wache nicht nur Lermen / sondern das gantze Römische Lager ward auch wache / und kam in die Waffen / ehe der Feldherr mit dem deutschen Fuß-Volcke solches erreichte. Dieses befand er so vortheilhafftig geleget /und mit Schantzen so wohl versehen: daß er selbst /solches zu bestürmen / für eine verzweiffelte Sache hielt. Denn gegen Morgen war es mit der Berg-Festung Arnsberg / auf den andern Seiten mit einer tieffen und hohe Ufer habenden Bach / und darhinter noch mit einem tieffen Graben umgeben. Der wachsame Germanicus ließ alsobald rings umher eine grosse Menge brennender Pech-Kräntze auswerffen / um die zum Sturme fertigen Feinde desto besser zu erkiesen. Jedennoch wagte er sich nicht / iemanden in das deutsche Lager / darinnen Sesitach nach Willen wütete / zur Hülffe zu schicken / sondern er öffnete allein in seinem Lager die eine Pforte / gab mit Feuer und andern Kennzeichen denen Nemetern und Vangionen zu verstehen: daß sie sich zu ihm flüchten solten. [1043] Wie nun die Nemeter und Vangionen über Halß und Kopff dem Römischen Thore zueilten / ließ er dem Feldherrn wissen: daß er mit den Flüchtigen ins Römische Lager zu dringen verhoffte / und da gab der Feldherr Befehl / solches an dreyen Orten zu stürmen. Unterdessen lag Sesitach dem Feinde so scharff in Eisen: daß er selbst mit dreyhundert Cheruskern ins Lager drang / und würde er sich leicht des Thores bemächtiget haben / weil die Römer ihn und die Seinigen für Nemeter hielten / wenn nicht Germanicus selbst alldar auf den Wall kommen / und den eindringenden Feind zu erste wahrgenommen / und durch den Fall-Gatter das Thor schlüssen / auf die Nachdringenden aber Pfeile / Wurff-Spiesse / Steine / und Feuer ausschütten lassen. Wie nun der Feldherr durch den versuchten Sturm wenig ausrichten konte / sondern bey erfahrner Einsperrung Sesitachs / wie weh es ihm auch that /selbten muste abblasen lassen; also ward der tapffere Sesitach mit seinen wenigen Cheruskern im Lager vom grösten Theile der Römischen Reuterey umringet; gleichwohl ließ er das Hertze nicht sincken / und sätzte ihm für / ehe biß auf den letzten Blutstropffen zu fechten / als sich zu ergeben; weil er für allen andern bey den Römern verhaßt war / und Tiberius hundert Pfund Goldes dem zum Preiße aufgesätzt hatte /welcher ihn lebendig lieffern würde. Weil er aber wegen mangelnden Werckzeugs zu Eröffnung des Fallgatters kein Mittel daselbst zu entkommen sah /über diß die Römische Reuterey dar stärcker als das Fuß-Volck war / sprang er vom Pferde / und befahl seinen mit ihm versperrten Cheruskern / sie solten ihm alles nachthun. Hiermit kletterte Sesitach mit ihnen inwendig im Walle hinauf; und ob sie zwar daselbst auch auf beyden Seiten von Römern angefallen wurden / kam ihnen doch dessen Schmäle zur Gegenwehr / und daß sie nicht so gleich umringet werden konten / zu statten. Sesitach gab zwar von dem Walle seinen Deutschen etliche Zeichen / daß er auf dem Walle mit den Römern im Gefechte wäre / um sie daselbst zum Sturme anzufrischen. Diesen mangelte es zwar nicht am Hertzen und Willen / aber am Sturmzeuge; weil Sesitachs nur zu Auffschlagung der unverschantzten Deutschen bestellter Vordrab nicht damit versehen war; welcher / wenn er alsbald hätte zur Hand gebracht werden können / wie der Feldherr bey erlangter Nachricht wohl eyfrig verfügte / würde das Römische Lager an diesem Orte grosse Gefahr ausgestanden haben. Nach dem aber Sesitach mit seiner Hand voll Volcks ohne Erlangung gewünschter Hülffe lange genung ausgehalten / ein grosses Theil der Cherusker / und darunter den tapffern Lautenberg / und Wenden / verlohren; er selbst etliche Wunden empfangen hatte / ihnen auch nunmehr die Cretischen Schützen und Balearischen Schleuderer von unten her mit Pfeilen und Steinen hefftig zusätzten / sprang Sesitach auf die Brustwehre des Walles / und rieff seinen Deutschen zu: Ihr Brüder! wir haben unserer Ehre ein Genügen gethan! hier sind nunmehr zwar wol Tod und Wunden / aber weder Sieg noch Ruhm mehr zu erlangen; sondern ein ieder suche sich / so gut er kan /aus den Händen seiner Feinde zu retten. Hiermit machte er den Anfang von dem Walle heraus zu springen; welches die meisten ihm nachthäten; die aber alle grosse Mühe hatten / sich durch den Graben zu arbeiten / besonders weil die Römer mit Steinen /Pfeilen und Wurff-Spiessen sie gleichsam von dem numehr befreyeten Walle überschütteten. Sesitach kam also mit einem ziemlichen Theile davon / welcher seine Rache auf die noch übrigen Nemeter / Vangionen und Gallier ausschüttete / derer dritter Theil kaum durch die Flucht entkam / die übrigen sprangen über die Klinge der erbosten Cherusker / oder wurden gefangen. Weil nun das Römische Lager mit so weniger Macht zu erobern für eine Unmögligkeit [1044] gehalten ward / satzte sich der Feldherr an der Ruhr an einen vortheilhafften Ort / um daselbst den Germanicus zu beobachten / biß seinem bereits abgeschickten Befehle nach die über der Lippe stehende Cheruskische Macht zu ihm stiesse. Folgenden Tag ritten die Cherusker mit denen eroberten Fahnen / und Kriegs-Zeichen / unaufhörlich ums Lager herum / forderten die Römer heraus / um sich der verlohrnen Beute zu bemächtigen. Inzwischen lieffen so wohl dem Germanicus / als dem Feldherrn schlechte Zeitungen ein; jenem vom Silius / welcher mit zweyen Legionen von Catten / und denen zu ihm gestossenen Hertzoge Jubil umringt war / diesem aber / daß die Marsen mit denen ihnen zugegebenen Hülffs-Völckern vom Cäcina und Melo geschlagen / Hertzog Dietrich gefangen / Malovend aber mit Noth über die Lippe entkommen wäre. Jenes verursachte: daß Germanicus / um seinen Feind zu verführen / an Befestigung seines Lagers aufs fleißigste arbeiten ließ / gleich als wenn er lange dar zu bleiben willens wäre. Auf die Nacht aber führte Germanicus ohne Rührung einigen Spieles seine Legionen davon / und ließ im Lager nur die Stall-Buben / welche die gewöhnlichen Feuer unterhalten; und andere im Lager bräuchige Dinge zum Scheine verrichten musten. Folgenden Morgen wurden die Cherusker zwar des Abzugs gewahr; und ob zwar die Römer einen Vorsprung von sechs oder sieben Stunden hatten / würde er sie doch verfolgt haben / wenn nicht die im Läger und auf dem Schlosse Arnsberg bekommene Gefangenen einträchtig berichtet hätten: daß Thußnelda / Ismene / Zirolane / Thumelich / und Libys schon vor vier Tagen über den Rhein zum Ubischen Altare wären geschickt worden. Diese Nachricht und die Beysorge / daß Cäcina und Melo gegen die Bructerer / oder die andere Helffte seines Heeres /ihren Sieg verfolgen / und tieff ins Land einbrechen würden / zwang den seinen Unstern verfluchenden /Feldherrn den Germanicus unbeirret ziehen zu lassen /und sich gegen der Lippe zu wenden. Germanicus hatte hingegen hohe Zeit / denen verlassenen zwey Legionen unter dem Silius zu Hülffe zu kommen. Denn ob solche zwar Stertinius mit zehntausend Hülffsvölckern verstärcket hatte / so waren sie doch denen vereinbarten Catten und Hermunduren nicht gewachsen; welche sie bey ihrem weichen Tag und Nacht mit Einfällen beunruhigten / und ihnen fast alle Lebens-Mittel abgeschnitten. Endlich beschlossen Hertzog Arpus / Catumer und Jubil sie gar in einem Walde / und würde es dem Silius und Stertinius nicht besser / als dem Varus gegangen seyn / wenn Germanicus nur noch einen Tag aussen blieben wäre. Mit seiner Ankunfft aber machte er ihnen auf der Seite /wo die Hermundurer stunden / Lufft: daß sie sich aus diesem Gefängnüße aushauen konten. Gleichwohl aber hatte Germanicus mit seinen vier Legionen / und so vielen Hülffs-Völckern nicht das Hertze / gegen die Catten und Hermundurer zu stehen; sonderlich weil er besorgte / der Feldherr würde ihm in Rücken gehen. Weil nun bey den Catten biß an die Eder alles verheeret war / muste er seines Bundsgenossen Melo Lande beschwerlich fallen / und an dem Sieg-Strohme sich hinab ziehen / und beym Ubischen Altare über die Brücke gehen. Wie nun seinen Anzug die grosse Dürre erleichtert hatte; also kam das nasse Wetter den Römern im Abzuge zu statten. Denn weil sie hinter sich alle Brücken abwarffen / alle Wälder verhieben /konten die Catten sie unmöglich einholen / wiewohl Catumer mit der Reuterey ihnen noch mehr / aber denen im Nachzug geordneten Galliern ziemlichen Abbruch that. Germanicus schrieb hierauf an König Marbod: daß / nach dem er die unruhigen Catten ein wenig gezüchtigt / den Hertzog Melo in Sicherheit gesätzt hätte / wäre er / zum Zeichen / daß Tiberius nichts über dem Rheine [1045] verlangte / zurück über den Rhein gekehret. Seine künfftige Sorgfalt würde auch nichts anders seyn / als die Sicambrer / Chauzen und Friesen wider die Cherusker und Bructerer zu beschirmen.

Eben selbigen Tag kam Agrippine von Meyntz beym Ubischen Altare an. Sie hatte sich nur wenige Zeit mit dem Germanicus ersehen / als sie zu der gefangenen Thußnelde und anderm deutschen Frauenzimmer eilte / und selbte nicht ohne Thränen bewillkommte. Sie fand sie aber alle muthiger / als sie ihr hatte einbilden können / und sie konte sich fast nicht darein finden / wie sie bey dem Verluste ihrer Freyheit einerley Gesichte / wie sie bey gutem Glücke gewohnt waren / machten. Thußnelda / welcher nebst dem andern Frauenzimmer mit dem Anblicke Agrippinens gleichsam eine Schale voll Freuden-Oeles ins Hertze gegossen ward / danckte mit einer annehmlichen Ehrerbietung Agrippinen für ihr Mitleiden / und daß sie bey so sehr verändertem Glücke nichts an ihrer alten Zuneigung verändert hätte. Bey dieser Versicherung würde ihre Gefangenschafft mit wenigen Sorgen / und keinem Betrübnüsse bebürdet seyn; weil sie unter dem Schirme einer so tugendhafften Frauen keinen Anstoß an ihrer Ehre zu befürchten hätten. Denn wenn diese in Sicherheit wäre / würden sie ohne Ungedult alle trübe Wetter über ihre Häupter gehen lassen / weil sie von Kindheit auf gesehen / und die Erfahrung sie gelehrt hätte: daß hohe Häupter ihre Thränen / wie die Gebürge ihr Wasser hätten; und daß das Glücke über seinem Bestande niemanden Bürgen sätzte; diesem müste man wie einem Narren alles zu gute haben / weil es gewohnt ist aller zu spotten; und gleichwol müste man der Ehrerbietigkeit gegen das Glücke nicht vergessen / weil es so grosse Gewalt und Freyheit hat; und auch / wenn es einen am ärgsten mit Füssen tritt / den Elenden noch zuweilen Lufft läßt /oder einen holden Blick giebt. Dieses geschehe ihnen durch die tröstliche Heimsuch- und Erklärung der unvergleichlichen Agrippine. Diese antwortete: Sie wünschte von Hertzen: daß sie so ungebundene Hände als ein verknüpfftes Hertze hätte / so würde ihre Bestrickung in einem Augenblicke aufgehoben /und ihre Füsse so frey als ihre grossen Gemüther seyn. Es gereichete aber ihr / welche dem Glücke ebenfalls wenig gutes zuzutrauen verborgene aber erhebliche Ursachen hätte / zu einem mercklichen Troste: daß sie an ihrem Beyspiele sähe / wie vollkommene Tugend allezeit gerade bliebe / und sich durch die schlimmsten Unglücks-Fälle nicht krumm beugen liesse. Sie erfreute sich: daß die Tugend durch Widerwärtigkeit wie das Eisen vom Schleifsteine geglättet und geschärfft werde / und also falsch sey derer Meinung / die die Tugend eben so für ein unnütze Ding als das Glücke für unbeständig halten / weil jene so wenig Früchte trüge / als diese Treu und Glauben hielte. Ja / sagte Thußnelde / dieses ist freylich ein grosses Vorrecht der Tugend: daß sie auch dem Unglücke durch den Sinn fährt; und daß diß niemanden keine so feste Stricke lege / welche nicht ein tapfferes Gemüthe wie Spinnen weben zerreisse; ja daß es ihm keinen so hartnäckichten Kopff fürsätzen könne / welchen nicht Gedult und Beständigkeit zu erweichen wisse. Aber diß ist noch ein viel grösseres Werck /und an der großmüthigen Agrippine zu verwundern: daß nach dem die / welchen das Glücke alles verhängt / so gerne auf Abwege gerathen / und weil man so wenig in die Länge grossen Wolstand als starcken Wein vertragen kan / die Tugend gleichwohl die Gemüther so befestige: daß sie gegen die / denen das Glücke auslescht / dennoch die Freundschafft nicht verschwinden läßt; welche ins gemein an die Speichen des Glückes angehefftet ist / und mit seinem Rade sich herum wältzet; also daß sie die Gefallenen nicht mehr kennet / oder zum höchsten mit einem kaltsinnigen Mitleiden ihre Seele ausbläset. [1046] Agrippine färbte sich ein wenig über diesem zwar scheinbarem Lobe /welchem aber des Beysatzes halber kein geringes Mißtrauen anzukleben schien; gleichwol verhüllte sie diß selbst / und fieng an: Weil die vollkommene Thußnelde allen / denen sie wol wolte / das Maaß ihrer Vollkommenheiten zueignete / machte sie aus einer so geringen Bezeugung ihrer grossen Schuldigkeiten gar zu viel Werckes. Sie müste vergeßlicher als Heydächsen seyn / wenn sie in so weniger Zeit ihrer Verträuligkeit nicht mehr indenck leben solte. Es müsten in ihrem Hertzen alle Funcken der Tugend verglommen seyn / wenn sie eine so reine Freundschafft mit einer so undanckbaren Abbrechung beflecken solte. Eine edle Seele büssete durch das Abnehmen seines Glückes so wenig / als der alte Mohnde an seiner Grösse ein; und sie verliehre wie ein von seinem marmelnen Fusse gestossenes Bild zwar etwas an seinem Ansehn / nichts aber an seiner Güte. Ihr eigen Hertze weissagte ihr mehr als alle Wahrsager: daß sie in weniger Zeit mehr als Thußnelde Mitleidens bedörffen würde. Der aber wäre nicht klug / und nicht werth glücklich zu seyn / der sich auf gegenwärtigen Sonnenschein verliesse / und mit dem Winde den Mantel der Liebe und Freundschafft umwendete. Ihr wäre zwar vieler irrige Meinung unverborgen: daß hoher Stand für die zarten und süssen Regungen der Liebe / sonderlich aber wahrer Freundschafft zu viel Härte und Aufblähungen hätte. Sie wüste wol: daß die Freundschafft keinem sich auf die Gipfel der Zedern setzenden Adler sondern den Bienen verglichen würde / welche in Thälern aus denen sich von dem Morgen-Thaue bückenden Kräutern die Seele der Blumen /und den Geist der Gestirne zu ihrem süssen Unterhalte sammleten. Alleine Thußnelde und die andern Fürstinnen würden ihrer eigenen Ankunfft und Hoheit Abbruch thun / wenn sie die Freundschafft / durch welcher Flügel sich viel Helden biß auf die höchste Spitze der Ehren und Gewalt geschwungen / welche die beste Schutz-Säule eines Reiches ist / nur in leimerne Hütten verbannen / sie dem Adel absprechen /und dem Pöfel zueignen wolte. Sie halte diesem nach Thußnelden für ihre alte Freundin / und zweifle nicht: daß Freundschafft sich nirgends ausschlüssen lasse /wo die Tugend einen Zutritt hat; und daß keine grössere gefunden werde / welche ihr nicht weiche /und aller Eigennutz ihr aus dem Wege treten müsse. Thußnelde begegnete Agrippinen mit ihrer gewohnten Offenhertzigkeit; Sie wüste gar zu wol / daß aufrichtige Freundschafft mit Fürsten eine so gute Verträgligkeit / als das reine Silber der Lilgen mit dem sie krönenden Golde haben könte; ja wenn sie auch bey andern nicht wohnen solte / würde sie doch von der aufrichtigen Agrippine unabtrennlich seyn. Sie hätte solche schon so viel mahl geprüfet / daß ein einiges ihrer Worte als das sicherste Pfand überflüßig darfür stün de / weil ihre Zunge nichts reden könte / was mit ihrem Hertzen nicht überein stimmte. Unterdessen hörte doch Agrippinens beständige Freundschafft nicht auf ein Wunderwerck in der veränderlichen Welt zu seyn / wo die auf den Gipffel der Ehre und des Glücks steigenden Menschen ins gemein sich denen auf einen Baum empor kletternden Affen gleiche machen / welche Kopff und Leib zwischen das Laub verstecken / und denen Untenstehenden nur ihr garstiges Hintertheil weisen. Wenn aber auch zwey beysammen im Nachen einerley Würde und Freundschafft sitzen /einer aber ins Wasser fällt / giebt es nur einen Eutydicus / welcher ihm mit Gefahr nachspringt / seinen sinckenden Damon zu retten. Hingegen mangelt es nicht an falschen Freunden / welche dem sich ans Schiff anhaltenden / aus Beysorge umgestürtzt zu werden / die Hand abhacken. Daher sätze ich die Beständigkeit eines glückseeligen Freundes / gegen einem gefallenen / auf die höchste Staffel der Tugenden. Agrippine versätzte: [1047] die Beständigkeit ist sonder Zweiffel die Seele und Krone aller Tugenden; welche Stückwerck und ein unausgemachtes Werck bleiben /weñ jene sie nicht aus- und vollkommen machte. Fürnemlich aber ist die Freundschafft ohne behertzte Austauerung ein blosser Schatten und Spiegelfechten. Alleine / ich halte für viel leichter bey gutem Glücke gegen Mitleidens-würdige Elende Farbe zu halten /als daß ein Unglücklicher nicht den Muth sincken und sich keine Kleinmuth bemeistern läßt. Diese letztere Beständigkeit sticht allen andern die Augen aus / und ist etwas mehr als menschliches. Sie sieht ihren Feind ohne Furcht und Schrecken an; sie betrachtet ihn ohne Unruh und Verwirrung; und traut sie ihn gleich nicht zu überwinden / so ist sie doch sicher / von ihm nicht überwunden zu werden; und traut ihrer Tugend zu: daß an ihr alles böse der Welt / weniger als die wüttenden Wellen an felsichten Ufern ausrichten könne / ja / daß wenn gleich der Himmel einfiele / sie doch von zerbrochenen Stücken nicht würde zermalmet werden. Sie hat bey ihrer Stille und Mäßigkeit diß besondere: daß sie nicht nur alle Gemüths-Regungen und die Vernunfft / sondern das alles sonst zu Bodem tretende Glücke / und ihre Uberwinder überwindet. Sie fühlet keinen Schmertz / Schiffbruch / Armuth / Tod / Dienstbarkeit / Verläumbdung / und der Verlust der Ehre hält sie mehr für schreckende Gespenster als rechtschaffene Feinde; denn wenn sie diß / was sie am liebsten hat / einbisset / kommt es ihr für / als wenn sie dem Glücke ein Vorlehn bezahlte. Wenn sie ihre Glieder zerfleischen sieht / bildet sie ihr ein: es treffe nicht ihr Fleisch / sondern nur ihre Kleider. Die Dienstbarkeit erstrecket sich bey ihr nur auf den Leib / niemahls über das Gemüthe. Keine Schmach kan ihrer Unschuld Abbruch thun / und ihre Ehre schätzet sie so hoch über alles Urthel der Menschen / als die Sonne über die Dünste der Erde erhöhet zu seyn. Die sonst unabtrennliche Gefärthin des Elendes / nemlich die Traurigkeit / kommt ihm entweder nicht zu Leibe / oder wächset ihm wenigstens nicht zu Kopffe / sondern je mehr es stürmet und donnert / je mehr wächset ihr der Muth alles auszustehn; ja wenn der Tod sich ihr endlich so grausam für Augen stellt: daß einem andern daran nur denckenden das Hertze klopfft / die Haut schauert / und die Haare zu Berge stehn / behält sie ihre Freudigkeit. Welches wahrhafftig eine Sache über die Vernunfft und die Natur / und den Gedancken unbegreiflich ist. Thußnelde begegnete Agrippinen: Sie hätte zwar ein Bild einer so vollko enen Beständigkeit aufgestellt; welches nicht nur ihr und andern Gefangenen / welche bey einer so holdseeligen Fürstin ehe im Rosen-Garten als im Gefängnüße säßen / mit keinem Striche ähnlich / auch vielleicht nirgends als in der Giß-Forme ihrer tiefsinnigen Gedancken zu finden wäre. Nichts desto weniger bliebe es doch eine unhintertreibliche Wahrheit; daß es schwerer wäre gegen die uns liebkosenden als uns mit Sturm anfallenden Gemüths-Regungen auszuhalten. Ein Meuchel-Mörder liesse sich übeler als ein trotziger Feind vom Leibe halten. Wollust / Ehre und Eigennutz wären diese Zauberinnen / welche uns unaufhörlich mit Versprechung vieler Glückseeligkeiten zusätzten / und unsere Sinnen selbst zu Beyständ- und Gehülffen hätten. Von diesen nun nicht erweichet zu werden / erforderte eine Beständigkeit / welche die Klugheit allezeit zur Schildwache / die Unempfindligkeit zum Beystande hätte. Jene müste ihr das Gifft vom Honige / den Betrug von der Wahrheit unterscheiden; diese ihr für den Irrlichtern die Augen bländen / und für den verführischen Zauber-Liedern die Ohren zustopffen / damit sie mit einer ernsthafften Verächtligkeit alle liebkosende Versuchungen abfertigte. Mit einer so fürtreflichen Beständigkeit ist Agrippine und die gerüstet /welche ihrem fallenden Freunde die Hand reichen. Denn was [1048] kan Agrippinen ergötzlicher begegnen / als daß sie ihren Germanicus mit Lorbern über die bezwungenen Deutschen / und mit so viel erlauchten Gefangenen zu Rom im Siegs-Gepränge einziehen siehet? Was könte ihren Ehrgeitz mehr kitzeln / als wenn sie sich auf dem Capitol von gefangenen Fürsten als Sclavinnen bedienen sähe? So aber trauen wir uns diese Schande nicht zu erleben / da Agrippinens Güte uns mit dem Schatten ihrer Freundschafft zu beschirmen würdiget. Auf die Abwendung dieser einigen Schmach zielet alleine unsere demüthigste Bitte; Diese Gewehrung werden wir für ein Werck der allerbewehrtesten Freundschafft annehmen / und für was grössers schätzen / als daß Harmodius / ehe er seinen Freund Aristogiton verrathen will / sich ehe auf der Folter zerreissen; Dindamis / ehe er seinen Freund in der Sarmatischen Gefangenschafft lassen kan / ihm statt des Lösegeldes die Augen ausstechen ließ. Ich bescheide mich wohl: daß keine Bande der Freundschafft so feste sind / daß sie diese / wormit wir uns an das gemeine Wesen verknipfft wissen / auffzuschlingen vermögen solten. Alleine deine unvergeltbare Freundschafft wird weder der Vergnügung der Römer / noch der Ehre des Germanicus das geringste nicht entziehen. Denn / glaube mir / Agrippine / daß unter meinen / und meiner Mitgefangenen Brüsten keine knechtischere Hertzen / als in der wollüstigen Cleopatra stecken; und daß es der Römischen Macht doch am Vermögen fehlen werde / mir die Werckzeuge / wormit ich mich und meinen Sohn vor dem Siegs-Gepränge tödten könne / aus dem Wege zu räumen. Denn wir Deutschen dörffen unserm beschwerlichen Leben abzuhelffen / weder Messer / noch Feuer /noch Gifft / sondern wir wissen mit unserm verhaltenen Athem uns zu erstecken. Ismene und Zirolane umfaßten mit thränenden Augen bey diesen Worten Agrippinens Knie / und sagten: Dieses wäre auch ihre beständige Meinung / ihr höchster Wunsch / und die einige Glückseligten / welche sie in ihrem Leben einzubüßen hätten. Agrippinen giengen hierüber die Augen über / und sie versicherte sie: daß sie weder die Verkleinerung des Germanicus / noch der Unwille des Römischen Volckes / noch der Zorn des Tiberius /noch einig ander menschliches Absehen von dem ihrer Freundschafft obliegenden Vorsatze sie dieser besorgten Schande zu überheben abwendig machen solte. Sie wolte hierzu nicht nur alle Kräfften anwenden /alle Mittel hervor suchen / sondern sie wolte ihr selbst ehe Weh und Leid anthun / als sie solche Freund- und Heldinnen solte lassen einen Spott / und Schauspiel des Römischen Pöfels werden. Hierüber umarmten alle drey Agrippinen inbrünstig / und gaben durch solche Kennzeichen gnugsam zu verstehen; daß ihnen daran mehr / als am Leben gelegen wäre. Thußnelde absonderlich mühte sich ihre Danckbarkeit nicht so wohl mit Worten / als andern Ausschüttungen ihres Hertzens / Agrippinen zu verstehen zu geben / hernach sagte sie: Sehet ihrs nu / liebe Schwestern / daß unser Agrippine beständige Freundschafft ein zweyfaches Wunderwerck sey / weil sie nicht nur damit ihr Hertze wider die heuchelnden Anlockungen verhärtet; sondern auch die stürmenden Regungen sich an ihrer Gedult vergebens abmärgeln / und sich so wenig durch Haß / Neid / Zorn und Verläumdung anderer /als durch die Ehre und Liebe des Germanicus / von ihrer zu uns tragenden Neigung ableiten läßt; also mit ihren gütigen Würckungen sich der Sonne gleichet /welche mit ihren wolthätigen Strahlen etliche Dinge härtet / etliche zerschmeltzet. Agrippine nahm hierauf mit wiederholter tröstlichen Versicherung Abschied /und ersahe sich niemahls mit dem Germanicus: daß sie nicht Thußneldens / und ihres artlichen Knabens /wie auch Ismenens und Zirolanens zum besten gedachte / ihre Tugenden und Vollkommenheit heraus striech; hingegen die verrätherische Entführung [1049] Sentiens und Siegemunds auffs ärgste schalt; also auch mit beyden alle Zusammenkunfft sorgfältig vermeidete. Weil sie nun beym Germanicus in keinem geringern Ansehen stunden / war es bey ihm leicht zu erhalten: daß sie nicht allein als angenehme Gäste Fürstlich unterhalten worden / sondern auch in der Stadt und daherum aller Freyheit / ja täglich der beliebten Gesellschafft Agrippinens genassen. Diesen zu Liebe ward auch der Priester Libys / welcher ohne diß auch bey den Römern seiner Weißheit und Heiligkeit halber wol gesehen war / und daher seinen Raub ihrer wenig billichten / mit andern Gefangenen wohl gehalten. Ob auch wohl Germanicus anfangs willens war / den Thumelich mit einer Anzahl Catten nach Ravenna / wohin ins gemein die Kriegs-Gefangenen voran geschickt / und im Fechten geübt zu werden pflegten / zu versenden / um dardurch seinen vermeinten Sieg zu bescheinigen / so legte sich doch Agrippine mit aller Gewalt darwider / ihm einhaltende: daß er mit einem vierjährigen Kinde seinen Sieg ehe verkleinern und verdächtig / als wahr machen / hingegen Thußnelden mit ihm das Hertz aus dem Leibe reissen / und sich mit dem Nahmen eines grausamen belasten würde.

Wenig Tage nach des Germanicus Rückkunfft schickte ihm Cäcina den gefangenen Fürsten Dietrich / welchen sein Bruder Melo in dieser Bestrickung selbst gerne sah / iedoch mit dieser schlechten Zeitung zu: Er hätte zwar mit den Sicambern den Marsen einen Streich versätzt / wäre aber numehr mit seinen vier Legionen sehr im Gedrangen / und Hertzog Melo nebst denen andern deutschen Bundsgenossen fiengen an zu wancken; weil der Feldherr Herrmann mit seinen zusammen gezogenen Cheruskern auf der einen /Ingviomer und Malovend mit den Bructerern / Dulgibinen / Tubanten / und den ihren Hertzog und Siegemund als Rauber verfluchenden Chassuariern auf der andern Seite ihm auf den Halß / und dem Melo ins Hertze seines Landes gerucket wären. Uber diß wäre der Graff von Manßfeld und Stolberg des Nachtes mit der durch die Weser schwämmende Reuterey den Chauzen eingefallen / hätten das gantze Lager in Brand und Verwirrung gebracht / etliche tausend niedergehauen / und wenn Segimer dem Verlaß nach mit dem Fuß-Volcke nachgedrückt hätte / wäre selbigen Tag Hertzog Ganasch mit allen Chauzen und Römern erschlagen worden. Der Feldherr Herrmann hätte deß wegen Segimern abgesätzt / und das Heer dem Manßfeld vertraut. Uber diß sprengte er allenthalben aus: daß Germanicus nach grossem Verluste für den Catten und Hermunduren flüchtig worden / und mit genauer Noth über den Rhein entkommen wäre. Am allermeisten aber trachtete er die zwischen und um das Beltische Meer herrschende Fürsten wider die Römer in Harnisch zu bringen / und aus der unerschöpfflichen Scheide der Völcker / nehmlich aus den Nordländern / Gallien und Italien zu überschwemmen. Zu welchem Ende denn schon sechstausend Cimbern beym Manßfeld ankommen / und Hertzog Ganasch mit Sack und Pack biß nach Fabiran zurück gewichen wäre. Germanicus gerieth hierüber in keinen schlechten Kummer / weil seine vier abgemattete Legionen der Ruh von nöthen / er auch zu besorgen hatte: daß wenn er solche unten in Krieg einflöchte / die Catten oben über den Rhein setzen / und in Gallien einbrechen würden. Mit dieser Zeitung fand sich der zum Unsterne Deutschlands gebohrne Adgandester auch wieder ein; welcher im Nahmen des Königs Marbod dem Germanicus wegen der wider die frechen Catten ausgeübten Rache Glück wünschte / und ihn seiner beständigen Freundschafft mit gewohnten Heucheleyen versicherte. Hierbey rühmte er die treuen Dienste des Fürsten Flavius / und wie seine Tugend nicht nur würdig wäre / sondern auch König [1050] Marbod gerne sehen würde / wenn Germanicus ihn in sein väterliches Erbtheil einsetzen; also den Ruhm seiner Siege und Gerechtigkeit vergrössern / und mehr deutsche Fürsten zur Verträuligkeit anlocken würde / Germanicus könte nichts grössers thun; denn es wäre was über-Fürstliches einen Fürsten in seine Herrschafft einsätzen. Flavius / welcher beym Cäcina die deutschen Hülffs-Völcker führte / in der Schlacht wider die Marsen das beste gethan / und selbst den Fürsten Dietrich gefangen beko en hatte / erinnerte den Germanicus mehrmahls seines ihm gethanen Versprechens. Germanicus sahe wohl: daß an diesem Nagel der Abfall aller Deutschen / und nicht nur sein / sondern der Römischen Waffen Ansehen hieng / iedoch traute er aus Furcht der Catten nicht / den Ober-Rhein zu verlassen. Weil aber der schlaue Adgandester diesen ihm im Fuße steckenden Dorn allzuwol merckte /versicherte er den Germanicus / er wolte beym Marbod zu Wege bringen: daß er ein grosses Theil seines Kriegs-Volckes gegen die Gräntze der Hermundurer ziehen / und durch andere Anstalten den Catten keinen geringen Argwohn eines Uberfalls einjagen wolte: daß diese ohne diß durch Krieg und Brand ausgesogene Völcker wohl Galliens vergessen würden. Weil nun aus Italien und Hispanien auffs neue etliche tausend neugeworbene Völcker ankamen / die bey den Batavern gebaute Schiffs-Flotte auch fertig lag / und bey der Ubier Stadt angelendet war / entschloß sich Germanicus endlich die Cherusker im Hertzen anzugreiffen / und den Flavius zum Fürsten zwischen der Weser / und der Elbe einzusätzen. Er befahl diesem nach: daß die neundte Legion / welche in Gallien am Britannischen Ufer lag / gerade gegen der Mosel fortrücken / und Acilius Avola / und Julius Judus sich mit zwantzig tausend Galliern an Rhein setzen solte. Lucius Domitius verfügte sich nach Meyntz / samlete daselbst von Rauracern / Tribochen / Vangionen / und Nemetern ein neues Heer / und sprengte aus: daß er daselbst zwey in Noricum und bey denen Vindelichern liegende Legionen erwartete. Visellius Varro ward mit drey tausend Römern / und sechstausend Trierern auf das Taunische Gebürge in ein fest verschantztes Lager gelegt. Nach dem nun Germanicus diese und andere gute Anstalten am Rheine gemacht hatte /brach er unvermuthet auf / sätzte seine vier Legionen bey der Ubier Stadt in die fertigen / und theils mit Friesischen / theils Batavischen Bootsleuten versehene Schiffs-Flotte. Die Helffte derselben führte Römische Adler / die andere Cheruskische Pferde in Flacken; und Hertzog Flavius / welchem alle Deutschen und Ausländer untergeben waren / ließ von seinem vergoldeten Schiffe eben so wohl / als Germanicus / eine Haupt-Fahne wehen. Die Absegelung geschahe mit grossem Geschrey und Frolocken. Die Boots-Leute hatten alle Mast-Bäume mit Laube bekräntzt / und die Schiffe waren mit köstlichen Teppichten bedeckt. Auf der Vahalis kamen noch zweyhundert theils mit Galliern und Batavern / theils mit Lebens-Mitteln beladene Schiffe herauf. Gantz Nieder-Deutschland war bekümmert / wohin denn diese mächtige Schiffsrüstung angesehen wäre / und erwartete nicht ohne Schrecken / wohin denn dieser Blitz einschlagen würde. Der kluge Feldherr sahe aus allen Umständen wol: daß es auf niemanden als ihn gemüntzet wäre; und daß Germanicus durch den Flavius seinem Kriege einen Schein / und den Cheruskern einen blauen Dunst für die Augen machen wolte; also entweder wie für Zeiten sein Vater Drusus in die Elbe oder Weser einfahren / und daselbst aussetzen würde. Daher schickte er in höchster Eyl den Grafen von Regenstein / von Schauenberg / und Spiegelberg über die Weser; daß sie daselbst alles für dem Einfalle warnigen / in Waffen bringen / die Weser und Elbe durch [1051] eingeworffene Bäume unschiffbar machen solten. Den Grafen von Bentheim / Steinfurth / schickte er mit zehntausend Cheruskern und Dulgibinen dem Manßfeld an die Seite / um die Weser zubeobachten. Denen nähern Orten meinte er selbst bey Zeite beyzuspringen. Er schrieb an Hertzog Arpus und Jubil um so viel Hülffe / als sie bey Entfernung fast aller Römischen Macht entbehren könten / weil das Geschrey von denen ankommenden Legionen aus Noricum nach Meyntz / und das Schwermen der Gallier am Rheine /ein blosses Spiegelfechten wäre / und mehr aus eigener Furcht / als in Hoffnung die Catten damit zu schrecken / geschehe. Die Catten auch sich so viel weniger eines Römischen Einfalls zu versehen hätten / weil kein Feind zwischen dem Rheine / und der Eder in dem verwüsteten Lande stehen könte. Cäcina und Melo warteten bey dem Einfluße der Lippe in Rhein auff den Germanicus; weil ihr Lager in dem Cäsischen Walde nicht ferne davon stund. Nach seiner Ankunfft und Unterredung ward geschlossen: man solte dem Feinde bald dar bald dort einzubrechen dräuen; Und zu dem Ende wolte Germanicus seine und des Cäcina meiste Reiterey / welche des Nachts in möglichste Stille eingeschifft ward / auf dem Flevischen See aussätzen: daß sie den Bructerern am Rücken ein Schrecken einjagte. Melo solle mit seinen Sicambern und Tencterern zwischen der Lippe und Ruhr den Chassuariern und Catten dräuen; Cäcina das für sich selbst feste Lager nur mit einer Legion / mit den neu anziehenden Ubiern unter dem Stertinius besätzt / und auf allen Fall den weichenden Feind verfolgen lassen; Cäcina selbst aber solte drey Legionen unvermerckt aus dem Lager ziehen / mit selbten durch das Gebiete der Bructerer gegen dem Vider-Strome durchbrechen; und an der Emse solte die gantze Römische Macht zusammen stossen / um den derogestalt irre gemachten und zertheilten Feind desto leichter aufzureiben / weil Germanicus / ungeachtet seiner ungeheuren Macht und so vieler auf seine Seite gebrachter Deutschen / sich dennoch für den Cheruskern /Catten und Bructerern / wenn sie zusammen stiessen /nicht wenig fürchtete. Der Anschlag gieng anfangs wol von statten; denn Germanicus und Flavius kamen bey hohem Wasser auf dem Rheine durch den Drusischen Graben und die Isel in wenig Tagen glücklich auf die Flevische See / allwo er beym Einflusse des Vieder-Stroms viertausend Römische Reiter aussätzte / welche sich mit tausend Batavischen und des Fürsten Cruptorichs fünftausend Friesen vereinbarten. Pedo führte diese auf denen vom Domitius angegebenen Tämmen von hinten zu an dem Vider / und Cäcina auf der Seite seine drey Legionen mit zwey tausend Menapischen und fünff hundert Römischen Reitern den Bructerern über den Halß; also daß diese Zeitung auf einen Tag dem Hertzog Ingviomer einlief. Eben selbigen Tag kam der Ritter Horstmar vom Grafen von Mansfeld mit der Zeitung: Er hätte aus unterschiedener gefangener Römer und Chauzer Aussagen und andern Anstalten starcke Vermuthung: daß die Römische Schiffs-Flotte in die Weser einfahren / und an selbigem Strome die gantze Macht zusammen ziehen würden. Denn Hertzog Ganasch liesse daselbst alles / was nur die Hände brauchen könte / an Besserung der Wege und Brücken / wie auch Räumung des Flusses arbeiten / und eine grosse Menge Brod und Lebens-Mittel ausladen / welche mit Batavischen Schiffen nebst einem Theile Römischen Kriegs-Volckes in selbigem Strome schon eingelauffen wären. Der Feldherr und Ingviomer waren beschämet: daß sie des Cäcina und dreyer Römischen Legionen Abzug aus dem Lager nicht wahrgenommen hatten; also beschlossen sie mit ihrer Macht sich rückwerts zu ziehen; Ingviomer solte Cäcinen und die Friesen / der Feldherr den Germanicus und [1052] die Chauzen beobachten / Malovend alleine mit seinen noch übrigen Marsen und drey tausend Bructerern der Endes stehen bleiben / den ihren Heeren folgenden Vorrath bedecken / und wenn er für einer feindlichen Macht weichen müste / alles hinter sich verbrennen. Alle aber solten wol zuschauen: daß der Feind nicht zwischen sie kommen / und von einander abschneiden könte. Der Feldherr eilete so viel er immer konte die Weser zu erreichen / ehe Germanicus und Melo zusammen stiessen; und Ingviomer mühete sich Cäcinen den Weg zu verbeugen / ehe er die Vider erreichte / und zum Pedo und Cruptorich stiesse. Weil aber diese einen guten Sprung voran hatten / und die zu Hause gebliebenen Bructerer zu schwach waren einer solchen Macht die Stirne zu bieten / war diese Vereinbarung zu verhüten unmöglich. Malovend ließ zwar sein Theil des gemeinen Schlusses ihm sorgfältig angelegen seyn; und machte dem ihm mit wol zweyfacher Macht folgenden Stertinius genugsam zu schaffen /und hielt ihn bald mit Abwerffung der Brücken / bald mit Verhauung der Bäume / bald mit kleinen Treffen auf. Weil er aber gar zu wol wirthschafften / und Ingviomern nicht gerne viel Land verderben wolte / versätzte ihm Stertinius / nicht so wol weil er es versah /sondern weil er zum Unglücke gleichsam versehen war / einen unvermutheten Streich. Denn ein boßhaffter Bructerer / welcher wegen Abbrennung seiner Hütte erzürnt war / lief zum Stertinius und weisete ihm des Nachts um ein schnödes Geld einen kurtzen Weg über gewisse Tämme; also daß Malovend mit anbrechendem Tage den Feind ihm die Stirne bieten sahe / welchen er hinterm Rücken zu haben vermeinte. Weil nun weder Zeit noch Platz zu entkommen übrig war; also muste er nur stehen / seinen Bructerern und Marsen ein Hertz zusprechen: daß sie hier für ihr Leben und Freyheit tapffer fechten / und zum wenigsten ihre Haut theuer verkauffen solten. Denn hertzhafften Leuten wäre es so viel als ein Sieg / wenn sie nicht ungerochen stürben. Er eilete diesemnach sein Volck zum ersten in Schlacht-Ordnung zu bringen; welch Vorkommen den Seinigen ein Hertz giebt /dem Feinde vermindert / und keinen geringen Vortheil giebt / weil man sich der Gelegenheit des Ortes bedienen / und dem Feinde / ehe es zum Treffen kommt /schaden kan. Malovend sätzte sich also unverhindert zwischen einen Sumpff / damit die Seinigen weder auf die Flucht eine Hoffnung sätzen / noch Stertinius ihnen in die Seite einbrechen konte. Die vorangeschickten Gallier konten kaum das Gesichte der Bructerer vertragen; die darauf folgenden Menapier hielten auch kurtze Zeit Stand / und wurden sie vom Ritter Northingen und Groben / welche der Bructerer Vordrab führten / dreymahl über Hals und Kopff zwischen die Flügel der ein und zwantzigsten Legion getrieben; also daß Stertinius / die übrigen Hülffs-Völcker nicht mehr verzagt zu machen / mit denen Trierern und Ubiern zugleich seine halbe Legion durch den Cajus Valerius anführen muste. Der Graf von Zutphen empfieng mit seinem rechten Flügel die Ubier und Trierer nicht freundlicher als es vorher den Menapiern gegangen war. Denn er schlug sie nach einem halbstündigen Gefechte in völlige Flucht / wie die Gallier; gleich als wenn diese deutschen Völcker eben so wol / wie die Weinstöcke durch Versetzung in einen frembden Bodem / die edle Eigenschafft ihres Ursprunges verlohren hätten. Malovend / welcher mit den Römern härtere Nüsse aufzubeissen hatte / muste den Zutphen erinnern lassen / mit dem Nachsatze sich nicht zu übereilen / damit sie nicht von sa en abgeschnitten würden. Massen denn auch Stertinius aufs neue die sich widersetzenden Gallier / folgends die Menapier und andere Hülffs-Völcker auf der Bructerer rechten Flügel treffen / und selbtem wo nicht grossen Abbruch thun / doch ihn abmatten ließ. Im lincken Flügel [1053] war zwar keine solche Abwechselung / aber der Kampff viel beständiger und schärffer. Denn Valerius meinte / daß keine Macht für den Römischen Legionen unzerbrechlich stehen könte; und die Bructerer und Marsen / welche ohne diß den Tod für Augen sahen / also nur nicht ungerochen sterben wolten / stunden wie Mauern / und fochten wie Löwen / die zum ersten anfallenden zwey Reyen der Römischen Schützen / Schleuderer und leichten Kriegs-Leute richteten auch wenig aus / und machten den Deutschen nicht viel zu schaffen; also daß Valerius die zwey andern Reyen der geharnschten und alten Kriegs-Leute mit den Spiessen und andern schweren Waffen beyzeite anführen muste. Hierauf gieng der Streit allererst an / gegen welchen der vorige ein Spiel gewesen zu seyn schien. Der Deutschen Waffen schärffte die Noth / der Römer die Ehre; zumahl Stertinius ihnen zurief: sie solten sich schämen / daß eine so grosse Macht die handvoll Deutschen nicht längst verschlungẽ hätte. Valerius hatte zwar an seiner Schlacht-Ordnung die Glieder zuförderst zugespitzt /um durch die an einẽ Ort flügende Geschoß die deutsche Ordnung zu zertrennen. Dessen ungeachtet hatten sich die Römer in dreyen Stunden keines Vortheils zu rühmen: sondern weil der Graf von Zutphen seinem Feinde übrig gewachsen war / trennte er von seinem Flügel ein gutes Theil ab / mit welchem er unter dem Ritter Brunckhorst und Berkelen Malovends lincken verstärckte / und dieser sich gegen die Römische Spitze wie eine geöffnete Schere stellen / und das Durchbrechen verhüten konte. Stertinius ward hierüber hitzig / und führte die andere Helffte des lincken Flügels auf der Bructerer rechten. Ungeachtet dieser nun schon lange gefochten hatte / zeigte er doch gegen seine frischen Feinde keine Müdigkeit. Gleichwol aber ließ Malovend den Ritter Hecklingen und Hammersleben mit der Helffte seines Hinterhalts von dreyhundert alten Marsen ihn zeitlich verstärcken; also ward das Gefechte recht grausam / und grossen theils verzweiffelt; die Römer hatten zwar zum Vortheil /daß sie anfangs etwas höher stunden / aber Malovend hatte in Stellung seiner Schlacht-Ordnung vorsichtig Wind / Sonne und Sumpff zu Gehülffen erkieset. Denn als sie recht an einander rückten / musten die meisten biß an die Schienbeine oder Knie im Kothe oder Wasser fechten / dessen die Römer nicht wie die sumpfichten Bructerer gewohnt waren. Weil nun die Römer nicht weichen wolten / die Deutschen nicht konten / war dieser Streit so hartnäckicht / als wenn jeder Kriegsmann sich mit seinem absondern Todfeinde zu schlagen hätte. Dahero sahe man die grausamsten und seltzamsten Gestalten des Todes / und mehr eine rasende Abschlachtung als einen Kampff. Weil Stertinius nun sahe: daß er mit seiner Menge zwar endlich die Bructerer und Marsen wol aufreiben /hierüber aber seine gantze Legion und so viel tausend der besten Hülffs-Völcker zu Schanden richten; und es ihm nicht besser als jenem Löwen gehen würde /der einen tollen Hund und rasenden Wolff erbieß /sich also mit seinem eigenen Siege selbst hinrichtete; führte er seine Legion ab / und alleine die Hülffs-Völcker an; welche aber / nach dem der Ritter Schwalenberg und Poppenburg mit dem letzten Hinterhalt herfür rückten / solche so viel leichter zum weichen brachten / weil Stertinius sie nicht mehr anfrischen ließ. Denn er sahe für sich nichts heilsamers / als so verzweiffelten Leuten ein Loch zu öffnen / wormit sie ihre Hartnäckigkeit in die Flucht verwandelten / und an stat ihrer grausamen Gesichter ihnen den Rücken zuwendeten. Weil nun Malovend dieses Absehn merckte / seine Marsen und Bructerer auch das euserste gethan hatten / und sie in diesen Pfützen in die Länge nicht stehen konten / befahl er: Sie solten / weil die Römer sich auf einer Seite sätzten / die andere erkiesen / und über die nicht gar weit entfernte Berckel-Bach / folgends [1054] die Lippe zu erreichen trachten. Die Reiterey der Römer verfolgte sie zwar / aber mehr zum Scheine und ohne andern Abbruch / als daß sie die allzu sehr Verwundeten / das wenige Geräthe mit ihren Last-Pferden im Stiche lassen musten. Malovend hatte zwar die Helffte seines Volckes eingebisset; und er selbst war auch wie fast alle übrig gebliebenen verwundet; der Anzahl aber nach hatten die Römer zweymahl so viel verlohren / und Valerius selbst zwey Wunden bekommen. Gleichwol machte Stertinius hieraus ein so groß Wesen / als wenn er der Bructerer gantzes Kriegs-Heer geschlagen hätte; sonderlich weil in dem eroberten Geräthe ein Römischer Adler gefunden ward / welcher vom Varus mit der ein und zwantzigsten Legion / an welcher Stelle gegenwärtige vom August aufgerichtet worden war / solte verlohren worden seyn. Ob nun zwar die rechten nach zerstörtem Tanfanischen Tempel in Verwahrung des Feldherrn Herrmañs / der bekommene aber nur wahrhafftig ein nachgemachter war / um sich desselben zu ein oder andern Kriegs-List zu bedienen; so hatten die Römer doch über dieser Beute kein geringer Frolocken / als wenn sie Deutschland biß an die Elbe / oder alle Morgenländische Schätze erobert hätten. Sie zündeten Freuden-Feuer an / hielten Gefechte / Pferde-Reñen und andere Spiele darbey; bauten dem Adler ein absonderlich Altar / opfferten und stellten ihn darauf / bückten sich für diesem todten Vogel / beteten ihn an / und weil eine Legion nicht mehr als einen Adler führen darf / schlossen sie ihn endlich in ein geweihtes Behältnüs ein. Gleichwol ersuchte Stertinius hernach den Germanicus / aber umsonst / er möchte diese Legion beym Tiberius verbitten: daß sie beyde Adler führen möchte. Denn Germanicus wuste wol: daß Tiberius keinem Dinge grämer als Neuerungen wäre; und daß das Vorrecht dieser Legion mehr zum Neide und Schaden / als zu Ehren gereichen würde. Inmittelst erreichte Cäcina / welcher so wol als Stertinius das Gebiete der Bructerer verwüstete / den Vider-Strom. Germanicus aber lief über alles Vermuthen der Deutschen / insonderheit aber des Feldherrn / welcher schon die Landschafft der Tubanter und Chamaver / und mit dem Vordrabe die Weser erreicht hatte / in der Ems ein; führte auch auf der unzählbaren Menge mitgebrachter kleiner Schiffe und Nachen alles sein Fuß-Volck auf selbigem Flusse /biß wo der Hase-Strom hinein fällt; die Reiterey aber gieng auf der lincken Seite herauf / und wo die Aa sich mit der Emße vermischet / kamen Germanicus /Cäcina / Stertinius / Pedo / Cruptorich / mit acht Römischen Legionen und mehr als vier und zwantzig tausend Hülffs-Völckern zusammen. Bojocal aber hatte mit seinen / und Plancus mit drey tausend Römischen Völckern das an der Weser wieder hinauf ziehende Kriegs-Herr der Chauzen verstärcken müssen. Germanicus ließ zwar aller Orte ausblasen / offene Briefe anschlagen / und schickte sie mit Herolden herum: daß er nicht kommen wäre / die Cherusker und andere Deutschen zu bekriegen / sondern ihren nichts minder den Römern beliebten / als den Cheruskern anständigen Fürsten Flavius in sein Erbtheil einzusätzen / welches der unruhige Herrmann wider seines Vaters willen und das Recht des Geblütes vorenthielte. Daher solten sie ihre Waffen mit denen des Flavius vereinbahren. Auf gleiche Weise schrieb Flavius selbst an alle Kreisse des Cheruskischen Gebietes /mit der Versicherung: daß so bald sie ihn für ihren rechtmäßigen Fürsten aufnehmen würden / Germanicus die Römischen Adler zurück über den Rhein führen / und der Deutschen Freyheit nicht im geringsten bekräncken würde. Die Liebe und das Ansehn gegen den Feldherrn / und der Haß gegen den Flavius und die Römer war aber so groß: daß zu grosser Verwunderung des Germanicus sich nicht ein einiger Cherusker zum Flavius fand; da doch sonst kein Fürst in [1055] der Welt so löblich herrschen kan / welcher nicht seiner Tugend halber den Bösen beschwerlich / und wegen unvermeidlicher Straffen unerträglich heisse. Der Feldherr sätzte sich bey vernommener Ankunfft der Römer an den Hase- und Ingviomer oben an den Emße-Strom / wo er vom Einflusse zweyer anderer schiffbar wird; weil sie nun nicht begreiffen kunten /wohin es mit dieser ungeheuren Macht angesehen wäre / blieben sie daselbst feste stehen / um ihr Volck ohne Noth nicht ferner abzumatten. Sie erfuhren aber bald / daß der gantze Schwarm auf der lincken Seite der Emße hinauf zoh; westwegen Ingviomer auf die rechte Seite übergieng / und der Feldherr sich selbigem näherte; auch von dem Grafen von Mansfeld an der Weser so viel Volckes an sich zoh / als er seinem Bedüncken nach entpehren konte; weil doch dem Ansehen nach / es weder dem Melo noch Bojocaln ein rechter Ernst war / für die Römer grosse Thaten zu thun. Sesitach hielt zwar bey dem Feldherrn an: daß seinem Vater das Heer an der Weser wieder vertraut werden möchte / aber der Feldherr entschuldigte es: daß er solches ohne Ursache dem Grafen von Mansfeld / welcher sich so wol gehalten hätte / nicht wieder nehmen könte. Wenn aber Segimer bey ihm selbst fürs Vaterland fechten / und die Scharte auswetzen wolte / würde er ihm in seinem Kriegs-Heere einen anständigen Platz anvertrauen. Denn Hertzog Herrmann hielt darfür: daß Segimer nicht so wol aus Versehen als Vorsatz des Mansfeldes Sieg nicht verfolgt hätte / entweder weil er diesem die Ehre nicht gönnte /oder mit seinem Bruder Segesthes und dem Melo ein heimliches Verständnüs hätte. Daher wolte der Feldherr mit Segimers neuer Erhöhung ihm keinen nagenden Wurm des Mißtrauens in Busem sätzen. Sesitach schied also mit Verdruß vom Feldherrn / und sagte dem Nassau: Ich sehe wol: daß man dem Sohne wenig zutrauen wird / dessen Vater man für einen Verräther hält. Und noch selbigen Abend verlohr sich Sesitach: daß niemand wuste wo er hinkommen war. Als der Feldherr diß erfuhr / sagte er: Es ist unser Glück: daß sich die / welche es mit uns und dem Vaterlande nicht wohl meynen / unser entäusern. Denn ein es nicht redlich meynender Mann kan in einem Kriegs-Heere mehr schaden als tausend aufrichtige nützen. Germanicus ließ inzwischen sich nirgends was auf halten; sondern eilte geraden Weges dem Deutschburgischen Heyne / wo Varus erschlagen war / zu / die Uberbleibungen der daselbst umgekommenen Legionen zu begraben. Cäcina / Stertinius und Pedo wunderten sich über diesem Schlusse / und meinten: es wäre diesen heiligen Vorsatz zu vollziehen noch Zeit genung /aber diese nicht zu verliehren: daß man in Eyl über die Emße sätzte / zwischen den Feldherrn und Ingviomer eindringe / daß sie sich nicht zusammen ziehen könten; auch dem Feinde / ehe er von Cimbern / Catten oder andern Völckern Hülffe bekäme / auf den Hals gienge. Uber diß dörffte auch das Kriegs-Volck durch einen so traurigen Anblick der Leichen und Gebeine verzagt gemacht / und von vielen Abergläubigen für ein unglückliches Zeichen angenommen werden: daß einer so grossen Macht erste Verrichtung seyn solte Todten begraben. Aber Germanicus / wie gerne er sonst guten Rathschlägen folgte / ließ ihm hierinnen nichts einreden. Daher gemuthmasset ward: es rührte dieser Eyver entweder aus einem hinterlassenen Befehle des Käysers August oder aus eigenem Geliebde her. Etliche erzehlten: es wäre Varus dem Germanicus im Traume erschienen / und hätte ihn um Beerdigung der unbedeckten Gebeine ersuchet. Also muste nur Cäcina mit seinen Legionen voran; die von fliehenden Einwohnern allenthalben abgeworffenen Brücken und verderbten Tämme wieder machen / und die Wälder ausspühren / damit sie nicht von verstecktem Volcke unversehens überfallen [1056] würden. Die gantze Römische Macht kam also unverhindert zwischen der Emß und Lippe in den Deutschburgischen Heyn /welcher so wol seiner Düsternheit / als des kläglichen Andenckens halber / an sich selbst grausam genug aussah. Alles rückte auch gantz stille fort; gleich als wenn diese traurige Einsamkeit niemanden zu reden /weniger ein Spiel zu rühren verboten hätte. Anfangs geriethen sie an den Ort / wo für sechs Jahren des Varus Lager gewesen war / drey damals durch die Wälder noch entkommene Kriegs-Knechte zeigten dem Germanicus die noch kentbaren Hügel / worauf die drey Adler gestanden hatten; und die Ausmässung der Weite rechtfertigte ihr Sagen / weil in Römischen Lagern und Schlacht-Ordnungen alles auf einen Fuß genau ausgerechnet wird / und eintreffen muß. Das Kriegs-Volck verehrte noch diese alte Stellen / wo die Adler gestanden / weil sie ihnen heilig sind / und bey selbten was böses zu thun / für zweyfaches Laster /und schlechterdings für halsbrüchig gehalten wird. Hierauf kamen sie zu den eingerissenen Wällen / verfallenen Gräben / worein die Uberbleibung des geschlagenen Heeres geflohen war. Als sie aus dem Gepüsche kamen / fielen ihnen die von unzählbaren Gebeinen weiß schimmernde Felder der Wahlstadt ins Gesichte; Uber welchem Anblick jedem die Haut schauerte / und die Haare zu Berge stunden. Mit den Menschen-Beinen waren auch die Pferde-Knochen und zerbrochene Waffen vermischt. An den Strimpfeln der Bäume sahe man unzählich viel Hirnschädel stecken / woran die Deutschen die abgehauenen Köpffe gespißt hatten. Die entrunnenen Römer /und noch besser etliche Chauzische Kriegs-Leute /weisten auch alle Orte an / wo der erste Angrief geschehen; wo die Römer hätten Stand halten müssen; wo Herrmann / wo Arpus / wo Ganasch / Segesthes und andere Fürsten gefochten; wie sie die Römischen Obersten erlegt / und dem Varus die erste Wunde versätzt; und wo er ihm selbst den Degen in Leib gestossen hätte. Endlich wurden den Römern auch die Höhe / wo der Feldherr nach erlangtem Siege zu dem Heere geredet / wo man die heiligen Adler verspottet hatte /gewiesen. Und in dem nechsten Heyne waren die aus Rasen gemachten Opffer-Tische / darauf man die vornehmsten Gefangenen geschlachtet hatte / die Gruben und andere Merckmaale noch kentlich. Das über dieser Dinge Betrachtung entstandene Schrecken wandelte sich endlich in eine Wehmuth / als Germanicus /welchem selbst die Augen voll Wasser stunden / ihm ein Grabescheit reichen ließ / und den ersten Rasen zu einem Grabe ausstach. Niemand war / der es ihm nicht begierig nachthat / die Beine ihrer vermeinten Brüder und Bluts-Verwandten mit bitteren Thränen netzte / und ohne Sorge: daß es vielleicht frembde wären / unter die Erde verscharrete / hierüber aber wider die Deutschen im Hertzen sich hefftig erzürnten. Welch Beginnen Tiberius / entweder weil Germanicus ihm nichts recht machte / oder weil er eben wie Cäcina gesinnet war / zu Rom aufs ärgste auslegte /und ihn beschuldigte: daß ihm als einem geweihten Priester des vergötterten August / und als einem Wahrsager nicht geziemet hätte Todten-Beine anzuschauen / weniger zu berühren. Er hätte sich ja zu erinnern gehabt / wie er Tiberius und August bey ihren Begräbnüs Reden zwischen sich und die Leiche einen Vorhang sätzen lassen / um sich durch ihren Anblick nicht zu verunreinigen. Ja Sylla hätte sich von Metellen seiner dem Sterben nahen Ehfrau geschieden / daß er sie mit Fug aus dem Hause brächte / ehe sie eine Leiche würde / und ihn oder sein Priester-Hauß unrein machte. Der Feldherr Herrmann / welcher inzwischen bis an die Lippe / wo die Else darein fällt / sich genähert hatte / verstand allzu wol: daß im Kriege nichts so geringe wäre / was nicht was grosses nach sich ziehen könte; und also wuste er bey seinem Kriegs-Heere dieses Fürnehmen [1057] der Römer ihm gewaltig nütze zu machen. Denn / sagte er: diese Römer haben wol Ursache der erschlagenen Legionen Gebeine zu begraben / damit ihre daselbst desto besser Raum / und ihre Nachfolger gegen ihre Leichen gleiche Barmhertzigkeit haben. Lasset uns sie an eben diesem für uns so heilsamen / für sie so unglücklichen Orte angreiffen! nicht alleine / weil das Verhängnüs eben so an einerley Orten einerley Wercke auszuüben / wie der Blitz offt in einen einmahl berührten Baum einzuschlagen pflegt / sondern weil ich weiß: daß den Römern daselbst für Schrecken alle Glieder zittern / und das Hertz im Leibe bebet. Diesen Vorsatz ließ er durch den Ritter Ringelheim dem beym Brunnen der Emß stehenden Ingviomer wissen / und ihn ermahnen / er solte gleicher gestalt geraden Weges auf die Römer loßgehen. Der Feldherr ruckte auch mit seinem zum Streite begierigen Heere biß an die zwischen der Lippe und Emß flüssende Bach fort. Weil ihm aber der Ritter Spiegelberg sieben Römische Gefangene brachte / welche bekennten: daß Cäcina und Cruptorich auf die Bructerer / Germanicus aber / Silius und Pedo gerade auf die Cherusker loß gingen / und das Römische Heer hinter dem nechsten Gehöltze in vollem Anzuge wäre / befahl der Feldherr: daß sein Heer sich in den nechsten Eichwald zurück ziehen solte /um dem Feinde desto unvermutheter einzufallen. Jedoch kam der Römische Vordrab ehe durch das Gehöltze / als die Cherusker sich mit dem Walde decken / und des Feldherrn Befehl gar vollzogen werden konte; daher ließ Hertzog Herrmann die noch etwan in der Fläche sichtbaren zehntausend Cherusker stehen; befahl aber dem Grafen von Waldeck und Falckenstein: daß so bald die Römer sie mit ihren Legionen angreiffen würden / sie gegen dem Walde weichen / und so wohl sich flüchtig als furchtsam anstellen solten. Germanicus / als ihm die Anwesenheit des Feindes angesagt ward / befahl: daß die Legionen durch das Gehöltze forteilen / inzwischen aber die Gallier sich an den Feind / daß er ihnen nicht entwischte / hencken / und Flavius mit den Tribochen /Rauracern / Vangionen / Trierern / Nemetern / und Ubiern / solchen mit Gewalt angreiffen solten. Sacrovir / welcher in dieser Zeit an Adel und Tapfferkeit der vornehmste in Gallien seyn wolte / machte mit einem schrecklichen Geschrey / welches bey vielen Völckern gleichsam des Krieges Tochter und der schimmernden Waffen Vorklang ist / den Anfang /weil sie sich einbilden: daß dem Feinde dadurch eben so wohl als durch feurige Helden-Augen die erste Furcht eingejagt werde. Er führte zwey tausend Heduer. Diese sätzten zwar nach Eigenschafft aller Gallier / welche nicht wie die Römer nach Anweisung ihrer Befehlhaber und in guter Ordnung / sondern nur aus einem blinden Triebe / nach ihrer Willkühr fechten /tapffer an. Nach dem aber der Ritter Löwenburg nur mit vierhundert Cheruskischen Reutern ihre erste Hitze unerschrocken austauerte / überlegte sich ihr Eyver wie die Schneide in gar zu scharffen Messern /hingegen wuchs die Hefftigkeit bey den Cheruskern /also: daß nach dem Kwerenfurt dem Sacrovir die Lantze durch den Arm gerennet hatte / er mit samt seinen Galliern biß zwischen das Fuß-Volck gejagt ward. Noch ärger ging es auf der andern Seite dem Julius Florus mit seinen zwey tausend Trierern und Bellovacken / welchen der Ritter Groben mit dreyhundert Chaßuarischen Pferden über Hals und Kopff zurück jagte / worüber Florus selbst stürtzte / und ein Bein brach; Beyde aber wahrmachten: daß die Gallier im Anfange mehr als Männer / in Verfolgung des Streits aber weniger als Weiber wären. Wiewohl auch Orgentorich mit den Seqvanern den Sacrovir / und Holderich mit den Aqvitaniern den Florus ablösete /waren doch vorige Deutschen genung / auch diese mit blutigen Köpffen abzufertigen. Nach dem aber [1058] Flavius mit denen über dem Rheine wohnenden Deutschen anrückte / gieng es zwar etwas schärffer her; aber ein Cherusker war doch ihrer zweyen gewachsen; also /daß ob zwar Flavius zweymahl so starck als die ausserhalb des Waldes fechtenden Cherusker war / er doch weichen muste / weil der Graff von Falckenstein mit seinen tausend Reutern wie ein Blitz bald auff einer / bald der andern Seite ein- und durchbrach. Cariovalda und Cruptorich kamen mit tausend Batavischen und fünffhundert Friesischen Reutern zwar dem Flavius zu Hülffe / und bot dem Falckenstein die Stirne / machten also bey der Reuterey ein ziemlich gleiches Gefechte; der Graff von Waldeck aber erlegte beym Fuß-Volcke den Führer der Vangionen und Nemeter / Dorulach; worüber der gantze lincke Flügel in Verwirrung / und als der Ritter Woldenburg mit fünffhundert Angrivarischen Reitern solchen zugleich auf den Hals gieng / in offenbahre Flucht gerieth; also daß Germanicus dem Lucius Apronius und Publius Vitellius mit der andern und vierzehenden Legion anzurücken / und dem Pedo die Helffte der Römischen Reuterey auf den Feind loß gehen zu lassen / befahl. Bey diesem Erfolg brach auf der einen Seite der Grass von Schwartzenberg / Barby / Eberstein / und die Ritter Gebigenstein / Mulingen / Arnburg / Ardenberg und andere; Auf der andern Seite der Graf von Oldenburg / Rietberg / und Schwalenberg / die Ritter Osterburg / Gutzkott / Deipholtz / Wintzenberg zusammen / mit fünfftausend Reutern herfür. Der Graf von Nassau aber rückte mit sechstausend Cheruskern gegen die andere / und der Graf von der Lippe mit so vielen gegen der vierzehenden Legion heraus / und grieff selbte auff der Seiten an: also / daß Apronius und Vitellius die Schlacht-Ordnung wenden musten. Inzwischen gieng es zuförderst scharff her; und Flavius unterließ nichts am Ampte eines klugen und tapffern Feld-Hauptmanns; weil dieser Tag ihn entweder zum Fürsten über die Cherusker / oder zu einem ewigen Auswürfflinge machen solte. Sechs Fahnen von der andern und vierzehenden Legion hatten auch zwar den Riß der Vangionen und Nemeter zugestopfft / und sie wieder zum Stande gebracht; alleine es wolten nun auch die Rauracer / Tribochen / und Ubier brechen. Wie nun Flavius dahin eilte vorzubeugen / sprengte ihn der Graf von Ascanien an; und weil er ihn aus den Cheruskischen Helmbinden erkennte / schrie er auf ihn: Halt! halt! du Verräther des Vaterlandes / meinestu nicht: daß die Göttliche Rache auf so undanckbare Kinder ein stets wachendes Auge habe? Meinestu nicht: daß / nach dem du so blind wider die Freyheit Deutschlands streitest / du zugleich in dein Verterben rennst? Allen so verbländeten Kindern muß man bey Zeiten die Augen ausstechen. Flavius muste also Stand halten / und seinem Feinde begegnen; welcher aber im Zusammenrennen mit seiner Lantze / wie der gegen den König Philip in Macedonien fechtende Asterus mit seinem Pfeile das Gelücke / oder die Geschickligkeit hatte / daß er durch das Gegitter des Helmes ihm das lincke Auge ausstach / wovon er mit vieler Blutstürtzung vom Pferde fiel / und von denen zu seiner Leibwache bestellten Rittern / und denen zwischen die Pferde vermischten leichten Läuffern /mit genauer Noth aus dem Gedränge / und zum Germanicus gebracht ward. Hierüber giengen die Rauracer / Tribochen / und alles dem Flavius untergebene Kriegs-Volck über einen Hauffen / und ward von den Cheruskern in einen Sumpff getrieben / worinnen die meisten entweder durch lange Spiesse erstochen wurden / oder erstickten; weil zumahl das eben gewachsene Gras machte: daß man es für festen Bodem ansah / hiermit ließ sich allererst der Feldherr sehen /welcher mit grossem Geschrey sein Volck auf die zwey Römischen Legionen anführte. Dieses nöthigte den Germanicus: [1059] daß er den Pedo mit der völligẽ Reuterey / und den Silius mit der noch verdeckten dreyzehnden und sechzehenden Legion ins Blancke herfür rücken ließ. Der Feldherr / welcher nicht eigentlich wuste / wo Cäcina stünde / ob er gegenwärtig wäre / und allezeit ein Auge hinter sich haben muste /daß er nicht von Cäcinen rückwerts angegriffen würde / ward zweiffelhafft: ob er so spat / und nach dem die Cherusker meistentheils einen halben Tag sich mit unaufhörlichem Gefechte ermüdet hatten / mit allen vier Legionen anbinden solte. Zumahl durch die Legionen das flache Feld ziemlich angefüllet; also der Cheruskischen Reuterey / worauf Hertzog Herrmann sich am meisten verließ / der Raum sich zu schwencken ziemlich enge gemacht ward. Zugeschweigen: daß er auch nicht gerne / wie starck er wäre / dem Feinde verrathen wolte / und auf einmahl alles auf die Spitze zu sätzen / sondern die Römer in diesem harten Lande nach und nach abzumergeln / und ihnen die Lebens-Mittel abzuschneidẽ für sicherer hielt. Eben dieser Kummer hielt den Germanicus zurücke: daß er den Silius die drey und sechzehnde Legion nicht angreiffen ließ; sonderlich / weil er über einen Hügel etliche Fahnen Cimbrische Reuter und Cattische Fußknechte zu dem Treffen eilen sahe / welche der Graf von Manßfeld dem Feldherrn zuschickte. Sintemahl er besorgte: daß von beyden Völckern eine grosse Verstärckung dörffte in der Nähe seyn; Weil zumahl die Bataver einen Hermundurer mit Brieffen an Feldherrn aufgefangen hatten / darinnen Hertzog Jubil berichtete: daß er mit sechstausend Hermunduren / und so viel Catten / in der Nähe wäre. Nach dem nun beyde Feldherren auff einerley Zweck zielten / nemlich sich mit guter Art von einander loß zu machen /ward es so viel leichter vollzogen. Die Deutschen übernachteten nahe der Wahlstadt / in eben selbigem Walde / und machten sich über ihrem Siege / mit ihren Pfeiffen / Drommeln / und Lob-Liedern des Feldherrn lustig. Und Hertzog Herrmann sprengte den Feind so viel mehr zu schrecken / einẽ Ruff aus: daß selbigen Abend zwantzig tausend Catten / Hermundurer und Cimbern ihm zu Hülffe ankommen wären. Hierdurch ward verursacht: daß die Römer sich durch das Gehöltze zurück zohen / und sich aus Furcht des Nachtes überfallen zu werden verhieben. Weil Flavius auch von seiner empfangenen Augen-Wunde sich in Gefahr seines Lebens befand / schickte er ihn auf einer Senffte zurück auf die in der Emße gelassenen Schiffe / daselbst der zur Heilung nöthigen Ruhe besser zu genüssen. Germanicus war über dem Verluste selbigen Tages nicht wenig bekümmert / sonderlich weil er noch selbigen Abend Schreiben bekam: daß Hertzog Arpus den Visellius Varro auf dem Taunischen Gebürge belägert / der bey dem Altare des Bacchus über den Rhein gegangene Hertzog Catumer aber dem Aviola und Indus einen gewaltigen Streich versätzt / und biß an Trier in Gallien / wie die Römer bey den Marsen und Bructerern / gehauset hätten. Uber diß erzählten unterschiedene Kriegs-Leute so seltzame Begäbnüße / welche ihnen entweder aus besonderer Schickung Gottes begegnet / oder von Furcht und Aberglauben ihnen vorgebildet worden waren; Denn einige meinten: sie hätten unter den Deutschen feurige Reuter auff weissen Pferden wider sich streiten sehen / für welchen kein Mensch hätte stehen können / sondern alles wie für dem Blitze zu Bodem gefallen wäre. Derogleichen Gehülffen die Locrenser wider die Crotonienser / die Römer wider die Lateiner bey dem Regillischen See / in Macedonien / wider den König Perses / und Marius auf den Alpen wider die Tuguriner am Castor und Pollux gehabt haben sollen. Andere sagten: sie wären von Bären / Luchsen und Wölffen / welche ungeheure Jäger auf sie gehetzet und verfolget; etliche von wütenden Weibern welche mit zerstreueten Haaren sie angefallen / zerkratzet[1060] worden; davon sie die Merckmaale weiseten. Uber dieses / schlug der Blitz harte bey dem Adler der sechzehenden Legion in eine Eiche ein; und gegen Mitternacht erhob sich um das Römische Heer ein grausames Geschrey und Gehetze / als wenn etliche tausend Jäger und Hunde Wild verfolgten / da doch nirgends etwas zu sehen war / und das Kriegs-Volck so viel mehr in Schrecken verfiel / und einer dem andern das klägliche Beyspiel des Varus für Augen stellte. Germanicus meinte zwar dem Kriegs-Volcke auf solche Art / wie Chabrias seiner Schiffsflotte das vom Blitz entstandene Schrecken / auszureden / meldende: Sie hätten niemahls mehr Ursache gehabt / ein gut Hertze zu haben / als nun / da der gröste der Römischen Götter Jupiter mit einem so hellen Strahl seine Ankunfft und vorhabende Hülffe / durch die Jagt aber zu verstehen gäbe: daß die Römer ihre Feinde / welche von wilden Thieren wenig zu unterscheiden wären / in die Flucht jagen würden. Aber dem Germanicus selbst war nicht wohl darbey / und er ward bald mit einem nachdencklichen Begäbnüß beunruhigt. Denn als er in seinem innersten Zelt an Tiberius / und seiner Gewohnheit nach / wie Kayser Julius / die Begäbnüß des vorher gegangenen Tages auffschrieb / stellte sich ihm Qvintilius Varus gantz blutig für den Tisch. Germanicus erschrack; iedoch erholte er sich / daß er nach seinem Verlangen fragte /welchem des Varus Geist antwortete: Er käme ihm für die Beerdigung der unbedeckten Römischen Gebeine Danck zu sagen / und zur Vergeltung zu rathen: daß er ohn einigen Verzug von diesen Orten / derer Schutz-Götter sich selbst wider ihn wegen Abhauung gewisser heiliger Bäume verschworen und gerüstet hätten / weichen solte / wo er nicht auf seine Art umkommen wolte. Germanicus besaan sich eine gute weile / ob er schlieffe / und ob ihm träumte. Nach dem er aber seines Wachens / und wahrhafften Gesichtes / allzuwol sich versichert befand / überfiel ihn ein solch Schrecken: daß er von Stund an Befehl ertheilte / das Heer solte aufbrechen / und sich wieder über die gemachten Brücken an die Emß ziehen. Damit es aber bey seinem ohne diß zaghafften Volcke nicht den Schein einer Flucht hätte / gab er für: Cäcina hätte den Ingviomer über die Emße getrieben; also solten sie den flüchtigen Bructerern disseits den Weg verbeugen. Hingegen schickte er dem Cäcina eben diß zu thun / und daß er keinen vermeinten Befehl oder sonst etwas sich darvon solte abhalten lassen / scharffen Befehl zu. Ingviomer war auf des Feldherrn Erinnerung aus dem Thale / darinnen die Emße entspringt / dem Cäcina so unvermuthet auf den Halß gerückt: daß der Ritter Ravensberg und Arnburg mit tausend Reutern seitwerts in die fünffte / Ansleben und Wippra aber mit sieben hunderten in die erste Legion einbrachen / ehe Cäcina von Anwesenheit eines Feindes wuste; und hierauf allererst hatte der Graf von Teckelnburg den Römischen Vordrab / welcher an Batavischer und Menapischer Reuterey bestand / biß an das voranziehende Ubische und Trierische Fußvolck zurück gejagt. Ob nun zwar dieser Anfall mehr Schrecken als Schaden machte / weil die Bructerer sich bey gemachter Verfassung zur Gegenwehr wieder zurück ziehen musten; So wolte doch Cäcina ehe er von Beschaffenheit seines Feindes besser Nachricht erhielt / nicht fortrücken / sondern sätzte sich an einem vortheilhafftigen Orte zwischen der Emß und dem Vurle-Strome. Des Nachtes aber / so bald er vom Germanicus die Nachricht erhielt / brach er unvermuthet auf / und stiessen auf den Morgen beyde Römische Heere zusammen / welche allen ersinnlichen Fleiß anwendeten / geschwinde über die Brücken zu kommen. Ja ihre Flucht so viel mehr zu beschleunigen / musten die noch übrigen Hülffs-Völcker / und die meiste Reuterey bey diesem Sumpffe und Brücken durch die Emß sätzen / und auf der rechten Seiten dieses Flusses [1061] hinab ziehen / und zwey Meilen unterwerts aufs neue übergehen. Der Feldherr und Ingviomer / welche ihnen von einer so ungeheuren Macht nichts weniger / als die Flucht konten träumen lassen /wurden auf den Morgen allererst des verhöleten Aufbruchs gewahr / und kunten sich nicht genung über denen verhauenen Wegen / und dem im Stiche gelassenen Kriegs-Geräthe und Vorrathe verwundern; daher beyde zwar ein Theil der Reuterey / und der fertigsten Läuffer mit Aexten nachschickten; iedoch weil ein ieder grober und sichtbarer Fehler des Feindes einem vorsichtigen Kriegshaupte allezeit verdächtig seyn soll / gab Hertzog Herrmann ihnen genauen Befehl: Sie solten sich die übermäßige Begierde zu siegen nicht verbländen lassen / sondern sich wie ihre Vorfahren unter dem Brennus / welche einen gantzen Tag und Nacht aus Beysorge einer Hinterlist sich nicht in die angelweit offenstehende Stadt Rom wagen wolten / wol in acht nehmen: daß sie durch diese unbegreifliche Flucht nicht in ein Netze gelocket wür den. Der Graf von Ravensberg / die Ritter Stromberg / Eckerstein / und Wiedenbrug / welchen diese Gegend aufs genauste bekandt war / arbeiteten sich zwar durch: daß sie um Mittag an die Römer kamen; und weil sie nunmehr ihrer Flucht allzugewiß versichert waren / hiengen sie sich an den Römischen Nachzug /welcher das noch immer übergehende Fuß-Volck bedeckte; und kam es alldar zu einem harten Treffen /ob schon die Gelegenheit des Ortes den Deutschen den Angriff schwer machte / welche durch eitel Sümpffe sätzen musten; dahingegen die Römer einen Hügel zum Vortheil hatten / welcher gewiß ihnen zur Rettung diente / und hernach auch zum Gedächtnüsse der Rettberg genennet ward. Also kamen die durch ein Panisches Schrecken gleichsam entmanneten Römer dißmahl mit genauer Noth zwar ohne grossen Verlust ihres eigenen Volckes davon / sie verspieleten aber alle ihr Ansehen bey den Deutschen / welche auf sie viel spöttische Lieder machten / und den Germanicus einem trächtigen Elephanten verglichen / welcher mit grossem Wehen eine Mauß gebohren hätte.

Germanicus und Cäcina sahen sich / biß sie die Schiffe in der Emß erreichet hatten / nicht um; ausser / daß sie hinter sich alle Brücken und Tämme verterbten. Der Feldherr und Ingviomer empfanden bey ihrer Vergnügung alleine diese Unlust: daß sie den fliehenden Feind wegen zernichteter Wege nicht einholen konten; also daß Germanicus bey Zusammenflüssung der Emse und Hase sein Fuß-Volck von vier Legionen wieder zu Schiffe brachte / und nach dem Meere Tag und Nacht zu rudern / die Reuterey aber auf der lincken Seiten der Emß fortrücken ließ; dem Cäcina aber Befehl ertheilte: er solte über die Tämme des Domitius / so gut und geschwinde er könte / gegen dem Rheine forteilen. Zu dessen kluger Bewerckstelligung er ihm deñ den Lucius Apronius an die Seite sätzte. Beym Feldherrn gab sich der Graf von Lingen an; dafern ihm an Aufhaltung des Germanicus was gelegen wäre / bäte er um funffzig auserlesene Reuter; denn mit diesen traute er auf der rechten Seite der Emß dem schiffenden Germanicus und seiner Reuterey vorzukommen. Und wolte er versuchen / die bey Amisia liegenden Schiffe der Römer in Brand zu stecken. Dem Feldherrn schien dieser Anschlag zwar schwer und gefährlich zu seyn; weil aber Lingen seine Anstalt ziemlich glaubhafft entwarff / wie er nehmlich sich und die Seinigen für Chauzen ausgeben / und seiner bekandten Leute sich bedienen wolte / willigte der Feldherr: daß er ihm die verlangten Reiter selbst auslesen / und sein Heil versuchen solte. Der Graf erkiesete ihm solche noch selbige Stunde / schwämmete des Abends mit dem Ritter Ludingshausen und Kappenberg an einem entlegenen Orte durch die Emß /daß es niemand inne ward. Weil nun alle Chauzisch[1062] redeten / und auf ihre Landes-Art aus Häuten von See-Fischen Schilde führten / kamen sie ohne alle Hindernüsse des folgenden Tages Abend eine Meile von der Stadt Amasia an / allwo sie in einem Eich-Walde auf einem Hügel / unter dem Scheine: daß sie wegen sich anschwellender Flutt nicht weiter / und nach Amisia hätten kommen können / bey etlichen Fischern ihr Lager aufschlugen. Diesen zahlten sie reichlich die Fische und das Graß / welches die armen Leute für ihr Rindvieh gesammlet hatten. Der Graf von Lingen fieng hierauf mit Ludingshausen und Kappenbergen an von den Römern verkleinerlich zu reden; und daß sie diesen frembden Völckern zu Gefallen so viel Ungemach ausstehen / ihre Brüder und Bluts-Freunde die Bructerer und Cherusker bekriegen solten / nach dem die Chauzen / wie vormahls schon unter dem Drusus und Tiberius geschehen wäre / eben so wol zu Knechten gemacht werden würden. Ihr guthertziger Fürst Melo bereuete schon: daß er sich mit diesen furchtsamen Frembdlingen so vertieffet hätte /welche über Hals und Kopff für den Cheruskern und Bructerern lieffen / und ihn numehr im Stiche lassen würden. Daher sein gröster Kummer wäre / wie er diese flüchtige Bunds-Genossen nur so lange aufhalten könte / biß er sich unter der Hand mit den Cheruskern und Bructerern wieder aussöhnen möchte / welche sonst über die verlassenen Chauzen ihre Rache so viel grimmiger ausüben würden. Ludingshausen verjahete in allem seine Meinung / sagte aber: Es stünde ja ins Hertzog Melo Gewalt: ob er die Römer fortlassen wolte oder nicht. Lingen fragte: Welcher gestalt? Ludingshausen versätzte: Weñ er ihnen die bey der Stadt Amasia am Strande liegenden Schiffe nicht abfolgen läßt. Kappenberg fiel ein: So kriegten wir mit den Römern selbst Händel / und also auf einmahl zwey Feinde. Der eine mit allem Fleiß zuhörende Fischer redete darzwischen / und sagte: Es liegen die wenigsten Römischen Schiffe zu Amasia / sondern die meisten bey denen zwey Schantzen / welche die Römer unterhalb Amasia auf beyden Seiten der Emse gebauet haben / und die grösten bey dem Eylande Burhanis. Ludingshausen fieng an: Welch einen guten Dienst würde einer dem Hertzoge Ganasch und dem Vaterlande thun / der den Römern ein Theil der Schiffe anzündete: daß sie bey uns Stand halten müsten /und ich selbst wolte einem hundert güldene Müntzen geben. Lingen sätzte bey: Ich wolte ihrer wol zwey hundert darzu schüssen. Der Fischer fieng an: Wenn er versichert wäre: daß seinem Fürsten dadurch ein Dienst geschähe / und er eine so stattliche Belohnung gewiß zu gewarten hätte / traute er ihm mit seinen zwey Gefärthen solches unschwer auszurichten. Der Graf von Lingen versicherte ihn dessen; und daß des Fürsten Ganasch Belohnung noch grösser seyn würde; daher solte er sich mit seinen Gefärthen bereden / er wolte ihnen die Helffte der Belohnung vorher geben. Dieses geschah / und kamen die drey Fischer mit dem Erbitten den Brand der Schiffe auszuüben; weil selbte grossen theils unbesätzt; sie aber / weil sie täglich dahin Fische zu verkauffen brächten / bekand /und ausser alles Argwohnes wären. Nach empfangenem Gelde fülleten sie einen ihrer Nachen mit Pech und Holtze aus / die andern zwey beladeten sie mit Fischen / und fuhren gegen Morgen ihrer Gewohnheit nach zu der nechsten Schantze / wo mehr als ein Drittel der Römischen Schiffs-Flotte lag. Zwischen diese fuhren sie mit ihren Nachen hin und wieder / und boten denen wenigen darauf befindlichen Römern ihre Fische an. Weil sie nun mit dem dritten handelten /fuhren die zwey andern zwischen zwey nahe an einander liegende grosse Schiffe / und weil sie keinen Menschen da sahen / schraubte der Fischer die Kette des mit Pech gefüllten Nachens an das eine Schiff an /legte darzu einen glimmenden Lunten / und ein gutes Theil Schwefel-Lichter. Hiermit fuhren [1063] sie / gleich als wenn sie ihre Fische verkaufft hätten / fort / welchen der dritte alsofort folgte. Sie waren aber kaum eines Bogenschusses weit von der Flotte / als sie sahen das Feuer aufgehen / welches im Augenblicke beyde grossen Schiffe ergrief. Es ward zwar alsbald über dem aufgehenden Brande Lermen / und die in der Schantze und am Strande sich befindenden Boots-Leute eilten zwar den Schiffen zu / hoben die Ancker / spannten die Segel auf / aber wegen eingefallner Eppe standen /ausser fünf oder sechs im Strome liegender kleinern Schiffe / alle andere auf dem Bodem feste und unberüglich; also: daß diese gantze Flotte mit einem grossen Vorrathe / sonder daß jemand den Ursprung des Feuers zu ergründen wuste / in die Asche gelegt ward. Die Fischer sahen sich nicht einst um / sondern fuhren in Meinung eines löblich verrichteten Werckes / und mit Begierde ihren Lohn zu bekommen / nach Hause zu; weil sie aber die Römischen Legionen ihnen von ferne entgegen kommen sahen / eilten sie zu Rande /versänckten ihre Nachen / und brachten ihren Gästen die fröliche Zeitung / welche ihnen aber der aufsteigende Rauch und die schreckliche Flamme schon vorher angekündigt hatte. Der Graf von Lingen zahlte denen Fischern für dieses kostbare Freuden-Feuer mehr / als er ihnen versprochen hatte / und gab beym Abschiede ihnen die Warnigung: Sie solten ja keinem Menschen in der Welt offenbahren; daß sie die Werckzeuge des Brandes wären. Denn ob zwar dem Hertzoge Ganasch dadurch ein grosser Gefallen geschehen wäre / dörffte er es doch die Römer nicht mercken lassen; und würde er wider Willen genöthiget seyn / gegen die Urheber mit der schärffsten Straffe und Pein zu verfahren. Den guten Fischern kam dieser Einhalt bedencklich für / daher einer anfieng: Haben wir dem Fürsten einen Dienst gethan / wie könte er übers Hertz bringen uns zu straffen? Ludingshausen versätzte: Fürsten müssen offt reden /was nicht ihre Meinung ist / und thun / was sie nicht wollen. Der Fischer antwortete: So ist es wol eine elende Sache ein Fürst seyn / wenn sie wider Willen falsch seyn / und böses thun müssen. Ist aber unter euch auch ein Fürst / der mit dieser Nothwendigkeit behafftet / und mit solchen Künsten gefüttert ist? der Graf von Lingen lachte / und sagte: Ich bin wol kein Fürst / aber eines Fürsten Diener. Der Fischer begegnete ihm: Es solte mich wunder nehmen / da ein so verschmitzter Diener nichts von seines Herrn Griffen begriffen haben solte. Ich weiß nicht / ob es mir mein Hertz sagt / oder was mir sonst einen Argwohn macht: daß auch ihr unsere Einfalt hinters Licht / und uns Unschuldige zu einem strafbaren Laster verführet habt. Ludingshausen antwortete: Gebet euch ihr redlichen Leute zu frieden. Denn wir müssen euch zum besten wol entdecken: daß ihr zwar eurem Vaterlande aber nicht eurem von Römern verführten Fürsten einen guten Dienst habt gethan. Ihr seyd aber so wenig als wir zu schelten / denn eure gute Meinung befreyet euch / und der Dienst unsers Fürsten / welcher Hertzog Herrmann und der Römer Feind ist / uns von allem Laster. Der Fischer verblaßte hierüber /und fieng an: O ihr Lügner! ist euch unsere Einfalt gut genung gewest / uns zu Mordbrennern zu machen? Gehet euer Fürst mit so betrüglichen Künsten um / so hat unser redlicher Fürst wol recht gethan; daß er sich von ihm getrennet hat. Ludingshausen lächelte / und sagte: Ihr guten Leute verstehet nicht: daß es bißweilen der Nothwendigkeit und allemahl verantwortlich sey / einem Lande zum besten sich mit einer Nothlüge behelffen. Die Warheit ist wol gut; wenn aber die Unwarheit dem gemeinen Besten dienlicher ist / sticht diese jene weit weg. O verfluchte Klugheit! versätzte der Fischer. Wie lieb ist es mir: daß ich kein Fürst / oder eines Fürsten Diener bin / also ein ehrlicher Mann seyn kan. Der Graf von Lingen fiel ihm ein: du kanst aber ohne [1064] Vortheil und Betrug kein Fischer seyn / und du hast ohne eine betrügliche Angel /ohne einen verführischen Hamen zweiffelsfrey wenig Fische gefangen. Was hast du es denn Fürsten und uns für übel: daß sie ihren Zweck zu erlangen andere was bereden / und zuweilen über die gemeinen Leuten gezogene Schnure schreiten? Die Noth bricht alle Gesätze / und ist ein bewehrter Schirm der menschlichen Schwachheit. Daher kein so redlicher und frommer Fürst in der Welt leben kan / der nicht zuweilen das Recht beugen müsse. Der gemeine Nutz aber / dessen vorgehender Fahne ieder kluger Mann nachfolgen muß / muß die unvermeidliche Beugung des Rechten auswetzen. Gehet / und backet euch / sieng der andere Fischer entrüstet an / aus unser Gemeinschafft und Augen / daß ihr uns nicht mit euren betrüglichen Lehren noch mehr vergifftet. Betrug und Laster sind an sich selbst so böse: daß sie durch kein Absehen des guten zuläßlich / weniger zur Tugend werden. Entfernet euch nur von uns / wo wir euch als Verführer und Stiffter des Mord-Brandes nicht angeben / und denen gleich vorbey schiffenden Römern zur Rache einlieffern sollen. Wir wollen mit euch und eurem verdamten Gelde keine Gemeinschafft haben. Hiermit warff er / und folgends die andern zwey das empfangene Geld in denen harte an dem Hügel vorbey fliessenden Arm der Emße. Der Graf von Lingen sahe wohl / daß es hier länger sich aufzuhalten nicht gut wäre; gab also dem Pferde die Sporne / und seinen Cheruskern ein Zeichen ihm zu folgen. Unterwegens lobten sie gegen einander die Aufrichtigkeit und Unschuld dieser einfältigen Fischer / beklagten hingegen ihre und der Fürsten Unglückseligkeit / welche ohne Betrug weder klug noch glücklich seyn könten / und sich der Laster wie die Aertzte gifftiger Kräuter zu ihrer Genesung bedienen müsten. Sie kamen ohn allen Anstoß biß an die Chauzische Gräntze / allwo ihnen etliche Chauzen begegneten / und meldeten: daß Hertzog Ganasch / Segimer und Sesitach mit tausend Pferden ihnen auf dem Fuße folgten. Weil es nun gleich eine blancke Fläche traff / da sie sich nirgends verbergen konten / musten sie sich entschlüssen / daselbst durch die Emße zu schwämmen / wie breit und tieff sie gleich war. Ganasch kam zwar darzu / und weil er sie für Chauzen ansah / ließ er ihnen zuruffen: Warum sie mit solcher Gefahr seine Gegenwart vermeideten? Der Graff von Lingen aber gab zur Antwort. Sie wären Cherusker / und dieselben / welche bey Amisia die Römische Flotte angezündet hätten / damit ihnen der flüchtige Germanicus nicht entlauffen könte. Ganasch ward hierüber bestürtzt / und entrüstet; weil sie aber das feste Ufer schon zum Vortheil hatten / von dem sie die Chauzen / weñ sie hätten überschwemmen wollen / leicht hätten abtreiben können / muste nur Ganasch diesen Hohn verschmertzen / und kamen sie derogestalt ohne Verlust eines einigen Mannes glücklich beym Herrmann an; Ganasch aber nach Amisia /als der über dem Verluste seiner Schiffe noch mehr bestürtzte Germanicus schon das meiste Kriegs-Volck auf die übrige Flotte gebracht hatte. Ganasch wendete alle mögliche Mittel an / ihn zu bereden: daß er seine Bundsgenossen mit so grosser Verkleinerung der Römischen Waffen nicht verlassen solte; aber Germanicus hatte keine Ohren / sondern vertröstete den Ganasch: die Römer würden ihren gemeinen Feinden an einem gelegenern Orte so viel zu schaffen machen /daß sie denen Chauzen und Friesen einiges Ungemach anzuthun wol vergessen würden. Germanicus fuhr also mit seinen vier Legionen auf der Emse hinab /dem Meere zu; er ward aber zeitlich inne: daß er die Schiffe überladen hatte / und er durch das seichte Meer / besonders bey der Eppe unmöglich fortkommen würde. Dahero sätzte er auf Nachen den Publius Vitellius mit der andern und vierzehnden Legion ans Friesische Ufer an / daß er solche zu [1065] Lande gegen der Isel / und dem Rheine führen solte. Vitellius hatte anfangs einen trockenen Weg / und als gleich die Flutt kam / durfften die Römer nur hin und her / biß an die Knöchel durchs Wasser waten. Die erste Nacht aber /mit welcher zugleich Tag und Nacht einerley Länge bekam / und um welche Zeit die Flutt des Meeres am höchsten sich zu ergiessen pfleget / trieb ein Nordwind das Meer über alle Ufer und Tämme / überschwemmete das gantze Land / also; daß so weit man sehen konte / Meer / Ufer und Feld das feste Land /die Tieffen und Sand-Bäncke nicht zu unterscheiden /sondern alles Welle und Wasser war. Von diesen wurden die Legionen gleichsam überschwemmet und fortgerissen / viel Menschen und Vieh ersäuffet; also daß man weit und ferne Bürden und Leichen schwimmen sah. Die auch gleich noch an den höhern Orten stehen blieben / wurden von einander zertrennet / und stunden bis an die Brust oder den Mund im Wasser; ja / wenn sie am sichersten zu stehen meinten /versancken sie im Schlamme; oder der Triebsand wiech ihnen unter den Füssen weg / und die Wirbel verschlungen sie. Keine Warnigung / kein Zusprechen halff hier wider die taube Flutt. Der kluge und behertzte war in so elendem Zustande als der erschrockene und unverständige. Vernunfft und Hertzhafftigkeit waren hier unnütze Dinge / denn die Zufälle zernichteten die klügsten Rathschläge; die Gewalt des Wassers und die Verwegenheit stürtzten einen so wol als den andern ins Verderben. Endlich erreichte ja Vitellius eine kleine Höhe / auf welcher er die Uberbleibungen seines zu Lande gelittenen Schiffbruchs zusammen laß. Die im Wasser halb erfrornen musten daselbst ohne Speise / Geschirre / Heerd und Licht übernachten. Die am Leibe keinen Schaden bekommen hatten / waren doch nackt und bloß / ja zehnmahl elender / als welche vom Feinde umgeben sind. Denn diese können ja noch ehrlich sterben / jene aber gehen verächtlich unter. Mit dem Tage aber kamen etliche Friesen zu ihnen / halffen ihnen aufs feste Land / und biß an den Vider-Strom / wo Germanicus kurtz vorher angelendet war. Unterdessen hatte sich der Ruff biß an Rhein-Strom und in Gallien ausgebreitet: daß Germanicus mit allen vier Legionen ersoffen wäre / und wolte niemand glauben: daß jemand übrig blieben wäre / biß Stertinius mit etlichen Schiffen zu Manarmanis am Friesischen Hofe ankommen war / und im Nahmen des Germanicus mit dem Fürsten Segimer und Sesitach / welche Cruptorich auf einem Friesischen Schiffe mit dahin gebracht hatte / weil sie in der Cheruskischen Gräntze dem Wetter und dem Feldherrn nicht mehr trauten / die Bedingungen abzuhandeln / auf welche sie ebenfalls auf die Römische Seite treten wolten. Mit Segimern war alles leichte gethan; Sesitach aber solte dem Germanicus einen Fußfall thun / und sich seiner gnädigen Straffe unterwerffen /weil er des Qvintilius Varus Leiche beschimpfft zu haben beschuldiget ward. Malorich und Cruptorich aber vermittelten es: daß ihnen und dem Segesthes zu Ehren / es bey einer schrifftlichen Entschuldigung und Abbitte blieb. Weil nun die kaum übrig gebliebene Helffte der vom Vitellius geführten Legionen so übel zugerichtet war / daß sie unmöglich zu Fusse weiter fortkommen konten; Germanicus ihren schlechten Zustand auch gerne verhölet hätte / muste er sie nur wieder in seine Schiffe nehmen. Hierüber brachte er einen gantzen Tag zu; kam also erst den andern Tag nach Manarmanis / empfieng daselbst Segimern / nam seinen Sohn zu Gnaden an / und fuhr durch die Isel und des Drusus Graben in Rhein.

Wie Germanicus und Vitellius nun mit dem Wasser zu fechten hatte; also kriegte Cäcina mit dem Feinde alle Hände voll zu thun. Denn ob er zwar mit seinen vier Legionen die [1066] durch den sich längst der Emse nahe biß ans Meer sich erstreckenden Sumpff gemachten Tämme erreichte / und zwischen selbten sich so sicher als über dem Rheine oder den Alpen schätzte; so liessen doch der Feldherr und Ingviomer nur ein Theil ihrer Heere den Römern am Rücken /welches auf denen Tämmen ihnen nachfolgte. Sie aber zohen mit dem Kerne ihres Kriegs-Volckes an der Emse acht Meilen hinauf biß an den Vider-Strom; an diesem wendeten sie sich Westwerts / kamen also durch Leitung des Grafen von Bentheim / dem Cäcina / dessen schwer beladenes Heer auf den leimichten Tämmen langsam fortkommen konte / um einen halben Tag noch zuvor / zerrissen also die Tämme /warffen die Brücken ab / worüber die Römer aus den Sümpffen kommen solten / und verbargen sich hierauf in die auf denen herum liegenden Hügeln gewachsene Wälder. Cäcina / welcher gleichwol die Anwesenheit ausspürte / ward hierüber sehr bekümmert / und gewahr / was für einen unsäglichen Vortheil oder Schaden es brächte / wenn einem Feld-Hauptmann die Gelegenheit der Oerter bekandt oder unbekandt wäre. Er sahe wol: daß ihm auf einmahl die Last obliegen würde / Tämme und Brücken zu bauen / und gegen den ihn daran hindernden Feind zu fechten. Gleichwol muste er einen Schluß fassen; weil es besser ist / auch was schlimmes / als gar nichts entschlüssen. Also sätzte er ihm vor / sich an selbigem Orte zu verschantzen: daß er nach und nach ihm so viel sicherer einẽ Weg bähnte. Zu dem Ende erkiesete er gewisse Leute zu Schantzarbeitern / und gewisse zu ihren Beschirmern. Die Römer aber fiengen nicht so geschwinde an Rasen zu stechen / auf den Schubekarnen Erde herbey zu führen / als die Deutschen sie mit grossem Geschrey allenthalben anfielen / und / weil die Römer eben so wol keinen festen Bodem zu stehen hatten / sich den schilffichten Grund / das glatte und leimichte Erdreich / und endlich die Sümpffe / darinnen sie biß an Gürtel oder unter die Armen waten musten / nichts aufhalten liessen. Denn sie wusten wol: daß diese Art zu kämpffen / und die schweren Spisse mit Nachdruck zu werffen / die kleinern und schwerer gerüsteten Römer viel säuerer ankommen würde / als die länger gewachsenen Cherusker und Bructerer /welche an schlammichten Orten und in Brüchen zu fechten gewohnt waren / und an ihren langen Spießen geschicktere Waffen hatten einen in die Ferne zu erreichen. Dieser Anfall geschahe mit so grosser Hefftigkeit / daß alle vier Legionen / welche an einem so schlimmen Orte keine Glieder schlüssen / keine Ordnung halten konten / an welcher doch alleine aller Nachdruck der Römischen Waffen hänget / in Verwirrung geriethen / und Cäcina mit dem Apronius nicht hindern konte: daß sie etliche hundert Schritte weit mit Hinterlassung vieler Todten zurück weichen musten. Denn der Feldherr und Ingviomer scheueten sich selbst nicht / nach dem zu Pferde nichts auszurichten war / zu Fusse durch alle Pfützen ihr Kriegs-Volck anzuführen; also daß der vornehmste Adel es ihm für Schande geachtet hätte / wenn sie für gemeinen Knechten den geringsten Vortheil hätten haben sollen / wol wissende: daß eine solche Besudelung die schönste Purper-Farbe beschämete / und der vollkommenste Fürniß der Tapfferkeit wäre. Apronius ward selbst hefftig verwundet / und mit genauer Noth durch das Schilff aus der Deutschen Händen gerettet. Es würde auch dißmahl außer Zweiffel von den Römern kein Gebeine davon kommen seyn / wenn die Finsternüs der einbrechenden Nacht nicht den verzagten und müden Feind aus den Händen der Deutschen gerissen / und sie an der Verfolgung gehindert hätte. Wie die Noth nun die Römer zwang sich des Nachtes / so gut sie konten / zu begraben; also ermunterte die Deutschen der Sieg selbigen Tages: daß sie keine Müdigkeit fühlten / und an keine Ruhe dachten; sondern weil auf den nechsten Bergen viel Bäche entspringen /[1067] und sich hin und wieder vertheilen / führten sie alles Wasser durch mühsame Schützen in neu gemachten Gräben zusammen / und leiteten es denen ohne diß gleichsam im Wasser schwi enden Römern auf den Hals. Hierdurch wurden ihre aufgeworffene Schantzen zerrissen / uñ da sie nicht ersauffen wolten / musten sie solche mit zweyfacher Arbeit ergäntzen und erhöhen. Cäcina selber legte mit Hand an das Werck / um fein von Müdigkeit erliegendes Volck bey gutem Willen zu erhalten / welches ohne einen so mühsamen und hertzhafften Feld-Hauptmann gewiß die Hände hätte sincken / und alle Hoffnung fallen lassen. Er selbst gestand nach der Zeit: daß er in viertzig Jahren / seit dem er im Kriege theils gedienet / theils Befehlhaber gewest / niemahls keinen härtern Stand gehabt hätte. Weil er aber so wol der widrigen als glücklichen Begäbnüsse gewohnt war / ließ er an sich den wenigsten Kleinmuth mercken. Sintemahl aus der trauer-oder freudigen Bezeugung eines Feld-Hauptmanns und Schiffers ein gantzes Heer und Schiff ihm / wie aus Aufgehung gütiger oder schädlicher Gestirne / sein Heil oder Untergang wahrsagt. Diesemnach ein jeder Feld-Hauptmann / wie starck und glücklich er gleich ist / sein Gemüthe allezeit so fasten soll /wie er sich zu verhalten habe / wenn sein Vorhaben noch schlimmer ausschlüge / als es menschliche Vernunfft ihr einbilden könne. Denn welcher ihm nur eitel gutes träumen läßt / verlieret bey widrigen Zufällen nicht nur das Hertze / sondern auch den Verstand; also daß ihm auch der grosse Pompejus / nach verspielter Pharsalischen Schlacht / weder zu rathen noch zu helffen weiß; da er doch auch damahls noch stärcker als sein Uberwinder war. Weil nun der wie ein versuchter Fechter auf alle Fälle gefaßte Cäcina wol sahe: daß er an diesem schlimmen Orte nicht in die Länge austhauern / sondern auch ohne Schwerdstreich würde verderben müssen; worauf es nunmehr der Feldherr zu spielen schien / entschloß er sich sein euserstes zu thun / und sein Heer in bessern Stand zu sätzen / und es zum wenigsten auf die kleine Fläche zu bringen / welche sich zwischen den Sümpffen und Bergen befand / und auf den Nothfall zu einer Schlacht-Ordnung zureichte. Diß nun zu erlangen /und so wol die Verwundeten als das Geräthe fortzubringen / machte er Anstalt / wie sein Heer auf den andern Morgen fortrücken solte. Die erste Legion solte die Spitze führen / die fünffte auf der rechten /die ein und zwantzigste auf der lincken Seiten dem anfallenden Feinde begegnen / und er selbst mit der zwantzigsten wolte den Rücken vertheidigen. Die Nacht ward mit gantz ungleicher Unruh hingebracht. Denn die Deutschen feyerten den Neumond mit Gastmahlen und freudigen Gesängen / worvon die herum liegenden Thäler und Wälder in den Ohren der Römer einen schrecklichen Widerschall von sich gaben. Bey den Römern hingegen war ein trauriges Stillschweigen / ausser daß sie ihre schlechte Feuer aufbließen /und eitel verbrochne Worte mit stetem Seufftzen und Wehklagen ausstießen. Die gleich nicht zur Wache bestellt waren / giengen wie die umirrenden Gespenster von einem Zelte zum andern / und aus Furcht überfallen zu werden / waren die wenigsten vom Walle zu bringen; wiewol sie nicht so wohl wachten /als wegen Bangigkeit nicht schlaffen konten. Cäcina selbst ward mit einem schrecklichen Traume beunruhigt; in welchem der mit Blut und Kothe besudelte Qvintilius Varus aus den Sümpffen empor stieg / Cäcinen die Hand reichte / und ihn / ihm zu folgen / befehlichte. Aber Cäcina stieß die ihm gereckte Hand von sich weg / und weigerte sich ihm zu folgen. Gleichwol wolte er auf den Morgen die Legionen beschlossener massen ordnen; die aber / welche die Seiten bewahren solten / verliessen ihren Stand / und lieffen aus Zagheit oder Hartnäckigkeit zum ersten über den Sumpf. Ob nun gleich der Feldherr bey dieser [1068] Unordnung die Römer anzufallen Vortheil genung hatte / hielt er doch sein begieriges Volck zurücke /weil er wol sahe: daß sich noch eine bessere Gelegenheit ereignen würde. Als nun die Wagen und Last-Pferde in Sumpff kamen / und in Gräben stecken blieben / also sich das Kriegs-Volck trennen / die Glieder zerreissen muste / ein jeder mehr das seinige fortzubringen als der Hauptleute Befehl zu vollbringen bedacht war; gab Hertzog Herrmann seinem Volcke zum Angriffe das Zeichen / und er selbst ruffte mit heller Stimme: Sehet dar / ihr tapfferen Deutschen! den andern Varus / und die durch gleiches Glücke überwältigten Legionen! Hiermit giengen die Cherusker und Bructerer auf die Römer loß / und Herrmann selbst mit dem Grafen von Nassau und hundert auserlesenen Rittern brach zum ersten in die fünffte und Ingviomer mit dem Grafen von Bentheim / und hundert auserlesenen Bructerern in die zwantzigste Legion ein. Pedo mit der Römischen Reiterey meinte diesen Einbruch zwar zu perhindern / aber er ward vom Grafen von Lingen und Teckelnburg übel bewillko t; und weil die Römischen Reiter mit Pantzern und Harnischen sehr wol verwahret waren / daß weder Degen noch Spieß durchdringen konten / rief ihnen der Feldherr zu / sie solten ihnen nur die Pferde durchstechen. Auf diesen Erfolg fielen sie theils wegen verlohrnen Blutes / und des glatten Bodems über einen Hauffen /und ihren Reitern auf den Hals / theils wurden kollernd / rennten das Fuß-Volck übern Hauffen / und zertraten die Fallenden. Mit einem Worte: diese Schlacht hatte weder Ordnung / noch der Befehlhaber gute Anstalt einigen Nachdruck. Hertzog Herrmann und Ingviomer brachen wie der Blitz allenthalben durch / wo sie hintraffen. Cethegus der Oberste über die fünffte Legion ward auch vom Feldherrn hefftig verwundet; und ob zwar die Römer ihre Adler weder feste in die Erde stecken / noch weniger sie der Gewalt der Deutschen entgegen setzen konten; so kamen doch beyde Hertzogen dem fünfften und zwantzigsten Adler so nahe: daß jenen der Ritter Nordheim schon mit der Faust zu fassen kam / und Hoye den Fähnrich des zwantzigsten zu Bodem schlug. Hier muste der doch verwundete Apronius / und dort Cäcina mit seiner Leibwache zueilen / umb die in gröster Gefahr stehenden Adler zu retten. Als der Feldherr nun den Cäcina so weit voran / und die Römischen Glieder ergäntzen sahe / sprengte er gegen ihm / durchstach ihm das Pferd; also daß er zu Bodem fiel / und von der Cheruskischen Leibwache umringet ward. Das auf ihn gefallene Pferd diente ihm zu allem Glücke so lange zum Schilde / biß die zum Hinterhalt noch übrige erste Legion herzu drang / und den Römischen Feld-Hauptmann aus den Händen der Cherusker und des Todes errettete. Dieser erfahrne Krieges-Held verzweiffelte gleichwol nicht / als schon alles verzweiffelt / drey Legionen zertrennet / und die vierdte nun unter der Schmiede war. Weil aber seine Kräfften nicht zulangten / muste er ihm mit einer Krieges-List rathen. Daher zohe er alles Volck von dem Geräthe weg; und befahl / nach dem Beyspiele des von Jägern verfolgten und ihre abgebissene geile im Stiche lassenden Biber / diese Schalen für den Kern des Lebens Preiß zu geben. Sein Anschlag gelang ihm nach seinem Wunsche. Denn anfangs fiengen die Bructerer /hernach die Cherusker an zu plündern; und also hinderte die allzeit schädliche Begierde der Beute / wel che doch dem Uberwinder nicht entlauffen kan / daß die Deutschen ihren zweyten Sieg nicht vollkommen machten. Denn die Römer kriegten dadurch Lufft sich wieder an einander zu ziehen / und mit dem Abende arbeiteten sie sich aus den Sümpffen und Pfützen auf den festen Bodem. Gleichwol war diß noch lange nicht ihres Elendes Ende. Sie solten ein neu Lager schlagen / neue Wälle bauen / und sie hatten das meiste Theil der Grabescheite und Hacken im Stiche [1069] gelassen. Für die Krancken war kein Zelt / für die Verwundeten kein Pflaster verhanden. Das wenige übrige Brod war gleichsam aus Blut und Schlamme gezogen. Die Nacht war zwar stockfinster; aber / weil sie sie für ein Vorbild des Todes hielten / so viel schrecklicher; und des Tages erwarteten sie mit keiner bessern Hoffnung / als daß er so viel tausend Menschen der letzte ihres Lebens seyn würde. Gleichwol ließ der durch so viel Ungemach mehr abgehärtete als kleinmüthig gemachte Cäcina an seinen Kriegs-Sorgen und guter Anstalt nichts erwinden / und er war allemahl der erste / der die Schauffel und das Grabescheit in der Hand hatte / also sich diese Nacht aufs neue vergrub. Nichts desto weniger aber hatte sich dem Ansehn nach nicht weniger das hartnäckichte Glücke /als der Feind auf seinen Untergang verschworen /welches vermittelst eines schlechten Zufalls offt durch die klügsten Rathschläge und Anstalten einen Strich /und die wichtigsten Anschläge zu Wasser zu machen pfleget / daß zuweilen ein Hase den Löwen Furcht einzujagen / und Gelegenheit die grösten Städte einzunehmen geben kan. Dieses würde dem Römischen Heere auch dißmahl allhier begegnet seyn / wenn Cäcina nicht allem Unglücke die Stange zu bieten / ja dem Verhängnüsse selbst die Wage zu halten / fähig gewest wäre. Denn es hatte ungefehr ein Pferd den Zügel abgestreifft / und weil es vom Geschrey der ihm nachlauffenden Leute noch mehr wilde gemacht ward / rennte es etliche ihm begegnende übern Hauffen. Aus diesem Lermen entstand ein Geschrey / und zugleich ein Schrecken; die Deutschen hätten sich des Lagers bemächtigt. Diesemnach gerieth alles in die Flucht und in Schrecken. Jedermann wolte bey der Pforte / welche am weitesten vom Feinde und der Haupt-Pforte gegen über war / der erste seyn / um sich zu retten. Cäcina eilte im Augenblicke dahin dieses Panische Schrecken zu stillen. Nach dem er aber weder mit Bitte noch Dreuen / weder mit aufgehobenen Händen noch mit dem Degen die Flüchtigen hemmen konte / warff er sich auf die Schwelle des Thores darnieder; also / daß sie hätten über ihren Feldhauptmann rennen und reiten müssen. Die Flüchtigen hielt das Erbarmen zurücke / und er verriegelte denẽmit seinem Leibe die Pforte / welche vorhin blind / taub /und durch nichts aufzuhalten waren / biß die Obersten und Hauptleute ihnen die Augen auffsperreten / und die Unerhebligkeit dieses tummen Schreckens entdeckten. Cäcina forderte hierauf das Kriegs-Volck auf den Hauptstand des Lagers zu dem ersten Adler / und für seinen Stul; und nach dem er allen ein Stillschweigen geboten / verwieß er ihnen; daß ein gantzes Heer sich ein schichternes Pferd hätte mit in die Flucht reissen lassen / und sie ohne Ursache und Vernunfft sich in gröste Gefahr gestürtzet hätten. Alleine begangene Fehler müsten Wegweiser zu künfftiger Klugheit seyn. Sie wären in einem solchen Zustande / da sie der Zeit wahrnehmen / und nichts an dem / was nöthig /versäumen müsten. Ihr Heil bestünde zwar in den Waffen / weil der Feind aber viel stärcker wäre / müsten sie durch kluge Rathschläge alle Vorthel zu Hülffe nehmen. Daher hielt er vor rathsam / im Lager zwischen dem Walle zu bleiben / und eine falsche Furcht anzunehmen; wenn der vermässene Feind aber solches vermuthlich stürmen würde / solten sie unversehens ausfallen / und ihnen den Weg zum Rheine bähnen. Was unvermuthet geschehe / machte so wohl kluge als behertzte irre. Auf die Flucht aber solte sich nur keiner verlassen. Denn wie sie die schimpflichste Schwachheit eines Kriegs-Mannes wäre; also hiebe das Unglück den Augenblick die Hand auff seinen Rücken zu verletzen / da er denen Gedancken davon sein Hertz öffnete. Sie hätten noch durch mehr Wälder und Sümpffe zu ziehen / als sie derer hinter sich gelegt hätten; und in denen übrigen so grausame Feinde / als in vorigen / zu erwarten. [1070] Dieser Händen würden sie nicht entrinnen / wenn sie sich nicht durchschlügen. Also solten sie sich ihres eigenen Heiles /ihrer Pflicht und ihres Vaterlandes eriñern. An einem einigem Siege hienge ihre Wolfarth und ihre Ehre. Also munterte Cäcina seine Römer auf; verschwieg aber so wohl diß / was ihm abging / als was er schon eingebüßet hatte. Denn die Erinnerung grossen Verlustes machet die Menschen nur verzagt. Weil die übrige Reuterey auch schlecht oder gar nicht beritten war /theilte er der Obersten und Rittmeister Pferde denen tapffersten aus; und daß diese hierüber nicht unwillig würden / fieng er von seinen eigenen an: Diese solten beym Ausfalle die Bahn brechen / und das Fußvolck so denn nachdrücken. Mitler Zeit kriegte der Feldherr Nachricht: daß Cruptorich mit fünfftausend Friesen /und drey tausend Römern dem Cäcina zu Hülffe / und denen Cheruskern und Bructerern in Rücken käme; daher befand er für nöthig / den Grafen von Steinfurth / und Ravenstein mit vier tausend Bructerern / und so viel Cheruskern ihm entgegen zu schicken. Ob nun zwar das deutsche Heer hierdurch mercklich geschwächet ward / weil es aber von dem im Lager entstandenen Schrecken und der thörichten Flucht Wind kriegte / so wuchs bey den Deutschen die Begierde und Hoffnung die Legionen aufzureiben / ehe die Sicambrer auf der andern Seiten / und vielleicht auch vom Rheine neue Hülffe ankäme; Also verlangten sie / man solte denen abgematteten Römern keine Lufft / noch sie ausruhen / oder sich noch mehr befestigen lassen /sondern das übel verwahrte Lager stürmen. Der Feldherr war gantz widriger Meinung / und sagte: Sie hätten den Feind in einer solchen Falle hinten und vorwerts besätzt: daß er ihnen weder entrinnen / noch einige Hülffe an sich ziehen könte. Der Hunger aber würde sie zwingen: daß sie sich auffs neue würden in die Sümpffe machen müssen / in welchen ein Deutscher dreyen Römern überlegen wäre. Hielten sie aber noch länger im Lager aus / so würde die Helffte ihres zurückgelassenen Heeres folgen / und sie so denn den Feind zweymahl übermannen. Man solte seinen Feind niemahls in seinem Vortheil angreiffen / wie schwach er gleich zu seyn schiene. Die Wissenschafft / ein Werck und seine Verrichtungen wohl und in die beqväme Zeit einzutheilen / wäre ins gemein der Weg zur Glückseligkeit. Wer sich aber einmahl übereilte /und die Pflicht seines Lebens auf einmahl ausmachen wolte / könte ohne Nachtheil niemahls zurücke. Es liesse sich in einem Tage nicht so viel verschlingen /als man in seinem Leben kaum verdäuen könte. Denn wie tapffere Leute nichts zu fürchten hätten; also müsten sie auch niemanden / weniger aber sie die Römer verachten; denen mit Abnehmung des Gelückes allezeit Hertz und Vorsicht / wie bey abnehmendem Mohnden dem Knobloche und Zwibeln der Safft wüchse. Die Geringhaltung des Feindes verursachte Unachtsamkeit / diese aber gäbe ihm ein gut Theil mehr Kräfften. Ingviomer hingegen rieth: man solte sich den Feind vom Schrecken / welches sich wie die Ohnmachten nach und nach verliere / nicht erholen lassen / sondern weil das Kriegsvolck noch vom Eyver warm wäre / das Lager stürmẽ. Wie durchgehends die Gemüthsregungen erkalteten / und das annehmlichste Neue die Unschätzbarkeit täglicher Dinge annähme; also verrauchten viel mit grossem Ernst angefangene Kriege / wenn man nur die erste Hitze überstünde / und selbten in die Länge ziehen könte. Zumahl man den Deutschen Schuld gäbe: daß sie zwar tapffer / Kälte und Hunger / aber ihre zerflüssenden Leiber nicht Hitze noch Durst weniger in die Länge sauere Arbeit ausstehen könten. Daher müste man mit wichtigen Sachen nach einander verfahren / und sich des Vortheils / den die allenthalben angesehene Neuigkeit an sich hätte / gebrauchen. Wenn man einmahl mit einem Last-Wagen stille hielte / [1071] schnitte er so tieff hinein: daß er unbeweglich würde. Insonderheit wäre nöthig zu eilen / wo die Ruhe schädlicher / als die Verwegenheit wäre. Und das verwüstete Land der Bructerer die Krieges-Last nicht länger auszustehen hätte. Seine Vergnügungen solte man niemahls / Heldenthaten aber ie ehe ie besser ausmachen. Solte der Sieg auch gleich etwas schwerer zu erlangen seyn / so würde hingegen mit dem Lager alles in ihre Hände fallen / und ihnen weder von Gefangenen noch von der Beute etwas entgehen. Weil die verwegenen Rathschläge nun scheinbar / und daher ins gemein angenehmer sind; fiel Malovend und die meisten Kriegs Obersten / derer keiner für furchtsam angesehen seyn wolte / Ingviomern bey. Der Feldherr muste es also geschehen lassen / fürnehmlich weil sie in Ingviomers Gebiete waren; und daher überließ er auch Ingviomern / und denen ihm beypflichtenden Kriegs-Obersten die Einrichtung des Sturmes. Die Römer wurden aus Zusa enschleppung des Reisichts zu Füllung der Gräber / aus Fertigung der Leitern / und andern Anstalten leicht inne / was die Deutschen im Schilde führeten / und daher belegten sie den Wall mit Fußeisen / und Tafelwercke / auf welche wegen der herausragenden spitzigen Nägel niemand treten konte. Sie stelleten unterschiedene Fallbrücken / samleten eine grosse Menge Wasser-Steine zum werffen und schleudern / und andere sehr grosse / mit welchen sie den Sturmzeug zerschmetterten. Sie spanneten hin und her Balcken auf / welche sie auf die stürmenden Feinde abwältzen / und durch gewisse Räder mit Seilen wieder empor ziehen konten. Die Thore bekleideten sie wider das Feuer mit nassen Ochsen-Häuten / versahen sie mit Fallgattern /und oben mit Löchern: daß sie auf allen Fall dadurch löschen konten. Hingegen bereiteten sie Pechkräntze /zerschmoltznes Bley / und glüendes Eisen / Sand und fette Erd-Schollen / welche daselbst zu graben / und zum brennen geschickt waren. Sie versahen sich auch mit Netzen und Schlingen / die empor steigenden damit zu fesseln / oder zu verwickeln. Ja den sonst nur acht Füsse breit- und eben so tieffen Graben vergrösserten sie noch selbige Nacht um fünff Schuch /welches auch um so viel den Wall erhöhete / welcher rings herum mit spitzigen Sturm-Pfälen verwahret ward. Gleichwohl verbargen die Römer alle diese zur Gegenwehr gemachte Anstalten. Als nun gleich auf den Morgen an unterschiedenen Orten blinder Lermen gemacht / das Lager aber auf der einen Seite vom Ingviomer und Grafen von Horn / auf der andern vom Grafen von Bentheim und Teckelnburg ernstlich bestürmet / die Graben gefüllet / die Wälle erstiegen wurden / liessen sich doch die Römer sehr sparsam und kaltsinnig in der Beschirmung des Lagers spühren / gleich als wenn ihnen schon Hertze und Hoffnung entfallen wäre. An zweyen Orten ward auch schon der Wall erstiegen / da sich denn allererst die Römer recht sehen liessen / ihre gute Anstalten angewehrten / und dem Feinde die Spitze wiesen; wiewohl meist nur die verwundeten und schwächsten den Wall vertheidigten. Als die Deutschen nun theils in Gräben steckten / theils am Walle hinauf kletterten / theils zwischen die Sturm-Pfäle verwickelt waren / ließ Cäcina auf seinem Zelte eine blutige Fahn ausstecken / und an allen vier Seiten des Lagers die Krumm-Hörner und Trompeten blasen. Auf diß Zeichen wurden im Augenblick alle vier Pforten geöffnet. Zu der einen fiel Apronius / zu der andern Pedo / zur dritten Cethegus / zur vierdten Cäcina selbst aus / und blieben mit den Hülffs-Völckern kaum zweytausend im Lager. Die stürmenden Bructerer und Cherusker hatten sich ehe des Himmelfalls / als eines Feindes im Rücken versehen / welcher ihnen mit seinen gläntzenden Waffen und Harnischen nicht weniger die Augen bländete / als mit Rührung der vielen Spiele die Ohren betäubte; also / [1072] daß der Feind ihnen für zweymahl so starck fürkam / als er war / und ehe sie sich von Wällen und aus den Gräben zusammen raffen konten / ihrer nicht wenig ins Graß biessen / ja ihrer mehr zu fliehen / als zu fechten geneigt waren. Die Römer rufften auch denen Deutschen zu: Sie steckten hier nicht im Schlamme / noch würden sie in Wäldern überfallen /sondern hier stünden sie unter freyem Himmel / auf festem Bodem; also hätte keiner für dem andern einen Vortheil des Glückes / sondern die Tugend würde den Ausschlag des Sieges geben. Ingviomer und Bentheim mühten sich zwar ihr Volck in richtige Schlacht-Ordnung zu stellen / aber weil sie allzuweit von einander zertheilet / und die / welche vor am meisten groß gesprochen hatten / die kleinmüthigsten waren / blieb es bey einem zerstreuten Kampffe / wo zwar ein ieder sicht / aber alle überwunden werden. Ingviomer / welcher die Schande nicht haben wolte zu fliehen / und daher das Ampt eines tapffern Feldherrns und eines gemeinen Kriegs-Manns verrichtete / ward selbst in die Schulter hefftig verwundet: daß ihn der Ritter Engern und Welpe auf die Seite / und aus der Gefahr bringen muste. Uber diß gebrauchte sich Cäcina dieser Kriegs-List: daß er auf der Ost-Seite aussprengen ließ / die Deutschen wären auf der West-Seite auffs Haupt geschlagen / und in voller Flucht. Auf der West-Seite aber / es verhielte sich auff der Ost-Seite also. Wordurch denn die Deutschen irre gemacht / die Bructerer auch nach den Bergen zu weichen / verursacht worden. Ja auch den Cheruskern mangelte nichts mehr zur Flucht / als daß sie dem Feinde den Rücken kehren solten. Also schadet im Kriege nicht nur die Wahrheit / und diß / was schrecklich ist / sondern auch der Schatten / und diß / was man ihm schrecklich einbildet. Aus diesem Irrthume würden die Deutschen einen unverwindlichen Streich bekommen haben; wenn nicht der Feldherr seine zum Hinterhalte fertigen zwölfftausend Cherusker halb auf der einen Seite selbst / halb auf der andern Seite durch den Grafen von Nassau / gegen die Römer geführet /ihren Sieg gehemmet / und den Deutschen sich wieder zu setzen Lufft gemacht hätte. Weil aber ein grosses Theil schon den Bergen zugeflohen / und mit einmahl schon kleinmüthig gemachten Leuten wenig Ehre zu erjagen war / muste sich der Feldherr an dem vergnügen / daß die vom Sturme ablassenden Völcker sich vollends aus den Gräben und dem Gedränge arbeiten; und gleichwohl gewonnen die durch diesen Sieg gleichsam wieder lebendig gewordenen Römer hiermit ein grosses Theil ihres Ansehens wieder / und zugleich ihren Muth und Wolfarth. Sie vergassen darbey alles erduldeten Ungemachs / und ihres noch nicht aufhörenden Mangels; aber nicht / ihnen diesen Sieg nütze zu machen. Denn sie hatten numehr weder Eßig noch Brodt / sondern sie musten nur faules Wasser trincken / und ungemahlenes Getreyde / das von dem aus Gallien bekommenen noch übrig war / roh oder gekocht essen. Ob auch wohl etliche Kriegs-Leute was weniges von schwartzem und verschimmelten Brodte Cäcinen anboten / wolte er es doch nicht besser / als gemeine Knechte haben; und sonder verstattete lange Ruh / rückte er noch selbige Nacht fort /und kam auf den Morgen ohne alle Hindernüß über den Aastrom zwischen andere Sümpffe; also / daß ob wohl der Feldherr seinem Heere wieder ein Hertze einsprach / und folgenden Tag den Römern den Weg abzuschneiden eilte / er doch zu spat kam / und wegen abgeworffener Brücken sie wieder einzuholen / alle Hoffnung verlohr / bey diesem Verluste aber mehr Ehre / als fast vorher durch seine Siege erwarb; weil er den unglücklichen Ausgang dieses wiederrathenen Sturmes ihnen so treulich wahrgesagt hatte. Cäcina kriegte von den Friesen für sein Kriegs-Heer nöthigen Vorschub von Lebens-Mitteln / Pferden und Wagen /kam [1073] also wider aller Menschen Vermuthen an dem Rheine bey dem Einflusse der Lippe an / wo er mit seinen vier Legionen anfangs gelegen / und eine ziemlich starcke Festung erbaut / und solcher den Nahmen der an der Lippe und Elße vom Herrmann zerstörten Aliso gegeben hatte. Von dar zohe er durch das Sicambrische Gebiete biß zu dem Ubischen Altare. Daselbst empfieng sie Agrippine am Anfange der Brücke / lobte die Tapfferkeit der vier Legionen / welche aber nicht mehr zwey gantze ausmachten. Sie danckte Cäcinen für seine kluge Hertzhafftigkeit / und daß er niemahls seinen Muth auch bey verzweiffeltem Zustande hätte sincken lassen. Es war fast kein über die Brücke kommender Römer / welcher nicht die Erde küste /und die über dem Rheine wohnenden Völcker empfiengen sie mit so grosser Freude und Verwunderung; als wenn sie aus dem Lande der Todten zurück kämen. Sintemahl das Geschrey schon den Rheinstrom und gantz Gallien erfüllet hatte: Cäcina wäre mit seinen vier Legionen erschlagen / daß nicht ein Mann davon kommen wäre / und die Deutschen wären unterweges / mit einer ungeheuren Macht in Gallien einzubrechen / wo alles schon für ihnen zitterte und bebte. Dahero hätten auch die Römer ihre bey dem Ubischen Altare über den Rhein gebaute Brücke eingerissen / weñ es die behertzte Agrippine nicht verhindert hätte / welche unterdeß am Rheine / bey Abwesenheit des wenig Tage vorher ebenfalls angekommenen Germanicus / das Ampt eines Feldherrn verwaltet hatte / und nun denen abgerissenen Kriegs-Leuten mit Kleidern / den unbewehrten mit Waffen /den Krancken mit Artzneyen aushalff / und durchgehends allen Geld austheilte / sie theils tröstete / theils lobte / und nicht anders als ein Feldherr anredete / da doch dieses niemanden als dem Kayser oder Feldherrn verstattet / sondern allen / weß Würden er gleich war /das Heer zu beruffen / selbtem was vorzutragen / oder an Rath zu schreiben bey Lebens-Straffe verboten war. Dem Tiberius / als er diß zu Rom erfuhr / stieg dieses hefftiger zu Gemüthe / als da Livia Rath und Volck an sich zoh / selbtem Gehöre gab / und daß sie den Tiberius zum Kayser gemacht / also neben ihm zu herrschen Recht hätte / sich rühmte. Sintemahl diese seine Mutter doch in Rath zu kommen / oder ein versamletes Kriegs-Heer / wie Agrippina / anzureden /oder sich der Kriegs-Sorgen anzumassen / niemahls unterstanden hätte. Denn wer hierinnen das geringste that / grieff dem Tiberius ans Hertze / wie wenig Eyversucht er sonst gleich gegen ihn zu fassen hatte; weil das Kriegs-Volck alleine an ihm hencken / seine Befehle zur Richtschnur haben / und seiner Freygebigkeit genüssen solte. Je länger er nun der Sache nachdachte / ie mehr wuchs sein Argwohn / und schien ihm unglaublich: daß diese männliche Sorgen /und die den Weibern sonst ungewöhnliche Freygebigkeit ein gemeines Absehen haben solten / weil es die Gemüther der Römer gegen verhaßte frembde Völcker zu gewinnen unnöthig wäre. Es schiene dem Kayser selbst zur Verkleinerung zu gereichen: daß Agrippine die Legionen musterte / zwischen den Adlern stünde /und nichts zu thun unterliesse / was einem Feldherrn obläge / ja ihren kleinen Sohn in einem Rocke eines gemeinen Kriegs-Knechtes im Lager erzüge / und ihm dadurch die Hertzen der Kriegs-Leute stähle. Sie selbst wäre schon bey diesen in grösserm Ansehen /als die Feldhauptleute und Obersten. Sie hätte schon die aufrührischen Legionen besänfftiget / welches Germanicus selbst nicht vermocht hätte. Was würde sie nicht künfftig ausrichten können / und zu thun sich erkühnen / nach dem sie sich täglich durch kirrende Wolthaten ihr mehr anhängig machte. Welchen Argwohn der des Tiberius Art und Neigung gewaltig wohl kennende Sejanus meisterlich zu vergrössern / in eben diß Horn zu blasen / auf ein fernes Absehen in des Kaysers Hertze die Wurtzeln des Hasses gegen[1074] Agrippinen und den Germanicus / einzupflantzen wuste. Deñ auch dieser vergaß nichts / so wol Cäcinens / als des Silius zwischen den Rhein uñ die Mosel verlegten Legionen gutes zu thun. Er ließ denen gemeinen Knechten den Sold / so hoch ihn Kayser Julius und August vergrössert hatte / drey Monate nach einander mit fünff und zwantzig Pfenningen täglich zweyfach bezahlen / und monatlich an stat der monatlichen vier Maaß Getreydes / ihnen acht zu mässen /welches alles auch bey denen Befehlhabern und Reitern stieg; daß nemlich jene gewöhnlicher massen zwey- diese dreymahl so viel als ein gemeiner Fußknecht bekamen. Uberdiß beschenckte er sie über das ausgesätzte Schweinen-Fleisch / mit etlichen hundert Ochsen / verstattete denen Krancken und Verwundeten nicht nur gebratenes / sondern auch gekochtes Fleisch zu essen / und ein wenig Wein zu trincken /welches beydes sonst den Kriegs-Leuten verboten war. Welche Pflegung aber das Römische Heer wol hoch von nöthen hatte; denn die saltzichte Lufft / das faule Wasser / und die schlechte Kost hatte selbtes durchgehends mit einer das Geblüte verderbenden Kranckheit / nemlich dem Scharbocke / wovon die Römer vorher nie gehöret hatten / derogestalt angesteckt: daß fast allen Römern im Munde die Zähne ausfielen / im Leibe heßliche Flecken ausschlugen. Es würde an dieser frembden Kranckheit / worwider aller Römischen Aertzte Mittel mehr schädlich als dienlich waren / auch sonder Zweiffel das gantze Römische Heer gestorben seyn / wenn nicht ein Friesischer Artzt dem Germanicus das so genennte Britannische Kraut oder den schwartzen langblättrichten Wasser-Ampffer / und den bitteren Wasser-Klee als die zwey heilsamsten Mittel / wider diese gefährliche Kranckheit entdeckt hätte. Westwegen ihn der halb verzweiffelnde Germanicus auch reichlich beschenckte. Damit ihm aber hierinnen Tiberius keine Verschwendung / oder eine Verzärtelung des Kriegs-Volckes beymessen konte / verwendete er hierzu seine eigene Mittel / ließ das Kriegs-Volck täglich üben und arbeiten / und sagte ihnen: daß diese Ergetzligkeit auf keine Nachfolge und langes Leben angesehen wäre. Im übrigen war er auch gegen den geringsten freundlich / er besuchte die Krancken / war selbst darbey / wenn die Verwundeten verbunden worden / und war sorgfältig /daß ihnen nichts an der Heilung abgienge. Nach dem die meisten auch genesen waren / zohe er zu Meyntz des Silius / zu Vetera Cäcinens Legionen zusammen /verrichtete mit selbten den Gottesdienst / lobete nicht nur aller Gedult und Beständigkeit / sondern auch absonderlich viel / die sich für andern tapffer gehalten hatten. Einem gab er einen Spieß / dem andern einen zierlichen Degen / dem dritten ein gülden Arm oder Halsband / dem vierdten gepregt-oder ungepregtes Geld / dem fünfften ein Kleid / dem sechsten ein purpern oder goldenes Fahn / dem siebenden einen Krantz / dem Cäcina / Silius / Apronius und Vitellius eine güldene Krone. Ja nicht ein einiger blieb unbeschenckt; die unglücklich gewesten richtete er mit gemachter Hoffnung besseren Glückes auf / denen Uberwindern liebkosete er mit Herausstreichung ihres Wolverhaltens / lockte also alle zu seiner Gewogenheit / und zu künfftiger Tapfferkeit an. Damit nun Tiberius sich nicht mit Verdachte des Neides beladete /oder er dafür / als wenn er nichts bey der Sache zu thun / angesehen / fürnemlich aber die grosse Niederlage der Römer zu Rom verdrückt würde / befand er im Rathe: daß Cäcinen / dem Apronius und Silius ein Siegs Gepränge verstattet werden solte. In solche ruhmräthige Eitelkeit war die alte Tugend der Römer verfallen: daß sie über ihre eigene Niederlagen frolockten / und die Feld-Hauptleute Zunahmen der Völcker anzunehmen sich nicht schämten / von denen sie Schläge bekommen hatten.

Der Feldherr Herrmann und Ingviomer spieleten nicht mit solchen Schalen und Bländungen / [1075] sondern vergnügten sich an dem rechten Kerne ihres Sieges /und ihrer behaupteten Freyheit. Denn / was konte Deutschlande ersprießlicher / diesen zweyen Fürsten rühmlicher seyn; als daß sie die ungeheure Macht /derogleichen von Römern noch niemahls wider ein eintzeles Volck ins Feld geführt worden war / über den Rhein gejagt / und die zu Bezwingung der gantzen Nordwelt angesehene Zurüstung zu Wasser gemacht hatten. Da zumahl die Römer sich wol ehe gerühmt hatten: daß sie mit wenigern Legionen glücklicher als die alten Riesen den Himmel zu stürmen sich getrauten. An diesem Preiße / als der edelsten Frucht des Sieges / vergnügten sich die Deutschen / welche in ihrem Kriege für nichts anders / als für ihre Freyheit / und die Ehre ihres Hertzogs zu kämpffen / und niemahls weder Sold noch Belohnung zu fordern gewohnt waren. Gleichwol aber wurden die tapffersten vom Feldherrn mit denen eroberten Pferden und Waffen beschenckt. Hertzog Ingviomer erinnerte nach Verjagung der Römer: man solte numehr den Fürsten Melo / Malorich und Bojocaln / als Feinde des Vaterlandes / mit gesamter Hand übern Hauffen werffen /und das Kriegs-Volck / welches nach erlangtem Siege zwey Hertzen im Leibe hätte / nützlich angewehren /nicht aber durch Trägheit den Sieg im Sieg verliehren / oder in einem Tage den erworbenen Ruhm wieder begraben. Die Versäumung eines Tages hätte offt einem verlohrnen Feinde zurechte geholffen / und Hannibal / indem er den Verfolg seines Sieges wenig Stunden aufgeschoben / Carthago zerstöret / Rom errettet. Hertzog Herrmann aber war viel anderer Gedancken / welcher rieth: Man solte mit denen mehr durch der Römer Arglist / als durch eigenen Haß abspenstig gemachten Deutschen sich lieber vertragen /und sie zu Gefärthen des gemeinen Bundes wider die Feinde ihrer Freyheit machen / als durch einen bürgerlichen Krieg sich mit ihnen schwächen. Die Römer wären wol geschlagen und verjagt / aber nicht überwunden; und sie hätten keine Bürgen / daß diese Raub-Vögel der Welt nicht wiederkommen würden. Germanicus wäre noch unversehrt / welcher aus seinem Nahmen ihm einen Aberglauben Deutschlands Meister zu werden eingebildet / und sich wider selbtes gleichsam verschworen hätte. So lange nun ein solcher Schlangen-Kopff lebte / würden die Glieder nicht ruhen. Der hurtigste Falcke machte sich auf einmahl nicht an zwey Reiger; und der allerstärckste thäte thöricht / der lieber zwey als einen Feind haben wolte. Die schlauen Römer / mit denen sie zu thun hätten /wären jederzeit bemühet gewest / nur mit einem Feinde zu kriegen / die übrigen zu versöhnen. Daher hätten sie Asdrubals Zunöthigungen verschmertzt / biß sie mit den Galliern überein kommen wären. Und diß thäten sie noch / da sie mit der gantzen Welt Friede hielten / weil sie mit den Deutschen uneines wären. Krafft dieses Einhalts ward beliebt: daß alle drey Hertzoge durch Gesandten wieder auf die deutsche Seite zu bringen; also die innerliche Zwietracht in Deutschland / welche den Römern ein gefundener Handel wäre / zu erstecken / möglichster Fleiß angewendet / die Uberläuffer Flavius / Segesthes / Segimer / Siegesmund und Sesitach aber für den gemeinen Richterstuhl der deutschen Fürsten erfordert / da sie aber nicht erschienen / für Verräther des Vaterlandes /auch ihrer Länder und Güter verlustig erkennet werden solten. Diesen Schluß billigte auch Hertzog Jubil / welcher etliche Tage nach dem letzten Treffen mit dem Cäcina / an der Emße ankam. Denn Adgandester hatte an der Elbe von des König Marbods Kriegs-Heere ein grosses Theil zusammen gezogen / und sich immer gestellet / als wolte er bey den Hermunduren einbrechen; also ihn eine Zeitlang zurücke gehalten /biß er daselbst auf allen Fall Vorsehung gethan / auch endlich ergründet hätte: daß es nicht in Adgandesters[1076] Macht stünde / was feindliches anzufangen / sondern Marbod nur zu diesem Spiegelfechten ein Auge zudrückte. Dieser fiel in allem des Feldherrn Meinung bey; und wie er über des Feldherrn und Ingviomers Siegen hoch erfreuet war; also hielt er nöthig Rechenschafft zu geben / was inzwischen die Catten und Hermundurer ausgerichtet hätten. Daß Germanicus /sagte er / mit des Silius vier Legionen von den Catten und Hermunduren über den Rhein getrieben ward /schien dem Hertzoge Arpus / Catumer und mir gegen die Verwüstung des zwischen dem Rheine und der Eder verwüsteten Landes / eine allzu schlechte Rache zu seyn. Jedoch kränckete uns noch mehr: daß dem Feldherrn seine Gemahlin und Sohn / Ismene / Zirolane / der Priester Libys / und andere von dem Cheruskischen Adel waren geraubet worden / und daß Arpus auf dem Berge Taunus eine neue Festung schauen solte / mit welcher den freyen Catten gleichsam ein Kapzaum angelegt war. So bekümmerte uns auch nicht wenig: daß denen Cheruskern und Bructerern die gantze Last der Römischen Waffen auf den Hals geweltzet ward. In dem hierüber gehaltenen Kriegs-Rathe ward / was hierbey zu thun / reiflich überlegt /und waren bey nahe so viel Meinungen als Stimmen. Endlich ward doch beschlossen / Arpus solte den Berg Taunus belagern; Catumer aber nach dem Beyspiele des Africa bekriegenden / und Hannibaln aus Italien ziehenden Scipio / in Gallien einfallen / ich die Gräntzen gegen den Marbod besätzen / und wo möglichst zwölff tausend Catten und Hermundurer den Cheruskern zu Hülffe führen. Der arglistige Fuchs Adgandester machte mit zwantzig tausend Hermunduren gegen mich so seltzame Verstellungen: daß ich seine Gänge so wenig als einer Schlangen im Gestrittich erforschen konte / gleichwol aber besorgen muste / daß er alle Tage feindlich einbrechen würde. Endlich merckte ich doch: daß er zwar einen bösen Willen /aber gebundene Hände hatte; und es Marbods Meinung nicht wäre / uns von Römern unterdrücken zu lassen / sondern vielmehr sie und die Deutschen in gleicher Wage zu halten: daß sie einander die Stange bieten könten / und keiner ihm zu Kopffe wüchse. Unterdessen streute ich doch einen Ruff aus: daß ich käme / und schon unterweges wäre / um die Bunds-Genossen zu trösten / den Feinden Kummer zu machen; biß ich endlich mich einzufinden für nöthig hielt / aber zu desto grösserem Ruhme der Cherusker und Bructerer zu späte kommen bin / und an ihren Siegen außer der Freude kein Theil habe. Hertzog Arpus rückte mit achtzehntausend Catten unter den Berg Taunus / welcher auf einer Seite die wieder erbaute Festung des Drusus / auf der andern / das vom Visellius Varro besätzte Lager hatte. Welches alle zum ersten und zwar mit dem Degen in der Faust /nicht aber durch langsame Krieges-Künste anzugreiffen für rathsam hielten. Nach dem nun ein genugsamer Vorrath von Reysicht / Fässern / und andern / zu Füllung der Gräben nöthiger Vorrath verhanden war /stellte Arpus rings um das Läger / so weit es auf der einen Seite die abschüßige Höhe nicht hinderte / sein Heer in die Waffen. In der ersten Reye war das mit schweren Waffen versehene Fuß-Volck / in der andern die Schützen und Schleuderer / und zuletzt die zu Vertheidigung des Rückens / und wider die Ausfälle bestellte Reiterey. Zwischen dieses Volck stellte er vier grosse Schleudern / derer zwey auf einmahl etliche hundert Feldsteine auf den Wall wurffen / zwey nicht viel weniger Pfeile abschossen. Mit diesen ließ Arpus den Anfang machen / und als die Schützen und Schleuderer auch nicht feyerten / machte man zwar /um den Feind zu zertheilen / allenthalben Lermen; der Sturm aber ward eigentlich an dreyen Orten vom Grafen von Waldeck / Hanau und Hohenstein angeführt. Jeder Kriegsmann hatte seinen Schild und eine Axt /oder [1077] eine Hacke auf dem Rücken / in Armen ein Faß /oder ein grosses Reisig-Gebund / welches ihm so lange zum Schilde diente / biß er es in Graben warff. Hinter diesen trugen ihrer zwey und zwey immer eine Leiter / welche theils von Holtze / theils von Riemen /Bast oder Stricken gemacht waren / und oben eiserne Hacken hatten / daß man sie im Walle feste machen konte. Vier und vier aber trugen eine auf vier starcken Pfälen stehende / oben aber mit nassen Rind-Ledern bedeckte Hütten / unter denen die Stürmenden ohne Gefahr des Feuers / der Steine / und Pfeile / sicher am Walle arbeiten / und die Thore zerhauen konten. Weil nun an denen drey Orten der Graben genugsam gefüllet war: daß die Catten an Wall unverhindert ankamen / wurden die Leitern angeworffen / und feste auch mit den Hacken in den Rasen rechte Stuffen gemacht / die Sturm-Pfäle zerhauen / und selbter mit grossem Eyver erstiegen. Wo auch der Wall nicht allzuhoch war /gab sich eine Menge des Kriegs-Volckes harte am Walle zusa en / welche über ihren Köpffen die Schilde so feste und artlich zusa en fügten: daß andere Kriegs-Leute darauff steigen / sicher stehen / und fechten konten. Welche Erfindung zwar alt / und schon für Troja üblich gewest / und folgends zu den Römern gekommen seyn soll; aber die kräfftigen Deutschen thun es hierinnen allen Völckern zuvor / in dem sie ihre Schilde so steiff halten / daß sie darauf Reuter und fahrende Wagen ertragen können. Der Graff von Hanau und Hohenstein traffen auf die von Römern besätzten Bolwercken / auf derer einem Sejus Tubero / auf dem andern Emilius zugegen waren / und an Tapfferkeit und Krieges-Künsten zu Abschlagung des Sturmes nichts ermangeln liessen. Gleichwohl sätzte Hanau und Hohenstein dem Feinde mit einer solchen Hartneckigkeit zu / daß sie die an etlichen an den Wall geschobenen Leitern oben befindliche Brücken auf die Brustwehre warffen / und ein Stücke derselben behaupteten / also / daß Visellius Varro den auff der Haupt-Wache gelassenen Hinterhalt beyden zu Hülffe schicken muste. Hanau / welcher allenthalben der förderste war / und so wohl mit der That als Worten sein Volck zu Behauptung ihres erstrittenen Vortheils anfrischte / ward zwar hierüber verwundet; aber er verstellte und verbieß seine Verletzung. Hohenstein aber brach mit seiner Brücke ein / und darüber einen Arm / also / daß der Graff von Solms seine Stelle vertreten muste. Gleichwohl würden die Catten an beyden Orten gegen die andringende Römische Reuterey nicht länger haben stehen können / wenn die Römer nicht einen neuen Lermen bekommen hätten /in dem der Ritter Bergheim mit dreyhundert auf Römisch gekleideten Catten / an der hohen Seite des Lagers / wo kein Mensch einen Feind vermuthet / über die gähen Klippen den Wall erstiegen hatten / welche auch nicht für Feinde / sondern für ihnen aus der Festung zu Hülffe kommende Römer angesehen wurden / noch was feindliches fürnahmen / biß sie zu dem nechsten Thore kamen / und selbtes aufzuhauen anfiengen. Dieses Thor ward auch auswerts / genommener Abrede nach / vom Grafen von Isenburg angegriffen / und also / ungeachtet Varro selbst mit fünffhundert Römern / und noch mehren Trierern dahin kam /aufgesprengt. Worüber denn ein überaus blutiges Gefechte angieng / in dem Isenburg mit Gewalt einzudringen / Varro aber solches zu verwehren / und die dreyhundert hinein gestiegene Catten von dem Thore weg zu treiben sich eusserst mühte. Alleine allen diesen zweiffelhafften Gefechten gab endlich der Graf von Waldeck den Ausschlag / welcher das dritte bestürmte Bollwerck völlig behauptete / die Trierer von selbigem abtrieb / und mit denen zweytausend daselbst übersteigenden Catten / theils auf das zersprengte Thor wieder den Varro selbst / theils auf das vom Hanau gestürmte / und vom Tubero vertheidigte Bollwerck / [1078] durch den Grafen von Henneberg und Beilstein loß gieng. Nach einer verzweiffelten Gegenwehr muste Varro endlich weichen / also / daß Isenburg und folgends die Cattische Reuterey eindrang /und was sich entgegen stellte / zu Bodem rennte. Tubero ward vom Hanau und Henneberg zugleich von seinem Bollwercke getrieben / und kurtz darauf behauptete der Graf von Solms auch das seinige. Weil nun derogestalt alles über und über gieng / eileten Varro und Tubero denen gegen der Festung gelegenen zwey Pforten zu / welche sie zu ihrer Flucht öffnen liessen. Es lagen aber die ins Lager gedrungenen Catten / weil Arpus bey Verlust des Lebens für völligem Siege die geringste Beute zu machen verboten hatte /so scharff in Eisen / daß der Feinde kaum tausend aus dem Lager entkamen / welche aber aus dem Regen in die Tropffe kamen / in dem sie von der auswerts in Bereitschafft haltenden Reuterey der Catten auffs neue bewillkommt / und / was nicht durch die Gütigkeit der Pferde entrann / in Stücke gehauen oder gefangen ward. Varro und Tubero konten die Festung nicht erreichen / weil die Catten daselbst schon vorgebeugt hatten; also musten sie spornstreichs dem nur zwey Meilen von dar flüssenden Meyne zueilen / über welchen sie auf einem schlechten Fischer-Bot entrannen. Wenig Römer versteckten sich zwischen die Felsen in die Gräben und Wälder / und stahlen sich des Nachtes zu dem Rheine oder Meyne. Im Lager warffen die umringten Trierer und Gallier die Waffen alsobald nieder / die übrigen Römer musten sich also mit dem Emilius auch ergeben. Hertzog Arpus bekam im Lager einen grossen Vorrath an Waffen und allerhand Sturm- und andern Kriegeszeug / wie nicht weniger an schönen Pferden / Gelde / Gallischem Weitzen /und andern Lebens-Mitteln / mit welchen er sein Kriegs-Heer vortrefflich ausrüstete. Sintemahl er nur das Getreyde und den Kriegszeug zu Fortstellung des Krieges aufhob / Pferde / Geld / Waffen / und güldene Ketten aber / wormit die reichen Gallier im Kriege zu prangen pflegten / den Catten / welche sich wol gehalten hatten / austheilte / und nur das zehende Theil davon / GOtt zu einem Danck-Opffer liefferte. Hertzog Arpus ward durch diesen Sieg so entzündet: daß er von Stund an sein Kriegs-Volck mit dem im Lager eroberten vortrefflichen Sturmzeuge für die deutsche Festung führte / und sie auffordern / zur Belagerung aber den Anfang machen ließ. Denn wie dem Siege Flügel zugeeignet werden / also lauffen die nicht /welche das Glücke an der Seite haben / sondern sie flügen. Arpus ließ noch selbigen Abend die Festung auffordern / und ihnen dreuen; daß so denn keine Gnade zu hoffen seyn würde / wenn sie es so weit kommen liessen / daß er die Thürme an die Mauer brächte / und mit den Sturm-Böcken die Mauer zu erschellen anfienge. Calpurnius Piso / welcher oberster Befehlhaber in der Festung war / ließ dem Hertzoge Arpus spöttische Antwort zu entbieten / und ihn fragen: ob er seine Thürme wie die Erd-Kugel in die Lufft gründen / die Sturmböcke aber an die Bogen des Himmels anhencken wolte; deñ diese Festung lag rings herum auf einem felsichten Berge / und hatte nur an wenigen Orten einen schmalen Absatz / der nicht mit der Mauer eingeschlossen war / also es was übermenschliches zu seyn schien / einen Thurm anzuschieben / oder einen Sturmbock zu stellen. Denn ob zwar dem Piso nicht unbekandt war; daß Sylla in Belagerung der Jüdischen Bergfestung Massada / von Erde und Holtz / einen Berg zweyhundert Ellen hoch geschüttet / hierauf einen steinernen Fuß von funffzig Ellen gemauert / endlich einen sechzig Ellen hohen Thurm darüber gebauet; wie nicht weniger Julius für Maßilien wenig kleinere Lasten aufgeführet / und Mithridates für Cyzicum hundert Ellen hohe Thürme auf Rädern angeschoben hatte; so traute er doch [1079] weder den Catten diese Geschickligkeit und Gedult / noch auch daß Germanicus den Belägerern hierzu genugsame Zeit lassen würde / zu. Allein Hertzog Arpus zwang die im Lager gefangenen Römer / welche sich sonderlich auf die gefundenen künstlichen Werckzeuge wohl verstunden / daß sie nicht allein die zu sicherer Untergrabung der Mauer dienenden Verdachungen / die zu Einwerffung bleyerner und eiserner Kugeln /drey Ellen langer Pfeile / zwölff ellichter Spiesse /grosser Mühlsteine / welche gleich dreyhundert und sechzig Pfund schwer waren / bereitete Schleudern /auf den Berg und harte an die Mauer brachten / sondern sie musten auch zwey Sturm-Thürme an den ihnen angewiesenen Ort bringen / welche nach dem Muster derer / welche Caßius für Rhodus gebraucht /man zerlegen / stückweise tragen / und / weil sich alles sehr wohl zusammen fügte / in gar kurtzer Zeit zusammen sätzen konte. Die belagerten Römer wusten nicht: ob sie diese gezwungenen Römer als ihre Lands-Leute und Bluts-Freunde verschonen / oder weil sie zu ihrem Verterb arbeiteten / als Feinde beschädigen solten. Weil sie aber hierüber mit einander zwistig wurden; verrichteten unterdessen die Gefangenen die ihnen aufgedrungene Arbeit / und die Catten erreichten ihren Zweck / fiengen auch ohne Zeitverlierung an / Steine / Bley / und Eisen einzuwerffen / die Mauer zu durchbohren / und zu untergraben. Die Belagerten mühten sich zwar / mit ausgeworffenem Pech / Hartzte / Schwefel / glüenden Eisen / und grossen Steinen solche zu verbrennen / und zu zerdrümmern /aber weil alles Holtz mit Allaune überfirnßet / die Thürme mit eisernem Bleche beschweret waren / hafftete kein Feuer / und das zerschmetterte ward augenblicks wieder ausgebessert. Hierbey aber ließ es der wachsame Arpus nicht bewenden / sondern unter denen Bedachungen ließ er harte an der Mauer zwey eichene sechs Ellen und dreyßig Schuch / zurücke an der abschüssenden Seite des Berges zwey funffzehn Ellen hoch aus der Erde fürragende und rundte Säulen eingraben. Um beyde legte er dicke und lange Seile an / welche unten mit vielen Stricken an eisernen Rincken einen starcken auf sechs niedrigen Rädern liegenden Sturmbock fasseten. An die oben um die Säulen gelegten / und am Berge herunter gehenden Seile /wurden auf der Fläche dreißig paar Ochsen angespannet / welche in einer Viertel-Stunde den sonst kaum von etlich tausend Menschen beweglichen Sturmbock empor brachten. In weniger Zeit ward er mit Ketten an die obersten Säulen aufgehenckt / mit Kühhäuten bedeckt / und von denen unter den Bedachungen stehenden Catten vermittelst der um die untersten Säulen gehender Seile und Stricke gezogen. Die belagerten Römer / welche anfangs über so mühsamer Arbeit lachten / wurden nicht weniger als die Gallier und Mazagen in Indien erschreckt / als jene den Käyser Julius / diese den grossen Alexander so ungeheure Thürme auf verborgenen Rädern an ihre Mauern zum ersten anschieben sahen; gleich als wenn diß ein mehr als menschliches Werck wäre. Noch viel mehr aber fiel ihnen der Muth / da sie in wenigen Stunden von dem stossenden Bocke die nicht allzu dicken / und noch weniger recht ausgetrockneten Mauern bersten /wie auch durch derselben Untergrabung nicht wenig Löcher gemacht / die Catten aber so embsig sahen: daß sie Tag und Nacht arbeiteten / und ihnen weder zum Essen noch zum Schlaffe Zeit nahmen. Weil nun Piso sich auf solche Art verlohren sah / entschloß er einen Ausfall zu thun / in Meinung diese Sturmwercke zu zernichten. Zu allem Unglück aber trafs sichs /daß Arpus auf eben diese Zeit sein gantzes Heer zu einem Sturme fertig hielt. Daher wurden die ausfallenden Römer nicht nur übel empfangen / sondern die sich mit den Flüchtigen [1080] vermischende Catten drangen zugleich mit durch die geöffnete Pforte / der Graf von Erpach und Gleichen / der Ritter Ridesel / Koßboth /und andere aber / durch die zerstossene Mauer hinein. Piso that zwar sein euserstes / aber vergebens. Denn er ward selbst harte verwundet und gefangen / worauf die übrige Besatzung sich auch ergeben / und dem Willen des Uberwinders unterwerffen muste. So geschwinde gieng diese fürtrefliche Festung über / zu einer heilsamen Erinnerung: daß weder die Natur /noch menschliche Vorsicht etwas unüberwindlich machen könne. Flaminius steigt so bald über die unwegbaren Gebürge in Macedonien / als Hannibal über die Alpen in Italien / worüber nicht einst die Vögel solten fliehen können. Alexandern konte der Euphrat / der Tiger und Oxus die berühmten Mauern der Morgenländer nicht aufhalten / und die von Sand und Schlangen umgebene Stadt Capsa fiel in kurtzer Zeit in des Metellus Hände.

Der bey dem Altare des Bacchus über den Rhein gegangene Fürst Catumer wolte weder an Glücke noch Tapfferkeit seinem Vater was nachgeben. Denn es zohen zwar Acilius / Aviola und Julius Indus die Gallier zusammen / und weil sie wol zweyfach so starck waren / boten sie ihm an der Nahe unter dem Berge / welcher das Haupt der Berge genennet wird /die Stirne. Es lief aber solches so schlecht ab: daß die Gallier nach einem zweystündigen Gefechte geschlagen wurden / den dritten Theil ihres Volckes / und eine sehr reiche Beute im Stiche liessen. Weil nun Catumer keinen Feind im Felde hatte / ihn aber die Einäscherung der Stadt Mattium hefftig bitterte / saan er Tag und Nacht / wie er den Römern eines / wo es ihnen recht weh thäte / versetzen möchte. Das vom Domitius besätzte Mäyntz stach ihn zwar in die Augen / aber zu einem so grossen Wercke waren seine Kräfften zu schwach / zumahl von dem Britannischen Ufer die verschriebene Legion im Anzuge /und schon biß an die Samber gekommen war. Nach dem aber nahe bey Mäyntz auf einem Berge dem Drusus zu Ehren ein Bild und ein Altar gesetzet / und eine zu grosser Verkleinerung der Deutschen gereichende Lobschrifft aufgerichtet war / ja die fürnehmsten vom deutschen Adel / welche die Römer gefangen bekommen / oder unter ihrer Botmäßigkeit Güter besaßen / daselbst Priester / oder nur Opffer-Knechte worden / seines blinden Grabmals eben so wol als dessen / was ihm zu Ravenna aufgerichtet war / warten / zu gewisser Zeit es mit Rosen und Blumen bestreuen / und Mahlzeiten ausrichten musten; ward Catumer lüstern dieses verkleinerliche Gedächtnüsmaal eben so wohl als das an der Lippe zu zerstören. Weil selbtes aber wol befestiget war / und aus der harte daran liegenden Stadt Mäyntz alle Augenblicke entsetzet werden konte / er auch andere nützlichere Verrichtungen mit einer langen und gefährlichen Belagerung nicht versäumen wolte / nahm er seine Zuflucht zu einer Krieges-List. Er entfernte sich von Mäyntz /und ließ sein Volck biß an die Saar und Mosel streiffen / viel tausend stücke Ochsen / und ander Vieh zusammen / und zum Altare des Bacchus treiben / und solche nebst anderer reichen Beute in sein Land überbringen. Weil aber nach etlichen Tagen gleich das Feyer des Drusus einfiel / da die Gallier zu seinem Altare eine grosse Menge Opffer-Thiere bringen / und ihn als einen Gott verehren musten / näherte sich Hertzog Catumer Mäyntz mit tausend Pferden / und ließ unterdeß den Grafen von Wißbaden / Hagenheim und Beilstein den Trierern auf dem Halse. Von seinen Kriegs-Leuten aber verkleidete er dreyhundert theils in Gallische Bauern / theils gar in Weiber. Hierzu liessen sich auch selbst die Ritter / Geißfurt / Bierstatt / Abrinsberg / und andere gebrauchen. Diese trieben wie andere Gallier ihr Vieh nach der Festung / worinnen des Drusus Mahl war / ohne den geringsten Argwohn zu / weil man die [1081] Catten auf mehr denn zwantzig Meilweges von dar entfernet zu seyn glaubte. Nach dem aber der in einem Grunde verborgene Fürst Catumer / von einer Höhe / durch Aufsteckung eines weissen Tuches das Zeichen bekam: daß die verkleideten Catten mit ihrem Vieh nahe dem Thore kamen; rennte er mit seinen sieben hundert auf Gallische Art gekleideten Catten der Festung spornstreichs zu. Die Wache wolte bey seiner Näherung zwar das Thor sperren / aber die auf der Brücke und unter dem Thore getriebene Ochsen hinderten nicht allein jener Aufziehung / und dieser Schlüssung / sondern die in Bauern und Weiber verkleideten Catten zohen auch die versteckten Gewehre herfür / grieffen damit die Wache an / und machten also: daß Catumer mit so gutem Glücke / und auf gleiche Weise diesen Ort / als der Spartaner Aristippus an dem Feyer der Minerva die Stadt Tegea eroberte. Die darinnen befindlichen Römer wolten sich zwar zur Gegenwehr setzen / es ward aber alles zu Bodem gerennet / ehe es recht die Waffen ergreiffen / und sich in Ordnung stellen konte. Daher drang sich alles / und darunter selbst Domitius durch die andere gegen Mäyntz gelegene Pforte durch / und hiermit machte sich Catumer der gantzen Festung Meister / dar en viel gefangene und reiche Beuten warẽ. Domitius sendete dem Fürsten Catumer alsbald einen Herold / und erbot sich für des Drusus Altar und Gedächtnüsmaal ein grosses Stücke Geldes zu entrichten / daß es nicht versehret würde. Catumer aber ließ ihm zur Antwort wissen: die Deutschen wären vor diesem nicht gewohnt gewest / Heiligthümer / Palläste / Seulen-Bilder / und andere Dinge /welche den Feind zwar kränckten / den Sieger aber nicht verbesserten / zu versehren / sondern hätten derselben Zernichtung für eines rasenden Menschen Begiñen gehaltẽ. Nach dem aber die Römer / welche die gantze Welt Rechte und Gesätze lehren wolten /durch Zerstörung des Tanfanischen Tempels / Einäscherung der Stadt Mattium / sie ein besseres Kriegs-Recht gelehret hätten / wolte er sich dessen gebrauchen. Ubrigens möchte Domitius wissen: daß zwar die Römer / nicht aber die Deutschen mit Gelde zu überwinden wären; daß sie aus Geitz verkleinerliche und abergläubische Dinge ihnen zum Schimpff /und andern zur Aergernüs solten stehen lassen. Denn Catumer hatte nach besätzter Festung / und angeordneter Verwahrung der Gefangenen / alles was zu Ehren des Drusus aufgerichtet war / in Augenschein genommen / und befunden: daß an einem hohen in Gestalt einer Eichel ausgehauenen Steinfelse eben dieselbige hoffärtige Uberschrifft / welche bey dem an der Lippe aufgerichteten Altare gestanden hatte / dem Drusus zu Ehren eingegraben war. Gegen über war aus Marmel in Gestalt eines alten und zwey hörnrichten Greisses der Rhein gebildet / aus dessen Gefäße ein rechter Brunn unaufhörlich Wasser ausgoß. Der Rand dieses Geschirres war vergoldet / vielleicht weil man aus dem Sande dieses Flusses Gold wäscht. Neben ihm stand Drusus / welcher mit der lincken Hand das rechte Horn des Rheines umfaßte; dieser aber steckte seine rechte Hand unter des Drusus lincken Fuß / welcher in der rechten Hand einen Römischen Adler hielt. Oben war darüber in Stein gehauen: Dem Rheine / seinem Sohne Drusus / und dem Adler / unsern Schutz-Göttern. Denn Drusus hatte noch bey Lebzeiten / wie Viridomar / sich für einen Sohn des Rheines ausgegeben. Wie denn auch für Alters Nileus seinen Ursprung vom Nil / Acestes vom Flusse Crinisus / Oenus von einer Bach in Thuscien /Achilles von der Thetis herzuführen vermeinten. Daher befahl er: sie solten die gantze Schrifft zernichten / das marmelne Altar biß auf den Grund abbrechen / die Priester abdancken / und vereyden: daß sie sich nimmermehr zu solcher Abgötterey wolten [1082] gebrauchen lassen. Wie die Catten nun die Hand daran legen wolten / trat der dem Drusus geweihte Römische Priester mit zerstreueten Haaren und ängstigen Gebehrden herfür / redete aber den Fürsten Catumer mit einer ungemeinen Bewegung an: Ist es wohl möglich: daß ein so tapfferer Fürst / als Catumer ist / dieses Ehren- und Grabmaal des grossen Drusus versehren solte / welchen wir Römer für einen Halb-Gott /seine Feinde aber für einen der tapffersten Helden halten? Glaubestu nicht: daß du dir deine eigene Lorbeerzweige vom Haupte reissest / wenn du diß Grab derselben beraubest? Ich kan von dir nimmermehr muthmassen: daß du deine Stärcke an unversehrlichen Gräbern prüfen / und die im Grabe einst zur Ruhe gelangten Todten beunruhigen soltest. Sintemahl nur Raben und Geyer mit Leichen Krieg anfangen. Die Natur hat ja selbst eine heilige Ehrerbietigkeit gegen die Todten / auch den wildesten Menschen eingepflantzt; Niemand rühret ein Grab ohne Schrecken an. Ist gleich Drusus euer Feind gewest / so vergnüget euch: daß so wol seine Siege als sein Leben in Deutschland ihr Ziel gefunden. Höret doch der Grimm unvernünfftiger Thiere mit dem Falle ihrer Feinde auf / wie mag denn deiner sich so weit nach Drusus Tode erstrecken / da er dich zumal nie beleidiget hat? da er bey Lebzeiten sich so tapffer gewehret / nun aber es zu thun keine Kräfften hat. Lasse diesem nach deine dir selbst verkleinerliche Sache mit ihm gestorben /und mit seiner kalten Asche begraben seyn. Denn du würdest durch Beleidigung dieses sich nicht mehr zu wehren geschickten Todten dich nur selbst verdächtig machen / als wenn du dich / ihn lebendig anzugreiffen / nicht das Hertze gehabt hättest. Schämet sich doch ein Kriegs-Mann einen ungewaffneten anzutasten; wie woltestu dich denn an den reiben / der in seinem Grabe verriegelt / und statt des Schildes mit einem Leichen-Steine bedeckt ist? Denckestu nicht: daß du dem Himmel / und der Natur hierdurch Krieg anbeutest / wenn du dessen Gebeine ans Licht bringen / mit dessen Geiste die Welt schichtern machen wilst / welche die Erde schon verdecket / und dem das Verhängnüß ewigen Schlaff und Stillschweigen enträumet hat? Aeschere nach dem Beyspiele deiner tapfferen Vorfahren Rom / oder diese euch zum Kapzaume erbaute Stadt Mayntz ein / lasse nur den Todten-Topff unversehret / der entweder hier ein Theil von des Drusus Asche / oder sein Gedächtnüß in Verwahrung hat. Weil es doch alle Grausamkeit übersteiget / wenn man die uns in nichts am Wege stehenden Grab-Maale umdrehet; und nach dem tapffere Helden uns kein Leid mehr thun wollen / das Andencken ihrer Thaten vertilgen will. Uberwinde dich diesem nach /Catumer! nach dem du die Gallier / und diese Festung überwunden hast. Du wirst an den Lebenden noch viel zu bezwingen haben / also / daß du dich mit den Todten einzulassen nicht Noth hast. Die Rennebahn der Tugend hat keine Schrancken / und das Feld der Ehre kein Ziel. Je weiter man darinnen kommt / ie mehr findet man zu thun / und das vermeinte Ende unserer Siege ist meist allererst des Kampffes Ansprung. Was wilstu dich denn mit den Todten halsen / in die Gräber vertieffen / wo jene ihre Sieges-Kräntze abgeleget / und wir den Stillstand unsers Thuns / ja unser hochflügenden Gedancken zu erwarten haben. Lasse die Würmer mit den Leichen kriegen; du aber / Catumer / mache dich an des Drusus Sohn / welcher dir und den Catten so weh gethan hat / wo deine Rachgier so edel / als eiffrig seyn soll. Drusus hat einmahl die Schuld der Natur bezahlt / niemand kan zweymahl sterben. Du aber mühest dich gleichwohl den Drusus zweymahl zu tödten. Denn die Begräbnüß-Maale / die rühmlichen Grabeschrifften / sind nicht nur das einige Vermögen / sondern das andere Leben der Todten. Dieses raubet der ihnen / welcher sie [1083] beschädigt; ja er leschet zugleich das heilige Feuer aus / welches der Ruhm und die Ehre der Verstorbenen in edlen Gemüthern anzünden. Zünde vielmehr mit der unter diesem Steine verwahrten Ampel in deinem Hertzen eine rühmliche Eyversucht und Begierde an / es dem Drusus bevor zu thun / und die deutschen Heerspitzen biß an den Po und die Tyber zu führen / wie er die Römischen biß an die Weser und die Elbe erstrecket hat. Erweitere die Herrschafft der Catten / biß an die Alpen und Pyreneischen Gebürge. Bändige die Römer / unterwirff dir die Gallier / und dencke nicht an die Todten / welche dich mehr weder zu hassen / noch an dich zu dencken fähig sind. Was suchestu in dem Schatten eines Grabes bey dem / der am Tagelichte mehr kein Theil / und der Deutschen Feind zu seyn aufgehöret hat. Die Erde ist zwar ein Behältnüß der meisten Schätze; Dieses Grabmaal aber ist noch ärmer als ein Grab. Denn es beherberget nicht einst Asche oder ein Aaß; sondern wenn du an ihm den Nahmen Drusus ausleschest / ist es ein Unding; also /daß auch die Zauberer hier mit keinem Gespenste ihre Gemeinschafft würden finden können. Mit Auswischung dieser Uberschrifft wirstu zwar nicht das Gedächtnüß des Drusus / welcher zu Rom und Ravenna noch fürtrefflichere Ehrenbilder hat / aber wol viel vom Ruhme der Deutschen verleschen; welche so wenig Geschichtschreiber / aber in den Kriegen mit dem Drusus viel denckwürdige Thaten ausgeübt haben. Sey nicht unbarmhertziger / als die alles fressende Zeit / nicht grimmiger als Feuer; welches sich vergnüget / wenn es was zu Asche gemacht hat. Erinnere dich: daß du auch sterblich seyest; und ich zweifle nicht / daß auch du in deinem Grabe einmahl Ruh zu haben verlangest. Wie kanst du aber diß mit Gewissen verlangen / oder ohne Mißtrauen hoffen /wenn du anderer Gräber verletzest / und die Götter für gerechte Rächer angethanen Unrechtes hältest? Niemanden ist es noch ungenossen ausgegangen / der iemanden / besonders aber heilige Oerter / wie die Gräber sind / angetastet hat. Denn diese ist die Hi elstürmung der Riesen / welche mit Donner und Blitz unter die Berge vergraben wurden. Catumer ward durch diese bewegliche Rede bey nahe gewoñen; also / daß er des Drusus Denckmaal unversehret gelassen hätte / wenn nicht der Ritter Kronberg ihm eingeredet hätte: Tempel und heilige Oerter wären freylich auch von denen / welche gleich nicht selbigem Gottesdienste beypflichteten / keines Weges zu versehren. Diesen wären die Gräber gleich zu schätzen / und würden die dem Pyrrhus wider den Antigonus Hülffe leistenden Gallier / und König Philip in Macedonien billich gescholten / welche aus Geitz oder Rache die Gräber eröffnet und beraubet hätten. Hier aber wäre weder Grab noch Heiligthum / weder Leiche / noch Anwesenheit eines Gottes; sondern eine pralende Ruhmräthigkeit der Römer / eine unwarhaffte Verkleinerung der Deutschen / und eine ärgerliche Abgötterey / da man einen verfauleten Menschen den Galliern und Deutschen zu einem Gotte aufdringen wolte. Also könte Catumer mit Ehren und ohne Grausamkeit wider sein Vaterland / dieses Schandmaales / und der Römer nicht schonen / die durch Verbrennung des Tanfanischen Tempels alle gött- und menschliche Rechte verletzet hätten. Der Römische Priester warff ein: Die Gedächtnüß-Maale hätten eben das Recht /und die Freyheit der Gräber / und daher hätte Kayser Julius des Mithridates Sieges-Zeichen abzubrechen /so für unverantwortlich geschätzt / als die Tempel. Die Römer hätten sich mit Unrechte am Tanfanischen Tempel vergriffen; aber ihre Vergehung rechtfertigte nicht die Nachthuung des Bösen; und eine grausame Vergeltung liesse sich leichter entschuldigen / als rechtfertigen. Alleine die Catten gaben mit ihren Gebehrden allzu klar zu verstehen: daß dieses hochmüthige Ehrenmaal [1084] ihnen ein unerträglicher Dorn in Augen wäre. Daher gab Catumer mit einem Streit-Hammer des Drusus Bilde den ersten Schlag. Welchem die Catten mit grossen Frolocken nachfolgten /und alles in tausend Stücke zerschlugen. Gleich als wenn sie damit alle Schande von sich ablehnten / und allen erlittenen Schaden ergäntzten. Catumer bekam hierauf durch den Grafen von Weil vom Hertzoge Arpus zwölff hundert Catten zu Besetzung dieser Festung / und vereinbahrte sich wieder mit seinem Kriegs-Heere / welches denn zwischen dem Rheine /der Saar und Mosel / alles durch Schwerdt und Feuer eben so verheerte / wie Germanicus zwischen dem Rhein und der Eder verfahren hatte. Denn es ist nichts gerechters in der Welt / als einen Feind mit gleicher Müntze bezahlen. Nur diesen Vortheil hatten die Deutschen in dieser Rache; daß die Römer und Gallier bey denen armen Catten nicht den hundersten Theil der Beute / welche die Catten bey denen vermögenden Galliern machten / überkommen hatten. Dahero denn Catumer mit so vielem Vieh und anderm Vorrathe sein Land reicher machte / als es iemahls vorhin gewesen war. Die aus dem innern Gallien kommende Legion hatte auch nicht das Hertze / sich über die Mosel zu wagen / biß Germanicus mit seinen vier Legionen wieder am Rhein ankommen war. Welcher Ankunfft denn verursachte / daß Catumer dem Grafen von Weil Befehl zuschickte: Er solte alles / was er nicht sicher mit wegführen könte / in der unhaltbaren Festung sprengen und einreissen / hierauf in Begleitung der ihm zugeschickten tausend Reuter / und fünffhundert Wagen / zu dem Altare des Bacchus bringen.

Germanicus kam kurtz darnach am Rheine herauf /hätte aber bey nahe auf selbtem sein Leben eingebüsset. Denn als die Schiff-Leute / ihrer Gewohnheit nach / unter dem Ertzt-reichen Lurlenberge / wegen des wunderwürdigen Wiederschalles jauchzeten / und denen ihrer Einbildung nach daselbst wohnenden /und den im Wirbel verschlungenen Rhein in eitel Brunnen und Bäche vertheilenden Berg- und Wasser-Göttern zurufften / versahen sie es: daß das Schiff wider den im Rheine liegenden viereckichten Eiterstein lieff / auf welchem die Römer und Gallier / wenn er bey kleinem Wasser über den Fluß zum Zeichen einer reichen Wein-Erndte hervor ragt / dem Bacchus opfferten. Hiervon kriegte das Schiff ein grosses Loch / wodurch das Wasser ein- und das Schiff so geschwinde untersanck / daß Germanicus mit Noth auf ein ander Schiff kommen konte. Germanicus ward hierüber verdrüßlich: daß er auf diesem Steine mehr zu opffern verbot. Mit noch grösser Verbitterung aber vernahm er: daß die Catten seines Vaters Drusus Gedächtnüß-Maal zerstöret hatten; befahl also: daß um das Altar des Bacchus biß an Trier an / alle Weinstöcke ausgerottet werden solten. Wie denn auch viel Jahre nach solcher Zeit dahin / oder auch in Gallien /entweder aus Neid / oder zur Straffe: daß die Gallier diß vermeinte Heiligthum nicht besser verwahret hatten / kein Weinberg gepflantzt werden dorffte. Welches aber dem Hertzoge Arpus / der sein Kriegs-Volck mit der aus Gallien geholeten Beute reichlich beschenckte / eine sehr angenehme Rache / und seinem Bedüncken nach / kein geringer Fehler am Germanicus war; in dem er vergessen hatte: daß die Römer ihren Feinden mehr mit ihren ausgesämten Wollüsten / als Waffen Schaden gethan hätten. Denn er wußte wohl: daß seine Catten nicht so leichte von den Römern / als nach dem Beyspiele Hannibals in Campanien / und der Cimbern am Fluße Atesis vom Weine als dem kräfftigsten Zunder der Wollüste überwunden werden dörfften. Daher auch so wohl von Catten als Nerviern verboten war / Wein einzuführen; [1085] welches nunmehr / nach dem der Rhein- und Mosel-Strom mit so viel Wein-Reben bekleidet stand / unmöglich zu verhüten war. Sintemahl die Wollüste anfälliger als die Pest / und durchdringender als das Scheide-Wasser sind / also / daß sie durch die schärffste Auffsicht nicht vom Leibe gehalten / oder irgendswo beschlossen werden können / sonderlich wenn sie einem nahe auf den Hals kommen.

Innhalt des Siebenden Buches
Innhalt
Des Siebenden Buches.

Der deutsche Feldherr Herrmann / weil er den Römern nicht trauen darf / läßt sich den Stillestand der Waffen nicht einschläffen; ziehet eine Anzahl Semnoner und Longobarder an sich. Germanicus rüstet sich gleichfalls zum Kriege; läßt aller Orten Werbungen anstellen. Wie das Römische Reich durch die Kriege geschwächt worden. Tiberius bestellt die Obersten selber / und redet den Römern / welche nicht in Krieg gehen wollen / zu. Germanicus verstärckt die Legionen; seine List die Kriegs Leute an sich zu ziehen. Des Flavius Reue. Sein und des Siegemunds Gespräche mit der gefangenen Thußnelde / Ismene und dem andern Frauenzimmer / Siegesmund kommt bey ihnen übel an. Ihr Gespräche von der Beständigkeit im Unglücke. Zirolane beko t einen von Sentien an den Siegesmund geschriebenen Brieff: daß sie allerseits zum Siegs-Gepränge nach Rom geführet / Thumelich aber auf des Drusus Grabe geopffert werden soll; worüber Thußnelde ohnmächtig wird. Agrippine forschet vergebens nach der rechten Ursache. Die in Römische Krieges-Tracht verkleidete und vom Siegesmund bestellte Hermengarde des Dehnhofs Tochter /so den Brieff gebracht / erzehlet ihnen seine Reue /und die Hefftigkeit seiner Liebe gegen Zirolanen / und wie er sie aus der Gefangenschafft zu erlösen willens wäre. Ihr allerseits Bedencken hierüber / und ob Zirolane zu Erhaltung ihrer den Siegesmund zum Schein lieben solle. Die bekümmerte Hermengarde nimmt Abschied. Agrippine besucht die Gefangenen und erzehlet ihnen die Ursache / warum Tiberius den Germanicus nach Rom beruffen / und ihn in Asien zu schicken willens sey / weil es wegen der Parthen in Armenien übel daselbst stünde / welches Thermusa des König Phraates Kebsweib auf Liviens Angeben angesponnen; worbey sie die mit ihrem Sohne Phrataces begangene Blutschande / Vatermord / ihre mit ihm gehaltene Vermählung / und andere Laster erzehlet / also daß die Parthischen Stände sie in erfolgtem Aufstande hinrichten müssen / hernach aber Heroden zum Könige erwehlet / welcher aber wegen seiner Hoffart und Grausamkeit auf der Jagt getödtet / und denn hier auf dem Vonones vom Käyser zu Rom im Rath die Krone aufgesetzet worden; der aber ebenfals im Aufruhr und dem Tacfarinischen Kriege vom Artaban in die Flucht in Armenien getrieben worden; woselbst er vom Tiberius durch Gesandten die Armenische Krone begehret / aber ins Gefängnüs geleget wird. Worauf [1086] Artaban sich derselben Länder bemächtiget / und den Römern ein gefährlicher Nachtbar worden / also daß Germanicus daselbst alles in guten Stand zu bringen / hinreisen solte. Thußnelde dancket Agrippinen vor solchen Bericht. Ihr Kummer in ihrer Gefangenschafft. Siegesmund läßt durch Hermengarden ihnen zu wissen thun / daß er sie erlösen wolle. Sie halten sich zur Flucht fertig. Thußnelde aber gebieret gleich zur selben Zeit einen jungen Sohn. Siegesmund entführt nebst Hermengarden Thußneldens ersten Sohn; werden aber vom Cäpio ertapt / und nach Antonach geführet; welche Flucht Germanicus und Agrippine übel aufnehmen. Thußnelde sinckt darüber in Ohnmacht. Dem Siegemund wird das Priesterthum genommen / und soll zur Straffe den jungen Thumelich opffern; bekommt aber durch Hermengardens klugen Rath solches / sie aber ihre Freyheit wieder. Siegmund wird eingeweihet. Agrippine flucht gegen dem Apronius auf die Menschen-Opfferung. Arpus und Jubil lassen durch Herolde die Opfferung des Thumelichs beym Apronius widersprechen / mit Bedrohung alle gefangene Römer abzuschlachten. Flavius bemühet sich gleichfals ihn davon abzumahnen: aber vergebens / worüber Flavius im Zorn fortgehet. Thußneldens Wehklagen über ihren Thumelich /und redet die Umstehenden beweglich an. Des Thumelichs behertzte Antwort; wird hierauf mit aller grossem Wehklagen geopffert. Thußnelde wil sich nicht trösten lassen. Hermengarde gewehret ihr solchen wieder lebendig / worüber sie ohnmächtig wird. Als sie sich aber wieder erholet / erzehlet auf ihr Begehret die Hermengarde / wie es mit dem Thumelich zugegangen / und wie sie ihren eigenen Sohn dargegen ausgewechselt. Thußnelde dancket ihr / und bittet sie den Thumelich in Sicherheit zu bringen. Agrippine besucht nach ihrem Abschiede Thußnelden / und zeiget des Käysers Brieff / daß Germanicus nach Rom beruffen würde. Des Flavius Empfindligkeit über dem grausamen Menschen-Opffer. Hermengarde vertrauet ihm den jungen Thumelich / welcher ihn gegen andere Gefangener Kinder Verkleideter auswechseln / und durch den Ritter Gudeweg / und hernach den Rhein-Grafen dem Feldherrn zu seiner grossen Freude zubringen lässet. Schädligkeit des falschen Gottesdienstes. Zeitung von dem falschen Agrippa. Tiberius fürchtet sich deßwegen eines Aufruhrs in Rom. Crispus Salustius läßt ihn zu Ostia durch List gefangen nehmen / und nach Rom bringen. Tiberius fragt ihn /wie er denn Agrippa worden / welcher freymüthig antwortet: wie Tiberius Käyser / nemlich durch List und Betrug. Worauf ihn Tiberius nach geschehener Peinigung erwürgen / und in die Tiber werffen läßt / den Germanicus aber erinnert: das die Zeitung vom noch lebenden Thumelich eben auf solchen Schlag eingerichtet seyn würde; verstattet ihm noch einen Feldzug wider die Deutschen; und beschenckt den Flavius /Melo / Ganasch / Malorich und Bojocaln. Hertzog Herrmañ findet sich so wol mit den vier letztern / als andern deutschen Fürsten und Frauenzimmer zu Cattenburg ein / und redet sie beweglich an sich wider die Römer in Verfassung zu stellen. Arpus und alle fallen ihm bey / ausser Malovend nicht. Dem aber Ingviomer widerspricht / worauf ein richtiger Schluß über ihre Kriegs Verfassung gemacht wird. Hertzog Arpus richtet zu seiner Tochter Catta / und des Fürsten Jubils Beylager eine grosse Jagt zu Neidenstein an; worbey ein prächtiger Jäger Aufzug gehalten wird. Malovend verliebt sich in die in Gestalt der [1087] Diana angekleidete Fürstin Catta so sehr / daß er kranck wird. Allesamt hegen einen herrlichen Tantz. Arpus stellt folgenden Tages eine neue Jagt an. Da denn Malovend sich in seiner Einsamkeit im Gehöltze verirret / und bey einem heiligen Brunnen zu der weisen Wartburgis einer Zauberin kommt / welche ihn in den Wahrsager-Geheimnüssen unterrichtet / und erzehlet / wie sie Segesthens und Sentiens Liebe zuwege gebracht / auch zu Rom die Sentia und Livia bezaubert / daß sie den Sejanus lieben müssen; auch was sie alldort mit den Zaubern vor Unterredung gepflogen; und einen Römer dem Libo wahrgesagt / darüber aber in einen Kercker geworffen / jedoch bald durch Sentien erlöset worden / auch mit ihr nach Mäyntz kommen. Wartburgis bringt Malovenden in die Zauber-Höle zur Sentia /welche ihn auf alle Weise auf der Römer Seite zu treten beredet / und der Römer grosse Zurüstung beschreibet; der ihr aber widerspricht. Wartburgis zaubert auf abscheuliche Art / daß Malovenden der Angst-Schweiß ausbricht; lieset im Monden eine Wahrsagungs-Schrifft. Sentia setzt aufs neue an ihn /und verspricht ihm / wenn er auf die Römische Seite treten würde / Catten in seine Hände zu liefern. Kommt wieder nach Neidenstein. Seine Liebes-Reime in einem Fenster. Wird hefftig verliebt. Beschreibung des heiligen Heynes / wo Catta dem Jubil vermählet werden soll. Das Opffer geschicht alles widrig. Malovend fällt als todt zu Bodem. Schrecklich Begebnüs bey der Vermählung und den Opffern. Der Opffer-Fels berstet entzwey / und trennet Jubiln und Catten von sammen; westwegen das Beylager nicht fortgehet. Malovend meint: daß diß grosse Erdbeben / so sich über den Rhein in Gallien erstreckt / auch in Asien viel Städte verschlungen / durch Wartburgen zuwege bracht worden. Hertzog Herrmann redet dem Volcke die Furcht des bösen hiervon weißlich aus. Der deutschen Fürsten Kriegs-Anstalt. Malovends Falschheit und Verrätherey gegen die Deutschen. Ingviomer bemächtiget sich des Drusischen Grabmaals / und schleifft selbiges. Arpus schickt durch den Hanau und Isenburg Ingviomern bey Annäherung der Römischen Macht Hülffe. Der verkleidete Malovend kriegt bey Franckenberg die Cattische Fürstin Rhamis nebst Catten gefangen. Scharffes Gefechte daselbst. Adelmunde entkommt zu Pferde. Arpus macht vergebens Anstalt seine Tochter wieder zu bekommen. Germanicus opffert den zwölff Göttern / und läßt dem Drusus zu Ehren Ritterspiele halten. Des Germanicus starcke Zurüstung in der See und zu Lande. Beschreibung der Sinnbilder auf den Römischen Schiffen. Flavius führt den Vortrab der Schiffs-Flotte / und nachgehends Cariovalda / und die übrigen Kriegs-Häupter. Sie schiffen nach gethanem Opffer aus dem Rhein in die Flevische See. Malorich muß sie verstärcken / und die Hafen öffnen: lauffen in die Emße. Melo muß es geschehen lassen; sie leiden grossen Schiffbruch. Melo muß mit grossem Unwillen Volck in Amisia einnehmen. Den Chauzen und Angrivariern gefallen der Römer Händel auch wol. Graf Ravenssperg redet mit Wegwerffung der Waffen seine Deutschen an / daß er nicht wider seine Landes-Leute fechten wolte; Sie stimmen ihm bey / worauf er des Bojocals Befehl nicht befolgen wil / westwegen die Angrivarier alle aufstehen / also daß sich Bojocal zum Germanicus flüchten muß; dessen übele Regierung beschrieben. Stertinius soll dem Bojocal den Auffruhr stillen helffen / Eberstein bringt die Angrivarjer wieder zu rechte. Ravensperg schlägt [1088] sich mit den Römern tapffer herum / wird aber tödtlich verwundet; worauf die übrigen zerstreut / und alle im Aufstande gewesene niedergehauen werden. Der Feldherr und Ingviomer stellen sich an der Weser / und forschen durch den Ritter Hoye / wo Germanicus wäre; lassen ihn zur Schlacht ausfordern. Der Feldherr verlangt mit seinem Bruder Flavius zu reden. Beyder Gespräche über der Weser /da Flavius der Römer Macht und Herrligkeit / Herrmann aber die deutsche Freyheit heraus streicht. Fodern einander aus / Stertinius und Marcomir aber verhindern ihren Zweykampff. Jubil / Hanau / Hohenstein und Waldeck stossen zu dem deutschen Heere. Fodern hierauf den Germanicus zur Schlacht. Die Römer setzen über die Weser. Die Deutschen wollen es verhindern; der Feldherr aber befindet solches nicht für rathsam; welche ihm bey Ankunfft acht tausend Semnoner und Longobarden unter den Ritter Ringelheim / Wethin und Soltwedel mit beyfallen / und den Feind übersetzen. Hierauf gehet die Schlacht ernstlich an. Malovend verführt die Römer. Cariovalda / Sacrovir und Indus fechten tapffer / gerathen aber in der Cherusker Hände. Cariovalda erlegt den Ritter Weda und Mellen. Regenstein schlägt den Cariovalda todt /und geht auf den Stertinius loß. Die Römer müssen sich zurücke ziehen / und den Deutschen den Sieg lassen. Germanicus setzt folgende Nacht aufs neue über den Fluß. Die Deutschen stossen ihre gantze Macht wieder zusammen. Germanicus verschantzt sich / und läßt dem Schutz-Gotte der Weser opffern. Malovend warnigt den Germanicus vor der Deutschen Uberfall: dieser verkleidet sich / und forschet zu Nacht seiner Kriegs-Leute Gemüther und Zuneigung aus: höret aber alles gutes von sich reden. Die Deutschen rücken an. Germanicus rüstet sich aufs beste zu einer Schlacht; beruffet die Priester und Wahrsager / welche durch allerhand abergläubische Mittel dem Volcke Sieg verkündigen und es dadurch aufmuntern. Germanicus hat einen seltzamen Traum; bekommt vom Malovend Schreiben von der Deutschen Anzuge. Beschreibung der überaus grossen Römischen Schlacht-Ordnung. Germanicus hält die Deutschen vor die mächtigsten Feinde; redet von einem Hügel sein Kriegs-Heer an; welches seine Freude mit Zusammenschlagung der Waffen und Jauchtzen zu verstehen giebt / auch dem Germanicus schweret / nicht ehe / als nach erlangtem Siege die Wallstadt zu verlassen. Der Feldherr Herrmann kriegt wegen Marbods Einfall schlechte Zeitung. Ein Theil abgeforderte Semnoner und Longobarden nehmen vom Feldherrn Abschied. Beschreibung der Deutschen Schlacht-Ordnung / und der Wapen in den Schilden. Hertzog Herrmanns und Ingviomers tapffere Rede zu dem Kriegs-Heere; welches seine Begierde zum Streit gleichfals mit Zusammenschlagung der Waffen zu verstehen giebt. Die Weiber ermahnen gleichfals ihre Männer zur Tapfferkeit. Ob man die Weiber mit zu Felde neh men soll. Die Barden singen den Kriegs-Leuten Helden-Lieder vor. Graf Nassau redet dem Feldherrn ein /sich nicht allzu sehr in Gefahr zu begeben. Beyde Feldherren stecken die Zeichen zur Schlacht auf. Der deutsche Feldherr giebt dem unter seine Leibwache sich begebenden Fürsten Gottwald zum Zeichen seiner Gnade einen eisernen Ring / mit Versicherung /wenn er sich tapffer halten würde / solchen mit einem goldenen zu vertauschen. Die Schlacht fängt sich hefftig an. Bojocals und Malovends Verrätherey. Marcomir läßt solche durch den Ritter Sinzich dem Feldherrn entdecken. [1089] Acht Adler fliegen über das Kriegs-Heer. Germanicus macht ihm solchen Flug gegen seine Kriegs-Leute zu nütze. Das Gefechte gehet hierauf desto hefftiger an. Marcomir geräth in Noth / wird aber entsetzt. Was die Römer für Zeichen in ihren Fahnen geführt / vor Kleider und Federn getragen. Beschreibung der Römischen Kriegs-Arten und Gebräuche. Wie auch der Deutschen Kriegs-Fahnen /Zeichen und Waffen. Hanau erobert etliche Römische Waffen. Unterschiedliche Ritter bleiben todt. Beyde Feldherren treffen hertzhafft auf einander. Viel deutsche Ritter und Römer bleiben todt. Grosses Blutvergießen. Des Ingviomers und seiner Ritter Tapfferkeit; erobern etliche Fahnen. Des Ritters Seyn tapffere That / mit wider-Eroberung seines ihm mit der Hand abgehauenen Schildes. Wie schimpflich es sey / den Schild einbüssen. Der Graf von der Lippe rächet den Tod des Ritters Seyn. Henneberg zwinget den Pedo zu weichen. Die deutsche Reiterey behält die Oberhand. Des Germanicus Ungedult. Jubil kommt ins Gedrange. Ingviomer und Nassau entsetzen ihn. Der Graf von Bergen zernichtet mit etlichen Rittern die Römischen Schleudern und grobe Geschütze / und jaget die Schleuderer davon. Schrecklicher Sturmwind erhebt sich / dessen sich Vitellius und Tubero zum Vorthel bedienen. Das Bructerische und Cimbrische Fuß-Volck fängt an zu weichen; Auf des Graf Bentheims Zuruffen erwischt Uhlefeld einen Cimbrischen Fähnrich / und drohet ihm und allen bey Verlust des Lebens Stand zu halten / aber die Schlacht-Ordnung reißt an zwey andern Orten. Hanau rennt den Malovend / und der umringte Marcomir den Vitellius zu Bodem; bißt aber / jedoch nicht ungerochen / sein Leben ein. Die deutschen Weiber kommen ihren fliehenden Männern mit Scheltworten entgegen. Des Feldherrn Verdruß über der Deutschen Flucht. Er und Germanicus ermuntern die Ihrigen auf einander loß zu gehen. Herrmann rennt des Germanicus Pferde einen Wurffspiß durch den Hals. Nesselrode reißt dem Servilius Rufus die Leib-Fahne aus. Herrmann tödtet den Marcus Tatius und Sempronius Grachus. Gottwald rettet dem Feldherrn das Leben. Nassau ermahnt die Deutschen zur Tapfferkeit; und bringt nebst dem Stirum den Feldherrn aus dem Gedränge / und räthet sich bedachtsam zurücke zu ziehen. Worauf sich auch die Deutschen über den Hamme-Strom aus dem Gefechte zurücke ziehen. Zwingen aber auch den Centius zum weichen. Die Römer fallen die Deutschen aufs neue an; diese aber stellen sich zu tapfferer Gegenwehre. Der Feldherr wird im Gesichte verwundet / und fast unkentbar. Germanicus verbeut den Seinigen dem Feinde nicht nachzusetzen. Stirum rettet den Ingviomer / worüber er aber gefangen wird. Wie schimpflich es sey seinen Fürsten zu verlassen. Die Chamaver und Angrivarier sind in Noth. Der Römer grausame Tödtung der verlauffenen Deutschen. Germanicus setzt sich am Wamme-Strome / läßt die Todten begraben. Der Feldherr läßt um die Auswechselung der Gefangenen anhalten. Germanicus schlägt es aus gewissen Ursachen ab. Die Deutschen werden beerdiget / die so Wunden auf dem Rücken haben / unverscharret gelassen. Der Feldherr stellt seine Deutschen in Schlacht-Ordnung / und hält eine Lob-Rede ihrer Thaten; richtet ihnen ein Gastmahl aus. Sandersleben überreicht dem Feldherrn einen eroberten silbernen Schild. Germanicus läßt seinen Obersten und dem Cariovalda Lob-Reden [1090] halten / und den Flavius vor den rechtmäßigen Fürsten der Cherusker ausruffen. Beschenckt den Malovend. Läßt ein Gedächtnüsmaal aufrichten. Die Deutschen zerstören solches. Der Feldherr gehet dem Germanicus nach / schläget mit dem Ritter Waldeck eine Anzahl herumstreiffende Römer. Apronius ermahnet die ausreissenden Römer zur Standhafftigkeit; worauf ein scharffes Gefechte entstehet. Die Römer leiden unter dem Apronius Gefahr. Pedo kommt ihnen zu Hülffe. Herrmann rufft seinen Deutschen zu. Sie kriegen Oberhand. Er hauet dem Pedo ein Stücke Hirnschädel ab. Ziehet sich mit den Seinigen auf verlautende Verstärckung der Römer mit Eroberung vieler Fahnen zurück. Stertinius setzt ihnen nach. Die Deutschen setzen sich auffs neue. Bentheim erlegt dem Stertinius sein Pferd; worauf die Römer sich zurücke ziehen. Der Feldherr macht seinen Sieg allenthalben kund. Die Marsen und Angrivarier unterwerffen sich dem Feldherrn Herrmann. Beyde Kriegs-Heere ziehen sich wieder zusammen / und ermahnen ihr Volck zur Tapfferkeit. Der Römer List mit den Fußangeln. Beyde Heere greiffen einander auffs neue an; Fechten sehr hartneckicht. Die Angrivarier halten sich tapffer / werden von den Cheruskern abgelöset; schlagen den Römern den Sturm ab. Germanicus spricht den Seinen ein Hertze zu. Läst auffs neue stürmen; müssen sich aber wieder wenden. Der Graff von der Lippe verwundet den Tubero / Bojocal und Flavius werden verwundet. Scharffes Gefechte in den Wäldern und Sümpffen. Germanicus läßt vom Treffen abblasen; kriegt schlimme Zeitung. Redet seine in einen Kreiß um sich gestellte Römer an / und beschleust auf dißmahl den Feldzug. Läst ein neu Gedächtnüß-Maal aufrichten. Seine Gemüthsmäßigung dabey. Läßt der Deutschen Mühlen und Scheuren beym Abzuge anzünden. Der Deutschen Gespötte über dem Römischen Denck-Maal. Silius und Stertinius helffen dem Bojocal seine aufrührische Unterthanen zum Gehorsam bringen. Eine Alironische Wahrsagerin kommt zum Germanicus / wird vor die Aßblaste erkennet /welche ihrem Sohne Flavius nicht allein scharff predigt / sondern ihm auch einen Stich mit dem Messer in die rechte Brust giebt. Germanicus und alle wundern sich. Sie wahrsagt den Römern Unglück zu Schiffe. Cäcina wiederräth der Römer Abfuhre. Germanicus läßt dennoch absegeln. Grausamer siebentägichter See-Sturm und Schiffbruch / welcher den Germanicus fast zur Verzweiffelung bringt. Bericht vom Strand-Recht. Die Cimbern geben endlich die verschlagenen Römischen Schiffe wieder frey. Dergleichen auch die Britannier. Germanicus opffert dem Meere. Der Römer seltzame Erzehlungen von ihrem Schiffbruche. Dieser Schiffbruch verursacht im Römischen Gebiete / und zu Rom grosse Furcht. Agrippine samlet bey den Ubiern ein groß Kriegs-Heer deßwegen. Germanicus führet solche nebst seiner Uberbleibung in der Marsen Gebiete / welche den Römern aber die Stirne bieten / und Malovenden nicht vor ihren Herrn erkennen wollen. Malovend zeigt den Ort / wo der eine Römische Adler vergraben liegt; selbigen trägt Germanicus seinem Kriegs-Heere mit grosser Freude vor; bauet an selbigem Ort einen Altar; und schickt den Adler nach Rom. Grosse Freude daselbst. Silius und Cäcina schreiben der Römer Sieg nach Rom. Reue etlicher deutschen Fürsten / daß sie sich mit den Römern verbunden. Verlangen wieder in der Deutschen Bindnüß zu treten. Die Priester werden zu Unterhändlern und Gesandten [1091] an den Feldherrn hierbey gebraucht. Die Schuld wird auf Adgandestern gelegt. Entdecken zugleich der Staats-Diener und Räthe Fehler und Eigennutz. Der Feldherr weiß sich gegen sie klüglich zu bezeigen / schlüsset sie endlich in sein Bindnüß mit ein. Arpus und Jubil nehmen solches wol / Ingviomer übel auf; welchem aber Graf Nassau beweglich zuredet; Das aber / wegen des Feldherrn täglich wachsenden Glückes / beym Ingviomer nichts helffen will. Beschreibung der Semnoner. Kommen an der Spreu zusammen / und berathschlagen sich / ob sie sich einem Fürsten untergeben / oder unter der freyen Herrschafft leben sollen. Ob es besser unter einem Fürsten / oder vielhäuptigen Herrschafft zu leben sey? Haugwitz thut ihnen den Vortrag. Der Adel will keinen / das gemeine Volck aber einen Fürsten zum Oberhaupte haben. Reder ein Semnonischer Edelmann widerspricht ihnen; Diesem aber Ludger ein Priester der Semnoner / welchem Schweinitz Beyfall giebt / und der alten Deutschen Gewonheit und Sitten erzehlet; auch dem ihm widersprechenden Dithard mit dem Degen begegnet / wordurch ein Auffstand erfolget. Die Priester bemühen sich solchen zu stillen. Ein neuer Land-Tag wird gehalten / aber auch wieder zerrissen. Zwey Heere Vögel streiten in der Lufft; welche ein Adler bestillet; worauf ein Priester ihm solches zu Nutze macht / und dem Adel und Volcke beweglich zuredet; und dem Ritter Schellendorff eröffnet / was von dem Vogel-Flug zu halten. Es entstehet ein neues Blut-Bad. Die Longobarden kommen ebenfalls über der Wahl eines Oberhauptes zusammen. Die Priester wollen die Weiber Regierung und zwar die Fürstin Ludgardis; Volck und Adel schützen aber derselben Schädligkeit vor; Der Adel will Ditmarn; Die Priester und das Volck aber ihn nicht haben / weil er einem andern Gottesdienste zugethan. Ob es gut einen Fürsten / der einem frembden Gottesdienste beypflichtet / zu erwehlen? Gottfried / der oberste Priester redet wider die Gottes-Verläugnung scharff. Das gemeine Volck will Bertholden des Siegeberts natürlichen Sohn zum Fürsten haben. Ob man unehlich gebohrne Fürsten zur Herrschafft lassen solle? Ob ein Fürst seines Brudern Tochter heyrathen könne? Ditmar heyrathet die Fürstin Ludgardis / und kommt dadurch zur Herrschafft. Der sich über beyder Völcker Uneinigkeit freuende Marbod schicket Gesandten an sie: bedienet sich seines Vortheils / sie unter sein Joch zu bringen; Kommt ihnen mit einer grossen Kriegs-Macht auf den Halß. Ein Priester zeigt ihnen des ersten Longobardischen Fürsten Warnefrieds Asche und Schrifft in einem holen Baum / nebst einer Wahrsagung. Marbod bringt die Longobarder mit Gewalt unter sich. Der Ritter Ellenbogen beredet die Semnoner den Marbod zu ihrem Fürsten anzunehmen; besticht die Priester; und bringt sie auf Marbods Seite. Endlich bringt Marbod alle Semnoner unter seine Botmäßigkeit. Seine kluge Einrichtung der Regierung. Wird ihnen aber endlich verhaßt. Ihrer acht tausend gehen in Hertzog Herrmanns Kriegs-Dienste. Marbod läst durch den Grafen von Rosenberg ihre Güter in Beschlag nehmen / und sie zurück beruffen. Adgandester räthet ihm des Adels Freyheit zu beschneiden / und den Bardischen Gottesdienst auszurotten. Marbod folgt ihm / und übergiebt dem Adgandester fast alle Gewalt. Wie schädlich solches einem Fürsten sey / alle Gewalt einem Diener überlassen. Adgandester läst dem Adel die Bärte abscheeren / verursacht dadurch Auffstand. Der Adel ist der Kern eines Landes. Adgandester ziehet des [1092] aufgestandenen Adels Güter ein. Adelgunde redet deßwegen ihrem Vater Marbod vergeblich ein. Adgandester will die Stände Adelgunden huldigen lassen. Was für Gefahr hieraus entstehet. Zu Budorgis wird eine Wahrsagungs-Schrifft an etlichen zum Eubagischen Gottesdienste gewiedmeten / und auf Marbods Befehl umgehauenen Linden gefunden. Der Ritter Dube leget solche dem bestürtzten Volcke aus. Die Eubagischen Priester aber reden das Widerspiel. Die Marckmänner verlassen hierauf die Festung Budorgis. Die Longobarden setzen ihnen nach / Ritter Dube bekommt hierbey den Nahmen Gold-Axt. Grosses Gefechte zwischen den Marckmännern und Longobarden. Zu Budorgis entstehet nach eingelauffener bösen Zeitung unter währender Huldigungs-Opfferung ein Auffstand / also / daß Marbod nebst seiner Tochter in Schrecken gerathen. Adgandester bemühet sich solches dem Marbod auszureden. Ob es gut / denen Fürsten böse Zeitungen zu verschweigen. Marbod läst seiner Tochter die übrigen Longobarden huldigen / setzt denen Flüchtigen nach; beko t aber unterwegs böse Zeitung / weßwegen er mit seiner Kriegs-Macht nach Hause eilet / und also zwey mächtige Völcker verlieret. Der Semnoner und Longobarder Freude über ihrer Entreissung vom Marbod. Lassen durch Gesandten dem Hertzog Herrmañ ihre Wahl antragen; welcher die Priester und Räthe solche Wahl / ob sie rechtmäßig sey / untersuchen läst. Ob Unterthanen Macht haben /sich von einem Fürsten zu entbrechen / und einem andern zu untergeben. Graf Tecklenburg wiederräthet dem Feldherrn diese Völcker anzunehmen. Waldeck aber ist widriger Meinung. Der Graf von der Lippe räthet / daß der Feldherr ihnen einen andern Fürsten zuweisen solle. Der Feldherr aber nimmt beyde Völcker an. Ein Falcke bringet ihm das Longobardische Wapen auf einem Schilde mit Siegberts Nahmen. Ein grosser Wallfisch wird in der Elbe gefangen; und von den Barden allerhand glückliche Auslegungen darüber gemacht / auch bey der Huldigung dem Feldherrn ein Lob-Gedichte übergeben.

Das Siebende Buch
Das Siebende Buch.

Der eintretende Winter hemmete zwar nicht weniger in Deutschland den Lauf des Krieges / als die Kälte das gefrierende Wasser. Dieser Stillestand aber schläffte den Feldherrn nicht ein / sondern er machte zu einem neuen Kriege alle nur ersinnliche Anstalt. Denn er wuste wohl: daß die Römer / ehe sie ein bekriegtes Volck völlig in ihre Dienstbarkeit gebracht hätten / nicht ruhen könten; sondern ihre Feindseligkeit auf den Frühling mit denen verstarrten Nattern und Schlangen wieder rege und lebend würde. Sintemahl das beständige Gelücke / da mehrmahls die unvernünfftigsten Beginnen den Römern nach Wunsch ausschlugen / die klügsten und tapffersten Anstalten anderer Völcker krebsgängig wurden / ja eine einige Ganß Rom vom augenscheinlichen Untergange errettete / dem Römischen Volcke diesen Wahn ins Hertze gesänckt hatte; daß das Verhängnüs ihm die Herrschafft über die gantze Welt zugesprochen hätte; sie also auch ohne andere Ursache alle sich diesem Göttlichen Schlusse widersetzende Menschen mit Rechte zum Gehorsam bringen könten. Diesem gemeinen[1093] Ubel nun zu begegnen zohe er durch Geschencke und Liebkosen eine ziemliche Anzahl der Semnoner und Longobarden an sich; welche entweder der Marbodischen Herrschafft überdrüßig / und den Römern gram waren / oder sonst unter einem so weltberühmten Helden die Waffen geführt zu haben die Ehre haben wolten. Germanicus hingegen war so Ehrsüchtig als einiger Römer für ihm; und ihm also unverschmertzlich: daß er den in Deutschland empfangenen Streich ungerochen hingehen und verrauchen lassen / noch daß er den vom Gefärthen des grossen Mithridates Taxilles den Römern gegebenen Ruhm / nehmlich: daß ihre Waffen unüberwindlich wären / einbüßen solte. Denn ob man zwar zu Rom von seinen Siegen viel Wesens machte; so heilte doch dieser blaue Dunst nicht die Wunden der biß auf die Helffte verschmoltzenen Legionen; und die verlangte Ersetzung des abgegangenen Volckes verrieth allen Klugen in der Welt: daß es den Römern nichts neues wäre sich so wohl mit anderer Sieges-Federn zu behencken als mit frembdem Blute zu kämpffen. Der sonst zu ersätzen unmögliche Verlust muste nach und nach gestanden werden / und daher Italien / Gallien / Hispanien / Pannonien / Dalmatien und andere schon der Dienstbarkeit gewohnten Länder sich angreiffen / mit Volcke / Pferden / Waffen und Gelde die Lücken zu ersätzen; wiewohl Germanicus zu Verstärck- und Ausrüstung seines Kriegs-Volckes / alle seine Einkünffte hierzu anwendete /damit er mit Aufnehmung so vielen Geldes seine Noth nicht allzu sehr an Tag gäbe. Zu welchem Ende denn auch Germanicus nicht nur zu Rom und in Italien /sondern in gantz Europa die neuen Werbungen anstellte / ja den Publius Vitellius / Cantius / Cethegus Tubero und andere weit und breit zu Aussuchung tauglicher Kriegsleute abfertigte / und ihnen mitgab für keinen geschickten einiges Geld anzunehmen. Jedoch konte er bey dem grossen Abgange nicht so genau die alten Kriegs-gesätze beobachten / sondern er muste aus dem Adel ihrer viel / die nicht fünff / und aus dem Volcke etliche / die nicht zehn Jahr im Kriege gedient hatten / zu Obersten / und wie nach der Schlacht bey Canna Jünglinge / welche noch nicht siebenzehn Jahr alt waren / und arme Leute / welche sonst nur auf die Schiffe gebraucht wurden / wie auch Freygelassene zu Kriegsknechten machen. So sehr war durch den deutschen und Pannonischen Krieg Rom erschöpffet / welches unter dem Bürgermeister Lucius Emilius Papo und Cajus Atilius Regulus ohne die Hülffsvölcker achzig tausend Reuter / und siebenmahl hundert tausend Fußknechte / unterm Cinna dreyßig / bey des Pompejus und Julius Bürger-Kriege vierzig / ja in dem einigen Sicilien auf einmal fünff und viertzig Legionen auf dem Fuße hatte; also / daß nunmehr der unerschöpffliche Männer-Brunn in Rom abzunehmen schien / von welchem Pyrrhus gesagt hatte: Er hätte mit einen Lerneischen Drachen zu thun; iemehr er Römische Köpffe abhiebe / iemehr stünden ihrer an der Stelle. Zu Rom verfügte sich Tiberius selbst auffs Capitolium / aus welchem zwey Kriegs-Fahnen / ein rothes für das Fuß-Volck / ein blaues für die Reuterey herfür ragten. Daselbst sätzte er sich nach geschehener Ausruff- und Versamlung der zum Kriege tüchtiger Leute / wie auch gehaltenem Kriegsrathe auf dem Platze auf einen Stul / und laß die Obersten aus / welche hernach die Hauptleute und die gemeinen erkieseten; damit auch die / welche sich vom Kriege zu entschuldigen Recht hatten / freywillig sich andern zum Beyspiele darein schreiben liessen; wiewohl auch diese Erfindung nicht allerdings aushalff; sondern der Kayser / wie für Zeiten Marcus Curius uñ Lucius Lucullus durchs Loß die nöthige Anzahl erfüllen muste. Alleine / weil der deutsche Krieg den meisten ein Greuel war / in welchem nichts als viel Elend und Wunden aufzulesen wären / meinten sich ihrer viel / welche das Loos traff und geruffen wurden / auszuschweigen; also / daß der hierüber ungedultige [1094] Tiberius anfieng: Er sähe wohl / daß die alte Tugend der Römer durch Wollüste gantz ersteckt wäre / da sich eine unzählbare Menge junger Edelleute / welche weder erkohren waren / noch einmahl unter die zur Wahl besti ten Hauffen gehörten / dem Emilius Fabius und Licinius eigenbeweglich unter die Fahnen gestellt hätten. Ob sie nicht wüsten: daß auf solche verzagte und wiederspänstige in Gesätzen Gefängnüs / Fessel / Ruthen / Verlust des Vermögens und der Freyheit ausgesätzt wären? ja der gütige Kayser August derogleichen weibischen Leuten die unnützen Daumen hätte abschneiden lassen? Ein solcher Bürger wäre dem gemeinen Wesen nichts nütze / der nicht zu gehorsamen wüste / und sein Leben lieber als das Vaterland hätte. Daher denn auch Tiberius alter Gewohnheit nach den Obersten die Untersuchung anvertraute: ob die / welche ihre Nahmen nicht von sich gegeben hätten / solche Leute wären / welche kranck /beschädigt oder über funffzig Jahr alt / oder wegen obhabender Würden / oder verdienter Freyheit sich des Krieges enteussern könten. Nach dem Germanicus auch im deutschen Kriege gelernet hatte: daß die Römischen Legionen / derer iede nur sechs hundert zu Pferde führten / mit allzu weniger Reuterey versehen /und auch diese der Deutschen nicht gewachsen / weniger solche / ihrem alten Ruhme nach / unüberwindlich wäre / nahm er nicht nur zweymal so viel Reuter an; sondern vergrösserte auch die in vorigen Zeiten kaum fünff tausend starcke Legionen biß auf sechs tausend Mañ. Nicht weniger musten die Bataver / Nervier /Vangionen / Nemeter / Ubier / Trierer noch einmahl so viel Reuterey / Hispanien und Africa auch an statt der Schatzung eitel Pferde liefern; weil Gallien durch den Krieg von allen Pferden erschöpft war / und die Deutschen einige über den Rhein zu verkauffen und zu führen bey Lebens-Straffe verboten hatten. Uber diß verschrieb er auch dreytausend Celtiberier / welche er auf seinen eigenen Sold unterhielt; weil andere Hülffsvölcker / ausser dem von den Römern ihnen gegebenen Getreyde / von eigenen Ländern bezahlet werden musten. So forderte auch Germanicus nunmehr von Hülffs-Völckern einen scharffen Krieges-Eyd ab / und in Legionen musten die Römer und Gefärthen aus Italien alle / nicht aber mehr einer für alle schweren. Nach dem nun die Legionen mit so viel neuen Leuten ergäntzet werden musten / beredete Germanicus nicht alleine mit Versprechen höherer Beförderung und gewisser Aecker die alten Kriegs-Leute /welche schon über zwantzig Jahr gedienet / und diß Jahr abzudancken Fug und Recht hatten: daß sie ihm zu Liebe unter den Legionen blieben / sondern er schrieb auch nach Rom und in alle Länder / wo Römische Legionen lagen / unzählbare Briefe an die alten daselbst abdanckenden oder vorhin schon erlassene Kriegsleute: sie möchten ihm zu Ehren noch einen Zug gegen danckbare Erkenntligkeit mit ihm thun. Durch welches Mittel er denn derer über zehn tausend an sich zoh / denen er eine besondere Fahn / in welcher des Kaysers Julius und Augustus Bild stand / zueignete / sie der Wache und Schantzens überhob / und sie zu seiner Leibwache / und gleichsam zum letzten Stichblatte gebrauchte. Daher sie auch alle nicht nur des Germanicus Nahmen auff ihre Schilde mahlten /sondern ihn auch / wie sonst nur von Neugeworbenen zu geschehen pflegt / auf ihre Armen und Hände einstachen. Nach dem auch so wol die deutschen Bundgenossen / als die Römer / welche in diesen Ländern lange gekriegt hatten / noch immer auf ihrer Meinung blieben: daß / wenn sie nicht den Cheruskern ins Hertz giengen / und zwischen der Weser und Elbe /wo das Land nicht so sümpficht und zum Kriege geschickter wäre / festen Fuß sätzten / sie die Deutschen ni ermehr bändigen würden / so weit aber zu Lande durchzubrechen unmöglich schiene; weil die Wälder zum Uberfalle / die Sümpffe das schwere Kriegsgeräthe zu schleppen allzuhinderlich wären / trug er dem Silius / Antejus und Cäcina auf / auf der Maaß und an dem Batavischen Ufer tausend neue Schiffe zu bauen;[1095] welche theils kurtz seyn / spitzige Vorder- und Hintertheile / mit weiten Bäuchen um gegen den Flutten desto besser zu tauern / theils flache Bödeme / daß sie im seichten zu brauchen wären; theils auch an beyden Enden haben solten: daß man ohne Umwendung vor und hinter sich segeln oder auch rudern könte. Viel solten auch zu Führung der Pferde / der Lebens-Mittel / und allerhand künstlicher Brücken / über welche man den Kriegszeug füglich fortbrächte / bereitet werden. Welches alles ihnen diese drey oberste Befehlhaber eyfrig angelegen seyn liessen.

Mitler Zeit als der Feldherr Herrmann und Germanicus sich mit ihrer neuen Zurüstung beunruhigten /waren die Gefangenen bey dem Ubischen Altare und andere den Römern bey gefallene Deutschen nicht in Ruh. Flavius genaß zwar von seiner Wunde / aber er kriegte sein Auge nicht wieder. Gleichwol war er noch blinder in seinem Gemüthe / als in seinem Gesichte. Denn mit diesem so schlecht abgelauffenen Feldzuge hatte er alle Hofnung einige Herrschafft über die Cherusker zu behaupten / und mit seinem ausgestochenen Auge allen Trost von der Königin Erato / ein holdes Auge sein lebtage zu bekommen verlohren. Der übele Fortgang stellte ihm allererst die Grösse seines Verbrechens für: daß er aus blosser Ehrsucht wider seinen Bruder und Vaterland die Waffen ergriffen hatte. Hingegen kam ihm ein: wie rühmlich Fabricius das ihm vom Könige Pyrrhus angebotene Theil seines Reiches / und der dürfftige Curius bey seinem Topffe Rüben das überschickte Gold verschmähet; ja Scipio Africanus lieber hätte ein gemeiner Bürger zu Rom bleiben / als in Africa oder Hispanien ein König werden wollen. Sein Bruder Herrmañ aber hätte ihm zu beherrschen mehr einzuräumen sich erboten / als er ohne Schamröthe hätte verlangen können. Gleichwol aber hätte er wider ihm und Deutschland den Degen gezückt / welchen noch keiner in solcher Begebenheit glücklich eingesteckt hätte. Alleine aus diesem Irrgarten sich auszuflechten wuste Flavius ihm weder Hülffe noch Rath. Denn ob zwar die Deutschen nicht unvergeßliche Feindschafft zu hegen pflegen / so stellte doch die Grösse der Beleidigung ihm seinen Bruder Herrmañ unversöhnlich für; und wenn er ihm auch gleich eine Hoffnung machte: daß sein Gemüthe zu erweichen wäre / so standen ihm doch Ingviomer und andere Anverwandte / die solches hindern würden / am Wege; weil sich alle mit ihres Blutsfreundes Haß und Rache zu betheilen schuldig /und wegen des den Bructerern angefügten Schadens auf ihn / als die für gewendete Ursache des Krieges /aufs ärgste ergrimmet waren. So muste sich auch Flavius genau in acht nehmen: daß die strengen und zum Argwohn geneigten Römer ihm das geringste abmercken möchten; als ob er wieder auf der deutschen Seite hienge / und von den Römern absätzen wolte. Also fürchtete er sich mit der gefangenen Fürstin Thußnelden und seiner Schwester Ismene einige Gemeinschafft zu pflegen; zumal er sich ebenfalls leicht bescheiden konte: daß auch diese ihm wenig Sommerblicke zu geben Ursach hätten. Es spielete sich aber ihm selbst hierzu Gelegenheit in die Hand. Sintemal Agrippine / nach dem sie vorher Thußneldens Einwilligung erlangt hatte / den Flavius mit sich in die Gesellschafft der Gefangenen brachte. Flavius nahm sich zwar gegen sie alsbald der alten Verträuligkeit an; Thußnelde / Ismene und Zirolane aber hielten aus einem klugen Mißtrauen gegen ihm zurücke / ob sie gleich weder offenbahre Feindschafft noch eine empfindliche Kaltsinnigkeit spüren liessen; weil sie wol wusten: daß Gefangene viel übersehen / manches verhören / alles wol aufnehmen / und niemanden beleidigen müsten. Die erste gute Aufnehmung veranlaste den Flavius: daß er sie öffters / besonders mit Agrippinen besuchte; wordurch denn auch Fürst Siegemund sich mit einzuspielen Gelegenheit suchte. Denn dieser hatte zwar des Kaysers Augustus Priesterthum [1096] wieder angetreten; aber sein Hertze blieb doch ein stets loderndes Opffer Zirolanens. Weil nun Flavius von ihrer Gemeinschafft nicht ausgeschlossen ward / bildete er ihm ein: daß er als ein Bruder Thußneldens einen noch nähern Zutritt zu finden Recht hätte. Gleichwol wolte er das erstere mahl unter dem Schirme des Flavius sich bey ihnen einfinden / aber er kam dessen ungeachtet übel an. Denn alle drey erblasten über seinem Anblicke / Zirolane fiel in Ohnmacht /Ismene wendete ihm den Rücken / und Thußnelde sagte mit einer ungemeinen Entrüstung zum Flavius: hat er so wenig Vernunfft oder allzu grosse Begierde uns zu beleidigen: daß er uns einen Rauber unsers Glückes und der Freyheit / einẽ Menschen / welcher weder Schande noch Ehre mehr achtet / unter Augen stellt? Kein Ubelthäter ist leichte so unverschämt: daß er nicht nach Vollbringung seines Lasters das Licht scheue. Dieser aber tritt uns mit einer so liederlichen Verwegenheit fürs Gesichte / als wenn er an uns eine Heldenthat ausgeübt / oder er durch seinen Raub uns mehr liebgekoset als Leid angethan hätte. Liebste Schwester / versätzte Siegesmund / ich kan es nicht leugnen: daß ich sie und ihre Gefärthen beleidiget habe. Aber nicht so wol ich / als meine hefftige Liebe gegen Zirolanen hat sich vergangen. In dieser aber läst sich eben so wohl Irrthum und Arglist / als im Kriege Gewaltthaten entschuldigen. In beyden sind gebrauchte Künste seinen Zweck zu erreichen nicht nur ehrlich / sondern auch ruhmswürdig. Der unerbittlichen Zirolane Raub war alleine mein Anschlag / sie und Ismene sind nur zufälliger Weise mit diesem Netze berückt worden. Wie aber ihre Gefangenschafft ihnen zeither erträglich und gleichsam ein Zeitvertrieb gewesen ist; also wünsche ich: daß das Ende näher /und ein Friedens-Mittel zwischen Rom und Deutschland seyn möge. Thußnelde achtete Siegemunden nicht würdig ihm zu antworten / sondern bat den Flavius ihm zu sagen: Sie schätzte sich viel zu hoch eines Raubers und Verräthers Schwester zu seyn. Er solte sich also ihren Bruder nicht rühmen / sondern glauben: daß sie seinet halben am ersten einen schwartzen Stein in den peinlichen Urthel-Topff werffen / und die Ausübung der schärffsten Straffen wider ihn befördern würde. Siegesmund verlohr hierüber das Hertze mehr zu reden; Flavius aber bat: Sie möchte doch die Hefftigkeit ihres Zornes mäßigen /und die Vernunfft ihr selbst sagen lassen / was in ihrem Zustande sie zu verschmertzen oder wenigstens zu verstellen hätte. Wenn aber auch diß nicht wäre /liessen sich doch die Bande der Natur so schlechter Dings nicht zerreissen. Denn weder Missethat noch Unglück könten machen: daß Thußnelde und Siegesmund ihr Wesen nicht aus einerley Adern empfangen hätten. Andere zufällige Freundschafften liessen sich zwar über das Knie abbrechen / nicht aber die des Geblütes. Denn das Gelücke hätte nur faule / die Natur aber zehe Wurtzeln; und angebohrne Liebe wüchse wie die Haarweiden allemahl aus / wenn sie schon hundert mahl abgehauen würden; da andere Verbindligkeit mit einem Bruche / wie Tannen und Fichten von einmahliger Köpffung ihres Wipffels / vertürbe. Thußnelde begegnete ihm: Aber weder Vernunft noch Natur schreiben mir ein Gesetze für: daß ich gegen eines boßhafften Bruders Laster keinen Zorn fassen solte. Solte ich ihm noch Pflaumen streichen / und seinen Verbrechen heucheln / daß er selbter sich noch mehr befliesse? Die Natur hat dieses heilige Feuer des Zornes in aller Thiere Hertzen angezündet / um sich gegen Gewalt zu beschirmen / und der Boßheit den Kopff zu bieten. Diesemnach sind Zorn und Vernunfft für keine so unerträgliche Gestirne zu halten; daß selbte ohne einander Abbruch zu thun / beysa en oder einander gegen über stehen könten. Sie stärcken einander vielmehr; und ihre Vereinbarung zeuget in der Seele dieselbe himmlische Wärmde / welche die schläffrichen Tugenden aufmuntert / [1097] und wider die Boßheit einen gerechten Eyver sie zu schelten und zu straffen erwecket. Flavius fühlte sich hierüber selbst /und damit auch ihm nicht etwan ein Rügel vorgeschoben werden möchte / muste er nur mit dem bestürtzten Siegesmund abziehen / welcher wegen wieder erlangter Gnade der Römer bey der gefangenen Zirolane einen geneigtern Stern zu haben ihm allzu frühzeitig eingebildet hatte. Sintemahl diese Fürstin allzu großmüthig war: daß sie durch Verlierung ihrer Freyheit sich ihrer Standhafftigkeit hätte enteussern sollen. Ihre Tugend gleichte einem künstlichen Marmel-Bilde / welches zwar von seinem erhobenen Fuße gestossen werden kan; aber es behält doch auch auf der Erde und im Staube seine Schönheit. Nach dem Flavius und Siegemund nun hinweg waren / schertzte die freudige Thußnelde aus der sich wiedererholenden Zirolane / und sagte: Sie wäre das vollkommenste Bild der Beständigkeit; in dem sie bey besorgender Anfechtung wie die gefrierenden Wasser zu Eise würde; also alle Bewegung verliere / alle Gemüthsregungen hemmete / und sich aller Fühle des bösen und der anlockenden Reitzungen entschüttete. Zirolane antwortete: Es wäre mir leid / wenn ich gegen einen so ungütigen Liebhaber nicht kälter als Eiß seyn solte. Sintemahl mein Hertze von seinen Strahlen mehr gefrieret / das Eiß aber an der Sonne zerschmeltzet. Ismene fiel ein: So wird Siegesmund in ihren Augen gewiß keine Sonne und seine Anwesenheit ihr kein Tag / sondern der kalte Angelstern in Mitternacht seyn / der die gantze Nordwelt in Schnee und Eiß einhüllet. Zirolane begegnete ihr: Ich wünsche wohl: daß Siegemund so wenig Liebe in seinem Hertzen / als der Angelstern Kräffte den Schnee zu schmeltzen in sich hätte; so würde die Herzogin Thußnelde und Ismene nicht meiner Kaltsinnigkeit halber mit zu entgelten / und in dieser Gefangenschafft so viel Frost der Traurigkeit zu erdulden haben. Nach dem aber sie beyde mit einer so hertzhafften Unempfindligkeit nicht nur alles Ungemach ausstehen / sondern auch in ihren Adern das sonst wallende Geblüte der nahen Anverwandnüß gleichsam gerinnen lassen / und / um der Vernunfft die ihr zuständige Herrschafft zuzueignen / der Tugend ihre Ausrichtung zu thun / den kalten Haß wider alle andere Gemüthsregungen und Anfechtungen ausrüsten / verdienen sie mehr als ich / die ich gegen diesen Liebhaber niemahls den geringsten Zug gefühlt /das Lob der mir zugelegten Kaltsinnigkeit. Da / wenn sie diesemnach nicht in Deutschland gebohren wären /würde ich sie für ein künstliches Gemächte aus den weissen Steinklippen Britanniens ansehen / welche die rasenden Winde / das hagelnde Ungewitter und die schäumenden Wellen des erzürnten Meeres ohne einige Bewegung und Fühlen erdulden. Ich würde sonder ihr mich erhaltendes Beyspiel gewiß vielen Schwachheiten Raum verstatten / wenn sie mich zu einer so tapffern Beständigkeit / welche entweder an sich selbst die höchste Weißheit oder ihr herrlicher Werckzeug und Ancker ist / nicht abhärteten; in dem sie weder durch stürmerisches Verlangen der Freyheit / noch durch ungeduldige Empfindligkeit der Dienstbarkeit und des Unglückes / noch durch andere Regungen sich eines Fingers breit von dem Stande ihrer Tugend und Ehre verrücken lassen. Ismene versätzte: Sie erbaute sich vielmehr aus der Anweisung zweyer so vollkommenen Heldinnen; und durch ihre Stärcke unterstützte sie ihre Schwachheiten: daß sie in dieser Erniedrigung sich nicht ihres Nahmens und Uhrsprunges unwürdig machte. Thußnelde fiel ein: der ihr von beyden zukommende Trost bescheidete sie schon: daß sie für ihnen sich keines Vorzugs zu rühmen hätte. Es wäre mit denen / welche einen festen Vorsatz hätten tugendhafft zu seyn / wie mit zweyen gegen einander gestellten Spiegeln beschaffen / [1098] derer ieder dem andern seinen Schein eindrückte / und auch ieder ihn von dem andern empfienge. Zirolane versätzte: Ich wolte vielleicht mit besserm Grunde unsere Gegeneinander-Stellung der des Mohnden und der Sonne vergleichen. Diese ist Thußnelde / jener bin ich / der ich von ihr nur Licht zu empfangen / keines aber wieder zu geben habe. Ismene brach ein: So bleibet für mich nichts / als die schattichte Erde übrig / welche des Tages von der Sonne / des Nachtes von dem Mohnden erleuchtet wird. Zirolane sätzte ihr alsofort entgegen: Wenn schon mein Gleichnüs sich so weit ausdehnen ließe / würde es doch der vollkommenen Ismene zu dem eingebildeten Vorthel ihrer angemasten Erniedrigung nicht dienen / und sie würde doch grösser und heller als Zirolane bleiben. Sintemahl die Erde dem Mohnden zweymahl an Grösse überlegen / und von der Sonne einen weitern und hellern Glantz als der Monde empfängt; dahero die Sternseher auch die Erde für den achten Irrstern halten. Ismene antwortete: Ich gebe mich gefangen / und bekenne: daß mich die unvergleichliche Zirolane so wohl an Scharffsinnigkeit /als an Vermögen alles Unglück hertzhafft zu erdulden / und alle Regungen zu dämpffen / weit hinter sich lasse. Zirolane versätzte: die Ohnmacht meines Leibes ist leider ein allzu klarer Verräther meines ohnmächtigen / und unter denen hefftigen Regungen verschmachtenden Gemüthes gewest. Dahero ich bey einem so unverdienten Lobe nur desto beschämter zu seyn / und meinen Schwachheiten mehr Hülffe zu suchen / als sie durch Entschuldigung zu verkleinern Ursache habe. Thußnelde fiel ein: Die selbst eigene Verkleinerung ist nicht die kleinste unter Zirolanens Tugenden. Ihrer viel / welche kaum sich mit etlichen Schalen der Tugend zu bedecken wissen / bilden ihnen selbst ein: sie wären als Kleinodter würdig in Gold und Helffenbein verwahret zu werden; und der Himmel unvollko en / so lange sie nicht in selbtem einen Abgott abgäben. Warhaffte Tugend aber vergnüget sich an der Güte ihres Kernes / und schämt sich nicht so sehr ihrer rauen und ungestalten Schalen / als sie sich über dem ihr / wiewohl mit gutem Grunde / beygelegten Lobes röthet. Diese Purper-farbichte Schamhafftigkeit aber ist die rechte Morgen- und Abendröthe der Tugend / welcher Sonne jene demüthige Tochter vor und nachgeht. Wie aber diese verschämte Heroldin nicht weniger Finsternüs der Nacht als Glantz des Tages / ja die Sonne selbst Flecken an sich hat und Verfinsterung dulden muß; also ist niemand unter den vollkommensten ohne Schwachheit und Unglück. Ja wir sind nicht gantze Menschen /sondern nur Stücke oder Scherben davon / aus allen zusammen kan etwas / iedoch nicht allzu viel / aus eintzelen aber nichts werden. Dieses ist ein unumstoßlicher Grund: daß ieden Menschens eigene Erhaltung und Wolfarth erfordere dem andern Handreichung zu thun und beyzuspringen. Welche Verbindligkeit unser itziger Nothstand sonderlich von uns abheischet; welche einige Würckung ihn uns nicht nur erträglich / sondern gar angenehm zu machen vermag / und uns allererst das rechte Siegel bewehrter Tugend eindrücket. Denn wenn keine schreckende oder verführende Regungen in uns / und in der Welt kein Unglück wäre / würde die Tugend zwar in unser Seele /wie eine reine Fackel in der von allem Winde / Wolcken und Nebel befreyten Lufft brennen / und uns zu der Glückseligkeit ohne Hindernüs führen / wie die Gestirne ohne einigen Auffenthalt und Bemühung alle Tage ihre Kreiße durchwandern; aber so denn würde kein Unterscheid der Menschen / und wie bey gutem Wetter / ieder Bots-Knecht ein kluger, Steuer-Mann /ja / weil die Laster so wenig als die getichteten Ungeheuer in der Welt gefunden werden würden / die Tugend selbst nicht Tugend seyn. Mit solchen Gesprächen verzuckerte dieses Frauenzimmer [1099] einander die verdrüßliche Gefangenschafft / noch mehr aber Agrippine mit ihrer freundlichen Unterhaltung und mit ihrer vertrösteten Unterbauung; daß sie gegen die Römer /welche der Feldherr vom Cäcina / Hertzog Arpus aber auf dem Taunischen Gebürge / und Catumer bey dem Grab-Male des Drusus gefangen bekommen hatte /ausgewechselt werden möchten. Worzu ihnen zum Theil auch Hoffnung machte: daß die Römer und Deutschen die Rauigkeit des anfänglichen Krieges mit einander ziemlich abgeschlieffen hatten / und die Deutschen die gefangenen Römer weder mehr opfferten / noch diese jene bey abgekühltem Blute schlachteten. Es verstattete Germanicus auch: daß die Gefangenen in Deutschland offene Brieffe schreiben / und von dar wieder empfangen dorfften.

Als sie nun in der grösten Hoffnung ihrer Erlösung lebten / ward Zirolanen / als sie mit Thußnelden und Ismenen am Rheine auf- und abgieng / von einem Römischen ihr mit dem Auge winckenden / und damit was geheimes andeutenden Kriegsmañe ein Schreiben an die Hand gesteckt / darinnen sie / als sie hernach solches zu lesen unter anderm Scheine auf die Seite trat / folgende Worte fand: Ihr seyd verlohren; und sollet von dem nach Rom beruffenen Germanicus zum Sieges-Gepränge mitgenommen / der junge Thumelich aber auf dem Grabe des Drusus zu Ravenna / wo nicht bey Meyntz / geschlachtet werden. Allem diesem aber kan Zirolane abhelffen / wenn sie sich überwinden kan ihren getreuen aber verhaften Liebhaber zu lieben. Um Mitternacht öffnet einem vertrauten Freunde / der euch hiervon umständlichere Gewißheit eröffnen wird / die Garten-Thüre / und sorget mehr auf eure Wolfarth / als daß ihr dem Mißtrauen oder euch verrathendem Kummer Raum gebet. Dieser Brieff war in Zirolanens Hertze ein zweyfacher Donnerschlag; und sie würde wegen der ihr mehr als Galle und Gifft verhasten Liebe solchen verdrückt haben /wenn nicht Ismene sie hätte denselben lesen und sie darüber erblassen gesehen. Daher sie alsofort nach Hause zu kehren Anlaß gab / und in Thußneldens Anwesenheit nach dem Briefe fragte; welcher sie in eine so grosse und ihr noch aus den Augen sehende Erstaunung versätzt hätte. Zirolane verstummte über dieser Frage / und statt der ihr gebrechenden Worte gaben ihre Augen tausend Thränen / ihre Hand den schrecklichen Brieff zur Antwort. Thußnelde und Ismene erstarrte über den ersten Zeilen / als sie aber zu der von des jungen Thumelichs Aufopfferung kam /fiel Thußnelde wie ein Klotz zu Bodem. Dieser Fall ermunterte Zirolanen und Ismenen / welche an Thußnelden weder Puls noch Leben fühlten; Durch reiben und kühlen sie aber kaum in einer halben Stunde so weit brachten / daß sie die Augen ein wenig auffsperrte / und einen tieffen Seuffzer ausließ. Sie fiel aber gleich wieder in Ohnmacht; und in diesem Augenblicke trat zugleich Agrippine ins Zimmer; welche nicht ehe nach der Ursache dieses Zufalls fragte /biß sie allerhand kräfftige Stärckungen zur Stelle gebracht / und sie Thußnelden so ferne erqvicket hatte: daß man sie entkleiden und auf ein Bette legen konte. Hierauf erkundigte sich Agrippine; woher dieser Unfall rührte? welcher aber Ismene / weil Zirolane neben dem Bette bey Thußnelden blieb / verschmitzt und um Agrippinen auszuholen antwortete: Sie wäre auf dem Stule entschlaffen / und nach einer halben Stunde mit diesen Worten aus dem Schlaffe aufgefahren: Nach Rom! nach Rom! Messer / Messer her! Worauf sie denn auch folgends aus einer Ohnmacht in die andere gefallen wäre. Agrippine erblaste hierüber und veränderte sich derogestalt: daß sie sich nicht zu erholen getraute / sondern unter dem Scheine: daß sie Thußnelden nicht an der nöthigen Ruh / noch Ismenen an derselben Wahrnehmung hindern wolte / Abschied nahm. Ismenen und Zirolanen war zwar durch [1100] diese Zeitung ein so schwerer Stein aufs Hertze gelegt: daß sie ihn kaum ertragen konten; doch musten sie ihn Thußnelden zu Liebe leichter machen / uñ ihren eigenen Schmertz verbeissen. Daher / als Thußnelde wieder ein wenig zu sich selbst kam / Zirolane ihr sagte: Sie hielte diesen Brieff für eine arglistige Erfindung des verzweiffelten Siegemunds; laß ihr auch zu Beglaubigung ihres Argwohns vollends das letzte Theil des Brieffes. Thußnelde antwortete: diese Muthmassung hat wohl einen Schein; gleichwohl aber traue ich diese Boßheit meinem Bruder nicht zu: daß er durch ertichtete Opfferung meines Sohnes mich / wie er ihm leicht von mir einbilden kan / da ich zumahl in diesen Banden gehe / vorsätzlich tödten solte. Hingegen saget mir mein Hertze: daß unsere Tod-Feindin Sentia und Adgandester dieses Hertzeleid uns beym Tiberius angesponnen haben. Hierauf überlegten sie: Ob es rathsam wäre um Mitternacht die Gartentühre zu öffnen und zu warten: ob ihnen iemand der Vertröstung nach mehrere Gewißheit bringen würde. Zirolane hatte hierzu schlechte Lust / aus Beysorge: daß sie daselbst nichts als Liebes-Versuchungen vom Siegesmund vernehmen würde / welche ihr zu hören unerträglich wären; weil sie lieber hinter des Germanicus Sieges-Wagen gebunden und baar-fußig in Rom gehen / als den Siegesmund lieben wolte. Hilff GOtt! fuhr Ismene auff / eine solche Kleinmüthigkeit kan ich der großmüthigen Zirolane nimmermehr zutrauen. Ich bin feste entschlossen / ehe zu sterben / als zum Schauspiele nach Rom zu kommen. Zirolane antwortete: Ich wil mich für der Zeit nichts vermässen / noch mich ohne Noth / was ich bey solcher Versuchung entschlüssen möchte / übereilen. Dieses aber ist bey mir eine ausgemachte Sache: daß ich auch lieber sterben / als ihn lieben wolle. Thußnelde fiel ein: Ich glaube wol / daß kein Zwang in der Welt; und also auch der uns angedreute Tod der ärgste Scheusal des menschlichen Geschlechtes nicht fähig sey / auch dem furchtsamsten Hertzen die süsse Empfindligkeit wahrer Liebe einzupflantzen; Ob sich aber iemand in solchem Falle und da es zumahl ohne Untreu und Laster zu thun möglich / noch der Ehre und Würde abbrüchig wäre / so versteinern könne: daß man zu Erhaltung des Lebens sich nicht verliebt stellen solte / wil ich zu entscheiden mich nicht vorzücken. Wie dem aber sey; so lasset uns zum wenigsten die Gelegenheit nicht versäumen unsere Gefahr zu erforschen / welcher Wissenschafft schon das halbe Genesungs-Mittel ist. Gesätzt; daß Zirolanen iemand von Siegesmunden neue Anmuthungen fürtrage; diese können sie weder verwunden noch bezaubern / sondern Zirolane behält ihren freyen Willen / sie wie vor zu verwerffen. Ismene siel Thußnelden bey / und bat Zirolanen mit heissen Thränen: sie möchte sich doch Thußneldens / und wo nicht ihr / doch des zarten Thumelichs erbarmen /also sich zu Annehmung der versprochenen Nachricht beqvämen. Zirolane willigte endlich darein / aber mit diesem Bedinge / da Siegesmund nicht selbst / wie sie besorgte / dahin käme. Sie musten also in ihren Willen kommen / und Ismene versprechen die Vorgängerin zu seyn / und zu verhüten: daß Siegesmund Zirolanen nicht solte zu sehen bekommen. Gegen die bestimmte Zeit verfügte sich Ismene bey wenigem Mondenscheine neben die geöffnete Garten-Thüre / Zirolane aber blieb hinter der Wand eines mit Immer-grün bewachsenen Ganges verdeckt stehen. Kurtz darauf gieng die zugelehnte Thüre des Gartens auf / und trat ein Römisch gekleideter Kriegsmann hinein / ruffte auch mit linder Stimme: Zirolane. Ismene trat auf der Seite herfür / und sagte: hier ist sie; was habt ihr ihr zu sagen? dieser betrachtete sie eine weile / und fieng an: Wo mich die Finsternüß und mein Auge nicht betreugt / sehe ich wohl Ismenen / nicht aber Zirolanen. Ismene antwortete: [1101] Ihr habt recht; aber Zirolane wird euch nicht ehe sehen / biß sie weiß / mit wem sie zu reden habe. Der vermeinte Römer versätzte: Es liegt mir zwar wenig dran / ob ich mit ihr oder mit Ismenen rede; weil mich aber meine Treue hieher bringt / habe ich kein Bedencken mich zu offenbaren: Ich bin Hermengarde des Ritters Dehnhof Tochter / welche die Ehre gehabt Zirolanen eine zeitlang zu bedienen / und hernach den Grafen von Hanau zu heyrathen. Ismene erinnerte sich im Augenblicke der Aehnligkeit ihrer Sprache / und fieng an: hilff Himmel! wie ist sie denn zu einem Römischen Kriegs-Knechte worden! Hermengarde antwortete: Noth und Treue sind Lehrmeister viel seltzamer Verwandlungen / als die / welche die alten Tichter denen flüchtigen Göttern zugeschrieben haben. Ismene schloß hiermit den Garten zu /nahm Hermengarden bey der Hand / führte sie zu Zirolanen / und sagte zu ihr: Sie erschrecke nicht / sondern bewillkomme vielmehr diese ihre treue Hermengarde. Ist es wohl möglich / sagte Zirolane: daß der Himmel uns diese treuste Gefärthin meines Lebens zuschickt / so kan ich nicht glauben: daß er noch unsern Untergang beschlossen habe. Wie nun Hermengarde sich genung zu erkennen gab / fiel ihr Zirolane um den Hals / und konte sich mit Küssen an ihr nicht sättigen. Hermengarde fieng hierüber an: holdselige Fürstin / sie spare ein Theil ihrer Gnade für mich auf andere Zeit. Denn an dieser hätten sie Ursache keinen Augenblick zu versäumen. Zirolane fragte: durch was für einen Wunder-Weg sie denn von Deutschburg dahin kommen wäre? Hermengarde sagte: Ihre Erzehlung würde alles entdecken / sie wünschte aber wol /wenn es möglich wäre / auch Thußnelden davon zu benachrichtigen. Zirolane nam sie ohne fernere Wortwechselung und führte sie auf Thußneldens unten in Garten gehendes Zimmer zu; Ismene aber sprang voran / und deutete ihr / um alles Schrecken zu verhüten / Hermengardens Ankunfft an. Diese war auch der Hertzogin eine so angenehme Gästin / als wenn sie ihr vom Himmel zugefallen wäre. Nach vielen Liebes-Bezeugungen fieng Hermengarde an: Als ich den an ihnen bey der Tanfanischen Höle verübten Raub in Deutschburg vernam / rüstete ich mich / und setzte mit denen andern Cheruskern den Raubern nach /hatte aber das Unglück: daß ich nach Verlust meines Pferdes von Chaßuariern gefangen / in Arnsburg gebracht und vom Fürsten Siegesmund erkennet ward. Weil er nun meinte: er hätte mit mir einen sehr nützlichen Werckzeug / ihm in seiner Liebe bey der Fürstin Zirolanen an die Hand zu gehen / gefangen / behielt er mich unter scharffer Aufsicht bey sich / ließ mich aber nicht ehe / daß er mich kennte / mercken / biß er allhier wieder zu des Augustus Priester eingeweihet war. So denn gab er mir zu verstehen: daß ich zwar seine Sklavin wäre / er wolte mich aber als seine Schwester halten / wo er meiner Treue könte versichert seyn. Ob ich nun wol wuste / wie verdrüßlich Zirolanen seine Liebe wäre / und mir leicht die Rechnung machen konte: daß sein Absehen wäre durch mich bey ihr was fruchtbarliches auszuwürcken / ließ sich doch in dieser Dienstbarkeit gegen der / in dessen Willkühr mein Leben und Tod stand / durch Hartnäckigkeit wenig ausrichten; sondern ich gelobete ihm an in allen meiner Ehre nichts benehmenden Dingen treu und dienstbar zu seyn. Er war mit meinem Erbieten / wie ich mit seiner Verhaltung / wol zu frieden; doch muste ich auf seinen Befehl mein Geschlechte verbergen / und ihm unter dem Scheine eines Schild-Trägers an die Hand gehen. Nach der Zeit brauchte er mich in allen seinen geheimesten Dingen / und muste ich mit dem Fürsten Flavius viel / was er keinem andern Menschen vertrauen wolte / sonderlich auch / daß er Zirolanens Hertze ihm zuzuneigen bedacht seyn möchte / verträulich abreden. [1102] Worbey ich denn so viel ausgespüret habe: daß weder Flavius noch Siegesmund mit den Römern vergnügt sey; sondern jeder sich mit leeren Hoffnungen geäffet; Flavius von Adgandestern / Siegesmund von der Sentia betrogen siehet; und jener /wenn er unter der Hand mit seinem Bruder ausgesöhnt / dieser aber / wenn er Zirolanens Gegen-Liebe genoßbar werden könte / sich augenblicks zu den Deutschen wenden würde. Unterdessen müsten doch beyde in Adgandesters und Sentiens Horn blasen /weil diese des Sejanus Schoos-Kinder / wie er des Tiberius wäre. Gestern kamen Brieffe von Rom / welche nur acht Tage unterwegens gewest / und darunter gewisse an Agrippinen / und den Fürsten Siegesmund gerichtet waren; nach derer Lesung ließ er eine ungemeine Schwermüthigkeit an sich mercken. Kurtz darauf begab er sich am Rheine mit mir alleine in seinen Garten / und nach einer zweystündigen Einsamkeit /näherte er sich und sagte mir: Er wolte mir ein hochwichtiges Geheimnüs anvertrauen / daran mir selbst viel gelegen wäre; ich müste desselben Verschwiegenheit und Treue ihm durch einen kräfftigen Eyd bestärcken. Weil nun sein ängstiges Antlitz mir die Wichtigkeit der Sache mehr denn zu viel vorbildete /erfüllte ich durch einen uns Deutschen gewöhnlichen Eydschwur Siegesmunds Verlangen; worauf er mir gegenwärtigen Brief einhändigte. Diesen überreichte Hermengarde hiermit Thußnelden / welche alsbald anfieng: diß ist Sentiens Hand. Ja / sagte Hermengarde; aber sie lassen sich dessen Innhalt nicht allzu sehr erschrecken / weil ich sie versichern kan: daß es Siegesmunden ein Ernst sey dieses durch die Zauberin und Unholdin Sentia angesponnene Unglück von ihren Häuptern abzuwenden. Ismene nam hierauf den Brief / und laß folgende Worte daraus: Sentia ihrem liebsten Sohne / dem Fürsten Siegesmund. Alle Sterne sind mir zu Rom geneigt / alle Winde blasen in die Segel meiner Wünsche / nach dem ich alles über den Sejanus / dieser aber alles über den Tiberius vermag. Ich hoffe nun bald über unsere gemeine Feinde zu frolocken / und an Hertzog Herrmanns Blute Rache auszuüben. Germanicus und Agrippina / welche den Römischen Feinden nur geheuchelt haben / und so wol dem Tiberius als weit-sehenden Sejan verdächtig sind / werden nach Rom beruffen / und müssen in Asien ziehen / wo von Parthien her sich ein Ungewitter über Armenien und Syrien aufzeucht. Thußnelde wird den Ungehorsam gegen ihren Vater / Ismene den Hochmuth ihres Bruders / Zirolane die Widerspenstigkeit gegen dich hier im offenen Sieges-gepränge des Germanicus durch allgemeine Verlachung des jauchtzenden Volckes / wo nicht mit dem Tode bissen müssen / weil man insgemein an solchen Sieges-Tagen die zum Schauspiele eingeführten Gefangenen zu tödten pflegt. Der junge Thumelich soll dem Drusus zur Rache seines von den Catten zerstörten Gedächtnüs-Maales geopffert / und darmit dem Herrmann das beste Theil seines Hertzens aus dem Leibe gerissen werden. Alles dieses habe ich dem Sejanus unter den Fuß gegeben / und er es beym Käyser zuwege gebracht. Zweifle diesem nach nicht; daß ich für dein Glücke beym Sejan und dem zu des Germanicus Nachfolger bestimmten Drusus eben so viel auszurichten fähig sey / und bleibe der / die dich mehr als eine gemeine Mutter liebt / gewogen. Thußnelde sanck hierüber aufs neue in Ohnmacht; weil aber Hermengarde ihr von einem Hülffs-Mittel Vertröstung gethan hatte / hielt die Schwachheit so lange nicht an; also / daß nach ihrer Erholung Hermengarde in der Erzehlung fortfahren konte: Mir / sagte sie / fieng bey ieder Zeile das Hertze an zu klopffen; der Brief an sich selbst behält noch die Merckmaale von dem Blute meiner verwundeten Seele / nemlich denen darauf gefallenen Thränen; ich verstu te und erblaste. Siegesmund [1103] sahe mich lange und mit nicht kleinerer Bestürtzung stillschweigend an; gleich als wenn er von mir Rath und Hülffe verlangte. Ob nun wol mein Verstand so verwirrt / als meine Zunge gehe et war /sahe ich ihm doch wol an: daß die widrigen Gemüths-Regungen in seinem Hertzen stärcker Epp und Flutt machten / als sie beym Vollmonden / und wenn Tag und Nacht gleiche werden / im Meere zu seyn pflegen. Denn Zorn / Furcht / Mitleiden / Liebe / derer eines wie der geschwinde Blitz einschlägt / das andere eine langsame und doch hefftige Bewegung hat / zerschlugen sich wie Wellen an einander / und wolte jedes das gröste Theil von seinem Hertzen erstreiten. Weil aber ich von Schrecken gantz verstarret war / und mich aus meiner Verwirrung nicht auswickeln konte / redete er mich endlich an: Ach! Hermengarde! ach! was habe ich gethan! dieses verteuffelte Schreiben ist allein der Ausleger meiner begangenen Laster. O verda te Verrätherey! O abscheuliche Thorheit! hätte ich mir was bessers als den Erfolg so schändlichen Spottes / und so grausamer Mordthat / welche in diesem Brieffe meiner Schwester / meiner Schwester Kinde / meiner Baase / ja meiner Liebsten angekündiget werden / von den blutgierigen Römern / von der unmenschlichen Sentia einbilden können! Aber ach! alle Laster haben eine schöne Stirne / einen heßlichen Nacken. Man wird allererst / weñ man sie vollbracht hat / ihrer abscheulichen Ungestalt inne; Rette mich! Hermengarde! ich vergehe! Mein Raub wird mir itzt zur Pein /und mein Gedächtnüs zum Hencker! Ach! Hermengarde! wenn meine Eingeweyde ein durchsichtiges Fenster hätten / würdest du zugleich mit Schrecken und Erbarmen sehen; wie mein Hertze von wüttenden Wunden zerfleischet / von spitzigen Pfriemern zerstochen / mit glüenden Zangen zerrissen / wie meine Seele mit dörnichten Peitschen zerkratzt / mit Bleypriegeln zerschlagen / uñ von den grausamsten Gestalten zu ärgster Verzweiffelung angelocket werde! Hilff mir / Hermengarde! denn ausser dir bin ich verlohren. Weil ich den Hertzog Herrmann und sein Geschlechte aufs empfindlichste beleidiget / meine Schwester und Freunde geraubet / meine Liebste auf den Tod gekränckt / mein Vaterland verrathen; darff ich zu keinem Menschen meine Zuflucht nehmen / ja auch zu Gotte nicht / den ich alle Tage seines Stuhles entsätze / so offt ich dem verstorbenen August Weyrauch ins Feuer streue. Hilf mir / Hermengarde; oder ich weiß ausser in der Tieffe des hier vorbey fliessenden Rheines weder Hülffe noch Auffenthalt zu finden. Diese schrecklichen Worte brachte Siegesmund mit so grausamen Gesichte / mit Zittern und Beben der Glieder herfür: daß mir die Haare darüber zu Berge stunden. Ich faßte mir aber ein Hertze und sagte: Er hätte freylich an allem dem übel gethan / und daher solte es ihm nicht frembde fürkommen: daß die Erinnerung seiner Vergehung nicht von Furcht und Schrecken leer wäre. Darinnen bestünde der kräfftigste Trost der Tugend: daß sie in Band und Eisen / ja auf einem glüenden Pfale allezeit freudig; Laster aber auf Sammet und Seide / ja auf dem Purper-Bette der Käyserthümer nicht ohne Zagheit und Bangsamkeit seyn könten. Jedoch könte ihm noch zum Troste dienen: daß er mehr durch Verleitung der zaubrischen und die gantze Welt zu verführen mächtigen Sentia / als eigenbeweglich gesündiget / und sein Gewissen noch eine so zarte Fühle hätte. Denn diesen Fühlenden wäre noch wol /denen aber gar kein Rath mehr / die das Andencken ihrer Laster nicht zitternd machte / sondern auch kitzelte. Solche Angst wäre ein Zeichen der göttlichen Barmhertzigkeit / welche die Fallenden dadurch zur Erkenntligkeit und Verbesserung ruffte. Wo diese aber einen nicht weckte / sondern in seiner blinden Unempfindligkeit die Rennebahn der Laster ausmässen liesse / da ersätzte sie so denn ihre Langsamkeit mit der Schwerde der Straffen / [1104] und forderte von dem Haupt-Gute die Zinsen nach der schärffsten Ausrechnung ab. Sentia und Adgandester rennten auf diesem schlipfrigen Wege der Sicherheit / und meinten / sie hätten für der Rache des gerechten Gottes schon einen solchen Vorsprung gewonnen: daß diese sie nimmermehr einholen würde; er möchte nur aber glauben: daß sie wie die Weiser an Uhren zwar unempfindlich aber geschwinde genung fortgienge; und sie mit Schrecken der gantzen Welt ein Ende der Boßheit und dem Leben machen würden. Wenn aber Fürst Siegesmund die Beleidigten aus dem Rachen der Schande und des Todes zu reissen sich entschlüsse / würde er seinem Verbrechen so viel abnehmen / als er ihrer Wolfarth beytrüge. Denn die Erhaltung eines gekränckten wäre das heiligste Versöhnungs-Opffer. Siegesmund gieng die Länge des Gartens etliche mahl schwermüthig und voller Nachdencken aus; fieng endlich zu mir an: Ich befinde / daß mir anderer Gestalt nicht / als durch deinen Rath zu helffen sey / und ich wil ihn auszuführen das euserste thun. Aber befindest du nicht auch der Billigkeit gemäß zu seyn: daß die /für derer Erhaltung ich alles wagen wil / auch die Gedancken mich zu verderben fahren lassen? Ja / antwortete ich; aber ich kan schwerlich glauben: daß sie derogleichen jemahls solten gehabt haben. Bey diesen Worten vermerckte ich am Fürsten eine gantz neue Veränderung. Denn sein vorhin erblastes Antlitz ward bald voller Blut / seine vor halb gestorbenen Augen voller Feuer / und bald darauf verlohr sich dieser Brand / und wechselte eines mit dem andern ab. Ich war zwar anfangs zweiffelhafft: ob ich diese Veränderung für eine Regung der Liebe oder einer Entrüstung annehmen solte; weil ich aber darbey mehr Mäßigung als Sturm vermerckte / und ich mich erinnerte: daß das Blut in Adern der Zornigen wie abschüssende Berg-Ströme mit Gewalt fortrieße / bey Verliebten aber wie Wasser in Röhren sanffte fortkrieche / hielt ich es beym Fürsten Siegesmund für ein Kennzeichen seiner aufwallenden Liebe / welche zum ersten das Hertze als den fürnehmsten Werckzeug der Begierde entzünden / von dar aber ins Behältnüs der Einbildung / nemlich ins Gehirne steigen / und sich daselbst bey Zusammenraffung der Lebens-Geister gleichsam abkühlen / das erste die Röthe / das andere die Erblassung verursachen soll. Nach diesem Wechsel fuhr Siegesmund heraus: Ich mercke wol / Hermengarde: daß du dein Lebtage nicht verliebt gewest seyest /also nicht verstehest: daß es einerley sey / ob man einen Verliebten verächtlich halte / oder ihm ein Messer ins Hertze steche. Ja jene Grausamkeit ist noch ärger; denn sie peinigt einen aufs längste / und zwinget einen endlich doch zur Verzweiffelung. Ich mühte mich zwar ihm die eingebildete Verachtung auszureden / und mich selbst zum Zeugen aufzuwerffen / wie viel gutes und rühmliches ich für ihn aus Zirolanens Munde mehrmahls gehöret hätte; also / daß wo Zirolane ihn gleich nicht geliebt / sie ihm dennoch wol gewolt hätte. Siegesmund fuhr hierüber nicht wenig auf / und seine Veränderung wuchs noch mehr / als ich ihn versicherte: daß Zirolane mehr als einmahl um seine Wolfarth Sorge / und / daß er nicht unvergnügt leben möchte / Kummer geführt hätte. Ich hätte seine hefftige Bewegung bey nahe für eine Verbitterung gegen mich aufgenommen / wenn ich mich nicht erinnert hätte: daß das sanffte und annehmliche Feuer der Liebe / wenn selbtes entweder durch Ankunfft des Geliebten oder durch einen unvermutheten Zufall mehr Zunder bekommt oder gestöret wird / so stürmrisch /wie die sanfften Sommer-Lüffte / welche von einer mässigen Wärmbde entstehen / zu Zwirbel-Winden werden. Diese Hefftigkeit aber sätzte sich aber auch bald und ward zu einem Seufftzer; nach welchem er anfieng: Ach! Hermengarde! wie glückselig wäre ich /wenn Zirolane mir jemahls [1105] wol gewolt hätte! Aber /wie soll ich mich dessen bereden / oder mir so was süsses von der träumen lassen / die mich aus ihren Augen verbannte? die mir die Zunge verschloß / und auf einmahl mir alle Hoffnung / das insgemein verschi elnde Brod der Elenden / abschnitt? Meinest du / ich sey so unwissend: daß Zirolane ihr Hertz alleine Rhemetalzen zugeeignet habe? Wie soll sie denn mir wol wollen / weil dieses von der Liebe nicht weiter als die Wärmbde vom Feuer / und die Strahlen von der Sonne unterschieden / und eine warhaffte Nachfolge oder Würckung zweyer vereinbarten Hertzen ist. Zirolanens aber ist allezeit nicht nur von meinem so weit als ein Angel-Stern von dem andern entfernet; sondern ihres hat auch für meinem eine grössere Abscheu / als der Diamant für dem Magnete gehabt. Wie viel ich nun gleich hierwider einwendete / war doch seinem Gemüthe dieser Glaube nicht einzudrücken; und endlich sagte er: Wenn auch jemahls ein mir wol wollender Bluts-Tropffen in ihren Adern gewest wäre / so hat sich doch nach meinem Raube leider! und zwar mit gutem Rechte alle ihr Geblüte gegen mich in Gifft und Galle verwandelt; also daß sie nechsthin von meiner blossen Erblickung / gleich als wenn meine Augen mit Basilisken-Giffte angefüllet wären /für todt zu Bodem gefallen. Ich antwortete ihm: daß ich von Zirolanens itziger Neigung nichts sagen / er aber selbst wol urtheilen könte: daß gegen den / von welchem der Verlust ihrer unschätzbaren Freyheit herrührte / der sie aus einer Fürstin zur Sklavin gemacht / keine Verbitterung im Hertzen zu hegen etwas mehr als menschliches seyn müste. Siegesmund versätzte: Meinest du aber wol / Hermengarde: daß / wenn ich sie alle in die alte Freyheit versätzte / alle Verbitterung von Grund aus vertilget werden könte? Ich antwortete: wenn er diese heilige Regung in seinem Hertzen hätte / und so rühmliche Entschlüssung ausführte / solte er den geringsten Zweiffel daran nicht haben. Denn edle Gemüther überstreuten erlittenes Unrecht mit dem Staube der Vergessenheit; Wolthaten aber liessen sie niemahls bestauben. Aber / Hermengarde; fiel Siegesmund ein / meinestu du nicht: daß ich durch ihre Befreyung von Zirolanen geliebt zu werden verdiente? Fürst Siegesmund / versätzte ich / hat sonder Zweiffel fürlängst schon von einer solchen Fürstin geliebt zu werden verdient; und sie würde ihn sonder Zweiffel eben so lange / als er sie / geliebt haben /wenn es in ihrer Willkühr gestanden hätte. Aber so hat die Liebe ihren Ursprung vom Verhängnüsse /welches durch die Gestirne denen Seelen eben so wie Gewächsen / Steinen und Ertzte gewisse Zu oder Abneigungen einflösset: daß sie entweder durch einen geheimen Zug wie Eisen und Magnet einander lieben / oder Vermöge einer gewissen Widerwärtigkeit wie Wolff und Schaff einander hassen müsten. Also ist der Himmel / nicht der Menschen freyer Wille der Urheber ihrer Vereinbarungen. Siegesmund fiel mir ein: Ach / Hermengarde! dieses ist eine nichtige Ausflucht. Die Sternen haben über unsere Vernunfft und über unser Hertz den Sitz der Liebe keine Bothmäßigkeit. Die an den Einfluß des Himmels sich bindende Weißheit ist keine Sibylle / sondern eine Betrügerin /welche mit ihrer Rechnung eitel Irrthümer behauptet /mit ihrem Maaß und Compaß den Sternen falsche Würckungen antichtet / und mit ihrem Lichte hinters Licht führt. Ich erklärte mich: daß die Gestirne zwar einen Menschen nicht unmittelbar Achillen die Briseis / und den Paris Helenen zu lieben nöthigten; aber sie flösten jedem Menschen gewisse Eigenschafften ein / welche mit unterschiedener anderen eine Verwandschafft hätten; und daher liebte wegen solcher Einstimmung auch Achilles Polyxenen / und Paris Oenonen. Die Warheit dieser Meinung erhellete augenscheinlich aus dem Unterscheide der eusserlichen Leibes-Beschaffenheiten / [1106] nach denen ein Mensch blutreich und freudig / gallicht und zu Entrüstung geneigt / flüßicht und traurig wäre; also nicht geleugnet werden könte: daß die Gemüths-Regungen / darunter die Liebe allerdings gehörte / mit der unterschiedenen Eigenschafft des Geblütes eine grosse Verwandschafft hätten / und nach dieser Unterschiede auch jene von einander unterschieden wären. Daß aber dieser Unterschied von unterschiedenen Einflüssen der Geburts-Sterne herrühren müste / ereignete sich Sonnen-klar daraus: daß Kinder offt ehe allen andern Menschen /als ihren Eltern an Leibe und Gemüthe ähnlich wären; und daß der Himmel so gar gantze Länder und Völcker mercklich unterscheidete. Die Gestirne zeugten in Indien Edelgesteine und Gewürtze / in Arabien Gold / bey den Seren Seide / bey Taprobana Perlen /in Phönicien Palmbäume / auf Madagascar Elephanten. Den Chaldeern flösten sie die Begierde zur Sternseher-Kunst / den Griechen zur Weltweißheit / den Römern und Deutschen zum Kriege ein; die Lydier machte sie wollüstig / die Cretenser lügenhafft / die Africaner betrüglich / die Deutschen aufrichtig; und es wäre kein Volck in der Welt / das nicht an sich ein gewisses Kennzeichen und einen besondern Zug zu diesem oder jenem Dinge habe. Wer wolte nun zweiffeln: daß die Verbind- und Zusammenstimmung zweyer Verliebten nicht eigentlich von der Gleichheit herrühre / die einerley Gestirne in zwey oder mehr Menschen einpflantzen. Siegesmund sätzte mir entgegen: wo diese Meinung Grund hat; so muß ich mit Zirolanen nothwendig einerley Geburts-Stern haben; sintemahl niemahls jemand hefftiger / als ich sie geliebt habe oder lieben kan. Daher ihr Zirolane aus einer vorsätzlichen Hartnäckigkeit sonder Zweiffel Gewalt anthun muß / indem sie mich nicht liebet. Ich begegnete ihm: Sein Schluß hielte den Stich nicht. Denn weil derer in uns ihre Würckung ausübende Sternen eine so grosse Anzahl wäre / könten zweyerley Dinge und Menschen zwar gewisser massen mit einander übereinstimmen / im übrigen aber einander zuwider seyn / einer eine lieben / die ihm wegen ihrer besondern Einflüsse grämer als einer Spinne wäre. Also züge der Agstein zwar die Spreu / die Spreu aber nicht den Agstein nach sich. Siegesmund fiel ein: Ich sehe wol / du machst aus der Liebe einen blinden Affen; benimmest also der Tugend ihre Verdienste /der Schönheit ihren Glantz / und der Liebe selbst ihre Krafft. Da doch jene zwey von Alters herfür die würdigsten Brunnen / und diese für die Heb-Amme der Liebe gehalten worden; und ich von Frauenzimmer wol hundert mahl gehöret habe: wie das an einander geriebene Eisen / oder die wider einander geschlagenen Kieselsteine / wie kalt und harte gleich beyde wären / Feuer geben müsten; also müste auch endlich das kälteste Frauenzimmer verliebt werden / wenn sie beständig geliebt würde. Ich antwortete ihm: diese Beständigkeit würde weder im Eisen / in Kieseln /noch im Frauenzimmer etwas thun / weñ nicht vorher in diesem ein ander Zunder der Liebe / wie in jenen der Saame des Feuers steckte. So machten auch weder die schönste Bildung noch der hurtigste Geist und die grösten Verdienste eines Menschẽ in der Liebe nicht das Kraut / ob sie schon köstliche Schwung-Federn in ihren Flügeln wären. Daher geschehe es täglich: daß wie das Eisen nur einen Zug zum ungestalten Magnetsteine / nicht zu dem schönen Rubine / der Magnet keine Neigung zum Golde hätte / die Rosen die Gemeinschafft des stinckenden Knoblochs nicht verschmähten / sondern ihren Geruch damit verbesserten; also offtmahls die schönste Venus auf den heßlichsten Vulcan / die vollkommste so bald auf Thersiten / als einen Achilles ein Auge würffe / hingegen nicht nur die annehmliche Syrinx für dem garstigen Pan / sondern auch die kaltsinnige Daphne für dem schönsten Apollo flüchtig und zum Baume würde. Dieses letztere Beyspiel [1107] solte Fürst Siegesmund ihm zur Richtschnure oder vielmehr zur Mäßigung seiner Liebe dienen lassen / sich auch seines eigenen Reichthums erinnern / nemlich: daß es ihm so wenig an Liebhaberinnen / als der Sonne an Zunder gebrechen würde. Warum wolte er sich denn an einem widerspenstigen Sterne / wie die Africanischen Ziegen am Sirius so versehen / als wenn der Himmel / wie Polyphemus nur ein Auge / und die Welt nur eine Zirolane wie eine Sonne hätte? Siegesmund brach ein: Unbarmhertzige Hermengarde! Ich mercke wol: daß du so wenig Lust mir zu helffen hast / als Zirolane mich zu lieben. Nach dem ich aber ein für allemahl ohne Zirolanen nicht leben / weniger glücklich seyn kan / so gehe und sey so wol Bürge als Zeuge meiner nicht nur unausleschlichen / sondern bey nahe verzweiffelnden Liebe. Gehe und sage Zirolanen: daß sie mit ihrer Liebe mir das Leben / ihr / Thußnelden / Ismenen und dem jungen Thumelich die güldene Freyheit geben könne; daß ich ihrer Liebe mein Römisches Priesterthum / ja mein eigenes Leben aufopffern / sie an diesem Orte folgende Nacht insgeheim über den Rhein / und auf dazu schon fertigen Pferden noch Morgen in die Sicherheit auf das Cattische Gebiete bringen wolte. Gehe / Hermengarde! handele geheim und behutsam /sorge für Zirolanens Liebe; für ihre Freyheit werde ich schon sorgen und Anstalt machen. Also nahmen wir von sammen Abschied / ich schrieb auf allen Vorrath den Zettel / welchen ich gestern am Rheine Zirolanen unvermerckt zuzustecken das Glück hatte; bin auch in festem Vorsatze hieher kommen meine Dienste und mein Leben so vollkommenen Heldinnen aufzuopffern. Es ist unschwer zu ermässen / was Hermengardens Erzehlung bey ihnen für widrige Regungen erweckte. Denn ob wol Ismene an ihr selbst hätte ermässen können: daß es schwer oder vielmehr unmöglich wäre / in einem Augenblicke ihm eine tief eingewurtzelte Liebe aus dem Sinne zu schlagen / und aus dem Steige-Reiffen einen verhaßten und verworffenen / und zwar nach so frischer Beleidigung ins Hertze aufzunehmen; so war sie doch / wie die Menschen insgemein geartet: daß sie nur ihre eigene Haut für empfindlich / sonst aber für was gar leichtes hielt: daß Zirolane ohne ihr sonderlich weh zu thun Rhemetalzen verstossen / und Siegesmunden erwehlen könte. Thußnelde dachte zwar dieser Schwerigkeit mehr nach; gleichwol aber leitete sie theils ihr ihrem Bruder zugethanes Geblüte / theils ihr an ihr gefangenes Kind gehefftes Mutter-Hertze auf eben die Meinung Zirolanen zu solcher Veränderung zu bereden. Zirolane hingegen hielt es für so unmöglich Siegesmunden zu lieben / als für schändlich vom Rhemetalzen abzusätzen. Daher war es auch ihr standhaffter Vorsatz ehe zu sterben / und alles Ungemach über sich ergehen zu lassen / als in Siegesmunds Willen zu kommen. Bey solcher Bewandnüs und leicht vermuthlicher Beysorge: daß Thußnelde und Ismene an sie destwegen sätzen würden / hielt sie für rathsam / nicht nur die Warheit der Schrifft zweiffelhafft zu machen /sondern auch zu behaupten: daß Gefangenen so wenig als Leibeigenen zu fliehen frey stünde; weil jene sich dem Sieger gegen freywillige Schenckung des Lebens zu dienen stillschweigend verpflichteten. Nach dem aber alle drey mit grossen Betheuetungen: daß diß Sentiens wahrhaffte Handschrifft wäre / sie versicherten oder vielmehr überwanden / und daß sie in keinem rechtmäßigen Kriege gefangen / sondern vom Siegesmund geraubt worden wären / also zu fliehen Recht hätten / ausfündig machten; sagte Zirolane: Sie wären aber in Arensburg des Germanicus rechtmäßige Gefangene worden; ob aber ein oder ander Volck gerechten oder ungerechten Krieg führte / liesse sich besser mit den Waffen / als aus Gesätzen erörtern. Wenn nun ihre Flucht mißlünge / wäre zu besorgen: daß ihre itzige Freyheit in die engste Einschlüssung verwandelt /[1108] und wegen Undanckes Agrippinens Güte in herbeste Empfindligkeit verwandelt werden würde. Uber diß käme ihr Sentiens Schreiben noch immer sehr verdächtig für. Denn wenn sie es schon geschrieben hätte / könte doch gar wol seyn: daß der schlaue Siegesmund diß mit Sentien so abgeredet hätte / um entweder aus Rachgier sie noch mehr zu betrüben / oder durch derogleichen Dräuungen ihr die Liebe auszupressen. Die Liebhaber wären Meister in solchen Erfindungen / und machten ihnen kein Gewissen durch Arglist und Betrug zu erlangen / was sie ihnen durch Liebritz nicht trauten zuwege zu bringen. Hermengarde aber antwortete: Sie solte bey so nahem Unglücke ihr die Sache nicht so leichte und die Gefahr so ferne setzen. Sentia wäre zwar schlau und böse / Siegesmund aber hefftig / und könte niemand weniger als er hinter dem Berge halten. Daher könte sie von ihm nichts weniger / als eine so künstliche Arglist muthmassen. Sentia wäre solcher Erfindungen wol fähig /niemand aber so böse oder gut / als er seyn könte. Daher betrüge man sich ins gemein selbst / wenn man in anderer Leute Thun allzu viel Kunst oder Geheimnüsse suchte. Sie wüste um Siegemunden allzu wol /und wäre von ihm versichert: daß ihre Wegführe und beschlossene Beschimpffung ihm zu Hertzen gienge. Zirolane fiel ein: wenn dieses wahr ist / wird uns Siegesmund auch ausser meiner Liebe aus Gefahr in Sicherheit bringen. Hermengarde antwortete: Ich wünsche dieses mehr / als ich es hoffe. Denn seine Liebe ist so hefftig: daß er ihm alle Handhaben der Welt nütze machen wird seinen Zweck zu erreichen. Er hat die gemeine Art der Menschen / welche wenn sie über anderer Heil rathschlagen / das ihrige mit einmengen. Zirolane fiel ein: Je mehr ich die Sache überwerffe / je mehr bekommet sie Ecken / und je weniger scheinet mir glaublich; daß Tiberius den Germanicus aus Deutschland nach Rom zum Sieges-Gepränge beruffen oder in Armenien schicken solte; da der Feldzug seiner Seits so schlecht abgelauffen / der Krieg mit den Deutschen noch lange nicht ausgemacht / der junge und unerfahrne Drusus dem Wercke nicht gewachsen / und Hertzog Herrmann niemahls mehr als itzt den Römern zu fürchten ist. Hermengarde versätzte: dieses alles sind vernünfftige Bedencken / wenn man sie nach der Richtschnur der ordentlichen Staats- Klugheit überlegt. Aber wer weiß / wo Tiberius / dessen Hertze mehr als das grosse Meer Tieffen / und die Erde verborgene Gänge hat / hinzielet? Wer weiß wo Sejan / welcher den Käyser / wohin er wil / mit der Nasen herum führet / sein Absehn hin hat? Zudem würde es itzt zu Rom nicht das erste mahl seyn: daß das Verhängnüs einem den Verstand verblendet / und die Klügsten wider alle Vernunfft und eigenen Nutzen handeln. Vielleicht ist dem Käyser mehr daran gelegen / dem verdächtigen und zur Nachfolge im Reich vom August bestimmten Germanicus das Hefft gantzer acht Legionen aus den Händen zu winden / als halb Deutschlandes Meister zu werden. Zirolane begegnete ihr: Wenn diß alles schon wegfällt / so bleibt mir doch unbegreiflich: daß Tiberius mit uns so strenge verfahren / und auf den unschuldigen Knaben Thumelich eine unerhörte Grausamkeit ausüben solte; da er ja weiß / wie viel edle Römer bey den Catten und Cheruskern gefangen sind / welche der Feldherr gewiß alle seinem geopfferten Thumelich zur Rache abschlachten würde. Hermengarde antwortete: Tiberius kan dieses freylich leicht greiffen; aber wer weiß: ob der Feldherr durch Hinrichtung aller gefangenen Römer dem Tiberius nicht mehr Dienst als Dampff anthun würde; nach dem er selbst durch hervor gesuchte wahre und falsche Laster die ansehnlichsten Häuser in Rom auszurotten bemüht ist. Zirolane brach ein: Wo werden wir uns endlich mit unsern Gedancken hin versteigen? Und wo werden wir mit [1109] unsern Schlüssen hinaus kommen / wenn wir von den allgemeinen Richtschnuren menschlicher Klugheit auf so seltzame und falsche Wege springen? Es ist wol spitzsinnig / nicht aber rathsam die Warheit von so weitem herholen / und unsere Gedancken in lauter Netze von dinnen Spinnenweben verwickeln. Wenn aber auch alles so / wie es Sentia geschrieben / eingerichtet wäre / so finde ich an dem vornehmen Siegesmund eben so viel Bedencken. Denn / da er es mit uns so gut meinet / da er sich der Römer zu entschlagen im Schilde führt / soll er nicht seine eigene / und des Feldherrn Schwester nebst seinem Sohne hier verderben lassen; welche alle daran keine Schuld tragen /daß ich ihn nicht kan und wil lieben? Ist es ihm Ernst: daß er durch unsere Befreyung sein Verbrechen auswetzen wil / wie kan er zugleich mit Vollziehung seiner Schuldigkeit wuchern? Wie kan er begehren: daß ich zwar aus der mir erträglichen Gefangenschafft loß / aber in seine Dienstbarkeit verkaufft / also aus einer bestrickten Fürstin sein ewige Leibeigene werden solle? Ismene fiel ein: Liebste Zirolane / wenn unsere Gefangenschafft in zeitherigem Stande bleiben könte /da uns Agrippine nicht nur als ihre Gäste / sondern als ihre Schwestern unterhält / würde mir nicht seltzam vorkommen: daß sie sich in ihre Bestrickung gar verliebte / und die unschätzbare Freyheit bey ihr so wolfeilen Kauffes wäre. Nach dem uns aber eine so grosse Schmach zuhängt: daß sie so wol als wir zum Schauspiele und Gelächter des Römischen Pöfels gemißbraucht werden soll / kan ich kaum glauben: daß Zirolane nicht alles in der Welt zum Löse-Gelde darfür gebẽ / und sich ehe auch unmögliche Dinge zu thun zwingen / als ihrem Stande / ihrem Geschlechte /ihrer Ehre so viel Abbruch geschehen lassen solte. Zirolane muß gewiß von der Grausamkeit der Römischen Adler / und von übeler Verhaltung der Gefangenen wenig oder gar nicht unterrichtet seyn. Jene flügen Königen auf den Hals / nicht nur sie ihrer Kronen und Länder zu berauben; sondern auch ihnen wie der höllische Geyer dem Tityon durch sinnreiches Ungemach täglich das Hertz auszufressen. Die Gefangenen aber werden in Sieges-Geprängen gebunden / wie Sclaven für dem Wagen hergetrieben / oder gar auf eine Tragebühne gesätzet: daß sie dem sie schmähenden Volcke ein desto sichtbares Ziel abgeben. Nach solcher Schmach würde ihnen der Tod noch zum Troste dienen; aber man hebt solche noch für die Schauplätze auf; man streichet Fürsten mit Ruthen; man zwinget sie Kämpffer wider gemeine Fechter und wilde Thiere abzugeben und gegen einander um ihr Leben zu streiten. Also daß es diesem hochmüthigen Volcke eine gemeine Kurtzweil ist / wenn es auf einen Tag viertausend edle Gefangenen entweder einander selbst aufreiben / oder von Löwen und Tigern verschlingen siehet. Man sperret den König Jugurtha fingernackt als ein unvernünftiges Vieh in einen finstern Kercker ein / und lässet ihn darinnen für Hunger verrecken. Keine hohe Ankunfft / kein tausend Jahr gekrönt-gewestes Hauß kommet bey ihnen in Ansehen. Je niedriger zu Rom ein Bürger ist / je verächtlicher hält er die verunglückten Häupter der Welt. Ja unser Mittleiden-würdiges Geschlechte findet bey diesen Wütterichen weder Erbarmen noch Unterscheid. Man looset um das edelste Frauenzimmer / welches dieser oder jenen Bürgerin eine Dienst-Magd / oder einem geilen Ehebrecher eine Beyschläfferin abgeben soll. Denn sonst würde die hertzhaffte Sophonisbe nicht durch das Gifft-Glaß / noch die verzärtelte Cleopatra durch einen Schlangen-Stich ihrer Gefangenschafft und Unehre zuvor kommen seyn. Ja ich bin versichert: daß wenn sie besorgt hätte: es solte ihr Bild nach Rom Augustens Siegs-Gepränge dienen /sie alle ihre Seulen zerschlagen / die Perlen vollends in Eßig zerlassen / ja alle Mahler und Bildhauer in Egypten [1110] getödtet haben würde. Diesemnach glaube mir / Zirolane: daß / wenn schon meine Fessel von Diamanten / meine Ketten von Golde seyn / und ich nach dem Siegs-Gepränge weder beschimpfft noch beleidigt / sondern nach der Ausspannung aus dem Sieges-Wagen auf einen mächtigen Stuhl erhoben werden solte / ich lieber sterben / als jenes leiden würde. Sintemahl die Hände / welche einmahl Fessel getragen / nicht mehr Zepter zu führen fähig sind. Siegesmund selbst / wenn er eines deutschen Fürstens Ader in seinem Leibe / einen Funcken Liebe gegen Zirolanen in seinem Hertzen hätte / solte ohne einig anderes Absehen das euserste thun zu verhindern /damit ja die an keinem Sieges-Wagen ziehen dörffte /welche einmahl seine Uberwinderin gewest. Zirolane aber begegnete Ismenen mit einer kleinen Entrüstung: Ich kan die Grösse der Unehre und des Schimpffes /welche uns aus dem Einzuge in Rom erwachsen soll /nicht begreiffen. Denn ich bin beredet: daß / wo kein Laster / auch keine Schande seyn; also keine Beschimpffung einen Weisen / der andere Meinungen /als der Pöfel hat / rühren könne. Dar ist kein Gefängnüs / wo die Unschuld sich aufhält; Ketten und Banden sind ihr Schmuck und Zierath. Germanicus wird auch durch uns mehr seinen Sieg verkleinern / als herrlich machen; weil alle Klugen urtheilen werden: daß er über geraubte Weiber hätte prangen müssen /weil er keine Männer überwunden hätte. Ich wil bey seinem Einzuge durch meine Unerschrockenheit allen Römern zu verstehen geben: daß solches zwar ein Sieg meiner Unschuld / aber nicht seiner Tapfferkeit /und meine Hertzhafftigkeit grösser / als die Eitelkeit der Römer sey? Ich wil dem Tiberius zu Hohne durch mein Beyspiel erhärten: daß wie grosse Seelen grosse Schmertzen ohne Verzweiffelung zu ertragen / und von einem Fürstlichen Stuhle mit einerley Gesichte auf einen Schand-Karren zu steigen / also ich nicht weniger das Bittere als Süßigkeit meines Lebens zu verdäuen fähig sey. Den wer ehrlich gelebt hat / soll sich befleissen so langsam zu sterben / als es ihm immer möglich ist. Viel anders war es mit Sophonisben und Cleopatren beschaffen. Denn alle ihr Ruhm bestand in ihrem Tode; ich aber trachte ihn durch mein Leben zu erwerben. Cleopatren hätte das Römische Volck allerhand Uppig- und Geilheiten fürrücken können; von mir aber wird kein Mensch nichts scheltbares zu sagen wissen; es wäre denn mein Unglück / von welchem man aber so viel gutes als Artzney von Nattern schöpfft; derogestalt traue ich mehr meine Fessel zu zieren / als von ihnen verstellet zu werden. Ich wil den Römischen Rath überweisen: daß wenn ich schon gleich nicht mehr eine Fürstin der Marsinger fürstellen / nichts desto weniger über ihre Gewalt und über mich selbst gebieten / ja vielleicht über etlicher Römer Hertzen und Augen gebieten könne / daß jene mit mir werden Mitleiden / diese mir ihre Zehren opffern müssen. Mich aber soll niemand seufftzen / weniger ungeduldige Thränen vergiessen schauen; also mir jedermann Zeugnüs geben: daß des Germanicus Ketten zwar meine Glieder / aber nicht mein Gemüthe fesseln können; also nichts unverträgliches sey gefangen und frey leben / und auf eine Zeit Banden und Kronen tragen. Warlich! ich wolte so denn mit des Germanicus Siege meinen nicht verwechseln / den ich in meinem Gewissen zu halten gedencke / weil ich mein Lebtage mich keiner That zu erinnern weiß / welcher ich mich schämen dörffte. Warum solte ich des Germanicus Siegs-Wagen nicht mit Standhafftigkeit folgen können / sondern mit Cleopatren diese Tugend für eine Schwachheit / die Verzweiffelung aber für eine Tugend halten? Warum solte ich ohne Noth mein Blut verspritzen / die ich mich auch der Thränen zu enthalten mächtig seyn werde? Gedult und Standhafftigkeit stehet Fürsten /welche ihrer Unterthanen Spiegel und Richtschnur[1111] seyn sollen / nicht heßlicher / als einem Weltweisen an; ja dort ist die Tugend noch höher am Brete / als allhier; denn dieser Ampt ist es nur sie zu lehren /jener aber zu thun. Wo Gedult und Standhafftigkeit nun Tugenden sind / wie ihnen denn noch niemand diese Würde strittig gemacht hat / so muß der verzweiffelnde Selbst-Mord nothwendig eine Schwachheit derer seyn / die nicht das Hertze haben dem widrigen Glücke unter die Augen zu sehen / in der Dienstbarkeit die Freyheit des Gemüthes zu behalten /und des närrischen Pöfels Gespötte zu verlachen. Wie ich nun aus diesem Grunde weder dem Unglücke zu weichen / noch mit Wegwerffung der Fessel aus Ubereilung das Leben verschleudern / also meinem Feinde durch Kleinmuth selbst zum Siege beförderlich seyn wil; also kan ich noch viel weniger dem Fürsten Siegesmund einen Sieg über meine Standhafftigkeit enträumen; welche Schwachheit so denn billich der gantzen Welt zum Gelächter / mir zur Schande dienen würde. Zu Rom werden die schweresten Banden meinem Geiste kein Leid thun; hier aber würde Siegesmund über mein Gemüthe / meine Liebe und meine Tugend ein Siegs-Gepränge halten. Rhemetalzes würde meine Untreu verfluchen / und dadurch seine Unbeständigkeit rechtfertigen können; in meinen Augen aber ist ein getreuer Leibeigener um ein grosses besser / als ein betrügender Fürst. Dahero wil ich mit meiner Unschuld den Rhemetalces / mit meiner Beständigkeit Siegesmunden / mit meiner Gedult den Germanicus überwinden / derer keiner mir eine schimpfliche Uberwindung fürrücken kan. Lasset diesemnach uns alle dieser Gelegenheit wol brauchen /die uns das Verhängnüs zu Prüfung unser Hertzhafftigkeit / also aus Gunst / nicht aus Zorne zuschickt! Lasset uns von den Römern zur Verwunderung erhärten: daß wir des Glückes unser Ankunfft / aber nicht ihrer Ketten würdig sind. Lasset uns bey dem zufälligen Verluste dessen / was uns das Glücke gegeben /also wieder zu nehmen Macht hat / nicht durch Kleinmuth die Tugend einbissen / welche das herrlichste Geschencke Gottes ist. Es wird uns rühmlicher seyn alles auszustehen / als Siegesmunden die Ehre zu enträumen: daß es in seinen Händen stehe uns glück- und unglücklich zu machen / uns die Freyheit zu nehmen und zu geben. Es ist ein Zeichen einer grossen Dörfftigkeit / wenn man von eigenbeweglicher Gnade und Freygebigkeit eines Raubers leben muß; und wir sollen noch darum betteln? ich aber gar verkleinerliche Bedingungen eingehen? Nimmermehr wird Zirolane sich so vergehen oder verstellen / sondern sie wil lieber durch das Verhängnüs zu Grunde gehen / als durch einen Ubelthäter erhalten werden. Thußnelde hörete Zirolanen mit grosser Langmuth / jedoch nicht ohne Auslassung etlicher tieffen Seufftzer aus; hernach fieng sie an: Es ist meine Meinung nicht / schönste Zirolane / ihr die Schmach der Gefangenen bey den Römischen Siegs-Geprängen zu dem Ende zu verneuern: daß ich sie bereden wolte ihr selbst Gewalt anzuthun. Ich erinnere mich zwar / was wir dißfalls gegen Agrippinen auf besorgten Fall gedräuet haben; aber anders müssen wir unter uns / anders mit einer Römerin reden. Sophonisbens und Mithridatens Gifft-Glaß / Cleopatrens Schlangen-Stich / des Cato Dolch / des Brutus Schwerdt / wormit alle diese sich von Sieges Geprängen zu befreyen getrachtet / haben alle mehr Verzweiffelung und Eitelkeit / als Tugend an sich. Und die Warheit zu sagen; ich wurde mich selbst tausend mahl bedencken: ob ich mich auch auf den allerärgsten Fall zu einer so verdächtigen oder vielmehr falschen Tapfferkeit entschlüssen / und mein Blut verschwenden würde; nicht zwar: daß ich für dem Tode eine so grosse Abscheu habe / sondern weil ich diese Art zu sterben wo nicht für ein Laster / doch für die gröste Schwachheit halte; und weil ich mich meinem Gemahl aufzuheben [1112] und mich seinethalben zu erhalten verbunden weiß. Er ist mein Haupt und der Herr meiner Seele; also kan ich / wenn ich schon wolte / nichts über mein Leben gebieten; und ich würde mit meinem ihm die Helffte seiner Seele rauben; oder den gar tödten / welcher alle auf mich angesehene Stiche willig mit seiner Brust versätzen und die Dienstbarkeit selbst für meine Wolfahrt willig leiden würde. Also ist auch meine erste und höchste Pflicht seinetwegen alles andere Absehen / außer der einigen Ehre / hindan zu setzen. Wenn ich schon alles andere verliere / bin ich mit Besitzung seiner reich genung / nach seinem Verluste aber würde mir Leben /Liebe und Ehre nur eine beschwerliche Last seyn. Mein Geist könte sich nach dem Tode nimmermehr beruhigen / weil er des traurigen Trostes entpehren müste: daß wir nicht unsere Asche in einem Grabe /wie zwey Hertzen in einer Liebe vereinbaren könten. Diesemnach würde mir Zirolane zuversichtiglich nicht verargen: daß / wenn es schon rühmlich wäre sich zu tödten / ich doch meinem Gemahl zu Gefallen in meinem Hertzen für ihn eine grössere Liebe / als in meinem Geiste eine stärckere Begierde der Ehrsucht unterhielte. Gleichwol aber läßt sich der Spott und Schimpff / welche gefangene Fürsten in Sieges-Geprängen erdulden müssen / leichter verkleinern als erdulden; und muß ich dem von Ismenen gemachten Entwurffe beyfallen. Ich weiß wol: daß Zufälle nichts der Tugend an ihrer Güte / anderer Schmäh und Verachtung nichts unserer Ehre benehmen könne; ja Prügel / Ruthen und Brandmaale niemanden / wenn die Ursache nicht darnach ist / unehrlich mache; gleichwol aber weiß ich: daß Leute / welche wider alles Unglück ja selbst einen schmählichen Tod gewaffnet gewest / durch Beschimpffung sind aus den Angeln gehoben worden. Grosse Gemüther verdäuen zwar diese Anfechtungen / wie starcke Magen Gifft; aber niemals ohne Gefahr und Schwerigkeit. Man muß sich also nichts vermässen / Zirolane. Ihrer viel haben gegen dem dräuenden Ungewitter zwey Hertzen / bey dem einbrechenden nicht ein halbes gehabt. Wenn sie ihrer aber noch so wol versichert ist / so wende sie doch ein Erbarmungs-Auge auf Thußnelden und ihr Vaterland. Rom hat noch die Ehre nie gehabt eines deutschen Feldherrn Gemahlin und Sohn im Siegs-Gepränge zu sehen. In ihren Händen stehet es nunmehr solches zu verhindern oder geschehen zu lassen. Dem Vaterlande sind wir schuldig unser Leben aufzuopffern / wie viel mehr unsere Liebe? Dieses würde uns sicher eine grössere Schande seyn / als welche sie ihr einbildet /wenn sie den lieben solte / den sie vorher verachtet hat. Muß doch die Sonne / wenn sie ihr Bild im Gegenscheine zeigen / oder ihre Geburt und Untergang mit Purper ausputzen wil / die Wolcken darzu gebrauchen / welche sie durch ihre Strahlen zu zertreiben gewohnt ist. Wir genesen mehrmahls durch die in unsern Augen so geringe geschätzten Kräuter / welche wir mit Füssen getreten haben. Also schäme sie sich nicht ihres und unsers Heiles halber ihren Willen zu beugen und dem Verhängnüsse ein paar Schritte aus dem Wege zu gehen. Aendert doch die Sonne alle Tage ihre Strasse. Rühret ihr zartes Hertz aber nicht Thußnelde und das Vaterland / so rühre es doch die unschuldige Kindheit meines zu einem grausamen Opffer verlobten Sohnes. Siehet sie nicht: daß die Römer durch Abschlachtung meines Mitleidens-würdigen Astianax uns / wie Ulysses den Trojanern / alle Rache abzuschneiden / und Deutschland in eben selbige Asche zu vergraben beflissen seyn? Wie könte sie nun ihre Liebe heilsamer angewehren / als wenn sie sich / ihre Freunde und die einige Hoffnung des Cheruskischen Hauses vom Untergange errettete. Die Liebe ist von der Natur zu Erhaltung der Welt allen Thieren eingepflantzt; so mache sie doch ihre nicht zum Werckzeuge des Todes. Rhemetalces hat zu ihr entweder keine Liebe gehabt / oder [1113] sie ist die laulichste in der Welt gewest / weil sie durch eine thörichte Eyversucht verloschen / welche sonst der kräfftigste Zunder der Liebe ist. Wie magst du nun einen so unmenschlich lieben / von dem du keine Gegen-Liebe zu hoffen hast? Wie magst du durch solche hefftige Liebe dich und uns tödten? Warlich! du machst es nicht besser / als jener Jüngling zu Athen / der ihm beym Fusse eines Marmel-Bildes einen Dolch ins Hertze stach / darein er sich verliebt hatte. Dein Hertze scheinet mehr bezaubert / als verliebt / und ihre Liebe kein annehmliches Feuer / sondern ein trauriger Schatten zu seyn. Denn sie hänget sich an den / welcher für ihr fleucht / und fleucht für dem / der ihr so sehnlich nachfolgt. Die Liebe ist ja sonst die Mutter der Gegen-Liebe / und man glaubet: daß sie eintzelicht vermagern und endlich vergehen müste; wenn sie aber zu Zwillingen werde / ihr vollkommenes Wachsthum erreiche. Wie daß denn meines Bruders Liebe eine solche Mißgeburt / nemlich nur Haß gebieret? welche doch so hefftig ist: daß sie gegen Zirolanen so viel mehr wächset / als sie ihn verachtet. Denn die Geringhaltung ist die sicherste Prüfung der Liebe. Sie liebe diesemnach wenigstens uns zu Liebe den Siegesmund. Ein beständiger Vorsatz zu lieben / machet so wol in der Liebe als Zauberey das gantze Werck aus. Daher wird Zirolane ihr damit weder weh noch Gewalt anthun können / und es wird niemand für ihr rühmlicher eine Liebe beschlossen / die andere angefangen haben. Zirolane ward über dieser Rede /und noch mehr über Thußneldens ihr aus den Augen sehenden Schmertzen / welche die Mutter-Liebe ihr erregte / so wehmüthig: daß sie eine gute Weile nur mit Thränen antworten könte. Wolte Gott! fieng sie endlich an / ich könte mit meinem Tode dem Thumelich sein Leben / und mit meinem Blute ihnen die Freyheit erkauffen! Aber so verheut es mir meine Ehre; so hindert mich die Unmögligkeit. Rhemetalzens Bild ist in mein Hertze so tief eingepreget: daß selbtes nimmermehr daraus vertilgt / weniger eines anderen darein gedrückt werden kan. Gebet mich also den Römern für euch zum Lösegelde / und für den jungen Thumelich zum Söhn-Opffer; ich habe mehr Lust für ihn / als Andromache für ihren Astianax zu sterben. Gebahret mit mir nach eurem / nur nicht nach Siegesmunds Gefallen; welcher zwar Thußneldens Bruder / Ismenens Schwager / aber auch Segesthens Sohn und unser gemeiner Feind ist; und welchem ich nur allererst recht gram zu werden Ursache habe /nach dem er mir eine solche Niedrigkeit des Gemüthes beymißt / indem er nach so grosser Beleidigung ihm noch einbilden darf: daß ich meinen Rauber lieben könne. Muthet mir also nichts so verkleinerliches zu. Denn ihr wisset ja allzu wol: daß die Ehre keinen Fleck / die Liebe keinen Zwang verträgt. Dieses redete sie so beweglich: daß Thußnelde / welche des Erbarmens ja so bedürfftig war / eben so grosses Mitleiden als Ismene und Hermengarde mit ihr haben musten. Diese fieng hierüber an: wenn ihr denn diß unmöglich ist / so behalte sie ihre Liebe für ihren Rhemetalzes / und gewinne allein Siegesmunden durch den Schein der Liebe. Zirolane seufftzete / und sagte: In was für Versuchungen werde ich endlich verleitet? Auch den Schein der Liebe müssen wir meiden / wenn er unserer Ehre nachtheilig / und auf eines andern Hintergehung angesehen ist. Hermengarde versätzte: Ach! Zirolane! kein Gemählde kan ohne Schatten seyn / und kein Mensch ohne Schein leben. Der Himmel selbst bedienet sich falscher Farben / der Monde streichet ihm ein so wol als die braunen Wolcken ein frembdes Licht an; ja Morgen- und Abend-Röthe ist nichts als eine Schmincke; wil denn sie alleine in der Welt was besonders seyn? die eitelen Menschen vergnügen sich offt mehr an Schalen / als am Kerne der Dinge. Hebe diesen für deinen Rhemetalzes auf / und lasse Siegesmunden sich mit jenen erqvicken [1114] und sättigen. Zirolane antwortete: Nein / nein Hermengarde! in diese gefährliche Irrgänge mag ich mich nicht verwickeln. Ich wil lieber elend als falsch seyn; lieber ehrlich sterben / als betrüglich leben. Ich unterwerffe mich aber übrigens ohne Bedingung euerer Willkühr. Gebahret mit meinem Glücke und Leben nach eurem Gutbedüncken / nur lasset meine Ehre und Liebe unversehret. Ich wil / um euch so viel mehr Freyheit in Rathschlägen zu enträumen / mich willig entfernen. Brauche Hermengarde deine Vernunfft und Beredsamkeit Siegesmunden auf Thußneldens und Ismenens Seite zu bringen. Sage ihm alles in der Welt zu / nur dieses nicht: daß ich ihn liebe. Nachdem nun alle sahen: daß Zirolane unbeweglich / und weder mit Bitte noch Thränen zu gewinnen war / wusten sie mehr weder Hülffe noch Rath; sondern musten nur alles der weisesten Schickung des unerforschlichen Verhängnüsses heimstellen. Thußnelde / wie bestürtzt sie auch anfangs gewest war / raffte nunmehr ihre Gemüths-Kräfften zusammen / dämpffte alle Kleinmuth / vergrösserte ihr Hertze / und wieß: daß kein Zufall die Höhe ihres Geistes übersteigen könte. Nichts weniger faßte sich Ismene / und beyde müheten sich zu beweisen: daß ihr Fürsten-Stand nicht die Eitelkeit der heuchlerischen Ehrerbietungen / sondern die wahrhaffte Hoheit der jederzeit ihre Bothmäßigkeit ausübenden Tugend zum Fusse hätte. Hermengarde war alleine von Bekümmernüs / daß ihr guter Vorsatz so schlechten Fortgang gewaan / verwirret: daß sie nicht wuste /wessen sie sich entschlüssen solte; die vorhin trostlose Thußnelde aber redete ihr nunmehr selbst ein Hertz ein / und sagte: Wir haben alles gethan / was uns die Vernunfft zu thun hat an die Hand geben können; also daß / was für ein Ausschlag auch erfolgen mag / wir nicht unter die Unbesonnenen / welche weder vor noch nach ihrem Beginnen / ihr Unterfangen überlegen / noch auch unter die Unvernünfftigen /welche nach ausgemachter Sache derselben erst nachdencken / werden können gerechnet werden; sondern wir haben dem künfftigen Ubel durch Vorsicht zuvor kommen wollen. Weil es aber damit nicht fort wil /müssen wir uns so viel mehr bescheiden / daß das Werck Gottes einiger Versorge heimzuschieben sey. Denn wie wir in allen Dingen so klug und behutsam gebahren müssen / gleich als wenn keine göttliche Versehung wäre; also / wenn diese nicht den Stich halten / muß man sich auf die göttliche Hülffe alleine so feste verlassen / als wenn menschlicher Witz und Fleiß bey nichts etwas thun könte. Hiermit nam Hermengarde Abschied / mit Vertröstung / daß sie folgende Nacht sie wieder besuchen / und für ihr Heil zu sorgen nicht vergessen würde.

Auf solche Weise war das übrige Theil der Nacht hingelegt; also / daß Thußnelden / Ismenen und Zirolanen nur wenige Stunden zum Schlaffe übrig blieben / welche aber ihnen mehr zu Sorgen als Ruhe dienten. Die gemeine Noth brachte sie also zeitlich wieder zusammen / und Agrippine fand sich ebenfals kurtz darnach in ihre Versammlung ein; sie wieß aber nicht ihre gewohnte Freudigkeit / sondern die Traurigkeit blickte so wol aus ihren Augen als Worten herfür. Nach dem sie gegen einander die gewöhnliche Bewillkommungen verrichtet und Agrippine über Thußneldens verbessertem Zustande ihre Freude zu verstehen gegeben hatte / gab Agrippine selbst Anlaß von dem Kriege und andern Staats-Sachen zu reden /um Gelegenheit zu finden ihnen von bevorstehender Wegführung einen Vorschmack zu geben. Weil das deutsche Frauenzimmer nun ebenfalls begierig war etwas von dem / was Sentia geschrieben hatte / auszugrübeln / kriegte Agrippine bald Anlaß ihnen zu entdecken: daß Germanicus vom Käyser beruffen wäre nach Rom zu kommen und in Asien zu ziehen. Thußnelde fieng an: Ich weiß nicht: ob ich über dieser Zeitung [1115] mich erfreuen oder betrüben soll. Denn eines theils ist mir zwar lieb: daß Deutschlande mit dem Germanicus einen so tapfferen Krieges-Helden vom Halse geloset; andern theils aber besorge ich: daß unsere Gefangenschafft / welche die holdseligste Agrippine uns in einen annehmlichen Zeitvertreib verwandelt hat / sich in eine unerträgliche Dienstbarkeit verwandeln werde. Was ist aber die eigentliche Ursache: daß Tiberius den Germanicus von hier abfordere? Agrippine antwortete: das Mißtrauen des argwöhnischen Tiberius. Denn weil Germanicus vom August zum Nachfolger bestimmet worden / ja er von rechtswegen noch für dem Tiberius dazu hätte gelangen sollen /wenn nicht Livia durch ihre Arglist es anders eingerichtet hätte / so besorget der Käyser: daß sein Sohn Drusus darneben kommen / oder auch wol Tiberius dem Germanicus zu lange leben; also dieser lieber das Reich würde haben / als erwarten wollen. Ob nun wol Germanicus sich aufs euserste beflissen dem Tiberius diesen Dorn aus dem Fusse zu ziehen / und durch seine Mäßigkeit in allem Thun ihn zu versichern: daß er nach der Herrschafft nicht lüstern sey; so misset doch der Argwohn alles andere nach seiner eigenen Neigung; und der aus eitel Schein bestehende Tiberius hält des Germanicus Treue und Bescheidenheit für eitel Künste der Ehrsucht. Fürnemlich sticht ihn in die Augen: daß Germanicus bey denen acht am Rheine liegenden Legionen / in welchen der Kern der Römischen Kriegesmacht besiehet / so wol gesehen ist. Daher weiß er kein besser Mittel dem Germanicus diese Werckzeuge und die Hoffnung der Herrschafft aus den Händen zu spielen / als daß er ihn unter dem Vorwand grösser Ehren ihn in Asien verbannet / und ihm eine kleinere Macht und unbekante Legionen untergiebet. Thußnelde fragte: weil denn sie und Germanicus diese Künste so wol verstünden: ob sie denn nicht durch anderen Verwand solche hintertreiben könten? denn sie besorgte: daß / nach dem das Mißtrauen der Herrschafft halber sich nicht ehe versichert zu seyn glaubt / als biß dem vermeinten Nebenbuhler das Licht ausgelescht ist / Tiberius mit des Germanicus Abforderung sich nicht vergnügen / sondern was grimmigers auf ihn entschlüssen dörffte. Denn die Eyversucht eines Fürsten hörte wie die Krocodile niemahls auf zu wachsen / ihre Scharfsichtigkeit machte aus wol gemeinten Dingen eitel Verrätherey / und hätte mehr Augen als ein Nebenbuhler. Sie liesse sich durch nichts anders versöhnen / als durch Blut derer /die zur Herrschafft recht oder Geschickligkeit hätten. Also hätte nicht nur Alexander alle tüchtige Anverwandten seiner Stief-Mutter / welche von seinem Vater in hohe Aempter gesätzet waren / getödtet; sondern auch Tiberius zu Rom durch angetichtete Laster alle Rathsherren aus dem Wege gerieben / welche August für fähig oder für verwegen genung des Reiches sich anzumassen geurtheilt hatte; ungeachtet sie / wie Germanicus / kein Erbrecht hätten anziehen können. Sie schauen sich also wol für / und nehmen sich wol in acht: daß Tiberius nicht am Germanicus als an einem so hohen Haupte / welches seine Hoheit überschattet / und ihm zu Kopffe wächst / nicht Perianders und des Tarqvinius Rathschlag ausübe. Agrippine antwortete: Es lieget mir dieser Stein freylich auf dem Hertzen / und Thußnelde hat dieser Sache weißlich nachgedacht. Aber / ich weiß nicht: ob Germanicus vom Tiberius bezaubert sey? denn ich glaube: daß wenn dieser ihn ausdrücklich nach Rom zum Blut-Gerichte forderte / er nicht nur kommen / sondern ihm selbst auf seinen Befehl die Gurgel abschneiden / ja seine eigene Kinder des Tiberius Grausamkeit aufopffern würde. Thußnelde fiel ein: Treue und Gehorsamgereichet zwar denen höchsten Leuten zu gröstem Ruhme / weil mit diesem jedes Reich verfallen muß; diß aber ist wol ein so heßlicher als blinder Gehorsam / da man die Tugend kleinmüthig [1116] mit Füssen treten /und die Boßheit auf sein unschuldiges Haupt ohne Zucken wüten läßt. Ich weiß wol: daß es grosse Unvernunfft sey / allenthalben mit dem Kopffe durch wollen / und durch eine unzeitige Tapfferkeit den Fürsten in Harnisch jagen. Denn es ist wol sicherer durch eine bescheidene Demuth einen entrüsteten Fürsten begütigen / als durch Sturm sich über Hals und Kopff in Untergang stürtzen / wordurch man zwar seinen Tod berühmt / sein Hauß und Vaterland aber nicht glücklich macht. Alleine / wo man so gar gerade auf sich wüten siehet / ist niemand schuldig sein und seiner Sicherheit zu vergessen / und sich wie das tumme Vieh abschlachten lassen. Der eingebildete Ruhm: daß man in unverrückter Treue gestorben sey / stehet einem auch nicht darfür / und ist ein zu geringer Preiß des verspieleten Lebens; welches zu erhalten uns die Natur eingegeben hat. Wenn man auch allzu viel nachgiebt / alles über sich ergehen läßt / und in nichts seine Empfindligkeit mercken läßt / reitzet man nur noch mehr die anfangs furchtsame Grausamkeit; daß /da sie uns anfangs nur auf die Zehen getreten hat / sie uns hernach gar auf die Scheutel springt. Diesemnach solte Germanicus zwar dem Tiberius die Kennzeichen seiner Treue / aber auch seiner Hertzhafftigkeit zeigen: daß es ihm wider Gewalt sich zu beschirmen weder am Willen noch Vermögen mangelte. Agrippine seufftzete / und fieng an: Ach! Thußnelde! welch ein stürmisches Meer ist des Tiberius Hof! und wie gefährlich läßt es sich selbtes durchschiffen! je klüger und vorsichtiger einer da ist / je geschwinder gehet er zu Grunde. Unter andern schlimmen Fürsten mögen ja noch wol grosse Leute haben stehen können / aber unter dem Tiberius scheinet es eine Unmögligkeit /sondern ein blosser Zufall zu seyn / wenn einer nicht zu Grunde gehet! den Sejan und Salustius liebet er mit einer solchen Blindheit: daß er sie auch über sich gebieten läßt / und ihre Beleidigungen für Liebkosen aufni t; Germanicus aber und fast alle andere können ihm das wenigste recht machen; also daß ich nicht weiß: ob dieser Unterscheid von ein oder des andern Geburts-Sterne / oder sonst einem geheimen Triebe des Verhängnüsses herrühre? und ob es menschlicher Klugheit wol möglich sey bey dem Tiberius eine von Ehrgeitz und Gefahr entfernte Mittelbahn zu treffen /daß man entweder durch Hartnäckigkeit nicht bey ihm anstosse / oder auf knechtische Heucheley absincke.

Also ist leicht zu ermässen / wie sehr ich um meinen Germanicus und um meine Kinder bekümmert sey. Ich werde aber Thußneldens Rathe folgen / und ihm einreden: daß er / wo immer möglich / sich bey denen deutschen Legionen auf- und in Sicherheit halten / sich auch außer eusersten Noth nicht aus seinem Vortheil begeben solte. Ismene fiel ein: Hat aber der Vorwand / durch welchen Tiberius den Germanicus in Asien sprengen wil / Grund / und ist die Noth von solcher Wichtigkeit? Agrippine antwortete: Es verhält sich freylich also: daß dem Römischen Reiche von Parthen in Armenien eine ziemliche Gefahr zuhengt. Denn dieses Volck ist an jenem / wie die Deutschen an diesem Ende des Reiches der Zaum der Römischen Herrschafft; ohne welchen sie sich schon biß zu ein-und dem andern Angelsterne ausgebreitet haben würde. Ja es scheinet: daß das Verhängnüs in Asien eben so wol den Phrat / als hier den Rhein unser Ehrsucht zum Riegel vorgeschoben habe. Denn als Crassus und Antonius über jenen Fluß die Römischen Adler flügen lassen / sind sie von den streitbaren Parthen unter dem Orodes / der das Reich Arsaces nicht lange nach des grossen Alexanders Tode aufs neue aufgerichtet hat / nicht viel besser / als Qvintilius Varus in Deutschland abgefertigt worden. Daher August seine Freude kaum begreiffen konte / deßwegen Freuden-Feuer anzündete / und Gedächtnüß-Müntzen schlagen ließ / als König Phraates ihm die eroberten Adler wieder schickte. Augustus beschenckte hingegen den Phraates mit allen in seinem Reiche [1117] nur befindlichen Seltzamkeiten. Livia wolte hierbey auch ihre Freygebigkeit sehen lassen / und weil sie stets einen guten Borrath schönen Frauenzimmers / um mit selbten grosse Leute wie mit der Angel Fische zu fangen / bey der Hand hatte / schickte sie mit vielen Geilheits-Würtzen etliche aus der Schule des Salustius Crispus kommende Künstler der Wollüste / und drey Mägdichen von vierzehn Jahren dem Phraates zu; welche er zu Kebsweibern brauchte. Unter diesen war eine aus Italien Nahmens Thermusa / welche mit ihrer Schönheit und Liebreitz in kurtzer Zeit zu wege brachte: daß der König sie an seine Taffel sätzte / sie sich also nicht nur zu Phraatens Gemahlin / sondern auch zu seiner Gebieterin machte. Diese brachte es auch auf der mit ihr stets Briefe wechselnden Livie Anstifften zu wege: daß Phraates nicht nur dem Kayser ein Bündnüs antrug / alles auf Armenien und Arabien habenden Rechtes sich begab; sondern auch nach der Zeit dem Landvogte in Syrien Titius vier seiner Söhne Vonones / Saraspades / Corospades und Phraates nebst ihren zwey Gemahlinnen und vier Kindern /wie auch eine seiner Töchter gleichsam zum Pfande des Friedens und seiner Freundschafft einlieferte. Rom machte hiervon so viel Wesens / als wenn gantz Morgenland sich der Römischen Botmäßigkeit unterworffen hätte; da doch Phraates und die wider uns stets sieghafften Parthen sich derogestalt zu demüthigen weder Ursache noch Gedancken hatten; sondern es war diß eine arglistige Erfindung seiner Gemahlin Thermusa / welche diese Kinder des Phraates zu keinem andern Ende auf die Seite brachte; als daß ihr Sohn Phraataces nach des Königes Tode allein zur Nachfolge bey der Hand wäre. Sie beredete aber Phraaten bey einem sich ereignenden Aufstande etlicher Parthischen Fürsten / unter diesem scheinbaren Vorwandte hierzu: daß bey verspürter Abneigung seines Volckes / welches auf einen verjagten und in Scythen geflohenen Fürsten aus dem Arsacischen Stamme Artaban ein Auge hatte; Phraates sich durch ein Bündnüs mit den Römern bey seinem Volcke in Ansehen / seine Kinder aber wider alle Unfälle in Sicherheit bringen müste. Denn so lange die Aufrührer diese nicht zugleich mit ihm aufreiben könten / würde sich wegen besorgter Rache keiner leicht unterstehen Phraaten anzutasten. Phraates war hierzu leicht zu bereden; weil ihn sein Gewissen stets erinnerte: daß er seinen Vater Orodes und neun und zwantzig Brüder ermordet / ja fast täglich seinen Stul mit edlem Blute besudelt hatte. Also konte nichts so grausames ihm für gebildet werden / welches er nicht verdient zu haben sich bescheidete / also billich fürchtete. Nach dem Phraates nun seine Kinder aus den Augen verlohren hatte / kamen sie ihm auch endlich aus dem Hertzen. Deñ ihre Stief-Mutter Thermusa bezauberte ihn derogestalt: daß er den noch bey Lebzeiten mit ihr gezeugten Sohn Phraataces zum Nachfolger erklärte /ihn an seine Seite zur Taffel sätzte / und mit sich vom güldenen Wasser trincken ließ / welches sonst nur der Könige erstgebohrner Sohn / niemand aber anders bey Straffe des Todes trincken darff; und Thermusa zu dem Ende mit Livien es abkochte: daß seine älteren Söhne zu Rom wie halbe Gefangenen gehalten wurden. Alleine Phraates lebte seinem Sohn Phraataces zu lange / und die geile Thermusa kriegte für dem ohnmächtigen Phraates einen Eckel / welche durch Vermischung der Persischen und Römischen Wollüste sich zur grösten Künstlerin in Uppigkeiten gemacht hatte; also ihre Unersättligkeit mit einem abgemergelten Greise nicht zu stillen wuste. Weil sie aber nicht weniger Ehrsüchtig als geil war / warff sie ihre Huren-Augen auf ihren eigenen Sohn Phraataces; mit welchem sie zugleich Gemahlin werden und Königin bleiben konte. Ob sie nun zwar zu Rom gelernt hatte: daß die Vermischung einer Mutter mit ihrem [1118] Sohne bey allen wol gesitteten Völckern / welche gleich unter andern Bluts-Freunden zu heyrathen erlaubten /verdammet; ja der eingebohrnen Schamhafftigkeit der Thiere / in dem weder Kameel noch Pferd sich mit seiner Mutter gattete / zu geschweigen vernünfftiger Menschen zu wider wäre; daß ein Mann zugleich Sohn und Ehmann / ein Weib Mutter und Ehweib seyn solte; so hatte doch Thermusa fürlängst Scham und Vernunfft / oder vielleicht gar den Menschen ausgezogen. Daher sie ihren Sohn Phraataces / nach dem sie ihn vorher durch anderer Geilheiten vergifftet hatte / in einem dazu erkieseten Lust-Garten / darinnen er von allen Würtzen der Wollüste entzündet ward / unverschämt anredete: Hertzliebster Sohn! ich bin wohl versichert: daß du an meiner Liebe nicht zweiffeln kanst / nach dem ich dich über alle das Vorrecht habende Söhne des Parthischen Königes gesätzt / und zum Stul-Erben Phraatens gemacht habe. Aber meine Mutter-Liebe ist noch nicht gesättiget / weil ich dich noch nicht würcklich herrschen sehe; und ich will mein Haupt nicht sanffte legen / biß ich dich mit dem Partischen Reiche vollkommen vermählet habe. Phraates war mir zwar lieb; aber die in meinem Hertzen gegen dich entzündete Flamme hat jene / wie der Sonnenglantz die der Sternen erstecket. Wundere dich also nicht: daß ich für dein nicht für Phraatens Wolfarth bekümmert bin. Dieser stehet wegen seiner Gramhafftigkeit nicht mehr mir / wegen seiner Grausamkeit nicht dem Reiche / wegen seines Wanckelmuths nicht mehr dir an; und ich sorge / wo ihm mit seinem Leben nicht der Weg zur Reue verschrenckt wird / dörffte Phraataces ein Rach-Opffer seiner von Rom zurück beruffenen Brüder werden müssen. Maße dich also des Reiches an / eh es dir unter den Händen verschwindet / und befördere Phraaten ins Grab / wo er mehr Ruh als bey seiner Herrschaft Vergnügen finden wird. Scheue dich nicht an ihm auszuüben / was er gegen seinen Vater zu thun sich berechtigt zu seyn geachtet hat. Die Parthen sind Phraatens überdrüßig / und sehnen sich nach deiner Herrschafft. Denn die Jugend ist in dieser eben so wohl annehmlicher / als in der Liebe. Vergnüge diesem nach / Phraataces / das Reich / iedoch auch deine Mutter. Warum eigne ich mir aber den Nahmen dessen zu / was ich mich zu seyn schäme. Wie gerne wolte ich deine Mutter nicht seyn! daß ich dich und du mich so viel inbrünstiger lieben köntest! O des seltzamen Zustandes! daß ich mich aus Liebe dessen gern enteussern wolte / was mich doch von Natur dich zu lieben anleitet. Phraataces / bilde dir ja nicht ein: daß ich deine Mutter / sondern etwas mehr / nehmlich deine Liebhaberin / deine Leibeigene bin. Weil die Mutter-Liebe für mich allzu kaltsinnig / für dich allzu wenig ist / habe ich mich in gantz was anders / ja aus heisser Begierde mich mit dir zu vereinbaren in dich selbst verwandelt; also / daß ich / so sehr ich mich selbst liebe / auch meinen Phraataces lieben muß. Köntestu wol ein sicherer Pfand meiner hefftigen Brunst / als den Verlust meines Mutter-Rechtes über den tapfferen Phraataces gewehren? Ich habe dich zwar in meinen Eingeweiden neun Monat getragen; aber von nun an werde ich dich ewig in mein Hertz beschlüssen. Was sage ich aber von meinem Beschlusse? Thermusa lebet in ihrem Phraataces! meine Seele ist das Opffer / meine Liebe die Flamme in dem Tempel deines Hertzens. Was könte deine Schönheit und Tugend nun für einen herrlichem Sieg / als über die eigene Mutter halten? Ich selbst würde meine Lüsternheit unter die Röthe meiner Schamhaftigkeit vergraben / wenn ich in iemanden anders / als in den unvergleichlichen Phraataces verliebt wäre; welcher in sich etwas Göttliches hat / und der gantzen Welt Liebe verdienet. Ich würde mich um den Schatz deiner Gegenliebe anzusprechen nicht erkühnen / wenn ich dich nicht vorher mit der Parthischen Krone versorget [1119] hätte. Um dieses muß man alles / ja Ehre und Tugend hingeben. Denn Könige können selbst aussätzen / was Ehre sey / und die Laster zur Tugend machen. Wer aber kan die Liebe zwischen Sohn und Mutter zum Laster machen? Wer hat diß Gesätze der Welt fürgeschrieben? Die Natur sicher nicht! denn sonst würde sie beyder Vermischung nicht selber fruchtbar seyn lassen. Sonst würden ausser wenigen sich auf solche Art nicht alle Thiere gatten. Die Weltweisen wissen ihre widrige Neinung mit nichts als diesem lahmen Vorwandte zu beschönen: daß man durch Vermählung so naher Bluts-Freunde nicht die Bande der Liebe so enge einschräncken / und zwischen Menschen von so ungleichem Alter nicht unfruchtbare Erben stifften solte. Alleine ist es nicht vielmehr rathsamer durch so nahe Heyrathen die Güter der Vor-Eltern in seinem Hause zu erhalten /und die offt gebrechliche Neigung des Geblütes durch Liebe zu befestigen? Wer wil mir / die ich kaum über dreyßig Jahr und in meinem kräfftigsten Alter bin /die ich meinen Köcher der Liebe noch voller Pfeile habe / den Gebrechen der Unfruchtbarkeit beymäßẽ? Also ist es ein eiteler Irrthum derer / welche den verborgenen Willen der Natur nie recht ergründet haben /die zwischen Eltern und Kindern eine solche Abscheu behaupten wollen. Viel vernünfftiger billichet der weise Diogenes und Chrysippus derselben Liebe /welche mehr als frembde einander zu lieben Ursache haben; weil die Vereinbarung der Liebe aus der Aehnligkeit herrühret / Kinder aber die eigentlichsten Ebenbilder ihrer Eltern sind. Berathe dich mit der Natur / so wird sie dir zeigen: daß sich iedes Ding zu seinem Uhrsprunge kehre / damit die Welt hierdurch für dem Untergange erhalten werde! die sich herum drehenden Himmels-Kreiße kommen täglich / und die Zeit alle Jahr in ihren ersten Stand. Der Schwantz ihres Endes stecket allemahl in dem Maule ihres Anfanges. Die Flüsse lauffen alle ins Meer / die Dünste und Wolcken sencken sich alle zur Erde nieder / daraus sie entsprossen sind. Die untergehende Sonne suchet die Spur ihres Aufganges. Warum soll ein Sohn in der Schooß seiner Mutter als im Brunnen seines Lebens sich durch die Süßigkeiten der Liebe nicht wieder gebähren? Wenn aber auch diß gemeinen Leuten nicht anstünde; wer wolte Königen dieses Gesätze aufhalsen / welche von denen unsterblichen Göttern allein ihren Hang haben / derer Wille ihr und anderer Gesätze ist? Leben wir aber nicht in Persien / in dem Lande der scharffsichtigen Weisen; welche iederzeit eben so wohl Indianer / Mohren und Meden zwischen Vater und Tochter / zwischen Mutter und Sohne die Ehen gebilligt haben? Lasse dich also anderer Miltz-süchtigen Leute Bedencken nicht irre machen deine Mutter zu lieben / welche du sonst durch Entziehung dieser Glückseligkeit tödten würdest! Was verliere ich aber viel Worte? die Liebe und Phraataces speisen sich nur mit Wercken. Sauge nunmehr aus diesen Brüsten Zunder der Liebe und Milch der Vergnügung / aus welchen deine Kindheit Nahrung des Lebens gesogen hat. Erstatte mir nun die unzählbaren Küsse /die ich als Mutter dir nicht so wol geschencket / als geliehen habe. Erinnere dich / so offt du das dir vorgetragene Feuer anschaust: daß die Könige der Parthen nicht von Eyß und Schnee seyn sollen; und daß deine Liebhaberin Thermusa dir ein viel edler Feuer in ihrer Seele fürtrage. Liebe mich also / mein Sohn /oder tödte mich mit dem Phraates. Denn du wirst nimmermehr Parthen beherrschen / wo Phraates nicht heute aufhöret dein Vater / und Thermusa deine Mutter zu seyn. Mit dieser abscheulichen Rede bezauberte sie den Phraataces; und ihre unkeuschen Umhalsungen verleiteten diesen von Wein und Jugend entzündeten Fürsten: daß er nicht nur in dieser unverschämten Wölfin Blutschande / sondern auch in Vater-Mord willigte. So verführisch ist die [1120] Wollust / und die Herrschafft so süsse: daß ihre Lüsternheit auch die eingebohrnen Neigungen ausrottet / und die Gesätze der Natur auslescht. Ja sie vergiffteten auch noch selbigen Abend Phraaten den Wein / worvon dieser Vater-Mörder folgende Nacht durch Vater-Mord seine Seele ausbließ. Auf solche Weise pfleget die Göttliche Rache mit eben dem zu vergelten / mit was man vorher gesündiget hat. Ja die / welche vorher noch etlicher Massen gezweiffelt hatten: ob Phraates seinen Vater umgebracht hätte / wurden durch seinen Tod dessen vergewissert; weil die Art der Straffe ins gemein die Art des Verbrechens zu verrathen pflegt. Thermusa ließ noch selbige Nacht die Leiche mit Wachse überziehen / die Aertzte tödten / damit weder sie noch die Gifft-Flecken ihren Mord verriethen. Denn Phraataces ward zwar durch Hülffe der Parthischen Fürsten / welche Thermusa theils mit ihrer Uppigkeit / theils mit grossen Geschencken schon vorher gewonnen hatte / den andern Tag in dem Tempel des Mithra mit der aus den besten Myrrhen bereiteten Krone aufgesetzt / sein Haupt mit einer weissen und purpernen Binde umfaßt / in das Bette mit dem göldenen Weinstocke gelegt / und auf Arsacens Stul erhoben / und die älteren Söhne wider das Vor-Recht des Alters und die durchgehende Gewonheit der Völcker /unter dem Scheine: daß ein König in seinem Erbreiche den jüngern Sohn dem ältern vorzuziehen berechtigt wäre / übergangen. Bald darauff ließ sich Thermusa offentlich und mit grossem Gepränge dem Phraataces vermählen. Weil dieser sich aber nur den Wollüsten ergab; etliche der Jungfrauen / welche ewige Keuschheit der Sonnen gelobet hatten / schändete / und sie hernach zu Eyden zwang: daß sie von der Sonne wären geschwängert worden; Thermusen aber die Reichs-Geschäffte in Händen ließ / ward Phraataces verhaßt / und Thermusa den Parthen ein Greuel. Denn alle schämten sich: daß ein so streitbares Volck einem frembden Weibe und eines Freygelassenen Tochter gehorsamen solte. Niemand war auch / welcher nicht wider beyde einen Argwohn schöpffte: daß Phraatens geschwinder Tod von ihnen herrührte. Es mangelte auch nicht bey hervorbrechendem allgemeinen Hasse an Leuten / welche am Könige gewisse Merckmaale des Gifftes gesehen zu haben betheuerten. Uber diß schlug Thermusa nach ihrem erlangten Zwecke die meisten Parthischen Fürsten aus der acht / welchen sie vorher geliebkoset / ja ihren Leib feil geboten hatte. Sintemahl bey keinem Volcke der Undanck mehr / als bey den Parthen verhaßt ist; also / daß sie auch durch Undanck Straffen darauf gesätzt haben. Dahero diese auf dem grossen Feyer / an welchem jährlich der Sonne vom Könige ein Pferd geopffert zu werden pflegt / einen Aufstand erregten /dem Phraataces Krone / Purper und Gürtel vom Halse rissen / ihn auch neben dem Altare im Gedränge ermordeten; Thermusen aber liessen sie fingernackt gegen der Sonne an ein Creutz annageln. Nach dieser lasterhafften Menschen Tode erregte sich zwischen den fürnehmsten der Parthen ein Streit / wen sie zu ihrem Haupte erkiesen solten. Etliche wolten einen der Phraatischen Söhne zu Rom / andere den vom Phraates in Scythen verjagten Artaban / andere den Herodes / welcher aus dem Königlichen Geblüte / und bey den Bactrianern Landpfleger war / haben. Uber diesem Streite gieng ziemliche Zeit hin; vielleicht /weil die / welche die Süßigkeit der Herrschaft einmahl geschmeckt haben / selbige nicht gerne aus den Händen geben. Nach dem aber die der Dienstbarkeit gewohnten Morgenländer nicht länger ihre Freyheit vertragen konten / fiel endlich das Looß auf Heroden; weil sie es für Schande hielten aus Rom oder Scythien einen mit frembden Sitten verkehrten Herrscher zu holen. Herodes ward durch eine prächtige Gesandschafft von [1121] Bactra geholet und zum Könige eingeweihet. Dieser meinte: er könte seine Herrschafft durch nichts mehr befestigen / als wenn er an denen / welche an Phraatacens und Thermuses Tode schuldig waren /Rache ausübte. Diese aber waren die fürnehmsten /welche ihn auf den Königlichen Stuhl erhoben hatten; daher er mit ihnen die Pfeiler seiner eigenen Hoheit und darmit sich selbst stürtzte. So vergnügte er sich auch nicht: daß er wie vorige Könige angebetet ward; sondern er wolte auch wie die Sonne seine besondere Priester und Tempel haben. Uber diß verbot er: daß /weil in Persien niemand kein Gold oder Edelgesteine tragen darf / welches er nicht vom Könige geschenckt bekommen hat / auch keiner sich mit voriger Könige /sondern nur mit seiner eigenen Freygebigkeit sehen lassen solte; gleich als wenn er der erste König / oder die alten Dienste verrostertes Eisen wären. Wie nun der hochmüthige Herodes nicht seine Glückseligkeit verkochen konte / da doch sonst ins gemein Fürsten im Anfange ihrer Herrschafft sich durch gute Wercke und Rathschläge wollen sehen lassen / und allererst bey erstarrter Gewalt aus dem Geschirre schlagen; also war auch Herodens Hoffart und Grausamkeit die zwey gemeinsten Schiffbruchs-Klippen hoher Häupter / den Parthen unverdaulich; welche einen König nicht nur über- sondern auch für sich / und wie ihren Gott die Sonne / geartet haben wolten / die nicht nur etlichen eintzelen / sondern allen ihre Wärmbde und Licht mittheilet. Diesemnach verbunden sich die Obersten seiner in täglicher Gefahr schwebenden Staatsdiener ihn als einen Wütterich zu tödten. Etliche riethen auf Gifft; und rühmte sich Meherdates: daß er dessen so vielerley Arten hätte / daß er damit im Augenblicke / in einer Stunde / einem Tage / einer Woche / einen und mehr Monatẽ tödten / ja die Würckung auf ein und mehr Jahre verschüben könte. Aber Teresmanes / der oberste Jäger-Meister meinte: Gifft wäre allzu meuchelmörderisch / und ehrlicher den Wütterich wie ein Wild auf der Jagt zu fällen. Dieses ward auch wenig Tage hernach vollzogen: denn als Herodes einen Hirsch in vollem Lauffe mit einem Pfeile durchs Hertze schoß / und den ihm folgenden Teresmanes fragte: ob er nicht wol getroffen hätte? antwortete ihm Teresmanes: Ja! es hätte Apollo selbst nicht künstlicher schüssen können, aber ich hoffe heute noch viel ein edler Wild zu treffen. Mit diesen Worten jagte er dem Herodes einen Wurffspiß durch die Brust / worvon er vom Pferde fiel / und von denen dazu kommenden Parthen mit etlichen hundert Pfeilen vollends erschossen ward. Sintemal die / welche an diesen verjagten Fürsten nicht einen Pfeil angewehrten / es für eine grössere Schande hielten / als welche bey vorhabendem Feldzuge mit ihr gezeichnetes Geschooß an die von dem Könige aufgesätzte Scheibe angewehrten. Hierauf ward gerathschlagt: ob sie den Fürsten Artaban / welcher mitler Zeit von den Meden zum Könige beruffen worden war / oder einen von Phraatens Söhnen auf den Thron sätzen solten? die Parthen waren hierüber mehr / als niemahls vorher zwistig; jedoch fielen die meisten Stimmen auf den letzten Vorschlag; weil sie besorgten: Artaban würde die Meden mehr als sie achten / und das Parthische Reich dem Medischen nur als einen Anhang beyfügen. Die Uberstimmten meinten zwar durch eine neue Strittigkeit / welcher unter den vier Söhnen das Vorrecht haben solte / solchen Schluß zu zernichten; endlich aber fielen die meisten auf den Vonones; welchem als dem ältesten das Völcker-Recht ohne diß das Vorrecht zueignete. Also ward eine prächtige Gesandschafft nach Rom geschickt. Diese brachte dem Käyser kostbare Geschencke / unter andern ein paar Zwillinge von Elefanten; welches für die gröste Seltzamkeit und ein Zeichen einer ungemeinen Glückseeligkeit gehalten ward / zwey Thiere mit einem Nasenhorne / welches wider Gifft eine gewaltige Krafft haben [1122] soll. Hierbey war eine grosse Menge der im Persischen Meere gesischter Perlen / und im Gebürge bey dem Flusse Zioberis gefundener Türckisse; allerhand Gewürtze / Adler- und Sandel-Holtz / Schlangensteine / welche alles Gifft einem aus dem Leibe ziehen / und solches hernach in Milch wieder von sich lassen / wie auch viel in Indianischen Bäumen wie das Hartzt in Kiefern wachsenden Campher; viel seltzame Steine und Kräuter / derer eines die Geburt so sehr befördert: daß wenn die Gebährerin nicht solches beyzeite von sich wirfft / sie die Eingeweide mit ausschüttet / das andere im Munde die Steine wie Mehl zermalmet. Das seltzamste darunter war ein Stück Ambra eines Kopffes groß / welches das Meer Persien schriems über an die Africanische Küste angespület hatte. Der Käyser nam die Gesandten mit ihren Geschencken wol- das Römische Volck aber diese Freygebigkeit für eine Schatzung oder ein Kauffgeld des Friedens an; frolockte auch nicht wenig: daß der Parthen Königs-Söhne zu Rom dienen müsten / daß sie hernach ihr Volck zu beherrschen wüsten. Der Käyser beruffte unter dem Scheine der Ehren den Vonones in völligen Rath / und sätzte ihm in Anwesenheit der Bothschafft eine auf Persische Art gebundene Krone auf; gleich als wenn er diß Reich von ihm als eine Wolthat erhielte; beschenckte ihn auch mit einem Schwerdte / einem helffenbeinernen Stule / und andern mehr schein- als kostbaren Dingen. Die Parthen zohen also mit ihrem neuen Könige von Rom ab /wiewol etlichen alsbald der Römer eingebildete Hoheit über das Parthische Reich nicht gefiel; die andern drey Söhne des Phraathes wurden zu Rom vom Käyser so willig behalten / als von Parthen gelassen. Denn diese meinten dadurch alle Zwytracht im Reiche zu verhüten; August aber mit diesen jungen Parthischen Fürsten einen Werckzeug in Händen zu behalten / dadurch er auf den Fall / wenn die Römer mit den Parthen in Krieg geriethen / ihr Reich in Unruh und Zwyspalt versätzten / und unter dem Scheine diesen zu ihrem Erbrechte zu helffen / seine Waffen rechtfertigen könte: Vonones ward in Parthen wie alle neue Fürsten mit unsäglichem Frolocken bewillko t. Denn wie man auch der besten Fürsten in die Länge überdrüßig wird; also hat eine mittelmässige Neuigkeit mehr Ansehen / als eine veralterte Vollkommenheit; und bilden ihnen Unterthanen von neuen Geschencke / Freyheiten / Wunderwercke und güldene Berge ein. Je mehr ihm nun das Volck vom Vonones eingebildet hatte / weil er so lange zu Rom auf der vermeinten Schule der Vollkommenheiten gewest war / je schwerer fiel es ihm ein so grosses und leeres Faß so vieler Hoffnungen auszufüllen. Sintemahl das vergangene uns allezeit besser vorkommt / als das gegenwärtige; also keine Gleichheit vergnüget / sondern eine zweyfache Vollkommenheit erfordert wird: daß ein Nachfolger nicht geringer zu seyn scheinet / als sein Vorgänger. Ja wenn einer auch schon von Anfange seine Unterthanen vergnüget / verfället doch sein Ansehn / ehe er es inne wird / wenn er nicht stets durch neue Klugheit / Tapfferkeit und Glücke sich wie ein Fenix aus seiner Asche wieder verjünget /oder wie die Sonne aus ihrem Untergange sich aufs neue gebieret. Weil Vonones aber durch solche Künste ihm nicht zu helffen wuste / hatte er bey seinen Parthen zeitlich aus; ja diß selbst / wormit er des Volckes Wolwollen gewinnen wolte / nemlich seine Freundligkeit / machte ihn verächtlich. Denn ein Fürst muß sich mit niemanden / besonders wo Unterthanen dienstbar zu seyn gewohnt sind / zu gemein machen; noch / daß es andere gegen ihn thun / verstatten. Sintemahl es ihm bey Grossen Gefahr / bey Kleinen Verachtung bringt; und er also allenthalben seine Hoheit verspielet. Hingegen behalten die Gestirne / die sich von niemanden irrdischen betasten lassen / sondern nur von ferne ihren Glantz der Erde zeigen / ihr unversehrtes [1123] Ansehen. Insonderheit war den Parthen verdrüßlich: daß er zu Rom sich aller ihrer Sitten entschlagen / hingegen der Römischen angewöhnet hatte; indem er zu eingezogen lebte / sich stets in der Sänffte tragen ließ; also sich der Jagt und des Reitens gantz entschlug; da doch diß der Parthen gröste Lust und Zeitvertreib / jenes ihr Handwerck und gemeinstes Nahrungs-Mittel war. Nichts weniger ärgerte sie: daß er allzu mäßig lebte / wenig Wein tranck / und so selten Gastmahle mit denen geilen Täntzerinnen ausrichtete / alles so genaue zusammen hielt / seine Schätze selbst versiegelte / seine meiste Zeit bey denen mit sich gebrachten Griechischen Weltweisen zubrachte /welche er als Priester der Ewigkeit / und daß sie einen Fürsten bey der Nachwelt unsterblich machen könten / rühmte / dem Adel verzoh und ihnen reichliche Besoldungen aussätzte. Sein erster Staats-Diener Tacfarinas erinnerte ihn zwar: daß der Adel hierüber schwürig / die Schatz-Kammer erschöpfft würde; aber Vonones antwortete: Es wäre einem Fürsten nichts anständiger / einem Reiche nichts heilsamer / als daß sein Hof mit verständigen Leuten / wie der Himmel mit Sternen / angefüllet würde. Der Adel solte es diesen Weisen gleiche thun / so wolte er ihn wieder den Griechen vorziehen. Man solte nur die übrigen zu unnützem Tantzen gewöhnten Pferde / dreytausend Jagt-Hunde / tausend Falcken mit ihren Wärtern / alle Narren / die ärgerlichen Täntzerinnen abschaffen / so würde jene fruchtbare Ausgabe ersätzt seyn. Er selbst wolte auch so wol im Rathe / als bey andern Zusammenkunfften / für sehr gelehrt / geschickt und freundlich angesehen seyn. Denn ob zwar ein Fürst nicht zu verdencken ist: daß er seinen Tugenden und Gemüths-Gaben eine noch bessere Farbe anstreicht / muß er ihm doch hierinnen nicht in die Karte sehen lassen /sondern allen Schein und Beflissenheit verstellen; weil alles diß / wormit man schon sich sehen zu lassen befleißt / seine Güte verliert / und die Schmüncke verstellet selbst die Schönheit; weil beydes so deñ gekünstelt / nicht von der Natur herzuflüssen scheinet. Hingegen hat auch was mittelmäßiges ein zweyfaches Ansehn / was seinen Glantz in sich selbst nicht in des Besitzers Einbildung zeiget; ja seine Unachtsamkeit verbessert um ein gutes seine Vollkommenheit. Ob nun zwar Vonones in vielem recht hatte / und bey freyen Völckern durch seine Leutseeligkeit sich beliebt gemacht haben würde; so waren doch diß bey den Parthen unbekante Tugenden / neue Laster; und das gute / was ihren Sitten nicht gemäß war / verdiente so wol bey Guten als Bösen Haß und Verachtung. Am meisten ward ihm der Adel aufsätzig; und die / welchen noch das Hertze nach dem Artaban hieng / liessen sich in allen Zusa enkunfften vernehmen: die Parthen solten sich schämen / daß sie von Rom aus einem frembden Lande einen mit ihres ärgsten Feindes Künsten angesteckten König geholet hätten; gleich als wenn in gantz Persien kein tichtiger zu finden gewest wäre. Die Römer hätten nun Ursache sich zu rühmen: daß sie auf des grossen Arsaces Stuhl einen König erhoben / und der Parthen Reich zu einem Theile des ihrigen gemacht hätten. Wo bliebe die von ihren Vätern erworbene Ehre / welche den Crassus und Antonius mit Spott und Schande über Hals und Kopff nach Hause gejagt hätten? Sie aber könten nun leiden: daß einer / welcher so viel Jahre dem Käyser zu Dienste gestanden hätte / über die Parthen herrschẽ solte / gleichwol hielt die Furcht für dem Käyser August die Parthen zurücke: daß sie ihre Ungedult nur mit Worten auszuschütten vergnügten. So bald sie aber seinen Tod / den Aufstand der Legionen am Rheine und den Krieg mit den Deutschen vernahmen / beruffte der Adel den Artaban; welcher mit einem ansehlichen Heere aus Meden den Parthen einfiel / und ein Theil des Parthischen Adels an sich zoh. Vonones sammlete hingegen von dem [1124] noch bey ihm stehenden gemeinen Volcke eine grosse Macht zusammen / und der ihm getreue Tacfarinas stellte sich /als wenn er es mit dem Adel wider den König hielte /entbrach sich also zu Ctesiphon des Hofes / und ward von den Aufrührern für ihr Haupt erkieset. Bey dieser Würde hatte er mit dem Vonones heimliches Verständnüs; also daß er alle Anschläge der Aufrührer leichte zernichten konte. Insonderheit spielete er es so künstlich: daß Vonones dem Artaban ehe auf den Halß kam / als der Adel zu ihm stossen konte. Daher ward er auch aufs Haupt geschlagen / und in Meden zurück getrieben. Den Aufrührern entfiel hierüber das Hertz / und Tacfarinas rieth sich beyzeiten mit dem Könige zu vergleichen / brachte sie also glücklich zum Gehorsame. Nach dem aber Tacfarinas alsobald in seine Würde gesätzt / herrlich beschenckt / und die fürnehmsten Häupter der Aufrührer gefangen genommen / ihre Geheimnüsse entdeckt / und sie getödtet wurden / ware gleichsam mit der Hand zu greiffen: daß sie vom Tacfarinas verrathen und betrogen waren; auch der Schuldigen Straffe mehr von ihm als vom Könige herrührte. Daher grieffen sie aufs neue zun Waffen / berufften den Artaban / welcher von Meden und Bactrianern ein noch stärckeres Heer zusammen gebracht hatte / und sich bey Apollonia mit dem Parthischen Adel vereinbarte. Daselbst kam es zu einer blutigen Schlacht; welche vom Morgen biß auf den Abend tauerte. Weil aber der tapffere Tacfarinas todt blieb / und dem Artaban gegen Abende noch vier tausend Hyrcanier und Margianer zu Hülffe kamen /ward Vonones geschlagen / der Kern seiner Reiterey erlegt / alles Fuß-Volck gefangen / ein unglaublicher Schatz erobert. Der König kam mit wenigem Volcke durch Hülffe der Nacht nach Selevcia. Artaban eilte mit seinem sieghafften Heere der Hauptstadt Ctesiphon zu; wo ihm die / welche mit ihm unter der Decke lagen / die Pforten öffneten / die Königlichen Schätze überlieferten / und ihm im Tempel der Sonnen die Parthische Krone aufsätzten. Denn nunmehr hatten die Parthen wider die alte Gewonheit der Persen auch / wiewol unbedeckte Tempel. Vonones hatte mit dieser Schlacht das Hertze und alle Hoffnung verlohren; daher flohe er von Selevcia / als er hörte: daß Artaban sich dahin wendete / und sahe sich fast nicht um / biß er über das Niphatische Gebürge nach Tigranocerta in Armenien kam. Gleichwol ward dieser verlauffene König nach einem neuen Reiche lüstern; und nach dem er mit denen aus seinem Schiffbruche noch davon gebrachten Schätzen einige der fürnehmsten Armenier erkaufft hatte; schickte er also nach Rom / und ließ beym Tiberius anhalten: daß er ihm das nach der Königin Erato Herrschafft mehr ohne Herrschafft als in Freyheit gewesene und theils zun Römern / theils zun Meden hängende Armenien geben möchte. Tiberius wieß des verzagten und zu Beherrschung eines so gefährlich liegenden Reiches ungeschikten Vonones Gesandten schimpflich ab; und weil nicht nur Artaban in Armenien einzufallen dräute / da man seinen Feind Vonones darinnen herrschen lassen würde / sondern auch die gegen Meden und Parthen gelegenen Armenier auf solchen Fall sich dem Artaban zu unterwerffen dräueten; Tiberius aber mit den Parthen zu brechen keine Lust hatte / befahl er dem Syrischen Landpfleger Creticus Silanus: er solte nach Artaxata eilen /den Vonones mit gutem oder Gewalt in Syrien führen; also zwischen den Römern und Parthen den Zanck-Apffel aus dem Wege räumen. Silanus vollzohe diß; und ward Vonones unter dem eitelen Nahmen eines Königes zu Antiochia in einem ehrlichen Gefängnüsse verwahret. Der Römische Rath ließ ihm diß zwar gefallen; doch hielt er für rathsam / und der Römischen Hoheit gemäß zu seyn denen zwistigen Armeniern einen König zu geben / wie vorhin August den Tigranes / [1125] Artavasdes und Ariobarzanes eben diesem Volcke fürgesätzt hätte. Aber Tiberius war hierzu nicht zu bringen; sondern er sagte: die Zeit wäre Meisterin aller Dinge / und ließe sich nicht allemahl thun / was einmahl gut gewest wäre. Cicero hätte hierwider verstossen / da er wider den mächtigen Antonius eben so mit dem Kopffe durchfahren wollen / wie er gegen Catilinen gethan / und weder diese zwey Leute noch den veränderten Zustand in Rom unterschieden hätte. Eben diesen Fehler hätte Demades Demosthenen ausgestellt / als er mit gleicher Kühnheit / wie Themistocles den Persen / begegnet war / den Feinden hätte die Stirne bieten wollen / in dem er ihm eingehalten: Themistocles wäre auf einem gantzen Schiffe Befehlhaber gewest; sie aber hätten nur von einem zerbrochenen die Breter zusammen zu lesen. Der in vollem Wachsthume sich befindende Artaban wäre nach der Schnure des verhaßten und unglücklichen Orodes nicht zu mässen: und das mit den Deutschen in Krieg geflochtene Reich müste mit den Parthen Friede haben. Tiberius meinte hierdurch der Sache sehr weißlich gerathen zu haben / nun aber hat der Ausgang gewiesen: daß grosse Rathschläge wie grosse Gerüste der Werckmeister zerbrechlich sind; und eben so oft als Wahrsagungen fehl schlagen. Denn wir haben gewisse Zeitung von Rom bekommen: daß nach dem Artaban seine Herrschafft über die Parthen befestigt /und / wie Tiberius mit ihm Krieg zu führen schlechte Lust habe / ausgespüret / er theils durch List / theils durch Gewalt einen seiner Söhne Orodes zum Könige in Armenien zu grosser Verkleinerung des Tiberius und des Römischen Reichs eingesätzt habe. Uber diß ist auch nach Absterben des Comagenischen Königs Antiochus zwischen dem Adel und gemeinen Volcke ein wichtiger Zwist erwachsen; in dem jener unmittelbar dem Römischen Reiche einverleibt zu werden /dieses aber einen König verlangte; also zu besorgen wäre: daß Artaban bey dieser Uneinigkeit sich seines Vortheils bedienen / das nach seiner Dienstbarkeit und einem Könige seuffzende Volck auf seine Seite bringen / und einen andern seiner Söhne in Comagene zum Könige einspielen dörffte. Diesem nach wäre freylich wohl nicht zu leugnen: daß es der hohen Nothwendigkeit wäre zu Bestillung der Comagener und zu Erhaltung Armeniens einen erfahrnen und tapfferen Feldherrn in Asien zu senden. Ja es wäre der Wichtigkeit: daß Tiberius sich selbst dahin verfügte; aber dieser mißträulicher Fürst würde sein lebtage nicht mehr das Haupt und Mittel des Reiches verlassen; also Germanicus mit den Haaren dahin zu ziehen gezwungen werden; ob ihm zwar solches so wohl als ihr zu wider wäre; weil ihm ein Chaldeer wahrgesagt hätte: er würde in Asien seinen gewissen Untergang sinden. Thußnelde danckte Agrippinen auffs höflichste für so ausführliche Erzehlung / und ersuchte sie auffs beweglichste alles / was möglich wäre / zu Hintertreibung solcher Wegreise fürzukehren; weil doch eben so wohl ihre / als des Germanicus Wolfarth daran hienge; als welchem sie alleine zutrauten: daß er denen Deutschen einen billichen Frieden / ihnen aber die Freyheit gönnen würde. Agrippine seuffzete hierüber / und ließ etliche Thränen aus den Augen fallen; welche dem deutschen Frauenzimmer Hermengardens Bericht nicht wenig beglaubigten / zumahl Agrippine anfieng: Ach! wie ist doch unser Verstand so verdüstert: daß wir ins gemein diß / was uns schädlich ist / wünschen oder befördern. Die allerklügsten irren am allermeisten / wenn uns das Verhängnüs schon zum Falle bestimmet hat. Daher ich glaube: daß selbtes ihnen mit allem Fleiß die Vernunfft benehme und verblände / und wider seinen Schluß weder Rathschläge noch Tugenden was gelten / sondern sein unhintertreibliches Muß wider aller Menschen Embildung seinen Fortgang haben müste. Thußnelde fiel ein: holdselige Agrippine / weil [1126] wir denn wider unsere eigene Wolfarth arbeiten / in dem wir ihre Abreise nach Rom zu hindern bitten; so helffe sie doch unser Unvernunfft zu rechte und erkläre uns / was aus ihrem hier bleiben uns für Unglück zuhänge. Agrippine antwortete: Glauben sie denn nicht: daß / so lange ich bey ihnen bleiben kan / ich von ihnen alles Leid und Unrecht abzuwenden bemühet seyn werde. Thußnelde versätzte: Wir halten sie freylich für unsere Schutz-Göttin; werden wir denn aber /wenn sie am Rheine verharret / von ihr getrennet werden? Agrippine zohe die Achsel ein und sagte: Meine Liebe verträget nicht ihnen zu verschweigen: daß Tiberius sie in Italien verlange. Alleine / wenn ich ja nicht so viel beym Germanicus vermögen solte: daß er des Tiberius schon zum dritten mahl wiederholeten Befehl hindan setzen wolte / wil ich es zum wenigsten dahin richten: daß sie zu Ravenna / welche Stadt August dem Germanicus geschenckt hat / unter seinem Schutze bleiben sollen. Thußnelde fiel ein: Ach! GOtt! können wir nicht hier unter des Germanicus Schutz bleiben / wo er acht oder neun Legionen zu seinen Diensten hat / wie viel weniger werden wir zu Ravenna für des grausamen Tiberius Gewalt-Thaten und Abholung nach Rom sicher seyn? Agrippine begegnete ihr: weil Tiberius sie nur der Sicherheit halber / und daß die Gefangenen nicht durch der Deutschen Waffen den Römern abgenommen werden mögen / in Italien verlangt / ist solches nicht zu vermuthen; und Germanicus wird hierbey ausdrücklich verlangen: daß alle Gefangene zu Ravenna ihm zu seinem Sieges-Gepränge aufgehoben werden solten. Thußnelde sagte: Sie hätten ihr zwar für diese heilsame Vorsorge höchlich zu dancken; ihr ahnete aber grosses Hertzeleid / welches ihnen in Italien zustossen würde. Ismene und Zirolane gaben ihr Leidwesen hierüber gleichfalls zu verstehen / befahlen sich in Agrippinens Schirm / und betheuerte Ismene nochmahls: daß sie ehe sterben / als schimpflich in Rom eingeführt werden wolte. Agrippine tröstete sie alle /und weil sie meinte: daß sie über dieser schlimmen Zeitung für dißmahl genung zu verdäuen haben wurden / wolte sie sie mit der befohlnen Opfferung des Thumelichs noch nicht erschrecken. Unter dessen hatte Hermengarde dem Fürsten Siegesmund ihre Verrichtung beybracht / und / weil sie Zirolanen zu seiner Liebe nicht hatte bewegen können / ihn bey nahe in Verzweiffelung gesetzt. Nach dem sie aber seinen ersten Sturm sich hatte abkühlen lassen / hielt sie ihm ein: wie ein heilsames Werck er einmahl durch vorgehabte Erlösung der Gefangenen in sein Hertz gefast hätte / und wie übel er dessen Ausführung hindan setzen würde. Könte ihn Zirolane nicht lieben / würde sie doch durch ihre Erlösung gezwungen werden ihm nicht gram zu seyn. Wolthaten solte man nicht verkauffen / sondern ohne einige Bedingung und Hoffnung des Gewinnes geben. Solcher Gestalt thäte GOtt der Welt wohl / er liesse die Sonne so gar bösen und undanckbaren scheinen. Dieses Lasters aber wäre Zirolanens Gemüthe nicht fähig; und wer weiß / was seine Wolthat in ihr Hertze für einen Funcken werffen / und für eine Fla e zeugen könte. Durch diese Einredung brachte es Hermengarde dahin: daß Siegesmund folgende Nacht die Gefangenen zu retten versprach / und hierzu nöthige Anstalt machte. Hermengarde spielte sich voller Freuden noch bey Tage zu denen Gefangenen; brachte ihnen und sonderlich Zirolanen die gewünschte Zeitung: daß Siegesmund ohne ferneren Anspruch an sie folgende Nacht sie alle in Freyheit setzen wolte. Sie möchten sich nur fertig halten: daß sie bey ihrer Wiederkunfft ihr ohne Säumnüs folgen könten. Zu welchem Ende sie denn ihnen auch drey Römische Kriegskleider zustellte. Das Frauenzimmer halsete und küssete Hermengarden für Freuden / und wusten nicht / wie sie wegen so guter Dienste ihr vergnüglich dancken [1127] oder schön thun könten. Thußnelde / Ismene / und Zirolane bereiteten sich zu ihrer Flucht aufs beste / und alle Augenblicke wurden für Verlangen ihnen gleichsam zu einem Jahre. Jede schrieb auch an Agrippinen einen Brieff / darinnen sie ihr für so grosse Wolthaten danckte / ihre Flucht aber dadurch rechtfertigte: daß sie nicht im Kriege gefangen / sondern vom Siegesmund und Sentiens Werckzeugen aus einem Heiligthume / welches auch wieder rechtmäßige Gewalt einen Flüchtigen schützte / geraubet worden wären. Diese Schreiben meinen sie hinter sich zu verlassen. Sehet aber wie das Verhängnüs / ehe man eine Hand umdrehet / alle kluge Anstalten zu Wasser machen kan! Hermengarde kam zu bestimter Zeit in Garten /fand aber Thußnelden in vollen Geburts-Schmertzen /welche auch in ihrer Anwesenheit einen jungen Sohn glücklich zur Welt brachte. Ungeachtet sie nun zu fliehen verhindert ward / ermahnte sie doch die beruffene Ismene und Zirolane: sie wolten sich ihrentwegen nicht aufhalten / sondern mit dem kleinen Thumelich forteilen / und die Gelegenheit ihre unschätzbare Freyheit wieder zu erlangen nicht versäumen. Sie wolte dem Göttlichen Verhängnüße gedultig aushalten / welchem nicht nur die Menschen / sondern der Himmel selbst unterworffen / und so wenig zu hintertreiben / als den Lauff der Flüsse umzukehren wäre. Aber weder Ismene noch Zirolane waren durch Thußnelden Thränen und Beschwerungen hierzu zu bringen / sondern beyde wolten mit und bey Thußnelden leben und sterben. Als Thußnelde nun alle Hoffnung sie zu erbitten verlohr / wendete sie sich zu der durch diesen Zufall gantz verwirrten Hermengarde / und bat sie zum wenigsten ihren Thumelich zu retten. Weil nun Hermengarde solches ihr versprach / ließ sie ihn durch Ismenen bringen / und nach dem sie ihn hundertmahl geküst / übergab sie ihn Hermengarden / mit Befehl: diesem solte er / wie ihr oder seinen Vater folgen / wo er sie und sein Heil lieb hätte. Hermengarde nahm also nebst ihm mit tausend Thränen Abschied / kam auch auf dem nahe bey dem Ubischen Altare vom Siegesmund bestellten Nachen glücklich über den Rhein / fand daselbst den Siegesmund und mit ihm alles fertig. Wie dieser nun der Gefangenen Außenbleiben insonderheit Zirolanens und desselben Ursache vernahm / machte er hundert Schwerigkeiten / vorgebende: Er sehe wol / daß Ismene und Zirolane ihm aus Gramschafft nicht einst das Gelücke gönten durch ihn erlöset zu werden; und daß es ihm für die Müh nicht lohnete eines Kindes halber sein gantzes Glücke in Wind zu schlagen / die Römer ihm unversöhnlich zu machen / und zwischen zwey Stülen nieder zu sitzen / weil er doch beym Feldherrn Herrmann ohne Befreyung Thußneldens schwerlich eine wahre Aussöhnung / weniger viel gutes zu hoffen hätte. Daher meinte er es rathsamer zu seyn / das Werck biß Thußnelde wieder Kräffte zu reisen bekäme / zu verschüben. Ob ihm nun Hermengarde einhielt: daß die Gefangenen alte Augenblicke weggeführt zu werden besorgten / Agrippine es ihnen auch schon angekündiget hätte / blieb doch Siegesmund auf seinem Vorsatze wieder zurück über den Rhein zu sätzen. Als sie aber ans Ufer kamen / war kein Nachen verhanden; sondern solcher / weil ihn die Schiffer nicht feste angemacht hatten / entschwommen /und ohne vieles Geräusche war auch kein anderer zu haben. Hermengarde nahm hierdurch Anlaß an Siegesmund noch einmal zu setzen und ihm einzuhalten; das Verhängnüs schickte ihm mit allem Fleiße diese Hindernüs / daß er ein so rühmliches Werck nicht unausgemacht lassen solte. Sie wolte mit ihrem Blute sich verpfänden: daß Hertzog Herrmann für Uberbringung seines Sohnes nicht nur aller Beleidigung vergessen / sondern ihn auch als seinen zweyten Sohn lieben würde. Weil nun Siegesmund sich keine Nacht von seinem Heiligthume [1128] entfernen dorffte / er auch sich auf den Morgen / sonder daß es die Römische Wache und die anderen Priester gewahr würden / darein zu spielen getraute / sondern vielmehr besorgte: daß seine Anstalt zur Flucht nicht unverrathen bleiben würde / ward er mehr gezwungen als beredet in Hermengardens Willen zu kommen. Sie zwey sätzten sich also nebst denen zwey Chassuariern / die sie über den Rhein geführet hatten / zu Pferde / und Hermengarde nahm den jungen Thumelich zu sich / auf ihr Pferd. Sie waren aber kaum drey Meilen geritten / als sie früh bey aufgehender Sonne in einem Walde auf eine ziemliche Anzahl Reuter stiessen / welche zu vermeiden sie seitwerts in das Gehöltze einlencken wolten. Alleine jene waren ihnen zu nahe auf den Hals kommen; daher sie sich nicht verbergen konten / sondern sich durch ihr Ausweichen nur verdächtig machten /und den andern sie anzusprengen und auszuforschen Ursach gaben. Cäpio / welcher diese Römische Reuter führte / und vom Germanicus zum Hertzoge geschickt worden / nun aber auf der Rückreise war /fragte bey ihrer Einholung: wer sie wären? welchem Siegesmund Lateinisch antwortete: Er wäre ein Juhonischer Edelmann / und diß seine Leute. Cäpio versätzte: warum sie denn Römisch bekleidet wären? Siegesmund sagte: weil wir den Römern im Kriege dienen. Jener forschte ferner: woher er käme? wohin er reisete? warum er ihnen ausgewichen wäre? und zu was Ende er seinen Knaben mit sich führte? Siegesmund versätzte: Er käme vom Ubischen Altare / reisete auf seine an dem Wied-Strome liegende Güter / der Knabe wäre sein Sohn / den er um Augustens Tempel zu sehen mit dahin genommen hätte / weil er mit dem Hertzoge Segesthes und dem Fürsten Siegesmund in guter Freundschafft stünde / und seinen Sohn mit der Zeit bey selbigem Eigenthume anzubringen gedächte. Aus dem Wege wäre er geritten / weil er die ihm begegnenden nicht so bald gekennt / und man ihn gewarniget hätte: er solte sich für denen streiffenden Catten vorsehen. Cäpio sagte: es wäre wahr / die Catten wären zwey Tage vorher biß auf eine Meile von Sieburg eingefallen / und er würde nicht fortkommen; daher solte er seiner Sicherheit halber mit ihm biß nach Antonach reisen / über welchem selbiger Strom in Rhein fiele; und also er wenig oder gar nichts umzüge. Siegesmund machte hier wieder allerhand scheinbare Ausflüchte; so / daß Cäpio sie hätte ihres Weges reisen lassen / wenn ihm nicht einer seiner Gefärthen in ein Ohr geraunt hätte: Er sähe diesen vermeinten Edelmañ für den Fürsten Siegesmund an /welchen er etliche mal beym Germanicus gesehen hätte. Cäpio sagte daher dem Siegesmund unter Augen: wer er wäre? und zu was Ende er sich verleugnete / wenn er nicht was böses vor hätte? Siegesmund verstummete über dieser unvermutheten Erkäntnüs / sahe sich also nur nach einem Loche um ihnen zu entkommen. Aber die Römer umringten ihn und seine Gefärthin alsofort / brachten sie in dreyen Stunden nach Antonach; allwo sie Cäpio dem Apronius einlieferte / welcher alsbald den jungen Thumelich erkennte / und hiermit war Siegesmunds Flucht und Anschlag verrathen. Apronius ließ alsbald einen ieden absonderlich verwahren / that auch diß durch den Cäpio selbst dem Germanicus zu wissen / und dem Labienus schrieb er: wie schöne Wache er bey dem Ubischen Altare halten müste: daß er Priester und so vornehme Gefangene so liederlich entrinnen liesse. Labienus ward hierüber nicht wenig bestürtzt: fragte alsbald nach dem Siegesmund und Thumelich; und weil keiner zu finden war / ließ er nicht nur alle Haußgenossen des Siegesmunds in Gefängnüße sperren / sondern besätzte auch alle Zimmer / darinnen Thußnelde / Ismene und Zirolane waren / mit starcken Wachen; alle andere Gefangene wurden auch enger als vormahls verwahrt: [1129] Agrippine dorffte hierwider nichts sagen / aus Beysorge / man würde wider sie argwohnen / daß sie mit unter der Decke läge. Das deutsche Frauenzimmer ward hierüber bestürtzt / und wahrsagte ihm nichts gutes / kurtz aber darauf ließ ihnen Agrippine sagen: Sie könte sich ihrer nicht mehr annehmen / nach dem sie hinterrücks ihrer mit dem meineydigen Siegesmund gepflüget / und durch Wegspielung Thumelichs die ihnen vergönnete Freyheit mißgebraucht hätten. Das Geschrey machte ihnen auch unverlängt kund: daß Siegesmund und Thumelich mit drey andern Deutschen zu Antonach gefänglich wären einbracht worden. Beydes ward ihnen ein Donnerschlag im Hertzen / und eine Ursache des erbärmlichsten Wehklagens. Thußnelde fiel hierüber in eine hitzige Kranckheit / so / daß auch fast iederman ihr verlohren gab. Germanicus befahl; daß so wol die Gefangenen vom Ubischen Altare / als Siegemund und Thumelich nebst Hermengarden und denen zwey Chaßuariern von Antonach nach Meyntz gebracht werden musten. Alle wurden genau befragt. Siegesmund konte nicht leugnen; daß er den Thumelich hätte entführen wollen; er entschuldigte es aber mit der Hefftigkeit seiner grossen Liebe / indem er dadurch Thußnelden / durch Thußnelden aber Zirolanen zu gewinnen gehofft hätte. Weil nun Germanicus alles an Tiberius berichtete / schrieb Siegesmund an Sentien: Sie möchte durch den Sejan ihn aus diesem Ungewitter erretten / und theils die Hefftigkeit seiner Liebe / welche die Menschen offt ihrer Vernunfft beraubte; theils: daß Thumelich nicht der Römer / sondern sein eigener Gefangener gewest wäre / fürschützen. Segesthes beschwur sie auch bey ihrer Liebe: sie wolte das eusserste thun / und verhüten: daß er durch Beschimpfung seines Sohnes nicht ins Grab / die Römer aber nicht in übelen Ruff versätzt werden möchten / als wenn sie eines Vaters Verdienste dem Sohne nicht liessen zu statten kommen. Sentia sparte weder Müh noch Geschencke / wendete auch alle Künste an: daß Tiberius von seinem erstern Vorsatze den zweymahl abtrünnigen Siegemund zu tödten möchte gebracht werden. Sejan und Salustius brachten es auch endlich so weit; daß Tiberius an Germanicus schrieb: dem Siegesmund solte das Ubische Priesterthum des August genommen / hingegen des Drusus zu Meyntz gegeben werden / und zur Straffe seiner unzeitigen Erbarmnüs solte er selbst den Thumelich dem Drusus zum Opffer schlachten. Die Sorge dieser Vollziehung vertraute er absonderlich dem Apronius. Sentia schrieb Siegesmunden diesen Schluß als eine freudige Zeitung zu; und ermahnte ihn: daß er durch desselben willige Befolgung die herrliche Gelegenheit des Tiberius Gnade wieder zu erwerben nicht versäumen solte. Sie vertröstete ihn auch: daß weil bey den Römern einer unterschiedene Priesterthümer haben könte / sie ihm das des Augustus mit der Zeit wieder zu wege bringen wolte; ungeachtet es bey den Römern was seltzames wäre bey solchen Jahren einem nur eines anzuvertrauen. Siegesmund hätte hierüber mögen von Sinnen kommen / verfluchte Sentien und den Tag seines Raubes / entschloß sich auch ehe zu sterben / als seiner Schwester und eines so grossen Fürsten Sohn zu ermorden. Diesen Schluß mit der bösen Zeitung machte er durch den bestochenen Kercker-Meister Hermengarden zu wissen; welche ihr hierüber die Haare ausrauffte / mit dem Kopffe wider die Wände lief / und sich erstossen hätte / wenn sie vom Kercker-Meister nicht wäre verhindert worden. Hermengarde erholete sich nach ausgeschütteter Ungedult endlich wieder / und ließ den Fürsten Siegesmund wissen: gefässelte Wölffe bissen ihnen aus Liebe der Freyheit ihre eigene Klauen ab; was wolte er sich denn hartnäckicht erweisen etwas zu versprechen / dessen Erfolg noch vielen Zufällen und Ausflüchten [1130] unterworffen wäre? Siegesmund folgte diesem verschlagenen Weiber-Rathe / stellte sich zu Thumelichs Opfferung willig an / und brachte darmit seine und Hermengardens Freylassung zu wege. Die Wahrsager sätzten hierauf einen zeitlichen Tag zu Siegesmunds neuer Einweihung an / auf welchen sie auch die Leute bereden wolten: daß Jupiter ihnen durch einen von der lincken Seite erscheinenden Blitz ein Glück-Zeichen ihres Vorhabens gewiesen hätte /ob schon das wenigste von einigen andern Menschen gesehen worden war. Denn die Einweihungen zum Priesterthume konten weder alle noch gewisse Tage geschehen / sondern die Götter musten sie gleichsam selbst hierzu erkiesen. Nach genommenem Wahrzeichen ward Siegesmund an den dem Drusus gewiedmeten Platz geführet / an welchem er entkleidet / aus Rhein-Wasser gebadet / und / weil die Geheimnüsse des Römischen Gottesdienstes nicht schrifftlich verfaßt werden dorfften / von der Verehrung des Drusus mündlich unterrichtet ward. Hierauf ward ihm ein weiß-seidener Unter-Rock angelegt / und ein von Golde und Perlen gestickter Mantel mit purpernen Aufschlägen umgegeben / auf das Haupt aber eine oben zugespitzte und mit einem güldenen halben Monden gezierte Priester-Mütze aus wöllenem Zeuge aufgesätzt. Mit diesem muste Siegesmund in ein neu gemachtes Grab steigen / und wurden über ihn etliche viel mahl durchbohrete Bretter gelegt. Auf diese brachten die Opffer-Knechte einen grossen weissen Sarmatischen Ochsen / dessen Hörner übergüldet / die Stirne gekräntzet / der Rücken mit Persischen Tapezereyen bedeckt war. Diesem zerschnitt ein Priester den Hals und die Gurgel / stach ihm auch hierauf das Messer bis ins Hertze / worvon er auf die Bretter fiel; das herausschüssende Blut aber durch die vielen Löcher auf den neuen Priester lief / welcher schuldig war nicht nur mit seinem Haupte und Leibe / sondern mit seinem Antlitze / ja mit seinen Augen / Ohren / Lippen und der Zunge das abtrieffende Blut aufzufangen. Als der Ochse nun ausgeblutet hatte / wurden die Bretter weggenommen / der von Blute über und über besudelte Fürst Siegesmund aus der Grube empor gezogen / von allen mit grosser Ehrerbietung als ein Priester des Drusus empfangen. Der ihn einweihende Priester nam von ihm den gewöhnlichen Eyd ab: daß er kein Geheimnüß des Drusischen Gottes entdecken wolte. Ihm wurden hierauf saubere Priester-Kleider angelegt / seine Haare mit einem Lorbeer-Krantze umflochten / das Haupt in ein Purper-Tuch eingehüllet / und er auf einem helffenbeinernen Stuhle zu einem prächtigen Gastmahle / bey welchem sich alle vornehme Römer befanden / getragen. Nichts war hier gesparet / sondern an allen nur ersinnlichen Kostbarkeiten ein reicher Uberfluß / welcher auch schon auf denen Priester-Mahlen bey dem noch armen und sparsamen Rome üblich / und diese keinem Gesätze / welches der Verschwendung Maaß und Ziel steckte / unterworffen waren. Sintemal sie denen Wollüsten nachzuhängen für zuläßlich hielten / wenn es nur den Göttern zu Ehren geschahe. Westwegen auch der Wahrsager Hortensius die Pfauen / andere Eyter und Geburts-Glieder von verwerffenden Schweinen und andere zur Uppigkeit dienende Gerichte auf einem Priester-Mahle zuerst auf die Taffel gebracht hat / da sonst für dem dritten Carthaginensischen Kriege niemand zu Rom einigẽ Vogel / ja keine zur Zucht noch dienende Heñe verspeisen dorffte; gleich als weñ den Göttern mit der Menschen Verschwendung und Lastern ein Dienst geschehe / und der Gottesdienst zu Vertilgung der Sparsamkeit und heilsamen Gesätze am geschicksten wäre. Dieser Einweihung ungeachtet ward doch die Opfferung Thumelichs so lange verschoben / bis das neue Gedächtnüs-Mahl des Drusus / worüber eyfrig gearbeitet ward / fertig seyn würde. Unterdessen kam auch [1131] Agrippine und Thußnelde / welche durch jener Hülffe von ihrer Kranckheit zum theil genesen war / nach Mäyntz / diese auf des Apronius Befehl /weil Sentia beym Tiberius eine Verordnung ausgebracht hatte: daß Thußnelde der Opfferung ihres Sohnes zuschauen solte. Agrippine aber kam in Meinung dieses grausame Opffer wo immer möglich zu verhindern / ungeachtet Germanicus aus hieraus geschöpfftem Verdrusse nach Trier und Mediomatricum gereiset war / unter dem Scheine das neue Kriegs Volck zu mustern und die Schatzung zu erheben. Agrippine selbst stellte dem Apronius für Augen / was die Römer und ihr Gottesdienst von Aufopfferung dieser Unschuld für einen bösen Nachklang bekommen / bey der gantzen Nord Welt aber für unaussöhnliche Verbitterung verursachen würde. Sie könte gar nicht begreiffen / was dem Tiberius mit einer handvoll Kinder-Blutes gedienet wäre. Apronius aber entschuldigte sich / und wünschte: daß ihm diese Grausamkeit vom Tiberius nicht anvertrauet worden wäre. Als aber Agrippine ihn nicht ausser Schuld lassen wolte / zeigte er ihr des Tiberius Befehl dieses Innhalts: daß / weil der Geist des Drusus einem seiner Priester erschienen wäre und zu verstehen gegeben hätte: daß er nicht anders als durch eines deutschen Fürsten Blut versöhnet werden könte / solte er an Aufopfferung des Thumelich sich keinen Menschen oder sonst was hindern lassen. Agrippine erstaunete hierüber / und fieng an: O verdammte Sentia! diese Lügen ist keines andern Menschen / als deine eigene Erfindung. Weist du nicht: daß wer wider die Warheit etwas leugt / die Götter ins Gesichte schlage? Meinest du nicht: daß du den Geist des Drusus durch solche ihm angetichtete Grausamkeit aufs ärgste beleidigest? Darfst du dich unterstehen ihn nach seinem Tode grimmiger zu machen / als er im Leben war? Ist der Geist des betrüglichen Ulysses aus der Hölle herfür kommen / und hat er dir diese teuflische Erfindung eingeblasen: daß des Drusus Geist mit des Thumelichs / wie des Achilles mit des Astyanax Blute versöhnet werden müste? denn des Drusus Geist verlanget gewiß nicht aus seinem Grabe eine solche Schlacht-Banck zu machen. Er ist gewiß aus seiner Grufft nicht gestiegen ein Kind zu verderben / welches zu erhalten sich ihrer tausend gerne vergraben würden. Ich wundere mich: daß du mit diesem Astyanax nicht auch eine Polyxena / nemlich Thußnelden / geschlachtet haben wilst! Ihr Götter! lasset mich doch erleben und sehen / wie diese Unholdin von euch ihre verdiente Belohnung bekommen werde. Weil sich nun von diesem Opffer ein grosses Geschrey weit und fern ausbreitete / kam auch vom Hertzog Arpus und Jubil ein Herold nach Mäyntz / welcher dem Apronius andeutete: daß / dafern er den unschuldigen Thumelich so grausam aufreiben würde / wolten sie ihm zum Opffer so viel tausend bey ihnen gefangene Römer verbrennen. Apronius ließ antworten: Es stünde nicht bey ihm des Tiberius Befehl zu hinterziehen. Die Catten wären daran selbst schuld / welche ihre unzeitige Rache an denen nichts fühlenden Marmeln des Drusischen Altares ausgeübt hätten. Wie möchten sie aber die Opfferung eines Kindes so empfinden / da die Deutschen nach des Varus Niederlage so viel tausend Römern wie Kälbern die Gurgel abgeschnitten hätten? die Gewonheit ihre Gefangene zu opffern wäre bey den meisten Völckern eingeführt. Themistocles hätte bey Salamine dem Bacchus drey der edelsten Persen / Lycortas bey dem Grabe des Philopämen viel gefangene Messenier die Sardinier ihre siebenzig jährige / die Celten /Geten und Scythen den hundersten / die Gothen und Einwohner des Eylandes Thute die Erstlingen / die Lusitanier aber die rechten Hände ihrer Gefangenen dem Kriegs-Gotte geopffert. Den Catten könte er nicht wehren ihre Gefangenen hin zu richten; es würde aber so [1132] denn auch dem Tiberius nicht zu verargen seyn / wenn er durch das Blut Thußneldens / und ihres neugebohrnen Sohnes / Ismenens und Zirolanens jener Geister versöhnete. Siegesmund und Hermengarde berathschlagten sich mitler Zeit: ob denn kein Mittel wäre den Thumelich zu retten; aber er ward vom Apronius so feste verwahrt: daß kein Mensch / ja Agrippine selbst nicht ihn zu sehen bekommen konte; also war Thußnelde gantz Trost-loß; / und sie würde /wie hertzhafft sie sonst war / ihr vielmahl ein Leid gethan haben / wenn nicht Ismene und Zirolane so genau achtung auf sie gehabt hätten. Dem Fürsten Flavius gieng diese Grausamkeit nicht weniger durchs Hertze. Denn ob zwar Adgandester durch seine Arglist sein und Hertzog Herrmanns Gemüther getrennet hatten; so lässet sich doch das Band des Geblütes nicht leicht derogestalt zerreissen: daß nicht eine innerliche Neigung übrig bleibe. Er eilte deßwegen nach Meyntz und mühete sich anfangs mit guten / und als diese nicht verfiengen / mit scharffen Worten den Apronius von Hinrichtung seines kleinen Vetters abwendig zu machen. Weil Apronius aber nicht zu beugen war; sondern vielmehr dem Flavius einhielt: daß er durch angemaste Hinderung dieses Opffers wider seine eigene Wolfarth stritte; weil ja / wenn Herrmann ohne Kinder stürbe / ihm die völlige Herrschafft über die Cherusker zufiele; sagte Flavius: Er begehrte durch Blut und böse Grieffe keine Herrschafft zu behaupten. Er gieng auch im Grimm und Sturme davon /nach dem er ihm gesagt: Er und andere Fürsten sähen wol: daß es auf ihre und ihrer Geschlechter Ausrottung gemüntzet wäre; und sie würden künftig ihr Thun nach einem andern Maße einrichten müssen. Siegesmund aber war gantz verzweiffelt / und ließ sich ausdrücklich heraus: daß er mit seinem eigenen Blute des Drusus Altar bespritzen wolte. Hermengarde aber redete ihm ein / und sagte: man solte niemahls / auch wenn schon alle Hoffnung verschwunden wäre / nicht verzweiffeln. Denn die Göttliche Hülffe wäre niemahls geneigter uns zu erretten / als wenn alle menschliche aus wäre. Endlich kam nun der traurige Tag herbey / an dessen Abende das grausame Opffer vollzogen werden solte; vielleicht / weil die Sonne davon hätte befleckt werden mögen. Thußnelde ließ beym Apronius Ansuchung thun: daß sie ihren Sohn noch einmahl sehen und küssen möchte / welches er aber damit ablehnete: daß Thumelich nicht mehr in seinen / sondern in der Priester Händen wäre. Worüber sie gleichsam unsinnig ward / und heraus fuhr: Grausamen Römer! unmenschlicher Apronius! wehret man doch Eltern nicht den Zutritt zu den ärgsten Missethätern / welche zum blutigen Halsgerichte geführet werden; und ihr! die ihr euch wider Recht der Gewalt des Lebens über ihn anmaßet / wollet einer Mutter wider das Recht der Natur nicht einen Kuß erlauben! Ihr setzet eure Tygerklauen ihm ins Fleisch / und ich werde von seiner letzten Umarmung ausgeschlossen! Abscheuliche Ungeheuer! aufs wenigste stehet es nicht in euer Gewalt mir zu verwehren: daß ich sterbe / und daß mein Geist seinen nach dem Tode so feste umschlüsse / als ich ihn nach seiner Empfängnüs in meiner Schoß / nach der Geburt in meinem Hertzen beschlossen habe. Hiermit sanck sie aus einer Ohnmacht in die ander / daß man an ihr genung zu reiben und zu kühlen hatte. So bald es nun begunte finster zu werden / schickte Apronius drey Senfften mit einem Hauptmanne und dreyhundert Kriegs-Leuten zu Thußnelden / sie mit Ismenen und Zirolanen zu des Drusus Altare zu tragen. Thußnelde / an welcher man den gantzen Tag wenig Leben verspüret hatte / richtete / als man ihr ihre Abfordrung andeutete / entrüstet auf / und ließ ohne Verlierung eines Wortes sich dahin bringen. Kurtz darauf brachten die Priester des Drusus auf einem güldenen Sieges-Wagen den mit Rosen gekräntzten und schneeweiß [1133] gekleideten Thumelich zwischen vielen mit Zitron-Zweigen umflochtenen Fackeln geführet. Er sahe sich zu aller Menschen Verwunderung so freudig um / als wenn er in einem Sieges-Gepränge führe. Diesem folgete der neue oberste Priester Siegesmund in einem langen weissen Mantel mit einem Lorber-Krantze / und hierauf eine Menge Priester / welche die Opffer-Geschirre trugen. Weil diese nun das erste Feuer auf dem neuen Altare zu machen beschäfftiget waren / näherte sich Thußnelde dem nun vom Wagen gehobenen Thumelich / umarmte und küssete ihn mehr als tausendmahl. Unter dem zuschauenden Volcke war fast niemand /der nicht über so traurigem Schauspiele Mitleidungs-Thränen vergoß / und das jedermann ankommende Schrecken versteinerte sie gleichsam: daß sie sich weder rührten noch redeten. Etliche allein murreten und fragten die nechsten Priester / mit was Rechte man einen schneeweissen Knaben an statt der kohlschwartzen Schaafe / welche sonst denen verstorbenen geschlachtet würden / opffern könte? Bey diesem Stillschweigen fieng Thußnelde ziemlich laut an zu reden: du sollst sterben! hertzliebster Thumelich! wie frühzeitig wäre es für dich / weñ nicht alle Menschen zeitlicher zu sterben anfiengen / als sie gebohren werden! Wie unglückseelig wärest du / wenn jemand nicht stürbe / und der Tod nicht ein allgemeines Gesätze der Natur / ja fast ihre beste Erfindung wäre! weil aber dein Tod gewaltsam ist / würde mein Hertze nicht genungsame Dünste ausdampffen und denen Augen zu Gebährung der Thränen zuschicken können / wenn ich nicht wüste: daß dein Tod zwar wider die Natur / nicht aber das Verhängnüs wäre. Wenn dieses nicht beystimmt / kan uns weder das Glücke unter den Grauß seiner Abstürtzungen graben / noch ein Feind uns ein Haar krimmen. Diß alleine vermag deinem Tode und meinem Schmertze alle Bitterkeit; weder ich noch du aber dem Schlusse des Himmels etwas von seiner Härte zu benehmen / wenn wir unsere Seele schon durch die Augen ausweinten. Du must also sterben! ich wil es nicht nur geschehen lassen / sondern ich bin gezwungen zuzusehen. Könte einer Mutter wol was grausamers aufgebürdet werden? Solte diß nicht die Unempfindligkeit selbst mürbe machen? Solten nicht alle meine Sinnen Zunder zu meiner Verzweiffelung beytragen? nach dem der sinnreichste Witterich in der Welt mich nicht zu einer grausamern Nothwendigkeit hätte zwingen können! Man verbindet den Ubelthätern die Augen: daß sie ihres Streiches nicht gewahr werden; die Richter enteusern sich der Verdammten Hinrichtung anzuschauen; der Mutter aber sperret man mit Gewalt die von Angst gebrochenen und schon von dem Vorschmacke des ewigen Schlaffes zugefallene Augen auf: daß diese so wol durch Anschauung eines solchen Greuels / als das Hertze durch Wehmuth mit sterben müsse. Warum tödtet man aber mich nicht für dich / oder zum wenigsten mit dir? Wie glückseelig wäre ich / wenn mein Tod ein Löse-Geld deines Lebens seyn könte! Aber nein! Thußnelde soll aus Verzweiffelung / Thumelich als ein aufgeputztes Opffer-Vieh sterben! Aber nein! der Schmertz hat keine solche Botmäßigkeit über meine Vernunfft / als die Römer über unser Leben. Die Verzweiffelung ist das ärgste Ubel / und sich selbst verletzen die gröste Narrheit unter allen. Wie glückseelig bin ich in meinem Unglücke! wie schön bist du in deinem Tode; daß dir unsere Todfeinde keine Schellen und Kennzeichen der Ubelthäter haben anhencken können! Niemand scheuet sich durch deine Anrührung verunreiniget zu werden. Die selber / welche dich zum Tode verdammen / müssen nicht nur in ihrem Gewissen dich loßsprechen / deine Unschuld mit Blumen krönen / und dich auf ihre heiligen Altäre heben. Ein so herrliches Vorrecht hat die Tugend: daß sie ihre eigene Feinde verehren / aber auch fürchten[1134] müssen. Die Thaten deines grossen Vaters haben verursacht: daß die Römer dich schon in der Wiege / wie die Schlangen den Hercules gefürchtet haben. Aus deines Vaters Klauen machen sie einen Mäßstab deiner künfftigen Wercke. Wenn ihr Römer aber auch noch nicht alle den grossen Herrmann hättet kennen lernen / köntet ihr schon von diesem unerschrockenen Knaben / wie die Baumeister aus einem kleinen Muster / die Zwerge aus dem Nagel des Daumens oder einer Zehe / die Grösse des Cyclopen / Herrmanns Riesen-Maaß nehmen. Du hast länger nicht wachsen dörffen. Eine Aloe wird in einer Nacht grösser / als Isop in hundert Jahren. Daher müssen dich deine Feinde als einen zarten Aufschüßling austilgen / weil sie nach deinem Wachsthume dir nicht gewachsen zu seyn trauen. Ja die Geister ihrer verstorbenen Helden sollen für dir Sorge getragen haben; und weil sie dich im Leben zu einem heiligen Opffer verlangen / werden sie dich nach dem Tode vergöttern müssen. Stirb also Thumelich! stirb! du hast in deiner Kindheit schon / mehr Ruhm erworben / als ihrer tausend nicht ihr Lebtage. Aber ich sehe wol: daß du so wenig der Ermahnung / als der Bejammerung von nöthen habest. Dein Antlitz hat in sich nicht das kleineste Merckmaal eines Sterbenden; deine Freudigkeit aber ist ein Sieges-Zeichen über alle menschliche Schwachheiten / über deine mächtige Feinde / ja selber über den Tod. Dieser hat für dir schon die Waffen / nemlich seine Schreckligkeit weggeworffen. Deine Feinde schämen sich ihres Todes-Urthels und ihrer Zaghafftigkeit; weil sie dir nichts übels nachreden können / und als ein Kind dich fürchten oder als einen Unschuldigen beweinen müssen. Siehest du nicht /wie allen Zuschauern die Thränen über die Wangen rinnen? nur ich und du haben trockene Augen. Ich /weil ich an dir nichts böses zu beweinen finde; du /weil du in deiner Kindheit wie ein Mann stirbst / dein Ruhm aber alle deine Feinde überleben / und also dieses Grab künfftig mehr dein / als des Drusus Ehren-Mahl heissen wird. Alles dieses redete sie ohne Verschwendung einer einigen Thräne / ohne den wenigsten Seuffzer; gleich als hätte sie alle Eigenschafften einer Mutter ausgezogen; so daß nicht nur die Römer / sondern Ismene und Zirolane selbst darüber / ihrer noch mehr aber über Thumelichs Unempfindligkeit erstarrten; welcher mit so freyem Gesichte als freudigen Gebehrden Thußnelden antwortete: Ich wil / liebste Mutter / behertzter den Streich empfangen / als ihn mir der Priester geben wird. Wäre es mir besser lange zu leben / würde mir das Verhängnüs nicht ein so kurtzes Ziel gesteckt haben. Viel wären glücklich zu preisen / wenn sie ehe gestorben wären / und ich zweiffelsfrey unglücklich seyn / wenn ich länger lebte. GOtt gebe aber ihr: daß sie so wol hundert Jahr leben möge / so vergnügt ich heute zu sterben gedencke. Hierauf gaben sie einander den letzten Kuß / und schieden von sammen. Thußnelde verfügte sich zu Ismenen / Thumelich gieng behertzt zum Altare / wo ihm die Priester die Stirne und Schläffe / die Hände und Füsse mit geweihetem Rheinwasser abwuschen. Siegesmund nam ihn hierauf in den mit vielen Eypreß-Zweigen umflochtenen Umschrot des Altares; und nach dem er sich darinnen dreymahl biß zur Erde gegen das Altar nieder gebückt hatte; also / daß man ihn nicht sehen konte / streute er ihm weisses Mehl und schwartzes Saltz aufs Haupt. Nach diesem schnitt er ihm die Haare ab / und warff sie ins Feuer / hernach band er ihm Hände und Füsse hinter dem Rücken zusammen / hob ihn also auf das Altar / hieb ihm mit einem Beile von hinten zu das Haupt ab / und warff es in das lodernde Opffer-Feuer. Das aus dem Leibe sprützende Blut fiengen die andern Priester in güldene Schalen auf / besprengten damit die Hörner und Pfosten des Altares / das übrige gossen sie in die Flamme; welche nunmehr mit [1135] Weyrauche / Oele /wolrüchendem Hartzte und Holtze erfrischet ward. Nach dem sie auch die Eingeweide erforschet hatten /verbrennten sie vollends den Leib. Kein Mensch sahe dieser Opfferung zu / welchen nicht dieses edlen und unerschrockenen Opffer-Thieres jammerte / ja den Apronius selbst; also / daß sich durchgehends ein erbärmliches Wehklagen erregte. Ismene und Zirolane hoben bey dem Streiche überlaut an zu schreyen /Hermengarde fiel beym Altare ohnmächtig zu Bodem; Thußnelde aber erstarrete; und war einem Marmel-Bilde ähnlicher als einem beseelten Menschen. Dem Priester Siegesmund fielen so viel Thränen aus den Augen: daß er darmit ein Theil des Opffer-Feuers hätte ausleschen können; ja er war etliche mahl so verwirrt: daß er nach einem Opffer-Messer grief / und es ihm in Leib gestossen hätte / wenn er nicht von einem seiner getreusten Chassuarier abgehalten / und sich zu besinnen erinnert worden wäre. Mit einem Worte: es hätten zwey oder drey Timanthes alle ihre Mahler-Kunst und Stellungen der Traurigkeit erschöpffet / und mehr als einen Agamemnon verhüllen müssen / wenn er diese viel erbärmlichere Opfferung /als die die Iphigenia war / hätte für bilden wollen. Jederman schied bestürtzt von dannen / und die Wolcken schütteten einen heftigen Platz-Regen aus; gleich als wenn sie zugleich eines so unschuldig-hingerichteten Kindes Tod hätten beweinen / oder ein solch ärgerliches Opffer-Feuer ausleschen wollen. Thußnelde kam mit Ismenen und Zirolanen nach Hause / allwo sie Agrippinen / welche dem abscheulichen Opffer nicht hatte beywohnen wollen / sich aber gleichwol unbekandter Weise dahin tragen lassen / vor sich fand / um diese unglückliche Mutter zu trösten / und sich zu entschuldigen: daß sie diesen herben Unglücks-Becher nicht hätte abwenden können. Aber Thußnelde hatte mehr weder Gehöre noch Vernunfft. Denn weil sie bey der Opfferung durch Versteinerung ihres Hertzens die Röhren des mütterlichen Schmertzes verstopfft hatte / brach er nunmehr / da er in ihrer Einsamkeit Lufft kriegte / mit desto grösserem Ungestüme heraus. Ihr Antlitz war ein rechter Schau-Platz der tiefsten Traurigkeit; das Hertze schlug nicht öffter / als es Widerschalle einer beängsteten Seele von sich gab; und also fand Agrippine zwar bey ihr Gelegenheit sich zu betrüben / aber Thußnelden keinen Trost beyzubringen. Sie brachte die übrige Nacht und den halben Tag mit eitel seltzamen Reden zu / welche eine gäntzliche Verrückung des Verstandes andeuteten. Endlich fiel sie in einen Schlaff / oder vielmehr in Ohnmacht. Nach dreyen Stunden aber fuhr sie auf /und fieng an: Helffet mir doch weinen! denn ein solcher Strom voll Blutes darff zu seiner Abschweiffung mehr Wasser / als zwey Augen austhränen können. Jedoch auch die Thränen sind keine taugliche Lauge ein so grosses Hertzeleid aus meinem Hertzen zu beitzen. Helffet mir also viel mehr: daß ich sterbe! weil ich zu leben mehr keine Lust / noch für mich selbst zu sterben genungsame Kräffte habe. Erbarmet euch doch mein! und seyd durch Verschrenckung des Todes gegen mich nicht unbarmhertziger / als Tiberius gegen meinen Thumelich. Es ist doch kein beschwerlicher Unvermögen / als sterben wollen / und nicht können; nichts beschwerlicher als das Leben /dessen man überdrüßig ist. Ismene und Zirolane sucheten alle ihre Scharfsinnigkeit die beweglichsten Freundschaffts-Bezeugungen herfür Thußnelden ein wenig zu hesänfften / und sie zu bereden: daß wie sie bereit gewust hätte der Nothwendigkeit zu gehorsamen / sie auch nunmehr der Vernunfft zu folgen sich entschlüssen solte! die bedrängte Tugend wäre ja fähig sich unmöglicher Dinge zu unterfangen / die Gedultige alles unerträgliche auszustehen. Aber sie blieb auf ihrer Meinung; ihre Tröster solten ihr Handlanger des Todes seyn. Denn / sagte / [1136] sie / mein zeither mehr mit Dörnern als Rosen ausgeflochtenes Leben dienet mir schon zum Wahrsager meines künfftigen Unglückes / und zur Nachricht: daß nichts als der Tod das Ende meines Elendes seyn könne. Ich habe mir schon bey vielen Zufällen eingebildet: daß kein Mensch oder zum wenigsten ich unglücklicher werden könte / der gestrige Tag aber hat mir gewiesen: daß die Sonne zwar nicht über den Thier-Kreiß /kein Adler über die Wolcken / aber das Unglück gar leicht über unsere Gedancken steigen könne. Ja es scheinet mit unglücklichen Menschen nicht anders /als mit einer rundten Kette beschaffen zu seyn / daß ein Unfall eben so / wie ein Ketten-Glied an dem andern hange / und nirgends kein Ende zu finden sey. Mein Verhängnüs hat mich zeither gleichsam bezaubert: daß weder meine Vorsicht noch meiner Freunde und Rathgeber Klugheit einen einigen Streich des erzürnten Himmels von mir haben ablehnen können. Mein Hertze sagt mir es gleichsam: daß mein Unstern noch nicht die Helffte seines Lauffes vollendet habe. Ein Schiffbruch / ein Unfall / eine Abstürtzung hat der andern die Hand gegeben; was ich für das Ende alles bösen gehalten / ist nur desselben rechter Anfang gewest / damit ich ja niemahls als mit dem Tode aufhörte unglücklich zu seyn. Das gestrige Ubel werdet ihr selbst zweiffelsfrey / noch mehr aber die / welche die zarte Empfindligkeit der Mutter-Liebe verstehen / für unermäßlich erkennen. Denn das durch Thumelichs Hals gegangene Beil hat mir mein Hertze zerschnitten. Aus seinen zerschnittenen Adern ist mein Blut geflossen / und sein Tod hat mich meines Lebens beraubet; aber diß Unglück ist doch nicht so groß: daß mir nicht noch ein grösseres zustossen könte. Denn das Elend wächst / ie weiter es laufft / wie die Flüsse / und vergrössert seine Krafft / ie tieffer es zu fallen hat. Die vergangene Nacht kan zwar keine Kohle schwartz genung abbilden; die meines Todes kan so finster nicht seyn. Sie ist die letzte meines liebsten Sohnes / aber die erste meiner Verzweiffelung gewest. Also habe ich in meinem Leben keine Ruh /sondern nur im Grabe zu hoffen. Thumelich fühlet zwar wol nicht mehr seine Wunden / aber ich seine Schmertzen! So offt als ich an das blutige Schauspiel dencke / verliere ich meine Vernunfft; und ich werde nicht aufhören zu sterben / biß ich mein Leben eingebüßt habe. Ich bin auch der betrübten Ruh nicht fähig / in die man nach einer grossen Müdigkeit fällt / weil mich alle Stunden ein neues Unheil oder ein schrecklicher Traum aufwecket. Ja weil mich mein Unglücke so sehr verfolgt / bin ich bekümmert: ob selbtes mit meinem Leben aufhören / oder nicht noch ein neues wie ein junger Phönix aus meiner Todten-Asche werde lebendig werden. Uber diesen Worten kam Hermengarde in ihrer nun angenommenen Frauen-Tracht in das Zimmer / und fieng an: Es ist freylich was seltzames / aber doch nichts unmögliches: daß man das alte Wesen aus desselben Asche herfür bringe. Sie mäßige also / Thußnelde / ihren Schmertz /oder vielmehr / wo ich ohne ihre Gefahr ihr was gutes sagen darff / ihre Freude. Thußnelde sahe Hermengarde starck an und über eine weile sagte sie: du must wol nicht wissen / was eine Mutter / weniger was Thußnelde sey / wenn du dir träumen läßt; daß mein Hertze sein Lebtage ein Gefässe der Freuden werde abgeben können. Hermengarde fiel ein: Es ist in ein trauriges Hertze durch gute Botschafft einen freudigen Geist einzugiessen nicht weniger unmöglich / als daß aus dem mit stetem Eiß bedeckten Berge Hecla Feuer-Flammen fahren. Thußnelde antwortete: Schweig /schweig / Hermengarde! Mein Hertze ist von Traurigkeit durch und durch gefroren / und kein Sonnenschein des Glückes wird selbte mein Lebtage aufthauen. Hermengarde versätzte: Ach! Thußnelde / wie ungleiche kan ihm der Mensch werden! Welch eine Beschwererin ist [1137] die Natur! welch ein Zauber-Gärthe das Glücke. Es zernichtet im Augenblicke alles Ubel; es treibet alle Finsternüß aus dem Verstande / alle Beschwerligkeit aus dem Hertzen; es erhebet uns über uns / verwandelt uns in andere Menschen oder vielmehr zu kleinen Göttern. Dieses alleine ist wahrhafftig das beruffene Kraut Nepenthes / welches auch eine verzweiffelnde Niobe nach Verlust aller ihrer Kinder freudig machen kan. Thußnelde brach ein: der grausame Raub meines einigen Thumelichs ist mir mehr /als andern Müttern der Verlust hundert Kinder. Auf der Welt ist ja nichts / welches mir ihn gleichgültig ersetzen kan. Hermengarde begegnete ihr: Aber er selbst ist ja eine vollkommene Ausgleichung. Thußnelde fieng an: Ich weiß nicht: ob du meines Ja ers noch spottest / oder du mich als eine träumende äffest. Bistu alleine / die du mit einer verzweiffelnden Mutter nicht Mitleiden haben kanst? Hermengarde antwortete: Niemand hat vielleicht noch in der Welt mit einer Bekümmerten hertzlicher Mitleiden gehabt /als ich mit Thußnelden; und wie könte ich dir bessern Beweiß bringen / als daß ich ihr für ihren verlohrnen Thumelich einen andern Thumelich geben wil. Thußnelde versätzte: Nun sehe ich: daß du selbst nicht bey Si en bist / in dem du in deinen thu en Gedancken einen Menschen / wie Jupiter in seinem Gehirne eine Pallas zeugest. Bildest du dir ein Orpheus zu seyn / welcher aus dem Lande der Todten verstorbene zurück holen kan? Führet sie doch von mir weg: daß sie durch ihren Wahnwitz nicht meinen Schmertz vergrössere. Wolte Gott! sagte Hermengarde / daß alle Wahnwitzige so viel Kräffte hätten Betrübte zu erfreuen / als ich. Aber ich muß meiner Begierde sie zu vergnügen / und der Frühzeit ihrer Freude was abbrechen: daß ich Thußnelden nicht mehr schade als nütze. Denn die Hefftigkeit dieser Gemüths Regung nimt dem Menschen alle Bewegung / hemmet ihm die Sinnen / erstecket die natürliche Wärbde aus; ja raubet zuweilen denen / welche den Lauff ihrer Freude nicht hemmen können / gar das Leben. Thußnelde fieng an: Ich weiß nicht / wie ich mit Hermengarden daran bin? ob ich mit einem alberen / oder klugen Menschen rede? Hermengarde versätzte: Es ist nicht so wol zu sehen / von wem / als was geredet wird. Sie lasse sich vergnügen: daß ich ihr was gutes sage / und noch was bessers / nemlich einen andern Thumelich geben wil. Wil sie denn die / welche ihr ein so herrlich Geschencke anbeut / allererst rechtfertigen? Ach! Hermengarde / fiel Thußnelde ein: Meinestu nicht: daß du durch ein Gemählde meines ermordeten Sohnes mir mehr die Wunden aufreissen als verbinden werdest? Hermengarde sagte: Ich wil ihr keinen gemahleten / sondern einen lebenden Thumelich überlieffern / wo du ihn nur verlangest. Thußnelde antwortete: Es ist eine so grosse Thorheit was unmögliches verlangen / als solches versprechen. Hermengarde begegnete ihr: Es ist aber eine desto grössere Kunst / und bringet so viel mehr Ehre etwas leisten / was andere für unmöglich halten. Kan man Blumen aus ihrer Asche verjüngen / warum nicht auch Menschen? Thußnelde brach ein: Ich höre wol / du wilst mich durch Zauberey / oder durch Spiegel bländen. Nein / nein! Ich mag weder von diesen Künsten was hören / noch kan ich mich mit Schatten oder einem falschen Lichte vergnügen. Hermengarde versätzte: Sie zweiffele doch nicht: daß ich ihr ihren wahrhafften Sohn in ihre Hände gewehren wil. Thußnelde antwortete: vielleicht seine Asche / und die Uberbleibungen seiner verbrennten Gebeine? diese können die Stelle meines Sohnes nicht ersätzen / und sie werden mein Hertzeleid nur noch bitterer machen. Aber gib sie mir doch: daß ich sie mit meinen Thränen befeuchte / in meine Schoß verwahre / oder sie durch mein Geträncke in meinen Leib begrabe: daß kein Wütterich nicht noch etwan sie in die Lufft oder ins Wasser schütte: Hermengarde [1138] sagte: Ich wil ihr keine Gebeine / keine Leiche / keinen Schatten / kein Bländwerck / kein Gemählde / kein Gespenste / sondern einen lebenden Thumelich lieffern. Hiermit gieng sie aus dem Zimmer / brachte etwas verhülltes mit sich hinein / welches nach Hinwegnehmung des Tuches den Thumelich wahrhafftig zeugte; welcher zu Thußnelden eilte / für ihr auf die Knie niederfiel / ihr die Hand küste und sagte: Ich lebe / liebste Mutter /damit sie ja meinet wegen nicht sterbe! Thußnelde /Ismene und Zirolane erstarrten über diesem Anblicke / und wusten nicht wie ihnen geschahe. Insonderheit vergaßen an Thußnelden alle Sinnen ihres Amptes; die Augen standen unbeweglich / ja alle Lebens-Geister hemmeten ihre Würckungen / und endlich sanck sie ohnmächtig auf ihr Bette nieder. Also hat übermäßige Freude mit grosser Bestürtzung einerley Würckungen. Hermengarde / welche die seltzame Eigenschafft dieser Gemüths-Regung wol verstand / und diesen Zufall vorgesehen / auch destwegen so viel Vorredens vom Thumelich gemacht hatte / war schon mit dienlichen Mitteln versehen / dadurch sie Thußneldens Ohnmacht geschwinde / und ihr wieder zurechte halff. Denn die Freude hat in- und bald nach ihrer Geburt die gröste Stärcke; und die Zeit schwächet und mindert sie gleichsam von einem Augenblicke zum andern. Sie sperrete also die Augen auf / warff sie auf den für ihr knienden Thumelich / und fieng mit einer schwachen und zitternden Stimme an: Mein Sohn! bist du es? oder träumet es mir? In alle wege /antwortete er. Ich bin der leibhaffte Thumelich. Lebest du? oder bin ich verblendet? hob Thußnelde abermahls an. Ja / ja / sagte er / ich lebe. Sie hingegen: Wer hat dich denn dem Tode aus den Klauen gerissen? Thumelich versätzte: Unsere allertreueste Hermengarde. Hierüber umfaßte Thußnelde ihren Sohn /und konte sich an seinen Küssen nicht ersättigen. Und da sonst Furcht und Traurigkeit die Leute stu ; Freude / Zorn und andere Regungen aber / welche sich mit dem Guten armen / das Ubel aber antasten / beredsam macht / so hatte diese Ergetzligkeit Thußneldens Zunge derogestalt gebunden; oder sie hatte sich im Küssen so verlohren: daß sie lange kein Wort aufbringen konte. Auf ihrem Munde vermählte sich Lächeln und Traurigkeit / in ihren Augen Anmuth und Thränen / und ihr nun wieder lebendig werdendes Hertze stieß einen Seufftzer nach dem andern aus; gleich als wenn keine Ergetzligkeit in der Welt vollkommen seyn könte / sondern jede sich mit Freuden anfienge oder endigte. Ismene und Zirolane blieben nichts weniger auf einem solchen Scheide-Wege des Traurens und der Freude; daher unterließ Hermengarde nicht sie aufzumuntern und zu ermahnen: sie möchten doch die trüben Wolcken aus ihren Augen und Hertzen vertreiben. Man müste eine fröliche Stunde mitnehmen /und das Unglück zuweilen mit dessen Vergessung oder mit denen sich zeigenden Sonnen-Blicken verzuckern. Wäre ihre itzige Freude gleich unvollkommen / indem sie noch in ihrer Gefangenschafft bestrickt wären; so müste man doch hoffen: daß GOtt /welcher dem Thumelich die Schlösser des Todes zerbrochen hätte / noch leichter die Fessel der Dienstbarkeit zerwürgen könte. Die Sonne wäre nicht frey von Flecken und Finsternüs / und dennoch die nützlichste und behäglichste Sache der Welt: also müste die noch übrig gebliebene Düsternheit die Vergnügung ihrer Freude nicht entziehen. Denn diese wäre das Licht alles andern guten; und wenn man alle Freude vom Leben wegnehme / würde nichts als Schrecken und Verwirrung übrig bleiben. Unser Leben würde ein unaufhörlicher Lauff des bösen / nicht der Jahre / unsere Sinnen Pforten des Schmertzens / keiner Erkäntnüs /ja die Wissenschafft selbst eine Anfechtung der Gemüther / und die Tugend eine beschwerliche Dienstbarkeit seyn. Also möchten sie doch ihrem Hertzen durch eine kleine [1139] Freudigkeit die benöthigte Stärckung beybringen / sonder welche die Seele kranck /alles gute ohne Licht und Werth wäre. Hierüber erholete sich endlich Thußnelde: daß sie von ihrem Sohne abließ / Hermengarden umarmte / und nach etlichen Küssen und Ausdrückungen ihrer Verbindligkeit /daß sie durch Wiedergebung ihres Sohnes ihr zugleich das Leben geschenckt hätte / bat: sie möchte ihr doch das Wunderwerck / wie sie ihren zerfleischten und verbreñten Sohn wieder lebendig gemacht hätte / entdecken? Sie hätte allemahl für Getichte gehalten: daß der in einer Schlacht gebliebene Eris Pamphilius nach zehn Tagen / als man ihn auf einen Holtzstoß gelegt / und das Weib / von welchem Heraclides Ponticus ein absonderlich Buch geschrieben /nach dreißig Tagen / wie auch Aristäus und Thelpesius solten lebendig worden seyn. Nachdem aber ihr zu Asche gebrennter Sohn wieder lebte / würde sie andere Gedancken fassen müssen. Hermengarden flossen bey dieser Frage die Thränen häuffig aus den Augen / und sie sagte: Es hätte mit Thumelichen eine gantz andere Bewandnüs. Es wäre ihr aber seine Errettung fast leichter gewest / als ihr itzt dessen Erzehlung fallen dörffte. Gleichwol aber wolte sie sich mühen ihnen hiervon nichts zu verschweigen. Sie hätte zwar alle Mittel in der Welt versucht den jungen Thumelich aus den Händen des Apronius zu spielen; nach dem aber alles vergebene Arbeit gewest wäre /hätte sie den Bau des Drusischen Heiligthums betrachtet / und befunden: daß das Altar hol und gewölbet wäre / und darinnen etliche Opffer-Geschirre verwahret würden. Diese Beschaffenheit schien mir eine beqveme Gelegenheit zu seyn einen grossen Menschen / noch vielmehr aber einen Knaben darunter zu verstecken / welcher bey der Opfferung mit dem Thumelich leicht könte verwechselt werden. Dessen Einrichtung aber schien ein Werck von grosser Schwerigkeit zu seyn. Ich verfügte mich also zum Fürsten Siegemund / welchen ich in einer halben Raserey und in noch beständigem Vorsatze antraf sich bey dem Altare des Drusus selbst zu opffern. Ich hielt ihm aber ein: daß sich zwar Gifft mit Giffte heilen / aber das Laster der Grausamkeit sich durch das der Kleinmüthigkeit nicht auswetzen ließe. Sich selbst aber hinrichten wäre die gröste und schändlichste Zagheit in der Welt. Wenn er mir aber an der Hand stehen wolte /traute ich dem Thumelich das Leben / ihn aber frey von beyden Lastern zu erhalten. Siegemund umhalsete mich und versprach mir in allem zu folgen / und mir zur Danckbarkeit die Botmäßigkeit über sein gantzes Leben einzuräumen. Hierauf sagte ich ihm: daß ein ander Knabe / den ich ihm schon liefern wolte / unter dem Altare versteckt / und mit dem Thumelich verwechselt werden könte. Er solte sich nur um einen getreuen Menschen bekümmern / der den andern Knaben dahin ins geheim brächte. Siegemund fieng an zu wancken / und sagte: Er könte so wenig eines andern unschuldigen Kindes / als Thumelichs Mörder seyn. Ich aber hielt ihm ein: daß nicht alle Tödtungen unrecht wären; denn sonst würde er auch im Kriege nicht haben den Degen zücken können. Siegemund antwortete: Es liesse sich von offenbaren und sich wehrenden Feinden auf unschuldige Kinder keinen Schluß machen. Ich versätzte: dieser Knabe den ich ihm verschaffen wolte / würde für den Thumelich willig sterben; was einer aber mit Willen litte / wäre kein ihm angethanes Unrecht. Siegesmund brach mir ein: Unmündige Kinder hätten keine Gewalt über ihr Vermögen / weniger über ihr Leben; ja auch gar kein erwachsener Mensch kan sein Leben jemanden verpfänden / weniger ihm selbst nehmen. Ich sätzte ihm aber entgegen: daß diß in alle wege für das Heil des Vaterlandes zu thun nicht nur zuläßlich / sondern rühmlich wäre. Was könte er aber Deutschlande nützlichers thun / als wenn er den jungen Thumelich eines [1140] so grossen Fürsten Sohn / eine so grosse Hoffnung des Vaterlandes durch seinen Tod erhielte? Wordurch ich denn endlich mit grosser Noth Siegemunden zur Einwilligung brachte; welcher aber keinem Menschen als mir die Versteckung eines andern Knabens unter das Altar anvertrauen wolte. Damit auch solches desto sicherer geschehen könte / ließ er um den Fuß des Altares einen steinernen Umschrott / und für die Höle eine eiserne etwas durchbrochene Thüre machen. Um Mitternacht vorher verfügte ich mich in Gestalt eines weissen Gespenstes / zu welchem Scheine ich denn eine glüende Kohle zwischen die Zähne nam / mit dem zum Opffer wahrhafftig erkieseten / und zwar nach der Gewohnheit bekleideten / aber mit einem weissen Tuche verhüllten Knaben dahin / schloß ihn in die Höle des Altares ein / gab dem Fürsten Siegemund den Schlüssel und alle Nachricht; welcher ihn hernach heraus nam / und statt des darunter versteckten Thumelichs opfferte. Ich aber habe umb Mitternacht dieses edle Opffer aus seinem Kercker erlöset /und niemanden sicherer als seiner Mutter einzuliefern gewüst. Hilf Himmel! fieng Thußnelde an zu ruffen; wer kan in der Welt sich an Treue und Klugheit Hermengarden gleich achten! Aber wer ist dieser aufgeopfferte Knabe gewest / und wer hat ihn beredet: daß er ohne Widersätzligkeit sich dem grausamen Opffer-Veile unterworffen? diese Frage gieng Hermengarden durchs Hertze: daß sie aufs neue eine hefftige Wehmuth überfiel. Nach vielen Seufftzern und Thränen fieng sie an: Ich weiß nicht / ob ich es sagen darf / und wie ich es gegen meinen Ehmann dem Grafen von Hanau verantworten werde: daß ich seinen und meinen Sohn / welchen ich durch einen getreuen Catten zu dem Ende hieher beruffen / dem Drusus habe abschlachten lassen. Alle Anwesenden erblaßten über dieser Zeitung. Thußnelde aber fieng an: O grausame / oder vielmehr unsinnige Mutter! welch Tyger /welche Schlange tödtet / was sie selber gebohren /außer dem ungeheuren Crocodil / der ein Theil seiner Jungen frißt? Welche Liebe ist über Mutter-Liebe? Welche Grausamkeit aber über deine? O unglücklicher Thumelich! daß dich zu erhalten eine so edle und tugendhaffte Mutter zur Kinder-Mörderin werden müssen! O unbarmhertziger Siegesmund! wie hast du deine Hände in so unschuldigem Blute waschen können? O grausames Verhängnüs! wie daß du denn mir alle Glückseeligkeiten gleichsam nur im Traume zeigest / und sie geschwinder als einen Schatten verschwinden läßt? Wie sehr hast du mir schon die Errettung meines Sohnes durch den Verlust seines unschätzbaren Lösegeldes verbittert! Als Hermengarde Thußnelden also wehklagen hörte / verhärtete sie ihr Hertze / entschüttete sich aller Empfindligkeit / und fieng an: Sie irret / holdseelige Thußnelde! denn wie hätte meines Sohnes Blut und Leben köstlicher / als für Deutschlandes künfftiges Heil angewehret werden können? Viel Mütter hätten zu Carthago ihre Kinder /Misa der Moabiter König seinen Sohn bey sich ereignender Noth geopffert; da sie doch nicht gewüst: ob ihre abergläubische Andacht sie das geringste helffen würde. Ihr Sohn aber wäre versichert gewest: daß sein Tod den jungen Fürsten Thumelich dem Vaterlande zum besten erhalten würde. Diesemnach er auch ohne einiges Bedencken und mit Freuden dieses Glücke zu sterben annam / und mir danckte: daß ich an seiner Hertzhafftigkeit nicht gezweiffelt hätte. Ismene fiel ein: O der unvergleichlichen Tugend dieses Knaben! welcher in seiner Kindheit sich zum grösten Helden der Welt gemacht hat! Carthago rühme nicht mehr seine sich in Sand lebendig begrabende Philenen! Syracuse schweige vom Damon und Pythias / derer einer sich für den andern zum Blutbürgen dem grimmigen Dionysius stellte. Denn dieser war der Freundschafft seines Gefärthen: daß er ihn nicht würde [1141] im Stiche lassen / allzu wol versichert; aber Hermengardens Sohn hat für den Thumelich sich unmittelbar dem gewissen Tode gewiedmet. Auch der für andere sterbende Alcestis / Admetus und Eumelus Pharaus haben sich mit diesem jungen Hanau nicht auf die Wagschale zu legen. Unsere Nachkommen werden diesen für einen Halb-Gott zu verehren mehr Ursach haben / als die Eleer das Kind / welches sich an der Spitze ihres Heeres in einen Drachen verwandelt / und der Arcadier Heer in die Flucht gejagt haben soll. Thußnelde umarmte Hermengarden aufs neue und küssete sie unzehliche mahl / weil ihr alle Worte viel zu leichte waren ihre Liebe und Danckbarkeit auszudrücken. Hermengarde aber sagte; Thußnelde möchte doch gegen ihr wegen Abstattung ihrer Pflicht sich nicht so tief erniedrigen / weil Unterthanen ja ihr eigen Blut /also auch ihre Kinder ihren Fürsten und dem Vaterlande zu opffern schuldig: ja nicht gemeiner wäre / als daß Menschen beydes ihrer Ehrsucht oder einer geilen Uppigkeit halber verschwendeten. Es wäre vielmehr hohe Zeit vor zu sinnen / auf was Weise Thumelich aus fernerer Gefahr gerissen / und ihr lobwürdiger Betrug nicht dem blutdürstigen Tiberius verrathen werden möchte. Thußnelde sagte: Sie vertraute ihren Sohn in die Hände Hermengardens / an welchem numehr eine so viel als die andere recht hätte. Ihre Treue und Klugheit würde den / welchen sie vom Tode errettet / auch vollends aus den Händen der Römer zu spielen wissen. Sie gelobete aber: wenn ihr GOtt und das Glücke wieder die Freyheit gönnte / dem jungen Hanau bey dem Tanfanischen Heiligthume ein köstlicher Gedächtnüs-Mahl / als welches dem Drusus aufgerichtet wäre / wiewol selbtes / wenn uns diese seltzame Geschichte zu offenbaren rathsam seyn wird /mehr von diesem Knaben / als dem Drusus reden würde. Hermengarde verkleidete den jungen Thumelich in ein Mägdichen; und nach dem ihn seine Mutter noch hundert mahl geküßt hatte / nahmen sie wiewol einen wäßrichten Abschied. Kurtz darauf fand sich Agrippine ein; welche kaum begreiffen konte / wie Thußnelde ihr grosses Hertzeleid entweder so verbergen / oder mit Hertzhafftigkeit vertragen könte. Nach vielen beweglichen Betheuerungen aber brachte sie ihnen zu Troste einen Brieff vom Germanicus herfür /darinnen er sie dem Käyser geschrieben zu haben versicherte: daß / dafern Tiberius Gallien und Rhetien nicht in euserste Gefahr setzen wolte /: könte er vom Rheine nicht ehe / als biß mit den Deutschen ein Friede gemacht / oder der Krieg in bessern Stand gesätzt /sein Nachfolger auch von vielen Geheimnüssen unterrichtet wäre / sich entfernen. Syllanus verstünde die Morgen-ländischen Sachen auch besser / als er sie in etlichen Jahren lernen würde. Hingegen würde Drusus / den er gerne zum Gefärthen haben wolte / in Deutschland auch guter Anweisung von nöthen haben. Denn wenn man mit den Deutschen in gleichem Felde zu thun hätte / könte man noch wol mit ihnen zurechte kommen. Aber sie wüsten sich ihrer Wälder und Sümpffe so wol als des kurtzen Sommers und frühen Winters zu bedienen. Die Römer würden von ihnen mehr durch verdrehtes hin- und herziehen abgemattet / als ihnen durch Treffen Abbruch geschehe. Man müste wider diesen Feind so wol andere Waffen / als Krieges-Künste gebrauchen. Endlich hätte er auch dem Käyser gerathen: er möchte doch wegen Abgang des alten Kriegs-Volckes die Römischen Gefangenen gegen das deutsche Frauenzimmer /welches denen Römern nichts schaden könte / und er sich im Sieges-Gepränge zu führen schämte / auswechseln lassen.

Mitler Zeit gab Siegesmund zum Scheine / Flavius aber wahrhafftig seine Empfindligkeit über dem grausamen Opffer so viel freyer zu verstehen; weil fast niemand unter den Römern war / der selbtes nicht unbilligte / und das zum [1142] Aberglauben geneigte Volck sich mit allerhand Zeitungen trug: daß der Schutz-Geist selbigen Ortes durch das verspritzte Blut aufrührisch gemacht / und von vielen Gespenstern das Drusische Altar beunruhiget worden wäre. Flavius ließ es auch darbey nicht bewenden; sondern er schrieb nicht alleine destwegen an Germanicus / an Hertzog Melo und Ganasch: daß sie solches anthen /uñ durch ihre Empfindligkeit mehrer Grausamkeit der Römer gegen die Deutschen vorbeugen solten. Als Hermengarde von dieser guten Meinung des Flavius versichert ward / entdeckte sie ihm die Erhaltung des Thumelichs; lieferte ihm auch selbten / nach dem Flavius vorher geschworen hatte ihn in Freyheit zu bringen / zu seiner grossen Freude in seine Hände; weil sie ihn beym Siegesmund / auf dessen Thun die mißträulichen Römer eine genaue Aufsicht hatten / nicht traute. Flavius / um den Thumelich in Sicherheit zu sätzen / kauffte von den Römern eine Anzahl Cattischer Knaben und Mägdichen / welche sie bey des Domitius Einfalle mitgenommen hatten / mit dem Vorgeben einen Römischen Hauptmann / welcher mit ihm in Africa gewest und auf dem Taunischen Gebürge gefangen worden war / mit diesen zu lösen. Er schickte zu dieser Behandlung unter erlangtem sicheren Geleite den Ritter Gudeweg zum Rhein-Grafen /welcher in dem Altare des Bacchus wegen des Feldherrn Stadthalter war; diesem ließ er das Geheimnüs vom jungen Thumelich vertrauen. Daher denn auch durch seine Vermittelung der verlangte Römische Hauptmann von Catten loß gelassen und dem Gudeweg ausgeliefert ward. Dieser hingegen brachte die behandelten Kinder und darunter den Thumelich dem Rhein-Grafen; dieser aber ihn dem Feldherrn zu; welcher seit erlangter Zeitung: daß sein Sohn zu Mäyntz solte geopffert werden / und nun / daß es geschehen wäre / feste glaubte / wütete / tobte / und die gantze Nord-Welt wider die grausamen Römer in Harnisch zu bringen sich bearbeitete. Als der Rhein-Grafe nun für den Feldherrn kam / rechtfertigte er ihn nicht ohne Entrüstung: warum er sich unterstanden hätte / ohne sein Vorwissen die ihm anvertraute Festung zu verlassen? sagte er ihm: Sie wäre unter des Ritters Ingelsheim Aufsicht in guter Sicherheit; er aber brächte dem Feldherrn ein so unschätzbares Geschencke / welches er keinem andern Menschen hätte vertrauen können; übergab ihm auch noch selbigen Abend ins geheim in einem dazu erwehlten Jäger-Hause den jungen Thumelich. Weil er diesen nun gewiß für todt gehalten hatte / ist unschwer zu ermässen: ob er ihn mit viel schwächerer Gemüths-Regung als Thußnelde bewillkommt habe. Ihn vergnügte hierbey auch nicht wenig: daß gleichwol seines Brudern Flavius Gemüthe nicht so gar arg / als er ihm eingebildet hatte / müste vergället seyn. Damit er nun bey den Römern nicht in Verdacht käme / hielt der Feldherr auf des Rhein-Grafen Gutbefinden für rathsam / diesen wieder gefundenen Schatz auch noch eine zeitlang für den Cheruskern zu verbergen; wiewol er seine hertzliche Freude so wenig verstellen konte: daß der Cheruskische Hof die Ursache seiner so geschwinden Veränderung nicht ergründen / noch von dem Rhein-Grafen erfahren konte. Nach dem aber der Rhein-Grafe vierzehn Tage weg war / brachte der Feldherr seinen Sohn unvermuthet aus der Bildnüs ins Licht / vorgebende: daß GOtt ihn so wundersam und warhaffter aus den Klauen der Römer / als Diana Iphigenien aus den Händen und vom Messer des Calchas errettet; und wie diesem eine Hindin / also jenem einen andern Knaben untergesteckt hätte. Die Cherusker wurden hierüber nicht nur hertzlich erfreuet / sondern hielten auch den Feldherrn viel höher als vorhin / und für einen Helden /welchem GOtt zu Liebe so grosse Wunderwercke ausrichtete. Weil er nun nicht nur / was wahr war / fürgab; nemlich: [1143] daß GOtt wunderbar seinen Thumelich erhalten und wieder geschenckt hätte / konte ihm kein Mißbrauch des Glaubens von GOtt beygemässen werden / indem sich die Art seiner Erlösung nicht ohne Nachtheil entdecken ließ / die Verschweigung der Geheimnüsse auch kein Verbrechen ist. Daher man schlechterdings nicht sagen kan: daß kein Fürst Andacht und Gottesdienst zu einem nützlichen Werckzeuge seiner Herrschafft gebrauchen könne / wenn man nur nicht dem Gottesdienste oder GOtt selbst einen Firnß von Lügen antichtet / mit dem Numa /Sartorius und Marius sich geheimer Gespräche mit den Göttern rühmet / mit dem Attalus und dem Chaldeischen Priester Sudin in die Eingeweide des zum Opffer bestimmten Ochsen eine falsche Schrifft / welche dem Könige Sieg andeutete / verstecket; mit dem Könige der Serer Fohy das albere Volck überredet: daß er seine Stern- und Glücks-Taffeln von dem gestirnten Rücken eines aus dem Wasser steigenden Drachens / welchen die Serer für das Zeichen des Glückes halten / abgebildet / und mit dem Könige Ein: daß ihm / als er geopffert hätte / ein göttlich Bild und damit die Herrschafft des Serischen Reiches vom Himmel durch den Geist des Fohy überantwortet worden wäre. Denn ob zwar das abergläubische Volck durch solche über die Natur und die Vernunfft lauffende Bländungen eine zeitlang im Gehorsam gehalten / und zu allem / was man wil / verleitet werden kan /so beleidiget man doch dadurch GOtt; man thut dem wahren Gottesdienste dardurch Abbruch; und verursacht: daß / wenn die Falschheit verrathen wird / die Menschen keinen Gott glauben; also auch keinen Fürsten mehr fürchten. Die Zeitung von dem lebendig gewordenen Thumelich breitete sich durch gantz Deutschland aus / und kam eben nach Mäyntz / als auch von Rom geschrieben ward: daß sich auf dem Eylande Planasia die Asche des auf des Tiberius Befehl ermordeten Agrippa aus dem Grabe verlohren /und er selbst sich lebendig in der Hetrurischen Stadt Cosa / und in Gallien an vielen Orten gewiesen und erzehlet hätte: wie wunderbar er durch Hülffe der Götter erhalten worden wäre. Beydes ward anfangs von den Klügern als ein eiteles Geschrey verachtet; es lieffen aber aus beyden Orten ie länger je mehr von Leuten / welche so wol den Thumelich gesehen hatten / umständliche Nachrichten ein. Ja endlich schrieb man von Rom: daß Agrippa zwar anfangs sich aus Furcht für dem Tiberius von einem Orte zum andern heimlich fortgespielet / und nur des Nachtes sich sehen lassen hätte; nach dem er aber von dem neubegierigen Volcke einen so grossen Anhang bekommen / wäre er mit einer unglaublichen Menge Volckes zu Ostia eingezogen / und stünde Tiberius in grossen Sorgen: daß er sich gar nach Rom / wo schon viel heimliche Zusammenkunfften gehalten / und vom Pöfel die Frage auf die Bahn gebracht würde: ob nicht Agrippa / als der wahre Enckel des Käysers August /näher als der Stief-Sohn / zum Reiche gehörte? Wie sich denn auch diese Zeitung in Wahrheit also verhielt: daß Tiberius in grossen Kummer gerieth: ob er dieses Agrippa sich mit Gewalt bemächtigen; oder /weil er ihn für einen Betrüger und für einen verwegenen Knecht des Agrippä Nahmens Clemens hielt / die eitele Leichtgläubigkeit des Volckes mit der Zeit der Mutter der Warheit verschwinden lassen solte. Endlich übergab er das Werck dem Salustius Crispus solchem nach seinem Gutbedüncken abzuhelffen; welcher zwey vertraute Kriegs-Leute nach Ostia schickte / die ihm Geld gaben / ihm ihre Treue und Hülffe wider den sich mit Gewalt eindringenden Tiberius anboten / und unter der Versicherung: daß viel Rathsherren nach ihm seufftzeten / ihn sich nach Rom zu wagen beredeten. So bald sie ihn aber dahin brachten / stopfften sie mit Hülffe etlicher bestellten Gehülffen ihm einen Schwamm in Mund / daß er [1144] nicht schreyen konte; und schleppten ihn nach Hofe. Als ihn Tiberius nun fragte: Ob er nicht Agrippens Knecht Clemens wäre? antwortete er freymüthig: ja. Tiberius fragte ferner: wie er denn Agrippa worden wäre? sagte er lachende: wie du Käyser; nemlich durch List und Betrug. Tiberius ließ ihn hernach foltern; aber es war ihm kein Bekäntnüs auszumartern: daß jemand mit ihm unter der Decke läge. Auf keinen Rathsherrn oder Ritter / derer viel doch angegeben wurden / als wenn sie ihm heimlich mit Rath und Gelde beygestanden hätten / wolte Tiberius ihn befragen lassen; noch auch hatte er das Hertze ihn offentlich zu straffen / sondern er ließ ihn in einem Winckel erwürgen / und den Leib mit angehencktem Bley in die Tiber werffen. Tiberius berichtete seine Hinrichtung dem Germanicus als eine sehr vergnügliche Zeitung / und weil in der halben Welt des Thumelichs Leben als ein grosses Wunderwerck ausgebreitet ward / erinnerte er ihn: er solte sich solches in nichts irre machen lassen. Denn der Knabe / welchen Herrmann vielleicht seiner Aehnligkeit halber für seinen Sohn ausgäbe / damit man vielleicht so viel weniger Anlaß nehmen dörffte / mit Tödtung seines neulich gebohrnen Sohnes seinen Stamm zu vertilgen / würde zweiffelsfrey nicht besser sein Thumelich / als Clemens Agrippa seyn. Weil er aber besorgte: daß wegen des gerühmten Wunderwerckes nicht nur viel deutsche Völcker dem Herrmann /als einem GOtt sonderlich lieben Fürsten / aus Aberglauben beyfallen / sondern auch die Römer selbst gegen ihn zu fechten kleinmüthig werden dörfften /hielt er es nicht für rathsam den Germanicus so bald aus Deutschland abzufordern / sondern verstattete ihm aus dieser einigen Ursache / wiewol unter dem Vorwand: daß er seiner Bitte nach ihn seine Siege vollends wolte ausmachen lassen / noch einen Feldzug. Demnach auch Germanicus nach Rom berichtet hatte: daß alle mit den Römern verbundene deutsche Fürsten über Thumelichs Hinrichtung so grossen Unwillen blicken liessen / schrieb er ihm: er solte dieses Geschrey zum Vortheile und Mittel ihrer Besänfftigung gebrauchen / und nunmehr fürgeben: daß man die Cherusker wegen Aufopfferung so vieler gefangenen Römer nach des Varus Niederlage / durch angedrohete Abschlachtung des Thumelichs nur ein wenig hätte schrecken wollen; und daß man selbst mit Fleisse einen gemeinen Knaben statt des Thumelichs geopffert hätte. Wormit denn zugleich das gerühmte Wunderwerck einen mercklichen Stoß bekommen /und vieler Aberglauben verschwinden würde. Tiberius übersendete auch an Flavius / Melo / Ganasch /Malorich und Bojocaln güldene Kronen / Hals-Bänder / Purper-Mäntel / helffenbeinerne Stüle und andere bey den Römern hochgeschätzte / wenig aber austragende Geschencke / um durch solche Bländwercke sie auf der Römischen Seite zu erhalten. Hingegen sätzte der Feldherr Herrmann sich auch in gute Verfassung / brachte auch beym Melo / Ganasch / Malorich und Bojocaln zuwege: daß sie den Römern keine / oder wenn sie es ja thun müsten / weil sie ihnen mit ihrer Macht zu sehr auf den Hals kämen / eine sehr kaltsinnige Hülffe zu leisten / auch außer höchstdringenden Noth keinen Durchzug zu verstatten geheime Vertröstung thaten. Damit nun der Krieg dieses Jahr von denen deutschen Bund-Genossen mit so vielmehr Eintracht und Vorsicht geführet würde / hielt der Feldherr von nöthen: daß sie an einem gelegenen Orte möchten zusammen kommen um mit einander abzureden / wie bey ein oder anderm Einfalle sie einander beyspringen möchtẽ. Sintemal an diesem Feldzuge der deutschen Freyheit oder Dienstbarkeit zu hängen schien / indem Germanicus nicht nur sodenn gewiß aus Deutschland würde Abschied nehmen / und dem unerfahrnen Drusus die Stelle räumen müssen / sondern er auch [1145] für dißmahl die letzten und eusersten Kräfften zusammen züge / nach derer glücklichen Abtreibung Deutschland den Sieges-Krantz der unversehrlichen Freyheit und ihrer allen andern Völckern obliegenden Tapfferkeit erstreiten würde. Es ward hierzu die für fünff Jahren den Römern abgenommene Cattenburg erkieset / und fanden sich auf bestimmten Tag nicht nur der Feldherr / Hertzog Ingviomer /Arpus / Jubil / Catumer / Marcomir und Malovend ein; sondern es solten auch die Cattische Hertzogin /die Fürstin Catta / und viel vornehmes Frauenzimmer dahin folgen; weil Hertzog Arpus bey einer so ansehlichen Versammlung seine Tochter an den Hertzog Jubil vermählen wolte. Bey der Zusammenkunfft rieth der Feldherr alsbald: man solte dißmahl seine euserste Kräfften angreiffen / und darmit dem Kriege auf ein mahl ein Ende machen. Denn schläffrige Anstalt mehrte nur die Gefahr und Unkosten / liesse dem Feinde Lufft sich zu verstärcken und einzurichten. Auch kriegte ein verzagter Feind darbey ein Hertze; und je grösser eine langsame Macht wäre / je mehr verspielte sie von ihrem Ansehen. Insonderheit solten sie nicht den Ansprung versäumen / und weil die Deutschen ohne diß der Kälte und harten Wetters mehr / als die Römer und Gallier gewohnt wären /würde ihnen nicht weniger zum Vortheil als Ruhme dienen / wenn sie am ersten im Felde stünden / und den Feind antasteten / sich aber nicht suchen und angreiffen liessen. Der listige Feind könte sie sodenn nicht verführen / und sich stellen: ob er dar oder dort einbrechen wolte / noch ihnen / ehe sie ins Gewehre kämen / Schaden thun / weil er seinem eigenen Feuer vorher zulauffen müste. Hertzog Arpus war eben dieser Meinung / und sagte: die Catten würden den Verlust ihres zwischen dem Rheine und der Eder verbrennten Landes in vielen Jahren nicht verwinden und den Irrthum bissen: daß sie den Feind im eigenen Lande erwartet hätten / der nirgends schwächer wäre /als in seinem eigenen. Wenn auch ein Heer nicht in des Feindes Lande stünde / müste es sein eigenes verheeren; und / wenn es nicht durch frembde Leute aufgefrischt würde / verliere es alle Lust und Lebhafftigkeit. Kein Land wäre so vermögend Feind und Freund lange zu unterhalten; daher wüchsen die Unkosten /die Mittel nähmen ab / und die Gefahr würde immer grösser. Alle andere stimmeten dieser Meinung bey /nur Malovend nicht; welcher einwarff: die Römer wären niemahls stärcker gewest / als sie diß Jahr aufziehen würden. Germanicus hätte fast alle Kräfften aus dem Römischen Europa zusammen gezogen. Mit einem stärckeren Feinde aber wäre es rathsamer in seinem eigenen Lande zu kriegen / wo ihm alle Gelegenheit bekandt / alle Leute geneigt wären. Insonderheit dienten ihnen Deutschlandes Flüsse / Sümpffe und Wälder zu besonderm Vortheile / da sie in dem ausgehauenen Gallien leicht von der grossen Macht umringet / und durch den besätzten Rhein abgeschnitten werden könten. Deutschland wäre gegen dem Rheine ohne diß so verderbt und ausgesogen: daß der Feind darinnen wenig mehr Schaden thun / und ihm alle Lebens-Mittel würde müssen nachführen lassen. Uber diß würde man die Römer durch einen Einfall in Gallien so erbittern: daß man mit diesem unüberwindlichen Volcke in ewigen Krieg verfallen würde; und die Nachbarn / besonders Marbod / würde ihnen beymässen: daß sie als unruhige Leute ihnen Dienstbarkeit und Verderb selbst auf den Hals gezogen hätten. Ingviomer brach ein: Er wunderte sich / wie Malovend auf diese Gedancken käme / da niemand ärger als seine Marsen erfahren hätten: wie schädlich es sey den Feind und eine Schlange in seinem eigenen Buseme beherbergen. Es wäre ein so verderblich als furchtsamer Rath seinen Feind nicht erzürnen / und /seiner Einbildung nach / unversöhnlich machen wollen. Es wäre ja was unverträgliches: daß [1146] man einem mit der einen Hand Feuer auf den Halß würffe / mit der andern ihm Wasser zum leschen zulangte / mit dem einen Auge ihn durchstechen wolte / mit dem andern ihn liebkosete. Sintemahl kein Feind diese Begegnung für Wolwollen / sondern für Zagheit und Aberwitz aufnehmen würde. Ein schon einmahliger Feind würde durch keine Wolthat / sondern nur durch seine Entwaffnung und wenn man ihn in den Stand gesätzt hätte: daß er nicht mehr schaden könte / versöhnet. Die Deutschen hätten / seinem Bedüncken nach / in nichts anderm verstossen / als daß sie den Römern gewiesen hätten: sie könten zwar ihnen schaden / aber sie wolten nicht. Denn hiermit hätten sie ihnen diesen schlauen Feind selbst auf den Halß gezogen. Nunmehr aber wäre es Zeit die Vertheidigung in eine Beleidigung zu verwandeln / und dadurch den Feind ihm vom Leibe zu halten. Der Krieg wäre eine Art des Feuers; wer es lange in seinen Händen behielte / verbrennte sich nur selbst. Ein einmahl ausgezogener Degen würde mit Schamröthe eingesteckt / der nicht mit dem Blute der Feinde rechtschaffen gefärbt wäre; er verletzte unsere eigene Ehre / oder den Feind. Bey so hertzhaffter Entschlüßung würden dem Feind alle Striche seiner Krieges-Anstalten verzogen werden / der halb Gallien über einer mächtigen Schiffs-Flotte arbeiten liesse / um darmit recht in die Eingeweide des innern Deutschlandes einzubrechen / wo es ihm an Unterhalte nicht mangeln könte. Die Friesen /Chauzen und Sicambrer stünden itzt gleichsam auf dem Scheide-Wege; und würden sich auf dessen Seite schlagen / welcher den andern angreiffen würde / und daher für den stärcksten gehalten würde. Also ward endlich der Schluß gemacht; Ingviomer solte mit dem Malovend der Römer Festung / welche sie an dem sich mit der Lippe vereinbarten Rheine gebaut hätten / und die ihnen allezeit zur Entkommung diente / belägern / Arpus / Jubil und Catumer / so bald Germanicus seine Macht hinunter züge / bey dem Altare des Bacchus über den Rhein gehen / der Feldherr aber / so bald er des Rückens sich versichert / wolte bey denen Menapiern und Eburonen einbrechen. Jeder ertheilte diesen Schluß zu vollziehen Befehl / und Hertzog Arpus machte zu Hertzog Jubils und der Fürstin Catta Beylager Anstalt / welche eben selbigẽ Tag mit ihrer Mutter / und vielem andern Frauenzimmer auf dem Schlosse Neidenstein ankam. Daselbst hatte Hertzog Arpus eine grosse Jagt angestellt / zu welcher er alle anwesende Fürstẽ lud. Auf den Morgen saß alles noch für Tage zu Pferde. Wie ihnen nun die erste Stallung geöffnet war / begegneten ihnen eine grosse Menge Satyren / Fauen und dergleichen Wald-Götter / welche mit vielerley Flöten / Schalmeyen und Pfeiffen die vornehmsten Gäste bewillkommten. Diesen folgten etliche hundert grün gekleidete Jäger / welche mit ihren Hörnern ein solch Gethöne machten: daß gleichsam das Gebürge sich davon erschütterte. Hinter diesen wurden etliche hundert Hirsche hergejagt; nach denen das Fräulein von Nassau in Gestalt der Britomartys / welche so wol die Fisch- als Jäger-Netze erfunden haben soll / vier und zwantzig in grüne Seide gekleidete / mit Jäger Spießen / Bogen und Pfeilen ausgerüstete Jungfrauen führete. Sie ritten alle auf zahmen Hindinnen; die Fürstin Catta aber war wie die Diana überaus prächtig angethan / und ward auf einem güldenen Wagen von vier schneeweissen Hindinnen geführt. Auf der Stirne hatte sie einen gesichelten über und über mit Diamanten schimmernden Mohnden; An der Seite einen güldenen Köcher / auf der Achsel einen solchen Bogen / in der rechten Hand einen Jäger-Spieß. Hinter dem Wagen folgten sechzig Jungfrauen zu Pferde / welche alle wie Wasser-Nymphen gebildet waren; weil Diana auch eine Vorsteherin der Wässer seyn soll; und hierauf die Fürstin Adelmunde / welche auf einem silbernen [1147] von vier Perlen-farbenen Pferden gezogenem Wagen / weil die Pferde vielleicht dem Neptun gewiedmet sind / die unweit davon flüssende Fulde vorbildete. Der Wagen hatte die Gestalt eines Ochsen; sonder Zweiffel / weil der Fluß Achelous / als er wider den Hercules wegen Deianirens kämpffen sollen / in solcher Gestalt erschienen. Sie hatte ein blaues mit vielen Perlen gestücktes Gewand / und auf ihrem Haupte zwey mit Edelgesteinen umflochtene Ochsen-Hörner; weil die Flüsse das Erdreich gleichsam wie die Ochsen durchwiehlen / und daher die Bilder der Flüsse entweder selbst wie Ochsen / oder in Männer-Frauen- und Knaben-Gestalt wie Bacchus mit Ochsen-Hörnern gemahlet werden. Denn weil man die ewigen Flüsse für was göttliches hält / ihre Häupter anbetet / die Hörner aber als Merckmaale grosser Kräffte den Göttern /und zwar dem Pan Bockdem Jupiter Wieder-Hörner zueignet / hat es dem Alterthume auch gefallen die Flüsse nicht anders aufzuputzen. Zuletzte kam eine Menge Auer-Ochsen / Hirsche / Füchse / Rehe /Hasen / und andere Thiere durch einander / und nach ihnen eine Anzahl gewaffneter Corybanten / und mit Tännen-Laube gekräntzter Priester; welche mit ihren Kessel-Paucken und Drommeln ein grosses Gethöne erregten. Auf einem bundten mit vier Löwen bespanntem Wagen folgte die Gemahlin des Hertzogs Arpus /in Gestalt Cybelens der Mutter des Apollo und Dianens / wie auch anderer Götter und Thiere. Sie hatte einen bundten Rock an / einen Krantz von Thürmen auf / in der einen Hand einen Zepter / in der andern einen Schlüssel. Uber diesem prächtigen Aufzuge wurden nicht nur die frembden Gäste / sondern auch Hertzog Jubil / welcher nichts von so geschwinder Ankunfft / weniger von so zierlichem Aufzuge das geringste wuste / höchst vergnüget. Insonderheit zohe die holdseelige Fürstin Catta eben so sehr aller Augen an sich / und erweckte in allen Gemüthern eine solche Freudigkeit / als das Bild der Pellenensischen Diana sein Antlitz von jedermann abwendete / die Bäume der Früchte beraubte / und sie unfruchtbar / die Menschen aber wahnsinnig machte. Nur diese letzte Würckung betraf den Fürsten Malovend. Denn seine alte Liebe glam nicht nur wieder an; sondern / weil ihm Catta in Gestalt Dianens nichts mehr menschliches /sondern eine Göttin der Schönheit zu seyn schien /ward er auf einmahl derogestalt gegen sie entzündet: daß er seiner selbst vergaß / und niemand zugegen war / der nicht seine Verwirrung anmerckte. Denn die weise Natur hat nicht nur die Zunge dem Menschen zu Entdeckung dessen / was er im Schilde führet / gegeben; sondern sie hat auch in seine Stirne und Augen gewisse Abbildungen seiner Gedancken eingepregt /welche ihn verriethen / wenn seine Zunge dem Hertzen teuschen und nicht gerade zu gehen wolte. Wie sehr nun gleich Malovend seine Regungen zu verdrücken vermeinte / so verrieth ihn doch sein Antlitz /in welchem das Ungewitter der Seele vielleicht kenntlicher ist / als wenn man einem gleich ins Hertze sehen könte. Er wuste so vielen auf ihn acht habenden Augen kein besser Mittel sich auszuwickeln / als daß er sich kranck stellte / und auf das nahe darbey auf einem spitzigen Berge liegende Schloß bringen ließ /wo auf des Hertzog Arpus Befehl die Ritter Hund und Dalwig ihn bedienten. Alleine weil so wol dem Hertzoge Jubil / als der Fürstin Catta / Malovends alte Neigung nicht unbekandt war / sahen beyde dem Malovend seine rechte Kranckheit allzu wol an. Denn die Liebe ist zwar blind / aber sie verräthet sich durch solche Verwirrungen / wie das Feuer durch den Rauch; und wenn andere Menschen nur zwey Augen haben / hat ihr die Eyversucht noch einmahl so viel. Sie liessen aber beyde weder gegen sich / noch gegen andere das geringste mercken; sondern weil ihre Liebe nunmehr im Hafen völliger Vergnügung angeländet zu [1148] seyn schien / halffen sie nicht allein bey der Jagt /auf welcher hundert Hirsche / dreyhundert wilde Schweine / zwantzig Bären / dreißig Luchse / und eine unzählbare Menge kleiner Wild geschlagen / und grossen theils von dem Frauenzimmer gefället wurden; sondern auch auf den Abend zu Neidenstein die angestellte Freude vermehren; insonderheit wieß sich Catta so wol in der Wild-Bahn eine geschwinde Jägerin / als in dem Zimmer eine leichte Täntzerin; also daß dieser Diana eben so wol / als der zu Elis Flügel auf den Rücken / ein Pardel auf die rechte / ein Löwe auf die lincke Seite hätte gestellet werden mögen. Der Hertzog Jubil wolte bey dieser Lust auch seine Pflicht und Geschickligkeit nicht vergessen; sondern er kleidete sich selbigen Abend für den Fluß Alpheus aus /und tantzte mit Catten das Getichte / wie Diana bey dem Letrinischen Nacht-Tantze sich mit Färbung ihres Antlitzes unter die Nymphen versteckte / und diesen verliebten Fluß äffete. Malovend wolte seiner ihm früh zugestossenen Schwachheit eine Farbe anstreichen / und daß solche aus einer gegen Catten tragenden Liebe herrührte / verstellen; daher mischte er sich in Gestalt des in die Britomartys verliebten Königes Minos in den Tantz / und drückte darinnen dasselbe / was er gegen der Fürstin Catta im Hertzen führte / gegen das Fräulein von Nassau mit Gebehrden aus. Beyden aber schien dieser Tantz eine so übele Wahrsagung ihrer unglücklichen Liebe zu seyn / als er im Getichte dem Alpheus und Minos gewesen seyn soll. Hertzog Catumer hielt sich ebenfalls verpflichtet seiner Adelmunde eine Lust zu machen / also erschien er als der Berg Melibock mit einer Menge Wald-Götter auf dem Tantz-Saale / und stellete seine zu dem Flusse Fulde tragende Neigung darinnen für. Weil es nun noch fünf Tage zu dem Vollmonden und also zu der bestimmten Vermählung Jubils und Cattens war / führete Hertzog Arpus die gantze Versammlung des Morgens auf eine neue Jagt aus. Wie wol ihnen nun darbey alle Fürsten seyn liessen; so unruhig war Malovend mit sich selbst; daher er auch aller Gemeinschafft sich entschlug / und kein ander Wild als die Einsamkeit suchte. Hiermit gerieth er in einen sehr dicken Wald / wo keine Spure eines Thieres weniger eines Menschens zu sehen war / und er bey nahe mehr weder vor-noch hinter sich konte. Nach dem er sich aber durch ein Theil des Gehöltzes durchgearbeitet hatte / fand er eine kleine Bach / welche er ihm zum Wegweiser erkiesete und an selbter hinauf ritt / also biß an derselben Ursprung zu einem frischen und hellen Brunnen kam. Rings herum war ein Kreiß in die Erde mit vielen seltzamen Zeichen gemacht / welchen Malovend eine ziemliche Weile betrachtete; endlich aber / weil ihn dürstete / vom Pferde abstieg / und um aus dem Brunne zu trincken über den Kreiß schreiten wolte. Ihn hielt aber unversehns eine heisere Stimme zurücke / welche ihm einen Stillestand gebot. Als Malovend sich umsahe / erblickte er ein eysgraues und runtzlichtes Weib / die mit dem Kopffe und halben Leibe aus einer Höle hervor sahe / und auf Malovends Frage: warumb sie ihm den Genüß des zu allgemeinem Gebrauche von der Natur verliehenen Brunnens verwehrete? zur Antwort gab: diese Bach wäre zum trincken / der Brunn aber zum Heiligthume geschaffen. Und wenn er diß nicht verstünde / solten ihn ja die heiligen Kennzeichen von Entweihung des göttlichen Brunnes zurück halten. Malovend weil er dieses Weibes zu seiner Wegweiserin von nöthen hatte / gab auf so harte ihr die besten Worte; entschuldigte seinen Fehler mit der Unwissenheit / und bat: sie möchte ihn hiervon unterrichten; weil er weder sie zu erzürnen /noch einiges Heiligthum zu versehren begehrte. Sie antwortete ihm: Ob er so unwissend wäre: daß alle Brunnen nicht nur Spiegel der ewigen und mildreichen / sondern Gaben der unterirrdischen Götter wären / aus derer Freygebigkeit sie so wol [1149] als die Strahlen aus der Sonne herflüssen? Ob er nie gesehen hätte: daß man denen Göttern Spiegel fürhielte? daß /weil ihrer wenig sie selbst zu sehen würdig wären /diese nur darinnen ihren Schein erblicken möchten? In diesem Brunnen pflegte sie also denen / welche allhier ihre Andacht verrichteten / die höllischen Götter /welche gegen die Menschen ja so wolthätig / als immermehr die himmlischen wären / zu zeigen; weil sie als ihre Priesterin alleine würdig geschätzt wäre sie mit ihren sterblichen Augen zu sehen. Malovend danckte ihr für diese Unterweisung / und fragte: was denn aber dieser Kreiß und die Kennzeichen bedeuteten? Sie versätzte: dieses sind Geheimnüsse / welche niemand / als der den Höllen-Göttern eingeweihet ist /wissen darf. Glaube mir aber: daß die Sonne nicht mehr in den gestirnten Thier-Kreiß / und das Meer in seine Ufer eingeschrenckt sey / als ich die Götter in diesen engen Kreiß einsperren / und kein Wahrsager so gewiß aus dem Geäder und den Eingeweiden der Thiere / oder aus dem Fluge der Vögel / kein Chaldeer aus dem Gestirne / als ich aus Bewegung dieses Brunnes wahrsagen könne. Ja aus diesem Kreisse übe ich eine gewaltigere Herrschafft über aller Menschen Regungen und Verhängnüs / als kein König über seine Unterthanen / aus. Malovend fieng hierauf an: So bin ich wol nicht so sehr aus Irrthum / als aus sonderbarer Schickung meines Verhängnüsses und zu gutem Glücke hieher kommen / wo du gegen Bekümmerte so wolthätig bist / als / deiner Erzählung nach /die Götter seyn sollen / derer Priesterin du zu seyn verdienest. In alle wege / sagte sie / bist du nicht ungefähr / sondern durch Leitung deines Glücksternes hieher kommen / und du wirst nirgends in der Welt besseren Rath und gewissere Hülffe in deinem Anliegen / als allhier / finden. Denn ich bin die weise Wartburgis / von der du sonder Zweiffel etwas gehöret haben wirst. Malovend stellte sich bey Vernehmung dieses Nahmens / als wenn er an ihr die Weißheit selbst zu verehren gefunden hätte. Ob er nun zwar hiermit erfuhr: daß er bey einer beruffenen Zauberin war; so hatte ihn doch die Liebe nun gantz wahnsinnig gemacht: also / daß es ihm wenig bedencklich war von dieser Unholdin / oder gar von höllischen Geistern Hülffe zu bitten. Daher liebkosete er ihr aufs möglichste / wolte ihr auch sein Anliegen eröffnen / sie aber sagte: daß es keiner Erzählung dörffte. Denn / wenn sie diß / was ihm begegnet wäre /nicht wüste / wie viel weniger würde sie ihm wahrsagen können / was ihm begegnen solte. Er müste sich aber biß nach Aufgehung des Monden bekümmern; welcher ihr himmlischer Spiegel des Verhängnüsses /wie dieser Brunn ihr irrdischer wäre / indem sie alles /was zukünfftig wäre / lesen und weisen könte. Malovend war hiermit vergnügt / that dieser garstigen Hexe so schön / als er der Fürstin Catta kaum selbst hätte thun können; Nach dem er sie nun durch allerhand Gespräche ziemlich verträulich gemacht hatte; fieng sie viel Dinge und zwar auch von Rom an zu erzehlen. Malovend fragte: Ob und wenn sie denn zu Rom gewest wäre? Sie antwortete: es sind keine sieben Tage / daß ich von dar wieder mit Sentien zurück kommen bin. Malovend ward hierüber noch sorgfältiger / versicherte sie auch: daß Sentia seine grosse Freundin wäre / und also möchte er wol wissen / was ihr zu Rom merckwürdiges begegnet wäre. Diesen Bericht beglaubigte er mit vielen ihm von Sentien bekannten Sachen. Die Zauberin ließ sich also bereden ihm folgende Erzählung zu thun: Es ist schon sieben oder acht Jahr: daß ich mit dem Hertzoge Segesthes und Sentien bekand / und eine Wahrsagerin / zum theil auch eine Stiffterin ihres Glückes worden bin. Denn mir hat sie zu dancken: daß sie Segesthes so liebet; und daß er ihr nichts in der Welt / was sie verlanget / abschlagen kan. Ihr ist noch nichts merckwürdiges begegnet / was ich ihr nicht vorher [1150] entdeckt habe. Als sie nun das letztere mal nach Rom zoh / ließ sie mich nach Mäyntz beruffen; und wie schwer es mich ankam diesen schon achtzig Jahr bewohnten heiligen Ort zu verlassen / beredete sie mich doch mit ihr nach Rom zu ziehen. Wir kamen dahin / und ward Sentia und Segesthes vom Elius Sejanus als sehr angenehme Gäste bewillkommt. Durch Sentien ward auch ich mit dem Sejan bekand; welcher offtmahls mit mir von allerhand Geheimnüssen redete / mich auch an den Thrasyllus seinen Sternseher / und an Eudemus einen Artzt der jungen Livia / welche des Germanicus Schwester und des Drusus Gemahlin war / zur Unterredung verwieß. Meine erste Kunst / die ich Sentien zu Gefallen thun muste / war: daß ich das Hertze des Sejanus von seiner holdreichen Ehfrauen Apicata /mit welcher er schon drey Kinder gezeugt hatte / ab-und der Sentia zuwendete. Welche mir so wol angieng: daß Sejan von Stund an Apicaten gram / Sentien aber so hold ward: daß er ohne sie nicht seyn konte; westwegen er auch Sentien seinen Garten an der Tiber zur Wohnung einräumte um ihrer Liebe täglich zu genüssen. Malovend seufftzete hierüber / und fieng an: Ach! möchte ich doch in meiner Kranckheit auch mit einem so bewehrten Artzte beglückseeliget werden! die Zauberin Wartburgis fuhr fort / und sagte: Segesthes / daß er Sejanens Liebe nicht im Wege stünde / muste in Bothschafft wegen des Käysers zum Könige Marbod reisen / und solte ihn bereden aufs Früh-Jahr seine Waffen wider die Catten und Cherusker mit den Römischen zu vereinbaren. Bey diesem Wolleben / dessen Geheimnüsse niemanden als mir vertraut wurden / ward Sejan von Tag zu Tage mit mir verträulicher / sonderlich als er nach unterschiedenen mit seinen Thessalischen Weibern / wie auch mit dem von Zauberey berühmten Lucius Pituanius und Junius gehörten Gesprächen wahrnam: daß alle ihre Künste gegen meine kalt Wasser waren / und Eudemus mich selbst zu seiner Lehrmeisterin erkiesete. Hierüber ereignete sich: daß Drusus dem Sejan /weil er beym Tiberius verhinderte / daß Germanicus nicht vom Rheine abgefordert und Drusus an seine Stelle geschickt ward / eine Maulschelle gab / welches er an seinem Leben zu rächen sich verschwur /und wie solches anzustellen wäre / mit mir zu rathe gieng. Ich wieß ihm aber: daß die Höllen-Geister diesem Vorhaben zu wider wären / und seine Rache dißmahl mißlingen und ihn stürtzen würde; ungeachtet sich Eudemus schon erboten hatte dem Drusus Gifft beyzubringen. Also verschob Sejan auf mein Gutachten diesen Meuchel-Mord / nicht aber die Rache. Denn er sätzte ihm für den Drusus ärger / als durch einen Todschlag zu kräncken. Daher flehte er mich aufs beweglichste an ihm seine Ehfrau Livia des Germanicus Schwester dem Drusus abwendig zu machen / und dem Sejanus durch Liebe zu verbinden. Ich gab ihm hierzu die kräfftigsten Mittel; und er gewehrte sie bey Livien eben denselben Tag glücklich an / als Tiberius den Sejan im Rathe zum Gefärthen seiner Arbeit erklärete / und verordnete: daß sein Bild im Schauplatze auf dem Marckte / und in Lägern bey den Adlern göttlich verehret werden solte. Durch diese Ehre ward Livia / ob wol Drusus nach dem Tiberius die gröste Hoffnung hatte Käyser zu werden / gebländet / oder vielmehr durch meine Mittel gezwungen dem kleinstädtischen Sejan ihren Leib und ihre Ehre Preiß zu geben. Weil ich nun beym Sejan hierdurch beliebt ward und in Ansehn kam / thaten mir alle schön / die ihm anhiengen; und insonderheit bewarben sich Pituanius und Junius wegen gemeiner Künste um meine Freundschafft. Weil ich ihnen nun in ein und anderm zu willen war / führte mich einmahl Pituanius aus Rom auf ein Tiburtinisches Lust-Hauß /welches rings umher mit einem Walde von Oelbäumen umgeben / und da wir überaus herrlich unterhalten worden. [1151] Daselbst erzählte er mir alle seine Künste / die er von einem Chaldeer gelernet hätte; wie er nemlich die Sterne vom Himmel ziehen / den Lauff der Flüsse hemmen / der Verstorbenen Seelen beruffen / Kranckheiten einem benehmen und aufhalsen /Träume auslegen / und künfftige Dinge wahrsagen könte. Alle diese Geheimnüsse stünden mir zu Diensten; und er wolte diese Nacht mir einen Vorschmack davon zeigen; also möchte ich ihm doch auch ein Theil meiner Wissenschaften davon nicht mißgönnen. Als ich ihm diß versprochen hatte / eröffnete er mir: daß einer der vornehmsten Römischen Edelleute so wol mich als ihn um sein künfftiges Glücke zu rathe fragen wolte; welcher gegen mir / insonderheit bey erlangtem Zwecke eine ungemeine Danckbarkeit bezeugen würde. Ich willigte hierein und ward nach der Sonnen Untergange zu dem grossen Wasser-Falle des Flusses Anio geführt. Daselbst fanden wir den jungen Edelmann nebst noch einem älteren in einem Rocke mit purpernen Aufschlägen schon vor uns / welcher uns mit so grosser Ehrerbietung empfieng / als wenn wir seine Glücks-Götter wären. Weil nun Pituanius seine Künste mit ihm zu erste ausüben wolte / fragte er genau nach seiner Geburts-Stunde; und nach dem er sich eine gute Weile im gestirnten Himmel umgesehen / und bey Mohnden-Scheine auf einer Schreibe-Taffel gerechnet hatte / sagte er ihm: sein Geburts-Licht wäre so gut als seines Groß-Groß-Vaters gewest wäre. Hierauf erkundigte er sich: Ob er verwiechene Nacht ihm die gegebenen Kräuter unters Haupt gelegt / und was ihm hierauf begegnet wäre? der Römer antwortete: Ihm hätte geträumet / er wäre in dem vom Sulla gebauten Tempel des Pränestinischen Glückes; daselbst hätte der Raths-Herr Firmius Catus an der Stelle des Esculapius gestanden / von dessen Stabe sich die Schlange loß und um seinen Leib gewunden hätte. Pituanius sagte: dieser Traum bedeutete viel gutes; nemlich daß des Catus Rathschläge so heilsam als eines Artztes wären / und er ihm dadurch grosses Glücke zuschantzte. Dessen Bild die Schlangen nicht weniger bey den Römern als Egyptiern und Griechen wären / und daher auf Müntzen und Steinen Osiris / Isis und andere gute Geister abgebildet würden. Nach dieser Auslegung begehrte Pituanius zu wissen: Wessen Geist er ihm aus der Hölle herfür bringen und was er ihn fragen solte? der junge Römer antwortete: des grossen Pompejus; dieser solte ihm sagen: ob er wol jemahls über so viel / als er zu gebieten / und so viel Geld haben würde / daß er die Appische Strasse von Rom biß nach Brundusium mit Gelde würde pflastern lassen können? Pituanius befahl hierauf allen ein Stillschweigen / weil er solches auch alsofort der Natur selbst gebieten wolte; wie denn auch / als er einen Kreiß und darein allerhand Zeichen gemacht / auch gewisse Beschwerungen vollbracht / sich mehr kein Blatt eines Baumes rührte / ja der vorhin mit einem schrecklichen Geräusche über die Felsen in ein grausames Thal abstürtzende Fluß Anio so stille stand / als wenn er biß auf den Grund gefroren wäre. Pituanius ärgerte sich hierauf länger als eine Stunde mit Beschwer- und Dräuungen gegen dem Geiste des Pompejus; aber dieser hatte keine Ohren; also daß Pituanius endlich schamroth seinen Kreiß und Zeichen ausleschen / und die Eitelkeit seiner Kunst damit entschuldigen muste: seine Beschwerungen hätten nur Gewalt über die Geister derer / welcher Asche in der Erde beschlossen wäre; daher müste des Pompejus Leiche noch im Meere schwimmen. Ich lachte darüber / und fragte: Wo denn sein zum Julius gebrachter Kopff hinkommen wäre? Ob Julius es hätte einbalsamen und zum Schau-Gerüchte für sich und seine Nachkommen aufheben lassen? oder ob die Geister der in Egypten gestorbener Menschen nicht ohne Schiff über das Meer kommen könten? Pituanius [1152] muste meine Aushöhnung verschmertzen / und mich bitten: ich möchte doch diesen ungehorsamen und hartnäckigten Geist bändigen. Ob mir nun zwar dieses Römers Fragen sehr bedencklich fürkamen / wolte ich doch nicht gerne / wie Pituanius / den Nahmen einer Aufschneiderin davon tragen. Daher beschwur ich des Pompejus Geist auf meine Art; welcher auch auf die Fragen folgender Weise willig antwortete:


Er wird bald mehr als ich jemahls Gefärthen kriegen /

Behertzter untergehn / und viel beglückter liegen.


Pituanius und sein Römer wunderten sich über meine kräfftige Beschwerung; deuteten des Geistes Antwort zu grossem Vortheile aus / und ich ward von diesem Unbekandten reichlich beschenckt / und also vergnügt: daß ich / wer er wäre / zu wissen keinen Vorwitz hatte. Auf den Morgen fuhr ich mit dem Pituanius wieder nach Rom: auf den dritten Tag aber erfuhr ich von Sentien: daß Libo Drusus Scribonius einer der edelsten Römer / welcher des Käysers Vetter / des grossen Pompejus Enckel / und allen hohen Häusern verwandt wäre / durch den Flaccus Vescularius beym Tiberius angegeben / durch den Cajus Vibius / Fulcinius Trio / und Fontejus Agrippa geklagt würde: daß er wider den Tiberius einen gefährlichen Anschlag vorgehabt / und die höllischen Geister hätte beschweren lassen. Mir schlug über dieser Zeitung wol bald das Hertze; weil ich und Pituanius aber wieder den Tiberius nicht gefragt hatte / verhölete ich Sentien diß / was mir begegnet war. Selbigen Abend aber hörte ich: daß Libo beym Sejan wäre / und ihn um Schutz wider die Verfolgung seiner Ankläger / insonderheit den Rathsherrn Firmius Catus anflehete; welcher unter dem Scheine der verträulichsten Freundschafft ihn zu Wollüsten und Verschwendung seiner Güter verleitet hätte / ihn aber nunmehr grosser Laster beschuldigte / entweder aus Neid / weil ihn der Käyser zum Stadt-Vogte gemacht / und ihn so offt zur Taffel hätte; oder weil er durch Verläumbdung der Unschuld sich beym Käyser beliebt machen wolte. Ich gab Achtung / als er Abschied nahm / und ward zu meinem grossen Schrecken gewahr: daß Libo eben der Römer war / welchem ich des Pompejus Geist beruffen hatte. Daher ward ich mit mir selbst uneines: ob ich mich beyzeite aus dem Staube machen / oder Sentiens Rath darüber einziehen solte. Es kam aber Pituanius zu mir / sagte: daß Libo zwar wegen Zauberey angeklagt wäre / ich dörffte mir aber keinen Kummer machen. Denn von ihrer beyder Beschwerung sagte niemand nichts; sondern Libo hätte vom Junius verlangt: er solte des Käysers Augustus Geist beschweren / um ihm zu sagen: Ob er den Tiberius nicht ermorden solte? denn dieser Junius hätte es dem Trio; Trio aber / welcher durch peinliche Klagen und Ubelthaten nach einem grossen Nahmen strebte / denen Bürgermeistern und dem Rathe entdeckt. Diß bewegte mich stille zu schweigen und das beste zu hoffen / ungeachtet mir Sentia vom Libo täglich was neues erzehlte; nemlich: daß Libo mit seinem Bruder Lucius Scribonius Libo / welcher diß Jahr Bürgermeister war / bey allen Rathsherren Gehöre und Hülffe gesucht / nirgends aber fast einen Verlaß erhalten hätte; ungeachtet die vornehmsten Frauen in der Stadt sich durch Vorbitte seiner anmaaßten. Er wäre auch zwar als kranck fürs Rathhauß kommen und hätte den Tiberius um Erbarmnüs angeflehet; es wäre aber der Käyser gantz unbewegt fürbey gegangen. Vibius hätte hierauf seine Anklage fürgebracht / welche den Libo mehr einer Wahnsinnigkeit / als eines Lasters schuldig machte; ausser / daß Libo in einer Schrifft über die Nahmen des Käysers allerhand zauberische Buchstaben geschrieben haben solte. Nichts desto weniger hätte Tiberius durch eine neue Erfindung des Libo Knechte dem gemeinen Anwalde [1153] zugeeignet / damit sie unbeschadet voriger Rathschlüsse über die Verbrechen ihres eigenen Herrn könten auf der Folter gefragt werden. Libo hätte zwar durch seinen Schwager Lucius Sulpitius Qvirinius beym Käyser nochmahls um Gnade bitten lassen / wäre aber von ihm an Rath verwiesen worden. Alle diese Nachrichten deuchteten mich noch nichts anzugehen; ich erfuhr aber zu meiner höchsten Verwirrung: daß Pituanius wäre gefangen gesätzt worden; und kurtz darauf ließ mich Sejan aus seinem Garten weisen / mit Bedräuung: wo ich von ihm nicht reinen Mund halten würde / hätte ich mich seiner Hülffe nicht zu getrösten / sondern ich würde den Morgen nicht überleben. Ich ward aber unferne von dem Garten umringt / in Kercker geworffen / auf den Morgen für den Rath gestellt / anfangs alleine / hernach wieder den Pituanius befragt; endlich beyde zum Tode verdammt. Er solte vom Tarpejischen Felsen gestürtzt / ich im Kercker erwürgt und mein Leib in die Tiber geworffen werden. Um Mitternacht aber kam der Kerckermeister mit einem Knechte; der warf mir ein geringes Manns-Kleid für / welches ich anziehen / und ihm zur Tyber auf einem Nachen folgẽ muste / welches mich aus Rom nach Ostia in ein gantz einsames Hauß und in ein Gemach brachte / darein weder Sonne noch Monde schien / jedoch gieng mir an Lebens-Mitteln nichts ab. Nach etwan zehn Tagen führte man mich auf ein Schiff / nach dessen Absegelung ward ich auf selbtem in ein Zimmer beruffen / darinnen ich meine Sentia mit unaussprechlicher Freude wieder erblickte. Sie aber verwieß mir mit harten Worten: daß ich ohne ihr Vorwissen mich in des aberwitzigen Libo Händel gemischet / und bey nahe sie und den Sejan mit in sein Spiel gemischt /oder zum wenigsten in Verdacht gestürtzt hätte. Sintemal Drusus im Rathe wider sie beyde scharff geredet hätte. Das grosse Ansehn und die Klugheit des Sejan hätte dißmahl noch durchgedrungen / und er hätte auf ihre Vorbitte sie aus dem Kercker errettet. Libo hätte nach einer prächtigen Todten-Mahlzeit sich für besorgter Verdammung durch zwey Stiche getödtet / Pituanius wäre zerschmettert / Publius Marcius / welcher mit dem Libo bey der Beschwerung gewest / für der Exqvilinischen Pforte enthauptet / alle Zauberer und Sternseher aber / weil die Ausdeutung des Sternen-Lauffes zu einem Schlüssel zur Hexerey diente / aus Italien zu jagen ein Rathschluß gemacht und die sämtlichen Weltweisen zu Rom in schlechtes Ansehn versätzt worden; nach dem der Rathsherr Haterius weitläufftig ausgeführet hätte: daß die Weltweißheit sich ins gemein mit falschen Tugenden ausschmückte / und unter dem Diagoras gottlose / unter dem Diogenes unverschämt / unter dem Demochares eigennützig / unter dem Lycon schandfleckicht / unter dem Metrodorus wollüstig / unter dem Crates wahnwitzig / unterm Menippus närrisch / unter dem Pyrrhon zu frey / unterm Cleantes verdrüßlich / unterm Arcesilaus unruhig / und unterm Lacydas zänckisch worden wäre. Ich danckte Sentien fußfällig für solche Hülffe / und verlachte nochmahls den Libo und Pituanius: daß sie so wol den so schlimmen Traum als des Pompejischen Geistes Andeutung so alber ausgelegt hatten; da jener vielmehr sich hätte für dem Catus /der ihm recht zur gifftigen Schlange ward / hüten /und sich einbilden sollen: daß niemand mehr als ein Sterbender Gefärthen bekomme. Wir kamen mit gutem Winde ehe / als wir vermeint hatten / zu Maßilien an / und reiseten durch Gallien glücklich nach Mäyntz; von dar ich für sechs Tagen allhier in meinem zwar einsamen aber viel sicheren Vaterlande an kommen bin; und / wenn ich versichert wäre / sagte sie zum Malovend: daß deine Neigung gegen Sentien so beschaffen wäre / wie du vorgiebst / wolte ich dich einer añehmlichen Heimligkeit theilhafftig machen. Malovend betheuerte: daß / ob zwar in Deutschland[1154] allerhand Zwistigkeiten wären / er doch gegen Sentien nichts hätte / sondern / wie sie vor diesem einander alles gute erwiesen / also wünschte er ihr noch zu dienen. Wartburgis nahm ihn nach diesen Worten bey der Hand / zündete geschwind ein stücke Kühn an /und führte den Malovend in eine grosse und hohe Höle / allwo er zu höchster Verwunderung Sentien nebst noch zweyen Weibern antraf. Eines entsätzte sich so sehr für dem andern / als das andere. Die verwegene Sentia aber fieng zuerst an: Was verleitet dich Wartburgis einen unser Feinde in diß Heiligthum zu bringen? Wartburgis entsätzte sich hierüber; Malovend aber fiel alsbald mit besonderer Freundligkeit ein: Er erinnerte sich nicht: daß sie ihm / oder er ihr sein Lebtage einiges Leid angethan hätte; zudem wäre es so wol seiner als aller tapfferer Leute Eigenschafft: daß sie gegen Frauenzimmer keinen Krieg führten /keinen Haß hegten. Er käme hieher aus Begierde ihre Befehle zu nehmen / und alle Annehmligkeiten zu erweisen; wünschte auch nichts mehr / als ihre Gewogenheit. Derogestalt sind die Augen mehr Larven als Fenster des Gemüthes. Sentia versätzte: Er wäre ja ein Feind des Segesthes / und ein Abtrinniger von denen mit ihm verbundenen Römern? Malovend antwortete: Ich bin ein so treuer Bund-Genosse der Römer / als ein geneigter Bluts-Freund Segesthens gewest; nach dem ich aber bey der Niederlage des Varus gefangen / die Römer über den Rhein getrieben / mein Land den Cheruskern zur Beute worden / habe ich mich müssen ins Glücke und die Zeit schicken /linde Seiten aufziehen / und wie Segesthes selbst mehr als einmahl zu thun genöthiget worden / den Mantel nach dem Winde kehren. Sentia nahm diß Wort von ihm / und sagte: du hast recht / Malovend; die Klugheit muß sich nach der Gelegenheit / wie der Steuermann nach dem Winde / und die Magnet-Nadel nach dem Angelsterne richten / und niemand durch Hartnäckigkeit überlegener Gewalt und dem Verhängnüsse widerstreben. Weil das Blat sich nun wieder auf die Seite der Römer gewendet hat / wirst du hoffentlich nun auch so klug seyn sich derer Untergehenden zu entschlagen / daß sie dich nicht zugleich mit in Abgrund reissen. Malovend fiel ein: Es läßt sich so leicht und so offt nicht umsatteln. Die Leichtsinnigkeit ist die ärgste Verstellung eines Mannes / wie vielmehr eines Fürsten. Sie bringet einen um den guten Nahmen / um alles Ansehen / und macht: daß ihm hernach kein Mensch / auch der selbst / zu welchem er sich wendet / nichts trauet. Wie nun ein kluger etwas mehr als ein Mensch ist; also macht sich ein Wetterhahn zu etwas wenigerm als einem Menschen /wenn er schon vorher für einen halben Gott wäre gehalten worden. Sentia versätzte: Es ist mir leid: daß du dich auf die Richtschnuren verschlagener Fürsten nicht besser verstehest / und nicht weist: daß sie andere nicht wegen ihrer Tugend / sondern nur wegen ihres Nutzen lieben. Du wirst itzt den Römern so lieb / und bey ihnen so hoch gesehen seyn / als vormahls bey den Catten und Cheruskern; ob du schon vorher den Degen wider sie geführet hattest. Malovend brach ein: Ich kan mir nicht einbilden: daß einer / welcher so offt umschlägt / und so sehr im Willen als in gutem Urthel hincket / viel geachtet / oder auf ihn viel gebauet werden könne; weil man ihn so geschwinde zu verlieren hat / als er vor gewonnen worden. Weiches Wachs läßt zwar leicht jedes Bild in sich drücken /aber sich auch eben so bald wieder verwischen; und die Wolle / welche alle Farben annimmt / behält endlich keine. Uberdiß stünde noch bey Gott und dem Glücke: ob die Römer oder die Deutschen in diesem Kriege den Meister spielen würden. Die Würffel lägen noch auf dem Tische / und hätten die Römer sich noch zur Zeit wenigen Vortheils zu rühmen. Ja /wenn auch diß schon wäre / so verkehrte sich nichts geschwinder / als das Glücke im Kriege / [1155] und stimmte der Ausschlag mit dem Anfange selten überein; wie die Römer im Carthaginensischen Kriege selbst erfahren / da sie / welchen doch das Verhängnüs den Sieg zudachte / vielmahl den kürtzern zohen / und dem Untergange näher / als ihre Feinde waren. Sentia antwortete: Er möchte doch von den Deutschen ihm den süssen Traum aus den Gedancken kommen lassen; daß nach dem die Parthen / derer Häupter sich Könige der Könige rühmten / mit der übrigen Welt das Verhängnüs der Römischen Herrschafft durch ihre Demüthigung erkennten / die eintzigen Deutschen sich von dem allgemeinen Nothzwange loß würcken würden. Sie gäbe gerne nach: daß Völcker Ursache hätten sich einer in der Nachtbarschafft allzu groß werdenden Macht zu widersätzen / und ihr die Flügel zu behacken: daß sie ihnen nicht zu Kopffe wüchse; weil man so denn billige Furcht hätte gleichfalls verschlungen zu werden / indem mächtige Herrscher sich weniger als Feuer mäßigen und ruhen könten. Alleine diß hätte sollen beyzeite geschehen / ehe die Flamme zu Schwunge kommen und unleschbar worden wäre /und als Gallien von Römern zum ersten angefochten worden. Nun aber wäre alles zu spät / und also rathsamer sich für der Römischen Macht zu beugen / als von selbter gar zermalmet werden. Die Römischen Gänse hätten den Brennus und seine Deutschen vom Capitolium abgetrieben; was solten nun nicht ihre Adler und Löwen ausrichten? die Sicambrer / Chauzen / Friesen und andere Deutschen wären ja schon hierinnen zum Verstande kommen; also solte er nicht der letzte seyn / und lieber etwas von Zerstickelung der Cattischen und Cheruskischen Länder zur Ausbeute zu bekommen trachten / als anderer Beute werden. Es wäre eine der grösten Klugheiten anderer Untergang ihm nütze machen / und aus frembdem Schiffbruche die Stücke zusammen lesen. Sie wünschte: daß er das Verzeichnüs der auf den Beinen habenden Römischen Kräffte / welches ihr zu Rom Sejanus gewiesen hätte / sehen solte. Zu Ravenna am Misenischen Ufer und bey den Carnen stünden drey mächtige Kriegs-Flotten / bey denen Batavern wären über die bey denen Ambraischen Städten stehenden nun funfzehn hundert Schiffe mit allem ausgerüstet. In Hispanien befindeten sich drey / am Euphrates vier / in Dalmatien zwey / in Mäsien zwey / in Pannonien zwey /an der Donau eben so viel / und am Rheine nunmehr neun mit einem Drittel verstärckte Legionen / ohne die unzählbare Menge der Hülffs-Völcker / welche so viel Länder als ihren Kern zu Uberwindung der hartnäckichten Deutschen und zu Beruhigung der Welt willig hergäben. Er möchte auch festiglich glauben: daß niemals keine grössere Macht wider einiges Volck aufgezogen wäre / als diß / welches diesen Frühling wider die Deutschen solte geführt werden. Malovend versätzte: die Deutschen stünden nichts weniger in einer bessern Verfassung / als niemahls vorher. Sie wären durch so viel Treffen geübet / der Römischen Kriegs-Art gewohnt / mit bessern Waffen versehen / und die Völcker üder der Elbe fiengen nun an die Augen aufzusperren / und hätten sich erboten mit einer ansehlichen Macht dem Feldherrn unter die Armen zu greiffen. Dahero wäre am rathsamsten hertzhafft und beständig zu seyn / und für der Grösse keiner Macht / welche vielmahl mehr zur Verwirrung als zum Siege diente / erschrecken. Der Tapfferkeit wäre kein- der Furcht aber jeder Feind zu starck; welche ihr aus Schatten grosse Riesen machte / und alle Kräfften des Gemüthes wie ein Geschwüre alle Glieder des Leibes einnähme und schwächte. Sentia brach ein: Ich sehe wol / Malovend hat ihm einen Kopff für gesätzt / welchen die wichtigsten Ursachen nicht brechen werden. Alleine es geschicht diß ins gemein: daß je in grösserm Irrthume einer steckt / je schwerer ist er ihm zu benehmen. Alleine diß ist keine Beständigkeit. Denn diese ist nur eine Tugend des Willens / [1156] nicht des Urthels / welches allemahl aus Liebe der Warheit sich zu ändern geneigt seyn soll / wenn es nicht in schädliche Hartnäckigkeit verfallen wil. Dencke aber der Sache besser nach / und glaube: daß ich nach geheyrathetem Segesthes mich nicht mehr für eine Römerin / sondern für eine Deutsche halte; und daß ich es mit dir und Deutschlande besser meyne / als ihr durch eure eingenommene Einbildung beredet seyd. Sie bezeugte ihm hierauf alle mögliche Höfligkeit /und weil sie vernam: daß er Wartburgens Rath zu pflegen gesonnen wäre / versicherte sie ihn: daß er keine weisere Frau in der Welt finden würde. Uber diesen Gesprächen neigte sich die Sonne zum Untergange / für welchem die Zauberer so wenig was zu bannen / als die Persen für der Sonnen Aufgange ihr Kriegs-Heer auszuführen pflegen. Wartpurgis redete also Malovenden an: Ich mercke / daß der Monde über unsere Erden-Fläche empor steigt / also die Zeit unsers Thuns verhanden ist. Woher wirst du aber für die höllischen Götter ein schwartzes Opffer hernehmen? Sie sätzte aber nach der Zauberer Gewonheit einen Krantz von Farren Kraute mit darein geflochtenen gelben Blumen vom güldenen Lein-Kraute auf; und fieng alsofort an zu pfeiffen; worauf eine grosse Menge Bären / Luchse / Wölffe / und anderer wilder Thiere mit vollem Rennen zugelauffen kamen / als schwerlich zu der Leyer des Orpheus geschehen ist. Wartpurgis ermahnte den Malovend: er solte ihm daraus ein schwartz Thier auslesen / und von ihm keine Widersätzligkeit besorgen / worauf er denn einen grossen Bär erkiesete / welcher sich wie ein zahmes Lamm führen ließ. Nach dieser Wahl kehreten alle Thiere zu rücke; gleich als wenn sie durch Lieferung dieses Bäres ihrem Gehorsame ein Genügen gethan hätten. Wartpurgis und Malovend verfügten sich zum Brunnen mit dem Bären; allwo jene den Kreiß und Zeichen ausleschte; hierauf um selbten / den Fürsten Malovend / welcher wie sie die Schuh von sich werffen muste / und den Bär mit vielem Gemurmel und grausamen Gebehrden einen neuen Kreiß und allerhand seltzame Zeichen in die Erde einscharrte. Weil bey solchen Zaubereyen auch sonst kein Mensch einig Wort reden darf / hemmete sie dem Malovend durch ein dinnes Blaster / wormit die Kinder in Mutter-Leibe bekleidet seyn / die Zunge: daß ihm weder Schrecken noch Vergessenheit einiges Wort auslocken konte. So bald der Monde nun über die Bäume empor kam / drehete sie sich an einem in der Erde angepflöckten Riemen von Ochsen-Leder unzählich mahl herum / ruffte Hecaten / und sang zugleich ein Aussohnungs-Lied dieser Göttin zu Ehren. Hernach fiel sie auf ihr Antlitz / betete ihn an / hernach warf sie aus dem Brunne drey Handvolln Wasser gegen selbtem empor und breitete ein Gebund ungemeiner und in Brunn getauchter Kräuter aus; gleich als der Monde durch seinen Einfluß ihnen mehr Kräffte einflößen solte / welcher auch nunmehr der Erde viel näher zu stehen schien. Nach diesem ergrief sie den Bär / warf ihn zu Bodem / stach ihm ein Messer ins Hertze / fieng sein Blut in ein Becken auf / und sätzte solches auf den nunmehr zu qvellen aufhörenden Brunn / daß es schwam. Hierauf fiel sie abermahls aufs Antlitz; darnach machte sie im Kreisse ein Feuer / worauf eine unzählbare Menge Schlangen / Nattern /Molche / Heydächsen und dergleichen Ungeziefer herzu kam / und drey Schuch hoch sich um den Kreiß legten / und darein aus ihren Mäulern dem Ansehen nach alle ihre Galle und Gifft ausschütteten. Wartpurgis aber schnitt den Bären auf / rieß das Hertze heraus / theilte es mitten entzwey / tauchte beydes in das ausgeschäumte Schlangen-Gifft / und warf ein Theil mit den Kräutern ins Feuer / daß es verbrennte; das andere in Brunn / und fieng mit einem abscheulichen Antlitz und mit verdrehten Augen an:


[1157]

So wandt' ich Lieb' in Gifft / so kan ich Hertzen trennen.

Das eine müß' erfriern / das andere verbrennen.


Als diß vollbracht war / verließen die Schlangen mit einem schrecklichen Gepfeiffe und Zischen den Kreiß; Wartpurgis aber verdrehte die Augen / daß man keinen Stern / sondern eitel weißes sah / knirschte mit den Zähnen / schüttelte den Kopf / kratzte mit den Fingern in der Erde / gebehrdete sich als eine Rasende / und fiel endlich gar für todt zur Erde. Malovenden standen hierüber die Haare zu Berge; der Angstschweiß brach ihm aus / er verfluchte im Hertzen hundert mahl; daß er sich in diese Zauberey einflechten lassen / und hätte für Schrecken und Furcht verzweifeln mögen. Uber eine Weile aber fuhr Wartpurgis im Grimm auf und fieng an: Warum leidet ihr unterirrdischen Götter: daß in eurem Gebitte unter der Erden einige wilde Raute einiger Lorber-Baum wurtzele? Daß in euren Adern ein Jaspis wachse / damit diese schädlichen Dinge alle Opffer eurer Priester zernichte? Verbrennet und zermalmet doch alles / was euch und mir zu wider ist! Soll meine heutige Arbeit umsonst / meine Andacht verlohren / und ich zweyer liebenden Hertzen zu zerspalten nicht mächtig seyn? Auf solche Art mag ich nicht mehr eure Priesterin bleiben / noch so verachtet leben. Darnach schrieb sie neue Zeichen / und machte eine Grube in die Erde / schnitt sich mit einem Messer in die große lincke Zehe / ließ das Blut darein flüssen / goß Wasser aus dem Brunne dazu; fiel aufs Antlitz nieder und murmelte. Hierauf fuhr sie wieder empor / tauchte den Spißfinger in das mit Beeren-Blute angefüllte Becken / und schrieb darmit ins Wasser / des sich nicht rührenden und einen hellen Spiegel fürbildenden Brunnes / Malovenden aber gab sie ein Zeichen; daß er solte in Mohnden sehen / in welchem er folgende Schrifft deutlich lesen konte:


Was das Verhängnüß knipfft / weiß ich nicht zu zerschneiden /

Ich und die Erde wird sie sondern / doch nicht scheiden.


Wartpurgis grief hierauf mit Ungedult in den Brunn /nam das hinein geworffene halbe Herze wieder heraus / schnitt mit einer Nadel Malovends Nahmen darein /und Malovenden sieben Haare vom Kopffe / welche sie um das halbe Hertze wickelte / hernach solches dreymal gegen den Mohnden hielt / folgends ein Oel darauf goß / und es Malovenden recht aufs Hertze legte / darauf er es muste erwarmen lassen. Nach dem sie nun abermals dreymal aufs Antlitz gefallen war /und den Mohnden angebetet hatte / tauchte sie den Finger abermals ins Blut / und schrieb auf den Brunn / Malovend aber laß im Monden:


Du hast die / die du liebst / wol nöthig werth zu halten.

Denn / hülffe sie dir nicht / so müstestu erkalten.


Hiermit machte Wartpurgis ihrer Zauberey ein Ende; sie verwischte den Kreiß und die Zeichen; goß das Becken in die nunmehr zweyfach so starck flüssende Bach aus / und meinte dem Malovend viel zu seiner Nachricht und zum Glücke dienendes gesagt zu haben. Sentia hatte ihm unter deß in der Höle eine Lagerstadt bereitet / aber sein Gemüthe war über dem /was vorgegangen / so unruhig; daß es ihm kein Auge zumachen ließ. Auf den Morgen setzte Sentia aufs neue an ihn / und weil ihr nicht unwissend war: daß er die Fürstin Catta / welche nechster Tage dem Hertzoge Jubil vermählt werden solte / verliebt war / konte sie aus dem / was ihr Wartpurgis erzählte / die Rechnung leicht machen: daß an diesem Nagel sein Kummer hienge. Daher sie ihn an dieser Schwäche anzugreiffen für rathsam hielt / und ihm der Römer eusserste Kräfften versprach ihm die Fürstin Catta in die Hände zu spielen. Ob nun gleich diese Vertröstung keinen Schein einiger Mögligkeit hatte; so machte doch die den Liebhabern eigene Hoffnung ihm diß und ein mehres leichte; er versicherte also Sentien: daß wenn sie ihm zu Cattens Besitzthum verhülffe / er auf die [1158] Römische Seite treten wolte. Malovend ließ sich also auf den Weg nach Neidenstein weisen / und Sentia in Bauern-Tracht sich durch die Wildnüßen an Rhein und folgends nach Meyntz bringen. Beyde redeten aber mit einander eine verborgene Schrift ab / in welcher sie zusammen Briefe wechseln wolten. Malovend kam nach Mittage nach Neidenstein / und weil er durch die gantze Wildbahn vergebens gesucht worden war / ward er desto freudiger bewillkommet. Sintemahl sie ihnen von ihm was gar arges eingebildet hatten; weil die meisten von seiner heftigen Liebe /gegen die Fürstin Catta wusten / und sie in seinem Zimmer mit einem Diamant folgende nachdenckliche Reyme in ein großes Fenster-Glaß eingeschrieben gefunden hatten:


O Hofnung / meiner Seele Pein!

Und gleichwol Labsal meines Hertzen!

Du Qvell und Pflaster meiner Schmertzen /

Wilstu nun gäntzlich aus / und doch mein Hencker seyn?


Du speisest mich mit Zucker zwar /

Und wilst nun selbst zu Wasser werden;

Du weisest Lust / gewehrst Beschwerden;

Und machest niemals nicht / was du vertröstest / wahr.


Es ist nicht Wolthat / sondern Qvaal:

Daß du mich nicht bald sterben lässest /

Und doch mein Leben täglich pressest.

Denn vielmal sterben ist ja schwerer als einmal.


Du schnöder Schatten falsche Lust;

Du eitler Traum verwirrter Sinnen;

Du läst uns Blasen lieb gewinnen /

Und füllst mit deinem Nichts uns gleichwol Kopf und Brust.


Ich bildete mirs Anfangs ein:

Du würdest mich doch nur betriegen;

Doch ließ ich mir an dir vergnügen;

Denn Liebe kan mit dir und ohne dich nicht seyn.


Nun aber bann ich dich von mir;

Ich mag nicht hoffen / auch nicht leben;

Weil du nur Wermuth weist zu geben /

Geht des Verzweifelns Gifft weit deinem Zucker für.


Er danckte für ihre Sorgfalt / und gab für: daß er durch Verfolgung eines Hirsches im Wald sich so tieff verirret hätte / daß er darinnen übernachten müssen / und mit Noth wieder zu rechte kommen wäre. Weil nun alles schon zum Einzuge nach Cattenburg fertig gemacht war / konte er sich nicht ausschliessen; reisete also schwermüthig / und zwischen Furcht und Hofnung / was die Zauberische Monden-Wahrsagung ihm Gutes oder Böses bringen würde / mit dahin. Alle Tage dachte man auf neue Ritter- und Freuden-Spiele; also / daß Malovend ein und andermal Gelegenheit gefunden hätte der Fürstin Catta sein Anliegen mit dem Münde zu entdecken / wenn sie nicht solches mit Fleiß zu verhüten bemüht gewest wäre. Gleichwol redeten ihr als einer verständigen mehr denn zu viel seine Augen; welche in der Liebe eine so gute Zunge oder Feder des Hertzens / als das Hertze eine der Seele sind. Die sonst denen begierigen Liebhabern so langsame Zeit lief dem trostlosen Malovend schneller als der flüchtigste Pfeil vorbey. Das geringste Trennungs-Mittel / darauf ihn die Zauberin vertröstet hatte / ließ sich mehr hoffen / weniger blicken; und die Liebe zwischen dem Hertzoge Jubil und Catten / welche bey dieser Staats-Heyrath anfangs ziemlich lau gewest war / schien allererst rechten Zunder bekommen zu haben / nach dem Wartburgis Jubills Hertz im Feuer einzuäschern / und Cattens Liebe im Brunnen zu ersäuffen sich bemühet hatte. Als nun der Tag der Vermählung eintrat / ward für der Sonnen Aufgange alles fertig gemacht sich mit großem Gepränge in den zwey Meilweges von dar gelegenen Heyn zu verfügen / welcher bey den Catten für den allerheiligsten und dem Tanfanischen gleiche gehalten ward. Malovend befand sich nun in dem verwirrtesten Zustande / in den iemals ein Mensch gerathen kan. Denn seine Liebe / welche noch bey seiner Ankunfft nach Cattenburg [1159] gewest war / hatte die wenigen Tage so zugenommen: daß sie ein grausamer Vater aller heftigsten Gemüths-Regungen worden war. Eine war aber kaum gebohren / so ward sie von einer andern erstecket; also daß in wenig Augenblicken hundert Begierden und Anschläge jung wurden und verschwanden. Liebe / Furcht / Hoffnung / Eyversucht / Rache und Verzweifelung machten in seinem Hertzen ein schrecklicher Ungewitter / als ein Orcan auf der See seyn kan /wo ein rasender Wind wider den andern stößt / eine Welle die andere verschlingt / der Blitz die stock-finstere Nacht erleuchtet / vom Donner Wolcken und Schiffe zerbersten / Himmel und Erde sich mit einander vermischen. Er berieth sich mit sich selbst: ob er der Vermählung solte beywohnen oder nicht. Seine Liebe rieth es ihm; weil die Abwesenheit die betrübte Nacht der Liebhaber ist; seine Eyversucht aber widersprach es / und die zarte Empfindligkeit seiner Seele traute ihr selbst nicht zu: daß sie sonder Vergehen die Fürstin Catta solte einem andern übergeben sehen. Also konte er sich mit sich selbst nicht vergleichen. Es kam ihm aber die Zeit des Aufbruches und Hertzog Ingviomer so geschwind auf den Hals: daß / ehe er es bey sich entschlossen hatte / mit der Gesellschafft auf seyn muste. Sie wurden bey dem Eingange des Heynes von zwey Priestern empfangen / mit geweyhetem Wasser besprenget / und alle musten die Schuh ausziehen. Er war mit überaus großen Eichen und Buchen erfüllet; weil von etlichen tausend Jahren darinnen kein Ast abgehauen worden war / auch noch bey Lebensstraffe niemand eine Hand oder Axt anlegen dorffte ausser die Priester / welche zu Unterhaltung des ewigen Feuers nur dieselbigen Bäume abholtzen dorfften / welche von einem Regenbogen berühret wurden. Weil dieser nicht nur alles kräftiger und wolrüchender / sondern auch heiliger machen soll. Kein Tempel oder Bild war zu sehen; sondern in der Mitte stand ein ziemlich erhobener und von einem klaren Bach umflossener Steinfels. Auf diesem ward mit grosser Sorgfalt das ewige Feuer unterhalten / und alles geopffert. Nach dem nun alle auf den Knien eine Zeitlang gebetet hatten; stieg der oberste Priester mit dem Fürsten Jubil und Catten auf den heiligen Felß /worüber Malovend Gesichte / Gehöre und alle Sinnen verlohr; also wie ein unbeseelter Stock stand und endlich ohnmächtig zu Bodem fiel. Der Priester erfrischete inzwischen mit Hartzt die Flamme; welche aber nicht wie sonst gewöhnlich sich gegen dem Himmel zuspitzen wolte. Uber diß weigerten sich auch die von einem andern Priester zu der Bach gebrachten Holtz-Tauben daraus zu trincken. Denn es war hier eben diese Gewohnheit / wie in Egypten: daß kein Wasser zum Gottesdienste geschöpffet ward / daraus nicht vorher der Vogel Ibis getruncken hatte; welcher kein trübes oder giftiges anrühren soll. Hertzog Jubil ließ zum Opffer sieben weiße Ochsen / und Catta so viel solche Kühe herbey führen / es entrissen aber derer wol fünf ihren Führern. Die vorhin klare Lufft trübte sich auch / und der Himmel ward mit kohlschwartzen Wolcken bedeckt / welche hernach so viel schrecklichern Blitz und Donner ausspeyeten / als er um diese noch frühe Jahres-Zeit ungewöhnlich war. Jederman erstarrete über dieser plötzlichen Veränderung; und die Verlobten selbst / welche diesen Tag ihnen für den Anfang vieljähriger Vergnügung eingebildet hatten / wahrsagten ihrer Verehligung kein gemeines Ungelück; und bescheideten sich: daß der Menschen Hoffnung ein Ancker in eitel Trübsande wäre; und ihr Gelücke weder Gewichte noch Festigkeit hätte. Diese Bestürtzung aber verwandelte sich bald darauf fast in eine gäntzliche Entseelung. Deñ die Erde / welche der Grund des gantzen Welt-Gebäues seyn soll / fieng unter unter ihnen an zu beben / [1160] die grossen Bäume fielen mit Krachen über einander / die darum liegenden Berge wanckten hin und her; der Bodem borste und verschlang die Bach; der Opffer-Berg aber spaltete mitten entzwey / und aus dieser Oeffnung kam Glutt und folgends ein stinckender Dampff herfür. Niemand stand so feste / der nicht über dieser eine gute Viertel-Stunde währenden Schütterung über einen Hauffen fiel / und sich nicht für verlohren hielt. Hertzog Jubil ward von der Fürstin Catta durch den Ritz getrennet / welcher den gantzen Felß in zwey Theile zerspalten hatte. Daher als gleich das Erdbeben aufhörete / doch alle erblaßt wie die Todten aus-und sonder Vermögen zu reden einander bestürtzt ansahen. Denn ob zwar im Wercke es kein Unterschied ist: ob einen ein Leichenstein / oder ein gantzer Berg bedeckt; ob einen ein Baum oder die halbe Erd-Kugel erdrückt; ob man alleine in ein Grab gelegt / oder mit einem gantzen Volcke in das innerste Eingeweide der Welt verschlungen wird; und tapffere Leute für dem dräuenden Tode das Gesichte nicht verändern sollen; so ist es doch etwas übermenschliches in so unversehenen und schrecklichen Begebnüssen / wo die Natur selber zu zittern anfängt / das Antlitz nicht verstellen und kein Hertzklopffen fühlen. Nach dem nun auch etliche Personen von denen umgeworffenen Bäumen erschlagen worden / und alle in Furcht neuen Erdbebens waren / dachte niemand mehr an die Vermählung / durch welche die Natur selbst einen Strich gemacht zu haben schien / sondern die Priester eileten so wol als die Fürsten aus diesem Heyne / welchen jene ohne diß für entweyhet / und zum Gottesdienste nunmehr untauglich hielten. Die meisten bildeten ihnen auch ein: daß Jubils und Cattens Vermählung dem Verhängnüsse zu wider wäre; Malovend aber ließ ihm träumen: daß seine Liebe noch ihren Zweck erreichen würde / und dieses Erdbeben ihm zum besten durch der Wartburgis von den unterirrdischen Geistern wäre zu wege gebracht worden. Er würde auch vielleicht sein Lebtage in diesem Aberglauben geblieben seyn /wenn er nicht erfahren: daß es sich nicht nur über den Rhein in Gallien erstreckt hätte / sondern um selbige Zeit in Asien ein viel schrecklichers gewest wäre / in welchem gantze Berge verschlungen / und zwölff berühmte Städte / Sardis / Magnesia / Temnos / Philadelphia / Aege / Apollonia / Mosthenes / Hierocäsarea / Myrina / Cyme / Tmolus und Hircanien über einen Hauffen gefallen. Westwegen auch Tiberius ihnen auf fünf Jahr alle Schatzung erließ / und den Marcus Aletus in Asien schickte denen Beschädigten zur Wiederaufbauung Vorschub zu thun. Ungeachtet nun zu Cattenburg auch nach verschwundenem ersten Schrecken alles sehr bestürtzt war / und so wol etliche Priester / als das Volck den Donner und das Erdbeben für eine Wahrsagung grossen Ungelücks andeuteten; so mühte sich doch Hertzog Herrmann solches jedermann auszureden. Sintemahl Donner und Blitz die weisen Egyptier für eine Andeutung grosser Ehre und Ruhmes in der Welt auslegten / westwegen auch bey den Römern nicht ungewöhnlich wäre durch Opffer wahrsagende Donnerschläge zu wege zu bringen. Daher hätten die Wahrsager dem grossen Mithridates überaus grosses Glücke angekündigt / als er noch in der Wiege auf der Stirne vom Blitze gezeichnet / und bey seinen männlichen Jahren seine Pfeile im Köcher davon wären angezündet worden. So hätte auch weder der deutschen Fürsten Fall / noch das Erdbeben was böses hinter sich. Denn Julius Cäsar wäre nie glücklicher gewesen / als da er vom Schiffe ans Africanische Ufer gefallen; welches er auch alsofort für ein Zeichen seines erlangten Besitzthums ausgelegt; und die Erde wäre gleichsam selbst für der Vereinbarung so vieler tapfferer Helden erzittert. Nach dem er nun die Gemüther wieder in ziemlichem Stande sahe / Hertzog Jubil und die Fürstin Catta auch [1161] sonder den geringsten Abbruch ihrer Liebe die Vollziehung ihrer Ehe dem Verhängnüsse geduldig heimstellten / wolte der Feldherr mehr keinen Tag in seinen Krieges-Anstalten verschüben; sondern eilete gegen der Elbe daselbst von Cimbern und Longobarden gewisse Hülffs-Völ cker an sich zu ziehen. Ingviomer brach ebenfalls auch auf / um die Belagerung des Drusischen Altares an dem Rheine und der Lippe fürzunehmen. Arpus reisete nach Mattium; Hertzog Jubil an die Saale /Catumer auf das Taunische Gebürge wider die Römer gute Anstalt zu machen / das Frauenzimmer aber solte so lange / biß man sähe / wo der Krieg hinaus wolte /zu Cattenburg verbleiben. Malovend ließ zwar alle verbundene Fürsten dafür halten: daß er seine Marsen auch zu vorerwehnter Belägerung zusammen ziehen wolte; er wendete sich aber geraden Weges gegen dem Rheine und der Mosel auf Ambiatin zu seiner daselbst hin verschriebenen Sentia / wo Germanicus eben anwesend war / und eine Brücke über den Rhein angab. Weil Sentia nun mit dem Germanicus schon alle Bedingungen abgeredet hatte / ward Malovend von ihm / jedoch an einem gantz abgesonderten Orte mit grosser Ehre empfangen. Weil dieser nun dem Germanicus alle Anschläge der Deutschen verrieth /ertheilte Germanicus Befehl: daß sechs Legionen ohne einige Hindernüs in dem Ubischen und Menapischen Gebiete sich zusammen ziehen und daselbst fernern Befehl erwarten solten. Inzwischen säumte Ingviomer nicht mit seinen Bructerern sich bey dem Drusischen Altare zu sätzen / über die Lippe eine Brücke zu bauen / die an der Ecke beyder Ströme liegende neue Festung der Römer / welche sie nunmehr nach dem Verluste des alten Neu-Aliso hiessen / zu umschlüßen. Malovend schickte seinen Marsen Befehl sich mit den Bructerern zu vereinbaren / er würde in weniger Zeit sich selbst bey der Belagerung einfinden. Ingviomer bemächtigte sich inzwischen des auf einem Hügel nicht weit von der Festung liegenden und umschantzten Drusischen Grabmaals mit Sturme /schleiffte selbtes und machte alles der Erde gleich; also daß des Drusus Grabmaale gleichsam zur Einäscherung versehen waren / und der Römer ihrer kaum so viel bauen konten / als ihrer die Deutschen zernichteten. Weil aber die grosse Römische Macht sich der Belagerung näherte / schrieb Ingviomer an den Hertzog Arpus um Hülffe; welcher denn auch seine zwischen der Dymel und der Fulde liegende Kriegs-Völcker zehn tausend Mann starck unter dem Grafen von Hanau und Isenburg ihm zusendete; und /weil der Krieg sich derogestalt nach Norden zoh / befahl er nicht alleine: daß Catumer bey dem Altare des Bacchus über den Rhein gehen / und in das fast aller Kriegs-Macht entblöste Gebiete der Trierer einbrechen solte; sondern daß auch seine Gemahlin mit der Fürstin Adelmunde / Catta und anderm Frauenzimmer sich wieder nach Mattium verfügen solte. Sentia kriegte hiervon zeitlich Kundschafft / beredete also den Germanicus: daß er den Catten einen unversehnen Streich versätzen könte; daher er deñ auch den Silius beym Ubischen Altare mit zwey Legionen / drey tausend Hispaniern / zehn tausend Nemetern und Vangionen über den Rhein gehen ließ. Malovend war zwar auch darbey / aber in unbekandter Gestalt eines Ubischen Fürsten / welcher sich Klodowich nennte. Weil es nun diesem mehr um die Fürstin Catta als um der gantzen Welt Herrschafft zu thun war / veranlaßte er den Silius: daß er ihm aus allen diesen Völckern zwey tausend / welche am besten beritten waren / untergab; Mit diesen gieng er Tag und Nacht am Siegstrome hinauf / von dar wendete er sich gegen die Eder / und weil sie alle deutsch aufzohen / sie auch keinem Menschen einig Leid zufügten / hielt sie niemand für was weniger als Feinde. Eine Meile von Battenberg blieb er in einem Walde verstecket stehen / schickte etliche Cattischgekleidete [1162] Kundschaffter nach Franckenberg / welche ihm die Nachricht brachten: daß das Fürstliche Frauenzimmer den Abend vorher auf dem Schlosse Waldeck ankommen wäre / und folgende Nacht zu Franckenberg schlaffen würde. Malovend war so begierig: daß er des andern Tages nicht erwarten konte / sondern sätzte alsbald oberhalb Battenberg über die Eder und Orck sich des Frauenzimmers / ehe es Franckenberg erreichte / und der Ruff von der Römer Einfalle kund würde / zu bemächtigen. Sein Anschlag gerieth ihm auch so wol: daß Walbert ein junger Fürst der Nemeter eine Meile von dar auf den Vordrab und den Grafen von Witgenstein stieß / welcher in zwey hundert Pferden bestand / welche sonder sich eines Feindes zu versehen von Malovends ersten Hauffen nach einer kurtzen Gegenwehr angefallen und zurück getrieben wurden. Malovend ließ diese mit einander im Gefechte / gieng mit dem übrigen Volcke vorbey / und fand daselbst an einer Bach die Cattische Hertzogin Rhamis und die Fürstin Catta auf einem Wagen beysammen; derer ließ er sich ehe bemächtigen / als zehn oder zwölff Cattische Reiter durch den Furth selbiger mit vielem Gestrittig bewachsenen Bach kommen konten. Der Graf von Witgenstein eilte zwar herzu; und der junge Ritter Waldeck / welcher sie begleitete / sprengte mit einer Anzahl Cattischer Edelleute durch das Gestrittig über die Bach / aber der Feind war zu starck / und hatte jedem Catten ihrer vier entgegen zu sätzen; daher so wol Witgenstein als Waldeck harte verwundet / die verzweiffelt fechtenden Catten guten theils erlegt / die übrigen in die Flucht gebracht / aber nicht verfolget wurden. Denn Malovend war an seiner unschätzbaren Beute vergnügt / welcher die Fürstin zu Pferde bringen / und mit ihnen ohne Versäumung einigen Augenblicks gegen dem Siegstrome zurück eilen ließ; ohne daß er sich wie schwer es ihm auch ankam zu erkennen gab; weil er noch zur Zeit kein offentlicher Feind der Catten und Cherusker / weniger aber ein Rauber dieser Fürstin seyn solte / als bey welcher er so gestalten Sachen nach nimmermehr einen Stein im Brete zu erlangen getraute. Die Fürstin Adelmunde hatte zu ihrem Glücke dißmahl zu Pferde gesessen / und war mit den übrigen Catten entkommen. Das Geschrey von diesem Raube breitete sich also bald weit aus; daher alles / was nur reiten konte /zu Pferde saß / den Raubern den Weg zum Rheine zu verbeugen; der Feind aber hatte selbige Nacht einen so guten Vorsprung erlangt: daß er folgenden Tag gegen Abend bey dem Silius ankam / welcher mit seinem Heere zwischen dem Siegstrome und dem Gebürge sechs Meilweges herauf gerückt war. Der den Raubern selbst nachsetzende Hertzog Arpus kriegte vom Einbruche der Römer des Morgens Nachricht / als er über den Dillestrom sätzte. Daher er / wie erbittert er gleich über dem Raube seiner Tochter war / allenthalben Befehl herum schickte: daß / nachdem die Rauber doch besorglich schon entwischt wären / die Catten alle beym Eingange des Wester-Waldes / welcher ein Theil des Hercynischen ist / und die Catten von den Juhonen unterscheidet / anhalten / sich sammlen / und alle im Rücken stehende Macht ihm folgen solte. Unterdessen besätzte er das Gebürge und den Seinstrom; den Wester-Wald aber ließ er verhauen; also daß Silius / ungeachtet er an unterschiedenen Orten Lermen machte / nirgends durchbrechen konte. Weil nun die Macht des Hertzoges Arpus sich alle Tage verstärckte / der grosse Regen ihm auch vielerley Ungemach zufügte; inzwischen aber Hertzog Catumer bey des Bacchus Altare mit zwölf tausend Catten übergegangen war / und zwischen dem Rheine und der Mosel nach eigenem Willen hausete; also die Gallier um Hülffe rufften; muste Silius / ohne daß er wider die Catten das geringste ausgerichtet hatte / nur zurücke über den Rhein eilen / und dem Hertzoge Melo die Verwahrung seiner Gräntzen [1163] heimstellen / um Catumern in Gallien die Stirne zu bieten. Unterdessen wendete sich Malovend den gerädesten Weg gegen der Lippe /stellte sich nicht allein / als wenn er kein Wasser getrübt hätte / sondern gab auch / als er zum Ingviomer in die Belägerung kam / für: daß er um den eingefallenen Römern zu entkommen / fünff Tag und Nächte in einer der wildesten Einöde hätte Kummer und Noth leiden müssen. Germanicus aber sätzte mit sechs gantzen Legionen und dreißig tausend Ubiern / Menapiern und andern Galliern über den Rhein; zwang also den Hertzog Ingviomer: daß er die Belagerung der schon ziemlich nothleidenden Festung aufheben muste. Denn ob er zwar vom Feldherrn Hülffe verlangte / schrieb er doch Ingviomern: er hielte nicht für rathsam sein Kriegs-Volck durch hin und wieder ziehen ohne Noth abzumatten. Sintemal die grosse Schiffsrüstung und andere Nachrichten ihn allzu gewiß versicherten: daß die Römer nichts in den Wüsteneyen um den Lippestrom noch in den Sümpffen der Bructerer anfangen würden / oder ausrichten könten / sondern daß des Germanicus gantzes Absehen auf den Weserstrom gerichtet wäre. Diese Muthmaßung des Feldherrn traf auch richtig ein. Denn nach dem sich Ingviomer an die Isel sätzte / ließ Germanicus nur an der Lippe hinauf einen Streif thun / etliche alte Tämme / Schantzen und Gräntzmaale verneuern; er aber besserte die zerdrümmerten Mauern und Wälle um Aliso wieder aus / bauete auch nur ein schlechtes Altar seinem Vater Drusus / daß darauf geopffert werden könte / und an dem keine andere Zierath / als des Pluto und Proserpinens Bild zu sehen war. Gleichwol aber opfferte er darbey denen zwölff Göttern / nemlich dem dreyfachen Jupiter im Himmel / im Wasser und unter der Erde / in welchen die Welt bestehet; der Ceres / Juno und Diana / welche sie beseelen; dem Apollo / der Venus und Mercur / welche ihre Theile mit einander verbinden; der Vesta / Pallas und Mars /welche die Welt beschirmen. Uberdiß hielt er dem Drusus zu Ehren allerhand Spiele. Alle sechs Legionen Fuß-Volck muste die Wette lauffen / die Reiterey in die Wette rennen. Denen Siegern zu Fusse gab Germanicus einen gestickten Rock / denen zu Rosse ein Mauritanisches Pferd mit Sattel und Zeuge. Hernach muste das Fuß-Volck mit bleyernen Kugeln an Riemen; die Reiterey aber mit thönernen Kugeln fechten / und in einem Rennen mit dem Wurffspieße durch einen geharnschten Mann werffen / einen Mohren-Kopff mit dem Schwerdte abhauen; und den / welchen sein Vorläuffer abgehauen / mit einer Lantze anspießen. Die in jenem siegten / wurden vom Germanicus mit einem güldenen Schwerdte / diese mit einem Halsbande beschenckt. Die Bogen-Schützen musten nach einer auf den Gipffel einer sehr hohen Tanne gebundenen weissen Taube mit Pfeilen schüßen; und /die sie traffen / bekamen einen güldenen Köcher mit Pfeilen. Endlich ward auf dem Rheine von vier und zwantzig vergoldeten Schiffen ein Schiff-Rennen und hernach ein Gefechte gehalten. Die Boots-Leute musten auch die Wette schwimmen / und hernach auf kleinen Nachen eine an ein über den Rhein gespanntes Seil angebundene Gans loß reissen und andere Kurtzweilen angeben. Germanicus betheilte jedes Schiff mit drey Ochsen / jeden Boots-Knecht mit einem himmelblauen Kleide / einen jeden derer / welche das beste gethan hatten / mit hundert Sestertiern und einem geschnäbelten Schiffs-Krantze. Kein neues Gedächtnüs-Maal wolte Germanicus seinem Vater nicht aufrichten; entweder weil solches ohne des Tiberius als obersten Priesters Vorwissen und Willen nicht geschehen konte / er auch daraus mehr Mißgunst / oder vielmehr besorgte: daß es doch von den Deutschen wieder würde zerstöret werden.

[1164] Inzwischen kam die neu-erbaute Kriegs-Flotte vollends den Rhein herauf / welche die Bataver / Gallier und sonderlich die Armorischen Städte mit vier und zwantzig tausend Schiffern und Boots-Leuten besätzt hatten; es kam auch Silius vom Ubischen Altare mit zweyen Legionen nach Alison auf dem Rheine herunter; und muste Domitius mit einer aus Gallien gezogenen Legion nebst dem Aufboth der zwischen der Araris und Maas gelegener Völcker inzwischen die Catten zu he en über sich nehmen / welchem auf den Nothfall eine Legion aus Rhetien zu Hülffe kommen solte. Germanicus schickte die Last-Schiffe mit Lebens-Mitteln und dem Krieges-Geräthe voran / theilte die sechs hundert alten Schiffe unter die Hülffs-Völcker / die tausend neuen unter die acht Römischen Legionen ein. Aller Schiffe Mastbäume Vörder- und Hintertheile waren bekräntzt / und jedes hatte ein besonderes Schutz-Bild; des Germanicus Haupt-Schiff den Osiris und die Isis / welche aber eigentlich den August und Livien abbildeten. Des Silius Schiff hatte Jupitern und die Juno / beyden aber war der Zunahme des Augustus beygesätzt. Sintemahl die Römer nicht weniger als die Egyptier denen Göttern ihrer Fürsten /als ihren Fürsten der Götter Nahmen zueigneten. Auf allen Schiffen der Bataver stand das auf einer Drommel sitzende Bild der Göttin Nehalennia; welche sonderlich von denen Seefahrenden Handels- und Kriegs-Leuten verehret wird. Etliche Schiffe der Gallier führten den Gott Cososus / viel den Camulus / andere den Togotius oder Endovellicus / und nicht wenig den Nemausus oder Pedajus / die Senones ihren vergötterten Fürsten Moritas gus / die Hispanier den Togotus. Er führte auf drey Mast-Bäumen güldene Flacken; auf dem Hintertheile seines über und über vergüldeten Schiffes steckte eine grosse purperne Fahne / in welcher auf einer Seite das Bild der Stadt Rom mit der Uberschrifft: der Welt und Völcker Göttin; auf der andern Tiberius mit der Beyschrifft: dem Beschirmer des Vaterlandes dem Schutzherrn der Welt; mit Perlen gestickt war. Am Spiegel des Schiffes stand eine güldene Sonne über einem sinckenden Nebel / und darunter diese Worte: Ich erhöhe und drücke zu Bodem. Silius / Cäcina / Vitellius / Antejus Tubero / und die andern Häupter der Legionen /welche einen Adler führten / hatten alle übergüldete /wo aber ein ander Krieges-Zeichen war / übersilberte Schiffe / ja durchgehends alle waren gemahlet / hatten im Schilde besondere Zeichen und Sinnen-Bilder. Flavius war auf dem roth- und gold-gemahlten Haupt-Schiffe der Deutschen und Gallischen Hülffs-Völcker. Seine drey Flacken waren ebenfalls blau und gold; seine Haupt-Fahne roth / und auf einer Seite war Germanicus / auf der andern Deutschland wie Diana mit dem Mohnden auf der Stirne / und darüber die sie bestrahlende Sonne von Gold und Silber / und darunter diese Worte gestückt: Ich gläntze von deinen Strahlen. Im Spiegel stand das Cheruskische Pferd / und darbey ein Zaum / mit den Worten: Für meinen Fall. Malovend führte die Ubier und Menapier / hatte ein blau und vergüldetes Schiff / solche Flacken / und in dem grossen Fahne war auf der einen Seite ein Wachthurm mit einem leuchtendẽ Feuer / und ein in der stürmenden See wallendes Schiff gemahlt. Darunter war zu lesen: Mein Feuer / mein Wegweiser. Auf der andern Seite stand eine tröpffelnde Brenn-Kolbe über glüenden Kohlen / und diese Worte: Mein Weinen rührt von meiner Glutt. Im Spiegel führte Malovend einen rothen Löwen / mit der Beyschrifft:Mein Glantz rührt her von [1165] meinem eigenen Blute. Diese Schiffs-Flotte war in fünf Theile abgesondert. Den Vortrab führte Flavius und nachgehends Cariovalda; weil die Bataver dieses Meeres am besten kundig waren. Der andere Hauffen hatte den Silius / den vierdten Cäcina zum Haupte / den Nachzug führte Malovend und Cruptorich; in der Mitte aber prangete Germanicus mit dem Ausbunde der Schiffe und dem Kerne des Römischen Heeres. Der Rhein erstaunte über dieser grossen Krieges-Macht / und war kaum mächtig so viel und grosse Schiffe zu tragen. Bey dem Eingange des vom Drusus gemachten Grabens aber wartete Hertzog Cariovalda noch mit zwey hundert von Batavern besätzten Schiffen. Daselbst muste alles Kriegs-Volck aussteigen und dem Opffer des Drusus beywohnen / welchem Germanicus hundert Ochsen schlachtete und ihn mit grosser Andacht anruffte: Er möchte ihm doch nicht mißgönnen: daß er auf dieser seiner Fahrt seinem Beyspiele und der Ehre nachfolgte / sondern er solte ihm vielmehr ein Theil seines hi lischen Geistes einblasen / welcher ihn alles so klüglich entschlüssen und so tapffer ausführen lehrte. Nach vollendetem Opffer fuhr er ohne einige Hindernüsse in die Flevische See. Diese grosse Macht nöthigte den Friesischen Hertzog Malorich: daß er den Römern nicht nur seine Hafen öffnen / ihnen allen Vorschub thun / sondern auch / wie schwer es ihn gleich ankam / und wie sehr er den Feldherrn eines andern versichert hatte / den Fürsten Cruptorich mit hundert Schiffen und sechstausend Friesen den Germanicus verstärcken lassen muste. Derogestalt segelte er mit gewünschtem Winde aus der Flevischen See in das grosse Welt-Meer. In diesem lendete er mit etlichen Schiffen auf dem Eylande Burchanis an / und verehrete daselbst abermals den Hercules und Drusus bey ihren Gedächtnüs-Maalen mit Opffern und Ritter-Spielen. Er ließ auch bey des Drusus Bilde etliche gefangene Deutschen / Africaner und Sarmater auf den Tod gegen einander fechten / entweder aus Aberglauben: daß des Drusus etwan erzürnter Geist dadurch versöhnet / oder die Römer durch Anschauung so vieler Sterbens-Arten des Todes desto besser gewohnen /und sonderlich die neugeworbenen desto behertzter werden solten. Wiewol diese abscheuliche und blutige Spiele / da zu Rom mehrmahls in einem Monate zwantzig tausend Menschen abgeschlachtet worden /nicht so wol Mittel die Todes-Furcht zu vertreiben /und Leute tapfferer zu machen / als Wegweiser zu viehischer Grausamkeit sind / zu welcher Löwen und Tyger in Schauplätzẽ offtmals müssen denen Menschen zum Beyspiele dienen; So hat doch die Erfahrung von langer Zeit erhärtet; daß die / welche in solchen Spielen und im Zweykampffe grosse Helden zu seyn scheinen / hernach im Kriege es andern nicht so wilden Kriegs-Leuten gar nicht gleiche thun. Der Schluß des Germanicus war zwar gemacht in der Weser einzufahren / weil aber Hertzog Melo zum Germanicus auf das Eiland Burchanis zu kommen allerhand Ausflüchte machte / und ihm der Chauzen Kaltsinnigkeit ziemlich verdächtig vorkam; er auch erfuhr: daß die Angrivarier mit denen Cheruskern und Catten zuspanneten / blieb Germanicus unter dem Scheine der Andacht bey Burchanis so lange liegen /biß der West-Wind umschlug und sich in Nord-Ost verwandelte. Diesen Zufall brauchte Germanicus zum Vorwande: daß er das des Wassers ungewohnte und von der gewöhnlichen Schiff-Kranckheit abgemattete Volck nicht länger auf den Schiffen halten und die Weser erreichen könte; schickte daher den Antejus zum Melo um Erlaubnüs: daß er in der Emß aussätzen möchte. Melo aber hatte so bald nicht des Antejus Ankunfft vernommen / als er die Römische Schiffs-Flotte in die Emße einlauffen / und bey Amisia Ancker werffen sahe. Also war es weder Zeit noch rathsam [1166] dem Germanicus was abzuschlagen / sondern Melo muste sich über dieser Verdrüßligkeit noch freudig stellen / und zum Feldzuge mit den Römern wider die Deutschen sich rüsten. Gleichwol widerrieth er diesen zum besten mit den Schiffen weiter Strom auf zu fahren / unter dem Scheine: daß sie theils zu breit wären / theils ihrer Schwerde zu tief giengen /und besorglich auf dem hin- und her seichtem Ufer feste sitzen bleiben dörfften. Denn hierdurch verursachte Melo: daß Germanicus / welcher auf der Ost-Seite aussätzte / bey nahe drey Wochen mit Brücken-bauen und Abthuung anderer Hindernüsse / welche die vorher gehende Winters-Flutt mit Durchbrechung der Tämme verursacht hatte / zubrachte / ehe er sein Kriegs-Volck aus den Sümpffen aufs feste Land bringen konte. Wiewol dieses nicht ohne empfindlichen Verlust ablief. Denn weil Germanicus vernam: daß Ingviomer nicht mehr weit von der Emße / der Feldherr aber an der Hunte stünde / und er bey der Zusa enstoßung auf alle Weise hindern wolte / war es ihm zu lang des Brückenbaues abzuwarten. Diesemnach muste die Helffte der Hülffs-Völcker bey einfallender Eppe durch die ausgießende See und Sümpffe setzen und den Legionen den Weg zeigen; welche denn auch ohne sonderlichen Schaden durch kamen. Als aber die andere Helffte der Hülffs-Völcker durchsetzten und wateten / erhob sich ein Nord-West-Wind / welcher auf der Emße das Wasser schwellte und es aus dem Meere mit grosser Gewalt in Strom trieb; also daß alles / was nicht schwimmen konte / im Schlamme stecken blieb und ersoff. Inzwischen hatte Ingviomer Zeit sich mit dem Feldherrn zu vereinbaren; zumahl Germanicus aus Mißtrauen nicht fortrücken wolte / biß Melo Römische Besatzung in Amisia einnam / und die Römer ihrer unhinderlichen Rückkehr zu versichern / unterschiedene Schantzen aufgeworffen hatten. Dieses that dem Fürsten Melo so wehe: daß er im Hertzen den Tag verfluchte / da er sich mit den Römern in ein Verständnüs eingelassen hatte. Er erkennte nun allererst / aber zu spät: daß die nicht glücklich seyn / noch sich aus der Nothwendigkeit zu sündigen ausflechten könten / welche nicht alle ihre Regungen der Liebe des Vaterlandes unter die Füsse geworffen hätten / das noch niemand ohne empfundene Rache beleidiget hätte. Viel empfindlicher aber war es den Chauzen / welche von dem unmäßigen Heere der Römer biß aufs Marck ausgesogen worden / und noch darzu ihr Blut wider die deutsche Freyheit daran setzen solten. Diese Unterdrückung erweckte bey den Nachtbarn / insonderheit bey den Angrivariern / welche ihren Hertzog Bojocal in eben diß Unheil rennen sahen / nicht nur ein Mitleiden; sondern ein gleichmäßige Beysorge und Rachgier. Niemanden aber stieg diß mehr zu Hertzen / als dem Grafen von Ravensberg / welcher auf Bojocals Befehl sechs tausend Angrivarier dem Germanicus wider die Cherusker zu Hülffe schicken solte. Dieser stellte das ihm anvertraute Volck rings um sich her in Schlacht-Ordnung / nam seine Lantze / Degen / und alles andere Gewehre / warf es zu Bodem und redete sie an: Wundert euch nicht / ihr redlichen Deutschen; daß ich meine Waffen wegwerffe / und nicht mehr euer Führer seyn wil. Es ist keine so grosse Schande den Nahmen eines Furchtsamen haben / als wider die Freyheit und das Vaterland tapffere Thaten ausüben. Ich habe gemeint: die Freyheit wäre in Deutschland zu Hause und entsprossen / und sie wäre von uns so wenig als die Wärmbde vom Feuer zu trennen. Nun aber sehe ich leider! mit Augen: daß wir nicht einmahl unter die Völcker / welche weder eine völlige Freyheit / noch eine gäntzliche Dienstbarkeit ertragen können / sondern unter den grossen Hauffen / welcher ohne Herren nicht seyn kan / und sich selbst in die Knechtschafft verkaufft / zu rechnen sind. Wir haben die Dienstbarkeit auf unserm eigenen Esel zu Hause und Hofe. Denn ungeachtet unser [1167] Meer / unsere Flüsse und Sümpffe diese schädliche Feinde zu verschlingen /und uns zur Gegenwehre durch ihr Beyspiel aufzumuntern bemühet sind / widerstreben wir doch der Natur und unsern Schutz-Geistern / indem wir itzt gleich unterweges und im Wercke begrieffen sind /die Römer zu Herren Deutschlandes und unser zu machen. Niemand ist unter euch so blind / der nicht diß sowol / als ich / siehet / der nicht der Römer Vorhaben mit der Hand greifft / oder nicht schon das Römische Joch auf seinen Schultern fühlt. Aber niemanden ist diß mehr beschwerlich; keinem Menschen gehet unser Verlust zu Hertzen; sondern wir eilen als auf einer lustigen Rennebahn in unser Verderben wie Curtius in den Pful. Das ärgste ist: daß ich hierwider weder Rath noch Hülffe weiß. Denn ich sehe: daß die Schlaffsucht / die Zagheit und andere Niedrigkeiten der Gemüther zu gewissen Zeiten eben so wol / als Pest und Fieber in der Welt herrschen; und / weil etwas göttliches hierunter verborgen steckt / keine Artzneyen weder wider eines noch das andere Ubel anschlagen. Durch eine so seltzame Veränderung hat Athen und Rom seine Freyheit mit Füssen von sich gestossen; ja sich über dieser Erlangung nicht so sehr / als über ihrem Verluste erfreuet; gleich als wenn die Freyheit ihr verdrüßlicher Winter gewest wäre / und mit der Dienstbarkeit ihr annehmlicher Frühling angienge. Weil es nun ja nicht anders seyn kan; so ziehet immer hin / machet euch und die Cherusker zu Knechten der Römer / und bey dem Begräbnüsse euer Freyheit / wie bey Antretung einer fetten Verlassenschafft / lustig. Ich aber verlange kein Theil an dieser erbärmlichen Freude / sondern vielmehr den guten Nahmen zu haben: daß ich ehe kein Edelmann habe bleiben / als ein Werckzeug der deutschen Dienstbarkeit werden wollen. Die Angrivarier / derer viel ohne diß sehr schwermüthig zu diesem Zuge kommen waren / wurden durch Ravensbergs Rede gantz umgedreht: daß sie sich erklärten mit ihm für die Freyheit zu sterben / ihn auch nach langer aber vergebener Weigerung nöthigten seine Waffen wieder zu nehmen und ihr Führer zu bleiben. Das Geschrey hiervon versätzte Bojocaln in grosse Verwirrung / sintemahl ihm Ravensberg auf zugeschickten scharffen Befehl: daß er zum Germanicus stossen solte / zur Antwort wissen ließ: Er wäre Bojocaln nur so lange zu gehorsamen schuldig / als er ihm nichts wider das Heil des Vaterlandes zu thun schaffte. Denn dieses beleidigen wäre nichts besser / als GOtt selbst bekriegen. Viel andere Angrivarier pflichteten und fielen ihm bey; also / daß es zu einem gantzen Aufstande kam / und Bojocal sich zum Germanicus flüchten muste. Denn über diß /daß die Liebe der Freyheit sie zu denen kühnesten Entschlüßungen bewegte / war Bojocal wegen seiner Laster dem Volcke ohne diß verhaßt / welche wie verborgen sie geschehen / und wie fleißig sie Fürsten zu verstecken trachten / doch eben so wol als die Sonnenstrahlen hinter trüben Wolcken sichtbar sind / und sich leichter vermänteln als verbergen lassen. Die stummen Wände und Tapezereyen kriegen zuweilen Zungen solche zu verrathen / und die Zeit hat nicht weniger Macht ihre Geheimnüsse / als Hirsche mit ihrem Atheme die Schlangen aus den tiefsten Klüfften heraus zu ziehen. Uber diß hatte sich Bojocal nach der mit den Römern gemachten Verträuligkeit über die Angrivarier einer grössern Gewalt angemaaßt / als Könige und Fürsten in Deutschland über ihre Unterthanen zu haben pflegen. Sintemahl diese so wenig /als in Gallien über-sondern unter den Gesätzen sind /und nicht mehr Gewalt über das Volck haben / als das Volck über sie hat. Insonderheit hatte Bojocal durch allerhand von den Römern begrieffene Künste sie mit Anlagen beschweret / und seine Herrschaft verhaßt gemacht / auch hattẽ sie diß Unrecht durch ihre Gedult nicht verdäuet / sondern nur auf Gelegenheit es zu rächen gewartet. Denn Unterthanen haben zwey [1168] Eigenschafften der Kamele / nemlich daß sie lange ihr Unrecht vertragen / aber auch lange die Begierde es zu rächen wie ein Feuer unter der Asche verbergen. Germanicus ward über Bojocals Flucht und der Angrivarier Aufstande so viel mehr bekümmert / weil er nicht ohne Ursache besorgte: daß dieses Beyspiel die Chauzen / Friesen und Sicambern zur Nachfolge verleiten dörffte. Dieses Feuer nun beyzeite zu leschen gab er Bojocaln den Stertinius mit drey tausend Römischen und so viel Gallischen Reitern und von drey Legionen das leichte Kriegs-Volck neben fünf tausend frembden Fuß-Völckern zu / diesen Aufstand so wol zu straffen als zu dämpffen. Denn diese Gewohnheit haben die Römer allezeit gehabt: daß sie die Züchtigung der Abtrünnigen allen andern nöthigen und vortheilhafften Verrichtungen vorgezogen; ja / als Hannibal gleich Rom belägerte / ihrem eigenen Feuer zuzulauffen so lange verschoben / biß sie Capua wieder in ihre Gewalt gebracht hatten. Bojocal kam also dem Ravensberg ehe / als er vermeinte / auf den Hals; über diß sprengte er zum Schrecken aus: daß Germanicus mit der gantzen Römischen Macht folgte. Sein klügster Streich aber war dieser: daß er den Ritter Eberstein anstifftete sich auch zum Ravensberg zu schlagen / und bey denen Verbundenen von Beschützung der Deutschen Freyheit viel Wesens zu machen. Denn durch dieses Mittel theilte Bojocal die vorhin alleine beym Ravensberg bestandene Gewalt / und hiermit auch die Meinungen. Sintemahl Ravensberg zum Hertzoge Ingviomer zu stossen / Eberstein aber Bojocaln den Kopff zu bieten rieth / und jeder die Gemüther an sich zu ziehen bemühet war. Wordurch denn ein Aufstand wider den andern / und zwischen allen ein Mißtrauen erreget ward; also / daß / nach dem Bojocal allen / welche in dreyen Tagen sich unter seine Fahnen einstellen würden / völlige Begnadigung versprach / allen Hartnäckichten aber den Verlust ihrer Güter / Ehre und Lebens andräuete / es dem Eberstein nicht schwer fiel seinen Anhang wieder auf Bojocals Seite zu bringen. Ravensberg behielt also kaum fünf tausend Angrivarier / mit welchen er sich gegen dem Flusse Hunte wendete und sich mit den Cheruskern zu vereinbaren meinte. Aber sein Vorhaben war Bojocaln und dem Stertinius verrathen / welche ihm den Weg verbeugten. Gleichwol aber sprach er den Angrivariern ein Hertze ein: daß sie mit einer unbeschreiblichen Tapfferkeit den Römern begegneten / und ihnen eine ziemliche Zeit genung zu schaffen / und den Sieg zweiffelhafft machten. Sintemahl sie für ehrlicher hielten von Händen des Feindes / als eines Scharfrichters sterben; und daher aus verzweiffelter Hoffnung zu leben desto hartnäckichter fochten. Nach dem aber Ravensberg mit einem Pfeile durchs Auge in Kopff tödtlich verwundet ward und vom Pferde fiel / sahe man: daß das Haupt der gantze Mensch / und ein Heerführer das gantze Heer wäre. Daher wurden zwar die von Adel hierüber so sehr er bittert: daß sie mit Aufsetzung ihres noch übrigen Blutes Rache üben wolten; nach dem aber auch von diesen die Keckesten fielen / wurden die Gemeinen kleinmüthig; also gerieth alles in die Flucht. Da denn der meiste Theil erschlagen / wenig gefangen / und noch etwan tausend Pferde vom Ritter Garsau / Gottingen und Wundesdorff davon und zu Ingviomern gebracht wurden. Bojocal hausete mit dem Stertinius in seinem eigenen wie in des Feindes Lande. Er ließ alles / was mit im Aufstand war eingeflochten gewest / und ihm mit dem Eberstein gleich wieder zugefallen war / auf des Stertinius Rath niederhauen und ihre Güter verbrennen. Denn ein Fürst müste die / welche schon einmahl sein Ansehn verächtlich gehalten hätten / und mit keinen Wolthaten kräfftig verbunden werden könten / mit keinen linden Pflastern / unter welchen die Fäulnüs nur weiter um sich fräße / heilen; sondern sie mit Strumpff und [1169] Stiel ausrotten / und auch in unfühlbaren Dingen Merckmaale seiner Rache hinterlassen.

Mitler Zeit hatte der Feldherr und Ingviomer sich an dem Hase-Strome vereinbaret und gesätzt / weil beyde nicht wusten: ob es der Römer Ernst wäre über die Weser zu setzen / oder nicht vielmehr zwischen der Emße und der Weser einzubrechen. Zumahl Germanicus bald dar bald dort einzufallen Schein von sich gab. Es kriegte aber der Feldherr vom Hertzoge Marcomir / welchen er mit acht tausend Mann bey der vom Drusus gebauten und an der Cheruskischen und Chauzischen Gräntze liegenden Festung Fabiran zu Beschirmung der Weser gelassen hatte / Nachricht: daß der Römer anderwärtige Dräuungen ein bloßes Spiegelfechten / ihr rechter Ernst aber auf die Weser gespitzet / Germanicus mit der gantzen Römischen Macht schon über den Jadestrom / und im Munde der Weser viel Schiffe / Nachen und ander Zeug zum Schiffsbau ankommen wären. Dieses waren so gewisse Anzeigungen des dahin angesehnen Einbruchs: daß beyde Hertzoge gerade dem Hunte- und Delmen-Strome zueileten um für der Römer Ankunfft Fabiran zu erreichen und daselbst über die Weser zu ko en. Denn ob zwar Ingviomer der Meinung war / man solte den Römern disseits der Weser auf den Hals gehen; so pflichteten doch die meisten Kriegs-Häupter dem Feldherrn bey; man solte den Feind unverhindert über die Weser setzen lassen / weil er so denn sich desto schwerer zurück ziehen könte / und die über der Elbe wohnenden Völcker desto grössere Eyversucht wider die Römer schöpffen würden. Ehe sie aber an den Delmenstrom kamen / war Germanicus schon unten eine halbe Meile oberhalb der Weser über den darein flüßenden Hunte-Fluß kommen / hatte sich auch zwischen der Weser und der Olla eines sehr vortheilhafftigen Ortes bemächtiget; allwo er mit Hülffe der Chauzen / weil Hertzog Melo unabsonderlich beym Germanicus bleiben muste / unterschiedene Brücken über die Weser zu bauen anfieng. Gleichwol aber kam der Feldherr mit acht tausend auserlesenen Cheruskern dem das Ufer besetzenden Hertzoge Marcomir zu Hülffe / ehe die Römer mit einiger Brücke fertig werden konten / und folgte ihm Hertzog Ingviomer mit der völligen Macht der Cherusker /Bructerer und Marsen ohne einige Zeit-Verlierung nach. Auf den folgenden Morgen berieth der Feldherr mit dem Grafen von Nassau und fünf hundert auserlesenen Rittern den Strom und die Gegend: daß er alle Gelegenheit anzuländen und zu schlagen ihm absähe. Weil er nun über der Weser auf einem Hügel einen von Purper und Golde schimmernden Römer zwischen einer ziemlichen Menge herrlich gerüsteter Kriegs-Leute halten sahe / befahl er dem Ritter Hoye: er solte dahin an den Strom reiten / darüber ruffen und fragen: Ob nicht Germanicus auf dem Hügel hielte. Weil es diesem nun einer von den Römern / welcher sich Albius Atticus nennte / verjahete; kam der Feldherr selbst dahin / und ruffte dem Römer zu / er möchte dem Germanicus sagen: Er wäre ihm an diesem Strome ein angenehmer Gast / weil sie auf einer oder der andern Seite / daraus ihm Germanicus selbst eine erwehlen möchte / mit einander die deutsche und Römische Tapfferkeit zu prüfen Gelegenheit finden würden. Wenn er nun auf der Ost-Seite zu schlagen Lust hätte / wolte er ihn an Fertigung der Brücken nicht hindern / ihm auch Raum zum Aussätzen machen. Dafern aber sein Bruder Flavius im Lager wäre / möchte Germanicus ihm doch erlauben: daß er an dem Strome mit ihm zu Fusse und ungewaffnet reden möchte. Atticus rieth mit dieser Post zum Germanicus. Weil nun Hertzog Flavius eben zur Stelle war /und nebst dem Ganasch dem Germanicus alle Gelegenheit der Weser und des Landes anwieß; Flavius auch eine Begierde mit seinem Bruder zu sprechen mercken [1170] ließ / konte es ihm Germanicus nicht wol abschlagen; ungeachtet er nun so wol wider ihn / als andere mit den Römern verbundene Fürsten ein heimliches Mißtrauen hatte; jedoch gab er ihm zwey etwas deutsch verstehende Römer unter dem Scheine der Sicherheit mit; und der gegenwärtige Stertinius muste auch nicht ferne davon hinter dem das Ufer bedeckende Gestrittig mit dreyhundert Pferden auf allen unverhofften Fall fertig stehen; weil es den Deutschen nur eine Kurtzweil war durch die tieffsten und strengsten Ströme zu sätzen / ungeachtet das Ufer schon vorher mit einer ziemlichen Anzahl Bogenschützen besätzt war. So bald nun Flavius ans Ufer kam / grüßte ihn Herrmann / und bat: daß / wie er alle seine Leibschützen von sich gelassen hätte / Flavius auch die Römischen auf die Seite schaffen möchte / um mit ihm desto sicherer zu reden. Nach dem nun Flavius den Feldherrn wieder gegrüßt / und seine Freude über seinem Wolstande bezeugt hatte / gab dieser sein Mitleiden über die Verstellung seines Antlitzes und den Verlust des einen Auges ihm zu verstehen. Flavius hingegen sagte: Er könte sich mit einem Auge wol vergnügen / nach dem der Himmel ihrer nicht zwey bedörffte. Herrmann antwortete: die Natur hätte dem Menschen derer gleichwol zwey gegeben / welche so wenig was überflüßig zu verschwenden / als was nöthiges abzubrechen gewohnt wäre. Weil nun der gantze Mensch gleichsam ein Dienstbothe des Gesichtes /dieses aber der Wegweiser zu den meisten Wissenschafften / und der Handgrief fast aller Ergötzligkeiten wäre; müste der Verlust auch eines einigen Auges dem gantzen Leibe eine grosse Schwachheit zuziehen. Flavius fiel ein: Es ist eben so wol Vortheil mit Ehren ein Auge / als das Leben verlieren. Herrmann / ob er es zwar wol wuste / fragte: Wie und wo er es denn verlohren hätte? Flavius antwortete: In der letzten Schlacht mit seinen treuen Bund-Genossen den Römern. Herrmann fragte ferner: Was er denn für einen so grossen Verlust für Vergeltung erlangt hätte? Flavius begegnete ihm: Ich habe zu Rom nun zweymahl so viel Ansehn / als da ich noch zwey Augen hatte; und der Käyser hat mich mit zweyfachem Kriegs-Solde / mit einer goldenen Kette und seinem Bildnüsse / mit einer güldenen Krone und andern im Kriege gewöhnlichen Freygebigkeiten beschencket. Hertzog Herrmann fieng überlaut an zu lachen / und rief: O armseelige Belohnung einer so knechtischen Dienstbarkeit! Nun sehe ich: daß du nicht nur ein Auge verlohren hast / sondern daß dir auch das andere verblendet sey; indem du die unschätzbare Freyheit um Blätter und Schalen verkauffest / und sie dir noch theuer bezahlt zu seyn glaubest. Weist du nicht: daß es besser sey ein König in einer Kohlen-Hütte / als ein Knecht in dem prächtigsten Schlosse seyn? Flavius antwortete: So müssen wie uns auch schämen Knechte des unsterblichen GOttes zu seyn. Diesem und der Stadt Rom / welche einen rechten Spiegel der ewigen Gottheit fürbildet / zu dienen / ist mehr für eine Freyheit und Glücke / als für ein Joch und Unfall zu halten. Daher sätzen die Könige in Asien unter ihre Ehren-Titel: daß sie Freygelassene des Römischen Volckes wären / und durch ihre Untergebung allererst in die rechte Freyheit versätzt worden wären. Die gleichsam in einem stürmenden Meere durch ihre einheimische Kriege scheuternde Welt hätte an Rom einen sicheren Ancker erlangt / zu welchem sie ihre Zuflucht zu nehmen so viel besser thäten / weil diese Stadt doch vom Verhängnüsse zu ihrem Haupte und Göttin versehen wäre. Daher weigerten sich die unbändigen Parthen nicht mehr die Römischen Adler und die Bilder der Käyser anzubeten. Die Völcker stritten mit einander um die Ehre Rom und den Käysern Tempel aufzubauen. Was wolten deñ die Deutschen alleine wider den Schluß des Himmels und die Einwilligung der Völcker ausrichten. [1171] Es wären bey nahe achthundert Jahr / in welchen die Römische Macht durch nie unterbrochene Tugend und Glücke zusammen gewachsen wäre. Daher würde sie nimmermehr ohne der sie anfechtenden Untergange zu zerstören seyn. Dieses hätten die Sicambrer und Juhonen /die Chauzen und Friesen vernünfftig behertzigt. Warum wolten denn die Cherusker alleine ihnen daran den Kopff zerschellen? oder warum wolten sie durch verweigerte Unterwerffung ihnen alles Unheil auf den Hals ziehen / die Glückseligkeit aber mit den Füssen von sich stossen? welche so denn allererst in der Welt vollkommen seyn wird / wenn Rom alle Völcker ruhig beherrschen wird. Wilstu nun alleine das Heil der gantzen Welt und dein eigenes hindern? denn von den Römern lernte man allererst recht leben; zu Rom würde man erst zu rechten Menschen. Weißheit / Tugend und Glücke wohnten alleine in dieser Stadt Umkreiße in verträulicher Eintracht; und Herzog Herrmann würde seine Herrschafft um ein ansehliches vergrössern / seiner Tapfferkeit allererst ans Licht helffen / und sein Glücke befestigen / wenn er Rom für das Haupt der Welt / den Kayser für seinen und Deutschlandes Schutz erkennen würde; welches wegen seiner Stärcke und Entlegenheit viel gelinder /als kein ander Volck von Römern gehandelt werden müste. Denn was entfernet läge / wäre ausser allem Anstosse und Beleidigung; und hätte sich so vielmehr der Römischen Gütigkeit zu versichern. Den Hertzog Herrmann würde Rom und der Kayser mit ausgestreckten Armen für ihren Freund aufnehmen / und von den Cheruskern eine geringe Erkenntligkeit an statt / daß andere mit den Waffen bezwungene Völcker schwere Schatzungen abgelten müsten / abfodern. Die den Römern gehorchenden Gallier würden den Römern gleiche geschätzt. Sie wären nicht nur Römische Bürger / sondern sie würden auch gar Römischen Legionen und Landschafften fürgesetzt. Wie vielmehr hätte Hertzog Herrmann und andere deutsche Helden sich solcher Werthhaltung zu versehen. Daß er bereit bey den Römern in grossem Ansehen wäre / könte er daraus genugsam ermässen: daß seine Gemahlin und Sohn nichts von Beschwerde einer Gefangenschafft wüsten; sondern beyde Fürstlich unterhalten würden. Diese würde er durch einen billichen Vertrag so wol des Gefängnüsses erledigen / als Deutschland aus dem Rachen der Dienstbarkeit und des Untergangs erretten. Der Feldherr brach ein: wer hat dir / lieber Bruder / den Aberglauben eingeflößt: daß das Verhängnüs die Römer oder einiges andere Volck iemals zur Herrschafft der gantzen Welt versehen habe? keines hat biß auf diese Stunde sich zum Meister über ein vierdtes Theil gemacht; in dem ich nicht glaube: daß uns und den Römern das dritte Theil davon entdeckt sey. Rom wird auch sicher verfallen und andern Völckern dienen / ehe es der halben Welt Gräntzen wird kennen lernen. O welch eine unermäßliche Weite der Länder ist noch durch den Nebel unser Unwissenheit für unsern Augen verborgen / welche die Nach-Welt allererst erforschen wird! Ist es nun nicht eine Eitelkeit / oder vielmehr eine thörichte Hoffart: daß sich die Römer Herren der Welt zu seyn rühmen; und wie weit sie gleich herrschen / doch von denen dreyhundert und sechzig Staffeln der grossen Erd-Kugel / darein sie so wol der Länge als Breite nach getheilet wird / von Ost gegen West kaum siebenzig in die Breite / und von Sud gegen Nord nicht viel über dreißig nach der Länge besitzen. Meinestu auch wol: daß wenn es schon der Welt Nutzen wäre einen Herrscher zu haben / solche Herrschafft einzurichten möglich wäre? wenn schon ein solches Haupt der Welt aller bißherigen Weltweisen Verstand / aller Herrscher Klugheit besässe / und ihm schon die Adler / durch welche Jupiter einmahl durch ihren Flug das Mittel der Erde zu Delphis gefunden [1172] haben soll / oder gar die Winde seine Befehle an aller Welt Ende zu tragen in Bereitschafft stünden? die Natur hätte die Erde mit allem Fleiße nicht als einen flachen Tisch /oder wie einen Kegel nach etlicher Aberwitzigen Träume / sondern in Gestalt einer weder Ende noch Anfang habenden Kugel gefertiget / weil niemand /als der / welcher keinen Anfang noch Ende hat /nehmlich GOtt sie alleine zu beherrschen fähig wäre; und Pythagoras sie deßwegen Jupiters Thurm und Hutte genennt hätte. Meinestu / GOtt habe die Länder umsonst durch so grosse Meere / tieffe Flüsse und so hohe Gebürge / daran sich selbst die Wolcken zerstossen / und welche die Vögel nicht überflügen / ja durch Kälte / Hitze und viel andere Wiederwärtigkeiten / die Völcker aber durch so unterschiedene Gestalten / Sitten / Sprachen / Neigungen von einander unterschieden? Alles dieses sind klare Anzeigungen: daß auch ihre Beherrschung von einander unterschieden seyn / und iedem Volcke ein Haupt seiner Eigenschafft fürstehen; GOtt alleine aber aller Könige König seyn solle. Dieser und die Sonne hätten alleine Kräfften in allen Dingen ihre Würckungen auszuüben; alle andere Sterne hätten nur gewisse Dinge unter sich. Wie möchte nun der gram- und lasterhaffte Tiberius ihm eine solche nur GOtt an- und zuständige Herrschafft träumen lassen? Glaube mir: daß diese seine Ehr- und Herrschenssucht so vielmahl die Thorheit des den Hellespont peitschenden und mit Ketten fesselnden / wie auch den Berg Athos ins Meer zu werffen dreuenden Xerxes übertreffe; als die Welt selbige Meer-Enge und den Berg übertrifft. Wie hätte Flavius als ein Deutscher die ihm angebohrne Liebe der Freyheit / welche auch Thiere so sorgfältig als ihr Leben verwahrten / aus seinem Gemüthe vertilgen können? die doch sonst so lehrsamen und dem Menschen zu gehorsamen gewohnten Elephanten beweinten des Nachts ihre Dienstbarkeit. Pythagoras hätte die Freyheit für was so edles geschätzt: daß er auch die Finger mit einigem Ringe einzuzwängen verboten. Und die Deutschen solten auf einmahl ihre Leiber /Vermögen / und Gemüther Frembdlingen / welche die Deutschen vormahls für Feinde gehalten / welche so wenig im Geitze und Grausamkeit / als im Herrschen Ziel und Maaß zu finden wüsten / mehr als kleinmüthig unterwerffen? Sollen wir Deutschen / derer Vorfahren es an Treue und Tapfferkeit allen Völckern zuvor gethan / welche Rom selbst in Asche gelegt haben / so verhaster Ausländer Knechte werden? derer auch gelinde Herrschafft allen freyen Völckern bitterer als Galle und Wermuth ist / und derer übermäßiges Gelücke fürlängst alle gute Sitten verterbet hat? Rühme einem andern die Tugenden der Römer / welcher ihnen niemahls unter die Larve gesehen und ihre Klauen erblicket / oder gefühlet hat. Streiche etwas besserm als dem Römischen Joche die Farbe deiner Beredsamkeit an. Ist doch ihre Freundschafft denen /welche sie nur zu Bundgenossen aufgenommen haben / unerträglich / und die Bataver sind wenig freyer / als anderer Könige Leibeigene. Zu dem wären die sich ergebenden Völcker nicht nur des Kaysers / der Feldherren und Land-Vögte / sondern eines ieden kahlen Römers / der über zehn andere Befehlhaber ist /Knechte und Dienstboten. Wenn solche Aegeln sich an ihrem Marck und Blute voll gesogen hätten / sätzte man ihnen andere hungrige über den Hals / welche noch tieffsinniger ihnen das Fette auszuzöpffen wüsten / damit sie ja nicht wieder zu Kräfften kämen. Zu ihren Kriegen nähmen sie den Eltern ihre Kinder /dem Geschwister ihre Brüder mit Gewalt weg / und machten sie zu Werckzeugen neuer Dienstbarkeiten. Durch dieser Blut / nicht aber durch eigene Tapfferkeit wären die Römer Herren so vieler Länder worden. Der Lohn aller treuen Dienste aber wäre nichts anders / als unsterbliche [1173] Schatzung / Ruthen / Beile /und / wenn man es am besten gemacht hat / gramhafftige Herrschafft. Daher wäre ja rathsamer für die Freyheit alles zu wagen; weil es auch die Uberwundenen nicht schlimmer als die sich gutwillig Unterwerffenden haben könten. Sagunt / Astapa und andere weniger Kriegrische Völcker / als die Deutschen wären /hätten aus Abscheu der Römischen Dienstbarkeit sich mit ihrem Vaterlande willig eingeäschert. Was solten sie denn Muth und Hände sincken lassen / da sie noch zur Zeit weder Glücke noch Tugend verlassen hätte? Unter allen Deutschen aber hätte niemand weniger Ursache / als er den Römern hold zu seyn / auch würde ihn GOtt für dem geringsten Gedancken behüten: daß er Deutschlande das Seil ihrer Dienstbarkeit solte anschlingen lassen. Flavius rühmte ihm der Römer Wolwollen gegen ihn und seine Gemahlin. Sie wären ihm aber / ausser einer Frauen / nur durch Beleidigung bekandt. Denn welche Grausamkeit wäre mit der zu vergleichen / die Tiberius wider seinen Sohn auszuüben befohlen hat? hätte Thußnelden durch eigenen Tod ein grösser Hertzeleid zugefügt werden können / als da man sie an ihrem Kinde eine blutige Zerfleischung anzuschauen gezwungen hat? Mit was hätten die Römer dem doch für ihren Freund aufgenommenen Siegesmund das Hertz ausfressen können / als daß sie ihn gezwungen einen Scharffrichter über sein so nahes Blut abzugeben? Keine Gefängnüsse wären schön / wenn sie schon güldene Gegütter und gestückte Vorhänge hätten. Wie möchte er denn von den Römischen so viel Lobes machen? Seiner Gemahlin und Sohnes Bestrickung lägen ihm zwar als ein schwerer Stein auf dem Hertzen / und kämen ihm nie aus dem Sinne; aber der Deutschen Freyheit gienge ihm über alles. Das Vaterland wäre seine fürnehmste Gemahlin / und das gemeine Heil sein erstgebohrner Sohn; welchen beyden die Gefangenen gerne wiechen / und lieber dienen / ja sterben /als zu der Cherusker Nachtheile frey seyn wolten. Dieses solte Flavius auch behertzigen und mit der Liebe des Vaterlandes nicht einen deutschen Fürsten ausziehen; welche / so lange sie diß wären / so wenig Knechte / als Adler zu Eulen werden könten. Er beschwüre ihn nun zum letzten mahl bey der Freyheit seiner für solche gestorbener Vorfahren; bey ihren und Deutschlandes Schutz-Geistern: daß er sich den Fesseln des Römischen Joches entbrechen / und mit ihm für die Ehre der Cherusker / für die Wolfarth der Nach-Welt die Waffen vereinbaren solte. Dieses wäre aller Bluts-Freunde / aller Schwäger / und ihrer heiligen Mutter Wunsch / welche sich für Leide in die Erde scharren wolte; und die Fruchtbarkeit ihrer Eingeweyde verfluchen würde / wenn sie an ihm einen abtrinnigen Deutschen / und einen Verräther des Vaterlandes solte gebohren haben; welchem es doch weder an Kräfften noch Gelegenheit fehlte ein Heerführer und Beschirmer Deutschlandes zu seyn. Flavius ward über diesen letzten Worten so entrüstet / daß er heraus fuhr: An dir / Herrmann / hat unsere Mutter die Fackel gebohren / welche gantz Deutschland in Brand gesteckt hat / und zu Asche machen wird. Du wilst lieber dein Vaterland vergehen / als dein Gebiete und Herrschafft um eine Spanne geschmälert / und deiner Ehrsucht ein Ziel gesteckt sehen. Du hältest für verantwortlicher hundert Völcker in ewigen Krieg zu verwickeln / als deinem Bruder ein weniges vom väterlichen Erbtheile einzuräumen. Dem Feldherrn stiegen diese Worte zwar tieff zu Gemüthe; Er mäßigte sich aber / und antwortete: Ich höre wohl: daß du mehr Galle / als Brüderlichen Blutes in dir / und von mir gantz irrige Meinung hast. Damit du aber sehest /wie wenig ich an vieler Völcker Blutstürtzung gefallen habe / so bin ich erbötig mit dir alleine durch unsere Waffen oder durch unverdächtige Schiedes-Richter unsern Erbschaffts-Streit [1174] beyzulegen. Der hitzige Flavius war zum ersten bald fertig; ruffte also den Seinigen / forderte Pferd und Waffen / als inzwischen Hertzog Herrmann schon zu Pferde kommen / und zum Kampffe in die Weser zu sprengen fertig war. Stertinius aber / welcher alle harten Worte gehöret hatte / eilete herbey / redete dem Flavius ein und sagte: daß weder solche Hefftigkeiten noch der verwegene Zweykampff Fürsten anständig wären / sondern sie sich zu was besserm fürs Vaterland aufzuheben hätten. Nichts weniger eilte Hertzog Marcomir zum Feldherrn und mühte sich ihn zu besänfften. Also kamen beyde zwar ohne Kampff / aber mit so vielmehr getrennten Gemüthern von sammen / und traff auch hier unter Brüdern ein: daß ihre wiewol zur Versöhnung angesehenen Zusa enkunfften ins gemeine nur mehr Oel ins Feuer zu giessen / und Fürsten da durch öffter Gelegenheit einander zu hassen / als zu lieben; ja ihre zusammen gebrachte Verträuligkeit in bittere Galle zu verwandeln bekommen. Sintemahl es mit der um Ehre und Herrschafft willen iederzeit zusammenkommenden Fürsten Freundschafft viel anders beschaffen ist / als um niedriger Leute / welche nicht allemal solche Begierde / noch so eyversüchtige Beystände / als der Fürsten Diener sind / mit zur Stelle bringen / als die für den treusten Dienst halten /wenn sie einem andern Fürsten etwas entziehen und ihrem zuschantzen.

Selbigen Tag kam Hertzog Jubil mit sechs tausend Hermunduren / der Graf von Hanau / Hohenstein und Waldeck mit fünf tausend Catten bey dem deutschen Heere an. Diesemnach stellten der Feldherr und Ingviomer ihr Heer folgenden Morgen an der Höhe selbiger Gegend in Schlacht Ordnung: daß die über der Weser stehenden Römer solche nicht nur eigentlich sehen konten; sondern sie liessen auch durch einen Herold dem Germanicus entbieten: Sie warteten daselbst der Römer und hätten ihm zwischen dem Flusse und den Bergen mit Fleiß einen geraumen Platz gelassen sein Heer nach Belieben zu stellen / sie begehrten ihn auch an dessen Ubersetzung nicht zu hindern. Germanicus /weil er entweder eine Hinterlist besorgte; oder der Deutschen Entbietung für zu hochmüthig und ihm für verkleinerlich / oder auch ohne Brücken und vorher aufgeworffene Schantzen die Legionen mit Schiffen /oder auf Flößen überzuführen für allzu gefährlich /und wie Julius Cäsar einem Römischen Feldherrn für unanständig hielt / ließ den Herold beantworten: Wenn er es für rathsam halten würde über den Fluß zu kommen und zu schlagen / würde er jenes ohne seines Feindes Einwilligung thun; und im Treffen pflegte er seiner Vernunfft / nicht seiner Feinde Rath zu folgen. Gleichwol aber gebrauchte er sich dieses ihm von den Deutschen eingeräumten Vortheils / ließ selbige Nacht die zur Zimmer-Arbeit abgerichteten Römischen Soldaten aus denen nahe an der Weser stehenden Bäumen etliche hundert Nachen aushauen /die Chauzen leere Bier- und Fisch-Fässer zuführen /die Häute von geschlachteten Ochsen und Schöpsen zusammen nähen / daß weder Lufft noch Wasser darein kommen konte / wie auch Balcken und Breter herbey schaffen. Von diesem Vorrathe baute er in wenig Stunden drey Schiff-Brücken darüber. Diese befestigte er durch unterschiedene aus Wieten oben spitzig zu geflochtene / mit Steinen gefüllte / und an statt der Ancker ins Wasser gesenckte Körbe / versahe solche auch am Ost-Ufer mit Schantzen und Besatzungen. Der Feldherr war zwar willens / weil Germanicus ihre Gutwilligkeit verachtete / sich derselben aber gleichwol bediente / seinen hierzu unwilligen Cheruskern zu erlauben der Römer Brücken-Bau zu hindern / das Ufer der Weser behaupten zu lassen / und die angesätzten Feinde nieder zu hauen. Aber Malovend verleitete Ingviomern und Marcomirn: daß sie als rathsamer behaupteten / man solte um den [1175] Sieg vollkommen zu machen / und nicht nur eine Handvoll Römer zu erlegen / sondern es dem Germanicus wie dem Qvintilius Varus mit zu spielen / dem Feinde ehe Brücken bauen helffen als sie daran hindern. Sie blieben auch ziemlich hartnäckicht auf ihrer Meinung /ungeachtet der Feldherr ihnen einhielt: Germanicus hätte nicht nur wie Varus drey- oder vierdte halbe-sondern acht Legionen / und nicht weniger deutsche und andere Hülffs-Völcker. Die Vermässenheit aber und Sicherheit wären der gemeinste Anfang des Unglücks. Ein kleines Versehen könte den gäntzlichen Untergang / wie ein Funcke einen grossen Brand / und eine verachtete Schwachheit den Tod nach sich ziehen. Daher liesse sich an keinem / zu geschweigen an einem so mächtigen nichts ohne Gefahr verachten; welchen nichts so sehr als die Nachläßigkeit verstärckte; hingegen erleichterte nichts mehr den Sieg /als wenn man ihm den Feind noch einmahl so starck /als er wäre / einbildete / und ihn zu erlegen Anstalt machte. Malovend aber wuste durch viel Nachrichten zu beglaubigen: daß das Römische Heer theils an neu geworbenem Volcke / theils an verzagten Flüchtlingen bestünde / welche voriges Jahr mit Noth aus des Feldherrn und Cäcinens Händen entronnen wären. Die Gallier wären mehr zur Verwirrung als zum Fechten tauglich / die Chauzen / Friesen und Sicambern folgten mit Unwillen den Römischen Adlern / und würden entweder die Waffen in der Schlacht wegwerffen /oder gar wider die Römer brauchen. Der Deutschen Heer aber bestünde in eitel Kerne alten und durch viel Schlachten abgehärteten Volckes / und in der gantzen Welt könten sie keinen vortheilhafftigern Ort zu einer Schlacht erkiesen / als den sie schon eingenommen hätten; indem sie von dieser an dem Rücken mit Wäldern befestigten Höhe auf die im Thale stehenden Römer mit grossem Nachdrucke loß gehen / der vom Flusse umgebene Feind aber ihnen nicht entfliehen könte. Ob nun wol der Feldherr diesen Einwürffen erhebliche Gründe und insonderheit dieses ihnen entgegen hielt: daß Germanicus den Kern fast aller andern Römischen Legionen und etliche tausend schon ausgediente Kriegs-Leute an sich gezogen hätte / er auch als ein erfahrner Feldherr die deutschen Hülffs-Völcker so unter zu spicken wissen würde: daß sie auch wider Willen würden fechten und treu bleiben; die Gallier aber wegen der ihnen durch den am Rücken habenden Fluß Stand halten müssen: so gab doch die Ankunfft acht tausend Longobarden und Semnoner unter dem Ritter Ringelheim / Wethin und Soltwedel der Sache den Ausschlag: daß auch die / welche unter denen Kriegs-Obersten vorher Hertzog Herrmanns Meinung gewest waren / nunmehr des gantzen Römischen Heeres Ubergang verlangten. Unterdessen ließ Germanicus noch ober- und unterhalb beyder Heere Anstalt machen über die Weser zu kommen / um die Deutschen / wo er eigentlich übergehen wolte / irre zu machen. Der Feldherr aber war auf allen Seiten wachsam / und machte allenthalben nöthige Gegen-Verfassung. Unterhalb vertraute er dem Hertzoge Marcomir / oberhalb dem Fürsten Malovend die Aufsicht. Nach dem aber dar / wo dieser stand / auf einem verstrauchten Hügel ein Rauch aufgieng / gieng Publius Vitellius mit der vierzehnden- und Cethegus mit der fünfften Legion auf Flößen und über die Brücken in möglichster Eyl über; Cariovalda aber sätzte mit der Batavischen Reiterey durch / und hemmete zugleich die Hefftigkeit des Stromes / daß unter ihm Stertinius und Emilius mit der halben Römischen / Sacrovir und Indus mit der Trierischen und Seqvanischen Reiterey durchschwemmen konte. Cruptorich führete auch tausend Friesen; der Graf von Fleckenstein zwey tausend Tribochen / Dagsburg zwey tausend Nemeter / Westerburg so viel Vangionen über. Malovend / welcher mit fünf tausend Marsen / zwey tausend [1176] Angrivariern / so viel Chamaven / drey tausend Cimbern darstand /sahe wider die Meinung der andern Kriegs-Häupter dem Feinde so lange zu / biß Sacrovir und Indus die an der Spitze stehenden Chamaven auf einer / Fleckenstein aber die Angrivarier auf der andern Seite anfiel. Der Ritter Spor und Stauben aber begegneten den Galliern auf eine solche Weise: daß sie nicht Zeit sich umzusehen hatten / biß sie zwischen die Römischen Legionen kamen / und sie Westerburg mit den Vangionen entsätzte. Der Graf von Diest traf mit den Tribochen / und denen sie entsätzenden Nemetern auch so tapffer: daß wie hertzhafft gleich Fleckenstein und Dagsburg ihm begegneten / konten sie doch ihr verwirrtes Volck nicht wieder zu Stande bringen. Inzwischen hatte Cariovalda und die Bataver mit den Cimbern angebunden; welche Ranzau und Ahlefeld führte. Diese brauchten an statt der Schwerdter lange auf beyden Seiten hauende Streit-Aexte / welche ungewohnte Art der Waffen / wie alle Neuigkeiten / die streitbaren Bataver / und die ihnen unter dem Emilius zu Hülffe kommenden Römischen Reiter nicht wenig verwirrete. Inzwischen rückte Cethegus mit der fünfften Legion / welche aber so wol als die vierzehnde zwey Adler auf- und viel Römisch-gekleidete Gallier untergesteckt hatte / gegen die Marsen. Aber Malovend wendete sich unerwartet einigen Schwerd-Streiches zurück über den Berg / ließ also die Angrivarier / Chamaver und Cimbern alleine im Gefechte; welche / als Cethegus von der Seite gegen sie andrang / nicht wusten: ob Malovend mit seinen Marsen verschwunden war. Hierauf kriegten sie allererst von ihm Befehl: Sie solten sich zurück ziehen / weil schon vier Römische Legionen über wären / und sie sonst von der gantzen Römischen Macht umgeben werden würden. Sie vernahmen diesen Befehl und Malovends Weichen mit so vielmehr Ungedult / je mehr sie bey schon erstrittenem Vortheil ihnen Hoffnung zum Siege gemacht hatten; gleichwol müsten sie Malovenden als ihrem Haupte folgen. Stertinius meinte mit der andern Helffte der Römischen Reiterey ihnen zwar den Weg zu verbeugen und sie von den Marsen gar abzuschneiden / aber der Ritter Winzenburg nam mit drey hundert Angrivariern bald einen engen Weg ein /und hielt durch seine fast verzweiffelte Gegenwehr den Stertinius so lange auf / biß die / welche sich zu sehr gegen den Feind vertiefft hatten / sich zurücke und an einander zohen; worauf sie denn dem Feinde allemahl die Stirne bietende zu rücke über die Höhe und zwischen die häuffigen Brombeer-Sträuche wiechen; welche denen Deutschen mercklich zu statten kamen / daß sie vom Römischen Heere nicht umringet werden konten. Malovend sahe sich inzwischen nicht einst um / biß ihm hinter dem Berge im flachen Felde der Graf von Regenstein mit drey tausend Cheruskern / und der Graf von Steinfurt mit nicht weniger Bructerern begegneten / welche der Feldherr dem Malovend bey vernommenem Einbruche der Römer zur Hülffe verordnet hatte. Malovend / welcher vorgab: daß er vier Legionen am Rücken und zum Treffen der Reiterey einen unbeqvemen Ort gehabt / also sich an diesen beqvemern zu ziehen nöthig befunden hätte / ward nun entweder durch Schande oder Furcht: daß seine Verrätherey ausbrechen würde / gezwungen sich hier hinter ein Gepüsche in Schlacht-Ordnung zu stellen. Regenstein und Steinfurt sätzten sich also auch / thäten solches auch durch den Oberstein einen Edelmann zu wissen / und schickten nur vier hundert Reiter den Angrivariern / Chamaver und Cimbern auf die Höhe zu Hülffe: daß sie sich desto besser zurück ziehen könten. Niemand lag den weichenden Deutschen schärffer in Eisen als Cariovalda mit seinen drey tausend auserlesenen Batavern / und Sacrovir nebst dem Indus mit vier tausend Galliern wolten die Schande ihrer ersten Flucht nunmehr durch desto hitzigere Verfolgung auswetzen; [1177] dahero verfielen so wol diese als jene desto unvorsichtiger in das ihnen gestellte Netze. Denn Malovend muste nunmehr dem Ritter Lindenhusen und Winburg befehlen mit der Marsischen Reiterey sich hinter ihnen herum zu ziehen. Diest / Ranzau / Allefeld / Spor und Stauben / als sie Malovends Anstalt sahen / liessen nunmehr ihren Argwohn fahren und hielten es für eine Krieges-List; daher boten sie gleich den Batavern und Galliern aufs neue die Stirne. Cariovalda und Sacrovir sahen sich unvermuthet im Netze / und hätten sich gerne gewendet / aber die Marsische und Cheruskische Reiterey war ihnen schon im Rücken. Gleichwol aber machten sich Sacrovir und Indus durch die Güte ihrer Mauritanischen Pferde noch aus dem Staube / und liessen ihre Gallier mit dem Orgentorich zu einem Söhn-Opffer zurücke /als welche von den Cimbern und Chamaven wie Vieh zu Bodem geschlagen wurden. Cariovalda aber / welcher nicht weniger Hertze als ein Löwe / und nicht weniger Verstand und Geschickligkeit hatte / ermunterte seine Bataver mehr mit einem Beyspiele als Worten zu tapfferer Gegenwehre; Worte und Unterricht aber fallen nur in die Ohren / Wercke aber in die Augen / welche mehr als jene beglaubigen / und einen jeden überzeugen: daß diß / was er thun soll / nicht unmöglich sey. Zumahl er sich auf die ihm folgende Römische Macht allzu gewiß verließ. Die Tribochen /Vangionen und Nemeter sätzten ihm auch treulich nach; aber weil der Graf von Regenstein sich mit der Cheruskischen Reiterey an die Bataver machte / nam der Graf von Diest und seine Angrivarier es aufs neue mit jenen an / und Malovend / wie ungern er daran kam / muste nicht nur seine Reiterey nebst der Bructerischen / welche der Ritter Breich führte / dem Stertinius und Emilius entgegen sätzen / sondern weil so wol Cethegus mit der fünfften / als Vitellius mit der vierzehnden Legion von der Höhe herab kam / muste er mit dem Marsischen Fußvolcke gegen dem Vitellius / wie Steinfurt gegen den Cethegus anrücken. Der Ritter Alvensleben aber nahm es mit dem Fürsten Cruptorich an; also blieb noch ein gutes Theil Kriegs-Volckes auf alle bedörffende Fälle übrig. Es ist nicht zu sagen / wie die Römischen Kriegs-Häupter / welche mit dem Malovend Verständnüß hatten / hierüber verwirret waren / indem sie nunmehr ihnen einbildeten: daß er unter dem Scheine die Deutschen zu verrathen / sie arglistig betrogen und in diß Garn geführet hätte. Dahero Vitellius und Cethejus noch viel ein ärgers besorgende / sich nicht aus ihrem vortheilhafften Stande zwischen den Brombeersträuchen von der Höhe in die Fläche begeben / noch weiter fortrücken wolten. Inzwischen that Cariovalda zwar sein eusserstes / erlegte mit eigener Hand den Ritter Weda und Mellen / und mühte sich mit seinen übrigen Batavern / welche sich auf seinen Befehl harte an einander ziehen musten / denen ihm in den Augen stehenden Legionen durchzuschlagen; aber der Graf Regenstein hatte eben so vielmehr Muth als er / und dißmahl mehr Glücke. Denn er versätzte seinem Pferde einen Streich in Hals / daß es mit Cariovalden zu Bodem fiel / und ehe er sich aufraffen konte / stach er ihm eine Lantze durch und durch. Mit seinem Leben entfiel denen übrigen Batavern vollends aller Muth /welche ohne diß wegen empfangener Wunden sich kaum mehr rühren konten. Also blieb allhier der Kern des Batavischen Adels; Regenstein aber gieng mit seinen Cheruskern theils auf den Stertinius / theils auf den Emilius loß / und nöthigte beyde nebst dem Ritter Broich und den Marsen sich an die Legionen zu ziehen / dahin Cruptorich vom Alvensleben / wie auch die sehr verwundeten Führer der Nemeter und Vangionen / Dagsburg und Westerburg schon auch getrieben waren. Steinfurt und Malovend sätzten zwar auch an den Vitellius und [1178] Cethegus / aber beyde wolten sich aus ihrem Vortheil nicht geben / und weil die Römische Reuterey und alle übrige Hülffs-Völcker sehr übel zugerichtet waren / und den Deutschen das Feld geräumet hatten / zohen sich auch beyde Legionen zurücke. Weil sich nun oben auf dem Berge zwey Römische Adler sehen liessen / die zur List und Uberfall bequeme Nacht auch nahe / und die deutsche Reuterey sehr abgemattet war / stimmten die andern Kriegs-Häupter dem Fürsten Malovend bey: daß man den Feind nicht weiter verfolgen / sondern sich diesen Tag an der Ehre eines so herrlichen Sieges vergnügen solte. Die Römer aber hatten sich kaum an die Weser wieder zurück gezogen / an welcher bey wehrendem Treffen das aus der Chauzen noch anstossendem Gebiete dahin gebrachte Land-Volck umb einen ziemlichen geraumen Platz eine Brustwehr hatte aufwerffen / und verschlagen müssen / als Hertzog Herrmann selbst mit noch zwölfftausend Cheruskern und Bructerern ankam; dazu der falsche Bericht: daß schon vier Legionen daselbst übergegangen wären / Anlaß gegeben hatte. Germanicus kriegte von dieser Zertheilung der Deutschen Macht zeitlich Nachricht; daher ließ er des Nachts in aller Stille den Vitellius und Cethegus beyde Legionen mit allem Anhange zurücke über den Fluß gehen / hingegen baute er in einer Nacht aus mit sich gebrachten küpffernen Schiffen eine so feste Brücke: daß er darüber alle schwere Kriegesrüstung führen konte; von leeren Fässern /ausgehauenen Nachen und zugeführten kleinen Chauzischen Fischer-Kahnen aber noch wol zehn leichte Brücken / ließ die am Ufer stehenden grossen Eichbäume umhauen: daß sie in Strom fielen / und nicht nur desselben Gewalt hemmeten / sondern auch zu halben Brücken dienten. Auf diesen sätzte er an dem ersten Orte unterhalb mit einer solchen Behendigkeit über: daß Ingviomer bey anbrechendem Tage aller acht Legionen Adler ihm gegen über längst dem Strome stehen sah. Sintemahl die deutschen Hülffs-Völcker alle überschwamen; die Mäsier und Thracier hielten sich an die Schwäntze ihrer Pferde an / und liessen sich überschleppen. Die Gallier flochten Schilff-Rohr und Bintzen zusammen / überzohen sie mit Häuten / und schwamen auf diesen Nachen / welche Semiramis erfunden haben soll / ihrer drey und drey beysammen an den Brücken oder denen über den Fluß gespannten Seilen über. Weil nun die Weser nicht alleine zwischen dem Feldherrn und ihm eine ziemliche Krümme und dadurch einen ziemlichen Umweg machte / sondern auch der Leese-Strom und noch ein ander in die Weser lauffendes Wasser darzwischen war / und daher der Feldherr und Germanicus mit der hinauf gezogenen Macht in etlichen Stunden sich mit ihm nicht vereinbaren konte; hielt er nebst dem Hertzog Jubil nicht für rathsam mit dem Germanicus alleine anzubinden; sondern zohe alsbald den noch weiter oben stehenden Fürsten Marcomir mit den Chassuariern und Dulgibinen an sich / und beyde hernach sich über den Leese-Strom; allwo die gantze deutsche Macht wieder zusa en stieß / und in einem Walde ihr Lager aufschlugen / darinnen das Bild des alten König Alemanns stand / welchen die Gallier Ogmius / die Römer und Griechen den Celtischen Hercules nennen / die Deutschen aber im Kriege seine Helden-Thaten zu singen / ihn aber nicht /jener Meinung nach / anzubeten pflegen. Germanicus wolte sich auch nicht wagen den Deutschen nachzugehen / und sie anzugreiffen; ungeachtet sie ihr Lager nicht umschantzt / sondern nur mit Wagen umgeben hatten; weil sein Volck müde / und von des vorigen Tages Verluste kleinmüthig; er selbst auch / weil er sich vom Malovend hinters Licht geführet hielt /gegen alle seine Seite haltende Deutschen argwöhnisch war. Diesemnach schlug er daselbst ein nach Gelegenheit des Stromes in die Länge abgetheiltes Lager und befestigte es [1179] noch selbigen Tag und Nacht; als inzwischen die alte Kriegs-Leute zuförderst in Bereitschafft stehen musten / nach Gewohnheit der Römer / welche wegen so geschwinder Arbeit bey ihren Legionen gleichsam eine gemauerte Stadt mit sich führten / mit einem zwölf Füsse langen und neune breiten Graben / wie auch mit einem von Rasen gebauten und oben mit einem Zaune versehenen Walle. Er ließ auch ein Altar auf einem Eylande der Weser aufrichten / darunter er nach Römischer Gewohnheit einen Wetzstein und ein Scheermesser vergrub / seit dem der Wahrsager Abius auf Tarqvinius Priscus Befehl mit einem einen solchen Stein auf des Wahrsagers Wort soll durchschnitten haben. Auf das Altar befahl er einen weissen gekräntzten Ochsen mit vergüldeten Hörnern zu stellen / welchen die Römer als ein Bild des diesen Strom bewahrenden Schutz-Bildes verehren musten. Sintemahl die Römer allen Flüssen / Bergen / Städten / Völckern / Häusern /Schauplätzen / ja allen Säulen und Dingen einen gewissen Schutz-Geist zueigneten / und mit diesem das Glücke als eine unabtrennliche Gemahlin verknüpfften. Die Geister der Flüsse aber bildeten sie in Gestalt der Ochsen ab; entweder ihres brüllenden Geräusches halber / oder weil beyde die Erde zerreissen. Germanicus gelobte auch ein ertztenes Bild der schlaffenden Weser / und vier küpfferne Pferde / wie Julius Cäsar dem Flusse Rubico gethan / in Rom aufzurichten. Mit derogleichen Andacht und Befestigung des Lagers brachte er etliche Tage zu ohne das geringste gegen den Feind zu wagen / unter dem Vorwandte: daß er die Deutschen in einem dem Hercules gewiedmeten Orte / welchem Gotte die Römer den Zunahmen des heiligsten zu geben pflegten / nicht angreiffen dörffte. Sein wahres Absehn aber war sich des Flusses und der Rückkehr recht zu versichern / und der Deutschen Vorhaben zu erfahren. Dieses glückte ihm auch nach Wunsche. Denn am dritten Tage kam ein Marse übergelauffen / der brachte im Munde einen überwüchsten Brief vom Malovend; darinnen er nicht nur berichtete / durch was für unvermutheten Zufall die Bataver und Gallier ins Garn verfallen / und sein guter Anschlag krebsgängig gemacht worden wäre; sondern er thät auch zu wissen: daß die Deutschen noch selbige Nacht näher anrücken / und daselbst den Römern eine Schlacht zu liefern / oder wenn sie im Lager blieben /solches zu stürmen beschlossen hätten. Diß Schreiben und des Uberläuffers umständlicher Bericht fand vielmehr Glauben; weil man von ferne die deutschen Wach-Feuer erkiesete / und die ausgeschickten Kundschaffter vergewisserten: daß sie das Wiegern der Pferde / und das Geräusche eines sich bewegenden grossen Heeres gehöret hätten. Bey solcher Beschaffenheit hielt Germanicus für hoch nöthig den Muth seines Kriegs-Volckes wahrhafftig auszuspüren. Weil Germanicus nun wol wuste: daß den Fürsten so selten unverfälschte Wahrheit zu Ohren / als reines Wasser aus den Flüssen ins Meer käme; und die furchtsamsten in Anwesenheit ihrer Kriegs-Häupter am meisten von Tapfferkeit groß zu sprechen pflegten / wolte er weder den Hauptleuten / welche ins gemein ihre Untergebene groß machen und nur gute Zeitungen bringen wollen / noch seinen Freygelassenen / welche stets was knechtisches an sich behalten / noch auch seinen besten Freunden trauen / die sich schwerer der Heucheley / als die Biber ihrer stinckenden Geilen enteusern können; sondern selbst die lautere Wahrheit aus ihrer eigenen Qvelle / nemlich aus deren unter sich bey der Mahlzeit oder im Truncke alleine verträulichen Kriegs-Leute Munde schöpffen; wo sie weder Hoffnung noch anderer Vortrag was nachzusagen / noch die Furcht zu verschweigen verleitet. So bald es nun Nacht worden war / gieng er mit einem einigen vertrauten Hauptmanne aus seinem Zelte; und damit es seine [1180] Leib-Wache nicht gewahr würde /durch die Schrancken der Wahrsager / eine Wolffshaut über den Kopff und Rücken habende /durch die Gassen des Lagers / und wo er in einer Hütte Kriegs-Leute mit ein ander reden hörte / stellte er sich in seinen verborgenen Winckel um ihre Urthel / Meinungen und Vorschläge zu vernehmen. Er fand aber allenthalben etwas gutes / daran sich sein Gemüthe speisen konte. Deñ einer lobte des Germanicus hohe Ankunfft / und seine Gestalt; einander seine Gedult / seine Freundligkeit und sein bey Schertz und Ernst unveränderliches Gemüthe. Der dritte prieß seine Aufrichtigkeit; in dem bey ihm das Sagen dem Thun mehr / als die Nachtlänge dem Tage gleichte /wenn die Sonne in Wieder träte. Er bemeisterte in seinem Zimmer nicht weniger Gemüther durch seine Anmuth / als im Felde mit schrecklichen Waffen; und weder an einem noch dem andern Orte benehmen seine widrige Verrichtungen etwas seiner Hoheit und Ansehen. Die meisten rühmten ihn als den tapffersten und glücklichsten Feldherrn / der iemahls gelebt hätte; und ob ihn zwar verwichenes Jahr nicht so wol die Feinde / als die unversöhnten Schutz-Geister dieser Länder und Flüsse an Uberwindung Deutschlandes verhindert hätten; so würde er doch nunmehr nach derselben Versöhnung unzweifelbar durchdringen. Hätten die Bataver und Gallier gleich für etlichen Tagen durch ihre Unvorsichtigkeit einen Streich versehen / so hätte doch der Feind nicht das Hertze gehabt zwey Römische Legionen anzugreiffen. Wie würden sie nun gegen acht derselben stehen? Weil sie nun einen so unvergleichlichen und wolthätigen Feldherrn hätten / müsten sie auch ihm anständige und erkenntliche Krieges-Leute abgeben. Er würde aber ihre Hertzhafftigkeit für den grösten Danck annehmen. Daher solten sie zu Ausrottung so unbändiger und Frieden-brüchiger Feinde weder Arbeit noch Blut sparen / und sie also ihrer eigenen Rache / und ihres Fürsten Ruhme abschlachten. Als Germanicus mit seinem Gefärthen nun derogestalt von einem Orte des Lagers zum andern gieng / und nahe an Wall kam / traf sichs gleich: daß ein der Lateinischen Sprache kundiger Deutscher mit seinem Pferde biß an Graben kam / und überlaut ruffte: Ein jeder / der vom Feinde zu den Deutschen übergehen würde / der solte vom Feldherrn Herrmann eine schöne Frau / etliche Huben Acker /alle Tage / so lange er diente / hundert Sestertier zum Krieges-Solde bekommen. Weil er diß nun offt wiederholete / hörte es nicht nur die Wache; sondern viel andere liessen auf den Wall / einer sagte es dem andern / und also war das gantze Lager von diesem Geschrey voll: welches sie derogestalt erbitterte: daß sie lieber über den Wall gesprungen wären / es zu rächen / wenn es die Kriegs-Gesätze zugelassen hätten. Gleichwol brach ihre Ungedult in einmüthige Wünsche aus: daß doch der verlangte Tag der Schlacht und des ungezweiffelten Sieges bald kommen / sie also der Deutschen Aecker und Weiber unter sich theilen möchten. Sie nehmen es allerdings für ein gutes Zeichen und eine Wahrsagung an: daß die Feinde ihnen selbst ihre Gelder und Heyrathen anböten /welche zweiffelsfrey bald ihre Beute seyn würden. Germanicus war mit allem / was er in denen vergangenen sechs Stunden des Nachts gehöret und gesehen / wol vergnügt / und kaum ins geheim wieder in sein Zelt kommen / als die zur dritten Nachtwache aufziehenden Kriegs-Leute ihm die Ankunfft des Feindes mit vielem Sturmzeuge zu wissen machte. Der muntere Germanicus befahl alsbald im Lager Lermen zu blasen / ließ auch durch eine über seinem Zelte angesteckte Fackel ein Zeichen des verhandenen Feindes geben; und weil jede Legion schon ihren Stand auf dem Walle wuste / ward in einer halben Stunde nicht nur alles in Waffen / sondern wol besätzt / und für dem Walle unzählbare Feuer und Fackeln angezündet: [1181] daß man die Feinde und ihr Vorhaben erkiesen und selbtem begegnen konte. Weil die Deutschẽ nun alles in so guter Bereitschaft funden / hielten sie nicht für rathsam den so mächtigen Feind in seinem Vortheil anzugreiffen / sondern zohen sich ohne Versuchung des Sturmes zurücke. Germanicus war nunmehr entschlossen eine Schlacht zu wagen; daher machte er folgenden Tag hierzu alle nur ersinnliche Anstalt /steckte auf seinem Zelte eine rothe Blut-Fahne aus /stellte im Lager alle Legionen in Schlacht-Ordnung /ritt durch alle Glieder / besahe ihre Waffen und Kleider / theilte für das schadehaffte gutes und einem jeden Kriegs-Knechte zehn Sestertier aus / versprach einem jeden nach der Schlacht derer noch zehnmahl so viel / sonderte die Krancken ab; und an statt der alten Kriegs-Leute / mit welchen sonst pflegten die Lager besätzt zu werden / bestellte er diese zur Besatzung im Lager zu bleiben / wiewol er mit sich noch nicht einig war: ob er nicht bey angehender Schlacht Lager und Brücken abbrechen / also seinem Volcke alle Hoffnung zu entfliehen benehmen wolte; vergab die erledigten Kriegs-Aempter; ließ die grossen Schleudern zum Stein- und Pfeil werffen / derer jede Legion nicht nur / wie sonst gewöhnlich / fünf- und funfzig / sondern achtzig mit sich führte / nebst allen andern Werckzeugen des Streites versuchen: ob sie auch gangbar wären / und alles mangelhaffte ausbessern. Die / welche noch nicht gegen die Deutschen /oder auch gar nur gegen aufgerichtete Pfäle gestritten / musten sich mit ihren alten und erfahrnen Gefärthen / welche Germanicus deutsches Gewehre brauchen ließ / oder auch gegen die Chauzen / Friesen und Sicambern so wol im Rennen / Springen / Heben /Schwimmen und Ringen / als im Gefechte / üben /damit sie durch nichts neues irre gemacht würden. Massen er denn diesen Tag ihrer mehr als viertausend für Kriegs-Leute allererst zeichnen / und ihnen an statt der vorhin in der Ubung gebrauchten schweren Keulen / Degen / an statt der aus Wieten geflochtenen eiserne Schilde einhändigen ließ; weil er zu Erfüllung der Legionen viel junge Leute / so gut er sie bekommen können / hatte nehmen müssen. Mit einem Worte: Germanicus that alles / was einem klugen Feldherrn oblieget / und menschliche Weißheit auf solche Fälle vorsehen kan. Weil er aber allzu wol verstund: daß nichts in der Welt über die Gemüther der Menschen grössere Gewalt habe / als Andacht / oder auch nur Aberglauben; also / daß man durch selbte ihm mehr als Kletten anhängig / die verwegensten verzagt / die furchtsamsten hertzhafft / ja begierig in Tod zu rennen machen / seinen Worten und Wahrsagungen auch solchen Glauben erwerben könne: daß kein vernünfftiger Einwand / ja der Augenschein selbst das Volck eines andern bereden kan; sondern im blinden Eyver auch wider die Unmögligkeit seinem in Ansehn einmahl gekommenen Führer durch Feuer und Schwerdt mit Freuden folget / so beruffte er ins geheim die Priester und Wahrsager / und befahl: daß sie alle ihre Künste gebrauchen solten das Kriegs-Volck zu bereden: daß es einen unsäglich grossen Sieg wider die Deutschen erstreiten würde. Beyde wusten hierinnen dem Germanicus meisterlich an die Hand zu gehen. Denn die Priester wusten mehr als zehn Siege zu erzehlen / welche die Römer an folgendem Tage wider ihre Feinde erhalten hätten. Einer that es dem grossen Alexander und dem Wahrsager Jmides nach / schrieb mit gewisser Farbe auf seine Hand rückwerts das Wort: Sieg / drückte die aus einem geopfferten Ochsen genommene Leber darauf /und wieß hernach solche dem alberen Kriegs-Volcke; gleich als wenn der Finger GOttes solche Schrifft der Leber zu Andeutung ihres Sieges eingedrückt hätte. Aus denen Sibyllinischen Büchern aber erzählten sie: daß die Römer dieses Jahr zweyer grosser ins Welt-Meer flüssenden Ströme Meister werden [1182] würden /welches auf keine andere als die Weser und die Elbe füglich gedeutet werden könte. Bey Abschlachtung der Opffer-Thiere zerrissen sie in einem Ochsen die Leber: daß es schien / als wenn er derer zwey hätte /welches allemahl für ein sehr gutes Zeichen gehalten ward. Und in einen Wieder steckte der Priester noch eine Galle; gleich als wenn er derer zwey in ihm gefunden hätte; welches auch sich dem Käyser August an dem Tage ereignet haben soll / als er bey Actium wider den Anton gesieget. Nicht besser machten es die Wahrsager: indem sie die Hüner vorher etliche Tage ausgehungert hatten: daß sie hernach zum Zeichen bevorstehender Glückseeligkeit desto begieriger frassen. Dieser Betrug beseelte das abergläubische Kriegs-Volck mit mehr Hertzhafftigkeit und mit einer solchen Versicherung des Sieges / als wenn sie noch acht Legionen zu Hülffe bekommen hätten. Denn sie glaubten: daß derogleichen Andeutungen die Sprache der Götter zu den Menschen / ihr Schluß aber auf einer solcher Nothwendigkeit gegründet wäre: daß gegen selbte aller menschlicher Witz zur Thorheit /alle Stärcke zur Ohnmacht würde / die verblendete Klugheit allezeit das schlimmste erwehlte / und die Tapfferkeit sich in ihr eigenes Messer schnitte. Wiewol nun Germanicus sich dieses Aberglaubens nur zum Werckzeuge seines Krieges bediente; so hielt er doch sehr viel auf die Träume; theils weil des Käysers Mutter Calpurnien sein blutiger Untergang und des Käysers August Erhaltung seinem Artzte Artorius /der ihn warnigte der Schlacht auf den Philippischen Feldern nicht beyzuwohnen / dadurch entdeckt worden war; oder vielmehr / weil das Jahr vorher der erblassete Varus dem Cäcina die dem Römischen Heere zuhängende Gefahr so wahrhafftig für Augen gestellt hatte. Daher opfferte er selbigen Tag dem Castor und Pollux / welche die Menschen durch Träume zu warnigen geglaubt werden / zwey / und dem Hercules drey Lämmer. Denn dieser soll der rechte Urheber der göttlichen Träume seyn / und den Sterblichen dadurch Geheimnüsse und künfftige Dinge zum besten entdecken. Insonderheit ist er destwegen auf dem Berge Sambulos in Mesopotamien berühmt / allwo er seinen Priestern im Traume eingiebt / wenn sie die Pferde fertig machen sollen / auf welchen der Geist selbigen Ortes hernach in die umliegenden Wälder auf die Jagt reitet / und für sie viel Wild erleget. Diesem hat desthalben der durch Anleitung der Träume bereicherte Octavius das Zehnde seines Gewinnes gewiedmet. Hierauf ereignete sich auch / entweder aus fester Einbildung des vorherigen Tages / oder weil der Aberglaube auch einen ihn unterhaltende Geist hat / daß dem Germanicus träumete: Er opfferte dem Jupiter /und weil er seinen weissen Fürsten- und Priester-Rock mit Blute bespritzte / reichte ihm seine Groß-Mutter Livia einen viel schönern von Gold und Purper zu. Germanicus war nur aus dem Schlaffe erwacht / und überlegte mit sich selbst die Deutung des Traumes / als ihm ein neuer Uberläuffer vom Malovend ein neues Schreiben brachte / worauf er denn alsofort auf war / sein mit Golde gestücktes Purper-Kleid /welches schon ein gewisses Zeichen der Schlacht war / anlegte / noch für Tage das gantze Heer abspeisete /in Waffen brachte / aus dem Lager führte; und nach dem er auf dem Idistavisischen Felde des schon meistentheils in Ordnung stehenden Feindes gewahr ward / solches in Schlacht-Ordnung stellte. Dieses Feld war ein sandichter und von Grase unbewachsener Bodem /krümte sich zwischen der Schlangen-weise lauffenden Weser und denen gegen über liegenden Hügeln herum. Jedoch hatte Germanicus genungsamen Platz sein gantzes Heer auf eine gantz ebene Fläche zu stellen. In dem rechten Flügel kam Julius Florus mit dem Fuß-Volcke der Seqvaner / Arverner und Heduer; neben diese die Sicambrischen / Tencterischen / [1183] und Frisischen Hülffs-Völcker. Auf der einen Seite stand Cruptorich mit der Frisischen; auf der andern Fleckenstein mit der Tribochischen / Nemetischen und Vangionischen Reuterey. Im lincken Flügel hielt Aviola mit dem Tririschen / Narbonischen / und Lugdunischen Fuß-Volcke; und neben diesen die Ubier / Menapier / und Bataver unter dem Verzingetorich. Auf der einen Seite stand Bojocal mit der Angrivarischen und übrigen Batavischen; auf der andern Seite der Graf von Chur / Sarnganß / und Werdenberg mit der Rhätier / Lepontier und Noricher Reuterey. In der Mitte standen fünfftausend Chauzen zu Fuße / welche auf der Seite tausend Reuter deckten; neben ihm zweytausend Celtiberier / dreytausend andere Hispanier; unter dem Galba und Indobil auf der Seite zwölffhundert Thracische Reuter / welche nicht wie andere Völcker ihr gestochenes Krieges-Maal auf den Armen / sondern nach Art der sich mit weidfärbenden Britannier / ihr Zeichen auf der Stirne hatten. Zwischen alle diese Hauffen waren noch Cretische Schützen / und Balearische Schleuderer eingespickt / welche die ersten und besten in der Welt sind. Sintemahl sie mit ihren aus scharffem Schilffe / Hanff oder Haaren gemachten und im Werffen einmahl um das Haupt geschwenckten Schleudern / welche sie ausser dem als Haarbinden zur Zierde ums Haupt tragen / auf ein Haar treffen / und in ihrer Kindheit von ihren Müttern keine Speise bekommen / die sie nicht vorher mit dem Steine oder Pfeile getroffen haben. Diese Völcker vermengte Germanicus mit allem Fleiß unter einander; theils daß eines das andere durch Eyversucht zur Tapferkeit aufmuntern solte; theils / daß niemand / der gleich einige Untreue im Schilde führte / solche ausüben könte. Uber den rechten Flügel war Segesthes /über den lincken Flavius / über den mitlern Leib Hertzog Ganasch Feld-Oberster. Hinter diesen stellte Germanicus in rechten Flügel den Silius und Apronius mit der andern und dreyzehenden / in lincken Flügel den Vitellius und Tubero mit der vierzehenden und sechzehnden Legion in der gewöhnlichen Ordnung. Hinter die Schützen und leichtbewehrte Mannschafft waren die grossen Schleudern und Geschosse gepflantzt. Den rechten Flügel deckte Stertinius / den lincken Emilius mit der Römischen Reuterey. Ein Theil der Reuterey aber ordnete er hinter die Legionen / durch derer Hauffen er die Gassen desto weiter machte; daß auf den Nothfall die Reuter durch selbige hervor brechen konten. Ob nun wol die ältesten und edelsten Kriegs-Leute sonst ihren rechten Stand hinter den Adlern im Hinterhalte hatten / baten ihrer viel ihnen doch selbst beym Germanicus aus: daß sie zuförderst an die Stirne unter die den Kampff anfangenden Spißträger gestellt werden möchten. Zwischen denen Legionen in einer geraumen Mitte hielt Germanicus selbst zu Pferde mit seinen ausgelesenen alten Kriegs-Leuten / und der Leibwache zu Roß und Fuße; von denen er rühmte: daß er den geringsten darunter sicher zu einem Hauptmanne gebrauchen könte. In dieser Mitte befanden sich auch die Obersten übers Lager und das Geschütze. Sonst muste ein ieder Oberster bey seiner Legion und bey seinem Adler /ieder Hauptmann für seinem Fahne bleiben; iedoch war Silius im rechten Vitellius im lincken Flügel Oberster Befehlhaber. Hierauf folgten im rechten Flügel abermahls die Aqvitanier und Helvetier zu Fusse; auf der einen Seite waren tausend Pannonische / auf der andern so viel Dalmatische leichte Reuter mit Pfeilen; im lincken Flügel waren die Atrebater / Bellovaken und Sveßioner zu Fuße / und diese auf einer Seite mit tausend Mohren / auf der andern mit so viel Mäsischen und Armenischen Reutern bedeckt. In der Mitte folgte das Fuß-Volck der Nervier / Lingonen und Morinen / und zwischen diesen noch tausend Chauzen / fünff [1184] hundert Angrivarier / so viel Juhonen und Friesen. Diese bedeckten auf der einen Seite tausend Bastarnische und Sarmatische / auf der andern so viel Macedonische und Thessalische Reuter; und die zwischen denen Fahnen gelassenen Gassen waren mit Achäischen Schleuderern / welche viel stärcker als die Balearischen werffen / versorgt. Nach diesen führte allererst Cäcina seine vier Legionen auf. Cethegus und Cantius machten mit der fünfften und ein und zwantzigsten den rechten / Cajus Cetronius mit der ersten / und mit der zwantzigsten Legion den lincken Flügel. In der Mitte war Cäcina mit etlichen Fahnen von der Kayserlichen Leib-Wache und alter ausgelesener Mannschafft nebst einem Kerne des Römischen Adels zu Pferde. Auf der Seite des rechten Flügels stand Pedo / auf der lincken Meßala mit der leichten Reuterey der Römer. Die Erde zitterte gleichsam unter dieser ungeheuern Macht / welche der gantzen Welt ein Schrecken einzujagen mächtig gewest wäre. Kein Feind der Römer hatte auch noch keine desgleichen und mit solcher Rüstung versehen / gegen sich stehen gehabt. Denn sonst pflegten die Römer ins gemein nur Kriegs-Heere von zehntausend Fuß-Knechten und zwey tausend Reutern / und wenn sie mit gar einem mächtigen Feinde zu thun hatten / noch einmahl so viel / darunter zwey Legionen waren / ins Feld zu führen. Hier aber standen nicht nur acht Legionen / sondern die Hülffs-Völcker waren auch wider ihre sonst genau beobachtete Kriegs-Völcker fast noch einmahl so starck / als die Römer. Denn nach dem zumahl die zwey Scipionen in Hispanien aus diesem Fehler: daß sie zu viel Celtiberier in Dienste genommen hatten /umkommen waren / banden sie ihren Heerführern scharff ein: daß sie sich mit fremdem Volcke / welches selten es recht treu meinte / noch mit solchem Eyver für Rom stritte; also sich darauf nicht zu verlassen wäre / ja gar sich zum Feinde schlagen könte /und die Krieges-Künste der Römer zu eigener Gefahr lernte / niemahls biß an die Helffte überladen solten. Alleine Germanicus hielt die Deutschen für den mächtigsten Feind der Römer in der Welt / und also für nöthig eben so / als die Römer in dem Kriege wider die Volsker und die Carthaginenser unter dem Bürgermeister Sempronius gethan hatten / die gemeine Richtschnur ausser Augen zu sätzen. Welches er so vielmehr ohne Gefahr zu seyn hielt; weil die Hülffe aus so unterschiedenen Völckern der Welt zusammen gelesen war. Uber diß gebrauchte er sich auch dieses Kunst-Stückes: daß er die / welche mit einander einige Gemeinschafft und Absehen haben / oder einerley Vortheil suchen konten / so wohl im Feldzuge als im Lager und in den Schlacht-Ordnungẽ von einander entfernete. Durch welche Künste auch Hannibal sein von so widrigen Völckern bestehendes Heer allemal in Gehorsam / und daß es auch in eusserster Noth nie einigen Auffstand gemacht / erhalten haben soll. Als Germanicus nun alles wol verordnet hatte / stellte er sich in der Mitte des Heeres auf einen Hügel / und redete das Kriegs-Volck folgender Gestalt an: Es ist schon zwey und siebzig Jahr / seit dem Ariovist sich zum ersten an Kayser Julius gerieben / und drey Jahr weniger: daß er zum ersten mahl die Römischen Waffen über den Rhein gebracht. So viel Jahre wird Deutschland bekriegt / und hat doch noch nicht überwunden werden können; ungeachtet Kayser August so viel Heere und noch mehr tapfere Feldherren in Deutschland geschickt / er selbst etliche / Kayser Tiberius neunmahl in oder nahe an Deutschland gewest wären. Gantz Asien und Africa ist in viel wenigern Jahren den Römern unterthänig worden / und beyde haben so viel Römer und Heerführer nicht verschlungen / als das einige Deutschland; in welchem Carbo /Caßius / Scaurus / Aurelius / Sevilius Cäpio / Manlius erschlagen oder gefangen / Varus und drey Legionen mit Strumpff und Stiel [1185] aufgerieben worden. Meinem Vater Drusus und Tiberius haben den Zweck zu erreichen einige / die tapfersten unter den Deutschen aber uns die gröste Hoffnung gemacht. Sintemahl die Chauzen / Bataver / Sicambrer / und Friesen nunmehr den Vortheil der Römischen Freundschafft / die Beschwerligkeit der iñerlichen Kriege erforschet und erfahren haben: daß das Glücke mehrmahls nicht nur einzeler Menschen / sondern gantzer Völcker zum eigenen Schaden schone; und daß die Römische Beschirmung / welche der von dem unruhigen Herrmann verleitete / und wider den rechtmäßigen Erben der Cheruskischen Herrschafft / nemlich den Fürsten Flavius aufgehetzte Feind eine Dienstbarkeit nennet / die vergnüglichste Freyheit und den sichersten Frieden nach sich ziehe. Dieser klugen und tapfferen Völcker Waffen sehe ich hier zu unbeschreiblicher Vergnügung mit den Römischen vermänget / um das allgemeine Heil der Welt / und die Ruh der Völcker zu befestigen. Vater Drusus! und du vergötterter August! thut einen Blick aus jener in diese Welt! aber mißgönnet eurem Sohne die Glückseligkeit nicht heute den deutschen Kriegen ein Ende zu machen! Freuet euch ihr tapfferen Kriegsleute! daß euch heute das Glück ein Ziel eurer Arbeit gesteckt / und der Sieg auf einmahl eure vieljährige Verdienste nach Würden belohnen wird! das Werck / das ihr heute ausrichten solt /ist zwar grösser als eines der Römer iemahls gewest /aber der Sieg wird von keiner solchen Schwerigkeit seyn. Denn mit der Helffte so vieler tapfferen Kriegs-Helden traute ich mir die Sonne aus ihrem Nachtlager aufzufordern / wohin zwar des grossen Alexanders Wunsch / aber nicht seine Kräfften reichten. In diesem gantzen Heere sind eitel Männer / kein Weib. Daher alle wie die Egyptier mit Ehren in ihren Schilden zum Kriegs-Zeichen Kefer führen könten; unter denen keiner weiblichen Geschlechtes seyn soll. Wer unter so vielen streitbaren und auffs beste gewaffneten Leuten wolte nun nicht hertzhafft fechten / wo so grosse Hoffnung zu überwinden für Augen liegt? wo der Kern der streitbarsten Völcker zusammen kommen gleichsam um den Verzug der Tugend zu kämpffen; wo das Vorhängnüs alle bißherige Schwerigkeiten aus dem Wege geräumt hat? denn / da die Deutschen nicht anders als durch Deutsche bezwungen werden können; so stehen die edelsten an der Stirne dieser Schlacht-Ordnung / weil sie ihnen selbst die Ehre erkieset haben das Eiß zu brechen um diese Länder mehr dem treuen und tapffern Fürsten Flavius / als den Römern zu erobern. Ihr sehet für euren Augen keine stinckende Sümpffe / die bißherigen Hindernüße eures Sieges; sondern ein hartes und zur Schlacht geschicktes Feld. Treibet ihr den Feind auch gleich in den am Rücken habenden Wald / so habet ihr noch einen grössern Vortheil; weil zwar ihr eure kurtze Degen und Wurff-Pfeile gar wol / der Feind aber zwischen den Aesten und dem Gestrittige seine langen Spiesse und ungeschickten Schilde schwerlich brauchen kan. Wenn ihr schon nicht mehr Hertze als der Feind hättet / würde der Vortheil eurer geschickten Waffen euch zu Siegern machen. Stosset daher nur behertzt drauf! und sonderlich auf die unbedeckten und unleidentlichsten Antlitzer! wiewohl fast keiner euerer Streiche mißlingen kan / weil die wenigsten Helm und Pantzer haben. Ihre Schilde haben wenig Leder oder Seiten / viel weniger Eisenwerck an sich; sondern bestehen meist aus gemahlten und zu spalten unschweren Bretern / die besten sind nichts anders /als aus weidenen Wieten gemachte Flechten. Die wenigsten haben einen Helm / sondern statt derselben Püschel der über dem Wirbel zusammen gebundener Haare / oder zum höchsten eine Wolffs- oder Beeren-Haut über dem Kopffe. Ihre ersten Glieder haben zwar mit Eisen zugespitzte Spisse / die andern aber nur gebrennte Priegel / oder stumpffes Gewehre. [1186] Die Cherusker / Blucterer und Cimbern wären zwar groß von Leibe / und scheußlich anzuschauen / aber zu keiner langen Arbeit tauerhafft / und bey Verwundungen unleidentlich. Ihre Glieder wären wohl starck / aber nicht gelencke; und hätten mehr Ansehen als Kräffte. Die Römer wären durch ihre Geschickligkeit und Krieges-Ordnung über die Menge der Gallier / über die Kräfften der Hispanier / über die Arglist der Africaner und über die Klugheit der Griechen Meister worden; warum wolten sie sich für der Grösse der Cherusker entsetzen / welche wol Riesen aber keine Krieges-verständige wären? die kleinern Leute hätten / wie Tydeus / ins gemein mehr Hertze im Busem und mehr Geschickligkeit in Kleidern / als ungeheure Cyclopen. Die Cherusker fielen zwar als wilde und rasende Thiere ihre Feinde mit Geschrey und Ungestüme an / aber sie hielten weder Ordnung noch in die Länge Stand; achteten es für keine Schande aus dem Gliede zu weichen / dem Feinde den Rücken zu kehren / oder ihrer Führer Befehl ausser acht zu lassen; und wüsten / wenn sie einmahl verwirret oder getrennet wären / nicht wieder zu rechte zu kommen. Lasset euch also ihren ersten Sturm / ihre unterschiedene Gestalt und Waffen nicht feige machen oder verwirren. Denn ich kan von der Vermischung so vielerley Feinde eben diß / was Qvintus Flaminius von seinen vielen Gerichten zu Chalcis und von des Königs Antiochus Heere sagen; nemlich: daß jene nur einerley auf unterschiedene Art zugerichtetes Schweinefleisch /dieses eitel verzagte Syrer gewest sind. Gegenwärtiges Heer aber besteht an eitel wilden aber ungeübten Deutschen. Ihres Angrieffs Austhauerung ist euer Heil und ihr Verterb. Widrigen Falls aber werdet ihr mit Schaden empfinden: daß ihr mehr mit wilden Thieren zu thun habt / und ihr Blut zöpffen / oder es selbst lassen müst. Verlasse sich aber keiner auf ihre Gnade. Denn wie sie / wenn es ihnen nicht wol geht / auf einmahl das Hertze verlieren / also sind sie bey gutem Glücke unerträglich / und ihre Grausamkeit gegen besiegte unerbittlich. Fürchtet euch nicht mehr für beschwerlichen Wegen / für ungeheuren Wäldern und garstigen Pfützen / oder für neuen Feinden. Ihr übersehet hier alles / was Rom noch zu überwinden hat. Die Elbe ist bey weitem nicht mehr von uns entfernet / als der Rhein. Jene aber ist nicht weniger das Ende eures Krieges / als des feindlichen Gebietes. Denn über diesem Strome gehorsamet alles dem Römischen Bundgenossen Marbod. Zweiffelt an dem Siege ja nicht / wo ihr eure Pflicht thun werdet / wie ich mein Ampt / der ich entweder sterben / oder in meines Vaters und Vetters Fußstapffen treten will. Ihr aber könnet unmöglich anderer Gedancken seyn / wenn ihr den unvergleichlichen Ruhm überleget / den ihr mit mir erwerben werdet / wenn Germanicus an der Elbe die Römischen Sieges-Zeichen des Drusus verneuern und befestigen wird. Germanicus hatte kaum ausgeredet /als das gantze Heer zum Zeichen ihrer Begierde zu fechten und eingebildeter Glückseligkeit mit den Zähnen knirschte / die Hände empor reckten / jauchzeten /die Spisse wider die Schilde / die Schilde wider die Knie schlugen. Germanicus lobte ihren rühmlichen Beyfall / und trug ihnen für: daß sie bey solchem Vorsatze kein Bedencken haben würden den von den Römern vorhin mehrmals geleisteten Eyd auch dißmahl zu wiederholen: daß sie nicht ehe / als nach erlangtem Siege / die Wallstatt verlassen wolten. Die Römer waren hierzu alsbald fertig / und sprachen den von ihren Hauptleuten vorgesagten Eyd nach / oder wol gar selbst für. Daher sich auch die Hülffs-Völcker dessen nicht weigern konten.

Der Feldherr Herrmann hatte den Tag vorher zwey schlechte Zeitungen bekommen; nemlich: daß König Marbod auf Anstifften Adgandesters zwantzig tausend Marckmänner in das [1187] Hermundurische Gebiete des Hertzog Jubils hatte einfallen / dem Hertzoge Arpus aber zuentbieten lassen: er solte mit den Römern in Ruh leben / oder er darzwischen kommen /und das Spiel verterben. Marbod aber hatte ihm selbst bedräulich zugeschrieben: er solte die wider sein Verbot sich in den Römischen Krieg einflechtende Longobarden und Semnoner von seinem Heere absondern / oder er würde diese als aufrührische Unterthanen zu bändigen / und am Herrmann es als einen Friedenbruch zu rächen wissen. Weil nun der Herold vom Könige viel solche Abforderungs-Schreiben mitgebracht und allenthalben ausgestreuet hatte; über diß verlautete: daß zwölff tausend Marckmänner und Sedusier an der Spreu ankommen wären / nahmen fünff tausend begüterte Longobarden vom Feldherrn / wiewol mit Unwillen / Abschied / und blieben derer unter dem Graf Robert von Ascanien / dem Ritter Beringer / Königsmarck / Blumenthal / Schwerin / Osten und Bärlepsch kaum drey tausend zurücke / welche nichts zu verlieren hatten und dem Könige Marbod zur Antwort wissen liessen: Sie wären Edelleute / und wären unter seiner müßigen Herrschafft bey nahe eingeschlaffen und versauert. Nachdem sie nun lange genung /aber vergebens auf einen frischen Krieg wider die Römer gewartet hätten / würde er nicht übel aufnehmen: daß sie wie der andere junge Adel in Deutschland bey einem andern Fürsten Kriegs-Dienste suchten / ihre verrosterte Waffen daselbst auswetzten / und sich mit der Zeit ihr Vaterland zu beschützen fähig machten. Der Müßiggang wäre ihnen so unerträglich als verkleinerlich. Sintemahl ihr Vermögen nicht auskommentlich wäre ihren Stand zu führen / wenn ihres Fürsten Freygebigkeit ihnen nicht Mittel vorschüße ihre Pferde und Rüstung zu unterhalten; welche zu Hause sonst mit ihrem Geschlechte verschimmelte /dessen Glantz nur im Kriege und bey gefährlichen Zufällen erhalten würde. Hertzog Jubil wolte auch / ungeachtet des verlauteten Einfalls / die Schande nicht haben itzt / da das Eisen der deutschen Freyheit solte ausgeschmiedet werden / die Hand vom Feuer zu ziehen. Ungeachtet nun dem Feldherrn mit den Longobarden ein gutes Theil seiner Stärcke entfiel / war es doch unvermeidlich ohne Verlust vielen Volckes und bißher erhaltenen Ruhmes zu schlagen / oder es muste das Cheruskische Gebiete den Römern bis an die Elbe Preiß gegeben werden. Denn der Feind war den Deutschen zu nahe auf den Hals kommen; sie hatten weder vor-noch hinter sich einen Vortheil / und bey des Marbods Einfalle zwar mehr Feinde aber keine Verstärckung mehr zu hoffen. Weil der Feldherr nun in der Nacht Kundschafft kriegt hatte: daß Germanicus den Tag vorher alles zur Schlacht bereitet hatte / wolte er den ins gemein wichtigen Vortheil sein Heer am ersten zu stellen nicht versäumen. Daher fieng er und Hertzog Ingviomer an bald mit anbrechendem Tage das deutsche Heer in Schlacht-Ordnung zu stellen. Sie hatten den Römern zu ihrer mit Fleiß die Fläche übrig gelassen / weil der Deutschen Reiterey / welche der Römischen weit überlegen ist /daselbst desto freyer treffen konte. In den rechten Flügel / welcher in keinem flachen aber mit vielen Sträuchen bewachsenem Felde zu stehen kam / stellte er zuförderst das Fuß-Volck der Angrivarier und Chamaver unter dem Grafen von Ravensberg und Homburg / welches der Ritter Wintzenburg auf der rechten Seite mit fünf hundert Angrivarischen / der Richter Wachtendonck auf der lincken mit fünf hundert Chamavischen Pferden deckte. Hinter diesen stand das gantze Marsische Fuß-Volck unter dem Grafen von Qverfurt / Rietberg und Schrapelau. Auf der einen Seite führte der Graf von Lingen tausend Marsische und Tubantische / auf der andern Seite der Graf von Steinfurt tausend Chassuarische Reiter. Dieser Flügel war dem Fürsten [1188] Malovend anvertrauet. Zu seinem Hinterhalte stand Hertzog Marcomir; welchem unter dem Grafen von Hanau tausend Cattische / unter dem Ritter Ranzau fünf hundert Cimbrische Reiter / unter dem Grafen von Mansfeld zwey tausend Cherusker /und unter dem Grafen von Bentheim zwey tausend Bructerer / und unter denen Rittern Buchwald und Blume tausend Cimbern zu Fusse untergeben waren. In den lincken Flügel / welcher ein ebenes freyes Feld einnam / verordnete Ingviomer zuförderst zwey tausend Longobarden unter dem Grafen von Ascanien /und zwey tausend Hermundurer unter dem Grafen von Schwartzenburg / der Ritter Beringer hatte auf der Seite fünf hundert Hermundurische / der Graf Barby fünfhundert Longobardische Ritter. Hinter diesen stand das gantze Fuß-Volck der Bructerer unter dem Grafen Burghard von der Lippe / dem Grafen von Salm und Seyn. Die rechte Seite deckte der Graf von Teckelnburg / die lincke der Graf von Oldenburg mit dreyhundert Bructerischen Reitern. Diesen gantzen Flügel nam Hertzog Ingviomer selbst zu führen / welcher ihm dreyhundert Bructerische Ritter zu seiner Leibwache auserlesen hatte / darunter ich der Graf Diest / Wartenberg und andere / welche vorhin Obersten gewest waren / befanden. Zu dieses Flügels Hinterhalte ward vom Feldherrn Hertzog Jubil bestellt. Dieser bestand in zwey tausend Hermunduren und zwey tausend Catten / und tausend Cimbern zu Fusse / unter den Rittern Reuß / dem Grafen von Gleihen /Stolberg / Isenburg und Solms und dem Grafen von Holstein. Der Graf von Henseberg führte tausend Hermundurische / und der Graf von Wertheim tausend Catten zu Rosse. Er hatte um sich hundert aus den Hermunduren auserlesene Ritter zur Leibwache. Der mitlere Leib der Schlacht-Ordnung kam auf eitel Hügeln zu stehen / und bestand aus lauter Cheruskern; außer fünfzehn hundert Catten und so viel Cimbern waren unter dem Fuß-Volcke / fünf hundert Catten und so viel Cimbern unter der Reiterey. Im Vordrabe führte das Cheruskische Fuß-Volck der Ritter Reckheim / Osterode und Buren; dieses ward auf der rechten Seite durch den Grafen von Arensberg mit fünf hundert Cheruskischen / und vom Ritter Ahlefeld mit so viel Cimbrischen Reitern / auf der lincken Seite vom Grafen von Eberstein mit fünf hundert Cheruskischen- und vom Rhein-Grafen mit so viel Cattischen Reitern bedeckt. Das hierauf folgende Cheruskische Fuß-Volck bestand in achtzehn tausend Köpffen. Dessen Führer waren der Graf von Hoheloh / von Schauenburg und Löwenburg. Der Graf von Waldeck bedeckte es mit zwey tausend Pferden auf einer / der Graf von Limburg und Hoya mit so vielen auf der andern Seite. Allhier als im Hertzen und Mittelpuncte des gantzen deutschen Heeres hatte der Feldherr Herrmann zwar seinen ersten Stand / aber er sätzte ihm für / wie die Seele eines Leibes allenthalben zu seyn / und destwegen erklärete er allhier den Grafen von Nassau zu seinem Stadthalter. Er hatte um sich dreyhundert auserlesener Ritter / darunter waren Staden / Dassel /Bechlingen / Lüneburg / Qvedlenburg / Ballenstadt /Listen / Woldenburg / Plesse / Reyne / Alvensleben /Melvero / Dinxlacken / Rheinstein / Thanneberg /Arnstein / Haldesleben / Suppelberg / Wenigerode /Lawenrode / Lindau / Gerenrode / Homburg / Plotzke / Wethin / Sladen / Schrapha / Walder-See / Recklingshausen / Roretz / Hoinstein / Potolys / Zarmude / Revemungen / Steppendisen / Sommerseburg / Watberg / Alsleben und andere. In seinem Hinterhalte führte der Graf von Sulm und Delmenhorst dreytausend Cherusker / der Graf von Wied tausend Catten /der Ritter Uhlefeld tausend Cimbern zu Fusse / der Graf von der Marck auf einer Seite tausend Cherusker zu Pferde / und der Graf von Ravenstein auf der andern Seite eben so viel. In [1189] beyden Heeren waren die Völcker gar artlich durch ihre Schilde unterschieden. Denn die Römer hatten in ihren nebst dem Nahmen ihres Feldherrn / ihrer Legion und Fahnes güldene Adler / die Armenier einen gehörnten Löwen / die Griechen zwey Wieder-Hörner und des Hercules Keule / die Africaner einen Drachen / die Asiatischen einen Fisch / die Thracier einen Hund / die Mösier einen Wolff / die Pannonier drey Eber-Zähne / die Rhetier einen Gemß / die Sicambrer einen rothen- die Bataver einen gelben Löwen / die Friesen einen See-Hund / die Chauzen ein Wasser-Pferd / die Gallier aber Hahnen / Adler / Habichte und andere Vögel. Hingegen führten die Cherusker ein weisses Pferd im rothen Felde / die Bructerer eine güldene Harpyje im schwartzen / die Hermundurer einen roth- und weiß-scheckichten Löwen im blauen / die Catten einen gekrönten gelben Löwen im rothen / die Longobarden einen rothen Adler im weissen / die Cimbern einen gelben Hahn im schwartzen / die Marsen einen schwartzen Löwen im gelben / die Chamaver einen rothen Löwen im gelben / die Angrivarier einen schwartzen Bär im weissen Felde. Nach der also gemachten Schlacht-Ordnung redete so wohl Hertzog Ingviomer als der Feldherr das Kriegs-Volck folgenden Innhalts an: Ich weiß wol / ihr unüberwindlichen Deutschen / daß auch des tapffersten Feldherrn Worte einem verzagten kein Hertze einzuflößen vermögen /und in einem Augenblicke so wenig ein furchtsamer in einen tapffern zu verwandeln / als ein todter lebendig zu machen sey. Denn wem ein Helden-Muth nicht von Natur angebohren / durch öfftere Gefahr und Thaten geschärfft ist / und das Leben höher als die Ehre schätzt / bey dem ist alle Ermahnung verlohren; weil die Furcht ihn des Gehöres ja aller Sinnen beraubt. Die dicksten Peltze / die besten Betten werden den nicht erwärmen / und kein Achilles dem eine Hitze einflössen / der im Leibe und im Hertzen kein Feuer hat. Aber bey so hertzhafften Leuten ist eines Heerführers Wort oder Winck eine so durchdringende Flamme / welche aller Gemüther wie ein Blitz anzündet / daß sie wie Oel und Schweffel brennen. Wecket das Liebkosen des Reuters ein Pferd zum Lauffe / der Zuruff des Volckes einen Fechter zur Standhafftigkeit auf; was soll nicht eines Obersten Stimme bey so hertzhafften Leuten würcken? Ich habe eure Treue und Tapfferkeit mehr prüfen müssen / als mir lieb gewesen; euch aber nun so viel rühmlicher ist. Ich schätze es für kein geringes: daß niemand unter euch ist /der nicht mich und ich ihn fürs Vaterland ein und andere Heldenthat habe ausüben gesehen; also euerer Tapfferkeit Verwunderer gewesen / und nun derselben Zeuge seyn kan. Es gereichet so wol euch zur Ehre als mir zur Vergnügung: daß ich eure lobwürdige Verrichtungen mit Fleiß aufgezeichnet verwahre / als euch dadurch kenne / und ieden mit seinem Nahmen zu ruffen weiß. Eurer Tugend habe ichs zu dancken: daß Deutschland noch in Freyheit / ich der Cherusker Fürst und der Deutschen Feldherr bin. Unsere Feinde haben aller Welt Kräfften / Wollust / Betrug und alle Laster wider uns aufgeboten; ja durch Zauberey Himmel und Hölle wider uns beweget / aber vergebens; weil GOtt und ihr bey mir gestanden / welcher als ein Feind der furchtsamen und boßhafften niemahls unser Unschuld entfallen wird. Stehet als Männer und Brüder bey einander / wie ich euch nach euer Verwandschafft zusammen gestellet habe. Kein Volck /wie klein es ist / kan von den mächtigsten Feinden ausgetilgt werden / wenn es sich durch eigene Uneinigkeit nicht verzehret. Wie solten die Römer es denn an euch / die ihr unerschöpfliche Völcker seyd /enden? Solte GOtt aber / welches unglaublich / gerechten Waffen widerstreben / so wird mir / euch und tapfferen Leuten doch unverwehrlich seyn frey und unerschrocken zu sterben. Wie ich nun meine Herrschafft lebend [1190] zu verlieren nicht gedencke; also beschwere ich euch bey der Ehre eurer ruhmbaren Vorfahren / bey der Wolfarth euerer Nachkommen: daß ihr einen eurem Adel anständigen Muth fasset / eure durch so viel Schweiß und Blut sauer erworbene Ehre nicht in Stich sätzt; sondern den heutigen Tag durch einen herrlichen Sieg oder wenigstens durch einen Löwenkampf denckwürdig macht. Dieses wird euch nicht schwer fallen / wenn ihr eurer Vor-Eltern Lehre nicht vergessen habt: daß es süsser sey sterben / als dienen. Keine Dienstbarkeit aber ist bitterer / als die der Römer / keines Volcks Freyheit vollkommener und eyfriger als der Deutschen / und also jene diesen desto unerträglicher. Die so grausamen als hoffärtigen Römer bilden ihnen ein Recht ein freyen Völckern Gesätze fürzuschreiben. Denen Carthaginensern verboten sie über den Fluß Iberus / dem Antiochus über den Berg Taurus / den Deutschen über den Rhein und die Donau zu kommen; aber sie wollen die Schlüssel zu allen Strömen und Gebürgen haben / und wollen von keiner Gräntze / als dem Ende der Welt / auch von keinem Gesätze / als ihrer eigenen Willkühr /wissen. Was werden sie denn uns zumuthen oder aufbürden / wenn sie uns überwinden solten? Bildet euch an ihnen keinen solchen Feind ein / welcher aus seinen Uberwundenen Gefärthen / aus seinem Feinde Bürger mache. Sie alleine wollen Herren / alle andere müssen Knechte / aller Gut ihr Eigenthum seyn. Daher werden sie auch uns und keinem Volcke eine Spanne Landes übrig lassen / den sie nicht mit ihrer Lantze abmässen und vertheidigen können. Lasset euch nicht bländen: daß so viel Deutschen so gedultig an ihrem Joche / ja gar wider uns den Degen ausziehen. Der Steller streuet nur so lange denen gefangenen Vögeln schmackhaffte Körner / biß er die andern im Garne hat / und sie nicht mehr zu Lockvögeln braucht. Sie selbst fühlen zwar schon die Schwerde ihrer Hand-Schellen und der Fessel an Füssen; aber es lässet sich seine Knechtschafft nicht so leichte wegwerffen / als anlegen. Wenn ihr nun nicht wie die Gallier Sclaven werden / und zu Uberwindung der übrigen Nord-Völcker den letzten Tropffen Blut aufzuopffern gezwungen werden wolt / so gewehret dieses köstliche Oel eures Lebens lieber für eure Freyheit / für des Vaterlandes Heil und zu eurem Ruhme an. Die Natur hat euch hierzu ausgerüstet; und die Vernunfft unterrichtet euch diß zu thun. Denn jene hat denen der brennenden Sonne nahe gelegenen Völckern zwar mehr Tieffsiñigkeit / uns in der Mitternacht aber mehr Blut / Hertze und Beständigkeit mitgetheilet: daß wir ohne Schwerigkeit das Leben verachten und den Tod trotzen können. Diß ist heute zu thun / und nicht mehr Zeit hierüber zu rathschlagen /sondern aus der Noth eine Tugend zu machen. Heute müsset ihr siegen oder sterben / nunmehr habt ihr nicht nur für den Ruhm der Deutschen / sondern für euer Heil zu streiten. Ihr habt keinen Rhein / keine Weser mehr vor euch / sondern die Elbe am Rücken; welche das Ziel des Cheruskischen Gebietes und der Deutschen Freyheit ist. Wir haben den Feind in Eingeweyden; also haben unsere Hertzen Zeit ihr bestes zu thun. Wollet ihr auch gleich euer so liebes Vaterland verlassen / und über Meer fliehen; so werden doch nur die unersättlichen Feinde / diese Rauber der Welt zu Wasser euch nachziehen / welche zu Wasser hieher kommen sind; und nach dem ihnen nunmehr Länder gebrechen wollen / alle Winckel der Meere auszustanckern anfangen. Je ferner ihr nun ziehen würdet / ie begieriger würden sie folgen. Denn ie mehr etwas verborgen ist / ie herrlicher bildet man es ihm ein. Das Armuth der mitternächtischen Eylande wird sie nicht zurücke halten. Denn die Reichen verfolget ihr Geitz / die Armen ihre Ehrsucht. Also sättigt sie weder die Fülle noch der Mangel / sondern sie sind nach einem so lüstern [1191] als nach dem andern. Wenn sie alles rauben und todt schlagen / heißt es bey ihnen geherrscht; und wenn sie alles in Wüsteneyen verwandelt oder gantze Völcker ausgerottet haben /Friede gemacht. Jedoch ist es mit dem Verluste eures Vermögens / welches euch zu ihrer Verpfleg- und Schatzung ausgepresset worden / noch auch eures Lebens nicht ausgerichtet. Ihr werdet dieses euch zur Straffe / und ihnen zu Frohn Diensten behalten / in Ertzt-Gruben / Bergwercken / Sümpffen als Esel arbeiten / und noch darzu Schläge und Schmach-Reden erdulden müssen. Den Augentrost eurer Kinder werden sie ihren Müttern aus der Schoß mit Gewalt reissen / und entweder unter das Kriegs-Volck unterstecken / oder zu ihrer viehischen Geilheit mißbrauchen. Eure Weiber und Töchter werden sie anfangs mit Gewalt schänden; und wenn ihr werdet ihre Unterthanen worden seyn / sie zu Kebsweibern nach Rom schleppen. Keinem einigen Volcke haben sie es besser mitgespielet / euch aber werden sie es noch ärger machen; weil das deutsche Frauenzimmer schöner und tugendhaffter als anders ist; also es dieses üppige Volck so vielmehr in die Augen stechen / eure Mannbarkeit aber ihnen allezeit verdächtig / und destwegen so vielmehr an Ketten gehalten werden wird. Ja / weil ihr in der allgemeinen Dienstbarkeit der Welt schier die letzten seyd / werdet ihr noch darzu / wie die Neulinge unter den Knechten / der Gallier und anderer dienenden Völcker Hohn und Spott seyn müssen. Derogestalt habt ihr ja aus höchster Noth / die Römer aber nur aus Ehrsucht und Wollust zu kämpffen. Diese machet die Tugend stumpff / die Noth aber ist der beste Wetzstein der Tapfferkeit / und beyde zusammen euer Glücke. Denn durch diese werdet ihr eure Freyheit behaupten / und euch mit nicht wenigerm Ruhme / als Beute bereichern. Wer wolte nun nicht gegen solche Feinde als eine Mauer stehen /wenn er weiß: daß / in der Schlacht fallen / Ehre / in der Flucht umkommen / Schande sey; daß die Furcht als der gerädeste Fußsteig zum Tode trage / die Hertzhafftigkeit aber durch Tod und Leichen zum Leben durchdringe? Lasset euch aber die kaum zu übersehen mögliche Menge der Feinde nicht schrecken. Die Helffte bestehet bey nahe an weichen Galliern und weibischen Völckern aus Asien. Die darbey sich befindenden Römer sind meistentheils neugeworbene /und aus wollüstigen Städten zusammen gebracht und dahero unwehrbare Weichlinge. Ihr aber seyd unter freyem Himmel / auf harter Erde in rauen Wildnüssen erzogen / der Sonne und Kälte / des Schweißes der Arbeit und Streites von Kind auf gewohnet. Ihr wisset euch ohne Dach und Zelten unter Peltzen nicht weniger als Wölffe / Bären / und andere wilde Thiere auszuwintern. Ihr wisset nichts von Bädern / Schatten /niedlichen Speisen und andern Zärtligkeiten der Städte. Also können sie unmöglich gegen euch austauern. Die älteren Römer aber sind eine Uberbleibung vom Varus / welche / um nicht mehr wider die Deutschen zu streiten / sich durch Aufruhr des Krieges zu entbrechen bemühen / oder Flüchtlinge des vorigen Jahres /welche die Narben ihrer von euch empfangenen Wunden noch auf dem Rücken tragen / und theils von euren Streithämmern / theils von Sturmwinden und den Meeres Wellen verstimmelt sind; also ohne einige Hoffnung des Sieges so wol wider das erzürnte Verhängnüs / als ihre schreckliche Feinde zu fechten gezwungen worden sind. Sie haben das Hertze nie gehabt geraden Weges zu Lande gegen die Cherusker aufzuziehen / sondern sie haben aus Furcht / daß wir sie auf der Gräntze bald übel bewillkommen würden /durchs Meer und Umwege sich in unser Land gespielet. Heute aber wird ihnen weder Segel noch Ruder /sondern alleine der Degen dienen / und unsere Weser wird sie zwingen festen Fuß zu halten. Heute wird die Erfahrung [1192] euch lehren: daß sie nicht so rüstig zum Kampffe / als zu Lastern sind. Unsere Zwytracht hat sie uns zu bekriegen verwegen gemacht; und nicht die Tugend / sondern die Schwachheiten der zwistigen Völcker haben ihr Kriegs-Heer in solch Ansehn versätzt. Hätten die Deutschen nicht ihnen ihr Blut zu Bezwingung der Gallier vor geliehen / würden sie noch nicht mit diesem furchtsamen Volcke fertig seyn. Glaubet aber nicht: daß die Römischen Hülffs-Völcker mit gutem Hertzen ihren Fahnen folgen / oder vielmehr ihnen mit ihrem Blute die Bahn brechen müssen. Zweiffelt nicht: daß viel / welche für die Römer heute den Degen zücken müssen / sie gerne überwunden sähen; und daher werden sie sich auf eure Seite schlagen / so bald sich der Sieg gegen euch neigen wird. Itzt hält sie nur noch Furcht und Ungewißheit des Ausschlages zurücke / welches morsche Banden der Freundschafft sind; nach derer Zerreissung sie die Römer so viel gifftiger hassen / ie begieriger sie selbte zu fürchten aufhören werden. Also werdet ihr mitten unter den Feinden euch beyspringende Hände antreffen. Denn bey euerer freymüthigen Tapferkeit werden die Gallier / die Celtiberier / fürnemlich aber die Chauzen / Friesen und Sicambrer sich ihrer verlohrnen Freyheit erinnern. Daher schonet so viel möglich dieser Hülffsvölcker / und machet euch an die Römer als die allgemeinen Feinde der Welt. Lasset euch ihre schimmernde Waffen nicht schrecken! Sintemahl Gold und Silber weder mehr decket noch verwundet / als Stahl. Mit einem Worte: bezeuget euch heute als Deutsche / und bedencket: daß / wenn ihr heute nicht Männer seyd / ihr und eure Nachkommen ewig werden Knechte seyn müssen. So bald der Feldherr diese Rede beschlossen hatte / stieß das Kriegs-Volck ihre Spisse zusammen / welches bey den Deutschen die kräfftigste Art der Beypflichtung ist. Die Priester aber giengen mit in Händen getragenem Feuer / als einem Zeichen des Streites /durch alle Glieder durch / und ermahneten das Kriegs-Volck zur hertzhafften Gegenwehre / welches nicht so wol aus Furcht / als aus einem fast alle / auch die tapfersten Helden angehender Schlacht befallenden Schrecken zitterte; der oberste Priester aber kam aus dem Heyne des Hercules auf einem von vier weissen Pferden gezogenem Wagen in einem schneeweißen Pferde zum Feldherrn gefahren / welcher ihn mit Nahmen ruffte und versicherte: daß GOtt und die Schutz-Geister selbiger Gegend seine Beystände wären. Auf welche Art Pericles auch einst sein Heer aufgemuntert / und dadurch den Sieg erlangt haben soll. Ja die Cheruskischen Weiber kamen mit zerstreuten Haaren zwischen die Flügel gelauffen / stellten ihnen ihre Kinder und schwangere Leiber unter Augen und beschwuren sie: daß sie durch ihre Zagheit sie nicht in unerträgliche Dienstbarkeit stürtzen solten. Dieses schwachen Geschlechtes wehmüthige Beredsamkeit hatte in ihren Hertzen den kräfftigsten Nachdruck. Dahero diese einige Würckung zweiffelhafft macht: ob die Deutschen das Weibes-Volck klüger in ihre Lager und Heere mit sich nehmen / oder die Römer sie daraus verbannen; ja denen Kriegesleuten wie denen Ringern gewisser massen zu heyrathen verbieten. Denn ob zwar dieses gebrechliche Geschlechte ins gemein durch Wollust die tapffersten Helden entkräfftet / dem friedlichen Zustande durch Verschwendung / dem kriegerischen durch Schrecken Abbruch thut; so ist doch das deutsche Frauenzimmer gleichsam einer gantz anderen Art als anderes; weil es zur Geilheit keinen solchen Zug als zum Kriege hat. Dahero sie denn mit ihnen im Lager und Felde gantz willig alles Ungemach ausstehen / sie bewaschen / ihnen Speise kochen / schantzen und graben helffen / die Waffen ausputzen / aus ihren Wunden das Blut und Eyter aussaugen / sie verbinden / und nicht nur Zuschauer und Zeugen / sondern auch[1193] Aufmunterer ihrer Tapfferkeit abgeben wollen. Ja es mangelt ihnen nicht das Hertze die Waffen an statt der Spindel zu ergreiffen / oder ihren verwundeten Ehmäñern die Waffen aus den Händen zu reissen / an ihre Lücke zu treten / und ohne Furcht zerfleischet zu werden / ihrem Feinde die Stirne zu bieten / oder bey verzweifeltem Zustande ihre eigene Kinder ins Gesichte zu schmeissen. Daher sich auch öfters ereignet hat: daß die schon wanckenden und brechenden Schlacht-Ordnungen durch das Winseln und Wehklagen der Weiber / derer besorgliche Dienstbarkeit ihren Männern mehr als ihre eigene zu Hertzen steigt /oder auch durch ihren gleichsam rasenden Anfall im Stande erhalten oder ergäntzet haben. Die Barden fiengen auch an die Helden-Thaten ihres Tuiscons /Alemanns und anderer Deutschen zu singen / derer Bilder sie zu Beyspielen denen Kämpffenden fürtrugen / und ihnen gleichmäßige Lob-Lieder versprachen. Als nun auch der Streit angehen solte / schrien sie / was sie nur aus dem Halse bringen konten / weil das Kriegs-Volck aus der Barden starckem Geschrey ihm Sieg / aus schwachem und heiserem aber Unglück wahrzusagen pfleget. Welches zuweilen zweiffelsfrey destwegen eintrifft / weil die behertzten mehr Kräfften haben ihre Stimme zu erheben / die Furcht aber einem die Zunge hemmt; wiewol sonst ins gemein dräuende Großsprecher wenig Werckes machen; hingegen die in der Schlacht die hurtigsten sind / welche für selbter am ruhigsten gewesen / und ein furchtsamer Hund hefftiger billt als beißt. Der Barden Singen kriegte auch einen gewaltigen Widerschall / weil das gantze deutsche Heer in ihre Schilde aus gantzen Kräfften schrie / die Waffen zusammen stieß / und dadurch ein Gethöne verursachte / worvon die Erde bebte; sintemahl die meisten Völcker der Welt / insonderheit die Perser / Indier / Britannier / Gallier /Hispanier / Parther und Deutschen so wol von solchem Geschrey / als von dem Blasen der Trompeten und Krummhörner / wordurch zum Angrieffe das Zeichen gegeben wird / beredet sind: daß dardurch die Feinde kleinmüthig / sie selbst aber hertzhaffter gemacht würden. Diesemnach öffters kluge Feldherren ihre Kriegs-Leute befehlichen die Ohren zuzustopffen; gleich als weñ das feindliche Geschrey wie der Schlangen Beschwerer was zaubrisches an sich hätte. Der Graf von Nassau und andere Kriegs-Häupter versicherten den Feldherrn im Nahmen des gantzen Heeres: daß sie ihre Pflicht redlich beobachten wolten /baten ihn aber mit Thränen: er möchte als ihr Haupt /an welchem aller ihr Heil gelegen wäre / seiner wol wahrnehmen / und sich nicht ohne euserste Noth in Gefahr / durch sich aber gantz Deutschland in Unglück stürtzen. Ein gemeiner Kriegsmann könte niemahls zu kühn seyn; ein Feldherr aber nie zu sicher gehen. Pelopidas und Marcellus hätten durch eines Tages Verwegenheit auf einmahl allen Ruhm viel jähriger Helden-Thaten verspielet. Er verstünde selbst allzu wol: daß es besser wäre / wenn ein gantz Heer umkäme und der Fürst übrig bliebe / als wenn aus einem gantzen Heere niemand als das Haupt erlegt würde. Der Feldherr nam diß wol auf / und erinnerte sie als Glieder ihr Ampt zu thun / er würde nicht weniger auch seines wahrnehmen. Als er nun sahe: daß Germanicus auf einer Stange den Purper-Rock zum Zeichen des Angrieffs ausstecken ließ / befahl auch er zu dem Ende einen Wolffs-Kopff empor zu stecken /die Drommeln und Paucken / wie auch mit Steinen an messene Töpffe zu schlagen / und in die Ochsen-Hörner zu blasen. Es kam aber der junge Fürst Gottwald /fiel für dem Feldherrn auf die Knie nieder / und bat ihn um die Gnade: daß er diesen Tag der letzte unter seiner Leibwache seyn / und seine erste Waffen für das Heil eines so grossen Helden einweihen möchte. Der Feldherr nam dieses wol auf; befahl ihm aufzustehen / gab ihm einen eisernen Ring / und sagte [1194] ihm: Er solte sich so tapffer halten / als seine hohe Ankunfft erforderte / so würde er diesen noch für untergehender Sonne mit einem güldenen rühmlich verwechseln können.

Hiermit kamen beyde Heere an einander. Bojocal traf mit der Angrivarischen und Batavischen Reiterey auf den Ritter Wintzenburg und die ihm aus sonderbarem Verhängnüsse entgegen gestellten Angrivarier desto verbitterter / weil es seine Unterthanen waren; und diese fochten so viel hartnäckichter / weil die zerreissenden Banden der Liebe hernach desto festere Ketten unversöhnlichen Hasses abgeben. Zu eben der Zeit und mit gleicher Hefftigkeit traf Wachtendonck mit der Chamavischen Reiterey auf die Rhätier und Lepontier / welche ihnen einbildeten: daß ihre Brüste so unbeweglich als ihre Stein-Felsen wären. Zwischen diesen band der Graf von Ravensberg und das Angrivarische Fuß-Volck mit den Batavischen / Ubischen und Menapischen und ihren Führer Verzingetorich; der Graf von Homburg aber mit den Chamavern auf die Trierer / Narboner und Lugduner. Im rechten Römischen Flügel grief Fürst Cruptorich mit seiner Friesischen Reuterey die vom Ritter Beringer geführten Hermundurer / und Bruno / ein Chauzischer Ritter /den Graf Barby mit seiner Langobardischen Reiterey an. Zwischen diesen machte sich der Graf von Ascanien mit dem Langobardischen Fuß-Volcke an das Frisische / Tencterische / Arvernische und Seqvanische / der Graf von Schwartzburg aber mit dem Hermundurischen an die Sicambern / Tribochen /Nemeter / Vangionen und Heduer. In diesem Flügel stand alles wie Mauren gegen einander / und wolte ein Theil seinem Feinde nicht einen Fußbreit Erde enträumen. Denn ob zwar die Heduer und Seqvaner etliche mahl getrennt wurden / ergäntzte doch der Graf von Fleckenstein und Julius Florus alsbald die Lücken /daß das Treffen in gleichem Gewichte stehen blieb. In der Mitte sahen die Feinde eine lange Zeit einander an / weil die Cherusker ziemlich hoch standen / die Thracier und Hispanier aber den Feind an diesem vorthelhafften Orte nicht beissen / und weder einer noch der ander sich verschüssen wolte / gleich als wenn der einen grossen Vortheil über seinen Feind erlangte /der seine Pfeile noch im Köcher behielte / seines Feindes erste Hitze aber verrauchen / oder sich wie starcken Eßig überbeissen liesse. Weil nun die Cherusker sich auch nicht aus dem Vortheil begeben wolten / ließ Germanicus aus den grossen Schleudern Steine auf sie werffen / und die eingespickten Balearier machten sich auch zu dem Ende an den Hörnern der Schlacht-Ordnung herfür / und schleuderten eine grosse Menge ihrer in einem angehenckten Sacke bey sich getragener und zum theil mehr als ein Pfund wiegender Feldsteine auf sie. Der Graf von Nassau aber befahl: es solten alle Deutschen die Häupter mit den Schilden decken / und als die Steine darauf fielen /fieng er hertzhafft an: Freuet euch ihr Brüder / es regnet Steine / welches den Römern niemals nichts guts bedeutet hat. Endlich machte sich der Rheingraf an die Chauzische / der Graf von Eberstein an die Thracische Reiterey. Dieser befahl seinen Cheruskern: sie solten den Thraciern nur harte auf den Hals gehen und beständig in Eisen liegen / weil alle Kräfften der Thracier in Wurff-Pfeilen bestünde / darzu sie Raum dörfften / und im Gedrangen wider der Deutschen Streit-Hämmer nicht bestehen könten. Inzwischen kam das Fuß-Volck auch zum Handgemänge. Der Celtiberier Schlacht-Ordnung war zuförderst spitzig und hinten breit / und meinten darmit die Cheruskischen Hauffen zu durchbohren / wie sie wol ehmahls denen Römischen Legionen gethan hatten. Aber ihre Einbildung schlug ihnen gewaltig fehl / weil die Cherusker mit ihren langen Spißen auf beyden Seiten sie so gewaltig anfielen: daß sie ihre Spitze einziehen /und sich in die Breite stellen [1195] musten. So konten auch die Hispanier mit ihren kurtzen Degen wider der Cherusker langes Gewehre wenig ausrichten; noch / wie scharff ihre Ballen an der Spitze gleich waren / die Spisse zerhauen / weil sie sie mit eisernen Federn hatten versehen lassen / ungeachtet sie sich rühmten: daß sie darmit alle Helme und Harnische zerspalten könten. Als sich das Gefechte hier nach und nach zwischen dem Cheruskischen Fuß-Volcke / denen Celtiberiern und andern Hispaniern vermischte / verkehrte sich das Spiel im lincken Römischen Flügel überaus. Denn Bojocal ward oder stellte sich zum wenigsten verwundet; gab also mit seiner Reiterey die Flucht auf die Seite an dem Weser-Strome hinab. Diesem folgten das von der Reiterey entblöste und vom Ravensberg in Unordnung gebrachte Fußvolck der Gallier / und nichts minder die Rhetische Reiterey. Malovend befahl: daß nicht nur Wintzenburg und Wachtendonck mit ihrer Reiterey / sondern auch Ravensberg und Homburg den Feind verfolgen solten / damit solcher nicht über die untersten Weser-Brücken entkommen könte. Ungeachtet nun diese letztern etwas stutzten und ihnen dieser Befehl bedencklich fürkam / aus Beysorge: daß der Feind sie durch eine so schlaue Flucht / als Cyrus der Tamyris unvorsichtigen Sohn /zu verführen vor hätte / musten sie doch des Malovends als ihres Hauptes Befehl vollziehen; weil das Kriegs-Recht denen Unteren keine vernünfftige Wider-Rede / weniger eine Befugnüs ihrer Obersten Befehle zu untersuchen erlaubt / sondern einen blinden Gehorsam / und alles übrige GOtt und ihrem Feldherrn heimzustellen auflegt; gleich als weñ das Heer nur der Leib / der Feldherr aber die Seele im Kriege wäre. Als derogestalt beyde Vordertheile des Römischen lincken und deutschen rechten Flügels Raum gemacht hatte / rückte Emilius mit der Römischen Reiterey / Vitellius mit der vierzehnden und Tubero mit der sechzehnden Legion / welche hinter der vördersten Schlacht-Ordnung der Römischen Hülffs-Völcker wol hundert und fünf und zwantzig Schritte entfernet war / gegen den Fürsten Malovend / zu welchem Hertzog Flavius mit dreyhundert Pferden / jedoch ohne gezückte Waffen voran gerennet kam / ihn freundlich grüßte / und auf ehrliche deutsche Treu und Glauben mit ihm zu reden verlangte. Nachdem Malovend nun mit dem Flavius wenig Worte gewechselt hatte / wendete sich Malovend zu seinen Marsen / und sagte: Ihr ehrlichen Marsen! wir sind mit den Römern verglichen / sie sind unsere und wir ihre Freunde. Euch soll alles abgenommene erstattet oder vergolten / und weder meine Herrschafft noch euere und ander deutschen Freyheit gekräncket / sondern dem Hertzoge Flavius alleine sein Erbtheil erstritten und eingeräumt werden. Weil Malovend seinem Volcke eitel an seiner Verrätherey theilhabende und von Römern bestochene Obersten fürgesätzt hatte / schlugen sie zum Zeichen ihrer Freude und Einwilligung mit ihren Spißen wider die Schilde / neigeten ihre Schilde gegen dem Flavius / und ermahneten die Marsen: daß sie ihre Heerspitzen gegen die ihnen nun auf den Hals kommenden zwey Römischen Legionen stellen solten. Die Marsen wurden hierüber bestürtzt / sahen einander an / und wusten nicht / wessen sie sich entschlüssen solten. Denn ob zwar ihrer etliche murrten und sich beklagten; daß sie von ihren eigenen Häuptern verrathen und in Römische Dienstbarkeit verkaufft wären / so ist doch ein Heer ohne Führer ein Leib ohne Kopff / welcher weder Vernunfft noch Stärcke sich zu bewegen hat. Bey dieser verwirrten Unbeweglichkeit ritt Hildebold / ein Oberster der Marsen / mit entblöstem Degen zwischen ihre Glieder zu der Marsischen Haupt-Fahne / welches ein rother Löw im weissen Felde war / und dreute den sie haltendẽ Hademersleben zu durchstossen / da er solche nicht gegen die zwey Römischen Adler neigen würde. Unterdessen theilte [1196] Tubero die funfzehnde Legion / und rückte mit zweyen Theilen auf den Seiten / und mit dem dritten mitten zwischen das Marsische Fuß-Volck; also daß diß nicht nur von einander getrennt / sondern auch von der Marsischen Reiterey abgeschnitten / und diß eben so wol von der Römischen / Mäsischen und Armenischen Reiterey umgeben ward. Derogestalt waren den redlichsten und keckesten Zungen und Armen gebunden / die andern henckten den Mantel nach dem Winde / wendeten sich zurück / und kehrten die Spitzen gegen dem Hertzoge Marcomir und seinem Hinterhalte / welcher an diesem püschichten Orte der so seltzamen Veränderung fast nicht ehe gewahr ward / als biß er die Römischen Adler gerade auf ihn andringen und mit selbten die Marsen vermenget sah. Hallermund / ein Marsischer Ritter / hatte sich gleichwol nebst etlichen Edelleuten von der Marsischen Reiterey loß gewürckt / und der Ritter Steinfurt schlug sich mit denen Chassuarischen Reitern noch durch / stiessen zum Hertzoge Marcomir und legten ihm das Retzel der Malovendischen Verrätherey aus. Marcomir konte dieses schwartze Laster kaum dem Malovend zutrauen / wenn er nicht ihn und den Flavius neben einander hätte die Marsische und Mäsische Reiterey auf seine Cattische unter dem Grafen von Hanau anführen gesehen. Marcomir fertigte den Ritter Sinzich alsbald zum Feldherrn ab / um ihm seine euserste Noth zu entdecken; dem Ritter Kwad und Lochau aber befahl er: sie solten doch durch einen Umweg dem den flüchtigen Feind verfolgenden Ravensberg / Homburg / Wachtendonck und Winzenburg nachgehen / und sie ihm zu Hülffe beruffen. Diese richteten es durch die Püsche glücklich aus /traffen diese aber in einem hitzigen Gefechte an. Sintemahl Bojocals und der andern Römischen Hülffs-Völcker Flucht nur ein mit dem Malovend abgeredeter Betrug gewest war / das vorderste Theil des deutschen rechten Flügels abzuziehen um dem Malovend zu Ausübung seiner Verrätherey Lufft zu machen. Denn eine viertel Meile von dem ersten Stande fanden die Deutschen fünffhundert Römische / tausend Dacische und Illyrische Reiter / tausend Römer und zweytausend Gallier zu Fusse in voller Bereitschafft stehen / neben welchen sich Bojocal / Chur / Sarnsgans und Werdenberg mit ihrer flüchtigen Reiterey widersätzten / Verzingetorich und Aviola lasen auch ihr zerstreutes Fuß-Volck wieder zusammen / und boten mit gesamter Hand den Deutschen die Stirne. Ob diese nun zwar gegen ihre Feinde ziemlichen Vortheil erlangt hatten / Werdenberg vom Ritter Woldenberg durchstochen / Verzingetorich vom Ravensberg auf den Tod verwundet war / Homburg auch die zweytausend frischen Gallier schon zertrennt hatte / sätzte sie doch die schlimme Zeitung vom Malovend in die gröste Verwirrung. Weil nun Marcomir die Last des gantzen lincken Römischen Flügels auf dem Halse hatte / sie auch besorgen muste: daß Centronius mit der ersten Legion / und Messala mit der leichten Reiterey sie gar vom deutschen Heere abschneiden dörffte / musten sie entschlüssen sich zurücke zu ziehen. Alleine die Verfolgten / welchen Vitellius zuentbieten ließ: daß der gantze rechte Flügel der Deutschen schon über einen Hauffen geworffen wäre; kriegten nicht nur Lufft sich wieder an einander zu ziehen /sondern auch Hertze ihre vorigen Verfolger zu verfolgen. So schlecht es nun auf dieser Seite für die Deutschen stand / so gutes Ansehn zum Siege hatte es für sie in der Mitte und im lincken Flügel. Denn die Langobarden und Hermundurer hatten den Julius Florus verwundet; daß er auf zwey Picken muste aus dem Gefechte getragen werden; und Schwartzenburg den Fleckenstein gar getödtet; also daß die Gallier / Friesen und Sicambern biß an die andere Legion getrieben wurden / und Silius mit selbter den Deutschen die Stirne bieten / Stertinius auch mit seiner Reiterey dem [1197] vom Ritter Veringer bedrängten und verwundeten Cruptorich zu Hülffe kommen muste. In der Mitte hatte der Graf von Arenberg und der Ritter Ahlefeld die Thracische Reuterey biß an des Germanicus Leibwache in die Flucht gejagt; daher die Armenische Reuterey hervor rücken und die Thracier entsätzen / ja Germanicus selbst hundert Ritter selbigen Einbruch zu stopffen / und denen vom Reckheim getrennten Hispaniern die Schützen von der zwantzigsten Legion /wie auch die Nervier und Theßalier zu Hülffe senden muste. Bey diesem gefährlichen Anblicke brachte Appius Junius Silanus dem Germanicus die fröliche /Sinzich aber dem Feldherrn die traurige Zeitung: wie das Spiel sich in Malovends Flügel verkehrt hätte. Dieser verordnete alsofort: daß sein gantzer Hinterhalt dem Hertzoge Marcomir alsobald / und eh er etwan geschlagen würde / zu Hülffe eilen / hingegen der Graf von Wertheim mit seiner Cattischen Reuterey / Isenburg und Solms mit ihrem Fußvolcke an dessen Stelle rücken solte. Germanicus hingegen ließ durch sein gantzes Heer kund thun: der gantze rechte Flügel der Deutschen wäre erlegt oder in der Flucht; also solten sie ihnen die Schande nicht anthun: daß Flavius und Vitellius ihnen müsten zu Hülffe kommen. Hierbey ereignete sich entweder ungefähr: daß acht Adler von der Weser her über das Römische Herr gegen das Deutsche / und die darhinter gelegenen Wälder geflogen kamen; oder daß sie im Lager von den Wahrsagern mit Fleiß waren aus ihren Behältnüssen gelassen worden. Germanicus war ein Meister so wol sich des Aberglaubens zu seinem Vortheil zu bedienen / als zufällige Dinge zu Werckzeugen seiner Klugheit zu gebrauchen. Daher ruffte er mit heller Sti e seinem Volcke zu: Sie solten empor / und das gewisseste Kennzeichen des ihnen von den Göttern bestimmeten Sieges schauen. Diese acht Adler / welche die eigentlichen Schutz-Götter seiner acht Legionen wären / wiesen ihnen selbst den Weg zum Siege. Die vorhin schon vom Aberglauben eingenommenen Römer wurden darinnen so gestärckt / daß sie rufften: Er möchte sie doch wider die Feinde fechten und ihnen nicht die Hülffs-Völcker den Sieg wegnehmen lassen. Die Hülffs-Völcker hingegen baten: man möchte ihnen doch die Ehre nicht mißgönnen ihre Treue gegen das Römische Volck durch Tapferkeit zu bewehren. Germanicus ließ also durch die geöffneten Glieder der andern Legion die Pannonische Reuterey hervor rücken / umb nebst den Friesen den schon ziemlich müden Hermundurern zu Pferde zu begegnen / Stertinius aber muste mit der Römischen Reuterey auf der rechten Hand einen Umschweiff machen / und den lincken Flügel der Deutschen seitwerts angreiffen / und Silius mit der gantzen andern Legion ihm folgen; Cethegus aber mit der fünfften in die Stelle rücken. Segesthes lösete mit denen frischen Helvetiern und Aqvitaniern die Völcker / welche wider den Grafen von Ascanien uñ Schwartzburg lange gefochten hatten / gleichfalls ab / und zwangen die abgematteten Longobarden und Hermundurer vom Ingviomer Verstärckung zu begehren. Gleicher gestalt kamen die Bellovaken den Celtiberiern und Hispaniern wider die Cherusker zu Hülffe. Wie scharf es nun hier hergieng / so hatte doch Marcomir den härtesten Stand. Sintemal nicht nur Vitellius mit seiner gantzen vierzehenden Legion / sondern auch die darzwischen zertheilten dreytausend Marsen seine fünfftausend Cherusker /Cimbern und Bructerer in Gestalt eines halben Mohnden umgaben. Flavius aber traff mit dreyhundert Edelleuten / und tausend Mäsiern / und Lepidus mit fünffhundert Römischen Reutern auf den Graf Hanau und seine tausend Cattische Reiter. Malovend aber mit tausend Marsen / uñ Coccejus mit fünffhundert Römischen Reutern auf des Ranzaus Cimbrische Reuterey. Wiewol nun des Feldherrn Hinterhalt / nemlich der Graf [1198] von der Marck und Ravenstein mit zweytausend Cheruskischen Reutern / der Graf von Wied mit tausend Catten / Delmenhorst und Sulm mit dreytausend Cheruskern / und Uhlefeld mit tausend Cimbern /Marcomirn bey zeite entsätzten; so begegnete doch Tubero mit der gantzen sechzehnden Legion und dreytausend Marsen dem Fußvolcke / und Emilius mit zweytausend Römischen schweren Reutern und fünffhundert Mäsiern der Reuterey. Beyde Theile fochten wie Löwen gegen einander; ein Theil aus Verzweifelung / das ander aus Aberglauben und Begierde des Sieges; und ob wol die Deutschen weit übermannet waren / wiesen sie doch durch ihre Standhaftigkeit: daß sie so wol als die Römischen eiserne uñ unzerbrechliche Legionen / Mauern geneñt zu werden verdienten; und das Gesätze / welches Demaratus den Spartanern gegeben: daß nemlich niemand fliehen /sondern stehende siegen oder sterben müste / ihnen von Natur angebohren wäre. Denen Römischen Legionen / derer Kriegsleute ieder seinen Nahmen /unter welchem Fahne und in welcher Stelle er stehen solte / auf seinem Schilde geschrieben hatte / kam sonderlich ihre vortrefliche Ordnung / und ihrer täglich geübten Kriegsleute Geschickligkeit zu statten. Denn ihre Hauffen waren nicht nur durch die Kriegeszeichen / sondern ieder Legion Volck auch durch die Farben der Kleider / und hohe Federpüsche / welche ihnen zugleich ein besser Ansehen machten / unterschieden. Das erste Fahn ieder Legion / welches eilfhundert und fünffe zu Fuße / und hundert und zwey und dreyßig Reuter hatte / also fast zweymal so starck als eines der andern war / führte den Haupt-Adler mit dem im Klauen habenden Blitze / das ander einen Wolff / das dritte den Minotaurus / das vierdte ein Pferd / das fünffte ein wild Schwein / das sechste einen Elephant / das siebende eine Welt-Kugel /welch Zeichen August wegen besiegter Welt zum ersten gebraucht / das achte einen Löwen / das neundte eine Schlange / das zehnde einen Bär. Uber diß hatten die alten Kriegsleute die Bilder des Kaysers Julius /des August / des Tiberius / des Drusus / des Germanicus / des Claudius Nero / des Agrippa / der Livia / der Antonia und des Sejanus / die ihnen vorgehenden Kriegsleute aber zehnerley geschnitzte Drachen / welche aus dem offenen Rachen die Zähne vorwiesen /beym Winde zischten und den Schwantz bewegten. Diese sollen dem Apollo zu Ehren wegen des erlegten Pythischen Drachen nicht nur von Römern / sondern auch von Aßyriern / Persen / Scythen und Indiern zu Kriegszeichen gebraucht werden. Die Spißträger aber führten in weissen Fahnen die Nahmen der Römischen Feldherren mit Purper / die leichten Schützen sie in purpernen Fahnen mit Golde geschrieben. Die Reuterey war mit kleinen Purper-Fähnlein versehen /diese aber mit darein gemahltem Blitze / Feuer-Strahlen und Bildern unterschieden. Die erste Legion hatte rothe Kleider und Federn / die andere gelbe / die fünfte Hi elblau / die dreyzehnde weiße / die vierzehnde grüne / die sechzehnde graue / die zwantzigste braune / die ein und zwantzigste blau und gelbe. Im Treffen kamen anfangs aus den Gassen die im lincken Arme gepantzerten Schützen / Schleuderer / und leichten Fußknechte herfür / und schütteten auf die Deutschen unzählbare Steine / bleyerne Kugeln / Pfeile und Wurffspisse aus. Denn ob zwar die Römer selbst keine Schleuder / als ein in ihren Augen knechtisches Gewehre brauchten / so steckten sie doch Acheer und Balearier auch unter das leichte Volck der Legionen. Weñ diese sich wie ein Blitz wendeten und wieder in die Gassen / welche die zehn Fahnen einer Legion unterscheidetẽ / versteckt hatten / traffen von dem schweren und von Fuß auf geharnischten Fußvolcke anfangs die Spißträger; und weñ diese müde waren /wiechen sie rück werts / uñ kamen zwischen ihnẽ die fürnehmern Kriegsleute ohne einige Verwirrung herfür. Sintemal aller ihr Stand gleichsam auf einẽ Finger breit abgemessen war. Jeder Fußknecht hatte um sich drey Fuß breit freyen Platz / also daß keiner beym Gebrauch seiner Waffen anstieß / [1199] und die letztern Glieder durch die vorstehenden Glieder unverhindert durchgehen / ja so gar im Falle der Noth die Reuter durchs Fuß-Volck durchbrechen konten. Dieser andern Glied war von den Spißträgern funffzig / die dritten ältern Fuß-Knechte aber / welche / weil die zwey erstern stritten / auf der Erde knieten / und sich auf ihre Schilde lehneten: daß sie für dem Geschoß desto sicherer blieben und ausruheten / wol hundert Füsse weit von den zweyten entfernet. Die mitlern waren mit einem Schwerdte und Dolche / fünff bleyernen Kugeln / einem grossen und kleinen eine dreyeckichte eiserne Spitze habenden Wurff-Pfeile gerüstet /derer einer sechstehalb / der andere drey Füsse lang war. Wenn diese sich verschossen / und mit den Degen müde gefochten hatten / löseten sie die wieder hervor kommenden Spißträger ab. Die drittern Eltesten aber / derer ohne biß nur halb so viel als der Spißträger waren / und welche gleichwohl den güldenen Adler bey / und den Feldherrn für sich hatten /blieben unbewegt / biß der Oberste sie zur höchsten Noth aufforderte. Diese waren gleichfalls mit eisernen Stiefeln auf den Schienbeinen / Pantzern in Armen und Beinen / Harnischen am Leibe versehen / und ihre Helme mit Bären-Häuten / der andern aber mit anderm Peltzwerck überzogen. Diese Menge / ihre Rüst-und Ordnung gab den Römern einen grossen Vortheil für den Deutschen / welche weder so viel Fahnen /sondern nur iedes Volck ein gewisses Thier / nemlich die Cherusker ein Pferd / die Catten einen gelben / die Marsen einen rothen Löwen / die Bructerer einen Adler / die Langobarden einen Bär / die Hermundurer einen Luchs / die Cimbern ein Elend / die Angrivarier einen Hirsch / die Chamaver einen Wolff / die Chauzen einen Wallfisch / die Sicambrer einen Ochsen /die Friesen einen Hund / auch nicht gleiche Waffen /sondern so gut sich ieder ausrüsten kan / führen. Gleichwol ersätzte dieser Hertze die Härte und Eyver / welche entweder keine Wunde fühlten / oder nicht achteten / allen Abgang. Sintemahl die Deutschen mehr hertzhafft gebohren als gemacht / die Römer aber mehr tapfer gemacht als gebohren werden. Also musten die alten Römischen Kriegsleute ehe / als sie sichs versahen / an die Spitze; ja hätten die alle / welche aus ihren Gliedern gewichen / nach der Schärffe des Krieges-Rechtes den Kopff sollen verlohren haben / würden ihrer viel / die sie gleich von den feindlichen Schwerdtern davon gebracht / sie unter den Beilen der Scharffrichter verlohren haben. Sonderlich hatten die Römischen Hauptleute einen harten Stand / weil ieder nicht nur an der Stirne seines Fahnes stehen muste / und sie für andern an ihren versilberten Helm-Spitzen kenntlich waren; sondern fürnehmlich / weil die deutschen Obersten ihr Volck befehlichten die Befehlhaber anzufallen / bey derer Erlegung sie der gemeinen leicht Meister werden würden. Insonderheit aber machte die deutsche Reuterey den Römern viel zu schaffen; ja der Graff von Hanau /nach dem er den Flavius und Lepidus zertrennt /brach mit seinen Catten zu Pferde durch die vierzehnde Legion / nahm selbter den Wolff / den Minotaurus und das Pferd / und nöthigte den Vitellius: daß das erste / fünfte / siebende und achte Fahn sich harte zusammen ziehen / mit ihren zusammengefügten Schilden wie eine Schnecke in ihr Haus zusammen kriechen / also verblasen / und tiefferes Einbrechen verhüten muste. Mitlerzeit war Stertinius dem Grafen von Oldenburg und der Bructerischen Reuterey bey nahe in Rücken kommen; also daß weil dieser sich wenden muste / Silius seine zweyte Legion wie einen Kegel ordnete / und zwischen Beringern und dem Oldenburg den Hertzog Ingviomer und sein Fußvolck recht im Hertzen angrieff. Germanicus befehlichte auch die von Helvetiern und Aqvitaniern abgelöseten und verblasenden Tribochen / Nemeter / Vangionen /Seqvaner / Sicambrer / Tencterer und [1200] Friesen: daß sie aus denen / welche nicht verwundet waren / dreytausend ausschüssen / dem Silius folgen / und gleichfalls auf der Seite einbrechen solten. Pedo aber muste mit seiner Römischen Reuterey noch einen weitern Umkreiß machen / und des deutschen lincken Flügels Hinterhalt angreiffen. Als er nun derogestalt dem deutschen Heere / in welchem der Feldherr und Ingviomer wie der Blitz bald dar bald dort waren / und allem Ubel vorbeugten / auf allen Seiten genug zu schaffen gemacht / die Schlacht auch schon über fünff Stunden gewähret hatte / meinte Germanicus nun das Eisen zum schmieden genugsam gewärmet und der Nothwendigkeit zu seyn: daß er mit allen biß noch dahin gesparten Kräfften auf einmahl vollends loßbräche. Daher ließ er von des Centronius ersten- und des Antejus zwantzigsten Legion nur das siebende und neundte Fahn / welche ohne diß nebst den andern und vierdten die neusten Kriegs-Knechte hatte stehen müssen; der Kern der übrigen zwölf Fahnen aber musten den Platz einnehmen / wo Malovend am ersten gestanden hatte / und von dar das Hertze des gantzen deutschen Heeres / nehmlich die Cherusker / wo der Feldherr selbst seinen Stand hatte / zur rechten Seite anfallen. Hieran war es noch nicht genung / sondern Germanicus ließ auch den Centius seine ein und zwantzigste Legion wie einen Kegel stellen / und dar mit zwischen Ingviomers Flügel den Cheruskern in die lincke Seite einbrechen. Als diese nun an beyden Orten mit der grösten Verbitterung fochten / musten die Hispanier sich trennen und eine weite Gasse machen. Durch diese drang Germanicus mit seinen viertausend ausgelesenen Römern den Cheruskern auf den Hals. Osterode und Buren waren ohne diß schon von dem grossen Römischen auf einen vortheilhaften Hügel gebrachtem Geschütze todt blieben / welches sechs Ellen lange Pfeile durch alle Pantzer und Harnische etlicher Menschen auf einmahl abschoß; also nicht nur alle Vorsicht und Tapferkeit zu Wasser machte / sondern gleichsam zu Vertilgung des menschlichen Geschlechtes erfunden zu seyn schien. Nun aber fiel auch Reckheim und Eberstein / welcher vom Anfang biß an seinen Tod wie ein erzürnter Eber um sich gehauen / und viel der keckesten Feinde zertreten hatte. Der Feldherr / welcher zu Bezeugung: daß er lieber mit Gefahr dem Feinde kenntlich / und den seinen desto sichtbarer / als in einem gemeinen Kleide sicher seyn wolte / hatte gleichfalls über seinen Harnisch einen von Golde schimmernden Rock flügen / und auf dem Helme einen mit Edelgesteinen versetzten weissen Reyger-Pusch. So bald er nun den Germanicus theils aus seinem Purper-Rocke / theils aus dem für seine ausgelesenen erkieseten Krieges-Zeichen /welches der auf einem güldenen Adler sitzende August in Gestalt des Jupiters war / erkennte / befahl er dem Grafen von Nassau die gemeine Aufsicht. Schauenburg muste wider den Centronius / Löwenburg wider den Antejus / Hohenloh wider den Centius fechten. Der Feldherr aber selbst mit seinen fünfhundert Rittern begegnete dem Germanicus; und Waldeck muste mit der Helffte seiner Cheruskischen Edelleute ihm an der Hand stehen. Das Gefechte war nirgends so grausam als allhier / auch zweiffelsfrey niemahls irgends wo schärffer gewesen; also / daß man in dieser Schlacht eben so wenig / als in der mit Hannibaln beym Thrasymenischen See geschehen / ein Erdbeben würde gefühlet haben / wodurch doch Städte eingefällt / Berge abgestürtzt / Flüsse vom Meere verschlungen wurden. Die Tugend und das Glücke schienen hier gleichsam selbst mit einander zu streiten /welches die meiste Gewalt in Schlachten hätte. Die Anwesenheit beyder fechtenden Feldherren / welche allemal mehr als tausend anderer Kriegsleute Nachdruck hat / gab einem ieden zwey Hertzen und vier Armen. [1201] Die Verbitterung entraumte weder Zeit / noch der auf einander dringenden Feinde Blutdurst Raum: daß die Glieder mit einander abgewechselt hätten; sondern die / welche ihre Pfeile / Wurff-Spitze / und Bley-Klugeln verworffen hatten / musten durch verwechselte Niederbückung den hinteren Gliedern Gelegenheit zum Werffen und Schüssen machen. Jedoch wehrete diß nicht lange / sondern alles grieff zun Schwerdtern / und fochten die ersten Glieder nicht biß zur Müdigkeit; sondern biß auf den Tod; und wenn einer fiel / trat ein ander unerschrocken herfür; gleich als wenn das Sterben im ersten Gliede keine Bitterkeit und doch die höchste Ehre der Welt an sich kleben hätte. Der Macedonier Phalanx / der Perser unsterbliche Kriegsleute würden hier schwerlich haben Stand halten können. Denn die / welche schon ihre Hände und Waffen verlohren hatten / stiessen ihren Feind mit Füssen / und suchten sich mit Zähnen an ihm zu rächen. Die eigenen Leichen dienten den Kämpffenden theils zum Vortheil / weil sie darauf stehen und ihren Feind überhöhen konten; theils auch zum Fall-Brete; und endlich ward derer so viel: daß sie hätten zu einer Brustwehre dienen können / wenn die Raserey einige Trennung vertragen hätte. Auf der Deutschen Seite waren in einer Stunde die Ritter Blanckenburg / Schwerin / Boxtehude / Werdenhagen /Schacke / Erpes / Beichlingen / Beck / Billingen /Greven / Rusler / Wepe / Suppelberg / Roretz / Zarmunde / und viel Edelleute / noch vielmehr aber edle Römer umkommen; aber dieser Zerfleischung sättigte sich so wenig durch Blut / als die Flamme durch Holtz; und hatte es das Ansehen / niemand würde dem Tode entrinnen / sondern alle so lange würgen /biß niemand mehr davon übrig seyn würde. Fürnehmlich vergrösserte sich die Hefftigkeit des Streites an den Orten / wo ein deutscher Ritter geblieben war /derer Leichen die Deutschen auch bey den zweifelhafftesten nicht zurücke liessen / sondern für Schande hielten / wenn sie sie nicht ihren Weibern oder Kindern zurück brächten / solten auch hundert lebende darüber aufgeopffert werden. Wiewohl es auch sonst bey den Deutschen bräuchlich und keine Schande war / zu ihrem Vortheil und nicht aus Kleinmüthigkeit zu weichen; so waren sie doch hier so hartneckicht; daß sie ihre Art verlernten / und lieber sich in Rachen des Todes stürtzen / als einen Fuß breit weichen wolten. Also dachte niemand allhier an die Köstligkeit des Menschen-Blutes; und daß man frembdes so wenig /als sein eigenes verschwenden / oder lieber einen Bürger erhalten als tausend Feinde erschlagen solte. Denn niemand war in seinem Thun hier mehr einem Menschen ähnlich / weniger konte er so zarte Gedancken hegen. Wenig gelinder gieng es bey Hertzog Ingviomer her; welcher den Stertinius / und die zweyte mit der dreyzehenden Legion auf dem Halse / den Grafen von Salm / Lippe / Oldenburg / Teckelnburg und Seyn aber als Löwen zu Gehülffen hatte. Denn der von Ascanien und Schwartzenburg / welche diesen Tag mehr Wunder / als Helden-Thaten ausgeübt / waren so sehr verwundet: daß man nicht wüste: ob sie sich mehr in eigenem als frembdem Blute gewaschen hatten / und beyde sich aus der Schlacht hatten müssen in den Wald des Hercules zum Kriegs Geräthe führen lassen. Ob nun zwar durch diese zwey Säulen Ingviomern viel entfallen war / so standen doch die übrige redlich für die Lücke / und der einige Ingviomer war für hundert Kriegs-Obersten zu rechnen. Denn er ermahnte nicht nur einen ieden für den Ruhm ihrer Ahnen / für Heerd und Hof / für Kinder und Ehgatten / für Deutschlands Freyheit / ja für die [1202] Ehre ihres eigenen Gottes / welche durch Aufdringung frembden Gottesdienstes gekränckt werden würde / zu streiten; sondern er brach mit seinem Degen ihnen allenthalben die Bahn / und rieß mit eigener Hand das fünffte Zeichen der dreyzehenden Legion / nehmlich das wilde Schwein / und der Graf von Teckelnburg das zehnde /nehmlich den Bär seinem zu Bodem gerennten Führer aus den Händen. Der Graf von Salm aber eroberte von der zweyten Legion den Löwen und Elephant /der Graf von Oldenburg aber vom Stertinius drey purperne Fähnlein / darein des Nero / Drusus und Tiberius Bild mit Golde gestickt war. Ein erbärmlicher aber zugleich merckwürdiger Zufall ereignete sich hiermit dem Grafen von Seyn; welchem Rubellius Geminus /der erste Hauptmann von der andern Legion / mit einem Hispanischen Degen den lincken Arm abhieb: daß er ihm mit samt dem Schilde für die Füsse fiel /solchen aber ein ander Römer erwischte. Seyn achtete nicht so sehr seines Armes als seines Schildes; also /daß er mit seinem Schwerdte den Römer nicht zu verfolgen aufhörte / biß er es ihm in Bauch gestossen /und seinen Schild wieder erobert hatte; mit welchem er aber alsofort zu Bodem fiel und mit seinem häuffig verspritzten Blute die Seele ausbließ. Uber welchem Heldens-Vorhaben sich so viel weniger zu verwundern ist; weil es bey den Deutschen eine grössere Schande / als bey einigem andern Volcke ist / seinen Schild im Stiche lassen. Epaminondas wolte ihm zwar noch in der Matineischen Schlacht nicht ehe den Pfeil aus der Wunde ziehen lassen / biß er hörte: daß sein Schild nicht eingebüst wäre; und die Spartaner verwiesen den Archilochus aus ihrem Gebiete / weil er gesagt hatte: es wäre rathsamer den Schild wegwerffen / als erschlagen werden; Aber bey den Deutschen wird einer seines Adels verlustig / er darff in keine ehrliche Zusammenkunfft / zu keinem Gottesdienste kommen / der solchen aus der Schlacht nicht mit zurücke bringt. Es ist zwar auch schimpflich / wenn ihm einer den Degen nehmen läst. Aber diese Scharte kan durch Eroberung eines feindlichen Degens ausgewetzt werden; jene Schande hingegen ist unausleschlich; vielleicht / weil einem der Degen nur zu Verletzung des Feindes / der Schild aber zu Beschirmung aller Bürger anvertraut ist. Dahero die / welche auch gleich ins gemein ohne Schuld ihren Schild verlohren haben / ihrer Unehre mit dem Leben durch den Strick abhelffen. Der Graf von der Lippe rächete auch den Seyn unverzüglich; indem er dem Führer des zweyten Adlers einen Spiß durch die Brust jagte: daß solcher zu grossem Schrecken der Römer über einen Hauffen fiel; als welche diese Krieges-Zeichen nicht nur als geweyhete Sachen mit Blumen schmücken / einbalsamen / sondern als Götter / oder zum wenigsten als ihre Bilder zu Rom im Tempel des Saturn / oder Minervens im Lager in gewisse Heiligthümer verwahren / sie anbeten / und wider alle Gewalt sie als Schutz-Bilder umfassen / und zu selbten als zu Freystädten Zuflucht nehmen. Also lagen drey gantzer Stunden Sieg und Verlust beyderseits auf gleicher Wage / und die Würffel zum gewinnen auf dem Tische; zumahl da der Graf von Henneberg mit seinen Hermunduren zu Pferde den Pedo auch so empfieng: daß er biß an die dreytausend hingefolgte Gallier / Sicamber und Friesen zurück weichen muste; ja an allen Orten hatte die deutsche Reuterey die Oberhand; aber sie muste sich das übermannte Fuß-Volck im Stande zu erhalten an allzu viel Orte vertheilen / und nach ihrer gewohnten Art nach Gelegenheit des Ortes bald zu Pferde / bald zu Fuße fechten / bald sich wieder auf ihre zum Stillestehen gewöhnte Pferde schwingen / ungeachtet sonst die Reuter dem Fuß-Volcke nicht gut / und diese jenem gram sind. Derogestalt erhärtete dieser Tag: daß ob wol der Parthen und Sarmaten Stärcke [1203] alleine in der Reuterey / der Römer und Hispanier allein im Fuß-Volck bestehet / doch die Deutschen in einem so tapfer als im andern / und zu Pferde den Römern weit überlegen seyn; ungeachtet sie keine auf Römische oder Sybaritische Art zugerittene / sondern unansehnliche aber arbeitsame und etwas gewandte Pferde haben. Zumahl da die Deutschen gewohnt und geschickt sind von einem Pferde auffs andere oder dritte zu springen / die Fuß-Knechte den Pferden gleich zu lauffen / und ohne Unordnung Reuter und Fuß-Volck durch einander vermischt zu streiten. Germanicus war bey dieser Beschaffenheit auf den Feind / auf das Glücke und wider sich selbst unwillig: daß ungeachtet durch seine Arglist schier der gantze rechte Flügel der Deutschen auf seine Seite gebracht oder sonst verführet worden war / dennoch die Deutschen wider die eussersten Kräfften der Römer nichts minder glücklich als hartneckicht austauerten. Daher befahl er: daß Cethegus die nur noch übrige fünffte Legion dem Feinde in Rücken / Caßius Longinus aber die vier Fahnen von der ersten und zwantzigsten Legion wider den Fürsten Marcomir führen solte; welchem Hertzog Jubil inmittelst noch tausend Hermundurer unter dem Ritter Reuß hatte zu Hülffe senden müssen. Diesen Rathschlag hatte sonder Zweiffel das der deutschen Tapfferkeit mißgünstige Gelücke dem Germanicus eingegeben. Denn Cethegus kam mit der fünfften Legion / und Pedo mit seiner Reuterey dem Hertzoge Jubil auf den Hals / welcher nicht mehr / als unter dem Grafen von Henneberg tausend Hermundurer zu Pferde / unter dem von Gleichen und Stolberg kaum zwölff hundert zu Fuße in seinem Hinterhalte hatte. Bey diesem Mangel des Volckes mangelte es diesem Fürsten weder an Rathe noch Muthe. Er berichtete seinen Nothstand und die gemeine Gefahr dem Hertzog Ingviomer und dem Grafen von Nassau / und bekam von diesem sechshundert Cherusker / von jenem so viel Bructerer zu Verstärckung / ungeachtet beyde das Volck selbst mehr als an einem Orte von nöthen hatten. Uaer diß stellte er auch sein Volck auf der einen Seite an Wald / auf der andern Seite an einen holen Weg / damit er von dem stärckern Feinde nicht zugleich vorwerts und zur Seite bestritten werden konte / und gleichwohl deckte er die Bructerer und Cherusker: daß sie vor dem Einbruche von hinten zu sicher blieben. Cethegus / weil er fast noch einmahl so starck war als die Deutschen / meinte mit dem ersten Sturme durchzubrechen / aber die Hermundurer stunden wie Felsen / an welchen gleichsam alles Geschoos zurücke prellte. Als er nun mehr Wiederstand fand / denn er ihm eingebildet hatte / ließ er nicht allein die Schützen und Schleuderer auf der Seite über den holen Weg die Deutschen mit Pfeilen /Steinen und Bley-Kugeln / sondern auch mit achzig dahin geführten grossen Pfeil- und Stein-Büchsen ängstigen. Weil diesem mördlichen Geschosse nun weder die besten Schilde noch der Kriegs-Leute Vorsicht und Tapferkeit steuern konte / sondern sie gleichsam dar zum Ziele stehen musten / ward Jubil hierüber nicht wenig bekümmert / und seine Obersten riethen ihm ein Stücke ins geraumere Feld zu weichen. Jubil aber wolte darein nicht willigen / weil er sich hierdurch aus dem Vortheil seiner engen Schlacht-Ordnung begeben / und durch diesen Schein der Flucht den Römern den Muth zu vermehren / den Deutschen zu benehmen besorgte / und daher diese zu stehen ermahnte; weil es besser wäre / ehrlich fallen als schimpflich dienen; und die / welche fürs Vaterland stürben / niemahls zu leben aufhörten. Es bot sich aber der Graf von Bergen an: daß er mit drey oder vierhundert Soldaten alle diese grausame Büchsen und Schleudern zu zernichten getraute. Der Hertzog gab ihm derer wol fünff hundert / und boten sich die Ritter [1204] Brunckhorst / Kuhlenburg / Flodorff und Vehlen selbst zu Gehülffen an. Bergen spielte sie bey etlichen Hecken in holen Weg / und gab der Helffte ein Beil und eine Fackel in die Hand; fiel hierauf wie ein Blitz aus dem holen Wege herfür / und ließ die mit den Beilen und Fackeln auf die Mord-Gewehre /die übrigen auf die Schützen und Schleuderer loßgehen. Weil diese nun nicht gewohnt sind Stand zu halten / sondern ihr gantzes Thun in der Flüchtigkeit bestehet / wiesen sie den Deutschen zeitlich die Fersen. Inzwischen zerhieben die andern die Seile / zersprengten die Ketten und das Gefieder / verbrennten was Holtz war / zerbrachen die Pfeile / und zernichteten in kurtzer Zeit alle kostbare und schreckliche Geschoße dieser Legion. Cethegus schickte zwar alsbald ein Theil seiner Reuterey dahin; und die Schützen wendeten sich mit dieser wieder / aber beyde kamen zu spat. Deñ der Graf von Bergen kam ohne einigen Mannes Verlust wieder in holen Weg / und über den zum Treffen / allwo es ie länger ie schärffer hergieng; und der Ritter Reußen / welcher zu tieff in die Feinde gedrungen / und das Zeichen des Elephanten erobert hatte / auf den Tod verwundet ward; gleichwol aber seine Beute durch Hülffe des Ritters Rheinstein und Metternich behauptete und davon brachte. Ob auch wohl dem Cethegus noch zwey tausend andere Hülfs-Völcker folgten / und auf seinen Befehl über den holen Weg sich zu kommen mühten / also ihn zur Zertheilung seines Volckes nöthigten / behielt doch Hertzog Jubil seinen ersten Muth und einerley Gesichte. Ja als an einem Orte / wo Cethegus selbst mit dem ersten Fahne durchbrechen wolte / und deßhalben den Römischen Adler vortragen ließ / sein Fußvolck kleinmüthig werden wolte / sprang er wie Catilina und Spartacus für ihm / aber in keiner so guten Sache gethan / vom Pferde / fochte daselbst zu Fuße zur Versicherung: daß er alldar mit ihnen zu sterben /nicht aber durch Hülffe seines Pferdes zu flüchten gedächte. Stolberg aber kam dahin / und konte durch viel Bitten ihn kaum bewegen: daß er / um allenthalben mit seiner Ankunfft sein Volck zu beseelen / sich wieder zu Pferde sätzte.

Biß hieher hatten die Bänder der deutschen Tapferkeit zu Erstaunung ihrer Feinde ihre Schlacht-Ordnung und Glücke gehalten; nunmehr aber rieß das ungültige Verhängnüs solche in ihrem rechten Flügel entzwey / wo Hertzog Marcomir / der Graf von Manßfeld / Hanau / Wertheim / Delmenhorst / Sulm /Ravenstein / Ranzau und andere Ritter die Unmögligkeit gleichsam selbst bemeistert / und was mehr als menschliches gegen eine so grosse Macht ausgeübt hatten. Keiner unter ihnen war / der nicht viel Blut eingebüst / und gleichwohl nichts von seiner Hertzhafftigkeit verlohren hatte; ja kein gemeiner Kriegs-Knecht war mehr unverwundet. Weil nun die Römer nicht mächtig waren die Deutschen in die Flucht zu bringen / bot der Himmel ihnen endlich selbst Krieg an. Denn der sich wölckende Himmel erregte einen schrecklichen Sturm-Wind / welcher den Deutschen die von Pferden und Menschen loßgetretene Erde gerade in die Augen wehte: daß sie nicht sehen / weniger fechten konten. Vitellius und Tubero vergassen nicht sich dieses Windes zu bedienen / rufften also ihrem Volcke zu: Sie solten dieser göttlichen Hülfe sich bedienen / und nur noch einen hertzhafften Ansatz thun. Der Sieg stünde in der Geburt / und dörfte nur noch eines Druckes. Die ältesten Kriegsleute musten mit beyden Adlern an die Spitze; uñ derogestalt brach an zweyen Orten auf einmal bey dem Bructer-und Cimbrischen Fußvolcke die so lange und fast über menschliche Vernunft gehaltene Schlachtordnung. Der Graf von Bentheim und Ulefeld eilten zwar an selbige Lücke. Jener redete die sich wendenden /wie Sylla in Mithridatischen Kriege die weichenden Legionen an: schämet ihr euch / nicht ohne mich dem Feinde den Rücken zu kehrẽ? Aber laufft! nur sagt denen nach mir fragenden: [1205] daß ihr euren Obersten hier schändlich verlassen habt. Uhlefeld erwischte den aus seinem Gliede gekommenen Führer des Cimbrischen Kriegs-Zeichen bey dem Arme / drehete ihn um und sagte: dar solstu dein Antlitz und alle Cimbern hindrehen / welche nicht als Feinde und Verräther von meinen eigenen Händen sterben wollen. Sie brachten auch beyde wieder zu wege: daß sich die Glieder schlossen / aber hiermit zerriß die Schlacht-Ordnung an zwey andern Orten bey den Catten und Bructerern. Der Graf von Hanau eilte den Catten / Hertzog Marcomir selbst den Bructerern zu Hülffe / und beyde fochten mit wenigen Rittern gegen Wind / Wetter /Feinde und das Glücke. Hanau erkiesete auch den Malovend; daher drang er sich gegen ihn durch und rieff ihm: Stehe Verräther! wo du noch einen Tropffen deutschen Blutes im Leibe hast. Hiermit hob er ihn auch mit seiner Lantze aus dem Sattel / daß er auf die Erde und ihm die Achsel ausfiel. Er hätte ihm auch vollends sein Licht ausgelescht / wenn nicht ein Marse seinem Pferde im Hinterschenckel die Seenen zerhauen / und solches damit gefällt hätte. Der Ritter Putlitz und Heldrungen aber sprengten Augenblick herzu / und brachten ihn glücklich auf ein ander Pferd und aus dem Gedränge. Hingegen erkennte Vitellius den Hertzog Marcomir an seinem güldenen Helme. Als er ihn nun so gar kühn an die Römer andringen sah / gieng er selbst mit dem gantzen ersten Fahne und dem Adler auf ihn loß / und befahl: sie solten alle andere Feinde ausser acht lassen und nur Marcomirn auf den Halß gehen. Denn mit ihm als dem Haupte würden alle Glieder fallen und krafftloß werden. Also ward Marcomir mit dem Ritter Schwalenberg / Lemey / Sternberg und Brand umringt: welche ihren Fürsten gleich als wenn sie ohne ihn unverwundlich wären /mit ihren Schilden deckten / und mit den Degen männlich vertheidigten. Der Graf von Mannsfeld wolte zwar durchbrechen und ihm Lufft machen / aber das zweyte gantze Römische Fahn bot ihm die Stange. Als nun Marcomir die Unmögligkeit zu entrinnen sah / rieff er: Ey! so lasset uns nicht ungerochen sterben! hiermit sprengte er unversehens gegen dem Vitellius / und rennte ihn übern Hauffen / versätzte zugleich auch dem Führer des vierzehnden Adlers einen tödlichen Streich in Hals / und rieß ihm den Adler aus der Hand. Hierüber fiel er mit seinem Pferde / welchem der erste Hauptmann Qvintus Serväus einen Stich in die Brust gab / zu Bodem; worauf ihm ieder Römer einen Streich zu versätzen die Ehre haben wolte. Das Blut lieff Stromweise von ihm / sein Schild war zerspaltet / und sein Helm war mit Steinen zerschmettert; also daß ihn die Feinde schon für todt hielten; deßwegen auch der erste Hauptmann unvorsichtig herzu trat / und ihm den Schild vom Arme reissen wolte. Aber der schon halb todte Marcomir empfand diese Antastung so sehr: daß ihm der Zorn seine Lebens-Geister wieder rege machte / und er dem Hauptmanne seinen Degen durch den Bauch biß ins Hertze stach / worvon er augenblicks Stein-todt zur Erde fiel. Diese Rache verbitterte die Römer: daß sie ihm noch mehr als hundert Wunden versätzten / und alle ihre Rache in seinem Blute sättigen wolten. Also starb dieser unvergleichliche Held eines rechtens Helden-Todes. Denn er hatte das Glücke: daß ein Römischer Adler / welchen gantz Rom anbetete / unter ihm liegen / und seiner Leiche zur Baare oder vielmehr zum Bette der Ehren dienen muste. Mit seinem Falle verfiel dieses gantzen Flügels Geist und Verfassung. Alles gerieth in die Flucht; Hanau stieß zwar einem flüchtigen Catten selbst den Degen in Leib; Mannsfeld und die andern Kriegs-Häupter hielten ihnen nicht nur ein: daß ihrer auf der Flucht mehr / als in der Schlacht umkommen; und daß die / welche den Tod verachteten / älter als die kleinmüthigen würden; sondern sie thaten [1206] auch im Wercke das eusserste sie aufzuhalten / wie denn dieser sich bey Marcomirs Kriegs-Zeichen mit einem Theile der Cherusker und Bructerer auffs neue sätzte. Weil aber die Furcht über verwirrtes Kriegs-Volck mehr Botmäßigkeit als ihr Oberster hat / war alles vergebens. So sehr die Kriegs-Leute nun aus dem Felde in Wald zurennten /so sehr kamen etliche tausend Weiber mit zerstreuten Haaren / mit Fackeln und Schlangen in den Händen aus dem Walde ins Feld gerennt; welche theils die Fliehenden schalten; theils die Römer / ungeachtet diese sich nicht schämten ihre Waffen mit Weiber-Blute zu beflecken / als rasende Menschen anfielen. Vitellius war zwar von Marcomirs Pferde übel getreten / daß er nicht stehen konte; er ließ sich aber tragen / und wuste nebst dem Tubero sich des Sieges wol zu gebrauchen. Denn beyde liessen nur die leichten Schützen und die Reuterey den flüchtigen nachsetzen / die Marsen schickten sie denen anfangs entflohenen Hülffs-Völckern der Römer wider die Angrivarier und Chamaver nach; sie aber giengen mit beyden Legionen den Cheruskern in Rücken. Ravensberg und Homburg hatten biß hieher mit genauer Noth sich wider die Menge ihrer Feinde vertheidiget; iedoch den Ritter Wintzenburg / Waldpot / Runckel und andere eingebüst. Nach dem aber das Volck so abgemattet war: daß es kaum mehr die Waffen halten konte / die Marsen sie auch nunmehr am Rücken antasteten; geriethen die Chamaver und Angrivarier in Unordnung; und ob wohl ihre Führer sie ermahneten lieber ihrer Dienstbarkeit durch einen vorher gerochenen Tod zu entkommen / dennoch vollends in die Flucht; wiewol ihnen hierzu kein ander Ort offen war / denn daß sie aus dem Gepüsche in das freye Feld gegen die Weser / und von dar über den Strom sätzten. Der Feldherr kriegte nicht nur hiervon die böse Zeitung / sondern sahe auch die vierzehnde und sechzehnde Legion gegen ihm andringen / und hiermit die Unmögligkeit länger auszutauren. An statt aber / daß er vorhin alle Mittel der Klugheit und Tapfferkeit gebraucht hatte /gerieth er nun zu einer verzweiffelten Entschlüssung. Denn weil es ja allem Ansehen nach gestorben seyn müste / wolte er zum wenigsten sein Leben theuer verkauffen. Er ermahnete also die um sich habenden Ritter: sie möchten doch alle auf den einigen Germanicus loßgehen / und durch dieses einigen Menschens Erlegung dem Römischen Heere den Sieg / der Stadt Rom ihre Freude versaltzen. Germanicus hingegen befahl eben so wol nur den Feldherrn zu stürtzen. Der Sieg wäre ohne diß schon erfochten; ohne des unbändigen Herrmanns Erlegung würde der Krieg kein Ende / sie durch den Sieg nichts gewonnen / und die Römer Deutschland nicht besser als ein Jäger den Wolff bey den Ohren haben. Also thäten so wol Römer als Deutsche ihr bestes / und der für Zorn schäumende Feldherr kam dem Germanicus endlich so nahe: daß er einem Wurff-Spiß seinem Pferde durch den Hals jagte; und der Ritter Nesselrode rieß dem Servilius Rufus seine Leibfahn aus den Händen. Die ausgelesenen Römer drängten sich also wie ein Bienschwarm um beyde / und kriegte Nesselrode hierüber zwischen seinen Harnisch fünff / sein Pferd mehr als zwantzig Wunden; also / daß dieser Ritter um mit selbtem nicht zu stürtzen / selbst herab springen muste; welchem aber der Ritter Ringelburg und Seinsheim Lufft machten / daß er sich auf eines erlegten Römers Pferd schwingen konte. Der Feldherr leschte inzwischen dem Marcus Tatius und Sempronius Grachus das Licht aus / welche ihm den Weg zum Germanicus verbeugten. Weil nun aber bey diesem hitzigen Gefechte mehr weder Glied noch Ordnung gehalten / sondern Römer und Deutsche durch einander vermengt waren / kam Marcus Acerronius dem Feldherrn in Rücken / und hätte ihm den durch die Oeffnung [1207] des Harnisches schon mit der Spitze angebrachten Degen durch und durch gestossen / wenn nicht zu allem Glücke der aus sonderbarer Schickung des Verhängnüßes in die Leibwache aufgenommene junge Fürst Gottwald dem Acerronius zugleich den Degen durch die Gurgel gestossen / und hiermit die Vollendung des nur drey qver Finger tieffen Stiches verhindert hätte. Gottwald aber muste diese Wolthat mit einem Streiche / den ihm ein Römer über die Achsel versätzte / bissen. Der Graf von Nassau hatte inzwischen des Feldherrn Stelle tapfer und vorsichtig vertreten; nach dem er aber einen solchen Schwall Völcker den Cheruskern über dem Halse sah / ermahnte er die andern Obersten nur noch eine kurtze Zeit den Sturm der Feinde auszuhalten: biß hieher hätten sie um den Sieg und die Ehre gefochten / nun aber wäre es Zeit sich um des Vaterlandes Wolfarth zu bekümmern / nehmlich für dem Verhängnüße die Segel zu streichen / den Feldherrn und das übrige Volck zu retten. Hiermit nahm er und Graf Stirum dreyhundert Ritter / und brachte durch dieser Hülffe den Feldherrn aus dem Gedränge / erzehlte ihm den Zustand der Schlacht und bat ihn: er möchte nun aus dem verhandenen Schiffbruche retten / was möglich zu retten wäre. Der Feldherr antwortete ihm: Es wäre keine grössere Thorheit / als in der Flucht und in Schenckeln sein Heil suchen / wenn man noch Waffen in Händen hätte. Beyde wären einem nichts nütze /und unbrauchbar / wenn man dem Feinde den Rücken kehrte. An der Hertzhafftigkeit / als in der sichersten Festung der Bedrängten / hienge das Leben; die Zagheit aber hätte den Tod zum Verfolger / die Furcht reitzte zwar zur Flucht / aber sie hienge zugleich der Flüchtigen Beinen eben so wol einen Klotz an: daß sie nicht von der Stelle kommen könten / als sie den Armen die Krafft benahme sich zu wehren / und den Kopf verdüsterte was gutes zu erwehlen. Nein / nein Nassau! Laß uns lieber sterben als lauffen! und lieber Ruhm bey unsern Feinden / als Schmach bey unsern Weibern verdienen! An der letzten Stunde ist mehr als am gantzen Leben gelegen. Nassau versätzte: wir wollen nicht schimpflich fliehen / ob zwar Scythen und Parthen ihren Feinden auf der Flucht den grösten Abbruch thun / und eine behutsame Flucht offt des Feindes Fallbrett und einer unter eines klugen Heerführers Kunst-Stücken ist; sondern lasset uns nur mit gutem Bedacht an einen beqvemern Ort zurück ziehen: daß wir mit besserm Vortheil fechten und mit desto grösserer Ehre siegen können. Denn einem zu starcken Feinde und dem Verhängnüße ausweichen /hiesse vielmehr sein im Rücken habendes Gelücke verfolgen als fliehen. Wäre man schuldig frembden Blutes zu schonen / müste man so viel weniger sein eigenes unnützlich verschütten / welches auch wilde Thiere spareten. Hätte doch Hercules niemals mit zwey Ungeheuern auf einmal gefochten; und der hertzhafteste Kriegsmann müste vorsichtig in Streit gehen / behutsam der Gefahr begegnen / und aufs künstlichste selbter sich auswinden. Wie es eine schädliche Vermessenheit wäre ihm an den Pfosten der Unmögligkeit den Kopf zu zerstossen; also wäre es eine heilsame Gemüthsmäßigung sich dem Vaterlande zum besten auf eine andere Zeit aufheben. Ein kluger Schiffer würde thöricht handeln / wenn er das Ungewitter lieber pochen und zu Grunde gehen / als beym Sturme in nechsten Hafen einlauffen wolte. Die Römer selbst hätten nach der Cannischen Niederlage den Paulus / eben so wohl als Athen den Nicias gescholten: daß so wohl einer als der ander ohne Noth aus verzweifelter Hartneckigkeit umkommen; dem fliehenden Varro aber gedanckt: daß er an der gemeinen Wolfarth und der Römer Erholung nicht verzweiffelt wäre. Jeder wäre wohl schuldig fürs Vaterland zu sterben / aber eben so wohl zu leben / wenn dem gemeinen Wesen so viel / als Deutschlande an seinem [1208] Feldherrn gelegen wäre. Was heute verlohren geht / kan morgen wieder kommen. Das Glücke wechselt nirgends lieber als im Kriege. Daher müsten grosse Gemüther niemahls sich der Hofnung entblössen /wenn schon auch das Hembde weg wäre; und wenn die Furcht gleich die meisten Stimmen wider uns macht / müssen wir doch auf unsere Seite hängen. Wenn auch der Feldherr den Ruhm der Wolfarth Deutschlandes vorzuziehen vermeinte / würde es ihm sicherlich weniger Unehre bringen / wenn die Nachkommen von dieser Wallstadt sagten: Hertzog Herrmann ist hier geflohen / als / er ist hier erschlagen worden. Gleich kam der Ritter Wilich vom Hertzoge Ingviomer / und kurtz darauf Schönberg vom Hertzog Jubil mit der schlechten Zeitung: daß es ihnen länger zu stehen unmöglich / also einen andern Schluß zu fassen unvermeidlich wären. Eben dieses ließ der Graf von Hohenloh und Löwenburg wissen. Der Feldherr zohe hierüber die Achseln ein / und fieng an: Wenn es denn nicht anders seyn kan / so muß man durchkriechen / wo man nicht überspringen kan. Aber hier ist lange Berathung unser Verterb; man muß aus dem Steigereiffen einen Schluß fassen. Eilet! und saget daher dem Hertzoge Jubil: daß er sich mit dem Ingviomer auffs engste vereinbaren / beyde sich aber mit an aller Gewalt Sudwerts über den nahen Hamme-Strom nach Fabiranum ziehen sollen. Ich werde mit meinen Cheruskern mich nicht alleine fest anhängen / und auf der Nord-Seite sie decken / sondern auch durchzubrechen ihnen treulich an der Hand stehen. Unsere Tapfferkeit / die bald anbrechende und zum Entkommen beqveme Nacht und die Müdigkeit der Feinde wird uns diesen Schluß hoffentlich erleichtern; und wenn wir über die Hamme kommen / sind wir ausser Gefahr. Der Feldherr ertheilte diß zu vollziehen seinen Obersten alle nöthige Befehle; und Nassau muste über sich nehmen dem Germanicus / Limburg dem Centronius / Ahrenberg dem Antejus / Löwenburg dem Vitellius / Schauenburg dem Tubero / den Einbruch zu verwehren. Der Feldherr selbst und Ingviomer giengen mit der übrigen gantzen Macht der Cherusker auf den Centius loß / und nöthigten ihn: daß er mit der ein und zwantzigsten Legion sich zurück ziehen muste. Derogestalt hiengen sich die Cherusker und Bructerer glücklich an einander. Also würcket auch in gefährlichstem Zustande die Erfahrung diß /was die Geschickligkeit eines treflichen Mahlers /welcher mit vier Striechen und wenigem Schatten einem gantzen Gemählde seine Verstellung benimt /es zu rechte bringt / und andere Irrthümer verbessert. Ingviomer vertraute dem Grafen von Teckelnburg und der Lippe die Stirne gegen den Apronius zu bewahren; und Hertzog Jubil hielt dem Cethegus die Wage; Ingviomer / Salm und Oldenburg aber wehreten alle Kräfften an durch des Silius Legion und des Stertinius Reuterey ein Loch zu machen. Es hielt hier zwar harte / sonderlich da Germanicus nach vermercktem Absehen der Deutschen den Apronius und Centius befehligte den Bructerern den Weg zu verbeugen. Der Feldherr aber kam mit einem Theile seiner Leibwache /denn die Helffte muste mit dem Graf Nassau dem Germanicus die Stirne bieten / diesen zuvor / und drang bey denen Chauzen und Tencterern durch / welche von den Römern hernach beschuldiget wurden: daß sie ihm und den Cheruskern mit Fleiß Lufft gemacht hätten. Hertzog Ingviomer drang mit seinen Bructerern auffs kräfftigste nach / und erweiterte durch seine Reuterey / zwischen welche die Fußknechte sich vermischten / diese Oeffnung auf solche Weise: daß Stertinius / Silius und Cethegus Müh und Arbeit einbüsten / durch die sie die Deutschen wieder einzuschlüssen vermeinten. Sintemal das deutsche Fuß-Volck gewohnt ist den Reutern gleich zu lauffen / die schwer gerüsteten Kriegsleute der Römischen Legionen aber nur [1209] stehende zu fechten / und einen weichenden Feind die Schützen und ander leichte Mannschafft verfolgen zu lassen. Derogestalt erreichten die Deutschen bey der Dämmerung den Wamme-Strom / über welchen das Fuß-Volck theils schwam /theils durchwatete; beyde Hertzoge aber blieben mit der Reuterey und dem kräfftigsten Volcke gegen die sie verfolgenden Römer stehen. Weil von diesen aber nur die Reuterey uñ die leichten Schützen denen weichenden nachzusätzen pflegen / brachten die Deutschen alle Verwundete / und fast alles in dem Walde des Hercules gelassene Kriegs-Geräthe über / ehe das schwere Kriegs-Volck der Legionen denen im Kriege mehr zu lauffen als zu gehen gewohnten Deutschen nachkam. Hiermit gab es hier zwar auffs neue ein scharffes Treffen / in welchem der Feldherr mit seiner streitbaren Hand / mit seiner kräfftigen Stimme / ja mit seinem Blute seine Cherusker zu beständiger Austhauerung dieses letzten feindlichen Anfalls ermunterte. Sintemahl aus Begierde der Beute er zwischen die itzt am hartneckichsten nachdrückende Chauzen sich allzuweit vertieffte / und vom Ritter Kulenberg auf der Stirne verwundet / sein Antlitz also über und über mit Blute gefärbet ward. Der Graf von Nassau aber rächete diesen Streich mit Kulenburgs aufgeopffertem Leben; weil er ihm den Degen biß ans Hefft durch die Brust trieb. Der Feldherr ward wie ein verwundeter Löwe bey Erblickung seines Blutes so viel grimmiger / und da ja hierdurch sein Antlitz unkenntbar worden wäre / hätten ihn seine Thaten verrathen. Dahero nachmahls die Römer ohne Grund großsprachen: daß die Unkenntligkeit ihn aus ihren Händen gerissen; oder die Chauzen ihn mit Fleiß hätten entkommen lassen. Seinem Beyspiele thäten es Hertzog Ingviomer und Jubil durch eine ruhmbare Eyversucht nach; ja als Cethegus mit aller Gewalt an ihm zum Ritter werden wolte / und über den Strom allzu unvorsichtig nachsätzte / brachte er und Henneberg ihn durch eine unversehene Wendung in Verwirrung: daß er über Hals und Kopff mit ziemlichem Verluste zurück weichen muste. Cethegus würde auch Adler und Fahnen verlohren haben / wenn ihn nicht der Rhetier / Vindelicher und Gallier Reuterey entsätzt hätte. Dieses machte unter dem gantzen Römischen Heere kein geringes Schrecken / welches den Germanicus zu verbieten bewegte: daß vom Römischen Heere niemand über den Strom sätzen solte. Die Flucht der Feinde wäre ein genungsames Kennzeichen des Sieges / und sie hätten alle ihrer Ehre ein Genügen gethan. Die Nacht wäre niemands Freund /zum Betrüge und Schrecken geschickt / und einem fliehenden Feinde alle Wege abzuschneiden nicht rathsam. Denn denen Eingeschlossenen wüchse aus Verzweiffelung der Muth; und wenn keine Hoffnung zu entrinnen mehr übrig wäre / grieffe die Zagheit nach denen schon weggeworffenen Waffen; und die /welche vorher in der Flucht den Nacken zu ihrer Abschlachtung frey gegeben hätten / wiesen aus Noth den Siegern ihre Klauen; ja hätten ihnen wol ehe die Palmen aus den Händen gerissen. Insonderheit wären die Deutschen gantz andere Feinde / als andere Völcker; also mit ihnen nicht zu schertzen / weniger selbte zur Verzweiflung zu bringen. Daher auch Hannibal / als er schon das gantze Römische Heer beym Thrasymenischen See geschlagen gehabt / denen umringten Deutschen zu ihrer Flucht eine Oeffnung zu ma chen genöthiget worden wäre. Zuletzt aber hätte Ingviomer bey nahe einen Schertz versehen. Denn weil er gleichsam der letzte Mann im Treffen und an dem Ufer seyn wolte; wie es denn in Deutschland einem Fürsten schimpflich ist / wenn es ihm ein niedriger an Tapfferkeit zuvor thun solte / so kam er ins Gedrange / und wäre er erschlagen oder gefangen worden / weñ nicht der Graf Stirum sich gleichsam für ihn aufgeopffert / und Ingviomers hertzhafftes Pferd [1210] durch einen Sumpff ihn aus den Händen der Feinde gerissen hätte. Stirum aber blieb mit seinem Pferde stecken und ward gefangen; welche Gefangenschafft aber ihm / weil nur Ingviomer davon kam / die gröste Vergnügung war. Sintemahl es einem deutschen Ritter keine geringe Schande ist / wenn er seinem Fürsten an Tugend nicht gleich kommt; und der verlieret sein Lebtage Adel und Ehre / welcher in einer Schlacht seinen Fürsten im Stiche läst. Hingegen gereicht es ihm zu unausleschlichem Ruhme / und ist eines Ritters eigentliches Ampt und Eydes-Pflicht: daß er seinen Fürsten beschirme / und alles sein Thun / ja sein Leben für seine Ehre und Wolfarth aufopffere. Daher auch nur die Fürsten für den Sieg / alle andere aber für ihren Fürsten streiten. Also entrannen zu selbst eigener Verwunderung des Germanicus die Häupter der deutschen Krieges-Macht mit dem meisten Theil der Cherusker / Bructerer / Catten / Hermundurer / Longobarden und Cimbern; welche selbige Nacht sich an die Weser und die Stadt Fabiran sätzten. Daß nun das deutsche Heer vom Römischen nicht gantz aufgerieben ward / sondern mit einem blauen Auge davon kam / war wol fürnehmlich der Tapferkeit der Kriegshäupter / und der Verträuligkeit des Kriegs-Volckes zuzuschreiben; weil in Deutschland die Anverwandten neben einander gestellet werden / und keiner ist /der sich nicht mit etlichen andern eydlich verbinde in der Schlacht für einen Mann zu stehen. Welche Verbindligkeit unter den Deutschen so heilig gehalten wird: daß der / welcher seinen Freund mit seinem Leben hätte erhalten können / solches aber nicht gethan hat / nicht mehr für werth geachtet wird Waffen zu tragen. Daher denn mit den Deutschen die dreyhundert vom Gorgias zusammen gelesenen Thebaner /welche der heilige Hauffen genennet ward / an Treue nicht zu vergleichen ist. Viel unglücklicher aber waren die Chamaver und Angrivarier / und die / welche unter dem Hertzoge Marcomir im rechten Flügel gefochten hatten. Denn jene sätzten und schwamen zwar durch die Weser / welches denen Deutschen nichts neues war / alleine bey solcher Unordnung und Gedränge wurden ihrer nicht wenig untergedrückt /und von dem einfallenden hohen Ufer lebendig begraben / oder von der Gewalt des Stromes fortgeführt /zum Theil auch von dem sie biß ans Ufer verfolgen den Feinden mit Pfeilen im Strome erlegt. Der Graf von Ravensberg und Homburg entkamen gleichwohl glücklich / und brachten folgenden Tag ihre Uberbleibung nach Fabiranum. Des Hertzog Marcomirs in den Wald des Hercules geflüchtetes Volck ward von den Römern grösten theils umringet / die welche sich in hole Bäume oder Hecken versteckt hatten aufgesucht /und erschlagen; und nach denen / welche sich auf die Gipfel der Bäume geflüchtet hatten / von denen Schützen gleichsam aus Kurtzweil zum Ziele geschossen / oder mit denen abgehauenen Bäumen zerschmettert / ja wider Priester und Weiber keine Art der Grausamkeit unterlassen. Dieser Grausamkeit strichen sie noch die Schmincke des Gottesdienstes an /und meinten: daß sie den erzürnten Hercules mit derer Blute versöhnen müssen / die ihn nicht nach Würden verehrten / und seinen Heyn durch Auffschlagung eines Kriegs-Lagers entweihet hätten. Da doch sonst bey den Römern alle Heiligthümer sichere Freystädte waren; und die / welche gleich mit Rechte Blut vergossen hatten / eben so wenig als die / welche sich mit ihren Ehweibern vermischt / oder nur was garstiges berühret hatten / zu keinem Opfer und in kein Heiligthum kommen; ja der Priester des Jupiters keine Leiche sehen / und die / welche der Isis sich weihen wolten / zehn Tage keinen Wein trincken noch Fleisch essen dorfften. Hier aber machte die Rache die Zerfleischung der Gefangenen und Priester / die schnödeste Verschüttung des menschlichen Blutes / die Besudelung der grimmigen [1211] Fäuste zur Gottseligkeit / welches was noch ärgers ist / als wenn einer so ruchloß ist / welche sich noch ihrer Laster rühmen / und diß /worüber sie schamroth werden solten / nemlich ihre Schande für den Lohn ihrer Boßheit halten / und aus dem Wollust schöpffen / was andern einen nagenden Wurm ins Gewissen sätzt. Germanicus blieb selbige Nacht an der Wamme Strome stehen / ließ aus dem Lager nöthige Lebens-Mittel zuführen / und nach des Titus Didius schlauer Erfindung in Hispanien des Nachtes die Römischen und seiner Hülffsvölcker Todten grösten Theils begraben / damit diese nicht ihren grossen Verlust verrathen und den blutigen Sieg verkleinern möchten. Folgenden Tag ließ der Feldherr beym Germanicus durch einen Herold um ein freyes Geleite für einen Ritter / den er an ihn senden wolte /anhalten; welches Germanicus aus Einbildung / die Deutschen würden Friedens-Vorschläge thun / gerne verwilligte. Der vom Feldherrn erkiesete Manderscheid fand sich noch selbigen Tag ein / und trug dem Germanicus unter seinem Zelte für: ob er nicht die Gefangenen gegen einander auszuwechseln belieben möchte? Germanicus fragte lächelnde: Woher die Deutschen denn einen Gefangenen hernehmen wolten? Manderscheid überreichte dem Germanicus ein grosses Verzeichnüs / und darunter sieben Römische Hauptleute / dreyzehn Fähnriche / sechs Fahnen / sieben Obersten von denen Hülffs-Völckern / dreyßig andere Befehlhaber und eine grosse Menge gemeine. Germanicus verwunderte sich hierüber / wie es möglich seyn könte: daß die Deutschen bey ihrer Flucht so viel Gefangene hätten fortbringen können? Manderscheid versicherte den Germanicus: daß er alle Verzeichnete richtig liefern wolte / und eben deßwegen wäre er vom Feldherrn befehlicht zu fragen: Wie ihm der Deutschen Zurückziehung gefallen hätte? Germanicus antwortete: Er wüste davon nicht zu urtheilen /weil er in keiner Schlacht genöthiget worden wäre das Feld zu räumen. Ubrigens schlug er die Auswechselung der Gefangenen aus / theils daß sein Kriegs-Volck seinen Verlust nicht mercken solte / weßwegen er auch keine Musterung vornahm; theils weil die Römer wenig gefangen sondern fast alle Uberwältigte hingerichtet hatten. Sein Vorwand war: daß bey den Römern so wol die Auswechselung als Lösung der Gefangenen nicht bräuchlich wäre; weil die sich Ergebenden meist zaghaffte Leute / und also des Lösegeldes nicht werth wären; durch diese Krämerey auch andere Kriegesleute in der Noth nur zur Zagheit und gleichmäßiger Ergebung / bey gutem Glücke aber zur Begierde der Beute und schädlicher Verschonung des Feindes verleitet / durch beydes aber der Krieg nur unterhalten / niemahls geendiget würde. Diesem nach denn die Römer nach der Niederlage bey Canna lieber hätten wollen acht tausend Knechte theuerer kauffen und zu Kriegsleuten machen / als acht tausend Gefangene wolfeiler lösen. Itzt aber stünde ihm als dem Sieger so viel weniger an / da Rom an Kriegs-Volcke keinen Mangel hätte / und es in wenigen Tagen mit diesem gantzen Kriege würde gethan seyn. Hingegen bot Germanicus eigenbeweglich denen Deutschen zu Begrabung ihrer Leichen eines Tages Stillstand an; meistentheils darum: daß nach dem die auf Römischer Seite gebliebenen meist schon beerdiget waren / die Deutschen der Römer Verlust für gar geringe achten möchten. Wie es denn auch denen Römern ins gesamt an Erfindungen nicht mangelte ihren Sieg und der Deutschen Niederlage zu vergrössern / ihre Thaten zu erhöhen / der Deutschen durchzuziehen. Zu welchem Ende sie denn von denen eroberten Wagen alle Ketten zusammen trugen / und denen Deutschen höhnisch beymassen: daß sie solche aus frühzeitiger Vermessenheit des Sieges zu geträumter Fässelung der Gefangenen mit sich geführet hätten. Ob nun [1212] wohl einige deutsche Obersten die angebotene Beerdigung der Todten anzunehmen wiederriethen / weil diese Erlaubnüs für ein Zeichen des Sieges gehalten würde; so befand doch der Feldherr für thulicher so rühmlich fürs Vaterland gestorbener Leute Gebeine nicht ihrer Begräbnüs-Ehre zu berauben / als sich mit solchen Eitelkeiten aufzuhalten; zumahl er um ihre Beerdigung nie gebeten hätte. Daher wurden zur Beerdigung der Leichen nicht nur zwey tausend Cherusker abgeschickt / sondern es verfügten sich auch viel Weiber dahin / derer Männer oder Söhne gemisset wurden. Diese suchten sie unter den Todten mühsam herfür /und machten ihnen von Rasen oder Steinen erhöhete Gräber. Die Leiche Hertzog Marcomirs /Wintzenburgs und etlicher anderer Krieges-Obersten /welche die Deutschen nicht hatten erfechten und mitnehmen können / führten sie mit nach Fabiranum / wo sie hernach vom Feldherrn prächtig begraben / gelobet / ihre Helden-Thaten von Barden in sinnreiche Lieder gebracht und in folgenden Zeiten zu ihrem unsterblichen Nachruhme gesungen wurden. Sie liessen aber / nach Art der Spartanischen / zu grosser Verwunderung der Römer / etliche Leichen unverscharret liegen / welche Wunden auf dem Rücken hatten /gleich als wenn diese nicht ihre Schuldigkeit gethan und kein Grab verdienet hätten. Der Feldherr vergaß inzwischen nicht seines Amptes; die gefährlich verwundet waren / legte er in die Stadt Fabiranum / ließ sie daselbst nicht nur verbinden / und ihrer wohl pflegen; sondern suchte sie selbst mit Troste und Gaben heim; denen / welche auch gar gelähmt und verstimmelt worden waren händigte er Versicherungen ein: daß sie ihr Lebtage auf gemeine Landes-Kosten ehrlich unterhalten werden solten. Dieses vermehrte bey dem sämtlichen Kriegs-Volcke überaus die Liebe gegen dem Feldherrn / und war keiner / der sich geweigert haben wurde für einen solchen Vater des Lagers zu sterben / der keinen schlechten Kriegs-Knecht im Leben Noth leiden / und seinen Tod unbeehret liesse. Er stellte auch noch selbigen Tag mit Ingviomern und Jubiln das Kriegs-Volck in Schlacht-Ordnung /lobte solches ihrer männlichen Thaten halber; und versicherte sie: daß sie ausser dem Felde wenig / die Römer auch mehr Mannschafft verlohren hätten; also der Römer Sieg nicht viel weniger zweiffelhafft / als derselbe gewest wäre / dessen sich Tarqvinius Priscus wider die Sabiner / und Kayser August mit dem Antonius wider den Caßius und Brutus gerühmet hätten. Wenn sie auch von dem Verräther des Vaterlandes Malovenden nicht so betrüglich wären hinters Licht geführet worden / solte die Weser mehr Römisch Blut als Wasser ins Meer zuführen; der Rhein aber von dieses Heeres Uberbleibung mehr keine Beschwerligkeit gehabt haben. Nunmehro aber wäre ihr Heer von Verräthern gesaubert / ihre Tapferkeit durch diese Schlacht besser / als einiges Gold durchs Feuer geprüfet / die kecksten der Römer und ihrer Hülffs-Völker erleget; ihr Verlust würde in weniger Zeit aus dem von Mañschafft unerschöpflichen Deutschlande er setzt; die an die Spitze gestellten und im Blut-Bade ziemlich mirbe gemachten Hülffs-Völcker der Römer verzagt und unwillig gemacht werden. Dahero solten sie ihren Heldenmuth und die Hofnung der Rache und des Sieges keines weges sincken lassen. Sintemahl aller Welt Kräften das schwächste Volck / so lange es nur an seiner Wolfarth und Tugend nicht selbst verzagte / zu vertilgen nicht mächtig wäre; tapfere Leute aber die Eigenschafft des Knoblauchs und der Zwiebeln hätten / welchen bey schwindendem Gelücke das Hertze / wie diesen Erd-Gewächsen bey abnehmenden Mohnden-Lichte der Safft wüchse und [1213] zunähme. Der Feldherr schickte auch an viel Orte um neue Hülffe aus / und ersätzte noch selbigen Tag die sich erledigten Krieges-Aemter / gab den dritten Tag in dem neuerkieseten vortheilhafften Lager dem gantzen Heere ein Gastmaal / und ließ alle / welche sich tapffer gehalten hatten / aus seinem eigenen zum Trinck-Geschirre erkieseten Horne trincken; welches so wol bey den Deutschen als Scythen für eine absondere Ehre /der blosse Unterhalt auch für einen auskommentlichen Sold des Kriegsvolckes gehalten / die Geschencke des Hertzogs und die ihnen ausgetheilte Beute aber für eine unverdiente Ubermaße zu hohem Dancke angenommen werden. Bey diesem Gast-Maale brachte Sandersleben ein unter des Hertzog Jubils Leibwache stehender Ritter einen silbernen überaus künstlich er hobenen Schild / welchen er in dem hitzigsten Gefechte einem Römischen Befehlhaber / der einen güldenen Helm und Harnisch angehabt / vom Arme gerissen hatte. Auf diesem Schilde war Cornelius Scipio geetzt / wie er nach Eroberung der Stadt Neu-Carthago dem Fürsten der Celtiberier Allucius seine gefangene Braut unversehrt überantwortete. Darunter war zu lesen: Aus einem Gelübde. Diesen verehrte er nach der deutschen Kriegsleute Gewohnheit dem Hertzoge Jubil / dieser aber dem Hertzog Herrmann /weil iederman nicht nur alle Beute / sondern auch seine eigene Thaten dem Feldherrn zuzueignen pfleget. Worfür ihn aber der Feldherr mit einem köstlichen Pferde / und einer völligen Rüstung beschenckte. Jederman war bekümmert / wem doch dieser Schild müste genommen worden seyn; nach dem nun dieser Ritter alle Umstände erzählte / fielen fast alle Meinungen dahin: daß selbst der fünfften Legion Oberster Cornelius Cethegus / welcher sich wie Scipio zum Geschlechte der Cornelier rechnete / diesen schimpflichen Verlust erlitten haben müste; wiewol ihm dieses nicht hinderlich war: daß er nach der Zeit zu Rom die Bürgermeister-Würde erlangte. Germanicus hingegen blieb drey Tage zum Zeichen des Sieges auf der Wahlstadt stehen. Anfangs strich er die Heldenthaten seines Kriegsvolckes mit allen ersinnlichen Lobsprüchen aus / wolwissende: daß selbtes sich hieran nichts minder als an Geschencken vergnügte. Er ermahnete sie auch zu fernerer Verfolgung ihrer Tapferkeit / welche sie aber nicht mehr für Erlangung des Sieges /sondern nur der Beute anzugewehren hätten. Seine erste Sorge war die in der Schlacht gebliebenen vornehmen Befehlhaber / derer Tod sich unmöglich vertuschen ließ / prächtig zu begraben / denen allen sonderbare Lobreden gehalten wurden. Unter allen Begräbnüßen aber war des Fürsten Cariovalda das ansehlichste / Silius selbst muste ihm als einem grossen Helden und treuen Bundgenossen der Römer das Wort reden; und Germanicus versprach: daß er sein Bild neben dieselben stellen wolte / welche der grosse Alexander seinen am Flusse Granicus gebliebenen Helden durch den Lysippus hatte fertigen / Qvintus Metellus aber nach Rom hatte bringen lassen. Hernach ließ er den Flavius für den rechtmäßigen Fürsten der Cherusker ausruffen; sätzte ihm auch im Nahmen des Tiberius eine güldene Krone auf / beschenckte ihn mit einem vergüldeten Harnische / einem Schwerdte und Schilde / auf welchen die für dem Tiberius kniende Weser und Elbe dem neben ihm stehenden Flavius ihre Schlüssel zulangten. Hierauf ward Malovend für des Germanicus Richterstul geführet / welcher ihn höflich empfing / seine zum Römischen Volcke tragende Neigung und seine Tapferkeit rühmte / nach seinem an der Achsel empfangenen Schaden fragte /ihn für einen Römischen Bundgenossen aufnahm /und ihren Vergleich mit Aufopfferung einer Sau bekräfftigte; endlich ihn mit denen gewöhnlichen Geschencken [1214] der Römer beehrte / welche Schalen ohne Kerne sind / und den Baum-Blättern gleichen / die zu nichts als zur Zierde dienen. Uber diß hielt er dem Jupiter / Mars / der Stadt Rom / dem August und Drusus Danck-Opffer / zu derer Feuer kein ander Holtz als das von der deutschen Lantzen und Spissen genommen ward. Er ließ auch wie Eneas nach erlegtem Mezentius und Romulus nach überwundenem Acron eine auf der Wallstadt stehende grosse Eiche diesen Göttern einweihen / und behauen. Auf ihren Gipffel stellte er einen vollkommenen Harnisch; die Aeste behieng er mit denen eroberten Waffen / und an den Stamm ließ er mit dem aus der Deutschen Wunden rinnenden Blute an statt der Tinte angeschrieben:Hier siegten die Römer über die Cherusker /Bructerer / Catten / Hermundurer / Chassuarier /Angrivarier / Chamaver / Longobarden und Cimbern. Uber dieses ließ er von Rasen ein sehr hohes Sieges-Zeichen zusammen sätzen / darauf eine grosse Menge Waffen aufthürmen / und unten in einen Stein eingraben: Hier hat Kayser Tiberius die Deutschen überwunden / und dem Fürsten Flavius die Cherusker / Segesthen die Chaßuarier untergeben. Er schickte das Schwerdt / wormit Serväus den Hertzog Marcomir zu erst in die Brust gestochen hatte / nach Rom in den Tempel des rächenden Krieges-Gottes. Sintemahl es nicht nur bey den Griechen /sondern auch zu Rom gewöhnlich war / die Waffen /wormit was merckwürdiges ausgeübt worden war /den Göttern zu wiedmen. Also hatte Olympias den Dolch / mit welchem Pausanias den König Philip ermordet / dem Apollo / Lysimachus seine gantze Rüstung dem Mars zugeeignet. Uber diß gelobte Germanicus / wenn er vollends der Völcker zwischen der Weser und Elbe Meister werden würde / auf der Spitze des Melibockischen Gebürges dem Mars und Drusus ein köstlicher Sieges-Maal aufzurichten / als der siegende Marius auf den Alpen / Sylla auf dem Pyreneischen Gebürge aufgerichtet hatte. Sintemahl von den Römern und Griechen alle Gipffel der Berge für Heiligthümer gehalten wurden. Die Deutschen kriegten von diesen hoffärtigen Siegeszeichen zeitlich Nachricht; worvon sie gleichsam in Raserey versätzt wurden / mit Ungestüme zun Feldherrn kamen / und von ihm zu Vertilgung dieses schimpflichen Denckmaals wider den Feind ins Feld geführet zu werden verlangten. Sie priesen die in der Schlacht gebliebenen Deutschen glückselig: daß sie diese Schande nicht erlebt hätten; und schalten ihr eigenes Glücke unbarmhertzig: daß es ihrer zur Straffe geschonet /und zu solcher Verachtung aufgehoben hätte. Denn keinem thaten die tieffsten Wunden so weh / der Tod ihrer Weiber und Kinder / der Verlust ihres Vermögens / die Verheerung ihrer Länder giengen keinem so zu Hertzen / als daß sie mit so hochmüthigen Gedächtnüs-Maalen die Römer über sich derogestalt solten frolocken sehen. Die säugenden Weiber / die schwächsten Kinder / die am Stabe gleichsam kriechenden Greiße hatten aus Zorn und Ungedult die Waffen ergriffen / und wolten mit aller Gewalt noch selbigen Tag ins Feld / und das Siegs-Zeichen der Römer zernichten; oder der Feldherr solte nur das gantze Volck der Cherusker / ja die ausgegrabenen Leichen ihrer Vor-Eltern aus diesem mit solchen Banden der Dienstbarkeit gefesseltem Lande über die Elbe führen. Sintemahl doch ihre Gebeine in einer so dienstbaren Erde nicht würden ruhen können. Der Feldherr lobte die edle Regung ihrer einige Schmach zu vertragen unleidentlicher Gemüther / sie versichernde: daß ihm diß der empfindlichste Schnitt durch seine Seele wäre / und er sein Haupt nicht sanffte legen wolte / biß von [1215] dem Römischen Siegeszeichen weder Strumpf noch Stiel würde übrig seyn. Die Römer aber hätten doch darinnen bescheidentlich verfahren: daß sie ihr Denckmaal aus etwas so vergänglichem / als Holtz und Erde wäre / aufgerichtet hätten /sich selbst bescheidende: daß die tapferẽ Deutschen solches nicht lange würden stehen lassen; und also alle auf Marmel und Ertzt verwendete Kostbarkeit übel angelegt seyn dürffte. Sie solten sich aber nur eine wenige Zeit gedulden / biß er eine zur Vertilgung dienliche erkiesen würde. Die Ubereilung verderbte die besten Entschlüssungen; insonderheit stellten die Ausländer hierinnen den Deutschen Mängel aus / von denen sie gestehen müssen: daß kein Volck hertzhaffter als sie wäre; daß niemand mit grösserm Nachdruck seinen Feind antastete / niemand begieriger nach den Waffen grieffe / als darinnen sie gleichsam gebohren und von Kind auf erzogen würden. Kein Volck wäre wie sie abgehärtet: daß sie wider Frost und Hitze weder Decke noch Schirm von nöthen hätten. Darinnen aber verstiessen sie / daß sie sich den Eyver verleiten liessen / ihre Tapferkeit zur Unzeit ausschütteten. Diesem nach müsten sie mit Vernunfft und Mäßigung ihre Tugend schärffen / die Sachen reiff werden lassen und ihm vertrauen. Hoffentlich aber solte die Sonne das Römische Siegs-Zeichen nicht drey Tage bescheinen. Herzog Jubil hatte zwar im letzten Kriegs-Rathe aufgeworffen: die deutsche Reuterey solte einen ziemlichen Streiff des Landes verheeren / verbrennen / das Graß zertreten; also dem mit wenigem Vorrathe versehenen Feinde alle Mittel lange zu stehen abschneiden; hingegen mit ihrer gantzen Macht geraden Weges dem Rheine zueilen und in Gallien einfallen. Durch dieses Mittel hätte Darius der Scythen Einfall zernichtet / und wenn die Persen dem eben diß rathenden Memnon gefolgt hätten / würde Alexander niemals des grossen Nahmen erworben haben. Scipio hätte durch Uberziehung Afrikens Hañibaln aus Italien gebracht / welches die Römischen Waffen nimmermehr geendet hätten. Es käme einen zwar schwer an / ihm selbst Schaden zuzufügen / und wider sich selbst zu wüten; aber im Falle der Noth und der Gefahr wäre es Nutz etwas und nicht alles verlieren; und ein krebsfreßiges Glied abzuschneiden um den Leib zu erhalten. Der Feldherr selbst hatte diesen Vorschlag als nicht unthulich zu wenigem Bedencken ausgesätzt / und Ingviomer selbst gebilligt / ja sich erboten: daß / wenn es zum gemeinen Nutzen gereichte / wolte er zu Verbrennung seines Landes den Anfang machen. Die Aufrichtung des Römischen Siegsmaals und des deutschen Kriegsvolcks Eyver zu schlagen / verrückte aber nunmehr gantz und gar diesen Vorschlag: zumahl da der Feldherr erfuhr: daß Germanicus mit seinem Heere zwey Meilen gegen der Elbe fortgerückt wäre / und Flavius mit der leichten Reuterey das Land durchstriche um alle Zusammenziehungen mehrern Volckes zu hindern. Nach solcher Nachricht laß der Feldherr aus dem gantzen Heere sechstausend der besten Reuter /und so viel der kräfftigsten und geschwindesten Fußgänger zusa en; welche bald den Pferden gleich lauffen musten / bald wenn sie müde / zu den Reutern auf die Pferde fassen. Mit diesen machte er nebst dem Hertzoge Jubil / dem Grafen von Waldeck / Bentheim / Hanau und Henneberg sich sehr früh auf; also / daß er mit aufgehender Sonne auf die Wallstatt kam / nach dem er unterwegens etliche Streiffrotten der Gallier /Rhetier / und Vindelicher aufgehoben / und zum Theil in die Flucht gejagt hatte. Es ist kaum glaublich / in was für kurtzer Zeit die Deutschen die zum Siegeszeichen ausgeputzte Eiche abgehauen / in kleine Stücke zersplittert / den aufgerichteten Berg der Erde gleiche gemacht / und den Stein zermalmet hatten. Worüber sie ein solch Freuden-Geschrey erregten: daß die Erde bebte / Berge und Wälder einen Wiederschall gaben; gleich als wenn sie das [1216] gantze Römische Heer erlegt hätten. Also hatte Germanicus von diesem Gepränge nichts als die Verbitterung der Deutschen / und einen ziemlichen Verlust des Römischen Ansehns zum besten. Daher die alten Römer eben so wohl als die Macedonier viel klüger thaten: daß sie ihren bezwungenen Feinden niemahls ihre Uberwindung durch solche verkleinerliche Siegeszeichen fürrückten / biß Domitius Enobarbus und Fabius Maximus darmit den Anfang machten / auf der Wallstatt steinerne Thürme bauten / und der besiegten Allobroger Waffen daran hiengen. Flaminius hatte zwar vorher zu Rom von der Gallier güldenen Ketten Jupitern zu Rom ein Sieges- Zeichen gewiedmet / Fulvius Flaccus / Lutatius und Catulus aber tragbare Sieges-Zeichen zusammen gesätzt; mit dem wachsenden Hochmuthe aber schliech diese Eitelkeit ein: daß sie solche den Feinden zur Verachtung unter ihre Augen sätzten / und sie mit schimpflichen Uberschrifften und auf ihre Müntze gepregten Bildern gefangener Könige / angebundener Völcker / gefesselter Flüsse spotteten. Viel künstlicher verkleidete der grosse Alexander seiner Sieges-Zeichen Ehrgeitz mit Andacht und dem gemeinen Heile; da er nemlich an dem Ufer des Flusses Pinarus / wo er den Darius geschlagen / dem Jupiter / Hercules und Minerven drey Altare / in Egypten nach seinem Nahmen die Stadt Alexandria / in Indien zu einem viel tauerhafteren Gedächtnüße des wider den König Porus erhaltenen Sieges Nicäa baute; welchem es sein Vater Philip mit der Stadt Theßalonica klüglich vor- und August mit Nicopolis glücklich nachgethan hatte. Und Hertzog Herrmann hatte wegen seines wider den Emilius Varus erhaltenen Sieges auch ein unversehrliches Gedächtnüs gestifftet / da er selbiger Wallstadt den Nahmen Gewinnefeld zugeeignet. Der Feldherr hielt nach zernichtetem Römischen Siegs-Maale aber ihm für verkleinerlich: daß er mit einer solchen Macht nichts anders ausgerichtet / als einen Baum zerhauen und einen Hügel gleiche gemacht haben solte. Dahero gieng er auf der rechten Seite des Wamme-Stromes hinaus und dem Germanicus nach: welcher allem Ansehen nach oberhalb Fabiranum einen Ort an der Weser behaupten und daselbst Brücken schlagen wolte. Es war aber kaum eine halbe Meile hinter sich gelegt / als ihm der mit zwantzig Pferden voran geschickte Ritter Lawenrode zu wissen machte: daß gegen dem fürm Gesichte liegenden Gepüsche ungefähr drey tausend Reuter / und wohl noch so viel Fußvolck im Anzuge wäre. Der Feldherr ließ ihm alsbald gebieten: er solte sich versteckt halten; theilte auch alsbald sein Volck. Ein Drittel ließ er disseits dem Gepüsche in Bereitschafft halten / das andere muste um das Gepüsche sich herum ziehen / uñ solte nach angegangenem Treffen dem Feinde in Rücken gehen / das dritte auf unvermutheten Nothfall fertig stehen. Der Feinde Vordrab bestand an 100. Chauzischen und Friesischen Reutern / welche / so bald sie aus dem Gepüsche kamen und die Deutschen erblickten / sich auf dem Fuße spornstreichs zurücke wendeten; aber der Ritter Woldenburg verbeugte mit hundert Pferden durch einen Kwerweg den Weg / und Schrapha verfolgte sie auf der Fersen / und fertigten sie in geschwinder Eil so ab: daß der Nachzug von ihnen wol keine Nachricht bekommen hätte / wenn nicht fünffhundert folgende Gallier das Geschrey und Geräusche der Kämpfenden gehöret / hiermit augenblicks umgekehret / und dem Römischen Volcke die Gegenwart des Feindes berichtet; also selbtem stille zu halten und sich zu stellen Anlaß gegeben hätte. Graf Waldeck / welcher um das Gehöltze schon kommen war / berichtete diß dem Feldherrn / und zugleich: daß er aus besorgter Zurückkehrung auf den Feind schon loßgienge um selbigen ständig zu machen. Waldeck sätzte also gleich auch an die feindliche Reuterey / welche an viertausend Rhetiern / Vindelichern / Tribochen / Nemetern / Vangionen /Ubiern und Menapiern / und fünffhundert Römern bestand / behertzt an / [1217] welche weil sie acht tausend Fußvölcker am Rücken / und das Römische Lager kaum zwey Meilen entfernet hatten / den Deutschen muthig begegneten. Gleichwol aber erlangte Waldeck durch seine vortheilhaffte Fechtens-Art / da zwischen iedem Reuter ein Deutscher zu Fuß mit den Angrieff that / bald einen ziemlichen Vortheil. Hierüber kam zwar das Fuß-Volck an / welches fünff Fahnen Römer von der dreyzehenden Legion / das andere Chauzen /Friesen / und Gallier waren. Apronius der es führte /breitete sich aus und meinte den Waldeck gantz zu umschlüssen; es brach aber auf einer Seite der versteckte Hanau und Henneberg / auf der andern Seite der Feldherr selbst mit dem Grafen Bentheim herfür /und gieng das Treffen nunmehr mit grossem Eyver an. Beyder Mannschafft war an der Zahl / aber keines Weges an Kräfften gleich / zumahl auch die Deutschen den Römern an Reuterey überlegen waren. Zu dem schärffte das Andencken des erlittenen Verlustes und die Rache der Deutschen Waffen. Ob nun zwar ihre Feinde einen harten Stand hatten / in dem die deutsche Reuterey bald auf einer bald der andern Seite das Fuß-Volck zertrennte und die halbe Römische Legion hier für keine Mauer galt / ermahnte sie doch Apronius aufs beweglichste zu stehen. Sie solten sich auf das die Römer niemahls verlassende Gelücke /und auf den ungezweiffelten Entsatz verlassen. In diesem freyen Felde müste so lange gefochten oder gestorben seyn; weil auch die flüchtigsten Reuter der so starck als die Pferde / und besser als die geschwinden Scychischen Völcker die Dahen lauffendem Fuß-Volcke der Deutschen / wie viel weniger ihrer den Wind übereilenden Reuterey nicht entfliehen könten. Die Noth zu fechten aber wäre der rechte Wetzstein der Tapferkeit / und gäbe einem dreyer Männer Kräfften. Und wenn ihnen auch bey so naher Hülffe der Entsatz wider die schon mehr als einmahl überwundenen Feinde aussen bleiben solte / wäre ihnen doch kein ander Trost übrig / als daß sie durch ihrer Feinde Tod ihren eigenen ehrlich machen könten. Diese Ermahnung bekräfftigte Apronius auch mit der That. Denn er nahm sich nicht nur des Amptes / das ein Heerführer hat / an / sondern auch eines gemeinen Soldaten. Unter allen thaten auch seine Römer / Chauzen und Friesen das beste; welche mit denen andringenden Deutschen gleichsam Mann für Mann stritten / und einander so nahe auf den Hals kamen: daß sie offt die Degen-Knöpffe einander ins Gesichte stiessen. Wenn nun schon iemand furchtsamer darunter gewest wäre /hätte sich doch keiner auswinden können. Ja die Verwundeten waren nicht auf die Seite zu bringen. Denn weil vorwerts der Feind / von hinten das eigene Kriegs-Volck nachdrückte / hatte kein Mensch Raum den Fuß fortzusätzen / den er ihm nicht mit Erlegung seines Feindes gemacht hatte. Also ward zwischen diesen viel Blutes vergossen; sonderlich weil die Cherusker wider die auf Römischer Seite stehende Deutschen viel erbitterter / als auf die Römer selbst waren. Bey diesem verbitterten Kampffe ereigneten sich in weniger Zeit viel Zufälle / welche bald die Hoffnung /bald die Sorge eines und des andern Theils vermehrten; gleich als wenn das Gelücke mit allem Fleiße zwischen so streitbaren Leuten das Treffen in gleicher Wage halten wolte. Nach dem aber die Gallier und Hispanier in völlige Unordnung kamen / und Apronius von den Römern und Deutschen ein Theil jenen zu Hülffe schicken muste / welche Veränderung in einer Schlacht niemahls ohne Gefahr geschehen kan /fiengen auch diese an Noth zu leiden. Denn ob sie zwar mit ihren zusammen gefügten Schilden eine Mauer und Dach für sich machten / und damit der Deutschen Gewalt aufzuhalten vermeinten / so bohrten doch die Cherusker und Catten zu Fuße mit ihrer spitzigen Schlacht-Ordnung durch / in dem sie theils ihre [1218] Spiße zwischen die Schilde trieben / theils auch ihnen die Schilde mit Gewalt abrissen / theils rennte sie auch die deutsche Reuterey übern Hauffen. Dieses richtete der Feldherr selbst mit seiner Leibwache zu Wercke / welcher nach gemachter Oeffnung seine Hände wol brauchte / und ihrer viel theils mit Wurffspissen / theils mit dem Degen hinrichtete. Daher auch die tapffersten / welche wider ihn an die Spitze gestellt waren / zum ersten in die Flucht geriethen. Apronius und die Führer der Chauzen / Friesen und Ubier baten zwar ihr Volck aufs beweglichste /sie möchten nur noch einmahl sich schlüssen / und dem Feinde hertzhafft begegnen / zeigten ihnen auch die aus dem Lager über den nechsten Hügel ankommende Hülffe. Alleine denen Verwirrten hat die Furcht mehr zu sagen / als ihre Obersten; und sie bländet ihnen noch darzu die Augen. Also gerieth alles in Unordnung und Flucht / und hatten die Deutschen nicht so wol mehr zu fechten als die zerstreuten zu metzgen / derer einen die Furcht dorthin / den andern die Hoffnung anderwerts hintrug. Apronius muste selbst sich die gemeine Flut mit hinweg reissen lassen / und auch andere Führer sich aus dem Staube machen; doch müheten sich diese auf der nechsten Höhe die Flüchtigen aufzuhalten / und weil fünffhundert frische Thracier voran gehauen kamen / brachten sie es dazu: daß sie sich widersätzten. Zumahl da ihnen auch auf dem Fuße zweytausend Pannonier / Illyrier / Mäsier und Armenier / und endlich Pedo mit tausend Römern zu Pferde folgten. Aber diese ansehliche Hülffe hinderte den Feldherrn nicht: daß er auf sie tapfer ansätzte / und seinen Deutschen zusprach: Sie solten dem Feinde keine Lufft lassen; die Fliehenden hätten mehr kein Hertze im Busem / und mit ihrer Zagheit denen ankommenden Feinden auch schon ihr halbes geno en. An die Menge hätten sie sich nicht zu kehren; denn im Siege und in der Flucht zählte niemand das Kriegs-Volck / weniger die erschrockenen; welche das Glücke derogestalt ihrer Sinnen beraubte: daß sie weder die Wenigkeit ihrer Feinde / noch ihre eigene Menge wahrnähmen. Derogestalt hatten die Römer nicht einmahl so viel Zeit übrig: daß sie eine rechte Schlacht-Ordnung gemacht hätten; ja Emilius wuste bey solcher Verwirrung kaum den anfallenden Feind von denen fliehenden Freunden zu unterscheiden. Der Feldherr gieng auch mit dem Grafen von Waldeck bald selbst auf den Emilius loß / und machte ihm so viel zu schaffen: daß er sich wenig um andere bekümmern konte. Der Graf von Hanau nahm es mit den Thraciern und Mäsiern / Henneberg mit den Pannoniern / Illyriern und Armeniern an; und Bentheim ließ die in die Flucht geschlagenen nicht wieder zum Stande und Kräfften kommen / welche / weil sie zerstreut und einzelich fochten / allenthalben einbüsten. Denen neuen Völckern schien auch kein besser Glücks-Stern / als den andern. Denn weil ein Sieger eben so wol / als ein glücklicher Spieler mit schärffern Augen siehet / mit mehrerm Verstande urtheilt und mit zweyen Hertzen ficht / erhielten die Deutschen überall wider die frischen Feinde / welche schon von der lauffenden Zagheit angesteckt worden waren / und nach dem sie den hitzigen Streit kaum eine Stunde ausgetauert hatten / die schweißichten Waffen kaum mehr in Händen halten konten / die Oberhand; also daß die Thracier und Mäsier schon auch auszureissen / die Pannonier sich zu zerstreuen und die Römer selbst zu wancken anfiengen; nach dem der Feldherr dem Pedo den Helm zerspaltet / und ihm ein Stücke Bein vom Hirnschädel abgehauen hatte. Die andern Obersten feyerten auch nicht / und kriegte es auf Römischer Seiten von dem Gewinsel der Sterbenden /von der Angst der fliehenden / und von Verbitterung der verzweifelnden ein erbärmliches Ansehen. Als Hertzog Herrmann nun in der Hitze war die noch stehenden zu zertrennen / ward ihm angemeldet: [1219] daß nicht nur eine sehr starcke Reuterey in der Nähe wäre / sondern auch schon drey Römische Adler über die nechste Höhe / ja allem Ansehen nach das gantze Römische Heer folgte. Als der Feldherr dieses alles selbst in Augenschein nahm / ließ er alsbald das Zeichen zur Rückkehr geben; Worauf die Befehlhaber ihr für Eyver gleichsam blindes und kein Gehöre habendes Volck mit dem Degen vom Feinde ab- und ihnen einhalten musten: daß nicht bey Kriegsknechten / sondern alleine beym Feldherrn das Urthel stünde: ob und wie lange man mit dem Feinde schlagen solte; und wäre einem Kriegs-Manne die Tugend des Gehorsams so nöthig / als die Tapferkeit. Das Kriegs-Volck hielt hiermit an / und lieferte dem Feldherrn sechs Römische / und etliche zwantzig andere eroberte Fahnen. Dieser sagte allen für ihre Tapferkeit Danck; versprach ihnen Belohnungen und deutete ihnen an: Sie hätten ihren Ehren ein Genügen gethan; nunmehr wäre es Zeit umzukehren. Man müste sein Gelücke begreiffen und mäßigen / und die Vermessenheit aus Hochmuth nicht wieder auf die Spitze sätzen / was man mit Müh und Tapferkeit erworben hätte. Hiermit schwang sich das deutsche Fuß-Volck theils auf ihrer zugeeigneten Reuter Pferde; theils machte es sich auch mit ihrer erlegten oder abgesätzten Feinde Pferden beritten / wendeten sich also geraden Weges nach dem deutschen Lager. Stertinius kam mit fünfftausenden zu Pferde bey dem verwundeten Apronius und Pedo an / und sahe sein Elend an ihrem so übel zugerichteten Volcke. Jedoch schöpfte er mehr Verdruß als Erbarmnüs / weil die Geschlagenen selbst gestehen musten: daß der Feind nicht so viel Mannschafft als sie gehabt hätten. Daher munterte er alle mit Vorstellung ihres unausleschlichen Schimpffes zur Rache auf; befahl dem Lepidus die zerstreuten unter ihre oder seine Fahnen wieder zusammen zu lesen und ihm mit der Reuterey zu folgen. Er aber gieng mit seiner Reuterey voran / in Meinung selbige so lange zum Stande zubringen / biß die erste / zwantzigste und halbe dreyzehnde Legion / welche der unwillige Germanicus unter dem Cäcina nachschickte /den Feind erreichte. Hertzog Herrmann aber legte mit seinen wiewol müden Pferden eine halbe Meile hinter sich / ehe ihn Stertinius einholete. Ob er nun zwar diesem überflüßig gewachsen gewest wäre / hielt er doch wegen der folgenden Legionen nicht für rathsam sich in ein beständiges Treffen einzulassen / sondern theilte sein Volck in zwölff Hauffen / derer drey immer wechselsweise dem am Rücken habenden Feinde begegneten. Wenn diese nun nach einer Weile Gefechte sich auf beyden Seiten zurück schwungen /hielten drey frische Hauffen / und so denn die folgenden den Stertinius auf; also / daß bey dieser künstlichen Abwechselung die Deutschen geschwinder und ohne einigen Verlust fortrückten / als das Römische Fuß-Volck nachsätzte. Der Feldherr schickte inzwischen den Ritter Recklingshausen mit zwölff reysigen Knechten ins Lager voran die Beschaffenheit seines Zustandes zu berichten / und auf etwan sich ereignenden Nothfall Entsatz zu verlangen. In dessen Hoffnung blieb der Feldherr an einem gelegenen Orte mit allen zwölff Hauffen stehen und gieng dem Feinde mit grosser Zuversicht unter Augen. Der Graf von Bentheim hatte auch das Glücke / dem Stertinius selbst auf den Leib zu kommen / ihm sein Pferd zu erlegen / mit welchem er einen schweren Fall that: daß er etliche Wochen hernach nicht zu Pferde sitzen konte. Weil nun die Legionen allzulange zurück blieben / nach dem er und sie nun nicht für voll eine Meile von Fabiranum entfernet waren / hielt Stertinius aus Beysorge eines neuen Hinterhalts nicht für rathsam sich zu lange in so verdächtigen Kampf einzulassen / sondern muste an statt verhofter Rache mit seiner Müdigkeit vorlieb nehmen; gab also seinem Volcke ein [1220] Zeichen sich zu wenden. Der Feldherr aber vergnügte sich an seinem ihn wenig Blut kostenden Siege; also kehrten beyde einander den Rücken. Germanicus war mit denen frembden Hülffs-Völckern / welchen Apronius und Pedo alle Schuld ihres Verlustes auf den Halß weltzten / übel zu frieden / noch übeler aber mit den Kundschafftern / welche ihm die Nachricht gebracht hatten: daß nicht mehr als viertausend Cherusker zu Zerstörung seiner Sieges-Maale aus ihrem Lager gegen dem Idistavischen Felde gegangen wären. Sintemahl er dadurch den Ruff seines mit Fleiß schon in die Welt ausgebreiteten Sieges zu Wasser werden sahe / sich bescheidende: daß weil das Geschrey wie die Ferne-Gläser eine Sache vermehret und vermindert / niemand mehr glauben würde: daß die Deutschen vom Germanicus eine solche Niederlage könten erlitten haben / nach dem sie wenige Tage hernach den Römern ein so hartes wieder versätzt hätten. Ja er lidt nicht nur an diesem eingebildeten Ruhme / sondern auch nunmehr an seiner Hofnung Deutschlands Meister zu werden heftigen Schiffbruch / und erfuhr: daß ein vom Glücke aufgeblehetes Gemüthe meist ein betrüglicher Wahrsager wäre; und GOtt es ins gemein so schickte: daß man den Sieg nicht von menschlicher Macht und Klugheit / sondern von Göttlichem Willen herzuflissen schiene. Hingegen machte ihm Hertzog Herrmann diesen Sieg wol nütze. Denn er ließ die ihm aus dem Läger entgegen kommenden Völcker zu voran wieder darein ziehen / damit ihre Menge den Sieg der wenigen / welche solchen erlangt hatten /nicht verminderte. Bey seinem Einzuge ließ er die eroberten Fahnen und Waffen voran tragen / die Pferde beyführen. Welches nunmehr alle verfallene Gemüther wieder aufrichtete; und weil er wohl wuste: daß der Ruff im Kriege offt mehr / als viel tausend Gewaffneten ausrichtete / und gantze Völcker in Furcht oder Hofnung versätzte / machte er diesen Sieg dem Hertzoge der Catten / der Alemänner ja auch dem Könige Marbod / den Marsen / Angrivariern und andern zwischen dem Rheine gelegenen Völckern zu wissen; ließ auch solchen bey den Chauzen / Friesen /Batavern und Galliern ausbreiten. Zu welchem Ende er denn die eroberten Fahnen in unterschiedene heilige Heynen verschickte. Hiermit brachte er auch zu wege: daß die Marsen wider den Stadthalter des Fürsten Malovends zu Hause einen Aufstand machten / ihn verjagten / und den Hertzog Herrmann für ihren Fürsten erklärten; weil sich Malovend als ein Verräther Deutschlandes seiner Herrschafft verlustig gemacht hätte Gleichergestalt warffen die Angrivarier den ihnen durch den Stertinius allererst angelegten Kapzaum wieder ab / und brachte der über die Weser entkommene Graf von Ravensberg mit dem Ritter Hochstraten dreytausend Angrivarier ins deutsche Lager. Dem Germanicus that dieses im Hertzen weh; und weil er vernahm: daß die vom Germanicus weg gegangenen Langobarden / des König Marbods Verbote ungeachtet / nach vernommener Niederlage schon wieder zurücke über die Elbe gesätzt hätten / besorgte er / daß alle benachbarte Völcker aus Eyversucht gegen die Römische Macht zu den Cheruskern stossen dörfften / und daher sätzte er ihm vor dem Feinde ohne einigen Zeit-Verlust auf den Hals zu gehen. Hierbey aber ließ er auf Malovends Anstifftung unterschiedene vertraute Marsen ins deutsche Lager zu dem Ende überlauffen: daß sie alle Verfassung und Anschläge der Deutschen ausforschen und ihm verrathen solten. Mit seinem gantzen Heere rückte er auch fort in Meinung oberhalb dem deutschen Heere sich an der Weser zu sätzen / der wachsame Feldherr aber kam ihm bey vernommenem Aufbruche zu vor /und sätzte sich drey Meilen oberhalb Fabiranum in eine wäßrichte und enge Fläche; welche auf einer Seite vom Fluße / auf der andern von einem [1221] Walde /und dieser zum Theil mit einem Sumpffe umgeben war. An zweyen Orten war allein ein offener Zugang /und fester Boden; des einen Helffte aber hatten die Angrivarier / so weit sie neben den Cheruskern ihren Stand hatten / in einer eintzigen Nacht mit einem hohen Tamme befestigt. Germanicus sätzte sich harte darneben / und machte alle ersinnliche Anstalt die Deutschen hier anzugreiffen / diese aber rüsteten sich zur tapferen Gegenwehre. Also ist es an dem nicht genung: daß Müh und Menschen Zwillinge sind / welche mit einander gebohren werden und zu gleiche sterben; sondern der meisten Arbeit zielet auch nicht so wol dahin ein Werck auszumachen / als anderer Vorhaben zu zernichten; und mehr das menschliche Geschlechte zu vertilgen / als selbigem gütlich zu thun. Der Feldherr hielt zwar für rathsamer / alle Zugänge zu verhauen / den Wall der Angrivarier auch für dem Stande der Cherusker / und also vom Walde biß zum Fluße zu verlängern / und derogestalt den Feind / biß sie von Langobarden und Catten verstärckt würden / aufzuhalten; aber Ingviomer und fast alle Kriegs-Obersten waren begierig zu schlagen /verliessen sich auch auf die Vortheilhaftigkeit des Volckes. Und hielten nicht für rathsam die Römer durch allzufeste Verbauung vom Angriffe abzuschrecken / oder auch ihr eigen Volck verzagt zu machen; welchem noch das Gedächtnüs des letzten Sieges im Kopfe und der Muth im Hertzen steckte. Beyder Theile Heerführer ermahnten ihr Volck zur Tapferkeit Die Römischen sagten ihrem: die einmahl Uberwundenen hätten ein für alle mahl weniger Hertze; wie hochdrabend sie gleich sprächen. Die Deutschen würden fliehen / so bald ihnen die gläntzenden Waffen der zu siegen gewohnten Römer in die Augen leuchten würden. Ihre tapffersten wären in der Schlacht gefallen; und nur die übrig / welche die Furcht im Hertzen / die Wunden auf dem Rücken trügen. Durch die Flucht würde niemand besser / sondern das traurige Gedächtnüs ihres vorigen Verlustes benehme ihnen Muth und Verstand. Die Deutschen hingegen hielten den ihrigen ein: Sie solten sich den Unstern voriger Schlacht nicht abschrecken lassen; weil sie nicht wegen Tugend ihrer Feinde / sondern wegen Arglist ihrer Verräther den kürtzern gezogen hätten / welche nunmehr von ihnen abgesondert wären. Die Mißlingung eines Streiches schreckte auch nur Neulinge / nicht erfahrne Kriegsleute; welche wüsten: daß das Blat sich nicht öffter als im Kriege zu wenden / und der Sieg wie der Wind abzuwechseln pflegten; ja wider das sie drückende Glücke wie die Palmen gegen der Last mehr Hertz und Kräfte kriegten. Die deutschen Fürsten säumten auch nicht alle Gelegenheit des Ortes wohl anzugewehren / und ihr Heer in gute Verfassung zu stellen. In die sichtbare Fläche ordneten sie alles Fußvolck /ein Theil der Reuterey aber versteckten sie seitwerts in die Heynen / damit diese denen auf das Fußvolck loßgehenden Römern in Rücken kämen. Alleine kluge Anschläge / hertzhafte Entschlüssungen sind nur so lange nütze und werth zu halten / so lange sie verborgen bleiben; wenn sie aber verrathen sind / helffen sie so wenig als ein Fluß / dadurch man einen Furth gefunden hat. Dieses Kleinod des Geheimnüsses aber gieng denen redlichen Rachschlägen der Deutschen ab / bey welchen die Fürsten nur übel schlechte / das gantze Volck aber über wichtige Dinge einen Schluß machen muß. Derogestalt ward durch die Marsischen Uberläuffer alles dem Germanicus verrathen / und ihm dadurch Gelegenheit in die Hand gespielt / diß /was zu der deutschen Wolfarth vorsichtig ausgesonnen war / ihnen zum Verterb umzudrehen. Germanicus übergab / weil Stertinius noch lahm war / die Helffte der Römischen Reuterey dem Lucius Sejus Tubero; welcher mit den Rhetiern / Vindelichern /Friesen und Chauzen das Bructerische Fußvolck auf der Seite / wo es ohne Vortheil [1222] das flache Feld vor sich hatte / angreiffen solte. Damit nun die versteckte deutsche Reuterey nicht aus dem Walde hervor brechen konte / ließ Germanicus zweytausend mit Fuß-Angeln und mit grossen Wäld-Aexten versehene Ubier / Menapier und Trierer zwischen der Reuterey dahin eilen / welche mit dem Scipio für kein Hülffs-Mittel hielten den furchtsamen unzählbare Fuß-Angeln gegen den Ort auszustreuen / wo die deutsche Reuterey hervor ko en konte. Sie fällten auch die eussersten Bäume des Waldes nieder / um der Deutschen Reuterey den Ausfall zu verhindern. Der Graf von Lingen / Kwerfurt und Teckelnburg / welche im Walde versteckt hielten / machten sich zwar / als sie eine Weile das Hauen in die Bäume gehöret hatten /herfür; aber es gieng ihnen / wie des Antiochus und Mithridatens Kriegs-Volcke. Denn der Deutschen Pferde traten in die geworffenen Fuß-Angeln und fiel einer hier / der andere dort übern Hauffen / ja der Graf von Lingen hatte selbst dieses Unglück: daß er über einen Hauffen stürtzte und den Arm brach. Unterdessen hatten jene Lufft den Wald derogestalt zu verhauen: daß von der Deutschen Reuterey unmöglich einer durch und dem Bructerischen Fußvolcke zu Hülffe ko en konte. Hingegen ließ Germanicus von aussen den Centronius an der rechten Seite gegen dem Weser-Strome mit der ersten Legion / und dreytausend Chauzen / Friesen / Seqvanern / Heduern und Arvernern zu Fuße / auf der lincken Seite den Vitellius mit der vierzehenden Legion und dreytausend Atrebaten / Bellovacken / und Narbonern in den Wald rücken / und darinnen die Bructerische Reuterey angreiffen; welche / weil ihnen die Pferde zwischen den Bäumen nichts nütze waren / herunterspringen und sich zu Fusse wehren musten / als inzwischen das Bructerische Fuß-Volck gegen die Römische Reuterey gleichfalls ein ungleiches Gefechte auszustehen hatten. So gut es nun dem Germanicus an diesen zweyen Orten glückte / so übel kam er selbst mit seinem eigenen Angriffe / den er als das schwereste Werck selbst auf sich genommen hatte / an dem Tamme der Angrivarier an. Dieses Ortes mühte er sich mit dem Kerne seines gantzen Heeres deßwegen zu bemächtigen; weil er an selbigem Orte denen Cheruskern in Rücken zu kommen / ihnen den Weser-Strom abzuschneiden /und mit seiner grossen Menge Volckes sie vor- und hinterwerts anzugreiffen / folgends auch gar von den Bructerern / Catten / Langobarden und Cimbern abzuschneiden vermeinte; welche ohne diß sich wegen des hinein gehenden Sumpffes und Waldes kaum hundert Schritte zwischen einander freyes Feld hatten. Den er sten Angriff an den Tamm musten auf einer Seite die Trierer / auf der andern die Aqvitanier thun / und diese die Nemeter und Vangionen ablösen. Aber sie wurden von den Angrivariern / welchen der Graf von Ravensberg / und Homburg nebst dem Ritter Hochstraten mit der Lantze in der Hand nicht weniger zu einem Beyspiele der Tapfferkeit / als zu Obersten dienten / so übel empfangen: daß derer wenig / welche oben auf den Wall kamen / lebendig oder unverwundet umkehrten. Julius Florus ward auch selbst mit einem Spisse durchs dicke Bein gestochen und zum Fechten unfähig / Leuchtenburg der Führer der Vangionen aber gar getödtet. Nicht besser gieng es denen Hispaniern und Celtiberiern / welche / wie sehr sie sich vermassen auf diesem Tamme ihre Fahnen aufzustecken / ihnen auch die Köpffe gewaltig daran als einer steinernen Mauer zerstiessen / daß die meisten mit blutigen zurück kamen. Diesen folgten die Helvetier / Vindelicher und Rhetier; welche diesen Tamm gegen ihren hohen Gebürgen nicht für einen Maulwurffs-Hauffen gelten lassen wolten / und dessen Eroberung für eine Kurtzweil hielten; [1223] sie wurden aber gewahr: daß sie an Angrivariern Leute fanden / derer Brust selber unbeweglichen Steinfelsen zu vergleichen war. Weil aber ein Sturm nach dem andern so geschwinde folgte: daß sie kaum Athem schöpffen konten / liessen sie vom Feldherrn Hülffe bitten / welcher auch den Grafen von Schauenburg und Regenstein mit viertausend Cheruskern die Angrivarier ablösete; welche gleich zu rechte kamen / als Apronius mit der gantzen dreyzehenden Legion zu stürmen anfieng / und eine gantze Stunde damit anhielt; also / daß die ein wenig verblasenden Angrivarier den Cheruskern zu Hülffe kommen / ja als auch Silius mit der andern Legion zugleich einen Sturm anordnete / der Feldherr den Grafen von Löwenburg noch mit drey tausend Cheruskern zum Entsatz schicken muste. Wie hitzig nun gleich gefochten ward / und Germanicus endlich selbst seine Leibwache anlauffen ließ / und diese zwey Römischen Fahnen auf den Tamm aufzustecken die Ehre hatten / so bemächtigte sich doch Hallermund der einen / und Brederode der andern Fahn; die Römer musten auch mit Verlust vielen edlen Blutes die zwey erstiegenen Plätze wieder räumen. Germanicus sahe nun allererst mit Verdruß: daß den Deutschen bey gleichem Gefechte / weniger aber /wo sie einen solchen vortheilhafften Stand hätten /nichts abzuringen wäre. Daher muste er sich nicht schämen / so wol die Legionen als Hülffs-Völcker abzuführen; iedoch mit dem Vorsatze zu Abwischung der Schande den Ta zu erobern / es koste auch / was es wolle. Daher befahl er: daß an diesen Ort dreyhundert grosse Geschütze / alle Schleuderer und Schützen gebracht werden musten. Weil nun aus jenen unaufhörlich die grossen alle Pantzer und Harnische durchfahrende Pfeile / von diesen aber unzählbare Rohr-Pfeile abgeschossen und die Lufft von geschleuderten Steinen wie mit Schlossen erfüllet ward / dorffte sich kein Deutscher mehr auf dem Tamme sehen lassen /unterdessen musten die Gallier / Hispanier / Helvetier und Rhetier theils über die Berge / theils durch den Wald einen Weg machen / und die Cherusker zu Zertheilung ihres Volckes nöthigen. Weil nun die Angrivarier und Cherusker derogestalt von sich selbst den Tamm verlassen musten / gab es wenig Kunst selbigen zu behaupten. Gleichwohl wolte Germanicus mit seiner Leibwache die Ehre haben: daß er zum ersten solchen bestiegen und eingenommen hätte; daher sprach er ihnen aufs neue einen Muth zu / und sagte: biß hieher hätten sie mit ihrem Glücke uñ der Deutschen Göttern gefochten; nun aber würden sie mit seinem Glücke / und der Römer Göttern streiten. Auf diese solten sie sich verlassen. Denn wider diese könte die Tugend / ja das Verhängnüs selbst nichts ausrichten. Germanicus führte also die Leibwache selbst über den Tamm / welchem beyde Legionen und die Hülffsvölcker folgten. Die Deutschen stellten sich hinter dem Tamme / zwar in eine neue Schlacht-Ordnung; Alleine ob zwar die Geschütze dahin nicht mehr zielen konten / hatten doch die Schützen und Schleuderer die beste Gelegenheit von dem Tamme sie mit Pfeilen und Steinen zu ängstigen / und die Legionen sie gleichwol unbeschadet anzugreiffen. Diesem zweyfachen Sturme nun zu entgehen / war kein ander Mittel dar / als daß die sieben tausend Cherusker und dreytausend Angrivarier in Mangel des flachen Landes sich in Wald ziehen musten. Germanicus ermahnte alle bey sich habende Macht den Feind zu verfolgen / und diesen Tag dem Kriege mit Vertilgung der wilden Cherusker / welche nach abgeschnittenem Strome nunmehr nirgends hin entfliehen könten / dem Kriege ein Ende zu machen. Also drangen beyde Legionen / mit denen ausgelesenen des Germanicus / der Kayserlichen Leibwache und den Hülffs-Völckern in Wald nach / darinnen die nicht das dritte Theil so starcken Cherusker und Angrivarier einen schweren Stand hatten; weil sie [1224] wegen der Bäume ihr bestes Gewehre nemlich die langen Spiße und Schilde entweder schwer oder gar nicht / die Römer aber ihre kurtze Degen gegen die unverwahrten Glieder der Deutschen füglich brauchen und ihre rundten Schilde an die Brust andrücken konten. Uber diß waren beyde streitende Theile hier einander so nahe auf dem Halse / daß weder eines noch das andere weichen konte /sintemahl die Römer auf einer Seite vom Fluße / auf der andern von Bergen eingeschlossen waren / die Deutschen einen tieffen Sumpff am Rücken hatten /und in diesem Gedränge sich ihrer Geschwindigkeit im Anfalle und in der Wendung nicht bedienen konten. Nichts desto weniger wehrete ein ieder seinen Mann / und fiel keiner ungerochen; oder wenn es ja geschahe / waren ihnen die Römer nicht an Tugend /sondern an Geschickligkeit der Waffen überlegen. Centius und Cethegus rufften den Deutschen zu: Sie sähen ja / daß sie alle verlohren wären; also solten sie sich der Gnade des Germanicus untergeben und die Waffen niederlegen. Alleine auch die gemeinen Kriegs-Knechte antworteten ihnen: Ob sie nicht wüsten / daß die Waffen nicht weniger als die Hände selbst den Deutschen angewachsen / und ihnen erträglicher zu sterben wäre / als sich entwaffnen lassen. Sintemahl bey den Deutschen die mit den Waffen sich ergebenden nicht nur wie bey den Römern für unehrlich gehalten und nicht gelöset / sondern ihnen wie bey den Scythen die Hände als untüchtige Werckzeuge abgehauen würden. Germanicus zohe hierüber /um desto kenntlicher zu seyn / den Helm vom Haupte und ruffte: sie solten im Niedermachen der Feinde sich nichts irren lassen. Den Römern wäre mit so nackten und hartneckichten Gefangenen nichts gedienet; und dieser Krieg liesse sich nicht anders als durch gäntzliche Austilgung der Cherusker ausmachen. Der Feldherr war ihrentwegen sehr bekümmert; weil er diesen Bedrängten keine Hülffe leisten konte / in dem sie theils vom Feinde / theils durch den Sumpff von ihm abgeschnitten waren / und er wider die feindliche Reuterey und die andere und vierzehnde Legion auch alle Hände voll zu thun hatte. Auf der andern Seite des Römischen Einbruches hatte es sich anfangs ziemlich gefährlich angelassen / und der an die Spitze der schlimsten Orte sich stellende Ingviomer mit genauer Noth verhüten können: daß das Fußvolck der Bructerer von des Tubero Reuterey / und der nachdrückenden sechzehenden Legion nicht getrennet ward. Nach dem aber auf der einen Seite der Graf von Solms und Isenburg mit zweytausend Catten zu Fuße / welche aller Reuterey gewachsen seyn / auf der andern Hertzog Jubil mit tausend Hermunduren zu Pferde den Tubero angrieffen / und Ingviomer wie ein Blitz allenthalben dem feindlichen Einbruche begegnete / kriegte der Streit ein ander Gesichte / und das den Hertzog anfangs zu verlassen dräuende Glücke schien sich nun wieder mit seiner Tugend zu vermählen. Denn die Catten zwangen die Thracische und Mäsischen Reuter zu weichen / Tubero ward auch selbst vom Grafen von der Lippe verwundet / und weil noch tausend Cimbern zu Pferde dazu kamen /konte die Römische Reuterey nicht länger Stand halten / sondern muste sich wenden. Die sechzehende Legion drang zwar mit einer zugespitzten Schlacht-Ordnung herfür / aber die Bructerer / welche die Reuterey ausgethauert hatten / hielten es nur für Kurtzweil mit dem Fuß-Volcke zu treffen. In den Wäldern hatte der Graf von Teckelnburg mit seiner abgesessenen Reuterey zwischen einem Ausgange der Weser eine halbe Insel / der Graf von Kwerfurt aber in dem andern Walde einen Hügel eingenommen; daher jenem Centronius mit den Chauzen / Friesen / Tribochen /und der ersten Legion / diesem aber Vitellius mit den Galliern und vierzehenden Legion mehr keinen Abbruch thun konten. Cethegus hatte zwar [1225] die Sicambrer / Tencterer und Ubier über den Sumpff mit Reysichte einen Weg bähnen lassen / und wolte mit diesen Hülffs-Völckern und der fünfften Legion durch den Wald einbrechen / und die Bructerer auf der Seite antasten; aber er fand daselbst den Grafen von Gleichen mit tausend Hermunduren / den Graf von Barby und Schwartzenburg mit zwey tausend Langobarden / den Grafen von Holstein und die Ritter Buchwald und Blume mit tausend Cimbern in voller Bereitschafft; welche den Cethegus über Hals und Kopff zurücke /und grossen Theils in den Sumpff trieben. Hertzog Herrmann hatte inzwischen als ein seiner Jungen beraubter Löwe schäumende und verzweiffelnde / weil er seine im Walde umringte Cherusker / und Angrivarier nicht retten konte / die feindliche Reuterey mit allen Kräfften bestritten; und / nach dem Bojocal und Flavius auffs neue verwundet / die Hülffs-Völcker zu Pferde vom Waldeck in die Flucht gejagt waren / nun mehr nebst dem Grafen von Nassau / Ravenstein /und der Marck den Emilius und Pedo gezwungen hinter die ein und zwantzigste Legion zu weichen. Der Feldherr aber ließ den Grafen von Hohenloh und Delmenhorst auf diese vorbrechen / den Grafen von der Marck auf der Seite dem Centius einbrechen; er und Ravenstein aber verfolgten den Emilius und Pedo /ungeachtet er mit einem Pfeile in Arm verwundet war / und biß Geschoß in der Wunde muste stecken lassen. Emilius und Centius musten ihren Nothstand dem Germanicus in Wald zu wissen machen; allwo die Cherusker und Angrivarier / von denen aber Homburg / Hochstraten und viel tapfere Ritter mit der Helffte des Volckes geblieben waren / sich in den Sumpff zu verfügen waren genöthiget worden; darinnen sie zwar biß in Gürtel oder auch an die Achseln stunden / und mit ihren langen Spissen sich die darein nicht wagenden Römer vom Leibe hielten / viel aber der ihnen nachwatenden Helvetier erlegten. Ihr Glücke war: daß in diesem Sumpffe viel Bäume und Schilff stand / wormit sie für den Pfeilen der Bogenschützen verdeckt wurden. Denn sonst würde keiner entronnen / sondern alle im tiefferen Schlamme erstickt / oder ein Ziel und Kurtzweil der allerfurchtsamsten Feinde worden seyn. Germanicus hatte mit seiner Leibwache und der andern Legion sich nur gewendet / und die dreyzehende zu Verfolgung der Cherusker und Angrivarier / welche die Römer zur Nachwatung noch immer schimpflich ausforderten / befehlicht / als er vom Cäcina und Cethegus ebenfalls schlechte Zeitung ihres Zustandes halber bekam; daher muste er nur auch dem Apronius befehlen mit der dreyzehenden Legion abzuziehen. Germanicus traf die Römische Reuterey durchgehends zerstreut / und die ein und zwantzigste Legion in eben so schlechtem Zustande an: daß er sich gezwungen befand vom Treffen abblasen zu lassen / und sein Kriegsherr zusammen zu ziehen; weil doch / seinem Vorgeben nach /sie für diesen Tag sich an ihrer Feinde Blute genungsam gesättigt hätten / auch in diesen Sümpffen und Wäldern bey anbrechender Nacht wenig mehr auszurichten wäre / und die Feinde darinnen ersticken oder erhungern müsten. Weder der Feldherr noch Ingviomer hielten für rathsam sich aus ihrem Vortheil zu begeben / und die Römer zu verfolgen; sondern vergnügten sich: daß auch dißmahl weder die Macht noch die Arglist der Feinde ihrer hätte Meister werden können; ja auf Römischer Seiten ihrer ehe mehr / als auf deutscher erlegt worden wären; liessen also die Römer ihr Lager eine viertel Meile von dar unverhindert schlagen. Nach dem aber der Abgang am schwächern Theile alle Zeit sichtbarer als am stärckern ist /befand Ingviomer nunmehr mit dem Feldherrn für gut die zwey Eingänge ihres Lagers / nach dem Beyspiele der Angrivarier / mit einem zweyfachen Tamme und beyde [1226] mit einer Brustwehre / hinter welcher sie für allem Geschoß sicher stehen könten / zu befestigen; also daß wenn schon die Römer mit ihrem Geschütze den ersten wieder antasteten und eroberten / doch der andere ihren Sturm austauern könte. Uber diß schlugen sie auch über die Weser zwey Brücken / damit sie sich der Zufuhre und anderer Vortheile desto besser bedienen konten. Der Feldherr ließ abermahls an Versorgung der Verwundeten / an Beschenckung der tapferen nichts erwinden / und zohe in wenig Tagen vier tausend Cherusker an sich. Kurtz darauf kriegte er Nachricht: daß vier Meilen oberhalb des Lagers die zurückkommenden fünf tausend Longobarden über die Weser gegangen wären / welche sich folgenden Tag auch bey ihm im Lager einfanden. Germanicus kriegte nicht allein hiervon / sondern auch vom Aufstande der Angrivarier und Marsen / wie auch / daß Marbod sein Volck aus dem Gebiete der Hermundurer und Longobarden zurück gefordert hätte / die Catten aber in Gallien nach ihrem Willen hauseten / umständliche Nachricht; welches alles ihm nicht wenigen Kummer erweckte. Denn er sahe für Augen: daß die Sicambern / Chauzen und Friesen der Römer mehr /denn zu viel überdrüßig waren / und wenn sie ihre Füsse nur aus den Römischen Fesseln ziehen könten /sie die erste beste Gelegenheit nicht versäumen wür den. Worzu denn ein einiger glücklicher Streich / den die Deutschen ihm versätzten / genung seyn / und denen meisten die Larve vom Gesichte ziehen würde. Auf welchen Fall ihm der Rückweg schwerer als vor einem Jahre dem Cäcina fallen dörffte; welcher den Germanicus treulich warnigte / er möchte bey schon angehendem Herbste die Uberfarth nicht versäumen /sondern zum wenigsten wieder über die Weser gehen und an den Angrivariern ein Beyspiel andern unruhigen Völckern zur Lehre ausüben: daß die Römer mit ihnen nicht schertzen / und Aufrührer niemahls ungestrafft liessen. Germanicus ward froh: daß Cäcina /Silius / und andere Kriegs-Häupter zu dem riethen /was er zwar selbst fürs sicherste / aber ihm für verkleinerlich hielt / daß es von ihm herkommen solte. Er stifftete auch einige verträuliche Hauptleute an: daß das Kriegsvolck um eben diß bey ihren Befehlhabern Ansuchung that / weil Segesthes / Flavius und Bojocal / welche den Feldherrn mit allen Cheruskern in ihrer Einbildung schon verschlungen hatten / wider die vorhabende Rückkehrung aufs verkleinerlichste murreten. Diesem nach ließ Germanicus seine Legionen und alle Hülffs-Völcker um sich in einen Kreiß stellen / und redete sie an: den Göttern und euer Tugend habe ich zu dancken: daß ich in einem Sommer zwey grössere Siege wider die Deutschen erhalten /als sich Rom in funffzig Jahren über sie zu rühmen hat. Zwischen dem Rheine und der Elbe ist von allen unbändigen Völckern keines mehr übrig / das sich gegen euch im Felde zu stehen getraue. Alle hertzhaffte Cherusker / Bructerer / Chamaver und Angrivarier haben ins Graß gebissen; der Verzagten wenige Uberbleibung hat sich wie Frösche zwischen die Pfützen /oder wie Maulwürffe in Löcher versteckt. Diese muß die Zeit und der Hunger hervor locken; ihr aber seyd viel zu edel: daß ich euch wider Sümpffe und Hecken in Krieg führen / oder wie Hunde nach Dachsen in Löcher jagen solte / an welchen man ihm wol viel Ungemach / aber keine Ehre erholen kan. Nehmet euch der eitelen Reden nicht an: daß / so lange noch was im Kriege auszumachen übrig bliebe / nichts gethan wäre; und das nicht mit der Wurtzel ausgerottete Unkraut wieder käumte / ja für eines enthaupteten Deutschen Kopff wie an der grossen Wasser-Schlange des Hercules ihrer zwey an die Stelle wüchsen. Tapfere Leute müssen sich weder eitele Ehre / noch falsch eingebildete Schande zur Verwegenheit verleiten lassen. Der Tugend läst sichs leicht Mängel ausstellen / aber schwer einen [1227] Schandfleck anhencken. Es ist der gerädeste Weg zur Ehre / die Eitelkeit der Ehre verachten. Lasset sie unsere Vorsichtigkeit für Furcht / unser Behutsam gehen für Langsamkeit schelten; Es ist besser: daß uns ein kluger Feind fürchte / als ein thörichter Bürger lobe. Wenn wir uns an diesen Bäumen den Kopff zerstüssen / in diesen Pfützen zu tode mergelten / würde uns Herrmann mit Fug auslachen / welcher uns zeither gefürchtet hat / und bey unser Behutsamkeit alle Tage mehr fürchten wird. Lasset uns diesemnach für biß Jahr unserm Siege ein Ziel stecken /uns die Vernunfft leiten / nicht aber das Glücke verleiten / noch künftige Gelegenheit den Krieg auszumachen versäumen. Es ist besser mit sicherer Langsamkeit / durch welche Fabius das verlohrne Rom wieder zu Stande gebracht / bey welcher Hannibal alle seine Feinde gefähret hat / und niemahls betrogen worden ist / über einem Wercke zwey / als mit blinder Ubereilung einen Tag zubringen / und alles nach Klugheit / welche immer und allenthalben die beste Richtschnur ist / und ewig seyn wird / abmässen; nichts aber von dem blossen Ausschlage urtheilen /welcher der Narren Lehrmeister ist / und insgemein anders fällt / als es ihnen die vorsichtigsten hätten träumen lassen. Mit einem Worte: Lasset uns biß zum Früh-Jahre zu unser gedeylichern Verpflegung an Rhein zurücke kehren / und nicht so wohl den Feind als euer Gelücke Lufft schöpffen. Glaubet aber: daß die Cherusker und Bructerer schon überwunden sind /wo wir durch Mäßigung unser Sieges-Begierde uns für dißmahl zu überwinden wissen. Das gantze Römische Heer billigte mit Zusammenstossung der Waffen die vorgeschlagene Rückkehrung; weil sie ohne diß gantz abgeschlagen und entkräfftet / auch länger im Felde zu stehen nicht fähig waren. Ungeachtet nun ihr voriges Sieges-Maal nicht drey Tage gestanden hatte /und Germanicus ihm vom künfftigen kein beständiger Glücke einbilden konte / so meinte er doch seinen Sieg durch ein neues in der Welt groß zu machen. Daher ließ er auf dem höchsten Hügel selbiger Gegend alle Waffen der Deutschen / so viel derer noch könten zusammen gelesen werden / über einen Hauffen tragen / einen Stein aufrichten und in selbigen diese mehr Hoffart als Wahrheit in sich haltende Worte eingraben: Das Kriegs-Herr des Kaysers Tiberius hat nach Uberwindung aller zwischen dem Rheine und der Elbe wohnender Völcker dieses Gedächtnüs-Maal dem Kriegs-Gotte / dem Jupiter und August gewiedmet. Von sich wagte sich Germanicus nichts beyzusätzen entweder aus eigener Gemüthsmäßigung / weil er sich bescheidete: daß man alle tapfere Thaten seinem Fürsten als der ersten Bewegung im Reiche zuzueignen schuldig wäre; oder aus Beysorge beym argwöhnischen Tiberius in unausleschlichen Neid zu verfallen. Sintemahl die Tugend des Gehorsams / die Mäßigung des Eigenruhmes die einigen Mittel sind dem Hasse zu entfliehen / und doch des Ruhmes nicht zu entpehren / welcher ins gemein wie besessene Schätze vergebens gesucht wird. Denn ausser dem sind grosser Leute Verdienste ihnen ehe ein Fallbret / als eine Ehren-Leiter. Denn bey bürgerlicher Herrschafft geräthet er alsbald in Verdacht: daß wie er allen an Tugend überlegen ist / er auch über alle zu herrschen verlange. Welch Mißtrauen die tapfersten Leute in Grund gestürtzet / und verursacht hat: daß ihrer viel die Segel ihres Glückes einziehen; Conon in Cypern / Iphicrates in Thracien / Timotheus auf Lesbos / als gemeine Bürger leben / Chabrias sein Vaterland Athen / und Xanthippus das durch seine Siege erhaltene Carthago verlassen müssen. Fürsten aber haben ihr Auge nicht so wohl auf das Aufnehmen ihrer Herrschafft / als sie Unmuth schöpffen: daß iemand anders als sie was grosses zu thun fähig sey. Sie bilden [1228] ihnen ein: daß alle ihre / sie aber niemandens Schuldner seyn; oder wenn sie sich einer Verbindligkeit überzeugt wissen / können sie denselben nicht lieben; wenn er aber durch Ruhmräthigkeit ihnen ihre Schuld fürrückt / hören sie nicht auf ihn zu hassen / als biß er gar zu seyn aufhöret. Also glückt es dem hundersten nicht / der gleich eine freye Zunge /ein unverzagtes Hertze und eine unüberwindliche Standhafftigkeit hat: daß er den Neid mit Füssen treten / und durch seine Tugend alles Mißtrauen wie die Sonne den Nebel niederschlagen könne. Germanicus traute ihm diß nicht zu / ob er schon von so hohem Geblüte von so grossen Verdiensten war / und acht Legionen sich wider Haß und Neid zu schützen in Händen hatte; iedoch halff ihn auch seine Bescheidenheit nicht: daß Tiberius selbte für blosse Künste seine Herrsch- und Ehrsucht zu verdecken aufnahm / und ihn so viel mehr verdächtig hielt / ie weniger er sich verdächtig machte; zumahl da das Römische Volck den Germanicus über alle vorige Helden erhob / und durch seine Erhöhung den Tiberius gleichsam verkleinerte. Germanicus brach also auf / und ließ durch die Reuterey alle Scheuern und Mühlen anzünden / alles Acker- und Wirthschafftszeug zernichten. Dieses war dem Feldherrn eine so freudige als dem Landmanne eine traurige Zeitung. Er tröstete aber diese damit; daß diese Verheerung eine unfehlbare Wahrsagung des Römischen Abzugs wäre. Sintemahl kluge Feinde darinnen ihre Verbitterung mässigten: daß sie der Ackerleute und des feindlichen Landes schonten und nur wider die Gewaffneten ihren Zorn ausschütteten. Massen der Feind / so lange er noch was zu verlieren hat /gegen uns furchtsam verfähret / nach dem aber alles verlohren / sein Leben wenig mehr achtet und desto verzweiffelter sicht. Hingegen gewinne man durch Verschonung des Landes den Ruhm der Gelindigkeit /und daß man das eingenommene zu behaupten getraue / bey dessen Verwüstung man selbst nicht lange in des Feindes Lande stehen könte. Diese Muthmassung traf auch richtig ein. Denn Germanicus gieng geraden Weges über seine erste Brücken zurück über die Weser; weil aber Bojocal ihm beweglich anlag: er möchte doch seine aufrührische Unterthanen wieder zum Gehorsam bringen; gab er ihm den Stertinius mit aller Reuterey / nebst der andern und dreyzehnden Legion unter dem Silius zu / welche ohne diß zu Lande an den Rhein zurück kehren solten. Die Deutschen entrüsteten sich über diesem / wiewol viel ruhmräthigerm Sieges-Maale sich so sehr nicht / als über dem erstern; sondern machten nur ein Gelächter daraus; gleich als wenn Germanicus seine und der Römer Schwachheit durch nichts mehr als durch solche Gedächtnüsmaale / welche nicht das Alter dreyer Tage erreichten / hätte verrathen können. Sie trieben daher mit selbtem allerhand Spott / und liessen es eine zeitlang stehen: daß sie es als ein Denckmaal der Römischen Eitelkeit denen Ausländern zeigen konten. Die Römischen Gefangenen musten darbey am meisten leiden / welche von den Deutschen ermahnet wurden: Sie solten doch den Germanicus zurück ruffen und erinnern: daß er sein auf das Melibockische Gebürge gelobtes Siegesmaal aufzurichten nicht vergessen solte. Andere maaßen dem Germanicus bey: daß er mit den Cheruskern nicht ehe / als an der Elbe vom Friede zu handeln sich hätte verlauten lassen / fragten also: ob er vom Craßus oder denen Etoliern diese Großsprecherey gelernet hätte? indem jener denen Parthischen Gesandten die Ursache des Krieges aller erst zu Selevcia eröffnen / diese dem Flaminius an der Tyber hätten antworten wollen.

Ehe der Feldherr nun gewisse Nachricht / wo Germanicus sich eigentlich hingewendet hätte / erreichte /und über die Weser kommen konte / war Silius und Stertinius schon in dem Gebiete der Angrivarier; und Germanicus hatte gegen der Emß einen solchen Vorsprung: daß ihn einzuholen weder möglich noch sicher war. Bojocal traff in seinem [1229] Lande fast keinen streitbaren Mann / sondern nur Weiber und Kinder an. Denn das Geschrey von der Römer Ankunfft hatte gemacht: daß alles / was fliehen können / sich gegen der Lippe auf und davon gemacht hatte. Dahero dorffte es gegen diese unbewehrte Uberbleibung keines Schwerdt-Streiches / sondern alles demüthigte sich unter die Füsse der Römer und Bojocals; welcher aber wegen verlautender Nachfolge des deutschen Heeres sich in seinem eigenen Lande nicht sicher schätzte /sondern mit dem Silius an Rhein zoh. Germanicus zohe mit seinen sechs Legionen und denen übrigen Hülffs-Völckern an der Emße hinab / auf welcher ihm die kleinen Schiffe entgegen kamen. Als er nun mit dem Flavius / Segesthes und andern Kriegs-Häuptern am Ufer mit Einladung des Kriegs-Volckes beschäfftiget war / kam ein kleines Schiff mit einem weißen Segel die Weser herab gefahren. Die Boots-Leute waren zwey Weiber; in der Mitte saß eine betagte Frau in einem schneeweißen Kleide / welches um den Leib mit einem messenen Gürtel zusammen gefast /das graue Haar aber zerstreuet / und ihre Füsse nackt waren. In der rechten Hand hielt sie ein Messer / in der lincken einen Ertztenen Ring. So bald die Chauzen und andere Deutschen ihr gewahr wurden / neigten sie sich gegen selbter an dem Ufer mit grosser Demuth und Ehrerbietung; an welches sie auch nicht weit vom Germanicus anlendete und ausstieg. Die Römer selbst / als sie höreten: daß diß eine Alironische Priesterin und Wahrsagerin wäre / bezeugten sich ihrer Gewohnheit nach gegen sie nicht anders /als gegen die Vestalischen Jungfrauen. Weil sie nun nach dem Fürsten Flavius fragte / ward sie zu ihm gewiesen / und alles Kriegs-Volck wiech ihr mit dem schweresten Geräthe aus dem Wege. Germanicus und Flavius machten hierüber grosse Augen; als sie aber etwan auf zwölff Schritte sich näherte / erkennte sie Flavius für seine Mutter Asblaste. Daher er sie zu umarmen begierig ihr entgegen lieff; sie aber hielt mit ausgestrecktem Arme und Messer ihn vom Leibe. Flavius fieng hierüber an: Erkennet sie nicht / liebste Mutter / ihren Flavius? Asblaste aber fiel ein: Ich sehe weder den Flavius / noch meinen Sohn. Denn mein Flavius hatte zwey Augen / du aber nur eines; oder / wo ich nach deinem Thun urtheilen soll / gar keines. Denn wie kan dieser sehen / der in sein Unglück und Verterben spornstreiches rennet? Ich befinde mich / wo ich nicht irre / hier in einem feindlichen Lager; wie solte ich mir denn einbilden meinen Sohn zu finden / wo Waffen und Verstand auf Deutschlandes Untergang geschärfft werden? Die den Eltern schuldige Ehrerbietung wird zwar der Pflicht gegen GOtt gleiche geschätzt / aber doch der Liebe gegen das Vaterland zu Füssen gelegt. Da diese nur hier keinen Stand hat / wie solte ich denn ein Kind hier suchen? Ehrliche Leute können bey fallendem Vaterlande nicht stehen bleiben / sondern suchen in desselben Asche ihr Begräbnüs; wie solte denn mein Sohn in diesem Schlangen-Neste / wo man nur Gifft und Galle wider die Cherusker kochet / seinen Aufenthalt finden? Liebste Frau Mutter / brach Flavius ein / sie enteussere sich doch nicht der Eigenschafft eines gerechten Richters: daß sie mich nemlich ehe höre / als verdamme. Sie verbanne mich nicht aus ihren Augen; sie verschlüsse dem nicht die holdseligen Mutter-Armen / der so lange unter ihrem Hertzen und in ihren Eingeweyden verschlossen gewest ist. Hiermit näherte er sich ihr abermahls / sie aber hielt wiederum das Meser für und fieng an: Ich kan mich ehe nicht anrühren / weniger umarmen lassen / ehe ich weiß: ob ich zum Feinde oder zu meinem Sohne kommen sey; ob ich von einer Schlange oder von einem Kinde umfasset werde. Was zweifele ich aber an dem / was mir dieser rauschende Fluß / die rasselnden Blätter dieser[1230] Bäume ins Ohr sagen: daß Flavius den Degen wider seine Mutter / seinem Bruder / und wider sein Vaterland gezückt habe. Wie bin ich doch zu allem Unglücke so altworden: daß ich eine Mutter dessen würde / welcher Deutschland / und dieses ihn für Feind erkläret hat! Wie kanstu es übers Hertze bringẽ der Erde beschwerlich zu seyn / die dich gezeuget und genähret hat? hat dir das Hertze nicht geklopffet / als du den Römischen Adlern den Weg über diesen Fluß gewiesen; daß sie dein Vaterland zerfleischen / und an Deutschlande als an einem Aste nagen könten? O wie glücklich wäre Asblaste / wenn sie nie oder zum andern mahl nicht gebohren hätte! Denn so wäre ich ja keine Natter-Mutter; und die Weser schmachtete nicht unter dem Joche der Römer. Hätte ich nur einen /nicht zwey Söhne / so hätte Deutschland wohl einen Beschirmer aber keinen Todfeind seiner Freyheit. Die Nachwelt wird mich für ein Wunderwerck und für ein Ungeheuer unter den Müttern halten: daß ich am Hermann so gar was gutes und mit dem Flavius so gar was böses ans Licht gebracht. Man wird meinen Leib einer trächtigen Wolcke vergleichen / welche nicht weniger kalten Hagel als brennenden Blitz gebieret. Wie viel scheltbarer bin ich / als Hecuba / welche zwar an Paris eine ihr Ilium anzündende Fackel gebohren hat. Denn ihr Sohn hat nie / wie meiner / wie der / sondern fürs Vaterland gefochten. Jedoch trage ich hieran keine Schuld. In meinen Adern hat niemals was knechtisches / in meinem Hertzen nichts falsches gesteckt. Ich muß gedencken: daß offt aus einem Stamme so viel gemeines / als köstliches Aloe- oder Adler-Holtz wachse. Flavius aber kan sich mit nichts als mit der Hefftigkeit seiner Herrschens-Begierde entschuldigen. Deutschland schlägt über ihn die Hände für Jammer zusammen / und rechnet ihm zu: daß den Müttern aus der Schoos ihre Kinder / den Männern ihre Weiber von der Seite / denen Jungfrauen die Keuschheit aus dem Hertzen gerissen / die Länder beraubet / die Häuser verwüstet / die Heiligthümer eingeäschert / die Flüsse mit Menschen-Blute besudelt / und durch den Muthwillen der Feinde alles mit Leichen / Leid und Mord erfüllet worden. Alle diese Greuel rühren vom Flavius / Flavius aber von mir her. Warlich! die heilige Asche deiner fürs Vaterland erblichenen Ahnen wird durch dein Laster beunruhigt / und ihr Gedächtnüs durch deine Schande verunehret. Wie glückselig wärest du / wenn du weniger edel wärest! denn hoher Stand erhöhet wie ein Firnis eben so wol diß / was heßlich / als was schön ist. Wie glückselig aber wäre ich bey diesem eussersten Unglücke! wenn dieses Messer heute den Flavius Deutschlande zu einem Reinigungs-Opffer abschlachten / mit seinem Blute diesen beleidigten Strom versöhnen / und den Greuel des Cheruskischen Hauses ins Meer schwemmen könte! Alleine der Tod ist vielmehr alles Ungemachs Ende als eine Straffe der Boßheit; und diß mein Vorhaben keine sattsam scharffe Seiffe diese Schmach von Deutschen abzuwaschen. Manlius Torqvatus tödtete seinen Sohn: daß er wider Befehl fürs Vaterland tapfer und glücklich gefochten hatte. Muste dieser nun wegen seiner unzeitigen Tugend sterben / was hat Flavius wegen seines grausamen Lasters zu leiden? Scaurus wünschte seines Sohnes Leiche und Beine auf der Walstatt zu zertreten; aber der Flüchtige dorffte ihm nicht unter die Augen kommen. Wie erkühnest denn du Flavius dich mit deinen besudelten Händen mir unters Gesichte zu kommen? Meinestu: es lebe in Deutschland kein Junius Brutus / kein Aulus Fulvius / der seinen wider die Freyheit des Vaterlandes kämpfenden Sohn abzuschlachten übers Hertz bringen könne? Lebet aber kein solcher Vater / so lebet doch eine solche Mutter. Mit diesen Worten sprang Asblaste wie ein Blitz auf den Flavius zu; gab ihm auch einen [1231] Stich in die rechte Brust / hätte derer ihm auch noch mehr versätzt /wenn nicht die nechsten Römer dazwischen gesprungen / und Flavius auf die Seite gebracht worden wäre. Asblaste drehete hiermit gegen dem Ufer umb / trat in ihr Schiff und fuhr die Weser hinauf / ohne daß ein einiger Mensch ihr das wenigste in Weg legte / oder sie deßwegen rechtfertigte; entweder weil iederman über dieser That erstarrte / oder Asblaste etwas übermenschliches an sich hatte / welches auch den keckesten verbot an eine so heilige Frau die Hand zu legen. Nach vergangener Entstaunung fragte ein ieder den andern und Germanicus selbst: warum sie niemand aufgehalten hätte? Etliche hielten es für eine Zauberung; Flavius aber / welcher wegen des auf eine Rippe getroffenen und seitwerts abgeglittenen Stiches nicht gefährlich verwundet war / erkennte nach seiner Verbind- und Erholung: daß der Finger Gottes mit im Spiele gewest wäre. Wie ihm deñ dieser Stich / noch mehr aber seiner Mutter Worte so tieff waren zu Gemüthe gestiegen: daß ihn nach der Zeit niemand lachen sah / und er sich durch kein Mittel von seiner Schwermuth auswickeln konte.

Germanicus ward über dieser Begebnüs nicht wenig bestürtzt / sonderlich / da ihm ein Römischer Hauptmann berichtete: daß Asblaste bey ihrem Abschiede sich gegen das Ufer gewendet / und sie angeredet hätte: ziehet nun i er hin / ihr Römer! ihr werdet des Wiederko ens wol vergessen! denn dieser erzürnte Fluß wird alle sein Wasser in Schiffbruchs-Wellen verwandeln / und eure Schiffe wie dieser kleine Wirbel den Schaum umdrehen. Gleichwol aber ließ sich Germanicus nicht irren / das Volck auf die Schiffe zu bringen; entweder weil man die Schickungen des Verhängnüßes / wenn selbte gleich einem vorher gesagt werden / nicht verhüten kan; oder weil Germanicus sich auf sein Glücke verließ und die Wahrsagungen als gegen ihn unvermögend / oder gar als eitel verachtete; ungeachtet der aufgehende Mohnde ziemlich dicke Hörner hatte / viel Sterne fielen / die Meerschweine auf der See schertzten / und andere Zeichen des Ungewitters sich ereigneten. Uber dieses hielt ein Chauzischer Edelmann dem Germanicus ein: daß in denen Nordländern gewisse Menschen Sturm zu erregen und Wetter zu machen wüsten; daher auch nichts seltzames wäre; daß die zu Schiffe gehenden den Wind auf gewisse Zeit zu kauffen pflegten. Germanicus aber gab ein Lachen darein / und sagte: er wäre kein verzagter Xerxes / dessen gantzes Kriegs-Heer ein über den Weg gelauffener Hase / welcher doch das furchtsamste Thier in der Welt seyn solte / so erschreckt hätte: daß er seinen Zug zu ändern wäre veranlast worden. Nichts desto weniger nahm sich selbst Cäcina dieses Dinges an / und rieth die Schiffarth etliche Tage zu verschüben; weil gleichwol der Mensch als ein Begrieff der grossen Welt alle ihre Kräfften /und derogestalt der Steine / Kräuter und anderer Geschöpfte / also mehr / als man sich ins gemein von ihm einbildete / in sich hätte. Könte nun ein Basiliske mit seinem Ansehn tödten / ein triefäugendes Weib mit ihrem Ansehen versehren / ein Jäger durch seinen Anblick machen: daß die Falcken aus der obersten Lufft zur Erde fallen müsten / warum solte es unmöglich seyn durch zauberische Künste die See zu beunruhigen? da Nectanebus in einem Becken durch Uberstürtzung wächsener Bilder eine grosse Kriegs-Flotte zu Grunde gerichtet hätte. Die der Vernunfft zu wider lauffende Eitelkeiten wären zwar nicht knechtisch zu fürchten / aber auch nicht liederlich in Wind zu schlagen. Hätte doch der kluge August ihm daraus eine böse Wahrsagung gemacht: daß ihm der lincke Schuch zum ersten wäre angezogen worden. Germanicus aber hatte allzuviel Geist: daß er sich hierdurch an seinem Vorhaben hätte sollen irren lassen / sondern er segelte bey gutem Wetter und gewünschtem Winde aus der Emße ins Meer. Es war eine Lust zu sehen /wie mehr als tausend Schiffe solches gleichsam in eine bewohnte Stadt verwandelten. Es schäumete[1232] gleichsam von eitel Perlen und Silber / welche durch die unzählbare Ruder und durch so viel die Fluth durchschneidende Schiffe aus ihrem zertheilten Wasser-Schatze darüber gestreut wurden. Die einfallende Nacht stellte denen Schiffenden einen zweyfachen Hi el für Augen; weil sie über ihnen keinen Stern zu Gesichte bekamen / der ihnen nicht in der blauen See durch einen annehmlichen Gegenschein als in einem Spiegel in die Augen fiel. Die Schiffleute spotteten derer / welche auf Asblastens Dreuungen das geringste Absehen gesätzt hatten / uñ waren so sehr von Hofnung bald die Farth des Drusus zu erreichen / als die Segel von Winde angestüllet. Die Mitternacht aber unterscheidete nicht weniger das gute und böse Wetter / als das Ziel des einen und andern Tages. Denn es zohe sich aus Norden anfangs eine kleine /hernach rings umher viel schwartze Wölckẽ empor /welche anfangs durch Verhüllung des Gestirns den Augen das schöne Ansehen / der Nacht ihr Licht / und den Schiffen ihre gerade Farth benahmen / die Ohren aber theils durch der fallenden Schlossen / theils durch das Brausen der schäumenden Wellen erschreckten. Die Bootsleute musten über Hals und Kopf die Segel abfallen / und weil weder die Ancker hafften wolten / noch in dieser blinden Farth die Steuer-Ruder zu brauchen waren / dem Winde und Wellen den freyen Willen lassen. Hi el und Meer fiengen gleichsam mit einander einen Streit an / wer unter ihnen mehr Gewalt hätte. Deñ jener vermischte Hagel und Platzregen mit einander; die berstenden Wolcken speyten Blitz und flüssendes Feuer von sich; das Meer aber dreute mit seinen Wellen nicht nur die Schiffe zu zerschmettern / sondern auch ihre Fluth entweder mit dem überirrdischen Wasser zu vermengen / oder die hi lischen Lichter anzuleschen. Die Kriegsleute zitterten und bebten nicht nur weil sie des Meeres und Sturmes ungewohnet waren / sondern auch denen verwegensten Schiffleuten die Furcht des Todes an ihrer Verblassung ansahen. Ihr Vorwitz oder vielmehr die Begierde zu leben veranlaßte sie zu einer unzeitigen Dienstfertigkeit; indem ieder denen ermüdeten Bootsleuten zu helffen eilte / solche aber nur mehr in ihrer klugen Anstalt hinderte. Die Winde selber stritten gleichsam mit einander / welcher unter ihnen die Macht der in diesem Meere schiffenden Stadt Rom zerdrümmern solte. Anfangs trieb ein Ostwind sie gegen Britannien / hernach schlug sie ein West wieder zurück und in höchste Gefahr auf denen für dem Chauzischen Ufer liegenden Eylanden zu stranden. Endlich aber kriegte ein Sud-Ostwind die Oberhand; welcher den aus Deutschlands Ströhmen abschüssenden Wasser-Vorrath so wol als das mit dem Tage viel grausame Gestalten vorbildende Gewölcke gegen der alles in Eiß verwandelnden Mitternacht verjagte. Hierdurch wurdẽ so viel Schiffe wie die Spreu durch den Wind von einander in das ungeheure Meer zerstreuet. Etliche wurden an den Steinfelsen der Orcadischen Eylande zerschmettert; etliche strandeten an seuchten Ufern / wo Fluth und Sturm sie die eingeworffenen Ancker zu heben nöthigten. Die See beschwerte mit ihrem in die Schiffe gespieleten /oder durch die Ritze eindringenden Wasser die Flotte so sehr: daß sie alles zum Unterhalte aufgeladene Vieh / die edelsten Chauzischen und Africanischen Pferde / das kostbarste Geräthe und endlich die besten Waffen zu Erleichterung der sinckenden Schiffe über Boort werffen musten. Aller dieser Verlust war denen Römern nicht schwer / weil sie sich selbst für verlohren hielten. Die Todes-Angst verstopffte ihren Augen alle Vorschüssung der Thränen; und die / welche gleich vorhin auf dem Mittelländischen Meere Ungewitter ausgestanden hatten / hielten alles vorige für Spielwerck. So viel grösser das Welt-Meer gegen diesem / und die deutsche Lufft gegen der Römischen rauer ist / so viel schrecklicher war ihrer Einbildung nach auch allhier das Ungewitter / als an einigem andern Orte der Welt. Auf einer Seite fürchteten sie sich an ein feindliches [1233] Ufer der beleidigten Deutschen angetrieben / an der andern aber in das Nord-Meer / dessen Ende noch niemand besegelt hätte / verschlagen zu werden. Das Schrecken aber sättigte nicht den Grimm der Winde und des Wassers / sondern viel Schiffe wurden vom grossen Wirbel in Norden verschlungen / andere vom Eise zerstossen / nicht wenig an unbewohnte Küsten getrieben / wo der Hunger die von Wellen verschonten ausser wenigen verzehrete /welchen das Fleisch der angespieleten Pferde noch zu statten kam; ungeachtet wenig Schiffe waren / darauf die Römer nicht dem Neptun einen schwartzen Ochsen zum Opffer geschlachtet / das Blut mit Wein vermischt / und mit den Stücken des Thieres ins Meer gestürtzt hatten. Gleich als wenn dieses weniger als das Verhängnüs erbittlich wäre / und weder Ohren noch Mitleiden hätte. Germanicus hatte in seinem Gemüthe mehr / als auf seinem Schiffe Sturm auszustehen. Anfangs ließ er zwar nichts weniger als einige Furcht von sich blicken / sagte auch dem erblasten Schiffer: Er solte nicht verzagen / denn er führte den Germanicus. Das Ungewitter aber erhärtete durch siebentägichte Hartneckigkeit: daß die gröste Tugend für den Dreuungen der Natur in die Länge ohne Entsetzung auszutauren nicht vermöchte. Weil er nun alles für verlohren hielt / die zur vermeinten Versöhnung des Meeres darein geschmissene güldenen Ringe und Schalen auch nichts fruchteten / hatte er für nichts auch für sich selbst mehr keine Sorge / und sein verzweiffelnder Schiffer stellte ihr Verhängnüs Wind und Wellen heim / und die Boots-Leute bekümmerten sich so wenig um Ancker und Segel / als der Steuermann umb die gemeine Wolfarth. Alleine bey dieser allgemeinen Verzweiffelung hatte doch das Verhängnüs nicht des Germanicus vergessen; dessen Schiff den achten Tag an eine der Chauzischen Eylande angetrieben ward. Aber hiermit hatte der Sturm in seinem Gemüthe noch kein Ende; sondern / wie er sechs Tage nach einander als der Ursacher dieses unverwindlichen Verlustes vom Meere verschlungen zu werden wünschte / und als ein von den erzürnten Göttern verlangtes Söhn-Opffer über Bort zu werffen verlangte; ja sich mit Gewalt für der andern Erhaltung zur Besänfftigung der erzürnten Wellen ins Wasser stürtzen wolte; also konten ihn auch auf diesem Eylande Cäcina und andere Freunde mit grosser Wachsamkeit hiervon kaum zurück halten / und die verzweiffelten Entschlüssungen ausredẽ. Sintemal er anfangs nicht vom Schiffe / hernach nicht vom Stande zu bringen war / an dem er gleichsam wütende herum lieff / nach seinen verwahrlosten Legionen fragte / und durchaus kein übrig bleibender Bote und Ankündiger ihres Schiffbruchs seyn wolte. Er gab auch weder seiner Vernunfft Raum noch iemanden Gehöre / biß bey sich legendem Winde und Meere etliche von Chauzischen / Friesischen und Batavischen Bootsleuten versorgten Schiffe an der Emße ankamen / welche zwar fast alle zerbrochene Maste / zerdrümmerte Ruder / durchlöcherte Dielen / auch weder Kiel noch Segel hatten; also daß die Schiffenden statt dieser ihre zusammen geflickte Hembder hatten ausspannen / und die stärckern Schiffe die schadhafften hinter sich an Seilen nachschleppen müssen. Dieser Anblick richtete den Germanicus ein wenig wieder auf / weil er sahe: daß nicht alles verlohren war. Nach dem er auch dem nunmehr stillen Meere ein wildes Schwein und schwartzes Lamm geopffert hatte / nahm er seine Besatzung aus Amisia / welche ohne diß verlohren gewest wäre /um den Hertzog Ganasch zu gewinnen: daß er zu schleuniger Ausbesserung der Redelosen Schiffe ihm Zimmerleute / Holtz / Eisen und Hanff / auch etliche Chauzische von Wieten zusammen geflochtene und mit Leder überzogene Schiffe hergab / welche in dem Meere kreutzten / und aus denen Eylanden und Ufern die dem Schiffbruche noch entkommenen [1234] Römer zusammen lesen möchten. Diese traffen an denen felsichten Eylande Austrania und Actania / auf welchem der so geneñte keusche Lustwald gelegen war / und von denen ewige Keuschheit gelobenden und ihn bewohnenden Jungfrauen den Nahmen hatte / wie auch an dem gantzen Cimbrischen Gestade viel halb und gantz zerbrochene oder beschädigte Schiffe und etliche tausend gestrandete Römer an; Alleine die Befehlhaber an selbigen Orten des Cimbrischen Königes Frotho weigerten sich weder Schiffe / Gut noch Menschen abfolgen zu lassen / theils wegen habenden Strandrechtes / welches dem Könige alles durch Schiffbruch ans Ufer getriebene zueignete / theils weil kein Volck dieses den Cimbern eigenthümlich zustehende Meer zu beschiffen berechtiget wäre; dahero sie so gar diese dahin geschickten Schiffe aufhalten wolten. Die Römer wendeten hierwieder ein: daß das angezogene Standrecht ein der Natur und gesunder Vernunfft wiederstrebendes Unrecht / ja unmenschlich wäre / denen in so kläglichen Zustand verfallenden Menschen noch mehr Leid anthun / aus frembdem Unglücke Wucher suchen / und sie dessen berauben /was ihnen die Grausamkeit des Meeres und der Winde übrig gelassen hätte. Es wäre biß noch viel ärger / als wenn man einem abgebrennten sein noch aus der Flamme errettetes Gut zu stehlen erlaubte. So könten ja auch die Cimbern ihnen die Beschiffung dieses grossen Welt-Meeres nicht verwehren / weil dieses ja allen Völckern gemein / also keines Königes Eigenthum wäre / und den Cimbern durch der Römer Schiffarth der wenigste Eintrag oder Schaden geschehe. Der in der Römer Segel blasende Wind entgienge den Cimbrischen nicht. Die von ihren Schiffen im Wasser gemachten Furchen ergäntzte Augenblicks die Fluth / und machte denen folgenden die Farth nicht schwerer; weniger benehme die schlechte Durchreise dem dritten sein daran habendes Recht. Uber diß rühmten sich auch die Cimbern der Römer Freunde /nach dem König Frotho mit dem Kayser August sich durch eine Bothschafft absonderlich verbunden hätte. Die Cimbern aber blieben auf ihrer Meinung / und berufften sich auf den durchdringenden Gebrauch des Strandrechtes; als welches bey allen oder den meisten See-Völckern üblich wäre / und von iedem / der zu Schiffe gienge / stillschweigend gebilliget und angenommen würde. Also wäre genung: daß biß in Norden ein gemeines Gesätze wäre / welches befolget /nicht aber in Streit und Rechtfertigung gezogen werden könte. Wüsten doch auch die Römer nicht von allem Rechenschafft zu geben / was ihre Vorfahren gesätzt hätten. Ja wenn der eusserliche Schein der Unbilligkeit oder Grausamkeit die Rechte übern Hauffen werffen solte / würden viel Römische Gesätze verwerfflich seyn. Denn was könte grausamer seyn / als daß / wenn in einem Hause ein Herr umkommen / alle darinnen gewesene wiewol gantz unschuldige Knechte sterben müssen? Was ist schrecklicher: als daß wegen Verrätherey des Vaters auch die Kinder hingerichtet /oder doch in einen solchen Stand versätzt werden /daß das Leben ihnen eine Pein / der Tod ihr Labsaal sey? und daß in denen Gesätzen der zwölff Taffeln denen Gläubigern verstattet ist ihren Schuldner in Stücke zu zerhauen / und mit seinem Fleische sich an statt des mangelnden Geldes bezahlt zu machen? Was wäre unbilliger / als daß bey den Römern schlechte Verbrechen ohne Handschlag oder feyerliche Frage und Antwort nicht verbindlich / denen handelnden einander unter der Helffte des wahren Preißes zu betrügen zuläßlich / die Meineyde unsträflich wären? Was könte ärgerlicher seyn / als daß die Römischen Gesätze die Hurerey / und aus Verunehrung des Leibes Wucher zu erheben / sein Eheweib ohne Ursache zu verstossen verstatteten? Wie könten dann die Römer über die Cimbrischen Gesätze so scharffe Richter oder Ausleger abgeben? Verhiengen sie doch[1235] ihren Kaysern das Recht nicht nur den Bürgern ihre Gründe ohne Geld / ja ihre noch schwangere Weiber wegzunehmen. Wie vielen Völckern hätten sie ohne Recht grosse Länder und nun bey nahe die halbe Welt weggeno en; Was tadelten sie denn der Cimbern Strand-Recht? welches gegen der eingebildeten Welt-Herrschafft der Römer kaum einen Sonnen-Staub Unbilligkeit in sich hätte; und mit dem gemeinen Heile /worzu sie die Einkünffte von Schiffbrüchen verwendeten / ausgegleicht würde? Ubrigens rühmten sich die Römer zwar der Cimbern Freunde / und Frotho hätte ihnen auch nie nichts in Weg gelegt / ungeachtet die mit dem Kayser August gemachte Freundschafft durch seinen Tod verloschen wäre. Die Römer aber kämen durch Bekriegung ihrer alten Bundsgenossen der Cherusker / und durch angemaste Ausbreitung ihrer Herrschafft biß an die Elbe / welche die Gräntze der Cimbern bestriche / ihnen zu nahe. Sie hätten den Römern auch nie erlaubet in ihrem Meere zu schiffen / dessen Eigenthum niemand den Cimbern strittig machen könte / als der ihnen zugleich Fehde und Krieg ankündigte. Uber das gantze grosse Welt-Meer könte zwar kein Volck das Eigenthum behaupten / weil dessen Grösse des Besitzthums / welches durch Krieges-Schiffe erhalten werden muß / unfähig / und solches dem gantzen menschlichen Geschlechte zum besten erschaffen ist; also / daß ein Volck alleine ihm über und über die Schiffarth und das Gewerbe zuzueignen /allen andern aber zu verwehren weder Ursache noch Kräfften hat. Dieses würde die Gemeinschafft mit andern Völckern aufheben / einen unsäglichen Neid und schändlichen Geitz nach sich ziehen; da doch keines allen Vorrath der reichen und freygebigen Natur verzehren könte: also der Uberfluß anderer Nothdurfft billich zu gönnen wäre. Stückweise aber hätte sich das grosse Welt-Meer nach Gelegenheit der Gestade eben so wohl als die zwischen gewissen Ländern und Meer-Engen gelegene Seen behaupten lassen. Das Wasser hätte ja in sich keine Unschickligkeit / warum sich nicht der erste der beste dessen / wie anderer von niemanden vorher besessener Dinge / hätte bemächtigen können. Das Cimbrische Welt-Meer hätte wie andere zwischen Deutschland denen Britannischen Eylanden und der zugefrornen Mitternacht nicht weniger als die kleinern seine Gräntzen / welche König Frotho mit seinen Kriegs-Schiffen zeither auch für allem Eingriffe / so gut als die Römer ihr Mittel-Meer / beschirmet hätten. Diese machten einen zum Herrn eines ieglichen Meeres; ungeachtet nicht aller Tropffen Wassers / welche eben so wol in Flüssen als im Meere aus der Botmäßigkeit der Landes-Herren sich entferneten / und wäre es zu Erwerbung des Besitz- und Eigenthums auf dem Meere so wenig möglich alle Fluthen zu beschlüssen / als zu Lande alle Erdklößer zu bebrüten. Die nähern Völcker hätten auch die Herrschafft der Cimbern über dieses Meer dadurch für längst erkennet: daß alle / denen sie darauf zu schiffen oder zu fischen erlaubet / für denen Cimbrischen Schiffen und Hafen die Segel hätten fallen lassen. Dieses Recht könten sie ihnen auch durch niemanden / als den / welcher eine grössere See-Macht auf dieses Meer bringen würde / abstreiten lassen. Diese Vertheidigung war bey denen sonst Gesätze zu geben nicht zu nehmen gewohnten Römern nicht ohne Nachdruck; weil sie nemlich das Gewichte der Waffen zur Beylage hatte. Daher zohen sie viel lindere Seiten auf / erboten sich zu Lösung der gestrandeten Römer und Schiffe. Weil nun Hertzog Ganasches und der Bataver Abgeordnete sich zu gleiche des Werckes anmaaßten /kam endlich vom Könige Frotho / welcher sich damahls an dem Eyder-Strome aufhielt / Befehl: daß alle Römische Schiffe und Kriegsleute ohne einiges Löse-Geld freygelassen / ihnen aber angedeutet werden solte: daß dafern ein Römisches Segel [1236] sich mehr in diesem Nord-Meere / oder einig Adler über der Weser würde blicken lassen / er es für nichts anders als eine offentliche Feindschafft annehmen und mit den Waffen rächen würde. Sintemahl die Deutschen keine so gefährliche Nachtbarschafft vertragen könten / sondern wo ihnen ein Nachtbar verdächtig wäre / um sich der Beysorge unversehenen Uberfalls zu entschütten /zwischen selbtem gewisse Einöden zu unterhalten gewohnet wären. Die Römer musten diese mit trockener Warheit ziemlich gesaltzene / gleichwol aber mit einem guten Vorschube verzuckerte Genade zu Danck annehmen. Es heuchelte aber nicht nur allhier / sondern auch anderwerts das Glücke bey diesem Schiffbruche den Römern. Denn die Britannischen Fürsten /welche des Kaysers Julius Waffen schon empfunden hatten / und von denen Römern in Gallien nicht über zwey und zwantzig tausend Schritte entfernet waren /furchten sich die Römer zu erzürnen / gaben also die an ihren Gestaden verunglückten Schiffe und Menschen eigenbeweglich zurücke / und die denen Römern zugegebenen Schiffleute brachten sie an das Batavische Ufer glücklich über. Denn diese hatten zu grosser Verwunderung der Römer gewisse Werckzeuge bey sich / auf welchen mit Ziffern ausgezeichnet war / wie viel Staffeln die Sonne in einer Stunde lieffe / woraus zugleich genau ausgerechnet werden konte /wie weit das abfahrende Schiff gegen Morgen oder Abend fortgesegelt wäre. Bojocal aber schickte seine Angrivarier längst der Küste von dem Flevischen See biß an die Elbe aus / ließ die angetriebenen Römer lösen / und brachte sie an Einfluß des Rheines / dahin Germanicus endlich mit einem Theile seiner zerscheiterten Schiffe ankam / und in allem etwan die Helffte seiner Flotte und Kriegsleute zusammen laß. Seine erste Verrichtung war: daß er nach dem Beyspiele des grossen Alexanders dem grossen Meere opferte / und zwar selbtem hundert schwartze Ochsen schlachtete /das in güldene Schalen aufgefangene Blut aber in die noch ans Ufer spielende Wellen ausgoß. Die auf denen verschlagenen Schiffen zurück kommenden Römer wusten nicht genung zu erzehlen / bey was für grausamen Strudeln / für ungeheuren Gebürgen und Feuer ausspeyenden Bergen und Klippen / auf denen man allezeit viel durch die Wellen hinaus gespielte Heringe aufzulesen hätte / sie wären vorbey getrieben worden. Einer hatte von flügenden und gehörneten Fischen / der andere von Sirenen / und Vögeln mit menschlichen Antlitzen / von grausamen Wallfischen und andern seltzamen Meerwundern / der dritte von ungeheuren Gestalten der Menschen / der vierdte von gantz unbekandten Sternen zu sagen / welche sie entweder gesehen; oder die Furcht / welcher Pinsel aus nichts viel und aus Einbildung / Schatten und Träumen viel Wesens zu machen weiß / ihnen fürgebildet hatte. Jedoch brachten sie ein und anders zurücke /wormit sie beglaubigten: daß nicht alle ihre Erzehlungen Träume wären; darunter waren gewisse / alles was man ihnen nur vorsagte / nachredende Raben /und die wegen der zur Zeit ihrer Brütung sich ereignenden Meer-Stille berühmten Eyß-Vögel mit so schwachen Füssen: daß sie nicht stehen konten / und mit kleinen zum Fluge ungeschickten Federn / die iedoch zu beqvemer Beherbergung eines Eyes von der Natur in die Rundte durchlöchert waren. Die an Calidonien verschlagen worden waren / rühmeten ein daselbst von den Einwohnern bekommenes Kraut /durch welches sie auf der Rückreise zur See sich nicht nur des Hungers / sondern auch des Durstes erwehret hatten. Etliche waren gar biß an das eysichte Eyland Thule verschlagen worden; welche desselben gesunde Lufft / und die vielen warmen Brunnen / darinnen die Einwohner ihre Speisen und zwar das Rindfleisch in einer halben Stunde abkochten / zu rühmen und zu erzehlen wusten; wie das [1237] Wasser am Rande selbiger Brunnen sich versteinerte; wie offt daselbst zwey Sonnen mit drey Regenbogen gesehen / die Fische lange Zeit im Schnee gut erhalten würden / wie viel Berge daselbst vielmehr Feuer als Etna und Vesuvius auswürffen / und das in selbigem Meere von Rudern zertheilte Wasser des Nachtes wie das aus Back-Ofen fahrende Feuer leuchtete. Keiner aber war / der nicht so wol die Schiffarth als ihren ersten Erfinder mit dem weisen Bias verfluchte / und das Meer ärger als die Egyptier / welche es für den Schaum des schädlichen Typhons hielten / verfluchten; den Germanicus aber mit aufgehobenen Händen baten: daß er sie nur nicht der unbescheidenen Willkühr der rasenden Wellen mehr unterwerffen möchte. Zu Lande wolten sie ihm wieder die Sarmater / Scythen und biß ins Bette der aufgehenden Sonne / wohin gleich Alexandern seine Macedonier nicht hätten folgen wollen / die Waffen nachtragen. Das Verhängnüs hätte einem Volcke zu Lande / dem andern zu Wasser die Bahne der Tugend und des Glückes ausgesteckt; also müste ein iedes sich der seinigen / wie ein ieder Irrstern seines Kreißes / und iedes Thier sich seines Elementes halten. Er möchte daher die vom Verhängnüße zweiffelsfrey nicht umsonst auf sieben Berge gesätzten Römer nicht in die Tieffen der Meere verstecken / und so wol ihr Glücke als Tugend der veränderlichen Flut unterwerffen / sondern denen wäßrichten Völckern die See zu ihrer Rennebahn überlassen; welche die Eigenschafft an sich haben solte die sie offt beschiffenden wilde /betrüglich / und gleichsam zu Unmenschen zu machen. Weßwegen auch Plato seine Stadt nicht hätte wollen am Meere haben / und Menander lieber auf der Erde arm als zu Wasser reich seyn wollen.

Es ist schwer zu glauben / was das sich wie vom Winde zertriebene Wolcken ausbreitende Geschrey: daß Germanicus mit sechs Legionen und vielen tausend Hülffs-Völckern durch Schiffbruch untergegangen wäre / in Gallien / Rhetien / und Italien / ja gar zu Rom für Schrecken erweckte. Das Römische Volck verlohr hierüber nicht nur das Hertze / sondern den Verstand / und erstarrete / als wenn ein Perseus ihnen seinen Medusen-Schild gewiesen und sie in Steine verwandelt hätte / sonderlich / da die Gallier sich hauffenweise über die Alpen / die von Gebürgen über den Po und Apennin flüchteten / gleich als wenn die Catten und Cherusker ihnen schon im Nacken sässen. Niemand war hierbey vorsichtiger und hertzhaffter als Agrippine / welche ihren erlangten Nahmen einer Mutter des Lagers zu behaupten wegen ungewissen Ausschlages im Kriege und des Einfalles der Catten in Gallien aus Rhetien / Noricum / Helvetien / Hispanien und Gallien über zwantzig tausend Kriegsleute bey der Stadt der Ubier zusammen gezogen hatte / um zu verhindern: daß die den Silius verfolgenden Cherusker und Bructerer nicht auch am Unter-Rheine in Gallien einbrächen. Diese unvermuthete Hülffe kam dem fast verzweiffelnden Germanicus mercklich zu statten / welcher bey Erreichung der Flevischen See nach Rom in Noricum und Gallien die geschwindesten Postrenner ausschickte / welche seine und der Legionen Erhaltung erzehlten / den erlittenen Schaden verkleinerten / und denen Römischen Unterthanen durch Ausstreichung seines wider die Deutschen erlangten Sieges / das besorgliche Schrecken benähmen. Weil nun die Bataver / wegen Verlust ihres Cariovalda / die Gallier wegen eingebüsten vielen Adels / und alle andere Völcker / wegen so eilfertiger Rückkehrung der Römer / wenig von dem gerühmten Siege hielten / sonderlich da Hertzog Catumer mit seinen Catten noch immer nach Belieben in Gallien hausete / Trier einnahm / und daselbst das Heiligthum der Römer mit zweyen berühmten Wunderbildern des marmelnen Jupiters und eisernen Mercur zur Rache des eingeäscherten [1238] Mattium und Tanfanischen Tempels zu grossem Leidwesen der Römer und Gallier zerstörte. Sintemahl Jupiters Bild eine güldene Schale in der Hand hielt / welche von einem versteckten und durch ein Ertztenes Röhr dahin geleitetes Feuer erhitzet ward und daher den darein gelegten Weyrauch der Opfernden wolrüchend machte. Der eiserne Mercur aber ward von dem aus Magnet-Steine bereiteten Gewölbe empor gezogen: daß er zu grossem Erstaunen derer unwissenden Aberglaubigen in der Lufft schwebte. Die Catten nun aus dem Hertzen Galliens zu ziehen / und zugleich seinen Sieg zu beglaubigen befahl er dem Cajus Silius: daß er mit der zurück gekehrten andern und dreyzehnden Legion / Stertinius mit dreytausend Römischen Reutern / und zwantzig tausend Thraciern / Mäsiern / Pannoniern / Norichern / Rhetiern / Tribochen / Nemetern / Vangionen und Galliern bey den Catten einfallen solte. Germanicus selbst ließ die Uberbleibung der übrigen sechs Legionen nicht ruhen; sondern führete sie mit dem von Agrippinen gesamleten Fuß-Volcke / ungeachtet sie um wenige Zeit zu verblasen seuffzeten / aus den Schiffen geraden Weges in das Gebiete der Marsen / und gab dem für das Kriegs-Volck redenden Vitellius zum Bescheide: die ziehende Krafft des Magnets und die Tapferkeit eines Kriegs-Heeres hätten einerley Eigenschafft; nehmlich ihre Tugend nähme durch seltenen Gebrauch ab / durch öfftern aber zu. Also folgten diese Gerippe der Legionen nicht ohne Murren und Unwillen / weil zumahl verlautete: daß Hertzog Herrmann und Ingviomer an der Lippe herab kämen / und sie alsobald wieder in ihre grausame Hände zu verfallen besorgten. Nach dem aber sie Hertzog Malovend versicherte: daß er sie zu einem vom Varus verlohrnen und in einen Sumpff vergrabenen Römischen Adler führen wolte / vergassen sie ihrer Müdigkeit und vorstehender Gefahr. Die Ursache aber dieses eilfertigen Zuges war: daß die Marsen ihren Fürsten Malovend / weil er zu den Römern sich geschlagen hatte / nicht mehr für ihren Herrn erkennen und einlassen wolten / sondern ihn und alle / welche bey Fabiranum wider die Deutschen einen Degen gezuckt hatten / für Verräther des Vaterlandes erklärten. Weil nun nicht allein der Römer Gewohnheit war alles andere stehen und liegen zu lassen / und dem sich irgendswo ereignenden Aufstande / als dem gefährlichsten Feuer zuzulauffen / sondern auch Germanicus für Augen sah: daß wenn er nicht die Marsen bändigte und Malovenden zu gehorsamen zwinge / die Chauzen den Hertzog Ganasch / die Sicambrer den Melo / die Friesen und Bataver auch ihre Fürsten durch solchen Aufstand die Römische Seite zu verlassen zwingen würden. Ungeachtet nun die Marsen in diesem Kriege vom Vergängnüße gleichsam für die andern Deutschen zum Feg-Opfer und das Bad auszugiessen bestimmet waren /und daher viel empfindliche Uberzüge erlitten; also kaum mehr das Drittel ihrer Mannschafft übrig hatten; boten sie gleichwol Malovenden und dem Pedo nebst ihrer vorbrechenden Reuterey die Stirne / hielten sie auch so lange auf / biß sie von einem Hügel sechs Römische Adler erblickten / welcher grossen Macht zu erwarten mehr eine Unsinnigkeit als Tugend gewest wäre. Daher gaben ihre Führer der Ritter Nesselrode und Kwalen den Marsen ein Zeichen sich durch die bewusten Schlipplöcher in den am Rücken habenden und grösten Theils verhauenen Wald zu ziehen /in welchen sie zu verfolgen Malovend wegen vieler Sümpffe selbst nicht für rathsam / vielmehr aber dem heiligen Heyne / worinnen der Adler vergraben lag /ohne Versäumung einiger Stunde zuzueilen für nöthig hielt. Weil die Römische Macht nun so eilfertig vorbey gieng / und dem heiligen Heyne geraden Weges zueilete / merckten die von dem vergrabenen Adler Wissenschafft habenden Obersten der Marsen [1239] gleich /wohin Malovends und des Germanicus Anschlag an gesehen wäre. Daher eilete ihre Reuterey durch verborgene Wege des Nachtes dahin / kam auch den Römern zuvor / die Finsternüs aber und die Beysorge durch angezündete Lichter sich zu verrathen hinderte sie: daß sie den rechten Ort nicht erkiesen / und den Adler finden konten. Als es aber nur ein wenig zu tagen anfieng / liessen sich vor und hinterwerts die in den Heyn eindringenden Römer spüren; daher die Marsen gezwungen wurden auf der Seite durch die Lippe zu schwä en / und sich aus dem Staube zu machen. Malovend zeigte daselbst den Ort des liegenden Adlers an; worauf die Römischen Priester alleine zu graben anfiengen / und als sie solchen erblickten / es dem ankommenden Germanicus mit so grossen Freuden / als weñ sie ein diamanten Bergwerck gefunden hätten / ankündigten. Dieser eilte mit Cäcinen und andern Kriegshäuptern begierig an den Ort / und scharrete ihn vollends mit eigenen Händen / weil er selbst auch ein Priester des Augustus war / aus der Erde. Hierauf händigte er ihn denen ihm bereit zugeeigneten Priestern ein / welche ihn in einem silbernen Kessel mit wolriechenden Wassern abzuwaschen / einbalsamten / auf einer vergüldeten Stange befestigten / mit welcher ihn Germanicus für den Heyn trug / und selbten dem gantzen in Schlacht-Ordnung stehenden Römischen Heere zeigte; welches für diesem aufgefundenen Schatze oder vielmehr eingebildetem Gotte sich andächtig bückte / ihm so viel Ehrerbietung und Frolocken bezeugte / als da das Bild der Idischen Mutter von Peßimunt nach Rom gebracht / und das sie führende an einer Sand-Banck aber feste gemachte Schiff von der einigen Vestalischen Jungfrau Claudia an ihrem Gürtel die Tyber hinauf gezogen ward. Die Priester schlossen hierauf den Adler in ein zierliches Gehäuse ein; und nach dem Germanicus an dem Orte / wo der Adler gelegen / ein Altar gebauet und geopffert hatte / ertheilte er seinem Kriegs-Volke Befehl sich wieder gegen dem Rheine zu wenden / weil zumahl gewisse Nachricht einlieff: daß der Feldherr mit zwölff tausend Langobarden verstärckt worden / und auf der andern Seite der Lippe schon den Römern zuvor kommen wäre / ihnen also zweiffelsfrey die Farth über den Rhein abzustricken bemühet seyn würde. Im Rückwege muste Malovend mit Augen sehen und stillschweigend leiden: daß sein Land durch Feuer und Schwerd in Grund verterbet ward /weil die Römer es so wenig als die Weser zu behaupten getrauten / also ihre Krieg- und Staats-Klugheit erforderte: daß sie dem Feinde alle Mittel dar zu stehen benähmen. Germanicus schickte den Cajus Lucilius mit der Zeitung des wiedereroberten Adlers eylfertig nach Rom / welche Tiberius nicht nur im Rathe als eine grosse Glückseligkeit seiner Herrschafft heraus striech / sondern solche gar der des Augustus vorzoh / welchem der Parther König die vom Crassus eingebüsten Adler zurück schickte. Daher er solches auch eben wie August durch Schlagung neuer Müntze kund machte. Denn auf dieser war Germanicus mit einem Adler in der Hand und dieser Beyschrifft gepregt: Nach wieder bekommenen Adlern und überwundenen Deutschen. Hierdurch ward dem Volcke ein blauer Dunst grosser Siege für die Augen gemacht / und das ihnen eingejagte Schrecken nebst bißheriger Andacht gedämpffet. Sintemahl sie /gleich als wenn Brennus oder Hañibal wieder für dem Throne wäre / in die Tempel lieffen / der Götter Bilder umarmten / bethränten / und sie um Schirm anrufften. Die Freude zu Rom ward durch diese fernere Nachricht vermehret / daß die Catten aus Gallien beym Altare des Bacchus wieder zurück über den Rhein gekehret wären. Dieses versicherte den Römischen Pöfel allererst: daß sie nicht schon die Alpen überstiegen hätten / und [1240] bald über den Po sätzen würden. Wie nun durch Befreyung Galliens Germanicus seinen Zweck erreichte; also richtete Silius mit seinem Einfalle bey den Catten das geringste nicht aus. Denn Hertzog Arpus verlegte ihm mit einem ziemlichen Heere den Weg; und als er vernahm: daß Catumer aus Gallien in Deutschland über den Rhein sätzte / traute er seiner nicht zu erwarten / sondern brach eylfertig gegen dem Ubischen Altare auf / und gieng daselbst über in Gallien. Der mit aller Gewalt einbrechende Winter diente dem Germanicus zu einem scheinbaren Vorwandte: daß er sein abgemergeltes Kriegs-Volck theils in die am Rheine habende Festungen / theils in die Städte Galliens legen konte / und daß es ihm gelückt hatte durch den bey den Marsen und Catten gethanen Einfall seinem gerühmten von den Deutschen aber wiedersprochenen Siege eine Farbe anzustreichen. Silius / Cäcina und andere Obersten erlangten auch vom Germanicus die Verstattung nach Rom zu schreiben / ohne welche es sonst ein halsbrüchiges Laster im Römischen Lager war; also wusten sie die Bestürtzung der Deutschen meisterlich heraus zu streichen; welche dieses mahl allererst hätten glauben lernen: daß die Römer weder durch die Natur noch von Feinden überwunden werden könten / als welche nach eingebüster Schiffs-Flotte / nach verlohrnen Waffen / und / nach dem ihre Leichen und todten Pferde so viel See-Ufer bedeckt hätten / gleichsam mit vermehrter Mañschafft / mit vergrösserter Tapfferkeit die Marsen und Catten überfallen hätten.

Die mit denen Römern verbundenen deutschen Fürsten wurden in der Nähe dieses Bländwercks der Römischen Schwäche / und wie wenig sie bey diesem Kriege Seide gesponnen hatten / allzusehr inne. Sie lernten nun allererst / wie gefährlich es wäre sich von dem Leibe eines Reiches trennen / und in frembde Bündnüße vertieffen / und entweder aus Rache oder Absehen zweiffelhafften Eigennutzes sich von Beschirmung gemeiner Freyheit und Wolfarth ableiten lassen. Wie sehr sie sich auf die Treue der Römer /welche ihre Bündnüße heilig zu unterhalten den Ruhm hatten / verliessen; so schwebte doch ihnen das traurige Beyspiel der unter dieser süssen Einbildung vergangenen Stadt Sagunt für Augen. Die Römer hatten ausser Aliso und der Taunischen Festung / welche aber nunmehr auch von Bructerern und Catten beschlossen wurden / alles in Deutschland disseit des Rheines im Stiche gelassen. Der Feldherr hatte durch die auf seine Seite gebrachten Langobarden sich ansehnlich verstärckt / Ingviomer und Arpus auch eine ansehnliche Macht auf den Beinen; hingegen Melo /Ganasch / und Malorich durch die Römischen Durchzüge das Marck ihrer Länder / durch die Schlachten den Kern ihres Volckes / und durch das Römische Bündnüs die Liebe ihrer in Gefahr der Freyheit gerathener Unterthanen eingebüsset. Hertzog Herrmann wuste sich unter der Hand auch gewisser Werckzeuge zu bedienen / welche einem ieden der abgetretenen Fürsten die Gefahr zu vergrössern / und die Römer bey ihnen schwartz zu machen wusten; um also die vonsammen zu trennen / welche ihm / wenn er sie vereinbart hätte angreiffen sollen / noch viel würden zu schaffen gemacht haben. Diese Schwachheiten veranlasten anfangs den den Römern am weitesten entlegenen Hertzog Ganasch / und hierauf auch der Sicambrer und Friesen Hertzoge unter der Hand bey dem Feldherrn Anregung zu thun: daß sie wieder ins deutsche Bündnüß aufgenommen werden möchten. Damit solches so viel geheimer gehandelt und für denen argwöhnischen Römern verhölet würde / wurden zu Werckzeugen Priester erkieset. Denn nach dem das Priesterthum so wol bey den Deutschen / als bey den Römern und Griechen mit weltlicher Würde vereinbarlich war / ja bey denen Egyptiern und etlichen [1241] Völckern von der Fürstlichen Hoheit nicht getrennet werden konte; und in Deutschland die Priester nicht nur durchgehends zu weltlichen Rathschlägen gezogen /sondern auch im Rathe von ihnen / wer reden oder schweigen solte / angedeutet; ja fast alle Gerichte geheget wurden / war es so viel weniger ungereimt: daß diese deutsche Fürsten sich ihrer Geistlichen zu geheimen Gesandten und Friedens-Händlern bedienten; ungeachtet bey andern Völckern / wo die Priester in Einsamkeit eingesperret sind / also von weltlichen Geschäften keine Wissenschafft habẽ / oder sie einem andern Haupte / als der über sie absendende Fürst ist / nur zu gehorsamen und Rechenschafft zu geben sich schuldig erachten / derogleichen Gesandtschafften ungeschickt oder gefährlich zu seyn scheinen / wenn zumahl von andern als denen dem Gottesdienst angehenden Geschäfften gehandelt werden soll. Diese Priester waren auch von edler Ankunfft und grosser Erfahrung / hatten auch nicht weniger ihre Jugend zu Beschirmung des Vaterlandes / als ihr Alter zur Andacht und heilsamen Einrathungen angewehret. Diese wusten die Fehler ihrer Fürsten mit derselben gutem Absehen so meisterlich zu verhüllen / oder wenigstens mit den verwickelten Zufällen der Zeit zu entschuldigen: daß fast iedermann ihnen beypflichten muste; es läge bey so seltzam eingeflochtenen Verwirrungen /da eines Menschen Gemüthsregung viel andere wie anfällige Kranckheiten unvermerckt ansteckten / mehr am Glücke als an Klugheit oder wolmeinendem Gemüthe / ins rechte Fach zu greiffen. Der Ausschlag öffnete insgemein einem allererst recht die Augen; ja die gantze Klugheit der Höfe wäre der Kunst der Wund-Aertzte zu vergleichen / welche nicht so wol durch eigenes Nachdencken / als aus frembden Geschwüren begrieffen würde. Wo sie auch keinen andern Vorwand wusten / nahmen sie die Schuld von den Häuptern ihrer Fürsten und legten sie auf die Schultern ihrer Staats-Diener: derer Boßheit nicht weniger ein unvermeidliches Fallbret der klügsten Herrscher / als ein verborgener Holtz-Wurm der Reiche wäre. Hätten diese Winde nicht gewehet / würde Deutschland mit einem solchen Ungewitter nicht überfallen worden seyn. Fürnehmlich wusten sie ihre Ungedult auf Cariovalden auszuschütten / und Adgandestern zum Uhrheber alles Unheils und zum Werckzeuge aller Laster zu machen. Ein tieffsinniger Verstand / sein reiffes Urthel / seine kluge Hertzhafftigkeit / seine bedachtsame Verwegenheit / welche selten versamlet bey einem Staat-Diener zu finden /hätte er alle zu seinem Dienste gehabt / seinen Betrug und Verrätherey damit auszurüsten / und seinem Giffte Anmuth und Farbe zu geben. Der Feldherr solte sich nicht wundern: daß er diese drey Fürsten auf solche Irrwege gebracht / nach dem er den Fürsten Flavius wider seinen eigenen Bruder die Waffen zu ergreiffen hätte verführen können. Sonderlich wäre Adgandester ein Meister gewest die zu erforschen und zu gewinnen / welchen ein oder ander Fürst das meiste zutraute / und ihrem Rathgeben folgte. Nach dem er auch dieser Neigungen ergründet / hätte er die Geitzigen mit Geschencken / die Ehrsüchtigen mit hohen Vertröstungen / die Furchtsamen mit Dreuungen angegrieffen; und wo er gegen den Feldherrn nur das wenigste Unvergnügen verspüret / den schlechtesten Funcken zu einem grossen Feuer aufzublasen / durch Ertichtung; neuer Beleidigungen ins Feuer Oel zu giessen gewust. Der Hertzog der Friesen hätte das Unglücke gehabt einem furchtsamen Diener sich zu vertrauen / welchen der Römer Dreuungen bey nahe in ein Bocks-Horn gejagt hätten. Dieser hätte daher aus Zagheit des Germanicus Vorschlägen seines Fürsten Ohren / und folgends den Römischen Waffen sein Land eröffnet. Was hierbey denen Friesen für beschwerliches zugewachsen / hätte er mit dem Beyspiele der Bataver verzuckert / und die besorgliche[1242] Dienstbarkeit mit dem Scheine eines ehrlichen Bündnüsses bekleidet / sich also nur darum: daß die Friesen eine zeitlang so und so bleiben könten / gar aber nicht um ihrer Nachkommen Sicherheit bekümmert. Er hätte mit Cariovalden / und Adgandestern / ehe sein Fürst was davon gewust / lange Verständnüs gehabt / und ihn mit den Römern vertiefft / ehe er gewahr worden: daß er mit selbten im Handel stünde. Derogestalt wäre der gute Malorich wo nicht von seinem furchtsamen Diener verrathen / doch verkaufft worden. Wiewol Räthe solcher Art sich nicht nur berechtigt hielten / ihren Fürsten zu seinem besten zu verrathen / und für eine Klugheit unter der Hand Bündnüße zu schlüssen und Frieden zu unterhalten /daß der Fürst zu jenen nur die Hand einschlagen dörffe / bey diesem aber ruhig schlaffen / der Jagt- und Lust Spiele abwarten könne. Hertzog Malorich hätte für sich zwar Hertzens genung gehabt; und des Feldherrn Gesandter hätte seinen Räthen genungsame Gründe / warum sie sich für den Römern so sehr nicht zu fürchten / aber wol Ursache ihnen nichts zu trauen / für Augen gestellt. Aber die furchtsamen Räthe hätten ihres Fürsten Hertzhafftigkeit alle Spitzen verbrochen / seine tapfere Entschlüssungen stumpff gemacht / und den / welchen sie anzufrischen mehr Ursach gehabt hätten / immer zurück gehalten. Vom Cheruskischen Gesandten aber hätten sie gleichsam himmlische Offenbahrungen von des Krieges Ausschlage /und GOtt selbst zum Bürgen begehrt / nach dem alle menschliche Versicherungen ihnen zu zweiffelhafft /und die Kräffte des vereinbarten Deutschlandes zu wenig waren. Wenn er aber sie durch seine kluge Hertzhafftigkeit etlicher massen auf einen guten Weg hätte gebracht gehabt / wären sie doch durch das geringste Geschrey von Näherung der Römer aus dem rechten Gleiße gebracht worden; und man hätte alle böse und gute Zeitungen aus ihrem Gesichte lesen können / ihre Augen hätten iederderman ihr Hertzklopffen / ja ihr blosses Stillschweigen ihre Bekümmernüs verrathen. Zu letzt hätten Malorichs Räthe sich einen unvermutheten Donnerschlag / welchen Hertzog Ganasches Gesandter am Friesischen Hofe erreget / betauben lassen: daß sie ihren Fürsten ins Römische Bündnüß mehr mit Gewalt gerissen als verleitet. Dem Hertzog Melo hätte Adgandester durch seinen Staats-Diener / welcher über dem Rheine in Gallien Land-Güter besaß / und durch der Römer Waffen derselben verlustig zu werden dreute / fürgebildet: daß Hertzog Herrmann alle deutsche Fürsten ihm dienstbar zu machen anzielte. Sein Absehn erhellete daraus: daß er ihnen gewisse Friedens-Bedingungen / welche er zu seinem Vortheil und nach eigenem Gutdüncken mit den Römern abgehandelt hätte / aufdringen / des Melo ihn in die Augen stechende Macht zu beschneiden ihn zu Abtretung ansehlicher Städte und Länder nöthigen / an dem Altare des Bacchus aber einen Zaum des Rheinstroms und eine Brücke mit den Römern sich zu vereinbaren / und Deutschland mit ihnen zu theilen in Händen behalten wolte. Bey solcher Beschaffenheit / und da einem auf zweyen Seiten Gefahr zuhienge / wäre kein ander Rath / als sich der einen Seite zu versichern; worzu denn sich auf der Römer / welche dem Melo selbst die Hand reichten / die beqvämste Gelegenheit ereignete. Zu allem Unglücke hätte sichs getroffen: daß Hertzog Melo ein wenig einen Hang zum Mißtrauen und allzu scharffsichtige Räthe gehabt hätte; welche ihnen in der Ferne oder vielmehr im Traume ein grosses Reich eingebildet / und ihrem Fürsten für die Augen gemahlet hätten / welches Hertzog Herrmann zwischen dem Rheine und der Elbe aufzurichten im Schilde führte. Dieser hätte nichts Helden-mäßiges an sich / nichts ruhmwürdiges iemahls gethan / nichts kluges zeither gerathen / was sie nicht zum Grunde dieser geträumten Herrschafft gelegt hätten. [1243] Der Feldherr verstünde aber selbst wohl / wie leicht ein Fürst durch solche Leute zuverführen wäre / welcher zugleich Geist und Vorsicht haben wolte. Denn sie liessen wie die Wasserbrenner Wein / Ertzt und Kräuter alle Rathschläge durch die Kolbe und das Feuer gehen / und wendeten alle Spitzfinnigkeit dahin an / wie sie den Schatten eines Dinges bey ihrem Fürsten für ihr Wesen angewehren könten. Sie machten aus allen Thoren verschmitzte Brutus / sie warnigten ihren Fürsten für den einfältigsten Leuten: daß er sich für ihren versteckten Tugenden so sehr / als für verborgenen Dolchen fürzusehen hätte. Alle gemeine Leute / welche kaum ein Drittel eines vernünfftigen Thieres an sich hätten /schienen ihnen Weltweise zu seyn. Niemand hätte in ihren Augen einige Schwachheit an sich / noch könte irren / nur daß sie mit ihren hohen Gedancken sich nicht erniedrigten. Sie schmückten den Schein mit allerhand Farben aus / und verwürffen die handgreifliche Wahrheit / als einen allzugroben Zeug für ihren tieffsinnigen Geist; und weil solche von ihr selbst nicht aber aus ihrer Erfindung den Uhrsprung hat /nur daß sie bey ihrem Fürsten für scharffsichtige Leute / solte es auch gleich mit seinem Schaden geschehen / angesehen würden. Nach dem Adgandester ihnen nun einmal einen Floh ins Ohr und das Mißtrauen ins Hertz gesätzt hätte; wäre vom Hertzog Herrmann keine so schlechte Zeitung eingelauffen /daraus sie nicht Anschläge / wie Ixion aus einer Wolcke Buhlschafften gemacht / und aus ungefährlichen Worten Nachdenckligkeiten zu ziehen gewust hätten. Alles verlautete Vorhaben wären ihnen Geheimnüße gewest; ja sie hätten Ausleger über seine Gedancken abgegeben; gleich als wenn kluge Fürsten nicht auch Menschen wären / und sie keinen Schritt / als nach der Schnure und nach der Magnet-Nadel thäten; sondern von ihnen so wenig als von GOtt selbst / welcher von keinem Baume das kleinste Blatte ohne besonderes Absehen fallen liesse / etwas ungefähr und ohne Bedacht geschähe. Nach dem sich auch gleich zwischen den Cheruskern und Chauzen Mißhelligkeiten ereignet / hätten sie doch den Melo bereden wollen; sie verstünden sich wol mit einander / uñ ihre Feindschafft wäre nur eine abgeredete Anstellung die Sicambrer einzuschläffen / und zu betrügen. Die Gesandschafft Hertzog Ingviomers und des Arpus mühte sich zwar ihnen diesen Verdacht gegen den Feldherrn auszureden / und hielt ihnen ein: daß ihm diß nie in Sinn kommen wäre / was sie in seinem Vorhaben gefunden zu haben vermeinten; also möchten sie doch mit ihrer Scharffsichtigkeit nicht so weit über dem Ziele abkommen / und die gemeine Landstrasse kluger Leute nicht verlassen; in Meinung über ungebähnte Klippen oder gar durch die Lufft ihm Wege zuzurichten / oder die Wahrheit so entfernet zu suchen; zumahl ihr Mißtrauen so weit von Aehnligkeit der Wahrheit / und Hertzog Herrmanns Herrschafft über so viel Völcker von der Mögligkeit als der Rhein von dem Nil entfernet wäre. Alleine dieser Einhalt hätte ihnen nur Bilder neuer Chimeren gemacht / nehmlich: daß der aus Cheruskischem Geblüte entsprossene Ingviomer mit seinem Vetter Herrmann unter der Decke läge; und daß die Cherusker und Catten Deutschland mit einander zu theilen unter sich gekartet hätten. Der Feldherr aber möchte sich hierüber nicht verwundern /weniger entrüsten. Denn / weil iederman für gescheut wolte angesehen seyn / wäre kein Volck in der Welt von so schädlichen Klugen befreyt. Carthago hätte seinen Hannibal / daß er nur dem Kriege und seiner Gewalt nicht ein Ende zu machen / Rom nicht erobern wollen; Rom den Kayser Julius und August beschuldigt: daß sie nicht aus Geilheit / sondern Geheimnüße zu erforschen mit Römischen Frauen gebuhlet / dieser den Tiber zum Nachfolger / und eine Warnigung die Gräntzen des Römischen Reiches zu erweitern [1244] zu dem Ende hinterlassen hätte: daß diese so viel mehr / wenn er todt seyn würde / nach ihm seuffzen / und kein grösserer Herrscher / als er gewest / nach ihm leben solte. Es wäre aber zu wünschen: daß Hertzogs Melo Räthe wie die Sonne immerfort einerley Bahn gehalten /nicht aber wie etliche andere Irrsterne sich zu einer so einfältigen Leichtgläubigkeit erniedriget hätten. Denn / weil übrige Scharffsichtigkeit in Rathschlägen ins gemein Ursache ist: daß sie zu Wasser werden; und daß aus tausend aufgeworffenen Vorschlägen ihr keiner taug / weniger zu Kräfften kommt / würde auf den ersten Fall auch nichts aus dem Römischen Bündnüße / welches mehr Bedencken hatte / als tausend hundertäugichte hätten erblicken können / nichts worden seyn. So aber wären sie leider! von der Menge ihrer Scharffsichtigkeiten / wie die Augen von Vielheit der Sonnenstrahlen / verdüstert worden / daß sie endlich gar nichts gesehen / und also an dem schädlichsten /was iemahls in Berathschlagung fürkommen / wären kleben blieben. Diese schlimme Wahl hienge gemeiniglich denen zu / welche allzu klug seyn wolten. Denn nach dem sie ihren Verstand durch allerhand tieffsinnige Anschläge erschöpfft hätten / fiele ihnen zuletzt das ärgste ein / weil es aber nur etwas wäre /was andern Leuten nicht ihre gesunde Vernunfft oder die Erfahrung an die Hand gäbe / beliebten sie es als das beste. Also hätte Hertzog Melo durch die scharffsichtige Klugheit seiner Diener / oder vielmehr durch Leitung des Verhängnüßes verfehlet / welches dem / den es zu drücken vorhätte / die Augen und den Verstand verbländete. Mit was für Arglist und Verrätherey aber Adgandester und Cariovalda die Verträuligkeit zwischen dem Fürsten Ganasch mit dem Hertzoge der Catten und Cherusker zerrissen hätte / wäre dem Feldherrn ohne diß allzuwohl bewust; und nöthiger in Staub ewiger Vergessenheit zu verscharren / als durch Erzehlung Deutschlandes Schande zu verneuern. Mit einem Worte: Adgandester wäre der Bruñ aller Fehler und Unglücks; und weil in der Welt kein nützlicher und schädlicher Ding als ein Fürst wäre /dieser Verräther seines Vaterlandes aber drey so gute Fürsten verführet hätte / solte gantz Deutschland über ihn Fluch und Rache auslassen. Denn / wenn schon von ihm alle Brunnen und Flüsse wären vergifftet worden / hätte er doch Deutschlande so viel nicht Schaden gethan / weil es gesundes Wasser anderwerts herzuholen / und von dem regnenden Himmel zu erwarten gehabt. Aber wider die Vergehungen eines verführten Fürsten hat ein Volck kein Mittel; weil es ihm / wenn er schon zum Wütterich wird / und die gemeine Wolfarth zu Bodem tritt / nicht nur aus Furcht /sondern auch Gewissens halber zu gehorsamen schuldig ist. Nach dem diese bescheidenen Priester nun die Vergehungen ihrer Fürsten auffs beste verblümet hatten / wusten sie mit vielen Umständen zu bescheinigen: daß / nach dem sie kaum mit den Römern sich verbunden gehabt / sie ihren Irrthum erkennet / und ihre Füsse aus den Römischen Schlingen zu ziehen sich bearbeitet hätten. Die ihnen über dem Halse liegende Macht hätte sie zwar genöthigt einige Hülffs-Völcker den Römern zu überlassen; der kluge Feldherr aber würde selbst wohl gemerckt haben: daß sie hierzu gleichsam mit den Haaren wären gezogen worden; und wie sie durch ihr kaltsinniges Gefechte den Römern mehr geschadet als Vortheil geschafft hätten. So laue Veruneinigungen verdienten nun nicht den Nahmen einer Feindschafft / sondern gereichten wie die Knoten der Beinbrüche vielmehr zur Verstärckung neuer Freundschafften. Gemeiner Leute einmahl zerbrochene Freundschafft liesse sich zwar selten / aber der Fürsten leicht wieder ergäntzen; und sie wäre zwischen denen am beständigsten / welche durch die Waffen einmahl recht ihre Kräfften gegen einander geeichtet hätten. Dieses erhärtete nunmehr [1245] das rühmliche Beyspiel der Cherusker und Catten / welche aus ewigen Feinden nunmehr zu so vertrauten Bundgenossen worden wären. Dieses verlangten nunmehr auch die Chauzen / Friesen / Sicambrer / Tencterer und Juhonen; welche als Glieder Deutschlandes ohne Verstimmelung dieses edlen Vaterlandes vom allgemeinen Leibe ohne Grausamkeit nicht abgeschnitten werden könten. Hierbey rührten die Priester dem Feldherrn auch zuweilen das Gewissen; und hielten ihm ein: daß GOtt kein angenehmer Opffer / als wenn man das Unrecht seines Beleidigers in dem alles verzehrenden Feuer der Vergessenheit verbrennte / und die Asche mit dem Oele des Friedens einbalsamte. Kein Unversöhnlicher aber kriegte bey GOtt Gehöre /sondern die unersättliche Rache wäre der Zunder und Magnet seines alles einäschernden Zornes. Ob nun zwar die Gesandten Priester waren; und daher die Vermuthung ehrlicher und aufrichtiger Leute von sich hatten / verstand Hertzog Herrmann doch allzuwol: daß heute zu Tage auch die / welche Heiligen seyn wolten / zuweilen eine Larve fürnähmen / und keine mehr scheinbar in der Welt wäre / als welche mit dem Scheine der Gottesfurcht überfirnset würde. Diesemnach fühlte er allen an den Pulß ihres Gemüthes / welche Kunst so viel schwerer ist / weil dessen Regungen sich leichter / als die Schwachheiten des Leibes verbergen lassen. Alleine die Aufrichtigkeit hat den Vortheil sich leicht zu entdecken / und sich beglaubt zu machen; dahingegen die Kunst der Betrügerey sich mit ihrer eigenen Schwermüthigkeit verräthet: daß sie mit was anderm hinter dem Berge halte / als sie einen mit ihrer gezwungenen Offenhertzigkeit bereden wil. Als nun Hertzog Herrmann sich vergewissert hatte: daß sie Leute von aller deutscher Treue und Glauben wären / hielt er bald einem bald dem andern dieser Gesandten diß und jenes ein; und wuste er nicht nur ihrer Fürsten ihm und dem Vaterlande angethanes Unrecht ihnen beweglich fürzuhalten / sondern auch alle Entschuldigungen durch Erzehlung vieler verschwiegener Umstände zu zernichten. Sintemahl er von allem mehr Geheimnüße erfahren hätte / als sie oder ihre Fürsten ihnen einbildeten. Er ließ sie aber eine ziemliche Zeit schwitzen / und machte bald diesem bald jenem weiß: daß er mit seiner gantzen Heeresmacht einbrechen / und wieder die Feinde des Vaterlandes / welche der Cherusker und Bructerer Landschafften schon wie jene unzeitige Jäger die Haut des noch nicht gefangenen Bäres unter sich getheilt hätten / Rache ausüben wolte. Durch derogleichen kluge Verstellungen / welches die rechten Schöpff-Eymer frembder Gedancken sind / nahm er die Meinungen dieser Gesandten so wol aus: daß ihm / welcher diese Kunst aller Künste gar zu wohl verstand / und denen Verschlossensten wie ein Luchs in das innerste ihres Hertzens zu sehen wuste / nichts verborgen blieb. Sintemahl es nichts ungemeines ist: daß Gesandten Freundschafft und Friede im Munde / Haß aber im Hertzen / und zum Kriege gefiederte Pfeile im Köcher haben / oder ihrem Vorgeben nach auf etwas zielen /wider ihre Versicherung und unser Vermuthen aber auf gantz was anders loßdrücken. Nach dem er nun /daß es ihren Fürsten ein rechter Ernst wäre / von Römern abzusätzen / ergründet hatte; allzuwol aber verstand: daß es die gröste Klugheit und das nothwendigste Genesungs-Mittel wäre die verrenckten Glieder in ihre Pfanne zu bringen / und mit dem Leibe zu vereinbaren / erklärte er sich endlich mit ihnen Friede und Bündnüs zu schlüssen; wenn ihm ihrer Treue halber solche Versicherung gestellt würde: daß er sich darauf verlassen könte / und Deutschland nichts mehr zu fürchten hätte. Sintemahl ein öffentlicher Krieg nicht so schädlich / als ein betrüglicher Friede wäre. Die Gesandten erboten sich im Nahmen ihrer Fürsten: daß sie nicht alleine den neuen Bund durch kräfftigste Eyde bestärcken / [1246] ihre Aufrichtigkeit durch unverzügliche Ergreiffung der Waffen wider die Römer bewehren / sondern auch ihre Treue durch Auslieferung vornehmer Geissel verpfänden wolten: Der Feldherr war hiermit vergnügt / unterschrieb und besiegelte auch noch selbigen Abend den neuen Vergleich; erwieß also hiermit und in andern Anstalten: daß er nicht mehr Tapferkeit als Verstand hätte / alles / ausser der Unmögligkeit / auszuführen / und gantz Deutschlande vorzustehen. Er wuste an gehörigen Orten die lindesten Pflaster aufzulegen / wo Seege und Messer sich nicht angewehren liessen / und brachte mit guten Worten viel zu wege / wo Zwang und Gewalt übel ankommen wäre. Kein glücklicher Anfang schläffte ihn ein; keine Länge der Zeit / keine Grösse der Arbeit /keine vermessene Einbildung / keine von seltzamen Zufällen ihm in Weg geworffene Schwerigkeiten /noch auch die von seinen eigenen Bundsgenossen herrührende Hindernüße hielten ihn von gäntzlicher Ausmachung seiner wichtigen Anschläge zurücke; ja weder Sterne noch Ungewitter waren fähig ihm sein Ziel zu verrücken. Wo aber weder Tugend noch Klugheit durchdringen konte / trat seine Frömmigkeit in die Lücke / und zohe seinen Rathschlägen des Himmels Segen zu; ohne welche alle menschliche Bemühungen ohnmächtig / alle verschmitzte Anstalten zu Wasser werden.

Ob er sich nun zwar über dieser allgemeinen Wolthätigkeit so sehr als seine Unterthanen erfreute; welche von ihm wie von einem unter der Erde verborgenen Kwelle noch alle Tage neuen Nutzen hofften /vergnügte ihn doch nichts mehr / als die mit diesen dreyen mächtigen Fürsten geschlossene Vereinbarung. Denn er wuste wohl: daß Friede allemahl mit einem Krantze des Uberflusses und mit vollen Händen auf die Welt käme / daß Deutschland sich durch seine Eintracht aus Finsternüs und Verwirrung auswickeln würde / und er daher durch solche Vereinbarung zu dessen Wolstande einen festen Grund gelegt / und für das gemeine Heil wol gewirthschafftet haben würde. Diesemnach schickte er noch selbige Nacht den Grafen von Nassau an Hertzog Ingviomer / den Grafen von Waldeck an Hertzog Arpus / und den Grafen von Kwerfurth an Hertzog Jubil mit so vielen Uhrkunden des gemachten Vertrages ab / und ersuchte sie solchen ebenfalls genehm zu haben / und durch ihre Handschrifften zu bekräfftigen. Alleine es war gleichsam Deutschland dazu versehen: daß es durch Frieden-Schlüsse solte getrennet und zerrüttet werden. Denn ob zwar der Catten und Hermundurer Hertzog solchen Vergleich mit beyden Händen annahmen / ihn unterzeichneten / dem Feldherrn für eine so heilsame Verrichtung danckten / ward er doch vom Hertzog Ingviomer gar viel anders aufgenommen. Denn / weil seine Hoffnung nach der Römer Zurückweichung ihm das gröste Theil der Friesischen und Sicambrischen Länder schon zugetheilet hatte / welche er durch diesen Frieden in Brunn fallen sahe / eyverte er sich so sehr: daß er Nassauen ins Gesichte sagte: Es wunderte ihn /wie Hertzog Herrmann ein so wichtiges Werck / welches aller Bundgenossen Einwilligung erforderte /daran gantz Deutschlandes Heil und Unheil hienge /auf seine einige Schulter zu nehmen sich unterwunden hätte. Es lieffe dieses wider die alte Verfassung / geriechte zum Abbruche der gemeinen Freyheit; und es würde ihn weder iemandens Ansehen / am wenigsten aber dieser Vergleich hindern sich an den Friesen und Sicambern seines erlittenen Schadens zu erholen. Nassau hatte sich ehe des Himmels-Falls als eines so schlechten Empfangs versehen / wuste sich also aus dem Steigereiffen keines andern als dieser Antwort zu entschlüssen: daß er Ingviomers Erklärung dem Feldherrn berichten wolte. Er fertigte also einen Edelmann noch selbigen Abend nach Deutschburg ab / [1247] welchen aber der Feldherr so lange zurücke hielt / biß er vorher von des Cattischen und Hermundurischen Hertzogs Erklärung Gewißheit erhielt. Ob diese nun zwar nach Wunsch einlief / ward er doch hierdurch zu keinem Hochmuthe verleitet; sondern ie höher ihn das Glücke erhob / ie mehr erniedrigte er sich der gemeinen Wolfarth zu Liebe. Je mehr ihm alles nach Wunsche lieff / ie mehr hemmete er seine Gemüthsregungen dem Vaterlande zum besten. Diesemnach schrieb er an Nassau: er wäre schon gewohnet darüber dem gemeinen Wesen zum besten keine Empfindligkeit zu schöpffen: daß seine am besten gemeinte Sachen übel ausgelegt oder gar als böse gescholten würden. Kein Hercules würde vergöttert; er müste zuvor eine vielköpffichte Schlange nehmlich die Verleumbdung überwinden / welches die schwereste aller Helden-Thaten wäre. Dieses aber könte nur durch ihre Verachtung und beständige Einhaltung der Tugend-Bahne geschehen. Daher hätte Hercules alle übele Nachrede so geringschätzig geachtet: daß er auch bey seinem Opffer durch Schandflecke sich hätte verehret wissen wollen. Nassau möchte daher nur Ingviomers erste Hitze verrauchen lassen / und ihm so wol seine gute Meinung als das allgemeine Heil für Augen stellen; welches anders nicht als durch sämtliche Eintracht der deutschen Fürsten zu erhalten / hingegen für unzweiffelbare Gewißheit zu achten wäre: daß / so lange in Deutschland ein Funcken ihrer Uneinigkeit übrig seyn / auch die Römer an ihnen ihr Heil zu versuchen nicht unterlassen würden. Der Graf von Nassau verfügte sich hiermit auffs neue zu Ingviomern /und trug selbtem für: daß dem Feldherrn mit der Sicamber / Friesen und Chauzen Hertzoge einen Vergleich einzugehen nicht weniger / als iedem andern deutschen Fürsten freygestanden; ihn auch hieran weder einige Reichsverfassung / noch eine besondere Bedingung ihres Bündnüßes gehindert hätte. Meinte nun aber ein oder ander deutscher Fürst sich mit diesen nicht zu vereinbaren / noch sein wolgemeintes Abkommen anzunehmen / stünde einem ieden Krafft habender Gewalt Krieg / Friede / und Bündnüße zu schlüssen / frey / sich anderer Mittel zu bedienen. Alleine wie Melo / Ganasch und Malorich wegen ihres schlechten Zustandes mit dem Verhängnüße nicht zu rechten hätten; also solte kein ander sich darauf verlassen: daß er mit der seltzamen Leitung und Verwechselung des Gelückes seine Fehler werde entschuldigen / und seinen Untergang von sich ablehnen können. Denn nicht alle Menschen / auch nicht alle Zeiten vergnügten sich mit einer Erkäntnüs und Bereuung der Vergehungen; sondern Sieger würffen Untergedrückten ins gemein für: daß sie ihres Glückes eigene Schmiede wären. Im übrigen wäre der Feldherr Ingviomers Meinung: daß Melo / Ganasch und Malorich ihr wider das Vaterland begangene Verbrechen mit nichts erheblichem entschuldigen / weniger rechtfertigen könten; und daß die Unsträfligkeit ein Anlaß zu neuen Sünden wäre. Aber auch bey kundbaren Verbrechen ließe es sich nicht allemahl thun: daß man solches in der einen Hand mit dem Schwerdte / in der andern mit Feuer rächte; und daß man durch diß vernichtete / was jenes nicht zerstören könte. Die Rache schöpffte zwar aus ungeheuren Mord-Thaten / aus grausamen Einäscherungen Wollust; aber sie hörte darum nicht auf unmenschlich zu seyn / einen Greuel der Welt abzugeben / und den Fluch der Nachkommen zu verdienen / oder auch die gerechtesten Siege zu bebrandmahlen. In denen Welthändeln / welche so viel Krümmen hätten / liesse sich nicht alles nach der Schnure einrichten / und auf einen Punct ausecken. Müsten doch die Aertzte verzweiffelte Kranckheiten ungerühret lassen / und zu gewissen Zeiten auch bey andern ihre Hand abziehen. Wie vielmehr hätten sich Fürsten zu hüten; daß sie durch unzeitige Mittel [1248] das gemeine Ubel nicht mehr anzündeten als dämpften. Wenn ein Glied des Leibes vom Krebse befallen wäre / liesse es sich wohl / nicht aber / wenn der kalte Brand schon in meisten Gliedern steckte / schneiden. Hier hätten nicht nur ein / sondern viel streitbare Fürsten und Völcker sich mit den Römern verflochten. Zwar wäre es nicht ohne: daß ob wol die Welt mehr nach anderer Beyspiele / als nach der Vernunfft und den Gesätzen sich richtete / und anderer Boßheit so anfällig als die Pest wäre / dennoch die Vielheit der Verbrecher so wenig eines ieden Laster verkleinerte /als eines andern Schuld uns von Bezahlung der eigenen befreyte. Alleine wo gantze Völcker sich vergangen hätten / verbiete die Unmögligkeit alle durchgehends zu straffen; also / daß es offt rathsamer wäre Verbrechen zu übersehen und ein Auge zuzudrücken /als durch vergebens angemaaßte Bestraffung seine Schwäche zu zeigen / die Verbrecher aber verwegener zu machen / und die Laster zu starcken. Hier insonderheit wäre es keine so leichte Sache / als es sich vielleicht ansehn liesse / an Chauzen / Friesen / Sicambern / Tencterern und Juhonen Rache auszuüben; welche so viel Blut als die Bructerer im Hertzen / die Waffen in Händen / die Römer am Rücken hätten. Vielmahl hätte die Verzeihung mehr Nachdruck / als die Straffe / welche durch ihre Schärffe mehrmahls Hartnäckigkeit verursachte / da die eigene Scham mehr Reue und die Erkenntligkeit verdienter Züchtigung die schmertzhaffteste Fühle erweckte. Hierzu wären alle drey Hertzoge schon gebracht; sie verdamten ihre eigene Irrthümer / sie entschlügen sich der allgemeinen Feinde / und erböten sich gutwillig zu dem / was man ihnen mit Noth und Gefahr durch die Waffen abzwingen könte. Also solte man ja diese Gelegenheit nicht aus den Händen lassen. Die Staats-Händel hätten so wohl als andere Dinge ihre gewisse Zeit / da sie reiff und vollkommen würden; daher wäre eine der grösten Klugheit selbte zu treffen / und davon die Früchte der Glückseligkeit / ehe sie überständig würden / einzuerndten. Alle andere mitverbundene Fürsten riethen und billigten den Frieden /und entsätzten sich für dem innerlichen Kriege / durch welchen Deutschland alleine könte zu Grunde gehen. Also möchte doch Ingviomer alleine durch seine Schwerigkeit nicht machen: daß die / welche ihnen itzt freywillig die Hände reichten / sich auf die Hinterfüsse sätzten / und zurücke kriechen; Deutschlands Freyheit aber hierdurch auf die Spitze gesätzt würde. Diese zu erhalten müste man alles eusserste thun. Eben diß hätte der gantze Rath Griechenlands gebilliget / da sie mit dem Wütterich Nabis aus Noth einen ehrlichen Frieden gemacht; weil sie ohne solchen Sparta zu erhalten nicht getrauet. Deutschland hätte an den einigen Römern schon Feindes genung / und dem Könige Marbod kein Haar zu trauen. Alle Staats-kluge aber hätten iederzeit denen in zwey Kriege eingeflochtenen gerathen den Fuß aus der einen Dohne zu ziehen / solte man gleich darüber den Schuch im Stiche lassen. Durch diesen Vergleich aber erledigte sich Deutschland dreyer Feinde; hetzete derer auch eben so viel den Römern auf den Halß / welches einer der besten Streiche in der Krieges-Kunst wäre. Ja dieser Fürsten Beyspiel würde vermuthlich auch dem Flavius und Bojocaln ein Wegweiser seyn sich der Römer zu entschlagen / und es wieder mit dem Vaterlande zu halten. Wie aber kein Feind zu verachten wäre; also solte man ihm auch keinen Freund verschlagen. Denn wie unter jenen keiner so schwach wäre: daß er nicht schaden könte; also wären auch diese alle zu etwas zu gebrauchen; ja in Freunden bestünde unser ander Wesen. Wären Melo / Ganasch /und Malorich ihrer Liebe nicht werth / so hätte Deutschland doch ihrer Waffen wider die Römer von nöthen. Man müste sich der Schickung des Verhängnüßes unterwerffen / wie [1249] die Schiffenden beym Sturme von der Fluth sich treiben / und dem Winde seinen Willen lassen. Cato / wie gut er es mit dem gemeinen Wesen gemeint / hätte doch selbtem mehr / als viel Feinde nicht / Schaden zugefügt / weil er bey verterbter Zeit die Seene der Rechte und Tugend allzustrenge anziehen / und allenthalben mit dem Kopffe durchfahren wollen. Ingviomer würde mit gesamter Hand sich auch leichter seines Schadens in dem fruchtbaren Gallien / als mit zerstreuter Macht an den bergichten und magern Sicambern / und den sumpfichten Friesen oder Chauzen erholen. Das gantze Belgische Gallien zwischen dem Rheine und der Seene wäre ein für allen Zeiten erworbenes Eigenthum der Deutschen. Dieses könten sie mit grösserm Ruhme durch ihre eintrachtige Waffen den Römern wieder abnehmen / als mit Gefahr ihrer Freyheit einander selbst in die Haare gerathen. Der Feldherr würde Ingviomern hierinnen so viel begieriger an der Hand stehen / so viel er wegen so nahen Geblütes ihm mehr als keinem andern verbunden wäre. Hätten die Bructerer bey diesem Kriege viel gelitten / so hätten die Cherusker gewiß darbey keine Seide gesponnen; gleichwol verlangte Hertzog Herrmann hiervor keine Erstattung von einigem deutschen Fürsten. Also möchte auch Ingviomer dißmahl seinen Schaden aus Liebe des Vaterlandes verschmertzen. Denn es wäre doch kein grösser Gewinn in der Welt zu erjagen / als wenn man seinen Eigennutz dem gemeinen Wesen zum besten aufopfferte. Ingviomer hörete zwar den Grafen von Nassau mit mehrer Gedult als anfangs; iedoch ließ er sein Unvergnügen noch immerdar mercken; antwortete ihm also: Es könte Hertzog Herrmann den ohne seine Wissenschafft völlig geschlossenen Frieden weder als Feldherr / noch als sein Freund rechtfertigen. Denn Deutschland hätte niemahls sich einer einhäuptichen Herrschafft unterworffen; auf diese Würde hätte sich auch kein Fürst / so lange als die Welt stünde / nicht zu spitzen. Das Recht aber für sich alleine statt Deutschlandes Krieg und Friede zu schlüssen / wäre das kläreste Merckmaal einer unverschrenckten Herrschafft. Ehe er diese nun zu seiner unsausleschlichen Schande iemanden verhängen wolte / wenn es schon sein Sohn oder Bruder wäre / würde er einen andern Junius Brutus in Deutschland fürstellen; welcher für Erhaltung der Römischen Freyheit seiner eigenen Söhne Hälse mit dem Beile durchschnitten hätte. Meinte Hertzog Herrmann auch solchen Schluß durch vermeintes Recht der Freundschafft zu rechtfertigen /so hätte er selbst Vernunfft genung sich zu bescheiden: daß niemand die Gewalt über seiner Freunde Glücke nach eigener Willkühr zu schalten an sich ziehen könte; weniger aber verlangen solte / Meister ihres Verstandes und Herren ihres Willens zu seyn. Im übrigen nähme er für bekandt an: daß ihre und des Vaterlandes Feinde was anders / als eine so freundliche Aufnehmung verdienet hätten. Dahero bestünde er auf seiner Meinung / ihre Schwerdter solten nicht stumpffer seyn / als die Schärffe des Rechtes. Wer seinem Feinde liebkosete / gäbe ihm selbst das Messer in die Hand / an ihm die Heucheley mit dem Leben zu straffen. Die Furcht wäre ein übeler Rathgeber; also solte man ihr zu gefallen nicht das schlimste / was sie allemahl vorschlüge / erwehlen. Melo / Ganasch und Malorich wären wol grosse Fürsten gewest / aber nicht mehr. Die Schwachheiten ihres Gemüthes hätten sie durch ihre kleinmüthige Verbindung mit den Römern verrathen; ihre Länder wären durch die Römer ausgesogen / ihre Mannschafft im Kriege umkommen / und ihre Unterthanen hätten alle ihre Gemüther von ihnen entfernet; also daß man sie mit dem ersten Sturme und ehe die abgematteten Römer sich regen würden / auf einmahl übern Hauffen werffen könte. Tapfere Fürsten müsten ihnen nichts so schwer / weniger [1250] unmöglich machen; sondern / weil andere rathschlagten / zugleich etwas großmüthig entschlüssen / wie ein Blitz loßbrechen / und nachdrücklich ausführen. Zaghaffte Leute pflegten nur über wichtigen Geschäfften zu käuen; Helden aber müsten alle Schwerigkeiten verschlingen / und sich ja bey Leibe hüten: daß sie durch zweiffelhafftes Stocken nicht die Enge ihres Hertzens verriethen. Er verwürffe zwar nicht die Klugheit; aber eben diese riethe dem nicht das ander mahl trauen / der schon einmahl seine Leichtsinnigkeit in der That verrathen hätte / und den zu entwaffnen / der schon einmahl seine Waffen so schädlich mißgebraucht hätte. Wie es grosser Witz wäre seiner Feinde Pfeile vorsehen und ihnen ausweichen; also verdiente es den Nahmen einer grossen Einfalt / sich mit einem Steine zweymal werffen und treffen lassen. Hätten ihre Feinde diesen Vortheil /welchen sie / in Händen; sie würden ihnen schon im Busem sitzen / und ihre Länder nach dem fürlängst darüber geworffenen Looße unter sich getheilet haben. Was solten sie denn für Bedencken haben ihrer zu schonen / oder sie gleichsam nur zu dem Ende lassen zu Kräfften kommen: daß sie ihnen aufs neue schaden könten. Die Erfahrung würde den Feldherrn mit Schaden lehren: daß / wenn die Römer sich wieder herfür thun / sie auch wie die im Winter von Frost erstarrte Schlangen am Frühling wieder zu stechen anfangen würden. Diesemnach würde ihm niemand für übel auslegen / wenn er sich der Gelegenheit bediente / und ehe sie sich erholeten und ihre Kräfften mit einander vereinbarten / nach dem Beyspiele des Feldherrn / welcher Segesthens gantzes Land / Malovends gröstes Theil / und alles Erbtheil des Flavius besässe / ein und ander Stücke seiner Feinde / vermöge des von allen Völckern gebillichten Kriegs-Rechtes / an sich zu ziehen trachtete. Der Graf von Nassau aber ließ sich diese Erklärung noch nicht schrecken / sondern stellte Ingviomern für Augen: daß er nicht mit einem unter diesen dreyen / sondern mit allen dreyen auf einmahl; ja wenn auch die Bataver / Gallier und Römer ausser Augen zu setzen wären / mit denen Catten zu thun bekommen würde; weil Catumer seiner Chauzischen Gemahlin Erbtheil nicht in Stich sätzen /noch Hertzog Arpus den ihm so nahe verwandten Melo der unversöhnlichen Rache zur Sättigung überlassen würde. Ja alle deutsche Fürsten würden sich der Sache annehmen / und so hohe Häupter nicht zu Grunde richten lassen. Sintemahl ein für alle mahl unlaugbar wäre: daß Melo zu erst den Degen wider den Qvintilius Varus ausgezogen / Hertzog Ganasch aber zu seiner Niederlage nicht ein weniges beygetragen hätte. Der Fall aber eines grossen Helden und noch mehr eines Fürsten erweckte auch bey Frembden Mitleiden; ja bewegte den Feind selbst zum Erbarmnüß /also: daß Julius Cäsar sich nicht enthalten können /seines Feindes des Pompejus Haupt mit Thränen zu netzen / und seinen Tod an allen Mördern aufs schärfste zu rächen. Wie vielmehr Verbitterung aber würde erwachsen / wenn man von sich eine Begierde blicken liesse so Erlauchte Häuser gar zu vertilgen / oder ihre uhralte Herrschafften an die seinen zu hefften / weßwegen Neid und Mißgunst die gantze Welt wider sie in Harnisch zu bringen nicht säumen würde. Welche Holtz-Würme des gemeinen Wesens nicht einnisten zu lassen / der Feldherr Segesthen / dem Flavius und Malovend / wenn sie mit Deutschlande Freund würden / alle Augenblicke alles wieder einzuräumen erbötig wäre / was die gemeine Wolfarth ihn in Verwahrung zu nehmen genöthiget / kein Geitz aber ihm zuzueignen noch nie versucht hätte. Durch so gute Gründe und annehmliche Bescheidenheit redete er Ingviomern viel geschöpfften Argwohns aus /besänfftigte seine Gemüthsregungen / und brachte ihn auf so guten Weg; zumahl da auf des Feldherrn Gutachten / die abgeschickten Priester sich auch an [1251] Ingviomers Hof einfanden / das Ungeheuer des einheimischen Krieges zu erstecken / und zwischen denen deutschen Fürsten die alte Verträuligkeit zu erneuern sich eyfrigst bemühten. Es wäre auch dieses heilsame Werck allem Ansehen nach zu einem gewünschten Schlusse kommen / wenn die unvermuthete Zeitung: daß die Semnoner und Langobarden vom Könige Marbod ab- und dem Hertzog Herrmann zugefallen wären / den Schluß nicht in Stecken gebracht; und die hierauf erfolgte Veränderung mit Hülffe der Arglist und Liebe alles so mühsam unterbaute über einen Hauffen geworffen / und Deutschland allererst recht durch einen innerlichen Krieg angezündet hätte. Denn ob zwar iederman hätte urtheilen sollen: daß dieses Aufnehmen Hertzog Herrmanns dem Fürsten Ingviomer / als seinem nechsten Vetter / vielmehr zum Vergnügen hätte gereichen sollen; so hätte doch die Würckung gewiesen: daß der Neid rechte Wunder-Augen habe; und daß sie zwar scharffsichtig / niemahls aber ohne trübe Wolcken wären. Wie denn Ingviomer diese Schwachheit zu verbergen nicht mächtig war / sondern dem Grafen von Nassau bey Veränderung seiner vorigen Meinung ins Gesichte sagte: Sein Vetter Herrmann hätte kein Bedencken seine Herrschafft über zwey Völcker auszubreiten / ihm aber /als dem ältesten Fürsten des Cheruskischen Hauses /mißgönnete er: daß er sich seines Schadens an den offenbaren Feinden Deutschlandes etlicher massen erholen solte. Alleine er würde sich daran nichts hindern /oder ihm seines gleichen Gesätze fürschreiben lassen. Der Graf von Nassau mühete sich zwar eusserst Ingviomern auf lindere Gedancken zu bringen; nach dem aber alles fruchtloß abgieng / und er keine Hoffnung mehr hatte ihn zu besänfftigen / ward er Ingviomern zu sagen gezwungen: der Feldherr hätte des gemeinen besten wegen mit den Chauzen / Sicambern und Friesen sich verglichen / und ihnen seinen Schirm wider alle Gewalt versprochen; also würde Ingviomer nicht übel aufnehmen / wenn Hertzog Herrmann sie wider alle gewaltsame Anfälle mit seinen Waffen vertheidigen würde. Diese letztere Erklärung des Grafen von Nassau / welche zu thun ihm Hertzog Hermann ausdrücklich befohlen hatte / entrüstete Ingviomern auf eine solche Weise: daß er Augenblicks einen Hengst zur Stelle bringen / ihn werffen ließ / und über denen ausgeschnittenen Geilen nach dem Beyspiele des Tyndareus schwur: er wolte sein Haupt nicht sanffte legen / biß er diese Veracht- und Dreuung gerochen hätte. Der Graf von Nassau zohe hierüber die Achseln ein und noch selbigen Tag zurücke. Ingviomer aber ward ie länger ie mehr gegen seines Vetters wachsendes Glücke / wovon täglich mehr Nachrichten einlieffen /eyversüchtig und verbittert.

Die erwehnten Semnoner und Langobarden aber sind die zwey edelsten Völcker der in dem innersten Deutschlande von den Bojischen Gebürge und dem Uhrsprunge der Elbe biß an die Weichsel und das Baltische Meer wohnenden Schwaben / welchem sie auch den Nahmen der Schwäbischen See gegeben haben. Beyde Völcker sind für andern Deutschen an den Haaren kenntlich / welches sie wie alle Schwaben mit Knoten zu knüpffen / und so gar biß ins Eißgraue Alter die Zöpffe im Nacken oder auf dem Wirbel zusammen zu binden pflegen. Ihre Fürsten pflegen ihre Haare wol auch zu krausen und wie Hörner in die Höhe zu rollen / iedoch nicht dem Frauenzimmer zu Liebe / sondern / daß sie im Kriege desto ansehlicher aussehen. Die Semnoner sind ein grosses Volck. Denn sie bewohnen das gantze Gebiete zwischen dem Bojischen Gebürge an dem Kweisse / folgends dem Bober biß an die Oder / wie auch an der Elbe herab /biß wo die Saale hinein fällt. Sie rühmen sich die ältesten Schwaben zu seyn; und daß ein Theil von ihnen unter dem Hertzoge [1252] Brennus Rom eingenommen / den grossen Alexander mit einer Botschafft verehrt / und mit der hertzhafften Antwort: daß sie nichts als den Hi elfall fürchteten / vom Einfalle in Deutschland zurück gehalten hätten. Wie sie denn auch die in Gallien wohnenden Semnoner für ihre aus Deutschland gewanderter Anverwandten Nachkommen halten. Unter denen Semnonern gegen Mitternacht von der Elbe hinab / biß wo die Havel hinein fällt / biß an die Oder wohnen die Langobarden / ein zwar nicht so grosses / aber sehr streitbares und keine Gefahr achtendes Volck; welches zwar rings herum von mächtigen Völckern umgeben ist / aber keinem andern iemahls gehorsamet / sondern sich mit dem Degen allezeit bey seiner Freyheit erhalten hat / biß daß das Verhängnüs es nebst andern Völckern gleichsam durch einen Sturm dem Könige Marbod unterwarff. Jedoch würde dieser schwerlich beyder Völcker Meister worden seyn / wenn ihre Fürsten dem erstgebohrnen Sohne die Herrschafft gelassen / nicht aber durch derselben schädliche Zertheilung ihre Macht zerstücket und dadurch zu Bürger-Kriegen Anlaß gegeben hätten / wordurch die vielen Fürsten einander selbst aufrieben / die übrigen aber in wenigen Jahren gleichsam wie Schwämme / die in einer Nacht wachsen und in einem Tage wieder vermodern / abstarben; so daß es etliche für eine Zauberey / andere für eine besondere Schickung des dem Könige Marbod gleichsam zu Gebote stehenden Verhängnüßes hielten. Bey den Semnonern entspaan der innerliche Krieg sich daher: daß der Adel die Herrschafft unter dem Scheine der Freyheit bey sich behalten / und vermittelst einer Raths-Versamlung unter sich theilen; das gemeine Volck aber ein Haupt / und / wie sie sagten / lieber einem als vielen Herren zu Gebote stehen wolten. Diesen Zwist beyzulegen kamen alle Semnoner an der Spreu auf freyem Felde im Vollmonden / und zwar nach der Deutschen Gewohnheit / alle gewaffnet zusammen; wiewol viel ihrer Freyheit nach kaum drey Tage darnach sich einstellten. Da sich sonst alles Volck ohne Ordnung unter einander zu sätzen pflegte / sonderte sich dieses mahl der Adel von den gemeinen Leuten ab. Haugwitz ein alter und ansehlicher Ritter trug hierauf im Nahmen des sämtlichen Adels folgenden Vortrag: Nach dem es dem Verhängnüße gefallen hätte den uhralten Stamm ihrer Fürsten untergehen zu lassen / schiene es desselben deutlicher Wille zu seyn die Semnoner in Genüß ihrer Freyheit zu sätzen. Weil aber kein Land oder Volck ohne Herrschafft bestehen / weniger glücklich leben könte /würde selbten zweiffelsfrey gefallen nicht einen Fürsten / sondern die klügsten und tugendhafftesten aus denen gesamten Semnonern zu erkiesen; also sich nicht der Dienstbarkeit eines Fürsten oder Geschlechtes zu unterwerffen / sondern vielmehr die besten aus dem Volcke zu Beförderung der gemeinen Wolfarth auszulesen. In der goldenen Zeit wäre iedweder sein eigener Herr gewest; niemand hätte einem andern Gesätze zu gehorsamen gehabt / als welches ihm seine eigene Willkühr fürgeschrieben. In der silbernen Zeit wären Städte und Reiche aufkommen; es hätte aber einer so viel als der ander in gemeinen Rathschlägen sagen dörffen; und die Weitläufftigkeit der Herrschafften / da gantze Völcker unmöglich hätten versamlet werden können / wäre dem gemeinen Wesen vorzustehen denen / zu welchen man das beste Vertrauen gehabt / übergeben worden. In der eisernen Zeit aber hätten allererst einzele Menschen die Gewalt über das gantze Volck nicht aus dessen Liebe / sondern aus Ehrsucht und Eigennutz an sich gerissen /und die Dienstbarkeit eingeführt. Weil nun nichts süsser / nichts herrlicher als die Freyheit / und dem ersten Uhrsprunge der Menschen anständiger wäre / als daß einer Mutter Kinder einerley Recht und Gewalt hätten / daß diß / was alle angienge / alle billichten; solten sie die Gelegenheit [1253] sich in die Freyheit zu versätzen als ein seltzames Geschencke Gottes nicht durch Unachtsamkeit verlieren; und weil die Menge der Semnoner freylich nicht lidte: daß alle zugleich herrschten / doch aus den besten einen gemeinen Rath erkiesen /welcher durch Vernunfft und Gerechtigkeit / wovon offt ungeschickte Fürsten nichts verstünden / eigensinnige nichts hielten / allen glücklich vorstünde. Hierdurch würden sie sich aus dem eisernen Joche /wo nicht in eine güldene doch in eine silberne Verfassung / aus der willkührlichen Herrschafft unter den Schirm der Gesätze versätzen; an welche / wie heilsam sie gleich wären / auch die besten Fürsten nicht wolten gebunden seyn. Weil aber doch iede Glieder eines gemeinen Reichs-Rathes denen Gesätzen und Gerichten eben wie einer aus dem gemeinen Volcke unterworffen / und fast unmöglich wäre: daß alle ingesamt wider die gemeine Wolfarth einstimmig seyn könten / könte das Volck unter einem solchen Rathe unmöglich in solche Gefahr und Dienstbarkeit verfallen; als wo die Begierden eines Fürsten seine Richtschnur machten / und ohne besorgliche Straffe oder Verantwortung Gesätze machten und aufhüben. Die Semnoner wären kein so ungeschicktes und wildes Volck: daß nur einer oder der ander / oder gar keiner unter ihnen zu herrschen wüsten; also sie nur den einigen Geschickten aus sich / oder gar einen Frembden zum Fürsten erkiesen müsten. Wo nun aber ihrer viel an Adel und Fähigkeit einander gleiche wären / erforderte die Billichkeit: daß auch alle diese zugleiche herrscheten. Kein Fürst in der Welt wäre ohne diß so geschickt / oder hätte so viel Kräfften: daß er alleine ohne anderer Zuthat einem gantzen Volcke vorstehen könte / und der grösten Kunst aller Künste / nehmlich der Herrschafft / welche so viel Tieffen zu ergründen /so viel Weiten auszumässen / so viel Geheimnüße zu begreiffen hat / gewachsen seyn solte. Da er nun entweder seine Blutsfreunde aus Zuneigung / oder Frembde aus Noth zu Räthen und Gehülffen annehmen müste / wäre ja schicklicher und vergnüglicher: daß das mit mehren Augen sehende Volck / so viel als die Nothdurfft erforderte / zur Herrschafft erkiesete; welche denn mehr Weißheit / Tugend und Beredsamkeit / als ein Mensch besässe / dem gemeinen Wesen zum besten beytragen könten. Hingegen fiele ein Fürst einem Lande überaus kostbar; weil diese zu ihrem prächtigen Unterhalte / zu Spielen und Wollüsten / zu Verpflegung ihrer Anverwandten / zu Aussätzung ihrer Töchter und Belohnung der Heuchler offt mehr / als auf Besoldungen nützlicher Diener /Führung nöthiger Kriege / und sonst zum gemeinen besten vom Schweiße der Unterthanen anzugewehren pflegten. Nach dem auch nicht nur das Vermögen /sondern die Ehre und das Leben der Bürger in der Herrscher Gewalt stünde / ihrer viel aber nicht so leicht die Unschuld zu unterdrücken übereinstimmen /als ein hitziger Fürst entschlüssen könte. Das Heil der Bürger aber wäre das oberste Gesätze / und die Herrscher wegen des Volckes / nicht aber das Volck wegen der Herrscher. Das gemeine Volck der Semnoner blieb auf seiner Meinung und dem Verlangen einen Fürsten zu ihrem Haupte zu haben; sätzte daher dem Adel entgegen: die Erzehlungen von der güldenen und silbernen Zeit wären mit so viel Getichten umwickelt: daß aus derselben Finsternüs die Wahrheit schwerer als das Gold aus Ertzt-Schlacken zu ziehen wäre. Wenn das Alterthum ihnen eine Richtschnur abgeben solte / würde die einhäuptige Herrschafft ohne allen Zweiffel das Vorrecht haben. Denn die Haußhaltungen wären sonder Zweifel ältere Gemeinschafften als die Städte; in jenen aber wäre der Hauß-Vater über Weib / Kinder und Gesinde der erste König gewest / wie in einem Reiche der König nichts anders als des Volckes Vater wäre. Wenn aber auch anfangs bey Aufrichtung der Städte nicht bald [1254] die Fürstliche Herrschafft gegründet worden wäre / würden nicht etliche / wie der Adel itzt verlangte / sondern alle aus dem Volcke solche ausgeübt haben. Alleine die Griechen / die Römer / und insonderheit die Deutschen zähleten ihren Anfang von ihren Königen her; ja gantz Asien wüste von keiner vielhäuptigen Herrschafft etwas; sondern diese wäre ihnen etwas so ungeschicktes / als wenn der Himmel zwey Sonnen /ein Kreiß zwey Mittel-Puncte haben solte. Die Natur hätte die erste Welt durch das Beyspiel der Elephanten / des Rindviehes / der Kranche / welche alle nur einem Führer folgten / zur Erwehlung angewiesen; ja etlichen tausend weiblichen Binen nur einen Weißel zum Manne gegeben: daß sie / als ein kluges Muster des gemeinen Wesens / ihn für ihren einzelen König erkennen müsten. Diesem beqvämten sich nun auch billich die vernünfftigen Semnoner; nicht zwar: daß sie einem / der sich etwan aus Ehrsucht oder Eigennutz ihnen aufdringen wolte / sondern dem / welchen die meisten Stimmen für den würdigsten erkiesen würden / sich unterwerffen solten. Wie der Adel ihre Menge: daß alle Semnoner die Hand in der Herr schafft haben könten / selbst für zu groß hielten / also schiene vieler edlen Herrschafft des Volckes Freyheit / insonderheit aber der gemeinen Ruh mehr als eines Fürsten / Abbruch zu thun. Denn weñ schon alle / die sie zur Herrschafft im Vorschlage hätten / dazu tüchtig wären / würden doch sie mit einander aus angebohrner Begierde alleine zu herrschen bald zwistig werden; Zu Unterdrückung der andern Arglist / Verleumdung / Ungerechtigkeit / ja selbst das theuere Blut der Bürger zu Hülffe nehmen. Denn da Tullia aus Herrschenssucht nicht ihres Vaters / Romulus nicht seines Bruders verschonet / wer wolte unter frembden ihm eine beständige Eintracht verheissen? Daher auch Rom nach verstossenen Königen kein ander Mittel gehabt Adel und Pöfel mit einander zu versöhnen / denen bürgerlichen Kriegen ein Ende zu machen / als daß es mehrmahls sich einem Feldherrn /und hernach einem Kayser unterworffen / nach dem sie gelernet: daß zwar Fürsten die Gesätze bißweilen zu beugen / gute aber darnach selbst zu leben / unter vieler Herrscher Zwytracht aber ins gemein mehr Schiffbruch leiden; ja nicht selten vom Sylla / Marius / Julius zum Deckel ihrer Kriege angezogen und mit Füssen getreten würden. Dahero / weil ein Fürst ja nicht mit ihm selbst zwistig werden könte / seine Eintracht für den Grundstein des innerlichen Friedens /vieler Herrscher Neid / Eyversucht und Mißverstand aber für einen steten Zanck-Apfel zu halten wäre /weil doch Gewalt und Eintracht selten verträgliche Gefärthen seyn könten. Aus diesen Ursachen könte nicht einst ein kleines Krieges-Heer bestehen / wo ihrer mehr als einer an der höchsten Gewalt Theil hätten. Also wäre die Schlacht im Isthmus durch die widrigen Meinungen des Themistocles und Euridiades den Persen bey nahe in die Hände gespielt / des Sempronius und Scipio Zwytracht hätte Hannibaln bey Trebia / und die Händel des Terentius und Paulus bey Canna zum Obsieger gemacht / und Rom bey nahe verlohren. Wie solten nicht gantze Länder / unberügliche Reiche / welche gleichsam gegen ihre Nachbarn stets zu Felde liegende Läger sind / bey zertheilter Herrschafft Noth leiden? Welchen treuen Bürger solte nun gelüsten Theil an einer so schädlichen Herrschafft zu haben / wenn er noch so vollkommen wäre? welcher wolte gegen einen einzelen Herrscher eyversüchtig seyn / wenn dieser dem gemeinen Wesen so nöthig und nützlich ist? dahero / wenn auch schon unter denen Semnonern ihrer viel dem würdigsten gleich wären; würde doch / weil jenem der Wille des ihn erwehlenden Volckes ein grosses Gewichte und Vorrecht zuwirfft / sich so wenig einer unter diesen /als das Volck gegen die Herrschafft des Adels über einige Ungleichheit zu beklagen haben / [1255] wo ihm der Neid nicht aus den Augen sehen soll. Das Ampt eines Fürsten erforderte freylich zwar mehr / als zwey Hände; aber ein gantzes Reich erforderte wie ein Leib nur einen Geist selbiges zu beseelen; und gienge die Uhr einer Herrschafft viel richtiger / wenn viel Diener nach eines Fürsten Befehl / als viel herrschende Rathsherren nach ihrem eigenen Gutdüncken die unter sich getheilten Geschäffte verrichten; und weil meist so viel Meinungen als Köpffe wären / einer mit dem Kopffe dar / der andere dort hinaus wolte. Wenn nun schon ihrer viel mehr als einer sähe / wiewohl man ein Auge zudrückt / wenn man etwas aufs genauste erkiesen wil / verfälschte doch die Wiederwärtigkeit der Meinungen / wie gewisse Gläser das Gesichte. Denn aus denen Wiedersprech- und unglücklichen Ausübungen der Rathschlüsse / da man bey Mißlingungen andern ins gemein Mängel ausstellte / oder / wenn wir selbigem Rathe nicht beygepflichtet haben / den guten Ausschlag ins geheim hindern / und uns über unserm eigenen Unglücke kitzeln / erwüchse Verdruß und Haß; und weil selten einer ohne Anhang ist /ieder aber sich für den klügsten hält / im Rathe Spaltungen / derer iede geheime Bündnüsse machte / und wenn sie mit Klugheit und Beredsamkeit nicht könten / mit Gewalt durchzudringen / und den gefasten Schluß mit den Waffen auszuüben trachteten / solle gleich alles drüber zu Grunde gehen. Zu geschweigen: daß wo die Gewalt zu herrschen / welche so vielmehr Nachdruck hat / ie enger sie zusammen gedrungen ist / in so kleine Stücklein zertheilet wird / und ihrer viel etwas belieben müsten / die Rathschläge wie die allzukünstlichen Uhren offt ins Stecken geriethen; und /weil mit dem von einander gehenden Rathe die Seele der Herrschafft gleichsam verschwinde / und ohne neue und offt langsame Versamlung nichts geschlossen werden könte / vielmahl und mühsam aufgezogen werden müsten; hingegen ein Fürst allenthalben und iederzeit sein nie ruhendes Ampt vollziehen / in Nothfällen für sich selbst alles aus dem Steigereiffen entschlüssen / die Geheimnüße für den scharffsüchtigsten Augen verschlüssen / und gleichsam in seinem Hertzen verfaulen lassen könte; welche / wo so viel Wissenschafft davon haben / weder durch Eyde noch Künste verschwiegen zu halten wären. Da doch in der Heimligkeit eines Rathschlages / welche die sicherste Wache wichtiger Vornehmen ist / und durch die Blindheit des verstockten Minotaurus fürgebildet wird / mehrmahls das Heil eines Reiches bestehet: und daher dem Theseus / nach dem er dessen Meister worden / nicht schwer gefallen den Minos seiner Tochter nehmlich der Herrschafft zu berauben. So giengen auch viel Herrscher mit denen gemeinen Einkünfften nicht sparsamer / als ein eintzeler Fürst um. Deñ hier verschenckte nur einer wenigen / dort ihrer viel vielmehrern. Sintemahl ein ieder sich seinem Stande gemäß halten / sein Geschlechte hoch ans Bret bringen / seinem Sohne die Nachfolge in der Würde versichern wolte; also keine geringe Zahl benöthigter Freunde sättigen / ja gar die ihm am Wege stehende Mißgönner durch Freygebigkeit gewinnen / zu so vielen Ausgaben aber die gemeinen Einkünffte durch künstliche Grieffe an sich bringen müste; worzu einer dem andern bey einerley Zwecke und gemeinem Diebstale durch die Finger zu sehen durch eigene Noth oder Gewissen genöthiget würde. Uber diß stünde die Unschuld unter einem / als unter viel Häuptern / in weniger Gefahr; und wäre die Grausamkeit wohl eines Phalaris / nicht aber der Könige / sondern vielmehr des Volckes Eigenschafft. Ja auch Wütteriche hauten nur die über andere sich empor streckende Köpffe /nehmlich Ehrsüchtige / ab / welche ihnen zu nahe kämen und ihre Hoheit überschatten wolten; Bürger aber / welche unbekandt bleiben / und sich nicht mit Fleiß hervor brechen wolten / hätten so wenig als niedrige [1256] Sträuche sich einigen Donners zu befürchten. Wo ihrer aber viel das Hefft hätten / wäre kein Mensch sicher / weil niemand sich so sehr vorsehen könte: daß er nicht einem aus so vielen zu nahe käme; oder er einen gegen seine Vor-Eltern oder Verwandte geschöpfften Haß erbte. Wie leicht aber liesse sich solche absondere Feindschaft mit dem Nutzen gemeiner Rache vermänteln / ja Octavius schlüge wohl sei nen besten Freund Cicero in die Schantze / und verkauffte dem Antonius seinen Kopff: daß dieser hingegen jenem auf andere zu rasen freystellen möchte. Des Volckes und der Zunfftmeister Herrschafft zu Rom wäre viel blutiger als der sieben Könige gewest; und Carthago stünde vielleicht noch / wenn die Barchinischen verbundenen nicht des Hanno heilsamen Rath zernichtet hätten. Derogestalt bestünde das Heil der Semnoner auf der Wahl eines Fürsten. Dann dieser wäre der Heilbrunn eines Volckes / aus welchem ieder Bürger Hülffe und Trost zu schöpften hätte. Daher könte man wol der Person eines Königes / aber nicht schlechter Dinges eines Königes überdrüßig werden. Reder ein Semnonischer Edelmann brach dem Redner des Volckes ein / und sagte: Es liesse sich die Königliche Herrschafft leichter heraus streichen / als vertragen. Es wäre damit aber wie mit gewissen Kräutern beschaffen / welche einem Thiere eine gedeyliche Speise / dem andern tödtliches Gifft wären. Völcker /welche entweder von Natur oder durch Gewohnheit zu Knechten gemacht worden / vertrügen nicht nur ein Oberhaupt / sondern hätten dessen auch unentpehrlich von nöthen. Aber den Semnonern wäre die Freyheit angebohren / und also die Dienstbarkeit unerträglich. Warum wolten sie sich dann selbst muthwillig zu Sclaven machen / da sie und ihre Kinder herrschen könten? Die anwesenden Priester hatten biß hieher nur zugehöret; nun aber stand Ludger der Oberste unter den Anwesenden auf / und fieng an: Was verstehestu unter deiner gerühmten Freyheit? Wilstu niemanden unterworffen seyn / und nur nach eigenem Willen leben / so hebestu alle Herrschafften / auch die / welche du im Schilde führest / auf. Warum schlägstu denn nicht für: daß die Semnoner nicht einem / auch nicht vielen Häuptern gehorsamen / sondern ein ieder sein eigen Herr seyn solle? Denn diß ist die vollkommenste Freyheit. Aber du bescheidest dich vielleicht selbst: daß der / welcher bey solcher Unordnung und Selbstgewissenheit ausser einer Stadt leben / und alles / was er wil / zu thun vermeint / auch alles von andern nach ihrer Willkühr leiden müsse; hingegen in einer Stadt behält iedweder weniger / aber doch so viel Freyheit / als zu seiner Ruhe und Sicherheit nöthig ist. Dieser Abgang aber wird ihm dadurch reichlich ersätzt: daß allen andern ihre Willkühr ihm zu schaden benommen wird / und daß er sich für keines andern Freyheit zu fürchten hat. Du siehest zweiffelsfrey: daß wo ein Land ausser der Verfassung einer Herrschafft ist / zwar ieder ein Recht zu allen Dingen habe / aber keines einigen alleine und sicher genüssen könne; und also es viel besser sey / in einer Stadt weniger haben /und solches sicher nutzen können. Du fürchtest vielleicht: daß ausser gesätzter Obrigkeit dich iederman /unter einer Herrschafft aber nur einer oder etliche dich füglich des Deinen berauben und tödten können; daß in jenem Zustande du dich alleine / in diesem aber dich viel andere beschirmen; daß dir dort dein eigener Fleiß nicht gewiß / hier aber dir auch anderer Leute Müh und Saate zu statten komme; daß ohne Herrschafft du in stetem Kriege / Furcht / Armuth / Einsamkeit / Wildnüs und Unwissenheit elende / unter der Herrschafft aber in Sicherheit / Uberfluße / Gesellschafft / und Wissenschafft gemächlich und herrlich leben könnest / weil dort die Begierden / hier die Vernunfft zu gebieten hat. Nach dem du dich nun durch diß dein eigen Bekäntnüs gefangen giebst: daß die Freyheit / wenn sie gantz unumschrenckt / und also in der höchsten Staffel ist / dich nur unglücklich[1257] mache / wie magstu denn der Semnoner Glückseligkeit auf die Freyheit gründen? Verstehestu aber unter dem Nahmen deiner gerühmten Freyheit eine solche /welche keinen Gesätzen unterworffen / so strebestu selbst nach der Herrschafft; welche in einer solchen Unverbindligkeit bestehet. Und derogestalt ist die Liebe solcher Freyheit nur eine Ungedult: daß du nicht selbst das Steuer-Ruder der Semnonischen Herrschafft in Händen haben solst. Hastu aber dein Absehen auf die Rechte und güldene Freyheit / welche in einer Befreyung für unrechter Gewalt / und in Befolgung der Gesätze bestehet / so würdestu solche nicht vollkommener als unter der Fürstlichen Herrschafft finden; weil bey diesen weniger Gesätze / als bey vieler Herrschafft gemacht werden / und es leichter wäre sich in einen / als in viel Köpffe schicken. Unter diesen bildete man sich zwar eine Freyheit ein; man wüste von selbter viel Worte zu machen / und wäre doch nirgends ihr Wesen zu finden; sondern man verehrte viel Götzen mit einer mehr als knechtischen Heucheley; und lebte man mehr ohne Herren / als in der Freyheit. Ja auch die / welche das Steuer-Ruder mit in Händen hätten / bildeten sich mehr ein zu herrschen / als daß sie wahrhafftig herrschten. Der denen Gesätzen geleistete Gehorsam benähme der Freyheit aber das wenigste / sondern gäbe derselben vielmehr ihre Vollkommenheit / welche in Wolfarth und Sicherheit bestünde / worauf alle Gesätze gerichtet würden; und daher ieder vernünfftiger nicht mit gezwungenem Unwillen / sondern mit Freudigkeit nach selbigen lebte. In der gantzen Welt aber wäre die unschätzbare Freyheit nicht vollkommener als unter den deutschen Fürsten zu finden / und bey denen Semnonischen zeither gewesen. Denn ihre Fürsten wären selbst an gute Gesätze gebunden; und ihre Gewalt über das Volck wäre mit ihrem und der Vernunfft umschräncket / also: daß sie mehr mit ihrem guten Beyspiele / als mit Befehlen die Unterthanen zur Nachfolge leiteten / die Verbrechen aber die Priester untersuchen und bestraffen liessen. Ja dem Adel wäre selbst mehr als dem Volcke an einem Fürsten gelegen; weil solcher diesem am nächsten wäre / und ein Fürst treue Dienste reichlicher als viel Herrscher belohnete; auch leichter eines als einer Menge Genade zu erwerben und zu erhalten wäre. Ein Fürst sehe Fehlern und Schwachheiten ehe durch die Finger; da hingegen ein herrschendes Volck von keiner Erbarmung wüste / von vielen widrigen Regungen verwirret / und weil ieder eines andern Versehen zu seiner Gefahr und Schaden auslegte / solches als ein ihm gethanes Unrecht zu rächen gereitzt würde. Kein Fürst wäre leicht so unachtsam oder so frech: daß er nicht nach sich einen ehrlichen Nahmen und den Nachfolgern ein gutes Beyspiel zu lassen gedächte; die Menge aber hätte keine Stirne und keine Schamröthe. Sie sorgte nicht / wie Fürsten / um die Nachkommen; sondern nur für eigene Sicherheit; und daher hielten sie auch ihre Bündnüße selten länger / als sie ihnen verträglich zu seyn schienen. Sie erinnerte sich keiner Wolthaten verdienter Leute; und machte ihr kein Gewissen die Unschuld selbst für sich aufzuopffern /welches ihnen tapfere Fürsten nunmehr zur Schande thäten. Was hätte denn der Adel für Ursache eine so gelinde und heilsame Herrschafft zu theilen / durch ihre Trennung aber zu schwächen? Da es sonder Zweiffel Deutschlande viel nützlicher seyn / und der Römer Einbruch eben so wol als der Pränestiner Ein fall zu Rom die blosse Wahl eines Feldherrn zurücke trieb / verhütet haben würde / weñ sie ihren Fürsten grössere Gewalt einräumten / oder sich alle Deutschen der unverschränckten Gewalt eines einigen Hauptes übergeben? Denn in der Einigkeit bestünde die Vollkommenheit / in der Eintracht die Wolfarth; Die Trennung aber wäre so wohl in bürgerlichen als natürlichen Sachen der Weg zum Verterben. [1258] Dieses erkennten die Deutschen in ihrem Gottesdienste / da sie nur einen GOtt glaubten / anbeteten und diese Wahrheit dardurch erhärteten: daß / wenn mehr als ein GOtt der Natur vorstünden / in der Welt keine so herrliche Ubereinstimmung zwischen so widrigen Dingen gefunden werden könte. Woraus die Weltweisen vernünfftig geschlossen: daß die Herrschafft eines einzelen Hauptes der Natur gemäß / und ein Nachgemählde der Göttlichen / die vielköpfichte Herrschafft aber ein Gemächte der Menschen und im Prometheus abgebildet wäre. Sintemahl die menschliche Vernunfft durch das gestohlne Feuer der von GOtt als der höchsten Sonne entlehnten Gesätze den Koth des niedrigen Volckes gleichsam beseelet hätte / als solche wären zu Herrschern gemacht / und mit diesen Zwytracht und ander Unheil eingeführet worden. Diesem abzuhelffen hätte der Wahrsager-Geist kein ander Mittel an die Hand zu geben gewust / denn daß sie einen König erwehlen solten. Sintemahl ein König das Reich als sein Eigenthum in acht nähme und zu erhalten sorgte; viel Herrscher aber damit wie Amptleute mit frembden Gütern gebahrten. In dem ersten Falle schiene ein Fürst zwar seinen Eigennutz zu suchen; er wäre aber mit der gemeinen Wolfarth unzertrennlich eingeflochten; weil alles / was er für seine Erhaltung thäte / nothwendig auch zur Beschützung seiner Unterthanen gereichte / ja fast nicht zu ersinnen wäre /wie etwas für den Fürsten gut / für die Bürger aber schädlich seyn könte. Wo aber die Herrschafft getheilet / und die Würde veränderlich wäre / wolte keiner die Gelegenheit versäumen sein Glücke zu suchen; und daher machten ihnen wenig Gewissen diß / was sie ohne diß bald abtreten müsten / zu verhandeln / so bald sich nur ein Kauffer ereignete / umb hierdurch theils ihrem Armuthe abzuhelffen / theils ihren Geitz zu stillen; weßwegen Marius so närrisch nicht gethan / als er etliche Scheffel Geld auf den Marck tragen ließ / umb der Römer Stimmen zu erkauffen / als wordurch auch die von Athen verleitet wurden die Mytileneer eben den Tag frey zu sprechen / an dem sie sie verdammt hatten. Da nun unsere kluge Vorfahren unter Fürsten ihre Vergnügung gefunden haben / und alle deutsche Völcker sie noch finden / warumb wolten denn wir uns einer neuen und unbekannten Strasse befleißen? Lasset uns aber nach den alten Sitten leben / nach alter Gewohnheit beherrschet werden / so wer den die Semnoner süssen Friedens / reichen Uberflusses und der güldenen Freyheit unaufhörlich genüssen. Das Volck billichte mit Zusammenstossung ihrer Schilde dieses Priesters Beyfall; der Adel aber bezeugte durch ein Geräusche hierüber sein Unvergnügen. Als aber auf beyden Seiten die Priester ein Stillschweigen zu Wege gebracht hatten / fieng der Ritter Schweinitz an: Dieses Priesters beliebter Schluß öffnet dem Adel die Augen: daß die Semnoner von ihrer Vor-Eltern und anderer tapfferer Deutschen Zwecke gantz abkommen sind. Denn er höret: daß sie nun auf Reichthum / auf Wollust und Ruhe ihr Absehn haben / daran unsere Ahnen kein Vergnügen fanden. Denn diese wurden so harte ohne Bette zwischen dem Vieh oder in Wäldern erzogen: daß man unter Adel und Pöfel / unter Herr und Knechte keinen Unterschied sahe / biß ihn die Tugend machte / und das Alter sie unterscheidete. Die Arbeit war ihre Wollust / wildes Obst / geronnene Milch / oder ein selbst gefälltes Wild war eines ieden Speise; sie reitzten mit keinen Gewürtzen und niedlichen Gerichten ihren Hunger. Hierdurch erwuchsen sie zu so grossen Leuten; hiervon kriegten sie so kräfftige Spann-Adern und starcke Glieder: da hingegen eine zärtliche Auferziehung Leib und Gemüthe entkräfftet. Sie wusten von keinem Gelde; und hielten es mehr für eine Gnade als einen Zorn ihres Gottes: daß er sie mit Silber und Golde verschonet hatte / sie also [1259] der Müh entübriget waren den Gebrauch gemüntzten Ertztes mit den Lacedämoniern in ihrem Lande zu verbieten. Sie brauchten das Eisen zu keinem Gelde / welches Lycurgus doch zu Sparta zuließ / sondern nur zu Waffen; ja die ihren Gesandten verehrten Silbergeschirre hielten sie nicht höher als ihre thönerne. Der Adel ist aber nunmehr bekümmert: daß bey den Semnonern das gemeine Volck umb Reichthum und Uberfluß / als dem Uhrsprung der Laster und des Verterbens / sich bewirbet. Sintemahl die Perser / so bald sie von denen besiegten reichen Lydiern durch Schwelgerey und Uppigkeit angesteckt wurden / ihre Tapferkeit und folgends ihre Herrschafft einbüsten. Hingegen ist der Zweck aller Schwaben / und fürnehmlich der Semnoner gewest durch die Waffen Ehre zu erwerben. Zu dem Ende härteten sie ihre Kinder von der Geburt an durch Frost ab / zohen sie durch das kälteste Wasser / liessen sie in der Sonne ohne Hut / im Regen ohne Mantel / im Winde mit blosser Brust / auf Eiß und im Schnee baarfüßig gehen; vielleicht weil sie gehöret hatten: daß Mars als ein Kind seine Füsse aus dem kältesten Flusse Thraciens dem Strymon gewaschen hätte. Derogestalt war ihre Kinder-Zucht nicht gelinder als der Spartaner / welche sie bey dem Tempel Dianens um sie zu Erduldung der Schmertzen zu gewöhnen biß aufs Blut / ja etliche biß auf den Tod peitschten / ohne daß eines darüber seuffzen dorffte. Ihre beste Kleidung war eine Wolffs- oder Bären-Haut; sie hörten von keiner Uppigkeit / von keinem Ball-Hause oder Lust-Spielen / welche nicht an Kriegs-Ubungen bestunden / wie der von Minerven dem Castor und Pollux gewiesene und bey den Lacedemonischen Knaben übliche Tantz / in welchem ieder mit dem Degen seines Gefärthen Schild treffen / und alle in einem Treffen vorkommende Stellungen machen muste. Der Fürsten Hofstädte bestunden in eitel Leuten / welche sie im Friede zwar zu ihrem Gepränge und zu Gesandschafften / im Kriege aber zur Leibwache brauchten. Gaben die Mütter gleich / wie bey den Lacedämoniern / ihren Söhnen den Schild zu erst in die Hand / so wurden sie doch allererst von der versamleten Stadt nach untersuchter Fähigkeit zum Kriege wehrhafft gemacht / und an diesem Ehren-Tage nach erlangter Ausmusterung gleichsam aus der Gewalt ihrer Väter loß gelassen / und dem gemeinen Wesen zugeeignet. Die deutsche Jugend fühlte keine lüsterne Regungen /sie heyrathete langsam; damit die zu den Waffen nöthige Kräfften ja unerschöpfft blieben. Sie entschlügen sich aller Handlung und Wuchers / sondern führeten lieber die Waffen als den Pflug; welche sie auch mit zu Gastereyen / zu Gerichten und in andere Versamlungen brachten: das Hertze lachte ihnen in Schlachten / in welche sich auch ihre Weiber zu verwickeln freuten / und den Feinden offt mehr / als die Weiber zu schaffen gaben. Mit einem Worte: der Semnoner Glück und Ergetzligkeit bestand im Kriege / welchen ihr bey itziger Verfassung der Herrschafft gäntzlich auszurotten anzielet. Das Volck machte hierüber abermals ein Geräusche / und Dithard / ein alter Kriegsmann / fieng an: der Schild ist meine Wiege gewest / dieser soll auch meine Baare seyn. Aber nicht nur ich / sondern alle anwesende Semnoner begehren nicht auf weichen Küssen zu schlaffen /die Hand in die Schoß zu legen / oder dem Müßiggange unter dem ehrlichen Namen der Ruhe nachzuhängen. Wir sind alle Tage bereit wie unsere Vorfahren ausser den Landes-Gräntzen einen Feind zu suchen; nicht aber gemeint das Feuer des Bürger-Krieges selbst durch Aufrichtung einer zwistigen Herrschafft unter unser Dach zu stecken. Sie wüsten gar wol: daß der Friede dem Adel verhast / und er im Kriege wie der Fisch in seinem Wasser wäre; weil ihrem Bedüncken nach sie ihre Tapferkeit zur Friedens-Zeit nicht könten sehen lassen / [1260] ihre Tugend ungeeichtet / ihre Verdienste unbelohnet blieben; hingegen das gemeine Volck in stiller Ruh besser seinem Gewerbe obliegen könte. Alleine bey den Semnonern wäre es viel anders bewand; keiner unter dem Pöfel wäre / welcher nicht Lust hätte fürs Vaterland so viel Blut zu zinßen als ein Edelmañ; ob sie solches gleich im Bürger-Blute zu baden Abscheu trügen; wiewol es auch bey andern Völckern nichts unerhörtes wäre: daß man ihre Beschirmer hätte vom Pfluge holen / ein niedriger Cato das gemeine Wesen unterstützen / ein schlechter Marius den unerträglichen Adel zäumen müssen. Wenn das Volck aber dem Adel so verächtlich vorkäme /wären sie wol zu Friede: daß sie wechselsweise gegen den Feind zügen / und dem so deñ das Recht die Herrschafft einzurichten bliebe / der sich am besten würde gehalten haben. Diese Rede verbitterte den Schweinitz so sehr: daß er vom Leder zoh / und dem Dithard / als er nach seinem Degen grieff / einen Stoß versätzte. Dieser Stoß war gleichsam ein allgemeines Lermen-Zeichen; sintemal beyde Theile die Waffen ergrieffen / und einander feindlich anfielen. Es wäre gewiß auch kein gemeines Blut-Bad erfolgt; wenn die Priester und Weiber nicht darzwischen gelauffen / und sie mit grosser Müh von einander gebracht hätten; gleichwol aber blieben beyderseits über zwey hundert auf dem Platze. Hiermit aber zerschlug sich die Wahl und zertrennte sich die Versamlung nicht weniger nach den Gemüthern als nach den Leibern. Auf beyden Seiten vergrösserte sich durch diese Spaltung nicht nur das gewöhnliche Mißtrauen; weil der Adel insgemein dem gemeinen Volcke wegen habenden Vermögens / und dieses jenem wegen des Vorzugs über Achsel ist / sondern es entstund auch hieraus eine unversöhnliche Feindschafft. Die Priester liessen ihnen es tieff zu Hertzen gehen / und an ihnen nichts erwinden sie zu vereinbarn. Beyden wahrsagten sie aus dieser Zwietracht den Verlust ihrer Freyheit; hielten ihnen die Sinnenbilder des weisen Scythen Scylurus / nemlich ein Gebund Pfeile / und des Sertorius Pferde-Schwantz für / welche beysammen nicht von dem stärksten / einzelich aber von dem schwächsten mit leichter Müh zerbrochen und ausgezogen werden könten. Ein ieder unter ihnen solte sich nur in seinen Gräntzen halten / so würde es um die Semnoner wol stehen. Eines ieden Stand aber wiese ihm schon seine Gräntzen und seine Pflicht an. Denn im gemeinen Wesen wären so viel Elemente / als in der Welt. Das gemeine Volck gleichte der Erde / welche alle schwere Last trüge / und alle ernährete. Der Adel wäre das hochsteigende Feuer / welches einem Reiche den Glantz gäbe. Die Richter gleichten der Lufft / welche das Land von bösen Feuchtigkeiten reinigten; die Priester aber dem Wasser / über derer Dienste alle andere schifften. Wenn eines unter diesen fehlte oder sein Ampt nicht thäte / müste alles zu Grunde gehen: also hätte iedes des andern unentpehrliche Nothwendigkeit durch Eintracht zu erkennen / und keines das andere geringe zu halten. Sie wolten gerne ihren Rücken zu aller Dienste herstrecken / und das Thränen-Wasser ihrer Augen GOtt aufopffern / um damit die Flammen ihres Zornes auszuleschen / und die Härte ihrer verbitterten Hertzen zu erweichen. Sonderlich stellten sie dem Volcke für Augen: daß der Adel gleichwol zum ersten fürs Vaterland fechten / und für den blossen Rauch der Ehre ihr Leben und Gut aufopffern müste; daß dieser und ihre Eltern sich ums gemeine Wesen wol verdient hätten; daß ieder vernünfftiger aus dem Volcke sich edel zu werden durch Tugend bemühete; also wäre ja billich: daß das Volck dem Adel gewisser Massen nachgäbe und selbtem mit mehr Ehrerbietung begegnete. Dem Adel aber redeten sie ein: Sie solten erwegen: daß die Natur alle Menschen gleiche / und sie das Glücke oder ihrer Eltern Verdienste zu [1261] Edlen gemacht hätte. Also müsten sie diese Würde durch Tugenden / derer Wesen in der Mässigkeit bestünde / erhalten; und daher dem Volcke / welches ihnen nachgehen / und statt ihrer so viel leiden und übertragen müste / mit Bescheidenheit begegnen; insonderheit aber in alten Freyheiten nicht auf die Füsse treten / sondern sich vernünfftig bescheiden: daß die Obersten und untersten Zweige eines Baumes aus einer Wurtzel gewachsen wären. Hierdurch brachten sie auch zu wege: daß an der Spreu in einem heiligen Heyne / und zwar dieses mahl im Neumohnden ein ander Land-Tag angesätzt ward. Vielleicht / weil um diese Zeit die Regungen des Gemüthes nicht so hefftig als in voriger Zusammenkunfft / welche im Vollmonden angestellt war / seyn solten. Sintemahl in diesem alles in der Natur sich vergrössert. Alle Gewächse haben mehr Safft / alle Gebeine der Thiere mehr Marck / die Ungewitter mehr Stärcke. Die mit dem Vollmohnden gebohrnen Kinder sollen mehr Geist und Geschickligkeit; Ja des Hercules Stärcke soll mit dem Mohnden ab- und zugenommen / und er seine gröste Thaten im Vollmohnden ausgeübt haben. Alleine der Zorn hat die Eigenschafft eines Ungewitters. Denn wie dieses hindert: daß man im Meere nicht Epp und Fluth unterscheidet; also läst jener die andere Regungen des Gemüthes auch sich so bald nicht legen. Beyde Theile rüsteten sich aus Argwohn und Begierde seine Meynung mit der kräfftigsten Schluß-Rede / nehmlich dem Degen zu behaupten. Das Heiligthum des Ortes war auch nicht vermögend ihnen für Haß und Neid Andacht / weniger Liebe /einzublasen; sondern als der Adel die Herrschafft vieler Häupter wieder auf den Teppicht brachte / ruffte das Volck aus vollem Halse: Freyheit! Und ob wol die Priester ein Mittel vorschlugen: daß diese Häupter halb aus dem Adel / Halb aus dem Volcke genommen werden solten / sagten doch diese: Ein solcher Rath hienge so wenig als Thon und geschmeltztes Ertzt beysammen. Dieses behielt seinen Werth; jener aber würde nur für Schlacke geachtet / und bey erster Gelegenheit zermalmet. Ihnen stünde also das Meer-Wun der einer so frembden Herrschafft nicht an / sondern /wenn kein für sie taugliches Haupt unter den Semnonern zu finden wäre / müsten sie es in der Nachtbarschafft suchen. Dieses war dem Adel durchs Hertze geredet / und von ihnen so empfunden: daß die meisten aufstanden und Maltitz auf den Degen schlug /sagende: dieser soll aller frembden Herrschafft / ehe sie jung werden wird / den Hals brechen. Eben so empfindlich redeten viel andere. Denn die / welche schon einen Fuß ausser den Schrancken des Gehorsams gesätzt haben / dringen bald mit dem Kopffe und dem gantzen Leibe nach. Je mehr aber diese groß sprachen / ie verächtlicher gab das Volck ein Lachen drein. Worüber es ohne Ansehung des heiligen Ortes zu Thätligkeiten kommen wäre / wenn die Priester nicht beyden Theilen ein Stillschweigen aufgelegt /und ein hefftiges Geschrey vieler unkenntbarer Vögel sie empor zu schauen veranlasset und mit ihrem Streite auch den der Semnoner gleichsam unterbrochen hätten. Denn diese in zwey Heere zertheilte Vögel grieffen einander grimmig an / rupften und zerfleischten einander: daß nicht nur ihre Federn sondern ihrer viel gar todt herunter fielen. Nach einem zweystündigen Gefechte kam von Mittag ein Adler / umflohe sie / und machte gleichsam durch sein Königliches Gebot zwischen ihnen Friede / führete sie auch hinter sich her und durch die Lufft aus der Zuschauer Augen. Der Priester Ludger redete hierauf die Semnoner an: Sehet ihr wol! wie GOtt euch durch ein so helles Vorbild den schlimmen Ausschlag euer unverantwortlichen Zwytracht für Augen stellt! Nach dem ihr durch einen bürgerlichen Krieg euer Blut und Kräfften werdet erschöpfft haben / [1262] werdet ihr einem frembden Raub-Vogel zu theile und dienstbar werden. Schellendorf /ein Edelmann / fiel dem Priester ein: Er solte sein Vaterland mit so betrübten Wahrsagungen nicht verzagt machen / welche zumahl auf blosse Eitelkeit gegründet wären. Denn wer hätte diesen Vögeln der Semnoner Verhängnüß offenbahret? und wer hätte den Priester die Sprache der Thiere gelehret? der Priester antwortete ihm: die Vögel selbst wären freylich wol nicht klüger und vorsichtiger als die Menschen / wiewol diese von jener Anstalten offt künfftige Witterung wahrnehmen / und in der Artzney viel von Thieren gelernet hätten. Sie wüsten auch nicht der Völcker künfftiges Glücke; dessen ungeachtet könten sie / wie die noch weniger verstehenden Weiser in einer Uhr /denen Menschen nützlichen Unterricht geben. Denn warum solte es der Göttlichen Weißheit zu künstlich seyn etwas durch unvernünfftige Dinge zu lehren / da wir Menschen / wenn wir am allerblindesten und unachtsamsten gehen / doch die Wege der verborgensten Rathschlüsse Gottes lesen; und wenn wir gleich wolten / aus dieser unbekannten Strasse nicht kommen könten. Die Göttliche Barmhertzigkeit aber hätte ein absonders Belieben uns zur Warnigung bevorstehende Zufälle durch gewisse Zeichen zu entdecken / unter denen auch der Flug der Vögel wäre / welchen sie also richtete: daß er weisen Leuten ein Ausleger und Ankündiger künfftiger Begebnüße seyn könte. Denn diese / welche mit dem allsehenden GOtt Verständnüs hätten / verstünden freylich alle geheime Reden der Thiere / die wie alle Geschöpffe Gottes Zungen wären / und sähen diß / welches gleich einer Welt weit entfernet wäre / als gegenwärtig; und die Darzwischenkommung vieler Zeit machte keine Krümme in dem /was GOtt gleich erst nach tausend Jahren auszuüben bestimmet hätte. Diesemnach wäre sein Rath: sie solten diese Göttliche Warnigung nicht in Wind schlagen / sondern durch einträchtigen Vergleich ihrer Dienstbarkeit und dem Verhängnüße zuvor kommen; welches noch so gütig wäre: daß es durch solch Zeichen selbst seinem dreuenden Schlage zu entgehen väterlich warnigte. Alleine so wohl ein als das andere Theil schlug des Priesters wolgemeinter Erinnerung in Wind; vielleicht / weil die Streiche des Verhängnüßes unvermeidlich sind / wenn sie einem gleich vorher gesagt werden. Sintemahl die zum Verterben vom Verhängnüße bestimmten Menschen vorher entweder mit Unglauben gebländet / oder mit Hartneckigkeit verhärtet werden. Ja einige waren so liederlich / daß sie sagten: So traurige Wahrsager wären nicht viel besser als Schandflecker. Denn jene hätten immer anderer Unglück / wie diese frembde Fehler auf der Zunge. Beyde bildeten ihnen das schlimste ein; und weil sie sich des gegenwärtigen Guten nicht genoßbar machen könten / verkündigten sie immer alles Unheil / was möglich geschehen könte. Die bescheidenern behielten doch ihre Meinung dem Gegentheile nicht zu weichen im Hertzen; weil etlicher gegen einander ausgelassene Hefftigkeiten fast nicht mehr zuliessen ohne Verkleinerung dem andern was zu enträumen und dadurch nachzugeben / welches vielmal nachbleibt /weil man keinen scheinbaren Vorwand weiß zu weichen / und nicht selten mehr aus Rache als aus Hoffart um den Vorzug gestritten wird. Durch diesen wurden auch die gescheutesten verbländet; und die / welche es gleich mit dem Vaterlande wol meinten / auf bösen Weg verleitet. Denn der Zorn hat keine Gemeinschafft mit der Klugheit. Er vergesellschafftet sich mit der Verwegenheit / scheuet keine Abstürtzung / und siehet Berge für Flächen an. Sein Auge hat nur das Absehn auf das Ziel / nicht auf die Schwerigkeit der dahin tragenden Wege; Er denckt nur zu beleidigen /nicht aber / daß er selbst beschädigt werden könne. Er beut alle seine Geister auf / und hiermit bildet er ihm mehr [1263] Kräfften ein / als er ihrer hat; da er doch in dieser Beschaffenheit am schwächsten ist / und nicht halb so viel kan / als sonst. Er rauchet von eitel Feuer / welches er mit keinem andern Wasser / als mit Ausübung der Rache zu leschen gedenckt. Niemahls aber ist der Zorn hefftiger / als wenn er eine grosse Menge bemeistert. Deñ da zündet einer den andern immer mehr an; und wenn gleich ein gantz Volck in augenscheinlicher Gefahr schwebt / fürchtet sich doch niemand absonderlich; sondern ieder behilfft sich gegen des Himmels und kluger Leute Dreuungen mit dem süssen Traume / die Zeit und das Glücke werde aller Noth abhelffen. Eine solche Beschaffenheit hatte es wahrhafftig mit den Semnonern. Denn ihre Verbitterung wuchs so sehr: daß sie von den Priestern nicht mehr gehalten werden konten / sondern / weil die Heiligkeit des Ortes ein unerträglicher Zaum ihrer Rachgier war / brachen sie die Versamlung / und als sie noch nicht gar aus dem Heyne kommen waren / geriethen die ersten schon an einander / und machten sie noch selbigen Abend die traurige Wahrsagung durch ein schreckliches Blut-Bad wahr. Sintemahl der Adel und das Volck nicht etwan in gestellter Schlacht-Ordnung / sondern in gröster Verwirrung / als wenn ieder mit dem andern eine besondere Todfeindschafft auszufechten hätte / einander in die Haare fielen / also: daß dieser Streit mehr eine Raserey wilder Thiere / als einer Schlacht vernünfftiger Menschen weniger einerley Volckes ähnlich schien. So grausame Schauspiele stellet der bürgerliche Krieg für Augen. Man hält sich / wie die Fechter in den Römischen Schauspielen / am schönsten / ie mehr man sich mit der Bürger Blute gemahlet hat; ja dieses ist nicht nur unsere schönste Farbe / sondern gar unser süssester Tranck. Es stehet uns so wenig als zu Rom den Fechtern frey / der Uberwundenen zu schonen / sondern von dem Daumen des Volckes muß man das Zeichen erwarten: ob man seinem Vater oder Bruder das Leben schencken möge. Man erfreuet sich die Thäter mit den Leichen erschlagener Bürger auszugleichen / die Ströme damit auszufüllen: daß man über selbte wie über Brücken reiten kan. Alle diese traurige Gestalten des Todes ereigneten sich in dieser Zerfleischung der Semnoner; und ihrer viel belasteten sich mit den Köpften ihrer Feinde / in Meinung / sie zu Trinckgeschirren zu gebrauchen. Die Zähne der Schlangen büssen zwar nach vielem Beissen ihr Gifft ein und werden stumpff; aber die Grausamkeit der verbitterten Semnoner war unermüdlich; und würde vielleicht niemand übrig blieben seyn / wenn nicht die Nacht sich ihrer erbarmet / und mit einer kohlschwartzen Finsternüs ihnen die Unterscheidung Feind und Freundes verhindert / sie also wider Willen von sammen getrennet hätte. Also wissen zwar Fürsten sich in Schrancken / wie die Sonne in ihrem Kreiße zu halten; aber das sich der Herrschafft anmassende Volck wird von dem Glantze die ser Würde verbländet; also daß es über die Schnure schlägt / und ohne Bedencken ein Reich in völlige Flamme versätzet. Kein Theil hatte sich einigen Vortheils zu rühmen; in dem beyde in grossen Schrecken und Unordnung sich zurücke zohen; weil in dem heiligen Heyne ein heftiges Geschrey von Hunden und Jäger-Hörnern gehöret ward / und aus selbtem viel grausame Gespenste mit brennenden Fackeln hervor kamen. Nichts desto weniger rüsteten sich beyde Theile gegen einander nunmehr offentlich zum Kriege; gleich als wenn es ihnen eine Schande wäre /wenn sie sich gegen die Dreuungen des Himmels wie ein geschwanckes Rohr beugten / und eine besondere Tugend / wenn sie selbten wie die Eichen gegen die Sturm-Winde unbeweglich stünden; welche unzerbrechliche Hartneckigkeit [1264] aber nichts anders fruchtet /denn daß sie von so hoher Gewalt mit samt denen Wurtzeln ausgerissen werden.

Nicht besser gieng es bey denen Langobarden her. Ihr letzt verstorbener Fürst der andere Siegebert hatte nach sich einen Bruder Ditmarn / einen unehlichen Sohn Bertholden / und eine Tochter Ludgardis verlassen. Ditmarn / weil er nicht dem Eubagischen / sondern der Druyden Gottesdienste / welchen ihm seine Mutter eingeflöst hatte / zugethan / waren die Priester und das Volck; Bertholden die Priester und der Adel; der Lutgardis der Adel und das Volck zu wider; und also wolte der Adel Ditmarn / das Volck den Berthold / die Priester Lutgarden zu ihrem Haupte haben; und alle drey mühten sich durch ihren Anhang die Herrschafft zu überkommen. Hierdurch gerieth das Geblüte aller Stände ins jähren / welches den gantzen Leib des Reiches beunruhigte. Bey der allgemeinen Versamlung nahm iedes Theil sich des seinen eyfrig an. Die Priester rühmeten Lutgarden als eine Fürstin von grossem Verstande und Tugend; bey solcher Beschaffenheit aber wäre keinem Geschlechte der Weg der Ehren verschrencket / insonderheit bey den Deutschen; welche nicht nur die Weiber mit in ihre Reichs-Versamlungen / allwo sie mehrmahls ihre heilsame Rathschläge nicht verschmähten / sondern auch in Krieg und in ihre Läger mitzunehmen pflegten / welche mehrmahls den Feinden männlich die Stirne geboten / ja die wanckenden Schlacht-Ordnungen offtmahls ergäntzet hätten. Also wäre das deutsche Frauenzimmer nicht mit Schwachheiten anderer wollüstigen Völcker zu bebürden / weniger nach ihren Rechten zu urtheilen; wiewol fast kein Volck in der Welt wäre / welches nicht dem gemeinen Wesen viel gutes beytragende Helden-Weiber auf die Schau-Bühnen der Ehren zu sätzen hätte. Der Aßyrier Reich wäre durch die Hertzhafftigkeit Semiramis groß worden. Den Persen hätte niemand einen grössern Streich versätzt / als die nichts weibisches an sich habende Königin der Scythen Tamyris; weil von des grossen Cyrus Heere weder König noch Bote zurück kommen. Philo hätte durch ihre kluge Rathschläge ihres Vaters Antipaters und ihres Eh-Herrns Demetrius Herrschafft glücklich gemacht. Rom verehrete Clälien als ihre Erhalterin. Kein Volck aber hätte sich vollkommener Frauen zu rühmen als Deutschland; welches sich nicht geschämt hätte sie den Mäñern vorzuziehen ja zu vergöttern / weil man an ihnen etwas heiliges und die Wissenschafft künfftiger Dinge wahrgenommen. Daher hätte kein Held in Deutschland gelebt / welchem man nicht die grosse Aurinia vorziehe. Und wäre nicht nur bey denen Britanniern / sondern auch bey denen Sitonen / welche so wol Schwaben als die Langobarden wären / es gar nichts neues: daß ein Weib über sie herrschte. Und ob zwar die Langobarden noch kein Beyspiel für sich hätten / stünde doch ihnen auch kein Gesätze im Wege. Was neu und vorhin nicht gethan worden / wäre nicht zu verwerffen /wenn es die Zeit an die Hand gäbe. Denn diese richtete sich nicht nach uns / sondern kluge Leute in sie. Wie nun viel / was itzt alt wäre / neu gewest; also würde Lutgardis / welche ohne diß schon bey ihres Vaters Leben durch männliche Sorgen der Weiber Schwachheiten vertrieben hätte / ihren Nachkommen ein Vorbild seyn in solchen Fällen durch so tugendhaffte Fürstinnen die Glückseligkeit ihres Landes zu befestigen. Alleine Volck und Adel wiedersprachen einmüthig den Priestern / und sagten der anwesenden Lutgardis in die Augen: die tapfferen Langobarden /welche deßwegen ihnen mit Fleiß so lange Bärte wachsen liessen: daß man sie von Weibern desto kenntlicher unterscheiden könte / würden ihnen nimmermehr die Schande anthun: daß sie einem gebietenden Weibe gehorsamen solten / welche man nicht ein Hauß zu beherrschen [1265] fähig schätzte. Die Natur hätte das männliche Geschlechte zur Herrschafft / das weibliche zur Unterthänigkeit verordnet; also machten sie sich zu was geringerm als zu Weibern / wenn sie die Gesätze der Natur umkehrten / sich aber / wenn sie sich einem Weibe unterwürffen / zu herrschen unfähig erklärten. Sie wären wol arglistig und verwegen / aber die nöthigen Werckzeuge zum Herrschen /nemlich Klugheit und Tapferkeit / wären keine Schätze / welche in dem Geschirre des weiblichen Hertzens verwahret würden; weßwegen die Göttin der Weißheit Pallas kein Weib zur Mutter gehabt / sondern aus dem Gehirne Jupiters entsprossen seyn solte. Daher auch ihre Rathschläge unglücklich ausschlügen und ihre Thaten sich entweder mit Zagheit oder Verzweifelung endigten. Ihre zarten Glieder wären zur Arbeit zu schwach / ihr Mund zur Verschwiegenheit zu schlüpfrich / ihr Sinn zu beständigen Entschlüssungen zu beweglich; ihr Antlitz hätte in sich mehr Liebreitz als Ansehligkeit; ihr Gemühte wäre denen Regungen nicht gewachsen / und ihr Hertze nach der Eigenschaft aller Furchtsamen zur Grausamkeit geneigt; ja wenn die Geilheit ihnen einmahl den Zaum aus den Händen rückte / risse die ihren Begierden heuchelnde Gewalt alle Banden der Scham / der Natur und der Gesätze in Stücken. Man zählete ja in der Welt etliche berühmte Fürstinnen / welche ihre Natur und Eigenschafften überstiegen hätten; aber ihrer aller Nahmen liessen sich auf einen Kirschkern schreiben; und unter diesen wären noch die meisten / welche nicht so wol die Tugenden / als ihren Schatten besessen / und den guten Anfang mit einem schlimmen Ende verterbt hätten. Hingegen könte man einer guten Phile hundert schlimme Laodicen / und ihre Reiche ins Verterben stürtzende Cleopatren entgegen sätzen. Wessentwegen Achilles aus einem allgemeinen Rathschlusse der Griechen die Amazonen Königin Penthasilea in den Fluß Scamander gestürtzt hätte. Das deutsche Frauenzimmer wäre auch nichts absonderlichs von dem weiblichen Geschlechte; also auch nicht ihren Schwachheiten überlegen. Daher auch die alten Deutschen vernünfftig befunden: daß tugendsame Weiber sich sicherer liessen zu Heiligen als Herrscherinnen machen. Von denen gleichsam in Schnee und Eiß verwickelten Sitonen liesse sich auf die Langobarden kein Schluß machen. Denn jene beherrschten ihre an keine Gesätze gebundene Könige als ihr Eigenthum; bey den Langobarden aber herrschte der Fürst nach den Gesätzen / und seine Gewalt bestünde mehr in klugem Einrathen und guten Beyspielen / als im Befehlen. Ja / wenn man die Sache beym Lichten besähe / dienten andere ihm nicht so sehr / als er andern; nemlich dem Rathe / dessen Meinungen er sich willig unterwürffe; dem gantzen Volcke / da er für ihre Wolfarth weder Arbeit noch Gefahr scheute / endlich iedem Bürger / die er wider Gewalt und Unrecht schützen müste. Wenn die Langobarden nun in die Fußstapffen der Sitonen treten solten / würde von ihnen noch ein spöttischer Urthel / als von diesen gefället werden / nemlich: daß sie nicht nur aus der Art freyer / sondern gar dienstbarer Völcker geschlagen wären. Ja wenn schon Lutgardis das Hertz hätte in ihren öffteren Kriegen mit zu Felde zu ziehen / würden sie doch zu besorgen haben: daß ihre Feinde ihr wie Evelthon der Mutter des Arcesilaus Pheretim einen güldenen Rocken mit einer Spindel zuschicken dörffte. Nichts aber wäre der Herrschafft schädlicher und tapferen Leuten unverträglicher / als verachtet werden. Der Adel hingegen rühmte nicht weniger die Geschickligkeit zum Herrschen am Fürsten Ditmar /als es sein Recht zur Nachfolge ausführte. Denn er wäre nicht weniger ihres gewesenen Herrschers Roberts Sohn / als es der letzt verstorbene Siegebert gewest; und für diesen wären des Langobardischen Hauses Anverwandten in viel [1266] weitern Staffeln zur Herrschafft kommen; also könte der leibliche Bruder des letzten Fürsten unter keinem Scheine des Rechtens verstossen werden. Denn ob er zwar einem andern Gottesdienste beypflichtete / leschte doch dieser Unterschied weder das Band des Geblütes / noch das Erb-Recht / am wenigsten aber den Gehorsam der Unterthanen aus. Sintemahl die Meinung von GOtt in dem Gewissen bestünde / über welche GOtt allein die Herrschafft; und / der Langobarden eigener Urthel nach / kein Fürst die Macht hätte die seinige einem Bürger aufzudringen / weil nur der Leib / nicht aber das beste Theil des Menschen die Seele der Dienstbarkeit unterwerflich wäre. Mit was Befugnüs könten sie denn ihrem Fürsten ihren Gottesdienst aufnöthigen / oder da er hierinnen seinen Unterthanen nicht gehorsamte / ihn als untüchtig verwerffen. In was für grausame Kriege würde diese Meinung Deutschland und die halbe Welt einflechten: wenn Unterthanen den /welcher nicht ihrem Glauben beypflichtete / für ihren Fürsten zu erkennen nicht schuldig seyn solten? Sintemahl die meisten Länder zwey und mehrerley / ja Rom wol hunderterley Gottesdienste beherbergte; und in Egypten hätten die Ptolomeer es für ein Staats-Geheimnüs gehalten / in ieder Stadt einen besondern Gottesdienst zu unterhalten. Sie hätten sich auch von Ditmarn nicht zu besorgen: daß er ihren Gottesdienst ändern würde / weil ihrer Fürsten Gewalt in gewisse Gräntzen eingeschränckt / durch Gesätze befestigt wäre / und hierüber mit ihm gewisse Bedingungen aufgerichtet werden könten. Zugeschweigen: daß denen Langobarden eine solche Beständigkeit angebohren wäre / welche sich zu nichts zwingen liesse /und sie wie jene Indianer gegen den grossen Alexander sich rühmen könten: Ihre Leiber wären zwar von einem Orte / ihre Gemüther aber nicht von ihren gefasten Meinungen zu bringen; und ehe iemand sie zu was unbeliebigem zwingen solte / würden Holtz und Steine reden. Da sie nun in irrdischen Dingen so standfeste wären / wie viel weniger wäre in Glaubens-Sachen von ihnen Wanckelmuth zu besorgen. Sintemal ohne diß die Andacht nie feuriger wäre / als wenn sie verboten werden wolte; hingegen offentliche Freyheit die Gottseligkeit meist gar kaltsinnig machte. Ja /wie grosse Platz-Regen mit grosser Menge Kräuter und Blumen herfür brächten; also breitete die Verfolgung die Gräntzen eines vernünfftigen Gottesdienstes aus. Zu dem wäre GOtt der oberste und beste Schutzherr des ihm gefälligen Gottesdienstes; welcher wider aller Könige Gewalt / wider aller Neuerer Arglist so lange bleiben / als die Sonne scheinen würde. Die Priester und das Volck sätzte dem Adel entgegen: das gemeine Heil wäre das oberste Gesätze; also müste diesem auch der Fürsten Erbrecht weichen. Die Einigkeit des Gottesdienstes aber der einige Ancker gemeiner Ruh / mit dessen Wanckung das gröste Reichs-Schiff erschüttert würde. Was für Einigkeit des Gottesdienstes wäre in einem Lande zu hoffen / wo der Fürst selbst den Glauben seines Volckes verdammte /und nach der Eigenschafft menschlicher Gemüther diß / was er für falsch hielte / hassen müste? Da doch das fürnehmste Ampt eines Fürsten in Beschirmung und in der Beobachtung des Gottesdienstes bestünde / und er von rechtswegen oberster Priester seyn solte. Wird ihm aber Ditmar nicht vielmehr hieraus ein Recht zueignen dem Volcke eine Richtschnur ihres offentlichen Gottesdienstes fürzuschreiben? Wie viel Fürsten sind in der Welt nicht beredet: daß dem / welchem ein Land gehöre / auch den Gottesdienst zu ändern zustehe? ungeachtet er uns vielleicht in geheim zu glauben verstatten möchte / was wir von unsern Eltern gelernet haben. Wenn Ditmar aber auch gleich uns in unser Glaubens-Ubung nichts in Weg legte / würde doch niemand so einfältig seyn / welcher glaubte: daß dem [1267] Eubagischen Gottesdienste dadurch kein Abbruch geschehen könte? Wer würde sich unterstehen ihrem Fürsten zu wehren: daß er für sich die Druyden zu Priestern / und ihnen beypflichtende Leute zu Räthen und Dienern annähme? Würden nicht ihrer viel /welche mehr Ehrsucht als Andacht im Hertzen hegten / beym Fürsten in Genade und zu Ehren zu kommen seinem Gottesdienste beyfallen? weil diese Beypflichtung auch denen Unwürdigen die Pforten der Ehren aufschlüsse / anders gesinnten Würdigen aber zusperrte. Wie viel Einfältige würden sich durch scheinbaren Vorwand in ihren Irrthum verleiten lassen! Denn Fürsten hätten beym Volke ein solch Ansehen: daß man auch ihre Fehler nachzuthun für Tugend oder für Schuldigkeit hielte. Alle denen Druyden dienende Erfindungen würden sich mit der beliebten Gewissens-Freyheit vertheidigen oder beschönen lassen. Denn keine Gesätze / keine mit ihm gemachte Bedingungen / ja keine menschliche Klugheit wären vermögend zu verhindern: daß in einem Reiche nicht der Gottesdienst zu Schwunge kommen / und mit der Zeit die Oberhand bekommen solte / welchem der Fürst zugethan wäre. Nach dem nun es so weit kommen wäre / bliebe es nicht nach: daß der andere Gottesdienst gedrückt / und die demselben beypflichtende /die man eine zeitlang nur wider Willen dulden müssen / aus dem Wege geräumet würden. Es mangelte so denn nicht an Vorwand: daß man denen anders glaubenden Unruh und Laster beymässe / und solche als schädliche Kräuter ausrottete; oder ihnen durch Geld-Straffen und Abkürtzung ihrer Güter die Flügel beschnitte. Denn die nicht selten allzu eyfrigen Priester bildeten dem Fürsten für: Er dörffte ihm kein Gewissen machen die zu kräncken / welche Gott hasten und von ihm gehast würden. Alle kluge Herrscher hätten die / welche im Gottesdienste ihnen was besonders gemacht / mit Feuer und Schwerdt vertilgt. Das kluge Athen hätte darum den Socrates und Protagoras verdammt; Anaxagoras und Aristoteles aber wären deßwegen verklagt worden. Die Römer hätten vielmahl mit grossem Ernste frembden Gottesdienst untergedrückt / ihre Heiligthümer zerstöret / und die hartneckichten aus der Stadt geschafft. Wenn es aber ja Ditmar nicht so weit bringen solte; würden doch die Langobarden hierdurch in ewige Zwiespalt und Unruh versätzt werden. Denn einem Reiche hienge kein grösser Unheil zu / als von zwistigem Gottesdienste. Der einige Knecht Eunus hätte mit den Haaren der Syrischen Göttin durch Aberglauben ein Heer von sechzig tausend Menschen ihm anhängig / und gantz Sicilien aufrührisch gemacht. Was solte nicht ein das Hefft in der Hand habender Fürst durch diesen nachdrücklichen Schein auszurichten mächtig seyn? Hibernien hätte dieses erfahren / welches so lange Blut geschwitzet / als es in sich zweyerley glaubende Fürsten und Unterthanen gehabt hätte. Wer wolte den Langobarden nun rathen sich und ihren Gottesdienst einer so augenscheinlichen Gefahr durch Erhöhung Ditmars zu unterwerffen? hätte er wollen ihr Fürst seyn / so hätte er auch sollen ihren alten Gottesdienst behalten; dessen Veränderung bey allen Völckern verhast wäre; weil dieser das gröste Kleinod der Menschen / und festeste Band zwischen Fürsten und Unterthanen wäre. Ditmar hätte ihm diese Ausschlüssung selbst zuzuschreiben / und die Druyden sich hierüber nicht zu beschweren; welche für Zeiten in Gallien sich eben dieses Rechtes wider den Ambiorich einen Eubagischen Fürsten bedienet / und nach langen Kriegen ihn nicht ehe für das Haupt des ihm durch uhraltes Erb-Recht zugefallenen Galliens hätten erkennen wollen / biß er den Eubagischen Gottesdienst abgeschworen. Diesemnach hielten sie für rathsamer ehe ihr Vaterland verlassen / als ihren Gottesdienst der Veränderung unterwerffen. Denn GOtt liesse die nirgends Noth [1268] leiden / die an ihm nur treulich hängen blieben. Diesem nach könte man bey Uberlegung des gemeinen besten zwar die Natur und die Vernunfft als Rathsherren hören /die Gottesfurcht aber müste als Fürst die Ober-Herrschafft haben / und der erwogenen Sache den Ausschlag geben. Gottschalck einer von Adel warff hierwider zwar ein und anders ein / und machte Hoffnung: daß Ditmar sich zum Eubagischen Gottesdienste beqvämen würde. Aber die Priester und Volck nahmen dieses nur für eine falsche Anstellung an; welche ein gar altes Mittel wäre / sich dadurch zur Herrschafft empor zu schwingen. Wie die angenommenen Tugenden aber viel schädlicher wären / als offentliche Laster; also sätzte eines Fürsten Gleißnerey eines Volckes Gottesdienst durch seine heimliche Untergrabungen in grösserer Gefahr / als wenn er solchem offentlich zu wider wäre / und iederman so viel mehr wachsamer zu seyn Ursache gäbe. Denn ein wiedersprechender Fürst glaubte ja einen GOtt / ein Gleißner aber keinen; sondern sein Gottesdienst wäre ein blosser Schatten / und also nicht mehr als nichts. Der Adel hingegen verredete Ditmarn; und daß die Priester durch ihre Prüfung leicht würden erforschen können; ob es ihm Ernst / oder nur Heucheley wäre. Zu dem wären sie auch wegen angestellter Gottesfurcht gantz widriger Meinung; könten auch nicht begreiffen / wie diese dem Volcke schädlicher als eine offentliche Anfeindung ihres Gottesdienstes seyn könte; ungeachtet eine solche Anstellung den Gleißner selbst so wenig besser / als die Schmincke ein heßliches Antlitz schön machte. Denn wenn Ditmar gleich seinen Irrthum im Hertzen behielte / nur aber zum Scheine vorgäbe: er pflichtete den Eubagen bey; würde doch solche Anstellung ihn an aller Verführ- oder Verfolgung verhindern; er würde weder anders glaubende Diener hegen / noch seine Kinder in seinem Irrthume auferziehen können. Die weltlichen Gesätze erstreckten sich ohne diß nur auf eusserliche Bezeugungen; und wäre niemand schuldig über seine Gedancken Rechenschafft zu geben / noch Straffe zu leiden. Weßwegen viel kluge Staats-Lehrer von ihren Fürsten nicht eben eine ernstliche / sondern nur eine angenommene Gottesfurcht erfordert hätten / damit er durch Verleugnung oder Verunehrung Gottes nur dem Volcke nicht ärgerlich wäre / und bey selbten den festesten Zaum des Gehorsams / nemlich die Gottesfurcht nicht zerrisse. Das kluge Athen hätte sich mit diesem Scheine der Gottesfurcht vergnügt / und den ruchlosen Pisistratus wieder zu seinem Haupte angenommen /da er sich nur von der Pallas auf einem Wagen in ihre Stadt und Tempel einführen ließ / ungeachtet der ihn vorher verjagende Lycurgus und Megacles wol wuste: daß nur ein vier Ellen langes Weib Phya eine falsche Pallas fürstellte. Gottfried der Langobarden oberster Priester antwortete ihm nicht ohne Entrüstung: die Meinung flüsse aus diesem gifftigen Brunnen her: daß der Gottesdienst nur eine zur Befestigung der Herrschafft dienende Erfindung der Menschen wäre; da doch der nicht werth wäre den Nahmen eines Menschen zu führen / welcher daran zweiffelte: Ob ein GOtt wäre / ob er als der oberste Herrscher alles weißlich / mächtig und gerecht führete / und ob man ihn demüthig verehren solte. Denn alles dieses wäre auch unvernünfftigen Thieren eingepflantzt. Daher auch der weise Pythagoras gar recht gelehret hätte: daß die Erkäntnüs Gottes die höchste Tugend / die gröste Weißheit und die vollkommenste Glückseligkeit wäre. Auf diesen Grund müsten alle Gesätze gebauet / durch dieses Band alle Gemeinschafften verknüpfft / und die Gerechtigkeit befestigt werden. Denn / weil Fürsten ins gemein keinen Gesätzen unterworffen sind; oder die es auch gleich seyn / doch dieses beschwerliche Seil durch die in Händen habende Macht von ihren Hörnern abzustreiffen bemühet[1269] sind; was würde sie von Unterdrückung des Volckes /von Benehmung ihrer Freyheiten / von Verletzung der Bündnüße und denen frechesten Schand-Thaten zurück halten / wenn nicht ein heimliches Gesätze im Gewissen / nemlich die Gottesfurcht / ihnen einen höhern Richterstuhl über die mächtigste Könige der Welt für Augen stellte? Wenn nun ein Fürst diese Empfindligkeit in seinem Hertzen wahrhafftig nicht fühlte / sondern nur sich mit desselben Larve behilfft; also nichts von Tugend hält / bleibet nichts in ihm übrig / was den eingebohrnen Zug zum bösen in ihm hemmen solle; und also wäre er bey solcher Finsternüs gleichsam gezwungen spornstreichs in alle Laster zu rennen / und als der Steuermann das Schiff des Reiches mit sich in Boßheit und Untergang zu stürtzen. Gottschalck hatte das Hertze nicht dem Priester hierwider etwas entgegen zu sätzen / das Volck aber brachte durch seinen Redner Siegeberts Sohn / Berthold / welchen er mit einer adelichen Jungfrauen gezeugt hatte / in Vorschlag. Deñ dieser wäre nicht mehr ihres tapferen Hertzogs Sohn als sein lebendiges wahres Ebenbild. Die Aehnligkeit sähe ihm nicht mehr aus den Augen / als die Tapferkeit aus seinen Thaten hervor leuchtete. Dieses allein solte ihm im Wege stehen: daß Siegebert seine Mutter nicht durch gewisses Gepränge / wol aber durch seine Liebe für seine Gemahlin erklärt hätte. Was gäbe jenes aber der Sache als einen eitelen Firnß? Das Recht der Natur wüste von keiner andern Art der Eh / als von der Vermischung eines Mannes und eines Weibes. Daß Siegebert hernach eine Fürstin zur Gemahlin genommen hätte / könte dem Berthold das Recht seiner Kindschafft nicht benehmen. Sintemahl die friedliche aber auch rechtliche Ehscheidung den Kindern nicht nachtheilig seyn könte. Ja wenn auch Berthold schon zur Zeit der andern Eh gebohren wäre / hätte doch die Gewohnheit der meisten Völcker ein Recht auf einmahl zwey / oder mehr Weiber zu haben eingeführt. Wiewohl auch die meisten Deutschen sich mit einem Ehweibe vergnügten / geschehe dieses mehr aus Keuschheit als Zwange / und wäre dem Adel / weniger Fürsten / verboten derer mehr zu heyrathen. Wenn aber auch schon Berthold für keinen ehlichen Sohn zu halten wäre / ersätzte seine Tugend diesen Abgang. Der aber wäre der rechtschaffene Sohn eines Helden-Vaters / in dessen Worten man seine Klugheit / in dessen Wercken man seine Hertzhafftigkeit nachgemacht sähe. Die Erfahrung erhärtete: daß wie solche Kinder ins gemein mit mehr Feuer gezeugt würden; also auch ihr Geist mehr Feuer hätte. Diese wären sonder Zweiffel die grösten Helden der Welt / und nicht der getichtete Jupiter des Hercules und grossen Alexanders /nicht der geträumte Kriegs-Gott des Romulus / noch der in eine Schlange verwandelte Apollo des Scipio und Augustus; sondern ausser Zweiffel eitel verborgene Liebhaber aller dieser Väter gewesen. Jugurtha hätte es allen ehlichen Nachkommen Masinißens zuvor gethan; und deßwegen hätte Micipsa ihn im Numidischen Reiche nebst seinen leiblichen Kindern; König Pyrrhus seinen unechten Sohn Moloßus in Epir zur Herrschafft zu erhöhen kein Bedencken / und selbige Völcker sie anzunehmen keine Abscheu gehabt. Bey denen Persen wäre unter diesen und ehlichen Söhnen kein Unterscheid. Ja es wäre kein Zweiffel: daß wenig Völcker in der Welt wären / über welche nicht gar durch Ehbruch gezeugte Kinder geherrschet hätten. Was wolten denn sie für Bertholden so grosse Abscheu haben / der von einem tapferen Fürsten / von einer edlen Mutter gebohren wäre / und alle Tugenden eines Fürsten besässe? Wie die Laster aber den Adel auswischten / also vertilgte auch die Tugend alle Flecken der Geburt. Die Priester aber und der Adel schlugen sich dißfalls wider das Volck zusammen / und sagten: Sie könten ihren wolverdienten Fürsten [1270] keine grössere Schande nicht anthun / noch sich durch etwas bey der Nachwelt verächtlicher machen / als weñ sie einem unehlich Gebohrnen die Würde über sie zu herrschen zueigneten. Solche Leute wären nicht fähig unter dem Pöfel mit zu erben; und die Langobarden wolten sich zu Bertholds Erbtheile machen? welchen sein eigener Vater niemahls ohne Schamröthe für seinen Augen hätte sehen können / und seine Mutter für seine Gemahlin zu erkennen ihm niemahls hätte träumen lassen. Wären andere Völcker iemahls so knechtisch gewest: daß sie in einem erblichen Reiche ein Huren-Kind hätten erben und herrschen lassen; so wären die freyen Langobarden hierzu viel zu edel. Aus einer so bösen Wurtzel könte nicht viel gutes entspriessen; und Jugurtha wäre nicht nur ein trauriges Beyspiel eines bösen Herrschers; welch raubrischer Zweig Masinißens gantzen Sta vertilgt /und Numidien in Römische Dienstbarkeit versätzt hätte; sondern warnigte gleichsam alle Völcker: daß sie nimmermehr kein Huren-Kind solten herrschen lassen. Die den Deutschen so sehr verhaste Geilheit würde mit Bertholden gleichsam selbst auf einen Königlichen Stul gesätzt. Denn wie solte Berthold das Laster straffen / welches ihm sein Wesen gegeben hätte? dieses aber wäre ein rechter Wurm / welcher den Kern der Reiche ausfräße: daß sie wie hole Stöcke über einen Hauffen fielen. Dessen hätten sie sich unfehlbar zu versehen / wenn sie die der Tugend gebührende Würden denen Lastern zuschantzten. Dahero sie lieber den geringsten aus dem Pöfel / als Bertholden zum Fürsten haben wolten. Denn die Eh machte: daß jener von besserer Ankunfft / als dieser /wäre. Uber diesem Zwiste giengen etliche Tage hin: daß sie sich nicht vergleichen konten. Endlich aber erfand der Ritter Kallenberg ein Mittel zum wenigsten ein Theil auf des Adels Seite zu bringen; schlug also dem obersten Priester des Fürsten Ditmars Heyrath mit der Fürstin Ludgardis für. Dieser nahm es in Bedencken / überlegte es mit den fürnehmsten Priestern. Ihr einiges Bedencken war: daß bey den Langobarden noch niemahls iemand seines Brudern Tochter geheyrathet hatte. Alleine Gottfried behauptete: daß auch die Heyrath unter Geschwistern nicht wider das Recht der Natur / und allezeit bey den Egyptiern üblich; also gegenwärtige Eh mit des Bruders Tochter noch viel weniger selbtem zu wieder / sondern bey den Griechen / bey denen mit so scharffen Gesätzen versehenen Juden / und fast allen Völckern zuläßlich wäre. Diesem nach wäre es gar wol verantwortlich: daß in gegenwärtigem Falle die widrige Gewohnheit der gemeinen Wolfarth aus dem Wege wieche. Andere hätten sich ohne diß nicht mit dem Thun der Fürsten zu behelffen; und wäre diß / was gleich einem freystünde / nicht allen zuzulassen. Der oberste Priester brachte ihre Einwilligung dem Kallenberg / dieser aber dem Adel bey; ja es ward diese Heyrath zwischen Ditmarn und Lutgardis so geheim gespielet: daß das Volck nicht ehe davon Nachricht erhielt / als biß sie beyde in dem nechsten Heyne eingesegnet / und von Priestern und Adel für die Herrscher der Langobarden erkläret wurden. Denn solche neue Herrschafften sätzen ins gemein ihren Grund auf den Fuß eines strengen Gehorsams; und verlassen sich auf die Hörner des Schreckens / welches so wenig das Blut der Unschuldigen als Straffbaren schonet. Je unvermutheter dieses dem Volcke war / ie mehr wurden sie darüber entrüstet. Sintemahl sie nicht nur die hefftige Liebe gegen den Berthold / sondern auch die begegnete Verachtung dahin verleitete: daß sie von Stund an die Versamlung verliessen; und weil des Volckes Gewohnheit ist / entweder knechtisch zu gehorsamen / oder hoffärtig zu herrschen / folgenden Tag den Berthold für ihren Hertzog erklärten / und ihm einen güldenen Rincken / als das Zeichen der Hertzoglichen [1271] Würde auffsätzten. Hertzog Ditmar und Lutgardis hingegen erklärten Bertholden mit allem seinem Anhange für Aufwiegler und Verräther des Vaterlandes. Worüber beyde Theile sich gegeneinander rüsteten / und die Langobarden so wohl als Semnoner in bürgerlichen Krieg verfielen / und derogestalt zur Gewalt ihre Zuflucht nahmen; welche alles / und also mehr als alle Vernunfft in der Welt ausrichten kan. Dieses allein war der Unterschied: daß bey den Semnonern die Priester dem Volcke / bey den Langobarden dem Adel beypflichteten / und sie daher dort den Adel / hier das gemeine Volck vom Gottesdienste ausschlossen. Weil nun die Priesterschafft in einem Reiche ein groß Gewichte / und gleichsam die Herrschafft über die Hertzen in seinen Händen hat; also die / welchen sie beyfällt / zu verzweiffelter Tapferkeit / denen widrigen aber Furcht und Schrecken einzujagen mächtig ist; schiene bey den Semnonern das Volck / bey den Langobarden der Adel seinem Gegentheile zu Kopfe zu wachsen. König Marbod sahe beyden Kriegen als zweyen Lust-Feuern mit gröster Vergnügung zu; sonderlich da die Cherusker und Catten damahls mit den Römern in Krieg verflochten waren / und er sich daher von diesen Nachtbarn keines Eintrags zu besorgen hatte. Weil aber ihre Fürsten gleichwol durch ihre Gesandten beyde Völcker zur Eintracht ermahnen liessen / wolte Marbod hierbey die Gelegenheit seinen Vortheil zu beobachten nicht versäumen. Er schickte also den Ritter Waldstein zu den Semnonern / den Ritter Ellenbogen zu den Langobarden als Botschaffter / welche seine Vermittelung zum Frieden beyden Völckern anbieten solten / in Wahrheit aber mehr Oel ins Feuer giessen musten. Insonderheit aber gab er ihnen mit / Sorge zu tragen: daß das schwächste Theil nicht untergedrückt / oder in Verzweiffelung versätzt würde. Inzwischen rührte sich König Marbod gleichwol nicht mit einem Manne; ungeachtet er über hundert tausend Kriegs-Völcker auf den Beinen hatte; ja entfernte sie noch mehr von der Semnoner und Langobarden Gräntzen / damit er nicht in Argwohn fiele /als wenn er auf ihre Herrschafft ein Auge hätte. Waldstein brachte es durch seine Vermittelung gleichwol dahin: daß die Priester dem Adel der Semnoner wider den Gottesdienst öffneten / und sich zu Werckzeugen seiner Vermittelung gebrauchen liessen; wordurch denn die Wage des Krieges ziemlich gleiche zu häncken anfieng. Ob auch wol das Volck nunmehr etwas lindere Seiten aufzuziehen anfieng / ließ doch Marbod den Adel anstifften: daß sie ihre Seiten höher spannen solten. Inzwischen versicherte doch Waldstein das Volck: daß Marbod nimmermehr zum Nachtheile und zu Gefahr aller Fürsten geschehen lassen würde: daß bey den Semnonern das Meerwunder einer vielköpfichten Herrschafft eingeführet werden solte. Bey solcher Beschaffenheit ward unter dem Schatten eines verlangten Friedens der Krieg aufs eifrigste fortgeführet; weil Marbods Einrathen nach der Waffen Stillestand nur Zunder des Krieges samlete / unter dem Schilde und bey dem Feuer des Krieges aber der festeste Friede geschmiedet würde. Es zohe nach gewohnten Zufällen im Kriege bald ein- bald das andere Theil den kürtzern; und also schnitten sie einander die Spann-Adern selbst ab / sonder Wahrnehmung: daß beyde dadurch ohnmächtig und eine Beute des ersten Raub-Vogels werden würden. Bey den Langobarden ließ Marbod das Volck mit Fleiß im Gedrangen /nicht aber ohne Hoffnung. Denn ob zwar selbtes anfangs ihrem Berthold einen blinden Gehorsam leistete / verfiel es doch nach etlichen unglücklichen Streichen in Ungedult. Hiermit verschwand ihre Eintracht / ihre Liebe gegen Bertholden erkaltete / und das Verhängnüs dreute auf ihrer Seite dem Kriege einen traurigen Ausschlag; der siegende Adel aber ihnen eine beschwerliche Dienstbarkeit; also daß [1272] das Volck und Berthold nunmehr den König Marbod um Hülffe anzuflehen genöthigt ward. Marbod / welcher noch immer den Adel ins geheim verhetzte dem Volcke von Tag zu Tage schwerere Friedens-Bedingungen vorzuschreiben / das Volck aber mit vieler Hoffnung gespeiset hatte / machte nunmehr hundert Schwerigkeiten sich in einen frembden Krieg einzumischen; drückte also Bertholden und dem Volcke / welche in die augenscheinliche Gefahr der eussersten Dienstbarkeit geriethen / und den hartneckichten Vorsatz behielten / lieber eines frembden Knecht / als dem Adel dienstbar zu werden / die Erklärung ab: daß sie den König Marbod für ihren Schutz-Herrn erkennen / und ihm wider alle seine Feinde mit zwölff tausend Kriegs-Leuten beystehen wolten. Marbod stellte sich hierzu kaltsinnig an / und wolte darum noch gebeten seyn / das er doch auffs hefftigste verlangte. Denn der schlaue Marbod wolte nun zu seiner Sicherheit bey der Welt darfür angesehen seyn: daß er seine Herrschenssucht gesättigt / und nichts weniger als sich mehr zu vergrössern im Sinne hätte. Nach dem die Langobarden aber den Vergleich eingiengen / wie er ihnen solchen selbst vorschrieb / sich also ihm mehr unterthäniger machten / als sie ihren alten Fürsten gewest waren / trug er durch den Ritter Ellenbogen dem Adel wegen des Volckes solche Vorschläge zum Frieden an / welche ihm bey in Händen habendem Vortheil allerdings unanständig / auch seinen bey des Volckes viel besserm Zustande vorhin gethanen Vorschlage schnurstracks zu wider waren. Als sie solche nun seinem Absehen nach verwarffen / forderte er seinen Botschaffter vom Adel und den Priestern ab; ließ an allen benachbarten Höfen sie auffs schwärtzeste abmahlen / und daß er das bedrängte Volck für angedreuter grausamster Knechtschafft zu beschirmen genöthiget wurde / fürgeben. Er selbst aber kam mit viertzig tausend außerlesenen Marckmännern dem Langobardischen Adel so geschwinde auf den Hals /daß er nicht Zeit hatte sich anderwerts um Hülffe umzusehen. Er erklärte sich gegen den König Marbod des Volckes Vorschläge anzunehmen / aber dieser antwortete: Nach dem der Degen schon ausgezogen /wäre es zu spät / diß zu willigen / was man vor verworffen hätte. Das gemeine Volck der Langobarden dorffte oder wolte auch nicht mit der ihm angebotenen Freyheit zu frieden seyn; sondern wolte sich auch am Adel und den Priestern rächen; schlug also allen Vergleich aus / und hielt nach Gewohnheit des seltzamen Pöfels für vergnüglicher Marboden zu dienen / als unter einem eigenen Fürsten der alten Freyheit zu genüssen. Weil nun kein ander Mittel nicht übrig war /entschloß sich der Adel lieber zu sterben / als sich Marboden zu unterwerffen; und wenn es ja gefallen seyn müste / nicht wie das tumme Vieh / sondern als Männer / nemlich nicht ungerochen zu sterben. Am allermeisten waren die Priester hierüber bekümmert /derer etliche diesen unglücklichen Ausschlag ihrer Verwilligung in Ditmars und der Lutgardis Eh zuschrieben; und ihnen also dieses Unheil tieff zu Hertzen zohen / und diesen Schlag von Langobarden abzuwenden allen Verstand zusammen rafften. Weil sie nun wol wusten: daß der Glaube und Aberglaube von Göttlichen Dingen die Unmögligkeit selbst zu überwinden mächtig wäre / nahmen sie hierzu ihre Zuflucht / und der oberste Priester führte den Fürsten Ditmar / seine Gemahlin Lutgardis / und zwölff der fürnehmsten Obersten unter dem Heere in einen heiligen Heyn zu einer alten Eiche / welche kaum zehn Männer umgreiffen konten / und fieng an: Ihr edlen Langobarden: wisset daß in diesem heiligen Baume der Langobarden gröster Schatz / und bey itziger Gefahr eine versicherte Hoffnung verwahret sey. Unsere eusserste Noth zwinget mich diß Geheimnüs heute zu vertrauen / welches ich und andere Priester sonst nimmermehr ins Tagelicht würden [1273] gebracht haben. Denn keinem Schatze würde von Feinden mehr nachgestellet / als diesen / worauf die Erhaltung eines Reiches bestünde / wie dieser hier verborgene wäre. Hiermit kletterte der Priester an dem Baume hinauf / hernach stieg er in den holen Baum hinab / und brachte einen Ertztenen Todten-Topff / und ein uhraltes Buch herfür. Hierinnen / sagte er / ist die Asche des ersten Langobardischen Hertzogs des tapferen Warnefrieds verwahrt. Nach dem er den Topff eröffnet und die Asche nebst etlichen Beinen gezeigt hatte / öffnete er das Buch / und zeigte ihnen folgende Schrifft: So lange Warnefrieds Asche in der Langobarden Gewalt bleiben / und diese ihre Bärte nicht verkürtzen werden / wird sie keine frembde Gewalt unter ihr Joch zu bringen mächtig seyn. Nach dieser Schrifft zeigte er ihnen allerhand darinnen aufgezeichnete wichtige Zufälle / welche sich von etlichen hundert Jahren her / bey den Langobarden ereignet hätten. Zuletzt wieß er ihnen: daß die Langobarden noch ein Theil Pannoniens einnehmen / und Aukarich in Italien ein mächtiges Reich aufrichten würde / nach welchem noch dreyßig Langobardische Könige Italien beherrschen solten. Aus dieser wahrhafften Weissagung solten sie einen Trost schöpffen / und versichert seyn: daß wie gefährlich es gleich aussähe / doch Marbods und der gantzen Welt Kräfften das Langobardische Reich wider den Schluß des Verhängnüßes übern Hauffen zu werffen nicht vermöchten. Ditmar /Lutgardis und die Ritter hörten dem Priester mit nicht weniger Freude als Verwunderung zu. Ditmar aber fragte: woher denn diese Asche eine so mächtige Krafft in sich hätte? Der Priester antwortete: der Göttliche Wille wäre mächtig eine Spinnewebe zu einer eisernen Mauer zu machen. Solche Geheimnüße des Verhängnüßes wären nur zu glauben / nicht auszuforschen; und hätten sie an dieses Buches Wahrheit so viel weniger zu zweiffeln / weil dessen Wahrsagungen durch mehr eintreffende Geschichte / als die Sibyllinischen Bücher zu Rom / wären erhärtet worden. Uber diß wäre Zoroasters Asche auch ein versicherndes Pfand des Persischen Reiches; die Asche und Gebeine Orestens der Stadt Aricia gewest / und nunmehr der Stadt Rom / wo sie in des Saturnus Tempel sorgfältig aufgehoben würde. Ditmar versätzte: Er hätte stets für der Römer Reichs-Pfand das Bild der Pallas rühmen hören / welches Chryse von Minerven empfangen /dem Dardanus zum Braut-Schatze zugebracht / Antenor dem Priester Theanus abgekaufft und ins Griechische Lager / Eneas aber in Italien gebracht haben solte. Der Priester antwortete: dieses wäre wahr; und es hätte kein Volck sich um so viel Reichs-Pfänder /als die Römer beworben. Denn über diese zwey besässen sie derer noch wol fünff; nemlich den Zepter des Priamus / welchen Eneas dem Könige der Latiner geschenckt hätte / von welchem er zu den Hetruriern /und von diesen unter dem Tarqvinius nach Rom kommen wäre. Bey diesem würde verwahrt der Schleyer der ältesten Tochter des Priamus Iliona. Noch vielmehr Krafft aber eignen die Römer der grossen Nadel und dem schwartzen Steine der von Peßimunt nach Rom gebrachten Götter-Mutter / und dem Ancilischen Schilde zu; welcher zur Zeit des Numa mit dieser Stimme vom Himmel gefallen seyn solte: daß die ihn besitzende Stadt so lange die mächtigste in der Welt seyn würde. Endlich hätten sie auch die aus Thon gebackene vier Pferde / welche die Vejenter nach Rom geschickt / in nicht geringerm Werth gehalten. Weil nun bey den Römern alles diß / was von ihren Wunderbilden geweissagt worden wäre / so beständig einträffe / hätten die Lombarden auch diese Asche ihres Warnefrieds billich hoch zu achten / und dieses uhralten Buches [1274] Weissagungen zu glauben. Dazumahl so viel andere Völcker iederzeit auf ihre Reichs-Pfänder grosse Thürme gebaut; und insonderheit die Stadt Mycene ihren güldenen Wieder / Memphis das singende Bild Memnons / die Sicilier ihre am Meerstrande gegen die Brutier gestellte Seule / welche immer Feuer und Wasser ausspritzte / und so wol dem Brande des Etna steuern / als den Feinden zur See die Durchfarth verwehren solte / die Megarenser das rothe Haar des Nisus / mit dessen Abschneidung seine Tochter Scylla auch seiner Herrschafft ein Ende gemacht / so werth gehalten hätten / und für derselben Verluste für dem Untergange wären befreyet blieben. Und schiene es: daß die Schutz-Geister eines ieden Ortes sich gleichsam mit der gleichen Reichs-Pfändern vermähleten / welche die Römer aus den belägerten Städten durch Opffer zu sich beruffen so sehr bemüht / und hernach in den eroberten ihre Heiligthümer zu zerstören: daß sie die Lust vergienge wieder dahin zu kehren / gewohnt wären. Ditmar ward nebst seinen Gefärthen durch den Priester des Sieges so gewiß beredet / als wenn er solchen schon in Händen hätte; daher sie auch zum Krieges-Heere wiederkehrten und selbtes so gewisser Göttlicher Offenbahrung versicherten: daß niemand am Siege zu zweiffeln hätte. Sie rückten also biß an die Havel dem Marbod entgegen; allwo die Priester eine adeliche Jungfrau /welche ihr Vater fürs gemeine Heil freywillig hierzu hergab / geopffert / und ihr Blut in den Fluß gegossen ward: daß der Feind diesen nicht solte überschreiten können. Sie wurden aber gleichsam vom Donner gerührt / als sie vernahmen: daß Marbod und Berthold die Nacht vorher schon über diesen Fluß gesätzt / und in dem heiligen Heyne / darinnen Warnefrieds Asche verwahret ward / durch die Marcomañischen Priester geopffert / und ihrem Vorgeben nach der Langobarder Schutz-Geister auf ihre Seite gebracht hätten. Anstatt voriger Hertzhafftigkeit dachte nunmehr fast iederman auf die Flucht / und hätte niemand des Feindes erwartet / wenn er ihnen nicht selbst unversehens auf den Hals kommen wäre. Ditmar hemmete mit seiner Ermahnung / und Lutgardis mit ihren Thränen / am allermeisten aber die Priester / welche die für verlohren geschätzte Asche Warnefrieds ans Licht brachten /durch ihre Beschwerungen die zurücke hieltẽ / welche nichts als Furcht und Flucht im Hertzen hatten. Der Anblick dieses Gefässes verwandelte sie gleichsam in neue Menschen / und die / welche vor kein Hertze hatten / kriegten durch Aberglauben itzt derer gleichsam zwey. Ditmar stellte den Adel in Schlacht-Ordnung / alle waren begierig zu fechten; ja Priester und Weiber gürteten ihnen Waffen an / und stellten sich unter die Kriegs-Fahnen. Marbod hingegen drang mit seinen Marckmännern im rechten / und Berthold mit den Langobarden im lincken Flügel gegen jene an; welche in eine neue Bestürtzung geriethen / als sie gewahr wurden: daß diese ihnen auf Marbods Beredung / um sie in der Schlacht nicht zu erkennen / die langen Bärte grösten theils abgeschnitten hatten. Sintemahl ihnen dieses vorlängst als ein Keñzeichen bevorstehender Dienstbarkeit war geweissagt worden. Gleichwohl redete Ditmar und die Priester durch andere Auslegung aus: daß keiner an tapfferer Gegenwehr nichts erwinden ließ. Nach zweyer Stunden Gefechte /brachte Marbod des Feindes lincken Flügel in Verwirrung und folgends in die Flucht. Hingegen muste Berthold mit seinen lincken des tapferen Ditmars rechtem weichen. Ob nun zwar dieser dem Marbod seinen Nothstand wissen ließ / und Hülffe begehrte; hatte doch Marbod kein Gehöre / biß er die Nachricht kriegte: daß Berthold von Ditmarn erschlagen ward; hierauf ließ er den Grafen Tschernin und Fasenburg die Fliehenden verfolgen; er aber gieng mit dem Kerne seiner Marckmänner Ditmarn in Rücken / und[1275] hatte das Glücke: daß der Ritter Wreschowitz / nach dem er mit seinem wenigen Volcke länger als eine Stunde wider diese grosse Macht als ein Löw gefochten hatte / diesen tapferen Fürsten erlegte. Mit diesem / als dem Haupte entsanck dem übrigen Adel nach Verlust vielen Blutes endlich Hertz und Hoffnung; sonderlich als der oberste Priester zu Bodem geritten ward / und er das Ertztene Gefässe mit Warnefrieds Asche zu Marbods Füssen warff. Marbod / weil er die Langobarden umringt und geschickter zum sterben als länger zu fechten sah / gab seinen Marckmännern ein Zeichen zum Stillestande der Waffen; welche das gemeine Volck der Langobarden ungeachtet ihrer Verbitterung gegen den Adel / der seine nunmehr zu Marbods Füssen legte / einstecken muste. Also erhielt Marbod den völligen Sieg; was nicht durch die Schärffe der Schwerdter gefallen war / ward gefangen; kein Langobardischer Fürst stand ihm mehr im Wege; und also ward er von allen dreyen Ständen für ihren König auf der Walstadt ausgeruffen / und ihm der Eyd der Treue abgelegt.

Das Geschrey von diesem Siege war noch nicht zu den Semnonern kommen / als Marbod mit seiner Macht und acht tausend Langobarden schon in ihr Land einbrach / und geraden Weges gegen Budorgis rückte. Denn ob Marbod wol verstand: daß man sich in der Nachtbarn innerliche Kriege nicht ehe mischen solte / als biß man vom schwächsten Theile zu Hülffe geruffen würde; da denn die Raserey der verbitterten Bürger aus Begierde sich an ihren Beleidigern zu rächen die Liebe des Vaterlandes erstecket / keine Bluts-Freundschafft kennet / sondern mit seinem Feinde sich mit Freuden in Dienstbarkeit und Untergang stürtzet; hingegen wenn ein mächtiger Nachtbar ungeruffen einfällt / befördert er nur zwischen den Streitenden einen Vertrag / und daß sie ihren gegen einander gehabten Haß wider ihren gemeinen Feind auslassen. So wuste doch dieser schlaue König schon: daß die Semnoner sich gegen einander so abgemergelt hatten: daß / wenn sie schon zusammen spannten /seiner Macht nicht gewachsen wären. Alleine Marbod hatte durch seinen Botschaffter dieser besorgten Vereinbarung schon vorgebeugt / so viel Verdacht und Saamen der Zwietracht zwischen den Adel und das Volck der Semnoner gestreut: daß es leichter schien Feuer und Wasser / als sie mit einander zu vereinbaren. Hingegen sparete der Ritter Ellenbogen nichts so wol auf ein- als der andern Seite die Gemüther für den König Marbod zu gewinnen. Er stellte dem Adel die unvermeidliche Noth für einen Fürsten zu erwehlen; welchem Satze die Priester einen kräfftigen Nachdruck gaben. Hierauf mahlte er des König Marbods Macht / seine Klugheit und Gütigkeit ab / und hielt ihnen ein: daß es viel besser wäre einem grossen / als kleinen Fürsten gehorsamen. Denn dieser würde von Nachbarn bald um diß / bald um jenes angefertigt; könte sie nicht schützen / er müste sich selbst für allen mächtigen Nachtbarn bücken / und wider Willen seinen Unterthanen / welche er zu ihrem grossen Schaden alle kennte und zahlen könte / grössere Beschwerden auflegen / als sie zu tragen vermöchten. Unter einem grossen Fürsten aber / wie Marbod wäre / lebte man in stoltzer Ruh und Sicherheit. Die Fürsten der Gallier hätten unaufhörliche Händel mit ein ander gehabt / biß sie unter der Römer Gewalt und in Ruh kommen. Ein Land theilte dem andern seine Fruchtbarkeiten mit; und die gemeinen Beschwerden wären wegen Vielheit der sie tragenden nicht zu fühlen. Die Römer / welche gleichsam aller Welt Gespenster und Schrecken wären / stünden für niemanden / als dem mächtigen Marbod in Kummer. Die ihm gehorchenden Völcker wären gleichsam aus dem stürmenden Meere bey ihm in einen stillen Hafen eingelauffen; und durch sein aufgerichtetes Gewerbe [1276] mit andern Völckern hätten sie allererst das Reichthum der Welt und die Süßigkeit des menschlichen Lebens schmecken lernen. Seine Herrschafft wäre so gerecht und so gelinde: daß niemand als die Feinde und Ubelthäter wüsten: daß die Marckmänner einen König hätten. Denn er vermischte den Fürsten und Bürger so weißlich zusammen: daß ihn iederman für diesen wegen seiner Leutseligkeit / für jenen wegen seiner Bemühung und Wolthätigkeit halten müste. Seine Hoheit wäre ohne alle Hoffart; seine Verträuligkeit machte ihn nicht verächtlich. Er gäbe nicht das Reich seinen Dienern unter die Hände / sondern herrschte selbst: daß ein Fürst seiner Diener Knecht würde /wenn er sein fürnehmstes Ehweib / nehmlich sein Reich / zu seiner Diener Sclavin machte; und daß Unterthanen ihre Könige so denn rechtschaffen liebten /wenn sie ihnen niemand gebieten liessen / wie Weiber ihre Ehmänner / wenn sie Männer wären. Er erledigte alle wichtige Sachen selbst / die geringern liesse er seine Diener untersuchen / und bindete sich an keinen gewissen. Denn er pflegte zu sagen: Fürsten solten mehr als einen vertrauten Diener / wie die Tempel viel Eingänge haben. Die Freygebigkeit wäre ihm angebohren / und kriegte offt ein Unterthan in einer Stunde mehr von ihm geschenckt / als er sein lebtage Schatzung geben dörffte. Es wäre sein Sprichwort: Wie das abgeschnittene Graß mehr wüchse als das sich überstünde / also verarmte kein Fürst von Freygebigkeit. Damit er nun diese seine Lobsprüche so vielmehr beglaubigte / ließ der Botschaffter keinen Nothleidenden / oder die / welche beym Volcke in Ansehen waren /und was zu sagen hatten / unbegabt. Insonderheit übte er gleichsam eine Verschwendung gegen die Priester aus; weil er wol verstund: daß bey ihnen eine milde Hand die kräfftigste Schluß-Rede wäre die gerühmte Gottesfurcht und Andacht seines Königes zu erweisen; und hingegen diß / was am Marbod getadelt oder gefürchtet werden konte / zu verhüllen. Sintemahl auch sonst ins gemein Frömmigkeit der weissen Farbe / Freygebigkeit der Röthe des Frauenzimmers gleichet; in dem durch beyde viel andere Flecken verdeckt werden. Uber diß wuste der Botschaffter denen Priestern mit dem Pinsel seiner Beredsamkeit Marbods geistliche Stifftungen und derselben reiche Einkunfften ansehlich fürzumahlen / und sie zu bereden: daß er niemahls ohne der Priester Einrathung was wichtiges entschlüsse / ja ihm fürgenommen hätte / so bald er seinem Reiche einen tüchtigen Herrscher auffinden würde / seine übrigen Jahre dem Priesterstande zu wiedmen; weil sich zwar wol als ein Fürst leben / als ein Priester aber ruhiger sterben liesse. Durch diese annehmlichen Fässel ward die Priesterschafft auf eine solche Weise gewonnen / daß sie meinten: es könte den Semnonern kein heilsamer Glücksstern aufgehen /als wenn sie einen so andächtigen und freygebigen Fürsten zum Herrn bekämen. Eine so durchdringende Würckung hat der Eigennutz / dessen Herrschafft in der Kugel des Mohnden anfängt / und sich biß in die ärmsten Schäffer-Hütten / ja biß ins unterste der Erde erstrecket. Sintemahl nicht nur die Menschen / sondern alle unbeseelte Dinge / ja die Sternen selbst gegen einander ihren Vortheil suchen / und ein Ertzt dem andern suchet Abbruch zu thun; daher ihr Geist auch die festesten Geschöpffe durchdringet / ja aus diesem Absehen Feuer und Wasser sich ihrer eigentlichen Bewegung entschlagen / und dieses in die Höhe empor steigt / daß es zu Wolcken werde / jenes aber sich in die tieffsten Klüffte absencket: daß es sich mit Golde vermähle. Mit einem Worte: der Nutzen ist in dem Thun der Menschen eben diß / was das allgemeine Saltz oder der thätige Geist / mit dem sich die Lufft vermählet: daß sie dadurch die Athem-holenden Thiere speisen / die Flamme brennend erhalten / das Saltz und den Schwefel [1277] der Erde mit Salpeter trächtig machen könne. Denn wie ohne dieses Saltz die Lufft nichts zu nehren vermag; also verlieret in der Welt die Liebe / die Weißheit / ja die Andacht selbst bey entfallendem Vortheile gleichsam alle Lebhafftigkeit. Weil nun Marbod von diesen Unterbauungen gute Nachricht hatte / übte er in der Semnoner Gebiete keine Feindseligkeit; was auf sein Kriegs-Volck aufgieng / ließ er richtig bezahlen; und ob ihm schon die Stadt Budorgis die Pforten öffnete / weigerte er sich solche zu beziehen / sondern schrieb durchs gantze Land aus: Er wäre nicht als ein Feind / sondern als ein guter Nachtbar dahin kommen / ihrer grausamen Uneinigkeit ein Ende zu machen. Denn der Krieg wäre ein gefährliches Feuer / welches zu leschen alle kluge Nachtbarn zulauffen müsten; und die Zwietracht wäre so anfällig als Seuchen / daher hätte er für die Wolfarth seiner Völcker zu sorgen. Diesem nun abzuhelffen wäre kein ander Mittel; als daß die Semnoner auf den nechsten Vollmohnden in Budorgis /wo er einem ieden für unrechter Gewalt Sicherheit verschaffen wolte / zusammen kämen / und durch freye Stimmen ihnen ein Haupt erwehlten. Denn ihm und allen Fürsten wäre daran gelegen: daß die Semnoner ihre alte Herrschens-Art behielten; den Semnonern aber selbst: daß sie nicht länger ohne einen Fürsten blieben. Denn niemand / als Boßhaffte / verlangten ausser Gesätzen zu leben; und bey solcher Freyheit sänckte sich das böse Tropffen-weise in die Hertzen der Frommen ein: daß sie nach und nach das ihnen verhaste Laster für gar keines mehr hielten. Die in einem Lande aber einmahl verschwundene Tugenden und gute Sitten kämen langsam wieder in Gebrauch. Denn denen hernach gebohrnen schienen sie was frembdes zu seyn: und nach nie gekosteter oder vergessener Süßigkeit gelüstete niemanden. Durch Beförderung dieser Wahl würden sie auf einmahl alle Hoffnung denen aufgeblasenern Gemüthern verschneiden; welche das Feuer der Zwietracht sonst unendlich unterhalten / und boßhafft zu bleiben nicht unterlassen würden; weil die Tugend zeither so kostbar / und gleichwol elende hätte leben müssen / die Herrschafft aber dem Ehrsüchtigsten zu Theile werden dörffte. Es wäre selbst des Adels Ernst nicht /keinen Fürsten zu haben; sondern nur ein Vorwand die / welche einem oder andern dörfften vorgehen /aufzuhalten und aus dem Wege zu räumen. Also solten sie diesem Spiele einmahl ein Ende machen. Denn ob zwar gewisse Menschen eine Eigenschafft hätten: daß sie diß / was sie mit ihrer Hoffnung verschlungen haben / für eine ihnen gebührende Schuldigkeit / und /wenn sie es nicht erlangten / für ein ihnen angethanes Unrecht hielten; so müste diesen Ehrsüchtigen auf einmahl durch den Sinn gefahren / die Ruhe des Volckes ihrer Ehrsucht fürgesätzt / und sie lieber einmahl recht beleidiget / als ihnen bey gelassener Hoffnung mit der Zeit zu herrschen das Vaterland in Grund zu richten Lufft gelassen werden. Diesemnach versähe er sich: daß diese so nöthige als heilsame Wahl zu vollziehen niemand aussenbleiben würde. Bey der Versamlung wolte er selbst für eines ieden Freyheit stehen; die Aussenbleibenden aber für seine und ihres Vaterlandes Feinde erklären. Denen Priestern und dem gemeinen Volcke war dieses ein gefundener Handel; weil die Wahl eines Fürsten von Anfang her der Zweck ihres Krieges gewest war. Weil es nun Wasser auf ihre Mühle und ein hefftiger Streich wider den Adel war / vergassen sie hierbey: daß sichs zwischen einem gewaffneten Heere so wenig frey wehlen / als mit angefässelten Beinen grosse Lufft-Springe thun liesse. Also fanden sich die Priester und das Volck Hauffen-weise ein. Der Adel / nach dem er vergebens versucht hatte / das Volck zu bereden: daß sie ihre einheimische Strittigkeiten eine zeitlang an Nagel hencken / und dem sie beyde zu [1278] unterdrücken vorhabenden Feinde mit vereinbarten Waffen begegnen solten / sahe sich nun nicht allein um die eingebildete freye Herrschaft / sondern auch um die freye Wahl gebracht. Wie schwer sie es nun gleich ankam / musten sie nur sich auch zu Budorgis einfinden / wo sie zwischen denen Marckmännischen Waffen das Aaß ihrer entseelten Freyheit nicht ohne Erstaunung liegen sahen. Denn alle Pforten waren nicht nur mit frembdem Kriegs-Volcke besätzt / sondern es drängten sich unter selbten Volck und Priester / weil ieder dem andern vorkommen wolte / beym Könige Marbod / als der Semnoner künfftigem Fürsten einzulieben. Um sein Zelt lag eine solche Menge Volckes auf den Knien / die man kaum übersehen konte / welche nur ihn zu sehen die Ehre haben wolten. Alle Abende wurden auf den Gassen Freuden-Feuer / welche seinen Nahmen brennende fürstellten / angezündet / und in Lobe-Liedern seine Thaten gesungen. Derogestalt sind die Wasser-Fälle des Nilus und des Rheines gegen dem Falle der Freyheit nur für Kinderspiel zu achten; welche in eine solche Dienstbarkeit abstürtzet: daß die Heucheley ihr nicht genung Farben vorzuschüssen weiß / damit sie die Niedrigkeit ihres Gemüthes fürbilde. Als es nun zur Wahl kam / fieng der oberste Priester alsbald an: gute Fürsten wären ein blosses Geschencke des Himmels / böse könten durch die klügste Wahl tausend scharffsichtiger Leute verhütet werden. Sintemahl keine zauberische Ruthe der Circe die Menschen mehr verwandeln könte / als die Fürstliche Hoheit; und ihrer hundert für würdig zu herrschen würden gehalten worden seyn / wenn sie nicht geherrschet hätten. Daher gäbe es in der Welt so viel Könige / die nicht Alexander wären / ungeachtet man eine grosse Menge Alexander zählte / die nicht Könige wären. Niemahls aber verstieße man in Wahlen ärger / als wenn man zu Herrschern machte / die nicht Fürsten wären; und welche allererst solten herrschen lernen / wenn sie das Meisterstücke machen solten. Denn ob zwar die Herrschafft einen klugen Mann zu machen pflegte / wenn sie ihn nicht findete /müste doch ein Land bey dieser Lehre viel ausstehen /und seines Fürsten Irrthümer mit vielem Gut und Blute bezahlen. Nach dem nun bey den Semnonern alle Fürsten abgestorben / aus ihnen selbst aber einen zu erwehlen gefährlich wäre; weil es einen Bildhauer schwer ankäme ein Bild anzubeten / was er selbst gemacht hätte / und ein solcher Fürst fast unmöglich das nöthige Ansehn behaupten / die grossen im Zaume halten / und denen Empörungen steuern könte / wäre der unvermeidlichen Noth einen frembden Fürsten zu suchen. Was wolten sie aber einen allererst durch Zanck und Vorwitz suchen / nachdem ihnen GOtt den vollkommensten schon zugeschickt hätte / nemlich den König Marbod. Dieser hätte durch seine Weißheit in wenig Tagen die zerstreuten und wie rasende Wölffe auf einander wütende Semnoner durch diese friedliche Zusammenkunfft vereinbaret / durch Beherrschung so vieler Länder seine Fähigkeit erhärtet; also würde es der höchste Undanck / die schädlichste Unvernunfft seyn / wenn sie einen Würdigern zu finden ihnen träumen liessen / als er wäre. Dieses wäre die einmüthige Meinung der Priesterschafft; denn es wäre die gröste Thorheit / wenn menschliche Vernunfft von der Strasse ihr einen Abweg suchen wolte / die das Verhängnüß einem selbst mit dem Finger anwiese. Das gemeine Volck war viel zu begierig: daß es hätte sollen die Meinung des Adels erwarten / oder ihre Beystimmung mit gewissen Gründen bekleiden sollen; sondern selbtes schlug theils die Hände / theils die Waffen zusammen / und ruffte: Es lebe unser Fürst König Marbod! Derogestalt blieb dem Adel nichts übrig / als durch eine beypflichtende Heucheley sich dem Grimme des Volckes / für der Verfluchung der Priester und der Macht des Königs Marbod zu entreissen. [1279] Also kostet es zwar Müh und Kunst das Hefft der Herrschafft in die Hände zu bekommen; hernach aber giebt sich alles gleichsam von sich selbst; und mühten sich die Unwilligsten die ersten und fertigsten zum Gehorsame zu seyn. Von Stund an wurden aus allen dreyen Ständen Abgeordnete zum Könige Marbod abgeschickt / welche ihn die Herrschafft über die Semnoner anzunehmen erbitten musten; weil er sich heraus ließ: daß er niemahls darnach ein Verlangen gehabt / er auch sie nimmermehr annehmen würde / wenn er wüste: daß unter den Semnonern nur einer wäre / der ihn nicht gerne zum Fürsten hätte. Also ward Marbod mit grossem Frolocken zum Haupte der Semnoner erhoben; ohne daß er ein so grosses Volck unter sich zu bringen eine Sebel zucken dorffte.

Marbod / welcher die Herrschens-Künste von Grund aus verstand / sparte so wol bey den Semnonern als Langobarden nichts durch Wolthaten ihre Gemüther an sich zu ziehen; iedoch auch seiner Seits dieser streitbaren Völcker sich zu versichern. Denn er wuste wol: daß ein mit den Waffen erobertes Reich einem noch nicht gebändigten Pferde gleichte / welchem man zwar liebkosen / biß es auffsitzen ließe /aber auch solches stets an einer Leine führen müste: daß es nicht zu krumme Springe unversehens machte. Er vertraute alle Einkünfften und Ansehn denen Eingebohrnen / die Kriegs-Aempter alleine gab er seinen Marckmännern. Die Richter-Stüle besätzte er mit Gerechten / die gemeinen Schatz-Kasten mit ehrlichen Leuten; und weil doch die mit Waffen eroberten Länder nicht ohne Waffen zu erhalten sind / baute er an die Flüsse zwar etliche Festungen / aber mehr zum Scheine der Versicherung wider die Nachtbarn / als aus Mißtrauen gegen ihnen. Die Besatzungen bestunden zwar meist an Marckmännern; aber er besoldete sie aus eigenem Beutel / verminderte also ihre alten Anlagen / und ließ keinem Marckmann / auch dem geringsten einige Uberlast machen. Und kurtz zu sagen: er gieng mit ihnen nicht als mit Uberwundenen / sondern als angeerbten Unterthanen um. Denn ob zwar die / welche eine Herrschafft durch Laster an sich bracht / solches selten durch Tugenden ausüben; so ist doch gewiß: daß / weil die Boßheit ohne Hülffe der Tugend lange nicht tauern kan / solche durch diese erhalten; und weil doch der Uberwundenen Dienstfertigkeit eine blosse Heucheleiy ist / ihre wahrhaffte Liebe hierdurch nach und nach gewonnen werden müsse. Zu solchem Ende führete er bey selbten allerhand Gewerbe / den Ackerbau / die Weberey und andere Handwercker ein / welche dem Volcke zu seiner Glückseligkeit nicht wenig zu dienen schienen. Welche letztere Angel ihrer Freyheit weder Semnoner noch Langobarder merckten / so lange Marbod mit denen Gothonen / Lygiern und andern Völckern Krieg führte / und ihrer Waffen von nöthen hatte. Nach dem aber Marbod seiner Herrschafft Maaß und Ziel zu sätzen anfieng / und zwar nicht ohne Waffen / aber lange ohne Krieg war; wolten diese Völcker ihrer alten Gewohnheit nach in anderer kriegender Völcker Dienste gehen / und lieber mit Blute als Schweiße ihr Brodt verdienen / oder vielmehr ihr Glücke anderwerts suchen / und ihre Waffen nicht verrosten lassen; und als solches Marbod nicht erlauben wolte; fasten sie wider ihn den ersten Argwohn; sonderlich als er zwischen ihnen und den Marckmännern nunmehr einen mercklichen Unterschied zu machen anfieng / und sie zwar unter seinem Heere für gemeine Kriegs-Knechte dienten / aber selten über einen Wachmeister oder Feldwebel steigen konten; sondern eitel Marckmännischer Hauptleute Befehl unterworffen wurden / wenn sie schon Kriegs-Leute gewest waren / da jene noch in der Wiege gelegen hatten. Dieser Fehler verrieth am ersten Marbods Karte und Anschläge; welcher von den Römern hätte lernen sollen: wie selbte die überwundenen [1280] Völcker durch Ertheilung des Bürger-Rechts ihnen gleich zu machen / und an ihre Sitten zu gewöhnen pflegen. Welche Vernachläßigung / wie sie Athen und Sparta gestürtzt / also gab sie auch Marbods Herrschafft den ersten Stoß. Denn der Adel beruffte sich nunmehr mit grösserm Eyver auf seine Freyheit / und ließ sich verlauten: daß er ihm anderwerts durch die Waffen sein Glücke zu suchen nicht länger würde wehren lassen. Marbod meinte ihn zu besänfften / und hielt ihn lange Zeit durch allerhand scheinbaren Vorwand / sonderlich aber damit auf: daß er selbst keinen Augenblick des Friedens versichert wäre; also ihrer im Kriege selbst von nöthen haben würde / den er bald mit den Römern / bald mit den Sarmaten / bald mit den Cheruskern und Catten anzufangen Anstalt machte. Der Adel merckte wol: daß diß sie aus Ubung der Waffen zu bringen / und als unstreitbare zur Dienstbarkeit desto fähiger zu machen angesehen wäre; weil aber Marbod das zwischen dem Adel und Volcke schon einmahl angeglommene Mißtrauen / als ein seiner Herrschafft dienendes ewiges Feuer / noch immer unvermerckt unterhalten hatte / muste er seine hierüber gefaste Empfindligkeit nur in sich fressen / und durch Gedult verdeuen. Unterdessen wurtzelte gleichwol wider den Marbod bey denen seine Herrschens-Künste ergründenden ein bitterer Haß ein / welche sahen: daß seine so geschwinde Aenderung seiner Laster in Tugenden nicht von der Natur / die so gähe Springe nicht macht / sondern aus einer betrüglichen Scheinheiligkeit herrührte. Diese aber fürchtet das Volck mehr / als offene Laster. Denn die mit Lastern verdrehte Tugend ist zweyfache Boßheit; und kan nichts als abscheuliche Mißgeburten zeugen.

Inzwischen spielte sich der Römische Krieg wider die Deutschen an die benachbarte Weser / und machte bey allen über der Elbe wohnenden Deutschen keinen geringen Lermen; so gar: daß auch etliche vornehme Staats-Diener des Königs Marbod ihm riethen / diesem gefährlichen Feuer / weßwegen gantz Deutschland die Sturm-Glocke zu leuten Ursache hätte / nicht ferner zu zusehen. Weil aber Marbod als eine gefrorne oder bezauberte Natter sich nicht regte / ja mehr denen Hermunduren mit zwanzig tausend Marckmännern über die Saale ins Land fiel / und den Catten dreute / damit beyde denen Cheruskern nicht zu Hülffe kämen / verfiel Marbod in Verdacht: daß alle zwischen ihm und den Römern gehabte Mißverständnüße ein blosses Spiegelfechten wären / und sie mit einander unter der Decke und im geheimen Bündnüße steckten; Krafft dessen sie Deutschland mit einander theilen und vollkommen dienstbar machen wolten. Bey solchen Mißtrauen brach die Ungedult bey den Langobarden und Semnonern aus. Die alten Edelleute hiessen zwar ihre Söhne nicht ausdrücklich denen Cheruskern zuziehen / beklagten sich aber über die unglückliche Zeiten: daß bey so nahem Kriege ihre Kinder auf dem Miste versitzen und zu Bauern werden müsten. Dieses jagte den jungen Adel in Harnisch: daß sie ihnen selbst Obersten erwehlten / über der Elbe in dem Cheruskischen Gebiete Sammel-Plätze besti ten / und derer acht tausend zum Hertzog Herrmann unvermuthet ins Lager kamen. Marbod ward bey der hiervon einlauffender Zeitung gleichsam vom Blitz gerühret; daher er den Grafen von Rosenberg mit zwölff tausend Marckmännern und Sedusiern in der Semnoner Gebiete schickte / der in Krieg gegangenen Edelleute Väter in Hafft / die Güter in Beschlag nehmen / und / da sie nicht Augenblicks zurück kehrten / ihnen alle Straffen der Aufwiegler und Verräther andreuen ließ. Hiermit zohe Marbod das gröste Theil des Adels zurücke / die aber zu Hause wenig oder nichts zu verlieren hatten / blieben bey den Cheruskern / und liessen dem Marbod sagen: Sie hätten zu Hause lange genung [1281] Tauben gefangen; nun müsten sie gleichwol erfahren: ob es keine streitbarere Vögel in der Welt gäbe. Marbod / welcher sonst über seine Gemüthsregungen eine vollkommene Botmässigkeit hatte / konte sich dieses mahl nicht he en seinen Eyver auszulassen; Adgandester aber sagte ihm: er hätte sich über dieser Begebnüs mehr zu erfreuen als zu eyfern Ursache. Sintemahl er dadurch den schönsten Vorwand in der Welt bekäme diesen beyden Völckern / sonderlich dem hochmüthigen Adel die Freyheiten auf einmahl zu nehmen / bey derer Tauerung er sie nur wie den Aal beym Schwantz hätte / und sich wahrhafftig nicht rühmen könte: daß er ihr Herr wäre. Diesem nach solte er weder Zeit noch Gelegenheit versäumen ihnen auf den Halß zu gehen / sein Erb-Recht zu befestigen / die Barden und ihren Gottesdienst auszurotten / die Herrschafft nach seinem Kopffe und zu seiner Sicherheit einzurichten. Denn Fürsten müsten wie die Aertzte den Krancken ihre bittere Träncke auf einmahl einschütten: daß sie nicht lange daran zu käuen und zu kosten hätten; das gute hingegen wäre ihnen nur Tropffen-weise einzuflössen / damit ihr Geschmack lange unterhalten und ein Fürst nicht erschöpfft würde. Marbod folgte entweder aus abnehmender Klugheit / oder aus absonderer Schickung des Verhängnüßes Adgandestern. Denn böse Diener sind nur die Röhren / durch welche böse Rathschläge flüssen; ihr Uhrsprung rühret aus jenem tieffen Brunne her. Daher ereignet sichs offt zu grosser Verwunderung der gantzen Welt / welche siehet: daß die Staats-Diener offt mit ausgebreiteten Fahnen wider die Gerechtigkeit / die Gesätze und ihres Fürsten Nutzen in Krieg ziehen; daß sie mit dem Fetten des Volckes ihren Geitz mästen / mit dem Blute der Unschuld den Durst ihrer Rachgier leschen / und um ihnen Häuser zu bauen das Königreich einreissen; und daß gleichwol der Fürst entweder alleine verbländet ist / oder es geschehen läst / und noch dazu lachet. Zwar ist sich hierüber nicht zu verwundern / wenn ihm ein ungeschickter Fürst / der nie mit keiner anderen als einer geborgten Vernunfft geherrscht hat / ihm das Hefft nehmen / und seine Einfalt durch eine scheinbare Beredsamkeit hinters Licht führen läst; diß aber kam der gantzen Welt billich seltzam vor: daß der so verschmitzte Marbod in solchen Zustand verfiel / welchen Adgandester von einer kurtzen Zeit her so eingenommen oder vielmehr bezaubert hatte: daß er nichts ohne ihn that / und / was dieser rieth / niemahls wiedersprach. Derogestalt betete er Adgandestern / und alles sein Thun an; war also nicht besser als die Bildhauer / welche ihre Götter mit eigener Hand fertigen. Er gab ihm alle seine Einkunfften unter Hände / belegte ihn mit den vornehmsten Aemptern des Reichs / und hatte kein Bedencken ihm zu gefallen / allen andern weh zu thun; ja er enteusserte sich gleichsam allen seines Willens und seiner Krone /damit Adgandester nur alles nach seiner Willkühr einrichten / und hierzu genungsames Ansehen haben möchte. Adgandester wuste sich dieser eingeräumten oder vielmehr abgetretenen Macht meisterlich zu bedienen. Denn er sperrte den König in der Mitte eine so Volck-reichen Hofes zur Einsamkeit und eitelem Zeitvertreib unter dem Nahmen nöthiger Ruh ein /und ließ ihn weder Volck noch Kriegs-Heer sehen /als wenn er verhasten oder bedencklichen Sachen einen Nachdruck geben wolte. Er räumte alle / welche Adgandestern am Wege stehen konten / oder ihrer Aufrichtigkeit und Tugend halber nicht in seinen Kram taugten / aus dem Wege; die aber wegen ihrer hohen Verdienste unumstoßliche Pfeiler waren / entfernete er durch grosse Verwaltungen der Länder /durch Botschafften und wichtige Geschäfte aus den Augen des Fürsten / und machte aus seinen Geschöpffen gleichsam einen neuen Hof; welches nach der Eigenschafft aller Neuigkeiten dem Marbod zu seinem[1282] Schaden und Schande noch hertzlich wol gefiel; ungeachtet er keinen alten Diener / keinen vertrauten Menschen mehr um sich sah / für welchem er hätte ein Wort reden können / welches nicht selbigen Augenblick Adgandestern zugetragen ward. Mit einem Worte: Marbod gerieth mit seinem guten Willen in eusserste Dienstbarkeit / und ward der schimpflichste Gefangene seines eigenen Knechtes / oder starb vielmehr seiner Herrschafft ab. Denn er fragte fast nicht mehr nach seinen Reichs-Händeln / weniger begehrte er selbte zu ordnen: ja er wagte sich nicht einmahl die einlauffenden Brieffe zu lesen / wenn sie Adgandester nicht vorher entsiegelt / und befunden hatte: daß der König hiervon Nachricht erlangen dörffte. Zugeschweigen: daß Marbod nicht einmahl ohne sein Einrathen auf die Jagt zoh; wenn er iemanden gerne befördert wissen wolte / ihn Adgandestern einlobte / und wenn er was für sich selbst etwas vergeben hatte / geschehen ließ: daß sein Diener es als eine Ubereilung zurücke zoh. Daher auch kein Mensch mehr etwas beym Könige / sondern bey Adgandestern suchte / der alles in allem; also König und Rath zugleich war /seinen Herrn aber nur statt eines Bildes brauchte /welches man auf eine marmelne Seule sätzt: daß iederman für selbtem die Knie beugen muß. Damit Marbod aber gleichwol glauben möchte: daß diese Selbstgelassenheit zu sein und seiner Tochter Adelgunde Ausnehmen gereichte / schalt er auf vorige Staats-Diener: daß sie so viel Zeit hätten verstreichen lassen / ohne bey den Langobarden und Semnonern ihr Erb-Recht in Gewißheit und die Gewalt des Königs in bessern Stand zu sätzen. Dieses nun zu vollziehen führte er den König mit Adelgunden zu dem Ende dahin; sie kamen auch gleich zu Budorgis an /als zwey Tage vorher die fünff tausend Edelleute aus dem Cheruskischen Lager zurück über die Elbe kommen waren. Adgandester wuste diß als einen des Adels Freyheit angebrachten Streich nicht genungsam heraus zu streichen / und den Marbod zu bereden: daß Unterthanen niemahls recht gehorsamten / weñ ein Fürst nicht seiner Gewalt zu gebrauchen / und mit Nachdruck zu befehlen wüste. Adgandester aber /welcher vorher ein so schlauer Staats-Mann gewest /und alles mehr durch Arglist als Gewalt auszurichten beflissen gewest war / ward von so grossem Glücke gleichsam truncken: daß er seiner vorigen Vorsicht vergaß; oder bildete ihm vielleicht ein: daß sich seine ungeheure Gewalt über Reich und König nicht anders als durch Donner und Blitz / nemlich durch Hefftigkeiten behaupten liesse. Diesem nach verbannte er die außengebliebenen dreytausend Edelleute aus Marbods gantzem Reiche / entsätzte sie ihres Adels / und erklärte sie für Vogel-frey. Weil nun in beyden Ländern kein Adeliches Hauß war / welches nicht einen Anverwandten darunter hatte / wurden alle dadurch auffs hefftigste beleidigt. Hierbey aber beruhte er noch nicht; sondern Marbod oder vielmehr Adgandester er forderte vielmehr unter dem Nahmen des Königs auch die / welche der Königlichen Abforderung gehorsamt hatten: daß sie Rechenschafft geben solten / warum sie für ihren eigenen Kopf zu denen Cheruskern in Krieg gegangen wären? da sie doch alle wol gewust /wie übel diese mit dem Könige stünden / welcher der von ihnen bekriegter Römer offentlicher Bundgenoße wäre. Ja er ließ auf einen Tag fünff hundert erscheinenden Langobarden zur Straffe Haare und Bärte abschneiden. Ob der Adel nun zwar durch Erkiesung frembder verdächtiger Kriegs-Dienste wider ihren König gesündiget hatte / war doch diß eine unvernünftige Schärffe: daß Marbod nach einer so geschwinden Reue eine so grosse Menge / und zwar gleichsam mehr ihren Gehorsam / als ihr Verbrechen straffen wolte. Alleine es machen neue Räthe / welche die alten Reichs-Verfassungen verbessern / von denen gebähnten Wegen auf [1283] so krumme Springe kommen wolten / es nicht besser / als die Baumeister der Festungen; welche die alten Wercke einreissen / des Fürsten Unkosten zernichten / die Zeit verspielen /nichts ausbauen und dem Feinde die Festungen öffnen. Nicht besser lieff es mit diesem Rathschlage Adgandesters ab. Denn dem gantzen Adel fieng das ohne diß längst schon wallende Geblüte an zu jähren; weil sie nunmehr sahen: daß das Messer ihren Freyheiten nunmehr recht in die Gurgel gesätzt; und / wie Adgandesters heimliche Feinde selbst aussprengten / von ihm den unbändigen Adel zahm zu machen oder gar auszurotten / angezielt ward. Denn wie die Unterhaltung langer Haare der Persischen Könige gröste Zierde war / die überwundenen Argiver auch zu Bezeugung ihres grossen Leides ihnen die Haare abschnitten; also waren bey den Langobarden die langen Haare so wol / als bey denen Egyptiern / Spartanern und Galliern ein Kennzeichen des Adels; daher auch /wenn einem jungen Edelmanne oder Fürsten der erste Bart abgenommen ward / solches von niemanden anders als einem Ritter / oder gar einem Fürsten geschehen konte; und deßwegen ein Fürst dem andern seinen Sohn zuschickte. Daher der Adel diese Beschimpffung für die gröste in der Welt aufnahm / und in wenigen Tagen über zwölff tausend Edelleute aus dem Staube und über die Elbe zu den Cheruskern entwichen. Adgandester sahe nun wol / wie sehr er verstossen hatte. Denn er war klug genung zu verstehen: daß der Adel der Kern eines Landes / und also an dessen Erhaltung dem gemeinen Wesen viel gelegen wäre. Sintemahl dieser doch allezeit von seiner Vor-Eltern Tugenden / wie die aus Ertztgebürgen entspringenden Adern etwas von ihren edlen Adern mit sich führten. Wenn auch schon der Adel was böses an sich nähme /liesse sich doch selbtes von ihm viel leichter trennen /als den niedrigen Pöfel edel machen; wie es keine grosse Kunst wäre Schlacken von Golde scheiden / aber fast unmöglich aus geringem Ertzte Gold machen. Damit er aber beym Marbod nicht Glauben und Ansehen verliere / beredete er ihn: daß einem Fürsten kein grösser Glücke begegnen könte / als wenn er sein Land auf einmahl von so vielen aufrührischen Köpffen saubern / und noch darzu sich von ihren eingezogenen Gütern bereichern könte. Der Adel gleichte insgemein hartmäulichten Pferden / welche das Gebieß der Fürstlichen Herrschafft nicht vertrügen / und weil sie den Friede für der Zeit ihrer Dienstbarkeit hielten /keine Gelegenheit versäumten ein Land in Unruh zu stürtzen. Also hätte ein Fürst hoch von nöthen selbten allezeit zu drücken: daß er weder ihm / noch dem Volcke zu Kopffe wüchse. Das andere Volck würde nach weggeräumten Aergernüße nun nicht allein so viel williger gehorsamen / sondern auch sich desto hurtiger zur Tugend anschicken; wenn nunmehr die Ehren-Aempter nicht nach der hohen Ankunfft / sondern nach Verdiensten würden vergeben werden; da sonst aller Fleiß schlaffte / die Tugend nie thätig wäre / wo diese keine Hoffnung hätte sich empor zu schwingen; der müßige Adel aber ausser Sorgen lebte durch Ungeschickligkeit seinen Vorzug einzubüßen. Damit er diese Lehre nun mit dem Eigen-Nutze überzuckerte / überreichte er dem Könige ein ziemliches Buch / darinnen des entwichenen Adels Güter beschrieben waren; welche nunmehr mit Rechte dem Königlichen Vermögen einverleibet werden könten. Marbod ließ ihm diese Einziehung entweder aus Geitz / oder aus Vergessenheit: daß die Reiche in den gefährlichsten Stand geriethen / wenn sie am mächtigsten würden / gefallen; oder er konte vielleicht Schande halber nichts mehr unbilligen / was Adgandester gleich böses stifftete. Wiewol auch Adelgunde ihrem Vater für Augen stellte: was für eine ansehliche Macht durch so viel streitbare Edelleute ihm ab / und dem verdächtigen Hertzoge der Cherusker zuwüchse; was für Verbitterung [1284] sie durch Verlust ihrer Güter und durch Verschränckung aller Genade gegen ihn schöpffen; wie viel Saamen des Aufruhrs sie in diesen Ländern streuen und sich zu rächen des nur noch übrigen Blutes nicht schonen würden; ihm also rieth: er solte ihn durch eine allgemeine Begnadig- und Vergessung dessen / was vorgegangen wäre / ins Land beruffen; so fand sie doch kein Gehöre; weil Adgandester dieses für eine schädliche Liebkosung gegen die Aufrührer / und für eine zu knechtische Erniedrigung für einen so grossen Fürsten hielt. Sintemahl diß / was wider Vernunfft geschehen ist / durch nichts als eine Hartneckigkeit gerechtfertiget werden kan. Daher wolte weder Adgandester von seinem bösen Rathe /noch Marbod von seiner Gewohnheit Adgandestern in allem zu folgen absätzen; als wordurch beyde ihre Irrthümer würden erkennt haben. Und also geschichts insgemein: daß / wenn wir iemanden wegen seiner zu lieben angefangen haben / die Zeit auch alsbald etwas darein mischt / daß wir selbten ihn unsertwegen in der Liebe behalten müssen; wenn er schon für sich selbst liebens werth zu seyn aufhört. Adgandester fand gleichwol der Nothwendigkeit der klugen Fürstin Adelgunde einen blauen Dunst für die Augen zu mahlen; und daß die Entweichung des Adels zu ihrem selbst eigenen Nutzen diente / zu erhärten. Diesemnach ließ er Marboden so wohl der Semnoner als Langobarder Stände auf zwey gewisse Tage verschreiben / an dem sie Adelgunden die Erbhuldigung leisten solten. Dieses vermeinte Heilungs-Mittel seiner vorhergehenden Fehler war eine noch grössere Unvernunfft. Sintemahl / wenn ein Fürst ja eines Landes Herrschens-Art zu ändern nöthig hält / er solches unvermerckt und nach und nach bewerckstelligen; wenn ein Stand leidet / dem andern streicheln / hernach jenem wieder Zeit lassen / und seine unverschränckte Botmässigkeit nicht ehe ans Licht bringen muß / als biß der Schatten voriger Freyheit dem Volcke aus den Augen gerückt worden. Hingegen fielen diese Hefftigkeiten Adgandesters den Priestern und dem Volcke wie ein Blitz in die Augen / und wie ein Donnerschlag in die Ohren; ob schon die bißherige Drückung des Adels wegen der insgemein gegen einander habenden Eyversucht ihnen wenig zu Hertzen gestiegen war. Denn weil Marbod sie bey ihren alten Freyheiten zu lassen versprochen hatte; liessen sie ihnen nicht träumen: daß er ihnen so schlechter Dings ihr Wahl-Recht nehmen solte; sonderlich / da er nicht durchs Recht der Waffen sondern durch der Semnoner freye Wahl ihre Herrschafft wolte erlangt haben; also solche zu ändern unter keinem Scheine des Rechtens befugt war. Nach dem sie aber die gegen den Adel gebrauchte Schärffe für Augen / mit diesem ihre beste Kräfften verlohren / eine grosse Marckmännische Macht auf dem Halse hatten; gleichwohl aber nicht gerne auf einmahl ihr Wahl-Recht schlechter Dings verlieren wolten / redeten sie mit einander ab: daß sie an den Hof schreiben / Marbods Vorhaben / da er bey Zeite auf eine gewisse Reichsfolge vorsinnte / seine tugendreiche Tochter auch in Vorschlag brächte / loben; aber erinnern solten: es wäre bey Ausfertigung der Beruffungs-Zettel / als in welchen die vorhergehende Wahl nicht ausgedrückt worden / ein Irrthum fürgegangen /welchen zu verbessern wol der Nothwendigkeit seyn würde. Sintemal sie der tröstlichen Zuversicht lebten: daß König Marbod / als ein so gerechter Herr / alles ihnen versprochene heilig halten würde; weil GOtt die Warheit / ein Fürst aber der Wahrheit Wort wäre. Adgandester nahm dieses so übel auf / als wenn dem Könige dadurch in den Zepter / ja an die Seele gegriffen wäre; brachte also Marboden in Harnisch: daß er denen Ständen diesen Bescheid gab: Sie wären seine durchs Krieges-Recht gewonnene Unterthanen / und er daher so wenig an ihre eingebildete Bedingungen /als Fürsten ins gemein an Gesätze / weniger [1285] an Worte gebunden. Wenn die Zeiten sich änderten / Sachen in einen andern Stand geriethen / wären auch gemeine Leute ihres Angelöbnüßes loß. Und sie wolten mit ihrem Fürsten wegen derer ihnen zum besten angesehenen Anmuthungen noch rechtfertigen? dieses wäre eine Vergessenheit: daß sie Unterthanen wären. Hätten sie nicht den Verstand: daß das Volck die verliehenen Freyheiten wider den Fürsten selbst nicht anziehen könte. Welcher diesem nach noch mit einem Worte eines Wahl-Rechts gedencken würde / solte mit der Straffe verletzter Königlicher Hoheit belegt werden. Derogestalt hielt Adgandester für rathsamer die Sache in Gefahr und Ungewißheit zu sätzen / als den Zweck durch gelinden iedoch sichern Weg zu erlangen. Dieser Bescheid war in aller auch der niedrigsten Leute Hertzen ein Donnerschlag / aber auch ein Anfang des dem Könige Marbod zuhängenden Unglücks; Also man selten den Untergang grosser Reiche dem blossen Verhängnüße zueignen kan; oder es verhüllet zum wenigsten seine geheime Rathschlüsse mit vorhergehendem Versehen der Fürsten und ihrer Diener. Sintemahl des so scharffsichtigen Marbods einiges Beyspiel erhärtet / wie nicht allemahl von Unvernunfft eines Fürsten / sondern zuweilen vom Verhängnüße selbst herrühren müsse: daß verwegene Unwissenheit der Welt vorstehe / Narren über weise Leute urtheilen; daß Ehrlose und anderwerts wegen Untreue und Verrätherey verjagte Diener angenommen; oder auch solche Leute / welche man anderwerts unter dem Droß vermiste; oder an die Ruderbanck geschmiedet zu werden verdienten / zum Steuerruder eines Reiches sätzt; ja abscheuliche Zwerge / ohnmächtige Verschnittene / verschwätzte Gauckler und Taschenspieler / und auffschneiderische Schorsteinfeger zu grossen Staats-Dienern und Heerführern /Bader und Bartscherer zu Botschafftern macht. Das Volck fieng nunmehr nicht nur an über ihrer Dienstbarkeit zu seuffzen / sondern sich auch nach dem entwichenen Adel und Mitteln umzusehen / welche sie in ihre Freyheit wieder versätzten; nach dem ohne diß frembde Herrschafft / wenn sie auch sehr leidlich ist /allemahl ein Gesichte der Dienstbarkeit macht. Daher entwiechen auch ihrer viel aus dem Volcke / zu dem bey den Cheruskern wol aufgenommenen Adel / wo sie ihre gehabten Mißverständnüße bereuten / und einander mit grosser Verbitterung gegen den Marbod und seine Räthe ihr gemeines Unglück klagten. Es würde vielleicht aber noch nicht zum eussersten kommen seyn / und weder die Langobarden noch die Semnoner das Hertze gehabt haben sich wider eine so grosse Macht aufzulehnen / wenn nicht das Verwundernswerthe Verhängnüß sie gleichsam durch einen seltzamen Zufall mit eigener Hand dazu geleitet hätte. Es hatte Marbod an der Elbe dem vom Drusus aufgerichteten Sieges-Zeichen gegen über eine alte Schantze verneuern und besätzen lassen. Für dieser standen harte am Ufer sieben uhralte Linden / welche von den Langobarden für heilige Bäume gehalten /und von Eubagen offt zu Begehung ihrer Feyer erkieset wurden. Weil diese aber das Aussehen auf den Elbe-Strom hinderten / befahl der in der Festung liegende Ritter Dube solche abzuhauen. Die dieses erfahrenden Eubagen kamen zu ihm / und baten nicht nur auffs beweglichste diesen Befehl aufzuheben /weil man an heilige und geweihte Sachen nicht allein die Hand kein mahl legte ohne sich selbst zu beleidigen / auch eine alte Wahrsagung im Schwange gienge: daß mit diesen einfallenden Bäumen grosse Häupter fallen würden / sondern erboten sich auch solche mit was ansehlichem zu lösen. Der König Marbod würde theils aus Andacht / theils zum Gedächtnüße: daß bey diesen die Römer von der Langobarden Schutz-Geiste wären zurücke getrieben worden / selbte zweiffelsfrey gerne selbst unversehret wissen wollen; zumahl die Langobarden glaubten: [1286] daß ihr Schutz-Geist ins gemeine diese Linden bewohnte. Der Ritter Dube schrieb diß an König Marbod; welcher den Eubagen gewillfahret haben würde / wenn nicht Adgandester mit grosser Hefftigkeit durchgedrungen /und angeführt hätte: daß man nunmehr / da man diesen frechen Völckern durch den Sinn zu fahren angefangen hätte / ihnen nicht wieder zu heucheln anfangen; viel weniger aber sie in dem Aberglauben / samt sie noch absondere Schutz Geister hätten / stärcken; sondern / wenn man es auch der Festung halber zu thun nicht Ursache hätte / diese zum Aberglauben gemißbrauchte Bäume mit Strumpff und Stiel ausrotten solte. Also wurden die zu Budorgis deßhalben demüthigst bittenden Eubagen schlecht abgewiesen; und der Ritter Dube muste nunmehr wider seinen eigenen Willen den Befehl vollziehen. Hierzu fanden sich nicht nur viel Eubagen / sondern eine grosse Menge andere Langobarden ein; weil jene gleichwohl vom Ritter erbeten hatten: daß sie die Bäume nach ihrem Belieben in einen nahe dabey gelegenen heiligen Hayn wegführen möchten. Die dazu verordneten Marckmänner thaten keinen Hau in den ersten Baum /den die Langobarden nicht in ihrer Seele fühlten / und gleichwol stillschweigend verschmertzen musten. Als der Stamm nun biß an die Helffte durchhauen war /kriegte der gegen der Elbe hangende Gipffel den Schwang / und spaltete den holen Schaft der Linde nach der Länge entzwey. Es wurden die Marckmänner hierauf alsbald in beyden zerspaltenen Helften einer Schrifft gewahr / welche zu lesen sie die Eubagen selbst herzu rufften. Diese fanden alsbald an der gegen den Fluß gefallenen Helffte diese deutliche Worte eingewachsen:


Der Marcomänner Reich wird mit mir falln und brechen.

An der noch stehenden Helffte aber diese:

Mein Nachtbar und mein Geist den Raub der Freyheit rächen.


Die Eubagen sahen einander an; ihre Hertzen wurden mit vermengter Verwunderung / Furcht und Freude so verwirret: daß keiner ein Wort sprechen; die Marckmänner aber ihnen wol ansehen konten; es müste diß ein wichtiges Geheimnüß seyn. Weil ihnen aber die Eubagen nichts entdecken wolten / machten sie es ihrem Obersten dem Ritter Dube wissend / welcher dahin kam / und diese Weissagung nicht ohne Schrecken und Zittern laß; auch / was er mit diesem Baume machen solte / sich nicht entschlüssen konte; ausser daß er noch selbigen Abend den Bericht hiervon nach Budorgis abfertigte / wo zwey Tage hernach Adelgunden die Erbhuldigung von Semnonern abgelegt werden solte. Weil aber ihrer so viel diese Wunder-Schrifft gelesen hatten / breitete sich die Nachricht hiervon alsobald unter die Langobarden und Marckmänner aus / welche letztere in ein Panisches Schrecken verfielen. Der Ritter Dube redete ihnen wol ein: Es wäre diese Schrifft allem Ansehen nach von Eubagen durch Kunst oder Zauberey diesem Baume eingedrückt worden: Sintemahl auch die nackten Weltweisen in Africa und Mohren-Land durch ihre Kunst die Bäume dazu brächten: daß sie ihren Gipffel für ihnen biß zur Erde neigten / und wie Menschen redeten. Wenn man sie aber auch für eine Wahrsagung halten solte / nicht so schlecht hin und nach der Schale eusserlicher Buchstaben auszulegen wäre. Solche Weissagungen blieben allezeit Geheimnüße / biß sie erfüllet würden; wären vielmahl nach dem Wiederspiele zu verstehen / und daher tausend Leichtgläubige dadurch betrogen worden. Alleine wider das vom Himmel eingejagte Schrecken hilfft weder Vernunfft noch Beredsamkeit. Kein Marcomann war in selbiger Festung nicht zu erhalten / sondern sie verliessen sie noch selbige Nacht; und zwar mit solcher Zagheit: daß sie sich nicht einst umsahen; gleich als wenn auch die Erblickung der sie verfolgenden Feinde tödlich seyn [1287] würde. Die Eubagen hingegen frischten die Langobarden auf: daß sie die Gelegenheit nicht versäumen solten ihre Freyheit wieder zu erlangen. Das Verhängnüs zeigte ihnen Hülffe und Weg; wäre auch so gut: daß es niemahls was wichtiges ausübte / was es nicht vorher andeutete / um die albern Menschen zu lehren: daß nichts ungefähr geschehe; sondern die Göttliche Versehung alles nach ihrer Weißheit und der Menschen Verdienste einrichtete. Sie wusten hierbey dem Volcke zu erzehlen; wie eben an diesem Orte der Schutz-Geist des Elbe-Strohms den Drusus zurück getrieben / und ihm seinen Todt angedeutet hätte. Von eben einem solchen Geiste wäre dem Julius Cäsar der Weg durch den Fluß Rubico zu seinem Siege wider den Pompejus gewiesen; dem Marcus Cäditius in Rom der Einfall der Gallier; dem Hostilius Maminus die unglückliche Schlacht der Römer / und dem Titus Latinus Hannibals Einbruch in Italien durch das Gesichte einer alles verheerenden Schlange des dem Hannibal von Jupitern zum Führer gesendeten Geistes; dem Brutus durch seinen bösen Geist der Untergang / und aus dem Arsischen Walde nach der Schlacht zwischen den Hetruriern und Römern angedeutet worden: daß dort einer mehr als hier umkommen wäre / und die Römer die Oberhand behalten würden. Absonderlich wäre es von Bäumen nichts neues: daß sie das Verhängnüs zu Zeugen seiner Geheimnüße brauchte. Sintemahl die wahrsagenden Eichen in denen Dodonischen Wäldern der gantzen Welt bekant wären; welchen es aber diese Langobardische Linde zuvor thäte. Diese von dem allwissenden Verhängnüsse geschehenden Weissagungen hätten auch allemahl richtig eingetroffen / wenn sie gleich wider alle Vernunfft und Mögligkeit zu seyn geschienen; also daß mehrmahls ein Tag / eine Stunde / ja wenig Augenblicke einen von dem höchsten Stuhle weltlicher Herrschafft unter frembde Füsse geworffen hätte. Denn die Göttliche Versehung hätte von Ewigkeit her einem ieden Reiche seine Gräntzen und Ziel /iedem Könige seine Herrschafft auf ein Haar / und so richtig / als der Sonne ihren jährlichen Lauff durch den gestirnten Thier-Kreiß ausgemessen / dessen unveränderlichem Gesätze sie gehorsamen müsten; und keine menschliche Klugheit / ja alle Kräfften der Welt nicht einen Augenblick dieses Rad hemmen / oder einen Zancken daran überhopffen könten. Ob nun wol eine der grösten Thorheit und Vermessenheit wäre /wenn menschlicher Witz das Verhängnüs an gewisse Jahre binden / aus Zahlen der Reiche Tauerung und Fall ausrechnen / unter gewissen Stern-Versamlungen ewige Städte bauen wolte / ja Tarutius Firmanus aus dem Gestirne der Stadt Rom / andere auch anderer Städte Zufälle und Untergang zu weissagen sich erkühnet hätten; gleich als wann ihnen von einem Geiste wäre offenbahret worden / unter welchen Sternen diese oder jene Stadt ihren ersten Athem geschöpffet /wie selbte ihre Kräffte dem Kalcke und den Steinen eingeflösset hätte; so möchten sie doch nunmehr / da das Verhängnüs mit so verständlicher Zunge redete /feste glauben: daß des grossen deutschen Wütterichs Marbods Maaß aus wäre / und sich alles zu seinem Untergange gleichsam von sich selbst schicken würde. Was dem Drusus an diesem Orte begegnet /und hernach wahr worden wäre / hätten viel noch lebende gesehen. In seltzamen Fällen aber erhärtete ein einiges Beyspiel die Erfahrung und die Wahrheit. Marbod hätte für dem Drusus kein Vorrecht; und sein Glücke für die Umschlagung keine Versicherung. Grosses Unglück nehme den Anfang von grossem Wolstande / wie schwere Abstürtzungen von hohen Orten. Ehe es nun noch zu tagen beginnete / eilten die hiervon hörenden Langobarden mit grossen Hauffen zu dem zerbrochenen Baume die Wunder-Schrifft in Augenschein zu nehmen. [1288] Wie sie nun sich niemanden in der Festung rühren hörten / die Thore offen und unbesetzt sahen / giengen die Vorwitzigsten der Langobarden hierein / fanden sie aber nicht ohne Erstaunung leer und verlassen. Wie sie nun von Langobarden bald angefüllet ward / fieng Schencke / ein Langobardischer Edelmann / an: Sehet ihr eingeschlaffenen Langobarden nicht mit Augen die Würckung des für eure Freyheit streitenden Verhängnüsses / und die Erfüllung dieser Göttlichen Wahrsagung? die Marckmänner sind entlauffen. GOtt hat ihre Hertzen mit Furcht geschlagen / wie wenig Müh wird es euch kosten derer Meister zu werden / denen das Schrecken im Buseme / der Tod im Nacken sitzt. Warum harret ihr denn noch? sehet ihr euch noch nach Pfeilen um /welche die Wolcken auf die verzagten Marckmänner ausschütten sollen? lauffet! eilet! und ergreiffet mit den Waffen eure alte Freyheit! oder wo euch die Feinde keine übrig gelassen haben / die Sicheln / Sensen und Pflug-Schaaren / an denen ihr zeither habet ziehen und schwitzen müssen! Machet aus den Fesseln eurer Dienstbarkeit Werckzeuge eurer Wolfarth. Lasset uns denen Flüchtigen nacheilen! ich wil euer Gefärthe seyn. Denn die / welche das Verhängnüs leitet /haben keines Führers von nöthen. Dieser Entschlüssung pflichteten die Eubagen / die dazu kommenden Knesebeck / Kannenberg / Wedel / Massau und Schwanberg / und andere von Adel / und folgends alles Volck / ja auch die Weiber bey. Ein ieder lieff /und sahe sich nach den ersten und besten Waffen um /deren sie eine ziemliche Anzahl in der verlassenen Festung fanden. Die Rachgier und Hoffnung der Freyheit hob alle Streitigkeiten des Verzugs / und alle Mißverständnüße zwischen dem Adel und Volcke auf / um denen keine Kürtze zu thun / die für die gemeine Freyheit den ersten Preiß verdienen würden. Die Langobarden kamen denen Marckmännern zeitlich auf die Spure; und weil erschrockene Leute / wenn sie schon auf gebähnter Strasse gehen / ihnen doch im Sande zu waten einbilden / wurden diese noch selbigen Tag eingeholet. Weil Furcht und Flucht sie keine Ordnung halten ließ / und sie die Verfolgenden mehr für erzürnte Geister als Menschen hielten / sätzten sich wenige zur Gegenwehr; sondern die Langobarden hatten nur tod zu schlagen; ja der Ritter von der Duhe / welcher mit etlichen sich sätzte / ward selbst von einem Langobarden mit seiner in der Festung gefundenen vergüldeten Axt durch den Hirnschädel tödtlich verwundet / welcher hernach dieses Gewehre in seinen Schild nagelte und von seinen Lands-Leuten zum Gedächtnüße den Nahmen Gold-Axt erhielt. Von denen Flüchtigen kam nicht einer / der den andern Marckmännern die Post gebracht hätte / davon. Denn die sich gleich in die Wälder verkrochen / wurden doch endlich ausgespüret / oder von Hunger gezwungen /sich dem Tode der feindlichen Schwerdter zugestellen. Schencke und Knesebeck / welche doch von Langobarden für Führer erkennt wurden / eroberten zusammen vierzehn Fahnen; und weil das Geschrey von dieser Weissagung und dem erlangten Siege sich wie ein überlauffender Fluß ausbreitete / das Geschrey auch / seiner Gewohnheit nach / alles vergrösserte /ergriffen alle Langobarden im gantzen Lande die Waffen / erwehlten zum Kennzeichen ihrer Freyheit und der wider die Marckmänner gefasten Rache ein Linden-Reiß; und / wer solches nicht führte / ward als ein Feind ohne Barmhertzigkeit todt geschlagen. Also zohe die unvollkommene Abhauung einer Linden so wichtige Empörung nach sich / und zernichtete die wichtigen Anschläge / die Adgandester dem mächtigen Könige Marbod in Kopff gebracht hatte. Dahero gewisse Dinge einen kleinen Kopff / wie die Kameele haben / welche aber einen grossen Leib und wichtige Folgen hinter sich nachziehen. Etliche Geschäffte hingegen zeigen sich anfangs mit einem [1289] grossen Wallfisch-Kopffe / enden sich aber mit einem kleinen Schwantze / haben schlechten Nachdruck / oder verschwinden gar. Weil die Marckmänner sich nun ehe des Himmelfalls / als eines so plötzlichen Auffstandes und Krieges von Langobarden versehen hatten; sonderlich da König Marbod mit zwantzig tausend Kriegs-Leuten zu Budorgis und also in der Nähe wäre; dahero in stoltzer Sicherheit durchs Land vertheilet lagen / wurden biß auf die zwey Besatzungen /welche an dem Zusammenflusse der Elbe und der Havel / wie auch an der Oder und der Warte gar mit einander aufgerieben. Marbod kriegte zwar von einem Aufstande Wind / bildete sich aber nichts weniger /als eine allgemeine Empörung ein; gleichwol aber schickte er den Ritter Lichtenberg / Choltitz / Neuhauß / Tyrnach / Seeberg und Egerberg mit sechstausend Kriegs-Leuten dahin die Aufrührer zu bändigen. Die Langobarden wiechen aus angenommener Furcht für ihnen / und lockten sie zwischen die Wälder /allwo sie vorwerts / hinten und auf allen Seiten von denen versteckten Langobarden und ihren Weibern mit einer fast unmenschlichen Raserey angefallen /nach dreyer Stunden blutigem Gefechte zertrennet /umringet / und biß auf fünffhundert mit Noth entrinnende Reuter erwürget wurden. Keine Tapferkeit /keine Geschickligkeit / kein Vortheil der Waffen kam den Marckmännern wider die Langobarden zu statten; weil diese feste glaubten: daß ihr Schutz-Geist neben ihnen stritte / sie also unmöglich geschlagen werden könten. Diese wenige Uberbleibung kam mit blutigen Köpffen eben nach Budorgis zurücke / als die Opffer gehalten wurden / nach welchen die in grosser Menge versamleten Semnoner Adelgunden den Erbholdigungs-Eyd ablegen solten. Marbod / Adelgunde und Adgandester erschracken über so traurigem Anblicke auffs hefftigste; noch mehr aber über der vernommenen Niederlage und gäntzlicher Empörung der Langobarden. Adgandester wolte zwar diese böse und so gar zur Unzeit kommende Zeitung verdrücken; aber wo die Augen das Ampt der Ohren verrichten / ist diese Bemühung vergebens. Die zurück kommenden Kriegs-Leute meinten: Sie könten nicht besser die Schande ihrer Flucht als durch Erzehlung der Warheit vertreten / und also breitete sich selbte gleichsam in einem Augenblicke durchs gantze Volck aus; ja des Königes und seiner Tochter Stirne und Gebehrden verriethen den schlechten Zustand. Hierüber erhob sich ein grosses Gemurmel / die Priester wurden in der Opfferung irre gemacht; und als Adgandester auf die Seite trat / erhob sich eine unversehene Stimme: die Langobarden brächen mit gewaffneter Hand durch die Thore ein. Hierüber entstund zugleich Lermen und Schrecken. Die Königliche Leibwache drang sich mit dem Könige und dem Hofe gegen dem Schlosse / die Semnoner zerstreuten sich wie die Spreu vom Winde /lieffen den Thoren zu und eilten aus der Stadt. Hierdurch giengen Opffer-Tische und Geschirre übern Hauffen; die dazu besti ten hundert Ochsen wurden scheue / entrissen und rennten die Menschen zu Bodem. Alles war voller Flucht und Schrecken; ohne daß iemand einen Feind sah. Ob nun zwar nach etlichen Stunden die Falschheit des Ruffs von den verhandenen Langobarden entdeckt ward / konte doch niemand hinter den Uhrheber kommen; dahero dieses von den meisten für eine Göttliche Wahrsag- oder Warnigungs-Stimme angenommen ward / welche ins gemein denen Faunen zugeeignet wird; derogleichen zu Rom für einem Erdbeben aus der Juno Heiligthume / und für Eroberung der Stadt aus dem Hayne der Vesta soll gehöret worden seyn; welche die Römer ermahnet / Mauren und Thore auszubessern / sonst würde die Stadt erobert werden. Adgandester aber hielt es für eine verrätherische Aussprengung / und ließ dem / welcher den Uhrheber würde [1290] nahmhafft machen können / hundert Pfund Silber zum Preiße ausruffen. Nichts desto weniger war er so sehr als der König bestürtzt / und ward die gantze Nacht gerathschlagt: wie der Langobarden Empörung mit nöthiger Geschwindigkeit ersteckt / und bey denen wegen bißheriger Drückung unwilligen Semnonern die Nachfolge verhütet werden möchte. Nach dem ieder im Rathe fast einer besonderen Meinung war / fiel nach Adgandesters Meinung: daß in solchen Fällen alles an der Geschwindigkeit gelegen wäre / und man wie die Fechter aus dem Steigereiffen was zu thun nicht lange rathschlagen müste / der Schluß: Marbod solte von Semnonern die Holdigung folgenden Tag abnehmen /Budorgis besätzt lassen / und mit der gantzen Macht den Langobarden auf den Halß gehen; welche als des Adels und der Waffen entblöste Leute gegen eine solche Macht / und sonderlich gegen den selbst anwesenden König unmöglich würden stehen können. Wenn ein und ander Rädelsführer nur ein Beyspiel der Straffe abgäbe / verfielen andere böse in Furcht; die redlichen aber müheten sich durch fertigen Gehorsam so viel mehr ihre Treue zu bewehren. Sintemahl die Menge des Volckes meist von wenigen Aufrührern wie von einem Strome mit fortgerissen würde / und nicht so wohl aus Vorsatz als blindem Beyfalle sündigte. Adgandester aber verschwieg im Rathe so wol den Verlust der Festung und die Niederlage des Ritters von der Dube; als die in der Linde gefundene Wahrsagung / worvon er doch schon drey Tage Nachricht gehabt hatte. Welche Verdrückung der Wahrheit / da nehmlich Staats-Diener sich durch Beybringung böser Zeitungen beym Fürsten nicht unbeliebt machen wollen / für ein halsbrüchiges Laster zu halten / und damit nicht zu entschuldigen ist: es sey nicht rathsam den Fürsten damit zu erschrecken; gleich als wenn es seinem Artzte verantwortlicher wäre ihme seine Kranckheit zu verschweigen / und ihn unempfindlich sterben zu lassen / als solche zu entdecken / daß sie geheilet werde. Viel Reiche sind darüber zu Grunde gegangen; ohne daß der Fürst seine verzehrende Schwindsucht erfahren / welcher er sonst hätte Rath schaffen können. Daher dieses Stillschweigen eine nicht kleinere Verrätherey ist / als wenn ein Diener Geheimnüsse entdecket. Sintemahl ein Diener so wol in jenem als diesem Falle verursacht / daß alle Rath-Schlüsse mißlingen / welche vom Fürsten viel anders würden eingerichtet worden seyn / wenn er sein Ubel gewüst hätte. Denn ein einiger verborgener Umstand zernichtet vielmahl die wichtigsten Anschläge und macht den klügsten Rath böse; wie vielmehr aber die Unwissenheit so wichtiger Begäbnüße. Ja ein Fürst verspielet mehrmahls hierbey bey seinen Unterthanen alle Liebe / beym Feinde sein Ansehen / wenn sie dem Ubel nicht begegnen sehen. Wie unverantwortlich nun gleich ein Fürst durch solche stumme Götzen oder Teuffel hinters Licht geführt wird; haben sich gleichwohl Fälle ereignet: daß grosse Könige haben in Länder reisen / oder Dienern gewisse Aempter darinnen anvertrauen wollen / welche sie drey Jahr vorhero schon verlohren gehabt. Alleine Adgandester mühte sich vergebens eine Welt kündige Sache geheim zu halten. Denn am Morgen fand man an dem Schloß-Thore das Gemählde von der weissagenden Linde und der verlauffenen Festung angenagelt / und in allen Häusern der Stadt hiengen lindene Rinden / darauf die zwey Reyme geschrieben waren. Nichts desto weniger verbot Adgandester bey Lebens-Straffe; daß kein Mensch dem Könige und Adelgunde das wenigste hiervon sagen solte. Also muste aus einer falschen Staats-Klugheit der König weniger / als der geringste Stall-Bube seines Hofes wissen; welcher hingegen mit höchstem Unwillen erfuhr: daß / ob gleich die Semnoner durch Herolden mit Trompeten und Paucken zur Holdigung aufs [1291] neue beruffen wurden / derer nicht das zehende Theil mehr verhanden waren: sondern alle ohne Uhrlaub unter dem Vorwande das ihrige für denen einfallenden Langobarden zu flüchten / sich aus dem Staube gemacht hatten. Gleichwol aber sahe es Adgandester für gut an: daß die gebliebenen Adelgunden den Eyd der Treue ablegen musten. Folgenden Morgen brach der Hof mit dem gantzen Lager / welches noch funffzehen tausend Marckmänner in sich hatte / gegen der Havel auf / und musten dreytausend von denen verhandenen Semnonern ihn mehr als Geißel / denn Hülffs-Völcker begleiten. Als aber Marbod auf die Gräntze kam / kriegte er von etlichen entronnenen Marckmännern die gewisse Nachricht: daß die bey denen Cheruskern gewesene Langobard- und Semnonische vom Adel mit dem jungen Fürsten Gottwald vielen Hermunduren und Cheruskern / bey des Drusus Sieges-Maale über die Elbe gesätzt hätten /und eine Macht von mehr als zwantzig tausend Langobarden an dem blancken See auf ihn mit grosser Begierde warteten. Wie diese versicherte Nachricht den König Marbod nun veranlaste stille zu halten; also sätzte ihn folgende Nacht in höchste Bekümmernüs. Sintemahl die ihm folgenden Semnoner nicht allein heimlich durchgiengen: sondern auf den Morgen lieff auch die Zeitung ein; daß die Semnoner sich wie die Langobarden alle mit einem Linden-Laube dem Langobardischen Freyheits-Zeichen besteckt / die Waffen ergrieffen / Budorgis durch Verständnüs mit den Einwohnern arglistig erobert / die darinnen gelassene Besatzung unter denen Rittern Ritzan / Weitmüll / Kepliers und Richnow grausamlich aufgerieben hätten. Marbod erfuhr von einem gemeinen Marckmanne / der diese Zeitung brachte / allererst durch die Auslegung des lindenen Reises die traurige Weissagung /und gerieth darüber in solches Schrecken: daß er keines Menschen Rathe mehr Gehöre / sondern Befehl gab: daß sein Kriegs-Volck geraden Weges zurücke gegen den Bober aufbrechen / und ihn durch das Marsingische Gebiete aus diesen meineydischen Völckern in sein getreues Königreich bringen solte. Dieses ward mit solcher Eilfertigkeit über Halß und Kopff vollzogen: daß aller schwerer Kriegs-Zeug und Geräthe im Stiche blieb / und der für wenigen Tagen der Welt so schreckliche Marbod sich gleichsam nicht einmahl umsah / weniger rastete / und zwey so ansehliche Länder mit einer so ansehlichen Kriegs-Macht ohne Schwerdtstreich durch die allerschimpflichste Flucht verließ; da ihn doch niemand als sein Schatten verfolgte; und er sich gleichsam wie Pisander für seine ihm etwa begegnenden Seele fürchtete. Dieses Schrecken überfiel auch nach vernommener Flucht des Königes die in zwey Langobardischen und so viel Semnonischen Festungen noch zurück gebliebenen Marckmänner: daß so bald die Land-Völcker für selbte zuvorhabender Belägerung ankamen / sie nach verwilligtem freyen Abzuge selbte willig abtraten; daß also Semnoner und Langobarden / weñ sie schon nicht ihre gefundene Wahrsagung dessen beredet hätte / zu glauben gezwungen wurden: es habe eine übermenschliche Macht den Marbod aus ihrem Gebiete gejagt. Derogestalt ist diß der Göttlichen Versehung um ein leichtes zu thun; und sie braucht kaum ein rasselndes Blat / wenn sie die gröste Herrscher mit dem kein Maaß noch Ziel leidendem Ubel / nemlich der Furcht schlagen wil. Bey solcher Bewandnüs ist das allerfurchtsamste Thier / nemlich ein Hase vermögend das unzehlbare Kriegs-Heer des Xerxes in Unordnung zu bringen / und ein Volck aus Schrecken aufflügender Rebhüner / des Eylandes Samos / bey dem Fluße Siris / wider die Sybariter ausgesätztes Kriegs-Volck zu erschrecken: daß sie wieder ihre Kriegs-Flotte bestiegen / und nach Hause segelten.

Die Freude beyder Völcker über ihrer wunderbahren [1292] Erlösung war nicht zu beschreiben. Priester / Adel und Volck verscharreten alle vorige Mißverständnüße in den Staub der Vergessenheit / und schütteten gegen einander ihre Hertzen durch aufrichtige Vertrauligkeit aus. Weil aber ihre bißherige Bedrängnüße sie genungsam gelehret hatten: daß ihre Glückseligkeit in dem Knoten der Eintracht / diese aber in einem Haupte steckte / kamen die Langobarden bey ihrer nunmehr für ihr höchstes Heiligthum gehaltenen Wunder-Linde / die Semnoner aber bey Budorgis an der Spreu in einem Heyne zusammen. Denn die vorigen Wahl-Plätze konten sie als Erinnerungen ihrer Spaltungen nicht mehr ansehen. Bey dieser Zusammenkunfft waren einige der Gedancken: daß sie ihre eigene und alte Herrschens-Art behalten / und zu Vermeidung der Zwietracht einen aus dem Adel durchs Looß erwehlen solten. Deñ alle Arten stünden nicht jedem Volcke an; und denen edlen Langobarden würde weder erträglich noch anständig seyn einem frembden Fürsten zu gehorsamen; welche Beschwerligkeit sie schon unter dem Marbod geschmeckt hätten. Sie würden unter einem andern Herrn nur ein Anhängling eines andern Volckes werden / und nicht nur ihre Freyheit / sondern mit der Zeit gar ihren Nahmen verlieren; und die einmahl weggestossene Herrschafft nimmermehr wieder bekommen / welche doch unschätzbar wäre. Der Ritter Barfuß aber redete hierwieder und sagte: wenn Deutschland noch in der alten Verfassung / und in viel mittelmäßige Fürsten eingetheilet wäre / wolte er dieser scheinbaren Meynung ebenfalls beypflichten. Nach dem aber auf der einen Seite Marbod / auf der andern die Cherusker so groß worden wären / und die mächtigen Römer sich ihnen ie länger ie mehr näherten / müsten sie für ihre Erhaltung ein ander Maaß nehmen. Die menschliche Schwachheit wäre so sehr zum Irrthum geneigt; daß offt gantze Völker mehr dem Scheine als einer wesentlichen Wahrheit beystelen. Insonderheit lieffe sie sich die Gewohnheit verführen: daß sie lieber in der alten Rennebahn fehlte /als in einer neuen den Zweck träffe. Die Besitzung der höchsten Gewalt aber bezauberte die Völcker auf eine solche Weise: daß die sonst so annehmliche Neuigkeit ihnen Greuel und Abscheu wäre; also daß sie lieber in steter Gefahr und tausenderley Ungemach sich mit dem Schatten eigener Herrschafft armeten / als in der grösten Glückseligkeit einer andern Gewalt gehorsamten. Sie opfferten lieber jenem Gespenste der Ober-Herrschafft alle Tage ihren letzten Bluts-Tropffen auf / als sie einer süssen Unterthänigkeit und sicheren Ruh genüssen wolten; weil die Gewohnheit die Spitze jenes Ubels stumpff gemacht / und sie gleichsam der Fühle beraubet hätte. Diesem nach rieth er: daß die Langobarden sich lieber in Schutz eines mächtigen Fürsten begeben / als durch die Wahl eines eigenen Fürsten / derer keiner ohne diß ohne Neid die Herrschafft behaupten würde / ihre Schwäche den Nachbarn zu stetem Anlauffe auffsätzen solte. Berlepsch ein ander Edelmann fiel ein: dieses liesse sich freylich wol bedencken / wo ein schwaches Volck nur einen mächtigen Nachbar an der Seite hätte. Wo man aber zwischen zweyen solchen läge / wäre man für sich selbst sicher genung; weil so denn ein Schwerdt das andere in der Scheide hielte / und beyder Neid keinen davon etwas abzwacken liesse. Barfuß versätzte / diß wäre allerdings wahr: daß man so denn nicht so geschwinde verschlungen würde; aber man wäre deßwegen so vielmehr unglücklicher / und denen gleich / welche man nicht mit einem Streiche tödtete /sondern ihnen alle Tage eine Ader ließ / oder ein Glied ablösete. Wenn die zwey mächtigen mit einander kriegten / wäre man der ordentliche Kampff-Platz / wie das zwischen den Römern und Parthen gelegene Armenien dessen ein trauriges Vorbild wäre. Man behielte die eitele Einbildung [1293] der Freyheit / nichts weniger als ihr Wesen / und müste dennoch dafür gutwillig mehr geben / als uns fast genommen werden könte. Denn man müste entweder beyder Feindseligkeit wie ein Esel die Schläge gedultig leiden / oder sich zum andern schlagen / von welchem man aufs ärgste gepreßt würde / damit er seine Unterthanen verschonen könte. Wenn dieser nun ihr eigener Fürst wäre /würde er mit ihnen viel gemächlicher umgehen / für ihre Erhaltung / weil er durch ihre Beschädigung einen Verlust lidte / mehr Sorge tragen; und man wäre so denn ewiger Furcht und täglicher Erschöpfung entübrigt; auch / wenn man sich freywillig einem Fürsten unterwürffe / hätte man nicht nur die Hoffnung der alten Freyheit zu genüssen / sondern noch darzu neue zu erlangen. Der gröste Theil der Ritterschafft und alles gemeine Volck fiel dieser letzten Meynung bey; die bey denen Cheruskern gewesenen Flüchtlinge musten auch an beyden Orten von der Klugheit / Tapferkeit / und Güte Hertzog Herrmañs ihren Landesleuten so viel zu erzehlen: daß ihn iederman der gantzen Welt Herrschafft zu haben würdig schätzte; und daher ward er ohne sein Vorwissen und Verlangen mit beyder Völcker einmüthigen Stimmen zum Hertzoge der Semnoner und Langobarden erwehlet. Die Priester brachten nach der Wahl viel alte Uhrkunden her / daraus sie erwiesen: daß der Langobarden und Semnoner Fürsten für alten Zeiten aus dem Cheruskischen Hause entsprossen; also dessen Zweige gewest wären / und dieser Held ohne diß zu der Nachfolge ihrer Herrschafft das beste Recht und unter allen deutschen Fürsten wider die besorglichen Anfechtungen des entlauffenen Wütterichs sie zu schützen den grösten Verstand / und die meisten Kräfften hätte. Aus iedem Volcke wurden drey Priester / zwölff Ritter und vier und zwantzig aus dem übrigen Volcke erwehlet / welche zu dem Feldherrn nach Deutschburg reiseten /ihm ihre Wahlen eröffneten / zwey güldene Rincken /als die Merckmahle ihrer Fürsten / überreichten / und ihn diese Herrschafft zu übernehmen mit grosser Ehrerbietigkeit ersuchten. Hertzog Herrmann hörte und nahm die Abgesandten aufs freundlichste an / aber zu seiner Entschlüssung dreyer Tage Aufschub; befahl auch: daß die Priester: ob der Langobarden und Semnoner Wahl rechtmäßig? die Räthe aber: ob der Beysatz dieser zweyer Länder der Cheruskischen Herrschafft vorträglich seyn würde? untersuchen solten. Gangolff / welcher an statt des gefangenen Libys die oberste Priesterschafft verwaltete / machte ihm Gelegenheit mit Herberten der Semnoner- und Günthern der Langobarden erstem Priester von den Ursachen /warum sie den König Marbod verstossen / und ob sie mit gutem Fug einen neuen Fürsten hätten erwehlen können / von Grund aus zusprechen; sagte auch beyden: daß er von seinem Hertzoge dazu befehlicht wäre / welcher lieber alle seine Länder verlieren / als eines mit Unrechte an sich ziehen wolte. Hilf Himmel! fieng Herbert an zu ruffen / derogleichen Gemüthsmäßigung hätte ich in der gantzen Welt nicht gesucht /weniger zu finden getraut. Sintemahl die Begierde zu herrschen mit den Wallfischen biß in die Tieffe des Meeres hinunter / und mit dem Phaeton biß in Zirckel der Sonnen empor gestiegen ist. Die Adler reissen nicht nur die Königliche Gewalt in der Lufft an sich; sondern die Ameisen richten auch in dem Staube der Erden gewisse Botmäßigkeit auf. Die unersättlichen und doch kaum acht Spannen lange Menschen suchen in den wilden Wellen des Meeres und im Rachen des Todes / ja in der Kugel des Mohnden neue Länder auf / und beweinen die Einzelkeit der Welt / weil ihre Herrschenssucht in gar zu enge Schrancken eingespannet wäre. Der grosse Herrmann alleine setzet mit seiner Vergnügung der unendlichen Ehrsucht ein Ziel wie Hercules der Welt. Welch ein unfehlbares Merckmal ist [1294] uns diß: daß in seinem Hertzen der allergröste Schatz vergraben liege. Denn das menschliche Hertze hat einen grössern Umfang / als der alles beschlüssende Himmel. Keine Speise kan es sättigen / noch der grosse Klumpen der Welt füllen. Je mehr man drein schüttet / ie mehr hungert es. Was sich diesem nach vergnüget / muß entweder das niedrigste in der Welt /welches von einem so grossen Helden unmöglich zu sagen / oder von etwas / das alles ist / nemlich / von Gott / angefüllet seyn. Aus diesem alleine werden wir überwiesen: daß nicht so wol wir Menschen so glücklich gewehlet / sondern GOtt selbst seinen frommen Herrmann uns zum Haupte außersehen / und für den unersättlichen Wüttrich Marbod einen so vergnüglichen Fürsten geschencket habe. Gangolff fieng hierauf an: Marbod aber hat sonst ausser dem; daß er anfangs sich durch Blut zum Könige gemacht / seinen Ländern als ein Vater vorgestanden. Herbert antwortete: Also war zwar sein Anfang: hernach aber wandelte er sich in einen Saturn / der seine eigene Kinder verschlang. Deñ er bedrängte unsern Gottesdienst / und entsätzte uns unserer Freyheit; welche beyde Kleinoder alle edle Gemüther dem Leben vorsätzen. Gangolff versätzte: dieses sind insgemein die zwey Klippen / an welchen Könige ihre Köpfe zerstossen / uñ Unterthanen zu Ursachen nehmen / wider ihre Fürsten sich aufzulehnen. Alleine ob zwar diese nicht verbunden wären zu thun / was ihnen wider Gewissen oder das Recht der Natur aufgedrungen werden wolte / hätten doch Unterthanen deßwegen kein Recht / Königen / welchen die Macht über den Gottesdienst und die Freyheit des Volckes zustünde / mit Gewalt zu begegnen / sondern sie müsten alles / was ihnen darüber wiederführe / wie Hagel / Blitz und Ungewitter / welchem keine menschliche Gewalt wiederstehen könte /mit Gedult vertragen. Denn wenn ein ieder in einem Reiche ihm das Recht zu urtheiln / daß ihm Unrecht geschehe / und Gewalt mit Gewalt abzutreiben nehmen dörffte / würde keine Herrschafft in der Welt ein Jahr tauern / und kein Land iemahls ohne Bürger-Krieg seyn. Verwürckte doch ein von seinem Hauptmanne unrechtmäßig geschlagener Kriegs Knecht den Halß / wenn er ihm den Stock zerbräche / wie viel weniger liesse es sich Fürsten begegnen / die so viel höher wären. Günther fiel ein; es hätten nicht einzele Menschen / oder etliche tausend Unterthanen / sondern alle Stände und das gantze Volck den Marbod verworffen. Gangolff versätzte: auch die Obrigkeiten des Volckes / und das gantze Volck wäre Fürsten so wol / als ieder einzeler Unterthan unterworffen; und also eben so wenig befugt der höchsten Gewalt zu wiederstehen. Herbert brach ein: Bestehet denn diese mehr bey der einzelen Person eines Fürsten / als bey dem gantzen Volcke? Ist denn ein König nicht vielmehr wegen des Volckes gesätzt: daß er selbtes schütze und ihm recht verhelffe / als das Volck wegen des Königes? Haben die Herrscher nicht ihre Gewalt vom Volcke / und ist dieser nicht höher / der eine solche Gewalt giebet / als der sie annimt? Gangolff antwortete: wenn ein freyes Volck sich einem Könige unterwürffe / enteusserte es sich seiner höchsten Gewalt / wie ein sich in Dienstbarkeit gebender Knecht seiner Freyheit / und eignete selbte dem Könige zu. Und ob zwar freylich meistentheils Könige wegen des Volcks gesätzt würden / wiewol es auch Reiche giebt / die wie die herrschafftliche Gewalt über leibeigene Knechte nicht wegen der gehorchenden / sondern alleine wegen des Gebieters / sonderlich durch das Recht des Krieges aufgerichtet zu seyn scheinen /theils auch so wol dem Fürsten und Volcke zum besten gestifftet werden / wenn nemlich sich ein schwaches Volck einem mächtigen Könige untergiebt; so folgt deßwegen keines Weges / daß die höchste Gewalt beym Volcke / oder die Stände eines Reichs über ihren König seyn. Der Gewaltgeber ist auch nicht länger mächtiger / denn der sie empfängt / als so lange er nach Belieben damit zu gebahren habe. Wenn aber[1295] ein Volck sie seinem Fürsten schon abgetreten / hätte es mehr kein Theil daran könte solche auch dem Fürsten unter keinem Scheine des Rechtes aus den Händen reissen. Uber diß hätten die / welche entweder durch Erb- oder Kriegs-Recht über ein Volck herrschten / ihre Gewalt nicht vom Volcke / sondern von ihrem Geblüte / oder von ihrem Degen. Günther begegnete Gandolffen: Er hätte recht in dem Falle; wenn ein König die höchste Gewalt mit Rechte anderwerts her / als vom Volcke / oder dieses sich auch seiner Gewalt enteussert hätte. An diesem Knoten hienge die Entscheidung ihrer Frage. Es hätte aber Marbod weder an die Semnoner / noch an die Langobarden iemahls einiges Erb-Recht / noch sie zu bekriegen Ursache; noch auch eines dieser Völcker iemahls in Gedancken gehabt / die höchste Gewalt derogestalt ihm aufs Haupt zu legen / daß sie nichts davon behalten solten. Die Semnoner könten zwar nicht läugnen: daß sie ihn zum Fürsten erwehlet; aber über diß / daß er solche Wahl ihnen mit Schrecken abgepocht / und also die Gültigkeit einer abgezwungenen Wahl sehr zweiffelhafft wäre; so hätte ihm kein Semnoner träumen lassen / Marboden mehr Gewalt einzuräumen /als ihre alte Fürsten gehabt hätten; ja Marbod selbst hätte anfangs keine grössere begehrt / in dem er sie bey allen alten Freyheiten zu lassen betheuerlich versprochen. Wem aber wäre unwissende: daß ehe Marbod über die Marckmänner und Sedusier eine unverschrenckte Gewalt an sich gerissen / Deutschland von derogleichen vollmächtigen Königen wie die Assyrier zu haben / und mit ihnen die Herrschafft anzubeten gewohnt wären / nichts gewüst hätte; sondern die höchste Gewalt wäre wie bey allen Deutschen; also auch bey denen Semnonern und Langobarden /wo nicht grösten theils beym Volcke geblieben / doch wenigstens unter dem Volcke und Fürsten in zwey gleiche Theile getheilet worden; so gar daß sie ohne des Volckes Einwilligung weder Krieg noch Frieden schlüssen / keine Schatzungen anlegen / im Gottesdienste nichts ändern noch neue Gesätze machen können; ja auch die Bestraffung der Verbrecher dem Erkäntnüße der Priester unterwerffen müssen. Kein Fürst hätte sich auch bey ihnen iemahls solcher Gewalt angemast / sondern das gute zu thun mehr gerathen / als anbefohlen. Sintemahl sie sich selbst schon beschieden hätten: daß denen Deutschen die Freyheit angebohren / die Dienstbarkeit aber / welche unter vollmächtigen Königen erfordert würde / unerträglich wäre. Denn ob zwar die Herrschafft übers Volck von der über einzele Leute müste unterschieden werden /hatten doch diese von jener den Hang / und könten schwerlich die Bürger sich einer völligen Freyheit rühmen / wo das gantze Volck diente. Nun stünde ja in ieden Volckes Willkühr / wie viel es von seiner Gewalt und Freyheit seinem Fürsten abtreten oder behalten wolle. Freyheit und Dienstbarkeit hätte ihre Staffeln / und GOtt liesse ihm iede der Vernunfft und Natur gemäße Herrschens-Art gefallen. Die Nachkommen des Hercules und Könige zu Sparta / die Suffetes zu Carthago hätten nicht grössere / sondern das Volck sie wegen übeler Gewalt zu bestraffen Gewalt gehabt. So wären auch der Gallier und Macedonier Könige an die Reichs-Gesätze gebunden / im Kriege die höchste Gewalt beym Kriegs-Heere / im Friede beym Volcke gewest. Gangolff versätzte: Es liesse sich diß wol hören; aber weil die Semnoner wol gewust hätten: daß von allen andern Völckern dem Marbod eine ungemässene Gewalt wäre enträumet worden / hätten sie bey ihrer Wahl ausdrücklich bedingen sollen: daß sie ihm nicht nach der Eigenschafft seiner andern Unterthanen / sondern nach dem Maaße ihrer vorigen Fürsten unterwürffig seyn wolten. Günther antwortete: Ihre Wahl wäre rings um mit Spissen der Marckmänner umschrenckt; also rathsamer gewest mit ihrer [1296] Meynung hinter dem Berge zu halten / als durch viel aufgeworffene Zweiffels-Knoten sich in mehr Dienstbarkeit einzuschlingen. Ihrem Bedüncken nach hätten sie durch die vom Marbod beliebte Vorbehaltung ihrer alten Freyheiten allem besorglichen Nachtheile genungsam vorgebeugt. Wenn auch einem Fürsten neue Länder zuwüchsen / bekäme er sie wie ein ieder Kauffer den erkaufften Grund mit allen ihm anklebenden Eigenschafften / und würde auf die Beschwerden seines vorhergehenden Besitzthums kein Absehen genommen. Gangolff hielt diesem Priester ein: hierdurch erhärtete er nicht mehr / als daß ein Fürst im Gewissen verbunden wäre in den Fußstapffen voriger Fürsten zu bleiben / und über die Gräntzen seiner anvertrauten Gewalt nicht zu schreiten; und er müste GOtt dafür Rechenschafft geben: ob aber /wenn er hierwieder sich vergienge / vom Volcke abgesätzt / oder gestrafft werden könte / wäre eine kitzlichte und unausgemachte Frage. Günther antwortete: das blosse Versprechen eines Fürsten nach gewissen Gesätzen zu herrschen verbündet ihn zwar im Gewissen solchem nachzuleben / es benehme aber nicht alsbald etwas der höchsten Gewalt / noch ist deßwegen diß / was er darwider handelt / ungültig /wenn er solch Versprechen gleich beschworen hat. Denn ist doch ein Fürst von Ampts wegen viel zu thun schuldig / was er nie versprochen hat. Und es ist unlaugbar: daß die Könige der Perser / Epirer / Mohren und Egyptier gewisse Gesätze / als ihre Richtschnur beschweren musten / welche doch als Götter angebetet wurden / und die höchste Gewalt in Vollkommenheit besassen. Weßwegen sie auch / wenn sie schon ihrem Versprechen nicht nachkamen / weder verklagt noch gerichtet werden konten / sondern ihr Gedächtnüs ward erst nach ihrem Tode verdammt /und ihre Leichen nicht begraben. Weil bey ihrem Leben über ihre höchste Gewalt keine höhere unter den Menschen verbanden war / welche über sie hätte richten oder gebieten können. Und derogestalt ist der Eyd und das Versprechen eines Königes zwar ein Zaum seines Gewissens; aber keine Ruthe in der Hand des Volckes / daß es ihn damit schlagen könne. Viel eine andere Bewandnüs aber hätte es bey denen Semnonern / welche nicht auf blosses und gemeines Versprechen Marbods getrauet; sondern zu ihrer Sicherheit die höchste Gewalt dem Könige vor- und für sich zurück behalten hätten. Solch Vorbehältnüs des Volckes aber ist vielmahl aus denen gemässenen Angelöbnüssen der Fürsten / welche nemlich die Rechte der höchsten Gewalt und die Grund-Gesätze der Herrschafft angehen / und eine Enteusserung seiner unverschränckten Macht nach sich ziehen / abzunehmen. In diesen Fällen ist alles nichtig / was ein Fürst wider die Gesätze thäte; und das Volck hat Vermöge der ihm zustehenden höchsten Gewalt ihn abzusetzen und zu straffen Fug und Recht / und zwar auch so denn / wenn ein Volck gleich nicht alle höchste Gewalt für sich behalten / sondern sie mit dem Fürsten getheilet / und ihm zwar auch das Recht Krieg zu führen verstattet hat. Sintemahl es ihm dadurch nur frembde / nicht sein eigen Volck zu bekriegen Macht gegeben. Ja wenn auch gleich ein Volck seinem Fürsten die höchste Gewalt anvertraut / sich aber in gewissen Fällen das Recht ihm mit Gewalt zu begegnen / oder ein ander Haupt zu erwehlen vorbehalten hätte /wäre dem Volcke die Ausübung dieser von der höchsten Gewalt ausgenommenen natürlichen Freyheit allerdinges frey. Gangolff sahe Herberten an / und sagte: dieses lässet sich wol hören und scheinet die Semnoner zu vertheidigen / aber nicht die Langobarden; derer Volck sich dem Könige Marbod ohne einige Bedingung erblich untergeben hat; den Adel aber hat er mit dem Schwerdt bezwungen / welches alle solche Absätze zerschneidet und dem Uberwinder die Gewalt zueignet / Gesätze zu geben / nicht zu nehmen. [1297] Günther begegnete ihm: das gemeine Volck hat ohne der Priesterschafft und des Adels willen dem Marbod keine höchste Gewalt / davon es nur ein Drittheil gehabt / enträumen können. Wider die Priester und dem Adel / welche ihn nie beleidigt / und an die er keinen Anspruch nahmhafft machen kan / hat er kein Recht zu kriegen gehabt; also auch die höchste Gewalt durch die Waffen nicht erobern können / sondern er hat die Herrschafft der Langobarden / als ein Rauber an sich gerissen; und ist biß itzt nicht ihr Fürst / sondern ihr Feind gewest; also daß iedweder wider selbten mit Rechte die Waffen ergreiffen / seine gewaltsame Herrschaft abwerffen / ja ihn tödten hätte können. Gangolff versätzte: Es stehet nicht iederman frey auch an einem gewaltsamen Besitzer eines Reichs Gewalt zu üben. Denn wer hat ihn über selbten und über die Gerechtsamkeit seines Besitzthums zum Richter gemacht? Zwar ist unlaugbar; daß niemand einem Gesätze nachzuleben schuldig sey / was von einem der keine rechtmässige Gewalt Gesätze zu machen hat / herrühret. Alleine eines Bürgers Verbündligkeit einem gewaltsamen Herrscher zu gehorsamen rühret nicht so wol von seinen Gesätzen / als von einer theils ihm selbst / theils dem Vaterlande schuldigen Pflicht her. Denn diesem ist ins gemein / wie der Stadt Sparta unter dem Nabis mehr daran gelegen einem Wütterich und Rauber / welcher doch allemahl seine Gewalt vom Himmel hat / und Gottes Handlanger zum Guten ist / gehorsam zu seyn / und das Land bey einer leidentlichen Dienstbarkeit in Ruh zu erhalten; als daß man um das Reich in Freyheit zu setzen das Volck in einen schweren Krieg verwickele / und in Gefahr sätze in eusserste Knechtschafft zu verfallen. Seiner selbst halber hat auch ieder Bürger Ursache sich gewaltsamer Herrschafft zu beqvämen; weil er doch auch ihres Schutzes und alles Guten geneust /die iede / auch eine ungerechte Herrschafft an sich hat; ja der gesunden Vernunfft zu wider laufft / wenn einer sich wider den auflehnen wil / unter dessen Schirme er doch lebet / sie sey gleich mit schlimmen oder guten Rechte aufgerichtet / welches ihn als ein einzeles Glied nicht angehet. Uber diß würde auch einer / der gleich von Anfang ein Reich durch Raub überkommen / ein rechtmäßiger Fürst; wenn das Volck ihn entweder dafür ausdrücklich oder stillschweigend / welches in so viel Jahren von Langobarden geschehen zu seyn vermuthet wäre / angenommen / und ihm Treu und Gehorsam versprochen oder gar geschworen hätte. Denn ob zwar derogleichen Erkäntnüs selten aus gantz freyem Willen / sondern meist aus Furcht zu geschehen pfleget / so kan doch diese Furcht nicht immer tauern; und die Furcht schleust nicht gäntzlich den Willen / also auch nicht die Verbündligkeit aus; sonderlich in Reichs-Geschäfften. Denn sonst würde kein Friede iemahls bündig seyn /weil der schwächere dem stärckern niemahls ohne Furcht etwas enträumet. Dahero ob zwar Kayser Julius die Gewalt zu Rom mit Unrecht an sich gerissen hatte / ward doch sein Mord vom Rath und Volcke verdammt; nach dem sie in seine Herrschafft gewilligt / und dadurch seinen Raub in ein Recht verwandelt hatten. Günther antwortete: Ein oder etliche Bürger wären freylich wohl nicht befugt einen Wütterich anzutasten / wenn schon ein vorgehendes Gesätze solches auf allen Fall ausdrücklich erlaubt hätte. Sintemahl doch kein eintzeler Bürger zu urtheilen Macht hat: ob gegenwärtiger Herrscher ein Wütterich sey? aber wohl ein gantzes Volck / oder wenn ein rechtmäßiger Fürst einem / der sich dem eindringenden Herrscher noch nicht treue zu seyn versprochen / hierzu Gewalt giebt. Ob nun zwar der Ritter Schencke den Anfang gemacht / die Langobarden zu Wiedersuchung ihrer Freyheit aufzumuntern / wäre doch diß hernach von dem sämtlichen Volcke beliebet; ja dieses nicht nur von denen ihre Festung verlassenden[1298] Marckmännern selbst hierzu veranlasset / und durch die wunderwürdige Weissagung von GOtt gleichsam unmittelbar seine allerweiseste Versehung wider den Marbod auszuführen befehlicht / welchen sie freylich niemahls ohne Furcht eussersten Verterbs für ihr Haupt erkennet / und seine Fest- und Besatzungen allezeit als Fässel an ihren Schenckeln gehabt hätten. Wenn nun aber Marbod seine Herrschafft nicht aus dem Rechte seiner ungerechten Waffen / welche doch der Uhrsprung der meisten und grösten Reiche wären; sondern aus dem Willen der Langobarden rechtfertigen wolte / so streitet für sie doch eben diß / was für die Semnoner; nemlich / daß ihre vorige Fürsten nicht die höchste Gewalt gehabt / sie also solche dem Marbod völlig einzuräumen niemals gemein gewest seyn. Zugeschweige: daß Marbod allem Ansehen nach von der Zeit an / da er seinen Willen und Länder des boßhafften Adgandesters Willen unterworffen / die grösten Grausamkeiten nicht nur etwan gegen etliche Bürger / sondern gegen das gantze Volck verübet /selbtes entwaffnet / die sich dessen Feind erwiesen /und allem Ansehen nach / beyde fürnehmlich aber den Adel gar zu vertilgen / den Marckmännern und Sedusiern aber das Land einzuräumen angezielet hat; in welchen Fällen auch Fürsten / welche gleich die höchste Gewalt völlig besitzen / sich der Herrschafft verlustig machen / und ihnen zu wiederstehen sich aber ausser Gefahr zu setzen / die natürliche Billigkeit erlaubet; weil so denn die hauptsächliche End-Ursache der Herrschafft und bürgerlichen Gemeinschafft / nemlich die Erhaltung des Volckes aufhöret /und es unmöglich beysammen stehen kan: daß einer zugleich eines Volckes Feind und Fürst sey / indem so denn ihm kein Volck zu beherrschen übrig bleibt. Daher auch ein Volck / wenn es sein Fürst einem andern Fürsten oder Volcke schlechter Dinges unterwerffen wil / wieder frey wird / weil er solcher Gestalt nichts als ein Fürst zu beherrschen behält. Denn ob zwar ein ieder sich seines Rechtes verzeihen kan / kan er doch solches nicht alsbald einem andern zueignen /weil das Volck entweder nur seine Person oder sein Geschlechte zur Herrschafft erkieset hat. Gangolff hörete und vermerckte diß alles mit besonderm Fleiße /um die andern Priester davon umständlich zu benachrichtigen.

Ehe die Priester nun das Wahl-Recht dieser zweyer Völcker untersuchten / oder darüber einen Schluß machten / wurden die Räthe mit grossem Eyver zu untersuchen: Ob es dem Feldherrn thulich seyn würde /die Langobarder und Semnoner für Unterthanen anzunehmen? befehlicht: denn insgemein grübelt man im Rathe der Fürsten nicht so sehr über dem Rechte / als über der Nutzbarkeit eines Vorhabens. Hertzog Herrmann wolte mit Fleiß nicht darbey seyn / um niemandens freyer Stimme Abbruch zu thun. Die Meinungen waren einander sehr zu wider; iedoch lieffen sie auf diese zwey hinaus: daß der Graf von Teckelnburg mit denen ihm beypflichtenden es für gefährlich und schädlich / der Graf von Waldeck aber mit andern für heilsam und nöthig hielt. Teckelnburg führte an: wenn schon Unterthanen befugt wären sich ihrer Herrscher zu entladen / solten doch andere Fürsten dieses ihnen nicht weiß / noch diß Geheimnüs in der Welt bekant machen; weil sie dadurch auch wiederrechtlich sich gegen ihre Häupter zu empörẽ Anlaß nehmen. Es wäre diß ein übelruhendes Beginnen / ein schädliches Beyspiel / ein grosses Aergernüs / und eine gemeine Sache aller Fürsten; welche / da es diesen Völckern gelingen solte / aller Stühle wackelnd machen würde. Denn wer frembden Unterthanen wider ihre Könige beystünde / oder ihnen nur durch dessen Bewilligung ein Hertz machte / lehrte seine eigene abtrünnig werden. Wer wolte dem Feldherrn auch bürge seyn; daß sie es in weniger Zeit ihm nicht besser / als itzt dem Marbod mitspielten / den die Semnoner ja mit so grossem Frolocken / [1299] als den Herrmann zum Haupte erwehlet hätten. Einmahl verwehnten Unterthanen taugte kein Herrscher / wie gut er wäre; und so wol Langobarden als Semnoner wären immer lüstern gewest /mehr ihren Fürsten Gesätze zu geben / als von ihnen zu empfangen; Welches dem Feldherrn weder anständig noch erträglich seyn würde. Wenn er aber sie abwiese / würde er ihm den König Marbod versöhnen /und ihm zu unvergeßlicher Freundschafft verbünden /welcher ihm wider die Römer zu helffen mehr Kräffte / als beyde Völcker hätten. Diese würde Marbod auch nicht ausser Anspruch und Krieg lassen; also daß Hertzog Herrmann in vielen Jahren sich von diesen keiner Hülffe noch Beysteuer zu getrösten / sondern in einen noch gefährlichern Krieg / als der Römische wäre / eingeflochten werden würde; da doch ieder Fürst niemals auch nur mit zwey mäßigen Feinden anbinden solte. Dieses hätten die Römer allemahl genau beobachtet / und in Hispanien Aßdrubaln zu versöhnen alle Mittel gebraucht / biß sie die Gallier vom Halse gelöset. Cyrus würde / daß er des überwundenen Crösus Reich nicht an sich gezogen hätte / noch immer gerühmet; welchem sonst gantz Griechenland auf den Halß würde gegangen seyn. Solte Hertzog Herrmann auch gleich nicht den drittern Feind darzu beko en / so würde er doch aller Nachbarn / ja seiner ietzigen Bundgenossen Nachtbarn Neid nicht verhüten; ja wol gar den Verdacht einer Herrschaft über gantz Deutschland von Marbods Achseln nehmen und seinen aufbürden; weil zumal sein grosses Gemüthe aller Urthel nach die gantze Welt zu beherrschen fähig wäre. Stäche doch die Feld-Herrschafft / daß sie bey dem Cheruskischen Hause so lange gewest wäre /alle andere deutsche Häuser in die Augen; und verursachte: daß die grösten Feinde sich mit einander wider selbtes verbunden hätten / um sein ihnen schreckliches Glücke zu untergraben. Also wäre es vielmahl rathsamer die Segel seiner Glückseligkeit einzuziehen / als mit derselben Ausspannung andere zu überschatten. Der Feldherr hätte Länder und Kräfften genung; und wenn ihm ja noch etwas abgienge / ersätzte es seine Tapfferkeit. Fette Leiber und weite Reiche hätten mehr Unberegligkeit als Stärcke; weßwegen der kluge August das Römische zu erweitern verboten hätte. Sintemahl diese ins gemein sich zu sehr auf ihre Kräffte verlassen / die Nachtbarn beleidigen / und durch unachtsame Sicherheit zu Grunde giengen; mittelmäßige aber auf ihrer Hutt wären / und offt wie ein kleiner Fisch ein grosses Schiff im vollem Lauffe des Sieges aufhielten; wie dem Persischen von einer Hand voll Griechen / und zeither den Römern von den Catten und Cheruskern begegnet wäre. Nichts so mächtiges wäre zu finden / welchem nicht von einem schwächern Gefahr zuhienge. Ja Löwen würden vielmahl der Krahen und Ameisen Speise. Uber diß wäre die Vermessenheit / die Hoffart und Verschwendung die gemeinsten Gefährten / aber auch das Gifft und die Aegeln grosser Reiche; also daß sie entweder durch Wollüste von sich selbst madig und wurmstichig würden; oder weil sie nicht für die gemeine Wolfarth /sondern den Blut-Durst ihrer Herrscher zu sättigen unaufhörlich Krieg führen müssen / durch Abzöpffung aller Kräfte in Ohnmacht fallen müsten. Und ob wol Hertzog Herrmann ein einen grössern Himmel der Herrschafft zu tragen vermögender Atlas wäre / könte doch niemand für seine Nachkommen Bürge seyn / weßwegen Fürsten nicht nur wie die Kameele / was ihre Achseln zu tragen vermöchten / abwiegen; sondern auch auff ihrer Nachfolger Kräfften und das Gewichte der Last / die sie ihnen verlassen werden / Absehen setzen / sich die Freude über dem itzt uns scheinenden Gelücke nicht verleiten lassen; sondern auch künfftige Zufälle vorsehen / und die Sicherheit des Reiches immer auf die alten Grund-Steine bauen müsten. Biß hieher hätten die Cherusker [1300] und ihre Fürsten sich an ihrem ansehnlichen Gebiete genügen lassen; so bald sie aber noch zwey Länder besitzen würden / dörffte sie nach mehrern zu hungern anfangen. Die Mässigkeit wäre nicht nur dem Leibe /sondern auch der Herrschafft am gesündesten; hingegen die Uberfüllung eine Ursache der Trägheit und vieler Kranckheiten; und wenn der Magen überschüttet würde / bräche man nicht nur den Uberfluß / sondern auch die zur Nahrung nöthige Speise von sich. Also dörffte es bey so viel besorglichen Feinden und Mißgönnern auch denen Cheruskern ergehen / welchen er sonst von Hertzen wünschte: daß wo heute jhre eussersten Gräntz-Steine lägen / morgen ihr Mittel wäre; und daß nichts als die Sonne des grossen Herrmanns Herrschafft abmessen möchte. Zwar schiene die Gelegenheit ihrem Wachsthume zu heucheln; aber wenn das Glücke einem das freundlichste Gesichte machte / solte man selbtes am verdächtigsten halten. Auch wäre es leichter Länder an sich zu bringen / als zu behaupten; und könte geschehen: daß die Cherusker / um diese neuen Glieder nicht vergehen zu lassen / alle ihre Lebens-Geister verspielen müsten. Dahero hielte er für des Vaterlandes Wolfarth / wenn der Feldherr dißmahl nicht die Semnoner und Langobarden / sondern seine Begierden zu beherrschen den Schluß faste. Denn wer seinem Glücke einen Zaum anlegte / bliebe desselben Meister. Der Graf von der Lippe war mit einem Theile des Rathes zwar der ersten Meinung; daß der Hertzog Herrmann beyder Völcker Herrschafft nicht übernehmen; aber keines Weges die Gesandten so schlechter Dinges abweisen; sondern ihnen einen andern Fürsten vorschlagen / und auf alle Weise vorbeugen solte: daß sie nicht wieder unter Marbods Joch geriethen; dessen Macht Deutschland mehr als die Römische zu fürchten; sein Gemüthe aber gegen die Cherusker auf eine solche Weise verbittert wäre: daß es wie ein von Ergiessung der Galle verterbter Magen auch die grösten Wolthaten in Wermuth verwandeln würde / ungeachtet sonst Fürsten nicht länger Zorn hielten / als es ihr Staat erforderte. Durch dieses Mittel würde Marbod entkräfftet / und in einen absondern Krieg verwickelt werden: daß er sie und die Catten im Kriege wider die Römer mehr zu hindern wol vergessen würde. Die Empörung dieser zweyer Völcker wider den Marbod wäre eine Sonnen-klare Würckung des Göttlichen Zornes wider seine Gewalt und Ungerechtigkeit; daher müste man solcher an der Hand stehen; welche sonst / wenn sie nicht eine befestigte Herrschafft unterstützte / wie Epheu bald zu Bodem fallen würde. Zwar lieffe es wider Recht und Gewissen: daß ein von seinem Nachbar nie beleidigter oder mit ihm in Freundschafft und Verbündnüs stehender Fürst desselben Unterthanen zu Aufruhr veranlaßte / oder sie darinnen durch Rath oder Hülffe stärckete; Alleine wenn selbte entweder in offentlichem Kriege gegen einander begrieffen / oder auch einer schon beleidigt und der gegen ihn tragenden Feindschafft versichert wäre; also daß er ihn zu bekriegen Recht hätte / wäre es ein thörichtes Bedencken / wenn man ihm Gewissen machen wolte / den durch seine Unterthanen anzugreiffen / den man mit gutem Gewissen mit eigener Faust erlegen möchte. Könte man durch Hinrichtung feindlicher Unterthanen eigene Feinde vermindern / warum solte man sie sei nem Feinde durch die nicht vergrößern / welche uns sonst selbst die Spitze bieten würden? Niemand wiese die Uberläuffer zurücke; niemand hätte Bedencken sich der vom Feinde eroberten Waffen zu Werckzeugen seines gerechten Krieges zu bedienen; warum solten des Feindes Unterthanen zu unser Beschirmung und zu unserm Siege unbrauchbare Mittel seyn? Was wäre im Kriege gemeiner / als daß man die Befehlhaber in Festungen bestäche / und was man mit viel Blute nicht könte / mit wenigem Gelde eroberte? wäre [1301] diß aber / da man andere zur Untreue und Verrätherey verleitete / nicht was bedencklichers / als daß man denen / welche durch Uberlast zum Abfalle genöthiget würden / bey uns Schutz und Beystand wider unerträgliche Bedrängnis suchten / Gehöre gäbe / zur Gegenwehre Vorschub thäte / und also die vom Gelücke an die Hand gegebene Wolthat nicht aus Händen liesse? nach dem das Recht der eigenen Rache Fürsten auf alle Weise zustünde / und kein Gesätze in der Welt verbiete / die / welche man durch Waffen ihm zu unterwerffen berechtigt ist / als sich gutwillig ergebende anzunehmen. Hingegen würde Hertzog Herrmann die zwey Ungeheuer des Neides und Argwohnes / welche ihm zeither so viel zu schaffen gemacht hätten / auf einmahl unter die Füsse treten / und gantz Deutschland mit den Händen greiffen: daß es ihm um keine Herrschafft / sondern allein um die gemeine Freyheit zu thun sey. Der neue Fürst der Langobarden und Semnoner würde dem Feldherrn auch nicht nur die Herrschafft zu dancken verbunden; sondern sich auch wider die Marckmänner und Römer mit den Cheruskern auf ewig zu verbünden genöthigt; diese Völcker also nützlicher zu Gehülffen / als zu Unterthanen zu gebrauchen seyn. Hingegen wäre zu besorgen: daß Hertzog Herrmann sie nicht nur ohne allen Nutz wieder verlieren / sondern auch mit ihnen / wo nichts an der alten Herrschafft / doch viel an seinem Ansehen einbüßen würde. Denn es wären keine schlimmere Verräther unsers Unvermögens als die zu Wasser werdenden Rathschläge. Ja man fiele in die Schande einer Unvernunfft; daß man sich unmöglicher oder allzu schwerer Dinge angemaßt; also das Maaß weder seiner eigenen noch der feindlichen Kräften gewüst / sondern sich die blinde Begierde zu herrschen verleiten lassen hätte; welcher alleine die Natur / die Vernunfft und die Gefahr kein Ziel zu stecken wüste. Diesemnach müste man das Feuer seines Geblütes mit einer heilsamen Kaltsinnigkeit mäßigen; seine Vernunfft nicht mit zu viel Hoffnung überladen; welche alles Böse ans Ende der Welt verbannte / nach dem Schatten eines ungewissen Gewinns grieffe / und darüber das gegenwärtige Gut aus der Hand fallen liesse; und wäre eine grosse Klugheit in der Welt andern etwas versagen können / aber eine noch grössere /ihm selbst. Der Graf von Waldeck / nach dem er mit grosser Ungedult diesen Meinungen zugehöret hatte /fieng an: dem Cheruskischen Hause wäre in tausend Jahren kein grösser Glücke vorgestanden / als der gegenwärtige Ansatz zweyer so streitbarer Völcker wäre; also hätte er nicht vermuthet: daß ein einiger Mensch dieses von sich zu stossen rathen solte. Würde man es auch dieses mahl aus den Händen lassen / so würde es in dreytausend Jahren nicht wieder kommen. Denn es wäre allzu hoffärtig / und drehete nach dem Gesichte einem alsbald die Fersen: daß es nicht dafür angesehen würde / als wenn es iemanden buhlte / sondern daß alle ihm buhlen müsten. Seine Liebkosungen aber wären nichts anders / als die in unsern Kram dienenden Veränderungen; welche mit der eröffneten Gelegenheit was grosses auszurichten uns gleichsam die Hand des in uns verliebten Glückes verpfänden. Wer unter uns aber wolte zweiffeln: daß die Gelegenheit in der Welt grössere Sachen ausgerichtet habe / als Klugheit / Macht und Tapfferkeit? Ja dieser sich zu bedienen wissen / wäre die eigentliche Klugheit; ihre vorsichtige Verwegenheit aber führte uns auf den Flügeln der Tapfferkeit zu dem Throne der Glückseligkeit. Zwar alle Dinge in der Welt hätten unterschiedenes Aussehen / nach dem man sie wendete; und die besten einen Grieff und eine Spitze /daran man sich verwundete; alleine man müste sie mit dieser / nicht mit jenem fassen / und eines Dinges rechte Gestalt von seinem Schatten unterscheiden. Kein einiger Zepter wäre ohne Schwerdte / keine einige Herrschafft [1302] ohne Neid und Anfeindung; also müste Hertzog Herrmann auch / die er schon hat / wegwerffen / wenn er sich diese wolte abschrecken lassen. Alleine wie das Mitleiden eine unfruchtbare Gewogenheit gegen Unglückselige wäre; also thäte die eitele Gramschafft des Neides nur ihm / dem wachsenden Glück aber keinen Schaden. Er verblaste und würde ohnmächtig / wenn er recht lebhaffte Sachen sähe; Er zitterte und erstarrte / wenn andern die Sonne schiene; und er schöpffte den ärgsten Durst aus anderer Uberfluße. Einem andern Fürsten würde vielleicht zu schwer seyn einen so grossen Bissen des Glückes zu verdauen / aber nicht unserm Hertzoge; welcher durch so viel Wunder schon gewiesen: daß sein Hertze für nichts zu enge / seiner Tugend nichts zu groß / und eines Zwerges gantze Mahlzeit einem Riesen kaum auf einen Zahn sey. Durch den Anfang voriger Thaten hätte er sich nun zu noch grössern verbunden. Denn so bald die Tugend und ein Reich nicht mehr wüchse /fienge sie an abzunehmen / wie ein nicht mehr steigender Pfeil zu fallen. Daher müste man in Rathschlägen wol unterscheiden / was in seinem Wachsthume /oder in seinem veralternden Abnehmen wäre. Jenes sähe man augenscheinlich am Herrmann / dieses am Marbod / von welchem das Glücke nun einmahl absetzen müste / nach dem es sich an ihm gleichsam ermüdet hätte. Ja nach dem es auf einmahl von dem Colossen seines Reichs so grosse Stücke abfallen liesse /hätte es ihm nach der eröffneten Wahrsagung sonder Zweiffel vorgesätzt ihn gar übern Hauffen zu werffen. Die unter dem Scheine der Beschirmungs-Flügel zeither in den Klauen des Marbods verschmachteten Marsinger würden sich zweiffelsfrey bey dieser Gelegenheit eben so wohl nach ihrer Freyheit umsehen / und die Gothonen ihren rechten Fürsten kennen lernen. Wenn solche Eichen fielen / müste man nicht der letzte seyn Holtz zu lesen. Von anderer Reiche Brüchen aber würden andere gebauet; und aus umgeworffener Bäume Wurtzeln wüchsen junge Stämme herfür. Wolten sie daher gerne sehen: daß das Cheruskische Hauß recht empor steigen solte / müsten sie weder im Rathe noch in der That versäumen des Marbodischen Reichs Fall zu befördern; welches / so lange es stünde / mit seinem Schatten alle andere deutsche Häuser drückte / daß sie nicht aufkommen könten. Also wäre allen daran gelegen; daß es zu Grunde gienge; und nach dem sie es würden sincken sehen / würden alle mit Hand anlegen es umzustossen. Niemand in der Welt könte den Semnonern und Langobarden verargen: daß sie iederzeit das Kleinod ihrer Freyheit / welcher Versehrung edle Gemüther so wenig als das Anrühren ihres Augapffels vertragen könten / sorgfältig verwahret und dißmahl sich ihrer Dienstbarkeit entledigten. Denn weil kluge Fürsten die Sicherheit ihrer Herrschafft nicht auf die Unterdrückung ihrer Unterthanen / sondern auf ihre Liebe und die Mäßigung eigener Gewalt sätzten / hätten weder sie / noch Hertzog Herrmann deßwegen was böses zu besorgen. Ihre Freyheit würde seiner Herrschafft / und seine Herrschafft so wenig / als der Cherusker Freyheit Abbruch thun. Weil aber Marbod sie hätte zu Knechten machen wollen / wären sie nicht mehr schuldig gewest seine Unterthanen zu bleiben / in welcher Beschaffenheit er sie selbst nicht mehr hätte haben wollen. Dieses wäre keine Empörung / sondern eine Genesung der Freyheit / also allen Deutschen und ihren Fürsten daran gelegen: daß ihr auf die Beine geholffen / solche Fürsten-Mörder aber / wie Marbod wäre / in Staub und Koth getreten; ja ihr Gedächtnüs aus den Ohren der Nachwelt weggerissen würde. Solte nun Hertzog Herrmann wol Bedencken haben den zu erzürnen / dem alle feind wären / und der gegen die Cherusker nicht grössere Feindschafft schöpffen kan /als er schon hätte? Man gäbe seinem Feinde nur mehr Hertze und Galle zu [1303] schaden / wenn man ihm heuchelte; an statt / daß man sich träumen liesse ihn durch Wolthaten auf unsere Seite zu bringen / welche ihm vielmehr einen nagenden Wurm in Busem setzten; weil er dadurch sich unsern Schuldner wissen müste. Dieses würde auch an ihr selbst eine unvergeltbare Wolthat seyn; und weil er sie dem Feldherrn nicht bezahlen könte / so vielmehr Haß erwecken müssen; und also wir in so grosser Gefahr stehen /mit ihm in Krieg zu gerathen / als wenn Hertzog Herrmann beyder Völcker Herrschafft annähme /derer uns zugesätzte Kräfte ihn noch ehe zurück halten dörfften. Wer daher des Marbods guten Willen zuschriebe: daß er wider die Cherusker nicht vollends losgeschlagen / hätte in Marbods Rath-Stube keinen Blick gethan; sondern sein eigener Vortheil hätte ihm gerathen der Römer und deutschen Fürsten Macht in gleicher Wage zu halten. Wenn es aber auch schon mit dem Marbod zum Kriege käme / müste man darum den Muth nicht sincken lassen. Das Glücke vermehrte sich offt mit den Feinden; und ein Hercules scheute sich nicht mit zweyen anzubinden. Das Marcomannische Reich wäre zwar groß / und zeither so gar den Römern schrecklich gewest; aber ins gemein hielte man ein Ding nicht für diß / was es wäre / sondern was es zu seyn schiene. Es müste in sich selbst viel unsichtbare Schwächen und Brüche haben / weil ihm Marbod selbst nie allzu viel zugetraut / sich nie an keinen mächtigen Feind gewagt; und damahls / als gantz Pannonien und Dacien wider die Römer die Waffen ergriffen hätte / sein Bündnüs verletzt / und die schönste Gelegenheit den Römern einen Streich zu versätzen versäumet hätte. Zwar hätte Marbod viel Völcker unter sich / aber es mangelte ihnen der Kalck / nemlich die Vertrauligkeit / durch welchen so unterschiedener Zeug müste an einander gefügt werden. Er selbst traute keinem andern / als seinen Marckmännern; welche kaum zulangten: daß sie die andern unwilligen Unterthanen im Zaume hielten; und traute er denen einigen Semnonern und Langobarden zu: daß sie / als welche unter allen Völckern das Hertze und die Ehre gehabt Rom einzunehmen / dem Marbod alleine gewachsen seyn würden. Sintemahl die Stärcke eines Leibes nicht in der Grösse / sondern an den Spann-Adern / und die Kräffte eines Reiches nicht in dem Umschweiffe der Länder / sondern an der Hertzhafftigkeit der Einwohner bestünde; und wären diese Riesen ins gemein die wahrhafften Zwerge in der Welt / die Helden aber niemahls Cyclopen. Marbod würde so denn auch nicht mit dem Herrmann alleine /sondern mit mehr Feinden zu thun bekommen; derer er mehr als ihr Hertzog haben müste / wo unrechte Gewalt einen verfeindete. Ihr Feldherr aber wäre nun mit den Chauzen / Friesen und Sicambern so viel als verglichen; und die Römer / welche an ihm nun so vielmahl ihnen den Kopff zerstossen hätten / würden die Deutschen ehe ihrer innerlichen Zwietracht überlassen / als durch fernere Kriege sie veranlassen mit einander Friede zu machen. Dieses wäre schon vor vielen Jahren des Tiberius Grieff gewest; und also würden die Cherusker mit den Römern schwerlich eh zur Ruh kommen / als biß sie mit dem Marbod würden in Krieg gerathen / dessen Macht der Kayser so gerne als ein Mensch in der Welt zerstückt sehen; und also uns ehe darzu behülfflich seyn / als daran hindern würde. Das Cheruskische Hauß wäre zwar eine zeitlang demselben Laster ein Dorn in Augen gewest /welches so scharffsichtig ist / und doch gern weniger sähe als es siehet / weil ihm frembdes Gut so wehe thut / und die gröste Ubelkeit verursacht. Alleine wer sich dieses wolte irre machen lassen / müste nur bald auch die Tugend abschweren. Hercules hätte alle Ungeheuer überwunden; wider dieses aber hätte weder Stärcke noch Wolthat gefruchtet. Alleine dieses wäre die erste unter [1304] den Herrschens-Künsten / Mißgunst vertragen können. Wenn aber ja ein Mittel hierwider wäre / könte es kein anders seyn / als daß man sich mühte so lange höher zu steigen / biß dem Neide die Augen uns nachzusehen vergiengen. Dieser Augen-Kranckheit aber wäre Marbod mehr / als Hertzog Herrmann unterworffen; ja sie würde ihn allererst recht zu verfolgen anfangen / wenn er zu fallen beginnen würde. Denn mit der sinckenden Sonne mehrete sich sein Schatten; und die / welche aus Kleinmuth vor ihre Mißgunst nicht hätten dörffen mercken lassen / würden sich nun ohne Bedencken für seine Feinde erklären; und wenn sie nur der Marckmänner Herrschafft einreissen möchten / der Cherusker gerne bauen helffen. Diese hätte zwar ihr Maaß / aber kein solches; welches Hertzog Herrmanns Gemüthe das Gewichte hielte. Es wäre aber allezeit besser: daß die Grösse eines Reiches seinem Haupte / als ein Fürst seinem Reiche überlegen wäre. Also könte sich kein Reich wie kein Krocodill überwachsen; und es wäre einer Herrschafft so gefährlich / wann man dieser Kräfften ausmessen / als jenes Anschläge für der Zeit absehen könte. Denn die Nachtbarn verehrten / und die Feinde fürchteten nur diß / was sie überträffe; die Gleichheit aber wäre schon verächtlich / und niemand hätte Bedencken sie zu beleidigen. Grosse Reiche lidten zwar Gefahr / wenn sie von einem niedrigen Geiste beseelet würden / wie grosse Schiffe / welche keinen verständigen Steuermann / oder zu schmale Segel hätten; aber kleine würden von den grössern übersegelt / wenn schon alles auffs beste bestellt wäre. Daher möchte beym Hertzog Herrmann das Cheruskische Reich immer sicher zunehmen. Seine Nachkommen würden vermuthlich nicht aus der Art schlagen; und wenn schon zuweilen ein Nachfolger nicht alle Vollkommenheiten derer hätte / die ein Reich in Aufnehmen gebracht / vertrete doch die gute Einrichtung einer Herrschafft viel ermangelnde Geschickligkeiten ihrer unvollkommenen Fürsten. Die Cheruskische Herrschafft / wenn sie schon Semnoner und Langobarden vergrösserten / wäre noch weit von einer unbereglichen Grösse entfernet; und / wenn sie auch etwas überwachsen wolte / wäre es keine Kunst mit der Sichel die Ubermaaße wegnehmen; hingegen eine Unmöglichkeit dem / was ins Stecken geriethe / nachzuhelffen / oder was beyzusetzen; sonderlich wenn Zeit und Gelegenheit vernachlässiget würden / welche die Eyer des Glückes unterlegen müsten / so Klugheit und Tapfferkeit ausbrüten solten. Könten aber Zeit und Glücke ein güldener Ey denen Cheruskern legen / als zwey so ansehliche Länder? welche durch keine Arglist gewonnen / durch keine Waffen geraubet werden dürfften / sondern als ein wahres Geschencke Gottes eigenbeweglich dem gleichsam schlaffenden Herrmann zu Hauß und Hofe kämen. Wenn man diese nun anzunehmen weigerte / mißtraute man nicht nur ihm selbst / sondern dem Himmel; gleich als wenn er seinem Munde Aepffel von Sodom oder des Tantalus fürhielte. Er mäßigte nicht seine Begierde / sondern stiesse das Glücke mit Füssen / wiederspräche dem Verhängnüße / und machte die Furcht zum Steuer-Ruder / welche im Menschen mehr nicht als Balast seyn solte. Man wäre um den Verlust des sich weisenden Schatzes bekümmert / und wiederriethe ihn in Besitzthum zu nehmen; gleich als wenn man bey diesem Falle besser / als bey jenem stünde; oder man verschmähte reich zu seyn / aus Beysorge arm zu werden. Man traute ihm nicht zwey Völcker mit vereinbarten Kräfften zu erhalten / derer jedes sich tausend und mehr Jahre wider alle mächtige Nachbarn im Stande zu erhalten vermocht hätte. Noch viel schädlicher aber wäre / wie alle mittelmäßige Rathschläge / der Vorschlag den Semnonern und Langobarden einen andern Fürsten vorzuschlagen. Denn was könten diese auf unsere Rathschläge bauen / [1305] da wir uns selbst nicht zu rathen wüsten? Wen solten wir dem Marbod entgegen sätzen / wenn wir uns und unsern Hertzog ihm nicht gewachsen zu seyn glaubten? Vereinbarte Kräffte wären ja stärcker / als zertheilte / und eigenes Vermögen uns gewisser / als frembdes. Warum wolten wir uns denn mit Steltzen behelffen / da wir mit unser eigenen Schenckeln eben so weit / aber sicherer schreiten könten? Andere Lasten ruheten zwar fester auf vielen Pfeilern; aber Reiche sicherer auf einem Rücken / und fielen übern Hauffen / wenn sie mehr Achseln unterstützen wolten. Wie bald könte sich auch das Blat wenden / und mit der alles umdrehenden Zeit sich ereignen: daß der / welchen wir ietzt zum Fürsten so vieler Länder beförderten; auch nach den Unsrigen lüstern werden dörffte. Lasset uns diesemnach nicht wegwerffen / was uns das Verhängnüs zuwirfft! welches nichts ohne Bedacht thut; und schon damahls /als es der Welt einen Anfang / der Natur Gesätze gegeben / der Cheruskischen Herrschafft schon nach dem vorgesehenen Maaße unserer Klugheit und Tapferkeit gewisse Gräntzen ausgezeichnet hat. Lasset euch nicht träumen / als wenn dieser Anblick dem Glücke kein Ernst wäre / der GOtt unser Aufnehmen selbst beneidete! Gott wäre durchgehends gut und aller Mißgunst unfähig. Wenn aber ja das Verhängnüs der Cherusker Untergang beschlossen hätte /würden wir solchen doch so wenig als Polycrates verhüten / wenn wir schon dieses Glücke weg / wie jener seinen unschätzbaren Schmaragd-Ring ins Meer würffen. Lasset uns diesemnach unserm Feldherrn nichts rathen / was nach Neid und Zagheit reucht! Nicht herrschen wollen / wenn man könte / wäre eine Tugend der Unterthanen / aber eines Fürsten gröster Fehler / und ihr Zweiffel einer Untreue nicht unähnlich; wenn sie ihren Hertzog nicht über die Semnoner und Langobarden wolten herrschen lassen / den sie zu Beherrschung der Welt fähig schätzten. Waldecks Rede hatte einen solchen Nachdruck: daß das gröste Theil des Rathes ihm beyfiel; weil diese Meinung so wol dem Fürsten liebkosete / als nach Hertzhafftigkeit roch. Denn niemand wil gerne bey Berathschlagungen für furchtsam angesehen seyn; und iederman redet gerne nach denen vermutheten Gedancken seines Fürsten. Ja auch die / welche vorher wiedriger Meinung gewest waren / lenckten numehr ihr Rad ins gedrückte Gleiß; und nach dem folgenden Morgen die Priester das Recht der neuen Wahl beym Feldherrn mit vielen Gründen behauptet hatten / trug ihm der Rath auch ihren Schluß für / nemlich: daß die Wolfarth der Cherusker / die Freyheit Deutschlandes / und die Ehre Hertzog Herrmanns die Herrschafft über die Langobarden und Semnoner anzunehmen erfoderte. Den dritten Tag ertheilte der Feldherr denen Gesandten unter freyem Himmel in Gegenwart des gantzen Hofes und des meisten Cheruskischen Adels seinen einwilligenden Schluß / welchen sie mit grossen Freuden annahmen / und ihm die güldenen Rincken überliefferten. Hertzog Herrmann ward alsbald für den Fürsten der Langobarden und Semnoner ausgeblasen; und der Tag mit einer prächtigen Mahlzeit und unzehlbaren Freuden-Zeichen beschlossen. Folgenden Morgen brachen die Gesandten mit grosser Vergnügung auf / um ihren Gewaltgebern die fröliche Zeitung nicht lange vorzuhalten. Hertzog Herrmann folgte seinem Versprechen nach in weniger Begleitung. An der Elbe stunden dreytausend Langobardische Edelleute ihn zu bewillkommen / welchem dieser Strom / der zehn Tage mit so starckem Grund-Eise gegangen war / daß die Gesandten mit grosser Lebens-Gefahr kaum überkommen waren / eine Stunde für seiner Ankunfft an dem zur Uberfahrt bestimten Orte / durch das zusammen gestossene Eiß zu iedermans grosser Verwunderung eine [1306] feste Brücke gebauet hatte; gleich als wenn die Natur diesem Helden den Weg zu seiner neuen Herrschaft zu bähnen bemühet wäre. Als er auch folgends an die Havel kam / wo die Langobarden sich dem Feldherrn zu unterwerffen versamlet waren / kam aus der Lufft von freyen Stücken ihm ein Falcke auf die Hand geflogen / welcher eine silberne Schelle am Fusse / am Halse einen kleinen Schild hatte / darein der Langobardische Adler / und Hertzog Siegeberts Nahme eingegraben war. Diese Begäbnüs vergrösserte die allgemeine Freude des Volckes; welches mit ihrem neuen Fürsten gleichsam eine neue Seele bekam. Kein geringeres Frolocken ereignete sich zu Budorgis bey denen gleichsam wieder lebendig werdenden Semnonern. Daselbst lieff die Zeitung ein; daß im Munde der Elbe eben an dem Tage / da Hertzog Herrmann darüber geritten / ein ungeheuerer Wallfisch gestrandet / von dem Land-Volcke vollends erschlagen / sein Maaß hundert und zwantzig Füsse lang befunden worden wäre; da sie sonst ins gemein nur eine Länge von funfftzig Füssen hätten; also dieser nach dem hundert Ellenbogen langen / den man einmahl im Balthischen Meere gefangen / für den grösten hielte / der iemahls in Deutschland wäre gesehen worden. Worüber allerhand glückliche Auslegungen gemacht wurden / sonderlich weil seine zwey grosse Eyter / daran die Jungen zu saugen pflegen / von Milche strutzten / und darmit über zwey Eymer gefüllet wurden; und weil aus seinem obersten Kienbacken auf der lincken Seite ein gewundener und dem Helffenbeine gleicher Zahn fünffthalb Schuh hervor gieng / ward selbiger nachmahls dem Feldherrn zum Geschencke überschickt und von allen unwissenden für ein Einhorn gehalten. Die Barden übergaben dem Herrmann bey Ablegung der Huldigung folgende Reyme:


Ihr Völcker / die der Elb- und Oder-Strom umringt / Die ihr den frischen Kweiß / die faule Havel trinckt / Hebt eure Häupter auf! hier liegt das Joch zerstücket! Das euren Kopff zerkwetscht / und euren Nacken drücket. Zieht euer Achseln weg! macht eure Schenckel frey! Die Dienstbarkeit ist weg / die Ketten sind entzwey! Der Himmel warff euch zwar zu Marbods stoltzen Füssen / Doch nicht aus Rach und Neid. GOtt und Verhängnüß wissen Von solcher Regung nichts. Sie schencken Bitterkeit / Doch nur als Artzney ein: daß man den Unterscheid So herber Dienstbarkeit und linder Freyheit schmecke. So hüll't der Himmel vor in eine Wolcken-Decke Das Auge dieser Welt / wenn seiner Sonne Licht Uns schöner düncken soll. Kommt! die ihr Athem nicht Zu schöpffen fähig seyd! wenn ihr solt knechtisch dienen / Zu ziehen frische Lufft! Nun ist der Tag erschienen Der Freyheit. Perseus hat Andromeden befreyt / Und unser Elbe-Strom den Wallfisch ausgespeyt / Der für Verzweiffelung muß stranden und vergehen / Nun er den Herrmann sieht euch an der Seite stehen. Geht / schaut das faule Aas des Ungeheuers an / Dem Marbod sich allein in Deutschland gleichen kan. Geht / spottet seiner nur. Denn numehr mässen Zwerge Ihn nach der Spannen ab. Die steilen Riesenberge Sind von Cyclopen leer; kein Fässel ist mehr dar / Woran schon euer Fuß vor angeschmiedet war. Der Marckmann wünscht nun selbst ihr felsicht Haupt zu Rügeln Für der Cherusker Macht. Doch nur umsonst! den Flügeln Der Tugend ist der Krantz der Alpen nicht zu hoch; Dem Herrmann nichts zu schwer. Bähnt das Verhängnüs doch Dem tapffern Hercules den Rückweg aus der Hölle. Hält nun nicht Helden auf Gebürge / Sand und Welle / Was soll den Herrmann denn zu hemmen fähig seyn? Dem die Natur selbst dient / wenn sie in Marmelstein Die weiche Flut verkehrt / und auf der Elbe Rücken In einer Stunde-Zeit aus Eise bauet Brücken.

O hochbeglückter Fürst! für den der Himmel kriegt! Für dessen Wolfarth Wind und Lufft zu Felde liegt! Doch mehr beglücktes Volck / dem solche Sterne scheinen / Mit welchem es so gut GOtt und der Himmel meinen! Er neigt die Sonn' euch zu; und schafft: daß Fluß und Meer Euch euer Glück und Heil muß sagen zuvorher. Ja Falcken müssen euch zu Freuden-Boten werden / Verkreuch dich / Adler / nun! der du ein Reiß zur Erben Von Lorbeer-Bäumen warffst; weil du damit die Last Der Knechtschafft der Stadt Rom nur wahrgesaget hast! Hier aber bringt ein Falck' uns unsre Freyheit wieder. Rühmt euch ihr Adler nicht: daß Jupiters Gefieder Aus euren Klauen kommt / wenn er mit Blitze spielt. Weil unsers Falckens Flug auf lauter Güte zielt / Zum Zeichen unsers Schirms an statt der Donner-Keile Uns einen Schild trägt zu. Flügt Adler! reißt die Pfeile Dem Schützen aus der Hand des grimmm Dionyß! Und werfft sie in das Meer! durch dieses Zeichen ließ Der Himmel ihn den Fall von Reich und Hoheit wissen. [1307] Hier müssen Semnoner und Langobarden schlüssen: Der Falcke sey von GOtt; Er bring' uns Sieg und Ruh / Das Erb-Recht Siegeberts dem grossen Herrmann zu. Den hat's Verhängnüs uns zum Fürsten außerlesen; Es ist des Himmels eh' als unsre Wahl gewesen. Denn die Versehung treibt das Rad der grossen Uhr; Wir sind der Weiser nur. Wir folgen ihrer Spur Als Blinde / wenn wir uns gleich der Vernunfft bedienen Durch Klugheit / Stern' und GOtt zu meistern uns erkühnen.

Wo aber auch die Welt ihr selbst gelassen ist; Wo es bey Menschen steht: daß man was guts erkiest; So hätte Solon selbst nicht besser wehlen können. Wo anders Kron' und Thron der Tugend ist zu gönnen. Wo Tapfferkeit den Mast / wo Witz Compaß und Kiel Giebt in der Herrschafft ab. Solch eines Fürsten Ziel Und Absehn kan nichts seyn / als was auch Väter haben; Diß ist der Kinder Heil. Ließ sich Philen begraben Lebendig in den Staub: daß nur sein fernes Grab Dem werthen Vaterland' ein ferner Gräntzmal gab. Was wird ein Herrmann thun / der zwölffmahl wil erblassen / Eh er der Freyheit kan ein Haar versehren lassen / Eh er dem Reiche läßt zwey Spannen Erd und Sand Von Nachtbarn gräntzen ab / weil er sein Vaterland Alleine liebt / nicht sich / und keinen Purpur schätzet / Wenn ihn mehr Schnecken-Blut / als eignes hat genetzet / Und ihn ein Fürst nicht taucht ins Feindes Wunden ein. Denn diß Gewand soll ja der Völcker Schweiß-Tuch seyn / Der Feinde Leichen-Tuch / der Fürsten Ehren-Binde.

Mich dünckt: Ich sehe schon was ihm die Tugend winde Für güld'ne Sieges-Kräntz' auf sein belorbert Haupt. Denn Marbod / dem die Furcht schon hat sein Hertz geraubt / Dem das Verhängnüs hat das Leichen-Bret gefället / Den Todten-Zettel schreibt; den's Glück auf Trübsand stellet / Der sein halb Reich verkaufft / und für dem Schatten fleucht / Für unser Heeres-Macht schier in ein Bocks-Horn kreucht / Wird Hermanns Angesicht beschwerlicher vertragen / Als Eulen sich in Sonn' und Tag zu schauen wagen. Er wird für dem nicht stehn / für dem die Adler fliehn / Die Götter der Stadt Rom; und hundert Völcker ziehn Die stoltzen Hörner ein. Meyn / Rhein und Weser wissen Des grossen Herrmanns Ruhm nicht länger zu beschlüssen; Das Meer wil mehr kein Blut / und ist der Leichen satt / Die Herrmanns Faust zur Rach' ihm abgeschlachtet hat. Kweiß / Oder / Elbe / Spreu mit samt dem Belt begehren: Daß ihnen Herrmann nun auch Leichen soll gewehren / Die unsern Achseln schwer / der Freyheit schädlich seyn. Ja keine Aegel saugt mit solchem Eyver ein Des Lebens süsses Oel / als Meer und Erde dürsten Nach Blute / der durch Mord und Blut befleckten Fürsten. Denn diß versüßt ihr Saltz / stillt Thräu' und Hertzeleid / Schafft dem gekränckten Recht / der Unschuld Sicherheit.

Die Felsen die das Reich der Bojen von uns trennen / Das Marbob hat geraubt; wir Riesenberge nennen / Mahln diesem Wütterich schon sein beschwertes Grab / Und schlimmen Untergang boßhaffter Menschen ab. Denn Etna deckt nicht nur der Himmel-Stürmer Knochen / Der Himmel hat auch hier an Riesen sich gerochen / Die Volck und Welt betrübt / die GOtt und Recht gehaßt. Und manch Enceladus schäumt unter dieser Last / Der Blitz und Schweffel zwar nicht in die Lüffte speyet / Ihn aber der Natur zu ihren Schätzen leihet / Die sie in dieser Berg' Ertztreichen Adern kocht / Die keine Wünschel-Rutt hat auszuspürn vermocht / Weil das Verhüngnüs sie wil aufgehoben wissen: Daß man aus ihnen kan dem grossen Herrmann giessen Sein erstes Ehren-Bild. Weil auch kein grösser Held / Nach dem Tuiscon hat beherrscht die deutsche Welt / Wird Herrmanns Leib sein Grab bey dem Tuiscon kriegen. Sein Ruhm soll durch die Welt / sein Geist zun Sternen flügen / Und neben dem Saturn die Wohnung nehmen ein / Weil seine Herrschafft nichts als güldne Zeit wird seyn.

Innhalt des Achten Buches
Innhalt
Des Achten Buches.

Schiffarth menschlichen Lebens. Des Tiberius heftiger Neid und Argwohn gegen den Germanicus. Fordert ihn nach Rom. Er entschuldiget sich. Tiberius hält noch beständiger darmit an; welches dem Germanicus und Agrippinen verdächtig vorkömmt. Die Legionen bitten den Germanicus mit Thränen bey ihnen zu bleiben. Germanicus versucht noch einmahl sich der Römischen Reise zu entbrechen; worüber Tiberius fast unsinnig wird; Und diese Wiederspenstigkeit für eine offenbare Auflehnung [1308] annimmt. Schüttet seinen Kummer in die Schooß des Sejan und Salustius aus. Der erste räthet den Germanicus mit Giffte hinzurichten; Der andere aber entschuldigt ihn. Tiberius fällt diesem bey; und fordert den Germanicus noch einmahl aus Deutschland ab. Salustius schreibt gleichfalls an ihn. Germanicus entschleust sich zur Reise. Agrippine erschrickt darüber / entdeckt solches dem deutschen gefangenen Frauenzimmer / welches sie in grosse Furcht setzet mitte nach Rom geführet zu werden. Ihr Ansuchen deßwegen bey Agrippinen; und Gespräch von dem Tode. Thußneldens bewegliche Klage über den Verlust ihres Gemahls. Agrippine bekümmert sich hefftig; und suchet durch allerhand nachdrückliche Vorstellungen den Germanicus vor der Abreise zu einem Frieden mit den Deutschen zu bereden. Des Germanicus Einwurff dargegen. Ihre Gegen-Antwort; Und Vorschlag wie der Friede einzurichten. Germanicus erkennet solchen vor vernünfftig / und stellet ihr die Einrichtung desselben frey. Die hierüber höchsterfreute Agrippine berichtet solches das deutsche Frauenzimmer / und daß sie ein Mittel zu ihrer Befreyung gefunden. Thußnelden Lobspruch wegen dieser grossen Wolthat. Der Agrippinen Ablehnung / und beyder ferneres Gespräch. Agrippine berichtet / daß sie zu wege gebracht habe / wenn Hertzog Herrmann / und Arpus / ihn um einen ehrlichen Frieden ansuchten / er solchen mit ihnen schlüssen / und vor seiner Abreise die Gefangenen frey lassen wolte. Des Frauenzimmers grosse Freude deßwegen. Thußnelden und Agrippinen Gespräch von dem Kriege. Thußnelda schreibet an Hertzog Herrmann /und Fürstin Catta an Arpus. Beyde Schreiben werden durch zwey gefangene deutsche Edelleute Uffeln und Osten abgeschickt / welchen die verschmitzte Hermengarde beygesellet wird. Thußnelden und Catten Schreiben / in welchen sie beyde Fürsten zu Annehmung der Vorschläge zu bewegen suchen. Hermengarde wird / nach dem sie beym Hertzog Arpus gewesen / und ihn zum Frieden beweget / von dem Feldherrn und dem gantzen Cheruskischen Hofe / welcher sich zu Budorgis befindet / auffs freundlichste bewillkommt / und als eine andere Mutter des jungen Fürsten verehret. Der Feldherr entschleust sich alsobald zum Frieden. Erkieset den Grafen von Nassau zum Gesandten / nach dem Hertzog Arpus den Grafen von Witgenstein auch schon darzu benennet gehabt. Beyden werden trefliche Geschencke an den Germanicus und Agrippinen eingehändiget. Der Feldherr nimmt Hermengardis mit nach Deutschburg / allwo beyde mit grossem Frolocken des Volckes empfangen werden. Der Feldherr händigt nebst andern Geschencken der Hermengardis auch die dem Varus abgenommenen zwey güldnen Adler ein; Führet sie zu dem Tanfanischen Heiligthume / und zeiget ihr die daselbst ihr zu Ehren aufgerichtete und mit vier zu ihrem Lobe gereichenden Uberschrifften verfertigte Marmelsteinerne Säulen. Die Barden singen darbey die gantze Geschichte von ihrem an statt des jungen Herrmanns ausgeopfferten Sohne. Hermengardis demüthige Einwendung. Des Feldherrn Antwort. Die beyden Gesandten kommen zu Meyntz an / werden vom Germanicus freundlich empfangen. Thun ihren Vortrag. Germanicus nimmt ihn zum Bedencken. Des Germanicus Erklärung. Der Friede wird den fünfften Tag nach ihrer Ankunfft geschlossen. In selbiger Nacht / als des Morgens die Auswechselung des Friedens-Schlusses geschehen soll / kommt Sextus Papinius von Rom /mit Schreiben [1309] vom Tiberius; in welchen er nicht allein die Reise des Germanicus hefftig treibt / sondern auch verordnet / daß das gefangene deutsche Frauenzimmer voran geschickt werden solle. Des Germanicus Bestürtzung und Gespräch mit dem Papinius. Fordert den Silius vor sich / weist ihm des Kaysers Brieff und dessen Innhalt; Befihlt ihm den Gesandten die Ursachen zu sagen / warum der Friede nicht vollzogen werden könte. Dieser begiebt sich zu ihnen /und trägt ihnen solches vor. Ihr beyderseits besonders aber des Witgensteins eyffriges Gespräch deßwegen. Germanicus hat mitler Zeit einen harten Stand mit Agrippinen / welche ihm seinen bevorstehenden Untergang vorsagt. Seine Einwendungen. Bekommt vom Hertzog Herrmann durch den Ritter Malzan zwantzig / und von dem Cattischen Fürsten durch den Schönborn zwölff schöne Pferde geschenckt. Germanicus verwundert sich über der Deutschen Großmüthigkeit. Agrippine entdeckt dem in voller Hoffnung sich befindenden Frauenzimmer des Kaysers Verlangen; worüber sie höchst bestürtzt werden. Agripplne und die Gesandten bemühen sich sie zu trösten. Agrippine beweget den Germanicus dennoch zu Vollziehung des Friedens; welcher auch / nach dem die Gesandten prächtig zur Verhör geholet werden / geschlossen und offentlich ausgeblasen wird. Germanicus erkläret das gefangene Frauenzimmer und alle andere Deutschen frey / und für seine Gäste. Uberreicht denen Gesandten in seinem innersten Gemache einen vom Ingviomer an ihn geschriebenen Brieff / in welchem er bey ihm Schutz suchet. Läst auch in ihrer Gegenwart den darmit geschickten Ritter Kulenburg mündlich schlecht abfertigen. Bewirthet nebst dem Frauenzimmer die Gesandten auffs prächtigste. Allerhand Lust-und Freuden-Feuer werden angezündet. Germanicus läßt am Ufer des Rheins / des Römischen Gräntz-Gottes / und des Rheines / in Stein gehauene Bildnüße mit gewissen Uberschrifften eingraben. Die Priester salben sie / und opffern ihnen. Germanicus schreibt an Kayser wegen geschlossenen Friedens. Bricht folgenden Tag mit Agrippinen und dem deutschen Frauenzimmer / welches mit nach Rom reisen soll / auf. Der Legionen Betrübnüß über seinem Abschiede. Ihr Zuruffen. Der Gallier darüber habendes Leid; Welche ihm zu Ehren auf dem ersten Berge einen herrlichen Ehren-Bogen aufgerichtet / und ihn in zwölff Feldern unter der Gestalt des Mercur / mit so vielen Uberschrifften vorstellen. Ingleichen auch eine etwas kleinere vor die Agrippine / in welcher sie 5. Feldern unter der Gestalt Isis vorgebildet wird. Auf der zur Seiten der Ehren-Pforte befindlichen Säule ist eine Lobschrifft zu lesen. Germanicus setzt seine Reise fort. Die Gesandten überlieffern bey ihrer Zurückkunfft denen Fürsten des Ingviomers an den Germanicus geschicktes Schreiben. Ihr Gespräch darüber. Der Graf von Weil wird zu Ingviomern geschickt; und von diesem wol empfangen. Ingviomer lobt beyde Hertzoge wegen getroffenen Friedens. Beklagt sich gegen den Gesandten über den Grafen von Nassau. Dessen Antwort. Hält Ingviomern sein Vorhaben mit den Römern für. Seine Antwort; und fernerer Wortwechsel. Ingviomer hält den Gesandten mit der Jagt und leeren Vertröstungen auff. Seine Erklärung auf des Gesandten Anforderung. Der von ihm an den König Marbod abgeschicke Ritter Arnheim kommt in der Nacht unversehens an. Führt den Hertzog auf ein drey Meilen von dar gelegenes Schloß; Woselbst der von Adelgunden König Marbods [1310] Tochter abgeschickte Ritter Kapliers / dem Hertzog einen Brieff und Kleinod von Adelgunden einhändiget / und ihn berichtet: wie die gantze Welt Adelgunden wegen ihrer Schönheit / Tugenden / und mächtigen Vaters / geliebkoset / mit Adgandesters Ankunfft aber ihre Vergnügung abgenommen habe; weil ihn Marbod über alle andere Diener erhoben / er aber solcher Gnade gemißbrauchet / andere verachtet / und den König zu schädlichen Entschlüssungen beweget hätte. Ihr mit diesem gehaltenes Gespräch. Adgandester habe kurtz darauf den König aus dem Bober errettet / und dadurch zu Wege gebracht / daß ihm alle Gewalt eingeräumet worden /und der König nur den blossen Nahmen behalten; Ja ihn gar zum Reichs-Nachfolger und ihrem Gehülffen erkläret habe. Adgandesters Hoffart. Der Stände Ansuchen wegen eines Nachfolgers. Des Königs Antwort. Der Sarmaten und Bastarnen König liessen um Adelgunden vor ihre Söhne werben. Marbods und Adgandesters Gespräch hiervon. Adelgundens Gebehrdung gegen Adgandestern. Hält um ihre Liebe an / derer Antwort. Adgandesters Arglist und Betrug gegen den König durch angestifftete falsche Wahrsagung. Des Königs und Adelgundens Gespräch davon. Er Kapliers und Stochau hätten in dem heiligen Heyne dieser Wahrsagung nachgeforscht / und den Betrug erfahren. Unterdessen hätte der König den Adgandester öffentlich für seinen Eydam erkläret. Adelgunde wäre auf dem Schlosse Libyn verwahret worden. Arnheim sey um selbige Zeit zu Boviasmum ankommen / und alles vor Ingviomern vom Könige erhalten. Dessen veträuliches Gespräche mit ihm. Kapliers von seines Fürsten Liebe. Hätten ein Bündnüs wegen Adelgundens Befreyung mit einander gemacht. Adelgunde sey im Absteigen von dem Schlosse bey der Nacht von der Schildwacht erblicket / und hernach härter verwahret worden. Sie hätten Nachricht bekommen / daß Adelgunde mit Adgandestern in dem Bubienischen Heiligthume vermählet werden solte. Und deßwegen mit ihren Leuten in einem Walde nahe der Elbe ihnen aufgewartet. Hätten sie tapffer angegriffen / und Adelgunden auf ein Pferd gebracht; Als aber Adgandester seine Leute / die sich immer nach und nach verstärcket / zum Fechten ermahnet / sey fast alles verlohren gegangen. Biß sie unverhofft durch zwey Ritter in güldenen Rüstungen / welche sich hernach vor Boleßla den Sarmat- und Britomarten den Bastarnischen Fürsten zu erkennen gegeben hätten /mit ihren Leuten wären entsetzt / Adelgunde befreyet /und Adgandester in die Flucht geschlagen worden. Unter diesen zweyen Fürsten hätte sich hernach wegen Adelgundens Sicherheit Stritt ereignet. Sie wäre aber auf Milißows festes Berg Schloß geführet worden; Und in selbiger Nacht in grosse Verwirrung des Hauptes gerathen. Hätte ihre Liebe zu Ingviomern offenbahret. Milißows und Kapliers Gespräch deßwegen. Adgandester habe das Schloß belägert; Adelgunde aber ihn Kapliers an Ingviomern abgefertiget. Er wäre drauf verkleidet zum Ritter Arnheim kommen /hätte ihm Adelgundens Zustand eröffnet; und sich bey ihm verborgen aufgehalten. Beyde Fürsten wären auch zu Boviasmum bey ihrer Väter Gesandten angelanget; vom Könige Marbod bewillkommet / aber drey Stunden darauf mit einer starcken Wacht besetzet worden. Der Gesandten Beschwerung hierüber; Und des Römischen Botschaffters Gespräch mit dem Könige von eines Gesandten Freyheit. Kapliers und Arnheims [1311] Reise. Ingviomers Freude über dieser Erzehlung. Dessen Danckbarkeit. Berathschlagt mit den Seinen über dieser Sache. Ihren Entschluß. Ingviomer fertigt nach seiner Rückkunfft den Grafen von Weil mit Vergnügen ab; Und schleußt den Frieden mit beyden Fürsten. Geht unter dem Scheine einer Botschafft mit dreyhundert Rittern nach Boviasmum; Und von dar zu dem belägerten Berg-Schlosse. König Marbod empfängt ihn freundlich. Adgandesters Argwohn. Ingviomers Gespräch mit beyden wegen Adelgundens freyen Wahl. Adgandester stifftet unter Ingviomern /Boleßla / und Britomarten / Zwietracht. Der Kwaden König Vannius kommt im Lager an. Kapliers entdeckt dessen / wie auch Ingviomers Anwesenheit der Adelgunden. Ihr Schreiben an den Vannius; Berichtet darinnen die betrügliche Weissagung. Vannius giebts Marboden zu lesen. Dessen Meinung darvon. Vannius Einwurff. Läßt in dem Wahrsager-Heyne nachforschen. Die dahin geschickten Ritter erfahren nicht allein den Betrug mit den abgerichteten Vögeln; sondern treffen auch Britomarten daselbst an / welcher ebenfalls durch die Priester betrogen wird. Vannius eröffnet hierauf dem Marbod alles; Welches die abgeschickten Ritter ausführlich bestätigen. Marbods Eyver hierüber. Vannius Einrede. Beyder Gespräch von Adgandestern. Dessen Argwohn; sucht beym Könige Verhör / wird aber nicht vorgelassen. Seine Bestürtzung darüber. Marbod läßt ihn des Morgens vor sich fordern. Sein Vortrag gegen ihn wegen Adelgundens. Adgandesters Erklärung; Begiebt sich der Heyrath. Marbods Vergnügung deßwegen. Vannius Lobspruch. Adgandester schreibt an Adelgunden. Ihr Mißtrauen; Schickt das Schreiben uneröffnet zurücke. Welches dem Marbod gebracht; und in Gegenwart des Vannius eröffnet und gelobet wird. Vannius schreibt selbst an Adelgunden / und schleußt Adgandesters Brieff ein. Dessen Würckung. Adelgunde begiebt sich nebst ihren Rittern vom Schlosse / kommt unversehens zu ihrem Vater König Marbod / und fällt ihm zu Fuße. Wird von ihm mit Freuden empfangen. Adgandesters Demüthigung gegen ihr. Allerhand Freudensbezeigungen werden angestellet. Adgandester entfernet sich vom Hofe. Der dreyen verliebten Fürsten Freude darüber. Ingviomers Lobspruch. Der Unterthanen Freudensbezeigung. Boviasmum wird Maroboduum genennet. Marbods Einzug daselbst. Der dreyen Fürsten Ansuchung um Adelgunden. Marbod hält deßwegen mit dem Vannius Rath. Dessen Meinung. Gespräch von Hülffs-Völckern. Marbod nimmt sich der Herrschafft wieder an. Vannius macht Anstalt zu einem prächtigen Schauspiele / stellet solches in Gegenwart aller Fürsten / und unzehlichen Volcks / des Nachts auf der Königlichen Rennebahn vor. Bey dem ersten Auftritt hält die Liebe ihr Siegs-Gepränge / und sitzt nackend auf einer grossen Per len-Muschel / welche von allerhand Thieren gezogen wird / und mit zwölff Liebes-Göttern umgeben ist; So bald sich diese auf einen Königlichen Stuhl gesetzt /drückt die Natur die Gewalt der Liebe singende aus; Unter welchem fast aller Thiere Gattung erscheinen /und auf dem Altar der Liebe opffern. Der Göttin des Glückes / Lob-Gesang der Liebe. Hierauf erscheinet eine unzehliche Menge Volcks / in unterschiedene Hauffen zertheilet. Der erste bestehet aus Schäfferinnen. Der andere aus Schäffern. Der dritte aus vielen Gelehrten / und klugem Frauenzimmer. Der vierdte aus Priesterinnen. Der fünffte aus Priestern. Der sechste aus lauter Heldinnen. Der siebende aus Helden. Der achte aus mächtigen Königinnen. Der neundte aus grossen Weltbeherrschern. Der zehende aus lauter Göttern. [1312] Diese alle opffern der Liebe / nach eines ieden Art; und halten darauf ieder Hauffen insonderheit einen Tantz. Hierauf erscheinet die Staats-Klugheit auf einem von Löwen / Füchsen / und Schlangen gezogenem Wagen; Geußt Wasser ins Opffer-Feuer der Liebe / und erhält ihr eigenes Lob singende. Nach diesem kommt die Keuschheit vom Hi el / raufft der geflügelten Liebe einen ziemlichen Pusch Federn aus /und rühmt sich singende. Die Eyversucht ko t darzu aus der Erde / und singt ebenfalls ihren eignen Ruhm; Die Liebe aber lächelt nur darzu / uñ verspricht singende ein Beyspiel ihrer Macht am Könige Oenomaus zu zeigen. Der Schauplatz verändert sich hierauf in ein Königliches Zi er. In diesem erscheinet Oenomaus der König zu Elis; von dem Glücke und der Tugend geführet. Ein iedes rühmet seine Gaben. Hierauf führen sechzehn nackte Liebes-Götter so viel Griechische Helden auf; halten beyderseits einen Tantz. Und nach dem sie dem Oenomaus wegen seiner Tochter Hippodamien zusetzen / rufft er Himmel und Hölle zu Hülffe. Hierauf erscheinet der Neid zwischen denen dreyen Unholdinnen / mit einer Pech-Fackel; Leschet darmit denen Liebes-Göttern die ihrigen aus / und fället die Helden mit ihrem Anhauchen zu Bodem. Schmähet singende die Liebe / und räth dem Oenomaus / Hippodamien entweder zu tödten / oder durch die Sonne brännen zu lassen. Die Sonne erscheinet im Löwen. Oenomaus bittet sie kniende / seine Tochter zur Mohrin zu machen. Hippodamia kömmt darzu /und klagt ihrem Vater ihre Liebes-Anfechtungen; Er aber bittet Zorn und Gewalt auf / welche Hippodamien entkleiden / und nackend an eine Säule binden. Ihre Klage. Die Sonne verbrennet die sie bindenden Stricke / und giebt dem Oenomaus sein bevorstehendes Unglück singende zu verstehen. Oenomaus erschrickt darüber. Als ihm aber Klugheit und Tapferkeit zu Hülffe ko en / erholet er sich wieder / und erkläret sich singende / wer seine Tochter haben wolte /müste sein Meister im Kampfe seyn. Läst den von ihm besiegten Marmaces vor sich bringen / welchem die Rache das Messer durchs Hertze stößt. Oenomaus hält einen Tantz mit der Klugheit und Tapferkeit. Die Rache deutet denen sechzehn Helden Oenomaus Grimm an. Ihre Antwort. Der Schauplatz verwandelt sich in eine Rennebahn. Auf dem erscheinet erstlich der Kriegs-GOtt / und die Liebe. Hernach die sechzehn Helden in voller Rüstung. Auf diese die Staats-Klugheit / und Oenomaus. Die Liebe und Klugheit kämpffen zu erst mit einander / und wird die erstere überwunden. Hierauf kämpft Oenomaus mit denen sechzehn Rittern / und tödtet sie alle nach einander. Hippodamia beklagt sich über ihr Unglücke. Sie erblickt den im Tempel der Venus opffernden Pelops. Myrtilus / des Oenomaus Fuhrmann / klagt dieser Göttin seine Liebe zu Hippodamien. Die in dem Tempel verborgene Hippodamia antwortet ihm an statt der Göttin. Myrtilus folget ihrem Ausspruche; Sie aber bittet wegen dieses Betrugs die Göttin singende um Verzeihung. Pelops höret ihre Stimme. Beyde geben einander ihr Anliegen singende zu verstehen. Myrtilus ko t wieder in Tempel. Hippodamia bescheidet ihn abermals. Myrtilus trifft den Pelops an / und verspricht ihm wider den Oenomaus beyzustehen / uñ ihn zu stürtzen. Pelops uñ Hippodamia ko en wieder zusa en. Cymothoe singt von der Vermessenheit des Myrtilus. Pelops fordert den Oenomaus aus; Dieser erscheinet. Ihr Wetterennen. Oenomaus Pferde werden kollernd / uñ von seinen umschlagenden eisernen Wagen tödtlich verwundet. Erkläret den Pelops zu seinem Uberwinder. Bittet ihn am Myrtilus Rache auszuüben; uñ stirbt. Beyder Vermählung. Pelops ersäufft den Myrtilus im Meere. Die Staats-Klugheit fällt der Liebe zu Füssen / und bittet sie singende um Verzeihung. [1313] Der Liebe Antwort. Schluß dieses Schauspiels. Der Zuschauer Urtheil. Vannius hält drauf ein prächtiges Gastmaal / und ladet seine Gäste zum andern Schauspiel ein. Bey dessen ersten Auftritt erscheinet die Göttin Diana mit ihren Nymphen. Diese Preisen die Keuschheit singende. Halten einen Tantz. Atalanta verlobt sich der Dianen zu ewiger Keuschheit. Bittet sie um Schutz wider ihren Vater Schöneus / welcher sie verheyrathen wil. Diana verspricht ihr solches / und beschenckt sie. Schöneus kommt mit vielen Satyren / und wil seine Tochter wegführen; wird aber durch der Dianen Bild zu weichen gezwungen. Der Schau-Platz verwandelt sich in ein waldichtes Gebürge. Atalanta beredet viel Arcadische Jungfrauen zur Jagt / und Keuschheit; und lobt sie singende. Unter währender Jagt verstopffen die Satyren alle Brunnen / und Bäche; Weßwegen die von der Jagt erhitzten Jungfrauen diese Lust verfluchen /und Atalanten verlassen wollen. Atalanta rufft Dianen an; worauf sich ein Kwell findet. Lob des Wassers. Ein Herold berichtet von dem in Oetens Walde befindlichem grossem Schweine. Atalanta entschleust sich solches zu fällen. Der Schau-Platz stellet das Gebürge Oeta für. Atlanta findet daselbst viel Helden; welche sie nicht zur Jagt lassen wollen. Atalanta zuckt ihren Spieß / und preißt in einem Liede des weiblichen Geschlechts Helden-Muth. Die dadurch gleichsam bezauberten Helden halten einen Jäger Tantz / unter welchem das Schwein unverhofft kommt / viel verwundet / und die meisten in die Flucht jaget. Atalanta erlegts mit zwey Pfeilen. Der Helden Lob-Spruch. Meleager hängt die abgezogene Haut über Atalanten / und giebt ihr den Kopf. Der herzu gefundene Neid folget Atalanten allenthalben nach; Und hönet die Helden aus. Woran sich aber diese nicht kehren; ausser zweyen der Altheen Meleagers Mutter Brüder / gerathen darüber in Raserey / und wollen Atalanten die Beute abstreiten. Sie aber beschützet sich / biß Meleager beyde umbringt. Silenus mit vielen Satyren und Bacchischen Weibern dancken der Atalanta / und bitten um den Kopff in Bacchus Tempel. Bekommen aber davon einen Zahn. Die Liebe erscheinet / und bittet um diesen Kopff. Sie wird aber nur von Atalanten verhönet. Atalante wird von Dianen mit ihrem Opffer übel empfangen. Die aus dem Meere auf einer Perlen-Muschel hervor kommende Wollust singet Atalanten an; Wodurch diese gantz verändert wird. Die rasende Athea verfolget ihren Sohn Meleager / erblickt Atalanten / und schmähet sie. Meleager gesellet sich zu dieser. Wordurch Althea zur Rache beweget wird / welche sie singende andeutet. Die Rache bringet ihr den von den Parcen empfangenen Stock / welchen sie ins Feuer wirffet /und zugleich Meleagern verbrennet. Atalanta verflucht diese grausame That; und macht sich aus dem Staube. Der Schau-Platz verwandelt sich in eine lustige Gegend. Die Wollust stellet Atalanten eine grosse Menge Liebhaber für. Sie aber erkläret sich / den anzunehmen / der sie im Wettelauffen übertreffen würde. Die Liebhaber nehmen diese Bedingung an /werden aber alle außer einen durch sie umgebracht. Die Arcadischen Jungfrauen singen der Keuschheit zu Ehren ein Sieges-Lied. Hippomanes verliebt sich in Atalanten. Nimmt seine Zuflucht zur Göttin der Liebe; und wird von ihr getröstet. Bekommt durch ihre Anweisung drey güldene Aepffel. Fordert die Atalanta zum Wettelauff aus / und trägt vermittelst. Vorwerffung dieser güldenen Aepffel den Sieg darvon. Atalanta schämet sich [1314] erstlich / willigt doch endlich singende in seine Liebe. Beyde halten einen Tantz mit einander. Die Arcadischen Jungfrauen stimmen singende ihrer Liebe bey. Zwantzig Schäffer springen aus dem Lust-Walde hervor / und reitzen die Jungfrauen zu ihrer Liebe. Worauf alle zusammen einen Tantz hegen. Der Schau-Platz verändert sich; auf welchen die Liebe auf einem prächtigen von allerhand Thieren gezogenen Sieges-Wagen ko t; welcher die Götter und Könige allerhand Sieges-Zeichen vortragen. Die Keuschheit folgt dieser / und demüthigt sich singende vor ihr. Die Liebe antwortet ihr / umarmet und küsset sie. Schluß dieses Schauspiels. Der Zuschauer abermahlige Gedancken. Marbods Gastmahl. Vannius drittes Schauspiel. Der Schau-Platz stellet eine schöne Stadt und Tempel / und darbey allernechst einen Garten für / dessen Bäume voller goldnen Aepffel hangen / vor diesem geht ein grausamer Drache auf und nieder. Hierauf kommt die Eyversucht geflogen; bringt den Drachen unter ihrem Singen um / und verstecket sich in dessen Haut. Stellet sich sehr ungebehrdig. Der ankommende Drachen-Priester bemühet sich das Thier zu besänfftigen; es befiehlet ihm aber / dem König Antäus zu sagen / daß ihm seine Braut geopffert werden solle. Der inzwischen unter einem Nebel versteckte Tempel zeigt sich / und den darinnen für dem Bilde der Göttin nebst seiner Tochter Alceis knienden König Antäus. Alceis wird von Priesterinnen gebadet; Tingis kommt in Tempel. Der König erblickt sie / und verliebt sich in sie. Ihr Gespräch. Ein in Hispanischer Tracht gekleideter Ritter opffert im Tempel / und verliebt sich in Alceis. Der Drachen-Priester sucht den König. Gespräch mit Alceis. Ihr Bitten von der Göttin wegen ihres Vaters Liebe. Derer Antwort. Der Schauplatz stellet das innerste des Hesperischen Gartens für. Antäus und Tingis sitzen darinnen auf allerhand Blumen / und liebkosen einander. Alceis kommt darzu / und weinet. Antäus fragt sie um die Ursach. Ihre Antwort /und kläglicher Gesang. Antäus bewegt sich zwar hierüber; Tingis aber bezaubert ihn fast wiederum singende. Sein Entschluß darauf. Alceis Wehmuth. Antäus und Tingis halten einen Tantz. Hundert Africanerinnen / und so viel Phönizische Jungfrauen / reden den König um seine Liebe singende an / und halten einen künstlichen Tantz. Seine Verwirrung darüber. Tingis bringt ihn bald wieder an sich. Der zweyhundert Jungfrauen schlechte Abfertigung. Die ankommende Eyversucht frischet sie zur Rache an. Der Drachen-Priester zerstöret die Liebkosungen des Königs / und der Tingis / durch Ankündigung seines vom Drachen empfangenen Befehls. Der Tingis Wehklagen darüber. Des Königs Erklärung. Tingis fähret in ihrem Wehklagen fort. Des Königs Antwort / und Beschreibung des Drachen. Dessen Priester kommt wieder mit dem Vortrage / entweder die Tingis zum Opffer / oder die Alceis zur Braut zu haben. Des Königs hefftiger Kampff mit sich selbst darüber / und Entschluß die Alceis dem Drachen zu vermählen. Der Tingis Freude / und Liebesbezeigung. Micipsa berichtet / daß Gelo /ein Hispanischer Fürst / unter dem Schein der Andacht Alceis entführet habe. Des Königs Zorn; und Tingis Traurigkeit darüber. Der Schauplatz stellt das See-Gefechte vor / in welchem Antäus den Gelo überwindet / und nebst Alceis in Eisen und Banden zurücke bringet. Sein Urtheil hierauf / Gelo dem Drachen zu opffern / und Alceis ihm zu vermählen. Gelo wird gebunden / und Alceis geputzt zum Altare des Drachen geführet. Der Drache erscheinet. [1315] Seine wunderliche Bezeigung gegen den Gelo; giebt seine Liebe zu ihm singende zu verstehen; Bindet Alceis an einen Baum / und deutet ihr singende alle Qval an. Der Drache verwandelt sich in ein Weibsbild / welche sich mit dem Gelo umarmet. Antäus und Tingis lassen sich als Ehleute in Astartens Tempel einsegnen. Legen sich in das in dem Hesperischen Garten bereitete Braut-Bette. Die hierzu kommende Eyversucht giebt ihre Mißgunst singende zu verstehen; Schwingt sich empor / und weckt in Gestalt des Geschreyes alle Welt auf. Hercules lendet am Ufer an; steiget aus; Geht gegen dem Garten und Drachen zu / und besieget ihn / unterm singen. Eröffnet den Garten. Erlöset die Alceis / und befreyet den abgemergelten Gelo. Beyde dancken singende ihm. Hercules setzt Alceis zur Schutz-Frau des Gartens ein. Der Hesperiden Lobgesang. Halten einen Tantz. Die in Gärtners Gestalt erscheinende Eyversucht weist dem Hercules die beym Antäus ziemlich entblößt schlaffende Tingis. Worüber er gantz verzuckt wird; Und singende seine Brunst zu verstehen giebt. Wil die Tingis küssen; Die Eyversucht zieht ihn zurücke. Antäus erwacht; und wird bestürtzt. Die Eyversucht giebt ihm den nahen Verlust der Tingis zu verstehen. Antäus erschrickt noch mehr. Die Eyversucht giebt ihm einen Rath /dem Alciden Feinde zu erwecken. Als Antäus weg geht diesen Rath ins Werck zu setzen / holt die Eyversucht den Hercules zur Tingis Läger-Stadt; Deckt sie auf / und rühmet singende des Hercules Eigenschafft. Tingis erwacht; Erschrickt anfänglich / hernach aber entbrennet sie in Liebe / und giebt solche gegen dem Hercules singende zu erkennen. Hercules umarmt und küsset sie / unter singender Ausdrückung seiner Liebe. Halten mit einander einen wollüstigen Tantz. Die Eyversucht weißt solches dem darüber sehr ungebehrdigen Antäus; Und schlägt ihm Mittel zur Rache für. Beschwert hierauf die drey Unholden dem Antäus beyzustehen. Der Schau-Platz verwandelt sich in Astartens Tempel / und stellt das allernechst darbey befindliche Sonnenbild vor. Antäus kommt mit Alceis dahin / fällt vor dem Sonnenbilde nieder / und fragt die Göttin wegen seiner Tochter Vermählung um Rath. Der Göttin angenehme Antwort. Antäus befiehlt seiner Tochter in einen güldnen Apfel zu schneiden:Alceis dem Tapffersten! und solchen in der Priester Versamlung zu werffen. Als sie solches ins Werck richten wil / beredet sie die darzu kommende Eyversucht in den Apffel zu schneiden: Alceis dem Schönsten. Alceis folget ihr / und giebt ihr den Apffel zur Beförderung. Diese weißt solchen der Tingis; Worüber sie ihre Mißgunst bezeiget. Von der Eyversucht aber unterrichtet wird / in einen andern Apffel zu schneiden: Tingis dem Tapffersten. Die Herolden beruffen die Helden zum Kampffe. Die Eyversucht wirfft ihre Larve und geborgte Kleider weg / und berufft die Unholden sie zu bekräntzen. Diese erscheinen und halten einen freudigen Tantz. Kleiden die Eyversucht auffs neue in Gestalt der Liebe aus. Der Schau-Platz verändert sich in die Rennebahn; auf welcher sich Antäus mit der Tingis und Alceis / nebst eilff vornehmen Fürstlichen Rittern befinden. Gelo gesellet sich zwar auch zu ihnen; wird aber wegen seiner mit dem Drachen gehabten buhlerischen Gemeinschafft durch ihre Waffenträger über die Schrancken geworffen. Antäus lässet den Hercules suchen. [1316] Dieser findet sich zu Fuße in Schrancken ein. Die verlarvte Eyversucht kommt auf einem güldenen Wagen gefahren / und wirfft der Alceis Apffel mitten in den Kampff-Platz. Die Helden besehen ihn / und zu letzt auch Hercules; dieser wirfft ihn zu Bodem / und gehet weg. Unter denen andern Fürsten erregt sich ein grosser Streit / wer der schönste sey. Hercules Erklärung und vorgeschlagene Wahl. Antäens Widersprechung. Fordert den rechten Apffel. Die Eyversucht weigert sich dessen zum Scheine; Wirfft aber doch der Tingis Apffel in die Mitten. Hercules besiehet und lieset ihn. Erfreuet sich darüber; und fordert alle deßwegen aus. Ihre Entschuldigung. Des Hercules eigner Ausspruch. Zanck und Kampff mit dem Antäus. Bringt diesen um; und macht sich zum Besitzer der Tingis. Stellt der Alceis die freye Wahl heim. Ihr Entschluß / um sie zu kämpffen. Die Fürsten kämpffen mit einander /aber Barcas der Lybo-Phönicier Fürst erhält den Sieg; und die Fürstin Alceis / welche ihm Hercules überantwortet. Ihrer beyder Liebes-Bezeigung. Der Uberwundenen Glücks-Wunsch. Die vemumte Eyversucht kräncket sich darüber; Und wird von der darzu kommenden Liebe aller ihrer Zierde entblösset. Kreucht vor Scham unter der Liebe Wagen / und demüthigt sich singende. Wird zur Liebe Ketten-Hund gemacht. Beschluß dieses dritten Schauspieles. Abermahlige Urthel der Zuschauer. Vannius ladet Ingviomern / Boleßla / und Britomarten allein zu Gaste; Ihr Gespräch von dem letzten Schauspiele. Verbinden sich auf des Vannius Zureden schrifftlich / um Adelgunden zu kämpffen. Marbod wird hierüber erfreuet; Adelgunde aber betrübt; Doch durch Ingviomers an sie geschickten Brieff getröstet / und zur Einwilligung bewegt. Marbod läßt solches durch Herolden kund machen. Der Addelgunden nachdencklicher Traum. Die Fürsten erscheinen in ihren Rüstungen / ein ieder mit einem sonderbaren Sinnbilde und Uberschrifft in seinem Schilde / auf der Rennebahn. Vannius wird zum Richter erkieset; Und drauf geloset / wer zum ersten kämpffen solle; welches Ingviomern und Britomarten betrifft. Hierauf rennen sie gegen einander / brechen zweymahl die Lantzen / und greiffen nach dem dritten Rennen zun Schwerdtern / und kämpffen ritterlich /biß Ingviomer den Britomarten in die rechte Hand verwundet / und dadurch zum Sieger wird. Fürst Boleßla fast darüber einen hefftigen Eyver / geht unversehens auf Ingviomern loß / daß dieser sich kaum wenden und ihm begegnen kan. Hierauf kämpffen sie so wol zu Pferde / als nach Verwundung der Pferde zu Fuße / biß Boleßla hefftig verwundet und überwunden wird. Seine Erklärung wegen Adelgundens. In dem nun Ingviomer den Ausspruch vom Vannius vernehmen wil; Meldet ein Herold noch einen Fürsten an /welcher gantz schwartz erscheinet; durch den einen Waffenträger aber allerhand Striche in den Sand scharren läßt. Ingviomer stellet sich gegen ihn / und als er nach gebrochner ersten Lantze sich wendet /kommt er auf den mit Strichen bezeichneten Ort / und stürtzt mit seinem Pferde über und über. Der schwartze wil ihm liegende sein Bekäntnüs der Uberwindung abzwingen. Unversehens aber werden die Schrancken geöffnet / durch welche ein wolgestellter Ritter herfür sprengt / und den schwartzen Ritter ins Auge tödlich verwundet; dieser in der Ohnmacht liegende wird vor Adgandestern / und der Uberwinder vor Adelgunden erkennet. Ingviomers / und alles Volckes Freude darüber. Adelgunde dringt auf die Einziehung Adgandesters [1317] Waffenträger / und Untersuchung der gemachten Zauber-Striche. Der eine Waffenträger wird vor ein Weibsbild / und die Zauberin Wartpurgis erkennet /und aufgehencket; Adgandester aber in einem festen Thurm verwahret / letzlich bey Nacht auf einen Esel gesetzet / aus Boviasmum geführet / und des Landes verwiesen. Der Königlichen Räthe Vorhaben / Adgandesters Verbrechen aller Welt kundig zu machen /und des Königs Vorfahren zu rechtfertigen; Welches aber Marbod nicht verlanget. Ingviomers und Adelgundens Beylager.

Das Achte Buch
Das Achte Buch.

In der Schiffahrt des menschlichen Lebens soll / von rechtswegen die Vernunfft der Steuermann / die Gemüthsregungen aber mehr nicht als Ruder-Knechte seyn. Alleine es ereignen sich in dieser innerlichen Herrschafft so offt Empörungen / als in Reichen / und stöst bald Neid / bald Liebe / bald Rache / bald Furcht / bald eine andere Schwachheit die Vernunfft vom Steuer-Ruder weg / aus welcher Unordnung denn das Schiff unvermeidlich in Gefahr des Strandens und Schifbruchs gerathen muß. Tiberius ward von allen diesen unbändigen Sclaven gleichsam auf einmal geängstiget / seine Vernunfft und Klugheit aber ward nur zu ihren Dienstboten gemacht. Und unter diesen Regungen stieß bald diese / bald jene die andere vom Stule. Denn er hatte sich kaum über des Germanicus Verluste / dessen Tugenden ihm eitel Hertzens-Kränckungen waren / und hiermit über seinem eigenen Verluste erfreuet / als ihn schon die Ruhe Galliens sich zu grämen / die Liebe gegen seinen Sohn Drusus / und der Neid gegen den Germanicus zu beunruhigen anfieng / weil er meinte; daß jener anders nicht / als durch des andern Abnehmen wachsen könte. Insonderheit aber hörte der gegen den Germanicus geschöpffte Argwohn niemahls auf / als ein nagender Wurm an seinem Hertzen zu saugen. So offt Brieffe aus Deutschland kamen / so offt befürchtete er eine böse Zeitung / von des Germanicus gefährlichen Anschlägen zu vernehmen. Massen er denn in Gallien gewisse Leute unterhielt / welche auf alle seine und seiner Gemahlin Tritte achtung geben / und ihm alles Haar-klein berichten musten. Zu diesem Ende hatte er / nach der Spartaner Erfindung / etlichen gewisse höltzerne Rollen gegeben / um welche sie die Pergamente hüllen / und darauf schreiben musten / damit /wenn ja Germanicus diese Brieffe auffienge / sie niemand / der nicht eine gantz gleiche Rolle hat / lesen konte / als durch welche er die zerstreuten Worte /und Buchstaben Tiberius alleine eine leßbare Schrifft an einander zu fügen wuste. So offt auch vom Germanicus was gutes geschrieben ward / liessen ihn seine Thaten so wenig / als des grossen Alexanders und Hercules / den Kayser Julius schlaffen. Nur dieses war der Unterscheid: daß diesem eine tugendhaffte Eyversucht / jenem ein furchtsames Mißtrauen den Schlaff störte. Er schlieff auch selten: daß ihm nicht träumte / wie die Legionen in Deutschland und Gallien den Germanicus zum Kayser erwehleten; und er mit Hülffe der Deutschen über die Alpen gerade nach Rom zurückte. Zugeschweigen: daß ihm [1318] auch / wenn er wachte / nicht selten der Kummer überfiel: ob nicht Germanicus und Herrmann wider ihn zusammen heimliches Verständnüs hätten / wenn sie schon einander die blutigsten Schlachten lieferten. Bey dieser Unruh schrieb er dem Germanicus Brieffe über Brieffe; daß er die Wolfahrt des Römischen Reiches in Morgen-Ländern nicht länger in Gefahr / und ihn nicht Trostloß lassen solte. Germanicus schützte anfangs für: daß seine Verrichtung in Deutschland weder halb noch gar wäre / und sein Abzug von den Deutschen für eine Flucht angenommen werden / ja das Hertze ihnen wachsen würde / über den Rhein und die Donau in das Römische Gebiete einzufallen. Wenn ihm aber nur noch der folgende So er in Deutschland zu bleiben erlaubt würde / traute er dem Kriege ein Ende / und einen rühmlichen Frieden zu machen. Allein wie die zurück gezogene Seene in Bogen die Pfeile mit desto grösserer Gewalt fortschlägt / also vermehrte diese Entschuldigung des Tiberius Verlangen den Germanicus von denen gewohnten und ihn für ihren Abgott haltenden Legionen abzuziehen. Diesem nach schrieb er emsiger als iemahls vorher / und hielt ihm ein: Er solte sein selbst schonen / wenn er ja ihm seine Sorgen zu erleichtern keinen Vorsatz / und mit seiner Schwachheit Mitleiden hätte. Er hätte in so viel blutigen Schlachten seiner Ehre ein Genügen gethan / und durch so viel Siege die Römische Hoheit in sattsames Ansehen und Sicherheit versätzt. Alleine niemand müste sein Glück ermüden /welches wie die Sonne aus einem Zeichen ins andere wanderte / und sich bey einem streitbaren Löwen nicht länger als bey einem schwachen Wieder und groben Ochsen aufhielte / sondern / wenn es am höchsten gestiegen wäre / krebsgängig würde. Seine Klugheit und Tapfferkeit hätte zwar zeither für die Römer Wunder gethan / aber er solte sich darauf nicht verlassen. Der letztere Sturm und Schiffbruch hätte ihn schon gelehret: daß ein einiger Zufall den Compaß der Tugend und Vorsicht verrücken / und man auch ohne Schuld viel verspielen und zu Grunde gehen könte. Ja das Glück hätte gleichsam einen Zug grossen Leuten auffsätzig zu seyn / an einen unwerthen Thoren seine Güter verschwenderisch anzugewehren /hergegen die Tugend als ihre rechtmäßige Glaubigerin unbezahlet zu lassen. Denn diese Göttin hätte offt weder Vernunfft noch Augen / und verliebte sich wie etliche geile oder miltzsichtige Weiber so bald in einen Zwerg und Mohren / oder gar in einen Ochsen und Pferd / als in einen Hercules. Wenn er aber noch nicht vom Ruhme gesättiget wäre / würde er in Asien und Armenien zu thun genung; und also seinen Namen so wol am Sud- und Ost-Ende des Römischen Reichs als in seinem finstern Nordwinckel auszubreiten finden. Es wäre zuweilen so sehr unserer Tugend nöthig die Rennebahn / als unserm Leibe die Lufft zu ändern. Und diß wäre nicht nur sein / sondern des Rathes / und des Römischen Volckes Wille; welches sich nicht zu frieden geben wolte / biß vom Germanicus seine Sieges-Gepränge gehalten / und der Tugend ihr Recht gethan worden wäre. Dem Germanicus war diese Abforderung nicht wenig verdrüßlich / Agrippinen aber noch mehr verdächtig; sonderlich weil nicht nur Thußnelde / Ismene / und Catta / ihren Argwohn unterhielten / sondern auch eine Wahrsagerin dem Germanicus den Untergang in Asien geweissagt hätte. Ja auch die Legionen murreten hierwieder / und baten den Germanicus mit vielen Thränen / er möchte mit sich ihnen ihr Gelücke nicht entziehen. Sie wären erbötig bey ihm zu leben / für ihn zu sterben. Germanicus versuchte also noch einmahl sein Heil; zumahl sich eine neue wichtige Ursache in Deutschland hervor that; weil nicht nur Bojocal / sondern auch Segesthes und Sentia ihm glaubwürdige Nachricht gab: daß der Sicambern / Friesen / [1319] und Chauzen Hertzoge mit dem Feldherrn Herrmann so gut als verglichen wären / und den Römern auffs Früh-Jahr ein schwerer Krieg zuhienge. Dieses schrieb nicht nur Germanicus nach Rom / sondern veranlaste auch Segesthen / den Flavius / und Bojocaln zu thun. Tiberius aber ward hierüber fast unsinnig / nahm dieses auch numehr für eine offenbahre Auflehnung des Germanicus auf /wuste ihm aber weder zu helffen / noch zu rathen; schüttete also halb verzweiffelnd seinen Kummer in die Schooß des Sejan / und Salustius aus. Jener war dem Germanicus entweder aus angebohrner Unart /oder weil er seiner Gewalt am meisten am Lichten stand / Spinnen-feind / und also froh: daß er mit des Kaysers Armen und Waffen / sich an ihm zu rächen /Gelegenheit bekam; welcher Haß und Rachgier desto hefftiger war / weil Germanicus ihn nie beleidiget /und also Sejan keine Ursache hierzu hatte. Diesem nach sagte er: Germanicus hätte durch diese Widerspenstigkeit das Laster beleidigter Kayserlicher Hoheit begangen / also wäre er des Todes schuldig. Weil es aber gefährlich wäre / gegen einen / der ein gantzes Krieges-Heer zu seinen Diensten hätte / durch Recht zu verfahren / müste ihn Tiberius durch Gifft hinrichten. Wenn diß so des Kaysers Wille / wie es seine Sicherheit wäre / solte er an kluger Vollziehung des Werckes nicht zweiffeln. Denn er hätte eine weise Frau aus Syrien Martina zu seinen Diensten / welche das künstlichste Gifft in der Welt bereiten / und es einem auch durch die Lufft beybringen könte. Salustius aber vertheidigte den Germanicus: daß er keines Ungehorsams / weniger einer Untreu / oder eines grössern Lasters überführet; auch / von diesem Helden /welcher bey dem Aufstande der Legionen am Rheine lieber hätte sterben als herrschen wollen / nichts so schwartzes zu vermuthen wäre. Die Ursache seiner Entschuldigung wäre von höchster Wichtigkeit; und diese schriebe nicht nur er zum Vorwande / sondern es vergewisserten es so viel andere glaubwürdige Schreiben. Also würde es eine unerhörte Grausamkeit seyn / einen Fürsten von unvergleichlichen Verdiensten / Augustens Enckel / des Kaysers Sohn / aus so schlipffrigem Verdachte durch Gifft und Meuchel-Mord aus dem Wege zu räumen / dessen Tod gantz Rom in Aufruhr setzen dörffte / weil niemand ohne diß glaubt: daß so grosse Leute eines natürlichen Todes sterben. Diesem nach solte Tiberius ihm nunmehr schlechter Dinges befehlen: daß er ohn einige fernere Ausflucht nach Rom kommen solte. Darbey könte er ihm die Bürgermeister-Würde antragen / und andere Anlockungen gebrauchen / sich aber für nichts mehr hüten / als ihm seinen Argwohn mercken zu lassen. Tiberius schwiege eine lange Weile stille; und ob zwar Sejans grausamer Rath seiner Neigung am nechsten kam / beliebte er doch des Salustius Meinung; vielleicht weil er zwar grausam seyn / aber selbtes verborgen wissen wolte. Also schrieb Tiberius noch einmahl an Germanicus: Es könte in Deutschland sich nichts so schweres ereignen / was der Nothwendigkeit seiner Ankunfft nach Rom das Gewichte hielte. Alle Geheimnüsse liessen sich nicht sagen / weniger schreiben. Daher würde er / wo er sich sein Sohn zu seyn erinnerte / sich keiner Entschuldigung mehr bedienen / noch er als Kayser einige mehr annehmen. Deutschland steckte so voller Kranckheit / daß wenn ein Schaden zuheilte / der ander aufbräche. Er wäre zwar von Deutschland entfernet / er wüste aber schon: daß wenn Herrmann mit den Sicambern / Friesen /und Chauzen Freund werden / Ingviomer mit ihm zerfallen / und Herrmann wegen der Langobarden und Semnoner mit dem Könige Marbod in schweren Krieg verfallen würde. Diesem nach erforderte ohne diß der Römische Staat: daß / nach dem sie ihrer Rache ein Genügen gethan / sie die Deutschen in Ruh liessen /damit sie sich [1320] durch eigene Uneinigkeit aufzufressen nicht verhindert würden. Er hätte zu dem Ende schon dem Silius die Aufsicht des Rheines / und der Legionen aufgetragen / biß sein hierzu bereitfertiger Sohn Drusus dahin käme. Solte ja nun noch was zu thun übrig / und Krieg zu führen nöthig seyn / möchte er doch diesem seinem Bruder nicht mißgönnen / daß auch er gegen die streitbaren Deutschen den Nahmen eines Feldherrn führen und einen Sieges-Krantz verdienen möchte. Daher solte er nicht länger säumen /sich nichts aufhalten lassen / also im Wercke erweisen: daß es ihm nicht schwerer sey gehorsamen als befehlen. Die ihm besti te Bürgermeister-Würde /und der Bau des Sieges-Bogens / welchen er wegen wieder erlangter Adler bey des Saturnus Heiligthume zu bauen gelobt hätte / warteten auf ihn; worzu niemand den ersten Stein legen könte / als der die Adler gewonnen hätte. Hierbey lag die Vollmacht des Kaysers an Silius. Salustius aber schrieb dem Germanicus: daß er seiner Ehre und Redligkeit grossen Abbruch thun würde / wenn er die wenigste Zeit versäumte; weil es zu Rom an Verläumbdern nicht mangelte / welche sein Außenbleiben mit Untreue zu schwärtzen nicht vergässen. Kluge Leute solten aber nicht nur redlich seyn / sondern sich auch bearbeiten /dafür angesehen zu werden. Er würde also seine Feinde durch nichts mehr beschämen / als durch eine schleunige Ankunfft. Hierdurch sahe sich also Gemanicus gezwungen / dem Kayser zu antworten: daß er zu Folge seines Befehls ehestens aufbrechen und nach Rom kommen wolte.

Agrippine erschrack über dieser Entschlüssung nicht viel weniger / als wenn ihr oder dem Germanicus das Leben wäre abgesagt worden; weñ es auch bey ihr gestanden / und sie nicht gewüßt hätte / daß des Germanicus Treue unüberwindlich wäre / würde sie nicht weniger Hertze als Vermögen gehabt haben /die Legionen auf ihre Seite zu bringen / und wider den Tiberius sie zum Aufstande zu bewegen. Denn wie die Gemüthsregungen in Weibern viel hefftiger als in Männern sind / also überstiegen sie in Agrippinen das Maaß der Weiber. Hingegen ließ Germanicus nichts ermangeln sie im Schrancken zu halten / und so lang /als es möglich war / seine beschlossene Abreise geheim zu halten. Gleichwol war Agrippine so guthertzig: daß sie solches noch selbigen Tag Thußnelden /Ismemen / Zirolanen / und der Fürstin Catta offenbahrte / welche einander zeither ihre Gefangenschafft in den annehmlichsten Zeitvertreib verwandelt / und aus der tapffern Gegenwehre der Cherusker keine geringe Hoffnung zum Frieden und ihrer Erlösung gemacht hatten. So waren sie auch aller beschwerlichen Liebes-Anfechtungen befreyet / weil Siegesmund alle Hoffnung Zirolanen zu gewinnen verlohren; Malovend aber / welcher bey der Fürstin Catta das erste mahl so übel angelauffen war / kaum mehr das Hertz hatte / ihr unter Augen zu kommen / zugeschweigen ihr etwas von Liebe zu sagen. Nunmehr aber ward ihr erster Kummer wieder jung / weil sie den Zwang / mit dem Germanicus nach Rom zu ziehen / für Augen sahen / und iede ihr daselbst eine besondere Gestalt empfindlicher Beschimpfung und strenger Dienstbarkeit fürbildete. Sie wusten aber wider dieses Ubel kein ander Mittel / als die gütige Agrippine noch einmahl aufs beweglichste um Hülffe anzugehen / beym Germanicus sich umb ihre Freyheit zu bewerben. Agrippine sahe ihnen allen bey ihrer ersten Zusammenkunfft ihre neue Bestürtzung an Augen an; kam also mit Ausdrückung ihres Mitleidens ihrem Wehklagen zuvor / sie versichernde: daß sie mit Veränderung der deutschen Lufft ihre Gewogenheit nicht ändern / und an der Tyber so sehr als am Rheine um ihre Wolfahrt bekümmert seyn werde. Alle nahmen diese Erklärnug mit hohem Danck an / aber Ismene sagte: Wir wissen wol: daß eine [1321] so edle Seele der Schwachheit einer Veränderung nicht unterworffen / aber in Deutschlande Agrippine uns in Freyheit zu setzen vermögender sey / als sie besorglich zu Rom seyn dörffte / welches zu sehen / sie selber nicht ohne Kummer ist. Agrippinen giengen hierüber die Augen über; Ismene aber fieng an: Ich bin versichert / daß Agrippine in ihrer zarten Seele alles / was uns drücket / fühle; und daß sie uns zu helffen nichts als die Unmögligkeit hindern werde. Sintemahl die Thränen unglücklicher Fürstinnen gleichsam eine durchdringende Krafft des Scheide- oder Königs-Wassers / ihre Fässel aber ein gar zu grosses Gewichte haben. Wenn diese aber ihr /und das Verhängnüs uns am Wege stehet / so daß wir im Siegs-Gepränge in Rom geführet zu werden / nicht entübriget seyn können / bitte ich mir allein die Nachricht hiervon aus: daß ich dieser Schande und Dienstbarkeit mit dem Tode bey Zeite zuvor komme. Denn zu sterben mangelt es mir nicht am Hertzen; und es gilt mir fast gleich: ob mir die Natur / oder ein Feind die Bande des Lebens auflöse; oder ob ich sie selbst mit Gewalt zerreisse; aber eine Sclavin in Rom zu seyn / habe ich zu viel Schwachheit. In meinen Augen ist es erträglicher in nichts verwandelt zu werden / als alle seinen Wolstand überleben. Für das Leben redet zwar die Natur / für einen zu rechter Zeit kommenden Tod aber die Vernunfft. Diese heisset mich an jenem nicht mehr Theil haben / als hertzhafft zu sterben /daß es meinen Ahnen nicht schimpflich sey. Daher wüntsche ich mir ehe dem Drusus / oder einem andern Römischen Gotte geopffert / als einer Römerin Magd / oder des Tiberius liebes Kind zu werden / fürchte also nichts / als was kleinmüthigere / denn ich bin /aus Liebe ihres Lebens wünschen würden. Kan sie mir / großmüthige Agrippine / nun nicht die Freyheit geben / so helffe sie mir alleine: daß mich Tiberius tödten heist. Denn nichts / als diß / wil ich ihm gerne zu Willen thun. Weil ich mich selbst zum Opffer anbiete / wird er darüber so viel weniger bedencken und seine Grausamkeit den Ruhm eines Erlösers / also von mir an statt des Hasses noch Danck zu erwarten haben. Solte aber auch Tiberius grausamer seyn / als daß er mir diß gewehrte / was fast alle fürchten / wird das Verhängnüß so barmhertzig seyn / meine Tage zu verkürtzen / um meinem Unglücke ein Ende zu machen. Darüber die nicht zu klagen haben / welche mit Ehren aus dem Leben / und noch mehr die / welche aus den Ketten der Gefängnüße scheiden. Ich bin versichert / daß ob gleich derer gewaltsam sterbenden Seelen noch lange um ihre Leichen irren sollen /meine bald zur Ruhe / und zu denen Geistern der für die deutsche Freyheit verblichener Helden kommen werde / weil sie nicht einen Sonnenstaub knechtisches an sich / ja für dem Schatten der Dienstbarkeit Abscheu hat. Agrippine seuffzete / und sagte: Ihnen zu helffen / wäre nicht weniger ihre Begierde / als ihre Schuldigkeit. Ismenens letzteres Verlangen aber wäre nicht weniger eine Grausamkeit gegen sie / als gegen sich selbst / da sie eine Freundin wolte nöthigen ihr Scharffrichter zu werden. Sie wolte thun / was sie könte / und die Freundschaffts-Pflicht erforderte. Wäre aber der Rhein nicht das Ziel ihrer Gefangenschafft / so solten sie darumb nicht verzweiffeln / daß es nicht der Po / oder gar die Tyber seyn könte. Die Hoffnung müste dem Menschen nicht entfallen / so lange er noch eine Spanne von dem Abgrunde seines Verterbens entfernet wäre / ja die Göttliche Versehung prüfete ins gemein durch die eusserste Gefahr der Menschen Beständigkeit / und machte dadurch ihre wunderbare Hülffe werther / daß sie vorher die Noth recht liesse an Mann kommen. Thußnelde versätzte: Meine bißherige Bezeigung hat hoffentlich zeither noch nicht allzuviel Blössen der Kleinmüthigkeit gewiesen. Alleine nach dem die Hoffnung zwar ein gutes Frühstücke / aber ein schlechtes Abend-Brodt ist / [1322] kan ich länger nicht meine Schwachheit verstellen. Sintemahl ich mir die Rechnung unschwer machen kan: daß da unsere bißherige Bestrickung in dem rauen Deutschlande durch die holdselige Agrippine zum Rosen-Garten gemacht worden / das wollüstige Italien uns durch ihre Entfernung eine bangsame Einöde / und ein schrecklicher Kercker seyn werde. Wenn wir aber auch gleich daselbst in itzigem Zustande leben solten / würde mir doch die weitere Entfernung von dem mich beseelenden Herrmann / dessen mir täglich zur Wissenschafft gekommenen Thaten mich noch immer in Hoffnung / und beym Leben erhalten haben / viel unerträglicher als der Tod seyn. Agrippine fiel ein: Sie möchte sich doch nach so langer Beständigkeit nicht weh- und kleinmüthig überwinden lassen / noch auch zu ihr / weniger zu der Göttlichen Versehung / welche in Italien nicht schwächer / als in Deutschland wäre / einiges Mißtrauen sätzen; oder ihr selbst für der Zeit Berge unüberwindlicher Schwerigkeiten fürbilden. Thußnelde begegnete ihr: Ein kluger Schiffer wisse aus Auffsteigung einer kleinen Wolcke schon die Grösse des bevorstehenden Sturmes zu erkennen / solte sie denn so blöde Augen haben / daß sie bey solcher Veränderung den Schiffbruch aller ihrer Hoffnung und Wolfarth nicht für Augen sähe. Also wäre mit Ismenen auch nunmehr ihr Wunsch nichts anders als der Tod. Agrippine brach ein: Man bildete ihm dieses Ungeheuer in der Ferne so schrecklich nicht ein / als es in der Nähe sich zeigte. Die Natur entsätzte sich für keinem Ubel der Welt so sehr / als für diesem / welches die gantze Welt verstellte / die Erde verwüstete / mit der Tugend nicht gelinder als mit den Lastern umgienge / und so abscheulich wäre: daß sein blosses Gemählde die hertzhafftesten Gemüther in Schrecken versätzte. Thußnelde holete einen tieffen Seuffzer aus dem Hertzen / und fieng an: also urtheilte auch ich / wenn ich Agrippine / und vom Germanicus nie getrennt gewest wäre; Aber wenn Agrippine an Thußneldens Stelle wäre / würde sie mit ihr einerley Meinung werden /nemlich daß die Abwesenheit von dem / den man hertzlich liebt / der Anfang aller Schmertzen / das Ende aller Vergnügung / also das unerträglichste Weh / und ein kurtzer Begrieff aller Ubel sey. Der Tod raubte freylich zwar uns alle Blumen / er leschte mit unserm Leben die süsse Flamme der Liebe aus / aber er liesse doch nicht / wie ihre Abwesenheit / so viel Dornen hinter sich. Mit jenem stürben auf einmahl Lust und Schmertz; die Entfernung aber machte alle mit dem Tode aufhörende Ubel lebendig. Agrippine brach ein: Das Leben wäre gleichwol das gröste Geschencke der Götter / und der süsseste Genüß des Menschen / welches auch die elendesten lieb hätten /und zu erhalten Sorge trügen. Thußnelde antwortete: Sie hielte es für ein blosses Mittelding / welches nach dem Unterscheide der Umstände nicht weniger böse /als gut seyn könte. Ja welches vielen alleine nur zur Straffe und Pein gelassen zu seyn schiene. Der Tod hingegen könte denen nur so schrecklich fürkommen /welche ihn mehr mit den Augen des Leibes als der Seele ansähen / welche sich mehr als ihre andere Seele liebten / und nicht lieber nichts mehr sehen wolten. Agrippine hätte ja in sich selbst die zarteste Fühle einer vollkommenen Liebe / also möchte sie doch nur an ihr selbst ausmässen / was die ewige Trennung der von der Liebe und der Vernunft zusammen geschmiedeten Kette für eine Empfindligkeit nach sich ziehen müsse. Der Tod scheidete ja wol freylich auch Leib und Seele von einander / und wäre eines der grösten Ubel / aber doch so natürlich / als das Leben / und weder was ungemeines noch unverhofftes / besonders denen / welche verstehen: daß unser erstes Athemholen schon das Leben auszublasen anfange. Alleine die Trennung der Liebenden wäre etwas / welches der in der Vereinbarung der Seelen bestehenden Liebe schnurstracks zu wieder / ihr[1323] ärgstes Gifft wäre / und sie bey weitem viel unglücklicher / als der allen Menschen gemeine Tod machte; Keine Zunge / kein Seuffzer / ja keine Gedancken vermöchten diesen Schmertz auszudrücken; und sie /welche nur allererst in Agrippinens Anwesenheit den Vorschmack hiervon empfunden / wüste es nichts anderm zu vergleichen / als mit der Pein des Tityus /welchem in der Hölle eine Schlange oder Geyer seine stets mit dem Mohnden wieder wachsende Leber aus dem Leibe fressen solte. Der Tod hätte zwar seine Bitterkeit / aber doch diesen Vortheil: daß es die letzte wäre / aber die Abwesenheit wäre eine Mutter der Unruh / eine Gebährerin der Schmertzen / oder vielmehr ein Anfang vieler folgenden Tode. Dort verzuckerten die zusammen gemischten Thränen beyder verliebter Seelen die Wermuth des Sterbens / ja des einen Abschied liesse gleichsam des Erbleichenden Seele in des Liebhabers Armen zur Verwahrung; hier aber preßte einem ieden die traurige Einsamkeit das Hertze aus dem Leibe / und überschüttete es mit eitel Verzweiffelung. Agrippine fiel ein: Nichts als der Tod wäre das Ziel der Verzweiffelung / die Abwesenheit aber hätte sich biß auf den letzten Athem mit der süssen Hoffnungs-Milch der Wiedervereinbarung zu speisen / durch welche Gifft und Galle des grössesten Elendes verzuckert und schmackhafft gemacht würde. Ja wenn man das Besitzthum dessen / was man liebet / gegen die Hoffnung / solches wieder zu erlangen /auf die Wage legte / würde diese überschlagen. Sintemahl der Besitz die Seele gleichsam truncken machte: daß sie ihr eigenes Gut nicht recht erkennete / weniger dessen wahrhaffte Süßigkeit schmeckte / sondern vielmehr einen Uberdruß und Eckel für der vollkommensten Wollust verursachte / die Hoffnung hingegen ermunterte den Geist / schärffte alle Sinnen / zeigte einem das Gute in seiner Reinligkeit / gäbe selbtem auch einen viel anmuthigern Geschmack / als der Genuß selbst. Denn sie scheidete von dem Guten alles böse / wie das Feuer das Gold von den Schlacken. Sie wäre das Kraut / welches die Fühle und das Gedächtnüß des Bösen weg nähme / die Wermuth alles Bösen / und das Saltz-Wasser der Thränen verzuckerte / also daß man sie mit Wahrheit die Blüte der Ergetzligkeit / und den Zucker der Wollust nennen könte. Thußnelde antwortete: Mit dieser Speise könte man sich zwar / wie ich bißher / eine zeitlang sättigen; Aber es langte ihre Nahrung nicht länger / als das Saltz in der Lufft zu / welche neben sich kräfftigern Unterhalt erforderte. Also könte sie in die Länge nicht tauern / und wäre nicht weniger denen / welche nicht mehr glücklich seyn könten / nichts nütze / als denen /die es schon wären / unnöthig. Es wäre nun schon im andern Jahr: daß sie eine Gefangene gewest / und alle Tage mehr als diesen letztern / ihren Herrmann wieder zu umarmen Hoffnung gehabt hätte. Nunmehr aber lehrte sie die Erfahrung: daß diese süsse Einbildung nur ein vom Ungewitter gemachter und zerblasener Schaum / ein vom Winde zertheilter Rauch / und ein verschwindender Traum wäre / welcher dem Gemüthe kein Wesen / sondern nur Gespenster und Undinge für Augen stellte. Daher sie mit ihr selbst gleichsam uneins wäre: ob sie die Hoffnung / welche mit der Zeit nicht wüchse / sondern immer ohnmächtiger würde /bey tausendfachem Zweiffel das Gemüthe mehr ängstigte / als mit leeren Vertröstungen erqvickte / und endlich sich ins Ungeheuer der Verzweiffelung verwandelte / nicht mehr für eine Betrügerin als Aertztin halten solte; welche wenn sie gar gütig mit einem handelt / selbten ins gemein im Angesichte des hell-leuchtenden Pharos zu Grunde gehen liesse. Agrippine begegnete ihr: ins gemein wäre unsere Ungedult Ursache an dem Schiffbruche / welche die Früchte der Hoffnung nicht reiff werden liesse / sondern für der Zeit selbte aus Unwillen abschlüge; da doch die Hoffnung nicht ehe als mit [1324] dem Leben aufhören solte / als welche nicht weniger in unserm Hertzen / als in Pandorens Büchse bleiben solte / wenn schon alles andere Gute daraus flüchtig würde. Zumahl auch niemand leben könte / der nicht hoffte / ja man ins gemein dem Hafen am nechsten wäre / wenn der Wind unser Schiff umwendete / und es auf Klippen und Sand-Bäncke zu verschlagen sich anstellte. Mit einem Worte: Nichts in der Welt wäre so böse / oder könte gedacht werden / welches die Hoffnung nicht zu verdeuen und in gute Nahrung zu verwandeln nicht mächtig wäre. Thußnelde antwortete: Ich wil diese kräfftige Würckung in allen Trübsalen der Hoffnung zutrauen / nur nicht in den Zufällen der Liebe / welche niemahls ohne Furcht / wie kein Tag ohne Schatten ist. Dahero / wenn die Hoffnung einer getrennten Liebhaberin gleich einen Entwurff erfreuter Wiedersehung machte / leschte doch die viel stärckere Furcht im Augenblicke ihren gantzen Abriß ein / ehe er anfienge ein Bau zu werden. Mahlete jene ihr heimlich Wetter für / so dreuete diese eitel Donner und Hagel; also / daß die zwar aufwallende / aber immer von der Furcht ersteckte Hoffnung / nur mehr Ungewitter in ihrer Seele verursachte / als sie befriedigte / und sie daher nach dem Tode zu seuffzen Ursach hätte / damit sie aus dem Sturme einmahl zur Ruhe käme. In diesem Zustande wäre nun sie / ihre Liebe stellte ihr ihren Herrmann viel vollkommener für / als in seiner Anwesenheit / um nur ihren Verlust zu vergrössern /ja die Eyversucht selbst mischte sich in ihre Qvaal ein. Daher würde ihr niemand ausreden: daß etwas anders als ihr Grab ihren Schmertzen ein Ende machen würde / die ihr wegen Abwesenheit ihres Herrmanns das Hertze ausfrässen. In diesem würde ihre unglückliche Abwesenheit in den Stand derselben Frauen kommen / welche niemahls von ihren Ehmännern wären getrennt gewest; denn die in der Grufft befindliche Finsternüß liesse uns die Sachen der Welt nicht mehr unterscheiden / und wie abscheulich der Tod gleich gemacht würde / hörte er doch in dem ersten Augenblicke seiner Ankunfft auf was empfindliches zu seyn / und heilete uns so geschwinde / als er uns tödtete / weil man mit ihm alle Fühle / Erkäntnüß und Andencken des Ubels verliere / und gleich Liebe /Haß / Eyversucht / Freude / Rache / und Furcht ihren Geist ausbließen. Andere / welche keine so zarte Fühle und gegen ihre Liebhaber lauere Liebe hätten /möchten sich mit einer süssen Einbildung statt ihrer Männer halsen und vergnügen / aber nicht die so hertzlich liebende Thußnelde / welcher Wunden weder Zeit noch Vernunfft heilen würde. Sie hätte alles verlohren / was ihr Glücke und Eitelkeit rauben könte / ausser dem Leben / welches ihr aber nur eine Bürde / und eitel Verdruß wäre / also möchte die barmhertzige Agrippine ihr nur vollends von diesem helffen. Sie / leider! würde doch ihren Herrmann nicht mehr lebendig sehen / also müste sie wünschen ihn nimmermehr mehr zu sehen. In eine so erbärmliche Nothwendigkeit ihr so was arges zu wünschen / hätte sie der Himmel versätzt! Die Sterbenden vertrügen kein Ubel / als was allen Menschen gemein wäre; Sie hingegen machte die so lange Trennung zur unglücklichsten ihres Geschlechtes. Die zeither so annehmliche Gesellschafft fienge ihr numehr an verdrüßlich /und die Einsamkeit unerträglich zu seyn / in welcher man diß suchte / was man nicht findete / und alles sähe / ausser dem / was man vergebens zu sehen wünschte. Mit einem Worte / sie seuffzete nach dem /was alle Welt fürchtet und fleucht / nemlich nur bald zu sterben / nach dem bereit alle Hoffnung der Freyheit in ihr todt wäre. Diesen Schluß begleitete sie mit so viel Thränen und Wehmuth: daß Agrippinen hierdurch das Hertze auffs tieffste gerühret ward / und weil die Römerin Lollia ins Zi er trat / ihre eigene Wehmuth zu verbergen / sich von ihnen entfernen muste; nach [1325] dem sie Thußnelden mitleidentlich vermeldet hatte: Sie wolte ihr eusserstes thun / ihre Hoffnung wieder lebendig zu machen. Denn dieses Regung hätte dieses Vorrecht: daß sie ein holder Blick des Glückes / wie Kunst und Feuer die Blumen aus ihrer Asche wieder erwecken könte.

Agrippine wuste zwar für ihren eigenen Kummer kein Mittel / dorffte sich auch nicht mehr unterstehen /dem Germanicus seine Reise nach Rom schwer zu machen; gleichwol vergaß sie nicht für ihre Gefangene zu sorgen. Nach dem sie nun die gantze Nacht auf ihre Befreyung vorgesonnen / redete sie des Morgens bey denen Umarmungen ihres Germanicus / ihn an: Er wäre nunmehr entschlossen nach Rom zu kehren / und sie ihm zu folgen / wenn sie schon wüste: daß daselbst tausend Tode ihrer warteten. Denn sie wüste: daß das / was einem das Verhängnüß zugedacht hätte / zu vermeiden unmöglich wäre. Sie könte den Göttern auch nicht verdancken: daß er mit mehr Lorber-Kräntzen / als alle Römer für ihm aus dem Deutschlande nach Rom zum Sieges-Gepränge züge; dieses aber kränckte sie im Hertzen: daß der neidische Tiberius ihm den alleredelsten Friedens-Krantz vom Scheitel risse / und solchen dem blöden Drusus aufzusätzen: und selbtem den Ruhm zuzueignen: daß er den Krieg in Deutschland ausgemacht hätte. Ihrem Bedüncken nach aber würde es dem Germanicus ein leichtes seyn / diese Oelzweige seinem ungeschickten Nachfolger voran weg zu nehmen / und weil er durch keinen neuen Feldzug mehr dörfte / durch einen schleunigen Friedenschluß dem Kriege ein Ende zu machen. Das Recht diß zu thun / hätte er als Feldherr / und Tiberius hätte diese Gewalt in seinem Schreiben ausdrücklich verneuert / da er für rathsam zu seyn befunden / die Deutschen ihrer eigenen Zwietracht zu überlassen / welches ohne Friede sich nicht bewerckstelligen liesse. Die Mittel hierzu bestünden in Germanicus eigenen Händen / nemlich das gefañgene deutsche Frauenzimmer / gegen derer Freyheit so wol die Catten als Cherusker mit ihren Bundsgenossen gerne einen ehrlichen Frieden eingehen würden / mit welchen im Sieges-Gepränge Germanicus ohne diß seine über die Männer erworbene Siege verkleinern /er auch selbst mit dem schwächern Geschlechte seinen Sieg und Einzug zu zieren / viel zu großmüthig wäre. Germanicus schwieg eine gute weile stille / und dachte Agrippinens Vorschlage nach / welche / ausser in Staats-Sachen / sein Hertz in ihren Händen hatte. Uber eine gute weile fieng er an: Was haben wir für Grund: daß die Deutschen sich zu einem billichen Vergleiche beqvämen werden? Wer versichert uns: daß sie dem Flavius sein Erbtheil / dem Malovend und Bojocal ihre Länder abtreten werden / welche als unsere Bundgenossen / ohne der Römer gröste Verkleinerung / keinen Fuß breit Erde im Stiche lassen können? Wer wird in so kurtzer Zeit / die ich noch hier zu bleiben habe / der Friedens-Mitler seyn / weil mir einen Frieden vorzuschlagen nicht ansteht / die Deutschen aber ihn zu bitten / besorglich zu viel Hochmuths hätten. Agrippine versätzte: Sie hätte allen diesen vorgesehenen Schwerigkeiten schon nachgedacht / und auf Mittel vorgesonnen. Sie wäre versichert / und wolle selbst fast Bürge seyn; daß wenn alles Frauenzimmer / und Herrmanns Sohn loß käme / dieser dem Flavius ein Stücke Landes / dem Malovend und Bojocaln ihr Eigenthum einräumen; die Deutschen auch ausser dem / was sie besässen /nichts über dem Rheine verlaugen würden. Im übrigen möchte er ihr die Sorge lassen / es so einzurichten: daß Herrmann und Arpus diese Friedens-Vorschläge selbst thun würden. Germanicus rettete hierdurch seine Ehre / führe dem Neide / und der unzeitigen Ehrsucht durch den Sinn / und leistete dem Römischen Reiche den nützlichsten Dienst. Denn Rom käme mit Ehren aus einem Kriege / welcher ihre Kräfften [1326] und Länder erschöpfft hätte. Gallien würde in Sicherheit gesetzt / in welches / allem Ansehen nach / sich künfftig der Krieg spielen / und seinen Sitz erkiesen dörffte. Die Cherusker aber müsten wegen der abgefallenen Langobarden und Semnoner mit dem Könige Marbod in einen grausamen Krieg verfallen / welches Rom / itziger Zeit Beschaffenheit nach / für sein gröstes Glücke zu halten / und gleichsam das Fleisch gifftigster Nattern / zu seiner Speise zu verbrauchen / und ohne Gefahr in sein Fleisch und Blut zu verwandeln hätte; Weil Herrmanns Muth /und Marbods Macht / den Römern mehr / als kein Mithridates oder Hannibal zu fürchten wären. Germanicus ward nicht so sehr durch Liebe als Vernunfft gezwungen / Agrippinen Beyfall und Gewalt zu geben /nach ihrem Vorschlage alles einzurichten. Diese kam zu dem gefangenen Frauenzimmer mit grossen Freuden / und sagte: Sie hätte ein Mittel zu ihrer Befreyung gefunden / und stünde es nunmehr in ihrer und der ihrigen Gewalt / sich in Ruh / und die Gefangenen in Vergnügung zu sätzen. Alle waren so begierig solches zu vernehmen / als über so guter Zeitung erfreuet. Thußnelde fieng an: Agrippine wäre dem Castalischen / oder dem bey der Stadt Naupactus hervor brechenden Brunne zu vergleichen / weil sie alle Tage eine gantze Landschafft mit Wolthaten / wie jene Qvelle mit Wasser zu versorgen / vermöchte. Nach dem nun diß der einige Weg wäre / sich GOtt gleiche zu machen / hätte Rom noch niemanden so würdig vergöttert / als sie diese Ehre verdiente. Solte es aber auch Rom nicht thun / so würde doch / ungeachtet sonst in der Welt nichts ehe / als Wolthaten veralterten / ihr Gedächtnüß in ihren Hertzen und in Deutschlande unsterblich seyn. Agrippine antwortete: Es wäre der / welcher sich nicht mühete / wolthätig zu seyn /den Nahmen eines Menschen zu führen / nicht werth /ja er könte kein tüchtiges Glied einer Stadt seyn / sintemahl die Natur den Menschen wegen des Menschen geschaffen / die Vernunfft aber zu verwechselter Wolthätigkeit / die bürgerlichen Versamlungen erfunden hätte. Diesem nach käme sie durch ihre wenige Dienste nur ihrer Schuldigkeit nach / und hätte daraus keine Verdienste zumachen / oder Thußnelde auf eine so reiche Vergeltung vorzusinnen. Zumahl die Wolthaten allen ihren Werth einbüßeten / wenn sie den kleinsten Angel-Hacken des Eigen-Nutzes an sich hätten. Thußnelde versätzte: Die Wolthätigkeit verliere freylich zwar ihren Preiß / wenn man damit wuchern wolte / und auf Vergeltung Absehen sätzte; dieses aber hiebe das Verbündnüß der Danckbarkeit nicht auf / sondern es lebte nichts heßlichers auf Erden / als ein unerkenntlicher / oder vergeßlicher Mensch / welcher die genossenen Wolthaten wie grosse Meerwirbel die Schiffe verschlinge / ohne daß man von selbten iemals was wieder zu Gesichte bekäme. Agrippine antwortete: Es wäre schon Danckes genug / wenn iemand die Wolthat annehme / und nicht verschmähete. Daher auch niemanden danckbar zu seyn / durch einige Gesätze aufgebürdet wäre. Käme aber zu der willigen Annehmung einer Wolthat was mehres / so wäre es selbst eine Ubermaaße / und Wolthat. Thußnelde begegnete ihr: Meden / Persen /Athen / und Macedonien / solten allerdings ein Recht haben / Krafft dessen die Undanckbaren von Wolthätern belangt / und von der Obrigkeit gestrafft werden könten. Wo aber dergleichen nicht wäre / hätten die Gesetzgeber gemeint / daß der geheime Trieb der Natur und ihr Gesätze / gleiches mit gleichen zu vergelten / schon genung wäre. Wie lange hätte zu Rom der Eltern / und Kinder-Mord / so wenig als Undanck einig eusserlich Verbot gehabt / deßwegen aber wäre jener so wenig als dieser zuläßlich / welcher die Wolthaten zu Wasser machte / und also ein rechtes Gifft des menschlichen Lebens wäre. Zu dem erstreckte sich ihr Vermögen nicht weiter / als Agrippinens Gutthätigkeit [1327] mit den schwachen Wehen ihres guten Willens / und mit den fruchtlosen Blättern ihrer Worte zu vergelten / welches eine Zahlung der Bettler / oder Sinnenbilder ohne Uberschrifft / nehmlich Dinge ohne Seele wären. Eine einige Wirckligkeit aber hätte mehr Nachdruck / als zehn Dancksagungen / wie ein Maaß Erde mehr Wesen als zehn Maaß Wasser. Agrippine fiel ein: Wer an würcklicher Vergeltung verhindert würde / gäbe mehr durch seine Kränckung / daß er nichts geben könte / als ein vermögender mit vieler Freygebigkeit. Uber diß möchte sie doch ihr weniges Wolwollen nicht mit so grosser Erkenntligkeit beschämen / oder auch selbter zuvor kommen / sondern wenigstens vorher vernehmen / ob sie ihnen etwas gutes thun könte / und ihr Vorhaben anständig seyn würde. Thußnelde versätzte: Sie erwarteten ihre Hülffs-Mittel mit gröster Begierde / wären aber wol versichert / daß eine so kluge und treuhertzige Fürstin für sie nichts unanständiges im Vorschlage haben könte. Agrippine fieng hierauf an: Ich habe beym Germanicus zu wege gebracht / daß wenn Hertzog Herrmann und Arpus ihn darum ersuchen / er mit ihnen einen ehrlichen Frieden schlüssen / und für seinem Abzuge sie alle frey lassen wolle. Das deutsche Frauenzimmer konte keine bessere Zeitung ihnen wünschen / als sie aus Agrippinens Munde vernahmen / daher auch ihre Hertzen / gleichsam als zu enge Gefässe / von Freuden überlieffen. Thußnelde aber hielt mehr an sich / und fieng an: Weil Agrippine sie eines ehrlichen Friedens vertröstete / hoffte sie / Germanicus würde die Deutschen zu keinem schimpflichen oder ihrer Herrschafft nachtheiligen Bedingungen anzustrengen begehren. Denn ob schon Hertzog Herrmann sie sehr liebte / traute sie sich doch nicht /ihrer Freyheit halber ihm einen unanständigen Frieden anzumuthen. Sintemahl sie sich wol bescheidete / daß zwar sie Herrmanns / die Herrschafft aber des Cheruskischen Hertzogs Gemahlin wäre / sie auch dieser willig nachgienge / und aus dem Wege träte. Ja sie wolte ehe hundert Jahr gefangen seyn / und in der Dienstbarkeit sterben / als ihr zu Liebe die Freyheit der Cherusker einigen Anstoß / und des deutschen Feldherrn Herrschafft einigen Abbruch leiden solte. Agrippine erklärte sich: daß sie hierüber ihr keinen Kummer zu machen / sondern sich auf ihr Wort zu verlassen hätte: Es solte dieser neue Friede auf den Fuß des Alten gegründet werden. Thußnelde seuffzete hierüber / und fieng an: Es ist diese nicht weniger eine heilsame / als großmüthige Erklärung. Denn die ein Theil zu sehr drückende Frieden können unmöglich tauerhafft seyn. Aber zu was Ende haben wir so lange Krieg geführt / so viel Länder verwüstet / so viel Menschen-Blut vergossen / welches viel werther als flüssendes Gold zu halten ist? Warum haben nicht so wol Römer / als Deutsche / sich an dem ersten Friede vergnüget? zu was Ende mühen sich die Menschen kriegerischer als wilde Thiere zu seyn / da doch die Natur jene ohne alle Waffen / und also augenscheinlich zum Friede / diese aber zum Kriege geschaffen /und daher die Krocodile mit einem Pantzer / die Schildkröten und Schnecken mit festen Schalen / die Krebse mit Scheeren bedecket / die Löwen und Panther mit scharffen Klauen / die Adler und Falcken mit Nägeln / die Schweine mit Zähnen / die Ochsen mit Hörnern / den Elephant mit einer langen Schnüchtze /den Igel mit Spitzen / die Schlangen mit Giffte zur Beleidigung ausgerüstet hat. Der unsinnige Mensch aber wil mit Gewalt wider seine Eigenschafft und den Willen der Natur / des andern Wolff seyn / suchet daher mit Lebens-Gefahr aus den Eingeweiden der Erde Gold und Stahl herfür / daß es ihm weder an Werckzeugen noch Mitteln zum Kriege fehle. Agrippine antwortete: Freylich wol ist dieses eine scheltbare Raserey der Rachgierigen und Ehrsüchtigen Menschen / welche ihre Zwistigkeiten [1328] mit den Waffen der Vernunfft nicht wilder Thiere erörtern solten. Und wenn die Waffen ja zu was nütze wären / solte man mit selbten nur den Frieden beschirmen / nicht nach der Eitelkeit des Sieges streben. Daher auch niemand zum Friede geneigter wäre / als großmüthige Leute; hingegen grieffe niemand eher zun Waffen / als die Kleinmüthigen / und welche ihrer selbst nicht mächtig wären. Derogestalt wäre es freylich viel besser gewest / wenn weder Deutsche noch Römer etwas über dem Rheine zu besitzen lüstern gewest wären / nach dem das Verhängnüs zumahl Sonnen-klar wiese: daß selbtes so wol als die Natur diesen Strom zu beyder Erbscheidung erkieset hätte. Sie wüste auch dem Kriege sonst wenig gutes nachzurühmen / nach dem selten der Gewinn dem vollkommensten Sieger die Kosten zahlte / als daß man im Kriege ins gemein Friede mit der Tugend / im Friede aber Krieg mit ihr hätte. Germanicus hätte hoffentlich zeither gewiesen: daß er im Kriege ein Mañ wäre / nunmehr aber würde er durch den Frieden erhärten / daß er kein wildes Thier sey. Thußnelde nahm diese Versicherung zu Danck an /und sagte / sie hätten einem so tapfferen Helden so vielmehr zuzutrauen; daß er dem Kriege ein Ende machen würde / an dessen Anfange er keine Schuld trüge. Alleine sie würden doch dieses heilige Werck am meisten Agrippinen zueignen / welche / um eine vollkommene Friedens-Mitlerin abzugeben / sich gleichsam enteusserte eine Römerin und des Germanicus Gemahlin zu seyn; Daher im Fall Rom für eine Göttin zu halten wäre / die Römer billich Agrippinen für ihre friedfertige Iris zu verehren haben würden. Nach diesen und andern höflichen Liebesbezeugungen / vertröstete so wol Catta: daß ihr Vater Hertzog Arpus / als Thußnelde / Agrippinen: daß ihr Herrmann ihnen zu Liebe / kein Bedencken haben würden / dem Germanicus diese Ehre anzuthun / den sie ohne diß fürlängst für den tapfersten aller Römer geschätzt hätten. Agrippine erzeigte sich über dieser Erklärung eben so sehr vergnügt / und sagte: sie solten nur auf Mittel / dieses ins Werck zu richten / vorsinnen / und nicht säumen / damit kein Unstern dieses heilige Werck störete. Um die Freyheit und Sicherheit in Deutschland zu schreiben / und iemanden zu senden /solten sie unbekümmert seyn / ließ sie also zu ihrer Rathschlagung alleine. Es dorffte aber keines langen Berathens. Denn Thußnelbe erkiesete mit aller Gefangenen Gutheissung / Uffeln / und die Fürstin Catta Osten / zwey bey den Römern gefangene Edelleute nach Deutschburg und Mattium zu schicken / und auf Ismenens Gutachten / ward die verschmitzte Hermengarde gleichfalls an beyde Höfe zu reisen / und den Zustand ihrer Gefangenschafft eigentlich zu eröffnen /erkieset. Die hiervon benachrichtigte Agrippine brachte noch selbigen Tag diesen dreyen vom Germanicus freye Geleits-Brieffe zu wege. Thußnelde schrieb an den Feldherrn folgenden Inhalts: Unvergleichlicher Herrmann. Meine Wolthäterin Agrippine hat mir zu Liebe vermittelt / daß wann die mit den Römern kriegende deutsche Fürsten dem Germanicus anbieten / den mit dem August geschlossenen Frieden einzugehen / er solchen anzunehmen entschlossen sey. Nimm es nicht übel auf / daß ein Weib sich unterstehet die Friedens-Vorschläge zu thun. Schreib es nicht meinem Vorwitze / mich in Reichs-Geschäffte zu mischen / sondern der Hefftigkeit meiner Liebe zu. Denn niemand kan oder soll hefftiger lieben als eine Eh- Frau. Ich und alle Gefangene sollen auf solchen Fall zwar loß werden; Aber wenn dieses deiner Ehre verkleinerlich / dem Vaterlande nachtheilig ist / so verschmähe diesen Frieden / und lasse mich biß in Tod eine Gefangene seyn / ob zwar dieser den Liebenden nicht so herbe / als eine verzweiffelte Abwesenheit ist. Lasse mich immer den Germanicus zu Rom im Sieges-Gepränge einführen / wenn du nur über die Männer in Deutschland [1329] siegest. Denn jener wird mit einem Weibe nur seinen Sieg verdächtig / du aber durch ihre Verachtung deine herrlich machen. Lasse keine zarte Empfindligkeit über meiner Gefangenschafft die Grund-Gesätze der gemeinen Wolfarth erweichen. Denn ich würde auch in Fesseln freudig seyn / wenn ich nur / wie zeither / auch hinfort von noch mehrern dein Haupt umgebenden Lorber-Kräntzen hörte. Verfolge diesem nach deinen Ruhm / dein Glücke / und lasse mich lieber eine vergnügte Gefangene / als ein Fallbrett deiner Ehre seyn. Denn ob ich zwar weiß / daß du mich liebest; so bescheide ich mich doch: daß die Ehre der Liebe / nicht die Liebe der Ehre müsse fürgezogen werden. Liebe mich also nicht mehr / als deine erste Ehgenoßin / nemlich die Herrschafft / und als einem Fürsten ansteht / und verwirff den Frieden mit meiner Loßlassung / wo er dir nicht ehrlich zu seyn scheinet. Aber ach! ein einiges Andencken schlägt alle meine Hertzhafftigkeit zu Bodem! Ich kan mich wol als Gemahlin überwinden /deiner süssen Umarmungen zu entbrechen; meine Großmüthigkeit ist stärcker / als die stärckste Liebe /aber mein Mutter-Hertze kan ich aus meiner Brust nicht reissen. Meine Wehmuth räthet mir alles verkleinerliche einzugehen / wenn ich meine Augen auf den noch allhier gefangenen Sohn des grossen Herrmanns werffe. Bey seinem Feinde Frieden suchen /scheinet ja wol eine Erkäntnüß seiner Schwäche zu seyn; aber wäre es nicht eine mehr als steinerne Härtigkeit um diesen Nadelknopff eiteler Ehre seinen Sohn in Stich setzen. Ich würde als eine Mutter für deinen Sohn noch viel reden / wenn ich für seine Freyheit was sagen könte / welches nicht zugleich für meine stritte. Alleine deine Vernunfft darff keines weiblichen Unterrichts / und deine Vater-Liebe keines mütterlichen Zunders. Du selbst wirst es am besten verstehen: Ob es dir als einem Fürsten anständiger sey / einen Sohn für eine Hand voll Ansehen / oder als einem Vater / eine kleine Eitelkeit für einen Sohn zu geben. Die Fürstin Catta aber schrieb an ihren Vater Arpus: Hochgeehrtester Vater! Ich lebe allhier in süsser Gemeinschafft der vollkommensten Fürsten / derer Glantz die Finsternüß / derer Anmuth selbst Gräber beliebt machen könte. Aber wir sind doch alle Gefangene / und es giebt in der Welt kein ehrlich Gefängnüs. Alle mit einander sind Gräber der Lebendigen /in welchen die hertzhafftigsten Thiere alle edle Regungen einbüßen / und sich derer zu entbrechen gerne ein Glied von ihrem Leibe im Stiche lassen. Alleine dieses ist nur ein kurtzweiliger Vorschmack unser Dienstbarkeit. Germanicus muß nach Rom / und wir sollen mit ihm. Könte dem Cattischen Hause aber was schimpflichers begegnen / als daß eines lebenden Herrschers Tochter zu Rom in des Germanicus Sieges-Gepränge ein Zeichen der überwundenen Catten und ein Gelächter dem Pöfel abgeben soll? Agrippine hat selbst mit mir Erbarmnüs / und eine Erneurung des letzten Römischen Friedens vermittelt / wenn ihn Hertzog Herrmann und Arpus darum ersuchen. Was kan aber ehrlicher als ein solch Gesuch seyn / wo anders der Friede besser als ein Sieg ist / und ein kluger Fürst nur des Friedens halber Krieg führen soll. Gewinnen die tapffern Catten keine Länder / so verspielen sie doch nichts / gegen die so mächtigen Römer /für welchen die meisten Völcker der Welt haben Haare lassen müssen. Wiewol der für einen grossen Gewinner zu halten ist / der seine Waffen in so grosses Ansehn sätzt: daß sie den Römischen die Wage halten. Derogestalt kan Hertzog Arpus mit einem nicht schlechten Vortheil Friede machen / wenn schon seine einige Tochter nicht verdiente: daß ihre Erlösung für keinen Gewinn zu achten wäre. Thußnelde vertraute Uffeln und Osten zwar diese Brieffe / aber Hermengarden nur das Geheimnüß des Friedens /welches auf alle Weise geheim zu halten nöthig war. Sie reiseten noch [1330] selbigen Abend ab / und kamen Hermengardis und Osten den dritten Tag zu Mattium an / allwo die kluge Hermengardis mit Hülffe der Hertzogin Erdmuth wenige Schwerigkeit fand / den Hertzog Arpus zu dem Römischen Frieden zu bereden; sonderlich da sie ihn versicherte: daß Germanicus wegen des Meynzischen Tempels alles Anspruches auf das Cattische Gebiete sich begeben würde. Weil sie nun zu Mattium erfuhr: daß Hertzog Herrmañ nicht zu Deutschburg / sondern zu Budorgis wäre / reisete sie Tag und Nacht geraden Weges dahin; allwo Uffel dem Feldherrn schon Thußneldens Schreiben zwey Tage vorher überlieffert / er aber mit dem ihn besuchenden Hertzog Jubil / und dem allererst vom Hertzoge Ingviomer zurück gekommenen Grafen von Nassau / darüber Rath gehalten hatte. Jubil aber hatte seines eigenen Nutzens halber nichts anders als zu solchem Friedens-Vorschlage rathen können; weil er dadurch nicht allein seine Braut die Fürstin Catta erledigen sahe / sondern ihm auch daran gelegen war: daß zu Wiedererlangung seines väterlichen Erbtheiles / Hertzog Herrmann den Krieg wider den König Marbod fortzusetzen freye Hände bekäme. Der Graf von Nassau hatte hierzu nichts weniger gestimmt. Denn er sahe die gefährliche Zwietracht mit Ingviomern / und den unvermeidlichen Krieg mit den Marckmännern / welche die Herrschafft über die Semnoner und Langobarden nicht so schlechter Dinges würden im Stiche lassen / für Augen; und daher die Nothwendigkeit auf alle mögliche Weise den Römischen Krieg vom Halse zu bringen. Uber diß wuste er die hefftige Liebe gegen seine Gemahlin / und Schwester / über derer Gefangenschafft er sich ins geheim mehr grämte / als er mercken ließ. Also war beyder Rath einmüthig dahin gegangen: daß man diesen Frieden als das gröste Geschencke Gottes mit beyden Händen umarmen / und dem Germanicus nicht nur durch Suchung des Friedens heucheln / sondern aus einem so schädlichen Feinde einen vertrauten Freund zu machen / keine Mittel in der Welt sparen solte. Deñ ob er schon aus Deutschland wegkäme / würde er doch zu Rom nach dem Tiberius allemahl das meiste zu sagen / und nach seinem Tode Rom selbst zu beherrschen haben. Hertzog Herrmann hatte sich durch Liebe und Vernunfft an eben dieses Ufer treiben sehen / seinen Schluß aber nur bey sich zu behalten für gut befunden / biß er des Cattischen Hertzogs Meinung vernommen haben würde. Als nun Hermengardis selbst nach Budorgis kam / ward sie als ein Wunderwerck ihres Geschlechtes bewillkommt / und als eine andere Mutter des jungen Cheruskischen Fürsten verehret. Als sie nun den Zustand der gefangenen Thußnelde / Ismene / Catta / und Zirolanens mit dem neuen Friedens-Vorschlage / und des Hertzog Arpus erlangter Einwilligung eröffnete / erklärete sich der Feldherr auf unverwandtem Fuße: Sie hätte ihre Liebe und Treue gegen dem Cheruskischen Hause auf eine solche Weise erhärtet: daß dieses sie für ihren andern Schutz-Geist erkennen müste / und weder die Lebenden solches gegen ihr würden vergelten / noch die Nachkommen genungsam rühmen können. Diesem nach wäre von ihr nichts / als heilsames zu erwarten; und weil sie zu dem Römischen Friede riethe / von Agrippinens aufrichtiger Meynung Zeugnüß gäbe /nähme er ihren Rath für sein Gesetze an / und wäre er alles / was sie zu desselben ferner Einrichtung dienlich erachten würde / zu vollziehen erbötig. Der Graf von Nassau ward auch selbst zum Gesandten an den Germanicus erkieset / weil Hermengardis berichtete: daß Hertzog Arpus den Grafen von Witgenstein für sich hierzu erwehlet hatte. Nassau muste folgenden Tag schon nach Mattium aufbrechen / und nahm zwantzig außerlesene Pferde / mit etlichen Reñ-Thieren / weißen Bären / und Elends-Thieren / Zobelnen /und Luchsenen Futtern / für den Germanicus [1331] zu Geschencken mit. Hermengardis wolte mit aller Gewalt mit ihm wieder nach Meyntz / aber der Feldherr beredete sie: daß sie mit ihm nach Deutschburg reisete /allwo er ihr zu denen bereit empfangenen Kweiß-Per len / Pannonischen Opalen / bey den Marsingern / und in der Elbe gefundenen Diamanten / Bojische Granaten / und Korallen / noch etliche köstliche Geschirre aus Agsteine / für Agrippinen mit zu nehmen / anvertrauen wolte. Als sie sich Deutschburg näherten / kam ihnen der junge Herrmann mit hundert Rittern entgegen / bewillkommte die Hermengardis aufs höflichste / und gab ihr keinen andern / als den Mutter-Nahmen / weil sie durch das Blut ihres Sohnes ihn dem Tode aus dem Rachen gerissen / und gleichsam auffs neue gebohren hätte. Alles Volck ruffte dem Feldherrn wegen seines erweiterten Reiches / und der Hermengardis als der Erhalterin des Cheruskischen Hauses tausend Glücke zu. Auf den Morgen händigte der Feldherr ihr die übrigen Geschencke zu / ja er vertraute ihr noch gar die übrigen zwey dem Qvintilius Varus abgenommenen güldenen Adler mit der Vollmacht: daß wenn über Hoffen der Friede sich an etwas stossen möchte / sie mit diesen Römischen Abgöttern denen Schwerigkeiten abhelffen solte. Hierauf führete er sie zu dem Tanfanischen Heiligthume / bey welchem er auf einen viereckichten Fuß von schwartzem Marmelsteine / eine zwantzig Ellen hohe Alabaster-Säule hatte aufrichten / und oben Hermengardens Bild mit der Opfferung ihres Sohnes hatte aushauen lassen. Dieses schöne Gedächtnüß war zwar fürlängst fertig gewest; Der Feldherr aber hatte / weil Hermengardis bey den Römern gefangen / und also wegen Auswechselung des jungen Herrmanns in Gefahr grausamer Rache war / solches nicht ehe / als itzt ihr zu Ehren / und zum Troste ihres unschätzbaren Verlustes auffsetzen lassen wolen. Daher auch die Werckleute kaum eine Stunde vorher damit fertig worden waren. Auf der Ost-Seite des Marmel-Fußes war zu lesen:


Nicht rühme Griechenland Alcestens Liebes-Brand /

Die auf der Götter Rath hat für Admetus Leben

Ihr treu-aufwallend Blut zum Opffer hingegeben /

Als sich kein Mensch / als sie / für ihn zu sterben fand /

Ob seiner Eltern Fuß gleich schon im Grabe stand.

Wer Hermengardens That / und Opffer setzt darneben /

Verfinstert jener Preiß um diese zu erheben /

Wenn sie für Herrmanns Kind ihr eignes stürtzt in Brand.


Denn jen' erinnert sich: daß er ihr Ehmann sey /

Mit dem am Ganges sich muß iedes Weib verbrennen /

Die reißt des Sohnes Hals / ihr Mutter-Hertz entzwey /

Die Welt und Nachwelt wird kein gleiches Beyspiel nennen:

Daß iemand ohne Pflicht sein Kind geschlachtet hat;

Dort war es Schuldigkeit / hier ist es Helden-That.

Auf der West-Seite standen folgende Reyme:

Kein Mahler weiß zu mahl'n des Agamemnons Leiden;

Timantes hüllt in Flor sein todtes Antlitz ein /

Wenn seine Tochter soll Dianens Opffer seyn /

Daß Calchas durch den Halß ihr wil das Messer schneiden /

Und Hermengardis sieht mit ungeschminckten Freuden

Auf Drusus Mord-Altar des zarten Sohnes Pein /

Ja für was Niobe sich wandeln würd' in Stein.

An dem / O Wunder! kan sie ihre Augen weiden.


Dort kan der Vater nicht der Göttin opffern schauen /

Was hier die Mutter selbst den Feinden ohne Grauen /

Und ungezwungen bringt. Weil ihr geopffert Kind

Nur Herrmanns Sohn befreyt / sind ihre Augen blind /

Die Mutter-Liebe tod / die Brust weiß nichts von Schmertze /

Es blutet nur der Kopff des Sohnes / nicht ihr Hertze.


Gegen Sud war folgende Schrifft eingegraben:

Ihr Mütter Carchedons / die ihr für Reich und Stadt

Dem zornigen Saturn die edlen Kinder schlachtet /

Weil ihr durch dieses Blut ihn zu versöhnen dachtet;

Wenn das Verhängnüß euch auf Fuß und Zehen trat /

Glaubt: daß ihr euch befleckt durch diese grimme That.

Und sündigt: daß ihr GOtt so unbarmhertzig achtet /

Der nach der Unschuld Blut und Opffer nie getrachtet /

Ja offt um einen Hirsch ein Kind verwechselt hat.


Die Menschen dürsten nur nach süssem Kinder-Blute

Und Heucheley thut sie nur falschen Göttern ab.

Daß aber Hermengard ihr Kind zum Opffer gab /

Dem Drusus auffs Altar / geschah aus Helden-Muthe;

Sie weihte durch diß Blut ihr keinen Abgott ein /

Dadurch sie und ihr Sohn wird selbst vergöttert seyn.


[1332] Und endlich gegen Nord war folgendes zu lesen:

Andromache versteckt in eine Todten-Grufft /

Als Ilium schon selbst zu Grabe war getragen /

Den Sohn Astyanar / den durch verschmitzte Fragen /

Zu seinem Tode bringt Ulysses an die Lufft.

Doch stürtzt sich Hectors Sohn selbst von der hohen Klufft

Auf Trogens Stein und Grauß; kein Feind kan aber sagen /

Er habe dieses Kind hör'n seuffzen oder klagen /

Um das die Mutter doch so Weh als Rache rufft.


Hier weint nicht Hermengard' um ihres Sohnes Tod /

Der so großmüthig stirbt / für andre sonder Noth /

Da dort Astyanax aus Zwang den Tod muß schmecken /

Und iede Mutter wil zwar ihren Sohn verstecken;

Doch eine daß er lebt / die zweyte daß er stirbt

Sagt: ob das letzte Paar nicht grösser Lob erwirbt?


Die Barden sangen hierbey die gantze Geschichte von ihrem an statt des jungen Herrmanns aufgeopfferten Sohne / und wusten mit ihrer Stimme und Gebehrden die Regungen Thußneldens / Hermengardens / des Priesters Siegesmund / und beyder Kinder beweglich auszudrücken. Hermengarde laß mitler Zeit die vier Überschrifften; und ob das Lob zwar sonst der süsseste Seiten-Klang in menschlichen Ohren ist / ließ sie doch mehr Traurigkeit als Freude von sich spüren /entweder weil die wehmüthige Erinnerung über ihrem zerfleischten Kinde ihre Lust hemmete / oder weil ihr Gemüthe zu feste gesetzt war / daß es sich über einigem Ruhme hätte können aufblähen / weil sie solches zumahl so wol verdienet hatte. Sie fieng auch nach derselben Durchlesung gegen dem Feldherrn an: Diese Ehre wäre für sie / als ein schwaches Weib / für ihren Sohn als ein schlechtes Kind / und für ihre geleistete Schuldigkeit allzugroß. Sintemahl keine deutsche Mutter sich hoffentlich weigern würde ihre Kinder für Erhaltung des Geschlechtes eines Helden aufzuopffern / der für Deutschlands Wolfarth so vielmahl sein Blut verspritzet hätte. Sie hätte mehr nicht gethan / als alle Mütter derselben / welche im Kriege fürs Vaterland umkommen wären / und also würden die Marmel-Adern in Deutschland nicht zulangen /wenn diesen allen / die nicht weniger als sie und ihr Sohn verdienet hätten / solche Säulen aufgerichtet /und Lobe-Lieder gesungen werden solten. Der Feldherr antwortete ihr: Er wüste wol / daß an Lobsprüchen ihrer Gedächtnüs-Maale sich nur niedrige Gemüther ersetzten / wie die Kinder alleine die Affen für vollkommen hielten; alleine deßwegen müsten sie gleichwol der Tugend gewehret werden / damit sie andern zum Beyspiele dienten. Daher statteten die Barden so wol ihr / als ihrem Sohne / durch ihre Gesänge die schuldige Pflicht ab. Es wäre in Deutschland dieses die Art rühmliche Thaten im Gedächtnüße der Nachkommen zu erhalten / und also stürbe in Indien niemand rechtes / dessen Geschichte nicht die Weltweisen / wie die Libyer derer Lob / die im Kriege /oder auf der Elephanten-Jagt umko en wären / gesungen / uñ die nicht von den Galatern / Griechen und Römern in zierlichen Reden vorgetragen würden. So wären auch derogleichen steinerne Gedächtnüß-Maale den Deutschen und vielen Völckern gemein / Hermengardens und ihres Sohnes Thun was so grosses / und ungewöhnliches / daß es ein absonderes Gedächtnüß erforderte. Sie solte mitler Zeit nur mit diesem Schatten vorlieb nehmen / und gewiß glauben / daß mittelmäßige aber verdiente Ehren-Maale mit der Zeit immer grösser würden; Die aber / welche mit ihrer Pracht das Maaß der Verdienste überstiegen / veralterten / zernichtet / und endlich gar vergessen würden. Weil das Feuer ihrer Liebe und des grausamen Opffers / ihren Sohn / welcher ehe zum Helden worden wäre / als zum Manne / gantz verzehret hätte / solte diese Säule ihm zum Grab-Maale / ihr aber zu Troste dienen: daß die Asche ihres Kindes nicht unfruchtbarer als des Phönixes seyn / sondern aus ihrer beyder Tugend die Nachwelt Beyspiele nehmen / und für das Vaterland sich oder ihre Kinder freudig aufopffernde Helden-Geister ans Licht bringen [1333] würden. Denn ehrliche Danck-Maale wären edlen Gemüthern eine so kräfftige Erfrischung und Ursache ihres Wachsthumes / als der Morgen-Thau den Kräutern. Würde doch ein Elephant / ein Pferd / und ein Pfau durch Lob aufgeweckt / was solle nicht eine Seele thun / in welcher die Wurtzel der Tugend käumete? Hermengarde hätte sich noch mehr verkleinert / wenn der Priester nicht das Zeichen zum angehenden Gottesdienste gegeben hätte. Nach verrichteter Andacht wolte sie sich nichts mehr halten lassen / sondern nahm von dem Feldherrn Abschied / welcher sie durch Schulenburgen mit hundert Reutern biß an den Rhein begleiten ließ.

Inmittelst kamen der Graf von Nassau und Witgenstein zu Meyntz an. Germanicus ließ sie zwar ohne Gepränge / aber auffs freundlichste empfangen / gab ihnen auch folgenden Morgen Verhör. Bey dieser eröffneten beyde ihrer Fürsten redlichen Vorsatz / mit den Römern in Friede zu treten / welchen sie mit niemanden lieber / als mit dem Germanicus zu schlüssen / verlangten. Sintemahl sie zeither mit einander die Kräfften geeichtet / Germanicus der Deutschen Eigenschafft / sie aber seine und der Römer Tugend am besten hätten kennen lernen. Sein vorhabender Abzug aus Deutschland hätte ihnen hierzu Anlaß gegeben /weil doch niemanden die Frucht des Krieges / nehmlich ein ehrlicher Frieden-Schluß / als dem Germanicus gebührte. Sintemahl doch Nicias in Griechenland mit einem Frieden mehr Ehre / als Pericles mit allen seinen Heldenthaten aufgehoben hätte. Nach dem ihnen nun dieser Friede ein rechter Ernst wäre / sie auch an des Germanicus Friedens-Begierde nicht zweiffelten / hätten beyde Hertzoge kein Bedencken gehabt / sie mit unverschrenckter Vollmacht nach Meyntz / und also dem Germanicus nach Hauß und Hofe zu schicken. Sie betheuerten hierbey: daß ihre Fürsten unter dem Vorwande des Friedens keine Zeit in etwas zu gewinnen / oder sonst einigen Vortheil suchten / sondern sie auf einmahl offenhertzig ihre Meinung zu entdecken / in wenig Tagen zu schlüssen / und mit nichts hinterm Berge zu halten befehlicht wären. Dieser nahm ihren Vortrag zum Bedencken /erlaubte aber denen Gesandten zu der Hertzogin Thußnelda / Catta / und dem andern Frauenzimmer /einen freyen Zutritt; welches über ihrer Ersehung /und dem Empfange vieler annehmlichen Brieffe /noch mehr aber über der Nachricht: daß sie mit dem Germanicus Friede zu schlüssen völlige Gewalt hätten / hertzlich erfreuet ward. Deñ guter Freunde Brieffe erqvicken das Gemüthe / wie ihre Gemählde das Gesichte. Agrippine nahm ihr bey denen öfftern Besuchungen Gelegenheit / in Thußneldens Zimmer mit beyden Gesandten zu reden / und nicht nur sich zu einer Beförderin des Friedens zu erbieten / sondern sie gab ihnen auch zu dessen glücklicher Behandlung Einschlag. Den dritten Tag erklärte sich Germanicus: daß ihm ein der Römischen Hoheit gemässer Friede nicht zu wider wäre; Daher solten die Gesandten gewisse der Billichkeit gemäße Bedingungen vorschlagen / und solche dem Silius schrifftlich einhändigen. Sie kamen also mit diesem zusammen / und erboten sich den Frieden einzugehen / wie er zu letzt mit dem Kayser August wäre geschlossen worden; nur daß der Anspruch / welcher wegen eines Tempels zu Meyntz auf das Cattische Gebiete wäre gemacht worden / und die Ursache des letzten Krieges gewest wäre / aufgehoben würde / iedem diß / was er würcklich besässe /verbleiben / und übrigens der Rhein beyder Völcker Gräntze seyn / auch kein Theil des andern Feinden Hülffe leisten / die Gefangenen aber beyderseits ohne Löse-Geld freygegeben / und alle andere deutsche Fürsten in diesen Frieden mit eingeschlossen seyn solten. Silius nahm diese Bedingungen willig an / begehrte auch über ein und andere Erläuterung / [1334] und überbrachte sie dem Germanicus. Diesen Tag fand sich auch Hermengarde ein / mit welcher die Gefangenen gleichsam ihren Schutz-Geist wieder zu schauen vermeinten. Sie überliefferte Agrippinen ihre Geschencke; welche sie theils wegen ihres eigenen Werthes und Vaterlandes / theils / weil sie von eines so vortreflichen Helden Hand kamen / überaus hoch hielt. Diese ließ es ihr auch eyfrigst angelegen seyn /den Frieden zu befördern / und brachte beym Germanicus zu wege: daß er der Deutschen Gesandten Vorschläge bewilligte; iedoch / daß dem Fürsten Segesthes / Malovend / und Bojocal ihr Land ohn einigen Abzug / dem Hertzog Flavius aber das Erbtheil / welches ihm Hertzog Herrmann anfangs selbst angeboten hätte / eingeräumet / und ihnen die mit den Römern gemachten Bündnüße keinen Vorruck / oder Nachtheil zuziehen solten. Die Gesandten giengen dieses ebenfalls ein / und ward auf solche Art der Friede den fünfften Tag / da sonst bey Friedens-Handlungen die Besuch- und Gegen-Besuchungen etliche Monat / die Strittigkeiten über dem Platze der Zusammenkunfft /über der Sprache / in welcher man handeln wil / insonderheit aber über ein oder des andern Gesandten Vorsitze und Titel nicht selten gantze Jahre verspielet werden / gleich als wenn diese Schalen wichtigere Dinge als die edle Perle des Friedens wären; für geschlossen gehalten / und dieses Friedens ausführlicher Innhalt auch noch selbigen Abend aufgesetzt. Es ereignete sich aber über dem Römischen Aufsatze dieser Mangel: daß unter denen Deutschen auf der lincken Seiten gelegenen Orten / das Altar des Bacchus darinnen nicht ausdrücklich benennet ward / worauf der Graf von Nassau inständigst drang. Uber diß verlangte er auch dem Frieden ausdrücklich einzurücken: daß die Römer dem Könige Marbod zu helffen / nicht solten befugt seyn. Ob nun wol Silius einwarff: daß das Altar des Bacchus unter denen allgemeinen Worten der auf der Gallier Seite gelegner Plätze / und Marbod unter denen andern Feinden schon begriffen wäre / wolte sich doch Nassau nicht abwendig machen lassen / sondern sagte: wenn die allgemeinen Worte diesen Verstand hätten / würde solche auszudrücken / es so viel weniger bedencklich seyn. Gleichwohl verzohe dieser Zwist die Unterschreibung des Friedens / biß auf den Abend / und solte auf den Morgen in des Germanicus Gegenwart die Auswechselung geschehen. Selbige Nacht aber kam Sextus Papinius von Rom mit Schreiben vom Tiberius; darinnen er des Germanicus Reise abermahls auffs beweglichste trieb / insonderheit aber verordnete: daß Thußnelda mit Herrmanns Sohne / Catta / Ismene / und Zirolane alsobald dem Papinius übergeben / und voran nach Rom gebracht werden solten. Germanicus ward über diesem Schreiben so verstellet / als wenn ihn der Blitz gerührt hätte. Er ließ daher noch selbige Nacht den Papinius für sich / fragte: Ob er von dem Innhalte des Brieffes wüste? Dieser verjahete es / und berichtete darbey: daß Tiberius in Abwesenheit des Sejan und Salustius ihm solchen eingehändiget / und bey Verlust seines Kopffes ihm das deutsche Frauenzimmer / dessen Gemählde er beym Sejan den Tag vorher in seinem an der Tiber gelegenen Lust-Hause gesehen hätte / richtig überzubringen anbefohlen hätte. Germanicus fragte weiter: ob er nicht wüste / woher Sejan diese Bilder bekommen? Papinius antwortete: Es hätte sie Sentia Segesthens Gemahlin / welche zwey Tage vorher damit nach Rom kommen / und in selbigem Garten eingekehrt wäre / mit aus Deutschland gebracht; Tiberius wäre auch damals selbst im Garten bey Sentien gewesen / hätte solche mit grosser Verwunderung besehen / und von Sentien genau erkundiget: ob Thußnelde noch so schön / Ismene / Zirolane und Catta aber so eigen als jene getroffen wären. Als ihm Sentia dieses nun verjahet / und ihn versichert: [1335] daß ihnen der Pinsel nicht geliebkoset / sondern der Mahler sein Unvermögen ihre Schönheit vollko en auszudrücken bekennet / hätte Tiberius angefangen: So bliebe es denn ein für allemahl wahr: daß in Deutschland die Schönheit zu Hause wäre / und das vollkommenste Frauenzimmer über den Bergen noth hätte /sich aus dem Schimpffe der Heßligkeit zu reissen. Tiberius wäre mit Sentien / dem Sejan und Salustius hierauf eine lange Zeit in einem mit Cypressen beschatteten Lustgange auf- und abgegangen / und nach ihrer geheimen Unterredung hätte Tiberius ihm gesagt: Er solte sich auf eine ferne Reise geschickt machen; worauf ihm auf den Morgen Tiberius das Schreiben und den Befehl ertheilet / und ihm ausdrücklich angedeutet: daß er bey Verlust seines Kopffes /ohne diese Gefangenen nicht wieder nach Rom kom men solte. Germanicus schwieg hierzu eine Weile stille / hernach sagte er: dieses würde Papinius gleichwol nicht bewerckstelligen können / weil er mit den Deutschen Friede gemacht / und alle Gefangene loß zu lassen versprochen hätte / und wäre eben dieser Morgen das Ziel / da die Friedens-Schlüsse ausgewechselt / Thußnelde / Catta / Zirolane und Ismene mit Herrmanns Sohne über den Rhein geführet und auf freyen Fuß gestellet werden solten. Papinius antwortete: dieses zu vollziehen / wolte er dem Germanicus nicht rathen / wenn er sein ärgster Feind wäre. Germanicus fiel ein: Ich aber bin viel zu ehrlich: daß ich mein Versprechen nicht halten / weniger diß / was ich mit Hand und Siegel bekräfftigt / zurück ziehen solte. Papinius versetzte: weil die Auswechselung nicht geschehen / sondern Hand und Siegel noch in seinen Händen wäre / stünde er außer aller Verbindligkeit; ja wenn solches schon ausgehändiget wäre /würde er doch wider die Bewerckstelligung dieses Schlusses / für allen in Meyntz sich befindenden Römern im Nahmen des Käysers zu reden gezwungen seyn. Germanicus erblaßte hierüber / und fragte: Ob ihm der Käyser Gewalt gegeben / ihm in die Gewalt eines Römischen Feldherrn einzugreiffen / welche allemahl die Willkühr gehabt hätten / Krieg zu führen /und Frieden zu schlüssen? Papinius begegnete ihm mit einer Ehrerbietigen Bescheidenheit: Ihm wäre /dem Germanicus in etwas einzugreiffen / nicht befohlen / er würde sich auch einer solchen Verrichtung auf alle Weise ausgedückt haben; Alleine weil Tiberius ihm so ernstlich mit gegeben hätte ohne diese Gefangene nicht zurücke zu kommen / und er ihm angesehen hätte: daß dem Kayser was grosses daran gelegen wäre / ja Salustius ihm etwas vertraut hätte / welches zu entdecken ihm nicht anstünde / und sein Kopff ihm lieb / dessen Verlust aber auf den Fall einigen Versehens gewiß wäre / würde ihm Germanicus nicht verargen / wenn er ihre Loßlassung durch offentliche Wiedersprechung sich zu hindern / und die Gnade des Kaysers zu erhalten mühete. Denn wer um einen Fürsten lebte / schleppte den Tod als eine Kette hinter sich her. Im übrigen hätte er nicht zu fragen / oder auszumachen: Ob ein Feldherr wider den ausdrücklichen Willen des Kaysers / welchem das Römische Volck das Recht des Krieges und Friedens allein eingeräumt hätte / etwas zu schlüssen / oder zu vollziehen befugt wäre. Seinem Bedüncken nach aber wäre das Werck noch unvollkommen / und also noch Zeit genung / zur Reue und Zurückziehung; weil die Friedens-Schlüsse über diß ins gemein allererst von den Fürsten genehm gehabt und beschworen werden müsten. Germanicus begegnete ihm: Die Römischen Feldherrn hätten nicht aus einer besondern Vollmacht / sondern Krafft ihrer Würde Gewalt Friede zu ma chen / also dörfte er so wenig / als wenn Könige selbst gegenwärtig wären / oder die Schlüsse eigenhändig unterschrieben / ja auch die Abhandlungen der Gesandten / welche nur unverschränckte Vollmachten hätten / und nichts wider ausdrückliches [1336] Verbot ihrer Fürsten eingiengen / einer Genehmhabung. Sein / und eines ieden Fürsten Wort aber solte so bündig als anderer Eyde / und eines ieden erste Sorge seyn / daß er von der Nachwelt mit keinem Schandflecke verstellet würde. Denn ob zwar gegenwärtige Gewalt ihrer viel die Wahrheit zu sagen zurück hielte / so wäre doch die Feder der Geschichtschreiber ein geheimer aber lebendiger Pinsel / welcher die Flecken der Gemüther ohne Heucheley und Furcht ans Licht stellte / der Pinsel aber der Mahler nur eine todte Feder. Daher ein Fürst / wie groß er auch wäre / mehr die Feder / als ein heßliches Weib den Pinsel zu fürchten hätte. Papinius zohe die Achseln ein / und sagte: es stünde ihm nicht an / mit dem Germanicus über eines Frieden-Schlusses Verbindligkeit zu streiten; aber er solte nur selbst der Sache / des Tiberius Eigenschafften / und was seinem Hause für Gefahr hieraus entstehen könte / nachdencken. Denn der Fürsten Gnade ruhete keinmahl / sondern sie stiege / oder fiele. Es fehlte bey Hofe nicht an Leuten / welche ein kleines Versehen zu halßbrüchigen Lastern machten. Und ob wol Unschuld den Zähnen der Verfolgung härter als Kieselsteine wäre / so hülffe diß doch nicht zu ihrer Erhaltung / sondern sie geriethe nur darüber unter die Hämmer / und weil man sie nicht zubeissen könte / würde sie gar zermalmet. Niemand / wie angesehen er auch wäre / hätte sich daher auf der Fürsten Gnade / oder Verwandschafft zu verlassen / sondern ein ieder hätte wie ein Blinder auf alle seine Tritte / und auf des Fürsten Regungen wie ein Steuer-Mann auf die Flacken und Magnet-Nadel achtung zu geben. Denn man könte sich eh und besser ins Gelücke als in Fürsten schicken / weil jenes mit allen / diese nur mit etlichen des Umdrehens spielte. Jedoch hätten sich dieses verkehrten Spieles die grösten Diener und Leute am meisten zu besorgen / welche zwar auf Steltzen giengen /und weit schritten / aber alle Augenblicke in Gefahr des Fallens wären. Dieses redete Papinius mit solchem Nachdruck: daß Germanicus wol merckte / er sagte weniger als er wüste; und daß hinter diesem Befehle ein grosses Geheimnüß verborgen / oder ihm wenigstens damit ein Fallbret gestellet wäre. Er ließ also den Papinius von sich / und schlug die übrige gantze Nacht sich mit tausend widrigen Gedancken. In der ersten Stunde des Tages ließ er den Silius beruffen / wieß ihm des Tiberius Brieff / und verlangte sein Gutachten: Ob er diesem nachleben / oder den Frieden-Schluß vollziehen solte? Silius besaan sich eine weile / und fieng an: Ein Staats-Diener muß den Willen seines Fürsten / wie die Schiff-Leute den einigen Angel-Stern für ihre Richtschnur halten / und sich die viel schönern Gestirne des gemeinen Nutzens /und seiner verpfändeten Ehre nicht auf die Seite abwendig machen lassen. Die Herrschafft kan auch anderer Gestalt nicht bestehen / als wenn dem Fürsten ohne Einwendung seiner Ehre / und Vorschlag etwas bessern / gehorsamet wird. Insonderheit ist Tiberius ungewohnt / ihm etwas bessers einreden zu lassen /sondern er wil selbte als Göttliche Wahrsagungen /ohne Erforschung der Ursachen und Absehens / beobachtet / und als Jupiters Blitz verehret wissen; und ich habe aus seinem Munde gehöret: daß ein Fürst seiner Hoheit entsätzt / die Herrschafft zerrissen / das gemeine Wesen verwirret würde / wenn man ihm nicht blinden Gehorsam leistete / sondern er seinen Befehl allererst rechtfertigen solte. Es ist zwar nicht ohne: daß Tiberius von diesem Schlusse nichts weiß / und abwesende von Deutschlands Zustande nicht so wol urtheilen kan / aber es stehet doch einem Feldherrn oder Diener nicht zu / seines Fürsten Befehl nach seiner Meinung und gestalten Sachen nach auszudeuten. Daher ist es allemahl sicherer das befohlne thun / als was bessers erwehlen / und sich ungewisser Zufälle /Gefahr / und dem Zorne [1337] der Fürsten unterwerffen /welche zumahl wie Tiberius geartet sind / lieber mit ihrem Schaden Gehorsam zu haben / als mit seinem Nutzen Einrathung zu dulden. Germanicus hörte den Silius gedultig aus / und befahl ihm: er solte beyden Gesandten die Ursache sagen und zeigen / warum er den Frieden nicht vollziehen könte. Silius übernahm diese verdrüßliche Verrichtung / und trug denen Gesandten für: Germanicus und er / wären nicht wenig bekümmert: daß eine höhere Gewalt diese Nacht darzwischen kommen wäre / welche ihn an Auswechselung des abgeredeten Friedens hinderte. Beyde waren voller Hoffnung gewest / diesen Augenblick den Frieden-Schluß zu erlangen / und also wurden sie hierüber so vielmehr bestürtzt. Der Graf von Nassau fieng auch an: Sie wolten sich zu dem Germanicus /auf dessen Aufrichtigkeit ihre Fürsten so grosse Thürme bauten / nicht versehen: daß er diß / was er einmahl beliebt / geschlossen / unterschrieben / und besiegelt / also nach der Völcker Rechte seine vollkommene Verbindligkeit erreicht hätte / zurück ziehen solte; zumahl die Römer ja für allen andern Völckern / daß sie Treu und Glauben hielten / angesehen seyn wolten / und die Treue für eine Göttin verehrten. Silius antwortete: So lange an einem Wercke noch was zu machen übrig wäre / hätte es seine Vollkommenheit nicht. Zu dem wäre dem Germanicus von höherer Hand ein Riegel vorgeschoben; daß es in seiner Gewalt nicht stünde / diß zu erfüllen / was er gerne wolte. Der Graf von Witgenstein fiel ein: Wenn Germanicus keine Gewalt gehabt hat / diß zu erfüllen /was er schleust / warumb hat er sich denn dessen angemaßt / und versprochen? Silius versätzte: Er hat sie gehabt / aber nicht mehr. Nassau brach ein: Hat er sie beym Schlusse gehabt / so hat sie / nach dem man uns unserer Fürsten Meinung unter dem Scheine habender Gewalt heraus gelockt / uns zum Nachtheile ihm nicht können genommen werden. Silius begegnete ihm: Diese Benehmung wäre für dem Schlusse geschehen /wiewol sie erst darnach eingelauffen. Es hätte aber Germanicus diß / was Tiberius zwölff Tage vorher aus Rom verordnet / nicht errathen können. Hiermit zohe er des Tiberius Brieff herfür / und gab ihn dem Nassau zu lesen. Witgenstein aber fieng im Eyver an: die Deutschen verstünden sich auf solche Spitzsinnigkeiten nicht / welches falsche Tugend und Weißheit /auch ehrlichen Leuten ein Greuel und Abscheu wären. Er sehe wol: daß die Römer von ihrer alten Art weit abgewichen wären / und da sie anfangs den Pyrrhus für seines Artztes Giffte gewarnigt / solches hernach selbst dem Prusias seinen Gast Hannibaln zu tödten geschickt / und den Sergius Galba gerühmt hätten: daß er durch Betrug sich zum Meister der Lusitanier gemacht hätte. Die Deutschen wären doch durch den mit dem Germanicus gemachten und nie gehaltenen Frieden gewitzigt worden; also hätten sie sich dißmahl wol nicht wieder sollen aufs Narren-Seil führen / und ihre redliche Andacht nicht zum Gelächter werden lassen. Allein für so klug solten sie die Deutschen doch halten: daß sie sich das dritte mahl nicht würden äffen lassen / und die Nord-Welt würde wenigstens numehr zu ihrer nöthigen Vorsicht begreiffen: daß das Recht der Völcker bey den Römern nicht üblich wäre; und daß kein Band in der Welt als ihr Eigennutz wäre / welches sie versprochene Sachen zu halten anstrengte. Silius empfand diese Hefftigkeit / wordurch er der Römischen Hoheit zu nahe / und wider die gewohnte Bescheidenheit aller andern Völcker geredet zu seyn vermeinte; sagte daher: die Römer hätten niemahls Gifft und Arglist wider Feinde gebraucht / als von denen sie vorher auf gleiche Weise wären angetastet worden. Hätte er auch nur die Gedult gehabt / des Tiberius vorgewiesenen Brief zu lesen / so würde er den Germanicus ehe entschuldigt / als ihm einigen Betrug[1338] beygemessen haben. Mit des Augustus Leben wäre der vorige Friede erloschen; Weil Fürsten nur auf ihr Lebtage die Verwaltung und den Genüß eines Reiches hätten; und also ihren Nachfolger durch die allerverbindlichsten Schlüsse keine Nothwendigkeit ihre Versprechen zu halten aufbürden könten. Nach dem nun Tiberius an die Catten rechtmäßige Ansprüche zu machen vermeint / und wider die Deutschen den Krieg fortzusetzen durch keine Verbindligkeit wäre gehemmet gewest / hätte Germanicus seinen Befehl durch die Waffen mit dem grösten Rechte vollzogen. Witgenstein versätzte: Wenn Germanicus denen deutschen Fürsten diese Auslegung vorher gesagt hätte /würden sie mit ihm im Nahmen des auf der Grube gehenden Augustus niemahls Friede gemacht haben. Er sähe aber wol: daß es dem / welcher seine Worte an Nagel hienge / niemahls an Vorwand mangelte; und daß das Wachs meistentheils fester am Pergament klebte / als der Wille was zu halten / am Versprechen hienge; so daß sich einige Fürsten wol verwunderten /was ein gemachter Schluß für ein seltzam Thier wäre /daß es über Könige und ihre Fürsten herrschen / oder sie zu Sclaven ihrer Worte machen wolte; gleich als wenn die Einhaltung Treu und Glaubens zwar einem Edelmanne / nicht aber einem Fürsten wol anstünde; welcher / weñ es der Nutzen seines Reiches erforderte / ohne Verminderung seiner Ehre Frieden und Bündnüsse brechen könte / weil doch die Verbindligkeit gegen sein Volck unendlich stärcker / als das seinem Feinde oder dem Nachtbar gegebene Wort wäre. Silius begegnete ihm: Es ließe sich diese Lehre auf niemanden weniger / als auf den Germanicus angewehren / wiewol solche die Cherusker und Catten bey vorigem Frieden-Schlusse selbst gebilligt / und wider den Innhalt ihres Bündnüsses und des Hertzogs Melo willen / sich mit den Römern unter dem Vorwande vertragen hätten: daß zwar ein Fürst nicht ohne erhebliche Ursache / aber gar wol in eußerster Noth / und wo er in Gefahr gäntzlichen Unterganges geräthet / seinen Bundgenossen im Stiche zu lassen befugt wäre. Sintemahl sein Untergang denen Freunden nichts hülffe /seine Erhaltung aber ihnen noch ein ander mahl zu statten kommen könte. Der Graf von Nassau hatte die Augen auf des Tiberius Schreiben / die Ohren bey des Silius und Witgensteins Wortwechselung / seine Vernunfft aber war mit Nachdencken / wie mit dem Germanicus weiter zu verfahren sey / beschäfftigt / weil er es doch / allem Ansehen nach / wol gemeint hatte /und ihm über hoffen die Hände gebunden waren. Diesem nach reichte er den Grafen von Witgenstein / des Tiberius Schreiben / und sagte: dieses würde ihm das gröste Theil seines gegen dem Germanicus geschöpften Argwohns / und daher auch seiner Empfindligkeit benehmen. Nachdem dieser es auch gelesen / und beyde mit einander sich ein wenig berathschlagt / bat Nassau den Silius: er möchte dem Germanicus für die verträuliche Eröffnung des Käyserlichen Schreibens dancksagen; und weil sie freylich wol sähen: daß sein gutes Vorhaben durch diesen eingeworffenen Hacken gehemmet würde / wolten sie doch nicht hoffen: daß er darmit auch seine Neigung das Friedens-Werck zu Stande zu bringen / mit samt der Hoffnung gäntzlich würde sincken lassen. Zeit und Gedult machten viel Sachen reiff / wo die Sonne gleich selbst zu schwach wäre / und die Klugheit des Germanicus würde noch alle Schwerigkeiten zu überwinden / Rath finden. Mittler Zeit hatte Germanicus mit Agrippinen einen harten Stand gehabt / welche aus des Tiberius Schreiben ihm einen grossen Abbruch seiner Würde und Ehren vorgestellt / und aus des Papinius nachdenklichen Reden den ihm zu Rom bereiteten Untergang gewahrsagt / auch nichts ihn zu bereden vergessen hatte: daß er mit den Deutschen den Frieden vollziehen /und gar nicht nach Rom ziehen / sondern bey [1339] denen treuen Legionen in Sicherheit leben und mit Ehren sterben solte. Alleine des Germanicus Treue gegen den Tiberius war mit einer unüberwindlichen Hartnäckigkeit gefasset: daß er Agrippinen scharff begegnete / und ihr beymaaß; Sie würde durch ihre Hefftigkeit und Mißtrauen ihn / und sich selbst stürtzen /indem sie sich allenthalben darmit so bloß gebe / und nicht wahrnähme: daß man denen Nachstellungen nicht glücklicher als durch Anstellung entgienge / daß man sie nicht merckte. Ihn würde nimmermehr weder Furcht noch Hoffnung eines Nagels weit von dem Stande seiner Pflicht verleiten / in der er / ohne ander Absehen / außer einen guten Nahmen und den Ruhm der Treue zu erhalten / sterben würde. Ihm wäre die Bekümmernüß der deutschen Gefangenen so sehr leid als ihr / und er würde für ihre Ehre und Freyheit zu sorgen / niemals vergessen. Sie würden aber selbst nicht verlangen durch seine Schmach und Untergang zu genesen. Silius kam darzu / und berichtete: daß die Gesandten sich in die verweigerte Vollziehung des Friedens schickten / ihn gleichwol aber um Wegräumung der Hindernüsse nochmahls ersuchten. Agrippine muste sich also desto mehr zu Frieden geben. Als sie nun von dar zu Thußnelden sich verfügen wolte /kam der Ritter Malzan / und lieferte dem Germanicus im Nahmen Hertzog Herrmañs zwantzig- und Schönborn im Nahmen des Cattischen Hertzogs zwölff der schönsten Pferde ab. Germanicus war über der Großmüthigkeit der Deutschen gleichsam beschämet: daß /da die Gesandten die meiste Ursache hatten unvergnügt zu seyn / sie sich am allerfreygebigsten erzeigten. Damit er nun sich mit keinem Argwohne beladete: als ob sein Gemüthe einige Abneigung hegte /ward er gezwungen / selbige anzunehmen. Thußnelde und ihre Gefärthen waren den Abend vorher mit der Nachricht von dem unterschriebenen Frieden so sehr erfreuet worden; daß sie diese geschäfftige Gemüths-Regung die gantze Nacht nicht schlaffen ließ / sondern theils die Gespräche / theils die süssen Einbildungen von ihrer Heimkunfft gantz munter erhielt. Nach der ihnen durch grosse Begierde verlängerten Nacht / sahen sie alle Augenblicke / wenn die Gesandten ihnen diesen Brieff ihrer Wolfarth / und Agrippine ihre Befreyung überbringen würde. Alleine das Antlitz der sich endlich einstellenden Agrippine entdeckte ihnen mit dem ersten Anblicke: daß sie sich nur mit dem Brodte der Elenden nemlich eiteler Hoffnung gespeiset hatten. Weil Thußnelde sie auch alsbald ersuchte / ihnen diß nicht lange zu verbergen /was das Verhängnüs aufs neue für sie böses gesponnen hätte; verschwieg sie ihnen außer dem / was Papinius von ihren Gemählden zu Rom erzehlet hatte /nicht den Inhalt des Käyserlichen Briefes / und von dem / was diesen Morgen mit den Gesandten durch den Silius gehandelt worden war. Ihre Gemüther wurden dadurch überaus niedergeschlagen. Denn wie der Stahl / wenn er vorher glüend gemacht / und alsbald aus der Feuer-Esse in Eyskaltes Wasser getaucht wird / die grösseste Härte bekommt: Also wird ein von der Freude erwärmtes Gemüthe durch einen geschwinden Trauerfall gleichsam versteinert. Aber Agrippine und Hermengarde ließen an ihnen nichts erwinden / ihre Gemüther aufzurichten / und wie jene sie vertröstete /daß Germanicus das äußerste thun würde den Frieden wo nicht ehe doch wenigstens zu Rom auszumachen /also versicherte diese sie: daß / wenn sie schon nach Rom ziehen müsten / sie dennoch ein auskommentliches Löse-Geld für aller ihrer Freyheit zu wege bringen wolte. Beyde Gesandten kamen endlich auch darzu / und verbanden wenigstens der Betrübten Wunden / zu derer Heilung mehr Zeit und kräfftigerer Wund-Balsam von nöthen war. Ungeachtet nun Agrippine schon einmahl beym Germanicus angelauffen war / unterließ sie doch nicht einen neuen Versuch zu thun: ob sie nicht [1340] für die Deutschen was tröstliches ausbringen könte. Sie hielt ihm also ein: daß ein bloßer Gesandter befugt wäre / seines Fürsten ausdrücklichen Befehl zu überschreiten / wenn eine Sache sich derogestalt verkehrte / daß er durch keinen Gehorsam mehr Schaden als Frommen thäte; ja seine unvernünfftige Folge würde so denn zu einem unverantwortlichen Verbrechen / und er wäre verbunden zum wenigsten so lange an sich zu halten / biß er seinem Fürsten die ihn zurück haltenden Ursachen berichtet /und darüber seinen eigentlichen Willen eingeholet hätte. Nach dem nun durch den letzten Feld-Zug die Römische Macht gäntzlich erschöpfft / der Cherusker durch zweyer Völcker Zutritt verstärckt / und durch den Frieden alles in einen andern Stand gesätzt worden wäre / würde Tiberius dem Germanicus so viel weniger als einem Feldherrn für Mangel ausstellen können / wenn er / um aus einer so gefährlichen Verwirrung sich auszuwickeln / etwas wagte / und eine Verordnung / welche aus Unwissenheit solcher Umstände hergeflossen / und zu langsam kommen wäre /außer Augen sätzte / und also mehr seiner Vernunfft /als einem unbedachtsamen Befehl folgte. Sintemahl vielmahl mehr derer Staats-Diener Eigensinnigkeit /oder Vortheil / als der Fürsten rechter Wille und bedachtsamer Schluß darhinter steckte. Wie es denn in gegenwärtigem Falle das Ansehen hätte / als wenn Tiberius hierdurch mehr des Sejanus Lüsternheit vergnügt / als seine Klugheit zu Rathe gezogen hätte. Daher sie nicht nur die Vollziehung dieses Frieden /sondern alles andere für verantwortlich hielte / weñ ein Diener nur nicht das Maaß seines Amptes überschritte / und nichts / was der Hoheit seines Fürsten verkleinerlich wäre / handelte. Sejan und andere Rathgeber des Kaysers zu Rom wüsten viel / wie es um die Kriegs-Händel in Deutschland stünde; also könten sie auch nicht besser als der Blinde von der Farbe urtheilen. Hingegen könte Germanicus besser als alle andere zusa en urtheilen / was Rom dienlich / und dem Kayser anständig wäre; weil er alleine die Verfassung und ihr Maaß auf beyden Seiten wüste / und auf allen Fall den ihm beypflichtenden Silius zum Zeugen haben würde. Germanicus sätzte ihr entgegen: die Unwissenheit derer zu Rom hielte ihn an Vollziehung des Friedens am meisten zurücke / welche solchen so vielmehr tadeln und schelten würden / weil sie nicht verstünden: daß Rom an den Deutschen einen gar andern Feind / als an andern Völckern hätte; ja sich der bißher erlittene Schaden nicht einmahl recht schreiben / oder wenigsten nicht dem Römischen Volcke offenbahren liesse / ja auf allen Fall auch schwerlich allenthalben Glauben finden würde. In allen Fällen aber wäre ein Diener ausser Verantwortung / und in Sicherheit / wenn es seines Fürsten Willen / er möchte so unrecht oder unvernünfftig seyn als er i er wolte / auffs genauste nachlebte. Wenn dieses auch schon auffs allerschlimste auslieffe / fiele keine Schuld auf ihn / sondern auf den Fürsten. Hingegen hielte keine Entschuldigung den Stich; ja der glückseligste Ausschlag / dafür doch die klügsten Entschlüssungen keinen Bürgen hätten / wären widrigen Falls ihn zu vertreten / und vom Ungehorsam loßzusprechen genung. Seine Begierde dem Fürsten treulich- und der Eyver seinem Vaterlande nützlich zu dienen / würde ins gemein für Unvernunfft ausgelegt /und weil diese eben so schädlich dem gemeinen Wesen wäre / für eine Untreue bestrafft. Zumahl wenn man nicht nur ausser Befehl sich in etwas wolmeinende einliesse / sondern schnurstracks wider bekommene Verordnung handelte / welches schwerlich dem Nahmen eines Betrugs entfliehen könte. Insonderheit müste man sich an diesem Fadem der Ariadne halten /wenn ein Fürst eigensinnig wie Tiberius wäre / seinem Verstande mehr / als aller anderer Klugheit zutraute / und für einen Abbruch seiner Hoheit hielte /wenn seine Befehle [1341] nicht auf ein Haar ausgerichtet würden. Uber diß hätte Tiberius nicht nur eine Art an sich / iedermanne Fehler beyzumässen / sondern er wäre auch der mißträulichste Mensch unter der Sonnen / und würde für einen grossen Wucher halten /wenn er durch scheinbare Beymässung eines Versehens oder Mißhandelns ihm beykommen / und beym Römischen Volcke schwartz machen könte. Welches in gegenwärtigem Falle ihm glücklich angehen würde / weil seinem Vornehmen nicht nur der todte Buchstaben eines Kayserlichen Befehls; sondern der zu dem Ende ausdrücklich abgeschickte Rathsherr Papinius solchem und ihm ins Antlitz widerspräche / auch wenn er iemanden von den Gefangenen freylassen solte / selbst in Meyntz bey der Besatzung einen Lermen anfangen / und beym Kriegs-Volcke / welches zwar den Sieg aber nicht den Frieden gerne sieht /leicht Beyfall finden würde. Agrippine versätzte: Germanicus hätte nicht nur auf diß / was Tiberius zu letzt durch den Papinius verordnet / sondern auch auf seine vorige Schreiben zu sehen / darinnen er ihm ja deutlich zu verstehen gegeben / er solte die Deutschen in Ruh / und sich durch eigene Zwietracht aufreiben lassen / welches ohne vorher gemachten Frieden nicht sicher geschehen könte. Wie hätte ihm aber Tiberius etwas von einem Frieden können träumen lassen /ohne daß denen kriegenden Fürsten ihre Gemahlin /Kinder / und Anverwandten loßgelassen würden? Daher müste der letztere Befehl / welcher von Aufhebung des erstern nichts meldete / nothwendig auf den Stand des ungeschlossenen Friedens ausgedeutet werden. Germanicus begegnete ihr: Diß liesse sich alles wol hören / wo es um Auslegung einer tunckelen Verordnung zu thun wäre / da denn ein Diener / wenn ihm auf den Hals gegangen wird / und die Sache keinen Verzug leidet / er auch siehet / daß ein Fürst eine neue Begebnüs nicht hat vorsehen und seinen Befehl darnach beugen können / sich etwas wol nach Leitung des Verhängnüßes / und seiner Klugheit durch eine kecke Entschlüssung sich einer Freyheit anzumassen befugt ist. Aber / wo der Befehl ihm schnurstracks zu wider ist / hat er gebundene Hände / und dieser hebt alle vorher gehende Vollmachten / und die Gewalt des Amptes auf. Agrippine wuste hierwider nichts kräfftiges aufzubringen / iedoch lag sie ihm noch immer in Ohren / der Sache nachzudencken / und auf ein Mittel zu sinnen: daß er bey den Deutschen einen guten Nahmen hinterliesse. Dieser wäre über das Leben / welches der geringste Pöfel mit Helden gemein hätte /und über den Ruhm grosser Thaten zu halten / die durch versehrte Treu und Glauben doch einen unausleschlichen Schandfleck behielten. Diese letzten Worte liessen in des Germanicus Hertze einen solchen Stachel: daß er nebst dem Silius / auch die zu seinen Reisegefährten ausgelesenen Freunde / nemlich den Vitellius / Cneus / Sentius / Vibius Marsus / und Veranius zu Rathe nahm / und mit ihnen schlüßig ward /den Frieden vollends / iedoch mit diesem Beysatze zu vollziehen: daß die vom Tiberius verlangten Gefangenen zwar nach Rom reisen; Germanicus aber daselbst ihre Freyheit zu wege bringen; und da er über Hoffen solches nicht auszurichten vermöchte / die Deutschen an den Frieden nicht gebunden seyn solten. Diesen Vorschlag eröffnete Germanicus noch selbigen Abend Agrippinen / diese den Gefangenen / welche sie durch Versicherung: daß sie auf der Reise nach Rom ihre Beschirmerin seyn / oder nicht leben wolte / zu Annehmung dieses Vorschlags beredete. Thußnelde gab noch in der Nacht dem Grafen von Nassau hiervon einen Vorschmack / und auf den Morgen beschwur sie ihn bey seiner Treue: er möchte das eusserste thun /was er könte / damit des Germanicus und Agrippinens Wolmeinen mit dem Frieden nicht zergienge. Als nun Silius beyden Gesandten dieses vortrug / machte der Graf von Witgenstein [1342] zwar wegen mangelnder Vollmacht einige Schwerigkeit / und verlangte dreyer Tage Aufschub / in welcher Zeit er vom Hertzoge Arpus solche zu erlangen getraute; aber Silius sagte: daß Germanicus den dritten Tag aufbrechen müste; und der Graf von Nassau / welcher sich hierauf schon gefaßt gemacht / und befunden hatte: daß an Gewinnung weniger Zeit / und einem kurtzen Frieden mit den Römern / dem Feldherrn wegen der mit dem Marbod und Ingviomern habenden Zwyspalt viel gelegen wäre / entdeckte dem Witgenstein: daß er diese Bedingung mit dem Frieden anzunehmen gedächte; wuste ihm auch seine Schwerigkeiten derogestalt zu zerlegen: daß er biß auf Genehmhabung seines Fürsten / darüber Silius kein Bedencken hatte / zu schlüssen / das Wort von sich gab. Also ward über diesen Beysatz ein neuer Auffsatz gemacht / unterschrieben und besiegelt. In der fünfften Stunde wurden die Gesandten beym Germanicus mit grossem Gepränge zur Verhör eingeleitet / und die Friedens-Schlüsse gegen einander ausgewechselt. Als dieses auf einem grossen Saale in Anwesenheit der vornehmsten Römer geschehen war / befahl Germanicus den Frieden an dreyen Plätzen der Stadt Meyntz auszublasen / und an allen Gräntzen zu schreiben: daß die Feindseeligkeiten gegen die Deutschen aufhören / und biß zu einlauffender Genehmhabung des Friedens / die Gefangenen in Festungen als freye Leute gehalten werden solten. Zu Thußnelden / und anderm Frauenzimmer schickte er den Vitellius / und ließ ihnen vermelden: daß sie nicht mehr der Römer Gefangene / sondern seine Gäste wären. Nach dieser gemachten Anstalt / führte Germanicus die Gesandten in sein inneres Gemach / zohe daselbst aus einem helffenbeinernen Schrancken / dessen Fächer alle mit glatten und vielerley Landschafften abbildenden Steinen versätzt und inwendig mit geschliffenen Schildkroten-Schalen belegt waren / ein Schreiben herfür. Dieses wieß er dem Grafen von Nassau ihn fragende: ob er daran Hand und Siegel kennte. Als dieser es nun mit dem ersten Blicke für des Hertzog Ingviomers ansah / fieng Germanicus an: Ich wil dem Hertzoge Hermann und Arpus durch dieses das erste Kennzeichen meiner Freundschafft für Augen stellen. Gab es also dem Nassau nicht nur zu lesen / sondern auch dem Feldherrn zu überbringen. In diesem fanden beyde Gesandten nachfolgende Worte mit Ingviomers eigener Hand in Römischer Sprache geschrieben: Großmächtiger Germanicus! Ingviomern wird nun auch bey den Römern Schutz /bey dir Freundschafft zu suchen gezwungen / nach dem ihn der herrschsüchtige Herrmann zu unterdrücken / die hoffärtigen Catten verächtlich zu halten anfangen. Tiberius wird den hoffentlich für einen Bundgenossen nicht verschmähen / der für sein Vaterland so viel Jahr / und als Herrmann noch mit Tocken spielte / den Degen rühmlich geführet hat. Es ist mir leid: daß ich wider die Römer fechten müssen; aber Rom unvergessen / daß ich meine Tapfferkeit auch für die Römer angewehret habe. Diese sind gewohnt /auch alter Dienste zu gedencken / und Germanicus die Tugend an Feinden werth zu halten. Diese werde ich künfftig Rom zu Dienste / und zu Befestigung eines ehrlichen Friedens / zwischen beyden Völckern anwenden / welcher ohne Vertilgung des ehrgeitzigen Herrmanns / und ohne Züchtigung der raubrischen Catten nicht zu hoffen ist. Der Römer Freundschafft wird Ingviomer mit beständigerer Treue vergelten /als Melo / Ganasch und Malorich / welche durch ihren mit dem Herrmann gemachten neuen Bund und ihren Abfall von Rom / der Deutschen Beständigkeit einen heßlichen Brandfleck eindrücken / und so wol als die Semnoner und Longobarden ihnen das Joch der Cheruskischen Dienstbarkeit / Deutschlande am Herrmann einen Wütterich / den Römern aber einen unversöhnlichen Feind aufbürden. Witgenstein laß[1343] dieses Schreiben mit mehrer Veränderung als Nassau / welcher aus Ingviomers Dräuungen ihm nichts bessers wahrgesagt hatte. Beyde aber sagten dem Germanicus für so aufrichtige Entdeckung dieses feindlichen Vorhabens verbindlichsten Danck; welcher den Cneus Sentius beruffen ließ / und ihm in ihrer Gegenwart befahl: er solte den Ritter Kulenburg / welchen Ingviomer an Germanicus abgeschickt hatte / mit dieser Erklärung abfertigen: Weil die Cherusker und Catten numehr gute Freunde der Römer wären / könte er sich wider sie mit niemanden in Bündnüß einlassen. Hierauf führete Germanicus die Gesandten in den Speise-Saal; dahin auch Agrippine Tbußnelden / Ismene / die Hertzogin Catta / und Zirolane brachte. Wiewol nun dieses Feyer gantz unvermuthet kam / ließ doch Germanicus darbey die Römische Pracht zur Genüge sehen / und gieng an Köstligkeit der Speisen / und des Getränckes nichts ab / was die den Römern unterthänige Länder zu ihrer Verschwendung zu zinsen / oder auch die Gewinnsucht aus den eusersten Enden der Welt herzuholen pfleget. Germanicus und die andern vornehmen Römer bezeugten eine sonderbare Verträuligkeit gegen die Deutschen / und keine gemeine Freude über dem gemachten Frieden. Auf die Nacht wurden auf den Bergen und im Rheine allerhand Lust-Feuer angezündet; und auf den Morgen verfügte sich Germanicus mit den Gesandten und dem gantzen Hofe für die Stadt an den Rhein / allwo er dem Einflusse des Meynes gegen über harte ans Ufer einen viereckichten Marmelstein / welcher oben das Antlitz des Römischen Gräntz-Gottes fürbildete / und solches gegen Deutschland kehrte / eingraben / und darneben das aus blau grünem Marmelsteine künstlich gehauene Bild des Rheines aufsätzen ließ / in dessen Geschirre ein auf dem nechsten Berge entspringende Qvell durch verborgene Röhren geleitet / und dessen Wasser daraus in den Rhein-Strom geschüttet ward. An dem ersten standen folgende Reime:


Die Gräntze Galliens und Deutschlands ist allhier /

Wo der geweyhte Rhein die beyden Ufer netzet /

Vorm Frieden ward diß Ziel den Nachtbarn zwar gesätzet;

Doch schrieb schon die Natur diß Gräntz-Maal ihnen für.

An des andern Fusse war zu lesen:

Der durch der Nachtbarn Blut zeither getrübte Rhein /

Führt Perlen itzt und Gold; wird auch noch schöner rinnen /

Wenn Rom und Deutschland wird einander lieb gewinnen;

Dem Fried' ists feinste Gold / der beste Edelstein.


Als beyde Bilder aufgerichtet waren / salbeten sie die Priester mit wolrüchendem Oele / kräntzten sie auch mit Oel Zweigen / und befahlen dem Gräntz-Gotte: daß er von dar so wenig weichen solte / als er sich zu Rom auf dem Capitolium vom Tarqvinius hätte verrücken lassen / und dem grossen Jupiter selbst nicht die Stelle räumen wollen. Hierauf wurden dem Gräntz-Gotte allerhand Erstlinge der Früchte / dem zweyhörnrichten Rheine aber zwey Ochsen geopffert /welches alles dahin zielte / daß Germanicus die Deutschen des Friedens halber versichern wolte. Demnach nun bey diesem absonderlich beliebt war: daß das deutsche Frauen-Zimmer anderer Gestalt nicht / als in Gesellschafft Agrippinens nach Rom reisen / Papinius aber / Krafft habenden Befehls / sich von selbtem nicht absondern / weniger voran gehen wolte / schickte Germanicus den Veranius mit einem Schreiben dieses Innhalts an Tiberius voran: Weil der Käyser ihm befohlen / die Deutschen ihrer iñerlichen Unruhe zu überlassen / hätte ihm das Glücke gefugt: daß nicht nur die Cherusker und Marckmäñer einander in die Haare ko en wären / sondern es würde ehstes Tages auch zwischen dem Hertzoge Hermañ uñ den Ingviomer ein neues Kriegs-Feuer aufgehen. Aus dieser Uneinigkeit hätte er einen vortheilhafften Frieden noch für des Papinius Ankunfft geschlossen gehabt /und Gallien dadurch in Sicherheit gesätzet / [1344] welches sonst / weil die Sicambrer / Chauzen und Friesen sich mit dem Herrmann wieder vereinbaret / Noth gelitten / und Rom in einen gefährlichen Krieg versäncket haben dörffte. Ob nun zwar in diesem Frieden ausdrücklichen versprochen worden wäre / alle Gefangenen auf freyen Fuß zu stellen / hätten doch die deutschen Gesandten dem Käyser zu Ehren beliebt: daß Hertzog Herrmanns Gemahlin / Sohn / Catta / Ismene und Zirolane nach Rom reisen / und dadurch seinem Willen nachleben möchten. Er versähe sich aber: daß Tiberius alles versprochene genehm haben / die mit ihm dahin Reisenden loß geben / also ihn seiner verpfändeten Worte und Ehren halber / Rom aber eines weit aussehenden Krieges befreyen würde. Veranius reisete noch selbigen Tag geraden Weges nach Rom ab / Germanicus und Agrippina aber brachen mit ihrer deutschen Gesellschafft folgenden Morgen auf. Es ist aber kaum glaublich / was des Germanicus Abreise bey dem Römischen Kriegs-Volcke und den Galliern für grosse Betrübnüß erweckte. Silius hatte zwar seine Legion für des Germanicus Hause aufgeführt; aber sie hatten den Adler mit schwartzem Boy umhüllet / die andern Krieges-Zeichen zu Bodem gekehrt / alles war für Trauren stock stille / und sahe auf die Erde / säuffzete / oder hatte die Augen voller Wasser stehen. Als Germanicus nun heraus kam / zu Pferde saß / und Abschied nam / erhob sich ein erbärmliches Gewinsel / die ihm die Hand küssenden Haupt-Leute konten kein Wort aufbringen / ersätzten aber diesen Abgang mit einem Uberflusse darauf rinnender Thränen. Etliche rufften: Wie er als ein Vater der Legionen sie verlassen könte / da sie für ihn alle Tage zu sterben erbötig / auch zu seiner Sicherheit mit ihm nach Rom zu ziehen nöthig wären. Nicht weniger Hertzeleid bezeigten sie gegen Agrippinen / als sie in die Sänffte saß. Sie nennten sie die Mutter der Läger / und baten / wenn sie zu ihrem Tröste ja nicht beym Kriegs-Volcke bleiben könte / möchte sie doch ihren im Läger auferzogenen Sohn Cajus zurücke lassen; Er würde bey ihnen nicht wie zu Rom verzärtelt werden / aber für Giffte und Eisen so viel sicherer seyn. Sie selbst aber möchte doch sich und die Ihrigen zu Rom wol in acht nehmen. Denn sie wären versichert: daß sie am Rheine zwischen den Spissen und Käulen der Deutschen sicherer / als zu Rom zwischen den Armen des Tiberius / Liviens / und des Drusus wären. Endlich rufften sie ihnen mit vollem Halse tausend Glücke nach. Noch viel ungeberdiger stellten sich die Gallier / welche aus den fürnehmsten Städten nach Meyntz kommen waren / dem Germanicus für so viel Wolthaten Danck zu sagen. Sie trugen ihm den Nahmen eines Vaters der dreyen Gallien an / weil sie unter der Römischen Herrschafft noch von niemanden so gütig wären gehalten worden. Insonderheit aber wusten sie die letztere Wolthat wegen des gemachten Friedens nicht gnugsam zu rühmen. Zu dem Ende hatten sie auch auf dem ersten Berge / über den des Germanicus Reise gieng / bey dreyen Brunnen eine herrliche Ehren-Pforte aufgerichtet; vielleicht weil Mercur /unter dessen Gestalt sie den Germanicus verheren wolten / in Arcadien auf einem Berge bey drey Brunnen soll gebohren seyn. Auf dieser Ehren-Pforte hatten sie die denckwürdigsten Getichte vom Mercur /und darunter die Verrichtungen des Germanicus in Gallien und Deutschlande fürgebildet. In dem ersten Felde war Germanicus unter der Gestalt des Mercur /und die Stadt Rom wie Juno gebildet; Er hatte eine güldene Schale in der Hand / darein Rom aus beyden Brüsten durch verborgene Röhren Milch spritzte / die er auf die Erde ausgoß / darunter standen folgende Reime:


Was aus der Juno Brust für Milch Mercur gesogen /

Hat er ins Himmels Burg zur Milch-Straß angewehrt.

Uns hat Germanicus in Safft und Blut verkehrt /

Was er für Süßigkeit ie hat aus Rom gezogen.

[1345]

Wer zweiffelt: daß man nun jedwedem dancken muß?

Der Himmel dem Mercur / wir dem Germanicus.


Auf der andern Taffel war Tiberius in Gestalt des den Blitz auf die unten knienden drey Gallien auslassenden Jupiters gebildet / welchen aber Germanicus ihm aus den Händen rieß / und Gallien mit dem Herolds-Stabe des Mercur bedeckte. Darunter war zu lesen:


Mercur hat Jupitern den güldnen Stab entführet /

Aus Sorge schweren Brands / den Blitz nicht angerühret;

Allein Germanicus scheut keinen eignen Brand /

Läßt dem Tiber den Stab / und nimmt ihm aus der Hand

Den Blitz / wenn Gallien soll seinen Zorn empfinden /

Wenn hat es Ursach nun mehr Weyrauch anzuzünden?


In dem dritten Felde stand Mercur. Mit seinem Stabe reichte er in den gestirnten Hi el; neben ihm stand ein Wieder / unter seinen Füssen segelte ein Schiff auf dem Meere. Darbey stand folgende Auslegung:


Mercur steht auf der Welt den fetten Heerden für /

Im Himmel ist er Wirth / der Schiffer Schirm in Seen;

Seit dem Germanicus uns fürsteht / sehen wir

Mehr Schiffe durch das Meer / mehr Vieh auf Weiden gehen.

Er giebt auf unser Heil und unsern Glücks-Stern acht /

Ja er hat Gallien zum Himmel fast gemacht.


In dem vierdten Felde theilte Germanicus in der Gestalt / wie die Kauff-Leute ihren Mercur zu mahlen pflegen / denen dreyen Gallien Maaß / Gewichte / und die Römischen Gesetz-Taffeln aus / unter ihm stand folgende Uberschrifft:


Die Handlung hat Mercur der Welt zu Nutz erdacht

Und wider den Betrug Maaß und Gewicht erfunden;

Uns hat Germanius mit Sud und Ost verbunden /

Und unsre Kauffmannschafft in höchsten Schwung gebracht.

Gerechtigkeit ist itzt der Gallier Gewicht /

Allein ihr Glücke weiß von keinem Maaße nicht.


Im fünfften Felde stand eine weiße und fette Kuh / mit einem Krantze von vielerley Blumen um den Hals. Auf der Stirne stand mit güldenen Buchstaben: Y.O. um die Hörner: Gallien / geschrieben. Gegen über war der schlaffende Argos mit hundert zugeschlossenen Augen / und Germanicus in Gestalt des auf der Leyer spielenden Mercur / unten aber folgende Auslegung zu sehen:


Dem Argos schleust Mercur die hundert Augen zu /

Die um die Yo stets aus eitel Mißgunst wachen;

Ist Yo Gallien / und eine fette Kuh /

So ist Germanicus auch zum Mercur zu machen /

Nun aller Deutschen Neid schläfft durch den Frieden ein /

Bey unserm Glücke blind / mit sich vergnügt muß seyn.


Im sechsten Felde saß Germanicus in Gestalt des Mercur auf einem Throne; für welchem auf einer Seite die Gallier fochten und Ritter-Spiele auf der andern die Beredsamkeit übten. Darunter stand geschrieben:


Von dem Mercur rührt her Beredsamkeit und Fechten /

Diß unterhält den Krieg / und jenes schaffet Ruh;

Germanicus bringt uns auch beyde Künste zu.

Denn Gallien kan nun auf Römisch red- und rechten;

Er hat die Waffen es zu führen recht gelehrt /

Und wie so Stahl als Kiel zu brauchen sich gehört.


Im siebenden Felde stand Mercur in einem Zauber-Kreiße / machte mit seinem Stabe allerhand seltzame Zeichen darum / für ihm aber kam aus der zerberstenden Erde ein Gespenste herfür. Zu seinen Füssen lagen viel verschlossene Hertzen / in welchen allen aber Schlüssel steckten. Unten war diese Schrifft zu lesen:


Mercur / dem Jupiter zu allen Schlüssel gab /

Der die Gestirn' auffschleust / und öffnet Höll und Grab /

Lehrt alles Zauberwerck / stöst Oel ins Pluto Kertzen;

Allein Germanicus weiß bessre Zauberey /

Er bricht mit Freundligkeit Ertzt / Stahl / und Stern entzwey /

Die einen Schlüssel hat zu aller Menschen Hertzen.


Im achten Felde richtete Germanicus in Gestalt des Mercur mit seinem Stabe den Lauff des Gestirnes; welches folgende Reyme auslegten:


Mercur hat uns gelehrt des Himmels Heimligkeit /

Und was s' Verhängnüß hat in Sternen Ziffern stecken

Allein Germanicus weiß nicht nur zu entdecken /

Was uns ein Stern sagt wahr; Er meistert selbst die Zeit

Kehrt / was ein Unstern dräut / durch klugen Rath in Seegen /

Ist dem Verhängnüße durch Tugend überlegen.


[1346] Im neundten Felde waren die zwey Pforten der Träume / und zwischen diesen Mercur / welcher darüber seine Botmäßigkeit ausübt. Darunter standen nachfolgende Reyme:


Was Ehrsucht / Wollust / Geitz / für Wunder kan ersinnen /

Last in des Menschen' Hertz Mercur durch Träume rinnen /

Wenn er die Thor auffsperrt von Horn und Helffenbein

Wir aber können nichts so gut durch Träume fassen /

Was uns Germanicus nicht würcklich schmecken lassen /

Was für ein grösser GOtt muß der für jenem seyn.


Im zehnden Felde erledigte Mercur vieler Sterbenden Seelen von dem Gefängnüße ihrer Leiber / hingegen vereinbarte er viel aus den Elysischen Feldern zurück ans Tagelicht kommende Seelen mit neuen Leibern. Welches folgende Uberschrifft dem Germanicus zueignete:


Mercur läst von der Last der Leiber ab die Seelen /

Und wenn die Zeit ist aus / so führt er aus den Hölen

Des Pluto / und vermählt mit neuen Leibern sie.

So trennt Germanicus die Seelen stoltzer Feinde;

Beseelt durch seine Gunst: die unterdrückten Freunde;

Drum beuge Freund und Feind für ihm nur Hertz und Knie.


Im eilfften Felde stand der den Mercur abbildende Germanicus. Reichte denen drey Gallien zum Zeichen des ertheilten Römischen Bürger-Rechts drey weisse Röcke / und wieß sie zur Verehrung der zwölff grossen Götter an. Darunter war folgendes geschrieben:


Mercur hat von dem Vieh die Menschen unterschieben /

Als er sie Götter ehrn / die Raserey durch Frieden

In sanffte Sitten kehrn / und Städte bau'n gelehrt;

Wenn vom Germanicus wir nicht gebändigt wären /

So würde Gallien nur Barbern in sich nehren /

Das numehr Bürger haus't und wahre Götter ehrt.


Im zwölfften Felde warff Germanicus in Gestalt des Mercur seinen vom Apollo für die Leyer eingetauschten Stab / zwischen zwey einander beissende Schlangen / durch welchen sie ihren Krieg alsbald in eine liebreiche Umfassung sollen verwandelt haben. In der Hand aber hatte er einen güldenen Rincken mit vielen goldenen Ketten / welche einer Anzahl Deutschen an denen Ohren feste gemacht waren / dadurch er sie an sich zoh. Die darunter stehenden Reyme machten darüber diese Auslegung:


Mercur führt alle Welt an einer güldnen Ketten /

Und schaffet / daß sie Fried auch wider Willen trifft.

Sein Stab verkehrt in Brunst der Nattern Zwietrachts- Gifft.

So / wenn die Deutschen gleich mehr Gall' als Schlangen hätten /

Kan doch Gemanicus so künstlich sie beschwern;

Daß sie des Hasses Gifft in holde Freundschafft kehrn.


Durch diesen Ehren-Bogen giengen drey weite Pforten. Zwischen der mittelsten auf der rechten Hand saß Germanicus in Gestalt des Mercur auf einem erhobenen Stule. Auf der lincken Seite kniete gegen ihm das Celtische Gallien / neben ihm lag der Fluß Rhodan /durch dessen Wasser-Krug der eine Brunn sein Wasser ausschüttete. Gallien aber reichte dem Germanicus eine Schüssel voll Zungen zu. Auf der rechten Hand der ersten Pforte kniete das Aqvitanische Gallien /und reichte mit der Hand dem Germanicus ein Hahn zu. Neben ihm lag der Fluß Garumna / durch dessen Geschirre der andere Brunn floß. Auf der lincken Seite der dritten Pforte kniete das Belgische Gallien /und übergab dem Germanicus eine Schale Honig und einen Krug voll Milch. Neben ihm lag die Maaß /durch dessen Wasser-Topff sich der dritte Brunn ausschüttete. Diese Bilder waren alle in Riesen-Grösse und starck vergoldet. An denen vier Füssen waren vier Taffeln / in welche mit güldenen Buchstaben folgende Reyme geschrieben waren:


Verschmähe Galliens geringes Opffer nicht /

Du Römischer Mercur. Diß / was dir unsre Pflicht

Zu bringen schuldig ist / wächst nicht in unsern Gräntzen

Steht nicht in unser Macht. Mit unsern Lorber-Kräntzen

Ist Göttern nicht gedient / die Rom schon betet an.

Weil dir sein Jupiter kaum selbst vergelten kan /

Was deine Tugend heischt; wie sollen unsre Scherben

Dir nicht verächtlich seyn? Was Kermes-Kerner färben /

[1347]

Was unsre Bäum' und Vieh für weiche Wolle trägt /

Was unser Seiden-Wurm aus Laub zu spinnen pflegt /

Dient dem Germanicus zu keinem Sieges-Kleide.

Der Perse / dem er dreut / trägt ihm schon seine Seide /

Arabien sein Gold / Taprobana sein Gut

Der Muscheln; Indien sein Steinwerck / Tyrus Blut

Der Purpur-Schnecken an ihm einen Rock zu weben /

In welchem er nach Rom als Sieger sich erheben /

Sein Heiligthum beziehn / und in dem Capitol

Die Zahl der Helden mehrn und sich vergöttern soll.

Jedoch verschmäht kein GOtt die zwar geringen Gaben

Gemeiner Opffer nicht / die nur den Beysatz haben

Der Andacht. Diese giebt dem Hartzte / das man ließt

In Ameiß-Hauffen auf / mehr Krafft / als was erkiest

Von den Saheern wird / wenn nur auf schlechten Kohlen

Die keinen reinen Brand aus warmen Hertzen holen /

Viel männlich Weyrauch schmiltzt. So nimm nu gnädig an

Was Gallien dir bringt / und Armuth geben kan.


Für allem liefert es dir die geweihten Zungen /

Denn dein Gedächtnüß wird mit Ruhme seyn gesungen /

Und unser Hertze wird sich dir zum Tempel weih'n /

Weil Gallien nur nicht wird ohne Zunge seyn.

Laß Amathusien die Muschel-Zungen bringen /

Laß auch zu Babylon vier güldne Vögel singen /

Legt ihnen auch das Lob der Götter Zungen bey /

Weil sie den Königen durch süsse Zauberey

Erworben aller Gunst; du selbst wirst einst bekennen:

Daß mit mehr Andachts-Glut dir unsre Zungen brennen.

Jedwedes Baum-Blat wird in Zungen sich verkehrn /

Ja ieder stumme Fisch / den unsre Wässer nährn /

Wird den Germanicus mit heller Zunge preisen;

Die Zungen sind zwar sonst die letzten Opffer-Speisen

Der Götter; aber hier sind sie die erste Tracht /

Weil unser Hertze sie zu seinen Flammen macht.

Um Galliens Mercur mit ihnen zu versöhnen /

Und sein Altar damit als Hörner zu bekrönen.


Das andre was dir wird von Gallien gewehrt /

Ist ein geringer Hahn. Weil aber er begehrt

Von so viel Göttern wird / weil Titan ihn hoch achtet /

Weil er dem Esculap und Tode wird geschlachtet /

Weil wegen Tapfferkeit ihn Pallas ihr erkiest /

Mit ihm den Helm ziert aus / Mercur ihm günstig ist.

So wird Germanicus den Vogel nicht verschmehen /

Den über Persien man einmahl herrschen sehen.

Den die Natur gekrönt / den an der Adler statt

Der Adel Cariens auf seinen Lantzen hat.

Der Löwen durch sein Lied zu schrecken sich erkühnet /

Denn kein von Furcht und Schlaff bethörter Vogel dienet

Für einen solchen Held / der solche lange Zeit

Für Gallien gewacht / durch seine Tapfferkeit.

Für Deutschlands Löwen uns hat als Cancul beschützet

Der Gallier ihr Mars. Doch wo kein Hahn dir nützet /

So laß uns Gallier dir nicht verschmählich seyn /

Wenn wir uns selber dir an statt der Hahnen weyhn.

Ist unser Vater nicht Alectryon gewesen /

Hat doch die Nacht für uns den Vogel ausgelesen /

Die unser Ursprung ist; ja diß behertzte Thier

Geht als ein Beyspiel uns in hundert Wercken für.

Und zwar in diesem auch: daß unser Blut und Leben /

Für den Germanicus zum Opffer hin zu geben

Nicht ein'ge Scheue trägt. Das letzte Liebes-Pfand /

Was Gallien dir bringt mit seiner treusten Hand /

Ist Milch / des Blutes Schaum / und Zucker unser Bienen

Weil beyde Säffte nun den Erden Göttern dienen /

Weil ihre Süßigkeit so den Mercur vergnügt /

So ni auch du sie an. Denn daß mans Feld noch pflügt;

Daß unsre Kühe Milch / die Schaafe Wolle geben /

Die Biene Honig macht / auf Hügel wachsen Reben /

Diß schreibet Gallien dir / Schutz-Herr / einig zu /

Danckt dir die Fruchtbarkeit und seine stoltze Ruh.

Sein Honig mag Athen / Surrent die Milch ausstreichen /

Garumna und die Maaß / wird beyden wenig weichen.

Es zuckert unsre Lieb' auch Milch und Honig ein /

Wie jene oben / diß soll unten süsser seyn.

So bringt dir Gallien den Honig ihrer Seelen

Und ihrer Zunge Milch. Kan Honig in den Hölen

Die Leichen für Verwes- und Fäulung halten frey /

Legt seine Nahrung uns ein langes Leben bey.

So wird Germanicus hier nimmermehr verwesen /

Weil Gallien durch ihn / als Vater ist genesen.

Weil er durch seine Hold als Mutter uns gesäugt /

Des Glück- und Himmels-Gunst uns gleich als Milch zuneigt.

Daß wir auch dein Altar nach Noth versorgen können

Wird / wo du uns bleibst hold / noch GOtt mehr Segen gönnen.

Man wird in Gallien nur güldne Jahre zehln /

Der Maaß wird nimmer Milch / der Samber Honig fehln /

Die Liguris wird sich mit Fruchtbarkeit ergießen /

Die Mose / wird voll Wein / nur Oel im Rhodan flüßen.


Unter diesem Berge auf einer annehmlichen Wiese /und an einer hellen Bach stand eine andere prächtige /iedoch kleinere Ehren-Pforte. Diese hatte oben fünf grosse Felder. In dem mittelsten umarmte Germanicus und Agrippina in Gestalt des Osiris und der Isis einander. Er hatte die Sonne / sie den gesichelten Mohnden auf der Stirne / in der Hand einen Jäger-Spieß /zu den Füssen den dreyköpfichten Cerberus / weil Isis mit der dreyfachen Hecate eines / und im Himmel der Mohnde / auf der Erde Diana / in der Hölle Proserpina seyn soll. Darunter stand mit güldenen Buchstaben: Die Vermählung der Natur und des Glückes. Im ersten Felde stand Isis in Gestalt der Ceres / hatte auf dem Haupte einen [1348] Krantz von Weitzen-Eeren / in der Hand ein Horn des Uberflusses / und hatte darunter den Titel einer Gebährerin der Früchte. Im andern Felde hatte sie einen Krantz von allerhand glänzendem Ertzte / in der Hand einen Püschel Narcissen /zu den Füssen einen Molch / weil dieser nirgends /wo nicht auch Gold ist / sich aufhalten soll / über jener Abbrechung aber Proserpina soll geraubet worden seyn. Unter ihr war geschrieben: Die Erfinderin des Ertztes. Im vierdten Felde war Agrippina in Gestalt der vielbrüstigen Isis zu sehen / an welcher Unter-Kleide allerhand Löwen-Katzen-Habichts-Köpffe / Schlangen und andere Egyptische Bilder-Schrifften zu sehen. Auf dem Haupte hatte sie Ochsen-Hörner / zu den Füssen einen Fisch / von welchem sie soll erhalten worden seyn / und in dessen Gestalt sie verehret zu werden pflegt. Sie hatte zur Uberschrifft: Die Mutter der Feuchtigkeit. Im fünfften Felde stand Isis in Gestalt eines viereckichten Steines / wie auch Mercur gebildet wird. Ihre Augen waren wie die der Themis verbunden / und neben ihr lag ein Mäßstab und Richtschnure. Darunter stand:Die Erfinderin der Gesätze. Unten saß Agrippina wie die Egyptische Isis auf einem Königlichen Stuhle / für ihr knieten die drey Gallien. Das Celtische überlieferte ihr einen Püschel Mah-Häupter / das Aqvitanische eine Ganß / das Belgische eine Kalbe. Auf jeder Seite der Ehren-Pforte stand eine viereckicht zugespitzte Säule / an denen folgende Reime zu lesen waren:


Wer die Geheimnüsse der gütigen Natur /

Die Unruh voller Ruh der richt'gen Sonnen-Uhr /

Der Tag und Nächte Maaß / den Unterscheid der Zeiten

Das Reichthum in der Welt von Lust und Nutzbarkeiten

Vernünfftig überlegt / dem fällt es gar nicht schwer /

Zu urtheiln: Alles rührt von einer Gottheit her.

Das bist / O Isis! du; Was Menschen kan ernehren /

Muß zeugen der Osir / und Isis es gebähren.

Sie schwängert Erd und Meer / läßt Ertzt wie Pflantzen blühn /

Deckt Wiesen mit Schmaragd / und Gärte mit Rubin.

Sie kleidet Berg und Felß mit Wäldern und Gepüschen /

Weiß sie mit frischem Qvell und Schatten zu erfrischen.

Das Feld bekämet sie mit tausend Kräuterey /

Zur Speise Wild und Vieh / dem Menschen zur Artzney.

Schafft Wind und Witterung / giebt den Gewächsen Seegen /

Geußt Schalen voller Thau / und Schlauche voller Regen

Auf Wüsteneyen aus. Zeucht's Wasser aus der See /

Verkehrt es in Gewölck / in Nebel / und in Schnee.

Um Brunnen zu gebehrn / das Erdreich zu befeuchten /

Läßt ihnen wäßrige bald dürre Sterne leuchten /

Wie ihre Hörner selbst / bald leer bald völler sind.

Bald reget sie den Blitz / bald flügelt sie den Wind /

Beseelt die Lufft durch Saltz / durch Schwefel-Dampf die Erde /

Erweckt den Geist der Welt / daß alles trächtig werde.

Sie flösset so viel Säfft' iedweder Wurtzel ein /

Als ihnen zur Geburt der Pflantzen nöthig seyn.

Kein Mahler weiß so viel Gestalten zu ersinnen /

Kan so viel Farben nicht aus Erd und Meer gewinnen /

Als Isis hat verbraucht in eines Pfauen Schwantz /

In einer Taube Hals. Der Regenbogen Glantz /

Der Syrer Färberey / die Persischen Tapeten /

Sind Armuth / Einfalt / Schaum / und müssen sich entröthen /

Wenn sie das Feld mit Gold und reichem Scharlach stickt

Mit Meer- uñ Berg-blau mahlt / mit tausend Blumen schmükt.

Sie zeugt manch Schnee-Kind hier aus einem Mohren- Stamme /

Das Silber kämpfft mit Milch / Zinober mit der Flamme /

Narciß und Hyacinth weicht Stern und Himmel nicht /

Die Rose trotzt die Sonn' / und ihre Farbe sticht

Die Morgenröthe weg. Ja manche kleine Blumen

Beschämen an Geruch den Balsam aus Idumen /

An Schönheit Schnecken-Blut. Legt Isis denn die Hand

An Früchte / kan kein Mund / kein Auge / kein Verstand

Wie lüstern die gleich sind / so vielerley begehren /

Als sie stets Vorrath hat uns häuffig zu gewehren /

Gesicht und Zunge kämpfft: Ob diesem mehr der Safft

Ob jenem mehr das Gold Lust und Vergnügung schafft /

An schimmernden Zitron- und brennenden Granaten /

Ob's Obst für den Geruch / ob's sey zur Kost gerathen?

Ob sie die Beeren meist in Blut und Purper netzt /

Daß sie so Aug' als Mund durch eine Tracht ergetzt.

Ja wüste gleich die Welt nichts nicht von Obst und Beeren /

Wenn gleich in Indien nicht Nüß und Würtzen wären.

Rinn't aus der Balsam-Stand' auch keine theure Flutt /

So würde doch der Wein / der Erde Marck und Blut /

Des Lebens kräfftig Oel / der Sterblichen Ergetzen /

Der Götter Honigseim / den Abgang uns ersetzen.

Durch den hat Isis uns was göttliches beschert /

Die Trauben sind auch mehr der güldnen Kronen werth.

Damit sonst die Natur Granaten-Aepffel schmücket /

Aus Irtthum nicht aus Recht. Was man aus Perlen drücket /

Aus Edelsteinen zeucht / Musch / Ambra und Muscat /

Der Zimet und Zibeth / und was die Ost-Welt hat.

Auch was die neue Welt wird mit der Zeit uns geben /

Heißt unsre Isis zwar als Künstlerin erheben /

Alleine durch den Wein bringt sie den Menschen bey /

[1349]

Daß sie die Frau der Welt / die grosse Gottheit sey /

Im Himmel / Erd' und H \ll'. Und dieses zu erweisen /

Gebůhrt sie dort und dar uns außerwehlte Speisen.

Die Eicheln sind gewest die Kost der ersten Welt /

Sie aber hat gelehrt / wie man die Pflůge hålt /

Die Aecker richtet zu / daß sie nun Weitzen tragen;

Sie lehrt aus Eer' und Spreu die schweren K \rner schlagen /

Durch Můhlen sie in Mehl / durch Glutt in Maltz und Brodt /

Und in Getråncke kehrn. Sie gab uns das Gebot

Was nackt ist von Natur / fůr Schand und Frost zu decken /

Weißt uns zum Håuser baun / durchs Beyspiel schwacher Schnecken /


Lehrt Leyn und Hanff såen aus / låßt uns die Weberey

Und des Gespinnstes Kunst durch Spinnen bringen bey.

Sie heißt hierzu uns Båum- und Schafe-Wolle tragen /

Der Seiden-Wurm muß ihm sein Eingeweid abnagen /

In Fådem' es verkehrn / daß uns ein pråchtig Kleid

Nichts minder schmůckt als deckt. Ja uns're Lüsternheit

Zu såttigen / lehrt sie uns bauen Weid- und Röthe /

Wie man die Kråuter preß' / und Purper-Schnecken t \dte

Weißt in Gebůrg' und See uns hundert Farben an /

Damit man Woll' und Seid in ihnen tråncken kan.

Sie lehrt mit Nadeln mahln / Stein / Gold und Silber spinnen /

Schleifft Demant und Rubin / und wird noch viel ersinnen /

Was Pallas nicht gewůst / kein Phryger hat gestickt /

Daß sie nur uns vergnůgt und unsre Hoffart schmůckt.

Sie lehrt uns Netze / Strick- und schlaue Garne stellen /

Das starck' und schnelle Wild zu fangen und zufållen;

Weil uns ihr Leder dient zu Waffen und zur Tracht /

Weil man aus Haaren Peltz' aus Horn Artzneyen macht.

Und ihr gesundes Fleisch der Menschen Hunger stillet;

Mit diesem Reichthum ist nicht nur die Erd erfůllet /

Die Lůffte wissen nicht ihr Flůgelwerck zu zehln /

Der menschliche Verstand das beste zu erwehln.

Damit die niedlichen auch keinen Eckel kriegen /

Heißt sie diß leichte Volck den Erden-Kreiß durchflügen

Und ůber Meere ziehn; ja måstet sie durch Wein /

Durch Felgen / Wůrtz und Nůß / und n \thigt sie uns ein.

Vielleicht hat sie darum die Schiffarth uns entdecket:

Daß / wenn der Zuwachß uns nicht unsers Landes schmecket /

Man Hahn' aus Indien und Persen holen kan /

Des Ganges Papegoyn / und Colchis Phasian?

Ein ander frembder Strom uns Phånicopter sende.


Jedoch hat Isis noch viel reich' und mildre Hånde

In der besåmten Flutt. Es kåmpfft Teich / Fluß und Meer

Wer uns aus ihnen schickt das meiste Fischwerck her.

Diß ist so schwer an Thier' als Wåssern auszuleeren /

Ein Fisch hat meist mehr Brutt als ein gantz Volck gebehren /

Von andern Thieren kan. Der Arten sind so viel:

Daß sie sich můhn zu zehln scheint eines Thoren Spiel.

Die Gr \ß' erreicht vielmahl das Maaß geringer Berge /

Denn Elefanten sind bey Wallfisch-Jungen Zwerge;

Und einer speist ein Heer. Doch ist mehr wunderns werth:

Daß ein gar kleiner Fisch ein grosses Schiff umkehrt.

Und eines andern Horn / das Helffenbein beschåmet /

Es als wie Wachs durchbohrt. Nebst allem dem besåmet

Mit Austern / Krebs / Syren und Pferden sie die See /

Flößt Schnecken Purper ein / den Perlen Thau und Schnee /

Nach welchem jener Zung' und dieser Muschel låchset;

Sie machet: daß Korall ins Meeres Grunde wåchset /

Bey dem Gestalt und Hårt' uns Zweifel streuet ein:

Ob dieses Meer-Gewåchs' ein Baum sey oder Stein?

Drum streut sie so viel Saltz in die beperlten Meere /

Das Oel der Fruchtbarkeit. Wenn auch die Schopffen- Heere

Nicht håtten einen Zug einander zu verzehrn /

K \nt' ihnen nicht die Flutt zur Wohnung Raum gewehrn.


Doch ruht hier Isis nicht. Sie bringt uns Nutz und Freude /

Aus Nacht und Abgrund her. Sie lehrt die Eingeweide

Der Erden uns durchbohrn / den Handgrief wie das Bley

Gold / Silber / Eisen / Zien / Stahl / Ertzt zu schmeltzen sey.

Wie man soll Schwefel ziehn / das Kupffer-Wasser sieden /

Qvecksilber machen fest / aus Stahle Schwerdter schmieden /

Pflug-Eisen / Sicheln / Aext und Sågen richten an /

Aus Silber pregen Geld. Sie weiset / wie man kan

Verkehren fließend Ertzt in Bilder und in Spiegel /

Wie man in Pfeilen selbst dem Tode giebet Flůgel.

Wie Gifft und Spießglaß sich låßt wandeln in Artzney /

Zinßt Alaun und Lasur der Fårb- und Mahlerey.

Sie kan vermischtes Ertzt durch Scheide-Wasser trennen

Bereitet trinckbar Gold / kan kråfftig Wasser brennen /

Aus Steinen und Metall / ja hat durch Tråum' entdeckt /

Was fůr geheime Krafft in Kraut und Wurtzeln steckt.


Am h \chsten aber ist der Isis hold zu schåtzen /

Weil sie die Welt versehn mit heilsamen Gesåtzen.

Denn diese sind das Licht / das unsers Lebens Nacht

In einen Tag verkehrt / und Vieh zum Menschen macht.

Sie hat uns abgew \hnt das Menschen-Fleisch zu essen /

Lehrt nach Gerechtigkeit all unser Thun abmåssen /

Setzt unserer Begierd' und Rache Maaß und Ziel /

Lehrt uns den Gottesdienst / was GOtt und Himmel will.

Und so beströmt sie uns mit unverfålschten Lüsten /

Mit reiner Liebes-Milch / aus mehr als tausend Brůsten /

Macht also in der That sich aller Welt bekand:

Als Mutter der Natur / und GOttes rechte Hand.


Ihr wahres Ebenbild hat uns mit Agrippinen

Der Himmel zugefr \mt. Mit dieser ist erschienen

Ein Glůcks-Stern Gallien / der ihm viel Heil gebracht /

Der es aus Wůsteney zum Paradiß gemacht /

Und zum Gelobten-Land. Es trug ja wol Getreide /

Oel-Båume wilder Art / der Erden Eingeweide /

Gab nichts als Stahl und Bley. Das Obst war hart und klein /

Der Wein von Anmuth leer / die Trauben ungemein.

Und was uns die Natur gleich gutes noch bescherte /

War zweiffelhafftes Gut. Denn unsre Scheuren leerte

Der wilde Deutsch' uns aus / eh als sie unser Fleiß

Kaum hatte vollgemacht. All' unsre Můh und Schweiß

War frembder V \lcker Raub. Die Isis unsrer Zeiten

Hat aber der Natur Erqvick- und Nutzbarkeiten

[1350]

Als Mutter uns versehrt / als G \ttin uns gebracht /

In Ruh und Sicherheit. Denn unsre Mitternacht /

Und Gallien prangt itzt mit Medens edlen Frůchten /

Mit Asiens Gewåchs- und Indiens Gerichten.

Granaten-Aepffel blůhn mit Aloen allhier /

Das Land bringt Tulipan' und Hyacinth' herfůr

Und was Semiramis in ihren Gårten zeiget.

Denn diß hat Agrippin' uns alles zugeneiget /

Den Saamen uns verschafft / die Pflegung uns gelehrt /

Das Obst durch Pfropffungen verbessert und vermehrt.

Einåugungen entdeckt / und Tingung angegeben /

Aus Persien Citron / und Co und Chios Reben /

Von Syracusa Weitz' / und Datteln vom Euphrat

In unser Land versetzt. Und ihre Sorgfalt hat

In Gallien gepflantzt Egyptens Kockus-Eichen /

Fůr derer Rotenschein der Purper muß erbleichen.

Aus derer K \rnern wird Gewůrm herfůr gebracht /

Das selbten Baum besåmt / mit Kermes fruchtbar macht.


Ja sie bereichert uns mit Scythens Elends-Thieren

Und Ochsen Phrygiens; ließ Pferd' uns ůberfůhren

Aus Africa zur Zucht / und Bienen von Athen /

Von Paphos Tauben / die Wahrsagungen verstehn.

Und die in Syrien in schneller Bothschafft fliegen /

Aus Cypern Flůgelwerck / und aus Cyrene Ziegen /

Aus Paphlagonien die rothe Rebhuns-Art /

Die von zwey Hertzen lebt. Von unser Isis ward

Auch der Egyptier Geheimnůß uns entdecket /

Wie man das Feder-Vieh durch Ofen-Wårmbd' aushecket

Und wie ein zahmes Huhn Fasanen kan erziehn /

Ja was in Gallien nicht wachsen wil und blühn /

Hat sich durch Kauffmannschafft auf unsre Märckte funden /

Weil sie den Rhodanus durch Schifffahrt hat verbunden

An Nil und an die Rha / und seit der Ganges Fluß

In unsre Ligeris sein Reichthum zinsen muß.

Sie hat uns Saltz gelehrt aus Meer und Brunnen ziehen /

Hat Wůnschelruthen uns / und Wissenschafft verliehen /

Wie aus Gebůrgen Ertzt und Gold zu graben sey /

Und hundert Kůnste mehr den Galliern bracht bey.

Darum sie wůrdig ist in Ertzt und Gold zu etzen.

Hat sie uns nicht versehn mit heilsamen Gesetzen /

So ist mehr danckens werth: daß sie durch treuen Rath

Und gutes Beyspiel uns vielmehr gebessert hat.

Fůr aus muß Gallien / so lang' es Låger schlagen

Und Waffen fůhren wird / von Agrippinen sagen:

Sie sey der Låger Trost / und Mutter / unser Schild /

Der Schutz-Geist Galliens / und sein Minerven-Bild /

Der V \lcker Heil gewest. Ja weil der Rhein wird flůssen /

Wird er zu ihrem Ruhm / zu seiner Schande můssen

Bekennen: Sie / nicht er / hielt Herrmanns Einbruch ein /

Die Flucht der R \mer auf: gab die Natur den Rhein:

Daß er den Galliern zur Mauer solte dienen;

So hat's Verhångnůß uns erwehlet Agrippinen.


So wol thut Isis uns. Was aber opffert ihr

Zu seiner Danckbarkeit denn Gallien hierfůr?

Der Kummer ist umsonst. Hat Isis nicht verachtet

Ein Kalb und eine Ganß / wenn man sie ihr geschlachtet /

Ein Mahhaupt / welches doch nur schlåffrig machen kan

So wird auch Agrippin' jedwedes nehmen an /

Weil die / die alles hat / sich låßt mit Nichts bezahlen:

Weil sie ist eitel Kern / vergnůgt sie sich mit Schalen.


Weil Germanicus seine Reise verfolgte / genaß Deutschland zwar der Ruhe mit frembden Feinden /aber nicht mit sich selbst. Denn ob zwar der Graf von Nassau und Witgenstein nicht alles nach Wunsch hatten einrichten können / ließen doch beyde der Cherusker und Catten Hertzoge alles gefallen / was sie mit dem Germanicus geschlossen / und schickten in wenig Tagen ihre Genehmhabung dem Silius nach Meyntz /der inzwischen über die Legionen und Gallien die oberste Gewalt hatte. Nach dem sie auch aus Ingviomers mit gebrachtem Schreiben allzusehr vergewissert wurden: daß seine gegen den Grafen von Nassau ausgelassene Drenworte aus keiner hitzigen Ubereilung / sondern aus rechter vorsätzlicher Feindschafft hergeflossen wären / kamen beyde Hertzoge auf ihrer Gräntze zusammen / um deßwegen über der Wolfarth Deutschlandes mit einander Rath zu halten. Hertzog Arpus war der Meinung / nach dem Ingviomers Ansuchen beym Germanicus eine würckliche Feindseligkeit wäre / solten sie unverwarnter Dinge ihn auf beyden Seiten überfallen / und diese schlaffende Schlange Deutschlandes in ihrem Neste tödten. Sintemahl er in dem Schreiben an den Germanicus ihnen schon selbst mehr als den Krieg angekündiget hätte; in welchem Falle ihnen nicht obläge / ihm die Fehde wieder anzudeuten / sondern es wäre nicht weniger Rechtens / als der Klugheit gemäß / angedreuter Gewalt durch Geschwindigkeit vorzukommen. Hertzog Herrmann aber führte nicht nur wegen nahen Geblütes / sondern auch einer absondern Gemüthsneigung viel mäßigere Rathschläge gegen ihm / und sagte: daß auch in denen Fällen / wo es das [1351] Völcker-Recht nicht für nöthig hielte /löblich wäre / ehe man einen bekriegte / selbten um Vergnügung wegen angefügter Beleidigung anzulangen / und widrigen Falls ihm anzudeuten: daß man an ihm Rache ausüben wolte. Ingviomer wäre freylich wol unrecht / aber man solte auch bey zerfallener Freundschafft nicht vergessen / was uns unser Feind vorher gutes gethan hätte. Denn da nachfolgende Wolthat vorhergehende Beleidigung auswischte; warum solte auch nicht vorher gehende Gutthat das folgende Unrecht ausgleichen? Der Römische Friede würde Ingviomern vermuthlich nun ein ander Maaß zu nehmen / und lindere Seiten aufzuziehen veranlassen. Uber diß hätte er auch noch den Marbod und Vannius / von derer mächtigen Zurüstung er gewisse Nachricht hätte / am Rücken / welche den noch auff schwachen Füssen stehenden Frieden mit den Römern übern Hauffen zu werffen / weder Müh noch Unkosten sparen würden. Weßwegen ihm viel rathsamer schiene / Ingviomern zum Bundsgenossen / als auf einmal viel Feinde zu haben. Denn es bliebe doch ein für allemahl unumstoßlich wahr: daß ein Fürst weder seinen Verstand noch seine Waffen besser als die Unruhe seines Vaterlandes zu stillen / die Wurtzeln der innerlichen Zwietracht auszurotten / und den Brunnqvell bürgerlicher Kriege zu verstopffen angewehren könte. Wenn diß geschehen wäre / könte er leichte seiner Nachbarn Ehrgeitz in die Schrancken der Gerechtigkeit einzwingen / alle arglistige Anschläge wie verbreñte Fädeme zernichten. Nach diesen zweyen Verrichtungen mangelte ihm das wenigste nicht zur Vollkommenheit seiner Ehre. Er hätte nichts mehr zu seinem Ruhme zu wünschen / weniger von nöthen: daß er ein Vorbild eines vortreflichen Fürsten / und ein Wunderwerck beym Volcke abgäbe / sondern seine Tugend hätte ihren völligen Zweck erreichet / und der Hi el alle seine Gütigkeit über ihn ausgeschüttet. Hertzog Arpus warff zwar ein: daß Ingviomer bey so verrücktem Spiele freylich wol sich gezwungen sehen würde / ihre verworffene Freundschafft wieder zu umarmen / aber wer würde ihnen Bürge seyn / daß wenn sie sichs am wenigsten versähen / er mit dem sich wendenden Blate des Glückes /nicht auch seine Freundschafft ändern würde. Sintemahl bey Rachgierigen Gemüthern die Galle sich leicht ergiesse / und sie wie die Schlangen im Winter ihr Gifft mehr versteckten als wegwürffen. Gleichwol aber kam Hertzog Arpus in Herrmanns Willen / welcher jenem rieth / bey dieser Gelegenheit seinem erwehlten Eydame dem Hertzoge Jubil zu dem wieder zu verhelffen / was Marbod der Hermundurischen Herrschafft abgezwungen hatte. Diesem nach ward der Graf von Weil erkieset / zu Ingviomern zu reisen /und von ihm wegen angethanen Unrechts Vergnügung / wegen besorgter Feindseligkeit aber Versicherung zu verlangen. Dieser ward von Ingviomern wol empfangen / ihm auch alle ersinnliche Ehre angethan /gleich als wenn er wider die Cherusker und Catten niemahls was feindliches im Schilde geführt hätte. Denn der Römische Friede / und die schlechte Abfertigung seines Gesandten an den Germanicus / hatte ihm kein geringes Schrecken eingejagt / und nunmehr gantz andere Seiten aufzuziehen gelehret. Daher er auch von nichts anderm / als von Lobsprüchen beyder Hertzoge / welche Deutschland wieder vereinigt / und durch einen so heilsamen Frieden erfreuet hätten / seiner seits aber von beständiger Freundschafft zu reden wuste; auch noch für des Grafen Ankunfft an Hertzog Herrmann den Grafen von Horn / an Arpus den Ritter Brederode abgefertigt hatte / welche ihnen zu dem Frieden-Schlusse Glück wünschen / seine absondere Einschlüssung bitten und sie versichern solten: daß seine Treue bey Deutschland so feste als die zwey Angel-Sterne und der Erde Mittel-Punct [1352] stehen würde. Mit dieser Larve meinte Ingviomer dißmahl durchzukommen; er gerieth aber in so viel grössere Verwirrung / als der Graf von Weil ihm das Verlangen des Cheruskischen und Cattischen Hertzogs fürtrug / und er seine mit den Römern gepflogene Handlung verrathen sahe. Gleichwol aber bildete er ihm nichts weniger ein; als daß sie derselben innerste Geheimnüße ergründet hätten. Daher fieng er an sich über die Hefftigkeit des Grafen von Nassau zu beklagen / welcher sich nicht / als wenn er Hertzog Herrmanns Stelle verträte / sondern als wenn er der Feldherr selbst wäre / sich gebehrdet hätte. Er wäre mit ihm nicht wie mit einem Hertzoge der Bructerer umgegangen / sondern hätte ihn gleichsam wie Popilius den König Antiochus / in einen engen Kreiß eingeschlossen / diß was ihm mit Vernunfft zu suchen obgelegen / ihm mit Gewalt abzutrotzen vermeinet / und durch fürgeschriebene Gesätze einige ihm aus Ungedult entfahrne Worte heraus gelocket / durch seine Dräuungen aber ihn gezwungen hätte / sich auf solchen Fall um Freunde / und Schutz umzusehen. Der Graf versätzte: Er hätte keinen Befehl den Nassau zu verreden / welchen seine bekandte Gemüthsmäßigung ausser Verdacht sätzte / daß er nichts über seines Fürsten Befehl gehandelt haben würde. Ingviomer fiel ein: Er beschuldigte ihn keiner Untreue; aber eines Gesandten Ampt erforderte doch die herbesten Befehle seines Fürsten durch eine süsse Bescheidenheit zu verzuckern. Denn die von eitel Feuer und Schwefel angefüllten Köpfe wären nur geschickt die Geschäffte in ihren Händen zu verwickeln / nicht zu verrichen; Sie verriethen ohne Noth und für der Zeit ihrer Fürsten Absehen / jagten sie in Harnisch / und steckten die Länder in Brand. Der Gesandte antwortete: Ihm wäre leid / wenn an dieser schädlichen Klippe der Hefftigkeit / des Grafen von Nassau Ehre Schiffbruch / die deutsche Verträuligkeit Anstoß gelitten haben solte; wiewol ihm als einem Kriegsmanne / welche nicht allemahl so genau das Ampt eines Hauptmanns und Gesandtens zu unterscheiden wüsten / etwas zu gute zu halten gewest wäre / und Nassau sich am besten würde zu vertheidigen wissen. Unterdessen aber wären Hertzog Herrmann und Arpus vergewissert: daß Ingviomer nicht nur die Römer um Schutz / sondern um Bündnüß wider die Cherusker und Catten zu kriegen ersucht hätte. Ingviomer versätzte: So hätte Kulenburg die Schrancken seiner Vollmacht überschritten / und er wolte auf erweißlichen Fall beyde durch seine Bestraffung vergnügen. Der Gesandte /welcher durch Beschämung des Bructerischen Hertzogs nicht gerne das Geschwüre für der Zeit aufstechen wolte / begegnete ihm: Er möchte sich doch erinnern / was er eigenhändig an den Germanicus geschrieben hätte; also ihn nicht zu etwas nöthigen /was ihm hernach eine gleichmäßige Beschuldigung /als dem von Nassau geschehen / aufbürden dörffte. Daher würde er für ein Glücke schätzen / Ingviomern auch viel vorträglicher seyn / wenn sie mehr auf Heilung der Wunden / als dieselben mit empfindlichen Pfriemern zu ergründen bedacht wären / und Ingviomer seinen alten Bundgenossen gewisse Kennzeichen seiner Reue und Versicherung seiner Treue zu geben /vorsorgte. Ingviomern schoß hierüber das Blat / und sagte: Wenn Germanicus einige seinem Gesandten anvertraute Schreiben angehalten / eröffnet / oder entdeckt hätte / wäre von iedem wider das Völcker-Recht gehandelt worden; und also versähe er sich nicht: daß Hertzog Herrmann / oder Arpus darauf einiges Absehen nehmen würde. Der Gesandte versätzte: Wer eines andern Brieff auffienge / oder erbräche / handelte wider die gemeine Sicherheit; wenn solches aber einem Gesandten geschähe / würde das Recht der Völcker verletzt / weil nicht nur seine Person / sondern alle seine Sachen in völliger Sicherheit seyn /niemand [1353] auch aus geheimen Briefen ein Siegs-Ge pränge machen solte. Hier aber wäre vom Germanicus nichts derogleichen begangen. Denn was an einen Fürsten selbst geschrieben würde / wäre er zu verhölen nicht schuldig; sondern nach Erforderung seines Zustandes und Nutzens möchte er solche iedwedem zeigen. Weil Ingviomer sich nun im Gewissen überzeugt wuste / doch aber durch seine eigene Hand nicht überführet werden wolte / sich auch auf den Vortrag aus dem Stegereiffen etwas hauptsächliches zu entschlüssen nicht getraute / fiel er auf das Lob des Gesandten / und wünschte: daß das anfängliche Mißverständnüß von einem solchen Manne / der so wenig Galle / so viel Vernunfft / und einen Uberfluß von Mäßigung bey sich gehabt / wäre unter die Hand kommen. Denn in diesem Falle würde alles Unvernehmen in der Blüte getödtet worden seyn. Er wolte aber der Sachen / um ihm alle mögliche Vergnügung zu geben / nachdencken. Denn seine annehmliche Art zu handeln hätte eine so süsse Gewalt über die Gemüther: daß sie ihm schwerlich was abschlagen könten; uñ er hätte mit seiner Höfligkeit ihn so eingenommen: daß es ihm unmöglich fallen würde ihn unvergnügt von sich zu lassen. Der Gesandte sahe und verstand allzu wol: daß Ingviomer nach Art etlicher Fürsten die Ehre eines tapfferen Dieners zum Feg-Opffer seines eigenen Verbrechens anzugewehren / und seine Flecken an desselben schönstes Kleid zu wischen / kein Bedencken hatte; ja / daß er ihme nur jenen zu verkleinern / liebkosete. Allein er muste nur dieses Erbieten zu Danck annehmen; und / ob er wol den Grafen von Nassau noch so hoch schätzte / und wuste: daß er sich selbst vollkommen besaß / und ihn keine Empfindligkeit außer seine Verfassung und von dem Zwecke seiner Handlung zu verrücken mächtig war / sein Unvergnügen verstellen / damit ihm hernach nicht eben dieser Fehler ausgestellt würde. Folgenden Tag nam Ingviomer den Gesandten mit auf die Jagt / mit der sie sechs Tage nach einander zubrachten / ohne daß Ingviomer der Haupt-Sache mit einem Worte gedachte. Ob dieser nun zwar aufs höflichste unterhalten ward / schöpffte er doch aus der sonst beliebten Abwechselung der vielerley Jagten weniger Ergetzligkeit / als aus diesem Verzuge Unvergnügen. Den siebenden Tag kamen sie wieder nach Hofe; und als Ingviomer abermahls drey Tage stille schwieg /kam dem Gesandten dieser Aufzug verdächtig für. Daher er den Grafen von Steinfurth ersuchte: er möchte bey dem Hertzoge Ingviomer ihm verbitten / daß er ihn mit einem annehmlichen Bescheide beseeligen möchte / weil ihm beyde Hertzoge seine Verrichtung zu beschleunigen / scharff eingebunden hätten. Ingviomer ließ den Gesandten ersuchen: er möchte ihm wol seyn / und die Zeit nicht lang werden lassen. Denn dieses wichtige Werck könte nicht übers Knie gebrochen werden. Uberdiß erwartete er einige Nachricht von seinen an beyde Hertzoge abgefertigten Gesandten. Unterdessen stünde alles an seinem Hofe und in seinem Gebiete ihm zu Diensten. Der Graf von Weil aber gab dem von Steinfurth zu verstehen: auf das letzte wäre nicht zu warten. Denn er wüste: daß weder Hertzog Herrmann noch Arpus für seiner Abfertigung einige Verhör geben würde. Dessen ungeachtet ließ Ingviomer den Gesandten zur Gedult vermahnen / und ihn versichern: daß diese das Werck erleichtern / und er ihn nicht ohne Vergnügung weg lassen würde. Mit dieser Vertröstung speisete er sich etliche Zeit / und als er aufs neue Erinnerung that / sagte ihm der Graf von Steinfurth: daß Ingviomer nur den zu den Batavern abgeschickten Ritter Borckelo erwartete / welcher über drey Tage nicht aussen bleiben könte. Nachdem aber weder diß noch etwas sonst erfolgete /sagte der Gesandte dem Grafen; er hätte ausdrücklichen Befehl: daß / wenn er in acht Tagen mit einer richtigen Erklärung nicht abgefertigt würde / er unverrichteter [1354] Sache abreisen solte. Steinfurth beschwerete sich: daß man in einem so grossen Wercke / an welchem die Ehre Hertzog Ingviomers / und die Ruhe Deutschlandes hienge / einen Fürsten so übereilen /oder ihm ein so kurtzes Ziel fürschreiben wolte. Es wäre ja besser einer Sache Zeit lassen / und sie wol ausarbeiten / als sie in ihrer Rohigkeit abbrechen /oder durch allzu grosse Hefftigkeit für der Zeit reiff machen. Ubereilte Schlüsse wären so wenig tauerhafftig / als frühzeitiges Obst. Weil der Gesandte aber betheuerte: daß er von dem Buchstaben dieses Befehls nicht abweichen könte / gab ihm endlich Steinfurth zu verstehen; Ingviomer hätte ihn gemächtiget zu sagen: daß er die vermeinte Beleidigung durch eine den Fürsten anständige Erkenntligkeit abthun / hingegen sich versehen wolte: daß man von ihm keine andere Versicherung seiner Beständigkeit / welche er so vielmahl mit seinem Blute bewehrt hätte / nicht verlangen würde. Der Graf von Weil erklärte sich mit dem erstern vergnügt zu seyn. Seine Fürsten aber verlangten eine andere Versicherung / nemlich zwey Festungen an der Naval und an der Emß / und vier und zwantzig Bructerische Ritter zu Geisseln. Steinfurth sagte: dieses wären so harte Bedingungen / als kaum einem überwundenem Feinde anzumuthen wären / jedoch wolte er sie Ingviomern fürtragen. Folgenden Morgen kam er und erbot sich sechs Geissel zu geben; denn ungeachtet diese Einwilligung ihm schmertzhafft /und seinen Bructerern verkleinerlich wäre / wolte er doch Deutschlands Wolfarth / für die er so offt sein Leben aufgesätzt hätte / gerne allen seinen Ehrgeitz aufopffern. Der Gesandte ließ an seiner Forderung die helffte / nemlich die Festung an der Naval nach / verlangte also nur die an der Emß / und zwölf Geisseln /also: daß es sich zu einem gewünschten Schlusse ansehen ließ; ja Ingviomer zweiffelsfrey würcklich geschlossen hätte / wenn nur noch drey Tage keine Nachricht vom Könige Marbod eingelauffen wäre /auf welche er zeither so begierig gewartet / und destwegen den Grafen von Weil mit Fleiß so lange aufgezogen hatte. Selbige Nacht aber kam der Ritter Arnheim / den er bald nach dem Abschiede des Grafens von Nassau an König Marbod verschickt hatte / zurücke / und ob der Hertzog gleich schlieff / ließ er ihn doch wecken. Dieser ließ den Arnheim für sein Bette /welcher ihm mit einem Worte den kurtzen Begrieff seiner Verrichtung zu eröffnen begierig war; nemlich /daß er alles / was er verlangt / und noch viel ein mehrers glücklich verrichtet hätte. Weil er aber vernommen: daß ein Cheruskischer Gesandter sich bey Hofe aufhielte / hätte er mit Fleiß sich des Nachtes einfinden / und seinen Reise-Gefärthen / der bey Ingviomern ein sehr wichtiges Geheimnüß auszurichten abgeschickt wäre / drey Meilen von dar / auf einem Jagt-Hause zurück lassen wollen / damit Ingviomer von allem desto unvermerckter benachrichtiget werden könte. Die zur Unruh geneigte Freude jagte Ingviomern alsbald aus dem Lager / und nach dem er keinem Menschen als dem Grafen von Steinhorst etwas von seiner Reise vertrauet / auch den Gesandten unterdeß zu unterhalten befohlen hatte / gieng er mit dem Arnheim hinten aus dem Schlosse durch einen Garten /wohin Steinfurth drey Edelleute mit nöthigen Pferden bestellt hatte / sätzte sich daselbst auf / und ritt spornstreichs dem angedeuteten Orte zu. Sie kamen mit anbrechendem Tage daselbst an / allwo Arnheim seinen Gefärthen / nemlich den Ritter Kapliers weckte / und ihm die Anwesenheit des Bructerischen Hertzogs andeutete. Dieser fuhr halb erschrocken auf / und ward nach seiner Anlegung also fort zu Ingviomern geleitet. Nach bezeigter gewöhnlichen Ehrerbietung sagte er: daß die vollkommenste Fürstin der Welt ihn dem Fürsten Ingviomer aufzuwarten / und ihm ein gewisses Geheimnüß einzuliefern befehlicht hätte. Hiermit überreichte er dem Hertzoge in einem [1355] seidenen Tuche ein Schreiben / und eine güldene Schachtel; und erbot sich nach derselben Eröffnung noch umständlichere Nachricht abzustatten. Ingviomer eröffnete das Schreiben / und als er darinnen den Nahmen Adelgunde erblickte / gerieth er in solche Verwirrung: daß er sich vergebens bemühte seine Gemüths-Veränderung zu verstellen. Er erholete sich aber; daß er darinnen folgende Zeilen lesen konte: Großmüthiger Ingviomer / Adelgunde / um derer Liebe du dich bewarbest / befindet sich nun im Nothstande deine Errettung zu suchen. Mein unglücklicher Vater / den das Glück zu seinem Falle erhöhet zu haben scheinet / darff deiner Tapfferkeit / aber ich noch vielmehr deiner Erbarmnüß. Jener ni et mit beyden Händen deine angebotene Freundschafft an / schlage mir also auch nicht ab die mir nöthige Hülffe wider den / welcher dir ja so gram als der Tugend ist / und mich vielleicht nur darum liebet / daß er mich tödte. Jedoch wolte ich mich leicht darein schicken eine Leiche zu seyn /wenn ich nur nicht vorher dürffte eine Gefangene des lasterhafftesten Menschen werden. Weist du mich aber durch deine Treue in Freyheit zu setzen / so glaube: daß Adelgunde dieses Kleinod niemanden als dem unvergleichlichen Ingviomer aufopffern werde. Dem Bructerischen Hertzoge klopffte das Hertze fast über jedem Worte; und ob er wol darinnen nicht alles verstand / war doch darinnen für ihn schon so viel gutes entdeckt / als er jemahls gewünschet / und ihm dieses mahl nicht hätte träumen lassen. Ehe er nun vom Ritter Kapliers um ein und des andern Auslegung fragte /laß er den Brief zum andern und dritten mahl; und weil Vorwitz insgemein eine Gefärtin der Liebe ist /öffnete er die güldene Schachtel. Er ward aber hierbey gleichsam außer sich verzückt / als er darinnen das mit grossen Diamanten versätzte Bild der Fürstin Adelgunde erkennete. Dieses hatte er ihm zwar schon vorher an Marbods Hofe tieff in seine Gedancken eingedrückt / und in sein Hertze verschlossen; aber ihre Schönheit war mit den Jahren um ein grosses gewachsen / und der Pinsel seiner Liebe gab ihrer Annehmligkeit noch einen herrlichen Beysatz. Denn ob er zwar sie etliche Jahr nicht gesehen hatte / hatte doch die Abwesenheit und Zeit seine Zuneigung ehe vergrössert als vermindert. Sintemahl die Augen zwar die Fenster nicht aber die Ketten der Liebe sind / welche die Hertzen auch in der grösten Ferne gefässelt halten. Der Kreiß ihrer Würckung erstrecket sich so weit / als die Gedancken / welche in einem Augenblicke von einem Ende der Welt biß zum andern flügen / und der Seele ihre geliebte Schönheit fürbilden. Hier aber vertilgete der überbrachte Schatten gleichsam das Gemählde des Gemüthes. Er sahe diß Bild lange Zeit mit so starren Augen an / als wenn ihre Blicke Dräte wären / welche sie daran feste und unbeweglich gemacht hätten. Weil aber das blosse Anschauen so wenig als Speisen / von denen einem träumet / sättigen / küssete er dieses Bild ohne Aufhören / gleich als wenn er ihm dadurch eine Seele einblasen / und den Schatten in die wesentliche Adelgunde verwandeln /oder als wenn er ihre lebhaffte Korallen aus den Lippen / ihre Rosen von den Wangen aussaugen / und damit seine Liebe unterhalten könte. Alleine er steckte sich so wol durch sein beständiges Anschauen wie die um das Licht schwermenden Mutten / und durch diese Küsse wie der die Flamme umarmende Satyrus nur in Brand / versätzte seine Begierde in grösseren Durst /und sein Gemüthe in solche Unruh / daß er vom Ritter Kapliers mehr Nachricht einzuziehen vergessen hätte / wenn nicht der Ritter Arnheim ihn durch seine Erinnerung aus dem tieffen Schlaffe seiner Selbstvergessung erwecket hätte. Auf dessen Veranlassung aber ersuchte Ingviomer den Ritter / er möchte ihm doch von der Fürstin Adelgunde Verlangen ausführlichen Bericht erstatten. Kapliers war hierzu bald fertig und[1356] fieng an: die Fürstin Adelgunde hat unter ihren Vollkommenheiten auch diese / daß ihr Hertze denselben Gefäßen gleichet / welche den einmahl an sich gezogenen guten Geruch des beherbergten Balsams nicht von sich lassen / so lange von ihnen ein Scherben übrig ist. Meine Aufrichtigkeit und der Ubelstand dieser Fürstin zwingen mich durch Auslegung dieser Worte dem Hertzoge Ingviomer das Geheimnüß zu entdecken: daß Adelgunden von seiner feurigen Tugend / als er an ihres Vaters Hofe sich aufhielt / und um ihre Liebe sich bewarb / ein Funcken in ihr Hertze flog / welcher nach der Hand durch ihre eigene Widerstrebung so wenig als das Griechische Feuer mit Wasser zu leschen war. Es waren wenig benachbarte Fürsten / welche nicht wegen ihres Königlichen Erbtheils / noch mehr aber wegen ihres an Schönheit und Tugend bestehendẽ Eigenthums auf sie ein Auge hatten; Aber aller Liebkosungen machten ihr keine Versuchungen; ihr Hertze gleichte dem Prophiersteine /welcher das einmahl angenommene Bild ohne seine gäntzliche Zernichtung in sich nicht vertilgen / noch wie Wachs oder Ertzt in ein anders umgießen läßt. Jedoch verbarg sie diesen Zunder in ihrem Hertzen sorgfältiger / als die Elevsinischen Priester das Geheimnüß ihres Gottesdienstes; also / daß jedermañ ehe in den Egyptischen Säul-Tempeln alle Bilderschrifft ausgelegt / als in ihren Augen einiges Merckmahl der Liebe wahrgenommen haben würde. Hierbey aber lebte sie ohne die wenigste Unruh ihres Gemüthes / welche sonst die Liebe zu erregen pflegt. Denn die Vernunfft führte in allen Regungen die Ober-Herrschafft / welche keinen Sturm zu Kräfften kommen läßt / und alle Begierden an der Schnure führt. Das Glücke bließ auch so lange in ihre als in König Marbods Segel. Dieser erlangte keinen Lorber-Krantz / daß nicht die bezwungenen Völcker ihr einen von Oel-Zweigen überlieferten. Die gantze Welt liebkosete ihr als der Tochter eines mächtigen Jupiters /welche wie Pallas Waffen und Weißheit mit auf die Welt gebracht hätte. Tiberius selbst pflügte mit ihr /daß sie zwischen Rom und ihrem Vater gutes Verständnüs erhielt. Durch ihre Klugheit verdiente sie vom Marbod in wichtigsten Reichs-Geschäfften für seine Rathgeberin / durch ihre Wolthätigkeit von seinen Unterthanen für ihre Göttin erkennet zu werden. Mit Adgandesters Ankunfft aber fieng ihre Vergnügung an Abschied zu nehmen. Dieser verschlagene Fuchs gieng ihr zwar in allem an die Hand / und was er ihr an Augen ansah / mühete er sich ehe zu vollziehen / als sie ihren Willen ihm zu verstehen gab. Ja er heuchelte ihr fast mehr / als dem Könige selbst / weil er wol sahe: daß sie bey ihm viel vermochte / und ihn gleichsam in Händen hatte. Weil er sich nun so wol in sie / als in Marbod schicken konte / hielt sie ihn auch selbst als einen Werckzeug der gemeinen Glückseeligkeit werth. Denn sie verstand allzu wol: daß nicht eigene Tugend / nicht blinde oder ungefährliche Zufälle Alexandern und andere seines gleichen so groß gemacht / sondern dieselben am meisten gewonnen hätten / welche mit klugen Räthen wären versehen gewest. Ja durch das Beyspiel ihrer Tugenden brachte Adelgunde zuwege: daß sich Adgandester zwang / tugendhaffter zu seyn / als er war. Alleine diß blieb doch nur ein Fürniß ohne Wesen. Denn Diener sind nichts anders als der Zeug / Fürsten die Künstler /welche solchen zwar schöner / aber nicht besser / als er an sich selbst ist / also aus Holtze kein Helffenbein machen / und Kupffer nicht in Bley verwandeln können. Marbod erhob ihn durch seine Gnade über alle andere Diener / und machte ihn gleichsam zum Abgotte der Marckmänner / aber sein Gemüth behielt doch seine Tücke / wie übergüldetes Holtz seine Wurmstiche. Adelgunde schöpffte hierüber zwar eine kleine Eyversucht / und gerieth in Kummer: daß anderer Diener Haß und Neid / Zwytracht und Unruhe im Reiche erregen würde; [1357] jedoch ließ sie es gehen / weil Adgandester sich bey seinem Wachsthume noch begrieff / in seinen Handlungen nicht weniger Treue als Eyverspüren ließ. Nach dem sie aber inne ward: daß Adgandester die erste Bahn verließ / andere Diener kaum über Achsel ansah / und den König zu hefftigen Entschlüßungen / welche in die Länge nicht gut thun würden / verleitete; widersprach sie ihm nicht alleine etliche mahl im Rathe mit ziemlichen Eyver /sondern ersuchte auch hernach den König: er möchte doch nicht aller andern Räthe lindere und sichere Meinungen verwerffen / oder sie gar vom Rathe ausschlüssen. Sintemahl doch viel Augen mehr als eines sähen / viel andere auch ihre Treue gegen den König /und ihren Eyver für das gemeine Wesen schon würcklich erhärtet hätten. Marbod / welcher Adelgunden nicht nur als seine Tochter inniglich liebte / sondern auch als eine kluge Fürstin hoch schätzete / antwortete ihr: Sie solte ihm doch den süssen Genüß der allermenschlichsten Zuneigung / nemlich der Freundschafft nicht mißgönnen / ohne welche einem Menschen auch die Einsamkeit des Himmels eckelhafftig seyn / und ihn nach der Erde lüstern machen würde. Fürsten müsten sich ihrer Hoheit wegen ohne diß fast der gantzen Welt entschlagen / weil sie sich mit ihnen nicht dörfften gemein machen; daher sie ja das beste Recht hätten / mit einem verträulich zu seyn / mit selbtem die Zeit zu kürtzen / und um anderer Menschen Ergötzligkeit zu genüssen / den Fürsten auf die Seite zu sätzen. Alleine Adgandestern zu seinem Vertrauten zu erwehlen / hätte ihm nicht nur seine Zuneigung / sondern auch die Schwerde seines Reiches veranlasset. Sintemahl die vollkommensten Könige nicht ohne Gehülffen herrschen könten / und es ein Getichte heuchlerischer Weltweisen wäre / daß GOtt den Königen einen zweyfachen Geist einbließe. Dahero / wenn einer sich schon vermäßen solte / die Last eines kleinen Reiches alleine auf seine Schultern zu nehmen /würde ihn dessen Schwerde bald erdrücken / und die Vielheit der Geschäffte erstecken. Bey so gestalten Sachen hätte ein Fürst vielerley Diener / wie ein Künstler allerhand Werckzeug / und zwar mittelmässige Leute zu niedrigen / verständigere zu wichtigen /aber doch auch einen / welcher aller Haupt / und sein Beystand wäre / von nöthen. Dahero / wenn GOtt einem Fürsten einen Gehülffen / dem Reiche einen solchen Schutz-Geist zuschickte / welcher mit jenem die Sorgen theilte / für dieses sich verzehrte / und die Gewalt eines Menschen mit dem allgemeinen Heile des Volckes mäßigte / wäre diese Ehre ihm so wenig als der Sonne zu mißgönnen / daß sie aus allen Sternen alleine GOttes Stadthalter wäre. Denn solcher Leute würde kaum einer in hundert Jahren gebohren. Adelgunde versätzte: ihm und keinem Könige wäre diese kleine Vergnüg- und Erleichterung / dem ersten Diener auch als einem Gefärthen der Reichs-Sorgen seine Ehre nicht zu mißgönnen / welche auch dem Schatten eines Fürsten gebührte. Alleine man müste doch diesem nicht in allem folgen / und dadurch den Diener ihm gleichsam gleiche machen / sich seines Amptes und der Hoheit entäusern / dadurch aber jenem allzu hohe Gedancken einwurtzeln lassen. Marbod antwortete ihr zwar freundlich / jedoch nicht ohne eine kleine Entrüstung: Er wüste / daß er König / und Adgandester zwar ein kluger Fürst / aber doch sein Diener wäre: also solte sie keine Sorge tragen / daß er seinen Glantz durch einen Schatten würde verdüstern lassen. Also ward Adelgunde gezwungen sich zu beruhigen / und zu bescheiden: daß eine verborgene Krafft des Verhängnüsses Meister über den Willen /und die Wahl der Fürsten sey / daß sie einen offt ohne kenntliche Ursache so übermäßig lieben / dem andern ohne Schuld gram seyn. Und wäre GOtt zu dancken /wenn solche Neigung nicht aus dessen Zorne zum Verterben eines Reiches herrühret / sondern sie auf einen Menschen fällt / der noch Verstand [1358] und den Willen hat einem Lande zu dienen. Adelgunde muste also dem Lauffe dieser unmäßigen Liebe den Hang lassen / welche endlich so hoch stieg: daß alles / was Adgandester sagte / Wahrsagungen / was er wolte /gethan ward; ja Adgandester mehr den König als Marbod fürstellte / und iederman in Gedancken gerieth: daß der König ohne Bezauberung einem Diener nimmermehr so viel Gewalt enträumen würde. Es wusten die Königlichen Bedienten auch viel zu erzehlen / was sie in Marbods Kleidern und Bette für frembde Steine / für seltzame Kräuter / und wunderliche Knoten von Haaren gefunden hätten. Nirgends aber blickte seine unmäßige Gewalt mehr als bey dem Auffstande der Langobarden und Semnoner herfür. Denn ie schädlichere Rathschläge Adgandester gab / ie mehr solche von Adelgunden / und andern Dienern widersprochen wurden / ie begieriger nahm sie Marbod an; und ie unglücklicher selbte ausschlugen / ie mehr wuchs des Königes Liebe gegen diesen schädlichen Diener / daß er also vom Verhängnüße wol recht zum Untergange des Marckmännischen Reiches erkieset zu seyn schien. Ja es schien / als wenn der Himmel ihm selbst alle Gelegenheit in die Hände spielte / sich über den König zum Meister zu machen. Denn als er aus einem Panischen Schrecken / nicht so wohl für den Langobarden / als für seinem Schatten floh /kamen wir an den Bober. Ungeachtet nun dieser vom Regen starck angelauffen war / die Marsinger aus Furcht eines harten Uberzugs alle Brücken abgeworffen hatten / und daher iederman dem Könige rieth: er möchte eine Brücke bauen lassen / oder wenigstens einen Nachen erwarten; Vertrug doch seine Furcht und Flucht keinen Zaum / sondern folgte seiner durch einen Furth theils reitenden theils überschwemmenden Leibwache; Es traff sich aber das Unglücke: daß Marbods Pferd vom Strome gefaßt / fortgetrieben / und /weil es auf einen Stock kam / und sich überschlug /Marbod abgeworffen / und vom Flusse fortgetrieben ward. Adgandester / welcher ihm auf der Ferse folgte /sprang bey verspürter Verunglückung des Königs vom Pferde / schwam selbtem nach / und hatte das Glücke ehe / als iemand anders zu Hülffe kam / den König aus dem Wasser zu ziehen / und zu retten /welcher schon so viel Wasser getruncken hatte: daß er nach etlichen Stunden kaum wieder zu rechte gebracht werden konte. Marbod / als ihm seine Errettung erzehlet worden war / umarmte Adgandestern / nennte ihn seinen Schutz-Geist / und versicherte ihn: daß er diese Wolthat danckbarer erkennen würde / als er ihm immermehr einbilden könte. Er trat ihm auch nach diesem seine Königliche Gewalt gleichsam gantz ab /und behielt für sich wenig mehr übrig / als den Nahmen des Königs; welchen Adgandester nur zur Larve seiner Gewalt mißbrauchte / und ihn nicht mehr einst für seinen Gefärthen hielt / auch nicht einst diß / was im Reiche geschah / zu seiner Wissenschafft kommen ließ / sondern durch Jagten und andere Ergetzligkeiten von Geschäfften abzoh. Er ließ sich gegen Adelgunden ausdrücklich aus: daß wie Adgandester itzt sein Erretter gewest wäre / also würde sie ihn nach seinem Tode für ihren Gehülffen / und für einen Pfeiler des Reiches zu halten haben. Ob nun zwar Adgandesters That ein Zeichen grosser Treue / und ein unvergeltbarer Dienst war / so gieng doch Marbod darinnen zu weit: daß er Adgandestern die höchste Gewalt einräumte / welche nach dem Gesätze des Staats unvereusserlich und mit seiner Person unzertrennlich vereinbart war. Adelgunde ward hierüber hefftig bestürtzt / zumahl sie sich erinnerte: was für diesem für ein hoher Geist im Marbod gesteckt / und wie er wegen der Herrschafft auch mehrmahls gegen sie geeyfert hätte; welcher Veränderung Ursache sie so wenig / als warum der Magnet nicht lieber Gold als Eisen an sich züge / zu geben wuste. Zumahl [1359] sie mehrmahls selbst aus Marbods Munde gehöret hatte: daß zwischen einem Fürsten und seinem höchsten Diener allezeit ein so grosser Unterschied / als zwischen der Spitze und dem Fuße eines Berges seyn /sein Nechster weit entfernet und unter ihm seyn / und der allerliebste viel nicht können solte. Denn ob sie sich wol erinnerte: daß auch andere Könige sich einen Verschnittenen / einen Zwerg / einen Gauckler / eines Webers Weib / und dergleichen Auswürflinge des Volckes hätten beherrschen / und wie einen Zeidel-Bär herum führen lassen / so vergrösserte doch die Menge solcher Begäbnüsse mehr solch Wunderwerck / als sie es verminderte / ob es schon gemein war. Sie sahe mit dem grösten Unwillen / wie Adgandester sich numehr aufblähete / wie er unter dem Scheine der Ehren die besten und ihm im Wege stehenden Diener vom Hofe entfernete / oder sie gar durch angetichtete Verbrechen stürtzte; wie er auch die gegenwärtigen vom Könige abschnitt / ihm selbst die Augen verband / die Ohren verstopffte / seinen Meinungen kühn und vermässen wiedersprach; Vorige Anstalten verachtete / endlich ihn zur Einsamkeit und zum Eckel für Reichs-Geschäfften angewöhnte; alle Ehren-Stellen und Aempter seinen Geschöpffen / oder die ihn anbeteten / vergab; sich nicht nur mit seines Königs unmäßiger / sondern auch mit der Nachbarn schlauer Freygebigkeit bereicherte. Welch letzteres gleichsam ein Ehbruch grosser Diener ist / weil sie dadurch gewonnen werden: daß sie wie ein geiles Weib mit der ihrem Fürsten allein schuldigen Liebe / andere Fürsten betheilen / oder wenigstens bey ihrer Kaltsinnigkeit frembden schädlichen Rathschlägen nicht zu wider sind. Hingegen war er um nichts weniger / als um die Mittel sich in Königlicher Gnade zu erhalten /bekümmert. Denn er eignete ihm aus Hoffart fast allen Glantz des Königs zu; scheuete sich nicht vom Volcke alle Ehrenbezeugungen anzunehmen / die gleich keinem Diener / sondern unmittelbar dem Fürsten zukommen. Er übte unter dem Nahmen Königlichen Befehles alles aus / was ihm seine Gemüthsregungen an die Hand gaben; gleichwol aber wolte er das Ansehen haben: daß alles an ihm gelegen wäre /und er mehr / als sein König / könte. Insonderheit wolte er darfür angesehen seyn: daß alle Begnadungen von ihm herrührten; strebte also nach aller Gewogenheit / verfolgte aber seine Neider / und drückte die auffs ärgste / die ihn übergiengen / und etwas beym Könige seyn wolten. Gegen dem Könige selbst vergaß er: daß er sein Diener war / in Einbildung: er wäre sein Gefärthe / ja wolte wol gar angesehen seyn: daß er den Marbod an Klugheit weit überträffe / und er ein unentpehrlicher Werckzeug / oder vielmehr gar der Steuermann in seiner Herrschafft wäre. Wenn er ja auch etwas in Rath brachte / dorffte ihm niemand widersprechen / und was gleich allen bedencklich war /trieb er mit Eyver und Gewalt durch / gleich als wenn er um alles sein Ansehen käme / wenn nicht alles nach seinem Kopffe gienge. Gegen Adelgunden bezeugte er zwar Liebe / aber wenig Ehrerbietung / durch welche letztere Vergehung Adelgunde am allerärgsten wider ihn in Harnisch gejagt ward. Sintemahl diese Bezeugung ihr allererst auslegte / was Marbod durch seinen Vortrag gemeinet hatte / daß Adgandester nehmlich nach seinem Tode ihr Gehülffe seyn solte. Es wallete ihr hierüber unaufhörlich das Hertze / und sie machte ihr hierüber hunderterley Auslegungen / ohne daß sie die wahre von irrigen entscheiden konte. Es ereignete sich aber bald nach ihrer Ankunfft / als Marbod wegen Ausrüstung eines mächtigen Heeres wider die Semnoner / Langobarden / und Cherusker die Stände zu Boviasmum versamlet hatte: daß diese auf heimliche Anstifftung Adgandesters den König ersuchten /er möchte seiner Tochter einen Gemahl / ihm also einen treuen Gehülffen / dem [1360] Reiche eine Säule bey Zeit erkiesen. Sintemahl sein letzter Zufall im Bober ihn erinnerte: daß auch Fürsten sterblich / und die Gewißheit des Nachfolgers die festeste Veranckerung eines Reiches wäre / und vieler Ehrsüchtigen Hoffnung im ersten Käumen ersteckte. Marbod ließ durch Adgandestern die Stände versichern: er wolte sich um einen solchen Nachfolger bekümmern / welcher die Herrschens-Kunst mit auf den Thron bringen / die Hertzhafftigkeit schon durch Helden-Thaten erhärtet haben / ihm nicht verkleinerlich / seiner Tochter anständig / dem Reiche erbaulich / und allen Feinden gewachsen seyn würde. Weil auch die Stände alles verwilligten / führte Adgandester eine grosse Kriegs-Macht an die Gräntzen des Reiches / welche er selbst als Haupt führen wolte. Er erhob in diesem eitel ihm verbundene Leute zu Obersten / kriegte also das völlige Hefft des Reiches in seine Hände. Es war aber der Ruff vom Ansuchen der Stände so geschwinde nicht in die benachbarten Länder erschollen; Als Jagello der Sarmater / und Schwatopluck der Bastarnen König / durch prächtige Botschafften um Adelgunden werben liessen. Adgandester verlachte anfangs diese Werbung in seinem Gemüthe / machte ihnen daher selbst einige Hoffnung zu Erlangung ihres Zwecks /damit er aus beyder Könige Freygebigkeit so viel mehr fischen konte. Marbod / welcher in seinem Hertzen seine Tochter Adgandestern bestimmt hatte / erfuhr: daß dieser denen Gesandten geneigte Ohren gab / ward gegen ihn verdrüßlich / fieng also auch an sie zu hören. Weil er aber doch etwas für sich selbst zu entschlüssen nicht mehr mächtig war / fragte er Adgandestern / wem er unter beyden seine Tochter zu vermählen riethe. Adgandester ward über dieser unvermutheten Frage so verwirret: daß er sich mit Noth erholen konte / daß er dem Könige antwortete: Er hielte weder eine noch die andere Heyrath für rathsam. Denn ob wol die Bastarnen von Deutschen den Ursprung hätten / wären sie doch so verwildert / als die Sarmater diß von Natur wären. Daher würde Adelgunde bey keinem ihre Vergnügung / die Marckmänner aber das Unglück haben / daß sie unter eines dieser unbändigen Völcker untergesteckt werden / und ihre eigene Herrschafft verlieren würden. Marbod sahe Adgandestern groß an / und sagte: Beyde Gesandten erbieten sich gleichwol dahin / daß ihre Könige mit einer grossen Kriegs-Macht mir meine aufrührische Unterthanen zum Gehorsam bringen helffen /meiner Tochter auch die völlige Herrschafft in Händen / und ihren andern Sohn meine Länder absonderlich erben lassen wollen. Uberdiß rühmet mir Vannius der Kwaden König Britomarten der Bastarner Fürsten als einen Ausbund vortreflicher Helden; und ich selbst habe Boleßlaen den besti ten Stul-Erben des Sarmatischen Reiches nichts weniger als einige Wildnüß angesehen. Daher halte ich fürs rathsamste diese Gelegenheit nicht aus Händen zu lassen / sondern einen aus beyden Werbern zu erkiesen / um die Stände zu vergnügen / und die Feinde durch ein so mächtiges Bündnüß zu schrecken. Diese unvermuthete Antwort versätzte dem von seinem Glücke trunckenen und destwegen so viel mehr ohnmächtigen Adgandester einen solchen Streich: daß er nichts anders zu sagen wuste / als: er wolte der Sache nachdencken /und dem Könige seine Meinung eröffnen. Nach dem er nun sich die gantze durchwachte Nacht mit tausend Gedancken geschlagen hatte / fand er nichts für rathsamer / als durch Adelgunden selbst dem Könige diese Gedancken zu benehmen / von der er durch seine Kundschaffter schon ausgespüret: daß sie weder zu einem noch dem andern Sinn hätte. Daher verfügte er sich selbst zu Adelgunden / und eröffnete ihr: daß der König von ihm ein Gutachten verlangte: Ob er sie Britomarten oder Boleßlaen vermählen solte. Ob Adelgunde nun zwar Adgandestern [1361] wenig gutes zutraute / befand sie doch wegen seiner beym Könige habender Gewalt für nöthig mit seinem Kalbe zu pflügen / also ihm zu liebkosen: daß er ihrem Vater beydes ausreden möchte. Denn sie würde ehe alle andere / als einen aus diesen wilden Leuten heyrathen /und sich lieber ihres Erbtheils / als ihres freyen Willens enteusern. Sie gab ihm destwegen auch ein so gutes Auge / als er niemahls vorher von ihr bekommen hatte. Diese Bezeigung bließ ihm so hohe Gedancken ein: daß er nunmehr sich entschloß mit dem Geheimnüsse seines Hertzens nicht länger hinter dem Berge zu halten / sondern / nachdem er die zwey frembden Liebhaber auf die Seite gebracht hätte / um Adelgunden selbst zu werben. Gleichwol wolte er sich zum ersten nicht verbrennen / sondern stifftete Adelgundens oberste Hofmeisterin die Frau von Slawata an: daß sie dem Könige seiner Tochter Abscheu für dem Sarmatischen und Bastarnischen Fürsten fürtrug. Als diese mit allerhand Vorwand die Bahn gebrochen hatte / verfolgte Adgandester ihre Meinung: daß der König Adelgunden als seiner einigen Tochter / und einer so klugen Fürstin die Süßigkeit eigener Wahl ohne den Schein einer Grausamkeit schwerlich benehmen könte. Marbod hörte beyde zwar mit Verdruß an / und fuhr aus Ungedult aus: Man wird mei ner Tochter noch wol einen ihr anständigen Ehmann mahlen müssen; gleichwol aber beruhete er hierbey /sonder seiner Tochter hierüber zuzusätzen. Adgandester kam hierauf zu Adelgunden / und wuste diß / was er für ihre Freyheit gethan hätte / mit vielen Farben ihr fürzubilden. Adelgunde liebkosete ihm destwegen auf eine solche Weise: daß sie Adgandestern darmit aus seiner Verfassung brachte / und er nach einem ziemlich langen Stillschweigen / und geholeten Seuffzer anfieng: Vollkommenste Adelgunde! mächtigste Fürstin der Marckmänner / und meiner Seele! dörffte sich aber wol ein Fürst der Catten unterwinden sie anzubeten? Adelgunden kam diese vermäßene Erklärung zwar unvermuthet / sie antwortete ihm aber aus dem Steigereiffen: Ich weiß von keinem unvermählten Hertzoge der Catten / ausser einem / welcher mein Diener / nicht aber mein Anbeter zu seyn verbunden ist. Dieses redete sie auf eine so kaltsinnige und zugleich verächtliche Art: daß jedes Wort in seinem Hertzen einen Donnerschlag abgab. Nichts desto weniger machte er mit sich einen Schluß ehe Staub und Asche zu werden / ehe er mit der Schande sich derogestalt unvernünfftig vergangen zu haben / abziehen wolte. Er berieth sich mit den Wahrsagern / welche ihn wegen empfangener Geschencke nicht nur in seinem Vorhaben stärckten / sondern ihm auch nach seinem Wincken an die Hand zu gehen versprachen. Er gewaan durch diesen Hacken auch etliche Priester /welche dem Könige riethen; Er möchte ohne Erkundigung des göttlichen Willens keine Heyrath seiner Tochter entschlüssen / als an welcher die Erhaltung des Reiches / und die Wolfarth der Nachkommen hienge. Marbod / welcher unter dem Scheine des Gottesdienstes seine Herrschafft bekommen und befestigt hatte / unterwarff sich ohn einiges Bedencken diesem Rathe. Es ist in dem Reiche der Bojen / oder numehr der Marckmänner ein Brunn / dieser seltzamen Eigenschafft: daß / wenn die Einwohner bey sich ereignender Dürde daraus Wasser schöpffen / und damit ihre Behältnüsse füllen / desselben Adern nicht nur zu stärckerem Qvelle aufgefrischet / sondern durch desselben Ausdämpffung Wolcken und folgends Regen erweckt werden. Dieser Ort wird nicht alleine nebst dem denselben umgebenden Heyne für ein grosses Heiligthum gehalten / sondern man holet auch daselbst Wahrsagungen künfftiger Dinge / welche wie zu Dodona durch Erscheinungen gewisser Vögel angedeutet / von denen dazu geordneten Priestern ausgeleget / und für eine unfehlbare Warheit gehalten werden. An diesen Ort reisete [1362] Marbod mit seiner Tochter Adelgunden / opfferte mir ihr daselbst / und verlangte eine göttliche Offenbahrung / an wen er sie am glückseeligsten verheyrathen würde. Die Priester versprachen ihn seines Wunsches zu gewehren / und wiesen beyden einen gewissen Platz an / wo sie die Erscheinungen der Vögel genau wahrnehmen solten. Kurtz hierauf kam ein Adler auf eine alte Eiche geflogen /hernach flog eine wilde Gans über den Platz / und folgends setzte sich eine Aglaster auf eben selbige Eiche. Nach diesem fand sich einer von den Priestern beym Könige ein / welcher ihm und Adelgunden zu so erfreulicher Wahrsagung Glück wünschten. Marbod aber antwortete: er wüste ihm daraus nichts zu nehmen / bat also / er möchte doch mit einer verständlichen Auslegung erfreuet werden. Dieser Priester führte den König und Adelgunden zu dem Brunnen / daraus beyde ihre Antlitzer / ihre Hände und Füsse waschen musten / und von dar in eine Höle / allwo der oberste Priester auf dem Rücken mit offenen Augen /aber ohne Regung / und gleichsam gantz entzückt lag. Marbod und Adelgunde musten alldar sich auf ihr Antlitz legen und beten. Uber eine Weile fuhr der Priester auf / und fieng mit einer durchdringenden Stimme an:


Die ihr das Reich vermehrt / die Feind' erwůnscht gebåndigt /

Wißt: daß die Fůrstin nur dem wol vermåhlt seyn kan /

Bey dem der Nahme sich fångt mit dem Adler an /

Wo's Mittel ist die Gans / den die Aglaster endigt.


Der Priester führte den Marbod und Adelgunden hier mit aus der Höle; und / als Marbod sich so wenig in diese Auslegung / als in die Erscheinung der Vögel finden konte / sagte er: Es wäre niemanden bey Menschen Gedencken eine klärere Weissagung wiederfahren; sintemal ja der glückliche Bräutigam Adganster mit seinem eigentlichen Nahmen wäre ausgedrückt worden. Marbod verstand numehr die Wahrsagung /kehrte also mit so grosser Vergnügung als Adelgunde mit Schwermuth zurücke. Als der König nun wieder nach Boviasmum kam / redete er seine Tochter an: Weil sie mit ihren eigenen Ohren den göttlichen Willen gehöret hätte / daß auf ihrer und Adgandesters Heyrath der Wolstand des Reiches beruhete; dieser Fürst auch so wol seiner grossen Tugenden / als seiner hohen Ankunfft halber / ihrer würdig wäre /zweiffelte er nicht: sie würde sich zu Erfüllung seines und des Verhängnüsses willen numehr anschicken. Adelgunde / welche sich dieser Anmuthung lang vorher versehen / und die gantze Reise diese seltzame Wahrsagung überlegt hatte / antwortete ihrem Vater: Sie könte ihr Gemüthe nicht bereden / daß diß eine Göttliche Wahrsagung wäre. Denn wenn der Himmel sie Adgandestern vermählet wissen wolte / würde er ihrem Gemüthe schon eine Neigung gegen ihn / nicht aber eine solche Abscheu eingepflantzet haben. Marbod versätzte: Ob sie denn klüger als so heilige Offenbahrungen seyn / und ihren gefasten Wahn über seine väterliche Gewalt / und über die Botmäßigkeit des unveränderlichen Verhängnüßes erheben wolte? Adelgunde erschrack über verspürter Entrüstung ihres Vaters / und fieng mit einer demüthigen Bezeugung an: Sie bescheidete sich ihrer Pflicht gegen einen für sie so heilsam sorgenden Vater / und wüste: daß die ihnen nur selbst die Köpffe an Felsen zerstiessen /welche dem Verhängnüße widerstrebten. Sie glaubte aber: daß den wahrhafften Willen des Himmels zu ergründen / viel schwerer / als das Viereck eines Zirckels zu erfinden wäre; und daß die scharffsichtigsten hierinnen mehrentheils blinder als Maulwürffe wären. Denn die Boßheit der Menschen wäre so vermässen: daß sie nicht selten ihren Betrug mit dem Scheine Göttlicher Wahrsagungen bekleidete. Philippus hätte durch sein Geld zu wege gebracht: daß Pythia zu Delphis / allemahl was in seinen [1363] Kram gedienet / wahrgesagt hätte. Welches vom Demosthenes zu Athen dem Volcke offentlich wäre geprediget worden. Cleomenes hätte eben daselbst die oberste Priesterin Perialla bestochen: daß die Wahrsagerin die Spartaner wider die hernach ans Licht kommende Wahrheit beredet hätte: Demeratus wäre nicht Aristons Sohn. Der verwundete und nun fast die Seele ausblasende Gabienus hätte sich für einen aus der Hölle zurück kommenden Geist ausgegeben / und den Sextus Pompejus durch seine Wahrsagung betrogen; und Lentulus hätte in der Verschwerung Catilinens die Sibyllinischen Bücher fälschlich angezogen. Alcibiades hätte durch Unterschreibung falscher Zettel / welche vom Ammonischen Jupiter solten herrühren / die Athenienser zu dem unglücklichen Kriege in Sicilien verleitet / und die Feinde des Pisistratus hätten durch Geld einen Befehl vom Apollo an die Spartaner zu wege gebracht: daß sie Athen von selbigem Wütterich erlösen solten. Ja Lysander hätte zu Delphis / zu Dodona und beym Hammon wider die zu Sparta herrschenden Heracliden eine ihm dienende Wahrsagung erkaufft. Was nun vormahls geschehen / könte sich auch heute zutragen; und wären die Netze der Boßheit zärter als der Spinnen / daß sie schwerlich durch menschliche Vorsicht erkieset werden könten. Wann aber auch hinter Wahrsagungen kein Betrug steckte / blieben sie verborgene Rätzel / und betrügen sich diese selbst hefftig / welche sie nach dem Buchstaben deuteten. Dahero des Ammons eigene Priester bekennten: daß ihres Gottes Antworten so verdreht als seine Wieder-Hörner /schwer zu verstehen / und so ungewiß wären / als des Amphiaraus Träume Auslegung / der Ceres Sicht-Spiegel / des Hercules vier Würffel / und der Sybille zerstreute Palmen-Blätter / darauf sie ihre Wahrsagungen nicht so wohl schrieb / als mit allem Fleiße versteckte. Ja ihre Auslegungen wären offt so tunckel / daß sie einer neuen Deutung bedörfften. So hätte des Bacchus Wahrsager-Geist die Libethrier geäffet / als er ihnen angekündigt / ihre Stadt würde von einer Sau verstöret werden / wenn die Sonne des Orpheus Gebeine bescheinen würde. Denn ob sie zwar diß für unmöglich gehalten / wäre sie doch hernach von dem sich ergiessenden Flusse Sau / als ein Hirte vorher durch Umfassung der Orpheus-Säule sein Grab geöffnet / überschwemmet worden. Die Spartaner hätten sich mit einer solchen Auslegung gekitzelt / sie würden die Tegeater / und Pyrrhus er würde die Römer /Alexander aus Epirus die Brutier überwinden / Amilcar er würde Syracuse einnehmen; wären aber selbst überwunden / und Amilcar in Syracusa gefangen gebracht worden. Ja Apollo selbst hätte zu Delphis /wenn man ihm die Wahrsagungen abnöthigen wollen / sich mehrmahls verlauten lassen: daß er ihnen nichts als Lügen sagen wolte; welcher auch / wenn er wahr reden wollen / in seinen Ankündigungen künfftiger Dinge mehr als die Sonne in ihrem hi lischen Thier-Kreiße auf die Seite krümmete. Am allerzweiffelhafftesten aber wären die von Vögeln herrührende Wahrsagungen / durch welche Philomelus und die Phocenser wären durch sie hefftig hinters Licht geführet worden; Denn da der im Delphischen Tempel ihnen vorkommende Adler / welcher die Tauben von Altären weg nahm / ihnen Sieg zu verheissen schien / giengen sie darüber gar zu Grunde. Den König der Mamertiner hätten die Wahrsager versichert: er würde den andern Tag in der Feinde Läger schlaffen / welches aber durch seine Gefangenschafft wahr worden wäre. Daher auch Cato zu Rom / welcher doch in ihrer Zunfft war / von denen / welche aus der Lufft / den Winden / dem Blitze / den Vögeln / und andern Thieren künftig Ding wahrsagen / sagte: daß sie einander niemahls ohne Lachen begegneten; weil die albern Leute ihnen alle Lügen glaubten / und sich [1364] durch ihre zweydeutige Worte betrügen liessen; da sie doch daselbst in hoher Würde und Ansehen lebten / daß sie wegen der grösten Laster nicht einmahl gestrafft werden könten. Marbod brach ein: Derogestalt verwirffstu alle Wahrsagungen / derer Wahrheit doch durch so viel tausend Beyspiele feste gestellt ist. Darffstu dich wol unterstehen unser Heiligthum zu zernichten / was unsere andächtige Vorfahren von Alters her verehret / und mit grossem Nutzen um Rath gefraget haben? Welches an Alterthume dem Delphischen nichts nachgiebt / und in dritthalb tausend Jahren keiner Unwahrheit ist überführt worden. Adelgunde begegnete ihm mit tieffer Ehrerbietung: Sie hielte beydes in Ehren / diß aber bliebe doch wahr: daß die berühmtesten Heiligthümer offt mit Betruge / wie Gold mit Schlacke vermischt wären. Daher hätten die alten Weltweisen der Wahrheit ihre Wohnstatt in einem tieffen Brunnen zugeeignet; und sie wäre eine nicht minder verschämte als schöne Tochter; gienge also ins gemein verstopfft. Ihren Schleyer könte ihr aber nicht iederman vom Gesichte ziehen / sondern wir können sie von Bländwercken offt so schwer / als das rechte Auge der Welt von Neben-Sonnen erkennen. Sie würde niemand / ja sie selbst sich nicht bereden: daß hinter dieser allzusehr gekünstelten Wahrsagung nicht was betrügliches steckte / oder der Ausgang würde mit der Zeit einen viel andern Verstand /als welcher Adgandestern zugeeignet würde / an Tag bringen. Marbod fiel ihr ein: Sie hätte ja selbst mit Augen die sich zeigenden Vögel gesehen / und des Priesters Auslegung schickte sich auf Adgandestern so deutlich: daß dort an Schickung des Himmels / hier an der Ausdeutungs-Wahrheit niemand vernünfftiges zweiffeln könte. Adelgunde versätzte: Der Mensch wäre mehrmahls nachdencklich sich selbst zu betrügen / wie viel mehr aber andere. Was wäre es unmögliches / drey eingesperrte Vögel nach einander an einem Orte zu zeugen / da Psaphon etliche hundert zu singen gelehrt hätte: Psaphon ist ein grosser GOtt. Durch welchen Betrug er bey den Libyern ein GOtt worden; welchen ihm Hannon zu Carthago aber vergebens nachgethan hätte. Wenn aber auch allhier der Adler / die Ganß / und die Aglaster keine untergesteckte oder abgerichtete Vögel gewest wären; schiene doch des Priesters zusammen gestickelte Auslegung mehr Spitzsinnigkeit als Grund zu haben. Und wenn sie aus dem Grunde ihres Hertzens reden solte / käme ihr der Priester wie Iphiclus für. Denn als dieser die dem Phalantus gegebene Wahrsagung vernahm / er würde von Rhodus nicht vertrieben werden / biß er würde weisse Raben in der Lufft flügen / und Fische in seinem Becher schwimmen haben sehen; Ließ er Raben mit Kalche übertinchen / und kleine Fischlein in das ihm zum Truncke besti te Wasser spielen. Es möchte sich aber diß verhalten / wie es immer wolte /so wäre ihr doch ein für allemahl unmöglich Adgandestern zu heyrathen / sie getröstete sich auch: daß ihr Herr Vater / dessen Liebe sie mehr als keine Tochter in der Welt erkennet hätte / sie durch Zwang auf ihr Lebtage nicht unglücklich machen / sondern die Freyheit der Eh / welche man leibeigenen Mägden nicht benähme / gönnen würde. Marbod gieng hierüber im Grimme fort mit diesen Worten: Bescheide dich des schuldigen Gehorsams gegen GOtt und mir; und mache durch Eigensinnigkeit weder dich noch das Reich unglücklich. Adelgunde ward hierüber auffs höchste bestürtzt; Daher sie ihren Kummer in ihrer Hofemeisterin Drahomira Schooß ausschüttete. Diese befahl ihrem Sohne dem Ritter Stochow: er solte sich mühen die Geheimnüße dieser Wahrsagung zu ergründen. Dieser vertraute es mir / sagte Kapliers / und nahm mich zu seinem Gefärthen an. Wir reiseten mit einander zu dem Brunnen / unter dem Scheine der Andacht / konten aber nichts anders erforschen / [1365] als daß sich Adgandester / ehe der König dahin kommen / unbekandter Weise aufgehalten / und mit dem obersten Priester lange Zeit geheime Unterredungen gehalten hatte. Wir kamen auch in dem innersten Heyne zu einem Hause / darinnen die Wahrsager eine gewisse Anzahl aller nur ersinnlichen Vögel unterhielten / und war ihr Wärter so einfältig: daß er uns von freyen Stücken erzehlte: Die Wahrsager pflegten daraus zu ihren Wahrsagungen gewisse Vögel zu erkiesen. Sie hätten auch in ihren Diensten gewisse Vogelsteller /welche den Abgang allemahl ersätzen müsten. Wir fragten diesen einfältigen Menschen um allerhand gemeine Dinge / wie ein und andere Art der Vögel gespeiset würden? Hernach kamen wir darauf: Ob die Wahrsager offt von dar Vögel abholeten / und was sie neulicher Zeit für Vögel ausgelesen hätten? Dieser bekennte: daß sie solche ins gemein den Tag für den Neu- und Vollmohnden zu holen pflegten / und wären sie für dem letzten Vollmohnden um einen Adler /derer keiner im Vorrathe gewest / sehr bekümmert gewesen; so daß sie auch demselben Steller / welcher einen für dem Vollmohnden lieffern würde / drey Pfund Silber zu zahlen sich erboten; welches auch der / welcher ihn geliefert / würcklich bekommen hätte. Stochow fragte weiter: was dazumal mehr für Vögel neben dem Adler wären gebrauchet worden? und bekam zur Antwort: Nichts / als eine Ganß / und Aglaster. Wir waren über dieser Nachricht sehr erfreuet / gaben ihm ein Trinck-Geld / verfügten uns wieder in unsere an dem Heyne erkiesete Herberge /allwo wir über diß erfuhren: daß die Priester sich auf einen ziemlichen Landstrich in der Nachbarschafft verspitzten / welchen sie vom künfftigen Bräutigame der Fürstin Adelgunde / als eine neue Stifftung zu erwarten hätten. Hiermit meinten wir für Adelgunden viel genung ausgeforschet zu haben / kehrten also nach Boviasmum zurücke. Unterwegens war unser einiges Gespräche von den betrügerischen Künsten der Wahrsager / und der Boßheit etlicher Priester / welche an statt heiliger Andacht die Einfältigen durch Aberglauben bländeten / damit sie durch ihre Leichtgläubigkeit ihren Geitz und Ehrsucht vergnügten: oder an ihrer Thorheit sich erlustigten. Wann nun derogleichen arglistige Streiche wären ans Tagelicht kommen / hätte man sich nicht zu verwundern: daß ihrer viel mit denen Wahrsagereyen das Gespötte getrieben /und so viel Völcker den Delphischen Tempel geplündert hätten. Am allerwenigsten aber wäre es den Bäotiern zu verargen: daß sie zu Dodona die wahrsagende Priesterin ins Opffer-Feuer geworffen / als sie ihnen viel Glücke angedeutet gehabt / wenn sie vorher etwas gottloses stifften würden. Denn sie durch ihre Verbrennung entweder der Wahrsagung Folge geleistet / oder sie wegen ihrer Boßheit gestrafft hätten. Wir lobten bey solcher Beschaffenheit Hannibaln /welcher dem Antiochus für übel gehabt: daß er mehr einem Stücke Kalb-Fleische / als einem erfahrnen Feldhauptmanne / mehr der Zunge eines Vogels / als kluger Leute glaubte. Und wir selbst lachten: daß es Leute gäbe / welche mehr Witz in eines Ochsen Leber / als in ihrem eigenen Gehirne zu finden vermeinten. Am allermeisten aber gieng uns zu Hertzen: daß eine Fürstin / welche die Hoffnung hatte in weniger Zeit so viel Völcker zu beherrschen / nunmehr in ihrer Liebe und Eh nicht nur des freyen Willens beraubet / sondern auch dem Betruge weniger eigennütziger Leute unterworffen seyn solte. Wir kamen also zu Boviasmum an / fanden aber den Zustand mercklich verändert. Denn Marbod hatte im hohen Rathe und in Gegenwart des anwesenden Adels / Adgandestern zu seinem Eydame erkläret / und weil Adelgunde ihn dafür zu erkennen sich geweigert / sie auf dem Schlosse Libin verwahren / die Drahomira und andere / welche in Verdacht waren: [1366] daß sie selbte in ihrer Eigensinnigkeit stärckten / von ihr absondern lassen. Die Priester rechtfertigten dieses Verfahren des Königs / und schalten Adelgundens Widerspenstigkeit /welche lieber ihrer eigenen Vergnügung nachhängen /als die Wolfarth des Volckes behertzigen wolte. Weil aber Adelgunde bey jedermann sehr beliebt / Adgandester aber verhaßt war / schöpffte Adel und Pöfel über so strengem Verfahren ihres Vaters nicht weniges Unvergnügen. Dieses verursachte: daß Adgandester selbst aus Furcht eines Aufstandes nicht für rathsam befand sich des Königes Anstalt nach mit Adelgunden in selbiger Stadt vermählen zu lassen; zumahl sie ihm durch den Ritter Staditz einen Hauptmann der Königlichen Leibwache zuentbieten ließ: Sie wolte sich ehe vom Schlosse über die Felsen in die Muldau stürtzen / als ihn ehlichen. Adgandester aber ließ sich diese Dräuungen noch den Unwillen des Volckes an Verfolgung seines Vorhabens nicht hindern; weil es ihm zwar um die schöne Adelgunde / aber noch mehr um die schönere Braut der Marckmännischen Herrschafft zu thun war; und weil er den König zu seinem Willen / die Priester auf seiner Seite / das Kriegs-Volck in seinen Händen hatte / meinte er: daß keine Kräfften der Welt / sie ihm zu nehmen / mächtig wären. Es unterstanden sich zwar einige aus dem hohen Adel für Adelgunden beym Könige zu reden; aber dieser von Adgandestern bezauberte und von seltzamen Einbildungen gebländete Fürst fertigte sie schlecht ab. Um diese Zeit kam der Ritter Arnheim zu Boviasmum an; und weil er vom Hertzoge Ingviomer wider die Cherusker ein Bündnis antrug / ward er so wol von Adgandestern als dem Könige gerne gesehen / und erlangte er in wenigen Tagen alles / was er verlangte. Der König verordnete mich und den Ritter Hasenberg den Gesandten zu unterhalten; welcher denn mehrmahls gegen mich nicht so wol ein Mitleiden /als eine grosse Bekümmerniß über Adelgundens Gefangenschafft mercken ließ / und von mir allerhand Nachrichten zu erfahren sorgfältig verlangte. Weil die Verträuligkeit nun der beste Schlüssel zu anderer Hertzen ist / sagte ich ihm: daß Adgandester / allem Ansehen nach / durch erkauffte Wahrsagung des Königs Hertze gewonnen hätte / und Adelgunde / weil sie sich ihn zu heyrathen nicht beqvämen wolte / als eine Gefangene gehalten würde. Ich erzählte ihm auch die von mir und dem Ritter Stochow erforschte Vermuthungen / durch was für Künste Adgandester die Wahrsagung zu seinem Vortheil ausgewürcket hätte. Der Ritter Arnheim bezeigte mir hierfür grosse Verbindligkeit / ließ sich auch heraus: daß ihn diese Sache mehr angienge / als ich mir einbildete; und endlich als er meiner Aufrichtigkeit sich gnugsam versichert wuste / zohe er die Larve vom Gesichte / und sagte mir: daß Ingviomer sein Hertzog schon für etlichen Jahren / als er mit des Qvintilius Varus Kopffe zum Marbod kommen wäre / seine Freyheit der Fürstin Adelgunde aufgeopffert / und von ihr gewisse Kennzeichen ihrer Zuneigung erlanget hätte. Dieses Feuer loderte noch in Ingviomers Hertzen. Denn weil die Schönheit nach Eigenschafft des Blitzes die Krafft der Einäscherung hätte / bliebe in dieser Asche ihr Feuer immer glimmend / daß die sonst alle Dinge / ja sich selbst fressende Zeit das gleichsam unsterbliche Bild einer geliebten Schönheit im Hertzen nicht vertilgen könte. Nahm dem er auch vernähme: daß Adelgunde mitler Zeit in keine andere Heyrath hätte willigen wollen / zweiffelte er nicht: daß in Adelgundens Seele dieser Zunder eben so wenig erloschen seyn würde. Deñ als sein Hertzog / mit welchem er damals zu Boviasmum gewest / nebst wenigen Bructerischen Rittern die Schönheit Adelgundens in allerhand Ritter-Spielen wider den Marckmännischen Adel / viel damals sich zu Hofe befindende Römer / Griechen /Gallier / Sarmater / Pannonier und andere Ritter mit grossem Ruhme [1367] vertheidigt / und von der Königin Marmeline ihren aufgesätzten Preiß / nemlich eine Huttschnure von denen grösten Indianischen Perlen empfangen / solche aber sie Adelgunden überreicht und gebeten hätte: Sie möchte diesen durch Würckung der Tugend erworbenen Preiß zu ihrem geringsten Halsbande würdigen; hätte sie solchen zwar anzunehmen geweigert / aber doch eine Perle davon abgesondert / und Ingviomern versichert: daß so lange sie solche ihm nicht zurücke schickte / würde sie niemanden höher als ihn schätzen. Als auch Ingviomer von ihr Abschied genommen / gegen sie grosse Versicherungen seiner Liebe ausgedrückt; auch daß ihr Gedächtnüß nimmermehr aus seinem Hertzen kommen würde / betheuert hätte / wäre er mit der holdseeligsten Bezeigung von ihr erlassen / mit ihrem von Diamanten eingefaßten Bildnüsse beschencket worden; und sie hätte ihm gesagt: Seine Perle wäre von ihr in eine Muschel aufgehoben / in welcher sie fester verwahret seyn würde / als worinnen sie wäre gebohren worden. Ob zwar auch der Römische Krieg und andere Mißverständnüsse seiner Liebe nicht wenige Hindernüsse in Weg geworffen / so hätte doch Ingviomer sie durch Schreiben seiner Treue vielfältig versichert. Ich hörte diese und andere Erzählungen; woraus ich eben so wol Adelgundens Liebe ermässen konte / mit grosser Vergnügung / ja unsere Verträuligkeit verursachte uns mit einander ein Bündnüß einzugehen: daß wir Adelgundens gezwungene Eh mit Adgandestern hindern wolten / solten wir auch darüber unser Leben im Stiche lassen. Auf mein Gutachten ward auch der Ritter Stochow / und seine Mutter Drahomira / Milessau / Leipe / und Sudewitz in unser Bündnüß gezogen / und ein jeder hatte eine ziemliche Anzahl tapfferer Edelleute hinter sich / welche uns auf den Nothfall zu Dienste standen. Weil wir nun für hochnöthig hielten / Adelgunden von unserm Verständnüsse Wissenschafft beyzubringen / fand Drahomira durch Bestechung des Koches ein Mittel / welcher ihr im Brodte einen Zettel zubrachte. Wir kriegten aber auf den ersten / andern und dritten keine Antwort / biß der Ritter Arnheim ihr schrieb: daß der / dessen Andencken bey ihr durch eine Perle verwahret würde / für ihre Freyheit sein Blut aufzuopffern bemühet seyn würde. Drahomira bekam hierauf einen Zettel des Innhalts zurücke: Sie wäre erfreut / daß sich so tapffere Leute um ihre Freyheit bekümmerten; diese aber würde ihr keine Gewalt der Welt / und nichts als der Tod das Andencken ihrer Perle aus dem Hertzen nehmen. Wir rathschlagten hierauf mit einander; ob nicht ein Mittel zu finden / Adelgunden aus dem Lybinischen Schlosse zu erretten. Stochow erbot sich über die Klippen des Nachts hinauf zu klettern; und wenn die Fürstin sich nur getraute auf einer Strick-Leiter aus ihrem Fenster sich auf den Felß herab zu lassen / sie unversehrt über die Mulde zu verschaffen. Drahomira brachte durch den Koch ihr nicht nur einen Zettel zur Nachricht / sondern auch in einer Pastete eine von Seiten gemachte Leiter zu. Es lief aber dieser Anschlag übel ab. Denn als Adelgunde bey Mohnden-Scheine im herab-steigen war / ward die Schildwache auf einem Thurme des Schlosses dessen gewahr; machte Lermen / und also muste Adelgunde nicht alleine zurück steigen / sondern der Ritter Stochow ward selbst darüber gefangen; welchem Marbod oder vielmehr Adgandester durch hefftige Dräuungen zusätzte / die Urheber und Mitverwandten dieses Raubes zu vernehmen. Stochow aber blieb darauf feste stehen: daß dieses alleine seine Erfindung und Werck wäre / und ihn nichts als die Erbarmnüß eine so grosse Fürstin im Gefängnüsse zu wissen hierzu veranlasset hätte. Er ward aber in einem festen Thurme /und Adelgunde in einem andern mit eisernen Gegüttern verwahrtem Zimmer aufbehalten. Nach wenigen Tagen verständigte mich Drahomira: daß Adelgunde folgende Nacht aus [1368] dem Lybinischen Schlosse nach Bubienum geführet / und in dem uralten Heiligthume selbigen Ortes Adgandestern vermählet werden solte. Ich reisete mit denen verbundenen Rittern noch selbige Stunde aus Boviasmum / und rafften in der Eyl etwa funffzig Pferde zusammen / mit denen wir uns in einem Walde nahe der Elbe / wordurch der Weg nach Bubienum gieng / versteckten. Ließen aber den Ritter Rismberg nahe bey Boviasmum zurücke; welcher uns an besti tem Ort von dem Abzuge und der Begleitung Nachricht bringẽ solte. Dieser kam auf den Morgen zu uns / mit Berichte: Adelgunde wäre nach geschlossener Stadt mit anbrechender Nacht aus dem Schlosse gebracht / uñ von fünffhundert Reitern / welche Adgandester selbst führete / und die Ritter Talmberg / Schleinitz und Pernstein bey sich hätte; umgeben; also würde wol mit einer solchen handvoll Volckes dieser Anschlag schwerlich auszuführen seyn. Ich aber sagte: In einem solchen Wercke / wenn es schon angefangen wäre / hätte keine Reue nicht statt / sondern müste / es kostete was es wolte / ausgeführet seyn. Der Ritter von der Leipe und Milessau fielen mir bey und sagten: Wir hätten die Menge nicht zu achten / weil schwerlich die Helffte am Gefängnüsse Adelgundens gefallen / und also nicht grosse Begierde hätte durch Tapfferkeit ihre Dienstbarkeit zu verfechten. Wir blieben also nahe an der Elbe / über die sie sich auf einem Prahme sätzen lassen musten /stehen / und beschlossen sie / so bald Adelgunde über den Strom würde gebracht seyn / mit den Worten:Für Adelgundens Freyheit / anzufallen. Liebstein muste auf den höchsten Baum klettern / und Wache halten / damit wir von der Uberkunfft eigentliche Nachricht erlangten. Nach dreyen Stunden kamen sie an den Fluß; Nach dem nun die Helffte der Reiterey übergeführet war / folgte eine Senffte / darinnen Sudewitzes Berichte nach Adelgunde saß / und eine Frau von Waldstein zur Gefärthin hatte. So bald diese das Ufer erreichte / fielen wir aus dem Walde / welcher kaum dreyhundert Schritte von der Anfahrt des Flusses entfernet war / herfür / und reñten spornstreichs mit dem abgeredeten Geschrey auf sie loß / welche sich ehe des Himmelsfalls / als allhier eines Feindes versehen hatten; wusten auch zum theile nicht: ob sie bey verlautender Freyheit Adelgundens zu den Waffen greiffen solten / oder nicht / biß Adgandester sie ermahnte / sie solten für den König und seine Tochter uns als Raubern die Stirne bieten. Er befahl auch alsbald: daß Adelgunde über den Fluß wieder zurücke gebracht werden solte. Diese aber / als sie unsere Ankunfft gesehen / und von ihrer Freyheit gehöret / war schon von der Senffte gesprungen / und hatte einem Marckmanne den Spieß aus den Händen gerissen /mit welchem sie sich gegen die / welche sie wieder auf den Prahm bringen wolten / sätzte / ja als sich Adgandester ihr näherte / ihm damit eines zu versätzen mühte. Wir säumten uns inzwischen nicht / unsern zweiffelhafften Feinden unsern Ernst zu zeigen / und drang Milessow mit etlichen Rittern biß zu Adelgunden / als ich inzwischen mit dem Ritter Pernstein und Schleunitz alle Hände voll zu thun bekam. Adelgunde schwang sich dem Milessow / welcher durch Aufhebung seines Helmes sich ihr hatte zu erkennen gegeben / aufs Pferd / und wäre mit ihm glücklich entkommen / wenn nicht der für Grimm schäumende Adgandester ihm den Weg gegen dem Walde abgeschnitten /und ihn angesprenget; also Adelgunden wieder abzusitzen genöthiget / Kunnburg aber sie erwischet / und zurücke geführet hätte. Adgandester / welchen die hefftigsten Gemüths-Regungen / nemlich Liebe / Haß und Ehrsucht anfeuerten / that zwar sein euserstes /und mehr als ihm jemand unter uns zugetraut hätte /nichts desto weniger erhielten wir anfangs im Streite ziemlichen Vortheil / weil ihrer viel wider uns schläfrig [1369] oder gar nicht fochten / also / daß Adgandester und seine Führer / nach dem ihr Beyspiel nichts verfieng / ihnen die grimmigste Rache ihres Königes andeuten musten; wo sie durch ihre Zagheit seine Tochter diesen wenigen Räubern würden zu theil werden lassen. Wie nun nach und nach unsere Wenigkeit ihnen mehr Hertz machte; also wurden sie auch durch die Uberfahrt ihrer Gefärthen immer stärcker. Weil nun die meisten unter uns verwundet / und also unsre Hoffnung Adelgunden zu erlösen fast verschwunden war / ermahnte ich den Ritter Mileßow / Sudewitz und Riczan / sie solten nebst mir allein auf Adgandestern loßgehen. Denn wenn wir nur diesem das Licht ausleschten / wäre Adelgunde für sich selbst in Freyheit. Wir schlugen uns glücklich durch / und Sudewitz versätzte seinem Pferde in den Hals einen Streich: daß es mit Adgandestern übern Hauffen fiel /und er in grosse Gefahr gerathen wäre / wenn nicht Wartenberg und Mitrowitz ihn entsätzt / Hisserle aber ihm auf ein ander Pferd geholffen hätte. Hierüber kamen wir ins Gedränge / unsere Reisigen begonten gegen dem Walde zu weichen / unser einiger Trost war noch unser Degen / unser Hertze / und das beste Gewehre die Liebe zu Adelgunden / der Haß gegen Adgandestern. Derogestalt schien alles verlohren zu seyn; ja wir vier wären auch hundert mahl todt blieben / wenn nicht Adgandester befohlen hätte / uns /die wir ihm die Rädelsführer zu seyn aus den Rüstungen schienen / lebendig zu fangen. Hierüber hörten wir ein neues Geräusche von Pferden / und sahen zwey mit güldenen Waffen gerüstete Ritter mit einem Gefolge von nahe anderthalb hundert Pferden spornstreichs ankommen / welche nach Erkundigung / welches Theil auf Adgandesters Seite wäre / sich zu uns schlugen / und dem Streite bald eine andere Gestalt gaben. Denn wir kriegten mit dieser unvermutheten Hülffe bald ein zweyfach Hertze / unsere Feinde aber / derer schon sechzig gefallen / so viel harte verwundet / und alle abgemattet waren / alle Hände voll zu thun. Die zwey Führer / derer der eine einen weissen Adler / welcher einem Habichte eine Taube abjagte /der andere den Perseus auf dem geflügelten Pferde /wie er die angeschmiedete Andromeda vom Meerwunder errettete / im Schilde mit dieser Uberschrifft: Für die Freyheit der Vollkommensten / führte / wiesen mit ihren Säbeln nicht weniger Ernst als Geschickligkeit. Einer mühte es sich dem andern an Tapfferkeit vorzuthun; und also fochten beyde als Löwen / ihre Kriegs-Leute aber nach ihrem Beyspiel. Wo sie ihre Waffen hinwendeten / sahe man nichts als Schrecken und Leichen / von denen sie gleichsam Berge aufthürmten / und Bäche von Blut abströmten. Dieses er weckte auch in uns eine Eyversucht; und wolten wir /die wir die ersten in Streit kommen / nicht gerne die letzten in der Tugend / sondern gleichwürdige Werckzeuge des Sieges seyn. Die Unsrigen bekamen ihr Hertz wieder / welches unser Gegentheil mit ihrem eingebildeten Siege verlohren. Jeder fragte nach Adgandestern und wolte ihm zu Halse; gleichwol wurden alle stehende Feinde so feurig angegriffen / als wenn ein jeder Adgandester wäre. Nach einer halben Stunde brachten wir unsern Feind in Verwirrung / und bald darauf in die Flucht. Adgandester schäumte für Rache und Unmuth / und hätte für Adelgunden gerne alles Blut der Marckmänner aufgeopffert. Als er ihm aber den Sieg mit Gewalt aus den Händen reissen sahe /meinte er wenigstens die Leute zu retten / erwischte also bey so verzweiffeltem Zustande Adelgunden /und eilte mit ihr dem Prahme zu; aber ich hatte das Glücke / daß ich ihm einen Streich in Arm versätzte /und ihn Adelgunden fahren zu lassen zwang / Milessow aber diese Fürstin aus dem Gedränge und in unsere Verwahrung zu bringen. Adgandester und wenige seiner Gefärthen fuhren halb rasende über diesem Verluste zurück über die Elbe / ohne daß [1370] sie wusten /was sie für Feinde hatten? die übrigen liessen wir nach erlangter herrlichen Beute ohne Verfolgung in die nechsten Wälder gerne entrinnen. Uns erwuchs aber ein neuer Kummer / weil unsere letzte Gehülffen Adelgunden in ihren Besitz verlangten. Milessow und ich ritten mit entblösten Antlitzen zu ihnen / danckten ihnen aufs höflichste für geleisteten Beystand / getrösteten uns aber: daß / weil ihre Schilde ihren herrlichen Vorsatz Adelgunden in Freyheit zu sätzen / entdeckten / sie diese Fürstin auch derselben würden genüßen lassen. In allewege / antwortete der mit dem weissen Adler / sie wird bey uns ihre völlige Freyheit und die beste Sicherheit haben. Milessow bat: sie möchten sich bey dieser Bewandnüß zu erkennen geben; denn sie wären aller derer Diener / die für Adelgunden einen so heilsamen Vorsatz führten. Dieser hob seinen Helm auf / und fieng an: Meine Aufrichtigkeit hat keiner Verstellung von nöthen; ich bin Boleßla / des Sarmatischen Königs Sohn. Der andere mit der Andromeda öffnete gleichfals seinen Helm und sagte: Mein Antlitz und Hertze darf keine Larve; ich bin Britomartes der Bastarnen Erb-Fürst. Wir stiegen beyde von Pferden / erwiesen ihnen alle geziemende Ehrerbietung. Als wir uns nun wieder zu Pferde gesätzt / fieng Milissow an: Wir wären Marckmännische Ritter / und Adgandesters geschworne Feinde; weil dieser Zauberer ihren König bethöret /Adelgunden aber / welche den tapffersten Fürsten der Welt zu ehligen würdig wäre / unter dem Scheine der Liebe zu seiner Magd zu machen sich erkühnet hätte. Ihnen wäre auch nicht unwissend: daß der Sarmatische und Bastarnische König um sie für ihre Söhne /welche beyde Helden sie heute ihre Tapfferkeit durch unvergleichliche Thaten hätten bewehren sehen / werben lassen. Sie wünschten ihrer Fürstin den würdigsten / gönnten sie allen Fürsten / außer dem boßhafften Adgandester. Nach dem aber beyde anwesende Fürsten an sie Anspruch machten / wäre zu besorgen: daß Adelgundens Besitzthum bey ihnen nur zum Zanck-Apffel werden würde. Britomartes versätzte: Dieses hätten sie sich nicht zu befürchten. Denn nach dem ihrer Väter Gesandten so lange Zeit an Marbods Hofe gewesen / und nichts ausgerichtet / ja vielleicht einander in ihren Werbungen gehindert hätten / wären beyde Könige / der ieder des andern Schwester zur Eh hätte / auf den Gräntzen zusammen kommen / und hätten daselbst dieses Bündnis gemacht: daß ihre Söhne selbst nach Boviasmum ziehen / sich um Adelgundens Liebe bewerben / und keiner dem andern zu wider seyn / sondern dem Obsieger sein Glücke gönnen solte. Diß hätten sie einander geschworen / und würden es redlich halten. Sie hätten aber zu Welchrad der Haupt-Stadt der Kwaden erfahren: daß Adelgunde wegen des von ihr geschmäheten Adgandesters von ihrem Vater gefänglich wäre eingezogen worden. Diese Bedrängnüs wäre ihnen derogestalt zu Hertzen gegangen: daß sie sich mit einander verbunden und darzu geschickt gemacht hätten / sie durch Fürkehrung aller eussersten Mittel in Freyheit zu sätzen. Sie schätzten es auch für nichts ungefährliches / sondern für eine absondere Schickung des Verhängnüßes: daß sie sich durch den Ruff / als wenn Adelgunde schon Adgandestern vermählet wäre / nicht von Fortsetzung der Reise hätten abhalten lassen / und daß sie der Himmel gleich zu hoher Zeit Adelgunden aus Adgandesters Klauen zu erretten in die Nähe geführet / wo ihnen ein aus dem Treffen kommender Verwundeter sie gebeten hätte / etlichen Rittern / welche für Adelgundens Freyheit in gefährlichem Kampffe begriffen wären / zu Hülffe zu eilen. Ich begegnete ihm: wenn sie Adelgundens Willen ihnen zu ihrem Gesätze beliebt hätten / würde sie selbst / wo sie ihrer Freyheit und Sicherheit zu finden meinte / auszusprechen haben. Beyde Fürsten waren hiermit vergnügt / verlangten also die Ehre ihr die Hände zu küssen / sprangen nebst uns von den [1371] Pferden / und eilten zu Adelgunden / welche sie mit so grosser Leitseligkeit annahm / als diese sie mit höflichster Ehrerbietung angiengen. Insonderheit wuste sie ihre verbindliche Danckbarkeit auf die allernachdrücklichste Art gegen sie auszudrücken / als sie von mir vernahm: daß beydes zwey so grosse Fürsten wären. Diese hingegen wurden von ihrer Schönheit / welche das Gemüthe wie die Sonne das Gesichte verbländet / gleichsam bezaubert / daß nach dem sich ihre Augen ihrer Sinnen in einem Augenblicke gleichsam bemächtigten /die Vernunfft über die Gemütsregungen ihre Herrschafft verlohr. Sie sahen nunmehr: daß Adelgunde mehr ihrer selbsthalber / als wegen ihres Erbtheils geliebt zu werden verdiente. Beyde büßten durch den Dienst ihrer eigenen Augen / welche das Verhängnüß gleichsam zu diesem Verluste erkieset hat / und kein ander Gesätze / als das der beliebten Schönheit annehmen / ihre Freyheit ein. Denn ihr sehen / ihre darüber fühlende Ergetzung / und ihr Verlangen hieng wie eine Kette an einander; Hingegen waren ihre Gedancken zerstreuet / ihre Zungen gleichsam gebunden: daß sie ihre Gemüthsneigungen mit ihrer sonst fertigen Beredsamkeit nicht an Tag geben konten. Unterdessen vertraten doch beyder Augen ihre Zunge / endlich erholte sich doch Britomartes und fieng an: Das Geschrey hätte sich zwar mit den Pfeilen ihrer Schönheit ausgerüstet / und seine Ohren zu Pforten gebraucht / durch welche es ihrer Liebe den Weg in sein Hertze geöffnet / allein er erführe nun bey ihrer Gegenwart / daß das Gehöre nur eigendlich der Begierde den Eintritt öffnete / die Augen aber das rechte Liebes-Thor wären / dardurch sie sich geraden Weges der innersten Seele einverleibte. Der Ruff von ihren Vollkommenheiten hätte ihm zwar die Flügel der Adler angehefftet: daß er nicht ehe ruhen können / biß er seine Sonne ins Gesichte bekommen; nun aber stünde er ia derselben Anwesenheit in Kummer / daß sein Hertze nicht wie des Icarus Wachs von den Strahlen ihrer Vollkommenheiten zerschmeltzte. Boleßla faste sich unterdessen auch / und redete sie an: Er erführe numehr auch bey ihrem holdseligen Anblicke / daß das sich in die Ferne ausbreitende Geschrey nur kleine Sachen vergrösserte / grosse aber verkleinerte. Denn man redete zwar in aller Welt von Adelgunden so viel gutes / als man vom gantzen weiblichen Geschlechte preisen könte / aber er träffe an ihr nicht so wol einen kurtzen Begriff aller Schönheiten / als einen unbegreiflichen Uberfluß aller Vollkommenheiten an. Er wäre aus seinem Vaterlande zwar so verliebt gereiset: daß er vermeint / seine Liebe hätte schon alles Wachsthum überstiegen; Alleine diese wenigen Augenblicke / da er mit ihr etwas Göttliches zu sehen das Glücke gehabt / überzeugten ihn seines Irrthums /oder ihre Gegenwart hätte eine Krafft den Gemüthern etwas mehres als Liebe einzupflantzen. Die Würckungen ihrer Augen hätten zwar die Geschwindigkeit des Blitzes an sich / dessen Verwundungen auch das Gesichte übereilten; aber sie hätten vielmehr heilsames an sich; Denn sie machten mit ihrem Blitze lebhafft /und also wäre er festiglich beredet: daß sie nichts an sich zu nehmen fähig wäre / was einen Werckzeug ihn zu tödten abgeben könte. Adelgunde antwortete mit einem zwar freundlichen / doch die wenigste Veränderung verrathenden Gesichte: Sie würde bey Wissenschafft ihrer Fehler über so grossem Lobe beschämet /welches sie ihrer Höfligkeit und vielleicht diesem Absehen zuschriebe; daß sie ihre Tapfferkeit für nichts unwürdiges angewehrt zu haben beschuldigt werden möchten. So wenig sie nun so viel Ruhmes verdiente /so vielmehr wäre sie ihnen für ihre Hülffe verpflichtet / und wäre ihr kummerhafft / daß das Unglücke sie in solchen Zustand versätzt hätte / darinnen sie ihre danckbare Erkäntnüß mit nichts besserm als unfruchtbaren Worten zu verstehen geben könte. Britomartes versätzte: [1372] Ihre Hülffe wäre nichts mehres als eine wenige Pflicht / welche ieder Edelmann auch dem fremdesten Frauenzimmer abzustatten schuldig wäre / also für nichts von der anzuziehen / welcher er fürlängst seine Seele gewiedmet hätte / und für das gröste Glücke der Welt achten würde / wenn er durch Aufopfferung seines Blutes etwas zu Adelgundens Vergnügung beytragen könte. Und Boleßla sätzte den Wunsch bey; daß diß der geringste Dienst von denen wäre / welche er Adelgunden zu Liebe auszurichten ihm fürgesätzt hätte. Adelgunde begegnete ihnen: Weil nichts köstlichers als die Freyheit wäre / könte nichts edlers als derselben Beschirmung seyn. Daher sie auch mit Wercken vergolten / nicht mit eiteln und in der Lufft verschwindenden Worten gepriesen werden solte. So tapfferer Helden Eigenschafft wäre auch grosse Thaten zu thun / nichts davon zu reden / gleich als wenn die Zunge denen Verdiensten ihren Werth benähme / und sie die Frucht ewigen Andenckens nicht trügen / wenn sie nicht wie ander Saamwerck vorher mit Fleiß vergraben würden. Mit solchen Gesprächen hätten sie sich noch länger aufgehalten /wenn nicht Milissow erinnert hätte: daß Adgandester noch lebte / seine Liebe und Rache ihn auch nicht ruhen lassen würde. Weil er nun als erwehlter Königlicher Feldhauptmann in dem von Kriegs-Volcke ziemlich angefüllten Lande sie leicht mit grösserer Macht überfallen könte / hätte Adelgunde keine Zeit zu verspielen / sondern sie solte nun selbst ihr einen Ort zu ihrer Verbergung oder Sicherheit erkiesen. Boleßla bot ihr Sarmatien hierzu an / wo sie sicherer /als irgendswo in der Welt seyn würde. Alleine Britomartes meinte: daß das von Marckmännern noch weiter entfernte Bastarnien Adelgunden einen noch sicherern und annehmlichern Auffenthalt geben würde. Jener führte für sich / und dieser nicht weniger zu seinem besten allerhand Ursachen des Vorrechtes an. Also trennte sich allzu zeitlich ihre beschworne Verträuligkeit / welche die aller Gemeinschafft unleidliche Liebe nicht verträget / wenn sie schon Geblüte und Eyde zu befestigen vermeinen. Daher hatte Boleßla und Britomartes Adelgunden so geschwinde nicht gesehen / als sich die Eyversucht in ihre Augen und Hertzen einspielte. Einer wünschte den andern von ihr weiter als den Himmel von der Erde entfernet / welcher beschuldiget wird: daß er mit ihr eyvere /wenn er den Gegenschein seiner Sternen in Wässern erblicket. Jeder gab auf des andern Worte und Blicke genauer als ein Luchs achtung / gleich als wenn ieder Athem des andern sein Glücke / wie ein Hauch die Spiegel verdüstern / oder etwas ihrem hi lischen Antlitze entziehen würde. Es würden beyde Fürsten auch besorglich einander in die Haare gerathen seyn /wenn nicht Adelgunde sich erkläret hätte: Sie wolte lieber zehnmahl in vorige Bestrickung gerathen / als ihrem guten Nahmen so viel / als ein Sonnenstaub austrüge / Abbruch thun. Sie würde aber nicht weniger ihre Ehre kräncken / als ihren Vater beleidigen /wenn sie ausser seines Reiches einige Sicherheit suchte; aus welchem sie auch die tapffern Marckmänner /welche zwar für ihre Freyheit gefochten hätten; aber doch die Treue gegen ihrem Könige kein Haar breit zu versehren gemeinet wären / nicht führen lassen würden. Dieser Vortrag war beyden Fürsten zwar ein strenges Gesätze; weil sie aber der Marckmänner Waffen wider den / welcher sich einiger Thätligkeit anmassen würde / fertig / und die Unmögligkeit eine solche Fürstin wider ihren Willen durch ihr väterliches Gebiete mit Gewalt fortzubringen für Augen sahen; insonderheit aber ihr Neid dem andern die Verwahrung einer so köstlichen Perle mißgönnete / und ein Schwerdt das andere in der Scheide hielt / musten sie sich nur ihrem Befehle unterwerffen / sonderlich da Adelgunde selbst sich erklärte: daß sie Milissow auf sein festes Berg-Schloß bringen [1373] solte. Beyde Fürsten trugen sich biß dahin zu ihrer Leibwache an. Sie aber lehnte es damit ab: Daß ihre Begleitung sie mehr in Gefahr sätzen / und ihnen selbst viel Ungemach /aber keinen Vortheil zuziehen würde; weil sie zwar sich ihren Vater zu keiner Heyrath zwingen lassen /aber doch wider seinen Willen niemanden ehligen würde. Dieses redete Adelgunde mit einem solchen Nachdruck / daß weder ein noch der andere Fürst das Hertz hatte / darwider etwas einzuwenden; weil sie wol sahen: daß bey dieser Fürstin der Gehorsam das verdienstlichste Opffer wäre. Nur fiel hierbey dieses Bedencken für: Ob beyde Fürsten auch in Boviasmum für dem Zorne des Königes / oder vielmehr für der Rache des eyversüchtigen Adgandesters sicher seyn würden; weil doch unmöglich zu verhölen wäre / daß sie zu Adelgundens Befreyung geholffen hätten. Milissow rieth ihnen in alle Wege / daß sie sich nach Boviasmum / aber auf einer andern Strasse / die er durch einen Edelmañ ihnen wolte anweisen lassen /verfügen / und bey beyder Königlichen Väter Botschafftern sich in Sicherheit setzen solten. Denn diese dem Adgandester gehäßige Stadt würde auf allen Fall ihnen als Errettern der beliebten Adelgunde kein Leid wiederfahren lassen / wenn schon Adgandester an ihnen das Völcker-Recht verletzen wolte. Ich / sagte Kapliers / versprach auch mich zu ihren Diensten dahin zu verfügen / so bald wir Adelgunden in Sicherheit gebracht haben würden. Hiermit wurden sie gezwungen von Adelgunden Abschied zu nehmen / welcher ihnen zweymahl so viel Bitterkeiten einschenckte / als sie vorher Süßigkeit geschmeckt hatten. Die einige Eyversucht fand hierinnen ihr Labsal / weil sie der Sorgfalt / des andern Blicke zu bewahren / entübriget ward. Wir wolten also Adelgunden mit der Frauen von Waldstein wieder auf die Sänffte bringen / aber jene zohe ihre Wolfarth ihrer Gemächligkeit vor /zohe eines Erschlagenen Kriegs-Rock an / setzte einen Helm auf / gürtete ein Schwerd um / faste sich mit einem Schilde / und sätzte sich zu Pferde. Die Frau von Waldstein folgte ihrem Beyspiele / und also verfolgten wir mit allem Fleiße durch die dicksten Wildnüße unsere Reise ohne einige Hindernüße / und kamen den dritten Tag auf dem Schlosse Bezdiez an /welches von Vögeln auf die Spitze eines gähen Steinfelsens gebauet zu seyn schien: Wir meinten Adelgunden allhier in einen sichern Hafen gebracht zu haben /so wurden wir inne / daß sie dem Schiffbruche näher /als irgends vorher gewest war. Denn die Frau von Waldstein / welche sich etliche Stunden mit ihr als einer verzweiffelten geärgert hatte / ließ um Mitternacht den Ritter Melissow und mich beruffen. Wir hörten mit grosser Erstaunung: daß sich Adelgunde hätte vom Schlosse abstürtzen wollen; und traffen sie auch noch als eine Wahnsinnige an / welche auf uns tausend Flüche ausschüttete / weil wir sie aus den rechtmäßigen Banden ihres Vaters gerissen / und verleitet hätten: daß sie ihre Ehre ihrer Liebe nachsätzen solte. Die gantze Welt würde sie verspeyen: daß sie den Gehorsam gegen ihren Vater und König ausgezogen / und ihre Tugend mit dem Argwohne schändlicher Laster befleckt hätte. Wir redeten ihr ein / was wir wusten / und konten; es halff aber alles weniger /als ein Schlag ins Wasser / biß wir ihr sagten: daß wir so fertig wären sie auf den Morgen wieder in die Armen ihres Vaters zu lieffern / als wir sie aus den Klauen Adgandesters gerissen hätten. Hierauf beruhigte sich Adelgunde / und hatte sie die übrige Zeit mit einem sanfften Schlaffe hingelegt. Früh wurden wir zwey zu ihr und der Frauen von Waldstein in ihr Zimmer beruffen. Adelgunde befand sich zwar in einer tieffen Traurigkeit / aber doch bey gesätztem Verstande / und redete uns folgender Gestalt an: Eure Dienste sind zwar von solcher Beschaffenheit / daß ich nicht weiß: ob sie mehr zu meiner Unehre als zu[1374] meiner Freyheit gereichen werden / gleichwohl aber sind sie gegen mich so wol gemeint: daß ich sie euch nimmermehr vergelten kan. Ich bin nun zwar meiner Gefangenschafft erledigt / aber in viel grössern Kummer versätzt / und habe hier mehr eures guten Rathes als an der Elbe euer Tapfferkeit von nöthen. Denn dort war es nur um meine Freyheit / hier aber ist es um meine Ehre zu thun. Ich weiß wol: daß die Liebe keinen Zwang leidet; aber nicht / ob einer Tochter aus der Gewalt ihres Vaters zu flüchten sich geziemet. Wäre es nicht verantwortlicher aus den Gräntzen des Lebens / als aus dem Schrancken des Gehorsams zu schreiten? Adgandester ist mir zwar ein Greuel in Augen; aber stehet das Urthel nicht mehr beym Vater und beym Könige / als bey einer Tochter und Unterthanin / wer ihrer Liebe würdig sey? Liegt dieses Gesätze nicht allen Fürsten-Töchtern ob: daß sie nicht nach ihrer Lüsternheit Männer erwehlen dörffen / sondern die Staats-Klugheit sie ihnen müssen geben lassen? Alleine ich muß euch so wenig meine als ein Krancker dem Artzte seine Schwachheit verhölen /meine Liebe hat mich übereilet. Adgandester ist zwar nicht allerdings liebens werth. Aber ich hasse ihn nicht so sehr wegen sein selbst / als wegen seines Mit-Buhlers / der über mich mehr als ich selbst Gewalt habe. Ihr wisset aber die Eigenschafft der Liebe: daß sie sich ehe selbst einäschert / als sich des Geliebten entsätzen läst; daß sie die besessenen Hertzen nicht wie ein Herr oder König / sondern wie ein Wütterich beherrschet / daß weder Hertzhafftigkeit noch Weißheit / noch Gesätze / noch Geblüte / noch andere Verbündligkeit / ja die Ehre selbst nicht ihren Geboten zu widerstehen gewachsen ist. Diesen Kampff fühle ich in meinem Hertzen. Denn / wo ich mich nicht selbst betrüge / streitet die Ehre für Adgandestern / die Liebe aber für Ingviomern den Hertzog der Bructerer. Jenem redet mein Vater / diesem das Verhängnüs das Wort. Denn dieses leitete mich ihn zu lieben / ehe ich wuste was Liebe wäre. Seine hohe Ankunfft / seine Gestalt / seine Tapfferkeit /seine Anmuth / und andere Tugenden waren mir eitel Magnetsteine / und zohen mich so sehr / als wenn ich von eitel Stahl wäre. Das zwischen den Marckmännern erwachsende Mißtrauen entzohe mir zwar seine Gegenwart / aber es leschte mein Feuer nicht aus. Weil ich etwas mehr als irrdisches an ihm fand /hatte er bey seiner Abwesenheit einen so kräfftigen Zug in die Ferne über mich / als der Angelstern über die Magnet-Nadel. Seine Helden-Thaten flösseten durch das blosse Gehöre so viel Oel meiner Liebe ein: daß sie nun unauslöschlicher als das Griechische Feuer worden ist. Alleine kan ich wol diese Flamme entdecken / ohne daß ich dadurch meine Ehre vertilge? Werd ich dadurch nicht die Strengigkeit meines Vaters rechtfertigen / und Adgandestern von allen seinen Heßligkeiten weißbrennen? Gleich als wenn ich ihm nicht wegen sein / sondern wegen Ingviomers verschmähete? Ist es nicht billicher: daß in einer edlen Seele die Liebe der Ehre / als die Ehre der Liebe weiche? Lässet sich ohne Hoffnung etwas mit Vernunfft lieben? Was für Hoffnung aber hat ihr Adelgunde auf Ingviomern zu machen / nach dem jener das Hertze Marbods besitzet / und die Herrschafft über seinen Willen hat? Wenn aber auch dieser schon auf die Seite käme / wer ist mir Bürge: daß Ingviomers gegen mir betheurte Liebe nicht fürlängst in seinem Hertzen verschwunden und in die Lüffte verrauchet sey? Ist es nicht ein gemeiner Fehler unsers Geschlechtes: daß es sich mit den Liebkosungen der Männer / und mit eigener Hoffnung betreugt? Was für neue Anfechtungen dörfften Adelgunden durch den Sarmatischen und Bastarnischen Fürsten zuwachsen? und wer weiß /was das Unglück sonst mehr für Steine Ingviomern in Weg werffen würde / welchen Marbod zwar aus Staats-Klugheit zum Bundgenossen / [1375] aus eingewurtzeltem Hasse aber nimmermehr zum Eydam annehmen wird. Löset mir daher diese Zweiffels-Knoten auf. Helffet der sonst verzweiffelnden Adelgunde aus diesen Anfechtungen. Saget mir: ob ich in diesem Schlosse verborgen und sicher seyn könne / ohne daß ich durch diese Verhölung meine Ehre vertunckele /meine Tugend beflecke / und mein Gewissen verletze? die Augen löseten ihre Zunge mit Ausschüttung unzählbarer Thränen ab / vielleicht weil diese nachdrücklichere Redner als Worte sind / und diese zwar einen zum Mitleiden bewegen / jene aber zwingen. Wir drey sahen einander an / und iedes bildete sich vom andern ein: daß es Adelgunden beantworten würde. Endlich aber brach Milissow unser Stillschweigen / und fieng an: Gnädigste Fürstin / wenn jemand unter uns gezweiffelt hätte / daß der lasterhaffte Adgandester der rechte Unglücks-Vogel des Marckmännischen Reiches sie zu besitzen unwürdig wäre; und daß sie ihn nichts minder von gantzem Hertzen / oder aus gerechten Ursachen hassete /würde keiner unter uns wider ihn den Degen gezückt haben. So aber haben wir uns nicht gescheuet unser Blut / Ehre und Vermögen für sie aufzusätzen / und unsers Königs Rache gleichsam wider uns auszufordern; weil es zu ihrer Vergnügung und zu des Reiches Wolfarth dienlich geschienen: daß der nicht der Marckmänner Haupt würde / welcher der Anfang ihres Unterganges zu seyn scheinet. Wir wissen nicht alleine: daß sie zwey tapffere Fürsten der Sarmater und Bastarner verlangen / sondern wir hören nun auch aus ihrem Munde: daß sie an Ingviomern einen Fürsten liebe / welcher die Welt mit dem Ruhme seiner Thaten erfüllet / und Adgandesters Tugenden alle zweyfach / keines aber seiner Laster hat. Also gehe sie doch nur mit sich selbst zu rathe: ob es weißlich gethan sey / wenn es durch Adgandesters Erwehlung sich selbst erniedriget / den Marckmännern weh thut /sich dessen / was sie liebet / beraubt; damit sie sich dem zueigne / welchen sie hasset / und der sie / als er über sie noch kein Recht gehabt hat / schon zur Sklavin gemacht. Weder Recht / noch Gesätze erfordern /sich selbst zu verliehren / um seinen Feind zu bereichern. Es laufft vielmehr wider die Vernunfft / und die Ordnung der Liebe einen andern durch sein Verderben zu beglückseeligen. Ja die Ehre selbst verhänget zwar: daß man die Waffen wegwerffe / einem andern ohne Zagheit den Sieg enträume; aber sich gantz kan man ohne Schande und Untreu nicht einem Neben-Buhler dessen / den man liebet / unterwerffen. Denn wir verrathen die Falschheit unserer Liebe / so bald wir etwas in der Welt seiner Vergnügung fürziehen. Wie wir das überstandene Ungemach / wie empfindlich es gleich gewest / leicht vergessen / also dencken wir unserm künfftigen selten zur Genüge nach. Das Ubel aber ist nicht ehe ein Ubel / als biß wir es fühlen oder erkennen. Ja die schöne Adelgunde wird sich der Welt zum Meerwunder machen / wenn sie hören wird / daß sie ihr selbst Gewalt angethan / um ihren Liebhaber in Verzweiffelung zu stürtzen / und seinen Neben-Buhler zu beglückseeligen. Wie oder sätzet sie auf unsere Treue und auf die Gerechtigkeit des Himmels ein Mißtrauen? Haben wir nicht jene schon mit unserm Blute / und dieser sein Wolwollen durch Zuschickung einer wunderwürdigen Hülffe besiegelt? dieses Schloß können kaum die Vögel überflügen; und sie befürchtet sich / daß es die Menschen ersteigen werden? Wenn aber auch diß Unglücke über sie verhangen wäre / würde sie so denn mehr verlieren /als sie itzt selbst von sich stossen wil / nemlich ihre Freyheit? Welche wir uns offt mit Ehren nehmen lassen / aber niemahls ohne Schande abtreten. Man sahe es Adelgunden an Augen an: daß sich ihr Gemüthe durch dieses Ritters Zureden mercklich aufrichtete. Daher erkühnte ich mich ihr alles zu erzehlen / was der Ritter Stochow und ich für glaubwürdige Anzeigungen [1376] des von den Wahrsagern für den Adgandester gebrauchten Betruges erforschet hatten / und versicherte sie: daß die Sonne / als eine Feindin verborgener Rencke und die Ausspürer in aller Heimligkeiten /solche zu Adgandesters Beschämung würde ans helle Tagelicht legen. Ich entdeckte ihr zugleich / wie sehr der Bructerische Gesandte um ihre Bedrängung bekümmert / und der sie noch beständig liebende Ingviomer für sie Himmel und Erde zu bewegen entschlossen wäre. Weil dieser nun vom Könige Marbod für einen Bundgenossen aufgenommen / und an Glücke und Tugend Adgandestern weit überlegen wäre /zweiffelte er nicht: daß seine Ankunfft diesem sein gantzes Spiel verziehen / den König zu bessern Gedancken / und Adelgunden zu gewünschter Vergnügung bringen würde. Adelgunde säuffzete / und fieng an: Mit was für süsser Hoffnung überzuckert ihr die Wermuth meines Nothstandes? Solte ich mich von Ingviomern nicht nur eines so holden Andenckens /sondern auch seiner Hülffe zu getrösten haben? Ich erzehlte hierauf noch viel mehres / damit sich dieses Hertzogs Gesandter gegen mir ausgelassen hatte. Dieser würde auf ihren Befehl für sie alles thun / und Ingviomer selbst ihr zu Dienste durchs Feuer lauffen /und sein Blut aufopffern. Weil sie nun dessen von ihm versichert wäre / solte sie durch Eröffnung ihres Hertzens ihm einige Erkenntligkeit zeigen / und weñ sie ihn einer Botschafft würdigte / ihn durch etwas bey ihm beglaubt machen. Adelgunde ließ hierüber ziemliche Vergnügung spüren / und nam meinen Vorschlag biß auf den andern Tag zum Bedencken. Wir wurden aber noch selbigen Tag unterschiedener anziehenden und sich unter dem Schlosse setzender Kriegs-Hauffen gewahr / ja Adgandester ließ kurtz darnach das Schloß auffordern / weil er vergewissert wäre: daß die Königliche Tochter von ihren Räubern darinnen in Bestrickung gehalten würde. Nach gehaltener Unterredung aber ließ Milissow Adgandestern zu entbieten: daß sein Schloß kein Rauber-Nest / sondern ein Hafen der numehr in Freyheit lebenden Fürstin Adelgunde wäre; welche alleine darinnen zu gebieten hätte / und sich ehe nicht von dar begeben wolte / biß sie ihren Vater und König in gleichmäßiger Freyheit wissen würde. Nach dieser Abweisung ward das Schloß rings umher mit Wachen besätzt; nichts desto weniger erbot ich mich gegen Adelgunden durch Hülffe eines guten Leiters verkleidet aus dem Schlosse zu spielen / und alle ihre Befehle auszurichten. Diese enge Einsperrung bewegte sie an den Hertzog Ingviomer dieses / was ich überliefert habe / zu schreiben. Alle andere Sorge für sie / stellte sie meiner Treue heim. Um Mitternacht ließ man mich und einen Förster des Ritters Milissow in gleicher Kleidung an einem Seile und Knöbel über fünfhundert Ellen tief / auf eine Klippe herab / von welcher wir gleichsam als Gemsen über andere kletterten / und durch die ihm wolbekandten Wälder / darinnen wir einen Luchs und einen Gems schossen / und uns damit behenckten / an die Elbe / und den dritten Tag unter dem Scheine unser Wild zu verkauffen / ohne Anstoß nach Boviasmum kamen. Wir giengen daselbst in etliche gemeine Häuser / und überboten unser Wilpret mit Fleiß / daß wir in Mangel der Käuffer mit Fug in das Hauß des Bructerischen Gesandten kommen konten. Als nun dessen Dienern es gleichfalls zu theuer war / sagte ich: wenn ihr Herr von mir nur die heilsamen Mittel / darzu die Luchskreile und die Gemsen-Kugeln dienten / erfahren solte / würde er uns nicht alleine nichts abbrechen / sondern ein mehres dafür zahlen. Diese verlangten solche zu erfahren /ich aber weigerte mich / diese Geheimnüsse Dienern gemein zu machen / welche allein grossen Herren zu wissen anstünden. Hiermit brachte man mich zum Gesandten; welchem ich mich nach Abtritt der Diener zu erkennen / und ihm den Anschlag gab: er möchte sich einiger Vergnügung [1377] über denen eröffneten Künsten anstellen / und uns zum Scheine in seine Dienste annehmen. Als dieses glücklich eingerichtet ward / erzählte ich ihm alles / was sich mit Adelgunden zugetragen / und was ich bey ihr gutes für Ingviomern ausgerichtet hätte; lieferte ihm auch ihr Schreiben zu dessen besserer Verwahrung ein. Er umarmte mich für Freuden und Treuhertzigkeit / und ließ nicht ab / biß ich ihm versprach / mit anhero zu reisen / und dem Hertzoge selbst alles umständlich zu entdecken. Denn er wäre bey solchem Zustande Adelgundens seine Rückreise zu beschleunigen willens. Er hingegen erzählte mir: daß die Stadt von Adelgundens nächtlicher Hinwegführung nichts gewust hätte / biß den andern Tag / als Marbod gleich hätte aufbrechen / und nach Bubienum folgen wollen / eine flügende Zeitung sich in der Stadt ausgebreitet hätte: daß Adelgunde sechs oder sieben Meilen von dar auf der Straße mit Gewalt wäre weggenommen worden. Anfangs hielt man es für ein Getichte; weil aber der König nach Ankunfft eines ziemlich verwundeten Edelmannes wieder umdrehete /kriegte dieser Ruff mehr Glauben; und weil es jedermann für eine Anstifftung Adgandesters hielt / gerieth die Stadt in nicht geringe Bestürtzung. Diese aber verwandelte sich in ein stilles Frolocken / als des Nachtes die Gewißheit einlieff: daß Adelgunde Adgandestern wäre genommen / und er selbst verwundet worden.

Folgenden Morgen kam der Sarmatische und Bastarnische Fürst / jedoch unbekandter Weise in die Stadt / und kehrte ein jeder bey seines Vaters Gesandten ein. Diese liessen hierauf den König Marbod und andere Gesandten derselben Ankunfft wissen. Ich /sagte der Ritter Arnheim zu mir / erfreute mich hierüber / in Meinung: daß diese Adgandestern vielleicht nunmehr sein Glücke zweiffelhafft machen würden /iedoch war ich nicht ohne Kummer: daß nicht ein oder anderer Ingviomern einen Vortheil abjagen dörffte. Sintemahl in solchen Handlungen die Gegenwart doch einen grossen Nachdruck hat. Marbod ließ auch beyde bewillkommen / aber kaum drey Stunden darnach / sie zu grosser Verwirrung des Volckes mit einer starcken Wache rings um ihre Häuser besätzen. Die Ursache brach auch kurtz darnach heraus / nemlich es hätte Adgandester / welcher die Rauber mit Adelgunden in den Wildnüssen aufsuchte und verfolgte / den König vergewissert: daß diese beyde Fürsten zu dem Raube Adelgundens geholffen hätten. Der Sarmatische und Bastarnische Gesandte hätten diß allen andern Bothschafftern / und darunter auch dem Bructerischen klagen lassen: daß sie nicht alleine bewacht / sondern auch vom Marbod bedreuet würden: daß / dafern sie nicht die / welche die Ruhe seines Reiches zerstöret hätten / der Königlichen Wache aushändigten / würde sie Gewalt zu brauchen befehlicht werden. Der Römische Bothschaffter schickte alsbald einen Edelmann zum Könige / mit Ersuchen: er möchte in dieser aller Völcker Bothschaffter angehenden Sache sich nicht übereilen / ließ diese auch alle zu sich bitten. Bey ihrer Versammlung erzählte der Sarmatische und Bastarnische Gesandte einstimmig: die Fürsten leugneten nicht / daß nach dem sie von einem verwundeten Edelmanne an den Ort des Kampffes gewiesen /und gebeten worden wären / die Königliche Tochter aus den Händen derer / die sie mit Gewalt in Dienstbarkeit wegführten / zu retten / sie ihre Waffen gegen die gebraucht hätten / welche Adelgunden wären zu wider gewest. Adelgunde hätte sich gegen ihnen für diesen guten Dienst bedanckt / sie auch in ihrer Freyheit denen Obsiegern / welche sich Marckmännische Ritter gerühmet / verlassen; also dem Könige eine Freundschafft erwiesen zu haben eingebildet. Daher wäre ihr Verbrechen zum höchsten mehr nicht / als ein Adelgunden selbst angenehmer Irrthum. Alle anwesende Bothschaffter befanden diese Entschuldigung [1378] erheblich / und beyde Fürsten / nach dem sie in ihrer väterlicher Gesandten Häusern und Gemeinschafft /wären nicht verbunden / dem Könige Marbod einige Red und Antwort zu geben. Es übernam der Römische Bothschaffter Bellejus Paterculus im Nahmen aller sich ihrer beym Könige Marbod anzunehmen. Er ritt also nach Hofe / und bat bey erlangter Verhör /der König möchte die Wache von beyder Bothschaffter Häusern wegnehmen / und an die Fürsten keinen Anspruch machen / oder ihnen von dem Volcke einiges Ungemach anthun lassen. Denn ob gleich Rom mit den Sarmaten und Bastarnen keinen Bund gemacht hätte; würde er doch sich ihrer anmaaßen müssen / wenn sie gleich Feinde wären. Sintemahl allen Fürsten und Gesandten gar viel daran gelegen wäre: daß an derer keinem irgends wo / das sie wider allen Zwang / Befehl und Gewalt schützende V \lcker-Recht verletzet würde / welches aller anderer Fürsten und Obrigkeiten Bothmäßigkeit / so wol in Gewerb und Handlungen / als wenn sie etwas verbrochen haben / über sie ausleschte. Hierdurch würde auch der Hoheit und dem Rechte der Fürsten / in derer Länder sich Gesandten aufhielten / nichts benommen. Deñ wie diese ihres Fürsten Person / oder das Gesichte ihres Staats vorstellten; also würden sie auch angesehen / als wenn sie nicht in des Nachbars Gebiete /sondern in ihrem Vaterlande wären; und was sie thäten / würde für nichts anders gehalten / als was ihr Fürst selbst thäte / so lange / als er es nicht unbilligte. Daher / wenn man sie nicht leiden könte / müste man sie befehlichen / aus seinem Gebiete zu ziehen / und ihre Bestraffung bey ihrem Fürsten suchen. Marbod antwortete: den Bastarnischen und Sarmatischen Fürsten könte er für keine Gesandten ansehen / welche sich von ihren Königen vorher durch Vollmachten beglaubt machen müsten / wenn sie dem Rechte der Natur / welches Ubelthäter aller Orten zu straffen verstattet / nicht unterworffen seyn; sondern des hiervon gewisser massen abweichenden Völcker-Rechtes genüßen solten. Uberdiß wäre ihr Verbrechen ein Land-Friedens-Bruch / und ein wider ihn selbst als König begangenes Laster / dadurch sie sich zu seinen und des ReichesFeinden gemacht / das Völcker-Recht selbst am ersten verletzt / also desselben sich nicht zu erfreuen hätten. Insonderheit aber hätte er von ihren Königen / weil sie zugleich derer Söhne wären / oder auch sonst irgendswo in der Welt bey einigem Richter sich keiner Rechts-Hülffe und Bestraffung zu getrösten / er also desto mehr Befugnüs ihm selbst Recht zu schaffen / sonderlich da sie ohne sein Vorwissen und Einwilligung in sein Land kommen wären / in welchem Falle jeder Fürst ohne diß des Landes-Herrn Gefangener würde / wenn er schon niemanden beleidiget hätte. Paterculus aber versätzte: Ob schon beyde Fürsten selbst nicht Bothschaffter noch zur Zeit verträten / wäre zu ihrer Sicherheit genung: daß sie in der Bothschaffter Häusern und Gemeinschafft wären /welche nicht nur für ihre Personen / sondern für alle ihre Gefärthen / Haußgenossen / mit allen ihren Sachen unter dem Schutze des Völcker-Rechtes lebten; also daß niemand und nichts von ihnen / auch aus rechtmäßigen Ansprüchen angehalten / und gekräncket werden könte. Auf diese Sicherheit wären alle Bothschaffter dahin kommen; und hätte der König dadurch / daß er sie einmahl für Gesandten erkennet /ihnen selbst stillschweigend seinen eigenen Schutz wider alle Rechte und ungerechte Gewalt versprochen. Auf das ihnen beygemäßene Verbrechen wären die zwey Fürsten hauptsächlich zu antworten nicht schuldig; wiewol sie aus allen Umständen wahrnehmen / daß der König nicht allzu richtigen Bericht hiervon erlangt hätte; und wenn der Verlauff genauer untersucht würde / sich vielleicht ereignen dörffte: daß beyde Fürsten durch Befreyung Adelgundens dem Könige mehr einen gefälligen als widrigen Dienst zu leisten vernünfftig [1379] vermuthet hätten. Wenn aber sie gleich so grosse Verbrecher wären; so hätten doch allemahl kluge Fürsten sich ihrer eigenen Rache und Bestraffung entäusert; wenn solche gleich wider desselben Reich und Person / Verräthereyen / Ermordung und Auffruhr anzustifften sich erkühnet; also weil sie weder rechtschaffene Feinde noch ehrliche Kundschaffter abgeben können / selbst sich zu Verräthern gemacht hätten. Also hätten die Römer des Tarqvinius Gesandten / als sie gleich ihren Staat übern Hauffen zu werffen / die Freyheit der Tyranney zu unterwerffen / und viel Bürger zur Verrätherey zu verleiten / sich angemaaßt / kein Leid gethan / sondern frey abziehen lassen / ungeachtet Tarqvinius schon wäre aus Rom gejagt / seiner Herrschafft entsätzt / und also für keinen König mehr zu achten gewest / und sie sich eben so wenig als itzt Marbod /sich zum Tarqvinius zu versehen gehabt: daß er als ihr Todfeind die Werckzeuge seiner Feindschafft straffen würde. Denn der Mangel eines andern Richters rechtfertigte nicht alsbald eigene Rache; sonst würde ein ieder Beleidigter sich an den höchsten Häuptern der Welt selbst rächen können. Ja wenn ein Fürst auch schon Gesandten seiner Feinde für sich /und ihren gäntzlichen Untergang beschlossen hätte /bliebe doch jener unversehrlich; und hätten die zu Zerstörung der Stadt Carthago in Africa angekommenen Bürgermeister doch ihren Gesandten im Römischen Lager für aller Gewalt Schutz gehalten. Es verschlüge ihm auch nichts oder hübe das Völcker-Recht nicht auf / wenn Gesandten sich schon selbst an diesem Rechte durch Staats-Verbrechen vergriffen hätten. Denn in jenem Falle wäre es stärcker / als in diesem / und viel nöthiger / daß Gesandten unverletzlich blieben / als daß ihre Laster gestrafft würden. Sintemahl jene Nothwendigkeit das Heil der Welt / und die Erhaltung menschlicher Gemeinschafft nach sich züge / und ohne Sicherheit der Gesandten nimmer Friede gestifftet / sondern ewiger Krieg geführet werden würde. Daher fügten auch die wildesten Völcker Gesandten kein Leid zu; also daß die / welche dieses gemeine Gesätze der Völcker brächen / ärger als Barbern / und weniger als Menschen wären. Dafern aber einige Ubelthat sie dieser Freyheit entsetzen könte /würde es niemahls an scheinbarem Vorwand ermangeln / Gesandten an Hals zu kommen / und zu verursachen / daß keiner aus befürchteter Thätligkeit seines Fürsten Dienste recht beförderte. Wann sich also Marbod ja so sehr beleidigt achtete / solte er Botschaffter und Fürsten auf die Gräntze führen / und ihnen daselbst das Völcker-Recht aufkündigen / beyden Königen aber auch vorher die Ursache zur Wissenschafft bringen lassen. Welches allemahl billich vorher gehen / man auch selbigen König um Abforderung seines Botschaffters ersuchen / und desselben Antwort erwarten solte / wenn sein Gesandter ohne Gefahr des beleidigten Fürsten oder seines Reiches daselbst länger bleiben kan. Denn da er mehr thäte /würden beyde Könige es gar billich für eine ihnen selbst angethane Schmach zu empfinden / und solche durch Krieg zu rächen / nicht nur die rechtmäßigste Ursache haben / sondern hierzu gleichsam wider Willen gezwungen werden. Sintemahl ein hierinnen unempfindlicher Fürst sich aller Welt zum Spotte machte / und den Nahmen eines Fürsten zu führen unwürdig wäre. Sonst möchte freylich wol man sich eines regierenden Fürsten / als eines Gefangenen bemächtigen / wenn er ohne Zulassung ein frembdes Gebiete beträte / weil diß für einen gefährlichen Anschlag gehalten würde. Aber weder der Bastarnische noch Sarmatische Fürst hätten noch einige Herrschafft / Marbod lebte mit ihren Vätern in keiner Feindschafft /sondern beyde hätten vielmehr durch Werbung für Adelgunden sich mit ihm in festere Freundschafft zu verknüpffen getrachtet. Weßwegen die gantze Welt dem ohne diß mit den Semnonern / Langobarden /und [1380] Cheruskern in Krieg gerathenen Marbod unrecht geben / der Sarmatier und Bastarner Rache aber billichen würde. Marbod begegnete ihm: Weil eines Botschaffters Hauß gleichsam für den Hof seines Fürsten geachtet würde; Diente es gar billich ihm und seinen Hausgenossen zur Sicherheit / keines Weges aber Eingebohrnen oder Frembden / welche nicht in des Botschaffters Pflicht wären. Denn wie der Lands-Fürst einen Botschaffter nicht aus der Botmäßigkeit seines Königs ziehen / und seiner unterwerffen könte /also wäre es viel ungeschickter / wenn ein Botschaffter andere Unterthanen ihren Gerichten entziehen /den Lauff der Gerechtigkeit hindern / und gleichsam ein frembdes Reich seiner Gewalt entsätzen wolte. Am allerwenigsten aber könte seine Wohnung eine Zuflucht und Freystadt der Ubelthäter abgeben / welche zumahl die gemeine Ruhe störeten / ohne welche die bürgerliche Gemeinschafft nicht bestehen könte. Sintemahl auch die heiligsten Orte nur unglücklichen nicht boßhafften zur Sicherheit dienen solten; und das die Gesandten schützende Völcker-Recht nicht anderer Laster vertheidigte; Man auch mit Vernunfft von keinem Fürsten vermuthen könte: daß er durch Annehmung eines Gesandten / ihm etwas wider die gemeine Ruh und zum Abbruche seiner Hoheit hätte enträumen wollen. Insonderheit aber könte er sich nicht bereden lassen: daß wenn Botschaffter und ihre Leute das Völcker-Recht verletzten / sie solches zu ihrem Schirme genüßen / beleidigte Fürsten aber gebundene Hände haben / und mit ihnen so höflich zu verfahren gehalten seyn solten. Dieses aber geschehe ja in alle Wege / wenn sie die / welche Diener der Gerechtigkeit wären / an Ausübung derselben hinderten /oder sie gar angrieffen / tödten / aus dem Kreyße ihrer Würde schritten / wie dißmahl geschehen / zugeschweigen wenn sie Laster / für welchen die Natur Abscheu hat / begiengen; oder sie gar Aufwiegler /Kundschaffter / Fürsten-Mörder oder Verräther abgeben wolten. Denn das Völcker-Recht hübe ja das der Natur nicht auf / billichte also nicht diß / was die menschliche Gemeinschafft aufhübe / und die Annehmung eines Gesandten willigte keines Weges in diß /was den Fürsten oder das Volck in Verterben stürtzen könte. Paterculus versätzte: Was diese letztere Verbrechen belangte / müste er gestehen: daß wenn es ein Fürst genau nehmen wolte / kein Gesandter / weniger seine Hausgenossen / gantz unversehrlich wäre / sondern diese wol in Hafft geno en / auch zu Ergründung der Verrätherey / und Uberweisung verrätherischer Unterthanen für Gerichte gezogen werden könten; wiewol kluge Fürsten / welche mehr Vernunfft als Galle gehabt / sich ins gemein vergnügt hätten /bey ihren Fürsten über sie zu klagen / und ihre Bestraffung zu suchen / nachbleibenden Falls aber ihnen ihre Empfindligkeit vorzubehalten. Alleine / wenn man ja nicht so höflich / sondern nach der Schärffe verfahren wolte / müste genau unterschieden werden /ob einer nur wider die gemeine Sicherheit / oder wider das Völcker-Recht gesündiget hätte. Jenes / nicht dieses / würden die zwey Fürsten zum höchsten verletzt /und beyde Könige sich zu beschweren / keine Befugnüß haben / wenn sie schon beyde in dem Gefechte umkommen wären / weil eines Gesandten Gewaltthätigen Beginnen von iederman auf frischer That Vermöge des natürlichen Beschirmungsrechtes in alle Wege begegnet uñ er selbst solcher Gestalt getödtet werden köñe. Vielmehr aber wäre ein Fürst befugt wider ihn uñ die Seinigen sich zu Beschützung seiner Hoheit und Unterthanen / der von Gott und der Natur verliehenen Waffen zu gebrauchen / in dem er nur seinen Verstand und die Zunge / nicht aber / wie das Ampt eines Kriegs-Mannes erfordert / den Degen zu seines Herrn Diensten gebrauchen soll; wenn er aber zu dem Faust-Rechte grieffe / sich seines Amptes und Kennzeichens; also auch des Rechtes entsätzte / aus einem Botschaffter [1381] ein gemeiner Mann würde / und ihm alles übele selbst zuzuschreiben hätte. Wenn aber dieser Sturm vorbey / und das Völcker-Recht nicht verletzt wäre / könte kein Fürst wider einen Gesandten / der gleich die gemeine Sicherheit gestöret hat /weder gewaltsam verfahren noch über ihn urtheilen. Marbod fiel ihm ein: Warum aber gäben die Römer den Galliern denn selbst recht: daß nach dem ihre Gesandten / welche an statt der Friedens-Vermittelung /sich zu der Stadt Clusium geschlagen / wider die Gallier die Waffen gebraucht hätten / solche auf ihr Begehren ihnen auszuhändigen wären geweigert worden / sie Rom gar billich bekriegt / und eingeäschert hätten. Paterculus antwortete: Dieses bestärcket vielmehr der Botschaffter Meinung: daß nehmlich ein Gesandter wohl bey seinem Fürsten verklagt / aber nicht gewaltthätig gehandelt werden könne / wenn sein Fürst nicht darein willigt. Marbod fiel ein: Warum aber hat der Rath zu Rom Bomilcarn nicht auch bey seinem Könige Jugurtha verklagt / sondern ihn selbst verurtheilt und bestraffet? Paterculus versätzte: Er müste gestehen / daß die Römer damahls mehr das natürliche als das Völcker-Recht für Augen gehabt hätten. Alleine Bomilcar wäre nicht nur ein Meuchelmörder /und Jugurtha ein Eydbrüchiger Friedenbrecher gewest; und also hätten beyde vorher das Völcker-Recht verletzet. Hier aber verhielte sich alles viel anders. Marbod versätzte: Wenn die die gemeine Sicherheit störende Gesandten gleich das Völcker-Recht zu genüssen hätten / liesse sich doch diß Recht auf Britomarten und Boleßlaen nicht angewehren / welche weder Gesandten noch der Gesandten Haußgenossen sondern Frembde wären / also wegen ihrer Verbrechen allenthalben angehalten werden möchten. Denn ob sie nun wol dafür angesehen seyn solten / könte doch kein Botschaffter einen Ubelthäter für seinen Haußgenossen annehmen / um selbten wegen begangenen Lasters seinem Gerichts-Zwange und Straffe zu entziehen. Paterculus antwortete: diß würde sich hören lassen / wenn beyde Fürsten frembde / nicht Söhne der Könige wären / welche die zwey sie aufnehmenden Botschaffter abgeschickt hätten / und die ihre Vollmachten auf ihre Söhne zweiffelsfrey er streckt und verstanden wissen wolten. Uber diß erhärtete die allgemeine Gewohnheit: daß nicht nur die Dollmetscher / von denen der abschickende Fürst ins gemein nichts wüste / sondern auch die / welche ein Botschaffter nur auf seinem Wagen führen / und mit seinen Dienern begleiten liesse / des Völcker-Rechtes zu genüssen hätten / und von selbtem nicht gewaltsam weggenommen werden könten. Wie viel weniger würde sich derogleichen in der Gesandten Häusern /und wider so grosse Fürsten thun lassen / welche auf die gemeine Sicherheit zu gutem Absehen ins Land kommen / und zum Uberflusse mit bessern Schreiben / als ein Botschaffter haben könte / von beyden Königen versehen wären. Ja wenn auch nicht so gutes Recht auf ihrer Seite stünde / und ein ohne Zulassung in ein Land kommender / eben so als ein zu einem andern Könige durchreisender Gesandter in eines andern Fürsten Lande nicht unversehrlich wäre / sondern angehalten werden könte; verstünde doch Marbod allzuwohl: daß man hierinnen ehe zu viel / als zu wenig thun könte / und daß er durch die geringste Gewalt sich in zwey neue gefährliche Kriege vertieffen würde. Nach dem aber sie nicht absehen könten / wie diese zwey Fürsten des Völcker-Rechts entbehren solten; müsten sich alle Botschaffter ihrer annehmen / und würden sie widrigen Falls alle mit einander noch selbigen Tag aus der Stadt ziehen / und sich über Un recht beklagen / da er die Wache wegzunehmen sich weigerte. Marbod / wie verbittert er gleich war / ließ sich doch den Paterculus und andere Botschaffter schrecken: daß er ihnen zu Liebe noch selbigen Abend die Wache aufheben ließ; iedoch schrieb er an beyde [1382] Könige: sie möchten ihre Söhne wegen gestörten Land-Friedens zurücke beruffen. Daher er ihnen auch auf ihr Ansuchen keine Verhör geben wolte /sondern als die Gesandten sich verlauten liessen: daß kein Fürst den andern nöthigen könte einen oder den andern von seiner Gesandtschafft zurück zu fördern /sie auf Adgandesters Anstifften / bey außenbleibender Antwort / auf die Gräntze geschickt hätte / wenn nicht Paterculus ihm eingeredet / und Marbod allerhand böse Zeitungen aus seinen Ländern bekommen hätte. Unterdessen wolten beyde Fürsten nicht aus Boviasmum weichen / ungeachtet man ihnen ein schlechtes Gesichte machte; sonderlich da die Zeitung ankam: daß Adgandester den Auffenthalt Adelgundens ausgespüret / und sie in einem Schlosse belägert hätte. Denn die Liebe hilffet einem das Eisen des grösten Unrechts verdäuen / und beyde hätten Adelgunden aus Adgandesters Händen zu retten / sich zum zweyten mahl gewagt / wenn sie nur einiges Mittel hätten ersinnen können. Der Ritter Arnheim stand hierbey ebenfalls in nicht wenigen Sorgen / ungeachtet ich ihn versicherte: daß Adgandester durch aller Marckmänner Kräfften sich des Schlosses in Jahr und Tag nicht bemächtigen würde / wenn es nicht durch Verrätherey geschehe / darwider die darinnen beschlossenen Ritter wohl ihrer eigenen Gefahr halber an Wachsamkeit nichts würden ermangeln lassen. Weil nun der König sich selbst zu dem Schlosse verfügen wolte / befand Arnheim für rathsam / bey ihm Abschied zu nehmen / reiseten eine Stunde nach dem Könige aus Boviasmum; sind also durch das Hermundurische / Cattische und Marsische Gebiete glücklich anher kommen.

Hertzog Ingviomer umarmte für Freuden und Erkenntligkeit den also schlüßenden Ritter Kapliers /und versicherte ihn: daß nach dem er ihm mehr Freundschafft als kein Mensch in der Welt geleistet /und aus unverbundener Großmüthigkeit für ihn so viel gewagt hätte / wolte er auch solches so erkennen /als Kapliers jemahls wünschen / und von einem danckbaren Fürsten hoffen könte. Zu diesem Ende schniet auch er ein Stücke von seinem Zopffe ab / und gab es dem Ritter Kapliers mit der Versicherung: daß dieses ein Pfand seiner unvergeßlichen Vergeltung seyn solte. Er ersuchte ihn zugleich um seinen treuen Rath / wie er das so wol eingefädemte Werck völlig ausarbeiten möchte. Kapliers verkleinerte hingegen seine Dienste / und sagte: Es wäre kein anders heilsames Mittel zu ersinnen / als daß Ingviomer ohne einigen Zeit-Verlust selbst nach Boviasmum eilete / sein Glücke beobachtete / von der Zeit / seiner Tugend /und guten Freunden Hülffe erwartete. Der Ritter Arnheim pflichtete dieser Meinung bey / noch mehr aber seine eigene Liebe. Zwey Bedencken waren alleine noch zu erörtern übrig / nemlich wie der Graf von Weil abzufertigen wäre / und wie Ingviomer seine Reise zum Marbod sicher bewerckstelligen könte /nach dem Hertzog Herrmann und Arpus ihm schwerlich den Durchzug verwilligen würde. Uber beyden Rath zu halten / ließ Ingviomer den Grafen von Steinfurth / Zütphen und Bentheim / noch selbigen Tag dahin beruffen; unterdessen liebkosete er dem Ritter Kapliers auf alle nur ersinnliche Weise / und erkundigte die gantze Verfassung des Marbodischen Reiches. Die Beruffenen fanden sich folgende Nacht in Ingviomers Einsamkeit ein. Nach dem dieser ihnen nun sein Vorhaben zum Marbod als eine nicht mehr unter eine Berathschlagung gehörige Sache eröffnete /riethen sie einstimmig: Ingviomer solte mit dem Hertzoge Herrmann und Arpus auf alle ersinnliche Weise abzukommen trachten / es möchte auch kosten was es wolte / und die Bedingungen möchten so schwer gemacht werden / als sie könten. Denn wo man seinem Feinde nicht gewachsen wäre / gewinne man doch durch den schli sten Frieden / derer keiner ohne [1383] diß ewig tauerte / und sein Bruch allemahl Gelegenheit gäbe / das Verlohrne wieder zu gewinnen. Jedoch solte er diesen Frieden allein auf das Hertzogthum der Bructerer einzuschrencken suchen; damit / wenn er in Ansehung des Königs Marbod in den Cheruskischen Krieg eingeflochten würde / er daselbst ohne Verletzung seines Versprechens freye Hände behielte. Die Anstalt der Reise nahmen sie noch zum Bedencken; außer daß Ingviomer dem Grafen von Bentheim dreyhundert aus dem Kerne der Bructerischen Ritterschafft mit nöthigen Waffen auszulesen / anvertraute. Nach diesem Schlusse eilte Ingviomer mit dem Grafen von Steinfurth wieder nach Hofe / ließ allda den Grafen von Weil selbst zur Verhör beruffen / und verwilligte ihm sechs der vornehmsten Ritter zu Geisseln / und eine Festung an der Ems einzuräumen. Jedoch solte dieser Vergleich alleine der Cherusker / Catten und Bructerer Landschafften binden / außer denen aber ieden sich durch Bündnüsse zu versichern unverschrenckt seyn. Der Graf von Weil / welcher ihm einige Verbindung zwischen dem Könige Marbod und Ingviomer nicht träumen ließ / gieng diese Bedingung ohn einiges Bedencken ein / und ward hierüber eine Urkund ausgefertiget. Ingviomer beschenckte den Gesandten reichlicher / als in Deutschland sonst gewöhnlich war / und gab ihm mit Fleiß an die Hand: daß weil Hertzog Herrmann sich dem Verlaut nach bey denen entfernten Semnonern aufhielte /er diesen Frieden-Schluß zum ersten dem Hertzoge der Catten überbringen möchte. Erbot sich auch von freyen Stücken: daß weil der Ab- und Zufall der Langobarden und Semnoner zwischen dem Feldherrn und Könige Marbod ein gefährliches Feuer in Deutschland anzuzünden schiene / er beyde vermittelst einer an Marbod bestimmter Bothschafft zu vergleichen sich bemühen wolte. Denn bey solchem Abkommen stimmten alle geheime Räthe Ingviomers ein: daß Ingviomer mit dreyhundert Rittern / und so viel Reisigen eben den Weg des Ritter Kapliers unter dem Nahmen einer dahin gehenden Bothschafft verdeckter Weise nach Boviasmum nehmen solte. Ingviomer ließ den abreisenden Gesandten nicht allein durch sein Gebiete frey halten / und ihm alle ersinnliche Ehre erweisen /sondern auch auf den Gräntzen mit allem Fleisse kund machen: daß das verlautende Geschrey von dem Unvernehmen zwischen ihm und andern deutschen Fürsten eine verleumbderische Unwarheit wäre; und daß sie durch Verneuerung ihrer Freundschafft sich näher / als sie niemahls vorher gewest / mit einander verbunden hätten. Dieser von dem Grafen von Weil bestätigter Ruff breitete sich nach der Eigenschafft aller guten Zeitungen alsbald weit aus; also daß / nach dem in zweyen Tagen hernach Ingviomer mit seiner auserlesenen Reiterey durch das Marsische und Cattische Gebiete durchzoh / ihm nicht die geringste Hindernüs begegnete / sondern ihm jederman / theils aus eigener Neigung / theils auf des Hertzog Arpus Befehl / allen guten Willen erwieß; ungeachtet niemand wuste / daß Ingviomer darbey wäre. Dieser hatte dem Grafen von Steinfurth und Zütphen die gantze Herrschafft anvertraut / er aber führte den Grafen von Bentheim / Stirum / Horn und den rechten Ausbund der Bructerischen Ritterschafft / wie auch den Ritter Kapliers /aber unter verdecktem Nahmen / und den Ritter Arnheim bey sich / welchen er / um seine Ankunfft dem Könige Marbod zu vermelden / mit dreißig Pferden voran schickte. Dieser wie auch Ingviomer kamen zu Boviasmum glücklich an; weil aber der König und der Hof sich nicht weit von dem belägerten Schlosse Bezdiez befand / verfügte sich Ingviomer dahin /allwo sich der Sarmatische und Bastarnische Gesandte mit beyden Fürsten / wie auch Paterculus und andere Bothschaffter auf denen nahe herum gelegenen Schlössern eingetheilet hatten. Denn [1384] diese letzteren hatten es endlich in Abwesenheit Adgandesters /durch ihre Einredung beym Könige Marbod zu wege gebracht: daß er Boleßlaen und Britomarten auf einer Jagt gleichsam unversehens zur Verhöre gelassen; und weil beyde dabey eine fürtrefliche Hurtigkeit erwiesen / sich länger im Reiche aufzuhalten erlaubt hatte. Adgandester war über dieser Zulassung halb rasend worden / und hatte gegen sie als seine öffentliche Neben-Buhler einen so bitteren Haß gefasset: daß er Tag und Nacht sie zu verderben saan / und weil seine kurtze Abwesenheit von Hofe ihm schon so viel geschadet hatte / er den König Marbod gleichsam wie einen besessenen Schatz bebrütete / und iedermanne die Gelegenheit an ihn zu kommen abschniett. Gleichwol konte er nicht verhüten: daß Marbod Ingviomern aufs freundlichste empfieng / und von seinen Kriegs-Anstalten offt und viel mit ihm Unterredung hielt. Wie nun diß ihm als dem argwöhnischten Menschen unsäglichen Verdruß erweckte / also hätte er für gifftigem Hasse zerbersten mögen / als er vom Marbod selbst erfuhr: daß er ihn um seine Tochter Adelgunde angesprochen / und inständig gebeten hätte; er möchte ihr doch die freye Wahl / einen Bräutigam zu erkiesen / enträumen. Denn weil der Zwang der Liebe und Ehe mehr als das Wasser dem Feuer zuwider wäre / und die anfängliche Abscheu für einem Dinge / dem Gemüthe eine unausleschliche Feindschafft eindrückte /ja die Seelen der Menschen nicht weniger / als die Pflantzen / gantz absondere Lufftlöcher oder Oeffnungen hätten / welche aus dem Saffte der Erde nichts /als was ihrer Eigenschafft gemäß wäre / an sich zügen / begehrte er an Adelgunden keinen Anspruch zu machen / wenn sie mit einem Winck oder Finger ihm nur ihre Widersätzligkeit würde zu verstehen geben. Adgandester / da er Adelgunden anders wahrhafftig liebte / wie auch Boleßla und Britomartes / da sie Vernunfft hätten / würden sich diesem Gesätze / welches die Natur und aller Völcker Recht billigte / und unser eigener freyer Wille vertheidigte / unterwerffen müssen. Insonderheit aber würde ihm Adgandester auf den Fall / da Adelgunde ihn erwehlte / das Vorrecht nicht mißgönnen oder strittig machen können / weil er ihm schon zu Mattium im Nahmen des Königs Marbod zu dieser Heyrath Vertröstung gethan hätte. Adgandester dorffte Ingviomern öffentlich nicht verachten; weil er ihn wenige Zeit vorher bey Behandlung des Bündnüsses / gegen den Marbod so treflich heraus gestrichen hatte; sondern er bezohe sich nur auf den göttlichen Willen / welchen ihm durch eine so klare Weissagung der Himmel offenbahret hätte. Weil er aber seinen andern Nebenbuhlern sich gleichwol in Tugenden nicht gewachsen zu seyn schien / machte ers wie die Thiere / welche in Mangel der Stärcke und Hertzhafftigkeit sich mit Giffte behelffen. Daher trachtete er zwischen ihnen Eyversucht und Feindschafft zu erwecken / und durch Aussprengung allerhand verkleinernder Nachreden sie an einander zu verhetzen: daß sie selbst einander aufreiben möchten. Denn ob er zwar die Priester zu seinem Rücken hatte /und sich auf sie / wie der Bock auf seine Hörner verließ / so besorgte er doch / daß Marbod aus Staats-Klugheit seine Meinung zu ändern / und seine Tochter einem mächtigen Fürsten zu vermählen genöthiget werden dörffte. Und derogestalt war schier sein bester Trost dieser: daß wie ein Gifft das andere entkräfftet /also auch so vieler Liebe sich an einander zerstossen würde. Dieser listige Anschlag gieng ihm auch ziemlich glücklich an / denn da Ingviomer anfangs mit Boleßlaen und Britomarten gar verträulich umgegangen war / sie mit einander gejagt / und allerhand Ritter-Spiele geübt hatten / wurden sie durch die ertichteten Verläumbdungen einander Spinnen-feind / und würden sie einander in die Haare gerathen seyn / wenn sie nicht durch Thätligkeiten sich um Marbods Gewogenheit zu bringen / besorgt hätten. Mitler [1385] Zeit konte Marbod weder durch Güte noch Dräuungen Adelgunden und den Ritter Milissow bewegen sich zu ergeben. Denn beyde blieben bey ihrer Erklärung: daß so bald Adgandester der Urheber alles Unglücks aus dem Marckmännischen Gebiete verstossen seyn würde / wären sie alle erbötig / des Königs Knie fußfällig zu umfangen / und sich allen seinen Befehlen zu unterwerffen. Alleine Adgandester war dem Könige so ans Hertze gebunden: daß er ehe seine Tochter aufgeopffert / als sich eines so schädlichen Dieners enteusert hätte. Adgandester wuste hierbey unter angenommenem Scheine: daß er selbst freywillig aus dem Lande gehen wolte / meisterlich Oel ins Feuer zu gießen / und den König zu verbittern / welcher Adelgundens Erklärung für keine demüthige Unterwerffung annam / sondern als eine straffbare Hartnäckigkeit schalt / durch welche eine Tochter dem Vater / ein Unterthan dem Könige Gesätze vorschreiben wolte. Hierüber kam der Qvaden König Vannius beym Marbod an / welcher ihm zwölff tausend auserlesene Fuß-Knechte und vier tausend Reiter zuführte; welche Marbod nach den Semnonischen Gräntzen fortziehen ließ. Dieser Vannius war beym Marbod so hoch gesehen / als kein ander Mensch in der Welt / weil er der fürnehmste Werckzeug seiner grösten Siege / und mehr als seine rechte Hand gewest war. Ihre Freundschafft war grösser / als sie unter Fürsten gewöhnlich ist. Denn sie hatten einander einen Eyd geschworen: daß eines Wol- und Ubelstand an des andern angebunden / und einer dem andern ohne einige Entschuldigung seines eigenen Nothstandes mit sechzehn tausend Kriegs-Leuten zu Hülffe kommen solte / so bald er vom andern eine halbe güldene Müntze geschickt bekäme; darauf beyde Könige mit zusammen geschlagenen Händen / auf der andern Seite aber des Mercurius Stab mit zweyen gegen einander stehenden Schlangen / eben so wie auf der Müntze des versöhnten Antonius / Octavius und Lepidus gepregt waren. Nach dem Marbod nun den Vannius aufs prächtigste empfangen hatte / suchte Ingviomer / Boleßla und Britomartes ihn gleichfalls heim. Denn weil sie wol wusten / daß niemand mehr beym Marbod galt / als er / meinte ein jeder durch seine Gewogenheit beym Marbod einen guten Stein ins Bret zu bekommen. Die Gesandten bekamen auch Befehl vom Könige der Sarmatier und Bastarner / dem Marbod zehn tausend Pferde von iedem anzubieten / welche zu seinen Diensten schon in Bereitschafft stünden. Der unter seinem Förster-Rocke versteckte Ritter Kapliers hatte Adelgunden nicht nur die Ankunfft Ingviomers / sondern auch von seiner Hand die allerverbindlichste Versicherung seiner Treue und Liebe / nebst einem Schlüssel zu seinen Ziffer-Briefen überbracht; nunmehr aber befand er sich wieder bey Ingviomern / welcher ihr denn diß / was sich mitler Zeit zugetragen hatte / und insonderheit die Ankunfft des Vannius zu berichten /sich auffs neue erbot. Adelgunde wolte nach dessen Erfahrung weder Zeit noch Gelegenheit versäumen /schrieb also dem Vannius folgenden Brieff: Großmächtiger Fürst! Adelgunde / welche zeither sich und das Marckmännische Reich schon für verlohren geschätzt / schöpft nunmehr wieder Hoffnung / nach dem durch desselben Fürsten Ankunfft uns gleichsam ein neuer Glücks-Stern aufgegangen. Denn der / welcher durch seine Klugheit und Tapferkeit es hat helffen in Grund legen / wird selbtes durch die Boßheit eines verruchten Menschen nicht lassen in Koth treten. Es ist leider! Schimpffs und Schadens genung: daß Adgandester den König Marbod durch Zauberey zu seinem Diener gemacht / durch seine hitzige Rathschläge und knechtische Auflagen die Semnoner und Langobarden zum Abfalle gezwungen / das Marckmännische Reich um ein so grosses geschwächet /und alles / was über dem Sudetischen Gebürge liegt /in Gefahr gesätzt hat. [1386] Aber dieser Unglücks-Vogel hat sich damit nicht gesättigt / sondern nach dem er Adelgunden ihrer Freyheit / ihren Vater seiner Liebe /das Reich seiner Ruh beraubt / wil er Adelgunden nun auch zu seiner Magd / und die Marckmänner zu seinen Sclaven machen. Hierzu hat er den heiligen Gottesdienst gemißbraucht / die Priester durch versprochene Stifftungen bethöret / die Wahrsager bestochen: daß sie den König beredet / als wenn das Heil des Reiches an seiner und meiner Vermählung hienge. Gleich als wenn so böse Menschen nicht weniger zu Pfeilern eines Reiches / als faule Höltzer zu Säulen eines Gebäues dienten. Diese Erzehlung beruhet auf keiner blossen Muthmassung; Vannius wird in dem Wahrsager-Hayne das Behältnüs der Vögel finden; wordurch Marbod und andere Einfältige betrogen werden / und ihr Wärter wird zu sagen wissen: daß sie den zu ihrer spitzsinnigen Wahrsagung benöthigten Adler um drey Pfund Silbers erkaufft. Alleine das Verhängnüs hat dem so scharffsichtigen Marbod die Augen gebländet: daß er solche handgreifliche Betrügereyen nicht siehet / und treue Räthe nicht mehr höret. Wo er also nicht durch des Vannius Augen sehen lernet / ist es um ihn und alles gethan. Zwar um mich habe ich die wenigste Sorge. Denn man wird ehe die Stücke meines zerschmetterten Leibes unter diesen Stein-Klippen zusammen lesen / als mich mit Adgandestern vermählt sehen. Sintemahl ich durch ihn mich mit der Verrätherey selbst vereinbahren würde. Aber ach! wie gerne wolte ich mich also aufopffern / wenn dadurch nur mein Vaterland dieses Wütterichs loß würde. Alleine vergebens! Winde und Ungewitter lassen sich wol durch Jungfrauen-Blut versöhnen; solche Schlangen aber müssen von einem Hercules vertilgt werden / wie Vannius ist. Dieses Schreiben ward vom Schlosse an einem langen Fadem herunter gelassen /und von der Wache zum Könige Marbod gebracht /welcher nicht begreiffen konte / woher man im Schlosse die Gegenwart des Kwadischen Königes wüste / gleichwol aber überschickte er es ihm uneröffnet. Vannius laß dieses Schreiben mit grosser Verwunderung / und nicht ohne hefftige Bewegung. Deñ ob er zwar von ein und anderm Vornehmen Adgandesters Nachricht hatte / steckte ihm doch diß Schreiben ein grosses Licht auf; in dem die ihn zu bedienen verordneten Marckmänner / die Vannius um den Zustand Adelgundens befragt hatte / nicht heraus wolten / sondern ihre Unwissenheit vorschützten / oder die Achseln einzohen. Weil Marbod nun schon von diesem Schreiben wuste / ward Vannius zu Verhütung alles Mißtrauens genöthiget ihm solches zu zeigen. Marbod laß es mit der grösten Verwirrung / iede Zeile verursachte schier einen absondern Sturm in seinem Gemüthe / und bald erblaßt er / bald röthete er sich wieder. Nach dem er es nun durchlesen hatte / fieng er an: Dieses wären Erfindungen der Feinde und Lästerer Adgandesters / durch welche sie seine ungehorsame Tochter zur Hartneckigkeit verhetzten / sein Reich in Spaltungen / ihn aber in grössern Kummer stürtzten / als ihm alle seine Feinde verursachten. Adgandester würde wegen seiner Treue und Tugend geneidet /und wegen seines Vorzugs gehasset; gleich als es einem Fürsten nicht frey stünde einem Diener nicht mehr / als einem andern zu vertrauen / und er sich nur einheimischer nicht frembder Räthe zu bedienen befugt wäre. Die klügsten aber wären nicht für den Ausschlag zu stehen verbunden. Hingegen müsten Könige ihren Töchtern nicht weiß machen: daß sie wie Mägde unter dem Pöfel nach ihrer blinden Liebe heyrathen möchten; sondern sie hätten sich an ihrer Hoheit zu vergnügen / und sich der wolgemeinten Wahl ihrer Väter zu unterwerffen. Am meisten aber stünde ihm dieses Recht zu; weil er mit Adelgundens Bräutigame auch denen Marckmännern [1387] einen künfftigen Herrscher zu erkiesen hätte / dazu er keinen tauglichern als Adgandestern wüste / als welcher das Verhängnüß schon selbst durch eine so deutliche Wahrsagung / mit seinem eigenen Nahmen zu dieser Würde beruffen hätte. Vannius hörte den Marbod gedultig aus / bey diesen Worten aber fiel er ein und sagte: Er hätte ihm diese Wahrsagung umständlich erzehlen lassen / welche ihm anfangs sehr wunderlich vorkommen wäre; ie länger er aber dieser nachdächte / ie verdächtiger schiene sie ihm zu seyn. Nach dem die Wahrsagungen ohne diß ins gemein entweder schwer-auslegliche Rätzel oder Träume der Wachenden wären / und nicht selten Betrug zum Vater hätten / hierauf aber König Marbod seiner Tochter Vermählung mit Adgandestern am meisten gründete / hätte er wol Ursache die in diesem Schreiben an die Hand gegebenen sonderbaren Umstände genau zu erkundigen. Die Menschen wären zu arglistig: daß auch hundert Augen sich nicht genugsam vorsehen könten. Die verführischen Irrlichter beschämten die klärsten Sterne / und die trübsten Wolcken prangeten mit schönern Farben / als die vollkommensten Dinge. Marbod begegnete ihm: Uber dem / was er mit Augen selbst gesehen / dörffte er nicht anderwerts her Gewißheit einziehen. Es liesse sich auch nicht thun / durch eine so vorwitzige Untersuchung den Glauben der Priester verdächtig / und den Gottesdienst / durch welchen das Volck allein im Zaume gehalten würde / zweiffelhafft zu machen. Vannius antwortete: Der Wahrsager Betrug könte dem Gottesdienste so wenig / als ein alles verkehrender Spiegel einem wolgebildeten Antlitze Abbruch thun. Würde bey der Erforschung das Angeben falsch befunden / so würde dadurch die Wahrheit so viel mehr Liecht bekommen. Es läge gleichwol hieran die Wolfarth seines Reiches / die Vergnügung seiner einigen Tochter / und seine eigene Ehre; welche bey der Nachwelt nicht ärger beschimpfft werden könte / als durch Wehklagen über einen untüchtigen Nachfolger. Marbod versätzte: Es wäre nichts gemeiners / als daß die Wahrheit durch Unwissenheit des Pöfels und durch Verläumbdung der Boßheit verfolgt würde. Die Sonne wäre ihr wahrhafftes Fürbild. Denn man schriebe dieser eben so wohl Flecken und Verfinsterung zu / da beydes doch nur ein Betrug unser Augen wäre. Alleine beyde siegten doch über diese Dünste und Bländungen. Hierzu könte man wenig beytragen. Die Fern-Gläser betrügen uns mehr / als sie uns vergewisserten / sondern man müste nur der alles an Tag bringenden Zeit unsere Erleuchtung heimstellen. Vannius brach hiermit ab / nahm Abschied / und bat alleine: Marbod möchte der Sachen besser nachdencken; die Natur hätte mit allem Fleiße das Gehirne weicher als Wachs gemacht / damit man die ersten Gedancken darinnen leicht verstreichen / und den bessern Platz geben könte. König Vannius war aber überaus begierig zu erfahren / auf was für Grunde Adelgundens Bericht der Wahrsagung halber bestünde. Daher befahl er dem Ritter Zierotin und Wirbna: daß sie folgenden Morgen / unter dem Scheine der Andacht / mit wenigen Leuten in den nur drey Meilweges davon entfernten Heyn verreisen / und die Wahrheit zu erforschen an ihnen nichts erwinden lassen solten. Der verkleidete und von diesem Schreiben Wissenschafft habende Ritter Kapliers kriegte den Abend vorher von dieser Abschickung Wind / weil Zierotin um einen des Heynes kundigen Anweiser Nachfrage that. Nach dem er nun solche aus einem viel andern Absehen fürgenommen zu seyn muthmaste / machte er sich noch für Tage auf / und fand sich unterweges an beyde ihn übereilende Ritter / welchen er auf ihre Befragung seine eben dahin angezielte Reise entdeckte / und von diesem Heiligthume ihnen viel zu erzehlen wuste. Weil er ihnen nun von allem so guten Bescheid zu geben [1388] wuste / erbaten sie ihn zu ihrem Anweiser; Darzu er sich gantz willig erzeigte / und sie zum ersten an den Ort führte / wo die Vogel verwahret wurden. Weil sie nun den Speise-Meister derselben fast auf gleiche Art wie vorhin Stochow und Kapliers ausforschten / erzählte dieser Mensch / welcher seiner Einfalt halber / vielleicht mit Fleiß zu diesem Dienste beruffen war / diesen alles / so gut als jenen. Von dar führte sie Kapliers gegen dem Orte / wo die Wahrsager die Rathfragenden hinzustellen pflegten / den Flug der Vogel zu beobachten. Dieses war ein rundter und über die Helffte mit dichte in einander geflochtenen Buchen und Linden umgebener Platz / von dem man durch das Gepüsche nicht sehen konte / darhinter aber ragten hohe Eich-Bäume und Espen herfür. Zierotin und Wirbna waren etwa viertzig Schritte davon / als sie etlicher Wahrsager gewahr worden / welche um selbigen Ort geschäfftig waren. Nach dem sie nun auf Kapliers Erinnerung / daß die Wahrsager unwillig wären / wenn man sie störte / sich zwischen ein ander Gepüsche verbargen / und ihrem Beginnen zusahen /liessen jene eine weiße Taube flügen / weil aber diese darvon flog / noch eine andere. Diese sätzte sich auf den nechsten Baum. Hierauf liessen sie drey Sperber loß / welche auf die Taube zueilten / und als diese aufflog / verfolgten sie solche / geriethen aber darüber mit einander selbst in Kampff. Unterdessen streueten die Wahrsager Gesäme auf die Erde / banden drey andere Tauben an eine Stange an / worauf die Taube sich zu dem Gesäme funden / die Sperber zu den angebundenen Tauben zurück geflogen kamen / und selbte zerfleischten. Zierotin fragte den Kapliers / was diß zu bedeuten hätte? welchem dieser antwortete: Er verstünde es nicht / muthmaste aber; daß sie die Vogel abrichteten / weil vielleicht iemand ihm würde wollen wahrsagen lassen. Wirbna fieng hierauf an: Ich meinte die Vogel müsten für sich selbst und aus Eingeben des Himmels erscheinen. Kapliers versätzte: Vielleicht geschiehet dieses Eingeben unmittelbar den Wahrsagern / welche nach dieser weisen Leitung die Vogel hernach einem oder dem andern erscheinen lassen. Die Wahrsager erwischten hierauf ihre Vögel /sätzten sich zusammen / und trieben bey vielem Gelächter mit einander allerhand Kurtzweil. Wirbna und Zierotin musten sich also gantz stille und verborgen halten / weil Kapliers berichtete: daß sie sonst von Wahrsagern / ihres Vorwitzes halber / übel angesehen werden dörfften. Ungefähr eine viertel Stunde darnach / kam ein Wahrsager eilends gelauffen / welcher denen andern winckte; worauf sie sich mit ihren Vögeln tieff ins Gepüsche versteckten. Bald hernach kam ein mit Zimmer-Kraute gekräntzter Priester / und brachte neben sich einen wol ausgeputzten Ritter /dem er seine Stelle eben daselbst anwieß / wohin sich vorher die von Sperbern gejagte Taube geflüchtet hatte. Nach dem dieser eine Weile seine Augen auf alle Ecken hatte herum schiessen lassen / liessen die verborgenen Wahrsager die weisse Taube loß / welche sich auf vorigen Baum sätzte; nach dem aber ihr die loßgekappten Sperber folgten / flohe sie gerade gegen dem Ritter auf eine Buche / darunter er saß. Inzwischen fiengen die Sperber mit einander einen neuen Kampff an / daß die ausgeraufften Federn in der Lufft herum flogen / biß die Wahrsager hinter dem Gepüsche sie endlich durch angebundene Tauben wieder zu sich lockten. Der Priester gab hierauf dem Ritter etliche Hand voll Gesäme; als er es nun nach seinem Unterrichte auf die Erde streute / kam die Taube und fraß selbtes begierig auf. Nach diesem führete der Priester / welcher diese Vogel-Erscheinung für etwas sehr glückliches rühmte / den Ritter zurück gehen der heiligen Höle zu / welchem die andern Wahrsager / welche sich für Lachen bey nahe hätten ausschütten mögen / endlich folgten. Zierotin fragte den Kapliers: wo [1389] sie sich nun hin verfügten? Weil nun dieser berichtete: daß er itzt in der heiligen Höle vom obersten Priester die Auslegung über Erscheinung dieser Vögel zu gewarten hätte. Worauf beyde Ritter verlangten: daß sie Kapliers / solche zu vernehmen / auch dahin bringen möchte / welches er auch durch einen Umweg werckstellig machte. Als sie nicht weit von der Höle kamen / sahen sie den vom Priester geführten Ritter / welchen sie nunmehr zu grosser Verwunderung für den Fürsten Britomartes erkeñten /etliche Hand volln Weyrauch in das nahe darbey gemachte Opffer-Feuer streuen / sich aus dem nahe darbey rinnendem Qvelle waschen / und ihn folgends dem obersten Priester in die Höle folgen. Sie aber blieben in dem Eingange von ferne stehen. Als nun so wol Britomartes als der Priester eine gute weile auf der Erde gelegen hatten / richtete sich dieser gleichsam aus einer Entzückung auf / und fieng mit einer durchbringenden Stimme an:


Drey Sperber werden dir die Taube strittig machen /

Sie aber flůchtet sich aus ihren Klau- und Rachen;

Und ihre Zwytracht wird zum Vortheil dir gedeyhn.

Denn diese / die du liebst / wird deine Beute seyn.


Kapliers zohe den Wirbna und Zierotin / und gab damit ihnen ein Zeichen / sich zurück und auf die Seite zu machen. Sintemahl Britomartes sich alsbald aufrichtete / aus der Hölen gieng / um das gewöhnliche Danck-Opffer zu vollziehen / worzu auf Britomartens Befehl mitler Zeit zwey wiesse Bastarnische Ochsen waren herbey geführt worden. Zierotin und Wirbna waren des von den Priestern und Wahrsagern gebrauchten Betruges nunmehr festiglich versichert /wolten also bey diesem so sehr mißbrauchten Heiligthume keine Andacht verrichten / sondern ließen sich den Kapliers wieder aus dem Heyne führen; welchem sie drey güldene Müntzen mit dem Gepräge des Getischen Königs Cotisen verehrten / zurück eilten / und dem Könige Vannius alles umständlich berichteten. Nachdem dieser nun alles genau untersucht hatte /verfügte er sich zum Marbod / und sagte ihm: daß die Pflicht seiner Freundschafft ihn verbunden hätte / diß / was Adelgunde wider die für Adgandestern angezogene Wahrsagung eingewendet hätte / zu untersuchen. Wie ihm nun solche bald anfangs verdächtig gewest wäre / weil der Himmel in solchen Fällen / da er einem Reiche wol zu thun vorhätte / am allerersten die Gemüther zu seinem vorhabenden Zwecke zu gewinnen pflegte; also traute er nunmehr Sonnen-klar zu behaupten: daß nicht nur diese / sondern alle andere Wahrsagungen der um Rath gefragten Priester voller Betrug steckten. Marbod sahe den König Vannius hierüber starck an / und sagte: Er könte sich schwerlich bereden lassen: daß er in ein oder anderthalb Tagen die / welche von undencklicher Zeit den Ruhm unfehlbarer Warheit behauptet / einer betrüglichen Falschheit zu überweisen / genungsamen Grund gefunden haben solte. Vannius antwortete: Wie aber? wenn ich erweisen könte / daß eben der Priester / welcher Adgandesters Lied gesungen / Adelgunden einem andern Fürsten zur Beute versprochen hätte? Wie? wenn ich durch unverwerfliche Zeugen behauptete: daß die Wahrsager eine unzählbare Menge Vögel zu ihrem Betruge unterhielten / abrichteten / und durch ihre Freylassung nicht alleine die Fragenden betrügen / sondern noch darzu auslachten? Marbod versätzte: Er könte diß unmöglich glauben. Vannius ließ hierauf den Ritter Zierotin und Wirbna ins Zimmer kommen /befahl ihnen: daß sie nach ihrer Landes-Art schweren solten / über dem / was sie befragt werden würden /die Wahrheit zu sagen. Reichte zu dem Ende ihnen auch zwey Steine / welche sie in das unter dem Königlichen Schlosse vorbey lauffende Wasser warffen /und wünschten: daß wo sie was falsches berichten würden / sie wie dieser Stein versincken möchten. Hierauf erzehlten sie alles haarklein / was sie in dem Heyne gesehen hatten / erboten sich auch nicht nur allein [1390] darinnen anzuweisen / sondern alles den Priestern und dem Fürsten Britomartes unter Augen zu sagen. Marbod erstaunete hierüber / und verschwur sich: daß er selbst diesen Betrug untersuchen / die schuldigen Priester und Wahrsager als Ubelthäter straffen / und das entweyhete Heiligthum reinigen wolte. An statt des Wassers / wolte er ihr Blut zur Abwaschung ihres Greuels gebrauchen; der Erwürgten letzter Athem solte der Blasebälge / ihre eingeäscherte Gebeine der Erde / ihre lodernden Holtzstöße des Feuers / die sie peitschenden Nesseln der Kräuter / ihre Geylen aber der Eyer / welche die vier Elemente in sich beherbergen sollen / und also aller zur Reinigung erforderter Dinge Stelle vertreten. Vannius antwortete ihm: Weil seine beyde Ritter die unfehlbare Wahrheit berichtet hätten / sich auch alles also befinden würde / wäre seine entrüst- und vorgesätzte Bestraffung der Wahrsager und Priester wol der Gerechtigkeit / aber nicht der Staats-Klugheit gemäß. Denn es wäre nichts gefährlichers einem Fürsten / als sich mit der Priesterschafft zwisten; welche das Volck wie an einer Schnure und wie mit einem durch die Nase gezogenen Rincken leiten / wo sie hin wolten / und es gegen dem Fürsten aufsätzig machen könten. Sie wären bey den meisten Völckern / und insonderheit bey den Marckmännern in so grossem Ansehen: daß sie selbst nicht nur übers Volck / sondern über die Fürsten urtheilten. Zu Rom wären sie keinem Gerichte unterworffen /und dörfften sie weder dem Rathe noch dem Volcke von ihrem Thun Rechenschafft geben. Insonderheit wäre der König des Gottesdienstes / und die Vestalischen Jungfrauen keinem Gesätze unterworffen. Wenn nun Marbod sich über diese Priester einer Botmäßigkeit anmaßen würde / wäre zu besorgen: daß sie ihn als einen Verächter des Gottesdienstes / als einen Versehrer des Völcker-Rechts / und als einen Priester-Feind beym Volcke schwartz machen / und bey diesem gefährlichen Zustande die Marckmänner veranlassen dörffte / in der Longobarder Fußstapffen zu treten. Insonderheit hätten die Wahrsager gefährliche und stachlichte Zungen / ließen sich also schwerlich zäumen. Denn würffe man sie ins Wasser / so würden sie zu Fröschen / verderbte man sie in der Lufft / oder durchs Feuer / so würden sie zu Vögeln / welche durch unglückliche Wahrsagungen den Fürsten zu schrecken / und verhaßt zu machen / ihnen weder des Tages noch des Nachtes das Maul nicht stopffen ließen. Daher müste man zu ihren Fehlern ein Auge zudrücken / und mit ihnen niemals öffentlich brechen /wo man nicht mit denen / welche in ein Wespen-Nest bließen / im Unglücke gleich werden wolte. Marbod schwieg eine gute Weile stille / hernach sagte er: Wenn mit diesen Verfälschern nichts anzufangen ist /zu was für Nutzen soll mir denn die gegebene Nachricht dienen? Vannius versätzte: Zu diesem / daß er die dem Adgandester ertheilte Wahrsagung für einen sinnreichen Betrug / und die ihm zugedachte Heyrath für keine Stifftung des Verhängnüsses halten solte. Marbod fiel ein: Auf solchen Fall wäre Adgandester so wol als er betrogen worden; und anderer Verbrechen könte dem / welcher seiner eigenen Tugend halber Adelgundens werth wäre / ihrer nicht berauben. Vannius begegnete ihm: Es wäre nicht glaublich / daß Adgandester wegen der falschen Wahrsagung die Hand nicht mit im Spiele gehabt haben solte. Sintemal Adgandester beym Volcke verhaßter wäre / als Marbod glaubte; und also nicht vermuthlich / daß die Wahrsager aus eigener Bewegnüs oder Liebe / und ohne Versicherung eines grossen Gewinnes das Laster der Verfälschung begangen haben solten. Wenn sich aber einer solcher Künstebediente / von dem wäre man versichert / daß er sich mit Larven der Tugend behülffe / und ihre Vollkommenheit nicht besäße. Es gäbe wider ihn auch keinen schlechten Verdacht / daß er aus dem Cheruskischen Hofe mit so schlechtem Ruhme [1391] weg kommen wäre / und er sich so denn alsbald an die Römer gehenckt / und aus gifftiger Rache ihnen / ja denen Catten selbst / aus derer Geblüte er doch herrührte / alle Welt auf den Hals zu hetzen nie gefeyert hätte. Einem redlichen Gemüthe aber stünde nicht an / wenn es schon mit dem / der ihm Wolthaten erwiesen hätte / oder dem er durchs Gesätze der Natur verbunden wäre / zerfiele / sich für seinen Feind zu erklären. Themistocles und Camillus solten aller verstossener Diener Vorbild seyn. Beyde hatten ihrem Vaterlande unvergeltbare Dienste gethan / jener aber ward mit nicht kleinerem Unrechte als Schimpffe aus Athen / dieser aber aus Rom verjagt; Gleichwohl aber errettete dieser sein Vaterland aus Flammen und Verderben / jener aber tödtete sich mit ausgetrunckenem Ochsen-Blute / damit er wider seines nicht unter dem Xerxes fechten dorffte. Wenn ein Fürst aber einen zu einem so grossen Diener machen wolte / müste er an diesem den geringsten Fleck einiger Untugend nicht finden. Denn weil dieser ein Spiegel seines Fürsten seyn solte / würde er durch seine kleineste Flecken selber verstellet. Daher unterschiedene Könige sich über einer solchen Wahl mit dem Volcke berathen /oder solche mit Fleiß vorher ausgesprengt hätten /damit sie durch das gemeine Urthel ihre Gebrechen erforschet hätten. Wie viel sorgfältiger aber hätte ein Fürst den zu prüfen / welchen er zu seiner Tochter Manne und zum Nachfolger im Reiche erwehlen wolte. Denn dort ließe sich der Irrthum noch verbessern / wiewol es rühmlicher wäre durch kluge Auslesung den Gebrechen vorzukommen / als solche hernach verdammen. Hier aber hätte weder Reu noch Aenderung statt. Marbod brach ein: Ihm würde schwerlich zu verargen seyn / daß er ihm einen Freund und so grossen Diener erkieset hätte. Sintemahl die Glückseeligkeit selbst ohne Freunde unvollkommen; diese aber nützlichste Ergetzung des Lebens / und das gröste Gut der Fürsten wären. GOtt alleine wäre in sich selbst so reich / und könte alles ohne Werckzeug verrichten; also könte er in seiner Einsamkeit vergnügt seyn. Die Menschen aber könten ohne Freunde und Gehülffen nicht wol leben / ja gar nicht. Die Natur hätte ihnen fürnehmlich die Vernunfft und die Sprache gegeben: daß sie sich mit andern berathen könten; dahingegen andere Thiere ihrem eintzelen und blinden Triebe folgten. Denn die eigene Vernunfft schlüge sich bald zu sehr auf eine Seite / und heuchelte der ersten Zuneigung / daß sie das beste aus unterschiedenen Dingen so wenig selbst erkiesen / als ein Auge sich selbst sehen könte; sondern solche Wahl müste mehr aus anderer Urthel geschehen. Nach dem aber Weitläufftigkeit den Rathschlägen theils hinderlich / theils der Geheimhaltung schädlich wäre / hätte er nach vieler grossen Helden Beyspiele ihm einen sonderlichen Gehülffen erkohren. Also hätte Hercules nichts ohne den Jolas / Diomedes nichts ohne Ulyssen / Agamemnon nichts ohne seinen Nestor gethan. Diese Zahl und Einrichtung hätte gleichsam eine vollko ene Aehnligkeit mit der Herrschafft im Menschen; wo der Verstand den geheimen Rath / der Wille den Fürsten vorstellet / ohne daß dessen Herrschafft durch jener Erleuchtung etwas benommen wird. Er hätte sich auch in Erwehlung Adgandesters hoffentlich nicht übereilet / noch sich durch sich selbst / und durch seine eigene Einbildung betrogen /seine Gewohnheit wäre auch nicht: daß er aus Ungedult des Anlauffs / das erste das beste / was ihm ungefähr begegnete / allem andern vorzüge / und wie die Egyptier garstige Thiere aufs Altar sätzte / sondern ehe er ihn so groß gemacht / und zu seinem Eydame bestimmet / seinen Eyver / Treue und Klugheit in vielen wichtigen Geschäfften vorher geprüfet. Er hätte viel seiner tapfferen Thaten mit Augen gesehen / nach welchen Fürsten / der Pöfel aber nur nach den Ohren zu urtheilen hätten. Jene könten nicht wie diese betrogen werden. Diesem [1392] nach könte selbten niemand beschuldigen: daß er ein blosses Geschöpffe einer blinden Zuneigung und ein Wunderwerck des Glückes wäre / welches offt auch Unflat von einer Kuh zu vergülden pflegte. Vannius fieng / nach dem Marbod ausgeredet hatte / an: Er wäre so wenig willens / als er Recht hätte / dem Könige Marbod an seinen Einrichtungen Mängel auszusätzen / und seinen Anstalten Ziel und Maaß vorzuschreiben; und er würde gerne schweigen / wenn ihn seine alte Freundschafft nicht zu reden nöthigte. Dieses aber bestünde darinnen: daß ein Fürst seinen vertrauten Freund mit dem grösten Staats-Diener nicht zu vermischen hätte. Jener müste nach seiner blossen Neigung / dieser nach dem Nutze des gemeinen Wesens erwehlt werden. Denn sehr selten träffe man die Behägligkeit des Gemüthes und hohen Verstand in einem Menschen an. Daher müste ein Fürst einem jeden seinen gewissen Stand nach dem Maaße ihrer Beschaffenheit zueignen. Denn alle / die gleich grossen Glantz der Tugend an sich hätten / schickten sich so wenig als die Sonne in den höchsten Kreiß des Saturnus; sondern es müsten offt unansehliche Leute das Steuer-Ruder einer Herrschafft beobachten / wie viel unsichtbare Sterne das höchste Ziel des Himmels einnähmen. Wenn aber auch gleich Annehmligkeit und Verstand einen ausrüstete / daß er die Liebe des Fürsten / und seine höchste Würde verdiente / so wäre es dennoch nicht rathsam selbigem schlechterdings alles zu vertrauen. Denn der Mensch solte noch gebohren werden / welcher die Vollkommenheit allem seine Ausrichtung zu thun besäße. Ein Reich gleichte den Schiffen / da ein jeder seines besondern Amtes warten müste / und hätte die Natur so wenig einem Menschen alle Vollkommenheiten / als einem jeden Gliede alle Sinnen eingepflantzt. Uberdiß ereignete es sich mehrmals /daß kluger und treuer Diener Rathschläge zwar gut /aber unglücklich wären. Dieses rührete offt aus Mangel der Werckzeuge her / denen man die Gebrechligkeit so wenig an der Stirne ansehen / als verfälschtes Geld aus dem Klange erkennen könte. Ihrer viel / welche in mittelmäßigen Dingen mehr als zu viel Geist bewiesen hätten / wiesen in grössern eine unversehene Unfähigkeit; dahingegen andere durch die Grösse der Geschäffte aufgeweckt würden. Offt würden gute Anstalten durch vorsetzliche Hindernüssen der Mißgönner / oder aus unvermutheten Zufällen zernichtet. Denn der vollkommenste Diener / wenn er gleich nichts versieht / und alles thut was er soll / richtet kaum was taugliches aus / wenn er bey allen andern Dienern und dem Volcke verhaßt ist. Es werden ihm so viel Schlingen und Fallen gelegt / daß er unvermeidlich in eine oder die andere treten muß / und er mehrmals in den Armen / und unter dem Purper-Rocke seines Fürsten nicht sicher bleiben kan / solte das Volck auch selbst das Ampt eines Scharfrichters über sich nehmen. Wenn aber auch die Menschen einem Diener nicht seinen Zirckel verrücken / man auch alle Tieffen der Geschäffte ergründet / allen Bügen vorgebauet hat; so seynd ein und dem andern doch Himmel und Erde zuwider / welche alle Vorsicht in Unordnung / alle Muthmaßungen / welche ihnen diß oder jenes fälschlich fürgebildet / in Verwirrung sätzen. Ein Donnerschlag kan allen Vorrath / ein Sturmwind eine gantze Schiff-Flotte zernichten / ein Umstand die beste Gelegenheit aus der Hand spielen / eine falsche Zeitung die gröste Hoffnung ersäuffen / und das tapfferste Vorhaben hemmen; also daß es Feld-Hauptleute gegeben hat / welchen niemand einen Mangel ausstellen können; die aber gleichwol alle Schlachten verspielet haben; und es mehrmals das Ansehn gewinnet / als wenn das Verhängnüß mit Zernichtung menschlicher Weißheit seine Kurtzweil triebe. Diesemnach müste ein Fürst sich vielmahl der besten Diener / wie ein Schiffer sich des sinckenden oder auf eine Klippe[1393] getriebenen Schiffes entlaßten / wenn er sähe: daß sie entweder dem Volcke ein Greuel in Augen / oder ein Auswürfling des Glückes wären. Beydes aber schiene Adgandester worden zu seyn; dessen Rathschläge /wie wol sie auch möchten gemeinet oder erwogen gewest seyn / dennoch den Verlust zweyer ansehnlichen Völcker / und hierdurch zugleich einen gifftigen Haß der Marckmänner nach sich gezogen hätten. Daher würde dem Könige Marbod zu grossem Ruhme / dem Volcke zur Vergnügung und Adgandestern selbst zum besten gereichen / wenn seine Gewalt ehe ein wenig eingezogen / als durch eine so grosse Heyrath vergrössert / von seinem Haupte aber nicht nur die Verbitterung des Volckes / sondern auch die Feindschafft dreyer so mächtiger um Adelgunden werbender Fürsten abgelehnet würde. König Marbod danckte dem Vannius für seinen wolgemeinten Rath / welchem er seiner Wichtigkeit wegen nachdencken wolte. Mitler Zeit gerieth Adgandester in nicht wenigen Kummer /weil er sahe: daß Marbod nicht alles an ihn verwieß /sondern sich gleichsam aus seinem Schlaffe ermunterte / und sich der Herrschafft selbst wieder anzumaßen schien. Gleichwol aber that er nichts anders / als daß er in seinen Diensten sich emsiger als vor / und gegen jedermann freundlicher erwieß. Denn er verstand allzu wol: daß ein Diener / gegen den seines Fürsten Liebe lau wird / wenn er sich durch viel Künste zu erhalten bemühet / in eben das Unglück verfällt / als die / welche den geringsten Leibes-Zufällen durch überflüßige Artzneyen abhelffen wollen / und sich durch zu grosse Sorge für ihre Gesundheit frühzeitig ins Grab bringen. Oder die / welche in der Höhe aus übriger Furcht zu fallen / den Schwindel in Kopff bekommen / und desto ehe herab stürtzen. Nach dem er aber sahe: daß Marbod mit dem Vannius so verträulich umgieng /nichts aber ihm von ihren Unterredungen eröfnete; besonders Vannius Adgandestern nicht viel mehrere Bezeugung / als andern Königlichen Dienern erwieß /schwindelte ihm: daß ins geheim eine Glocke über seinen Kopff gegossen würde. Daher hielt er nicht für rathsam länger stille zu sitzen / und dem Ungewitter seinen Lauff zu lassen; sondern weil die besten aber verspäteten Mittel zuletzt bey entkräffteter Natur /oder gantz verloschener Gnade des Fürsten / keine Würckung mehr hätten / noch für sich das eußerste zu versuchen. So bald nun Vannius vom Marbod Abschied nam / verlangte Adgandester Verhör; welche dieser ihm aber abschlagen ließ / da er doch alleine den güldenen Schlüssel zu des Königs geheimen Zimmer in Händen / und sonst unangesagt hinein zu kommen / Erlaubnüs hatte. Adgandester ward nach der Eigenschafft der dem Glücke in der Schoß sitzenden Leute durch diese Abweisung so niedergeschlagen /als wenn ihm dadurch alle seine Wolfarth und Hoffnung abgeschnitten worden wäre. Die gantze Nacht brachte er ohne Schlaff zu / er schlug sich mit mehr Gedancken / als das stürmende Meer mit Wellen; sein Verstand hatte weniger Licht als damalige Finsternüß / und wuste nicht: ob er den erwarteten Tag mehr verlangen oder fürchten solte. Er ward aber nach dieser ihn qvälenden Unruh auf den Morgen sehr früh zum Könige beruffen. Dieses versätzte ihn in noch mehrere Verwirrung. Furcht und Hoffnung löseten einander ab sein Hertze zu zerschlagen / wie die Hämmer den Amboß. Gleichwol raffte er seine zerstreuete Gedancken zusammen / faßte ihm einen Muth / auf ein oder andern Fall des Königs Erklärung / welche ihm entweder alle seinen Wunsch zernichten / oder vollkommen machen würde / mit standhafftem Gemüthe zu vernehmen / gieng also mit angeno ener Freudigkeit dahin. Dem Marbod sahe der Kummer aus den Augen / und wahrsagte Adgandestern / ehe er redete / nicht viel gutes. Darnach fieng er an: Ich zweifle nicht /Adgandester sey meines Wolwollens so sehr / als ich zeither seiner [1394] treuen Dienste vergewissert worden. Diese haben mich bewogen: daß ich ihm meine Tochter Adelgunde / wie August Agrippen seine Julia zu vermählen Siñes gewest; und meine Danckbarkeit würde seine so vielmehr überstiegen haben / so viel meine Tochter mehr Tugend und Erbrecht als seine besitzet. Alleine die / welche durch falsche Wahrsagungen dieses Vorhaben zu befördern gemeinet /haben solches am meisten zu Wasser / das Volck schwürig gemacht / Adgandestern mit Argwohn und Neide / mich mit Blindheit und Unvernunfft bebürdet. Mit einem Worte: das Verhängnüß und alle Welt scheinet sich wider meine gute Neigung / und Adgandesters Glücke verschworen zu haben / und was das ärgste und unüberwindlichste ist: Adelgunde wil sich ehe vom Felsen stürtzen / als seine Gemahlin oder meine Gefangene seyn. Bey diesem Zustande lässet sich mehr nicht thun; als daß wir uns beyderseits für dem Verhängnüße beugen / als uns aus Hartneckigkeit daran den Kopff zerstossen. Ich werde zwar gezwungen meiner Tochter einen andern Mann zu geben / aber deßwegen wird Adgandester nicht aufhören mein bester Freund und Gehülffe in der Herrschafft zu seyn. Dieser mein Vorschlag wird uns beyde ausser Haß / Adgandestern in grösser Ansehen / und vielleicht in besser Glücke versetzen / für welches ich von nun an eyfriger / als niemahls vorher sorgen werde. Denn wie nichts in der Welt ist / was Adgandesters Tugend nicht verdienet / und meine Gewogenheit ihm gönnet; also hat er auch nicht so wol auf diß / was ich ihm wider Willen sagen muß / als / was ich für ihn gutes im Sinne führe / sein Absehen zu sätzen. Weil Adgandester ihm etwas viel ärgers fürgebildet hatte / nach dem grosser Diener Fall selten Staffel-weise / sondern ins gemein vom höchsten Wirbel des Glückes in den tieffsten Abgrund geschiehet /war er seiner so viel mehr mächtig ein unverändertes Gesichte zu behalten / und dem Könige freymüthig zu antworten: Er hätte vom Könige Marbod so viel Gnade genossen: daß nicht der König sein / sondern er des Königs Schuldner / und also von ihm nichts /weniger seine einige Tochter zu begehren berechtigt wäre. Des Königs eigne Wissenschafft diente ihm zu seinem besten Zeugnüße: daß seine Ehrsucht nach nichts anderm / als nach dem Wolstande des Königs gestrebt / und dieses Absehen ihm auch die sauerste Müh eines gemeinen Kriegs-Knechtes leichte gemacht hätte. Nach dem ihm aber die Gütigkeit eines so grossen Fürsten / und die Anleitung derer / welche die Geheimnüße Gottes wissen / und Dollmetscher des Verhängnüsses abgeben wolten / selbst auf Adelgunden ein Auge zu werffen veranlasset hätten / wäre er zu gehorsamen mehr verleitet worden / als daß ihn seine Vermässenheit mit der Eitelkeit so grosser Gedancken aufgeblähet haben solte. Er vergnügte sich an dem: daß er ein Cattischer Fürst / der erste Edelmann unter den Marckmännern / und des grossen Marbods Diener / aber ein Herr über alle Versuchungen des Ehrgeitzes und des Glückes wäre. Diese Vergnügung wolte er nicht um die Herrschafft der gantzen Welt vertauschen / weniger durch eine Staats-Heyrath seine Gemüths-Ruh verstören / oder einer so vollkommenen Fürstin Ungnade verschulden. Dieser zu Liebe / begäbe er sich nicht nur allen Anspruchs; sondern wäre bereit sich auf ihren Befehl über die Riphäischen Gebürge zu entfernen. Dem Könige legte er um damit andere wolverdientere zu betheilen seinen Stab und alle seine Würden zu Füssen; ja wenn ihm auch der König seine Ungnade andeutete / würde er sein Lebtage nie nach der Ursache fragen / weniger des Königs Willen zu hintertreiben sich einiger doch sonst zuläßlicher Mittel bedienen. Nur den Degen und die Ehre behielt er ihm zuvor: daß er beyde zu seines Fürsten und Wolthäters Diensten mit seinem Blute aufopffern möchte. Dem Könige Marbod [1395] drang diese Rede so sehr zu Hertzen: daß es wenig mangelte auf dem Fuße seine Erklärung umzudrehen. Er hob aber den Stab auf / gab ihn Adgandestern wieder / und sagte ihm mit Reichung der Hand: diese solte ihm ein sicheres Pfand seiner unveränderlichen Freundschafft seyn. Adgandester küste solche / und antwortete: Er könte bey ihm verbleibender Gnade des Königs nie so klein werden: daß er nicht solte vergnügt seyn. Marbod forderte hierauf den Vannius zur angestellten Jagt ab / und gab Adgandestern Anlaß ihm dahin zu folgen. Als er nun diß / was er mit Adgandestern geredet / und für Antwort erhalten hätte / dem Vannius eröffnete; Lobte er Marbods kluge Entschlüssung / noch mehr aber Adgandesters: daß er in einen so gewaltigen Streich sich so gedultig hätte zu schicken gewüßt; sagte auch: Daß er ihn nunmehr zweymahl so hoch /als vorhin / schätzte. Adgandester bezeigte sich auch auf der Jagt frölich / und so unverändert / als wenn ihm nicht das geringste widrige begegnet wäre; ungeachtet ihm sein Hertze ärger / als einem Erworgenden schlug / und er seine Loßlassung Adelgundens / tausend mahl als die ärgste Schwachheit der kleinmüthigsten Zagheit verdammte / aber solche zu wiederruffen / weder Hertze noch Verstand hatte. Nichts desto weniger wolte er bey Adelgunden mit seiner bösen Zeitung der erste Freuden-Bote seyn; schrieb also auf einem Jäger-Hause folgende Zeilen an Adelgunden: Durchlauchtigste Fürstin! die Natur und ihre Tugend hat sie so hoch über ihr Geschlechte erhoben: daß alle Menschen sie anzubeten schuldig / niemand sie zu lieben würdig ist; habe ich aber hierwider gesündigt / so ist es ein Fehler meines Gehorsams /nicht eine Versteigung meiner Ehrsucht. Ich verzeihe mich aber hiermit eines für mich allzugrossen Anspruchs / und verwandele solchen in die tieffste Ehrerbietung. Nach dem ich nun durch Aufopfferung meines Hertzens ihren gerechten Zorn mir zugezogen /gönne sie mir die Gnade: daß ich durch mein zu ihren Diensten verspritztes Blut allen Unwillen ausleschen möge. Diesen Brief gab er einem Marckmännischen Edelmanne mit Befehl: daß er solchen auf alle ersinnliche Weise in Adelgundens Hände zu bringen trachten solte. Dieser ritte unter das Schloß / und gab ein Zeichen: daß er etwas friedliches anzubringen hätte. Als die Wache im Schlosse nun hörte: daß es ein Schreiben an Adelgunden war / nahm sie es zwar; weil diese aber Adgandesters Siegel daran erkennte /schickte sie es uneröffnet zurücke. Dieses verursachte den Edelmann: daß er es an einen Pfeil band / und mit selbtem ihn in das Schloß schoß. Weil es aber auf Adelgundens Befehl wieder herunter geworffen wor den war / fand es ein nichts hiervon wissender Kriegs-Mann / brachte es seinem Hauptmanne; dieser aber händigte es dem zurücke kehrenden Marbod ein / welcher es in des Vannius Anwesenheit eröffnete und laß. Beyde Könige lobten Adgandesters großmüthige Bezeigung / Vannius gab Anlaß: daß ihn Marbod selbigen Abend bey ihrer Taffel behielt. Er kam auch dem Könige Marbod / welcher erst folgenden Morgen seiner Tochter ihre Freyheit wolte andeuten lassen /zuvor / und schrieb ihm unwissend noch selbigen Abend an Adelgunden: daß Adgandester sich freywillig alles Anspruchs an sie / wie seine eigene Hand und Siegel in der Beylage weisen würde / begeben /Marbod allen / die sie mit Gewalt aus Adgandesters Händen entführet / da sie nebst ihr sich gegen ihn demüthigten / verzeihen / und folgenden Tag allen / sie zu beleidigen / bey Lebens-Straffe verbieten würde. Auf diß sein Fürstliches Wort möchten sie trauen /das Schloß öffnen / und sich eines gnädigen Empfangs versichern. Weil nun diesen Brieff ein Kwadischer Ritter brachte / ward er von der Schloß-Wache und Adelgunden willig angenommen. Adelgunde fand in des Vannius Briefe so viel unvermuthete [1396] Dinge / als Worte. Sie laß ihn wol vier oder fünffmahl / ehe sie ihren Augen traute / daß diß / was die Buchstaben andeuteten / sein wahrer Innhalt wäre. Zu dem Ende eilte sie in Drahomirens Zimmer / wieß ihr solchen / welche sie des Vannius Hand und Siegel genau zu prüfen erinnerte; weil sie dem schlauen Fuchse Adgandester kein Haar breit traute / und dieses einer betrüglichen Fallbrücke sehr ähnlich sähe. Zumahl der innliegende Brieff eben der wäre / welchen man vom Schlosse zurück geworffen / und der zu Betrügereyen geschickten Nacht mit Fleiß zu ihrem Unglücke erkieset wäre / und der sich selbst so zu verstellen wüste / könte leichte eines andern Hand und Pettschafft nachmachen. Adelgunde aber hatte /entweder / weil man bey guten Zeitungen leichtgläubig ist / oder weil sie selbst allzu redlich und desto weniger mißträulich war / ein viel besser Vertrauen; zumal / da sie des Vannius Hand eigen zu kennen vermeinte / dieser aber viel zu ehrlich wäre / was arglistiges zu befördern. Sie ließ hierzu auch den Ritter Milessow und Stochow beruffen / welche nach grosser Verwunderung auch Adgandesters Schreiben lasen /und einstimmig befanden / iedoch auch nicht einer /sondern der erste Adelgundens / der andere Drahomirens Meinung waren. Endlich wurden sie schlüßig /den Uberbringer selbst darüber zu vernehmen. Diesem ward mit gröster Vorsicht eine kleine Pforte geöffnet / und er bey seiner Erscheinung vom Ritter Milessow für den Ritter Kotulin erkennet. Dieser versicherte die Fürstin und den Ritter: daß diß Schreiben seines Königs eigene und aus seinen Händen empfangene Schrifft wäre / er auch ihm sie zu versichern befohlen hätte: daß er ihnen für alle Gewalt Bürge seyn wolte. Der König Marbod würde auf den Morgen ihnen eben diß zu wissen thun / und es in seinem Kriegs-Heere ausblasen lassen. Also möchten sie ihren Glauben immer biß auf solche Zeit verschüben. Weil nun Milessow betheuerte: daß er dieses Ritters Treue und Redligkeit offt geprüfet hätte; war Adelgunde auf dem Schlosse nicht zu erhalten / sondern sie erklärte sich den Kotulin zu begleiten; weil es ihre kindliche Pflicht erforderte / dem väterlichen Befehle vorzukommen / und ihre bißherige Widersätzligkeit durch einen fertigen Gehorsam auszuwetzen. Dieses Vertrauen bewegte beyde und alle andere Ritter /Adelgunden zu begleiten / entweder nebst ihr / sich der Königlichen Gnade fähig zu machen / oder auf den Nothfall für ihre Freyheit zu sterben. Kotulin führete sie / Vermöge des ihm bekandten Wortes / durch alle Wachten / brachte sie in das unsern davon gelegene Schloß / und in das Taffelzimmer / daß ihrer Marbod nicht ehe gewahr ward / als biß Adelgunde für ihm / und die Ritter hinter ihr auf die Knie fielen; Sie ihm die Schlüssel des Schlosses überreichte / um die väterliche Gnade und ihre Freyheit mit einer so beweglichen Bezeugung bat: daß sie dem Marbod auch ohne seinen schon gefasten Schluß das Hertze erweichet haben würde. Je unversehener ihm nun dieses begegnete / ie durchdringender war in seiner Seele diese Demüthigung seiner Tochter. Die Thränen fielen aus seinen Augen ihr auf die Hände / mit denen sie Marbods Knie umfaste. Adelgunde laß diese flüssende Kennzeichen der väterlichen Liebe nicht so wol als köstliche Perlen / und das süsseste Labsal ihrer Seele mit ihren Rosen-Lippen auf. Marbod aber hob sie empor; und weil ihm seine Freude die Zunge hemmete / küssete er sie mit einer so hefftigen Begierde auf ihren Mund: daß er aus ihren Lippen Blut zoh. Endlich fieng er an: dieses wäre die glückseligste Nacht seines Lebens / sie / wie vorhin / seine liebste Tochter / uñ ihre Nachfolger seine treue Unterthanen zu sehen. Alles vorgegangene solte vergessen / und wer ihm iemahls daran gedencken würde / aus seiner Gnade und Gegenwart ewig verstossen seyn. Adelgunde wendete sich hierauf zum Vannius / danckete ihm für seine Zuneigung; durch welcher [1397] Hülffe sie sich nunmehr wieder frey und lebendig sähe. Der an der Taffel unten mit sitzende Adgandester erstaunte über dieser Begäbnüs. Seine Glieder wurden ihm gantz unbeweglich; sein Hertze bebete aber wie eines Sterbenden / und sein Gemüthe fühlete alle Stürme / die die wider einander streitenden Gemüthsregungen in einer Seele verursachen können. In dieser Verwirrung fiel er für Adelgunden nieder / konte aber mehr nicht sagen /als: Sie möchte die durch seine vermässene Liebe ihr angefügte Beleidigung ihm zu Gnaden wenden / weil nichts in der Welt so verführisch / als ihr Irrlicht / und daher die Vergehung so viel mehr zu verzeihen wäre. Adelgunde / welche stets ihr selbst gegenwärtig blieb / antwortete ihm: Sie würde sich ihrer väterlichen Begnadigung unwürdig machen / wenn sie gegen den an einige Rache dächte / den ihr Vater und König so hoch hielte. Sie verspräche ihm auch: daß so lange er nichts ihrer Freyheit abbrüchiges vorhaben / sie für sein Glücke nicht weniger / als für ihre Wolfarth bekümmert seyn würde. Er solte das Wort / dessen Wesen sie so sehr gekräncket / nie lassen auf seine Zunge / weniger ins Hertze kommen / so würde nichts von ihrem Leiden sich ihres Andenckens bemächtigen. Hierbey wolte sie ihn durchaus nicht für ihr knien lassen; er aber sich doch nicht aufrichten / biß ihm Marbod solches zu thun selbst winckete. Dieser hatte inzwischen befohlen / alle nur ersinnliche Freudens-Zeichen anzustellen. Daher aus allen Fenstern des Schlosses Fackeln ausgesteckt / Trompeten und Hörner geblasen / Paucken geschlagen / und Feuer angezündet wurden. Diesem Beyspiele folgete das rings herum liegende Kriegs- und Land-Volck; welches alle Berge und Hügel mit Freuden-Feuern krönte / ungeachtet die wenigsten die Ursache wusten oder errathen konten. Niemand aber war freudiger als Ingviomer /Boleßla / und Britomartes / derer ieder bey Hofe seine Gönner hatte / welche ihnen noch selbige Nacht die Auslegung dieser Freuden-Zeichen eilends zu wissen machten / und sie dadurch zu ebenmässigen Bezeugungen ermunterte. Hingegen war aller andern Traurigkeit in Adgandesters Hertze versamlet. Denn als er Adelgunden nur wieder zu Gesichte bekam / ward er mit einer so unsinnigen Liebe befallen: daß er sich wegen seiner so liederlichen Verzeihung in Gedancken tausendmahl verfluchte. Seine Ungedult zwang ihn auch sich unter dem Scheine einer Ehrerbietigen Zurückziehung für Adelgunden zu entfernen; und wie diese die Nacht gleich als im Himmel hinlegte / also fühlte er alle Versuchungen der verzweiffelnden / und bey nahe die Pein der Verdammten in der Hölle. Weil er auch seiner mächtig zu seyn / und Liebe / Neid /Eyversucht und Verdruß zu verstellen nicht getraute /nahm er von Hofe Abschied / unter dem Vorwande: daß er die Semnonischen Gräntzen und die Besatzungen besichtigen / daselbst die Korn-Häuser mit nöthigem Vorrathe versehen / und zu bevorstehendem Feldzuge gute Anstalt machen wolte.

Das gantze Land / niemand aber mehr als Hertzog Ingviomer / Boleßla und Britomartes waren unter zertrennten Verlöbnüsse Adelgundens und Adgandesters in vollen Freuden. Diese kamen auf den Morgen alsbald nach Hofe / und wünschten nicht weniger dem Könige Marbod wegen eines so glücklichen Streiches / als Adelgunden wegen erlangter Freyheit Glücke. Ja Ingviomer ließ sich auch gar heraus: daß Marbod durch diese großmüthige Entschlüssung mehr gewonnen hätte / als durch eine grosse Schlacht wider seine Feinde. Denn er hätte ihm die Gemüther aller seiner Unterthanen verknüpfft / welche er durch die allzu grosse Erhebung Adgandesters von ihm abwendig gemacht hätte / und bey einem kleinen Unglücke so leicht als die Langobarden und Semnoner von ihm würden abgesätzt haben. Hierbey rühmte er auch den gebrauchten Glimpff des Königs: daß [1398] er Adgandestern zwar der Hoffnung zu einer so grossen Heyrath /nicht aber zugleich seiner Gnade entsätzt hätte; da bey Fürsten sonst ins gemein Sincken und Untergehen an einem Fadem hienge / und sie der Diener Fall mit ihrem Blute zu versiegeln pflegten. Als diese Fürsten aber sahen: daß Adgandester sich von Hofe entfernte /waren sie nicht nur mehr als vorhin erfreuet / sondern verlachten auch seine Unvernunfft / und wahrsagten seinem Glücke vollends den Untergang. Sintemal dem alle den Rücken kehren / welcher schon seines Fürsten Antlitz nicht mehr vertragen kan. Den andern Tag brach Marbod mit dem gantzen Hofe nach Boviasmum auf / welches die Einwohner nunmehr nach seinem Nahmen Maroboduum zu nennen anfiengen / und den König nebst Adelgunden durch unterschiedene Ehren-Pforten mit grossem Frolocken /gleich als wenn er ein neues Königreich erobert hätte /empfiengen. Der König Vannius und die drey frembden Fürsten begleiteten den Königlichen Einzug; unter denen aber Ingviomer mit seinen dreyhundert Bructerischen Rittern den Preiß des prächtigsten Aufzugs / und durch seine Leitseeligkeit iedermanns Gewogenheit erwarb; zumahl er ohne diß wegen seiner weltkündigen Thaten das gröste Ansehn hatte. Fürnehmlich war er beym Vannius in grossem Ansehen. Denn die Tugend hat eine Magnetische Krafft in sich: daß / ob eine zwar die andere zu übersteigen sich bemühet / sie dennoch ein ander werth hält / und zusammen vereinbaret seyn wil. Ob nun wol Ingviomer Adelgundens Liebe versichert war / und sie ihm bey allen Zusammenkunfften ein so gütiges Auge zuwarff / welches seine Hoffnung täglich mehr befestigte; so ließ sie doch durch Drahomiren den Kapliers / und durch diesen Ingviomern warnigen: daß er ihre Liebe noch zur Zeit als ein Geheimnüß halten solte. Nichts desto weniger ließ er fast täglich seine Tapffer- und Hurtigkeit in allerhand Ritter-Spielen bey Hofe sehen / um Adelgundens Liebe dadurch zu unterhalten; welche nicht weniger als andere der Nahrung bedörfftige Dinge bey abgehender Speise vermagert und krafftloß wird. Hiermit aber unterhielt er auch zugleich den gantzen Hof; und der Marckmäñischen Ritterschafft Tapfferkeit ward durch ihn und seine Bructerer gleich als wie durch einen Schleifstein täglich gläntzender gemacht. Weil Ingviomer aber wuste: daß Vannius Adgandestern aus dem Sattel gehoben hatte / und daher urtheilte: daß er über den Marbod alles vermöchte / ließ er keine Gelegenheit vorbey / sich bey ihm ie mehr und mehr einzulieben / und endlich sprach er ihn an: er möchte ihm beym Marbod der Heyrath halber gut in Worten seyn / erhielt auch von ihm eine gewünschte Vertröstung. Mitlerzeit versäumte Boleßla und Britomartes eben so wenig Zeit und Mittel sich bey Adelgunden angenehm / und beym Marbod ansehlich zu machen. Die Sarmatische und Bastarnische Gesandten unterließen eben so wenig dem Könige zu Erleichterung verlangter Heyrath vortheilhaffte Bedingungen anzubieten; ja beyde versprachen: daß ihre Könige dem Marbod vier und zwantzig biß dreyßig tausend Kriegs-Leute zu Hülffe schicken / und auf den Fall der Noth ihm selbst mit allen ihren Reichs-Kräfften beyspringen wolten. Dieses trieben sie mit einem solchen Eyfer: daß Marbod sich endlich entweder aus Verdruß so vielen Anlauffens / oder aus erheblichen Ursachen für vorstehendem Feldzuge hierinnen ein Ende zu machen schlüßig ward. Er betrachtete alle drey Fürsten; darunter Boleßla und Britomartes einen Vortheil an Jahren / Ingviomer aber an Erfahrenheit und tapfferen Thaten hatte. An Ankunfft und andern Tugenden hielten sie einander ziemlich die Wage. Er konte sich aber mit sich selbst nicht vergleichen / wen er auslesen wolte; entweder weil ihre Fürtrefligkeit schwerer / als die der Edelgesteine zu unterscheiden war / oder weil er durch des einen [1399] Erkiesung die zwey andern ihm zum Feinde zu machen besorgte. Adelgundens Meinung wolte er hierüber nicht vernehmen / ungeachtet sie in seiner Gegenwart allen dreyen einerley Gesichte machte. Aus seinem Zweiffel sich nun zu reissen /vertraute er sich seinem Vannius / rühmte Ingviomern als einen schon herrschenden und erfahrnen Helden; hernach vergaß er auch nicht der zwey andern / und fürnehmlich der angebotenen Hülffe / und wie er durch des Boleßla oder Britomartes Wahl die Marckmännische Herrschafft von der Elbe / und der Baltischen See / biß ans Euxinische Meer erstrecken könte. Vannius danckte dem Marbod: daß er in einem so wichtigen Wercke zu ihm so grosses Vertrauen sätzte / und sein Gutachten vernehmen wolte. Ob es nun zwar in solchen Fällen / da alles an der Schnure des unerforschlichen Verhängnüsses hienge / und der menschliche Verstand gleichsam im finstern tappte /zu rathen schwer und gefährlich wäre; erforderte doch seine Aufrichtigkeit alles Bedencken auf die Seite zu sätzen; zumahl ihm es gleiche gielte / an wen Marbod seine Tochter vermählte / und er weder aus eines noch des andern Heyrath einigen Vortheil zu suchen gedächte. Seinem Bedüncken nach aber / solte Marbod alleine auf die Person und auf die Erhaltung des Marckmännischen Reiches / nicht aber auf dessen Vergrösserung oder auf die ihm angetragene Hülffe einig Absehn nehmen. Durch Erweiterung würden Reiche ehe geschwächet / als verstärcket / und gleichten solche denen unberäglichen Riesen / oder wassersüchtigen Leibern / welche inwendig wenig Kräffte /und so viel Ohnmacht haben: daß sie ihre eigene Last kaum tragen könten / und von dem ersten Stoße über ihre eigne Füsse stulperten / und zu Bodem fielen. Oder ihre eusersten Glieder wären auch so weit entfernet und zerstreuet / daß ehe die natürliche Wärmbde aus dem Hertzen dahin käme / solche gefrieren und erstürben. Das Marckmännische Reich / wenn es auch schon in gegenwärtiger Verfassung bliebe / hätte schon eine auskommentliche Größe: daß es sich für keiner Macht in der Welt fürchten dörffte. Wenn man aber solches ja erweitern könte / solte man sich hüten / etwas grössers an sich zu ziehen / als man selbst wäre. Denn so denn würde unser Reich eines andern Anhängling / wie Macedonien unter dem grossen Alexander Persiens / und würden im Wercke die Gewonnenen der Gewinnenden Meister. Dahero er auf den Fall / da Marbod seine Tochter an Voleßla oder Britomarten zu verheyrathen schlüßig werden solte / er in der Eh-Beredung dieses ausdrücklich zu bedingen nöthig hielte: daß Adelgunde als würckliche Königin der Marckmänner die Herrschafft behalten / kein Sarmatier oder Bastarner einiges Reichs-Ampt in ihren Ländern bekommen / ihr ältester Sohn bey den Marckmännern / der andere aber in Sarmatien oder bey den Bastarnen herrschen solte. Denn die Vereinbahrung beyder Reiche würde des Marckmännischen Untergang seyn. Denn wenn eines wolte zu einem so grossen Ungeheuer werden / müste es das ander / wie die Schlangen / wenn sie sich wolten in Drachen verwandeln / einander fressen. Wenn er aber auf Ingviomern ein Auge hätte / würde es dieser Vorsorge nicht bedürffen / dessen Fürstenthum ein unstrittiger Anhang des Marckmännischen Reiches würde. Insonderheit aber / solte er für Annehmung angebotener Hülffe sich ärger als für Schlangen und Hütten-Rauch hüten. Sintemahl ein Fürst ihm gleichsam selbst die Schwung-Federn ausrieße / die Nägel an Klauen abschnitte / und sich bey aller Welt verächtlich machte /wenn er seine Schwäche durch Dürfftigkeit frembde Hülffe zeigte. Es wäre eines Fürsten gröstes Unglück in den Stand zu gerathen / daß der Wolstand seines Reiches an dem guten Willen eines andern hienge /der Ursprung seiner Wolfarth aber nicht aus eigenen Kräfften herrührte. Denn weil die Schnecken [1400] mit frembder Hülffe ins gemein die Wette lieffen / würde man von einem mächtigen Feinde ehe über einen Hauffen geworffen / ehe jene ankämen / oder zu ko en sich nur entschlüssen könten. Welche Langsamkeit man denn auch niemanden sehr für übel haben könte; weil sich in eines andern Krieg zu vertieffen / zwar nichts gewisser als grosse Ausgaben /nichts ungewissers aber / als einen guten Ausschlag hätte / welcher allein von der Eigensinnigkeit des Glückes herrührte. Ja es wäre nichts seltzames: daß man dadurch den einem andern ausgezogenen Dorn selbst in Fuß stäche. Jedoch wäre der die Hülffe annehmende noch viel übeler dran. Eine kleine käme ihm wenig zu statten / und gleichte etlichen Tropffen Wassers / welches an statt die Flamme auszuleschen /solche nur lebhaffter / die Kranckheit nur rege machte / nicht heilete. Bestünde die Hülffe denn in einer grossen Macht / so wäre sie so gefährlich / als die des Feindes. Denn frembde Schutz-Flügel bestünden vielmahl an Adlers-Federn / welche alle andere durch ihre Anrühr- und Bedeckung zerrüben / oder es wären darunter scharffe Klauen versteckt / welche den Beschirmten blutiger als kein Feind zerfleischten / und die / welche sich durch weiche Lilgen zu decken vermeint hätten / sich in Disteln und Dornen eingewickelt befindeten. Denn weil grosse Gewalt weder Scham hätte / noch nach Gesätzen fragte / meinten die Hülffs-Völcker / daß sie durch ihre Wolthat die Freyheit / alles nach ihrer Wollust zu thun / verdienten. Der helffende Fürst bemeisterte sich bey dieser Gelegenheit / unter dem Scheine der ihm nöthigen Sicherheit / fester Plätze / welche er ihm mit Gewalt zu behaupten nicht getraut hätte / und behielte zu letzt solche unter dem Vorwand eines Pfand-Rechtes wegen aufgewendeter Unkosten / die er doch nimmermehr gedächte wieder zu geben. Inzwischen saugte er das Land aus / und würde doch wenig oder nichts gethan; ungeachtet sie anfangs grosse güldene Berge / lächerliche und unmögliche Dinge zu gewinnen versprochen / ihre Anschläge so hoch / als sie sie ihre Einbild- und Hoffnung verleiten können / gespannet hätten. Wenn es aber zum Wercke käme / ließen sie sich zu nichts kleinem gebrauchen / weil solches ihrer Macht und Ehre nicht anstünde; wichtige Sachen aber wolten sie nicht angreiffen / weil es schon zu spät im Jahre / und alles auf einen Streich zu wagen / unverantwortlich wäre. Wenn aber auch gleich beyde Bundsgenossen einen heissen Eyver / einander redlich beyzustehen /im Hertzen hätten / so hätte doch der menschliche Wille so wenig Bestand / als andere irrdische Dinge in sich; die Begierde erkaltete / der fürgesätzte Zweck würde ie länger ie zweiffelhafftiger / oder der arglistige Feind streuete zwischen sie Mißtrauen / die Zeit veränderte durch einen Zufall den gantzen Zustand der Sache / und also gienge es mit den wichtigsten Anschlägen / wie mit dem grossen Geschoß und andern ungeheuren Werckzeugen der Bau- und Kriegs-Kunst / welche / wenn ein Fadem zerriße / oder ein grosses Sandkorn darzwischen käme / unbrauchbar würden. Ob nun zwar derogestalt alles den Krebsgang gienge /und aus einem grossen Aufheben vergebene Lufft-Streiche würden / so erforschte doch der Nachtbar alle Gelegenheiten des Landes / alle Schwächen der Herrschafft. Das Reichthum machte ihn nach frembdem Gute lüstern / daran er sonst nie gedacht hätte. Er bestäche des andern Fürsten Diener / machte ihn als einen Unvermögenden bey seinen Unterthanen verhaßt / sämte zwischen diesen Zwytracht / Mißtrauen und Aufruhr / schlüge sich so denn zu einem Theile /erdrückte beyde / und machte sich aus einem Schutzherrn zum Wütteriche. Durch diese Künste hätte Philipp Griechenland bemeistert / auf diese Art hätte der Römische Adler seine Hülffs-Flügel über die drey Theile der Welt geschwungen / hernach aber ihnen den spitzigen Schnabel seiner Herrschsucht biß ins Hertze / und die Klauen seines Geitzes [1401] biß ins Eingeweyde eingesänckt. Daher wäre es in alle Wege rathsamer: daß ein Fürst / um sich selbst zu erhalten / entweder alle Adern seiner Kräffte und Unterthanen öffnete; oder auch mit einem stärckern Feinde / so gut er könte / mit leidlichem Verlust abkäme / als daß er sich mit ungewisser Hülffe und betrüglichen Bündnüssen / wo ein ieder ihm stillschweigend einen verborgenen Vortheil und ein Schlipfloch zuvor behielte / in grössern Schaden und Gefahr sätzte. Dieser Klugheit hätten sich die Römer mehrmahls bedienet. Denn da sie gleich durch etliche vom Pyrrhus erlittene Niederlagen in ziemlichen Nothstand geriethen / weigerten sie sich doch das von der Stadt Carthago ihnen angebotene Kriegs-Heer / welches ihnen Mago zu Hülffe führen solte / anzunehmen. Sintemahl sie ihr verlohrnes Ansehen / und die Ergäntzung ihres zerscheiterten Glückes / anderer Gestalt nicht / als mit eigenen Waffen / und durch ihre Tugend zu wege zu bringen getrauten. Marbod antwortete dem Vannius hierauf: Seine Erinnerungen wegen Vereinbahrung zweyer Reiche wären aus dem Hertzen und Brunnen der Weißheit geschöpfft; und würde er solche / wenn es mit dem Sarmatischen oder Bastarnischen Fürsten zu was werden solte / ihm seine genaueste Richtschnur seyn lassen. Weil zumahl beyde Gesandten sich von ihm alle beliebige Bedingungen anzunehmen erboten hätten. Ihm wäre auch nicht unwissend / was frembde Hülffe für Gefahr und Ungemach nach sich ziehe; gleichwol aber hielte er sie nicht schlechter Dinges für verwerflich / und wären die Beyspiele mit hunderten zu zehlen; da die / welche dem Untergange schon im Rachen gesteckt hätten / von ihren Freunden daraus wären gerissen worden. Sein Feind der herrschsüchtige Herrmann würde mit seinen Cheruskern so grosse Springe nicht gemacht haben / wenn er nicht Catten / Sicambrer / Bructerer und Chauzen zu Gehülffen gehabt hätte. Wenn er auch seine Tochter mit einem dieser Fürsten verlobte / wolte er mit GOtt wol sich nicht versehen: daß so denn von demselben was hinterlistiges gedacht / oder was gefährliches fürgenommen / sondern vielmehr für Erhaltung selbigen Reiches / welches seinen Nachkommen doch solte zu Theile werden / redlich gesorget / und gefochten werden würde. Vannius fiel ein / und sagte: Dieses wäre wol eine Vermuthung / aber nichts weniger als eine Gewißheit. Reiche und Erbschafften würden lieber besessen / als erwartet / und es würde mehrmahls Söhnen die Lebens-Zeit des herrschenden Vaters zu lang; Daher etliche um wenige Monat eher zur Herrschafft zu kommen / ihnen mit Stahl oder Giffte heimzuhelffen / kein Bedencken gehabt. Hätte sich doch ein König der Gallier zu tode gehungert / aus Furcht /daß alle Speisen von seinem herrschsüchtigen Sohne vergifftet wären. Ubrigens wären die Catten und andere deutsche Völcker nicht so wol der Cherusker Gehülffen / als Krieges Gefärthen / ja die Römer ihr allgemeiner Feind / und jenen meist näher als diesen gewest. Ungeachtet sie nun durch das kräfftige Band eigener Erhaltung so feste mit einander verknüpfft gewest / hätten sie doch sich nicht drey Jahr mit einander vergleichen können / sondern die blinde und ihrer eigenen Wolfarth vergessende Eyversucht hätte sie getrennet / ungeachtet sie aller Freyheit dadurch in gröste Gefahr gestürtzt. Daher er für eine unumstoßliche Wahrheit hielte / daß eines Fürsten von zwölff tausend Kriegs-Leuten bestehendes Heer dreyßig tausend Bundgenossen begegnen und sie austauern könte. Wenn aber ja Marbod sich wider seine Feinde mit Hülffs-Völckern zu behelffen für nöthig hielte /solte er feste glauben: daß die allerbesten dennoch nicht besser als die reinigenden Artzneyen wären; welche zwar die böse Feuchtigkeiten aus dem Leibe trieben / aber doch auch allemahl was böses hinter sich liessen. Ja seine eigene Hülffsvölcker / die er doch selbst besoldete / und in strengster [1402] Kriegs-Zucht hielte / würden doch Marbods Unterthanen empfindlich fallen. Daher riethe er ihm als ein treuer und alter Freund: er solte darbey keine zu seiner Sicherheit dienende Vorsicht aus übrigem Vertrauen ausser Augen sätzen / sondern ohne vorher gefaste Meinung die Uberlast ihrer Annehmung und die Entschüttung des ihn drückenden Ubels gegen einander wol abwägen /die Redligkeit oder die Ehrsucht seines Helffers und Feindes / und ob jener nicht vielmehr als dieser auf seine Länder Ansprüche machen könne / ob er einem andern Gottesdienste beypflichte / wol überlegen. Nach diesem muß er es dahin richten / daß die Hülffsvölcker ausser seinen Gräntzen blieben / und die feindliche Macht durch einen Einfall in sein Land zertheilten. Wenn aber ja iemahls der Krieges-Zustand erforderte / frembden Völckern sein Land zu öffnen / solte er ehe alles eusserste thun / als derer so viel einzunehmen / welchen sein Kriegs-Volck nicht zweymahl gewachsen / und er ihnen Gesätze fürzuschreiben / mächtig wäre. Alleine diß wäre noch nicht genung / sondern er müste sie auch kein absonderes Heer machen / noch von ihrem eigenen Feldhauptmanne abgesondert führen lassen / sondern die Botmäßigkeit über sie selbst bekommen / und solche unter sein Kriegs-Volck Fahnen-weise vertheilen; sie auch ohne Zeitverlierung wider den Feind führen /niemahls aber zu ihrer eigenen Besätzung einige Festungen zu Pfande oder zu ihrer etwan nöthigen Zuflucht einräumen. Wie er aber noch zur Zeit keine Noth sähe / daß Marbod wider den Hertzog Herrmann ausser ihm mehrer Hülffe dörffte / also besorgte er: daß so viel ihm einer von den zwey Sarmatischen und Bastarnischen Fürsten Beystand leisten / so viel der andere aus verbitterter Rache ihm Händel machen würde. Diesem nach wäre wol das beste von keinem Hülffe anzunehmen / und durch Verheyrathung seiner so vollkommenen Tochter ihm keinen Feind zu machen. Marbod brach ein: Auf was für Weise diß auszurichten möglich wäre? Denn er wüste schon / daß er durch fernere Hinterhaltung seines Willens er sie eben so sehr / als durch eine gäntzliche Abweisung beleidigen würde. Vannius antwortete: Der Auffschub würde freylich die Sache ehe schlimmer als besser / ja nur noch mehr Fürsten nach Adelgunden lüstern machen. Daher zielte seine Meinung auch gar nicht dahin; sondern er solte vielmehr durch eine schleunige Heyrath allen andern ihre unzeitige Hoffnung verschneiden /und nachdencken / wie es ohne eines oder des andern Beleidigung geschehen könte / er wolte mitler Zeit ebenfalls auf ein solch Mittel bedacht seyn / welches ihm Marbod allerdings gefallen ließ.

Weil Marbod nun / gleich als wenn er aus einem tieffen Schlaffe erwacht wäre / sich wieder der Herrschafft anmaste / dazu ihm Adelgunde unaufhörlichen Anlaß / der vorstehende Krieg aber gnugsame Geschäffte an die Hand gab / ließ er Ingviomern / Boleßlaen und Britomarten mit Jagten und andern Kurtzweilen unterhalten. Vannius aber machte Anstalt zu einem nachdencklichen Schauspiele / bey dessen Einrichtung er alle Zeit / welche er nicht mit dem Könige Marbod oder Ingviomern im Rathe zubrachte / mühsam anwendete. Daher es auch in wenigen Tagen zur Vollkommenheit kam / worauf er den König Marbod /die Fürstin Adelgunde / Hertzog Ingviomern / Boleßlaen / Britomarten / den gantzen Hof / und Marckmännischen Adel dazu einladete. Der hierzu bestimmte Schau-Platz war die Königliche Rennebahn /und diese auf der einen Seite mit einem prächtigen Schau-Gerüste versehen. Diesem gegen über war eine andere mit köstlichen Tapezereyen belegte / und mit einem Himmel bedeckte Biene für den König / und die Fürsten bereitet / neben welchen Vannius selbst einen Zuschauer abgab. Die einbrechende Nacht machte dem Spiele den Anfang / welche aber [1403] von zwölff tausend den Schau-Platz umringenden Fackeln / dem Tage das Licht zu nehmen schien: daß sie den güldenen und silbernen Kleidern / den Edelgesteinen und andern prächtigen Aufzügen desto mehr Glantz geben könte. Der sich öffnende Schau-Platz stellte den Himmel mit unzählbar hell-leuchtenden Sternen /die Erde in vereinbarter Schönheit des Frühlings / und der Fruchtbarkeit des Herbstes / das Meer mit sanfften Wellen / vielen Schiffen / und das Ufer voller Perlen und Korallen-Zincken für. Mit dem ersten Anblicke fiel den Zuschauern das gantze Siegs-Gepränge der Liebe in die Augen. Diese saß gantz nackt auf einer überaus grossen Perlenmuschel / welche auf vier güldenen Rädern lag / und an statt der Schwanen von zweyen Adlern / zweyen Elephanten / zweyen Wasser-Pferden / und zweyen Drachen gezogen ward; Sie hatte einen Krantz von Sternen / die Erd-Kugel zu den Füssen / den Blitz in der rechten Hand / zwischen dem lincken Arme eine Dreyzancks-Gabel / in der lincken Hand die Schlüssel zur Hölle; um den Leib einen Gürtel von allen Edelgesteinen der Welt. Um den Wagen flogen zwölff Liebes-Götter / derer Flügel von mehr Farben brennten / als sie Federn an sich hatten / und welche die Lufft so geschwinde als der Blitz zertheilten / mit ihren Strahlen aber gleichsam zwölff Schwantz-Gestirne abbildeten / und hinter sich eine Strasse von Feuer-Flammen liessen. Die Liebe ließ sich auf einem Berge nieder / und sätzte sich auf einen Königlichen Stuhl / welcher auf der einen Seite die Natur / auf der andern das Glücke aufwartete. Gegen über stand ein Altar / welches von eitel Adler-Holtze und Zimmet loderte. Die Natur drückte die Gewalt der Liebe zu denen allersüssesten Seitenspielen in folgendem Gesange mit einer durchdringenden Stimme aus:


Die grosse Göttin in der Welt /

Durch die im Himmel und auf Erden

Was Meer und Abgrund in sich hält /

Muß alles warm und freudig werden /

Die mich als Mutter speist / und dich als Amme nehrt /

Ist meiner Andachts-Glutt und deiner Opffer werth.


Es schwimmt kein Fisch in kalter Flutt

Den nicht das Saltz der Liebe säuget /

Und weil hier brennt die stärckste Glutt /

Nicht hundert tausend Junge zeuget /

Es ist kein Feuer-Wurm / kein brennend Stern so heiß /

Als ein kalt Wallfisch brennt in Nordens Meer und Eiß.


Der Krebs wirfft von sich Schal und Schild /

Und lernt aus Liebe vor sich gehen /

Es öffnen / daß der Thau sie füllt /

Die Muscheln sich in tieffen Seen.

Was an Corallen glüht / der Purper-Schnecke Blut /

Das Wasser in der Perl ist eitel Liebes-Glut.


Die Wasser-Schlang umarmt den Aal /

Und züngelt sich mit den Murenen;

Das Meer-Schwein lechst für Liebes-Qval /

Und Nereus buhlt mit den Sirenen.

Das Meer verliebet sich in Qvell' / und Flüß ins Meer /

Dem jenes rührt von dem / und diß von jenem her.


Daß Stahl und Ertzt wie Pflantzen blüht /

Qvecksilber sich und Gold vermählet /

Gold in Zinober wächst und glüht /

Und Silber-Bley zur Braut erwehlet /

Daß Schweffel / Stein und Ertzt so schöne Farben giebt /

Rührt von der Göttin her / die alles macht verliebt.


Der Blitz und Strahl in Diamant /

Und der Rubine Feuer-Flammen /

Sind nichts als heisser Liebes-Brand /

Der mehrmahls Steine schmeltzt zusammen.

Die Farben in Opal / die Anmuth in Saphier /

Das Mahlwerck von Agat / rührt allzumal von ihr.


Kein Isop wächset an der Wand /

Kein Schilff und Kraut in Sümpff- und Auen;

Kein Baum beschattet Feld und Sand /

Dem nicht die Lieb' ist anzuschauen.

Wenn sich des einen Ast ums andern Zweige flicht /

Und bittre Zehren weint / wenn man ein Blat abbricht.


Der Veilgen Blässe deutet an:

Daß sie sich ängsten wie Narcissen;

Und aus der Rosen Purper kan

Man aller Blumen Brünste schlüssen.

Der Thau ist ihre Thrän / ihr Sehnen der Geruch /

Die Mertzen-Blum ist gar des Ajax Liebes-Buch.


Es giebt Gewürme sonder Blut /

Doch nichts / was nicht von Liebe walle;

Die Drachen peinigt ihre Glut /

Daß sie von sich speyn Gifft und Galle.

[1404]

Die Kröten girrn vor Brunst / der Molch schläfft Golde bey /

Die Nattern bersten gar von Lust und Brut entzwey.


Der Kefer Gold / der Würmer Licht /

Der Raupen Schmeltz / der Regen-Bogen

Und Persens Teppichte wegsticht /

Sind aus der Liebe Brust gesogen /

Ja diese selber hat nach bundter Schlangen Pracht /

Die Hauben ihr gestickt / den Gürtel ihr gemacht.


Die Schnecke setzt ihr Hauß in Stich /

Die Biene läßt ihr Honig flüssen /

Die Motte stürtzt ins Feuer sich /

Um ihrer Liebe zu genüssen.

Der Ameiß-Weyrauch ist der Liebe fetter Brut /

Der Heydechs Sterne sind der Zunder ihrer Glut.


Der Stier und jungen Rinder Streit /

Bey dem sie Horn an Horne wetzen /

Isis Merckmal ihrer Lüsternheit /

Und Brunst / der geilen Böck' Ergötzen /

Sie füllt die Adern an der Pferde mit viel Blut /

Flößt Eseln Feuer ein / gibt Schafen kühnen Muth.


Doch zwingt sie zahmes Vieh nur nicht /

Sie bändigt Löwen / zähmet Tieger /

Verbländet Luchse durch ihr Licht /

Sie ist des Krocodils Besieger.

Sie kirrt den schlauen Fuchs / den grimmen Wolff und Bär /

Und führt den Elefant / wie fette Lämmer her.


Die Nachtigaln sind durch ihr Lied /

Die Lust dem Buhlen zu versüssen /

Und alles Volck der Lufft bemüht.

Der Tauben Schnäbeln ist ihr Küssen;

Der Auerhahne Baltz / des Habichts Zirckel-Flug /

Ist ein von süsser Pein herrührend Liebes-Zug.


Der Adler der den Blitz selbst trägt /

Bückt wie die Gans sich für der Liebe /

Kein Vogel / dem das Hertze schlägt /

Ist frey von diesem Reitz und Triebe /

Der Fenix äschert sich / wie einsam er wil seyn /

Begierig nach dem Brut aus Brunst zur Sonnen ein.


Die kühle Lufft ist selbst verliebt /

Wenn sie an sich die Dünste ziehet /

Der Erde Thau und Regen giebt /

Und sie zu schwängern sich bemühet.

Wenn sie mit Flammen spielt / mit Schwantz-Gestirnen prahlt /

Mit Gold / Schmaragd / Saphier / verliebte Wolcken mahlt.


Das Feuer / das zwar alles frißt /

Zeugt Würmer doch in größten Flammen /

Nichts ist / was die Natur umschlüßt /

Mit dem es sich nicht mengt zusammen /

Sein Schwefel ist vermählt dem Blitzen in der Lufft /

Den Perlen in der See / Metallen in der Grufft.


Die Sterne sind in sich verliebt /

Drum kommen sie so offt zusammen.

Der Mohnd' erblaßt / und steht betrübt /

So offt der Sonne Liebes-Flammen

Nicht ihren Kreiß beseeln / nicht ihre Hörner mahln.

Was an Gestirnen gläntzt / sind eitel Liebes-Strahln.


Sie sind der Seelen Wohnungs-Stadt /

Die hier für Liebe sind verschwunden /

Was Jupiter geliebet hat /

Hat im Gestirne Platz gefunden.

Daß auch die Sonne stets nach neuer Buhlschafft brennt /

Macht / daß sie alle Jahr durch zwölff Gestirne rennt.


Der Himmel blickt wie Argos an

Mit hundert Augen Meer und Erde /

Sie putzet sich mit Tulipan /

Daß sie von ihm geschwängert werde.

Weil nun nichts in der Welt ist von der Liebe frey /

Geht sonder Opfferung nichts sein Altar vorbey.


Bey währendem Singen kam eine grosse Menge Fische an das Ufer des Meeres. Etliche speyeten Perlen auf den Sand / andere weltzeten Korallen / und ihrer viel Agstein / wie auch kleine Muscheln dahin / welche von anderm sich dahin findenden Gewürme aufgelesen / und auf das Altar der Liebe geschleppt wurden. Unter diesen kriechenden Thieren waren viel Schnecken / welche theils ihr Purper-Blut / theils ihre Häuser dahin ablieferten. Die Ameißen schütteten viel Weyrauch ins Opffer-Feuer / die Molche trugen Gold / die Heydächsen wolrüchendes Hartzt / die Schlangen Edelgesteine / die Nattern allerhand Ertzt herbey. Die Spinnen und Kröten legten gewisse Steine ab /die Bienen ließen Honig / die Aegeln Blut von sich fließen. Ja unter tausenderley Arten dieses Gewürmes / der Kefer / der Raupen / war nicht eines / das nicht auf oder bey diesem Altare sein Opffer absteuerte. Die flügenden Fische brachten Ambra / und allerhand andern Reichthum der Gewässer / die Vögel Adler-Holtz / Zi et-Rinden und Gewürtze / damit sie das Feuer immer mehr lodernd machten / und unter diesen [1405] stürtzte sich ein Fenix selbst in die Flamme / aus dessen Asche man einen Jungen auffliegen sah. Diesen folgten die vierfüßichten Thiere. Die Kühe und Schaffe opfferten Milch / die Hirsche ihre Geweyhe / die Gemsen kräftige Kräuter / die Elephanten ihre Zähne /die Katzen Zibeth / gewisse Ziegen Musch und Bezoar-Steine; ja alle so wol zahme als wilde und nur erdenckliche Thiere der Welt etwas besonders. Endlich erschien eine grosse Menge Jünglinge und Jungfrauen / welche fast gar mit Blumen gekleidet waren / und ihre davon geflochtene Kräntze aufs Altar der Liebe ablieferten. Diesen folgten viel Männer und Frauen des frischen- und nach diesen eben so viel des abnehmenden Alters / endlich auch Eys-graue Leute. Die ersten legten Kräntze von Weitzen-Eeren / die andern von Obst und Weintrauben / die letztern von Tannen-Laube und Epheu ab / und bildeten in einem künstlichen Tantze den lustigen Frühling / den fruchtbaren Sommer / den reichen Herbst / und den kalten Winter des menschlichen Lebens / alle aber doch ihre Andacht und Ehrerbietung gegen der alles beherrschenden Liebe ab.

Hierauf fieng die Göttin des Glückes ihren Lobgesang der Liebe / neben noch künstlichern Säitenspielen an:


So ist es Schwester ja bestellt /

Was lebet / wächst und sich beweget /

Ja was man für entseelet hält /

Wird von der Liebe doch gereget.

Die Steine buhlen selbst / Magnet hat Eisen lieb /

Doch diß ist schwacher Zug / und blinder Liebes Trieb.


Denn nichts / was nicht vernünfftig ist /

Was Schönheit nicht für Heßligkeiten /

Als Liebens werthes Ding erkiest /

Stimmt recht der Liebe güldne Säiten /

Das schmeckt nicht ihre Milch und süssen Honigseim /

Das fühlt nicht ihren Blitz / klebt nicht an ihrem Leim.


Des Menschen Seele taug allein /

Das Bild der Lieb' in sich zu pregen /

Sein Hertz ist nur ein würdig Schrein /

Solch eine Perl hinein zu legen.

Denn der Vernunfft wohnt nur Verstand und Urthel bey:

Daß Tugend und Gestalt nur werth zu lieben sey.


Zwar es verstößt manch niedrig Geist

Wenn er sein Hertz zu Pfande giebet /

Dem / was nicht lebet / und nur gleist /

Mit Golde todte Aeßer liebet /

Wenn er der Ehre Rauch für edle Schätze wehlt /

Sich sättiget an nichts / mit tummen Lüsten qvält.


Wenn er mit dem sich armt und küßt /

Was nicht kan küssen und umarmen;

Was ihm am Hertzen nagt und frißt /

Wenn er auf Schnee meynt zu erwarmen.

Was aber edel ist / vom Himmel rühret her /

Hat seine Seele nie von edler Liebe leer.


Die Tugend und die Schönheit sind

Zwey Perlen und so grosse Gaben /

Daß der / der sie nicht lieb gewinnt /

Muß weder Blut noch Fühlen haben.

Daß aber in der Welt nichts ohne Liebreitz sey /

Füg' ich der Heßligkeit Magnet und Fürniß bey.


Ich bin der ander Angelstern /

Um welchen sich der Welt-Kreiß wendet /

Der Weißheit Licht / des Reichthums Kern /

Der thumme führt und kluge bländet.

Ich zeuge Liebe selbst / wo gleich ihr Zunder fehlt /

Doch gleichwol hab ich sie zur Göttin mir erwehlt.


Ich räum' ihr Reich und Herrschafft ein /

Und unterwerffe mich ihr gerne /

Denn soll sie blind / wie ich gleich seyn /

Verdüstert sie doch Sonn und Sterne.

Ihr schneller Adlers-Flug kommt meinem Rade für /

Und was mein Arm erhöht / demüthigt sie für ihr.


Denn da die Weißheit sich verliebt /

Die Klugheit in ihr Netze fället /

Da Tugend sich gefangen giebt /

Und unter ihre Sklaven stellet.

Da Gottesfurcht ihr weicht / die doch der Sterne Lauff /

Der Sonne-Wagen hemmt / was soll sie halten auf?


Besiegt gleich Socrates den Tod /

So wird er doch besiegt von Liebe.

Ist Plato gleich ein halber Gott /

Folgt er doch ihrem süssen Triebe /

Pythagoras gestehts / und Epicur fällt bey:

Daß Liebe kräfftiger als alle Weißheit sey.


Ja Liebe schärfft der Weißheit Geist;

Ihr Kiel versetzt sie in Getichte /

Den sie aus ihren Flügeln reist /

Sie giebt ihr Nachdruck / Flug / Gewichte /

Sie flößt Gemüthern Hertz und Zungen Liebreitz ein;

Wie soll sie denn nicht mich zu zwingen mächtig seyn?


[1406]

Kein Riese kan der Liebe nicht /

Kein Zwerg nicht Riesen widerstehen;

Ob Polyphem gleich Felsen bricht /

Zerfleußt er doch für Galatheen.

Ja Stärcke / die der Geist der Tapfferkeit gleich regt /

Wird Ohnmacht / wenn sie sich mit Lieb in Krieg einlegt.


Alcides kan durch Kampff und Streit

Der Erde Mißgeburten fällen.

Er dämpfft der Götter Schlangen-Neid /

Die Löwen und den Hund der Höllen /

Und was sonst Welt und Lufft für Ungeheuer heckt.

Ihm aber hat die Lieb' allein ein Ziel gesteckt.


Sie hemmt Semiramens Gewalt /

Des grossen Cyrus Siegs-Gepränge.

Es stößt an Helenens Gestalt

Sich des Trojan'schen Reiches Länge.

Und dem der Erde Frau Rom sich zur Magd begab /

Giebt eines Weibes Knecht / der Liebe Sklaven ab.


Den nicht der Erdkreiß machet satt /

Der neue Welten sucht und findet /

Viel Könige zu Füssen hat /

In Ost und West nicht Gräntzen findet.

Der die Natur zu klein / mein Rad zu niedrig schätzt /

Starrt / wenn er seinen Fuß ins Garn der Liebe sätzt.


Je mehr der Himmel flösset ein /

Den Menschen seiner edlen Gaben /

Je grösser sie auf Erden seyn /

Je mehr sie Schätz und Tugend haben.

Je mehr sie das Gelück / als Schooß-Kind armt und liebt /

Je minder es ihr Müh sie zu bemeistern giebt.


Jedoch zwingt nicht der Liebe Hand /

Nur Helden / Heilige und Weisen /

Auch Götter fühlen ihren Brand /

Und laben sich mit ihren Speisen.

Es kehrt sich Jupiter in Schwan / in Stier / in Gold /

Wird seinem Himmel gram / dem süssen Lieben hold.


Neptun verläßt die grimme Flut /

Und wird ein Pferd der Ceres wegen /

Styr kan so viel nicht Schweffel-Glut /

Als Pluto Liebes-Feuer hegen /

Apollo brennt so sehr nicht in des Löwen Kreiß /

Als wenn er Daphnen folgt ins Peneus flüssend Eiß.


Des Kriegs-Gott Harnisch / Helm und Schild

Schmeltzt auf Dionens Marmel-Brüsten /

Diane lässet Wald und Wild /

Läßt Britomartens sich gelüsten /

Und füllt ihr Silber-Horn mit Liebes-Balsam an /

Daß sie die gantze Welt damit bethauen kan.


Nach dem nun alles liebt / was lebt /

Was das Gelück auf ihren Flügeln

Biß an die höchsten Spitzen hebt /

So muß auch ich ihr Lob besiegeln /

Der Liebe zünden Hertz und fetten Weyrauch an /

Die das Gelück' allein gelücklich machen kan.


Bey währendem Singen that sich ein prächtiger Aufzug eines unzählbaren Volckes herfür. Der erste Hauffen bestand aus Schäfferinnen / und der folgende aus Schäffern. Jene führete die holdseelige Oenone /diese der ihr zu Liebe in einen Schäffer verwandelte Paris. Ihr Opffer waren Myrten-Kräntze / und ein brennendes Hertze. Zu der Liebe Füssen aber legten sie ihre Stäbe. Der dritte Hauffen bestand in einer Menge vielen Gelehrten und klugen Frauenzimmers /dessen Führerin war die annehmliche Tichterin Sappho; welchen auf dem Fusse folgte eine unzählbare Menge Weltweisen / die den Orpheus zum Vorgänger hatten. Sie hatten sich aber auch unter sich abgetheilet. Deñ Socrates / Plato / Pythagoras / Epicurus /Aristippus / und die andern Häupter hatten ihre Beypflichter bey sich. Am wunderlichsten aber schien /daß auch der weise Zeno / welcher alle Begierden aus dem Menschen zu vertilgen lehrte / und Diogenes /welcher nur mit einem Hunde / mit keinem Menschen Gemeinschafft haben wolte / darunter begriffen war /und der Liebe ihre Lorber-Kräntze opfferten. Alle legten ihre Schrifften und Federn der Liebe unter die Füsse. Denen Weisen folgten nicht unbillich eine grosse Anzahl Priesterinnen / theils Verheyrathete / theils die / welche nur / so lange sie Jungfrauen blieben /das Priester-Ampt verrichten konten. Unter diesen war auch über Vermuthen die der Hymnischen Diane zu sehen / welche Aristocrates mit Gewalt auf der Göttin Altare geschwächet hatte / dessentwegen ihn die Arcadier gesteinigt. Ihre Fürstin war die von ihrer eigenen Opfferung errettete und der Taurischen Diana gewidmete Iphigenia. Hinter diesen hielten [1407] eben so viel verliebte Priester ihren Aufzug. Ihr oberster Priester war Coresus / welcher nicht nur die unbarmhertzige Callirhoe mehr als kein ander Mensch liebte /sondern auch als die auf der Dodonischen Wahrsager-Tauben Befehl dem Bacchus aufgeopffert werden solte / sich selbst für die / welche lieber sterben als ihn lieben wolte / abschlachtete. Beyde warffen ihre Kräntze von Oelzweigen / und ein güldenes Rauch-Faß ins Opffer-Feuer; und warffen ihre Opffer-Messer der Liebe zu Füssen. Nach diesen folgte ein grosser Hauffe Heldinnen / ihre Vorgängerin war die Amazonin Penthasilea / ihre andern Häupter waren Ariadne /Panthea / Camma / Clelia; die nach ihnen auftretenden aber Hercules / und nach ihm Hector / Achilles /Perseus / Theseus / Sylla / Marius / Pompejus / und darunter auch viel deutsche Ritter. Alle diese gossen eine Schale voll Blut / und warffen ihre Kräntze von Pappeln in die Flammen. Von diesen zerbrechlichen und unfruchtbaren Baume hat Hercules sonder Zweiffel bekräntzt seyn wollen / weil seine auf einer Seiten weisse auf der andern schwartze Blätter ein Sinnebild der Tage und Nächte also der Zeit sind. Sintemahl Helden-Thaten die Unsterbligkeit verdienen / und von der Zeit nicht wie andere Dinge vertilget / sondern gekrönet werden. Ihre Lantzen aber steckten sie unter den Stul der Liebe. Nachgehends erschien eine unzahlbare Menge mächtiger Königinnen. Ihr Haupt war die für Brunst gleichsam rasende Semiramis. Unter denen andern ragten vornemlich herfür Olympias / Tamyris / Dido / Sophonißbe / Arsinoe / Cleopatra. Nach diesen prangeten eben so viel grosse Welt-Beherrscher daher / unter der Aufführung des grossen Alexanders. Unter dieser Menge war Ninus /Cyrus / Artaxerxes / Antiochus / wie auch Julius Cäsar und August / ansehlich aufgeputzt. Sie warffen ihre von Palmzweigen geflochtene Kräntze / und gossen ein Geschirre Balsams ins Opffer-Feuer / ihre Zepter aber legten sie der Liebe zu Füssen. Zuletzt hielten auch die Götter einen prächtigen Aufzug. Den Saturn brachten seine Drachen / Cybelen vier Löwen /Jupitern zwey Adler / die Juno so viel Pfauen / den Apollo vier Pferde / Cynthien zwey Ochsen / den Vulcan zwey Hunde / den Mars zwey Pferde / die Pallas zwey Drachen / den Bacchus zwey Tiegerthiere / die Ceres zwey grosse Schlangen / den Mercur zwey Habichte / die Venus zwey Schwanen. Aus dem Meere stieg der auf einer grossen Muschel mit zwey Wasser-Pferden gezogene Neptun / und Amphitrite herfür. Glaucus folgte ihm auf einem Seehunde / Proteus auf einem Meer-Kalbe / Nereus mit seinen funffzig Töchtern auf einem Wallfische / und eine grosse Menge Nymphen auf allerhand Meerwundern. Aus den Wäldern brachten die Diana zwischen ihren Jägerinnen zwey Hirsche geführt. Pan mit seinen Faunen rietten auf Böcken. Endlich zerberste auch die Erde / und kam Pluto und Proserpina auf einem von vier schwartzen Pferden gezogenem Wagen empor. Jeder streute eine handvoll Weyrauch aufs Altar / Jupiter legte seinen Blitz / Neptun seinen Dreyzancks-Stab /Pluto seine Schlüssel / Apollo seine Leyer / Mars seinen Degen / Vulcan seinen Hammer und Fackel /Bacchus seinen mit Reben-Laub und Epheu umwundenen Spieß / Mercur seinen Schlangen-Stab / Glaucus seinen Hamen / Nereus seinen Sicht-Spiegel /Proteus seine Larve / Pan seine Flöte / die Faunen ihre Pflugscharen / Cybele ihren Schlüssel / Ceres ihre Sichel / Pallas ihre Lantze / Juno ihren Zepter /Cynthia ihr Thauhorn / Venus ihren Bogen / Amphitrite ihre Gabel / Diane ihren Jägerspieß / Proserpina ihren güldenen Zweig / der Liebe zu Füssen. Als diß Opffer sich mit dem Singen geendigt hatte / hielten die Schäffer mit denen Schäfferinnen nach Schallmeyen und Flöten einen lustigen / die Weltweisen beyden Geschlechts nach Leyern einen [1408] bald ernsthafften /bald freudigen / die Priester und Priesterinnen nach Harffen / und Zymbeln einen langsamen / die Helden mit denen Heldinnen nach Trompeten und Heerpaucken einen feurigen / die Könige und Königinnen nach Violen einen prächtigen / die Götter und Göttinnen aber nach allen ersinnlichen Säitenspielen einen sehr künstlichen Tantz / worbey vier und zwantzig darzwischen tantzende Liebes-Götter einen jeden auf Befehl der Liebe wieder einhändigte / was er der Liebe zu Füssen gelegt hatte. Darnach öffnete sich das Thor eines prächtigen Pallastes. Aus diesem kam ein von zwey Löwen / zweyen Füchsen / und so viel Schlangen gezogener / mit vielen Larven und Spiegeln behänckter Wagen. Auf diesem saß die Staats-Klugheit. Sie hatte einen Krantz von Schlangen auf /einen sie biß auf die Füsse einhüllenden Rock an / in der rechten Hand hatte sie ein Ferne-Glaß / in der andern ein Bleymaaß / zu ihren Füssen lag ein Ruder /ein Hamen / ein Degen / und ein Schild / und ein Geschirre mit Wasser. So bald sie bey das Altar kam /ergrieff sie diß / schüttete das Wasser ins Opffer-Feuer / daß es bey nahe ausleschte / hernach wendete sie sich gegen der Liebe / und fieng an zu singen:


Der Liebe zündet Weyrauch an /

Was Himmel / Erd / und Meer beschlüssen.

Mir aber ist sie unterthan /

Denn alles muß mein Zepter küssen /

Wie schön die Liebe blüht / kehr ich sie doch in Graus

Und lesch als Sonne sie / wie kleine Sternen aus.


Sie machte hierauf mit ihrem Wagen dreymahl ein Rad / der Himmel aber that sich auf / aus welchem ein Phenix die Keuschheit auf einem güldenen Wagen herab geführt brachte. Sie hatte einen Krantz von weissen Lilgen auf / ein Gewand von weissem Atlas an / in der rechten Hand einen Zaum / in der lincken eine brennende Lampe. Sie kam als ein Blitz geflogen / und riß der Liebe aus ihren Flügeln einen ziemlichen Pusch voll Federn / und den Köcher mit samt den Pfeilen vom Leibe / fieng hierauf an zu singen:


Die Keuschheit kan in Einsamkeit /

Wie GOtt mit sich vergnüget leben.

Wer nun ist frey von Lüsternheit /

Der Jungfrauschafft sich hat ergeben /

Der lacht der Liebe Blitz / ihr wächsernes Geschooß /

Knipfft ihr den Köcher ab / macht ihr die Flügel loß.


Hierauf öffnete sich mit grossem Krachen die Erde. Aus dieser sprang die Eyversucht herfür / in Gestalt eines alten runtzlichten und magern Weibes / derer geschrumpene Haut kaum die Knochen umhüllte. Sie hatte wie Janus hinten und vorwerts ein Gesichte. Zwischen diesen hiengen ihre Haare ungeflochten /verwirret / und klebten von Speichel und Blute zusammen. Um ihren Hals krochen Schlangen / Nattern und Kröten. Auf ihrer runtzlichten Stirne waren die Adern ihr wie Stricke aufgelauffen. Die Augenbranen hiengen ihr über ihre tieffe im Kopffe stehende und rothe Augen. Die Wangen waren gantz eingefallen /ihre Lippen kratzblau / ihr Athem stinckend / ihr Maul war voller Zahn-Lücken. Ihre Brüste hiengen ihr wie leere Ziegen-Eyter / biß über den Gürtel / und gleichwol sog an ieder ein Molch. Darüber hatte sie noch wie Argos hundert Augen / welche wie die der Basilisken alle gleichsam mit ihrem ausgelassenem Giffte erstachen. Auf dem Kopffe stand ein Hirsch-Geweyhe. Ihre Ohren waren grösser als die der Esel /ihre Beine waren mit einer Wolffs-Haut umgeben /und sie hatte rechte Drachen-Füsse. In einer Hand hatte sie einen Feuer-Topff / in der andern ein Stücke Eiß. In der Schoos trug sie einen Salamander / welchen sie auf das Altar der Liebe schleuderte. Dieser mühete sich mit seinem ausgegeifferten Speichel / und seinem kalten Bauche das Opffer-Feuer zu vertilgen; sie aber sang mit heiserem Halse dazu:


Wo Liebe blühet / reifft und brennt /

Muß sie von meinem Athem sterben.

[1409]

Durch mich wird / was sie knipfft / zertrennt /

So viel sie pflantzt / kan ich verterben.

Wo sie mit Rosen prangt / da flecht ich Nesseln ein /

Und die die Welt beherrscht muß meine Dienst-Magd seyn.


Die Liebe lächelte nur zu diesem hochmüthigen Großsprechen; gleich als wenn sie durch keine Schmähung erzürnet / und durch keine Beleidigung zur Rache bewegt werden könte. Sie grieff zwar nach ihrem Bogen / legte ihn aber wieder nieder / und fieng an zu singen:


Verwegene Vermässenheit /

Hegt Erde / Himmel / und die Hölle

Für meine Gutthat so viel Neid /

Daß sich hier wider mich geselle /

Was minder sich als Schaf und Wolff vertragen kan /

Doch ficht den Mohnd und mich kein Hundesbellen an.


Weil viel die Klugheit Augen hat /

Führt sie gleich's Bleymaß stets in Händen;

So weiß sie ihr doch keinen Rath /

Wenn meine Strahlen sie verbländen;

Sie kommt aus meinem Netz' in tieffsten Labyrinth

Wenn sie sich mit Gewalt daraus zu reissen sinnt.


Ich wil ein Beyspiel meiner Macht

Am klugen Oenomaus zeigen.

Je eifriger er ist bedacht

Hippodamiens Sinn zu beugen.

Durch Tödtung ihrer Brunst den Fall zu wenden ab /

Je mehr beschleunigt er ihr Lieben und sein Grab.


Du aber allerliebstes Kind /

Vertrautste Keuschheit / Licht der Hertzen /

Die süsser Lieb' ergeben sind /

Was tadelstu an meiner Kertzen?

Du flössest meiner Glut der Tugend Balsam ein /

Und deine Lilgen blühn durch meinen Sonnenschein.


Ihr schneeicht Haupt bewirthet Gold

Und diß ist reine Liebes-Flamme.

Dein Frost thaut in die Hertzen hold /

Und deine Milch ist meine Amme.

Je mehr sich gegen euch gleich Atalanta setzt /

Je mehr wird sie verlangt / ie reichlicher ergötzt.


Du Mißgeburt! Du Drachen-Kind!

Du Liebes Gifft! Du Wurm der Seele!

Welch Unstern bringt / welch Zwirbel-Wind

Dich aus verdammter Geister-Höle?

Verkreuch ins Finstre dich / weil du mein Schatten bist

Und niemand der nicht liebt / durch dich ihm's Hertz abfrist.


Dein stinckend Athem lescht nicht aus /

Er bläßt vielmehr auf andrer Flammen /

Du aber selbst wirst Asch' und Graus /

Und berstest durch dein Gifft von sammen.

Alceis spricht für mich / die Eyversucht erstickt

Wenn Liebe Tapfferkeit ermuntert und beglückt.


Ob mir nun zwar nicht Waffen fehln /

Dich Eyfersucht in Grund zu schlagen.

Mit mir dich Keuschheit zu vermähln /

Ins Bocks-Horn / Klugheit / dich zu jagen.

Weil Liebe sonder Zwang zu siegen aber pflegt /

Ist's besser: daß mein Feind sich selbst zun Füssen legt.


Als die Liebe ihren Gesang beschloß / stimmeten die Natur und das Glücke zusammen folgende Reymen an:


Großmächtige Gebieterin /

Beweise deine Macht und Stärcke.

Wenn du schärffst Pfeile / Blitz / und Sinn /

Vollbringstu eitel Helden-Wercke.

Bestreite Feind und Neid durch ihre eigne Hand /

Gib dem Gelücke Maaß / und der Natur bestand.


Die letzten zwey Reyme wurden von allem / was auf dem Schau-Platze Athem und Zunge hatte / wiederholet / und dieses Opffer der Liebe mit einem allgemeinen Tantze beschlossen. Der Schau-Platz verwandelte sich hierauf in ein Königliches Zimmer. In diesem erschien der König zu Elis Oenomaus / das Glücke führte ihn bey der einen / die Tugend bey der andern Hand. Jenes rühmete in einem Gesange / daß es ihn hätte vom Kriegs-Gotte lassen gebohren werden / daß es ihn zum Könige in Elis gemacht / und noch darzu die vortrefliche Eugythoe zur Gemahlin / die allerschönste Hippodomia aber zur Tochter gegeben hätte. Die Tugend aber rühmte: daß sie ihn mit so grosser Klugheit zu herrschen / einem so grossen Helden-Muthe und einer geschickten Stärcke in allerhand Streite versehen hätte. Diß / was sie beyde gesungen /drückten sie mit einem darauf folgenden Tantze aus. Als sich dieser endigte / führten sechzehn nackte Liebes-Götter so viel Griechische Helden auf; welche alle auf ihren [1410] Schilden Hippodamiens mit Golde geschriebenen Nahmen führten / und sich für dem Oenomaus mit grosser Ehrerbietigkeit neigten. Die Liebes- Götter behaupteten in einem Liede / daß die Liebe der Wetzstein der Tapfferkeit wäre / hernach strich ieder Liebes-GOtt absonderlich theils die Tugend / theils die hefftige Liebe seines Helden / gegen Hippodamien aus. Dieses erklärten sie hernach selbst in einem um den Oenomaus gehaltenen Kriegrischen Tantze / darinnen bald einer bald der andere seine Hand als ein Zeichen seiner Einwilligung erwischen wolte / also Oenomaus sich mit genauer Noth ausflechten konte. Als dem Oenomaus nun nicht alleine von diesen Helden und den Liebes-Göttern / sondern auch von dem Gelücke / und der Tugend / in dem jene des einen Schönheit / des andern Adel / des dritten Reichthum /des vierdten Herrschafft; diese eines Tapfferkeit / des andern Geschickligkeit / und andere Beschaffenheiten rühmte / auffs ärgste zugesätzt ward / ruffte er Himmel und Hölle zu Hülffe. Worauf denn der Neid zwischen denen drey Unholdinnen mit einer Pech-Fackel erschien / und mit derselben Dampffe denen tantzenden Liebes-Göttern alle Fackeln ausleschte / die Helden aber mit ihrer Anhauchung vergifftete / daß sie alle zu Bodem fielen. Der Neid schmähete hierauf in einem Gesange die Schönheit als den Bruñ aller Laster / und den Ursprung alles Ubels. Diese hätte Troja in die Asche / den Hector und Achilles mit tausend andern Helden ins Grab / Helenen zum Erhencken /den Priamus und Hecuben ins gröste Hertzenleid gestürtzt. Die den Gegen-Gesang aber habenden Unholdinnen wahrsagten dem Oenomaus; daß die Schönheit Hippodamiens Pisa / zu so wenigem als Troja wäre / Eurythoen unglücklicher als Hecuben /den Oenomaus elender als den Priamus machen würde. Im Schlusse rieth der Neid dem Oenomaus / er solte seine Tochter Hippodomia entweder tödten /oder sie entblösset an die Sonne stellen / daß sie von ihren Strahley wie eine Mohrin gebräunet und verstellet würde. Weil Oenomaus entwich / hegten die Unholden einen Tantz / darinnen sie die Macht und den Sieg des Neides über die Liebe und Schönheit abbildeten. Hiermit veränderte sich der Schauplatz in einen Garten / über welchem die Sonne im gestirnten Löwen stand / die Erde ausdörte / Laub und Graß versängte. Oenomaus war darinnen gantz alleine / gab in einem Leide seine Ungedult über sein unmäßiges Glücke zu verstehen / stellte ihm also eben den Ausgang für Augen / welcher dem allzuglücklichen Polycrates begegnet war. Als er aber alles im Garten um sich verwelcken sahe / kniete er für der Sonne nieder /danckte ihr für solche Wolthat / und bat sie: Sie möchte doch seine Tochter Hippodamia zu einer heßlichen Mohrin machen. Hippodamia kam hierzu in Begleitung ihrer Eurythoe / der Jugend / der Schönheit / und der Wollust / und gab in einem Gesange ihrem Vater die Liebes-Anfechtungen zu verstehen /und bat / daß er aus so viel würdigen Buhlern ihr doch einen zueignen möchte. Oenomaus aber hielt ihr ein: daß die Liebe das Gemüthe bezauberte / Gifft ins Hertze einsänckte / mit den Sirenen die Menschen in Schiffbruch stürtzte / und wie ein Irrlicht sie in ersteckende Sümpffe führte. Seine Gemahlin Eurythoe und die drey andern Gefärthen redeten für sie / und sie selbst zohe das Verhängnüß für sich an; welches so grosse Gewalt über sie als über die Motten und den verliebten Satyrus hätte / daß sie das Feuer als ihr Grab zwar sähen / sich doch aber darein stürtzten. Die Schiffer liebten das Meer / ungeachtet derer tausend von Wellen verschlungen würden. In den schönsten Aepffeln steckten die Würmer am liebsten /gleichwol aber blieben sie eine Lust der Augen / und eine Ergetzligkeit des Mundes. Oenomaus aber bot Zorn und Gewalt auf / welche Hippodamien entkleideten / sie nackend und an eine Säule angebunden /[1411] gerade gegen der Sonne stellten. Hippodamia fieng in diesen Banden ein erbärmliches Klagelied an / in welchem sie die Glückseligkeit Andromedens rühmte /ihr Unglück aber bejammerte / weil jene von einem Meerwunder / diese aber von ihrem eigenen Vater verschlungen werden solte. Hierauf ruffte sie die Sonne um Hülffe an / welche an Hippodamien die sie bindenden Stricke verbrennte / und folgende Reyme sang:


Wo rennt ihr blinden Menschen hin?

Soll ich / die ich des Himmels Zierde

Der Ursprung aller Schönheit bin /

Der ich beseele die Begierde /

Verstellen diß / was schön / die Liebe leschen aus?

So wilde Raserey stürtzt euch im Asch' und Graus.


Habt ihr / ihr Strahlen / Eigenschafft /

Die Schwanen-weisse Haut zu schwärtzen /

So nehm' ich euch hiermit die Krafft;

Es jammert mich von gantzem Hertzen:

Daß sich ein Vater-Hertz läßt Mißgunst nehmen ein /

Und ich ein Werckzeug soll der Heßligkeiten seyn.


Zeuch aber Mensch und Vater aus /

Du magst dein Blut in Gifft verkehren /

Sey Oenomaus Löw und Strauß /

Du wirst der Tochter nicht verwehren:

Daß ihre Seele nicht mit dem vermählet sey /

Der deinen Lebens-Drat dir schneiden soll entzwey.


Oenomaus empfieng dieses scharffe Urthel von der Sonne mit Zittern und Zagen. Die von ihr erlösete Hippodamia stimmte ihr einen Lobgesang an / darinnen sie die Sonne als eine Entdeckerin der verborgenen Warheit / als eine gegenwärtige Helfferin / und als eine Wahrsagerin der künfftigen Ungewißheiten preisete. Bey währendem Singen fanden sich die fünf Sinnen herzu / welche nach ihrem Liede einen Tantz hegten / hernach aber in einem eigenen Liede Hippodamiens Schönheit preiseten / und die ihr buhlenden Helden zu ihrer Betrachtung einladeten. Diese fanden sich alsofort ein / fiengen auch mit denen fünff Sinnen einen Zirckel-Tantz an / darinnen Hippodamia allemahl der Mittelpunct blieb. Oenomaus stellte sich hierbey bald rasend / bald verzweiffelnd / endlich kam auf einer Seite die Klugheit / auf der andern die Tapfferkeit ihm zu Hülffe. Jene raunte dem Oenomaus etwas in ein Ohr / diese aber gebot denen Tantzenden einen Stillestand / worauf ihm Oenomaus ein Hertze faßte / den Degen entblößte / und zu singen anfieng:


Weil das Verhängnüß ja befiehlt

Hippodamien zu vermählen /

Und sie so süsse Regung fiehlt /

Wil ich ihr selbst den Mannerwehlen.

Weil ihre Schönheit nun ist eines Heldens werth /

Muß der mein Meister seyn / der diß mein Kind begehrt.


Wer mich nun zu besiegen meynt /

Der muß zu Wagen mit mir streiten.

Allein mein überwunden Feind

Versehe sich der Grausamkeiten /

Die iemahls ein Busir an Gästen hat verübt /

Wer nun nicht sterben wil / der sey auch nicht verliebt.


Fleuch! Rache! bringe mir hieher

Den Marmaces mit seinen Pferden /

Den ich beflegt durch meinen Speer;

Sie müssen hier geschlachtet werden;

Daß jeder vor schau an der Rache blutig Spiel /

An Vätern / denen man die Töchter nehmen wil.


Oenomaus hatte kaum ausgesungen / als die Rache den von ihm überwundenen Marmaces / die Unholden aber zwey für seinem Wagen geführte Stutten Parthenis und Eripha zur Stelle brachten. Marmaces fiel dem Oenomaus zun Füssen / und ihm floß nicht weniger Blut aus den Wunden / als Thränen aus den Augen / mit welchen er den grimmigen Uberwinder zu versöhnen / und sein ihm abgesprochenes Leben zu erbitten vermeinte. Aber er und die Rache hatten keine Empfindligkeit; sondern diese stach ihm das Messer durchs Hertze; die Unholdiñen verscharrten die Leiche in ein Grab / und schlachteten auf selbtem die zwey Stutten ab. Oenomaus tantzte inzwischen mit der Klugheit und Tapfferkeit. Die Rache aber sätzte dem Oenomaus ihre Schlangen / als das Sinnebild der Klugheit und Rache zum Siegs-Krantze auf; behauptete auch in einem Gesange / [1412] daß die Rache süsser / als andere Wollust wäre. Zuletzt schloß sie damit sich gegen die sechzehn Helden wendende:


Kein Götter-Tranck / kein Honigseim /

Kein Himmel-Brodt / kein Safft der Reben /

Kein Zucker-süsser Liebes-Leim

Kan Menschen mehr Vergnügung geben /

Als Oenomaus wird aus derer Blute ziehn /

Die in sein Kind verliebt / und gegen ihn sind kühn.


Die Liebhaber Hippodamiens höreten diese Erklärung mit Jauchtzen und Frolocken / antworteten daher alsofort:


Wir nehmen die Bedingung an;

Wir wollen siegen oder sterben /

Weil Liebe doch nicht schöner kan

Als durch ihr Blut die Waffen färben.

Zun Waffen! Wagen / Pferd / Spieß / Pfeil und Schwerdter her!

Sind deine Köcher voll / sind unsere nicht leer.


Hierauf hielten sie einen freudigen Tantz / in welchem sie ihre Waffen artlich an einander schlugen. Nach diesem verschwand der Garten mit allem darinnen /und der Schau-Platz verwandelte sich in eine Rennebahn. Auf diesen kam der Kriegs-Gott / nicht aber wie sonst mit Tigern / sondern mit weissen aber rothfleckichten Tiger-Pferden gefahren. Dieser ließ bey Trompeten und Paucken durch drey Herolden ausruffen / daß Liebe und Staats-Klugheit um das Besitzthum der schönen Hippodamia rennen und fechten würden. Hierauf kam die Liebe auf einem güldenen Wagen mit vier Perlen-farbenen Pferden in Schauplatz. Die sie umgebenden sechzehn Liebes-Götter waren alle mit Helmen und Schilden gewaffnet / mit Pfeilen und Fackeln ausgerüstet. Ihr folgten die sechzehn Liebhaber in voller Rüstung auf so viel vierspännigen zwey rädrichten Wagen / für iedem jagte ein absonderer Fuhrmann die Pferde her; daß ieder Liebhaber desto freyer fechten konte. Alle diese stellten sich auf die eine Seite des Schauplatzes / und die Liebe in die Mitte. Hierauf kam die Staats-Klugheit auf einem von Fliegen-trappichten Pferden gezogenen Wagen gefahren. Um diesen giengen sechzehn Mägdlein mit rundten stählernen Schilden in der lincken /und mit verschlossenen irrdenen Töpffen in der rechten Hand. Dieser folgte auf einem stählernen aber übergoldeten Wagen / der einige König Oenomaus mit seinem Fuhrmanne Myrtilus / welcher vier kohlschwartze Pferde derer Nahmen Psilla / Harpinna /Ocyon und Aoratus waren / für sich herjagte / und seinen König auf die andere Seite des Schauplatzes hinter die Staats-Klugheit stellte. So bald nun Mars eine Lantze in die Mitte warf / rennte die Liebe und Klugheit gegen einander / und schossen auf einander drey Pfeile in einem einigen Kreißrennen ab / als beyde sich zurücke zohen / traffen die Liebes-Götter gegen die Mägdlein. So fertig und geschwinde nun jene nach weggelegten Fackeln ihre Pfeile abschossen / so geschickt wusten diese alle Schüsse mit ihren Schilden aufzufangen. Als die Pfeile verschossen waren / reñten Liebe und Staats-Klugheit wieder zusammen / und warf iede auf die andere drey Wurff-Spieße. Diese löseten die Liebes-Götter mit ihren ergriffenen Fackeln ab / und sätzten dadurch dem Mägdlein hefftig zu. Diese aber kehrten ihren Feinden die andre Seite ihrer Schilde / welche von eitel Spiegeln bestanden / damit sie durch den Widerschein unzählbarer Fackeln die Liebes-Götter bländeten. Nach diesem ergriffen Liebe und Staats-Klugheit ihre Schwerdter / renneten gegen einander; diese aber / weil alles an ihrem Wagen Stahl war / rennete mit allem Fleiße an eine Axe des Liebes-Wagens / und brach solche entzwey / daß er also sich nicht bewegen konte. Die Liebes-Götter hatten sich inzwischen mit Spießen gerüstet / und tasteten die Mägdlein an / diese aber schmiessen ihre Töpffe unter sie / aus derer Scherben unzählbare Nattern und Schlangen krochen / denen Liebes-Göttern sich um Arme und Beine [1413] flochten. Wordurch diese so wol zu fliehen / als die Liebe sich überwunden zu erkennen genöthiget ward. Weil die Liebes-Götter sich ihrer Schlangen zu erledigen / und den Wagen der Liebe zurück zu schieben und zu ergäntzen bemühet waren / hielten die Mägdlein einen artigen Spiegel-Tantz; die Rache aber kam und sätzte der Staats-Klugheit einen Siegs-Krantz von Pflaumen auf /worzu die Mägdlein ihr ein Sieges-Lied sangen / sie die Königin der Welt / die Mutter der Glückseeligkeit / und den rechten Atlas der Reiche priesen. Mars warff hierauf noch eine Lantze auf den Platz; worauf deñ alsofort Alcatheus mit seinem Wagen herfür rückte / und sich zum Rennen fertig machte / aber Oenomaus kam ihm wie ein Blitz auf den Hals / und durchstach ihn mit seiner Lantze ehe / als jener fast sein gewahr ward. Diesen lösete Euryalus ab / und begegnete dem sich wendenden Oenomaus. Weil jener ihn aber mit seinem Wurffspieße fehlte / leschte dieser ihm auf eben die Art wie dem ersten das Licht aus. Hiermit rückte Eurymachus auf den Platz / welcher durch der ersten Fall klüger worden war / und so bald er seinen Spieß auf ihn geworffen hatte / auslenckte / daß ihn Oenomaus nicht erreichen konte. Als sie nun zum andern mahl gegen einander rennten / faßte Eurymachus den Oenomaus zwar wol mit der Lantze / aber dieser versätzte nicht nur mit seinem Schilde / sondern traf den Eurymachus auch zugleich mit seiner Lantze ins Auge / daß er über den Wagen herab stürtzte. Crotalus wolte diese rächen / aber Oenomaus rennte ihn mit samt seinem Pferd und Wagen übern Hauffen. Acrias sahe / daß durch nahes Gefechte an Oenomaus schwerlich was auszurichten wäre / daher lenckte er seinen Wagen immer seitenwerts / und gebrauchte sich seiner Pfeile / allein des Oenomaus unter dem Rocke versteckter Pantzer hielt alles Geschoß auf; Oenomaus aber traf mit einem langen Spieße den Acrias so starck auf die Brust / daß er am Rücken vorgieng / und ihn an seinem Wagen damit annagelte. Porthaon ließ alle diese Trauerspiele sich nicht schrecken / sondern rennte dem Oenomaus hertzhafft unter Augen / versätzte auch mit dem Schilde seine Lantzen-Stöße / grief ihn also mit dem Degen an. Beyde ließen hierüber ihre Pferde hemmen / und fochten mit den Schwerdtern / gleich als wenn sie auf festem Bodem gegen einander stünden: Jeder erwieß hierinnen seine Stärcke und Geschickligkeit. Nach ziemlichen langem Streite aber verhieb sich Porthaon / welches Oenomaus ihm wol zu Nutze machte / und seinem Feinde durch einen Streich mehr als die Helffte des Halses vom Kopffe trennte. Capetus sahe mit grosser Verbitterung seinen Freund Blut und Leben ausschütten / rennte also mit grossem Eyver auf den Oenomaus loß. Dieser aber wiech ihm aus / drehte seinen Wagen auf der Stelle um / kam also dem Capetus in Rücken / und durchstach ihn von hinten zu /ohne daß er sich ihm den Tod nähern sah. Lycurgus that ein Gelübde / daß er dem Areischen Jupiter / welchem Oenomaus für seinem Kampffe allemahl opfferte / am Flusse Alpheus einen Tempel bauen wolte / da er ihm zum Siege behülflich seyn würde / hierauf rennte er mit grosser Vorsicht / und machte sich an Oenomaus mit grosser Behutsamkeit. Sie wendeten ihre Wagen als eintzele Pferde um / und fochten bald mit Lantzen / bald mit Schwerdtern / kreutzweise gegen einander. Keiner hatte auch noch dem Oenomaus mehr zu schaffen gemacht. Als Myrtilus diesen zweiffelhafften Kampff sahe / rennte er mit seinem gantz eisernen Rade mit Fleiß an das des Lycurgus /wovon es zerbrach / also daß nach dem dieser sich nicht mehr wenden konte / Oenomaus ihm einen Wurffspieß in den Nacken jagte. Hiermit kam die Reye an den Chalcadon / welchem das Hertze schon für der Todesfurcht bebte / und das Schrecken aus den Augen sahe. Daher würdigte ihn auch Oenomaus keiner Waffen / sondern im [1414] vorbey rennen erwischte er ihn bey den Haaren / zohe ihn von seinem Wagen /warf ihn zur Erde / und sprengte dreymahl mit seinen Pferden und Wagen über ihn. Tricolamus nahm dieses wahr / stellte sich daher so verzagt als Chalcadon /wie nun der gegen ihn rennende Oenomaus nach ihm greiffen wolte / zohe er den Kopff auf die Seite und verletzte ihn mit seiner Lantze an Arm. Als Oenomaus sich verwundet sahe / ward er gleichsam rasend / ergrief darmit eine knörnrichte Keule / wie die des Hercules soll gewesen seyn. Als nun Myrtilus den Wagen kurtz herum warf / und er dem Tricolomus unvermuthet auf den Hals kam / versätzte er ihm damit einen so hefftigen Streich an Schlaff / daß er vom Schwindel im Wagen zu Bodem fiel. Aristomachus ließ hiermit seine Pferde loß / in fester Hoffnung / es besser als alle seine Vorgänger zu machen. Er hatte dem Oenomaus einen Pfeil kaum auf seinen Helm geschossen / als er ihm einen Wurffspieß beym Kopffe wegjagte / und ihm mit seiner Lantze zusätzte. Die Geschickligkeit des Myrtilus / und die Geschwindigkeit seiner gelencken Pferde aber waren fähig den Oenomaus wie diß- also allemahl aus der grösten Gefahr zu reissen. Denn über diß / daß sie schneller als alle andere lieffen / im Augenblicke stille standen /und sich auf ieder Stelle im Augenblicke wendeten /hatten sie noch eben die Eigenschafft des dem Taraxippischen Neptun gebauten Altares / nemlich daß alle andere Pferde / wie behertzt sie sonst waren / dafür erschracken / und scheue wurden. Durch dieser Hülffe entwiech er allen kräfftigen Streichen des Aristomachus / und ehe dieser sich wenden konte / hatte er den Oenomaus schon auf dem Halse / welcher ihm denn von hinten zu mit seiner Lantze den Helm vom Kopffe stieß / und beym sechsten Zurennen ihm auf eben diese Weise mit dem Schwerdte den Kopff zerspaltete. Der ihm folgende Prias verlohr über dieses Helden Tode das Hertze / vergaß aller Vorsicht / ward also im ersten Rennen vom Oenomaus mit einem Wurffspieße durch die Eingeweyde tödtlich verwundet / und nach ihm Cronus mit den Händen erwürget. Aölius aber brachte noch Muth und Hoffnung in Kampff / weil er mit herrlichen Waffen / und den geschwindesten Pferden versehen war. Dahero sein und des Oenomaus Streit mehr einem Wette-Rennen ähnlich gewest wäre / wenn solches nicht die Abschießung vieler Pfeile und Wurffspieße unterschieden hätte. Aölius meynte des Oenomaus schon so lange gebrauchte Pferde zu ermüden / er wuste aber nicht /daß ie länger sie lieffen / ie flüchtiger sie würden. Nach dem sie nun alle ihre Köcher ausgeleert hatten /ergrieffen sie die Lantzen / konten aber in dreyen zusammen-Rennen einander keinen Stoß beybringen. Im vierdten aber schlug Oenomaus mit einer eisernen Keule seinem Feinde die Lantze / und mit dem andern Streiche den Arm entzwey. Also war nur Erythrus noch übrig / welchem Oenomaus das Leben zu schencken anbot / weñ er ihm schwüre an Hippodamien nicht mehr zu gedencken. Erythrus aber antwortete ihm: diß stünde nicht in seiner Gewalt / und es wäre hier nicht mehr zu handeln / sondern zu fechten. Oenomaus / welcher bey allen vorigen Gefechten keine Entrüstung hatte spüren lassen / ward hierüber voller Feuer / überfiel also den Erythrus wie ein Blitz / oder wie ein Habicht die Tauben / und nach dem er im ersten Rennen ihm seine Lantze durch die Achsel gestossen hatte / zerschmetterte er im andern ihm den Kopff / daß sein davon spritzendes Blut selbst den Sieger besudelte. Oenomaus rennte hierauf dreymahl um den Kampff-Platz / biß Hippodamia in einer Priesterlichen Kleidung herzu kam / die Tapfferkeit ihres Vaters in einem Sieges-Liede rühmte / und ihm einen Krantz von Palmzweigen überantwortete. Oenomaus befahl hierauf allen Uberwundenen die Köpffe abzuschneiden / und nach dem alle ihre Leichen mitten in ein Grab verscharret waren / [1415] ließ er auf selbten aus Rasen dem Atreischen Jupiter ein Altar bauen / und solches mit denen abgeschnittenen Köpffen besetzen. Auf diesem muste Hippodamia Jupitern drey Ochsen /und drey Wieder zum Opffer abschlachten. Hierbey ward von denen in zwey Theilen abgesonderten und gegen einander singenden Mägdlein Oenomaus wegen seiner Klugheit dem Jupiter / wegen seiner Streitbarkeit dem Mars verglichen. Hippodamia aber netzte ihre Opffer mit unzählbaren Thränen / flügelte ihr Gebete mit wehmüthigsten Seuffzern. Denn es gieng ihr nicht allein durch Hertze / daß ihrentwegen so viel edles Blut verspritzet ward / sondern sie verlohr auch numehr alle Hoffnung / von iemanden mehr geliebt zu werden / nach dem so vielen ihre Liebe zum Todten-Bette worden wäre. Sie hätte ihr auch für Verzweiffelung das Opffer-Messer in die Brust gestossen / wenn sie nicht unter den vielen Zuschauern ungefehr den Pelops erblicket hätte / welcher von ihr schon lange Zeit kein Auge verwandt hatte. Dieses hielt sie nicht allein zurücke / sondern sie konte sich an ihm nicht satt sehen / also daß sie ihrer selbst / und des Opffers darüber vergaß / und sie / daß nun alles zu Ende wäre / erinnert werden muste. Hierauf verschwand dieser Kampff-Platz / und verwandelte sich in Tempel der Venus. In dessen Schiffe oder unterm Theile lag Pelops auf den Knien / für dem Altare / wo das aus Golde und Helffenbein vom Phidias gemachte Bild der Venus auf einer Schnecke stand / klagte der Göttin seine hefftige Liebe gegen Hippodamien / und flehete sie um Beystand an / gelobete ihr auch / daß /da sie seinen Wunsch bekleiben ließe / er ihr Bild aus einem lebenden und grünenden Myrten-Baume machen lassen wolte. Inzwischen ließ er ihr ein grosses wildes Schwein / dessen hauende Zähne weit vorgiengen / wegen des von ihm ermordeten Adonis opffern /und zugleich Milch / Honig und Wein den Priestern abliefern. Wie Pelops nur sein Opffer vollendet hatte /ward er gewahr / daß auf der Neben-Seite des Tempels einer für dem Altare kniete / wo Venus auf einem Bocke riett / als welche nur das gemeine Volck anruffen dorffte / seine Seufftzer waren sehr durchdringend / und das Gesichte solte ihm bekandt seyn. Dieses veranlaßte den Pelops / daß er hinter den viereckichten Stein trat / damit Venus auch abgebildet wird /und auf sein Vorhaben Achtung gab. Als dieser betende sich nun aufrichtete / und mit einer Schale voll ausgeschütteten Weyrauch das auf dem Altar brennende Feuer heller machte / erkennte ihn Pelops für des Oenomaus Fuhrmann Myrtilus / hörte ihn auch folgendes gegen dem Altare singen:


Des Oenomaus Siege sind

Richt Früchte seiner Kunst und Stärcke;

Weil ich verliebt bin in sein Kind /

Verricht ich solche Wunderwercke.

Er erndtet aber Ruhm / und ich nur Brunst und Pein /

Trag also ihm / nicht mir / wie Bienen Honig ein.


Die Pferde gehn mir zu der Hand;

Sein Glücke führ ich an der Schnure.

Wiewol gleich frembde sind gewand /

So beben sie auf meiner Spure.

Wer nur mein Gleiß berührt / verliehrt Verstand und Muth /

So liefer ich / nicht er / der Rache so viel Blut.


Lenckt ich / Hippodamia nicht /

Des Oenomaus Roß und Wagen /

So wär' ihm längst verlescht sein Licht /

Du würdest frembde Fessel tragen.

Nun deine Freyheit denn von mir kommt wie sein Heil

Wer hat mehr Recht als ich / an deiner Liebe Theil.


Solt ich nur einmahl wider ihn

Von seinen Feinden einen führen.

Wie bald würd' er den kürtzern ziehn /

Sich und sein schönes Kind verlieren.

Ist meine Tugend nun nicht seiner Tochter werth /

Die mit so grosser Brunst noch niemand hat begehrt?


Ich wil Hippodamia dir

Für Weyrauch Seel' und Hertz anzünden.

Du wirst dein Heiligthum ia mir

Und ich in dir den Himmel finden.

Der Liebe Siegs-Krantz wird mich wie der Tugend ziern /

Traut ich den Wagen doch der Sonne mir zu führn.


[1416]

So rege Venus nun den Sinn

Hippodamiens / meine Hände:

Daß mich die Tochter lieb gewinn /

Und ich zum Styx den Vater sende.

Weil man ihr Lieben soll verdienen durch sein Blut /

Gib mir nun klugen Rath / sprich mein Beginnen gut.

Diesem antwortete eine andere singende Stimme:

Es ist Hippodamia zwar

Mein Augen-Apffel / mein Vergnügen;

Kein Mensch wird ohne viel Gefahr /

Sie auch zu seiner Beute kriegen.

Geh aber zwantzig mahl andächtig um mein Haus;

Denn wil ich offenbarn / ob etwas wird daraus.


Myrtilus erhob sich / und tantzte mit Freuden zum Tempel hinaus / worauf denn Hippodamia hinter dem Altare herfür kam / für selbtem nieder kniete / und zu singen anfieng:


Verzeih' es holde Göttin mir:

Daß ich so einem geilen Knechte

Statt deiner sage Lügen für.

Irion ward geäfft um Rechte /

Als er ein Wolcken-Bild an statt der Juno küßt;

Wie soll nicht straffbar seyn / was sich mein Knecht vermißt?


Ich stamme von den Göttern her /

Und dieser Sclave darff mich lieben?

Er muß gestürtzt seyn in das Meer /

Diß Urthel ist ihm schon geschrieben.

Laß aber ihn vorher o Mutter! süsser Pein!

Ein Werckzeug meines Heils / und meiner Liebe seyn.


Weil Oenomaus dich so haßt /

Und alle meine Buhler tödtet /

Hastu gerechten Zorn gefaßt;

Daß dein Altar sein Blut anröthet.

Weil nun mein eigen Blut geht seinem Blute für /

Wil durch den Myrtilus ich dieses opffern dir.


O grosse Hertzens-wenderin!

Was thut man nicht für grossem Schmertze?

Wol leitet Lieb und Brunst mich hin?

Mir ist gepregt ein Bild ins Hertze.

Das meines Vaters Grimm die Zeit nicht tilgen kan /

Ich brennte / da ich es nur einen Blick sah an.


Ach! aber / wirstu mich diß Bild

Noch einst mein Tage sehen lassen?

Doch / kan mein Wunsch nicht seyn erfüllt;

So laß im Traume michs umfassen

Doch / was sind Träume? nichts. Ich lieb / ich weiß nicht wen?

Laß Göttin nur einmahl mich meinen Liebsten sehn.

Pelops ward durch Hippodamiens annehmliche Stimme aufgemuntert / daß er ihr singende antwortete:

Hilff Himmel! welch ein Sonnenschein

Bestrahlt die düsternen Gewölber?

Soll diß Hippodamia seyn?

Wie / oder ist es Venus selber?

Von wessen Liebe singt sie mit so grosser Brunst?

Ach! war' es Pelops! nein! du heuchelst dir umsonst;


Nein! Pelops / lasse dir nur nicht

So süsses Glück und Lieben träumen!

Jedoch der Göttin Angesicht

Scheint mir noch Hoffnung einzuräumen.

O Göttin! mahle mich ihr schöner als ich bin /

Flöß ihr ins Hertze Lieb' / Erbarmung in den Sinn.

Hippodamia wendete sich gegen dem Pelops / sahe ihn mit starren Augen an / und fieng an zu singen:

O Göttin! wer bezaubert mich?

Welch Schall durchdringt mir Marck und Beine?

Wen hör' und seh' / O Himmel / ich?

Werd' ich / wie Niobe / zum Steine?

Ist diß des Helden Geist den meine Seele liebt?

Und der sein Feuer mir selbst zu verstehen giebt.

Pelops ward hierüber gleichsam verzückt / antwortete ihr aber:

Er ist dein Pelops selbst / der sich

Zu deinem Knecht und Sclaven giebet.

Hippodamia versätzte:

Wie sehr beglückt der Himmel mich!

Daß mich der tapffre Pelops liebet.


Pelops fiel ein:

Er opffert dir sein Hertz / dem Könige sein Blut.
Hippodamia aber tröstete ihn damit:
Sein Kind sorgt für dein Heil. Faß' also kecken Muth.
Pelops seuffzete / und fieng an:
Mein Tod wird mir verzuckert seyn /
Werd' ich in deiner Hold erblassen.
Hippodamien aber fielen die Thränen über die Wangen / und sie sang fort:
[1417]
Du äschertest mit dir mich ein /
Ich würde deine Leich' umfassen /
Um in der Todten Grufft zu werden deine Braut /
Doch leidet keiner Noth / der wahrer Liebe traut.
Hiervon wil ich ein Beyspiel dir /
Das keine Welt gesehn hat / zeigen.
Die Kinder-Lieb' erlescht in mir
Um dir den Himmel zuzuneigen.
Du magst behertzt in Kampff mit meinem Vater gehn /
Dein Neben-Buhler wird auf deiner Seite stehn.

Mit noch viel andern Liebes-Betheuerungen fuhren sie gegen einander fort / und endlich drückten sie solche auch in einem zierlichen Tantze aus / welchen aber des Myrtilus Eintrit in den Tempel abschnitt /und den Pelops hinter seine viereckichte Venus / Hippodamien aber hinter voriges Altar zu weichen nöthigte. Als dieser nun der Göttin seine verrichtete Andacht hinterbrachte / und von ihr beschieden zu werden bat / kriegte er von der versteckten Hippodamia folgenden Bescheid:


Dein Lieben bleibet Eitelkeit /

So lang' als Oenoma wird siegen.

Soll er nun fallen durch den Streit /

Mustu mit einem Helden pflügen /

Der eine Achsel hat von klarem Helffenbein /

Und Phrygisch Gold dir schenckt. Diß soll dir's Zeichen seyn.


Myrtilus welcher diese Antwort für eine Göttliche Wahrsagung hielt / und dessen Hoffnung sie so weit ausdehnte / als sich seine thörichte Liebe erstreckte /neigte sich gegen dem Bilde der Venus dreymahl zu der Erde / gieng also mit vollen Freuden dem Thore des Tempels zu; Allwo ihm der diß alles hörende Pelops gleichsam ohngefähr begegnete / und ihm ein ziemlich Stücke Gold / darauf die Göttin Cybele mit ihren Thürmen / auf der andern Seite ein mit Datteln behangener Palm-Baum / und darunter ein Adler gepregt war / überlieferte / mit Bitte / er möchte ihm von der Art der Göttin Venus zu opffern / Unterricht geben. Myrtilus betrachten dieses Goldstücke / und als er die Phrygische Göttin darauf erblickte / erbot er sich mit höflichster Freundligkeit ihm in allem zu dienen. Er fragte ihn auch / ob er dieses Opffers halber dahin kommen wäre / und woher? welchem Pelops das erste verjahte / und daß er aus Phrygien käme berichtete. Endlich sagte er ihm gleichsam aus grossem Vertrauen: er wäre Pelops / dessen Achsel die Göttin Ceres verzehret / und er dafür eine Helffenbeinerne bekommen hätte. Als Myrtilus diß vernahm / erwieß er ihm alle ersinnliche Ehrenbezeugung / und trug ihn gleichsam auf den Händen / bat auch um Verzeihung seines Vorwitzes / daß er die eigentliche End-Ursache seiner Dahinkunfft und Andacht zu erkundigen sich erkühnte. Pelops entdeckte ihm: daß er die schöne Hippodamia von der Grausamkeit ihres Vaters erretten / und sie in die Freyheit zu lieben / wen sie wolte /versätzen wolte. Myrtilus preisete singende diesen Vorsatz für ein nicht weniger heiliges und einen so grossen Helden anständiges Werck / und / weil er des Oenomaus Fuhrmann wäre / könte und wolte er ihm zum Siege nicht weniger beförderlich seyn. Alleine das Mittel darzu dörffte noch einer Uberlegung. Pelops solte für Berathung eines so wichtigen Werckes vor opffern / unterdessen wolte er der Sache nachdencken. Pelops wolte geraden Weges sich zu dem mitlern Altare verfügen / Myrtilus aber führte ihn zu seinem vorigen / dessen Bild in heilsamen Wahrsagungen bewehret / und von ihm selbst geprüfet wäre. Pelops verrichtete nach des Myrtilus Anweisung seine Andacht / und bekam diese Antwort:


Kein Schulter-Blat aus Helffenbein /

Kein Göttlich Blut / kein groß Gemüthe

Kan dir gewünschten Sieg verleihn;

Des grossen Fuhrmanns treu Gemüthe

Besiegt den Feind allein / dämpfft seine Zauberey /

Macht aus der Dienstbarkeit Hippodamien frey.


Pelops stellte sich über dieser Wahrsagung sehr vergnügt / kehrte zum Myrtilus / und sagte ihm nebst vielen andern Heucheleyen / daß er solche [1418] von niemanden anders / als ihm auslegen könte / und daß die Götter ihn sonderlich zu einem so grossen Gehülffen geführet hätten. Myrtilus konte sich für aufblasender Hoffart kaum mehr begreiffen / iedoch erbot er sich den Oenomaus ihm zu Liebe zu stürtzen. Hierzu aber könte er sich nicht entschlüssen / wenn er ihm nicht durch einen Eyd verspräche diß zu gewehren / warum er ihn bitten würde. Pelops stutzte hierüber / und verlangte sein Begehren für geleistetem Eyde zu wissen /weil aber Myrtilus diß verweigerte / schwur Pelops beym Geiste seines Vaters Tantalus: er wolte diß thun / was Myrtilus verlangte. Hierauf begehrte er / daß Pelops Hippodamien ihm vermählen / oder wenn er sie ja selbst zu heyrathen Lust bekäme / ihr die erste Nacht beyzuschlaffen verstatten solte. Pelops hörte des Myrtilus vermässenes Begehren mit gröstem Verdruß / er verdrückte aber seine Verbitterung / und antwortete hieraus: Es ist geschworen. Myrtilus warnigte hiermit den Pelops / er solte mit dem Oenomaus nicht auf seiner Rennebahn / sondern in einem Felde an dem Flusse Alpheus kämpffen. Denn auf jenem wäre der von ihm überwundene Marmaces beerdigt / und diß Grab hätte die Eigenschafft / daß darbey alle frembde Pferde scheue würden. Pelops danckte dem Myrtilus für so offenhertzige Nachricht / versprach ihm auch Königliche Geschencke / und daß er zu seiner Vergnügung / weil es ihm nur um die Ehre zu thun wäre / alles eusserste beytragen würde. Myrtilus schwur hiermit bey allen Geistern der vom Oenomaus ermordeten Helden / daß er den Oenomaus von seinem eigenen Wagen stürtzen / und an statt der eisernen wächsene Nägel für die Räder in die Axen stecken wolte. Pelops lobte seine Scharffsiñigkeit / und versiegelte sein Versprechen mit noch drey Phrygischen Goldstücken. Dem Myrtilus aber / wie er sich aus dem Tempel wolte begeben / begegnete Hippodamia / redete ihn lächelnde an / und sagte ihm: Ihr hätte geträumet / sie wäre die angefesselte Andromeda / er aber hätte wie Perseus sie von dem grausamen Meerwunder erlöset. Welches dem Myrtilus vollends den grösten Hochmuth einsänckte / und ihr zu antworten verursachte: daß er ihr folgenden Tag diesen Traum wahr machen wolte. Nach dem Myrtilus nun weg war / kamen Pelops und Hippodamia mit den freundlichsten Liebes-Bezeigungen wieder zusammen / und hegten mit einander einen annehmlichen Tantz /zwischen welche Cymothoe ihre vertraute Gespielin folgende Reymen sang:


Was hat der Aberglaube nicht

Für Macht in menschlichen Gemüthern!

Man sieht für seinem falschen Licht

Offt Helden und Cyclopen zittern.

Sie nimmt mit Finsternüß Verstand und Sinnen ein /

Und blendet die / die sonst scharffsichtige Luchse seyn.


Sie macht: daß Hasen Löwen sind;

Daß Zwerge Riesen sich bedüncken;

Daß Pan Dianen lieb gewinnt /

Wie sehr er mag nach Böcken stincken.

Sie bildet einem Knecht' in seine Fantasey /

Der Mohnde sey sein Weib / und schlaff' ihm ehlich bey.


Daß einer der die Geissel führt /

Sich meynt mit Kronen zu vermählen;

Und Königen an Zepter rührt /

Sich unter Helden pflegt zu zehlen.

Daß ein Thersites beut Achillen Freundschafft an /

Und diß für Wahrheit hält / was ihm kaum träumen kan.


Das Gold / der grosse Gott der Welt /

Das aller Menschen Hertz besitzet /

Das Recht und Macht zu Bodem fällt /

Das mehr als Stahl verletzt und schützet.

Das alle Schlösser sprengt / und Felsen reißt entzwey /

Kehrt Eyde / Treu und Pflicht zwar in Verrätherey.


Der Aberglaube aber bricht

Diß und der Freundschafft-Band in Stücke;

Stürtzt Fürsten / schont der Götter nicht /

Ja zieht's Verhängnüß selbst zurücke.

Der Ausgang aber lehrt: daß Meyneyd Hörner trägt /

Daß Untreu seinen Herrn / Betrug den Stiffter schlägt.


Hiermit nahm Hippodamia vom Pelops Abschied / er aber gab seinem Gefärthen dem Eurylachus [1419] einen an den Oenomaus gefertigten Ausforderungs-Zettel / und eine vom Thebanischen Amphion empfangene Wurtzel. Jenen solte er dem Oenomaus einliefern / darinnen mehr nicht enthalten war / als daß er aus bloßer Erbarmnüß Hippodamien in die Freyheit der Liebe versätzen wolte. Die Wurtzel aber / welche des Oenomaus Pferde schichtern machen würde / solte er auf das an dem Flusse Alpheus gelegene und zum Streite benennte Feld vergraben lassen. Der Tempel verwandelte sich hierauf in ein lustiges zwischen der Schlangen-weise fließenden Cladeischen Bach / liegendes Feld. Sie Sonne gieng an selbtem blutroth auf / sein Geist stieg daraus auf das Ufer / und beklagte / daß diesen Tag sein Wasser mit seines Königes Blute getrübet werden solte. Worauf sich ein dürres und runtzlichtes Weib auf den Platz fand / welche in die Erde einen Kreiß mit viel zauberischen Zeichen machte / die wunderbaren Tugenden der Kräuter rühmte /und endlich mit vielen Seegen-Sprüchen Amphions Wurtzel in die Erde grub. Kurtz hierauf fand sich eine grosse Menge Volckes aus der Stadt Pisa und selbst Hippodamia auf einem güldenen Wagen dahin. Myrtilus brachte bald darnach den König Oenomaus mit seinen gewöhnlichen Pferden auf dem eisernen Wagen dahin. Er fuhr aber nicht allein sehr langsam / sondern die Pferde / so bald sie auf den Platz kamen / schienen allen ihren vorigen Muth zu verliehren. Pelops hingegen that sich mit vier Perlen-weissen Hengsten herfür / und erklärte sich alsbald / daß die nicht weniger gerechte als schöne Hippodamia das Urtheil / wer unter ihnen für den Sieger zu halten seyn würde / fällen solte. Als Oenomaus den Pelops erblickte / schoß ihm alsbald das Blat / gleich als wenn er schon vorher sähe / daß das Verhängnüß diesen zu seinem Uberwinder erkieset hätte. Er rückte aber gleichwol näher zum Pelops / und nach dem er ihn eine gute Weile angesehen hatte / fragte er ihn: Ob er mit ihm um den Siegstreiten / oder in die Wette rennen wolte? Pelops antwortete: Er wäre zu beyden fertig / stellte also die Wahl in des Oenomaus Willkühr. Oenomaus erwehlte das Rennen / und befahl daß Hippodamia zum Pelops auf den Wagen steigen solte. Als diß vollzogen und das Zeichen zum Rennen gegeben war / ließen sie beyderseits den Pferden den Ziegel schießen. Des Oenomaus Pferde aber waren nicht weit kommen / da sie zu kollern anfiengen. Kurtz darauf fuhr das eine Rad von der Axe herab / und der umschlagende Wagen warf den Oenomaus mit dem grösten Ungestüme wider einen grossen Stein / an welchem er die Hüffte zerschmetterte / und sich an dem Kopffe tödtlich verwundete. Der ihm weit zuvor gekommene und zurück sehende Pelops kehrete mit Hippodamien um /und fand des Oenomaus Wagen ihm auf dem Halse liegen / seine Pferde zitternd und bebend / und ihn selbst voller Blut und in erbärmlichem Zustande. Pelops sprang eilends von seinem Wagen / und zohe den König unter seinem hervor / welcher aber kein Wort sagte / biß er die ihres Rades beraubete Axe wol betrachtet hatte. Wie er nun an statt des Eisens das durchgehende Loch mit Wachse gefüllet fand / wendete er sich zum Myrtilus / und verfluchte ihn als den ärgsten Verräther seine Herren und Wolthäters / hernach erklärte er den Pelops zu seinem Uberwinder /und sagte: daß er denen gerechten Göttern / welche seinen Ubermuth / und seine gegen das Verhängnüß verübte Widersätzligkeit zu straffen genungsame Ursache gehabt hätten / grossen Danck schuldig wäre: daß sie ihn von einem so tapfferen Helden hätten besiegen lassen. Er würde auch so viel vergnügter die Seele ausblasen / wenn Pelops Hippodamien für den Preiß seines Sieges anzunehmen nicht verschmähen würde. Pelops nahm diese Erklärung zu hohem Dancke an / küßete ihm die Hand / und Hippodamia die Knie. Die dazu kommenden Griechen sahen dieser[1420] seltzamen Veränderung / theils mit Mitleiden / theils mit Verwundern zu / und müheten sich ihres Königes Wagen zu ergäntzen / um ihn darauf nach Pisa zu führen. Aber Oenomaus weigerte sich auf den Wagen gehoben zu werden / welcher sein Fallbrett / und seine Baare gewest wäre / sondern verlangte / Pelops solte ihn auf seinem Wagen zu seinem an dem Cladeischen Bache bestimmten Grabe führen / wo er seine fürnehmste Stütterey / und die gröste Lust seines Lebens gehabt hätte. Also nahmen ihn Pelops und Hippodamia zu sich / er starb aber kurtz darauf / nach dem er den Pelops bey dem Geiste seines Vaters Tantalus beschworen hatte: Er solte am Myrtilus seine verrätherische Untreue rächen. Hierauf ward Oenomaus verbrennet / und seine Asche in ein prächtiges Grab verwahret. Endlich verwandelte sich der Schauplatz / und stellte den Einfluß des Flusses Alpheus in das Meer und den Lust-Wald Dianens mit einem Königlichen Lusthause / und darbey ein Altar der Venus für. Pelops und Hippodamia opfferten daselbst / danckten der Göttin in einem Lobgesange / und wurden von ihrem Priester mit einander vermählet. Hierauf hegten sie mit einander zwischen vier und zwantzig mit Fackeln gerüsteten Liebes-Göttern einen zierlichen Braut-Tantz. Nach diesem kamen Bacchus und Ceres und führten die Vermählten zu einer wolbereiteten Taffel / bey welcher die Satyren und Bacchen aufwarteten / die neun Musen aber das Lob des Pelops und Oenomaus sangen / und ihren göttlichen Ursprung /weil jener den Jupiter / dieser den Mars zum Groß-Vater hätte / heraus striechen / und von ihrer Herrschafft und Nachkommen viel gutes wahrsagten. Die Mahlzeit ward abermahls mit unterschiedenen Täntzen abgewechselt. Endlich erschien Hymen / gebot dieser Lust einen Stillestand / und deutete ihnen an: es wäre nun Zeit ins Braut-Bette / welches er unter eitel Myrten-Bäumen in Gestalt eines Zeltes am Ufer des Meeres bereitet hatte. Pelops und Hippodamia folgten dem ihnen mit einer Fackel vorleuchtenden Hymen. Als sie nun nahe ans Bette kamen / kroch Myrtilus aus dem Gepüsche herfür / zohe den Pelops rückwerts beym Arme / und erinnerte ihn seines endlichen Versprechens. Pelops fragte: in was diß bestünde / als Myrtilus nun antwortete / daß er ihm versprochen hätte / die erste Nacht ihm Hippodamiens Beyschlaff zu verstatten. Pelops versätzte: diß wäre eine Unwahrheit. Denn er hätte ihm nur geschworen diß zu thun / was Myrtilus verlangte. Wenn er nun selbst bey Hippodamien schlieffe / thäte er / was Myrtilus verlangte / und wäre seines Eydes loß. Er erinnerte sich aber nun eines andern Eydes / den er dem Oenomaus geleistet hätte / nemlich / daß er die an ihm verübte Untreue an dem Myrtilus rächen wolte. Hiermit er grief er den Myrtilus / eilte mit ihm / seines Geschreyes ungeachtet / nahe zum Meere / und ersäuffte ihn darinnen. Bey der Rückkehr legten sich Pelops und Hippodamia zusammen / Hymen zohe die Vorhänge für / die Musen aber rühmten in einem lieblichen Gesange die Gewalt und Süssigkeit der Liebe / darinnen dieses der Schluß war:


Wenn so viel Zucker wär' als Schnee /

Und so viel Bienen als der Fliegen;

Wenn alle Berge Hyblens Klee

Und des Hymettus Kräuter trügen /

Aus allen Eichen trieff' ein Honig von Athen /

Und man auf Dörnern nichts / als Feigen sähe stehn.


Wenn Milch in allen Strömen flüß' /

Und Reben-Safft aus allen Qvellen;

Wenn alle Schleen wären süß' /

Im Meere lauter Nectar-Wellen.

Wenn nur Jasminen-Oel der Wolcken Nässe wär' /

Der Mohnde nichts als Thau von Zimet flößte her.


Wenn die Gestirne schwitzten Safft /

Der Würtz' und Balsam überstiege.

Und dieser Süßigkeiten Krafft

In einen Geist und Kern gediege.

So würde dieser doch bey Liebe Wermuth seyn /

Denn diese zuckert auch das bittre Sterben ein.


[1421] Hiermit verschwand in einem Augenblicke alles / und der Schauplatz erschien / wie er vom Anfang gewest war. Die Staats-Klugheit lag für der Liebe auf den Knien / und machte diesem Schauspiele durch folgende Demüthigung ein Ende:


Verzeihe grosse Göttin mir:

Daß ich so frech und so vermessen

Mich habe widersetzet dir.

Ich hatte Maaß und Ziel vergessen /

Und an den Aberwitz der Hoffart nicht gedacht /

Die ihre Rechnungen nach langer Elle macht.


Die Klugheit bildet ihr zwar ein /

Der Erdkreiß ruh' auf ihren Händen;

Daß ihre Augen Angeln seyn

Um die sich muß der Himmel wenden.

Wenn aber sich die Lieb ihr an die Seite macht /

Ist dies' ein Tages-Licht / die Klugheit nur der Nacht.


Sie leschet aus für deiner Glut

Als wie ein Stern für Sonn' und Tage.

Und hält / wenn sie gleich Wunder thut /

Der Liebe Kurtzweil nie die Wage.

Wenn sie der Liebe Garn ist zu zerziehn gesinnt /

Verstrickt sie sich nur selbst in einen Labyrinth.


Sie bähnt durch Widersetzligkeit

Ihr nur den Weg zu ihrer Baare.

Weg! also weg! Vermässenheit!

Ich finde mich nun zum Altare

Der Liebe / zünd' ihr Oel und fetten Weyrauch an /

Die alle Finsternüß in Licht verwandeln kan.


Die Amm' und Mutter aller Welt /

Die alles muß zusammen fügen /

Die die Natur im Wesen hält /

Und bey ihr lag in ersten Wiegen.

Die Ertzt und Bäume blühn / die Wurtzeln käumen läßt /

Den Thieren Regungen / den Sternen Krafft einbläßt.


Die Himmel / Hölle / Erd und Meer /

Durch ihren Knoten knüpfft zusammen /

Und ohne die der Welt-Kreiß leer /

Die Sterne wären sonder Flammen.

Von der / was schön und gut den wahren Ursprung hat

Die mit dem Fusse dreht / der Parcen Glückes-Rad.


Die Hertzen flößet Anmuth ein /

Der Sonne Glut / und allem Leben /

Muß ja der Weißheit Mutter seyn /

Und klugen Geistern Regung geben.

Schöpff' ich nun meine Schätz' aus ihrem Brunnen her

Was brauch ich gegen sie fruchtlose Gegenwehr.


Ich unterwerffe Göttin mich /

Mein Haupt leg' ich zu deinen Füssen.

Von nun an werd' ich wider dich

Zu kämpffen nimmer mich entschlüssen.


Die Liebe gab hierauf der Staats-Klugheit einen annehmlichen Blick / und beschloß ihren Gesang / und das gantze Schauspiel mit folgenden Reimen:


Wenn Klugheit wird ihr Saltz in Liebes-Zucker streu'n

Wird diese stets verschmitzt / und beyde glücklich seyn.


Hiermit erhob die Liebe mit ihrem Wagen sich empor / und verbarg sich in eine annehmliche Wolcke / welche sich über die gantze Rennebahn ausbreitete / das Schau-Gerüste verdeckte / und alle Zuschauer mit einem wolrüchenden Balsam-Thau erqvickte. Mit diesem Schlusse brach die Morgenröthe zu aller Verwunderung herfür / weil die Annehmligkeit ihnen die sonst bange und langweilige Nacht ihnen so sehr verkürtzt hatte. Gantz Maroboduum wuste nach hingelegtem Schlaffe von nichts anderm als diesem Schauspiele zu reden / derogleichen noch nie bey den Marckmännern gesehen worden war. Die Scharffsinnigen aber müheten sich den geheimen Verstand / welchen der nachdenckliche Vannius unter diesem Schauspiele wol anzielte / zu erforschen. Ihrer viel machten daher diese Auslegung / daß unter dem Oenomaus König Maroboduus / unter Hippodamien Adelgunde / unter dem Pelops Vannius / und unter dem Myrtilus Adgandester mit seiner vermässenen Liebe / und seinem daher theils rührenden / theils noch bevorstehendem Falle abgebildet würde. Andere deuteten es anders aus / also / daß hier ebenfals nicht weniger Urtheile fielen / als Köpffe vorhanden waren / und jeder sich am tieffsten in frembder Gedancken Geheimnüsse zu sehen / sich bedüncken ließ. König Vannius hielt nach Mittage ein prächtiges Gastmahl / bey welchem König Marbod / Adelgunde / Ingviomer / Boleßla /Britomartes / alle Botschaffter und Grossen des Reiches / zugegen und alle Seltzamkeiten des Qvadischen Reiches in Uberfluß [1422] verhanden waren. Dieses währete so lange / als der Tag / mit der anbrechenden Finsternüß aber ersuchte Vannius alle seine Gäste nunmehr auch auf seinem Schauplatze den Sieg der Liebe über die Keuschheit anzuschauen.

Als diese grosse Versa lung auf der Renne-Bahn wider ihre Stellen eingenommen hatte / eröffnete sich der Schauplatz / und stellete eine Landschafft mit Wäldern / Püschen / und in der Mitte einen Tempel Dianens für. Diese Göttin kam auf einem mit zwey Hirschen gezogenen Wagen / welcher auf allen Seiten mit ihren in eitel grünen Damast gekleideten mit Jäger-Hörnern und Spießen ausgerüsteten Nymphen umgeben war. Hinter ihr brachte man viel gefällte Hirsche / Rehe / wilde Schweine / Wölffe / Füchse /Hasen / und alle fast nur ersinnliche Sorten des geschlagenen Wildes geführt. Dieses ward alles für den Tempel Dianens ausgebreitet / bey welchem ihre Nymphen ihre Diana und ihre Keuschheit in folgendem Liede preiseten:


Diane / welche Höll und Nacht

Mit ihrem Silber-Horn erleuchtet /

Die Berg' und Thäler fruchtbar macht /

Die dürstenden Geschöpffe feuchtet.

Verbindet zwar der Welt durch so viel Gutthat ihr /

Doch ihre Jungfrauschafft geht allem Lobe für.


Die andern Götter können nicht

Sich frembder Lieb' und Hülff entschlagen.

Nur sie vergnügt ihr eigen Licht

Und weiß von keinen bangen Tagen.

Sie kürtzt mit Lauff den Weg / und mit der Jagt die Zeit /

Sie findet Ruh in sich / und Lust in Einsamkeit.


Sie lacht der Juno Eyversucht /

Wenn Zevs für Brunst als Bock erscheinet.

Wenn Mulciber den Mars verflucht /

Dion' um den Adonis weinet.

Sie heget keinen Wunsch / der ihr nicht wird gewehrt /

Weil sonder Treffen ihr kein Spieß und Pfeil entfährt.


Was für ein knechtisch Stand ist doch

Derselben / die Begierd und Liebe

Hat angepflöcket an ihr Joch!

Die helle Lufft ist ihnen trübe.

Die Sonne selbst dünckt sie ein schwartzer Stern zu seyn /

Weil ihr Gemüthe stets hüllt Furcht und Nebel ein.


Die Sehnsucht frißt ihr lüstern Hertz /

Diß schlägt wie Amboß' ihre Brüste.

Ja ihr Vergnügen hecket Schmertz

Und kehrt in Wermuth ihre Lüste.

Wo Hoffnung Taffel nicht bey leeren Schüsseln hält /

So wird durch Eckel doch ihr Honigseim vergällt.


Sie wachen / wenn sie schlaffen ein;

Weil sie sich stets mit Träumen qvälen.

Sie friern bey warmen Sonnenschein;

Weil sie sich stets mit Furcht vermählen.

Ihr Geist schwimmt in der Angst / ihr Sinn ist unbestand /

Das Aug' in Thränen-Satz / die Seel in Höllen Brand.


Wie seelig aber! die ihr Heil

Durch schnöde Lust in Wind nicht schlagen!

Die nicht der Liebe strenges Seil

Wie Schlacht-Vieh an den Hörnern tragen!

Ach! welch ein Schatz ist doch ein ungefässelt Sinn!

Der der Begierden Frau / der Männer Königin.


Wie seelig! die sich über List

Treuloser Buhler nicht beschweret!

Die keine geilen Lippen küßt!

Sich nicht durch stille Glut verzehret!

Der nie kein eyvernd Mann Leib und Gemach verschleust /

Und minder Freyheit nicht / als frische Lufft geneust.


Die schöne Phryne wird ein Aas /

Und Lebens Schwanen-Kind zum Raben;

Weil sie in Eitelkeit kein Maas

Im Hertzen nichts als Unflat haben.

Die aber Brunst nicht steckt / kein Kitzel nimmet ein /

Bleibt unter Mohren-Haut doch Schwanen-weiß und rein.


Wie hoch beglücket sind nun wir

Bey unser Jungfrauschafft zu schätzen /

Die wir Diana / wiedmen dir /

Die Wollust jagen / Hirsche hetzen /

Es wagt kein geiles Aug' uns iemahls zu versehrn /

Weil sie Acteons Hund' um sich stets bellen hörn.


Wer für sich selbst nun sicher ist

Kan anderer Versuchung lachen.

Wer unsre Einsamkeit erkiest /

Darff ihm für nichts nicht Kummer machen;

Man ist sein eigen Schatz / und fast den Göttern gleich

Die Tugend unser Zweck und unser Königreich.


Wir mühn durch zaubernde Gestalt

Niemandens Augen zu verdüstern;

Uns aber sättigt Wild und Wald /

Kein irrdisch Abgott macht uns lüstern.

[1423]

Weil Jungfrauschafft in sich so viel Vergnügung hegt:

Daß sie / wie GOtt / nach nichts Wunsch und Verlangen trägt.


Nach geendigtem Gesange hielten diese Nymphen einen zierlichen Tantz / in welchem sie Dianens Flucht für dem sie verfolgenden Alpheus und seine Verwandelung in einen Fluß fürstellten / zu letzt aber ihr ein Altar von Rasen aufrichteten / und bey selbtem Dianen auf einen Königlichen Stul erhoben. Die von Stärcke und Geschwindigkeit ihrer Füsse berühmte Atalanta kam zu diesem Altare / brachte mit sich eine lebende Hindin / opfferte sie Dianen / verlobte sich ihr zu ewiger Keuschheit / da sie sie wider die Gewalt ihres Vaters Schöneus / welcher sie wider Willen verheyrathen wolte / in Schutz nehmen könte. Diana versprach ihr ihren Schirm / beschenckte sie auch mit ihrem Bogen und Spisse / worauf Dianens Nymphen sie zu ihrer Schwester annahmen / mit ihr in einem Tantze die vergebene Liebe des Königs Minos gegen die Britomartis und ihre Abstürtzung ins Meer abbildeten. Zu diesem Tantze kam ihr Vater Schöneus mit vielen Satyren und wolte mit ihrer Hülffe seine Tochter Atalanta wegführen. Die Nymphen grieffen alle nach ihren Jäger-Spissen / und zur Gegenwehre. Diana aber verbot ihnen den Gebrauch der Waffen /und reichte Atalanten ihr Bild / wie sie zu Pellene verehret wird / zu / mit Versicherung / daß dieses sie wider alle feindliche Gewalt schützen würde. So bald nun Atalanta solches dem Schöneus und den Satyren vorhielt / geriethen sie in Raserey / und fielen einander selbst wie wütende Hunde so lange an / biß sie sich damit von ihnen abwendete / wofür aber alle Bäume ihre Blätter einbüßeten. Also ward der verwundete Schöneus mit seinen Satyren zu weichen gezwungen. Hierauf verwandelte sich der Schauplatz in ein waldichtes Gebürge / bey welchem Atalanta viel Arcadische Jungfrauen beredete / mit ihr zu jagen /und sich wie sie / Dianen zu verloben. Zu welchem Ende sie denn ihnen folgendes Lob der Jagt vorsang:


Wie vielerley Ergetzligkeit

Die Menschen ie erfunden haben /

Kürtzt keine besser nicht die Zeit /

Und keine kan mehr Leid vergraben /

Als wenn man Menschen nicht den meisten Abbruch thut /

Und seinen Stahl sänckt ein / in wilder Thiere Blut.


Die Spiele beym Olympus sind

Zwar die Vergnügung Griechischer Jugend /

Die allen Völckern abgewinnt /

Ihr Kampff ein Wetzstein ihrer Tugend.

Man hält von Ubungen des Pythius auch viel /

Die Jagt ist aber Ernst / und jenes nur ein Spiel.


Sie ist zwar Kurtzweil / doch ein Krieg;

Nur daß er nicht auf Menschen wütet.

Durch sie erlangt die Unschuld Sieg;

Die eben wie Alcides schüttet

Den Zorn auf Schlangen aus / und Ungeheuer fällt /

Die nur in Wüsteney verkehren Wald und Welt.


Was kan erwecken grösser Lust /

Als wenn man Löw' und Drachen tödtet?

Den Spiß jagt durch der Bäre-Brust /

Die Faust in Luchs und Wölffen röthet.

Die Gemßen übersteigt / die Elephanten zwingt /

Dianen Ebers-Köpff' in ihren Tempel bringt.


Wenn man die Hirschen übereilt /

Den Tod durch unsre Pfeile flügelt.

Mit Falcken Wolck' und Lufft zertheilt;

Und Reigern ihren Flug verriegelt.

Wenn man die Beute theilt mit vielen Wagen aus /

Zu Opffern auf Altär' und Speisen in das Haus.


Die Jagt macht hertzhafft und geschickt /

Zum Krieg' und hurtigen Geschäfften;

Klug / daß uns niemand leicht berückt /

Stärckt Glieder / mehrt die Lebens-Kräfften.

Sie raumet geiler Lust nicht Zeit und Wachsthum ein /

Wer nun die Tugend liebt / der muß ein Jäger seyn.


Auf dieser Jagt fälleten sie auch unterschiedenes Wild. Inzwischen bedeckten die beleidigten Satyren alle Brunnen und Bäche / daß als die von der Jagt erhitzten Arcadischen Jungfrauen trincken wolten / und nirgends kein Wasser fanden / sie diese beschwerliche Lust verfluchten / und Atalanten verlassen wolten. Die hierüber bekümmerte Atalanta rieff hiermit Dianen an:


[1424]

O Göttin! welcher Thau-Horn kan

Den dürren Schwamm der Wolcken füllen?

Die du das Erdreich wässerst an /

Und der Natur den Durst kanst stillen.

Die du die Brunnen füllst / und auffschwellst Flüß und See /

Gib: daß aus dieser Klipp' ein Strom voll Wasser geh.


Hiermit stieß sie den von Dianen empfangenen Spiß an den nechsten Steinfelß / worauf auch alsofort ein starckes Qvell mit dem süssesten Wasser heraus spritzte / daran sich die Arcadischen Jungfrauen kaum satt trincken konten. Hierauf sungen und tantzten sie wechselsweise / in diesem druckten sie den Kampff des Flusses Achelous wider den Hercules / und die vom schönen Acis verschmähete Liebe des Polyphemus mit Gebehrden in jenem das Lob des Wassers mit folgenden Worten aus:


Nun lernen wir: daß nichts so gut /

Als Wasser ist / und so viel nützet.

Es ist / was in dem Thirens Blut

Der gröste Schatz / den man besitzet.

Kein Safft kommt ihm sonst bey / kein Balsam und kein Wein;

Ja auch kein flüssend Gold / kein trinckbar Edelstein.


Denn Wasser tränckt die Erd' und Meer /

Ertzt / Pflantzen / Thiere / ja die Sterne.

Vom Wasser rührn die Seelen her;

Steckt alles nun in diesem Kerne /

So zeucht Egypten es dem Feuer billich für /

Und Persen schlachtet ihm mit Fug manch Opfer- Thier.


Choaspens güldnes Wasser ist /

Noch Ganges diesem zu vergleichen /

Obs Pers' und Inde gleich erkiest /

Nur seinen Königen zu reichen.

Wer dieses einmahl schmeckt / verschmäht den Wein gewiß /

Eh / als der vielmahl trinckt / den Brunnen Clitoris.


Des Nilus Wassers Fruchtbarkeit

Mag Memphis beten an und krönen.

Euleens Wasser sey geweiht /

Zur Kost den ält'sten Königs-Söhnen.

Diß Wunder-Qvell benimmt iedweder Flut den Preiß /

Fleußt dort der Erde Blut / so qvillt hier Mohnden- Schweiß.


Weil diese Zucker-süsse Bach

Nu uns aus den Gestirnen flüssen;

So gib Diana ja nicht nach:

Daß andre sie / als wir genüssen.

Und setzte statt des Po sie dem Gestirne bey:

Daß sie uns hier der Tranck / im Himmel Leitstern sey.


Bey dem Schlusse dieses Gesanges und Tantzes er schien ein Königlicher Herold / welcher diesen Jägerinnen folgende Zeitung singende beybrachte:


Es hat in Oetens Berg und Wald

Ein hauend Wald-Schwein sich gefunden /

Von grausen Kräfften und Gestalt /

Es spielt mit den Albaner-Hunden /

Wie mit Kaninichen / ein fleckicht Panther-Thier /

Zwey Zähne ragen ihm wie Elefanten für.


Es reisset Pflantz und Eichen aus /

Zerhauet Netze / brennet Stricke /

Es tritt die Klippen selbst in Graus /

Zerbricht den Stahl wie Glaß in Stücke.

Es hat gantz Calydon in Wüsteney verkehrt.

Des Orneus Weinstock liegt zerwielet und verheert.


Des Königes Ergetzligkeit

Vertilgt diß Schwein mit tausend Reben /

Es liegt zernichtet Müh und Zeit /

Nichts wird auch blühn bey seinem Leben.

So ladet Orneus nun zu fällen dieses Schwein /

Durch einen güldnen Preiß / so Held- als Jäger ein.


Hiermit nahm er ohne verlangte Antwort mit angemaster Eilfertigkeit / als wenn er noch viel zu verrichten hätte / seinen Abschied. Atalanta aber nahm diese Zeitung mit grossen Freuden an / entschloß sich / ihr Heil an diesem Schweine zu versuchen / und gelobte Dianen auf den Fall des erlangten Obsieges / ein fettes Opffer zu liefern. Die Arcadischen Jungfrauen müheten sich Atalanten hiervon abspenstig zu machen; weil sie schon Zeitung hätten / daß Ancäus des Neptuns Sohn / welcher des Oeneus fürtrefflichen Weinberg hätte angelegt gehabt / von diesem Ungeheuer wäre erhauen / Meleager des Oeneus Sohn aber gefährlich wäre verwundet worden / und über diß die gemeine Sage gienge / daß dieses Schwein nicht von Natur solche Kräfften / sondern etwas Göttliches hinter sich hätte. Weßwegen auch solches nicht vom Hercules wäre erschlagen / sondern vom Berge Erymanthus / wo er es in dem grossen Schnee gefangen / zum Eurystheus lebendig gebracht worden. Aber Atalanta ließ sich diese Abmahnung [1425] nichts irren / sondern rüstete sich / diß Schwein anzugreiffen. Die Arcadischen Jungfrauen hegten ihr zu Ehren einen Tantz /darinnen sie die Siege des Hercules wider solche Ungeheuer fürstellten / und in einem Abschieds-Liede ihr eben so vieler ruhmwürdigen Thaten Ausübung wünschten. Der Schauplatz stellete hierauf das Gebirge Oeta für / daselbst fand die ankommende Atalanta eine grosse Anzahl Helden für sich / welche alle an diesem Schweine ihr Heil versuchen und Ehre erjagen wolten. Unter diesen war Jason / Theseus / Pirithous /Lynceus / Idas / Cäneus / Leucippus / Acastus / Ampycides / Oeclides / Telamon / Phyleus / Eurytion /Lelex / Echion / Hyleus / Hippasus / Nestor / Ponopeus / Pollux / Jolaus / Peleus / Protheus / Cometes. Diese wolten Atalanten / ihres weiblichen Geschlechtes halber / nicht zur Jagt lassen. Atalanta aber zuckte ihren Jägerspiß / wolte sich nicht abwendig machen lassen / und erhärtete in folgendem Helden-Liede /daß das Frauenzimmer nicht weniger als die Männer der Tapfferkeit fähig wären:


Die Zärtligkeit entkräfftet nicht

Der schöne Vorrath unser Brüste

Bläßt vielmehr auf der Tugend Licht.

Wenn ich in meinem Busem wüste /

Was / das der Tapfferkeit abbrüchig könte seyn /

Wolt' ich es schneiden ab / und glimmen Eisen weyh'n.


Wo Tugend ihren Sitz gewinnt

In Hertzen / nicht in Riesen-Beinen;

Wo eure nun wie unsre sind

Von Fleische / nicht von Ertzt und Steinen.

Wo keines knorplicht ist / Spann-Adern in sich hält /

Was für Gebrechen wird mit Fug uns ausgestellt?


Daß unser Hertz uns vielmahl bricht /

Von zarten Regungen zerrinnet /

Ist keiner Kleinmuth Merckmal nicht;

Weil diß / was beugt / vielmahl gewinnet.

Muß doch der harte Stahl zerflüßen von der Glut /

Eh' er wird Lantz' und Schwerdt / und Helden-Dienste thut.


In Männer Hertzen schwimmt kein Blut /

Das mehr als unsers Wärmbde hege;

Und euer lodernd Hertze thut

Nicht mehr als das der Weiber Schläge.

Ihr tadelt euch / wenn ihr uns Ohnmacht tichtet an /

Weil zur Geburt ein Weib mehr beyträgt als ein Mann.


Erwehlt auch die Natur uns aus /

Zur Wirthschaffts Sorg' und zum Gebähren;

So sperrt sie uns doch nicht ins Hauß /

Wil uns die Waffen auch nicht wehren.

Sie raubt uns nicht das Hertz / haut uns die Hand nicht ab /

Die Helden manches mahl genug zu schaffen gab.


Sind unsre Hände weiß und weich /

Kan man nicht an der Sonne braten;

So zwingt uns unser Feind nicht gleich /

So sind doch auch die Helden-Thaten

Nicht wilder Leute Werck / die Berge kehrn in Grauß /

Die Thürme tragen feil / und Bäume reissen aus.


Sind unsre Armen eisern nicht /

Versteinet Frost nicht unsre Glieder;

Schwärtzt's Antlitz nicht der Sonnen Licht /

So schlägt doch keine Furcht uns nieder.

Den Honig-Bienen fehlt der scharffe Stachel nicht /

Je zärter Rosen blühn / ie mehr ihr Dorn uns sticht.


Die auch von Raubthiern weiblich sind /

Sind mühsamer mit ihren Füssen;

Sie flügen schneller als der Wind /

Verfolgen schärffer ihr Entschlüssen.

Ja Tauben die man doch von Galle schätzet frey /

Wohnt / wenn sie sind erboßt / mehr Grimm als Adlern bey:


Was streit' ich aber viel für mich?

Was plag' ich mich mit diesem Wahne?

Minerva kämpfft für uns und sich;

Ja selbst die streitbare Diane.

So lange die mit Fug bleibt eine Jägerin /

So lange werff' ich Spieß und Jäger-Horn nicht hin.


Durch die liebliche Stimme Atalantens wurden alle anwesende Helden gleichsam bezaubert / daß sie nicht nur Atalanten für ihre Mitjägerin erkennten /sondern auch nach Jäger-Hörnern mit ihr einen artlichen Jäger-Tantz hegten / welcher aber durch das mit grossem Schäumen auf sie loßgehende Calidonische Schwein verstöret ward. Hätte Lynceus auch solches nicht zum ersten ersehen / würden ihrer viel von diesem geschwinden Hauer zerfleischt worden seyn / ehe sie dessen wären gewahr worden. Nichts desto weniger rennete es den Lelex und Pampeus übern [1426] Hauffen / Telamon ward von ihm ins dicke Bein / Jolas in die Hüffte verwundet. Dem Eurytion hieb es den Bauch auf / daß er seine Därmer ausschüttete. Dem Phyleus trennte es gar den rechten Fuß vom Leibe / und der gefällte Hippasus muste durch seine aufgehauene Brust seine Seele ausblasen. Theseus / Pollux / und die tapffersten Helden konten ihm wegen seiner Geschwindigkeit und gleichsam geharnschten Haut keinen Streich beybringen / und alle hatten bey nahe das Hertze verlohren / ja die meisten geriethen in die Flucht / als Meleager zwar diesem Eber mit dem Eisen einen kräftigen Fang auf die Stirne anbrachte /der Schafft aber zerbrach / daß Meleager über und über gieng. Dieser würde auch ein blutiges Opffer seiner Rache gewesen seyn / wenn nicht die behertzte Atalanta ihm einen Pfeil ins Auge / den andern durchs Hertze geschossen hätte / wovon es zu Bodem fiel /und mit so grossem Schäumen als Blutstürtzung sein Leben verlohr. So groß die Freude der vorher bestürtzten Helden war / so groß war auch ihr Frolocken. Sie preiseten Atalantens Sieg und Tapfferkeit in einem zierlichen Liede / zwischen welches sie ihre Jäger-Hörner wechselsweise bließen / endlich ihren Gesang mit folgenden Reimen schlossen:


Das Ungeheuer unser Zeit /

Die Mißgeburt der schwartzen Höllen;

Liegt nun mit seiner Grausamkeit!

Kont es kein sterblich Arm nicht fällen /

So muß die Jägerin / die dieses wilde Schwein

Getödtet / Cynthia nicht Atalanta seyn.


Hierauf hegten sie mit ihr einen freudigen Sieges-Tantz und sätzten Atalanten gleichsam als der andern Diana einen Krantz von gelben Schmaltz- oder Moß-Blumen auf / mit welchem Helichryse vom Ephesus zum ersten Dianen bekräntzet haben soll. Unter währendem Singen und Tantzen / ließ Meleager das Schwein wiegen / und befand es zwölff Centner schwer. Hernach befahl er ihm den Kopff abzuhauen /und die Haut abzuziehen / damit er Atalanten beschenckte. Diese hieng ihr diese Haut wie Hercules die Löwen- und Bacchus die Panther-Haut / über die Achsel: Der Neid fand sich inzwischen herzu / und folgte Atalanten wohin sie sich wendete / wie der Schatten dem Lichte nach / sie lachete und zischete hinterrücks die anwesenden Helden aus / daß sie nicht ein wildes Schwein hätten zu zwingen gewüst / sondern ein Mägdlein Haut und Kopff zum Siegs Gepränge des weiblichen Geschlechtes nicht so wol über das Schwein als die Männer davon tragen ließen. Diese Beschämung erregte bey unterschiedenen keine geringe Mißgunst / sonderlich da die Arcadischen Jungfrauen kamen / Atalanten mit einem Glückwunsche und Lobgesange verehrten / und selbten damit beschlossen:


Nicht bildet euch / ihr Männer / ein;

Daß Hercules nur könne dämpffen /

Des Erymanthus wildes Schwein

Und wider Löw' und Drachen kämpffen.

Denn nunmehr ist bewehrt durch Atalantens That:

Daß es Alciden auch beym Frauenzimmer hat.


Die von grossen Thaten schon berühmte Helden ließen sich den Neid / als welcher allemahl den Abgang seiner eigenen Verdienste verräthet / nichts anfechten; aber Plexippus und Toxeus die Brüder Altheens /welche des Oeneus Gemahlin und Meleagers Mutter war / geriethen darüber in eine eyversüchtige Raserey / daß sie mit ihren Waffen Atalanten den Schweins-Kopff abstreiten wolten. Diese aber vertheidigte sich mit ihrem Jägerspieße / so lange / biß Meleager darzu kam / und beyden das Eisen durch die Brust stieß. Die Arcadischen Jungfrauen danckten Meleagern für diesen Beystand / nahmen den wilden Schweins-Kopff /rühmten dessen Grösse / und riethen Atalanten / daß sie solchen einem grossen Gotte zum Gedächtnüsse in seinen Tempel liefern solte. Hiermit kamen Sielenus auf einem Esel mit vielen Satyren und Bacchischen Weibern herzu / welche [1427] Atalanten Danck ablegten /daß er die Calydonischen Gebürge wieder wohnbar gemacht / und des Oeneus Weinberg wieder anzubauen Gelegenheit verschafft hätte. Sie leschten hierauf Atalantens Durst mit einem añehmlichen Weine /und baten: Sie möchte den Schweins-Kopff in den Tempel des heldenmäßigen Bacchus abliefern. Atalanta aber hatte andere Gedancken damit / gleichwol aber brach sie aus selbtem einen Zahn / dessen Länge sich auf einen Schuch und ein vierdtes Theil erstreckte / welche denn vom Silenus angeno en / von Satyren und Bacchen mit dessen Abmäßung in einem Tantze ein seltzames Spiel gemacht / und folgends in des Bacchus Tempel mit grossen Jauchzen geliefert ward. Als diese vorbey / ließ sich die Göttin der Liebe mit zwölff geflügelten Liebes-Göttern aus der Lufft herab. Diese sprach Atalanten selbst an / sie möchte den Schweins-Kopff als den grösten der Welt zu Linderung ihres Schmertzens über dem durch dis / oder ein solch Thier ermordeten Adonis ihr verehren. Aber Atalanta schlug ihr ihre Bitte schlechter dings ab /und entschuldigte sich / daß sie ihn in ihrem Hertzen schon Dianen gewiedmet hätte. Ob ihr nun zwar die Liebe einhielt / daß sie bey Dianen mit diesem Opffer übel ankommen würde / weil sie selbst dem Oeneus dieses Schwein zur Straffe über den Halß geschicket hätte / nach dem sie unter denen Göttern alleine von ihm verachtet / und mit keinen Erstlingen der Früchte beschencket worden wäre; so lachte doch nur Atalanta hierzu / gleich als weñ sie Dianen in der Schooß säße / ja ungeachtet die Liebe sie nur um den andern hauenden Zahn ansprach / uñ ihr hunderterley Vergeltungẽ zusagte / würdigte sie ihr doch nicht einst Gehöre zu geben / sondern machte sich mit ihrem Kopfe aus dem Staube / die Liebe aber schwur beym Styx sich an Atalanten zu rächen / und befahl ihren Kindern /daß sie den Meleager / Hippomenes und andere gegen Atalanten entzünden solten. Diese schwungen sich empor / hielten in der Lufft einen flügenden Tantz /und schütteten allerhand Liebes-Blitz und brennende Rach-Fackeln auf die Erde. Der Schauplatz verwandelte sich hiermit in den Tempel Dianens / in welchem Atalanta der Göttin mit grosser Andacht und Demuth den Schweins-Kopff aufs Altar legte / und mehr ihrem Beystande als eigenen Kräfften ihren Sieg zuschrieb. Diana aber stieß solchen mit einem Fusse vom Altare / schalt Atalanten als eine undanckbare /als welche sich unterstünde ihr ein verstimmeltes Opffer zu bringen / da sie zumahl den grösten Zahn einem so wollüstigen und ihr widrigen Gotte / wie Bacchus wäre / abgelieffert hätte. Diana umnebelte sich zugleich und ihren Tempel mit einer dicken Wolcke /mit welcher Göttin und Heiligthum verschwand / und Atalanta sich in ein lustiges Gestade des Meeres versätzet sahe / allwo die in Gold und Seide gekleidete Wollust aus einer grossen See-Muschel ans Land stieg / sich Atalanten näherte / drey an dem Ufer spielende Syrenen aber Atalanten folgende Reimen fürsangen:


Wer süssem Lieben saget ab /

Ihm vorsetzt Jungfrau zu ersterben /

Der scharrt sich selber in das Grab /

Und wil aus Gramschafft Ruhm erwerben.

Er sucht Vergnügungen in Unvergnüglich seyn /

Und erndtet lieber Schleen / als süsse Trauben ein.


Er kehrt den Lentz in Winters-Zeit /

Beraubt sichs Frühlings in dem Jahre /

Das Leben seiner Liebligkeit /

Erwehlt zum Bette / Sarg und Baare.

Legt aus den Rosen sich in Disteln / Schnee und Eiß /

Und macht aus Bangigkeit sein schnödes Paradeiß.


Er hält für Schwachheit der Natur:

Daß Bäume Blüt und Aepffel tragen.

Und Feindschafft für der Tugend-Spur /

Ja wünscht sich sein selbst zu entschlagen.

Er ist der Erde gram: daß ihr die Sonne scheint

Und daß der Himmel nicht stets wie sein Hertze weint.


Er wünschte: daß die gantze Welt

Läg' unter dem gestirnten Bäre.

Daß seine Seele wie der Belt

Mit Frost und Eiß beschlossen wäre.

[1428]

Daß Bienen trügen Gall an statt des Honigs ein /

Daß nichts nicht möchte schön / und Zucker Wermuth seyn.


Wie magst du dich denn / holdes Kind /

In deinen eignen Haß verlieben /

Die Augen / die voll Sonnen sind /

Durch finster Sauer-sehn betrüben?

Dem Munde Küsse stehln / dich selbst in dir verzehrn /

Und deiner Brüste Milch in Molch und Gifft verkehrn.


Entsteine selber deinen Sinn /

Und stelle dich dir selbst für Augen.

Sey selbst nicht deine Henckerin.

Laß Liebe nicht das Alter saugen

Dir Marck und Anmuth aus / und weil die Liebe dir

Selbst aus den Augen sieht / so kämpffe nicht mit ihr.


Dein Antlitz stecket voll Magnet /

Der an sich zeucht der Männer Hertzen.

Und was aus deinen Augen geht /

Ist Schwefel kräfft'ger Zauber-Kertzen.

Du zündest Griechenland durch deinen Liebreitz an /

Wie daß dein Hertze denn nur unverliebt seyn kan.


Der Lippen durstiger Rubin

Wünscht so viel Labsal aus dem Küssen /

Als Muscheln Thau an sich zu ziehn

Und Lebens Balsams zu genüssen.

Und durch die schnelle Schwulst der Brüste wird entdeckt:

Daß unter ihrem Schnee kein todtes Feuer steckt.


Drum peinige die Seele nicht /

Treib Kält und Unmuth aus dem Hertzen.

Entlarve dein vermu t Gesicht';

Und weil die Mutter süsser Schmertzen

Weiht deinen schönen Leib zum Liebes-Tempel ein /

So laß in solchem nicht die Unhold Abgott seyn!


Dieser Sirenische Gesang drang Atalanten nicht nur durch die Ohren / sondern auch ins Hertze. Sie konte ihre Gemüths-Veränderung so sehr nicht verstellen /daß es die Wollust nicht inne ward. Daher sie mit Darreichung einer mit Edelgesteinen versätzten Perlen-Muschel sie selbst singende anredete:


Ist's / Atalante Wunders werth /

Daß deine Zunge von Gerichten

Der süssen Wollust nichts begehrt?

Denn wer sehnt sich nach frembden Früchten?

Kost' aber nur einmahl der Liebe süssen Wein /

So wirst du lüsterner darnach als iemand seyn.


Atalanta streckte schon den Arm nach dieser Muschel aus / sie ward aber durch ein grausames Mord-Geschrey an Annehmung dieses ihr zugereichten Tranckes verhindert. Denn Althea verfolgte mit zerstreueten Haaren / zerkreileten Wangen / feurigen Augen / als eine rasende Unholdin ihren für ihr flüchtigen Sohn Meleager / und sprang ihm von der nechsten Klippe nach. So bald sie aber Atalanten erblickte / verdrehte sie ihre Augen / verstellte ihr Antlitz und Gebehrden /sammlete einen grossen Jäscht für dem Munde / ließ aber hiermit von Meleagern ab / und tastete Atalanten mit einer brennenden Fackel an / schalt sie eine Mordstiffterin / welche Meleagern bezaubert / und ihn ihre zwey Brüder zu tödten verleitet hätte. Atalante hielt Altheen nicht nur mit ihrem Jägerspieße vom Leibe / sondern Meleager gesellete sich auch mit liebkosenden Gebehrden zu Atalanten. Dieses verbitterte Altheen auf eine solche Weise / daß sie gleich / als wenn sie von Sinnen kommen wäre / verzweiffelt herum lief / von den Bäumen Aeste abbrach / davon mit ihrer Fackel ein Feuer machte / und mit heiserem Halse zu singen anfieng:


Ihr Parcen / die ihr uns den Drat

Des Lebens spinnet und zerschneidet /

Schaut meines Sohnes Greuel-That!

Der sich von seiner Mutter scheidet /

Auf ihre Brüder raas't / den Vater höhnt und kränckt /

Sich an ein geiles Weib durch thumme Liebe henckt.


Euch Parcen und den Himmel denckt

Was ihr mir habt für Trost gegeben /

Als ihr mir einen Stock geschenckt

Zum Pfande für des Sohnes Leben.

Ich hab ihn auch zeither als grösten Schatz verwahrt /

Vnd hätte für sein Heil nie Seel und Blut gespart.


Nun aber er mein Kind zu seyn

Hört auf / und sich zur Natter machet;

So wird mein Mutter-Hertz ein Stein /

Altheens Grimm ist aufgewachet /

Die nun ihr eigen Blut der Rache schlachten wil

Sein Lebens-Mäßstab sey sein todes Maaß und Ziel.


[1429]

Legt Parcen ihm kein Gold mehr an /

Zerschneid ihm Atropos das Leben.

Vnd laß / auf daß er sterben kan /

Den Stock / den Clotho mir gegeben /

Die Rache bringen her; Zeit / gib die Flügel ihr.

Helfft mir / ihr Furien / auf Straffe sinnen für.


Mein Eyver soll ein Beyspiel seyn /

Was recht erzürnte Mütter stifften.

Erwürgen / schmettern an die Stein' /

Ersäuffen / hencken / und vergifften

Ist nur gemeiner Grimm / und nur für frembdes Blut.

Gib Rache mir den Stock. Er brenn' in dieser Glut.


Er brenn' / und Meleager auch!

Was sind doch diß für schöne Flammen!

Wie weit verbreitet sich ihr Rauch!

Nun bersten Stock und Sohn von sammen.

Nun werden sie zu Asch! Ihr Kinder kommt herbey /

Vnd lernt: wie scharff die Rach' erbooster Mütter sey.


Bey wehrendem Singen kam die Rache wie ein Blitz durch die Lufft geschossen / und händigte Altheen den von den Parcen empfangenen Stock ein / von welchem sie Clotho versichert hatte / daß Meleager so lange leben / als selbter unversehret bleiben würde. Althea warff diesen Aug enblicklich ins Feuer / bey welchem numehr auch die Unholden mit Holtz anlegen und aufblasen geschäfftig waren. So bald er nun Feuer fieng / fieng auch der weit genung davon entfernte Meleager lichter Loh an zu brennen. Atalanta eilte aus Erbarmnüß dem Meere zu / tauchte ihre Schürtze und Ober-Rock ins Wasser / und war bemühet Meleagern damit zu leschen. Aber dieses vergrösserte nur die Flamme / gleich als wenn diß Gewand in Oel getaucht wäre. Ja Atalanta selbst gerieth in Gefahr angezündet zu werden. Daher verfluchte sie die unmenschliche Amalthea / verdammte die Liebe / lobte die Keuschheit / und machte sich aus dem Staube. Amalthea aber und die Rache hegten mit denen Unholden einen Siegs-Tantz um den verbrennenden Meleager. In diesem bildeten sie anfangs den auf dem Berge Oeta von der Deianira Rocke angezündeten und für Angst sich selbst und den Uberbringer Lichas tödtenden Hercules / die darüber verzweiffelnde / und den Nessus verfluchende Deianira für / von dessen Blute / und des durch den Hercules erschlagenen Drachens Galle / der überschickte Rock vergifftet worden war. Nach diesem stellten sie die eyversüchtige Medea für / wie diese des Jasons Braut Creusa / nebst ihrem ihr zu Hülfe eilenden Vater Creon / durch einen überschickten zauberischen Rock verbrennte / und ihre eigene mit dem Jason gezeugte Kinder ermordete. Hiermit verwandelte sich der Schauplatz in andere lustige Gegend / wo Atalanta mit denen Arcadischen Jungfrauen auf eine neue Jagt Anstalt machte / es brachte die Wollust aber ihr eine grosse Menge Liebhaber über den Hals / striech eines ieden Adel / Tugend und Geschickligkeit heraus. Nach dem sie sich nun nicht abweisen lassen wolte / und Atalanten mit hunderterley Liebkosungen zusätzte / ward diese endlich theils durch eigene Vermässenheit verleitet sich zu erklären: daß der / der ihre Liebe gewinnen wolte / sie vorher im Wettelauffen müste überwunden haben / und daß ieder unter ihnen ohne Waffen / sie aber mit ihrem Jägerspisse lauffen / und alle die sie überlieffe / mit solchem durchstechen möchte. Denn / weil sie wegen ihrer geschwinden Füsse in gantz Grichenland berühmt war / meinte sie alle von diesem gefährlichen Wettelauffen abzuschrecken. Alleine die Liebe misset ihr grössere Kräfften zu / als sie hat / und also nahmen die Liebhaber diese Bedingung an / die Arcadischen Jungfrauen steckten so wol den Ansatz / als das Ziel aus / und gaben zum Lauffe das Zeichen. Der mit ihr lauffenden waren wol zwölffe / aber Atalanta /welche an Geschwindigkeit einem Rehe nichts nachgab / ließ einem nach dem andern einen ziemlichen Vorsprung / hernach aber war sie ihnen wie ein geschwinder Habicht einem Hasen auf dem Halse / und versätzte ihrer eilffen einen tödtlichen Streich / dem zwölften aber schenckte sie das Leben / mit der Erinnerung / daß er alle nach ihr lüsterne Männer warnigen / [1430] und ihnen für Augen stellen solte; wie schlecht es mit denen ablieffe / die sich an die gewaffnete Keuschheit zu reiben gedächten. Die Wollust und ihre Gefärthen zohen mit Schanden ab. Die Arcadischen Jungfrauen aber hegten einen Tantz / in welchem sie mit Gebehrden artlich vorstellten / wie Daphne sich in einen Lorber-Baum / Syrinx in Schilff verwandelt /jene also dem brünstigen Apollo / diese dem geilen Pan entgangen wäre. Darzwischen aber sangen sie Atalanten und der Keuschheit folgendes Sieges-Lied:


Ihr Helden! die ihr euch mäßt bey:

Daß eure Hertzen von Metallen /

Die Brust aus Ertzt und Eisen sey /

Für welchem alles müsse fallen.

Die ihr die Tapfferkeit nur wilden eignet zu /

Kommt / seht verwundernd an / was reine Keuschheit thu.


Wie wenig kennen diese sie /

Die sie zur Polster-Tocke machen;

Als wär' ihr Thun geringe Müh /

Ein Spiel mit angenehmen Sachen.

Als legt' ihr eigen Feind ihr Teppicht' untern Fuß /

Ihr Anfall wäre nichts als Liebreitz / Bitt / und Kuß.


Die Keuschheit muß vielmahl das Weib

Ziehn aus / und sich mit Helden schlagen /

Mit Schilden waffnen Arm und Leib /

In Händen Spiß und Messer tragen /

Offt Dräuung tauern aus mit Kercker / Folter / Pein /

Ja ein erschrecklich Tod muß ihr kein Greuel seyn.


Die Lilgen sind ein Ebenbild

Zwar ihrer Unschuld / nicht der Stärcke /

Wenn sie die Distel nicht umhüllt /

Hingegen ihren Glantz und Wercke

Mahln Rosen herrlich ab: dern Purpur schmückt ihr Haupt /

Die Dörner waffnen sie / daß sie Gewalt nicht raubt.


Der Atalanta Beyspiel lehrt:

Wie Ros' und Keuschheit können stechen.

Wer einig Blat an ihr versehrt /

Muß überwinden oder brechen.

Denn Schamröth ist ihr Schild nur wider Zung und Mund /

Wer thätlich ihr setzt zu / wird von den Dornen wund.


Wenn aber auch der Keuschheit Feind /

Mit Zucker-Pfeil- und Blumen-Schwerdtern

Sie zu bewältigen vermeint /

Ihr sätzet zu mit Bisam-Wörtern /

Wenn er ihr Pflaumen streicht / ihr Amber-Körner streut /

So siegt die Keuschheit doch nicht ohne Tapfferkeit.


Denn zu so holder Lockung schlägt

Sich die Natur mit allen Sinnen.

Ja unser eigen Hertze trägt

Vns zu dem süssen Liebgewinnen /

So geht ein Bürger-Krieg in unsern Seelen an /

Daß die Vernunfft mit Noth so vielen steuern kan.


Man wird verletzt / und fühlt es nicht /

Man leidet Schiffbruch ohn' Empfinden;

Wenn uns der Feind so sanfft anficht

Vnd Liebreitz spielt mit uns des blinden.

Es geht uns wie dem Stahl / den der Magnet nicht rührt /

Vnd der doch ohne Zwang sich fortgezogen spührt.


Durch so geheime Zauberey

Spielt sich der Liebe Gifft ins Hertze.

Braucht sie denn Perl und Gold darbey

Vnd der unleschbarn Ehrsucht-Kertze /

Greifft sie die Ehr' uns denn gar mit Verläumdung an /

So ist kein Hercules / der ihr begegnen kan.


Viel die den Löwen obgesiegt /

Die Städt' und Schlösser eingenommen /

Die mehr als eine Welt bekriegt /

Sind hier um Ihren Siegs-Krantz kommen.

Das weibliche Geschlecht hat nur den Sieges-Ruhm;

Der Wollust Meister seyn / ist unser Eigenthum.


Verdient die Jungfrauschafft nun nicht /

Mit Atalantens Helden-Thaten;

Daß man ums Haupt ihr Lorbern flicht /

Denn Ehre tingt die Tugend-Saaten.

Doch nein; der Keuschheit taug nur Gold / kein Baum- Blat nicht /

Weil jene keine Lust / diß keine Glut anficht.


Uber diesen letzten Worten sätzten sie Atalanten einen Krantz von güldenen Lilgen und Rosen auf. Hippomanes / welcher diesem blutigen Wettelauffen und diesem Siegs-Gepränge zugesehen hatte / entbrandte durch hefftige Liebe gegen Atalanten. Sintemahl diese zarte Regung durch Keuschheit / wie das Griechische Feuer durch kaltes Wasser nicht weniger als durch Oel entzündet wird. Gleichwol aber hielt ihn der erlegten Liebhaber trauriges Beyspiel zurücke / seine liebe Atalanten zu eröffnen / [1431] und es mit ihr anzunehmen. Nach dem er sich nun mit Gedancken eine gute weile geschlagen hatte / nahm er ihm für die Götter zu seinem Beystande zu erbitten. Hiermit verwandelte sich der Schauplatz in einen herrlichen Lust-Garten / welcher den auf zwölff Säulen in die rundte gebauten / und auf allen Seiten offenen Tempel der Venus umgab. In diesen verfügte sich Hippomanes /fiel für ihrem Altare auf die Knie / und opfferte ihr singende diß Gebete:


O Liebe! welcher Lauff so fern

Als Erd und Himmel sich erstrecket /

Die du bist Morg- und Abend-Stern /

Von der die Sonne wird erwecket /

Daß sie aus Thetis Schoß so rüstig stehet auf /

Der Eos Flügel giebt / beseel' auch meinen Lauff.


Gieb deine schnelle Federn mir

Vmb Atalanten fürzukommen;

Die so hochmüthig spricht von dir /

Vnd allen hat den Muth genommen.

Es liegt dein eigen Ruhm / der Welt ihr Heil daran

Zu lehrn: daß Keuschheit nicht die Liebe pochen kan.

Das auf einer Schnecke stehende Bild der Göttin gab dem Hippomanes folgende Antwort:

Welch Irrthum / was für Einfalt hält

Dich und dein blindes Hertz umgeben?

Meinstu / daß Liebe wird vergällt

Von Keuschheit / die mir giebt das Leben.

Die Lieb entspringt aus ihr / wie Perlen aus der Flutt /

Vnd wo ihr Oel nicht rinnt / ist Liebe schnöde Glutt.


Ihr Weyrauch macht die Flamme rein

Im Tempel der verliebten Hertzen /

Was anfangs auch ist Eiß und Stein

Fühlt nachmahls mehrern Brand und Schmertzen.

Vnd Atalanta wird wie Schwefel brennend seyn /

Wenn meinen Balsam ich ihr werde flössen ein.


In meinem Garten ist das Gold

Drey schöner Aepffel aufzufinden.

Daran hängt Atalantens Hold /

Vnd sie dadurch zu überwinden.

Ihr erster Anblick wird ihr hemmen Fuß und Lauff /

Den Sieg dir öffnen / ihr das Hertze schlüssen auf.


Hippomanes bückte sich für der Göttin mit andächtiger Demuth / gieng hierauf im Garten herum / und bat die Göttin singende / sie möchte ihn auf den rechten Pfad führen die beschriebenen Aepffel zu finden. Endlich fand er sie beysammen auf einem Granat-Apffel-Baume stehen. Worauf er sie folgender Weise ansang und zuletzt abbrach:


Diß muß der Schatz o Göttin seyn /

Der Atalantens Hertz soll stehlen.

Nimmt er mir Seel und Hertz doch ein /

Drum kan der Göttin Wort nicht fehlen.

Mich dünckt ich sehe schon / wie Atalantens Fuß

Mit ihrem Aug' erstarrn / und sich verspielen muß.


Vergebt ihr güldnen Aepffel mir /

Ihr Glückes-Kugeln meiner Liebe /

Daß euch ein sterblich Mensch berühr' /

Denn wenn hier euer Reichthum bliebe /

So würd' ein grosser Sieg der Göttin bleiben nach /

Mein Lieben Ohnmacht seyn / mein Leben Vngemach.


Seyd aber ihr gantz unbewahrt /

Läßt euch die Liebe nicht bewachen?

Ich find hier keine Spur noch Farth /

Ich sehe weder Hund noch Drachen.

Es sticht kein neidisch Aug' / und zaubrisch Maul mich an /

Greiff zu / Hippomanes / nichts ist / das hindern kan.


Als Hippomanes die güldnen Aepffel abgebrochen hatte / tantzte er alleine mit seinem Schatten / und stellte in diesem Tantze den Hercules für / wie er im Garten der Hesperiden den zu Bewachung ihrer güldenen Aepffel bestellten Drachen tödtete / und diese Frucht davon trug. Hierauf versätzte der Schauplatz durch seine Verwandelung den Hippomanes wieder in die Gemeinschafft Atalantens und der Arcadischen Jungfrauen. Er forderte sie auch alsofort zum Wettelauff aus / sie aber wieß ihm die aufgesteckten Köpffe der überwundenen Liebhaber / und mühte sich ihm seine Vermässenheit auszureden / weil sie mit seiner Jugend Erbarmnüß trüge / das der Diana gethane Geliebde ihr aber hernach seiner zu schonen nicht verstattete. Hippomanes aber erklärte sich / daß er sie diesen [1432] Tag entweder seiner Liebe einweihen / oder von ihren Händen Dianen geopffert werden wolte. Die Arcadischen Jungfrauen hatten mit ihm ein gleiches Mitleiden / und mühten sich / aber vergebens / ihn von seinem Vorhaben abwendig zu machen. Hiermit war das Ziel ausgesteckt / Hippomanes hatte nur seinen Vorsprung genommen / als er einen seiner Aepffel auf die rechte Seite warf / welcher Atalanten auf eine solche Weise in die Augen stach / daß sie aus dem Wege dem Apffel zulief / und ihn aufhob. Gleichwol holete sie den Hippomanes ziemlich ein /und nöthigte ihn den andern Apffel noch weiter aus dem Wege auf die lincke Seite zu werffen. Diesem lief sie noch begieriger nach / als dem ersten / weil die Lüsternheit durch Empfang eines Dinges / wie das Feuer durch Holtz nicht gesättiget / sondern nur mehr entzündet wird. Gleichwol war ihre Geschwindigkeit so groß / daß sie nach Aufhebung dieses andern Apffels / dem Hippomanes wieder auf den Hals kam /welcher den dritten Apffel schnur gleich zurücke warf. Als Atalanta sich umwendete auch diesen zu holen /rufften ihr die Arcadischen Jungfrauen zu / sie solte durch Geitz sich selbst nicht verspielen / denn Hippomanes wäre nicht ferne vom Ziele. Aber Atalanta war von Begierde blind oder bezaubert / und ließ ihr träumen / daß wenn sie noch diesen dritten Apffel bekäme / wolte sie den Zwist zwischen der Juno / Pallas und Venus / durch derselben Austheilung vergleichen /den Paris durch den eintzelnen Apffel der Eris zwischen ihnen erregt hatte. Weil nun Atalanta dem dritten Apffel nachlief / erreichte Hippomanes das Ziel /welcher alsbald mit heller Stimme zu singen anfieng:


Nun hab ich Ziel und Sieg erreicht /

Gieb Atalanta dich gefangen.

Doch dein Verlust ist ausgegleicht /

Du kanst mit güldnen Aepffeln prangen.

So bringet das Verspieln im Lieben nur Gewien /

Und reine Keuschheit kan aus Liebe Zucker ziehn.


Nicht mieß es meiner Klugheit bey /

Von mir ist nicht die List geflossen.

Daß Atalanta meine sey

Hat das Verhängnüß selbst geschlossen.

Die Aepffel / die du trägst / sind reiner Liebe Frucht /

Durch welche sie mein Heil und dein Vergnügen sucht.


Die Keuschheit der du dich vermählt /

Wird meine Liebe nicht zernichten.

Wer mit der Jungfrauschafft sich qvält /

Speist sich nur mit den bittren Früchten

Der Keuschheit / welche doch die süßten Trauben trägt

Wenn sie mit reiner Brunst sich zu vermischen pflegt.


Atalanta schien anfangs ziemlich beschämt zu seyn; sie erholete sich aber bald / und trat dem Hippomanes mit einem freundlichen Antlitze unter Augen. Ja es schien / als wenn diß in einem Augenblicke alle vorige Ernsthafftigkeit abgelegt / und sich aus einer bangsamen Wildnüß in einen Rosen-Garten verwandelt hätte; sonderlich da sie mit ihrer anmuthigen Stimme in des Hippomanes Liebe willigte:


Ja ich erkenne mich besiegt /

Mein lüstern Aug' und mein Verlangen /

Das uns meist viel Verlust zufügt /

Hat mich verleitet und gefangen.

Weil deine Liebe denn mit Keuschheit ist vermählt /

So sey durch diese Hand zu meinem Schatz erwehlt.


Diana ni für Schmach nicht an /

Mein durch die Eh verändert Leben.

Denn mit der Jungfrauschafft pflegt man

Nicht bald die Keuschheit aufzugeben.

Ich wil der Liebe nur die Nächte theilen ein /

Der Tag soll steter Jagt und dir gewiedmet seyn.


Ihr holden Schwestern gute Nacht;

Verdammet nicht als Uppigkeiten /

Daß Atalanta Hochzeit macht /

Wer kan der Liebe widerstreiten?

Wir jagen Wild / sie uns Und wenn der Himmel wil /

So werdet ihr / wie ich / seyn ihrer Pfeile Ziel.


Hippomanes und Atalanta tantzten hierauf mit einander / und drückten darinnen nicht weniger ihre Vergnügung als ihre hefftige Liebes-Regungen aus. Nach dem die Arcadischen Jungfrauen ihnen mit Fleiß zugesehen hatten / [1433] stimmeten sie folgendes Lied an /und hiermit Atalantens Liebe bey:


Wenn Keuschheit sich von Einsamkeit

Und von der Jungferschafft läßt scheiden /

Was führn wir wider Liebe Streit?

Was wolln wir ewig Kälte leiden?

Was schlüssen wir uns stets in öde Wildnüß ein

Und thun uns selber weh um andern feind zu seyn.


Wir sind viel wilder als das Wild /

Weil Wölffe / Bär' und Panther lieben /

Die Brunst ihm Hirsch / und Löwe stillt /

Wir aber nichts als Gramschafft üben.

So laßt die Wildnüs nun / die Unart legen hin /

Nach Atalantens Art / entsteinern Hertz und Sinn.


Ihr rauen Forste gute Nacht!

Wir wolln in grünen Lust-Gepüschen /

Wo Erd' und Himmel Hochzeit macht /

An Au-und Qvellen und erfrischen.

Ihr Wälder / derer Grund kein Luchs und Wolff betrit /

Beherbergt uns / und theilt uns Lust und Liebe mit.


Als die Jungfrauen kaum ihren Gesang beschlossen hatten / sprangen aus dem Lust-Walde / gegen den sie sich wendeten / zwantzig junge und nicht minder schöne als wol geputzte Schäfer herfür / welche die Arcadischen Jungfrauen durch höflichste Gebehrden und folgendes Lied zu ihrer Liebe reitzten:


Wie seelig sind die Seelen doch

Die sich bey Zeite fühlen lernen /

Die von Dianens strengem Joch'

Und ihrer Unart sich entfernen.

Wie seelig den der Geist der süssen Liebe regt /

Und der nicht Eyß für Blut in seinen Adern trägt.


Solch Feuer flößt der holde Schein

Des Liebes-Sternes unsern Seelen

Mit erster Milch der Mutter ein.

Ihr aber friert in finstern Hölen /

Und wenn der Himmel euch nicht sonderlich beglückt

So bleibt ihr biß ins Grab mit Eiß und Frost bestrickt.


Doch ist kein Hertze so Eys-kalt /

Das nicht von Liebe schmeltzt und rauchet /

Wenn sie die zaubrische Gewalt

Der dreyen güldnen Aepffel brauchet /

Worfür ein Felsen-Hertz wie Ertzt von Glut zerrinnt /

Und diß / was Spinnen-feind einander lieb gewinnt.


Denn Schönheit / Witz und Freundligkeit /

Ist's Marck in diesen güldnen Früchten.

Wen diese fordern aus in Streit /

Der muß sich geben oder flüchten.

Wie weißlich thut ihr nun / daß ihr kein Wild mehr jagt

Nun ihr schon selber Pfeil' in Aug und Hertzen tragt.


Wir aber sind das rechte Wild /

Das ihr durch Liebreitz habt erleget:

Das euer Seelen Wunsch erfüllt /

Und niemals übers Netze schläget.

Kommt / brennt und schlachtet uns / der Brand von euer Brust /

Der Tod von euer Hand ist unser Glück und Lust.


Wir sind der güldnen Zeit ihr Bild /

Nach dem ihr eifrig sollet trachten.

Ein Jäger ist zwar nicht ein Wild /

Doch minder als ein Mensch zu achten.

Ein Schäffer aber ist / zwar nicht den Göttern gleich /

Doch mehr als sonst ein Mensch / sein Gut ein Königreich.


Nach vollendetem Gesange faßte Atalanta den Hippomanes / jede Jägerin einen Schäffer bey der Hand /und hegten einen künstlichen Liebes-Tantz; in welchem Hippomanes und Atalanta allemahl den Reyen führten / oder im Kreiße das Mittel machten. Die Schäffer und Jägerinnen führten mit einander darinnen einen Streit / und brauchten sich jene ihrer Stäbe /diese ihrer Spieße zu Waffen. Hernach verwechselten sie sie mit einander / und endlich zerbrachen sie die Jägerspieße gar / in iedem Schäfferstabe aber steckte noch ein ander / welchen die Schäffer heraus zohen /und also iegliche Jägerin mit einem Schäffer-Stabe ausrüsteten. Hiermit verschwand in einem Augenblicke alles / und der Schauplatz stellte nach seiner Veränderung die Liebe auf einem prächtigen Sieges-Wagen für / an welchem Elephanten / Löwen / Pferde / Tiger / Hirsche und andere Thiere zohen; die grossen Götter / die berühmtesten Könige und Helden der Welt ihre Sieges-Zeichen fürtrugen / die Natur aber mit dem Titel der Liebes-Amme / das Glücke mit dem der Liebes-Priesterin prangte. Als sie durch eine prächtige Sieges-Pforte gefahren war / kam ihr die [1434] Keuschheit auf einem niedrigen mit Lilgen / aber zugleich mit vielen Disteln umflochtenen Wagen /welchen zwey weisse Maul-Eselinnen zohen / entgegen. Sie bückte sich gegen der Liebe mit tieffster Ehrerbietigkeit / überreichte ihr einen Pusch weisser Lilgen / und sang folgende Reime:


O grosse Göttin welcher Licht

Ist reiner als der Himmels-Kertzen.

Mir ist nunmehr verborgen nicht /

Wie fälschlich dich Verläumbder schwärtzen.

Wie sie mit Hütten-Rauch als einen Wurm dich mahln

Für dem Harpyien mit vieler Schönheit prahln.


Kein Crocodil / kein wilder Stier /

Kein Wasser-Pferd / kein Ungeheuer /

Kein rasend Wolff und Panterthier

Soll hegen so viel schädlich Feuer.

Ja Lernens Schlange soll nicht haben so viel Gifft /

Als der vergällte Neid an reiner Lieb' antrifft.


Du sollst der Vrsprung aller Pein /

Die Henckerin der Hertz- und Seelen /

Der Jugend ärgster Gifft-Pful seyn /

Ja aus des Abgrunds schwartzer Hölen.

Von Kröt- und Nattern kommt nichts schädlichers herfür /

Als diß / was man ersinnt / und Boßheit eignet dir.


Man hängt dir Koth und Vnflath an /

Weil niemand Lieb und böse Lüste

Vernünfftig unterscheiden kan;

Man machet deine Mutter-Brüste

Zu einem Geilheits-Qvell / und einer Vnglücks-See /

Kleibt Krebs' auf ihre Ros' und Molch auf ihren Schnee.


Man misset dir aus Argwohn bey /

Daß Wolff und Schaf eh als die Liebe

Mit Keuschheit zu vermählen sey.

Man macht aus ihrem fruchtbarn Triebe

Gesammter Laster Keym / die Wurtzel wilder Glut

Die alle Tugend dämpfft / dem Leben Abbruch thut.


Nach dem ich aber dich erkennt /

Find ich / daß deine Glut im Hertzen

So rein als im Gestirne brennt /

Daß du Vergnügung schaffst mit Schmertzen;

Du giebst den Sternen Oel / der Erde Saltz und Safft /

Ja auch die Keuschheit kriegt von dir Geruch und Krafft.


Denn ob die geile Wollust gleich

Mit ihren Blumen uns vergifftet.

Ihr Amber Athem machet bleich /

Ihr Irrlicht tausend Vnheil stifftet.

Ihr Glantz den Strahlen kommt der Schwantz-Gestirne bey /

Ihr Werck nur Bländung ist / und thumme Zauberey.


So kan doch diß der reinen Glut

Aufrechter Liebe nichts benehmen.

Die Neben-Sonne wird zur Flut /

Wenn die wahrhaffte Gold kan sämen.

Der Purper auf Napel fleckt den der Rose nicht.

Denn jener bleibet Gifft / der ein erqvickend Licht.


Weil meine Lilgen nun so rein /

Daß sie der kleinste Staub beflecket.

Die Rosen wol gewaffnet seyn /

Vnd' rings herum der Dorn sie decket.

So kan mir nichts an Lust / dir nichts an Vnschuld fehln /

Wenn dieser Flammen sich mit jener Schnee vermähln.


So nimm nun meine Lilgen hin /

Vm deine Rosen zu bedienen.

Großmächtige Beschirmerin!

Dein Blitz der feurigen Rubinen

Giebt meinen Perlen Glantz und diesen jenen Schein.

Dein Rosen-Haupt mag Sonn' / ich Lilge Mohnde seyn.


So wird durch unsern Heyraths-Schluß

Die Vnter-Welt zum Himmel werden.

Von Sternen wird ein Balsam-Fluß

Durch uns stets strömen auf die Erden.

Nichts gifftiges wird dich / kein Wermuth mich vergälln /

Aus Keuschheit Anmuths-Milch / aus Liebe Tugend qvälln.


Die Nattern werden ihren Tod

Hier finden / und ihr Gifft verlieren.

Kein Kefer wird mehr seinen Koth

Auf unsre Ros' und Lilgen schmieren.

Die Raupe wird uns nicht mehr fressen Blüt und Frucht /

Mich wird kein Zwang mehr qväln / dich keine Eyversucht.


So nimm nun grosse Königin /

Die Götter / Thier' und Menschen ehren /

Mich an für deine Priesterin /

Weil niemand doch der Liebe Lehren /

Vernünfftiger / als ich / Liebhabern geben kan.

Dann wird dich alle Welt als Göttin beten an.


Die Liebe stand nach geschlossenem Gesange auf /antwortete ihr mit einer hellen und durchdringenden Stimme / mit folgenden Reimen:


Komm Keuschheit / spanne neben mich /

Laß uns vermählen Ros' und Lilgen.

Ich küsse nun als Schwester dich /

Kein Zwist wird unser Bündnüß tilgen.

Da Lieb' und Keuschheit nun zusammen Hochzeit hält

So kommt die güldne Zeit / die Wolfarth erster Welt.


Hierüber reichte die Liebe der Keuschheit die Hand /küßte und umarmte sie / und sätzte sie neben [1435] sich auf ihren Wagen / welcher beyde in die Lufft empor führte / und sie in das Gewölcke versteckte. Dieses breitete sich aber über den gantzen Schauplatz und die Königliche Rennebahn aus / und regnete über alle Zuschauer mit grossem Hauffen Rosen und Lilgen / welche nun auch mit grosser Vergnügung nach Hause kehreten / nach dem die Augenbranen der Morgenröthe schon gegen Ost hervor blickten. Der Vorwitz war zwar über der Ausdeutung dieses Schauspieles sorgfältig und iedermann hielt die Fürstin Adelgunde durch Atalanten vorgestellt; aber weil noch niemand zu errathen wuste / wer das Glücke sie zu überkommen haben würde / konten sie über dem ungewissen Hippomanes nicht einig werden. König Marbod hielt folgenden Mittag ein grosses Mahl dem Könige Vannius und allen anwesenden Fürsten / welches biß zur Dämmerung tauerte / welche Zeit Vannius zu Vorstellung seines dritten Schauspieles ihm schon ausgebeten hatte / niemand auch wegen grosser Begierde den Ausgang zu sehen / solche zu verlängern geneigt war.

Als der Hof und die Zuschauer nun wieder alle Plätze erfüllet hatten / öffnete sich der Schauplatz /stellte neben einer bergichten Meer-Enge eine schöne Stadt / darinnen einen grossen Tempel / und nicht ferne davon einen Lust-Garten für / in welchem alle Bäume mit güldenen Aepffeln behenckt waren. Für diesem Garten gieng ein grosser Drache mit feurigen Augen auf und nieder / welche selbiger Gegend fast mehr Licht gaben / als der nicht mehr weit über der Erden-Fläche stehende halbe Mohnde. Vom Himmel fuhr in Gestalt eines fallenden Sternes die Eyversucht herab / und ließ sich nicht weit von dem Drachen nieder / fieng auch alsofort an zu singen:


Laßt euch nicht seltzam kommen für:

Daß mit beperlten Purper-Flügeln

Die Eyversucht erscheint allhier:

Daß sich die Sternen an mir spiegeln

Ja / daß ich als ein Stern vom Himmel fahr hiehers /

Die Höll' ist mir zu schwartz / die Erde mir zu schwer.


Mein Vaterland die Nacht hab' ich

Verwechselt mit den Himmels-Zinnen.

Denn Juno liebt und küsset mich /

Weiß ohne mich nichts zu beginnen.

Da ieder Stern ihr fast bringt Eyver und Verdacht /

Weil iede Hur ihr Mann zu einem Sterne macht.


Selbst Jupiter verehret mich:

Daß ich sie nicht zu sehr entrüste;

Vnd wenn Ixion rühret sich /

Vulcan saugt meine Milch und Brüste.

Nun ich im Himmel denn so mächtig worden bin /

Wünsch' ich mir auch allhier zu werden Gärtnerin.


Hier lieget der Begrief der Welt /

Der Garten / der die Wunder-Schätze

Der güldnen Aepffel in sich hält.

O aber seltzames Gesätze!

Das einem Drachen nur räumt die Verwahrung ein /

Diß kan's Verhängnüsses vernünfftig Schluß nicht seyn.


Nichts desto minder fällt mir bey:

Daß des Aeetens güldner Wieder

Auch unters Drachen Auffsicht sey /

Vnd wo man fährt zum Pluto nieder /

Vnd gantz Lanuvium steht unters Drachen Hut /

Dem seiner Jungfraun Hand bringt Speis' und offt ihr Blut.


Was mag der Himmel ihm doch wol

An Drachen ausersehen haben?

Zumahl auch Glück und Klugheit soll

In seinem Bilde seyn vergraben.

Des weisen Orpheus Haupt / das alle Welt hielt werth /

Ward so / wie Arolus / in Drachen nur verkehrt.


Was aber ficht mich dieses an?

Weil die den Göttern kan gebieten /

Auch das Verhängnüß meistern kan /

Ich wil und muß den Garten hüten.

So must du / Drache / nun mir weichen oder fühln:

Wie ich die Rache werd' an deinem Blute kühln.


Jedoch ists keine Kurtzweil nicht

Mit Drachen sich in Krieg einlassen;

So Löwen halten das Gewicht' /

Vnd sich mit Elefanten fassen.

Doch Drach und Elefant sind Zwerge gegen der /

Die ihre Sieges-Fahn von Göttern dringet her.


War Cadmus so behertzt und klug:

Daß er den ungeheuren Drachen

Bey des Libethris Brunn erschlug /

Als er ihn meinte zu bewachen.

[1436]

Daß niemand würde nicht genoßbar seiner Flut /

Wie soll es mir diß Thier zu tödten fehln an Muth?


Der Sternen Glantz der mich bedeckt

Mit Spiegeln / bländet ihms Gesichte.

Und was in diesem Kuchen steckt /

Ist ihm ein tödtliches Gerichte.

Medeens Kräuter sind bey meinem Kinder-Spiel:

Sie schläfft nur Drachen ein; Ich tödte wen ich wil.


Wie wachsam bistu thummes Thier;

Du kommst dem Tod' und mir entgegen.

O daß die albern Menschen dir

Wahrsagungs-Krafft zueignen mögen!

Du siehst mich / und wirst blind. Nim Gifft und Honig hin.

Er frißt. Nun streckt er sich. Ich bin schon Meisterin.


Sein Wanst zerschwillt ihm wie ein Faß /

Nun wirfft er aus die Eingeweide /

Er speyet von sich alles Naß'

Auf daß sein Balg zu einem Kleide

Und langem Auffenthalt so viel geschickter sey.

Ist nicht die Eyversucht die klügste Zauberey?


Wird aber mir wol stehen an

In einer Drachen-Haut zu wohnen /

Die ich den Himmel meistern kan

Mit Purper-Spiel und Königs Kronen?

Ja wol! Denn Phöbus wird zum Drachen in Epir /

Beym Brunn' Ismenius ist Mars ein solches Thier.


In Indien verehret man

Den Bacchus in Gestalt des Drachen.

Auch nimmet Esculap' sie an /

Wenn Götter sich ansehlich machen /

So muß der Ceres Haupt / Minervens stählern Schild /

Dianens Jägerspiß mit Drachen seyn umhüllt.


So wol Saturn als Ceres mag

Mit nichts als schnellen Drachen fahren.

Die Drachen trifft kein Donnerschlag /

Sie und das Glücke sind zu paaren.

So wird mir Eyversucht wol nicht verschmählich seyn

Wenn ich in diesen Leib des Drachens wander' ein.


Man hat ihm vor schon Opffer bracht /

Altar und Priester ihm bestellet /

Ja einen GOtt aus ihm gemacht /

Vnd eh' ers Urthel hat gefället /

Was künfftig wird geschehn / hat niemand was gethan

Nun wird gantz Africa in ihm mich beten an.


Man wird des Drachen Opffer mehrn /

Mir wie der Liebe Tempel bauen /

Wenn man wird von den Wundern hörn /

Die man bey Abila kan schauen.

Ich wil durch meinen Witz erhärten: daß die Welt

Nichts für so klug und groß / als mich im Drachen hält.


Der Löw ist zwar der Sonnen Hauß /

Der Mohnde läßt ins Krebses Zeichen

Die allerstärckste Würckung aus.

Ich herrsche zwar in allen Reichen /

Vnd bin bald Hund / bald Bär / bald Hirsch / bald Luchs / bald Schwein /

Im Drachen aber werd' ich erst recht Riese seyn.


Uber diesem Singen gab der den Garten der Hesperiden bewachende Drache seinen Geist auf / welcher aber / nach dem sich die Eyversucht in selbten versteckte und ihn beseelte / sich wieder regte / aufstand / und mit feurigern Augen / als iemahls vorher leuchtete. Als kurtz hierauf sich die Morgenröthe auf der Spitze des Berges Abila und Calpe blicken ließ /fieng der Drache an Feuer auszuspeyen / und so schrecklich zu zischen / daß die Gebürge davon bebeten. Der zu seiner Speiß- und Versöhnung bestellte Priester kam zu ihm / und sätzte ihm eine Schale voll Granat-Aepffel und Datteln für / aber der Drache stieß beydes übern Hauffen / und gab mit vielen aus den Nasenlöchern geblasenen / und aus dem Rachen geschütteten Flammen seinen Grimm und Unwillen zu verstehen. Der Priester fiel für ihm auf die Knie /nennte ihn den Schutz-Geist Africens / den mächtigen Schatz-Meister des Verhängnüßes über die güldenen Aepffel / den Wahrsager künfftiger Zufälle / und einen heilsamen Gesätzgeber. Durch solche Demüthigung besänfftigte der Priester ein wenig dieses rasende Thier / welches nach vielem Schnauben ihm endlich diesen Befehl ertheilte:


Geh' in Astartens Tempel hin /

Den heut Antäus ein wird weihen /

Vnd melde / daß ich zornig bin.

Ich werd' es ihm auch nicht verzeihen

Daß er der Liebe viel / mir kein Altar gebaut /

Biß mir geopffert werd' Antäus eigne Braut.


Inzwischen ward der vorhin gleichsam in einem Nebel versteckte Tempel in einem Augenblicke oben mit einem Krantze von vielen tausend [1437] Lampen / unten mit unzählbaren Fackeln erleuchtet. Das Bild der Göttin stand auf einem güldenen Altare in der Mitte des rundten Tempels / dessen Wände von grossen Spiegel-Taffeln gemacht waren. Es hatte oben die Gestalt eines nackten Frauenzimmers / unten einen rückwerts gekrümten Fisch-Schwantz. Uber der Stirne ragten zwey Ochsen-Hörner herfür / welche einen halben Kreiß oder Mohnden machten. Auf dem Haupte hatte sie einen Krantz von grossen Rubinen / welche den Glantz der Stirne beschämten. Für diesem Bilde fiel König Antäus / und nebst ihm seine Tochter Alceis darnieder und beteten / als inzwischen die Priester auf der Seite das Opffer-Feuer mit vielem Weyrauch erfrischten. Hierauf kamen unterschiedene Priesterinnen / holeten die Alceis ab / und führten sie aus dem Tempel / zu einem überaus grossen Brunne / neben welchem zwey weiß-marmelne Säulen mit dieser Uberschrifft standen: Wir sind die / welche für dem Rauber Josua entflohen. In diesem Brunne badeten sie die Fürstin Alceis / balsamten sie ein / hernach legten sie ihr einen priesterlichen Schmuck von vielen Perlen und Edelgesteinen an / führeten sie wieder zum Bilde der Göttin / allwo sie numehro die Stelle der obersten Priesterin vertrat / und das Blut der unzählbaren Tauben / welche die Priester schlachteten / in ein güldenes Becken auffing. Alle / welche im Tempel die Andacht verrichteten / kamen für das Altar / und Alceis bezeichnete mit ihrem ins Blut getauchten Finger eines ieden Augenbranen. Der König saß nahe darbey auf einem güldenen Stule. Unter andern kam auch ein Frauenzimmer von etwan funffzehn Jahren dahin / welcher weisse Haut den Schnee / die Augen Pech / die Lippen Zinoder wegstachen; Und ihre Bildung hätte kein Bildhauer geschickter ersinnen können. Antäus hatte sie so geschwinde nicht erblicket /als seine Augen und Gebehrden seine Liebe verriethen / er folgte ihr auch auf der Fersen nach / und hielt sie im Vorhofe des Tempels mit ihrer Ansprache auf. Sie begegnete ihm höflich / und gab ihm auf seine Befragung Antwort: Sie hiesse Tingis / wäre von Mycene /und in einem Grichischen Schiffe auf Anreitzung ihrer Anverwandten zu Verrichtung ihrer Andacht dahin kommen / weil ihr geträumet hätte: Sie käme in Africa in einen Garten / darinnen sätzten ihr des Atlas Töchter einen Krantz von güldenen Aepffeln auf. Antäus nahm sie hiermit bey der Hand / und versicherte sie; daß ihr diesen Tag ihr Traum wahr werden würde. Als diß im Vorhofe geschah / kniete ein wolgebildeter Ritter in Hispanischer Tracht für der Alceis nieder /welcher / nach dem sie ihn gleich mit dem Opffer-Blute bezeichnet hatte / aufzustehen vergaß / und bey ihrer unverwendeten Anschauung gleichsam in ein Marmel-Bild sich versteinte. Als die Priester ihn nun erinnerten / andern Opffernden Raum zu machen /stand er auf / und sagte: Niemand hat so viel geopffert als ich. Denn ich lasse mein Hertze in den Händen der Priesterin meiner Göttin. Das Opffer gieng hiermit zum Ende / und Alceis hielt mit hundert Priesterinnen einen Tantz / in welchem sie der Göttin Astarte auf hunderterley seltzame Arten allerhand Ehrerbietungen bezeigten. Beym Schlusse / und da sich alles Volck aus dem Tempel verlohren hatte / kam der Priester des wachenden Drachen / und fragte die Alceis / wo er ihren Vater den König / welchen er allenthalben vergebens gesucht hätte / mit seiner Braut antreffen solte? Alceis fragte den Priester hingegen: Woher er wüste / daß der König ein Bräutigam / und wer denn seine Braut wäre? Der Priester antwortete: Er wüste nichts mehres davon / als daß sein wahrsagender Drache / welcher nicht lügen könte / ihm es entdeckt /auch deßwegen an König einen gewissen Befehl aufgetragen hätte. Alceis zweiffelte nicht mehr an der Wahrheit / [1438] verwieß den Priester in die Königliche Burg / sie aber fiel für Astarten auf die Knie / und bat mit grosser Andacht / sie möchte ihr doch die Wahrheit entdecken / und was ihres Vaters Liebe und Heyrath für einen Ausgang nehmen würde? Worauf ihr die Göttin diese Antwort gab:


Antäus ist verlobet schon /

Sein Lieben übereilt die Pfeile.

Allein des Jupiters sein Sohn

Wird endlich seine Braut zu Theile.

Nach dem er vor das Licht Anteen leschet aus /

Die güldnen Aepffel raubt / zerstöret Reich und Hauß.


Alceis erschrack über dieser Antwort / daß sie über Rücke zu Bodem fiel / die Priesterinnen sie also aufheben und mit Erqvickungen zu rechte bringen musten. Hiermit verschwand der Tempel / und der Schauplatz stellte das innerste des Hesperischen Gartens für. In diesem saß Antäus und Tingis auf der mit Rosen / Lilgen / Tulipanen / Narcissen / Hyacinthen und hunderterley andern Blumen gleichsam beschütteten Erde / umarmten und küsseten einander / gaben auch durch abwechselnden Gesang einander ihre hefftige Liebes-Regungen zu verstehen. Die Hesperiden Aegle / Arethusa / Vesta / und Erythia flochten von güldenen Aepffeln zwey Kräntze zusa en / fiengen hierauf mit dem Könige uñ der Tingis einen Tantz an / und sätzten in diesem einen Krantz dem Antäus /den andern der Tingis auf. Hierzu kam die Fürstin Alceis / welche von ferne zusah / und mit Gebehrden und Thränen so viel Traurigkeit / als jene Freude /ausließ. Antäus ersah endlich seine liebe Tochter Alceis / näherte sich ihr / und fragte: Was sie zu solcher Wehmuth veranlaste / da er ihr vielmehr eine sehr freudige Zeitung zu eröffnen hätte. Alceis aber schüttete nur mehr Thränen aus und antwortete: Diese freudige Zeitung hätte der wachende Drache schon seinem Priester / und die Göttin Astarte ihr / aber mit einem schrecklichen Ausgange seiner neuen Liebe und Ehe offenbahret. Antäus erschrack / und hatte an dessen Wahrheit nicht zu zweiffeln / weil er der Alceis Aufrichtigkeit allzusehr versichert war / und sie auch ohne Göttliche Offenbahrung von seiner so frischen Vermählung nichts wissen konte. Wie nun Antäus Astartens Wahrsagung zu wissen begierig war / sang sie ihm ihre eigene Worte für. Antäus ward hierüber noch viel bekümmerter / sonderlich da Alceis mit einer überaus kläglichen Stimme ihren Vater von einer der Göttin Astarte mißfälligen Heyrath eines frembden Weibes singende abmahnte:


Ich bin der Liebe Priesterin /

Drum ist der Liebe Süßigkeiten

Dir zu vergällen nicht mein Sinn.

Ich selber wil ihr Zucker leiten

In dein Vergnügungs Röhr / mich selber maaßen an

Zu finden etwas auf / was dich ergötzen kan.


Allein ist Africa zu kalt /

Und Sidon arm von schönen Frauen?

Daß du nach barbarscher Gestalt

Genöthigt bist dich umzuschauen.

Die Lieb ist anderwerts ein Fuß-Knecht und verzagt /

In Africa fährt sie mit Drachen auf die Jagt.


Sie ist noch bäurisch zu Mycen /

Geht dar im Hanff und Hirten-Kleide /

Zu Sidon aber ist sie schön /

Und geht in Purper und in Seide.

Diß weiß / wie man die Kost der Liebe würtzen kan /

Und färbt so gut die Lieb' als Woll' und Teppicht' an.


Weil nun die Göttin deinen Brand

Verdammt / und so viel Unheil dräuet /

So widerstrebe nicht der Hand /

Die Blitz und Gifft vom Himmel streuet.

Wer wider Götter kriegt der äschert selbst sich ein /

Und sein vermeintes Glück ist nur sein Leichenstein.


Das Reich ist dein recht Ehgemahl /

Dem iedes Kebsweib nach zusetzen.

Dem mustu opffern Hertz und Wahl /

Vergnügung / Lieb / und dein Ergetzen.

Drum schiffe deine Braut mit güldnen Aepffeln ein /

Diß wird ihr zu Mycen ein reicher Braut-Schatz seyn.


Antäus hörte seiner Tochter nicht ohne Gemüthsregung zu / stellte sich auch / als wenn er ihrem Rathe folgen / und sich der Tingis entschlagen [1439] wolte. So bald er sich aber wieder zu ihr wendete / überschüttete sie ihn gleichsam mit einem Regen ihres Liebreitzes / und fieng an zu singen:


O daß doch sonder Eyversucht /

Der Liebe Pflantz' einmahl geriethe!

So aber frißt die Natterzucht

Der Neid stets ihre Purper-Blüte.

Was hat der gifft'ge Wurm schon wider mich erdacht?

Der selbst Astartens Stern zum Schwantz-Gestirne macht.


Die Liebe / welche baut die Welt /

Die Kronen pfleget zu beglücken /

Die die Natur im Stand' erhält /

Soll diese Reich' in Abgrund drücken?

Verleumdung misset Gifft den schönsten Rosen bey

Und kräfft'ge Lieb ist ihr getraumte Zauberey.


Durch dieses Lied bezauberte Tingis den König auf eine solche Weise / daß er seine Alceis mit folgender Antwort abwieß:


Alceis mein Verhängnüs hat

Die Tingis mir schon außerlesen.

Hierwider hilfft nicht Witz noch Rath /

Wahrsagungen sind auch ein Wesen /

Das wie ein Rätzel sich läßt deuten wie man wil /

Drum setze mir kein Maaß / dem Lieben auch kein Ziel.


Alceis ward hierüber voller Wehmuth / Tingis aber und Antäus hielten mit denen Hesperiden einen lustigen Ballen-Tantz / in welchem sie einander die güldenen Aepffel kreutzweise zuwarffen / welche sie alle so geschickt aufzufangen wusten / daß nicht einer zur Erde fiel. In diesem Tantze stellte zugleich Tingis mit ihren Gebehrden des Nisus Tochter Scylla für / wie sie ihren Vater seines Purper-Haares / an welchem das Heil seines Megarensischen Reiches hieng / beraubte / und mit selbtem ihrem Liebhaber die Herrschafft in die Hand spielte / vom Minos aber verlassen / und aus Ungedult in einen Vogel verwandelt ward. Alceis sahe dieses mit verbittertem Hertzen an /und weil sie es auf niemanden anders / als sich ausdeuten konte / dieß sie sich voller Verzweiffelung davon. Bey riesem Tantze thaten gegen Sud-Westen sich hundert braune Africanerinnen / gegen Nord-Osten hundert Phönicische Jungfrauen herfür. Jene redeten bey beschlossenem Reyen den König in folgendem Liede an:


Was trifft uns nicht für grosse Schmach /

Daß unser König einer Griechin /

Uns / und gantz Africa setzt nach /

Die Schminck und Kunst doch hat bestrichen.

Ist uns're weiche Haut gleich nicht wie ihre weiß /

So heget unser Hertz viel Feuer / ihres Eiß.


Warum umarmst du nicht den Schnee /

Wenn Schönheit in der weisse stecket?

Zeuch hin an die gefrorne See /

Die weisse Bär' und Raben hecket.

Zwar Mohnd und Silber läßt sich weiß gefärbet schaun

Gold aber / und die Sonn' / ist / wie du uns siehst / braun.


Wenn du in gröster Brunst wirst seyn /

Wird dich bey deiner Tingis frieren.

Du wirst umarmen einen Stein /

Der dich nicht wärmt / sich nicht kan rühren /

Alleine wir beseeln durch Anmuth Marmelstein /

Und flößen Leichen auch Geist / Seel und Regung ein.


Der Mohren Liebes-Pfeile sind

Geschlieffen Gold / der weissen Bleyern.

Was gutes aus der Sonne rinnt /

Hilfft uns die Liebe stets erneuern.

Der Angel-Stern thaut nur auf weisser Liebe Flut /

Drum speisen sie mit Schnee / und wir mit Oel und Glut.


Nach abgesungenen Reimen hielten sie mit ihren einander zugeworffenen / und bald in die Lufft / bald auf ein gesätztes Ziel abgeschossenen Pfeilen einen künstlichen Schützen-Tantz / und drückten darinnen zugleich die tummen Regungen des in sein helffenbeinernes Venus-Bild verliebten Pygmalions aus. Hierauf fiengen die Phönicischen Jungfrauen nach ihren mit wolgestimmten Säiten bespannten Purper-Muscheln folgende Reimen an anzustimmen:


Steht dir nicht schwartze Buhlschafft an /

Bist du nach Schnee und Schwanen lüstern?

So sey doch diesen zugethan /

Die Lilg' und Ros' in sich verschwistern.

So suche nun bey uns das wahre Liebes-Bild /

Weil Perl und Purper ja rings unsern Leib umhüllt.


Hat die Natur nicht unser Meer

Mit Purper-Muscheln angefüllet?

[1440]

Wie solte sie uns lassen leer /

Von dem / was Hertz und Augen füllet?

So Mund als Wangen stehn voll schönster Purper-Flut

Und unser Brüste Milch krönt höchstes Schnecken Blut.


Den Balsam trägt nur unser Land /

Wie soll der Balsam zarter Hertzen

Das Lieben uns seyn unbekandt?

Wir wissen in die Liebes-Kertzen

Der Anmuth Balsam-Oel nach Kunst zu flößen ein /

Da andre Länder noch im Lieben Kinder seyn.


Die Welt hat keine Künste nicht /

Die die Phönizer nicht erfunden /

Solt uns denn abgehn Witz und Licht /

Zu heiln Anteens Liebens-Wunden?

Wir helffen mit Rubin / Gold / Perlen der Gestalt /

Ja auch der Heßligkeit giebt unser Geist Gewalt.


Der süssen Sängerin Betrug /

Der schnellen Augen Pfeil' und Hamen /

Beseelter Küsse geilen Zug /

Der Zung' und Lippen Liebes-Saamen /

Der Brüste Schwulst und Spiel zur Seelen-Peinigung /

Erfand Phönizien zu unser Zauberung.


Nach dem Schlusse hielten sie einen künstlichen Muschel-Tantz / mit derer Stimm- und Zusammenschlagung sie ein artliches Gethöne erweckten. Sie stelleten hierinnen aber auch zugleich für / wie Paris die schöne Schäferin Oenone so hefftig liebte / nach dem er aber seine Königliche Ankunfft erfuhr / sie auf dem Berge Ida sitzen ließ / und weder mit ihren Thränen Mitleiden hatte / noch ihren Liebes-Briefen Antwort gab. Endlich tantzte das Africanische und Phönicische Frauenzimmer zusa en / und drückte darinnen mit allem nur ersinnlichen Liebreitze und anlockenden Gebehrden alle Buhlschafften des Jupiters aus. Eine stellte Danaen für / wie sie den in Gold zerfließenden Jupiter mit grosser Begierde in ihre Schooß auffienge. Die andere war Leda / welche von dem brünstigen Schwane gleichsam mit Willen überwältiget ward. Die dritte gebehrdete sich / als wenn sie wie Europa von dem verliebten Ochsen durch die Wellen des schäumenden Meeres geführet würde. Die vierdte stellte sich wie Antiope an / als würde sie von dem in einen Satyrus verwandelten Jupiter bezwungen. Die fünffte wolte es gar der Juno nachthun / wie der Kuckuk ihrer Liebe genoß. Andere reitzten den Antäus /gleich als wenn er Jupiter wäre / mit tieffer Ehrerbietung zur Liebe. Eine gebehrdete sich / sie wäre Alcmena / und würde von ihm einen Hercules gebähren. Die zweyte prangte / als wäre sie die von ihm unter die Sternen versätzte Calisto / und andere wolten die eben so hochstehende Buhlschafften Jupiters /Electra / Maja / und Taigete seyn. Fürnemlich wuste Elissa eine Sidonierin die verliebte und hernach vom Blitz umgebene Mutter des Bacchus meisterlich vorzubilden. Sechs Africanerinnen stellten eben so künstlich Amphionen / Laodamien / Jodamen / Carmen /Protogenien und die Garamantis für / und versicherten mit ihren gleichsam redenden Gebehrden den Antäus /daß sie ihm einen Zethus / einen Sarpedon / einen Devcalion / eine Britomartis / einen Endymion und einen Hyarbas gebähren würden. So viel Phönicische Jungfrauen stellten Torrebien / die Ora / die Electra /Thalien / die Themis und Mutis liebreitzende für /und wahrsagten dem Antäus / daß sie durch ihre Fruchtbarkeit ihn zum Vater Arcesilaens / des Colaxes / Dardaus / der Palischen Brüder / ja so gar einer neuen Pallas machen wolten. Antäus gerieth durch so vielfältige Versuchungen in nicht wenige Verwirrung / und in Zweiffel / wessen er sich entschlüssen solte. Als er aber nur wieder einen Blick auf die Tingis warff / bezauberte sie ihn mehr als eine Sirene mit folgendem Gesange:


Weil keine mir die Wage hält /

Werd' ich von hunderten befallen.

Ich bin der Schönheit kleine Welt /

In mir ist / was in ihnen allen.

Betrachte mich und sie: Ist Eyversucht und Neid

Der Liebe Blasebalg / so nützt mir Feind und Streit.


Du hast an mir ein gantzes Meer /

An ihnen nur viel Anmuths-Bäche.

[1441]

Nichts ist an mir von Liebreitz leer /

Jedwede zeigt dort eine Schwäche.

Hat ihre Schönheit Firnß / und ihre Liebe Kunst /

So ist die Einfalt doch die beste Schminck und Gunst.


Antäus würdigte also keine von diesen zweyhundert Lock-Vögeln mehr seines Anschauens / sondern fertigte sie dergestalt ab:


Entfernet euch von meiner Lust /

Lescht euren Durst bey andern Brunnen.

Mir ist schon allzu wol bewust /

Was hier für Zucker kommt geronnen.

Wer frembdes Gut zu schmähn / sich nicht enthalten kan /

Der zeigt durch seinen Neid sein Unvermögen an.


Das hiermit sehr schlecht abgewiesene Frauenzimmer kehrte dem Antäus bestürtzt und beschämt den Rücken / und begab sich auf die Seite. Tingis hingegen fieng mit dem Antäus und den Hesperiden einen neuen Tantz an / und stellte darinnen das Urthel des Paris / in welchem er mit Nachsetzung der Juno und Pallas den güldenen Apffel der Venus / als den Preiß der Schönheit überreicht / und die Eyversucht der zwey verachteten Göttinnen / sehr lebhafft für. Als das zurück gewichene Frauenzimmer nun in gröster Bestürtzung durch einander ging / ließ sich die Eyversucht in Gestalt der Juno mitten unter sie / und munterte sie singende zur Rache wider die Tingis an:


Ihr Schönheits-Sonnen könnet ihr

So unerhörten Schimpff verschmertzen?

Man zeucht euch allen eine für /

Regt kein' Empfindung euer Hertzen?

Flößt euch die Eyversucht kein Helden-Feuer ein /

So laßt mich Juno euch ein kluges Beyspiel seyn.


Wie setzt ich nicht den Dirnen zu /

Mit welchen Zevs buhlt auf der Erden?

Kreucht Jo nicht in eine Kuh?

Calisto muß zum Bäre werden.

Der Mohnde muß zur Rach und zu Alcidens Pein

Mit Löwen / und die Welt mit Drachen fruchtbar seyn.


Wo ich und alle Welt nun nicht

Euch ewig soll verächtlich halten;

So lescht der Tingis aus ihr Licht /

Schreckt sie mit heßlichen Gestalten /

Versaltzt ihr ihre Lust durch Haß und Zauberey /

Und trennt ihr Heyraths-Band mit Gifft und Stahl entzwey.


Durch dieses Lied wurden sie von der Eyversucht gleichsam besessen / also daß sie mit der eingebildeten Juno einen hitzigen Tantz anfiengen / und darinnen alle eyversüchtige Verfolgungen der Juno / welche sie wider des Jupiters Kebs-Weiber / und die mit ihnen gezeugeten Kinder / insonderheit den Hercules ausgeübt / mit Gebehrden fürstellten / und alles diß an der einigen Tingis auszuüben dräueten. Ob nun zwar Antäus und Tingis sich durch diß Säitenwerck nichts irren ließ / sondern beyde mit Küssen und andern Liebeskosungen einander die Zeit kürtzten / so wurden doch beyde durch die Ankunfft und den Vortrag des Drachen-Priesters aufs hefftigste erschreckt. Denn dieser sagte: Er hätte den König von der aufgehenden Sonne an / im Tempel / auf der Burg / durch die Stadt / am Meerstrande / und sonst allenthalben vergebens gesucht. Numehr aber müste er ihm allhier des wachenden Drachen Zorn und Begehren / seine Braut zum Opffer zu bekommen / eröffnen. Tingis stellte sich hierüber gantz verzweiffelt / wand die Hände / räuffte ihr die Haare aus / und gab durch wehklagendes Singen ihr Hertzeleid an Tag:


Hilff Himmel! haben Drachen hier

Wie Götter Opffer zu begehren?

Was ist diß für ein grausam Thier /

Dem man muß Menschen-Blut gewehren?

Dem man noch Priester hält? Mit was hab ichs verletzt

Daß es mein Fleisch verlangt / auf mich die Zähne wetzt?


Ich bin ja nicht Andromeda /

Daß ich der Mutter Hoffarth büsse.

O ungeheures Africa!

Zahlt man so theuer wenig Küsse.

Schlingt Wallfisch / Drach und Wurm hier nichtsals Frauen ein /

Die Wunder der Gestalt / der Götter Abgott seyn?


Warum verschlang mich nicht das Meer /

Nicht Scylla / nicht die wilden Syrten?

Eh als ich thör'chte kam hieher;

Wo uns nur Schlang und Nattern wirthen.

[1442]

Wo nun Antäus nicht den Drachen übertrifft /

So zöpff' er ab mein Blut / und tödte mich durch Gifft.


Antäus wuste seinem Leide zwar auch kein Ende /doch stellte er sich behertzter als er war / um seine Tingis desto kräfftiger zu trösten / oder sie nur von euserster Verzweiffelung zurück zu halten. Er gab also dem Priester folgende Antwort:


Ich selbst wil eh zum Opffer mich /

Dem grimmen Drachen übergeben;

Als Tingis meine Seele dich:

An deiner Wolfahrt hängt mein Leben.

Drum deute Priester nur dem grossen Drachen an /

Daß ich diß Kleinod ihm unmöglich opffern kan.


Daß er sich gäbe nun zu Ruh /

Wil ich ihm einen Tempel bauen /

Und zwölff Altäre noch dazu /

Ihm opffern hundert schöne Pfauen.

Kan es mit Willen auch Astartens noch geschehn /

So soll er ein Altar in ihrem Tempel sehn.


Der Priester nahm hiermit Abschied / mit Versprechen / daß er den Drachen durch diß Erbieten zu versöhnen / bemühet seyn wolte. Tingis aber fuhr in ihrem erbärmlichen Wehklagen fort:


Was ist der Drache für ein Thier /

Daß er kan Afriken gebieten?

Daß er uns schreibt Gesätze für /

Daß wir erstarrn für seinem Wüten.

Greif wie ein Cadmus ihn / und wie ein Perseus an /

Und mache: daß er nicht mehr trotz- und schaden kan.

Antäus aber antwortete ihr seuffzende:

Einfältige! schleuß Zung' und Mund /

Was wir hier reden hört der Drache;

Ja ihm ist / was geschehn soll / kund;

Er sinnet Tag und Nacht auf Rache.

Läßt Fluch und Dräuungen mit hundert Zungen aus /

Was nur sein Athem rührt / verfällt in Staub und Grauß.


Sein bloßer Ursprung schreckt uns schon /

Denn dieser Ausbund aller Schlangen

Ist's ungeheuren Typhon Sohn /

Der Jupitern selbst hielt gefangen /

Für dem die Götter flohn / den nach dreyfacher Schlacht

Kaum Blitz und das Geschooß des Phöbus umgebracht.


Der unter Etnens Felsen-Klufft

Zwar als ein Aas zerschmettert lieget /

Doch itzt noch Glut speyt in die Lufft /

Und wider die Gestirne krieget.

Nicht schwächer ist diß Thier / das unser Wächter ist /

Und welches Africa zum Schutz-Geist hat erkiest.


Es träget hundert Köpff empor /

Und wenn man einen ihm zerschnitte /

So wüchsen ihrer zwey darvor.

Und jeder Tropffen vom Geblüte

Würd' in ein Nest voll Schlang' und Nattern sich verkehrn /

Die Mohren rotten aus / und Africa verheern.


Tingis erschütterte sich hierüber / das Hertze klopffte ihr / als wenn es mit Gewalt aus dem Leibe springen wolte / und die Haare stunden ihr zu Berge. Sie fiel auch gar in Ohnmacht / als sie den Priester des Drachen mit geschwinden Schritten ihnen wieder zueilen sah. Der ankommende Priester gab dem Antäus zu verstehen / er hätte beym Drachen sein bestes gethan /von ihm aber keine lindere als folgende Antwort erlangen können:


Mein Opffer ist Antäens Braut /

Wil aber er sie ja erhalten /

Muß mir Alceis seyn vertraut.

Sonst wird des Königs Hauß erkalten /

Sonst reiß' ich der Natur Gebäud und Schloß entzwey /

Und mache dieses Reich zu einer Wüsteney.


Tingis schöpffte hierüber zwar wieder Lufft / aber im Hertzen des Königs erhob sich ein grausamer Sturm /in dem seine Ehliche- und Vater-Liebe mit einander darinnen den grausamsten Kampff anfiengen. Diesen und seine endliche Entschlüßung seine Tochter Alceis dem Drachen zu vermählen / drückte er endlich durch diese gesungene Reimen aus:


O grausamer Verhängnüß-Schluß!

Mein Hertze spaltet in zwey Stücke /

Von denen eines kalt seyn muß;

Soll meine Heyrath gehn zurücke?

Soll ich die Vater-Lieb erstecken in der Brust?

Diß tödtet die Natur / und jenes meine Lust.


Alceis hertzgeliebtes Kind /

Mein Augen-Apffel / mein Vergnügen /

[1443]

Soll ich dich schlagen in den Wind?

Sollst du bey einem Drachen liegen?

Und Drachen-Eyer mir für Enckel legen ein?

Nein! nein! ich würde selbst mehr als ein Drache seyn.


So must du Tingis denn von mir /

Ich muß dich nur dem Drachen schlachten.

Doch nein! es würde sonst diß Thier

Seyn gütiger / als ich / zu achten.

Kein Drache / Wolff und Wurm zerfleischet was er liebt /

Und keine Natter sticht diß / dem sie Küsse giebt.


Nein / Tingis / ich kan ohne dich

Nicht lieben / leben / Athem schöpffen.

Der Drache fresse lieber mich;

Du magst mir / Priester / s' Blut abzöpffen.

Zerschneid der Adern Drat / und opffer ihm ihr Oel

Spann' über sein Altar mein abgefleischtes Fehl.


Hat aber nicht ein Vater Macht /

Sein Kind willkührlich zu vermählen?

Wer hat der Töchter Recht erdacht;

Daß sie / wie sie wolln / mögen wehlen?

Sie ist die erste nicht / die / was nicht Mensch ist / liebt

Die einen Schwan umhalst / und Pferden Küsse giebt.


Was hat Echidna sonst umarmt

Am Typhon als viel hundert Schlangen?

So ist Proserpina erwarmt /

Ja grosse Helden sind empfangen

Von Drachen solcher Art. Aus dieser Anzahl sind

Aristodamens Sohn / Nicotelcens Kind.


Ja dieser hat nur die Gestalt

Der Drachen / aber sein Beginnen /

Erhärtet Göttliche Gewalt.

Welch Sterblicher kan nun ersinnen /

Ob Phöbus / Esculap' in diesem Drachen steckt?

Und was für Helden-Zucht durch ihn wird seyn erweckt.


Geht / bringet meiner Tochter bey /

Daß sie mit dem gekrönten Drachen

Durch meine Hand verlobet sey:

Sie soll noch heute Hochzeit machen /

Man wird ihr so wie ihm Altär' und Priester wey'hn;

Sie soll Proserpina / der Drach ihr Pluto seyn.


Der Priester des Drachen war über dieser Erklärung wol vergnügt / noch vielmehr aber Tingis / welche vom Antäus keine grössere Versicherung seiner hertzlichen Liebe iemahls hätte wünschen können / als daß er ihrentwegen seine einige Tochter einem so abscheulichen Drachen aufopfferte. Sie umarmte ihn also mit gröster Begierde / küssete ihn mit ihren feurigen Lippen / und zoh ihn endlich zu einem Tantze auf / in welchem sie zwar die Liebe der Hero gegen Leandern ausdrückte / ihre aber gegen den Antäus jener noch fürsätzte / und daß sie seinet wegen durch die gefährlichen Syrten in Mauritanien gesegelt wäre /rühmte. Hierzu kommet Micipsa / und berichtet den König / daß Gelo / ein Fürst aus Hispanien / welcher unter dem Scheine der Andacht / sich mit einer Anzahl seines Volckes im Tempel Astartens aufgehalten / die Fürstin Alceis geraubet / sie in sein nahe darbey liegendes Schiff gebracht hätte / und mit selbter davon gesegelt wäre. Zorn und Schrecken überfielen zugleich den Antäus / daß er kein Wort aufbringen konte / sondern nur schnaubte und mit den Füssen auf die Erdestieß. Endlich lieff er im Grimme mit Pochen und Dräuungen davon / Tingis hingegen fiel in neue Bekümmernüß / daß / wenn Antäus seine Tochter dem Drachen nicht würde liefern können / sie von ihm auffs neue zum Opffer würde begehret werden. Daher sie ihre Wehmuth mit vielen Thränen ausdrückte /und in einem Trauer-Liede die Glückseligkeit Iphigeniens preisete / in dem diese ja der grossen Diana für das allgemeine Heil der schiffenden Grichen wäre geopffert worden; Sie aber solte das blosse Sühn-Opffer eines verbitterten Drachen seyn. Hiermit verwandelte sich der Schauplatz / und stellte selbter das Gaditanische Meer mit dem Mauritanischen Vorgebürge und Astartens Tempel für. In dem Meere fochte Antäus auf seinem sechzig Ellen langen Schiffe / von welchem seinem Leibe eine so ungeheure Riesen-Länge angetichtet ward / gegen zwey Hispanische / ward auch nach einem kurtzen Gefechte beyder feindlichen Schiffe Meister / brachte sie also an sein Gestade /und führte so wol seine Tochter Alceis als den Fürsten Gelo in Eisen und Banden heraus. Denn jener maaß er bey / daß sie mit dem Gelo Verständnüß gehabt [1444] hätte / und ihm willig gefolgt wäre / diesen aber schalt er einen Rauber / deutete auch diesem an / daß er ihn gleich dem Drachen opffern / jener / daß er sie mit dem Drachen verheyrathen wolte. So wol Gelo als Alceis wusten ihr vorstehendes Unglück nicht zu begreiffen / daher stellten sich auch beyde so viel ungebährdiger. Endlich ließ der verzweiffelnde Gelo folgende Worte aus:


Hat denn Antäus nie geliebt?

Versteht er nicht der Liebe Stärcke?

Wie daß er denn solch Vrthel giebt?

Wie stifftet er so grimme Wercke?

Behertzige was Lieb' und heisse Jugend kan /

Sieh uns ja nicht für Eis und dich für Schwefel an.


Ist denn mein Irrthum sterbens werth /

So lasse nicht die Vnschuld leiden.

Vnd schärffe nur auf mich das Schwerdt /

Du magst mir Hand und Kopff abschneiden.

Wirff mich dem Drachen für / verdient es meine That /

Nur straffe nicht dein Kind / das nichts verbrochen hat.


Alceis gab auch mit einer theils wehmüthigen / theils entrüsteten Stimme ihre Ungedult singende zu verstehen:


Man schlachte mich dem Drachen ab /

Man mach aus seinem Wanst und Magen

Der Vnschuld und Alceens Grab /

Ich wil diß Vnrecht willig tragen.

Seht Rachen reisse mir mein Eingeweyd entzwey /

Mir Drachen lege man mich nicht als Ehweib bey.


Ward Syrinx schlechtes Schilff und Graß

Als sie den Bock zum Buhler hatte.

So werd Alceis Leich und Aas /

Eh / als sie sich mit Drachen gatte.

Mein Laster würde ja Pasiphaen befreyn /

Weil Drachen heßlicher als glatte Rinder seyn.


Diese Worte giengen dem Antäus zwar durchs Hertze / aber die anko ende Tingis / welche den Antäus zu seinem Siege nur deßwegen Glück wünschte / wormit sie über ihn den Meister spielen möchte / verhärtete ihn durch ihren Liebreitz alsofort / daß er sein Urthel ohne Aufschub zu vollziehen befahl. Gelo ward also wie ein zum Schlacht-Opffer gewiedmeter Wieder vom Drachen-Priester gebunden / und Alceis / welche vergebens Gifft und Messer sich zu entleiben / forderte / als eine Königliche Braut aufgeputzet / und jener zu dem nicht weit entfernten Altare des Drachens getragen / diese vom Antäus geführet. Der Drache kam aus seinem zwischen denen schönsten Granat-Aepffel-Bäumen bereitetem Lager mit vielem Zischen herfür. Es fielen aber die Africanischen und Phönicischen Jungfrauen für dem Drachen nieder / lieferten ihm allerhand Vögel / viel Eyer / und mancherley Salate aufs Altar / in Meinung den Drachen zu versöhnen /daß er weder dem Gelo noch der Alceis einiges Leid anfügen möchte. Der Drache aber verschmähete alle diese Gaben / und jagte mit ausgespeyetem Feuer alle Vorbitterinnen zurücke. Hingegen erwieß er sich gegen den Gelo viel anders / als ihm Antäus oder sonst iemand eingebildet hatte. Denn er lockte ihn mit seiner Zunge / lösete ihm seine Banden auf / und liebkosete ihm als seiner Buhlschafft / ja er gab durch eine annehmliche Stimme ihm seine inbrünstige Liebe in folgendem Liede zu verstehen:


Mein Augen-Trost und süsses Licht /

Komm / komm / und lasse dich umarmen.

Fleuch mich als Hund und Schlange nicht.

Wenn du auf meiner Brust erwarmen

Von meinem Zucker wirst den Liebes-Zucker ziehn /

Wirstu so sehnlich mich verlangen / als itzt fliehn.


Der Menschen Brust ist kalte Flutt

Bey eines Drachen Liebes-Flammen.

Mein Hertz hat vielmehr feurig Blut /

Das nie von Kälte rinnt zusammen.

Ich sehe dich mit mehr als hundert Augen an /

Von denen keines nie für Liebe schlaffen kan.


Ich wache mehr als Argos wacht /

Weil ich mich niemahls satt kan sehen

An diesem / was mich lüstern macht /

Kein Wanckelmuth kan mich verdrehen /

Nicht Nacht / nicht Vberdruß mich iemahls schläffen ein /

Weil ich viel eh entseelt als unverliebt kan seyn.


Erschrick für hundert Köpffen nicht /

Du wirst so viel mehr Küß' empfangen.

Siehstu kein weisses Angesicht /

So siehstu mich mit Farben prangen.

[1445]

Die hundert edle Stein' und Purper stehen hin /

Vnd Pallas weist an mich die Seiden-Stückerin.


Der Regenbogen Schmeltz und Zier /

Ist nicht so gläntzend als mein Rücken.

Wär' auch ein Drach ein heßlich Thier /

So würden ihn nicht Sterne schmücken.

Mit welchem die Natur besämet seine Haut /

Auf der man nebst Saphier Schmaragden schimmern schaut.


Auch würden sich die Götter nicht /

In Drachen wandeln und sie hegen;

Fürnehmlich sind an treuer Pflicht

Wir Drachen Menschen überlegen.

Wir haben unsr'e Lieb offt durch den Tod bewehrt /

Der Erde manchen Held durch fruchtbar seyn gewehrt.


Drum schöpff an mir / mein Gelo / Lust /

Du wirst hier mehr Vergnügung saugen /

Als aus Alceis Rosen-Brust /

Vnd ihren kohlpechschwartzen Augen.

Die meiner Eyversucht und deiner süssen Pein /

Ein stetes Opffer soll / ein frischer Zunder seyn.


Hingegen nam er die schöne Alceis mit Ungestüm hinweg / band sie bey seinem Lager / welches sein Priester ihm gleichsam als sein Braut-Bette mit den schönsten Blumen und wolrüchenden Blüten bestreuet hatte / an einen Granat-Aepffel-Baum / und deutete ihr folgende Qvaal an:


Hier soll sich deine Eyversucht

An unser beyder Wollust kräncken.

Der güldnen Aepffel süsse Frucht

Wird dir zwar auf die Lippen hencken.

Doch wirst du hungriger als Tantalus hier seyn /

Weil dir mein Priester nur wird Galle schencken ein.


Laß keinen Eckel diese Kost

Dir bitter machen und erlauben.

Die Eyversucht wärmt sich bey Frost /

Saugt Wermuth aus den süssen Trauben.

Weil dich dein Vater denn mir dachte zu vermähln /

So magst du dich nun auch mit meiner Nahrung qväln.


Jedermann hatte mit der Alceis ein hertzliches Mitleiden / das Africanische und Phönicische Frauenzimmer beklagte auch in einem Trauer Liede ihr Unglück /und schalt hingegen die Grausamkeit ihres Vaters /welcher sie selbst einem wütenden Drachen in die Hände geliefert und zehnmahl grausamer als Theseus gegen seinen Sohn Hippolytus verfahren hätte / auf dessen Verfluchung seine Pferde von einem Meer-Ochsen schichtern gemacht / und er also in Stücke zerschmettert worden. Niemand aber konte hierbey begreiffen / wie es zugienge / indem der Drache sich in seinem Lager verlohr / hingegen daselbst ein Weib erblicket ward / welche sich mit dem Gelo armete /halsete und küssete. Keinem gieng diß alles weniger zu Hertzen / als dem Antäus / und der Tingis / welche sich von dar geraden Weges in Astartens Tempel erhoben / und sich von denen Priestern als Ehleute einsegnen ließen / hierauf ward am Strande des Meeres eine prächtige Taffel bereitet / auf welche die Nereiden allerhand seltzame Fische / die Jäger vielerley Wilpret / und Pomone güldene Aepffel / und allerhand köstliches Obst auftrugen / zwölff Liebes-Götter diese neuen Ehleute bedienten / und so viel mit der Tingis angekommene Jungfrauen aus Griechenland sie mit allerhand Säitenspielen und Liebes-Liedern unterhielten. Unterdessen bereiteten die Hesperiden in dem Garten von künstlich zusammen geflochtenen Laubwercke und Blumen ihr Braut-Bette. Wie sich nun mit anbrechender Nacht der Venus-Stern am Himmel schauen ließ / standen Antäus und Tingis von der Taffel auf / und nach dem jener seiner neugebauten Stadt den Nahmen seiner Gemahlin Tingis zugeeignet hatte / verfügten sie sich in den Garten / und in ihr bereitetes Braut-Bette. Die Hesperiden aber sangen biß sie eingeschlaffen waren / unterschiedene Lieder von der Süßigkeit der Liebe. Als diese verstummeten / kam die Eyversucht in ihrer eigenen Gestalt / näherte sich dem Bette / und nach vielen Ungebehrdungen fieng sie mit einer heiseren Stimme zu singen an:


Ich habe zwar in kurtzer Zeit /

Seit Wollust mich hat angestecket /

Viel Centner Liebes-Süßigkeit

Auf meines Gelo Brust geschmecket.

[1446]

Die Gramschafft aber hat mein Maul zu sehr verwehnt

So daß es sich nun schon nach Galle wieder sehnt.


Mein Hertze sagt mirs zu gewiß /

Daß Gelo helle Liebes-Kertzen

Seyn nur gemahltes Finsternüß /

Alceis steck' ihm in dem Hertzen.

Mir schlaffe nur sein Leib / ihr seine Seele bey /

Er zins' ihr seine Brust / mir nur die Heucheley.


Nun denn Alceis mich betrügt /

Wie kan ich ohne Eyver sehen:

Daß Tingis hier ruht so vergnügt?

Wie ließ ich thör'chte denn geschehen /

Daß für die Tingis mir Alceis werd gewehrt /

Die meine Qvaal und Pein durch ihre Schönheit nehrt.


Auf denn! verschwere Rast und Ruh!

Laß / Eyversucht / dich nichts nicht halten.

Schaff alle Mittel nur herzu /

Anteens Liebe zu zerspalten.

Sie falle / soltest du gleich mit zu Grunde gehn /

Gieb deinen Vorsatz nur viel Helden zu verstehn.


Durch diese wird Antäens Lust

Und Gelons Liebe sich leicht trennen.

Wird jener auf der Tingis Brust

Bald Spuren frembder Küsse kennen.

So wird die Eyversucht dem Gelo bringen bey:

Daß weder ich / noch er / Alceens Liebster sey.


Die Eyversucht schwang sich hiermit in Gestalt der Göttin des Geschreyes in die Lufft empor / und weckte mit einer durchdringenden Trompete gleichsam alle Welt auf / hernach fieng sie mit einer hellen Stimme an zu singen:


Wo irgends wo der Tugend Glut

Reitzt eines Helden Geist und Sinnen /

Der außerwehlten Schönheit Gut

Durch tapffre Thaten zu gewinnen.

Der suche Tingis heim / wo so viel Schönheit blüht:

Daß man nebst ihr beschämt die güldnen Aepffel sieht.


Hiermit kehrte sie wieder in ihr verlassenes Drachen-Hauß. Kurtz darauf lendeten an dem Meerstrande unterschiedene Schiffe an / aus derer einem der mit einer Löwen-Haut bedeckte und mit einer Keule gerüstete Hercules / ans Land stieg / gegen den Garten und Drachen fortgieng / und sich singende heraus ließ:


Wo hat Verhängnüß und Geschrey

Mich numehr endlich hingeleitet?

Hat mir hier Neid und Zauberey

Ein neues Ehren-Feld bereitet?

Ich sehe nichts als Gold hier auf den Bäumen stehn /

Vnd einen Drachen mir schnurstracks entgegen gehn.


Hier' muß des Atlas Garten seyn /

Und hier des Typhons Wunder-Drache.

Ih seh ihn Dampff und Glut ausspey'n /

Er schäumet Blutdurst / Gifft und Rache.

Diß alles aber ficht Alciden wenig an /

Der in der Wiege schon die Schlangen tödten kan.


Diß Thier kan so viel Kräffte nicht

Als Lernens Wasser-Schlange haben.

Der aber lescht ihr aus ihr Licht /

Viel Vngeheuer sind begraben.

Laß uns den Drachen nun auch in ein Aaß verkehrn /

Wie? fleucht er schon für uns? traut er sich nicht zu wehrn?


Er eilet dem Gepüsche zu /

Da wird er sich umsonst verstecken.

Denn Hercules hat keine Ruh

Biß seine Feinde Maden hecken.

Alleine seine Flucht kan nichts als Arglist seyn.

Laß' also Sicherheit dich nimmer schläffen ein.


Was für ein heßlich Weib seh ich

Aus diesen dicken Hecken fliehen /

Kan dieser Wurm verwandeln sich?

Und vielerley Gestalt anziehen?

Doch nein! dort raget er mit hundert Köpffen für /

Er liegt gantz unbewegt. Was sinnt diß schlaue Thier?


Schläfft es vielleicht? Es rührt sich nicht /

Ist es erstarrt für Furcht und Schrecken?

Man sieht in Augen mehr kein Licht /

Vnd alle viere von sich strecken.

Es fühlet auch nichts mehr. Es hat kein Leben mehr.

Was kümmerstu dich denn um dieses Aaß so sehr?


Hat es ein stiller Blitz erlegt;

Daß Hercules durch seine Stärcke

Nicht neuen Sieg und Ruhm wegträgt?

Wie / oder sind es Zauber-Wercke?

Und falsche Bländungen? träumt mir nur etwan? nein.

Diß Aaaß ist ja nichts mehr / als Knochen / Haut und Bein.


Es sey entseelt nun wie es wil /

So ist es gut / daß es erblasset.

Der Mißgunst ist gesteckt ihr Ziel /

Die diesen Garten hielt umfasset.

Und keinem Frembden ließ die güldnen Aepffel zu /

Genung: daß ich der Welt nun das Gesicht aufthu.


[1447]

Hau Hercules diß Aas entzwey /

Und henck es an die Garten-Thüre /

Daß für des Drachen Raserey /

Kein Mensch mehr Hertz und Muth verliere.

Eröffne Thür und Thor / und schreib zur Nachricht an:

Daß hier die güldne Frucht jedweder brechen kan.


Hercules theilte mit seinem Schwerdte dieses Drachen Gerippe der Länge nach in zwey Theil / und hefftete jedes an eine Pfoste des Garten-Thores an. Als er nun auch dieses eröffnete / sahe er auf der einen Seite die nackt angebundene Alceis stehen / auf der andern Seite kroch der abgemergelte Gelo aus dem Gestrittige herfür. Hercules eilete jener zu / machte ihre Fässel loß / sie aber fieng mit freudiger Stimme an zu singen:


Was überstrahlt mich für ein Licht?

Welch Held / welch GOtt ist / der den Drachen

Erlegt hat / meine Band aufbricht?

Welch Perseus wil mich ledig machen?

Diß muß Alcides seyn / der durchs Verhängnüß ist

Zur Bändigung der Schlang- und Drachen-Zucht erkiest.

Gelo aber ließ sich nicht ohne untermischte Seuffzer gegen ihn hören:

Erlöse mich von Qval und Pein /

Darmit ein geiles Weib mich plaget;

Die in den Drachen kehret ein /

Und wie die Aegeln an mir naget.

Die mir durch Heßligkeit versaltzet alle Lust /

Und doch das Marck mir saugt aus Adern / Hertz und Brust.

Hercules antwortete ihnen mit einer männlichen Helden-Stimme:

Mein Sieg sey euer Heil und Frucht /

Dein Marter-Holtz des Drachen Seele /

Das dürre Weib / die Eyversucht /

Ist schon verjagt ins Abgrunds Höle.

Sie wird mit toller Brunst dich nimmermehr mehr kwäl'n /

Du magst / was Liebens werth / dir numehr selbst erwehln.


Dich aber außerwehltes Kind /

Die du viel schöner bist zu schätzen /

Als diese güldne Aepffel sind /

Wil ich allhier zur Schutz-Frau setzen;

Von deiner milden Hand soll ich und alle Welt

Empfangen was für Frucht der Garten in sich hält.


Kommt ihr Hesperiden hieher /

Kommt / und verehrt numehr Alceen.

Erschreckt für keinem Drachen mehr /

Statt dessen sie euch vor wird stehen.

Nehmt sie zu eurem Schirm / für eure Göttin an /

Bey der kein gifftig Wurm im Garten hausen kan.


Die Hesperiden kamen auf diese Erforderung schleunig herzu / sahen den aufgehenckten Drachen mit freudiger Verwunderung an / und bückten sich so wol als Alceis mit tieffer Ehrerbietung gegen dem Hercules als ihrem Erlöser / hernach aber auch gegen der Alceis. Sie und die Hesperiden sangen ihm auch zum Lobe folgende Reyme:


Wer ist der ferner zweiffeln mag:

Daß weder Mißgunst noch die Hölle

Kein Ungeheuer bringt an Tag /

Was Hercules nicht tödt' und fälle.

Meer / Berg / und Abgrund hemmt nicht seiner Siege Lauff /

Kommt / setzt ihm einen Krantz von güldnen Aepffeln auf.


Hierauf zohe Alceis den Hercules zum Tantze auf /welchen sich die Hesperiden auch beyfügten / und darinnen mit Gebehrden artlich fürstellten / wie Perseus Andromeden vom Meerwunder errettet hatte. Zu letzt setzten die Hesperiden so wol dem Hercules / als der Alceis einen Krantz von Granat-Aepfeln auf /führteen auch diese / als ihre neue Schutz-Frau / in das innerste des Gartens. Diese waren nur weg / als die Eyversucht in Gestalt einer Gärtnerin sich zum Hercules gesellete / und mit einer besondern Anmuth ihn folgender Weise ansang:


Läßt Hercules der Helden Held

Alceens Zauberey sich bländen.

Der / der den Drachen hat gefällt /

Giebt seinen Siegs-Preiß aus den Händen;

Setzt statt des Drachens die zu einem Abgott ein /

Die eines Drachens Braut und Opffer solte seyn.


Was hastu dir an ihr ersehn /

Daß die des Garten Frau soll werden;

Um den Zeus wird sein Reich verschmähn /

Und Juno sich sehn'n nach der Erden.

Giebst du aus Liebe denn diß Paradiß so hin /

So mach ein Mohren-Weib doch nicht zur Herrscherin.


[1448]

Ich wil in diesem Garten dir

Was würdigers für deine Flammen /

Der Schönheit Ausbund stellen für /

Die Stahl durch Liebreitz schmeltzt zusammen.

Komm / folge meiner Spur und nim in Augenschein

Die / welche Jupiters Gemahlin könte seyn.


Hier liegt diß Wunderwerck der Welt /

Der Venus aus selbst eignem Triebe

Den güldnen Apffel zugestellt.

Hier dies' ist würdig deiner Liebe.

Der schönsten Tingis kommt des Gartens Herrschafft zu /

Dem Hercules: daß er in ihren Armen ruh.


Bey diesem letzten gantz leise gesungenen Satze wieß die Eyversucht dem Hercules die neben dem Antäus ziemlich entblösset liegende Tingis / über welcher Anblicke er gleichsam verzückt war. Nach dem er sie nun eine lange weile betrachtet hatte / und die Eyversucht ihn kaum zurücke halten konte / daß er sie nicht betastete / fieng er an:


Was seh ich? Himmel! ich vergeh!

Sind dieses Rosen oder Wangen?

Sind ihre Glieder Fleisch / nicht Schnee?

Ist mit Rubin der Mund umfangen?

Sind ihre Brüst aus Milch geronnen / und gekrönt

Mit Nelcken? die Gestalt von Kugeln her entlehnt?


Sind ihre Haare flüssend Gold?

Wie es hat Danaen befeuchtet?

Qvillt aus den Lippen Lieb und Hold?

Was ist's / das in den Augen leuchtet?

Zwey Sonnen / derer Blitz so wol in Hertzen's Eiß

Als auf des Atlas Brust den Schnee zu schmeltzen weiß.


Kein so vollkommen Muschel-Kind

Hat Sonn' und Meer ie ausgehecket;

Nach dem von Sternen alles rinnt /

Was in so schöner Perle stecket.

Ihr Schatten sticht das Licht / ihr Glantz den Demant weg /

Sie ist der Hertzen Garn / und der Begierden Zweck.


Nach ihrer himmlischen Gestalt

Muß die Natur / was schön ist / bilden.

Ihr Liebreitz hat mit sich gewalt

Zu spieln mit Riesen und mit Wilden /

Er macht Cyclopen zahm / und steckt Centauren an.

Was Wunder? daß sich nicht Alcides hemmen kan.


GOtt hat in ihr sein Ebenbild

Als wie im Spiegel fürgestellet;

Die Liebe sich in sie verhüllt /

Und Anmuth sich ihr zugesellet.

Ihr Antlitz ist ein Brunn / wo Durst der Seelen kwillt /

Den ihrer Brüste Milch mit Rosen-Zucker stillt.


Ich fühle diesen Durst und Brand /

Soll ich verschmeltzen bey dem Kwelle?

Mein Feuer nimmet überhand /

Mein Hertze bildet ab die Hölle;

Die Tingens Liebe kan ins Paradiß verkehrn /

Wenn sie dem Hercules wird einen Kuß gewehrn.


Denn nichts ist irrdisches an ihr /

Antäus unwerth sie zu küssen.

Mein eigen Vater geht mir für /

Und heißt nichts zaghafft mich entschlüssen.

Antäus liebstu dich und deine süsse Ruh /

So gönne mir dein Weib / und drück ein Auge zu.


Hercules wolte nunmehr die schlaffende Tingis küssen / die Eyversucht aber trat darzwischen / und weil Antäus aus dem Schlaffe entrüstet auffuhr / nahm sie den Hercules bey der Hand / führte ihn auf die Seite /und sagte ihm / daß sich die Liebe nicht mit solchem Sturme ausführen liesse / sondern er für allen Dingen der Tingis Gewogenheit erwerben müste. Antäus aber fieng an:


Wer reißt mir's Hertz aus meiner Brust?

Und meinen Schatz mir von der Seiten?

Welch raubrisch Vogel schöpffet Lust /

Mit mir um dich / mein Licht / zu streiten?

Bewacht kein Drache dich? Bistu noch / Tingis / hier?

Jedoch / was schrecket mich für Bländung? träumet mir?

Die Eyversucht näherte sich in ihrer Gärtner-Gestalt dem Bette / und antwortete dem Antäus:

Dein Traum hat mehr als Träum' in sich;

Du wirst die Tingis bald verlieren.

Wo kluger Rath nicht rettet dich.

Alcides wird sie dir entführen.

Wie dir von Anfang bald Astarte sagte wahr /

Denn dieser Götter Sohn ist allbereit schon dar.


Er hat den Drachen schon zerstückt /

Den Garten allen frey gegeben.

Wo er nun deinen Schatz erblickt /

So raubt er dir sie und dein Leben.

Er schlägt dem Vater nach / der aller Weiber Mann /

Und die sich weigernden mit List berücken kan.


[1449] Antäus erschrack über dieser Zeitung nicht wenig /fuhr aus dem Bette / deckte seine schlaffende Tingis mit einem seidenen Tuche zu / und fieng an:


Hilff Himmel! gib mir klugen Rath!

Wohin soll ich dich Tingis flüchten?

Weil Liebe tausend Augen hat.

Der Ruff wird alles ihn berichten /

Was sie für Schönheit schmückt / für Flammen sie beseeln.

Denn nichts läßt schwerer sich als ein schön Weib verhöln.

Die Eyversucht gab dem Antäus folgenden Rath an die Hand:

Meer / Thurm / und keine Wüsteney

Sind fähig nicht / sie zu verstecken.

Ein einig Mittel fällt mir bey:

Du must Alciden Feind' erwecken.

Weil so viel Helden nun nach Tingis kommen sind /

So setze diesen auf / dein numehr freyes Kind.


Wer alle wird durch Tapferkeit

Besiegen / soll Alceen haben.

Durch so vielfachen Kampf und Streit /

Wirstu den Hercules begraben.

Siegt er denn allen ob / so wird er sein vergnügt /

Wenn er dein schönes Kind zum Sieges-Preiße kriegt.


Antäus ließ ihm diesen Rath gefallen / befahl der Eyversucht / daß sie seine Tingis niemanden solte schauen lassen / und gieng den gegebenen Rath ins Werck zu sätzen. Die Eyversucht aber holete den Hercules alsofort zu der Tingis Lagerstadt / zohe das sie deckende Tuch auf die Seite / und erweckte sie mit folgendem Gesange:


Wer kan genungsam Ehr und Danck

Dem grossen Hercules erstatten?

Für unsers Drachen Untergang /

Den wir zu unserm Scheusal hatten.

Diß / daß er macht die Welt von Ungeheuern frey /

Erweist: daß Jupiter sein rechter Vater sey.


Wiewol er See und Land nun färbt /

Mit Drachen-Blut und Wasser-Schlangen;

So ist ihm doch auch angeerbt:

Der Schönheit sehnliches Verlangen.

Wenn er mit Riesen kämpfft ist er ein wilder Mann

Bey Frauen aber hengt nichts grausames ihm an.


Sein langer und gerader Leib /

Sein wolgebildet Angesichte /

Macht lüstern iedes schöne Weib

Das Reichthum seiner Liebes-Früchte

Reicht bey dem Thespins auch funffzig Töchtern zu /

Es rühmet Megara / was er für Wunder ihn.


Deianira schmeltzt wie Schnee

Für heisser Brunst in seinen Armen;

Und eyfert wenn ihn Jole

Auf ihren Brüsten läßt erwarmen.

Des kalten Flusses Kind / Melite / brennt und glimmt /

Wenn er auf ihrer Schooß wollüst'gen Wellen schwimmt.


Und Tingis wird vergehn für Lust /

Wenn Hercules aus ihren Augen

Wird Glut und Flammen aus der Brust /

Sie Brand wird aus den Lippen saugen.

Verschleuß dich also nicht / nim ihn zum Liebsten an;

Weil sich Alcidens doch kein Weib entäussern kan.


Die erwachende Tingis erblickte den mit seiner Löwen-Haut bedeckten Hercules anfangs nicht ohne Schrecken / als sie ihn aber von so liebreitzenden Eigenschafften rühmen hörte / und er selbst ohne Rührung der Zunge seine inbrünstige Zuneigung ihr zu verstehen gab / betrachtete sie ihn von den Scheitel biß zu der Fußsohlen. Hierüber fieng ihr Hertze Feuer / so daß sie seiner Liebes-Erklärung mit folgenden Reymen zuvor kam:


Willkommen grosser Götter Sohn!

Erlös' auch uns von Drach- und Schlangen /

So solstu deinen Sieges-Lohn

An mehr als güldner Frucht empfangen.

Die Aepffel / welche schleust des Atlas Garten ein /

Und die mein Busem trägt / soll'n deine Beute seyn.


Hercules säumte sich nicht / die wollüstige Tingis zu umarmen / und zu küssen / und darzwischen sang er mit verliebten Gebehrden folgendes:


Was überströmt für Anmuth mich?

Was spinnt die Liebe mir für Glücke?

Denn mit der Tingis wiedmet sich

Mir der Natur ihr Meisterstücke.

Denn da der Drach' erlegt / ist das Beding' erfüllt.

Gieb mir die Aepffel nun / aus denen Zucker qvillt.


[1450]

Ich brenne / Tingis / ich vergeh.

Sind deine Brüste Schwefel-Kwellen?

Die Flammen krönen ihren Schnee /

So offt sie sich von Athem schwellen:

So vielmahl klopfft mein Hertz / und bringt mir schlagend bey:

Daß hier des Blitzes Brunn der Liebe Zeug-Haus sey.


Was fleußt für Zucker mir in Mund /

Durch deiner Rosen-Lippen Küsse.

Sind sie umdörnt? mein Hertz ist wund.

Der Juno Milch schmeckt nicht so süsse /

Aus der die Milch-Straß ist entsprossen. Was wird nicht

Aus diesem Safft in mir aufgehn für Sternen-Licht?


Tingis sparete ihres Ortes ebenfalls nicht ihre inbrünstige Liebe gegen den Hercules auszulassen. Sie machte sich endlich auf / und aus dem Bette / nahm den Hercules bey der Hand / und nach dem die Hesperiden ihre annehmliche Seitenspiele regten / hielt sie mit ihm einen wollüstigen Tantz / darinnen Hercules des Jupiters / und Tingis Alcmenens Liebe / und zugleich den Amphitruo unter der Person des Antäus fürstellten. Die Eyversucht holete inzwischen den Antäus wieder in Garten / und zeigte ihm von ferne des tantzenden Hercules und seiner Gemahlin verwechselte Liebkosungen; dieser stellte sich hierüber nicht wenig ungebährdig / und wolte auf den Hercules mit Gewalt loßgehen; Die Eyversucht aber hielt ihn zurücke / und ertheilte ihm folgenden Rath:


Wer um ein ungetreues Weib

Sein Leben in Gefahr wil setzen /

Versteht nicht / daß ihr geiler Leib

Ist für ein stinckend Aas zu schätzen.

Daß euer Ehre nichts ihr Ehbruch Abbruch thut /

Wilstu für ihren Koth nun setzen auf dein Blut?


Denn für Aleidens Stärcke kan

Kein Sterblicher doch nicht bestehen.

Geh; stiffte frembde Kräfften an /

Daß sie ihm in die Eisen gehen.

Weil kluge Rache ja nicht selbst ins Eisen greifft /

Das sie auf ihren Feind verholner Weise schleifft.


Die Eyversucht beschwur hierauf die drey Unholden /denen sie nach ihrer Erscheinung dem Antäus an der Hand zu stehen befahl / und der einen einen Dolch /der andern einen Strick / der dritten ein Gifft-Glaß zustellte. Hierauf fieng sie mit ihnen einen Tantz an / in welchem sie dem Antäus die empfangenen Werckzeuge zu Vollziehung seiner Rache anboten. Hierauf verwandelte sich der Schauplatz / und stellte er den Tempel Astartens und bey selbtem den Brunn und das Bild der Sonne für / welches von denen darauf scheinenden Sonnen-Strahlen einen annehmlichen Klang von sich gab. Antäus kam mit seiner Tochter Alceis und etlichen seiner fürnehmsten Hofeleute dahin / fiel für dem Sonnen-Bilde auf die Knie / und fieng an zu singen:


O Sonne! Maaß der Welt und Zeit!

Der du den Sternen's Licht ansteckest /

Die du uns alle Heimligkeit

Der ungeschehnen Ding' entdeckest /

Die du die andre Welt mit Lichte doch beschenckst /

Wenn du in unsrer See gleich ieden Tag ertränckst.


Entdecke mir auch: ob ich wol

Wem meine Tochter zu vermählen

Durchs Waffen-Looß erörtern soll?

Wilst aber du für sie selbst wehlen;

So stell ich dir es heim; weil doch der Menschen Rath

Stets blind ist / aber Gott allsehend' Augen hat.

Das Sonnenbild gab dem Antäus folgende Antwort:

Behertzter Tugend kluge Wahl

Pflegt niemahls übel auszuschlagen.

Alceis und ihr Ehgemahl

Wird mehr als eine Krone tragen.

Ihr Enckel wird die Stadt Carthago weihen ein

Die Afrikens sein Haupt / der Erde Gott wird seyn.


Antäus ward hierüber so freudig / daß er der Alceis befahl / sie solte auf einen güldenen Apfel einschneiden: Alceis dem Tapffersten / und solchen in die Versamlung ihrer Priester werffen lassen. Er wolte eben diß durch Herolden aller Orten zu wissen machen. Als nach des Antäus Entweichung Alceis über Vollziehung des väterlichen Befehls mit ihr selbst rathschlagte / und in den Apffel ihren Nahmen schon geschnitten hatte / fand sich die Eyversucht in [1451] Gestalt einer Wahrsagerin zu ihr / und fieng an:


Es ist ja kluger Fürsten Pflicht

Für sich den tapffersten zu wehlen.

Diß aber thut die Liebe nicht /

Die sich dem Schönsten wil vermählen.

Schreib: daß Alceis soll die Braut des Schönsten seyn /

Denn Schönheit schleußt in sich stets Helden-Geister ein.


Alceis folgte diesem Rathe / und schrieb auf den Apffel: Alceis dem Schönsten. Und weil sich diese Wahrsagerin zur Beförderung erbot / gab sie ihr den Apffel. Die Eyversucht wieß der aus dem Tempel kommenden Tingis diesen Apffel / welche über die Glückseligkeit ihrer Stieff-Tochter seuffzete. Die Eyversucht aber lachte sie aus / und fieng an:


Kan diese / die Alcides liebt /

Bey andrer Lust sein unvergnüget?

Der funffzigen die Fülle giebt /

Und über Drach und Helden sieget?

Was schreckt dich denn dein Mann? Schreib einem Apffel ein:

Die schöne Tingis soll des Stärcksten Beute seyn.


Tingis vollzohe alsofort den gegebenen Rath / und grub in einen andern güldnen Apffel diese Worte:Tingis dem Tapffersten. Kurtz darauf erschienen die Königlichen Herolden mit vielen Trompeten und Paucken. Nach dem nun eine grosse Menge Volckes zulieff / fieng der eine Herold mit heller Stimme an:


Ihr Helden / die ihr in der Brust

Von Zunder reiner Liebe glimmet /

Der Würdigkeit euch seyd bewust /

Wißt: daß der Kampfplatz sey bestimmet.

Zu der gewünschten Wahl der schönsten in der Welt;

Zum Hochzeit-Feyer ist schon alles angestellt.


Hierauf verlohr sich mit den Herolden alles Volck /und war niemand auf dem Schauplatze mehr zu sehen / als die Eyversucht / welche ihre Larve abnahm / die geborgten Kleider weg warf / und zu singen anfieng:


Kommt / kommt! ihr Töchter schwartzer Nacht!

Ihr Schwestern kommt / bringt Kräntz' und Schlangen

Seyd zu bekräntzen mich bedacht.

Ich mag mit keinen Lorbern prangen.

Weil meine List und Witz geht aller Klugheit für /

So kröne meine Schläff' auch nur ein listig Thier.


Wo meine Hand ihr Saltz streut hin /

Vergället sie die süsten Flammen.

Ich bin der Liebe Henckerin /

Und mische Gifft und Oel zusammen.

Ich senge reinste Hold wie Reif und Mehlthau weg /

Und Ehen zu zerstörn ist allemahl mein Zweck.


Die Unholden kamen abermahls aus der zerberstenden Erde herfür / hegten mit der Eyversucht einen freudigen Tantz / in welchem sie von Schlangen einen Krantz flochten / und ihn der Eyversucht aufsätzten. Hierauf fieng die Eyversucht abermahls an zu singen:


Die Schlangen sind zwar meine Pracht /

Mein bester Schmuck; doch mein Beginnen

Erfordert nun der Liebe Tracht /

Wo ich im Kampffe soll gewinnen /

Besteckt mit Rosen mich / verschaffet Schwanen mir /

Hüllt mich in Purper / macht mir ihre Larve für.


Die Unholden folgten diesem Befehle / und kleideten in einem neuen Tantze nicht nur die Eyversucht wie die Göttin der Liebe aus / sondern sie selbst verwandelten sich auch in Liebes-Götter. Hiermit verschwand im Augenblick alles / gleich als wenn es nur ein Traum gewest wäre / der sich eröffnende Schauplatz aber stellte eine zum Kampffe bereitete Rennebahn für / wo sich Trompeten / Krummhörner und ander Kiegrisches Gethöne tapffer hören ließ. Antäus saß zwischen seiner Gemahlin Tingis / und seiner Tochter Alceis auf einer mit prächtigen Tapezereyen geziereten Büne. Auf der Rennebahn hielt Hermes der Egyptier / Etas der Cyrener / Gorgulo der Libyer /Mergal der Troglodyten / Micipsa der Gorgoner /Hierbas der Maurusier / Hiempsal der Maßespler /Taxis der Garamanten / Hanno der Numidier / Ardegal der Mohren / Barcas der Lyho-Phönicier Fürst [1452] mit ihrẽ Waffenträgern zu Pferde aufs prächtigste ausgeputzt. Diesen näherte sich auch Gelo der Hispanier; worüber sie sich überaus entrüsteten / weil er mit einem Drachen buhlerische Gemeinschafft gepflogen hatte / und daher ihn in ihrer Gesellschafft zu leiden für unwerth hielten / ihn also ihre Waffenträger vom Pferde nehmen / und über die Schrancken werffen liessen. Weil aber Antäus den Hercules nicht sahe /schickte er allenthalben Boten aus ihn aufzusuchen /befahl auch denen Herolden / ihn absonderlich zu beruffen. Worauf er sich denn endlich in die Schrancken / aber nur zu Fuße einfand / und denen andern Liebhabern mit seinem blossen Anblicke nicht wenig Schrecken einjagte. Hierauf kam die unter dem Scheine der Liebe verlarvte Eyversucht auf einem güldenen Wagen gefahren / und warff der Alceis Apffel mitten in den Kampffplatz. Ein Herold hob denselben auf /reichte ihn den ihm am nechsten haltenden Hiempsal /dieser seinem Nachbar / und so fort. Als er an Hercules kam / warff er ihn zu Bodem / gieng auf die Seite /und lehnete sich der Tingis gegen über an die Schrancken. Wie die andern Fürsten nun zwar über des Hercules Entfernung sehr vergnügt waren / also erwuchs unter ihnen ein hefftiger Streit: welcher der Schönste wäre. Hercules fieng hierüber an: Weil er an der Beute der Schönheit keinen Anspruch zu machen hätte / käme niemanden besser als ihm das Recht zu urtheilen zu; nach dem aber etwas in einen Augen schöner als in andern wäre / wäre nichts billicher / als daß Alceis den / welcher in ihren Augen der schönste wäre / selbst erwehlete. Antäus widersprach diese Wahl / und sagte / daß Alceis nicht dem Schönsten /sondern dem Tapffersten zu theile werden solte. Hercules aber nahm den güldenen Apffel der Alceis / und erwieß ihm das Widerspiel. Antäus entrüstete sich /und sagte: Dieses wäre ein falscher Apffel / und forderte mit grosser Ungestüme von der vermeinten Liebe den für den Tapffersten bereiteten Apffel. Diese weigerte sich dessen zum Scheine / und sagte / daß Antäus diß Begehren bereuen würde. Alleine Antäus drang noch viel eyfriger darauf / daher die Eyversucht endlich der Tingis Apffel in die Mitte warff. Hercules hob ihn alsobald auf / und nach dem er dessen Schrifft gelesen hatte / ward er mit unmäßiger Freude überschüttet. Er hob seine Keule empor / zeigte allen anwesenden Helden / und zu letzt auch dem hierüber erstaunenden Antäus die Schrifft; und forderte alle die /welche wegen ihrer Tapfferkeit an der Tingis ein Vorrecht zu haben vermeinten / zum Streit aus. Aber keiner unter allen Helden hatte das Hertze / mit ihm zu kämpffen / vorschützende: daß sie nicht in die Tingis / sondern in die Alceis verliebt wären / ungeachtet Antäus demselben seine Tochter zu verloben versprach / welcher dem Hercules obsiegen würde. Weil nun niemand gegen ihn fechten wolte / fieng Hercules an: Weil ich denn der Tapfferste bin / gehöret mir die Beute der Tapfferkeit. Hiermit reichte er der Tingis die Hand. Antäus schlug sie ihm auf die Seite / und sagte: daß diß ebenfalls ein Betrug / und ein untergesteckter Apfel / und die Schrifft nicht der Tingis wäre. Hercules wieß ihr den Apffel / und fragte: Ob sie diß nicht geschrieben hätte? Als es Tingis nun verjahete / erblaste Antäus / und versätzte: Dieser Apffel hätte ohne seinen Willen nicht können ins Mittel kommen. Hercules antwortete: Hat nicht Antäus ihn herfür zu bringen / die Liebe genöthiget? Alleine Tingis ist kein Preiß des Zanckes / sondern der Tapfferkeit. Du must sie mir also entweder abtreten / oder mich überwinden. Antäus ergrieff hierbey im Grimme einen Spieß / und meinte solchen dem Hercules in die Brust zu jagen. Hercules aber wand ihm solchen alsbald aus / iedoch wolte er ihn als einen ungewaffneten mit seiner Keule nicht verletzen. Hierauf kamen beyde mit den Armen an einander / und liessen sie im Ringen so wol [1453] ihre Geschickligkeit als Stärcke sehen. Nach dem nun Antäus sehr abgemattet war / brachte ihn Hercules unter sich. Antäus aber kriegte durch Berührung der Erde seine Stärcke wieder / kam also auf die Beine / und hatte Hercules lange zu thun / ehe er seinen Feind wieder zu Bodem werffen konte. Hiermit aber bekam Antäus neue Kräfften / und würde er aller andern als des unermüdlichen Hercules Meister worden seyn. Nach langem Ringen fiel der abgemattete Antäus abermahls / alleine sein Fall war allemahl eine Ursache seines Auffstehens / und eine Verneuerung des Streites. Nach dem nun Hercules hierdurch und in Erinnerung / daß die Erde des Antäus Mutter wäre / diß Geheimnüß merckte / faste er nach wiederholetem Kampffe den Antäus mit beyden Armen / hob ihn von der Erde empor / und drückte ihm seine Brust so sehr zusammen / daß das Blut und mit diesem die Seele ihm zum Halse heraus spritzte. Er bestieg hiermit die Bühne / setzte sich neben die ihn mit Küssen empfangene Tingis. Gegen der bestürtzten Alceis aber entschuldigte er die ihm abgenöthigte Nothwehre /und verredete seine Liebe mit dem Willen des Verhängnüßes / welches durch diesen Tod sie auch aus einer strengen Dienstbarkeit errettet hätte. Sie solte nunmehr in allem wie in der Liebe ihre völlige Freyheit genüssen / und sich wider alle Gewaltthat seiner Beschirmung getrösten. Die Liebhaber erwiesen ihr auch die tieffste Ehrerbietung / unterwarffen sich ihrer Wahl und Willkühr. Alceis wischte ihr die aus den Augen rinnenden Thränen von Wangen / und fieng mit einer hertzhafften Gebehrdung zu singen an:


Mit meinem Vater soll in mir

Die Kinder-Liebe nicht verschwinden.

Er hieß mich diesen ziehen für

Der alle würde überwinden.

Schleust nun der Eltern Rath der Kinder Wolfarth ein /

So kämpfft: der Tapfferste wird mir der Schönste seyn.


Alcides aller Helden Held /

Der Jupitern als Vater ehret /

Die Tugend für die Schwester hält /

Die Nachwelt ihre Wege lehret.

Die Ewigkeit zielt an / mir Schutz und Schirm sagt zu /

Soll urtheiln / wer von euch die grösten Thaten thu.


Hiermit rüsteten sich alle anwesende Helden zu dem von der Alceis angeordneten Streite. Hermes traff zu ersten mit dem Gorgulo und rennte selbten mit seiner Lantze übern Hauffen / Micipsa aber rächete diesen Schimpff am Hermes auf eben diese Weise. Taxis meinte zwar dem Micipsa gleiches mit gleichen zu vergelten / dieser aber traff ihn so wol / daß er für todt zu Bodem fiel. Hingegen begegnete Ardegal dem Micipsa auf eine solche Weise / daß er mit samt dem Pferde hinter sich stürtzte: Etas aber beraubte diesen gleich seiner erlangten Ehre / an welchen sich aber alsofort Barcas machte / und ihm die Lantze durch die Brust jagte. Hiempsal meinte bey so seltzamer Verwechselung zwar an Barcas wieder zum Ritter zu werden / dieser aber traff ihn mit einem Pfeile durchs Hertze / ehe er mit ihm anbinden konte. Hanno rennte mit grosser Verbitterung gegen ihn / Barcas aber wendete sich seiner Lantze aus / und versätzte ihm rückwerts mit seinem Degen einen hefftigen Streich über den Kopff. Mergal lösete den Hanno ab / aber mit nicht besserem Glücke. Denn Barcas erwischte ihn bey beyderseits einander ausgeschlagenen Streichen /beym Arme / und rieß ihn vom Pferde. Weil nun alleine noch Hiarbas übrig war / stärckte er alle Kräffte an dem Barcas seine bißher erstrittene Sieges-Palmen aus den Händen zu winden. Sie machten einander eine ziemliche Zeit zu schaffen / und alle vom Barcas überwundenen wünschten dem Hiarbas den Sieg /damit nicht die Ehre ihres Uberwinders sie beschämete. Aber der Ausschlag fiel für den hertzhafften Barcas / welcher des Hiarbas Pferde einen Streich in Halß anbrachte / davon es tod zur Erde fiel / und zugleich[1454] den Hiarbas zu Bodem warff. Hercules nahm hiermit die Fürstin Alceis bey der Hand / führte sie zu dem sieghafften Barcas / und überlieferte sie ihm als den Sieges-Preiß seiner Tapfferkeit mit folgenden Worten:


Alceis nim den Barcas an /

Der dich durch Tugend hat erstritten /

Die Liebe Zeig- und Meistern kan /

Und auch den Sternen kan gebieten.

Glaub aber: daß du folgst der grossen Götter Rath /

Weil hier's Verhängnüß mit die Hand im Spiele hat.


Hercules wendete sich hierauf gegen die andern Helden und Liebhaber der Fürstin Alceis / und sang gegen selbte:


Laßt euch der Eyversucht ihr Gifft /

Ihr Helden / nicht zu Haß verleiten.

Wer auf der See der Liebe schifft /

Muß der Begierden Sturm bestreiten.

Die Liebe / die diß Paar heut in die Armen nimmt /

Hat euer Tapfferkeit schon auch ihr Theil bestimmt.


Alceis und Barcas umarmten und küßten einander mit höchster Vergnügung. Dieser reitzte sie auch durch folgende Reymen hierzu so viel mehr an:


Komm / Augen-Apffel und mein Licht!

Komm / lasse tausendmahl dich küssen /

Denn meine Sonn' ist dein Gesicht /

Und in dein Hertz soll meines flüssen.

Es schmelzt für Liebe schon / weil es der Himmel schafft;

Und meine Seele kriegt von deiner Anmuth Krafft.

Alceis begegnete ihm durch ihre zauberische Stimme mit nicht lauerem Liebreitze:

Komm / küsse mich / sieghaffter Held /

Auf deinen Lippen werd' ich schmecken

Den rechten Zucker dieser Welt /

Die Bienen nehr'n und Rosen decken.

Alceis die für dir nun ihre Segel streicht /

Hat nun am Barcas auch den süssern Port erreicht.


Hercules und Tingis wurden durch diese gleichsam anfälligen Liebesbezeugungen angesteckt; daß sie dem Barcas und Alceis alles eben so feurig nachthaten. Die überwundenen Liebhaber schickten sich auch in das dem Barcas zugehangene Glücke / und stimmeten mit einander folgendes Lied an:


Genüßt der Liebe süsse Frucht

Und laßt in euch ihr Oel stets brennen.

In uns erlescht die Eyversucht /

Weil wir des Himmels Schluß erkennen;

Daß / wo sein heilig Trieb steckt zarte Seelen an /

Neid / Haß / und Tugend selbst / den Brand nicht leschen kan.


Die vermummte Eyversucht sahe diesem glücklichen und von ihr niemahls vermuthetem Ausschlage mit innerster Hertzenskränckung zu / sonderlich da Hercules mit seiner Tingis / Barcas mit seiner Alceis nebst denen andern Helden / einen freudigen Tantz anfiengen / und alle über dieser zweyfachen Vermählung ihre Freude ausschütteten. Hierüber kam die rechtschaffene Liebe mit zwölff geflügelten Liebes-Göttern zwischen Blitz und Flammen vom Himmel herab gefahren. Die Gerechtigkeit wieß die absteigende Liebe auf einen erhobenen Richter-Stuhl an / überlieferte ihr ihre Wage und das Rach-Schwerdt. Nach dem die Liebe diesen Stuhl bestiegen hatte / trat einer von ihren Liebes-Göttern auf / und klagte die vermumte Eyversucht mit ihren Gefärthen betrüglicher Falschheit an. Die andern machten sich alsofort über sie /und ihre Gefärthen her / riessen ihnen Larven und alle frembde Federn vom Halse / und stellten die garstige Eyversucht / und die abscheulichen Unholden dem gantzen Schauplatze zu grossem Gelächter nackend für Augen. Die hierüber beschämte Eyversucht fiel in Ohnmacht / und als sie sich ein wenig wieder erholete / kroch sie auf allen vieren unter den Wagen der Liebe / ließ sich ihre Räder zerqvetschen / und fieng darunter mit einer demüthigen Stimme zu singen an:


Was hat für Hoffart mich bethört?

Daß ich der Königin der Hertzen /

Die Erde / Meer / und Himmel ehrt /

Mir träumen ließ ihr Licht zu schwärtzen?

[1455]

Daß ich / des Abgrunds Brutt / sie / Sonne / tastet' an /

Für der kein Gott bestehn / kein Riese tauern kan?


Mein Schlangen-Schwantz / mein Drachen-Maul

Und die vergifften Löwen-Klauen /

Mein Athem der die Lufft macht faul /

Schafft seichten Regungen zwar Grauen /

Wo aber wahre Lieb' in reinen Hertzen brennt /

Wird Eyversucht wie Dunst durch Sonn' und Wind zertrennt.


Ich bin das Finsternüß der Welt /

Der Hertzen Gifft / die Pest der Seelen /

Der Wurm / der alle Lust vergällt.

Mit Schwefel aus des Abgrunds Hölen.

Wag mag ich thörch'te Kampff der Liebe bitten an /

Die in ein Paradiß die Hölle wandeln kan.


Ich rühme mich der Liebe Kind /

Was wil ich sie denn selbst verschlingen?

Wenn Milch aus ihren Brüsten rinnt /

So saug ich Gifft aus allen Dingen.

Aus meinen Eutern milckt man Eiter; denn ich bin

Der Liebe Mißgeburt / verliebter Henckerin.


Nach dem ich grosse Göttin / mich

Nur dir / als Sclavin unterwerffe /

So brauche milder Sanfftmuth dich;

Verkehr in Gnade Recht und Schärffe.

Hegstu Gerichte gleich / so nim es nicht genau /

Treufft deine Rutte doch von Balsam / Oel und Thau.


Verdamme mich zu Qval und Pein /

Entzeuch mir nur nicht dein Gesichte.

Wie nichts kan ohne Sonne seyn /

So leb ich auch von deinem Lichte.

Hält man mich gleich für Gifft / so ist kein Schlangen-Nest

So gifftig / das sich nicht in Artzney wandeln läßt.


Der Reiff macht vielmahl reiffe Frucht /

Man braucht den Wurm zum Scharlach färben.

Die Nessel scharffer Eyversucht

Läßt Liebes-Rosen nicht verterben.

Wär' ich bey reiner Glut ein steter Argos nicht /

Vergässe treue Lieb' offt ihre Schuld und Pflicht.


Da mein sorgfältig wachsam seyn /

Die Lieb' erhält / die Untreu zähmet /

Der Wollust nicht zu viel räumt ein /

Mehr Zunder in die Hertzen sämet;

So nim mich / Liebe / doch zu deiner Dienst-Magd an /

Weil ohne meinen Rauch doch nicht dein Brand seyn kan.


Die Liebe gab nach geendigtem Gesange ihren Lie bes-Göttern einen Winck / welche der Eyversucht eine eiserne Kette um den Hals legten / und sie damit feste machten. Die Liebe aber fieng hierauf zu singen an:


Ich solt' aus aller Menschen Brust

Mit Strumpf und Stiele dich vertilgen

Denn du versältzest alles Lust /

Und machst Napell aus meinen Lilgen.

Daß aber meine Gnad' iedwedem werde kund /

So sollstu seyn forthin der Liebe Ketten-Hund.


Die Liebe erhob sich hierauf von ihrem Stule / und beschloß dieses Schauspiel nebst ihren Liebes-Göttern mit einem lustigen Siegestantze / welche darinnen der Eyversucht auf Kopff und Halß sprangen / und mit ihr das Gespötte trieben. Die Liebe sätzte sich hierauf wieder auf ihren Wagen / welchen die Schwanen in Begleitung der Liebes-Götter empor zohen /und sich in dem gestirntem Himmel in eitel Sterne verwandelten. Nach diesem verschwand der Schauplatz / und viel tausend kleine Sterne fielen über die Zuschauer herab / welche aber / ehe sie die Erde erreichten / ausleschten / und die Lufft mit einem süssen Weyrauche und Balsam-Geruche erfüllten / also mit der Nacht dem Schauspiele ein Ende machten.

So vergnügt nun der Hof / und das Volck über diesem dritten Schauspiele war / so viel Vorwitz ließ es auch in seiner Auslegung spüren. Jederman deutete des Gelo Unfall auf Adgandestern aus / wer aber das Glücke des Barcas haben würde / die Marckmännische Alceis zu besitzen / konten sie sich nicht vergleichen. Die Liebe des Antäus / der Tingis / und des Hercules war aber allen ein unerforschliches Geheimnüs / welches die Menschen eben so wol / als das Gold in Dingen zu suchen gewohnet sind / wo derer keines verhanden ist. Auf den Mittag hielt König Vannius abermahls ein sehr prächtiges Gast-Maal /bey welchem zwar nicht König Marbod und Adelgunde / aber Hertzog Ingviomer / Fürst Boleßla / und Britomartes anwesend waren. Ein ieder unter ihnen verbarg seine Eyversucht / und alle bezeigten [1456] gegen einander grosse Verträuligkeit. Nach dem sie der Wein auch ein wenig erwärmet hatte / fieng Ingviomer seiner deutschen Aufrichtigkeit nach an: Er wäre erfreuet / daß die tugendhaffte Adelgunde nicht minder tapffere Liebhaber als Alceis / und er noch fürtrefflichere Neben-Buhler als Barcas / sie alle auch die Eyversucht wie einen Ketten-Hund gefässelt hätten. Da sie nun es so redlich als er meinten / wäre er erbötig / mit ihnen ein solch Bündnüs / wie der schönen Helena vier und zwantzig Liebhaber unter sich gethan / aufzurichten / welche ihrem Vater dem Tyndarus seine Tochter geben würde / wider alle Gewalt eussersten Kräfften nach / beyzustehen. Diß Versprechen hätten sie auch hernach dem vom Tyndarus erwehlten Menelaus wider den Rauber Helenens treulich gehalten / und sein Unrecht mit Einäscherung seines Vaterlandes gerochen. Britomartes antwortete: Er bescheidete sich wol / daß mehr nicht als einer die unschätzbare Adelgunde besitzen könte / er bildete sich aber so sehr als iemand anders in der Welt ein / Barcas zu seyn / und deßwegen wäre niemand begieriger /als er / solch Bündnüs einzugehen. Boleßla billigte nicht nur allein solches / sondern er ließ sich auch heraus: Die Liebhaber der Alceis hätten wol vom Gelücke zu sagen / daß sie nicht die Eigensinnigkeit des Antäus / sondern ihre eigene Faust zum Entscheider ihrer Liebes-Strittigkeit gehabt hätten. Ihm könte auch vom Könige Marbod keine grössere Wolthat geschehen / als wenn er wie Antäus seine Adelgunde dem / der im Kampffe das beste thun würde / zum Preiße auffsätzte. Britomartes und Ingviomer erklärten sich unverwendeten Fußes / daß eben diß ihr gröster Wunsch wäre; König Vannius fieng hierüber an: Die Tugend wäre der gerädest und sicherste Weg / so wol zur Liebe / als zu der Ehre. Daher hätte nicht nur Antäus / sondern auch Danaus ihre Töchter dem zum Siegs-Preiße auffgesätzt / welcher denen andern Liebhabern an Tugend überlegen seyn würde. Deñ wie das Saltz der Ursprung aller Fruchtbarkeit in der Erde / in Thieren wäre / in welchen eine der Saam-Adern von der / die alles Gesaltzene an sich saugte / herrührte /und solche zu den Nieren beförderte; also wäre die Tugend auch der einige Brunn beständiger Liebe. Alle ihre andere Qvellen versäugten / die Schönheit wäre eine mit der Zeit verdorrende Wurtzel; Reichthum und Würden dienten nur zu Larven der Liebe / und daher ereignete sich vielmahl / daß / wie ein vom Magnet angemachtes Eisen alle seine Krafft sich nach dem Angel-Sterne zu wenden verlieret / wenn selbtes entweder mit einem Hammer geschlagen / oder seine Geräde gekrümmet / oder die erste Krümme gerade gemacht wird / also auch solche Schein-Liebe bey Wiederwertigkeit und bey Veränderung des Glückes von allen Kräfften komme. Bey so gestalten Sachen wären sie auf dem rechten Wege / sich um die Gewogenheit einer so tugendhafften Fürstin / als Adelgunde wäre /zu bewerben / und ihr Vater König Marbod hätte auch nicht weniger Tugend in seinem Hertzen / als Gehirne in seinem Kopffe / daß seinem Bedüncken nach er sich leichter als Antäus entschlüssen würde /seine Tochter dem tapffersten zu verheyrathen. Wenn es nun ihr Ernst wäre / diß / wessen sie sich bereit erkläret hätten / einzugehen / solten sie ihren Schluß verfassen / unterschreiben und besiegeln / so wolte er hierüber König Marbods Einwilligung hoffentlich bald und ohne Schwerigkeit zu wege bringen. Keiner unter diesen dreyen Fürsten konte mit Ehren / oder wolte auch / seine Erklärung zurück ziehen; sondern sie alle unterzeichneten den vom Vannius gemachten Entwurff; daß wer im Kampffe den Sieg / auch in der Liebe Adelgunden davon tragen / die Uberwundenen auch dem Sieger wider alle Gewalt beystehen solten. Vannius war über so glücklichem Ausschlage seines Vorhabens / um welchen er gerne noch so [1457] viel Unkosten angewendet hätte / ehr wol zu frieden / verfügte sich also nach geendigtem Gast-Maale noch selbigen Abend zum Könige Marbod / und zeigete ihm mit dem unterschriebenen Vergleiche der drey Fürsten /ein Mittel / sonder ein oder des andern Beleidigung aus so bedencklicher Schwerigkeit sich auszuflechten. Marbod war hierüber so sehr vergnügt / daß er den Vannius umarmte / ihn seinen Schutzgeist nennte /welchen das Göttliche Verhängnüs absonderlich zu seinem und seines Reiches Erhaltung außerlesen hätte. Er ließ auch alsofort seine Tochter Adelgunde beruffen / und trug ihr so wol die Entschlüssung derer um sie werbenden Fürsten / als seine vorhabende Einwilligung für: daß sie dessen Gemahlin werden solte /welcher durch seine Tapfferkeit der andern Uberwinder seyn würde. Hierdurch würde sie nicht nur dem würdigsten zu theile / sondern auch alle schädliche Feindschafft / welche durch des einen Wahl und der andern Verstossung ihm und ihr zuwachsen könte /verhütet werden. Dieser Vortrag war Adelgunden ein Donnerschlag ins Hertze; welche ihr entweder mit Ingviomern zu leben / oder ohne Mann zu sterben fürgesätzt hatte. Daher warff sie ein: Das Glücke krönete ihrer mehr / als die Tugend / und ein blinder Streich hätte offt für der Tapfferkeit den Vorzug. Wenn aber auch diese schon die Oberhand behielte /so wäre die Tugend zwar ein Zunder / aber nicht das Qvell der Liebe / welche aus dem Brunnen des Verhängnüßes in unser Seele so unvermerckt geflösset würde / daß man keine Ursache dieses geschwinden Feuers geben könte. Weil nun bey den Marckmännern ieden Bürgers Tochter das Recht hätte / nach ihrem Belieben einen Mann zu erkiesen / möchte man doch ihr / als die einen so grossen Vorzug ihres Ursprungs halber hätte / diese Freyheit nicht abschneiden. Hätten doch eines ieden Baumes und Krautes Wurtzeln besondere Lufftlöcher / welche nur den ihnen dienenden Safft der Erde in sich saugten / nichts ihnen schädliches aber in sich liessen. Also wäre auch ihr und alle edle Hertzen beschaffen / welche keiner ihnen unanständigen Liebe den Eingang öffneten / und etwas widriges zu lieben über sich selbst keine Gewalt hätten. Marbod aber antwortete ihr: Das Verhängnüs hätte seine Hand nicht weniger im Kampffe / als in der Liebe / und daher würde es keinem den Sieg zueignen / als welchem es auch Adelgunden zur Braut bestimmet hätte. Sie solte diesem also den Ausschlag heimstellen / welcher ohne diß weder durch Vorsicht /noch durch Furcht zu verändern wäre. Weil sie nun alle Vollkommenheiten des Frauenzimmers ausser ihrem Mißbrauche besässe / würde sie sich auch vernünfftig in diese wolüberlegte Entschlüssung schicken / und behertzigen / daß es mit ihrer Heyrath auch um die Vermählung des Marckmännischen Reiches zu thun wäre / und der Bräutigam diesem so wol / als ihr anstehen müste. Adelgunde versätzte: Die Natur hätte ihrem Verstande so viel Licht gegeben: daß sie in ihrer Wahl hoffentlich keine blinde abgeben / noch zu ihrer Schande und des Reiches Nachtheile einen Unwürdigen erkiesen würde. Marbod begegnete ihr: Er traute ihr nichts weniger als eine solche Schwachheit zu; aber bey gegenwärtigem Zustande könte die allerbeste Wahl nicht unnachtheilig seyn / er wäre versichert: daß weil sie mit der Tugend in so festem Bündnüsse stünde / diese für ihre Zuneigung auffs eusserste streiten / keinem / der nicht ihrer Liebe werth wäre / den Sieg zuschantzen / und das von dem Himmel seinen Hang habende Glücke ihr nicht zu wider seyn würde. Adelgunde ersuchte ihren Vater / er möchte diesem Beginnen nur einen kleinen Verzug geben /biß sie / was sie darbey zu beobachten hätte / mit sich überlegen könte. Sie war aber kaum in ihr Zimmer kommen / als sie vom Hertzoge Ingviomer ein Schreiben folgenden Innhalts empfieng: Vollkommenste[1458] Adelgunde / alle Glücks-Winde blasen numehr in die Segel unserer Liebe / und ich sehe unser Schiff nun selbst gleichsam schon im Hafen / deñ meine Neben-Buhler haben gewilliget / dem Adelgunden abzutreten / welcher ihnen an Tapfferkeit würde überlegen seyn /und Vannius ist erbötig des Königs Marbod Einwilligung hierüber zu wege zu bringen. Glaube mir /meine Seele / daß mein Hertze zu enge sey / die hieraus geschöpffte Freude zu beherbergen / welcher Uberfluß ich hiermit in deine Schoos ausschütte. Denn was könte mir das Verhängnüs erwünschteres zuschicken / als die Gelegenheit mit Adelgunden den grösten Sieges-Preiß der Welt durch Tapfferkeit zu gewinnen? Niemand ist für mir so glückselig gewest /daß seiner Liebe nicht weniger die Tugend den Weg gebähnet / als die eigene Gewogenheit der fürtrefflichsten Fürstin die Hand geboten hätte. Mein Degen wird Adelgundens Wahl rechtfertigen / daß ihre Klugheit eben den / welchen die Tugend und der Himmel außerkieset hätte. Ihre Liebe aber wird Ingviomers Kräfften ein zweyfaches Gewichte beylegen / daß er nicht nur seine Neben-Buhler / sondern das Verhängnüs selbst zu überwinden mächtig seyn würde /wenn solches sich zu unsern Feinden schlagen wolte. Dieses Schreiben war aus der Feder eines so hertzhafften Fürsten geflossen / daß dessen Buchstaben gleichsam einen Trieb oder Geist der Tapfferkeit in sich hatten. Diesem nach ward die Fürstin Adelgunde dadurch derogestalt erfrischet / daß sie nicht nur in ihrem Hertzen in den bestimmten Kampff willigte /sondern Ingviomern folgende Antwort schrieb: Großmüthiger Ingviomer. Ich würde seiner Tugend / und meiner Liebe keinen geringen Schandfleck anstreichen / wenn ich über seiner hertzhafften Entschlüssung den wenigsten Sonnenstaub einiger Furcht in mein Hertze kommen liesse. Sintemahl die gantze Welt weiß / daß Ingviomern niemand an Tapfferkeit / ich aber / daß ihm niemand an Liebe vorgehe. Ich muß also Ingviomern nicht mißgönnen / diese durch jene so viel herrlicher zu machen / und bescheide mich / daß vollkommene Liebe so wenig als die schönsten Rosen ohne Waffen seyn könne. Meine Seele ist lüstern nur bald die Stunde zu erleben / da ihn seine Tugend mit Lorbern / und meine Liebe mit Rosen krönen wird; da Ingviomer seine Feinde den Stachel seiner Hertzhafftigkeit / Adelgunden aber den Honig seiner Liebe schmecken lassen wird. So bald sie diesen Brieff verschlossen / und abgeschickt hatte / kehrete sie wieder zum Könige Marbod / und erklärte sich in Anwesenheit des Vannius: Sie wäre allerdings zu frieden / daß sie dem / welcher in dem vorgeschlagenen Siege Meister seyn würde / möchte vermählet werden. Vannius lobte diese hertzhaffte Entschlüssung / und Marbod ließ noch selbigen Abend durch gantz Maroboduum bey Trompeten und Paucken durch Herolden kund thun: daß dieselbigen Fürsten / welche an seine Tochter Adelgunde einen Anspruch zu machen vermeinten / über den andern Tag auf der Königlichen Rennebahn erscheinen / und durch ihre Tapfferkeit ihr Vorrecht behaupten solten. Diese Erklärung kam denen Fürsten bald zu Ohren / und so sehr sie selbte vergnügte / so eyfrig rüsteten sie sich auf bestimmte Zeit der Welt zugleich ihre Tapfferkeit für Augen zu stellen / und den würdigsten Siegs-Preiß der Welt zu erwerben. Der Hof und gantz Maroboduum war nach diesem Kampffe begierig / und bekümmert / wen die Tugend oder das Gelücke zum Bräutigam einer so grossen und schönen Fürstin ins geheim bestimmet hätte. Die einige Adelgunde hegte in ihrem Hertzen keinen Zweifel; daß ihre Zuneigung die Tugend mit einer / das Glücke mit der andern Hand gefasset hätte. Es träumete ihr aber folgende Nacht: daß sie auf der Rennebahn einen Hahn gegen zwey andere zum Gefechte aus den Händen liesse / welcher nach langem und hartnäckichtem Gefechte [1459] zwar den andern zu Kopffe wuchse; es käme aber ein vierdter Hahn darzu / welcher einen Schlangen-Schwantz hätte / und mit diesem sich dem obsiegenden Hahne um die Beine flüchte / daß er übern Hauffen fiele / und erstochen worden wäre / wenn nicht Adelgunde ihm wäre zu Hülffe kommen. Sie erwachte hierüber / und weil ihr dieser Traum überaus nachdencklich fürkam / erzehlete sie ihn alsofort der Frauen von Sudewitz / welche /ob sie wol selbst glaubte / daß er Adelgunden nicht allzuviel gutes bedeutete / an statt der verlangten Auslegung ihre Meinung mit der denen Träumen anhängenden Eitelkeit verdeckte. Allein Adelgunde wolte sich diß nicht vergnügen / noch ihr ausreden lassen /daß dieser Traum eine Göttliche Warnigung wäre. Sie gieng daher mit dem Ritter Rysemberg und Pernstein ins geheim zu Rathe / ohne daß einig Mensch hiervon etwas erfahren konte; Ausser daß Adelgunde beym Könige Erlaubnüs ausbat / daß sie nicht mit auf dem Schau-Gerüste erscheinen und dem Kampffe beywohnen dörffte / gleich als wenn sie nach ihrer Verheyrathung so lüstern wäre. Unterdessen rückte die besti te Zeit zum Kampfe herbey. Die Schrancken der Rennebahn wurden noch für Tage mit einer grossen Menge gewaffneter Ritter besätzet. Die Fenster und Dächer aller herum liegenden Häuser wurden mit einer unzählbaren Menge Menschen angefüllet / und auf der Erde konte für ihnen auch kein Apffel zur Erde. In der Rennebahn war für den König Marbod und Vannius ein prächtiges Schau Gerüste erbauet / welch letzter so wol vom Marbod als denen zwistigen Fürsten zum Richter erbeten war. Fürst Boleßla war der erste /welcher mit zweyen Waffenträgern in den Schrancken erschien. Er ritt einen Perlenfarbenen Hengst / hatte einen gantz blancken Harnisch an / und dergleichen Helm auf dem Haupte. Im Schilde führte er einen weissen Adler / welcher in der rechten Klaue den Blitz / im Schnabel einen Rosen-Zweig / und darunter diese Uberschrifft hatte: Je verliebter / ie grimmiger. Bald hierauf ließ sich auch Britomartes auf einem Tieger-farbichten Hengste / und zweyen Waffenträgern schauen. Sein Helm und Harnisch war blau / über und über mit Sternen besäet. Im Schilde führte er einen Schwantz-Stern / mit beygesätzten Worten:Ich brenne und schrecke. Hertzog Ingviomer war der dritte / und ritt einen falbichten Hengst mit schwartzen Enden. Sein Helm und Harnisch war grün / und mit eitel Rosen beworffen. Im Schilde war ein Rosenstock / und darauf eine an einer Rose saugende Biene mit der Uberschrifft zu schauen: Einem die Süßigkeit / andern den Stachel. Neben ihm trugen ebenfalls zwey Schild-Knaben seine Lantzen. König Vannius gab diesen anwesenden Helden ein Zeichen sich ihm zu nähern / worauf sie denn gewisse Looß-Zettel aus einem silbernen Hafen nehmen musten; Welche sie denn anwiesen / daß Ingviomer am ersten mit dem Britomartes / der Uberwinder hernach mit Boleßlaen kämpffen solte. König Vannius gab ihnen auch dieses Gesätze / daß weil dieser Kampff aus keiner Feindschafft / sondern aus Liebe herrührte / und seine eigene Vergnügung nicht Rache und des andern Untergang zum Zwecke hätte / solte ieder verpflichtet seyn vom Kampffe abzulassen / wenn er durch Auffsteckung einer weissen Fahne / und durch Einhaltung des Trompeten-Schalles ihnen das Zeichen des Friedens geben liesse / welche nunmehr durch ihren Schall eine Ankündigung des Streites waren. Beyde Fürsten Ingviomer und Britomartes setzten sich gegen einander / und hatte so wol einer als der ander seinen Geist mit dem Bilde der Ehre angefüllet / welche ihnen ihre fürgesätzte Helden-Thaten versprachen. Ihr Gemüthe war voller Hoffnung den grossen Schatz zu erobern / den ihnen [1460] ihr Sieg zueignen solte / ungeachtet beyden bekümmert fürkam / daß keiner in diesem gantzen Schauplatze Adelgunden zu Gesichte bekam. Sie rennten hierauf mit ihren Lantzen wie der aus zweyen Wolcken fahrende Blitz gegen einander; Beyde aber versätzten mit ihren Schilden so künstlich / daß ihre Lantzen wie Glaß zersprangen / und in die Lufft flogen. Ihre Waffenträger reichten in ihrem wenden ihnen zwey andere zu. Ob sie nun zwar einander eben so wol traffen / als meinten / sassen doch beyde so feste zu Pferde / und ihre Harnische waren so gut /daß diese Waffen sonder einige Beleidigung oder Verrückung in Stücke sprangen. Beym dritten Rennen versätzte Ingviomer Britomartens Lantze glücklich /hingegen traff er ihn auf die rechte Achsel mit solcher Hefftigkeit / daß sein Feind sich mit genauer Noth im Sattel erhielt. Dieses aber machte Britomarten am wenigsten kleinmüthig / welcher mit Ergreiffung seines Degens sein Glücke zu verbessern vermeinte. Ingviomer aber war darmit nicht längsamer als Britomartes / und da dieser einen Tieger fürstellte / fochte jener wie ein Löw / also daß beyder Fürsten Edelleute hierüber nicht so wol zu Verbitterung als zu Mitleiden bewegt wurden / und auf das weibliche Geschlechte fluchten / welches dem männlichen derogestalt den Verstand verwirrte / daß die hertzhafftesten Leute /um ihren Feindinnen zugefallen / die Waffen auf einander wetzten / und die Hände in ihrem Blute wüschen. Weil nun beyde so geschickt als tapffer waren /wehrete das Gefechte bey nahe eine Stunde / sonder daß einer ermüdet weniger beschädigt ward. Nach so langem Streite aber bemeisterte endlich Britomarten Ungedult und Zorn / welcher / ob er zwar sonst die Kräfften vergrössert / hier gleichwol / weil er zu heftig war / Britomarten entkräfftete. Ingviomer aber /weil er Adelgundens allzuwol versichert war / kriegte bey ihrem Andencken stets wie Antäus von Berührung der Erde neue Stärcke / und blieb immer ohne einige seiner Vorsicht abbrüchige Gemüthsregungen in einem. Daher er denn bey ersehener Blösse Britomarten zwischen die Fugen seines Harnisches einen so hefftigen Streich in das Gelencke der rechten Hand versätzte / daß selbte mehr unfähig war den Degen zu halten / und ob zwar Ingviomer bey ersehener Blutstürtzung mit fernern Streichen inne hielt / Britomartes sich doch überwunden zu seyn erkennen muste. Fürst Boleßla faste hierüber einen hefftigen Eyver gegen Ingviomern / denn ob er zwar Adelgunden dem Britomartes nicht gönnete / hätte er doch diesen als seinen so nahen Bluts-Freund lieber als Sieger gesehen / und zu seinem Gegentheile gehabt. Diesem nach wolte er Ingviomern nicht viel Zeit und Lufft zum Verblasen lassen / sondern riß seinem Waffenträger eine Lantze aus der Hand / und rennte auf Ingviomern loß / also / daß dieser kaum sich wenden / ein gleiches Gewehre ergreiffen und Boleßlaen begegnen konte. Der ersten Lantzen gebrochene Spitzen flogen ohne Schaden in die Lufft; Die andern schlugen sie beyde einander aus / sie selbst aber traffen mit Brust /Pferden / und Schilden so hefftig auf einander / als wenn zwey auf einander stossende Steinfelsen einander zerschmettern wolten. Aber weder Männer noch Pferde liessen sich dieses anfechten / sondern beyde Fürsten warffen ihre Pferde herum / und auf einander etliche Wurffspieße / welche aber ihr Ziel nicht erreichten / wie es ihr Auge und die Hand abgesehen hatte. Boleßla entschloß sich also seinen Grimm auf Ingviomers Pferd auszuüben / stieß ihm also den Degen durch den Halß / wovon es in Verwirrung gerieth / gleichwol aber gab Ingviomer dem Pferde die Sporne / daß es ihn durch seinen letzten Satz Boleßlaen nahe auf den Halß brachte / und jener noch Zeit gewann seines Feindes Pferde Maul und Zunge zu zerspalten / und beyde durch einen geschwinden Sprung / ihrer Pferde Falle oder [1461] Flucht vorzukommen. Hiermit gieng der Kampff zu Fuße allererst recht an /und sie drangen mehrmahls einander so nahe auf den Hals / daß sie mit den Degenknöpffen einander auf die Brust und ins Gesichte stiessen. Weil ihre Harnische nun so gut waren / daß keine Schärffe der Schwerdter sie durchdringen kunte / untersuchten sie alle Oeffnungen einander beyzukommen; worüber denn auch Ingviomer an der Achsel ein wenig / Boleßla aber in der Seite tieff verwundet / und weil das ihm entgehende Geblüte ihn fehr abmattete / seine Streiche schwächte / Ingviomern einen grossen Vortheil zuschantzte. Dieser und die Erinnerung Adelgundens munterte ihn nunmehr so vielmehr auf / seinen nunmehr gleichsam schon in Händen habenden Sieg durch den letzten Ansatz auszumachen / bey welchem es ihm denn auch gelückte / daß er Boleßlaen noch eine Wunde im Halse versätzte / nach welcher er etliche Schritte zurück wich / und zu Bodem fiel. Ingviomer warff hiermit seinen Degen weg / lieff Boleßlaen zu / und riß ihm / damit er so viel freyer Lufft schöpffen könte / den Helm vom Haupte. Die Wund-Aertzte / welche inzwischen Britomarten verbunden hatten /kamen auch eilends herbey / machten ihm den Harnisch ab / und halffen durch unterschieden angewehrte Erqvickungen seiner Ohnmacht ab. So bald er nun wieder zu sich selbst kam / und Ingviomern für sich sahe / reichte er ihm die Hand / erklärte ihn auch für seinen Uberwinder / und den würdigsten Bräutigam der Fürstin Adelgunde. Dieser hingegen bezeugte sein Mitleiden / so wol gegen Boleßlaen als Britomarten /und ließ über seinem Siege nichts weniger als einigen Hochmuth spüren. Immittelst hatten die Bructerischen Edelleute etliche von Ingviomers Pferden ihm in die Reñebahn gebracht / sich davon eines an statt des umgefallenen zu bedienen. Ingviomer hatte davon kaum einen blauschimmelichten Hengst erkieset / und beschritten / und wolte nunmehr vom Könige Vannius seinen Ausspruch vernehmen; als ein Herold in Schrancken kam / und Ingviomern andeutete / daß noch ein Fürst zu gegen wäre / welcher seines erstern Rechtes und Tapfferkeit halber für ihm bey Adelgunden den Vorzug zu haben vermeinte / und es mit ihm durch die Waffen ausführen wolte. Dieser kam auch gleich auf einem kohlschwartzen Pferde / welcher Farbe auch alle seine Waffen zusagten / in die Schrancken geritten. Auf seinem Schilde war eine Unholdin wie ein Salamander mitten in einem Flammen-Feuer zu sehen / darüber aber zu lesen: Noch verzweiffelter. Ingviomer gab dem ihn ansprechenden Herolde zur Antwort: Er wäre zwar nicht verbunden mit einem frembden / den König Marbod nicht für einen würdigen Liebhaber seiner Tochter erkennet hätte / sich einzulassen; Weil aber Adelgunde die vollkommenste Fürstin der Welt wäre / wolte er ihm und allen / welche sich würdiger hielten diese Perle zu besitzen / durch seinen Degen diesen eitelen Hochmuth vertreiben. Er stellte sich auch alsofort seinem neuen Feinde entgegen; für welchem einer seiner Waffenträger mit einer Lantze allerhand Striche in den Sand der Rennebahn scharrete. Neben diesem rennte der schwartze Ritter gegen Ingviomern mit grossem Ungestüme und brachen sie beyde Lantzen an einander ohne einigen Schaden / als sich aber Ingviomer wendete und mit einem ergriffenen Wurffspieße seinem Feinde in die Eisen gehen wolte / ungefähr aber auf den Ort kam / wo der frembde Waffenträger in die Erde gescharret hatte / stürtzte Ingviomer mit seinem Pferde / gleich als wenn es der Blitz rührte / über und über. Das Pferd fiel seinem Fürsten auf den Leib /und qvetschte ihn / daß er nicht aufstehen konte; über diß lieff ihm das Blut häuffig aus Mund und Nase. Hierauf rennte der schwartze Ritter mit entblöstem Degen auf ihn zu / und wolte durch angedreute Ausleschung seines [1462] Lichtes ihm das Bekäntnüß abzwingen / daß er sein Uberwundener wäre. Ingviomer / welcher von seinem abscheulichen Fall kaum Athem holen konte / zwang sich doch zu reden: daß er ehe sterben /als durch diesen Zufall oder Zauberey sich überwunden geben wolte. König Vannius ließ zwar das weisse Fahn aufstecken / und die Trompeten inne halten /aber der schwartze Ritter fuhr in seinen Dräuungen fort / biß sich auff der Seite die Schrancken der Rennebahn öffneten / durch welche ein hurtiger Ritter auf einem Hermelin-farbichtem Hengste herfür sprengte. Sein Helm und Harnisch war vergüldet / in dem Schilde führte ein Storch im Schnabel eine sich windende Schlange empor / darbey stand diese Uberschrifft: Nur dem schädlichen schädlich. Der schwartze Ritter sahe wol / daß es auf ihn gemüntzet wäre / dahero muste er Ingviomern verlassen / und sich zur Gegenwehre rüsten. Der güldene Ritter aber hatte den Schwartzen mit seiner Lantze so wol gefast / daß er ihm mit der Spitze durch die Oeffnung ins Auge traff / worvon er mit grosser Blutstürtzung ohnmächtig zur Erde sanck / der Sieger sprang auch alsofort von seinem Pferde / und weil er begierig war seinen Feind zu kennen / rieß er ihm den Helm vom Haupte / und wieß hiermit allen Zuschauern / daß es Adgandester war. Dieses verursachte / daß auch der güldene Ritter seinen Helm abnahm / und sich dem gantzen Schauplatze / besonders aber Ingviomern zu grossem Frolocken für die Fürstin Adelgunde zu erkennen gab / welcher durch ihren blossen Anblick sich erholete / daß er aufstand und sie mit unbeschreiblichen Freuden umarmte / sie seine Erlöserin /seine Schutzgöttin / und die Wiederbringerin seiner Ehre nennte. Hierauf wendeten beyde sich gegen dem Vannius / und verlangten von ihm ihr Urthel. Adelgunde sätzte absonderlich hierzu: Sie versähe sich nicht / daß der dem Hertzoge Ingviomer begegnete Unfall dem zauberischen Adgandester zum geringsten Vortheile gereichen würde / nach dem sie das Glücke gehabt ihn zu überwinden / Adgandester aber sich nicht rühmen könte / als wenn er gegen Ingviomern das geringste ausgerichtet hätte. Damit aber auch die Mißgunst keinen Vorwand hätte / an dem Tuche seiner Ehre zu saugen / möchte König Vannius doch die Zauberstriche auf der Rennebahn besichtigen / und Adgandesters Waffenträger in Hafft nehmen / und hierüber befragen lassen. König Vannius erkennte hierauf: daß Ingviomern vom Fürsten Boleßla und Britomartes schon selbst der Obsieg zugestanden worden / und er nunmehr der rechtmäßige Liebhaber und Bräutigam Adelgundens wäre / an welche der sich ohne König Marbods Willen eingedrungene und von Adelgunden überwundene Adgandester keinen Anspruch zu machen hätte. Der gantze Schauplatz bezeugte durch Zuruffung tausendfachen Glückes hierüber sein Vergnügen. König Marbod stand auch selbst auf / umarmte Ingviomern / und nahm ihn mit Auslassung vieler Freuden und Vergnügung zu seinem Tochter-Manne auf und an. Weil aber Adelgunde Ingviomers Ehre von dem geringsten Sonnen-Staube einer Verkleinerung gesaubert wissen wolte / drang sie auf Einziehung der Waffenträger und auf Untersuchung der in Sand gescharrten Zauberstriche: Weil Marbod dem einmahl zum Richter beliebten Vannius nicht eingreiffen wolte / gab dieser die Sache dem Ritter Zierotin und Choltitz zu untersuchen. Ob nun gleich die in den Sand gemachten Striche nicht ohne sonderbahre Geheimnüsse zu seyn schienen / wusten doch die befragten Waffenträger / ungeachtet sie solche Striche zu vertreten / und zu verstreichen sich möglichst bearbeitet hatten / alles scheinbar zu verblümen / biß der Kerckermeister ungefähr gewahr ward / daß der eine dieser Waffenträger ein Weib wäre. Dieses vermehrete bey [1463] beyden Rittern den Argwohn der Zauberey / welche denn auch durch genaue Untersuchung endlich ihr Bekäntnüs heraus brachten: Sie wäre die Zauberin Wartburgis und hätte theils durch die in Sand gescharrten Ziffern theils durch ihre Beschwerungen zu wege gebracht / daß Ingviomer mit seinem Pferde über und über hätte stürtzen müssen. Sie bekennte über diß viel andere Boßheiten / die sie theils zu Rom in der Gemeinschafft der Zaubermeisterin Martina begangen hätte. Diesem nach wurden König Marbod und Vannius mit einander eines: daß Wartpurgis an einem verdorrten Baum aufgehenckt /Adgandester aber / welcher zwar sein Auge verlohren hatte / sonst aber nicht tödtlich verwundet war / auf dem Schlosse Libin in einem festen Thurme verwahret ward. Dieser Schluß erweckte unter den Marckmännern eine unglaubliche / und wegen beliebter Verlobung Adelgundens an Hertzog Ingviomer eine zweyfache Freude. König Marbod erlangte durch Adgandesters Verstossung / welchen alle zeither für den Ursprung alles Ubels im Hertzen verflucht hatten /sein voriges Ansehen / die Liebe beym Volcke / und die letzte Zauberey auf der Rennebahn diente ihm zu einer scheinbaren Entschuldigung; daß Adgandester ihn durch solche Künste seiner Klugheit beraubet /und seinen Willen gefässelt gehabt hätte. Diese Freude verbreitete sich gleichsam mit den Wolcken über das gantze Reich / und man sahe etliche Tage hinter einander die Spitzen der Berge mit unzählbaren Freuden-Feuern gekrönet. König Marbod machte hierauf zwar Anstalt zu einem prächtigen Beylager / aber die zu solchen Zubereitungen nöthige Zeit schiene so wol Adelgunden als Ingviomern allzulang zu werden. Daher sie ihre Sehnsucht gegen den König damit verkleideten / daß sie diese zu solchem Gepränge nöthigen Unkosten gerne dem gemeinen Wesen zum besten aufopffern wolten / weil doch Unterthanen über nichts mehr seuffzeten / als daß man den etliche Jahr von ihnen erpresten Schweiß in wenigen Tagen zernichtete. Ob nun zwar Marbod in denen Gedancken stand /daß er nicht weniger seinem Ansehen / als seiner einigen Tochter Beylager abbräche / so redete doch Vannius Adelgunden das Wort / und sagte / daß ein Fürst für sein Haus niemals zu wenig / und für des Volckes Heil niemahls zu viel ausgeben könte. Dieser Einhalt / und die einlauffende Nachricht: daß der deutsche Feldherr Herrmann bereit nach Versicherung seines Rückens / mit einer grossen Macht über die Elbe gesätzt / die Marsinger auf seine Seite gebracht hätte /und gegen denen Marckmännischen Gräntzen im Anzuge wäre / verursachte / daß den vierdten Tag nach dem Kampffe Ingviomer und Adelgunde vermählet werden solten. Adelgunde ersuchte bey dieser Erklärung den König: daß er für diesem Freuden-Tage Adgandestern / welcher für Schande schier verzweiffelte / und für heimlicher Rache sein eigen Hertze auffraß /aus dem Lande schaffen / also ihr sein trauriges Andencken aus dem Sinne / dem Volcke alle Ursache fernerer Verbitterung aus dem Hertzen reissen möchte. König Marbod / welcher nun allererst das von Adgandestern gestifftete Unheil und seine Bezauberung erkennte / hatte zwar ihm vorgesätzt / an ihm als einem so schädlichen Staats-Diener ein Beyspiel strenger Gerechtigkeit auszuüben / willigte / seiner Tochter zu Liebe / in seine blosse Verweisung und ließ ihm andeuten / daß er sich zu seiner Entfernung fertig halten solte. Adgandester / welcher vorhin so viel Anbeter gehabt / mit des Königs Gnade aber alle Freunde verlohren hatte / ließ den König durch den ihn verwahrenden Hauptmann ersuchen / er möchte ihme nur zehn Worte zu sagen / Gehöre geben. Marbod aber ließ ihn beantworten: er solte sich nur seines eigenen ihme gegebenen Rathes erinnern: daß er den nimmermehr für sein Gesichte solte kommen lassen /den er schon einmahl hätte in Hafft [1464] nehmen lassen. Daher wäre unverschämt wider diß / was er selbst verda t hätte / etwas zu begehren. Des Nachts ließ ihn Marbod auf einen Esel setzen und aus der Stadt Maroboduum führen. Das Volck ward es gleichwol gewahr / ehe er aus den Pforten kam / lieff selbtem nach / der Pöfel warff ihn mit Kothe / und hätte ihn mit Zähn- und Klauen in kleine Stücke zerrissen /wenn er von der Königlichen Wache nicht wäre beschirmet worden / die ihn an die Reichs-Gräntzen biß über die Donau zu führen befehlicht war. Von denen Königlichen Räthen gaben sich ihrer viel an / welche sich erboten durch Wahrmachung seiner Laster des Königs Ungnade gegen ihn zu rechtfertigen. Sintemahl er die Königliche Hoheit und Gewalt an sich gezogen / alle Aempter bey Hofe und im Reiche nach seinem eigenen Gefallen vergeben / von denen gemeinen Einkunfften sich und seine Geschöpffe bereichert / die hohen Würden und die Gerechtigkeit verkaufft /zwischen dem Könige und seiner Tochter Zwietracht /zwischen den Ständen Mißtrauen gesämet / kluge /tapffere / und treue Leute von Hofe und aus dem Lande verstossen / denen Land-Vögten nach Hofe zu kommen die gemeine Roth und Gefahr zu entdecken verwehret / ihre Berichte untergedrückt / den König in seinem Zimmer / wie in einem Gefängnüße eingesperret / mit frembden Botschafftern ohne des Königs Vorbewust / was er nur selbst gewolt / eigenmächtig abgehandelt / denen des Königs an andern Höfen falsche Befehle zugeschickt / viel Kundschaffter auf den König alles sein Thun / seine Reden / und Handlungen mit andern auszuspüren bestellet / dem Könige durch Arglist und Dräuungen viel Einwilligungen abgezwungen / hingegen zu des Königes Schimpffe und Verkleinerung viel seiner Verordnungen gehindert /oder gar zernichtet; mit den Feinden des Reichs heimliches Verständnüs gehabt / durch seine Grausamkeit die Semnoner und Langobarden zum Auffstande veranlasset / durch seine verrätherische oder unvernünfftige Rathschläge den König um diese streitbare Völcker gebracht / nach der Königlichen Tochter und Herrschafft durch verfälschte Wahrsagungen / Zauberey und hundert böse Künste getrachtet hätte. Alleine König Marbod hielt sich solcher Vertheidigung gegen den / welchen alle seine Unterthanen verfluchten / und der bey der gantzen Welt einen so bösen Ruff hatte /nicht benöthigt / oder wider einen schon gestrafften allererst seine Verbrechen auszuführen / gar nicht für schicklich. Am allermeisten aber hielt ihn hiervon zurücke: daß wenn Adgandester überwiesen würde / er habe weiter gegriffen / als einem Diener zustehet /König Marbod zugleich selbst gestünde / er sey entweder nicht fähig gewest / einen König abzugeben /oder er habe sein Ampt vernachläßiget. Marbod ließ also sein Volck Adgandestern nach eines ieden Gutdüncken und Gemüthsregungen verdammen. Denn auch die / welche er erhoben / oder sonst wolgethan hatte / dorfften sich nicht unterstehen für ihn ein Wort zu reden; sondern damit sie nicht schienen von ihm den Hang zu haben / musten sie zu ihrer Sicherheit von ihm schlimmer / als die Beleidigten reden. Diese Beschäfftigung des Volckes aber ward bald durch einen andern Gegenwurff nemlich durch das Beylager Ingviomers und Adelgundens unterbrochen / welche an der Mulde in einem heiligen Heyne einander vermählet wurden. Ob nun zwar darmit über Hals und Kopff geeilet ward / war gleichwohl die Ausrichtung Königlich / die Pracht auch so groß: daß alle Ausländer erstauneten / wie in so wenigen Tagen zu denen Gast-Maalen ein so unglaublicher Vorrath von seltzamen Speisen / und zu denen Aufzügen so köstlicher Schmuck und Kleidungen hätte können herbey geschafft werden. König Vannius gab mit seiner Hoffstadt diesem Beylager [1465] auch keinen geringen Glantz /und der Marckmännische / Kwadische / Sarmatische und Bastarnische Adel waren alleine genug / durch ihre ansehliche Ritterspiele aller Welt die Zeit zu kürtzen / und wenn schon irgendswo ein Abgang hervor geblickt hätte / solchen zu ersetzen. Nichts aber war auf diesem Feyer herrlicher / und denen neuen Eheleuten vergnügter / als daß Boleßla / und Britomartes nicht nur in Stand geriethen / dem Beylager beyzuwohnen / sondern sie auch Mißgunst und Eyversucht gegen Ingviomern so weit von sich entfernet hatten / als wenn sie Adelgunden ihr Lebtage mit keiner Ader geliebt hätten. Ja sie liessen von sich eine sothane Vergnügung spühren / als wenn sie selbst den Siegs-Preiß ihres Kampffes davon getragen hätten. Eine solche Krafft hat die Tugend in großmüthigen Seelen / daß sie den kältesten Neid erwärmet / und den bittersten Haß in Freundschafft verwandelt. Diesem Beylager und denen Lustbarkeiten wurden gleichwol mehr nicht / als drey Tage aufgeopffert. Denn weil täglich von Näherung des Feindes gleichstimmige Zeitungen einlieffen / brach König Marbod / Vannius / und Ingviomer / welchen seine hertzhaffte Adelgunde nicht verlassen wolte / mit dem gantzen Adel von Maroboduum auf. Die Fürsten Boleßla und Britomartes wolten bey dieser Gelegenheit nicht versäumen / denen Marckmännern zu zeigen: daß da sie aus Regung der Liebe in ihr Land kommen wären / nun aus Furcht des Feindes nicht Abschied nehmen wolten.

Inhalt des Neunten Buchs
[1466] Inhalt
Des Neunten Buchs.

Germanicus kömmt mit dem gefangenen deutschen Frauen-Zimmer auf einem Garten-Hauß vor Rom an. Thußnelda schickt sich geduldig in ihr Verhängnüß. Sie wird durch den Titus Cäsonius Priscus und Aelius Sentius Saturninus bedient. Sejanus besucht und beschenckt sie im Nahmen des Käysers; setzt auch durch seine Zusage ihr Gemüth in grosse Ruhe / welche aber bey der Besichtigung des vom Tiberius überschickten Kästleins zerstöret wird. Hoffnung und Furcht wechseln bey ihr ab. Die Legionen aus Deutschland kommen auff dem Marßfeld an. Germanicus hält sein Siegs-Gepränge. Unterschiedene Bilder werden dabey schaugetragen. Hierauff folgen die Gefangenen / Beroris / Dietrich / Libys und andere; ingleichen zwey Wägen voll Frauenzimmer / mit verschleyertem Gesicht / unter welchen Thußnelda am meisten von dem zuschauenden Volck betauret wird. Germanicus erscheinet auff einem herrlichen Triumph-Wagen / deßgleichen Agrippina auff einem andern in Gesellschafft ihrer Kinder. Er hält am Capitolinischen Berge eine Danck-Rede gegen seine Gesellschafft / ladet sie zu einem Gastmahl und unterschiedlichen Schauspielen ein / und lässet hingegen die Gefangenen in das Tullianum zum Todte hinführen. Unterdessen speiset Tiberius mit denen beyden Burgermeistern / dem Thracischen Fürsten Rhemetalces /dem Sejanus und dem Weltweisen Seleucus in seinem Palast. Rhemetalces soll bey der Taffel erzehlen / wie es in Thracien zustehe; berichtet demnach / daß sein Vater Rhascuporis / und dessen Bruders-Sohn Cotys eine gute Zeit in Gräntz-Streit gelebet / endlich habe jener mit diesem Frieden gemacht / ihn auch zu Gast gebeten / aber unter der Mahlzeit unvermuthet gefangen nehmen lassen. Tiberius fraget ihn / ob er sich noch nicht zu verheyrathen gedencke? Rhemetalces verneinet es / weil Zirolane ihm untreu geworden. Der Käyser will sie zwar nicht gantz entschuldigen / weil er selbst ein Exempel weiblicher Leichtsinnigkeit an der ihm zweymahl angetraueten Julia erfahren habe. Jedoch beweiset er so wohl selbst / als durch ein nachdenckliches Schäffer-Spiel / daß die Eyffersucht öffters ungegründet / und also unverantwortlich sey. Als nun alle Zuschauer das Schau-Spiel / so der Käyser vor seine Erfindung außgegeben hatte / loben /entdecket Seleucus / daß dessen Verfasser der Gallische Poet Pelias sey. Tiberius kan kaum seine Beschämung und Verbitterung hierüber verbergen / biß die Taffel auffgehoben wird. Worauff er dem Frevler ins Elend zu gehen aufferleget / der sich hierbey so bezeiget / wie man von einem bauerstoltzen Schul- Fuchs hoffen [1467] darff. Indem die Burgermeister und Rhemetalces vom Käyser weggehen / erfähret dieser ungefähr von jenen / daß sein vermeinter Mit-Buhler Zirolanens Bruder / und also seine Eyfer-Sucht gegen sie unbillig / ja würdig sey / daß das lächerliche Schäffer-Spiel auff dieselbe gedeutet werde. Folgenden Tages übergiebet er seines Vaters Briefe dem Käyser und Römischen Rath auff dem Capitolium; woselbst beschlossen wird / daß Pomponius Flaccus in Thracien /Germanicus in Armenien / und Drusus in Illyricum reisen soll. Nach geendigten Rath-Sitz begleitet Rhemetalces nebenst dem Sejanus den Tiberius auff das Lust-Hauß / in welchem Germanicus vor dem Triumph sich auffgehalten hatte / und entschuldiget unterwegens seine Zirolane beym Käyser / die er vorigen Tages einer Untreu beschuldiget hatte. Ihr Geist / oder vielmehr sie selbst / erscheinet ihm auff dem Saal des Garten-Hauses und giebet ihm einen Korb voll Bänder; darüber der Käyser zu schertzen anfähet / endlich aber den Fürsten versichert / daß seine Clotildis / oder so genannte Zirolane / nicht im Triumph erwürget worden. Sie kommen beyde in Thußneldens Zimmer /allwo der Käyser einige Ursachen anführet / warumb er die Hertzogin in Italien zu kommen bemühet /ingleichen dem Germanicus vergönnet habe / etliche Weibesbilder mit verdecktem Gesicht im Triumph auffzuführen / welche gantz Rom für die Deutschen Fürstinnen gehalten. Rhemetalces bittet seine dazukommende Clotildis umb Vergebung / die ihm aber sauer gemachet wird. Sie gehn hiernächst alle zur Taffel / biß auff den Sejanus / der aus Eyfersucht gegen seinen Herrn nach Rom wiederkehret. Die Speisen werden in drey Trachten auffgetragen / da denn bey jeder ein Schau-Essen sich findet / so eine Liebes-Vermahnung vor Thußnelden in sich enthält. Das erste ist die Stadt Rom zwischen denen vier Jahres-Zeiten / das andere Venus zwischen denen vier Elementen / das dritte Cato zwischen denen vier Altern der Menschen. Diese geben Gelegenheit / nicht nur zu allerley Schertz und Rätzeln / sondern auch zu etwas ernstlichern Gesprächen von schwangern Leibes-Früchten und von dem Cato / der seine Frau verschencket hat. Der Käyser läst sich und den Rhemetalces in der Sänffte wieder nach Rom tragen / nachdem er Thußnelden die Freyheit gegeben / ihren kleinen Herrmann dessen Vater zuzusenden. Mitler Zeit ist Sejanus bey der Sentia und offenbahret ihr Thußneldens Leben / auch unterschiedliche Geheimnisse des Käysers. Segesthes kömmt dazu und fähet an eyffersüchtig zu werden. Des Morgends drauff muß Sejanus den Beroris / Dietrich / Libys und andere vornehme Gefangene / die der Käyser Thußnelden geschencket hat / zu ihr hinaus bringen / kömmt aber mit der Entdeckung seiner Liebe bey ihr unrecht an; daher er voll Zorn und Rachgier wieder nach Rom gehet. Umb Mittag langet der trunckene Tiberius von dar bey Thußnelden an und bezeiget sich sehr unbescheiden gegen sie / weßwegen ihn Catta über den Hauffen stösst. Er befiehlet deswegen dem Saturninus / sie mit dem Beil hinrichten zu lassen. Als er zu Rom den Rausch ausgeschlaffen hat / begütigt ihn Sallustius / daß er der Catta das Leben schencken will. Dieses aber verhindert der boßhaffte Sejanus. Tiberius /Sejanus und Sallustius ko en wieder im Lusthauß an. Daselbst legt Thußnelda durch [1468] den Saturninus eine Vorbitte für die Catta vergeblich ein. Ihrem itztgenanten Abgeschickten aber bürdet der Tyrann zu seiner Bestraffung auf / daß er selbst die Cattische Fürstin enthaupten soll. Thnßnelda will ihm kein Gehör mehr verstatten. Indem nun Saturninus die Catta zum Tode abholet / erinnert Sallustius den Käyser / daß die Gesetze nicht zuliessen / eine Jungfrau zu tödten. Der leichtfertige Sejan giebt den Rath / Saturninus müsse die Catta vor ihrer Hinrichtung schänden / damit sie nicht als Jungfrau sterben dürffe. Catta schickt sich zum Tode / verweiset dem Wüterich / daß er das Gesetz / so ihr zum Vortheil dienen solte / zu ihrem Schaden mißbrauche; wird aber / dem allen ungeacht / genöthigt / sich mit dem Saturninus in eine Schlaffkammer versperren zu lassen. Inzwischen werden Beroris / Dietrich / Libys / der kleine Herrmann /die Gräfin von der Lippe und andere Gefangene nach Deutschland erlassen. Tiberius schiebt der Catta Todt biß auf morgen auf / damit sie sich die Nacht hindurch über ihrer erlittenen Schande desto länger qvälen möge. Dem Saturninus hingegen gebeut er /eine Triumph-Mahlzeit auszurichten / weil er die Cattenburg glücklich erobert. Es wird bey derselben so unmenschlich gesoffen / daß iedermann in tieffen Schlaff geräth. Tiberius hat einen Traum / dessen Bedeutung sich zeiget / als Catta soll zum Tode geführet werden / und weder sie / noch auch Thusnelda / oder Ismene / Clotildis / Rhamis und die Gräsin von Nassau im gantzen Hauß anzutreffen ist. Man findet endlich Briefe von Thußnelden / Catta und Clotildis an den Tiberius / Agrippinen und Rhemetalces / welcher letztere eben diesen morgen dem Käyser aufzuwarten gekommen war. Tiberius erzürnet sich hefftig über des Frauenzimmers Flucht. Bey der nächsten Raths-Versa lung ni t Germanicus die Armenische Reise auf sich / Rhemetalces aber empfängt münd- und schrifftliche Antwort auf seines Vaters Brief und begiebt sich wieder in Thracien. Marbods Abgesandten an den Käyser ko en auf dem Marsfeld an und suchen Hülffe wider Hertzog Herrmañen. Denn Marbod und Ingviomer hatten eine Schlacht wider diesen am Havelstrom verlohren; so war auch jener mit dem Boleßla und Britomartes in Uneinigkeit gerathen und hatte sie durch seine Unbescheidenheit bewogen /gantz-unvergnügten Abschied zu nehmen; weßwegen Adelgund nachmahls ihrem Vater zuredet und ausführet / wie man Freunde erhalten und ihre wohlgemeynte Erinnerungen nicht übel aufnehmen solle. Marbod trotzt auf die Gunst derer Römer und zu dessen Beweiß / ordnet er den Kulenburg und Tanneberg nach Rom ab; welche aber nicht erhalten / was ihr Herr gehoffet. Adgandester schreibt an den Tiberius umb Gifft / solches wider Herrmannen zu gebrauchen. Der Käyser läst den Brieff im Rath ablesen und erkläret sich / daß er dergleichen Meuchelmord nicht verlange. Es wird demnach zum Schein eine abschlägliche Antwort aufgesetzet und an Arpus gesandt / mit Bitte / es an seinen Vetter Adgandestern bestellen zu lassen. Dem Luitbrand aber / der den Brief nach Rom gebracht hatte / giebt Sejanus heimlich das verlangte Gifft. Die Soldaten / so Thußnelden zu suchen ausgeschickt waren / kommen unverrichteter Sache wieder. Sentia befragt sich bey einer Zauberin und erhält einen Ausspruch / daß ihr Vater Saturninus zu des Frauenzimmers Flucht beförderlich gewesen / welches [1469] auch sich also in der Warheit befand / indem dieser kluge und tugendhaffte Mann durch sonderbare List nicht allein Cattens Ehre unverletzt erhalten / sondern auch ihr und ihrer Gesellschafft durch den Kellermeister Aristides zur Freyheit geholffen hatte. Sentia zeigt dem Tiberius an / was sie erfahren. Dieser begehrt / sie solle nachsinnen / wie man den Saturninus des Lasters der verletzten Majestät wahrscheinlich beschuldigen könte. Im weggehen findet sie ein Pergament / welches unter dem Titel einer Lobschrifft ein blosses Schmäh-Geticht wider den Käyser ist. Hierüber entstehn allerley Gespräche zwischen ihr und ihm. Endlich thut sie den Vorschlag / Tiberius solte /weil sie des folgenden Tages mit ihrem Gemahl nach Deutschland reisen müste / ein Frühstück anstellen und dazu so wohl sie / als ihren Vater und Gemahl /einladen / da sie denn unter dem Abschied-nehmen die Stachel-Schrifft in dessen Kleider heimlich stecken wolte. Diß geschieht. Drauf / als Segesthes und Sentia weg sind / fällt dem Saturninus das Pergament zwischen denen Kleidern hervor / worüber er / als ein Verletzer der Majestät / angegriffen / verurtheilt und vom Tarpejischen Felß hinab gestürtzt wird. Libys /Beroris / Dietrich und ihre Gesellschafft kommen zu Budorgis an und bringen dem Feldherrn seinen Sohn und Thußneldens Schreiben. Jubil bekömmt auch Cattens Brieff zu seiner grossen Vergnügung / bald drauf aber zu seiner desto grössern Betrübnüß / eine schrifftliche Nachricht von Sentien aus Rom / daß Catta durch den Saturninus geschändet und vom Käyser zum Tode verurtheilt worden. Er wird durch die Antwort des Libys in dieser Meynung gestärcket. Als er hierüber sich äuserst bekümmert / tröstet ihn Selmnitz und thut den Vorschlag / er möchte / an statt der Catta / Leitholden heyrathen. Der Hertzog schreibt deßwegen an die Gräfin von Bentheim / die ihn ehemahls zur Liebes-Treu gegen Leitholden eifrigst ermahnet hatte; schicket auch den Dießkau nach Mattium mit Brieffen / worinnen er bey Hertzog Arpus sich beklaget / daß das seiner Tochter begegnete Unglück ihn unfähig mache / sich mit dem Cattischem Hause zu befreunden. Hermann sendet den Grafen Stirum und Ritter Malzan nach Rom / wegen der Catta / Thußnelda und ihrer übrigen Gesellschafft den Käyser zu besprechen. Zu Mattium geht Freud und Leid durch einander. Denn anfangs gebiert Adelmunde einen Sohn. Nachmahls erhält man die verdrüßliche Nachricht / daß Catta und Rhamis zu Rom im Triumph geführet und erwürget worden. Drauff widerleget dieses Beroris / als er dem Hertzog Arpus der Catta Brieff übergiebet. Hiernechst kö t Dießkau mit Sentiens und Jubils Brieffen von der Schändung der Catta an / worüber Arpus und Erdmuth fast vor Kummer vergehn. Dieser verwandelt sich in Vergnügung / indem Malovend / unter dem Nahmen Ahlefeld / Brieffe von Agrippinen bringt / daraus erhellet / daß Catta weder Ehre / noch Leben eingebüsset habe. Malovend liebelt sich beym Arpus ein und erhält die Zusage / daß Catta sein soll werden / wenn sie wieder nach Hauß käme; ingleichen / daß er ihn bey denen sä tlichen Deutschen Fürsten wieder außsöhnen wolle. Arpus zeiget dem Dießkau Agrippinens Brieff / und begehret von Jubiln / als Schwieger-Sohn /nichts mehr zu wissen. Indessen nun Malovend in Armenien gehet / die Catta zu suchen / langet Dießkau bey seinem Herrn wieder an / welcher von [1470] der Gräfin von Bentheim Brieffe erhalten hatte / daß Leitholde seine Liebe anzunehmen unfähig sey. Allein so sehr verzweiffelt er sich im Anfang geberdet / so löblich fasset er den Schluß / seinen Liebes-Gedancken so lange Anstand zu geben / biß er Marboden das Hermundurische Land wieder abgenommen habe. Gottwald kö t von der Jagt nach Budorgis in Begleitung Adgandesters / der als ein Kohlenbrenner ihn bewirthet / nachmahls sich vor einen Gothonischen Edelmann auß- und dem jungen Fürsten viel leichtfertige Einschläge gegeben hatte / die Marckmännische Cron zu erlangen. Er beschenckt den Betrüger und lässet ihn heimgehn; beredet die von ihm in der letzten Schlacht gefangenen Marckmänner / Wartenberg und Zevusch / einen Auffstand wider Marboden zu erregen / und läßt sie hierauff nach Boviasmum reisen. Stirum und Malzan kommen ohne Thußnelden wieder. Herrmañ schreibet daher an Aßblästen / ob er seine Gemahlin iemahls wieder sehen werde? Dero dunckele Antwort beweget ihn zu Todes-Gedancken. Segesthes ertappet seine Sentia mit Bojocaln im Bette; dannenhero er ihm die Ohren abschneidet / die Ehebrecherin aber so lange öffentlich prügelt / biß sie sich den Kopff an einem Baum entzwey stösset. Im Teutschburgischen Häyn wird ein Reichs-Tag gehalten und Segesthes / Segimer / Sesitach / Malovend und Bojocal in das Fürsten-Bündniß wieder auffgenommen. Die drey ersten wollen den letztern / als einen Ehebrecher / nicht darinnen leiden; darüber kö ts zum Wort-Wechsel und endlich zu einem Kampff zwischen dem Segesthes und Bojocal / derer jener den Sieg gewinnt und das Leben einbüßt / dieser hingegen das Leben behält und seine Ehre verliehrt. Als nun Segimer seines Bruders Länder erbt / wollen Beroris und Dietrich ihren Bruder Melo nöthigen / das Sicambrische Hertzogthum mit ihnen zu theilen. Jedoch ist jener auff Zureden des klugen Winsheims zufrieden /so bald er das geistliche Ober-Haupt aller Eubagen wird. Dietrich aber hat das Glück / daß die Bataver an statt des Cariovalda ihn zum Ober-Statthalter beruffen. Mitlerzeit verschweren sich Wartenberg /Zevusch / Hincko / Branick / Jaroßla / Crocus / Adalbert / Bohußla / Zyto und viel andere Marckmänner /(zu denen sich auch Luitbrand gesellet /) wider Marboden; doch zu ihrem Verderben / weil ein Bettel-Weib dem König ihre Nahmen etliche Wochen zuvor schrifftlich eingehändiget hatte. Dieser meinet / sein Schutz-Geist sey unter so verächtlicher Gestalt erschienen; richtet daher demselben zu Ehren etliche Denckmahle auff / und ordnet allerley Lust- und Ritter-Spiele an. Alldieweil aber Luitbrand in der Marter / wiewohl fälschlich / erhalten / daß Inguiomer / Adelgund und Vannius seine Mit-Verschwohrnen gewesen / hält Marbod ihnen solches mit harten Worten vor und machet / daß sie alle drey unvergnügt und erzürnt davon reisen. Gleichwie er nun drey wahre Freunde sich hiermit zu Feinden gemacht: also bildet er sich an der Bettel-Frau einen sonderbahren Freund / ja Schutz-Geist vergeblich ein / nachdem sie sein Tod-Feind / Adgandester / gewesen. Dieser / so bald er Marboden gewarnet / begiebet sich in ritterlicher Kleidung nach Godanium unter dem Britannischen Nahmen Kenelm und überredet daselbst den Adel durch allerley Arglist zum Bündniß wider Marboden und Haß gegen Gottwalden. Der königliche Stadthalter / Graff Witgenstein / hält auff seines [1471] Herrns Geburts-Tag ein prächtig Ritter-Spiel / wobey denn ein grausamer Aufflauff entstehet und Kenelm zuletzt an statt Marbods zum Gothonischen / Esthischen und Lemovischen Hertzog gemacht wird. Die Lygier und Burier unterwerffen sich dem Sarmatischen König Jagello / die Marsinger aber dem Feld-Herrn Herrmann. Jubil fällt mit Cherußkischen Hülffs-Völckern ins Hermundurische / jaget die Marckmänner heraus und wird zum König des Landes bey einem kostbahrn Singe-Spiel ernennet. Bald hernach erfährt er / was sich mittlerzeit in der Nachbarschafft begeben. Es hatten nehmlich viel Marckmännische Grafen und Ritter ein neues Bündniß wider den Tyrannen Marbod gemacht und dem Feld-Herrn Hermann ihre Cron angetragen. Dieser sendet deßwegen den Gottwald mit einem fliegenden Heer nach Maroboduum / der auch solches glücklich einni t / und den Wüterich nöthigt / ins Römische Gebiet zu fliehen und den Käyser umb Hülffe anzuruffen / der ihm aber nur eine freye Wohnung und königl. Unterhalt zu Ravenna verordnet. Gottwald beredet die vornehmsten unter denen Reichsständen / ihn / anstatt Herrmanns / zum König zu machen / und sucht vergeblich solche Untreu durch etliche Geschencke uñ ein Entschuldigungs-Schreiben bey dem Feldherrn wieder gut zu machen. Sobald nun Jubil alles dieses vernimmt / geht er mit einem mächtigen Heer hinüber ins Marckmännische Königreich /überwindet Gottwalden und zwinget ihn / nach Marbods Exempel / zu denen Römern zu fliehen / von denen er zu Forum Julium einen Auffenthalt bekömmt / nicht lange hernach aber vor Kummer stirbt. Währender Zeit kömmt Herrmann zu Boviasmum an / und wird zum Marckmännischen König gekrönet. Stifftet daselbst eine immer-während Freundschafft mit Jubiln. Unterschiedene Freuden-Bezeugungen werden ihm zu Ehren angestellt / worunter die letzte ein Fischer-Rennen auff der Mulda ist. Diesem sieht auch Kenelm zu / weil er sich unbekanter Weise ins Marckmännische Land begeben hatte / umb den vom Sejanus überschickten Gifft wider Herrmannen zu gebrauchen. Er wird aber ungefehr vom Ufer ins Wasser gestossen / halb todt auff die Festung getragen und daselbst vor Adgandestern erkant. Aus Furcht eines grössern Unglücks verschlinget er eine von seinen Gifft-Kugeln / wird hierdurch rasend / stürtzt sich zum Fenster hinaus / und er säufft in der Mulda. Sein Cörper wird auffgefischt und nach Godanium geschickt / daselbst aber in die Weichsel geworffen und der abwesende Inguiomer zum Gothonischen / Esthischen und Lemovischen Hertzog von den Land-Ständen erwehlt. Dieser fängt unterdessen einen gefährlichen Krieg mit Hermannen an / den er so wohl bey dem Arpus und Segimer / als auch bey denen Cherußkern selbst in den Verdacht gebracht hatte / als ob er ein anderer Marbod werden und gantz Deutschland umb seine Freyheit bringen wolte. Es kö t endlich zur Schlacht nicht ferne vom Hartz-Wald / welche Inguiomer verliehrt. Doch fällt er zwey Nacht hernach in Herrmañs Lager und nimmt ihn mit Hülffe des verrätherischen Segimers gefangen / der biß anher sich als ein Freund und Bundsgenosse gegen den Feld-Herrn angestellet hatte. Weil dieser Ehr-vergessene Chassuarier von Herrmannen verwundet war und den kalten Brand bekömmt / muß Inguiomer ihm auff den Fall seines Todes versprechen / Herrmannen das Leben zu nehmen. Er stirbet einige Zeit darnach und der[1472] Bructerische Hertzog wird gezwungen / seinem Wort zu Folge / an Arnheimen Befehl zu ertheilen / den Marckmännischen König enthäupten zu lassen. Das abgeschlagene Haupt wird auff den höchsten Schloß-Thurm zu öffentlicher Schau gestellet; der Cörper hingegen verbrannt und begraben. Ein unbekanter machet eine nachdenckliche Grab-Schrifft auff Herrmannen / dessen Leben der Barde Holenstein beschreiben wil. Atticus zu Rom giebt ihm einen grossen Lob-Spruch in seinen Jahr-Büchern. Inguiomers Verfahren wird von denen meisten Deutschen Fürsten übel auffgenommen. Ein grosses Heer von Hermundurern /Marckmännern / Langebarden / Semnonern und Marsingern fällt ins Cherußker-Landein / Hermañs Gefängnüß und Todt zu rächen. Inguiomer liefert und verliehrt eine Schlacht / wird gefangen und in ein Gezelt / zu Anhörung seines Urtheils / gebracht / allwo er mit grosser Erstaunung Thußnelden / Erato / Rhamis / Catta / Jubiln / Flavius / Siegmund und Malovenden sitzen sieht. Er wird nach einigen Wort-wechseln verdammt / daß er bey Herrmanns Grabe / dessen Geist zur Versöhnung / geschlachtet und verbrannt werden soll. Thußnelde schickt zwantzig tausend Mann voran / den Ort zu instehendem Rach-Opffer zu zubereiten. Sie folget mit denen übrigen / lässet den marmorsteinernen Aschen-Topff außgraben / und / da sie ihn umbfangen und mit ihren Thränen benetzt /gleich wieder beysetzen und eine Spitz-Seule darüber aufführen. Die Barden besingen Herrmanns rühmliches Leben und kläglichen Tod. Indemnun der Oberste Druide dem vor dem Altar knienden Inguiomer die Kehle abzustechen sich gefaßt macht / entsteht ein Geschrey: König Herrmanns Geist komme / seinem Sühn-Opffer beyzuwohnen. Der vermeinte Geist versichert Thußnelden und die andern Leid-tragende /daß er noch lebe / nimmt Inguiomern in seine Freundschafft wieder auff und hält hiernächst mit der gantzen Durchläuchtigen Gesellschafft einen höchstvergnügten Einzug in Teutschburg. Besucht daselbst die Hertzogin Adelgund / welche mit der kleinen Velleda etliche Wochen zuvor nieder kommen war. Bey der Taffel wird erzehlet / wie Adelgund Herrmanns Leben gerettet / und hingegen ihn vermocht / Inguiomern von der Auffopfferung eiligst zu befreyen. Hierbey wird des Seleucus erwehnet / der eine Stachel-Schrifft wider des Augustus Vergötterung gemacht und deßwegen gehenckt worden. Inguiomer berichtet / was ein Wahrsager seiner Tochter Velleda bey der Geburt geweissaget habe. Folgenden Morgends wird Herrmann und Thußnelde in ihrem Zimmer von der sämtlichen fürstlichen Gesellschafft besuchet. Erato giebt Nachricht / wie sie von ihrem Zeno aus dem Cattischen Jäger-Hause abgeholet worden / und zwar durch Hülffe des Zauberers Osthanes / welcher seinen Lohn von denen bösen Geistern beym Ambra-Fluß bekommen; ingleichen wie Pythodoris / des Pontischen Königs Polemons Wittwe und Gemahlin des Königs in Cappadocien Archelaus / den Zeno erst vor ihren Pflege-Sohn und hernach vor den jüngern Artaxias / Armenischen Reichs-Erben / erkanthabe. Des Flavius und der Erato Beylager wird auff den funffzehenden April angesetzt. Bey der Mittags-Taffel giebet Siegmund Anlaß zu einem Gespräch von gemeinen Irrthümern. Flavius ertheilt Nachricht / was massen er durch seiner Mutter Aßblaste Straff-Predigt an der Emse zwar gerührt worden / doch noch immer in Römischen Kriegs-Diensten verblieben sey / weil er in Deutschland so viel Her und Einkommen [1473] zu erlangen nicht verhoffet. Thußnelde füget hinzu / wie sie durch den Aristides so wohl aus ihrem Gefängniß auff dem Marßfeld / als auch aus Lebens-Gefahr zu Athen errettet worden; und wie sie nebenst ihrer gantzen Gesellschafft mit dem Flavius in Freundschafft wieder gerathen / ein Soldat geworden und nach Carien vorangeschiffet sey. Flavius gedencket / welcher gestalt er den zum Feg-Opffer besti ten Aristides als einen Beleidiger der Käyserlichen Majestät denen Atheniensern abgenommen und mit sich in Carien gebracht /daselbst zum Tode verurtheilt und doch zu einer sichern Flucht und Rettung verholffen. Wie Erato berichtet / werffen sich Vonones und Orodes zu Armenischen Königen auff. Allein jener wird gar bald von dem Creticus Silanus / unter dem Schein erwiesener Ehre / des Reichs entsetzt und in Syrien geschafft. Zeno giebt sich / als Artaxias / bey denen Armeniern und dem Tiberius an; beyderseits sind willig / ihm zu seinem väterlichen Erbtheil zu verhelffen. Flavius setzt die Geschichte fort und fügt der Gesellschafft zu wissen / wie er und Artaxias in Armenien eingebrochen seynd und Artaxata belägert haben. Thußnelda rühmt / daß Flavius sie aus der Todtes-Gefahr errettet / als Orodes einen Außfall auff die Belägerer gethan. Sie giebt auch Nachricht / wie sie und Ismene Artaxata erstiegen und in Lebens-Gefahr gerathen / davon aber befreyet worden / als König Artabanus seinem Sohn Orodes durch etliche Abgesandten andeuten lassen / daß er Armenien verlassen solte; welches auch nachmahls geschehen. Sie lieset die Schrifft ab / die Aßblaste ihr bey ihrer Vermählung gegeben / mit der Erinnerung / sie nicht ehe / als in Artaxata / anzusehn. Sie führt endlich aus / wie Germanicus in Armenien angekommen / und Artaxias gekrönet worden; deßgleichen / wie Agrippina ihr erzehlet / warumb sie ihres Germanicus Todt befürchte; wie Rhemetalces zu Artaxata angelanget und von des Cotys und der Ada Tod / so wohl auch Gefangenschafft des Rhascuporis / ein und anders ihr kund gethan habe. Sie beschließt ihre Rede mit der Nachricht von ihrer Abreise aus Armenien und Ankunfft zu Teutschburg. Malovenden trifft hierauff die Reihe / anzuzeigen / warumb er nicht mehr des Jubils Mitbuhler sey. Worauff Siegmund hinzu thut / wie es ihm ergangen / seit daß er den Thumelich zu Mäyntz auffopffern sollen. Catta /Jubil und Malovend erheben sich nach Mattium zum Arpus. Hertzog Melo lässet dem Feld-Herrn den Heyraths-Schluß zwischen seinem Sohn Franck und Leitholden anmelden und sich durch Herrmanns Gesandten erbitten / daß das Beylager auff einerley Zeit und Ort / als des Flavius seines / verlegt wird. Aristides kö t aus denen Nordischen Königreichen an und berichtet / was daselbst vor Veränderungen durch den Tod des Frotho und Erichs sich zugetragen haben. Tiribaces / ein Armenischer Gesandter / giebt Nachricht von der Vermählung des Artaxias und der Ismene /wie auch des Rhemetalces und der Clotildis / ingleichen vom Tode des Rhascuporis / Vonones und Germanicus. Die Cherußkischen Stände überliefern Herrmannen eine königliche Cron / die er aber dem Flavius mit dazu gehörigen Landen schenckt. Unterschiedene hohe Personen kommen zu Teutschburg an / woselbst auff den funffzehenden April das dreyfache Beylager des Flavius und der Erato / des Jubils und der Catta / des Francks und der Leitholde mit standesmäßiger Pracht vollzogen wird.

Das Neunte Buch
[1474] Das Neunte Buch.

Germanicus hatte nunmehr die höchst-bekümmerte Gesellschafft der gefangenen Teutschen unter der verdrüßlichen Aufsicht des Sextus Papinius biß auf ein nicht weit von Rom entlesenes Käyserliches Lust-Hauß gebracht; allwo er mit ihnen sich so lange verborgen aufzuhalten entschlossen war / biß Tiberius /dem er durch den Veranius hiervon gebührende Nachricht geben lassen / deßwegen gemäßenern Befehl ertheilet hätte: wiewol gantz Rom diesen seinen Auffenthalt wuste / als welches biß in die zwantzigste Meile hinaus ihm entgegen gekommen war / und / so sehr es die Beschleunigung seiner höchst-beliebten Ankunfft wünschete / so sehr dieselbe gehindert hatte / indem es alle Wege aus Neugierigkeit dermaßen starck vertrate und besetzte / daß Germanicus sich fast mehr durchschlagen / als durchziehen muste. Er wuste inzwischen kaum selbst / ob er sich vollends nach Rom sehnen solte / oder nicht; weil dasselbe ihm zwar ein Siegsgepränge / seinen besten Freunden aber die äusserste Schmach zubereitete. So sehr er demnach sich freuete / den Ort wieder zu begrüssen / da die Römische Wölffin ihm / als einem andern Romulus / dir erste Mutter-Milch gegeben hatte: so sehr zitterte er über dero unbarmhertzigen Klauen / worein er die Unschuld selbst zu liefern genöthigt wurde. Thußnelde hingegen litte mit unvergleichlicher Gedult / was keine menschliche Klugheit ändern konte / lebete aber gleichwol der Hoffnung / Gott würde auf dem Schauplatz unvermuthlich erscheinen und in diesem höchstverwirrten Trauerspiel einen vergnügtern Beschluß machen. Es diente auch ihr ruhmwürdig Exempel ihren viel kleinmüthigern Unglücksgenossen für einen Leitfaden / der sie zu recht führete / wenn sie in den Irrgarten ihrer schwehrmüthigen Gedancken allzu tieff gerathen wolten. Wären sonst alle Wollüste der Welt fähig gewesen ihr Gemüth zu vergnügen / so würde der sie zu bedienen vom Käyser verordnete Titus Cäsonius Priscus dazu bald Rath geschaffet haben / massen er unter dem Nahmen eines Wollustmeisters alle das in steter Bereitschafft halten muste /was die lüstern Begierden derer Menschen zu ihrer Ersättigung jemahls erfunden haben. Aber alle diese Lust war unsern Teutschen eine Last / die marmornen Zimmer ein gräßlich Gefängniß / die wohlbesetzten Tafeln eine betrübte Todten-Mahlzeit / die unvergleichliche Music ein Zeter- und Mord-Geschrey / die weichen Betten endlich eine neue Art von einer Folterbanck. Denn die Freyheit giebt aller Vergnügung das Leben und alle gegenwärtige Freude erstirbt über der Furcht eines zukünfftigen Ubels.

Sentius Saturninus war befehlicht / die Wirthschafft an statt des Käysers zu verwalten / und ließ ihnen zwar die Freyheit / aus einem Zimmer in das andere nach Belieben zu gehen / doch nicht einen Fuß außer das Hauß zu setzen. Weil nun Thußnelde ihn /als ihrer boßhafften Stiefmutter Vater ansehen muste /kunte sie sich nicht enthalten / zu befürchten / daß vielleicht dieser Stamm von einer schädlichen Art wäre / alldieweil er eine so gifftige Frucht getragen hätte / und sie dahero einen ihrer ärgsten Feinde unter der Larve eines aufrichtigen Freundes umb sich leiden müste. Jedoch fassete sie sich alsbald / und befunde unbillig / jemand durch Argwohn ohne Beweiß zu beschuldigen / oder umb einer ungerathenen Tochter einen tugendhafften Vater zu verdammen.

Kaum zwey Stunden waren verflossen / als [1475] des Germanicus abgeordneter Veranius aus Rom wieder zurück kam in Begleitung des Sejanus des vornehmsten Käyserlichẽ Staats-Bedientens. Dieser / nachdem er im Nahmen seines Herrn den Germanicus mit aller ersinnlichen Höffligkeit bewillkommet / und ihn in diesem Garten-Hauß biß auf den zu seinem Triumph bestimmten sechsten Tag vor Anfang des Junius mit seiner gantzen Reise-Gesellschafft unbekanter weise zu verziehen gebeten / auch dessen Gemahlin die gebührende Aufwartung geleistet hatte / ließ er sich bey dem deutschen Frauenzimmer anmelden / und so bald er vorgelassen worden / bezeugete er mit vielen Worten / daß der Beherrscher der Welt Tiberius aus unterschiedenen Staats-Ursachen zwar genöthiget worden seinen besten Freundinnen eine so beschwerliche Reise anzumuthen; er hoffete aber mit der Zeit Gelegenheit zu finden / den hierbey mit unterlauffenden kleinen Verdruß durch desto grössere und angenehmere Dienste zu ersetzen / maßen er die unvergleichliche Fürstin der Cherusker sonderlich versichern lasse / daß sie in Rom mehr zu sprechen Macht haben solte / als wenn selbiges sie vor seine Käyserin erkennete. Thußnelde stattete hierauf ihre Dancksagung ab vor eine so unverhoffte großmüthige Versicherung und sagte / daß ob sie wohl wüste / daß der grosse Tiberius denen Verlassenen wohl zu thun und die Bedrängten zu schützen nicht ehe / als sterblich zu seyn / auffhören würde; so hätte doch das gemeine Geschrey /daß sie zu einem schimpfflichen Schauspiel der Stadt Rom verurtheilet wären / sie fast besorgt machen wollen / ob hätte Tiberius aufgehöret / Tiberius / das ist /die Großmuth selbst / zu seyn. Nunmehr aber verstände sie voller unsäglicher Freude / daß der Römische Adler sich viel zu edel halte ohnmächtige Tauben feindselig anzutasten / und ein so hoch verständiger Vater seinem an Tugend und Glück ähnlichen Sohne / dem Germanicus / es schimpflich zu seyn erachte / geraubete Weibes-Bilder / an statt überwundener Feinde / in Siegs-Gepränge aufzuführen. Sejanus wuste zwar wohl / daß Thußnelde aus seinem Erbieten mehr Trost schöpffete / als sie Ursach hatte; jedennoch wolte er nicht durch verdrießliches Widersprechen seine Person auf ewig deroselben verhaßt machen / sondern überreichte vielmehr dem sämtlichen Frauenzimmer des Käysers Geschencke /Thußnelden insonderheit aber ein güldenes Kästlein mit einem vollkommenen Diamantenen Schmuck. Bald hierauf eylete er wieder zum Käyser; ließ aber bey dem Abschied solche Blicke schiessen / die zur Gnüge verrathen kunten / daß er seine Freyheit der gefangenen Thußnelde aufgeopffert hätte / und nicht weniger in Liebes- als Reichs-Geschäfften des Käysers Gefährte seyn wolte.

Er gab damit der vorwitzigen Zirolane die Freyheit / das auf der Taffel stehende Kästlein zu eröffnen. So höchlich sie nun über dem Glantz der unschätzbaren Diamanten erstaunete: so wunderwürdig kamen ihr der Deckel und Seiten des Behältnüsses vor / als welche allerseits mit Onychtaffeln überlegt waren / in die ein berühmter Künstler allerley Spiele von kleinen Liebes-Göttern eingeschnitten hatte. Der Bodem aber setzte sie vollends aus ihr selber / indem sich darauff die verlassene Ariadne mit thränenden Augen nach ihrem entflohenen Gemahl / dem Theseus / umbsahe /von dem Bacchus aber mit Verheissung seiner Liebe und ihrer Vergötterung getröstet wurde. Denn des Tiberius Ebenbild war so deutlich / in des Wein-Gotts und Thußneldens Gestalt / in der Ariadne Gesichte entworffen / daß kein Ey dem andern ähnlicher seyn konte. Sie zeigte solches der bestürtzten Cheruskischen Hertzogin / die alsbald die Hände in einander schlug und ausrieff: O Jammer! nun bin ich verlohren! Bißher fürchtete ich mich / meine Ehre zum Schein in dem Siegs-Gepränge zu verlieren; [1476] nunmehr / da ich meiner Einbildung nach / durch des Tiberius zweydeutigen Zusage / aus dem Sturm in Hafen versetzet worden / gerathe ich in Gefahr an derselben in der That einen unvermeidlichen Schiffbruch zu leiden. Unverschämter Wüterich! ich wil zugeben / daß deine Völlerey dir mit eben dem Recht das Ebenbild des Bacchus / als etwa den Nahmen Caldius Biberius Mero erworben. Aber meynst du / daß ich deßwegen mich in dich / als einen Gott vergaffen werde? Solte ich dich meinen nicht weniger getreuen / als tapffern Theseus vorziehen? Nein! sicherlich! viel ehe wil ich deinen oder meinen Lebens-Faden / als das heilige Band meiner Ehe / zerreissen. Ach! vergebliche Hoffnung / die auf betrügliche Menschen sich gründen soll!

Thußnelda hätte sonderzweiffel ihren Klagen noch weiter nachgehangen / wenn nicht Agrippina ins Zimmer getreten wäre mit der Nachricht / daß Tiberius willens gewesen / Thußnelden zu besuchen / wäre aber im herabreiten vom Berge Palatinus mit dem Pferde gestürtzet / und hätte nicht nur den einen Schenckel in etwas verletzet / sondern auch vielleicht eine Ader im Leibe gespränget; weil das Blut ihm häuffig zu Mund und Nasen herausser schiesse. Weßwegen Sullustius ihren Gemahl durch einen Freygelassenen dessen hätte berichten und ermahnen lassen /dem Käyser ungesäumet / doch ohne alles Gefolge / in seiner Unpäßligkeit auffzuwarten. Thußnelden kam diese gute Zeitung so unvermuthlich / daß sie ihre Freude über dieser göttlichen Hülffe nicht allerdings in ihren Geberden verbergen kunte / ungeachtet sie um Wohlstands willen gegen die Schwieger-Tochter des Käysers sich dessen nicht mercken lassen dürffte. Allein diese bezeugete selbst mit vielen Worten / daß sie ihrem Vater-Lande die Befreyung von dem Joch dieses Wüterichs nicht mißgönnete / weil er zwar auff Befehl des Augustus ihren Gemahl zum Sohn angenommen / gleichwohl iederzeit sein und aller tugendhafften Leute geschworner Feind gewesen.

Sie lebten also allerseits zwischen Furcht und Hoffnung / biß Germanicus zwey Abende hernach sich wieder einstellete und ihnen kund thate / es hätte keine Gefahr mit dem Kayser: das Blut wäre gestillt /der Schenckel nur ein wenig gestreifft: doch müste er auff Rath der Aertzte biß auff den einmahl bestimmten Triumph-Tag sich inne- und aller Bewegung enthalten. Hiermit war abermahls die Freude der armen Thußnelda in der ersten Blüte ersticket. Indem kam ein Hauptmann aus dem deutschen Heer an / und berichtete den vor Thußneldens Zi er hinauserbetenen Feld-Herrn / daß selbiges nur noch vier Meilen von Rom sich befände und Befehl erwartete / wenn es sich nebenst denen Gefangenen auff dem Marßfelde einfinden sollte. Nachdem er nun den siebenden Tag vor Anfang des Junius hierzu angesetzet / begab er sich zur Ruhe / derer er aber wegen vielfältiger Sorgen so wenig / als iemand in diesem Garten-Hause geniessen konte.

Zwey Tage hierauff zog Germanicus mit etlichen vertrauten Freunden seinen Legionen entgegen / die nunmehr die Reise nach Rom biß auff eine viertel Meile hinter sich geleget hatten. Er wurde mit grossen Frolocken empfangen / massen das sieghaffte Heer /seit daß es sein Haupt nicht gegenwärtig gesehen /viel trauriger sich bezeiget hatte / als wenn es auffs Haupt von denen Deutschen wäre geschlagen worden. Er hingegen beschenckte und lobte sie nach ihrem selbsteignen Wunsch / führete sie in guter Ordnung auffs Marß-Feld / und ließ den Käyser und Römischen Rath durch sechs an sie abgeordnete Hauptleute um Vergünstigung des Einzugs in die Stadt zum Triumph ersuchen. Nach Erhaltung derselben trat die Nacht ein / welche der Feld-Herr in einem köstlich- ausgezierten Schlaff-Gemach des Isis-Tempels; [1477] das Heer aber unter freyen Himmel zubrachte. Folgenden Morgen ward Germanicus vom sämtlichen Rath mit dem bey solchen Begebenheiten gebräuchlichen Gepränge eingehohlet / und durch das Triumph-Thor in die Stadt auffs Capitolium gebracht. Damit wir aber nur dessen gedencken / worinnen dieser Auffzug von andern seines gleichen unterschieden war / so wurden unter andern die Bildnisse des Rheins / der Emse / der Weser und unterschiedener daran gelegenen Haupt-Städte / schaugetragen / als woselbst Germanicus durch sein Feuer und Schwerd diese höchste Ehrbezeigung der Stadt Rom verdienet haben solte. Ja so gar Tanfanens Heiligthum war in Silber gegossen zu sehen / dessen ungewissenhaffte Zerstörung die Römischen Mordbrenner für ihren ruhmwürdigsten Sieg hielten / weil sie darinnen nicht Menschen / sondern Göttern obgelegen wären / und wolten also dem grossen Pompejus es gleich thun / welcher seinen dritten Triumph mit gefangenen und auff Wagen angeschmiedeten barbarischen Göttern das gröste Ansehen gemacht hatte. Diesen Bildnüssen folgeten die Sicambrischen Fürsten Beroris und Dietrich mit güldenen /der Priester Libys mit silbernen / und unterschiedene Cheruskische / Cattische / Bruckterische / Sicambrische / Marsische / Chaucische Grafen / Ritter und gemeine Knechte mit eisernen Ketten beleget / die als Schlacht-Opffer auffs beste gezieret / sich die gewisse Rechnung zu machen hatten / daß ihr unschuldig vergossenes Blut zu Ende dieses ihres letzten Ganges dem Purpur-Rock des Uberwinders eine höhere Farbe und grössern Glantz würde geben müssen.

Nechst denen sahe man zwey Wagen mit sieben Fürstlich gekleideten Weibs-Personen besetzet / unter denen die vornehmste ein klein Kind auff dem Schooß hielte; Alle aber durch ihre güldenen Fessel anzeigen musten / daß sie dem armen Beroris und Dietrich das Geleite in die unterirrdische Welt geben sollten. Weil ihre Angesichter mit Schleyern behangen waren / entstund unter dem unzehlbahren Volck ein unordentlich Gemürmel / wer diese wären / denen die Gnade wiederführe / daß sie zu Wagen und ohne schimpffliche Entblössung des Haupts / wider alle Gebräuche derer Alten / zu ihrem Tode gebracht würden; da denn die Antwort mitten unter denen Fragen in gleichmäßiger Unordnung gehöret ward / es wären solches des Cheruskischen Feld-Herrn Gemahlin Thußnelde / ferner dessen Schwester Ismene / über dieses des Cattischen Hertzogs Tochter / und eine von dero Basen / Rhamis genannt / ingleichen eine gewisse Marsingische Fürstin / nebenst zwey vornehmen teutschen Gräfinnen. Diese gnädigere Art des Siegs-Gepränges hätten sie der Freundschafft der Agrippina zu dancken / die denen Teutschen so gewogen wäre / daß sie ihrem Gemahl sonder Zweiffel überredet haben würde / den vom Rath zu Rom angetragenen Triumph auszuschlagen / daferne sie nicht das Exempel des Cnäus Fulvius Flaccus vor Augen gehabt / welchem ins Elend zu gehen aufferleget worden / weil er den vom Römischen Rath angebotenen Triumph kaltsinnig ausgeschlagen hatte.

Niemand war unter allen denen / so ehemahls die unvergleichliche Thußnelda zu Rom gesehen hatte /der nicht ihr Unglück hertzlich betauret / und diesen frohen Tag mit milden Mitleidens-Thränen entheiliget hätte.

Der eintzige Segesthes / der unwürdig die Ehre hatte / Thußneldens Vater zu seyn / und nebst seiner Gemahlin diesem Siegs-Gepränge als ein Bunds-Genosse derer Römer zusahe / freuete sich hierüber so hefftig / daß die um ihn stehenden Römer über seinen unnatürlichen Haß / den er nicht nur über sein Vater-Land / [1478] sondern auch über sein Fleisch und Blut selbst in dessen äussersten Beschimpffung so grausamlich ausließ / sich höchlich ärgerten.

Germanicus stund auff einem güldenen und mit elffenbeinern Bildern niedrig-erhobener Arbeit gezierten Triumph-Wagen / an welchem unter andern die Brust-Bilder der Cheruskisch und Cattischen Hertzoge zu sehen waren. Denn also muste man über Teutscher Helden Bilder triumphiren / weil man derer Helden selbst nicht mächtig werden konte. Man wollte anfänglich / nach des Marcus Antonius Exempel / vier Löwen für den Wagen spannen / den Cattischen Löwen dadurch zu bedeuten; weil aber die Cherusker vornehmer waren / schien es prächtiger zu seyn / vier weisse Pferde / dergleichen eines im Cheruskischen Wappen zu sehen ist / zum Zeichen des über itzt genanntes Volck erhaltenen Siegs zu gebrauchen. Dem Germanicus folgte zunächst seine Gemahlin auff einem weiten silbernen Wagen / hatte auff beyden Seiten ihre ältesten zwey Söhne Nero und Drusus; auff dem Schooß den kleinen Cajus / und unten vor denen Füssen ihre zwey Töchter Agrippina und Drusilla; schiene aber mehr traurig als frölich diesem grossen Ehrenfest beyzuwohnen. Welches von dem Volck insgemein / als ein heimliches Mitleiden über ihre zum Tode verdammte Freundinnen ausgedeutet ward / warhafftig aber daher entstund / daß sie diese Beehrung ihres allerliebsten Gemahls wie seine Leichbestattung ansähe. Denn weil ihm der Todt im Morgen-Lande vorlängst war gewahrsaget worden /und er gleichwohl dahin auff Käyserlichen Befehl nach geendigten Triumph ziehen sollte / als ahnete ihr / das undanckbahre Rom würde nach dieser letzten Ehre ihn zwar nicht eigenhändig tödten / jedoch dasjenige zu thun nöthigen / womit die hi lische Schickung seinen unausbleiblichen Untergang verknüpffet hätte.

So bald Germanicus am Berge Capitolinus ankam /hielt er eine herrliche Danck-Rede an die gantze Gesellschafft / und lude sie zu einer Mahlzeit und allerhand Ritter-Spielen auff diesen und folgende vier Tage ein. Nachdem auch / wie gewöhnlich / ihm Nachricht gegeben worden / daß die sämtlichen teutfchen Gefangenen im Tullianischen Gefängniß hingerichtet worden / befahl er den weissen Ochsen zu Ehren des Capitolinischen Jupiters / der Juno und aller Rom-gewogenen Götter und Göttinnen zu schlachten und zu opffern; Nach dessen Verrichtung die Gäste zur Triumph-Gasterey geführet und mit so ungemeiner Verschwendung bewirthet worden / daß man gestehen muste / der langwierige teutsche Krieg hätte weniger Unkosten / als dieser eintzige Triumph-Tag erfordert.

Der Käyser war zwar hierzu gleichfalls eingeladen /aber so wenig / als die Bürgermeister Cajus Cäcilius Rufus und Lucius Pomponius Flaccus / erschienen /damit niemand dem Triumphirenden an seinem höchsten Ehrenfeste die Oberstelle streitig machen könte.

Sie speiseten hingegen alle drey auff dem Palatinischen Berge / da denn der vor ein paar Wochen zu Rom angekommene Thracische Reichs-Erbe Rhemetalces die Gnade hatte / auff Tiberius Erforderung die vierdte / gleich wie Sejanus die fünffte / und der Welt weise Seleucus die sechste Stelle an der Käyserlichen Taffel zu bekleiden. Nachdem nun Tiberius unterschiedene gelehrte Fragen seiner Gewohnheit nach unter dem Essen auffgeworffen und dieselben entschieden / dabey aber viel Widersprechens von dem Seleucus erduldet hatte / welches dem einigen Rhemetalces frembde vorkam / denen andern Gästen aber eine bekante Sache war; verlangte er endlich / der Thracische Fürst sollte ihm und denen beyden Bürgermeistern anjetzo / die Zeit desto angenehmer hinzubringen / einige Nachricht kürtzlich [1479] geben / in was Zustande er sein Vaterland hinterlassen. Dieser antwortete hierauf: Selbiger ist leider mehr als zu schlecht. Denn obgleich Thracien mit hoher Bewilligung des nunmehr zum Gott gewordenen Augustus /unter meinen Vater Rhascuporis und dessen Bruders-Sohn den König Cotys vertheilet worden / hat es doch scheinen wollen / als ob es so wenig zwey Könige /als die Welt zwey Sonnen / ertragen könte; der unvergleichliche Augustus hatte kaum das Haupt gelegt /als beyde Könige in Grentzstreit geriethen / und tausend kleine Verdrüßligkeiten einander erwiesen / also gar / daß sie endlich beyderseits zu denen Waffen grieffen. Cotys bezeugete zwar vielfältig / wie ungern er hieran gienge / weil das Kriegs-Feuer nicht so leicht sich leschen / als anzünden liesse; doch könte er meinem Vater es nimmermehr gut heissen / daß er durch die Schmeicheley der Ada / (meiner Stiefmutter) die ihren leiblichen Kindern ein Erbe gern erwerben wolte / sich bewegen liesse / ihm seinen Scepter anzutasten / da er doch seinen eigenen des Cotys Gütigkeit allein zu dancken hätte. Er müste demnach der undanckbaren Schlange den Kopff zertreten / weil sie ihn zu stechen sich erkühnete / an statt dessen / daß er sie ehemahls in seinen Busem erwärmet und beym Leben erhalten hätte. Wolte Rhascuporis wie der Krebs umb sich fressen / so hätte ihm der Himmel Feuer und Messer in die Hand gegeben / sein Vaterland von solchem Ubel aus dem Grunde zu heilen. Mein Vater Rhascuporis hingegen wendete wider diese Vorwürffe seines Feindes vor / daß er dem Cotys keines seiner Länder zu schmählern willens wäre / gleichwohl diejenigen Städte / Berge oder Flüsse seinem Reich wieder einverleiben müste / die von uralten Zeiten Stücken derjenigen grössern Landschafften gewesen / die Cotys selbst vor Rhascuporis Eigenthum erkennete; und vermöchte die letztere Grentzscheidung die Sache nicht zu heben / weil ihm dieselbe damals mit Gewalt abgenöthiget worden / da doch viel mehr diejenigen Grentzmahle beobachtet werden solten / die der Himmel selbst durch Berg und Flüsse einer jeden Landschafft gesetzet hätte. Weil nun beyde mein Vater und Cotys recht zu haben vermeyneten / als wäre sonder Zweiffel der Untergang Thraciens unvermeidlich gewesen / daferne nicht eure Käyserliche Majestät durch dero hohe Vermittelung es bald darauf dahin gebracht hätte / daß Cotys seine gantze Kriegs-Macht abgedancket / nachdem der Unter-Landfleger in Mösien / Latinius Pandus / ihm im Nahmen des gerechten Tiberius die Versicherung gegeben hatte / ihn bey seinen Rechten mit aller Macht auf den Nothfall zu schützen. Inmittelst hat mein Vater ein mündlich Gespräch als ein zulänglich Mittel vorgeschlagen / wodurch der edle Friede wieder ergäntzet werden könte. Cotys hat hierauf den Ort / Zeit und Innhalt dieses neuen Bündnüsses / nach meines Vaters Vorschlage / angenommen und zu Stifftung desto bessern Vernehmens dem grossen Friedensmahl in seines bißherigen Feindes Hauptstadt beyzuwohnen sich nicht gewegert; ist aber zu Ende der Gasterey auf Befehl meines Vaters in Ketten und Bande gelegt worden / ungeachtet er umb der Schutz-Götter ihrer beyden Häuser willen / das Recht der Gastfreyheit nicht an ihm zu brechen / gebeten hat. Dieses alles hatte sich in meiner Abwesenheit zugetragen / da ich mich anfangs in Deutschland / als ein Gefangener / und bald darauf als ein neuer deutscher Fürst / aufgehalten habe / hernachmahls aber mein Vaterland zu suchen schlüssig wurde; weil ich ohnedem wegen eines mir in Schwalbach begegneten Unglücks meines Lebens gantz überdrüßig war / und dahero nicht groß geachtet hätte / wenn mein Stiefbruder Taxiles durch meinen Tod eine Crone bekommen /meine Mutter aber dadurch die Ursach verlohren hätte / aus des Cotys todter Leiche eine Stuffe zu machen /auf [1480] welcher ihr Sohn einen Thron besteigen möchte. Ich konte aber / leider! weder meinen Todt noch des Cotys Freyheit / sondern den Befehl allein von meinem Vater erhalten / ein Schreiben an Eure Käyserliche Majestät und den Rath zu Rom zu überbringen /in welchem er weitläufftig ausgeführet hat / wie er Gifft mit Wider-Gifft vertreiben / des Cotys List mit Gegen-List zuvor kommen / und durch dessen Bande das Band des Friedens in gantz Thracien feste knüpffen müssen. Dieses haben Eure Majestät vorigen Tages ausser dem Capitolium nicht annehmen wollen / weßwegen ich mit dero hohen Bewilligung morgen aufwarten und denen versammleten Vätern der Stadt Rom / die ein kluger Cyneas wohl ehe vor eben so viel Könige angesehen hat / diese Streitigkeit beyder Thracischen Könige zu beurtheilen demüthigst übergeben will / voller Hoffnung / daß selbige nicht nur meines Vaters Brief einiger schrifftlichen Antwort würdigen / sondern auch einen neuen Stadthalter in Mösien abschicken werden / der in dieser Sache ein unpartheyischer Schiedsmann sey / welches mein Vater von dem Latinius Pandus / einem Hertzens-Freunde des Königs Cotys / niemahls verhoffen können.

Tiberius erbote sich / nach dem Beschluß dieser Rede / beyden Theilen mit aller Macht zu ihren Rechten zu verhelffen; fragte inzwischen (unter andern über dieser Thracischen Geschicht entstandenen Gesprächen /) ob nicht Rhemetalces / nach des Cotys Exempel / auf Fortpflantzung seines Königlichen Geschlechts bedacht wäre / massen er dadurch seinen Mißgönstigen den Muth nehmen würde / an ihn sich zu wagen / alldieweil es leichter ist / einen dürren Ast / als einen fruchtbaren starcken Stamm-Baum zu zerbrechen / und gefährlicher / den zu ermorden / so jemanden hinterläßt / den die Natur selbst zur Rache des dem Vater zugefügten Unrechts anfrischet.

Rhemetalces versetzte: Ich habe einmahl die Thorheit begangen / von einem Weibsbilde treue und beständige Liebe zu hoffen: Allein es ist mir gegangen /wie denen Motten / die ihre Flügel an den schönen Flammen verbrennen. Ich bin nunmehr gleiches Sinnes mit dem / der einmahl Schiffbruch gelitten / und demnach dem ungetreuen Meer sich wieder zu vertrauen Bedencken nimmt. Tiberius verlangte den Nahmen dieser Unbeständigen zu wissen; und bekame zur Antwort: Ich bekenne / daß ich das Gedächtniß dieser Wanckelmüthigen wider meinen Willen so heilig halte / daß ich unmöglich über mein Hertz bringen kan / ihren Nahmen und zugleich ihre Schande zu entdecken; zumahl da ihr Todt alle Feindschafft in mir vollends getödtet hat: Weßwegen ich auch heute bey ihrem lebendigen Leich-Gepränge so wahrhafftige Thränen vergossen / als wenn sie ihre Treue mit in die Grube genommen hätte. Jedennoch dünckt mich unverantwortlich / denen irrdischen Göttern etwas zu verhöhlen. Drum muß ich sagen / daß die Marsingische Zirolane dieselbe sey / die meinem Gemüthe die erste Liebes-Milch eingeflösset / nachmahls aber diese mit solcher Wermuth durchbittert hat / daß ich von Stund an einen ewigen Eckel davor bekommen habe / und nicht mehr ein einfältig Kind / sondern völlig entwöhnet bin. Tiberius hatte durch Brieffe aus Teutschland gnugsam erfahren / wer unter diesen beyden das meiste Recht gehabt; Rhemetalces oder die mit ihrem Bruder unschuldigverdachte Zirolane? Er ließ sich aber dessen / aus einem sonderbahren Absehen / nicht mercken / sondern antwortete: Ich begehre Zirolanen nicht zu entschuldigen / weil ich allzuviel Beweißthümer habe / daß / so leicht unter Aepffeln Wurmstichige anzutreffen sind / so leicht finden sich unter denen grösten Schönheiten eine und andere / die sich ihrer Ehre / als einer grossen Last / je eher je lieber zu entschütten begierig sind. [1481] Ich kan selbst nicht läugnen / daß ich ein solches Ungeheuer zum Ehegatten aus gerechten Zorn des Himmels eine gute Zeitlang gehabt. Denn ungeachtet ich durch vieles Bitten meine Mutter bewogen / den auff dem bekanten Göttermahl in der Ziegen-Insul getroffenen Heyrathschluß für einen blossen Schertz zu halten; So war doch die Höhle der Egeria der unglückliche Ort / darinnen das einmahl zurissene Band meiner Heyrath mit dieser Nennens-Unwürdigen wieder ergäntzet / und hingegen das höchst-vergnügliche / welches mich an meine getreue Vipsania verband / wieder getrennet muste werden; da ich dann auff einmahl alle die Unlust erfuhre / die Orpheus erlitten / als er seine allerliebste Euridice zum andernmahl eingebüsset hat. Nichts destoweniger will ich von der schönen Zirolane noch etwas bessers / als von der Julia / hoffen; und überlasse demnach ihre Verthädigung dero nach dem Todtherumirrenden Geiste / der im Fall seiner Unschuld / von den Thracischen Reichs-Erben wegen eines so verkleinerlichen Verdachts schwere Rechenschafft fordern dürffte. Sollte sie nun allenfalls unschuldig seyn / würde ich mich höchlich betrüben /daß ich dero Erwürgung nicht mit aller Macht verhindert habe / nachdem ich gantz unverhofft anjetzt vernehme / daß sie einem von meinen besten Freundẽ so nahe angegangen sey. Doch wir wollen die Todten von der Taffel lassen. Und gleichwie ich kurtz zuvor mit meinem Exempel bestätigte / daß nicht alle Eyfersucht ungegründet und unbillig sey: also kan ich leichte gegentheils erweisen / daß mancher Männer seltzames Gehirn einer Art Spiegel gleich kömmt /welche ein Gesicht krumm und recht wercklich-zerzerret vorstellen / das sonst nach den Regeln der natürlichen Schönheit auffs vollkommenste eingerichtet und gebildet ist. Die Eifersucht ist wie die gelbe Sucht / die alles vor gelbe ansiehet / und wenns gleich der reineste Schnee wäre. Ich habe dieses gestriges Tages nach Art unsers Virgilius in einem Schäffer-Gespräche entworffen / welches ich dieser werthen Gesellschafft zeigen will / daferne ich die Versicherung habe / daß man nicht alle Vollkommenheiten gelehrter Verse von dem begehren will / der sein Tage mehr den Degen oder Scepter / als die Feder hat führen dürffen. Die Bürgermeister liessen sich nichts gutes schwahnen / und geriethen in Furcht / sie würden allerhand abscheuliche Vorstellungen unnatürlicher Wollüste mit ansehen müssen / dergleichen Tiberius sonst / bey allen Schauspielen in seinem Taffel-Gemach / einzuführen pflegte. Allein die Ehrerbietung / die er gegen sie truge / und die Furcht in Thracien einen übeln Nahmen zu bekommen / machte / daß er ein zwar lustiges / doch nicht unerbahres Gedicht etlichen von seinen Freygelassenen auswendig zu lernen gegeben hatte / so bald er auff den Sinn gekommen war / den Thracischen Fürsten / und um seinet willen die Bürgermeister / einladen zu lassen. Als nun Pomponius Flaccus im Nahmen der sämtlichen Gäste /mehr aus Furcht als aus Hertzens-Grund / eine ungemeine Begierde bezeuget hatte / das Kunst-stück zu sehen / das (wie er sagte /) den Theocritus und Virgilius sonderzweiffel beschämen würde / gab der Käyser mit einem kleinem Pfeiffgen das Zeichen / worauff die Tapezerey / so ein groß Theil von der einen Wand des Zimmers bedecket hatte / unvermuthlich verschwand / und an dessen statt ein nicht gar grosser /aber sehr wohl gemahlter Schau-Platz erschien / der in der Nähe einen Wald / in der Ferne aber einen Berg mit unterschiedenen Hirten und Heerden vorstellete. Aus diesem traten zwey Schäfer-Knaben unter dem muntern Schall zwölff Feld-Schallmeyen in das Tafel-Gemach und überreichten iedweden von denen Zuschauern einen geschriebenen Zettel dieses Innhalts:

[1482] Schäfer-Spiel von der Eifersucht.

Mopsus ein Schäfer in Thessalien / hat das Glück /der schönen Alcippe Gewogenheit zu erlangen; geräth aber aus blinder Liebe in eine noch blindere Eifersucht / damit er diese Unschuldige so wol als sich selbst / aufs äusserste qvälet. Allein / indem er sein Elend dem klugen Menalcas klaget und dieser seinen Argwohn gantz unbillich und ungereimt erkennet /wird er von ihm eines bessern unterrichtet / so daß er von Stund an seiner thörichten Gemüths-Regung den Abschied giebt.

Es waren diese beyde kaum wieder zurück gekehret / als die Schallmeyen den vorigen lustigen Thon in einen so betrübten veränderten / daß man hätte meynen mögen / es würden etliche verdammte Seelen aus der Höllen auftreten. Allein es kam an deren statt ein fast noch mehr verzweiffelter Schäfer / der mit seinem verstöreten Angesicht bewiese / daß die Eyfersucht /die er litte / eine Art von der Höllen-Pein wäre. Er gieng in seinen schwermüthigen Gedancken so lange herum / biß unterschiedene Säitenspiele an statt der Schallmeyen mit einem halbgebrochenen Thon sich hören liessen / worein er dieses Lied nicht ohne Thränen absunge:


Ihr Bäume / die ihr alle Jahr

Verwandelt Farbe / Laub und Früchte:

Ihr Blumen / die ihr gantz und gar

Des andern Tages geht zu nichte:

Ihr Bäche / die ihr stets verändert Strom und Lauff

Und gleichsam eure Ruh in solchem Wechsel findet;

Ach! merckt nur / bitt' ich / eigen drauff /

Ob euch Alcippe nicht im Wechseln überwindet.


Ihr Felsen / die ihr immerfort /

Biß an das Ende dieser Erden /

Bleibt gegentheils an einem Ort /

Und niemahls wolt beweglich werden!

Ihr Pyramiden prahlt mit eurem Alterthum /

Dadurch ihr euch erkühnt der Zeit selbst Trotz zu bieten!

Doch mag wohl euer stoltzer Ruhm

Mit meiner Lieb' und Treu sich zu vergleichen hüten!


Weh mir! du must / O treues Blut /

Den Unbestand beständig lieben

An einer / die in Wanckelmuth

Und steten Wechsel sich will üben.

Alcippe neigt ihr Hertz zum Meliböus hin:

Kan ich mit Phyllis denn nicht auch vertraulich leben?

Palämon lenckt Aecippens Sinn;

Wolan! so will ich auch der Nisa mich ergeben.


O ja! ich kan dir falsches Kind /

Die Wechsel-Kunst gar bald ablernen.

Doch / O gerechter Himmel! find't

Mein Hertz auch Krafft sich zu entfernen?

Ach nein! ob du gleich wirst im Lieben flüchtig seyn /

Steht dennoch meine Treu gantz stelff und unbewogen:

Ich weiß / du stellst dich wieder ein /

Wenn alle Schäfer erst an deinem Joch gezogen.


Wie aber? trägst du keinen Scheu /

Daß dir bald schwartz / bald weiß beliebet /

Und daß der beste dieser sey /

Der sich bey dir zuletzt angiebet?

Was hilfft dichs / ob du schon unzählich Sclaven hast /

Doch bey der erbarn Welt nur liederlich must heissen?

Daß doch dein Hertz kein Beyspiel faßt /

Nach Turtel-Tauben Art der Treu sich zu befleissen!


Dieser Gesang war ungefehr halb aus / als der alte Menalcas darzu kam / und mit grosser Gedult das Ende desselben abwartete / worauff er sich also redend vernehmen ließ / nachdem die Schallmeyen durch einen kurtzen Nachklang die Zuhörer desto williger gemacht hatten / das folgende anzuhören:


Freund / euer Jammer hat mich allerdings bewegt /

Nur möcht ich auch hiervon den Ursprung gerne kennen:

Hat euch Alcippe was vielleicht in Weg gelegt?

Wolt ihr mir nicht den Qvell von euren Thränen nennen?

Gläubt / daß ich schweigen will; wißt / daß ich trösten kan:

Gönnt euch Alcippe nicht so viel von ihren Blicken /

Als sie wohl anderm Volck / ohn ihr Verdienst / gethan?

Pflegt sie / was ihr ihr schenckt / mit Spott zurück zu schicken?


Mopsus runtzelte hierauf die Stirne und antwortete:

[1483]

Die Sonne hat nunmehr den Lauff durch alle Welt

Zum vierdtenmahl vollbracht; seit dem das Band der Liebe

Mich an Alcippens Hertz so fest verknüpffet hält /

Und ich mich / ungeliebt zu lieben / stetig übe.

So offt hat auch die Heerd' ihr Kleid hinweg gelegt /

Seit dem die Liebe mich legt zu Alcippens Füssen /

Die mich mit Manckelmuth / gleich einer Ruthe / schlägt

Vnd ich die Ruthe noch muß gantz gedultig küssen.

Gleich damahls war's / als ich den ersten Hirtenstab

Da sie zwölff Jahre kaum in ihrem Alter zehlte

Ihr unter diesem Wahn und süssen Hoffnung gab /

Ich würde nun die Glut / die sie in sich verhöhlte /

Vnendlich brennen sehn. Wahr ists / daß solche Brunst

Auch auf das eusserste die ersten sechzehn Mohnden

Beharrlich kommen sey: da Lieb und Gegengunst

Den schönen Wettstreit leicht in stiller Lust gewohnten.

So offt ich Trost gesucht bey ihrem holden Blick /

Sah ich auch ihren Geist auf gleiche Sehnsucht zielen.

Mein Hertz und ihr Gemüth umbfieng ein Liebes-Strick /

Damit ich kont ihr Weh und sie mein Wohlseyn fühlen;

Wir theilten beyderseits Vergnügung und Verdruß.

Die Farbe die sie trug / die sah man mich auch tragen;

Ja unser Vieh gieng selbst beysammen Fuß vor Fuß /

Weil sie biß in die Nacht auf einer Heyde lagen.

Es schien / als wären sie so sehr als wir verliebt /

Vnd fühlten gleichen Trieb sich immer anzuschauen.

Man merckte gantz genau / wie ihnen so betrübt

Als uns das scheiden fiel / daß iedes fast mit grauen

Zu seiner Ruhe gieng. Des morgends aber drauff

Wenn sie auf einer Trifft zusammen wieder kahmen /

Da sah man seine Lust / wie sie in vollen Lauff /

Flugs / stracks / nach ihrer Art / sich in die Arme nahmen.

Ein ieder Hauffe schien dahin bedacht zu seyn /

So gar vor allen Schein der Grobheit sich zu hüten /

Vnd stellte sich bey zeit mit seinem Grüssen ein /

Eh' / als der and're noch / den guten Tag zu bieten.

Indeß schlich ich mich meist mit meiner Schäferin

In ein Gehöltz hinein: Die Lämmer gingen weiden

Gantz sicher vor den Wolff nach ihren eig'nen Sinn

Dem kühlen Schatten nach / die Hitze zu vermeiden.

Was uns von Liedern nur daselbst zu Sinne kam /

Indem wir laß und faul im weichen Grase lagen /

Erschallte weit und breit: was Echo nur vernahm /

Ward gleich bald hier / bald dort / den Nymphen zugetragen /

Die darümb wohnhafft seynd / biß sie Alcippens Thon

Vnd meinen Flöten-Klang recht ins Gedächtniß faßten.

Damahls nun war mir diß der höchste Liebes-Lohn /

Daß an der liebsten Brust ich durfft' alleine rasten.

Da war kein Schnaphahn nicht / der mir in Eisen lag:

Die Süßigkeit der Lust war durch und durch vollkommen /

Die ich auch biß dahin genosse Tag vor Tag /

So daß kein Zehren mir die Augen eingenommen.

Ach! aber / Götter! ach! wie hat sich diß mein Glück /

Eh' ich michs selbst versehn / in tausend Angst verkehret!

Alcippe hat nunmehr gar gerne zwantzig Stück

Von unserm Schäfer-Volck / die sie mit Lieb ernehret.

Mnasylus / Corydon verdienen meinen Haß;

Damötas / Tityrus / Allexos; (Laßt doch sehen!)

Auch Daphnis / Bavius / Palämon / Lycidas

Vnd Damon müssen all in dieser Rolle stehen.

Noch zehne weiß ich mehr / die jenen gäntzlich gleich;

Doch will ich keinen nicht zu meiner Schande nennen.


Die Schallmeyen und Säitenspiele hielten hierauf eine kleine Weile einen annehmlichen Wettstreit / und bildeten hierdurch vor / wie Melnalcas mit dem Mopsus in einen unblutigen Krieg gerathen wird / maßen er diesen mit folgenden Worten empfing / die ihm weher thaten / als wenn man Stahl und Eisen wider ihn gebrauchet hätte.


O Mopsus! alle Schuld liegt / dünckt mich / bloß an euch:

Ohn' euer Bildniß werd' ihr keinen Buhler kennen.

Die Waffen / die euch selbst die schähle Eyfersucht

Bißher geschmiedet hat / bestürmen eure Sinnen.

Dnnn alle Schäfer hier / die ihr aus Groll verflucht /

Treibt nur die Freundschafft an / dasselbe zu beginnen /

Was ihr vor Lieb' auslegt. Alcippe liebt niemand

Als euer Hertz / das sie in ihre Brust versencket /

Da glimmt und brennt dennoch der erste Liebes-Brand;

Vnd wo ihr ja Verdacht auf einen Schäfer lencket /

Den mit der schönen ihr zum öfftern reden seht /

So sollt und müsset ihr / mein Freund / doch dieses wissen /

Daß ihre Treu allzeit auf festen Grunde sieht /

Der nie von Wanckelmuth im mindsten wird zerrissen.

Ja daß ihrs eben wißt / so muß bey solchem Tand

Der schlimmen Eyfersucht Alcippens Gunst erkalten:

Wenn ihr das / was man stets vor Höffligkeit erkant /

Aus blossem Eigen-Sinn stracks wolt vor Liebe halten.

Sie hat sich einen zwar erwehlt zu ihren Schatz:

Wie aber? Wolt ihr denn ihr vollends untersagen

Mit Freunden Freund zu seyn? verwehrt ihr allen Platz

Der Liebe / die sich kan mit Freundschafft wohl vertragen?


Der unwillige Mopsus fiel ihm demnach in die Rede:

Es darffs der Worte nicht / dadurch ihr euch bemüht

Die Freundschafft / die ich selbst hoch achte / zu beschönen.

Ja wenns bey Freundschafft blieb! wer alles weiß und sieht /

Wodurch Alcippe mich gewohnt ist zu verhöhnen;

Wie ihr Gemüthe sich bald da / bald dorthin neigt /

Wie sie zwar freylich liebt und gleichwohl doch darneben

So viel Gewogenheit fast allen Schäfern zeigt /

Der wird der Liebe nicht den Freundschaffts-Nahmen geben.

Nachdem nun Menalcas eingewandt hatte:

[1484]

Wohlan! so leget denn ein klar Beweißthum dar /

Das diese Schöne kan der Vntreu überführen;


Fuhr der ander also fort:

Seht / als ich nächst mit ihr bey unsrer Heerde war /

So durffte Tityrus / der Schäfer / sich so zieren /

Daß er ihr seinen Hut auf solche Art zuwarff /

Die gar gemeine mir von einem Frembden schiene.

Merckt: wie Alcippe sich darbey verhalten darff?

Sie wurff ihn wieder zu / fürwahr mit einer Mine /

Die ich / wenn sie mit mir am allerschönsten thut /

Von ihr bin kaum gewohnt. O ihr gerechten Götter!

[Gedacht ich bey mir selbst mit gantz erschlagnen Muth /)

Bist du Alcippe denn? O Vnglücks-volles Wetter!

Alcippe? die in mir der Liebe Feuer hält?

Alcippe? dich ich sonst / als diß mein Auge hielte?

Der aber Blick und Winck / und Lächeln wohlgefällt /

Von einem / der mit ihr so untern Hütgen spielte.


Hierüber stimmten die Säitenspiele ein recht traurig Stück an / gleich als ob sie ein Mitleiden mit dem Mopsus hätten.


Menalcas aber fuhr den armen Tropffen mit diesen Worten an:


Recht so! ich sag es selbst: es trifft vortrefflich ein!

Pfuy! Laßt ihr euch so leicht die Eifersucht bethören?

Pfuy! schämt euch Alberling! habt ihr sonst keinen Schein /

Geschweige / guten Grund / die Vnschuld zu beschweren?


Mopsus wolte hierauf die Sache unwidersprechlich beweisen: weßwegen er also versetzte:

O ja: Kurtz drauf / als ich mich gleich bey ihr befand /

Schenckt Damon ihr ein Lamm: sie nahms auch ohn Bedencken

Vnd hertzt' es hundertmahl: sie strich' es mit der Hand:

Sie durff't ihm gar an Hals ein Blumen-Sträußgen hencken

Von Nelcken und Jasmin. Seht an! das falsche Kind

Besonne sich nicht drauff / daß ich auch eines hätte /

Das noch viel schöner wär / von Wolle so gelind /

So lieblich und dabey so schnackisch / und so nette /

Als jenes nimmermehr. Es fiel zu einer Zeit

Mit diesem Hämmel hier: und zwar so hatt' ichs eben

(Sie weiß es selber wohl /) aus treuer Redligkeit

Deßwegen ausgesetzt / ihr zum Geschenck zu geben.

Kaum war der Streich vorbey / so fand ich ohngefehr

In einem Büchen-Baum (Menalcas! ach! bedencket!)

Den Zug: ich merckte gleich / was solches Rätzel wär:

Alcipp' und Daphnis stund beysammen eingeschräncket.

O weh! der Schreiber war auch mehr als wohl bekant.

Alcippe hatt' es selbst mit eigner Hand geschnitten.

O falsche! die du gibst dem Daphnis Hertz und Hand!

Ihr habt den Mittel-Punct der Wollust selbst beschritten!

Auch must ich mit der Zeit mit meinen Augen sehn /

Als Phillis Hochzeit war / wie sie herum gerantzet /

Wie sie (da Mopsus must als wie ein Narre stehn /)

Mit allen Schäffern hat biß in die Nacht getantzet.

Nehmts selber bey euch ab / wie mir zu muth gewest?

Ob einem Gall und Gifft nicht drüber kochen sollte?

Mich / warlich / hat das Ding so sehr auffs Hertz geprest /

Daß ich sie offt bey mir den ärgsten Wildfang scho te;

Zumahl da ich must sehn / wie ihr bey diesem Tantz'

Ein frecher Schäffers-Kerl / der sich Palämon nennte /

Ein zierlich Sträußgen gab / und wie sie gar den Krantz

Dem Bluthund Corydon ihr abzunehmen gönnte.

O Pein! die ich damahls in meiner Seel ertrug!

Weil sie noch über dieß dergleichen Dienst-bezeigen

Gantz wohl vergnügt auffnahm / so daß ich Beyfall gnug

Bey allen Schäffern fand. Denn theils durch höhnisch schweigen /

Theils auch durch laut Gespräch / fiel mir ein jeder bey /

Alcippen graute nun vor Mopsus seinen Flammen;

Daher dieß aller Welt ein klar Beweißthum sey.

Noch mehr / Menalcas! ach! als einsmahls ich ein Lied

Ja meine Flöte sang; saß sie bey ihrem Vetter /

Dem schon der blasse Tod aus beyden Augen sieht /

Und stimmte selbst mit ein / wie dieser alte Spötter

Ein stück gantz andern Thons zu Trotze hören ließ.

Sie war auch so verstockt / weil ihr verkehrt Gemüthe /

Sie List / Betrug und Schwur zum Schein gebrauchen hieß;

Daß sie / ob ihre Gunst gleich allbereit verblüh'te /

Sich dennoch hoch vermaß: Sie wär und bliebe mein /

Ich dröschte mich umsonst mit den und den Gedancken:

Ich trieb ihr blödes Hertz mit höchstem Vnrecht ein /

Da sie doch nie gedacht in ihrer Treu zu wancken.

Hierbey so weinte sie nicht ohne grosse Kunst /

Nur bloß mir armen Schöpß den Affen recht zu schleyern /

Biß daß ihr Freundlichthun / und vorgewandte Gunst /

Mich zwunge meinem Zorn und Eifersucht zu steuern /

Die mir höchst-straffbahr schien. Ich gantz aus mir gesetzt

Sprach heimlich zu mir selbst: Ihr ist zu viel geschehen

Sie ist und bleibt dir treu. Sie ist durch dich verletzt:

Sie liebt dich / wie sie soll: du musts ja selbst gestehen!

Ach! aber ich erfuhr gleich drauff / wie ich von ihr

Dennoch betrogen wär; daß leider bey Alcippen

Nur List und Boßheit sey / die Treu und Huld zu mir

Wär nicht im Hertzensgrund / nur auff den falschen Lippen.

Denn jenes sey doch stets mit frembder Glut entzündt /

Nun wären dieses zwar / wie ichs auch offt erwogen /

Noch schwache Zeugnisse / die viel zu wenig sind /

Als daß sie völlig mich zum Argwohn hingezogen.

Alleine gebt nur acht: denn euer kluger Sinn

Wird aus dem folgenden die Sache leicht entscheiden /

Und daß ich wohl befugt zu stärcksten Eifer bin.

Wo nicht; so will ich denn mein Vnglück gerne leiden.

[1485]

Als wir des andern Tags am Vfer eines Teichs

Gantz mutter-stein-allein herum spatzieren giengen /

So schwur Alcippe mir / nach Inhalt des Vergleichs /

Mich niemahls zum Berdacht und Kummer mehr zu bringen:

Mein Lieben wollte sie von aller Furcht befreyn /

Daß ich an ihrer Treu nie dürffte Zweiffel tragen:

Ich sollte gantz allein bey ihr der Liebste seyn /

Vnd nun und nimmermehr ihr flüchtig Hertz anklagen.

Kaum ware dieß geschehn / als mir gantz unverhofft

Ihr ungetreuer Sinn mehr als zu klar erschiene /

Vnd daß ein falscher Eyd ihr gar zu viel und offt /

Als wärs ein Meisterstück / mich zu berücken diene.

Palämons grosser Hund / dem nie kein Wolff entspringt /

Kam auff uns zugerannt mit auffgesperrtem Rachen:

Das Feuer / so ihm stets aus beyden Augen dringt /

Ließ sich gantz lodernd sehn. Da war nicht Zeit zu lachen:

Alcipp' erschütterte / als wie ein Aespen-Laub /

Ja wuste sich vielmehr so furchtsam zu gebärden /

Als wär sie allbereit des tollen Hundes Raub.

Bald sah ich sie so bleich wie eine Leiche werden.

Bald kirrte sie vor Angst: Sie schrieh umb Hülff und Rath /

Daß man sie rings umbher im Dorffe hat vernommen:

Ach aber ach! wie schoß mir Armen doch das Blat /

Als ich ihr eben gleich zu Hülffe wolte kommen!

An statt / daß sie der Hund auff einen Zug und Riß

Hätt unter sich gebracht / zerzerrt / zerfleischt / zerrissen /

So schmiegt' er sich an sie ohn allen Krell und Biß /

Vnd wolte Hand und Fuß ihr / so zu reden / küssen.

Sie / die sich stellen kunt / als hätte sie sich kaum

Von Schrecken recht erhohlt / gab / daß ichs sehen muste /

Den Liebes-Regungen so schändlich Platz und Raum /

Daß sie nicht Schmeicheley genug zu finden wuste

Vor ihres Buhlers Hund / das grosse Schmoer-Vieh;

Den Hund / den sie bald da / bald dort mit Lust besahe /

Indeß er weidlich boll' / und lustig rumb um sie

Mit vollen Springen lieff / so daß sie sich bey nahe

Hätt in das Affenspiel des närr'schen Thiers vergafft;

Die falsche Mähre / die! Ob mirs zu Haupt gestiegen /

Ob die Verachtung mich zum Eyfer hingerafft /

Wird / hoff ich / vor sich selbst / euch schon vor Augen liegen.

Ha! sagt ich bey mir selbst: Ein neues Bubenstück!

Man sehe / bitt ich / an / wie sie sich zitternd stellet?

Vnd mit der blauen Dunst in einem Augenblick

Ihr untreu Hertz verhüllt! wie sehr ihr auch gefället

Der unversehne Fall / ob schon ihr Angst-Geschrey

Den Tod im Munde führt. Der Hund / der sie so liebet /

Verräth ja seinen Herrn / daß / wenn ich nicht dabey /

Er ihr sein gantzes All in Arm und Hände giebet.

Könnt ich / Menalcas / nun (so unter uns geredt /)

Wohl zu verdencken seyn / wenn ich ein Mißvertrauen

In dieses Lumpen-Mensch dadurch gesetzet hätt'?

Ich meine ja / sie läst mich gar zu deutlich schauen /

Daß sie ein heimlich Band an den Palämon bindt.

Daß sie sich gantz gewiß offt gnug zusammen schleichen

Bud dieser Läpsch alsdenn / was er nur sucht / gleich findt /

Weil sich Alcippe läst so leicht von ihm erweichen.

Ein unvernünfftig Vieh that mir die Augen auff /

Wie sie wol manchmahl mag mit diesem Gold-Sohn leben.

So must auch über diß ihr Schrecken / Flucht und Lauff

Der Lieb' ein Mäntelgen / nur bloß zum Schein / umbgeben.

Ja darauff spielte sies / damit ich alsofort

Den treuen Zeugen solt von ihr und mir verjagen /

Der ihr sonst öffentlich / auch ohne Weis' und Wort /

Die schnöde Wanckelmuth möcht ins Gesichte sagen.


Ware nun der gute ehrliche Mann das erste mahl übel angelauffen / so kam er ietzund vollends aus der Trauffe in den Schlag-Regen; massen ihm Menalcas also ableuchtete:


Hört auff! Ich mag nicht mehr! Ihr habt genug erzehlt:

Man könnt ein Possen-Spiel aus eurem Leben machen /

Weil ihr euch ohne Noth mit eiteln Eifer qvält;

Doch kränckt mich das im Ernst / worüber and're lachen.

Ein Schatten irret euch: Nichts ist bey euch ein Grund /

Darauff ihr das Gebäudes nicht'gern Argwohns setzet.

Ein Wort / Geberd' und Blick macht euch stracks tödtlich wund /

So niemand schädlich ist / und jederman ergötzet.

Wird etwan ungefehr Alcipp ein bißgen blaß /

Zieht lächlend ihren Mund ein wenig nur zusammen /

Nickt mit dem Kopff einmahl / so muß gleich euer Haß

Sie stracks / als überführt / doch ungehört / verdammen.

Ein Eyfrer kan niemahls im Lieben glücklich seyn:

Er mag auch / wie er will / der Lüste Nectar schmecken /

So mischt ihm seine Furcht doch stets den Wermuth ein /

Daß selbst im Liebes-Kern wird etwas bitters stecken.

Kömmt ihm ein Mensch in Weg; Huy! (denckt er /) ob auch der

Mein Neben-Buhler ist? So gar ist nichts zu finden /

Das ihm nicht hinderlich in seinem Vorsatz wär!

Vnd säh' er noch so scharff / so giebt er keinem Blinden

Doch was an Blindheit nach. Das arme Marter-Holtz

Wird selbst sein Hencker-Knecht / und qvählt doch als Tyranne

Die Schöne / die er liebt / mit unbefugten Stoltz /

Nur daß er jederman aus ihrem Dienst verbanne /

Den er verdächtig hält. Er möchte (könt' es seyn)

An ihr der Haare Zahl zu scharffer Rechnung bringen;

Er schlöß sie lieber gar ins Grab lebendig ein /

Nur daß kein frembdes Wort / noch Winck möcht' zu ihr dringen.

Stellt sie sich gleich bemüht ihn aus der Irrthums-Nacht

Durch tausendfachen Brauch gefließner Gunst zu reissen;

So lang er ihr Gemüth und Treu hält in Verdacht /

Wird auch ihr Honigseim bey ihm nur Wermuth heissen.

Ihr bestes Freundlich-thun ist ihm ein lauter Gifft:

Er traut so wenig ihr / als sich und seinen Freunden.

Nachdem er statt des Lichts nur Finsterniß antrifft /

Vnd stete Furchtsamkeit sein Hertz pflegt anzufeinden.

Selbst die Verdrießlichkeit sieht ihm zum Aug' heraus /

Wenn er am mindesten kan der Schwermuth Vrsach nennen /

[1486]

So daß der schlimme Tropff in seines Hertzens Hauß

Die wahre Seelen-Ruh wird niemahls finden können.

Was meint ihr / Mopsus / nun? Ist dieses nicht ein Bild

Der ärgsten Höllen-Pein / die eure Geister qvählet?

Das Alter macht mich klug / das mir zum Zeugniß gilt /

Weil mancher Schäffer mich vor andern hat erwehlet /

Daß er sein Mißvertraun mir ließ vertraulich sehn:

Da denn die Wirckung mich gar leicht kunt überführen /

Ihr rasen sey nur bloß aus Zauberey geschehn /

Weil ich sonst keinen Qvell des Vbels konte spühren.

Ich bin nun gute Zeit bey diesem Hirten-Stand

Daß ich auch / wie ihr seht / gantz grau darüber worden;

Doch hab' ich hier und dar / noch immer eine Hand

Der Scheelsucht strenge Krafft erkannt an unserm Orden.

Vor dessen wie ich selbst noch wohl empfindlich war /

So ließ ich mich vielleicht die Mißgunst auch verleiten:

Drauff als ich älter ward / so muste mir so gar

Mein Witz und mein Verstand ein Gegen-Gifft bereiten

Vor aller Eyfersucht. Ich sah / daß ihre Macht

In unsrer Schwachheit nur die Herrschafft führen kunte /

Vnd daß der Liebsten Sinn offt kaum an diß gedacht /

Worüber der Verdacht zu richten sie begunte.

Ihr wißt nun / liebster Freund / wie es mit euch bewand /

Was eure Kranckheit sey. So seht / je eh / je besser /

Wie euch zu helffen steh'. Euch ist nunmehr bekant /

Wie daß ein Eyferer durch alle Thor und Schlösser

Nach eigner Vnlust strebt. Thut ihr das Widerspiel

Zu Fördrung eurer Ruh. Bild't euch von allen Sachen /

Wodurch Alcippe sonst in Argwohn bey euch fiel /

Nichts als Vergnügung ein. Last euch nicht irre machen

Von dem / was jemahls wohl ein leicht Gemüth bewieß:

Nehmts auff / als Höfflichkeit / und angenehme Minen:

Glaubt nicht / was euch von ihr der Eyfer glauben hieß;

Traut mehr der Redligkeit / die sonst an ihr erschienen.

Daß sie die Eure sey / das hofft in sichrer Ruh:

Last keinen falschen Tand euch Augenscheinlich blenden:

Was irrt euch denn ein Blick? stopfft selbst die Ohren zu /

Wenn euch ihr Lächeln will auff arge Meynung wenden.

Es heist nur freundlich thun / davon das Hertz nichts weiß:

Macht keinen falschen Schluß aus jeden Lappereyen;

Prägt dieß in euren Sinn / und zwar mit allem Fleiß /

Daß keine Falschheit wird die treue Brust entweyhen.

Vnd wenn ja allenfalls ein Schäffer läuffig wär /

Dürfft ihr den Gecken doch nicht als Geliebt betrachten;

Forscht ja nach ihren Thun / (ich bitt euch /) nicht zu sehr /

Sie wird und muß euch sonst vor einen Wütrich achten /

Der auff ihr Leben stets ein grimmig Absehn richt.

Lasts gut seyn / ob sie gleich ein wenig munter lebet;

Beschützt sie gegen dem / der sie mit Schimpff ansticht.

Vermeynt / als wenn ihr stets in höchster Wollust schwebet /

Man red' auch / was man will. Wann ihr euch so erweißt /

Solt ihr nach Wunsch vergnügt aus der Erfahrung sagen /

Der sey des Glückes Kind / der allzeit sich befleißt /

Sich niemahls ohne Noth mit Eifersucht zu plagen.


Mopsus hörte dieser guten Vermahnung anfänglich mit sehr unwilligem Gesichte zu / welches sich aber zusehend ausklärete / also daß er zum Beschluß des Spiels mit Hülffe der untereinander vermischten Saiten-Spiele und Schalmeyen sich solcher Gestalt singend hören ließ:


Gewiß kein Mahler kan das Bild der Eifersucht

Abscheulicher / als ihr anjetzt gethan / entwerffen.

Wohlan! die Höllen-Brut sey ewiglich verflucht!

Mein Haß soll wider sie sich alle Tage schärffen.

Was mich bißher geqvält / ist Thorheit insgesammt;

Die soll nun der Vernunfft die Wohnung wieder geben:

Die Glut / die von dem Gott der keuschen Liebe stammt /

Soll ungestört in mir / so lang ich lebe / leben.


Inzwischen nun Trompeten und Paucken anzeigten / daß das Spiel geendet wäre / brachten sechs Hirten-Knaben eben so viel silberne Schalen voll herrlicher Erfrischungen denen Zuschauern / zur Dancksagung vor dero geneigtes Gehör; worauff sie sich unverzüglich in den Schau-Platz wieder verfügten / welcher gleich drauff durch die niederfallende Tapezerey verdecket ward / und also dem Taffel-Gemach seine vorige Gestalt und Grösse wieder geben muste.

Tiberius verlangte hierauf seiner Gäste Urtheil /welches allenthalben in lauter Danck und Lob bestunde; da einer die seltzame Erfindung / ein anderer die niedrige / aber in dergleichen Gedichten nothwendige Redens-Art / noch ein anderer die heilsame Sitten-Lehre / nicht gnug heraus zu streichen wuste. Der eintzige Seleucus schwieg stille und sahe unaufhörlich die Decke des Zimmers an / an welcher alle Götter-Verwandelungen aufs künstlichste angemahlt waren. Der Käyser konte sich nicht enthalten / ihn umb die Ursach seines tieffsinnigen Stillschweigens zu befragen; bekahme aber zur Antwort / Er hätte ein nachdencklich Sinnbild in dem Gemählde ungefähr gefunden / in welchem Pelias von seinen drey Töchtern Alcestis / Amphinome und Evadne / auf Rath der betrügerischen Medea / zerstücket würde / damit diese Zauberin seine Stücken [1487] wieder zusammen setzen und also diesen gantz verlebten und getödteten König wieder lebendig machen und verjüngen möchte. Denn so wenig dieses Kunst-stück bey dem Pelias damahls angegangen; so leicht gienge es (verblümter Weise zu reden) heute zu Tage an / indem mancher einen guten alten Poeten zerstückte / in eine andere Forme brächte / hernachmals aber solche verjüngte Mißgeburth vor sein eigen Gemächte auszugeben kein Bedencken nähme.


Diese Stachel-Rede gieng dem Tiberius durch Marck und Blut; alldieweil ein gewisser Gallischer Poet / Nahmens Pelias / der eigentliche Uhrheber des Schäffer-Gespräches war / welches der Käyser von dem Bellovakischen Fürsten Julius Florus geschenckt bekommen / aus dem Gallischen übersetzet / den Anfang und Ende / wie auch alle darinnen gemeldete Schäffer-Nahmen geändert / und es also für sein eigen Werck bey denen Bürgermeistern und dem Rhemetalces ausgegeben hatte / nachdem er wohl versichert war / daß dieselben / als der Gallischen Sprache Unerfahrne / solches sinnreiche Gedicht in seiner Sprache niemahl würden gelesen haben. Dieses hatte der neugierige Seleucus von einem Freygelassenen des Käysers ausgekundschaffet / welcher die halb angefangene Ubersetzung auf des noch schlaffenden Tiberius Schreib-Tische etliche Tage zuwor früh morgends gesehen / und (unwissend / daß dieser ein Geheimniß daraus machte /) solches dem Seleucus entdecket hatte / als derselbe ihn / was der Käyser ietzt vor Bücher lese / vertraulich befraget / zu dem Ende / damit er aus eben denselben Büchern sich geschickt machen könte / auf die Fragen zu antworten / die Tiberius täglich bey der Taffel aufzuwerffen pflegte.

Ob nun wohl der zweydeutige Stich den Käyser hefftig schmertzte / so daß er bey nahe solches mit einem Stich seines Dolches an dem unzeitig-weisen Weltweisen gerochen hätte / behielte er doch die Rachgier unter einem muntern Gesichte / (gleich wie der Aetna sein inwendiges Feuer unter dem eusserlichẽ Schnee /) biß auf beqvemere Gelegenheit verborgen. So bald aber die Tafel aufgehoben war / zohe er diesen Freveler an ein Fenster und sagte ihm ins Ohr: Geh / du unverschämter Hund! gleich diese Stunde aus Rom und innerhalb zwey Tagen aus Italien; und gedencke ja gegen keinen Menschen in der Welt / was dessen Ursache sey; wo nicht / so schwere ich ein Trauerspiel zu spielen / in welchem du die Person des zerfleischten Pelias viel natürlicher vorstellen sollst /als Ovidius sie beschrieben hat.

Seleucus ward durch dieses unvermuthete Urtheil wie vom Donner gerühret / wäre auch gleich einem Stein unbeweglich stehen geblieben / wenn ihn nicht die Furcht des Todes zu gehen erinnert hätte / ehe ihm das Stehen verboten würde.

Er gieng demnach stillschweigend fort und beseuffzete unterwegens die Undanckbarkeit der Welt / die der Warheit ein ewiges Stillschweigen auferlegte / und nur Hunde / die ihr die Schwären leckten / nicht aber Aertzte / die ihr solche aufstächen / umb sich leiden wolte. Er ruffte wohl tausendmahl aus: O Zeiten! O Sitten! O Jupiter! zu was hast du uns aufgesparet! Unterdessen ließ er sich keines weges gereuen / daß er gegen einen Käyser nicht grössere Höffligkeit gebraucht; sondern priese sich vielmehr selig / daß er dem Philoxenus es gleich gethan / der sich lieber zu dem blutsauern Steinschneiden verdammen ließ / ehe daß er dem Könige Dionysius in Sicilien den Gefallen thun / und dessen übelgemachte Reimen mit geduldigen Ohren anhören wolte. Er beja erte auch von Hertzẽ das unglückliche Rom / dessen künfftige Barbarey / worein es durch diese seine Verbannung gerathen würde / er im Geist schon zu sehen vermeynte. Hingegen zweiffelte er nicht / [1488] die so genannten barbarischen Parther oder Deutschen würden ihn wie einen Gott mit Freuden annehmen / wenn er sich mit seiner Grichischen Grammatica zu ihnen begeben wolte /nachdem die Parthischen Könige den Nahmen Liebhaber der Griechen auf ihre Müntzen prägten /diese aber unter des Hertzogs Melo Gebiete unterschiedenen Griechischen Weltweisen reichlichen Unterhalt verordnet hätten.

Inzwischen hatte der Käyser die Bürgermeister und den Rhemetalces wolvergnügt von sich gelassen; welche im hinabgehen vom Palatinischen Berge / unter andern Gesprächen von neuen Zeitungen / auch auf Deutschland zu reden kamen: da denn Cajus Cäcilius Rufus erwähnte / er erwartete mit unsäglichem Verlangen / zu vernehmen / ob der junge Gothonische Fürst Gottwald glücklicher seyn würde / als sein Vater / nachdem er mit Hülffe seines grossen Freundes / des Cheruskischen Feldherrns / dem Marbod sein väterliches Hertzogthum wieder abzunehmen willens wäre; oder ob vielleicht das Unglück / gleich einem Aussatz / dem Gothonischen Hause von Geschlecht zu Geschlecht angeerbet wäre; denn obgleich Herrmann dem Marbod die Semnoner und Longobarden nur neulichst abspenstig gemacht; so müste doch die Zeit lehren / ob dieses auch bey denen Marckmännern oder Gothonen sich eben so leichtlich thun liesse / indem es bißher geschienen hätte / als ob Marbod der Zucht-Ruthe des Glückes bereits entwachsen wäre. Rhemetalces wunderte sich nicht wenig über dieser Nachricht / weil er sich nicht besinnen konte /von Gottwalds Nahmen / oder Freundschafft mit dem Cheruskischen Feldherrn / so lange er in Deutschland gewesen wäre / das geringste gehöret zu haben. Er zeigte auch solches dem Cäcilius an / der aber lächelnd antwortete: dieses hätte ich von einem ehemahligen Liebhaber der so genannten Marsingischen Fürstin Zirolane nimmermehr vermuthen können; sintemahl der junge Gottwald dero leiblicher Bruder ist. Jedoch wird mein Fürst vielleicht von dem Cheruskischen Hofe schon Abschied genommen haben / als unsere Agrippina in dem Schwalbacher Sauer-Brunnen bewirthet worden. Denn sonsten würde selbigen nicht unbekant seyn / was mir damahls einer von der Agrippina Bedienten weitläufftig geschrieben hat /wie nemlich ein Edelknabe des Alemannischen Hertzogs Ariovists für den Sohn des Obersten Barden /dieser aber vor den alten Gothonischen Hertzog Gottwald / ietztgedachten jüngern Gottwalds und der Fürstin Zirolane oder vielmehr Clotildis Vater / erkant worden. O Himmel! (rieffe Rhemetalces /) was höre ich? Ist derselbige Knabe / den Hertzog Ariovist bey denen Barden einweihen ließ / Zirolanens Bruder gewesen? Ist Zirolane eine Gothonische Fürstin? Ist Clotildis ihr rechter Geburts-Nahme? und hat nicht eine böse Lust / sondern das erregte nahe Geblüt /gleich einem Magnet / sie zu diesem nackenden Jüngling gezogen?

Er bate dannenhero den Bürgermeister inständigst ihn durch umbständlichere Erzehlung der gantzen Geschicht zu verpflichten; weil er zwar dero Anfang mit angesehn / das Ende aber nicht hätte abwarten wollen. Dieser thate solches gantz willig / indessen Rhemetalces bey jedem Wort bald roth / bald bleich wurde /bald vor Gram über dem der unschuldigen Zirolane zugefügten Unrecht vergehen wolte / bald über der Zeitung von dero unverletzten Keuschheit gantz neugebohren / bald aber durch das schmertzliche Andencken ihres Todes biß auf den Tod gekräncket wurde.

Er kunte kaum vollends aushören / was jener sagte / sondern nachdem er unzählige Seufzer vorher geschicket / brach er in diese Worte aus: O welche unvermuthete Dinge sind dieses / derer ich mich weniger / als des Himmels-Einfalls / versehen habe! O verfluchte Eyfersucht! [1489] du Ursprung alles meines Unglücks! Ach! wie deutlich hat das heutige Schäfferspiel mich mir selbst zum Gelächter vorgestellt / so daß ich in die Gedancken beynahe gerathe / Tiberius habe bloß zu meinem Spott den Mopsus auffgeführet / umb unter dessen Person meine Fehler mir vorzurücken. Die Bürgermeister wusten nicht / ob sie bey diesem Zustande dem Thracischen Fürsten ihr Mitleiden bezeugen oder Glück wünschen solten. Denn das erste schien seine Schwermuth über Zirolanens Todt / das letztere aber sein Vergnügẽ / so er über der Nachricht von ihrer Unschuld empfand / zu erfordern. Allein weil sie bald darnach auf einen Scheideweg stiessen /nahmen sie allerseits einen verwirrten Abschied von einander / mit dem Verlaß / folgenden Tages einander auf dem Capitolium wieder anzutreffen.

Es ermangelte auch Rhemetalces nicht / sich zu rechter Zeit daselbst einzufinden / und seines Vaters Rhascuporis Schreiben dem Rath zu Rom zu übergeben / dem der Käyser dasmahl selbst beywohnete. Er ward vertröstet auf den ersten Tag des Monats Junius / an welchem er seine Abschieds-Verhör haben solte. So bald er abgetreten war / wurde er von einem Käyserlichen Bedienten Tiberius ersuchet / nach geendigtem Rath-Sitz bey einer kleinen Reis: auf eines seiner Lust-Häuser Gesellschafft zu leisten.

Unterdessen hielte Tiberius eine kurtze / aber nachdrückliche Rede an den Rath / dieses Inhalts: Sie wüsten / was für grosse Veränderungen in denen Morgen-Ländern einige Zeit her vorgegangen wären / da Artabanus das Parthische Scepter mit Gewalt an sich gerissen hätte und daß zu befürchten stünde / daß er Armeniẽ / (welches die Könige von Rom zu empfangen bißher gewohnet gewesen /) seinem Reich einzuverleiben trachten möchte; Allermassen die Herrschsucht mit Ländern so wenig / als die Wassersucht mit Geträncke ersättigt werden könte. So müste auch Cappadocien von Rom einen König bekommen /sonst würde es dieses nicht mehr als seine Königin ehren wollen. Syrien / Judäa und andere umbliegende Länder / verlangten eine Erleichterung ihrer Schatzungen; und darauf müsse man vor allen Dingen mit bedacht seyn / alldieweil ein guter Hirte seinẽ Schaffen zwar Wolle abnehmen / nicht aber die Haut abziehen dürffe. Nun würde es nicht genug seyn / Volck oder Geld hinaus zu schicken / umb mit jenem denen Römischen Feinden zu widerstehen / mit diesem aber denen getreuen Unterthanen des Römischen Reichs aufzuhelffen; Sondern es müste auch ein ansehnlich Haupt erwehlet werden / so alles selbst in Augenschein nehme / und nach Gutbefinden den Zustand selbiges Königreichs einrichtete; Er wollte zwar sich selbst zu dieser Mühewaltung vorschlagen / und /gleich einem Liecht / andern zu Dienst sich verzehren. Allein er bedaure / daß er die Jahre nicht mehr habe /in welchen er ehemahls / auf seines Vaters Augustus Befehl / dem Tigranes die Armenische Crone auffgesetzt hätte; sein herannahendes Alter / darinnen er ehestens vielleicht eine Reise aus der Welt würde thun müssen / verböte ihm langwierige Reisen in die Welt hinein zu thun. Es müße demnach einer von seinen Söhnen hierzu bestimmet werden. Weil aber Drusus noch allzujung wäre / dürffte er / (Tiberius) noch nicht dessen Dienste in diesem Stück dem Römischen Rath und Volck anbieten / aus Furcht / er möchte noch zu schwache Schultern haben / eine so übermäßige Bürde zu tragen. Germanicus aber wäre der rechte Hercules / der ihm / als einem alten abgematteten Atlas / die Last der Morgenländischen Reichs-Geschäffte abnehmen und tragen könte / nachdem man seines gleichen an Tugend / Erfahrenheit und Glück nirgends finden würde. Er wäre auch versichert / selbiger würde mit der bißher in Deutschland ausgestandenen grossen Arbeit [1490] sich nicht entschuldigen und Ruhe verlangen; Vielmehr würde er sich bescheiden /daß man nicht sich / sondern dem Vaterland zum besten gebohren wäre; und diesem nicht ehe zu dienen /als zu leben / aufhören dürffte. Hingegen würde es /seines Erachtens / nicht übel gethan seyn / wenn Drusus in Illyricum geschickt würde / umb Nord und West unter Römischen Gehorsam zu erhalten / und daselbst im Friede an denen einheimischen Streitigkeiten der zancksüchtigen Barbarn zu erlernen / was er mit der Zeit auf den Fall eines Krieges / zum Nutzen des gemeinen Wesens / vorzunehmen hätte. Er gäbe solches alles denen versammleten Vätern zu bedencken / und erwartete entweder die Gutheissung /oder die Verbesserung seines Vorschlags.

Ob nun wol die meisten von dem Rathe dem Germanicus entweder einige Ruhe / oder doch die Aufsicht über die Deutschen Legionen lieber gönneten /so hatte doch keiner das Hertz / etwas anders zu sagen / als was der Käyser ihnen vorsagte / so daß Tiberius bey sich selbst lachen muste / wenn dreyhundert Stimmen nichts mehr / als ein blosser Wiederschall seiner einigen Stimme / waren. Solchergestalt ward beschlossen / daß Germanicus mit ungemäßener Gewalt in die Morgenländer / Drusus aber in Illyricum ziehen solte; welches niemand lieber als dem Aelius Sejanus war / als welcher den Käyser zu diesem heimtückischen Vornehmen am meisten verleitet hatte und verhoffte / es könten vielleicht alle beyde nächsten Erben des Käysers in der Frembde dem Tode / und folgbar ihm das Römische Reich zu theil werden / maßen er schon damahls mit derjenigen grossen Hoffnung schwanger gieng / derer Geburt nach der Zeit ihm das Leben kostete / weil eine so grosse Frucht eben so wenig in eines kleinstädtischen Menschens niedriges Gemüth / als der grosse Hercules in den Leib der kleinen Alcmena / sich schickete.

Nach Vollendung dieser Zusammenkunfft funde Tiberius den Rhemetalces an denen Stuffen des Capitolinischen Berges auf ihn warten. Er nahm ihn derhalben in seine weite von acht Syrischen Sclaven getragene Sänffte; allwo denn der Thracische Fürst unverzüglich Gelegenheit nahm / dasjenige feyerlichst zu widerruffen / was er den Tag zuvor an des Käysers Tafel von seiner Zirolane Keuschheit ungebührliches geredet hatte. Unter solchem Gespräche kamen sie nicht lange hernach vor dem Lusthause auf dem Marsfelde an / in welchem Germanicus mit seinen Deutschen Gefangenen seine erste Einkehr gehabt hatte. Tiberius befahl seinem gantzen Gefolge in die Stadt wieder zu kehren und ihn erst gegen Abend aus dieser Einsamkeit wieder abzuholen; er aber gieng bloß in Begleitung des Rhemetalces und Sejanus durch die gewöhnliche Thor-Wacht die Stiegen hinan / in den Vorsaal / allwo dem betrübten Liebhaber der Todten Zirolane am hellen Tage ein so unvermuthlich Gesicht begegnete / daß er nicht wuste / ob er träumete / oder bethöret würde. Denn es dünckte ihm / als ob er die warhaffte Gestalt nicht nur der Zirolane / sondern auch der ihm wohlbekandten Gräfin von Nassau sähe / derer jene einen kleinen flachen Korb voll grüner mit Gold durchwirckten Bänder / diese aber etwas von Kleidung über den Saal zu tragen schiene. Er fühlete zwar hierüber einig Schauern; Liebe / und Verzweiffelung aber nöthigten ihn auf diesen so angenehmen Schatten zuzueilen / und zu ruffen: Ach! edelster Geist der unvergleichlichen Clotildis! Kömmst du /deinen getreuesten Knecht mit deinem Anblick zu erqvicken / oder vielmehr gebührende Rache an ihm wegen seiner vormahligen höchstunbillichen Beleidigung zu suchen? Inzwischen hatte er die ausweichende Zirolane so weit nach der Wand getrieben / daß er endlich den Korb zu fassen bekam / den sie mit steiff-ausgestrecktem Arm vor sich [1491] hielt / umb damit zu verhindern / daß Rhemetalces sie selbst nicht berühren könte. In dem Augenblick aber sprangen die beyden vermeynten Geister in das nächste Zimmer / und liessen dem armen Fürsten nichts als den Korb in Händen / und Verzweifflung im Gemüthe. Er brachte gantz beschämt dad Geschencke seiner verschwundenen Zirolane dem Käyser entgegen / der hierüber lachend anfieng: Ey! das ist was unerhörtes / daß abgeschiedene Seelen ihren Liebhabern Körbe austheilen /welche in Deutschland eine sehr unglückliche Bedeutung haben! das heist wohl recht: Gleiches mit gleichen / Verschmähung mit Verschmähung gerochen! Jedoch das grüne Band ist gegentheils ein Zeichen guter Hoffnung und ein Vorbild des Liebes-Bandes /so die getrenneten Hertzen der schönen Clotildis / und meines werthesien Fürstens wieder zusammen verknüpffen wird. Rhemetalces begegnete: Tiberius hätte zwar Macht mit seinem verpflichtesten Diener nach hohen Belieben zu reden; doch bäte er demüthigst /mit einer solchen Sache nicht zu schertzen / die ihm einen so tödtlichen Kummer verursachte. Der Käyser umbarmte ihn hierauf / mit der Versicherung / daß Zirolane nebenst dem sämtlichen gefangenen deutschen Frauenzimmer warhafftig annoch lebete / und daß er sein Haupt nicht ehe sanfft legen wolte / biß er die Erfüllung seiner ietzigen Wahrsagung zuwege gebracht hätte. Indessen nun Rhemetalces diese gemachte Hoffnung mit ersinnlichstem Danck annahm / hatte sich Aelius Sentius Saturninus aus seinem Zi er eingefunden / und den Käyser unterthänigst bewillkommet. Er muste aber ohne Verweilung der Cheruskischen Hertzogin und dero Gesellschafft anmelden / Tiberius wäre deroselben die Hand zu küssen angekommen und erwartete hierüber dero gütige Erlaubniß. Thußnelda gieng alsbald dem Käyser auf den Saal entgegen / und begleitete denselben nebenst bey sich habenden in ihr Gemach / allwo er die Fürstinnen Ismene / Catta und Rhamis / wie auch die Gräfin von der Lippe mit dem kleinen Herrmann antraff. Nach abgelegten allgemeinen Höffligkeiten entschuldigte er sich / daß er sie aus Deutschland hieher bemühet hätte. Er wäre vorlängst höchst begierig gewesen /ihnen allerseits angenehme Dienste zu erzeigen und die dero Landen durch seine Waffen angefügten Verdrüßligkeiten dadurch einiger massen gut zu machen. Jedennoch hätte er von dem Hertzen seines Reichs /so wenig als eine Seele aus ihrer Brust / sich entfernen dürffen / dafern er nicht die gemeine Wohlfahrt über seiner eigenen Vergnügung in gewisse Gefahr setzen wollen. Nachdem aber das gütige Glück so werthgeschätzte Freundinnen in die Gräntzen seines Gebietes geliefert / hätte er eine so wunderschöne Gelegenheit / dero höchstvergnüglichen Gesellschafft unweit Rom zu geniessen / nicht aus Händen lassen dürffen. Sie solten inzwischen allerseits an diesem Orte eben so viel zu befehlen haben / als zu Teutschburg oder zu Mattium / und würden ihn nimmermehr höher verpflichten / als wenn sie kühnlich anzeigeten / womit ihnen die gefälligste Aufwartung könte geleistet werden; massen sie bey ihm nicht gefangene /sondern viel willko enere Gäste wären / als etwa Ceres beym Triptolemus gewesen.

Thußnelde antwortete: Es wäre eine eben so unbegreiffliche Sache / daß man jemand durch Ketten und Bande zu einer Gasterey lüde / als daß man Leute durch Schläge und Schmach zum rechten Gottesdienst und Erlangung einer himmlischen Seeligkeit nöthigen wolte. Man pflegte ja dem keine Gutthat aufzudringen / der dieselbe nicht verlangte / man hielte ihn denn für gantz einfältig oder wahnsinnig / auf welchen Fall man dessen bestes / er möchte wollen oder nicht / befördern müste / weil er selbst nicht erkennen könte /was ihm gut [1492] sey. Nun wüste sie nicht / für was man sie hielte / weil man sie wider ihren Willen zu einer so weiten Spatzierfahrt und Römischen Gastgebot zu nöthigen bemühet gewesen / auch sie anietzt mit so vieler Höffligkeit überladete / daß kein Wunder wäre / wenn sie darunter ersticken müste. Zum wenigsten glaubte sie festiglich / ihre höchst-bekümmerte Seele würde den Kercker ihres Leibes bald verlassen / wenn ihr Leib dieses Römischen Kerckers nicht je ehe / je lieber / befreyet würde. Das hoffe ich nimmermehr /(wandte Tiberius ein) pflegen doch Blumen am besten zu gedeyen / wenn sie von ihrem Geburts-Ort in andere Erde fortgesetzet werden. So verlange ich ja auch nicht / der unvergleichlichen Thußnelde die Hoffnung aller Wiederkehr in ihr so liebes Vaterland abzuschneiden: vielmehr will ich meiner hochwerthesten Fürstin eine sichere Gelegenheit an die Hand geben /morgendes Tages an dero Gemahl zu schreiben und selbigen auf ihre eheste Wiederkunfft zu vertrösten. Die aufrichtige Thußnelda maaße das falsche Gemüth des ertzheuchlerischen Tiberius nach dem Maaßstab ihres ungefälschten Hertzens / und ließ sich diese neue Windstille verleiten / den gefährlichsten Strudel für den sichersten Hafen zu halten. Dahero sie /nächst gebührender Dancksagung an den Tiberius /desto freymüthiger den Rhemetalces empfieng / dabey aber fragte / woher dieser Korb / (den er ins Gemach mitgebracht und auf einen Tisch bey der Thür niedergesetzt hatte /) das Glück hätte / daß derjenige sich dessen so sorgfältig annehme / von dem doch dessen viel edlere Besitzerin so schmählich verachtet worden? und ob er vielleicht dem gegenwärtigen Frauenzimmer ein so nachdencklich Geschenck zugedacht hätte / damit keine unter ihnen sich vergebliche Hoffnung von dessen Person machte / oder auf dasselbe Eiß mit denen Gedancken sich wagete / welches die gute Zirolane so unverantwortlich fallen lassen? Rhemetalces bekante seinen ehemahligen Fehler; bate aber mit seiner ietzigen Busse zu frieden zu seyn und seine tugend-vollkommene Clotildis dahin zu vermögen / daß sie dero gütigen Gehöres ihn würdigte / und sich nicht härter gegen ihn anstellete / als der Himmel selbst / bey welchem eine hertzliche Reue die beste Müntze ist / die grössesten Schulden zu bezahlen. Ja er erbote sich zum Uberfluß / daß / daferne auch Bußthränen zu wenig wären / seine so schwartze Ubelthat abzuwaschen / er auch sein Blut hierzu zu gebrauchen bereit seyn wolte. Ismene ließ sich hierdurch erbitten Zirolanen in ihrem Zimmer zu suchen / allwo sie gleich durch die Gräfin von Nassau sich ankleiden liesse / und ihr nebst Uberbringung ihrer Bänder / die allem Ansehen nach ernstliche Reue ihres so liebgewesenen und so schmertzlich vermisseten Rhemetalces zu vermelden. Weil aber Freude und Schrecken /Hoffnung und Mißtrauen / Zorn und Liebe in selbiger stritten / währete es eine gute Zeit / ehe sie sich entschliessen konte / dem Rhemetalces ihre Gegenwart wieder zu gönnen.

Unterdessen hatte Tiberius bey Thußnelden sich entschuldiget / daß er auf zwey Wagen sieben gemeine Weibspersonen in Fürstlicher Kleidung mit verschleyertem Gesichte / und gefässelten Händen in des Germanicus Triumph auffführen lassen / welches das Römische Volck für gegenwärtiges Durchlauchtiges Frauen-Zimmer gehalten hätte. Ich / (sagte er) will solches lieber selbst bekennen / ehe daß diese hochwertheste Gesellschafft solche unvermuthete Zeitung von jemand anders erfahre / der vielleicht dessen hochwichtige Ursachen nicht wissen möchte / oder nicht sagen wolte. Ihnen selbst ist bekant / daß der Römische Pöbel ein vielköpffigt Thier sey / welches /weñ es rasend wird / durch keine Keule oder glüendes Eisen eines Hercules kan gebändiget werden. Man muß viel gelindere Mittel gebrauchen / wenn man selbiges zur Vernunfft bringen will. Sonderlich aber sind Triumphe / Schauspiele / [1493] Kämpffe wilder Thiere und andere prächtige Auffzüge / rechte Wiegen-Lieder /die dieses wunderliche Kind einwiegen müssen. Nun muß ich gestehen / daß das sehr zweiffelhaffte Glück der Römischen Waffen in Deutschland / sonderlich aber des Qvintilius Varus Niederlage / Rom dermassen unruhig gemacht habe / als wenn ein neuer Hannibal vor dem Thor stünde. Und stelle ichs dannenhero dahin / ob nicht manche unserer Nachkommen / nicht zwar meine Geschickligkeit / jedoch mein Glück für ungemein achten werden / wodurch ich Mittel erfunden / der besorglichen Meuterey des Pöbels vorzubeugen. Ob wohl aber das Geschrey von des Germanicus Siegen das Murren des Volcks in etwas übertäubt; so würde doch solches noch lange nicht den hochnothwendigen Glauben gefunden haben / wenn man nicht im Triumph einige Wahrzeichen davon aufgeführet hätte. Ich muste solcher Gestalt mit dem ungewöhnlichen Glantz so vieler gefangenen Hochfürstlichen Personen / so vieler kostbahrgewaffneten Legionen /so vieler güld- und silbernen Schaubilder / gleich als mit einem hellbrennenden Liecht / dieser unnützen Menge Frösche unter die Augen leuchten / wolte ich anders ihr verdrießliches qväcken in ein Stillschweigen verwandeln. Dieses aber kunte ich nimmermehr zugeben / daß dero hohe Personen zu diesem Aufzuge genöthiget würden; gleichwohl hat die äusserste Noth / welche kein Gesetz hat / mich verleitet / zum wenigsten durch dero Schatten dem Siegesgepränge ein Ansehen zu machen.

Thußnelda hatte mit grosser Gedult zugehöret /antwortete aber endlich: Ich will nicht leugnen / daß der grosse Tiberius einen klugen Herrscher vorstellen könne; ob aber derselbe zugleich mit allzugrossem Recht den Nahmen meines getreuesten Freundes sich zueigne / davon gebühret mir nicht zu reden. Denn obwohl ein Fürst die Wohlfahrt seines Landes mehr als das Vergnügen seiner Freunde beobachten muß /so kan ich gleichwohl mich nicht überreden / daß eben an der Einbildung des Volcks / als ob wir gefangenen Weibsbilder in Triumph geführet / oder im Tullianischen Gefängniß hingerichtet worden wären / des Römischen Reiches Wohlfarth hange. Solte wohl eine solche Spinnewebe ein Grund des allgemeinen Heyls seyn? oder solte wohl das kluge Rom vermeynen / ein grosses gewonnen zu haben / wenn Teutschland etliche Weiber einbüssete? Herrmann / Arpus / Melo /Jubil / Ganasch / Malorich / würden hierzu dienlicher gewesen seyn.

Tiberius wandte hierwieder ein: Ich verlange meiner geehrtesten Hertzogin nicht zu widersprechen. Gleichwohl ist die Einbildung manchmahl die beste Artzeney / die nicht nur eintzele Leiber / sondern auch ein gantzes gemeines Wesen von denen gefährlichsten Seuchen heilen kan; ob sie gleich noch so thöricht und ungegründet wäre: gleichwie wohl ehe einer das Fieber verlohren hat / wenn er ein leeres in Leinwad vernehetes Papier an Halß gehänget / bloß weil er sich hatte überreden lassen / daß solches voll allerley zauberischer Buchstaben geschrieben wäre. Allein es sey ferne / daß ich vorbesagte Einbildung meiner Unterthanen für so übelgründet halten solte! Sie wissen allzuwohl / was die tapffere Thusnelda / und die unverzagte Ißmene in der Schlacht wider unsern unglücklichen Qvintilius Varus vor wunderwürdige Helden-Thalen ausgeübt / nicht weniger / wie das andere gegenwärtige Frauen-Zimmer in so vielen Ritterspielen die berühmtesten Amazoninnen mit ihrer Geschickligkeit übertroffen habe. Dannenhero hält es Rom für einerley / ob solchen unüberwindlichen Heldinnen die Gewalt zu schaden benommen werde /oder ob es so viel deutsche Hertzoge gebunden oder getödtet vor sich liegen sähe. In Betrachtung dessen hoffe ich / daß dieser [1494] Triumph meinen hochwerthesten Freundinnen zu mehrerer Ehre / als Schmach / gedeyen soll / nach dem alle Welt dadurch wird überführet werden / daß sie von Rom für gantz ungemeine Heldinnen erkant worden / alldieweil es so grosses Gepränge über dero Gefangenschafft und Tode getrieben / gleich als ob es bey dero Freyheit und Leben seines Lebens und Freyheit nicht hätte versichert seyn können. Jedennoch / wenn / wider alles Verhoffen /alle diese Entschuldigungen nicht gültig solten erkant werden / will ich hiemit so wohl / als der Thracische Reichs-Erbe / dero gerechten Urtheil mich unterwerffen / nichts destoweniger eine billige Milderung der verdienten Straffe von dero Gütigkeit erwarten.

Dieses sagte er / weil er gleich Zirolanen mit Ismenen und der Gräffin von Nassau in Thußneldens Zimmer eintreten sahe. Rhemetalces / der hierauf schmertzlich gewartet hatte / kunte kaum dem Tiberius die Ehre lassen / dieselbe am ersten zu empfahen: doch so bald dieses geschehen / wolte er deroselben den Rock küssen / mit diesen Worten: Ich fange nunmehr an zu leben / da ich meine unvergleichliche Clotildis lebendig sehe. Allein Zirolane antwortete: Mich wundert höchlich / daß Clotildis so hohe Gunst bey dem Erb-Fürsten der Thracier findet / da Zirolane seiner Freundschafft nicht würdig ist. Rhemetalces machte hierauf seine Entschuldigung so gut und so ausführlich / als er konte; mit angehengter Bitte / umb der ehemahls geleisteten / vielfältigen treuen Dienste willen einen einigen Irrthum hochgeneigt zu übersehen. Hingegen erinnerte ihn Zirolane / man könte mit einem Schwa auf einen Zug so viel von einer Schrifft wegleschen / als man mit tausend Zügen zuvor aufgeschrieben hätte; und eine einige ehrenrührige Beleidigung leschte billig alle vorige Dienste aus / die sonst in das Tage-Buch des Gedächtnisses mit dem grösten Fleiß wären eingetragen worden. Rhemetalces fragte / was sie denn vor eine Gnugthuung verlangte / ob sie entweder künfftige angenehme Aufwartungen / oder seinen Todt hierzu zulänglich erkennete? Er bekame aber nur diese Gegenantwort: Das letztere halte ich vor unbillich / weil Thracien durch Verlust seines künfftigen Königes / das nicht verbüssen darff / worinnen dieser unrecht gehandelt. Das erste aber ist für mich zu gefährlich; weil ich nicht gerne das Feuer umb mich leiden mag / welches mein Gemüth im Anfang geblendet und meinen Nahmen zuletzt geschwärtzet hat. Aber doch (warf Tiberius lächelnd ein) Sie ins künftige desto angenehmer wärmen kan? Ach! (setzte Rhemetalces hinzu:) wer wolte so thöricht seyn und meynen / daß meine ungegründete eifersüchtige Einbildung den ruhmwürdigsten Nahmen der Tugend-vollkommensten Fürstin geschwärtzet habe? Warlich: dieses ist so wenig möglich / als daß die dicksten und unreinesten Nebel die Sonne schwärtzen werden / indem dieselbe durch ihren viel stärckern Glantz sie im Augenblick zertreiben kan. Ich fürchte zwar dieses nicht; (sagte Zirolane) denn warumb müste die Unschuld unschuldig zu seyn aufhören / ob sie gleich der Argwohn fälschlich beschuldigt? Solte ein rein Gesichte deßwegen unrein seyn / weil ein unreiner Spiegel dasselbe fleckicht abbildet? Oder solte wohl eine tugendhaffte Seele deßwegen lasterhafft werden / alldieweil ein anderer sie in dem Spiegel seiner Einbildung sich mit Lastern befleckt vorstellet? Nein! dieses hoffe ich nimmermehr! Ein unverletztes Gewissen ist die beste Rüstung /womit man seine Unschuld schützen und seinen Feind zu schanden machen kan. Doch thut man wohl / daß man desselben Gesellschafft meydet / der gleich einer Spinne aus denen gesundesten Kräutern Gifft zu saugen pflegt. Denn man kan niemahls allzu sorgfältig seyn / seinen guten Nahmen ungekränckt zu bewahren. Ach! gütigste Fürstin! (antwortete Rhemetalces) habe ich denn nicht bald [1495] genug gebüsset? Oder sollen solche Worte / zur Straffe / daß ich an der Keuschheit selbst mit ungereimten Gedancken mich vergriffen /grössere Grausamkeit an mir ausüben / als der Geyer /der dem verdammten Tityus das Hertz unaufhörlich abnagen muß / weil er der keuschen Diana Gewalt anzulegẽ sich erkühnet hat? Ach! schonet doch / unvergleichliche Clotildis! Schonet bitte ich / undbetrachtet / daß ein einiger Fehler in einer so gar unvermutheten Sache nicht so hoch zu ahnten sey. Bedencket / daß wenn ja iemand in der Welt durch meinen bösen Verdacht / als eine Pestilentz / mit gleichmäßigen angesteckt worden wäre / selbiger nicht füglicher zur Erkäntniß seines Irrthums / als durch unsere Liebe und Vermählung könne gebracht werden / weil iederman vermuthen muß / daß ich zu solcher mich nicht würde entschlossen haben / wenn ich nicht unwiedersprechlichen Beweißthum von dero unverletzten Keuschheit überko en hätte.

Thußnelda kunte hierbey nicht unterlassen / des Rhemetalces Vorsprecherin bey Zirolanen zu seyn. Doch würde dieses wenig gefruchtet haben / wenn nicht die sich allsachte wiederfindende Liebe vor dem Richterstuhl ihres Hertzens dem so schmertzlich-reuenden Beklagten das Wort geredet hätte. Sie gab demnach der Cheruskischen Hertzogin / nach vielen andern Ausflüchten / diese Antwort: Ich kan mich ohne meines Bruders Einwilligung zu nichts verstehen / in Ansehung / daß selbiger auch mein Herr und Landes-Fürst ist. Alleine Thußnelda versetzte: Vor dessen Einwilligung will ich gut seyn; massen ich gewiß weiß / daß derselbe meinem Gemahl keine Bitte abschlagen werde. Dieser aber wird nichts höhers wüntschen / als zu erfahren / daß meine allerliebste Freundin die Thracische Crone trage.

Die gantze Durchlauchtige Gesellschafft hätte sonder Zweiffel dieses Gespräch weiter fortgesetzt / daferne nicht der Wollustmeister Titus Cäsonius Priscus dem Tiberius unterthänigst berichtet hätte / daß die Tafel im nächsten Zimmer mit Speisen besetzt wäre. Sie verfügten sich demnach alle dahin / biß auf den unvergnügten Sejanus / welcher aus thörichtem Hochmuth sich einbildete / als ob Thußnelda den Käyser allzu gütig / ihn aber allzu verächtlich ansehe; dannenhero bate er umb Verlaub sich in die Stadt zu begeben / weil ihm gähling eingefallen wäre / daß unterschiedene Reichs-Geschäffte noch vor Abends verrichtet werden müsten. Er gedachte aber folgenden morgen allein Thußnelden zu besuchen / in der Hoffnung / daß er alsdenn mehr Ansehen haben würde /wenn ihm als einem kleinem Stern keine Sonne an der Seite stünde und durch grössern Glantz seinen Schein verdunckelte.

Er wurde unterdessen wenig bey unserer Gesellschafft vermisset; welche auf des Tiberius Bitte / sich umb die Tafel herum lagerte / welche dreymahl nach einander mit Speisen und Schau-Gerichten besetzet ward / derer jene den Leib / diese hergegen das Gemüth höchlich vergnügten. Es bestunden aber die letzteren allemahl in einem grossen und vier kleinern elffenbeinern Bildern / so alle einige Verwandniß mit einander hatten und eine verdeckte Liebes-Ermahnung vor Thußnelden in sich enthielten.

Das grosse zwischen denen vier Jahres-Zeiten stehende Bild / als das Merckzeichen der ersten Tracht /war eine gewaffnete Weibs-Person / die auf einem siebenspitzigen Gebürge saß und an der lincken Seiten einen Schild angelehnet hatte / darauf eine Wölfin mit zwey saugenden Kindern niedrig-erhoben erschiene. Unter ihr funden sich diese Reimen:


Mein Nahme schreckt die Welt / weil ich mich ohne Ruh

Zu jeder Jahres-Zeit in Streit- und Siegen übe:

Doch sehet / wenn ihr wolt / mich an von hinten zu;

Was gilts / ihr findet nichts so denn an mir / als LIEBE.


Thußnelda errieth gar bald die Bedeutung / welche sie auch auf befragen des Tiberius entdeckte [1496] / nemlich wie das hier abgebildete Rom in der Liebe ja so wol als im Kriege sich vor eine Meisterin achtete; gestalt denn auch in seinem umbgekehrten Nahmen ROMA nichts als AMOR, oder die Liebe steckete. Tiberius setzte hinzu: Die schönste Thußnelde hat recht gerathen; und wundert mich solches desto mehr / weil Rom ihr zwar bißher seine Streitbarkeit / nicht aber seine Liebe / zu erkennen gegeben hat. Thußnelde antwortete: Ich habe schon so viel vergönneter Liebe von der Gütigkeit des Käysers genossen / daß mehr und stärckere mir eben so wenig als viel und starcker Wein einem krancken Magen / oder die offtmahlige Betrachtung des Sonnenlichts einem schwachen Auge zuträglich seyn würde. Ich erfreue mich hingegen /daß das liebreiche Rom mit seinem kräfftigen Einfluß das ehemahls Felsen-harte Hertz meiner allerliebsten Clotildis in so weiches Wachs zu verwandeln scheint / daß des Thracischen Fürstens Bildniß darein wieder zu drücken unschwer fallen dürffte. Clotildis versetzte: Meine geehrteste Fürstin hält den Triumph / ehe sie den Sieg über mein Gemüth / als des Rhemetalces Vorsprecherin / erlangt hat. Allein er muß sich das nicht verdriessen lassen / was aus Versetzung der Buchstaben in ROMA und AMOR heraus kömmt /nemlich MORA, ein Verzug. Schon überaus und nach Wuntsch gut vor mich! (sagte Rhemetalces) der kluge MARO, dessen Nahme eben so wohl in jenem verborgen ist / giebt mir den Trost / den der durchs Unglück ausgehärtete Aeneas seiner Gesellschafft ehemahls gegeben hat:


Ihr müßt getrost ausstehn / was ihr bißher erfahren /

Und euch aufs künfftige zu bessern Glücke sparen.


Ja! Warhafftig (fügte Ismene hinzu) das ist sehr wohl gegeben! denn es ist am besten / daß man bey der Hoffnung Trost in Widerwärtigkeiten suche / weil es doch noch niemahls gedonnert und geregnet hat / daß es nicht solte wieder aufgehöret haben / und / (wie dieses Schauessen mich erinnert /) noch niemahls ein verdrießlicher Winter gewesen ist / dem nicht ein lieblicher Frühling / ein warmer Sommer / ein fruchtbarer Herbst gefolget wäre. Mir ists überaus lieb /(versetzte der Käyser /) daß meine wehrteste Fürstin ihr bißheriges Stillschweigen ändert / weil ich beynahe nicht wuste / ob ich solches einem kleinen Hochmuth / oder einem grossen Kummer zuschreiben solte; es wäre denn / daß sie sich vor eine Ergebene des Zeno wolte halten lassen. Ismene ward hierüber feuerroth und meynete / Tiberius stichelte auf ihre und ihres Zeno Liebes-Händel / die er selbst zu Mäyntz mit angesehen hatte; worüber dieser lächelnd anhub: Die angenehme Ismene darff nicht erröthen. Ich meyne nicht den Pontischen Zeno / dem ich umb ihrentwillen die Armenische Crone zugedacht habe; sondern den ehrlichen alten Großvater aller Stoicker /den Cyttischen Zeno / als dessen Denckspruch bekant ist: Wir haben deßwegen zwey Ohren und eine Zunge / daß wir viel hören und wenig reden sollen / und es ist besser mit denen Füssen / als mit der Zungen / einen Fehltrit thun.

Unterdessen nun jedermann über der beschämten Ismene unzeitigen Liebes-Bekäntniß schertzte / wurde die erste Tracht ab- und eine andere aufgetragen /wobey das Schau-Gerichte aus denen vier Elementen bestund / unter welchen in der Mitten eine nackte /aber mit Myrthen gekräntzte Göttin auf einer grossen Muschel saß / und in der rechten Hand eine dem Ansehen nach brennende Fackel / mit der lincken aber ein paar Tauben in ihrem Schooß hielte. Daß solches die Venus seyn solte / zeigte diese Unterschrifft an:


Die Erde krönet mich / die Lufft giebt mir zu spielen /

Das Wasser reicht den Sitz / das Feuer diesen Brand.

[1497]

Sagt nun / beherrsch' ich nicht Lufft / Feuer / Wasser / Land?

Muß nicht / was lebt / mein Joch auf seinem Halse fühlen?


Rhemetalces sahe hierauf seine Clotildis an und sprach: Nun muß meine Fürstin entweder eine Göttin lästerlicher Weise einer Unwarheit beschuldigen /oder bekennen / daß sie liebe. Es hat mit einer beinern Göttin nicht viel zu bedeuten / (antwortete sie /) und wird keine grosse Sünde seyn / wenn ich gleich dieses nackete Bild für die nackete Warheit nicht halten will. Doch daferne ich von dem Thracischen Fürsten eine warhaffte Besserung hoffen dürffte / wolte ich ihm dieses Rätzel aufzurathen geben:


Was langsam kömmt / kömmt auch!

Diß ist mein steter Brauch:

Wird gleich bey mir die Blüte

Ein wenig lang gesucht;

Ist doch zuletzt die Frucht

Von desto größrer Güte.


Ich dancke demüthigst (sagte Rhemetalces /) für diese unverhoffte gütige Erklärung meiner schönsten Clotildis. Mein Fürst irret sich / (wandte diese ein /) maßen meine Reime nicht meine Erklärung / sondern ein Rätzel von einem Maulbeerbaum in sich enthalten. O! ist meine Fürstin in Rätzeln so erfahren / (waren des Käysers Worte /) so muß ich mit ihrer Bewilligung auch eines deroselben auffzulösen vorlegen. Er nahm hiermit etwas aus seinem Kleide / thate solches in die zugemachte Hand und sagte diese Reimen her:


Ein Ebnbild der Ewigkeit /

So wohl ohn Anfang / als ohn Ende /

Vnd doch nur seines Fingers weit /

Verbergen jetzund meine Hände.

Ein kleines Ding von grossen Gaben!

Sagt / was es sey / so solt ihrs haben.


Clotildis bedachte sich ein wenig / endlich brach sie in diese Worte aus: Es ist ein Ring / der / weil er rund ist / so hat er / als wie die Ewigkeit / keinen Anfang und kein Ende / ist aber nur eines Fingers weit und also der Ewigkeit sehr ungleich. Allein was heissengrosse Gaben bey einem Ring? Rhemetalces setzte hinzu: Ich halte / die grossen Gaben eines Ringes sind eine gute Heyrath / die der Ring der Person zu geben pfleget / welcher er gegeben wird. Ja gewiß! (rieffe Tiberius aus /) alle beyde haben recht! Alldieweil aber nur ein Ring in meiner Hand gewesen / so wird er geschwind noch einen hecken müssen / damit jedwedem der wolgewonnene Preiß eingelieffert werden könne. Er öffnete hiermit die Hand / in welcher er / unter diesen reden / dem schon darinnen liegenden güldenen mit Diamanten rund-herumb besetzten Ringe einen andern von gleicher Art / mit grosser Geschwindigkeit und unvermerckt / beygesüget hatte. Er überreichte den grössern der Clotildis / den kleinern dem Thracischen Fürsten. Weil aber beyde sich beschwerten /daß ihnen die Ringe nicht gerecht wären / musten sie auf inständiges Anhalten der Gesellschafft / solche unter einander verwechseln; worauff jederman der Clotildis zu dero neuen Verlobung glückwünschte /ob sie wohl nicht allerdings gestehen wolte / daß sie ihrem Ringe den Rhemetalces / als seine gröste und beste Gabe / zu dancken willens wäre. Gleichwohl thate sie dieses mit solchen Geberden / die den hierob gantz neu-gebohrnen Fürsten alles von deroselben hoffen hiessen. Man schertzte nunmehr über der Fruchtbarkeit des ersten Ringes / der in so kurtzer Zeit seines gleichen gezeuget hätte. Es ist solches noch wunderbahrer / (sagte Rhamis /) als daß eine Fürstin in Gallien ungeschliffene Diamanten gehabt /die andere ihres gleichen / ausser dem Mutter-Schooß der Erden / gebohren haben; oder daß der Cimbrische König in seiner Kunst-Kammer ein Ey zeigen kan / in welchem ein anders steckt. Mir kömmt beydes sehr fabelhafft vor / (erwehnte Ismene /) und möchte ich wohl meinen Unglauben durch würckliche Besichtigung wiederlegen. Thußnelda antwortete: daß es mit dem Cimbrischen Ey kein Betrug sey / hat meines Gemahls Fran Mutter / diebey dem König Frotho sich eine gute Zeit auffgehalten / mich unwiedersprechlich versichert. Und was will meine Fürstin hierzu [1498] sagen? hat man doch wohl bey Thieren und Menschen schwangere Leibs-Früchte gefunden? wie denn nicht nur ein Mutter-Pferd in Hispanien eine trächtige Maul-Eselin geworffen; sondern auch in einem Dorff im Hermundurischen am Saalstrom vor etlichen Jahren eines Müllers Eheweib eine Tochter zur Welt gebracht / die am achten Tage ihres Alters eine andere gebohren / auf eben die Art / als bey erwachsenen gebährenden zu geschehen pfleget; jedeñoch aber sind so wohl die kleine Sechswöchnerin / als dero noch kleinere Tochter / folgenden Tages verstorben / nachdem viel Adeliche und andere Personen dieses ungemeine Spiel der Natur mit ihren Augen beschauet und ohne allen Betrug befunden hatten. Ists möglich? (versetzte der Käyser;) so dürffte ich doch fast demjenigen Glauben zustellen / was vor ein oder zwey Jahren von Rhegium in Calabrien geschrieben wurde /daß nehmlich ein Weib nach ordentlicher neun-nonats-Zeit eines wohlgestalten Töchterleins genesen wäre / welches indem es von der Heb-Amme gebadet wird / ein gar kleines doch lebendiges Knäblein zur Welt gebohren / auch so gar einer Kindbetterin von gewöhnlichem Alter gleich gewesen / daß so offt es der alten Mutter an die Brust geleget worden / es zugleich ihren kleinen Sohn mit ihren von Milch auffgeschwollenen Brüstlein säugen können; Und welches das seltzamste ist / so wurde dabey gemeldet: Es wären schon siebenzehen Tage nach der Geburt verflossen gewesen / als dieser Brieff geschrieben worden / und gleichwohl hätten Großmutter / Mutter und Enckel bey solchem Zustand sich annoch frisch und gesund befunden. Thusnelde fügte hinzu: Meine Schwiegerfrau-Mutter hat über dergleichen wunder-geburten mit dem Cimbrischen Weltweisen Didymus Thorbalinus eine weitläufftige Unterredung gehalten /der keine bessere Antwort als diese zu finden gewust /es hätte die Natur in solchem Fall Zwillinge zu zeugen vorgehabt / davon aber eines / als es noch sehr zart gewesen / in des andern Unter-Leib sich verirret und daselbst mit einem Häutlein wäre überwachsen worden.

Indem dieses geredet wurde / ließ Cäsonius Priscus die Speisen zum dritten mahl verändern und das Schau-Essen mit denen vier Altern des Menschen auf die Tafel setzen; da denn in der Mitten ein kahlköpffigter Greiß wohl zu sehen war / welcher als der Lehrmeister aller vier Alter / auff einem niedrigen Stuhl saß / mit dieser liederlichen Unterschrifft:


Wenn ich was Liebes hab' / ist mirs allein nichts nütze.

Drumb will ich / daß zugleich mein Freund / mein ander Ich

Mein ander Ich mein Weib / so wohl als ich besitze.

Der weise Cato sagts! Ein jeder bessre sich.


Ey! das ist eine treffliche Sitten-Lehre! (rieff Tiberius aus /) die man so schlechthin nicht verdammen darff /weil der tugendhaffte Marcus Cato sie vorbringt und mit seinem löblichen Exempel bestätiget. Denn ich gläube nicht / daß jemanden unter uns unbekant sey /daß dieser Cato seine Frau / die Martia / dem Hortensius seinem Hertzens-Freunde bey seinem Leben zu heyrathen vergönnet habe / nach der Sitten Regel:Unter Freunden muß alles gemein seyn. Rhemetalces antwortete: Es ist mir solches gnugsam bekant. Ob man nun aber wohl diesen Cato ins gemein vor den weisesten und tugendhafftesten Römer / ja vor klüger als dreyhundert Socrates ausgeben will / stelle ich doch solches dahin; indem dergleichen Unachtsamkeit seiner eigenen Ehre zum wenigsten ein Zeichen eines vollkommenen Sonderlings und Grillenfängers ist. Weßwegen ich nicht wüste / worinnen er dem Socrates vorzuziehen oder gleich zu schätzen wäre / außer daß alle beyde / in Betrachtung ihrer Weiber / grosse Thorheiten begangen / und jener zwar die Martia verschencket / dieser aber nicht nur die Donnerworte / sondern auch manchen Regen von seiner Xantippe gedultig ausgehalten hat. In dieser Meynung / daß (wie [1499] mancher Aberwitziger in seiner Raserey) also auch Cato in seiner Weißheit Ruhe-Stunden und Stillstand öffters gehabt / werde ich nicht wenig dadurch gestärcket / daß er vielmahl in blossen Füssen und zurissener Kleidung ohne Noth auf die Gassen gegangen und also alles für wohlanständig gehalten / was nicht lasterhafft ist. Gewiß solche eigensinnige Stoicker gehören ehe unter Vieh / als vernünfftige Menschen / die von dem Himmel seine Gaben und die Beqvemligkeit dieser Welt ohne lasterhafften Mißbrauch anzunehmen sich nicht wegern sollen. Zudem so hat auch der gute Cato seine Verunfft so offt im Wein gebadet / daß es kein Wunder gewesen /wenn sie endlich ertruncken. Ich geschweige / daß sein Selbstmord eine Verzweiffelung anzeiget / welche bey einem rechten Weisen nicht statt hat / nachdem derselbe jederzeit mit Gottes Verhängniß zu frieden seyn / auch seinem Herrn im Himmel den Dienst nicht aufkündigen soll / ehe er selbst ihn seiner Dienste auff Erden erlassen will. Vielleicht ist auch des Cajus Julius Cäsars Muthmassung nicht ungegründet / daß der blosse Geitz Kupler in dieser Heyrath gewesen und Cato nur zu dem Ende dem Hortensius seine Frau gegeben / damit dieselbe / gleich einem Schwamm / desselben Reichthum einsaugen und nach seinem Tode in ihres vorigen Mannes / des Cato /Schooß wiederumb ausdrücken könte. Thußnelda führte solches ferner aus mit diesen Worten: Mein weniges Urtheil wird nicht viel gnädiger herauskommen. Doch halte ich eben so wohl die Martia für einen Schandfleck unsers Geschlechts. Sie hätte ja einem thörichten Befehl einen klügern Ungehorsam leisten sollen. Massen sie eben so wenig von jemanden in der Welt konte genöthiget werden / ihre Ehre / als ihr Leben / dem Eigensinn des Mannes und der Boßheit des Ehebrechers aufzuopffern. Wird doch mehrentheils in meinem Vaterlande die Frau schlechter Ehre werth geschätzet / die nach dem Tode ihres Mannes einem andern sich vermählen läst / weil sie hierdurch erweisen soll / daß sie nicht den Mann / sondern nur ihre Wollust in der ersten Ehe geliebet habe. Was solte man nun vollends bey uns zu einer Ehefrau zweyer lebendigen Männer sagen? Gewiß! weil der Mann das Haupt der Frauen ist / würde man sie mit grösserm Abscheu ansehen / als eine Mißgeburt / die zwey Häupter und nur einen Leib hat.

Der geile Tiberius hätte lieber gesehen / daß die Cheruskische Hertzogin das Exempel des Cato nicht so hefftig verdammet hätte; doch / wie er ein Meister im stellen und verstellen seiner Worte und Geberden war / also lobete er dieses Urtheil zwar mit dem Munde / dachte aber unterdessen in seinem Hertzen auf allerley Mittel / wodurch er die keuscheste Thusnelda auf der Martia Sinn / und sich die Freyheit zu wege bringen könte / des Hortensius Person bey ihr in Abwesenheit ihres Gemahls aufs eheste zu spielen.

Bald hierauff ward die Taffel aufgehoben / nachdem Tiberius Thusnelden erinnert hatte das Schreiben an ihren Gemahl diesen Abend zu verfertigen / weil er willens wäre / morgen nach Mittage den Beroris /Dietrich und Libys wieder in ihr Vaterland zu schicken. Thusnelda bate sich / auf eydliches Anbieten einer freyen Bitte / die Freyheit aus / ihr kleines Kind in Gesellschafft der Gräffin von der Lippe dessen Vater / dem Feld-Herrn Herrmann durch den getreuen Libys zu übersenden / damit er / bey solchen Vorboten / ihre eigene Ankunfft desto gewisser erwarten möchte. Dieses brauchte Thusnelda nur zum Vorwand: Denn ihr eigentlicher Zweck war / alles auf die Seite zu schaffen / was im Fall der Noth / sie an einer schleunigen Flucht verhindern möchte. Der Käyser besonne sich ein wenig. Endlich dachte er / daß ihm das kleine Kind bey seiner [1500] verhofften Lust ehe hinderlich / als beförderlich seyn könte. Dannenhero willigte er gar gern ein; ob er wohl zum Schein thate / als wenn es umb seines Eydes willen geschäh / der aber bey ihm nur gültig war / wenn es ihm nützlich deuchtete; sonst hielt ihn ein Haar fester gebunden /als tausend Eydschwüre. Hierauf nahm er mit dem Rhemetalces Abschied / und die Rückreise nach Rom für sich.

Daselbst hatte inzwischen der unruhige Sejanus seine Zeit bey der leichtfertigen Sentia zugebracht. Denn weil seine Liebe gegen Thusnelden aus bloßer geilen Lust herrührete / war es ihm ein leichtes / selbige auch mit seinen alten Buhlschafften zu theilen /und den Durst aus gemeinem Wasser zu stillen / weil ihm Thusneldens Nectar verwegert wurde. So sehr nun Sentia ihren Leib entblössete: so sehr entblössete Sejanus die bißher so verschwiegen-gehaltene Geheimnüsse seines Gemüthes; Denn als das freche Weib nachfragete / in was vor Gesellschafft sich der Käyser befände / derer er sich zu Gefallen einmahl aus Rom gewaget hätte; gab dieser mit etwas unbeständiger Geberde eine solche Antwort / die ihr nicht gantz aufrichtig zu seyn schien. Daher sie alle ersinnlichen Liebreitzungen anwendete / ihn zu bewegen /ihr etwas mehr hiervon zu sagen. Wodurch er endlich gewonnen und also zu reden veranlasset wurde: Sie wundere sich nicht / allerliebste Sentia / warumb ich so lange verschwiegen habe / daß Thusnelda annoch lebe / und vom Käyser geliebet werde. Tiberius will solches durchaus geheim gehalten haben / und sein Wille ist ein festes Siegel / so meinen Mund biß ietzt so fest verschlossen hat. Allein ein eintziger Strahl von ihrer feurigen Liebe ist tüchtig dieses Wachs zu zerschmeltzen und das Siegel auffzulösen. Sie weiß /daß / als neulichst der Käyser den Fall thate / Germanicus ihn unbekanter Weise besuchte; Damahls war seine erste Bitte / das gefangene Fürstliche und Gräffliche Frauen-Zimmer des Triumphs zu erlassen / und ohne ihr Wissen / gemeine Weibspersonen mit verhülltem Gesicht an ihrer statt aufzuführen / auch zu vergönnen / daß er denen vornehmsten gefangenen Fürsten und Graffen das Leben schencken dürffte / so bald man sie im Triumph auf- und ins Tullianische Gefängniß zu ihrem Tode würde hingeführet haben. Der schlaue Tiberius willigte nach einer kleinen Scheinwegerung in dieses Begehren des Germanicus; theils weil er Thusnelden liebte; theils / weil er / allen Deutschen zur Beunruhigung und dem Sicambrischen Hertzog zum Verdruß / dessen beyde ehrsüchtige Brüder / als Mitbuhler seiner Hertzoglichen Würde /beym Leben erhalten wolte; theils / weil er verhoffte /es würde diese unzeitige Barmhertzigkeit des Germanicus ihn bey dem gemeinen Volck verhast machen /als welches nicht nur sein Gespötte darüber treiben würde / so bald es erführe / daß dieser Aufzug der vermummten Weibsbilder mehr ein Gauckelspiel als ein warhafftiges Siegs-Gepränge gewesen / sondern auch wohl aus einem blinden Eyfer den Triumphirer für einen Götter-Verächter ausruffen dürffte / weil er die zum Tode nach denen Gesetzen verdammte Feg-Opffer denen Göttern freventlich entwendet und die gantze triumphirende Gesellschafft mit der lügenhaften Zeitung von dero Hinrichtung im Gefängniß geäffet hätte. Sentia wolte über Thusneldens gantz unverhofften Leben bey nahe von Sinnen kommen; jedennoch / weil sie die Liebe des Sejanus zu jener wuste /bemühete sie sich ihre Gedancken / so viel möglich /zu verbergen / ja sie erbote sich / zum Schein / aus einer Mitbuhlerin ihrer Stieff-Tochter dero Kuplerin bey dem Sejanus zu werden / daferne nur der Käyser ihr die Besuchung des sämmtlichen deutschen Frauen-Zimmers vergönnen wollte.

Sie blieben in diesem verdamten Zeitvertreib [1501] beysammen / biß Hertzog Segesthes nach Hause kam /und ihnen erzehlete / mit was Schauspielen der triumphirende Germanicus diesen Tag über das Römische Volck unterhalten hätte / wie theils tausend Paar Fechter / theils mehr als drey oder vier tausend Löwen / Bäre / Panther / Auerochsen / Tiger / wilde Pferde /Wölffe / Luchse und Schweine untereinander kämpffen müssen. Weil aber Segesthes an seiner Gemahlin eine ungemeine Röthe / am Sejanus ein sonderliches Schrecken in acht nahm / entsponne sich bey ihm der erste Verdacht / der nach der Zeit sich täglich mehrte und also aus einem dünnen Faden zu einem festen Stricke wurde / welcher endlich der verruchten Ehebrecherin den Hals brach.

Sejanus begab sich letzlich gegen Abend auf den Palatinischen Berg / allwo er dem zurückkommenden Käyser begegnete und den Befehl empfieng / morgends frühe die gefangenen deutschen Fürsten und Grafen zu Thußnelden zu bringen und so denn mit sichern Frey-Briefen nach Deutschland zu schicken. Er kam diesem Befehl fleißig nach / mehr aus Begierde /Thußnelden zu sehen / als aus Gehorsam gegen seinen Herrn. So bald er nun vor sie war gelassen worden /vermeldete er nach abgelegter Begrüssung / daß der Käyser alle diese Gefangenen Thußneldẽ schenckete und deroselben die völlige Gewalt überliesse / ihnen das Leben und Freyheit entweder zu geben oder abzusprechen. Die Hertzogin nahm solches Geschenck mit grosser Höffligkeit an / und versicherte den Sejanus /daß es sie dem Käyser höher verbände / als wenn sie so viel Perlen und Diamanten empfangen hätte / die diesen Gefangen-gewesenen an der Schwere die Wage halten könten. Sie begrüssete hierauf diese ihre Landes-Leute / und übergab den kleinen Herrmann und die Gräfin von der Lippe der Vorsorge des klugen Libys und dem Schutz der andern tapffern Helden /die sich deñ alle erboten / auch ihr Leben zu dessen Dienst willigst anzuwenden / weil sie ohne dem den schimpfflichen Fleck ihrer Gefangenschafft nicht besser als mit der unverzagten Versprützung ihres Blutes vor das edle Blut des grossen Herrmanns ausleschen könten. Sejanus theilete ihnen zu nöthigen Reise-Unkosten eine ansehnliche Menge Römischer güldener Müntzen im Nahmen seines Herrn aus. Thußnelde aber nahm eine davon aus dem auf der Tafel stehen den offenen Behältnisse in die Hand / das Gepräge zu besehen / und fand auf dero einen Seite des Tiberius Bildniß mit der Uberschrifft: Tiberius Augustus /des Gottes Augustus Sohn: Auf der andern sahe sie die geflügelte halbnackende Siegs-Götttin auf einer Weltkugel sitzen und in iedweder Hand einen Palmzweig halten / mit der Unterschrifft: Im siebenzehenden Jahr der allgemeinen Zunfftmeisterschafft. Sie wandte sich deßwegen zum Sejanus und sagte: Ich sehe aus dieser Jahrzahl / daß gegenwärtiges Goldstück zum Andencken unserer Gefangenschafft gepräget sey. Nun will ich zwar nicht streitig machen / ob der deutsche Sieg ein güldenes Denckmahl verdienet habe. Doch bin ich dessen gewiß / daß die Gütigkeit des Käysers / die er anietzo meinen Landes-Leuten erzeiget / eines ja so kostbaren Ehren-Gedächtnisses würdig / und nunmehr erst recht erfüllet sey / was ich allhier auf einer andern zu Anfang seines Käyserthums geprägten güldenen Müntze versprochen finde / da auf einer Seite sein Bildniß / auf der andern ein Schild mit einem Weibes-Kopff nebenst der Uberschrifft: der Gütigkeit / zu sehen ist; sonder Zweiffel hiemit anzuzeigen / daß die Gütigkeit die eintzige Göttin sey / zu dero Dienst er sich gantz und gar gewiedmet habe. Wolte der Himmel (antwortete Sejanus / nachdem er sie an ein Fenster geführet hatte /) daß die sonst Tugend vollkommene Thußnelde auch diese Tugend zu ihrer [1502] Göttin annehmen und eben so grosse Gütigkeit gegen dero Gefangene gebrauchen wolte /als sie an meinem Herrn rühmet. Thußnelda bate / den Gefangenen nur zu nennen / so wolte sie dessen Freyheit bey ihrem Gemahl aufs fleißigste befördern. Sie bekam aber die unvermuthete Antwort: Die Bande /die Thußneldens unvergleichliche Schönheit anleget /kan niemand / als sie selbst / erträglich machen. Doch sind sie so angenehme / daß man tausendmahl lieber /seine Freyheit zu verlieren / als jener befreyet zu werden / wüntschen muß. Die keusche Thußnelda verdrosse diese Thumkühnheit dermassen / daß sie sich nicht enthalten konte / mit mercklicher Hefftigkeit zu sagen / sie hoffte nicht / daß das kluge Rom jemand in sich hegen würde / der einer so schändlichen Thorheit fähig wäre / daß er von ihr etwas unanständiges begehren wolte: da sie doch verhoffentlich ihr gantzes Leben also geführet hätte / daß iederman schlüssen könte / es wäre ihr dieses nicht so lieb / als ihre Ehre; und nähme sie diese sorgfältiger in acht / als ihre Augen: Allermassen / wie das Auge durch ein eintzig Stäublein / wärs auch noch so klein / kan verletzt werden; also dünckte ihr auch kein eintziger unkeuscher Gedancken zu wenig / daß er nicht ihrer Ehre einen unwiederbringlichen Schaden zufügen könte. Solte aber wider alles Verhoffen einiger Römer einer solchen verdammlichen Kühnheit sich unterfangen /würde sie nicht einen Augenblick verziehen / den Schutz des gerechten Käysers anzuruffen / weil sie versichert wäre / daß der Römische Adler so wohl Flügel hätte / die Unschuldigen zu beschirmen / als auch Blitze / denen Frevlern ihren verdienten Lohn zu geben. Sejanus erschrack über dieser Dräuung und besorgte sich des ärgsten von demjenigen / den er nicht zwar als einen gerechten Richter / iedennoch als einen mächtigern Mitbuhler fürchtete; nahm aber gleich alsobald ein freyer Wesen an / und sagte: Hieran ist gantz nicht zu zweiffeln; Und wolte ich dannenhero mit einem solchen Missethäter Schuld und Straffe ungerne theilen / ungeachtet ich die Ehre / des Käysers Vertrautester / uñ das Glück / ihm niemahls mißfällig zu seyn / eine geraume Zeit her besitze. Thußnelda merckte wohl / daß diese Aufschneiderey ihr einige Furcht einjagen solte / als ob sie bey dem Tiberius keinen Schutz wider seines Lieblings Frevel finden würde; allein sie begegnete ihm mit dieser klüglichen Antwort: Umb so vielmehr achte ich mich sicher / nachdem auch so gar der grosse Sejanus / der doch des Käysers Hertz in Händen hat / sich eine solche Unthat zu begehen fürchtet; und ist diese seine Bescheidenheit / da er sich der Gunst des Käysers /als wie eines kostbaren / aber zerbrechlichen Crystallinen Glases erinnert / dasjenige / so ich am allermeisten an ihm hochachte. Denn gleichwie die Götter der Erden gar geschwinde etwas grosses schaffen können / also pflegen sie auch gar bald nichts aus etwas zu machen / und denjenigen / der da vergisset / was er vor seiner Erhöhung gewesen / seines Ursprungs durch einen plötzlichen Fall nachdrücklich zu erinnern. Ein solcher Mensch ist alsdenn einer Sonnen-Blumen nicht ungleich / weil er durch die Gnaden-Strahlen seines Fürstens zu einem so grossen Wachsthum gelanget / daß er alle andere an Höhe und Ansehen übertrifft / gleichwohl aber / wenn er lange genug sich nach dem Lauff seiner Sonne herum gedrehet hat / durch ihre Hitze verbrandt und zu einem häßlichen Strauche wird. Wohl demnach dem / der entweder ausser dem Hoffe sich selbst zur Vergnügung lebet /oder wenn er so wenig ausser dem Hoffe als ausser dieser Welt leben kan / sich allezeit einbildet / daß er eben so wohl an jenem / als in dieser / nicht ewig leben werde!

Zorn und Liebe / Hoffnung und Verzweiffelung zermarterten den Sejan bey Anhörung dieser ernsthafften Verwarnung / gleich als ob er an statt dieser vier Gemüths-Bewegungen von vier Pferden zurissen würde. Weil aber [1503] der Zorn die Liebe / und Verzweiffelung die Hoffnung endlich überwältigte / schwur er bey sich selbst / Thußnelden / und umb ihrentwillen /das gesamte Frauenzimmer dermassen bey dem Tiberius zu verleumden / daß derselbe an seiner statt die Rache ausführen solte. Nachdem er demnach zum Schein höfflichen Abschied genommen und seine Mitgebrachten dem Saturninus bestermassen anbefohlen hatte / begabe er sich ohne Verzug wieder nach Rom.

Unterdessen letzten sich die nach Deutschland Reisefertigen und empfieng Libys in geheim einen Brieff von Thußnelden an Hertzog Herrmannen / welcher ein gut Theil länger war / als der / den sie zum Schein geschrieben und dem Käyser durchzusehn überschicket hatte. Catta aber vertraute dem Beroris einen an ihren Vater Arpus und einen andern an ihren Bräutigam Jubiln.

Diß währte biß gegen Mittag / da der trunckene Tiberius mit dem Crispus Sallustius / nach gehaltenem Frühstück / in dem Garten-Hauß ankame / und das Frauenzimmer besuchte. Hätte man nun des vorigen Tages ihn in seiner Verstellung vor höfflich und bescheiden halten können / so hatte er nunmehr mit der Nüchterkeit auch die Larve seiner Geilheit gäntzlich abgezogen. Und nachdem er nicht wenig schandbare Schertz-Reden vorgebracht / so das sämtliche Frauenzimmer mit der grösten Ungedult anhören muste /Thußnelde auch deßwegen ihn anfieng zu erinnern /ihrer mit dergleichen unanständigen Dingen zu verschonen / nahm er / an statt sich zu entschuldigen /die Freyheit / ihren Busen freventlich zu betasten; welches aber die bey ihr stehende Catta beyzeiten inne wurde und / sein leichtfertig Vorhaben zu unterbrechen / ihn mit aller Krafft wider die Brust stieß / daß er rücklings auf die Erde zu grossen Schrecken der Gesellschafft niederstürtzete; worüber Catta noch lächelnd ausrieffe: O! auf was schwachen Füssen steht das Römische Reich! Indem aber hatte der Trunckenbold durch Beyhülffe des Sallustius / Dietrichs und Saturninus sich wieder in die Höhe aufgerafft / und fiel mit einer solchen Wuth über Catten her / daß er sie ohne Zweiffel würde erwürget haben / wenn nicht der kluge Sallustius dem Käyser in die Armen gefallen und die Cattische Fürstin seinen Mord-Klauen eyligst entwischet wäre. Er fluchte / schnaubete / dräuete und schriehe unterdessen dergestalt / daß man gnugsam urtheilen konte / Zornige und Trunckenbolde wären mit eben dem Recht / als Wahnsinnige / an Ketten zu legen. Sallustius aber / der seiner sehr mächtig war / beredete ihn nach Rom wieder zu kehren; welches er endlich that / nachdem er dem Saturninus befohlen hatte / die Ubelthäterin auf morgen mit dem Beil hinzurichten / oder im Fall / daß solches nicht geschehe / seinen Kopff zu verlieren.

Sie waren kaum in Rom wieder ankommen / als Tiberius auf den nechsten Stuhl fiel und einschlieff. Zwey Stunden darauf erwachte er und hatte zwar den Rausch / nicht aber den Groll wider die unschuldige Catta ausgeschlaffen; Gleichwohl wagete es Sallustius und stellte ihm aufs glimpflichste vor / daß Catta nimmermehr eine solche Unbescheidenheit würde gebraucht haben / daferne nicht der Käyser durch den übermäßigen Trunck aus denen Schrancken seiner gewöhnlichen Höffligkeit sich hätte herausleiten lassen. So würde auch Thußnelda den Schimpff und Straffe /so ihrer Freundin / darumb weil sie ihr beygestanden wäre / begegnete / so hoch empfinden / als weñ sie selbst damit beleget würde.

Diese letztere Erinnerung war der beste Tamm / der den wütenden Strom seiner überlauffenden Galle aufhalten / und ihn zu vernünftigern Gedancken bringen konte / also daß er alsobald an den Saturnin schrieb /die Catta der Hafft zu erlassen und in seinem Nahmen der Verzeihung zu versichern. Allein indem [1504] trat Sejan ins Zimmer / dem der Käyser den Zettel wieß und solchen ungesäumt bestellen zu lassen anbefahl. Dieser wuste nun nicht / wie er dem Glück genug dancken sollte / daß dasselbe auf so unverhoffte Art ihm hülffreiche Hand böte / einen Anfang zu seiner Rache zu machen. Er fing demnach an: Was gedencken sie denn / Allergnädigster Käyser / daß sie ihr so gerechtes Urtheil wiederruffen und sich selbst dadurch in Verdacht bey der Welt bringen wollen / als wenn ihnen einiges Wort hätte entfahren können / daß einer Verbesserung bedürffte? Eines Fürsten Wille soll sich so wenig ändern / als der Lauff der Sonnen / der einmahl wie das andere bleibet / ob sie gleich hierdurch grosse Finsternissen am Mond und auf Erden verursachen muß. Man lasse es seyn / daß das Urtheil wider die Catta ungerecht sey / so muß doch der Käyser seinen vermeinten Fehler ehe durch ihr vergossenes Blut bedecken / als durch Wiederruffung seines Wortes entdecken. Jedoch wie sollte es nicht der Gerechtigkeit höchstgemäß seyn / daß eine solche Frevlerin den Schimpff und Schmertz mit dem Leben bezahle / den sie dem Beherrscher der Welt verursachet hat? solte ihr solches so vor genossen ausgehen / würde sie ins künfftige ja so leicht das Messer / als dieses mahl die Hand wider dero allerheiligste Person zücken. Man darff auch keinen Zorn von Thußnelden befahren /nachdem Geschencke und Gaben Götter und Menschen versöhnen / ja es wird vielleicht Thußnelda aus Furcht des Todes desto geschmeidiger werden / wenn sie sehen wird / wie gefährlich es sey / demjenigen was zu versagen / in dessen Hand ihr Leben und Tod stehet / und dessen Hertz so bald von Rache / als von Liebe entbrennen kan. Der Käyser rieß hierauf seinen Zettel entzwey: und obgleich Sallustius diese erste Hitze des Käysers durch unterschiedenes vernünfftiges Einwenden wieder dämpffen wolte / gosse er doch lauter Oehl ins Feuer / und Wasser in ungeleschten Kalck. Tiberius ließ alsbald die Sänffte bringen / und sich neben dem Sejan und Sallustius in das Garten-Hauß wieder tragen / umb daselbst an der Enthauptung der armen Catta seine Augen zu weiden. Auf dem Vor-Saal begegnete ihm Aelius Sentius Saturninus und brachte im Nahmen Thußneldens an /der Käyser möchte entweder sie selbst an statt der Cattischen Fürstin zu seinem Rach-Opffer nehmen /weil sie der Ursprung / Catta aber nur das Werckzeug der Beleidigung des Käysers wäre; oder / daferne sie die Gnade nicht haben könte / möchte man die Hinrichtung heimlich und durch einen vornehmen Kriegs-Bedienten / keines weges aber durch einen gemeinen Soldaten oder Leibeignen verrichten lassen / auch (wo möglich) der Catta etliche Stunden zur Todes-Bereitung vergönnen. Jedennoch würde dieser Mord einer unschuldigen Fürstin der Geschichte seines Käyserthums einen grossen Schandfleck anhängen / auch der gerechte Himmel das gebrochene Gast-Recht nicht unbestraffet lassen. Dannenhero sie ein- vor allemahl den Käyser gewarnet haben wollte / und verhoffte / es würden die letztern Gedancken die ersten bey ihm verbessern und erweisen / daß der grosse Tiberius viel zu gerecht sey / als daß er ein aus Ubereilung gesprochenes Wort höher als alle göttliche und weltliche Gesetze zu achten begehre. Aber alles solches Bitten war vergebens und dem Saturnin unmüglicher / diesen tollen rasenden Hund / als dem Herkules / den dreyköpffigten Cerberus / zu bändigen. Der Tyrann schwur und verfluchte sich / es solte und müste der Catta der unnütze Schedel im Hoffe des Hauses unverzüglich für die Füsse geleget werden: Weil aber Saturninus sich unterwunden hätte / ein Vorsprecher einer so verruchten Ubelthäterin zu werden / und also in Verthädigung der Feindin des Käysers sich ebenfalls vor dessen Feind erkläret hätte / sollte er zur Straffe [1505] das Amt des Nachrichters bey ihr auf sich nehmen; widrigenfalls / als ein Beleidiger der Käyserlichen Majestät / ein ander Urtheil erwarten. Der tugendhaffte Saturninus erzitterte zwar in etwas über diesen unverhofften Befehl; muste aber doch / weil er sich eines ärgern besorgte / mit zwey Worten seinen Gehorsam versprechen.

Tiberius wolte hierauf Thußnelden besuchen. Allein sie hatte sich mit dem gesammten Frauen-Zimmer in ihr Taffel-Gemach begeben und dasselbe fest verriegelt / und wolte nichts mehr mit einer solchen Hyäna zu schaffen haben / die / außer der Stimme /nichts menschliches an sich spühren ließ. Es fehlete wenig / daß der Wüterich nicht das Zimmer mit Gewalt gestürmet hätte. Doch / weil er dergleichen harte Schmach von seinem Gewissen täglich einfressen muste / achtete er sie auch dießmal nicht allzuhoch /und verdäuete sie viel leichter / als der Strauß das Eisen. Zumahl da so wohl seine Liebe / als auch der vernünfftige Sallustius ihm Einrede thaten.

Unterdessen besonne sich dieser letztere auf das uhralte Römische Herkommen / daß keine Jungfrau zum Tode verurtheilet werden durfte. Dannenhero er auch den Tiberius erinnerte / daß Catten ihr Jungfräulicher Stand zu einem Frey-Brieff vor dem peinlichen Halß-Gerichte billig dienen müste. Der Käyser stutzte hierüber; Allein der boßhaftige Sejanus ware mit der Antwort bald fertig. Wohl! (sagte er /) Catta kan nicht als eine Jungfrau sterben / wollen wir anders nicht die alte Gewohnheit brechen; welches aber / (wenn es auskäme /) den gantzen Pöbel uns auf den Halß hetzen würde. Jedoch was brauchte viel Wesens? Der /so die Hinrichtung auf sich genommen / mag sie schänden; so lassen wir sie alsdenn nicht als eine Jungfrau / wohl aber als eine Geschändete köpffen.

Indessen nun der Käyser über dieser verdammten Erfindung sich öffentlich wohl zulachte / thate solches Sejanus bey sich selbst / weil er wuste / daß dieses die Catta mehr als der Todt betrüben / auch diese aufgezwungene geile Lust dem tugendhafften Saturninus die gröste Unlust seyn würde. Er dachte aber nicht /daß eben dieser sein Rath zwölff Jahr hernach / (nachdem er selbst einen schimpf- und schmertzlichen Todt erleiden müßen /) seine eigene Tochter ihrer Ehre berauben / und daß sich Tiberius ein Gewissen machen würde / dieselbe erwürgen zu lassen / ehe er sie durch den Hencker schänden / und also der Hinrichtung im Gefängniß hätte fähig machen lassen. Inzwischen wolte gleichwohl Tiberius in etwas Thußnelden fugen; Dannenhero / weil sie umb einige Zeit zur Todesbereitung vor die Cattische Fürstin hatte Ansuchung thun lassen / entschloß er sich / dero Enthauptung biß auf morgen aufzuschieben; zumahl als er bedachte / daß der Todt ihr die geringste Straffe / dieses aber eine unerträgliche Höllen-Pein seyn würde /wenn sie sich mit dem Andencken ihrer erlittenen Schande die gantze Nacht hindurch qvälen müste. So bald nun der Schadenfroh Sejanus dieses mit gut befunden / ward dem Saturninus durch einen Freygelassenen des Tiberius angedeutet / daß er die gefangene Catta / ihr Urtheil anzuhören / vor den Käyser bringen solte. Diese kam mit unerschrockenem Hertzen; denn weil sie wuste / daß sie der Natur ohne dem einen Tod schuldig wäre / so hatte sie sich jeder Zeit zur Bezahlung fertig gemacht. Sie gedachte zwar öffters an ihren Verlobten / den Hertzog Jubil / und thate es ihr nicht so wehe / daß der Todt ihren Leib und Seele /als / daß er sie und ihren Allerliebsten trennen sollte. Jedoch verhoffte sie / ihr unsterblicher tugendhaffter Geist würde bey Verlust der Erden den Himmel erlangen / und an statt einer flüchtigen Menschen-Liebe einer unendlich-vollkommenern Göttlichen theilhafftig werden. Ach! aber / [1506] wie erschracke sie / als das Urtheil ihr so wohl Ehre / als Leben absprach! Der heitere Himmel ihres Angesichtes ward mit düstern Wolcken ümbzogen / die bald in einen Thränen-Regen ausbrechen / bald die Strahlen ihrer Augẽ in eitel Blitz und Donnerkeile wider ein so gottloses Anmuthen verwandeln wolten. Allein weder Thränen /noch Worte wolten in so hefftiger Bestürtzung fliessen. Gleichwohl fassete sie den festen Vorsatz sich gegen den Saturninus mit Zähnen und Nägeln / so lange es möglich / dermassen zu verthädigen / daß es leichter seyn solte / dem donnerenden Gott die Blitze /als ihr ihre Ehre / mit Gewalt zu nehmen. Aber er hatte selber schlechte Begierde dazu; bate demnach mit einem Fußfall den Käyser / seiner zu verschonen /nachdem er schon das Alter erreichet hätte / welches Cupido aus seinem Lager auszumustern pflegte. Der spöttische Tiberius antwortete: Mein liebster Saturninus! die Gesetze sind über den Käyser / drümb kan ich auch dieselben euch zu gefallen nicht brechen. Ha! ungerechter Wüterich! (rieff Catta aus;) müssen nun die heiligen Gesetze ein Schand-Deckel deiner Boßheit seyn? Und das / was mir zum Vortheil verordnet ist / zu meinem ärgsten Verderben gereichen? Verdammter Ertzheuchler! du lebendiges Todten-Grab /das auswendig die prächtige Uberschrifft eines gerechten Käysers / in sich aber lauter Stanck und Unflat der greulichsten Laster / lauter Würme eines bösen Gewissens hat! Hiemit schwiege sie mit dem Munde; da unterdessen dennoch diese heimlichen ängstlichen Seuffzer in ihrem Hertzen aufstiegen: Ach! gerechter Himmel! Warumb hast du mich deñ nicht lieber unter die grimmigsten Parder und Löwen /als in die Hände dieses noch wildern Thiers / gerathen lassen / weil jene zwar mein Leben / aber nicht meine Ehre / würden angetastet haben? Jedoch was du verhängest / ist gerecht; Und was nicht zu ändern ist /das geschehe! Nicht eine Gewaltthat / sondern unser Wille macht die Seele dessen schuldig / was dem Leibe widerfährt: Kan ich dir nun nicht meinen Leib unberührt aufopffern / so soll doch meine Seele dir zu einem unbefleckten Geschencke gewiedmet seyn und eine unwillige Niederlage darff meiner Keuschheit den Sieges-Krantz nimmermehr streitig machen.

Tiberius ward endlich des Wartens überdrüßig und schwur / daß er den Saturninus entmannen und die Catta dem Muthwillen der geringsten Stallbuben übergeben wolte / woferne sie beyde einen Augenblick verziehen würden / seinem vorigen Befehl nachzuleben. Diese aber liessen es hierzu nicht kommen /sondern weil es nicht anders seyn konte / sich alle beyde allein in das nächste Schlaffgemach versperren. Und war diß wohl das erste Exempel in der Welt / da ihrer zwey solten sündigen und doch keines den Willen haben zu sündigen.

Unter solcher Unruhe erinnerte sich der Käyser derer freygesprochenen Deutschen / die eben den Nachmittag mit dem kleinen Herrmann nach Deutschland hatten reisen sollen. Von diesen befürchtete er sich nicht ohne Ursach / daß sie daselbst die Schand-That nicht verschweigen würden / womit er alle deutsche Fürsten in der Catta Person verletzet / und durch Brechung des Gastrechts sie befugt gemachet hatte /den neulichst-geschlossenen und dem Römischen Reiche höchstnothwendigen Frieden zu brechen. Sejanus riethe / man solte sie alle zusammen mit Gifft hinrichten. Allein Sallustius wolte diese Gewaltthat keines weges billigen; nachdem der Käyser sein Wort halten müste und doch diesen Deutschen durch einen viel gelindern Weg / nemlich durch einen Eyd / das Maul stopffen könte / daß sie nichts in ihrem Vaterland sagen dürfften / als was dem Käyser unschädlich wäre; massen die Deutschen zu Meyneiden noch zu einfältig wären / und sich viel zu sehr vor Gott fürchteten / als daß sie etwas / auch mit [1507] ihren Schaden / zu halten sich wegern solten / welches sie unter der Anruffung des göttlichen Nahmens versprochen hätten. Und wenn sie ja endlich nicht schweigen wolten / so könte hieraus kein grösser Unheil entstehen / als etwa auch daraus kommen möchte / wenn man das deutsche Frauenzimmer wider gegebene Treu und Glauben gefangen behielte und also ihren Landes-Leuten Anlaß gäbe einen an ihnen vollbrachten Meuchelmord zu muthmassen; oder wenn man sie loß liesse und damit Gelegenheit verstattete / dasjenige zu klagen /was ihnen ungütiges von dem Käyser widerfahren wäre.

Es wurden hiermit die gefangen-gewesene Fürsten und Grafen nebenst der Gräfin von der Lippe herzu gehohlet / und ihnen die Wahl gegeben / entweder zu schweren / daß sie in ihrem Vaterlande leugnen wolten etwas zu wissen / wie es dem gefangenen Frauenzimmer ergienge / ohne was Herrmann / Arpus und Jubil aus denen ihnen von Thußnelden und Catten mitgegebenen Briefen selbst ersehen würden; oder aber ihre Freyheit zu verlieren und zuzusehen / wie dem kleinen Herrmann der Kopff umbgedrehet werden solte.

Diese musten in einen sauern Apffel beissen / aus zwey Ubeln das kleinere erwehlen / und lieber schweren / die Warheit zu verschweigen / als durch Widerspenstigkeit des jungen Hertzogs Hinrichtung befördern: worauf sie denn mit gnugsamen Pferd und Wagen versehen und ohne ferneres Wortsprechen Italien zu verlassen genöthiget wurden.

Dieses war kaum verrichtet / als Saturninus die vor Scham gantz Feuer-rothe Catta zum Schlaff-Gemach wieder herausbrachte / da denn der leichtfertige Sejan das Bette alsobald zu besehen hinein lieffe und aus dem darauf gefundenen blutigen Wahrzeichen den Käyser versicherte / daß jener gethan / was Urtheil und Recht mit sich gebracht hätte. Tiberius aber umbarmte den traurigen Saturninus und sagte: Wenn ich nicht gewiß wüste / daß ihr einen Triumph verdienet hättet / solte ich fast dencken / als wenn euer Sturm bey der Cattenburg übel abgelauffen wäre; Massen euer niedergeschlagenes Gesichte sich vor einen Uberwundenen besser / als für einen Uberwinder schicket. Jedoch die Gelegenheit des Ortes und der Zeit will das wohlverdiente Siegs-Gepränge nicht zulassen; Nichts desto weniger soll die Triumph Gasterey unverzüglich ihren Fortgang haben.

Saturninus führte hierauf die Fürstin in ihr Zimmer / oder Gefängniß / da ihm unterwegens der über den Weinkeller verordnete Aristides begegnete / so ehemahls ein Griechischer Leibeigener gewesen / nunmehr aber ein Käyserlicher Freygelassener war. Mit diesem nahme er eine und andere Abrede und verfügte sich nachmahls zum Käyser / der mit denen bey sich habenden so unmenschlich zu sauffen anfieng / als wenn sie befürchtet hätten / sie müsten auf morgen mit der Catta sterben und also bey dieser Henckermahlzeit ihrer hitzigen Leber den letzten Dienst noch erzeigen. Sie geriethen hierüber in einen so harten Schlaff auf denen Purpur-Betten an der Taffel / daß man diese zu ihren Todtenbahren ja so leichte hätte machen können / so leichte es jener Königin war /ihren trunckenen Gemahl lebendig zu begraben.

Sallustius erwachete am ersten / kunte aber so wohl wegen Kopff-Schmertzen / als auch wegen der inzwischen angebrochenen Nacht in dem dunckelen Gemach keinen Stich sehen / hörte gleichwohl ein unsäglich Schnarchen so wohl an der Taffel / als auch in allen Winckeln des Zimmers / so daß es schiene /wenn dem Morpheus seine alte schwartze Höhle zur Wohnung nicht gut genug mehr wäre / könte er nirgends besser / als hieselbst ein anständiges Heiligthum antreffen. Er ermunterte mit grosser Mühe den[1508] Sejan / welcher aber meynte / jener solte kein Getöse anfangen / sondern die Nacht mit dieser Schlaffstäte zufrieden seyn.

Gegen morgen träumete den Käyser / als ob er einem Schauspiel zusähe / in welchem Mercur mit seiner Schlangen-Ruthen den hundertäugigen Argus einschläffte und ihm seine anvertraute und in eine Kuh verwandelte Jo entführte: Es bedünckte ihn aber / als ob die Sänger ihre Personen sehr übel vorstellten / da hingegen die andern Zuschauer ein lautes Freuden-Geschrey und Hände-Klopffen darüber anfiengen; welches ihn dermassen hefftig verdroß / daß er aufspringen und die nächsten unter denen Umbstehenden mit nachdrücklichen Schlägen überführen wolte / daß sie übel geurtheilet hätten. Uber dieser Bewegung stieß er sich wider den an seiner Brust liegenden Sejan / daß beyde aus dem Schlaff auffuhren und nicht wusten / ob die Pest im Hause wäre / weil sie über die zwantzig Leichen im Zimmer umb sich liegen sahen / derer doch die meisten durch das Schnarchen ihr noch währendes Leben anzeigten / zwey oder drey aber wahrhafftig sich zu tode gesoffen hatten. Hiernächst wurden die schlaffenden Gäste / wie auch Titus Cäsonius Priscus und alle die andern / die bey der Taffel gedienet hatten / aufgeweckt / auch die Leichen hinweg geschaffet. Tiberius aber befahl / die Catta zu hohlen; weil Trauben-Blut zwar gestern seinen Durst gestillet hatte / heute aber Menschen-Blut darzu erfordert wurde.

Saturninus wolte solches thun / fand aber vor dem Zimmer den Rhemetalces / welcher dem Käyser in seinem Pallast bey dem Aufstehn und Ankleiden hatte aufwarten wollen und nach erhaltener Nachricht / daß selbiger ausser Rom wäre / sich in dieses Garten-Hauß verfüget hatte. Der Wohlstand erforderte / den Fürsten alsbald und vor allen Dingen beym Tiberius anzumelden und / auf dessen Erlaubniß / ins Gemach zu begleiten. So bald dieses geschehen / gieng er mit etlichen Bedienten in der Catta Zimmer / in welchem er aber nichts / als eine Einöde antraff. Dannenhero er dem Käyser diese Nachricht brachte: Ich weiß nicht /ob unsere Catta verschwunden ist / oder sich dermassen gehärmet hat / daß sie / wie die Nymphe Eccho /in unsichtbare Lufft verwandelt worden. Dieses befrembdete die gantze Gesellschafft überaus sehr; daher iederman begierig wurde / den leeren Ort selbst in Augenschein zu nehmen. Allein wie sehr man die Catta suchte: so wenig fande man sie. Und wolte weder die Wacht des Zimmers / noch des Hauses /etwas von ihr wissen; wiewohl auch diese nicht sagen konte / wer etliche an beyderseits Orten in ihrem Blute liegende Leichen so übel zugerichtet hätte. Man vermeynte zwar / Catta würde sich in Thußneldens Zimmer geflüchtet haben; wie starck man aber gleich daselbst anklopffte und rieffe / so war doch nicht die geringste Antwort zu erlangen / also daß der ergrimmte Tiberius die fest verschlossene Thüre endlich mit Gewalt in Stücken hauen ließ. Doch auch hier war niemand zu sehen / noch zu hören. Tiberius befahl zwar etlichen Dienern / so wohl Thußneldens / als Cattens Zimmer von oben biß unten aus zu durchsuchen / ob man vielleicht einiges Merckmahl von dem finden könte / was zu dieser Flucht behülfflich gewesen. Allein sie brachten nichts / als das in der Cattischen Fürstin Gemach auf dem Tisch gestandene und Thußnelden ehemahls geschenckete Diamanten-Kästlein / in dessen Boden aber das Thußnelden-ähnliche Gesichte der Ariadne in hundert kleine Stücken zerstossen war. Es lagen aber vier Briefe darinnen / derer der erste also lautete:


An den unmenschlichen Wüterich Tiberius.


Der gerechte Himmel ist endlich mit der Probe meiner Gedult vergnügt / [1509] und weiset mir anietzt den We /gdeinem ungerechten Richterstuhl zu entgehen. Freue dich ja nicht über meiner vermeinten Schande. Denn ich versichere dich / daß Saturninus meiner Keuschheit so wenig Abbruch gethan / als Ixion deiner Juno soll gethan haben. Lebe wohl / daferne es die wohlverdiente göttliche Rache und dein unruhiges Gewissen zugeben können.

Catta.


So sehr sich nun Tiberius hierüber ereiferte: so sehr betrübte sich Rhemetalces über den abermahligen Verlust seiner geliebten Clotildis; und sahe sein vorgestriges Glück wie einen süssen / aber betrüglichen Traum an / in welchem man öffters isset und trincket /aber wenn man erwacht / eben so hungerig und durstig ist / als etwa zuvor. Jedoch es funde sich vor ihn ein sonderbarer Trost in dem andern also abgefaßten Schreiben:


An den ruhmwürdigsten Erben des Thracischen Reiches / Rhemetalces.


Die Freundschafft nöthigt mich / diesen Ort zu verlassen / ungeachtet die Liebe ihn vorgestern mir sehr angenehm gemacht hat. Ich hoffe inzwischen / der gütige Himmel werde meiner neuen Wallfahrt ehestens ein vergnügtes / unserer Gemüths-Vereinigung aber nimmermehr ein Ende geben.

Clotildis.


Der Käyser wuste nicht / ob er dieses Schreiben vor ein mit dem Rhemetalces angelegtes Spiel halten solte / weil ihm dessen Gegenwart bey so früher Tages-Zeit in diesem Garten-Hause sehr verdächtig vorkam. Gleichwohl weil er einen Brief von Thußnelden an sich liegen sahe / richtete er alle seine Gedancken voller Furcht und Hoffnung darauf / und lase / wie folget:


An den grossen Tiberius / Römischen Käyser.


Ich solte wohl vor die einige Zeit her erwiesene Höffligkeit mein stetswährendes Andencken versprechen / wenn nicht das schlimme Ende den guten Anfang aufhübe und der bißherigen Heucheley die Larve abnähme. Jedoch es mag der Anfang das Ende / wie der Schlangen-Kopff seinẽ Schwantz / verschlingen: Und will ich demnach / zur Danckbarkeit vor genossene Wolthaten / unsers so unbilligen Verfolgers jederzeit zu vergessen verbunden leben.

Thußnelda.


Unter diesem Schreiben ward noch eines gefunden /dieses Inhalts:

An die unvergleichliche Agrippina / des großmüthigen Feldherrns Germanicus Cäsars Gemahlin.


Das bißherige Sieges-Gepränge hat uns die Ehre dero hochgeschätzten Gegenwart entzogen. Und unsere eilfertige Abreise will uns noch weniger [1510] verstatten /den vertraulichen Abschieds-Kuß bey unserer hohen Wohlthäterin zu geben oder zu empfangen. Unterdessen werden wir dennoch dero werthes Andencken in unserm getreuen Gemüth heilig und unversehrlich aufbewahren / und ob gleich nicht mit dem Leibe /doch mit hertzlichen Wüntschen / Sie in Armenien zum Kriege und Siege begleiten.

Thußnelda /

vor sich und ihre Gesellschafft.


Tiberius gab hiermit dem Sejan Befehl / eiligst von Rom aus unterschiedene Soldaten denen Sicambrischen Fürsten Beroris und Dietrich nachzuschicken und zu sehen / ob das flüchtige Frauen-Zimmer ihnen gefolget wäre; Auf welchen Fall sie die deutschen Fürsten und Grafen geschwind aus dem Wege räumen und die Fürstinnen wieder nach Rom bringen / sonsten aber / wenn jene noch alleine-reisend angetroffen würden / ihnen keine Unhöffligkeit erweisen solten. Er sollte auch eine andere Schaar nach dem Lust-Hauß senden / umb daselbst die bißherige Wacht in Ketten und Bande zu schliessen und den fünfften unter ihnen / nach geworffenem Loße / nieder zu hauen.

Unterdessen dachte der Käyser nach / ob Germanicus / Rhemetalces / Segesthes / Saturninus / oder wer sonst in der Welt / Thußnelden zu ihrer Flucht hülffliche Hand geboten / und schwur bey sich / seine Feindschafft wider ihn nicht anders / als durch den Tod zu endigen. Sonderlich wurde Saturninus auf Cattens Brieff befraget / ob nehmlich sie mit Wahrheit sich ihrer unversehrten Jungfrauschafft rühmen könte? Dieser aber gab zur Antwort: Ich meyne ja /Sejanus habe im Bette einige Merckmahl dessen / das vorgegangen ist / gefunden. Wer will mich aber versichern / ob ich nicht / nach der Catta Bericht / durch eine zauberische Verblendung ein Ixion worden / welcher an statt der Juno eine Wolcke unter der Göttin Gestalt umbfangen und seine blinde Begierden daran ausgelassen hat? Haben denn so viel Menschen ohne Kräuter eingeschläfft werden / oder die Flüchtigen durch eine so starcke Wacht ungesehn durchkommen können / wenn sie sich nicht gleich dem Gyges vermittelst eines Zauber-Rings unsichtbar gemacht? Tiberius muste zu frieden seyn / und mit dem Rhemetalces / Sallustius / Saturninus und andern von seinen Bedienten nach Rom wiederkehren / ohne daß er wuste / wen er unter ihnen vor Freund oder Feind halten solte; Und weil er also niemand finden konte / den er dem Hencker übergeben möchte / so wurde er indessen sein eigener Hencker; massen doch ein lasterhafft Gewissen eine ärgere Marter ist / als des Phalaris glüender Ochs.

Dieser unbeständige und stürmische Aprill währte in seinem Gemüthe noch / als der liebliche May dem gleich selbigen Tag eintretenden warmen Junius wieche: und in seinen Gedancken war ein hefftigerer Sturm / als wohl jener bey der Insel Corsica mochte gewesen seyn / wodurch des Lucius Scipio Schiffsflotte beynahe untergangen wäre / zu dessen Andencken / und Abwendung dergleichen bevorstehenden Ubels / der Göttin des Ungewitters in ihrem Tempel vor dem Capenischen Thor auf dem Appischen Wege / eben an diesem ersten des Monats Junius / das jährliche Fest-Opffer gebracht wurde. Es war aber auch selbigen Morgen der sämmtliche Rath der Stadt Rom zusammen beruffen / wobey sich denn unter andern Tiberius / Germanicus / Drusus / Sejanus und Saturninus einfunden.

Das erste Reichs-Geschäffte / so abgehandelt ward / betraff die Burgermeisterwahl auf [1511] künfftiges Jahr /da denn der Käyser selbst zum dritten / Germanicus aber zum andernmahl zu solcher Würde ernennet wurden. Dem Pomponius Flaccus ward das Stadthalter-Amt in Mösien zu verwalten aufgetragen / so bald er sein noch tragendes Bürgermeisterliches Amt würde abgeleget haben. Germanicus erklärte sich innerhalb zwey Wochen seinen Armenischen Feldzug anzutreten. Er muste aber zu seinem grossen Verdruß hören /daß Cnäus Piso Landpfteger in Syrien werden solte /da ihm denn der Sinn zutrug / daß dessen boßhafftiges Gemüthe ihm tausendfachen Verdruß in denen Morgen-Ländern anthun würde.

Rhemetalces ward hiernächst bey dem Rath angemeldet / und vorgelassen; da er denn tausenderley Versicherungen einer aufrichtigen Gewogenheit vor sich und die seinigen / nebenst einem Schreiben an seinen Vater / erhielt / dieses Inhalts: Der Käyser /wie auch der Römische Rath und Volck / verlangten nichts höhers / als den Wohlstand ihrer Nachbarn; nehmen demnach gerne auf sich / die Streitigkeit derer beyden Thracischen Könige zu entscheiden. Nachdem aber ein Richter zwey Ohren hätte / ümb eines dem Kläger / das andere dem Beklagten zu Dienst zu gebrauchen; als könnten und wolten auch sie nicht ehe den vom König Rhascuporis gefangenen König Cotys verdammen / bevor sie seine Verantwortung angehöret hätten. Getraute sich nun jener recht zu haben /möchte er diesen dem Latinius Pandus / Unter-Land pfleger in Mösien / übergeben / der ihn sicher nach Rom bringen würde. Rhascuporis selbst aber solte sich gleichfals dahin begeben und gewiß glauben /daß sie nach Anhörung beyder Theile ihren möglichsten Beystand weder einer gerechten Sache versagen /noch einer bösen leisten würden.

Rhemetalces / dem der Inhalt des versiegelten Schreibens mündlich kund gethan wurde / danckte für diese gewierige Antwort / nahme damit seinen Abschied / und eilete zwey Stunden hierauf aus Rom /damit er nicht durch längeres Verweilen seinem Vater Anlaß geben möchte / noch mehrere Grausamkeit an dem unschuldigen Cotys auszuüben.

Gegentheils kamen selbigen Tag die Ritter Kulenburg und Tannenberg als Abgesandte von dem König der Marckmäñer Marbod vor Rom an / und liessen ihre Anwesenheit dem Sejanus durch einen von ihren Edelleuten zu wissen machen; worauf denn dieser alsbald anordnete / daß sie auf dem Marsfelde biß zu ihrer Verhör in einem Käyserlichen Lusthauß ihre Wohnung und reichliche Verpflegung haben solten. Die Ursach ihrer Ankunfft war diese: Es hatte das Glück dem Marbod / dem es ehmahls angetraut zu seyn schiene / einige Zeit her einen Scheide-Brieff gleichsam geschickt; und gleichwie dessen Macht und Gewalt von Jahren zu Jahren gewachsen war; also nahm es nunmehr von Tagen zu Tagen ab / und zwar so plötzlich / daß man alle seine fast unzehlbaren Unterthanen für einen grossen Schneeberg hätte halten mögen / der aus einem kleinen Balle durch das stete hin- und herweltzen zu einer ungeheuren Grösse kommen war / den vergangenen Frühling aber zu zerthauen und zu zerfliessen angefangen hätte. Denn nachdem die Semnoner und Langobarden sein Joch von sich geworffen / und den gütigen Feld-Herrn derer Deutschen / Hertzog Hermannen / zu ihrem Ober-Herrn erwehlet hatten / gewann es das Ansehen / als ob dem Königlichen Marbodischen Stuhl ein Bein abgebrochen wäre / und dahero selbiger auf denen übrigen nicht lange mehr bestehn / sondern gar bald den Schwang zu seinen Untergange bekommen würde.

Der tapffere Inguiomer hatte indessen Marbods Tochter geheyrathet; und hierdurch ward zwar seine Liebe / nicht aber seine Ehrsucht vergnügt. Darumb reitzte er seinen Schwäher-Vater [1512] an / nicht nur seine noch getreuen Länder zu verwahren / sondern auch die abgefallenen unter seinen Gehorsam wieder zu bringen; weil doch die Klugheit eines Fürstens nicht weniger aus der stetswährenden Erhaltung seiner Gräntzsteine / als aus dero ehemahligen Setzung zu ersehen / und es weit beschwerlicher wäre / den Verlust eines grossen Königreichs bey seinem Leben zu erfahren / als etwa in einer geringen Bauerhütten so wohl den ersten Athem zu hohlen / als den letzten auszublasen. Dieses Zureden des hitzigen Inguioners thauete das gefrohrne Blut in des Marbods Adern auf / daß er mit einem mächtigen Heer von Marckmännern / Hermundurern / Sedusiern / Bruckterern /Lygiern / Gothonen und dergleichen Völckern / in die Gräntze der Langobarden einfiel / des festen Fürsatzes / entweder alles / was er jemahls gehabt / wieder zu gewinnen / oder alles zu verlieren. Er eilete nach aller Möglichkeit / über den Havelstrom aufs geschwindeste zu gehn / damit der Feind keinen andern Zeitungsbringer von seiner Ankunfft haben möchte /als sein Feuer und Schwerdt. Allein der kluge Herrmañ hatte dieses längst vermuthet. Dannenhero war diesseits das Ufer mit sechs tausend Langobarden stets besetzt geblieben / welche etliche Tage den Marbod über den Fluß zu kommen abhielten / endlich aber weichen / und sich auf den mit acht tausend Semnonern / fünff tausend Cheruskern und drey tausend Langobarden ihnen zu Hülffe eilenden Feld-Herrn zurück ziehen musten; worauff denn Marbod sein Lager schlug / und zur Schlacht Anstalt machte / welche aber nicht so bald geschehen konte / daß nicht unterdessen so wohl der junge Gottwald mit tausend Cheruskern / als auch Iubil mit drey tausend Hermundurern sich mit dem Feld-Herrn vereinigt hätten / also daß dieser sechs und zwantzig tausend wohlversuchte Soldaten gegen des Marbods seine viertzig tausend ins Feld stellen konte.

Er ermunterte sie zur Tapfferkeit mit dieser Rede: Auf! Auf! ihr unüberwindlichen Deutschen! folget /wohin euch das Glück ruft; und befestigt durch die Uberwindung dieses inheimischen Feindes eure ehemahligen Siege wider die auswärtigen Feinde des deutschen Reiches. Wie lange ists / daß ihr denen mächtigen Römern eure Freyheit und ihre selbsteigenen Waffen aus denen Händen wundet? wie lange ists / daß so viel Legionen durch den Blitz eurer Schwerter entweder erschlagen / oder dermassen geblendet wurden / daß sie sich in die Sümpffe und Moräste verkrochen und ihre Sicherheit in ihrem gewissen Verderben suchen musten? Solte denn Marbod mehr Kraft / mehr Hertz / mehr Glück / als die Römer haben? Marbod / (sage ich /) der sich besser mit der Flucht als der Schlacht behelffen kan / und niemahls /als durch List und Verrätherey / obgesieget hat? Daß er auch vor denen Römern sicher ist / hat er nicht seinen Waffen / sondern seiner Kleinmuth und denen finstern Schlupflöchern des Hercynischen Waldes zu dancken. Denn ehe jene sich wagen wolten / ihn darinnen aufzusuchen / willigten sie lieber / auf sein inständiges bitten / in das vorgeschlagene Bündnüß und spareten desto williger ihr Blut / weil sie den verzagten Marbod ohne Blutvergiessen aus einem freyen Könige / zu ihrem Leibeigenen machen konten. Wohlan denn / ihr tapffern Brüder! greifft diesen Verräther des Vaterlandes mit solchem Muth und Glück an / als ehmahls den Qvintilius Varus; und seyd versichert / daß Marbod noch mehr als jener verdienet /unser Feind zu seyn / seine Uberwindung auch uns mehr Ehre / Beute und Sicherheit / als die Niederlage jener drey Legionen / bringen wird.

Mit dem letzten Wort gab er das Zeichen zur Schlacht / da denn das gantze Heer mit Zusammenschlagung derer Schilde und einem grausamen Geschrey ihre Willigkeit zu fechten [1513] bezeugete. Marbod hatte gleichermassen den Seinen mit diesen Worten ein Hertz eingeredet: Recht so! Meine lieben Getreuen! Euer unverzagter Muth ist des höchsten Lobes würdig / mit welchem ihr mir eurem sorgfältigen Landes-Vater Beystand leistet / seine ungerathene Kinder wieder zum Gehorsam zu bringen und von dem Joch des betrüglichen Cheruskers zu erlösen. Die Mühe wird nicht gar groß seyn / weil wir fast zwey oder drey Mann einem entgegen setzen können / und jeder unter euch ihrer zehnen unter jenen an Hertz und Erfahrenheit überlegen ist. Wahr ists: Herrmann hat ehmahls drey Römische Legionen aus dem Felde geschlagen / und er bildet sich ohne Zweiffel mehr hierauf ein / als weñ er den Himmel gestürmt und erobert hätte. Aber o des elenden Sieges! Hätte er nicht durch vielfältigen Meyneid dẽ Quintilius Varus eingeschläffet / so würde der ohnmächtige Zaunkönig denen Krallen derer Römischen Adler ihre Beute schwerlich entrissen haben. Einen schlaffenden Löwen kan auch wohl ein Kind / einen schlaffenden Crocodil eine Mauß / und einen schlaffenden Varus der kindische und furchtsame Herrmann umbbringen. Und ach! wie viel Blut hat dieser unzeitige Sieg das arme Deutschland gekostet! Wäre dieser nicht erlangt worden /Tanfanens Heiligthum stünde noch / Mattium wäre nicht verbrant / die Länder derer Sicambern / Chaucen / Marsen / Bruckterer / Friesen / ja der Catten und Cherusker selbst / wären nicht biß auf den Grund verwüstet und verheeret worden. Aber so gehts / wenn man einem jungen närrischen Phaeton den Sonnen-Wagen und einem naseweisen Herrman Deutschland zu regieren anvertrauet. Seine eigene Gemahlin und Sohn müssen seinen Frevel in der Römischen Gefängniß noch diese Stunde büßen / uñ ich fürchte / gantz Deutschland dürffte endlich erfahren / daß der / den sie bißher wie eine Sonne verehret / ein schädlicher Schwantzstern gewesen sey. Hingegen seht hier den unvergleichlichen Ingviomer / dessen weiser Rath und tapffere Faust dem tummkühnen Herrmann alle seine Siege zu wege / aber lauter Undanck zum Lohne davon gebracht hat. Unter einem solchen Mann dürffet ihr euch nicht schämen zu fechten / ob euch gleich sonst der Sieg wider den Herrmann verächtlich düncken möchte / der ehe ein Ehemann worden / ehe er recht zum Manne geworden / und seine Kräffte der Venus allbereit aufgeopffert hat / da er kaum die Erstlinge davon dem Krieges-Gotte dargebracht hatte. Mich selbst will ich nicht rühmen. Der todte Briton /Gottwald / Dietmar / Critasir / mögen aus dem Staube vor mich das Wort reden. Doch bedünckt mich / dieses sey eine von meinen glückseligsten Begebenheiten / da Tiberius mit zwölff gantzen Legionen meine Gräntze zwar angefochten / aber so wenig ausgerichtet hat / daß er einen für uns sehr vortheilhafften Frieden eingehen müßen. Und dem Himmel und eurer Tapfferkeit sey Danck / daß es in unseren Händen stehet / ob wir wollen einen neuen Krieg denen Römern anbieten / oder Ruhe und Friede ohne Blut und Brand von ihnen annehmen. Allein was brauchts viel Worte? Folget mir / eurem ietzigen / und dem großmüthigen Bructerischen Hertzog / eurem zukünfftigen Könige /zur Schlacht / oder besser zu sagen / zum Siege!

Das Ende dieser Rede kunte man vor dem Schall der Paucken / Krumbhörner und messingen Töpffe nicht hören / welcher denn durch ein wüstes Feldgeschrey verdoppelt ward. Das Haupt-Heer führte Marbod selbst / den rechten Flügel Ingviomer / den lincken der Graff von Steinfurth.

Bey denen Cheruskern hatte das mittelste Heer den Feld-Herrn Herrmañ / der rechte Flügel den Hertzog Jubil / der lincke aber den alten wohlversuchten Helden / den Grafen von [1514] Nassau / zum Haupt und Anführer. Die Schlacht war so hitzig und so blutig / daß die vielfältigen Sümpffe und Lachen / die hier und dar auf der Wahlstatt waren / fast mehr Blut als Wasser in sich hielten. Ingviomer machte anfänglich dem Nassau überaus viel zu thun. Weil aber seine Völcker mehrentheils Hermundurer und Gothonen waren / verliessen sie ihn nach und nach / also daß es dem Nassau ein leichtes war / durch diese Lücken in des Feindes Flügel einzubrechen / und nachdem derselbe sich über die zehenmahl wieder in Ordnung gesetzet hatte / ihn gäntzlich aus dem Felde zu schlagen. Es wäre auch solches vielleicht noch nicht geschehen / wenn nicht Ingviomer selbst durch den Schweinitz am rechten Arm verwundet / bald hierauf mit dem unter ihm von Ritter Tschirnhausen erstochenen Pferde gestürtzet wäre; worauf denn mehr als viertzig von seinen Grafen und Edelleuten das Leben einbüsseten / indem sie verwehrten / daß Schweinitz und Tschirnhausen ihren Sieg an dem auf der Erde liegenden Fürsten nicht vollenden konten. Ingviomer kam hiermit wieder zu Pferde; weil aber seine Völcker / über dem falschen Geschrey von dem Verlust ihres Hauptes / die Flucht ergriffen hatten / muste auch er / er mochte wollen oder nicht / jenen nachfolgen.

Hingegen hatte der Graf von Steinfurth grosse Ehre wider den Jubil eingelegt; denn weil der Oberste derer unter dem Hermundurischen Hertzog fechtenden Langobarden / Fürstenberg / welcher den ersten Angriff thun solte / ein heimlich Verständniß mit jenem hatte / wiche er ohne alle Noth nach geringen Widerstande zurücke / und brachte damit Furcht und Schrecken in den gantzen Flügel. Der unverzagte Gardeleben entsetzte ihn zwar mit grosser Hertzhafftigkeit; Allein das Glück hatte einmahl den Hang zu denen Marckmännern bekommen / und dannenhero ob sich gleich Jubil den gantzen Tag mit unsäglicher Mühe wehrete und über sechs Wunden aufzuweisen / vier Pferde aber unter dem Leibe verlohren hatte / muste er doch endlich das Feld räumen.

Unterdessen war Britomartes der Bastarnische Fürst / dem König Marbod einige von seinen Völckern untergeben und die Ehre des ersten Angriffes vergönnet hatte / mit dem Gothonischen Fürsten Gottwald und seinen Cheruskern ins Handgemänge gerathen; und nachdem dieser durch den Grafen von Steinau mit einigen Semnonern / jener durch den Sarmatischen Fürsten Boleßla mit Sedusiern und Harudern verstärckt worden war / gieng der Streit so hefftig an /daß man über die Tapfferkeit aller vier Helden sich nicht genug verwundern konte; ungeachtet die Verwirrung der Schlacht keinem eintzigen Menschen verstattete / alle Thaten eines iedweden in acht zu neh men. Hermann hatte bißher mit Rathen und Befehlen das Amt eines Feldherrn verwaltet; nunmehr aber dachte er selbst mit dem Degen in der Faust in Marbods Heer einzubrechen / umb vielleicht denselben hiermit in Zweykampff zu bringen / und durch seine Niederlage dem Kriege ein Ende zu machen. Allein /weil dessen rechter Flügel gäntzlich geschlagen war /der lincke aber / der den Jubil bißher so herumb getrieben hatte / durch den Cheruskischen Entsatz wieder zurück zu weichen genöthiget ward / als ließ dieser König / über alles Vermuthen des Feindes / zum Abzuge blasen / und zoge sich auf die unferne von der Wahlstatt liegende Hügel / jedoch fechtend und mit so guter Art / daß die Cherusker / aus Furcht eines Hinterhalts / zu folgen sich nicht getraueten.

Diese kleinmüthige Flucht verdroß den Britomartes und Boleßla so sehr / daß sie deßwegen / doch mit aller Höffligkeit / den Marbod zur Rede setzeten / so bald sie im Lager zusammen kamen. Aber er antwortete ihnen gar nicht nach ihrem Sinne / der auf die hertzhaffte Fortsetzung der Schlacht gerichtet war; sondern gab unter [1515] andern vor / er hätte solches thun müssen / weil er sonst die übrigen seines rechten Flügels nicht wieder an sich ziehen / noch auch den lincken Flügel verhindern können / sich allzu weit von dem mitteln Heer zu entfernen / und daß endlich nicht sie / sondern er / als Herr und Haupt aller dieser Völcker / am besten wissen müste / ob er seine getreuen Schafe / umb etliche räudige unter seine Heerde wieder zu bringen / auf die Schlachtbanck liefern sollen /oder nicht. Weil er nun dieses mit einer sehr verächtlichen Art verbrachte / auch sich immer mürrischer vernehmen ließ / ie höfflicher die vernünfftigen Gegeneinwürffe der beyden Fürsten waren; begehrten sie beyderseits ihre Erlassung / welche Marbod ihnen auch stehendes Fusses gab / und sie mit ihren eigenen Sarmatisch- und Bastarnischen Edelleuten nebenst einer kaltsinnigen Dancksagung für ihren bißherigen Beystand / ihres Weges ziehen ließ: Alldieweil er vermeynte / man würde eine handvoll Volckes unter so viel tausenden nicht vermissen. Aber er bedachte nicht / daß es mehr schadete eine so genante handvoll Helden / als noch so viel tausend gemeine Knechte verlieren. Ihr Abzug machte ein grausames Gemürmel und eine fast tödtliche Furcht in dem gantzen Lager /dessen Würckung erst folgenden morgen zu sehen war / indem alle Gothonen und Sedusier / ja etliche vornehme Marckmänner zu Herrmannen und Gottwalden / alle Hermundurer aber zum Jubil / durch Hülffe der dunckeln Nacht / übergegangen waren. Hatte nun Marbods Lager zuvor das Ansehen einer volckreichen Stadt gehabt / so ward es ietzo zu einer Wüste / in welcher er sich länger zu bleiben fürchtete / dannenhero über Hals und Kopff in sein Marckmännisches Gebiet die Flucht nahme / und damit dem grossen Herrmann den völligen Besitz der Semnonischen und Langobardischen Lande einräumte und überliesse.

Zu Maroboduum traff er den gefährlichverwundeten auf dem Bette liegenden Ingviomer in der Gesellschafft seiner höchst-bekümmerten Gemahlin an. Welche / als sie den unvergnügten Abschied derer Sarmatisch- und Bastarnischen Erb-Fürsten vernahm /höchlich erschrack / und weil Ingviomer wegen seines Wund-Fiebers nicht reden konte oder durffte / selbst Gelegenheit nahm / ihren Vater / den Marbod / also ungefehr anzureden: Ich weiß nicht / gnädigster Herr und Vater / warumb mich die Wegreise des Britomartes und Boleßla so sehr betrübet; Ungeachtet der Schmertz über die hefftige Kranckheit meines allerliebsten Gemahls mein Gemüthe dermassen angefüllet hat / daß es fast unmöglich scheinen solte / daß ein anderer Kummer noch einigen Raum darinnen finden könte. Allein / wahrhafftig! der Verlust zweyer so theuern Helden und zweyer so treuer Freunde unsers Hauses ist noch wohl einer ungemeinen Empfindligkeit werth. Deñ ein Freund ist ein lebendiger Schatz /der lange gesucht / aber selten gefunden wird / und sehr sorgfältig bewahret werden muß. Niemand in der Welt ist so reich / so hoch / so mächtig / der nicht Freunde bedürffte. Sonderlich aber sind solche Freunde nicht leichtlich vor den Kopff zu stossen / die uns mit ihrer Gunst nützen / mit ihrer Ungunst schaden können. Nun aber ist die kluge Erfahrenheit / der kühne Muth / die tapffere Faust des Boleßla und Britomartes es nicht allein / was wir hoch zu achten hatten / sondern ihre volckreichen Länder hätten zugleich auf allen Nothfall uns so wol streitbare Hülffs-Völcker / als auch einen sichern Auffenthalt und Freystatt geben können. Dahingegen nunmehr der vorige köstliche Wein in desto schärffern Eßig / ihre ehemahlige dienstfertige Gunst in desto unversöhnlichern Haß sich verwandeln möchte. Alldieweil auch keine Funcke Feuer so klein ist / die nicht einen gantzen Palast anzünden könte / wenn man sie nicht wohl verwahret; oder kein Mensch so ohnmächtig / daß [1516] er nicht seinem Beleidiger einigen Schaden wieder anthun könte: was soll ich denn von zwey so grossen Fürsten sagen / oder fürchten? Zu geschweigen / daß alle benachbarten Höfe sich vor unserer Freundschafft hüten dürfften / wenn sie aus diesem Exempel die Folge machen wolten / daß wir angebotene Dienste zu unserm Nutzen von iederman willig annehmen / einen wolverdienten Freund aber durch gebührende Bescheidenheit und danckbare Erkentlichkeit zu erhalten unbemühet wären.

Marbod antwortete: Ich weiß wol Freunde zu erhalten; allein sie müssen meine Freunde bleiben / nicht meine Herren werden. Denn was hilfft michs / ob diese beyden Frembdlinge verhindern / daß ich nicht unter Herrmañs Joch gerathe / wenn sie selbst meinen Willen beherschen wollen? O! nein! Ich bin viel zu alt / als daß ich diesen unbärtigen Jünglingen / meine Lehr- und Zuchtmeister zu seyn / verstatten solte. Gnädigster Herr und Vater! (wandte Adelgund ein) Eure Majestät vergeben / daß ich bitte / diese tapffern Fürsten wegen ihrer unbärtigen Jugend nicht zu verachten / nachdem man die Helden nicht nach denen Bärten ausmässen / sondern nach ihren Thaten schätzen muß. Ich kan aber keines weges begreiffen / warumb eure Majestät die ohne Zweiffel wohlgemeinte Erinnerung dieser so höfflichen und vernünfftigen Fürsten so gar übel ausdeuten. Gesetzt auch / sie hätten ein wenig zu frey und scharff geredet / pflegt man denn eine Biene deßwegen wegzujagen / weil sie einen Stachel führt / und nicht vielmehr an sich zu locken / weil sie mit ihrem Honig uns nützen kan? Wer von einem Freunde seine aufrichtige Meinung ohne alle Heucheley hören kan / und doch die Freyheit behält das zu thun / was ihn seine eigene Vernunfft lehren wird / der ist der glückseeligste auf Erden. Denn iedweder Sterblicher braucht ja so wohl jemand / die Fehler seines Gemüths / als einen Spiegel / die Flecken seines Angesichtes / zu erkennen. Man laß auch seyn / daß der Freund uns dieses mahl zur Ungebühr einrede: vielleicht trifft ers ein ander mahl besser. Und damit er nicht alsdenn schweige / muß man ihm auch ietzo gedultig Gehöre geben. Ist doch eine freundliche Erinnerung nur ein Rath / nicht ein Befehl: kein König aber ist so groß / daß er sich einen Rath anzunehmen schämen dürffte. Und ich kenne die Art dieser unvergleichlichen Fürsten allzu wohl / als daß ich vermuthen solte / daß sie ihre Einrede vor ein unverbrüchlich Gesetz / keines weges aber vor ein unvorgreifflich Gutachten / ausgegeben hätten. Wir haben ja Heuchler gnug an unserm Hofe / die eben so leicht Worte finden unsern grösten Fehler / als wie jene Griechen / die Fliegen / Fieber und Glatzen / zu lobon. Allein was sind wirs gebessert / wenn wir uns gleich die süsse Einbildung beybringen lassen / wir könten so wenig / als Götter / irren? Wir verlieben uns hiermit in unsere alte Mängel / an statt daß wir selbige abschaffen solten. Diese unglückliche Eigen-Liebe heckt hernachmahls unzählige Mißgeburten /sonderlich Spott bey der klugen Welt / bey uns aber eine allzuspäte Reue.

Liebste Adelgund! (versetzte der König /) ihr seyd allzu kleinmüthig! Das hoffe ich nimmermehr zu erleben / daß ich ausser meinem Reiche zu einigen Menschen Zuflucht nehmen müste. Am allerwenigsten aber soll es in Sarmatien oder Bastarnien geschehen. Der Römische Bothschaffter / Vellejus Paterculus /hat mich tausendmahl versichert / daß die gantze Macht des unüberwindlichen Roms mir / als dessen treuesten Bundesgenossen / im Fall der Noth zu Dienst stehe. Dannenhero will ich ehest Römische Legionen gnug in meinem Lande haben / wenn ich nur den Käyser darumb gebührend begrüssen will. Ach! gnädigster Herr und Vater! (erwiederte Adelgund /) Wolte der Himmel / daß wir so gar sicher zu seyn Ursach hätten / als eure Majestät sich einbilden. Unser[1517] Reich ist ein grosser Leib von vielen Gliedern. Der kalte Brand hat etliche von diesen schon gefressen: Wer weiß / ob er nicht weiter umb sich greiffen möchte? Wir wären warlich nicht die ersten in der Welt /die den Unbestand des Glücks erfahren hätten. Wer würde es dem Briton gesagt haben / daß er den Kopff auf dem Block unter dem Beil verlieren solte? Wie will man doch unter dem wandelbaren Mond was unwandelbares finden? Die schönste Morgenröthe bringt mehrentheils einen trüben Tag; und ein glücklicher Anfang im Regiment ni t öffters ein unglückliches Ende. Wohl dem / der zu beyden geschickt ist / und weder wegen eines ungewissen zukünfftigen Unglücks sich vor der Zeit härmet / noch auch dasselbe aus allzugrosser Vermessenheit vor eine unmögliche Sache hält! Solte aber nun einiger menschlicher Zufall auch über uns verhänget seyn / ich fürchte / es möchte alsdenn mit unsern Freunden wie mit denen Arabischen Ziphern gehe; da man etwan nur eine eins oder zwey weg thun mag / so sind alle die nachfolgenden /obgleich unzähligen / Nullen nichts nütze. Es wäre uns demnach gar gut / wenn wir nicht nur den Britomartes und Boleßla / sondern auch noch mehr ihres gleichen zu Freunden hätten / damit wir auf den unverhofften Nothfall desto ehe die Wahl hätten / und /wo einer nichts von uns wissen wolte / bey dem andern Hülffe fänden. Daß aber eure Majestät so grosse Hoffnung auf die Römer setzen / muß ich mir so gefallen lassen. Gleichwohl haben sich Tiberius und Paterculus schon mehr als zu viel verrathen / daß ihnen gute Worte nicht sauer anko en / und das Heucheln und Betrügen ihr ordentlich Handwerck sey. Ich habe neulichst ein eintzig stück von einer Römischen Historien gesehen / so Paterculus zu schreiben willens ist. Warhafftig fast mehr Schmeicheleyen gegen den Käyser und den Sejan / als Worte waren drinnen enthalten! So er nun sich nicht für einen Schimpff hält /durch Papier / Feder und Tinte seine Unwarheiten der Welt bekant und sich verbindlich zu machen / selbige jederzeit zu verthädigen; wie solte er uns nicht geschmierte Worte ohne Bedencken geben / nachdem dieselben verschwunden / so bald er sie gesprochen hat / und wir demnach sie ihm nimmermehr wieder vor Augen legen können / wenn ers nicht mehr vor nöthig hielte / zu gestehn / daß er dergleichen geredt hätte. Sagte doch unlängst ein kluger Mann / Abgesandten wären solche Leute / die an andere Höffe hingeschickt würden / umb daselbst eine Zeitlang zum Nutzen ihrer Herren zu liegen; da denn die Aussprache des letzten Wortes so zweiffelhaftig klunge / daß man nicht wuste / ob er liegen oder lügen sagen wolte. Ich halte / diese Beschreibung dürffte an unserm Vellejus am gewissesten eintreffen. Jedoch der Himmel verhüte / daß wir weder bey ihm / noch bey seinem Herrn / Schutz und Hülffe zu suchen genöthiget werden!

Marbod bedachte sich hierauf ein wenig; endlich sprach er: wir müssen uns in die Zeit schicken; auch /weil wir noch mächtig sind die Römer zu Hülffe ruffen / und in ein festes Kriegs-Verbündnüß wider unsere Feinde verwickeln. Denn bey unserm jetzigen Zustande lassen sie es wohl bleiben / daß sie sich unserer Freundschafft gäntzlich entschlagen solten / welches ehe geschehen möchte / wenn wir gantz und gar von Land und Leuten verstossen wären. Und demnach werden wir desto weniger das zu befürchten haben /was euch / geliebtste Tochter / so furchtsam machet. Hiermit gieng er aus dem Zimmer / und lase unter seinen Rittern den Kulenburg und Tannenberg zu Abgesandten nach Rom aus. Selbige musten selbdreißig des Tages hernach aufbrechen und kahmen endlich den Nachmittag vor Rom an / an welchem Rhemetalces nach Thracien abgereiset war.

[1518] Weil sie nun umb Beschleunigung der Verhör Ansuchung thun liessen / wurden sie folgenden Tages auf das Capitolium durch den Sallustius gehohlet / da sie denn dem Käyser und Römischen Rath des Marbods Schreiben übergaben / in welchen er ümb eine Vereinigung der Römischen Waffen mit denen Seinigen wider die Cherusker anhielt. Sie wurden darauf mit aller Höfflichkeit wieder aufs Marsfeld gebracht. Zwey Tage hernach erhielten sie die Abschieds-Verhör / welche aber ihnen zu schlechten Trost gereichte. Denn sie empfingen diese so münd- als schrifftliche Antwort: König Marbod fordere unbillig einigen Beystand von denen Römischen Waffen wider die Cherusker / nicht allein / weil die Römer nur neuligst einen beständigen Frieden mit diesen geschlossen /sondern auch weil er denen Römern seinen wircklichen Beystand versaget hätte / da sie annoch mit denen Cheruskern in einen so schweren Krieg verwickelt gewesen wären / und ihn durch ihren Gesandten /den Servilius / ersuchen lassen / ihre Freunde und Feinde auch für die Seinigen zu halten. Jedennoch aber wolten sie seinen Feinden wider ihn nicht behülfflich seyn; Vielmehr sollte des Käysers Sohn Drusus in Illyricum ehester Tage abreisen / und nicht zwar mit denen Waffen / doch mit nachdrücklichen Zureden / den Frieden in gantz Deutschland zu vorigem Stand wieder bringen.

Die armen Marckmännischen Gesandten musten mit einer so schlechten Verrichtung ihres Weges wieder fort ziehen / und hatten keinen andern Nutz / als daß sie draus lernen kunken / daß wer auf Menschen sein Vertrauen setzet / der baue ein Schloß auf einen Hauffen Schnee / oder auf einen gefrohrnen Strohm. Denn / so lange man keine Hülffe bedarff / ist iederman darzu willig und erbötig; So bald aber die Noth an Mann gehet / so sind die vorigen Freunde schwerlich zu erhalten / und gebrauchen sich ihres höhern und bessern Zustandes mehr zu unsern Schaden / als Nutzen; gleich wie etwan Qvecksilber / wenn es ein wenig Hitze ausstehen soll / davon und in die Höhe fleucht / in der Höhe aber zum schädlichsten Gift wird.

Diese öffentlichen Feinde des deutschen Feld-Herrn Herrmanns waren kaum aus Rom hinweg / als Schreiben von einem seiner heimtückischen Feinde ankamen / welche der Käyser bey der ersten Raths-Versamlung durch den Bürgermeister Cäcilius nachfolgender massen ablesen ließ:


An den Unüberwindlichen Claudius Tiberius Nero /Römischen Käyser / Beherrschern der Welt.


Nachdem Eurer Käyserlichen Majestät an denen Cheruskischen / Cattischen und Marckmännischen Höfen einige geringe / doch treue und vielleicht nicht unnützliche Dienste zu leisten / ich ehemahls das Glück gehabt; als wird verhoffentlich mein Nahme nicht so unglücklich seyn / daß er dero allergnädigsten Andencken gäntzlich entfallen wäre. Ich gehe jetzund in der Irre in meinem Vater-Land; und lebe zwar in Deutschland / doch so / daß ich diesem gantz abgestorben / und hingegen mein Leben allein nach Eurer Käyserlichen Majestät allergnädigsten Belieben anzuwenden oder aufzuopffern erbötig bin. Daß ich ehemahls dem Cheruskischen Hertzog das Leben mit Gefahr meines Lebens gerettet / damit hab ich keine Gunst bey denen Deutschen / und lauter Haß bey denen Römern verdienet. Solchen Fehler an beyden Orten zu verbessern / bin ich des Vorsatzes / diesem Undanckbahren das ehemahls-gerettete Leben zu nehmen / und damit Rom von einem gefährlichen Feinde / Deutschland von einem ehrsüchtigen Tyrannen / die[1519] Welt von einem unruhigen Friedensstöhrer zu befreyen. Mit dem Degen in der Faust will sich die Sache nicht thun lassen; massen Herrmann niemahls ohne starcke Leib-Wacht ist: Gifft aber scheinet das kürtzste und sicherste Mittel zu seyn. Jedoch / weil dergleichen in unsern Landen nicht zubereitet wird /werden Eure Käyserliche Majestät so viel / als zu einer so wichtigen und heilsamen Unterfahung nöthig ist / zu übermachen allergnädigst geruhen / übrigens aber dero unterthänigsten Diener ihrem mächtigen Schutze und Beförderung aufs beste empfohlen seyn lassen.

Adgandester.


Nicht wenig unter den Raths-Herren dachten dem Blutdürstigen Tiberius zu heucheln / und fingen an /diesen Vorschlag des Cattischen Fürstens Adgandesters mit vielen Worten gut zu heissen. Allein sie änderten gar bald die Sprache / als der Käyser ihre Stimmen mit dieser Rede unterbrach: Es braucht nicht groß Nachsinnens / ihr edlen Väter unsers Reichs /was wir antworten sollen? Rom darf nicht mit List oder Meuchelmord seine Feinde überwinden; Es hat Macht und Muth genug / mit den Waffen in der Hand und im freyen Felde es zu thun. Die Deutschen sollen nimmermehr uns nachsagen können / daß ihr so gerühmter Grubenbrand / ehemahliger Hertzog derer Sicambrer / uns an Tugend übertroffen / in dem er seinen Feind / den Gallischen Feld-Herrn Turranius für dem Meuchel-Mörder gewarnet / der ihm angebothen hatte / jenen nieder zu machen. Der sterbende Hannibal beschwerete sich zwar / daß die Römer die Sitten ihrer löblichen Vor-Eltern verlernet hätten / welche ihren offenbahren Feind / den König in Epiro / Pyrrhus / vor seinen Leib-Artzt gewarnet / als ihn dieser /denen Römern zu Dienst / mit Gift hinrichten wolte. Aber das sey ferne! Diese Redligkeit ist auch uns angeerbt. Adgandester mag seine Dienste zum Gifftmischen anbieten / wo er will und kan! Bey uns soll er damit schlechten Danck verdienen!

Es ward demnach eine Antwort von gleichem Inhalt verfertiget / Adgandesters Schreiben deroselben beygelegt / und nebenst einem Umbschlag an den Hertzog der Catten Arpus abgeschickt / nebenst freundlicher Bitte / Inschluß an seinen Vetter zu befördern / weil man zu Rom deßen Auffenthalt nicht wüste. Wobey denn Tiberius hoffte / Arpus würde diesen an seinen ärgsten Feind haltenden und demnach sehr verdächtigen Brief eröffnen / dadurch eine grosse Einbildung von der Redligkeit derer Römer überkommen und desto ehe zu rechter Zeit betrogen werden können. Adgandesters Boten aber hatte Sejanus / auf Gutbefinden des scheinheiligen Käysers / in seinen Palast verborgener Weise aufgeno en / gab ihm auch ein starckes / doch langsam-tödtend- und rasendmachendes Gifft / nebenst mündlicher Versicherung / daß der Käyser zwar nicht den Nahmen haben wolte / als ob er durch Gift sich von seinen Feindẽ befreyen müste / jedennoch würde es ihm kein geringer Dienst seyn / wenn Adgandester seinen guten Vorsatz zu Wercke richtete und aller selbst-verlangten Belohnung davor gewärtig wäre. Der Bote / (welches eben der leichtfertige Druyde Luitbrand unter falschen Haar / Bart und Kleidung war /) bate zwar um einigen schrifftlichen Schein / den er wegen seiner Verrichtung dem Fürsten Adgandester auflegen könte. Allein Sejanus dachte / eine mündliche Antwort ließ sich besser / als eine schrifftliche / läugnen / wenn es allenfalls mit dem Bubenstück nicht wohl von statten gienge. Drumb antwortete er / das empfangene Gifft wäre Scheins genug / er möchte nur je ehe / je lieber fortreisen. Solchergestalt schämet sich die ruchlose Welt lasterhafft zu heissen / nicht aber lasterhafft zu seyn / und achtet nicht / ob gleich das Gewissen sie täglich ihrer Missethaten aufs schärfste [1520] erinnert /wenn nur niemand ihr solche unter das Gesichte sagen darff.

Mitler Zeit waren die dem Beroris und Dietrich nachgeschickten Soldaten wieder ankommen / brachten aber an statt der flüchtigen Thußnelda die Nachricht / daß man sie nirgends hätte finden können. Diese Ungewißheit verdroß den Tiberius und Sejanus nicht so sehr / als die gottlose Sentia / welche daher endlich bewogen ward / bey einer Zauberin nachzufragen / was es doch für eine Beschaffenheit mit Thußneldens Flucht gehabt? Diese hielte sich gantz verborgen in einem schlechten Hause bey dem Berge Cölius auf / und hatte nur vor weniger Zeit sich verstohlener Weise daselbst wieder eingeschlichen /nachdem sie vor dem Jahre wegen des Libo Verrätherey aus Italien nebenst unzählich andern ihres gleichẽ war verwiesen worden. Weil nun sie ihrer ehemahligen grossen Wolthäterin / der Sentia / ihren Aufenthält zu wissen gethan / verfügte sich diese in Mannes-Kleidern zu ihr / und bekam / nach vielen Gauckeleyen der alten Hexe / diese Schrifft in einem Spiegel zu sehn:


Der dir das Leben gab / befreyte die vom Tod /

So dir verhaßter ist / als alle Todes-Noth.

Doch wird er deiner Nach' ein fettes Opffer geben:

Du machst den Urtheils-Spruch; Tiber ni t ihm das Leben.


Der Lügen-Geist redete hierinnen die Warheit. Denn als der Sentia Vater Aelius Sentius Saturninus /auf Befehl des Käysers / die zum Todt verdammte Catta ihrer Ehre berauben solte / führete er sie zwar mit Gewalt in das Zimmer / welches zu dieser Schandthat bestimmt war; So bald er aber sich bey ihr alleine sahe / sprach er: Sie sehen / gnädigste Fürstin / in was für einen Zustand wir gerathen / und wie uns nichts mehr frey stehe / als die Wahl / entweder warhafftig / oder zum Schein zu sündigen. Unter diesen zwey Ubeln müssen wir das Letzte erwehlen. Denn wenn auch dieses uns zuwieder wäre / würde der tolle Käyser uns alle beyde auf andere Art etwas ärgers zu leiden sonder Zweiffel nöthigen. Dieses hatte er kaum gesagt / als er zu denen weissen seidenen Betten trat /dieselbe unter einander warf / hernachmals sich oben in den hierzu aufgestreifften lincken Arm mit dem Dolch stach / ein theil Bluts ins Bette lauffen ließ /die Wunde mit einem zarten Schweiß-Tuch verband /und zuletzt also anfieng: Sie wollen / gnädigste Fürstin / dieses mein Verfahren nicht in Ungnaden vermercken / nachdem es die äusserste Noth erfordert /und selbiges zwar den Käyser / jedoch nicht nur zu unsern / sondern auch zu seinem besten / betriegen soll / massen er hierdurch gehindert wird / grössere Greuelthaten an uns beyden außzuüben. Weil uns aber der Tyrann selbst zu dieser einsamen Unterredung behülfflich gewesen / wollen wir uns deroselben auch recht nutzbarlich gebrauchen.

Sie berathschlagten sich hierauff / wie so wohl sie /als auch das sämtliche Frauenzimmer / in Freyheit könte gesetzet werden. Als sie nun deßwegen einig waren / vollzogen sie ihre Abrede folgender massen: Es hatte ehemahls Saturninus dem gefangenen und leibeigenen Griechen Aristides / wegen seines sonderbaren Verstandes in Haußhaltungs-Sachen / bey dem Käyser den Hut eines Freygelassenen und das Amt eines Kellermeisters über etliche von seinen Lusthäusern zuwege gebracht. Wegen dieser Verbindligkeit gedachte er jenen mit grossen Geschencken und noch grössern Versprechen zu gewinnen / daß er / wenn er der Wacht und andern Haußgenossen zur Abendmahlzeit / wie bißweilen geschahe / Wein austheilen würde / einen sehr wohlschmeckenden mit Allraunwurtzel oder Mahsafft zu einem starcken Schlafftrunck machen möchte. Diß gieng glücklich an. Aristides versprach dem Saturninus / in Thußneldens Dienst zu treten / weil es ihm ohnedem in die Länge beschwerlich fiele / einem Tyrannen zu dienen / bey dem er keinen [1521] Augenblick seines Lebens sicher wäre. Weil nun über dieses der tobende Käyser eine Triumph-Mahlzeit / dem Saturninus zu Spott / hielte /gab es desto weniger Verdacht / daß alles / was im Hauß war / so viel Wein zu sauffen bekam / als es begehrte. Jederman kostete den guten Wein / und kunte dessen nicht satt werden / biß endlich einer nach dem andern wider sein Vermuthen in einen tieffen / ja mancher aus dem natürlichen in den ewigen Schlaff fiel; massen die einschläffenden Artzeneyen zu Gifft werden / wenn man darvon mehr zu sich ni t / als die Natur ertragen kan. Saturninus selbst / allen Verdacht zu meyden / tranck so viel / als er zu einem mäßigen Schlaff nöthig hatte / stellete sich aber am allerersten schlafftruncken. Inzwischen hatte Aristides / durch die vom Saturninus empfangene Haupt-Schlüssel /Thußneldens Gemach aufgeschlossen / wobey er zugleich sie bate / kein groß Geräusche zu machen /weil er sie in ihre Freyheit zu versetzen willens wäre. Er bracht ihr zum Wahrzeichen des Saturninus Schreib-Taffel / in welche Catta mit eigener Hand dieses geschrieben hatte:


Glaubt diesem Freygelassenen / der uns aus freyen Fürstinnen zu seinen Freygelassenen machen will.

Catta.


Er führte hiemit Thußnelden / Ismenen / Rhamis /Clotilden / und die Gräfin von Nassau in ein nahe dabey gelegenes Gemach / in welchem männliche und weibliche Kleidungen und Waffen / nach Art unterschiedener Völcker in der Welt / in grosser Menge lagen / und wenn es dem Käyser beliebte / zu Täntzen und Schauspielen gebrauchet wurden. Sie verwechselten hier ihre weibliche Teutsche mit männlicher Römischer Kleidung / gürteten gute Schwerdter an die Seite / und giengen hiernächst vor Cattens ihr Zimmer / bey welchem zwey Soldaten noch wachten / die andern zwey aber hart und feste schlieffen. Wegen ihrer mäñlichen Kleidung sahe sie die Wacht anfänglich vor ihres gleichen an; so bald sie aber näher kamen /und auf dieser ihr Zuruffen nicht antworten wolten /wurden beyderseits die Schwerdter geblösset / uñ der eine Kriegsknecht von Thußnelden / der andere von Ismenen niedergehauen. Ihr Geschrey war gleichwohl in der stillen Nacht die Stiegen hinunter in das Hauß gedrungen / dannenhero fünff noch darunten wachende mit Ungestüm hinangelauffen kamen / aber von unsern Heldinnen so tapffer empfangen wurden / daß sie ihre Wachsamkeit mit einem immerwährenden Schlaffe büssen musten. Hierauf ward das Gemach von Aristides geöffnet / und Catta von Ismenen und der Gräfin von Nassau eiligst in männliche Tracht umgekleidet; auch die obgedachten vier Brieffe an den Tiberius / Agrippina / und Rhemetalces von Thußnelden / Clotildis und Catta geschrieben / und die völlige Flucht vorgenommen; woran sie zwar noch zwey sich ermunternde Wächter hindern wolten /aber zur Straffe in die andere Welt verwiesen wurden. Aristides legte die Hauptschlüssel an einen gewissen Ort / den Saturninus wuste / und diente dem flüchtigen Frauenzimmer zum Wegweiser.

Dieses alles konte die vertrackte Sentia aus denen in dem Zauber-Spiegel gesehenen Reimen guten theils abnehmen / weßwegen sie einẽ unversöhnlichen Haß auf ihren leiblichen Vater warff und noch selbigen Tages Gelegenheit nahm / den Käyser zu besuchen /ihm die Reimen zu erzehlen und zu rathen / daß er den Saturnin auf die Folter solte werffen lassen. Tiberius / ob ihm wohl sonst kein Laster zu groß war / erstaunete nicht wenig / als er sahe / daß dieses Weib ihm an Boßheit überlegen seyn wolte. Jedoch freuete er sich / daß er nun wuste / wen er wegen Thußneldens Flucht zu besprechen / oder zu straffen befugt wäre. Daher er auch weder der Sentia ihre Zau ber-Händel verwiese / noch [1522] auch die Hexe zu gebührender Straffe ziehen ließ. Nichts destoweniger sahe er wohl / daß er eine so hochverdiente Raths-Person und ansehnlichen Kriegs-Helden auf das dunckele Zeugniß einer Zauberin zur Marter oder Tode nicht verdammen könte / wolte er anders nicht den gantzen Rath / Soldaten und Pöbel ohne Noth sich zu Feinden machen. Drumb begehrte er / die Fürstin möchte nachdencken / ob man nicht den Saturninus des Lasters der verletzten Majestät wahrscheinlich / ob gleich fälschlich / beschuldigen und unter solchem Vorwand dem Gericht des Raths übergeben könte / da er denn wegen seines ziemlichen Alters die scharffe Frage ohne Bekäntniß dessen / was man verlangte /schwerlich aushalten würde.

Sie muste sich hiermit zu frieden geben und bald drauf Abschied nehmen. Indem sie nun von dem Käyser aus seinem Gemach hinaus begleitet ward / stiesse sie ungefehr mit dem Fuß wider ein zusammenegrolltes Pergament / welches sie durch einen von ihren Dienern aufheben ließ. Sie hatte aber kaum die erste Zeile oder Uberschrifft dieses sehr klein und sauber geschriebenen Blates gelesen / als sie zum Käyser heimlich sprach: Dieser Zettel enthält in sich die vornehmsten Thaten Eurer Käyserlichen Majestät. Es wäre demnach unbillich / wenn er mit Füssen solte zertreten werden. Wollen Eure Majestät vergönnen /daß in dero Zimmer wieder zu folgen / ich die Gnade habe / wäre ich bereit dero höchstverdienten Lobspruch daselbst abzulesen / weil vielleicht Eure Käyserliche Majestät / aus angebohrner übermäßiger Bescheidenheit / selbst nicht wissen oder im Gedächtniß halten / weßwegen der gantze Parnassus auf dero Altar Weyhrauch aufzustreuen verpflichtet ist.

Tiberius muste in diese Bitte aus Höffligkeit alsbald einwilligen. Nachdem er nun die Fürstin neben sich in seinem Gemach an einen kleinen elffenbeinen Tisch gesetzet hatte / fienge sie an zu lesen. Allein die andere Zeile des ersten Gesetzes kam ihr gleich verdächtig vor / daß sie nach einem auf dem Tische liegenden Messer grieff und die Schmähschrifft in Stücken zerschneiden wolte. Der Käyser aber risse ihr das Pergament unverletzt aus der Hand; worauf sie ihm zu Füssen fiel und seine Knie unter diesen Worten umbfassete: Ach! allergnädigster Käyser! Ich bin des Todes schuldig / nachdem ich eine verfluchte Lästerschrifft / als einen Lobspruch / vor dero Augen bringen dürffen. Aber Tiberius hub sie mit aller Freundligkeit auf und sagte: Sie machen sich deßwegen keine Sorge / geehrteste Fürstin! Mir ist gnugsam bewust / daß sie unschuldig seyn. Unterdessen achte ich dergleichen Schmähungen so wenig als der Mond das Anbellen der Hunde / oder die Sonne die Flüche derer Atlanten bey Cyrene / die sie wegen ihrer durch über mäßige Hitze verbranten Aecker täglich wider jene ausschütten. Ich thue / was ich will / und lasse meine Feinde reden / was sie wollen. Drumb so muß ich selber dieses Gedicht ablesen und sehen / ob was kluges darinnen stecke:


Vornehmste Thaten des ruhmwürdigsten Käysers TIBERIUS.


I.

Tiberius heyrathet eines Käysers Tochter.

Es wird vielleicht Tiber noch einst auf dieser Erden
Ein neuer Jupiter / doch ohne Blitze / werden;
Es trifft sein Bildniß ja mit Hammons überein /
Weil Julia sein Haupt mit grössern Hörnern zieret /
Als Zevs in Libyen an beyden Schläffen führet:
So mag Rom Africa / Tiber der Hammon seyn.

Der Käyser setzte / nach Verlesung / nichts mehr /als dieses / hinzu: O Thorheit! was kan ein Mann davor / wenn seine Frau ihrer Ehre überdrüßig ist? Er lase aber ferner fort / wie folget:


[1523] II.

Tiberius nimt den Sejan zum Gefährten seiner Reichs-Geschäffte an.

Was neues und nichts guts! Rom! schau doch und erzitter'!
Es wird dein Käyser nun aufs Alter gar zum Zwitter.
Er ist ein Herr der Welt / doch eines Knechtes Knecht.
Wohl! schmeiß den Knecht nur todt; so kriegt der Herr sein Recht.

Ey (brach Tiberius ein /) das ist trefflich spitzsündig ausgesonnen! Man will meiner als eines Käysers und so genanten Herrns der Welt verschonen / jedennoch einen Meuchelmord an mir als einem vermeynten Knechte des Sejanus ohne allen Scheu begehen. Wohl! ich muß es erwarten! Allein kennete ich diesen Tichter / so solten seine Poetischen Lorbern ihn vor den Blitz des Hencker-Schwerdtes wenig schützen. Doch die herrlichen Erfindungen müssen noch weiter durchgelesen werden.


III.

Tiberius wolte aus kindlicher Liebe hertzlich gerne je ehe je lieber seine Frau Mutter vergöttern.

Wer will vor Livien Verwandlungs-Bücher schreiben /
Und ihres Sohnes Ruhm denselben einverleiben?
Das Leben gab sie ihm; Er wüntscht sie zu begraben.
Verkehrt der Adler nun sich nicht in einen Raben?

Warhafftig! (sagte der Käyser /) bey dir / du armer Bavius! wird der Römische Adler zu keinem Raben werden / umb dir die Augen am Creutz auszuhacken! Es thut dirs schon ein geringerer! Allein wolte der Himmel / daß ich dich kennen möchte! ich wolte sicherlich durch dein eigen Exempel den Ort in deines Ovidius Verwandlungs-Büchern trefflich erläutern /wo der ehrliche Orpheus von denen Bacchen gesteinigt und zerfleischet wird. Zwar ich möchte wohl meiner Frau Mutter Urtheil wissen / ob sie mich auch vor einen undanckbaren Raben halte? Doch lasts gut seyn! Zeit hat Ehre! Last sehn! sie geht gleich mit der Jahrzahl. Vielleicht sieht sie es noch dreyßig Jahr mit an / so hat sie ihre hundert voll und kan sich an denen hundert-jährigen Lustspielen besser als an ihrer Vergötterung ergetzen. Gleichwohl weil ich höre / daß Liviens künfftige Vergötterung dem Römischen Volck ein solcher Dorn im Auge ist / so will ich hiermit hoch und theuer geschworen haben / solche nimmermehr zuzugeben und also diesen liederlichen Tichter zu überführen / daß seine Getichte blosse Gedichte gewesen! Doch stille! die Hefen sind noch zum besten.


IV.


Der ernsthaffte Tiberius schickt seinen Sohn Germanicus in den Armenischen Krieg und hält derer Römer Schätze mit guter Sparsamkeit zu rath.


Saturn herrscht nun in Rom! Tiber zeigt in Geberden

Saturnus Aehnligkeit!

Wie aber! will die Zeit

Nicht unter dem Saturn / wie vormahls / gülden werden?

Sein Gelddurst ni t uns Gold; sein Blutdurst giebt uns Eisen /

Er frisset Kinder auf und Rom mag Eicheln speisen.


So! so! (beschlosse der Käyser /) nun sehe ich erst /woran es dem guten Menschen mangelt. Er beklagt sich / daß er weder Geld / noch was gutes zu essen oder zu trincken habe. Allein er mag sich trösten / daß die Armuth mehrentheils ein Zeichen eines guten Poeten sey / weil der Parnassus keine Gold- und Silber-Bergwercke hat. Ein guter Wein ist sonsten zwar der Poeten Reitpferd; kan er aber solchen nicht bezahlen /so mache er sich mit dem Pferdeharn lustig / ich will sagen / mit der Hippocrene / die von seinem Pegasus entsprungen ist. Jedoch ich muß nicht zu viel schertzen; sonst verliere ich die Ehre / Saturnus zu heissen.

Sentia hatte bißher in tieffen Gedancken gesessen /weil sie aus ihrem Kopff / gleich einer Spinnen / ein Netze weben muste / das ihren [1524] Vater zu fahen fest genug wäre. Endlich rieff sie gantz freudig aus: Allergnädigster Käyser / nichts ist so schlimm / das nicht zu etwas gut wäre. Kein Gifft ist so schädlich / aus welchem man nicht eine heylsame Artzeney machen könte. Eben diese gifftige Schmähe-Schrifft soll ein dienlich Mittel seyn / Eure Käyserliche Majestät an dero boßhafftesten Feinde glücklich zu rächen. Mein Gemahl zwinget mich / übermorgen nach Teutschland zu reisen. Wolten nun Eure Käyserliche Majestät uns beyden die Gnade erweisen / und uns nebenst meinem gewesenen Vater zum Frühstück einladen / wolte ich diesem unter dem letzten Abschieds-Kuß diß Pergament in seinen Rathsherrn-Rock unvermerckt stecken / da es denn entweder von sich selbst heraus auf die Erde fallen wird / oder / wenn sich Saturninus nicht starck genug bewegen solte / könten Eure Majestät /unter dem Schein einer sonderbaren Vertraulichkeit /ihn nöthigen / sich des Bades zugleich mit Ihnen in ihrer Palatinischen Grufft zu gebrauchen; da denn bey Ablegung der Kleider / das Schand-Gedichte in Gegenwart aller Badebedienten sich bald gnug würde zeigen müssen. Er muß hierauf entweder als Urheber oder als Mitwisser dieser verrätherischen Schrifft /sonderlich wegen des andern Gesetzes / des Lasters der verletzten Majestät beschuldigt / auf die Folter gebracht / vor den Rath gestellet und ohne Verzug / ehe einige Vorbitte vom Kriegs-Heer oder Pöbel eingelegt werde / von dem Tarpejischen Felsen hinab gestürtzet werden. Ich wünschte zwar selbst das Spiel mit an zu sehen; Allein mein Gemahl dringet / ich weiß nicht /warumb / allzu sehr auf unsere Abreise / und wenn ich nicht rechten Abschied nehme / so kan ich den schmähsüchtigen Bösewicht nicht lange genug in meine Arme schlüssen / welches doch zu unserm grossen Anschlage allerdings nöthig ist.

Tiberius konte sich nicht genug über die unergründliche Boßheit dieses arglistigen Weibes vesrwundern; ließ sich aber doch die gantze Sache gefallen / und sagte: Wohlan! Es sey also! Wir wollen uns die nöthige Anstalt bestermassen anbefohlen seyn lassen. Saturnus / weil er keine Kinder zu fressen hat /wird nun seine Rach-Begierde auffs eheste an dem Saturninus sättigen.

Sentia nahm hiermit ihren Abschied zum andern mahl; Indem sie aber in Begleitung des Käysers in den Vorsaal trat / kam ihr Gemahl ihr unvermuthet entgegen / dieweil er dem Käyser seine auf übermorgen bestimmte Wegreise ansagen wolte. Sie giengen demnach alle drey zurücke ins Zimmer / allwo Segesthes auf geschehene Einladung versprache / nebenst seiner Gemahlin / jedoch wo es dem Käyser nicht zuwider wäre / in Reise-Kleidern / bey dem Frühstück aufzuwarten. Worauf Segesthes und Sentia nach einigen Gesprächen sich von dar in ihren Palast begaben.

Der abgeredete Tag brach endlich an. Die zum Frühstück erbetenen Gäste funden sich ein / nemlich Sejanus und die Rathsherren Cnäus Lentulus / Aelius Sentius Saturninus / Gallus Asinius / Cotta Messalinus und Papius Mutilus / welche allerseits dem Käyser / der Sentia und dem Segesthes Gesellschafft leisteten. Dieser gute Hertzog war nunmehr so wohl über den Tiberius / als über den Sejanus / eyfersüchtig und wüntschete nichts mehr / als daß die Tafel aufgehoben würde. So bald dieses nun geschehen war / nahm beydes Sentia und Segesthes den letzten Abschied. Da es denn jener gar nicht schwer war / ihren Vater unter vielen Küssen / Thränen und Wüntschen zu umbfahen / und das gantz klein zusammen gefaltzete Pergament bey dem Halse zwischen seinen Rathsherrn-Rock hinein zu stecken. Hiernächst wurde sie nebenst ihrem Gemahl vom Käyser und seiner Gesellschafft / mit vielfältigen Zuruffen einer glücklichen Reise / biß in den Hoff des Palastes / wo der Postwagen [1525] wartete / hinunter begleitet; Tiberius aber nöthigte alle diese Rathsherren wieder mit hinan zu gehen und noch ein und andern Trunck auf das Vergnügen und Wohlergehen derer Reisenden / als treuer Freunde des Römischẽ Reichs / mit ihm zu thun. Indem nun Saturninus hinauf stieg / fiel das Pergament durch solche Bewegung zwischen dem Ober-und Unterkleide hervor / auff die Stuffen der steinernen Stiege. Der hierauf laurende Käyser hatte zu dem Ende immer zurück gesehen und mit dem ihm folgenden Sejanus geredet. Als er nun das zusammen gewickelte fallen und liegen sahe / sagte er alsbald: Saturninus! ihr verlieret etwas. Ich? fragte Saturninus. Ja /(sagte Papius Mutilus / der hinter ihm hergegangen war / aus Höffligkeit aber das verlohrne aufhub und ihm überreichte;) hier ist es! Ich kan mich nicht besinnen / (erwiederte jener /) was es seyn müsse; doch ich muß nachsehen. Er lase hierauf die erste Zeile und sagte: Es ist ein Lobspruch Eurer Käyserlichen Majestät. Jedoch wüste ich warlich nicht / wo ich solchen herbekommen hätte? Der Käyser riß ihm die Schrifft mit einer freundlichen Geberde aus der Hand / lase das andere Gesetz öffentlich daraus her und fieng endlich an: Verräther! ist das mein Lobspruch? Trabanten! schlagt den Hund alsbald nieder / ehe er zu beissen anfahe / weil er genug gebellet hat. Hiermit waren wohl vier oder fünff Schwerdter bloß und über den Saturninus her / hätten ihm auch sonder Zweiffel den Rest gegeben / wenn nicht der Käyser geruffen hätte: Haltet ein! der Verräther ist ein Rathsherr gewesen; Er mag sich vor dem Rath verthädigen / wenn er das Laster der verletzten Majestät von sich weltzen kan. Ob nun wohl Saturninus leugnete / daß er ehe / als diesen Augenblick / von der Schmäheschrifft etwas gewust hätte; so halff doch kein leugnen / weil Gallus Asinius / Cotta Messalinus / Papius Mutilus / auch einige Trabanten / einmüthig bezeugten / daß das Pergament aus seinen Kleidern heraus gefallen wäre. Wohlan! (sprach letzlich der unschuldig-beklagte /) ich will sterben / weil es des Käysers Wille ist / doch nicht umb einer Ubelthat / sondern umb der Thußnelden erzeigten und ihm / ich weiß nicht durch wen / bekant-gewordenen Wolthat willen / die der Käyser mir zur Ubelthat ausleget. Jedennoch freue ich mich / daß ich weder die Catta mit geiler Lust / noch mich mit ihrem Blute besudelt habe. Tiberius sagte: Ich weiß nicht / was der vor Todes-Angst rasende von der längst im Triumph (meines wissens) getödteten Thußnelda und Catta sagt? Trabanten! führt ihn alsbald in ein wohlverwahrtes Zimmer!

Inzwischen ward der gantze Rath eiligst zusa en beruffen / und eine Stunde hernach der so genañte Ubelthäter vor denselbẽ geführet. Weil er aber weder vor den Verfasser / noch mitwisser dieses Läster-Gedichts sich bekennen wolte / ward er denen Soldaten zur scharffen Frage übergeben. Ungeachtet er nun auf seine Raths-Herren-Würde sich berieff / ward ihm doch vorgehalten / daß er selbige und alle daranhangende Freyheiten durch das Laster der verletzten Majestät verlohren hätte. Dannenhero sagte er: Wohl! ich begehre nicht die schimpfliche Marter auszustehen! ich will schuldig seyn / weil es der Käyser spricht / ob es gleich mein Gewissen verneinet. Du gerechter Himmel! weissest allein meine Unschuld; du wirst den Urheber meines Todes mit deiner Straff-Hand schon zu finden wissen / ob ich gleich denselben nicht eigentlich weiß. Ich unterwerffe mich deiner Schickung in aller Demuth / und gehe mit freudigem Hertzen aus der Unruhe zur Ruhe / aus dem Kercker des Leibes zur Freyheit vor aller Tyranney.

Nach dieser seiner Bekäntnüß ward das Urtheil gefället / daß er von dem Tarpejischen Felsen / der neben dem Capitolium gegen Abend [1526] nach der Tiber zu lieget und ein stück des Capitolinischen Berges ist / herabgestürtzet / seine Güter in die Käyserliche Schatz-Kammer eingezogen und seine Anverwandten in gefängliche Hafft gebracht werden solten. Das erste geschahe alsbald. Saturninus ward von dem Felsen lebendig hinabgeworffen / brach das Genick und lincken Arm / und verlohr also sein Leben / durch List derselben / die ihm das Ihrige zu dancken hatte. Der Käyser aber milderte das Urtheil / sprach die Verwandten des Getödteten samt und sonders von aller Schuld und Straffe frey / befahl auch dessen Erbschafft an seine Tochter / die Chassuarische Fürstin Sentia / getreulich zu übermachen; welche vermeinte Gütigkeit des Käysers mit einem grossen Lob-Spruch in die öffentlichen Stadt-Bücher eingetragen wurde. Denn also pflegen die lasterhafftesten Menschen manchmahl das beste Gerüchte von ihren leichtfertigsten Thaten auf dieser Welt zu haben. Doch gleichwie auf veralterten runtzlichten Gesichtern keine Schmincke mehr hafften will: also wäscht die Zeit denen Lastern ihren Anstrich öffters ab. Die Tinte warhaffter Historienschreiber muß einen Tyrannen nach Verdienst schwärtzen / ob er gleich bey seinen Lebzeiten sich weiß gebrennet und durch falsche Zeugnisse seiner Müntzen und Gedächtniß-steine die Nachwelt zu betriegen bemühet gewesen ist.

Die Sicambrischen Fürsten Beroris und Dietrich brachten etliche Wochen hernach den kleinen Herrmann nach Budorgis / die Haupt-Stadt der Semnoner /allwo damahls der Cherußkische Hoff sich befand. Und weil sie unterwegens neun Barden aufgesprochen hatten / die neue Freude des Landes ihrer Gewohnheit nach zu besingen / musten diese sich alleine anmelden lassen / als der Feld-Herr Mittags-Taffel hielt / daß sie nemlich ihm mit einem verhoffentlich-angenehmen Geschencke aufzuwarten verlangeten. Der Feld-Herr wollte anfänglich kein Gehör verstatten / weil er gleich Brieffe aus Rom bekommen hatte / daß Germanicus / wider gegebene Treu und Glauben / die Hertzogin Thußnelda und ihre Gesellschaft verschienenen sechs und zwantzigsten May bey seinem Einzug öffentlich aufgeführet und (nach Gewohnheit des Römischen Triumphs /) im Tullianischen Gefängniß erwürgen lassen. Darüber war ihm wegen seiner Gemahlin / dem Jubil wegen seiner Catta / dem Gottwald wegen seiner Schwester Clotildis / alles essen und trincken vergangen. Jedoch weil die Barden nochmahls unterthänigst anhielten / mit dem Beysatz / daß an ihren Anbringen sehr viel gelegen wäre / bekamen sie endlich die Freyheit zu erscheinen. Der vornehmste mit Lorbern gekräntzte Barde / der wegen seiner überausgrossen Erfahrenheit in denen deutschen Geschichten weitberühmte Edle Seckendorff trug das auf ein kostbahres Bette gelegte Kind vor des Hertzogs Taffel / da deñ jederman mit Verwunderung es ansahe / und mit Schmertzen erwartete / was dieser Aufzug bedeutete / indessen die andern acht Barden das Lied absungen / welches ihr jetzt genantes Haupt nachfolgender massen aufgesetzet hatte:


I.
Ihr Barden! freuet euch! stimmt an die frohen Lieder /
Von welchen jegliches das beste Zeit-Buch ist!
Des Himmels hohe Gunst giebt sein Geschenck uns wieder /
Das wir noch nie gehabt und dennoch eingebüßt.
Ihr seht ja schon
An Herrmanns annoch kleinem Sohn'
Den zarten Mittelpunct von Seel- und Leibes-Gaben /
Die ihren vollen Kräyß im grossen Herrmann haben.
II.
Die Hoffnung lässet uns des Himmels Rathschluß lesen:
Dieß Kind soll einst mit Ruhm des Landes Vater seyn.
Und seiner Augen Gluth / sein unerschrocknes Wesen
Stimmt schon mit dem Entwurff der Hoffnung überein.
Ein Riesenbild
Nach dem verjüngten Maßstab füllt
Mit solchen schönen Glantz der Deutschen Aug und Sinnen /
Daß auch ein Menschen-Feind es möchte liebgewinnen.
[1527] III.
Rom wolt' in seine Zucht den jungen Löwen nehmen;
Er solte mit der Lufft den Sclaven-Geist einziehn:
Doch zweiffelt' es gar bald / denjenigen zu zähmen /
An dem des Vaters Geist im Ebenbild erschien.
Es ließ geschehen /
Daß er sein Land durfft wiedersehn;
Dacht' aber / ihn hierdurch sich höchlich zu verbinden /
Umb mit der Zeit bey ihm auch Gnad und Huld zu finden.
IV.
Thußnelda fehlt uns noch / die Mutter unsers Landes /
Die mit dem Feld-Herrn macht das allergleichste Paar /
Ein Wunder der Natur / die Zier des Fürsten-Standes /
Die stets der Feinde Furcht / der Freunde Freystatt war.
Jedoch das Glück
Giebt uns den Trost in diesem Stück /
Wir werden bald die Sonn' in unsrer Gräntz' empfangen /
Dieweil der Morgenstern schon bey uns aufgegangen.

Der Feld-Herr war über der gantz unverhofften guten Zeitung so erstaunet / daß er in Zweiffel stund /ob er dieses Kind vor das Seinige annehmen solte /oder nicht. Indem aber traten der alte Libys / Beroris /Dietrich / die Gräffin von der Lippe und ihre übrige Gesellschafft ins Taffel-Gemach und veruhrsachten hiermit so viel Schrecken / als Freude / weil man nicht wuste / ob man sie vor lebendige Menschen /oder vor Gespenster ansehen solte. Libys aber sagte: Unüberwindlichster Feld-Herr. Dero hertzgeliebteste Gemahlin hat auf Vergünstigung des Kaysers gegenwärtiges Pfand dero ehelichen Liebe / welches sie in ihrer Gefangenschafft gebohren / zum glücklichen Vorboten ihrer künfftigen Nachfolge voraus geschickt / wie Sie / gnädigster Herr / aus diesem Handschreiben mit mehrern zu vernehmen geruhen wollen. Hiermit überreichte er Thußneldens Brieff / welcher also lautete:


An den unüberwindlichen Feld-Herrn derer Teutschen / Herrmannen / Hertzogen derer Cherusker /Semnoner und Langobarden.


Allertheuerster Gemahl.


Ich lebe jetzt auf einem Lust-Hauß vor Rom; Ach! aber ich weiß nicht / ob ich lebe / weil ich von dem getrennet bin / der mehr / als meine eigene Seele /mich belebet / und ob ich dieß ein Lust-Hauß nennen soll / worinnen ich zu meiner grossen Unlust gefangen bin. Nichtsdestoweniger muß ich mir den weisen Rathschluß des gerechten Himmels gefallen lassen /und eine glückliche Aenderung meines trübseligen Zustandes von dessen gütigen Schickung mit der Zeit erwarten. Unterdessen erweiset mir Tiberius alle Höffligkeit / ohne die einige / die ich allein verlange /nemlich mich auf freyen Fuß zu stellen. Hoch damit er mir in etwas fugen möchte / hat er mir vergönnet /meinem allerliebsten Gemahl gegenwärtigen unsern Sohn / als ein sicheres Pfand der auch mir versprochenen Freylassung / zu übersenden. Nun wolte ich zwar meine Mutter-Milch dem bißherigen so werthen Andencken des unvergleichlichen Herrmanns noch länger gerne gönnen; Gleichwohl weil ich keinen Bürgen von des Tiberius beständigen ehrliebenden Gewogenheit habe / allenfalls auch verhoffe / unserm Sohne könne es nirgends besser / als bey seinem Vater / nirgends schlimmer / als im Römischen Gefängniß / oder auf einer ungewissen Flucht ergehen / als muß ich ihm den mit Thränen vermischten Abschieds-Kuß geben / damit er zumahl demjenigen seine Erziehung zu dancken habe / dem er nechst Gott sein Leben schuldig ist. Er ist dem grossen Herrmann an Nahmen und Gestalt allbereit gleich; Gebe der Himmel / daß er ihm an Tugend und ruhmwürdigen Thaten nicht unähnlich werde! Hiermit lebe vergnügt und nach eigenem Wunsch / zum Besten der jetzigen / und Exempel der künfftigen Welt; und gedencke bey dem Anblick deiner beyden Kinder dero unglücklichen Mutter /welche aber dennoch das Glück [1528] hat / zu heissen deine biß ins Grab treuergebenste


Gegeben auf dem Marßfelde vor

Rom / den 27. May im Jahr

nach Erbauung der Stadt

Rom 770.

Thußnelda.


Beroris / welcher höchlich besorgte / daß die Cattische Fürstin Ehr und Leben eingebüsset hätte / unterließ dennoch nicht / dero Gruß und Brieff Hertzog Jubiln indessen zu überbringen / wiewohl mit einer etwas traurigen Geberde / also daß jener nicht wuste /ob er vielleicht einen heimlichen Mitbuhler an ihm hätte / massen das Schreiben nichts trauriges / sondern lauter gute Zeitungen und Liebes-Versicherungen von seiner Verlobten in sich enthielte. Es kam aber ein paar Tage hernach der Ritter von Buren mit einem Schreiben von der Chassuarischen Fürstin Sentia an Jubiln an / so den acht und zwantzigsten May in Rom geschrieben war und ihm vertrauliche Nachricht gab / daß die unglückliche Catta auf Befehl des Käysers durch ihren Vater Saturninus selbigen Tag den Jungfrau-Krantz verlohren hätte und auf folgenden Tag den Kopff darzu verlieren solte.

Der Hertzog war zwar der unausforschlichen Boßheit der Sentia mehr als zu wohl versichert / die keine Lügen würde geschonet haben / wenn sie hiermit alle deutschen Fürsten zu kräncken / oder uneins zu machen / gewust hätte. Jedoch weil es wider die Natur ist / daß eine Tochter ihren leiblichen Vater ohn allen Grund so schrecklich verläumbden solte / erschracke er im Anfang dermassen / daß er fast in einer viertel Stunde sich nicht besinnen oder entschlüssen konte /den abgeschickten Ritter eigentlicher deßwegen zu befragen. Allein dieser wuste ohne dem nicht anders /als daß Catta samt Thußnelden im Siegs-Gepränge wäre erwürget worden: Daher als ihn der Hertzog vor sich fodern ließ / kunte er aus seiner Antwort nichts klüger werden. So war auch Beroris / ehe ihn Jubil wieder zu sprechen bekam / nach Mattium zum Hertzog Arpus verreiset / um ihm seiner Tochter Schreiben zu überliefern; Dietrich aber war schon auf dem Wege nach Novesia begriffen / woselbst er seinem Bruder / dem regierenden Sicambrischen Hertzog Melo / die Nachricht von seiner Befreyung geben wolte.

Libys hingegen konte dem Jubil nicht entweichen /sondern muste den Tag hernach sich von ihm befragen lassen: Ob der Sentia Schreiben wahr / oder unwahr wäre? Dem guten Alten aber stiegen / an statt der Worte seines durch den Eyd versiegelten Mundes / die milden Thränen in die Augen. O Himmel! (rieff Jubil aus:) wie soll ich das verstehen? Ach! diese Wasserfarben mahlen mir die verfluchte Greuelthat des Saturninus deutlicher vor Augen / als keine Zunge sie aussprechen / keine Feder sie beschreiben kan! Libys antwortete: Ich weiß warhafftig nicht eigentlich / ob das wahr sey / was Sentia berichtet; massen ich durch einen Eyd genöthiget worden / nichts zu sagen /was ich von dieser Sache dencke. Jedoch fürchte ich /daß – –. Und damit verstu te er. Jubil aber wolte hierüber fast rasend werden und den ihm in seiner Verlobten erwiesenen Schimpff mit Ermordung des Tiberius und Saturninus unverzüglich rächen. Allein der kluge Selmnitz / sein allervertrautester Ritter /führte ihn auf die Seite und sprach: Sie wollen / gnädiger Herr / dero theuern Gesundheit durch unzeitigen Eyfer nicht Abbruch thun. Der Catta Zufall mag ein Mitleiden / nicht aber eine Verzweiffelung / bey Sie erwecken. Wir verlieren zwar der mächtigen Catten Beystand / als welche sich unsert wegen keine Mühe und Unkosten machen werden / nachdem ihres Hertzogs Tochter dessen nicht mit geniessen kan. Allein weil alle Hermundurer [1529] das Joch des Marbods von sich zu werffen begierig sind / so bald nur dero angebohrner Herr sich in ihren Gräntzen zeigen wird / wir uns auch derer Cheruskischen Hülffs-Völcker unfehlbarlich zu getrösten haben / bedürffen Sie keiner Staats-Heyrath und können nunmehr eine Person in dero Hoch-Fürstliches Ehebette erheben / die Ihren Neigungen noch gleichförmiger ist / als die verlohrne Catta. Die Ascanische Fürstin Leitholde hat ihr fünffjähriges Gelübde in dem Heiligthum der Hertha abgeleget und kan ihr nunmehr niemand wehren /wenn sie will / sich der Freya / an statt der Hertha /durch eine anständige Heyrath zu wiedmen. Wie? wenn die Liebe eben deßwegen die Catta in solches Unglück hätte fallen lassen / damit sie der holdseligen unvergleichlichen Leitholde ihr erstes Recht an den zukünfftigen König derer Hermundurer nicht streitig machen möchte? Ich weiß wohl / daß ihr Vater / der Graf von Ascanien / vor acht oder neun Jahren erst /wegen seiner ungemeinen Helden-Thaten / den Fürsten-Stand erlanget habe. Jedennoch / was dem Mond an eigenem Schein und Licht fehlt / wird durch den Glantz der Sonnen leicht ersetzet werden.

Jubil gerieth über diesen Worten in grosses Nachdencken und fiel ihm unschwer / dem alten unter der Asche noch glimmenden Feuer wieder Lufft zu geben. Er schrieb dannenhero an die Gräfin von Bentheim /seine und Leitholdens grosse Freundin / klagte sein erlittenes Unglück und bate bey Gelegenheit Leitholden vorzubereiten / seine ietzigen Gedancken mit der ehemaligen Gütigkeit anzuhören. Dießkauen aber schickte er an Hertzog Arpus mit einem Schreiben /darinnen er die ihm in seiner allerliebsten Catta angethane Beschimpffung / auch die daraus folgende Verhinderung seiner ehelichen Verbindung mit dem Hochfürstlichen Cattischen Hause / höchst-wehmüthigst klagete / und umb einigen Trost in diesen seinen unbeschreiblichen Leiden Ansuchung thate. Er legte aber so wohl Cattens als auch der Sentia Brieffe in seinem Umbschlag / ob er wohl im Geist zuvorsahe / daß dem guten Hertzog die Aufopfferung der Jungfräulichen Keuschheit seiner Tochter mehr zu Sinne steigen würde / als die Opfferung der Iphigenia in ihrem Jungfer-Stande / dero Vater den Agamemnon geschmertzet hat / welchen der berühmte Mahler Timanthes umb deßwillen nicht mit blossen / sondern verhüllten Gesicht mahlen wolte / weil er wuste / daß keine Farbe geschickt wäre / das verzweiffelte Gesicht eines biß in den Todt über seiner Tochter betrübten Vaters nach dem Leben zu entwerffen.

Unterdessen sandte Hertzog Herrmann den Grafen Stirum und Ritter Malzan mit einem Gefolge von funffzig Personen an den Käyser / ihn wegen der an Catten verübten Unthat zu besprechen / sie nebenst allen mitgefangenen Fürstinnen abzufordern / und auf den Fall / daß einer unter ihnen an ihrer Ehre und Leben Gewalt angelegt worden / den Krieg anzukündigen / gegentheils / wenn sie samt und sonders an Ehr und Leben ungekräncket diesen Abgesandten in ihre Hände geliefert würden / den vor dem Jahre zwischen den Römern und Cheruskern geschlossenen Frieden zu erneuern.

Zu Mattium / an des Cattischen Hertzogs Hoffe /so nach dem letztern Brande grossen theils wieder erbauet war / gienge inzwischen Freud und Leid seltsam untereinander / so daß man in dem bald stillen / bald ungestümmen Meer fast grössere Beständigkeit / als daselbst / hätte finden mögen. Denn anfänglich kam die junge Fürstin Adelmunde mit einem Wohlgestalten Sohne nieder / der seines mütterlichen Großvaters / des Chaucischen Fürstens Ganasch / Nahmen bekam / gleich wie man ihn auch als dessen künfftigen Erben betrachtete / dahingegen sein erstgebohrner Bruder /der kleine Arpus / den Nahmen seines väterlichen Groß-Vaters und die [1530] Hoffnung seiner Erbschafft hatte. Wie denn Hertzog Ganasch vor weniger Zeit /auf Zureden seiner klugen Gemahlin / seinen Willen in des Catumers Heyrath gegeben hatte / weil die Himmlische Versehung selbst durch die Fruchtbahrkeit der unfruchtbahr-vermeynten Adelmunde ihr Wohlgefallen darüber bezeuget hatte / und er selbst erwoge / daß keine irrdische Gewalt geschehene Dinge ungeschehen zu machen vermöchte / die menschliche Vernunfft aber alsdenn ihr Meisterstück erwiese / wenn sie bey unänderlichen / ob gleich unangenehmen Dingen ihr Vergnügen finden / und auch aus bittern Kräutern ein süsses Honig' herausziehen könte.

Doch der Mond leidet nicht ehe Mangel am Liecht / als wenn er voll von Liecht ist; und des Menschen Hertz leidet mehrentheils eine traurige Verdüsterung /wenn es am meisten voller Freude ist. Die Lust-Feuer über der Geburt des jungen Fürstlichen Erbens branten noch / als die Zeitung von dem Römischen Triumph über die Catta und Rhamis sie ausleschte / und hingegen ein hefftiges Zorn- und Rach-Feuer in des gantzen Hofes Gemüthern entzündete. Doch dämpffte sich solches gar bald / als Fürst Beroris mit der Catta Schreiben an dero Vater / den Hertzog Arpus / ankam / dieweil diese die bißherige Höffligkeit des Tiberius darinnen rühmete und nichts beklagte / als daß sie /wider ihren Willen so viel Ehr und Lust zu Rom zu geniessen / verdammt wäre / auch noch nicht eigentlich wüste / wenn ihr die Hand ihrer geliebten Eltern und den Mund ihres verlobten Bräutigams wieder zu küssen vergönnet werden möchte. Allein die kaum wieder angefangene Gemüths-Beruhigung des Cattischen Hoffes ward plötzlich durch den Ritter Dießkau verstöret / welcher seines Herrn / Hertzog Iubils /Brieffe an Arpus überbrachte. Dieser wolte fast verzweiffeln / als er die ihm in seiner Tochter angelegte Schande aus der Sentia Schreiben ersahe; und weil Beroris mit seiner zweiffelhafftigen Antwort auf geschehene Befragung und Vorschützung seines Eydes die Sache zu bekräfftigen schiene / auch glaubwürdig war / daß eine Tochter ein so schrecklich Laster ihrem leiblichen Vater ohne Noth und Grund nicht schuld geben würde / als bildete er sich dieses Unglück seines allerliebsten Kindes so gewiß / so eigentlich / so gräßlich / so erbärmlich vor / als wenn er es mit sei nen eignen Augen annoch gegenwärtig sehen müste. Er kunte auch dem Jubil die Aufkündigung der Heyrath nicht übel deutẽ / nachdem er es selbst nicht würde gut geheissen haben / wenn jener eines so niedrigen Gemüthes gewesen wäre / daß er aus blossen Staats-Ursachen mit einer geschändeten seinen Fürstlichen Stand zu schänden verlanget hätte / da doch der Cheruskische Hertzog Flavius vor weniger Zeit seine Verlobung mit der schönen / reichen und mächtigen Africanischen Fürstin Dido für nichtig gehalten hatte /nachdem sie durch List eines geilen Priesters in einen solchen Zustand war gebracht worden / daß sie ihrem vorigen Bräutigam nicht mehr eine unverletzte Keuschheit zum Heyrath-Gut mitbringen können. Erdmuth aber fiel anfänglich aus einer Ohnmacht in die andere; nachmahls / als das erste Schrecken vorbey war / legten ihr dennoch ihre mütterliche Liebe /Erbarmung und Rachgier so viel Marter an / daß es scheinen wolte / sie wäre anietzt durch den Verlust ihrer Tochter in die Höllen-Qvaal / wie neulichst durch die Geburt ihres Enckels in die himmlische Vergnügung / versetzet worden. Sie zehrete sich in zwey Tagen dermassen ab / daß sie einem Todten-Gerippe fast ähnlicher / als einem lebendigen Menschen / sahe / und wenn sie ungefehr einem Römischen stählernen Spiegel gegen über zu stehen kam / sich selbst in sich suchen muste und doch nicht finden konte.

Der mitleidige Himmel aber wolte diesem tödtlichen Kummer der tugendhaften Cattischen [1531] Herrschafft nicht länger zusehen / sondern schickte es /daß der Marsen-Fürst Malovend in adelicher Kleidung / unter dem Nahmen des ehemahls von den Römern gefangenen Ritter Ahlefelds / mit Schreiben von Agrippinen an die Herzogin Erdmuth ankam / in welchen jene dieser den wahren Verlauff von der Ehr-und Todtes-Gefahr / auch glücklichen Flucht ihrer Tochter berichtete und solchen nicht nur durch des unglücklichen Saturninus letzte Bekäntniß / sondern auch durch die beygelegte Abschrifften der beyden an den Tiberius von Thußnelden und Catten abgelassenen Brieffe / so wohl auch durch das eigenhändige Schreiben der gedachten Cheruskischen Fürstin an sie / unwidersprechlich bestätigte / schlüßlich aber beklagte / daß sie von des flüchtigen Frauenzimmers ietzigen Auffenthalt nichts wüste / wobey sie dennoch hoffte / selbiges würde vielleicht sein Vaterland mit seiner unvermutheten Ankunfft schon erfreuet haben. Die Hertzogin lieff eyligst mit dieser frölichen Botschafft in ihres Gemahls geheimes Zimmer / der hierauf den vermeynten Ahlefeld auch dahin erfordern ließ und unter tausend Dancksagungen ihm eydlich versprach / alles zu thun / womit demselben einiger Gefallen geschehen könte / daferne es nur in seinem Vermögen bestünde.

Unterdessen gieng Erdmnth aus dem Zimmer / und gab hiermit dem verkleideten Fürsten die Freyheit /also zu reden: Der so theure Eyd des redlichsten unter allen deutschen Fürsten macht / daß ich das hoffe /wessen ich durch mein bißheriges übeles Verhalten mich unwürdig gemacht. Ich bin Malovend / der ich mich durch die grossen Verheissungen derer Römer /gleich als durch betrügliche Irrwische / von der Tugendbahn in den stinckenden Abgrund der Untreu und Verrätherey verführen lassen / und dahero den schimpfflich- und schmertzlichsten Tod vor dem gerechten Gericht derer sämtlichen Reichs-Fürsten verdienet habe / welche auch sonder Zweiffel mir solchen zuerkennen werden / daferne nicht die kräfftige Vorbitte des großmächtigen Hertzogs derer Catten mir Ehr und Leben / samt Land und Leuten erhalten wird; warumb ich denn demüthigste Ansuchung will gethan haben.

Arpus antwortete: da sieht mein Fürst den Nutzen /beydes von der Römischen Freundschafft / und von der Untreu gegen das Vaterland. Mit Schaden wird man klug / und am Ende merckt man / daß der schöne Ehren-Titel eines Römischen Bundsgenossen dem Schnee ähnlich sey / der anfänglich mit seiner Farbe die Augen blendet / ehe man aber es sich versieht / zu Wasser und Unflath wird. Nun wolte ich zwar bey nächster allgemeiner Reichs-Versammlung / welche erst auf den längsten Tag des künfftigen Jahres im Teutschburgischen Hayn gehalten werden soll / mit einem guten Worte ihm hertzlich gerne dienen. Aber wen werde ich zum Bürgen stellen können / daß der /so schon zweymahl die hinfallende Sucht bekommen /von derselben nicht wieder werde befallen werden /oder daß der / so zweymahl zu denen Römern abgefallen / vor dergleichen Laster ins künfftige sich beständig hüten werde?

Malovend gab hierauf dem Arpus eydliche Verheissung einer unbrüchlichen Teutschen Treu und Redligkeit / und empfing gegentheils von diesem die Zusage / sich seiner im Fall der Noth besten Fleisses anzunehmen. Er erzehlte nachmahls / wie er / aus grosser Verzweiffelung über seiner unglücklichen Verliebung / zu denen Römern übergegangen und daselbst gleich einem kleinen Kinde mit dem Puppenwerck eines Purpur-Rocks / elfenbeinern Stabs und dergleichen Eitelkeiten / geschweiget worden wäre / indessen er sein Land und Leute mit dem Rücken hätte ansehen müssen. Er wäre den Tag nach gehaltenem grossen Triumph des Germanicus in Rom ankommen und hätte den vermeynten Todt des Hoch-Fürstlichen deutsen [1532] Frauenzimmers mit unsäglicher Betrübniß angehöret / bald darauf aber / als er geheimes Gehör bey der tugendhafften Agrippina erlanget / die erwünschte Nachricht von dem Leben der unvergleichlichen Catta / und etliche Tage hernach ohne des Germanicus wissen die überbrachte Brieffe erhalten. Er wünschte zwar nun nichts mehr / als die glückliche Ankunfft der Durchlauchtigen Cattischen Fürstin und dero Ehe-Verbindung mit dem tapffern Hermundurischen Hertzog / welcher sie mehr verdiente / als er / niemahls aber höher lieben würde / als er sie zu seiner grossen Unruhe geliebet hätte. Arpus versetzte: Die Heyrath meiner Tochter mit dem Hermundurischen Jubil steht noch im weiten Felde und hat dieses sein Schreiben mir die Augen geöffnet / wie schlechte Wurtzeln dessen Liebe gegen meine Catta in seinem Hertzen müsse gefasset haben / weil eine eintzige falsche Zeitung von einer beschriebenen Landlügnerin selbige in einem Augenblick mit Strumpff und Stiel ausrotten können.

Malovend lase das überreichte Schreiben des Jubils mit unglaublicher Bestürtzung durch / und fieng endlich an: Ich habe so viel Gütigkeit von dem großmüthigen Cattischen Hertzoge empfangen / die mein Verdienst weit übersteigen / daß ich dahero zu der grossen Kühnheit veranlasset werde / dasjenige unschätzbare Kleinodt zu verlangen / das der undanckbare Jubil so wenig / als der Hahn eine gefundene Perle / oder eine Kuhe das beste Gewürtze / nach Würden schätzen kan. Das Cattische Hauß führet von undencklichen Zeiten einen gelben / gleichwie das meinige einen rothen Löwen in seinem Wapen. O Himmel! könte ich so glücklich seyn / die Vereinigung des gelben Löwen mit dem rothen zu erleben /so würde ich mich vor ein Schooß-Kind des Glückes achten / dem Sylla den Titel des Glückseligen ohne Wegerung abtreten müste! Ich bekäme ja ietzund fast einige Hoffnung dazu / nachdem der Hermundurische Luchs selbst erkennet / daß Löwen und Luchse kein gleiches Paar abgeben. Allein meine Unwürdigkeit giebt dem rothen Löwen noch eine stärckere Schamröthe und erinnert ihn / dessen nicht zu begehren /wessen kein Sterblicher würdig ist.

Hertzog Arpus geriethe über dieser verdeckten und doch offenhertzigen Liebes-Erklärung des Malovends in ein stillschweigend Nachdencken / endlich aber sprach er: Der Hi el verleyhe / daß meine Tochter dero Vaterland bald wieder betreten möge! das übrige wird die Zeit geben. Er führte hierauf den so genanten Ahlefeld mit sich zur Tafel uñ erwiese ihm alle die Ehre / die seinem angeno enen adelichẽ Stande gemäß war. Dießkau ward folgenden morgen zur Abschieds-Verhör gelassen / da denn Arpus ihm der Agrippina / Catta und Thußnelda Briefe vorlegte und darauf ihn also beurlaubete: Ihr könnet nun / edler Ritter / eurem Herrn berichten / wie unnöthig sein Mitleiden gewesen / das er über meiner Tochter vermeyntes Unglück bezeuget hat. Mit der höfflichen Aufkündigung der Heyrath bin ich sehr wohl vergnügt. Will er selbiger eine Aufkündigung unserer Freundschafft beyfügen / steht es in seinem Belieben.

Der Hermundurische Ritter wolte zwar den Hertzog bitten / seines Herrn Schreiben vor ungeschrieben zu halten / weil er selbst nunmehr des einmahl erlangten Glücks der Verbindung mit dem Hochfürstlichen Cattischen Hause sich nicht begeben würde / so bald er vernähme / daß die befürchtete Hinderniß nur eine blaue Dunst der betrieglichen Chassuarischen Fürstin gewesen. Aber Arpus fertigte ihn mit dieser ernstlichen Antwort ab: Ritter / euer Hertzog hat euch eine Heyraths-Aufkündigung / nicht eine Heyraths-Werbung aufgetragen. Darumb redet nicht mehr / als euch zukömmt. Doch hoffe ich / euer Herr werde durch seine ietzige Unbedachtsamkeit gewitziget werden /und ins [1533] künfftige behutsamer reden und schreiben /dafern er anders nicht alle die zu seinen Feinden machen will / durch derer Beyhülffe er sein Fürstenthum wieder zu erlangen gedenckt. Denn wer seine Zunge und Feder nicht regieren kan / der wird noch weniger Land und Leute zu regieren wissen. Dießkau wolte seinen Herrn in unnöthige Feindschafft durch scharffes Widerreden ungerne verwickeln; konte aber gleichwohl / umb Wohlstands willen / nicht vorbey /also zu antworten: Die Zeit wird lehren / ob nicht der Himmel meines Herrn Tugend und Verstand einer Königlichen Crone / geschweige eines Fürstlichen Hutes / werth erkenne; auf welchen Fall ihm der gantzen Welt Mißgunst oder ungegründetes Urtheil wenig schaden wird. Der Hertzog lachte in seinem Hertzen der vergeblichẽ Hoffnung und sagte aus Spott: Ich gönne dem tapffern Jubil eine Crone lieber als mir selbst / noch mehr aber Land und Leute; Bekömmt er beydes / so will ich anders reden. Inzwischen fahrt wohl und versichert euern Herrn meiner beständigen Freundschafft.

Indem nun der höchst unvergnügte Dießkau aus Mattium wegzoge / wuste der schlaue Malovend bey Hertzog Arpus sich dermassen und so lange einzuschmeicheln / biß er endlich von ihm diese Zusage erhielte / daß er dessen Tochter zur Gemahlin erlangen solte / so bald dieselbe in Deutschland wieder ankäme. Hingegen muste er eine Schrifft aufsetzen / die Arpus der künfftigen Reichs-Versamlung übergeben wolte / darinnen jener seine Fehler erkante / Besserung versprach und umb Wiederaufnehmung unter die deutschen Reichsstände Ansuchung thate. Uber dieß machte er sich verbindlich seine verlobte Catta in Italien / Griechenland / sonderlich aber in Armenien zu suchen / welches letztere ihm deßwegen in Sinn kam /weil er sich erinnerte / daß Thußnelda von der hocherleuchteten Aßblaste einsmahls eine verschlossene Schreibtaffel empfangen hatte / mit dem ausdrücklich angehengten Befehl / selbige nirgend anders als zu Artaxata in Armenien / zu eröffnen; woraus er denn schlosse / daß Catta / ihre Reißgefährtin / vermuthlich eben daselbst würde anzutreffen seyn. Arpus willigte alsobald in seine Wegreise / weil ihm zumahl seine Anwesenheit bey denen eifrigsten Liebhabern der Deutschen Freyheit in der ersten Hitze vielleicht allzuschädlich hätte seyn mögen. Er bekam hiernechst von dem Hertzog und Hertzogin einen guten Vorrath von güldener Müntze / nebenst vier Dienern und sechs überaus starcken und wohlgewandten Pferden /zog folgenden Tags nach Rom / auch so fort durch Griechenland und Syrien in Armenien.

So freudig er nun seine Reise antrat: so bestürtzt beschlosse Dießkau die seinige / als er seinen Hertzog zu Budorgis in der grösten Traurigkeit antraff. Er erzehlte ihm zwar die gute Zeitung von Cattens unverletzten Keuschheit: weil aber ihm zugleich alle Hoffnung zu ihr abgesprochen war / kunte solches seinen Schmertz so wenig lindern / so wenig die Galle einen Wermuth-Wein versüssen kan. Uber dieses so kränckte ihn nicht allein das / was Dießkau wuste; Sondern die Qvelle seines Leidens floß sonderlich aus der Feder der Gräffin von Bentheim / als welche auf des Hertzogs Brieff geantwortet hatte: Sie wunderte sich /warumb Leitholde nunmehr erst seiner Liebe würdig geachtet würde / nachdem sie vor fünff Jahren nicht so glücklich hätte seyn können. Allein man pflegte insgemein das am höhesten zu schätzen / was man verlohren hätte / und ein jedwedes Liecht hätte in der Ferne einen grössern Glantz / als es in der Nähe gehabt. Nun wolte sie zwar nichts höher wünschen / als Hertzog Jubiln mit einer so tugendhafften und ausbündig-schönen Fürstin vermählet zu sehen. Nichts destoweniger hätte die Gelegenheit nur auf der Stirne einen Schopff; werden nicht ergreiffen wolte / wenn er könte / der könte ihn auch [1534] nicht fassen / wenn er wolte. Leitholde hätte jederzeit das löbliche Exempel des tugendvollkommenen Jubils für eine sichere Regel ihres thuns und lassens gehalten / und dahero /gleichwie er sein ihr ehemahls gewidmetes Hertz einer andern Abgöttin eingeweihet / also hätte sie das ihrige / so ihm sonst zum Heiligthum bestimmt gewesen /dem Bilde eines solchen Fürstens eingeräumt / welchen eine hohe Ankunfft / Anwartung einer weitläufftigen Herrschafft / uneigennützige Liebe / Tugend /Tapfferkeit / Schönheit höchst-liebens-würdig machten.

Nachdem nun Jubil beydes aus diesem Schreiben uñ aus Dießkaus mündlicher Nachricht versichert ward / daß er bey Catten und Leitholden nichts mehr zu hoffen hätte / verfiel er hierüber in eine tiefsinnige und fast verzweiffelte Betrübniß / und fladerte in einem Augenblick durch gantz Deutschland mit sei nen Gedancken / umb Leitholdens glücklichen Liebhaber zu errathen. So vergeblich aber dieses war / ungeachtet er bald auf den Bastarnischen Britomartes /bald auf den Sarmatischen Boleßla / bald auf den Sicambrischen Franck / bald auf den Gothonischen Gottwald / bald auf den Chassuarischen Siegmund oder Dulgibinischen Sesitach seine Muthmassung richtete: So fest beschlosse er sich deswegen ins künfftige nicht mehr zu kräncken / vielweniger aber alle Hoffnung / durch Catten sein Glück zu machen /ersterben zu lassen; Nachdem er zwar ietzo bey ihrem Vater in Ungnaden stünde / doch bey der Tochter jederzeit eine ungefälschte Treue und unveränderte Liebe gespüret hätte. Wobey er denn hoffte / daß gleich wie ein ausgeblasenes und verrauchendes Liecht / wenn es nahe an ein noch brennendes gehalten wird / jenes von diesem die vorige Flamme gar leichtlich wieder empfähet; also würde auch die noch gegen ihn brennende Liebe der Catta des Arpus seine ungesäumt von neuen entzünden / so bald nur iene bey diesem wiederankommen würde. Er brach daher /nach einen langen Stillschweigen / in diese Worte heraus: O gerechte Straffe meiner Leichtsinnigkeit! So gehet es / wenn man an zweyen Orthen liebet und darüber des Aesepus Hunde gleich wird / der / indem er nach andern Fleisch schnappet / das verlieret / was er schon im Munde hatte! Verzeihe mir / unvergleichliche Catta / diese höchst-straffbahre Untreu / damit ich deine unveränderte Treu undanckbarlichst vergolten habe! Ich verschwere hiermit alle Liebe ausser der deinigen und will künfftig / gleich dem Hermelin / lieber sterben / als mit dem an dir begangenen Laster mich jemahls wieder beflecken. Es kam ihm hiernächst die auf dem Tisch liegende Schreib-Taffel in die Hände / worein er folgende Reimen nach kurtzen Nachsinnen einzeichnete:


An die flüchtige Cattische Fürstin.

Du irr'st itzt durch die Welt: Ach! stelle dieses ein!
Du kanst dich ja der Ruh' in meiner Brust befleissen.
Wirstu gleich dort nicht mehr der achte Irrstern heissen;
Solstu doch stets bey mir die rechte Venus seyn.

Nachdem er sich aber aus Dießkauens Erzehlung erinnerte / daß Arpus / ob gleich vielleicht zum Spott / versprochen hatte / andere Antwort zu geben / wenn Jubil mit gekröntem Haupt dieselbe fordern würde /fielen ihm / an statt der Liebes-Gedancken / diese in Sinn / welche er jenen beyfügte:


Laß / Liebe! deinen Trieb ein wenig bey mir ruhn!

Dein Pfeil und Fackel giebt mein Erbreich mir nicht wieder;

Das muß mein Schwerd und Feuer thun.

Ein muthig Feld-Geschrey dämpfft deine Wiegen-Lieder /

Wodurch so mancher kühner Held

Zum Kinde wieder wird / ja sich noch feiger stellt.

Wird sich der Lorber nur umb meine Schläffe winden /

Soll sich dein Myrthen-Krantz mit leichter Mühe finden.


Er nahm auch Selmnitzen wieder zu Gnaden an /und versicherte ihn / daß weil sein Rath zwar übel ausgeschlagen / doch wohlgemeint gewesen / er keinen Zorn deßwegen auf [1535] ihn geworffen habe; zumahl da er an ihm weder einen Wahrsager / noch Sternseher / unterhielte und also nicht übel nehmen dürffte /daß er Cattens vergangene Zufälle nicht im Crystall /noch der Gräffin von Bentheim Antwort aus dem Gestirn ersehen / und seinen Rath darnach eingerichtet hätte.

Indem er dieses redete / erhub sich ein grosses Freuden-Geschrey vor dem Hauß / weil Hertzog Gottwald von der Jagt glücklich wieder heim kam / nachdem man ihn sechs gantzer Tage vermisset und befürchtet hatte / daß er vielleicht von Bären zerrissen worden. Jederman empfing ihn mit unzähligen Glückwünschen und wolte wissen / wo er so lange gewesen / und ob vielleicht eine Diana einen so schönen Endymion zu ihrer Lust einschläffen lassen? Er gab aber nur diesen Bericht: Er hätte sich im Walde verirret /wäre gleichwohl nach etlichen Tagen halb-verhungert in des mitgebrachten gutthätigen Kohlenbrenners Wohnung eingekehret / von dem er so wohl verpfleget und erqvicket worden / daß er ihm seine Danckbarkeit in der That zu erweisen schuldig wäre.

Unterdessen dachte niemand / daß dieser am Leibe mit Kohlenstaub geschwärtzte Mann eine mit so vielen Lastern und schwartzen Künsten besudelte Seele in sich hegte. Allein es war Adgandester / der seinen Nahmen in der Welt so verhaßt gemacht hatte / daß er sich dessen nicht mehr gebrauchen durffte / wann nicht die Leute davor ärger / als vor einem Gespenst /erschrecken solten. Er war aus Marbods Reich aufs schimpfflichste verwiesen worden / hatte aber auf dessen Grentzen Bauer-Kleider gekaufft und angelegt /und in denenselben sich in den Wald acht Meilen von Budorgis geflüchtet / allwo er einen Kohlenbrenner angetroffen und bey ihm seine Lebens-Art zu erlernen / sich aufgedungen hatte / umb in solcher Einsamkeit sicher zu leben / denn und wenn zu Budorgis ein und anders auszukundschafften und von langer Hand her diejenige Anschläge ins gevierte zu bringen / wordurch er sich an Herrmann / Marbod und Arpus aufs grausamste rächen und seinen Nahmen mit eben dem Recht / als der Mordbrenner Herostratus / unsterblich machen wolte. Er nannte sich insgemein Hildebrand /trug eine schwartze Haar-Haube und falschen Bart /damit er sich ehemahls auf allen Nothfall versehen hatte / als er nach seiner staats-klugen Stern-Kunst /aus der Zusammenkunfft des Saturnus und Mars /oder des alten Marbods und tapffern Vannius / am Marckmännischen Himmel / ein grosses Unglück vor sich besorgen müssen. So hatte er auch nach der Zeit den landflüchtigen Druiden Luitbrand wieder an sich gezogen / mit dessen zuthun er bald darauff den alten Kohlenbrenner und dessen einige Tochter umbrachte und verbrandte / sich aber zum Erben ihrer elenden Hütte und mittelmäßigen Verlassenschafft einsetzte. Er legte sich hiernächst aufs Strassenrauben und meinte alle diese Laster liessen sich zugleich mit dem Kohlenstaub abwaschen / so bald er nur seinen vorigen Fürsten-Stand wieder anträte.

Luitbrand war kaum mit dem vom Sejanus empfangenen Gifft wieder bey ihm angelanget / als der Gothonische Fürst Gottwald sich auf der Jagt verirrte und endlich bey dieser tieff im Walde stehenden Kohlen-Hütte anlangete. Er wurde gleich von Luitbranden erkennet / wiewohl dieser sichs nicht mercken ließ; auch / auf sein Bitten und Geschencke / von Hildebranden mit Aepffeln geräuchertem Fleisch / Brodt und einem frischen Trunck Wasser bewirthet und mit einer guten Schlaffstäte versorget. Es war nun an dem / daß er in seiner Mittagsruhe unter denen Mordklauen dieser zwey vernünfftigen Bären sein Leben verlieren solte / weil es keine Unvernünfftigen hatten thun können. Doch Adgandester bedachte sich noch ein wenig / ob es nützlicher wäre / ihn umb seiner wenigen Kleider / Ringe und Gelder [1536] willen zu ermorden /oder ihm vielmehr das Leben zu gönnen und zu einem Werckzeuge der Rache wider Marboden und Herrmännen zu machen. Nachdem der Schluß nun auf das letztere gefallen war / gebrauchte er sich aller möglichsten Aufwartung bey dem nach etlichen Stunden erwachenden Gottwald. Er lenckte unter andern Gesprächen seine Rede auf den gefährlichen Zustand Fürstlicher Personen / die sich selbst und ihren Vergnügen absterben / und nur andern / ja / (welches das schli ste wäre /) Undanckbaren zu Dienste / leben müsten: Daher der kluge Cheruskische Fürst Julius /über das in seinem Wapen stehende weisse Pferd schreibẽ lassen: Ich nutze mich ab / andern zu Nutz. Jedoch hätte er (Hildebrand) keine undanckbahrere Unterthanen auf seiner langwierigen Wanderschafft durch die Welt gesehen / als die Gothonen /die ihrem so gütigen Hertzog / dem so fromm- als klug- und tapffern Gottwald / nicht besser beygestanden / daß er seine Lande dem Ertz-Räuber Marbod hinterlassen / und sein Leben kümmerlich im Elende beschliessen müssen. Der junge Gottwald gab sich hierauf vor des von Hildebranden so gerühmten Gottwalds einigen Sohn zu erkennen / worüber der heuchlerische Adgandester eine überaus-grosse Freude bezeugte / weil er (wie er sagte) nicht vermeinet hätte /seines gewesenen Landes-Fürstens einigen Erben in der Welt anzutreffen / ja unter seinem Dache zu beherbergen. Er hielte aber nunmehr vor eine unverantwortliche Sünde / selbigem zu verhöhlen / daß er ein Gothonischer Edelmañ von Geburt / Nahmens Grünbach / wäre; hätte unweit der unvergleichlichen Hertzogin Hedwig gefochten / als selbige / in der Belägerung der Haupt-Stadt Godanium / ihr Leben mit mehr als männlichem Muth eingebüsset. Nach der Zeit / da Marbod fast alle Ehrenstellen unter denen Gothonen / Esthiern und Lemoviern mit seinen Marckmännern besetzet und also dem Land-Adel die Hoffnung aller Beförderung abgeschnitten / hätte er sein Glück anfänglich durch Reisen / hernach durch die Waffen / bald unter den Römern / bald unter denen Cheruskern / Sicambrern oder Catten / (doch allezeit unter frembden Nahmen) über funfzehen Jahr gesuchet / endlich aber / durch Anleitung gegenwärtigen gottseeligen Druiden Gotthards / seine Ruhe in der grösten Einsamkeit gefunden. Hier lebte er sich selbst zum Vergnügen und ob gleich sein Leib nicht aller vorigen Beqvemligkeiten genösse / könte er doch seine Seele desto beqvemer von der Erde abziehen und zu himmlischen Betrachtungen gewöhnen. Denn der wäre recht selig / der die stets mühsamen Menschen in den volckreichen Städten / als wie Ameisen in ihren Hauffen / herumb rennen / sorgen / zancken /und sich untereinander zu tode arbeiten liesse / sich aber selbst gleich einem einsamen Paradieß-Vogel von der Erde ab und nach dem Himmel zu mit seinen Gedancken schwinge. Er hätte ehemahls von denen Gärtnern in Italien gehöret / daß ein Granat-Apffelbaum im Schatten am allerersten reiff würde / und er erführe nunmehr / daß sein Gemüthe viel reiffer und vernünfftiger im Schatten seiner schlechten Hütte würde / als es gewesen da er an das öffentliche Tageliecht / und unter Leute mehr gekommen wäre / als ietzo geschehe.

Gottwald behauptete hingegen weitläufftig / daß Grünbach unrechtmäßiger Weise seinen Verstand und Kriegs-Erfahrenheit bey lebendigem Leibe begrübe /da doch der Mensch seinem Vaterlande mehr als sich selbst schuldig wäre; daher solte er in seine Dienste treten und aller Gnade und selbst-verlangten Beförderung gewärtig seyn. Adgandester / Grünbach / Hildebrand / (oder wie man sonst diesen Proteus heissen will /) liesse sich nicht wenig zu einer Sache bitten /die er selbst höchlich verlangte; endlich auf Zureden des Gotthards oder Luitbrands und aus Gehorsam gegen seinen [1537] Landes-Herrn / versprach er zu thun /was dieser befehlen würde. Sie thaten hierauf die Abendmahlzeit / wobey alles viel reinlicher und kostbarer / als bey dem Mittags-Essen zugienge und so wohl Wein / als Wilpret zugegen war.

Folgenden Tages kamen sie auf den Cheruskischen Hoff zu reden / da denn Grünbach den Feldherrn höchlich rühmte / dabey aber beklagte / daß er / wie ehemahls dem Adgandester / also ietzo dem Grafen Nassau allzu viel nachsehe. Mich deuchtet (fuhr er fort) man könte kein wahrhafftiger Sinnbild erdencken / als wenn man ein weisses Pferd mahlen liesse / dergleichen in Herrmanns Wapen zu sehen ist / auf welchem ein Ritter säße / der im Schilde den Nassauischen güldenen Löwen führete; da denn die Beyschrifft: Es weiß seine Stärcke nicht / anzeigen müsse / daß der grosse Herrmann seiner eignen Grösse zu vergessen pflege und ein Unterthaner seines Unterthanen werde. Von diesem seinem Lehrmeister lernet nun Herrmann / sich zu stellen / als wolte er iedermann helffen / und doch niemand würckliche Hülffe zu leisten / als mit einem grossen Eigennutzen. Als die Semnoner und Langobarden des Marbods überdrüßig waren / und Herrmannen zum Herrn verlangten / war es ihm ein leichtes sie aus Marbods Joch unter das seine zu bringen. Hingegen da er seinem alten Freunde / dem Jubil / die Hermundurer / und meinem gnädigen Fürsten die Gothonen unterwerffen soll / weiß er weder Rath / noch Hülffe zu schaffen.

Mit diesen und dergleichen Reden brachte der Ertzbetrieger nach und nach dem guten Fürsten einen so starcken Argwohn gegen den redlichen Feldherrn bey / daß er beym Abendessen dem leichtfertigen Einrathen des vermummten Grünbachs ferner Gehör gab / da er unter andern sich also vernehmen ließ: Mein gnädigster Fürst könte sich bemühen die von ihm gefangenen vornehmen Marckmänner durch alle ersinnliche Höffligkeit zu bewegen / daß sie ihn zu ihrem Könige verlangten. Hätte dieses seine Richtigkeit / so dürffte man nur diese Marckmänner dem Feldherrn einige Hoffnung zu Marbods Crone machen lassen / mit Bitte / ihrem tapffern Uberwinder / dem Gothonischen Fürsten / ein fliegendes Heer zu vertrauen / umb einen unversehenen Anfall auf Boviasmum damit zu thun; auf welchen Fall sie durch einen Ausstand in der Stadt ihm hülffreiche Hand bieten wolten; Mitlerweile könte Jubil im Hermundurischen mit einem andern Cheruskischen Heer sich zeigen / bey welcher Gelegenheit denn die Gothonen / die Wiedererlangung ihrer Freyheit zu beobachten / gleichfals unvergessen seyn müsten. Auf diese Art würden alle Marbodischen Länder in des Feldherrn Gewalt gerathen / wovon er so viel / als ihm beliebte / vor sich behalten / mit denen übrigen aber / sonderlich dem Hermundurischen und Gothonischen / die beyde Fürsten Jubil und Gottwald abfinden / und zu seinen ewigen Schuldnern machen könte. Dieses (sagte Adgandester ferner /) wird unserm Herrmann eine gefundene / und dieser Krieg eine so leichte Sache seyn / daß man sich wundern wird / wie durch den Eigennutz alle bißher unmögliche Dinge so geschwind möglich worden. Sind nun die Marckmänner durch Hülffe der Cherusker einmahl wieder frey / so sollen sie dieser unnöthigen und beschwerlichen Gäste sich auch bald wieder entledigen / weil sie doch lieber einen eigenen König werden haben wollen / der die Gothonischen Landschafften ihrem Reich einverleibe / als daß sie die Bothmäßigkeit über andere Länder verlieren / und nur vor ein dem Cheruskischen Hertzog unterwürffiges Stück Landes gerechnet werden solten. Indessen /weil mein gnädigster Fürst mit den Marckmännern zu thun hätte / hoffte ich dero Erblande durch allerley List und Einrathen meiner Bluts-Freunde / ohne Schwerdtschlag / unter dero Gehorsam zu bringen.

[1538] Der brennende Eyfer vor die Wohlfahrt seines Fürsten / der zum Schein an Adgandestern zu sehen war /erweichte das Hertz des in denen Welt-Betrügereyen noch nicht zur Gnüge erfahrnen Gottwalds / daß es alles das in sich / als in lindes Wachs / drücken liesse / was jener nur wolte. Es kame auch so weit / daß Gottwald und Grünbach vor dem Druiden Gotthard die bündigsten Eyde ablegten / alle Verschwiegenheit und Treu einander zu leisten und einer des andern Anschläge mit Rath und That zu befördern. Und zwar so scheuete sich Adgandester keines weges / falsch zu schweren. Denn sein Gewissen war fürlängst dermassen ausgedehnet / daß ein so schrecklicher und ungeheurer Meyneid gar guten Raum daselbst funde. Diß hingegen war sein ernstlicher Vorsatz / sich selbst zum Fürsten derer Gothonen / Esthier und Lemovier zu machen / und wenn der rechtmäßige Erbe dieser Länder mit dem mächtigen Cheruskischen Feldherrn in einen schweren Krieg sich verwickelte / im trüben Wasser nach aller Lust zu fischen. Hermannen aber begehrte er nicht ehe mit dem von Rom empfangenen Gifft hinzurichten / ehe und bevor er sich seiner zur Unterdrückung des Marbods gnugsam gebrauchet hätte.

Der nächstkommende Tag war kaum angebrochen /als Grünbach Gottwalden das letzte Frühstück vorsetzte / und ihn hierauf nach Budorgis begleitete / unterwegens aber so viel unrechtfertige Staatsgriffe beybrachte / daß ein gantz anderer Mensch aus ihm / und durch sein Exempel bestätigt wurde / eine lasterhaffte Gesellschafft sey anfälliger / als Aufsatz und Pestilentz.

Es wolte sich aber der vermeynte Grünbach unter Hildebrands Nahmen in der ihm gar zu bekanten Stadt nicht lange aufhalten lassen / aus Furcht / an der Sprache vielleicht ungefehr erkant zu werden; sondern / nachdem er eine eintzige Mahlzeit unter dem Hoff-Gesinde genossen und von dem Fürsten viel grosse und reiche Geschencke aus der neulichsten Marckmännischen Beute bekommen hatte / wanderte er wieder in seine Kohlen-Hütte / und erhielt beym Abschied die heimliche Zusage von dem unruhigen Gottwald / daß er ehest unter dem Schein der Jagt bey ihm einsprechen und Nachricht geben wolte / wie weit er es mit seinen Marckmännern gebracht hätte.

Unter diesen waren die vornehmsten der gefangene Graf Wartenberg / und der in der Schlacht übergegangene Ritter Zevusch; zwey recht tugendhaffte und tapffere Helden / die aber beyderseits Ursach hatten /Marboven biß auf den Todt zu hassen. Denn / damit dieser seinem Liebling / dem Tanneberg / eine Gnade thun könte / hatte er den Wartenberg von dem Königlichen Erbschencken-Amt entsetzet / welches doch seine Ahnen von Geschlecht zu Geschlecht über etliche hundert Jahr gehabt hatten. Zevusch aber hatte einen Rechts-Streit wegen einer gewissen Erbschafft mit eben diesem Tanneberg verlohren und meynte /Marbod hätte das Urtheil nicht nach denen Gesetzen /sondern nach des Beklagten Eingebung / abgefasset. Nachdem nun Gottwald bey Hertzog Herrmann sich die Freyheit ausgebeten hatte / einige von seinen Gefangenen loß zu lassen / umb sie dadurch sich dermassen zu verbinden / daß sie ihm mehr beförder- als hinderlich wären / wenn er / durch die längst-versprochene Beyhülffe des Feldherrns / seine Gothonischen Erb-Länder wieder einzunehmen versuchen würde; ließ er Wartenbergen und Zevusch zu sich kommen /sprach sie frey / beschenckte sie herrlich uñ bat sie /etliche Tage auf der Jagt ihm Gesellschafft zu leisten. Diese beyde wurden von so ungemeiner Freundlichkeit gantz bezaubert und hörten daher desto williger zu / als er folgenden Tag unterwegens die Marckmänner wegen der Tyrannischen Regierung des Marbods beklagte / auch nachgehends sie zur [1539] Rache und Erlösung ihrer Landes-Leute anfrischte / und endlich seine Person ihnen zu beständiger Gunst aufs höfflichste empfohle. Er machte sie hierdurch so treuhertzig / daß sie anfangs wüntschten an Marboden einen so gütigen Herrn zu haben / als sie von Gottwalden verhoffen wolten / wenn das Glück sie seiner Beherrschung würdig geachtet hätte; ja sie versprachen ihm zuletzt hoch und theuer / alle ihre Verwandten und gute Freunde zu Maroboduum wider den Wüterich in ein enges und fest beschwornes Bündniß zu bringen /ihn vom Thron zu stürtzen / und / wo möglich / dessen Crone auf ihres höchstverdienten Wolthäters / des Gothonischen Hertzogs Haupt zu setzen. Jedoch bedungen sie sich / daß zu einem so wichtigen Werck grosse Verschwiegenheit und sechs oder sieben Monat Zeit ungefehr gehöreten. Gottwald ließ sich alles gefallen / stärckte sie in ihrem Vorsatz / beschenkte sie nochmahls und thate ihnen die Verheissung / alles Glück / das er durch sie erlangen würde /mit ihnen gemein zu haben. Worauf sie denn von ihm erlassen wurden / und unter dem Schein einer selbst ergriffenen Flucht zu Boviasmum oder Maroboduum ankamen.

So groß nun Gottwalds Freude und Hoffnung bey einem so guten Anfang war: so groß war die Traurigkeit des Feldherrns / als seine Abgesandten an den Tiberius / Graf Stirum und Ritter Malzan / ohne Thußnelden wieder kamen und berichteten / es habe Tiberius sie hoch versichert / daß das gefangen gewesene deutsche Frauenzimmer würcklich auf der Flucht / wo nicht schon in Deutschland / sich befünde / wannenhero sie den mit denen Römern gemachten Frieden aufzukündigen sich keines weges hätten unterfangen wollen. Ob man nun aber wohl Thußneldens Wiederkunft täglich erwartete / so verstrich doch diß Jahr /ehe daß die geringste Nachricht von ihr einlieff. Dieses machte / daß der großmüthige Herrmann endlich fühlen muste / er wäre ein Mensch / und könte so wenig seine hertzgeliebte Gemahlin / als das Hertz aus seiner Brust / ohne tödtliche Schmertzen verlieren. Er zweiffelte nunmehr nicht / daß sie in ihrer Flucht zu Wasser oder Land umbgekommen / und ihr Grab vermuthlich / entweder in dem Magen derer Fische oder wilden Thiere gefunden hätte. Er schrieb aber deßwegen an die heilige Asblaste seine Frau Mutter / welche / nachdem sie dem Flavius den Stich mit dem Messer in die Brust / und mit ihrer Straff-Predigt ins Hertz / gegeben hatte / in das Heiligthum der Cimbrischen Alironien zurück gekehret war. Die ser klagte er seine hertzkränckende Besorgung und bat / aus weissagendem Geist zu entdecken / ob Thußnelda noch lebe und ihn iemahls in diesem Leben wieder sehen werde. Er bekam aber erst etliche Monat hernach diesen dunckeln Ausspruch / an statt einer klärern Antwort.


Unüberwindlicher Feldherr!

Gott geliebtester Sohn!

Wenn das deutsche Reich

an Blut und Thränen

arm seyn wird /

wovon es

jenes deinem Leben zur Beschützung /

diese deinem Tode zu Ehren

vergiessen soll;

Wird es Thußnelden

mit Freuden -Thränen begrüssen

[1540] und mit Mitleydens-Thränen

von ihr begrüsset werden.

Alsdenn wirst du

unter der Erden zwar eine sichere Wohnung /

in Thußneldens Seele aber

das edelste Mausoleum haben.

Doch traue dem Himmel /

daß die Erde

euch beyde nach Wuntsch vereinigt werde wieder

sehn.

Diejenige soll dich

wohlvergnügt in ihre Arme schliessen /

die du ohne Ursach beweinet hast

und die dich ohne Ursach beweinen wird.

Dein Begräbniß-Tag

giebt dir und deiner Allerliebsten

ein neues Leben.

Darumb

sey zu frieden /

weil die Linien in dem Buch deines Verhängnisses

zwar wunderbahr unter einander lauffen /

gleichwohl allerseits

dein bestes zum Mittelpunct haben.


Herrmann sagte bey Verlesung dieses: Nun so lebe denn wohl / unvergleichliche Thußnelda! Sterbe ich /ehe ich das Glück habe dich wieder zu sehen / so lebe ich doch in dir auch nach meinem Tode / und erfreue mich hertzlich / daß Aßblaste uns beyden einerley Grabstätte verspricht! Graff Nassau / dem Herrmann Aßblastens Brief vorgelesen hatte / versetzte: Wir wollen diesen Ausspruch keines weges so übel deuten. Der Himmel wird Deutschland nicht so ungnädig seyn / daß er selbigem dessen so theuren Beschützer und gütigen Beherrscher mehr gezeiget / als geschenckt haben solte / massen mein gnädiger Feld- Herr kaum fünff und dreißig Jahr vorjetzt erlebet hat /welches erst die Helffte von dem ordentlichen Alter des Menschen ist. Wer weiß / wie die Weissagung auszulegen / und ob sie nicht einer Castanien-Nuß gleich sey / an welcher man auswendig lauter Stacheln / inwendig eine angenehme Frucht findet. Vielleicht steckt ein viel besserer Verstand in Aßblastens Worten / die im ersten Anblick nichts als Hertzens-Stiche zu geben tüchtig scheinen?

Was brauchts viel vergeblichen Trostes? (antwortete der Feld-Herr:) Fürchte ich mich denn vor dem Tode? O nein! Lasts seyn / daß der gemeine Menschenhauffe ihn vor das schrecklichste aller schrecklichen Dinge halte: Ich dencke bey dem Bilde eines Todtengerippes an das / was der berühmte Zeuxis sagte / als ein von ihm hauptsächlich-gutgemahltes Bild dem Pöbel nicht gefallen wolte: Wenn ihr mit meinen Augen sähet / würdet ihr dieses Gemählde mit der grösten Lust von der Welt betrachten. Mein bester Theil kan von denen Unvollkommenheiten dieses Lebens nicht ehe frey werden / biß der Tod das Band entzwey geschnitten / welches die Seele an dieselben ja so fest / als an ihren Leib bindet. Man härmet sich nicht halb so sehr / wenn man die lebendigen [1541] Inwohner und den besten Hausrath aus einem baufälligen Hause unverletzt herausbringen kan / ob gleich Stein /Leim und Holtz zerfallen / zerbrechen / und zu Staube werden: und wenn nur die Einwohnerin unsers Leibes / die Seele / mit ihren Gemüths-Gaben sich in den Ort derer Seligen flüchten kan / darff man nicht klagen /daß die gebrechliche Leibes-Hütte in Asch und Staub zerfället. Zudem / weil der Himmel weder denen Gottlosen alles böse / noch denen Frommen alles gute / so sie in ihrem Leibe gethan / in diesem Leben zur Gnüge vergilt; so halte ich gäntzlich davor / daß /gleich wie ein in der Erde ersterbendes Korn zu seiner Zeit wieder aus der Erden hervor grünet / also alle Leiber zu einer gewissen Zeit wieder werden lebendig werden / damit der / so ein Werckzeug einer boßhafften Seele gewesen / strenge Straffe / der / so einer Tugendhafften zu Dienst gestanden / gnädige Belohnung von der Göttlichen Gerechtigkeit empfahen könne. Wundert euch demnach nicht / daß die kluge Aßblaste meinem Tode und Begräbnisse so grosse Lobsprüche giebt / und so herrliche Würckungen zuschreibt. Unterdessen muß ich gestehen / daß das beschwerlichste bey der Todes-Finsterniß sey / daß man dero Zeit nicht so eigentlich wissen oder ausrechnen kan / als eine Sonnen- oder Monden-Finsternüß. Vor dem Donnerschlag sieht man den Blitz / vor einem Feuer den Rauch / vor einem Schiffbruch düstere und stürmische Lufft. Der Tod aber kömmt öffters / ehe er sich durch einige Kranckheit / als seinen Vorboten /die Herberge bestellen lassen. Jedennoch wer sich alle Tage durch ein tugendhafftes Leben zum Sterben bereit machet / den kan es nie zu ungelegener Zeit betreffen. Inzwischen weil ich lebe / soll dieses meine gröste Sorge seyn / meinen Kindern und Ländern also vorzustehen / daß jene glücklich über diese nach meinem Hintritt zu regieren geschickt / und diese jenen gebührend zu gehorsamen willig seyn mögen.

Diese löbliche Todes-Gedancken währeten bey dem Feld-Herrn den gantzen ohnedem traurigen Winter hindurch. Als aber der Frühling anbrach / wurden selbige durch eine seltzame Zeitung aus dem Chassuarischen Hertzogthum in etwas unterbrochen. Selbige betraff die gottlose Sentia / mit welcher der gerechte Himmel einmahl abrechnen muste / nach dem sie einen sehr grossen Lohn / mit so vielfältiger Verrätherey / Ehebruch und Vatermord / verdienet hatte. Bojocal / ihr ehemahliger Buhler / hatte fast alle Monat entweder bey dem Segesthes eingesprochen / oder selbigen sammt seiner Gemahlin nach Techelia an seinen Hoff erbeten. Das ehebrecherische Paar konte seine Leichtfertigkeit so sinnreich bemänteln / daß der gute Segesthes mit sehenden Augen blind war / wiewohl ihn dennoch die Geschichte mit dem Sejan begierig gemacht hatte / täglich zu suchen / was er nicht zu finden begehrte. Der Mertzmonat war inzwischen halb vorbey / als Bojocal heimlich vor Sentiens Schloß in unbekanter Kleidung nur selbdritte ankam /und Sentien durch dero vertrauteste Dienerin seines Verlangens verständigen und fragen ließ / wo und wenn er heimlich sie zu sprechen die Ehre haben solte. Die Ehebrecherin konte ihrem Liebling nichts versagen. Dannenhero setzte sie / statt einer Antwort /dieses Getichte auf:


An die gesprächige Nymphe

Eccho.

Du holde Nymphe / merckst am besten / was ich will.
Dein halbgebrochner Thon aus deiner Grufft im Garten
Beschämt die Nachtigal: Mein Mund wird dir aufwarten /
Wenn du Gehöre giebst. Nur dencke nicht: Schweig still!
Komm / liebliches Eccho / und nimm
Von mir an / was ich
Von Liedern zu opffern vor dich
Aus Freundschafft bestimm'.
Du schweigst / biß alles schweigt; biß ungefehr umb acht
Die Vnruh' wird zur Ruh / der muntre Tag zur Nacht.
Narcissus fehlt dir zwar. Sag' aber doch: kanstu
Ohn ihn nicht glücklich seyn? Begieb dich nur in Ruh!
Statt seiner lieb ich dich. So wirstu ja im lieben
Auch umb die Wette stets mit Sentien dich üben.
[1542] Wahlspruch:
Bedencke das Ende.

Sie schrieb noch an dem letzten Wort / als ihr Gemahl ins Gemach trat und fragte: Was sie guts machte? Wolte sie nun keinen Verdacht erwecken / muste sie ihm das Papier zu lesen überreichen / wobey sie aber bate / die Poetische Schwachheit ihr nicht zu verargen / daß sie über ihr artiges Garten-Eccho ein Getichte verfertigt und dasselbe angeredet / als wenn es eine Person wäre / weil dieses auf des Ovidius Verwandlungs-Bücher sich gründete / allwo die Nymphe Eccho sich dermassen abhärmete / daß sie endlich zu einer dünnen Lufft würde / nachdem der schöne / aber stoltze Narcissus ihre hertzliche Liebe verschmähet hätte. Was aber ihren erwehlten Spruch / Bedencke das Ende / anbelangte / setzte sie solchen zu allen dergleichen weltlichen Eitelkeiten / damit sie sich hierinnen nicht vertieffen möchte / gleich wie etwa die Aegyptier bey ihren lustigsten Gastmahlen das Bild eines Todten-gerippes auf die Tafel gesetzet hätten.

Segesthes konte dieses nicht tadeln / vielweniger Verdacht hieraus schöpffen / ohne daß er meynte / die Verse klängen etwas hart und gezwungen / welches aber einem Frauenzimmer nicht dürffte übel gesprochen werden. So bald er aber hinweg war / sandte sie es dem Bojocal / der / nach ihrer ehemahls-genommenen Abrede / das Ende nicht des Lebens / sondern derer Verse / bedachte und die zwey letzten Sylben in jedem männlichen / die drey letzten aber in jedem weiblichen Reime zusammensetzte / da denn diese verlangte Nachricht heraus kam:


Ich willBestimm

Im GartenVmb acht

AufwartenZur Nacht

Schweig stillKanstu

Vnd nimmIn Ruh

Was ichIm lieben

Vor dicDich üben.


Er hatte verlängst einen eigenen Schlüssel zu diesem unkeuschen Sammel-Platz von Sentien empfangen; dannenhero verfügte er sich umb acht zur Nacht dahin / und wurde von der Ehebrecherin nach seinem Wunsch bewillkommet. Indessen hatte Sentiens kuplerische Dienerin an statt ihrer Frauen in Segesthes Ehebette sich legen müssen und ware wider ihre Gewohnheit fest eingeschlaffen / als Segesthes / dem seine Gemahlin über der Abendmahlzeit zu starcken Trincken Anlaß gegeben / umb Mitternacht aufstehen muste / umb den Magen von seinem Uberfluß zu erleichtern. Weil er aber ein Schweißtuch auf dem Nacht-Tisch suchen wolte / muste er die unter einen Sessel gesetzte Lampe in die Hand nehmen / welche denn einen so hellen Schein aufs Bette warf / daß er dabey den Wechselbalg / ich meine / die mit der Frauen verwechselte Magd / ersahe. Da brauchte es nun wenig Kunst die Warheit zu errathen; deswegen er ein auf dem Tisch liegendes grosses Messer ergriff / die schnarchende Dienerin aufweckte und ihr den Tod dräuete / wenn sie nicht alsbald bekennete / wo Sentia wäre? Diese konte sich so bald nicht auf eine Lügen besinnen / sondern gestund aus Furcht des Todes /daß die Hertzogin mit dem Angrivarischen Fürsten die Nach im Schloß-Garten zubrächte und gegen morgen sie wieder abzulösen willens gewesen wäre. Der eifrige Segesthes stieß hierauf das Messer der betrügerischen Griechischen Sclavin durch die Brust / und warf das mit dem Tode ringende Aaß auf die Erde. Unterdessen hatte dieses Getöse zwey in der nächsten Kammer liegende Edel-Knaben ermuntert / durch welche Segesthes sich eiligst ankleiden / und in den Garten begleiten ließ. Er traff allda das Schandpaar im Bette nacket und schaffend beysammen an / da er denn dem Ehebrecher / ehe er sich fast recht ermuntern kunte / beyde Ohren mit dem aus der Kammer mitgebrachten Messer wegschnitte / [1543] hätte ihn auch sonder Zweiffel ertödtet / wenn nicht die erwachende Sentia ihm in die Arme gefallen wäre / so daß jener Gelegenheit bekam / auffzuspringen / den einen im Wege stehenden Kammer-Diener mit aller Macht über den Hauffen zu stossen und durchzugehen / indessen der andere dem Segesthes die flüchtige Sentia halten halff. Der ehrvergessene Bojocal wurde zwar von dem einem Diener verfolget; allein dieser verfehlte seiner bey der Nacht in denen hochaufgewachsenen Spatziergängen / dergestalt / daß er / obgleich im blossen Hembde und mit hartblutenden Ohren / bey seinen Leuten an- und / nachdem er sich in etwas verbinden und bekleiden lassen / aus Segesthes Gebiete sicher entkame.

Sentia muste inzwischen mutternacket an die Garten-Thüre mit den Haaren angebunden / die kühle Nacht hinbringen / da ihr denn nicht anders deuchtete / als wenn ihres ermordeten Vaters Geist sie aufs grausamste mit Schlangen-geisseln peitschete / so daß die gantze Haut an ihr zerrissen / und ihr meistes Blut vergossen würde. Doch / da der Tag anbrach / war weder geronnen Blut / noch Striemen an ihr zu sehn /und muste sie ihr böses Gewissen für diesen nächtlichen Plagegeist halten. Segesthes gieng nun bey sich zu rathe / ob er die Ubelthäterin heimlich / oder / nach denen damahligen Rechten und Gebräuchen aller Deutschen / öffentlich abstraffen wolte. Nachdem er aber dieß letztere zu Rettung seiner Ehre am dienlichsten befunden hatte / ließ er der Ehebrecherin alle Haar vom Haupt glatt abscheren und trieb sie also gantz nackend mit einem Prügel aus seinem Palast /würde sich auch nicht geschämet haben / sie auf etliche tausend Schritt solchergestalt vor sich wegzutreiben / wenn sie nicht selbst mit dem Kopff wider eine im Wege stehende Eiche gelauffen wäre / und die Hirnschale zerschmettert hätte. Man ließ sie demnach / jederman zum Abscheu und denen Hunden und Raben zur Speise / an diesem Ort verrecken und drey gantzer Tage also liegen / endlich aber bey denen Beinen auf den Schinde anger hinausschleppen. Solchergestalt bekam diese Lasterhaffte ihren Lohn und die Welt ein Exempel / daß der Himmel denen Verächtern seiner Güte eine Schuld lange borge / aber zu rechter Zeit richtig bezahle. Solche schreckliche Fälle betreffen wenige und erinnern viel Sünder / wie ein Comet nur etlichen schadet / doch allen zum Schrecken vor die Augen gesetzet wird. Dieweil man aber der Sentia keinen marmornen Grabstein setzen wollte / machte ein Unbekandter einen von Pergament / und schlug ihn an eine unfern von der Schindgrube stehende Weide bey Nacht an:


Stehe stille /

wer du bist /

und besiehe auf einen kurtzen Blick

diesen greulichen Anblick /

der

wo nicht Mitleiden / doch Schrecken /

bey dir erwecken soll.

Wilst du meinen Nahmen wissen?

wohl! gieb acht!

Ich kan mich Medusa nennen;

weil ich

im Leben die schönste im Lande gewesen /

[1544] im Tode meine erstaunende Zuschauer versteinere

und an statt meiner abgeschnittenen Haare

Schlangen und Würmer

aus meinem Leibe herfür wachsen lasse.

Doch was nützt mir ein falscher Nahme?

Ich will mit dem Leben zu lügen aufhören

und einer noch nie versuchten Sache mich unterfangen

nemlich /

wahr zu reden.

Ich heisse:

SENTIA.

Dieser mein Nahme ist in der Welt so bekant /

daß alle Tugendhafften mich mit mehrerer Furcht /

als die Abergläubischen den Wolff /

zu nennen pflegen.

Und dieses nicht unbillig:

massen nicht allein

die Römische Wölffin meine Mutter ist /

sondern ich auch stets

durch Blutdurst und Geilheit

den Titel einer Wölffin zu behaupten gesuchet habe.

Ich wolte mich gerne

vor des Aelius Sentius Saturninus Tochter ausgeben:

Allein wer wirds gläuben /

nachdem mein an ihm begangener Mord

zu beweisen scheinet /

daß ich

einem Ehebrecher ehe / als ihm /

das Leben zu dancken gehabt /

und meine Geilheit demnach

eine Gattung von Aussatz gewesen sey /

so von Eltern auf Kinder vererbet wird?

Alldieweil auch Rom keine mit Napell vergifftete Indianerin

vor den tapffern Segesthes / zu finden wuste /

wie etwan dergleichen dem grossen Alexander

geschencket ward;

muste mein mit allem ersinnlichen Laster-Gifft

durchwürcktes Gemüth

den Chassuarischen Alexander

dermassen anstecken /

daß er

dem Griechischen zur Nachfolge /

[1545] mehr als ein deutsches Persepolis

einer Hure zu Gefallen

in Brand gerathen ließ.

In schwartzen Künsten

hat die einige Wartpurg es höher gebracht / als ich:

daher auch verdienet /

daß sie an einem hohen Galgen /

ich nur in einer tieffen Schind-Grube /

den Auffenthalt habe.

Ich habe vorlängst alle Scham verlohren /

drumb darf ich keiner Kleider /

sie zu bedecken.

Ich nehrte mit meinem Fleisch

die unflätigen Lüste des Bojocals /

der seinem Vaterlande

zu Vergeltung mütterlicher Treu /

nach Art der undanckbaren Raben /

die Augen aushacken wollen.

Was ists denn Wunder /

daß ich ietzt einer andern Art von Raben zur Speise diene?

Nun gehe hin

und würdige mich /

die ich einen ewigen Nahmen durch Laster zu erlangen

getrachtet habe /

deiner ewigen Vergessenheit.


Auf Bojocals Ohren wurden auch nicht wenig Stachel-Schrifften von unterschiedenen Händen verfertigt. Bald wolte einer den Segesthes vor einen guten Artzt rühmen / daß er den hitzigen Brand des Bojocals durch einen glücklichen Schnitt so nachdrücklich steuren können / da gemeine Wundärtzte mit ihren Sägen und Messern kaum den kalten Brand heilen könten. Bald wunderte sich einer / warumb die Ohren hätten büssen müssen / was ein anderer Theil des Leibes verbühret; und schlosse endlich: solches wäre geschehen / entweder / weil zwey Adern von denen Ohren nach dem Untertheil des Leibes sich ziehen /oder weil Segesthes vielleicht des unbändigen Bojocals Beschwerung eben so heilen wollen / als wie manche Aertzte das Hüfften-Weh / da man den Daumen des Krancken brennet und durch die Marter des unschuldigen Theils den schuldigen wieder zurecht bringet. Noch ein anderer meinte / jederman würde dem Bojocal nunmehr bey dem ersten Blick ansehen /daß der Ehren-Titul eines Römischen Bunds-Genossen ihm zukäme; weil in denen Gesetzen enthalten wäre / daß Uberläuffern und Verräthern des Vaterlands die Ohren solten abgeschnitten werden.

Nichts aber fiel mehr ist die Augen / als das wohlgemahlte vier Ellen hohe Bild eines Butavischen am Chassuarischen Hoffe lebenden Künstlers. Man sahe darauf einen Altar / auf welchem Mnemosyne / die Göttin des Gedächtnüsses / in einem mit lauter Ohren bemahlten Kleide stund und mit der rechten Hand an[1546] ihr recht Ohr griffe / mit der lincken aber einen flachen Teller hielt / worauf zwey blutige Ohren lagen. Die Meynung des Gemähldes ward durch folgende Schrifft erkläret / welche in die vorderste Seite des Altars eingegraben zu seyn schiene: Weil der Göttin des Gedächtnüsses die Ohren heilig sind / übergiebt ihr Bojocal / der aller deutschen Redligkeit bißher vergessen hat / seine straffbahren Ohren zum Versöhnopffer und sichern Pfande / bey derer Verlust an seine ehemahls-verübte Boßheit und künfftig-obliegende Schuldigkeit lebenslang zu gedencken.

Allein Bojocal bewegte sich im geringsten nicht über solcher übeln Nachrede / sondern meinte dieselbe ehe durch stillschweigen / als widersprechen zu dämpfen. Er setzte im Hause eine Haar-Haube / und auf der Gasse / Reise / Fürst- und Ritterlichen Zusammenkünfften einen Helm auf / und bemühete sich ja so sehr / seine verkürtzten / als Midas seine allzulangen Ohren / zu verdecken. Ein unvermutheter Zufall aber entdeckte dieselben vor denen Augen des gantzen deutschen Reichs.

Denn als Herrmann / Arpus mit seinem Sohne Catumern / Melo mit seinen zwey Brüdern und so viel Söhnen / Ganasch / Ariovist / Malorich / Jubil / Gottwald / und etliche andere treuverbundene deutsche Fürsten / wie auch derer Cimbrischen / Suionischen /Bastarnischen und Sarmatischen Könige Gesandten /nebenst einem Abgeordneten des Batavischen Volcks / am längsten Tag des Jahrs im Teutschburgischen Hayn zusammen kamen / ihren Bund wieder zu erneuern / funden sich auch Segesthes / Segimer / Sesitach und Bojocal ein / bereueten / daß sie von denen Römern verführet worden / und baten mit grosser Demuth / derer vergangenen Dinge zu vergessen / ihnen ihren ehemahligen Ort in der Fürsten-Versammlung wieder einzuräumen und ins künfftige aller Treu und Redligkeit von ihnen versichert zu seyn. Dergleichen suchte auch Arpus vor seinen abwesenden Malovend. Es gab hierüber viel streitens / ehe in solch Begehren allenthalben eingewilliget wurde. Weil aber Melo /Ganasch und Malorich / so ehemahls Römische Bundsgenossen gewesen waren / das Laster nicht allzu hoch anthen oder aller Vergebung unwürdig halten durfften / welches ihnen ihr Gewissen selbst vorrückte / und dannenhero / nebenst dem Arpus / eine eiferige Vorbitte vor diese Verbrecher einlegten /ward endlich einmüthigst geschlossen / daß die obgenanten Segesthes / Segimer / Malovend / Bojocal und Sesitach / alle ihre vorigen Rechte wiederbekommen und an dem allgemeinen Bündnüß derer deutschen Fürsten Theil haben solten. Als man nun dachte / sie würden insgesamt ihre Dancksagung hierüber ablegen / bedungen sich Segesthes / Segimer und Sesitach / daß sie sich viel zu edel hielten / mit dem Ehebrecher Bojocal in ein Bündniß sich einzulassen; baten dabey / in Bedencken zu ziehen / ob nicht die Verletzung eines Fürstlichen Ehebettes einen so unverschämten Missethäter aller Fürst- und Ritterlichen Gesellschafft unwürdig machte? Bojocal verwarff hierauf solche Anklage / als eine offenbahre / unerweißliche und ungegründete Schmachrede. Segesthes versetzte: Bojocal führe den Beweiß wider sich unter seinem Helm / nemlich seine verstümmelten Ohren; die möchte er nur entdecken / so würde es unnöthig seyn / die jetzt angebrachte Klage weitläufftiger zu behaupten. Bojocal antwortete: Es ist die Gewohnheit von unsern hochlöblichsten Vorfahren auf uns gebracht und so viel undenckliche Jahr erhalten worden / daß wir bey allgemeinen Versamlungen in voller Rüstung erscheinẽ; so wenig nun einem unter gegenwärtiger [1547] Durchlauchtigen Gesellschafft zugemuthet werden darff / seine Waffen abzulegen; so wenig kan ich dem Chassuarischen Hertzog die Gewalt einräumen / mir die Abnehmung meines Ritterlichen Helms nach eignem Wohlgefallen anzubefehlen. Doch dieses wundert mich sehr / daß wenn es wahr ist / daß ich meine zu kurtzen Ohren klüglich verberge / Segesthes nicht von mir lernen will / seinen ausgewachsenen Kopff zu verdecken; Und daß er mit Gewalt zu behaupten gedencket / er habe an seinem Haupt etwas zu viel und ich etwas zu wenig. Nimmermehr will ich hoffen / daß er noch ein König werden will / weil etwa dem Marcus Genucius Cipus zu Rom / als er unvermuthlich Hörner bekam / der gleichen Hoheit gewahrsaget worden. Welch eine Thorheit aber ists /daß / da er als ein Mann dem vermeinten Ehebrecher zusammt den Ohren das Leben zu nehmen sich nicht getrauet hat / er nun wie ein feiges Weib dieser Hochfürstlichen Gesellschafft Gehöre mit dem albern Gedichte von meinen gejüdscheten Ohren beschweret. Allein was braucht viel Worte? Ich fordere hiermit /aus Ehrerbietung gegen seine hohe Anverwandten /diesen leichtfertigen und lügenhafften Ehren-Dieb zu einem ritterlichen Kampff aus / in welchem er mir den Helm abziehen mag / wenn er so viel Hertz und Kräffte hat. Er will ja ein Actäon Noth seyn: weil aber seine Hunde..och nicht für voll ansehn / und als einen rechten Hirsch zerfleischen wollen / so will ich ihm aus alter Bekantschafft solchen letzten Dienst erweisen.

Segesthes durffte sich diese Ausforderung nicht zuwider seyn lassen / sondern muste selbst die Hochfürstliche Gesellschafft ersuchen / unpartheyische Kampffrichter abzugeben. Herrmann deutete ihnen beyderseits an / sich in etwas zu entfernen; inzwischen er die Stimmen herumb gehen ließ; und / als sie beyde wieder vorgefordert waren / ihnen diesen Bescheid gab: Daferne Hertzog Segesthes deutlich genug erwiesen hätte / daß Hertzog Bojocal das vorgeworffene Laster des Ehebruchs warhafftig begangen /würde man ihm nicht zumuthen können / daß er ihn seines Speers und Schwerdtes würdigte. Nachdem aber der Beweiß noch nicht zur Gnüge geführet wäre /als solte der Kampff nicht allein ihnen frey stehen /sondern auch unumbgänglich auferlegt seyn / doch mit diesem Bedinge / daß wo Hertzog Segesthes Hertzog Bojocals Haupt nicht entblössen und den Mangel der Ohren augenscheinlich erweisen könte / er als ein unverschämter Verläumbder aus der Fürstlichen Gesellschafft und Bündniß solte gestossen werden; welche Straffe aber auch Hertzog Bojocaln betreffen würde / daferne Hertzog Segesthes darthun könte /daß er seine Ohren / und folgbar seine Ehre / verlohren hätte. Beyde streitende Theile nahmen die Bedingung an. Hierauf wurde die Reñebahn vor dem Teutschburgischen Schloß zum Kampffe bereit gemacht / und vier Tage hernach nahmen die Fürstlichen Personen bey früher Morgenzeit ihre Schaubühnen daselbst ein. Der Adel / Soldaten und gewaffnete Weiber besetzten von aussen zu die Schrancken.

Segesthes hatte in seinem Schild ein paar abgeschnittene blutende Ohren mahlen lassen / nebenst dieser Beyschrifft:


Sie können nicht reden / doch zeugen.


Der Ansibarische Hertzog aber führte im Schilde den Fluß Achelous / unter der Gestalt eines Ochsens /dem Hercules im Ringen ein Horn abbrach / mit dem Beywort: Diß gehöret nicht vor dich. Hiemit anzuzeigen / daß er den Segesthes durch den Kampff überführen wolte / daß er sich Hörner anmaßete / da ihm doch die unschuldige Sentia keine Ursach hierzu gegeben hätte. So bald nun die Trompeten zum drittenmahl sich hören liessen / ranten Segesthes und Bojocal mit ihren Speeren [1548] wider einander: da denn dieser das seinige auf Segesthens Brust brach / jener hingegen Bojocals Helm so gewaltig traff / daß ihm derselbe und zugleich das Hertz entfiel / weil er das Haupt mit seiner Haar-Haube nicht wider Segesthes Schwerdt verwahren kunte. Er wolte sich demnach bücken / den auf der Erde liegenden Helm mit der zubrochnen Speerstange aufzuheben. Alleine sein Widersacher wolte die schöne Gelegenheit nicht aus der acht lassen / und schlug ihn mit dem Degen flächlings auf das Hintertheil des Haupts / daß er betäubet wurde / aus dem Gewichte kam und zur Erden stürtzte: da war es nun dem Segesthes ein leichtes / dem Bojocal das falsche Haar abzureissen / und fehlte wenig / daß er ihm nicht auch den Schedel für die Füsse gelegt hätte. Allein er hielte sich für allzu edel /einem öffentlich-überzeugten Ehebrecher das Leben zu nehmen. Darumb vergönnte er denen Ansibariern /ihren Herrn hinweg zu führen / und meynte / eine bessere Rache zu haben / wenn er ihn lange in Schimpff leben / als geschwinde sterben ließ. Denn gleichwie ehemahls den Smerdes seine abgeschnittene Ohren umb das Persische Königreich brachten: Also war der auf der Erde halb-todt liegende Bojocal durch ein allgemeines Geschrey aller Zuschauer verdammet worden / daß er als ein überwiesener Ehebrecher auf ewig aus der löblichen deutschen Ritterschafft und Fürsten Bündniß solte ausgeschlossen seyn und bleiben. Der langmüthige Himmel gab also diesem ruchlosen Menschen eine längere Lebens- und Buß-Zeit; massen er erst viertzig Jahr hernach mit allem seinem Volck von dem Dubius Avitus auf Befehl des Käysers Nero aus dem Lande verjagt wurde und im Elend jämmerlich umbkommen muste; solchergestalt aber einem Mastochsen nicht ungleich war / dem das Leben gefristet wird / damit er zu anderer Zeit geschlachtet werden könne / und zwar wohl gar durch desselben Hand /dessen Hause er Zeit Lebens am allermeisten genützet und gedienet hat.

Es war aber bey diesem Kampff auf Leib und Leben nichts wunderbarers / als daß der Uberwundene das Leben davon brachte / der Uberwinder hingegen selbiges einbüssete; alldieweil Segesthes von Bojocaln mit dem Speer über der rechten Brust verwundet worden / und bißher vor grossen Eyfer die Wunde nicht gesühlet hatte / endlich aber wegen häuffig vergossenen Blutes krafftloß und ohnmächtig zu werden begunte. Worauf man ihn nach Teutschburg bringen wolte; Allein ehe man dahin kommen konte / verschied er plötzlich / eine viertel Stunde ungefehr nach erhaltenen Obsieg. Und also muste der offtmahlige Vaterlands-Berräther Segesthes durch den nichts-bessern Bojocal das Leben / wie dieser durch jenen seine Ehre / verlieren. Jedoch war dieses dem Segesthes noch rühmlich / daß er / als ein wider einen Feind des Vaterlands tapffer- und siegreich-streitender Held / tödtlich verwundet ward / und dadurch bewiese / wie er nicht gantz ohne sein Verdienst die Ehre hätte / ein deutscher Fürst und Thußneldens Vater zu heissen. Er ward mit Fürstlicher Pracht in sein Land abgeführet und daselbst verbrant; bekam aber seinen Bruder Segimer / an statt seines bey denen Römern sich noch aufhaltenden Sohns / des Siegmunds / auf einhelliges Urtheil der deutschen Fürsten-Versa lung / zum Erben aller seiner Länder.

Dieses unverhoffte Glück des Segimers stach die Sicambrischen Fürsten Beroris und Dietrich trefflich in die Augen / und verleitete sie / ihre alten Ansprüche an das Sicambrische Hertzogthum / welches ihr erstgebohrner Bruder Melo allein beherrschete / wieder hervor zu suchen. Zumahl / da Drusus in allen seinen Briefen aus Illyricum sie vielfältig dazu anfrischte. Massen dessen Hauptzweck war / den Saamen der Zwytracht unter die deutschen Fürsten auszustreuen /und die Fabel von denen [1549] Brüdern in Böotia / die zu Cadmus Zeiten aus einerley Erde aufgewachsen seyn /und sich selbst unter einander aufgerieben haben sollen / auf Deutschen Grund und Boden zu einer wahren Geschichte zu machen. Melo schützte zwar das väterliche Testament vor; aber es würde ein Papier / das von Würmen und Mäusen kan zerfressen werden / ein schlechter Schild des Hertzogs wider Spieß und Degen gewesen seyn / wenn die beyden Brüder alles hätten thun wollen / was ihnen der Ehrgeitz einriethe. Allein zu allem Glück kam der kluge Eubage Winsheim ungefehr / den Beroris zu besuchen / und nahm Gelegenheit / von dessen Anspruch an das Sicambrische Hertzogthum zu reden / da er denn unter andern sich also vernehmen ließ: Ich leugne nicht / daß viel hundert tausend Menschen unter seiner Bothmäßigkeit zu sehen / eine sehr angenehme Sache seyn müsse / wenn dieselben entweder durch freye Wahl oder durch Erbrecht / oder durch einen dem Beherrscher abgenöthigten Krieg / selbigem unterthan worden sind. Jedennoch wenn der Himmel einem tugendliebenden Fürsten / auf keine von diesen drey Arten /viel Land und Leute unterworffen hat / kan und soll er / meines wenigen Erachtens / sich nicht mit vergeblichen Ehrgeitz qvälen und lieber über wenig wohl / als über viel nicht so wohl / zu regieren verlangen / weil jenes ihm im Gewissen Ruhe / unter denen Unterthanen Liebe / bey denen Nachbarn Verwunderung / allenthalben Ruhm und Ehre bringet / dieses aber /gleich dem Blitz / zwar in die Augen überaus sehr fället / doch vergänglich und jederman mehr schäd- als nützlich ist. Es ist einem Künstler rühmlich / wenn er mit gebührendem Fleiß einen so grossen Colossus verfertigt / daß Schiffe zwischen dessen Füssen ungehindert durchgehen können; Allein auch der wird vor einen ungemeinen Kopff gerühmet / der in verjüngter Arbeit was sonderliches thut / und wohl gar auf eine Kirschkern mehr als hundert unterschiedene Gesichter bringen kan. Eine Seele ist grösser zu achten / die einen kleinen Cörper geschicklich regieret / als eine andere / die einem grössern Leibe so übel vorsteht /daß er und sie Kranckheit / Reue und Schande davon haben. Was ist aber wohl ein Fürst anders / als die Seele eines gemeinen Wesens / das / gleich einem Cörper / aus sehr vielen und unterschiedlichen Gliedmassen bestehet? Mir gefällt überaus wohl / was der Spartanische Fürst Agis zur Antwort gab / als ihm einer vorrückte / der mächtige Macedonische König Philippus schnitte denen Spartanern die Macht und alle Gelegenheit ab / ihre Botmäßigkeit über andere Griechische Städte zu erweitern: Unser Land (sagte er) ist groß genug vor uns / dariñen zu leben und zu wohnen; und unser Hertz ist iederzeit geschickt / beydes unsere Herrschafft zu vergrössern / wenn es das Recht und Glück zulassen / und auch nach Gelegenheit mit einem mittelmäßigen Zustand wohl vergnügt zu seyn. Es will und soll ja ein Fürst den Nahmen haben / daß er zu keinem andern Ende groß zu seyn begehre / als daß die / so er zu seinen Unterthanen verlangt / sich unter ihm ruhig und vergnügt befinden mögen. Ist dieses nicht / so ist er nicht ein Fürst / sondern ein Wüterich / nicht ein Ebenbild des allgütigen Gottes / sondern eines höllischen Plagegeistes. Nun muß mein gnädigster Fürst am besten wissen / ob die Sicambrer unter dero Regierung eines vollkommenern Wohlstands theilhafftig seyn können / als unter der Bothmäßigkeit dero ietzigen Beherrschers? Gesetzt demnach / es wäre dieses zu hoffen / (wiewohl manchmahl tausend nie vermuthete Unglücks-Fälle die gute Hoffnung eines Fürsten krebsgängig machen können /) so wird doch die gewaltsame Befreyung derer Unterthanen von dem vermeynten Joch ihres ietzigen nicht unerträglichen Herrns / sie dermassen schwach / arm und dünne machen / daß sie in denen künfftigen güldenen Zeiten / wenn selbige gleich unzählig Jahre beständig [1550] anhalten solten / nicht so leichtlich sich wieder erhohlen werden. Denn der Ehrgeitz kan in einem Tag mehr verbrennen und veröden / als eine ämsige Landes-Vorsorge in funffzig Jahren bauen oder erwerben. Solte gegentheils dero weltbekante höchstrühmliche Bescheidenheit sich unserm bißher regierenden Hertzog an Gerechtigkeit / Verstand / Erfahrenheit und Glück vorzuziehen nicht gemeynet seyn / würde folgen / daß dero vorhabende Vergrösserung nur aus einem Eigennutz / nicht aber aus blossen Eyfer für die Wohlfahrt des Vaterlandes /ihren Ursprung habe; welches mir gleichwohl ungläublich scheinet. Es ist ja einem Lande nichts schädlicher / als eine Zerstückung in allzu viel Fürstenthümer / deren keines das andere vor sein Oberhaupt erkennen will / und ist dahero so wenig zu rathen / als daß man eines verstorbenen Hertzogs Hermelinen-Mantel in so viel Stück zerschneide / so viel Leibes-Erben vorhanden seynd. Mich dünckt auch /die Nachwelt wird mit mehrern Ruhm des tugendvollkommenen Beroris erwähnen / wenn er aus Ehrerbietung gegen das väterliche Testament / und aus Liebe zu der Ruh und Friede seines Vaterlandes / mit dem blossen Ehren-Titel eines Sicambrischen Fürstens /und dem ihm ausgemachten / zwar kleinen / doch auskommentlichen Unterhalt vergnügt seyn wird / als wenn er viel tausend Leichen seiner besten Freunde und Diener zu Grund- und Füllsteinen machen wolte /umb darauf seiner Herrschsucht einen Tempel zu bauen. Und wo ja alles dieses nichts verfangen will /könte vielleicht Hertzog Melo meinem gnädigsten Fürsten eine völlige Gnüge schaffen / wenn er ihn zum geistlichen Oberhaupt aller Eubagen in seinen Ländern machte. Diese Insul heckt nicht so viel Sorgen-Würmer / als der Hertzogliche Purpur; wärmet aber und zieret ja so gut / als dieser.

Beroris dachte dem Einrathen des Winsheims nach / und befand es sehr wohl gethan / daferne nur selbiger die Einwilligung des Hertzogs Melo zuwege bringen könte. Allein dieser war bald zu frieden / seinen Bruder mit einer so guten Art abzufinden und ihm dadurch die Lust zu benehmen / ehest vielleicht zu heyrathen und das Land mit allzu viel Fürstlichen Erben zu beschweren. Mit Dietrichen aber / der ohndem seinen weit-sanfftmüthigern und stillern Bruder Beroris vornehmlich in Harnisch gebracht hatte / schiene die Sache mehr Schwerigkeiten zu haben. Doch da man des ärgsten sich besorgte / und Dietrich zwar die Unterthanen aufzuwiegeln gedachte / als welche immer eine aufgehende Sonne lieber / denn eine untergehende anbeten / Melo aber ihn heimlich aufzufangen und auf ein Bergschloß zu sicherer Verwahrung bringen lassen wolte / kamen zwey Abgeordneten von dem Batavischen Volck an / erzehlteten / daß dasselbe bißher / nach ritterlichem Tode Hertzogs Cariovalda /ohne ein Haupt gelebet / nach und nach aber befunden hätte / daß seine bißherigen adelich- und bürgerlichen Vorsteher durch ihre Zwietracht nicht geringen Schaden verursacht / weßwegen es letzlich einmüthig sich erkläret / den wegen seines tapffern Muths weltberühmten Dietrich / gebornen Sicambrischen Fürsten /zu seinem allgemeinen Oberstatthalter zu erwehlen /zumahln da der auf dem neulichsten Reichstage in dem Teutschburgischen Hayn gewesene Abgeordnete desselben Fürstliche Gemüths- und Leibes-Gaben nicht genug hätte zu rühmen gewust. Melo machte nunmehr eine gantz andere Geberde gegen seinen Bruder / so bald er von ihm vernahm / daß er solch Glück nicht auszuschlagen / sondern das gewisse für das ungewisse zu nehmen / willens wäre. Es wurde demnach dem neuen Batavischen Fürsten und denen Abgeordneten des Volcks alle gebührende Ehre mit sonderbarem Eyfer erzeiget / beyderseits trefflich beschencket / etliche Tage hernach [1551] in einer überaus-prächtigen Abschieds-Verhör beurlaubet / und also mit dem Ende alles gut gemacht.

Das gantze Sicambrische Hertzogthum hielt hierüber tägliche Gastereyen und an statt / daß es befůrchtet hatte / sein Blut in einem bürgerlichen Kriege zu vergiessen / muste nunmehr Wein und Bier dessen entgelten; da unterdeß gantz Maroboduum in Blut und Thränen ersauffen wolte. Denn nachdem Graf Wartenberg und Ritter Zevusch von Fürst Gottwalden in ihre Freyheit gesetzet und als flüchtige daselbst wieder angekommen waren / machten sie den Marbod bey allen ihren Verwandten dermassen verhaßt / daß ihrer über funffzig sich in ein enges Bündniß einliessen und zusa en verschwuren / dem Tyrannen das Liecht auszuleschen / wenn der längste Tag im Jahr anbrechen würde. Hincko / Marbods Trabanten-Hauptmann / wolte das von ihm selbst empfangene Schwerdt / so er bißher vor ihn ritterlich geführet hatte / wider ihn gebrauchen / und damit den Zweiffels-Knoten / den Herrmann ein wenig gelöset hatte /zerschneiden / ob nemlich Marbod / (wie man ehemahls gemeynt hätte /) keinem widerwärtigen Glück könte unterworffen seyn? Der Druide Luitbrand wohnete allen diesen Berathschlagungen bey / nachdem er auf Adgandesters Begehren / unter dem Nahmen Gotthard und dem Vorwand allerhand Länder zu besehen und Sprachen zu erlernen / in ritterlicher Kleidung sich dahin begeben und deñ und wenn bißanher mit Adgandestern / durch einen von Gottwalds Bedienten / Brieffe gewechselt hatte. Die Sonne trat endlich in den Krebs; doch auch zugleich der Aufstand / der auf solche Zeit abgeredet war / und die Pfeile / die auf Marboden gerichtet waren / prallten wider alles Verhoffen auf die Verschwornen zurücke: iederman zum Beyspiel / daß wer die Hand an Fürsten leget / sich mehrentheils schändlicher Weise verbrenne / und daß ein Land / so eine innerliche Unruh und Aufstand anfähet / keinen grössern Vortheil habe / als wenn es sich selbst durch ein Erdbeben erschüttert und verwüstet. Denn als Marbod neun Wochen ungefehr zuvor in Begleitung Tannebergs und wenig Diener auf die Jagt reiten wolte / lief ihn unterwegens ein Bettelweib an und überreichte ihm fußfällig ein Bittschreiben /mit vielen Seuffzen und Flehen / es selbst je ehe je lieber zu erbrechen. Und damit verlohr es sich so geschwind in den Wald / daß man hätte meynen mögen /es wäre verschwunden. Dieß bewoge den Marbod nach dem Inhalt dieses verdächtigen Briefes selbst zu sehn / den er denn also abgefasset befunde:


Großmächtigster Marbod.


Der instehende längste Tag ist dein letzter / wofern du dich nicht deines Lebens durch den Tod deiner Feinde versicherst. Wartenberg / Hincko / Jaroßia /Branick / Adalbert / Zevusch / Crocus / Bohußla und Zyto sind die vornehmsten unter dem Bündnüß / und haben keine Scheu / ihren unvergleichlichen Verstand und Heldenmuth zu einen so unverantwortlichen Vorhaben zu mißbrauchen. Die grüne Farbe ist selbigen Tag dein Untergang / wo du sie nicht mit Blut roth färbest. Ich sage nicht mehr. Nöthige obbenante durch die scharffe Frage / ausführlichere Antwort zu geben. Lebe wohl und schweige von meiner Warnung / damit die Welt von deiner Rache sagen könne.

Der Unbekandte.


Marbod wiese nach langen Nachsinnen seinem Liebling Tanneberg das Schreiben; der versprach ihm ein paar hundert Mann getreuer Leute in möglichster Stille aufzubringen / das Schloß beniemten Tages damit zu besetzen / und die Verrätherey in erstem Grase zu ersticken; Inzwischen aber weder Inguiomern noch sonst jemanden in der Welt etwas davon zu sagen. Umb welches letztere er denn auch[1552] den König ersuchte. Die neun Wochen lieffen also hin / ehe man fast sich dessen versahe; und die Verschwornen vermutheten am wenigsten / was ihnen bevor stund / weil Marbod sich indeß weder freundlicher / nach ernsthaffter gegen sie bezeugete. Er stunde sehr früh am Morgen des obbenennten und zu seiner Ermordung bestimmten Tages auf / und ließ nach dem Hincko fragen / der denn schon damahls mit Jaroßla und Crocus im Schloß-Platz herumb spatzierte / und so wohl als jene die Haare mit einem grünen Band zur Losung zusammengebunden hatte. Er gieng auf Erfordern mit beyden in des Königs geheimes Zimmer ohne andere Begleitung; sahe aber daselbst niemand /als den König / der auf seinen Stuhl in seinem gewöhnlichen himmelblauem Schlaff-Peltz / mit dem Rücken nach der Thüre zu / sasse / das in eine grosse Schlaffmütze versteckte Haupt zwischen die auf den Tisch ausgestreckten Arme gelegt hatte / und dem Ansehn nach / in dieser frühen und kühlen Morgenzeit aus Müdigkeit wieder eingeschlaffen war. Dannenhero sagte Crocus heimlich zu denen andern: Der Himmel segnet unser Vorhaben! Der Tyrann schläfft und wir wollen ihm vollends dazu behülfflich seyn. Jaroßla mag an der Thüre stehn. Hincko und ich wollen den Streich verrichten. So bald es geschehen /müssen wir die Stadt zu ihrer Freyheit beruffen. Hierauf giengen sie gantz leise hin / und Hincko stach dem auf dem Schreibetisch liegenden das Schwerd durch den Rücken / Crocus gab ihm einen Hieb über den Kopff. In dem Augenblick aber waren wohl zwölff wohlbewaffnete Soldaten über sie und halb so viel über den Jaroßla her / daß sie nicht wusten / ob selbige vom Himmel gefallen wären. Ungeachtet nun alle drey sich trefflich wehrten / wurden ihnen doch die Arme gehalten / die Schwerdter genommen / und Ketten und Bande angelegt / auch jeder in ein absonderlich Gefängniß geführt. In der Thüre des geheimen Zimmers begegnete ihnen König Marbod / der doch nach selbst eigner Meynung dieser Verräther am andern Ende des Gemachs von ihnen war erwürget worden. Allein sie hatten ihren Grimm nur an einer grossen / ausgestopffeten und mit Marbods Kleidern angezogenen Puppe ausgelassen / die Tanneberg verfertigen und in diese Stellung bringen lassen / damit wenn die Verschwornen sich daran vergriffen / man sie der Verrätherey desto ehe überzeugen könte. Diese achtzehn Soldaten aber hatten längsthin an der Wand hinter einer Tapezerey gestanden / umb durch einige Ritzen das Vornehmen des Hincko zu beobachten /und nach Befinden zu bestraffen. Alle drey wurden absonderlich aufs schrecklichste gemartert / ob sie gleich ihre edle Ankunfft vorschützten; doch bekante keiner nichts / als daß sie drey allein ohne jemands Mitwissen dem gedrückten Lande zu seiner Freyheit wieder behülfflich zu seyn / den Vorsatz gehabt hätten. Nachdem aber dem Crocus vorgehalten ward /daß Jaroßla auf Wartenbergen / Adelberten / Zevusch / Branick / Bohußla und Zyto bekant / rief er aus: O! weh! nun ists geschehn! und gestunde eben dieses. Dem Hincko / deßgleichen dem Jaroßla ward des Crocus Uhrgicht vorgelesen / und durch solche List die Bekäntniß ebener massen abgenöthigt. Hierauf wurden ietzt benennte aus ihren Häusern gefänglich abgeholet / indessen die andern dem König noch unbekandte in tausend Aengsten waren / und nunmehr sahen / daß es unmüglich seyn würde / den Anschlag auszuführen / weil Marbod in so guter Verfassung stünde. Viel wolten demnach ausreissen; allein die Thore waren zu. Und keiner / als Wartenberg / hatte das Glück / bey einem gewissen Freunde in Weiber-Kleidung drey Tage zu verharren / und hernach sein Leben durch die Flucht zu Gottwalden in Sicherheit zu setzen. Die andern wurden alle nach und nach von denen gemarterten [1553] Mitverschwornen verrathen /gleichfalls aufgesucht und in gefängliche Hafft gebracht. Insonderheit traff die Reihe den falschen Gotthard oder Luitbrand. Dieser dachte demnach auf eine sonderbahre Rache / weil er dem Tode nicht entfliehen konte. Daher gab er nicht nur alle Verschwornen an / auf welche er vor der Marter gefragt wurde / sondern setzte auch fälschlich hinzu / daß noch drey hohe Häupter / denen Marbod ein wenig zu lang lebete /von ihrem Anschlage gewust hätten; doch wolle er sie nicht nennen / damit Marbod sich selbst Schlangen ernehren möchte / die ihn mit der Zeit umbbringen /und den Todt so vieler tapffern Helden rächen könten. Man fieng hierauf an mit brennendem Schwefel und Pech ihn zu betreuffen / da er denn stracks im Anfang bekante / selbiges wären Adelgund / Inguiomer und dieser beyden bester Hertzens-Freund / König Vannius. Marbod erstaunete und erzürnete sich über dieser greulichen Aussage / daß er des Todes hätte seyn mögen. Doch wuste er nicht / ob sie wahr wäre / oder nicht. Sie schien unglaublich zu seyn / weil diese drey die grösten Wohlthaten von ihm / nemlich Adelgund das Leben / Inguiomer die Tochter und Erbrecht /Vannius das Schwäbische Königreich / empfangen hatten. Doch schien auch gegentheils bedencklich /daß alle drey in dem Hercynischen Walde schon vierzehn Tage jagten und vielleicht den Ausschlag ihres Anschlags von weiten absehen wolten. Zum wenigsten war dem Wüterich alles verdächtig / daß er öffters vor seinem eigenen Schatten / als vor einem Gespenst oder Meuchelmörder / erschracke. Hierzu kame / daß Luitbrand die vollständige Marter über seiner Bekäntniß aushielt und darauf blieb / daß er deßwegen von allen dreyen Besoldung genossen hätte. Er wurde aber hierdurch dermassen entkräfftet / daß man ihn auf einen Stuhl setzen und mit einer an den Knöpffen der Lehne festgemachten und umb seine Brust geschlungenen Binde halten muste. Tanneberg befahl / den halbtodten Ubelthäter zu erqvicken /damit man ihn denen so freventlich-beschuldigten hohen Personen unter die Augen stellen könte. Aber indem hatte der vertrackte Bösewicht auf dem Folterstuhl die Binde von der Brust an den Halß hinangestreifft / und legte sich mit der Kehle dermassen hart an dieselbe / daß er die gottlose Seel ausbließ / ehe ihn iemand daran verhindern kunte. Er zahlte also sich selbst den wohlverdienten Lohn aus und verfiel durch seine heimtückische Bekäntnis / vermittelst derer er den Marbod und dessen besten Freunde zusammen hetzen wolte / in eine ärgere Marter / als ihm vielleicht kaum wiederfahren mögen / wenn er die Wahrheit ausgesaget hätte / und etwa zum Beil oder Strange wäre verurtheilt worden. Allein so boßhafftig ist die Rache / daß sie wohl ehe ihr eigen Hauß ansteckt / umb ein dabey gelegenes in Brand zu bringen / und selbst von einer vergiffteten Speise frist / umb ihren Feind zu verleiten / auch selbige zu kosten.

Hiernächst wurden über funffzig Gräfflich- und Adeliche Personen öffentlich enthäuptet und ihre Köpffe auf Bäume gesteckt. Wohl zwey oder dreymahl so viel Diener wurden an Bäume aufgehenckt. Noch mehr aber mit Ruthen gezüchtiget / andere des Landes verwiesen; und muste hier mancher Unschuldiger mit dem Schuldigen leiden / dieweil dieser auf jene bekante / als er auf selbigen bey der unerträglichen Marter befraget wurde. Gewiß ists / daß kein einig vornehmes Hauß unter denen Märckmännischen Gräflich-Adelich und bürgerlichen Geschlechtern zu finden war / das nicht entweder einen lieben Blutsfreund oder einen zuverläßigen Beförderer verlohren hätte. Marbod aber ließ sich sein Aderlassen wohl bezahlen / indem er aller Getödteten / so wohl auch der Landsverwiesenen / und derer in die Acht erklärten Güter in seine Cammer einzog. [1554] Weßwegen auch einer den Charon unter der Gestalt des alten Marbods abmahlete / wie er ein Schifflein voller abgeschiedener Seelen über die Höllen-Wasser in die unter-irrdische Welt übersetzte; Weil er aber nicht / wie jener Poetische Schiffmann mit einem Heller / den man denen verblichenen Cörpern zum Schifslohn in den Mund legte / zu frieden war / wurden ihm zum Spott diese Verse unter das Bild geschrieben und an dem öffentlichen Marckt bey Nachtzeit angeschlagen.


Du nimmst mit recht das Amt des alten Charons an

Und bringst in Plutons Reich in einem Tag mehr Leichen /

Als er im gantzen Jahr gethan.

Er muß dir ja im Fleiß / doch auch im Geitze weichen.

Ein blosser Heller war sein Lohn;

Du trågst vor deine Můh die Erbschafft gantz davon.


An statt dieser Stachelschrifft befahl Marbod eine weisse Marmorne Spitzseule auf dem Marckt aufzurichten / die auf vier rothstreifichten Marmelnen Knöpffen / diese aber auf einem hohen und mit schwartzen Serpentinsteinernen Taffeln belegten viereckten Fusse stunden. In die vörderste Seite der Flammen-Seule waren diese Worte mit sehr grossen Buchstaben eingegraben: Danckbahres Andencken des wachsamen Schutz-Geistes. In die rechte Neben-Seite: Allgemeine Freude über die Göttliche Erhaltung. In die hinterste Seite: Sichere Hoffnung künfftiger Glückseeligkeit. In die vierte oder lincke Neben-Seite: Ewige Warnung treuloser Verräther. Er ließ auch sich und seine auf die Jagt reitende Gesellschafft nebenst dem Bettelweibe / mit ihrem Brieffe in der Hand / in Lebens-Grösse auf Leinwad mahlen; da denn über dem Bilde auf dem schmalen Rande die Schrifft längsthin zu lesen war:


Marbod wird durch seinen Schutzgeist vor einer obhandenen Verråtherey gewarnet.


Der breite Rand unter dem Bilde war in fünff Felder abgetheilet; von denen das Mittelste diese Jahr zahl in sich enthielte:

Den neunten April im zwey und funfftzigsten Jahr des Marbodischen Reichs und siebenhundert ein und siebenzigsten nach Erbauung der Stadt Rom. Im andern Felde war ein offener Brieff gemahlt mit der Uberschrifft: So viel Zeilen / so viel Strahlen. Die Meynung war etwas klärer aus dem ins erste Eck-Feld geschriebenen Geticht zu nehmen:


Der Schutzgeist und die Sonn' hat den Gebrauch gemein /

Er hůllt sich in dieß Kleid / sie sich in Wolcken ein.

Doch pflegt sie manchmahl so noch Strahlen auszustreu'n /

Gleichwie auch seine Hand uns offt bringt Liecht und Schein.


Im vierdten Felde war ein hauffen grünes und brennendes Holtz / mit dem Beywort: Viel Getöse /wenig Schaden. Dieses ward im fünfften oder andern Eck-Felde mit folgenden Reimen erläutert:


Wen selbst der Himmel schützt / der kan der H \lle lachen.

Der Schutzgeist muß vor uns / auch wenn wir schlaffen / wachen.

Was will ein Erdwurm denn sich wider uns aufmachen?

Sein Zorn schreckt uns nicht mehr / als nasser Brånder Krachen.


Mittlerweile kamen König Vannius / Hertzog Inguiomer / und dessen Gemahlin Adelgund mit ihren Bedienten von der Jagt zu Maroboduum wieder an. Sie zogen alle in grüner Kleidung nach Jäger-Art auf /unwissend / daß diese unschuldige Farbe in des Marbodischen Schutzgeistes Brieff / als ein Zeichen der wider den König zusammenverschwornen / angegeben war. Marbod gerieth über diesem Anblick in einen hertzfressenden Argwohn / und hielt Luitbrands letztes Bekäntniß für allzu [1555] gewiß; zumahl da jene von der Erhitzung im Reiten gantz feuer-roth im Gesichte waren / welches er auf eine Schamröthe wegen entdeckten Anschlags ausdeutete. Er kunte auch nicht unterlassen / als sie ihm wegen überstandener Gefahr Glück wünschen wolten / mit einer verdrießlichen Geberde Gotthards in der Marter erhaltene Aussage zu erzehlen. Gläuben denn eure Majestät (antwortete Vannius) einem solchen Ertzbösewicht mehr / als dero Sohn / Tochter / und alten Freunde? Nein! (sagte Marbod) gleichwohl hat er mit seinem Tode sein Bekäntniß versiegelt. Hilff Himmel! (rieff Adelgund aus /) ists möglich / daß ein solch schelmisches Todes-Siegel mehr gelten soll / als unser blosses Wort? Können denn Eure Majestät sich einbilden /daß wir unter der Jagt von Bären und Wölffen gelernet haben / unmenschlich zu leben / ja / welches mehr als viehisch ist / unserm Vater und höchsten Wolthäter nach dem Leben zu trachten? Ich hoffe es nicht; (versetzte Marbod /) ob gleich keine Unthat der Herschsucht zu groß / und ihr höchstes Gesetz der Eigennutz ist. Der großmüthige Inguiomer kunte ein so unbilliges Verfahren nicht mit Gedult verschmertzen /sondern brach in diese Wort aus: Ey verfluchter Argwohn! Soll ich solche Ehren-Verkleinerung ohne Widerrede einfressen? das sey ferne! Mein Bructerisches Hertzogthum kan mich so wohl ernehren / als das Marckmännische Königreich. Hiermit fassete er seine Gemahlin bey der Hand und wolte sie mit sich weg führen. Aber der sanfftmüthige Vannius hielte ihn auf / mit diesen Worten: Ey nicht zu eilig! mein Fürst! Man muß einem Vater ein Wort zu gut halten. Marbod aber fiel ihm in die Rede: Es fleucht kein Storch weg / der nicht dächte wieder zu kommen. Das Marckmännische Cronen-Gold hat eine Magnetische Krafft / die auch biß ins Bructerische Hertzogthum langet. Und wenn ich ja weder Freund noch Feind umb mich hätte / würde mir mein unsichtbahrer Schutzgeist schon Gesellschafft leisten. Vannius ward darüber gleichfals ungedultig und sagte: Worzu dienen so viel verdrießliche Rätzel? Man sage es uns in die Augen /ob man uns drey für Feind oder Freund / für Verräther oder für unschuldig halte? Marbod gab mit einer kaltsinnigen Art zur Antwort: Bin ich denn ein Hertzens-Kündiger? Verhöret euer Gewissen gegen des Todten Anklage: Ich muß euch wohl entschuldigt halten. Alle drey wurden hierdurch unsäglich entrüstet und eylten zur Thür hinaus nach ihren Pferden zu / da denn Adelgund allein im weggehen sagte: Der Himmel bewahre eure Majestät / und bringe Sie zur Erkäntniß ihres Irrthums. Und damit setzten sie sich mit ihren Leuten auf und Vannius zwar gieng in sein Königreich / Inguiomer aber und Adelgund in ihr Hertzogthum.

Tanneberg kam gleich damahls zum Schloß hinein und kunte sich nicht gnug wundern / daß die Wegreisenden ihn weder sonderlich grüsseten / noch zusprachen. Er begab sich demnach zum Könige / und nachdem er die Ursach erkundiget hatte / sagte er: Eure Majestät wollen gnädigst vergeben; ich fürchte / die kaltsinnige Erlassung dieser drey hohen Personen hätte nicht so schleunig geschehen sollen. Was? (sagte der erzürnete Marbod /) habe ich nicht Ursach gnug / Argwohn wider diese Leute zu fassen / die mit ihrer grünen Kleidung / Schamröthe und selbsterwehlten Flucht so deutlich sich verrathen und Gotthards Aussage bekräfftigen? Jener erwiese hierauf weitläufftig / daß aller dieser Beweiß wider dergleichen Personen zu schwach wäre / und setzte letzlich hinzu: Zu wünschen wäre es / daß Eure Majestät nicht nur halb / sondern gantz jenem zu unser Väter Zeiten lebenden Allobrogischen Hertzog gleich wären / welcher eines theils zwar überaus argwöhnisch / anders theils aber so gar sehr verschwiegen war / daß man ehe die Tieffe des Meers / als seine Gedancken /[1556] hätte er gründen mögen; daher man von ihm ins gemein zu sagen pflegte / sein Hertz wäre mit mehr und höhern Gebürgen rings herumb besetzet und verwahret / als etwa sein Land; und keines Menschen Verstand so groß / daß er selbige übersehen könte. Die Vorsichtigkeit ist ein nöthig Ding vor einen Fürsten /weil selbiger so vielerley Leute umb sich leiden muß /die mehrentheils nicht seyn / was sie seyn wollen /und denen nichts mehr als das Kleid mangelt / daß man sie nicht vor vollkommene Comödianten halten könte; so gar sehr wissen sie sich zu verstellen. Wer nun allzu leichtlich solchen falschen Freunden traut /wird leichtlich betrogen. Doch muß man nicht aus allzu grossem Nachdencken die besten Freunde zu lauter gräßlichen Larven machen; womit wir uns ohne Noth qvälen / und furchtsamer als kleine Kinder werden. Man wirfft deßwegen nicht alsbald alle güldene Müntzen oder Edelgesteine weg / weil öffters falsche unter guten sich findẽ / sondern man prüfet dieselben mehr / als einmahl; und warumb nicht vielmehr rechtschaffene Freunde / die nicht mit Gold oder Edelgesteinen zu bezahlen sind? Es erschrickt ein Weib von Hertzen / weñ sie eine garstige Mißgeburt gebieret /und sucht dieselbe vor aller Welt je ehe je lieber sorgfältig zu verbergen; biß dieselbe vollends verrecket. Was ist aber wohl ein ungegründeter Argwohn bessers / als eine Mißgeburt / die unsere Vorsichtigkeit /auch wider ihren Willen / manchmahl aushecket / allein umb so viel mehr vor iederman verborgen werden muß / biß sie mit der Zeit in unserm Gemüth wieder erstirbt.

Marbod kunte dieser Predigt nicht länger zuhören /unterbrach sie demnach mit folgenden Worten: Es kan seyn und kan nicht seyn / daß ich in meinem Verdacht irre. Soll aber ein solcher Hochmuth mich nicht kräncken / als dieses Volck mir durch ihre so plötzliche Abreise erzeiget hat / da doch Vannius ohne mich kein König / Adelgund kein Mensch / Ingviomer kein Reichs-Erbe gewesen wäre? Doch lasts seyn! ich kan ihrer / sie aber meiner nicht entbehren. Der Zorn wird ihnen schon vergehn; und wo nicht / ist mir ein getreuer Diener so lieb zum Erben / als ein ungerathener Schwieger-Sohn!

Tanneberg hörte dieses nicht ohne Entsetzen an; wolte aber sich selbst nicht im Wege stehn / wenn ihm vielleicht Marbod seine Crone zugedacht hätte. Daher der Eigennutz ihm in Augenblick eine andere Sprache lehrete / daß er / an statt jene drey zu entschuldigen / forthin nach und nach sie desto schwärtzer bey dem Könige zu machen / bemühet war.

Sechs Wochen hernach ward des Marbods sieben und siebenzigster Geburts-Tag gefeyert / da denn iederman sich wunderte / daß er noch so eine muntere Art und gesunde Leibes-Beschaffenheit hatte / daß man ihn kaum für funffzigjährig ansehen konte. Und weil er der neulichsten recht-augenscheinlichen Lebens-Gefahr so glücklich entrissen worden / wolte man bey nahe fürchten / daß er nimmermehr sterben würde / sondern der Welt bey ihrem Untergang die Grabschrifft zu verfertigen bestellet wäre. Da durffte es nun an Schauspielen / Jagten /Gastereyen und Opffern nicht mangeln / die er seinem Schutz-Geist zu Ehren in grosser Menge / mit ersinnlichster Pracht /anordnete.

Er würde aber vielleicht solche Mühe gespart haben / wenn er gewust hätte / wie er seinen ärgsten Todtfeind unter dem Blendwerck des Schutz-Geistes verehrete. Denn selbiger war niemand anders / als Adgandester / der allen Höllen-Geistern mehr gutes gönnete / als Marboden / ungeachtet er diesem das Vorhaben des Hincko entdecket hatte. Er war den gantzen Winter hindurch beschäfftigt gewesen seine tückischen Anschläge völlig auszubrüten / biß daß endlich Luitbrand mitten im Mertz-Monat ihm zu wissen machte / daß das Bündniß wider Marboden den eilfften Junius / als den längsten Tag des Jahres / ausbrechen solte. [1557] Wäre nun Adgandestern mit Marbods Todte allein gedient gewesen / so hätte er nur die Sachen dürffen gehn lassen / wie sie giengen. Allein weil er ein weiteres Absehn hatte / wolte er lieber etliche von denen ietzt verschwornen dem Marbod zu Schlacht-Opffern überliefern / der ohne dem hiedurch allenthalben sich dermassen verhaßt machen würde /daß sich bald ein und andere von denen hinterbliebenen Freunden derer hingerichteten aufs neue wider ihn verschweren würden. Er bekümmerte sich unterdessen wenig drumb / obgleich sein lieber getreuer / der Luitbrand / darüber vielleicht mit drauff gienge; Vielmehr wünschte er dieses / damit niemand in der Welt umb seinen warhafften Nahmen und Zustand wissen möchte. Solchergestalt bezahlte ein Verräther den andern / da doch sonst keine Krähe der andern die Augen auszuhacken pflegt.

Seinen Anschlag nun auszuführen / erschlug er ein ihm auf der Strasse nach dem Walde zu begegnendes Bettelweib / verwechselte seine Köhler-Kleider mit ihren alten Lumpen / wusche sich den Staub ab / verhüllte das Angesicht mit Schweißtüchern / gieng ins Marckmännische Gebiete und suchte so lange Gelegenheit / dem Marbod vermittelst eines Schreibens seine Gefahr zu entdecken / biß ihm solches endlich am neunten April obbesagter massen glückte. Hierauf machte er sich durch den Wald eyligst fort ins Gothonische / zoge daselbst in einem Gesträuche ein dünnes seidenes Manns-Kleid an / setzte eine liechtbraune Haar-Haube und dergleichen Bart auf / welches er alles nebenst einer guten Anzahl derer von Gottwalden empfangenen Gelder in dem Bündel unter dem Bettlers-Mantel auf dem Rücken mit sich herumb geschleppet und dadurch zugleich diesem die Gestalt eines Puckels gegeben hatte. In dem nächsten Dorff kauffte er von einem Edelmann Pferd und ritterliche Waffen / und kam endlich zu Anfang des Junius unter dem Nahmen Kenelm nach Godanium. Er setzte sich daselbst in der Herberge / und wie er allerley Hände nachzumahlen vorlängst ausgelernet hatte / also schrieb er im Nahmen Marbods einen Brieff an den Graf Witgenstein / der des Gothonischen / Esthischen und Lemovischen Hertzogthums Stadthalter war / dieses Inhalts: Er hätte Uberbringern dieses / Kenelmen /(dessen Vorfahren unter König Caßibellin in Britannien ehemahls Fürstliches Geschlechts gewesen /) als seinem getreuesten Bedienten / völlig Glauben zuzustellen; solte demnach / wie ihm dieser mündlich weitläufftiger sagen würde / auf den zwantzigsten Julius / woran er diese Welt zuerst betreten hätte / die vornehmsten und ihm wegen eines mit Gottwalden gepflogenen heimlichen Verständnüsses sehr verdächtigen Gothonen / wie auch die Gothonisch-gesinneten / zu Godanium aber wohnhafften Marckmänner / zu gast laden und mit Gifft oder Schwerdt hinrichten. Vornemlich solte er hiebey nicht vergessen derer Grafen von Heldrungen / Radzivil / und Dietrichstein /deßgleichen derer Ritter Erlichshausen / Kniprode /Hirtzberg / Ostrawitz / Liebenstein / Ulsen / Dhona /Rautenberg / Gabelentz / Dumpeshagen / Frymersen und Hohenbach. Er wolte seines Ortes auf den eilften Junius ungefehr noch ein ärger Blutbad im Marckmännischen anrichten / als etwa seine Feinde / wie er glaubwürdig wüste / ihm zubereiteten.

Hierauf sprach der so genante Ritter Kenelm oder Adgandester bey dem Grafen von Heldrungen ein / so mit einem Fräulein von Radzivil sich vermählet hatte / und deßwegen im Gothonischen sich aufhielt. Dem entdeckte er nach etlichen Gesprächen im höchsten Vertrauen / zu was für einem unmenschlichen Absehen er von Marboden hieher verschicket wäre. Ungeachtet er nun seinem durch die Britannischen bürgerlichen Kriege verderbten Hause nicht anders / als durch Marbods Beförderung / [1558] zu seinem ehemahligen Ansehen wieder helffen könte / wolte er doch lieber des Todes / als ein Werckzeug solcher Mordthaten seyn. Dem Grafen kam diese unverhoffte Nachricht gantz unglaublich vor / auch Marbods Hand schien ihm in etwas verändert und dannenhero verdächtig. Allein Kenelm antwortete: Ich kans dem Grafen von Heldrungen nicht verargen / daß er an der Warheit dieses Schreibens zweiffelt. Denn ich selbst kan mich noch nicht recht überreden / daß dieses sich also verhalte /was doch mehr als zu gewiß ist. Jedennoch wenn das Blutbad zu Maroboduum auf den eilfften dieses Monats oder ein paar Tage später erfolget / wird das unschuldig-vergossene Blut derer Marckmänner denen Gothonen ihr Todes-Urtheil klärer vorlegen / als diese Tinte thut. Vielleicht kömmt umb selbe Zeit auch Witgensteins Einladung zu Marbods Geburts-Feste mit dazu / als welche / wie ich davor halte / ihm von Hoff aus von neuest wird anbefohlen werden / so bald Marbod in die Gedancken gerathen solte / daß ich auf der Reise verunglückt wäre / weil aus des Statthalters Briefen an ihm leicht erhellen wird / daß ich gegenwärtiges Schreiben ihm nicht eingeliefert habe. So wird man alsdeñ desto weniger zweiffeln dürffen /daß die edlen Gothonen die zu solchem Fest bestimmten Schlacht-Opffer sind. Graf Heldrungen fande dieses sehr vernunfftmäßig geredet / versprache dannenhero dem vermeynten Britannier (nachdem er noch ein und anders mit ihm geredet hatte /) einen verborgenen und sichern Auffenthalt in seinem Hause / zeigte auch bald darauf dem Radzivil / Erlichshausen / Ulsen und Dhona den Brieff und fragte / was zu thun? Sie vereinigten sich nach vielen Wortwechseln endlich dahin /zwar allen in dem Schreiben benennten Grafen und Rittern Theil davon im Vertrauen zu geben / doch nicht ehe sich in sonderbare Gegenverfassung zu stellen / biß eines derer zwey von Kenelm gegebenen Zeichen einträffe. Unter solchen Beredungen lieffen zwey oder drey Wochen hin / als das Geschrey die Zeitung nach Godanium brachte / wie Marbod unter denen gräflich- und adelichen Marckmännischen Häusern ärger / als eine Pestilentz / aufgeräumet hätte. Und gleichwie allen Marbodischen Ländern anbefohlen wurde / wegen der glücklichen Entdeckung der höchstgefährlichen Verrätherey allerley Freuden-Bezeugung sehen zu lassen: Also kam auch ein Befehl an den Grafen von Witgenstein / daß er seine Vergnügung hierüber / wo nicht ehe / doch gewiß auf des Königs Geburts-Tag / mit Ritterspielen und Gastereyen bezeugen solte. Worauf auch dieser die gantze Gothonische / Esthische und Lemovische Ritterschafft hierzu gewöhnlicher massen durch unterschiedene Herolde nach Godanium ungesäumet einladen ließ.

Mitlerzeit wiese ieder von denen obgenanten zwölff Grafen und Rittern eine Abschrifft von dem vermeynten Marbodischen Brieff seinen guten Freunden und Anverwandten / und brachte sie dadurch in Harnisch /ehe die Zeit herbey kam / da sie auf dem Kampffplatz im Harnisch erscheinen solten. Sie verschwuren sich demnach unter einander / daß Marbods Geburts-Tag der Sterbe-Tag seiner Herrschafft seyn / und das von ihm angeordnete Ritterspiel in einem ernstlichen Auffstand hinaus lauffen solte. Kenelm hatte indessen durch seine Geschickligkeit im Jagen / sonderlich bey Erlegung einiger Bäre und Schweine mit dem Degen in der Faust sich in sonderbare Hochachtung bey dem Adel gesetzt und fehlte wenig / daß man ihm nicht unter der Hand die Fürstliche Würde angetragen hätte / wenn nicht etliche wohlgesinnete Gottwalden hierzu vorgeschlagen hätten. Adgandester suchte daher seine Zuflucht bey der Unwarheit / welche seine Vorsprecherin gemeiniglich seyn muste / wenn die Warheit sich hierzu nicht wolte gebrauchen lassen. Er nahm einen [1559] weissen Bogen Papier und besudelte selbigen mit so schwartzen Lästerungen / daß die Tinte selbst darüber zu erbleichen schiene. Denn der Brieff war dieser:


Wehrtester Grünbach.


Es ist nunmehr Zeit / unsern grossen Anschlag auszuführen. Die Geister meiner Eltern fordern die Köpffe ihrer Mörder und Verräther zum Rachopffer / und der mir zustehende Purpur muß einmahl durch der Marckmänner und Gothonen Blut seinen Glantz wieder bekommen / nachdem er so viel Jahr her durch meiner Eltern Asche bestäubet und unscheinbar worden. Ich verlasse mich hierinnen auf deinen Verstand /der auch unmögliche Dinge möglich zu machen / und also was mehr als menschliches zu verrichten tüchtig ist; werde unterdessen meinen annoch gefangenen Gothonen nach deinem Rath alle Höffligkeit erweisen: alldieweil doch der / so Vogel fangen will / die rothen Beeren keines weges sparen darf und gute Worte sich leichter müntzen lassen / als gut Geld. Lebe wohl /und schaffe durch den Todt meiner Feinde / daß ich auch wohl leben möge.


Gegeben zu Teutschburg /

den 18. Hornung im sechsten

Jahr meiner

Regierung.

Gottwald.


Folgende Nacht hatte der junge Radzivil seiner Braut / einem Fräulein von Dietrichstein / zu Ehren ein kostbares Gastmahl und sinnreichen Tantz angestellet; in welchem diese unter dem Nahmen des Glücks / nicht nackend / sondern in überaus herrlicher Kleidung / gleich einer Juno / mit einem silbernen Körbgen in der lincken Hand / anfänglich allein /nachmahls zugleich mit vier Weibes-Personen / so durch ihre unterschiedene Kleider-Tracht anzeigten /daß sie den fürstlichen / adelichen / bürgerlichen und bauer-Stand bedeuten solten /) tantzte; von welchen sie letzlich auf ein erhobenes Gestelle gebracht wurde / umb sich daselbst auf einem mit grün und silbernen Stück behangenen Stuhl / ihr Körbgen aber auf den neben ihr stehenden niedrigen marmornen Tisch / (der an statt eines Altars gebraucht wurde) zu setzen. Hiernächst hielten sechzehen Ritter und so viel Frauenzimmer einen Tantz umb sie / da sie ihr bald den Rock küsseten / bald mit sehr tieffer Neigung sie verehreten / bald allerley kleine Geschencke auf den Altar legten und also ihre Huld auf vielfältige Art zu erwerben trachteten. Unter allen diesen war ihr wohl keiner angenehmer / als Radzivil / der ihr einen vortrefflichen Diamant-Ring in den Schooß warff. Adgandester fande hierbey Gelegenheit sein lügenhafftiges Schreiben in das Körbgen unvermerckt zu legen /als welches ohnedem mit lauter Briefen angefüllet war. Nach dem nun diese Lust eine Weile gewähret hatte / erhub sich das Glück von dem Stuhl / und gab einem jeglichen von der Gesellschafft / so vor ihr auf die öberste Stuffe des Gestelles knien muste / einen von ihren Briefen / unter welchen Radzivil den besten bekam / weil in selbigem der von der Braut unterschriebene Heyrathschluß zu finden war. Von denen andern traffen etliche in denen ihrigen nichts / als höhnische Spottreden / andere ein blosses Lob / andere gewisse Kleinote / andere Lob und Geschencke zugleich / an: Wodurch denn vorgebildet ward / wie wunderbahr das Glück seine Gaben auszutheilen pflegte. Jedweder muste / bey Straffe / seines Brieffes Inhalt der Gesellschafft zu wissen thun. Insonderheit hatte die Frau von Hirtzberg Gottwalds Brieff von dem Fräulein von Dietrichstein empfangen / und hub nach dessen heimlicher Verlesung an: Nunmehr erst halte ich mein Fräulein vor das Glück / weil sie diesen verrätherischen Brieff aufgefangen / der unserm Vaterland das ärgste Unglück andräuet. Ihr Gemahl stund ihr zur Seiten / durchsahe eiligst den Inhalt und ersuchte Radziviln / [1560] alle Diener und Dienerinnen aus dem Saal abtreten zu lassen; worauf er das Schreiben öffentlich ablase. Jederman erstaunete über dem tyrannischen Vorhaben des jungen Fürsten / und kunte sich nicht gnug wundern / wo diese Schrifft in der Braut Hände gerathen wäre. Nachdem man aber vergebliche Nachfrage deßwegen bey allen Anwesenden gethan hatte / sagte endlich Dietrichstein: der Brieff komme her / wo er wolle / so ist es doch nicht unnöthig / dessen Inhalt ferner nachzudencken. Heldrungen hatte immittelst das Papier noch einmahl durchgelesen und merckte hierauf dieses dabey an: Seht doch die thörichte Hoffart unsers jungen Wüterichs! Er hat seinen Brief gegeben im sechsten Jahr seiner Regierung / ohne Zweiffel / weil sein unvergleichlicher Vater vor fünff Jahren als oberster Barde im Schwalbach sein Leben beschlossen / und ihm das Erbrecht hinterlassen. Allein er möchte nur sich seiner Regierung nicht allzusehr rühmen / weil er weniger Ritter und Bauren unter sich hat / als der König im Schachspiel. Er könte sein gantzes Land in einen Korb fassen / wenn er einen beqvemern Ort in der Welt zu seiner Bewohnung verlangete. Doch würde mancher Reisender vielleicht ihn unterwegens fragen: Wohin er mit dem leeren Korb gedächte? Man lachte nicht wenig über des schon-bejahrten Grafens lustige Einfälle: Doch wurde aus solchen Schertz rechter Ernst und Gottwald / so wohl als Marbod / einhellig verfluchet.

Der kluge Ritter Ulsen begehrte allein / man möchte sich nicht übereilen; weil vielleicht dieser Brief unter des unschuldigen Gottwalds Nahmen von einem Betrüger gemacht wäre / der entweder Marboden /oder wohl sich selbst / mit Gottwalds Schaden nützen wollte. Zumahl da keiner unter ihnen mit dem jungen Fürsten Brieffe gewechselt hätte / und also nicht urtheilen könte / ob dieß seine Hand sey / oder nicht. Kenelm antwortete: Man könte dem Zweiffel am besten abhelffen / wenn man bey Gottwalden durch ein paar Ritter / (sonder sich mercken zu lassen / daß man diesen Brieff aufgefangen hätte /) Nachfrage thun liesse: ob einer unter seinen vertrautesten Dienern Grünbach hiesse; alldieweil einer dieses Nahmens bey etlichen vornehmen Gothonischen Edelleuten sich angemeldet hätte / und den Vortheil seines Fürstens wider Marboden zu befördern geflissen wäre.

Dieses ward von allen beliebet / auch Dumpeshagen und Frymersen zu geheimen Gesandten an Gottwalden ernennet. Allein etliche vornehme Gothonische Ritter / und unter denen Graff Gutzkow / ingleichen der Sidinische Graf Bogißla ersparten ihnen diese Mühe / indem sie nechstkommenden Morgens bey dem alten Graf Radzivil einsprachen und berichteten / daß sie bißher Gottwalds Gefangene gewesen /aber so wohl von ihm gehalten / auch letzlich auf freyen Fuß gestellet worden wären / daß sie ihm zu unsterblichen Danck hiervor verbunden seyn müssen. Sie hatten auch ein eigenhändiges Schreiben von Gottwalden an den Grafen / darinnen er ihm seinen lieben getreuen Grünbach aufs beste empfohl und bate / dessen Anschläge nach Mögligkeit zu befördern. Radzivil erzürnete sich über solchem Zumuthen überaus hefftig / zeigte denen angekommenen Rittern den vorigen Brieff / und brachte diese so weit / daß sie nebenst ihm das heimtückische und blutdürstige Gemüth des Gottwalds aufs greulichste verwünschetẽ / auch sich Nachmittags darauf nebenst der gestrigen Gesellschafft verschwuren / nimmermehr zuzugeben /daß diese junge Schlangenbrut die Gewalt über sie bekäme / weil zu vermuthen wäre / daß sie mit denen Jahren an gifftiger Boßheit mehr zu- als abnehmen würde. Man fieng hiernächst an zu rathschlagen / wer zu der Hertzoglichen Würde solte erhaben werden. Da denn die Stimmen bald auf den Britannischen [1561] Fürsten Kenelm / bald auf den alten Grafen von Radzivil /bald auf den von Dietrichstein / bald auf den tapffern Ritter Dhona fielen. Endlich gab Graf Heldrungen den Rath / man solte den wehlen / der sich am besten im künftigen Ritterspiele halten würde / und so bald Marbods Statthalter / der alte Graff von Witgenstein /selbigem den Sieges-Krantz überreichen würde / ihn zugleich mit einem allgemeinen Geschrey zum Hertzog ausruffen / Marbods Bild-Seulen niederreissen und dessen Getreue aus dem Lande verjagen.

Dieß erfolgte auch also. Denn als Marbods Geburts-Tag anbrach / versammleten sich nach Godanium mehr denn sechs hundert Ritter / derer jeder unterschiedene Verwandten und Diener bey sich hatte. Auf dem Kampff-Platz gegen Norden zu stund des Stadthalters Schaubühne; gegen Süden aber ein marmornes Bild des Marbods / so noch einmahl so hoch als er selbst war / und hinter dem ein gleichfals marmorner Schutzgeist / der mit der Gesichts-Bildung dem Marbod sehr ähnlich / doch ohne Bart / auch mit fleischigtern Wangen und glätterer Stirn gebildet war / und am Leibe einen langen Rock / auf dem Häupte einen mit Lorbern gekrönten Helm / in der rechten Hand ein blosses Schwerd / in der lincken einen Schild trug. Gegen Osten war das eine grosse Thor der Stechbahn / durch welches des Stadthalters Sohn /der junge Graff von Witgenstein / mit einem Gefolge von funffzig / mehrentheils Marckmännischen / Rittern / am ersten einzog. Er führte im Schild das Marckmännische Reich unter dem Bilde eines gewaffneten Weibes / so neben sich einen Schild geleget hatte /auf welchem ein schwartzer Adler zu sehen war / an ihrem lincken entblösseten Arm aber sprang ihr aus einer geschlagenen Ader nicht wenig Blut heraus; mit der Beyschrifft: Nur das unnütze. Eine andere Ritter-Gesellschafft hatte zu ihrem Haupt den Grafen von Heldrungen erkieset / dieser aber zu seinem Merckzeichen einen blauen Schild / in welchem ein güldener und mit einem roth- und weiß-gewürffelten breiten Bande umbschlungener Löwe gegen einen schwartzen Adler kämpffte. Da denn jener aus dem Heldrungischen Stamm-Wapen / dieser aus dem Königlichen Marckmännischen genommen war. Hierbey war zu lesen: Es steht beym Glück. Radzivil zohe hiernächst mit seinen guten Freunden überaus prächtig auf; hatte zum Sinnbild nichts anders / als seinen gewöhnlichen in vier Felder eingetheilten Schild / davon so wohl das erste / als vierdte blutroth gemahlet und mit diesen güldenen Buchstaben: denen Ungetreuen / beschrieben war. Das andere und dritte Feld aber war silbern und führte diese blaue Obschrifte denen Getreuen: Hierdurch sonder Zweiffel anzuzeigen /daß er / wenn er die Regierung über die Gothonen /seiner Hoffnung nach / erlangen solte / er denen Getreuen Silber zur Belohnung geben / derer Ungetreuen Blut aber zur gerechter Straffe vergiessen wolte. Der Ritter Dhona hatte sich zum Anführer eines andern Hauffens erwehlen lassen / und denen kreutzweiß-ge legeten silbernen Hirsch-Geweyhen in seinem blauen Schilde diesen Reim beygefügt:


Ich stosse nieder /

Was mir zuwider.


Durch das Westen-Thor zog der vermeinte Britannische Fürst Kenelm mit einer sehr starcken Gesellschafft ein und führte im Schilde ein güldenes Thier /welches der Pöbel vor einen gemeinen Löwen ansahe / die Wapenverständigen aber einen zum Leoparden gewordenen Löwen zu nennen pflegen. Denn weil es mit den Vorderfüssen in die Höhe sprunge / war es einem Löwen ähnlich; weil es aber das Mittel von dem Gesichte nicht vor sich weg / sondern seitwerts kehrete / war es ein Leopard. [1562] Er hatte darüber schreiben lassen: Glückselige Verwandlung: umb sich selbst in seinem Gemüth zu kützeln / daß sein angebohrner Cattischer Löwe in einen Britannischen Leoparden so listig und glücklich verwandelt worden. Diesem folgte Graf Dietrichstein / und hatte die zwey Wintzermesser aus seinem Wapen und etliche zerschnittene Stricke sich zum Sinnbilde ausersehen / nebenst der Beyschrifft: Zur Freyheit behülfflich. Vor dem nächstkommenden Hauffen ließ sich der Graf Gutzkow sehen / der im Wapen vier Rosen führte mit der Uberschrifft: Der Mistkäfer Todt. Zu allerletzt kam Bogißla ein Sidinischer Graf mit seiner Gesell schafft. Er hatte sich kentlich gemacht / durch den in seinen blauen Schild gemahlten rothen Greiff / der mit seinen vergüldeten Klauen allerley Vögel / sonderlich aber den Marckmännischen schwartzen Adler / auszufordern schien; wobey zu lesen war: Ich fürcht' auch keinen Adler nicht.

Nachdem nun Trompeten und Paucken das Zeichen gegeben hatten / brachen bald gantze Hauffen / bald einzelne Ritter / ihre Lantzen gegen einander / welches denn von frühmorgends sechs Uhr biß gegen Mittag währete. Unter diesen hielte sich der Marckmännische Graff Waldstein überaus wohl / und weil er mehr als zwantzig Ritter zur Erden gefället hatte /meinte er den besten Preiß in Händen zu haben. Sobald er aber mit Kenelmen anband / muste er vom Pferd herunter / ob er gleich schweren wolte / daß er dessen Speerstoß nicht gefühlt hätte. Dieß gab zwar einig auffsehen. Doch weil Adgandester unterschiedene Lantzen zuvor glücklich gebrochen hatte / fiel endlich der Verdacht der Zauberey weg. Radzivil und Witgenstein hielten drey Rennen gegen einander aus /dahingegen dieser bald hernach auf den Frymersen so gewaltig traff / daß dessen Sattelgurt entzwey sprang und er im Sande zu liegen kam. Radzivil aber warff den Nachod im dritten Satze zu Boden / daß er den Halß stürtzte und von jederman wegen seiner Tugenden höchlich beklaget ward. Ulsen und Dumpeshagen forderten hiernächst den Sternberg und Pötting aus /und weil ihre Pferde stärcker / als jener ihre waren /hatten sie das Glück / diese in ernstlichern Kriegen so geübte Helden zusammt denen Rossen über einen Hauffen zu rennen. Bogißla nahm den tapffern Graf Lobkowitz vor sich / der denn / indem er sich auf dem Kampf-Platz im Sande krümmte / inne wurde / daß nicht nur Geschicklichkeit / sondern auch Glück / zu dergleichen Lust-Spielen gehörte. Wer wolte aber aller Ritter Wohl- oder Ubelverhalten nach der Länge beschreiben können? Es wird demnach gnug seyn zu wissen / daß der Statthalter / nach geendeten Treffen /Fürst Kenelmen den ersten / Radziviln den andern /Bogißla den dritten / seinem Sohn (dem jungen Witgenstein) den vierdten / Ritter Ulsen den fünfften /und Dumpeshagen den sechsten Preiß nach dero Verdienst und der Kampffrichter Urtheil eigenhändig eingelieffert habe. Hiermit erhub sich ein erschrecklich Freuden-Geschrey unter denen Verschwornen: Lange lebe Hertzog Kenelm! der Bluthund Marbod vergehe! Unter solchen Getümmel brachen etliche hundert reisige Knechte / (nach der vormahls mit ihren Herren genommenen Abrede /) die Schrancken entzwey / fielen mit unmenschlicher Wuth das Bild des Marbods an / und schlugen dasselbe mit denen auf der Erde liegenden zerbrochenen Lantzen in stücken /sonder daß der gute marmorne Schutzgeist sich im geringsten gewehret / oder dem Adgandester einen Schaden zugefügt hätte / ungeachtet ihm von diesen nur neulichst ein freventlicher Eingriff in sein Amt bey dem König war gethan worden.

Der alte Graff Witgenstein dachte zwar mit Zuruffen diesem Auflauff zu steuern; und sein Sohn und dessen Getreue blösseten die [1563] Schwerdter; allein sie waren übermengt / weil hiermit auch alle wider Marboden verschworne Ritter vom Leder zogen. Gleichwol brachten endlich die Grafen Heldrungen / Dietrichstein und Radzivil einen Stillstand zu wege / lasen das vermeinte Schreiben des Marbods an den Statthalter öffentlich ab / und legten ihm vor zu wehlen /entweder den Bluthund und Gifftmischer Marbod nicht mehr vor seinen Herrn zu erkennen / oder alsbald das Hertzogthum mit denen seinigen zu räumen /oder endlich eines noch ärgern gewärtig zu seyn. Ob nun wohl Witgenstein behaupten wolte / daß das Schreiben falsch wäre; halff doch alles nichts. Er muste innerhalb vier Stunden sich fort machen / alle Rüstung biß auf das Unter-Gewehr / auch alle Güter und Gelder im Stich lassen / ohne was er und seine Leute / die gleichwohl über hundert Mann austrugen /auf ihren Pferden mit fortschleppen konten / und wurde mit sechshundert wohlbewehrter Mann biß an die Marckmännischen Gräntzen gebracht. Kenelm hingegen setzte den Hertzoglichen Hut / der zu Godanium verwahret wurde / mit grosser Pracht auf / theilte die Ehren-Aempter unter seine Freunde aus / mäßigte die Anlagen des Landes und beflisse sich ein übel-erworbenes Regiment durch eine kluge Vorsichtigkeit und äußerliche Schein-Tugend zu befestigen.

So bald nun Witgenstein bey Marboden ankam /ward alsbald Befehl so wohl an die Lygier / als auch Marckmänner / Hermundurer und Marsinger ertheilet / die Gothonen wieder zu bändigen. Allein es gienge alles schläfferig zu / biß gegen das Ende des Weinmonats / also daß man wegen des einfallenden harten Winters die Sache biß ins Früh-Jahr versparen muste. Als man aber sich auf die nächsten Nachtbarn derer abtrünnigen Gothonen / die zwischen der Warte und Weichsel wohnhafften Lygier / am meisten verließ /fielen sie ebenfalls unvermuthet ab / und unterwarffen sich dem Sarmatischen König Jagello. Ihr Exempel bewoge die zwischen der Warte und Oder gelegenen Burier / eben selbiges zu thun. Da hingegen die Marsinger Herrmannen erbaten / sie mit seinem Semnonischen Hertzogthum zu vereinigen und seiner Beherrschung würdig zu achten.

Inzwischen wurden so wohl Jubil / als Gottwald /nicht weniger durch des Drusus vielfältige Anreitzungen / als ihre eigene Regung / bewogen / bey dem Cheruskischen Feldherrn anzuhalten / ihnen zu Erlangung ihrer Erbländer behülfflich zu seyn. An dessen statt sie beyderseits sich verpflichteten / die Marckmännische Crone ihm zuwege zu bringen. Herrmann übergab demnach einem ieglichen ein fliegendes Heer von sechs tausend Mann / nicht so wohl aus Hoffnung eines eigenen Nutzens / als vielmehr aus Willigkeit seinen Freunden nach Vermögen zu dienen. Jubil machte bald nach Anfang des neuen Jahrs den Anfang zum Kriege / oder / welches einerley war / zum Siege; massen er sich kaum über der gefrornen Elbe in seinem Hermundurischen Erbreiche hatte sehen lassen /als Jung und Alt wider die Marckmänner aufstund /und sie über Hals und Kopff zum Land hinaus jagte. Er nahm hierauf die Huldigung an / theilte denen von Hertzog Herrmannen ihm geschenckten Hülffs-Völckern unterschiedene öde Dörffer zu ihrer Wohnung aus / besetzte die durch die entflohenen oder erschlagenen Marckmäñer verledigten Ehrenstellen mit tüchtigen Leuten / richtete die Herrengefälle erträglich ein und bezeugte sich gegen männiglich so gütig und wohlthätig / daß ein jeder seine hierob geschöpffte unsägliche Vergnügung nicht gnug an Tag zu legẽ wuste.

Unter allen öffentlichen Freudens-Bezeugungen aber war diese / obwohl fast die letzte / iedoch auch die sinnreichste / welche die Barden in Gegenwart Hertzog Jubils und einer unbeschreiblich-grossen Menge Volckes anstelleten. [1564] Selbige bestund in einem kostbaren mit allerhand Täntzen vermischten Singespiel. Wobey denn des Schauplatzes hinterster Theil ein hohes Gebirge / der vordere aber allerley Klippen und wilde Bäume vorstellete. In der Mitten des Berges sasse eine Nymphe in himmel-blauer Kleidung /so neben sich einen Schild geleget hatte / auf welchem ihr Nahme Hermunduris und das Wapen des Hermundurischen Hertzogthums / der Luchs / zu sehen war. Auf beyden Seiten / am Fusse des Berges / hatten sich zwey alte / nackende und mit Schilff am Haupt und Unterleib umbwundene Männer auf sehr grosse Wasser-Krüge geleget / in welche durch verborgene Röhren natürlich Wasser geleitet ward / so mit einem angenehmen Geprassel ohn unterlaß auf den Schauplatz fiel / und aus selbigen seitwärs / zwischen denen Klippen hin / wieder hinaus lauffen muste. Auf dem einem Gefäße war der Nahme der Elbe / auf dem andern der Saale zu lesen.


Nachdem nun die Säitenspiele die Gemüther derer Zuhörer durch einen betrübten Thon vorbereitet hatten / fieng die recht wohl gebildete / doch etwas blasse und magere Hermunduris an / die beyden Ströme also anzusingen:


Ach! last ein ewig Qvell aus euren Krügen schiessen

Denn mein verst \rtes Haupt kan sich nicht mehr ergiessen /

Seit dem daß Marbods grimme Wuth

Mich gantz umb Gut und Muth

Und Blut und Thrånen-Fluth

Auf einmahl hat gebracht /

Und mein so fruchtbar Reich zu lauter důrren Sande /

Mein vormahls gut Gerůcht' zu stetem Spott und Schande /

Mich selbst zum Schatten deß / so ich sonst war / gemacht.

Ihr weint noch nicht genug; wollt ihr die Thrånen hemmen /

Da ihr mich lieber sollt auf einmahl ůberschwemmen?

Ich bilde mir ohndem nicht ein /

Daß ich kan jemahls rein

Von Britons Blute seyn /

Biß eure strenge Fluth

Mich ins Verderben reist und Britons Geist versöhnet.

Denn wenn man sich so lang zu Lastern angew \hnet /

Was Wunder / wenn zuletzt die Rach' ihr Ampt auch thut?


Indem eröffnete sich das Erdreich / und aus selbigem stiege des enthauptetẽ Hertzog Britons Geist herauf / mit sechs andern Geistern vergesellschafftet. Er gieng in einem langen Rock von Silberstück / seine Gesellschafft aber in weisse Leinwad gekleidet. Dieses erweckte kein kleines Schrecken unter denen Zuschauern. Doch war dieses das gräßlichste / daß Briton seinen verblaßten und blutenden Kopff unter dem Arm trug / gleichwohl selbigen / unter dem gedämpfften Thon der bey Leich-Begängnüssen gebräuchlichen Pfeiffen auf den Hals setzte / und nachmahls also zu singen anhub / ob sich gleich seine starren Lippen nicht im geringsten rühreten:


Getrost! du Gott-geliebtes Land!

Der trůbe Himmel klårt sich wieder:

Des allgemeinen Richters Hand

Legt nun sein Rachschwerdt gůtig nieder.

Denn / weil du endlich dich voll Reu

In wahrer Demuth lernest bücken /

So bricht dein Vater auch die scharffe Ruth' in Stücken

Macht dich von Marbods Joche frey

Und låsset dich die Lehr' in dessen Beyspiel lesen:

Daß deine Straffe zwar von dir verdient gewesen /

Doch daß die Ubermaaß' in Marbods Tyranney

H \chst-straffbahr / ungerecht und GOtt zuwider sey.


Die sechs Geister stimmeten hierauf dieses Lied an / wobey die Pfeiffen nach Endigung eines iedweden Gesetzes einen kurtzen Nachklang machen musten:


Wer vor GOttes Richterstuhl sich in wahrer Busse beuget /

Dem wird er viel eh' geneiget /

Als wenn er mit frechen Worten seine Frevelthat verficht:

Wie der Wind nur starre Cedern / nicht ein schwanckes Reiß zerbricht.

Wenn die Reue das Gesicht in des Kummers Nacht verstecket

Und mit Scham und Thrånen decket /

So daß eine Morgenr \the gleichsam selbiges bemahlt

Und die aufgelauffnen Schulden mit dem Thrånen- Thau bezahlt;

Pflegt des grossen GOttes Liecht / daß vor mehr / als tausend Sonnen

Hat der Klarheit Preiß gewonnen /

Einer düstern Brust zu scheinen und Versicherung zu thun:

GOtt woll' in betrůbten Hertzen / als im kůhlen Schatten / ruhn.


[1565] Hermunduris hatte inzwischen unbeweglich / wie ein Stein / gesessen. Endlich ließ ihr doch ihre Bestürtzung zu / diese Worte aufzubringen:


Wie? leb' ich? Seh' ich recht? Betreugt sich mein Geh \re?

Briton antwortete:

Befürchte dich nur nicht / daß iemand dich beth \re.

Hermunduris versetzte:

Ach Briton! schreibt dein Blut mein letztes Urtheil auf

Wie meine Tinte dir das Todes-Vrtheil schriebe?

Briton aber gab ihr diesen Trost:

Versich're dich von mir unausgeleschter Liebe.

Mein vormahls-kurtzer Lebens-Lauff

Verlängerte sich durch mein Sterben;

Mein Blut muß meinen letzten Tag

Als ein groß jährlich Fest in dem Calender färben.

Der unverdiente Richtstock mag

Zum Denckmahl meiner Vnschuld dienen /

Ein Gråntzstein meiner Sterbligkeit /

Nicht meines Lebens / seyn. Doch soll auch jederzeit

Mein abgehau'ner Sta in seinem Spr \ßling grůnen.

Der frohe Tag ist nun erschienen /

Da mein Jubil / mein tapffrer Sohn /

Auf dem ihm angeerbten Thron

Sich wird zu deinem Trost und mir zur Ruhe zeigen

Vnd recht nach Ph \nix-Art aus meiner Asche steigen.


Hiermit verschwunden die Geister und zugleich die bißherige Schwermuth der Hermunduris. Gestalt denn auch diese mit folgenden Worten solches bezeugte:


O! unverhofftes Glück! Erleb' ich Marbods Fall?

So laßt / ihr Str \hme / denn die Freuden-Thrånen fliessen.

Laßt eurer starcken Wellen Schwall

Mit gleichsam jauchzenden Geråusche sich ergiessen.

Ihr kleinen Flůsse / tantzt mit euren leichten Fůssen

Nach dieser gr \ssern Str \me Schall:

Laßt uns im Vorschmack schon der Freyheit Lust geniessen.


Die Mulda / Pleisse / Elster und noch neun andere kleine Flüsse / so durch nackende und mit Schilff umbwundene Knaben bedeutet wurden / erwiesen unverzüglich ihren Gehorsam / sprungen hinter dem Berge hervor und hielten unter dem Wasser-Geräusche der beyden alten Flüsse und dem Thon einer verborgenen Wasser-Orgel / einen artigen Tantz.

Selbiger ward gleich geendigt / als eine in Purpur gekleidete Nymphe auftrat / die auf dem Kopff eine güldene Crone / am lincken Arm einen Schild mit dem Nahmen Marcomannis und einem gemahlten schwartzen Adler / im Gesichte eine braune Zorn-röthe / im Munde diese Worte führte:


Wie? darffst du ohne meinen Willen /

Leibeigne! Freuden-Täntz' anfahn?

Stracks / sag' ich / weicht von dieser Bahn!

Kan ich denn nicht den Vnfug stillen?


Die kleinen Flüsse zerstreueten sich in alle Ecken des Schauplatzes auf diesen Befehl der Marcomannis / welche von drey Weibs-Personen begleitet erschienen war. Die erste von selbigen bedeutete den Blutdurst; hatte einen schwartzen Rock an / der aber / so wohl als ihr Gesicht und Hände / mit Blutflecken besudelt war / in der Hand einen blossen Dolch und auf dem Haupt eine Wolffs-Haut / so ihr zugleich den gantzen Rücken bedeckte. Die andere war die Herschsucht / und mit einem roth- und goldgewürckten Rock bekleidet. Sie führte auf dem Helm einẽ Adler mit ausgebreiteten Flügeln. Die dritte hieß der Geitz und hatte einen aus groben grün- und gelben Tuchflecken zusa en gesetzten Bettlersmantel umbgehängt. Unter dem lincken Arm trug sie einen ziemlich grossen vollgestopfften ledernen Sack und mit dem Gesichte sahe sie aus einem aufgesperrten Schweinskopff heraus / vielleicht anzuzeigen / daß beydes ein Schwein und ein Geitziger im Leben niemand / vielen aber im Tode / nützen können. Diese drey Laster ließen sich nach einander also vernehmen:


Blutdurst.
Was helffen leere Wort? der kleine Rest vom Blut /
Den dieses halbe Aaß in seinen Adern fůhret /
Ist von verruchten Vbermuth
Vorlångst schon durch und durch berůhret.
Drumb muß man ihm mit Fleiß sein offt zur Ader lassen.
Vnheilbar Vbel heilt sich fůglich solcher massen.
[1566] Herschsucht.
Halt ein! halt ein! nicht allzu scharff!
Denn uns're K \nigin bedarff
Auch Vnterthanen in dem Lande;
Sonst wird das Feld zu leerem Sande.
Man muß das Leben denen g \nnen /
Die lebendig uns nůtzen k \nnen.
Geitz.
Fůllt denn die handvoll Blut mein leeres Vorraths-Hauß?
Ein Schweißbad kan dem Vbel steuern.
Man preß' ihr nur ihr Geld / Korn / Obst / Saltz / Honig aus;
Sie wird gewiß so denn kein Freuden-Fest mehr feyern.
Der Vberfluß ist eine Last /
Die sie mit gr \ßrer Můhe fast /
Als unser knechtisch Joch / das wir ihr aufgelegen /
Auf den verwöhnten Schultern tråget.

Die auf ihrem Berge sitzende Hermunduris behielt unter solchen Dräuungen ein freymüthig Gesichte; sagte dannenhero / so bald jene beschlossen hatten:


Ich muß drey rechte Furien

Zu meiner Qvaal gerůstet sehn.

Doch bin ich noch nicht überwunden:

Der Himmel legt den H \llen-Hunden

Schon solche feste Ketten an /

Daß / wo er's nicht verhångt / nicht einer beissen kan.


Marcomannis ergrimmete hierüber und sprach:

Bellstu noch / todter Hund? Ohnmächt'ge! darffst du dräu'n?

Hermunduris antwortete getrost:

Der Himmel schůtzet mich: wie kan ich furchtsam seyn?


Dieß verdroß den Blutdurst dermassen / daß er seine Königin mit Ermordung der Hermunduris rächen wolte. Alldieweil aber dem Geitz und derHerschsucht mit lebendigen Unterthanen mehr gedienet war / hielten sie ihn bey dem Arm zurück und liessen sich in folgenden Wortstreit mit ihm ein:


Blutdurst.
Wie nun? soll ich den Spott nicht rächen?
Herschsucht.
Vnd hierdurch meine Herrschafft schwächen?
Geitz.
Gemach! ich leid' es selbst auch nicht.
Blutdurst.
Der Donner und mein Dolch / die lassen sich nichts hindern.
Herschsucht.
Die Herschsucht muß ihr Reich vergr \ssern / nicht vermindern.
Kein Stein / kein Baum / kein Thier gehorchet auf mein Wort.
Geitz.
Nur Menschen bringen mir Gold / Korn / Wein aus der Erden.
Herschsucht.
Sind alle Menschen denn aus meiner Gråntze fort /
So muß ich selbst mein Herr und selbst mein Sclave werden.

Darüber stimmeten die Krumbhörner einen kriegerischen Tantz an: Die drey Laster aber bewegten sich vortrefflich wohl nach solchem Thon / so daß der Blutdurst manchmahl biß zur Hermunduris hin tantzte / von seinen beyden Gesellinnen aber allezeit wieder zurück gezogen ward. Sie wurden in dieser Bemühung gestöret durch einen Schutz-Geist / der ein weisses Kleid nebenst einem güldenen Helm und Gürtel / in der rechten Hand ein blitzend Schwerd / in der lincken einen hell-polierten ehrnen Schild trug. Dieser ließ sich sacht und sacht aus denen Wolcken herab und schwebte uber der Hermunduris Haupt. Marcomannis und die drey Laster geriethen hierdurch in eine stille und erstaunende Aufmercksamkeit zumahl / da er also zu singen anfieng:


Seht / Ungeheuer / hier den hellgeschliff'nen Schild /

Der reinen Unschuld Ebenbild.

Dieß Spiegel-Ertzt erwürgt die Basilißken-Brut:

Medusens Schlangen-Haupt ist lange nicht so gut.


Nachdem aber die drey Unholdinnen sich endlich im Tantz vereiniget hatten / und auf die Hermunduris zu lieffen / kehrte der Schutzgeist seinen Schild ihnen entgegen / durch dessen Anblick sie in unbewegliche Bilder verwandelt wurden.

Ob nun wohl Marcomannis hierüber höchlich erschrack / war sie doch willens / der Hermunduris den garaus zu machen / so bald der Schutz-Geist sich in die Wolcken wieder erhoben hatte. Allein die Göttin des Geschreyes [1567] unterbrach dieses böses Vorhaben; indem sie sich / in der Lufft schwebend / in einem blauen und mit fleischfarbigen Zungen bestreuetem Kleide sehen / auch anfänglich mit der Trompete /nachmahls also singend hören ließ:


Jubil k \mmt! Auff! Hermunduris!

Jubil k \mmt; freue dich! Jubil k \mmt gantz gewiß!


Marcomannis brach deßwegen in diese bestürtzte Worte aus:

Wie? růhret mich der Blitz? trifft mich ein Donnerkeil?


Das Geschrey antwortete:
Der tapffere Jubil / mag wegen seiner Eyl
Des schnellen Donners Nahmen fůhren.
Fleuch! Marcomannis / fleuch! such in der Flucht dein Heyl /
Soll anders nicht der Blitz von seinem Schwerdt dich růhren.
Du aber / du / Hermunduris /
Magst triumphirend jubiliren;
Jubils sein Nahm' erfordert dieß.
Jubil kömmt! freue dich! Jubil k \mmt gantz gewiß!

Marcomannis hätte vielleicht etwas eingewandt /wenn nicht die Furcht / unter der Gestalt einer blassen Weibs-Person / unvermuthet herzu geschlichen und ihr um den Halß gefallen wäre. Sie hatte einen langen erdfarbigen Rock an; Auf dem Helm führte sie einen Haasen und auf dem Rücken zwey Flügel. Hierdurch entstund zwischen beyden dieses Gespräch:


Furcht.
Geh' / Marcomannis / geh'! der Weg ist ietzt noch offen.
Marcomannis.
Wer bistu / grasses Vngethům?
Furcht.
Ach komm'! Jubil kömmt sonst: Hier ist nichts mehr zu hoffen.
Marcomannis.
Was hålstu mich? Laß gehn! sey nicht so ungestům!
Furcht.
Ich bin die Furcht. Ach komm! Ich bin dein bester Freund.
Fleuch! (bitt ich) fleuch! ach! fleuch! sonst bistu selbst dein Feind.
Marcomannis.
Geh weg / du Pest der tapffern Hertzen!
Furcht.
Wer sich nicht rathen låst / der muß sein Glůck verschertzen.

In dem sahe sie ihren Schatten vor Jubiln an und sagte:

O weh! was seh' ich hier? ist dieses nicht Jubil?
Marcomannis antwortete:
Erschrickstu / dåm'sches Thier / vor deinem eignen Schatten?
Geh fort! wie lange soll ich mich mit dir abmatten?

Weil dieses geredet ward / kamen die vier Winde /mit Wolcken-Kleidern angezogen / aus allen vier Ecken des Schauplatzes in die Mitten geflogen und fiengen einen kurtzen Wettstreit mit einander in der Lufft an. Die Furcht ward durch dieß Getümmel bewogen / der Marcomannis in die Armen abermahls zu fallen und auszuruffen:


Ach weh'! Ach h \rstu nicht das lautgerůhrte Spiel

Der Drommeln / H \rner und Trompeten?

Ich zitt're gantz! mich důnckt / ein Fieber will mich tödten.


Marcomannis versetzte voller Ungedult:
Mein schwartzer Adler fůhrt kein furchtsam Tauben-Hertz
Vnd diese L \wen-Brust beherbergt keinen Hasen.
Was machstu / Nårrin / mir vor Nasen?
Soll denn der Winde froher Schertz
Ein gråßlich Feldgeschrey nun heissen?

Die Furcht fiel auf die Knie und ruffte denen Winden in der Lufft zu:

Ihr Winde! helfft uns denn! Ihr můst uns aus der Noth
Mit euren starcken Armen reissen.
Wo nicht; so bin ich selbst und Marcomannis todt.

Worauf denn dieselben alle vier hernieder kamen /da inzwischen das Geschrey sich in der Lufft wieder einstellete und sunge:


Jubil låst sich nicht weit von diesem Orte sehen.

Fleuch! Marcomannis / fleuch! sonst ists umb dich geschehen.


Es stiesse hiernechst eine geraume Zeit in die Trompete. Mitlerweile tantzten die Winde mit der Marcomannis und bemüheten sich / sie / wider ihren Willen / nebenst der hierzu willigen Furcht / davon zu führen. Welches auch endlich angieng; massen ihrer zwey die Marcomannis / zwey aber die Furcht anfasseten / und [1568] durch die Lufft über der Hermunduris Gebirge / aus denen Augen aller Zuschauer hinweg brachten.

Hiermit verlohre sich das Geschrey in die Wolcken. Doch kam hingegen eine in grün und gülden Stück gekleidete Person auf einem erhabenen Triumphwagen unter dem Schall der Trompeten / Krumbhörner und Paucken zwischen denen wilden Bäumen heraus in den Schauplatz gefahren. Selbige solte den Hertzog Jubil bedeuten / welcher also / durch ein neues Wunderwerck / zugleich unter denen Schauspielern und denen Zuschauern sich befand. Vorher giengen eine grosse Menge Soldaten mit blossen Schwerdtern in der Hand. Diesen folgeten zwölff Barden in drey Gliedern / mit Lorbern bekräntzet. Nechst denen kam die Liebe des Vater-Landes in einem rothen mit güldenen Flammen bestreueten Kleide / und hatte auff dem Helm ein Bild des Aegyptischen Vogels Ibis / welcher sein Vaterland so lieb hat / daß er ausser demselben nicht leben kan. An dem darauff kommenden von vier falben Pferden gezogenen Triumph-Wagen war das vordere Theil mit einem in Helffenbein künstlich-geschnittenen Luchs gezieret / der einen schwartzen Serpentin-steinernen Adler unter sich hatte und zerfleischte / welches denn gnugsam anzeigte / daß der Hertzog derer Hermundurer / und Uberwinder derer Marckmänner in solchem Siegsgepränge einzöge. Auf der rechten Seiten des Wagens giengen die Klugheit und Gütigkeit; derer jene durch den Spiegel und Schlange in der Hand / diese durch den keine Galle habenden Delphin auf dem Helm / sich käntlich machte. Auf der lincken Seite funden sich die Tapfferkeit und Gerechtigkeit / derer jene an ihrer Löwen-Haut und Räule / diese an ihrer Wage und Schwert leichtlich zu erkennen war. Den Aufzug beschlossen wieder mehr als hundert Soldaten. Unter allen diesen Personen waren die Barden die ersten /die nach dem Schall der Trompeten folgendes Lied absungen:


Hermunduris! Triumph! gewonnen!

Jubil vergleichet sich dem gůld'nen Glantz der Sonnen:

Auff seinen ersten Blick

Verfinstern sich die blutigen Cometen.

Der schwartze Adler fleucht nach Eulen-Art zurůck.

Der Himmel rettet dich nunmehr aus allen N \then.

Nåchst warstu einem Knecht der Laster unterthan!

Anietzo nimmt Jubil dich zur Gemahlin an.


Eine Brenne-Spiegel brennt von ferne;

Man fůhlt von weiten auch die Krafft der h \chsten Sterne:

Jubil kan beydes seyn.

Die Tyranney empfand den Nachdruck seiner Blicken;

Sie bildete sie sich von stern' als Flammen ein

Vnd wich' aus banger Furcht des Brandes schnell zurůcke:

Doch dråut Jubil als Mars nur Feinden Tod und Pein /

Hat sonst die Gůtigkeit mit Jupitern gemein.


Der Feld-Herr aller deutschen Helden /

(Von dem die Nachwelt erst die Thaten wird vermelden /

Die man jetzt insgemein

Kaum halb pflegt anzusehn und nach Verdienst zu schåtzen /

Die aber / wenn er wird dereinst unsterblich seyn /

Die Zeit ins Demant-Buch der Ewigkeit wird etzen;)

Der stehet dem Jubil als seinem Freunde bey /

Vnd seine kluge Wahl zeugt / daß ers wůrdig sey.


So komme denn dem Held entgegen /

Der durch die Tapfferkeit den festen Grund muß legen

Zum allgemeinen Heyl.

Die Klugheit baut hierauff des steten Glůckes Tempel

Er giebt den Schuldigen und Frommen ihren Theil;

Sein Ernst und Gůte dient zu aller Welt Exempel.

Die Liebe fůhret ihn. Empfang' ihn h \chstvergnůgt!

O! wohl dir / weil sie Ihn und dich zusammen fůgt.


Hermunduris wolte auf diese Erinnerung dem Jubil entgegen gehen / weil er vom Wagen abstiege. Allein die Erde borste vor ihr entzwey und verhinderte sie also / ihr Vorhaben zu bewerckstelligen. Sie wurde hierdurch veranlasset außzuruffen:


Ach Himmel! hilff! was ist denn dieß?

Vnglůckliche Hermunduris!

Der tieffe H \llenschlund eröffnet seinen Rachen.

Ihr Weisen! sagt mir doch den Zweck von diesen Sachen.

Warumb schlingt mich der Abgrund ein?

Vielleicht / weil ich Jubils kan niemahls wůrdig seyn /

So soll ich niemahls auch mich seiner theilhafft machen.


[1569] Die von ihr angeredeten Wahrsager unter denen Barden antworteten:

Die Ehrsucht / Blutdurst / Geitz muß man vor allen Dingen

Dem Fůrsten aus den Augen bringen.

Glåubt / daß der Liebe nichts so sehr zuwieder sey.

Wo ihre Bildnůsse ihm noch im Sinne schweben /

Da kan er nimmermehr in wahrer Liebes-Treu

Mit seinem treuen Lande leben.


Die Soldaten nahmen dannenhero die drey steinern Laster-Bilder und wurffen sie in den Abgrund / der sich denn unverzüglich wieder zuthate. Die Liebe des Vater-Landes aber führte Jubiln und Hermunduris zusammen / schlug ihnen die Hände in einander und begleitete sie endlich auf den Berg / woselbst sie sich beyderseits neben einander niederliessen. Unterdessen sunge die Vaterlands-Liebe folgendes in die Seitenspiele:


Vereinigt zusammen

Die heiligen Flammen /

Die euch

Zugleich

Vergnůglich entzůnden

Vnd ewig zu hertzlicher Liebe verbinden.


Zwey Schutz-Geister kamen hiernechst aus den Wolcken hernieder / wovon der eine dem Jubil einen grünen Lorberkrantz aufsetzte / der andere aber der Hermunduris eine güldene Crone in den Schooß legte; Indem sie nun sacht und sacht sich in die Höhe erhuben / ließen sie dieses Lied erschallen:


Jubil / nimm hin den Krantz zum Denckmahl deiner Siege:

Doch schenck' ihn der Hermunduris /

Vnd sag' ihr / daß ihr Heil und Wolfarth gantz gewiß

Auf deinen tapffern Sieg h \chst wohlgegrůndet liege;

Du habest nichts davon / als nur den blossen Ruhm /

Der Nutzen bleib' ihr Eigenthum.


Es ist / Hermunduris / der Vmbkreyß deines Landes.

Fůr einen Fůrsten-Hut zu groß;

Drumb wirfft der Himmel dir dieß Gold in deinen Schooß.

Jubil ist wůrdiger des K \niglichen Standes /

Als eh'mahls Marbod war. So gieb nun diese Cron

Des grossen Britons gr \ssern Sohn.


Dieses geschach auch also; massen Jubil seinen Lorber-Krantz auf der Hermunduris Haupt / Hermunduris aber ihre Königliche Crone auf Jubils Haupt setzte: Worüber die Barden ihre Freude durch diesen Gesang an Tag legten:


Der Himmel setzt Jubiln zu unserm K \nig ein:

Wer wolte nicht mit Lust ihm unterthånig seyn?

Wohlan denn so bezeugt / ihr muthigen Soldaten /

Wie hoch ihr seyd

Erfreut /

Daß diese K \nigs-Wahl so trefflich wohl gerathen:

Des hohen Himmels Gůte gebe /

Daß immerdar ohn alles Ziel

Der unvergleichliche Jubil

Sich selbst zu höchster Lust und uns zu Nutzen lebe.


Und also ward das gantze Schauspiel durchs einen Waffen-Tantz von vier und sechzig Soldaten / zu grossen Vergnügen derer Zuschauer / beschlossen.

Erdmannsdorff / der den Jubil vorgestellet / that hiermit die Larve ab / welche dem Gesicht des neuen Königs vollkommen gleichete. Umb deßwillen hatte man ihm auch nichts zu reden gegeben / weil man billig befürchtete / seine Aussprache würde nur unvernehmlich / auch nicht Jubils seiner ähnlich gewesen seyn. Er gieng aber nebst der Hermunduris (oder vielmehr dem jungen Bünau) und seiner gantzen Gesellschafft / dem warhafften Jubil entgegen und überreichte ihm fußfällig die Cron / die er / so bald das Spiel geendet war / vom Haupt genommen hatte. Weil nun die Barden / wie auch die vornehmsten Grafen und Ritter des Hertzogs / sich heimlich unter einander beredet hatten / auf dieses Zeichen ihren Herrn zum König auszuruffen / geschahe es anjetzo mit einem so grossen Freuden-Geschrey / daß die gantze umbliegende Gegend davon erthönete. Jubil aber nahm solche neue Würde / umb so viel lieber an / weil er nicht allein aus dem alten Königlichen Bojischen Geschlecht herstammete / und nicht geringer seyn wolte /als Marbod / der letztere [1570] Beherrscher seines Hermundurischen Hertzogthums / sondern auch weil er dem Arpus zu weisen verlangte / daß er Muth und Verstand gnug gehabt / eine Crone und vermittelst derselben / seine Tochter zu erlangen. Massen jener (wiewohl mehr aus Spott / als aus Ernst) versprochen hatte / dem Jubil selbige nicht zu versagen / wenn er mit gekröntem Häupt sie verlangen würde. Er ergetzte hingegen den gantzen Hoff mit einer dreytägigen Gasterey / wie auch Schweinhatz und Ringrennen / und beschenckte die Barden mit einigen zwischen der Pleisse / Elster und Pahre gelegenen lustigen Gehöltzen und daran stossenden Feldern. Diese Freude aber verkehrte sich unvermuthlich in eine hefftige Verbitterung wider Gottwalden / der seinem höchsten Wohlthäter / dem Feldherrn Herrmann / die schändlichste Untreu erwiesen hatte. Denn der alte Marbod war /durch das neulichste strenge Verfahren gegen die wider ihn zusammen verschwornen Marckmännischen Grafen und Ritter / vollends umb alle Gunst bey denen meisten seiner Unterthanen gekommen / welche jener abgehauene Köpffe auf denen Baum-Aesten nicht erblicken kunten / sonder sich einzubilden / als wenn sie von ihnen umb Rache angeschriehen würden. Hierdurch fiel es dem landflüchtigen Graf Wartenberg unschwer / ein neu Bündniß wider Marboden / vermittelst seiner zu Maroboduum hinterlassenen Blutsfreunde / zu entspinnen. Wobey denn die Grafen Bercka und Trautmansdorff sich zu Häuptern derer Bundsgenossen machen liessen / die das Marckmännische Reich durch das Blut des Scorpions zu heilen gedachten / der selbigen so viel tödtliche Stiche vergangenen Sommer gegeben hatte. Hingegen ward Hertzog Herrmañ von ihnen durch etliche Abgeordnete unterthänigst ersuchet / mit dem Anfang des instehenden Jahrs ein Ende ihrer bißherigen Dienstbarkeit zu machen und an statt einer Belohnung vor solche Mühe mit der Marckmännischen Cron und Scepter vergnügt zu seyn. Fürst Gottwald muste demnach umb selbige Zeit mit sechs tausend Cherußkern von dem Feld-Herrn nach Maroboduum gehen. Er nahm solches auch willigst auff sich / war aber des Vorsatzes / die Sache also zu spielen / daß Marcomannis nicht dem vermeinten Bräutigam / sondern dem Brautwerber / ich will sagen / das Marckmännische Reich nicht dem Feld-Herrn / sondern ihm selbst / zu Theil würde. Der Jenner war schon über halb vorbey /als die zu Frost und Hitze abgehärteten Cherußker in der Mitternacht gantz nahe bey Maroboduum ankamen / und ihre Ankunft dem Ritter Falckenau / so die Wacht in dem einen Haupt-Thor nach der Elbe zu befehlichte / wie auch dem Grafen Bercka / als Obersten der Besatzung auf der neben der Hauptstatt gelegenen Festung / durch drey angezündete Bäume zu wissen thaten. Hierauf zogen sich zwey tausend nach der Festung und vier tausend nach der Stadt zu / da denn so wohl Bercka / als Falckenau / jedweder seines Ortes /sie persönlich bewillkomte und ohne groß Geräusch einziehen ließ. Sie fielen hiernächst in alle Gassen der Stadt / allwo die in dem Bündnüß mit begriffene Edelleute die gantze Nacht hindurch in ihren Häusern gewacht und sich fertig gehalten hatten / mit denen ankommenden Cherußkern die Waffen zu vereinigen. Dieses konte so stille nicht zugehen / daß nicht alsbald Lermen in der Königlichen Burg und in denen andern Stadt-Thoren dadurch entstanden wäre. Die Verschwornen fiengen dannenher auch an / wüste durch einander zu ruffen: Freyheit! Freyheit! Es lebe Herrmann und Gottwald! Marbod vergehe! Tanneberg hatte deßwegen den Marbod aufgewecket und ihm die vielfältigen kleinen Hauffen Cherußker und Marckmänner gezeiget / die aus allen Gassen auf den grossen Platz vor dem Schloß zugelauffen [1571] kamen / und gleichsam wie Wolcken in ein Ungewitter sich zusammen zogen / so mit einem schrecklichen Sturm in die Burg einzuschlagen dräuete. Hierüber wurde er gantz kleinmüthig und rieff: Der zornige Himmel hat nunmehr den Stab über mich gebrochen! Ein iedweder rette sich / so gut er kan! Die Besatzung machte zwar ein groß Geschrey und erbote sich dem Könige biß in den Todt getreu zu bleiben / auch ihr Leben vor das seinige willigst aufzuopffern. Doch wie dem allen /raffete er seine besten Kleinode in höchster Eyl zusammen / vermehrte aber die Perlen mit nicht wenig Thränen / alldieweil es nunmehr so weit geko en war / daß der / so ehemals alle Marckmäñischen / Hermundurischen / Gothonischen / Esthischen / Lygischen / Semnonischen / Langobardischen / Burischen und Marsingischen Schätze unter seiner Bothmäßigkeit gehabt / dem Bias seinen Denckspruch: Ich trage alles das meinige mit mir / abborgen muste. Er wolte nicht des äussersten erwarten / weil er des Lebens nun so gewohnet war / daß er sich / solches noch einmahl tapffer an den Feind zu wagen / nicht konte bereden lassen. Derowegen setzte er sich mit Tannebergen und vier Dienern zu Pferde / gieng durch das Hintergebäude der Burg über die gefrorne Mulda und reisete so lange mit grosser Gefahr seines Lebens / biß er vor einer Römischen Gräntzfestung an den Ort / wo die Donau bey dem Norichischen Lande vorbey fließet / höchstbekümmert ankam. Er wuste / daß er weder zu Jagello dem Sarmatischen / noch zu Schwatopluck dem Bastarnischen / vielweniger zu Vannius dem Schwäbischen König / ja auch nicht zu seinem Schwieger-Sohn Ingviomern Zuflucht nehmen dürffte und betauerte nunmehr zu spät / daß er seiner Tochter nicht gegläubet / die viel gewisser / als eine Aurinia / seinen ietzigen Zustand verkündiget hatte. Niemand war nun übrig / als Tiberius / von welchem er noch einige Erbarmnüß verhoffen kunte. Doch schrieb er umb Hülffe an ihn / nicht als ein fußfälliger Flüchtling / sondern als einer / der noch wohl zurück dencken durfte / was er ehemahls gewesen / wie sehr alle benachbarte Könige und Fürsten / ja die Römer selbst / sich umb seine Freundschafft beworben / und wie viel diese letztern ihm schuldig wären / indem er durch die ihnen erzeigte unbrüchliche Treu und Liebe die gantze Nord- und West-Welt sich zu Feinden gemacht.


Allein Rom hatte gar ein schwaches Gedächtniß /wenn es wolte / und achtete sich keinem zu dancken verbunden / der den Undanck zu rächen nicht mehr vermochte. Tiberius hielte vielmehr gegen den gantzen Rath eine ausführliche Rede / wie höchlich er dem Glück verpflichtet wäre / nachdem der grosse Marbod / der seines gleichen unter allen barbarischen Königen an Macht und Klugheit vordessen nicht gehabt / durch seine Sorgfalt in aller Deutschen Haß und endlich ins Verderben gestürtzet worden. Nunmehr solte man denen Römern glück wüntschen / daß sie eines Feindes loß geworden / dessen Nahme ihnen vor etlichen Jahren mehr Furcht eingejaget hätte / als Philippus der Stadt Athen / oder Pyrrhus und Antiochus dem alten Rom.


Alles demnach / was Tiberius dem Marbod zu Trost wieder schrieb / bestund hierinnen: Er möchte in Italien sicher kommen / und / wenn er wolte / sein Leben zu Raveña beschliessen / woselbst er königlichen Unterhalt aus Freygebigkeit des Käysers geniessen solte. Gefiel ihm aber dieses nicht / stünde ihm allezeit frey / eben so sicher und ungehindert wieder weg zu ziehen / als er gekommen wäre. Dieses muste der nunmehr gantz geschmeidig-gewordene Marbod aus höchster Noth annehmen und in die achtzehn Jahr lang zu Ravenna leben / damit jederman an ihm ein Exempel zu sehen bekäme / daß keine Gewalt so groß sey / die nicht eine höhere zu fürchten habe / und daß derjenige / der aller Welt Gesetze vorzuschreiben [1572] vermocht / dem Gesetz des göttlichen Verhängnüsses unterworffen bleibe.

Unterdessen hatte Gottwald durch die Cherusker das Königliche wohlbevestigte Schloß mit aller Gewalt stürmen lassen; wiewohl vergebens / weil Graf Lichtenstein sich vortrefflich darinnen über eine gute Stunde wehrte / damit keiner von denen Feinden der Flucht seines Königes inne würde / ehe er sich durch einen guten Vorsprung außer Gefahr gesetzet hätte. Nach solcher Zeit folgte die gantze Schloß-Besatzung dem Marbod über die Mulda nach; und fanden dahero die Cherusker keinen Widerstand / als sie zum andern mahl anlieffen. Hiermit aber ward allenthalben kund /daß der Tyrann weg wäre und durch seine kleinmüthige Flucht sich selbst der Marckmännischen Cron unwürdig erkannt hätte. Dannenhero begaben sich die Cherusker aufs Beute machen; wobey sonderlich die Römischen Kauffleute / die sich zu Maroboduum gesetzet und Bürgerrecht erhalten hatten / allen bißherigen Gewinn auf einmahl einbüsseten / als die Soldaten mit ihnen auf eine gar ungewohnte Art zusammen zu rechnen anhuben. Der Römische Bothschaffter Vellejus Paterculus wäre in der ersten Wuth beynahe niedergehauen worden / dafern nicht Gottwald diesem Ubel durch eine starcke Wacht / die er ihm vor seine Wohnung legte / in Zeiten vorgebauet hätte. Er ließ endlich auch den weissen Pferde-Kopff / als das vornehmste Cheruskische Kriegs-Zeichen auf den Schloßplatz pflantzen / und durch den Trompeten-Schall Befehl ergehen / daß iedweder Soldat bey Lebens-Straffe sich zu seiner daneben aufgerichteten Fahne einfinden solte / wodurch denn die besorgliche allgemeine Plünderung der Stadt glücklich verhütet ward. Und weil Marbod / als er vergangenen Sommer erfahren / wie wenig gutes er seinen Unterthanen zuzutrauen hätte / iederman / (ausgeno en Grafen / Ritter und Soldaten) alle Waffen abnehmen und in ein groß Zeughauß zusa en tragen lassen; theilte Gottwald dieselben unter die vorigen Besitzer wieder aus und machte damit mehr als zehn oder zwölff tausend bewehret und sich überaus sehr verpflichtet / nachdem ihre Waffen ihnen ja so lieb / als ihr eigen Leben /waren. Er verschrieb überdieß den gantzen Adel und alle zum Krieg geschickte auf den zehnden Mertz nach Boviasmum / welches man kurtz zuvor Maroboduum hieß. Zwölff vornehme Marckmänner machte er / im Nahmen Hertzog Herrmanns / zu Reichs-Räthen / verminderte die Zölle / Kopffsteuer und andere Gaben / und suchte durch eine sonderbahre Freundlichkeit die Gemüther des Volcks zu gewinnen. Indessen nahm Wartenberg die mächtigsten Edelleute /sonderlich die neuen Räthe / auf die Seite und beklagte / daß sie aus Marbods Tyranney unter Herrmanns Joch geriethen und also nur den Herrn / nicht den Zustand / änderten. Denn bißher wäre das Land derer Marckmänner ein grosses freyes Königreich gewesen / das fast von gantz West und Nord vor seine Königin wäre erkant worden; ietzo würde es eine blosse Landschafft oder Stück des Cheruskischen Hertzogthums. Dieses wüchse gegentheils so unglaublich geschwind / daß es schiene / das Verhängniß habe mit Hermannen eben das / was mit Marboden / vor / und wolle einerley Trauerspiel mit veränderten Personen wiederhohlen; weil doch alle Herrschafften / wenn sie allzu schnell und allzu sehr zunehmen / so wenig als wassersüchtige Leiber / lange bestehen könten / und die Reichsäpffel / welche das Glück zu ihrer Lust als Bälle gebrauchte / desto jählinger fallen und zerfallen müssen / je höher sie zuvor gestiegen wären. Dannenhero stünde zu wüntschen / daß das Marckmännische Reich einen eigenen Herrn hätte / der dasselbe in seinen ietzigen Gräntzen erhielte / und daß ein Fürst ohne Land hierzu lieber erwehlet würde / als ein König oder Hertzog / der schon durch ein übermäßiges Glück in eine so unersättliche [1573] Herschsucht gerathen / daß er ein paar Welt-Kugeln leichter / als Cleopatra ihre grosse Perlen / zu verschlingen sich getrauete. Man hätte ja an der Cheruskischen Soldaten rauberischen Verfahren wider die Römischen Kauffleute gesehen / wie ihr Herr seine Leute gewöhnete und wie er die seinem Hertzogthum einverleibten Landschafften durch solche Egeln aussaugen ließe /damit dieselben / gleich einem Cörper / der sich gantz verblutet hat / das Vermögen verlöhren / sich wider ihn aufzurichten oder zu wehren / wenn er etwa ihnen mehr zumuthen wolte / als ihre angebohrne Freyheit erleiden könte. Der eintzige Fürst Gottwald wäre noch derer Marckmänner Schutz-Geist dißmahl gewesen und hätte sie viel glücklicher durch sein hohes Ansehen / als Zetes und Calais mit ihren Pfeilen den Phineus wider die Harpyien / beschützet. Dieser junge Fürst hätte einen so reiffen Verstand / eine so tapffere Faust und ein so leichtvergnügliches Gemüth / daß seines gleichen wenig zu finden wäre; allermassen die besagten drey Dinge in einer einigen Person sich schwerer und seltener / als schwartze Schwäne und weisse Raben in der Welt / antreffen liessen.

Diesen Begehren ward durch Gold und Silber der rechte Nachdruck gegeben / massen keine Rede bessere Wirckung hat / als wo der Schall der Worte und der Klang des Geldes wohl zusa en sti en. Der Marbodische Schatz / so auf der Festung lage / kam dem Gottwald hierbey trefflich zu statten. Deñ er beschenckte alle Grossen so reichlich / daß sie nun endlich die güldene Zeit erlebet zu haben vermeynten. Bald darnach thaten ihm die Bestochenen heimlich zu wissen / daß man seine hohe Person am allerliebsten zum König hätte / wenn man nur so vieler Cherusker mit guter Art loß werden könte. Gottwald wegerte sich zum Schein nicht wenig / das jenige / was er (seinem Vorgeben nach) Hertzog Hermannen so gern als sich selbst gönnete / anzunehmen. Jedoch willigte er endlich ein / als er befürchten muste / man möchte seine Wegerung vor lauter Ernst aufnehmen. Er sandte aber nächstfolgenden Tages die Helffte derer Cherusker nach Budorgis / wo sie zuvor in der Besatzung gelegen hatten; unter dem Vorwand / daß man das neuerworbene Land mit allzu vielen Soldaten im Anfang nicht belegen / sondern ihm / wie einen neuen Most / Lufft lassen müste. Denn sonst geriethe es in eine höchst-verderbliche Unruhe und schadete beydes sich und seinem Eigenthums-Herrn. Zwar Ritter Maltzan erinnerte ihn mehr als einmahl / daß man nicht allzu sicher seyn dürffte / weil vielleicht noch viel im Lande vorhanden wären / die Marboden wieder zufallen könten / wenn man ihnen nicht eine ansehnliche Cheruskische Kriegsmacht stets vor die Augen stellete / damit sie entweder willig oder unwillig treu verbleiben müsten. Gottwald aber ward ungeduldig und gab zur Antwort: Hertzog Herrmann hat mir / als Feldherrn dieses fliegenden Heers / ungebundene Macht ertheilet / zu thun und zu lassen / was ich will. Mein Wille ist demnach / daß ihr die dreytausend Mann unverzüglich nach Budorgis führet / oder ich werde euch und allen Widerspenstigen / im Nahmen unsers allgemeinen Feldherrns / den Abschied geben /und den Gürtel nieder zu legen anbefehlen. Malzan muste hierauf gehorsamen und mit denen dreytausend Mann das Marckmännische Gebiet räumen. Nach seinem Abzug ließ Gottwald einen silbernen Kasten mittelmäßiger Größe mit allerley artigen güldenen / silbernen und elffenbeinern Kunststücken anfüllen / so theils aus Marbods Schatz genommen / theils von denen Römischen Kauffleuten erbeutet waren; und verschloß ihn aufs beste / nachdem er diesen Brieff an Hertzog Hermannen mit hinein gelegt hatte:


Großmächtigster Feldherr.


Die Marckmännischen Stände haben mir [1574] wider meinen Willen Cron und Scepter aufgedrungen; ungeachtet ich verhofft hatte / selbige meinem höchsten Wohlthäter zu übergeben. Allein der Himmel hat es anders gefüget und ich weiß gewiß / daß der gottsfürchtige Hermañ weder den Himmel zu stürmen /noch dessen Verhängniß zu ändern / willens sey. Er ist schon so groß / daß er den Verlust eines noch nie gehabten Landes wenig / weit höher aber dieses achten wird / daß der neue Marckmännische König sich vor des grossen Hermanns ewig-verbundensten Diener erkennt.

Gottwald.


Hiernächst erwehlte er zweytausend Cherusker unter dem jungen Graf Hanau / vertraute ihnen den Kasten nebenst dem versiegelten Schlüssel / und befahl beydes Hertzog Hermannen nach Teutschburg unverzüglich zu überbringen; indem hierinnen so wohl Marbods beste Verlassenschafft / als auch eine nothwendige Nachricht von dem Marckmäñischen Reich enthalten würde. Weil sie nun aus diesen Worten schlossen / daß so wohl des vertriebenen Königs hinterlassene Cron und Scepter / als auch derer Marckmännischen Stände Einladungs-Schreiben zur Regierung in diesem Behältnüß zu finden wäre / eylten sie destomehr zu dem Feldherrn / von welchem sie kein geringes Gnaden-Geschenck davor zu erlangen verhofften. Die übrigen tausend Mann behielt Gottwald zu seiner Leibwacht biß auf den zehnden Märtz / an welchem die gantze Ritterschafft und die Abgeordneten aller Städte und Dörffer in einem verschlossenen Häyn des Hercynischen Waldes zusammen kamen /da er sich denn durch Graf Wartenbergen und den von ihm reichlich beschenckten Obersten Druiden Milota auf obbesagte Art iederman dermassen einloben ließ /daß / weil die Vornehmsten schon gewonnen waren /sich jähling ein unordentliches Geschrey erhub: Hertzog Gottwald / unser neuer König / lebe! Wartenberg eylete hierauf aus dem Hayn / und fügte Gottwalden / (der / weil er ein Frembder war / so wenig als die Cherusker / der Versammlung beygewohnet hatte /) in einer wohlausgedachten Rede das unterthänigste Verlangen derer gesamten Reichsstände zu wissen; setzte ihn auch auf einen grossen Schild und ließ ihn durch acht vornehme Edelleute empor heben und in die Versammlung tragen; allwo ihm der Oberste Druyde Cron und Scepter überlieferte und zur neuerlangten Königlichen Hoheit Glück wüntschete. Dieses gienge so stille nicht zu / daß die Cherusker nicht hiervon Wind bekommen hätten. Daher stelleten sie sich in Ordnung und wolten auf den Hayn zuziehen. Allein Gottwald kam ihnen beyzeiten mit sechs tausend Mann entgegen / umbzingelte sie / hieß sie die Waffen niederlegen / und dräuete / den redlichen Ritter Berlepsch mit eigener Hand nieder zu hauen / als er sich erkühnete zu fragen: Ob dieses der gegebenen Treu und Glauben gemäß wäre? Sie musten hierauf allerseits schweren / das Marckmännische Gebiet /ohne König Gottwalds Willen / nimmermehr wieder zu betreten / und wurden also von drey tausend Marckmännern biß an die Hermundurischen Gräntzen begleitet und daselbst frey gelassen. Solchergestalt ward Gottwald König. Wie schlecht aber die überstimmt-und übereylten Unterthanen damit zu frieden wären /zeigte sich gar bald / indem sich die meisten / ohne vorher gegangene ordentliche Erlassung / nach ihren Häusern wieder begaben. Doch achtete er dieses nicht allzu hoch / weil er alle Gräntz-Vestungen / die Marbod auf Römische Art / gegen das Semnonische und Langobardische zu / angelegt hatte / so wohl auch die Hauptstadt Boviasmum / in seiner Gewalt sahe.

So bald nun die gedachten Cherußker einen Fuß auf den Hermundurischen Grund und Boden gesetzet hatten / wehleten sie sechs aus ihrem [1575] Mittel zu Abgeordneten an den König Jubil / und eröffneten ihm das Unrecht / so Hertzog Herrmann von dem treulosen Gottwald erlitten. Jubil beschiede dannenhero alle zu denen Waffen geschickte Mann- und Weibs-Personen nach Calegia auf den zwölfften April / hielte ihnen in einer langen Rede vor / wie die Danckbarkeit erfordere / Hertzog Herrmañs Beschimpffung an Gottwalden zu rächen / nachdem jener allein durch seine Völcker denen Hermundurern zu ihrer Freyheit wiedergeholffen hätte. Er funde jederman zur Rache willig und bereit; gieng daher mit einem Heer von dreißig tausend Männern und zehen tausend Weibern ins Marckmännische / ehe Gottwald solches dencken können /als welcher mehr bißher gefürchtet hatte / das Wiehern und Schnauben der Cheruskischen Pferde zu hören / als zu sehen / daß die Hermundurischen Lüchse seine Hercynischen Gebürge übersteigen solten; Gestalt denn auch auf der Grentze zwischen dem Marckmännischen und Hermundurischen Lande kein Ort sonderlich befestigt war / weil beydes vor kurtzer Zeit gleichsam nur ein Land und Marbod so wohl dieses als jenes fast zu einer Zeit im Anfang seiner Regierung unter sich bekommen hatte. Nichts hielte demnach den Jubil auf / vor Boviasmum zu rücken /da denn unterwegens mehr als acht oder zehentausend Marckmänner ihm zufielen. Gottwald hatte gegentheils die seinigen zusammengezogen und ließ es auf eine Schlacht ankommen / die aber so unglücklich auf seiner Seite ablieffe / daß er nach einem sechsstündigen Gefecht sich in die Stadt flüchten muste. Unterdessen schickte Graf Bercka dem König Jubil die Schlüssel zu der an die Stadt angebaueten Festung und bezeugete / wie froh er wäre / daß Hertzog Herrmann / dem allein zu Liebe er sich in das Bündniß wider Marboden mit eingelassen hätte / durch Beyhülffe des tapffern Hermundurischen Königs / zu seinem Recht wieder gelangen solte. Jubil danckte vor solche gute Zuneigung des redlichen Grafens gegen den Feld-Herrn / besetzte sein Lager mit zwölff tausend Mann / das gröste Theil des Heers aber führete er durch einen ziemlichen Umbschweiff nach der Festung und kam von hinten zu in dieselbe bey schon einbrechender Abenddemmerung. Gegen morgen ließ er aus seinem Lager durch Selmnitzen Lermen machen und das Haupt-Thor stürmen. Als nun die meiste Macht derer Marckmänner sich dahin zog / fiel Jubil mit einem grausamen Geschrey aus dem Schloß in die Stadt und brachte damit den Feind in solche Unordnung / daß Gottwald selbst nach dem grossen Thor an der Mulda die Flucht nahm; Inmittelst verließ ihn fast jederman / alldieweil zumahl Graf Wartenberg todt /Falckenau höchstgefährlich verwundet / Trautmannsdorff aber zu dem Feinde übergegangen war. Jubil verfolgte hierauf seinen Sieg / und nöthigte Gottwalden sich mit seinen geringen Hauffen über die Mulda / ja endlich biß in das denen Römern unterthänige Noricum zu flüchten und also eben den Weg selbst zu betreten / den er sich durch Marboden vor etlichen Monaten hatte bähnen lassen. Marbods Exempel machte ihm auch die Hoffnung / einen sichern Auffenthalt von dem Käyser zu erlangen / welcher denn /auf sein unterthänigstes und einem deutschen Fürsten höchstunanständiges suchen / Befehl gab / ihm für seine Person einen Ort zur Wohnung in den Narbonensischen Gallien zu Forum Julium anzuweisen. Alle seine Bedienten und Anhänger aber / so wohl auch die / welche dem Marbod aus Deutschland nachgefolget waren / ließ er über die Donau zwischen die Flüsse Marus und Cusus dem Römischen Bundsgenossen und Schwäbischen König Vannius zum Geschenck überliefern; allermassen er besorgte / daß weil sie etliche tausend an der Zahl austrugen / möchten sie vielleicht / wenn sie in die Römische Landschafften [1576] solten vertheilet werden / mit ihrem unruhigen kriegerischen Gemüth auch jene anstecken / die doch bißher der Ruhe und des Friedens so wohl gewohnt waren / daß sie sich mit ihrer Knechtschafft besser vergnügten / als Rom mit seiner Herrschafft über den grösten Theil der Welt; und daher mit denen Massageten sich nicht übel vergleichen liessen / unter welchen ein Edelmann oder Bauer / wenn jener vom Fürsten / dieser von seinem Edelmann geprügelt wird / noch zu dancken pfleget / daß der Herr sich die Mühe genommen / ihn wohlmeynend zu züchtigen und gehorsamer zu machen.

Zu Forum Julium hätte nun Gottwald die beste Gelegenheit gehabt / seinen Fehler lange genug zu bereuen; allein er starb vor grossen Hertzeleid / ehe es jemand vermuthet hatte / und ward ohne alle Pracht verbrant und begraben. Ja damit es auch dem Todten an einer Straffe nicht mangeln möchte / ungeachtet seine Unbedachtsamkeit im Leben mehr als zu viel erlitten hatte / klebete ein Unbekanter diesen Zettel / statt einer Grabschrifft / an sein Begräbniß:


In diesen finstern Ort

hat

GOTTWALD /

gebohrner Hertzog derer Gothonen / Esthier und Lemovier

sich verstecket;

Weil er Scheu trägt /

sich forthin vor der Welt sehn zu lassen /

nachdem er einmahl auf ihrem Schauplatz

die Person

eines Marckmännischen Königs

übel gespielet hat.


Währender Zeit hatte sich Hertzog Herrmann mit vier tausend Langobarden ins Marckmännische Gebieth eingefunden und durch das Geschrey von seiner Ankunfft die drey Grentzvestungen bewegen / sich an König Jubiln zu ergeben. Dannenhero dieser mit dem gantzen Kriege fertig war / als der Feld-Herr ankam. Es ist nicht zu beschreiben / mit was ungemeiner Freude jederman ihn empfangen / weil Jubil in dessen Nahmen eine allgemeine Verzeihung allen bißherigen Anhängern des Gottwalds versprochen hatte. Der tapffere Slawata / und der kluge Trautmansdorff waren die Abgeordneten derer sämtlichen Reichsstände / überlieferten dem neuen König Cron und Scepter und führten in einer herrlichen Rede aus / wie wunderbahr der Himmel vor das Marckmännische Land gesorget / indem er es so wohl von Marbods unerträglicher Tyranney / als auch von Gottwalds unbefugter Gewalt glücklich befreyet und durch diesen doppelten Krieg alle unruhigen Köpffe entweder sterben oder sich hinweg flüchten lassen / damit der grosse Herrmann ein mit lauter getreuen Unterthanen besetztes Königreich finden und ja so vergnügt selbiges beherrschen möchte / so begierig dieses sich seiner Bothmäßigkeit unterwürffe. Herrmann antwortete / er würde jederzeit gerne mit der Besitz- und Erhaltung derjenigen Lande zu frieden gewesen seyn / denen er biß daher vorgestanden / und die entweder durch das Erbrecht oder ordentliche [1577] Wahl unter seine Auffsicht gerathen wären. Alldieweil aber die Marckmänner selbst ihm ehemahls von freyen Stücken ihr Königreich angeboten und ihn also zu dessen Einnehmung gnugsam berechtiget hätten / als würde es ihm die gantze Welt zu einer kindischen Einfalt oder Kleinmuth außgeleget haben / daferne er ohne alle Bewegung zugesehen / wie ihm der undanckbahre Gottwald das Seine freventlich aus denen Händen risse. In Betrachtung dessen wäre er mit einem mächtigen Heer im Anzuge gewesen / umb dem unverschämten Räuber das Kleinod wieder abzunehmen / warumb er noch nicht mit dem rechtmäßigen Besitzer gestritten hätte. Unterwegens aber wäre ihm das Geschrey entgegen gekommen /daß König Jubil ihm die Mühe der Rache ersparen wollen / welches denn ihm umb so viel lieber gewesen / weil er ohnedem darzu wenig Lust gehabt / wenn nicht seine Ehre und die Ruhe Deutschlands ein solches unumbgänglich erfordert hätten. Daher sey er schlüßig worden / alle seine Cherusker und Semmoner wieder nach Hause zu erlassen / und von denen Langobarden nur etliche tausend zu seiner Begleitung zu behalten. Er fände nunmehr die Gemüther der edlen Marckmänner gegen ihm so gesinnet / wie er es wünschete. Sie hingegen solten auch allezeit einen treuen und liebreichen Vater des Landes / nach ihrem selbsteigenen Wunsch / Zeit seines Lebens / an ihm finden.

Slawata und Trautmannsdorff danckten unterthänigst vor dieses gnädige Erbieten / versprachen nochmahls mit denen verbündlichsten Worten alles das /was ein gerechter Fürst von seinem Lande hoffen kan / küsseten dem König die Hand und fingen hierauf das gewöhnliche Freuden-Geschrey an / welches alles Volck eine gute Zeitlang wiederhohlete. Unterdessen statteten die Könige Herrmann und Jubil gegen einander mit ersinnlicher Höffligkeit den gebührenden Danck ab / daß jener dem Jubil das Hermundurische Königreich durch seine Hülffs-Völcker / dieser aber jenem das Marckmännische durch einen kostbahren und persönlichen Feldzug unterwürffig gemacht hatte. Es versicherte einer den andern immerwährender nachtbahrlichen Freundschafft / welche auch durch ein prächtiges / zu Boviasmum angestelltes Gastmahl bekräfftigt wurde / daferne sie anders noch mehr bekräfftigt werden konte / nachdem sie sich schon auf die Tugend der beyden Helden gründete und durch einen so grossen würcklichen Dienst an beyden Seiten bewähret war. Die nächsten drey Tage wurden mit der Huldigung / Ersetzung der Ehren-Aempter / und Bestätigung der Landgesetze hingebracht. Ritterspiele und Jagten blieben biß auf folgende Woche ausgesetzet. Mittlerweile ließ König Herrmañ alle hinterlassene Brieffe des entwichenen Gottwalds ungelesen verbrennen / damit keinem / der sich nunmehr seiner Pflicht gemäß bezeigte / einige Schande oder Schade aus dem mit dem Feinde ehemahls gepflogenen Verständniß erwachsen möchte.

Umb diese Zeit wurde ihm unter andern Geschencken / auch eine rechtwohlgemahlte Leinewad überreicht / die von der Hand eines Römischen Mahlers /so zu Boviasmum nebenst andern seines gleichen sich seßhafft niedergelassen hatte / mit sonderbahrem Fleiß verfertiget war. Man sahe darauf den Bellerophon / des Corinthischen Königs Glaucus Sohn /wider des Jupiters Willen auf dem geflügelten Pegasus durch die Lufft gen Hi el reiten. Worüber er aber rasend wurde und vom Pferde herabsuncke. In der Ferne des Gemähldes lage bey einem Berge ein Ungeheuer / so mit dem Kopff und Brust einem Löwen /mit dem Bauch einer Ziege / mit dem Schwantz einem Drachen ähnlich war / von denen Poeten Chimära genennet wird / und von dem Bellerophon zu seinem ewigen Nachruhm soll getödtet worden [1578] seyn; durch welchen Sieg aber er in einen thörigten Stoltz / und durch diesen in einen schrecklichen und tödtlichen Fall gerathen. Der Künstler hatte sein Absehen durch diese Unterschrifft erkläret:


Seht / wie Bellerophon / der sich sonst Gottwald nennet

Vnd der das Vngeheur / den Marbod / hat erlegt /

Dem Himmel selbst zu trotz in sein Verderben rennet /

Indem sein Ubermuth ihn in den Himmel trågt.

Erhebt ein stoltzer Sinn sich ůber alle Sterne /

Ist Raserey und Fall gewiß von ihm nicht ferne.


Die letzte unter allen Ergetzligkeiten / die König Herrmannen zu Ehren angestellet wurden / war ein Fischer-Rennen auf der Mulda / dem die Königliche Personen und dero vornehmste Bedienten aus der Vestung / so an die Stadt Boviasmum anstößt / eine unzählige Menge Volck aber auf dem Ufer und kleinern Insuln des Flusses zusahe. Jedweder Fischer hatte ein aus vierfacher Leinwad gemachtes und allenthalben durchnehetes Kleid an statt des Harnisches / wie auch einen höltzernen Schild und stumpffe Lantze und stund im Vordertheil des Kahnes / in dessen Hintertheil ein Fischerknecht saß und ruderte. Wenn nun die Kähne einander erreichten / stieß ein jeder Kämpffer die Lantze mit solcher Gewalt wider seinen Gegener /daß darüber einer von ihnen / wo nicht alle beyde /rücklings in den Kahn / oder seitwerts ins Wasser stürtzten. Anfänglich gab es lauter Zwey-Kämpffe /hernach ruderten zehn gegen zehn und endlich hundert gegen hundert. Es fielen aber nicht allein die Fechtenden / sondern auch bißweilen die Zuschauer ins Wasser / und kunten eine Probe ablegen / wie weit sie es in ihrer Schwimm-Kunst gebracht hätten. Denn der neugierige Pöbel / der in viel Reyhen hintereinander stund / drunge immer mehr und mehr nach dem Ufer zu / so bald die vorn am Rande stehenden lachten /schriehen oder sagten / wie ietzt dieser und jener Fischer sich wohl hielte / ein anderer aber gegentheils den kürtzern zöge. Daher muste mancher von denen /so sich nicht in acht nahmen / hier und dar wider seinen Willen einen Sprung ins Wasser thun. Dieses Unglück betraf auch einen frembden ansehnlichen Ritter; worüber seine Diener ein groß Geschrey erhuben /und ihrer zwey ihm alsbald nachsprungen / die andern vier rieffen denen Fischern zu / diesen vornehmen Herrn zu retten und versprachen davor eine Belohnung von zwey oder drey hundert Cronen. Hierüber ward ein grausames Aufsehen so wohl auf der Vestung / als allenthalben / weil keiner unter denen Fechtenden den Verdienst aus handen lassen wolte. Allein alle Mühe war vergebens; Man fienge wohl die zwey des Schwimmens nicht allzu wohl erfahrne Diener auf und legte sie in Kähne. Der Herr aber war lange nicht zu finden. Endlich merckte ein Fischer /daß sich etwas an den Boden seines Kahnes fest anhielte; daher rieff er etliche zu Hülffe / und risse mit dero Zuthun den halb-todten Ritter hervor und in den Kahn / kehrete ihn auch mit dem Kopff unterwärts /damit er das Wasser wieder von sich geben möchte. Graf Bercka hatte inzwischen eine Sänffte aus der Vestung geschickt / diesen unglücklichen Frembden / der noch nichts von seinen Sinnen wuste / abzuhohlen /damit der Fischer-Streit seinen Fortgang und Ende ohne fernere Verhinderung gewinnen möchte. Als man aber dem Todtkrancken die nasse Haarhaube vom Kopffe nähme / auch das Gesichte mit einem warmen Tuch trocknete / fiel der angeklebte schwartze Bart ab und wurde der bißher unbekante von dem jungen Graf Pötting vor Adgandestern angesehn. Man strich ihn dahero desto fleißiger mit Balsam und köstlichem Schlagwasser an / und bracht ihn letzlich wieder zu sich selbst. Worauf er aber aus seinem Unterkleide eine silberne Büchse und aus dieser eine Kugel in Grösse einer Erbse hervor suchte und solche / ehe es iemand hindern kunte / in den Mund thät und verschlang.

[1579] Inmittelst hatte Pötting seine Muthmassung denen Grafen von Nassau und Trautmannsdorff zu wissen gemacht / welche sich denn ohne verweilen in diesem Zimmer ein- und zwischen dem bettlägerigen Edelmann und Adgandestern eine grosse Aehnligkeit / ja völlige Gleichheit / funden. Auf befragen / wer er wäre / gab er sich für einen Gothonischen Edelmañ aus / und bate / daß man ihn durch seine Diener in die Herberge bringen lassen wolte. Ob er nun wohl die Sprache in etwas veränderte / so erkante ihn doch der kluge Nassau gnugsam vor den / der er war / ließ demnach das Gemach wohl verwahren / und gab beyden Königen Nachricht von diesem Handel. Hierauf ward das Fischertreffen beschlossen / und die Preise ausgetheilet. Den Krancken aber befahl Herrmañ zu entkleiden und nachzusuchen / ob er nicht Gifft bey sich trüge / nachdem Hertzog Arpus des Tiberius Brieff an Adgandestern / als einen geschwornen Feind aller deutschen Fürsten / erbrochen und Herrmannen zugeschickt hatte / weßwegen man befürchtete / daß ein solcher Ertzbösewicht vielleicht anderweit sich umb Gifft beworben / oder doch mit einigem meuchelmörderischen Gewehr versehn hätte / umb dieses mahl das Schelmstück zur Welt zu bringen / mit welchem er so lange Zeit schwanger gegangen war. Man irrete auch in solchem Verdacht keines weges / indem der gefangene allerdings Adgandester oder der so genañte Kenelm war. Dieser hatte Graf Radziviln / Dietrichsteinen und Heldrungen die Oberaufsicht über seine drey Hertzogthümer auf eine Monats-Frist in höchster Geheim anvertrauet / unter dem Vorwand /daß er in unbekanter Gestalt einen gewissen Hof und die allda befindlichen Fürstlichen Fräulein sehen /auch so denn sich entschliessen wolte / ob er eine von solchen zur Gemahlin verlangen solte / oder nicht. Er begab sich hiernächst in Begleitung sechs Diener ins Marckmännische Königreich / umb daselbst die von dem Sejanus in einem silbernen Behältnüß überschickten Gifft-Kugeln wider König Herrmannen zu gebrauchen / als welchem er das Leben nur darumb so lange gefristet / weil er seiner zur Rache wider Marboden nöthig zu haben vermeynet hatte. Er kam den Abend vor dem Fischer-Gefechte zu Boviasmum an; verfügte sich gleichwohl des folgenden Tages an das Ufer / umb die Lust mit anzusehen / weil er nicht gedachte / daß jemand in seinem langen Reise-Mantel /falschen Haar und Bart / auch gelb-angestrichenem Gesichte Adgandestern suchen solte. Alldieweil aber die Mulda seine Farbe abgewaschen / den Bart ein wenig loßgeweichet und Anlaß gegeben hatte / ihn samt der Haarhaube dem Betrieger abzunehmen /ward er von iederman vor Adgandestern erkant / ungeachtet er uñ seine herbey geholten Diener nach vielfältigen Fragen nichts Mehr gestunden / als / daß er Kenelm / der Gothonische Hertzog / wäre. Man ließ unterdessen die zähen und klebrichten Kugeln in Gegenwart derer Gothonen aus dem gefundenen silbernen Büchslein heraus nehmen und an etlichen Hunden probiren. Allein / weil keine sonderliche Aenderung an diesen etliche Stunden lang zu mercken war / kunte man Adgandestern noch nicht als einen Gifftmischer überführen; zumahlen da seine Leute beständig dabey blieben / daß er umb einer Heyrath / und sonst umb keiner andern Ursach willen / diese Reise angetreten hätte.

Kenelm bate inzwischen / man möchte ihm / als einem Fürsten / wo nicht an seiner völligen Freyheit /zum wenigsten doch an der nothwendigen Mittags-Ruhe nicht hinderlich seyn. Man kunte ihm dieses letztere nicht versagen. Hierauf fieng er an über zwey Stunden lang zu schlu ern / nachmahls im Schlaff zu schreyen und endlich gar vom Bette aufzuspringen und zu rasen. In solchem Wüten bekante er freywillig / daß er Adgandester wäre / und redete viel Dinge /die niemand als Adgandester [1580] wissen kunte. Es wurde auch von Stund zu Stund ärger mit ihm / weil die Gifft-Kugel / die er aus Verzweiffelung zu sich genommen hatte / immer mehr und mehr ihre Würckung spüren ließ. Gegen Abend that er erschrecklich kläglich / wunde sich im Bette wie eine Made / brüllete wie ein Ochse und stellete sich so ungeberdig / als wenn er alle Höllen-Pein auf einmahl litte. Man gab ihm demnach etliche Personen zu / die auf ihn acht haben solten / nachdem man ihn als einen Fürsten in Ketten zu schliessen Bedencken trüge. Als aber einsmahls nur zwey umb ihn stunden / warf er sie unvermuthet zu Boden und sprung aus dem Bette zu dem offenen Fenster hinaus / ehe man solches verwehren kunte / fiel mit dem Bauch in einen spitzigen Felsen nahe am Ufer / ermannete sich gleichwohl / riß seine Eingeweide aus dem Leibe / stürtzte sich hiernächst in die Mulda und ersoff. Bald drauf fieng der Gifft an / die Hunde eben so jämmerlich zu peinigen; daher denn die Gothonen gestehen musten / daß ihres Hertzogs Todt aus eben dieser Ursache entstanden wäre.

Herrmann ließ nachgehends Adgandesters Cörper auffischen und dessen Dienern andeuten / daß er aus sonderbahrer Güte sie durch Zwangs-Mittel zur Bekäntnüß nicht nöthigen / sondern ihrem blossen Wort gläuben wolte / daß sie weder von ihres Herrns gottlosem Vorsatz / noch warhafften Nahmen etwas gewust hätten. Sie solten demnach frey seyn / und den zerfleischten todten Leichnam in ihr Vaterland führen damit Graf Heldrungen / Dietrichstein und andere /die mit Adgandestern / als gewesenen vornehmsten Staatsbedienten des Marbods / Kundschafft gepflogen / ihn ohne falsches Haar und Bart besehen und erkennen möchten / wie unglücklich ihre Fürsten-Wahl gerathen / und wie unbillich es sey / Hertzog Ingviomern von dem Besitz des Gothonischen / Esthischen und Lemovischen Hertzogthums auszuschliessen / da doch seiner Gemahlin Groß-Vater dessen rechtmäßiger Beherscher gewesen.

Die Diener legten hierauf das Aaß in einen grossen Kasten voll Honig / verbranten die Eingeweide und führeten beydes mit sich weg. Damit aber Sentia und Gottwald nicht mehr Ehre / als ihr Freund Adgandester / nach ihrem Tode hätten / schickte ein unbekanter der reisenden Gesellschafft ein wohl versiegeltes Pergament / mit Bitte / es an den Grafen von Heldrungen zu überbringen / welcher es nachmahls eröffnete und dieses Inhalts befand:


Adgandesters Grabschrifft.

Hier ruht

der unruhige Adgandester /

wofern der ruhen kan /

der /

weil er lebte /

des Ixions Rad im Gehirn truge

und daher nach dem Tode

billig von ihm wieder getragen wird.

Er war

dem veränderlichen Vertumnus

gantz ähnlich /

ausgenommen in der Unsterbligkeit.

[1581] Doch weil

die Marckmännische Pomona

ihm nicht zu willen war /

suchte er

in vermummter Gestalt

die Gothonische Ceres zu betriegen.

Niemahls war er / was man dachte;

allezeit / was er wolte;

selten / was er solte;

Dem Phaeton

ward er im Leben und Sterben ähnlich:

Jener stürtzte aus der Lufft in den Eridanus /

nachdem er die Welt verbrant hatte.

Dieser

hatte die gantze Nord- und West-Welt

veranlasset /

in einer unaufhörlichen Kriegs-Glut

so viel Jahr nach einander

zu brennen.

Nunmehr findet er seinen Eridanus

in der Mulda.

Diß allein stehet dahin /

ob

die Gothonischen Nymphen

mit ihren kostbaren agtsteinern Thränen

sein Grabmahl beehren wollen /

gleichwie

dem Aethiopischen Phaeton

von der Phaetusa / Lampetie und Phöbe

geschehen.

Gewiß ists /

daß er keine / als nur Freuden-Thränen / verdienet /

weil seine Anschläge dem gantzen Vaterland

so viel Leidens-Thränen

ehemahls ausgepresset haben.

Drey Elemente

waren zu seinem Untergang beförderlich:

Er fiel aus der Lufft /

zerschmetterte sich auf der Erde

und verreckte im Wasser.

Das vierdte Element / das Feuer /

hätte gern etwas hierzu beygetragen /

[1582] wenn es nicht dessen

danckbarlich hätte schonen müssen /

welcher ihm so viel deutsche Städte und Länder

zur Speise übergeben hatte.

Jedoch

was gehen die vier Elemente Adgandestern an /

der ein einiges Element hatte /

in welchem er lebte / und durch welches er starb /

nemlich /

heimtückische Betrügerey.


Heldrungen / Dietrichstein / Gutzkow / Dhona /Ulsen und andere / die Adgandestern ehemahls gekant hatten / waren zugegen / als Kenelms Sarg geöffnet und die Leiche abgewaschen wurde. Sie befunden aber gar bald / daß es der beschriehene Adgandester wäre / wiewohl die Gifft-Flecken und die bleiche Todten-Farbe ihn nicht wenig unkäntlich machten / auch der Gestanck des verfaulenden Cörpers nicht gestatten wolte / ihn lange anzusehn. Sie schämeten sich nicht wenig ihres Versehens in der Fürsten-Wahl und dachten sich an dem Betrüger zu rächen / indem sie ihn unverbrant und unbegraben in die Weichsel warffen /welche ihn weiter in die Oost-See führen mochte. Nachgehends beredeten sie alle Gothonische / Esthische und Lemovische Stände / daß sie Hertzog Ingviomern die Herrschafft über sich durch etliche Abgeordnete antragen ließen / weil weder er / noch seine Gemahlin dessen entgelten dürfften / womit Marbod sich verhaßt gemacht hätte / der letztere Marbodische Brieff auch nunmehr vor Adgandesters Mißgeburt von iederman gehalten würde. Ingviomer nahm das angebotene Hertzogthum zu Danck an / verordnete in seiner Abwesenheit den Ritter Dhona zum Gothonischen / Graf Radziviln zum Esthischen und Graf Gutzkow zum Lemovischen Stadthalter.

Er erzeigte unterdessen König Herrmannen vor seine Empfehlung bey denen Gothonischen Ständen gar schlechten Danck. Denn weil das Marckmännische Königreich / welches er von seinem Schwieger-Vater Marbod zu erben vermeynt / durch Herrmannen eingenommen war / versuchte er / seines Schadens an dessen Cherußkischen Erblanden sich zu erhohlen. Er hatte nicht wenig Freunde unter der Ritterschafft daselbst / die seiner Gnade vor mehr als zwölff biß zwantzig Jahren genossen hatten / als er an statt des damahls minderjährigen oder ausser Landes sich aufhaltenden Herrmañs die Regierung geführet. Da nun Gottwald im vergangenen Jenner mit einem fliegenden Heer ausgesand ward / Marbodens Cron vor Herrmannen zu erwerben / schrieb Inguiomer an etliche von seinen Vertrauten mit verdeckten Worten: Er wundere und betrübe sich höchlich / daß das uhralte freye Hertzogthum der edlen Cherusker / welches offtmahls Königen Gesetze fürgeschrieben / dem gantzen deutschen Reiche so viel allgemeine Feldherren gegeben / und weder Gut noch Blut zu Befestigung seiner Freyheit gesparet / anitzo so willig und gerne eine Landschafft des Marckmännischen Königreichs würde. Denn entweder müste auch selbiges seinen Hertzoglichen Hut in eine Cron verwandeln / und also gestehn / daß es sich beynahe vor Herrmanns Leibeigene erkenne / oder aber der Marckmännischen den Vorzug lassen. Jedweder Königliche Thron hätte ja die Art eines hohen Berges [1583] an sich: Wer einen von beyden bestiege / dem kämen alle die Oerter klein und unansehnlich vor / aus welchen er gekommen wäre /ungeachtet dieselben warhafftig noch so groß und ansehnlich sich befänden.

Er schickte auch den Ritter Oswald / als eine reisende Person / ins Cattische Gebiete / der denn Gelegenheit suchte und fand / gantz geheime Verhör bey Hertzog Arpus zu erlangen / als er eben zu Neidenstein mit einer engen Hoffstatt sich aufhielt. Diesen nun befrembdete es nicht wenig / als Oswald sich vor Hertzog Inguiomers Bedienten ausgab und die Begrüssung aufs höfflichste im Nahmen seines Herrn ablegte; Er fragte den Ritter voller Verwunderung und nicht ohne Argwohn eines listigen Betruges: ob er von König Marbods Schwieger-Sohne dergleichen Versicherung einer aufrichtigen Freundschafft annehmen dürffe / nachdem ja selbigen solche seine Befreundung mit dem allgemeinen Feind aller deutschen Fürsten nöthigte / der ehemahligen alten Freundschafft / so er mit denen Cherußkischen / Cattischen /Sicambrischen / oder Chaucischen Häusern sonst gepflogen / zu vergessen und an statt eines so angenehmen Bothschaffters / sauersichtige und ungestüme Herolden an gedachte Höffe abzuordnen? Allein Oswald berichtete den Hertzog eines andern mit diesen Worten: Mein Herr hat das Unglück oder Glück gehabt / Marbods Ungnade auf sich zu laden / weil er von dessen wunderlichen Sinn nicht alle Unbilligkeiten annehmen wollen / die auch wohl einem gemeinen Edelmann unerträglich gewesen wären. Er beweget sich daher anitzt nicht im geringsten / ob er gleich dieses seines Schwieger-Vaters Untergang vor Augen siehet und hierdurch alle Hoffnung zu der Marckmännischen Cron verlieret. Er gönnet dem Vaterland lieber seine Freyheit / als etwa sich selbst diejenige Herrschafft / die so viel Jahr her denen Teutschen Fürsten Sorge gemacht hat / daß jene durch diese Abbruch leiden möchte. Jedoch fürchtet er nicht unbillig / daß wo Marbod eine Charybdis gewesen / Herrmann eine Scylla abgeben werde / woran die deutsche Freyheit völligen Schiffbruch leiden dürffte. Denn grosse Königreiche sind denen Kindern gleich / welche anfänglich kaum zwey Spannen lang sind / und niemand zu schaden vermögen / nachgehends aber von Jahren zu Jahren grösser / stärcker und daher fähig werden /auch wohl diejenigen zu bezwingen und über einen Hauffen zu stossen / die ihnen in ehmahliger Schwachheit hülffliche Hand geboten haben. Marbods Herrschafft erstreckte sich anfänglich bloß über die Marckmänner / hatte aber nach und nach ein so ungemeines Wachsthum / daß sie auch die Hermundurer /Sedusier / Lygier / Semnoner / Burier / Langobarden /Gothonen / Esthier / und Lemovier an sich zoge. Ebener massen hat Herrmann die Semnoner / Langobarden / und Marsinger seinen angeerbten Cheruskern beygefügt / wird auch / allem Ansehen nach / die Marckmänner seinem neuen Reiche ehest einverleiben / welchem vielleicht die Gothonen / Esthier und Lemovier mit der Zeit folgen dürfften. Jubil und Gottwald sind seine Geschöpffe / und wenn sie gleich Herren mächtiger Länder durch ihn werden / bleiben sie dennoch seine Knechte. Nunmehr muß die Zeit lehren / ob Herrmann ohne Hochmuths-Schwindel ein so hohes Glück ruhig besitzen könne / oder ob nicht seine bißherige Bescheidenheit die letzte Probe allbereit ausgehalten habe und er unter Menschen das versuchen werde / was er auf der Jagt unter Thieren gewohnet ist / nemlich / nicht mit dem schon gefälleten vergnügt zu seyn / vielmehr so fort dem annoch freyen Wild desto begieriger nachzutrachten. Der gütige Himmel gebe / daß die streitbahren Cattẽ / Sicambrern / Chaucen / Bructerer / Chassuarier und andere freye Völcker / nicht ins künfftige erfahren mögen /daß das Glück einem [1584] herrschsüchtigen Herrmann zu viel und doch nimmermehr gnug geben könne. Gestalt auch einer von seinen Marckmännischen Fuchsschwäntzern / (wie man sagen will) ihm vor kurtzer Zeit ein ertzschmeichlerisches Sinnbild überschicket hat / da das Cheruskische weisse Pferd auf einer Rennebahn im Kräyß herumblauffend gemahlt gewesen /also daß man an dessen Fußstapffen im Sande sehen können / daß es schon mehr als einmahl dergleichen Kräyß zu Ende gebracht. Hierbey soll die Uberschrifft gestanden seyn: Ein Kräyß ist zu wenig. Wie auch eine Erklärung in Reimen:


Dem Alexander war ein Weltkråyß viel zu wenig:

Auch einer ist zu klein / vor unsern neuen K \nig.


Arpus hatte bißher mit nicht geringer Gedult und noch grösserer Verwunderung zugehöret; antwortete aber endlich: Ich erfreue mich höchlich / daß Hertzog Inguiomer von neuen zu erweisen gedencket / daß seine ehemahlige Vaterlands-Liebe noch nicht erstorben / sondern dem Anas / Alpheus und andern Flüssen von dergleichen Natur ähnlich sey / indem sie sich zwar im Marbodischen Gebiete unter die Erde hat verkriechen müssen / anderweit aber / sonderlich in seinem Bructerischen Hertzogthum / desto stärcker wieder hervor bricht. Nur wünsche ich beständige Fortsetzung eines so lobwürdigen Anfangs. Solte sonst Herrmann / der bißher sich als einen grossen Eiferer für die deutsche Freyheit erwiesen / ein anderer Marbod werden / wird es so denn an tapffern Helden nicht mangeln / die ihn der Bescheidenheit nachdrücklich erinnern können. Jedoch hoffe ich noch das beste / ob ich gleich auf alle Fälle mich gefast halten / auch hiervon so viel / als nöthig / denen Chaucischen / Sicambrischen und Chassuarischen Hertzogen zu ihrer Nachricht bey Gelegenheit kund thun werde. Ubrigens halte ichs vor unbillig / wegen gedachten hochmüthigen Sinnbildes auf Herrmannen einigen Unwillen zu werffen; Nachdem kein Fürst davor kan / wenn ein Poet allerley werckliche Träume von ihm hat / und ihn trefflich zu loben meynt / indem er ihn aus einem grossen Menschen zu einen grossen Ungeheuer macht /und bedencket nicht / daß ein unmäßiger Ruhm eine Art von einer unverständigen Schmähung ist. Denn was kan wohl seltzamers erdacht werden / als daß die ser eintzige Erdkräyß einem Fürsten zu klein seyn soll? Gewiß ein solcher Tichter muß die Welt nur auf einer Land-Taffel gesehen haben. Nichts destoweniger haben wohl ehe vernünfftige Fürsten dergleichen Eitelkeiten sich wohlgefallen lassen. Wie denn eben das auf Hermannen / wegen seines Wapens / nicht uneben-gedeutete Sinnbild von etlichen Druiden dem Britannischen König Hippon zu Ehren schon vor hundert Jahren ungefehr erfunden worden; und wie lange ists / daß der Gallische König Vercingetorich selbst eine Sonne zu seinem Sinnbilde erwehlte / welche eine Welt-Kugel beschiene / mit der Uberschrift: Sie könte auch noch mehrere überstrahlen. Allein eben des so genannten grossen Alexanders Beyspiel lehret / daß eine Gruft von drey oder vier Ellen für denjenigen geraumig gnug gewesen sey / für welchen doch Anaximenes nicht hat Welten gnug erdichten können.

Sie kamen hiernächst auf andere Gespräche und giengen nicht lange darnach zur Tafel / da sich Oswald vor einen Bataver ausgab und auf Anregen der Hertzogin weitläufftig erzehlen muste / wie höchlich Fürst Dietrich mit dem Batavischen Volck und selbiges mit diesem seinem Ober-Statthalter vergnüget sey.

Nachmittage nahm er Abschied von dem Hertzog und der Hertzogin und setzte seine Reise nach dem Chassuarischen Hoffe fort / allwo er es mit Hertzog Segimern / wie mit dem Arpus / machte. Sonderlich aber bemühete er [1585] sich / weitläufftig zu erweisen / daß Hertzog Herrmann gegen seine Blutsfreunde und Schwäger sich jederzeit neidisch und ungütig erzeiget hätte. Unter andern sagte er: Es ist uns leider in mehr als zu frischen Andencken / wie er seines Vaters Bruder und ehemahligen Vormund Hertzog Inguiomern /ja seinen leiblichen Bruder Flavius so verzweiffelt gemacht hat / als er jenem an der Einnehmung des Marsischen Gebietes hinderlich war / diesem aber nicht einen Fußbreit von dem Cheruskischen Lande abtreten wolte / also daß jener bey Marboden / dieser bey denen Römern / beyde bey ihren ehemahligen geschwornen Feinden / ihr Glück zu suchen genöthiget wurden. Das Durchlauchtige Chassuarische Hauß solte ja wegen seiner nächsten Bluts-Freundin / der Hertzogin Thußnelda / in sonderbahrer Hochachtung bey ihm seyn. Allein Hertzog Segesthes ist mehr als einmahl als ein Verräther des Vaterlands von ihm in denen Fürsten-Versammlungen angeklaget worden. Und obwohl nicht zu läugnen ist / daß der sonst unvergleichliche Held etwas menschliches erlitten hat /indem er durch die Schmeicheleyen seiner betrüglichen Römischen Gemahlin / mit denen Reichs-Feinden sich in engere Bündnüsse eingelassen / als er verantworten können: Nichtsdestoweniger hat Herrmann kein geringes hierzu beygetragen / indem er ihm die Tochter mit Gewalt genommen und ihn veranlasset /bey Feinden Hülffe zu suchen / weil er keine bey Freunden zu finden wuste. Uber dieß wäre es dennoch einem Schwieger-Sohn nicht unanständig gewesen /mehr Bescheidenheit gegen seinen Schwäher zu gebrauchen / gesetzt gleich tausendmahl / daß er gefehlet hätte. Jedoch was bedarff es viel Beweises? Sie selbst / gnädigster Hertzog / dürffen nur zurück gedencken / wie höchlich es Sie müsse geschmertzet haben / als Herrmann Ihnen das Heer wider die Römer an der Weser zu führen versagte und den Grafen von Mansfeld vorzoge / umb keiner andern Ursache / als weil man ohne allen Grund befürchtete / daß Sie mit dero Bruder / dem damahls Römisch-gesinnten Hertzog Segesthes / ein heimlich Verständniß hätten. Der tapffere Fürst Sesitach konte / als ein wohlgerathener Sohn / die seinem hochverdienten Vater angethane Schmach nicht so gedultig verdauen / gabe demnach Herrmannen ungescheuet zu vernehmen /daß er sich aus dem Staube machen müste / weil man sonder Zweiffel den Sohn des unverantwortlichen Verdachts würde entgelten lassen / womit man seinen unschuldigen Vater beleget hätte. Er verlohre sich zwar hiermit aus dem Heer / hinterließ aber einen sonderbahren Stachel in meines Herrns / des Bructerischen Hertzogs Gemüth / ob er schon damahls Herrmanns bester Freund noch war / indem er hierbey / als im Spiegel / vorher sahe / daß ihm vielleicht mit der Zeit nicht danckbarer oder höfflicher würde begegnet werden; wovon ihm auch der Glaube mehr als zu zeitlich in die Hände kommen ist. Ich muß zwar gestehen / daß Sie / gnädigster Hertzog / dem Feldherrn einiger massen verbunden sind / weil er bey dem Todesfall Hertzog Segesthens dessen völlige Erbschafft Ihnen zugesprochen hat / ungeachtet Fürst Siegmund / als Sohn / ein näheres Recht zu seines Vaters Landen zu haben scheinet / als Sie / die sich nur vor des Verstorbenen Bruder angeben können. Ob man nun wohl dem Siegemund vorwirfft / daß er sich unter denen Römern als ein Priester des todten Drusus aufhalte /auch dero hertzgeliebteste Gemahlin / wie nicht weniger Thußnelden und Ismenen entführet habe / so ists doch nicht ungläublich / daß woferne nicht Herrmannen selbst durch den Raub seiner Schwester / ja derjenigen / die er mehr als sich selbst liebt / ins Hertz gegriffen wäre / möchte er vielleicht das der Hertzogin Rhamis angefügte Unrecht nicht so hoch ahnten. Ja wenn Siegmund die einige Thußnelda [1586] wieder lieferte / würden Sie demselben das Chassuarische Fürstenthum wieder abzutreten bald genöthiget werden. Denn das ehemahlige Bezeigen des Cheruskischen Hertzogs gegen Sie kan zu gnugsamen Beweißthum dienen / daß Ihnen neulichst einige Freundschaft geschehen sey / nicht weil Herrmann sonderliche Gewogenheit gegen Sie trägt / sondern vielmehr / weil er durch Ihre Beförderung seinem neuern Feinde / dem Fürsten Siegmund / nachdrücklich zu schaden und sich wohl zu rächen / gemeint gewesen ist.

Segimer antwortete hierauf: Ich kan Hertzog Herrmannen in vielen Stücken entschuldigen; doch läugne ich nicht / daß dieses ein schlechtes Freundstück gewesen / als man den Grafen von Mannsfeld das Heer an der Weser vertrauete / da ich doch diese mühselige Ehre vor mich durch meinen Sohn mit aller Höffligkeit suchen ließ. Wie dem allen aber / Herrmañ hat auf dem letzten Teutschburgischen Reichs-Tage sein Versehen gnugsam gut gemacht. Nichts destoweniger daferne ich mit der Zeit mercken solte / daß des Feldherrn mir erzeigte Wohlthat nicht aus guter Zuneigung zu mir / sondern aus einer leicht-veränderlichen Abneigung gegen meines Bruders Sohn entsprungen wäre / würde ich so dann schon wissen / was zu thun sey. Inmittelst hoffe ich / Herrmann werde sich in seinen Schrancken halten / und über freye deutsche Fürsten nicht mehrerer Gewalt sich anmassen / als ihm gebühret. Wiedrigen falls wird es keinem meines gleichen an Willen oder Vermögen mangeln / ihn zu erinnern / daß wir ihn zu unserm Feldherrn / nicht aber zu unserm König und Beherrscher / erwehlet haben.

Oswald muste damit vergnügt seyn / hielte sich aber noch drey Tage auf und machte den Hertzog von Stund zu Stund argwöhnischer gegen den unschuldigen Herrmann. Er thate hierinnen / was ihm sein Herr befohlen hatte / ob ihm gleich sein Gewissen das Gegentheil zu thun riethe und es ihm selbst eine grosse Unlust war / dem ungerechten Willen seines herschsüchtigen Fürstens zu gehorsamen.

Unterdessen ward Marbod von Gottwalden und dieser von Jubiln verjagt. Herrmann aber / da er mit einem mächtigen Heer im Anzug wider Gottwalden begriffen war und unterwegens vernahm / daß dieser schon landflüchtig wäre / hatte nur vier tausend Langobarden / als nächste Nachbarn derer Marckmänner /bey sich behalten / alle Cherusker aber nach Hause erlassen / weil er weder sie ohne Noth bemühen / noch das Marckmännische Land mit allzu grossem Gefolge beschweren wolte. Dieses gute Absehen verbitterte die schon durch Ingviomern verhetzten Gemüther / so daß sie es vor einen Schimpff aufnahmen / daß Herrmann seinem Siegs-Gepränge sie nicht beywohnen liesse / und diese Ehre denen Langobarden allein gönnete. Hierbey bliebe es zwar vor dieses mahl. Allein es ward immer ärger / als nachgehends erscholle / daß der Feldherr die Marckmänner nicht als ein Hertzog /sondern als ein König beherrschen wolte / ingleichen /daß die Langobarden / Semnoner und Marsinger sich vereiniget hätten / und eine Cron vor sich verfertigen liessen / umb solche ihm ehester Tage zu übergeben /mit Bitte / dieses dreyfache Hertzogthum zu einem eigenen Reich zu machen und sich ins künfftige einen König der Marckmänner / wie auch der Semnoner /Langobarden und Marsinger zu nennen. Denn nunmehr kunten die Cherusker / ihrer Meinung nach / an denen Fingern abzählen / daß auch sie die Reyhe bald treffen würde / ihre Freyheit seiner Herschsucht aufzuopffern. Hierzu kam / daß der schlauhe und heimtückische Drusus aus Illyricum dem König Herrmann eine güldene Crone / einen helffenbeinern Stuhl und Regiments-Stab / einen Purpurmantel und dergleichen Dinge überschickte / und ihm eine solche Freundschafft [1587] antragen ließ / wodurch einer so wohl als der andere solte verbunden seyn / einerley Freunde und Feinde zu haben. Dieses letztere Erbieten nahm zwar Herrmann nicht an. Jedoch hatte diese List des Drusus die gewüntschte Würckung / indem nicht nur alle benachbarte Fürsten / sondern auch die Cherusker selbst hierüber grosse Augen aufsperreten und besorgten / daß die übermäßige Vertrauligkeit zweyer ehmahligen Feinde die gäntzliche Sclaverey des freyen Deutschlandes zum Zweck hätte. Sie wurden in diesem falschen Wahn bestärcket / als allenthalben nicht ohne Grund verlautete / daß zu Augusta in Vindelicien auf Drusus Befehl Herrmanns Bildniß aus Ertz gegossen würde / zu welchem Ende Vellejus Paterculus den König abmahlen lassen und den Entwurff dahin senden müssen. Und welches das ärgste / solte in den Fuß des Ehren-Gedächtnüsses diese Schrifft gesetzet werden:


Der deutsche König

Herrmann

ein Freund der Römer.


Dieses ward nicht anders aufgenommen / als wenn Herrmann selbst ein solches Denckmahl verlangte /oder als wenn der Nahme eines deutschen Königs eben so viel zu sagen hätte / als dieser: Der König derer Deutschen. So verdroß es auch die Cherusker nicht wenig / als Herrmann seine beyden Kinder zu sich nach Boviasmum hohlen ließ / umb desto füglicher auf dero Erziehung nach seiner Gewonheit acht zu geben / weil er beschlossen hatte / auf der Vestung daselbst / (die man nunmehr Herrmannsburg nennete /) biß zu Anfang des Winters zu verharren / damit er durch seine Gegenwart die neuen Unterthanen umb so viel besser im Gehorsam erhalten / zugleich auch der fruchtbaren Marckmännischen Gegend zu seiner Ergetzung desto länger geniessen möchte. Man sahe dieses zu Teutschburg als eine blosse Verachtung an und redete ungescheut in allerley Gesellschafften / daß /nachdem Herrmann einen Königlichen Sitz bekommen hätte / rechnete er sichs zur Schmach / einen hertzoglichen fernerweit zu bewohnen.

Mittlerzeit erhielte Graf Styrum / der Cheruskische Stadthalter zu Teutschburg / Brieffe von dem vornehmsten Staats-Bedienten / dem Grafen von Nassau / darinnen sich dieser wunderte / warumb die Cherusker die gebührende Freude über ihres Hertzogs erlangten Königlichen Hoheit durch kein Ritter- oder Schau-Spiel / (so viel man wüste /) bezeiget hätten. Hingegen rühmte er den Eyfer derer Marckmänner /Semnoner / Langobarden und Marsinger / die sich umb die Wette bemüheten / ihrem neuen König ungemeine Ehre zu erweisen: Uberschickte ihm auch eine Beschreibung aller zu Boviasmum angestelleten Lustbarkeiten; wobey er zugleich eine ausführliche Nachricht von dem Singespiel / in welchem Hertzog Jubil zum Hermundurischen König war erkläret worden /wegen seiner artigen Erfindung zu legen / vor gut befunden hatte.

Graf Styrum zeigte alles dieses aus keiner bösen Meinung etlichen vornehmen Cheruskischen Rittern /die er zu sich auf eine Abend-Mahlzeit hatte erbitten lassen / und begehrte ihre Meynung zu wissen / auf was Art auch sie ein sinnreiches und prächtiges Denckmahl ihrer unterthänigsten Zuneigung gegen dero Durchlauchtigsten Hertzog stifften wolten / ob solches durch eine Ehrenseule / oder Ritterspiel / oder ansehnliches Geschenck geschehen solte. Denn daß es / auf was Art es auch wäre / geschehen müste / zweiffelte er nicht / weil sie andern Völckern hierinnen nicht würden weichen / vielmehr iederman hierdurch kund thun wollen / wie weit sich ihr Nachsinnen und Reichthum erstreckte. [1588] Es würde auf diesen Vortrag nichts sonderliches geantwortet / weil die Vornehmsten alsobald umb Bedenckzeit biß folgenden Abend baten. Sie waren aber kaum von dem Grafen weg / als sie alle unter einander sagten: Nun sähe man deutlich / was man bißher befürchtet. Was Herrmann verlange / das lasse er durch seinen Liebling fordern. Dieser begehre eine Freuden-Bezeigung; jedoch damit man wissen möchte / worinnen sie bestehen solle / wäre das Muster dem Brieffe beygelegt / umb daraus zu erlernen / daß die Cherusker sich eben so gegen ihren Hertzog / wie die Hermundurer gegen Jubiln / bezeigen müsten / wolten sie anders ihm einen recht gefälligen Dienst erweisen.

Hierauf giengen die Rathschläge wunderlich durch einander; doch lieffen sie endlich alle da hinaus / daß man Ingviomern zum Cheruskischen Hertzog machen solte / daferne er denen Cheruskern die Oberstelle unter allen ihm ergebenen Völckern einräumen wolte. Zwey Ritter wurden deßwegen an ihn abgeordnet. Die andern bemüheten sich inzwischen unter der Hand /die Gemüther ihrer andern Landes-Leute gleichfalls von Herrmannen abwendig zu machen / welches bey vielen angieng; Denn gleichwie ein Jähnender viel kan zu jähnen machen / daß sie selber nicht wissen /wie ihnen geschicht: Also verhielt sichs mit denen Cheruskern. Indem etliche Maul und Augen aufsperrten / und täglich auf ihren neuen Hertzog warteten /thaten es viel hundert / ja tausend andere ihnen nach. Unterdessen hatten die neulichen Gäste des Grafens Styrum ihm / ihren Versprechen nach / zu wissen gemacht / daß sie auf einen kostbaren Aufzug bedacht wären / zu dessen Anstalt aber sechs Wochen erfordert würden. Jedweder Graf solte sich mit einer absonderlichen ritterlichen Gesellschafft versehen und ein gewiß Volck in der Welt durch die Kleidung und Waffen vorstellen; alle Hauffen aber solten zuletzt einmüthig ausruffen: Herrmann sey würdig / daß alle Völcker in der Welt ihn zu ihrem Haupt erwehleten. Hierbey solte es an allerley Sinnbildern / Gesängen und dergleichen Dingen nicht mangeln. Und hoffte man / der Statthalter selbst würde sichs nicht verdrießen lassen / eine eigene Gesellschafft aus seinen Freunden und Ergebenen auszulesen und ihrer unterthänigen Freudens-Bezeigung durch seine Gegenwart ein desto grösser Ansehn geben.

Styrum war damit zu frieden und hätte sich nimmermehr von denen sonst so ehrlichen Cheruskern träumen lassen / daß / da sie ein weisses Pferd / als ein Merckmahl ihrer tapffern Großmuth und ungefärbten Redligkeit von Alters her im Wapen gehabt /sie nunmehr das Trojanische von rechtswegen hierzu gebrauchen solten / zum Zeichen / was für schändliche Arglist sie im Schilde führeten. Jedoch wie war es möglich / daß ihm nicht zum wenigsten ein halbgebrochener Wiederschall von denen heimtückischen Reden des murrenden Volckes solte zu Ohren gekommen seyn. Er merckte dannenhero wohl / daß ein grosser Sturm zu befahren wäre / weil man schon halb und halb das Toben der rasenden Winde vernehmen könte / doch wuste er nicht / daß Ingviomer der Aeolus wäre / der dieses Unwesen angerichtet hatte / erkante aber gleichwohl für höchstnöthig / daß Herrmann sich ohne Verzug wieder einfände und durch sein Ansehen die unruhigen Köpffe eben so leicht beruhigte / als Neptun bey des Aeneas Schiffahrt die Winde soll gestillet haben. Diese seine Gedancken schrieb er an den König / der denn nicht ermangelte / mit einem Gefolge von tausend Personen sich in das Cheruskische Hertzogthum wieder zu erheben. Ehe er aber anlangete / war Ingviomer mit zwey hundert Mann durch das Angrivarische Gebiet schon daselbst angekommen und hatte einen so grossen Zulauff von denen Aufrührern / daß man nicht wuste / ob er selbige / wie die Rattenfänger [1589] das Ungeziefer / zusammen bannen könte. Es folgten ihm nach und nach mehr Bructerische Hülffs-Völcker und nicht wenig Catten lieffen ihm zu / weil ihre Landes-Herrschafft ihnen solches weder erlaubete / noch verbote. Ingviomer brachte hiermit ein Heer von zwantzig tausend Mann zusammen / da hingegen Graf Styrum mit genauer Noth zehen oder zwölff tausend zu Herrmanns Dienst ins Feld stellen konte. Die meisten von denen Cheruskern waren zweiffelhafft / wem sie zufallen solten? Ingviomern / der ihnen güldene Berge versprach? oder Herrmannen / der ihr Erbherr war / sie bißher wohl beherschet hatte / nunmehr aber in einen ungewissen Verdacht kam / als ob er sie an ihrer Freyheit kräncken und gleichsam zu seinen Leibeigenen machen wolte? Doch hielt es fast die Helffte des Landes / so an die Weser stößt / mit Ingviomern / die andere Helffte aber / so die Elbe zur Gräntze hat / mit Herrmannen. Jedweder von beyden schickte einige Ritter an die benachbarten Höfe umb Hülffe. Allein diese verzögerten alle mit Fleiß die Ankunfft ihrer Völcker / weil sie fast des Vorsatzes waren / demjenigen beyzufallen / der das beste Glück / nicht aber dem / der die beste Sache habẽ möchte. Der eintzige Segimer stellte sich am eifrigsten an / mit seinen Chassuariern und Dulgibinern Herrmannen zu dienen. Die Langobarden und Semnoner wüntschten zwar ihrem König mit aller Macht beyzustehn; Allein die Gothonen stellten sich in solche Kriegs-Verfassung / daß man nicht wuste / ob jene oder diese dessen würden entgelten müssen. Daher durffte man keines von beyden Ländern gantz und gar von allen Volck entblössen.

Ob nun gleich aus dem Lust-Aufzug nichts worden war / wurde doch ein weit ernstlicher Spiel von denen beyden Mitbuhlern des Cheruskischen Hertzogthums nicht weit vom Hartzwald angefangen / welches zwar nur sieben Stunden ungefehr währte / aber so blutig war / daß auf Ingviomers Seiten sechs tausend Mann /auf Herrmanns vier tausend blieben. Jedoch verlohr jener endlich das Feld / weil die meisten von seinen Soldaten nicht nur ausser sich einen Feind hatten /sondern auch in sich selbst mit einem bösen und unruhigen Gewissen kämpfen musten; wiewohl es im Anfang mehr als einmahl das Ansehen hatte / als ob solches Unglück Herrmannen betreffen würde. Ingviomer sahe sich also genöthigt / in den Hartz-Wald zu flüchten und hätte beynahe das Land verlauffen /wenn nicht ein Chassuarischer Ritter in Bauers-Kleidern von Segimern zu ihm gekommen wäre. Denn dieser argwöhnische Fürst hatte nach Oswalds Abreise seine von Herrmannen ehemahls erlittene geringe Beleidigung so offt überdacht / daß sie / wie eine kleine Pille / so man im Munde lange käuet / ihm immer bitterer und bitterer schmeckte; da er hingegen wenig Verdruß davon würde empfunden haben / wenn er sie gleichsam alsbald verschlungen und durch eine großmüthige Vergessenheit verdauet hätte. So ward auch der Cheruskische Hertzog währender Zeit Marckmännischer König. Weil nun Oswalds Wahrsagung in diesem Stück so richtig zutraff / fürchtete der mißtrauische Chassuarier / daß gleichfalls alles das / was jener diesem schuld gegeben / nemlich / daß er gantz Deutschland umb seine Freyheit zu bringen trachte /wahr werden möchte. Hierzu kam endlich / daß er durch seine Kundschaffer sichere Nachricht erhielt /wie Siegmund bey König Herrmannen mit einem demüthigen Bittschreiben eingekommen wäre / er möchte ihm doch zu seiner väterlichen Erbschafft wieder verhelffen / nicht weil er es umb ihn verdient / sondern weil er die Ehre hätte / Thußneldens Bruder zu seyn; wobey er sich auch verbindlich gemacht / seine Schwester in der Welt zu suchen und nach Hause zu begleiten. Nun wurde zwar nicht gemeldet / daß der Feldherr solche Bitte und Erbieten angenommen. [1590] Jedoch befahrete es Segimer und ward dadurch so verhärtet in seinem Groll gegen ihn / daß er den Ingviomer in seinem bösen Vorhaben mehr als einmahl durch unterschiedene Brieffe stärckte und also auch dießmahl mündlich versichern ließ / er würde sich übermorgen unter Freundes Nahmen in Herrmanns Lager mit einer ansehnlichen Kriegsmacht einstellen /doch aber auf eine merckwürdige Art zeigen / wessen Freund oder Feind er wäre. Er funde sich auch auf die gesetzte Zeit mit zwölff tausend Mann bey König Herrmann ein / dem seine Ankunfft wohl recht lieb war / weil er durch ihn das Wespen-Nest vollends zu zerstören gedachte / das sich an seinen Hartzwald angeleget hatte. Er empfieng ihn mit grosser Höffligkeit und wurde mit grösserer Ehrerbietung von Segimern angeredet und versichert / daß er fast alle seine streitbare Unterthanen anher geführet / umb seine Danckbarkeit / vor die am Teutschburgischen Reichs-Tage genossene Wohlthat / im Werck einiger massen zu erweisen / nachdem er biß daher wenig Worte davon gemacht / und seinem Wohlthäter zum besten lieber reiffe Früchte / als etwa nur rauschende Blätter / tragen wollen. Sie speiseten hierauf in einem Gezelt /und lebten so vergnügt / als wenn dieses schon die Triumph-Mahlzeit wäre / die Herrmann wegen des gäntzlich-überwundenen Ingviomers ausrichten müste. Doch wurde beydes denen Cheruskern und Chassuariern angesagt / des nächsten Tages den verzagten Feind in seinen Schlupfflöchern aufzusuchen und zugleich dem Kriege ein Loch zu machen. Ingviomer aber erwartete dieser Zeit nicht / sondern führte noch in der Mitternacht zuvor denjenigen Anschlag /den der ehrvergessene Segimer selbst ihm unter den Fuß gegeben hatte / folgender massen aus. Er fiel mit allen seinen funfzehen tausend Mann durch einen mit Chassuariern besetzten Ort ins Lager und kam / weil alle Unterthanen des tückischen Segimers sich auf seine Seite schlugen / ohne sonderliche Mühe mitten auf den grossen Platz / auf welchem Herrmanns und Segimers Schlaff-Gezelte neben einander stunden und von fünff hundert Cheruskern und Langobarden / und eben so viel Dulgibinern und Chassuariern bewacht wurden. Segimer ließ sich auf dieses Getümmel alsbald gantz gewaffnet sehen / weil er sich eine halbe Stund zuvor schon hierzu fertig gehalten hatte. Herrmann aber kam nur mit Helm / Schwerdt und Schild hervorgesprungen und wolte Anordnung zur Gegenwehr thun. Allein die grosse Unordnung / da seine Leute weder Freund noch Feind unterscheiden kunten / machte / daß alle Anordnung vergeblich war. Herrmann gedachte nun alsobald / es würde Asblastens Wahrsagung diese Nacht eintreffen / und er sein Leben durch Verrätherey verlieren / weil keine redliche Gewalt ihm etwas anhaben konte. Er rieff demnach: Heran! heran! ihr Verräther! Hiermit aber stieß ihn Segimer / der sich bißher noch vor Freund erkläret und die Schuld des Aufflauffs auf die ungetreuen Cherusker geschoben hatte / durch den lincken Arm / ob er wohl die Brust zu treffen willens war. Der König hingegen gab dem Meuchelmörder / weil er sich am Oberleibe allenthalben verpantzert hatte / eine tieffe Wunde in das dicke Fleisch oberhalb dem rechten Knie / ward aber in dem Augenblick von so viel Fein den umbringet / daß er / nachdem seine getreuen Grafen / Nassau / Styrum / Qverfurt / Waldeck / Tecklenburg und noch zwanzig oder dreißig andere mit ihren Leichen einen rechten Wall ümb ihn gemacht hatten /gefangen und Inguiomern zugeführet wurde. Er redete den Uberwinder also an: Inguiomer! thue mit mir /was dir beliebt; Erinnere dich aber / daß mein heutiger Unfall vielleicht ein Vorbild deines künftigen sey. Der Herzog gab ihm keine Antwort / sondern nur seinen Dienern Befehl / [1591] den Gefangenen fleißig zu verbinden. Inmittelst gienge es Herrmanns Heer / wie einem Cörper / dem das Haupt abgeschlagen worden /dessen Lebensgeister sich ein wenig noch regen / und bald darnach ersterben. Denn also erstarb auch aller Geist und Muth in denen vor drey Tagen so tapffern Soldaten / daß sich einer hier / der andere dorthin verlohre; doch warff sich der hartverwundete Graf Mansfeld mit ungefehr hundert Mann ins Deutschburgische Schloß / des festen Vorsatzes / solches Herrmanns Kindern zum besten / biß auf den letzten Blutstropffen zu verthädigen / weil er verhoffte / daß in wenig Tagen die versprochene Beyhülffe derer Semnoner und Langobarden ankommen würde. Folgenden Morgen langete die Hertzogin Adelgund in einer Senffte mit vier tausend Bructerischen streitbahren Weibern an / ruhete eine Nacht aus und / ob sie wohl hochschwangern Leibes war / gieng sie dennoch nebenst ihrem Gemahl mit vor Teutschburg / allwo man aber grössern Widerstand fand / als man vermuthet hatte. Allein Inguiomer ließ den gefangenen König auf eine von ausgestochenen Rasen erbauete Höhe führen /und dem Schloß-Hauptmann / dem Grafen von Mannsfeld / andeuten / entweder die Vestung alsbald aufzugeben / oder Herrmanns Enthauptung unfehlbahr zu erwarten. Dieser muste demnach dem Feind die Schlüssel überbringen und inzwischen vier tausend Bructerer durch das eine Thor einziehen lassen / welchen denn Inguiomer / Adelgund / Segimer und ihre vornehmsten Bedienten folgten. Herrmann ward in ein tieffes / doch reinliches Gefängnüß gelegt und hierdurch zu seinem Tode sich zu schicken veranlasset. Bey Segimern hingegen schlug der kalte Brand zu seiner Wunde / weil er dieselbe nicht groß geachtet /sondern durch die starcke Bewegung und den unmäßigen Trunck bey dem angestellten Siegesmahl / dermassen gefährlich entzündet hatte / daß alle Aertzte für nöthig befunden / ihm den Schenckel abzulösen. Er wegerte sich aber dieses einzugehen / weil er befürchtete / daß das Geblüt durch seinen gantzen Leib schon angesteckt wäre / so daß der brennende Holtzhauffen das beste Mittel vor seinen kalten Brand seyn würde. In Betrachtung dessen wolte er sich umb einer ungewissen Rettung keine gewisse Marter auf den Halß laden. Hingegen muste der neue Cheruskische Hertzog in Gegenwart vieler Chassuarischen und Bructerischen Grafen und Ritter vor Segimers Bette versprechen / daß wenn dieser allenfalls an dem Leibesschaden stürbe / den er Inguiomern zu Dienst empfangen hätte / sollte Herrmann dessen entgelten und ihm in die unterirrdische Welt nachgeschickt werden. Mittlerzeit lieff Nachricht ein / daß etwan sechs tausend Langobarden und vier tausend Semnoner ihrem König zu helffen im Anzug wären / weßwegen denn dreißig tausend Cherusker / Chassuarier / Dulgibiner und Bructerer ihnen entgegen geschickt wurden. Allein weil das Geschrey auskam / Herrmann wäre bereits niedergehauen / über dieses auch eine so grosse Macht die Grentzen besetzt hielt / erkanten die Semnoner und Langobarden es vor unvernünfftig /sich ohne Noth den Kopff zu zerstossen; zogen dannenhero in unsäglicher Bekümmerniß nach Hause /umb daselbst sich zu verstärcken und die Rache alsdenn desto nachdrücklicher vor die Hand zu nehmen. Die Bructerer und Cherusker blieben an der Elbe liegen. Die Chassuarier und Dulgibiner aber kehreten wieder nach Teutschburg / weil ihnen das Hertz sagte / daß sie ihren Segimer zum letzten mahl würden gesehen haben. Diese ihre Furcht war nicht vergebens. Denn da sie den Weg biß auf eine viertel Meile ungefehr zurück geleget hatten / starb er in Inguiomers Armen unter unleidlichen / doch wohlverdienten Schmertzen / nachdem er diesen nochmahls beschworen hatte / seinem Sohn [1592] Sesitach zu seiner Erbschafft /seinem Feind Hermannen aber vom Leben zu helffen. Dieß hatte er nun von seiner gifftigen Rache / womit er eine ziemliche Zeit war schwanger gegangen und die er auf eine so verrätherische Art ans Tagelicht brachte / dabey aber einer Natter gleich wurde / die wenn sie ihrer Brut das Leben giebt / es selbst nothwendig verlieren muß. Er ward hierauf abgewaschen und seinen Völckern überliefert / ihn nach seinem Hertzogthum abzuführen und auf Fürstliche Art daselbst zu verbrennen. Allein sie zogen sich zusammen in Ordnung und wegerten sich ehe von dar zu weichen / biß sie gesehen hätten / daß man den gefangenen Herrmann ihres verstorbenen Hertzogs Geiste zum Rachopffer abgeschlachtet hätte. Inguiomer gieng nicht allzugern dran / weil seine tugendhaffte Gemahlin / die gleich damahls in Kindesnöthen arbeitete /ihm mit vielen Worten und Thränen riethe / sich hierinnen nicht zu übereilen. Als aber die Dulgibiner /Chassuarier / ja die Bructerer selbst / mit unterschiedenen gefährlichen Reden sich verlauten liessen: Wofern er sein Fürstlich Wort bräche / das er einem so hochverdienten Bundsgenossen zum Trost wegen dessen tödtlichen Verwundung gegeben hätte / wolten sie aus seinem Exempel lernen / wie man auch die Treu zu halten unverbunden wäre / wozu sonst Hülffsvölcker und Unterthanen verpflichtet sind. Dieß setzte den Hertzog in grosse Unruh / und weil er sich in einen neuen Krieg zu verwickeln nicht Lust hatte / sagte er endlich in Beyseyn einer grossen Menge / so wohl von seinen / als Segimers gewesenen Bedienten: Arnheim! Ihr wißt / was ich gesprochen. Geht dannenhero ins Gefängniß und lasset dem König das Haupt abschlagen / steckt es auf einen langen Spieß und stellet diesen auf den höchsten Thurm des Schlosses / damit es von jederman könne gesehen werden. Gebet aber ja nicht zu / daß dem übrigen Leichnam einige Beschimpfung wiederfahre / vielmehr beerdiget ihn / wie sichs gebühret / weil ich nur gegen solche Feinde Gewalt gebrauchen lasse / die fähig sind die Ruhe des Landes zu zerstören. Denn mit Schatten zu kämpfen ist kindisch / wider Todte zu wüten ist viehisch und unvernünfftig.

Arnheim kame dem Willen seines Hertzogs völlig nach / und machte damit eine grosse Freude bey denen wegziehenden Chassuariern und Dulgibinern / ein noch grösser Schrecken aber bey denen abtrünnigen Cheruskern / welche erst gedachten / wie greulich ihre Unthat wäre / nachdem sie dieselbe schon vollbracht hatten. Allermassen / so offt sie den stummen Todtenkopff ansahen / sie sich düncken liessen / als ob er ihnen gantz gewiß ihr instehendes Verderben ankündigte / gleichwie etwan die alten Mesopotamier den Aberglauben hatten / daß sie von denen Häuptern der geopfferten erstgebohrnen Söhne / welche sie Teraphim nennten / ihr zukünfftiges Glück und Unglück erfahren könten. Der blutige Cörper wurde unterdessen in seinem gold- und rothdurchwirckten Rock / mit welchem Herrmann in der Schlacht war bekleidet gewesen / unter der Begleitung etlicher tausend Cherusker und Bructerer sechs hundert Schritt ungefehr vom Schloß getragen / und daselbst auf einen Holtzstoß geleget. Man schlachtete auch das Pferd / dessen sich der König das letzte mahl gebraucht hatte / und warf es / nebenst Herrmanns Helm / Schild / Schwerd und Pantzer auf eben diesen Scheiterhauffen / welcher so fort an acht Orten zugleich angezündet ward. Nachdem alles verbrand war / samlete man die Gebeine nebenst der zunächstliegenden Asche / thate sie in ein marmorsteinernes Gefäß und verscharrte es in die Erde / über welche eine Spitzseule von grünen Rasen zehn Ellen hoch gebauet wurde. Viel tausend unter denen Cheruskern betauerten / daß der grosse Herrmann so eines gewaltsamen Todes sterben müssen /nachdem er nicht mehr / als sieben und dreißig [1593] Jahr in der Welt und zwölff im Regiment erlebet hätte. Noch mehr aber jammerte es sie / daß ein so hochverdienter Held keines prächtigen Begräbnüsses gewürdigt würde / weil Ingviomer weder Ritterspiele / noch Lobgesänge derer Barden dabey verstatten wollen. Je doch funde sich iemand / der nachfolgende Schrifft in eine höltzerne Tafel schnitte und / zwey Nächte hernach / oben an die Spitze des Rasen-Hauffens anhefftete:


Glaube nicht /

Leser /

daß der grosse Herrmann

in dem hier eingescharrten engen Topff

zu finden sey.

Er hat sich durch seine Tugend unsterblich gemacht:

und da er ein Behältnüß

nach seinem Tode brauchen solte /

ist nichts hierzu fähig /

als

das Gedächtnüß der gantzen Welt.


So faßte auch der grundgelehrte Barde Holenstein den Vorsatz / das ruhmwürdige Leben des grossen Herrmanns / der späten Nachwelt zum besten / mit dem grösten Fleiß zu beschreiben und hierdurch ein solches Denckmahl zu stifften / wodurch nicht nur dieser unvergleichliche Held / sondern auch er selbst /nach dem Tode unsterblich werden könte. Ja / welches das wunderbahrste war / so muste Rom / nachdem es Herrmañs Absterben erfuhr / diejenigen Tugenden an ihm in öffentlichen Schrifften rühmen / vor denen es bey seinem Leben sich gefürchtet hatte. Allermassen sonderlich der Welt-kluge Atticus in seinen Jahr-Büchern ihm dieses höchst-verdiente Lob gab:Herrmañ war ohne Zweiffel Deutschlands Erretter / der nicht das Römische Volck in seinem ersten Alter / wie andere Könige und Hertzoge ehemahls gethan; sondern das zu seiner grösten Vollkommenheit gelangete Käyserthum angetastet und in Feldschlachten zwar bißweilen zweiffelhafftig Glück gehabt / doch niemahls durch einen Krieg das geringste verlohren hat.

Unterdessen ward Ingviomern zu wissen gethan /daß eine höltzerne Tafel bey Herrmanns Grabe aufgehängt wäre. Er ließ demnach durch den Ritter Stochow selbige abreissen und sich vorlesen / worauf er anfänglich etwas stutzte / endlich aber keiner Gemahlin ins Ohr sagte: Der Verfasser dieser Schrifft weiß entweder mehr / als er schreibt / oder schreibt mehr /als er weiß. Doch hoffe ich / dieses letztere wird wohl das gewisseste seyn. Er befahl hiernächst Arnheimen /instehende Nacht den Todten-Kopff vom Schloßthurm zu nehmen / und im nächstens Walde zu verbrennen /die Asche auch daselbst in aller Stille beyzusetzen. Inmittelst trieb ihn sein unruhiger Geist / dasjenige /was ihm vor etlichen Jahren mißglücket war / noch einmahl zu versuchen / nemlich das Land der Marsen einzunehmen / welches an das Bructerische Hertzogthum anstieß und ihm deßwegen vortrefflich [1594] angestanden wäre / sonst aber den abwesenden Malovend vor seinen Herrn erkennete. Allein hierdurch verschüttete er des mächtigen Arpus bißherige Gunst; also daß derselbe nicht nur die Bructerer aus dem Gebiet seines künfftigen Schwieger-Sohns hinaus schlug / sondern auch den Inguiomer mit seiner Todtfeindschafft und einem unvermeidlichen Krieg bedräuen ließ / wo er iemahls wieder einen Gedancken fassen würde / die Marsen zu beunruhigen. So kamen auch alle seine Abgesandten nicht gar sehr vergnügt von denen Sicambrischen / Chaucischen / und Frisischen Höffen wieder zurück / allwo sie den über Herrmannen erhaltenen Sieg kund gemachet und nachtbarliche Freundschafft und Bündnüsse gesuchet hatten. Denn kein redlicher deutscher Fürst wolte das recht sprechen / daß er sich an dem allgemeinen Feld-Herrn vergriffen. Der Sicambrische Hertzog Melo versagte dem an ihn abgesandten Ritter Milissow die Verhör gantz und gar / es wäre denn / daß dessen Herr seine Unterfahung vor einer künfftigen Reichs-Versammlung gnugsam rechtfertigte. Hertzog Sesitach erbte zwar seines Vaters Lande / aber nicht dessen boßhafftes Gemüth / bedanckte sich demnach / als Inguiomer sich erbot / ihn wider Siegmunden bey seiner Erbschafft zu schützen / und wandte vor / daß er durch sein Recht sich wider alle Gewalt zu verthädigen verhoffte / jedem aber / der besser Recht / als er / dazu hätte / ohne Wegerung weichen wolte. Es ward hierüber dem Inguiomer nicht wohl zu muthe und fürchtete er / daß der Cheruskische weisse Hengst dem purpurrothen Wunderpferd des Cnäus Sejus ähnlich seyn möchte. Denn dieses hatte an Grösse / Stärcke und Farbe seines gleichen nicht / dabey aber die seltzame Eigenschafft / daß alle seine Besitzer elendiglich sterben und verderben musten; gestalt nicht nur gedachter Sejus / sondern auch nach ihm Cornelius Dolabella /Cajus Caßius und Marcus Antonius zu ihrem grossen Schaden erfahren haben. Ebenermassen dünckte Inguiomern / daß das schöne und herrliche Cheruskische Land ihn in ja so grosses Unglück stürtzen könte / als etwa dessen vorigen Herrn / dem König Herrmann / wiederfahren wäre.

Es traff auch diese seine Sorge mit dem Erfolg der Sachen gnugsam ein; alldieweil Deutschland kaum acht Wochen Herrmanns Todt beklaget hatte / als ein sehr mächtiges Heer von ungefehr funffzig tausend Mann aus Langobarden über die Elbe setzte und ins Cherusker-Land einbrach / da denn die Grentzwacht so wenig selbiges / als etwa den starcken Elb-Strom /aufhalten und hemmen konte. So bald nun Inguiomer diese unglückliche Zeitung von zehen oder zwantzig Flüchtigen erhielt / nahm er von seiner Gemahlin schwermüthigen Abschied / befahl ihr und dem Ritter Arnheim die Auffsicht über Teutschburg / welches er mit zwey tausend Cheruskern und vier tausend Bructerischen Weibern besetzte. Er selbst aber eilete mit einer Kriegs-Macht von zwantzig tausend Mann dem Feind entgegen / theils / weil er nicht eigentlich wuste / daß derselbe so starck wäre / theils / weil er sich auf seine Adelgund verließ / von welcher er auf den Fall der höchsten Noth eine gewisse Hülffe erwartete. Er hatte ungefehr fünff Meilen hinter sich gelegt / als sechs tausend Hermundurer unvermuthet auf ihn stiessen / jedoch nach einer kurtzen Gegenwehr mit blutigen Köpffen zurück gewiesen wurden. Weil aber ein anderer Hauffen von vier tausend Marckmännern diesen unterwegens begegnete / und Versicherung gab /daß noch drey tausend Langobarden ihnen auf dem Fusse nachfolgeten / ungeachtet man noch nicht gewust / daß Inguiomer sich aus Teutschburg herausgewaget / kehreten sie wieder umb mit ihrem Losungs-Worte: Rache! Rache! Die Bructerer antworteten mit dem ihrigen: Freyheit! [1595] Freyheit! Inguiomer hatte eine Schildwache auf eine hohe Eiche gestellet / die Anzahl des feindlichen Heers zu überschlagen. Weil diese nun selbiges auf acht biß zehn tausend Mann schätzete / gieng der Streit an / bey welchem sich die Hermundurer / Langobarden und Marckmänner mit Fleiß verzagt anstelleten / biß daß ein Entsatz von zehen tausend Semnonern und Marsingern ankam /auch etliche tausend Cherusker von dem Bructerischen Hertzog zu ihnen übergiengen. Da wurde der Kampff allenthalben so hitzig / daß Herrmanns Geiste zu Ehren etliche tausend Schlacht-Opffer unter der ungeweyhten Priester Händen das Leben einbüsseten. Indessen langeten in drey grossen Schaaren die übrigen sieben und zwantzig tausend Mann an / und fielen mit solcher Wuth und Eifer in die Bructerer / daß sie in die Länge nicht mehr widerstehen konten / sondern die völlige Flucht zu nehmen gezwungen wurden. Ingviomer befand unmöglich / bey so gestalten Sachen das Feld zu erhalten; daher wolte er durch die Flucht sich auf eine bessere Rache sparen. Allein Haugwitz / Dölau und Nostitz warẽ ihm allzu geschwind auf dem Halse / daß er sich wenden und wehrẽ muste. Aber er ward von noch mehrern umringet / von denẽ seinigen hingegen gäntzlich verlassen und also endlich durch den dazu kommenden Graf Polheim gefangen genommen. Bald darnach führete ihn der letzt benennte in ein grosses Gezelt / allwo er zu seiner höchsten Bestürtzung auf einer Seiten die Königinnen Thußnelda und Erato / wie auch die Fürstinnen Rhamis und Catta / auf der andern den König Jubil / die Hertzoge Flavius / Siegmund und Malovend sitzen sah. Flavius wolte gleich dem Gefangenen sein Verbrechen und Urtheil vorhalten. Aber der Schmertz ware bey Thußnelden so groß / daß sie ihm zuvor kam und durch folgende Worte sich Lufft zum Hertzen machte: Kommst du / verdammter Bluthund! du ungewissenhaffter Friedens-Störer und Schandfleck aller deutschen Fürsten? Ingviomer wolte dergleichen Vorwurff nicht leiden und sagte: Durchlauchtigste Thußnelda! gehet mit mir umb / nichts als mit einem Mörder / oder gemeinen Soldaten / sondern als mit einem Fürsten / der euch vor alles angethane Unrecht gebührende Gnugthuung geben wird. Gnugthuung? (fragte die Königin;) Ja wohl werde ich dieselbe fordern und dich bey dem Grabmahl meines allerliebsten Gemahls / seinem Geist zur Versöhnung / hinrichten lassen. Aber ach! damit bekomme ich meinen Herrmann nicht wieder. Zwar die Todes-Nacht kan ihm ja so wenig den Glantz benehmen / als eine so genannte Sonnen-Finsternüß den Sonnen-Cörper verdunckeln. Ich / ich / die ich gleich einem Mond von seinem Liecht alle mein Ansehen hatte / werde nur verdüstert und der gantzen Welt zum Schreckbild vor Augen gestellet. Sey aber versichert / Ingviomer /daß mein trauriger Anblick nichts anders / als deinen Untergang und Verderben / bedeute. Der Hertzog forderte einen Stuhl / allein Flavius antwortete: Er solte seine Entschuldigung stehend vorbringen / wo er anders eine hätte. Thußnelda setzte hinzu: Wo solte die Entschuldigung herkommen / da alle Welt weiß / wie verrätherisch er die Cherusker wider ihren Erbherrn aufgewiegelt / auch dadurch so viel unschuldig Blut seiner verfluchtẽ Herrschsucht aufgeopffert. Und ach! wie kan er den an meinem allertheuersten Gemahl vollbrachten Mord leugnen oder beschönen / nachdem (leider!) iedermann dessen abgehauenes Häupt öffentlich zu sein und meiner Schmach auf dem Spiesse stecken gesehen? Ja: ist nicht der Rasenhauffen / darunter man den Aschen-Topf beygesetzt / ein stummer / doch unverwerflicher Zeuge seines höchststrafbahrẽ Frevels! Weil nun Ingviomer sich durchaus nicht verantworten wolte / daferne man ihm nicht zu sitzen vergönnete / ward das schon zuvor abgefassete Urtheil [1596] ihm kund gemacht / daß er auf morgenden Tag /an welchem man der Asche des unschuldigertödteten unvergleichlichen Herrmanns die letzte Ehre zu thun entschlossen wäre / sich zu seinem wohlverdienten Tode gefaßt halten solte. Ingviomer veränderte nicht im geringsten seine Farbe / sondern sprach mit lauter Sti e: Man will mich nicht hören auf eine mir anständige Weise. Ich muß es geschehen lassen. Aber ich schwere / daß wo mir nicht anders begegnet wird /meine Gemahlin sich auf eine so grausame Art rächen soll / daß ihr alle werdet gestehen müssen / mein Tod habe euch / oder doch dem / was euch lieb ist / mehr Schaden gebracht / als mein Leben hätte thun können. Doch will ich hiervon nicht ehe klärer reden / biß es die Nothwendigkeit erfordern wird. Flavius fiel ihm in die Rede: Wie lange soll das thörichte Prahlen währen? Graf Polheim! laßt den Verräther fortführen; weil er nicht mehr werth ist / einen Fürsten anzusehen. Inmittelst wurden zwantzig tausend Mann befehlicht /nach gehaltener Plünderung voran zu gehn und ein weites Lager umb Herrmanns Grabmahl abzustechen / die Spitzsäule nieder zu reissen und hingegen viel tausend Stück frische Erde zu graben / damit folgendes Tages eine desto höhere hiervon könte aufgebauet werden. Die Barden musten sich zu Lobgesängen /die Druiden zur Aufopfferung des Ingviomers / der Adel zum Rennen und Kämpffen zu Roß und zu Fuß /bereit machen. Die Nacht drauf war zwar wegen der Jahres-Zeit eine von denen längsten: doch dünckte sie Thußnelden gar unendlich zu seyn / weil sie mit der grösten Ungedult sich nach der Stunde sehnete / in welcher sie ihres Allerliebsten Asche mit ihren Thränen zu benetzen verhofte. Wiewol sie in sich selbst überaus zweiffelhafft war / ob sie sich bey dem Grab an einen Baum hencken und mit ihrem Tode ihre eheliche Treu versiegeln solte: massen so wohl der vorlängst schon eingerissene Landes-Gebrauch / als auch ihr hefftiger Kummer dazu riethen / hingegen die gesunde Vernunft und der von ihrem Gemahl ehemahls empfangene ausdrückliche Befehl sie davon zurücke hielten. Der so sehr gewüntschte Tag brach endlich an / worauf das übrige gantze Heer in der Morgendämmerung zum Begräbnüß fortzog / und weil es der Kälte wohl gewohnet war / auch weder Nebel noch Schnee sich hindern ließ / langete es gegen Mittag schon bey der Grabstätte an. Unterwegens hatte sich der Ritter Stochow / als ein Abgeordneter von der Hertzogin Adelgund / angemeldet und gebeten / mit Ingviomers Abschlachtung sich nicht zu übereilen /sondern biß folgenden Tag zu warten / an welchem sie ihr Kindbett verlassen und Thußnelden persönlich aufwarten / auch mit ihr einen solchen Vergleich treffen wolte / der ihnen allerseits zu sonderbahrer Vergnügung gereichen würde. Aber weder bitten noch dräuen halff etwas; Vielmehr ward dem Stochow angesagt / daß wenn er oder ein anderer mit dergleichen Anbringen wieder käme / würde man ihm nicht besser / als seinem Herrn / begegnen.

Als nun Thußnelde im Lager anlangete / ließ sie sich den Weg nach der Grufft / in welcher Herrmanns Gebeine ruhen solten / alsbald zeigen und floge gleichsam dahin / weil sie einer verwitweten Turteltaube nicht weniger hierinnen als im trauern / ächzen und girren ähnlich seyn wolte. So bald nun der marmorsteinerne Topff auf ihren Befehl ausgegraben war / umbfieng sie denselben eine viertel Stunde lang ungefähr / unter unzehlich Zähren / so daß es schiene /als wenn sie in einen Brunnen verwandelt würde / wie Egeria / da sie ihren Numa Pompilius beweinete. Sie muste endlich / nachdem sie dreymahl: Gehabe dich wohl / allerliebste Seele! ausgeruffen hatte / das Aschenbehältniß wieder beysetzen / und eine neue Spitzseule darüber aufführen lassen. Die unterste[1597] viereckte Stuffe daran war hundert Ellen breit und lang / das gantze Werck aber funffzig Ellen hoch. Denn obwohl die Deutschen damahls allzu grosse und kostbahre Grabmahle vor eine Eitelkeit / viel auch aus Aberglauben für eine Last der Todten hielten / so bekamen doch fürstliche oder sehr hoch umb das Vaterland verdiente Personen mehrentheils ein etwas beständiger Ehren-Gedächtnüß. Indem nun zwey tausend Mann hieran arbeiteten / brachte man den gefangenen Ingviomer zu einem zwantzig Schritt davon entferneten Rasen-Altar und ermahnete ihn / sich zum Tode fertig zu halten / so bald der Gesang würde beschlossen seyn / in welchem die Barden so wol Herrmañs Helden-Thaten rühmen / als auch sein frühzeitig Ende beklagen und dem abgeschiedenen Geist das Blut des zum Tode verurtheilten Feindes zum Rachopffer antragen solten. Jederman hörte nun mit möglichster Aufmercksamkeit diesen vier und zwantzig Sängern zu / die mit kläglichem Thon folgender massen sich hören liessen:


Ihr Augen! lasset Blut an statt der Thrånen rinnen:

Denn Herrmanns blutig End' ist solches Opffers werth.

Soll euch der blasse Neid den Vorzug abgewinnen /

Der Herrmanns Tugenden / obgleich unwillig / ehrt?

Er schåmt sich ja nunmehr / nach dessen Schmach zu trachten

Der beydes Låsterung und Ruhm

Mit seinem Glůck / Verstand und Thaten ůberstiegen.

Er muß fußfållig hier vor dieser Asche liegen

Und willig seyn / sein eintzig Eigenthum

(Die schn \de Schlangenbrut) zum Opffer abzuschlachten.


Der Feldherr stammete von zw \lff berůhmten Helden /

Davon ein jeder auch der Deutschen Feldherr hieß:

Doch wird man mehr von ihm bey spåter Nachwelt melden /

Weil aller Zw \lffe Bild sich in ihm sehen ließ.

Denn der zw \lff Ahnen Thun kont' einem Krayße gleichen /

Der in zw \lff Håuser abgetheilt;

Durch den hat er den Lauff nach Sonnen-Art vollfůhret /

Da er gleich so viel Jahr die deutsche Welt regieret.

Er hat nicht lang' im Erd-Kråyß sich verweilt

Und muß nun seinen Zweck im Himmels-Kråyß erreichen.


Schweigt von Andromeden und Perseus / o ihr Griechen!

Schweigt von dem Ungeheur / das sie zu fressen dråut.

Vor der Geschichte muß die Fabel sich verkriechen /

Seit Herrmañ Deutschland hat von Varus Wuth befreyt.

Wie wust' er doch den Schwamm so artig auszudrůcken /

Der ehmah's unser Schweiß und Blut

Gantz unersåttlich hatt' in sich hinein gesogen!

Baut sich ein Drusus schon Altår' und Sieges-Bogen;

Wenn unser Held nur einen Blick drauf thut /

Schlågt stracks ein Donnerstrahl die Eitelkeit in Stůcken.


Tiber ist zwar bemůht / des Varus Todt zu råchen;

Germanicus stimmt auch mit ihm im Vorsatz ein:

Doch weder List / noch Muth kan Herrmanns Kråffte schwåchen

Und weder Löwenhaut / noch Fuchsbalg schådlich seyn.

Augustus kriecht ins Grab aus Schrecken vor dem Feinde.

Tiber låßt den Germanicus

Mit unserm Herrmann sich in Deutschland abarbeiten

Vnd / wo es blitzen will / da bleibet er von weiten.

Weil aber gleich und gleich sich lieben muß /

Wird selbst des Kåysers Sohn zu Herrmanns besten Freunde.


Rom hat zwar schon den Sieg im Sinn / doch nicht in Hånden

Indem Germanicus so pråchtig triumphirt.

Allein es m \chte nur die Augen zu uns senden /

So wůrd' es durch's Geh \r' so greulich nicht verführt.

Germanicus verdient ja wohl ein Siegs-Geprånge:

Nicht / weil er Deutschland hat besiegt;

Nein! sondern weil er sich vernůnfftig ůberwunden

Vnd mit der deutschen Welt in Frieden abgefunden.

Ihr thåtet wohl / ihr R \mer / wenn ihr schwieg't!

Des Prahlens blaue Dunst besteht nicht in die Långe.


Schaut nur den Marbob an / der vormahls euer Schrecken

Das Meisterstůck des Glůcks und Deutschlands Geissel hieß!

Diß ungezåhmte Thier macht' Herrmañ stracks zur Schnecken

Da er am Havelstrom es in sein Hauß verwieß.

Ja letzlich ward ihm auch sein Hauß und Reich zu enge /

Als der Cherusker fliegend Heer

Ihm Eulen-Flůgel gab. Da must' er vor sein Leben

Aus Danckbarkeit die Cron vor Herrmanns Haupt hergeben.

Ach! daß der Streit durch ihn zu schlichten wår /

Ob Hermann / oder Rom verdien' ein Siegs-Geprånge?


Doch wer bekůmmert sich / was Rom vom Herrmann dencke?

O Greuel / den es ietzt erstaunt von Deutschland hört!

Ach! Jammer! ach! wo ist das herrlichste Geschencke /

Womit des Himmels Huld uns jemahls hat beehrt?

Rom hat beym Romulus als W \lffin sich bezeiget /

Weil es in dessen Blut sich wåscht /

Der an der W \lffin Brust doch Nahrung finden k \nnen.

Rom! Deutschland will dir nicht der W \lffin Nahmen g \ñen?

Weil es den Durst in Herrmanns Blute lescht

Vnd den nunmehr zerreißt / den es zuvor gesåuget.


Brich / tieffster Abgrund / auf! verschlinge die Verråther!

Ihr Wolcken! ist der Blitz vor M \rder allzu gut?

Wie? oder kennet ihr noch nicht die rechten Thäter

Weil ihr an ihnen nicht / was eures Amptes / thut?

[1598]

Allein ihr sehet wohl / wir sind nicht alle schuldig:

Des Vaterlandes Mutter-Hertz

Wird biß in Todt gekrånckt durch seine bösen Kinder /

Vnd ist Erbarmens wehrt. Sie aber sind die Sůnder;

Dieselben strafft und håufft nicht unsern Schmertz.

Doch kans nicht anders seyn / so sind wir auch geduldig.


Indessen / wehrter Geist! ach! laß dir doch belieben

Das Opffer / das dein Land dir zur Vers \hnung bringt.

Dein immerwåhrend Lob wird hier durch Blut beschrieben /

Das aus Ingviomers verdammten Hertzen dringt.

Die Thrånen sind zu schlecht vor einen solchen Helden /

Bey dem das Leben růhmlichst war

Vnd dessen Seel' im Todt in Sternen-Himmel steiget.

Leb' ewig! lebe wohl! was du uns hast erzeiget /

Das wollen wir / wie ietzund / jedes Jahr

Durch uns'rer Lieder Thon stets danckbarlich vermelden.


Als man das letzte Gesetz anfieng / kniete Inguiomer nieder und der oberste Druide nahm das Opffermesser in die rechte / ein silbernes Becken aber in die lincke Hand / umb mit jenem ihm die Kehle abzustechen und mit diesem das Blut aufzufangen. Allein es erhub sich gleich zu Ende des Gesanges ein grosses Geruffe von weiten / daß der hierüber erzürnete Priester sich umbsahe und fragte: wer so kühn wäre / das heilige Stillschweigen zu brechen? Er muste aber an statt der Antwort damit zu frieden seyn / daß das Geschrey immer grösser wurde: König Herrmans Geist käme / seinem Rachopffer und Begräbniß-Feyer beyzuwohnen. Es währete auch nicht lange / als der vermeynte Geist in einem grün- und gold-gewirckten Kleide nebenst drey Rittern in vollen Rennen sich einfand / alsbald aber auf dem grossen Platz vom Pferde sprang / die bey dem Grabmahl sitzende und vor Harm / Furcht und Erstaunung halbtodte Thußnelda in seine Arme mit diesen Worten schloß: Ich lebe /meine Allerwertheste! Allein er bekam keine Antwort / indem sie gantz stumm und starr ihn ansahe / so daß wenn ein Mahler den Pygmalion / der seine Helffenbeinerne Liebste umbfängt / hätte abbilden sollen /würde er hier das beste Muster der Stellung angetroffen haben. Mittlerweile traten Flavius / Jubil / Erato /Catta / Rhamis / Malovend / Siegmund / der oberste Druide und andere Grossen / herbey und fragten in der allergrösten / doch höchstglücklichen Unordnung: ob sie ihren Augen trauen solten? So erholte sich auch Thußnelda und rieffe: O Himmel! habe ich das Glück / daß mein Herrmann mich überleben kan? Und damit fiel sie ihm mit unbeschreiblicher Inbrunst umb den Halß und zugleich in eine schwere Ohnmacht / daß man in Zweiffel stund / ob sie todt oder lebendig wäre. Erato hatte zu allem Glück ein güldenes Büchslein voll Balsam von Jericho bey der Hand / und brachte sie wieder zu sich selbst. Unterdessen machten sich Herrmanns Gefährten Arnheim / Stochow und Milissow zu denen Druiden und gaben ihnen zu verstehen / sie solten Inguiomern loßlassen und Fürstlich halten / nachdem der König völlig nunmehr mit ihm ausgesöhnet sey. Diese wolten nicht trauen und befragten sich deßwegen bey Herrmannen / der denn solches bekräfftigte und dem Bructerischen Hertzog /zu Bezeugung seiner Gewogenheit / von der Erden aufhub / umbarmete und Thußnelden zuführete / die hierauf neben ihrer gantzen Gesellschafft ihn aufs höfflichste wegen des bißher-vorgegangenen umb Verzeihung bat / doch aber auch freundlich verwiese /daß er lieber aus eigensinniger Einbildung einer sonderbahren Ehre sterben / als durch rechte Entdeckung der wahren Geschichte sich frey machen wollen. Er begegnete ihr hingegen mit grosser Demuth und erwiese / daß er sich zu erniedrigen ja so willig wäre /wenn man ihm seinen freyen Willen gönnete / als gegentheils unwillig und halsstarrig / daferne man ihn hierzu mit Gewalt nöthigte. Jedoch gestunde er / daß er nur umb deß willen sich so unerschrocken zum Tode angestellt / weil er eines von diesen drey Dingen verhofft / nehmlich / daß entweder seine Gemahlin Adelgund sich ins Mittel schlagen / oder Flavius ihn noch einmahl mit besserer Bescheidenheit (an statt ihm in die Rede zu [1599] fallen) umb seine versprochene Gnugthuung befragen oder endlich er selbst im Fall der höchstẽ Noth deutlicher zu reden noch Zeit haben würde / ehe ihm der Priester die Kehle abschnitte. Sonsten aber erklärete er sich öffentlich in Gegenwart des gantzen Heers / daß er hiermit allen Anspruch auf das Cheruskische Hertzogthum fahren liesse / und die Unterthanen / die ihm bißher mit Eyd und Pflicht verbunden gewesen / an ihren rechtmäßigen Erb-Fürsten / König Herrmannen / wolle gewiesen haben. Hiernächst musten / auf Flavius und Jubils Befehl / alle anwesende Völcker ein lautes Freuden-Geschrey erschallen lassen / in gleichen einige Druiden den Altar der Erden gleich machen / hundert Soldaten aber den grossen Holtzstoß / worauf Inguiomer hatte sollen verbrant werden / abtragen. Man wolte dieses auch bey dem halb-aufgebaueten Rasen-Hauffen thun: Allein Herrmann gebot das Grabmahl zu vollführen /weil der getreue Schwanitz / der sich vor ihn in der letzten Schlacht ritterlich gewaget und auch nach dem Tode ihm das Leben erhalten hätte / wohlverdiene /daß seine Gebeine mit einem ungemeinen Denckmahl beehret würden. Graf Polheim thate endlich Anregung zum Aufbruch nach Teutschburg / wohin sich denn /weil es begunte dunckel zu werden / alle König und Fürstlichen Personen nebenst zwey tausend ihrer vornehmsten Grafen und Ritter erhoben / dahingegen alle Bructerer biß etwa auf zwey hundert Männer und so viel Weiber die Vestung verliessen und im freyen Felde auf Bären- und andern dergleichen Häuten übernachteten.

Die Durchläuchtige Gesellschafft legte nach ihrer Ankunfft ins Teutschburgische Schloß ohne Verweilung eine überaus-vergnügliche Besuchung bey der Hertzogin Adelgund ab und bezeugte ihre Freude nicht allein über der glücklichen Geburt der kleinen Velleda / sondern auch wegen des zwischen so viel hohen Häusern getroffenen höchsterwünschten Vergleichs. Eine Stunde verfloß unter solchen Höffligkeiten; worauf man von Adelgunden Abschied nehmen und zur Taffel gehen muste. Diese ward zwar in der Eyl nicht eben allzuprächtig besetzet. Jedoch würtzten der Hunger und die annehmlichen Gespräche alle Speisen dermassen / daß man weder die Phönicopter-Zungen / noch Scarus-Lebern oder Pfauen-Gehirn / davon das wollüstige Rom ein so grosses Wesen machte / dabey vermissete. Unter andern sagte König Herrmann: Wir sind heute durch Freude und Verwunderung in so grosse Unordnung gerathen / daß wir noch nicht Gelegenheit gehabt / einander unsere Begebenheiten ordentlich kund zu machen. Flavius fassete seinen Bruder bey den Worten und bate / seine Glücks- und Unglücksfälle diesen Abend zu erzehlen / versprach hingegen auf morgenden Tag eine ausführliche Nachricht von alle dem / so er zu wissen verlangen würde. Der König war alsbald willig / solchem Begehren eine Gnüge zu thun; zumahln / weil er von Thusnelden hörete / daß sie von Jubiln die Geschichten des Marbods / Gottwalds / Segesthes und Adgandesters / unterwegens die Zeit zu kürtzen und ihr Gemüth vom Kummer in etwas abzulencken /gnugsam vernommen hätten. Herrmann kam demnach alsbald auf den neulichsten Krieg mit Inguiomern und Segimern zu reden. Als er hiermit fertig war / sagte die Hertzogin Rhamis: Wie sehr mich kränckt / daß derjenige / der mir der Liebste auf Erden gewesen /etwas begangen hat / das ihn des Hasses des grossen Herrmanns schuldig macht: so höchlich erfreue ich mich / daß mein Sohn durch seine Bescheidenheit den Fehler seines Vaters ersetzet / und also der hohen Gewogenheit Eurer Königlichen Majestät mit der Zeit würdig werden dürffte. Sie zweiffeln nicht / Durchlauchtige Hertzogin / (antwortete Herrmann /) daß ich dero tugendvollkommenem [1600] Sohne zu dienen willig sey: Meine Feindschafft gegen Hertzog Segimern gehört nicht mit zu seiner Erbschafft. Ja wenn ich das Leben ihm zu geben wüste / wäre ich hierzu willig und verhoffte so viel Wohlthaten auf ihn zu häuffen /daß sein Groll wider mich darunter ersticken müste. Denn dieses halte ich vor die sicherste Art der Rache /die mir nützet und niemand schadet.

Hierauf ersuchte er Inguiomern / dasjenige vorzubringen / was nach Absterben Hertzog Segimers erfolget wäre. Weßwegen dieser sich also vernehmen ließ: Ich muß mich meiner Gemahlin höchst-verpflichtet erkennen / die durch ihr vernünfftiges Einrathen die tobende Hitze meines Herrschlüchtigen Geblüts dermassen gedämpffet und gemäßigt hat / daß kein Opffer-Messer erst demselben hat Lufft machen müssen. Wäre sie nicht König Herrmanns Schutzgeist gewesen / so dürffte ich vielleicht etwas gethan haben / das mich ewig / und doch vergeblich / gereuet hätte. Allein / da sie in schweren Kindes-Nöthen arbeitete /muste ich ihr mit einem theuren Eyd zusagen / den umb Deutschland hochverdienten Helden nicht zu tödten / sondern in dem Erdgewölbe / darinnen er verwahret wurde / so lange verbleiben zu lassen / biß er entweder durch einen natürlichen Hintritt mich überhübe / meine neue Hertzogliche Würde mit unschuldigem Blut zu entweyhen / oder auch ich mich dermassen in meiner Gewalt fest gesetzet hätte / daß ich den Unbillig-gefangenen noch ferner fest zu setzen unnöthig erkennete. Ich war auch desto williger dazu /weil das nahe Geblüt endlich meinen Ehrgeitz überwältigte und es also meinem allernächsten Vetter /dem König Herrmann und mir / als zwey Aesten eines einigen Stamm-Baums / er gieng / welche man wohl von einander beugen kan / die aber dennoch eine von der Natur eingepflantzte Begierde behalten / sich wieder zusammen zu thun / wenn nur niemand ihnen daran hinderlich ist. So sehr aber meine Adelgund mich in meinem guten Vorsatz stärckte; so wenig wolte auch gleichfalls gegenwärtiger Ritter Arnheim /nach dessen Rath ich öffters meine Entschlüssungen richte / mich hiervon abhalten. Indessen starb Segimer und seine und meine Völcker unterstunden sich / mir eine Mordthat abzutrotzen. Allein Arnheim hatte zu allem Glück unter seinen Kriegs-Gefangenen einen edlen Langobarden / den Ritter Schwanitz / der König Herrmannen an Farbe der Haare / Bildung des Gesichts und Länge des Leibes ziemlich ähnlich war. Dieser ward in der letzten Schlacht hart verwundet und starb gleich damahls / als wir eine Leiche höchstnöthig hatten. Arnheim liesse demnach durch etliche getreue Diener den Cörper in eine Lade legen / in des Königs unterirrdisches Behältniß bringen / daselbst mit dessen gold- und rothgewürckten Kleide anziehen / den Kopff abschneiden / und mit frischem Hüner-Blut überstreichen und unkäntlich machen. Hiernächst ward dieser auf dem höhesten Thurm zur öffentlichen Schau ausgestecket / der Leichnam aber verbrant und begraben. Welchergestalt nun so viel ungemeine Helden und Heldinnen mit einem auserlesenen Heer mich und die meinigen überwunden und zu einem sonderbahren Versöhnopffer des todtvermeynten Feld-Herrns der Deutschen Anstalt gemacht haben / ist ihnen besser als mir selbst bekant.

Der Hermundurische König bekam hierdurch Anlaß / Herrmannen eines und anders davon zu berichten / worauf dieser folgender Gestalt seine obangefangene Erzehlung beschlosse: Die Hertzogin Adelgund / die ich Lebenslang als ein Meisterstück der Tugend rühmen werde / hatte nicht so bald die unglückliche Nachricht von ihres Gemahls Niederlage erhalten / als sie den Ritter Stochow abordnete / so wohl dessen Freyheit bey meinen Freunden [1601] zu erbitten / als auch von ihm selbst Erlaubniß vor sie zu begehren / das bewuste Geheimniß bekant zu machen. Weil aber der Ritter nicht so glücklich seyn und Inguiomern zu sprechen bekommen konte / auch von meinem Leben nichts gehöret hatte / kam er unverrichter Sache wieder. Die wegen ihres allerliebsten Gemahls höchstbesorgte Fürstin ließ mich demnach durch dero Schloß-Hauptmañ / den Ritter Arnheim /in ihr Zimmer hohlen und machte mir jetzt besagtes kund / bate dabey / ich möchte mich so großmüthig bezeigen und Inguiomers Leben unverzüglich retten /auch damit zu frieden seyn / daß er das Cheruskische Hertzogthum mir wieder abträte. Sie wolte zwar wohl einen Ritter nochmahls an meine Gemahlin mit der Nachricht von meinem Leben absenden: Allein sie stünde in Furcht / man möchte eine so unvermuthete Sache nicht alsbald glauben / und daher das Opffer seinen Fortgang gewinnen lassen; Wodurch sie aber würde genöthiget werden / theils aus unerträglichen Kummer / theils zur merckwürdigen Rache / dieses Schloß und darinnen sich / ihre zarte Velleda und mich selbst in Rauch gen Himmel zu schicken. Ich erbote mich ihren so billigen Verlangen alsbald Folge zu leisten; setzte mich deßwegen neben Arnheim /Stochow und Milissow zu Pferde und eylete nach aller Mögligkeit dahin / wo ich schon in einem Aschentopffe stecken solte. So bald ich von der äussersten Schildwach angeschriehen wurde / wer ich wäre /nennte ich meinen Nahmen / und verursachte damit /daß man mich vor einen Geist hielt und mir mit ja so tieffer Ehrerbietung allenthalben aus dem Wege wiche / als immermehr das abergläubische Rom würde gethan haben / wenn ich vor den Halbgott Castor oder Pollux / die mehr als einmahl auf weissen Pferden reitend sollen erschienen seyn / mich auszugeben wäre gesonnen gewesen. Allein ich habe die Eitelkeit nie verlangt / ein Gott zu seyn / und der klugen Welt ein solches Possenspiel zu zeigen / als sie bey der gotteslästerlichen Vergötterung des Augustus anzusehen bekam / darüber diese Stachelschrifft zu Mäyntz ausgestreuet wurde:


Ich kan dich warlich nicht vor einen GOtt erkennen;

Doch / weil du dich so sehr im Ehebruch geůbt /

Will ich dich Jupiter und (wo es dir beliebt /)

Dem Hirtius zum Ruhm / gar Ganymedes nennen.


Dieses Getichte (sagte Malovend) ist vor des Weltweisen Seleucus Gemächte erkant worden. Denn als Tiberius ihn wegen seines Hochmuths nicht länger umb sich leiden können / und daher ins Elend gehen lassen / hatte man unter seinen Wachstaffeln und Papieren / nebenst andern Sachen von dergleichen Inhalt / den ersten Entwurff dieser vier Verse gefunden. Weswegen der Käyser / der seines verstorbenen Vaters Schmach höher / als die seinige empfand / Befehl ertheilte / den Spott-Vogel aufzufangen. Es wurde auch dieser endlich zu Athen ertappt / da er eben eine Reise ins Parther-Land thun wolte. Man machte aber nicht viel Wesens mit ihm / sondern nachdem er kaum zwey Tage gefangen gesessen hatte / hieng man ihn an seinen eigenen Halß; da denn ein lustiger Kopff diesen Reim auf ihn machte:


Er hat das A.B.C. an Schuhen långst zerrissen

Und doch das lange J. im Alter lernen můssen.


Jedennoch hatte er zuvor / sich zu rächen / diese Schutz-Schrifft verfertigt und / ich weiß nicht wie /unter das Volck gebracht / welches sie wohl tausendmahl abgeschrieben / obgleich nicht allerdings verstanden hat. Mir wurde auch solche bey meiner Durchreise von meinem Wirth gezeiget und lautete /wo ich mich noch besinnen kan / also:


Sieht Naso den August

Nach seiner geilen Lust

Was ungebůhrlichs thun /

Muß er ins Elend gehen.

Was meynt / ihr Griechen / nun /

Wodurch ich es versehen /

[1602]

Daß ich an Galgen muß?

Ihr dürfft nicht lange dencken:

Es stielt Tiberius /

Drumb muß Seleucus hencken.


Inguiomer setzte hinzu: Ich habe / wie billig / einen ja so grossen Abscheu vor solcher thörichten Vergötterung / als etwan Seleucus; Nichts desto weniger hat ein Wahrsager meiner kleinen Velleda bey ihrer Geburt etwas seltzames verkündiget / dessen Warheit oder Unwarheit unsere Nachkommen erfahren mögen. Seine Worte zu dem Kinde waren diese:


Du brauchst nur funffzig Jahr / wenn du auf dieser Erden

Wilst deines Landes Haupt / ja eine Göttin / werden:

Doch nimmstu nach der Zeit an deiner Gottheit ab /

Die dein so grosses Hertz zum Eigenthum dir gab.

Wie kan es anders seyn? Aegypten mag dichs lehren:

Das Hertz wächst funffzig Jahr; hernach muß sichs verzehren.


Jederman wünschte / daß alles Glückliche in dieser Weissagung erfüllet / alles Böse aber abgewendet werden möchte. Herrmann trunck dem Jubil eine Schale voll Wein zu auf beständiges Wohlseyn der sämtlichen Bructerischen Herrschafft. Worauff denn die Gesundheiten derer Cheruskischen / Hermundurischen / Cattischen / Chassuarischen und Marsischen Königlichen und Hochfürstlichen Häuser folgten. Weil aber die gantze Gesellschafft recht müde war /begabe man sich zeitlich von der Taffel zur Ruh.

Die Sonne am Himmel war wegen der Winter-Zeit noch nicht aufgegangen / als Herrmann den süssesten Einfluß einer irrdischen Sonne durch unzählige Küsse in sich soge / und die Versicherung einer unveränderten Zuneigung mit solcher Inbrunst gab und empfing /daß die in der Kammer brennende Lampe gantz unnöthig gewesen wäre / wenn die Liebe so viel Schein /als Feuer in sich hegte. Indem ihn die unvergleichlich- schöne Thußnelda in ihre schneeweisse Arme schloß /erkante er vor die unbetrieglichste Wahrheit / daß der Schnee den Leib erwärmen / und die Augen erqvicken könne / ungeachtet eines so wohl als das andere denen in dergleichen Geheimnissen Unerfahrnen so falsch und unglaublich vorkommen möchte / als die Meynung des Anaxagoras / daß der Schnee schwartz sey. Bedient sich aber sonst ein vernünfftig Gemüth des köstlichsten Weins nur zur Lust / nicht zur Trunckenheit; so wuste in Wahrheit das tugendvollkommene Paar des Nectars wohlvergönnter Vergnügung mit gleichmäßiger Bescheidenheit zu geniessen; allermassen es noch in der Morgendemmerung das Bette verließ / ungeachtet dieser tapffere Mars und die keusche Venus sich vor keiner Sonne scheuen durften / nachdem nicht Buhlerey / sondern die Ehe sie zusa en gebracht hatte. Eine Stunde hernach funden sich Erato /Catta / Rhamis / Jubil / Flavius / Malovend / Siegmund und Inguiomer bey Herrmannen und Thußnelden ein / legten die gewöhnliche Begrüssung ab / und erkundigten sich untereinander / wie jedweden die Nachtruhe nach der Unruhe des verwichenen Tages bekommen wäre. Man setzte sich hiernechst in einen Kräyß und gebrauchte einen geglüeten Wein /als eine bewährte Artzeney vor die Kälte / welche der angehende Jenner mit sich brachte. Auf dem Deckel des güldenen Bechers / (so ehemahls dem Qvintilius Varus gehört hatte /) stund des Mercurs geflügelter Stab / welcher aber an statt der Schlangen mit einem Weinreben umbflochten war / ohne Zweiffel hierdurch zu bedeuten / daß der Wein alle die Tugenden an sich habe / so man sonsten dieser Schlangenruthe zuschreibe / nehmlich die erstorbenen Geister des Gemüthes aufzuwecken / jedoch auch die Sinnen des Leibes einzuschläffen. Herrmann nahm hiervon Anlaß zu sagen: Das Zeichen des GOttes der Beredsamkeit und des Wein-Gottes sind hier mit einander vereiniget und machen mir die Hofnung / es werde [1603] dieser Trunck Gelegenheit geben / daß gegenwärtige hochwerthe Gesellschafft ihre morgenländischen Begebenheiten in einer solchen Rede erzehle / wozu jedweder / der daran Theil gehabt / das seinige beytrage. Ich habe zwar schon einen kleinen Vorschmack heute diesen Morgen von meiner Gemahlin empfangen / wie hoch mein hertzgeliebtester Bruder mich ihm verpflichtet habe / und an was Ort in der Welt unsere Schwester Ismene lebe. Allein dieses entzündet nur meine Begierde / ein mehres zu wissen / und hat also die Natur eines guten Weins an sich / welchen man immermehr zu prüfen Lust bekömmet / so bald man nur denselben einmahl gekostet und wohlschmeckend befunden hat. Thußnelda setzte alsbald hinzu: Ich sehe schon /es werde die gütige Erato meinem Gemahl seine Bitte nicht versagen / oder sich verdriessen lassen / einen angenehmen Anfang der Geschichte zu geben / welche von uns andern zu rechter Zeit fortgesetzt werden soll. Die Armenische Königin antwortete: Dero Verlangen / Durchlauchtige Thußnelda / ist mir Befehls genug /ohne Umbschweiff ein und anders vorzubringen / welches mir seit meinem letztern Kampff / dem sie allerseits zugesehen / begegnet ist. Meine schnöde Eyfersucht verleitete mich damahls / daß ich auf des boßhafften Luitbrands Seite trat / und die unschuldig von ihm verleumbdete Fürstin Ismene mit meinem Speer schuldig zu machen mich erkühnte. Allein der gerechte Himmel straffte mich durch die tapffere Adelmunde / die / (wie ich von dem Hermundurischen König vernommen /) sich mit Fürst Catumern nach der Zeit verheyrathet hat. Ich wurde wegen meiner Verwundung in ein Cattisch Jägerhaus nebenst Saloninen / meiner Hoffmeisterin / gebracht und erlitte in meinem Gemüth alle Qvaal / so Eyfersucht / Schahm / Zorn /Haß und Liebe verursachen können. Doch würde ich mich weit mehr geängstiget haben / wenn ich schon dazumahl gewust / daß der Ritter mit dem Ulmbaum und Weinstock / der Ißmenens Sache wider den Dagobert so glücklich verfochten hatte / eben mein Zeno wäre / umb dessentwillen ich dieser keuschen Seele so aufsätzig war. Inmittelst meldete sich ein Armenier bey Saloninẽ an / als sie etliche Kräuter auf einem nicht weit vom Jägerhauß liegenden fruchtbahren Hügel zu lesen ausgegangen war / grüssete sie im Nahmen des Zeno / mit der Versicherung / daß dieser Fürst zwey Nacht hernach kommen und mich in mein Königreich führen wolte / wenn mir mit ihm dahin zu gehn beliebte. Er gab ihr überdas drey Lichter / welche aus Wachs / Mahnsafft / Allraunenwurtzel / Solanum oder Schlaffkraut / Bilsen und dergleichen Dingen / seinem Vorgeben nach / verfertigt wären und die Eigenschafft hätten / den alsbald einzuschläffen / dem man den Rauch davon in die Nasen steigen ließ. Hiermit solte sie die drey Jäger beleuchten / so würden sie alles Wachens vergessen / und nicht ehe sich wieder ermuntern können / biß die Kertzen gäntzlich verbrant oder ausgelescht wären. Die tugendhaffte Salonine trauete dem Osthanes nichts böses zu / weil Zeno sich seiner bedienete / sie auch aus allen seinen Reden schloß / daß er in den Geheimnissen der Natur eine ungemeine Erfahrung hätte. Doch hat nachgehends ein gelehrter Mann zu Artaxata uns zur Gnüge überführet / daß alle besagte Kräuter und Wurtzeln denen Wachslichtern nimmermehr eine solche Krafft hätten geben können / wenn nicht viel andere zauberische Mittel von dem Bösewicht wären hinzugefügt worden. Unterdessen blieb es bey der Abrede und stellte er sich nebenst dem Zeno und dessen 2. Rittern uñ so viel Dienern zur besti ten Stunde ein / setzte mich auf einen mit vier Pferden bespannten Wagen und fuhr mit mir unter dem Schein drey oder vier Windliechter davon.

Herrmann sahe hierüber den Flavius mit einer solchen Geberde an / die diesen nöthigte zu [1604] sagen: Ich mercke wohl / daß mein Bruder sich wundere / wie dieses übereintreffe mit dem / was ich von dem Wegzug meiner Königin ehemahls berichtet habe / nehmlich / daß sie in Gestalt einer Diana auf einem Wagen mit Hirschen bespannet in Begleitung etlich hundert Bockmenschen oder Waldgötter davon gefahren sey. Allein er wolle in Gedult den Ausgang der Erzehlung erwarten. Erato fieng hiernächst wieder an: Es ist nicht anders / als ich sage. Und schäme ich mich nicht wenig / zu bekennen / daß ein Schwartzkünstler damahls mein Fuhrmann gewesen / der (vielleicht / weil er den Zoroaster / den Stammvater aller Zauberer /vor seinen Landsmann hielt /) in solchem verfluchten Handwerck auch vollkommen zu werden / sich bemühete. Er war dem Zeno unterwegens aufgestossen / als dieser von der Kampffbahn zurück kam und hatte aus der Gesichtsbildung ihm ungebeten zu wissen gethan / daß das Glück ihm ein Königreich aufhübe. Der Fürst verlachte dieses / als eine Thorheit / weil er Ismenen noch liebte / und durch sie sein Glück in Deutschland zu machen gedachte / allwo man damahls den Nahmen eines Königreichs nicht gerne hörte. Jedoch weil / (wie ich ehmahls berichtet /) der Ausspruch zu Idessa im Phryxischen Tempel der Morgenröthe mir von ihm dieses zu wissen gethan hatte:


Wenn man dich wieder wird zur Königin einweyhn /

Wird er ein Königs-Sohn und selbst auch König seyn.


So gläubte er endlich desto ehe dem Betrüger / welcher vor einen Naturkündiger wolte angesehn seyn /der eine zeitlang bey denen Lappionen sich aufgehalten hätte / nunmehr aber wieder auf der Rückreise in sein Vaterland begriffen wäre. Zeno gerieth hierauf in Nachdencken / ob er nicht seine vorige Liebe zu mir solte wieder aufwachen lassen / nicht nur / weil er durch mich / wegen meines Rechts an Armenien / am allerersten ein König werden könte / sondern auch /weil er von einem Bedienten des Rhemetalces war berichtet worden / wie sehr ich meine noch währende Zuneigung zu ihm auf dem Kampfplan an Tag gelegt /hingegen dem Fürsten Flavius die Freyheit mich zu sehen / nach der Zeit allerdings abgesprochen hätte. Dieweil nun Osthanes denen Jägern gantz unbekant war / welche hingegen den Zeno und seine Leute mehr als einmahl gesehen hatten / befand ihn dieser am tüchtigsten / einige Bottschafft an mich oder Saloninen zu überbringen. So bald ich demnach in den Vorschlag einwilligte / kauffte der Armenier einen Wagen mit vier Pferden und machte im übrigen durch seine Künste / daß ich mich / wie obgedacht / mit dem Zeno / und der Salonine / nebenst zweyẽ Rittern / und so viel Knechten / aus dem Cattischen Gebiet ins Hermundurer Land / so Marboden noch zum Herrn hatte /flüchten konte. Daß aber Hertzog Flavius sich durch das Blendwerck des Zauberers in solche Furcht und Verwunderung bringen lassen / davor kan ich nicht; weil weder ich / noch jemand von meiner Gesellschafft dergleichen Dinge gesehn / oder vermuthet hat. Als wir über den Mayn nach der Donau giengen /verkaufften wir unser gantzes Fuhrwerck / wie es bespannt war. Hingegen schaffte ich mir und Saloninen Reit-Pferde und Mannskleider / nennte auch sie ins künfftige Saloninus und mich Herodotus / weil dieser berühmte Geschichtschreiber eines von seinen Büchern mit meinem Nahmen bezeichnet hat. Wir langten hiernächst zu Augusta in Vindelicien an / ruheten zwey Tage aus und setzten unsern Weg nach Isinisca fort. Osthanes leistete uns noch immer Gesellschafft und verkündigte mir unterwegens / daß dem Zeno ein sonderbahres Licht in seinem vermeinten / das höchste Glück aber in seinem rechten Vaterlande erscheinen würde. Ich fragte: Woher er denn so gewiß anderer Leute zukünfftige Begebenheiten erfahren könte /[1605] nachdem vielleicht seine eigenen ihm unbekant wären? Wie? (antwortete er:) Solte ich nicht wissen /was mir bevorstünde? Wollen Sie mein Geheimnüß bey sich behalten / so will ich ihnen etwas offenbahren / darüber Sie sich nicht wenig wundern / auch aus meiner Offenhertzigkeit erkennen werden / daß ich dero treuergebenster Knecht und nicht gantz unwürdig sey / bey bey dem zukünfftigen König Zeno die von ihm versprochene Ehrenstelle seines geheimbten Raths zu bekleiden. Als ich ihn nun meiner Verschwiegenheit versichert hatte / fuhr er also fort: Die Geister / denen ich mich zu dienen verpflichtet habe /und die mir hergegen zeit meines Lebens zu Gebote stehen / haben mir es in meinen freyen Willen gestellet / sterblich oder unsterblich zu seyn. Denn jenes kan ich werden / wenn ich ein wenig Ambra koste; dieses kan ich bleiben / wenn ich meiner lüstern Zunge verbiete / dieses eintzige Ding nicht zu berühren / welches zwar andern Menschen nützlich / mir allein aber schädlich ist / an statt dessen / daß alles /was man sonst Gifft nennet / meine beste Speise ist. Ich bestürtzete unsäglich über diesem greulichen Bekäntniß und fieng nun allererst an / mit zittern denjenigen anzusehn / auf dessen klugen Rath und unerschrockenen Beystand ich kurtz zuvor eine freudige Hoffnung gesetzet hatte. Indem ich nun vor Schrecken und Furcht eine viertheilstunde lang stumm gewesen war / kam ich mit meiner Begleitung an einen mittelmäßigen Fluß. Wir satzten uns dabey nieder und hielten Mittagsmahlzeit / so gut / als es unser von Augusta mitgenommener Vorrath leiden wolte; Die silberhelle Farbe des Wassers aber reitzte den durstigen Osthanes / mit der Hand zu schöpffen und zu trincken. Allein in dem Augenblick erhub sich ein Wirbelwind / der uns zwar keinen Schaden zufügte / hingegen den Zauberer so hoch in die Lufft führte / daß wir ihn nicht mehr sehn konten / bald aber so schnell wieder herunter fallen ließ / daß er sich auf eine abscheuliche Art zerschmetterte und also von seinen Geistern den gebührenden Lohn vor seine Dienste bekam. Wir erstauneten hierüber unbeschreiblicher Weise und blieben so unbeweglich stehn / als wenn wir in marmorne Bilder verwandelt wären. Zum wenigsten wusten wir nicht / ob wir uns über diesen gefährlichen Fluß wagen oder wieder zurück kehren solten. Doch erhohleten wir uns endlich / als etliche nach Augusta zu Marckt gehende Bauren von jenseits zu uns ohne allen Schaden mit einem kleinen Nachen überfuhren. Zeno erkundigte sich bey ihnen / was dieß für ein Wasser wäre und bekam die Antwort / es hiesse Ambra / und lauffe in den wohlbekanten Iserstrom. Da sahe ich erst / wie zweydeutig die betrüglichen Höllengeister ihrem Leibeigenen die Warheit gesagt / und unter dem Schein einer grossen Verheissung von seiner Unsterbligkeit / sich das Recht erworben hatten / ihm den Halß zu brechen. Das ist ja wunderbahr (sagte Jubil) und muß man mit Entsetzung anhören / daß die bösen Geister viel Jahr vorher gewust haben / es würde Osthanes jemahls den Ambra-Fluß sehn / will nicht sagen / kosten. Das kommt mir eben so seltsam nicht vor / (erwiederte Malovend.) Denn warumb kan der Mordstiffter nicht damahls schon den Vorsatz gehabt haben / denjenigen / der sich willig in seine Stricke begeben / anzureitzen / daß er in Deutschland zu reisen begierig würde / und / wenn er bey dem Ambra-Fluß ankäme / ihm die Zunge dermassen dürre zu machen / daß er sich an solchem Wasser vergreiffen müste. Gesetzt auch / es wäre ein anderer jählinger Todt darzwischen gekommen / daß der Ausspruch nicht eingetroffen / was würde es dem Ursprung der Lügen groß geschadet haben / auf einer Unwarheit ertappt zu werden / nach dem man gantze Bücher von denen betrüglichen Götter-Aussprüchen zusammen tragen könte. Und also wird viel weniger der unverschämte [1606] Höllen-Geist sich dessen schämen / was den Gott Apollo seines Ansehns in der Welt nicht beraubt hat. Thußnelde versetzte: Eine Lügen und ein Gott können so wenig beysammen stehen / als Nacht und Tag ein Ding sind. Deutschland hält billich demnach den Apollo für nichts bessers / als eine schöne Larve / worunter des Osthanes schwartzer Geist sein heßlich Gesicht verstecket und also der betrogenen Welt die Verehrung abstielt / die man dem einigen Beherscher des Himmels und der Erden schuldig ist. Allein wir weichen durch diesen Umbschweiff von unserm Vorsatz allzu weit ab und wären vielleicht schon mit der Königin Erato auf dem grossen Adriatischen Meer / daferne uns der unansehnliche Amber-Fluß nicht aufgehalten hätte. Erato antwortete: Haben wir uns zu lange bey dem Amber-Fluß verweilet / so will ich mich desto geschwinder mit meiner Erzehlung durch die Norichischen und Carnischen Lande in die Adriatische / und folgends in die Mittelländische See begeben. Denn eben so richteten wir unsere Reise ein. Als wir aber an Creta kamen / von dar wir nach Cypern / Syrien und Armenien zu gehn willens waren / erhub sich ein grausamer Sturm und trieb uns in die Enge zwischen Sestus und Abydus / da wir beynahe Schiffbruch gelitten hätten. So ist Hero und Leander wohl recht glücklich gewesen (schertzte Herrmann /) daß es nicht geschehen ist. Denn ich bin versichert / daß die Welt dieses verliebten Paars sich wenig mehr bey diesem Ort würde erinnert haben / daferne ein weit edlers und tugendhaffteres / nemlich Zeno und Erato / daselbst verunglücket wären. Mein gutes Glück (sagte Erato) überhobe uns dieser eiteln Ehre und mir war auch mehr damit gedient / ein lebendiger Herodotus / als eine todte Hero / zu heissen. Allein der Wind wolte sich doch noch nicht nach unsern Willen schicken /und führte uns biß an die andere Meer-Enge bey Byzantz. Dannenher Zeno zu mir sagte: Ich weiß nicht /ob das Wetter das Absehn meiner Reise hindert / oder befördert hat. Denn nunmehr sehe ich vor gut an /vollends durch das schwartze Meer nach Sinope zu schiffen / welches ich ehemahls vor meinen Geburts-Ort gehalten habe / als der Pontische König Polemon annoch mein Vater hieß. Vielleicht erlange ich daselbst Nachricht von der Pythodoris / die mich in meiner Kindheit der Königin Dynamis an statt ihres Sohns übergeben. Von derselben hoffe ich zu erfahren / entweder wer meine Eltern gewesen / oder / ob ich /wie die Menschen zu Deucalions Zeiten / aus einem Stein entsprungen sey. Mit einem Wort: Wir kamen zu Sinope an und fragten alsbald den Wirth in unserer Herberge: ob Pharasmanes der Statthalter zu Cyropolis ihm bekant wäre? O ja! (sagte dieser /) doch ist er schon vor viel Jahren gestorben. Seine Gemahlin aber / die unvergleichliche Pythodoris / lebt allhier / als Mutter unsers jungen Königs. Zeno wurde über dieser unvermutheten Zeitung höchst-erfreuet und wartete nebst uns der Königin auf / als sie mit wenig Bedienten in ihren grossen Lust-Garten fuhr. Er war so glücklich / daß sie / nach beywohnender gantz ungemeinen Höffligkeit / ihn / als einen ausländischen obgleich unbekanten Fürsten / in ihre Läube holen ließ /welche aber keine Wände hatte / sondern nur auf acht höltzernen und mit Weinreben umbflochtenen Seulen stunde; also daß so wohl die Königlichen Bedienten /als auch wir / die Pythodoris und den Zeno sehen /aber nicht hören kunten.

Wie er mir nachmahls gesagt / so hatte er sie ungefehr also angeredet: Gleichwie ich mich unterthänigst erfreue / daß der gütige Himmel Eurer Majestät nach dero hohen Verdienst die Pontische Cron aufgesetzet: also lebe ich der Hofnung / Sie werden geruhen in ietzigem hohen Stande / dero gnädigen Zuneigung den unglücklichen Zeno zu würdigen / nachdem er ehemahls das unschätzbare Glück gehabt / dero [1607] Mutter-Milch zu genüssen. Die Königin war hierauf voller Bestürtzung in diese wenig Worte ausgebrochen: Ists möglich / daß ich meinen Zeno sehe? Dieser wiese ihr etliche Kleinote / mit welchen ihn seine vermeynte Mutter / die Königin Dynamis / vordessen beschencket hatte / welche denn nebenst der Gesichts-Bildung sie endlich überredeten / daß dieser Frembder eben der Zeno wäre / der sonst zu Sinope unter dem Nahmen der Fürstin Arsinoe gelebet hatte. Sie umbfieng ihn demnach mit beyden Armen / zu grosser Verwunderung ihrer von ferne stehenden Hoffstatt / und konte vor grosser Gewogenheit nichts mehr / als dieses /aufbringen: Seyd höchst-willkommen / allerliebster Sohn! Zeno versetzte: Eurer Majestät gnädigstes Wohlwollen giebt mir grosse Hoffnung / zu erfahren /wie ferne ich mich der Ehre rühmen könne / dero Sohn zu seyn. Sie antwortete: Wenn ihr den Grund hiervon wissen wollt / müsset ihr meinen Lebens-Lauff anhören / den ich euch gantz kürtzlich erzehlen will: Mein Vater war ein Trallianischer Edelmann /Nahmens Pythodorus / zu dessen Andencken auch ich Pythodoris heisse. Weil nun meine Mutter das Leben über meiner Geburt aufgegeben hatte / schickte er mich an seine Schwester / die zu Satala / der Hauptstadt / in Klein-Armenien als eine Witwe lebte / welche auch / mich wohl zu erziehen / möglichst beflissen war. Indessen starb mein Vater und seine Güter gefielen etlichen von meinen Verwandten so wohl /daß sie sich selbst / mir zu Schaden / zu seinen Erben einsetzten / und meine Pflege-Mutter mit allerley verwirrten Gerichts-Händeln müde machten / so daß sie endlich das Meinige ihnen überlassen muste. Der Himmel legte mir also eine sehr beschwerliche Armuth in meiner Kindheit auf / damit ich nunmehr desto besser meine nachmahlserfolgte unverdiente Erhöhung mit demüthigsten Danck erkennen und bey der Welt ein merckwürdig Beyspiel abgeben möchte /daß es ihm ja so leicht sey / eine verarmte und verachtete Wäyse groß / als eine wohleingerichtete Welt aus einem unförmlichen Chaos zu machen. Ich war vierzehen Jahr alt / als Parrhaces / ein reicher Edelmann des Orts / mich lieb gewann und heyrathete / weil er in meinem Gesicht und Gemüth so viel gutes zu finden vermeynte / daß solches seinen grossen Glücks-Gütern die Wage halten könte. Wir lebten solchergestalt mit einander höchst-vergnügt / daß uns ein Jahr zu einem Tage wurde / in welcher Zeit ich mit einem jungen Sohn meinen Mann erfreuete / der ihm seinen Nahmen beylegte. Acht Wochen darnach ward er genöthigt eine nothwendige Reise in das grössere Armenien zu seinen Befreundten zu thun. Ich wolte ihn nicht verlassen / sondern begleitete ihn so wohl hin als her / stund aber unterwegens Glück und Unglück aus. Denn mein kleiner Säugling starb / so bald ich eine Meile von Artaxata aus nach Satala zurück gelegt hatte und setzte uns in unsägliche Bekümmernüß. Als wir hingegen über den Meerbusen Arethusa oder Arethissa schifften / welcher die Wunder-Art hat / daß er eine ziemlich-schwere Last tragen kan / daß sie nicht untersincket / kam uns eine schöne vergüldete Wiege entgegen geschwo en / in welcher ein kleines in Purpur-eingewickeltes Kind lag. Wir nahmen selbige ins Schiff als ein sonderbahres Geschenck des Himmels / der unsern Verlust einiger massen ersetzen wolte. Ich legte auch das so anmuthige Knäblein mit aller Lust an meinen mit Milch gefüllten Busen /nachdem es zuvor schlechte Nahrung in dem saltzigten Seebusen gefunden hatte; und gab ihm den Nahmen meines verblichenen Kindes / Parrhaces. Damit ihr aber wisset / was alle diese Reden zu unserm Zweck beytragen können / so vernehmet / werthester Zeno / daß ihr eben dieser kleine Parrhaces gewesen seyd. Ihr waret nun unser einige Freude / welche aber mir gar sehr durch den frühzeitigen Todt meines Ehemanns [1608] verbittert wurde. Unterdessen verjagte der König des grössern Armeniens Artaxias den Medischen König Artavasdes / welcher keine Söhne hatte /wohl aber einen kleinen Enckel / den seine Tochter Jotape mit dem jungen Alexander / des berühmten Marcus Antonius Sohn / gezeuget hatte. Dieses Kind hieß Ariobarzanes und ward dem Pharasmanes von dem Artavasdes anvertraut / mit Befehl / solches an einen sichern Ort zu flüchten. Er kam demnach damit zu Satala in Klein-Armenien an / welches unter des Pontischen Königs Polemons Gebiet gehörte / und ward mit mir bekant / auch bald hernach vermählt. Wir brachten also Kinder zusammen / dazu wir weder Vater / noch Mutter waren. Pharasmanes kauffte gleich nach dem Beylager ein überauswohlgelegenes Rittergut am Fluß Melas nicht fern von der Stadt Zyristra in gedachtem kleinern Armenien. Immittelst hatte ich noch einen Gast bekommen von der Königin Dynamis / nehmlich ihren eintzigen Sohn / den ihr Gemahl Polemon hatte in eine Wüste wegsetzẽ lassen / nachdem ihm durch unterschiedene Götteraussprüche kund worden war / daß er durch seines Sohnes Hand sterben solte. Die mitleidige Mutter aber ließ ihn durch etliche verschwiegene Diener im Walde aufheben und mir überbringen / umb ihn zu säugen und aufzuziehn / weil ich zwey Jahr zuvor so glücklich gewesen war / ihrer hohen Zuneigung theilhafft zu werden / als sie über vier Monat zu Satala Hoff hielt. Ihr schmertzlicher Verlust ward vergrössert nicht allein durch die gefährliche Reise ihres Gemahls zum Käyser nach Rom / sondern auch noch mehr durch das Absterben ihrer einigen Tochter Arsinoe. Sie wolte hierüber fast verzweiffeln / und wurde desto begieriger / ihren Sohn zu sehn / den ich Zeno nennte / ob wohl Polemon ihm bey der Geburt seinen eignen Nahmen zugelegt hatte. Ich vermuthete alsbald die Warheit / daß ihn Dynamis ohne ihres Gemahls Wissen und Willen an Hoff nehmen wolte. Damit ich nun den geweissagten Vatermord nicht befördern möchte /nahm und brachte ich euch / liebster Parrhaces / unter dem Nahmen des Zeno / nach Sinope / da ihr denn der Königin so wohl gefielt / daß sie euch mit überaus grosser Freude empfing und endlich den Vorsatz fassete / euch in Weibeskleidern aufzuziehn und den Polemon nach seiner Wiederkunfft von Rom zu überreden / daß ihr seine Arsinoe wäret. Dieser so wohlgemeinte Betrug gieng glücklich von statten. Der König hielt euch vor seine Tochter; und Dynamis liebte euch mit einer mehr als mütterlichen Zuneigung / sonderlich als ihr ihren Gemahl so wohl wider einen wilden Ochsen auf der Jagt / als in einer Schlacht wider die aufrührischen Tibarener beschütztet uñ aus augenscheinlicher Lebensgefahr risset; alldieweil hierdurch erfüllet ward / was Apollo zu Delos ihm zu Trost geantwortet hatte / als sie euch (ihren vermeynten Sohn) auf dem Arm trug und umb einen gütigern Ausspruch bate / als der gewesen / durch welchen eben diese Gottheit dem Polemon angedeutet hatte / daß er durch seinen Sohn würde getödtet werden. Denn seine Worte zu ihr lauteten also:


Bewahre / was du trägst / es wird ein Edelstein

Der Welt / des Königs Schirm und deine Freude seyn.


Pharasmanes solte inmittelst der Königin Jotape ihren Sohn den jungen Ariobarzanes nach Antiochia wieder schicken / weil Augustus sie in Schutz genommen hätte. Nun war das Kind zu unserm grossen Leidwesen gestorben und die Mutter hätte sich ohne Zweiffel zu todt bekümmert / wenn ihr der Trauerfall wäre offenbahret worden. Dahero nöthigte mich mein Ehemann mit vielen beweglichen Worten / den ohne dem verworffenen kleinen Polemon an statt und unter dem Nahmen des todten [1609] Ariobarzanes dahin zu senden / der Jotape zur Befriedigung / dem alten Polemon zur Sicherheit und dem kleinen Polemon selbst zu nutzen; Massen dieser letztere hierdurch König in Meden / wie auch im grössern Armenien wurde. Er verlangte hiernächst euch / als die so genannte Arsinoe / zur Gemahlin. Weil nun dieses wider die Natur war / muste der alte Polemon euer Geschlecht nothwendig erfahren / der euch deswegen ermorden wolte /aber durch seinen Schutzgeist mit diesen Worten verhindert ward: Halt! dieß ist weder dein Sohn / noch ein Todtschläger! Doch ließ euch der König andeutẽ /sein Gebiete zu räumen. Ariobarzanes (der nicht wuste / was es mit euch vor eine Beschaffenheit hatte und daher durch die abschlägliche Antwort des Pontischẽ Königs sich höchstbeleidigt achtet.) kündigte ihm hiermit den Krieg an und verwundete ihn in der letzten Schlacht mit einem Wurffspieß / daß er bald drauf des Todes seyn muste / nachdem mein Mann stracks nach gehaltener Schlacht auf der Wahlstatt angekommen war und so wohl ihm als auch dem hierüber fast verzweiffelnden Ariobarzanes entdecket hatte / wie nahe sie einander angiengen / und wie es der Himmel wunderbahr geschickt / daß der so tugendhaffte Sohn seinen Vater aus Unwissenheit des Lebens berauben müsse. Ariobarzanes setzte hiermit die von seinem Vater Polemon geerbte drey Cronen auf und vergnügte sich also mit Pontus / Colchis und klein-Armenien; dahingegen er denen Meden nicht wehrte / einen neuen König zu wehlen / weil er nicht der Jotape sondern der Dynamis Sohn war / Groß-Armenien aber überließ er der rechtmäßigen Erbin Erato. Ich zweiffele nicht / mein Sohn / ihr werdet dieses umbständlicher wissen / als ich / weil ihr selbst eine Haupt-Person in diesem Trauerspiel gewesen seyd. Jedoch finde ich nöthig / euch dessen zu erinnern / umb euch nunmehr kund zu thun / daß dieser Ariobarzanes / welcher sich nachgehends Polemon den andern nennte / die Erato zur Gemahlin verlangt habe. Als ihm aber solches fehl schlug und mein Pharasmanes aus grossen Kummer / daß er des ältern Polemons Todt nicht hindern können / gestorben war /that er mir die Gnade mich in sein Königlich Ehebette zu erheben / aus Erkentlichkeit / (wie er sagte /) weil er mir sein Leben und Glück zu dancken hätte. Ich konte nicht anders / als in tieffster Demuth solche unvermuthete Ehre annehmen / ward also aus einer Unterthanin Polemons des ersten / eine Gemahlin Polemons des andern und eine Mutter Polemons des dritten. Ich mag vor Kummer nicht beschreiben / wie höchst-vergnügt ich eine Zeitlang gelebet / weil leider! ach! die so schöne Morgenröthe einen betrübten Tag mir bedeutet hat / woran ich manchen Thränen-Regen vergiessen müssen. Ich meyne denselben / an welchem mein allertheuerster Gemahl von denen Aspurgianern gefangen und jämmerlich hingerichtet wurde / mit dem Vorwand / als wenn er ihnen / unter dem Schein einer freundlichen Besuchung / sein Joch hinterlistig aufzubürden gedacht hätte. Sein letzter Wille (den er vor seiner Abreise schrifftlich aufgesetzet hatte /) brachte mit sich / daß ich / so lange ich lebte / Königin und nicht gehalten seyn solte / meinem Sohne die Crone ehe / als dem Himmel meine Seele / zu übergeben. Ob ich nun wohl den Vorsatz gefaßt hatte / ohne fernere Verheyrathung meine Zeit zu beschliessen / so wurde mir doch von meinen Leuten so sehr zugesetzt / daß ich / meinem unmündigen Sohn und Tochter zum besten / den mächtigen Cappadocischen König Archelaus nicht mit abschläglicher Antwort abweisen solte / nachdem er sich so eifrig umb meine Person bewürbe. Ich bin endlich solches eingegangen / und ob ich schon den Polemon in des Archelaus Person nicht finde / ist dennoch mein Zustand erträglich; massen ich seine nicht allzufreundliche Art wegen seines hohen Alters ihm zu gut [1610] halte und mit seiner Leibes-Schwachheit groß Mitleiden trage / alldieweil er mit einer solchen Kranckheit behafftet ist / die ihn öffters zu klagen nöthiget: Wenn ich essen soll / so habe ich keine Hände / wenn ich gehen soll / so habe ich keine Füsse; wenn ich aber Schmertzen leiden soll / so habe ich zu viel Hände und Füsse. Er ist jetzt auf der Reise nach Rom begriffen / dahin ihn der Käyser erfordert hat / und seine Abwesenheit macht / daß ich meine eigenthümliche Königreiche wieder besuchen können / auch das Glück habe / euch / liebster Parrhaces / lebendig all hier zu finden. Dahingegen mein schwermüthiger Sinn mir deutlich zuvorsagt / daß mein Gemahl sein Cappadocien nicht wieder sehn / sondern entweder durch seine Gicht / oder des heimtückischen Tiberius Gifft / umbkommen werde.

Inguiomer kunte sich nicht enthalten / der Königin Erato in die Rede zu fallen: Wo ich nicht irre / so ist dieser Archelaus eben der / so vor drey Jahren ungefehr zu Rom starb? Ja (antwortete Flavius:) der Ausgang hat erwiesen / daß diese Furcht der Pythodoris nicht ungegründet gewesen; massen uns allen gnugsam bekant ist / wie Archelaus zu Rom unterschiedener gefährlicher Anschläge wider den Käyser höchstfälschlich beschuldiget und dergestalt geschrecket worden / daß er entweder aus Furcht / oder wegen hohen Alters / sein bevorstehendes grösseres Unglück nicht erlebt hat. Sein Erbreich hat Germanicus zu einer Römischen Landschafft gemacht / und den Qvintus Veranius zum Landpfleger verordnet. Seine Wittwe aber lebt zu Sinope und regiert mit solcher Klugheit / Güte und Bescheidenheit ihres Sohnes Lande / daß man sie billig vor ein vollkommen Muster einer ruhmwürdigen Königin hält. Herrmann bate die Erato / sie möchte sich in ihrer angenehmen Erzehlung nicht hindern lassen. Sie fuhr demnach also fort:

Als Pythodoris ihre Lebens-Geschichte dem Zeno oder Parrhaces ietztbesagter massen eröffnet hatte /brach dieser in folgende Worte aus: Eure Majestät werden mir es hoffentlich nicht zum Stoltz auslegen /weñ ich davor halte / daß ich der Armenische Reichs-Erbe Artaxias sey. Denn zu geschweigen / daß ein Götter-Ausspruch zu Idessa mich einen Königs-Sohn nennet / so sind umb eben die Zeit und an einerley Ort ungefehr Artaxias der Erato Bruder verlohren / und ich gefunden worden. Zu allem Glück aber hält sich in meiner Gesellschaft nicht nur die Königin Erato /sondern auch dero alte Hoffmeisterin Salonine auf /welche uns ein grosses Liecht in dieser dunckeln Sache geben kan / daferne eure Majestät die Mühe nehmen wollen / sie zu befragen / wie des Artaxias Windeln und Wiege ausgesehn haben. Ja von Hertzen gern! (sprach Pythodoris voller Freude und Verwunderung über dieser unvermutheten Zeitung:) nichts in der Welt ist / das ich eigentlich zu erfahren höher verlange. Ich kan stracks morgen zur Sache thun / und so denn die Wiege und Windeln / die ich in meiner Schatzkammer aufheben lassen / zugleich besehen; jedoch aber alles in Gegenwart des Lycaonischen Fürstens Masnaemphthes / meines geheimbden Raths /und drey oder vier vornehmer Pontischer Ritter /damit ihr Zeugniß bey denen Armeniern verursache /daß man nicht die Aussage der Salonine vor ein angelegtes Spiel achte. So bald sie diß gesagt hatte / stund sie auf / reichte dem Zeno die Hand und ließ sich zu ihren Leuten führen / allwo sie ihn beurlaubte und die Freyheit gab / folgenden Nachmittag auf dem Königlichen Schloß sie zu besuchen. Inzwischen entdeckte die Königin ihrem Gefolge / daß dieser Fürst / der sie itzt besucht habe / ihr Pfleg-Sohn Zeno sey. Das Geschrey kam hiervon ehe aufs Schloß / als Pythodoris selbst / wiewohl mit dem Zusatz / daß Zeno der Königin leiblicher Sohn wäre. Daher [1611] der junge Polemon in Sorgen gerieth / er würde diesen seinem neuen und vermuthlich ältern Bruder zum wenigsten die Helffte des Königreichs abtreten müssen. Allein die Königin weltzte einen grossen Stein von seinem Hertzen /indem sie ihn versicherte / daß Zeno ihm keinen Eintrag zu thun begehrte. Hierauff schickte sie mir und Saloninen weiblichen Schmuck und Kleidung / darinnen wir nächstkommenden Tages ihr aufwarteten. Wir fundenbey ihr ihren Sohn Polemon / den Fürsten Masnaemphthes / und drey andere von ihren Staats-Räthen / ingleichen den Osaces und Tiribaces / zwey edle Armenier / so umb etlicher Rechts-Sachen willen sich eben damahls zu Sinope aufhielten. Nachdem ihnen nun allerseits von der Königin angedeutet war /weßwegen sie hieher erfordert wären / muste Salonine einen theuern Eyd schweren / wahrhaftig auszusagen /wenn / wo und wie der junge Artaxias verlohren worden? Sobald diese ihre Erzehlung beschlossen hatte /zeigte die Königin / daß alles dieß bey dem Zeno richtig einträffe. Hierauf erkundigte sie sich ferner / wie die Wiege und Windeln gestaltet gewesen / und bekam von meiner Hoffmeisterin folgende Antwort: So viel ich mich besinne / war die Wiege von Cederholtz / starck übergüldet / in Gestalt eines kleinen Schiffs / darein aber ein berühmter Künstler drey in Helffenbein geschnittene Sinnbilder eingesetzet hatte. Im Hintertheil sahe man den noch unmündigen Jupiter / umb welchen die Curetes und Corybanten herumb sprungen / und auf Helme und Schilde mit Stecken schlugen / nebenst diesem Beywort: Wiegen-Lied eines künfftigen Heldens. Auf der rechten Seite lag Hercules in der Wiege und brachte zwey Schlangen umb. Wobey zu lesen war: Denen Bösen zur Furcht. Auff der lincken Seite trug der Centaur Chiron den kleinen Aesculapius auf dem Arm; vor welchem die noch nicht in ein Mutter-Pferd verwandelte Ocyrrhoe stund / und mit Mund und Hand eine solche Geberde machte / als ob sie weissagete / welchergestalt dieses Kind der Welt durch seine Artzeneyen mit der Zeit dienen würde; Hierbey funde sich diese Uberschrifft: Denen Frommen zur Hoffnung. Das Gestelle / auf welchen sich die Wiege hin und her bewegen ließ / war wie eine Wasserwoge geschnitzt und gemahlt. Die Windeln hatten wir aus einer schneeweissen zarten Indianischen Leinwad verfertigt / die auch wohl der Arachne Gespinste beschämen konte. Uber diese gieng ein vierecktes Purpurtuch / umb welches alles eine Schnur creutzweise herumb geschlungen ward / welche zwar auch aus Tuch von gleicher Farbe bestund; doch hatte die Königin Olympia selbst eigenhändig lauter Drachen und Bäume mit güldenen Aepffeln / einen umb den andern / von Gold und Silber drauf gestickt / anzuzeigen / daß ein solcher Reichserbe ein weit theurer Schatz sey / als die Hesperischen Aepffel / die man doch mit dem allergrösten Fleiß in acht genommen und durch wachsame Drachen bewahren lassen. An des Kindes Halse hing eine dünne güldene Müntze / auf derer einen Seite der Geburts-Tag stund: Den ersten Lous; auf der andern Seite der Löwe / das Zeichen des ietztgedachten Syrischen und Macedonischen Monats / welcher nach Römischen Calender den fünff und zwantzigsten Julius einzutreten pflegt. So bald Salonine dieß gesagt /führte uns Pythodoris in die Schatzkammer und ließ die Wiege / Purpurtuch / Windeln und Schnur / die vollkömmlich mit der Beschreibung übereintraffen /aus einem grossen eisernen Kasten heraus nehmen. Sie brachte auch die Müntze hervor / die denn einerley Schlages und Grösse war mit der / welche ich / als des Artaxias Zwillings-Schwester / am Halse trug [1612] und der gantzen Gesellschafft anzusehn überreichte: Salonine wandte sich hiermit wieder zur Pythodoris und sprach: Jetzt fällt mir ein / daß der junge Herr am rechten Arm ein klein Feuermahl führte / weil die Königin Olympia an ihren Arm unbedachtsam gegriffen hatte / als sie Zeitwährender Schwangerschafft über einer jählingen Feuersbrunst erschrocken war. Ich erinnere mich dessen gar eigentlich / alldieweil / so bald ich nach der Geburt das Kind abgewaschen hatte / ein und andere von denen Umbstehenden murmelten / es wäre immermehr schade / daß solcher Zufall dieses sonst vollkommen-schönes Kind in etwas verunstaltet hätte. Weßwegen denn ein sehr betagter Priester aus weissagendem Geist / wie ich halte / sich also gegen uns vernehmen ließ:


Ihr irret allzumahl / wenn ihr den Feuer-flecken

Der schwangern Mutter Furcht gantz unvergnůgt zuschreibt:

Wie kan diß Helden-Kind das Feuer gnug verdecken /

Das seinen muntern Geist zu grossen Thaten treibt?


Zeno muste auf diese Rede der Salonine den Arm aufstreiffen und weil sich das Mahl funde / das er selbst bißher nicht in acht genommen hatte / wurde er umb so vielmehr vor den Artaxias erkant / auch von dem Osaces und Tiribaces nach Landes Gebrauch angebetet oder fußfällig verehret. Der neue Artaxias und ich sahen nunmehr / daß unsere bißherige Zuneigung nicht die Venus / sondern die Natur / zur Mutter hätte / und befunde ich demnach allzuwahr / was mir ein Einsiedler bey dem Wunder-Brunnen nicht fern von dem nordlichen Ursprung des Dymelflusses / durch eine aus beschwornen Schlangen zusammengeflochtene Schrifft gewahrsaget hatte: Die Natur verbeut dir des Zeno Liebe. Und ob es wohl in denen Morgenländern mehr als einen Macareus und eine Canace giebt / die gleichwie sie ehemahls unter einem Hertzen geruhet / also in einem Ehebett zu liegen sich berechtigt achten; so meynten wir doch / daß die Ubereinstimmung der meisten tugendhafften Völcker eine sichere Auslegerin des Rechts der Natur / und eine Heyrath zwischen Brüdern und Schwestern billig vor ein Greuel zu halten sey. Ich muß gestehn (brach Herrmann ein) daß Clitaxus / so doch ein Oberhaupt der Druiden gewesen / zwey leiblichen Gräfflichen Geschwistern in Gallien erlaubet habe / sich in ein Eheverbündniß einzulassen. Aber ich bin auch dessen versichert / daß alle Druiden heut zu Tage darinnen übereinkommen / daß dergleichen Blutschande durch keines Menschen Vergünstigung / wider das Gesetz /so Gott unserm Hertzen eingeschrieben hat / zu einer eigentlich so genannten Ehe werden könne. Sie erschrecken allerseits vor der blossen Nennung einer solchen Heyrath fast ja so sehr / als des Atheniensers Rausimenes Frau über der würcklichen That ihrer beyden Kinder erstaunet ist / also daß sie auch vor grossen Entsetzen die Sprache auf ihre gantze Lebens-Zeit verlohren hat. Als Herrmann hierauf schwiege / setzte Erato ihre Geschicht also fort: Nachdem nun solchergestalt aus meiner Vermählung mit dem Artaxias nichts werden konte / erinnerten wir uns mit besserer Erkentlichkeit der hertzlichen / eifrigen und beständigen Gewogenheit / so die Fürstin Ismene zu meinem Bruder und Hertzog Flavius zu mir bißher getragen hatten. Wir vereinigten uns demnach beyderseits / daß wir Liebe mit Gegenliebe vergelten wolten: dafern nicht unsere letzterwiesene Kaltsinnigkeit das Feuer einer so inbrünstigen Zuneigung unterdessen gedämpffet hätte; Auf welchen Fall aber die so vielfältig bewährte und doch blindlings von uns verschertzte Treu dieser zwey edlen Geschwister des grossen Herrmanns / uns sonder Zweiffel noch manche reuende Thräne dürffte ausgepresset haben: und dennoch wäre es dahin gestanden / ob dergleichen Wasser würde tüchtig gewesen seyn / eine wiederaufglimmende [1613] Liebesglut zu leschen / oder / gleich einem Oel / mehr zu entzünden. Gleichwohl war auch dieses bey mir fest gesetzt / daß ich / wenn Hertzog Flavius seine ehemahligen Gedancken gegen mich noch hegen solte / ihn zwar nicht hassen / doch auch mich mit ihm nicht ehe vermählen wolte / biß er zum eigenthümlichen Besitzer eines Fürstenthums entweder durch den Erbfall / oder rechtmäßige Waffen / geworden wäre / welches auch derselbe höchstbillig befunde / als ich ihn nach der Zeit in Armenien zu sprechen bekam. Jedoch hat mich die unvergleichgütige Thußnelda überredet / ihr auf ihrer Rückreise von dar in Teutschland Gesellschafft zu leisten und bey ihr zu erwarten / ob und wie der Wille meines nach ungemeinen Helden-Thaten begierigen Liebhabers und des Glücks seiner übereinstimmen würde. Der Fürsatz der großmüthigen Erato (sagte Herrmann) ist ihrer Ankunfft gemäß. Nichts destoweniger bitte ich zu vergönnen / daß dero Beylager mit meinem geliebtesten Bruder auf künfftigen funffzehenden April seinen Fortgang gewinne / weil ich mich selbst hiermit zum Bürgen darstelle / daß in solcher Zeit die Bedingung erfüllet und Flavius mit so viel Land und Leuten versehen seyn soll / daß meine schöne Königin ihn ihrer Vermählung nicht unwürdig achten wird. Flavius und Erato danckten gar sehr vor diese Versicherung des Königs und stelleten ihm daher anheim / alles nach Belieben anzuordnen. Worauf denn Herrmann dem Grafen von Mansfeld befahl / eine und andere nöthige Anstalt hierzu bey Zeiten zu machen. Thußnelda /Catta / Rhamis / Jubil / Malovend / Ingviomer und Siegmund legten ihre Glückwünsche bey denen beyden Verlobten ab. Unterdessen sagte Thußnelda: Wir haben noch einen weiten Weg biß in Armenien vor uns / und werden wohl mit einiger Speise und Tranck uns versehen müssen / ehe wir unsere Reise wieder fortsetzen. Sie führte hierauf die gantze Gesellschafft mit sich zur Taffel / so in Adelgunds Zimmer gedeckt war. Es gieng dabey sehr herrlich zu / weil die Bructerische Hertzogin an diesem Tage ihr Wochenbette verließ und mit der Hochfürstlichen Gesellschafft zum erstenmahl wieder speisete. Als man nun unter andern des Königs Artaxias und seiner Gemahlin Ismene Gesundheit truncke / sagte Inguiomer: Wer hätte es uns vor etlichen Jahren sagen sollen / daß der von Polemon ins Elend vertriebene Zeno der Armenische Reichserbe wäre? Aber so geschwinde verwandelt sich offtmahls der Schauplatz dieser Welt aus einer Einöde in einen angenehmen Lust-Garten / und aus einem finstern Gefängniß in einen Königlichen Saal. Wohl dem / der nur seine Person wohl spielt und die Zeit gedultig erwartet / da die vorhergehenden Verwirrungen sich aus einander wickeln sollen. Es sind (warff Siegmund ein:) noch viel tausend Menschen zu Rom / welche vermeynen / Zeno sey Polemons leiblicher Sohn und habe also die Armenische Cron nicht seiner Geburt / sondern der Gütigkeit des Tiberius und der Sorgfalt des Germanicus allein zu dancken. Was ist das Wunder / (versetzte Flavius) nachdem die Menschen insgemein eine rechte Affenliebe zu ihren alten Irrthümern tragen? Ist wohl etwas gemeiners zu Rom / als die altväterische Sage / es wären ehemahls drey hundert und sechs Fabier in einer Schlacht wider die Vejenter am Fluß Cremera erschlagen und also das gantze Geschlecht ausgerottet worden / biß auf eine eintzige Mannsperson / welche damahls zum Kriege noch nicht alt gnug gewesen /nach der Zeit aber die Ehre erlangt habe / der Stammvater aller ietzigen Fabier zu heissen. Allein / was kan unglaublichers erdacht werden / als daß so viel hundert Edelleute ausser der Ehe gelebet / oder gantz unfruchtbare Weiber geheyrathet / oder lauter Töchter gezeuget haben / alldieweil [1614] zur Zeit erwähnter Schlacht nicht mehr als ein minderjähriger Fabius in der Welt gewesen? So wolte ich auch den Brennspiegel des Archimedes / womit er in der belägerten Stadt Syracusa des Marcellus Schiffe soll verbrannt haben /unter dergleichen ernsthaffte Mährlein der Römischen Historienschreiber nicht zehlen / daferne nur der Künstler nicht über dreißig Schritt von dem Wasser gestanden wär. Wo man aber / wie ins gemein geschieht / sagen will / daß der Spiegel über mehr als drey hundert Schritt sein Feuer habe werffen müssen /umb die Schiffe zu erreichen / so muß ich gestehn /daß meine Vernunfft zu klein sey / dergleichen Wunder zu begreiffen. Denn die gelehrte Welt hält heut zu Tage vor ein sehr grosses / daß der sinnreiche Mannfried ein Brennglaß erfunden / so auf funffzehen Schritt gezündet hat. Allein was ist das gegen drey hundert? Unter meinen Edelleuten (erwehnte Jubil) ist ietzt ein neuer Archimedes / der vermittelst eines grossen Brennspiegels / innerhalb wenig Augenblick /Holtz brennend / Steine glüend / Stahl und Eisen fliessend / Beine und unverbrennliches Federweiß zu Glaß machen kan. Doch wird man dessen Krafft schwerlich auf so viel hundert Schritt spüren. Dergleichen Irrthümer / (setzte Herrmann hinzu) die mit der Zeit Wahrheiten werden wollen / giebts nicht nur in der Historie / sondern auch in der Natur. Daß kein Hammer einen Diamant zerschlagen könne / wenn man diesen nicht durch Bocksblut erweichet habe /daß ein Amethist wider die Trunckenheit / ein Sapphir wider Zauberey helffe / daß ein Smaragd im Ehebette zerbreche / daß die Corallen gewächse im Wasser weich seyn / in der Lufft aber erst hart werden /daß eine Taube keine Galle habe / daß das Feuer einen Salamander nicht tödte / sondern ernehre / daß eine Natter allzeit über der Geburt ihrer Brut sterben müsse / daß ein Straus Eisen verdaue / daß eben die zehende Meereswelle gefährlicher sey / als die neundte oder eilffte / daß ein Chamäleon von der blossen Lufft lebe / und dergleichen Dinge sind allzusammen bey Poeten und Rednern ausgemachte Sachen; die Erfahrung mag dazu sagen was sie will. So soll sich ja auch ein Löwe vor dem Hahnen-Geschrey entsetzen; und doch weiß ich mehr als ein Exempel /daß Löwen aus ihren Behältnissen sich loßgebrochen und einen grossen Hauffen Hüner / alles ihres schreyens ungeachtet / erwürgt haben. Dieses (sagte Thußnelde lächelnd) ist zwar ein alter Irrthum gewesen / aber zu unserer Zeit eine unfehlbahre Wahrheit worden / indem der wegen seines Löwenmuths berühmte Germanicus Zeit seines Lebens keinen Hahn ohne schauren und schrecken sehen oder hören können. Herrmann beschloß: Aus allen diesen Beyspielen erhellet so viel / daß gleichwie die allgemeine Bejahung der meisten Menschen eine Sache nicht wahr zu machen vermag / die auch nur ein einiger mit vernünfftigen Gründen verwirfft; Also könne gegentheils die Wahrheit einer Sache dadurch keinen Abbruch leiden / ob gleich die gantze Welt daran zweiffelte /wenn nur dieselbe auf gutem Beweiß beruhet / ungeachtet dieser kaum einem Menschen auf Erden bekant ist. Es mag demnach Rom davor halten / oder nicht /daß Zeno Artaxias sey; so kan doch seine Unwissenheit oder Unglauben die Sache nicht zweiffelhafft machen / welche uns durch die gründliche Nachricht der klugen Erato so unwiedersprechlich heute morgends bestätigt ward. Und ich wolte wünschen / daß deroselben gefiel / anitzt fort zu fahren. Erato antwortete: Ich wäre dieß zu thun nicht weniger willig / als schuldig. Allein es ist / meines erachtens / nöthig / daß Hertzog Flavius Nachricht gebe / was ihm begegnet sey / ehe wir in denen Morgenländern wieder zusammen geko en sind. Hernach will ich die Armenischen Geschichten auszuführen nicht ermangeln. Flavius nahm demnach [1615] alsbald das Wort und sprach: Sie wissen allerseits / welcher gestalt meine gottselige Mutter mir eine scharffe Straff-Predigt gethan / als ich nebst dem Germanicus die unglückliche Schifffahrt auf der Emse verrichten wolte. Diese harte Bezeugung der sonst so gütigen Asblaste gieng mir durch Marck und Bein und stürtzte mich in unbeschreiblich-grosse Schwermuth / daß ich wohl von Hertzen gern gesehen hätte / wenn ich in dem gleich drauf erfolgten Schiffbruch untergangen wäre. Allein der Himmel gönnete mir noch eine Bußzeit / in welcher ich zwar offters willens war / von den Römern heimlich- oder öffentlichen Abschied wieder zu nehmen. Es gieng mir aber wie einem Vogel / der mit denen Flügeln in dem Leim hänget und sich nicht davon loß reissen kan / wenn er nicht zum wenigsten etliche Federn verlieren will. Denn eben also kam es auch mir schwer an / die Römische Ehrenstelle und Einkünffte fahren zu lassen /und mich wieder in mein Vaterland / auf Gnade und Ungnade meines höchstbeleidigten Bruders / zu begeben. Doch hatte ich endlich das Glück / dessen hertzgeliebteste Gemahlin zu Athen anzutreffen / allwo ich gleich einige Völcker wurbe / die / dem Germanicus zu Dienst / mit mir in Armenien ziehen solten. So ists; (sagte Thußnelda /) doch muß ich zuvor berichten / durch was Gelegenheit solches geschehen sey. Hierauf erzehlete sie umbständlich / wie sie mit dem Germanicus und Agrippinen auf dem Marsfeld zu Rom angekommen und vom Käyser beschencket worden / wie Catta in Ehr und Lebens-Gefahr gerathen /wie sie endlich nebst ihrer gantzen Gesellschafft mit Hülffe des Aristides aus ihrem prächtigen Gefängnüß glücklich entflohen wäre. Der Beschluß ihrer Rede lautete / wie folget: Es mochte nunmehr etwa eine Stunde nach Mitternacht seyn / als wir uns unter freyen Hi el berathschlagten / was zu thun wäre? Wir giengen alle in Manns-Kleidern und musten uns demnach auch Nahmen auslesen / die sich zu unserm angenommenen Geschlecht schickten. Ismene wolte ins künfftige Zenobius / Catta Hilarius / Clotildis Orpheus / ich Hermophilus / zum stillschweigenden Andencken unserer Geliebten heissen. Die Hertzogin Rhamis nennte sich Elpidius / die Gräfin von Nassau Ablavius / unser Wegweiser Aristides endlich Tychicus. Wir waren also denen sieben Irrsternen an der Zahl gleich. Aber unser Lauff war viel unordentlicher: indem etliche unter uns den nächsten Weg nach Deutschland oder Gallien erwehlen wolten; hingegen konte ich mir leicht einbilden / daß unsere Flucht nicht lange verschwiegen bleiben und man uns auf solchen Wegen am ersten nachsetzen würde / darauf wir am leichtesten in unser Vaterland wieder gelangen konten. Umb deß willen riethe ich / einen weiten Umbschweiff durch Griechenland / Thracien und Sarmatien zu nehmen. Ich bekam endlich von allen Beyfall / weil wir ohnedem nicht viel Zeit übrig hatten /uns zu besinnen. Daher giengen wir zu Fuß in möglichster Eyl biß nach Ostia / allwo wir aber kein ander Schiff segelfertig funden / als ein Sicilianisches. Auf dasselbige verdungen wir uns und kamen glücklich zu Messana an. Daselbst ruheten wir zweymahl vier und zwantzig Stunden aus / und fuhren hernach mit einem Kauff-Schiffe durch das Adriatische und Jonische Meer nach Corinth; von dar wandten wir uns nach Athen / weil wir höreten / daß Germanicus ehester Tage daselbst anko en würde / weßwegen man grosse Zubereitung machte / ihn mit ersinnlichster Pracht zu empfahen; da wir denn der tugendhafften Agrippina unsern Zustand in Vertrauen entdecken und ihres Raths uns bedienen wolten. Jedoch / weil Catta und Clotildis von der Seelufft waren kranck und mit einem kalten Fieber behafftet worden / musten wir sie zu Corinth sich wieder auswarten lassen / und langeten also nicht ehe als im December zu [1616] Athen an. Man feyerte gleich damahls das Lenäische Fest und hielt /dem Bacchus zu Ehren / nach uralter Gewohnheit /vier Schauspiele / davon das letztere sonderlich mit Stachelreden wider übermäßige Trunckenheit / Geitz /unvernünfftige Urtheil und andere im Schwang gehende Laster angefüllt war und also auch denẽ Zuschauern am allermeisten gefiel / nachdem ein ieder meynte / dieser oder jener wäre getroffen / ungeachtet er vielleicht in diesem grossen Laster-Spiegel seine Flecken so leicht hätte finden können / als anderer ihre. Das erste handelte von der Semele / des Weingotts Mutter / die von ihrem Liebhaber / dem Jupiter / mit Donner und Blitz getödtet worden. Das andere von dem Pentheus / den die Bacchen zerrissen haben / weil er ihres Gottes Macht verachtet hatte. Das dritte vom Lycurgus in Thracien / so alle Weinstöcke ausgerottet /deßwegen aber rasend worden und sich selbst ins Bein hauen und ermorden müssen. Das vierdte vom Midas / welcher den Silenus auf freyen Fuß gestellt und dem Bacchus wieder zugeführt hat / als er von den Bauern in seiner Trunckenheit mit Kräntzen gebunden und gefangen geno en worden; weßwegen dieser besagtem Phrygischen König die Wunderkrafft gegeben / alles / was er berührte / in Gold zu verwandeln: wodurch er aber eine ja so grosse Thorheit begangen / als da er den Vorzug in der Music dem Appllo ab- und dem Pan zugesprochen; daher auch jener verschaffet / daß der unzeitige Richter Esels-Ohren bekommen hat. Clotildis / weil sie nunmehr des Thracischen Poetens Orpheus Nahmen angenommen / welcher des Bacchus Gottesdienst zuerst in Griechenland gebracht / ließ uns nicht Ruhe / biß wir uns mit ihr auf den Platz bey Acropolis verfügten /allwo gantz Athen in einem kurtzen Begriff zu sehen war. Aristides / (der aus der Intel Lemnos bürtig ist /) wuste nicht / daß kein Frembder sich erkühnen darff /diesen Fest-Gebräuchen beyzuwohnen. Wir erfuhren es aber allzu zeitlich / als ein zunächst bey uns stehender Athenienser aus unserer Farbe im Gesichte schloß / daß wir Ausländer wären. Er befragte uns deßwegen gantz freundlich und wir bejaheten auch solches ohne Bedencken / unwissend / daß hierauf so grosse Gefahr stünde. Allein es erhub sich alsbald ein greulich Geschrey wider uns / und fehlete wenig /unser schöner Orpheus wäre ärger / als der Thracische / von dem wütenden Pöbel zerfleischet worden und hätte die Neugierigkeit mit seinem und unserm Blut bezahlen müssen. Die Angst ist sonst ein Wetzstein des Verstands und diese lehrte auch den Tychicus oder Aristides / mit einer klugen Nothlügen uns aus dem gewissen Verderben zu erretten. Denn er rieff: Gemach! ihr edlen Athenienser! vergreifft euch an denen nicht / die sich zu eurem Feg-Opffer wollen gebrauchen lassen. Sie erstauneten hierüber nicht weniger / als wir / und höreten mit Entsetzen an / was er ferner sagen würde: Habt ihr denn nicht mehr (fuhr er fort) die von undencklichen Zeiten hergebrachte Gewohnheit / daß ihr am sechsten Tag des Monats Aprils oder (wie ihr ihn neñt) Thargelions / zwey Personen zur Versöhnung vor alle eure Sünde abschlachtet? Seht! ich will eine von denselben seyn und dencke / durch solches gute Werck dem Apollo und der Diana einen wohlgefälligen Dienst / euch aber keine schlechte Wohlthat zu erzeigen / doch auch mir ein ewig Andencken bey euch zu stifften. Ich bin von Ankunfft ein Edelmann / und ob ich wohl wegen meiner vornehmen Eltern und Anverwandten nicht anzeigen darf / von was Geschlecht ich entsprossen / so könt ihr doch dessen zum wenigsten daher versichert seyn /weil ich sechs Knechte zu meiner Bedienung unterhalte. Ihr werdet demnach es mit Danckbarkeit erkennen / in Betrachtung / daß mich nicht etwan die verzweiffelte Armuth oder das böse Gewissen wie eure gewöhnliche Sühn-Opffer / sondern die eifrigste Andacht [1617] treibt / euch diesen Dienst zu thun. Ich will mich zwar nicht mit eurem ehemahligen König Codrus / oder mit denen großmüthigen Helden Cratinus /Aristodemus und Agraulus vergleichen / die sich selbst ehedessen zu Versöhn Opffern von eure Wohlfahrt gemacht haben. Jedennoch hoffe ich / daß mein Absterben euch eben so ersprießlich seyn werde / als jener ihres. Umb meinet willen werdet ihr auch allen meinen Leuten mit Gewogenheit zugethan seyn /nachdem keiner unter ihnen euren Gottesdienst zu entweyben / sondern allein mich hieher zu begleiten willens gewesen ist. Man nahm hierauf den so genanten Tychicus mit aller Ehrerbietung an / und meynte /wunder / was denen Atheniensern vor eine Ehre wiederführe / indem ein solcher Mann / der Stadt zum besten / sich dergestalt erniedrigte und Schmach / Fluch und Tod zu leiden so willig wäre. Er wurd in den Tempel des Apollo gebracht / mit einem beqvemlichen Zimmer / schönen Kleide und herrlichen Speiß und Tranck versorgt / erhielt auch uns die Freyheit /daß wir ihm biß zu seiner Aufopfferung aufwarten durfften und ward also zum Schein unser Gebieter aus unsern Bedienten.

Wir kunten uns nicht gnug wundern über dieser ungemeinen Treu des Aristides / der sich selbst dem Verderben in den Rachen stürtzte / umb uns aus denen Mord-Klauen des abergläubischen Pöbels unbeschädigt heraus zu reissen. Dannenhero sonnen wir auf Mittel und Wege / wie wir ihm wieder mit Rath und That beyspringen möchten. Inmittelst kam Hertzog Flavius nach Athen / Volck daselbst zu werben /begegnete ungefehr auf der Gasse dem Zenobius oder seiner verkleideten Schwester und ward durch ihr ansehnliches Wesen und vielleicht durch das nahe Geblüt getrieben / ihr Kriegs-Dienste anzubieten. Diese /weil sie jederzeit viel bey ihm gegolten hatte / verhoffte auch ihn zu bewegen / daß er uns allen aus unsern Nöthen hülffe. Sie ließ sich demnach werben und ward ein Unterbefehlshaber über funfzig Mann zu Fuß; dessen Ursach unter andern war / daß sie ihrem Zeno zu Liebe bey Eroberung des Armenischen Reichs auch etwas thun wolte. Sie begleitete aber den Flavius in seinen Palast und erhielt etliche Tage hernach auf ihr Ersuchen geheime Verhör / da sie ihm denn ihren rechten Nahmen / keines weges aber unsern Auffenthalt zu wissen that / ungeachtet er sie vielfältig deßwegen befragte / biß er endlich einen theuern Eyd that / daß er uns dem Käyser zu verrathen nicht begehrte / wenn er gleich Armenien / oder Cappadocien / oder Comagena / damit zu verdienen wüste. Vielmehr wolte er uns nach Mögligkeit dienen / und durch diese Busse und Besserung der Gunst seines Bruders und der Liebe seines Vaterlands sich wieder einiger massen würdig machen.

Ismene überredete hierauf uns alle mit einander /das beste von Hertzog Flavius zu hoffen. Und gewiß /solches gereuete uns keines weges. Denn als wir ihm zusprachen / empfieng er uns mit solcher Höffligkeit /daß wir ihm hoch davor verpflichtet sind. Wir nahmen insgesamt Kriegs-Dienste bey ihm an / und wurden zwey Tage hernach / weil das Winter-Wetter gar sehr erträglich und der Wind gut war / mit einem Kriegs-Schiffe in Carien verschickt / allwo wir seiner warten und so denn ferner den Feldzug in Armenien mit ihm thun solten.

Als Thußnelda in ihrer Geschichte so weit geko en war / fügte Flavius dieses hinzu: Vier Tage nach des hochfürstlichen Frauenzimmers Abreise vollzoge ich den mit meiner Schwester gemachten Anschlag. Ich ließ mich durch den Metrodorus / welcher selbiges Jahr Archon war / in gantz Athen herumbführen und besahe das Schloß / ingleichen alle Tempel / Marckt-Plätze / Grabmahle und Seehafen. Solcher gestalt kam ich endlich an den Tempel des Apollo / allwo mir unter andern der Tychicus gezeiget ward / den man als ein Schlacht-Opffer [1618] nach aller Lust mästete. So bald ich seiner ansichtig wurde / sagte ich mit einer angenommenen Geberde: Wie nun? du verlauffener Hund! Treffe ich dich hier in aller Wollust an / da du von rechtswegen vorlängst am Creutz soltest verdorret seyn? Drauff kehrte ich mich zum Metrodorus mit folgenden Worten: Dieser Aristides hat die höchste Ungnade des Käysers verdient / nachdem er demselben etwas geraubet hat / das er höher schätzt / als ein Königreich. Ich kan demnach nicht zugeben / daß der Ertzbube eines so gnädigen und geschwinden Todes sterbe / sondern gedencke selbst / ihn / als einen kundbarn Feind des Tiberius / zu gebührender Straffe nach Rom zu bringen. Doch muß er sich erst zuvor in Armenien schleppen lassen / damit er Zeit habe / in Ketten und Banden / oder auf der Ruderbanck zu überlegen / wie gerecht des Himmels Rache sey / wel che die Ubelthäter / wie der Hirsch die Schlangen /aus denen tieffsten Erdlöchern zu ihrem Verderben hervor ziehen kan. Weil nun Tychicus / (wie ihn Ismene unterrichtet hatte /) bekante / daß er der Kellermeister Aristides und des Lasters der verletzten Majestät schuldig wäre / kunten die Athenienser ihn mir nicht vorenthalten / ungeachtet sie ungern dran giengen / weil sie in dem Aberglauben steckten / alles Unglück würde sie treffen / weñ derjenige vielleicht das Leben davon brächte / der sich zum Fluch und Fegopffer vor sie selbst freywillig angeboten hätte. Aristides muste also auf das Schiff / mit welchem ich nebenst meinen Leuten den dritten Tag darnach aus dem Phalereischen Hafen ins Aegeische Meer fortsegelte. Er ließ sich aber gantz wohlgemuth mit Riemen binden / weil es nicht ewig währen solte / und ich ihn nicht übel halten ließ. Solchergestalt kam ich endlich zu Antiochia in Carien glücklich an / und fand daselbst unter meinen vorher geschickten Völckern alles in guter Verfassung. Wir genossen vier Tage einer nöthigen Ruhe und wolten den fünfften von dar in Pamphylien aufbrechen. Da ich denn mit dem frühesten aufstund / etliche Hauptleute / wie auch unsere sechs in Männer-Tracht verkleidete Amazoninnen zu mir nahm und ihnen ansagte / ich hätte einen sehr verdrießlichen Traum von dem Aristides gehabt / also daß ich in Sorgen stünde / er würde auf der langwierigen Reise noch entwischen / und ein grosses Unglück stifften. Daher wäre ich willens / gleich itzo noch den verdienten Lohn ihm zu geben / und / damit ich destoweniger Sorge tragen dürffte / daß der Bösewicht entrinnen möchte / der Hinrichtung in eigener Person beyzuwohnen. Es durffte mir niemand widersprechen. Ich hieß demnach den Gefangenen herzu hohlen und ritte mit ihm bey noch währender Demmerung in möglichster Stille unter der Begleitung von zwölf Mañ in den nächsten Wald. Alldar hielte ich ihm sein Urtheil vor / daß er sich langsam zu todte bluten und so denn den wilden Thieren zur Speise dienen solte. Nachdem diß geschehen war / ließ ich den so genanten Ubelthäter durch den Ablavius oder die Gräfin von Nassau an einen Baum binden und ihm eine Ader am rechten Arm schlagen. Gleich drauf thate ich / als wenn mir etwas wichtiges einfiele / das unverzüglich müste angeordnet werden. Daher ritte ich wieder nach der Stadt mit einer angemaßten Eilfertigkeit / und nahm alle die mit / die von dem Geheimnüß nicht wissen durfften. Denen sechs männlichen Heldinnen hingegen befahl ich / bey dem Sterbenden zu bleiben /biß er seine Seele mit dem letzten Blutstropffen von sich gegeben hätte. So bald ich aber weg war / lösete die Gräfin von Nassau den Aristides vom Baum und verband ihm die Ader / gab ihm auch herrliche Stärckungen und andere Lebens-Mittel / die sie und ihre Spießgesellinnen mit sich heimlich hinausgetragen hatte. Clotildisstellete ihm einen Brief an den Rhemetalces zu / dariñen sie ihm ihre Reise in Armenien kund machte und inständig bate / Zeigern dieses dem Sarmatischen [1619] Erbfürsten Boleßla bestermaßen zu empfehlen / damit er durch dessen Gebiet in Deutschland sicher gehen möchte. Hiermit verliessen sie ihn im Holtz und kamen bey mir mit der Nachricht an /daß meinem Willen eine Gnüge geschehn. Es hat auch Rhemetalces nach der Zeit uns berichtet / daß Aristides / so bald ich aus Carien abgezogen gewesen / sich in Thracien verstohlner Weise begeben / ihm das Schreiben überliefert und ein anders von ihm an den Boleßla erhalten habe. Ob aber dieser treue Mensch noch ietzo lebe / oder todt sey / kan ich nicht wissen. Doch wüntschte ich jenes von Hertzen / umb Gelegenheit zu haben / seine Dienste gebührender maßen zu vergelten. Aus Pamphylien gieng ich mit meinen Völckern in Cilicien / da ich denn immer unterwegens durch das an jedwedem Ort auf mich wartende Land-Volck verstärckt ward. Und endlich kam ich im grössern Armenien an. Wie es nun daselbst vor meiner Ankunfft gestanden habe / wird meine allerliebste Erato zu berichten sich belieben lassen.

Diese wolte hierauf antworten: Allein die gantze Gesellschafft war des Sitzens überdrüssig und ließ demnach die Tafel aufheben / weil man ohnedem der noch etwas schwachen Adelgund einige Mittags-Ruhe göñen muste. Inzwischen aber Herrmann seine Gäste in ein anderes Zimmer führte / ordneten Jubil und Malovend die Ritter Dießkau und Blume an den Cattischen Hertzog Arpus ab und liessen selbigem die längstverlangte Botschafft von Ankunfft seiner Tochter in Deutschland bringen / dabey such umb Erlaubnüß bitten / die Fürstin Catta nach Mattium zu begleiten. Als nun Erato alle ihre durchlauchtige Zuhörer wieder umb sich herumb stehen sahe / vollstreckte sie ihr voriges Fürhaben mit dieser Rede: Das Königreich Armenien ist von langen Zeiten her wie ein schmales zwischen zwey wilden Meeren liegendes Land gewesen / welches entweder auf der einen / oder auf der andern Seite von denen Wellen überschwemmet / verwüstet und abgespület wird. Denn also haben bald die Parther / bald die Römer mein väterlich Erbtheil angetastet und gleichsam zu einem sandigen Kampffplan machen wollen / auf welchem sie ihren Streit ausführen möchten / wer unter ihnen der gantzen Welt Könige zu geben befugt sey? Alter Geschichten nicht zu erwähnen / so ist bekant / daß / nachdem ich die Armenische Cron freywillig abgelegt / der aus Parthien vertriebene Vonones sich deroselben angemasset /weil er etwa der Meynung gewesen / daß / wenn ein Schatz niemanden eigenthümlich zusteht / habe ein jeder recht / denselben weg zu nehmen / wer nur Lust dazu hat. Allein Artabanus in Parthien dachte auch also; und überredete dañenhero durch gute und böse Wort viel edle Armenier / seinen Sohn Orodes zu ihrem König zu machen. Sie giengen solches umb so viel lieber ein / weil ihnen schimpflich dünckete / den weibischen Vonones zum Herrn anzunehmen / der denen Parthern nicht gut genug gewesen war / und den Scepter über die meisten Morgenländer sich aus den Händen so leicht und schmählich hatte winden lassen. Nichts destoweniger / weil dieser von der Stadt Rom gleichsam zum Sohn angenommen war /hoffte er / keine geringe Beyhülffe zu Behauptung des Armenischen Reiches von dar zu erhalten. Die tapffern Deutschen aber hielten den Tiberius damahls so warm / daß er mehr das seinige zu schützen / als frembden etwas zu erwerben / bedacht seyn muste. Daher bate der Syrische Landpfleger Creticus Silanus den armen König zu sich / unterhielt ihn mit steten Gastereyen und Lustspielen / auf daß er dabey das Leid wegen seines verlohrnen Reichs vertrincken möchte; ließ ihn auch durch eine starcke Römische Leibwacht bedienen / aus Furcht / er möchte entwischen und Händel anfangen / womit der Käyser bey damahligen Zustand unverworren seyn wolte. [1620] So stunden die Sachen in Armenien / als Zeno vor meinen Bruder Artaxias bey der Pontischen Königin Pythodoris zu Sinope erkant wurde.

Die beyden Armenischen Ritter / Osaces und Tiribaces / reiseten hierauf mit dieser neuen Botschafft in ihr Vaterland. Wie man nun das am liebsten glaubt /was man wüntscht: also fiel es ihnen nicht schwer /fast gantz Armenien zu überführen / daß der grosse Artaxias in seinem todt-vermeynten Sohne gleiches Nahmens wieder lebendig worden wäre. Viel zweiffelten zwar / daß Zeno von meinem Vater entsprossen sey; doch stimmeten sie mit jenen darinnen überein /es wäre besser / den tugendhafften Sohn der Pythodoris / wenn er gleich nicht Artaxias wäre / als etwan einen Parthischen Tyrannen / wie Orodes / oder einen Römischen Sclaven / wie Vonones / zum König zu haben. Denn weil die meisten auf ihren Reisen oder bey allgemeinen Ritterspielen die heldenmäßige Auferziehung der so genanten Arsinoe zu Sinope angesehn / und gnugsam bemercket hatten / daß dieser Pontische Hercules zwar Weibs-Kleider getragen /aber an statt des Rockens und der Spindel Spieß und Schwerdt im Kriege / Pfeil und Fangeisen auf der Jagt / von Jugend an geführet; so achteten sie sein eigenes Verdienst groß genug / ihrer Cron die Wage zu halten / ohne daß man erst die Thaten seiner Ahnen dazu legen dürffte. Mein Bruder schrieb hiernächst auf ihr Einrathen an den Käyser / mit Bitte / ihm zu Wiedererlangung seines Armenischen Erbreichs behülfflich zu seyn. Er würde diß wohl nimmermehr gethan haben / wenn er nicht gesehn / daß Armenien durch die bißherige Unruhe so gar von allen Kräfften gekommen wäre / daß man einen von diesen zwey mächtigen Widersachern / den Tiberius oder Artabanus / zum Freunde haben müste / wenn man sich gegen den andern vor Feind erklären wolte.

Ich war eben damahls in Rom (sagte Flavius /damit Erato ein wenig Athem schöpffen möchte /) als der Brieff ankahm. Jederman hörete die seltsame Nachricht von des in der Wiege liegenden Artaxias wunderbahren Erhaltung in dem Arethusischen Seebusem eben so an / als wenn etwa Simonides oder Euripides erzehleten / daß so wohl Perseus als auch Telephus mit ihren Müttern / Danae und Auge / in Kasten geschlossen / ins tieffe Meer geworffen und dennoch von denen Wellen lebendig an Land getrieben worden. Ungeachtet nun der Käyser das Königreich Pontus / nicht aber Armenien / vor des Zeno Vaterland hielt / so gönnete er ihm doch diese Cron lieber /als dem feindseligen Parther; erkante auch / daß er sich umb das Römische Reich in der Niederlage des Qvintilius Varus wohlverdient gemacht; suchte endlich hierdurch Gelegenheit / die mächtige Pythodoris zu begütigen / wenn sie etwa den Todt ihres Gemahls Archelaus übel empfinden möchte / welcher in des Tiberius Hertzen schon fest gesetzet war. Unterdessen verursachte dieses Begehren des Artaxias / daß Germanicus aus Deutschland zum Morgenländischen Feldzug vom Käyser abgefordert / und daher einen Frieden mit meinem Bruder zu schliessen veranlasset wurde. Allein er hatte so wohl auf dem Adriatischen als Jonischen Meer lauter widerwärtig Wetter / hielte sich auch sonst bey seiner gantzen Reise ziemlich lange auf / indem er die vornehmste Städte und Inseln in Griechenland / Thracien und Klein-Asien besahe /neue Freyheiten denen Einwohnern daselbst verliehe /dero Klagen anhörte / die eingerissenen Unordnungen abschaffte / und die verledigten Gerichts-Stellen mit tüchtigen Leuten besetzte / also gar / daß / wie er in Armenien ankam / der Krieg schon zu Ende war. Denn Artabanus fürchtete sich nicht allein vor dem weltberühmten Germanicus / der / seit dem er die Deutschen abgehalten / nicht über den Rhein / geschweige [1621] über die Alpen / zu gehn / ob er sie gleich unter das Römische Joch wieder zu bringen nicht vermocht / in so grosses Ansehen bey denen Parthern gekommen war / daß man ihn vor den grösten und glücklichsten Helden achtete / den Rom iemahls erzeuget hätte; (welcher sein Ruhm zum ewigen Nachruhm der Deutschen Tapfferkeit dienen mag:) sondern die bekante Herrschsucht seines Bruders Gotarzes machte auch den König höchst besorgt / daß dieser heimtückische Hund ihn von hinten zu anfallen möchte / so bald er mit dem muthigen Löwen Germanicus im redlichen offenbahren Kampff begriffen wäre. Inmittelst langete ich mit vier tausend Mann ungefehr in Armenien an und fand zwey Könige zugleich daselbst / nemlich den Artaxias und den Orodes; von welchen jener mit drey tausend Mann aus Pontus zwey Tage zuvor über den Antitaurus eingebrochen / und durch den meisten Land-Adel sehr verstärckt war. Dieser aber gegentheils konte aufs höchste acht tausend Mann ins Feld stellen; denn die Armenier / so ihm eine Zeitlang angehangen hatten / wurden zusehns unsichtbahr / als der bißher unsichtbahre Artaxias sich in seinem Erbreich sehen ließ. Das gantze Land unter seiner und meiner Anführung legte sich hierauf für den Königlichen Sitz Artaxata / und schloß denselben so enge ein / daß dem Orodes eben so angst wurde /als einem / dem das Geblüte aus allen Gliedmassen des Leibes mit Gewalt nach dem Hertzen dringt / also daß er fast darüber ersticken muß. Hingegen waren ich und Ismene gantz neu gebohren / da Erato und Artaxias im Lager zu uns kamen und nach angebohrner Höffligkeit sich höchlich bedanckten / daß wir uns mit so auserlesenen Völckern eingefunden hätten /dem rechtmäßigen Erben der Armenischen Cron zu dem seinigen zu verhelffen. Ich bezeugte hingegen eine ungemeine Freude über der Verwandelung meines glücklichen Mitbuhlers in den Bruder meiner Geliebten / und erkante zwar recht und billig / daß sie ihm mit der natürlichen Liebe noch ferner zugethan verbliebe / bate aber / ihrer ehelichen mich zu würdigen. Erato versicherte mich / daß sie meine beständige Gewogenheit hoch achte und zu seiner Zeit nach Verdienst zu vergelten wolte geflissen seyn. Artaxias setzte hinzu: Ich bin meiner Schwester höchst verpflichtet / daß sie sich an meiner statt gegen den Cheruskischen Hertzog danckbahr zu erzeigen und dessen treue Liebe mit Myrthen zu bekräntzen gedenckt /nachdem er mich mit Gold und Lorbern zu crönen bemühet ist. Alldieweil aber auch die unvergleichliche Ismene ihr unschätzbares Leben nicht zu theuer hält /es vor meine Wohlfahrt zu wagen / muß ich gestehen / daß ich ihr mich gantz davor schuldig achte. Daferne demnach mein Thron einer solchen Heldin nicht zu schlecht wäre / die ein Römisches Käyserthum / oder Parthisches Königreich zu beherrschen verdient /würde ich mein wol zwantzig mahl kleineres Land mit dem Tiberius und Artabanus gegen das ihrige ni ermehr zu vertauschen begehren. Ismene antwortete: Mein erwehlter Nahme Zenobius kan gnugsam darthun / daß ich die theure Zusage / so ich dem tapffern / obgleich unbekanten Zeno in Deutschland gegeben habe / nehmlich in ihm allein zu leben / dem großmächtigen Artaxias in Armenien zu halten / nicht ungeneigt sey. Und ob ich wohl an ihm nicht die Cron /sondern die Person liebe / so hat er doch die Art eines Granat-Apffels an sich / der uns wohlgefällt / wenn er noch grün und verschlossen ist / weit angenehmer aber wird / wenn er sich selber öffnet und seinen ehemahls-verborgenen Purpur sehen läst. Wir hatten dergleichen höchst vergnügliche Gespräche unter einander noch eine gute Weile / biß Thußnelda / Catta /Rhamis und Clotildis von ihrer Wacht abzogen und Gelegenheit nahmen / uns zuzusprechen / umb durch hertzliche Glückwüntsche ihre hohe Zuneigung gegen uns an Tag zu legen. Nachmittags ward Kriegs-Rath gehalten [1622] und beschlossen / mit ehesten einen Sturm auf Artaxata zu versuchen. Ehe aber solches geschahe / fiel Orodes mit etlich tausenden in unser Lager bey Mondenschein / und weil wir ihm dergleichen Kühnheit nicht zutraueten / fand er uns ein wenig unbereitet. Allein / obgleich Hermophilus nur über hundert Mann zu befehlen hatte / brachte er doch die andern Hauptleute und gemeinen in so gute Ordnung / als immermehr bey dergleichen Unruhe seyn konte / übete auch so ungemeine Helden-Thaten aus / daß Freund und Feind gestehn musten / wir hätten es ihm allein zu dancken / daß wir von den verzweiffelt-fechtenden Parthern nicht eine grössere Niederlage erlitten.

Thußnelde verwehrete dem Flavius / sie weitläufftiger zu rühmen / indem sie also sagte: Es würde mein schwacher Arm viel zu ohnmächtig gewesen seyn /den rasenden Orodes aufzuhalten / wenn nicht der unerschrockene Flavius selbst hierbey gethan hätte / was ihm als einem klugen Feldherrn zustund. Er raffte so viel Volck / als er kunte / zusammen und kam mir eben zu Hülffe / als ich auf dem vom Blute schlipferichen Erdboden gleitete und vorwärts darnieder stürtzte. Mehr als sechs Parther waren nun mit ihren Säbeln über mich her und hätten mich sonder Zweiffel in Stücken zerhauen / wenn er nicht gleich herzu gesprungen / den einen Streich mit dem Schilde aufgefangen und einen andern verhindert hätte / indem er dem Feind eine so starcke Wunde über die Faust gab /daß er das Gewehr und etliche Finger fallen ließ: Indessen Ablavius oder die Gräfin von Nassau und Ritter Gladebeck zwey andere hart verwundeten / also daß auch die übrigen gegen sie sich wenden und wehren musten. Dergestalt kame ich wieder auf die Beine und thate nach Vermögen / was so wohl meine Soldaten-Pflicht / als die Sorge vor mein Leben von mir erforderte. Weil nun mitlerzeit etliche hundert von unsern Leuten sich herzu fanden / ward Orodes die Flucht nach der Stadt wieder zu nehmen genöthigt. Zwey Tage hernach wolten wir unsern Schimpff rächen. Ich hatte auch das Glück die Mauer zu ersteigen / wurde aber nebst Ismenen und etwa zwey hundert Mann von dem Haupt-Heer abgeschnitten. Daher wehrten wir uns aufs beste und waren bemüht / unser Leben auf das theuerste zu verkauffen. Jedoch hätten wir unfehlbahr unter so einer grossen Menge / da uns niemand entsetzen konte / erliegen müssen / wenn nicht zu unserm grossen Glück allenthalben unter denen Römern / Griechen / Armeniern / ausserhalb der Stadt / und denen meisten Parthern auf der Mauer / ein grosses Geschrey entstanden wäre: Legt die Waffen nieder! Es ist Friede! Der wütende Orodes kehrte sich anfänglich hieran nicht / sondern setzte meiner kleinen Gesellschafft so hefftig zu / daß die Helffte von uns todt und wir andern alle vielfältig verwundet waren. Endlich unterrichtete ihn Abdageses / sein vornehmster Staats-Bedienter / König Artabanus befähle / Frieden zu machen. Dahero bote er uns / wiewohl höchst-ungern / Gnade an. Ob nun wohl dieses Wort: Gnade / mir nicht allerdings gefiel / war es doch vergebens / uns deßwegen in Streit einzulassen und in muthwillige Gefahr zu stürtzen. Wir nahmen demnach Leben und Freyheit an und höreten hierauf / daß unten am Graben vier Abgesandten des Artabanus stünden /die Oel-Zweige in Händen trügen und ihren Landes-Leuten zuschrieben: des Königs Wille sey / sein Sohn solle Frieden machen / und / dem Germanicus zu Ehren / Armenien verlassen. Weil nun ihr Begehren nach Wuntsch derer Stürmenden war / hatten sie bald Erlaubnüß erlangt / durch das Lager biß an die Festung zu reiten / und also dem Orodes seines Vaters Verlangen anzudeuten. Dieser / wohl wissend wie wenig mit demselben zu schertzen wär / erwieß von Stund an seinen Gehorsam / indem er den Abdageses an den Flavius und [1623] Artaxias abschickte und das gantze Königreich zu räumen sich erbote / hingegen einen freyen und sichern Abzug sich ausbedunge. Als sie deßwegen unter einander einig waren / führte der gewesene König sein Volck aus einem Thor der Vestung aus / unterdessen Artaxias durch das andere einzog / und zu seiner unbeschreiblichen Freude Ismenen nebenst mir noch lebend fand. Er verlangte zwar / sie möchte die Manns-Kleider ablegen und wie zuvor die Stadt-Mauern / also auch nun den Thron besteigen. Sie wolte aber solches nicht ehe thun / biß daß wir andern allerseits / außer Gefahr vor dem Tiberius zu seyn / verhoffen könten. Unterdessen suchte ich die Wachs-Tafel hervor / welche mir Asblaste bey meiner Vermählung geschencket hatte / mit der nachdencklichen Erinnerung / dieselbe nicht ehe zu eröffnen / als biß ich mich in Artaxata befände. Sie ist gantz klein und liegt in einem dünnen silbernen Gehäuse. Ich hatte sie dannenhero als einen grossen Schatz schon zehn Jahr lang ohne Beschwerung bey mir herumb getragen / aus schuldiger Ehrerbietung aber gegen eine so hoch-erleuchtete Auslegerin des göttlichen Verhängnüsses nicht ehe durchsehn wollen.

Als Thußnelde dieses sagte / zeigte sie der Gesellschafft die sehr zart- und zierlich-gegrabene Schrifft /und lase nachfolgendes aus derselben ab:


Wehrteste Thußnelda!

Meine Weissagung /

von deiner bißherigen Wallfahrt nach Artaxata /

ist eingetroffen.

Verni nun auch /

Was ich von deiner kůnftigen Wohlfahrt zu sagen habe.

Diese Stadt

ist das weiteste Ziel /

nach welchem du /

umb den Preiß der Großmuth / Gedult und Hoffnung zu erlangẽ /

hast lauffen můssen.

Murre aber nicht /

daß der Himmel dir eine neue Průfung auflegt.

Deine Gemůths-Gelassenheit in Widerwärtigkeit

gefällt ihm so wohl /

daß er sich noch nicht satt daran gesehn hat.

Drumb sey zu frieden /

ob du gleich aus denen Morgenländern

nicht Perlen / sondern Thränen /

mit nach Hause bringst /

und so bald du die Abend-Welt wieder betrittest /

h \ren must /

deine Sonne sey blutroth untergangen.

Dencke nach /

kan auch eine Wolcke

mit einem sch \nen Regenbogen prangen /

die nicht zuvor manchen Zehren vergossen?

oder ein Rebe sůssen Wein tragen /

ehe er sich ausgeweinet?

Wůrde wohl dieses Wachs

des Aufhebens und Ansehens werth seyn /

dafern ihm der scharffe Griffel

nicht so viel Wunden gegeben håtte?

Gewiß:

keine Vergnůgung wird besser empfunden /

als die auf vielfåltiges Unvergnůgen folgt

und wer der Welt zum Beyspiel der Beståndigkeit dienen soll /

muß wie das Gold / mehr als eine Probe / aushalten.

Doch glaube getrost /

daß

wenn du vor Harm einem Schatten åhnlich worden /

und Herrmanns Schatten zu sehen hoffest /

du sein gantzes Wesen mit denen Armen fassen

und befinden sollst /

daß Schatten und C \rper bey ihm einerley sey.

Und also mag der Rasenhauffen /

womit du seine Gebeine beehren wollen /

zum Grabmahl deines Kummers /

zum Merckmahl der göttlichen Schickung /

zum Siegsmahl deiner Standhafftigkeit

und zum Denckmahl deines unverhofften Glůcks

jederzeit dienen.


So bald ich dieses das erste mahl gelesen hatte /(ergäntzte Thußnelda ihre Erzehlung) machte die vermeynte Nachricht von meines Gemahls blutigen Todt / daß mir alle Lust vergieng / in Armenien einen Augenblick zu bleiben. Mit genauer Noth ließ ich mich von dem Flavius erbitten / noch drey Wochen zu verharren / weil allein zu reisen / vor mich allzu gefährlich seyn würde / er aber nicht ehe mitziehen könte /biß er das Heer dem Römischen Feldherrn Germanicus übergeben hätte. Unterdessen kam dieser an / forderte alle Reichs-Stände nach Artaxata zusammen /stellete ihnen zu ihrer unbeschreiblichen Freude den Artaxias zum König vor und setzte ihm den Hut [1624] auf /den ich vorhin (auf deutsche Art zu reden /) die Armenische Cron nennte. Er ist aus Purpur-Tuch gemacht /hoch und etwas spitzig / auch starck gesteifft und mit Perlen und Edelgesteinen reichlich besetzet; wird unter dem Kien bey denen herabhangenden Zipfeln mit einem güldenen Hefftlein befestigt. Der hauptsächlichste Unterschied zwischen dem Königlichen und Fürstlich- oder adelichen Hüten besteht darinnen / daß diese nicht gerade in die Höhe gehn / sondern nothwendig überhängen müssen. Artaxias stellete hiernächst unterschiedene Gastereyen / Ritterspiele und Jagten an. Inzwischen wagte ich mich nebenst Ismenen und Clotildis / als Hermophilus / Zenobius und Orpheus / der tugendhafften Agrippina aufzuwarten und ihr unsern Zustand zu entdecken. Wir funden sie in grosser Schwermuth / welche durch unsere Gegenwart ein wenig gelindert wurde / wie sie uns dessen mit Worten und Geberden versicherte. Sie erzehlete uns ihre gantze Reise von Rom aus / biß in Armenien / kunte aber für vielen Thränen kaum reden / als sie berichten wolte / wie es ihr zu Colophen in Jonien ergangen; Apollo (sagte sie) hat daselbst ein Heiligthum / in welchem der Priester richts mehr / als die Nahmen und Anzahl derer Personen / so einen göttlichen Ausspruch verlangen / erfraget / hierauf in eine Höhle geht / einen Trunck aus einem daselbst befindlichen Wunder-Brunnen thut / und ob er wohl mehrentheils gantz ungelehrt ist / man auch die Fragen nur in Gedancken abfassen darff / so antwortet er doch reimweise auf alles / was man verlanget. So bald nun mein Gemahl angeländet war / bate er den Wahrsager ihm Nachricht zu geben von dem / woran er gedächte? Dieser machte sich in seine Grufft und kam mit diesen Worten wieder heraus:


Dein muntrer Helden-Geist låst dich wohl niemahls ruhn;

Du suchst es dem August an Thaten gleich zu thun /

Der dich zum Enckel angenommen.

Fahr immer also fort und bilde dir nur ein:

Es werde bald die Stunde kommen /

Da du wirst dem August gantz gleich und åhnlich seyn.


Als nun Agrippina bitterlich hierüber zu weinen aufieng / wolte Ismene sie mit diesen Worten trösten: Ich gestehe gar gern meine Einfalt. Denn ich kan nicht begreiffen / warumb die großmüthige Agrippina über einer solchen Weissagung sich so ungewöhnlich bekümmere / nachdem nichts daraus zu folgen scheint /als daß Tiberius bald sterben / dero hertzgeliebtester Gemahl aber den Käyserlichen Thron erben / und also dem August ähnlich werden soll. Wolte der Hi el /daß dem also wäre! (gab Agrippina zur Antwort /) Aber ach! nein! Es ist meinem Germanicus vorlängst der Todt in Asien durch einen klugen Chaldäer angekündigt worden. Und also bin ich leider! mehr als zu versichert / daß Apollo gemeynet habe / mein Gemahl werde aufs eheste dem Augustus / nicht im Käyserthum / sondern im Tode / gleich werden und sterben müssen. Der neue Landpfleger in Syrien Cnäus Piso wird ohne Zweiffel hierzu beytragen / was er vermag. Denn es bedarff dieser Athamas nicht / daß ihn eine Tisiphone rasend mache und wider uns aufhetze / weil seine Plancina alle Furien an Boßheit übertrifft / und weder Scham / noch Ehre achten würde / wenn sie nur ihren höchstunbilligen Haß an uns auf das allergreulichste auslassen könte. So leicht ein ungeheuerer Elephant sich von einem schwachen Knaben regieren und zum Zorn wider die Feinde reitzen läst: So wenig Mühe braucht ein ohnmächtiges Weib bey dem so genanten grossen Piso. Wir sprachen ihr hierauf einen Muth ein / so gut es uns möglich war / und befragten sie letzlich umb Rath / ob wir dem Germanicus unsere Anwesenheit kund thun solten. Sie wolte aber solches nicht gut heissen / weil er zwar sehr gerecht / mitleydig und höfflich / dabey aber gegen seinen Vater Tiberius allzu gehorsam wäre. Nachdem wir endlich unterschiedliche köstliche Kleinode zum Andencken und unzähliche Küsse zum Abschied von der gütigen Agrippina empfangen hatten / verliessen wir sie / besuchten den Hertzog Flavius und erinnerten [1625] [1624]ihn / Anstalt zur Heimreise zu machen. Er gieng umb deßwillen zum Römischen Feldherrn / zeigte ihm seine Begierde an / in Deutschland zu ziehen und zu sehn / ob er daselbst ein Glück antreffen und Land und Leute sich erwerben könte; Bate dannenhero / ihn seiner Kriegsdienste zu erlassen / weil er / (Germanicus /) ohnedem / nach seiner persönlichen Ankunfft in Armenien / deroselben nicht sonderlich vonnöthen hätte. Dieser kunte ihm solches nicht versagen / theils / weil ihm (wie man sagte /) vom Käyser ausdrücklich befohlen war / die Deutschen in steter Uneinigkeit unter einander zu erhalten / wozu des Flavius Vorhaben nicht undienlich schien; sondern auch / weil er dessen ernstliche Meynung sahe und ihn / als einen freyen Fürsten / keines weges wider seinen Willen zu etwas nöthigen wolte. Er gab demnach ihm / ingleichen seiner Braut / der Königin Erato / eine ansehnliche Menge güldener Müntzen und Edelgesteine / hierbey aber auch einen offenen Freybrieff / darinnen allen Käyserlichen Beamten anbefohlen ward / Zeigern dessen / den Cheruskischen Hertzog Flavius / als einen grossen Freund des Römischen Reiches / nebenst bey sich habenden / nicht aufzuhalten / sondern ihm mit Schiffen / Fürspann / Lebens-Mitteln / oder was er sonst begehren würde / ohne Entgeld auszuhelffen. Indessen langete Rhemetalces bey uns an / seine Clotildis zu sehn / ob er wohl fürwandte / daß er den Germanicus zu besuchen käme. Ich habe in der Erzehlung / von meinem Gefängnüß auf dem Marsfeld vor Rom / gedacht / daß dieser Fürst dem Käyser ein Schreiben überbringen müssen / worinnen sein Vater Rhascuporis sich entschuldigte / daß er sich der Person des Königs Cotys versichert hätte. Tiberius und der gantze Rath antworteten: Er solte den Gefangenen dem Unterlandpfleger in Mösien Latinius Pandus ausantworten und persönlich nach Rom reisen / umb seine Sache daselbst auszuführen. Dieses stund der abgefeimten Ertzbübin Ada / des Rhemetalces Stieffmutter / keines weges an. Dannenhero beredete sie ihren Gemahl / der gleich einem Bär nach ihrer Pfeiffe allzeit tantzen muste / daß er ihr vergönnete / diesen verdrießlichen Vetter auf die Seite zu schaffen und damit dem weitläufftigen Rechts-Streit zu Rom ein kurtzes Ende zu machen. Sie gieng / auf erhaltene Erlaubnüß / frühe morgends mit zweyen Dienern / derer Verschwiegenheit und Geschicklichkeit sie in dergleichen Schelmstücken mehr als einmahl geprüfet hatte / und die ihr im Fall der Noth / wenn sich Cotys wehren wolte / ihr beystehn solten / in das Zimmer / in welchem der unschuldige König bewachet wurde und stieß ihm unter allerhand freundlichen Zureden einen Dolch mitten ins Hertz / daß er mit den Worten: O Himmel! dahin sanck. Die Knechte musten hierauf die starre Hand des Sterbenden an den Hefft des meuchelmörderischen Gewehrs legen / damit es das Ansehen gewönne / ob hätte er sich selbst aus Verzweiffelung umbs Leben gebracht. Die Scheide aber ließ sie ihm unter dem Halse zwischen das Hembde und den blossen Leib hinein stecken / auf daß man destoweniger zweiffeln dürffte / er wäre vorlängst mit diesem Dolch heimlich gewaffnet gewesen / umb entweder sich selbst / oder wohl gar dem Rhascuporis das Licht damit auszulöschen. Nur hatte sich der gefangene Cotys etliche Wochen zuvor unterschiedene Bücher /und insonderheit die Wercke des Plato / zum Zeitvertreib ins Gefängnüß bringen lassen. Unter diesen suchte Ada den Phädon oder das Gespräch von Unsterbligkeit der Seele und legte solches auf des todten Königs Schreibtisch / sonder Zweiffel darumb / weil Marcus Cato vor sechzig Jahren ungefehr sich erstochen / nachdem er diese Schrifft des Platons durchgelesen. Sie gieng hiermit davon / und indem sie in den Vorsaal trat / rieff sie nochmahls zur Thür hinein /daß es die Wacht hören kunte: Wohlan! wenn euch des Plato [1624] Grillen besser gefallen / als meine Gespräche / so will ich euch mit meiner Gegenwart nicht länger beschwerlich seyn. Umb Mittag schickte sie /nach Gewohnheit / einige Speisen von ihrer Tafel in des Cotys Gemach durch etliche Diener / so von der Mordthat nichts wusten. Diese kamen mit erschrockenen Geberden zurück gelauffen und zeigten dem Rhascuporis an / daß Cotys sich selbst entleibet habe. So sehr sich nun dieser nebenst der Ada / dem äusserlichen Schein nach / hierüber entsetzte; so sehr thate es in der Warheit der tugendhaffte Rhemetalces. Sie liessen allerseits Essen und Trincken stehn / und eileten an den Ort / allwo des Cotys Leiche lag. Ada verfluchte wohl tausendmahl den Plato / daß er mit seiner schulfüchsischen Klugheit einen sonst mehr als zu verständigen Fürsten so thöricht gemacht / auf diese so unvernünfftige Art wider sich selbst zu wüten. Dem Rhemetalces ward hiernächst anbefohlen / den Cörper des Cotys / so bald er in Honig gelegt wäre /seiner Witwe / der Antiope zu überbringen / welche nebst ihren Kindern und getreuesten Leuten eine eintzige Grentz-Festung noch inne hatte. Da hingegen das übrige gantze Land unter der Botmäßigkeit des Rhascuporis seuffzete. Ada mochte vielleicht hoffen / Antiope würde sich aus blinder Rache an dem Rhemetalces vergreiffen / weil seine Eltern dem Entleibten zum Selbstmord Anlaß gegeben hätten / indem / daß sie ihn so lange gefangen gehalten. Allein diese ward zwar biß in den Todt bekümmert über dem traurigen Geschenck / das Rhascuporis ihr überschickte; jedennoch blieb sie so vernünfftig / daß sie ihres Gemahls Feinde und Freunde gar wohl zu unterscheiden wuste. Sie beerdigte demnach die Leiche / und zoge / des angehenden ziemlich-kalten Winters ungeachtet / nach Rom / umb den Käyser zu bitten daß er den Bürgermeister Pomponius Flaccus / der in wenig Wochen sein Ampt dem abwesenden Germanicus abtreten solte / je ehe je lieber als Landpfleger in Mösien abschickte und die Gerechtigkeit ihrer Sache untersuchen liesse. Inzwischen berichtete Rhascuporis dem Römischen Unterlandpfleger Latinius Pandus den tödtlichen Hintritt des Cotys. Ich halte aber gäntzlich davor / daß der Brieff von der Tausend-Künstlerin Ada starck vergifftet gewesen / massen Pandus selbigen kaum empfangen und durchlesen hatte / als er kranck wurde / und innerhalb drey Tagen lebendig und todt war. Ob ich nun wohl hierinnen keinen Beweiß wider sie aufzubringen vermag / so stärckt mich doch in solchem Verdacht / was sich wenig Tage hernach zutrug. Nemlich sie fürchtete ohne Zweiffel / es möchte mit der Zeit durch ihre beyden Knechte ausbrechen / was es vor eine Beschaffenheit mit des Cotys Ende gehabt. Dannenhero gab sie ein groß silbernes Gefäß voll Wein nebst andern Geschencken diesen ihren Mordgehülffen / zur Ergetzung für ihre Arbeit / und versprach ihnen noch darzu güldene Berge / die grösser seyn solten / als Hämus oder Rhodope ist. Dem einen von diesen Buben schmeckte der Wein sehr wohl / bekam ihm aber gar übel / massen er des morgends im Bette todt gefunden ward. Der andere hergegen / nahmens Sitalces / hatte sich kurtz zuvor so besoffen / daß ihm gleich damahls vor allen Essen und Trincken überaus sehr eckelte und er also seinen Theil biß auf folgenden Tag aufheben muste. Allein er thate die Augen auf / als sein Geselle sie zuschloß und merckte gar bald / daß Ada keinen Zeugen ihrer Boßheit in der Welt wissen wolte. Er versuchte demnach an einem Hunde die Würckung dieses saubern Nectars und befand / daß er mit dem stärcksten Gifft angemacht wär. Hierüber ergrimmete er und schwur / sich rechtschaffen zu rächen / die Königin umbs Leben zu bringen / ihre Unthat ihr vorzuhalten und so denn durch einen schleunigen eigenhändigen Todt so wohl der Verfolgung des Königs / als auch der Qvaal seines unruhigen Gewissens zu entfliehen.[1625] Er wurde zũ Schein etliche Tage kranck / nahm auch Artzeneyen / die zũ brechen dienen / heimlich ein. Weßwegen Ada glaubẽ muste / seine Natur wäre so gut gewesen / daß sie selbst das Gifft von sich weggegeben. Etliche Wochen hernach / als eben Rhemetalces von des Cotys Witwe wieder gekommen war /brachte der rachgierige Sitalces etwas von seinen Wein in das Taffel-Gemach / und als die Königin ihren Becher forderte / schenckte er ihr davon ein. Sie that einen hertzhafften Trunck / weil sie sich von ihrem Geschöpffe / dem sie unzählig Gutthaten etliche Jahr lang erwiesen hatte / nichts böses besorgte. So bald aber dieser vermeynte / sie hätte gnug / trat er von den Tisch / umb welchen der König / die Königin und Rhemetalces herumb lagen und sagte: Ada hat den Cotys erstochen / des Platons Buch selbst aufgeschlagen / und meinen Mord-Gesellen umbgebracht. Ich straffe mich ab mit diesem Stahl / und sie selbst mit ihrem eigenen Gifft. Hiermit warf er auff des Rhemetalces Purpur-Bette ein zusammengerolletes Pergament / worinnen die gantze Geschichte weitlaüfftiger beschrieben war / und stieß sich plötzlich den Dolch durch die Brust / daß seine gottlose Seele mit dem Blut stracks durch die erste Wunde den Außgang fand / ehe sich jemand im Gemach besinnen konte / solches zu verwehren. Ada befahl / den rasenden Hund auf den Schind-Anger zu schleppen und forderte den geschriebenen Zedel vom Rhemetalces / der aber selbigen erst eylends durchsahe und hernach dem König übergabe / mit diesen Worten: E. Maj. lebe wohl! ich wil lieber unter Drachen uñ Schlangenwohnen / als an einem Hoff / da die Menschen ärger sind / als alles /was die Natur ungeheuers und gifftiges hat. Hiermit lief er zur Thür hinauß und flüchtete sich zum Comanischen König und Hohen-Priester / Dyteutus. Inmittelst starb Ada unter großer Hertzens- und Gewissens-Angst / ob sie gleich alle Arten von Widergifften / so Mithridates erfunden / gebrauchte. Sie wurde königlich zur Erden bestattet / welche Ehre ihr das gantze Land vorlängst hertzlich gern erzeiget hätte. Dannenhero ein unbekanter nachfolgendes Geticht auf sie verfertigte:


Die Natter fůhrt zwar Gifft / und doch auch Wiedergifft:

Der Gifft / den Ada mischt / mag Wiedergifft wohl heissen /

Weil er die Ada selbst kan auß der Welt wegreissen /

Ob sie schon Nattern / Schlang- und Drachen ůbertrifft.

Jedoch darff Thracien deßwegen keinen Hahn

Dem Aesculapins zu einem Opfer schlachten;

Denn Ada hat verlangt / man soll die Artzeney /

Damit sie unser Land von ihrem Gifft macht frey /

Als ihr selbst eig'nes Werck stets danckbarlich betrachten /

Weil sie doch außer dem nichts gutes ie gethan.


Nicht lange hernach kam Lucius Pomponius Flaccus von Rom auf der Post in Mösien an und verfügte sich alsbald drauf in das benachtbarte Thracien zum Rhascuporis / der ihn / als seinen alten Hertzens-Freund / höfflich empfing und prächtig bewirthete. Hingegen lude er ihn zu der Gasterey ein / die er zu Axiopolis am Ister / (welcher Strohm an andern Orten die Donau heist) bey dem Antritt seines neuen Amts denen vornehmsten Römern und Mösiern außrichten wolte. Des Königs böses Gewissen mochte ihm zwar sonder Zweifel abrathen / sich in Gefahr zubegeben. Jedoch die Errinnerung der alten Bekantschafft machte / daß er dem Flaccus alles gutes zutrauete. Daher zog er mit nach Nicopolis / allwo ihm dreyhundert Römische Soldaten unter dem Schein einer Aufwartung bey allen Schritt uñ Tritten nachfolgeten. Dieß kam ihm nicht ehe / als am vierten Tage nach seiner Ankunfft / etwas verdächtig vor. In Betrachtung dessen wolte er von seiner Heimreise reden / wurde aber mit vielen Schmeichel-Worten von dem Landpfleger ersuchet / die Ehre seiner werthen Gegenwart ihm noch etwas länger zu gönnen. Sie ritten folgenden Morgen auf die Jagt / da er sich denn etliche mahl von dem Flaccus entfernete / aber allezeit durch die Römische Leib-Wacht wider [1626] gehohlet ward. Das letzte mahl wegerte er sich mit zu gehn / und bate / in seinem Nahmen den Landpfleger zu grüßen / vor bißher erzeigte Höffligkeit zu dancken und ihn zu entschuldigen / daß er nicht persönlich Abschied genommen /auß Furcht / man möchte ihn allzu sehr nöthigen /über einer langwierigern Lustreise seine nothwendigen Reichs-Geschäffte zuversaümen. Allein der Hauptmann Clodius Celer bate unterthänigst / der König mögte ihn nicht in die unvermeydliche Ungnade seines Herrn bringen / der ihm und allen seinen Leuten die Schuld geben würde / wenn ihm das Glück / mit dem grossen Rhascuporis / (welchen er nächst dem Kayser über alles in der Welt hochschätzete /) sich gebührend zu letzen / entgehen solte. Er muste sich demnach hierdurch gewinnen lassen und wieder umbkehren. Unterdessen bekam Flaccus Befehl von Rom / den gemachten Schluß ehest zu vollziehn. Daher als ihm der Thracische König mit ziemlich-ernsthafften Worten seinen festen Vorsatz heimzureisen andeutete / fügte er ihm hingegen zu wissen / der Kayser verlange gar sehr / ihn als einen treuen Bundsgenossen des Römischen Reichs bey sich auf ein paar Monat zu sehn und eine und andere Lust / ihm zu Ehren / anzustellen. Rhascuporis brachte unzählich viel Außflüchte auf die Bahn / solche Spatzierfahrt abzulehnen. Da aber Flaccus sahe / daß kein Bitten verfangen wolte / wurde er letzlich gezwungen zu sagen: Es ist des Keysers Wille / daß ich eure Majestät nach Rom begleite. Und wird am besten seyn /sich in einer Sache nicht zu sperren / die unvermeydlich / doch wie ich hoffe / Deroselben weder schimpff- / noch schädlich ist. Solchergestalt ward er unter großer Ehrerbietung / wie ein aufgeputztes Opffervieh / wider seinen Willen in Italien getrieben. Wie es ihm nun daselbst ergangen / ist mir nicht bewust. Inzwischen hatte der Landpfleger an den Rhemetalces geschrieben / er möchte sich des Königreichs Thracien annehmen / davon ihm die Helffte von rechtswegen zustünde / die andere aber seines unschuldig-ermordetẽ Freundes / des Cotys / Söhnen eigenthümlich verbleiben müste. Deñ das solte er versichert seyn / daß Rhascuporis nimmermehr Thracien wieder sehn / und man ihm / als einem / der seiner gesunden Vernunfft nicht recht gebrauchen wolte /gleichsam einen Vormund ordnen würde / der achtung gebe / daß er weder sich selbst / noch jemand anders schaden könte. Er bedürffte ja einer solchen Person eben so sehr / als seine vorerwähnten unmündigen Vettern / denen Trebellienus Rufus vom Kayser auf eben die Art zum Vormund besti t wäre / gleichwie der Rath zu Rom die Aufsicht über des Ptolomäus Philopators Sohn dem Marcus Aemilius Lepidus vor zeiten aufgetragen hätte.

Rhemetalces verfügte sich nach Empfahung dieses in sein Erb-Königreich / welches ihn willigst zum Beherrscher annahm / wiewohl er sich außdrücklich bedunge / daß er seinen Vater umb Cron und Scepter zu bringen / nicht willens / sondern ihm beydes zu überliefern bereit wäre / dafern er jemahls wieder von denen Römern in vorige Freyheit solte gesetzt werden. Sein Stiefbruder Taxiles demüthigte sich vor ihm und bate / ihn nicht entgelten zu lassen / was Ada verschuldet / sondern zuverhoffen / daß so wenig ein Fluß deßwegen saltzig seyn müste / ob er gleich auß der See entspringe / so wenig habe er einige Feindseligkeit und heimtückischen Groll gegen ihn von seiner Mutter geerbet / von welcher er selbst nicht läugnen könte / daß sie einem wilden / ungetreuen und unruhigen Meer allzugleich gewesen sey. Der neue König erbot sich zu brüderlicher Gewogenheit und gab ihm eine außträgliche Ehrenstelle in seinem geheimen Rath. Der ehrliche Aristides hatte sich bißher in Thracien beständig aufgehalten / weil er nicht gewust / wo Rhemetalces in der Welt lebte. Damahls aber wartete er ihm auf / übergab ihm der Clotildis Schreiben /ward vortrefflich beschenckt [1627] und endlich in Sarmatien fortgeschickt. Als nun Rhemetalces seine Regierung in gute Ordnung gebracht hatte / thate er eine Reise in Armenien / kam allda obbesagter massen an / und machte mir alles ietzterzehlte kund / da wir uns eben zu unserm Abzug fertig hielten. Dieser erfolgte auch endlich und liessen wir den Zenobius und Orpheus /(oder Ismenen und Clotildis /) zu Artaxata / nachdem sie Saloninen von der Königin Erato in ihre Dienste erbeten hatten / damit sie in der Frembde eine ehemahls bekante / getreue und der Landes-Art und morgenländischen Sprachen kundige Weibesperson ümb sich wissen möchten. Sie werden sonderzweifel allbereits ihr Beylager mit denen Königen Artaxias und Rhemetalces vollzogen haben / ob ich schon hiervon noch zur Zeit keine rechte Nachricht zu geben weiß. Wir andern giengen mit dem Flavius / als seine Bedienten / durch Cilicien in die Mittelländische und folgends in die Adriatische See / da uns deñ bald Sturm und Wind / bald ein Fieber / das die Fürstin Catta abermahls befiel / theils zu Creta / theils zu Corcyra / ein ziemliche Zeit aufhielt / allenthalben aber des Germanicus Freybrief wohl zu statten kam. Mich verlangte unaußsprechlich / meinen Gemahl wieder zu sehn / nachdem ich drey gantzer Jahr solches Glücks entbehren müssen. Daher eileten wir nach Mögligkeit / durch die Carnischen und Norichischen Lande / in das Marckmännische Gebiet / alldieweil wir schon in Griechen-Land erfahren hatten / daß der Deutsche Feldherr Marbods Cron anietzo trüge. Allein wir wurden überall mit thränenden Augen bewillkommet / und angereitzet / Herrmanns Todt zu rächen. Dieß war eine Sache / darzu wir uns nicht weniger verpflichtet achtetẽ / als willig befunden. König Jubil stieß mit funfzehn tausend außerlesenen Mañ zu uns und wir brachten in die fünff und dreyssig tausend Marckmänner / Semnoner / Langobarden und Marsinger zusa en. Unser Zug gieng aus dem Marckmännischen ins Hermundurische / von dar ins Langobardische und zu allerletzt ins Cheruskische. Hiermit beschließe ich meine Erzehlung / nachdem alles /was sich mit uns in diesem Herzogthum begeben /ihnen insgesamt noch in frischen Andencken ist. Dieweil ich aber die Begebenheiten des Marsischen Herzogs wissentlich mit Stillschweigen übergangen habe / wird er selbst sich gefallen lassen / sie absonderlich vorzubringẽ.

Malovend antwortete: Ich will nicht weitlaüfftig anführen / welcher gestalt ich von Agrippinen zu der Cattischen Herzogin Erdmuth mit der erfreulichen Nachricht von des Hochfürstlichen Frauen-Zimmers Flucht abgesandt worden und so glücklich gewesen sey / daß Herzog Arpus mich / an statt des weitwürdigern Jubils / wegen bekanter Umbstände / zum Schwieger-Sohn erwehlt habe. Ich ging hierauf durch Italien und Griechen-Land in Syrien und Armenien. Jedoch war diejenige / die ich suchte / nirgends zu sehn / theils weil sie sich noch in Griechen-Land wider meine Vermuthung verweilete / theils auch /weil sie unter dem Manns-Kleide und dem Nahmen Hilarius sich so gut verbergen konte / als Arethusa in der neblichen Wolcke / umb welche ihr Liebhaber Alpheus herumbgehet und / ihrer würcklichen Anwesenheit ungeachtet / sie anzutreffen nicht vermag. Ich hielte mich nun in die andere Woche zu Thospia im grössern Armenien auf / und wolte voll verzweifelten Unmuths wieder in Teutschland gehn / weil ich alle Hoffnung verlohren gab / den Zweck meiner Reise zuerreichen. Nichts destoweniger erwartete ich noch die Ankunfft des Herzogs Flavius / mit welchem ich ehemahls so wohl unter Freunden / als Feinden unsers Vaterlands höchstvertraulich gelebet hatte. Sobald ich endlich denselben zu sprechen bekam / ertheilte ich ihm von meinem bißherigen Glück und Unglück außführliche Nachricht. Allein er wolte / ohne der Fürstin [1628] Catta Erlaubnüß / mich mit dem Trost nicht erfreuen /daß sie mir näher wäre / als ich gedächte. Er thate ihr etliche Stunden hierauf in geheim zuwissen / daß Herzog Jubil / wegen der Sache mit dem Saturninus /seine Verlobung vor nichtig achte und ich hingegen seine Stelle zu bekleiden verhoffte. Allein sie ließ sich damahls vornehmen / (wie ich nach der Zeit von ihr erfahren habe:) Sie könte Jubiln nicht verargen / daß er sich einer solchen Person zu entäußern willens gewesen / die bey ihm durch eine so verkleinerliche obgleich lügenhaffte Nachricht auß der vorigen Hochachtung wär gesetzt worden. Auch müste sie ihn wegen dieser seiner Leichtglaübigkeit erst hören / als verda en. Solte er aber ja einer vorsätzlichen und beharrlichen Untreu schuldig seyn / ungeachtet Dießkau ihm ohne Zweifel berichtet hätte / daß sie der vermeynten Schande ohne Verletzung ihrer Ehre entgangen wäre; würde dennoch ihre Rache darinnen hauptsächlich bestehn / daß sie ihn durch eine sorgfältigere Beobachtung ihrer so theuern Zusage beschämete / jedoch auch nachgehends thäte / was sich gebührte.

Mittlerweile ward ich mit dem schönẽ Hilarius bekant / und sobald ich die Aehnligkeit meiner Fürstin in ihm funde / trug ich ihm Freundschaft an / die er deñ mit grosser Demuth annahm / weil ich zwar nicht dergleichen verdiente / gleichwohl sein angenommener geringer Stand erforderte / mir als einem Fürsten solchergestalt zubegegnen. Kurtz drauff legte er eine merckwürdige Probe von seiner Gewogenheit gegen mich ab als / wir Artaxata belagerten und einsmahls in der Nacht von denen Parthern unvermuthlich überfallen wurden. Denn gleichwie Thußnelda und Flavius den einen Hauffen / welchen König Orodes selbst anführte / rühmlichst widerstunden: also muste ich mich an einen andern Ort des Lagers mit dem Abdageses in ein scharff Gefechte einlassen. Ich werde wohl nicht zu viel reden / wenn ich sage / daß ich zwölff Feinde mit eigener Hand niedergehauen habe. Jedoch kan man selten einen Fersenstich vermeyden / wenn man einer Schlangen den Kopf zertreten will. Ich bekam so viel Wunden / daß ich endlich krafftloß zu Boden fiel. Und wäre von dem Abdageses unfehlbahr hingerichtet worden / wenn nicht der tapfere Hilarius alsbald herzugeeilet / sich über mich gestellt und mich so lange beschirmet hätte / biß er von dem Ritter Tiribaces entsetzet und in ein Gezelt geführet wurde / sich am rechten Arm verbinden zulassen / an welchem er mir zum bestẽ gefährlich verwundet war. Ich wuste vier Tage lang wegen hefftiger Verblutung kaum von meinen Sinnen / geschweige von meiner hohen Wohlthäterin und befunde mich noch ehe in Artaxata / als in vollkommener Gesundheit. Doch wurde es täglich besser und besser; und hierauf vernahm ich mit großer Danckbegierde / wie Hilarius mich so gar hoch verpflichtet hätte. Ich ließ ihn demnach zu mir fordern /da eben Herzog Flavius in Begleitung des Hermophilus mich besuchete / und bote ihm zur Belohnung an /was er verlangen würde / und in meinem Vermögen stände. Er antwortete: Die eintzige Wohlthat / die ich von Herzog Malovenden zu empfahen fähig bin / kan ihm nicht schwer ankommen / dafern ihm nur beliebet mich ihm damit höher zuverbinden / als wenn er mir viel tausend Stück Goldes verehrete. Ich ruffte unverzüglich so wohl den unsichtbaren Gott / als den Flavius und die verkleidete Thußnelda zu Zeugen / daß ich alles willigst einzugehn bereit wäre. Hilarius nahm zu seiner Forderung Aufschub biß zu meiner völligen Genesung. Als nun endlich auch diese erfolgte / begehrte er von mir in Gegenwart unserer beyden Zeugen / ich möchte ihm so münd- als schrifftliche Versicherung thun / daß wenn der Hermundurische Herzog seiner verlobten Fürstin Catta von der Zeit an beständig gewogen verblieben wäre / da er von ihrer unverletzten Keuschheit durch [1629] seinen Abgesandten gnugsame Wissenschafft erhalten hätte / ich bey dero Vater dem Herzog Arpus die Vollziehung ihrer mit Jubiln so festgesetzten und theuer-beschwornen Heyrath nicht hindern sondern nach Vermögen befördern wolte. Ich sahe ihn hierauf traurig an / und sagte: Hilff Hi el! wie kö t Hilarius auf die Catta zu reden? In dem Augenblick aber erkante ich / daß diese große Fürstin selbst unter dem schlechten Soldaten-Rock anwesend wäre. Ob nun wohl meine Liebe mir tausend Außflüchte an die Hand gab / mein Wort zurück zu ziehn / so nöthigten mich doch die beyden Fürstinnen / (die nicht länger läugnen wolten / wer sie wären /) nebenst dem Flavius und der gesunden Vernunfft / daß ich meine Zusage halten / und das so billige Begehren der tugend-vollkommenen Catta vollstrecken muste / zumahl da mir die Hoffnung zu ihr nicht abgegeschnitten wurde / auf den Fall / daß ihr ehemahliger Bräutigam sich inmittelst verheyrathet hätte. Wir traffen nun diesen treuen Liebhaber nach unserer Rückreise zu Boviasmum an und vernahmen alsbald aus seinen ersten Worten / daß ich mich der bey Hertzog Arpus erlangten unverdienten Gunst nicht zum Schaden / sondern zum besten der edlen Liebe dieses durchlauchtigen Paars zu gebrauchen verpflichtet wäre.

Hiermit schwiege Malovend. Siegmund aber satzte dieses zum Beschluß hinzu: Es ist bekant / daß ich ein Priester des todten Drusus zu Mäyntz vor drey Jahren geworden / umb vermittelst der klugen Hermengardis / den jungen Thumelich vom Tode zu erretten / uñ solcher gestalt wieder aus zubüssen / was ich durch Entführung meiner Schwester Ubels begangen habe. Den Schimpff / ein solcher Götzen-Knecht zu seyn / könte ich nicht länger ertragen / als biß zu meines Vaters Todt / da ich mein Amt aufgabe / unter dem Vorwand / daß ich meine Erblande zu beherrschen willens wäre. Die heimtückischen Römer würden mir vielleicht die Erlassung sauer gnug gemacht haben / daferne sie nicht vermeynet / durch mich eine neue innerliche Krieges-Glut in Teutschland zu erregen; Maßen sie nicht viel großmüthiger gesinnet seynd / als eine Art von Leuten / die Feuers-Brünste gerne sehn / damit sie hernach unter und nach dem Brande die Häuser ausräumen oder (auf Deutsch zu reden) bestehlen und sich mit anderer Schaden bereichern mögen. Ich vernahme aber allzu zeitlich auf der Grentze / daß alle deutschen Fürsten mein Erbtheil dem Segimer zuerkant hätten. Dannenhero wuste ich nicht / was ich anfangen solte / weil ich meine Einkünffte bey denen Römern aufgegeben und dennoch keine bey den Chassuariern hoffen durffte. Ich zoge also wieder nach Mäyntz / allwo des Qvintus Veranius itzigen Cappadocischen Landpflegers jüngster Bruder Cajus Veranius meine Stelle allbereit bekleidete. Daselbst lebte ich von meinen erspareten geringen Mitteln / und erkühnte mich endlich / vor wenig Monaten König Herrmannen schrifftlich anzuflehn /mir zu dem meinigen wieder zu helffen und so offt er wegen des Verlusts seiner Gemahlin gegen mich zu Zorn gereitzet würde / an die Erhaltung seines Cron-Erbens zu gedencken / welcher mit einem einigen liebreichen Blick meine Sache besser führen könte /als der beste Redner mit unrählich Worten. Ich erwartete unterdessen keine Antwort / sondern ließ mich vor einen Hauptmañ über hundert Mann unter etlichen Völckern annehmen / die der Käyser von Rom aus in die Morgenländer sandte. Als ich aber unterwegens zu Corcyra den Flavius antraff / söhnte der mich bey Thußnelden wieder aus / machte mich mit gutem Willen meines Obersten von den Kriegs-Diensten loß und munterte mich auf mit nach Boviasmum und von dar anher / nach Teutschburg / zu gehn. Ich lebe nunmehr der gewissen Zuversicht / der tugendhaffte Sesitach werde nach seiner gnugbewährten [1630] Großmuth auf Zureden seiner Frau Mutter und aller gegenwärtigen hohen Häupter / sich der Billigkeit gegen mich befleissen / die Chassuarier mir abtreten und mit Beherschung derer Dulgibiner vergnügt seyn.

Dieses Gespräch verzog sich / biß es Zeit war / die Abendmahlzeit einzunehmen. Folgenden morgen reiseten Catta / Jubil und Malovend / in Begleitung drey hundert Hermundurer / nach Mattium / nachdem ietztgedachter König alle seine Völcker biß auf tausend Mann in sein Reich zurück zu gehn befehlicht hatte /weil er dem Feldherrn mit so viel Gästen beschwerlich zu seyn befürchtete. Hingegen kam zwey Tage drauf der Ritter Kanitz als Gesandter vom Sicambrischen Hertzog an und legte bey König Herrmannen die Glückwüntschung ab / so wohl wegen gedämpffter sehr gefährlichen Unruhe im Cheruskiscken Hertzogthum / als auch wegen der höchsterwüntschten Heimkunfft der Königin Thußnelda; hinterbrachte dabey / daß Hertzog Franck auf den ersten Mäy sein Beylager mit der Ascanischen Fürstin Leitholde zu vollziehn gesonnen wäre / weßwegen dessen Vater Hertzog Melo bäte / der König und dessen Gemahlin wolten geruhen / nicht nur diesem hochfeyerlichen Ehren-Fest beyzuwohnen / sondern auch Eltern-Stelle bey der hochfürstlichen Braut zu vertreten. Der Feldherr nahm Glückwüntsch- und Einladung mit gebührendem Danck an / erbote sich zu allem / was Hertzog Melo verlangte / zumahl da der Fürst von Ascanien ihm ehemahls grosse Dienste gethan / und er sich also gegen dessen hinterbliebene Tochter / die hertzogliche Braut / desto danckbarer erweisen müste / nachdem er der Asche des ritterlichverblichenen Vaters keine Freundschafft erzeigen könte. Er vernahm hiernächst / daß als Leitholde nach geendigten fünffjährigen Gelübd der Jungfrauschafft /mit gewöhnlichem Gepränge / vor dem Heiligthum der Hertha die Freyheit wieder erlangt / sich nach Belieben zu verheyrathen / wäre Hertzog Franck aus dem Schwalbacher Sauer-Brunnen dahin gekommen /den Gebräuchen zuzusehn; hätte aber von der Stund an sich die unvergleichliche Schönheit und Tugend dieser Fürstin so wohl gefallen lassen / daß er vermittelst der Gräfin von Bentheim ihre Bekantschafft gesucht und endlich die Zusage einer getreuen Gegen-Liebe erhalten habe / daferne Hertzog Melo solchen Heyraths-Schluß gut heissen wolte. Wegen ein und andern Absehns / wäre zwar dessen väterliche Einwilligung etliche Jahr lang biß ietzt verzögert worden. Nunmehr aber sey der gantze Sicambrische Hof mit diesem Eheverbündnüß dermassen wohl zu frieden /daß Hertzog Franck es nicht besser wüntschen könte. Ungeachtet nun Graf Spiegelberg schon vor ein paar Tagen nach Novesia abgereiset war / die Heyrath des Flavius und der Erato der sämtlichen Sicambrischen Herrschafft anzumelden; so ward doch Ritter Malzahn befehlichet / eben dahin eilfertigst zu gehen und inständigst zu suchen / daß Hertzog Franckens Beylager auf einen Tag und an einem Ort mit des Flavius seinem / nemlich auf den funfzehenden April und nach Teutschburg / verlegt würde; wobey er auch berichten solte / daß König Jubil sich gleichfalls wohl gefallen liesse / seine Verlobung mit der Fürstin Catta zu solcher Zeit und an eben diesem Ort durch die Ehe zum vergnüglichen Endzweck zu befördern / woferne Hertzog Arpus nicht etwas einzuwenden hätte / welches man doch nicht verhoffen wolte.

Malzahn kam acht Tage hernach wieder / mit der angenehmen Nachricht / Melo habe den gethanen Verschlag zu allen Danck angenommen und sich gar sehr verpflichtet erkant / daß Herrmann und Thußnelda mit so grosser Beschwehrung und Unkosten sich als Eltern bey Leitholden zu bezeugen so willig wären. Inmittelst sonne man vergeblich nach /warumb der Sicambrische Hertzog die Vermählung seines [1631] Sohnes mit der Ascanischen Fürstin biß anher nicht zugeben wollen. Diesem Zweiffel aber halff Aristides ab / der folgende Woche zu Teutschburg anlangete. Er wurde mit überaus grosser Freude von der danckbahren Thußnelde willkommen geheissen / königlich beschencket / auch in den Deutschen Adelstand und zu einem ansehnlichen Ehren-Amt erhoben. Auff befragen / wo er so lange gewesen / antwortete er: Eure Majestät werden sich gnädigst erinnern / daß die Fürstin Clotildis mich an König Rhemetalces /und dieser an den Sarmatischen Cron-Erben Bolesla verschickt habe. Letztbenennter Fürst war damahls zu König Marboden verreiset / umb dessen Tochter Adelgund Anwerbung zu thun / welche anietzo Hertzog Inguiomers Gemahlin ist. Dahingegen er nach der Zeit mit des Bastarnischen Fürstens Brittomartes Schwester / und dieser mit jenes seiner verheyrathet worden. Weil ich nun den Bolesla so weit zu suchen Scheu trug / aus Furcht / Marbod möchte mich gefangen nehmen lassen und nach Rom schicken; ergriff ich die Waffen unter dem Sarmatischen Könige Jagello / der seine auffrührischen Unterthanen / die Reussen / mit Gewalt zum Gehorsam brachte. Der Cimbrische Fürst Friedlev stunde ihm hierinnen treulich bey. Ich hatte das Glück / unter seinem Befehl zu fechten /und weil ich einsmahls ihn aus einer augenscheinlichen Gefahr erretten halff / erlangete ich eine so ungemeine hohe Gewogenheit bey ihm / daß er mich auch nöthigte / ihn in Norwegen / nach geendigten Reußischen Krieg / zu begleiten. Dieses Reich war des unlängst verstorbenen Suionischen Königs Erichs Eigenthum gewesen / aber von zwölff mächtigen See-Räubern eingenommen worden. Weßwegen dessen Sohn und Erbe / Haldan / den tapffern Friedlev in Sarmatien persönlich suchte und bate / ihm wider diese allgemeine Feinde der Mitternächtigen Länder mit seinem sieghafften Heer beyzuspringen. Dieser that solches gar gern / verjagte die Raub-Vögel und setzte dem Haldan die Norwegische Cron auff / vermählete ihm auch nachgehends seine Schwester Schulda / welche sonst ihr Vater nicht lange vor seinem Ende an des Sicambrischen Hertzogs / seines alten Freundes / ältesten Sohn verlobet hatte. Allein als Frotho starb / und Zeitung einlieff / daß Hertzog Franck wider seinen Willen von seinem Vater Melo zu der Cimbrischen Heyrath gezwungen würde / verdroß es die großmüthige Schulda dermassen / daß sie sich gar leicht erbitten ließ / dem Suionischen König Haldan / auff Begehren ihres Bruders / Friedlevs / die Hand zu geben. Worüber eine unbeschreibliche Freude unter denen Suionen entstund / weil man vor etlichen Jahren auff einem Marmelsteine unter der Göttin Freja Bilde im güldenen Tempel zu Upsal eine Weissagung gefunden hatte / daß / wenn Dan und Sueno oder das Cimbrische und Suionische Hauß sich zusa en vermählen würden / solte dieses in tausend Jahren nicht außsterben. Weil nun der Sicambrische Hertzog gesehen / daß dem Himmel die Verehlichung seines Sohnes mit einer königlichen Tochter nicht gefiele / soll er sich entschlossen haben / nimmermehr denselben zu einer Staats-Heyrath zu nöthigen. Es sind nunmehr vier Jahr / daß Frotho im fünff und funffzigsten seiner Regierung von einer Zauberin /unter der Gestalt einer See-Kuh / ermordet worden. Man wolte anfänglich ungern seinen Tod kund machen / damit nicht so viel umbliegende Länder / die er seinem Cimbrischen Reich einverleibet hatte / abfallen möchten / zumahl da der einige rechtmäßige Erbe Friedlev nicht zu Hause war. Dannenhero ließ man die Eingeweyde aus dem verblichenen Cörper heraus nehmen / mit Eßig abwaschen / nachmahls inwendig und außwendig ungeleschten Kalck / Alaun und Saltz etliche Tage lang mit Fleiß hinein reiben / endlich aber königlich ankleiden [1632] / auff einen Stuhl setzen und also aus einer Stadt in die andere tragen / damit es das Ansehen gewönne / ob wäre er noch lebendig / aber wegen hohen Alters so schwach / daß er nicht mehr auff die Füsse zu treten vermöchte. Jedoch als niemand mehr vor unleidlichen Gestanck umb ihn bleiben konte / ward er bey Wera / einer Brücken in Seeland / prächtig beerdiget. Unterdessen erscholle das falsche Gerücht im gautzen Reich / Friedlev wäre in einer Schlacht wider die Reussen auff dem Platz geblieben. Umb deß willen geriethen die Cimbrischen Stände auff den seltsamen Vorschlag / demjenigen den Scepter zu geben / der die Feder am besten zu führen und dem Könige eine geschickte Grab-Schrifft zu machen wüste. Ein so grosser Lohn reitzte den Hiarn an / daß er nachfolgendes Geticht verfertigte:


Die treuen Dähnen musten klagen /

Daß sich des Frotho Geist nicht länger halten ließ;

Doch ward sein Leib sehr lang durch sie herumb getragen.

Die Ehre / die das Land des Frotho Schahl' erwieß /

Bezeigt / wie hoch es sey dem Kern / der Seel / gewogen.

Die Erde schließt zwar hier den blassen Leichnam ein;

Doch mag der grosse Himmels-Bogen

Vor diesen grossen Held das Grab-Gew \lbe seyn.


Allein der gute Hiarn that sehr übel / daß er die Poetischen Lorbern mit einer güldnen Cron vertauschete; weil Friedlev bey seiner Rückkehr aus Norwegen ihm unvermuthlich über den Halß kam und ihn erstlich zwar umb das Reich / welches er zwey Jahr besessen hatte / endlich auch umbs Leben brachte. So bald dieß geschehen war / nahm ich gebührenden Abschied /welchen wir auch der König / nebenst vielen unverdienten Geschencken / willigst gab. Ich machte mich hierauff an diesen Ort / allwo ich Eure Majestät (dem Himmel sey Danck!) nach eigenem hohen Wuntsch vergnügt gefunden / und das unschätzbare Glück erlanget habe / daß ich meine übrige Zeit in Dero unterthänigsten Diensten beschliessen darff.

War nun diese Nachricht des Aristides Thußnelden angenehm: so war es vielmehr die / welche Tiribaces /der Abgesandte des Königs Artaxias / zu Ende des Mertz-Monats aus Armenien mitbrachte. Denn nach dem selbiger die Begrüssung bey Herrmannen /Thußnelden / Flavius und Erato im Nahmen seines Herrns abgelegt hatte / und gebeten ward / die Morgenländischen Geschichte / so nach der Königin Erato Abzug sich begeben / kürtzlich / doch ordentlich / zu erzehlen / that er dem Befehl mit diesen Worten eine Gnüge: Es ist ietzo anderthalb Jahr / daß Hertzog Flavius mit seiner durchlauchtigen Gesellschafft mein Vaterland verließ; dazumahl kamen gleich Parthische Abgesandten mit einem Gefolge von vier hundert Mann / die mit dem Germanicus die alten Bündnüsse erneuerten. Indessen verlieffen zwey Monat / welche die wohlbekandten Zenobius und Orpheus in ihrer männlichen Kleidung zubrachten. Hiernächst legten sie weibliche Tracht an und liessen sich / als Ismene und Clotildis / bey der Agrippina anmelden / weil sie nun nicht mehr besorgten / daß ihre Offenbahrung der Königin Thußnelda oder Fürstin Catta schädlich seyn könte. Germanicus war zu solcher Zeit in Syrien und ordnete ein und anders daselbst an. Er ward aber von denen Königen Artaxias und Rhemetalces ersuchet /auff ihrem Beylager zu erscheinen. Nun mißfiel ihm zwar anfänglich in etwas / daß das andere Frauenzimmer durch ihre heimliche Flucht ein Mißtrauen gegen ihn bezeiget hätte; allein seine Gemahlin besänfftigte ihn durch ein Schreiben / worinnen sie betheuerte / es sey derer sä tlichen Deutschen Fürstinnen Verschwiegenheit nicht aus Mangel einer guten Zuversicht zu ihm entstanden / sondern aus Besorgung / er möchte / nach seiner weltberühmten Großmuth / sie weder am Leben noch Freyheit gekräncket / und also grosse Verantwortung beym Käyser auff sich geladen haben; [1633] welches ihnen allerseits / als seinẽ grossen Freundinnen / sehr zuwider würde gewesen seyn. Diß machte / daß er sich zu Artaxata einfand und einem dreytägigen Gastgebot / Ringelrennen / zwey Schauspielen / einer Wasser-Jagt im Tiger-Fluß und dergleichen Lustbarkeiten / beywohnete. Rhemetalces zog nach Endigung solches Freuden-Festes mit seiner Gemahlin Clotildis in Thracien; Und Germanicus nebenst Agrippinen zu Anfang des neuen Jahrs in Aegypten / die der Orten befindlichen vielen Alterthümer in Augenschein zu nehmen. Ehe er von dar wiederkam / musten zwey Könige durch einen blutigen Todt büssen / daß der eine zu viel böses / der andere zu wenig gutes gethan. Durch jenen verstehe ich den Rhascuporis / des Rhemetalces Vater / welcher durch des Pomponius Flaccus List nach Rom gebracht / von des Cotys Witwe Antiope verklagt und vom Käyser verurtheilt war / in Aegypten zu Alexandria in einem freyen Gewahrsam seine Lebens-Zeit zu beschliessen. Jedoch trieb er es nicht lange / sondern ward unter dem Vorwand / als hätte er heimlich ausreissen wollen / von denen zu seiner Bewachung bestellten Soldaten erstochen. Der andere ist Vonones / so ehemahls Parthischer und hernach Armenischer König /endlich aber ein Possenspiel der Römer und ein Beyspiel der Unbeständigkeit des Glücks geworden. Diesen brachte man auf Befehl des Germanicus / dem Artabanus zu Gefallen / aus Syrien in die Cilicische Seestadt Pompejopolis. Als er nun im vorigen Sommer auf die Jagt mit seiner Römischen Leibwacht ausritte / blendete er / (wie das Geschrey geht /) den Hauptmann Remmius Evocatus mit etlichen Geschencken /daß er dieses grosse Wildpret entwischen ließ. Allein der gute Vonones trat kaum den allzu fernen Weg durch Armenien und Albanien zu seinem Blutsfreund / dem Scythischen König / an / als er schon das Ziel seiner Reise und Lebens vor sich sahe. Deñ er ward noch in Cilicien beym Fluß Pyramus von dem Vibius Fronto gefangen genommen / und / damit er nicht die rechte Beschaffenheit von seiner Flucht entdecken möchte / stieß ihm Remmius Evocatus / der ihn zum Schein auf allen Strassen verfolgt hatte / mit einem angemaßten Zorn den Degen durch den Leib / so bald er ihn antraff. Solchergestalt sind beydes Rhemetalces und Artaxias dererjenigen loßworden / von denen einiger Anspruch auf die Thracische und Armenische Cron zu befahren war. Bald nach diesem schiffte Germanicus wieder aus Aegypten in Syrien zurück. Nun war daselbst zeit seiner Abwesenheit alles / war er in Ordnung vormahls gebracht / durch den boßhafften Landpfleger Cnäus Piso gantz verändert / und einer Mathematischen finstern Kammer ähnlich worden /worinnen alles umgekehrt aussiehet. Uber solchen Frevel erzürnte er sich hefftig sehr; jedoch / weil diese Gemüths-Regung ihn umbs Leben zu bringen nicht vermochte / nahm Piso seine Zuflucht zu der beschriebenen Zauberin Martina und bekam von ihr ein langsam tödtendes Gifft / welches er dem theuern Helden über der Tafel durch dessen bestochenen Mundschencken beyzubringen wuste. Er zog hiernächst nach Seleucia und wolte von dar aus / die Würckung seines Bubenstücks abwarten. Solche äusserte sich auch gar bald; Indem der Feldherr alle Farbe und Fleisch verlohr / hingegen mit reissen in allen Gliedern geplagt ward. Man fand auch unter den Thürschwellen und in den Ritzen der Wände in seinem Palast unterschiedene Stücken Menschen-Fleisch / Zauber-Reime / bleyerne Täfelein / worauf der Nahme Germanicus geschrieben stund / und dergleichen. Weil nun des Piso Todtfeindschafft ihm stets vor Augen schwebte / kunte er niemand anders / als eben denselben wegen seiner höchstschmertzlichen Kranckheit in Verdacht ziehn. Er ließ ihm demnach /nach uralten Gebrauch / alle Freundschafft aufkündigen / und befehlen / Syrien [1634] zu räumen / vermahnte die Agrippina zur Gedult / alle Umbstehenden aber zur Rache / und erfuhr endlich im vier und dreißigsten Jahr seines Lebens / daß der Todt einem Schatten ähnlich gewesen und vor ihm geflohen / wenn sein unerschrockener Muth in so viel Schlachten unter denen Spießen und Schwerdtern der Feinde ihn gesucht / hingegen ihm nachgeeilet wäre / da er sich demselben gern entziehn wollen. Er ward zu Antiochia ohne Bildnüsse seiner Ahnen oder andere gewöhnliche Pracht verbrant. Doch war ihm das Ehre gnug / daß der grosse Parthische König und alle Morgenländer umb seinet willen die Trauer anlegten / und jederman gestehn muste / daß er dem grossen Alexander im blühenden Alter / hohen Ankunfft / ansehnlichen Leibes-Gestalt / Tapfferkeit / Siegen und Todtes-Art gleich / in Leutseligkeit gegentheils / Keuschheit und Mäßigkeit weit vorzuziehn sey. Weil das in Agrippinens Hertzen lodernde Feuer der Liebe und Rache sie gleichsam keine Kälte fühlen lassen / hat sie mitten im Winter das Aschen-Gefäß nach Rom geführt und vor wenig Wochen in des Augustus Begräbnüß beygesetzt. Der neidische Tiberius ist bey iederman in Verdacht / daß Piso alles auf seinen Befehl gethan; jedoch ist kein Zweiffel / jener wird diesen von dem wolverdienten Todt / dessen der Römische Rath und Volck ihn schuldig erkennen / nicht erretten / alldieweil solche Wüteriche die Verrätherey zwar lieben / den Verräther aber hassen / durch anderer Bestraffung den Ruhm eines unsträfflichen Wandels zu erhalten sich bemühen / und also der Welt eine blaue Dunst machen / ob sie gleich vor denen allsehenden Augen des Himmels und ihrem eigenen Gewissen ihre Mißhandlungen ni ermehr verbergen können.

So hat doch gleichwohl Apollo zu Colophon wahr geredet / (sagte Erato /) ob schon die weisse Thußnelda ihn unlängst vor eine Larve des lügenhafften Höllen-Geists hielt? Sie ärgere sich nicht / wehrteste Erato / (antwortete Thußnelda) daß ich in dieser Meinung beharre. Zukünfftige Dinge wissen ist zwar eigentlich ein göttlich Werck. Nichts desto weniger kan der arglistige Ertzbetrüger mit leichter Mühe zuvor verkündigen / was er durch seine Werckzeuge /darunter der verruchte Piso gehört / zu verrichten gesonnen ist. Gesetzt / Germanicus habe seine Gedancken weder münd- noch schrifftlich eröffnet / so war es doch vermuthlich / daß er nichts höher verlange zu erfahren / als was seine Reise in die Morgenländer vor einen Ausgang gewinnen würde / bey derer Antritt er / und noch mehr Agrippina / sich so besorgt erwiesen hatten. Warumb solte nun der so genante Apollo nicht gedacht haben: Entweder wird er / ungeachtet aller meiner Anschläge wider ihn / den Feldzug glücklich beschliessen / den ziemlich alten Tiberius überleben / und solcher gestalt dem August im Siegen und im Käyserthum ähnlich werden; Oder / wo er / wie ich hoffe / durch den Piso das Leben verliert / so ist er dennoch dem August zum wenigsten in diesem Stücke gleich. Was mochte demnach den Wahrsager-Götzen hindern / den von Agrippinen uns erzehleten Ausspruch abzufassen und seinem Priester einzugeben? Sonst aber ist er ja wohl mehr / als einmahl so schlecht bestanden / daß er nicht die geringste Antwort / will nicht sagen auf Gedancken / sondern auf deutliche Fragen / aufzubringen gewust. Als der berühmte Calchas bey einer trächtigen Sau vorbey gienge / wolte einer von ihm wissen / weñ und wie viel Ferckel sie werffen / auch von was Farbe diese seyn würden? Allein jener muste durch das Stillschweigen seine Unwissenheit verrathen. Der itzt lebende Aegyptier Apion begehrete einsmahls einen Götter-Ausspruch / an welchem Ort Homerus gebohren wäre? Er muste aber ohne Nachricht wieder abziehn. Und ich erinnere mich gar wohl / wessen ein gelehrter Mann auf meiner Rückreise aus Armenien mich glaubwürdig versichert hat / mit [1635] diesen Worten: der Delphische Apollo / wenn er aus den Gestirnen keine Antwort zusammen buchstabiren kan / pflegt er die Fragenden zu bitten / ihn mit dieser oder jener Sache zu verschonen / sonst wo sie ihn nöthigten / Bescheid zu geben / wolte er / ihnen zur Straffe / lauter Lügen vorbringen.

Erato gab sich hiermit zufrieden und Herrmann verlangte von dem Tiribaces / er möchte das Beylager des Flavius abwarten / nach welchem er seine Abschieds-Verhör erhalten solte. Unterdessen kam der dritte April herbey / auff welchem der Land-Tag der Cheruskischen Stände außgeschrieben war. Dieweil nun diese wider Herrmannen unter dem Vorwand auffgestanden waren / als könten sie nicht leiden / daß er aus ihrem Hertzogthum ein Königreich machte /vermeinten sie ihren Fehler zu verbessern / indem sie eine köstliche Cron verfertigen liessen / und ihm anitzt dieselbe übergaben / nebenst unterthänigster Bitte / sich hinfort nicht mehr Cherußkischen Hertzog / sondern König zu schreiben. Sie wusten aber nicht /ob sie ihren Augen und Ohren trauen solten / als der Deutsche Feld-Herr das Geschenck zwar annahm und einen Augenblick auffs Haupt setzte / doch alßbald dem neben ihm stehenden Flavius überreichte und sie also anredete: Edle Cherußker! Ich habe bißher in meiner höchsten Unschuld die unbillige Nachrede erlitten / als ob ich eure wohlhergebrachte Freyheit zu kräncken / und euch wohl gar zu Leibeigenen zu machen trachtete. Wäre es nun bey blosser Nachrede geblieben / so müste ich endlich solches so wenig / als das Summen einer unverschämten Fliege achten / dessen sich weder Tiberius / noch Artabanus / (die grössesten Welt-Monarchen /) entbrechen können. Allein wer weiß nicht / was dieser verdammte Argwohn vor ein würcklich Unheil gestiftet? wie er mich ins Gefängnüß und die theuren Grafen Nassau / Stirum /Teckelnburg und so viel tausend andere tapffere Helden umbs Leben gebracht? Segimers und seines gleichen anietzo zu geschweigen. Dergleichen Ubel ins künfftige zu verhüten / will ich hiermit meine Herrschafft über euch niederlegen und gerne mit der Botmäßigkeit über die Marckmänner / Semnoner / Langobarden und Marfinger / so noch nicht das geringste Mißfallen über meiner Regierung bezeuget haben /vergnügt seyn; nur / damit meine Neider sich nicht beschweren dürffen / daß sie bey meinem Wachsthum / wie die übelriechenden Zwibeln bey zunehmenden Mond / abnehmen müssen. Dencket nicht / als ob ich wegen des zwischen uns vorgegangenen einen unversöhnlichen Haß auff euch alle geworffen / und willens sey / mich gleich dem Scipio Africanus zu rächen /der von der Stadt Rom einen so unerträglichen Undanck vor seine Wolthaten einnehmen muste / daß er sich aus Verdruß auff sein Linternisches Land-Guth begab und befahl / wenn er gestorben wäre / ihn daselbst zu begraben / diese Schrifft aber über seine Grufft zu stellen: Undanckbahres Vaterland! du solst nicht einmahl meine Gebeine haben. Nein! Wehrteste Cherußker! Ich weiß / daß ihr nicht alle schuld seyd; Ich wil auch nicht die Schuldigen nennen / sondern sie ihrem eigenen Gewissen zur Straffe übergeben / und allein durch Verschenckung einer Cron erweisen / daß ich weniger Sehnsucht nach dergleichen Beschwerung trage / als man sich bißher eingebildet hat. Gewiß derjenige / der nimmermehr mit Reichs-Aepffeln ersättiget werden kan / ist (meines Erachtens) viel unseliger / als Tantalus. Wer hingegen seine Hersch-Sucht nach dem Befehl der gesunden Vernunfft beherschet / ist grösser / als wenn er die gantze Welt unter seiner Gewalt hätte. Sonsten dient mir der grosse Marcomir zum Exempel / als welcher nicht mehr Deutscher Feld-Herr zu seyn begehrte / sobald ihn dünckte / daß sein Reichs-Apffel von der[1636] Eris mit dem ihrigen außgetauschet worden; weßwegen er denn solchen seinem Bruder Ingram willigst überließ. Gleichergestalt finde ich auch niemand zu meinem Nachfolger im Cherußkischen Hertzogthum fähig / als meinen Bruder / einen Held / dessen Verstand und Tugend ungemein und tüchtig sind / euch die Hoffnung zu machen / ihr werdet das Gute / so vielleicht an mir seyn mag / bey ihm nicht vermissen /und gegentheils das / was ihr an mir getadelt / in besserer Vollkommenheit antreffen. Sein Geblüt und mein Wille macht ihn zu euren rechtmäßigen Ober-Herrn. Ich bin mich ihm selbst schuldig / nachdem ich ihm die Erlösung meiner Gemahlin und ältesten Sohns zu dancken habe. Er ist zwar durch Adgandestern und Luitbranden verleitet worden / der Römer Seite eine Zeitlang zu halten. Allein es giebt wenig Deutsche Fürsten / bey denen die Liebe so tieff in ihr Vaterland eingewurtzelt gewesen / daß diese beyde Sturm-Winde sie nicht außzureissen vermocht. Die Ruhm-würdigen Thaten / die Flavius vor und nach seinem Versehen / oder (wenn es ja so heissen soll) Verbrechen begangen hat / nehmen dieses gleichsam in die Mitten / daß man es weder von dieser / noch jener Seiten erblicken kan. Und ein solcher nun völlig verschwundener Flecken darff ihm so wenig zur Schmach gereichen / als der Sonne die ihrigen / weil doch er und sie durch gütigen Einfluß solche nicht stets-währende Mängel völlig ersetzen werden. Drumb so lebt wohl / liebste Cherußker / unter diesem eurem Hertzog / und (wenn es euch so gefället /) neuem Könige! Der Himmel segne alle dessen weise Anschläge / ihm zum ewigen Ruhm / euch zur Ruh und Frieden. Wegere ich mich gleich / als König /euch fernerweit zu befehlen / so bin ich doch bereit /als Feld-Herr / mit Rath und That euch iederzeit zu dienen / so / daß ihr bey dem Flavius etwas gewinnt /das ihr noch nicht gehabt / und bey mir nichts verliehren solt / das bißanher zu eurem Nutzen gereichet ist.

Herrmann wolte hierauff davon gehn. Allein etliche hundert Cherußker verraten ihm den Weg und baten in der grösten Unordnung / mit wüste unter einander gehendem Geschrey / ja zum Theil mit Thränen / solchen Vorsatz zu ändern und sie dessen nicht entgelten zu lassen / was sie nicht alle verdienet hätten. Sie versprachen auffs künfftige unbrüchliche Treu und solchen Gehorsam / dergleichen er von allen seinen neuern Unterthanen nimmermehr erhalten würde. Sie hielten ihm vor / daß kein erstgebohrner Edelmann sein Stamm-Hauß dem jüngern Bruder gerne überliesse; wie viel weniger ein Fürst seine Erb-Lande? Flavius selbst faßte den Feld-Herrn bey der Hand / und betheuerte höchlich / daß er sich niemanden zum Beherrscher auffzudringen verlange. Ungeachtet nun diese Versamlung dem tobenden Meer nicht unähnlich war / so erwieß sich doch auch Herrmann als ein Felß / der durch das Geräusch der umb ihn brausenden Wellen sich im geringsten nicht bewegen läßt. Endlich als die Unruh kein Ende nehmen wolte / sagte er mit heller Stimme: Tretet hervor / die ihr etwas an dem Flavius findet / das ihn / euer König zu seyn /unwürdig machet! Weil sich aber dessen niemand erkühnete / nahm er die Cron / satzte sie seinem halb-unwilligen Bruder auff / und rieff überlaut aus: Es lebe der Cheruskische König / Flavius! Die Grafen und Ritter / so Herrmann in würcklichen Diensten behielt / wiederhohleten solches Geschrey. Denen folgeten die / so sich nicht gantz rein von der neulichen Verrätherey wusten / oder bey dem neuen König einzuliebeln gedachten; und also musten die übrigen ihr Unvergnügen unterdrücken. Herrmann sprach das gantze Königreich abermahls von der Pflicht loß /womit es ihm bißher verbunden gewesen / und nöthigte die sä tlichen Stände einen andern Eyd alsbald zu leisten / daß sie nemlich dem Flavius / als ihrem Erbherrn / forthin treu / hold und gewärtig seyn wolten. Der neue König beschwuhr die [1637] uralten Land-Gesetze und verhieß / mit solchem unermüdeten Fleiß vor die gemeine Wohlfarth aller seiner getreuen Unterthanen zu sorgen / daß sie verhoffentlich des getroffenen Wechsels nicht gereuen solte / ungeachtet er sich dessen wohl bescheidete / daß er seinem unvergleichlichen Bruder zwar nachahmen / nimmermehr aber gleich werden könte.

Es wurde auch die Thußnelden zugedachte Cron durch etliche Abgeordneten des Landes der Erato in ihr Zimmer überbracht; die sä tlichen Stände aber zu einem grossen Gastgebot auff den Abend eingeladen /wobey der Feld-Herr mit seinen gewesenen Unterthanen / denen Cherußkern / sich letzete.

Vier Tage hernach kam Malovend wieder und berichtete / daß / da er und sein alter Mitbuhler Jubil mit der Fürstin Catta in Mattium eingezogen / jederman mit Schmertzen erwartet habe / was die Ursache ihrer so vertraulichen Einigkeit wäre. Nachdem aber Arpus den gantzen Verlauff vernommen / hätte er die ehemahlige Verlobung des Hermundurischen Königs und seiner Tochter alsbald bestätigt / und eingewilligt /daß das Beylager mit des Flavius seinem zugleich den Fortgang gewinne; er würde / nebenst gantzem hochfürstlichem Hause / auff den zehenden dieses unfehlbar zu Teutschburg sich einfinden und seinen Danck vor die unverdiente Gastfreyheit des Feld-Herrn persönlich abstatten. Dieses geschahe auch / indem umb bestimmte Zeit der Cattische Hertzog Arpus / und dessen Gemahlin Erdmuth / dero Sohn Catumer /Schwieger-Tochter Adelmunde / Schwieger-Sohn Jubil / und Tochter Catta sich einstelleten. Den eilfften kam der Sicambrische Hertzog Melo an / in Begleitung seiner Schwieger-Tochter Leitholde / beyden Söhne Franck und Dietrich / wie nicht weniger seines Bruders Beroris. So blieben auch die andern erbetenen hochfürstlichen Gäste nicht aus / nemlich der Chaucische Hertzog Ganasch und seine Gemahlin Theudelinde / ingleichen der Chassuarische und Dulgibinische Fürst Sesitach / wovon der letztere den zwölfften / jene den dreyzehenden anlangeten. Der ältere Dietrich / Batavischer Oberstadthalter / der Frisische Hertzog Malorich / Alemañische Ariovist uñ Schwäbische König Vañius liessen sich durch etliche Gesandten wegen zugestossener Unpäßlichkeit entschuldigen. Melo / Arpus und Ganasch samt ihrer Gesellschafft wurden durch den Flavius unter einem starcken Gefolge von vielen Grafen und Rittern mit grosser Pracht eingeholet / von Herrmannen / Thußnelden / Erato / Ingviomer / Adelgund / Rhamis und Siegmund auf das freundlichste bewillkommet und täglich mit so wohlgefälligen Gesprächen unterhalten / daß sie sich eußerst würden gewegert haben / wenn Aeneas / Tullus / Ancus und ihre übrige von denen Römern selig gepriesene Gesellschafft / die lieblichen /aber zu einem steten Stillschweigen verda ten Elysischen Felder vor das lustige Teutschburg ihnen zum Tausch angeboten hätten. Vornehmlich ward Siegmund unvergleichlich froh / als Sesitach in Gegenwart so vieler hoher Häupter sich erbote / ihm die Chassuarier abzutreten und mit der Herrschafft über die Dulgibiner zufrieden zu seyn. Den vierzehenden meldete sich ein zwar ungebetener / aber höchstwillkommener Gast an. Das war Asblaste / des Feldherrns und des Flavius leibliche Mutter. Der Ritter / der ihr in das Cimbrische Heiligthum die Freuden-Post von ihrer Söhne Wohlergehen hatte bringen sollen / verfehlte zwar ihrer. Allein / nachdem sie aus erleuchteten Geist das / wozu der funfzehnde April bestimmt wäre / längst zuvor gewust / als kame sie in ihrer Alironischen Tracht an / umb ihren Segen denen drey verlobten Paaren zu ertheilen; welcher denn keinem angenehmer war / als dem Flavius / dieweil dieser bißher einen stetsnagenden Wurm im Gewissen gehabt / seit daß ihn seine Mutter [1638] bey der Emse mit solcher Strenge angegriffen hatte. Nunmehr aber vergnügte es ihn destomehr / als sie ihn recht hertzlich in ihre Armen schloß / zum Zeichen / daß sie mit seiner Busse und Besserung völlig zu frieden wäre.

Endlich brach der zur Vermählung angesetzte Tag an; dannenhero sich die gantze durchlauchtige Gesellschafft mit dem allerfrühesten in einen nahe bey der Stadt gelegenen verschlossenen düstern Wald erhub /den man zu dergleichen Verrichtungen gebrauchte /nachdem der abgebrante Tanfanische Tempel noch in Asch und Staube lag. Als nun so viel hochfürstliche und unzählig gräflich- und adeliche Personen etwan zwantzig Schritt zwischen denen Bäumen gegen morgen zu hingegangen waren / stiessen sie auf eine hohe mit Lorbern und Myrthen-Reisern umbwundene Ehren-Pforte. Durch diese gelangte man auf einen weiten runden Platz / dessen Wände aus lauter dicht neben einander aufgewachsenen Eichen bestund. Mitten darinnen erblickte man eine sehr dicke / mit starcken schattischen Aesten. Umb diese machten drey Rasen-Altäre ein vollko enes Dreyeck / nach der Zahl der verlobten königlich- und fürstlichen Paare; gleichwie auch in eben solcher Stellung gleich so viel in einander gezogene doppelte Nahmen an dem eussersten Umbkräyß dieses Orts sich sehn liessen. Jeglicher war sechs Ellen hoch und breit / aus dünnen /doch starcken Drat verfertiget / an welchem mehr als tausend kleine gläserne und mit Zimmet-Oel angefüllte Lampen gantz nahe neben einander hiengen. Also /daß man in denen unzähligen Flammen gegen Ost das F. und E. gegen Sudwest das J. und C. gegen Nordwest aber das F. und L. gar deutlich erblicken konte. Gegen Suden stunden die drey Gratien / Thalia /Aglaia und Euphrosyne / in Lebens-Grösse / fast gantz nackend und umbarmeten sich unter einander. Das Gestelle / auf welches man alle drey zugleich aufgerichtet hatte / erklärete das Absehen auf die drey Bräute in dieser Unterschrifft:


Wundert ihr euch /

daß die drey noch nie getrennten Holdinnen

sich so eifrig umbfangen?

Sie letzen sich vor ihrem Abschied;

Weil Flavius / Jubil und Franck

sie anietzt trennen und unter sich theilen sollen.


An der Nordseite sahe man die drey Hesperischen Nymphen / Aegle / Arethusa und Hesperethusa / unter der Gestalt der Erato / Catta und Leitholde; Derer jede einen güldenen Apffel in der rechten Hand trug. Auf ihrem Fußbodem fiel jedermann nachfolgende Schrifft durch seine grossen vergüldeten Buchstaben trefflich ins Gesicht:


Rühme dich nicht / erdichteter Hercules /

daß du die Hesperischen Aepffel erobert.

Sie werden noch alle drey

vor gleich so viel Helden gesparet /

die vorlängst durch ihre Thaten

deine Fabel zur Warheit gemacht haben.


[1639] In Westen über der obgedachten Ehren-Pforte sasse die Tugend auf einem Thron / hatte unter denen Füssen einen Blitz / Meergabel und schwartzen eisernen Scepter liegen / und zoge aus einem Topff / den das Glück hielte / drey Zettel hervor / auf welchen die Nahmen Erato / Catta / Leitholde verzeichnet waren; Zur rechten Hand stund die Liebe / welche mit ihrer brennenden und überaus wohlriechenden Fackel hinüber leuchtete / daß man die Schrifft (die sonst durch den Schatten des düstern Hayns in etwas verdunckelt ward /) füglich lesen konte. An denen drey Stuffen des Throns aber erblickte man neun Zeilen:


Des Jupiters / Neptuns und Plutons berühmtes Looß

lässet der Theilung des Flavius / Jubils und Francks

den Vorzug des Glücks.

Dort kunte nur einer den Himmel erlangen.

die andern beyde musten

mit dem wilden Meer und der düstern Hölle

vorlieb nehmen:

Hier aber bekömmt jedweder

einen Himmel auf Erden.


Gegen Süd-Ost und Nord-Ost stunden zwey grosse Pfannen mit glüenden Kohlen / in welche Ambra /Weyrauch / Agtstein / Wacholderbeern / Zimmetrinde und allerley herrliche Oele und gebrante Wasser /eines umb das andere unauffhörlich geschüttet wurden.

In diesem geweyheten Wald vor obbeschriebenen drey Rasen-Altären trauete der alte Libys den Flavius mit der Erato / den Jubil mit der Catta / und den Franck mit Leitholden. Drey weisse Pferde / unterschiedene Tauben und Sperlinge wurden geschlachtet und verbrant / indessen die Barden annehmliche Lob-Gesänge erschallen liessen. Ein jeder Bräutigam gab seiner Braut ein Joch weisser Ochsen und ein vortrefflich Reit-Pferd / benebst Lantze / Schild und Schwerd. Hingegen verehrten diese jenen drey vollständige Rüstungen. Kurtz zu sagen: alle die bey Herrmañs und Thusneldens Vermählung beschriebene Gebräuche wurden hier wiederhohlet / und nachdem unter solchen über zwey Stunden verflossen waren /verfügte man sich wieder nach Teutschburg. Daselbst ward der Tag bey einem unvergleichlich-kostbahren Gastmahl hingebracht / in welchem nicht allein Nord und West einen vollständigen Auszug aller ihrer Güter auf die Tafel lieferten / sondern auch Ost und Sud mit ihren Reichthümern den Mangel derer kältern Länder überflüßig ersetzten. Die sonst leicht-vergnüglichen Deutschen erwiesen anietzt / daß sie beydes der Kargheit und der Uppigkeit feind wären / und so wohl Sparsamkeit als Freygebigkeit zu rechter Zeit anzuwenden wüsten. Es verzog sich das Gesundheit-Trincken / unter denen Gesängen derer Barden und allerhand lustigen Gesprächen / biß gegen Abend / an welchem ein artiger Tantz zwo Stunden lang angestellet wurde. Hierauf speiste man nochmahls und brachte endlich die Neugetraueten in ihre Schlaffgemächer /allwo sie die so lange vorenthaltene Liebes-Schuld mit Wucher einfordern mochten. Der folgende Vormittag verlieff unter denen gewöhnlichen Opffern und Einsegnung der neuen Eheleute.

[1640] Der siebenzehende April war zu einer Wirthschafft bestimmt / an welcher fünffhundert königlich- fürstlich- gräflich- und adeliche Personen alle Stände und Lebens-Arten in der Welt vorstellten / wie das den vergangenen Nachmittag geworffene Looß einen jeden hierzu veranlassete. Zu dem Ende hatte Herrmañ dem Barden Lebrecht anbefohlen / alle zum Auffzug nothwendigen Kleider etliche Tage zuvor herbey zu schaffen und in guter Bereitschafft zu halten. Jedweder Gesellschaffter muste einige Reime mitbringen / darinnen er seinen falschen Stand auf seinen wahren Zustand deutete. Welcher massen / zum Exempel / König Jubil einen Fischer / mit der Kleidung / dem Netze und Angelruthe / vorbildete / auch deßwegen sich also vernehmen ließ:


Wohlan! es sey also! ich will ein Fischer seyn:

Die Liebes-G \ttin selbst k \mmt in mein Netz hinein /

Die sich der Catta Leib zum Auffenthalt erlesen /

Sonst aber ist ein Fisch im Riesen-Krieg gewesen.


Hingegen ward Catta eine Alironie / hatte ihre Kleider mit einem ertztenen Gürtel aufgeschürtzet / zu Feld geschlagene Haare / blosse Arme und Füsse. Sie nahm daher eine wahrsagende Geberde an sich / und thate ihrem Amte mit folgenden Ausspruch eine Gnüge:


Die Liebe machet mich zur Alironie /

Jubil! dir kund zu thun / es werde Catta eh' /

Als ihre Gunst zu dir / in Asche sich verkehren:

Ihr Holtzstoß soll sich einst Liebes-Glut verzehren.


Flavius bekam den Titel eines Königs / und dadurch Gelegenheit also zu reimen:

Du / blindes Glůck! machst mich zum K \nig;

Doch hilfft mich deine Wohlthat wenig:

Ni sie nur wiederumb zurůck.

Mein Herrmann ist mein rechtes Glůck.

Dem will ich stets zu Dienste leben;

Er kan das Wesen selbst / du nur den Schatten geben.


Erato solte zwar / laut des von ihr erhobenen Zettels / eine Jungfrau abgeben / die sich mit einem ewig-währenden Gelübde der Hertha verbindet / nimmermehr zu heyrathen; weßwegen sie ihre Haare in Knoten gebunden und mit einem Fichten-Crantz bedeckt / sonst aber einen langen weißröthlichen Rock mit vielen güldenen Streiffen / wie auch weisse Holtzschuhe / angezogen hatte. Jedoch nöthigte sie ihr allbereit vollzogenes Eheverbündnüß zu sagen:


Kömmt auch das Looß zu spät? Wie? macht nicht Flavius

Daß Hertha nun bey mir der Freya weichen muß?

Zur steten Jungfrauschafft kan man mich nicht weyh'n:

Doch geh' ich das Gelübd der steten Keuschheit ein.


Franck führte den Nahmen eines Herolds / einen Crantz von Oelzweigen auf dem Haupt / eine Schlangen-Ruthe in der rechten Hand und diese Worte gegen seine Leitholde im Munde:


Erschrick nicht / ob ich mich gleich einen Herold nenne!

Ich bringe Frieden mit. Doch / wenn ein Liebes Streit

Dir / Werth'ste / mehr gefållt / so bin ich auch bereit

Zu sehn / wer unter uns am besten lieben k \nne.


Es muste sich eben fügen / daß Leitholde zur Amazonin durch das Looß erkläret ward. Dannenhero sie den Liebes-Krieg annahm / welcher darinnen von dem Martialischen unterschieden ist / daß dieser nur denen Unerfahrnen / jener aber denen Erfahrnen süsse vorkö t. Sie zoge mit Helm / Schwerdt / Pfeil und Bogen gewaffnet auf. Doch kunte ihr weisser Flor nicht allerdings verdecken / daß sie mehr als eine Brust hätte. Weil man nun nicht allein der Pfeile und Bogen / sondern auch grosser Steinschleudern zum Kriegs-Geschütz sich damahls gebrauchte / redete sie ihren Gemahl also an:


Solt' ich die eine Brust zum Pfeil-Gebrauch verbrennen?

Nein! sicherlich! sie ist das Zeughauß keuscher Lust.

Der Liebe grob Geschůtz bestehet in der Brust;

Der holden Augen-Strahl ist nur ihr Pfeil zu nennen.


Hieraus wird in etwas zu ersehen seyn / auf was massen die gantze Gesellschafft Nahmen und Kleidung verändert habe. Sie zogen allerseits etliche mahl / nach dieser durchs Glückgemachten Ordnung / im Schloß-Platz herumb / da denn der Graff von Solms /der sich ehemahls Catumern zum besten wolte enthaupten lassen / die Ehre genosse / als Feld-Herr [1641] den gantzen Hauffen der Herren zu führen. Das Looß hatte ihm eine Gräfin von Schwartzburg zur Gemah lin angewiesen. Und es kam noch vor Abends dahin /daß aus Schertz Ernst / und er / durch Vermittelung seines Herrns / mit diesem wunderschönen und reichen Fräulein verlobet wurde. Sie wuste sich im übrigen so vernünfftig und bescheiden zu erzeigen / daß jederman ihr das Glück gönnete / den Tag über das Oberhaupt des sä tlichen Frauenzimmers zu seyn. Eine herrliche Gasterey muste endlich diesen überaus artigen Auffzug beschliessen.

Hatte nun das Looß bey der Wirthschafft nichts /als eine blosse Lust verursachet; so verknüpffte es nächst-kommenden Tages den annehmlichen Zeit-Vertreib mit einigem Nutzen. Indem der Feld-Herr Herrmann mit der gantzen gestrigen Gesellschafft auff ein Lust-Hauß ausser der Stadt hinaus ritte / und einen Glücks-Topff mit sechs tausend Looß-Höltzern ihnen auszugreiffen übergabe. Hierunter waren zweyhundert und funffzig Ringe und Kleinode allerley Art / und mehrentheils von fast unschätzbarẽ Werth; viel güldne Ketten / silberne Trinck-Geschirre und mit Gold eingefaßte Büffels-Hörner; fünffhundert Ritter-Pferde mit aller Zubehör; eben so viel Rüstungen; dreyhundert Köcher / Pfeil und Bogen funffzig; Jagt-Hunde. Die übrigen Preise bestunden in raren Büchern / Mathematischen und Musicalischen Instrumenten / Tapezereyen / stählernen und andern Spiegeln / allerley aus Elffenbein gedrechselten Kunst- Stücken / Gemählden und dergleichen Dingen / so Herrmann mehrentheils aus des Quintilius Varus Lager / und Marbods Schatz beko en hatte / also /daß nicht mehr als zwey tausend Höltzer weiß / die andern alle mit einer gewissen Zahl bemercket waren.

Die Rüstungen und Pferde kunten die Gewinner folgende drey Tage gebrauchen / massen am ersten ein ritterliches Treffen zu Pferde / am andern ein Fußthurnier / am letztern aber ein Kopff- und Ringrennen gehalten ward. Den zwey und zwantzigsten April stellete Flavius / Thusnelden zu Ehren / eine neue Art von einem Tantz an. Denn weil sie in ihrem angebohrnen Chassuarischen Wapen eine Schach-Taffel führte /war der viereckichte Schau-Platz in vier und sechtzig gleiche / halb schwartze / halb weisse Felder abgetheilet / wovon jedes eine Elle in der Läng und Breite austrug.

Die spielenden Personen hatten sich gleichfals theils schwartz / theils weiß gekleidet. Man erkante die Könige und Königinnen an ihren Cronen und kurtzen Purpur-Mänteln / die Läuffer an dem auffgeschürtzten Rock / Stab in der Hand und Brieff-Bündel unter dem Arm / die Springer an ihren blossen Degen und aus Pferde-Köpffen gemachten Helmen /die Rochen an ihren Schilden mit gethürmten Elephanten / die Bauern an wilder Thiere Häuten / die ihnen über den Rücken hiengen / und grossen Prügeln / so sie in der rechten Hand hielten. Sie verrichteten ihre Züge auff diesem grossen Schachbrete so gut / als sie der berühmte Cheruskische Fürst Selenus entworffen hat. Doch waren die drey Abhandlungen von sehr unterschiedenen Außgang; massen in der ersten die weisse Königin den schwartzen König aller seiner Leute beraubete und dennoch nicht zwingen konte /sich zu ergeben; dannenhero der Kampff unverrichteter Sachen auffgehoben ward. In der andern behielt er zwar etliche Bauern und einen Rochen / die aber allenthalben so versetzt waren / daß er sich derselben nicht mehr zu gebrauchen vermochte; weßwegen eine so genannte Tafel / oder Friedens-Bündnüß / dabey sich kein Theil des Sieges rühmen durffte / daraus entstund. In der dritten hingegen machte die weisse Königin nach allem Wundsch ihren Widersacherschachmatt und führte ihn gefangen mit sich hinweg.

[1642] Palamedes / der Erfinder dieser Gemüths-Ergetzung / trate als Vor-Redner auff / und sunge vor dem Anfang des Tantzes ein langes Lob-Lied / dessen Inhalt da hinaus lieff / das Schach-Spiel verdiene unter denen kriegerischen Spielen / und Thusnelde unter denen Heldinnen den Preiß der Vollkommenheit. Hinter iedweder Abhandlung / oder Theil des Schauspiels ward ein Reyhen gehalten. Und zwar der erste von lauter Persen und Arabern: der andere von Griechen und Römern; der dritte von Deutschen und Scythen. Welche denn allerseits auff unterschiedene Art des obgenannten Vor-Redners Ausspruch bekräfftigten /und theils sich den Ruhm der besten Schach-Spieler zuschrieben / theils hoch erhuben / daß Thusnelda sich nicht weniger tapffer gegen den Marbod / Orodes und Varus / als die weisse Königin im Tantz wider den schwartzen König / gehalten hätte / indem Marbod seines Volcks beraubet und unverrichteter Sache die Flucht zu nehmen gezwungen worden / als er sie von Teutschburg zu entführen willens war /Orodes aber eine Friedens-Taffel aufrichten und Varus Feld und Leben verlieren müssen.

Jedoch / damit man desto weniger zweiffeln möchte / daß schon Palamedes / zur Zeit des Trojanischen Krieges / das Schachbret erfunden / ließ Flavius des Tages hernach ein Singe-Spiel von der keuschen Penelope auff den Schau-Platz bringen / in welchem die Mitbuhler ihres abwesenden Ehemanns Ulysses / der den Palamedes umbs Leben gebracht / sich die lange Weile mit dem Schach kürtzten. Sie selbst aber verhielte sich / als ein ungemeines Muster einer getreuen / vernünfftigen und tugendhafften Ehe-Gemahlin / mit welcher Erato / Catta und Leitholde verglichen zu werden sich nicht schämen durfften. Der vier und zwantzigste und folgende zwey Tage offtgedachten Monats wurden auff eine Haupt-Jagt im Hartzwald verwandt. Den sieben und zwantzigsten hingegen sahe man einen Kampff von gefangenen Bären /Schweinen / Lüchsen / wilden Pferden und Auerochsen unter einander auff dem Teutschburgischen Schloß-Platze. Dem folgte eine Wolffs-Jagt / Fuchs-Prellen und Tachs-Hätze. Den neun und zwantzigsten bezauberte das letzte Singe-Spiel von Eroberung des güldenen Vliesses die Ohren und Augen aller Zuhörer und Zuschauer; wobey denn die Vorrednerinnen / dieGedult und Hoffnung / dem tapffern Flavius / Jubil und Franck glückwüntschten / daß sie nunmehr den Zweck ihrer verliebten Sehnsucht erhalten / nachdem sie so lange darauf warten müssen; eben als wie Jason und die Argonauten nach einer langweiligen Schiffahrt das so hoch verlangte Widderfell zum Lohn ihrer Gedult- und Hoffnungs-vollen Tapferkeit davon getragen hätten.

Der letzte Tag des Aprils war auch der letzte dieses bißherigen Beylager-Festes; Massen der Feldherr an selbigen nach Boviasmum aufbrach / da ihm denn die gantze durchlauchtige Gesellschafft zum Abschieds-Mahl auf eine grüne Wiese eine halbe Meile von Teutschburg hinausbegleitete. Hierselbst hatte Flavius / seine Erkentligkeit gegen ihn zu bezeugen / durch mehr als tausend Mann / seit dem vierdten dieses Monats ein sonderbahres Gebäude aufführẽ lassen. Der Grund und Boden lag überaus lustig und zeigte auf einer Seite etwas Wald und Gebürge / auf der andern aber nicht wenig Bäche / Aecker und Dörffer. Der mittelste runde Platz hielt im Durchschnitt sechs und dreyßig / im Umkräyß aber hundert und dreyzehn Ellen ungefehr / und war in zwölff gleiche Theile /durch eben so viel höltzerne Seulen / unterschieden /derer jede eine Elle in der Dicke / und acht in der Höhe hatte / auch mit lauter geschnitzten Palmen-Lorber- und Oelzweigen umbwunden und an eine andere acht Ellen davon aufgerichtete / vermittelst eines Siegsbogens / gefügt wurde. Auf jeglicher sahe man eine Lantze mit einem daran befestigten Helm und Harnisch / [1643] deßgleichen tausenderley Arten von Waffen / davon die obersten Spitzen nicht nur biß in das Mittel derer Schwibbögen zu beyden Seiten reicheten / sondern auch sonst in die Runde herumb sich ausbreiteten und also einen angenehmen Schatten verursachten. Mitten auf denen zwölff Bögen stunden die Brustbilder derer Helden / die aus Cheruskischem Geblüt entsprossen / und vor Herrmanns Zeit zu der höchsten Würde der allgemeinen deutschen Feldherrschafft gelanget waren. Unter einen jeden auf der Erde stellte man zwey kleine dreyeckigte Tische aus Nußbaumholtz und dabey niedrige Rasensitze vor gleich so viel fürstliche Personen. Allermassen Flavius die gantze durchlauchtige Gesellschafft also eintheilete /daß Herrmann und Thußnelda unter dem Hermion /Jubil und Catta unter dem Mars / Melo und Asblaste unter dem Vandal / Arpus und Erdmuth unter den Ulsing / Ganasch und Theudelinde unter dem Alemañ /Ingviomer und Adelgund unter dem Marcomir /Franck und Leitholde unter dem Ingram / Catumer und Adelmunde unter dem Klodomir / Beroris und Rhamis unter dem Roderich / Malovend und Siegmund unter dem Malorich / Sesitach und Dietrich unter dem Aembrich / Flavius endlich mit der Erato unter seinem und Herrmanns Vater / dem Segimer /sich niederzulassen und Taffel zu halten / angewiesen wurden. Sie konten dergestalt von jedermann gesehn werden / und durch alle Bögen in die lustige Gegend hinaus schauen. Sechzehn Ellen hinter jedwedem Eingang deckte man vier und zwantzig dergleichen eintzele Tische in Form zweyer halber einander entgegen stehender Circkel; welche zweyhundert / acht und achtzig Stellen die vornehmsten gräflich- und adelichen Herren / Frauen und Fräulein bekleideten. Das andere Volck muste hier und dar aufwaren / uñ hernach in dem zunächstliegenden Wald vor der Küche die Mahlzeit einnehmen. Diese Art Taffel zu halten traff grossentheils mit denen damahligen deutschen Gebräuchen überein. Die Haupt-Ursache aber des gantzen Baues war eine zwölff Ellen hohe / und wie rother Marmor gemahlte Seule / als der Mittelpunct dieses prächtigen Umbkräyses. Auf derselben stund das gantz vergüldete Bild des Feldherrn Herrmanns in Lebens-Grösse / mit lauter Strahlen umb das Haupt herumb. Dannenhero nicht nur die Bögen in der Mitten unter denen obberührten Brustbildern mit denen zwölff Zeichen des Thierkräyses bemercket waren; sondern an jeglichen Pfeiler hienge auch ein Schild mit einem vom Sonnen-Cörper erborgten Sinnbilde. Gestalt man denn auf dem ersten zwischen denen Triumph-Bögen des Hermions und Mars / eine Nachteule sahe / die vor dem Anblick der Sonnen flohe / nebenst dieser Uberschrifft: Unglücks-Vögeln beschwerlich. Auf dem andern einen Adler / der mit starren Augen an dem grossen Welt-Auge sich ergetzte / mit dem Beywort: Tugedhafften beliebt. Auf dem dritten einen Bach / in welchem sich die Sonne bespiegelte; dabey stund: Aehnlich / nicht gleich. Auf dem vierten den blossen Sonnen-Cörper am heitern Himmel / und die Beyschrifft: Grösser / als es scheint. Das fünffte Sinnbild entwarff den Icarus /wie er der Sonnen und zugleich seinem Fall zu nahe kömmt. Hierbey lase man: Unmöglich näher. Im sechsten liessen sich die untergehende Sonne und der aufgehende Vollmond sehn / benebenst folgendem Denckspruch: Aus deinem Uberfluß. Im siebenden zoge die Sonne einen Nebel aus der Erden in die Höhe; wobey die Obschrifft also lautete: Ohne dich niedrig. Den achten Schild erfüllete eine wässerigte Wolcke / in welche die gegenüber stehende Sonne einen Regenbogen mahlte. Hierzu war geschrieben:Durch [1644] dich bepurpert. Im neunten lag eine güldene Crone auf der grünen Erden / und warff einen sehr hellen Glantz von sich / weil die Sonne / von der Seiten zu / drauf schien; weßwegen jene die Uberschrifft führte: Sonst ohne Strahlen. Das zehende Bild bestund in einem Breñspiegel / welchen die Sonne bestrahlte / also daß er einen Hauffen Holtz anzünden konte. Hierbey funde sich dieser Reim: Durch dich /zünd' ich. Das eilffte Gemählde bildete eine Sonnenblume ab / welche sich nach der Sonnen herumb drehete / mit dem Beywort: Auf deinen Winck. Das allerletzte zwischen des Feldherrn Segimers und Hermions Sieges-Bögen / enthielt in sich ein schneeweisses Pferd mit einer gestickten Decke / dergleichen die Perser der Sonne widmeten; nebenst der Aufschrifft: Der Sonne zu Dienst.

Dieses alles erläuterten zwey güldene Uberschrifften der grossen Ehrenseul mitten im Platz / wovon die erste in der einen Seite des viereckten schwartzen Fußbodens folgender massen abgefaßt war:


Dem grossen Herrmann /

Marckmännischen / Semnonischen / Langobardischen

und Marsingischen König /

wie auch allgemeinen deutschen Feldherrn /

seinem ältern Bruder /

setzet dieses Danckmahl

vor die von ihm empfangene Cron

Flavius / König der Cherusker.


Die andere gieng umb die runde lange Seule herumb / da denn die güldenen Buchstaben auf der rothen Farbe sehr wohl abstachen:


Flieht / lasterhaffte Nachteulen!

Ergetzet euch / tugendhaffte Adler!

Hier steht

eine Sonne

unter menschlicher Gestalt.

Doch bleibt zwischen ihr und dem unvergleichlichen Herrmann

eine grössere Ungleichheit /

als zwischen der Sonnen und ihrem Bild im Wasser.

Die Welt pflegt insgemein

weder der Sonnen / noch Herrmanns Grösse

bey dem ersten Anblick recht zu ermässen:

Allein im Nachdencken befindet man /

daß beyde unzählig mahl grösser sind /

als sie zu seyn scheinen.

Derjenige hat gewiß es hoch gebracht /

der / gleich dem klugen Dädalus /

dem richtigen Lauff dieser vollkommenen Tugend-Sonne

sich nähert.

Denn wer ihr gleich zu gehn sich einbildet /

wird so wenig / als der vermessene Icarus /

seinen Zweck erreichen.

[1645] Wie soll ich aber gnug rühmen /

daß Herrmann sich mehr umb mich ohne mein Verdienst verdient gemacht /

als die leblose Sonne

umb den düstern Mond / dem sie Liecht und Ansehn giebt /

umb einen schlechten Nebel / den sie in höhern Stand bringt /

umb eine trübe Wolcke / die sie mit der Purpur-Farbe

des Regenbogens bemahlt?

An statt der Strahlen wirfft er Scepter von sich

und der Glantz von meiner Cron

ist der Widerschein seiner inbrünstigen Zuneigung.

Die feuerige Liebe /

so die Cherusker nunmehr gegen mich hegen /

rührt von der Sonnen-klaren Gewogenheit her /

die er auf mich schiessen lässet /

und von mir auf sie zurück fällt:

eben als wie ein Brennspiegel /

der von sich selbst nichts entzünden kan /

durch die Sonnen-Glut fähig wird

andere Dinge in Brand zu bringen.

Die Sonnenblume soll sich dannenhero

nach dem grossen Welt-Auge nicht ämsiger umbsehn /

als ich nach dem Augenwinck meines höchsten Wohlthäters /

umb jederzeit seinen Willen

als einen anwidersprechlichen Befehl aufzunehmen.

Ja ich wiedme

das von ihm empfangene

Cheruskische weisse Pferd

nach Persischer Gewohnheit

der Deutschen Sonne zu Dienst

und verpflichte mich /

so lange ich mich desselbigen bediene /

der Freygebigkeit des großmüthigen Herrmanns /

der mich zu dessen Besitzer gemacht /

Stets danckbarlich ingedenck zu verbleiben.


Die durchlauchtige Gesellschafft war beydes mit dieser Erfindung / als auch gantzen Bewirthung des Flavius überaus wohl zu frieden. Nachdem sie nun vier Stunden ungefehr auf das Gastmahl / Gesundheit-Trincken / Glückwüntsche und Versicherungen unveränderlicher Freundschafft verwendet hatte / erfolgte der völlige Auffbruch / da Herrmann und Thußnelde nach Boviasmum / Jubil und Catta nach Calegia / Asblaste und Beroris in ihre Heiligthümer / die andern hochfürstlichen Personen aber in dero Erbländer höchstvergnügt sich erhuben.


ENDE. [1646]

Anmerckungen

Vorrede
[1647] [3]Vorrede.

Dan zweiffelt nicht / es werde das gegenwärtige Leben des grossen Arminius / als des seeligen Herrns von Lohenstein vollkommenstes Meisterstück / bey gelehrter Welt in der sonderbaren Hochachtung jederzeit bleiben / die es lange zuvor nach seinem Verdienst erlangt hat / ehe es noch durch den Druck ans öffentliche Tages-Liecht gekommen ist. Jedennoch dörffte manchem vielleicht beschwerlich seyn / daß die Einführung unterschiedener seltzam-benennter oder ungenennter Personen dieses Werck hier und dar dunckel gemacht / und wäre demnach kein Wunder /wenn selbiger der Lust und Nutzens / so er aus Lesung der deutlichen Oerter dieses sonst so hochverlangten Buches schöpffen könte / lieber entbehren /als zugleich über der Auslegung der verdeckten Geschichte sich den Kopff zerbrechen wolte. Denn die Sinne derer Menschen sind ja so ungleich untereinander / als ihre Gesichter / und suchen viel die gröste Vergnügung in denen unverständlichsten Büchern /umb (zum wenigsten in ihren Gewissen) die Ehre zu haben / daß sie etwas bey dem Liecht ihres guten Verstandes leichtlich sehen können / was andern Leuten lauter Aegyptische Finsterniß ist. Andere aber werden einer so mühsamen Lust ja so bald überdrüßig / als des Schachspiels / welches nicht wenig kluge Köpffe viel ehe unter die schwerste Arbeit / als unter Ergetzungen des Gemüthes / zu rechnen pflegen. Nun lässet man zwar einen jeglichen gar gern bey seiner Meinung / hoffet aber doch / jene werden sich unsere Anmerckungen über den Arminius nicht zuwider seyn lassen / nachdem sie nicht an Rand beygedruckt / sondern an diesen abgelegenen Ort verwiesen worden /und also ihnen nicht hinderlich seyn können / im eigenen Nachsinnen sich zu üben. Diese hingegen werden sonder Zweiffel unser Vorhaben zum vergnüglichen Gebrauch dieses Buchs höchstnöthig befinden. Und obwohl gegenwärtige Schrifft ihre grossen Unvollkommenheiten hat; wird man dennoch vielleicht noch eben so wohl damit zu frieden seyn können / als etwan mit einem unförmlichen Grentzsteine / der einem Reisenden / wo nicht völligen Bericht vom Wege / doch gnugsamen [3] Anlaß giebt / den rechten sonst unbekanten Weg / welchen auch der blinde und leblose Stein nicht sehen und betreten kan / durch eigenen Fleiß zu finden und zu gehen.

Das 1. Capitel
Das I. Capitel.
Von dem dreyfachen Zweck des Arminius.

Man kan niemahls ein sinnreiches Buch mit grösserer Lust und Nutzen lesen / als wenn man desselben Abstehen wol inne hat. Ich zweiffele demnach nicht / es werde vor allẽ Dingen nachzudencken nöthig seyn /was das eigentliche Vorhaben des seligen Herrns von Lohenstein bey Verfertigung gegenwärtigen Werckes gewesen.

Daß es eine Liebes-Geschichte seyn soll / giebt die äußerliche Gestalt leichtlich zu erkennen; und weil in dergleichen Schrifften die Haupt-Person an Tugenden und Helden-Thaten / nicht weniger als treuer Liebe /vollkommen seyn muß / als hat der um unsere uralte Voreltern hochverdiente Arminius mit allem Rechte zum Grund der Lohensteinischen dienen können. Denn wer wolte demselben den Ruhm eines gantz ungemeinen Heldens streitig machen / nachdem die Warheit selbst den klugen Tacitus 1 genöthiget hat /diesem Feldherrn der Teutschen und Ertzfeind der Römer den Preiß eines unüberwindlichen Erhalters seines Vaterlands zu geben. Solten wir das Glück gehabt haben / die Gesänge der alten Barden von ihm zu hören / oder gar seine Thaten zu sehen / würden wir diesen theuren Helden uns weit ansehnlicher in unsern Gedancken abbilden / als insgemein zu geschehen pfleget; indem dasjenige / was Griechen und Römer von ihm melden / ein unvollkommenes und viel ehe nach seinem Todten-Gerippe / als nach dem Leben entworffenes Bild zu nennen ist. Inzwischen muß dennoch der Fleiß des Georg Spalatinus / 2 Ulrichs von Hütten / 3 Johann Heinrich Hagelgansens 4 undConrad Samuel Schurtzfleischens 5 gerühmet werden / so dasselbe zusammen gelesen und in gehöriger Ordnung ausgezeichnet / was Strabo / Florus / Paterculus / Tacitus / Dio und andere / von ihm uns zu wissen gemachet haben. Aus diesen wenigen Nachrichten aber erhellet gleichwohl so viel / daß / daferne auch eine und andere ruhmwürdige Dinge dem Arminius von unsern Lohenstein zugeschrieben worden /von denen man keinen Grund in denen Geschicht-Büchern der Alten findet / dieses weder dem Lohenstein zu verargen / noch dem Arminius mißzugönnen sey: nachdem die bekanten Thaten dieses letztern schon erhärten / er habe / wo nicht eben die in diesem Buch beschriebene / dennoch dergleichen und vielleicht noch grössere Thaten thun können / und sey nur zu beklagen / daß dessen Wissenschafft mit der Zeit /durch den Neid der Römer und die Nachläßigkeit unserer Vorfahren / untergegangen; massen man auch aus einer eintzigen Klaue eines Löwen dessen Grösse / und aus dem bemooßten Mauerwerck die Fürtreffligkeit eines zerstörten Triumphbogens ermässen kan.

Wiewohl nun aber Arminius der Mittelpunct ist /auf welchen alle Linien / so in dem Umkreiß dieses weitläufftigen Buchs befindlich seynd / sich beziehen; so wird man doch allenthalben gar vielerley merckwürdige Dinge eingemischt befinden / so Teutsche und von Teutschen entsprungene Völcker / vor und nach Arminius Zeiten in der Welt verrichtet / also gar / daß es scheinet / die Geschichte vom Arminius sey[4] sey bey nahe nur ein Vorwand / die allgemeine teutsche Geschichte aber der rechte Zweck unsers Lohensteins und habe sich dieser mit der Feder um die zu allerzeit lebende Teutschen ja so hoch / als Arminius mit dem Degen um die nur zu seiner Zeit lebenden verdient machen wollen. Zu dem Ende siehet man in diesem Ehren-Tempel der teutschen Helden nicht nur die vor dem Arminius berühmten 6 Bellovesus /Lingo / Brennus / Bojorich / Catumand / Teutobach / Aembrich / oder auch die / so 7 an des Arminius Begebnissen selbst Theil gehabt / unter welchenIngviomer / Arpus / Flavius / Jubil / Marbod /Gottwald / Melo / Ganasch / die vornehmsten sind; sondern 8 auch alle aus dem allerdurchläuchtigsten Oesterreichischen Hauß entsprossene Römische-Teutsche Käyser; Also daß man unsern Arminius nicht weniger aus seiner Gesellschafft / als aus seinen Thaten vor einen der grösten Helden erkennen muß. Eben diese Begierde / die Ehre seiner Lands-Leute zu befördern / hat unsern Lohenstein vermocht / denen alten ungenanten Verfechtern der teutschen Freyheit /aus denen noch heute zu Tage blühenden Hochfürstl. -Gräflich- Freyherrlich- und Adelichen Häusern Nahmen zu erborgen / ob schon manche unter diesen vor sechshundert / geschweige vor sechzehen-hundert Jahren / die Hoheit und Würde vermuthlich noch nicht gehabt / welche dero preißwürdige Ahnen nach der Zeit auf ihre ietzige Nachkommen mit dem Geblüt fortgepflantzet haben.

Aus eben der Ursache sind die vornehmsten Gaben / womit die Natur und Kunst unser Vaterland begabet / so weitläufftig ausgeführet. Denn weil dasselbe mit seinen unerschöpfflichen Bergwercken / Fisch-und Schiff-reichen Flüssen / gesunden Brunnen /Gehöltze / Jagten / Weinwachs / Schlesischer Leinwad / Agtstein und dergleichen vor andern Landschafften sich berühmt und beliebt macht; als wird iederman unserm Lohenstein recht geben / daß er alle diese zum Ruhm seines Vaterlandes dienende Sachen nicht obenhin berühren wollen. Ja dieses gute Absehen wird gar leichtlich vor dem Richterstuhl der Billigkeit entschuldigen können / daß die Teutschen fast in alle bekante Welt-Händel eingemenget worden / so daß / daferne man diese Helden-Ge schicht vor die Richtschnur der Historischen Warheit halten müste / niemand zweiffeln dürffte / daß dieRömer / insonderheit aber Cäsar / Pompejus / Antonius / Augustus / nicht weniger die Griechen / vornemlich Alexander der Grosse / ingleichen der sieghaffte Hannibal mit seinen Mohren / die Amazonen / Samniter / Lusitanier und fast die gantze Welt nichts wichtiges ohne der Teutschen Rath und Hülffe ausgeführet hätten / und also die Dienste der tapfferen Teutschen gleichsam allenthalben das Postement gewesen wären / auf welchen die berühmtesten Europäer / Asiaten und Africaner ihre Siege gegründet hätten und darauf aus mittelmäßigen Zwärgen zu ungeheuren Riesen erwachsen wären. Um deß willen muß die Urheberin der Amazonen 9 des Teutschen Königes Alemans Tochter seyn: Annibal 10 bekömmt Clotilden aus Gallien zur Ehe / und damit Gelegenheit / die Teutschen zu seinen vornehmsten Hülffs-Völckern und Werckzeugen aller seiner Siege zu machen. Der berühmte Heerführer der Lusitanier Viriath wäre wohl von rechtswegen nichts mehr als eines ehrlichen Spanischen Viehhirtens Sohn. Allein / damit sein wunders-würdiger Heldenmuth und Kriegs-Erfahrenheit denen Teutschen zum Ruhm gereichte / hat unser [5] Lohenstein 11 Wege und Mittel ausgesonnen / ihn vor einen Teutschen und zwar des Celtischen Fürsten Olonichs Sohn / wahrscheinlich auszugeben. Des Arminius Bruder Flavius 12 muß dem König Juba in Numidien mit der Römischen Flotte zu Hülffe ziehen / und derjenige Segimer / 13 der mit einigen Volck dem Crassus wider die Parthen in Asien beygestanden / ein Teutscher Feldherr und der Vater des Arminius seyn; damit Africa und Asia / nicht weniger als Europa / den klugen Rath und tapffere Faust der Teutschen zu bewundern Anlaß bekäme. Ja unser Verfasser hat denen Römern ihr Kunststück wohl abgelernet / 14 da sie nemlich ihrer Widersacher Siege und ihre eigene Niederlagen zu verkleinern oder also zu beschreiben gewust / daß die Uberwundenen mehr Ehre aus der Niederlage / als die Sieger aus ihrem Triumph haben möchten. Deñ eben also ist der Rabe / so dem Marcus Valerius Corvinus 15 den Sieg im Zweykampff zuwege bringt / lauter Zauberey und macht demnach die Uberwindung des Teutschen Udalrich mehr schimpf- als rühmlich; Und Titus Manlius Torqvatus hat von seinem Obsieg wenig Ehre / 16 weil sein Widerpart eine verkleidete ungewaffnete Weibs-Person ist. Da hingegen des Rühmens von denen Siegen des Corvinus und Torqvatus bey denen Römischen Geschicht-Schreibern kein Ziel noch Ende ist.

Dergleichen Freyheit könte man nun zwar einem Historien-Schreiber übel sprechen / nicht aber demVerfasser eines so genanten Romans / als welcher /eben so wohl als Mahler und Poeten / Macht hat / aus schwartz weiß / und aus weiß schwartz zu machen /nach dem ein- oder andere Farbe erfordert wird / seinem Werck das rechte Liecht und Schatten zu ertheilen. Man hat daher niemahls gnug sich wundern können über den unvergleichlichen Verstand des Durchläuchtigsten Verfassers der Römischen Octavia /indem er aus der ehrlosen Messalina die keuschesteDame / aus der Zauberin und Gifftmischerin Locusta die unschuldigste Person / aus der liederlichen Acte eine gottfürchtige Christin mit überaus-grosser Wahrscheinlichkeit macht; auf welchen Schlag denn auch der Herr von Lohenstein bemüht gewesen / denen wahren Geschichten derer alten Teutschen durch sinnreich erdichtete Umstände eine andere und bessere Gestalt und Ansehn zu geben; so daß wenn Ariovist /Arminius / Thußnelda / Arpus / Marbod / Jubil und andere von ihm beschriebene / ihre eigene Geschichte in diesem Buche suchen solten / würden sie sich vielleicht mit grosser Mühe daselbst finden und in höchliche Verwunderung gerathen / daß ihre dicke Barbarey zu einen Muster aller nach heutiger Welt-Art eingerichteten Sitten / und sie / durch den Ovidius unserer Zeiten / nicht aus Menschen in Vieh / sondern aus halben Vieh in vollkommene Menschen verwandelt worden.

Daß nun alles bißher gesagte nicht ungereimet sey /wird niemand leicht in Zweiffel ziehen; doch ist noch viel in diesem Buch begriffen / das weder zur Liebes-Geschichte vom Arminius / noch Lobe der Teutschen nöthig ist / und dahero noch ein ander Absehen haben muß / welches denn der selige Herr Verfasserdie klügliche Anwendung seiner so weitläuftigen Gelehrsamkeit seyn lassen. Denn bloß-erdichtete Dinge zu schreiben war vor ihn eine allzu schlechte Bemühung. Vielmehr musten diese Gedichte ein Blendwerck nothwendiger und ernsthaffter Wissenschafften seyn / um die jenigen auch wider ihren Vorsatz gelehrt / klug und tugendhafft zu machen / welche daselbst [6] nichts / als verliebte Eitelkeiten / suchen würden. Dannenhero schweifft er in seinen Unterredungen aus / bald auf den Ursprung / Glauben undGebräuche aller frembder Völcker / bald auf die Geschichte unterschiedener beschriehener Weltweisen /bald auf die Beschreibung aller Tugenden / Laster und Gemüths-Regungen des Menschen / bald auf wichtige Staats-Händel und die hierüber entstandenne Streit-Fragen / bald auf die grösten Wunder derNaturkündiger und neuen Aertzte; so gar / daß der jenige sehr verwöhnten Geschmackes seyn muß / den eine so grosse Veränderung und Vermischung lustiger und ernsthaffter Dinge zu vergnügen unfähig wäre. Gewiß ists / daß gleich wie der grundgelehrte Lohenstein eine lebendige Bibliothec gewesen / also dieses Buch ein rechter Kern und Auszug seiner gantzen leblosen Bibliothec mit allem Rechte heissen kan.

Fußnoten

1 Annal. II. 88.

2 Bey dem Schardio T.l. Rerum German p. 259. – 298.

3 Bey eben demselben p. 214.

4 Gedruckt zu Nürnberg 1640. in 12.

5 Seine Disputation hiervon ist gehalten zu Wittenberg 1670.

6 I. Theils VI. und VII. Buch.

7 Arminius hin und wieder.

8 I. Theils II. und VII. Buch.

9 I. Theil / V. Buch.

10 I. Theil / VI. Buch p. 820

11 I. Theil p. 888

12 I. Theil IV. Buch.

13 I. Theil VII. Buch.

14 I Theil p. 753. b. 754. a

15 I Theil p. 758 b. 759. a.

16 I. Theil p. 755.

Das 2. Capitel
Das II. Capitel /
Von der Lohensteinischen Schreib-Art.

Die Art zu schreiben / derer der Herr von Lohenstein sich in diesem Werck gebraucht / ist zwar hoch /doch nicht unverständlich / hierbey ungezwungen /durchgehends gleichförmig / und um deß willen desto angenehmer und wunderbarer. Denn wenn gleich einer in einer ordentlich-niedrigen oder mittelmäßigen Schreib-Art denn und wenn hohe Reden und ungemeine Gedancken einmischt / siehets doch nicht viel besser aus / als ein Tuch-Kleid / das mit etlichen Sammt-Flecken geflicket ist; da man hingegen unserm Lohenstein den Preiß lassen muß / dessen Verstand so viel sinnreiche Sprüche / dessen Gedächtniß so viel merckwürdige Exempel / dessen Einbildung so viel artige Gleichnisse iederzeit im Vorrath gehabt / daß alle Stücke dieses Wercks mit unterschiedenen Zierathen auf einerley Art versetzet und denen wohlangelegten Garten-Beeten ähnlich sind / die einander alle gleich / und doch alle mit ihrem eigenen Reichthum versorget seyn müssen.

Wahr ists / es möchten nicht wenig Leser meynen /Lohenstein habe der Sachen allzu viel gethan / und /(da er hin und wieder auf die überwürtzten Speisen so übel zu sprechen ist /) seine Schrifften mit solchen köstlichen Sprüchen / Gleichnissen und Exempeln überwürtzet: Es scheinet ja fast / der unsäglich belesene Mann habe alle seine redende Personen vom grösten biß zum kleinsten / vom Feldherrn biß auf den geringsten Soldaten / nach seinem eigenen Maaß abgemessen / und mit seinem eigenen Geiste beseelet /weil iedweder ohne Nachdencken im freyen Felde aus dem Kopffe so viel Geschichten auf alle Fälle herzusagen weiß / als mancher Halbgelehrter in wer weiß wie viel Wochen aus etlichen dutzent Tröstern vergeblich zusammen suchen solte. Allein gleich wiePlato sein gemeines Wesen entworffen / nicht wie es seyn kan / sondern wie es seyn solte: Also machen solche Helden-Gedichte allezeit die Personen klüger und tugendhaffter / als sie vermuthlich gewesen /damit sie desto eher dem Leser zum Muster vorgestellet zu werden verdienen möchten. Und warum wolte man zu Lohensteins Gütigkeit scheel sehen / der seinen Leser lieber mit vernünfftigen Dingen als mit eiteln Geschwätz unterhalten / und lieber seine eigene vollkommene Gedancken seinen Helden und Heldinnen in den Mund legen wollen / ehe daß er sie etwas reden liesse / so zwar ihrer wahrhafften natürlichen Fähigkeit gemäß / nicht aber einen nach vollkommenern Dingen begierigen Leser völlige Gnüge zu leisten tüchtig wäre?

Ubrigens ist die Redens-Art unsers Lohensteinsrein-Hochteutsch / und weder mit Lateinischen oder andern frembden Wörtern ohne [7] die höchste 1 Noth /noch mit neugemachten Teutschen vermenget. Und ob wohl ein und andere Arten zu reden da und dort 2 vorkommen / so vielleicht in Schlesien gebräuchlicher als in Meissen seyn; so würde es doch eben so grosse Thorheit seyn / den seligen Herrn von Lohenstein deßwegen zu tadeln / als etwa den Livius und Gvicciardini / weil ihre Redens-Arten einiger massen verrathen sollen / daß 3 jener von Padua / dieser von Florentz 4 bürtig gewesen; denn diß alles wird nimmermehr hindern / daß nicht gelehrte Leute des Livius Latein / das Italiänische des Gvicciardini und des Lohensteins Teutsches für rein und untadelhafft halten.

Damit aber Lohenstein sein Teutsch von allem Lateinischen Beysatz desto mehr sauberte / hat er (nach Art Johann Ludwig Gottfrieds in den vier Monarchien) die in den Lateinisch- und Griechischen Geschicht-Schreibern gefundene und mit Lateinisch- und Griechischen Endungen / Aussprache und Schreib-Art unkäntlich gemachte Alt-Teutsche oder Gallische Nahmen geändert / wie sie vermuthlich von denen Teutschen und Galliern ehemahls selbst ausgesprochen worden; welches zu dem Ende mit unterschiedenen Exempeln zu bestätigen ist / damit man desto ehe den Polybius / Appianus / Livius / Tacitus / Florus /Dio und andere Geschicht-Schreiber gegen unsern Lohenstein verhören könne. Solchergestalt ist


Der bey denen Der beym
Römern undLohenstein gedachte
Griechen gemeldete
Arminius Herrmann.
Maroboduus Marbod.
Cotualda Gottwald.
Orgetorix Orgetorich.
Ambiorix Aembrich 5
Adgandesterus Adgandester.
Cimberius Cimber.
Dejotarus Dejotar. 6
Thumelicus Thumelich.
Deudorix Dietrich.
Ganascus Ganasch.
Fußnoten

1 Gleichwie also die Brahmanischen Kamma und Kristna / das Griechische ΑΡΤΗΣΗ, das Lateinische Phalaux / Legionen / und etliche andere in sehr geringer Anzahl / ohne Dunckelheit der Rede / nicht haben können vermieden werden.

2 Zum Exempel / die Sonne geht zu Golde vor die Sonne geht unter; Kreilen der Vogel vor Krallen; Angewehren vor anwenden / anwerden; Enthengen vor zulassen / verstatten; Zufrömen vor zuwenden /schencken; samb vor gleich als ob; die Säbel vor der Säbel; eine Krause vor ein Krug; warnigen vor warnen.

3 Besiche Dan. Georg Morhoffs Buch de Patavinitate Liviana gedruckt zu Kiel 1684. in 4.

4 Hiervon ist wohl zu lesen Tomaso Porcacchi in seinem Giudicio dalla historia d'Italia di M. Francesco Gvieciardini (so vor der Venetianischen Edition von A. 1599. zu finden /) p. 13. b.

5 Das soll so viel seyn als Emerich

6 Das hat Reinesius für Dietherr gehalten.

Das 3. Capitel
Das III. Capitel /
Von denen Personen / derer Lohenstein gedencket.

Die Personen / derer im Arminius gedacht wird /haben entweder Nahmen oder nicht; Auf den letztern Fall sinds mehrentheils Leute / die nach Arminius Tode gelebet / und dahero ihre Nahmen ihme ohne Prophetischen Geist nicht haben bekant seyn können. Weil aber dennoch nichts neues unter der Sonnen geschieht / hat Lohenstein 1 seine Leute als vor ihrer Zeit geschehene Dinge erzehlẽ lassen / was doch erst nach seiner Zeit geschehen ist. Diese weder mit wahren [8] / noch erdichteten Nahmen benennte wahrhaffte Personen zu errathen / dürffte manchem schwer genug gefallen seyn; weßwegen demselben nicht unangenehm seyn wird / daß man in denen bald folgendenabsonderlichen Anmerckungen / solche Mühe ihm zu ersparen / an gehörigen Oertern geflissen gewesen ist.

Die ausdrücklich-angeführten Nahmen aber sind dreyerley Art / und haben entweder nirgends /oder allenthalben / oder nur da und dort eine verdeckte Bedeutung. Zur ersten Art gehören die meisten Haupt-Personen 2 und die ihnen bekant und bedient gewesen / 3 deßgleichen alle / 4 derer Nahmen ietztbesagten Alters halben haben bewust seyn / und daher in ihren Gesprächen gemeldet werden können. Und von diesen allen ist unnöthig gewesen in denenabsonderlichen Anmerckungen etwas zu gedencken; weil entweder solche dem Leser bekant seyn /oder doch aus des Hoffmanns / Lloyds / Stephani und anderen Lexicis leichtlich bekant werden können. Dannenhero / wenn der geneigte Leser über den und jenen Nahmen am gehörigen Blate in offt-gedachtenabsonderlichen Anmerckungen nichts angemerckt finden solte / soll er wissen / daß er solchen Nahmen zu dieser ersten Gattung rechnen müsse. Wolte man nun auch diesen Personen eine geheime Bedeutung aufdichten und also aus der Liebes-Geschichte ein blosses Rätzel machen / würde man des Verfassers Absehen eben so grosse Gewalt thun / als jener dem Gvarini / der dessen Pastor Fido, der vor seine Liebste sich aufopffern lassen will / auf den vor seine geliebte Gemeine sterbenden Christus gedeutet / oder andere dem Virgilius / die seine vierdte Ecoglam auf Christi Geburt gezogen; Allerseits nicht ohne Nachsinnen / schwerlich aber nach des Guarini oder Virgilius eigenen Sinn und Meynung.

Zur andern Gattung gehören lauter solche Personen / von denen in deren absonderlichen Anmerckungen ein genugsamer Bericht erstattet worden; Zum Exempel: Valuscenes / 5 Mars / 6 Facsarif / 7 Sekkes / 8 Tirchanis / 9 Asteloth / 10 Gotart / 11 Gunholm 12 / und so weiter.

Die zur dritten Art gehörigen hat man in denen Anmerckungen mit Fleiß übergangen / wenn kein geheimer Verstand darunter steckt; Hingegen aber erkläret /wenn unter solchen alten Nahmen etwas neues verborgen liegt. Wie beym Marbod / 13 Cariovalda / 14 Aembrich 15 und dergleichen zu sehen seyn wird.

[9] Hierbey ist zu mercken / daß solche falsche Nahmen mehrentheils durch Versetzung der Buchstaben unkentlich gemacht worden; offters auch wohl wahrhafft seyn / aber aus beystehenden falschẽ Namen gleichfalls für falsch müssen erkant werden. Zum Exempel: Im I. Theil II. Buch / könte Hermion wohl von einem Unverständigen vor einen rechten alten Teutschen gehalten werden / weil wahrhafftig unter den alten Teutschen ein Fürst mit Nahmen Hermion gewesen. Allein daß es Rudolph von Habsburg / erster Römischer Käyser aus dem Hauß Oesterreich sey / giebt unter andern der seltzame Nahme seines Schwieger-Sohns Valuscenes zu erkennen / aus welchem durch Buchstaben-Versetzung Venceslaus heraus kö t. Gleicher gestalt würde beym Orismanes 16 wol niemand an den Marechal de Biron gedencken /wenn nicht dabey des Trebosserex (das ist / Robert Esser /) zugleich Meldung geschähe.

So ist auch nicht aus der acht zu lassen / daß öffters ein einiger Nahme mehr als eine Person bedeute. Zum Exempel: Divitiac ist im I. Theil p. 982. D. Martin Luther / p. 985. aber Heinrich IV, Königin Franckreich; Lissudaval ist p. 132. col. a. Vladislaus Sigismundus König in Pohlen / und doch eben daselbst col. b. Vladislaus König in Ungarn / Käyser Ferdinand I. Schwäher-Vater. Gegentheils hat eine einige wahrhaffte Person unterschiedene erdichtete Nahmen an unterschiedenen Oertern. Zum Exempel /die Königin Christina in Schweden heist Canistria / 17 Thinacris 18 Tirchanis / 19 Vocione 20; die Königin Elisabeth von Engeland wird Telesbia 21 / Boudicea 22 / und Antiope 23 genennet. König Heinrich der IV. in Franckreich wird durch den vierdten Induciomarer 24 / Rubonor Fürst der Bigerrionen 25 /Divitiac König der Suessoner 26 und Ambiorich 27 angedeutet. Wenn bey Einmischung einer kleinen Geschichte gesagt wird / diß oder jenes sey vor wenig Jahren / neulichst / nechsthin / und so weiter geschehen / so ists gewiß und fast allezeit eine Geschichte / die Lohensteins Zeit weit näher als der Zeit des Arminius kömmt; wenn aber etwas vorlängst soll geschehen seyn / so ists eine Geschichte / die nicht lange nach Arminius / lange aber vor unser Zeit geschehen. Man besehe zum Exempel I. Theil p. 142 /allwo Thinacris Königin Christina in Schweden /Rakimis König Johann Casimir in Pohlen / Heerulk Valer. Maximianus Herculeus / Nidotical Diocletianus ist. Ingleichen wenn eine Jahrzahl ausdrücklich gemeldet wird / ist gewiß eine neue Geschichte angedeutet worden; wovon Exempel zu finden in denen absonderlichen Anmerckungen zum I. Theil p. 125. b. 674. a.

Fußnoten

1 Besiehe zur Probe unsere absonderlichen Anmerckungen über I. Theil p. 91. b. 94. a. 118. a. 167. a. 169. a. 270. a.u.s.w.

2 Zum Exempel: Thußnelda / Asblaste Arpus / Ganach / Melo / Ismene / Leitholde / Arngrim / Erato /Augustus / Tiberius / Germanicus / Rhemetalces /Zeno / Flavius / u.s.w.

3 Adgandester / Salonine / Slawata / Schweinitz / die Gräfin von der Lippe / und dergleichen.

4 Alexander der Grosse / Scipio / Hannibal / Marius /Bojorich / Plato / Aristoteles / Herostratus / u.a.m.

5 Das ist: Wenceslaus / Böhmischer Erb-Printz.

6 Das ist: Rudolph / wie auch Albrecht von Oesterreich / Käyser Rudolph des I. Söhne.

7 Fairfax.

8 Essex.

9 Christina Königin in Schweden.

10 Der Graf von Athol (oder Atholes.)

11 Gustav Adolph / König in Schweden.

12 Gustav Horn.

13 So ferne er wider Briton seinen Herrn einen Aufruhr erwecket / ist er Olivier Cromwell; so ferne er den Bojen-König Critasir vertreibet / ist er Carl Gustav König in Schweden; so ferne er aber mit denen Römern / Cheruscern / Gothonen / Semnonern zu streiten hat / ist nichts mehr / als er Marobodus beym Cornelius Tacitus.

14 Dieser ist I. Theil p. 365. der Printz von Uranien /nunmehr König von Engeland) Wilhelm Heinrich; sonst nichts mehr / als der bey dem Tacitus erwehnete Fürst der Bataver Cariovalda.

15 So ferne er mit dem Julius Cäsar Händel hat und Cattivolck sein Bruder / Ingviomer sein Sohn / Asblaste seine Schwieger-Tochter / Herrmann sein Enckel ist / ist er der alte beym Cäsar gedachte Ambiorix /Hertzog derer Lande / so heute Tage Braunschweig und Lüneburg heissen / so ferne er aber den Löwenmuth zum Sohn und die Teutsche Feldherrschafft hat /auch mit Arabarn / Briton und Gotarten krieget / so ferne ist er Ferdinand II. Römischer Käyser.

16 I. Theil p. 304.

17 I. Theil p. 229.

18 I. Theil p. 142.

19 I. Theil p. 1328.

20 II. Theil p. 522.

21 I. Theil p. 229.

22 I. Theil p. 1016.

23 I. Theil p. 304.

24 I. Theil p. 226.

25 I. Theil p. 984.

26 I. Theil p. 985.

27 II. Theil p. 1268.

Das 4. Capitel
Das IV. Capitel /
In welchem die nothwendigen Beschlecht-Register etlicher Haupt-Personen zu finden sind.

Weil Geschlecht-Register einer Geschicht ein grosses Licht geben und verhindern können / daß man nicht unterschiedene Personen von einerley Nahmen unter einander vermenge / hat man vor gut befunden / einige zu besserer Verständniß des Lohensteinischen Werckes dienliche hieher zu setzen:


[10] No. I. Käyser Augustus Beschlecht-Register. Octavia / derer dritter Gemahl Marcus Antonius Triumvir gewesen. Antonia die ältere / des L. Domitius Ahenobarbus Gemahlin. Antonia die jüngere / des Nero Claudius Drusus Gemahlin; diß ist die Liebhaberin der gekirreten Muräne; (Arminius I. Th. IV. Buch.) Dero Kinder suche unter dero Gemahl. Octavius Augustus / anderer Römischer Käyser. Dessen mit seiner Gemahlin Scribonia gezeugte Tochter ist: Die verhurte Julia / Ehegemahlin 1. des Marcus Claudius Marcellus. 2. des Marcus Vipsanius Agrippa. 3. des Tiberius / so hernach Käyser ward. Sie hatte in der andern Ehe gezeuget: Cajus Julius Vipsanius; dieser heißt insgemein nur Cajus. Lucius Julius Vipsanius; dieser heißt beym Lohenstein nur Lucius. Marcus Julius Cäsar Agrippa; den neñt Lohenstein den tumen Agrippa. Die tugendhafte Agripppina / des Feld-Herrn Germanicus Gemahlin. Julia / des Lucius Aemilius Paulus Gemahlin. Dessen von seiner Gemahlin Livia mit ihrem ersten Gemahl Tiberius Claudius Nero erzeugte und von an Kindes-statt aufgenommene Söhne sind: Claudius Tiberius Nero / dritter Römischer Käyser; dessen Gemahlinnen sind: 1. Vipsania Agrippina. 2. Julia / Käyser Austus Tochter. Mit der ersten zeugte er: Drusus Cäsar / Ehegemahl der Livia / des Germanicus Schwester. Wird nach dem Germanicus Römischer Feldherr in Teutschland. Nero Claudius Drusus / der jüngern Antonia Gemahl; Römischer Feld-Herr in Teutschland. Dieser wird im I. Theil des Arminius unter dem Nahmen Drusus verstanden. Germanicus Cäsar / Röm. Feld-Herr in Teutschland und nachmals in Armenien; der tugendhafften Agrippina Gemahl. Tiberius Claudius Cäsar; fünfter Römischer Käyser: der lasterhafften Agrippina Gemahl. Livia / des jüngern Drusus Gemahlin; des Sejanus Buhlschafft. Nero Julius Germanicus. Drusus Julius Germanicus. Cajus Cäsar; starb noch bey Augustus Leben. Cajus Caligula Cäsar; vierdter Römischer Käyser. Dessen Geburt steht beschrieben II. Theil p. 730. Hatte vier Gemahlinnen und alle seine Schwestern zu Kebs-Weibern. Drusila. Die lasterhaffte Agrippina; Gemahlin 1. des Paßienus Crispus. 2. des Cneus Domitius. 3. des Käysers Claudius. Zeugte in der andern Ehe den Wütterich Nero / sechsten römischen Käyaser. Livia; ward auf der Morgenländischen Reise gebohren. [11] No. II Ein Stück des Cheruskichen Geschlecht-Registers / so ferne es die Oesterreichischen Ertz- Hertzoge nicht bedeutet. Aembrich / eilffter Teutscher Feldherr. Segimer / zwölffter Teutscher Feldherr. Dessen Gemahlin: Asblaste / des Surena in Parthien Tochter. Ingviomer / Fürst der Bructerer. Hat zwey Gemahlinnen: I. Eine ungenante / des Bojocals Mutter. (II. Theil p. 216.) 2. Adelgund / des Marckmännischen Königs Marbod Tochter; (II. Theil VIII. Buch.) Herrmann oder Arminius; dreyzehender Teutscher Feldherr; die Haupt-Person, dieser Geschichte. Seine Gemahlin ist: Thußnelda / Fürstin der Chassuarier. Thumelich. Herrmann der jüngere. Flavius / sonst Ernst genant; Fürst der Cherusker. Dessen Gemahlin: Erato / Königin in Armenien. Italus. Ißmene / Gemahlin des Zeno / oder jüngern Artaxias / Königs in Armenien. Cattivolck / Fürst der Eburoner. No. III Chassuarisches Beschlecht-Register. Segesthes / Hertzog der Chassuarier und Dulgibiner; Seine Gemahlinnen sind: 1. Des Cimbrischen Königs Frotho Tochter. 2. Sentia / des Aelius Sentius Saturninus Tochter. Er zeugte in der ersten Ehe. Thußnelda / des Arminius Gemahlin. Siegemund / Römischen Priester bey dem Ubischen Altar. Thumelich. Hermann. Segimer / Fürst der Dulgibiner; der Cattischen Fürstin Rhamis Gemahl. Sesitach. Eine ungenante Chassuarische Fürstin; derer Sohn ist Dagobert; 2. Theil / p. 553 [12] No. IV. Bothonisches Beschlecht-Register Bothonisches Beschlecht-Register. Bojud / König in Mauritanien; I. Theil p. II 46, b. Bojud / der jüngere / König in Mauritanien. Micipsa / Mauritanischer Fürst; an dessen Schwärtze Gertrud sich versiehet. Elissa / des Gothonischen Fürstens Ehrenfrieds Gemahlin. Arnold / Hertzog der Gothonen / Esthier und Lemovier. Dessen Gemahlin: Gertrud / eine Sidinische Hertzogin. Marmeline / des mächtigen Marckmännischen Königs Marbods Gemahlin. Gottwald der ältere; Hertzog der Gothonen; wird endlich der Oberste Barde beym Schwalbach. Adelgund; Gemahlin des Ingviomer / Hertzogs der Bructerer; (2. Theil VIII. Buch.) Clotildis / Gothonische Fürstin; wird in ihrer Kindheit Zirolane / Fürstin derer Marsinger geneñt. (2 Theil p. 8II.) Gemahlin des Rhemetalces Königs in Thracien. (2. Theil IX. Buch.) Gottwald der jüngere / Gothonischer Fürst; heißt in der Kindheit Ehrenfried. (2. Theil p. 840.) No. V. Sicambrisches Beschlecht-Register Sicambrisches Beschlecht-Register. Ein gewisser Sicambrischer Fürst. Melo / Hertzog der Sicambrer. Beroris. Dietrich / der ältere. Walpurgis; die Qvintilius Varus schänden wollen. (I. Theil I. Buch.) Franck / Erbe des Sicambrischen Hertzogthums. Seine Gemahlin: Leitholde / Ascanische Gräfin. Dietrich der jüngere. [13] No. VI. Das Thracische Beschlecht-Register. Das Thracische Beschlecht-Register. Cotys III. König in Thracien; II. Theil p. 39. Sadal / der schönen Apame eyfersüchtiger Gemahl. Cotys der IV. oberster Priester des Bacchus; nachmahls König; 2. Th. p. 40. Rhymetalces / König in Thracien p. 68. Rhascuporis / wird von dem Bacchus-Priester Vologeses geopffert; p. 76. Rhymetalces / König in Thracien. Seine Gemahlin ist die Princeßin Parysatis. Cotys der V. König in Thracien; wird von seines Vaters Bruder ermordet. (2. Theil IX. Buch.) Rhascuporis; anfangs Priester des Bacchus / hernach König in Thracien. Seine Gemahlinnen sind: 1. die Getische Fürstin / Roxana 2. die Comagenische Fürstin Ada / ein Ausbund aller Laster. Aus erster Ehe: Rhemetalces / der in der Niederlage des Qvintilius Varus von denen Teutschen gefangen; endlich aber König in Thracien wird. Seine Gemahlin ist: Clotildis / Fürstin derer Gothonen. Aus anderer Ehe: Taxiles. (2. Th. p. 117.) No. VII. Armenisches Beschlecht-Register Armenisches Beschlecht-Register. Artaxias / König in Armenien; I. Theil p. 209. Tigranes; p. 206 Barzanes. p. 213. Pharnaces p. 213. Tigranes. p. 213. Artabazes / König in Armenien; p. 214. Sigambis / des Parthische Printzen Pacorus Gemahlin p. 219. Artaxias / König in Armenien; p. 224. dessen Gemahlin: Olympia / Parthische Princeßin; p. 227. Artabazes / König in Armenien; ermordet seinen ältern Bruder und nöthiget dessen Witwe zu seiner Heyrath / die ihn aber bey der Trauung ersticht. Seine erste Gemahlin war die Parthische Princeßin Antigone; p. 232. Artaxias / König in Armenien; ehemals Zeno Fürst aus Ponto genannt; der Cheruskischen Fürstin Ismene Gemahl. Erato / Königin in Armenien. Ihr Gemahl: Flavius / Fürst der Cherusker. Italus. Tigranes / König in Armenien. Seine Gemahlin ist Mallia / der Terentia / des Mecänas Gemahlin / Baase; p. 244. Artavasdes / König in Armenien; seiner Schwester Laodice Gemahl; p. 247. Laodice / ihrer beyden Brüder Gemahlin. Gotarzes; nimt seinem Bruder Artavasdes die Crone und Gemahlin; p. 248. [14] No. VIII Auszug des wahrhafften Oesterreichischen Geschlecht-Registers / dessen Haupt-Personen mit alten Cheruskischen Nahmen (I. Theil II. und VII. Buch) benennet werden. Diese falschen Nahmen sind in Parenthesibus mit Lateinischen Buchstaben bemercket: Käyser Rudolph der Erste / Graf von Habsburg. † A.1291. (Hermion).) Rudolph / Landgraf im Elsaß / (MARS.) † 1308. Johannes / Hertzog in Schwaben. Albrecht der Erste / Hertzog in Oesterreich / Röm. Käyser. (MARS) † 1368. Friedrich / der Schöne. (CRIDIFER.) Albrecht / der Weise. Leopold / der Fromme. Ernst / der Eiserne / Hertzog in Steuermarck und Cärnthen. Friedrich III. Römischer Käyser. Ward erwehlet 17. Mart. 1440. † 1493. (ULSING.) Maximilian I. Röm. Käyser. (ALEMAN.) Philipp I. König in Spanien. (HUNNUS.) Eleonora / Emanuels Königs in Portugal / und hernach Franciscus I. Königs in Franckreich Gemahlin. (OLORENE.) Philipp. II. König in Spanien. (HIPPON.) Carl. V. Römischer Käyser. (MARCOMIR.) Ferdinand. I. Römischer Käyser. (INGRAM.) Maria / Gubernantin der Niederlande / Gemahlin Ludwigs Königs in Ungarn (RIAMA.) Maximilian II. Röm Käyser. (CLODOMIR.) Carl / Ertz-Hertzog in Oesterreich. Erwehlet 1420. † 1439. (VANDAL.) Rudolph II. Röm. Käyser. (RODERICH.) Matthias / Röm. Käyser. (MALORICH.) Ferdinand II. Röm Käyser. (ÆMBRICH.) Ferdinand III. Römischer Käyser. (SEGIMER.) Leopold Wilhelm / Ertz-Hertzog in Oesterreich. (LÖWENMUTH.) Leopold / Römischer Käyser; der wegen seiner unvergleichlichen Siege wider die Türcken der andere ARMINIUS genennet zu werden verdienet. Albrecht / der III. Albrecht / der IV. Ertzhertzog von Oesterreich. Albrecht V. in Oesterreich; Römischer Käyser / der II. dieses Nahmens.

Das 5. Capitel
[15] Das V. Capitel /
Von denen Völckern / Ländern / Städten / Bergen /Wäldern / Flüssen / derer im Arminius Meldung geschieht.

Dero Nahmen sind öffters entweder mit Fleiß verschwiegen / oder verdrehet / oder zwar wahrhafftig /aber doch dem zugelegt / dem sie nicht gehören; welches denn geschieht / wenn neue Geschichte erzehlet und dennoch für alte ausgegeben werden. Und diese hat man auf alle drey Fälle in denen absonderlichen Anmerckungen zu erklären gesucht. Deñ weil viel von denen heutigen Königreichen / vor und zu Arminius Zeiten / nur Römischer Botmäßigkeit unterworffene Länder waren / so konte Arminius und seine Sprachgenossen keiner Könige gedencken / die an solchen Orten einen freyen Scepter geführt; besondern sie musten an statt Oesterreichs / (so mit zum Noricum gehörete /) die Cherusker / (d.i. die Hertzoge zu Braunschweig und Lüneburg /) an statt Hispaniens Britannien oder Celtiberien / an statt Portugal die glückseligen Eylande / an statt Franckreich die Suessoner /an statt Böhmen die Marckmänner nennen. (Besiehe z.e. Anmerckungen über I. Theil p. 118. a. 149. a. 232. a.) Gleichergestalt hat man zu Arminius Zeiten von keinem Pabst / ja auch nicht von einem Haupte der Druiden zu Rom etwas gewust. Wenn demnach des Sitzes des Haupts der Druiden oder des Römischen Päbstlichen Stuhls in einer verdeckten Geschicht soll gedacht werden / so muß / an statt Rom /entweder Carnutum (in Gallien) oder Cantium (in England) genennt werden / als allwo der teutsche Druiden-Orden in Ansehen war. (Besiehe Anmerckungen über I. Theil p. 971. 562.) Hingegen weil die Königin Christina von Schweden als eine Cimbrische geheiligte Jungfrau eingeführt wird / ihre Reise nach Rom anzudeuten; (I. Theil IX. Buch /) als hat auch Rom selbst mit seinen eigenen Nahmen für den Ort ihres Auffenthalts angegeben werden können.

Doch gnug von dieser Art Nahmen; weil die obgedachten absonderlichen Anmerckungen hierüber gnugsamen Bericht verhoffentlich erstatten werden.

Hernachmahls ists bekant / daß die Nahmen der Länder / Völcker / Städte / Wälder / Berge / Flüsse zu Arminius Zeiten gar anders gelautet als heute zu Tage; z.e. Bacharach ward (Bacchi Ara) das Altar des Bacchus / München Isinisca / u.s.w. genennet. Weil / nun diese offt-vorkommende alte Lateinische Nahmen derer Teutschen und anderer West- und Nord-Länder nicht iedermann bekant seynd / hat man nachfolgendes Register nach dem A.B.C. verfertigt. Solte darinnen ein und anderer Nahme fehlen / wird er entweder von keiner Wichtigkeit / oder leicht aus dem darbey von Lohenstein genennten wohlbekanten Berg und Fluß zu erkennen / oder auch vielleicht in denenabsonderlichen Anmerckungen über selbiges Blat /erkläret worden seyn; umb welcher und anderer Ursachen willen der geneigte Leser solche Anmerckungen unter Lesung des / Hauptwercks bey der Hand allzeit wolle liegen haben. Man hat sonst in Verdeutschung dieser Lateinischen Nahmen dem Cluverius fast durchgehends gefolget / weil es geschienen / daß auch der Herr von Lohenstein uns hierinnen vorgegangen. Will inzwischen iemand noch eigentlicher davon berichtet seyn / der bediene sich hierzu des sehr mühsamen Lexici, des gelehrten Baselschen Professors Johann Jacob Hoffmanns / da er die Meynungen desCluverius / Rhenanus / Junius / Valesius / Baudrands und anderer / über ieden Nahmen beysammen antreffen wird.

[16] Register
einiger zur Zeit Arminius bekanter Länder / Völcker /Städte / Berge / Wälder / Flüsse / so viel deroselben nicht mit Teutschen Nahmen vom Lohenstein genennet worden
A.

Berg Abnoba; im Würtenbergischen.
Agendicum; Sens in Champagne.
Alemänner; Schwaben.
Aliso; Iselburg; oder wie / Junius will / Wesel.
Altar des Bacchus; Bacharach.
Ubisches Altar; Bonn.
Angrivarier; bey Minden / zwischen der Emse und Weser.
Anstbarier; zwischen der Weser und dem Dommelfluß / wo Diepholt liegt.
Antonach; Andernach im Ertzbistum Cölln.
Arar; la Saone.
Arenacum; Arnheim.
Arverner; Auvergne.
Ascanien; Anhalt.
Athesis; Etsch.
Atrebater; Arras.
Atuaticher; Tongern.
Avaricum; Bourges.
Aventicum; Wiflisburg.
Aufidus; Fluß Lofanto.
Augustobona; Troyes in Champagne.
Augustodunum; Austun in Burgund.
Augustomagus; Senlis.
Augustoritum; Limoges.
Außcier; Auch.
Autricum; stadt Chartes.
B.

Des Bacchus Altar; Bacharach.
Bastarnen; vom Ursprung der Weichsel an biß ans Euxinische Meer.
Batavodurum; Amsterdam.
Bellovaker; Beauvoisin.
Bigerrionen; Bigorre.
Bituriger; Berry.
Bojen / Böhmen.
Boviasmum; Prag.
Briganten; im Yorkischen und Northumberland.
Brigantinische See; der Bodensee.
Britannien; England.
Bructerer / Overyssel.
Budorgis; Breßlau.
Burier; zwischen der Warte und Oder.
C.

Cadurcier; Qvercy.
Cäsarodunum; Tours.
Cäsaromagus; Beauvais.
Caninefaten; bey Utrecht.
Cantium; Kent in England.
Cariner; der Theil von Pommern / in welchem Stolpe / Colberg / Corlin / Camin / liegen.
Carnuter; Hertzogthum Chartres.
Catten, Hessen.
Caturiger; Les Alpes d'Ambrun.
Cavionen; Theil von der Marck bey der Grafschafft Danneberg.
Cenomäner; Mans.
Centroner; Les Alpes de Tarantaise.
Chalusus; die Trave.
Chassuarier: zwischen Paderborn und der Weser bey Huxter.
Chancen; von der Emse an biß an die Weser / und von dar biß an die Elbe.
Cheruscer; Braunschweig und Lüneburg.
Cimbern; Holsteiner und Dänen.
Codanische See; der Belt oder die Ostsee.
Codanonia; Seeland in Dänemarck.
Cronien; Grönland.
D.

Dobunier; Glocester in England.
Drususburg; Duisburg.
[17] Dulgibiner; zwischen Paderborn und der Weser / bey Flotow.
Durocorturum; Rheims.
E.

Eborodunum; Olmütz.
Eburoner; Lüttich.
Est hier; Preussen.
Eudosen; im Meckelburgischen.
F.

Fabiranum; Bremen.
Fennen; Finnen.
Fletio; Het Vlie.
Flevische See; Süyder-See
G.

Gabretische Wald; Thüringer Wald.
Garumna; la Garonne.
Gebenna; Cevennes.
Geneva; Genf.
Gennabum; Orleans.
Gepidia; Siebenbürgen.
Godonium; Dantzig.
Gothinen; In Schlesien auf denen Marckmännischen Grentzen: waren Berghäuer.
Gothonen; in Pommerellen.
Grinnes; Rhenen.
Gugerner; im Geldrischen und Clevischen.
H.

Haruder; von Ursprung des Meyns biß an die Donau / bey Ingolstadt.
Heduer; im Burgundischen.
Hercynische Wald; Böhmer-Wald.
Hermunduren; Voigtland / item ein Theil von Meissen und Ober-Sachsen.
Hetrurien; Großherzogthum Florentz.
Hibernien; Irrland.
Hillevioner; Halland.
Hirren; Liefland.
Hydruntum; Otranto in Calabrien.
I.

Iccius Portus; Calais.
Insubrien; Meyland.
Isinisca; München.
Juliobona; Diepe.
Iuliomagus; Angiers.
L.

Langobarden; in der Mittelmarck zwischen der Elbe und Oder.
Lappionen; Lappländer.
Lemovices; Limosiner.
Lemovier; der Theil Pommern / in welchem Stetin / Usedom / Wolgast / Grypswalde liegen.
Lexobier; Lisieux.
Ligeris; la Loire.
Ligurier; Genueser.
Lingonen; Langres.
Lugdun; Lyon.
Lygier; zwischen der Warte und Weichsel.

M.

Marckmänner; wohnten erst zwischen dem Rheine / der Donau / dem Kocher und Necker; nahmen hierauf der Bojen Land in: Böhmen ein.

Marsen; die Teutschen Marsen wohneten zwischen der Lippe und Emse; die Italienischen Marsen aber in einem Stück von Abruzzo.

Marsinger; Schlesier.

Matrona; le Marne.

Mattium; Marpurg.

Mediomatriker; Metz.

Medoslan; Znaim in Mähren.

Melibocus; Blocksberg.

Menapier; Obertheil Brabands / item Geldern biß an Rhein.

Metaurus; Metro.

Monden Altar; Lüneburg.

Moriner; in Flandern.


[18] N.

Nemeter; Speyerer.
Nervier; Ihnen gehörte Cambray und Bavay.
Nidrosia; Drunthem in Norwegen.
Norichischen Länder; Saltzburg / Oesterreich /
Steuermarck / Kärnthen.
Noviodunum; Maine.
Nuithonen; im Meckelburgischen.
O.

Ordovices; Cardigan.
Osen; in Schlesien / bey Ostra und Oswiecz.
P.

Petricorier; Perigord.
Peuciner; Siehe oben Bastarnen.
Q.

Qvaden; von der Oberpfaltz biß an Mähren.
R.

Rauracker; Baseler.
Rhätico; das Siebengebürge / Bonn gegenüber.
Rhätien; Tyrol / die Graupündter / etc.
Rugier; in Pommern.

S.

Samarobriga; Amiens.

Sarmater; Pohlen.

Scyrren; Preussen.

Sedusier; zwischen dem Kocher / Necker / Rhein und Mayn / bey Darmstadt sonderlich.

Segontiacher; Sussex und Southampton.

Segusianer; Forest.

Semanische Wald; der Hartz.

Semnoner; in etlichen Stück Landes von der Marck / Meissen / Lausitz / Schlesien / Pohlen / zwischen der Elbe und der in die Oder fallenden Warte.

Seqvana; La Seine.

Serer; Chineser.

Sicambrer; am Ufer des Rheins / in Geldern und Zütphen biß ans Hertzogthum Cleve.

Sidiner; haben die neue Marck Brandenburg und ein Stück Land vom Hertzogthum Stetin inne gehabt.

Sitonen; Norwegen.

Sudetische Gebürge; Riesenberg.

Sueßioner; Soissons.

Suionen; Schweden.

Swardonen; im Meckelburgischen.


T.


Taprobana; Ceylan.

Taunus; der Berg Hayrich / Mayntz gegenüber.

Taxandrer; Seeland und Niederbraband.

Techelia; Teckelnburg.

Tencterer; wohnten am Rhein / wo itzt das Hertzogthum Berg / ein Theil von Westphalen und der Grafschafft von der Marck ist.

Teutschburg; Dietmelé in Westphalen.

Teutschburgischer Wald; zwölf Meilen von Paderborn nach Norden zu.

Thule; Island.

Tibiscus; die Theisse.

Ticinum; Pavia.

Treva; Lübeck.

Tribocker; (Trebocci) Elsaß.

Tricaßiner; Troyes in Champagne.

Trinobanten; Mittelsex.

Turoner; Tours.


U.

Vada; Wageningen.
Vangionen; diesen hat Mayntz gehört.
Variner; im Meckelburgischen.
Vasaten; Duché d'Albert.
Ubier-Stadt; Cölln am Rhein.
Ubisches Altar; Bonn.
Ucetier; Usets.
Veneter; Vannes.
Vesontio; Besançon.
Viader; Oderfluß.
Vindelicien; vom Bodensee und dem Berge Abnoba biß an den Inn. Begreifft Schwaben und Bayern.
Vindomana; Wien.
Visurgis; Weser.
Usipeter; Zütphen.
Das 6. Capitel
[19] Das VI. Capitel /
Vom Bebrauch und Mißbrauch des Arminius.

Ich begehre nicht / denen Romanen insgemein das Wort zu reden / von denen manche mit so ärgerlichen oder doch gantz unnützen Geschwätze angefüllet sind / daß Christlich gesinnete und tugendhaffte Leute davor billig Abscheu tragen / und den Verfasser und Leser höchlich betauren / die umb einer Handvoll vergänglicher Belustigung eine so schwere Verantwortung von dem gerechten GOtt auf sich laden. Doch giebt es auch solche / die dem Leser eine Lust / aber ohne Sünde / ja nicht ohne mercklichen Nutzen und Beyhülffe zur Erkennung der Sitten derer Menschen im gemeinen Leben / auch zu Schärffung des Verstandes in allerley sinnreichen Erfindungen / zuwege bringen; welche man dahero / ohne Hindansetzung seiner ordentlichen Verrichtungen / unter dem Absehen / das Gemüth durch solchen unschuldigen / doch vergnüglichen Zeitvertreib zu ergetzen und zu instehender ernsthaffterer Arbeit desto williger zu machen / mit ja so guten Gewissen gebrauchen darf / als wie etwa z.e. Jagen / Music und allerhand Spiele lieben /weltliche warhaffte Historien lesen / Verse machen /von allen vergönnet wird / die von Gewissens-Fällen geschrieben haben. Denn alle solche Dinge sind zwar nicht eben schlechterdings nöthig / jedoch auch keines Weges schlechter Dinge verboten. Daher nicht nur ein Haupt der Druiden 1 von des Eurialus und Lucretia Liebes-Händeln ein eigen Buch geschrieben / sondern auch (welches höher zu verwundern) ein wohlbekanter Chernskischer Barde 2 sich nicht gescheuet / die Helden-Geschichten des deutschen Herkules undHerkuliscus zu verfertigen / welches ihn auch nicht gereuet hat / nachdem andere seine Glaubens-Genossen jenen mit Unverstand eifernden Bischöffen / die den Bischof zu Triccä in Thessalien Heliodorus /weil er seine in der Jugend geschriebene Liebes-Geschichte nicht verbrennen wollen / seines Bisthums entsetzet 3 haben / nachzueifern und zu folgen für unnöthig erachtet / vielmehr 4 den Verfasser des Herkules dermassen gerühmet haben / daß er von allen seinen ernsthafften geistlichen und weltlichen Schrifften nicht mehrern Ruhm erwarten dürffen.

Allein nichts ist so gut / das nicht mißbraucht werden könte; und also steht vielleicht bey dem unvergleichlichen Werck des Herrn von Lohenstein auch zweyerley zu besorgen.

Vor eins möchte ein und anderer die erdichteten Umbstände von denen warhafften / in denen unter die Gedichte eingemischten Geschichten nicht unterscheiden können. Und erinnere ich mich hierbey / daß der kluge Herr Petrus Bayle in seinen Nouvelles de la Republiqve des lettres sehr übel auf die jenigen zu sprechen gewesen / die warhaffte Geschichte zum Inhalt ihrer Gedichte erwehleten / weil hierdurch mit der Zeit verursachet werden dürffte / daß man in Historien / weder was wahr / noch [20] was erdichtet / würde wissen und unterscheiden können. Allein ich befürchte das so sehr nicht; nachdem iederzeit so viel wahre Historien-Schreiber in der Welt seyn werden / daß man leicht bey ihnen wird erkundigen können / ob diß oder jenes wahr oder unwahr sey. Massen denn ihre ausdrückliche Bejahung ein Zeichen des ersten / ihre ausdrückliche Verneinung oder allgemeines Stillschweigen ein Zeichen des letztern seyn wird. Mir kömmt die Sache vor wie mit denen Zeitungen: die liest die gantze Welt / obgleich offters kaum die Helffte daran wahr ist. Inzwischen schadet solches der Historischen Warheit wenig oder nichts / weil doch immerzu und überall gelehrte Leute seynd / die aus denen Archiven der Könige und Fürsten solche Historien heraus geben / die wird ein Prüfe-Stein anderer Erzehlungen seyn können. Das ist zwar unleidlich / wenn Varillas und andere Historien-Schreiber von dergleichen Schrot und Korn den Leser unter dem Nahmen und äußerlichen Schein warhaffter Historien mit Fabeln betriegen; Aber diß ist von dem nicht zu befürchten / der niemals seine siñreiche Fabeln vor blosse Warheit aus geben hat.

Die andere Sorge betrifft die allzu deutliche Beschreibung der Hurerey und Ehebruchs / so sonderlich I. Theil / III. Buch / und II. Theil / I. Buch / zu finden. Allein es ist derselben in dem Vorbericht an den Leser über den ersten Theil des Arminius / sehr wohl abgeholffen worden. Uberdiß glaube ich / daß lasterhaffte Leute die Gedult nicht haben werden /diesen unschuldigen Zunder ihrer verdammten geilen Brunst unter so viel ihnen beschwerlichen Tugend-Lehren zu suchen; viel weniger werden Kinder und andere Einfältige ein so tiefsinnig Buch lesen oder verstehen / daher sie denn sich so wenig daraus ärgern als bessern werden. Tugendhaffte aber werden von sich selbst schon / was gut und böse ist / und jenes zu erwehlen / dieses zu verwerffen wissen. Zum wenigsten bin ich deß gewiß / daß alles vom Lohenstein gesagte so leicht zu entschuldigen ist / als was obgenanter Verfasser des Herkules von seiner ehebrecherischen Statira geschrieben hat. Gegentheils aber wird niemand / als der diß Werck nicht gelesen / leugnen /daß man daraus in Staats-Sachen / in der Sitten-Lehre / in der Historie aller Weltweisen / in derWelt-Beschreibung / Beredsamkeit / Poesie / sehr viel gute Dinge lernen könne / gleich wie wir oben 5 hiervon zur Gnüge gehandelt / und dem verständigem Leser mehr hiervon zu sagen Bedencken tragen /damit es nicht scheine / daß man demselben einigen Zweiffel zutraute / als ob nicht schon der bloße berühmte Nahme des Verfassers ein gnugsames Zeugniß von der Güte und Nutzbarkeit dieses Wercks seyn könne. Jedoch und zum Beschluß wollen wir ein und anders annoch kürtzlich anmercken.

Anfänglich / so läst der Herr von Lohenstein manchmal seine Heydnische Sprach-Genossen diß und jenes reden / nicht solches alles gut zu heissen /sondern nur zu erzehlen / was sie geglaubet und gelehret. Da sich denn niemand beschweren wird / daß er selbst den deutlichen Ausschlag zu geben unterlassen; Nachdem er von seinem Leser gnugsamen Verstand vermuthet / selbst zu urtheilen / was unter solchen Meinungen gut oder böse / denen natürlichen Rechten gemäß oder nicht gemäß sey. Und hat er hierinnen eben so wohl gethan / als Matthäus Polus / der in seiner Critischen Bibel die Meynungen derer Gelehrten getreulich erzehlet und das Urtheil hierüber dem Nachsinnen des klugen Lesers überlassen hat.

Nachmahls / so kan man auch die kostbaren Aegyptischen Gefäß denen Heyden entwenden / und zum Heiligthum gebrauchen; wenn man dessen zum Exempel / was der Indianische Zarmar von 6 seinem Selbstmord zu Bestätigung.

[21] seiner Lehre redet / bey Beschreibung des Todes eines Christlichen Märtyrers sich bedienen wolte. Man könte die schönen Gleichnüsse / die ein Druys von der bey denen 7 Heydnischen Teutschen gebräuchlichen Eintauchung der neugebohrnen Kinder in fließendes Wasser vorbringt / grösten theils in einer Rede von unserer Geheimniß-vollen Christlichen Tauffe sehr wohl anwerden.

Sonsten ists wohl am besten / wenn man ein Buch lesen will / daß man es von Anfang biß zu Ende lese /und ehe nicht urtheile / als biß man aus dem Beschluß den völligen Verstand und Absehen derer vorhergehenden Dinge wohl begriffen habe. Jedennoch aber wenn iemand anderer Meinung wäre / und erst ein Stück aus dem Buch lesen wolte / welches seinem Sinn gleichförmig wäre / und ihn / in Hoffnung dergleichen mehr zu finden / das gantze Buch durchzulesen nöthigen könte / so kan demselben auch gerathen werden.

Wolte zum Exempel einer eine wohl ausgesoñene kurtze Geschicht / die mit dem Hauptwerck nicht vermischt ist / haben / so lese er die überaus-artige Begebnüsse des Thracischen Königs Sadal / 8 da die ungegründete Eyfersucht eines Ehemanns gegen seine unschuldige Ehegattin mit recht-seltzamen Umständen beschrieben wird.

Wer an verblümten Reden sich belustiget / dem kan nicht übel gefallen die wunderwürdige Abbildung der Herrschens-Kunst durch einen 9 Blumen-Garten.

Verlangte man Exempel sinnreicher Uberschrifften / so dürffte man nur den dem August zu Ehren damit ausgezierten 10 Lugdunischen Tempel betrachten. Von netten Versen könte die Probe aus dem 11 Aufzug der Marsingischen Edelleute bey des Rickers Schaf Beylager genommen werden. Einem Liebhaber von natürlichen Wissenschafften würde vielleicht nicht übel anstehen / was von Fortpflantzung der Kranckheiten aus Menschen in Bäume von einem Wurtzelmann 12 und dem Cornelius Celsus vorgebracht wird. Wem mit einer tiefsinnigern Weißheit gedienet ist / der lese die schöne Rede der Princeßin Ismene 13 von Unsterbligkeit der Seelen.

Ferner wer etwas aufs erstemahl nicht verstehet /der lese es zum andern und drittenmahl / es wird versichert die Mühe des Nachsinnens durch den merckwürdigen Verstand schon bezahlet werden.

Endlich ist zu mercken / daß in denen ersten siebenzehen Büchern nichts als Lohensteins Arbeit zu finden / das letzte Buch aber von einer andern Hand hinzugethan sey.

Und hierauf hindert uns nichts mehr die absonderlichen Anmerckungen anzufahen; worinnen zwar manchmahl ein verdeckter Nahme auf einerley Art an zweyen oder mehr unterschiedenen Orten erkläret wird / doch nur darum / damit der Leser bey einem von den letztern Oertern nicht Mühe habe / die Erklärung allzu weit zu suchen. So sind auch die zugleich angeführten Geschicht-Schreiber / womit wir unsere Auslegung bewiesen / nicht eben die raresten / iedennoch um so vielmehr von iedermann zu bekommen und nachzulesen. Wo man aber auf niemand sich bezogen hat / hat man es um deß willen vor unnöthig erachtet / weil alle Lebens Beschreibungen dieser oder jener bloß hin beniemten Personen die vom Lohenstein angedeutete Geschichte angemercket haben / und also ein Geschicht-Schreiber vor einem andern in solchem Fall genennt zu werden nicht verdienet.

Fußnoten

1 Pabst Pius der andere; Besiehe des Bischoffs zuSoissons, Petr. Daniel Huët Buch de origine fabularum Romanensium p. 118

2 Andreas Henrich Buchholtz / ehemahls Professor zu Rinteln / nachmahls Superintendent zu Braunschweig. Besiehe Memorias Theologorum Henningi à Witten, dec. XIII. p. 1712. 1714.

3 Daß der Bischoff Heliodorus eine Aethiopische Liebes-Geschichte geschrieben / ist aus des Socrates Kirchen-Historien lib. V.c. 22. gewiß genug. Und daß er deßwegen abgesetzt / worden / sagt Nicephorus aus; welchem aber Valesius in seinen Anmerckungen über den Socrates keinen Glauben beymessen will. Gewiß ists / daß der grosse Patriarch Photius, diese Liebes-Geschicht zu lesen in seinem Myriobiblo Cod. 72. einen langen extract daraus zu machen / auch es sonderbar zu rühmen / sich kein Gewissen genommen. Dahingegen er den leichtfertigen Roman des Achilles Tatius zwar gelesen / aber demselben gar ein schlecht Lob ertheilet hat.

4 Sonderlich hat Johann Rist in der Vorrede über einen Theil seiner Lieder solches überaus weitläufftig gethan.

5 Allgem. Anmerckungen p. 6 b. 7. a.

6 I. Theil p. 712. u.f.

7 II. Theil p. 352. b.

8 II. Theil p. 40–65.

9 II. Theil p. 751.–759. und p. 765.b.–784.b.

10 I. Theil p. 354.b.–358.b.

11 I. Theil p. 2127.–1131.a.

12 II. Theil p. 4796.–483. a. lin. 3.

13 II. Theil p. 544.–545. a.

Absonderliche Anmerckungen über den Ersten Theil
[22] Absonderliche Anmerckungen über
den Ersten Theil.

p. 91. b. lin. 30. Ein verschlagener Hetrurier.) Hier wird gezielet auf den Curtium Inghiramium, so vor etlich funffzig Jahren diese Hetrurischen Antiqvitäten bey Vulterra aus der Erden ausgegraben und hernach durch öffentlichen Druck der Welt bekant gemacht hat. Es ist aber durch Leonem Allatium und Henricum Ernstium zur Gnüge erwiesen worden / daß diese alten Schrifften eine Mißgeburt eines neuen Betrügers seyn.

p. 94. a. lin. 39. Der Fürst aus Malovends Voreltern.) Otto der erste / Graf von Oldenburg / ein Stamm- Vater der itzigen Könige in Dänemarck und Hertzogen in Holstein. Die Geschicht wird von Hermañ Hamelmannen in der Oldenburgischen Chronica ins I.C. 990. gesetzet.

p. 110. b. lin. 35. Oberste Feldherren Deutschlands.) Römische Teutsche Käyser.

p. III. b. Cheruskische Hertzoge.) Oesterreichische Ertzhertzoge.

– Hermion.) Rudolph / Graf von Habsburg erster Römischer Käyser seines Geschlechtes. Besiehe allgemeine Anmerckungen / IV. Capitel / No. VIII.

– Drey erwehlende Fürsten / so dem Hermion ihre Stimmen geben / hingegen seine Töchter zu Gemahlinnen nehmen.) Drey Churfürsten / Ludwig Pfaltzgraf am Rhein / Albrecht II. Churfürst zu Sachsen und Otto Marckgraf zu Brandenburg / derer der erste Fräul. Mathilden / der andere Fräul. Agnes / der letztere Fräul. Hedwig sich vermählet hat.

– Istevon.) Käyser Friedrich II. Besiehe Joannis Pallatii Aqvilam Vagam l. 29. f. 39.

– Atcoroth / Hertzog derer Qvaden.) Otthocar / König in Böhmen.

– Emma / Atcoroths Tochter.) Jutta / Böhmische Princeßin.

– Mars / Hermions älterer Sohn.) Rudolph Hertzog in Schwaben / Landgraf im Elsaß. Dieser ist wohl zu unterscheiden von einem andern Mars / von welchem siehe p. 113. b.

– Hermion entblößete seinen Degen.) Es war ein Creutz / auf welchem Käyser Rudolph der I. in Ermangelung des Scepters / den Eyd von denen Churfürsten annahm. (Besiehe Johannis Palatii Aqvilam Vagam l. XXIX. fol. 43.) Weil aber kein Creutz sich vor den Heydnischen Hermion schicket / als hat Lohenstein an dessen statt den Degen nennen müssen.

p. 112. a. Noricher.) Die Oesterreichischen Stände.

– Gallier.) Carl von Anjou / König in Sicilien / so den Durnacin (d.i. Cunradin) den 27. Oct. 1229. zu Neapolis enthaupten lassen.

– Garramis.) Margaretha / Hertzogin von Oesterreich.

– Aleb.) Bela / König in Ungarn und Steuermarck.

– Bato / der Rhetier Hertzog.) Ladißlaus König in Ungarn.

[23] – Rangolbebet / Fürst der Bastarnen und Dacier. Ein gewisser Siebenbürgischer Fürst / welchem Lohenstein einen Nahmen von dem berühmten Bethlen Gabor / in Ermangelung des rechten Nahmens / durch Versetzung derer Buchstaben / erborget hat.

– lin. 38. Mit drey Ländern.) Oesterreich / Steuermarck und Cärnthen.

p. 212. b. Kunigundis / eine Tochter des Königs der Reussen und Bulgarn.) Kunigundis Pohlnische Princeßin.

p. 113 a. Regensberg.) Diesen nennet Palatius f. 47. Berthold Capella.

– Milota.) Milota de Diednicz, vornehmer Böhmischer Herr.

– Eborudun.) Brin in Mähren.

– Eburum.) Olmütz.

– Valuscenes.)Venceßlaus / Böhmischer Erbprintz.

– Jutta / Hermions Tochter.) Jutta / Käyser Rudolphs Tochter.

– Bergrose.) Dieser Ritter heisset beym Alberto Argentinensi Zevusch / beym Palatio aber f. 48. Zavisius Rosensis; ist nachmahls / auf Befehl itzt gedachten Königs Wenceslaus / geköpffet worden.

– Seqvaner.) Burgundier.

– Hanau.) Palatius nennt ihn Herrmann Waldeck.

– Dieser Held hat die Weiber gelehrt / etc. diß gehört zu dem alt-teutschen Hermion.

p. 113. b. Suasandusal.) Käyser Adolff von Nassau.

– Russen.) Sind hier die Engländer.

– Sarmater.) Frantzosen.

– Mars / Hermions anderer Sohn dieses Nahmens.)Albertus Austriacus, Römischer Käyser.

– Nemeter Gebiete.) Speyerisches Gebiete.

– Oettingen.) Ludwig Graf von Oettingen

p. 114. a. Der Hertzog derer Alemannier.) Johannes Hertzog in Schwaben.

– Drey Mitverschwohrne.) Rudolph von Wart / Walter von Eschenbach und Ulrich von Palm.

– Neun andere Fürsten.) Neun Römische Käyser / so nicht aus dem Hauß Oesterreich entsprossen. Nemlich: Henrich VII. von Lützelburg; Ludwig H. aus Bäyern; Carl IV. König in Böhmen; Günther Graf von Schwartzburg; Wenceslaus König in Böhmen; Ruprecht Pfaltz-Graf am Rhein; Friedrich Hertzog von Braunschweig; Jodocus Marggraf in Mähren; Sigismund König in Böhmen.

– Cridiser.) Friedrich der Schöne / Röm. Käyser / Albrechts I. Sohn.

– Dulwig / Hertzog derer Vindelicher.) Ludwig IV. Hertzog in Bäyern.

– Nach 130. Jahren.) Käyser Albrecht der I. ist den I. Mäy 1308. ermordet und Albrecht II. im Jahr 1438. zum Röm. Käyser erwehlet worden.

– Vandal.) Albertus der andere / Röm. Käyser.

– Pannonier.) Ungarn.

– Marckmänner.) Böhmen.

p. 114. b. Eubagen.) Hussiten.

– Druiden.) Römisch-Catholische.

– Micasir / Sarmatischer Fürst.) Casimir / König in Pohlen.

– Scythen.) Türcken.

– Ulsing.) Friedrich der III. Röm. Käyser.

– Cimburgis.) Cimburgis / Hertzog Zimovit von Massow Tochter.

p 115. a. Alemann.) Maximilian I. Friedrichs III. Sohn; Besiehe unten p. 119. a.

– Vercingetorich.) Carl / Hertzog in Burgund / dessen Tochter Anna Käyser Maximilians des ersten Gemahlin gewesen

[24] p. 118. a. Ein Celtiberischer König.) Alfonsus der zehnde / König in Spanien / ist von seinem Sohne Sanctius des Reiches entsetzet worden und in grosser Dürfftigkeit zu Sevilien gestorben.

p. 119. a. Alemann.) Maximilian I. Röm. Käyser.

– Marnier und Nervier.) Flandern.

p. 119. b. Trebal.) Albert Hertzog zu Sachsen.

– Lepontier.) Schweitzer.

– Hunnus.) Philipp / Käyser Maximilians I. Sohn.

– Diumfared.) Ferdinand / König in Spanien / dessen Tochter Johanna itzt-gedachten Philipp dem ersten vermählt worden.

p. 120. a. Tritonische oder Atlantische Länder.) America. Besiehe Hornium de Originibus Americanis, den Lohenstein sehr fleißig gelesen hat.

p. 120. o.b. Kokisem. Mexico.

– Mittägige Länder / die vom Färbe-holtz berühmt sind.) Brasilien.

p. 121. a. Josua.) davon meldet Procopius. BesieheHornium p. 140. f.

– Thule.) Ißland.

p. 122. a. Allamegan.) Ferdinand Magellan.

– Taprobana.) Ceylan.

p. 122. b. Kronen.) Grönland.

– Das Vaterland des rothen Färbeholtzes.) Brasilien.

p. 123. b. Zipangrier.) Japaneser.

– Die welche die Mittags-Länder bewohnen.) Peruaner. Besiehe Hornium p. 448. feq.

p. 124 b. Uzou und Tepin.) Uzou der Tartarn König hat den König der Chineser Tepin im J. Ch. 1260. vertrieben und seinen Auffenthalt in der neuen Welt zu suchen gezwungen. Hornius.

– Marcomir.) Carl der V. Röm. Käyser.

– Britannier.) Spanier.

– Chila Cambel.) Besiehe Hornium c.l.p. 101

p. 125. a. Treva.) Lübeck.

– Nocol.) Christoph Colon oder Columbus.

– Ligurier.) Genueser.

p. 125. b. Sitonier.) Norweger.

– Schon für acht hundert Jahren.) Harald Harfager hat gelebt im Jahr Christi 879.

– Cimbrer.) Sind hier die Cambro-Britannier.

– Güneth.) Fürst von Cambrien oder Wallis.

– Madoch.) Dieser soll im J.C. 1170. in der neuen Welt angekommen seyn. Besiehe Hornium. p. 241. s.

p. 126 a. 11000. Inseln.) Les Maldives

p. 130. a. Serer.) Chineser.

p. 132. a. Marcomir.) Carolus V. wie obgedacht.

– Lissudaval.) Vladislaus König in Ungarn.

– Salomin.) Soliman Sultan.

– Usesival.) Franciscus der I. König in Franckreich.

– Farnaboja.) Fontarabia.

– Olamin.) Milano oder Meyland.

– Carjoma.) Majorca.

p. 132. b. Die Hertzoge derer Hermundurer und Catten.) Johann Friedrich / Churfürst zu Sachsen und Philipp Landgraff zu Hessen.

– Haupt derer Druiden.) Pabst Elemens der VII.

– Barden.) Evangelische.

– Eubagen.) Calvinisten.

– Zitin.) Ticinum oder Pavia.

– Jazapol.) Johannes Zapolius, Woywoda in Siebenbürgen / so unten Decebal heisset.

– Vindomana.) Wien.

[25] – Assemules.) Muleassan König von Tunis.

– Barsabosar.) Barbarossa.

– Der Circkel der Sonnen ist der Tugend zu enge und des Monden zu niedrig.) PLUS ULTRA:

p. 133. a. Kokisem und Rupe.) Mexico und Peru.

– Opisot.) Potosi.

– Eine in einen saltzigten See gebauete Stadt.) Mexico.

p. 141 a. Hippon / Marcomirs Sohn.)

Philipp II. König in Spanien.

– Ingram.) Ferdinand der I. Röm. Käyser.

p. 142. a. Thinacris / Königin derer Samojeden.) Christina Königin in Schweden.

– Rakimis König der Geten.) Johann Casimir / König in Pohlen.

– Heerulk.) Valerius Maximianus Herculeus, Röm. Käyser.

– Nidotical.) Diocletian.

p. 143. a. Lissudaval.) Vladislaus Sigismundus / König in Pohlen.

p. 143. b. Lubomir.) Georg Lubomirsky.

– Lissudaval.) Vladislaus König in Ungarn.

– Gudwil.) Ludwig / Cron-Erbe von Ungarn.

– Hermildis.) Anna / Erb-Prinzessin von Hungarn.

p. 144. a. Decebal.) Johannes Graf von Zapolien; nachmahls König in Ungarn und Woywoda in Siebenbürgen. Doch ist dessen gegenwärtige Liebes- Geschichte nichts mehr / als ein Roman.

p. 149. a. Suessioner.) Franckreich.

p. 149. b. Eubagen.) Hugenotten.

– Colusar.) Carolus IX. König in Franckreich.

– Das eine Haupt derer Eubagen.) Henrich / König von Navarra / dem Carolus IX. seine SchwesterMarguerite de Valois vermählet hat.

– Das andere Haupt.) Der Admiral von Franckreich Caspar Coligny.

p. 150. b. Zoma.) Mohatz.

p. 151. a. Lasabile.) Isabella (oder Elisabeth) König Siegmunds in Pohlen Fräulein Tochter.

– Friedebald.) Churfürst Friedrich II. mit dem Zunahmen der Weise / Pfaltzgraff am Rhein; dessen Leben Hubertus Leodius mit Fleiß beschrieben hat.

p. 151. b. Boccan Hemer.) Marocco / so itzt unter frembden Joch / nemlich dem König von Tafiletta, schmachtet.

– Dacien.) Siebenbürgen.

p. 152. a. Festan / Decebals Sohn.) Johannes II. des oben p. 144. a. gedachten Johannis I. Königs in Ungarn Sohn.

p. 153. a. Clodomir.) Käyser Maximilian II.

– Riama) Maria / Caroli V. Tochter.

– Olorene.) Leonora / Käyser Carl des V. Schwester. Besiehe die Anmerckung zu p. 157. b.

p. 155. a. Bulissa.) Libussa / Königin in Böhmen.

– Sarpimil.) Primislaus / ein Böhmischer Ackersmann.

p. 157. b. Astinabes / der glückseligen Inseln König.) Sebastian / König in Portugal. Hier weicht die Liebes-Geschichte sehr weit von der historischen Warheit ab / die sich also verhält: Marcomirs (oder Käyser Carls des Vten) Schwester Olorene (Leonora) / so A. 1499. gebohren war / ist / nicht als Gudwils (Ludwigs / Königs in Ungarn) Witwe / sondern als ein Fräulein im J.C. 1519. vermählet worden / nicht mit Astinabes (Sebastian /) sondern mit Emanueln / König in Portugal / dessen Kindes- Kindes-Kind [26] erst derjenige Sebastian gewesen / so von Johanna / Käyser Carl des Vten Tochter / 20. Jan. 1554. gebohren worden und also A. 1558. nur 4. Jahr alt gewesen ist / als die inzwischen an Franciscus I. König in Franckreich (nach tödtlichẽ Hintritt ihres ersten Gemahls / König Emanuels /) verheyrathete Olorene (Leonora) gestorben / wie er denn auch nicht ehe / als den 4. Aug. 1578. vor todt gesaget worden / nachdem er und sein Bundsgenosse Mahomet die unglückliche Schlacht wider den König zu Fetz und Marocco / Abdelmelech verlohren; davon der Herr von Lohenstein unten p. 170. b. handeln wird. Hingegen war des itztgedachten Gudwils Witwe eben diejenige Maria / Käyser Carls V. Schwester / so Lohenstein Riama nennet.

p. 158. a. lin. 25. Es hätte das Qvadische und Pannonische Reich u.s.w.) An statt des ersten Worts Es hätte der Buchdrucker Er / und hinter die Worte Pannonische Reich ein comma setzen sollen. Denn der Verstand ist dieser: Er (Ingram oder Ferdinand I.) hätte (durch seine Vermählung mit Anna Erbprincessin von Ungarn und Böhmen) das Qvadische Böhmische) und Pannonische (Ungarische) Reich / deßgleichẽ (Rudolphus der erste /) der Urheber ihres (Oesterreichischen) Sta es / welcher nunmehr die andere Welt (Indien) überschattete / (durch eheliche Verbindung seines Sohnes mit Elisabeth Gräfin von Tyrol) gantz Noricum (die Tyrolischen Lande; ferner) sein Vater (Philipp I König in Castilien / vermittelst seiner Heyrath mit der Spanischen Erbprinceßin Johanna) gantz Britannien (oder Spanien) und die Frisischen Landschafften (Nieder-Deutschland) erworben. Durch diesen untadelhafften Hamen traue ihm Hippon (Philipp II.) Marcomirs (Carls V.) Sohn / Hibernien (England und Irrland) zu fischen / (weil er zu dem Ende sich mit Maria Königin in England vermählet hat.)

p. 161. b. Hunnus.) Itztgemeldter Philipp I. König in Castilien.

– Diunfared.) Ferdinandus Catholicus, König in Spanien.

– Nojanes.) Johannes / Ferdinands Sohn.

– Britannien.) Spanien. Besiehe oben allgemeine Anmerckungen p. 16. a. lin. 24.

p. 162. b. Hunnus Gemahlin.) Johanna.

– Dero ältere Schwester.) Isabella / so erst an Alphonsum den VI. nachmahls an Emanueln / beyderseits Könige in Portugal verheyrathet worden.

– Caledonien.) Castilien.

– Betisale.) Isabella / Infantin von Castilien / KönigFerdinandi Catholici Gemahlin.

p. 162. a. Aleman.) Käyser Maximilian I.

– Dessen Tochter.) Margaretha.

– Lucosar.) Carolus VIII. König von Franckreich.

– Nana.) Anna / Hertzogin von Bretagne.

– Amorichschen Länder.) Bretagne.

– Gudwil.) Ludwig XII. König in Franckreich.

– Lucosars Schwester.) Johanna.

p. 166. b. Dinaser.) Ferdinandus Catholicus.

p. 167. a. Der Unmensch / der sich für den Jupiter ausgab.) Cajus Caligula.

– Einer / so eine Vestalische Jungfrau geheyrathet.) Käyser Heliogabalus.

p. 169. a. Die zwey Gottesschänder / die sich in Saturn und Anubis verstecket.)

Jene Geschichte beschreibt Ruffinus lib.

[27] XI. Hist. c XXV. Diese Flavius Josephus I. XVIII. Antiq. Jud. c. 4.

p. 170. b. Der verdrungene König der Mauritanier.) Mahomet.

p. 171. a. lin. 2. Der / welcher das Königreich behauptete.) Abdelmelech König zu Fez und Marocco. Besiehe oben die Anmerckung zu p. 157. b.

– Salomin.) Soliman Sultan / dessen auch p. 132. a. gedacht worden.

– Siegestatt.) Sigeth.

– Nezir.) Nicolaus Zerin.

p. 171. b. Miles.) Selim Sultan.

– Sarmatien.) Pohlen.

– Tiabor.) Stephanus Bathory / Fürst in Siebenbürgen und König in Pohlen.

p. 172. a. Aembrich.) Käyser Ferdinand II.

– Segimer.) Käyser Ferdinand III.

– Roderich.) Käyser Rudolph II.

– Malorich.) Käyser Matthias.

– Turama.) Amurath Sultan.

– Mehadum.) Muhamed Sultan.

– Techma.) Achmet Sultan.

– Schwartzenberg.) Adolph von Schwartzenberg / so deßwegen A. I599. zum Grafin gemacht worden / folgendes Jahr aber bey Papa sein Leben ritterlich verlohren hat. Ist der Aelter-Vater des ietzigen Fürstens von Schwartzenberg / Ferdinand Wilhelms Eusebii.

– Pannonischer Edelmann.) Ferdinand Graf von Hardeck.

– Scythen.)Türcken.

– Arabo.) Raab.

p. 172. b. Marsingischer Ritter / Reder.) Schlesischer von Adel / Melchior von Redern.

– Nidavar.) Varadin oder Groß-Wardeyn.

– Gundimes / König der Dacier.) Sigmund Fürst in Siebenbürgen.

– Nasared.) Andreas Bathory.

– Tabisock.) Stephanus Botskay.

– Mithridates.) Schach Abas der grosse König in Persien.

p. 175. b. Gotart.) Gustavus Adolphus König in Schweden.

– Treva.) Lübeck. Von diesem Lübeckischen Goldmacher / der 17000. Cronen seinen Erben verlassen hat / ob er gleich im Kauffhandel stets unglücklich gewesen; deßgleichen von einem andern / der mit Segimern (d.i. Käyser Ferdinanden III.) zu thun gehabt / besiehe E.G. Happels Relationes curiosas, im II. Theil p. 286. 287.

p. 178. b. Topiso.) Potosi.

p. 182.a. Malorich.) Käyser Matthias.

– Techma.) Achmet.

– Der dem Malorich nicht beliebige Fürst.) Bethlen Gabor.

p. 182. b Aembrich.) Käyser Ferdinand II.

p. 185 a. Die Stadt / so ein Rhetischer Berg bedeckt.) Plürs in der Schweitz / 25 Aug. 1618.

p. 212. b. Sigabor.) Alexander VI. Römischer Pabst / so vor seiner Erwehlung Borgias geheissen.

– Apellis.) Bianca Capellis, Francisci de Medicis Großhertzogs zu Florentz Gemahlin. Diese hatte ihres Gemahls Bruder / dem Cardinal Ferdinand / eine vergifftete Torte vorgesetzet; welcher aber sich entschuldigte / weil er keinen Appetit zu essen hätte. Franciscus meynte / diß geschähe aus Furcht dessen / welches mehr als zu gewiß war. Weil er nun dergleichen seiner Gemahlin nicht zutrauete / schnitte er selbst die Torte entzwey und nahm die Helffte zu sich. Als demnach Bianca sahe / daß ihr Gemahl sich unwissend den Todt an Hals gegessen hätte / fraß sie aus Verzweiffelung die andere Helffte / und starb bald drauf nebenst ihm.

[28] p. 220. b. Ein gewisser Fürst.) Carl VII. König in Franckreich.

– Sein erwachsener Sohn.) Ludwig der XI.

– Ein anderer Vater in Hispanien.) Philipp II. König in Spanien.

– Seinem Sohne.) dem Infanten Carolus.

p. 226. a. Ein Geschlecht in Hibernien.) Das Königliche Stuartische Geschlecht in Großbritañien / aus welchem nach Henrich Ranzauens Rechnung mehr als die Helffte / (nemlich über 50. Personen) unnatürlichen Todes verblichen. Joh. Buno not. ad P. Cluverii Geograph. p. 190.

– Induciomarer.) Die Henrici in Franckreich.

p. 229. b. Hippon.) Philipp II. König in Spanien.

– Hibernien.) England.

– Telesbia.) Elisabeth.

– Canistria.) Christina / Königin derer Schweden und Gothen.

– Britannier.) Spanier.

p. 232. a. Der Schutzherr Hiberniens. Olivier Cromwell / Protector von England / Schottland und Irrland.

– Des Königlichen Gesandten aus denen glückseligen Eylanden Bruder.) Pantaleon de Sà & Meneses, des Grafens de Penagion, Portugiesischen Ambassadeurs Bruder / welchen Cromwell A. 1654. köpffen lassen. Christoph Adolph Thuldenus, P.I.Histor. L. XI. p. 76: Wicquefort, de l'Ambassadeur L.I. Sect. XXVIII. p. 605. edit. 1682.

p. 248. Laodice.) Es scheint fast / als ob Laodice die Marie Françoise d' Aumale, Princesse de Nemours, vermählte Königin in Portugal / Artavasdes den König Alphonsus / Gotarzes den Don Pedro dessen Bruder / das Eyland im Caspischen Meer die Insel Tercera verdeckter Weise vorstelle.

p. 264. b. Idris.) So heisset bey denen Arabern der Patriarch Enoch.

p. 268. b. In Rhetien durch Einfallung eines Berges.) Plürs in der Schweitz.

– Kampff zweyer Berge in der Mutinensischen Gegend.) Besiehe Plinium Hist. Nat. l. II. c. LXXIII.

p. 270. a. Die Persen haben ihrer Königlichen Witwe schwangern Leib gekrönet.) Dieses ehe gekrönte als gebohrne Kind ist Sapor III. König in Persien / so A.C. 380. gestorben.

p. 274. b. Die Britannische Fürstin Lelebisa.) Als König Edward I. von England durch einen Meuchelmörder mit einem vergiffteten Pfeil im gelobten Land geschossen worden / hat dessen Gemahlin Eleonora / König Ferdinands III. in Castilien und Leon Tochter / das Gifft mit ihrem Munde aus seiner Wunde gesogen und ihn hierdurch von der augenscheinlichen Todes-Gefahr glücklich befreyet. Sie starb hernach zu Herdebey in Lincolnshire den 27. Nov. 1290. wie Francis Sandford, in seinerGenealogical History of the Kings of England f. 129. berichtet. Einige Authores, insonderheit Ludovicus Vives, nennen den König den frommen Robert / die Königin aber Elisabeth. Allein die Zeit- Rechnung und alte Grabsteine bekräfftigen Sandfords Erzehlung.

p. 294. b. Die Könige in Gallien biß auf des Induciomarus Söhne vertrieben mit dem Finger alle Kröpffe.) Diß ist vielleicht aus Boissardo de Divin. c. genommen / als welcher schreibt / daß die Könige in Franckreich die Wunder-Krafft Kröpffe zu heilen viel hundert Jahre [29] und biß auf die Zeit Henrichs II. gehabt. Oben aber ist gedacht worden / daß Lohenstein I. Theil p. 226. die Henriche Induciomarer nenne. Hiermit stimmt Hubert Morus überein / wenn er l. III. de S. Un. c. 5. berichtet / daß Henrich III. einen seiner guten Freunde am Kropffe zu heilen sich vergeblich bemühet habe. Nichts destoweniger mercken doch Gramondus und andere noch heut zu Tage lebende Historien- Schreiber an / daß Henrichs des dritten Nachfolgere / Henrich IV. Ludwig XIII. und XIV. eben die Gabe gehabt / derer die vor Henrich III. regierendẽ Könige sollen theilhafft gewesen seyn.

p. 304. b. Antiope / Orismanes / Trebossrex.) Orismanes ist sonst in der Liebes-Geschichte eine erdichtete Person; hier aber ein Ebenbild des Marschalls von Franckreich / Charles Biron. Diesem wiese die Königin in England Elisabeth / das Haupt ihres gewesenen liebsten Bedienten / des Grafens von Essex / (welchen sie 7. Mart. 1601. enthaupten lassen /) und warnete ihn / sich vor solcher Untreu zu hüten / damit er nicht gleichmäßiger Straffe sich schuldig machte. Allein Biron schlug solches in Wind und verlohr hierüber ebenfalls sein Haupt unter des Scharffrichters Hand / 21. Jul. 1602. Trebosserex enthält in sich die versetzten Buchstaben Robert Essex; uno also muß Antiope Elisabeth / Orismanes Biron seyn.

p. 308. a. Der Weltweise / so dem Kebsweibe des Hermias geopffert.) Aristoteles.

p. 309. a. Ein die Streubüchse vergreiffender Diener.) Dem König in Spanien Philipp II. wird als eine sonderbare Langmuth nachgerühmet / daß als er einst einen Brieff an den Pabst geschrieben und selbigen mit Sande zu bestreuen und eyligst zu bestellen / seinem Bedienten gegeben / dieser aber an statt der Streubüchse das Tintenfaß auf das Papier geschüttet / habe jener sich nicht im geringsten beweget / sondern nur gesaget: Gebt ander Papier her: habe sich hierauf niedergesetzt und sichs nicht verdrüssen lassen / den Brief noch einmahl zu verfertigen. Ob nun der Diener aus Furcht einiger heimlichen Ungnade gestorben / oder ob Lohenstein eine gantz andere Geschicht im Sinn gehabt / ist mir unbekant.

p. 310. a. Forstard.) Der Graff von Strafford und Viceroy von Irrland / den Carl Stuart I. König in Groß-Britannien / auf fälschlich Angeben und ungestümes Anhalten des Englischen Parlaments / 12. Maj. 1641. enthaupten lassen.

– Condelar.) Don Rodrigo Calderon Graf von Oliva, welcher unter König Philipp III. in Spanien / nächst dem Hertzog von Lerma / der vornehmste Staats-Bediente gewesen / nachmahls aber unter Philipp IV. unzähliger Mißhandlungen beschuldiget und durch den Scharffrichter vom Leben zum Tode gebracht worden. Besiehe Erasmus Francisci hohen Trauersaals IV. Theil.

p. 312 a. Asteloth.) Der Graf von Athol (oder d' Atholes) hat den mit ihm verwandten König in Schottland Jacob I. mit 22. Wunden den 20 Febr. 1437. ermordet / nachdem ihm ein Sterngucker gewahrsagt hatte / er würde vom Volck für einen König öffentlich ausgeruffen werden. Deßhalben ward ihm auch eine glüende eiserne Crone zu wohlverdienter Straffe auf das Haupt gesetzet / mit der Uberschrifft: Das ist der König derer Verräther! Besiehe Acta Eruditorum 1685. p. 23.

[30] p. 321. b. Deutsche Königinnen haben ihre Liebhaber vom Pflugschar genommen.) Libussa Königin in Böhmen. Siehe oben p. 155. a.

– Eine Käyserin hat sich in einen Fechter verliebt.) Faustina, Käysers Marci Aurelii Antonini Philosophi Gemahlin; wie bey dem Capitolino zu sehen.

– Eine Fürstin hat sich in einen Zwerg verliebt.)Julia, Käysers Augustus Enckelin / hat zu ihrem Liebling den Conopas gehabt / der zwey Schuhe und eine Handbreit lang war. Plinius H.N.I. VII. c. XVI

p 339. Bala Hippons Stadthalter.) Der Hertzog von Alba. Die Aufschrifft der metallenen Statua wird beym Palatio f. 599. Aquilæ Austriacæ also gefunden:

FERDINANDO ALVAREZ A TOLEDO; ALBÆ DUCI; PHILIPPI II: HISPANIARUM REGIS APUD BELGAS PRÆFECTO: QUOD EXTINCTA SEDITIONE, REBELLIUS PULSI, RELIGIONE PROVINCIA A PACEM FIRMARIT: REGIS OPTIMI MINISTRO FIDELISS: POSITUM. d.i. Ferdinanden Alvarez von Toledo / Hertzogen von Alba / König Philipp des II. Stadthaltern in denen deutschen Niederlanden / nachdem er die Aufruhr vertilget / die Rebellen verjaget / die Religion beschützet / den Landfrieden bevestiget / ist / als des gütigsten Königs treuesten Bedienten / dieses Denckmahl aufgerichtet worden.

p. 304. a. Ein Serischer König eines neuen Stammes.) Besiehe Arminius I. Theil p. 615. a. lin. 6. feq.

p. 345 a.l. 35. Atlantische Insul.) America.

p. 347. a. Der / dem man gifftige Schwämme zu essen gab.) Käyser Claudius.

p. 362. b. Bataver.) Diß sind von hier an biß p. 369. die heutigen vereinigten Niederländer.

– Britannischer König.) Philipp II. König in Spanien.

– Eganor.) Wilhelm / Hertzog von Uranien / so 10. Jul. 1584. zu Delfft meuchelmörderisch umbs Leben gekommen.

p. 363. a. Eisenhertz.) Ist eben der / so gleich hiernächst Wodan heisset.

p. 363. b. Waldan.) Ließ Wodan.

p. 364. a. Wodan.) Moritz von Nassau Printz von Uranien.

p. 364. b. Zwist zwischen denen Eubagen.) Spaltung derer Reformirten in Arminianer oder Remonstranten und Calvinisten oder Contraremonstranten.

– Bisuar.) Johannes Barnerelt.

p. 365. a. lin. 2. Allgemeine Landes-Versammlung.)Synodus zu Dordrecht.

– Dagobert.) Wilhelm / Printz von Uranien / so den 6. Nov. 1650. gestorben.

– Batavodurum.) Amsterdam.

– Des Caledonischen Hertzogs Tochter.) Maria / Carl Stuart des I. Königs in England Tochter.

p. 365. b. Caledonier und Römer.) Engländer und Frantzosen.

– Cariovalda.) Wilhelm Henrich / Printz von Uranien (nunmehr König von England) ward gebohren den 24. Dec. 1650.

p. 366. a. lin. 6. Eydliches Bündnüß.) 5. Aug. 1667. Dieses Bündnüß ist von Wort zu Wort zu lesen in Valckeniers verwirrten Europa / Anhang N. III. f. 3.4.

– Drusus.) Ist in dieser Erzehlung Ludwig. XIV. König in Franckreich; biß auf [31] p. 371. a. allwo er des Käysers Augustus angenommener Sohn wieder wird.

p. 366. b. Der Fürst der Ubier.) Maximilian Henrich / Churfürst zu Cölln.

– Grinnes.) Rhenen.

– Vada.) Wageningen.

– Arenacum.) Arnheim.

– Der zur Verthädigung des Rheinstroms bestellete Kriegs-Oberste.) Jean Barton de Mombas, General-Commissarius über die Reuterey derer Niederländischen Provintzen. Besiehe Valckeniers verwirrt Europa I. Theil fol. 237

– Taxanter.) Seeland.

– Batavodurum.) Amsterdam.

– Hibernier-König.) Carl Stuart II. König in Großbritannien.

p. 367. a. Enno.) Diese ordentliche Berathschlagung gehört zum Roman / nicht zur Historie. Denn der Hertzog von Uranien hat die Wiedererlangung derjenigen Würden und Aempter / so ihm durch das Bündnüß den 5. Aug. 1667. abgesprochen waren / mehr dem unordentlichen Geschrey derer Bürger und des Pöbels in unterschiedenen Städten / als der recommendation einigen Regentens zu dancken gehabt. Jedoch schickt sich dieser wohl ausgesonnene Umbstand zu einem Helden-Gedichte weit netter / als die wahre Beschaffenheit der Sache selbst.

– Ein gemeiner Mann.) Wilhelm Tichelaer / ein Barbierer. Besiehe Happels Relat. Curios. III. Theil p. 357.

– Einer der fürnehmsten Räthe.) Cornelius de Witt, Ruart von Pütten.

– Hibernier.) Engländer.

p. 371. a. Drusus.) Hier fangen die alten Römischen Geschichten wieder an.

p. 372. b. Segimer.) Ferdinandus III.

– Die Hauptstadt derer Campsacer.)

Wolffenbüttel hat Käyser Ferdinand III. durch den Pappenheim vermittelst Schwellung der Ocker bändigen und aus derer Dänen Gewalt unter Hertzog Friedrich Ulrichs von Braunschweig Botmäßigkeit bringen lassen.

– Grubenbrand.) Friedrich Wilhelm / Churfürst zu Brandenburg hat 1663. die Oder mit der Spree vereinbahret. Besiehe Johann Wolffg. Rentschens Brandenburgischen Cederhayn p. 523.

p. 373. a. Vercingetorich.) Ludwig XIV. König in Franckreich hat den Fluß Garumna (Garonne) mit dem ins Mittel-Meer fallenden kleinern Fluß Atax oder l'Aude vereiniget.

– Tuisco.) Käyser Carl der Grosse. Besiehe Aventinum I. IV.

– Phrat.) Trajanus hat den Phrat mit der Tiger / und Nero die Avernische See mit der Tyher zu vereinigen vergeblich gesuchet.

– Massageten.) Moscowiter. Besiehe J.C. Becmanni Hist. Orb. P.I.c. III. §. XXI.

– Silem.) Sultan Selim.

p. 374. b. Socas.) Durch Buchstaben-VersetzungSaxo. Der gefangene Churfürst zu Sachsen / Johann Friedrich / hörte ohne Bestürtzung an / was sein Uberwinder Käyser Carl V. ihm im Monat Mäy 1547. andeuten ließ / nemlich / daß / wo er nicht die Ubergabe der Stadt Wittenberg verschaffte / solte ihm das Leben abgesprochen seyn. Er nahm den Todt mit freudigen Worten an / welche beym Thuano, lib. IV. zu lesen sind; ja er bat den Hertzog von Braunschweig / mit ihm im Schachspiel fortzuspielen. Welche seine Großmuth ihn bey Ehre und Leben erhalten hat. Besiehe auch Saavedra, Symb. Pol. XXXIII.

[32] p. 398 a. In denen Römischen Lägern eine Frau.) Agrippina des Germanicus Gemahlin; wie im II. Theil wird erzehlt werden.

– Eine Fürstin im Kriegs-Rathe.) Ich wolte fast sagen / daß die tapffere verwitwete Landgräfin von Hessen-Cassel / Amalia Elisabeth / von welcher in der Historie des 30. jährigen Kriegs überaus viel Rühmens ist / verstanden werde. Doch dürffte auf solchen Fall eine kleine Hyperbole im Arminius seyn.

p. 433. a. Eine geschändete Fürstin.) Blanca Rubea, so von dem Wüterich Acciolini geschändet worden; wie Bernardus Scardeonius weitläufftig beschrieben. Phil. Camerarius P.I. Hor. Subcisiv. c. 50

p. 439 b. Einigen hat ein Pfeil ihr Geschwür eröffnet.) Hieher gehören die Exempel des Pheræus Jason, (beym Cicer. de Nat. Deor. und Plin. I. VII. H.N.c. 50.) des Prometheus aus Thessalien / (beym Plutarch. lib. qvid intersit inter adulatorem) und anderer.

p. 444. b. Tauben zu Brieffträgern gebraucht.) Siehe. G.J. Vossium. l. III. de Idolol. c. 98. Phil. Camerarium? P.l. Hor. Succis. c. 77. Pietro della Vale, P.l. epist. 12.

– Stadt in Syrien.) Tyrus.

– Eine andere Festung.) Besiehe Paulum Æmilium in vita Ludovici Crassi und Petr. Justinianum Hist. Ven. l. II.

p. 445. a. Segimer.) Ferdinand III. R.K.

p. 448. a. Die Furcht treibt einem die grauen Haare in einer Nacht heraus.) Dergleichen widerfuhr dem Diego Osorio, als er auf Befehl des Königs in Spanien gefangen gesetzet wurde. Petrus Mexia, sylva variar. lectionum P. ll. c.7. Wie auch dem Henrich Gate, den die Königin Maria in England zum Tode verda et hatte. Thuanus, lib. 13.

p. 448. b. Großsprecher.) Martinus Ivanius / ein Spanischer Ritter / ließ auf sein Grab schreiben: Hic situs est Martinus Ivanius in omni discrimine expers timoris, d.i. Hier liegt Martinus Ivanius / der in aller Gefahr ohne Furcht war. Käyser Carl V. laß solches und sagte: Dieser hat gewiß seine Hand niemahls ins Feuer gehalten / sonst würde er sich ohne Zweiffel für der Hölle gefürchtet haben. Qvirinus Pegeus (oder Harsdörffer) Kunst-Qvelle n. 5816. In dem Buch: Les Actions heroiques & plaisantes de l'Empereur Charles V. (so bey dem erdichteten Pierre Marteau Cologne gedruckt ist) heißt dieser Spanier Martin Janus Barbuda General de l'armée d'Alcantara.

p 453. a. Jener Waldgott / der kalt und warm aus seinem Munde bließ.) Ich halte / der Herr von Lohenstein habe schreiben wollen: Ihr Mund bliesse / wie jener Bauer / (der bey einem Waldgott zu Gaste war und mit seinem Athem so wohl seine Hände wärmer / als das Essen kälter machte / kalt und warm heraus. Deñ so erzehlt diese Fabel Erasmus, Adag. Chiliad. I.n. 830.

p. 455. b. Der sich verbreñende Indianer.) Zarmar / von welchem unten p. 714. gehandelt wird.

p. 468. a. Taprobana.) Ceylan.

p. 473. a. Britannier.) Lohenstein hat hierbey den Engländer Kenelmum Digby sonder Zweiffel im Sinn gehabt.

p. 507. b. Cantabrischen.) Spanischen.

– Pannonischen.) Ungarische.

– Britannischen.) Englische.

– Der Gallier Fürsten.) Könige in Franreich.

[33] – Persina.) Die schwartze Persina / Aethiopische Königin / hat (laut des Heliodori Liebes-Geschichte) an einem alabasternen Andromeden-Bild sich versehn und die weisse Chariclea gebohren.

p. 524. b. Marcomir.) Käyser Carl V.

p. 531. b. Herulischen / Rugischen und Varinischen Hertzoge.) Die Hertzoge von Meckelburg. Joh. Phil. Speneri Hist. Insign. l.I.c. 61.

p. 561. b. Jener Scythe.) Timur Lanc oder Tamerlanes.

– Einen grossen Fürsten.) Bajazeth / Türckischen Käyser.

p. 562. a. Alemann.) Maximilianus I.

– Marcomir.) Käys. Carl V.

p. 562. b. Carnutum.) Der Päbstliche Stuhl zu Rom.

p. 582. a. Der Rauch gedörrter Kräuter.) Tabac

p. 583. b. Das Geträncke der Seren.) Das The dererChineser.

p. 591 b. Huhansien / König der Scythen.) Tartar- Cham.

p. 609. b. Der Papegoy in Britannien.) Die Geschicht ist zu Londen zur Zeit Henrichs des VIII. geschehen / wie Gesnerus meldet.

p. 611. a. Nächsthin ein Rabe zu Rom. Unter dem Käyser Tiberius / nicht lange nach der vom Lohenstein beschriebenen Haupt-Geschicht. Besiehe Plinium. l.X.H.N.c.43.

p. 629. Aletodobal.) Ferdinand Alvarez von Toledo / Hertzog von Alba. Siehe oben Anmerck. zu p. 340.

p. 631. b. Marcomir.) Carl V.

– Der Fürst derer Hermundurer.) Johann Friedrich Churfürst zu Sachsen.

Siehe oben Anmerck. zu p. 374. b.

p. 632. a. Türckis.) Diß hat Ruæus de Gemmis und aus ihm Happelius Relat. Curios. III. Theil p. 163. beschrieben.

p. 632. b. Zwey Diamante bey einer Fürstin in Gallien.) Diese Fürstin ist aus dem Luxenburgischen Geschlecht gewesen. Picinelli Mund. Symbol. l. XII. c. II. n. XXXV. aus Ruæo und Anselmo Boethio; ingleichen P. Mich. Radau Orat. Extempor. p. 2. c. 5. qv. I.

– Affenzahn.) Als die Portugiesen den Tempel auf der Spitze des Berges Pico d'Adam A. 1554 ausplündern wollen / haben sie nichts als ein güldenes Kästlein und in diesem einen Affenzahn gefunden. Die Landes-Könige haben 70000. Ducaten zur Ranzion vor diesen ihren Götzen geboten; allein Bischoff Gaspar hat ernstlich verboten / sie anzunehmen / auch den Zahn alsbald verbrant und die Asche ins Meer geworffen. Johann Hugo von Lindschotten.

– Smaragd / als ein Strauß-Ey groß.) Die Indianer zu Manta (einem Dorff oder Flecken in Peru an der Küste des friedsamen Meers /) haben ehemahls einen Smaragd angebetet / der so groß gewesen / als ein Straussen-Ey. Happelius, III. Theil Relat. Curios. p. 149.

p. 634. a Britannische Königin.) Elisabeth Königin in England.

– Caledonische Fürstin.) Maria Stuart / Königin in Schottland.

p. 635. b. Brüder der Sterne und Söhne der Sonnen.) Die Könige in Persien.

– Mit dem Mond sich vermischen.) Dessen rühmte sich Käyser C. Caligula.

p. 656. a. Jene Marsingische (d.i. Schlesische) edle Jungfrau / welche aus der Asche ihres erblichenen Bräutigams eine Sand-Uhrmachte.) Fast der gleichen / wo nicht eben diese Geschicht / ist so [34] wohl mit Lateinisch – als Italiänischen Versen beschrieben beym Picinello I. XXI. Mundi Symbol. c. XI. n. 153.

p. 659. a. Brahmanen.) Insgemein ist zu mercken / daß was Masulipat und Zarmar vom Glauben und Gebräuchen derer Indianischen Brahmanen erzehlen / aus Abraham Rogers offnen Thür zum eröffneten Heydenthum und Christoph Arnolds beygefügten Zugaben / erborget sey; ungeachtet diese nicht von denen alten / sondern heutigen Braminen handeln.

p. 662. b. Basira / Serapis / Joseph.) Siehe Pietro della Valle Reisebeschr. IV. Theil.

– lin. 30. In weniger Zeit.) Zur Zeit des Neuen Testaments. Denn daß Zarmar hiervon einen Vorschmack gehabt / will der Verfasser vor wahr gehalten haben I. Theil p. 666. 714.

p. 670. b. Hippon.) Philipp II. Kön. in Spanien.

p. 672. b. Ein Marsingischer Priester.) Lorentz Bischoff zu Breßlau. Cromerus l. VIII. Hist. Polon.

– Eine Britannische Jungfrau.) Zur Zeit der Königin Elisabeth. Kenelmus Digby tract. I. de nat. corpor. c. 38. Schottus. Phys. Curios. l. III. c. 33. § IV.

– Ein Kriegs-Held fürchtet sich vor Raute.) BesieheMarcelli Donati lib. VI. Hist. mirab. Med. c. 4.

p. 673. b. Der Hertzog in Codanonia.) Der König in Dänemarck.

– Der Cimbrischen Fürsten Stamm-Frau.) Sueno Esthritius König in Dänemarck / so das biß aufs J.C. 1448. blühende Königliche Geschlecht angefangen / hat zum Aeltervater den Biörn gehabt / welchen eine Jungfrau (nach Saxonis Grammatici l. 10. Hist. Dan. f. 174. Bericht) von einem Bär soll empfangen haben.

– Ein adelich Geschlecht in Spanien hat einen Wassermann zu seinen Anherrn.) Die Marini in Gallicien. Nieremberg. l.V. Hist. Nat. c. 7.

– Ein gantz Volck in Indien an dem Fluß Kinxa.) Im Königreich Pegu. Nieremberg l.c. aus Joh. Barro.

p. 674. a. Bey denen Batavern ist für dritthalb hundert Jahren eine gefüssete Sirene gefangen worden / welche spinnen gelernet.) A.C. 1403. wie Noierus, Guicciardinus, Jonstonus, und aus diesen Schottus Physic. curios l. III. c. IV. §. I. berichten.

– Ein Meermann ohne Schwantz.) Im Monat May 1619. haben die Dänischen Reichs-Räthe auf ihrer Rückreise aus Norwegen nach Kopenhagen selbigen gefangen bekommen. Doch scheint es / er sey ehe ein Gespenst / als eine unvernünfftige Seecreatur gewesen / weil er verständlich geredet und gedräuet hat / daß weñ man ihn nicht alsbald loßlassen würde / weder Schiff noch Gut zu Lande kommen solte. Theatrum Europæum I. Theil. Zwar Happelius Relat. Curios. II. Theil p. 16. sagt: Hat nicht der allmächtige Schöpffer diesem Mann den Mund eröffnen können / wie Bileams Eselin? Allein was GOtt thun kan / thut er nicht eben allzeit; und die teufelischen Betrügereyen sind in diesen letzten Zeiten viel gemeiner / als dergleichen göttliche Wunder.

p. 711. b. Wistnou.) Der Brahmanische Gott Wistnou soll zehnmahl in leiblicher Gestalt erschienen seyn / und zwar zum ersten unter der Gestalt eines Fisches. Rogers Offne Thür II. Theil / III. Capitel; [35] p. 714. b. Ramma und Kristna.) Was die Heyden auf der Küste Coromandel von diesem ihrem so genanten Gott glauben / hat einige Gleichheit mit unserer Lehre von Christo / wie die obgedachten Roger und Arnold hier und dar anmercken. Jedoch ist alles mit so viel teufelischen Lügen vermenget / daß man (meines Erachtens) viel ehe Diamante in einer Mistlache / als die seligmachende Warheit von der Menschwerdung des Sohnes GOttes in denen Brahmanischen Fabeln finden wird.

p. 736. a. Marcomir.) Käyser Carolus V.

p. 762. a. Ein einäugiger Gesandter.) Besiehe Freder. de Marselaer, l.I. Legat. p. 52. edit. Vinar. 1663.

p. 763. b. Marcomirs Botschaffter.) Caroli V. Botschaffter bey der Ottomannischen Pforte. Besiehe Marselaer l. II. Legati, diss. 32.

p. 784. b. Sinadat.) Graf Frantz Nadasti / Käyserl. und Königl. geheimer Rath / Cä erer und Judex Curiae in Ungarn / ist wegen Meuterey wider itztregierende Käyserl. Majestät / zu Wien den 30. April 1671. enthauptet worden.

– Ireniz.) Peter Graff von Zerini / Bannus in Croatien / so zu einerley Zeit und wegen einerley Mißhandlung / als ietztgedachter Nadasti / geköpffet worden. Hierbey aber ist zu mercken / daß / obgleich Lohenstein die sonst ungenanten verrätherischen Bedienten des alten Pañonischen oder Ungarischen Könige Hunnus mit denen Nahmen der zu unserer Zeit bekanten Ungarischen Rebellen beleget / die übrigen Personen dennoch in seiner Erzehlung nichts verborgenes bedeuten. Massen Sinadats Gemahlin des Nadasti seiner zwar darinnen gleich ist / daß diese den wider Käyserl. Majestät vorgehabten Meuchelmord verhindert / die deroselben zugedachte vergifftete Pastete mit einer unvergiffteten verwechselt / und also mehr Treu ihrem Oberherrn / als Ehegemahl erwiesen hat? jedennoch ist diese jener ungleich / indem sie nicht ihren enthäupteten Gemahl überlebt / sondern kurtz vor dem Ausbruch der Verrätherey im Kindbette gestorben. Worüber denn das Gerücht hier und dar in Deutschland erschollen ist / es hätte Nadasti sie gezwungen / obgedachte Pastete zu essen / die sie seinem hohen Gaste / dem Käyser / weggeruckt; das langsam- schleichende Gifft aber erst zur Zeit ihres Kindbettes seine völlige Würckung erreichet. Besiehe Erasmus Francisci Trauersaals III. Theil XLVI. Geschicht / §. XXI.

p. 830. a. 870. b. Marcomir.) Käyser Carl V.

p. 871. b. Jener Fürst.) Käyser Valerius Aurelianus, der die Stadt Thyana in Cappadocien belägerte.Vopiscus.

p. 887. a. Glüenden Ochsen.) Perillus halte auf Befehl des Tyrannen Phalaris einen glüenden ehrnen Ochsen / andern zur peinlichen Hinrichtung / verfertigt / muste aber zur Probe sich selbst darinnen verbrennen lassen.

p. 970. a. Aleman.) Käyser Maximilian I.

– b. Druiden.) Hierdurch werden zwar eine Art alter heydnischer Götzen-Priester benennet / gleichwohl die Römisch-Catholischen Geistlichen in etlichen Stücken stillschweigend beschrieben; Und mag der verständige Leser selber urtheilen / was unter dem von denen Druiden gesagten auf diese oder jene sich schicke.

p. 971. b. Cantium.) Rom.

– Eichenen Stab.) Pallium.

– Druiden Oberhaupt.) Pabst.

– Oberste Druiden.) Cardinäle.

– Die Wahl fället auf zwey oder drey.)

[36] Antipapæ oder Wiederpäbste. Also sind z.e.A.C. 1409. Gregorius XII. Benedictus XIII. und Alexander V. Päbste gewesen / von denen das Concilium zu Pisa die zwey ersten abgesetzt und den dritten vor das rechte Haupt der Kirche erkläret hat. A. 1415. wurden die zugleich regierenden Päbste Johannes XXII. Gregorius der XII. und Benedictus der XIII. durch das Costnitzer Concilium ihrer Würde beraubet / hingegen Martinus V. zum Pabste erwehlt.

p. 979. b. Ein Miltzsüchtiger.) Diß soll ein Edelmann aus Siena gewesen seyn; wie Happelius Relat. Curios. T.I. p 542. aus M.A. du Laurens mit mehrern erzehlt. Aus Jan Zoet Noct. Hybern. aber führt er dergleichen Geschicht noch weitläufftiger an / Relat. Curios. III. Theil p. 17.

p. 980 a. Atlantische Insel.) America.

p. 982. b. Marcomir.) Käys. Carl. V.

– Divitiac.) D. Martin Luther.

p. 983. a. Eubages.) Johannes Calvinus.

– b. Der Druys / in dessen Armen Marcomir gestorben.) Constantinus Pontius, Käyser Caroli V. Beicht-Vater/ so auf Befehl Philipp II. Königs in Spanien verbrant worden.

– Insonderheit wurden die an dem Flusse u.s.w.) Sind alte Geschichten / die Lutherum und Calvinum nichts angehn.

p. 984. a. lin. 7.) Hier gehn die neuen Geschichte wieder an.

– Irmingardis.) Catharine de Medices, Henrichs des II. Königs in Franckreich / Wittwe.

– Dero 3. Söhne.) Franciscus II. Carl IX. Henrich III. Könige in Franckreich.

– Hevinserich.) Henrich Hertzog von Guise.

– Dessen ermordeter Vater.) Franciscus Hertzog von Guise.

– Barden und Eubagen.) Lutheraner und Calvinisten.

p. 984. b. Rubonor.) Henrich / König von Navarra.

– Der Irmingardis Tochter.) Princessin Margaretha.

– Hevinserichs Getreuer.) Croisier, ein Goldschmid.

– Cigolin.) Der Admiral Caspar Coligny.

– Obersten Druis.) Pabst zu Rom.

– Hauptstadt der Agesinaten.) Rochelle.

p. 985. a. Hibernier.) Engländer.

p. 985. a. lin. 7. – 18.) Alte Geschichte.

– Divitiac König der Suessoner.) Henrich IV. König in Franckreich / der kurtz zuvor / als König von Navarra / Rubonor war geheissen worden.

– Galba.) Ludwig XIII. König in Franckreich.

p. 985. a. lin. 29. – b. lin. 28.) Scheinen alte deutsche Dinge zu seyn; daferne man nicht etwa die zwey Morinischen Fürsten auf die Grafen von Horn und Egmond deuten wolte.

p. 985. b. Malorich.) Käyser Matthias.

– Aembrich.) Käys. Ferdinand II.

– Ariovist.) Bernhard / Hertzog von Sachsen-Weymar.

– Arabar.) Friedrich V. Pfaltzgraff am Rhein und König in Böhmen.

p. 986 a. Briton.) Johann Georg I. Churfürst zu Sachsen.

– Quaden.) Böhmen.

– Decebal.) Bethlen Gabor / Fürst in Siebenbürgen.

– Marsinger und Gothiner.) Schlesier.

– Pannonier.) Ungarn.

[37] – Cassibellin.) König Jacob I. von Groß-Britannien.

– Fridlev.) Christian IV. König in Dänemarck.

p. 986. b. lin. 2. – 15) Alte Geschichte.

– Ubier.) Bäyern.

– Boviasmum.) Prag.

– Gotart.) Gustavus Adolphus.

– Suioner.) Schweden.

– Sitoner.) Norwegen.

– Fennen.) Finnland.

– Dorulac.) Maximilian Hertzog in Bäyern / hernach Churfürst.

p. 987 – 1000. b. lin. 9.) Sind die alten Geschichte aus dem Julius Cäsar.

p. 1000. b. Eichwälder.) Geistliche Güter / so man denen Papisten zur Zeit der Reformation genommen hatte.

– Catten und Vangionen.) Pfaltz am Rhein.

– Terbal.) Albertus Graf von Waldstein (oder Wallenstein) Hertzog von Friedland.

– Marcomannisch.) Böhmisch.

– Longobardische Hertzog.) Churfürst zu Brandenburg.

p. 1002. a. Nasua.) Ernst Graf von Mansfeld.

– Cimber.) Christianus Hertzog von Braunschweig.

– König Cassibellins Sohn Segonach. Königs Jacobi I. von Groß-Britannien Cronprintz / Carl Stuart I.

– Der Eburonische Hertzog Cattivolck.) Der König in Spanien.

p. 1003. b. lin. 16. biß 1009. b. lin. 25.) Sind alte deutsche Geschichte.

p. 1009. b. Briton.) Joh. Georg I. Churfürst zu Sachsen.

– Siegbrand der Langobarden Fürst.) Georg Wilhelm / Churfürst zu Brandenburg.

– Esthier.) Die Pohlen in Liefland.

– Variner und Eudosen.) Hertzoge zu Meckelnburg.

– Swardonen.) Pommern.

– Das der Hertha gewidmete Eyland.) Rügen.

– Hertzog der Tenckterer.) Graf Tilly.

– Calegia.) Magdeburg.

– Schlacht unter dem Gabretischen Gebürge.) Muß die erste Schlacht vor Leipzig seyn.

p. 1011. a. Lilith.) Tilly.

p. 1011. b. lin. 3. biß 1018. a. lin. 8.) Diese Erzehlung gehört nicht zum 30. jährigen Krieg; sondern zu Cäsars Geschichten; jedoch ist zu mercken / daß die vergebliche Anlendung Cäsars in Britannien vom Lohenstein also beschrieben sey / daß wenn er p. 1016. b. lin. 2. der Boudicea gedencket / er vermuthlich auf die Königin Elisabeth von England sehe / als welche eine Jungfrau und eine Königin gewesen derer Mutter (Anna Bolleyn) enthauptet worden / hat die mächtige Spanische Flotte A. 1588. glücklich geschlagen und ist also der Lohensteinischen Boudicea sehr gleich gekommen.

p. 1018. a. lin. 8.) Hier geht der 30. jährige Krieg wieder an.

– b. Terbal.) Wallenstein.

– Schlacht nicht ferne von der Elbe.) Schlacht vor Lützen.

– Burischer Ritter.) Besiehe Pufendorffs Schwedische Kriegs-Geschichte IV. Buch / §. 63.

p. 1619. b. Der Chassuarier Hertzog.) Gottfried Henrich Graf von Pappenheim.

p. 1020. a. Gotarts Tochter.) Christina.

– Rixeston.) Axel Oxenstiern.

p. 1023. b. Segimer.) Ferdinand III.

– Alcimoe.) Scheint Regenspurg zu seyn.

[38] p. 1024. a. lin. 2. Hefftige Schlacht.) Bey Nördlingen / im Aug. 1634.

p. 1024. a. lin. 9. Friede.) Pragischer Friede zwischen dem Käyser und allen Alliirten / ausser Schweden und des Königs in Böhmen Friderici Hause; M. Majô 1635.

p. 1024. a. lin. 31. biß 1038. a. lin. 5.) Alte Römische warhaffte Geschichte.

1038. a. lin. 5. biß 1041. a. zu Ende.) Liebes-Geschichte.

p. 1039. b. Hutkrämer.) Diß soll zu Henrichs IV. Königs in Franckreich Zeit geschehen seyn.

– Königin in Sarmatien.) Des Königs in Pohlen Johann Casimirs Gemahlin / Aloysia Maria Gonzaga Hertzogin von Nevers / so unten p. 1092. a. unter dem Nahmen Gangoza deutlicher beschrieben wird.

p. 1041 b. lin. II. Aembrich.) Das solte zwar Käyser Ferdinand II. seyn; Allein der war schon 15. Febr. 1637. Todes verfahren; und gleichwohl ist der Käyser (nemlich Ferdinandus III.) auf dem Reichstage zu Casurgis oder Regensburg 17. Jan. 1641. in der Gefahr gewesen / in Johann Banners / des Schwedischen Generals / Hände zu gerathen; Dieses hätte nun Lohenstein dem Segimer (als Ferdinando III.) wol zuschreiben sollen; wie dem allen / Segimer ist noch nicht in Deutschland aus Parthien wiederkommen / allwo er (nach der Liebes-Geschichte) seine verlohrne Asblaste sucht. Dannenhero muß Aembrich ein Jahr oder sechse langsamer sterben / und inzwischen die Niederlagen bey Kempen / Schweidnitz und Leipzig erleben.

p. 1041. b. Ubier.) Bäyern.

– Obymal.) Wilhelm Lamboy.

– Arabarn.) Diß ist nicht der oben so genannte Fridrich V. König in Böhmen / (als welcher schon A. 1632. gestorben /) sondern einige von dessen ehemahligen Alliirten / nemlich die Weimarischen unter dem Guebrian und die Hessischen unter dem Eberstein / welche den Lamboy 4. Jan. 1642. bey Kempen geschlagen.

– Aribert.) Frantz Albert / Hertzog von Sachsen-Lauenburg.

– Stordeston.) Leonh. Torstensohn.

– Unter dem Sudetischen Gebürge.) Bey Schweidnitz 21. Maj. 1642.

– Löwenmuth.) Ertzhertzog Leopold Wilhelm.

– Auf eben der Stelle.) Bey Leipzig 23. Oct. 1642.

p. 1042. a. Vocione.) Christina Königin in Schweden.

– Der Cimbern König Frotho.) Christianus IV. König in Dänemarck / so oben Friedlev genennt wurde.

– lin. 30. Stordeston rückt auf einer Seite.) Torstensohn rückt in Holstein.

– Gunholm.) Gustav Horn rückt in Schonen.

– Frieden.) zu Bremsbroe 1645. Besiehe Becmanni Hist. Orbis, P. II. c. VII §. VIII. n. II.

p. 1042. b. Die Könige der Pannonier und Japyden.) Die beyden Ragotzy / Vater und Sohn / Fürsten in Siebenbürgen.

p. 1042 b. lin. 7.) Hier bekömmt der Verfasser Gelegenheit / die alten Römischen Geschichte wieder einzumischen / biß 1044. a. lin. 28.

p. 1044. a. Salgal.) Gallas / 20. Aug. und 23. Nov. 1644. Besiehe Sam. Pufendorffs Historie über diese 2. Tage.

p. 1044. b. Bey der Stadt Boviasmum.) Bey Jancowitz in Böhmen 24. Febr.

1645.

[39] – Ein Theil der mächtigen Stadt Boviasmum.) Die kleine Seite der Stadt Prage / 15. Jul. 1648.

p. 1045. a. Güldenen Friedens.) So zu Osnabrüg 14. Oct. 1648. geschlossen worden.

– Die Suionen.) Die Schweden haben durch den Münsterisch-Oßnabrügischen Friedens-Schluß bekommen das Ertzbistum Bremen und Bistum Verden / nebenst andern Länden und Plätzen / von welchen siehe Becmann. Hist. Orb. P. II. c. VI. §. VI. p. 647.

p. 1046. b. Aembrich.) Ferdinand II.

p. 1063. a. Briton.) In der vorigen Beschreibung des 30. jährigen Kriegs / war Briton Hertzog der Hermundurer Johann Georg der I. Churfürst zu Sachsen; Nunmehr aber wird eben derselbe König Carl Stuart I. in Großbritañien seyn. Und also sind die

– Hermundurer.) Engländer.

– Marckmänner.) Schotten.

– Sedusier.) Irrländer.

p. 1063. b. Sartuda.) Maria Stuarta Königin in Schottland.

– Ihr Eheherr.) Henrich Stuart.

– Ihr aufgedrungener letzterer Gemahl.) Jacob Hepburn Graf von Bothwell.

– Des Königs der Bastarnen Deldo Tochter.) Maria / König Henrichs IV. von Franckreich Tochter.

p. 1064. b. Der Druiden Oberhaupt in Britannien.) Pabst zu Rom.

– 1065.a. Monathil.) Marquis von Hamilton.

– Priester.) Bischöffe.

– Gemeiner Rath.) Parliament.

p. 1065 b. Die zwey treuesten Staats-Räthe des Britons.) Thomas Wentworth Viceroy in Irrland / und William Laud Ertzbischoff von Canterbury.

p. 1067. a. Calegia.) London.

– Jubil.) Printz Carl Stuart II.

p. 1067. b. Patalin.) Robert / Pfaltzgraf am Rhein.

p. 1068. a. Sekkes.) Robert Devereux Graf vonEssex.

– Lerwal.) William Waller.

– Facksarif.) Thomas Fairfax.

p. 1069. a. Marbod.) Was von ihm biß p. 1072 a. lin. 22. erzehlet wird / geht nur den alten Marbod an / dessen Tacitus gedacht.

p. 1072. a. Marbod.) Olivier Cromwell.

– Samulocen.) York.

– Feldschlacht.) 3. Jul. 1644.

p. 1072. b. Unter dem Hercynischen Gebürge.) Schlacht zu Nevvberry, 27. Oct. 1644.

– Der hitzige Streit.) Zu Naseby, 14. Jun. 1645.

– Zomir.) Pfaltzgraf Moritz.

– Onethier.) Ireton / Cromwells Tochtermann.

p. 1073. b. Brigobanna.) Oxford.

– Rosenberg.) Marquis von Mountroß. p. 1076. b. Obiak.) Jacob Hertzog von York. p. 1077. a. Namiloth.) Hertzog Hamilton.

p. 1077. b. Burier.) Frantzosen.

p. 1078. Cheruskischen.) Käyserlichen.

– Frisischen.) Niederländischen.

p. 1080. b. lin. 18. Die Friesen.) Die Staaten der vereinigten Niederlande.

p. 1081. b. Daß ihnen nicht einer einen Rincken an die Nase legte.) Wilhelm Printz von Uranien / so oben Dagobert genant ward p. 365. a.

– Dessen Großvater.) Wilhelm von Nassau / Printz von Uranien / welcher oben p. 362. b. Eganor hieß.

p. 1087. a. Britons Enthauptung.) 30. Jan. 1648.

– Fünff Marckmännern.) Unter denen Getreuen des Königes / so nach dessen [40] Todte vom Parliament zum Todte verdammet worden / sind sonderlich drey Pares Regni gewesen / nemlich Hertzog Hamilton / Graf Holland / und Lord Capel, so man den 9. Mart. 1648. enthauptet hat. Francis Sandford, Genealogical History of the Kings of England, f. 576.

p. 1088. a.b. Die 2. Schlachten / so Jubil dem Marbod geliefert;) sind diejenigen / so den 3. Sept. 1650. zu Dunbar und den 3. Sept. 1651. zu Worcester vorgegangen.

p. 1089. a. Lygier.) Franckreich / dessen Abgesandter der Hertzog von Crequy war. Besiehe Wicquefort de l'Ambassadeur L.I. Sect. III. allwo dieser auch des Don Alonso de Cardenas gedencket / den Spanien als Ambassadeurn an Cromwelln abgesandt hat.

– lin. 25.) Nun legt Marbod die Person des Cromwells wieder ab / und ist nichts mehr / als ein König der alten Deutschen.

p. 1092. a. Critasir.) Johann Casimir / König in Pohlen.

– Gangoza.) Aloysia Maria Gonzaga / Carl Gonzaga Hertzogs zu Mantua Tochter. Diese ward verheyrathet 4. Mart. 1649. nachdem sie zuvor den verstorbenen König Vladislao, König Johann Casimirs Brudern / vermählt gewesen war. Sie heißt eine Lygische / d.i. Frantzösische Fürstin / weil sie das Hertzogthum Nevers in Franckreich geerbt hatte.

– Gottschalck.) Georgius Radzevvsky, Polnischer Reichs-Cantzler.

– Marbod.) Ist in dieser Erzehlung Carl Gustav König in Schweden / so A. 1654. diesen Krieg angehoben / und den 12. Feb. 1660. gestorben / worauf der völlige Friedens-Schluß zwischen Schweden und Pohlen und dero Alliirten noch selbiges Jahr erfolget ist.

– Das dem Feldherrn Segimern zustehende Gebiete der Qvaden.) Schlesien.

p. 1092. b. lin. 22.) Hier höret Marbod auf / Carl Gustav zu seyn / und ist wieder nichts mehr / als der uralte Uberwinder der Bojen / dessen im Tacito Meldung geschieht, gleichwie denn auch daselbst von seinem Widersacher Cotualda oder Gottwald ein und anders zu lesen ist.

p. 1109. b. Weltbezwingers;) etwa Alexanders des Grossen.

– Der im Fasse seine Begierden endete.) Diogenes.

p. 1126. b. lin. 35.–41. Thal.) Der Verfasser soll hier auf das Hochgräft. Schaffgotschische Gebiete umb Kynast / Greifenstein und der Orten / gezielet haben; wovon die selbiger Gegend kundigen Leser urtheilen mögen; zum wenigsten scheint der Nahme des Ritters Schaff und die gantze Erfindung dieses artigen Aufzugs solches zu bekräfftigen.

p. 1147. b. Eine Mohrische Königin.) Persina; Besiehe oben Anmerckungen zu p. 507. b.

p. 1182. Alironia.) Die von ihr benahmten Alironischen Weiber werden vom Lohenstein als sonderbare Heiligen hier und dar beschrieben; dannenhero er auch kein Bedencken nimmt / seine wegen ihrer Tugenden so hoch gerühmte Asblaste und Tirchanis unter dieselbigen zu setzen; obgleich sonst ausJornande nicht unbekant ist / daß die Alironien / Alyrumnen / Adelrunen / Alrunen / Allraunen / (welches alles ein Wortist /) grosse Zauberinnen gewesen / wie hiervon Carolus du Fresne im Glossario Lat. voce Alyrumnæ mit mehrern kan nachgeschlagen werden. Jedoch ists nichts ungereimtes / daß da Lohenstein durchgehends die uralten heydnischen Deutschen so tugendhafft abmahlet / [41] als sie / wo nicht gewesen / doch haben seyn sollen; er auch denen Alironischen Weibern einen andernCharacter gegeben / als sie vielleicht warhaftig gehabt haben.

1204. Unterschiedene deutsche Frauenzimmer haben durch Betretung glüender Kohlen ihre Keuschheit bewehret.) Hier wird gezielt auf Käyser Heinrichs des andern / und Käyser Carls III. Gemahlinnen / von welchen besiehe Phil. Camerar. Oper. Subcis. P. II. c. XVIII. und die von ihm angeführte Authores.

p. 1216. a. Dem neuen Weltweisen.) Der Nahme dieses leichtfertigen Italiänischen Bubens / der an einem vornehmen Deutschen Hoffe solche verfluchte Unempfindlichkeits-Schule soll angefangen haben / ist mir nicht recht bekant / auch allerdings einer ewigen Vergessenheit würdig. Sonsten hat man gleichfalls zu unserer Zeit dem Johann Labadie und Michael de Molinos diß und jenes schuld gegeben / so nicht im geringsten besser herauskommet. Wie denn jener im Tolosanischen die nackten Nonnen nackend gelehret und damit ein himmlisch Leben schon auf der Welt anzufangen gemeynt gewesen / wenn anders wahr ist / was Kipping. Supplem. Histor. ad Pappum p. 103. und der Verfasser des Labadischen Lebens / so in deutscher Sprache A. 1672 herauskommen / von ihm erzehlen. Daferne auch Molinos den 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47.Artickel / so der Pabst in einem eigenen Decret 28.Aug. 1687. als dessen Lehre verdammet / solte behauptet und in solchen Unflätereyen / als ihm von dem gelehrten Reichsfürsten und Abt zu Sanct Gallen Celestino di Sfondrati in seiner Gallia Vindicata (besage derer Supplementorum ad Acta Erudit. p. 124.) beygemessen werden / gelebt haben / wäre er billig vor ein Greuel Gottes und der erbarn Welt zu achten. (Acta Erudit. 1687. p. 589.) Doch stellt man GOtt und der Zeit das Urtheil anheim / ob ihm unrecht geschehen sey / nachdem viel gelehrte Leute ein und anders / nicht ohne gnugsamen Schein einer Glaubwürdigkeit / zu seiner Entschuldigung beybringen. Acta Eruditorum 1688. p. 422. – 431.

p. 1271. b. Weltweisen.) Gymnosophisten.

p. 1312. b. Die versehrte / aber gerochne Keuschheit.) Die vom Tarquinius genothzüchtigte Lucretie.

p. 1328. a. Tirchanis.) Durch Buchstaben-Versetzung: Christina / Königin in Schweden. Dero Herr Vater hieß oben Got-Art / d.i. Gustavus Adolphus König in Schweden. An dessen statt aber wird allhier genennt Friedlev König der Cimbern / mit welchen Nahmen im VII. Buch König Christian IV. von Dänemarck angedeutet ward. Alldieweil aber die Alyronien unter denen Dänen sonderlich bekant gewesen / auch aus deroselben Sprach ihren Nahmen haben: (Besiehe Olaum Wormium in Monumentis Danicis p. 514. 523. in Literatura Runica. c. 3. und in Fastis Danicis l.I.c.I. und l. 3. c. 3. oder Car. du Fresne Glossar. ad Script. Med. & Inf. Latinitatis, v. Alyrumnæ.) überdiß nicht Schwedische / sondern Cimbrische heilige Weiber unter denen heydnischen Römern gelebet / und gleichwohl Königin Christina als eine nach Annehmung einer heiligern Lebens-Art begierige vom Lohenstein nach Rom hat gebracht werden müssen: als hat er in dieser Erzehlung seine Tirchanis vor eine Cimbrische oder Dänische [42] Princessin auszugeben / kein Bedencken nehmen dürffen.

p. 1328. b. Ein Fürst – – aus dem Alemañischen Stamm.) Pfaltzgraff Carl Gustav; hernach König in Schweden.

p. 1329. a. Alironische Gottesdienst.) Römisch-Catholische Religion; doch was wir oben p. 970. b. von Druiden / Eubagen und Barden angemerckt / muß auch hier statt finden.

p. 1332. 1333. Livia / Frotho.) Alle diese eingemischten Personen gehören zum Liebes-Gedichte / nicht aber zur Geschichte der Königin Christina von Schweden; massen bekant ist / daß diese in dem einmahlbeliebten Päbstischen Glauben ohne alle Verfolgung zu Rom den 19. April. st. n. 1689. verstorben sey.

p. 1346. a. Warumb haben die Aertzte so gar aus Lä ern u.s.w.) Besiehe Journal des Sçavans 31. Jan. 14. Mart. 13. Jun. 1667; 6. Febr. und 12. Nov. 1668. allwo sehr viel Observationes und Tractate von dieser Materie anzutreffen sind. Von dieser Erfindung hat man zu Arminius Zeiten wohl noch nichts gewust / obwohl sonst Janssonius ab Almeloveen und etliche andere behaupten wollen / daß alle Erfindungen der neuen Aertzte dem Hippocrates, Galenus und andern alten Herren nicht unbekant gewesen.

Absonderliche Anmerckungen des Andern Theil
Absonderliche Anmerckungen über
des Arminius Andern Theil

p. 18. a. Die wildesten Löwen.) Androdus ein entlauffener Sclave hatte einem Löwen einen Dorn aus dem Fusse gezogen; und wurde deßwegen / als er nach der Zeit im Rennekräyse zu Rom ihm vorgeworffen ward / nicht im geringsten von ihm beschädigt. Gellius No ct. Att. l.V.c. XV.

p. 21. a. Der Pasiphae Geburt.) Der Minotaurus.

p. 55. b. Evesistratus.) Ließ Erasistratus; dieser hat des Antiochi Liebe gegen seine Stieffmutter Stratonica errathen.

p. 79. b. Ein geiles Weib Troja eingeäschert.) Helena.

– In der einigen Stadt Corinth.) Lais, ad cujus jacuit Græcia tota fores, wie Propertius sagt.

– Persepolis.) Thais hat Alexandern vermocht / Persepolis einzuäschern.

– Egypten dienstbar gemacht.) Cleopatra, aus Liebe zum Antonius.

p. 93. a. Eine Frau / welche bey 500. trächtige Eselinnen unterhielt.) Diese darff Lohenstein nicht mit Nahmen nennen / weil es des sechsten Röm. Käysers Nero Gemahlin Sabina Poppæa gewesen / von welcher Rhemetalces nichts hat wissen können. Besiehe Plinium H.N.l. XI. c XLI.

p. 143. b. Sarmatien.) Pohlen.

p. 145. a. Serer.) Chineser.

p. 147. a. Melibocus.) Blocksberg.

p. 151. a. Es hat ein abergläubischer Verführer ihm aus der grossen Augen [43] eingebildeten Vollko enheit träumen lassen / daß die Einwohner des Himmels mit grössern Augen / als die Straussen-Eyer wären / prangeten.) Diß ist Muhamed, der sich ein zukünfftiges Paradiß so närrisch ausgedacht hat / daß es einem nicht närrischer träumẽ könte; Besiehe E. Pococke not. in Portam Mosis. p. 293. und folg Derer Augẽ / so groß als Eyer / soll Surata 37 und 44. meldung geschehen / wie D. Augustus Pfeiffer / Theologiæ Judaicæ & Mohammedicæ. p. 307. deßwegen kan nachgeschlagen werden / weit in des Du Ryer Frantzösischer Ubersetzung des Alcorans p. 350. 391. Muhammeds Worte gar anders gegeben sind.

p. 156. b. Der Vasconer und Varduler König.) Ludwig XIV. König in Franckreich.

– Cantabrische Fürstin.) Maria Theresia / Infantin von Hispanien.

– Etliche Landschafften.) Spanischen Niederlande.

– Der einige männliche Erbe.) Carl der II. König in Spanien.

– Cammermägde.) Louise Françoise de la Valiere wird hier gemeynt; als welche bey der Hertzogin von Orleans in Diensten gewesen.

– Frembde Eheweiber.) Madame de Montespan.

157. Der Sitoner Hertzog.) Christianus V. König in Dänemarck.

– Der Suioner König.) Carl XI. König in Schweden.

– Des alten Verlustes.) Welchen Dänemarck durch den zu Rotschield 26. Febr. 1658. und hernach im Lager vor Coppenhagen geschlossenen Frieden / erlitten hatte. Besiehe J.W. im Hoff Notit. Procer. Imp. l. IV. c. IX. § 22.

p. 157. a. Der glückseligen Eylande Beherrscher.) Johañes IV. König in Portugal.

– Seine Tochter.) Donna Catharina.

– Der Hibernische König.) Carl Stuart II. Doch ist zu mercken / daß die Vermählung A. 1662. geschehen / da König Johannes IV. schon den 6. Nov. 1656. gestorben war.

– Ein Gothischer König.) Henrich der IV. König in Hispanien. †. II. Dec.1474.

– Seine Gemahlin.) Johanna.

– Einen seiner Edelleute.) Bertrando de la Cueva.

– Cimaris.) Johann Casimir / König in Pohlen.

– Rodipe.) Don Pedro, König in Portugal.

– Seines noch lebenden Bruders.) Alphonsus VI.

– Briton.) Carl I. Stuart.

– Jubil.) Carl II. Stuart.

– Britons Gemahlin Bruder.) Ludwig XIII. König in Franckreich.

– Dessen Sohn.) Ludwig XIV. König in Franckreich.

– Marbod.) Cromwell.

p. 162. b. Marsingische Fürsten.) Schlesische; nemlich von Brieg / Liegnitz und Wohlau.

– Desselben Urheber.) Piastus / so aus einem Ackersmann König in Pohlen / und des mit Joh. Casimiro A. 1672. ausgestorbenen Königlichen / wie auch des mit Hertzog Georg Wilhelm A. 1675. untergegangenen Fürstl. Schlesischen Geschlechtes Sta vater worden. Er starb A. 861. seines Alters 120. Jahr.

p. 187 b. Cimbern / Friesen / Britannier.) Dänen / Niederländer / Spanier.

212. b. Bey denen Taxandern.) Dieser Erfinder heißt Böckel / liegt begraben zu Enckhuysen; allwo zu dessen guten Andencken [44] Käyser Carl der V. einen eingesaltznen Häring gegessen hat. J.C. Becman. Hist. Orb. P. II. c.X. §. IV. Besiehe auch Hapelii Relat. Curios II. Theil p. 69. allwo er den Fischer Wilhelm Böckelsen / dessen Geburts und Begräbnüß-Statt aber Bierfliet in Flandern neñt / und seine Erfindung ins Jahr 1416. setzt.. Wiewohl er nicht in Abrede ist / daß andere ihm den Nahmen Böckel geben; weßwegen er muthmasset / daß auch der Pöckelhäring den seinigen daher beko en habe. In Joh. Ludw. Gottfrieds Chronica f. 635. wird dieser Bierflietische Fischer Wilh. Buckhold benahmet / die Erfindung aber ins I.C. 1386. gerechnet.

p. 262. b. Ulysses.) Tacitus de Morib. German. c. III.

p. 265. – 279.) Der Leser wird leichtlich mercken / daß unter denen Griechischen Weisen auf die Cartesianer / unter denen Druiden auf die Römisch-Catholischen / unter denen Barden auf die Evangelischen / unter denen Eubagen auf die Reformirten gewisser maßen gesehen werde.

p. 267. a. Frembde Vogelnester.) Diese werden beyCochinchina gefunden / bestehen aus einer Art Gummi / welches in warmen Wasser zerlassen und an statt der Würtze gebraucht wird. Jean Bapt. Tavernier, relat. nouv. du royaume de Tunquin, chap. 3.

– Eiter und Drüsen unbekanter Ziegen.) Mosch.

– Erdgeschwüre.) Besiehe Plinium H.N. XIX. c. II.

p. 267. b. Ein grosser Weltweiser dieser Zeit hat sich an schielenden Augen am meisten ergötzet.) Renatus Cartesius. Besiehe Journal des Sçavans de l'an 1666. 3. May.

p. 301. a. So kräfftiges Bier.) Braunschweigische Mumme.

p. 305. a. Die Serer wissen aus einem gewissen Kraut Wind und Sturm zu weissagen.) Ist das Kraut Chifung, so bey Chiuncheu in der Chinesischen Provintz Quantung wächset. Neuhoffs Beschreibung von Sina p. 346. 347.

– Die Serische Rose.).Herba Thee.

p. 305. b. Atlantische Insel.) America.

– Caledonien. Schottland.

p. 333. b. Taprobana.) Zeilan.

p. 369. a. Eine heilige Egeria.) Marbods Tochter / Adelgund.

p. 380. b.) Sarmatier.) Pohlen.

p. 411. b. Ein Arabischer Fürst hat eine 48. Körner wiegende Perle.) Hier zielt Lohenstein vermuthlich auf die grosse Perle / so der König in Persien von einem Araber a. 1633. vor 32000. Tomans oder 1400000. Francken gekaufft / davon Tavernier in seinen Reise-Beschreibungen nachzuschlagen ist.

p. 412. Der König in Indien hat einen Diamant in Gestalt eines halben Eyes / welcher roh 3600. Pfeffer- Körner gewogen und nun derselben 918. wiegt.) Diesen weltberühmten halb-eyförmichen Diamant hat Tavernier bey dem grossen Mogol zu sehn und zu wägen das Glück gehabt. Er berichtet / daß selbiger geschliffen 279 9/16 Carat / ungeschliffen aber 793. Carat gewogen habe.

p. 430. b. Ein Römer geht umb einen Raben im Leide.) Ist Tiberius. Besiehe Anmerckung über I. Theil p. 611.

p. 522. a. Vor wenig Jahren.) 10. Nov. 1657.

– Vocione.) Christina Kön. in Schweden.

– Marbod.) Ist hier Ludwig XIV. König in Franckreich.

– Dessen Gebiete.) Fontainebleau.

– Ausländer.) Marchgraff Monaldeschi / der Königin Christina Oberstallmeister; [45] Besiehe Erasmus Francisci hohen Trauersaals II. Theil XLI. Geschichte.

p. 525. u.f.) Hier wird stillschweigend auf die Spanische Inquisitions-Griffe gezielet.

p. 544. a. Einige Künstler.) Besiehe D. SachsensGammarologiam cap. XIII. §. 5. allwo er erzehlt / daß dergleichen gemachte Rose zu Rom zur ZeitUrbani VIII. zu sehen gewesen; ingleichen Francisci Sinesischen Lustgarten / I. Theil p. 761. u.f.

p. 548. a. Ein Scythischer Hauptmann fragte zwey einander ausfordernde Krieges-Leute.) Diese Scythische oder Türckische Geschicht ist ausBusbeqvii Epist. III. p. 149. 150. genommen.

p. 573. a. Eine rasende Tochter.) Tullia, Servii des sechsten Röm. Königs Tochter.

p. 581. b. Wie jene Vögel das Mahlwerck.)

Die vom Zeuxis gemahlten Weintrauben.

p. 638. b. Mohren und Zwerge.) Besiehe Anmerckungen über I. Th. 321. Blat.

– Ein verliebter Römer läst lieber den Sieg und die Herrschafft der Welt / als seine flüchtige Buhlschaft im Stiche.) Antonius flohe aus seiner letzten Seeschlacht mit dem Cajus Julius Cäsar / so bald nur seine Buhlschafft Cleopatra mit ihrem Schiffe den Anfang zur Flucht gemacht hatte. Florus l. IV. c. XI.

p. 777. a. Eines Gaucklers Sohn.) Clodius, Æsopi Sohn. Besiehe Plin. l. IX. c. XXXV. und l.X.c. LI.

p. 818. a. Scythischen Königs.) Türckischen Käysers.

p. 917. a. In Blut junger Kinder baden.)

Diese Erfindung zielt auf die Geschichte einer Frantzösischen Dame / so durch geschlachteter Kinder Blut sich von der garstigen Liebes-Kranckheit heilen lassen; worüber Christian Weise im politischen Redner p. 79. eine artige Inscription verfertigt. Vocione ist sonst Königin Christina in Schweden / I. Theil p. 1042. und II. Theil. p. 522. Ob aber auch allhier / ist zweiffelhaffte; und ehe zu läugnen / als zu bejahen. Daß überdas selbige sich wegert solche Blut-Artzeneyen zu gebrauchen / geschieht zweiffelsohne / damit Lohenstein sein Mißfallen hierüber entdecken könne / welches vor ihm auch Th. Bartholinus Disqu. Med. de sanguine vetito p. II. 15. gethan hat.

p. 1016. a. Eine schwartz-gemahlte Andromeda.) Besiehe Anmerckung. zum I. Theil / p. 507. d.

p. 1268. Ambiorich ein Eubagischer Fürst.) Henrich König von Nararra / so hernach König in Franckreich worden / zu solchem Ende aber seine ehemahlige Hugonotische Religion mit der Päbstischen verwechseln müssen.

p. 1274. a. Autarich.) Dieser wird von Lateinischen Geschicht-Schreibern Autharis, Antharis, Antharicus, benennt / hat anfänglich Istrien / hernach die Lombardie sich unterthänig gemacht und ist im J.C. 592. mit Gifft hingerichtet worden.

– Dreyßig Könige.) Der letzte unter diesen ist Desiderius, welchen Käyser Carl der Grosse im J.C. 774. überwunden und also diesem berühmten Reich ein Ende gemacht hat. Alle diese Geschichten hat sonderlich Paulus Diaconus mit Fleiß aufgezeichnet.

p. 1307. a. Ein 100. Ellenbogen langer Wallfisch im Balthischen Meer gefangen.) Daß diß die gröste Art sey / hat Zieglerus und Olaus, aus beydẽ aberBochartus in Hieroz. Tom I. angemerckt.

p. 1402. b. Ein König der Gallier hat sich aus Furcht für seinen Sohn erhungert.) Carl VII. König in Franckreich.

[46] p. 1438..a. Wir sind die / welche vor dem Räuber Josua entflohen.) Daß dergleichen Seulen in Africa zur Zeit Procopii noch zu finden gewesen / ist aus dessen Vandalicis zu beweisen. Und haben Seldenus de Dis Syris, Proleg. c. 2. und Hornius de Origin. Americ. daraus geschlossen / daß die Tingitanischen Mohren / ihrem ersten Ursprunge nach / Canaaniter gewesen.

p. 1464. b. lin. 33. u.f.) Diese Erfindung von Marbods Antwort auf Adgandesters Fehlbitte ist aus der Geschichte des Castilianischen Staatsministers / Alvarez de Luna genommen. Besiehe Francisci Hohen Trauersaals III. Theil / XLVste Geschicht / §. XVIII.

p. 1475. a. lin. 14. Rom.) Suetonius in Cajo, c. 4.

p. 1475. b. lin. 6.Titus Cäsonius Priscus.) Sueton. in Tiber. c. 42.

p. 1478. a. lin. 31. Als Schlacht-Opffer.)

Siehe Jul. Cæf Buleng. de Triumf. c. 23.

p. 1479. b. Der weltweise Seleucus.) Sueton. in Tiber. c. 56. Cum soleret ex lectione quotidiana quæstiones super cœnam proponere, comperissetque, Seleucum Grammaticum à ministris suis perquirere, quos quoque tempore tractaret auctores atque ita præparatum venire: primum à contubernio removit, deinde etiam ad mortem compulit. Wegen des Beschlusses dieser Worte kan Arminius II. Theil p. 1602. b. 1603. a. nachgelesen werden.

p. 1488. a. lin. 14. Pelias.) Durch Buchstaben-Versetzung Monsieur le Pais, dessen Amitiés, Amours & Amourettes bekant sind. Da Geticht de la Jalousie steht p. 173.

p. 1489. a. lin. 6. Liebhaber der Griechen.)

Ezech. Spanhem. Diss. V. de usu & præst. num. p. 425.

– lin.8. Melo Gebiete.) Arminius II. Theil. p. 261. ss.

p. 1498. b. Eine Fürstin in Gallien.) Aus dem HauseLuxembourg. Picinellus Mund. Symbol. lib. XII. c. II. n. 35.

– Der Cimbrische König.) König in Dänemarck

p. 1499. a. Eine trächtige Mauleselin.) Besiehe Decuriæ annorum secundæ Miscellaneorum medico- physicorum sive Ephemeridum Germanicarum Acadamiæ Naturæ Curiosorum, annum III. observ. 72. allwo auch Thomas Bartholinus, (der im Arminius Didymus Thorbalinus heißt /) angeführt wird. Sonderlich ist merckwürdig / was D. Gabriel Clauder von Altenburg daselbst schreibt: Ein solcher Fall (spricht er) hat sich A. 1672. in dem benachbahrten Thüringen / unweit Naumburg / unter dem Gebiet des hochedelgebohrnen Herrns von Breitenbach zugetragen / wie ich solches aus dem Munde seiner Frau Schwiegermutter / des hochseligen Sächsischen hiesigen Hoffmarschalls von Timpling Frau Witwen / vernommen. Nemlich / es ist eines Müllers Eheweib im Dorff Betzgendorff nach ordentlicher Zeit mit einer Tochter niedergekommen / welche gantz gesund gewesen / iedoch einen ungewöhnlich-geschwollenen Bauch gehabt. Diese neugebohrne Leibes-Frucht wird acht Tage nach der Geburt mit sehr grossen Schmertzen befallen / wie man aus ihrem unaufhörlichen Weinen / Unruhe und Erschütterungen schlüssen konte. Hierauf dringet ein blutig Wasser von ihr heraus. Diesem folgt ein lebendiges Töchterlein, / [47] die Affterbürde / Geblüts-Reinigung / und was sonst bey einer natürlichen Geburt anzutreffen ist. Dieß kleine Kindes-Kind war einen Mittelfinger lang / und weil es lebte und wie ein vollkommener Mensch aussahe / empfing es die H. Tauffe / starb aber des andern Tages samt seiner Mutter. Dahingegen die so genante Großmutter / des Müllers Eheweib / noch biß dato gesund ist und lebet.

– Von Rhegium in Calabrien.) Ursula Dandalani, des Lionardo Caglierini Ehefrau / A. 1688. Besiehe Cornel. Nordsterns Digitum DEI, oder Sonderheiten-Calender auf A. 1690. gedruckt zu Nürnberg; im Monat December.

p. 1499. b. Als dreyhundert Socrates.) Vetus Poeta in Florido: Sperne mores transmarinos; mille habent offucias. Cive Romano per orbem nemo vivit rectiùs: Quippe malo unum Catonem, qvàm trecentos Socratas.

p. 1500. a. lin. ult. In meinem Vaterlande.) Tacitus de Morib. German. c. XIX.

p. 1502 b. lin. 13. Tiberius Augustus.) Franc. Mediobarbus Biragus, Imper. Rom. Numism. sol. 64. ex Vaillant. Tom.; II. f. 25.

– lin. 35. Der Gütigkeit.) Biragus c.l. fol. 63.

p. 1506. a. lin. 38. Jungfrau tödten.) Tacit. annal. lib. V.c. IX. von des Sejanus Tochter: Tradunt ejus temporis auctores, qvia triumvirali supplicio affici virginem inauditum habebatur, à carnifice laqueum juxta compressam: exin oblisis faucibus, id ætatis corpora in Gemonias abjecta. Und Sueton. in Tiber. c. 61. insgemein: Imaturæ puellæ, quia more tradito nefas esset virgines strangulari, vitiatæ prius à carnifice, dein strangulatæ.

p. 1518. b. lin. II. Ein kluger Mann.) Henrich Wotton. Besiehe Supplem. ad Acta Erud. Sect. II. p. 85.

p. 1520. a. lin. 29. Grubenbrand.) Friedrich Wilhelm der Grosse / Churfürst zu Brandenburg. Besiehe Rentschens Cederhayn p. 531.

– Turranius.) Le Marechal de Tourenne.

p. 1523. seq. b. Schmähschrifft.) Diese Erfindung gründet sich in etwas auf den Worten des Dionis Cassi lib. LVII. f. 618. Ælium Saturninum, quod is de ipso carmina quædam famosa temere consuisset, Senatui reum tradidit, damnatumque de Capitolio præcipitavit. Denn diß hat der Herr von Lohenstein auf der Sentia Vater gezogen / wie im I. Theil p. 1268. b. zu sehen ist.

p. 1524. b. lin. I. Livia geht gleich mit der Jahrzahl.) Sie ist im Jahr nach Erbauung der Stadt Rom 700. gebohren. Und die Geschicht trägt sich zu A. 770.

– lin. 6. Liviens künfftige Vergötterung.) Sueton. in Tiber. c. 51. Prohibuit consecrari, quasi id ipsa mandaset.

p. 1533 a. lin. 34. 35. & b. lin. I.) Besiehe Arminius II. Theil p. 1200. a. fast zu Ende.

p. 1537. a. Der Cheruskische Fürst Julius.)

Julius Hertzog zu Braunschweig. Masenius Spec. Imag. p. 519. n. 17.

p. 1544. b.l.I. Gebrauchen aller Deutschen.) Tacitus de Moribus German. c. XIX. Paucissima in tam numerosa gente adulteria, quorum pœna præsens & maritis permissa. Accisis crinibus nudatam coram propinquis expellit domo maritus ac per omnem vicum verbere agit.

p. 1546. lin. I. Persepolis.) Alexander der Grosse hat / der Thais zu Liebe / Persepolis anstecken lassen.

[48] – a. lin. à fine 5. Zwey Adern von den Ohren.) Besiehe Schœnborner. Polit. lib. III. de jurisd. crim. p. 299

p. 1556. b. lin. 38. 39. Allobrogischer Hertzog.) Carl Emanuel I. Hertzog von Savoyen / so A. 1630. gestorben.

p. 1562. b. Einen zum Leoparden gewordenen Löwen.) In der Herolds-Kunst nennt man Lion einen Löwen / so mit den Vorder-Füssen in die Höhe springt und das Gesicht vor sich wegkehrt / daß man nur ein Auge sehen kan; Leopard aber einen solchen / der auf allen vier Füssen steht / das gantze Gesicht seitwerts und also beyde Augen nach dem Zuschauer wendet. Wenn nun der Löwe im Wapen zwar springt / doch beyde Augen an ihm gesehn werden / pflegt er den Nahmen Lion Leopardé, und wenn er auf allen Vieren stehet und nur das halbe Gesicht herweiset / diesen: Leopard lionné, zu führen.

p. 1565. a. lin. 2. Singespiel.) Weil Lohenstein im I. Theil unter der Person des Britons Carl Stuarten den I. König von Großbritannien / unter dem Jubil / dessen Cronprintzen / Carl den II. unter dem Marbod Olivier Cromwelln / vorgestellt; als wird auch solches allhier an etlichen Orten in acht genommen;. sonderlich p. 1566. a. lin. 17. wobey zu mercken / daß man in England ein jährlich Fest / dem Märtyrer-Todt Carl Stuarts des ersten zum ewigen Andencken / feyert. So ists auch wohl gethan / wenn man bey p. 1569. b. lin. 20. itztregierender Römischer Käyserlicher Majestät sich erinnert / nachdem der Feldherr Segimer / Herrmann Vater / Käyser Ferdinand den III. im I. Theil des Arminius bedeutet. Sonst aber hat der Verfasser ohne Zweiffel auf zwey locos im Tacito gesehen / nemlichAnnal. l. II. c. 63. und LII. c. 29. da Jubilius in dem vördersten Dux, im letztern aber Rex Hermundurorum heisset. Dannenhero man auch keines weges alles im Singespiel aus die neuen Geschichten ziehn / sondern bedencken muß / daß dessen Hauptzweck nicht Carl Stuart der II. sey / sondern derjenige Jubilius, so zu Arminii Zeiten gelebet hat.

p. 1565. a.l. 9. 10. Der Luchs.) Arminius II. Theil p. 1200. 2. l. à sin. 7.

p. 1577 a. lin. 7. Massageten.) Moscowiter. Joh. Buno not. ad Phil. Cluver. Geogr. p. 507.

p. 1581. b. lin. 19. Honig.) Besiehe Plin. Hist. Nat. l. XXII. c. XXIV. Fl. Joseph. Antiqu. Jud. l. XIV. c. XIII.

p. 1581. Gothonische.) Preussische / wo der Agtstein gefunden wird / in welchen die Thränen der Lampetie / Phöbe und Phaetusa / nach dem Ovidio, sich verwandelt haben. Sonst giebt es herrlich Getreyde in Preussen / und häuffige Baumfrüchte im Marckmännischen / oder Königreich Böhmen.

p. 1585. b. Hippon.) Philippus II. König in Hispanien. Picinelli Mund. Symbol. I.V.c. XIX. §. 319.

– Druiden.) Dominicaner.

– Vercingetorich.) Ludwig XIV. König in Franckreich / dessen devise ist eine Sonne über der Weltkugel / mit der Beyschrifft: Nec pluribus impar.

p. 1594. a. Holenstein.) Herr Daniel Casper von Lohenstein.

– Atticus.) Durch Buchstaben Versetzung: Tacitus. Seine Worte Ann. lib. II. c. XXCVIII. lauten also:Arminius – – Liberator baud dubiè Germaniæ, & qui non primordia populi Romani, sicut alii Reges, Ducesque, sed florentissimum imperium lacessierit: prælis ambiguus, bello non victus.

p. 1602. b. lin. 8. Hirtius.) Sueton. Aug. c. 68.

[49] – lin. 29. Das lange J.) Longman literam sese facere, sich zum langen J. machen / bedeutet nach Scaligeri und anderer Meynung / beym Plauto nichts anders / als sich erhencken.

p. 1603. a. lin. 3. Es stielt Tiberius.) Versteht sichPlagium literarium. Besiehe oben p. 1488. a.

lin. 9. Velleda.) Tacitus de morib. German. c. 8. und Hist. l. IV. c. 61. Sie ist als eine Göttin verehret worden A.V.C. 823. nach der Zeit findet man nichts mehr von ihr. Ist also vermuthlich / daß sie entweder gestorben / oder durch den Petilius Cerealis überredet worden / auf der Römer Seite zu treten und ihr Leben in der Einsamkeit zu beschliessen. Weil sie nationis Bructeræ gewesen / hat der Verfasser sie wahrscheinlich vor Ingviomers Tochter ausgegeben. Unsere Geschicht trägt sich A.V.C. 773. zu / wovon biß auf 823. gleich 50. Jahr verflossen sind. Plinius lib. XI. c. XXXVII. Augeri cor per singulos in homine ac binas drachmas ponderis ad quinquagesimum annum accedere: ab eo detrahitantundem, & ideo non vivere hominem ultra centesimum annum, defectu cordis, Ægyptii existimant.

p. 1606. b.l. antepen. Gantze Bücher von betrüglichen Götter-Aussprüchen.)

Dergleichen haben Oenomaus und Diogenianus geschrieben / wie Theodor. θεραπ Serm. VI. & X. berichtet.

p. 1607. b. lin. 8. Pythodoris.) Arminius I. Theil p. 292. lin. 4. à fine.

– lin. 16. Pharasmanes.) Arminius I. Th. p. 291. b. lin. 23.

p. 1608. a.l. 23. 24. Pythodoris.) Strabo lib. XII. fol. 555. lin. ult. edit. Paris. 1620.

– lin. 28. Zu Satala.) Arminius I. Theil p. 292. b. lin. 29.

p. 1609. a. lin. 2. Artavasdes.) Arminius I. Theil p. 292. b.

– lin. 19. 22. Am Fluß Melas.) Arminius I. Theil p. 270 b. in der Mitten.

p. 1609. b. lin. 22. Apollo zu Delos.) Arminius I. Theil p. 271. a.

– 1in. 26. Eben diese Gottheit.) Arminius I. Theil p. 262. a.b.

– lin. 33. Den jungen Ariobarzanes.) Arminius I. Theil p. 292. b. am Ende.

p. 1610. a.l. 6. Er verlangte.) Arminius I. Theil p. 276. a.

– l. II. Schutzgeist.) Arminius I. Theil p. 516. a.

– lin. 19. In der letzten Schlacht.) Arminius I. Theil p. 290. a.

– lin. 21. Mein Mann.) Arminius I. Th. p. 291.

– lin. 32. Denen Meden.) Arminius I. Theil p. 295. a.

– b. lin.6. In sein Königlich Ehebett.) Strabo f. 556.

– lin. 35. Archelaus.) Strabo, ibidem.

p. 1611. a. Archelaus.) Tacitus Annal. II.

– b. Artaxias.) Arminius I. Th. p. 228. b.

– b. lin. ult. Der Königin leiblicher Sohn.) Strabo f. 556. ist eben der Meynung gewesen: und ohne Zweiffel nicht unbillig. Doch muß man dem Herrn von Lohenstein seine Freyheit lassen / die Umbstände der wahren Geschichte im Roman nach Belieben zu verändern.

p. 1611. b. lin. 8. Götter Ausspruch.) Aminius I. Theil p. 318.

p. 1612. a. lin. 28. In Gestalt eines kleinen Schiffs.) Daß viel Wiegen bey denen Alten die Gestalt eines Schiffes gehabt / ist von Bartholinô de puerperio veterum und andern gnugsam erwiesen worden.

p. 1612. b. Den ersten Lous.) Besiehe J. Uffer. de Maced. & Asian. anno solari [50] c. IV. p. 105. so bey seinen Annalibus zu finden.

p. 1613. a. Die Natur verbeut dir des Zeno Liebe.) Arminius II. Theil p. 216.

p. 1613. b. lin. 7. Clitaxus.) Calixtus III. (der im J.C. 1455. Pabst zu Rom worden /) hat dem GrafenJean d'Armagnac dispensation gegeben / seine leibliche Schwester sabelle de Armagnac zu heyrathen / wie Pierre Bayle aux nouvelles de la republ. des Lettres, Tom. II. p. 147. aus / Jac. Meyero und Pierre Mattbieu meldet.

p. 1615. a. Der sinnreiche Mannfried.) Manfredus Septalius. Besiehe Thom & Brown pseudodoxiam epidemicam lib. VII. c. XVIII. §. 3.

– Ein neuer Archimedes.) Der Herr von Tschirnhausen / in der Lausitz. Acta Erudit. a. 1687. p. 52. a. 1688. p. 206.

– Dergleichen Irrthümer.) Von allen diesen / besieheThom & Brown pseudodoxixiam epidemicam, so der Herr Baron Christian Knorr von Rosenroth aus dem Englischen ins Deutsche übersetzet hat.

– b. Germanicus.) Jean Tristan, comment. historiques, Tome I.f. 153. aus Plutarchi Buch de odio & invidia.

p. 1620. a. lin. penult. Ein schmahles zwischen zwey Meeren liegendes Land.) Das soll so viel heissen / als Isthmus.

p. 1623. b. lin. ult. Königlicher Hut.) Tiara.

p. 1625. a. Apollo zu Colophon.) Tacitus Ann. l. II. c. 54.

p. 1629. b. lin. 7. Hilarius.) Das ist Catta / von welcher dem Malovend (im II. Th. p. 1158) gewahr sagt ward: du hast die / die du liebst / wohl nöthig werth zu halten / denn hülffe sie dir nicht / so müstest du erkalten.

p. 1632 b. lin. 19. Weissagung.) Arminius II. Theil p. 883. b.

– lin. 29. Frotho.) Die Art denselben zu balsamiren / ist aus Joh. Bapt. Portæ, Magiæ Natur. l. IV. c. XV. erborget worden.. Die Grabschrifft hat Hiarna in Dänischer Sprache verfertiget / Saxo Grammaticus aber ins Lateinische also übersetzet:

Frothonem Dani, quem longum vivere vellent

Per sua defunctum rura tulere diu:

Principis hoc summi tumulatum cespite / corpus

Æthere sub liquido nuda recondit humus.

p. 1625. lin. 40. Ein gelehrter Mann.) Hierdurch wird Porphyrius verstanden / der zur Zeit Käysers Aureliani gelebt. Besiehe P. Mornæum de verit. relig. Christ. c. XXIII.

p. 1636. lin. 38. Marcomir.) Carolus V. Röm. Käyser.

p. 1637. lin. 2.Ingram.) Ferdinand II. Röm. Käyser.

Verzeichnuß der fürnehmsten
[51] Verzeichnũß der fürnehmsten in dem Arminius und der Thußnelda befindlichen Sachen und Personen.

Wobey zu mercken:

Daß die erste Ziffer den Theil; die andere das Buch; die dritte das Blat; und der dabey gefůgte Buchstabe a die erste Seite; das b aber die andere des Blates anzeige.


A.


Abdanckung vom Regiment was sie vor Ursachen haben könne. I. II. 140. b. Etliche Exempel davon. I. II. 142. a. Ist ein Werck sonderlicher Klugheit. I. VII. 1106. b.

Aberglaube treibt in die Flucht. I. VI. 782. b. Der Thracier macht den Alexander unüberwindlich. II. I. 34. a. seq. Heßlichste Larve der Vernunfft. I. VI. 759. b. Ist nicht so ein feste Band im gemeinen Wesen als der rechte Gottesdienst. II. I. 182. a. Ist eine Gemüths-Kranckheit. I. VII. 979. a.

Abhärtung der Zärtligkeit fürzuziehen. I. III. 204. b. ist gut I. II. 110. a.

Abraham bringt die Weißheit in Aegypten. II. V. 747. a.

Abydenischen Bürgers verzweiffeltes Unterfangen. II. II. 281. a.

Acacia sonderlich Gewächse. I.V. 552. b.

Academia zu Athen. I.V. 706. b. Ihr Lehr-Saal. I.V. 707. a.b.

Acheische Schleuderer. I.I. 55. a.

Achillens Aufferziehung. II. I. 179. b. Im Schauspiel vorgestellt. II. III. 494. b.

Ackerbaues grosses Lob. II. I. 201. a. Von Schweinen gelehrt. II. I. 210. b. Dessen Erfindung bey den Seeren. I.V. 595. a.

Ada Rhascuperis Gemahlin / Ankunfft / Aufferziehung und Haß gegen tugendhaffte Gemüther. II. I. 82. a. Vergifftung. II. I. 96. a. seq. Sticht den Cotys todt. II. IX. 1624. a.

Adel von der Mutter hergerechnet. I. III. 322. a. Alte Geschlechter die besten. ibid. Wird zu Rom zun Festen gelassen. II. III. 516. b. Adels Unvermögen schådlich. II. IV. 709. b. Adels Herrschafft wird über die andern Herrschaffts-Arten gerühmt. II. VII. 1253. b. Adels Art bey den Lycien und Seeren. II. I. 1145. a. II. I. 177. a. Nirgends so hoch als in Deutschland und Gallien gehalten. II. I. 177. a. Ob ihm die Handlung an- oder unanständig. I. VII. 1059. b. Ist der Kern des Landes. II. VII. 1284. a. Wem er gleiche? II. VII. 1284. Nicht aus dem Lande zu lassen. II. VII. 1285. a. Ob er Unedele lieben soll? I. III. 321. a.b. Ob bey ihm die Freund schafft zu finden sey. I. VI. 1047. a.

Adelgunde König Marbods Tochter besucht die Fürstin Erdmuth. I. VIII. 1272. a. Wird gefangen von Hertzog Jubiln. I. VIII. 1303. b. Wird die Erbhuldigung zu Budorgis abgelegt. II. VII. 1290. Giebt Adgandestern abschlägliche Antwort. II. VIII. 1362. b. Soll ihn heyrathen. II. VIII. 1363. a.b. Wird aus Adgandesters Händen errettet. II. VIII. 1370. b. Ist in Ingviomern verliebt und erhält ihn. II. VIII. 1357. a. seq. Wird unrecht vom Marbod beschuldiget / daß sie ihn habe umbringen lassen wollen. II. IX. 1556. a. seq. Zeuget die kleine Velleda. II. IX. 1600. a.

Adelmunde wird in der Gestalt der Lufft-Göttin in einem Auffzuge aufgeführt. I. IX. 1415. a. Aufzug in einer Jagt. II. VII. 1147. a.

Adelmunde trit für Ismenen einen Zweykampff an. II. III. 554. b. Wird mit Catumern vermählt. II. IV. 570. b. Soll unfruchtbar gemacht worden seyn. II. VIII. 608. a.b. Wird durch viel Ebentheur mit dem Catumer vermählt. II. IV. 692. b. Befindet sich mit h \chster Freude ihrer Eltern schwanger. II. IV. 711. b. K \mmt mit einem Sohne nieder. II. IX. 1530. b.

Adherbal / Carthaginensischer Feldherr. I. VI. 791. b. seq.

Adgandester erzehlet die Thaten des Drusus. I. IV. 353. b. seq. Erzehlet die Thaten der Deutschen. I. VI. 732. b. Des Feldherrn. I. VIII. 1185. b. seq. Sein Verdruß und Eifersucht wegen der Ismenen und Catumers gemachten Heyaths-Schluß. II. I. 158. a.b. Wirfft ein Auge auf Ismenẽ und stifft allerhand Leichtfertigkeit. II. III. 528. a. Seine Zauberey wird offenbahr in einem Zweykampff. II. III. 557. a.b. Sein Fall und Untreue. II. IV. 675. b. Wird von dem Marbod zum vornehmsten Diener angenommen. II. IV. 586. b. Seine Gesandschafft. II. IV. 587. a. Verschweret sich mit Sentien das Cheruskische Hauß auszurotten. II. V. 925. b. Hetzet die Römer an die Deutschen. II. V. 926. a. Errettet den Marbod aus dem Wasser. II. VIII. 1359.b. Verlangt Adelgunden und kriegt abschlägliche Antwort. II. VIII. 1362. b. Bietet sich an den Feldherrn mit Gifft hinzurichten. II. IX. 1519. a. Kömmt in Gestalt eines Kohlenbreñers und mit veränderten Nahmen an Gottwalds Hoff. II. 1536.a. Bringt den Feldherrn bey Hertzog Gottwald in Verdacht. II. IX. 1538. a. Entdecket unter dem Bild einer Bettel-Frauen dem Marbod seine Lebens-Gefahr. II. IX. 1557. b. Richtet durch seinen Betrug dem Marbod und Gottwalden im Gothonischen viel Unfug an II. IX. 1558. a.b. seq. Wird Hertzog der Gothonen ausgeruffen. II. IX. 1563. b. Sein schrecklicher Untergang. II. IX. 1579. a. seq.

Adginnius / Landvoigt in Gallien begeht des Augustus Geburts Tag. I. IV. 354. b.

Adler des R \mischen Heers werden versteckt. I.I. 60.a. bey den Römern hoch und heilig gehalten. II. II. 240. b. Låst sich über dem Römisch Heer sehen. II. VII. 1198. a. von den Römern in Deutschland wieder erlanget. II. VII. 1240. a. Deutet dem Brutus seine Niederlage an. I. VI. 744. b. seq. Fliegt aus dem Holtzstosse des Käysers Augustus. II. VI. 970. a. Adler wieder gefunden macht bey den Römern das gröste Frolocken. II. VI. 1055. a. Adler der Römer werden in den Tanfanischen Tempel gehangen. II. I. 69. b.

Adolph ein deutscher Hertzog ziehet nach Rom. I. VI. 754. b. Richtet eine neue Herrschafft an. I. VII. 756. a

Adolphs Deutschen Fürstens Redligkeit. I. VII. 995.b. seq.

Aegle eine von denen Hesperiden. II. VIII. 1439. a.

Aembrich König der Marckmänner und Qvaden erklärt. I. II. 182. b. Wird Deutscher Feldherr. I. VII. 986. Wil sich der Herrschafft Deutschlandes anmassen. I. VII. 1000. b. seq. Wird von Gotarth Suionischen Könige geschlagen. I. VII. 1010. a. Schlägt die Römer. I. VII. 1026. a. stirbet. I. VII. 1041. b.

Aesculapius / besiehe Esculapius.

Affen umbringen ist bey den Numidiern Sterbenswürdig. I. VI. 798. b.

Africa in einem Schauspiel fürgestellt. II. III. 486. a. Ist ein Schauplatz der Deutschen Tapfferkeit. I. VI. 795. a.

Agathoclea stürtzet Ptolomäum und Hannibal ins Verderben. II. VI. 837. a. vergibt die Chlotilden mit Giffte. II. VI. 841. a.

Agat was er für Krafft habe. II. III. 405. a.

Agathocle kriegt wegen vieler Schand-Thaten den verdienten Lohn. I. VI. 842. b.

Agathocles von Geschichtschreibern gerühmt und gescholten. I. VI. 753. b. Kriegt mit den Carthaginensern. I. VI. 794. a. Belagert Carthago. Wil das Reich abtreten. I. VI. 796. b.

Agamemnon wie er von dem Mahler Timanthes abgemahlet worden. II. IX. 1530. a.

Agbarus Arabischer Fürst führt den Crösus in seinen Untergang I. III. 216. a.

Agesilaus in einem Auffzuge fürgestellt. II. III. 441 b. Wird gestrafft / weil er der Bürger Hertz gestohlen. I. III. 312. b.

Agrigunts sonderbahre Merckwürdigkeit. I. VI. 788.a. Belagert. I. VI. 789. a.

Agrippa eignet ihm nichts zu / alles dem Augustus. I.V. 629. b. Ist bey dem Käyser hoch am Brete. I.V. 692. a. Zum Steuer-Ruder des Reichs von ihm gesetzt. I. VII. 1060. b. seq.

Agrippa des Käysers Augustus Enckel ist wahnsinnig / I. VIII. 1223. a. Wird vom Hermann aus Lebens- Gefahr errettet. I. VIII. 1224. a. Wird verwiesen in die Insel Planasia. I. IV. 491. a. Kö t umb. II. V. 934. b. Wird lebendig. II. VII. 1144. a.b.

Agrippine besucht das Deutsche Frauenzimmer. II. III. 396. a. Ihre Beschreibung. II. III. 397. b. Reitzet den Germanicus vergebens zum Käyserthum an. II. VI. 988. b. Fliehet von den auffrührischen Legionen in Gallien. II. VI. 992. b. Giebt dem Deutschen Frauenzimmer Nachricht / warumb Germanicus nach Rom kommen soll. II. VII. 1115. b. Gebiehrt den Caligula. II. IV. 730. b. Kö t mit Thußnelden bey dem Schwalbacher Sauerbrunnen zusammen. II. IV. 734. b. Ni t die Deutschen gefangenen Fürstinnen an. II. VIII. 1321. b. Räthet dem Germanicus den Frieden ein / und redet dem Deutschen Frauenzimmer das Wort. II. VIII. 1326.a. Wird unter dem Bilde der Isis geehrt. II. VIII. 1348. b. Empfähet die Legionen mit grossem Lobe / und theilt ihnẽ allerhand Nothwendigkeit aus. II. VI. 1074. a. Kö t bey dem Tiberius in Verdacht. II. V. 736. b. seq. Agrippinens Traurigkeit über eine Wahrsagung des Apollo II. V. 1625. a.b. Geht ins Morgenland. II. V. 1625. a.b.

Agstein wird in Deutschland gefunden. I. VI. 793. a. Ist in Africa bekandt. I. VI. 794. a. Wie er zu bekommen; und was er sonst für Natur / Gebrauch / Wirckung / Ursprung und Eigenschafften habe. II. V. 854. seq. Giebt einer Natter ein Grab. I. VII. 1117. a. Agtstein mit einer sonderlichen Bildung. II. VIII. 820. a.

Agsteinen Bild der Liebe. II. IV. 703. b.

Agron König in Ilyrien vermählt mit der Teuta. I.V. 534. a. Thut grosse Thaten in der Jugend. I.V. 530. b. Stirbt vor Freuden. I.V. 536. b.

Ahornbaums Höhe / Dicke und Fruchtbarkeit. II. II. 311. a.

Ahinnius Gallus Heucheley ist dem Tiberius verhast. II. VI. 977. a.

Ahlefeld Cimbrischer Ritter. II. V. 874. a.

Alandblume wil Blumen-König seyn. I. IX. 1389. b.

Alcatheus wird in einem Schauspiele erstochen. II. VIII. 141. a.

Alceis in einem Schauspiele vorgestellt. II. VIII. 1438. a.

Alcibiades in einem Auffzuge fürgestellt. II. III. 441.b.

Alcippe ein eyfersüchtiger Schäffer in einem Schäffer- Spiele vorgestellt. II. IX. 1483. a.

Aleman wird Feldherr der Deutschen. I. II. 118. b. Wil die Macht und Verm \gen der Priester einschrencken. I.V. 562. a.

Alexander der Grosse fragt die Deutschen / für was sie sich fürchten. I. VI. 760. b. Macht mit den Deutschen Freundschafft. I. VI. 761. a. Läst zu Babylon vieler Lånder Gesandten für sich. I. VI. 761.a. Stirbt. I. VI. 764. a. Sein Siegesmahl. I. VII. 1217. a. Kommt biß an das Reich der Seeren I.V. 597. a. Ob er dem Julius Cäsar fůrzuziehn. I. II. 135. b. Seine Thaten. I. II. 1376. b.

Alexanders Bildnüß aus einem Berge. I.V. 611. b. Wird mit einer Amazonischen Fürstin beschencket. I.V. 530. a. Schreibt an die Thalestris einen Brieff. I.V. 531. b.

Alexandern hangen von seinem Lehrmeister niedrige Schwachheiten an. II. I. 179. a. Wird ein Gottgeheissen. II. I. 207. a. Versöhnet das Meer. I. II. 126. b.

Alexander König in Epirus erschlägt den Antigonus. I. VI. 785. a.

Alexanders Thaten wider die Thracier. II. I. 33. a.b.

Algarbe verlangt von ihrem Bräutigam zur Morgen- Gabe die rechte Hand einer Deutschen. I. VI. 894.a. Stürtzt sich in das Feuer. I. VI. 895. a.

Alironische Warsagerin wahrsaget mit besondern Gebehrden dem Feldherrn auff seiner Vermählung was guts. I. VIII. 1182. a.

Alironisches Frauenzimmer. I. IX. 1334. a.

Alironischen Heiligthums Beschaffenheit und Lehre. I. IX. 1338. a.

Alison Römische Festung. I.I. 56. b. Wird erobert. I.I. 66. a.b.

Allemännner breiten sich weit aus. I. VI. 760. a.

Allemannisches Reich blüht unter Vocionen. II. V. 916. b.

Allobroger kommen unter das Römische Joch. I. VI. 898. a.

Aloe wo sie häuffig wächset. I.V. 669. a. Ihre Eigenschafft und allerley Art. I.V. 670. Ihre Krafft. I.V. 672. b. Aloe gebiehret gleichsam sichtbar einen langen Stengel. I.V. III. 1174. a. Wil Blumen-Königin seyn. I. IX. 1389. b.

Alotodobal fällt in König Hippons Ungnade. I.V. 629. b.

Alpen übersteigen wie hoch es bey den Deutschen gehalten wird. II. I. 9. a. Werden offtmahls von Deutschen / hernach vom Hannibal überstiegen. I. VI. 823. a.

Alphäus wirfft eine Schaale aus. I. VI. 788. a.

Altar dem unbekandten Gotte zu Athen gesetzet. I. III. 348. a.I. III. 345. a.I.V. 590. a.b.

Altar in der Insel Corsica. I. VIII. 1260. a.

Altar wird dem August erbauet. I. IV. 339. a.

Altar der Schamhafftigkeit erbauet. I. IX. 1322. a. seq.

Altar des Bacchus belagert vom Hertzog Arpus. II. II. 286. a. Wird mit Sturm erobert. II. II. 288. a. Ubischer Altar wird von dem Hertzog Melo belagert. II. III. 348. b. und erobert. II. II. 361. a. Die Römer wollen den Bacchisch- und Ubischen Altar wieder haben. II. II. 366. a. Des Bacchus Altar wird dem Feldherrn überlassen. II. II. 383 b. Taraxippisches Altars sonderbare Eigenschafft. II. VIII. 1415. b. Libys will nicht die Hand an den Altar des Tanfanischen Tempels legen. II. IV. 595.a.b. Ob man Altäre abbrechen könne / und wie ferne. II. 4. 595. a. Sie verunehren ist ihrer vielen Verderb gewesen. II. IV. 598. b. Wird dem Armuth gebauet. II. V. 853. b. Monden-Altar aufgerichtet von dem Germanicus. II. VI. 1000. b. Drusus Altar von dem Catumer erobert und eingeäschert. II. VI. 1082. a.

Alters Beschaffenheit. I. VII. 1108. b. Alter der Menschen nach ihren Lastern. I. VII. 1094. b. Alter an dem Adel anzusehen. I. III. 322. b. Alters sonderbare Eintheilung. I. VII. 1109. a. Alter der Menschen in einem Schauspiel vorgestellt. II. I. 1499.b.

Alterthum gebiehrt eitel Wunderwercke. I. VII. 1098.b. Alterthůme ertichtet. I. II. 91. b.

Althea in einem Schauspiel vorgestellt. II. VIII. 1429. b.

Altheim wird eingenommen. II. IV. 421. a.

Alzheim sonst Alison. I.I. 66. b.

Amaltheische Ziege vorgestellt. I. VIII. 1196. a.

Amasis König in Egypten stellt sich als ein Narre für I. II. 86. a.

Amazonen Ursprung. I.V. 525. a. Haben diesen Nahmen von den Gothischen Weibern angenommen. I.V. 526. a. Kommen in Egypten und verrichten treffliche Thaten. I.V. 526. a. seq. Fallen die Griechen an. I.V. 527. b. Werden von dem Hercules und Theseus angefochten. I. 5. 528. a. schlagen die Perser. I.V. 530. a. Ihre Tugend und Unerfahrenheit in denen Lastern. I.V. 540. Werden von dem Augustus gelobet / von der Aßblaste gescholten. I. VIII. 1198. a. Sind schön. II. VI. 108. b.

Amazonia von den Griechen gebaut. I.V. 529. a.

Amaranth wil Blumen-Königin seyn. I. IX. 139. b.

Ambra verhindert bey einem Zauberer die Unsterbligkeit. II. IX. 1606. a.

Ambra Natur und Ursprung. I. VI. 794. a.

Amianten-Stein. I. II. 182. a.

Amilcar Feldherr der Carthaginenser. I. VI. 803. b. Kriegt in Hispanien. I. VI. 818. b. Todfeindschafft wider die Römer. I. VI. 818. b. Wird gefangen I. IV. 485. b. Bleibt in Hispanien. I. VI. 829. a. Wird getödtet. I. VI. 857. b.

Ammon Horn / ein Stein. I. IX. 1362. b.

Ammonischen Jupiters Gottesdienst. I. IV. 484. b. Verdrehete Antwort. II. VIII. 1354. a.

Amphitrite vorgestellt. I. VIII. 1198. b. seq.

Ampsalis Amazonische Hauptstadt. I.V. 521. 6.

Aemter wenn und wie sie außzutheilen. I. VII. 1159.b. seq.

Amyntas König in Sycaonien. I. III. 250. a.

Anacharsis Bildnüß. I.V. 658. b.

Anaitis / Diana / Venus. I. III. 241. a. Mit Unzucht verehret. I. III. 300. a.

Anbetung ist unterschiedlich. I. VII. 980. a.b.

Ancil Schutz-Bild der Römer. I. II. 151. a.b.

Andacht vermåhlet die Seelen mit Gott / und kan bey zarten Naturen stehn. I. IX. 1341. a.

Anemonens Ruhm. I. IX. 1386. a.

Aneroest / König der Alemånner / k \mmt den Deutschen in Italien zu Hülffe. I. VI. 809. a. tödtet sich selbst. I. VI. 811. b.

Angelöbnüsse sind zu halten. I. VI. 870. a.b. siehe Gelübde.

Angesichter sind Spiegel unserer Geheimnüsse. II. V. 734. b. besiehe Antlitze.

Angrivarier erwiesene Tapfferkeit. II. VII. 1224. a. Gehen von den Römern ab. II. VII. 1227. a.

Angrivarier fallen von der Römer Seite und machen einen Auffstand. II. VII. 1168. a.b.

Anhalt wie es vorhin geheissen. I. VII. 773. b.

Anicius ein Glücks-Sohn. II. III. 503. a.

Ankunfft muß der Tugend weichen. I. VII. 1091. b.

Anmuth Amme der Liebe. I. VIII. 1189. b.

Annemonta Abgott in der Insul Taprobane. I.V. 658.a.

Annibal / besiehe Hannibal.

Anschläge sollen heimlich gehalten werden. I. VIII. 1266. a.

Antäus in einem Schauspiele vorgestellt. II. VIII. 1438. a.

Antenor kömmt in Britannien. I. VI. 752. b.

Anthario / Sicambrischer Fürst / ist wider die Römer. I. IV. 446. b.

Anthyr / ein Deutscher Fürst / vermählt sich mit einer Amazonin. I.V. 531. a.

Antigonus / König in Macedonien / wird von den Deutschen überzogen. I. VI. 784. a. Wird erschlagen. I. VI. 785. b.

Antiochus König in Comagena. I. III. 230. b.

Antiochus kriegt mit den Römern und wird geschlagen. I. VI. 863. b. Geht einen schimpfflichen Frieden ein. I. VI. 863. b. Wild besiegt / weil er sich nicht aus den Armen seiner Gemahlin ziehen wil. II. V. 743. b.

Antiope Königin in Albanien. I. III. 304. b.

Antiopens / Amazonischer Königin / Eyfersucht gegen die Thußnelda. I. IX. 1402. a.

Antlitze denen Menschen von der Natur unterschieden. II. I. 21. b. Antlitze der Weiber helffen zum Erkäntnüß Gottes. II. V. 736. a. Siehe Angesicht.

Antonach befestiget. I. IV. 382. b.

Antonia des Antonius Tochter von Muräna geliebt. I. IV. 384. a. Von Muräna errettet. I. IV. 390. a. Wird mit dem Drusus vermählet. I. IV. 401. a. Stellt die Venus für. I. VIII. 195. b.

Antonius ist unglücklich gegen die Parthen und Armenier. I. III. 223. a. Seine Staats-List. II. I. 69. a. Bürger-Krieg mit dem Augustus. II. I. 69. a. Offtmahlige Niederlage wegen der liebkosenden Cleopatra. II. 169. b. In die Julia verliebet / steht dem Käyser nach dem Reiche. I. IV. 401. a.I. VIII. 1226. a.

Antotale eine Stadt in Getulien wird belagert / hefftig vertheidiget / doch endlich erobert. I. IV. 476. a.

Aolias wird in einem Schauspiel erstochen. II. VIII. 1415. b.

Apame erweckt durch ihre Schönheit bey dem Sadal Liebe. II. I. 43. a. Ihr Gespräche mit dem Sadal von der Liebe. II. I. 45. b. Wird mit dem Sadal vermählt. II. I. 47. a. Stürtzt sich nach vielen Anfechtungen von seiner Eyfersucht von einem Thurm und zerschmettert. II. I. 63. a.

Apffelbaums Nutzen und Vorzug. II. II. 327. a.b.

Aphellas macht sich zu einen eigenmächtigen Könige und kömmt darüber in Africa umb. I. VI. 797. a.b.

Aphrodisium eine Medische Stadt. I. IV. 487. a.

Apollo sein Bild soll über Meer geschwommen seyn. I. VI. 936. a. Apollo zu Delos. I. III. 271. a. Zu Thebe I. III. 271. a. Pythischer Apollo. I. III. 262.a. Seine Leyer macht einen Stein singend. I. IV. 445. b. Redet in seinen Wahrsagungen verdreht. II. VIII. 1364. b. Wird in einem Auffzug fürgestellt. I. VIII. 1194. b. Seine Thaten / Erfindungen / und Eigenschafften fürgestellt. I. VIII. 1203. Wird in einem Schauspiel fürgestellt. II. III. 491. b. Seine betrügliche Aussprüche. II. IX. 1606. a.b. Apollo wahrsagt der Agrippine und dem Germanicus. II. IX. 1625. a.

Appius Claudius räumt dem Glücke einen Antheil seiner Siege ein. II. III. 499. a.

Arabar wird König der Qvaden. I. VII. 986. a. Wird geschlagen. I. VII. 986. b. Erholet sich. I. VII. 1011. a.

Araber verfallen in Streit mit den Römern. I.V. 673.a.

Arabien in einem Schauspiel vorgestellt. II. III. 488.b.

Arabo wird wieder gewonnen. I. II. 172. a.

Arachne in einem Schauspiel vorgestellt. II. III. 499.a.

Ararat ein hoher Berg. I.V. 565. b.

Aratus Sicyonius ein trefflicher Held im Anfang der Schlacht furchtsam I. IV. 449. a.

Archelaus Comanischer Priester strebet nach der Cron. I.V. 558. b. Vertheidiget das Pyracum. I. VI. 936. b. Wird Comanischer Priester. I. VI. 950. a.

Archelaus Cappadocischer König heyrathet die Pythodoris. II. IX. 1610. b. Stirbt zu Rom. II. IX. 1611.a.

Archimedes Brenn-Spiegel ist ein Geticht. II. 9. 1615. a.

Ardube belägert und erobert. I. IV. 492. b. seq.

Arelich Deutscher Fürst in Italien liebet die Ruhe. I. VI. 760. a.

Arethusa eine von den Hesperiden. II. VIII. 1439. a. stürtzet eine silberne Schaale aus. I. VI. 788. a.

Arethusa eines kleinen Meerbusen Wunder-Krafft. II. IX. 1608. b.

Argrim eines unüberwindlichen Riesens Helden-Thaten. II. V. 890. b. Erlangt dafür des Königs Frotho Tochter zur Gemahlin. II. V. 905. a.

Argonauten ihre Zurückfarth. I.V. 540. b.

Argwohn verführt in Irrthum. II. IV. 640. b.

Ariadnens Geschichte in einem Kästlein entworffen. II. IX. 1476. b.

Ariarathes König in Cappadocien. II. I. VI. 929. b.

Arimenens Amilcars Gemahlin Todtfeindschafft wider die Römer. I. VI. 818. b.

Ariopagiten zu Athen setzen über hundert Jahr einen Gerichts-Tag an. II. V. 818. b.

Aristides in einem Auffzuge fürgestellt II. III. 441. b.

Aristides des Tiberius Freygelassener. II. IX. 1508. b. II. IX. 1521. b.

Errettet das Deutsche Frauenzimmer aus der Römischen Gefangenschafft. II. IX. 1522. a.b. Giebt sich zu Athen zu einem Opffer an. II. IX. 1617. a. Er kö t mit List loß. II. IX. 1619. a.b.

Ariobarzanes wird König in Meden. I. III. 235. a. Auch König in Armenien. I. III. 249. a. Verwundet unwissend seinen Vater tödtlich. I. III. 290. a. Wird endlich für seinen Sohn Polemon erkant. I. III. 292. b. Und Polemon genañt. I. III. 295. a. Soll / aber umbsonst / mit Arsinoen vermählet werden. I.V. 510. a. Kündiget Polemon den Krieg an. I.V. 514. a. Wird dreymahl seines Reichs entsetzt. I. VI. 232. b.

Ariobarzanes der Jotape Sohn wird der Pythodoris zur Aufferziehung anvertrauet. II. IX. 1609. a. Nennt sich Polemon den andern. II. IX. 1610. a. Wie er unwissend seinen Vater umbgebracht. II. IX. 1610. a. seq. siehe Polemon.

Ariovist der Alemänner Hertzog schlägt die Feldhauptmanschafft aus. I. VII. 986. b. Seine Thaten.ibid. Hertzhaffte Antwort dem Cäsar gegeben. I. VII. 992. a.b. Liefert dem Cäsar eine Schlacht. I. VII. 995. a. Ist zu einem Einsiedler worden. I. VII. 1106. a. und 1111. b. (besiehe das Wort Einsiedler.). Stirbt. I. VII. 1121. a. Findet sich bey dem Sauerbrunnen ein. II. V. 742. b. Beschreibung seines Geschlechts / Person und Länder. II. V. 743. a. Erzehlet seinen Lebens-Lauff. II. V. 916. a. Verliebt in Zirolanen. II. V. 920. a.

Aristippus ein leichtfertiger Lehrmeister. I. VIII. 1216. a. Nachfolger des Epicurus und Lehrmeister des Käysers Enckel / welche er verführt. I. IV. 454. a. Wil sie der Venus einsegnen. I. IV. 464. a.

Aristomachus wird in einem Schauspiel erstochen. II. VIII. 1415. a.

Armeniens Nahme / erster Ursprung / Eintheilung. I. III. 208. a.b. seq. Andere Zufälle. II. III. 314. b. Wird in einem Schauspiel fürgestellt. II. III. 488.b. Kriegt einen König von dem Artaban. II. VII. 1126. a. seq.

Armeniens Geschichte nach Abdanckung der Erato. II. IX. 1620. b. seq.

Armidas entführt aus Irthum Arsinoen. I. III. 287.a.b.

Armilius ein Tugend-Sohn. II. III. 500. b.

Arminius rätht den Krieg wider die Römer. I.I. 17. a. Mehr siehe in Herrmann.

Arm-Ring wird in einem Stier mit einer sonderbahren Weissagung gefunden. I. VIII. 1283. b.

Armuth dienet denen Römern zum Wachsthum. I. II. 180. a. Ihr wird ein Altar gebauet. ibid. und II. V. 854. b. macht geschickt. II. V. 853. b.

Arnolds Eyfersucht gegen seine Gemahlin. I. VII. 1147. a.

Arnold der Hertzog der Gothonen stirbt. II. V. 804.a.b.

Arnolff der Alemänner Hertzog geht in Pannonien. I. VI. 760. a.

Arnsberg giebt ein Gefängniß den Deutschen Fürstinnen. I. VI. 1037. a.

Arpus rätht den Krieg wider die Römer. I. IV. 380. b. Schlägt mit den Römern. I. IV. 408. a.I. IV. 380.b. Räthtnochmahls mit den Römern zu brechen. I. VIII. 1314. a. Wil in einem Ritterspiele dem Feldherrn seine Thußnelde streitig machen. I. IX. 1356. b. Rätht die Weinstöcke außzurotten. II. II. 292. b. Ist geneigt Krieg zu führen mit Ganaschen wegen angefügter Beschimpffung. II. II. 646. b. Bewirthet viel grosse Fürsten im Saurbrunnen. II. V. 743. b. Erstürmt das Römische Lager. II. VII. 1079. a. stattet seine Tochter aus. II. IX. 1638. a.

Arsinoe königliches Fräulein in Pontus. I. III. 250. a. Erlangt den höchsten Preiß in einem Ritterspiele. I. III. 260. b. Wird von dem Ariobarzanes zu einer Gemahlin verlangt. I. III. 276. a. Heisset hernach Zeno. Besiehe Zeno. Bildnüß aus einem Carniolstein. I. VI. 775. b. Heyrathet ihren Bruder Ptolomäus. I. VI. 777. a. Stirbt. II. IX. 1609. a.

Artaban Königs in Parthien Feldherr. I. III. 232. a. Bemächtiget sich des Königreichs Parthiens. II. 1125. a. Setzt einen König in Armenien ein. II. VI. 1126. a.

Artabazes König in Armenien. I. III. 214. b. Schreibt ein Getichte. I. III. 219. b.

Artabazes Königs Artaxias in Armenien Bruder wird König in Comagene. I. III. 232. b. Ersticht seinen Bruder I. III. 233. a. Wird gekrönt. I.I. 237. b. Kömmt erbärmlich um. I. III. 242. a.

Artafarnes Staatsdiener des Armenischen Königes Artaxias. I. III. 229. a. Läst die Erato zur Königin in Armenien krönen. I. III. 235. a. Ko t in Pontus. I. III. 285. a.

Artavasdes König in Meden verfällt mit Parthien in Krieg. I. III. 223. b.

Artavasdes Reichs-Gefärthe in Armenien. I. III. 244.a. Heyrathet seine Schwester. I. III. 244. a. Wird zum Könige erklärt. I. III. 247. b. Vom Thron gestossen. I. III. 248. a.

Artaxias König in Armenien. I. III. 225. b. Streitet tapffer wider die Römer. I. III. 226. b. Beko t sein Reich wieder. I. III. 227. a. und Meden ein. I. III. 228. a. Wird von seinem Bruder umbracht. I. III. 233. a. Erato wird für den jungen Artaxias ausgegeben. I. III. 230. a. Ist der Zeno. II. 19. 1612. a.b. seq. erhält Ismenen. II. IX. 1633. b. siehe Zeno.

Artemisiens That gegen ihren Gemahl. II. V. 656. a.

Artapharnes behauptet Thracien. II. I. 35. b.

Artzneyen denen Menschen von den Thieren gewiesen. I. II. 91. b.

Arverner verfallen in Krieg. I. VII. 987. a.b.

Aruntes ein Hetrurischer Edelmañ geht zum Brennus über. I. VI. 741. b. Kommt um. I. VI. 742. b.

Aruntium geht an die Deutschen mit Sturm über. I. VI. 742. b.

Asblaste des Feldherrn Mutter wird von den Römern gefangen. I. IV. 379. a. Eines Parthischen leibeigenen Tochter. I. VII. 1038. b. seq. Verläst ihren Gemahl. I. VII. 1040. b. K \mmt wieder in Parthien. I. VII. 1045. a.b. Soll gerichtet werden und wird erlöset. I. VII. 1047. b. Stellt sich bey der Vermählung Hertzog Herrmanns als eine Wahrsagerin ein und wird erkennt. I. VIII. 1183. a. Ist sieben Jahr unfruchtbar. I. VIII. 1185. b. Gebiehrt Herrmannen und den Flavius. I. VIII. 1186. a.b. Wird gefangen nach Rom gebracht. I. VIII. 1186. b. und zu des Augustus Liebe / aber umsonst / gereitzet. I. VIII. 1189. b. Verweiset dem Flavius sein Verbrechen gegen das Vaterland und sticht ihn. II. VII. 1230.b. seq. Begiebt sich hierauf in das Alironische Heiligthum / und giebt ihrem Sohne dem Herrmann eine dunckele Nachricht von seiner Thußnelde. II. IX. 1540. a.

Asblastens Weissagung eröffnet die Thußnelde. II. IX. 1614. a.b.

Ascanas ist ein Urheber der Deutschen. I. II. 111. a.

Asche berühmter Leute. II. VII. 1274. b.

Aschenburg wird von dem Melo eingenommen. II. II. 261. a.

Asdrubal Befehlhaber der Carthaginensischen Flotte. I. VI. 829. b. Wird von einem Deutschen erstochen. I. VI. 820. a. Ihm wird das Haupt von einem Deutschen abgeschlagen. I. VI. 845. b. Ergiebt sich dem Scipio. I. VI. 886. a.

Asien in einem Schauspiel fürgestellt. II. III. 488. a.

Asmund läßt sich mit seinem Freunde begraben. II. V. 886. b.

Asprenas / ein Römischer Befehlhaber / trifft mit Hertzog Jubiln. I.I. 25. a.

Astartens Bildnüß. II. VIII. 1438. a.

Asteloth wil dem Caledonischen König die Crone nehmen. I. III. 312. a.

Astinabes König der glückseligen Inseln begehrt Olorenen Marcomirs Schwester. I. II. 157. b. Erhält sie. I. II. 167. b. Kommt in Mauritanien um. I. II. 170. a.

Astrea eine Griechin läßt sich zum Werckzeuge allerhand Leichtfertigkeiten von der Sentia gebrauchen. II. IV. 608. a.b. Wird gefoltert / wil aber nichts bekennen. II. IV. 626. b. seq. Beißt die Zunge ab und stirbt. II. IV. 828. a.

Asweit ein gestorbener Ritter fällt seinen Freund Asmund auffs grausamste in dem Grabe an. II. V. 886. b. seq.

Atalanta in einem Schauspiel vorgestellt. II. VIII. 1424. a.

Atcoroth wirfft sich zum Feldherrn auff. I. II. 111. b. Wird von Hermion gedemüthiget. I. II. 112. a.

Athem wird verhalten und erstickt. I.I. 76. b.

Athen geht durch Sturm an den Sylla über. I. VI. 936. a. Athen ni t den Käyser Augustus an. I.V. 684.a. Was darinnen zu sehen. I.V. 684. b.I.V. 702. b. seq. Sonderliche Begebenheit in dem Thracischen Kriege. II. I. 30. b. seq. Wird in einem Auffzuge fürgestellt. II. III. 441. a. Und ihre Freyheit gerůhmt. II. III. 443. a. Athen besuchet das Deutsche Frauenzimmer. II. IX. 1617. a.b.

Athenodorus / Stoischer Weltweiser des Käysers Augustus Lehrmeister I. IV. 451. b.

Athronges / ein Hirte / wirfft sich zum Könige im Jüdischen Lande auff. I.I. 44. a.

Atlantisches Eyland ob es von den Carthaginensern erfunden. I. II. 120. a. Vom Osiris bezwungen. I. II. 122. a. Wollen auch die Scythen und Nord-Länder erfunden haben. I. II. 122. b. Ja auch die Cimbern und Sitonier. I. II. 125. b.

Attalus rufft die Deutschen zu Hülffe. I. VI. 865. b. Wird belägert. I. VI. 881. b.

Atticus / ein Römischer Geschichtschreiber / giebt dem Feldherrn ein vortrefflich Lob. II. IX. 1594. a.

Aufferstehung von Zarmarn wahrscheinlich gemacht. I.V. 665. b.

Aufferziehung der Deutschen. II. II. 363. b.

Auffruhr bey zeiten zu dämpffen. II. V. 777. b.

Auffruhr der Unterthanen einem andern Fürsten über den Halß zu ziehen wenn es zugelassen? II. VII. 1301. b.

Auffrührer Beschaffenheit. I. VII. 1076. a.

Auffzug unter gewisser Götter und Göttinnen Nahmen. I. VIII. 1193. b. Dem Käyser zu Ehren prächtig angestellt. I. IV. 466. a. Der Deutschen Fürsten für ihre Freyheit. II. IV. 445. a. Auffzug der Freyheit. II. III. 437. b. seq. Deutschlandes. I. IX. 1403. b. Der Amazonischen Königinnen. I. IX. 1406. b. Jäger-Auffzug. II. VII. 1147. b. Auffzug zu Deutschburg. I. IX. 1354. b.I. IX. 1368. a.

Augen schwartze oder blaue die schönsten I. IV. 458.b. und. I.V. 548. a. Sollen zwey seyn im Gesichte. II. VII. 1171. a. Was sie für Krafft in der Liebe haben. II. IV. 565. a. Augen / so scharff sehen. I. VI. 791. a. Augen mit zwey Aepffeln. I.V. 550.a.I. IX. 1391. a. Augen werden zum letzten gebildet und sind unentbehrlich. I.V. 545. a.b. Ihre Beschaffenheit und Nothwendigkeit I. VIII. 546. a. Welche Weiber die schönsten haben. II. I. 85. b. Augen Blödigkeit wie ihr die Hirsche abhelffen. I. II. 91. a. Augen sind drey in Jupiters Bilde. I. VIII. 1293. a.

Augusta bey den Vindelichern / sonst Cisaris genennt. II. V. 910. b.

Augustmonat / woher er den Nahmen bekommen. I. VIII. 1218. a.

Augustus wird Herr über Rom. I.I. 6. a. Wegen Alters verachtet. I. II. 140. b. Soll mit Fleiß einen bösen Nachfolger gelassen haben. I. II. 183. b. Ob er der andere Romulus sey. I. II. 194. a. Bricht die Gesetze zu Rom. I. III. 311. a. Sein Siegel. I. III. 341. a. Kömmt in Gallien und wird alldar herrlich geehrt. I. IV. 354. a. Erfindet heimliche Kennzeichen zu Brieffen. I. IV. 445. a. Stößt den Kopff wider die Wand wegen der Niederlage Varus. I. IV. 446. a. Ob er hieran fürstlich gethan? I. IV. 446. a. seq. Hält seinen Einzug in Athen. I.V. 684. a. Läßt sich der Ceres einweihen. I.V. 689. b. Hält mit Terentien zu. I.V. 695. a. Und stellt sie unter dem Bilde der Isis für. I.V. 704. b. Bähnt seinem Heere einen Weg durch Felsen und Wasser / und wird verwundet. I. VII. 1043. a. Stellt zu Rom Schauspiele an. I. VII. 1055. a. Erschöpfft Gallien mit Schatzung. I. VII. 1057. b. Seine Staats-Klugheit. I. VII. 1060. b. Muß den Marbod mit Gesandschafft besänfftigen. I. VII. 1158. b. Schließt den Tempel des Janus zu. I. VIII. 1186. a. Verliebet sich in die Asblaste. I. VIII. 1188. a. seq. Warumb er die Scribonia verstossen? I. VIII. 1193. a. Stellt selber einen Auffzug an. I. VIII. 1193. b. Stellt darinnen den Apollo für. I. VIII. 1194. b. Urtheil über seine Tugenden und Laster. I. VIII. 1202. a. Wird von dem Herrmann aus Lebens-Gefahr errettet. I. VIII. 1210. b. Hernach auch von dem Flavius. I. VIII. 1211. a. Nimmt sich des Vestalischen Gottes-dienstes an. I. IX. 1331. a. Wird bey den Römern verächtlich. II. I. 11. a. Führt einen Bürger-Krieg mit dem Antonius. II. I. 68. a. Sein Hochmuth zieht benachbarten Völckern allerhand Unglück zu. II. I. 70. b. Kluge Bezeugung wegen Abnehmung des Römischen Reichs. II. I. 234. a.b. Wird in Gallien göttlich verehrt. II. II. 290. b. seq. Wird in einem Schauspiel dem Romulus vorgezogen. II. III. 425.a. Wird in einem Schauspiel als ein Beschirmer der Freyheit fürgestellt. II. III. 443. b. Ihm wird in einem Schauspiel ein Lob-Gesang gesungen. II. III. 510. a.b. Sein Bildnüß zu Bonn auffgerichtet. II. IV. 725. b. Verwahrt Agrippinens Bildnüß in seinem Schlaffgemach. II. IV. 730. a. Sein Ring heilt gewisse Kranckheiten. II. IV. 800. b. Ihn wollen die Deutschen nicht göttlich verehren / wie andere Völcker. II. V. 928. a.b. Vor seinem Tode gehen allerhand Wunderzeichen für. II. V. 931. a. Stirbt zu Nola. II. V. 931. a. Seine letzte Reden. II. V. 933. a. Seine Leiche wird nach Rom getragen. II. VI. 944. b. Wird begraben; worbey allerhand Gedancken. II. VI. 947. a.b. Lob und Scheltung. II. VI. 647. b. seq. Seine Thaten und Lebens-Lauff in einer Lob-Rede von dem Drusus ausgeführt. II. VI. 958. b. Wie auch vom Tiberius. II. VI. 965. b. Wird verbrannt. II. VI. 969. a. Und endlich vergöttert. II. VI. 970. a.

Aurinia besinget Herrmanns Sieg. I.I. 63. a.

Aurinia bey den Deutschen verehrt. I. VII. 977. a. wünscht dem verlobten Feldherrn und Thußnelden Glück I.I. 80. b.

Autoritas Heerführer der Celten verliebt in die Sophonisbe. I. VI. 802. a.b.

Azama wird belägert. I. IV. 475. a.

Azazel ein Bock von den Juden / Arabern und Egyptiern einen bösen Geist zugesendet. II. I. 209. a.b.


B.


Babylonischer Thurm. II. V. 745. a.

Bacchus Reise. I. II. 129. a. Sein Tempel in Deutschland. II. II. 291. b. Feyer zu Oresta. II. I. 41. a. Sein Tempel wird von dem Sadal bestürmt. II. I. 61. a. Feyer auff dem Berge Rhodope. II. 176. a.b. Wo er gebohren. II. II. 344. a.b.

Bad der Kinder bey den Deutschen. II. II. 362. a.b. II. V. 812. a. Bäder von Milche. II. I. 93. a.b. Aus Blute. II. I. 94. a.b. Warme Bäder in Deutschland. II. V. 739. b. Denen Göttern gewidmet. II. V. 741.a. Warm Bad zu Wißbaden. II. V. 742. b.

Baduhenna / Stadt der Bataver / hält sich wohl. I. IV. 369. b.

Bär / besiehe Beer.

Bala lässet sein Bildnüß auffrichten. I. IV. 339. b.

Balearische Schleuderer. I.I. 55. a. II. VII. 1184. a.

Balsams Herrligkeit. II. II. 707. a. Wo er am besten wachse. II. II. 308. a.

Balsambaum in Syrien wil den Vorzug für andern Bäumen haben. II. II. 330. b.

Barben sind schön / wenn sie sterben. II. V. 514. a.

Barcas erstreitet die Alceis in einem Schauspiel. II. IV. 1454. b.

Bardanes / Feldherr des Königes Polemons / verrichtete Thaten. I. III. 288. a.b.

Barden besingen Herrmanns Sieg. I.I. 69. a. Ihre Freyheit und Ehre bey den Deutschen; wie auch ihre Verrichtungen. I. VII. 970. a. Verliehren ihren Glantz in Deutschland. I. VII. 977. a. Gehen bey der Vermählung des Feldherrn vorher. I. VII. 1174. b. Bezieren diese Vermählung mit allerhand Sinnbildern. I. VIII. 1177. b. seq. Halten einen Wort- Streit mit der Kunst und Natur unter des Feldherrn Ehren-Seule. I. IX. 1412. b. seq. Ihre Getichte den Herrmann zu verewigen. I. IX. 1423. a. seq. Beredsamkeit bey ihrem Gottesdienste. II. I. 181. b. Ihre Zwistigkeiten mit den Druiden und Eubagen. II. II. 276. a.b. Ein Barde beschreibet den Schwalbachischen Sauerbruñen. II. IV. 735. a. Ihre Gesänge. II. V. 745. a. Schule. II. IV. 753. a. Ein Barde lehrt die Staats-Klugheit aus Garten-Gewächsen. II. V. 751. a. Erfindet die Uhren. II. V. 762. a. Ihre Art zu speisen. II. V. 764. a.b. Gesang und Geschrey im Anfang des Kampffes. II. VII. 1194. a.

Bart wird in Ehren gehalten und den Göttern gewidmet. I. VI. 749. a.

Basan Achor des Fürsten Melo und der Teuta Vater. I.V. 533. a. T \dtet seinen Sohn Sedan. II. V. 533.b. überwindet die Sarmater.

Bastarner Krieg wider die Römer. II. I. 71. a.

Bataver Freyheit / Hoheit / Fürsten. II. IV. 634. b.

Woher sie den Nahmen haben. I. IV. 752. b. Was es für ein Volck. I. IV. 362. a.b. Ihre Thaten und Handelsschafften. I. IV. 362. b. seq. Verlieren ihr halb Gebiete. I. IV. 366. b. Reisen in die neue Welt. I. II. 125. a.

Batavodur Hauptstadt der Bataver will Dagobert überrumpeln I. IV. 363. a.

Batto schlägt die Römer. I. IV. 489. b. Wird von Dysidiat belägert. I. IV. 492. a.

Bausucht der Fürsten nicht zu billichen. I.V. 679. a.

Bauen ist löblich. I.V. 679. b. siehe Gebäude.

Baulis / daselbst wird Venus verehret. I. IV. 388. b.

Bäume geben fast alle Gaben der Natur. II. II. 305. a. Streiten umb den Vorzug. II. 230. a. seq. Bäume Göttern geheiliget. II. II. 263. b. so ihres Alterthums wegen für unvergänglich gehalten werdẽ. II. II. 264. a. werden gewöhnet sich für den Menschen zu neigen. II. VII. 1282. b. Dürffen bey etlichen Völckern nicht angerühret werden. II. II. 876. a.b.

Bäume / auf des Protesilaus Grabe sonderbahre Beschaffenheit. II. I. 9. a.

Bäume werden zum Zeugnüß des Verhängnüß gebraucht. II. VII. 1288. a. Trauer- und Glantz- Bäume. I.V. 552. b.I.V. 608. a.

Baumwolle wo sie wachse und abgenommen werde. II. I. 185. b.

Becher des Qvintilius Varus. II. IX. 1603. b.

Beere werden von den Deutschen geopffert und warum. II. I. 210. a.

Beere fallen den Hertzog Jubil an. I. IV. 426. b.

Beerenklaue Geburts-Zeichen der Gothonischen Fürsten. I. VII. 1151. a. II. V. 799. b.

Beerenklaue will Blumen Königin seyn I. IX. 1389.b.

Beermuth Fürst der Ubier wider die Römer. I. IV. 361. b.

Beerentatze entdecket des Viriaths Geschlechte. I. VI. 891. a. giebt dem Ehren-Friede seinen Vater zu erkennen II. V. 791. b.

Begräbnüß auch den Uberwundenen zu geben. I.I. 63. a.I.V. 623. b. des Hephästions wie prächtig es gewesen. II. VI. 948. b. des Käysers Augusts. II. VI. 947. a.b. II. VI. 949. a. II. VI. 971. a.

Begräbnüß des Osymanduas zerstört von dem Cambyses. I.V. 677. a.

Begräbnüsse von grosser Kostbarkeit. I. VII. 1117. a. In Delos darff kein Todter begraben werden. I. VII. 1121. b. Besiehe Grabmahl.

Begräbnüß Feyer der Deutschen. I.I. 68. a.

Belger werden von dem Cäsar bekriegt. I. VII. 1004.a.

Belgius wirbt vergebens umb die Arsionen. I. VI. 775. b. fällt in Macedonien ein. I. VI. 778. a. sein Todt. I. VI. 784. a.

Bellerophon auf einem Bilde. II. IX. 1578. b.

Bellone in einem Schauspiel fürgestellt. II. III. 422.a.

Bellovesus ein Deutscher fällt in Italien ein. I. VI. 734. b.

Berg fällt ein und begräbt eine Stadt. I. II. 184. b. Zwey Berge rennen gegen einander. I. II. 185. a. Berge stellen Bilder der Menschen für. I.V. 626. a.

Berg wird zu einem Bilde eines Götzen gemacht. I.V. 611. b. Der Berg Etna giebt sonderbare Anzeigungen. I. VI. 785. a.

Berggewächse herausgestrichen. II. II. 302. a.

Bergwerck von sonderbarer Beschaffenheit. I. VII. 1113. a.

Beroris an den Feldherrn von seiner gefangenen Gemahlin abgefertiget. II. IX. 1402. a. giebt sich wegen des Sicambrischen Hertzogthums zu frieden. ibid seq.

Berosus Bild mit einer güldenen Zunge zu Athen aufgesetzt. II. 5. 745. b.

Beryllens Krafft. II. III. 405. b.

Beständigkeit Lob. II. VI. 1043. a. wie sie im Unglücke beschaffen. ibid. Ein Gespräche von der Beständigkeit. II. VI. 1098. a.b. seq.

Betens-Art der Egyptier. II. I. 206. b. seq. Unterschiedener Völcker. II. I. 189. b.

Betrug ist bißweilen den Fürsten nöthig. II. VI. 1063. b. seq.

Bette des Käysers Augustus Leiche. II. VI. 957. b.

Beute giebt Anlaß zu unrechtmäßigem Kriege / und ist die Begierde darnach schädlich. I. IV. 380. a.

Beylager Catumers und Adelmundens. II. IV. 692. b. Des Marbods und Marmelinens. II. V. 858. b. Herrmanns und Thusneldens. I. IX. 1322. b. Siehe Hochzeit und Heyrathen.

Bienen hengen sich an die Römischen Adler an. I. IV. 380. a.

Bienen-Kraut wil Königin unter den Blumen seyn. I. IX. 1388. a.

Bier bey den Deutschen. I.V. 581. b. Und bey andern Völckern. I.V. 585. b.

Bilder in den Ringen getragen. I. II. 101. b. Haben die Deutschen nicht in ihren Tempeln. I. VII. 977.b. 972. b. Bilder der Helden zu Schutz-Bildern der Länder von den G \ttern erkiest. I. IX. 1415. b. drücken Gemüths-Regungen aus. I. IX. 1422. a. Bild des Heils bey den Aegiensern darff niemand sehen / als die Priester. II. I. 56. a.b. Bild des Phidias in den Schild Minervens gefügt. II. V. 736. a. Bilder der Götter von denen Deutschen anfangs verworffen. I.I. 9. b. Bilder der G \tter wie sie anfangs beschaffen gewesen. I. IX. 1418. b. Mit keinen Uberschrifften. II. III. 471. a. Bild des Käysers Augustus in Bonn. II. IV. 725. b. Augustus Bildnüß muß ein jeder in seinem Hause haben. II. VI. 973. b. Bild des Aristoteles zu Athen. I.V. 685. b. und I.V. 708. a. Bild des Flusses Kiang. I.V. 638.a. Bild der Diana von sonderbahrer Beschaffenheit. II. VII. 1148. b. Bild Minervens zu Athen. I.V. 684. b. Des Augustus und Liviens. I.V. 685. a. Der Isis. I.V. 703. b. Bilder können Götter nicht vor stellen. I.V. 705. a. Bilder der Göttinnen nach Huren gemacht. I.V. 705. a. Bilder bey dem Begräbnüß des Käysers Augustus. II. VI. 956. b. Bild spielende verfertiget. I. II. 86. b.

Bildhauer-Kunst in einem Getichte fürgestellt. II. V. 864. b.

Bildnüsse der Helden. I. IV. 341. b. dürffen in Tempel nicht kommen. I. IV. 346. a.

Bilder-Saal des Mecenas. I.V. 695. a.

Bilder-Schrifft unterschiedener V \lcker. II. V. 746. a.

Bildung der Natur in allerhand Steinen. I. IX. 1418.b. in den Gesch \pffen. I. III. 294. a. in Holtz und Steinen. I.V. 626. a.

Bingen zum Ort der Friedens-Handlung besti t. II. II. 368. a.

Birnbaums Nutzen und Vorzug. II. II. 326. b.

Bithynien sucht Hülffe bey den Deutschen. I. VI. 785. b.

Bituit Arverner König verfällt mit den Römern in Krieg I. VI. 896. a. Leidet eine treffliche Niederlage. I. VI. 897. a.b. Wird in einem Sieges-Gepränge geführt. I. VI. 898. a.

Bläsus muß den auffrührischen Gesandten ihren Willen thun. II. VI. 979. a.

Blaue Blumen wollen den Vorzug haben. I. IX. 1395. a.b.

Blinde sind verschmitzte Leute. I.V. 545. a.b.

Blitz ob er Gräber versehre. I. VII. 1118. a. Blitz abzuwenden / was dafür von dem August für Mittel gebraucht worden. I. VIII. 1203. b.

Blösse ein Mittel für Geilheit in Deutschland. II. V. 787. a.b. Blösse bey etlichen Völckern ein Zeichen der Unschamhafftigkeit; bey andern ein Zeichen der tieffsten Andacht. II. I. 90. b.I. III. 300. a.b. Wird gerühmt. I. III. 302. a. Besiehe Entblössung.

Blumen / wo sie am stärcksten riechen. I.V. 672. a. Blume / so einen Vogel trägt. I.V. 551. a.I.V. 600.b. Blumen männliches und weibliches Geschlechts / wie auch der vier Jahr-Zeiten streiten umb die königliche Würde. I. IX. 1378. a. Blumen-Tag. I. IX. 1374. b. Riechen nirgends besser / als in Cyrene. I. IX. 1385. a. Eigenschafften. I. IX. 1387. a. Können aus ihrer Asche wieder herfür gebracht werden. I. IX. 1396. b. Blumen werden heraus gestrichen / und dem Obste vorgezogen II. II. 304. a. Blumen Schönheit und Gewächse in einem Gespräche vorgestellt. II. III. 427. a. Blumen stellen die Herrschens-Kunst für. II. V. 748. b. seq.

Blumen-Göttin vorgestellt. I. IX. 1380. b.

Blumen-Stadt. II. III. 432. a.

Blut wie viel bey einem Menschen seyn soll. II. I. 22.b. Wie es zu stillen. II. III. 468. b.

Blut-Bäder. II. I. 94. a.

Blut-Cur eines Griechischen Artztes. II. V. 917. a.b.

Blut-Durst in einem Singe-Spiel auffgeführt. II. IX. 1566. b.

Blut-Hochzeit angestifftet. I. II. 149. a.b.I. VII. 984.a.b.

Boberfluß giebt den Ursprung der Deutschen Dichter- Kunst. I. VII. 1132. a.

Bock wird Alexander geheissen. II. I. 207. b. Warumb sie Griechen und Deutschen geopffert. ibid. Bocks-Gestanck eine Straffe für Weiber. I.V. 671.a.

Boduognats Tapfferkeit gegen die Römer. I. VII. 1005. b.

Bojen / was es für ein Volck. I. IV. 349. b. Werden von den R \mern angefallen. I. VI. 812. b. Ihr Ursprung und Sitz. I. VI. 733. b. Fallen in Italien. I. VI. 733. b. Und führen offtmahls mit den Römern Krieg. I. VI. 858. b. Verfallen mit Marbod in Krieg. I. VII. 1189. a. seq. Werden von dem Marbod bezwungen. I. VII. 1092. a.b. Uberfallen und geschlagen. I. VII. 1135. b. Sind ein Mittel zwischen dem Käyser und Marbod. II. V. 912. b.

Bojocal läßt sich die Wollust auff der Römer Seite verleiten. II. VI. 1017. b. Sein übeles Regiment. II. VII. 1168. b. Sein Ehebruch mit der Sentien läufft übel abe. II. IX. 1544. a. Wird in einem Zweykampff Ehebruchs überwiesen und aus der fürstlichen Gesellschafft gestossen. II. IX. 1549. a.b.

Bojorichs gegen die Römer erwiesene Tapfferkeit. I. VI. 858. a. Tapffere Antwort dem Papirius Carbo gegeben. I. VI. 900. b. Steigt über die Alpen und schlägt die Römer. I. VI. 914. b. Ko t in der Schlacht rühmlich umb. I. VI. 919. a.

Bolcko Hertzog der Marsinger leget sich mit dem Hertzog Gottwald auf. II. V. 802. a.b. seq.

Bolesla hält umb Adelgunden / Marbods Tochter / an. II. VIII. 1361. a.b. Errettet sie. II. VIII. 1371. a. Wird unhöfflich von dem Marbod weggelassen. II. IX. 1516. a.

Boller-Brunn. I. II. 103. b.

Bomilcar / Feldherr der Carthaginenser / soll seinen Sohn dem Saturnus opffern. I. VI. 795 a. Wirfft sich zu einem Könige in Carthago auff / wird aber gecreutziget. I. VI. 797 a.b.

Bondicea verwehrt dem Cäsar das Aussteigen in Britannien. I. VII. 1017. a.b.

Bonn / zuvor der Ubische Altar genannt / ist von Römern erbaut. II. IV. 725. b.

Bonzier Welt-weise in Tschina. I.V. 617. b.

Boris / Sohn des Sarmatischen K \nigs / bewirbet sich umb die Adelgunde / Märbods Tochter. I. IV. 425.b.

Bosphorische Reich. I. III. 253. a.

Boviasmum wird Maroboduum genannt. II. VIII. 1399. a. Hernach Herrmannsburg. II. IX. 1588. a.

Brahma Wort des einigen Gottes. I.V. 659. a. Ob es Pythagoras? I.V. 664. b.

Brahmanen in Indien woher sie den Nahmen. I.V. 659. a. Ihre Wissenschafft. I.V. 659. b. Ihre Kleidung. I.V. 660. a. Und Gebräuche. I.V. 660. b. Essen kein Fleisch. I.V. 663. a. Ob sie die Wanderschafft der Seelen geglaubt. I.V. 666. a. Ihre fürstliche und unmäßige Gewalt. I.V. 563. a.b.

Braut / was sie in Deutschland ihrem Bräutigam zubringe. II. I. 146. a. Schöne Braut wil Scipio ihren Bräutigam nicht nehmen. I. VI. 845 b.

Bräutigam dem Verhängnůsse heimgestellt. I. II. 155. a. Bräutigams Asche von einer Braut zu einer Sand-Uhr verbraucht. I.V. 656. a.

Braut-Schatz von Herrmannen der Thusnelden gegeben. I. VIII. 1175. b. Siehe Heyraths-Guth.

Bregetio von dem Salomin eingenommen. I. II. 152.a.

Brenn-Spiegel von sonderlicher Art. II. IX. 1615. a.

Brennus / Hertzog der Semnoner / geht in Gallien. I. VI. 738. a. bricht in Italien ein. I. VI. 739. a. und befestiget daselbst seine Herrschafft. I. VI. 741. a. großmüthige Reden an die Römischen Gesandten. I. VI. 747. b. belägert Clusium. I. VI. 743. b. Krieg mit den Römern. I. VI. 748. a. fällt in Sicilien / Africa und Griechenland ein. I. VI. 752. a. stirbt. I. VI. 753. a.

Brennus / Hertzog der Tectosager / bricht in Macedonien ein. I. VI. 773. a. erobert fast gantz Griechenland. I. VI. 781. a. ist ein Spötter und Verächter der Götter gewesen. I. VI. 781. b. woher diese Unwarheit den Ursprung hat. I. VI. 782. a. sein Todt. I. VI. 784. a.

Brieff des Segesthes an den Varus. I.I. 72. b. Marcomirs an seine Schwester Olorene. I. II. 155. b. Ingrams an seinen Sohn Klodomir. I. II. 158. a. Friedebalds an Olorenen. I. II. 159. a. des Feldherrn Herrmanns an die Menapier. I. II. 195. b. des Augustus an die Armenischen Stände. I. II. 242. b. des Scribonius falsch ertichteter Brieff. I. III. 251.a. der Princeßin Arsinoe an die Königin Erato. I. III. 256. b. der Princeßin Arsinoen an Ariobarzanen. I. III. 282. a. des Oresmanes an Oxarthes. I. III. 314. a. des Drusus an die Julia. I. IV. 389. a. des Murena an die Antonia. I. IV. 389. b. der Antonia an den Murena. I. IV. 391. b. Juliens an Murenen. I. IV. 392. b. Antoniens an Murenen. I. IV. 395. a.b. des Feldherrn an König Marbod. I. IV. 436. b. der Dido an den Flavius. I. IV. 470. b. und I. IV. 477. a. und 487. a. Flavius an den König Juba. I. IV. 489. a. Brieff an die Chlotildis. I. VI. 841. a. der Asblaste an ihren Segimer. I. VII. 1041. a. Apamens an ihren Gemahl Sadal. II. I. 63. a. Ada ertichtet im Nahmen Rhemetalces einen Brieff an den Cotys. II. I. 120. a.b. Cotys Antwort hierauff. II. I. 121. a. des Zeno an die Ismenen. II. III. 525. b. Ismenen an den Zeno. II. III. 527. a. Catumers an Adelmunden. II. IV. 623. b. Thusneldens an ihren Herrmann. II. VIII. 1329. b. der Fürstin Catta an ihren Vater Arpus. II. VIII. 1330. b. des Ingviomers an den Germanicus. II. VIII. 1343.b. des Germanicus an den Tiberius. II. VIII. 1344.b. Adelgundens an den Ingviomer. II. VIII. 1356.a. der Adelgunden an den Vannius II. VIII. 1386.b. Adgandesters an Adelgunden. II. VIII. 1396. a. Adelgundens an den Vannius. II. 1386. b. Brief an die Zirolane von ihrer Erl \sung. II. VII. 1100. a. Sentiens an den Siegemund von Hinrichtung des jungen Thumelich. II. VII. 1113. a. seq. der Catta an den Tiberius. II. IX. 1509. b. der Zirolanen an ihren Rhemetalcen / ibid. der Thußnelda an den Tiberius und Agrippinen. II. IX. 1509. b. des Adgandesters an den Tiberium. I. IX. 1529. b. der Thußnelden an ihren Gemahl. II. 1528. a. eines unbekandten an den Marbod. II. IX. 1552. b. des erdichteten Gottwalds an Grünbachen. II. IX. 1560.a. Gottwalds an den Herrmañ I. IX. 1574. b.

Briefe werden von einer Krehe bestellet. I. IV. 444. a. wie auch durch Tauben. I. IV. 444. b. durch geheime Ziffern. I. IV. 445. a.

Britannien wird von dem Cäsar angefallen. I. VII. 1016. a. wird in einem Schauspiel fürgestellt. II. III. 490. a.

Britañier besuchẽ das Atlantische Eyland. I. II. 121.b.

Britomar Insubrer Fürst wider die Römer. I. VI. 809.a.

Britomar Hertzog der Deutschen gegen die Römer. I. VI. 770. a. wird gefangen / geprügelt und getödtet. I. VI. 771. b.

Britomartes hält umb Adelgunden Marbods Tochter an. II. VIII. 1361. a.b. errettet sie. II. 1371. a. fragt die Wahrsager. II. VIII. 1390. a. wird von dem Marbod unhöfflich von sich gelassen. II. IX. 1516.a.

Briton / Fürst der Hermundurer / schlägt die Qvadische Crone aus. I. VII. 986. Greifft wider den Feldherrn Aembrich zun Waffen. I. VII. 1009.b. Gewinnt eine Schlacht gegen ihn. I. VII. 1019.a.b. Schließt Friede mit dem Feldherrn Aembrich. I. VII. 1024. a.

Britons Geist erscheint in einem Singe-Spiel. II. VI. 1565. b.

Briton dem jungen Hertzog fallen die Marckmäñer zu. I. VII. 1063. a. Seine Fehler. I. VII. 1064. a. Muß das Blut-Urtheil über seine zwey Staats-Räthe unterzeichnen. I. VII. 1066. a. wird geschlagen. I. VII. 1074. a. wird von den Marckmännern verrathen und gefangen. I. VII. 1074. a. wird angeklagt / verda et und enthauptet. I. VII. 1077. b.

Brückenbau. I.V. 592. b.I. 5. 627. a.b. Zum Vorschein eines rechtmäßigen Krieges von den R \mern genommen. II. V. 929. a.

Bructerer siehe Ingviomer / Bructerer Hertzog.

Bruder tödtet sich selbst wieder auf dem seines von ihm unwissend ermordeten Bruders Grabe. II. I. 26. a. Brůder dringen einander Reiche auf. I.V. 599. a. Brüder gehen bey den Indianern den Söhnen in der Reichs-Nachfolge für. I.V. 657. a. Bruders Tochter heyrathen ist nicht wider das Recht der Natur. I. VII. 1271. b.

Brunnen Ursprung. I. VII. 1115. a.b. Von sonderbarer Beschaffenheit. I. II. 104. a.I. VII. 1116. b.

Brunnen bey Neupactus versorget alle Tage eine gantze Landschafft mit Wasser. II. VIII. 1327. a. Brunnen für heilig gehalten. I. IV. 415. a. Brunnen der Sonnen. I. IV. 485. b. da Juno alle Jahr ihre Jungfrauschafft wieder bekommt. I. IV. 487. b. Bruñen so Wahrsagungen mittheilt. II. VIII. 1215. a. II. VIII. 1362. b. Brunnen nach Wein schmeckend. II. 299. a.b. Brunnen vom Agrippa aus Africanischen Marmel gebauet. II. VI. 952. b. Brunnen qvillt bey der Vermählung des Feldherrn unversehns herfür. I. VIII. 1176. b. Brunnen so heilig sind und der Gottheit gewiedmet. II. IV. 484. b. Wunderbrunnen. II. V. 738. a.

Brunnen Spiegel von sonderbahrer Würckung. II. I. 124. a.

Brutus als ein Vertheidiger der Römischen Freyheit in einem Auffzuge vorgestellt. II. III. 443. b.

Brutus der klügste Narr. II. II. 334. b. Dem Brutus wird zu Athen ein Bildnůß gesetzt. II. I. 40. b. seine Krieges-List. II. I. 66. b. sein letztes Wort. II. I. 67. a.

Buch des Enochs. II. V. 746. b.

Bücher werden in Tschina verbrannt. I. IV. 340.b.I.V. 601. a. etliche werden erhalten. I.V. 615. b. in Rom von dem Käyser verbrannt. I. IX. 1331. b.

Bücher sind bey den Druiden nicht zu finden. I. VII. 973. a.

Bücher des Augustus. II. VI. 945. b.

Bücher der Langobarden voller Wahrsagungen. II. VII. 1274. b.

Bücher-Saal verbrannt. I.V. 680.

Buchstaben bey den Deutschen. II. V. 746. a.

Buchstaben-Erfinder. II. V. 747. a.b.

Budorgis von Marbod berennt. II. VII. 1276. a. daselbst ein neuer Fürst der Semnonen gewehlt. II. VII. 1279. a. wird erobert. II. VII. 1292. a. daselbst läßt sich Marbod huldigen. II. V. 820. b.

Bulissa / Qvadische Königin / stellt ihren Bräutigam dem Verhängnüß anheim. I. II. 155. a.

Bundgenossen wie sie einander beyzustehen verbunden. II. II. 180. a. ob er seinen Willen des andern unterwerffen soll II. II. 380. b. denen Bootsleuten verglichen. ibid. b. so aus einander gehen / wem sie zu vergleichen. II. II. 383. b.

Bündnüsse durch Thiere bestätiget. II. I. 202. a.

Bündnüsse / so ausdrücklich / gehn den stillschweigenden für. II. II. 374. a.b.

Bürger sollen gewaltsamer Herrschafft gehorchen. II. VII. 1298. a. wie viel ihrer gewesen zu Rom zu Zeiten des Augustus. II. II. 234. a.

Bürgerlicher Gesellschafft Ursprung. I. IV. 352. a.b.

Bürgerlicher Herrschafft Bequemligkeit. I. VII. 1080. b.

Bürgermeister-Amt zu Rom wie es beschaffen gewesen. II. III. 519. a.

Burgundier werden vom Marbod und seinen Bundesgenossen gebändiget. II. V. 821. b.


C.


Cäciña wird vom Ingviomer in die Flucht getriebẽ. II. VI. 1061. b. seq. Kömmt in ein hartes Gedränge. II. VI. 1066. b. wird von dem Pferde gerennt. II. VI. 1069. a.

Cäsonius Priscus Wollust-Meister des Tiberius. II. IX. 1490. a.

Cälius stößt sich zu tode. I. 71. b.

Cälius / Römischer Befehlhaber / wird von den Semnonern auffs Haupt geschlagen. I. VI. 773. a.b.

Cäsar ob er dem Alexander dem Grossen fürzuziehẽ. I. II. 135. b. seine Thaten. I. II. 134. a.I. II. 137. b. wird mit einem Tempel und Bilde verehret. I. IV. 356. a.b. setzt über den Rhein und bricht in Deutschland ein. I. II. 90. a. hält nichts auf Vogelgeschrey. I. VI. 745. b. läst den Bart lang wachsen. I. VI. 749. b. seine Schrifften. I. VI. 753. b. bietet den Helvetiern die Spitze. I. VII. 989. b. hochmüthige Antwort gegen den Ariovist. I. VII. 992.a.b. und Krieg mit ihm. I. VII. 996. a.b. Bekriegt die Belgen. I. VII. 1004. a. spielt Meister in Gallien. I. VII. 1005. b. fängt mit den Deutschen an. I. VII. 1011. b. wird zurücke getrieben. I. VII. 1015.a. schifft in Britannien ůber. I. VII. 1016. a. erobert Gallien. I. VII. 1034. a.b. verfällt mit dem Pompejus in Krieg. I. VII. 4035. a.b. suchet Freundschafft bey den Thraciern und Galatern. II. I. 39. b. ist ein Glůcks-Sohn. II. III. 904. a.

Cajus der Enckel des Augustus kömmt in Rath. I. III. 246. a. ihm wird der Armenische Krieg vertrauet. I. III. 247. a. wird verwundet. I. III. 248. b. stirbt. I. III. 249. a. wird von dem Aristippus verführt. I. IV. 455. a.b. ist in eine Cimbrische Sclavin verliebt. I. IV. 468. a. dessen Unart. I. VIII. 1222. a. wird Feldherr wider die Parthen erklärt. I. VIII. 1229. a. wird aber geschlagen. I. VIII. 1231. a.

Calatha ein Eyland. I. IV. 488. a.

Calenus vom Rath zu Rom umb Rath gefragt. I. II. 91. b.

Caligula gebohren. II. 4. 730. a.

Calegia ergiebt sich dem Fackserif. I. VII. 1076. b.

Calingische Weiber werden in Indien im fünfften Jahr schwanger. I. IX. 1385. a.

Callirhoens Abschlachtung ihrer selbst. II. V. 880. b.

Cambaules besicht einen herrlichen Sieg in Thracien. I. VI. 775. b.

Cambyses zerstört das Begräbnüß des Osymandyas. I.V. 677. a.

Cameleon ob es esse. I.V. 593. a. seine Veränderung. I. IX. 1347. a.

Camillus errettet die Römer von dem Brennus. I. VI. 751. a.

Camma vergiebt dem Sinorix I. III. 198. b.

Campanien Paradieß der Welt verzärtelt den Hannibal. I. VI. 831. a.

Canarische Insuln woher sie den Nahmen haben. I. II. 121. a.

Canathus ein Fluß giebt die Jungfrauschafft wieder. I. IV. 487. b. und IV. 488. b.

Candacens Eifersucht gegen Thußneldẽ. I. IX. 1402.b. und 1406. b.

Canna ein Schauplatz der Tapfferkeit des Annibals. I. VI. 832. b.

Capetus in einem Schauspiel vorgestellet. II. VIII. 1414. b.

Capitolium wird von dem Brennus belägert. I. VI. 750. b.

Cappadocien kan nicht ohne König leben. I. VI. 930.a.b.

Capua vertirbt der Hannibal. I. VI. 836. b.

Cariovalda Hertzog der Bataver wird zu keinem hohen Amte gelassen. I. IV. 364. a. Cariovalda liegt in einem Zweykampff mit Ismenen unter. II. III. 553. b. entschuldiget sich bey dem Ganasch wegen einer ihm schuld gegebenen Ubelthat. II. IV. 630. a.b. hält umb Adelmunden an. II. IV. 635. a. verschweret sich wider die Deutschen. II. VII. 1015. a. wird erschlagen. II. VII. 1178. b.

Carniol von sonderbarem Werth. I. VI. 775. b. seine Krafft. II. V. 405. a.

Carthago beneidet die Römer. I. VI. 788. a. ist bald in gleicher / bald ungleicher Macht mit den Römern. I. VI. 828. a. bekommt mit dem Syphax zu kriegen. I. VI. 847. a. wird von dem Scipio belägert I. VI. 850. a. zum letzten belägert und zerstört. I. VI. 885. b. Neu-Carthago in Hispanien wird erbauet. I. VI. 829. b.

Carthaginenser Schiffarth nach dem Atlantischen Eylande. I. II. 120. a.

Carthaginenser bekommen Krieg mit den Römern. I. VI. 788. a. suchen Hülffe bey den Deutschen. I. VI. 788. a. kriegen neuen Krieg mit den Römern. I. VI. 822. a Carthaginensischer dritter Krieg mit den Römern. I. VI. 885. a.

Cassander vergiebt dem Alexander. I. VI. 764. a.

Cassien Baums Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 333.a.

Caspische Meer. I.V. 588. a.

Cassibellin König in Britannien verbindet sich wieder Aembrichen. I. VII. 1002. b.

Cassius sein Kopff von Langerthen einer deutschen Fürstin abgehauen. I. III. 863. a.

Cassius erwehlen zwey Druiden zu ihrem Könige. I. VII. 980. b.

Castaniens-Baum Vorzug und Nutzen. II. II. 323. b.

Castor / ihm zu Ehren angestellte Ritterspiele. I. VIII. 1249. b.

Catalina wil Rom vertilgen / und ist darinnen unglücklich. I. VI. 954. b. fällt endlich in der Schlacht. I. VI. 956. a.

Cato ein Tugend-Sohn. II. III. 502. a. II. III. 505. a. bemeistert mit der Vernunfft seine Regungen. II. III. 455. b. in einem Schauessen vorgestellt. II. IX. 1499. b. überläst seine Frau einem andern. ibid. b. Ob er mit recht dem Socrates vorzuziehen. ibid. ist ein grosser Sonderling gewesen. ibid.

Catta des Hertzogs Arpus Tochter / und Braut des Jubils in Gestalt einer Dame aufgeführt. II. VII. 1147. b. ihre Vermählung mit dem Hertzog Jubil laufft unglücklich ab. II. VII. 1106. b. wird von dem Malovend entführt. II. VII. 1163. a. stößt den Tiberius zu boden. II. IX. 1504. a. soll enthauptet und zuvor geschändet werden. II. IX. 1505. a.b. seq. rettet sich aber mit der Flucht. II. IX. 1509. b. wird dem Malovend verbrochen. II. IX. 1534. a. wird mit Hertzog Jubiln vermählt. II. IX. 1640. a.

Catten Bildnüsse in Ringen. I. II. 102. a. ist ein kriegerisches Volck. I. II. 89. b. sind denen Cheruskern aufsätzig. I. VII. 1038. a. lassen keine Handelsleute ein. I. VII. 1058. a. schlagen mit den Römern I. VII. 1060. a. seq. breitẽ ihre Waffen biß an die Seulen Hercules aus. II. I. 146. b. dürffen kein Geschenck nehmen. II. III. 401. b.

Catulus ein Tugend-Sohn. II. III. 504. a.

Catumer fordert den Feldherrn in Verstellung des Scythischen Königes in einen Zweykampff heraus. I. IX. 1367. a. seq. streitet für ihn in einem Zweykampff. II. III. 560. a. wird mit Adelmunden vermählet. II. IV. 570. a. wil sich durch keinen wunderbahren Fall von ihm trennen lassen. II. IV. 636.b. wird mit ihr zusammen gegeben. II. IV. 692. b. seine unbeschreibliche Vergnügung an Adelmunden. II. IV. 702. b. läst des Drusus Bild niederreissen. II. VI. 1085. a.

Caucasische Reich in einem Schauspiel fürgestellt. II. III. 489. a.

Caucasus ein Berg sehr hoch / und dessen Beschaffenheit. I.V. 565. a.

Caudinische Enge. I. VI. 765. a.

Cecinna Mysischer Landvoigt. I. IV. 490. a.

Cecrops in einem Aufszuge vorgestellt. II. III. 441. a.

Cecropsburg zu Athen. I.V. 690. a.

Cedern Höhe / Oel und andere Kostbarkeiten. II. II. 319. b.

Cejonius wird in einen Sumpff geworffen. I.I. 70. b.

Celsus der berühmte Artzt. I. III. 260. b. hält mit einem Kräuter-Manne ein Gespräch von der Heilungs-Kunst. II. III. 479. b.

Celten gründen das Reich Celtiberien. I. VI. 753. a. sind Deutsche. I. VI. 851. a.

Ceres Bild und Einweihung zu Athen. I.V. 689. b. wird von der Livia fürgestellt. I. VIII. 1194. b. ihre Thaten / Erfindungen und Eigenschafften I. VIII. 1200. b.

Chalcedon in einem Schauspiel fürgestellt. II. 1414.b.

Chaldeer Gesänge von den Thaten tapfferer Helden. II. V. 745. b. weißagen falsch. I. III. 263. a.

Changleang / Feldherr des Königs Lieupang / bauet eine wunderwürdige Brücke. I.V. 627. a.

Chauzen bekommen mit den Friesen zu streiten. I. IV. 177. a.b. werden von dem Tiberius angefallen. I. VIII. 1260. b.a. und bezwungen. I. VIII. 1263. b.

Cheliang eine Hauptstadt in Tscheno. I.V. 644. a.

Cherämon ein Egyptischer Sternseher. I. III. 263. a. rechtfertiget seine Kunst. I. III. 264. a.b.

Cheremon / ein Griechischer Welt-weiser / in der Schule Platonischer Welt-weiser. I.V. 707. b. vertheidiget den Dienst der Isis und die Vielheit der Götter. I.V. 707. und 709. a.

Cherusker Hauß ist durch Heyrathen gewachsen. I. II. 119. b.

Cherusker Hertzogen Wapen. I.I. 31. b.

Cherusker und Catten Todfeindschafft. I. VII. 1038.a. werden geschlagen. I. VII. 1044. a.b. ihr verwirrter Zustand nach des Segimers Tode. I. VIII. 1248. a. kriegen den Herrmann zu ihren Hertzog. I. VIII. 1261. a. werden dem Feldherrn auffsätzig. II. IX. 1587. b. und wehlen zum Ingviomer. II. IX. 1590. a.b.

Cheucung / Welt-weiser der Serer / weiset die Krafft des Magneten. I.V. 636. a.

Chimära auff einem Bilde. II. IX. 1578. b.

Chiomara / Deutsche Fürstin / rächet sich wegen angethaner Schmach. I. VI. 868. a.

Chloris vorgestellt. II. III. 431. b.

Chlotildis / Gemahlin des Hannibals / streitet in sei nem Heere. I. VI. 818. a. ist eyfersüchtig wegen Hannibals Vergehungen. I. VI. 840. a. wird vergeben. I. VI. 841. a.

Cicero verhindert Catilinens Vornehmen gegen Rom. I. VI. 955. b. ist Römischer Feldherr. II. III. 505.a. wird ins Elend verjagt und sucht seinen Auffenthalt bey den Thraciern. II. I. 39. a.

Cigolin wird ermordet. I. VII. 984. b.

Cimber errettet den Marius. I. IX. 1330. b.

Cimbern lassen sich an der Ost-See nieder. I. II. 111.a. werden von dem Meer überschwemmet. I. VI. 899. b. und breiten sich hiermit weit aus; fallen sonderlich in Italien und Gallien ein. I. VI. 900. a. werden geschlagen von dem Marius. I. VI. 913. a. ob sie die Flüsse mit Ruthen geschlagen? I. VI. 913. b. vertheidigen ihr Recht zur See. II. VII. 1236. b.

Cimbrischer Fürsten Ursprung. I.V. 673. b.

Cimon in einem Auffzuge fürgestellt. II. III. 441. b. in einem Schauspiele. II. III. 496. b.

Cincibil / ein Deutscher König / wird von den Römern beehrt. I. VI. 875. b.

Cinghoa hart belägert und erobert. I.V. 647. a.

Cirtha die Hauptstadt in Numidia. I. IV. 477. a.b.

Cisa die Göttin wird umb Rath gefraget von Gottwalden. II. V. 911. a.

Cisaris hernach Augusta genennt. II. V. 910. b.

Citysus ein Baum in Pannonien. II. II. 318. a.

Claudius (Appius) räumet dem Glücke den Antheil seiner Siege ein. II. III. 499 a.

Clemens / ein Knecht / giebt sich für den Agrippa / des Augustus Enckel / aus. II. VII. 1144. b.

Cleopatra Gemahlin des Königes Juba. I. IV. 484. a.

Cleopatra verursachet des Antonius sein Unglück und Niederlage. II. I. 69. a.b.

Clotildis / besiehe Zirolane. kömmt zu Athen in Gefahr. II. IX. 1617. a.b.

Clodomir / Feldherr der Deutschen / wird an Marcomirs Hofe erzogen / und verliebt sich in die Fürstin Riama. I. II. 153. a. soll und wil gegen sie die Feldhauptmannschafft abtreten. I. II. 154. a. und 155. a.b. Erlanget sie ohne Bedingung. I. II. 160.a. Kömmt in Lebens-Gefahr. I. II. 164. a. seine glückliche Regierung. I. II. 171. a.

Clusium / Hauptstadt in Hetrurien / von den Deutschen belägert und erobert. I. VI. 743. b.

Coblenz wird von den Römern befestiget. II. IV. 726. a.

Cöpio raubet das Gold aus dem Tempel zu Tolosa. I. VI. 904. a. sein Betrug gegen den Viriath. I. VI. 893. a.

Colocasia wil Blumen-Königin seyn. I. IX. 1390. b.

Coloßischen Seulen. I. IV. 993. a.

Coma bringt sich umb durch Verhaltung des Athems. I.I. 76. b.

Combalus entmannet sich selbst. I. IV. 489. a.

Commontars Deutschen Fürstens Thaten. I. VI. 784.a.

Concoleton kommt den Deutschen in Italien zu Hülffe. I. VI. 809. a.

Condelar wird in Iberien zerfleischet. I. III. 310. a.

Confutius Welt-weiser in Tschina. I.V. 617. a.

Corcyra wird von den Deutschen Fürsten verbrandt. I.V. 537. a.b.

Coresus schlachtet sich für die Callirhoen ab. II. V. 880. b. Läßt sich für seine umbsonst geliebete abschlachten. I. VIII. 1408. a.b.

Corinth von den Römern verheert. I. VI. 887. a.b.

Corolam / ein Deutscher Fürst / wird gegen gleich wiegendes Geld ausgewechselt / und hält sich tapffer gegen die Römer. I. VI. 858. a.

Corospandes Geissel zu Rom. II. VII. 1118. a.

Corsica das Eyland wird erfunden. I. VIII. 1259. b. ihr sonderbahrer Schutz-Altar. I. VIII. 1260. a.

Cosrhoes Persischer Krieges-Held. I. IX. 289. b.

Cossus (Cornelius) Römischer Feldhauptmann in Numidien. I. IV. 474. a.b.

Cotiso lässet seine Tochter von den Amazonen entführen. I.V. 540. b.

Cotys Königs in Thracien Wahnwitzigkeit. II. I. 31.b. greifft die Römer an. I. VI. 784. b.

Cotys eines andern Thracischen Königs Thaten. II. V. 36. a. wird hämisch erschlagen. II. IX. 1480. b.

Cotys wird von der Ada erstochen. II. IX. 1624. b.

Cotys Oberpriester in Thracien. II. I. 40. b. seine Sterbens-Art. II. I. 58. a.

Cotys der jüngere vereiniget Cron und Insel. II. I. 65.a.b.

Cotys wird von seinem väterlichen Reiche ausgeschlossen. II. I. 116. b. Kömmt wieder darzu. II. I. 125. a.

Crassus Betrug wider den Bastarnischen König und seine Gesandten. II. I. 71. b. Dürstet nach Parthischem Golde und wird damit ersättiget. I. III. 215.a.b.I. III. 220. a. Seine Thaten wider Thracien. II. I. 73. a. seq.

Crassus (Lucius) Glücks-Sohn. II. III. 505. b.

Creutz ein Zeichen der Unsterbligkeit / und bey vielen Völckern ein Geheimnüß. II. V. 886. b.

Cridifer wird gefangen. I. II. 114. a.

Critasir kömmt mit Hertzog Gottwalden zusammen. II. V. 912. a.

Critasir / Hertzog der Bojen / wird von Land und Leuten gestossen. I. VII. 1092. a. wird von dem Marbod gefangen. I. VII. 1131. b. muß den Marckmännern das Land räumen. II. VII. 802. a.

Cron / siehe Kron.

Crotalus wird in einem Schauspiele erstochen. I. VIII. 1414. a.

Curetes haben ein jährlich Feyer. II. I. 173. a.

Cycicus wird vom Mithridates umbsonst belagert. I. VI. 947. a.

Cyclopen halten einen Tantz. I. IX. 1413. a.

Cypressen Nutz / Vorzug und Versprechung. II. II. 317. b. wachsen zu Patra sehr hoch. II. V. 876.a.b.

Cyrene ist eine Mutter vieler Welt-weisen; aber eine wollüstige Stadt. I. IV. 460. b.

Cyrus wird von der Tomyris erschlagen. I.V. 530. a.


D.


Dacier führen Krieg wider die Römer. II. I. 71. a. seq.

Dädalus führt ein Kunst-Gebäude in der Insul Corsica auff. I. VIII. 1259. b.

Dagoberth Hertzog der Bataver. I. IV. 362. b. wird in einem Zwey-Kampff wider Ismenen erlegt. II. III. 553. a.

Dalmatien führt Krieg mit den Römern. I. IV. 490. a. wird ihnen gehorsam. I. IV. 495. a.

Danck ist für Wohlthaten abzustatten. II. VIII. 1327.a.b.

Darius ein vortrefflicher Jäger. I. II. 88. a.

Datopherne / Armenische Fürstin / wird ihrem Gemahl untreu. I. III. 245. a.

Dattelbaums Nutzbarkeit und Vorzug. II. III. 330. a.

Debris bey den Garamanten belagert. I. IV. 485. a.

Decebal / Fürst in Dacien / bewirbt sich umb die Hermildis / Hertzogin in Pannonien. I. II. 144. a. gebraucht sich hierzu einer Arglistigkeit I. II. 144. b. Stifft in Pannonien Uneinigkeit an. I. II. 148. b. wird zum Könige in Pannonien erwehlt. I. II. 151.a.

Decius Römischer Feldherr gegen die Deutschen. I. VI. 767. a. opffert sich für sein Heer auff. I. VI. 767. b.

Deinaira in einem Schauspiel fürgestellt. II. III. 497.a.

Dejoces / König in Medien / bauet die Stadt Ecbatana. I. III. 227. b.

Dejotar / ein Deutscher Fürst / kömmt aus Lebens- Gefahr / und rächet sich. I. VI. 938. b. gehet zum Lucullus über. I. VI. 946. b. steht dem Pompejus bey. I. VII. 1035. b.

Delfinen Liebe gegen die Menschen. I. IV. 387. a.

Delos / eine Insul / hat was besonders. I. III. 271. a. ist der Götter Vaterland / und wird von den Deutschen eingenommen. I. VI. 936. a. darinnen darf kein Todter begraben werden. I. VII. 1121. b.

Demarates giebt ein Gesetz bey den Spartanern. II. VII. 1199. a.

Demetrius / Vormund des Fürsten Pinnes / heyrathet die Triteuta und ersticht sie. I.V. 539. a.

Demuth und Einfalt wird gelobt. II. III. 398. b.

Denhoffs Treue gegen das Gottwaldische Hauß. II. V. 801. b. Erzehlet die Begäbnüsse des Hertzogs Gottwalds. II. V. 802. b. Kömmt in Cimbern. II. V. 873. b.

Deucalion errettet sich auff dem Berge Ararat. I.V. 565. b.

Deutschburg Schloß des Feldherrn. I.I. 64. a. wird von dem Ingviomer eingenommen. II. IX. 1592. a.

Deutschburg in Pannonien erbauet. I. IV. 495. b.

Deutschburgischen Schauplatzes Beschreibung. I. IX. 1353. b.

Deutsche woraus sie künfftige Dinge erforschen? I.I. 306. woher sie entsprossen? I. II. 111. a.I. VI. 732. b. verlachen den Aberglauben der Römer. I.I. 7. a. ihre Spielsucht / ob sie zu tadeln? I. II. 86. b. wie sie mit Gefangenen umbgehn? I.I. 60. b. ehren kein Geschöpffe. I. VII. 980. a. Deutsche werden insgemein Gallier genennet. I. III. 118. a. ob sie drey Götter anbeten. I. IV. 346. a. haben keine Städte. I. IV. 352. b. gehn über den Rhein wider den Drusus.I. IV. 370. b. halten sich unter dem Flavius wohl in Africa. I. IV. 474. a. in Pannonien und Dacien. I. IV. 489. b. streiten wider die Egyptier. I.V. 523. b. fürchten sich für nichts als für den Einfall des Himmels. I.V. 580. a.I. VI. 760. b. eignen ihren Fürsten alles zu. I.V. 629. a. grübeln nicht in dem Gottes dienst. I.V. 659. a. ihre erste Kriege. I. VI. 733. a. fallen in Italien ein. I. VI. 735. a. ziehen dem Kriege nach. I. VI. 740. b. rächen die versehrte Keuschheit. I. VI. 746. b. behalten die Weissagung aus dem Vogelflug. I. VI. 746. b. machen sich mit ihren Haaren erschrecklich. I. VI. 750. a. werden von frembden Völckern zu Obristen und Leibwachen angenommen. I. VI. 753. a. breiten sich in Pannonien aus. I. VI. 760. a. verneuren den Bund mit König Philip in Macedonien / und halten Alexanders Siege vor verdächtig. I. VI. 760. b. schicken Gesandten an Alexandern den Grossen. I. VI. 761. a.b. fallen in Macedonien ein. I. VI. 778. a.I. VI. 784. a. werden von den Macedoniern geschlagen. I. VI. 785. a. kommen den Carthaginensern zu Hülffe. I. VI. 788. b. ihre Thaten in Africa. I. VI. 795. a. fallen die Römer an. I. VI. 809. a.b. ihre erschreckliche Gestalt. I. VI. 814. a. reisen vielmahl über die Alpen und helffen den Hannibal. I. VI. 823. a. erwerben Hannibal seine Siege. I. VI. 834. a.I. VI. 851. a. haben einen neuen Krieg mit Rom.I. VI. 801. a. kriegen in Asien. I. VI. 864. a. halten Treu und Glauben. I. VI. 870. a. fangen mit den Eumenes an. I. VI. 880. b. sind Ursache / daß Cäsar den Pompejus bezwungen. I. VII. 1034. b. Deutschen sonderliche Vermählungs Art. I. VIII. 1174. b. erfordern der Eltern Einwilligung bey der Kinder Hochzeit. I. VIII. 1175. a. ihre Gewohnheit / was die Neuvermählten betrifft. I. VIII. 1185. a. Deutsche müssen zu Rom mit einander auf den Tod fechten. I. VIII. 1140. a.I. VIII. 1141. b. Deutscher Jugend erste Zierath. I. VIII. 1262. a. Deutscher Weiber Heyrath. I. IX. 1340. a.b. Deutsche Täntze. I. IX. 1425. a. Deutsche werden aus Rom verbannet. II. I. 11. a. glauben daß nur ein Gott sey. II. I. 72. a. halten eheliche Liebe hoch. II. I. 175. a. Deutschen ihr Gottesdienst. II. I. 181. b. was sie für Gewohnheit mit ihren Ahnen haben. II. I. 184. a. ihre Liebe zur Blösse. II. I. 190. a. Deutscher Waffen Rüstung. II. I. 289. a. ihre Auferziehung.II. II. 363. b. baden ihre Kinder. II. V. 812. b. bey den Deutschen bringen die Männer den Weibern Heyrath-Gut zu. II. IV. 707. b. trincken bey Auffrichtung ihrer Bündnüsse. II. VI. 1007. b. deutsche Sitten II. VII. 1259. b. Deutsche wissen von vollmächtigen Königen nichts. II. VII. 1296. a.b. wie sie der Helden Thaten verehren. II. VIII. 1333. a.b. Deutsche sind treu / aber selbst unter einander zwistig. II. VI. 1010. b. stehn im Kriege beysammen nach dem Verwandnüsse. II. VII. 1211. a. halten es für eine sonderbahre Ehre / aus dem Horne ihres Fürsten zu trincken. II. VII. 1214. a. wollen das Gedächtnüß-Mahl des Germanicus Siege nicht leiden. II. VII. 1215. b. schütten ihren Eiffer zur Unzeit aus. II. VII. 1216. a. ihnen sind die Waffen angewachsen. II. VII. 1225. a. siegen wider die Römer. II. VII. 1219. a.b. II. V. 777. a. was sie für Buchstaben gebrauchen II. V. 746. b. ihre Mäßigkeit im Essen. II. V. 776. a.b. von wem sie die Weißheit bekommen. II. V. 744. b.

Deutschland ist mit unrecht übel ausgeschrien. I. II. 105. a.

Deutschland Vaterland der Schönheiten. II. III. 397. a. kommt in Ruhe / I. II. 171. a. in grosse Unruhe und Kriege. I. VII. 985. b. Deutschland wird mit seinen 12. Flüssen von der Natur zu Hertzog Herrmanns Ruhm in einem Aufzug fürgestellt. I. IX. 1403. b. vertheidiget wider einen Barden die dem Herrmann aufgerichtete Ehren-Seule. I. IX. 1418. a. In Deutschland wird kein Unedler zu einem Priester und Fürsten genommen. II. I. 177. b. II. I. 179. a. darinnen wird der Adel in Künsten unterwiesen.II. II. 273. b. Deutschland als eine Königin in einem Auffzug fůrgestellt. II. III. 144. b. wird nochmahls in einem Schauspiel fürgestellt. II. III. 490. b.

Diamanten werdẽ in einem Bergwerck in Deutschland gefunden. I. VII. 1113. b. hecken Junge. I.V. 632. b. II. I. 183. b. Diamanten Krafft. II. III. 406. a. unterschiedene Arten und Eigenschafften / wie auch ihr Ursprung und Grösse. II. III. 412. a. Diamanten so andere hecken. II. IX. 1498. b.

Diana in Persien hilfft wider die Unfruchtbarkeit. I. III. 261. b. ihr wird in Betulien ein Tempel gebauet I. IV. 478. a. Dianen Bildes sonderbare Eigenschafft. II. VII. 1148. b. wird von der Julia vorgestellt. I. VIII. 1195. a.b. ihre Erfindungen und Thaten vorgestellt. I. VIII. 1296. b.I. VIII. 1206. b. Dianens Bild zu Oresta. II. I. 59. b. wer ihr hat eingesegnet werden können? ibid.

Diceneus der Disa oberster Priester. II. V. 882. a.b.

Dideus ein Tugend-Sohn. II. III. 504. b.

Dido Königs Juba Tochter kommt nach Rom / und wird von dem Lucius geliebet. I. IV. 465. b. will ihn nicht lieben. I. IV. 467. b. verliebt sich in den Flavius. I. IV. 470. b. verwundet den Lucius tödtlich. I. IV. 472. a.b. wird um ihre Jungferschafft gebracht. I. IV. 486. b. kommt in der Insul Dianium zu dem Flavius. I. IV. 495. b.

Diener hat alles seinem Fürsten zuzuschreiben. I.V. 628. b.I.V. 675. a. Warum mittelmäßige Köpffe meistens zu Dienern genommen werden? I.V. 630. a. Diener der Fürsten wie sie beschaffen seyn sollen. I. VII. 1102. a. Ob ihnen die höchste Gewalt anzuvertrauen. I. VII. 1001. a.I. VII. 1018. b. Diener eines Fürsten / so böse / wie sie beschaffen. II. VII. 1282. a. wie der Fall eines Fürsten Diener anzusehen. II. IV. 576. a. gefallene Diener sind nicht wieder zu erhöhen. II. IV. 577. b. II. IV. 582. b. Vornehmste Staatsdiener wie sie beschaffen. II. IV. 590. b. haben ihres Herrn Befehl genau in acht zu nehmen. II. IV. 598. b. sollen nicht Heuchler seyn.II. IV. 620. b. Diener des Fürstẽ wird oftmals vom Verhängnüß eingeschoben. II. VII. 1286. a. sollen weder böse Zeitungen verschweigen / noch Heimlichkeiten ausbreiten. II. VII. 1291. b. Diener der Fürsten wem sie gleich. II. VIII. 1357. b. von schlechten Herko en und Verdiensten. II. VIII. 136. a. Diener der Fürstẽ zum Freunde erkiesen. II. VIII. 1358. a. Diener muß auf den Willen seines Fürsten sehen. II. VIII. 1341. b. ob sie wider die Verordnung ihrer Fürsten thun können oder nicht.II. VIII. 1341. a.b. was für Diener ein Fürst auszulesen. II. VIII. 1392. a. sind offt bey grossem Verstande unglücklich. II. VIII. 1393. a.

Dietrich ein Sicambrischer Fürst von denen Batavern zum Oberstadthalter erwehlet. II. IX. 1551. a.

Dinfared König in Britannien wird vom Reiche verdrungen. I. II. 161. b.

Diomedes in einem Schauspiel aufgeführt. II. III. 497. b.

Dion ist gar zu gut Käyserlich. I. VI. 753. b.

Dionysius Weltweiser in Thracien. II. I. 39. a.

Dionysius Periegetes hält ein gelehrt Gespräch mit den deutschen Barden. II. V. 744. b.

Dioscorida fruchtbare Insul in Arabien. I.V. 669. a.

Dioscurias / Stadt der Amazonen. I.V. 540. a. eine berühmte Handels-Stadt. I.V. 519. a.

Divitiack / ein tieffsinniger Druys / reiniget der Druyden scheinheiligen Gottes-Dienst. I. VII. 982. b.

Divitiack / Fürst der Sveßionen und seine Thaten I. VII. 985. a.

Divitiack / Fürst der Heduer und seine Thaten. I. VII. 987. a.

Divitiack / Britannischen Druys / Wort-Streit vom Zweiffel und der Warheit. II. II. 265. b.

Divodur eine Stadt / daselbst eine Schlacht gehalten.I. VII. 1061. b.

Dodonischer Jupiter. I. III. 262. a.

Dolabella überwindet den Briton / Hertzogen der Semnoner. I. VI. 771. b.

Dolch des Mithridates wird König Polemon von seinem Geist eingehändiget. I.V. 514. a.b.

Domitius (Cneus) ein Glücks-Sohn. II. III. 503. b.

Domitius Enobarbus heyrathet des Antonius Tochter.I. IV. 384. a.

Donnerschläge welche glücklich / und welche unglůcklich. II. II. 377. a.

Dornstrauch bey den Seren von sonderbahrer Art. I.V. 608. a.

Dorulach / ein Deutscher Hertzog / erweiset eine vortreffliche Tapfferkeit gegen die Römer. I. VI. 859. a.b.

Drache ist bey den Thraciern ein Krieges-Zeichen. I.I. 42. a. wird für die Hesperischen Gräntzen gestellt.II. VIII. 1437. a.b. Drachen ziehen die Medea. I. IV. 389. a.

Dreyeck ein Geheimnüß. II. I. 203. b. aus Eichen bey den Druiden heilig. II. III. 531. a.

Dreyeinigkeit wird von dem Ober-Priester Libys bewiesen. I. IV. 346. a.b. wie sie von den Druiden erwiesen werde. II. III. 532. a. ob sie bey andern Heyden bekandt gewesen. II. III. 534. b.

Druiden ob sie sich des Fleisch-essens enthalten. I. IV. 461. b. verrichten ihren Gottesdienst in Rom. I. IV. 465. a. ihre Ober-Priester / und was sie vor Ansehen haben. I.V. 559. b. seq. halten ihren Gottesdienst heimlich. I.V. 569. a. Beschreibung ihres Ursprungs / Ansehens / Lebens-Art / Gewalt / Ehre / Sprache / Schrifft und Speise. I. VII. 970. seq. nisteln in Deutschland und Gallien ein. I. VII. 975. a. werden herrschsůchtig. I. VII. 982. a. erschlagen die Eubagen in Sebusien. I. VII. 1066. b. ihr Haß gegen die Griechischen Weltweisen. II. II. 262. a. machen Anspruch auff der Minerven Tempel. ibid. was sie für Zwistigkeiten mit den Barden und Eubagen haben. II. II. 276. a.b. ihre Lehre von der Reinigung der Seele. II. II. 363. a.b. halten hohes Gerichte über die Ismene II. III. 529. b.

Drusus was er in Deutschland verrichtet. I. III. 320. a.b. wird mit einer Uberschrifft und Gedächtnüß- Mahl verehret. I. IV. 336. a.b. sein Geschlechte und Thaten. I. IV. 349. b. machet einen Graben 8000. Schuh lang. I. IV. 371. a.b. wird von den Chautzen geschlagen. I. IV. 378. a. setzet zum andern mahl an die Deutschen. I. IV. 378. b. Kömmt nur biß an die Weser / wo er ein Mahl aufrichtet. I. IV. 380. a. soll und muß Antonien heyrathen. I. IV. 384. b.I. IV. 397. a. ist in Julien verliebt. I. IV. 389. a. verwirrte Liebkosungen gegen die Antonia.I. IV. 303. a.b. Sohn des Augustus. I. IV. 400. a. K \mmt zum dritten mahl in Deutschland. I. IV. 407. b. darff nicht über die Elbe. I. IV. 413. a. stirbt an seinen Wunden. I. IV. 420. b. führt den Feldherrn und seine Mutter in die Gefangenschafft.I. VIII. 1187. b. stellt den Jupiter im Auffzuge für.I. VIII. 1193. b. wird beerdiget und mit einer Uberschrifft beehret. I. VIII. 1217. a. legt Wein in Deutschland an. II. II. 301. b. sein Grab-Mahl wird zerstört. II. VII. 1162. b. hält eine Lob-Rede auff des Augustus Begräbnüß. II. VI. 958. b. soll die auffrührischen Legionen in Pannonien stillen. II. VI. 979. b. wird befehlicht in Illyricum zu reisen. I. IX. 1491. a. sein listig Geschencke an den Herrmann. I. IX. 1587. b.

Durst fůhlet einer niemahls. I.V. 593. a.

Dynamis Königin in Pontus. I. III. 250. a. vermählet mit dem Polemon. I. III. 253. a. ist unfruchtbar. I. III. 261. a. wird schwanger. ibid. hält ihren Sohn verborgen. I.V. 511. a.

Dysidiat jagt den Diomedes aus dem Felde. I. IV. 490. a. macht Friede mit den Römern / und wird hernach belägert. I. IV. 491. b.


E.


Ebenholtz ist bey den Mohren in grossem Ansehn. II. II. 267. b. seine Vortreffligkeit. II. II. 317. b.

Ecbatana die Hauptstadt in Armenien. I. III. 227. a.

Echo in einem Getichte von der Sentia angeredet. II. IX. 1542. b.

Eckel / woher er entstehe. II. VI. 1029. b.

Edele / ob sie unedele lieben sollen. I. III. 321. a.b.

Edelgesteine auff dem Sudetischen Gebirge. I. VII. 1114. a. Edelgesteine Natur / Eigenschafften / Nutzen und vielerley Arten. II. III. 402. b. werden auch in Deutschland gefunden. II. VIII. 410. a. werden mit Indianischen Königen gewogen. I.V. 653. b.

Eganor Batavischer Hertzog wider den König der Britannier. I. IV. 362. b.

Eggias / ein Römischer Feldhauptmann / wird vom Ingviomer umbgebracht. I.I. 41. a.

Eginhard / ein Barde / richtet den Hertzog Gottwald mit seiner Welt-Weißheit auff. II. V. 914. a.b.

Egypten in einem Schauspiel vorgestellt. II. III. 487. b. besitzt unausleschliche Lichter. I. II. 171. b. verstecket den Gottesdienst in Rätzel. I. IV. 345. a. Lehre von den Geistern. I. IV. 414. b. wie viel es Schutz-Geister ehre. ibid. In Egypten spinnen die Männer; die Weiber verrichten männliche Geschäffte. I.V. 522. a.b. Wie viel Jahr es von Königen beherrschet worden. I.V. 566. b. Egyptens Bild. I.V. 676. a. Merckwürdigkeiten. I.V. 674. b. Deutschen führen darinnen Krieg. I. VI. 716. a. in ieder Stadt ein sonderbarer Gottesdienst. II. VII. 1267. a.

Egyptier streiten mit denen Phöniciern / wer zuerst in die Atlantische Eylande gekommen sey. I. II. 122. a. befleißigen sich der Schiffarthen. I. II. 122. a. Egyptier Krieg wider die Amazonen. I.V. 525. a.b. Ehren ihre Priester hoch. I.V. 559. a.b. schreiben ihren Königen alles böse und gutes zu. I.V. 635. b. eusern sich aller Schiffarth. I.V. 537. a. halten ihren Gottesdienst heilig. I.V. 659. b. beko en ihren Gottesdienst und Lehre von den Brachmannen. I.V. 662. a.I.V. 666. a. essen von keinem Schafe / wie auch ihre Priester von keinem Thiere.I.V. 663. b. glauben / daß die Seele unsterblich sey. I.V. 665. b. lehren / daß die Seele aus einem Leibe in den andern wandele. I.V. 666. 7. was sie unter einem Frosche fürbilden. I.V. 700. b. geben vor / die ersten Menschen wären bey ihnen gewachsen. I. VI. 732. b. Straffe ihren Könige. I. VII. 1085. b. halten ihr Geheimnüsse in göttlichen Sachen heimlich. I. IX. 1351. a.b. ihre Bilderschrifft. II. V. 746. b. bezieren ihre Heiligthümer mit Sphynxen. II. V. 748. a. ihre Meinung von Eintheilung der Tage. II. V. 761. a. lassen keinen Ausländer zu ihrer Weißheit und Priesterthum. II. I. 1778. b. ihre Lebens- Art. II. I. 206. b. essen von keinem Thier-Kopff. II. I. 208. a. ihre Lehre von der Dreyeinigkeit Gottes.II. 537. a.

Ehe mit des Bruders Tochter ist nicht wider das Recht der Natur. I. VII. 1271. b.

Ehebruch ist bey den Deutschen unbekandt. II. II. 362. a. Ehebruchs Straffe. I. IX. 1335. b. Ehebruchs des Antonius bey seinem Eheweibe. II. VIII. 1226. b. Ehebruch der Sentien von ihrem Gemahl hart gestraffet. II. IX. 1544. a.b.

Ehegatten gegen einander erwiesene Treue. II. IV. 574. a. Ehegatten Liebe der Vaterliebe vorzuziehen. I. VI. 783. a. Ein Gesetz des Lycurgus für junge Ehegatten. II. VIII. 1185. a.

Ehescheidung zu Rom wie weit sie zugelassen. I. IV. 405. a.

Ehestand ob er zu grossen Thaten unfähig mache? I. IV. 397. b.

Ehnligkeit ist eine Mecklerin der Liebe. II. I. 22. a.

Ehre als ein Gott verehret. I. IV. 349. a. Ehre gelobet. II. IV. 625. a. ihr hoher Werth. II. I. 144. b. wird in einem Schauspiel vorgestellet. II. V. 863. a. ist der Tugend Zunder. I. VII. 897. b. Ehre so geringschätzig aus Staats-Klugheit von Fürsten verkaufft. I. VII. 1060. b. ist empfindlich. I. VIII. 1312. b.

Ehren-Antastung Ursache des Krieges. II. IV. 645. a.b.

Ehren-Bezeigungen hindern die Vertrauligkeit. II. III. 398. a.b.

Ehrenfrieds Thaten gegen die R \mer. I. VI. 858. a. wird in der Barden Schule gethan. II. V. 785. b. heisset mit den rechten Nahmen Gottwald. II. V. 840. a. kommt nach Cisaris und der Vocione ihren Hof. II. V. 919. a. wird mit des Königs Bojud Tochter vermählt. I. VII. 1146. b. Besiehe den Nahmen Gottwald.

Ehren-Mahle werden eingeäschert. I. IV. 339. a. sollen Merck-Mahle Lob-würdiger Thaten seyn. I. IX. 1419. a. gehn nicht bald unter / wenn sie Tugend zum Grunde haben. I. IX. 1420. b.

Ehren-Pforte zu Ehren dem Augustus auffgerichtet. I. IV. 355. b. dem Melo zu Ehren von den Griechischen Weltweisen auffgerichtet. II. II. 261. a. der Marmeline und dem Marbod auffgerichtet. II. V. 860. b. dem Germanicus zu Ehren auffgerichtet. II. VIII. 1348. b.

Ehren-Säule bey des Augustus Begräbnüß. II. VI. 949. a. Sind den Deutschen mit vielen Völckern gemein. II. VIII. 1333. b. derselben Vielheit. I. IX. 1419. b. werden offt den Lasterhafften auffgerichtet. I. IX. 1420. a. werden von dem Verhängnüsse beschützet. I. IX. 1425. a.

Ehren-Säulen siehe Ehren-Mahle.

Ehrsucht streitet mit der Wollust und der Tugend umb den Vorzug. II. IV. 572. a. unersättlich. I. VII. 1096. a. wird gelobet und entschuldiget. I. VII. 1097. b. lescht die Funcken kindlicher Liebe aus. I. VII. 1153. b.

Eiche wird vom Donner getroffen. I. VI. 735. b.

Eichenholtz ist bey den Deutschen hellig. I. VII. 970. b.

Eichen halten die Druiden für heilig. II. 3. 531. a. II. II. 262. a. II. II. 263. b. von vortrefflicher Grösse.II. II. 264. b. werden von dem Protesilaus für Wunderwercke gehalten. II. II. 264. b. ihre Vortreffligkeit / Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 313. a. werden versprochen. II. II. 1313. a. seq.

Eid / besiehe Eyd.

Eifersucht des Tiberius. I. IV. 406. b.I. VIII. 1234. a. höret mit dem Tode nicht auff. ibid. des Arnolds gegen seine Gemahlin. I. VII. 1147. a. was es fůr eine Mißgeburth sey. I. VIII. 1220. a. von Eifersucht wachsen Würmer auff den Geweihen der Hirsche. II. I. 98. a. Eifersucht vorgestellt. II. VIII. 1409. a. wundersahme Eifersucht hindert Sadaln zu lieben. II. I. 40. b. II. I. 47. a. machet einen Schatten zum Nebenbuhler. II. I. 47. b. stifftet allerhand Unfall an. II. I. 99. b. wird in einem Bilde fürgestellt. I. VIII. 1180. b. in einem Getichte weggewiesen. I. VIII. 1181. a. wird in einem Schauspiel fürgestellt. II. VIII. 1442. a. II. VIII. 1436. a. in einem Schäferspiele vorgestellt. II. IX. 1483. a. Eifersucht des Wald-Esels. I.V. 545. b. ob sie mit ihres gleichen zu thun habe. I.V. 548. a.b.

Eigen-Liebe wie sie beschaffen. I. II. 96. a.

Eigen-Mord ist unzuläßlich. I.I. 77. a.

Eigen-Nutzes Schändligkeit. II. I. 26. a. ist der Zanck-Apffel aller Thiere und Gewächse. I. VII. 1038. a. was er würcke. II. VII. 1277. b.

Eigenschafften der Dinge gelten mehr bey ihnen / als die Vernunfft bey den Menschen. II. I. 193. a.

Einbildung hat sonderbahre Würckungen in Gesundmachung und Kinderzeugung. I.V. 507. b. ist die gröste Gemüths-Kranckheit. I. VII. 979. a. ist eine seltsame Mahlerin. I. VII. 1147. b. sonderlich bey denen Schlaffenden. I. IX. 1321. a. daß sie frembdes Wasser zu Zucker mache durch ein artiges Beyspiel erwiesen. I. VIII. 1226. b. verhinder die Warheit. II. II. 267. a. seq.

Einfalt und Demuth wird gelobt. II. III. 398. b. seq.

Einsamkeit überleget. I. III. 306. a. ist verdrüßlich. I. IV. 350. a.I. IV. 351. b. in einem Getichte gelobet.I. VII. 1111. a. darinnen zu leben ist vielen angebohren. II. I. 130. b. ist verdrüßlich. II. V. 734.a.b.

Eisenhertz Batavischer Hertzog setzet die Bataver in Freyeit. I. IV. 363. a.

Einsiedlers herrliche Tugend-Lehre. I. VII. 1094. b. erzehlet seinen Lebens-Lauff / und beklagt sein Unglück. I. VII. 1106. b.

Eintracht ist der natürliche Zustand der Menschen. I. VI. 737. b. wird in einem Schauspiel eingeführt. II. III. 509. a.

Einweihung der Ceres. I.V. 689. b. zum Priesterthum der Hertha. II. I. 195. b. Einweihung des Sigismunds zum Priesterthum. II. VII. 1231. a.

Einzele sind zum herrschen geschickt. I. VII. 1102. a.

Einzug des Feldherrn zu Deutschburg in seine Hoffstadt zu seiner Vermählung. I. VII. 1162. a.b. der Marmeline mit dem Marbod in Godanium. II. V. 859. a.

Eiß bey den Mahlzeiten gebrauchet. I.V. 585. a.b. Eißvögel in Britannien. II. VII. 1237. b.

Elbe Ursprung. I. VII. 1115. a. wird in einem Singespiel eingeführt. II. IX. 1565. a.

Elemente halten einen Streit. I. IX. 1410. a. streiten ums Vorrecht in Zeugung der Perlen. I. IX. 1375. b. Elementen zusammenstimmungen. II. I. 221. a. in einem Auffzuge vorgestellt II. IV. 570. b. in einem Schauessen vorgestellt. II. IV. 1497. b. siehe Grundzeug.

Elephant liebet ein Mägdlein. I. IV. 386. b. Elephanten-Verstand. I.V. 610. a. was sie lernen und thun.ibid. Weisse Elephanten bey den Indianern in grossem Ansehen. I.V. 649. a.b. Elephanten-Geschencke werden in Indien hoch geschätzt. I. IX. 1367.b. Elephanten-Tantz. I. IX. 1374. b.

Elephantis schändliches Buch verbrennt die Hiarne. I. IX. 1333. a.

Eleusinisches Feyer wird begangen. I. VIII. 1200. b.

Eliogabalus ein schwartzer Stein wird in Indien angebetet. I. IV. 458. b.

Elitoro gehet in Italien. I. VI. 734. a.

Elster wird in einem Singespiel auffgeführt. II. IX. 1566. a.

Eltern Recht über ihre Kinder. I. VIII. 1280. b. Eltern Liebe / woher sie entstehe? I.V. 516. b. Eltern sollen Kindern nichts böses rathen. II. IV. 700. a. Eltern übermäßige Liebe mit was sie zu vergleichen. II. V. 817. a.

Emma Atcoroths Tochter dem Mars gegeben. I. II. 112. a. Emma eine deutsche Fürstin hänget sich über ihres Eheherrn Grab I.I. 69. a.

Enno ein alter Bataver von Adel. I. IV. 367. a. ko t zu der Herrschafft. I. IV. 368. b.

Enochs Buch. II. V. 746. b.

Entblößung Ursache des Eckels / verursachet bey den Deutschen keine b \se Regung. I. VIII. 1184. b. Entblößung der Glieder ist schändlich. I. III. 300.a.b. wird vertheidiget. I. III. 302. a. siehe Bl \ße.

Entmannung der Priester. I. IV. 489. a.b. Entmannung eine harte Straffe bey den Deutschen und Römern. I.V. 547. a.

Epicurus was er für ein höchstes Gut gelehrt habe. I. IV. 453. b. wird vertheidiget. I.V. 617. b. seine Meinung von der Welt. I.V. 575. a. von den Sternen. I.V. 566. b. von dem Leben. I.V. 697. a.I.V. 712. a. von dem Aepffeln. II. II. 327. b. seine Lehre / was den Zweck der Weltweißheit anbelangt. I. VIII. 1214. a. seine Weißheit und Lehrsåtze. I. IV. 454. a.

Epicurische Weltweise werden aus Rom vertrieben. I. IV. 463. a.

Epirus ergreifft die Waffen. I.V. 537. a.

Erato wie sie gestalt gewesen. I. III. 196. a. verehret die Hoffnung zu Athen. I. III. 207. a.b. wird in dem Tempel der Sonnen gebohren. I. III. 228. a.b. wird unter der Gestalt eines Fürsten aufferzogen. I. III. 230. a. wird zum Könige in Armenien gekr \nt. I. III. 235. a. heisset zu Sinope Massabazanes. I. III. 253. b. giebt sich für ein Frauenzimmer zu erkeñen. I. III. 259. b. verspricht sich mit dem Fürsten Zeno. I. III. 273. b. giebt sich der Arsinoe zu erkennen. I. III. 285. a. wird vor dem jungen Artaxias ausgegeben. I. III. 285. a. und I. III. 230. a. verwundet den Ariobarzanes. I. III. 290. b. wird Königin in Armenien. I. III. 295. a. legt Crone und Scepter nieder. I. III. 315. b. kommt nach Rom. I. III. 320. a. in Deutschland. ibid. wird entführet und erlöset. I. IV. 426. b. ist aus Amazonischen Geschlechte. I.V. 532. a. wird von dem Flavius geliebt. II. I. 13. a. ihre von einer Schlange erhaltene besondere Wahrsagung. II. I. 214. a.b. will sich wegen fälschlich geglaubten Todt des Zeno selbst umbringen. II. III. 457. a.b. streitet darüber mit Ismenen. ibid. wird in einem Zweykampff hefftig verwundet. II. III. 555. a. wird von den Waldgöttern von einem Jäger-Hause entführet. II. IV. 566.a. ist wieder in Deutschland. II. IX. 1596. a. wie sie entführet worden. II. IX. 1604. a.b. neñt sich Herodotus. II. IX. 1605. a. williget mit Bedingungen in des Flavius Heyrathung. II. IX. 1614. a. seq.

Erdapffel-Blum will Königin unter den Blumen seyn I. IX. 1391. a.

Erdbeben zu Artaxata. I. III. 241. a. wird in einer Schlacht nicht gemerckt. I. VI. 829. b. von grosser Merckwürdigkeit. II. VII. 1161. a.

Erde ist eine Göttin unter vielerley Nahmen. II. II. 171. a. Erden-Bild. I. IX. 1408. b. ob sie rund sey / von Griechen und Römern erkundiget. I. II. 126. a.

Erdkugel bildet Gott für. I.V. 670. a. in dem Tempel des Prometheus. I.V. 566. a. der Syrmanis von dem Könige Huhansien geschencket. I.V. 616. b. Mittel des Erdbodens ist in Taprobana. I.V. 656. b.

Erdmann Hertzog der Moriner hat Krieg mit den Römern. I. IV. 361. a. ein deutscher Edelmann ficht wider die Römer tapffer. I. VI. 757. b. was er für einen Nahmen bekommen. I. VI. 756. a.

Erdmeier Oberster Druys führt für dem Hertzog Melo gegen die Griechischen Weltweisen wegen eines Heiligthums der Druiden ihre Sache. II. II. 263. a.

Erdmuth eine Cattische Fürstin wil das Geschencke von Agrippinen nicht annehmen. II. III. 402. b. hat über Kinder Freud und Leid. II. IX. 1531. a.b. seq.

Eresberg wird sonst Hermionsberg genennt. II. IV. 686. b. ist ein grosses Heiligthum in Deutschland. II. IV. 687. a.b.

Ergebung im Kriege durch was sie vordem angedeutet worden. II. V. 896. a.

Erfindungen allerhand Sachen. I. II. 128. a.I.V. 595.a. Erfindung allerley Künste / ob sie zu tadeln. I. II. 108. b. Erfindungen der Juno. I. VIII. 1197. a. des Jupiters. I. IX. 1362. a.b.

Ergamenes / König in Numidien / soll sich selbst hin richten. I. VI. 801. b.

Eriphylens Laster-Thaten und erfolgte Straffe. II. I. 104. b. seq.

Erkäntnüß sein selbst ist der Grund eines glückseeligen Lebens. II. V. 914. a. Erkäntnüß sein selbst / wie möglich es sey. I. VII. 1100. a.b.

Erich / der Svionen König / erlegt den König Hun. II. V. 874. a. hält das neunjährige Feyer zu Upsal. II. V. 875 b. Entsetzet den Frotho. II. V. 898. b. hält einen Zweikampff mit Torismunden. II. V. 905. a.

Erstegeburth / was sie für ein Recht in dem Reichsnachfolgen habe. II. IV. 591. b.

Ertha die Deutsche Göttin. I.V.I. 978. a.

Ertztes Vermischung mit Wasser. II. V. 739. a. wird beym Gottesdienst gebraucht. II. V. 760. a.

Erytheus in einem Schauspiele erschlagen. II. VIII. 1415. b.

Erythia eine von den Hesperiden. II. VIII. 1439. a.

Esculapius sein Tempel. I. II. 164. b. seine Liebe. I. II. 165. b.

Esel setzt Mecenas seinen Gästen für. I.V. 693. b. Eselsmilchs-Bad. II. I. 93. b.

Etna / Berg in Sicilien / wird die Säule des Himmels genennt / und giebt sonderbahre Anzeigungen. I. VI. 788. a.

Eubagen heben bey den Batavern einen Zwist an. I. IV. 364. b. ihre Zwistigkeiten / wie sie zu heben. II. II. 276. a. werden verfolget. I. VII. 983. b. ihr Irrthum von dem Willen des Menschen. II. III. 522. b.

Eubages seine besondere Lehre. I. IV. 983. a.

Euclides Verwunderung über die Bienen. II. III. 428.a.

Eudämon eines Griechischen Arttzts Blut-Cur. II. V. 917. a.b.

Eulen bey andern Unglücks-Vögel / bey den Atheniensern Glücks-Bothen. I. III. 265. b. den Scythen Glücks- den Indianern Unglücks-V \gel. I.V. 657.b. deuten auff Glück und Unglück. II. VI. 746. a. sagen gutes und böses war. II. II. 377. a. bey den Eulen schweren die Tattern. I.V. 606. a.

Eumenes verhetzet die Römer gegen die Deutschen. I. VI. 867. a. fällt mit den Deutschen in Krieg I.I. VI. 880. b.

Euridice mit ihrem Orpheus in einem Schauspiele auffgeführt. II. I. 44. b.

Europa in einem Schauspiele vorgestellt. II. III. 489.b.

Euryalus wird in einem Schauspiel erstochen. II. VIII. 1414. a.

Ey des Zoroasters. II. IV. 571. a. eines Cimbrischen Fürsten / in welchem ein anders steckt. II. IX. 1498. b.

Eyd zweyer Ritter. II. VIII. 1391. a.

Eydschwüre ob sie den Römern zu halten. I. VI. 870.a.

Eyland / siehe Inseln.


F.


Fabier brechen das Völcker-Recht. I. VI. 745. b. ob es wahr / daß ihrer dreyhundert und sechs erschlagen worden. II. IX. 1614. b.

Fabius ist langsam gegen den Hannibal. I. VI. 831. a. ist ein Tugend-Sohn II. III. 501. a. ein Glücks- Sohn. II. III. 503. b.

Facksarif / Feldhauptmann der sich empöhrenden Hermundurer. I. VII. 1072. a.b. sein Gemahl wil dem Hertzoge vom Tode helffen. I. VII. 1086. a. spricht das Todes-Urtheil über den Hertzog Briton. I. VII. 1087. a.

Fahne in dem Stiche lassen ist bey den Deutschen grosse Schande. II. V. 850. b. durch die dem Feind zugeworffenen Fahnen erhalten viel den Sieg. II. V. 850. b.

Falcke lässet sich auff der Jagt gebrauchen I. II. 88. a. setzet sich zum guten Zeichen auff den Feldherrn. II. VII. 1207. a.

Fallende Sucht wie sie zu heilen sey. II. III. 473. a.b. II. VII. 479. a.

Farben streiten umb den Vorzug. I. IV. 469. a.

Fe eines Götzen Bildnüß. I.V. 611. a.

Feber des Flavius wird wundersam geheilet. II. III. 471. b. II. III. 479. a.b. seq.

Fechten wird zu Rom dem Adel verstattet. II. III. 516. b.

Fechter werden gezwungen zur Kurtzweil auffs Leben zu fechten. I. VIII. 1217. b. Fechter sich selbst auffreiben zu lassen / mißfällt der Thusnelden / und wird von dem Germanicus vertheidiget. I. VIII. 1240. a. von dem Feldherrn widersprochen. ibid. werden zu Rom in grossen Ehren gehalten. I.V. 885. b.

Fehler der Fürsten werden von Volcke nachgeäffet. I. VII. 1038. b.

Feigen-baums Nutzen und Vorzug. II. II. 314. b. werden gescholten. II. II. 326. a. sind Ursache des Persischen Krieges. II. II. 324. b. werden den Göttern verehret. II. II. 325. a.b. geben Anlaß zu grossem Kriege. I. III. 210. a.

Feind ist in seinem Lande anzugreiffen. II. III. 1146.a.b.I. III. 194. b. ist nicht zu verachten. II. VI. 1071. a.b. ist nicht zur Verzweiffelung zu treiben. II. II. 281. a.

Feldhauptmann / wie er sein Gemüth fassen soll. II. VI. 1068. a.

Feldherr muß in Schlachten ein grosses Hertze und auffgeräumten Kopff haben. I.V. 524. b. wie sich ein Feldherr der Unglücks-Zeichen und Zufälle zu gebrauchen hat. I. VI. 735. b. ob ein Feldherr mit in die Schlacht zu gehen nöthig habe. I. VI. 825.b.I. IV. 419. a.b. ein Feldherr hat sich zu fürchten / aber die Furcht nicht sehen zu lassen. II. II. 258. a. Feldherrn zu Rom haben Macht Friede zu schliessen und Krieg anzufahen. II. VIII. 1336. a. Feldherrn Beschaffenheit in Deutschland. I. II. III. a.b.

Fest-Gebräuchen der Athenienser darff kein Frembder beywohnen. II. IX. 1617. a.b.

Festungen sind Kapzäume der Freyheit. II. IV. 727.a.b. was davon zu halten. ibid.

Feuer brennet etliche Sachen nicht an. I. II. 150. b. wird göttlich verehrt. II. V. 879. a. Feuer / so ewig ist. I. II. 181. a. Feuer ist in einem glücklichen Eylande nicht gewest. II. II. 271. a. Feuer der Opffer wird vom Himmel angezündet. II. III. 395. a.

Fichte ist bey den Svionen heilig. II. V. 876. a. sind der grossen Mutter geweihet. II. I. 172. b.

Fichtelberg ist ein Vater vieler Flüsse. I. VIII. 1301.a.

Fieber / besiehe Feber.

Fische erkundigen zukünfftige Dinge. I. VIII. 1284.b. Fische in warmen Wassern. I.V. 579. a.

Fischer bemühet sich umb eine schöne Jungfrau. I. VII. 1228. b.

Fischer-Rennen auff der Mulda. II. IX. 1579. a.

Flachses Beschaffenheit / Werth / Vaterland und Festigkeit. II. I. 185. a.b.

Flaminius (Titus Quintus) ein Tugend-Sohn. II. III. 501. b. kommt umb in der Schlacht mit Hannibaln. I. VI. 829. a.

Flavius / des Feldherrn Bruder / wird von den Römern in seiner Jugend gefangen. I. IV. 379. a. hat sonst einen andern Nahmen / und kömmt zu Deutschburg an. I. IV. 442. b. kömmt bey dem Käyser in Gnaden. I. IV. 450. a. wird von dem Aristippus / einem Epicurischen Weltweisen / verführt. I. IV. 455. b. wird von dem Sotion zurücke gehalten. I. IV. 460. a. verliebet sich in Dido. I.I. IV. 471. a.b. wird von dem Lucius tödtlich verwundet. I. IV. 472. b. krieget in Getulien glücklich. I. IV. 474. a.b. seine sonderbahre Krieges-List. I. IV. 475. b. hält ein Sieges-Gepränge zu Cirtha / und hat hernach einen sonderbahren Traum. I. IV. 468. a. zieht in den Dalmatischen Krieg. I. IV. 489. b. wird auff die Insel Dianium geschafft / und fliehet von hier in Deutschland. I. IV. 495. a.b. wird gebohren. I. VIII. 1187. b. errettet den Käyser aus Lebens-Gefahr. I. VIII. 1211. a. verliebt sich in die Königin Erato. II. I. 113. a. sein Gespräch mit ihr davon II. I. 129. a. wird zu einen Zweykampff ausgefordert / und ist darinnen glücklich. II. III. 447. a. wird von Adgandestern durch Geschencke und andern Betrug abwendig gemacht. II. IV. 589. a. kömmt von dem Tiberius zu dem Geranicus Deutschland mit Krieg zu überfallen. II. VI. 995.b. ziehet wider die Cherusker. II. VI. 1015. b. kömmt umb das lincke Auge. II. VI. 1059. b. fühlt Reue / daß er sein Vaterland bekriegt. II. VII. 1096. a. hält ein Gespräch wegen seiner Feindseeligkeit mit Hertzog Herrmannen. II. VII. 1171. a. wird zum Fürsten der Cherusker erklärt. II. VII. 1214. b. wird von seiner Mutter Asblaste wegen seines Verfahrens gegen Deutschland gescholten und gestochen. II. VII. 1230. b. fällt deßwegen in Schwermuth. II. VII. 1232. a. verläßt die Römer und trifft Thusnelden zu Athen an. II. IX. 1616. a. kömmt in Armenien an. II. IX. 1620. a. erhält gute Verheissung von der Erato wegen der Ehe. II. IX. 1614. a. kömmt in Deutschland an. II. IX. 1624. a.

Fleisch essen die Druiden und andere nicht. I. IV. 461. b. ob es zu essen. ibid. wenn es zu essen auffgekommen. II. I. 201. a. Fleisch essen die Brahmanen nicht / und warumb? I.V. 662. b. ist den Menschen zuläßlich zu essen. I. VII. 1031. b. Fleisch essen schlägt zu einen Mißbrauch aus. II. V. 764.a.b.

Fliegen werden geopffert. II. I. 206. a.

Florens Feyer wird gehalten. I. VIII. 1226. a. wird zu Rom gehalten. II. I. 173. b.

Flotte der Römer wie sie zu erst erbauet worden. II. III. 500. a. Flotte der Römer wird verbrannt. II. VI. 1064. a.

Flucht artlich entschuldiget. I. VI. 817. a. Flucht eines Gefangenen / wie weit sie zugelassen. I. VIII. 1248. b. ist bey den Spartanern verboten. II. VII. 1199. a.

Fluß unten heiß / oben kalt. I.V. 628. a. Flüsse mit einander zu vereinigen. I. IV. 373. a. Flůsse werden mit Tempeln geehret. I. IV. 415. a. Flůsse / so sich mit einander unter der Erde verbinden. I.V. 588. a. Flůsse gehen unter denen Gebürgen und der Erden hin. I. VII. 1115. a. Flüsse von sonderbahrer Beschaffenheit. I. II. 104. a.

Fohius / vom Regenbogen gezeuget / stifftet das Serische Reich. I.V. 594. b.

Forstard wird in Hibernien enthauptet. I. III. 310. a.

Francke Hertzog wird mit der Leitholde vermählet. II. IX. 1640. a.b.

Frau bey den Herulen darff ihren Mann nicht überleben. I.I. 69. a.

Frauenzimmer ob es der Tapfferkeit und Waffen fähig sey? I. III. 198. a. ist der Tapfferkeit fähig. II. VIII. 1430. a. Frauenzimmer mit was es zu vergleichen. II. VI. 1020. b. Frauenzimmer von Athenodor dem Lucius verhast gemacht. I. IV. 452. b. vom Aristippus eingelobt. I. IV. 455. b. ficht tapffer gegen den Cäsar. I. VII. 998. b. in Deutschland billiget den Frieden. II. II. 385. b. ist bey den Deutschen in besondern Ansehen. II. II. 386. a. sind Friedens-Gesandten. II. II. 386. a. sind bey den Deutschen schön und schamhafftig. II. III. 397. a.b. Frauenzimmers Regungen / Tugenden und Laster. II. I. 79. a.b. seq. besiehe Weiber.

Freha wird jährlich von denen Marsingern mit einem Feyer und warum beehret. I. VII. 1126. a.b.

Freude ist eine offenhertzige Regung. II. I. 13. a. Hertzog Gottwald stirbt vor Freude. II. V. 792. b.

Freudigkeit wird in einem Schauspiel aufgeführet. II. III. 509. a.

Freunde sind eine sicherere Hülffe als gantze Heere und Schätze. I. II. 136. a. des Fürsten wie sie beschaffen seyn müssen. II. VIII. 1392. b. Jupiter wird ein Freund genennt. I. IV. 352. a. Freunde sind zu erhalten / und ihre Erinnerungen wohl aufzunehmen. II. IX. 1516. b.

Freundschafft hat Glück und Unglück gemein. I. III. 273. b. Freundschaffts-Sinnebild. II. II. 338. b. Zerfallene Freundschafft wem sie zu vergleichen. I. VIII. 1266. b. Freundschafft ist die Sonne der Welt. II. V. 734. a.b. wird mit denen Bienen verglichen. II. VI. 1047. a. ist auch bey dem Adel zu finden / aber in Unglück selten. ibid. Freundschafft des Geblüts hört nicht auf. II. VII. 1097. b. Falsche Freundschafft mit wem sie zu vergleichen. II. III. 395. a. Liebt Gleichheit und Aufrichtigkeit. II. III. 399. a. Wie sie von der Liebe unterschieden werde. II. III. 400. a. Ob ihr der Krieg abbrüchig seyn könte. II. III. 401. a.

Freya / Othins Gemahlin / Göttin bey den Nordvölckern / wie sie gestalt gewesen. II. V. 878. a.

Freyen Künste in einem Auffzuge fürgestellt. II. III. 438. a

Freygebigkeits-Sinnbild. II. II. 338. b. mit was sie zu vergleichen. II. VII. 1277. b. wie sie auszuüben sey. II. V. 766. a.

Freyheit Deutschlandes mit wem sie zu vergleichen. II. I. IX. a. Freyheit besser als Pracht. II. VII. 1171. b. giebt Ursache / daß Unterthanen sich aufflehnen. II. VII. 1295. a. von dem Tiberius in einem prächtigen Auffzug fürgestellt. II. III. 438. b. ihr Lobgesang. ibid. Unumschrenckte Freyheit ist schädlich. II. VII. 1257. b.

Friede gemacht mit den Seren und Scythen. I.V. 635.a. wird von ihnen beschworen. I.V. 641. b. Friedens Vortreffligkeit. I. II. 115. b. Friede ist vor dem Krieg zu erkiesen. I. II. 173. b. II. II. 361. a. Frieden sollen die Menschen halten. II. VIII. 1328.b. läst das eroberte berasen. II. IV. 723. b. ist vornemlich von den Fürsten zu suchen. II. IV. 724.a.b. ob er auf die Nachkommen zu ziehen. II. VIII. 1339. a. Friedens-Bruch der Römer. I. VI. 751. a. Friedens-Bild von dem August aufgerichtet. I. VIII. 1211. b. seq. Friedens-Puncte zwischen den Deutschen und Römern. II. II. 384. a. Friedenshandlung wird offt aus liederlichen Ursachen zerstöret. II. II. 358. b. der Römer mit den Sicambern. II. IV. 723.a.b. Friedens-Bedingungen worauff und in was für einer Sprache sie zu schreiben. II. II. 388. a.b. Friedens-Tempel fürgestellt. II. VI. 953. a. Friedens-Vorschläge werden von den Deutschen den Römern gethan. II. VIII. 1334. b. werden beliebet. II. VIII. 1335. a. und von den Deutschen und Römern unterschrieben. II. VIII. 1343. a.b.

Friedebald wird von Riamen Marcomirs des Feldherrn Tochter geliebt. I. II. 153. b. kommt im Wasser um. I. II. 163. a. erscheinet auf der Hochzeit der Riame. I. II. 167. b.

Friedlev verfällt in Krieg mit dem Feldherrn Aembrich. I. VII. 910. b. wird todt gesagt und kommt wieder lebendig. II. IX. 1633. a.b.

Friedsame und Kriegerische sollen mit einander abwechseln. I. II. 119. b.

Friesen kommen mit den Chauzen zu streiten. I. IV. 377. a.

Frosch ist dem Mäcenas angenehm. I.V. 700. a. hat ihn in seinem Petschier-Ring. I.V. 700. b. durch ihn wird der Menschen Unvollkommenheit vorgebildet. I.V. 700. b. und 701. a. hat zwey sonderliche Eigenschafften. I.V. 701. b.

Frotho hält bey dem Käyser August um Loßlassung seiner Schwester an. I. IX. 1333. a. seine Gemahlin treibt Ehebruch und wird deßwegen verurtheilt. I. IX. 1335. b. Frotho Königs in Cimbern seine Macht und Thaten. II. V. 873. b. kömmt dem König Eris zu Hülffe wider die Norweger. II. V. 888. a. kommt in Gefahr. II. V. 889. b. läst die gestrandeten Römer loß. II. VII. 1236. b. wird mit einer Grabschrifft beehret. II. IX. 1633. a.

Fruchtbarkeit ihr Sinnbild. II. I. 176. a. wird in einem Schauspiel vorgestellt. II. IV. 572. a.

Frühlings sinnreiche Vorstellung. I. IX. 1377. a. Frühling vorgestellet II. I. 173. a.b.

Fühlen will am meisten zur Liebe beytragen. I. IX. 1412. b.

Fulvius ist ein Tugend-Sohn. II. III. 500. b. II. III. 502. b.

Fünsternüße an der Sonne und an dem Mond verleiten offt zur Furcht. I. VI. 782. b. seq. davon sind unterschiedene Meinungẽ. ibid. dienen offters zu Glücke. I. VI. 783. b. so für übernatürlich gehalten. II. V. 745. b. Mond-Finsternüß stillt den Auffruhr der Pannonischen Legionen. II. VI. 980. a. Egyptier ruffen die Finsternüß an. II. I. 206. b.

Furcht / ob sie eine Stiffterin sey der bürgerlichen Gemeinschafft. I. IV. 350. a. was sie thue und nutze. ibid. wird mit Tempeln und Altären verehrt. ibid. was sie verursache. I. IV. 448. a.I. VI. 830. a. etlicher Thiere Furcht für sonderlichen Sachen. I. IV. 448. b. sieget bißweilen. I. IV. 449. a. ist offt nützlich. I. IV. 449. a. ihr wird vom Hercules geopffert. I.V. 527. b. verhindert nicht / daß man nicht halten müsse / was man versprochen. II. VII. 1298. b. hat weder Maaß / noch Ziel. II. VII. 1292. b. in einem Singespiel auffgeführt. II. IX. 1568. a.

Furchtsame Räthe taugen nicht. II. VI. 983. b. Rathschläge / wie sie anzusehen. II. V. 812. b.

Furius ist sonderbahr glücklich. II. III. 501. b.

Fürsten ohne Gesetze. I.I. 14. a.b. ob sie befugt Schätze zu samlen? I. II. 129. b. ob es ihnen anständig sey zu spielen. I. II. 86. a. ergötzen sich mit künsteln. I. II. 86. b. dessen bester Ruhm. I. IV. 348. b. soll nicht kleinmüthig seyn in Unglück I. IV. 446. a. darff aber auch nicht in allem Unglück unempfindlich seyn. I. IV. 447. a. ob es ihnen löblich sey zu bauen. I.V. 679. a.b. können ruhmräthige und mit einem hohen Geiste begabte Diener nicht vertragen. I.V. 630. a. sollen sich nicht groß machen. ibid. b. Fürsten Sinnbild der Paradieß-Vogel. I.V. 676. b. kömmt Sch \nheit zu. I. VI. 762. a. gelehrte Fürsten sind nicht allezeit glücklich. I. VII. 981. a. schicken sich auch nicht alsofort zur Herrschafft. ibid. b. wollüstige thun dem Reich Schaden. I. VII. 1039. a.b. ob er mit ins Treffen gehen soll? I. VII. 1019. a. sind dem Gesetze unterworffen; und ob einen ohne Verhör zu verdammen zu entschuldigen sey. I. VII. 1021. b. wie weit sie dem Urtheil des Volcks unterworffen seyn. I. VII. 1077. b. was sie für Laster an sich haben. I. VII. 1079. b. haben sich im Reden der Kürtze zu befleißigen. I. VII. 1105. a. ihre Fehler werden von den Unterthanen nachgeäffet. I. VII. 1038. b. über derselben Wohlstand bey den Zauberern nachzufragen ist den Unterthanen nicht zugelassen. II. II. 365. a.b. was ihnen für Rache anstehe II. II. 368. a. soll Treu und Glauben halten. I. VIII. 1248. b. neue geben besondere Hoffnung von sich. I. VIII. 1261. a. sollen Meister ihrer Gemüths-Regungen seyn. I. VIII. 1262. a.b. Fürsten herrliches Bild unter dem Herrmann abgemahlet. I. VIII. 1262. a.b. ob und wenn ihm sich zu verstellen erlaubt sey? I. VIII. 1267. a.b. muß Diener haben / und was fůr welche. I. VII. 1102. a. was ihr Ampt sey. I. VII. 1102. b. haben ihre Gewalt vor dem Auffruhr zu bewahren. I. VII. 1066. a. ihre Geschlechter / mit was sie zu vergleichen seyn. I. VII. 1079. a. sind so gut / als ein Geschencke des Himmels. II. VII. 1279. a wie sie zu erziehen / an den Garten-Gewächsen gewiesen. II. V. 757. a.b. ihre Zusammenkunfft ist schädlich. II. V. 778. b. II. VII. 1175. a. haben in Deutschland eine umschrenckte Gewalt. II. VII. 1296. a. ob und wie weit er die Gräntzen seiner Macht überschreiten möge. II. VII. 1297. a. sollen ihr Wort halten. II. VIII. 1337. a. ihre Gnade / wie sie beschaffen sey.ibid. Fürsten / so ohne Zulassung frembdes Gebiethe betreten / können gefänglich eingezogen werden. II. VIII. 1380. b. was sie für Freunde und Diener haben müssen. II. VIII. 1391. a. ob sie über unschuldiger Unterthanen Ehre Macht haben. II. IV. 714. a. wie er sich gegen seine Unterthanen / gegen Frembde / gegen Diener / und in seinem Wohlstande zu verhalten habe. II. V. 765. b. können sich bißweilen eines Betrugs gebrauchen. II. VI. 1063. a. seq. ihr Wille soll beständig seyn. II. IX. 1505. a. hat sich begnügen zu lassen wenig Land und Leute zu regieren. II. IX. 1550. a.b.

Fürstliche Herrschafft ist die älteste. II. VII. 1254. b.


G.


Gades eine uhralte Stadt von den Tyriern erbauet. I. IX. 1327. b.

Galatien wird von den Deutschen beherrschet. II. VI. 873. b. der Galater Reich ist von den Deutschen gestifftet und gegründet. I. VI. 786. a.

Galba betreugt die Catten. I. VI. 889. b. legt sein Schulrecht ab. II. II. 248. b.

Gallien ein Sitz der Druiden. I. VII. 974. b. fällt in die Knechtschafft der Römer. I. VII. 1029. b. wird von dem Käyser Augustus mit Schatzung erschöpffet. I. VII. 1057. b. wird in einem Schauspiel vorgestellt II. III. 490. a.

Gallier haben ihren Ursprung von den Deutschen / und gehen in Welschland. I. VI. 733. a. gehn über den Rhein. I. VI. 736. a.b. fallen in Deutschland ein. I. VI. 738. a. müssen Friede von den Deutschen kauffen. I. VI. 738. b. Gallier sind die Deutschen. I. VI. 851. a. ihre Buchstaben und Sprache. I. VIII. 1255. b.

Gallischen Fürsten heilen Kröpffe. II. V. 800. b. Gallischen Poetens Schäferspiel. II. IX. 1488. a.

Ganasch deutscher Hertzog rätht zum Kriege wider die R \mer. I.I. 25. b. wird von dem Drusus überfallen. I. IV. 376. b. von dem Tiberius untergedruckt. I. VIII. 1264. b. fordert den Feldherrn unter den Nahmen des Pontischen Königes zum Zweykampff. I. IX. 1367. b.I. IX. 1371. b. liegt an sieben und zwantzig Wunden kranck. II. I. 256. b. läst dem Arpus wegen eingebildeter ihm angethaner Beschimpffung schimpfliche Wort anbieten. II. IV. 439. a. wird in einem Treffen hefftig verwundet. II. IV. 701. b. Graf von Lingen will den Ganasch von Römischer Seite abziehen. II. VI. 1012. wird durch ertichtete Schreiben gegen die Cherusker aufgebracht. II. VI. 1016. a. verlangt wieder in der Deutschen Bündnüß. II. VII. 1241. b.

Ganges / ist ein Fluß in Indien. I.V. 892. wird göttlich verehret von den Indianern. I.V. 652. a.b.

Gangolfs obriste Priesterschafft II. VII. 1294. b. seine vernünfftige Reden von der Macht der Unterthanen gegen ihre Fürsten. II. VII. 1295. a.

Gänse erhalten das Capitolium zu Rom. I. VI. 750. b.

Garaman die Hauptstadt der Garamanten wird erobert. I. IV. 485. a.

Garn unterschiedlicher Völcker welches dem andern vorzuziehen. II. I. 186. a.b.

Garrest verräth dem Marbod Godanium seines Vatern Todt zu rächen. II. V. 842. a. kriegt aber seinen Lohn. II. V. 843. b.

Gärten vertreiben vielen Fürsten ihre Sorgen. II. III. 431. a.b. in Asien sind die ersten und schönsten; Gärten in Syrien / Arabien / Egypten und Mohrenland. II. II. 306. a. seq. Garten der Barden ist eine Taffel der Weißheit. II. V. 748. b. II. V. 750. b. einem Fürsten verglichen. II. V. 756. a. seq.

Garten-Gewächse Lehrmeister allerhand Tugenden und der Staats-Klugheit. II. V. 751. b. seq.

Gärtner bemüht sich um eine schöne Jungfrau. I. VII. 1230. a.

Garumna mit dem Mittel-Meer verknüpffet. I. IV. 373. a.

Gastfreyheit zu loben. I. III. 258. a. der Suionen. II. V. 874. b. etlicher Völcker. II. III. 420. a. wird von den Deutschen heilig gehalten. II. III. 420. a. von etlichen Völckern unterlassen / von etlichen in acht genommen. II. V. 527. a.

Gastmahl des Arminius oder des Feldherrn. I.I. 17. a. des Tiberius / da er die Deutschen bewirthet. II. III. 432. a.b. II. IX. 1489. a. Gastmahlen dürffen bey den Römern und Griechen die Jungfrauen nicht beywohnen. II. III. 432. a.

Gastzeichen werden von den Römern den Deutschen ausgetheilet. II. III. 419. b.

Gebährenden Häuser unrein geachtet. II. IV. 730. b.

Gebäude von sonderbahrer Merckwürdigkeit. I. II. 117. b. von dem Feldherrn Ulsing aufgeführet. I. II. 117. b. Irrgebäude Möris Königs in Egypten. I.V. 676. a. siehe bauen.

Gebeth soll sich bey den Persen nicht mit der gemeinen Lufft vermengen. II. I. 190. b.

Gebrauch und Mißbrauch zweyerley. I. IX. 1444. b.

Geburt so neunmahl neun Jahr im Mutterleibe gelegen. I.V. 617. b. Geburten zeugen andere Geburten. II. IX. 1499. a.b.

Geburts-Glied ein Sinnbild der Tapfferkeit. II. IV. 729. b.

Geburts-Tag des Augustus wird gefeyert. I. IV. 354.a.b. und Sterbens-Tag. I.V. 712. b. Geburts-Tag des Käysers wird von dem Drusus begangen. II. II. 302. b. der Thußnelden wird gefeyert. II. I. 162. a. seq.

Geburts-Zeichen grosser Geschlechter. II. V. 800. b. wo sie herrühren. II. III. 801. a.b.

Gedächtnüß grosser Helden nicht in acht geno en. I. III. 233. a.

Gedächtnüß-Mahle / siehe Ehren-Mahle.

Gedächtnüß-Qvelle bey dem Brunnen der Vergessenheit. I. IX. 1418. a.

Gefangene Römer werden geopffert. I.I. 69. b. Gefangene von Deutschen werden übel gehalten. I.I. 60.b. Gefangene von Mithridates werden loß gegeben. I.I. 70. a. Gefangener / ob er fliehen könne. I. VIII. 1248. b. II. VII. 1108. b. ob sie auszuwechseln. II. VII. 1212. a.b. wie sie sich anzustellen haben. II. VII. 1096. b. Gefangenen elender Zustand zu Rom. II. VII. 1110. b. werden bey vielen Völckern geopffert. II. VII. 1132. b.

Geheimnüsse den Freunden zu offenbahren. II. I. 14.b. II. I. 15. a.

Gehirne / was es für Speise. I.V. 694. a.

Gehöre wil haben / daß es am meisten zur Liebe beytrage. I. IX. 1411. a.

Geier werden abgerichtet ein gut Zeichen zu seyn. I. VI. 911. a.

Geist und Seele ist einerley. I. II. 169. a. Geister der Lebenden und der Todten. I. II. 167. a. Geister / ob sie durch Beschwehrung können auffgebracht werden. I. II. 168. a. Geister zeugen Kinder. I. II. 170b. Geister über die Länder. I. IV. 414. b. werden von den Römern allen Sachen zugeleget. II. VII. 1180. a.b. Feld-Berg- und Wasser-Geister in einem Schauspiel vorgestellt. II. V. 865. a.b. höllischen Geister zweydeutige Redẽ. II. V. 1606. a.b.

Geistliche / warumb sie nicht eben zu regieren geschickt seyn. II. V. 865. a.b.

Geitz streitet mit Wollust / Vernunfft und Ehrsucht umb den Vorzug. II. IV. 572. a. wird in einem Singespiel auffgeführt. II. IX. 1567. a.

Gelbe Blumen wollen den Vorzug haben. I. IX. 1393. b. Gelbe Farbe / wie sie entstehe. I. IX. 1393. b.

Geld bey den Egypthiern eingeführt. II. II. 339. a.

Gelo wird in einem Schauspiele vorgestellt. II. VIII. 1444. b.

Gelübde der Harpalice. II. I. 30. b. der Keuschheit ob es zu halten. I. VIII. 1277. b. der Keuschheit und Jungfrauschafft bey etlichen für ein Greuel gehalten. II. I. 175. a. der Jungfrauschafft ist vor Deucalions Sündfluth nicht gewesen. II. I. 174. b. wie weit derselben Vermessenheit das Göttliche Verhångnüß erstatte. I. VI. 812. a. siehe Angel \bnüß.

Gemählde spielende verfertiget. I. II. 86. b. siehe Bilder.

Gemeinschafft / so bürgerlich / was sie für einen Ursprung habe. I. IV. 350. a. ist den Menschen angebohren und angenehm. II. V. 734. a.b.

Gemüther der Menschen haben eine sonderbahre Gleichheit. I.V. 505. a. und Verwandnüß. I. IV. 445. a. Gemüths-Schwachheiten tödtlich. I. II. 164. a. Gemüther Unterschied an Garten-Gewächsen fürgestellt. II. V. 757. a. Gemůths-Regungen / ob sie ihren Sitz im Gehirn haben. I. II. 91. b. seq. kommen von dem Gestirne. II. VII. 1107. a. welche am leichtesten zu bezwingen seyn. II. VI. 1048. b. Gemüths-Regungen so tödtlich. I. II. 164. a. ob sie einen zu verzweiffelten Entschlüssungen zwingen. II. III. 451. b. seq. woher sie entstehen.ibid. sind unter der Herrschafft der Vernunfft. ibid. ob sie bey den Thieren befindlich sind. I. II. 91. b. werden von den Stoischen Weltweisen für Kranckheiten des Gemüths gehalten. I. IX. 1344. a. ob sie auszutilgen seyn. ibid. siehe Regungen.

Gemüths-Ruhe ist das höchste Gut. I. VIII. 1214. a.

Gemüths Wachsthum. I. VII. 1098. a.

Gentius / König aus Deutschland / verletzet das Bruder- und Völcker-Recht zu seinem Schaden. I. VI. 879. a. seq.

Gerechtigkeit wird in einem Ritterspiele vorgestellt. I. IX. 1361. a. wird heraus gestrichen. II. III. 538. b. Gerechtigkeit wird von dem Granatbaum fürgebildet. II. II. 338. a.

Gericht / ob es von dem Volcke über die Fürsten zu halten. I. VII. 1081. b. Gerichts-Schärffe in etlichen Exempeln vorgestellt. II. V. 817. b. Gerichts- Hegung über die Ismene. II. III. 538. b.

Germana / eine Stadt in Getulien / den Deutschen zu Ehren erbauet. I. IV. 476. a.

Germanicus / vom Tiberius zum Sohn angenommen / kömmt in Pannonien. I. IV. 491. a. kömmt bey dem Ubischen Altar an. II. II. 235. b. läst das Deutsche Läger stürmen. II. III. 353. a. wird Bürgermeister zu Rom II. III. 515. b. hält eine Zusammenkunfft mit dem Feldherrn. II. IV. 726. a.b. schickt sich von neuen zum deutschen Kriege II. VI. 978. b. stillet den Auffruhr der deutschen Legionen. II. VI. 979. a. will nicht Käyser werden. II. VI. 990. a. fällt in Deutschland ein. II. VI. 996. b. II. VI. 1033. a.b. bekommt das deutsche Frauenzimmer gefangen. II. VI. 1037. a.b. fällt den Cheruskern mit einer Flotte ins Land. II. VI. 1055. b. sängt an die erschlagenen Römer zu verscharren. II. VI. 1056. b. ihm erscheint der Varus. II. VI. 1061.a. leidet Schiffbruch. II. VI. 1066. a. seine grosse Sorgfalt für das Römische Kriegs-Heer. II. VI. 1075. b. kommt in Lebens-Gefahr. II. VI. 1088. a. wird nach Rom beruffen und warum. II. VII. 1115.b. will mit den Deutschen nicht schlagen. II. VII. 1175. b. forschet verkleidet bey Nacht die Gemüther seiner Krieges-Leute aus. II. VII. 1180. b seine sonderbare Trauer. II. VII. 1183. b. wie er sich seines Sieges gebrauchet. II. VII. 1214. b. unversehenen Zufalls. II. VII. 1198. a. setzet ein Sieges-Mahl. II. VII. 1228. b. macht sich auf die See / und leidet Schiffbruch. II. VII. 1232. b. wird von dem Tiberius beneidet. II. VIII. 1318. b. wird aus Deutschland abgefordert. II. VIII. 1319. a.b. reiset aus Deutschland nach Rom. II. VIII. 1345. a. kommt daselbst an. II. IX. 1475. a. wird befehlicht in die Morgenländer zu ziehen. II. IX. 1491. a. kan Zeit seines Lebens keinen Hahn hören. II. IX. 1615. b. wird endlich von dem Piso mit Giffte hingerichtet. II. IX. 1634. b.

Gertrud gebiehrt eine weisse Tochter und einen Mohren-Sohn. I. VII. 1147. a. welcher hernach weiß wird. I. VII. 1151. b. nimmt sich ihres Sohnes an. I. II. 1153. a.

Gertrudis wird als ein Wunderwerck zum Scipio gebracht. I. VI. 845. b. seq.

Geruch giebt den Blumen keinen Vorzug. I. IX. 1396. b. wil am meisten zur Liebe beytragen. I. IX. 1412. a. Geruch etlicher Vögel. I.V. 670. b. fehlt etlichen Menschen. ibid. etliche haben einen sonderbaren Geruch. ibid. etliche sterben davon. I.V. 672. a.

Gesandten Recht ist heilig. I. III. 231. b. Beleidigtes Gesandten-Recht wird gerochen. ibid. Gesandten sollen sicher seyn. I. VI. 762. a.b. Eines Gesandten von Agrigent spitzfündige Begegnüß-I. VI. 762. b. haben ihren Fürsten nichts zu vergeben. I. VI. 763. a. etlicher sonderbahre Klugheit. ibid. soll nicht verhast seyn. I. VI. 770. b. Gesandten-Recht wie weit es unbeleidlich. I. VII. 986. a. Gesandten- Recht ausgeführt. II. IV. 719. a. seq. Gesandten können keine frembde Unterthanen unter ihr Gericht ziehen. II. VIII. 1381. a. wenn einer köñe mit Recht angegriffen werden. II. VIII. 1381. a.b. Gesandten haben Recht anderer Fürsten ihre Anschläge auszuforschen. II. II. 370. a.b. Gesandten Häuser ob sie unversehrlich. I. VIII. 1280. b. Junius Gesandter von Rom muß sein Leben einbüssen. I. VI. 770. a. Friedens-Gesandten des Marbods. II. II. 335. a.

Gesaten in Gallien. I. VI. 815. a.

Geschencke von Perlen und Diamanten darff die Catta nicht annehmen. II. III. 401. b. welche anzunehmen / welche auszuschlagen. II. IV. 589. a.

Geschichtschreiber soll die Warheit sagen. I. VI. 753. b.

Geschlechter von hohen Alter. I. III. 280. b. Geschlechter Merckmahle. II. V. 799. b.I. III. 294. a.

Geschmack will am meisten zur Liebe beytragen. I. IX. 1412. a.

Geschöpffe können nicht Gott seyn / geben aber Gott zu erkennen. I.V. 553. a.b. sind Beweißthümer einer unbegreiflichen Gottheit. I. 9. 1340. a.

Geschrey in einem Singespiel vorgestellt. II. IX. 1568. a.

Geschwister-Heyrathungen sind unglücklich. I. VI. 776. b. nicht zugelassen. II. IX. 1613. a.b. siehe Schwester.

Geselligkeit ist den Menschen angebohren und angenehm. II. V. 734. a.b.

Gesellschafft so bürgerlich was sie für einen Ursprung habe. I. IV. 350. a.I. IV. 352. b.I. VI. 736.b. siehe Gemeinschafft.

Gesetze zum Abgotte gemacht. I. VII. 1014. a. der Römer so ungerecht. I. VII. 1014. a. sind die Seele der Reiche. I. III. 310. a.

Gesichte will am meisten zur Liebe beytragen. I. IX. 1411. a. Gesichts Vortrefflichkeit. I.V. 546. a.

Geßko Stadthalter in Lilybeum verlanget Sophonisben. I. VI. 802. b. seq. sein schmählicher Todt. I. VI. 805. a.

Gespenste zeiget sich dem Drusus. I. IV. 413. a. erscheinen sonst. I. IV. 417. a. ob sie Ungewitter verursachen. I. VII. 1125. a. Gespråche von der Tugend des Marbods mit einem Einsiedler. I. VII. 1095. a.b.

Gespråche des Hertzogs Jubil von Veränderung der Liebe mit Leitholden. II. I. 52. a. seq.

Gespräche des Ariovists und des Zirolanẽ von seiner Liebe. II. V. 921. a.b. Liebes-Gespräche des Flavius und der Erato. II. I. 15. b. des Sadals und der Apame. II. I. 45. b. Gespråche zwischen der Thußnelden und anderer Deutschen von H \ffligkeiten mit der Agrippine. II. III. 397. b. des Feldherrn und des Flavius in ihrer Feindseeligkeit. II. VII. 1171. a. der Agrippine und des deutschen Frauenzimmers von der Unbeständigkeit. II. VI. 1046. a. seq. des Cornelius Celsus mit einem Kräuter-Manne von der Heilungs-Kunst. II. III. 479. b.

Gestanck der Böcke eine Straffe für die Weiber. I.V. 671. a.

Gestirne ob sie einen mit ihren Einfluß zu verzweiffelten Dingen zwingen. II. IV. 451. b. ihre Wirckung. I. III. 265. a. verwandeln ihren Stand. I. III. 266. a. Gestirne sind der Ursprung der Gemüths-Regungen. II. VII. 1107. a.b. können nicht das Verhängnüß einer Stadt andeuten. II. VII. 1288. b. siehe Irrgestirne.

Gesundheit-Trincken ist schon bey denen Römern gebräuchlich gewesen. I. IX. 1365. b.

Geten Råuber auf dem Euxinischen Meere. I.V. 519.b. Geten Könige haben eine dienstbare Herrschafft. I. II. 143. a.

Getichte über einer Höhle. I.I. 9. a. trägt eine Bitte an die Geister in der Hand einer Leiche für. I. IX. 12.a.b. Artabazes auff Armenien. I. III. 219. a. über die Einsamkeit und Unbeständigkeit des Hoffes. I.V. 556. a. unter einem Paradieß-Vogel / als einem Sinnbilde der Fürsten. I.V. 677. a. Getichte allerhand Liebhabenden zu Ehren einer schönen Jungfrau angestimmet. I. VII. 1127. b. seq. eines Triton gegen Asblasten gesungenes Getichte. I. VIII. 1199. b. Etliche Getichte dem Herrmann und seiner Thußnelden zu Ehren. I. VIII. 1179. b. Getichte von der Tapfferkeit abgesungen. I. IX. 1369.b. auf des Feldherrn Sieg wider die Römer. I.I. 65.a. der Antonia über die Muräna. I. IV. 385. b. über der Vermählung des Feldherrn mit Thußnelden. I. IX. 136. b. über die Vortreffligkeit der Perlen. I. IX. 1375. a. auf Thußnelden von Julien gesungen. I. IX. 1376. b. über die Blumen. I. IX. 1380. b. auf die Rose. I. IX. 1401. a. eines deutschen Barden auf den Herrmañ. I. IX. 1404. a. der Barden über Herrmanns Thaten. I. IX. 1423. a. auf die Liebe. I. IX. 1425. a. II. I. 45. a. Lobgetichte der Agrippina. II. V. 1349. a. auf den Lentz. II. I. 173. a.b. auf die Sonne. II. I. 175. b. auf den Herbst. II. I. 176.a.b. auf den Winter. II. I. 183. b. auf den Hertzog Melo. II. II. 261. b. über die Geburt des Thumelichs. II. II. 364. a.b. auf die Krafft der Liebe. II. VIII. 1440. a. über den Frieden zwischen den Römern und Deutschen. II. II. 389. b. Allerhand Getichte von Roms Hoheit. II. III. 390. b. unter Hermions Bild II. IV. 960. a. der Barden bey Ablegung der Huldigung der Langobarder an den Feldherrn. II. VII. 1307. a.b. auf die Säule der Hermengardis aufgerichtet. II. VIII. 1352. b. vom Mercur und dem Germanicus. II. VIII. 1345. b. auf des Käysers Tiberii Thaten. II. I. 1523. b. auf den jungen Herrmann. II. IX. 1527. b. der Sentien an Bojocaln. II. IX. 1592. b. über den vermeinten Todt des Feldherrn. II. IX. 1598. a.

Geträncke allerley Art. I.V. 882. a.

Getulier kriegẽ wider den König Juba. I. IV. 474. a.b.

Gewächse so frembde ob sie den Einheimischen fürzuziehen. I. II. 107. a. Garten-Gewächse Lehrmeister der Regierungs-Kunst und andern Tugenden. II. V. 751. b. seq.

Gewissens-Angst Beschaffenheit. I. III. 234. a. ein gutes Gewissen ist der gröste Schatz in der Welt. I.V. 695. b. das böse ist die ärgste Marter. I.V. 696. b. Gewissens-Ruhe ist ein köstlicher Schatz. I. VIII. 1288. a.

Geyer siehe Geier.

Gifft zu bereiten für die sterben-wollendẽ. I. IV. 481.b.

Gifft auszusaugen gewöhnte Völcker. I. VIII. 1253. b. aussaugen macht gesund. I.V. 507. b. verlangt der Adgandester von Tiberio den Feldherrn damit hinzurichten. II. IX. 1359. a. Gifftmischer ist Meherdates. II. VII. 1122. a. Gifftmischerey der Ada.II. I. 96. a. seq.

Glaube wird von den Römern nicht gehalten. I.I. 24. a. ob er auch Untreuen und Räubern zu leisten. I. VI. 869. a. Glaubens Zwistigkeiten sind in der Blüte zu dämpffen. I. IX. 1331. b. Glaube macht gesund. I.V. 507. b. siehe Treue.

Glaucias König in Ilyrien hält sich wohl. I.V. 535. a.

Gleißnerey ob sie bey einen Fürsten ärger sey als Unglauben. II. VII. 1269. a.b.

Glessaria ein Eyland bey Godanium. II. V. 851. b.

Glied männliches und weibliches Geschlecht verehret. I. III. 302. b.

Glöcklein bey dem Gottesdienst gebräuchlich. II. V. 760. a. wird von dem Obersten Barden am Halse getragen. II. V. 761. a.

Glücke wird beschrieben. I.V. 652. b. wie es mit der Liebe stehe. ibid. wie es beschaffen. II. VII. 1302.b. II. VIII. 1319. a.b. steht selten bey der Tugend. I.V. 539. a.b. kömmt zu den Schlaffenden. I. III. 297. a.b. wird mit Tempeln verehrt. I. III. 297. b. was es sey. ibid. wie es zu halten sey. II. VI. 1046.b. in einem Schauspiele vorgestellt. II. III. 486. a. II. III. 492. a. in einem Tantze. II. IV. 572. b. II. IX. 1560. a. singt den Lob-Gesang der Liebe. II. VII. 1406. a. Glücks-Bild verbietet den Römern zu schlagen. I. VI. 733. a.b. Glücks-Spiel des Marbods / Juliens und Tiberius. I. VII. 1071. a. Glücks-Topff von Hertzog Herrmannen angegeben. II. IX. 1642. b. Glücks Unbeständigkeit. II. I. 81. a.b. Glücks Unbeständigkeit wird in Reimen entworffen. I.V. 556. b. Trost-Reden über des Glücks Unbeständigkeit. II. VI. 1046. a.b. II. IV. 580. a. Glücks-Zeichen deuten nichts gutes an. II. II. 378.a. Glücke macht die Reiche und Könige ansehnlicher als die Tugend. II. IV. 633. a.b.

Gnade der Fürsten wie sie beschaffen. II. VIII. 1336.a.

Godanium wird von Hertzog Gottwald besetzet. II. V. 840. a. dessen Beschreibung. II. V. 841. a. wird von dem Marbod belägert und endlich erobert. II. V. 841. a.

Gözonar ein Deutscher Fürst in Galatien wider die Römer. I. VI. 873. b.

Gotarth / der Svioner König / kömmt in Deutschland an wider den Feldherrn Aembrich. I. VII. 1009. b. und schlägt ihn. I. VII. 1010. a. geht durch gantz Deutschland. I. VII. 1011. a. stirbt in der Schlacht. I. VII. 1019. a.

Gold wird in Weintrauben in Pannonien gefunden. II. II. 346. b. regnet drey Tage. I.V. 598. b.

Gold-Artzney wider alle Kranckheit. I. II. 178. b.

Gold erhebet die Könige. I. II. 180. b. wird von den Einwohnern der Stadt Babytace verscharret. I. II. 179. a. dessen Gebrauch wird von dem Lycurgo verboten. I. II. 179. b. Gold zu Tolosa aus dem Delphischen Tempel gestohlen machet unglücklich. I. VI. 904. a.

Gold-Axt bekommt seinen Nahmen. I. VI. 746. a.

Gold-Finger. I. II. 101. a.

Gold-Gruben Eigenschafft. I. VII. 1113. a. seq.

Goldmacher-Kunst wird untersuchet. I. II. 175. a. derselben sind Könige zugethan. I. II. 180. b.

Golden-Flüß was es gewesen. I. II. 176. b.

Goldene Katze angebetet. I. II. 181. a.

Gomar Ur-Anherr der Marsen. I. II. 111. a.

Gorgonia / Amazonische K \nigin / verrichtet herrliche Thaten. I.V. 526. b.

Gossypischer Baum in Arabien. II. II. 319. b.

Gotarzes König in Armenien. I. III. 248. b.

Gothen Kriege wider die Egyptier. I.V. 523. a. Gothische Weiber nehmen den Nahmen der Amazonen an. I.V. 526. a.

Gothonen fallen in bürgerlichen Krieg / und kommen hernach unter Marbods Gewalt. I. VII. 1154. b. nehmen hernachmahls Adgandestern zu ihren Hertzog an. II. IX. 1563. b. hernach den Ingviomer. II. IX. 1583. a.b.

Gothonischer Fürsten gewisse Merckmahle. II. VII. 799. b.

Gott ist nur einer. I. IV. 344. a. II. IV. 346. a. kan nicht durch Bilder ausgedrücket werden. I. IV. 346. a. soll nicht seyn / nach der Lehre des Aristippus / Socrates / und des Epicurus. I. IV. 454. b. kan kein Geschöpffe seyn. I.V. 559. a.b. ist aber aus den Geschöpffen zu erkennen. I.V. 553. b. Wird durch einen Zirckel fürgestellt. I.V. 661. b. wie er von den Deutschen geehret werde. II. I. 182. a.b. ist aus den Geschöpffen wahrzunehmen. I. IX. 1339. a. seine Eigenschafften an den Geschöpffen vorgestellt. I. IX. 1339. b. übet das Werck unserer Regung aus. I. IX. 1350. b. was Gott sey / weiß Simonides nicht zu sagen. I. IV. 347. a. ist allein zu ehren. I. IV. 348. a. ist allein zu lieben. II. I. 193.a.b. ist nur einer bey Deutschen. II. I. 72. a. dessen Wesen erwiesen. II. III. 541. b.a.I.V. 709. b. unbekandten Gottes Altar zu Athen. I.V. 590. a.b.I.V. 712. b.I. III. 345. a.I. III. 348. a. Gott soll man Danck opffern. II. IV. 686. b. daß er sey / erwiesen: daß er nicht sey / ob es jemand glauben k \nne? II. II. 271. a ist von allen zu erkennen. II. II. 274. a.b.

Gottesdienst wird verborgen gehalten. I. IV. 345.a.b.I.V. 658. b. II. I. 182. b. ob er von den Fürsten zu ändern sey I. III. 301. b. ob er eine Erfindung der Staats-Klugheit sey. I. IV. 361. a. Gottesdienst der Völcker frey gelassen. I. VII. 1160. b. wird gelobt. II. III. 539. a.b. Gottesdienst Larve der Staats-Klugheit und Liebe I. II. 166 b. ist bey vielen Völckern auff die Staats-Klugheit gerichtet; nicht aber bey den Deutschen. II. I. 181. a.b. selbigen verändern ist gefährlich. I. VII. 974. b. ob ein frembder einzuführen. I. VII. 975. b. frevelhaffter Gottesdienst der Samnitischen Weiber. I. VII. 985. a. frembder Gottesdienst von einem Fürsten allezeit gedrückt. II. VII. 1268. a. was die Jüden von Gott lehren. II. III. 538. b. Juden Gott wird gebohren. II. VI. 975. b. so man über dem Gottesdienst zwistig ist / bringt es das Land in Gefahr. II. VII. 1268. b. ist eine Grundfeste der Herrschafft. II. VII. 1269 b. ob er des Fürstẽ Recht auslesche / wenn dieser dem Gottesdienst der Unterthanen nicht beypflichte. II. VII. 1267. a. wird zur Ursache genommen von den Unterthanen sich dem Fürsten zu widersetzen. II. VII. 1295. a. Gottesdienst unterschiedener Völcker. II. I. 170. a.b. abgewartet in Hölen. ibid. wird zum Vorschein eines rechtmäßigen Krieges genommen gegen die Deutschen. II. V. 926. b. ein nützliches Werckzeug der Staats- Klugheit. II. VII. 1144. b. der Griechen ist schädlich. II. II. 272. a.b. ist den Unterthanen nicht frey zu lassen. II. II. 272. a.b. ob er für dem Pöfel zu verbergen sey. II. II. 273. a.

Gottesfurcht / so angenommen / ob sie bey einem Fürsten ärger sey / als keine. II. VII. 1269. a.b.

Gottes Liebe ziehet die Seele nach sich. I. II. 139. a. hat nichts unreines an sich. I. IX. 1327. a.

Gottes Nahme bey den alten Celten. II. III. 531. b. ihm kan kein rechter Nahme gegeben werden; doch haben die Brahmanen tausend Nahmen. I.V. 668.b.

Gottes Sti e in den Geschöpffen. II. IV. 686. a.b.

Götter / siehe Schutz-Götter.

Götter Vielheit. I. IV. 343. b. unter vielerley Nahmen einer. I. IV. 345. a.b. Götter im Feuer / Erden / Wasser und Himmel. II. VIII. 1408. b. der Liebe unterthan. II. VIII. 1408. b. sind nicht nackend zu sehen. I.V. 668. b. Bilder der Götter / wie sie vor dem beschaffen. I. IX. 1419. b. seq. Götter angebunden. II. II. 361. b.

Göttlicher Dinge Weißheit versteckt. I. IX. 1351. b.

Gottwald kriegt seinen Sohn und Tochter durch wunderbahre Gelegenheit zu erkennen / und stirbt vor Freuden. II. V. 792. b. Gottwalds Begebenheiten weitläufftig ausgeführet. II. V. 803. wird vor den Hertzog der Gothonen erkennet. II. V. 810. b. Gottwalds Krieg mit seinen Schwestern Marmelinen und dem Marbod. II. V. 827. a. sein mit einem Priester vom Glück und Unglück gehaltenes Gespräch. II. V. 829. a. kommt mit dem Marbod in einen Zweykampff. II. V. 834. a. wird in einer Schlacht geschlagen. II. V. 837. a. wird für todt ausgegeben. II. V. 845. b. wird aus dem Schiffbruch errettet. II. V. 845. a.b. sein Begräbnüß. II. V. 872. a. soll zu Upsal geopffert werden. II. V. 879. a. ziehet wider die Norweger. II. V. 885. a. hält sich wohl in der Schlacht mit Haralden. II. V. 899. b. ko t wieder in Deutschland und wird ihm daselbst sein Sohn genommen. II. V. 910. a. wird ein Barde. II. V. 915. b. Gottwald überfällt und schläget den Marbod. I. VII. 1093. b. wird in einem Treffen mit dem Marbod verwundet. I. VII. 1135. a.I. VII. 137. a. seine wunderliche Ankunfft und Verhängnüß. I. VII. 1152. a. wird mördlich angefallen auf Anstiftung seiner Schwester. I. VII. 1152. b. wird zum Reichsfolger erkläret. I. VII. 1154. a.

Gottwald der Jüngere / (sonst Ehrenfried geheissen /siehe Ehrenfried.) II. V. 840. a. wird wunderbahr errettet. II. V. 851. a.b. hält sich tapffer in der Schlacht. II. VIII. 1194. b. verirret sich in einem Walde; und lässet sich nachdem gegen den Feldherrn verhetzen. II. IX. 1539. a. erweiset gegen den Feldherrn eine grosse Untreu. II. IX. 1571. a. 1573. a.b. seq. nimt das Marckmännische Reich ein. II. IX. 1575. a. kommt wieder darum / und muß bey den Römern Unter- und Auffenthalt suchen. II. IX. 1576. a.b. und stirbt kümmerlich zu Forum Julium. II. IX. 1577. b.

Grab heilig zu halten. I.I. 63. a. können ohne Nachtheil eröffnet werden. II. IV. 599. a. Gräber werden fleißig besuchet. II. VI. 971. b. Grabmahle der Deutschen. I.I. 29. a. Grabmahl Ivons König der Seeren. I.V. 641. a. Grabmahle sind unversehrlich.II. VI. 1083. a. Grabmahl der Könige machen ihre Eitelkeit berühmt I. VII. 1109. b. Grabmahle werden den Thieren aufgerichtet. I. VII. 1118. Grabmahl des Käysers Augustus beschrieben: ihm werden gewisse Einkünffte verordnet. II. VI. 972. b. des Drusus wird von den Legionen zerstöret. II. VII. 1162. b. siehe Begräbnüß.

Grabschrifft weissaget von Hertzog Herrmannen. I.I. 29. a.b. des Cajus. I. III. 249. a. der Sylla. I. VI. 943. b. des Mithridatens. I. VI. 950. b. der Calpurnie des Marius Tochter. I. VI. 909. b. auff den Spartacus. I. VI. 954. a. des Libys auf den Varus.I.I. 81. b. des Scipio. I. VI. 743. b. Thuisco. I. VII. 1119. a.I. VII. 1120. a. des Ariovistens. I. VII. 1122. a. über des Mäcenas und Terentien Grab. I. VII. 1222. b. der Königin Apame. II. I. 65. b. über Käysers Augustus Grab. II. VI. 971. b. Sentiens II. IX. 1544. a. des Gottwalds. II. IX. 1577. a. Adgandesters. II. IX. 1581. a. des Feldherrn. II. IX. 1594. a. verdient ein Königreich. II. IX. 1633. a. siehe Uberschrifft.

Gracchus (Sempronius) ein Tugend-Sohn. II. III. 502. b.

Gräntz-Gott will dem Jupiter nicht weichen. II. VIII. 1344. b.

Granat-Apffelbaums Nutzbarkeit und Vorzug II. II. 338. a.

Grausamkeit gegen die Feinde verübet. I.I. 71. a. macht furchtsam. I. IV. 428. b.

Griechen Schiffarthen. I. II. 126. b. führen Krieg mit den Amazonen unter dem Hercules. I.V. 527. a. mit Deutschen. I. VI. 779. a. ihre Städte verlieren ihre Herrschafft / weil iedwede herrschen wil. I. VII. 1007. b. verstecken die göttlichen Geheimnüsse. I. IX. 1351. a. ob sie mit den Deutschen einen Ursprung haben. II. II. 262. a.b. haben einerley Gottesdienst. II. III. 928. a.b.

Griechen Weltweisen in Deutschland. II. II. 262. a. Griechen woher sie ihre Weißheit geholet. II. V. 745. a. Griechische Weißheit bey den Juden verflucht. II. V. 745. b. Griechische Sprache in der Welt gemein. II. V. 747. b. Griechen sind dem Trunck ergeben. I.V. 581. b. pralen mit ihren Thaten. I. II. 95. a. Griechische Helden in einem Auffzug aufgeführet. II. III. 441. b. haben einen Streit mit den R \mern. II. III. 442. b. Griechen haben Parthische Könige lieb. II. IX. 1489. a.

Griechenland ist ein Schauplatz grosser Kriege. I. VI. 864. a. von R \mern angefochten. I. VI. 876. a. wird römisch. I. VI. 939. b. wird in einem Schauspiel vorgestellet. II. III. 489. b.

Grondeberg Fürstin in Cimbern wegen Schönheit berühmt. I. II. 145. a.

Grösse eines Menschen aus den Gliedern zu urtheilen. II. I. 224. b.

Grubenbrand vereinbahret den Viader mit der Spreu.I. IV. 372. b.

Grundzeug der Natur ein Auffenthalt menschlicher Gebrechen. I. VII. 1097. b. siehe Elemente.

Grüne Farbe wie sie entstehe. I. IX. 1393. b.

Gudwil König in Pannonien kommt im Morast um. I. II. 150. b.

Gueicing kluger Feldherr bey den Serern. I.V. 603. b.

Gülden Vließ was es gewesen. I. II. 176. b. güldene Katze angebetet. I. II. 181. a.

Gürtel einer Amazonischen Fürstin soll Hercules holen. I.V. 527. a. Gürtel-Kämpffer zu Sparta. I. IX. 1414. a.

Gut / das höchste / nach der Stoischen Weißheit. I. IV. 452. a. bey dem Aristippus. I. IV. 453. a.b. der Griechischen Weltweisen. II. II. 266. a.


H.


Haare abschneiden ist ein Zeichen der Trauer. I. IV. 486. b. werden den Göttern geopffert. ibid. Haar abschneiden ist Klagens Art. I.V. 661. a. Haare werden in Ehren gehalten. I. VI. 749. a. welches die schönsten seyn. II. I. 151. b. Haare Hochschätzbarkeit und Heiligthum bey den Alten. II. I. 184. a. Haar Zierde bey vielen Völckern. II. 1284. a.

Haase verrückt dem Marbod sein Vorhaben. II. II. 373. a.b.

Häphäftion wie herrlich er von Alexandern dem Grossen sey begraben worden. II. VI. 946. a. seq.

Hamelberg wird von dem Feldherrn erobert. I. VIII. 1309. a.b.

Hamilcar Feldherrn der Carthaginenser verrichtete Thaten. I. VI. 792. b. wird enthäuptet. I. VI. 794. b.

Hanchug berühmte Stadt bey den Seren erobert. I.V. 623. a.b.

Handels-Leute dürffen nicht zu den Catten. I. VII. 1058. a.

Handlungs Werth und Unwerth / ob solche dem Adel anständig oder unanständig. I. VII. 1058. a.b. siehe Kauffmannschafft.

Handels-Gesellschafften angerichtet. I. IV. 363. b.

Hannibal wird von den Deutschen aus Agrigent bracht. I. VI. 789. a. kommt in Sicilien an mit einer Flotte. I. VI. 791. a.b. streitet in Africa mit unterschiedenen Völckern. I. VI. 806. b. seq. muß seinem Vater einen ewigen Haß gegen die Römer schweren. I. VI. 818. b. seq. erwirbt ihm Clodomirs Tochter. I. VI. 820. a. belägert Sagunt. I. VI. 822. a. bricht über die Alpen in Italien ein. I. VI. 823. a. verliert ein Auge. I. VI. 824. a. gewinnt die Schlacht bey Cana; kan sich aber derselben nicht gebrauchen. I. VI. 832. b. seq. macht ein Bündnüß mit König Philippo in Macedonien. I. VI. 835. b. lässet Agathoclen zerreissen. I. VI. 842. b. ist hernach unglücklich. I. VI. 844. a. kan sich in das Verhängnüß nicht finden. I. VI. 846. a. wird von dem Scipio geschlagen. I. VI. 850. b. gröste Krieges-Mann. I. VI. 852. a. wird mit Scipio verglichen. I. VI. 852. b. geht zum Antiochus über. I. VI. 857. b.

Hanno führet seine Landes-Leute in das Atlantische Eyland. I. II. 222. a. des Carthaginensischen Feldherrn verrichtete Thaten. I. VI. 789. a.b.

Harald schläget mit den Cimbern. II. V. 891. b. wird in einem Zweykampff von Gottwald erlegt. II. V. 901. b.

Harffe der Welt. II. I. 219. a.b. die allervollkommenste ist der Mensch. II. I. 222. b.

Harteck woher und wie er den Nahmen bekommen? I. VI. 758. a.

Hartmann ein deutscher Hertzog rächet seinen Bruder gegen die Römer. I. VI. 772. a.b. wie er mit dem Zunahmen genennet worden. I. VI. 772. b.

Haß auf einem Bilde entworffen. I. VIII. 1179. b.

Hauffen / so heilig / bey den Thebanern. II. VII. 1211. a.

Haupt des Varus wird geopffert. I.I. 69. b. des Posthumius zu einem Trinck-Geschirr gemacht. I. VI. 835. b. siehe Köpffe.

Hauß des Augustus fürgestellt. II. VI. 957. a.

Häuser der Gebährenden unrein geachtet. II. IV. 730. b.

Häyn der Göttin Tanfana. I.I. 7. b.

Hedwig / Gottwalds Gemahlin / gebiehrt Zirolanen.II. VII. 802. b. zeuget eine Tochter / und nennet sie Clotildis. II. VII. 811. b. sich ungebärdig bey dessen Verlust. II. V. 813. a. nimmt Mechtilden ihr Kind II. V. 816. a. streitet deßwegen mit ihr / vergleichen sich aber nach über sie vorhergegangenem Gericht. II. V. 817. a. seq. hat einen sonderlichen Traum. II. V. 1615. a. muß auff Godanium fliehen.II. V. 844. a.b. wird todt geschlagen. II. V. 851. a.

Heere sollen mittelmäßig seyn. II. VI. 1009. b. seq.

Heil auff einem Bildnüß darff niemand sehen bey den Aegiensern / als die Priester. II. I. 56. a.b.

Heiligthum / siehe Tempel.

Heilung durch Anrührung. II. V. 800. b.

Heilungs-Kunst / ein Gespräch hiervon. II. III. 479. b.

Heimligkeit hat sich ein Fürst zu gebrauchen. I. VIII. 1266. a.

Helden nicht nach Verdienst gerühmt. I. III. 233. a. befällt offt eine Schlaffsucht. I. VI. 916. a. wie sie zu Rom belohnet worden. I. IX. 1419. a.b. reitzen zur Nachfolge an. I. IV. 340. b. seq. werden göttlich verehret. I. IV. 342. b.I. IV. 359. a. Helden- Nahme bey der Vor-Welt gemein. I. IV. 383. a. Helden Griechenlandes in einem Auffzuge vorgestellt. II. III. 441. a. seq. Helden Deutschlandes ebenfalls in einem Auffzuge vorgestellet wie sie für ihre Freyheit fechten. II. III. 445. a.b.

Helena weinet über ihren Spiegel. I. IV. 468. a.

Helvetier werden von dem Ariovist gedrückt. I. VII. 988. a. kommen mit dem Julius in einen Krieg. I. VII. 990. a.

Herbst vorgestellt. I. IX. 1381. a. II. I. 176. a.b.

Hercules soll einer Amazonischen Königin Gürtel bringen. I.V. 527. a. muß dem Schrecken opffern.ibid. b. ist feste. I.V. 528. a. erlanget den Gürtel.ibid. b. wird von den Deutschen angeruffen. I. VII. 977. a. soll bey ihnen entsprossen seyn. I. VII. 977. b. wil den Taleman erschlagen. I.V. 630. b. schläget den Hesperischen Drachen todt. II. VIII. 1440. b. seq. was er für Schiffarth vollbracht. I. II. 129. a. ober in Deutschland gewesen. I. IV. 374. b. sind viel dieses Nahmens gewesen. I. IV. 374. b. den Deutschen fürgestellt in einem Auffzuge. II. 3. 444. b. in einem Schauspiele. II. III. 496. b. seine Liebe in einem Auffzuge fürgestellt. II. V. 859. a. Hercules Urheber der Träume. II. VII. 1183. a.b. seine Keule. I. VII. 1079. a.

Herennius / Fürst der Samniter / beschleußt die Römer in der Caudinischen Berg-Enge. I. VI. 765. b.

Herrmanns / des Feldherrn / Vor-Eltern. I. II. 110. b. wird von den Römern in seiner Jugend gefangen. I. IV. 379. a. errettet seine Thusnelde aus des Marbods Händen. I. IV. 424. a. wird gebohren. I. VII. 1054. b. hält seinen Einzug nach Deutschburg. I. VII. 1163. a. wird mit Thusnelden vermählet I. VIII. 1176. a.b. seine Gebuhrt und Aufferziehung.I. VIII. 1186. a. wird in seiner Jugend gefangen und nach Rom gebracht. I. VIII. 1187. b. errettet den Käyser Augustus aus dem Meer. I. VIII. 1210. b. seine Ubung und Lob zu Rom. I. VIII. 1211. a. seq. entscheidet scharffsinnig einen Wort-Streit. I. VIII. 1212. a. kommt mit dem Mäcenas in eine Vertrauligkeit. I. VIII. 1213. b. erlegt zwey Crocodile. I. VIII. 1224. wird des Augustus Leib-Wache fürgesetzt. I. VIII. 1824. b. redet dem Tiberius das Wort bey dem Cajus. I. VIII. 1230. a.b. lescht die von den Parden den Römern angethane Schmach einer Niederlage aus. I. VIII. 1231. a. erhält die Post von seines Herrn Vaters Tode. I. VIII. 1244. a.b. trägt der Thusnelden seine Liebe an. I. VIII. 1246. a.b. ihm wird mit Giffte nachgetrachtet. I. VIII. 1252. a.b. kömmt zum andern mahl in Lebens-Gefahr. I. VIII. 1253. a. ziehet heimlich von Rom. I. VIII. 1255. a. tritt seine Regierung an. I. VIII. 1261. a. seine herrliche Anordnungen / Fůrsten- und Staats-Tugenden. I. VIII. 1262. a. nimmt die Feldhauptmañschafft an. I. VIII. 1264. a. wird von einem Geist erinnert seiner ertrunckenen Thusnelde zu Hůlffe zu kommen / und thut es auch. I. VIII. 1290. a. wird von Segesthen gefangen / und kömmt hernach loß. I. VIII. 1295. a.b.I. VIII. 1301. a. nimmt den Marckmännern seine Braut ab. I. VIII. 1301. b. rätht mit den R \mern zu brechen. I. VIII. 1313. a.b. wird zum obristen Feldherrn Deutschlandes erwehlet. I. VIII. 1318. a. ficht in einem Ritterspiele umb seine Thußnelde. I. IX. 1360. b.I. IX. 1367. a. verfällt mit seinem Bruder / dem Flavius / wegen eines falschen letzten Willens des Segimers in Zwistigkeit und Krieg. II. IV. 605. b. seq. kömmt mit dem Germanicus nahe an einander. II. VI. 1058. a. hält mit seinem Bruder Flavius / so auff Römischer Seiten ist / ein Gespräch. II. VII. 1171. a. wird zum Fürsten der Marsen erklärt. II. VII. 1221. b. ist so wohl tapffer / als verständig. II. VII. 1247. a. schlisset Bündnüß und Friede mit den abgetretenen Fürsten Deutschlandes. II. VII. 1246. b. wird zum Hertzoge der Semnoner und Langobarden erwehlt. II. VII. 1294. a. nimmt diese Ehre an. II. VII. 1306. b. wird zum Marckmännischen Hertzogthum beruffen. II. IX. 1571. a.b. wird bey seinen Unterthanen und den Fürsten Deutschlandes verkleinert. II. IX. 1583. a. wird von Ingviomern gefangen. II. IX. 1591. b. dem Schein und Vorgeben nach enthauptet. II. IX. 1593. a. empfähet seine Gemahlin wieder. II. IX. 1599. a.b. kömmt wieder zu seinen Ländern. II. IX. 1600. a.b. empfähet die Cheruskische Crone. II. IXI. 1636. a. und überläßt sie seinem Bruder dem Flavius. II. IX. 1637. a.b.

Herrmann der jüngere wird nach Deutschland geschickt aus seiner Gefangenschafft. II. IX. 1402. a. wird nach Budorgis gebracht. II. IX. 1527. a.

Herrmannsfeld erlangt von Hertzog Herrmannen seinen Nahmen. I. VIII. 1311. a.b.

Herrmannsstadt / sonst Boviasmum. II. IX. 1588. a.

Hermegildis Rache gegen einen Sach-Redner. I.I. 62. a.

Hermegildis muß ihrer Mutter Arimenen eine stetswährende Feindschafft wider die Römer schweren.I. VI. 818. b.

Hermengarde / in einen Römer verstellt / erzehlt dem Deutschen Frauenzimmer die Reue des Siegemunds. II. VII. 1102. b. läßt ihren Sohn für den Thumelich schlachten. II. VII. 1139. b.

Hermengardis stifftet Friede zwischen den Römern und Deutschen. II. VIII. 1331. a. ihr werden Ehren- Säulen auffgerichtet. II. VIII. 1332. a.b.

Hermes Lehre in Säulen geschrieben. II. III. 537. a.

Hermildis / eine Pannonische Hertzogin / ficht mit Ingram. I. II. 147. b.

Hermion der erste Feldherr aus dem Cheruskischen Hause. I. II. III. b. sein Bildnüß. II. IV. 686. b. was darauff für ein Getichte gefunden worden. II. IV. 690. a. ist in Gefahr des Lebens. I. II. 112. b.I. II. 113. a.

Hermions-Berg königlicher Sitz der Beherrscher Deutschlandes. II. IV. 686. b.

Hermunduren werden vom Drusus überfallen. I. IV. 410. a. Auffstand wider ihren Hertzog Briton. I. VII. 1065. a. fangen einen bürgerlichen Krieg an. I. VII. 1066. a. werden von dem Hertzog Jubil bezwungen und unterwürffig gemacht. II. IX. 1565. a.

Hermunduris in einem Singespiel auffgeführt. II. IX. 1565. a.

Herodes befiehlt nach seinem Tode viel vornehme Leute zu tödten. I.V. 633. b. wird König in Parthien. II. VII. 1121. b.

Herodotus verstellter Nahme der Erato. II. VII. 1605. b.

Herrschafft ist süsse. I. III. 316. a. ist die beschwerlichste Dienstbarkeit. I. VII. 1096. a.b. Herrschaffts-Art welche am besten sey? II. VII. 1254. a. seq. Herrschafft der Weiber / wie weit sie glücklich gewesen und zu verwerffen sey. II. VII. 1265. a. seq. eintzele Herrschafft welche am besten sey. I. VII. 1080. b. Herrschaffts-Begierde ist überall zu finden. II. VII. 1294. b. Herrschafft niederlegen ist ein Werck der Klugheit. I. VII. 1106. b. Siehe Abdanckung vom Regiment.

Herrschsucht in einem Spiele singende eingeführt. II. IX. 1566. b.

Hertha bey den Deutschen / ob sie eine Göttin sey. I. IV. 346. b. das erste Weib. I. VI. 732. b. ihr Heiligthum. II. I. 170. a. wie sie von den Deutschen verehret werde. II. I. 171. a. ihr Feyer. II. I. 172. a.b.

Hertz oder Liebe / welches am ersten zu leben anfange. II. I. 12. a.

Hesperiden in einem Schauspiele auffgeführt. II. VIII. 1439. a. werden auff fürstlicher Vermählung vorgestellet. II. IX. 1639. b.

Hetrurien ist der Geilheit und Unzucht ergeben. I. VI. 744. a.

Heucheley was sie für Schaden den Fürsten thue? I. VII. 1099. b. ob sie bey einem Fůrsten ärger sey als der Unglaube. II. VII. 1269. a.b. Heucheley der Messala Valeria bey dem Grabe des Augustus. II. VI. 946. a.b. der Staats-Klugheit höchste Tugend.I. VIII. 1283. a. dem Feigenbaum verglichen. II. II. 320. b. zu Hoffe eine Sclavin. I. VII. 1039. a.

Hevinserich wird mit der Irmengardis vertraut. I. VII. 984. a. macht einen Schluß die Barden zu vertilgen. I. VII. 984. a.b.

Heydexe errettet den Feldherrn Alemann. I. II. 119. a.

Heyrathen der Fürsten was sie vor eine Bewandnüß haben. I. III. 279. b. Heyrathen ungleicher Personen I. III. 280. a. Heyrathen zwischen. den Geschwister ist unglücklich. I. VI. 776. b. und unzuläßlich. II. IX. 1613. a.b. siehe Hochzeit Beylager.

Heyrath-Gut bey den Deutschen von den Mäñern den Weibern gegeben. II. IV. 707. a. von dem Catumer seiner Adelmunden gegeben. II. IV. 707. b. siehe Brautschatz.

Heyrathungen müssen Liebe zu ihren Boden haben. II. IV. 637. a. versagte Heyrath Ursache vieler Kriege. II. IV. 698. a. Heyrathungen der Fürsten öffters nur von der Staats-Klugheit angesponnen. II. 156. a.b. sind aber unglůcklich. II. I. 157. a. Heyrathungen der Fürsten. I. II. 158. a.I. II. 160. b. Heyrathungen machen das Cheruskische Hauß groß. I. II. 1196. a.b. erfordern Gleichheit. I. III. 321. a.b.

Hiacinth streichet sein Lob heraus. I. IX. 1387. a.I. IX. 1390. a.I. IX. 1391. b.

Hiaoking / Königs der Seren / verrichtete Thaten. I.V. 602. b.

Hiaovus / K \nig der Seren / überwältiget die Tattern. I.V. 603. a.b.

Hiarba / Befehlhaber in Azana / wehret sich auffs äusserste. I. IV. 477. a.

Hiarn / ein Cimbrischer Tichter / verdient mit einer Grabschrifft eine Crone. II. IX. 1633. a.

Hiarne / K \nig Bojorichs Tochter / wird vom Marius geliebt; schlägt aber diese Liebe aus. I. IX. 1329.b. wird zu einer Vestalischen Jungfrau gemacht. I. IX. 1330. b. verbrennt das Schand-Buch der Eliphantis; und wird daher gefangen gesetzt. I. IX. 1333. a.

Hiempsals / Fürstin in Getulien / verrichtete Thaten. I. IV. 475. a. kömmt umb. I. IV. 477. a.

Hierapolis / von wem sie erbauet. I.V. 525. a.

Himmel ist der Ursprung aller Ubereinstimmung. II. I. 220. a.

Himmels Zeichen in einem Schauspiel vorgestellt II. III. 485. b.

Himilco beschützet Lilibäum / und wird von den Deutschen errettet. I. VI. 791. a.b.

Hippodamia in einem Schauspiel vorgestellt. II. III. 498. a. II. VIII. 1410. b.

Hippolyte wird von dem Theseus geliebt. I.V. 527. a. kommt um. I.V. 829. a.

Hippomanes in einem Schauspiel aufgeführt. II. VIII. 1431. b.

Hippon / K \nig in Britannien / hat keinen Geruch. I.V. 670. b. läst viel Eubagen hinrichten. I. VII. 983. b.

Hipsicratea will einem Hertzog opffern. I. VI. 795. a. Hipsicrateens Bild. I. III. 320. a.

Hirnschådel Trinckgeschirre bey den Suionen. II. V. 884. a.

Hirschens langes Alter. I. II. 90. a. seq. wird von Cåsarn in die Freyheit gelassen. I. II. 90. b. mit einem sonderbaren Halsbande. I. II. 90. b.

Hispanien kommt unter die Römer. I. VI. 895. a. von den Carthaginensern fast gantz bemächtiget. I. VI. 818. a. hält bey ihnen wider die Römer. I. VI. 818. b. läst dem Allacius seine Braut ausfolgen. I. VI. 848. a.

Hoangti König der Seren herrschet wohl. I.V. 595. a. erfindet herrliche Sachen; und so werden alle Serische Könige genennt. ibid.

Höchstes Gut der Griechischen Weltweisen. II. II. 266. a.

Hochzeit-Gebräuche bey den Deutschen. I. VIII. 1175. a. siehe Heyrathen.

Hochzeit-Taffel des Feldherrn. I. VIII. 1183. b.

Hoejal König der Seren. I.V. 602. a.

Höffligkeit angelt die Gemüther. I. VIII. 1267. b. verträgt sich mit der Tugend. II. III. 399. b.

Höhle / daraus sich die Barden waschen / von sonderlicher Beschaffenheit. II. V. 759. b.

Hofes Unbeständigkeit. I.V. 558. a.b. II. IV. 576. b.

Hofeleben treibet zur Wollust. I. VII. 1151. a.

Hoffnung Traum der Wachenden. I. VIII. 1299. b. wird in einem Auffzuge vorgestellet. I. IX. 1354. b. Hoffnungs-Vortreffligkeit. II. VIII. 1324. a. Hoffnung hat einen prächtigen Tempel zu Athen. I. III. 207. a. ist ein Merckmahl eines grossen Geistes I. VII. 1043. b.

Hohlenstein beschreibt des Feldherrn Leben. II. IX. 1594. a.

Holderbaumes Nutzen / Vorzug. II. II. 334. a.

Holdinnen halten einen Tantz. I. IX. 1413. a. werden auf der deutschen Fürsten Vermählung vorgestellet. II. IX. 1639. b.

Homerus vierdtes Buch der Ilias macht gesund. I.V. 507. b. entspringet aus des Orpheus Geschlechte. II. I. 29. b. wo er gebohren. II. IX. 1635. b.

Honigs Krafft. I. IX. 1385. b. des Attischen und Colossischen Unterscheid. II. I. 40. a.

Horatius des Mäcenas Gast. I.V. 693. b. stirbt. I. VIII. 1222. b. bey dem Begräbnüß des Augustus fürgestellt. II. VI. 950. b.

Horn von einer Waldgöttin einer Fürstin verehret. I. II. 94. a. bey den Deutschen ein Trinckgeschirr. II. V. 777. a. II. VII. 1214. a. wozu es sonst die Deutsche gebrauchen. II. I. 201. b. H \rner unvermuthend heraus fahrend wahrsagen dem Marcus Genucius Cippus ein Königreich. II. IX. 1548. a.

Hornungs-Feilge will König unter den Blumen seyn. I. IX. 1391. b.

Hostilius (Tullius) in einem Schauspiel vorgestellet. II. VIII. 422. b.

Huffeisen mit zwey Fingern zerrissen. I. VII. 986.a.b.

Hüfften-Weh wie es gheilet werde. II. IX. 1546. a.

Huhansien König der Scythen streitet wider die Seren. I.V. 592. a. ist in Syrmanis verliebt. I.V. 594. a. sein Krieg mit Pirimal König in Indien. I.V. 648.b.

Hulderichs Kriege mit den Römern. I. VI. 897. a.

Hülffe von andern wie sie nicht zu verlangen. I. II. 152. b. Hülffe soll ein Fürst von andern nicht ohne Hülffe begehren. II. VIII. 400. b.

Hun ein deutscher Fürst erlangt Pannonien. I. VI. 784. a.b.

Hun der König der Hunnen erlegt. II. V. 874. a.

Hunde Vortreffligkeit. II. 97. b. ihre Treue. I. II. 98.a. ihrer Herren Dienste. I. IV. 434. b.

Hundsstern wird mit Opffer verehret. II. I. 17. b.

Hunnus König in Britannien / vertreibt seinen Schwieger-Vater vom Reiche. I. II. 161. b.

Hut / königliche fürst- und adelicher was darunter vor ein Unterscheid. II. IX. 1625. a.


J.


Jagello läst bey dem Marbod um Adelgunden werden. II. VIII. 1361. a.

Jäger gewesen seyn läst Darius auf sein Grab schreiben. I. II. 88. a.

Jagt des Feldherrn. I. II. 88. a. herausgestrichen. I. II. 88. a. wird von den streitbarsten Völckern beliebt.ibid. des Marbods. I. VIII. 1273. b. von Hertzog Arpus angestellt. II. VII. 1147. a. in einem Getichte gelobet. II. VIII. 1424. b.

Jahrs Anfang unterschiedener Völcker. II. I. 169. b.

Jahres Zeiten sinnreiche Vorstellungen. I. IX. 1377.a. II. I. 173. a.

Jasmin will Blumen-Königin seyn. I. IX. 1389. b.I. IX. 1098. b.

Jason schifft nach dem güldenen Vließ / kommt in Colchis und wird alldar göttlich verehret. I. III. 208 b.

208. b. was unter dem von ihm geholten güldenen Vließ verborgen werde. I. VII. 1059. b. sein Bildnüß zu Rom. I. VII. 1070. a.

Iberier fechten gegen die Carthaginenser I. VI. 819. a.

Ibis ein Vogel bey den Egyptiern vergöttert. I. IV. 359. b.

Ideessa eine Stadt in dem Moschischen Gebürge. I. II. 288. b.

Jerusalem wird von dem Pompejus eingenommen. I. VI. 949 b.

Illyris ergiebt sich den Römern. I. IV. 495. a.

Illyrischen Reichs Ursprung und vornehmste Zufälle. I.V. 534. b. wird vom Philipp König in Macedonien bezwungen. I.V. 535 a.

Indathyrsus König der Cimbern. I. II. III. a.

Indianer Reichthum. I.V. 653. a.b. halten den Gottesdienst heilig. I.V. 659. a. behalten durch angezogene Bleyschuh kleine Füsse. II. IV. 706. a.

Indianischer Gebräuche Vortrefligkeit. I. IX. 1367.b.I. IX. 1372. a.

Indianische Weiber verbrennen sich mit ihren Männern auf dem Holtzstosse. I.V. 654. a.

Indien auf einem Elephanten reitend abgebildet. I. IX. 1379. b. singt Thußnelden zu Ehren ein Geticht. I. IX. 1376. b. wird in einem Schauspiele vorgestellet. II. III. 489. a. II. V. 867. b.

Ingviomers Rede. I.I. 26. a. ist ein Sohn Aembrich des Feldherrn. I. VII. 1042. a. schlägt mit dem Agrippa und geht hernach mit ihm in Hispanien. I. VII. 1062. a.b. schreibet an den Hertzog Herrmañ. I. VIII. 1247. b. holet den Hertzog Herrmañ ein. I. VIII. 1261. a. erzehlet die Verrichtung seiner Gesandschafft bey dem Marbod. II. II. 368. a. hält sich wider und bey den Römern tapffer. II. VI. 1061. b. seq. wird verwundet. II. VI. 1073. a. zerstöret des Drusus Altar. II. VII. 1162. b. will den Friede des Feldherrn mit den deutschen Fürsten nicht billigen. II. VII. 1247. b. verliebet sich in Adelgunden. II. VIII. 1067. b. hält in eigener Person bey dem Marbod um Adelgunden an. II. VIII. 1389. a.b. erstreitet Adelgunden; welche ihm hierauf vermählet wird. II. VIII. 1460. a. verlieret eine Schlacht gegen den Herrmann. II. IX. 1515. b. wird von dem Marbod beschuldiget / daß er ihn habe umbringen wollen. II. IX. 1556. a. bekommt das Gothonische und andere Hertzogthümer. II. IX. 1583. a.b. macht dem Herrmann seine Unterthanen und andere Fürsten auffsätzig. II. IX. 1583. a.b. will Hertzog der Cherusker werden und wird von ihm geschlagen. II. IX. 1590. a. will die Marsen unterwürffig machen. II. IX. 1594. b. soll geschlachtet werden und erhält durch eine sonderbare Schickung sein Leben. II. IX. 1596. a.b. seq.

Inseln entstehen von neuen. I. II. 126. a.I. II. 184. b.I. VI. 864. a.

Insubrier werden von den Römern überfallen. I. VI. 813. a.b. ihr Krieg mit den Römern. I. VI. 858.a.b.

Inunan Reich der Seren. I.V. 645. b.

Jotape / Alexanders des Antonii Sohns Gemahlin. I. III. 329. b.

Irgebäude des Möris Königs in Egypten. I.V. 676. a.

Irmingardis verfolgt die Barden und Eubagen in Gallien. I. VII. 984. a.

Irrsterne in Bildern vorgestellet. I.V. 565. a. streiten um das Vorrecht. I. VIII. 1208. a. sind sieben Säiten auf der Harffe der Welt. II. I. 220. a.b. werden in den Eingeweiden der Erden gefunden. II. I. 221.b. siehe Gestirne.

Irrthum bezahlet unrecht. I. III. 213. b. Irrthümer der Menschen. II. II. 234. a. sind bey seite zu schaffen. II. II. 278. a.b. alt eingeführte Irrthümer. II. IX. 1615. a.b.

Is Königs der Seren verrichtete Thaten und Regierung. I.V. 598. b.

Isis Bild zu Athen. I.V. 703. b. damit wird Terentia angedeutet. I.V. 704. b. ihr Dienst von Zarmarn vertheidiget. I.V. 709. b. Isis Tempel zu Rom. I. IV. 459. b. Isis Schleyer niemahls aufgedeckt. II. I. 190. b. Isis stellet Agrippina für. II. VIII. 1348. b.

Ismene wird in der Schlacht mit den Römern von dem Zeno zur Beute / und von den Römern gefangen weggeführt. I.I. 38. a.b. seq. entlediget sich aus dem Gefängnüß. I.I. 52. a. stellt die Königin Candace im Mohrenlande für. I. IX. 1406. b. erscheinet in der Gestalt der Feuer-Göttin in einem Auffzuge / und erweiset eine sonderbare Geschickligkeit im Rennen. I. IX. 1414. b. ihre vortreffliche grosse Liebe gegen den Zeno. II. I. 10. a. Gespräche mit ihrem Bruder von beyderseits Liebe. II. I. 10. a. seq. giebt dem Zeno ihre Liebe zu erkennen. II. I. 133. a. seq. Gespräche der Ismenen mit der Zirolanen über ihre Entfliehung. II. VII. 1108. b. seq. Ismene wird von dem Druis in den Bann gethan. II. III. 524. a. will sich nicht in den Catumer verlieben. II. III. 523. b. wird von den Druiden für Gericht gefordert. II. III. 529. b. Ismenens Verantwortung Rede gegen Luitpranden. II. III. 541. a. Ismene will sich umbringen wegen falsch geglaubten Todt des Zeno. II. III. 457. b. streitet darüber mit der Erato. ibid. sauget dem Zeno das Blut aus / und heilet ihn. II. III. 470. a.b. wird nach Rom gefangen geführt. II. IX. 1475. a. nimmt zu Athen bey ihrem Bruder Flavius unter dem Nahmen Zenobius Krieges-Dienste an. II. IX. 1618. a.b.

Istevon / Hertzog in Deutschland. I. II. III. a.

Juba König in Numidien hat mit den Getuliern Krieg. I. IV. 474. a. wird geschlagen und belägert. I. IV. 474. b.

Jubil / Britons / des letzten Bojischen Hertzogs / Sohn / rätht den Krieg wider die Römer. I.I. 23. a. trifft mit des Marbods Leuten. I. IV. 423. b. hält einen Kampff mit Boris / einem Sarmatischen Fürsten. I. IV. 426. a. wird für dem Reichstage befragt. I. VII. 1027. b. wird zum Oberhaupt der Marckmänner erklärt. I. VII. 1087. b. wird von dem Marbod geschlagen und muß entfliehen. I. VII. 1134. a.b. stößt zum Hertzog Herrmannen und wird von ihm auffgenommen. I. VIII. 1303.a.b. fordert den Feldherrn / unter Verstellung des Indianischen Königs / in einen Zweykampff. I. IX. 1367. b.I. IX. 1372. b. Jubils Liebe gegen die Leitholde. II. I. 13. a. verliebt sich aber hernach in die Catta aus einer Staats-Ursache; und sein Gespräch von Veränderung der Liebe mit Leitholden. II. I. 52. a. wird von Malovenden zu einem Zweykampff ausgefordert / und überwindet ihn. II. III. 448. a.b. streitet für Ismenen in einen Zweykampff / und gewinnt. II. III. 559. b. seine Vermählung mit der Fürstin Catta geht wegen Zauberey unglücklich ab und wird auffgehoben. II. VII. 1160. b. Jubil betrübt sich über die schlimme Nachricht von seiner Catta / und sagt ihren Eltern die Vermählung auff. II. IX. 1529. b. seq. nimmt sein Land ein. II. IX. 1564. b. wird in einem Schauspiele auffgeführet. II. IX. 1569. a. schlägt den Gottwald / und nimmt Boviasmum ein. II. IX. 1576. a. wird Hermundurischer König. II. IX. 1578. a.b. wird mit der Catta vermählet. II. IX. 1640. a.

Juden fahren in das Atlantische Eyland. I. II. 121. a. was sie für Schiffarthen verrichtet. I. II. 279. b. ihr Gott wird gebohren. II. VI. 975. b. verfluchen / wer der Griechen Meißheit lernt. II. V. 745. b. ihre Lehre von Gott. II. III. 538. b.

Iven / König der Seerer / führt Krieg mit einem andern Könige der Seerer. I.V. 597. b. wird von der Syrmanis erschlagen. I.V. 614. a. seq. sein Begräbnüß-Mahl. I.V. 641. a.

Jugurtha wird überwunden. I. VI. 904. a. muß verschmachten. I. VI. 907. a.

Julia / des Käysers Tochter / wird von dem Drusus geliebet. I. IV. 389. a. geht arglistig mit Antonien umb. I. IV. 392. b. hat mit ihrer Schönheit den Julius Antonius gefangen. I. IV. 401. a.b. tödtet ihren Ehemann Marcellus. I. IV. 403. a. erbauet eine Stadt nach ihrem Nahmen. I. IV. 417. a. entbrennet in den Marbod. I. VII. 1070. a. wil mit ihm nach Deutschland reisen / aber vergebens. I. VII. 1071.b. stellt die Diana für. I. VIII. 1191. a. wird mit dem Tiberius vermählt. I. VIII. 1197. b. ihre Uppigkeiten verleiten sie zu Zauber- und Kupplereyen. I. VIII. 1225. b. trachtet dem Augustus nach dem Leben. I. VIII. 1226. a. wird verwiesen. I. VIII. 1229. b. soll nicht mehr die Mutter des gemeinen Wesens genennet werden II. VI. 978. a.

Julich / eine Stadt von Julien erbauet. I. IV. 407. b. Forum Julium / daselbst Hertzog Gottwald sich biß an den Todt auffgehalten. II. IX. 1577. b.

Jung macht das Kraut Pusu. I.V. 642. b.

Jungfrauen besingen des Feldherrn Sieg. I.I. 63. a. sind nicht zu entehren. I.V. 619. a. gräulichste Junfrau wird die schönste Frau. II. I. 89. a.

Jungfrauschafft hoch zu halten. I. III. 300. b. seq. bekommt Juno alle Jahr wieder. I. IV. 487. b. wird in Africa für einen Fehler gehalten / und bestehet in der Einbildung. I. IV. 488. b. vor Deucalions Sündfluth nicht gelobt. II. I. 174. b. dessen Gelobung bey etlichen ein Greuel. II. I. 175. a. dessen Verlust für heilig zu halten. II. I. 175. a. wird bey den Deutschen hoch gehalten. II. IV. 703. b. wird durch Fliegen vorgestellet. I. VIII. 1278. a.

Junius / Abgesandter von Rom / muß sein Leben einbüssen. I. VI. 770. a.

Juno theilt Herrmannen seine Thusnelde zu. I. IX. 1373. b. wird von der Terentien fürgestellt. I. VIII. 1194. a. ihre Thaten / Eigenschafften und Erfindungen fürgestellt. I. VIII. 1197. a. bekommt alle Jahr ihre Jungfrauschafft wieder. I. IV. 487. b.

Jupiters Bild. I.V. 571. b. hat drey Augen. I. VIII. 1293. a. bey den Deutschen. I. VII. 978. b. wird ein Freund genennet. I. IV. 352. a. Ammonischer Jupiter. I. III. 262. a. davon eine artige Stachel- Schrifft auff den Tiberius. II. IX. 1523. b. dessen Gottesdienst. I. IV. 484. b. Dodoneischer Jupiter. I. III. 262. a. Jupiters Bildnüß wird von dem Drusus vorgestellt. I. VIII. 1193. b. seine Thaten und Eigenschafften. I. VIII. 1196. a. seine Buhlschafften werden in einem Schauspiel ausgedrückt. II. VIII. 1441. a.

Ivus / Königs der Seeren / Thaten und Regierung. I.V. 598. b.


K.


Kampff der Cyclopen auffgeführt und vorgestellt. I. IX. 1413. a.

Kämpffer / Gürtel-Kämpffer zu Sparta I. IX. 1414. a.

Kaßiopa / erster Brahmen I.V. 659. a.

Katze von Golde wird angebetet. I. II. 181. a.

Kauffmannschafft / ob sie dem Adel anständig sey / oder nicht. I. IV. 363. b. seq. giebet grossen Vortheil. I. IV. 364. a. und wird von grossen Leuten getrieben. I. IV. 364. a. siehe Handelschafft.

Kennzeichen sind etlichen Geschlechtern angebohren. I. VII. 1106. b.

Kessel von 600. Eymern auff 600. Pfeilern gemacht. I. IX. 1333. b.

Keuschheit / so versehret / bey den Deutschen gerochen. I. VI. 741. b. derselben Bildnüß. I. VIII. 1201. b. kömmt auch Fürsten zu. I.I. 14. a.b. ohne Versuchung ist sie nur Schlaffsucht. I. VIII. 1215. b. wird gelobet / und / ob sie eine grössere Hertzhafftigkeit / als die Helden-Thaten der Helden zu achten / untersuchet. I. IV. 439. a.b. wird vorgestellt. II. VIII. 1409. a. derselben Sieges-Lied. II. VIII. 1431. a. in einem Schauspiel auffgeführt. II. VIII. 1435. a. kömmt auch Eheleuten zu. I. IX. 1325. a. Krantz der Keuschheit der Thusnelden von dem Ober-Priester Lybis auffgesetzt. I. IX. 1322. b.

Kihala / eine Göttin bey den Pannoniern. I. II. 150. a.

Kinder sind Pfeiler der Herrschafft. I. II. 174. b. Kinder-Opffer. I.I. 77. b. werden bey den Deutschen im Rhein gebadet. II. II. 363. b. sind Schutz und Ehre der Fürsten. II. II. 365. b. derselbigen Wohlerziehung ist den Müttern zu zuschreiben. II. 131.b. die keine Zähne haben / werden bey den Marsingern und Römern nicht verbrandt. II. V. 815. b. wo sie zu Athen und Rom weggelegt werden seyn. II. V. 816. a. deren Bad und Prüfung bey den Deutschen. II. V. 812. b.

Kirchen-Räuber. I. VI. 782. a.

Kirschen Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 329. a.

Klage-Weiber aus Phrygien. II. VI. 956. a.

Kleider-Pracht ist nicht zu hintertreiben. II. III. 1409.a. Kleider dienen zur Uppigkeit. II. V. 787. a.b. Gewisse Art anzuziehen ist schädlich. II. I. 186. b. weisse Kleider bey den Griechen ein Zeichen und Bild der Freyheit. II. III. 441. b.

Kleinmüthigkeit stehet einem Fürsten nicht an. I. IV. 446. a. ist bey Uberwundenen unanständig. I. IV. 374. b.

Klodomer / Deutscher Fürst / gegen die Römer. I. VI. 766. b.

Klodomir / Sicambrischer Fürst / erlegt den Viridomar in einem Zweykampff. I. VI. 815. b.

Klugheit / siehe Staats-Klugheit.

Knaben-Kraut wil Blumen-Königin seyn. I. IX. 1388. b.

Kochen ist zu Rom eine sinnreiche Kunst. II. V. 776.a.

Komana von denen Vandalen erbauet. I.V. 526. a.b.

König in Persien schickt dem in Indien ein Bretspiel. I. II. 86. a. und ein König in Indien schickt einem Persischen Könige ein Königspiel. I. II. 86. a. Egyptier schreiben ihren Königen alles böse und gute zu. I.V. 635. b. Könige der Geten haben eine dienstbare Herrschafft. I. II. 143. a. Könige der Römer. I. II. 119. b. König der Indianer wiegt sich alle Jahr mit Edelgesteinen ab. I.V. 653. b. Könige bey den Persern und Americanern was sie thun sollen. I. IV. 168. a. Könige / so unter der Gewalt des Volcks. I. VII. 1084. b. Könige / ob und wie weit sie dem Urtheil ihres Volcks unterworffen. I. VII. 1082. b. König / so glücklich und mächtig / wird höher gehalten / als ein tugendhaffter. II. IV. 633.a.b. Könige bey den Galliern und anderswo an Gesetze gebunden. II. VII. 1296. b. ob das Volck Gewalt über sie habe. II. VII. 1295. a. wie die Serische Könige genennet werden. II. V. 595. a. seq. ob sie ihre Reiche verlassen können. II. I. 68. a. Könige in Armenien / was sie thun müssen bey ihrer Crönung. I. III. 314. b. sind den Gesetzen der Natur unterworffen. I. III. 315. a.

Königs-Cron wil die Herrschafft der Blumen behaupten. I. IX. 1387. b.

Königin der Scythen / wie sie erkläret werde. I.V. 622. a.

Königliche Herrschafft / ob und warumb sie den andern vorzuziehen. II. VII. 1254. b. ob sie von Königen könne verlassen werden. II. I. 68. a.

Königs-Spiel / woher es seinen Ursprung habe / und ob es einem Fürsten anstehe. I. II. 86. a.

Kohl heilet zu Rom die Kranckheiten. I.V. 506. b.

Kokisem ein Reich in der neuen Welt. I. II. 122. a. und 124. a.b.

Kokusnüsse Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 331. b.

Köpffe der Gefangenen werden von Deutschen aufgehoben. I.I. 70. a. Köpffe auff dem Tarpejischen Berge gefunden. I. II. 91. b. siehe Haupt.

Korn wird in Pannonien zu Weitzen. I. II. 177. b.

Krähe bestellet Briefe. I. IV. 444. a.

Krancken Glaube macht gesund. I.V. 507. b.

Kranckheiten in einen Baum finden. II. III. 479. a.b. durch Einpflantzung zu heilen. II. III. 482. a. werden durch Anrühren geheilet. II. V. 800. b.

Kraut im Königreich Tangu wird im Wasser zu Koth; im Feuer aber glüend. I.I. 181. b. Kraut Pusu macht alte Leute jung. I.V. 642. b. Kraut Qui vertreibet die Traurigkeit. ibid. Kraut zündet das Oel an. I. VII. 1053. a. von tausend Jahren. I. III. 203.b. Kraut / so fühlet. I. III. 208. a. glüet im Feuer. I. II. 181. b. Kräuter / ob sie eine Seele und Fühle haben. I.V. 608. b.

Kräuter-Manns Gespräche mit dem Cornelius Celsus von der Heilungs-Kunst. II. III. 479. b.

Krieg der Römer mit den Pannoniern und Dalmatiern. I. IV. 489. a.b. seq. mit den Daorichern. I. IV. 493. b. der Amazonen mit Vexores / Egyptischem Könige. I.V. 523. a. der Perser wider die Amazonen. I.V. 529. b. Deutschlandes mit denen Daciern und Sarmatern. I.V. 533. b. des Königs Huhansien mit den Seren. I.V. 592. a. und I.V. 605. b. der Scythen mit den Seren. I.V. 594. b. der Indianer mit den Scythen. I.V. 557. a.b. ersten Kriege der Deutschen. I. VI. 733. a. der Römer mit dem Brennus und den Semnonern. I. VI. 748. a. der Samniter mit den Römern. I. VI. 765. a. der Deutschen mit den Macedoniern. I. VI. 777. a. in Egypten zwischen dem Ptolomäus und Seleucus. I. VII. 786. a. der Römer mit den Carthaginensern. I. VI. 788. b. den Africanern. I. VI. 792. b. der Carthaginenser mit den Spaniern. I. VI. 819. a. der Carthaginenser mit Syphax dem Numidischen Könige. I. VI. 847. a. der Römer mit den Macedoniern geht an. I. VI. 857. a. des Anitlus mit dem Gentius. I. VI. 879. a. dritter Krieg der Carthaginenser mit den Römern. I. VI. 885. a. der Cimbern unter Bojorich mit den Römern. I. VI. 900. a.b. des Sertorius mit den Römern. I. VI. 943. b. des Spartacus mit den Römern. I. VI. 951. b. Bürgerlicher Krieg der Hermunduren. I. VII. 1067. a. der Römer und Parther. I. VIII. 1229. b. der Römer / Dacier und Thracier. II. I. 69. b. des Gottwalds mit der Marmelinen und dem Marbod. II. V. 826. a.

Krieg mit dem Friede verglichen. I. II. 116. a.I. II. 173. a.b. Krieges Ursach und Vorwände ist zweyerley. I. III. 209. b.

Krieg ist auch aus wichtigen Ursachen nicht anzufangen. II. II. 378. b. Krieges Beschaffenheit. II. II. 234. a. Krieges Recht ist scharff. II. VI. 1037. b. Krieg ob er die Freundschafft auffhebe. II. III. 401. b. Krieg ist mit was wichtiges anzufangen. II. VI. 997. a. ist nicht ohnbedachtsam anzufangen. II. IV. 643. a.b. was er für Ursachen haben solle. II. IV. 644. a.b. II. IV. 646. a. ob man sich in der Nach barn-Krieg mischen solle. II. VII. 1276. a.

Krieg ist in des Feindes Lande zu führen. II. VII. 1146. a.b. sollen nicht zwey auf einmahl geführet werden. II. VII. 1300. a.

Krieges-List des Flavius. I. IV. 475. a.

Kriegerische Fürsten sollen mit denen friedsamen abwechseln. I. II. 119. b.

Krone von Papier wird dem Pharnaces auffgesetzt. I. VI. 950. a. von Stahle der Stadt Vindobon Schutzbild. I. II. 151. a.

Kuh ist bey den Brahmanen heilig. I.V. 662. a. ist ein Bild der Fruchtbarkeit. ibid. b. wird herrlich begraben. I.V. 663. b.

Kunigundis reitzet ihren Gemahl zum Friedens-Bruche. I. II. 112. b.

Kunst vertheidiget die Ehren-Säule. I. IX. 1420. a.

Künste machen weibisch. I.V. 612. a.b.

Küsse werffen wohin es ziele II. I. 190. b.

Küssen unter hohen Personen ist eine alte Gewohnheit bey den Deutschen. II. V. 743. b.


L.


Lager der Römer wird belägert. I.I. 53. a. und erobert. I.I. 59. b.

Lager der Römer wird von dem Feinde gestürmet. II. VI. 1572. a. seq.

Lämmer wachsen auf Stauden. II. II. 319. b.

Lämmer-Felle zu was sie vor dem bey denen Deutschen und Nordvölckern gebrauchet worden. I. IX. 1322. a.

Lampeto Königin der Getischen Amazonen. I.V. 526. a. verrichtet grosse Thaten. I.V. 526. a.

Länder haben alle genung sich zu erhalten. I. II 105.b.

Landleben wird von den Helden beliebet. I. III. 246.a.

Landtaffeln des Anaximanders und Alexanders. I.V. 566. a. in Mäcenas Bücher-Saale. I. II. 127. b.

Langarethen einer deutschen Fürstin Helden-Thaten gegen den Marius. I. VI. 913. a.

Langobarden streiten mit den Cheruskern. I. IV. 245.a. werden von dem Tiberius angefallen; vertheidigen sich aber tapffer. I. VII. 1155. a. verfallen mit dem Tiberius in Krieg / und suchen Hülffe bey dem Marbod. I. VIII. 1267. b. Langobarden begeben sich unter den Hertzog Herrmann. II. VII. 1252.a.b. wollen kein Weib zur Herrscherin haben. II. VII. 1265. b. haben von ihrem Reiche eine besondere Weissagung. II. VII. 1274. a.b. werden von dem Marbod überwunden / und er von ihnen zum Könige gusgeruffen. II. VII. 1276. a. Langobarden verfallen in einen Krieg unter sich selbst II. VII. 1272. a. Langobardischer Adel wird vogelfrey erkläret von dem Adgandester. II. VII. 1282. b. ma chen einen Auffstand wider den Marbod. II. VII. 1289. a. kommen wieder zu ihrer Freyheit. II. VII. 1292. b. erwehlen den Feldherrn zu ihrem Hertzog. II. VII. 1294. a. ihre Priesterschafft hat die Herrschafft über ihren Hertzog. II. VII. 1272. a. II. V. 829. a.

Laodice Artavasdes Reichs-Gefärthen in Armenien Gemahlin. I. III. 244. a.b. klagt ihn Unvermögens an. I. III. 248. a.

Lars streitet wider die Deutschen. I. VI. 742. b.

Lasibile wird von Solamin aus dem Pannonischen Reiche vertrieben. I. II. 152. a.

Laster der Fürsten sind schädlich. I.I. 15. b. werden zu Tugenden gemacht. I. II. 87. a. sind anfällig. II. VI. 1018. a.b. was es sey / ist zweiffelhafftig. II. II. 270. a. wem sie zu vergleichen. II. III. 558. b. Laster hoher Personen sind so viel heßlicher. I. VIII. 1225. a. in einem Schauspiel auffgeführet. II. IX. 1617. a.b.

Lasterhaffte Leute sind ärger als Thiere. I. IV. 434. a. und 435. a. Leute und doch berühmt. I. III. 233. b.

Lasurstein. II. III. 405. b.

Läuffer so geschwinde gewesen. I. IV. 444. b.

Leben wird mit dem Schiffbruch verglichen. II. VIII. 1318. a. Lebens wird ein weisser nicht überdrüßig. I.V. 697. b. Gedancken des Mäcenas vom Leben und Tode. I.V. 697. a.b. seq. des Epicurus Meinung hiervon. I.V. 697. a.I.V. 712. a. Lebens Elend und Nichtigkeit ausgedrücket. I. VII. 1109.a.b.

Lehrmeister sollen verständig und eckel seyn. II. I. 179. a.b.

Leibes Wachsthum. I. VII. 1098. a.

Leibes Schwachheit schadet der Tapfferkeit nicht. I. III. 203. a.

Leibes-Früchte so schwanger gewesen und andere gebohren. II. IX. 1499. a.

Leichen zu Rom begraben. I. VI. 943. a.

Leichen Gang dem Käyser Augustus angestellet. II. VI. 944. b.

Leinwands Werth / Herrligkeit und Vaterland. II. I. 185. a.b. seq.

Leitholde eine Marsingische Fürsten-Tochter erkieset ihr einen Bräutigam. I. VII. 1132. a. ist umsonst in Hertzog Jubiln verliebt / und verliert sich hernach von Hoffe. II. I. 161. b. lässet sich der Hertha auf fünff Jahr einweihen. II. I. 191. a.b. hat ihr fünffjähriges Gelübde überstanden. II. IX. 1530. a. wird mit Hertzog Francken vermählet. II. IX. 1640. a.

Lelebisa errettet ihrem Gemahl das Leben. I. III. 274.b.

Leonars des Brennus Sohn verrichtete Thaten. I. VI. 784. a. stifftet mit seinem Bruder das Reich Galatien. I. VI. 786. a.

Lerchenbaum ist beyn Deutschen heilig. II. I. 172. b.

Leuchtenberg ein deutscher Obrister macht den seinigen eine Hertze. I. VI. 759. a.

Leuterthals gedoppelte Verrätherey. II. V. 828. b. II. V. 838. a.b.

Leyer des Apollo macht einen Stein singend. I. IV. 450. b.

Leyer des Orpheus was sie vor einen Klang gehabt. II. V. 908. b.

Letzter Wille des Augustus. II. VI. 945. b.

Libitier deutsche Völcker. I. VI. 733. a.

Libo ein Römischer Edelmann läst die höllischen Geister auf des Käysers Tiberius Leben beschweren. II. VII. 1152. a. seq.

Libys der Oberpriester in Deutschland opffert. I.I. 10. b. billiget die Ehren-Mahle der Helden. I. IV. 342.a. beweiset / daß nur ein Gott sey. I. IV. 344. a. doch in einer dreyfachen Einigkeit. I. IV. 446. a.b. giebet Herrmannen und Thußnelden zusammen. I. VIII. 1170. a. setzet der Thußnelden den Crantz der Keuschheit auf. I. IX. 1322. b. hält ein Gerichte in einem Eichwalde mit den andern Druiden. II. III. 529. a. seq. Libys untersuchet den letzten Willẽ des Segimers / ob er der rechte oder unrechte sey. II. IV. 595. a. redet die dem Tanfanischen Tempel einäscherten Römer an. II. VI. 998. b. wird gefangen. II. VI. 1025. a.b.. wird aus der Römischen Gefangenschafft nebenst andern Gefangenen in Deutschland geschickt. II. IX. 1402. a.

Libyen in einem Schauspiel vorgestellet. II. III. 486.a.

Lichter den Schlaff zu machen. II. IV. 567. a.b.

Liebe gecreutziget und gesteiniget. I. II. 165. a. ist was anders / als Gewogenheit. I. III. 283. b. seq. durch allerhand Sinnbilder vorgestellt. I. VIII. 1178. a. ist ein Wetzstein der Tugend / und Ursache anderer Geschickligkeit; aber keine Kranckheit. I.V. 507. a. Liebe / die vernünfftig ist / wie sie aussehe. II. IV. 637. a.b. rechtschaffene / was sie ausstehe / und wo sie ihren Ursprung her habe. II. IV. 637. b. wird durch Widerwärtigkeit herrlicher gemacht. II. III. 528. a. II. IV. 569. b. Liebe zu Gott / zur Tugend und die eheliche Liebe wird in einem Tantze vorgestellet. II. IV. 571. a.b. Zwist zwischen der Gebuhrts-Freundschaffts- und Ehelichen Liebe. II. IV. 572. a.b. muß dem Beyspiel der Bienen folgen. II. IV. 735. b. ihre Beschaffenheit und Würckung. II. VI. 1031. b. ob sie von Zauberern könne zu wege gebracht werden / und was sie vor einen Ursprung habe. I. IX. 1337. a. derselben befleißigen sich alle Dinge in der Welt. I. IX. 1425.a. ist die scharffsinnigste unter den Göttern. I. IV. 408. a. wird in einem Schauspiele vorgestellt. II. VIII. 1404. a. II. VIII. 1434. a. ihre Gewalt ausgedrücket in einem Getichte. II. VIII. 1404. a. ihren Lob-Gesang singet das Glücke. II. VIII. 1406. b. die Keuschheit. II. VIII. 1435. a. Liebe wird mit Perlen verglichen. I IX. 1375. a. ihr wird ein Altar auffgerichtet. I. III. 336. b. ihr wird im Tempel der Pallas von den Samiern ein Altar gebauet. II. I. II.b. ob die Liebe / oder das Hertze in dem Menschen zu erst zu leben anfange. II. I. 12. a. wie sie entstehe. ibid. wird von den Mohren mit Kohlen abgemahlet. II. I. 13. a. mißtrauerischer und wütender Sinnbild. II. II. 340. b. Liebe höchste Gunst ist die Zusammenkunfft. I.V. 652. a. ist von der Gewogenheit unterschieden. I.V. 652. b. wie es mit ihr stehe. I.V. 653. a. wie sie von der Freundschafft unterschieden sey. II. III. 400. a. ist von unterschiedlicher Art. I. VIII. 1190. a. wird von der Anmuth gebohren. I. VIII. 1192. a. hat keine Gemeinschafft mit dem Tode. II. III. 467. a.b. kan nicht zertheilet seyn. II. III. 473. a. ihre Veränderung ist zuläßlich. II. III. 476. b. schändlicher und heßlicher Liebe Eigenschafften I. VI. 842. b. Liebe mit sonderbahrer Eigenschafft. I. VIII. 1236. a. Liebe durch ein Sinnbild vorgestellt. I. III. 194. a. erfordert Gleichheit. I. III. 321. a.b. singet das gewaffnete Frauenzimmer an. I. IX. 1413. a. wird in einem Getichte gelobet. II. I. 45. a. des weiblichen Geschlechts ist hefftiger / als des männlichen. II. IV. 703. a. das niedlichste in der Liebe. II. IV. 703. a. die empfindlichste und glückseeligste Liebe des Catumers und der Adelmunde beschrieben. II. IV. 702. seq. hat Verwandnüß mit dem Feld- Leben. II. IV. 706. a. des männlichen Geschlechts / ob sie stärcker sey / als des weiblichen. II. V. 929.a. seq. pfleget Erleichterung und Entdeckung zu suchen. II. I. 14. b. zeuget Gegen-Liebe. II. I. 17.a. ihre Geburt / Kindheit und Aufferziehung. II. I. 17. a.b. ist die rechte Wolthat. II. I. 18. a. Liebe ohne Gegen-Liebe ist vollkommener / als andere. II. I. 24. a.b. Liebe der Anverwandten hat zum Ursprunge das Geblüt; die übrige die Sterne. II. I. 25. a.b. ihr Wachsthum / wem es zu vergleichen. II. I. 146. b. siehet nicht auff grosses Gut. II. I. 155. a. was sie vor einen Ursprung habe. II. I. 167. a.b. II. VII. 1106. b. derselben Eitelkeit und Vergängligkeit. II. I. 192. b. Ubermäßige / womit sie zu vergleichen. II. V. 817. a. gleichet dem Himmel. I.V. 549. a.

Liebes Artzeneyen leschen dem Menschen das Licht aus. I. IX. 1337. b.

Liebe der Eltern woher sie entstehe. I.V. 516. b.

Liebes-Feuer dem natürlichen durch allerhand Sinnbilder verglichen. I. VIII. 1178 a. seq.

Liebe Gottes ziehet die Seelen nach sich. I. II. 1396. b. ihre Vortreffligkeit. II. I. 193. a.b.

Liebes-Kranckheiten geheilet. I. II. 165. a.b.

Liebe Richter. II. V. 818. b.

Liebe des Vaterlandes der Ehestands-Liebe vorzuziehen. I. VI. 783. a.

Liebenden Trennung ist unerträglich. II. VIII. 1323.b.

Liebhaber welche wahrafftig solche sind. II. IV. 637.a.b.

Lieupang / König der Seren / streitet wider die Tattern. I.V. 601. b. ist aber unglücklich. I.V. 602. a.

Lieuping / König der Seren und seine Thaten. I.V. 627. a.

Ligurier von den Römern gedrücket. I. VI. 863. a. kommen wieder empor. I. VI. 882. b.

Lilge wil Königin seyn unter den Blumen. I. IX. 1388. a.

Lilibäum in Sicilien wird von den Deutschen erhalten. I. VI. 791. a.

Limonien baums Vorzug uñ Nutzbarkeit. II. II. 339.a.

Lincke Seite ist bey den Alemännern und Asiatischen Völckern die ehrlichste und ansehnlichste. II. V. 744. a.

Linden / heilige Bäume / warsagen den Untergang des Marckmännischen Reichs. II. VII. 1287. a.b.

Lingen / ein Graff / verbrennt mit List die Romischen Schiffe. II. VI. 1062. b.

Gräffin von der Lippe erzehlet die Geschichte der Asblasten. I. VIII. 1188. b. seq.

Livia / des Germanicus Schwester / ist in den jungen Jahren die heßlichste in Rom / und wird hernach schön. II. I. 89. a.

Livia ist mit dem Käyser zu Rom / und läßt sich der Ceres einweihen. I.V. 684. b. II. V. 685. a. ihre Gespräche mit der Asblasten. I. VIII. 1189. a. wil sie zu des Augustus Liebe bewegen. II. VIII. 1190. a. seq. ist eine Kupplerin ihres Gemahls. I. VIII. 1193. a. stellt in einem Auffzuge die Ceres für. I. VIII. 1194. b. streitet mit der Terentia / welche die schönste sey. I. VIII. 1212. a. setzet mit Schmeicheleyen und Liebes-Träncken an die Thusnelde. I. VIII. 1250. a. seq. ihre Gottlosigkeit bey dem Gottesdienste. I. IX. 1332. b. wil die Hiarne zur Liebe des Käysers bewegen. I. IX. 1333. a. wird unter dem Bilde des Bacchus göttlich verehrt. II. II. 292.a. ihre Listigkeit bey des Augustus Tode. II. V. 932. a.b. balsamirt den Käyser Augustus ein. II. VI. 969. a. bleibt 5. Tage in seinem Grabe. II. VI. 972. a. wird Priesterin des Käysers. II. VI. 973. a. ihr Angeben das Parthische Reich in Unruh zu setzten. II. VII. 1118. a. seq.

Livius ist gar zu Pompejisch / und sparet sonst die Warheit. I. VI. 753. b.

Lob / siehe Nachruhm / Ruhm-Sprüche.

Lollius wird wegen seiner Verrätherey hingerichtet. I. VIII. 1252. a.

Lorbeer-Baums Hoheit / Gebrauch und Nutzen. II. II. 320. b. seq.

Loos bey dem Opffer zu Upsal. II. V. 878. b. II. V. 882. a.

Lothus ein Wasser-Brunn. I.V. 641. a.

Lucius des Keysers Enckel ist wollüstig. I. IV. 451.b. wird davon umsonst abgehalten. I. IV. 466. a. liebet ein Mohrisches Fräulein. I. IV. 465. b. sticht den Flavius. I. IV. 472. a. wird von der Dido verwundet I. IV. 472. b. bricht zu Massilien den Hals. I. IV. 483. b. dessen Unart. I. VIII. 1228. a.

Löwen im Ringen. I. II. 102. a.

Lucretia ob sie eben so sehr zu loben. I. IV. 432. a. verglichen mit der deutschen Fürstin Chiomara. I. VI. 868. a.

Lucullus seine Thaten gegen Thracien. II. I. 38. a.b. ist ein Glückskind. II. III. 504. b. streitet wider den Mithridates und Tigranes. I. III. 211. b. ziehet wider den Mithridates. I. VI. 946. b.

Lucumar beflecket seines Vaters Ehebette. I. VI. 741. b. wird dem Brennus überlieffert. I. VI. 744. a.

Ludewig des Brennus Sohn kömmt den Velitern zu Hülffe. I. VI. 753. a.

Ludgardis den Langobarden zur Herrscherin vorgeschlagen. II. VII. 1265. a.

Luft mit einem Tempel verehret. I.V. 565. a.

Luitbrand der fürnehmste Druys an Herrmanns Hoffe beschuldiget die Ismene einer Ketzerey. II. III. 540. b. giebt sich daselbst schuldig und wird gestrafft. II. III. 557. a. steckt einen falschen letzten Willen dem Segimer unter. II. IV. 600. a. ließ sich von Adgandestern zu allerhand leichtfertigen Händeln gebrauchen. II. IX. 1520. b. wird gemartert und sagt falsch Zeugnüß aus. II. IX 1554. a.b. bringt sich selbst um. II. IX. 1554. b.

Lügen ist bißweilen gut. II. VI. 1064. a.b.

Lusitanier gegen die Römer. I. VI. 889. b.

Lüsternheit wird gescholten. I. II. 106. a.

Lusthauß von großer Herrligkeit. II. III. 516. b.

Lutetius ein Glücks-Kind. II. III. 500. a.

Luthers eines Sohnes des Brennus Thaten. I. VI. 784.a. stifftet das Reich Galatien. I. VI. 786. a. ihm wird mit Gift nachgestellet. I. VI. 786. b.

Lycurgus wird im Schauspiel erstochen. II. VIII. 1414. b. seine Gesetz von neuen Eheleuten. I. VIII. 1185. a.

Lygier werden gebändiget. II. V. 821. b. fallen von dem Marbod ab. II. IX. 1564. a.

Lysimachia eine Stadt gehet unter. I. II. 184. a.

Lysimachus König in Thracien und seine Thaten. II. I. 34. b.


M.


Macedonien hat Krieg mit den Deutschen. I. VI. 777.b. wird von ihnen erobert. I. VI. 779. b. von ihnen nochmahls angefallen. I. VI. 784. a. Macedonien verfällt in Krieg mit Rom. I. VI. 857. a. Macedonien wird in einem Schauspiel vorgestellet. II. III. 489. b.

Macedonier kommen in Thracien. II. I. 32. b.

Magilus ein deutscher Fürst schlägt die Römer und hält es mit Hannibaln. I. VI. 823. a.b.

Magnetens Krafft weiset Cheucung ein Serischer Weltweiser. I.V. 636. a. dienet zun Schiffarthen. I.V. 636. a.b. wird von den Seren Göttlich verehret. I.V. 636. a. Magnet stösset das Eißen von sich. II. I. 12. b. Magnet worinnen er seine Krafft verliehre. II. III. 472. a.

Magurus eines Baums in dem Atlantischen Eylande Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 332. b.

Mahle angebohren. I. III. 294. a.

Mahlerey wird in einem Schauspiele vorgestellet. II. V. 864. b.

Mahlschatz bey den Deutschen worinnen er bestanden / und wer ihn eingeführt. I. II. 113. b. Siehe Brautschatz.

Mahlzeiten so kostbar bey den Römern und Persern. I.V. 178. b.

Mahu eine See genennet von einem Drachen-Pferde. I.V. 606. a.

Majoran wil Blumen-Königin seyn. I. IX. 1391. b.

Makeda Mohrenländische Königin kömt zu dem Salomo in die Schule. II. V. 750. a.

Mallia Königin in Armenien. II. III. 1399. a.

Malorichs deutschen Feldherrns Regierung. I. II. 182. a.

Malorichen will der Graf von Hohenstein von der Römer Bündnüß abziehen. II. V. 1013. a.

Malorich wird auf der Römer Seite durch ertichtete Brieffe gebracht. II. VI. 1016. b. seq. muß der Römer Seite annehmen. II. VII. 1166. a. seq.

Malovend ficht wider sein Vaterland / und bekö t ihm übel. I.I. 57. b. seq.

Malovend erzehlet die deutschen und Römischen Geschichte. I. VII. 969. b. fodert Jubiln zum Zweykampff heraus; und wird dariñen von ihm überwunden. II. IV. 347. a.b. leidet einen unversehenen Streich vom Stertinius. II. VI. 1053. a. verliebt sich aufs neue in die Fürstin Catta. II. 7. 1148. b. Fraget eine Zauberin deßwegen um Rath. II. VII. 1153. a. II. VII. 1158. a. schlägt sich wieder zu den Römern. II. VII. 1162. a. entführet die Fürstin Catta. II. VII. 1163. a. gehet im Treffen zun Römern über. II. VII. 1177. a. II. VII. 1196. a.b. wird zum Römischen Bundsgenossen auffgenommen. II. VII. 1214. b. wird von seinen Marsen verstossen. II. VII. 1221. b. vereiniget sich mit den Römern. II. VII. 1196. b. seine Unterthanen wollen ihn nicht wieder annehmen II. VII. 1239. b. hält um die Catta des Hertzogs Arpus Tochter an. II. IX. 1533. a. welche ihm versprochen wird. II. IX. 1534. a. die er aber wegen sonderbahrer Zufälle nicht erlanget. II. IX. 1630. a. trit wieder zu den Deutschen und hält mit Bojocaln einen Zweykampff. II. IX. 1548. a. wird verwundet und stirbt. II. IX. 1549. b.

Mann wird bey den Deutschen verehret. I. VII. 977.a.

Mann Hertzog in Deutschland. I. II. III. a.

Männlich siehe männlich.

Manco lehret die Einwohner des Atlantischen Eylandes ein besseres Leben. I. II. 124. a.

Mandelbaums Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 324. a.

Manlius bey und durch welche Gelegenheit er Torquatus genennet worden. I. VI. 755. a.b.

Manlius ist ein Glückskind. II. III. 501. a. II. III. 502. b.

Manlius wird von den Deutschen geschlagen. I. VI. 823. b.

Maotun der Tattern König ist wider die Seeren glücklich. I.V. 601. b.

Marbod ziehet gegen den Drusus / und verträgt sich mit ihm. I. IV. 410. b. raubet Thußnelden. I. IV. 422. b. und 441. a. ko t von Rom ins Vaterland. I. VII. 1069. a. seine Aufferziehung. I. VII. 1069.a. wird von der Julien geliebet. I. VII. 1070. a. muß Rom verlassen. I. VII. 1072. a. kommt bey den Hermunduren ans Bret. I. VII. 1073. a. Künste ihm das Krieges-Heer zu verbinden. I. VII. 1075.b. überwindet die Sebuster. I. VII. 1087. b. und Marckmänner. I. VII. 1088. a. und wird ein Haupt der Hermundurer. I. VII. 1098. b. überwältiget die Bojen. I. VII. 1092. a.b. wird von innen überfallen und verwundet. I. VII. 1093. a. Tugend-Gespräche mit einem Einsiedler. I. VII. 1095. a.b. Gespräche mit einem Wurtzelmanne. I. VII. 1123. b. kommt in Gefahr und nach derselben wieder in sein Land. I. VII. 1134. a. nimmt den Bojen ihr Land und bringt die Suionen / Lygier und Arier unter sich. I. VII. 1139. a. Marbods tapffere Antwort dem Tiberius gegeben. I. VII. 1157. a. verlässet seine Bundsgenossen. I. VII. 1158. b. seine versichtige Herrschens-Kunst. I. VII. 1159. b. wird an einen Brunnen in Thußnelden verliebt. I. VIII. 1271. a. wird von Thußnelden errettet. I. VIII. 1271. a. hält bey dem Segesthes umb sie an. I. VIII. 1284. a. giebet sich zum Unterhändler des Friedens zwischen den Römern und Deutschen durch Gesandschafft an. II. II. 355. a. will die Deutschen bekriegen / wenn sie nicht Friede machen. II. II. 326. a. Marbod kommt mit Gottwalden in einen Krieg und in einen Zweykampff. II. V. 834. a. seq. Marbod verspricht der Marmelinen Hülffe und verliebt sich in ihr. II. V. 821. b. erkläret die Marmeline zur fürstlichen Gemahlin. II. V. 837. b. bezwinget den Gottwald / und hält in Godanium seinen Einzug. II. V. 860. a.b. rufft seine Marckmänner von dem Feldherrn und dem Hertzog Arpus zurücke. II. VII. 1188. a.

Marbod hetzet die Semnoner und Langobarden unter sich zu seinem Nutzen an einander. II. VII. 1272.a. seine Herrschafft wird gelobet. II. VII. 1276. b. seine Künste werden offenbahr. II. VII. 1281. a. lässet sich nach Gefallen von dem Adgandester regieren. II. VII. 1283. a. verläst aus Furcht das Semnonische Gebiete. II. VII. 1292. b. will Adgandestern nicht abschaffen. II. VIII. 1358. a. wird von dem Adgandester aus dem Wasser errettet. II. VIII. 1359. b. Marbod wird von dem Herrmann geschlagen. II. IX. 1515. b. soll erstochen werden; wird aber errettet. M. IX. 1553. a. wird aus seinem Lande getriebẽ und fliehet in das Römische Gebiete. II. IX. 1972. a. lebt darauff noch achtzehen Jahr zu Ravenna. II. IX. 1572. a.

Maraboduum sonst Boviasmum. II. VIII. 1399. a.

Marcellus gegen die Insubrier schlägt den Zweykampff aus mit dem Hertzog Viridomar. I. VI. 815. a.b. stirbt als ein tapffrer Kriegesmann / aber unvernünfftiger Feldherr. I. VI. 816. b.

Marcellus ein Glücks-Kind. II. III. 501. a.

Marcellus (Claudius) ein Tugend-Sohn. II. III. 502. a.

Marckmänner werden von dem Feldherrn geschlagen. I. IV. 423. b. entpöhren sich wider ihren König Briton. I. VII. 1065. a. verrathen ihren Herrzog. I. VII. 1074. a. Marckmänner Sitten und Gewalt über die Fürsten. I. VII. 1063. a. empöhren sich wider ihren Fürsten und ergeben sich dem Marbod. I. VII. 1064. a. werden von dem Marbod bezwungen. I. VII. 1088. a. werden von dem Marbod aus des Feldherrn Gebiethe zurücke geruffen. II. VII. 1118. a. seq. nehmen den Herrmann zu ihrem Könige an. II. IX. 1577. a.b.

Marcomir Feldherr der Deutschen beherrscht eine zweyfache Welt. I. II. 132. a. hat herrliche Siege.ibid. richtet zwey Säulen auff. ib. leget die Herrschafft nieder. I. II. 138. b. wil dem Fürsten der Hermundurer den Kopff abschlagen lassen. I.V. 631. b.

Marius verliebet sich in die Hiarne / und thut die Cimbrischen Jungfrauen in den Tempel Vesta. I. IX. 1330. b.

Marius zieht wider die Cimbern und opffert seine Tochter Calphurnien. I. VI. 908. b. überwindet die Cimbern. I. VI. 913. b. seq. schläget den Bojorich / und wird lebendig unter die Zahl der Götter gerechnet. I. VI. 929. a.I. VI. 920. b. danckt ab. I. VI. 925. a. sein Tod und Urtheil von ihm. I. VI. 926.b.

Marmariden dem Juba unterworffen. I. IV. 485. a.

Marmeline wird Fürstin der Gothonen. II. V. 811. a. seq. I. VII. 1152. a. wil ihrem Bruder die Herrschafft nicht einräumen. I. VII. 1152. b. sucht bey dem Marbod Hülffe wider ihren Bruder und erlangt sie. I. VII. 1154. a.b. Marmeline wird von dem Marbod in Schutz genommen. II. V. 823. a. seq. kriegt mit ihrem Bruder. II. V. 834. a. seq. wird von dem Marbod zu seiner Gemahlin erkläret. II. V. 823. a. ihr Einzug in Godanium. II. V. 858. a.b. stirbt. I. VII. 1272. a.

Marpesia Königin der Getischen Amazonin hält sich tapffer. I.V. 526. a.

Mars sein Bild. I.V. 570. b. wird von dem Lucius in einem Schauspiel, vorgestellt. I. VIII. 1195. a. seine Thaten und Eigenschaften vorgestellt. I. VIII. 1209. b. seine Erfindungen. I. IX. 1363. a.

Mars / Feldherr der Deutschen. I. II. 113. b.

Marsen Krieg mit den Römern. I. VI. 924. b. werden von dem Cäcinna überfallen. II. VI. 997. a. wollen den Malovend nicht wieder annehmen. II. VII. 1239. b.

Marsinger streiten wider den Hertzog Jubil. I. IV. 425. a. begehen jährlich das Fest der Freha. I. VII. 1126. a. bey ihnen hat die Deutsche Tichter-Kunst den Ursprung genommen. I. VII. 1132. a. nehmen Marboden zu ihren Schutzherrn an. I. VII. 1140. a. ihre Kunst in spinnen und weben. II. I. 185. b. seq.

Marsyas in einem Schauspiel mit dem Apollo streitend eingeführt. II. III. 491. b.

Martius (Ancus) in einem Spiele vorgestellt. II. III. 423. a.

Masanissa schlägt den Syphax aus dem Felde. I. VI. 847. a.b. wird zum Könige in Numidien erklärt. I. VI. 848. a.b. wird geschlagen / und erholet sich. I. VI. 849. b. nimmt den Syphax gefangen. I. VI. 850. a.

Maßilien ist ein Begriff gantz Griechenlandes. I. IV. 481. a.b. eine getreue Freundin Deutschlandes. I. IV. 482. b. stehet den Römern bey. I. VI. 752. a.

Mastix Kost- und Nutzbarkeit. II. II. 309. a.

Masulipat / eines Gesandten des Indianischen Königs an den Augustus / Verrichtung. I.V. 656. a.

Mathos bekriegt die Carthaginenser. I. VI. 806. a.

Mattium ergiebet sich. I. II. 185. b. ist die Hoffstadt des Hertzogs Arpus. I. VIII. 1293. b. und der Catten Hauptstadt. II. III. 520. a. wird eingeäschert. II. VI. 1033. b.

Maulbeerbaums in Italien seine Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 319. a. ein Rätzel hiervon. II. IX. 1498. a.

Mauer 380. Stadien lang. I.V. 540. b. lange Mauer bey den Seren von Tschina erbauet. I.V. 597. b. I.V. 601. a.

Mauritanien in einem Schauspiel vorgestellt. II. III. 487. a.

Mäyen-Blume wil Königin unter den Blumen seyn. I. IX. 1387. a.

Mecänas lebet tugendhafftig und prächtig. I. II. 110.b. wird beschencket. I. II. 127. b. hat ein anmuthiges Lusthauß. I. IV. 384. a. führt die Indianischen Gesandten zur Verhör. I.V. 690. b. unterhält sie auff einem Gastmahle. I.V. 691. a. seine anständige Treffligkeiten. I.V. 691. a. setzt seinen Gästen ein Viertheil von einem Esel für. I.V. 693. b. hat eine untreue Ehefrau. I.V. 695. a. seine Meinung vom Leben und Tode. I.V. 697. a. sein Bilder- Saal. I.V. 695. a. sein Buch / so Prometheus heißt. I.V. 702. a. hat am Verstande keinen seines gleichen. I. VII. 1061. a. stellt den Mercurius in einem Auffzuge für. I. VIII. 1193. b. Lob desselben wegen seiner ungemeinen Klugheit. I. VIII. 1197. a. läßt den Herrmann zu seiner Vertrauligkeit. I. VIII. 1213. b. setzet den August zum Erben ein und stirbt. I. VIII. 1222. a.

Mechtildis / Marsingischer Fürstin / der Hedwig erwiesene Gewogenheit. II. I. 803. a.b.

Medea wird von den Marsen verehret. I.V. 540. b.

Medens Ursprung. I. III. 201. b. ihr Bildnüß zu Rom. I. VII. 1070. a.

Medon / ein Deutscher Hertzog / fällt in Italien ein. I. VI. 734. b.

Meer / ob es könne eigenthümlich genennet werden. II. VII. 1233. a. Meeres Eigenthum / ab sichs behaupten lasse. II. VII 1236. a. Meere / so unterschieden / ob sie zu einander zu leiten / und mit einander zu vereinigen sind. I. IV. 371. b. Meeres Ursprung untersuchet. I. VII. 1116. a.b.

Meersberg heisset sonst Erensberg. II. IV. 686. b.

Meerwunder. I.V. 673. b. seq.

Meherdates / Priester der Natur aus Armenien. I.V. 555. b.

Meleager bekrieget seinen König. I. III. 209. b. bringet dem grossen Schweine einen Fang an. II. VIII. 1427. a. wird in einem Schauspiele vorgestellt. II. VIII. 1429. a.

Melitene / Hauptstadt in klein Armenien. I. III. 289.a.

Melo / Deutscher Fürst / klaget den Deutschen Fürsten sein Leid. I. VIII. 1312. a. fordert den Germanicus heraus. II. II. 257. b. schlägt ihn. II. II. 260.b. belägert Novesium. II. II. 272. a.b. entscheidet die Griechen und Druiden. II. II. 279. a. erobert das Ubische Altar / und stellet sich hartnäckicht gegen den Frieden. II. II. 361. a. gehet heimlich mit den Römern einen Vertrag ein. II. IV. 725. b. Läßt sich wider die Deutschen mit den Römern in ein Bündnüß ein. II. V. 996. a. wird ermahnet von den Römern abzustehen. II. V. 1012. a. läßt sichs reuen / daß er sich zu den Römern gewendet. II. VII. 1167. a.b.

Memmius (Lucius) ein Glücks-Kind. II. III. 503. a. stillet durch seine Kühnheit einen Auffruhr. II. VI. 991. a.b.

Memnons Bild in Egypten. I. VII. 1120. b. Memnons Säule bleibt von dem Cambyses unangefochten. I. IX. 1415. a.

Memnons Säule in Thebe. I. IX. 1422. b. lacht frühe; weinet des Abends. II. V. 872. a.b.

Menalcas in einem Schauspiele vorgestellt. II. IX. 1483. a.

Menschens Ursprung nach der Meinung der Egyptier und Deutschen. I.V. 732. b. Menschen sind in den Regungen ärger / als ein Thier. I. IX. 1341. a. Mensche ist die vollkommenste Harffe der Welt. II. I. 222. b. seq. in den Menschen sind alle Bildungen der Meßkunst zu finden. II. I. 124. a.b. des Menschen Grösse aus einem Gliede zu urtheilen. II. II. 124. b. seq. er ist zum Friede geschaffen. II. VIII. 1328. b. desselben natürlicher Zustand. I.V. 737.b. soll ein Tempel Gottes seyn; hänget aber an denen Eitelkeiten. II. I. 193. a.b. gleichet dem Magnetsteine. II. V. 733. a.b. ist veränderlich / bald zur Gemeinschafft / bald zur Einsamkeit geneigt. II. V. 734. a.b. ist ein Bild Gottes. II. V. 736. a. verwandelt sich offt in ein Thier. II. V. 736. b. will Gottes Stimme in den Creaturen nicht hören. II. IV. 685. b. ist das grimmigste Thier / und seine in der Boßheit zunehmende ausgetheilte Jahre. I. VII. 1096. a.

Menschen-Fleisch / ob es zuläßlich gegessen werde I. VII. 1032. a. Menschen-Fresser. I. II. 123. a.b.

Menschen-Opfferung / siehe Opfferung.

Menschlich Geschlecht kömmt von einem her. II. VI. 1025. b.

Merckmahle gewisser Geschlechter. II. V. 799. b. gewisser Völcker. II. V. 800. a.

Mercurius Bildnüß. I. VIII. 1193. b.I.V. 569. b. wird vom Mecenas vorgestellt seinen Thaten und Eigenschafften nach. I. VIII. 1198. b. seine Erfindungen fürgestellt. I. IX. 1363. b.

Meris läßt eine See 50. Ellen tieff in den Sand graben. I.V. 675. b. und Irr-Gebäude auffbauen. I.V. 676.a.

Messala (Valerius) heuchelt dem Tiberius. II. VI. 946. a.

Meßkunsts-Bildung ist in den Menschen zu finden. II. I. 124. b.

Metalle werden herausgestrichen. II. II. 303. a.

Metellus / ein Glücks-Kind. II. III. 500. b. Cäcilius Metellus / ein Glücks-Kind. II. III. 503. a. Quintus Metellus ein Glücks-Sohn. II. III. 503. b. Quintus Cäcilius Metellus / ein Glücks-Kind. II. III. 505. a.

Meyland wird von Deutschen erbaut. I. VI. 734. a.

Meynz wird von dem Feldherrn beälgert. II. II. 348.b.

Micipsa wird getödtet. I. IV. 485. b. sein Betrug gegen die Deutschen. I. IV. 485. b.

Midas verwandelt alles in Gold. I. II. 180. b.

Milch unterschiedener Thiere ihre Beschaffenheit. II. I. 208. a.b. ob sie ein Weib oder Mann gemolcken kan Agathien unterschieden. I.V. 670. b. seq. Milch der Mutter von der Milch der Schafe / Ziegen und Ammen unterscheiden I. VII. 1150. a. Milch-Bäder. II. I. 93. a.b. Milch-Gebürge. I. VIII. 1189. b.

Miltiades wird in einem Auffzuge fürgestellet. II. III. 441. b.

Minerva wird fürgestellet. I. VIII. 1194. a. ihre Thaten / Eigenschafften und Erfindungen werden fürgestellet. I. VIII. 1198. a. Minervens Bild zu Athen. I.V. 684. b. Minervens Schleyer. I. IV. 342. b. ihr Bild darff zu Rom niemand sehen / als die Vestalischen Jungfrauen. I. IX. 1333. b.

Minothea Königin der Amazonin ist in den Oropastes verliebet. I.V. 542. b. sticht ihrer Schwester deßwegen die Augen aus. I.V. 544. b.

Minutius Römischer Feldherr wird mit seiner Vermessenheit zu schanden. I. VI. 831. b.

Mion eine Stadt ergiebt sich. I.V. 648. a.

Mißbrauch von dem rechtmäßigen Gebrauch zu entscheiden. I. IX. 1344. b.

Mißgunst befördert die Tugend. II. II. 320. b.

Mispel anrühren Bekräfftigung der Warheit bey den Druiden. II. III. 546. b.

Mispel-Crantz des Hohenpriesters in Deutschlande.II. III. 546. b.

Mithridates König der Parthen schickt an Roderichen eine Gesandschafft. I. II. 173. a.

Mithridates läst die Gefangenen mit einem Zehrpfennig loß. I.I. 70. a. Mithridates ersticht seinen Sohn. I.V. 512. a. sein Dolch wird dem Polemon von dem Schutz-Geiste eingehändiget. I.V. 514. a.

Mithridates König in Parthien. I. III. 214. a.

Mithridates Pontischer König nimmt Zuflucht zu dem Tigranes. I. III. 211. b. wird verwundet. I. III. 212. b. seine Geburt durch einen Schwantzstern angedeutet. I. VI. 927. a. seine Wissenschafften / Aufferziehung und verrichtete Thalen. ibid. was er vor einen Rath von dem Marins bekommen. I. VI. 929. a. fänget mit den Deutschen an. I. VI. 929. b. verfällt mit den Römern in einen Krieg. I. VI. 932. b. läst viel von dem Deutschen Adel erschlagen. I. VI. 938. b. lässet seinen Sohn vergifften. I. VI. 942. a. wil sich mit Gifte tödten; läst sich endlich erstechen. I. VI. 950. a.

Mithridatens Thaten in Thracien. II. I. 37. a. seq.

Mittel des Erdbodens in Taprobana. I.V. 656. b.

Mittler unter den Streitenden sind sehr nützlich. II. II. 356. b. ob sie zu verwerffen / wenn sie sich selbst angeben? ibid.

Mitternacht ist fruchtbar an Völckern. I. VI. 732. b.

Mogerin eine wohlriechende Blume. I.V. 551. a. wil Blumen-Königin seyn. I. IX. 1389. b.

Mohr wird weiß. I. VII. 1152. b. Mohren werden vier Augen zugeeignet. II. I. 15. b. Mohren die ersten Menschen. II. II. 343. a. sollen eine schwartze Zeugungs-Krafft der gemeinen Meynung nach haben.II. I. 93. b.

Mohrenland wird in einem Schauspiel aufgeführt. II. III. 487. b.

Mohrinnen schön und Liebens werth. I. IV. 457. b.

Moling Königl. Hauptstadt in Tschina. I.V. 639. a.b.

Moltzblume wil Blumen-Königin seyn. I. IX. 1389. a.

Monatbilder werden auf einer Mahlzeit aufgesetzet.II. IV. 436. b.

Mond wird von den Deutschen geehret. I.I. 8. a.b. voller Mond hat mehr Krafft als der Neumonden.II. VII. 1262. a. Monden-Bild. I.V. 569. a. ob im Monden Leute seyn? und ob etliche daraus auf die Erde gefallen. I.V. 574. a.b. siehe Vollmond.

Monden-Altar von dem Germanicus aufgerichtet. II. VI. 1000. b.

Monden-Fische. I.V. 673. a.

Monden-Finsterniß verursachet Furcht I. VI. 782. b. seq. Monden-Finsterniß kommt dem Drusus zu statten bey dem Aufruhr der Legionen. II. VI. 980. a.

Mondes Lauff. II. I. 304. a.

Monden-Schein wird von den Deutschen in acht genommen. I. 7. 977. b.

Monden-Stein. I.V. 632. a.b.

Monden-Zelt fürgestellt I. IX. 1364. a.

Monime Arsinoens Kammer-Mägdlein soll entführet werden. I. III. 286. a.

Mopsus in einem Schauspiel vorgestellet. II. IX. 1483. a. seq.

Morgengabe bey den Deutschen. II. IV. 703. b. siehe Brautschatz.

Morellen Nutzen und Vorzug. II. II. 328. b.

Morgenröthe ob ihr zu opffern. I.V. 527. b.

Morgenröthe Abbildung. I. IX. 1405. a.

Moses verbiethet den Hurenkindern den Eintritt ins Heiligthum. I. VII. 975. b.

Mosincken Fürst wie er gestraffet werde. I. II. 143. b.

Mous König der Seren fängt Krieg an mit den Tattern. I.V. 599. b.

Mumien in Egypten. I.V. 678. b.

Muren ein herrlicher Fisch. I. IV. 385. a. wird von der Antonia hochgeachtet I. IV. 385. a. wie auch von andern. I. IV. 387. b.

Murena ein edler Römer verliebet sich in die Antonia. I. IV. 387. b. rettet sie aus dem Wasser I. IV. 390. a. wird von Julien geliebt. I. IV. 394. a. wird Stadt- Voigt. I. IV. 401. b.

Musa-Baum in Indien ihr Nutzen und Vorzug. II. II. 336. a.

Muscaten-Baums Nutzen und Vorzug. II. II. 335. b.

Mußbaum wil Blumen-König seyn. I. IX. 1389. b.

Mußen in einem Schauspiele vorgestellet. II. III. 491. b. werden in einem Auffzuge fürgestellet. II. III. 440. a.b.

Museus sein Gedichte. I.V. 703. a. Museus Haupt wahrfaget nach seinem Tode. II. I. 28. b. entspringet von dem Orpheus. II. I. 29. b.

Müßiggang in einem Auffzuge vorgestellet. II. III. 438. a.

Mutinus Tetinus I. III. 302. b.

Mutinus Bild zu Rom. I. VIII. 1201. a.

Mütter pflantzen den Kindern Tugend an. II. I. 81.a.b.

Mütter opffern ihre Söhne. II. VII. 1141. b. sollen die Kinder selbst säugen. I. VII. 1149. a.

Mütterliche Blutschande mit dem Sohne wie sie die Thermusa gebilliget. II. VII. 1120. a.

Mutter-Liebe ist unzertrennlich. I. VII. 1148. b. Zwey Mütter streiten um ein Kind. II. V. 816. a.

Müntzen mit Zahlen bezeichnet sind von sonderbahrer Krafft. II. III. 405. b. seq. Römische Müntzen mit ihrem Gepräge. II. IX. 1562. a.

Myrrhen-Baums Vortreffligkeit / Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 307. a.

Myrthen-Baums Hoheit / Nutzbarkeit und Vorzüg. II. II. 322. b.

Myrtilus des Onomans Fuhrmann vorgestellt. II. VIII. 1413. b.


N.


Nabel-Kraut will Königin seyn unter den Blumen. I. IX. 1391. a.

Nachfolge im Reiche bey den Indianern. I.V. 657. a.

Nachfolger im Reich sind beyzeite zu erwehlen. I. II. 182. b.

Nachrede ist von Fürsten zu verachten. II. VII. 1248.a.

Nachruhm den Helden zuständig. I. IV. 348. b. ist unterschieden von ewiger Schande. I. VII. 1099. a. Nachruhms Eitelkeit. I. III. 218. b. siehe Ruhmsprüche.

Nachtigallen singen bey des Orpheus Grabe. I. IV. 450. b.

Nackt gehen die Deutschen und Indianer ohne böse Begierden. II. V. 787. a. siehe Entblössung.

Nadel weiset bey den Deutschen den Schiffahrenden den Weg. I. II. 131. b.

Nahalania was es bey den Batavern gewesen. II. IV. 635. b.

Nahmen wenn sie bey den Deutschen und andern Völckern gegeben werden. II. II. 364. a. werden in den Tempeln auffgezeichnet. II. II. 364. a. Nahmen der Oether und Menschen gewisse Bedeutung. II. II. 259. a.

Nahmen Veränderung dienet zur Abgötterey. I. IV. 347. a. Nahme wird verändert den Königen der Seren. I.V. 640. b. unglückliche Nahmen. I. III. 226. a.

Nanmin ein Berg in Tschina. I.V. 620. a.

Narcißblumen Lob. I. IX. 1386. b. will den Vorzug haben für den Blumen. I. IX. 1398. b.

Narrheit ist eine Erhalterin der Welt. I. VII. 105.

Narvas deutscher Hertzog geht zu den Carthaginensern über. I. VI. 792. b. wird als ein Knecht verkaufft. I. VI. 794. b. soll dem Saturnus geopffert werden. I. VI. 795. a. wird Feldherr und gefangen genommen. I. VI. 798. a. soll von den Affen getödtet werden / entkommt aber. I. VI. 799. a. errettet den König der Numidier / und wird König der Massesiler. I. VI. 802. a.b.

Narvas / der Jüngere / verliebt sich in Sophonisben. I. VI. 803. b. wird mit ihr vermählt. I. VI. 805. a.

Nattern Eigenschafft untersucht. I. VII. 1124. a.I. VII. 1125. b.

Natter findet in Agtstein ihr Grab. I. VII. 1117. a.

Natur eine Göttin; abgebildet und verehret. I.V. 562.a. ob sie eine Stieffmutter sey? I.V. 554. b. ist nicht Gott / sondern sein Spiegel. I.V. 585. a. Natur hat iedem Lande gnung gegeben. I. II. 108.a.b. Natur ist nicht auszulernen. II. III. 482. b. wird vorgestellt. II. II. 302. a. blidet allerley in Steine. I. IX. 1418. b.

Natur eine Frau. II. V. 735. b.

Neid in einem Bilde vorgestellt. I. VIII. 1180. b. und in einem Schauspiele vorgestellt. II. VIII. 1411. b. II. VIII. 1427. b. seine Beschaffenheit ausgedrücket. II. VII. 1303. a.

Neigung / so viehisch / bey den Menschen verborgen. I. VII. 1100. b. Neigung der Seelen / wie sie geschehe. II. II. 362. a.

Nelcke wil Königin unter den Blumen seyn. I. IX. 1388. b.

Nemesis Bild zu Smyrna I. IV. 407. a.

Neptunus wird von dem Cajus in einem Auffzuge fürgestellt. I. VIII. 1194. a. seine Thaten / Eigenschafften und Erfindungen werden fürgestellt. I. VIII. 1198. a.b.

Nero (Claudius) ein Glücks-Sohn. II. III. 501. b.

Nervier Ursprung. I. VI. 792. b.

Neuigkeiten sind beliebet. II. I. 94. b.I. VIII. 1261. a.

Neunaugen werden auffgesetzet. I.V. 578. b.

Neunjähriges Feuer zu Upsal. II. V. 587. b.

Nicomedes / Stadthalter zu Libyssa / erläßt den Zeno aus dem Gefängnüß. I.V. 513. a.b. muß sich nach dem Mithridates einrichten. I. VI. 929. b.

Nicomedes / König in Bithynien / sucht Hülffe bey den Deutschen. I. VI. 785. b.

Nicomedien wird von den Deutschen beschützet. I.

Nicopolis in Armenien wird erbauet. I. VI. 949. b.

Niensulin / Serischer Weltweiser / gehet den angemutheten Reichs-Aemptern aus dem Wege. I.V. 644. a.

Nil wird an einer Spitz-Säulen abgebildet. I.V. 675. b. sein Wachsthum und seine Uberschwemmung.ibid. seq.

Nocol / ein Ligurier / erfindet die neue Welt. I. II. 125. a.

Nomades / ein Scythisches Volck / besitzet Sogdiana eine Landschafft. I.V. 590. b. ob es nur Räuber sind. I.V. 591. a.

Nord-Stern von Phöniciern zum Leit-Stern der Schiffarthen erkieset. I. II. 121. a.

Noth-Blumen wollen den Vorzug haben. I. IX. 1394. a.

Novesium wird von dem Melo belägert und erobert.II. II. 279. a.b.

Numa in einem Spiel vorgestellt. II. VIII. 422. b.

Numantia wird viermahl belägert. I. VI. 893. b. seq. äschert sich selbst ein. I. VI. 895. a.

Numidien in einem Schauspiel vorgestellt. II. III. 486. a.b.

Numidische Kriegs-Händel. I. VI. 848. b.


O.


Obrigkeiten der Römer benahmet. II. III. 483. b.

Obst / ob es den Blumen vorzuziehen. II. II. 304. a.

Ochse / von was für Farbe er bey denen Deutschen und Egyptiern zum Opffer seyn müssen. II. I. 200. a.b. seine vielfältige Nutzbarkeit. I.I. 201. a. seq. küpfferne Ochsen werden bey denen Cimbern im Kriege gebrauchet. II. V. 889. b. Ochsen-Post in Indien ist die geschwindeste. II. I. 201. b.

Oel / so unverbrennlich ist. I. II. 181. a. Oel des Phidias erhält seine Bilder für Rost und andern Veränderungen. II. IV. 451. a.

Oelbaum ist ein Sinnbild der Fruchtbarkeit. II. I. 176. a. Oelbaums Nutzbarkeit / Lobspruch und Vorzug. II. II. 315. a.

Oenomaus in einem Schauspiel eingeführt. II. III. 498. a.

Oerter haben gewisse Unsterne und Unglück. II. I. 259. a.

Ogyges wird von Uberschwemmung der Erde erhalten. II. V. 746. b.

Ohren werden dem Bojocal abgeschnitten / und vieler Spott hierauff. I. IX. 1544. a.b. II. IX. 1546. b. abgeschnittene Ohren bringen den Smerdes um das Königreich. II. IX. 1549. a.

Olorene / Markomirs Schwester / ist in Friedebalden verliebt. I. II. 154. a. wird von dem Astinabes / dem Könige der glückseeligen Inseln / verlangt. I. II. 157. b. wird von ihrer Gemüths- und Leibes- Kranckheit geheilet. I. II. 164. b. dem Astinabes vermählet. I. II. 167. b.

Olympia / Tiridates Tochter / wird dem Könige in Armenien / Artaxias / verheyrathet. I. III. 227. a. wird gefangen. I. III. 237. b. seq. soll mit Artobazen verheyrathet werden. I. III. 241. b. ersticht sich selbst. I. III. 242. b.

Onomaus / König zu Elis / wird in einem Schauspiel vorgestellt. II. VIII. 1410. b.

Opalen Vaterland und Beschaffenheit. II. III. 412. b. dienet zum Pitschier des Mecenas / und wird Nonius darumb verjagt. I.V. 700. b.

Opffer der Deutschen. I.I. 10. b II. I. 1213. b. der Egyptier und Jüden. II. I. 196. a.b. des Feldherrns wegen erhaltenen Sohns. II. II. 363. b. der Agrippinen / nachdem sie den Caligulam gebohren. II. IV. 731. a.b. Opffer bey dem neunjährigen Feyer zu Upsal. II. V. 878. b.

Opfferung des Thumelichs. II. VII. 1135. b. II. VII. 1439. a. seq. Opfferung der Menschen bey den Getuliern. I. IV. 478. a.b. ist grausam und wird vom Feldherrn Marcomir abgeschaffet. I. II. 133. b. wird auch in Svionen durch eine Weissagung auffgehoben. II. V. 883. a.

Oresta / Sitz des Thracischen Reichs und Heiligthums. II. I. 77. a.

Orgetorich kan die Herrschafft des Ariovists nicht leiden. I. VII. 988. b. muß sich mit Gift hinrichten. I. VII. 988. b. seine Entschließung wird vom Julius Cäsar unterbrochen. I. VII. 989. b. schläget die Römer. I. VII. 991. a.

Orismanes / Armenischer Fürst / richtet im Reiche Unfug an. I. III. 308. a. verlanget die Erato. I. III. 3. b. tödtet sich. I. III. 317. a.

Orithia eine Amazonische Königin ficht tapffer. I. 5. 525. b. seq.

Orodes Königes in Persien Grausamkeit. I. VII. 1047. a.b. wird in Artaxata belägert. II. IX. 1565. a.

Orodes / König in Parthien. I. III. 215. a. wird mit Gifft hingerichtet. I. III. 222. b.

Oropastes / ein Sohn des Cotiso / von den Amazonen gefangen und loß gelassen. I. VIII. 542. a. verliebet sich in den Zeno. ibid. muß flüchtig werden. I.V. 550. b. wird genöthiget in Scythischen Krieg zu gehen. I.V. 598. b.

Orpheus Leyer / was sie für einen Klang gehabt. II. V. 908. b. wird mit seiner Euridice in einem Schauspiele vorgestellt. II. I. 44. b.

Osaces / Feldherrn in Parthien / verrichtete Thaten. I. III. 220. b.

Osthanes / ein Zauberer / kriegt seinen Lohn. II. IX. 1605. a.b. seq.

Ost-See in einem Schauspiel vorgestellt. II. V. 868. b.

Othin / Gott des Krieges / bey den Deutschen verehret. II. V. 877. b.

Oxathres / Reichs-Rath in Armenien. I. III. 312. a. kömmt umb. I. III. 316. b.


P.


Pacor / Parthischer Fürst / wird gefangen. I. III. 219. a. heyrathet Sigamben / eine Armenische Fürstin.ibid b. fliehet zu dem Artabazes. I. III. 220. b. kömmt umb. I. III. 222. a.

Padebrun / wie er entstehe. II. VI. 969. b.

Palamedes / Erfinder des Schachspiels. II. IX. 1643. a.

Palmbaums Nutzbarkeit / Vorzug und Alter. II. II. 300. a. lehret / wie der Sieg zu gebrauchen sey. II. V. 783. a.

Pallas Bild zu Rom darff niemand sehen / als nur allein die Vestalischen Jungfrauen. I. IX. 1333. b. siehe mehr Minerva.

Pan bewillkommt den Ariovist in einem Walde. II. V. 906. b.

Pandal wird obrister Feldherr. I. II. 114. a.

Pannonien führt Krieg mit den Römern. I. IV. 990. a. seq. wird in einem Schauspiel vorgestellt. II. III. 490. a.

Papagoy macht / daß sich Siuchau ergiebet. I.V. 606. b. warsaget. I.V. 607. a. können reden. I.V. 609. b.

Papier / so unzerbrennlich. I. II. 182. a. Papier von Cocus-Bäumen. II. II. 331. b. ist von den Deutschen erfunden worden. II. V. 747. a. käyserlich Papier. II. III. 387. b.

Papierbaums in Egypten Vorzug. II. II. 320. a.

Paradieß-Vogel ist ein Bild der Fürsten. I.V. 676. b.

Parrhasius verfertiget seine Gemählde singende. I. II. 86. b.

Parther Krieg wider die Armenier und Römer. I. III. 215. a. werden von den Deutschen geschlagen. I. VII. 1050. b. seq. sind ein Zeichen der Römischen Herrschafft. II. VII. 1117. b. woher sie ihren Ursprung haben. I.V. 525. a.

Parther Geschichte unter dem Augustus. II. VII. 1157. a. Parther werden von dem Herrmann überwunden. I. VIII. 1233. a.

Parthische Gewohnheiten. I. IX. 1367. b.I. IX. 1371.a.

Parysatis Ehebruch und schmählicher Todt. II. I. 104.b. seq.

Paterculus (Vellejus) Römischer Gesandter handelt von dem Recht der Gesandten. II. VIII. 1379. a.b. ist zu Maraboduum in Lebens-Gefahr. II. IX. 1573. a.

Pelias von seinen dreyen Töchtern zerstückt. II. IX. 1487. b. Gallischer Poet. II. IX. 1487. a.

Pelops ist in die Hippomania verliebt / und wird in einem Schauspiel eingeführt. II. VIII. 1416. b. seq.

Penninische Gebürge verehren die Gallier. I. VI. 825.b.

Penthasilea der Amazonischen Königin Schwester wird von dem Zeno geliebet. I.V. 521. a. ist in den Telephus der Mpsier König verliebt. I.V. 529. a. muß deßwegen in Mysien flüchten. ibid. b. kommt wieder in ihr Land. I.V. 540. b. ist in Oropasten verliebt. I.V. 542. a.b. wird deßwegen ihrer Augen beraubet. I.V. 544. b.

Peonie will Blumen-Königin seyn. I. IX. 1389. a.

Pergamus wird belägert. I. VI. 864. a. wird eingenommen. I. VI. 865. b.I. VI. 881. b.

Pericles wird in einem Auffzuge fürgestellet. II. III. 441. b.

Periegetes ein Weltweiser / und Hofemeister der Erato. I. III. 230. b.

Perlen werden in Deutschland gefunden. II. III. 410.b. wie die gelben gezeuget werden. II. III. 411. a. wie und wo sie gesangen werden. II. III. 411. a.b. Perlen werden in der Queiß gefangen. II. V. 810. b. von sonderbahrer Art und Werth. I.V. 632. a. von sonderlicher Grösse haben einen König. I. IX. 1374. b. ihre Eigenschafft und Schätzbarkeit; sind mit der Liebe zu vergleichen. I. IX. 1375. a. welches unter den Elementen am meisten zu ihrer Zeugung thue. I. IX. 1375. b.

Perlen Nutz / Mißbrauch / Natur und Kostbarkeit zu Rom. II. III. 406. a. seq.

Persien wird in einem Schauspiel vorgestellt. II. III. 489. a.

Perser streiten wider die Amazonen / aber unglücklich. I.V. 530. a. sind dem Trunck ergeben. II. V. 580. b. bey ihnen darff sich der König des Jahrs nur einmahl volltrincken. I.V. 581. b.

Perses in Macedonien bekrieget die Römer durch Hülffe der Deutschen. I. VI. 873. b. muß die Flucht nehmen / und entweihet ein Heiligthum. I. VI. 878. b. wird in Rom zum Sieges-Gepränge geführet. I. VI. 879. a.

Persische Seltzamkeiten. I. IX. 1367. b.I. IX. 1371. a.

Persischer Könige Nahmen. I. IX. 1372. a. Gewohnheit. I. VII. 1066. a. Persische Könige verändern ihr Lager. I.V. 584. b. dürffen sich des Jahrs nur einmahl volltrincken. I.V. 581. b.

Peryegeten rühmten sich die schönsten zu seyn. I. IX. 1387. b.

Petronius ein Glücks-Sohn. II. III. 505. b.

Pfauen des Königes der Mohren. I.V. 611. a.

Pfefferstaude Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 335. b.

Pfeffer wird von den Phöniciern ins Meer geschüttet. I. II. 107. a.

Pferde wahrsagen böses. I. II. 36. b. gutes. I.I. 30. b. werden der Sonnen geopffert. I.V. 550. b. Pferde der Sarmaten lauffen geschwinde. I. IV. 444. a. Pferd macht das gantze Römische Lager schüchtern. II. VI. 1070. a. das fürnehmste Krieges-Zeichen der Cherusker. II. II. 348. b. in Herrmanns Wapen / davon ein Bild genommen. II. IX. 1538.a.b. eine Sinnebild daraus. II. IX. 1585. b. des Cne Sejus macht seine Besitzer unglücklich. II. IX. 1595. a. Pferde von Adel. II. I. 177. a.b. werden bey Vermählung des Feldherrn abgeschlachtet. I. VIII. 1175. a.b. Pferde Geschlechts-Register. I.V. 650. b. ihre übrige Zubereitung ist schädlich. I.V. 650. b. Pferd des Hectors. II. IV. 708. a.

Pfirsken Nutzen / Vorzug. II. II. 328. a.

Pflantzen ob sie eine vernünfftige Regung haben. I.V. 607. b. werden herausgestrichen / und verlangen den Vorzug von der Natur. II. III. 303. a.

Pflaumen Nutzen / Fruchtbarkeit. II. II. 329. a.

Phasis eine Stadt in Bosphorischen Reiche. I. III. 288. a.

Pherecydes lehret die Unsterbligkeit der Seelen. II. V. 745. a.

Phidias fügt sein Blenbild in den Schild der Minerva. II. V. 736. a.

Phileterus König in Attalien reibet sich an die Deutschen. I. VI. 787. a.

Philipp König in Macedonien bekriegt die Illyrier. I.V. 534. b. Philipps Königs in Macedonien Kriege. I. VI. 865. a. seq. Philippus König in Macedonien bemeistert Thracien. II. I. 32. b.

Philippus (Quintus Martius) ein Glücks-Sohn. II. III. 503. a.

Philiscus bringt die Weißheit in Thracien. II. I. 39. a.

Philopemenes Sieges-Bilder. I. IV. 341. b.

Phönicier kommen in das Atlantische Eyland. I. II. 120. b.

Phönix giebt Anlaß zu Sinnbildern. I. IV. 354. b. seq. äschert sich ein. I. VI. 923. a. läßt sich sehen. II. V. 516. a.

Phraataces wird von seinem Vater Phraates zu seinem Nachfolger erklährt. II. VII. 1118. b. seine Blutschande mit seiner Mutter. II. VII. 1120. b. wird ermordet. II. VII. 1121. b.

Phraates / König in Parthien / streitet wider den Tigranes. I. III. 214. a. kömmt umb. ibid. richtet seinen Vater und Sohn hin. I. III. 222. b. bekrieget Armenien. I. III. 245. b.

Phraates wirfft sich gegen dem Vater zum Könige auff. I. VII. 1058. a.b. erwürgt den Vater. I. VII. 1054. a.

Phraates schickt dem Augustus die eroberten Adler wieder. I.I. 7. a. II. VII. 1117. b. giebt den Römern viel Söhne zu Geisseln. II. VII. 1118. a. wird mit Gifft hingerichtet. II. VII. 1121. b.

Phrygien wird in einem Schauspiele vorgestellt. II. III. 488. a.

Pindarus wird von Alexander dem Grossen hoch gehalten. I. II. 135. a.

Pingli ficht tapffer gegen die Scythen. I.V. 623. b. erlangt von dem Feinde eine Ehren-Seule. ibid.

Pinnes schlägt die Römer. I. IV. 490. b.

Pinnes / der jüngere / streitet wider die Römer. I. IV. 493. b.

Pipelas / ein in Stein gehauenes Weib. I. II. 123. b.

Pirimal folget seinem Bruder / und wird König über Indien. I.V. 557. a. sein unglücklicher Streit gegen Huhansien. I.V. 648. a. seq. hält bey dem Käyser August umb Hülffe an wider die Scythen. I.V. 653. b.

Piso wird Landpfleger in Syrien. II. IX. 1512. a. bringt dem Germanicus Gifft bey. II. IX. 1634. b.

Pistatzenbaums Gebrauch / Nutz und Vorzug. II. II. 323. b.

Pituanus / Zauberer zu Rom / ist der Zauberinn Wartburgis in der Kunst überlegen. II. VII. 1152. b. bekommt seinen Lohn. II. VII. 1153. a.b. II. VII. 1154. a.b.

Plato lehret verdeckt. I. IX. 1351. b. eignet der Tugend Flügel zu. I. III. 342. b. seine Lehre von den Weibern. I. III. 201. b. seq. und von der Seele. II. I. 191. a. bindet seinen Zuhörern die Ehrerbietung gegen ihre Seele ein. I. VII. 1101. a. sein Grabmahl zu Athen. I.V. 706. b. sein Lehrmeister. I.V. 710. a.

Pleiades geben mit ihrer Bewegung Anlaß zu Erfindung der Täntze. I. IX. 1413. a.

Pleisse in einem Schauspiele auffgeführt. II. IX. 1566. a.

Pleurates König in Illyris hält sich wohl. I.V. 535. a.

Poausa nimmt Ivus / den König der Seren ein / und kommt umb. I.V. 599. b.I.V. 600. a.

Podalia sein Grab. I. II. 164. a.

Poeten sind meistentheils arm. II. IX. 1524. b.

Pöfel / ob und wie viel sein Urtheil über Fürsten seyn könne. I. VII. 1081. b. wem er zu vergleichen. II. I. 113. a. II. I. 117. a. ist in Einfalt und Unwissenheit zu erhalten. II. I. 180. b.

Polemon König in Pontus. I. III. 249. b.I. III. 252. b. wird auch König in Bosphorus. I. III. 253. a. hat einen bösen Traum. I. III. 261. b. wird von seinem eigenen Sohne tödtlich verwundt. I. III. 290. a. stirbt. I. III. 294. b. wil seine Gemahlin und Tochter erstossen. I.V. 512. a.b. sein sonderlicher Traum. I.V. 519. a.

Pollux wird mit einem angestellten Ritterspiel verehret. I. VIII. 1239. 6.

Polycrates Ring wie er zu Thußnelden kommen. I. VIII. 1273. a.I. VIII. 1283. b.

Polymnestors Untergang II. I. 29. a.

Pommerantzen-Baums Nutzbarkeit / Ansehen und Vorzug. II. II. 339. a.b.

Pompejus wird gegen den Mithridates und den Tigranes geschickt. I. III. 212. b. Pompejus ein Tugend- Sohn. II. III. 504. a. Pompejus kriegt Hülffe von den Thraciern. II. I. 39. a.b. Pompejus tritt zum Sylla über. I. VI. 940. b. wird vom Sylla der große Pompejus geheißen. I. VI. 943. a. führt den Krieg wider den Mithridates. I. VI. 949. a. nimmt Jerusalem ein. I. VI. 949. b. hält sein Sieges-Gepränge. I. VI. 951. a. ziehet wider den Cäsar. I. VII. 1033. a. muß in Egypten seine Gurgel einem Knechte darreichen. I. VII. 1036. b.

Pontische Reich. I. III. 252. b.

Pontus wird in einem Schauspiel vorgestellet. II. II. 488. b.

Popel Sarmatischer Heerführer. I. IV. 994. a.

Porcellan kommt nach Rom. I. IX. 1362. b. von Porcellan ein Thurm. I.V. 639. b.

Porcellan wird von den Seren nach Rom von dem Pompejus gebracht. II. V. 762. b.

Porcia wird vorgestellt. I. VIII. 1204. a. ihre That wird überleget. I.V. 656. a.

Porthaon wird in einem Schauspiel erstochen. II. VIII. 1414. b.

Posthumius wird von den Samnitern eingeschlossen.II. VI. 765. a.b.

Priapus Bilder den kleinen Kindern gut. II. IV. 730. b.

Prias wird in einem Schauspiel erstochen. II. VIII. 1415. a.

Priester soll ein Fürst nicht beleidigen. II. V. 783. a. II. VIII. 1391. a. ihre absonderliche Kleidung. I.V. 660. a. Priester sonderliche Würde. I.V. 558. a.b. haben sich aber nicht in irrdische Händel zu mischen. I.V. 569. b. ihre Gebrechen sind zu ertragen. I.V. 563. b. Egyptische Priester essen von keinem Thiere. I.V. 663. b.

Priester haben bey den Langobarden die Herrschaft über ihren Hertzog. II. VII. 1272. a. II. VIII. 1429. a.

Priesterliche Würde ist bey den Deutschen dem Adel zuständig. II. I. 177. a.b. ist bey etlichen Völkkern mit weltlicher Herrschafft vereinbaret. II. VII. 1241. b.

Priesterthum ist vor dem bey den Deutschẽ von den Fürstẽ verrichtet wordẽ. I. VII. 970. a. Priesterthum ist bey etlichen Völckern den Schönsten gegeben worden. II. V. 878. a. ist bey den Deutschen und andern Völckern Unverehlichten anvertrauet worden. II. I. 174. b. des Aegiensischen Jupiters wird den allerschönsten Gaben anvertrauet. II. I. 43. a.

Priscus (Tarqvinius) in einem Schauspiel vorgestellt.II. III. 423. a.

Prometheus ein Buch so Mecenas geschrieben. I.V. 702. b.

Prometheus wird in einem Schauspiel vorgestellet. II. III. 425. a. sein Heiligthum. I.V. 566. a. sein Bildnüß. I.V. 577. b. betrachtet die Sternen; ob er an den Caucasus gebunden worden. I.V. 577. b. sein Bildnüß fällt über einen Hauffen. I.V. 586. a.

Protis von der Gyptes zu ihrem Bräutigam erwehlet. I. II. 154. b.

Prusias kommt in Bythinien. I. VI. 865. b. nennet sich einen Freygelassenen des Raths zu Rom. I. VI. 880. a. plündert die Tempel. I. VI. 881. a.

Prytaneum zu Athen. I.V. 689. a.

Ptolomäus König in Macedonien berückt seine Schwester Arsinoe schändlich. I. VI. 776. a. seq. heyrathet sie und tödtet ihre Kinder. I. VI. 777. a. verlieret eine Schlacht und sein Haupt. I. VI. 778. b.

Ptolomäus der Jüngere wird König I. VII. 778. b.

Pulver ist bey den Seren gebräuchlich. I.V. 647. b.

Purpurfarbe woher sie entstehe. I. IX. 1393. b.

Puße einer Göttin ihr Bildnüß. I.V. 642. a. kömmet vom Himmel auf Erden. ibid. durch sie wird die Isis und Natur vorgestellet: ibid.

Pyräum wird belägert. I. VI. 936. a.b. geht über. I. VI. 936. a.

Pyräischer Haven. I.V. 683. b.

Pyrrho ein Griechischer Welt-Weiser hat sonderliche Lehre / und was sein höchstes Gut gewesen. II. II. 266. a.b.

Pyrrhus König in Epirus fällt mit den Deutschen in Macedonia ein / und schlägt den Antigonus. I. VI. 784. b. hilfft denen Miltzbeschwerten. II. V. 800. b.

Pythagoras wie er von den Bramahnen angebetet werde. I.V. 664. b. verfälschet die rechte Weißheit.I.V. 666. b. seine Lehre von der Seele. I.V. 666. b. sein Lobspruch. I.V. 680. b. seine Nachfolger / Vater / Verwandten / Thaten und Erfindungen. I.V. 682. a. seine Lehre von Zusammenstimmung der sieben Irrsterne. II. V. 908. a.

Pythagorische Lehre ist die andere Staffel des Alironischen Heiligthums. I. IX. 1343. a.

Pythischer Apollo. I. III. 262. b.

Pythodoris ziehet den jungen Sohn des Königs Polemons auff. I. III. 292. a. wird Königin in Armenien / und läßt hernach den Zeno seine Geburth und Stand wissen. II. IX. 1607. b. erzehlt ihren Lebenslauff. II. IX. 1607. b. seq.


Q.


Quaden werden gleichsam von den Schwaben zu Knechten gemacht. II. VII. 1144. a. werden von dem Vannius unter sich gebracht. ibid.

Quanchung wird erobert. I.V. 631. a.

Quangcheu eine Wunderstadt. I.V. 645. a.

Quirinus (Publius) Bürgermeister zu Rom. I. IV. 484. b.

Quittenbaums Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 337. a.


R.


Rabe / ein Ritter / woher er den Nahmen bekommen habe. I. VI. 759. a.

Raben kündigen den Deutschen Unglück an. I. VI. 759. a.

Rabenstein / woher er den Nahmen bekommen habe. I. VI. 759. a.

Rache macht blind. I. IV. 429. a.b. wird in einem Schauspiele vorgestellt. II. VIII. 1412. b. seq.

Rakimis / König der Geten / trit das Reich ab und ist unglücklich. I. II. 142. a.b. seq.

Ranzau / ein Cimbrischer Gesandter. II. V. 873. b.

Räthe sollen nicht furchtsam seyn; ein Gespräch hiervon des Feldherrn mit dem Hertzog Arpus. II. VI. 983. b.

Rathschläge wem sie zuweilen gleich seyn. I. VIII. 1246. a. welche am besten seyn. II. VI. 988. a. wem sie zu vergleichen. II. I. 117. a. kommen von sich selbst aus. II. II. 369. b. welches die besten seyn? II. VI. 988. a. furchtsame Rathschläge wie sie aussehen. II. V. 812. b.

Räuber sind fähig / daß mit ihnen Friede geschlossen werde. II. II. 377. b.

Recht der Natur. I. IV. 351. a.b.

Recht der Völcker vertheidiget die Gesandten. II. VIII. 1381. a.b. was es von der Reichsfolge haben wolle. II. I. 68. b.

Rechte Seite bey Deutschen / Persern und Römern für die ehrlichste gehalten. II. V. 744. a.

Rede über der Fürstin Wallpurgis ihrem Tode. I.I. 13. a. des Arminius an die deutschen Fürsten. I.I. 17.a.I.I. 31. b. des Hertzogs Arpus. I.I. 20. a. des Segesthes. I.I. 21. b. des Hertzog Jubils. I.I. 23. b. des Hertzog Inguiomers. I.I. 26. a. des Priesters Libys. I.I. 78. b. des Feldherrn Marcomirs. I. II. 183. a. des Feldherrn Herrmanns. I. III. 194. b. der Königin Erato an ihre Stände. I. III. 314. b. des Königs Huhansien an die Syrmanis und sein Volck. I.V. 625. a.b. die letzte Rede Terentiens an ihren Mecenas. I. VII. 1221. a. Liebes-Rede des Marbods an Thußnelden. I. VIII. 1274. b. des Germanicus an sein Krieges-Heer. II. II. 258. b. des Befehlhabers Stertinius an sein Volck. II. II. 280. b. des Fürsten Zeno an seine Erato. II. III. 461. b. an den Zeno. II. III. 463. a. des obristen Priesters bey Hegung des Gerichts über die Ismene. II. III. 838.b. Luitbrands Anklagungs-Rede gegen Ismenen. II. III. 539. b. ihre entgegen gesetzte Vertheidigungs- Rede. II. III. 540. a. Rede des sterbenden Grafen Solms. II. IV. 712. b. Lobrede Drusus auff den verstorbenen Augustus. II. VI. 958. b. des Tiberius auff eben denselbigen. II. VI. 965. b. Rede des Germanicus an das auffrührische Krieges-Volck. II. VI. 992. b. des Segesthes an den Germanicus. II. VI. 1036. b. des Feldherrn an sein Krieges-Heer. II. VI. 1042. a. Rede des Frotho an sein Krieges- Heer. II. V. 894. b. des Priesters Libys an die den Tanfanischen Tempel einäschernden Römer. II. VI. 998. b. des Germanicus an sein Krieges-Heer. II. VII. 1227. b. des Oberpriesters der Langobarden an den Adel. II. VII. 1273. a.b. des Oberpriesters bey den Semnonern bey der Wahl eines Fürsten. II. VII. 1279. a. des Grafen Ravenssperg gegen die Deutschen. II. VII. 1167. b. des Germanicus an sein Krieges-Volck tapffer zu fechten. II. VII. 1182. b. des Feldherrn und Ingviomers an ihr Krieges-Volck. II. VII. 1190. a. des Tiberius an den Rath zu Rom II. IX. 1490. a. des Herrmanns an sein Krieges-Heer von der Schlacht wider den Marbod. II. IX. 1513. b. des Marbods an seine Soldaten. II. IX. 1514. a. Abdanckungs-Rede des Hertzog Herrmanns an die Cherusker. II. IX. 1636. a.

Redligkeit ihr Bildnüß. II. II. 333. b.

Regen so Gold bringet. I.V. 598. b. wird nach einer siebenjährigen Dürre vom König Tangus bey den Seren erbeten. I.V. 596. a.b.

Regierungs-Kunst aus Garten-Gewächsen gewiesen. II. V. 751. a.

Regillus (Cäcilius) ein Glücks-Kind. II. III. 502. a.

Regulus ein Glückskind. II. III. 500. a. Regulus in Africa I. VI. 789. b. stirbt zu Carthago für Betrübnüß. I. VI. 790. a.

Regungen ob sie eine Kranckheit des Gemüths seyn.I. IX. 1344. a.b. ob sie auszutilgen / böß / gut oder mittelmäßig seyn. I. IX. 1344. a. ob sie den Thieren zukommen. I. IX. 1347. b.I. IX. 1348. b. siehe Gemüths-Regungen.

Reiche sollen nicht unmäßig erweitert noch mit andern vereiniget werden. II. VII. 1300. a.b. II. VIII. 1400. a. II. III. 371. a.

Reiche werden von Brüdern einander aufgedrungen. I.V. 599. a. Reiche so erblich und nicht getheilet werden können. II. IV. 593. a.

Reichs Nachfolge wie sie nach dem Völcker-Rechte beschaffen sey. II. I. 68. b. Reiche Untergang woher er entstehe. II. VII. 1286. a.

Reichs-Pfänder vieler Reiche / insonderheit der Römer. II. VII. 1274. a. siehe Schutzbilder.

Reichs Urheber und ihrer Vergrösserer Würde. I. II. 134. a.

Reichhold ein deutscher Fürst tröstet den Hannibal. I. VI. 844. a.

Reichthum ist besser als Armuth. II. V. 853. b. Reichthum ob es ein Pfeiler sey der Reiche. I. II. 179. b.I. II. 180. b. Reichthum ob es denen Unterthanen nützlich sey. I. VII. 1056. a.b.

Reigerbeitzen. I. II. 88. a.b.

Reisen / so groß und geschwinde verrichtet. I. IV. 443. a.

Rennespiel wird gehalten. I. IX. 1414. a.

Reuter / so feurig werden von den Römern über der deutschen Heere gesehen. II. VI. 1060. b.

Rhamis Braut des Segimers wird von den Räubern errettet. I. VIII. 1294. a.

Rhascuporis heyrathet die Ada. II. I. 82. a. wird von ihrem Gemahl zum Ehebruch verleitet. II. I. 97. a. läst sich für den König in Thracien ausruffen. II. I. 115. b.

Rhascuporis muß nach Rom. II. IX. 1627. a. wird endlich erstochen. II. IX. 1634. a.

Rhein ist zur Gräntze Deutschlandes und Gallien gemacht. II. VIII. 1344. b.

Rhein-Wein wird nach Rom geführt. II. II. 289. b. sein herrlicher Geschmack und gute Farbe. II. II. 297. b. seine Tauerung. II. II. 301. a.b. Rheinwein hat den Preiß für andern allen. II. VIII. 347. a.b.

Rhemetalces wird von der Aurinia vom Tode befreyet. I.I. 80. b.

Rhemetalces verwundet den Segesthes. I. IV. 424. b. wird zum Fürsten Deutschlandes erkläret. I. IV. 442. a. hält sich in Pannonien wohl. I. IV. 490. a. erzehlet die Beschaffenheit seines Vaterlandes Thracien / und die Thaten seiner Vorfahren. II. I. 27. a. seq. ihm wird mit Gifte nachgestellet. II. I. II. a. wird in Verhafft gesetzt von seinen Vater. II. I. 119. a.b. ziehet nach Rom / und von hier in Deutschland. II. I. 126. a. entweicht aus ungegründeter Eifersucht aus Deutschland. II. VII. 888. a. II. VII. 795. a. streitet für Ismenen in einen Zweykampff. II. III. 560. a. verwundet den Siegemund tödtlich. II. VII. 794. a.b. erfähret von dem Tiberius seine unzeitige Eifersucht. II. IX. 1489. b. kommt mit der Zirolanen wieder zusammen / und wil sich mit ihr aussöhnen. II. V. 1491. b. ziehet von Rom. II. IX. 1522. a. besuchet seine Clotildis. II. IX. 1624. a. ko t in sein Erb-Königreich. II. IX. 1627. b.

Rhemetalces König in Thracien gehet zum Octavius über. II. I. 70. a.

Rhemetalces unwissend zum Ehebruche verleitet von der Ada. II. I. 106. a. wird erschlagen. I.I. 115. b.

Rhetier was es für ein Volck sey. I. IV. 349. b. handeln wider das Recht der Natur. I. IV. 353. b.

Rhodan / an demselbigen ist ein Tempel dem August gebauet. I. IV. 355. b.

Rhodis umsonst von den Mithridates angegriffen. I. VI. 935. b.

Rhodobates ko t vom Cyrus um. I.V. 530. a.

Rhodope bey den Thraciern. II. I. 29. a.

Rhodus wird von einem Erdbeben eingeworffen. I. II. 184. b.

Rhumsprüche ohne Verdienst wem sie zu gleichen. I. VII. 1099. b. siehe Nachruhm.

Rhumsucht so übermäßig wem sie zu gleichen. I. VII. 1099. a.

Rhymetalces allzufrühzeitige Herrschafft ist Thracien nachtheilig. II. I. 73. a. wird vom Throne gestürtzt. II. I. 77. a. ko t aber wieder dazu. II. I. 78. a.

Riama des Feldherrn Marcomirs Tochter verliebet sich in Friedebalden. I. II. 153. b. wird Clodomirn hernach Feldherrn verheyrathet. I. II. 160. a. wird von ihrer Gemüths- und Liebes-Kranckheit geheilet. I. II. 164. b.

Rießen-Gebürge. I. VII. 1117. a.b.

Rießen Pusion und Secundelle zu Rom. I. III. 202. b. sind ungeschickt. ibid. seq.

Rindviehes Nutzbarkeit. II. I. 200. b.

Ring des Augustus heilt gewisse Kranckheiten. II. V. 800. b. Ring Polycratens kommt unversehens zu Thusnelden. I. VIII. 1273. a. Ringe so Weissagungen in sich haben. I. VIII. 1284. a.b. werden hochgeschätzt. I. II. 97. b. von sonderbahrer Krafft. ib. Ring wird von dem August einem Knechte gegeben zum Zeichen seiner Freyheit. I. VII. 1046. a. Ringe gewisse Anzeigungen. I. II. 102. b. von Golde wer sie zu Rom getragen. I. II. 99. a. von Eißen werden von den Catten getragen. I. II. 97. b. auch von andern. I. II. 97. b. Rätzel auf einen Ring. II. IX. 1498. a.

Ritterspiele zu Sinope. I. III. 253. b. Ritterspiel dem Castor und Pollux zu Ehren zu Rom angestellet. I. VIII. 1239. b. zu Deutschburg bey der Vermählung des Feldherrn. I. IX. 1353. b.I. IX. 1368. a. seq. zu Godanium. II. IX. 1562. b. Sarmatische Ritterspiele der allerannehmlichsten. I. IX. 1369. b.

Roderich Feldherr der Deutschen regieret wohl. I. II. 172. a. trit seinen Bruder Pannonien ab. I. II. 173.a. schickt Mithridaten dem Könige der Parthen herrliche Geschencke. I. II. 175. a.

Rollers Erichs Königs der Suionẽ Bruder ungläubliche Tapfferkeit. II. V. 874. a. wird in einem Zweykampff mit Torismunden erlegt. II. V. 900. a.b.

Rom wird wegen seiner Grösse dienstbar. I.I. 5. a. wie groß es gewesen. I.I. 7. a. wie viel es Menschen in sich gehabt. I. II. 107. b. wie viel Bürger zu Zeiten des Augustus. II. II. 234. a. Rom hat die Freyheit verlohren / als die Griechischen Künste zu ihr gekommen. I.V. 613. a.b. zittert über die Niederlage des Varus. I. IV. 445. b. verfället in Wollüste und Laster. I. VI. 923. a. wird in einem Schauspiel vorgestellet. II. VI. 422. b. wird in einem Sieges-Gepränge vorgestellt. II. IV. 484. b. Roms Beschaffenheit nach Absterben des Augustus. II. VI. 943. a. wird durch den Deutschen Krieg erschöpfft. II. VII. 1094. b. Roms Wachsthum und Großmüthigkeit. I. VI. 852. a. ihr Untergang vom Scipio geweissaget. I. VI. 886. b. Rom will Catilina vertilgen. I. VI. 954. b. welcher Gott am meisten zu seinem Wachsthum beygetragen. I. VIII. 1204.a. singt ein Loblied von ihrer Freyheit. II. III. 440.b. ertheilet Deutschlande die Helffte ihres Crantzes. II. III. 446. a.b. wird vom Brennus erobert und verbrant. I. VI. 748. b. zu einem Schauessen auffgesetzet. II. IX. 1490. b.

Römer halten keine Treue. I.I. 24. b.

Römer werden geschlachtet. I.I. 68. b. handeln ungerecht gegen andere Völcker. I. II. 95. a. ihre Schiffarthen. I. II. 126. b. Römer Großsprechen von ihren Thaten. I. II. 94. b. Römer verdrücken der Deutschen ihren Ruhm. I. III. 118. a.I. 168. a.I. VI. 732. a. halten offt falsche Sieges-Gepränge. I. IV. 385. a.I. VI. 753. b. seq. rühmen sich selbst / und schelten andere Völcker. I. IV. 383. a.b. werden in Pannonien geschlagen. I. IV. 490. a.b. halten kostbare Mahlzeiten. I.V. 578. b. verleumbden die Deutschen. I.V. 580. b. lieben eben so wohl den Trunck. I.V. 581. a. Römer Krieg mit dem Brennus. I. VI. 748. a. brechen mit den Deutschen den Friede. I. VI. 757. a. sticht Carthago in die Augen. I. VI. 788. a. fangen ungerechte Kriege an. I. VI. 807. b. werden von den Deutschen überzogen. I. VI. 789. a. wollen Rom und Italien verlassen. I. VI. 834. a. verfallen in Krieg mit den Macedoniern. I. VI. 857. a. ihre glückliche Thaten in Griechenland und den anliegenden Ländern. I. VI. 873. b.I. VI. 880. a. der Römer Blindheit in Einäscherung der Stadt Corinth. I. VI. 887. a.b. Römer werden von dem Mithridates geschlagen. I. VI. 935. a. ihre Falschheit die sie zu gebrauchen wissen. I. VIII. 1282. a.b. ihre üppige Schwelgerey wird vorgestellt. I. IX. 1362. a. Herrschenssucht und Staats-Griffe bey Krieges- und Friedens-Zeiten. II. I. 9. a. Römer Furcht für den Deutschen nach des Varus Niederlage. II. I. 10. b. seq. sind Räuber der Welt. II. VI. 1007. a. haben Wolffs- Magen. II. VI. 1014. a. machen den Deutschen eine blaue Dunst. II. VI. 1014. b. haben die Gewohnheit die Abtrünnigen zu züchtigen II. VII. 1169. a. sagen / daß den Römern dienen sey Freyheit. II. VII. 1171. b. wie weit sich ihre Herrschafft erstrecke. I. VII. 1172. b. Römer Grausamkeit gegen die überwundene Deutschen. II. VII. 1211.b. vergrössern ihre Thaten. II. VII. 1212. b. setzten sonsten keine Siegesmahle. II. VII. 1217. a. werden groß durch Zwiespalt anderer Völcker. II. VII. 1007. b. ihr Schutz-Bild. II. VII. 1274. a.b. Römer Klugheit in Belohnung der Helden. II. IX. 1419.a.b. werden nochmahls von den Deutschen geschlagen II. II. 241. a.b. halten in einem Auffzug einen Streit mit den Griechischen Helden. II. III. 442. b. Römer Art zu Tischen. II. V. 763. b. Römer Verschwenderey in dem Essen. II. V. 776. a.

Romulus wird in einem Schauspiele vorgestellet. II. III. 422. b. sein Spieß. I. VII. 1079. a.

Rosen der Seren. I. III. 308. b.

Rose wird von der Sonne als Königin der Blumen gepriesen. I. IX. 1397. a. etlicher Rosen sonderbahre Art. I. IX. 1399. a. setzet Thusnelden ihren Krantz auff. I. IX. 1401. b.

Rosenholtz bey den Seren und seine Vortrefligkeit. II. II. 318. a.

Rothe Farbe GOtt zu versöhnen. II. I. 200. a. ist im Morgenlande ein Merckmahl und Kennzeichen des Adels. II. III. 530. b.

Röthe des Antlitzes woher sie entstehe. II. II. 257. b. Röthe ist der Tugend Leibfarbe und ein Zeichen der Vollkommenheit. I. IX. 1324. a.

Rubin scheinet des Nachts. I.V. 656. b.

Rubins Krafft. II. III. 406. a.

Ruboner / Haupt der Eubagen / hält sein Bylager. I. VII. 984. b.

Ruffs Geschwindigkeit. I. IV. 442. b. in einem Singespiele vorgestellt. II. IX. 1568. a.

Ruhe des Gewissens ist ein köstlicher Schatz. I. VIII. 1288. a. siehe Gewissen.

Ruhm siehe Nachruhm.

Rusila zerreisset ein Huffeisen mit zwey Fingern. I. VII. 986. b.


S.


Saale in einem Schauspiel aufgeführet. II. IX. 1565.a.

Sachredner ängstigen die Deutschen. I. IX. 19. b.

Sachredner der Römer werden gepeiniget. I.I. 61. a.

Sadal beherrschet Thracien. II. I. 14. a. seine Unempfindligkeit und wundersame Eifersucht in der Liebe. ibid. seq. verliebt sich in ein Venusbild. I.I. 41. a.b. wird endlich in die Apame verliebet. II. I. 45. b. und mit ihr vermählet. II. I. 47. a. seine wunderliche und sonderbahre Eifersucht. II. I. 47.a. seq. wil der Dianen Tempel stürmen. II. I. 60. a. wie auch des Bacchus. II. I. 64. b. wird um sein Königreich gebracht. II. I. 65. a.b. und stirbt. II. I. 67. b.

Säule zu Memphis. II. III. 537. a. Ehren-Säulen zum ersten erbauet. I. IV. 339. a. richtet Unfall an / und ist nicht zu billichen. I. IV. 339. a.b. ein Lohn der Tugend. I. IV. 340. a.b. siehe Ehren-Säulen.

Saffran wil Blumen-König seyn. I. IX. 1389. a.

Sagunt wird von Amilcar belägert. I. VI. 822. a.

Salacia / Saltz-Göttin. II. I. 212. a.

Salier deutsche Völcker. I. VI. 735. a.b.

Salomin König der Scythen fällt in Pannonien ein. I. II. 150. b. belägert Vindobon. I. II. 151. a. vertreibt Lisabilen und ihren Sohn und nimmt Bragetio ein. I. II. 152. a.

Salomon vertieffet sich in die natürlichen Sachen. II. V. 750. a.

Salonine / die Gefehrtin der Königin Erato erzehlet ihren Lebenslauff. I. III. 204. a. seq. giebet sich einen andern Nahmen. II. IX. 1605. b.

Salustius vertheidiget den Germanicus. II. VIII. 1320. a.

Saltzes Hochschätzbarkeit und vielfältiger Gebrauch. II. I. 211. b. Saltz versaltzet den Albaniern allen Geschmack. II. II. 270. a. Saltz gemacht. I. IV. 410. a. Saltz-Seen der Deutschen. II. I. 217. a.

Samniter Krieg mit den Römern. I. VI. 765. a. seq.

Samnitischer Weiber frevelhaffter Gottesdienst. I. VII. 985. a.

Samos des Pythagoras Vaterland besichtiget. I.V. 680. a. seq.

Samothischen Weisens Unterredung mit dem Ariovist. I. VII. 1107. b.

Sand-Seiger. II. V. 762. a.

Saphieres Krafft. II. III. 405. b.

Sardinien von den Carthaginensern befreyet. I. VI. 805. b.

Sardonich von ungemeiner Größe. II. III. 515. a. seine Krafft. II. III. 405. a.

Sarmater sind den Römern beschwerlich. I. IV. 425.b. streiten wider die Römer. I. IV. 493. a.b.

Sarpimil ein Ackersmann wird durch einen glücklichen Zufall zu einem Könige. I. II. 155. a.

Saturninus vernünfftige Bescheidenheit. I. VII. 1167.a. seine Freundschafft mit dem Feldherrn. I. VIII. 1267. b. wird von den Deutschen geschlagen. II. II. 285. b. seq. soll das Amt eines Nachrichters bey der Catta verwalten und sie zugleich schänden. II. IX. 1506. a. II. IX. 1521. a. hilfft dem deutschen Frauenzimmer aus der Gefangenschafft. II. IX. 1521. b. wird des Lasters der verletzten Majestät beschuldiget / und von dem Tarpejischen Felßen herunter geworffen. II. IX. 1526. a.

Saturnus Bild. I.V. 572. a. Saturnus Bild auf dem Melibokischen Gebürge. I. VII. 978. b. Saturnus von den Carthaginensern mit Menschen-Opffern verehret. I. VI. 795. a.b. Saturnus wird von dem Tiberius vorgestellt. I. VIII. 1195. b. seine Thaten / Erfindungen und Eigenschafften werden vorgestellet. I. VIII. 1208. Saturnus Zelt wird vorgestellet. I. IX. 1362. a. auf den Tiberius in einer Schmähe- Schrifft gedeutet. II. IX. 1524. b.

Satyren ob und was sie seyn? II. IV. 568. a.b.

Sau zerstört die Stadt der Libethrier. II. VIII. 1364. a.

Sauerbrunnen bey dem Lohnstrome. II. IV. 726. a. Ursprung und Ursache. II. IV. 738. b. ob sie sicher zu trincken seyn. II. V. 740. b.

Sauff-Helden werden von dem Tiberius zu Ehren- Aemtern befördert. II. III. 435. a. Säuffer von großen Trincken. I.V. 580. b. seq. Sauffstreit eines Römers mit einem Deutschen. II. III. 436. a.

Säule / siehe oben Saeule.

Scarusfisch zu Rom wird hochgehalten. I. IX. 1362.a.b.

Schachspiel von dem Fürsten Selenus entworffen. II. IX. 1642. b.

Schachtafel Wapen der Chaßuarier. II. IX. 1642. q.

Schaf heyrathet eine Marsingische Fürstin. I. VII. 1132. a.

Schafe von sonderlichen Schwäntzen. II. I. 1213. a.b. sind Todfeinde der Wölffe. II. I. 197. a. ihre mancherley Art und Nutzbarkeit. II. I. 198. a.b. seq.

Schäfer bemühet sich um eine schöne Jungfrau und erlangt sie. I. VII. 1230. b.

Schamhaftigkeit wird mit Altaren und Heiligthümern geehret. I. IX. 1323. a. woher sie entstehe / und ihr Unterschied von der Schande. I. IX. 1324. a. ihr Lob. ibid.

Schamröthe ist die Morgenröthe der aufgehenden Tugend. II. I. 89. a.

Scharbock befällt das Römische Krieges-Heer. II. VI. 1075. a.

Scharlach-Bäume in Gallien. II. II. 318. b.

Schatz eines Fürsten mit wem er zu vergleichen. II. V. 771. a. Schätze sammlen / ob es Fürsten anständig und nöthig. I. II. 179. b. richten Unfall an. ibid.

Schatzungen ob und wie weit sie den Unterthanen auffzulegen. I. VII. 1056. a.b.

Schau-Essen auf einer prächtigen Mahlzeit fürgestellet. II. III. 433. b. seq. welche Tiberius Thusnelden und andern deutschen Frauenzimmer zu Ehren austragen lassen. II. IX. 1490. b.

Schauplatz zu Deutschburg beschrieben. I. IX. 1313.b.

Schauspiel zu Sinope. I. III. 250. zu Rom. I. IV. 466.a.I. VII. 1055. a. Schauspiele mit den Händen ohne Sprache vorzustellen. I. IX. 1366. a. Vannius stellet dem Marbod ein Schauspiel an von der Hippodamia. II. VIII. 1403. b. II. VIII. 1423. a. von dem Drachen und dem Hesperischen Garten. II. VIII. 1436. a. von der Römischen Freyheit. II. VIII. 1421. a. Schauspiel den Deutschen zu Ehren angestellt. II. III. 483. a. bey der Vermählung des Marbods mit der Marmeline. II. V. 862. b. von den Barden auffgeführet / als Jubil sein väterliches Hertzogthum eingenommen II. IX. 1464. b. Schauspiele zu Rom auffgestellet. II. V. 519. a. Schauspiel zu Athen auffgeführt von unterschiedenen Lastern. II. IX. 1617. a.

Schiff darauff Deucalion erettet worden. I.V. 565. b. der alten sind klein und langsam gewesen. I. II. 129. b. seq. doch auch geschwinde. I. II. 131. b. Wunder-Schiff des Archimedes. I. II. 130. b. sonderbahrer Schiffe sonderbahre Begebenheit. II. V. 590. a. Schiffe von unterschiedenen Ruderbäncken. II. V. 888. a.

Schiffarthen der Phönicier / Britannier / Scythen / Bataver / Griechen und Römer. I. II. 121. a. biß 127.b. der Alten. I. II. 128. b. ist ein Bild des Lebens. I. VIII. 1318. a.

Schiffbruch des Germanicus. II. VII. 1233. a.b.

Schiffbruch des Germanicus und der Römer bey Epp und Fluth. II. VI. 1066. a. II. VII. 1233. a.b.

Schiffsflotte des Frotho von sonderbahrer Grösse und Menge. II. V. 888. a. seq. der Römer wird verbrandt. II. VI. 1063. a. seq. neuerbauete Schiffsflotte der Römer. II. VII. 1165. a.

Schild einbüssen ist bey den Deutschen eine Schande. I.I. 55. b. sonderbares Schild von den Deutschen erobert. II. VII. 1214. a. Schilde berühmter Helden werden in grosser Menge in Tanfanens Tempel geschickt II. II. 289. a.b.

Schlacht der Deutschen mit den Römern. I.I. 35. a. Schlachten so verlohren / sich zum Siege zu machen. I. VI. 754. a. Schlacht der Römer mit dem Hertzog Adolph. I. VI. 756. a. der Macedonier und der Deutschen. I. VI. 778. a. der Deutschen mit den Römern. I. VI. 809. b. der Römer mit Hannibaln. I. VI. 828. a.b. der Deutschen mit den Römern. I. VI. 860. b. Schlacht so die Herrschafft entschieden. I. VI. 866. b. der Deutschen. I. VI. 912.a. des Sylla mit den Griechen. I. VI. 937. b. zwischen dem Sertorius und dem Pompejus. I. VI. 844. a. zwischen dem Pomejus und dem Mithridates I. VI. 948. a. des Spartacus mit den Römern. I. VI. 953. b. der Römer mit den Helvetiern I. VII. 991. b. des Cäsars und des Ariovists. I. VII. 997.a.b. Gotarths mit dem Feldherrn Aembrich. I. VII. 1019. a. der Hermundurer. I. VII. 1066. b. des Marbods und der Bojen. I. VII. 1136. b. des Sandals und Cotys / und des Cassius mit dem Antonius. II. I. 66. a. andere Schlacht der Deutschen mit den Römern. II. II. 239. a. Schlacht des Hertzogs Gottwalds mit der Marmeline. II. V. 832. b. Seeschlacht des Torismunds und des Frotho. II. V. 891. a.b. des Feldherrn mit den Römern bey dem Tanfanischen Tempel. II. VI. 998. b. grausame Schlacht der Deutsche mit dem Cäcinna. II. VI. 1067. a.b. der Deutschen mit den Römern. II. VII. 1177. a. des Feldherrn mit dem Marbod. II. IX. 1514. a.b.

Schlaff bey etlichen lang während. II. IV. 567. a.

Schlange von funffzig Ellen. I. VIII. 1208. a.

Schlangen so keinen Gift haben. I.V. 644. b.

Schlange richtet eine große Schlacht an. I. III. 292. a.

Schlangen dräuen den Untergang. II. V. 834. b.

Schlagen sind der Botmäßigkeit der Weisen unterworffen. II. I. 1213. a.b. oft sie künftige Dinge wahrsagen können II. I. 1214. a. sprechen der Erato den Zeno ab / und der Ismenen zu. II. I. 1216. a.b.

Schleyer Minervens. I. IV. 342. b.

Schmähe-Schrifften wider den Kayserlichen Hof. II. V. 517. b. wie dergleichen Schrifften zu rächen seyn? ibid. auf Livien und den Tiberius. II. VI. 975. b. auff den Tiberius. II. IX. 1523. a.

Schmidt bemüht sich um eine schöne Jungfrau. I. VII. 1229. a.

Schmincke von der Ade gebraucht. II. I. 85. a.b. wie weit sie zu gebrauchen. II. I. 86. b. allerhand Arten. II. VI. 1026. b.

Schnee bey Mahlzeiten gebrauchet. I.V. 583. a.b.

Schöneus in einem Schauspiele vorgestellet. II. VIII. 1424. a.

Schönheit vollkommen abgemahlt. I. IV. 459. a. bestehet oft in der Einbildung I. 4. 468. a. der Helenen wird nicht mehr in ihrem Spiegel vorgestellet. I. IV. 468. a. kommt fürnehmlich Fürsten und Gesandten zu. I. VI. 762. a. ist bey unterschiedenen Völckern unterschiedlich. II. VI. 1021. b. worinnen sie bestehe. II. VI. 1023. a. bedarff auch eines euserlichen Aufputzes. II. II. 407. b. ob ihr durch Schmincke zu helffen sey? II. I. 88. a. erlangt König Ariovists Gemahlin nach der grösten Heßligkeit. II. I. 89. a. ohne Tugend ist nur betrügliche Schmincke. II. I. 190. a. worinnen sie bestehe.ibid. ist vielerley Urtheil unterworffen. I. VIII. 90.a. über die Schönheit zancken sich die Völcker. II. I. 103. b. mit was sie zu vergleichen. II. VIII. 1367. b. ob sie in der Einbildung bestehe? II. I. 151. a. seq. was sie gutes und böses würcke? ist eine Mutter der Liebe und Beherrscherin der Götter und Menschen. I. VIII. 1238. a. des Leibes vergesellet mit der Schönheit des Gemüthes. I. VIII. 1239. a. ist oft gefährlich. ibid. b. wie sie beschaffen sey. I. VIII. 1242. b. die grösten Schönheiten wo sie zu befinden. II. I. 16. a. hat die Natur zur Mutter und die Welt zur Anbeterin. II. I. 21. a. vollkommene Schönheiten wem sie gleich. II. I. 22. b.

Schönste in der Welt. I. IX. 1307. b.

Schreibens geheime Art bey den Spartanern. II. VIII. 1318. b.

Schuh bey den Deutschen. II. I. 176. b.

Schutzbild der Stadt Apollonia. I. IV. 415. a.

Schutzbilder gewisser Oerter. I. II. 151. a.b. sieben Schutzbilder zu Rom. II. I. 184. b.

Schutzbilder der Cimber und Scythen. I. IX. 1333. b. der Römer sind bloße Larven. I. IX. 1334. a. der Esthier ist ein wild Schwein. II. V. 829. a.b. der Römer sind Freystädte. I. IX. 1415. b.

Schutz-Geister. I. II. 167. a. Schutz-Geist überliefert dem Polemon einen Dolch seinen Sohn zu erstechen. I.V. 515. a. Schutz-Geister der Geschöpffe. I. IV. 414. a.b. nehmen sich der ihrigen an. I. IV. 416. a.b. weichen von bösen. I. IV. 417. a.b. erinnern viel Helden. II. VII. 1288. a. unterschiedener Völcker. I. VII. 119. a.b. Schutz-Geist des Gabretischen Gebürges führet den Feldherrn von einem gifftigen Wasser. I. VIII. 1305. a. Schutz-Geister der Fürsten. I. VIII. 1307. b.

Schutz-Gott der Elbe. I. IV. 413. a.b. dem Schutz- Gott des Julius Cäsar wird ein Marmel-Bild auffgerichtet. I. IV. 388. a. Schutz-Götter bey den Deutschen. I. VII. 978. a.

Schwaben brechen in Gallien ein. I. VI. 738. b.

Schwalbachischer Sauerbrunn. II. V. 734. b.

Schwanen niemahls denen Göttern geopffert worden und warum. I. VII. 976. a.

Schwäntze der Schafe um Bytzantz herum von grosser Schwerde. II. I. 1213. a.

Schwantzstern erscheinet. I. II. 184. a. ob sie was böses bedeuten / und wo sie seyn. ibid. Schwantz- Gestirne Ursprung. I.V. 574. a. von den Egyptern vorher gesehen. I. III. 267. a. deuten des Mithridates Geburt an. I. VI. 927. a.

Schwartzer Farbe Lobspruch. I. IV. 458. a. wird gescholten. I. IV. 468. b. schwartze Farbe wird bey den Deutschen hoch gehalten. II. I. 200. a. ihre Natur und Beschaffenheit. ibid. ist bey den Mohren in grossem Ansehen. II. II. 267. b. kan bey der Schönheit stehen. II. VI. 1023. a. woher sie bey den Mohren entstehe. II. VI. 1023. b. seq.

Schwefel wird für heilig gehalten. II. V. 741. b.

Schweine werden gantz auffgesetzt. I. II. 97. a.

Schwein zu Memphis macht unrein. I.V. 663. b.

Schweines Bild wird in der Schlacht fürgetragen. II. V. 829. a. Schweine werden von den Egyptiern geehret als Erfinder des Ackerbaues II. I. 210. b. Morgenländer haben einen Absche dafür. II. I. 211. a. Schwein wird göttlich verehret II. II. 388. a.b.

Schweinhaut kan kein Behältnüß des Frieden-Schlusses seyn. II. II. 388. b.

Schwerdlilge will Blumen-Königin seyn. I. IX. 1388.b.

Schwester heyrathen verdammen die Indianer. I.V. 649. a. siehe Geschwister.

Schwimme-Kunst. I. VIII. 1223. b.

Scilurus König in Chersonesus hat achtzig Söhne. I. VI. 923. b.

Scipio der Römische Feldherr erleidet von denen Deutschen eine grosse Niederlage. I. VI. 766. a.b.

Scipio ist ein Glücks-Kind. II. III. 500. a.

Scipio Africanus ein Tugend-Sohn. II. III. 503. 6. rächet sich an seinem Vaterlande / indem er solches im Leben und Sterben verläst. I. VI. 743. b. II. IX. 1636. b. Lucius Cornelius Scipio ein Glücks-Sohn. II. III. 502. b. Publius Scipio Aemilius ein Tugend- Sohn. II. III. 503. a. Scipio gegen Hannibaln. I. VI. 826. a. setzet Hispanien in einen bessern Stand. I. VI. 844. b. belägert Carthago. I. VI. 850.a. wird mit Hannibaln verglichen. I. VI. 852. b. zerstöret Carthago. I. VI. 886. a. und weinet über ihren Untergang. I. VI. 886. b. seine Thaten in Hispanien. I. VI. 894. a.

Scribonius giebt sich für Mithridatens Sohn aus. I. III. 251. a.b. ist ein Freygelassener des Pollio. I. III. 252. b. Scribonius (Curio) ein Tugend-Sohn. II. III. 504. b.

Scordißkische Deutsche ängstigen die Römer. I. VI. 925. b.

Scorpionen unschädlich. II. I. 137. b.

Scythen wollen zuerst in das Atlantische Eyland gekommen seyn. I. II. 122. a. sind unüberwindlich. I. IX. 1367. a. in einem Schauspiel auffgeführet. II. III. 490. a.

Scythischer König fordert den Hertzog Herrmann zu einem Zweykampff heraus. I. IX. 1367. a. woher die Scythischen Könige entsprossen seyn? I. IX. 1368. b.

Seckendorff ein vortrefflich erfahrn- und gelehrter Barde. II. IX. 1527. a.

See im Mohren-Land nöthiget einem alles zu sagen / was einem auff dem Hertzen lieget. II. I. 14. b.

See-Weib auf dem rothen Meere. I.V. 673. b. siehe Sirene.

Seele ist unsterblich. I. II. 168. a.b. Seelen ob sie nach dem Tode erscheinen? ibid. Seele und Geist ist einerley. I. II. 179. a. Seelen verlangen nach Gott und der Unsterbligkeit I. II. 139. b. Seele hat drey Kräffte. II. V. 542. b. ist eine eintzige in der Welt. I.V. 664. b. Seelen Schönheit worinnen sie bestehe? I. VIII. 1192. a. Seelen Eigenschafft läst sich nicht betrachten. II. I. 180. a. Seelen Unsterbligkeit ist der Grund des Gottesdienstes und wird behauptet. II. III. 540. b. Seelen Wanderschafft ob sie von den Brahmanen gegläubet werde? I.V. 663. b. wie auch von denen Egyptiern. I.V. 666. b. was Pythagoras von der Seelen und ihrer Wanderschafft gelehret. I.V. 666. b. unterschiedliche Meinung davon. I.V. 695. b. Seele / was sie sey wird beschrieben. II. II. 362. b. kan nicht gewaschen werden. II. III. 362. a.b. wie sie gereiniget werde. II. II. 363. a. Seele schwinget sich in den Himmel nach des Plato Lehre. II. I. 193. a. ob sie leibliche Empfindung habe? I. III. 325. b. wo sie ihren Sitz hat nach dem Tode? I. IV. 344. a. Seelen Anruffung wird gemißbraucht. I. IV. 347. a. Seelen Unsterbligkeit wird erwiesen. II. II. 271. b. Seele des Menschen was sie sey? II. I. 216. b.

Segesthes widerätht den Krieg wider die Römer. I.I. 21. b. wird von seiner Tochter Thußnelden unwissend verwundet. I.I. 47. a.b. soll geopffert werden. I.I. 74. b. giebet seinen Willen in die Heyrathung Thußneldens mit dem Feldherrn. I.I. 80. a. raubet seine Tochter Thußnelden dem Feldherrn. I. IV. 421. b. und I. IV. 441. a. wird verwundet. I. IV. 424. b. giebt seine Kinder einer Römerin wegen den Römern zu geisseln. I. VIII. 1234. a. läst sich des Saturnins Tochter / die Sentia vermählen. I. VIII. 1234. b. verspricht dem Herrmann abermahl seine Thußnelde. I. VIII. 1249. b. ziehet dieses sein Wort wieder zurücke. I. VII. 1250. b.I. VIII. 1264. b. fällt unter die Räuber und wird von dem Herrmann errettet. I. VIII. 1257. a.b. läst seine Tochter auf der Jagt gefangen nehmen. I. VIII. 1277. b. verspricht sie dem Marbod. I. VIII. 1285.a. wiederum dem Tiberius. I. VIII. 1296. b. wird vom Hertzog Herrmannen gefangen und loßgelassen. I. VIII. 1310. a. ficht noch einmahl wider Deutschland / und wird von seinem Sohne aus dem Sattel gehoben. II. VIII. 242. a. wird ausgesöhnet. II. III. 414. a.b. schläget sich wieder zum Germanicus und verrätht seine Tochter. II. VI. 1036. b. klaget seine Gemahlin wegen Ehebruchs an. II. IX. 1544. b. wird von Bojocaln in einem Zweykampff ausgefordert. II. IX. 1547. a.b. seq. überwindet ihn / muß aber gleichwohl darüber sterben. II. IX. 1549. b.

Segimer des Feldherrn Vater hält sich bey Parthen tapffer I. III. 217. b. wird in seinem Lande von den Römern überfallen. I. IV. 373. b. schläget den Drusus. I. IV. 381. a.b.I. IV. 418. b. seq. kan geziefferte Brieffe auffschliessen. I. IV. 445. a. bekömmt die Feldhauptmannschafft. I. VII. 1023. b. heyrathet eine Parthische leibeigene. I. VII. 1038.b. verliert sich aus Deutschland. I. VII. 1041. a. kö t zurücke. I. VII. 1045. b. erlöset seine Asblaste. I. VII. 1048. a. kömmt aus Lebens-Gefahr. I. VII. 1050. a. kömmt wieder in Deutschland. I. VII. 1054. b. stirbt. I. VII. 1155. a.I. VIII. 1244. a.b. bekommt einen Sohn. I. VIII. 1186. a. ihm wird vergeben. I. VIII. 1248. a. ob er seines Reiches wegen einen letzten Willen gemacht. II. IV. 595. b. dessen letzten Willens Falschheit wird entdecket. II. IV. 600. a.

Segimer des Segesthes Bruder Fücft der Dulgibiner. I. VIII. 1294. a. tritt die neue Regierung an. II. IX. 1549. b. leget sich wider den Feldherrn. II. I. 1590. a. stöst ihn. II. IX. 1591. b. stirbt an seiner Wunde. II. IX. 1592. b.

Sejanus kommt bey dem Tiberius ans Bret. II. VI. 978. a. macht die Agrippine bey dem Tiberius verdächtig. II. VI. 1074. b. ist des Germanicus Feind. II. VIII. 1320. a. braucht zu seiner Wollust und Glücke die Zauberey-Kunst. II. VII. 1151. a. seq. empfähet die Thußnelden / und verliebet sich in dieselbe. II. IX. 1476. a.b. ist deßwegen eifersüchtig gegen den Tiberius. II. IX. 1490. b. büsset seine schändliche Lust bey der Sentia. II. IX. 1501. a. trägt Thußnelden seine Liebe vor. II. IX. 1503. a. schickt dem Adgandester Gifft den Herrmann hinzurichten. II. IX. 1520. b.

Seiden-Staude bey den Seren. II. II. 320. a.

Seiden-Würmer Gespinste. II. I. 185. a.b.

Seiten sind sieben auff der Harffe der Welt. II. I. 220. a.

Seitenspieles wundersame Würckung. II. V. 907. a.

Selbst-Erkäntnüß ist eine Artzeney wider die Gemüts- Kranckheit. I. VII. 1100. b. ist die Glückseligkeit der Menschen. II. V. 750. a.b. ist der Grund der Tugend. II. V. 914. a.b.

Selbst-Mörde. I.I. 71. b. Selbst-Mord ist unrecht. I.I. 77. a.I.V. 713. a. ist von Gott verbothen. II. IV. 705. b. Selbst-Mord der Ungedultigen II. VII. 1112. a. seq.

Selenus / ein Cheruskischer Fürst / entwirffet die Züge des Schachspiels. II. IX. 1642. b.

Seleucus / König in Egypten / zwingt dem Ptolomäus den Frieden ab. I. VI. 786. a. wird von dem Antiochus geschlagen. ibid.

Seleucus / eines unverständigen Schul-Gelehrten / übel gefälltes Urtheil / und betrübter Fall. II. IX. 1487. b. seq. wird zu Athen gehangen. II. IX. 1602. b.

Semiramis in einem Auffzuge fürgestellt. II. V. 859.a.

Semnogallien wird von dem Brennus auffgebauet. I. VI. 741. b.

Semnoner werden von den Römern geschlagen. I. VI. 768. a. sind die ältesten der Schwaben. I.V. 738. a. streiten mit den Römern. I.V. 747. b. fallen in Sicilien / Africa und andere Länder. I.V. 752. a. Zweykampff gegen die Römer. I.V. 755. a. werden von dem Marbod unter sich gebracht. I. VII. 1139. b. begeben sich unter Hertzog Herrmañs Schutz. II. VII. 1252. a.b. ihre Sitten und Kinder-Zucht. II. VII. 1260. a. fallen einander in die Haare. II. VII. 1264. a. ihre Sitten. II. VII. 1259. b. müssen den König Marbod zu ihrem Fürsten annehmen. II. VII. 1280. a. verfallen in Krieg unter sich selbst. II. VII. 1272. a. kommen wieder zu ihrer Freyheit / und erwehlen den Feldherrn zu ihrem Hertzog. II. VII. 1294. a.

Senectius / der Römer Obrister / wird erlegt. I. IV. 381. a.

Sentia wird an den Segesthes vermählt. I. VIII. 1234.b. bemühet sich Bojocaln durch Geilheit auff der Römer Seite zu bringen. II. V. 1018. b. ihre Geilheit gegen denselben. II. VI. 1020. b. gebrauchet sich der Zauberey. II. VII. 1150. b. bringt den Malovend auff der Römer Seite. II. VII. 1155. a. seq. ihre Boßheit gegen das Cheruskische Hauß. II. IV. 585. b. schlägt vor die Adelmunde unfruchtbar zu machen. II. IV. 608. a. ihre Schand-Thaten mit dem Sejanus. I. IX. 1521. a.b. stifftet ihrem Vater den Untergang. II. IX. 1525. b. kriegt endlich / wegen Ehebruchs mit Bojocaln / ihren Lohn. II. IX. 1544. a.b.

Serapio / erster Druis in Deutschland. I. VII. 980. b.

Serapis sonderbahre Antwort. II. III. 538. a.

Seren hencken sich für ihrer Feinde Thüre. II. IV. 705. b. ihre Feindschafften mit den Tattern. I.V. 598. a. ihr grosser Stoltz. I.V. 599. a.

Seretium in Pannonien wird von dem Germanicus belagert und erobert. I. IV. 492. a.

Serischen Reichs Ursprung / Beschaffenheit und vielerley Glücks- und Unglücks-Fälle. I.V. 594. b. Serische Könige unterschiedener Stä e nach. I.V. 594. b. seq.

Sertorius fängt einen grausamen Krieg gegen die Römer an. I. VI. 943. a. wird erstochen. I. VI. 946. a.

Serviltens Ehebruch. I. VIII. 1226. a.

Servilius ist Gesandter beym Marbod. II. II. 369. b.

Sesitach schneidet dem Varus den Kopff ab. I.I. 50.a. wird nach viel erwiesener Tapfferkeit in der Römer Läger eingeschlossen / und kömmt davon. II. VI. 1044. a.b. macht sich zu den Römern. II. VI. 1056. a. II. VI. 1066. b. erbet die ihm zugefallenen Länder. II. IX. 1595. a.

Sesostris kömmt in Thracien. II. I. 29. b.

Sextius (Cajus) und seine verrichtete Thaten. II. III. 503. b.

Sibylla zu Lilibäum in Sicilien. I. VI. 791. a. Sibyllen in einem Schauspiel eingeführt. II. III. 509. a.

Sibyllinische Wahrsagung. I. VIII. 1268. b.

Sicambrer / woher sie den Nahmen habẽ. I. VI. 752.b.

Sicilien wird bekriegt. I. VI. 788. a.b. seq. wird von den Römern und Carthaginensern bekriegt. I. VI. 791. a.b. kö t an die Römer / und hat viel Krieg. I. VI. 792. b.

Sieben Seiten sind auff der Harffen der Welt. II. II. 220. a.

Siebender Zahl Heiligkeit. II. I. 203. b.

Sieg soll man gebrauchen. I. III. 194. b. II. V. 783. a. soll man mit Verzweiffelung des Feindes nicht verfolgen. I.I. 57. a. aus verlohrnen Schlachten zu machen. I. VI. 754. a. in einem Auffzuge vorgestellt. I. IX. 1355. a. mit wem sie zu vergleichẽ. II. I. 124. b. Sieg / Göttin der Stadt Rom / fürgestellt. II. III. 507. b.

Sieges-Bilder wozu sie dienẽ. I. IV. 339. a.I. IV. 341. b.

Sieges-Bogen des Todes. II. VI. 953. b.

Siegefluß darein Wartpurgis gesprungen. I.I. 16. a.

Siegesgepränge wird von den Römern ohne Sieg gehalten. I. VI. 754. a.I. IV. 383. a. wird dem Drusus verstattet. I. IV. 381. a.b. wird sonst nicht stracks verstattet. ibid. ist ein Zunder der Tugend. II. II. 261. a. der Römer in einem Schauspiel vorgestellet. II. III. 483. b. sind den Besiegten schmertzlich. II. VII. 1112. b. seq.

Sieges-Göttin soll dem Mithridates eine Krone aufsetzen. I. VI. 235. b.

Siegesmahle wenn sie aufkommen bey den Römern. II. VII. 1217. a. läst Germanicus in Deutschland aufsetzen. II. VII. 1228. b.

Siegesmund Römischer Priester. I.I. 72. a. seine Liebe gegen Zirolanen. II. I. 161. b. seq. hält einen Zweykampff mit Rhemetalcen unglücklich. II. I. 162. a. ist in einem Zweykampff wider Ismenens Ritter unglücklich. II. III. 554. a. wird von Rhemetalcen tödtlich verwundt. II. V. 793. b. sucht Hülffe bey der Sentia. II. VI. 1034. b. nimmt Zirolanen und Thusnelden gefangen. II. VI. 1035. a. nimmt das Priesterthum des Augustus an / und kommt übel bey Zirolanen und Thusnelden an. II. VI. 1097. b. wird von der Flucht zurücke gezogen. II. VII. 1129. a.b. soll den jungen Thumelich zur Straffe schlachten. II. VII. 1130. b. seq. opffert den untergesteckten Thumelich. II. VII. 1135. a.b.

Siegestadt wird belägert. I. 2. 171. a.

Siegel des Käysers Augustus. I. III. 341. a. der Araber und Egyptier von sonderbahrer Krafft. II. III. 404. b. des Mars stifftet Unfruchtbarkeit. II. III. 404. b.

Siegfried Fürst der Semnoner zieht wider die Römer. I. VI. 765. a.

Sigan Hauptstadt in Tschina. I.V. 627. a. wird erobert. I.V. 631. a.

Silenen begehen ihr Feyer. I. IX. 1416. b.

Simoninides weiß nicht was GOtt ist. I. IV. 347. b.

Sina / Sineser / siehe Seren / Serer etc.

Sinadats Verrätherey gegen Hun König in Pannonien. I. VI. 784. a.b.

Singekunst ihre Würckung. II. V. 907. a.

Singende verfertiget Parrhasius seine Gemählde. I. II. 86. b.

Sinnbilder auf Schilden. I. II. 144. a.b.I. II. 147. a.I. VII. 998. a. II. VIII. 1446. a. II. III. 499. a. Sinnbilder der Liebe. I. III. 194. a.b.I. III. 322. b. auff des Augustus Geburts-Tag. I. IV. 354. a. seq. in etlichen Fahnen. I.V. 624. b. von Fröschen hergenommen. I.V. 701. a. in Fahnen. I. VI. 951. b. in dem Tanfanischen Tempel auf des Feldherrn Vermählung. I. VIII. 1177. a. des Siegemunds. II. I. 161. b. auf Schilden der für und gegen die Ismenen streitenden. II. III. 551. VI des Hertzogs Melo. II. I. 261. b. auf des Segesthes Schilde. II. IX. 1548.b. etlicher Marckmännischen von Adel in ihren Schilden. II. IX. 1562. b. seq. auf einer Wiege. II. IX. 1612. a.b. von dem Flavius dem Hertzog Herrman zu Ehren angegeben. II. IX. 1644. b.

Sinnen streiten um den Vorzug / welcher am meisten zur Liebe thue. I. IX. 1411. a. verfälschen die Warheit. II. II. 266. a.

Sinope Königlich-Pontischer Sitz. I. III. 238. a. seq.

Sinorix wird mit Gift hingerichtet. I. III. 295. b.

Siphax verbindet sich wider die Carthaginenser mit denen Römern. I. VI. 847. a. macht Friede mit ihnen. I. VI. 848. a. kommt mit Massanißen in Krieg I. VI. 849. a. wird von demselbigen gefangen. I. VI. 850. a.

Sirene wird gefangen. I.V. 673. b. was sie seyn. I.V. 674. a. siehe Seeweib.

Sisigambis Fürstin in Armenien. I. III. 214. b. wird gefangen. I. III. 219. a.

Sitalces König in Thracien. II. I. 31. a.

Sitten-Lehre Nothwendigkeit. II. V. 749. b.

Sinchen von denen Tattern erobert. I.V. 606. a.

Siven König der Seren. I.V. 605. a.b.

Siwalds verübte Verrätherey gegen die Deutschen. I. VII. 998. a.

Smaragden Krafft. II. III. 405. b.

Socas des Hermundurischen Hertzogs Großmüthigkeit. I. IV. 374. b.

Socrates sein Todt. I.I. 77. a. weiß nicht / ob er ein Thier oder ein Mensch sey. I. IV. 434. a. was er von Gott gehalten. I. IV. 455. a. sein Heiligthum / Grabmahl. I.V. 684. a. sein sonderbahre Traum.I.V. 707. b. seine Lehre und Ruhm. I.V. 708. b. sein unedler Ursprung. II. I. 177. b.

Sogdiana eine Landschafft besitzen die Nomades. I.V. 590. b.

Sohn kan seinen Vater nicht sehen. I.V. 518. a. vom Vater über sich geliebet. I.V. 511. b. Söhne werden von ihren Müttern geopffert. II. VII. 1141. b. Sohn Gottes wird von einem Druis gelehret. II. III. 535. a.

Sold im Kriege / ob er eines Reiches Wachsthum befördere. I. VI. 739. b. und ob er nöthig sey. I. VI. 740. a.

Soldaten ob sie aus frembden Völckern zu nehmen oder aus eigenen. I. VI. 739. b.

Solms / des Grafen / freymüthiges Bekäntnüß. II. IV. 710. b. sonderbahre Begebenheit bey Ausführung seines Todten-Urtheils. II. IV. 713. b. wird wunderbahr vom Tode errettet. II. IV. 716. b. ist in einer Wirthschafft Feldherr. II. IX. 1641. b.

Sommers sinnreiche Fürstellung. I. IX. 1379. a. II. I. 173. a.b.I.I. 175. b.

Sonne / wie sie von den Deutschen geehret werde. I.I. 8. a.I. VII. 978. a.b. was sie sey nach der Lehre des Epicurus. I.V. 566. a. was sie sey / nach Meinung der Stoicker. I.V. 567. b. ihre Beschaffenheit und Flecken. ib. warum sie nicht der Krebs und Steinbock überschreite. ib. ihr Lob. I.V. 586. b. ist der Mittelpunkt dieser Welt. I.V. 575. b. Smirdanis rühmt sich / er hätte sie in zwantzig Jahren nicht auffgehen sehen. I.V. 581. a. wo sie alle Tage des Jahres scheinet. II. IV. 702. b. erlößt in einem Schauspiele die Hippodamien. II. VIII. 1412. a. giebt Sinnbilder. I. IV. 555. b. sonderbahre Meinung davon. I. VII. 979. b. singet das Lob der Rose. I. IX. 1390. b. seq. ob sie die Mohren schwärtze. II. VI. 1024. a. in einem Sinnbilde vorgestellt vom Könige Vercingetorich. II. IX. 1585.b.

Sonnen-Auge wil Königin unter den Blumen seyn. I. IX. 1388. a.

Sonnen-Bildnüß in dem Heiligthum des Prometheus. I.V. 566. a.

Soñen-Finsternüß bringt die Deutschen in Furcht. I. VI. 752. b.

Sonnen-Krone wil Blumen-Königin seyn. I. IX. 1389. a.

Sonnen-Opffer bey den Egyptiern. II. I. 196. a.

Sonnen-Stengel wil Königin unter den Blumen seyn. I. IX. 1387. b.

Sonnen-Tempel in Meden. I. III. 228. a.b.

Sonnen-Wirbel wil Blumen-Königin seyn. I. IX. 1389. a.

Sophonisbe ist dem Deutschen Fürsten Narvas gewogen. I. VI. 803. b. wird an den jungen Narvas vermählt. I. VI. 807. a.

Soraspades wird Geissel zu Rom. II. VII. 1118. a.

Sosthenes / König in Macedonien / streitet wider den Brennus. I. VII. 779. a.

Sotion / ein Cheruskischer Fürst / reiset in der Welt nach der Weißheit herumb / und unterrichtet darinnen den Flavius. I. IV. 460. a.b. kömmt bey dem Käyser in Gnade. I. IV. 465. a.

Sostratus / Priester der Venus. I. III. 319. b.

Spartacus ein Scordisker Deutscher ängstiget Rom. I. VI. 957. a. stirbet ritterlich. I. VI. 954. a.

Speisen von sonderbahrer Kostbarkeit. I. II. 105. a.I. IV. 462. b. frembde Speisen kommen von der Uppigkeit her. I. II. 106. a. unterschiedlicher Speisen Beschaffenheit. I.V. 694. a. Speisen / so von etlichen gerne gegessen werden / von etlichen gar nicht. I.V. 694. a.b.

Spendius bekriegt die Carthaginenser. I. VI. 806. a.

Sphynx in Egypten von vortrefflicher Grösse. I.V. 611. b.

Spiegel so breñen von sonderlicher Art. II. IX. 1615. a.

Spiegel stellet nicht mehr der Helena ihre Schönheit vor. I. IV. 468. a.

Spiele bey denen Suionen im Fechten und Ringen. II. V. 884. a.

Spielen ob es Fürsten anständig sey oder nicht? I. II. 86. a.

Spielsucht der Deutschen ob sie zu tadeln? I. II. 86. b.

Spinnen haben sechs biß sieben Augen. I. IX. 1339. a. tödten die Schlangen. II. IV. 717. b.

Spinnen wird bey den Marsingern und Römern fleißig getrieben. II. I. 187. a.b.

Spitz-Säulen in Egypten. I.V. 674. a. von hundert Ellen werden zu Rom auffgesetzt. I. VIII. 1254. b. bey des Augustus Begräbnüß. II. VI. 958. a.b.

Spitz-Thürme warum sie vor dem auffgerichtet worden. I. II. 117. a.

Sprache der Thiere. I.V. 609. b.

Sprachen wie viel in der Welt. II. II. 389. a. soll nur eine seyn. ibid.

Staats-Klugheit abgebildet. II. VIII. 1409. a. aus den Garten-Gewächsen gewiesen. II. V. 751. a. seq.

Stärcke des Leibes woher sie komme? I. III. 202. a. seq. ungemeine Stärcke des Leibes besitzen etliche. I. III. 203. a.

Stärck-Kraut bringt Ruhm und Gunst zuwege. I. IX. 1422. a.

Stargard wird erbauet. I.V. 531. a.

Steine darein Bilder gebildet. I.V. 626. a. so von Monden genennet / und Mondens-Art an sich haben. I.V. 632. a.b. andere Steine von sonderlicher Art. I.V. 632. b. Stein der Weisen. I. II. 176.a.

Steinbocks Geburts-Stern des jungen Thumelichs. II. II. 364. a.b. Steinbock des Käyser Augustus Geburts-Stern. II. III. 426. b.

Sternberg Gesandter an Alexander den Grossen. I. VI. 761. a.

Sterne ob sie Thiere? I.V. 575. a. wie viel Sterne nach Meinung des Ptolomeus seyn. I.V. 576. a. neue Sterne. ibid. Sterne verschwinden und werden wieder gebohren an dem Himmel. I. VII. 1118. b. Sternen Unordnung. II. III. 400. a. ob sie einen zu verzweiffelten Entschlüßungen zwingen? II. IV. 451. a. siehe Gestirne.

Sternseher und ihre Kunst. I. III. 164. a. sind nicht ewig über dem Gestirne. I. III. 265. a. ihre Kunst ist eine Närrin. I. III. 290. a. seq. Sternseher sind über der Fürsten Zustand nicht zu fragen. II. II. 365. a.b. Sternseher-Kunst aus Rom vertrieben. II. VII. 1154. b. welche zu rühmen / und welche zu verachten ist. I. II. 118. a.

Stier wird in der Elbe gefangen. I. VIII. 1283. b.

Stillschweigen der Druiden bey ihrem Gottesdienst. II. III. 531. a.

Stimme erhebet sich unversehens / und wird den Faunen zugeleget. II. VII. 1290. b. wird heller aus dem Wasser des Flusses Zame. II. IV. 449. a.

Stoische Weisen werden aus Italien vertrieben. I. IV. 453. b. halten die Regungen für Kranckheiten des Gemüthes. I. IX. 1344. a. Stoische Weißheit ist in Ansehen. I. IV. 452. a. Stoische Weltweißheit irret / was die Gemüths-Ruhe und Wollust betrifft. I. VIII. 1214. a.

Storch ziehet den Marbod von dem Krieg gegen die Deutschen ab. II. II. 377. b.

Strabo ein scharffsichtiger Mann. I. VI. 791. a.

Strandrecht bey den Nord-Völckern. II. V. 874. b. bey den Cimbern. II. VII. 1233. a.

Stunden halten einen Lauff-Streit. I. IX. 1412. a. wie sie von den Barden / Egyptiern und andern eingetheilet worden. II. V. 761. a. Stunden-Uhr. II. V. 761. b.

Sturm auf der See erreget. II. VII. 1232. b.

Styraxbaums Beschaffenheit. II. II. 310. a. seq.

Suasandusal / Fürst der Teucterer / wird zum Feldherrn erwehlet. I. II. 113. b.

Suchen / Haupt-Stadt bey den Serern. I.V. 639. a.

Suchuen / Königreich der Serer / unter was für Herrschafft es gewesen. I.V. 594. b. wird von den Tattern verheeret. I.V. 599. b. wird nach dessen Eroberung mit guten Verfassungen versehen. I.V. 643. a.b.

Sudetischen Gebürges unschätzbarer Rẽichthum. I. VII. 1113. b.

Sulpitius geht Friede mit dem Brennus ein. I. VI. 751. a.

Summanus / ein Gott. I. IV. 354. b.

Sybariten sind dem Trunck sehr ergeben. I.V. 580. b.

Syeda / des Getischen Königes / Sytalcen / Tochter / streitet wider die Perser. I.V. 530. b. wird dem Deutschen Fürsten / Anthyr / vermählet. I.V. 531.a.b. erbauet Stargard. ibid.

Sylla (Lucius) ein Glücks-Kind. II. III. 504. b.

Sylla ist sehr grausam zu Rom. I. VI. 926. a. stehet den Deutschen im Wege. I. VI. 936. a. seine Thaten in Griechenland. I. VI. 936. a. streitet wider Rom. I. VI. 940. b. seq. wird ewiger Feldherr und erhält ein Sieges-Gepränge. I. VI. 941. b. begiebt sich seiner Gewalt und auff sein Vorwerg. I. VI. 943. a. stirbt. I. VI. 943. a. wie herrlich er verbrañt und begraben worden. II. VI. 946. a.

Sylla wird wider die Thracier geschickt. II. I. 37. a. seq.

Syrien wird in einem Schauspiel vorgestellt. II. III. 488. b.

Syrmanis / des Getischen Königes Tochter / flüchtet zu den Amazonen. I.V. 540. b. flüchtet von dannen. I.V. 550. b. wird genöthiget in den Scythischen Krieg zu gehen. I.V. 591. b. wird von Huhansien / Könige der Scythen / geliebet. I.V. 594. a. tödtet Iven / den König der Seren. I.V. 614. a. wird von Huhansien zur Königin in Suchuen eingesetzt / hernach mit ihm vermählet. I.V. 622. a.b. seq.


T.


Tacsarinas / vornehmster Diener des Venones / kommt endlich / wegen Treue gegen ihn / umb. II. VII. 1124. a. seq.

Tacht des Callimachus brennet ein gantzes Jahr. I. II. 181. b.

Tafel von Bley wegen ihres Alterthums verkauffet. I. II. 91. b. Tafeln / oder Tische / von hohem Werth. I.V. 583. b.

Tage sind nicht gleich. II. II. 258. b. Tage / so glücklich und unglücklich / von denen Völckern angemercket. II. V. 830. a. Tage-Wahl von vielen nicht in acht genommen. II. V. 831. a. Tages Eintheilung. II. V. 761. a.

Tamarinden-Baumes Nutzen und Vorzug. II. II. 329.b.

Tamm der Deutschen kan von den Römern nicht erobert werden. II. VII. 1223. b.

Tanfana / was es für ein Gott sey. II. I. 472. a.

Tanfanischer Altar eröffnet und giebt eine Weissagung. II. IV. 596. b.

Tanfanischer Tempel. I.I. 7. b. darein wird des Drusus Gedächtnüß-Mahl gebracht. I. IV. 338. a.b. ingleichen die Vermählung des Feldherrn mit Thusnelden darinnen vollzogen I. VII. 1175. a.I. IX. 1322. a. wird eingeäschert. II. VI. 998. b.

Tangus / König der Seren / erbittet Regen. I.V. 596.a.

Tanian / ein Scythischer Fürst / erzehlet die Ursachen des Scythischen Krieges. I.V. 597. b.

Tantz über dem Farben-Streit. I. IV. 470. b. der Cyclopen bey Vermählung des Feldherrn. I. IX. 1355. a.I. IX. 1366. a. allerhand andere Täntze. I. IX. 1366. a. Tantz der Elephanten. I. IX. 1374. a. der Blumen. I. IX. 1384. b. der Cyclopen / Heldinnen und fünff Sinnen. I. IX. 1413. a. Fackel-Tantz. I. IX. 1424. a. Waffen- / Wald-Gotter- und andere Täntze. I. IX. 1425. a. Tantz der vorgestellten vier Jahrs-Zeiten. II. I. 173. a. von Ismenen und Catumern gebracht. II. IV. 570. b. der Deutschen von neuer Art. II. III. 446. a. nach Erfindung der Epizephyrier. II. III. 493. b. Mantinescher. II. III. 494. a. Waffen-Tantz vom Pyrrhus erfunden. II. III. 494.a. Kranich-Tantz. II. III. 495. b. Mauritanischer. II. III. 496. a. dem Fräulein Ditrichstein zu Ehren gehalten. II. IX. 1560. a. Flavius stellet Thusnelden zu Ehren einen neuen Tantz an. II. IX. 1642. b.

Tanusis / König der Gothen / streitet wider dm Vexoris / König in Egypten. I.V. 523. a.

Tanyu / Scythisches Reich besitzet ein sonderliches Kraut. I. II. 181. b.

Tapfferkeit / ob sie die Oberstelle unter den Tugenden verdiene. I. II. 116. a. ob sie dem Frauenzimmer zustehe. I. III. 198. a. kan bey der Zärtligkeit stehen. I. III. 204. a. der Helden / ob sie mehr Hertzhafftigkeit habe / als die Keuschheit. I. IV. 430. a. singt dem Feldherrn und Thusnelden zu. I. IX. 1369. b. kan bey der Weißheit stehn. II. II. 261. b. wird in einem Schauspiel fürgestellt. II. VIII. 1412. b.

Tapis Hertzog der Marsinger ficht wider die Cherußker. I. IV. 427. b.

Taprobana glückselig. I. 5. 551. b. wird beschrieben.I.V. 656. b. Taprobana ein großes Eyland. II. II. 333. b. Vaterland der Perlen. II. III. 410. b. seq.

Tarantulen werden durch Säitenspiele geheilet. II. V. 907. b.

Tarqvinier Sieg wider die Römer. I. VI. 757. b.

Tarquinius in einem Spiel vorgestellet. II. III. 423. b.

Tattern Feindschafft mit den Serern. I.V. 598. b. bezwingen sie. I.V. 600. b. sind endlich unglücklich.I.V. 602. b.

Tauben bestellen Brieffe. I. IV. 444. b. fliegen aus Sicilien in Italien. I. VI. 792. a.

Tausendschön wil Blumenkönigin seyn. I. IX. 1392. a.

Tausi ein Weltweißer in Tschina ist neunmal neun Jahr in Mutterleibe. I.V. 617. b.

Tectosager werden geschlagen. I. VI. 784. a.

Teich mit Weine gefüllet. I.V. 581. b.

Telephus Hercules Sohn wird von Penthasileen geliebt. I.V. 529. a.

Temiscyra Königlicher Sitz der Vandala. I.V. 525. a. wird von dem Hercules belägert. I.V. 527. a.

Tempel des Glücks zu Athen. I. III. 207. a. Tanfanischer Tempel. I.I. 7. b. Tempel der Sonnen in Meden. I. III. 228. a.b. der Derceto. I. III. 286. b. Phrixischer Tempel. I. III. 318. a.b. Tempel der Venus in Cypern. I. III. 315. b. des Augustus bey dem Rhodan und Araris. I. IV. 357. b. werden dm Flüssen erbauet. I. IV. 415. a. des Apollo. I. IV. 417. a. der Isis zu Rom. I. IV. 459. b. der Diana in Numidien. I. IV. 478. und zu Marsilien. I. IV. 481. a. der Taurischen Diana. I.V. 526. a. des Achilles.I.V. 541. a. des Prometheus. I.V. 550. b.I.V. 565. a.b. der Luft von den Griechen geweihet. I.V. 565. a. des Olympischen Jupiters. I.V. 586. b. des Prometheus fällt über einen Hauffen. I.V. 586. a. auf dem Berge Lungmuen herrlich aufgeführter Tempel. I.V. 614. b. Tempel zu Rom der Ehre sehr niedrig erbauet. I.V. 630. b. dem Winde ein Tempel gebauet. I.V. 658. a. Tempel der Ceres in der Insel Samos. I.V. 680. a. der Pallas. I.V. 683. a.I.V. 687. a. des Socrates. I.V. 684. a. der Ceres zu Athen. I.V. 685. a.I.V. 689. a.b. des Olympischen Jupiters. I.V. 688. a.I.V. 703. a. Serapis und Isis zu Athen. I.V. 703. b. Musen-Tempel. I.V. 706. a. Tempel des Vulcanus in Sicilien. I. VI. 788. a. den Siegen des Marius zu Ehren erbauet. I. VI. 921. a. geben Kapzäume ab. I. VI. 928. b. der Göttin Ertha. I. VII. 878. a. auf des Augustus Geburthsstelle erbauet. I. VIII. 1202. b. dem Drusus zu Ehren von dem Germanicus erbauet. I. VIII. 1237. a. der Gaditanische Tempel des Hercules. I. IX. 1327. b. Tempel des Bacchus zu Oresta. II. I. 61. a. des Augustus auf dem Berge Rhodope. II. I. 74. b. wird eingeäschert. II. I. 76. a. der Minerva in Deutschland. II. II. 262. a. des Bacchus in Deutschland beschrieben. II. II. 291. b. des Augustus und der Livia zu Rom eingeweihet. II. II. 292. a. des Krieges und der Bellona. II. III. 421. a. zu Upsal sehr alt / und wie er gestalt gewesen. II. V. 875. a.b. seq. des Friedens vorgestellet. II. VI. 953. a. Tanfanischer Tempel wird eingeäschert. II. VI. 998. b.

Tempel dienen zu Festungen / die Leute in Zaum zu halten. I. VI. 928. b. sind unversehrlich. I. IV. 482. b. beleidigen macht unglücklich. II. VI. 999. a.

Tecbals hohe Macht bey dem Feldherrn Aembrich. I. VII. 1001. a. wird derselben entsetzet; kommt aber wieder darzu. I. VII. 1018. b. seine Verrätherey gegen den Feldherrn. I. VII. 1020. a. muß mit dem Leben bezahlen. I. VII. 1021. a.

Terentia stellt die Juno in einem Schauspiel vor. I. VIII. 1195. b. hält mit dem Augustus zu. I.V. 695. a. seq. ist des Mecenas Ehefrau. I.V. 694. b. wird unter dem Bilde der Isis vorgestellet. I.V. 704. b. lobet der Asblasten die Wollust ein. I. VIII. 1191. a. bekömmt von dem Herrmann ein artlich Urtheil von ihrer Schönheit. I. VIII. 1213. a.b. versucht den Herrmann. I. VIII. 1213. b. 1215. b. ersticht sich selbst mit einem Dolche. I. VIII. 1221. b.

Teresmanes erleget den Herodes / König in Parthien.II. VII. 1122. b.

Terpentin-Baums Schönheit / Vorzug und Nutzbarkeit. II. II. 317. a.

Teuta / Königin in Ilyricum / aus Deutschland bürtig / wird dem Könige Igron vermählet. I.V. 534. a. thut im Kriege grosse Thaten. I.V. 536. a. schlägt die Epirer. I.V. 537. a. wird durch vergifftete Handschuh getödtet. I.V. 538. b.

Teutobachs / Hertzogs der Cimbern / Krieges-Zug und herrliche Thaten. I. VI. 901. b. seq. wird gefangen. I. VI. 913. b.

Teutoner werden von dem Meer überschwemmet. I. VI. 899. b.

Teutsche / Teutschland / etc. siehe Deutsche / Deutschland. etc.

Thabor / König der Sarmater / wird vom Basan / Feldherrn der Deutschen / überwunden. I.V. 534. a.

Thalestris / Amazonische Königin / kömmt dem Könige in Persien zu Hülffe. I.V. 530. b. ziehet zum Alexander / und wird von ihm schwanger. I.V. 531. b.

Thebais in einem Schauspiele vorgestellet. II. II. 487. b.

Thee-Strauchs Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 332. b. Thee-Tranck. II. II. 333. a.

Themistocles in einem Auffzuge fürgestellet. II. III. 441. b.

Thermopylen bestürmet Brennus. I. VI. 780. a.

Thermusa ihre arglistige Erfindung ihren Sohn auf den Parthischen Thron zu bringen. II. VII. 1118. a. ihre Blüt-Schande mit ihrem Sohne. II. VII. 1119.a.b. wird gecreutziget. II. VII. 1121. b.

Theseus verliebet in eine Amazonin. I.V. 527. a. wird verwundet. I.V. 527. a.

Theudelindens Verrätherey gegen ihr Vaterland. I. VII. 985. b.

Theudo Hertzog der Friesen wird vom Drusus überfallen. I. IV. 371. a. und gefangen. I. IV. 373. b. wird loßgegeben. I. IV. 374. a.b.

Theut auf wem er gedeutet bey den Deutschen. I. VII. 977. a.

Thiere / ob sie vernünfftig? I.V. 607. b.I.V. 609. a. ihre Sprache. ibid. Liebe gegen Thiere in Menschen. I. IV. 386. b. Gemüths-Regungen ob sie bey den Thieren zu befinden? I. II. 91. b.I. IX. 1347.b.I. IX. 1348. b. Thiere so bey Völckern heilig. I.V. 662. a. weisen denen Menschen Artzneyen. I. II. 91. b. herrlich mit Halsbändern und andern Zierath ausgeputzt. II. V. 762. b. mit Waffen versehen von der Natur. II. VIII. 1328. b. wer sie zum ersten getödtet uñ obs recht? I. IV. 462. a. verliebet in den Menschen. I. IV. 386. b. wachsen auf Bäumen. I.V. 608. b. leisten ihren Herrn Dienste. I. IV. 434. b. seq. so starck und gar nicht rüchen. I.V. 670. b. der Thiere den Regungen der Menschen nachahmende Verrichtungen. I. IX. 1349. a. Thiere / so wilde / Zahmheit. II. I. 197. a.b. werden gestrafft. II. I. 201. a.b. in sie wüten ist straffbahr II. I. 207.b. Opffer-Thiere erforderte Art und Beschaffenheit. II. I. 209. a. Thiere werden von den Deutschen an stat der Fahnen gebrauchet. II. VII. 1200. a. Egyptischen Priester essen von keinem Thiere. I.V. 663.b.

Thinacris trit vom Reich ab. I. II. 142. a.

Thor der höchste Gott bey den Nord-Ländern wie er ausgesehen und verehret worden. II. V. 877. a.b.

Thorballinus Cimbrischer Weltweiser giebt seine Meinung von etlichen Wunder-Geburten. II. IX. 1499. a.

Thraciens Fruchtbarkeit / Einwohner / Beschaffenheit; des Adels Merckmahle / Grösse / Ursprung. II. I. 27. a. seq. Thracien kommt in Macedonische Hände. II. I. 32. a. wird dem Römischen Volcke vermacht. II. I. 67. a. wird von der Ada mit Wollüsten angesteckt. II. I. 83. a. wird in einem Schauspiele vorgestellet. II. III. 490. a.

Thracische Könige. II. I. 28. a. seq.

Thränen für Freude und Liebe. I. III. 325. a. versiegen bey grossen Schmertzen. I. VIII. 1288. b. siehe Weinen.

Thrasyllus der Wahrsager läst sich bestechen / und weissaget dem Augustus Unglück. I. VIII. 1228.a.b. saget dem Segesthes wahr. I. VIII. 1256. a.b.

Thule wird von den Phöniciern besucht. I. II. 121. a. Thulens Einwohner / von was sie ihre Wohnung bauen / und was ihnen träume? I. IX. 1321. a. nach Thule werden die Römer durch Schiffbruch verschlagen. II. VII. 1237. b.

Thumelich wird gebohren und eingeweihet. II. III. 362. a. II. III. 364. a. seine Geburth wird gefeyert. II. III. 364. a. wird gefangen und zu dem Germanicus gebracht. II. VI. 1637. b. wird von der Flucht zurücke gezogen. II. VII. 1129. b. soll von dem Siegemund geschlachtet werden. II. VII. 1130. b. wird zu dem Opffer geführet / und kömmet wunderbahr darvon. II. VII. 1134. a. wird Thußnelden lebendig dargestellt. II. VII. 1139. a.

Thurn von Porcellan. I.V. 659. b. zu Babylon. II. V. 745. a.

Thuscier werden von den Deutschen verdrungen. I. VII. 734. b.

Thußnelde hält einen Zweykampff mit der Königin Erato. I.I. 32. a. hält einen Kampff mit ihrem Vater Segesthes und verwundet ihn / doch unwissend. I.I. 47. a. will sich für ihren Vater opffern lassen. I.I. 77. b. besuchet die krancke Königin Erato. I. III. 196. a. wie sie gestaltet gewesen. ib. wird geraubet und weggeführet. I. IV. 421. b. errettet den Feldherrn von Ketten. I. IV. 424. b. hält zu Deutschburg als Braut ihren Einzug. I. VII. 1163. b. wird mit dem Feldherrn vermählet. I. VIII. 1176. a. seq. kömmt in ihrer Jugend nach Rom. I. VIII. 1235. a. wird für die Helena gehalten. I. VIII. 1237. a. giebt sich dem Herrmann zu erkennen. I. VIII. 1244. a. wird dem Herrmann versprochen. I. VIII. 1249.a.b. hat von der Liebe des Tiberius Anfechtung. I. VIII. 1250. a. fällt unter die Räuber / und wird von dem Herrmann errettet. I. VIII. 1257. b. flüchtet heimlich zu der Cattischen Hertzogin. I. VIII. 1269. b. schläget das Ansuchen des Marbods aus. I. VIII. 1275. a.b. wird von ihrem Vater auf der Jagt gefangen genommen. I. VIII. 1277. b. schläget die Marckmännische Crone und vier und zwantzig Fürsten-Hütte aus I. VIII. 1287. b. wird deßwegen in ein Gefängnüß geschlossen. I. VIII. 1289. a. seq. wird von ihrem Herrmann aus dem Wasser errettet. I. VIII. 1292. a.b. wird nochmahls von ihrem Herrmann errettet. I. VIII. 1302. b.I. VIII. 1307. b. ihre Gelübde bey ihrer Vermählung. I. IX. 1322. b. wird in einem Schauspiel vorgestellet. I. IX. 1355. a.b. ihr Auffzug unter der Gestalt der Thetis / und vortreffliche Geschickligkeit im Rennen und den Waffen. I. IX. 1414. b. gebieret einen Sohn / II. II. 362. a. ziehet in den Sauerbrunnen / und hält sehr vernünfftige Unterredungen mit den Barden und der Agrippine. II. V. 754. a. seq. wird gefangen und zu den Römern gebracht. II. VI. 1035. a.b. ihr Gespräche von ihrer Entfliehung. II. VII. 1108. b. gebiert einen jungen Sohn. II. VII. 1128. a. ni t von ihrem zu Opffer besti ten Sohne beweglichen Abschied. II. VII. 1135. a. seq. wird nach Rom gebracht. I. IX. 1475. a.b. seq. wird von dem Tiberius bewirthet. II. IX. 1489. a.b. fliehet von Rom. II. IX. 1510. b. ist wieder in Deutschland. II. IX. 1596. a. läst sich auf der Flucht Hermophilus nennen. II. IX. 1616. b. kömmt nach Athen. II. IX. 1617. a.b. hilfft Artaxata mit belägern / und eröffnet daselbst die von der Asblaste erhaltene Weissagung. II. IX. 1624. a.b. kö t wieder in Deutschland / und wil den Ingviomer aufopffern lassen; wird aber von ihrem darzu kommenden / und sie empfangenden Herrmañ daran verhindert. II. IX. 1599. a.b.

Tiberich die Stadt an dem Rheine erbauet. I. IV. 407.b.

Tiberius ziehet in die Insul Rhodus der Weißheit obzuliegen. I. III. 246. a. soll mit Julien verlobet werden. I. IV. 396. a. soll und muß die Julia heyrathen. I. IV. 404. a. muß die Vipsania verstossen. I. IV. 406. a. ist eyfersüchtig gegen die Julia. I. IV. 406. b. kömmt in Deutschland zu dem Drusus. I. IV. 420. b. ziehet in Dalmatischen Krieg. I. IV. 490. a. hält hierauff ein Sieges-Gepränge. I. IV. 495. a. machet den Cheruskern Lufft. I. VII. 1042.b. wird vom Augustus zum Sohn angenommen. I. VII. 1146. b.I. VIII. 1233. b. wird von ihm gegen den Marbod geschickt. I. VII. 1154. b. erlanget den Nahmen eines Deutschen Feldherrn. I. VII. 1155.b. wil mit dem Marbod anbinden. I. VII. 1157. a. stellet den Saturnus in einem Schauspiele vor. I.I. IX. 1195. b. wird mit der Julia unvermuthet vermählet. I. VIII. 1197. b. ziehet nach Rhodus. I. VIII. 1223. b. verliebet sich in die Thußnelda. I. VIII. 1250. a. fasset eine Feindschafft gegen den Herrmann. I. VIII. 1233. b. seine Schwelgerey und Unzuchts-Thaten. I. VIII. 1251. a. stellt dem Herrmann nach dem Leben. I. VIII. 1252. a.b.I. VIII. 1254. b. wird in Deutschland verschickt / und sieget daselbst. I. VIII. 1261. b. träget dem Marbod der Römer Freundschafft mit Abstehung der Thußnelden an. I. VIII. 1298. a.b. wird in einem Ritterspiele von dem Hertzog Arpus vorgestellet / und wil dem Feldherrn seine Thußnelde streitig machen. I. IX. 1356. b. wird von dem Feldherrn geschlagen. II. II. 243. a. bewirthet die Deutschen Fürsten ansehnlich. II. III. 420. a. wil sie an einander hetzen. II. II. 348. a. seine falsche Freundschafft gegen selbige. II. III. 396. a. beschencket sie. II. III. 513. a.b. hält drey Sieges-Gepränge. II. III. 516. a. bricht den Frieden gegen die Deutschen. II. V. 926. a.b. trit nach des Augustus Tode die Herrschafft an. II. V. 934. a. alles Volck leistet ihm Gehorsam. II. VI. 944. b. rüstet sich mit Gewalt zum Deutschen Kriege. II. VI. 1095. a.b. hält dem Augustus eine Lob-Rede. II. VI. 965. b. mit die Herrschafft anzunehmen gebethen seyn. II. VI. 976. a.b. nimmt sie endlich an. II. VI. 978. b. wird Caldius Biberius Mero genennt. II. IX. 1477. a. stürtzet mit dem Pferde. ibid. gastieret das Deutsche Frauenzimmer. II. IX. 1489. a.b. wird in Schmäheschrifften durchgezogen. II. IX. 1523. a.

Tibur der Stadt artliche an die Stadt Rom abgelassene Frage. I. VI. 754. a.

Tichter-Kunst in einem Schauspiel vorgestellt. II. V. 864. b. Deutsche hat ihren Ursprung bey dem Bober-Fluß genommen. I. VII. 1132. a.

Tiegel von den Cimbern aus den Römischen Waffen gegossen. I. IX. 1333. b.

Tieger ohne Grimm. I.V. 644. b.

Tigranes / König in Parthien. I. III. 209. a. bemächtiget sich gantz Armeniens. I. III. 211. a. wird von den Römern überzogen. I. III. 211. b. ist an seinen Kindern unglücklich. I. III. 213. a. stirbt auff der Jagt. I. III. 114. a.

Tigranes wird mit des Mithridates Tochter verheyrathet / und zum Könige in Syrien gemacht. I. VI. 930. b. seine Thaten. ibid. seq. ergiebet sich den Römern. I. VI. 949. b.

Tigranes / Artaxias / Königs in Armenien / Bruder / kömmt zur Crone. I. III. 243. b. gefällt den Armeniern nicht. I. III. 244. a. führt Unzucht ein. ibid. b. verbrennt sich. I. III. 247. b.

Tigranocerta wird erbauet und erobert. I. III. 211. a.I. III. 212. b.

Timon Griechischen Weltweisens / seine Sache gegen die Druiden. II. II. 263. a.b.

Tingis in einẽ Schauspiel vorgestllet. II. VIII. 1438. b.

Tridates König in Parthien. I. III. 225. b. weichet aus seinem Reiche. I. III. 235. b.

Tirchanis Cimbrischen Königes Tochter. I. IX. 1328. a. soll sich verheyrathen / wil aber nicht / und legt den Scepter ab. I. IX. 1328. b.

Tische oder Tafeln von hohen Werth. I.V. 583. b.

Thissaphernes ein Armenischer Fürst. I. III. 309. a.

Todt hat Gemeinschafft mit der Liebe. II. III. 467. a. ist ein schreckliches Ungeheuer. II. VIII. 1323. a. seq. darff für dem Serischen König nicht genennet werden. I.V. 639. b. seeliger Tod ob er einem guten Gewissen fürzuziehen. I.V. 695. b.I.V. 696. b.

Todten-Auffzug. I.I. 11. a.

Todten-Bereitung ist nöthig. I. VII. 1110. a. und löblich. I. II. 138. b.

Todtes-Gedancken des Feldherrn. II. IX. 1541. b.

Todtes Sieges-Bogen. II. VI. 953. b.

Todten welche wieder lebendig worden seyn. II. VII. 1140. a.

Tolosa wird eingenommen / und das daselbst in dem Delphischen Tempel befindliche Gold und Silber entwendet. I. VI. 904. a.

Tomyris Amazonische Königin bringt den Cyrus um.I.V. 529. b.

Topiso ein Berg voller Gold. I. II. 178. b.

Torismund König in Norwegen hält eine See-Schlacht mit Frotho dem König der Cimbern. II. V. 888. a. II. V. 891. a.b. hält einen Zweykampff mit Rollern. II. V. 900. a. und mit König Erichen. II. V. 901. a.

Tranburg wird eingenommen. I. II. 185. b.

Traum der Olorene und Riame. I. II. 164. b. welche niemahls geträumet haben. I. II. 165. a. des Fürsten Zeno. I.V. 506. a. weisen einem Gesundheits- Mittel. I.V. 506. a. des Polemo. I. III. 261. a. undI.V. 515. a. zeigen an / daß einer seinen Feind tödten solle. ibid. a.b. des Antigonus Traum. I.V. 515. b. Träume von Alexander dem Großen und dem Cäsar. I. II. 134. b. Traum des Marius. I. VI. 908. b. der Asblaste und anderer. I. VIII. 1186. a. des Flavius. I. IV. 486. a. Träume entdecken den bevorstehenden Tod. I.V. 514. a. sind sonst nachdencklich. ibid. Traum des Feldherrn von seiner Thußnelda. I. VIII. 1235. b. der Erato von ihrer Liebesverwirrung. II. III. 461. a. Träume wie sie entstehen. II. IV. 610. a. etliche sonderbahre Träume / so eingetroffen. II. IV. 619. a. Traum des Octavius. II. VI. 955. a. eines Römischen Edelmañs.II. VII. 1152. a.b. Germanicus hält viel auf Träume. II. VII. 1183. a. seq. woher dieselben entstehen ibid. Traum der Adelgunde. II. VIII. 1459. b.

Treva eine Stadt an einem Fluß erbauet. I. II. 175. b.

Treue und Glauben ob sie auch Räubern zu halten. I. VI. 869. a. ist Fürsten wohlanständig. I. VI. 870. b. siehe Glauben.

Triclinion zu Athen. I.V. 688. a.

Trincken ist von einem dreyßig Tage unterlassen wor den. I.V. 593. a.

Trinckgeschirre bey Vermählung des Feldherrn. I. VIII. 1184. a. der Römer von großem Werth und Uppigkeit. II. V. 776. b.

Tricolamus in einem Schauspiel erstochen. II. VIII. 1415. a.

Triteuta heyrathet den Demetrius doch unglücklich.I.V. 538. b. seq.

Triton in einem Aufzuge vorgestellet. I. VIII. 1198. a.b.

Trojanische Belägerung. I.V. 529. b.

Trunckenheit entstehet aus Wein und ist schädlich.I.V. 579. b. wird den Deutschen zugeleget. I.V. 580. b. wird von vielen Völckern beliebet. ibid. trunckene Könige bey den Indianern von Weibern ungestraffet getödtet. I.V. 663. a. Trunckenheit macht keine rechtschaffene Tapfferkeit. II. II. 296. a.b. siehe Vollheit.

Tschina / Tschineser / siehe Seren / Serer.

Tugend gebiehret den Untergang. I. III. 309. a. ist unglückselig. I.V. 539. a.b. aber vergnügt dabey.ibid. ist keinem Lande gemein. I. IV. 433. a. ist bey Feinben hoch zu halten. I. IV. 338. a.b.I. IV. 342. a. hat Flügel. I. IV. 342. b. wird durch Härte befördert. I. II. 209. a. muß Anfechtung ausstehen. I. VIII. 1216. a. ist kein Feind der Gemächligkeit. I. II. 110. a. läst sich im Unglück sehen. II. VI. 1046. a.b. wird mit Ambra verglichen. I. IX. 1344. a. Eigenschafft und Beschaffenheit. I. VII. 1108. a.b. was sie sey ist zweiffelhafftig. II. II. 270. a. kan auch bey Gemächligkeit stehen; wird aber bey Wiederwärtigkeit desto herrlicher. I. VIII. 1191. b. II. III. 398. b. wird in einem Schauspiel vorgestellet / wie sie mit dem Glücke streite. II. III. 493. b. II. III. 485. b. ist über hohe Ankunfft. I. VII. 1091. a.b. ob sie ihren Glantz unter den Lastern erhalte.I. IX. 1332. a.b. reitzet zur Nachfolge. I. IV. 450. b. kan auch ohne Ruhm seyn. I. VII. 1097. b. wird bey Vermählung dreyer Fürstlichen Pesonen aufgeführet. II. IX. 1640. b.

Tugendhaffte sind unglückselig. I. III. 206. b. vereinigen sich miteinander. I.V. 505. b. haben sich für nichts zu fürchten. II. VII. 1111. a. seq.

Tuisco der erste Mensch. I. VI. 732. b. kömmt in Deutschland. I. II. 111. a. sein Leichnam in Kristallen verwahret auf einem Gebürge. I. VII. 1117. a. ist ein Schutz-Gott Deutschlandes. I. VII. 1119. a.

Tuiscon hat zu den Deutschen die Weißheit gebracht.II. V. 744. b.

Tulipanen Lob. I. IX. 1386. b. wil den Vorzug vor den Blumen haben. I. IX. 1398. a.

Tullius (Servius) in einem Schauspiel vorgestellet II. III. 423. b.

Türckis was er für eine Krafft habe. II. III. 405. b.

Turnus Hertzog der Umbrier streitet wider den Brennus. I. VI. 739. b.


U. V.

Vandala giebet den Ursprung denen Amazonen. I.V. 522. b. wird vom Tanauses geliebet. I.V. 523. a. erobert viel Städte und Länder. I.V. 524. a. stirbet und wird zu einer Göttin gemachet. I.V. 526. a.

Vannius ein Quadischer Fürst geht mit dem Drusus einen Vertrag ein. I. IV. 410. b. sein Ursprung und wie er zu dem Marbod kommen. I. VII. 1144. a. rückt mit achtzig tausend Mann über die Donau. I. VIII. 1297. a. wird unschuldiger Weise beschuldiget / daß er den Marbod habe wollen helffen umbringen. II. IX. 1556. a.b.

Vannius Rath dem Marbod gegeben. II. V. 823. und825. b. giebt dem Marbod wegen seiner Tochter Rath / und stellt ein herrlich Schauspiel für. II. VIII. 1402. a. seq.

Varro seine Bücher. II. V. 745. b.

Varus wil die Fürstin Walpurgis schwächen. I.I. 13. a. seine Verrichtungen in Syrien. I.I. 43. b. ist ein schlechter Feldherr. I.I. 45. a. seine letzte Rede. I.I. 49. a. seq. ersticht sich. I.I. 58. a. Varus Cörper wird ein und ausgegraben. I.I. 63. a. sein Haupt wird geopffert. I.I. 69. b. sein Leichnam wird geopffert. I.I. 72. a. drucket die Cherußker und andere Völcker. I. VIII. 1290. a. läst Rhamis eines Fürsten Braut rauben. I. VIII. 1294. b. erscheinet dem Germanicus II. 6. 1061. a.

Vaters Gewalt über seine Kinder. II. IV. 634. a. Vater Urheber des Geschlechts. I. III. 32. a. so klug haben selten kluge Kinder. II. I. 81. a.b. Grausamkeit gegen ihre Söhne. I.V. 517. b. lieben ihre Söhne über sich. I.V. 511. b.

Vaterland ist nicht zu bekriegen. I.I. 73. a. nicht zu beleidigen / noch hat man sich an dasselbige zu rächen. I. VI. 743. a. Vaterlandes Liebe ist der Liebe des Ehestandes vorzuziehen. I. VI. 783. a. Vaterlande soll man mit seinem Schaden beystehen. I. III. 309. a. Liebe dazu ob sie von der Natur. ibid.

Ubelthäter ohne Verhör zu verdammen obs zu entschuldigen. I. VII. 1021. b. seq.

Uberfluß wird gescholten. I. II. 106. a.

Uberschrifft über der Walpurgis Grab. I.I. 29. a.b. auff dem Grabe des Varus. I.I. 81. b. auff den Drusus. I. IV. 336. b. dem Augustus zu Ehren in einem Tempel. I. IV. 357. b. über des Wodans Thaten. I. IV. 373. b. auff des Drusus Thaten in Deutschland. I. IV. 418. a.b. über die Sonne. I.V. 568. b. über das Götzenbild Fe. I.V. 612. a. auff die Ehrensäule des Pingli. I.V. 623. a. auff des Zenonis herrliche Thaten. I.V. 628. b. über Ivens Grab. I.V. 634. b. über das Bild des Flusses Xiang. I.V. 638. b. des Galles über eine Spitzsäule. I.V. 674. a. über die Mumien. I.V. 678. b. über Socratens Grab. I.V. 684. a. über Platons Grabmahl. I.V. 706. b. über Zarmars Grabmahl. I.V. 707. a. über dessen Asche. I.V. 715. a. über die von den Cimbern erschlagene Leichen. I. VI. 906. a. über die Opfferung der Calphurnia. I. VI. 907. b. über das Grab der Königin Hatta. I. VI. 920. b. über des Spartacus Säule. I. VI. 954. a. über eines Samotischen Weisens Höhle. I. VII. 1111. a. über das Bild der Porcia. I. VIII. 1204. a. über des Drusus Grabmahl. I. VIII. 1217. a. auff einem Ringe gefunden. I. VIII. 1284. a. über das Bild der Venus / der Ceres und des Bacchus. II. I. 41. a. über die Agrippine unter der Gestalt der Isis. II. VIII. 1348. a. bey des Augustus Begräbnüssen. II. VI. 949. a. auff den Käyser Augustus. II. VI. 974. b. auff den Schilden in Deutschland. II. III. 444. b. auff einer Glocken. II. V. 760. b. auff des Germanicus Schiffen. II. VII. 1165. b. auff Gottwalds Grab. II. VI. 872. b. seq. über des Drusus Bildnüß. II. VI. 1082. b. über Hermengardis Ehrensäule. II. VIII. 1332.b. über der Minerven Tempel in Deutschland. II. II. 276. a. über allerhand Speisen. II. V. 871. a. Uberschrifften auf und bey den Bildnüssen der Gratien / Hesperiden / und der Tugend auf fürstlichen Vermählungen. II. IX. 1639. a.b. seq. stehen nur über Helden nicht der Götter Bildnüß. II. III. 471. a.

Uberschrifft auf Hertzog Herrmannen auf der von dem Flavius zu Ehren ihm aufgesetzten Ehrensäule. II. IX. 1645. a. siehe Grabschrifft.

Uberwundene sollen nicht kleinmüthig seyn. I. IV. 374. b. wie mit denen Uberwundenen umzugehen. II. VII. 1280. b.

Velleda Ingviomers junge Tochter soll eine Göttin werden. II. IX. 1603. a. wird gebohren. II. IX. 1600. a.

Uen König der Seren. I.V. 602. b.

Ventidius ein Glücks-Sohn. II. III. 505. b.

Venus ihr Tempel in Cypern. I. III. 318. b. ihre Bilder. I. III. 319. b.

Venus bey den Deutschen. I. VII. 979. a. ihr Bild zu Ascalon. I. IV. 402. a. ihr Zelt wird fürgestellet. I. IX. 1362. a.b. Venus ihr Bild. I.V. 570. a. erfindet das eingemachte. I. IX. 1363. b. wie sie die Spartaner gemahlet haben. I.I. 194. a. zu Baulis verehret. I. II. 388. b.

Venus-Haar eine Blume. I. IX. 1391. a.

Verachtung thut wehe. II. IV. 645. b.

Veränderung ist süsser als Beständigkeit. II. I. 128. a. ist den Menschen angenehm. II. IV. 706. a. nicht zu schelten. II. I. 150. a.b. siehe Unbeständigkeit.

Verbotene Sachen werden begierig verlangt. II. IV. 682. a.b.

Vercingetorich verknüpffet die Garumna mit dem Mittelmeere. I. IV. 373. a. wird von den Galliern zu ihren Feldherrn erwehlet. I. VII. 1029. a. wird von dem Cäsar geschlagen. I. VII. 1031. b. sein Siñbild von der Soñe hergeno en. II. IX. 1585. b.

Verdienste sind manchmahl grossen Leuten ein Fallbret. II. VII. 1228. b.

Vergängligkeit der grösten Glückseeligkeit. II. IV. 580. a.

Vergessenheits-Brunn. I. IX. 1428. a.

Vergnügung woher sie entstehe? II. VII. 1295. a.

Vergötterung wohlverdienter Leute. I. IV. 342. b. ist unrecht. I. IV. 343. b. wird von vielen Völckern verdammet. I. IV. 346. b.I. IV. 359. a.b. von etlichen verlanget. ib. Vergötterung des Augusts. II. VI. 970. a.

Verhängnüß hat seltsame Leitungen. I. III. 216. b. bemeistert alle Rathschläge. I. III. 856. b. sein unerforschliches Wesen. I. VI. 846. a. ist unvermeidlich. I. III. 295. b. läst sich an nichts binden. II. VII. 1288. b. ist die weiseste Richtschnur. I. VIII. 1206. b. wird in einem Schauspiele vorgestellet. II. V. 803. a. siehe Versehung.

Verläumbdung zu ertragen. I. III. 299. b. ist von Fürsten zu verachten. II. VII. 1248. a.

Verliebten sind weder im Leben noch im Tode. I. VIII. 1236. b. wem sie gleich seyn. I. VIII. 1236.a.

Velitrer werden von Römern belägert. I. VI. 753. a.

Vermählungs-Gebrauch bey den Deutschen. I. VIII. 1175. a. in acht genommen bey der Verbindung des Catumers und der Adelmunden. II. IV. 693.a.b. siehe Heyrathung.

Vernunfft des Menschen wird gelobet. I. IV. 435. b. ob mit der Vernunfft die Thiere begabet seyn. I.V. 607. b. herrschet über die Gemüths-Regungen. II. III. 453. a. streitet mit der Ehrsucht / Geitz und Wollust um den Vorzug. II. IV. 572. a. ob sie den Menschen zur Straffe gegeben. I. IX. 1343. b. ist unruhiger als der Trieb in den Thieren. ibid. bedarff Regung. I. IX. 1349. b.

Verräther sind überall verachtet. I.V. 631. a.b.

Verrätherey Saamen unaustilglich. I. VII. 1078. b. ob und wie sie zu straffen. II. V. 838. b. seq.

Verschnittene sind in Ansehen. I.V. 556. a.b. sind schädlich. I.V. 547. a.b.

Verschwendung der Römer über dem Essen und in ihren Geschirren. II. V. 776. a.b.

Verschwiegenheit ist die Spannader der Klugheit. II. I. 14. b.

Versetzung Gottes / wie sie von den Menschen anzusehn. I. VIII. 1292. b. verfähret wunderbahr. I. IX. 1326. a. siehe Verhängnüß.

Verwegenheit oder Furchtsamkeit welche am besten. II. VI. 986. b.

Verzweiffelte sind nicht anzufallen. II. V. 902. b.

Vesta / eine von den Hesperiden. II. VIII. 1439. a. wird von der Aßblaste fürgestellt. I. VIII. 1195. a. ihre Thaten / Eigenschafften und Erfindungen. I. VIII. 1203. b.

Vestalische Jungfrauen. I. IX. 1329. b. wie sie die Missethäter vom Tode errettet. I. IX. 1330. b. ihr Aberglauben und Unkeuschheit. I. IX. 1331. a.b.

Veturius wird von den Samnitern eingeschlossen. I. VI. 765. a.b.

Vexoris / König in Egypten / streitet wider den Tamausis. I.V. 523. a.b.

Uhr wird eine schöne Griechin geheissen. I. IV. 406.b. wird von einer Braut aus ihres Bräutigams Asche gemacht. I.V. 656. a. sind von den Barden erfunden worden. II. V. 762. a.

Uhr-Ochsen sind feste fornen an der Stirne. I. II. 88.b.

Vierdte Zahl führt besondere Geheimnüsse bey sich. II. I. 203. b.

Vindobon wird vom Salomin / Könige in Scythien / belagert. I. II. 151. a.

Vipsania / des Tiberius Gemahlin / wird von ihm verlassen. I. IV. 406. a.

Virgilius / des Mecenas Gast. I.V. 693. b. seine mit eigener Hand geschriebene Getichte verehret Mecenas dem Horatius. I. VIII. 1222. a. wird an dem Begräbnüß des Augustus vorgestellt. II. VI. 950. b.

Viriaths Ursprung / wunderbahre Aufferziehung und wider die Römer verrichtete Thaten. I. VI. 888. b. wird Hertzog in Lusitanien. I. VI. 890. a. wird vor einen Fürsten durch ein gewisses Mahl erkennet. I. VI. 891. a. wird meuchelmörderisch erstochen. I. VI. 893. b.

Viridomar / Hertzog der Hermundurer / erlegt die Römer. I. VI. 814. b. fordert den Marcellus zum Zweykampff aus. I. VI. 815. a. kömmt in einem Zweykampff umb. I. VI. 815. b.

Ulsing wird Feldherr. I. II. 114. b.

Ulysses ob er in Deutschland gewesen? I. II. 129. a. II. II. 262. b. wird in einem Schauspiele vorgestellet. II. III. 495. a.

Umbrier wider die Römer. I. VI. 766. b.

Unähnligkeit Ursache der Uneinigkeit. I.V. 518. b.

Unbeständigkeit hat die schönste Anmuth / und ist guten Gemüthern anständig. II. I. 128. a. Gespräch der Agrippina und des deutschen Frauenzimmers von der Unbeständigkeit des Glücks. II. VI. 1046. a. seq. siehe Veränderung.

Undanck ist bey den Parthen verhasst. II. VII. 1121. b.

Undanckbare werden an etlichen Orten gestraffet. II. VIII. 1327. b.

Unedele sind von Würden und Priesterthum nicht auszuschliessen. II. I. 177. a.b. sind von der Weißheit nicht auszuschliessen. II. I. 180. a.b. seq.

Unchliche ob sie deßwegen von der Nachfolge auszuschliessen oder nicht? II. VII. 1270. a.b. seq.

Unfruchtbar zu machen / was es für ein Laster. II. IV. 610. seq.

Unfruchtbarkeit wird in einem Bilde vorgestellt. I. VIII. 1181. b. macht Fürsten verächtlich. I. VIII. 1185. b. ist bey denen Deutschen eine Schande. II. IV. 609. a b.

Unglück macht glückselig. II. V. 759. a. ist etlichen Geschlechtern erblich. I. III. 226. a.

Unglückseligkeit bey der Tugend. I.V. 539. a.b.I. VIII. 1191. a. ist gemein. I. IV. 438. b. dienet oft zur Glückseligkeit. I. IV. 439. b.

Unglückszeichen werden von etlichen in Wind geschlagen. II. II. 376. b.

Unglücksvögel geben glückliche Zeichen ab. II. II. 376. b.

Unordnung unter Sternen / auff der Erden / in dem Meere und sonsten angenehm. II. III. 400. a.b.

Unschamhaftigkeit wird verehret. I. III. 303. a.I.V. 527. b.

Unschuld hat sich für nichts zufürchtẽ. II. VII. 1111. a. seq.

Unschuldige köñen von Fürsten nicht gestraffet werden. II. IV. 714. a. seq.

Unsterbligkeit verlanget die Seele. I. II. 139. b. siehe Seele.

Unterthanen ob sie durch Uberfluß oder Schatzung im Zaume zu halten. I. VII. 1056. a.b. eines Fürsten ob sie von einem andern Fürsten in Schutz zu nehmen sind. II. VII. 1299. b. seq.

Unverträglichkeit gewisser Dinge gegen einander. II. V. 528. a.

Unverzagt ein deutscher Ritter. I. VI. 780. a.

Unwissenheit wird von vielen geliebet. II. I. 180. b.

Unzucht eingeführet zu Ehren der Anaitis. I. III. 300. a. ist eine Brut der Höllen. I. IX. 1337. a.b. wird gelobet und vertheidiget. I. III. 303. a.

Vocione des Ariovists Tochter überhebt ihn in seiner Herrschafft. I. VII. 1107. b. macht mit dem Marbod ein Bündnüß. I. VII. 1135. a.b. ihre löbliche Herrschafft. II. V. 916. a.

Vogel wächset von einer Blume. I.V. 551. a. und I.V. 608. b. reden / lachen und weinen. I.V. 607. a.I.V. 609. b. Glücks-Vogel bey den Serern. I.V. 633. a. Vögel lernen singen. II. VIII. 1365. b. Unglücks- Vögel geben Zeichen des Sieges. II. II. 377. a. ob sie zukünfftige Dinge weissagen können. I. VI. 744. a.b. II. VII. 1263. a.

Vogelstreit wird entschieden. II. VII. 1226. a.b.

Volck / so klein ist / und zwischen großen Fürsten inne liegt / was es für einen Herrn zu erwehlen. II. VII. 1293. a. wie weit es sich seinem Fürsten entgegen setzen könne. II. VII. 1295. b. seq. Völcker Eigenschafften sind unterschiedlich. II. V. 779. a.b. haben gewisse Merckmahle. II. V. 800. a.

Vollheit gewisser Völcker woher sie entstehe. II. II. 294. b. siehe Trunckenheit.

Vollmond bey den Deutschen glücklich. II. V. 829. a. seq.

Vologeses ein Armenischer Fürst. I. III. 243. b. sein Eheweib. I. III. 245. a. des Bacchus Priester behauptet durch Aberglauben das Thracische Reich.II. I. 75. a. seq.

Vonones wird Geißel zu Rom. II. VII. 1118. a. wird König in Parthien. II. VII. 1122. b. wird durch seine Tugenden bey den Parthen verhasst. II. VII. 1124. b. muß aus seinem Reiche weichen. II. VII. 1125. a.b. wird gefangen in Syrien geführet. ib. kommt um. II. IX. 1634. a.b.

Voranzeigungen in dem Römischen Läger. II. VI. 1060. b. seq.

Vorsehung Gottes machet keinen Nothzwang. I. III. 298. a.

Vorsorge Gottes über alle Geschöpffe. I. IX. 1328. a.

Vorwand des Krieges von den wahren Ursachen zu unterscheiden. I. III. 209. b.

Uppigkeit zu Rom. I. II. 209. b. siehe Verschwendung.

Upsal hält das neunjährige Feyer. II. V. 875. a.

Ursachen des Krieges von dessen Verwande zu entscheiden. I. III. 209. b. sind nicht allezeit zu entdecken. I. III. 210. b.

Ursprung / zu demselben werden alle Dinge beweget. II. IV. 630. b.

Urtheile sonderlicher Art in Gemählden vorgestellt. II. V. 817. b.


W.


Wachholderbaums Gebrauch und Vorzug. II. II. 323.a.

Waffen / wie weit sie von den Weibern zu tragen sind. I. III. 198. b. ob sie mit der Weißheit köñen verknüpffet seyn. I.V. 612. b. den Göttern gewiedmet. II. VII. 1215. a.

Waffen-Heilung. I. IV. 473. a.b.

Waffen-Salbe Beschaffenheit. II. III. 480. b.

Wahl eines Fürsten / wie sie beschaffen seyn soll. II. VII. 1279. a.

Wahl-Königreichs besondere Kranckheit. I. VII. 1092. b.

Wahlstadt des Varus kläglicher Anblick. II. VI. 1057. a.

Waldau / Hertzog der Bataver / richtet Handels-Ge sellschafften an. I. IV. 363. b.

Wallfisch strandet in der Elbe. II. VII. 1307. a.

Wallpurgis / eine Deutsche Fürstin / wird vom Varus an ihrer Keuschheit angefochten / und springet in einen Fluß. I.I. 13. a. wird begraben. I.I. 11. b.

Wald-Götter entführen die Erato von einem Jäger- Hause. II. IV. 566. a. wie es damit zugegangen. II. IX. 1605. a.b. seq.

Wanderung der Seelen lehren die Egyptier. I.V. 666.b. siehe Seele.

Wanderung der Völcker mehr schmertzhafft als grausam. I. VII. 1062. b.

Wapen der Cheruskischen Hertzoge. I.I. 31. b. siehe Pferd.

Warheit ob sie allezeit in acht zu nehmen sey. I. VI. 871. a.b. Warheit soll der kindlichen Liebe überlegen seyn. II. VII. 1178. b. wird von der Unwissenheit des Pövels umsonst verfolgt. II. VIII. 1388. b. Warheits Erforschung. II. II. 66. a. soll nicht versehret werden. II. II. 277. a. Warheit wie sie in Deutschland von den Druiden und dem Frauenzimmer bestätiget werde. II. III. 546. b. wie sie sonst erforschet werde. II. III. 547. a. ist eine schöne und verschämte Tochter. II. VIII. 1365. a.

Wahrsager Betrug wird entdecket. II. VIII. 1389. a.

Wahrsagerin sagt der Sentien wahr. I. VIII. 1268. a.

Wahrsagerey auf was Grunde solche bestehe. I. IX. 1352. a. von Fürsten geheget. I. III. 233. b. aus denen Sternen trifft ein. I. III. 270. a.

Wahrsager-Geister verstummen. I.V. 714. b.

Wahrsagung von dem Verhängnüß eingetroffẽ. II. VII. 1288. a. ertichtet vom Adgandestern. II. VIII. 1363. a. Wahrsagungen sind ungewiß und versteckt. II. VIII. 1364. a.b. sind Betrügereyen. II. VIII. 1366. a.b. Wahrsagung in einem Ringe. I. VIII. 1284. a. siehe Weissagung.

Waschen zur Einweihung gehörig. II. I. 194. b.

Wasser macht voll. I.V. 578. a. allerley Wasser von sonderbahrer Art und Würckung. I.V. 582. a.b. wird von vielen Völckern getruncken. I.V. 583.a.b. ob eines schwerer sey als das andere. I.V. 584. a. Wassers Lobgesang. II. VIII. 1425. a. Wasser stellet in Sinnbildern die Liebe vor. I. VIII. 1178.a. der Unfruchtbarkeit. II. IV. 610. b. seq.

Wasser-Treter gehen weit unter dem Wasser. II. V. 889. a.

Wartburgis eine Zauberin unterrichtet den Malovend in dem Geheimnüß der Wahrsager-Kunst / und zaubert auff abscheuliche Art. II. VII. 1153. a.b. und 1157. a. erzehlet ihren Lebens-Lauff / und ihrer Sentien zur Liebe in Deutschland und zu Rom verübte Zauberey. II. VII. 1150. b. seq. wird von dem Rath zu Rom verhöret und verdammt / und kö t davon. II. VII. 1154. a. kriegt endlich ihren Lohn. II. VIII. 1464. a.

Webekunst Werth und Vaterland. II. I. 185. a.b. II. I. 189. a.

Weber bemühet sich umb eine schöne Jungfrau. I. VII. 1228. a.

Weichsel empfähet den König Marbod. II. V. 860. a.

Weib erscheint dem Drusus. I. IV. 412. b. Liebreitzendes und Ehr- süchtiges / was sie vor eine Stärcke habe. I. VIII. 1245. b. warumb sie mehr zu Thränen geneigt seyn / als Männer. I. III. 326. a.b. können herrliche Dinge thun. I. III. 198. b.I. III. 200. b. sind auch zu herrschen geschickt. I. III. 229. a.I. III. 294. b. Schmach-Rede auff sie. I. III. 307. b. ob sie der Weißheit fähig sind. I. IX. 1342. a. der Serischen Könige / dürffen kein Mahl an sich haben. II. I. 92. a. rechten bey den Thraciern / welche sich mit ihrem Manne ins Grab verscharren soll. I.V. 654. a. ob sie ihre Männer überleben sollen. I.V. 655. a. so göttlich verehret worden. I. III. 342. b. sind verhinderlich an grossen Thaten und Glück. I. IV. 397. a.b. ihre Herrschafft glücklich. II. VII. 1265. a. ist zu verwerffen. II. VII. 1266. a. ob sie mit in die Schlacht zu nehmen. II. VII. 1193. b.

Weibes-Bild von der Natur auff einem Berge gebildet. I.V. 625. a.b.

Weibliche Geschlecht liebet stärcker / als das männliche II. IV. 703. a. II. V. 922. a. dessen Gemüther sind unergründlich. I. VII. 1039. a. Regungen / Tugenden und Laster. II. I. 79. a.b. hat Rauch und Licht bey sich. I. VIII. 1287. b. dessen grössere Stärcke Schmertzen auszustehn. II. IV. 426. a. kan die Liebe nicht verringern. II. V. 735. b. ihre Antlitzer helffen zur Erkäntnüß Gottes. II. V. 736. a.

Wein wird heraus gestrichen. I.V. 579. a. II. 2. 292.a. ob er ein dienliches Geträncke sey? I.V. 579. b. wird etlichen zu trincken verbothen. ibid. wird in Deutschland gebracht. I.V. 582. b. ein Teich mit Weine gefüllet. I.V. 581. b. in welchem Lande der beste Wein wachse? II. II. 343. b. seq. aus allerhand Früchten zubereitet. II. II. 345. a. seq. Weins Nutz und Schädligkeit. II. II. 292. b. etlicher Weine sonderbahrer Geruch. II. II. 297. a. Wein- und Wasser-Vermischung ob sie zu tadeln oder nicht? II. II. 299. a. wie sie geschehe. II. 300. b. alte Weine. II. II. 301. a. Wein ist ein Spiegel des menschlichen Gemüths bey den Deutschen. II. VI. 1007. b. siehe Rhein-Wein.

Weinen giebt einen merckwürdigen Unterscheid der Menschen von den Thieren. I. IV. 438. b. siehe Thränen.

Weinreben zum ersten in Deutschland gebracht. I. IV. 531. b. geben ein Sinnbild der Fruchtbarkeit ab. II. I. 176. a.

Weinstöcke von besonderer Grösse. I. VII. 1146. b. werden von dem Germanicus ausgerottet. II. VI. 1083. b. seq. Weinstock träget unter den Bäumen den Vorzug darvon. II. II. 343. b. II. II. 347. a.

Weirauch / siehe Weyrauch.

Weissagungen werden gemißbrauchet. I. III. 263. a.

Weissagung des Tanfanischẽ Altars von dieses Heiligthums Untergang. II. IV. 596. b. Weissagung von der Langobarden Reich. II. VII. 1274. a. auf einer Linde gefunden / vom Untergang des Marckmännischen Reichs. II. VII. 1287. b. von dem gebohrnen GOtt der Jüden. II. VI. 975. b. an einer Eiche wider die Druiden. II. II. 265. a. Weissagung des Apollo vom Untergang des Germanicus. II. IX. 1625. a. Gedancken hiervon. II. IX. 1635. a.b. Weissagung der Asblaste ihrem Sohn Herrmann gegeben von ihm und seiner Thusnelde. II. IX. 1541. b. der kleinen Velleda / daß sie eine Göttin werden soll. II. IX. 1603. a. der Asblaste an die Thußnelde. II. IX. 1624. a.b. siehe Warsagung.

Weisse Farbe ist die schönste. I. VI. 761. b. wird herausgestrichen und gescholten. I. IV. 468. b. wird gelobet. I. IX. 1393. b. Ob weiße oder schwartze Farbe mehr zur Schönheit dienlich sey. II. VI. 1028. a.b.

Weiße Kleider bey den Griechen ein Bild der Freyheit. II. III. 441. b.

Weißer ist dem Berg Caucasus gleich. I.V. 565. a. siehe Weltweise.

Weißheit ob sie verzärtele oder tapffer mache / und ob sie bey den Waffen stehen könne. I.V. 612. b. II. II. 261. a.b. von Göttlichen Dingen ist versteckt. I. IX. 1351. b. seq. ist Männern und Weibern gemein. I. IX. 1341. a.b. kan bey Gemächlichkeit stehn. I. IX. 1344. a. ist so wohl Edlen als Unedlen anständig. II. I. 177. b. II. I. 180. a. ist bey den Fürsten Gold. ibid. ist das höchste Gut des Socrates. II. II. 275. a. kömmt in Griechenland empor. II. V. 745. a.b. wie sie sonst fortgepflantzet werde. II. V. 746. a. der Deutschen unterschieden von der Griechen ihre. II. V. 747. b. siehe Weltweißheit.

Weissen Stein. I. II. 176. a.

Weitzen-Stengel in Mauritanien sein Nutz und Gebrauch. II. II. 336. a.

Welt Alter. I. III. 264. b. Welt ob sie ein Thier sey? I.V. 575. a. ob mehr als eine Welt sey. I.V. 575.a.b. Welt-Gestelle ist unterschiedlich. I.V. 575. b. ob die Welt stille stehe oder beweget werde? I.V. 576. a. Welt ist eine Harffe mit sieben Säiten. II. I. 219. a.b. ob sie nur einen Herrscher haben könne? II. VII. 1172. b. Neue Welt wer sie erfunden?siehe Atlantische-Eyland.

Weltkugel in siebẽ Landstriche eingetheilt. I. IV. 433. a.

Weltweise so Schmeichler. I. IV. 456. a. sind dem Hasse und Neide unterworffen. II. II. 262. a. was sie für Laster haben. II. VII. 1154. a.b. siehe Weiser.

Weltweißheit wahrer Zweck. I. VIII. 1214. a. siehe Weißheit.

Werffel-spielen ist vom August beliebet worden. I. II. 86. b.

Werners Verrätherey. II. V. 829. a.

Westwind wird vorgestellet. I. IX. 1377. a.

Wette-lauffen wie und wo es aufgebracht worden. I. VIII. 1197. a.

Weyrauchs Ursprung. I. VI. 793. a.

Weyrauchs Köstlichkeit / Nutzbarkeit und rechtes Vaterland. II. II. 308. a.b.

Wieder des Dädalus der Venus gegossen. I. VI. 792.a. Wieder wird von Deutschen geopffert; von andern verehret. II. I. 198. a. II. I. 199. b.

Widersprechen soll kein Kluger dem andern. I. VI. 820. b.

Wiege des Zenons wird beschrieben. II. IX. 1625.a.b.

Wiesels Eigenschafft wird untersucht. I. VIII. 1124.b.

Wille des Menschen ist frey. I. III. 296. b.

Wille des Menschen ist blind. II. I. 66. b.

Wille des Menschen ob er den Sternen unterworffen. I. III. 265. a.

Wind gekaufft. II. VII. 1232. b. mit einem Tempel verehret. I.V. 658. a.

Windeln des Zenons. II. IX. 1612. a.b.

Winter vorgestellet. I. IX. 1382. b. II. I. 183. a.

Wirthschafft ausgerichtet. II. IX. 1641. a.

Wodam Batavischer Fürst führt die Kauffmannschafft ein. I. IV. 346. a.

Wodan Gott der Deutschen. I.I. 69. b.

Wolthaten / so nicht zu vergelten / bringen einen in Haß. I. VIII. 1245. a.I. VIII. 1282. a.

Wohlthaten sind danckbarlich zu erkeñen. II. 1327.a.b.

Wohlthätigkeit hat den Hercules unter die Sterne versetzet. I. IV. 352. b.

Wolff-Wurtzel will Königin unter den Blumen seyn. I. IX. 1391. a.

Wolle schären. II. I. 198. a.b.

Wollust verderbt die Helden / ein Krieges-Heer. I. VI. 837. a. was sie anrichte. I. IV. 402. a. wird herausgestrichen. I. IV. 455. b. ist des Epicurus höchstes Gut. I.V. 618. a. mit der Wollust soll man Scythisch fechten. I. VIII. 1216. b. wird mit den Fliegen verglichen. I. VIII. 1225. a. von denen Citronen vorgebildet. II. II. 343. b. streitet mit Ehrsucht / Geitz und der Vernunfft um den Vorzug. II. IV. 572. a. wird in einem Schauspiele vorgestellet. II. VIII. 1428. b. seq. siehe Uppigkeit.

Wort / Gottes Sohn / von einem Druis ausgeführet. II. III. 534. b. II. III. 535. a.

Wothan Gott des Krieges bey den Deutschen. II. V. 877. b.

Wunde geheilet ohne Pflaster mit einem Staube. I. IV. 473. a.b.

Wunderzeichen für Augustus Tode. II. V. 931. a. seq.

Würcken Werth / Nutzbarkeit und Kunst. II. I. 186.a.

Würffel von vornehmen Leuten beliebt. I. II. 86. b.

Würmer werden gegessen. I.V. 578. b.

Würtze aus Morgenland ist den Deutschen nicht gesund. I. II. 106. b. II. V. 776. a.b.


X.


Xantippus / Feldherr der Carthaginenser / wird ins Wasser gestürtzt. I. VI. 779. a.

Xaochavus / König der Seren. I.V. 595. a.

Xerxes thut einen Zug in Griechenland aus einer besondern Ursache. I. III. 210. a.

Ximungi / König der Seren / erfindet den Ackerbau. I.V. 595. a.

Xius König der Seren. I.V. 600. b. Urheber des Tschinischen Stammes. I.V. 1601. a. lässet alle Bücher verbrennen. ibid.

Xunus löblicher König der Seren. I.V. 596. a.


Y.

Yaus / löblicher König der Seren / ist ein Erfinder vielerley nützlicher Sachen. I.V. 595. b.
Yoniu ein Wunderberg in Tschina. I.V. 625. b.

Z.

Zackenbach hat nahe bey sich Gesundheits-Brunnen. I. VII. 1124. a.

Zagheit wird gestrafft. I.I. 70. b.

Zahlen Heimligkeiten. II. I. 203. a.b. Zahlen heimliche Krafft. II. III. 404. b.

Zähne werden ins Grab geworffen. I.V. 634. a.b. Kinder / die keine Zähne haben / werden bey den Marsinger und Römern nicht verbrannt. II. V. 815. b.

Zamolxis besondere Meinung. I. II. 106. a. ist der Thracier Halb-Gott. I. IV. 460. a.

Zarina / eine tapffere Amazonin. I.V. 525. b.

Zarmar / ein Indianischer Brahman / verwirfft die Vielheit der Götzen. I. IV. 346. a. erzehlet dem Zeno die Beschaffenheit und Lehren der Brahmanen und Weisen der Indianer. I.V. 658. b. verehret den unbekanten Gott. I.V. 690. b. lobet und vertheidiget den Socrates. I.V. 708. b. erweiset / daß nur ein Gott sey. I.V. 709. b. verbrennet sich deßwegen selbst zu Athen an seinem Geburths-Tage. I.V. 712. b. seq. seine Asche wird heilig verwahret. I.V. 715. a.

Zauberer verursachet Ungewitter. I. VII. 1115. a.

Zauberey der alten Weisen. I.V. 661. a.b. eines Weibes wider die Deutschen. I. VI. 758. a.b. der Druiden in Deutschland. I. VII. 974. b. eines Weibes. I. VIII. 1268. b. was sie würcken könne. I. IX. 1337. b. Zauberey mit der Königin Erato vorgenommen. I. IX. 1605. a.b.

Zauberin verleitet zu Ehebruche. I. IX. 1336. b. ihre Warsagung für die Sentien. II. IX. 1521. a. siehe Wartburgis.

Zeichen des Himmels werden auff einer Mahlzeit vorgestellet. II. III. 433. a.

Zeit / wie sie zu gebrauchen. I. VIII. 1308. b. ist eine Meisterin aller Dinge. I. VIII. 1173. a. in einem Schauspiele vorgestellet. II. III. 485. a.b. bey dem Begräbnüß des Käysers Augustus vorgestellet. II. III. 954. a. Zeit-Abmessung zu Rom und anderswo. II. V. 761. b.

Zeitlose wil Blumen-Königin seyn. I. IX. 1391. b.

Zeitungen / so böse / sollen von Staats-Dienern den Fürsten nicht verschwiegen werden. II. VII. 1291.a.

Zela / König in Bithynien / wird von den Deutschen in Stücken zerhauen. I. VI. 785. b.

Zelte nach Art der sieben Irr-Sterne eingetheilet. I. IX. 1362. a.

Zeno / ein Armenischer Fürst / streitet wider die Deutschen. I.I. 36. a. seq. wird durch die Aurinia vom Tode befreyet. I.I. 80. b.

Zeno / Fürst in Pontus / sonst Arsinde genannt / verliebt sich in Erato. I. III. 260. b.I. III. 272. a. verspricht sich ihr. I. III. 274. a. kommen beyde unvermuthet zusammen. I. III. 323. a.b. muß sich von den Räubern entführen lassen. I. IV. 441. a. wird zum Fürsten Deutschlandes erklärt. I. IV. 442. a. wird von einem Medischen Edelmaine aus Unwissenheit entführet. I.V. 508. b. aber zurücke gebracht / und soll dein Ariobarzanes vermählt werden; wil aber nicht. I.V. 510. a.b. ihn wil seyn Vater Polemon erstossen; wird aber erretett. I.V. 513. a.b. muß Sinope räumen. I.V. 529. a. hält einen Schiffstreit. I.V. 520. b. wird von Oropastes geliebet. I.V. 541. a. flüchtet ins Taurische-Gebürge. I.V. 550. b. wird genöthiget in den Scythischen Krieg zu gehn. I.V. 592. a. besieht einen berühmten Tempel. I.V. 550. a.I.V. 586. a. streitet tapffer unter Huhansien wider die Seren. I.V. 623. a. wird von einem Elephanten zu einem Gefangenen der Uberwundenen gemachet. I.V. 651. a. ko t mit Zarmarn / einem Brahmanen / von ihrer Weißheit in ein Gesprach. I.V. 658. b. besieht Griechenland. I.V. 684. a.I.V. 715. b. seq. wird eyfer süchtig wegen seiner Erato und wil sich umbbringen. II. I. 131. b. fordert den Fiavius in einen Zweykampff aus und ist darinnen unglücklich. II. III. 448. a.b. wil sterben und begiebt sich der Erato. II. III. 462.b. seq. muß aus Deutschland weichen. II. III. 523.b. läßt die Erato entführen. II. IX. 1615. a. ko t mit ihr zu Sinope an. II. IX. 1607. b. wird von der Pithodoris vor die Arsinoe ausgegeben. II. IX. 1609. b. wird vor den jungen König Artaxias erkannt. II. IX. 1612. a.b. wird König in Armenien. II. IX. 1614. a.b.

Zeno irret was die Wollust betrifft. I. VIII. 1214. a. sein Grabmahl zu Athen. I.V. 707. a. seine Meynung von den Gemüths-Regungen. I. IX. 1347.a.b. sein Spruch. II. IX. 1497. b.

Zepter sind Merckmahle der Herrschafft. I. IX. 1387.b. Sinnbilder der Persischen Könige. II. IV. 723. b.

Zeuxes mahlt ein Hippocentaur. II. I. 152. b. mahlt alle Leute grösser als sie seyn. II. IX. 754. a. sein Bildnüß und Gemählde wird unbedachtsam von dem Pöfel getadelt. II. IX. 1541. b.

Ziegen-Insul in Italien. I. VIII. 1193. a.

Ziffern sonderliche Krafft. II. III. 404. b.

Zimmet-Baums Nutzbarkeit / Vorzug. II. II. 333. b.

Zlnober wird zu Rom unter Artzney gemischt. I. II. 106. b.

Zipetes stifftet wider seinen Bruder einen Krieg in Bithynien an. I. VI. 785. b.

Zirolane / siehe Clotildis.

Zirolane stellt die Pasiphaen vor. I. IX. 140. a.b. verliebet sich in den Rhemetalces. II. I. 127. a. krieget ihren Vater zu erkennen. II. V. 792. a.b. wil sich umbringen. II. V. 795. b. wird gebohren. II. V. 802. b. ihr Gespräch mit dem Ariovist von seiner Liebe gegen ihr. II. V. 921. a. wird gefangen zu den Römern gebracht. II. VI. 1035. a. wil sich von Siegemunden nicht besänfftigen lassen. II. VII. 1108. b. seq. nimmt den Rhemetalces wieder zu Gnaden an. II. V. 1495. a. fliehte von Rom. II. IX. 1520. a.

Zircul stellet Gott für. I.V. 661. b.

Zitronen-Baums Frucht / Nutzbarkeit und Vorzug. II. II. 341. a.b.

Zorn des Feldherrn. II. VI. 1039. b.

Zorns Eigenschafft. II. VII. 1262. a. II. VII. 1263. b.

Zoroasters Lehre von der Drey-Einigkeit Gottes. II. III. 573. a.

Zuckerschilffs Nutzen und Vorzug. II. II. 340. b.

Zufälle / so sonderbahr / hat ein Feldherr zu seinem Vortheil zu gebrauchen. I. VI. 735. b. Zufalls gebrauchet sich Germanicus klüglich. II. VII. 1198.a.

Zusammenstimmung der Elementen und anderer Dinge. II. I. 220. a.b. der Menschen mit der großen Welt. II. I. 223. a.b.

Zweiffel ob er zur Erfindung der Warheit diene. II. II. 266. a.b. II. II. 269. a.

Zweykampff der Thußnelda mit der Königin Erato. I.I. 32. a. seq. Ismenens mit dem Armenischen Fürsten Zeno. I.I. 35. a. der Semnoner und Römer. I. VI. 655. a. eines Deutschen mit einem Römer. I. VI. 759. a. des Viridomars mit Clodomirn. I. VI. 815. b. für Ismenen. II. III. 552. a. des Segesthes mit dem Fürsten Bojocal. II. IX. 1548. a. von dem Marius mit spitzigen Worten ausgeschlagen. I. VI. 910. a.b. stehet Fürsten nicht an. I. VI. 816. a. Mittel die Warheit zu erforschen bey den Deutschen. II. III. 547. a. wird verdammet und gebilliget. ibid. seq.

Zwistigkeiten der Druiden / Barden und Eubagen wie sie zu heben. II. II. 276. b.

Absonderliche Anmerckungen über den andern Theil
Absonderliche Anmerckungen über den andern Theil.

p. 1642. b.l. 30. Selenus.) Gustavus Selenus. Denn so nennt sich der gelehrte Braunschweig- und Lüneburgische Hertzog / Augustus / dessen Werck vom Schachspiel in Folio zu Leiptzig in Verlegung Henning Grossens mit vielen Kupffern heraus gegeben worden. Sonst ist zu mercken / daß jedwedes Spiel im Schach entweder auff eine Robada, oderTavola, oder Scacco matto hinauslauffe; dannenhero auch aus diesen drey Arten die drey Abhandlungen des Ballets im Arminius bestehn. Die erste zielt auff den Marbod / der Thusnelden entführen wolte; (I. Theil. I. IV.) aber aller seiner Leute beraubet wurde und unverrichteter Sache abziehn muste. Die andere auff den Orodes / welcher mit Frieden / oder gleichem Gewinst und Verlust davon kömmt. (II. Theil IX. Buch.) Die dritte auff den Quintilius Varus / der das Feld und Leben verlohren. (I. Theil I. Buch) Ubrigens / wem bekañt ist / daß man zu Paris vor zehen Jahren ein Piquetballet getantzt habe / da die Personen eben so gekleidet waren / wie sie in denen Frantzösischen Charten gemahlet werden / und durch ihre unterschiedene Stellungen bald tertien / quarten / quinten / sexten / septimen / octaven / item gedrittes und gevierdtes / und dergleichen vorbildeten / der wird sich leichtlich die Rechnung machen / daß es nicht schwer sey / alle Züge des Schachspiels auff gleiche Manier vorzustellen.


p. 1645. l. 19. Flavius / König der Cherusker.) Die Ursachen / warumb Flavius Cheruskischer König wird / sind vielleicht diese: Erato ist seine Gemahlin. (Armin. II. Theil p. 216. b.l. 6.) Diese muß wieder Königin werden. (I.p. 318. b.l. 5.) Das kan nicht füglicher geschehn / als im Cherusker-Lande / als wozu Flavius / nächst dem Arminius / das meiste Recht hat. Uberdieß so ist dessen Sohn Italus (besage Taciti annal. I. XI. c. XVI.) zu eben dieser Würde gelangt / nicht aber Thumelich / oder der jüngere Herrmann. Es haben auch nach der Zeit die Cherusker alles Ansehn unter den Deutschen verlohren / wie Tacitus de morib. German. bezeugt; dahingegen die Marckmänner in grosser Hochachtung bey Freund- und Feinden geblieben sind. Weil nun die Gesetze eines Helden-Gedichts den Verfasser genöthiget haben / Herrmannen wieder lebendig zu machen / seit dem er durch die Untreu seiner Erb-Lande in solches Unglück gerathen / daß alle Welt (nach dem Zeugnüß Taciti Annal. II. c. ult.) ihn vor todt gehalten; als ists wohlgethan gewesen / ihn mit guter Art von denen Cheruskern abzusondern / also zwar / daß er bey Verlust dieses Reichs Feldherr bleibt / an seinen Beleidigern theils durch Verschmähung ihrer Cron / theils durch Auffdringung des bey ihnen verachteten Flavius / sich großmüthig rächet / ingleichen erweiset / er könne (so wohl als Tiberius) Könige einsetzen / endlich gegen seinen Bruder / wegen Errettung Thusneldens / seine Danckbarkeit sehn läßt / und solcher gestalt allenthalben bekräfftigt / daß er sey le Heros de la fable, oder die Haupt-Person im Spiel zu heissen.


ENDE.

Abbildungen

  • Titelkupfer

  • Titelkupfer Band 1.

  • Band 1, Seite 81.

  • Band 1, Seite 186.

  • Band 1, Seite 327.

  • Band 1, Seite 497.

  • Band 1, Seite 716.

  • Band 1, Seite 959.

  • Band 1, Seite 1164.

  • Band 1, Seite 1319.

  • Titelkupfer

  • Titelkupfer Band 2.

  • Band 2, Seite 228.

  • Band 2, Seite 391.

  • Band 2, Seite 562.

  • Band 2, Seite 731.

  • Band 2, Seite 935.

  • Band 2, Seite 1086.

  • Band 2, Seite 1308.

  • Band 2, Seite 1467.
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TextGrid Repository (2012). Lohenstein, Daniel Casper von. Roman. Großmütiger Feldherr Arminius. Großmütiger Feldherr Arminius. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-1D76-7